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Full text of "Zeitschrift für die deutsch-österreichischen Gymnasien"

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ZEITSCHRIFT 

fOr  die 
ÖSTERREICHISCHEN 

GVMNASIEN 


VERANTWORTLICHE  REDAKTEURE 

J.  HUEMER,  E.  HAÜLER.  H.  v.  ARNIM. 


NEUNUNDFÜNFZIGSTER   JAHRGANG. 


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WIEN. 

ERLAG  VON  KARL  GEROLDS  SOHN 
1 ,  BARBARAGASSE  a. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR  DIE 
ÖSTERREICHISCHEN 

GYMNASIEN 


VERANTWORTLICHE  REDAKTEURE 

J.  HUEMER,  E.  HAÜLER,  H.  v.  ARNIM. 


NEUNUNDFÖNFZIGSTER  JAHRGANG. 


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WIEN. 

VERLAG  VON  KARL  GEROLDS  SOHN 
I.,  BARBARAGASSE  a. 


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Inhalt  des  neunundfünfzigsten  Jahrganges 

der 

JLeliBehxitl  fCir  die  österr.  Gymnasien^. 

(1908.) 


Ente  Abteilmig. 

Abhandlmigen, 

WineUmanns  KnnsUheorio  in  Ooetbea  Fortbildang.  Von  £.  G»8tU  1 

HoMta  pwra.  Von  M.  Nistler  17 

Wm  ist  NeoMit?  Von  0.  Janker  97 
Zar  Thaoiie  der  Flachen  zweiter  Ordnnng,  welche  dnrch  ein  Polar- 

tetnfider  nnd  den  MittelpnnVt  gegeben  sind.YonDr.  Zahradnik  105 

Kritiaehe  Beitrage  in  den  Anfingen  Ferdinande  I.  Von  Q.  Tnrba  19^ 

B.  H.  Brodces'  Bethlehemitiecher  landermord.  Ton  a  Battisti  289 

Johann  Gabriel  Seidl.  Von  A.  Gnbo  385 

Die  nenen  Brndietücko  der  Korinna.  Von  H.  Jnrenka  390 
Die  iogeiiannte  relative  Verecbränkang  nnd  Terwandte  Satsfügongen 

in  ihrem  Verh&ltniBee  lum  dentBchen  Satiban,  Von  K.  Kanet  397 

Kene  Wege  des  Sprachnnterrichta.    Von  L.  Wyplel  481 

Zorn  antiken  Bibbotheks-  nnd  Baohweeen«   Von  W«  Wein  borg  er  577 

Fhilolo|^8dies  ans Aagnstinns  und  Ambrosins.  Von  A. Engelbrecht  580 
Über  die  £ntwicklang  des  Utesten  griechischen  Alphabets.  Von  F« 

Wiedemann  673 

Zu  Charakteristik  Phokions.  Von  G.  Büger  679 
Studien  snr  christlich-lateinischen  Inschriitenpoesle.  Von  ۥ  Wey- 

mann  699 

Bin  Sites  Kollegienheft  Von  A.  Hnemer  706 

Zar  Odyssee  «  1—81.  Von  F.  Stürmer  865 
Über  den  Ursprang  nnd  das  Wesen  der  lyrischen  Dichtnng.  (Ein 

Vortrag.)  Von  B.  Findeis  961 
Zorn  Versban  Francesco  d'Ambras.  (Metrisches  nnd  Syntaktisches.) 

Von  A.  GaDner  966 
Nodi  einmal  sn  der  Verbindnog  'patria  etptiirmte$\  Von  A.  Kor- 

nitser  976 

Zn  Aristophanes.  Von  L.  Siegel  1057 
Zar  Frage  der  Definition  nnd  Entstehung  ton  Kompositis.  Von  H. 

W-Pollak  1059 

An  Fnns  Joeef  L  Zum  eojahrigen  Begiemngsjabil&nm  Sr.  Msjestät 
dss  Kaisers  am  2.  Desember  1908.  Gedicht  ton  K.  Ludwig 
in  Wien  961 


IV 


Seite 


Zweite  Abteilnni^. 

Literarische  Ameigen. 

Abbott  F.  F^  The  Acceot  in  Valsar  and  Pormal  Latin.  Beprinted 
from  Classial  Philology.  Vol.  II,  Nr.  4.  Oct  1907,  angex.  ton  J. 
Golling  98S 

AbeHnrThw,  Dm KiMangoolied  und  teine Litantar.  BineBildiö» 
^ai^ie  und  tief  Abhandlangen.  («Teatonia*.  Arbeiten  zur  ger- ' 
manischen  Philologie,  heraosg.  Ton  W.  ühl.  7.  Heft.)  Leipzig, 
Avenarias  1907,  angez.  yon  A.  Bernt  917 

Abicbt  K;.  Herodotoa  fQr. den  SehaLgebnooh  erklifft.  I>ntfcer  Bands 
Buch  y  ond  TL  4.*Terb.  ArmT  Leipzig  nnd  Berlin,  Teubner 
1907,  anffez.  ton  £.  Kaiinka  322 

Abrahams  H.  s.  Schreber  K. 

Ammon  G.  s.  Bichter  F. 

Annibaldi  C^  L*Agricola  e  la  Germania  di  Comelio  Tacito  nel 
ms.  Lat.  n.  8  della  biblioteca  del  conte  G.  Balleani  in  JesL 
Con  prefazione  del  N.  Fest a.  Citta  di  Castello  1907,  angez. 
Ton  L.  Pschor  418 

Apelt  O.y  Der  deatsche  AYifsatz  in  der  Prima  des  Gjmnasinms. 
Ein  historisch-kritischer  Versoch.  2.«  yerb.  Anfl.  Leipzig  nnd 
Berlin,  Tenbner  1907,  angez.  yon  A.  Uansenblas  990 

Arndt  P.«  Dentsohlauds  Stellung  in  dor  Weltgeschichte.  Aus,»Natar'- 
nnd  Geistesleben".  Leipzig,  Tenbner  1908,  angez.  tob  fi.  Imen- 
dörffer  1115 

Bahlsen  L.  s.  Bomeoqtue  IL-MüfalmA« 

—  —  s.  Fignier  L. 

Baldensperger  F.,  Btudes  d'histoife  littöraire.  Paris,  Haohette 
«ftCie.  1907,  angez.  ron  W.  A.  Hammer  605 

Balleani  G.  s.  Annibaldi  C. 

Bar  dt  C,  Die  Sermonen  des  Q.  Horatins  Flaocns,  deutsch.  3.^  Ter- 

mehrte  Anfl.  Berlin^  Weidmann  1907,  angez.  Ton  F.  Hanna       915 

-^  «^^  Bömische  Komödien.  Deutsch.  II.  Band.  Plautus:  DieGefan» 
getien.  Der  Bramarbaa.  Der  Schiffbruch^  Terentius:  Der  Selbst-  . 
•qnftler.  Berlin,  Weidmann  1907,  angez.  Ton  B.  Kauer  120 

Barone  M.)  Suiruso  dell'  aoristo  nel  m^  vijg  d9tU6c§mg  di  Iso- 
'crate  oon  nna  introdnzione  intorno  al  significato  fondamentale 
'•>dell*  aoristo  greco.    Roma,   Tipografia  della  r.  accademia  dei 
Limseil907,  aiges.  top  £.  Kaiinka  414 

Bartels  A.,   Handbuch  zur  Geschichte   der  deutschen  Literatur. 

Leipzig,  £.  ATenarius  1906,  angez.  tou  F.  Ingriseh  508 

Baumgarten  F.-Poland  F.- Wagner  R.,  Die  hellenische  Kultur 

dargestellt  2.,  stark  Termehrte  Auflage.  Mit  7  farbigen  Tafeln, 

'2  Karten  und  Aber  400  Abbildungen  im  Text  und  auf  zwei 

Döppeltafeln.  Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1908,  angea.  Ton 

K.  Prinz  902 

Batscb  K.  8.  Steinmetz  K. 

Bedk  J.  W.,  Horazstudien.  Haag,  M.  Nijhoff  1907,  angez.  Ton  J. 

Endt  e07 

Berg  £•  ■.  Cbwolson  0.  D. 

Bergmann  K.,  Die  sprachliche  Anschauung  und  Ausdrueksweise  - 
der  Franzosen.  Freiburg  (Baden),  J.  Bielefeld  1906,  angez.  tou 
F.  Wawra  994 

Bertanz  E.  s»  Wiehert  E. 

Biok  1,  Wiener  Palimpseste.  I.  Teil.  (159.  Band  der  Sitzungs- 
berichte der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien).  Mit 
6  Tafeln.   Wien,  Hdlder  1908,  angez.  Ton  Edm.  Hauler  1078 


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Bieber.  M^  Das  Dresdener  ßchanspielerreliaf.  Ein  Beiteagsar  Ge- 
schichte des  tra|g:!8chen  Kostihns  und  der  griechischim  KiiDst, 
Hit  1  Tafel  und  19  Abbildangen  im  Texte.  Bonn,  F.  Cohen  I$07, 
angei.  von  J.  Oehler  119 

blanchat  A*,  Jies  enoeintes  romaines  delaOasle.  £tade  sar  IVi- 
gine  d'on  grand  nombre  de  Tilles  fran^aisee.  Paris,  Leronx  1907, 
anges..  Ten  J.  Qebler  982 

Blennerhasset  Ob.,  Die  Jnogfraa  Ton  Orleans.  Hit  fftnf  Knnst- 
dmcken.  Bielefeld  and  Leipzig,  Velbagen&Klasing  1906,  anges. 
J.  Frank  6SS 

Bloch  L^  Bömische  Altertumskunde.  3.,  Terb.  Aufl.  Hit  8  YoIUmK 
dem.  (Sammliin^QOechenNr.i^)  Lttpiig,  Göschen  1906»  aOgfs, 
Ton  J.  Oehler  758 

BöckelO,,  Psychologie  der  Volksdichtnag.  Upiig,  TenbMr  1906, 

anges.  Yon  L.  Langer  764 

Boehme  O.,  Thnkjdides.  Fftr  den  Sehnl^ebtaneh  erklirt)  toH  der 
Tiertea  Andige  an  bearh.  von  8.  W i d « ann.  Sechstes Bäadehon : 
BnchVL  6«,  ginilich  mngearb.  Aai.  Leipiig  n«  Berlin, .  Tenbier 
1906,  angfs.  Yon  £.  Kaiinka  822 

Böttieher  G.  -  Kinsel  E.,  Denkmller  der  ftlterea  deutschen  Lii«- 
xatur.  III.  8.  Hartia  Luther.  Eine  Auswahl  aus  seinen  SchriJlea 
mit  EinleitangeB  und  Erläuterungen,  nebst  einem  giammatischett 
Anhange  Ton  R.  Neubauer.  2.  Teil.  3.  Aufl.  Halle a. 8.,  Waisen- 
haos  1907.  IV.  1.  Die  lifterator  des  XYIL  Jahrhundorfs.  Aus- 
gswfthlt  und  erlintert  Ton  G.  Böttieher.  &,  Terb.  Anlage. 
Daselbst  1907,  anges.  Ton  B.  F.  Arnold  612 

Bois%eq  EL,  DictionnairetfUmologiquede  U  langne  Gtecoue  4tndide 
dana  ses  impports  stco  les  auties  langnes  Indoeuropeennes  !«• 
liTraisoo.  Heidelberg-Paris,  G.  Winter,  Librairie  C  JOiackneek 
1907,.  angei.  Ton  F*  Stolz,  416 

Boock  J.,  Anschauuntre*  nnd  Gedächtnishilfen  zur  Kfiegsgeschichte. 

4  Hefte.  Berlin,  F.  Stahn,  anges.  Ton  Ch«  Wurf  1  443 

,  Zeichenscbule  fOr  den  Unterri<^t  in  der  Erdkunde.  Berlin, 

F.  Stahn,  anges.  Ton  B.  Imendörffer  .629 

Bornecqae  H.  *  Htthlan  A.,  Les  ProTanees  Fnuraaises:  Moors, 
fiabitudes,  Yie  (56.  Bändchen  der  L  AbteiL  der  »SehulbiblioUiek 
ftaai.  und  engl  Prosaachriftea*,  herausgeg.  tob  L.  Bahlsen 
und  J.Hengesbaeh).  Berlin,  Weidmann  1907,  anges»  tod  F. 
Wawra  185 

Brandl  A. -Keller  W.,  Jahrbuch  der  Deutschen  Shakespeare-Ge-  ^ 
selMiaft  im  Auftrage  des  Vorstandes  herausgegeben.  48.  Jahr- 
gang. Hit  Y  Bildern.  Beriin*8ch6nberg,  G.  Langenscbeidt  1907, 
;  angex.  Ton  J.  Ellinger  '  618 

Brandscheid  F.,  NoTum  Testamentum  Graece  et  Latine.  Textum 
Graecum  reeensuit,  Latinum  ex  Tulgata  Tersione  Glementina 
adiunxit,  brcTos  capitulornm  inscriptiones  et  locos  parallelos 
liberiores  addidit.  Tertia  editio  cridca  recognita.  Cum  appro- 
batione  Bot.  Archiep.  Friburgensis.  Pars  prior:  &TangeHa.  Pars 
altera?  Apostolicum.  Fribnrgi  Br.,  Herder  1906,  1907,  anges. 
Ton  F.  Weihrich  979 

Brandt  P.,  Oridii  Nasonis  Fasti,  Tristia,  Epp.  ex  Pento.  Fijr  den 
Sehulgebrauch  auswählt  und  mit  knappen  Eriäuternngen  Ver- 
sehen. Leipsig,  1906,  anges.  tou  H.  Jurenka  757 

Bseiter  Tb.  s.  Hanilii  H. 

Brunner  A.  s.  Zettel  K. 


VI 


BamftllerJ^  Die  Entwicklangstheorie  und  der  Mensch.  Mit  7  Ab- 
bildungen* HeranBgegeben  Ton  der  Gesellaehaft  fftr  Naturwissen- 
Schäften  and  Psychologie.  München,  Verlag  der  Zeitschrift  »Natnr 
nnd  Kultur*  1907,  angei.  Ton  M.HoerneB  157 

Busse  L.»  Die  Weltanschauungen  der  großen  Philosophen  -der  Keu- 
seit.  2.  Anflaga  (56.  Bindchen  der  Sammlung  »Aus  Natur  und 
•  Geisteswelt*.)  Läpiig,  Teubnerl90ß,  angei.  Ton  A.T.Leclair    162 

Butlor  A.  J.  P.  s.  Kllinger  J. 

Capelle  W.  s.  Fuchs. 

OharHty  B.  s.  Ktthn  K. 

Cbwolson  0.  D.,  Lehrbuch  der  Physik.  III.  Bands  Die  Lehre  von 
der  Wftrme.  Übersetst  Ton  E.  Berg.  Mit  2&9  eingedruckten  Ab- 
bildungen. Braunsehweigy  Vieweg  it  Sohn  190&,  angei.  Yon  I. 
G.  Wallentin  245 

ClarH.  A.«^ThiergensO.,  Across  theChanneL  A  Guide  to Eng- 
land and  the  English  Language,  with  Plans  of  London  and  its 
EnTizons,  a  Map  of  England  and  a  Table  of  the  Coinage  of 
GreatBritain.  Leipiig,  E.  Haberiand  1907»  ang.  v.J.  Ellinger    926 

Coleridgo  &  T.,  The  Anoient  Mariner  und  Christabeh  Mit  lite- 
rarhistorischer Einleitung  und  Kommentar,  herausgeg.  von  A. 
Eich  1er.  Wien  und  Leipsig,  W.  Braumüller  1907,  anges.  Ton 
J.  Ellinger  1112 

lln.  L.,  Montaigne  (1588--1595);  La  vie  de  Montaigne.   — 
Essais*  —  Extraits.  —  Jugements*  Bibliotheque  l^urousse. 
Paris,  Bne  Montpamssse  1908,  angez.  von  J.  Frank  770 

Curti  Bull  Q.,  Historiaruro  Alexandri  Magni  Maeedonis  libri  qui 
supersnnt.  Für  den  Schulgebrauch  erkl&rt  «ron  Tb.  Vogel.  Zweites 
Bändchen:  Buch  VI— X.  3.  Aufl.»  besorgt  Ton  A.  Wein  ho  Id. 
Mit  einer  Karte.  Leipzig  und  Berlin,  Teubnsr  1906,  angez.  von 
B.  Bitsohofskj  420 


Goqueilr 
Les  E 


Danen  eil  E.,  Geschichte  der  Vereinigten  Staaten  von  Amerika 
(Aus  «Natur  u.  Geisteswelt*.  Sammlung  wissenschaftlich-gemein- 
verständlicher Darstellungen.  147.  B&ndchen).  Leipzig,  Teubner 
1907,  angei.  von  J.  Loserth  508 

Der  römische  limes  in  Osterreich.  Heft  VIIL  Mit  3  Tafeln  und 
85  Figuren  im  Text  Kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften. 
Wien,  A.  Holder  1907,  angez.  von  A.  Gaheis  907 

Deuticke  P.  s.  Ladewig  Th. 

Deutsche  Prosa.  Velhagen  und  Klasings  Sammlang  deutscher 
Schulausgaben,  9.  Bändchen.  Bielefeld  und  Leipzig,  Verlag  von 
Velhagen  ä  Klasing  1906,  angez.  von  F.  Ingrisch  1105 

Di  offen  bache  r  J.,  Deutsches  l^ben  im  XII.  und  XIIL  Jahr- 
hundert. BealkommAntar  zu  den  Volks-  und  Kunstepen  und 
zum  Minnesang.  L  öffentliches  Leben.  IL  Privatleben.  1907. 
(Sammlung  Göschen  Nr.  93  und  328),  angez.  von  H.  Steinacker    987 

Dissertationes  philologae  Vindobonenses,  Volumen  octavum» 
Vindobonae  et  Lipsiae.  Sumptus  fecit  F.  Deuticke  MCMV,  angez. 
von  F.  Weihrich  741 

Dorsch  J,  s.  Hauler  Johann. 

Draeger  A.,  Die  Annalen  des  Tacitus  für  den  Schulgebrauch  erklärt 
Erster  Band.  Erstes  Heft  Buch  I  und  II.  Siebente  verbesserte 
Auflage  von  W.  Heraeus.  Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1907, 
angez.  von  B.  Bitschofsky  609 


vn 


Ebeling  M.,  Lehrbncb  der  Chemie  und  Miiienlogie.  Fflr  hölfere 
Lehianstalteii.  Zweiter  Teil:  «Organische  Chemie*.  Mit  68  Ah« 
Udimgeii  und  einer  fiurbigtn  TafeL  Berlin»  Weidmann  1906^, 
angei.  Ton  J.  A.  Kail  810 

^  — 9  Lehrbneh  der  Chemie  nnd  Mineralogie  fOr  höhere  Lehr- 
anatalten.  Erster  Teil:  Unorganische  Chemie.  Mit  376  Abbil- 
dnngen.  Zweite  Auflage.  Berlin,  Weidmann  1906,  angei.  ton 
J.  A.  Kail  157 

Eggert  0.,  Einffthmng  in  die  Geodäsie.  Mit  237  Figuren  im  Text 

Leipng,  Tenbner  1907,  angei.  Ton  L  6.  Wallentin  996 

Eichendorff  J.  Freiherr  ton  s.  Gerlachs  Jaffendbücherd. 

Ellinffer  J^^Bütler  A.  J.  B.,  Lehrbuch  der  englischen  Sprache.  Aus- 

fiDe  B.  Für  Midchenljieen  und  andere  höhere  Töcnterschulen. 
Teil:  Elementarbuch.  Mit  10  Abbildunffen  und  einer  Mfins- 
tafeL   Wien,  Tempsky  1907«  angei.  Ton  Th.  Beitterer  441 

Elsisser  W.,  Leitfaden  der  Stereometrie.  Ein  Hilfsbuch  tum  Ge- 
brauch bdm  Unterricht  an  höheren  Lehranstalten.  Stuttgart 
und  Berlin,  F.  Grub  1906,  anges.  Ton  J.  Jacob  862 

Elster  E.  s.  Heinemann  K. 

Endars  K.,  Zeitfolge  der  Gedichte  und  Briefe  Johann  Christian 
Günthers.  Dortmund,  F.  W.  Kuhfuft  1905^  angex.  ton  £•  y. 
Komorsjnski  503 

Englische  Lehrbücher  anges.  Ton  J.  Ellinger  926 

Englische  Textausgaben  Ton  J.  Ellinger  788 

Englische  und  fransösische  Obungsbibliothek,  angei.  Ton  Job. 

Ellinger  45 

Erdmann  H.,  Lehrbuch  der  anorganischen  Chemie.  4.  Auflage 
^.  bis  12.  Tausend).  Mit  303  Abbildungen,  95  Tabellen,  einer 
Rechentafel  und  7  farbigen  Tafeln.  Braunschweig»  F.  Vieweg 
ft  Sohn  1906,  angez.  yon  I.  G.  Wallentin  57 

Et  ers  M.«  Schillers  Glocke.  Die  deutschen  Klassiker,  erläutert  nnd 
gewürdigt  für  höhere  Lehranstalten,  sowie  zum  Selbststudium. 
8.  verb.  Aufl.  Leipsig,  H.  Bredt  1906»  angei.  Yon  F.  Holiner    768 

s.  Gereke  P. 

Fe  cht  K.  s.  Gitlbauer  M. 

Festa  N.  s.  Annibaldi  C. 

Fignier  L.,  Yie  et  MoDors  des  Insectes  (Hym^nopt^s).  Ausgewählt 
und  für  den  Sehulgebrauch  erklärt  von  F.  Strohmeyer.  Mit 
6  Abbildungen  (55.  Bändchen  der  I.  Abteilung  der  «Schul- 
bibliothek  frans,  und  engL  Prosaschriften*,  herausgegeben  Ton 
L.  Bahlsen  nnd  J.  Hengesbaoh).  Berlin,  Weidmann  1906, 
angex.  Ton  F.  Wawra  135 

Fischer  H.-Geistbeck  A.-GeistbeckM.,  Erdkunde  für  höhere 
Schulen«  Bnchauseabe  mit  280  schwarsen  Abbildungen  nnd 
12  Farbentafeln.  München  und  Berlin,  B.  Oldenbourg  1907» 
anges.  Ton  J.  Müllner  509 

Fischer  M.  s.  Pokornys  Naturgeschichte. 

Fleekeisen  A.  b.  Richter  F. 

Franc4  B.  H.,  Mikrokosmos.  Zeitschrift  sur  Förderung  Wissenschaft* 
licfaer  Bildung,  herausgegeben  von  der  deutschen  mikrologischen 
Gesellschaft  unter  Leitung  Yon  B.  H.  Francd.  Heft  3/4  und  5/6. 
Stuttgart,  Fxanck  1907,  anges.  von  H.  Vieltorf  1006 

Fransösisehe  Lesestoffe,  anges.  Ton  F.  Wawra  135 

Franngruber  H.  s.  Gkrlachs  Jugendbücherei. 

Frick  G.  s.  GeiTcken  J. 


Yja 


FrisA  B.,  DtvtsdM  K«liacv»rUUtaiiM  i»  dir  AwUm^ng  W«  M. 
Tbadnnjt.  WIm  und  Lei|«ig,  W.  BraanUiar  1906  {WwMt 
BtiMg»  iiir  eaeU  PUlologii^  heftvigtg.  top  J.  Scbippar)» 
angei.  Ton  J.  Eliinff er  1113 

Fritteh  A..  Horodotos  BiMb  1^17.  Teston^gabo  für  doa  ficlmU 
9«braM£h.  Mit  Titelbild;  Leipng  und  Berlin,  Tetbner  IBM, 
angeak  Ton  B.  Kaiinka  882 

Vritech  J,  s.  Hanler  Johann. 

Fncha  K.,  Snbenoff  Karl.  lOt  15  JllnstrAtioneo  (lUnatrierte  Goi* 
BchiehtsbibUQtbek  ft?  Jmg  and  Alt),  Qra^  Styri»  1907,  fuigfi«. 
Ton  K.  Qaeiii  m 

Fnehs.  Bitterborgen  nad  ritterlicbee  lieben  ii^  penteebUod.  Hit 
16ulastratione|i  (Sammlong  belehrender  Uoterbftltaogwchriften 
tut  die  deutfche  Jagend,  in  Verbindang  mit  WTCapelle 
heraasgegeben  Ton  H.  Vollmer,  Bd*  83).  Beriin,  E  Taetel 
1907,  angei,  yon  K.  Sehiffm»nQ  989 

G»f f iot  F.,  Bodo!  faerit  ef  narticalao  in  interrogando  Latine  naoe. 

Dispntayit  G.  Paris,  C.  KlinckBieck  1904,  apg.  yon  J.  GoUing     31 

Gandig  H*  e.  Geffcken  J.-Schnltz  J. 

Geffeken  Jt,  Das  griecbisohe  Drama:  Aisohylos,  Sophokles,  Eori« 
pidte«  Bearbeitet.  Mit  einem  Plan  des  Theaters  des  DionTsos 
so  Athen  (Aas  dentsehen  Lesebüchern.  VI.  Band,  1.  Abt.)« 
Leipsig  nnd  Berlin,  Th.  Hohnann  1904,  angei.  ^n  8.  M ekler    78B 

Geffcken  J.-Sehnlts  J.,  Sophokles'  Antigone.  Übersetit  In: 
Deatscfae  Sehnlansgaben,  henasgegeben  Ton  H.  Gandig  nnd 
G.  Fripk..  Leipsig  nnd  Berlin,  Teabner  1907,  angei.  Ton 
H.  Siess       ■  599 

Geiger  L.,  Jean  Jacqnes  Bonssean,  sein  Leben  and  seine  Werke 
(Wissenschaft  nnd  Bildung  2U  Leipsig,  Quelle  &  Mejer  190T, 
anges.  Ton  Ph«  A.  Becker  289 

Geistbeek  A.  s.  Fischer  H. 

Geistbeck  M.  s.  Fischer  H. 

Gereke  P,,  Heinrich  Ton  Kleists  HennannschliMht.  Die  dentsehen 
Klassiker  erUntert  nnd  gewürdigt  für  höhere  Lehranstalten 
sowie  zum  Selbststadiam  Ton  E.  Knenen  nnd  M.  Eyers, 
Leipzig,  H.  Bredt  1905,  angez.  Ton  F.  Holzner  34 

Gering  H.,  Beownlf  nebst  dem  Finnsbarg-Bmchstück,  übetsettt 
and  erJlotert.  Heidelberg,  C.  Winter  1906,  angez,  yon  Griei)- 
berger  428 

Gerlachs  Jagendhücherei.  Gedichte  Ton  J.  Freiherrn  y.  Bächendorfll 
Bilder  yen  Horst-Scbulse,  Texte  gesichtet  yon  H.  Fraan- 
graber.  Wien,  ohne  Jahreszahl  (1902),  ang.  yon  B.  F.  Arnold    613 

Gey^er  E.,  Lehrbuch  der  darstellenden  Geometrie  für  den  Gebrauch 
an  technischen  Hochschulen,  mittleren  gewerblichen  und  tech- 
nischen Lehranstalten,  Kunstgewerbeschulen,  Fortbildungs- 
schalen nsw.  und  für  das  Selbststudium.  L  Teil:  Affinit&t  und 
Perspektiyität  ebener  Pieren,  inyolutorische  und  harmonische 
Grundgebilde.  Kegelschnitte  als  Kreisnrojektionen.  Die  ortho- 
gonale azonometrische  nnd  schiefe  Projektion.  Zjlinder,  Kegel, 
Kugel:  ebene  und  Etaumkuryen.  Schnitte  und  Abwicklungen« 
Dnrchdringunffen.  Mit  zahlreichen  angewandten  Beispielen  und 
290  Figuren.  Leipzig,  J.  G.  Göschen  1906,  angez«  yon  B.  Snp- 
pantschitsch  530 

Gitlbauer  M.,  Gomelii  Nepotis  ritae.  Für  den  Schulgebrauch  ein- 
gerichtet Mit  einem  wörterrsrzeiehnis,  wesentlich  erweitert 
yon  K.  Focht.  5.  Auflage.  Freibmrg  i.  Br.,  Herder  1907,  angei. 
yon  B.  Bitschofsky  979 


Gooli«r  H«,  a  Iidii  OMMrii  oommentuü  de  beUo.OaUioo.  Nim* 
valto  MitioB  pobli^  d'apris  Im  oMilleiin  tnraoz  de  Im  critiqu 
»TW  des  notes  ezplieatiTee  portant,  aar  U  laagae,  l'liiatoire  el 
la  giogmphia  . . .  Paria,  Qamier  Mm«  Ubrabea  Miteara  ISO?« 
angas.  TOB  B-Bitsehofskj  742 

Graeaert  Schalaasnben  klassischer  Werke,  angw.  Ton  V.  Pollak    140 

Griff  L.  TOD,  Das  SehmarotiertaBi  ioi  Tierreieh  und  seine  fiedea« 
tofig  Ar  die  Artbildung.  Leipiig,  Qaelle  ä  Mejer  1907,  angai« 
TOB  H.  Vieltorf  817 

Gieseibages  B^  Befrocbtnog  und  Vererbing  im  Pflansearaiche. 
Mit  31  Abbiidongen.  Laipiig«  Quelle  k  Mejer  1907»  aages.  Toa 
H.  Yieltorf  ^  -^  ^  •      •  ^^^ 

Glich ard  C,  Traitä  de  M^caniqne.  Premiere  Partie;  Ciptfmatiqae^ 
8tatiqoe^  Dynamioae.  4.  et  2.  Mitioa.  Paris,  Vuibert  A  Nony 
1906,  anges.  Ton  I.  G.  Walientin  155 

Gftnther  B.,  Dentache  Kulturgeschichte.  2-  umgearbeitete  Auflage. 
(Sammlung  Q5achen  Nr.  56.)  Leipiig  1907,  angei.  Ton  H.  Stein* 
aeker  987 

6  am  lieh  A.,  GrundriA  der  Sittenlehre.  Iicipzig,  W.  Engelmann 
1806»  angea.  Ton  G.  Ju ritsch  47 

Hahn  H.  a.  Schwalbe  B. 

Hangen  Ph.  b.  Heyse  P. 

Hanstein  B.  t.,  Bau  und  Leben  des  Menschen  und  der  Wirbel- 
tiere. Für  höhere  Lehranstalten  und  sum  Selbstunterricht.' 
SeUngen  nnd  MOacheo,  J.  F.  Schreiber  1907,  aages.  tob 
H.  Vieltorf  449 

^  ^,  Lehrbuch  der  Tierkunde  mit  besonderer  Berficksiohtignng 
der  Bioloffie.  Mit  873  farbigen  nnd  196  schwarzen,  in  den  Text 
eingadrnditan  Abbildungen,  nebst  einer  Brdkarte.  Eftlingan  und 
Mtachea,  J.  F.  Schreiber  1907,  angea.  tou  H.  Vieltorf  448 

Hartlich  O.  s.  Zettel  K. 

Haaler  Johann,  Lateinische  Stilfibungen  ftr  die  oberen  Klassep  dar 
GymnaaleB.  6.  Auflage  bearbeitet  von  Ooraeh  und  Fritseb. 
Wiep  1907,  HöUer,  angea.  von  J.  Keyalar  .  1085 

fleger  B,  Analytische  Geometrie  auf  der  Kugel.  Sammlung  Schu- 
bert LIV,  anvex.  tob  £.  Qrfinfeld  1117 

Heimerl  A.  a.  Wretschko  M.  tob. 

Heine  G.  a.  Velhagen. 

Heiaemann  X.,  Goethes  Werke«  Unter  Mitwirkung  mehrerer  Fach- 
gelehrter herausgegeben.  Kritisch  durchgesehene  Ausgabe 
(Mejera  Klassiker -Ausgaben,  herausgegeben  Ton  £.  Elster), 
S3u«  18.— 81.,  25.,  27.  und  28.  Band.  Leipsig  und  Wien,  Biblio- 
giapbiachea  Institut»  aogea.  Ton  S.  M.  rrero  138 

Helfinghaua  0.,  Goethes  Werke  für  Schule  und  Haus.  Mit  Lebens- 
besdireibuBg,  Einleitungen  und  Anmerkungen.  Drei  B&nde  (Bib- 
liothek deutscher  Klassiker  für  Schule  und  Haus,  4.^.  Band). 
Freibarg  i  Br.,  Herder  1906,  angez.  Ton  8.  M.  Prem  388 

Heiaae  B.,  Virgils  epische  Technik.  Zweite  Auflage.  Leipcig  und 

Berlin  1906,  Tenbner.  angea.  Ton  EL  Bitsohofsky  1074 

Heimelt  H.  F^  Weltgeachichte.  Neunter  Band.  Nachtiiige.  Quellen- 
knade.  Generalregister.  Mit  2  Karten  und  2  schwanen  Betlagen. 
Leipsig  und  Wien,  Bibliographisches  Institut,  ange:^  Ton 
J.  Loserth  622 

HellwigP.^HirtP.-ZernialU.,  Deutsches  Leaebnch  f&r  höhere 
Sdittlen.  Herausgegeben,  unter  Mitwirkung  tob  H.  Spiefi  und 
C.  H.  A.  Huth.  Sechster  Teil:  Prosalesebuch  f&r  Ober-Sekunda. 
Hsrauageg.  Ton  H.  SpieD.  2.  umgearbeitete  Auflage.  Leipaigt 


Sttt« 

Dresden-Berlin,  L.  Ehlennuin  1907.  Siebenter  Teil:  Proealete- 
bach  Ar  Prima.  Heransgeg.  von  H.  Spie&.  2.  nmgearbeitete 
Anflage.   Ibid.  1907,  anges«  Yon  A.  Hansenbiae  768 

Hemmelmayr-Brnnner,  Chemie  nnd  Mineralogie  ftr  die  vierte 
Klasse  der  Bealschnlen.  Dritte  Anflage.  Wien,  F.  Tempekj  1906, 
anges.  von  F.  No0  812 

Hengesbach  J.  s.  Bomeoqne  H.-Mfililan  A. 

—  — »  s.  Fignier  L. 

Henk  1er  P..  Der  Lebrplan  für  den  Unterrieht  in  Katnrknnde, 
historisch  nnd  kritisch  betrachtet  Sammlung  natnrwissenschaft- 
lich^j^dagogiseher  Abhandlungen,  heransg[eg.  von  0.  Sc  hm  eil 
nnd  W.  B.  Schmidt  Leipzig  nnd  Berlin,  l^nbner  1907,  angei. 
von  T.  F.  Hanausek  983 

Henniger  K.  A.,  Vorbereitender  Lehrgang  der  Chemie  nnd  Mine- 
ralogie. Nach  methodischen  Gmndsitien  fQr  den  Unterricht  an 
höheren  Lehranstalten  bearbeitet  Mit  112  in  den  Text  ge- 
druckten' Fiffuren.  Stuttgart  und  Berlin,  Fr.  Grub  1906,  aogea, 
von  J.  A.  Kail  1003 

Hensel  P«,  Bousseau  (aus  „Natur  und  Geistes  weit*  180).  Leiptig, 

Teubner  1907,  anges.  von  Ph.  A.  Becker  239 

Heraeus  W.  s.  Draeger  A. 

Hermann  E.  s.  Niedermaun  M. 

Herre  P.  s.  Machaöek  F. 

8.  Pohlig  H. 

Heyck  £.,  Maria  Stuart,  Königin  von  Schottland.  Mit  fftnf  Kunst- 
drucken. Bielefeld  nnd  Ceipsig,  Velhagen  ä  Klasing  1905, 
anges»  von  J.  Frank  144 

äeyek  B.»  Wilhelm  von  Oranien  und  die  Entstehung  der  freien 
Niederlande.  Mit  einem  Faksimile  und  106  Abbildungen  (Band 
XXVIII  der  »Monographien  sur  Weltgeschichte").  Bielefeld  und 
Leipzig,  Velhagen  ft  klasing  1908,  anges.  von  J.  Frank  786 

Heyse  P.,  Im  Bunde  der  Dritte.  Charakterbild  in  einem  Akt  (1888). 
Znm  Obersetsen  aus  dem  Deutschen  in  das  Englische  bearbeitet 
von  Ph.  Hangen.  Dresden,  L«  Ehlermann  1906,  anges.  von 
J.  Ellinger  45 

Hirsch,  Heimatkunde  des  Hersogturos  Steiermark.  Umgearbeitet 
und  in  dritter  Auflage  herausgegeben  von  F.  Zafita.    Wien 

1907,  A.  Holder,  angez.  von  H.  Pirchegger  1116 
Hirt  P.  s.  Hellwig  P. 

Hödl  B.  8.  Seibert  A.  E. 

Höfler  A.-Maift  £.-Schillinff  G.,  Naturlehre  für  die  unteren 
Klassen  der  Mittelschulen.  Mit  290  Holzschnitten,  3  farbigen 
Figuren,  einer  lithographierten  Sterntafel  nnd  einem  Anhanse 
von  140  Denkaufgaben.  4.  verbesserte  Auflage.  Wien,  K.  Gerolds 
Sohn  1906,  angez.  von  A.  Lech  thaler  999 

E.  T.  A.  Hoffmanns  sämtliche  Werke.  Historisch-kritische  Aus- 
ffabe  mit  Einleitung,  Anmerkungen  und  Lesearten  von  Karl 
Georg  von  Maassen.  I.  Bd.  München  und  Leipzig,  G*  Mtliler 

1908,  anges.  von  J.  Cerny  1102 
Hoff  mann  B.  s.  Menge  R. 

Holthausen  F.  s.  Morsbach  L. 

Horst  s.  Gerlachs  JugendbüchereL 

Hübl  A.,  Geschichte  des  Unterrichtes  im  Stifte  Schotten  in  Wien. 

Wien,  C.  Fromme  1907,  angez.  von  K.  Fuchs  819 

Hfiter  L.  s.  Schubert  F. 
Huth  C.  H.  A.  s.  Hellwig  P. 


XI 

86lU 

Imeodörffor  B.,  Lehrbücli  der  Erdkunde  fttr  österr.  MittelBohnleo. 
lY.  Teil  (Lebratoff  der  Tierten  Klasse).  Wien,  A.  Holder  1907, 
ftogei.  Ton  H«  Pirchegger  244 

Ite  A«,  Canti  popolari  Telletrani.  Con  illastraxioni  e  note  mnsi- 
cali»  Publicazioiie  iiieoraggiata  dall*  I.  B.  Ministero  del  Calto 
e  dell*  Isinnone.  Borna,  Loescber  ä  Co.  1907,  anges.  yon 
C.  Battisti  1107 

Jacob  J.,  Lehrbuch  der  Arithmetik  für  Öbergymnasien.  Ausgabe  S, 
Wien,  F.  Deaticke  1907,  angez.  von  J.  Arbes  801 

Jacob  J.-8chiffner  F.,  Lehrbach  der  Arithmetik  für  Unterreal- 
schnlen.  I.  Abteilang.  Lehrstoff  der  L  Klasse.  Wien,  F.  Deaticke 

1907,  angei.  yon  H.  Wehr  931 
Jiger  Q.,  Theoretische  Physik.  lY.  Elektromagnetische  Lichttheorie 

and  Elektronik.  Mit  21  Figuren.  Leipzig,  G.  J.  GGschen  1908, 
aoges.  von  H.  Vieltorf  1119 

Jahreshefte  des  Ssterreichischen  archäologischen  Institutes  in 
Wien.  Band  X,  2.  Heft  Wien»  A.  Holder  1907,  angez.  Ton 
J.  Jüthner  1065 

Jan  eil  W.,  Ausgewählte  Inschriften,  griechisch  und  deutsch  heraus- 
gegeben. Mit  einer  TiteWignette  und  drei  Abbildungen.  Berlin, 
Weidmann  1906,  angei.  Ton  E.  Kaiinka  977 

Kaiinka  E.  s.  Prammer  L 

Kappelmacher  A.  s.  Prammer  I. 

Kanffmann  F.,   Deutsche  Grammatik.    KursgefsBte  Satz-   und 

Formenlehre  des  Gotischen,  Alt-,  Mittel-  und  xleuhochdeutschen. 

4.  Auflage.  Marburg,  Elwert  1906,  angez.  von  A.  Hausenblas    238 
Kajser  H.,  Lehrbuch  der  Phjsik  f&r  Studierende.    4.  Terb.  Aufl. 

Mit  344  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen.  Stuttgart,  F.  Enke 

1908,  angez.  Ton  L  G.  Wallentin  1117 
Keller  W.  s.  Brandl  A. 

Kiasel  K.  s.  Bötticher  G. 

Klapperich  J.,  Cbambers*s  History  of  England  55  B.  C.  to  the 
meent  Time.  Für  den  Schul-  und  Privatgebrauch  hergerichtet. 
Mit  14  Abbildungen,  5  Nebenkarten  und  1  Hauptkarte  (Eng- 
lische und  Französische  Schriftsteller  der  neueren  Zeit.  Für 
Schule  und  Haus  herausgegeben  Ton  J.  Klapperich,  XLV. 
Biodchen.  Ausg.  A).  Glogau,  C.  Flemmine,  Vedag,  Buch-  und 
Kanstdruckerei,  A.-G.,  angez.  Ton  J.  £  Hing  er  782 

Klein  F.,  Vorträge  über  den  mathematischen  Unterricht  an  den 
höheren  Schulen.  Bearbeitet  Ton  R.  Schimmack.  Teil  I:  Von 
der  Org^isation  des  mathematischen  Unterrichtes.  Mit  acht 
nun  Teil  farbigen  Textfiguren.  Leipzig,  Teubner  1907,  angez. 
T<m  L  G.  Wallentin  796 

Kleingttnther  H.,  Quaestiones  ad  Astronomicon  libros,  qxd  snb 
Muiilii  nomine  feruntur,  pertinentes.  Diss.  inaug.  lenensis. 
Lipnae,  G.  Fock  1905,  angez.  Ton  K.  Prinz  24 

-* «»,  Teztkritische  und  exegetische  Beiträge  zum  astrologischen 
Lehrgedicht  des  sogenannten  Manilius.  Leipzig,  G.  Fock  1907, 
angei.  von  K.  Prinz  24 

Klei  np  et  er  H.  s.  Snyder  C. 

Klopp  O.,  Deutschland  und  die  Habsburger.  Aus  seinem  Nachlasse 
beransgegeben  und  bearbeitet  Ton  L.  König.  Graz  und  Wien, 
Stjria  1908,  angez.  tou  K.  Fuchs  791 

*-  »•  Geschichten,  charakteristische  Zöge  und  Sagen  der  deutschen 
yolkastfmme.   Nach  den  Quellen  erzählt  Nach  dem  Tode  des 


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Yerfftttars  dareluraaelieM  iweite  Anflftg«.  8  Knd«.  Osotbrftok, 
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sowie  3  Faksimile-Beilagen.    Leipzig,  €h.  H.  Taiichnitz  1908, 
angez.  Ton  T.  F.  Hanausek  1120 

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Zum  Schttlgebrauch  herausgegeben.  Mit  einem  Plan  Ton  Paris, 
einer  Karte  der  Umgebung  von  Paris  und  einer  Karte  von 
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Kuenen  £.  a.  Gereke  P.        « 

Küster  E.,  Vermehrung  und  Sexualität  der  Pflanzen.  Mit  38  Ab- 
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Lag&rd»  L.  s.  lA  Tournttd  M. 


im 

Stit« 

LamVtrt&lL,  Dm  giieehiaeheB  SklAYesDunen.  SefMmtftbdrodk  iul 
dem  LVn.  md  LTUI  jabreibeneht  dM  k.  k.  Sti&tsgymBMiiim» 
Ik  Vin.  Basirka  Wient.  Wien,  im  SelbsUarlag  des  Yerfossert 
1W7,  mmgn.  von  F.  Stoli  1072 

Lamyert  S^  Qrofterhaietterliiige  «ad  Baapeo  Mitteleuropas  mit 
bcnodortr  Berflcküehügmip  der  bioloffiedien  Verhältniete. 
Liifeniiigai  7,  8»  9L  Haaugegeheo.  EOiingeii  and  Mttneheoi, 
J.  F.  Schreiber  1908»  angei«  yon  I.  G.  Wallentin  514 

Lang  F.  D.  P«,  Geographiacn-ellitiBtiacbe  Vaterlandskonde  Ar  die 
vn.  KiMie  der  fieterr.  BealsdMilBn.  2.  rerbeaserte  Auflafe. 
Wien,  F.  Tempeky  1907,  angei.  ron  B.  Imendörffer  .  796 

Landgraf  G.  a»  Heiaaner  K. 

Landaber^  B.-Schmeil  0.-8chiaid  B.,  «Natnr  and  Schale*. 
Zötehrift  ft?  den  gesamten  natarkandlichen  Unterricht  aller 
Schalen.  IV.  Band.  Mit  110  Textabbildangen  and  16  Abbil- 
dnngen  anf  einer  Doppeltafel.  Berlin  and  Leipcig,  Teabner  1907, 
angei.  tob  T.  F.  Haoaasek  815 

Larfeld  W^  flandbicb  der  ^riechisdifn  Epigraphlk.  Erster  Band. 
Einleitongs-  and  HilÜBdisziplinen.  Die  nichtattischen  Inschriften. 
Mit  4  Tafeln.  Leipaig^,  0.  B.  Reisland  1907»  angea.  ron  F. 
Wiedemanii  ,  ^  222 

Lariase^Eb,  Histoire  de  France  depnis  les  Oii^ines  jas^n'ii  la 
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et  Cie.  1907,  an^ei.  von  J.  Loserth  785 

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Beck  19W,  anges.  Tön  W.  Weinberger  328 

Le  Monde  Moderne.    BeTue  Mensuelle  illastrtfe  de  la  Familie. 

Paris»  F.  Juven  1907,  aneez.  von  J.  Miklaü  347 

Le  Toarnaa  M.-LagardeL.,  Abrege  d^histoire  de  la  Littäratnre 
francaise  a  Tusage  des  4coles  et  de  TenseigDement  priv^.  Berlin, 
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Ton  W.  Weinberieer  1082 

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Siebert.  IL  änd.  Mit  ^57  Abbildungen.  Leipzig,  J.  A.  Barth 
1907»  Angez.  Ton  L  G.  Wallentin  804 

Mftack  B.,  Künstlerische  Heimatkunde  von  Hamburg  und  Umgebung. 

Leinsiff,  Qoelle  in  Mejer  1907,  angez.  Ton  B.  Imendörffer       510 

Maas  0.9  Lebensbedingungen  und  Verbreitung  der  Tiere  (139.  Band- 
eben der  Sammlanff  .Aus  Natur  und  Geistes  weit**).  Mit  Karten 
und  Abbildungen.  Leipzig,  Teubner  1907,  ang.  von  H.  Yieltorf    934 

Maaaaen  K.  G.  t.  s.  £.  T.  A.  Hoffmann. 

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Wörterrerzeichnieee.  Dresden,  £.  Haberland  1907,  angci.  ron 
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Matthias  Th^  Sprachleben  nnd  Sjnrachschäden.  Ein  F&brer  durch 
die  Schwankungen  und  Schwierigkeiten  des  deutschen  Sprach- 
gebrauchs. 3.  verbesserte  nnd  Tcrmehrte  Auflage.  Leipiig  1906, 
anges.  Ton  Y.  Dollmayr  921 

MaTcr  H.  s.  Npwicki  B. 

Meinen gM.,  Über  die  Stellung  der  Oe^nstandstfaeorie  im  Sjrstem 
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E.  Oschwind  450 
Heisenheimer  J^  Entwicklnnglungsgeschichte  der  Tiere.   Zwei 

Bändchen.  Leipzig,  Göschen  1906,  anges.  Ton  H.  Yieltorf       1119 

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lage bearbeitet  von  G.  Landgraf.  Leipzig  nnd  Berlin,  Teubner 
1907,  aneez.  von  E.  Stettner  748 

Menge  H«,  Lateinisch-deutsches  Schulwörterbuch  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Etymologie.  Berlin,  G.  Langenscheidt  1907, 
anges.  von  R.  Bitschofsky  129 

Menge  R.,  Troja  und  die  Troas,  nach  eigener  Anschauung  geschil- 
dert Mit  86  Abbildungen,  2  Tafeln  und  1  Karte.  Zweite,  nm- 
rrbeitete  Auflage.  Gymnasialbibliothek,  herausgegeben  von 
Hoff  mann.  Erstes  Heft  G&tersloh,  C.  Bertelsmann  1906, 
anges.  von  E.  Kaiinka  1067 

Meyer  G.,  Tansspiele  und  Singtinse.  Teubner  1907,  anges.  von 
J.  Pawel  1128 

Michail tschke  A.,  Die  mathematische  Geogranhie  nnd  die 
Himmelskunde  im  elementaren  Unterrichte  an  aer  Yolks-  und 
an  der  Mittelschule.  Ein  Beitrag  zur  Methodik  des  Gegenstandes. 
Mit  einem  Begleitworte  von  0.  Willmann.  Wien  nnd  Leipzig, 

F.  Denticke  1907,  anges.  von  B.  Imendörffer  KS 
Mi  ehe  H.,  Die  Erscheinungen  des  Lebens,  Grundprobleme  der 

modernen  Biologie  (»Aus  Natur  und  Geisteswelt*,  130.  Bdch.). 
Leipsig,  Teubner  1907,  anges.  von  T.  F.  Hanausek  59 

Minor  J.,  Goethes  Mabomet  Ein  Yortrag.  Jena,  E.  Diederich  1907, 
anges.  von  S.  M.  Prem  32 

Mistral  F.,  Souvenirs  de  Jeuneese.  Eztraits  de  ses  „M4moires  et 
IMcits*.  Für  das  ganze  deutsche  Schulgebiet  allein  berechtigte 
Schulausgabe  von  A.  Mflhlan.  I.  Teil:  Einleitung,  Text  und 
Anmerkungen.  II.  Teil:  Wörterbach«  Nebst  Bildnis  des  Dichters 
mit  seiner  eigenhändigen  Unterschrift  und  einem  Kärtchen  der 
Provence.   Leipzig»  B.  Gerhard  1907,  anges.  von  A.  Gaßner     486 

—  — ,  Souvenirs  de  Jennesse.  Extraita  de  ses  «Mteoires  et  Bddts*. 
Fttr  das  ganse  deutsche  Sprachjrebiet  allein  berechtigte  Schul- 
ausgabe von  A.  Müh  lau«  I.  Teil:  Einleitung,  Text  und  An- 
merkungen. IL  Teil:  Wörterbuch.  Nebst  Bildnis  des  Dichters 
mit  seiner  eigenhändigen  Unterschrift  und  einem  Kärtchen  aus 
Provence.  Leipsig,  Gernard  (Französische  Schulausgaben  Nr.  22) 
1907,  anges.  von  J.  Kall  136 


XY 

8«ii« 

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Wim,  A*  Holder  1906,  tDges.  ron  J.  Jaeob  151 

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Orammatik.  Leipsig,  Bengencbe  Bachhandlnng  Gebhardt  Ä 
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Nebet  einem  ScblüsaeL  Wien,  F.  Denticke  1907,  angea-  Ton 
J.  Ellinger  992 

Morabacb  L^-Holtbansen  F.,  Alt-  and  mittelenglische  Texte 
beransgegeben.  Bd.  8  II:  Beownlf  nebet  dem  Finnsburg-Bnich- 
atflck...  herausgegeben  Ton  F.  Holt  hausen.  II.  Teil:  Ein- 
leitung, Gloasar  und  Anmerkungen*  Heidelberg,  C.  Winter;  New 
York,  G.  £.  Stechert  1906»  angez.  ron  t»  Grienberger  383 

Mtblan  A.  s.  Bomecqae  H. 

-  «^  n  Mistral  F. 

MHUner  J.  s.  Bichters  Lehrbuch  der  Geographie. 

Matb  B.  T.,  Einleitung  in  das  Nibelungenlied.  Zweite  Auflage. 
HerauBffegeben  mil  des  Verfassers  Nachträgen  und  mit  literari- 
aehen  Nachweisen  hie  zur  Gegenwart  Ton  J.  W.  Na  gl.  Pader- 
born, F.  Schöningh  1907,  angez.  tou  A.  Bernt  917 

Nagl  J.  W.  i.  Muth  B.  ▼• 

Nanek  A*  s»  Schneidewin  F.  W. 

Nauaeater  W.,  Denken,  Sprechen  und  Lehren.  I.  Die  Grammatik. 
II.  Das  Kind  und  das  SprachideaL  Berlin,  Weidmann  1901, 
bezw.  1906,  angez.  ron  B.  Latake  60 

HiedermannM.-fiermann  E.,  Historische  Lautlehre  des  Latei» 
nlschett.  Indogermanische  Bibliothek.  Zweite  Abteilung.  Sprach- 
wissenschaftliche  Gymnasialbibliothek.  Herausgegeben  von  M. 
Niedermann.  L  äand.  Heidelberg  1907,  angez.  ron  F.  Stolz    417 

Kowicki  B.-Mayer  H.,  Flfissige  Luft  Die  Yerflüssigungsmethoden 
der  Gase  und  die  neueren  Experimente  auf  dem  Gebiete  der 
flüssigen  Luft.  Mit  48  Abbildungen.  Zweite,  verbeaserte  und 
erweiterte  Aufl.  GemeinTerst&ndlich  dargestellt.  Mähr.-Ostrau, 
IBL  Papausdiek;  Leipzig,  B.  Hoffmann  1906,  angez.  ron  J.  A. 
Kall  632 

Nun  es  J.  J.,  Chrestomathia  archaica.  Excerptoa  da  litteratura 
portugnesa  desde  o  que  de  mais  antigo  se  conhece  atd  ao  se- 
culo  jLYI.  aoompanhados  de  introdu9fto  nammatical,  notas  e 
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Pahl  F.  B.  Schulze  E. 

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angez.  Ton  J.  Gröschl  728 

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Scriptorum  contra  Donatistas  pars  I:  Psalmus  contra  partem 
Donati,  Contra  epistulam  Parmeniani  libri  tres,  De  baptismo 
libri  Septem  recensuit.  (Corpus  scriptorum  ecclesiastioorum  La- 
tinorum  editum  consilio  et  impensis  Academiae  litterarum  Cae- 
sarae  Yindobonensis,  toLLL)  Vindobonae,  Tempsky,  MDCCCCYUI, 
angez.  Ton  A.  Huemer  961 

Plan  tue  n  Bardt  C. 

Pohlig  H.,  Eiszeit  und  Urgeschichte  des  Menschen.  Nach  seinen 
Yorlesnngen  (aus  «Wissenschaft  u.  Bildung*.  Einzeldarstellungen 
ans  allen  Gebieten  des  Wissens,  herausgeg.  Ton  P.  Herre.  8). 
Leipzig,  Quelle  ii;  Meyer  1907,  angez.  ton  M.  Hoernes  68 

Poland  ¥.  8.  Baumgarten  F. 


171 


Pokornjs  Natoreeachichte  des  Tierreicheat  Für  hdbef«  Lebnn- 
stalten  bearbeitel  ?on  M.  Flacher*  Hit  sahlreichea,  sninTeil 
.  farbigen  Abbildungen  and  29  farbigen  Tafeln.  27.Aafl.  Leipaif , 
a Frejrtag  1907,  aagei.  von  H.  Vieltorf  €34 

Po  r gar  Q,  a.  Yalbagan. 

P  ramm  er  I..  C.  lolii  Caeearia  eommentarii  de  bello  Galfico,  fUr 
den  Sehnlgebranch  heranegegeben.  10.,  neu  bearb.  Auflage,  ron 
A.  Kappelmacber.  Mit  einem  Anhang:  Dae  rftmiaeha  Kriege» 
wesen  in  Cäsara  gaUischen  Kämpfen  Ton  E.  Kaiinka.  Mit  47  • 
Textebbildanffen  nnd  18  farbigen  Karten  und  Tafeln.  Leipatg, 
G.  Freytag;  Wien,  F. Tempsky  1908,  ang.  ton  R.  Bitschof tky    232 

Prinz  Ks,  Aaawahl  ans  Xenophon,  enthaltend  Abschnitte  ans  der 
Anabasisy  den  Hellenika,  der  Kjmpftdie  und  den  Memorabilien. 
Zwei  Teile.  L  Teils  Einleitung  nnd  Text  mit  2  Karten  nnd 
1  Tafel  in  Farbendmck  sowie  7  Abbildungen ;  II.  Teil:  Erkl&rende 
Anmerkungen  und  Wörterbuch  mit  27  Abbildungen.  Wien,  F.  * 
Tempsky  und  G.  Freytag  1908,  anges.  Ton  B.  Weishftnpl        729 

Quiehl  K.,Franz6ei8ohe  Aussprache  und  Sprachfertigkeit.  EinHilfs« 
buch  zur  Einfahrunf  in  die  Phonetik  und  Methodik  des  FranzÖ« 
sischen.  4.,  umgearo.  Aufl.  Marburg,  Elwert  1906,  angez.  Ton 
F.  Wawra  41 

Badeawill  M.  s.  Schmidt  F.  A. 

BademannA.,  Vorlagen  sn lateiaiichen  Stilübnngen im  Anschlnsse 
an  Ciceros  Tusculanen  Buch  I,  II  und  V.  Berlin,  Weidmann  1907, 
angea.  Ton  J.  Dorsch  381 

Bader  mach  er  L.  s.  Schneidewin  F.  W. 

Bavdt  H.  a.  Schenckendorff  £.  t. 

Beik  K.,  Der  Optatir  bei  Polybina  nnd  Philo  Ton  Alezandria. 

I^psigy  G.Fock  1907,  angea.  von  F.  Stolz  23 

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4.,  nmeearb.  und  renn.  Aufl.  Mit  58  Figuren  im  Text  Stutt- 
gart, A.  Kröner  1907,  angez.  von  A.  Suppantschitsch  54 

Bicharde  H.,  Notes  on  Xenophon  and  othera.   London,  £.  Grant 

Bichards  1907,  angez.  von  E.  Kaiinka  728 

Bichter  F. -Fleckefsen  A.,  Oiceroa  Bede  fftr  Sex.  Boecius.  Fllr 
den  Schulgebrauch  herausgegeben.  4.  Aufl.,  bearbeitet  Ton  G. 
Ammon.  Leipzig  nnd  Berlin,  Teubner  1907,  angez.  von  A. 
Kornitzer  909 

Bichter  B.,  Einfflhrung  in  die  Philosophie.  Sechs  Vorträge.  (155. 
Bändchen  der  Sammlung  „Aus  Natur  und  Geisteswelt*').  Leipzig, 
Teubner  1907,  angez.  von  E.  Gschwind  985 

Bichters  Lehrbuch  der  Geographie  fbr  diel.,  II.  und  III.  Klasse 
der  Mittelschulen.  Neu  bearb.  von  J.  Mftllner.  Der  Gesamt» 
ausgäbe  8.  Auflage.  Zwei  Bande.  Wien,  F.  Tempsky  1907,  beiw. 
1908,  aogez.  von  B.  Imendörfer  794 

Bogel  F.,  Das  Bechnen  mit  Vorteil.  Eine  gemeinfaßliche,  durch 
zahlreiche  Beispiele  erläuterte  Darstellung  empfehlenswerter  Vor- 
teile und  abkürzender  Verfahren.  Leipzig,  Teubner  1907,  angez. 
von  J.  Jacob  245 

Bohrbach  C,  Vierstellige  Logarithmisch-trigonometrische  Tafeln. 

4.  Aufl.  Gotha,  £.  F.  Thieneman  1904,  angez.  von  J.  Ar b es       610 

Bothang  J.  G«,  Die  Grundprinzipien  der  Wiener  Schule  in  der 
neueren  Schnlkartographie.  Wien»  G.  Freytag  k  Bemdt  1908» 
angez.  von  J.  Mflllner  688 


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Seit« 

Buska  J^  Geologische  Streifzüge  in  Heidelbergs  Umgebung,  Leipzig, 
£.Nagele  1^,  angez.  von  H.  Gommenda  813 

Katherford  £.,  Radioaktive  Umwandlungen,  übersetzt  von  M. 
Levin.  „Die  Wissenschaft^'.  Heft  21,  angez.  von  N.Herz  807 

Sahr  J.,  Dentsche  Literaturdenkmäler  des  XYL  Jahrhunderts.  IIL 
Von  Brant  bis  Rollenhagen.  Ausgewählt  und  erläutert.  Leipzig, 
6.  J.  Göschen  1905,  angez.  von  R.  F.  Arnold  612 

Sallwürk  £.  t.  s.  Yelbagen. 

Sander  J.,  Schülerkommentar  zu  Yergils  Aneis  in  Auswahl.  Für 
den  Schulgebrancb  herausgegeben.  1.  Aufl.  (Zweiter  Abdruck). 
Leipzig,  G.  Frejtag;  Wien,  F.  Tempsky  1906,  angez.  von  J. 
Gollinff  498 

Sauer  A..  Mineralkunde  Yerlag:  Kosmos,  Gesellschaft  der  Natur- 
fiennae  (Geschäftsstelle:  FrankscheYerlagsbuchhandlung,  Stutt- 
gart), angez.  von  F.  No6  248 
Scarron,  Po^ies  diverses. —  La  Mazarinade.  —  Yirgile  Travesti. 
Roman  Comique.   Choise,  Notice   biographique   et  biblio* 
phique  par  A.  S^che.  Paris,  L.  Michand  1908,  angez.  von 
«^rank  923 
Sehaper  C.  s.  Ladewig  Th. 

Sehariser  R.,  Lehrbuch  der  Mineralogie  und  Geologie  für  die 
oberen  Klassen  der  Gymnasien.  6.,  durchgesehene  Aufl«  Wien, 
P.  Tempsky  1907,  angez.  von  F.  Noö  515 

Scheid em an tel  £.  s.  Woltze  P. 

Seh  ein  d  1er  A.,  Des  G.  Sallustius  Crispus  bellum  Catilinae,  bellum 
Insurthinum  und  Reden  und  Briefe  aus  den  Historien.  Zum 
Scflulgebrauche  herausgegeben.  3.  Aufl.  Wien,  F.  Tempsky  1907, 
iDgez.  von  F.  Perschinka  418 

Sekenckendorff  E.  v.- Schmidt  F.  A.,  Jahrbuch  für  Yolks- 
ond  Jagendspiele.  In  Gemeinschaft  mit  den  Yorsitzenden  des 
Zentralausschusses  zur  Förderung  der  Yolks-  und  Jueendspiele 
in  Deutschland.  Herausgegeben  von  H.  Ray  dt.  16.  Jahrgang. 
Leipzig,  Teubner  1907,  ansez.  von  J.  Pawel  163 

Schiebe  Th.,  M.  TuUi  Ciceronis  Tusculanarum  disputationum  libri 
qoinque.  Für  den  Schnlgebranch  herausgegeben.  2.,  verb.  Aufl. 
Leipzig,  G.  Freytag;  Wien,  F.  Tempsky  1907,  angez.  von  £. 
Gschwind  330 

Sehiffner  F.,  Planimetrie.  L  Teil:  Leitfaden  für  den  Unterricht 
in  der  Geometrie  und  dem  geometrischen  Zeichnen  in  der  IL 
Klasse  an  den  österreichischen  Realschulen  und  verwandten  Lehr* 
anstalten.  Wien,  F.  Deuticke  1907,  angez.  von  H.  Wehr  930 

s.  Jacob  J. 

Schilling  G.  s.  Höfler  A. 
:>chimmack  R.  s.  Klein  F. 

ächissel  v.  Fieschenberg  0.,  Das  Adjektiv  als  Epitheton  im 
Liebesliede  des  XIL  Jahrhunderts  (in:  Teutonia.  Arbeiten  zur 
gennaniaehen  Philologie,  heransgegeoen  von  W.  ühl  zu  Königs- 
berg inPreulSen,  11.  Heft).  Leipzig,  £.  Avenarius  1908»  angez. 
von  S.  M.  Prem  761 

Schlemmer  K.,  Lehrbuch  der  Erdkunde  für  höhere  Lehranstalten. 
3.,  verb.  Aufl.  L  Teil:  Lehrstoff  für  Sexta  und  Quinta.  II.  Teil: 
Lehrstoff  für  die  mittleren  Klassen.  Berlin,  Weidmann  1906, 
angez.  von  Müllner  52 

Seh m eil  0.  a.  Heokler  F. 

8.  Landabeig  B, 

äehmid  B.  s.  Landsberg  6. 


XVIII 


Seit« 


Sch mid t  F.  A. -..Möller  K.-Radcz will  M.,  Schönheit  und  Gym- 
nastik. Zur  Ästhetik  der  Leibesübong.  I^ipzig  Teubner  1907, 
angex.  von  J.  Pawel  821 

*-  —  8.  Schenckendorff  £.  Tx 

Schmidt  W.  B.  s.  Henkler  P. 

Schmitz  Mancj  s.  Schulz  B. 

Schneider  F.  J.»  Jean  Pauls  Jugend  und  erstes  Auftreten  in  der 
Literatur.  Ein  Blatt  aus  der  Bildungsgeschichte  des  deutschen 
üeistes  im  XYIIL  Jahrhundert.  Berlin,  Behr  ISOS,  angez.  Ton 
J.  Cerny  234 

Schneider  B.,  Geschütze  auf  bandschriftlichen  Bildern.  Heraus* 
gegeben  und  erläutert  (Ergänzungsheft  zum  Jahrbuch  der  Ge- 
sellschaft für  lothringische  Geschichte  und  Altertumskunde.  II). 
Metz,  Scriba  1907,  angez.  von  J.  Dehler  759 

Schneidewin  F.  W.-Nauck  A>,  Sophokles  erklärt  Siebentes 
Bändchen:  Philoktetes.  10.  Auflage  besorgt  von  L.  Bader- 
macher.   Berlin,  Weidmann  1907,  angez.  Ton  S.  Mekler         732 

Schneidewin  M.,  Eine  antike  Instruktion  an  einen  Verwaltungs- 
chef.  Mit  einer  Einleitung  über  römische  Provinzialyerwaltung. 
Berlin,  K.  Curtius  1907,  angez.  von  £.  Gschwind  606 

Schöne  H.,    Bepertorium   griechischer    Wörterverzeichnisse   und 

Speziallexika.  Leipzig,  Teubner  1907,  angez.  von  F.  Stolz         227 

Schreber  E.-Springmann  P.,  Experimentierende  Physik.  Zugleich 
vollständig  umgearbeitete  deutsche  Ausgabe  von  H.  Abrahams. 
Becueil  d*expänences  ölämentaires  de  Physiqne.  11.  Band.  Mit 
4Ö0  Abbildungen  und  einer  Spektraltafel.  Leipzig,  J.  A.  Barth 

1906,  angez.  von  L  G.  Wallentin  55 
Schröder  J.,  Darstellende  Geometrie.  L  Teil:  Elemente  der  dar- 
stellenden Geometrie.  Mit  326  Figuren  (Sammlung  Schubert  XII)* 
Leipzig,  G.  J.  Göschen  1901,  angez.  von  B.  Suppantschitsch    150 

Schroeder  0.,  Sophoclis  caatica  digessit.    Leipzig,  Bibl.  Teubner 

1907,  angez.  von  H.  Jurenka  324 
,  Vorarbeiten  zur  griechischen  Yersffeschichte.    Leipzig  und 

Berlin,  Teubner  1908,  angez.  von  U.  Jurenka  1068 

Schubert  F.,  Sophokles'  Oidipus  Tyrannos.  Dritte,  gänzlich  um- 

Esarbeitete  Auflage  von  L.  Hüter.  Mit  11  Abbildungen. 
eipzig-Wien,  G.  Freytag -F.  Temptky  1907,  angez.  von 
S.  Melier  732 

Schulz  B.,  Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Lehranstalten.  Nach 
Maßgabe  der  Lehrpläne  für  die  preußischen  höheren  Schulen 
vom  Jahre  1901,  neu  herausgegeben  von  Schmitz-Mancy, 
Kost  er  und  Wevel.  Zweiter  Band.  Für  die  Mittelklassen. 
12.  umgearb.  Auflage.  Paderborn,  F.  Schöningh  1906,  angez. 
von  A.  Hausenblas  617 

Schulze  £.-Pahl  F.,  Mathematische  Aufgaben.    I.  Teil  von  E. 

Schulze.  Leipzig,  Dürr  1905,  angez.  von  J.  Jacob  351 

Schulze  8.  Gerlachs  Jueendbücherei. 

Schultz  J.  s.  Geffcken  J. 

Schwalbe  B.,  Physikalische  Freihandversuche.  Unter  Benutzung 
des  Nachlasses  von  B.  Schwalbe.  Zusammengestellt  und  bear- 
beitet von  H.  Hahn.  I.  Teil:  Nützliche  Winke;  Maß  und  Messen; 
Mechanik  der  festen  Körper.  Mit  269  Figuren  im  Text  Berlin, 
O.  Salle  1905,  angez.  von  L  G.  Wallentin  353 

Schwartz  E.,  Bede  auf  Hermann  Usener.  Gehalten  in  der  öffent- 
lichen Sitzung  der  kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in 
Göttingen  am  5.  Mai  1906.  Abdruck  aus  den  geschäftlichen 
Mitteilungen  1906,  Heft  1.  Berlin,  Weidmann  1906,  angez.  von 
£.  Ealinka  713 


XJX 

8«it6 

Schwering  K.,  Handbuch  der  Elementannathematik  für  Lehrer. 
Mit  193  Fignreii  im  Text.  Leipzig  und  Berlin,  Teabner  19U7, 
angei.  ron  I.  6.  Wallentin  630 

Seche  A.  s.  Scarron  P. 

Sedlmayer-Scheindlers  Lateinisches  Übungsbach  für  die  oberen 
Klassen  der  Gymnasien.  4.  Aufl.  Wien  1908,  Tempeky,  aneez. 
Ton  J.  Eeyziar  nnd  J.  Endt  1082,  1088 

Seibert  A.  £.,  Lehrbuch  der  Geographie  für  österreichische  Lehrer» 
QDd  Lehrerinnenbild nngsanstalten.  Neu  bearbeitet  von  B.  Hödl. 
II.  Teil:  Für  den  III.  Jahrgang.  8.  Auflage.  Wien,  F.  Tempsky 
1907,  angez.  Ton  B.  Imendörffer  796 

Siebert  6.  s.  Lorentz  H.  A. 

8.  Whetham  W.  C.  D. 

Sieper  EL,  Shakespeare  and  seine  Zeit.  Mit  3  Tafeln  nnd  3  Tezt- 
bildem  („Aus  Natur  und  Geisteswelt*  Nr.  185).  Leipzig, 
Teubner  1907,  angez.  von  A.  Elch  1er  .  781 

Si e? er s  W.,  Allgemeine  L&nderkunde.  Kleine  Ausgabe.  Zwei  Bände. 
Leipzig  nnd  Wien,  Bibliographisches  Institut  1907,  angez.  yon 
I  J.  Müllner  350 

I         Simroth  H.,  Abriü  der  Biologie  der  Tiere.   2.  Auflage.   Leipzig, 

G.  J.  Göechen  1907,  angez.  Ton  H.  Yieltorf  159 

,  Die  Pendulationstheorie.  Leiptig,  K.  Grethlein  1907,  angea. 

Ton  T.  F.  Hanausek  354 

Skutsch  F.,  Gallus  und  Verffil.  Aus  Yergils  Frühzeit.  Zweiter  Teil. 
Leipzig  nnd  Berlin,  Teubner  1906,  anf^ez.  von  A.  Zingerle       127 

Snyder  C.«  Das  Weltbild  der  modernen  Naturwissenschaft.  Auto- 
risierte deutsche  Übersetzung  Ton  H.  Kleinpeter.  2.  Auflage, 
anges.  Ton  N.  Hers  447 

SokollK-WyplelL.,  Lesebuch  der  französischen  Sprache  für 
Bealsehnlen  und  verwandte  I^hranstalten.  Zweiter  Teil  (Drittes 
Schuljahr).  Wien,  Deuticke  1907,  angez.  Ton  F.  Wawra  1111 

Spieft  H.  8.  Hellwig  P. 

Springmann  P.  s.  Schreber  K. 

Stanton  F.  E.,  Die  tierischen  Gifte.  9.  Heft  von  «Die  Wissen- 
schaft*, Sammlung  naturwissenschaftlicher  und  mathematischer 
Monographien.  Braunschweig,  Vieweg  ft  Sohn  1906,  angez.  von 
J.  A.  Kall  246 

Stark  J.,  Der  latente  Sprachschatz  Homers.  Eine  Ergänzung  zu 
den  Homer-Wörterbüchern  und  ein  Beitrag  zur  griechischen 
Lexikographie.  München  und  Berlin,  B.  Oldenbourg  1908,  angei. 
von  F.  Stolz  900 

Sie  in  mann  G.,  Der  Unterricht  in  Geologie  und  verwandten 
Fächern  auf  Schule  und  Universität  (aus  ^m  VI.  Bd.  der  Zeit- 
schrift: «Natur  und  Schule*).  Leipzig,  Teubner  1907,  angez. 
TonF.  No«  635 

Steinmetz  K.»  Yon  der  Adria  zum  schwarzen  Drin  (aus  «Zur 
Kunde  der  BalkanhalbinseL  Beisen  und  Beobachtungen".  Heraus- 
gegeben von  K  Patsch.  Heft  6).  Mit  15  Abbildungen  und 
einer  Karte.  Sarajevo,  D.  A.  Kajon  1908,  angez.  von  J.  Jung    792 

Strnadt  J.,  Historischer  Schulatlas  von  Oberösterreich  und  Salz- 
burg. Sieben  Karten  mit  erläuterndem  Text.  Wien,  £.  Höliel, 
angez.  von  B.  Imendörffer  149 

Stiohmeyer  F.  s.  Figuier  L. 

8t  rem  ata  in  honorem  Casimiri  Morawski.    Mit  dem  Bilde  von, 
Kasimir  v.  Morawski.  Cracoviae  1908,  angez.  von  Z.  Dembitzer    7*22 

b» 


XX 


Seit» 


Struck  A.«  Makedonische  Fahrten.  II.  Die  makedonischen  Nieder- 
lande. Mit  26  Abbildungen  und  einer  Bontenkarte.  (Zar  Kunde 
der  Balkanhalbinsel.  Reisen  und  Beobachtungen.  Herausgegeben 
TOD  K.  Patsch.  Heft  7).  Sarajero,  D*  A.  Kajon  1908,  angez. 
Toa  J.  Jung  1113 

St&rmer  F.,  Griechische  Lautlehre  auf  etymologischer  Grundlage. 
Halle  a.  8.,  Buchhandlung  des  Waisenhauses  1907,  angez.  von 
F.  Stolz  112 

Terentius  s.  Bardt  C. 

Tesaf  L.,  Elemente  der  Differential-  und  Integralrechnung.  Hilfs- 
buch für  den  mathematischen  Unterricht  zum  Gebrauche  an 
höheren  Lehranstalten.  Mit  83  Figuren  im  Text  Leipzig  und 
Berlin,  Teubner  1906,  angez.  ron  1.  G.  Wallentin  997 

Thiergen  0.  s.  Martin  P. 

Thiergens  0.  s.  Clay  H.  A. 

Traube  L.  s.  Lehmann  P. 

Uhl  W.  s.  Abeling  Th. 

8.  Schissel  t.  Fieschenberg  0. 

Ule  W.,  Lehrbuch  der  Erdkunde  für  höhere  Schulen.  Ausgabe  A 
in  zwei  Teilen.  Erster  Teil.  6.  Auflage.  Leipzig,  G.  Frey  tag 
1906,  angez.  von  B.  Imendörffer  445 

Umlauft  F.,  Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik. 
Unter  Mitwirkung  Ton  hervorragenden  Fachm&nnern  heraus- 
gegeben. XXIX.  Jahrgang.  10.  Heft.  Wien,  A.  Hartleben,  angez. 
von  B.  Imendörffer  149 

,  Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik.    Unter 

Mitwirkung  Ton  hervorragenden  Fachm&nnern  herausgegeben. 
XXX.  Jahrgang  1908.  1. — 5.  Heft.  Wien,  A.  Hartleben,  angez. 
von  B.  Imendörffer  930 

,  Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik.    Unter 

Mitwirkung  von  hervorragenden  Fachmännern  herausgegeben. 
XXX.  Jahrgang  1908.  6.~&  Heft  Wien,  A.  Hartleben,  angez. 
von  B.  Imendörffer  995 

Usener  H.,  Vortrage  und  Aufsätze.  Leipzig  und  Berlin  1907,  angez. 

von  £.  Xalinka  713 

Velhagen  &  Xlasings  Sammlung  deutscher  Schulausgaben.  Lief. 
114.  Märchen  und  Novellen  von  Goethe.  Ausgewählt  und  heraus- 
gegeben von  E.  V.  Sallwürk.  Bielefeld  und  Leipzig  1905.  — 
Lief.  113.  Aus  der  silbernen  Zeit  unserer  Literatur.  Von  G. 
Heine.  1905.  —  Lief.  115.  Moderne  erzählende  Prosa.  Aus- 
gewählt und  herausgegeben  von  G.  Porger.  Achter  Teil 
(YL  Bändchen).  1906,  angez.  von  R.  F.  Arnold  613 

Vietor  W.,  Wie  ist  die  Aussprache  des  Deutschen  zu  lehren?  Ein 
Vortrag.  4.  Auflage.  Marburg,  Elwert  1906,  angez.  von  A. 
Hausenblas  504 

Vogel  Th.  s.  Curti  Rnfi  Q. 

Virgil  s.  Heinze. 

Volk  K.  G.,  Die  Elemente  der  neueren  Geometrie  unter  besonderer 
Berücksichtigung  des  geometrischen  Bewegungsprinzips  für  die 
oberen  Klassen  höherer  Lehranstalten  und  zum  Sell»t8tndium 
bearbeitet  Mit  93  zum  großen  Teil  zweifarbigen  Figuren  im 
Teit  Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1907,  angez.  von  R.  Sup- 
pantschitsch  445 


XXI 

Seit« 

Vollmer  F.,  Q.  HoratiFlacd  canniBa.  BaceiuQit  Y.  £ditio  maioF. 

Lipsifte,  Teobneri  1907,  angex.  von  E.  Prinz  228 

Vollmer  H.  s.  Fachs. 

Wagner  B.  s.  BanBgarten  F. 

Wahrmann  F.,  Prolegomena  sa  einer  Gescliiebte  der  grieehischea 
Dialekte  im  ZeiUlter  des  Hellenianma,  Separatabdmek  1907, 
angei.  Ton  F.  Stolz  21 

Wangerin  A.,  Franz  Neumann  and  sein  Wirken  als  Forscher  nnd 
I^rer.  Mit  einer  Textfi^ar  and  einem  Bildnis  Naumanns  in 
HeliograTore.  Brannschweig,  Yieweg  ä  Sohn  1907,  angez.  Ton 
L  6.  Wallentin  512 

Weck  lein  N.,  Enripides*  Helena.  Mit  erklärenden  Anmerkungen. 
Berlin  und  Leipzig,  Teubner  1907,  angez.  von  H.  Jurenka       598 

Weersma  H.,  GoUection  of  Stories  and  Sketches  hj  Modem  Anthors. 
Seleeted  and  annotated  for  the  use  of  the  higher  forme  in 
Secondaiy  Sehools  and  Grammar  Schools.  Groningen,  P.  Nord- 
hoff 1907,  an^ez.  von  E.  EUinger  782 

Weil  H.,  Aeschjli  tragoediae,  iterum  edidit  reyisas  (Bibliotheca 
Teabneriana).  1907,  angez.  von  S.  Mekler  732 

Weinhold  A.  s.  Carti  Bafi  0. 

Welleba  F.,  Anleitung  zur  Mikroskopie  und  Mikrophotographie 

fOr  Anfänger.  Wim  1907,  angez.  Ton  N.  Herz  152- 

Wendland  P.,  Die  hellenistisch-römische  Eultar  in  ihren  Bezie- 
hungen zu  Judentum  und  Christentum.  Mit  5  Abbildungen  im 
Text  und  12  Tafeln.  Tübingen,  J.  C.  B.  Mohr  (P.  Siebeck)  1907, 
augez.  von  B.  Meister  714 

Wesselj  B.,  Zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  Proben 
literarhistorischer  Darstellungen,  ausgewählt  und  erläutert. 
Leipzig,  Teubner  1905,  angez.  von  R.  P.  Arnold  613 

Wettstein  B.  t.  s.  Eronfeld  £.  M. 

Wf  jel  8.  Schulz  B. 

Wbetham  W.  C.  D.,  Die  Theorie  der  Expcrimental  -  Elektrizität. 
Aus  dem  Englischen  ftbersetit  Ton  G.  Siebert.  Mit  123  Ab- 
bildungen im  Text.  Leipzig,  J.  A.  Barth  1907,  angez.  von 
L  G.  Wallentin  803 

Wie  her  t  £.,  Ein  Schritt  Tom  Wege.  Lustspiel  in  vier  Aufzügen 
(1870—1871).  Zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  in  das  Fran- 
zdaische  bearbeitet  von  E.  Bertaux.  Dresden,  L.  Ehlermann 
1906,  angez.  von  J.  Ellinger  45 

Widmann  S.  s.  Boehme  G. 

Wiesner  J.,  Der  deutsche  Unterricht  an  unseren  Gymnasien.  Er- 
fahrungen, Bekenntnisse,  Vorschläge.  Wien,  A.  Holder  1907, 
angez.  von  A.  Lichtenheld  und  A.  Nathansky  429,  433 

Willmann  0.  s.  Michalitscbke  A. 

Wolf  M.,  Die  Milchstraße.  Vortrag,  gehalten  in  der  allgemeinen 
Sitzung  der  79.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte 
in  Dresden  am  20.  September  1907.  Mit  53  Abbildungen  im 
Text  und  auf  10  Lichtdrucktafeln.  Leipzig,  J.  A.  Barth  1908, 
angez.  von  I.  G.  Wallentin  932 

Wolff  M.  J.,  Shakespeare.  Der  Dichter  und  sein  Werk.  In  zwei 
Bänden.  Erster  Band.  München,  C.  H.  Beck  1907,  angez.  von 
A.  Eichler  507 

Weltmann  L.,  Die  Germanen  in  Frankreich.  Eine  Untersuchung 
dber  den  Einfluß  der  germanischen  Basse  auf  die  Geschichte 
und  Kultur  Frankreichs.  Mit  60  Bildnissen  berühmter  Franzosen. 
Jena,  £.  Diederichs  1907,  angez.  von  J.  Frank  49 


XXII 


Sei« 


Woltse  P^  Das  Üassische  Weimar.  Nach  Aquarellen.  Mit  erläu« 
temdem  Text  von  £•  ScheidemanteU  Weimar,  J.  Böhans 
Nachfolger  1907,  angez.  von  J.  Minor  428 

Wretechko  M.  t.,  Vorschule  der  Botanik  für  den  Gebrauch  an 
höheren  Klassen  der  Mittelschulen  nnd  verwandten  Lehranstalten. 
Vollständig  umgearbeitet  und  neu  herausgeg.  von  A.  Heimer  1. 
S,  Aufl.  Wien,  &.  Gerolds  Sohn  1907,  angez.  von  H.  Vieltorf    9^1 

Wjplel  L.  B.  Sokoll  £. 

Zachftrias  0.,  Das  Slißwasser-Plankton.  Einführung  in  die  frei- 
lebende Organismen  weit  unserer  Teiche,  Flüsse  und  Seebecken. 
Mit  49  Abbildungen.  Aus  «Natur-  und  Geisteswelt".  156.  Bänd- 
cben.  Leipzig,  Teubner  1907,  angez.  von  T.  F.  Hanausek  159 

Zaiita  F.  s.  Hirsch. 

Zanolli  A.,  Osserrazioni  suUa  traduzione  armena  del  „an^l  ipvaaas 
dvd'Qmnav*  di  Nemesio.  Estratto  dal  „Giornale  della  Societä 
Asiatica  Italiana"*.  Vol.  XIX,  angez.  von  E.  Burkhard  495 

Zernial  U.  s.  Hellwie  P. 

Zettel  K.,  Hellas  und  Born  im  Spiegel  deutscher  Dichtung.  Eine 
Anthologie.  Mit  einem  erklärenden  Namensverzeichnis  von 
0.  Hart  lieh.  Herausgegeben  von  A.  Brnnner.  Zwei  Bände. 
LBd.:  Mythen  und  Heroenzeit.  Griechische  Geschichte.  II.  Bd.: 
Römische  Geschichte.  Stimmungsbilder.  Erlangen,  Palm  A  Enke, 
angez.  von  B.  Wölk  an  985 

Zingerle  A.,  T.  Livi  ab  urbe  condita  libri  Liber  XLV.  Editio 
maior.  Vindobonae,  F.  Tempsky;  Lipsiae,  G.  Freytag  1908, 
angez.  von  A.  M.  A.  Schmidt  501 


Dritte  AbteUiug. 
Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 

Eine  geschichtswissenschaftlicher  Studienplan.  Von  H.Schmidkuns      68 

Zur  griechischen  und  lateinischen  Lektüre  an  unseren  Gymnasien. 

Von  F.  Ladek  74,  166,  364,  452,  516 

Cauer  P.,  Siebzehn  Jahre  im  Kampf  um  die  Schulreform.  Gesammelte 

Aufsätze.  Berlin,  Weidmann  1906,  angez.  von  A.  Frank  83 

Meyer  £.,  Humanistische  und  geschichtliche  Bildung.  Berlin,  Weid- 
mann 1907,  angez.  von  A.Bauer  87 

Ein  Naturforscher  und  das  philologische  Gymnasium.  V.  F.  S  pengle  r     177 

FoersterF.  W.,  Schule  und  Charakter.  Beiträge  zur  Pädagogik  des 
Gehorsams  und  zur  Beform  der  Schuldisziplin.  Zürich,  Schult- 
heß  ft  Comp.  1907,  an^^.  von  J.  Perkmann  180 

Festgabe  zum  hundertjährigen  Jubiläum  des  Schottengymnasinms. 
Gewidmet  von  ehemaligen  Schottenschülern.  Wien,  W.  Brau- 
müller 1907,  angez.  von  E.  G  seh  wind  182 

Martinak  E.,   Über  Prüfen  und  Klassifizieren  vom  Standpunkte 

der  Praxis.  Wien,  Hölderl906,  angez.  von  A.  v.  Leclair  184 

Die  Mittelschulenquete  des  Unterrichtsministeriums  21.^25.  Jänner 

1908.  Von  &  Frankfurter  249,  824,  1007,  1125 

Methodisches  zum  Geschichtsunterrichte.  Von  P.  A.  Trog  er  274 

Seibt  K.  H.,  der  erste  üniversitätsprofessor  der  deutschen  Sprache 
in  Prag,  ein  Schüler  Gelierte  nnd  Gottscheds.  Ein  Beitrag  zor 
Geschiente  des  Deutschunterrichts  in  Österreich  von  K.  Wotke. 
Wien,  im  Selbstverlag  1907,  angez.  von  K.  F.  Kummer  276 


XXIII 

S«ite 

Hindbibliothekeii  ftr  MittekchUer.  Von  H.  Blnme  377 

Über  soäologiiehe  Belehrungen  in  der  Mittelschule.  I.  und  II.  Von 
L.  Fleischner  461,  528 

Hinterberger  A.«  Znr  Frage  des  Unterrichtes  in  Hyffiene  an 
Hittelachnlen.  Wien  nnd  Leipzig»  W.  BranmIÜler  19^,  angez. 
von  O.  Hereel  539 

Bericht  ftber  den  lY.  Internationalen  Mathematiker-Kongreß  in  Born 
Tom  6.— 11.  April  1908.  Von  B.  Snppantschitsch  637 

Znm  Lehrnlan  ftlr  die  italienische  Spradie  an  Mittelschulen  mit 
deutsdier  oder  kroatischer  Unterrichtssprache.  Von  W.  Freiherr 
Ton  Ljuhibratiö  648 

Huemer  E.,  Der  Geist  der  altklassischen  Studien  und  die  Schrift- 
Btellerwahl  bei  der  Schullektüre.  Wien  und  Leipzig,  K.  Fromme 
1907,  angez.  von  6.  Heidrich  657 

Fachs  J^  Die  staatliche  Bedeutung  der  Gymnasien.  Ein  Beitrag 
zur  Iteform.  Wien,  K.  Konegen  (£.  StUlpnagd)  1907)  angez. 
Ton  £.  Martinak  664 

Die  in.  Direktoren-Konferenz  in  Wien.   Von  Simon  842 

JigerO.,  Erlehtes  und  Erstrebtes.  Beden  und  Aufsätze.  München, 
C.  H.  Beck  1907,  angez«  von  A.  Frank  848 

Bamberg  A.  t.,  Ideale.  Ausgewählte  Schalreden.  Berlin,  J.  Springer 
1906,  angei.  Ton  Y.  Thumser  852 

Ziehen  Th.,  Die  Geisteskrankheiten  des  Kindesalters  mit  beson- 
derer B^cksichtigung  des  schulpflichtigen  Alters.  3.  (SchlnO-) 
Heffc.  (Sammlung  Ton  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  päda- 
gogisch«! Psychologie  und  Physiologie,  herausg.  von  Ziegler 
und  Ziehen.  VIIL  Bd.,  7.  Heft)  Berlin,  Beather  A  Beichard 
1906,  angez.  Ton  L.  Burger  st  ein  853 

über  den  Wert  derDurchschnittsberechnung  beim  Klassifizieren  inten- 
sifer  Leistungen«  Von  £.  Martinak  987 

Budde  G.,  Zur  Beform  der  fremdsprachlichen  schrifkichen  Arbeiten 
in  den  höheren  Knabenschulen.  Halle  a.  S.,  Buchhandlung  des 
Waiaenhauses  1907,  ange.  Ton  A.  Würzner  945 

Seiler  F.,  Geschichte  des  deutschen  ünterrichtswesens.  (Sammlung 
Gfiechen,  275.  und  276.  Bändchen).  Leipzig,  1906,  angez.  Ton 
A.  T.  Leclair  947 

Fröbel  F.,  Sein  Leben  und  Wirken.  Von  A.  ▼.  Portugall.  Mit 
5  Tafehi.  («Natur  und  Geistesleben*,  Sammlung  Wissenschaft« 
lich-gemeinTerständlicher  Darstellungen.  82.  Bändchen.)  Leipzig, 
Teubner  1906,  angez.  yon  K.  F.  Kummer  949 

Veihandlangen  der  YL  Jahresrersammlung  des  Allgemeinen  Deut- 
sehen  Vereins  IBir  Schulgesundheitspflege  am  IC  und  15.  Juni 
1906  in  Stuttgart  (Ergänzungsheft  tu  „Gesunde  Jogend'S  V.Bd.). 
I^pzig  und  Berlin,  Teubner  1905,  angez.  Ton  L.  Burger  st  ein    952 

Lay  W.  A.9  Methodik  des  naturgeschichtlichen  Unterrichts  und 
Kritik  der  Beformbestrebungen.  Dritte,  verm.  Auflage.  Leipzig, 
E.  Nägele  1907,  angez.  Ton  T.  F.  Hanausek  1020 

Butler  N.  M.,  Schulbildung  in  den  Vereinigten  Staaten.  Ver- 
deutscht von  L.  B.  Klemm.  (Sammlung  pädagogischer  Vor* 
trage.  Herausgegeben  Ton  W.  Meyer-Markau.  Zweimonatlich 
eiBUeft)  Minden LW.,  C Marschowsky,  angez.  Ton  J.  EUinger  1022 

Ein  Vorschlag  beteefi'end  den  Unterricht  aus  der  italienischen  Sprache 
in  den  oWen  KUssen  der  dsterreichischen  Gymnasien  nut  ita- 
lienischer Unterrichtssprache.  Von  E.  Tonini  1138 

Weimer  H.,  Der  Weg  zum  Herzen  des  Schftlers.  München,  Becksche 
Vezbgshandlttng  1907,  angez.  Ton  £.  Gschwind  1142 


XXIV 


8«it« 


Vierte  Abteflug. 

Missellen, 

Ein  sanftmfitiger  Literat  Von  F.  Lentner  89 

Die  Allwissenheit  der  Enahler.   Von  J.  Endt  469 

Karl  Christiaa  Ernst  Graf  von  Benzel-Stemao.  Von  F.  Lentner    540 


LUerarisehe  Misfeüen. 

Abott  F.  F.,  Notes  lipon  H8S.  oontaining'  Persins  and  Petras 
Diaeonos.  Beprinted  from  Classical  Philologj,  Vol.  II,  No.  3, 
Jolj  1907,  anges.  Ton  J.  Golling  854 

Abrens  W.,  Mathematische  Spiele.  Mit  einem  Titelbilde  und 
69  Figuren  im  Text  («Ans  Katar  and  Geisteswelt*.  Sammlong 
wissensdiaftlich-ffemeinverstandlicher  Darstellungen.  170.  fiäod- 
chen).   Leipzig,  Tenbner  1907,  angex.  Ton  E.  Grünfeld  957 

Astron omiseher  Kalender  f&r  1907.  Heransgegeben  tob  der 
k.  k.  Sternwarte  za  Wien.  Der  ganzen  Reihe  69.  Jahrgang.  Der 
neaea  Folge  26.  Jahrgang.  Wien,  K.  Gerolds  Sohn,  angez.  Ton 
Dr.  Oppenheim  382 

Becker  A>-Majer  J.,  Lernbach  der  Erdkunde.  II.  Teil.  Zweite 
gekürzte  und  verbesserte  Auflage.  Wien,  F.  Deuticke  1907, 
angez.  tou  B.  ImendOrffer  956 

Berger  K.  s.  Mayer  F.  M. 

Boek  P.  s.  Dubislav  G. 

Bruckmanns  Wandbilder  antiker  Plastik.    München,  Bruckmann 

1907,  angez.  Ton  £.  H.  93 

Brunnemann  A.  s.  Bofimann  Ph. 

Brunn  J.,  Vierstellige  Logarithmen.    Münster  i.  W.,  Aschendorff 

1902,  angez.  von  J.  Arbes  92 

Christ  A.  Th.  s.  Müller  J. 

Curtiu8-v.  Hartel,   Kurzgefaßte    Griechische   Schulgrammatik. 

Bearbeitet  von  F.  WeigeL    Wien,  F.  Tempsky;  Leipzig,  G. 

Frey  tag  1907,  angez.  von  F.  Stolz  279 

Cybulski  St.,  Das  römische  Haas.  Erklärender  Text  zu  Tafel  11« 

Mit  15  Abbildungen  im  Texte.    Dritte,  verbesserte  Auflage. 

Leipzig,  K.  F.  Köhler  1905,  angez.  von  J.  Oehler  91 
,  Tabulae,  quibus  antiquitates  Graecae  et  Bomanae  illostrantur. 

Tab.  XI:  Domus  Bomana.   Editlo  IIL  auctior.   Lipsiae,  K.  F. 

Koehler  1905,  angez.  von  J.  Oehler  91 

Dubislav  G.-Boek  P.,  Französisches  Übungsbuch.  Ausgabe  A 
und  B.  Für  Sekunda  und  Prima  der  Gymnasien  sowie  für 
Obertertia,  Sekunda  und  Prima  der  Realgymnasien.  Mit  einer 
Karte  von  Frankreich.  Berlin,  Weidmann,  angez.  von  M.  Bock    280 

Dünger  H.,  Zur  Schärfung  des  Sprachgefühls  200  fehlerhafte  Sätze 
mit  Verbesserungen  und  sprachlichen  Bemerkungen,  geprüft  von 
einem  Ausschusse  des  Allgemeinen  deutschen  Sprachvereins  mit 
einer  einleitenden  Abhandlung:  Was  ist  Sprachgefühl?  Waram 
soll  es  geschärft  werden  ?  Berlin,  Verlag  des  Allgem.  deutschen 
Sprachvereins  (F.  Berggold)  1906,  angez.  von  F.  Holzner  954 


XXV 

Seite 

£dw«rdson  H.,  Woher  kam  das  Leben?  Eine  Abhandlung  fiber 
die  Herkunft,  Entstehung  und  das  Vergehen  des  Lebens. 
Leipzig,  Bw  Hof  mann;  MAhrisoh-Ostrau^  R.  Papauschek,  angez. 
Ton  T.  F.  Hanausek  190 

£il  der  mann  H.  a  Gansberg  F. 

Evert  H.,  Schillers  Wallenstein.  Die  deutschen  Klassiker,  erläutert 
und  frewftrdigt  fAr  höhere  Lehranstalten  sowie  zum  Selbststudium 
Ton  Kuenen  und  ETers.  23.  und  28.  Bändchen.  lY.  Heft, 
erste  und  sweite  Hälfte.  Iieipsig,  H.  Bredt  1905,  angez.  Ton 
F.  Holzner  472 

8.  Kuenen  E. 

Kvers  s.  Peters  B. 

Filek  £.  ▼.,  Diktier-  und  Aufsatzbuch  ffir  den  deutschen  Unterricht. 

Wien  und  Leipzig,  F.  Deuticke  1908,  angez.  Ton  B.  Löhner  955 
Fleisehner  L.,  Osterreichische  Bürgerkunde.    3.  neubearbeitete 

und  Termehrte  Auflage.    Wien,  F.  Tempskj  1907,  anges.  tou 

LMüllner  472 

Frank  F.,  Kaiser  Franz  Josef  L    Eine  Festschrift  zur  Feier  des 

sechsigjährigen  Begierun^sjubiläums  unseres  Monarchen.  Wien, 

A.  Pichlers  Witwe  &  Sohn  1908,  angez.  von  B.  Löhn  er  1024 
Freytig  G.,  Welt-Atlas.    58  Haupt-  und  25  Nebenkarten  nebst 

«iDem  alphabetischen  Verzeichnis  von  mehr  als  17.000  geogra- 
phischen Namen  und  statistischen  Notizen  über  alle  Staaten 
der  Erde.  3.  Termehrte  Auflage.  Wien  und  Leipzig,  G.  Frey  tag 
&  fiemdt  1908,  angez.  von  J.  Müllner  857 

Fr  ick  G.- Po  lack  P.,  Aus  deutschen  Lesebüchern.  Vierter  Band, 
erste  Abteilung:  Epische  Dichtungen.  Vierte  Auflage  unter 
Mitwirkung.  Leipzig  und  Berlin,  Th.  Hofmann  1906,  angez. 
TOU  A.  Hausenblas  91 

^jansberg  F.-Eildermann  H.,  Unsere  Jungs.  Geschichten  aus 
der  Stadt  Bremen.  Mit  Buchschmuck  Ton  Th.  Herr  mann. 
Hersusgegeben  Tom  Bremer  Jugendscbriftenausschuß.  Leipzig- 
Berlin,  Teubner  1906,  angez.  von  F.  Kunz  283 

Oeffcken  J.,  Sokrates  und  das  alte  Christentum.  Heidelberg, 
Winter  1908,  angez.  von  H.  St  Sedlmayer  1145 

OoUing  J.,  Erklftrang  der  Eigennamen  zu  P.  Vergili  Maronis 
cirmina  selecta.  Herausgegeben.  3.  Auflage.  Wien,  A.  Holder 
1906,  angez.  von  B.  Bitschofsky  1024 

<jrimm  H.,  Homers  Ilias.  Zweite  Auflage.  Stuttgart  und  Berlin, 
Gottas  Buchhandl.  Nachf.  1907,  angez.  von  S.  M.  Prem  471 

HassertK.,  Landeskunde  und  Wirtschaftsgeographie  des  Festlandes 
Australien.  Mit  8  Abbildungen,  6  graphischen  Tabellen  und 
einer  Karte.  Sammlung  Göschen.  Leipzig  1907,  angez.  von 
J.  Müllner  857 

Hennings  C,  Tierkunde  (142.  Bändchen  der  Sammlung  „Aus 
Natur  und  Geisteswelt").  Mit  34  Abbildungen  im  Texte.  Leipzig, 

B.  G.  Teubner  1907,  angez.  von  H.  Viel torf  1148 
Herr  manu  Th.  s.  Gansberg  F. 

Hoff  mann  H.  s.  Lange  E. 

Imenddrffer  B.,  Lehrbuch  der  Erdkunde  für  Mädchenlyseen  und 
verwandte  Lehranstalten.  2.  verbesserte  Auflage.  L— III.  Teil. 
F.  Tempsky  1907,  angez.  von  H.  P ircheg ger  92 


xm 

Seite 

Kabellk  J^  fiöhioischfls  Lesebuch  für  die  erste  Klasse  der  Mittel 

sehnlen  (dechisch).  BrOmi,  E.  Winiker  1908,  angei.  tob  0.  Brieft  856 
Knaner  F.,  Zwieg^talt  der  Geschlechter  in  der  Tierwelt  (148. 

Budcben  der  SammluDg  .Ans  Natur  und  Geisteswelt*).   Mit 

37  Abbildungen  im  Texte.  Leipxig^  B.  O.  Teubner  1907,  anges. 

Ton  H.  Yieltorf  1U7 

Kohlrausch  F.,  Lehrbuch  der  praktischen  Physik.  10.  vermehrte 

Auflage  des  Leitfadens  der  praktischen  Phrsik.  Mit  xahlreichen 

Figuren  im  Text.    Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1905^  angez. 

Ton  I.  G.  Wallentin  858 

Koschwitz  £.,  Anleitung  zum  Studium  der  französischen  Philo* 

logie.  Dritte,  Termehrte  und  Terberaerte  Auflage  Ton  G.  Th  urau. 

Marburg  i.  H.,  Elwert  1907,  angez.  Ton  A.  Würzner  855 

Kraepelin  K^  Leitfaden  f&r  den  biologischen  Unterricht  in  den 

oberen  Klassen  der  höheren  Schulen.    Mit  303  Abbildungen. 

Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1907,  angez.  Ton  H.  Vieltorf  669 
Euenen  £.,  Goethes  Hermann  und  Dorothea,  erläutert  und  ge- 

wfirdig^  fl&r  höhere  Lehranstalten  sowie  zum   Selbststudium. 

6.  verbesserte  Auflage  besorgt  von  M.Mertens  (Die  deutschen 

Klassiker ....  Ton  F.  Kuenen  und  M.  Evers,  4.  Bftndchen). 

Leipzig,  H.  Bredt  1907,  angez.  von  S.  M.  Prem  855 

Kuenen  s.  ETsrs  M.  und  Peters  K 

Lagarde  L.,  La  lutte  pour  la  Tie.    Atcc  une  appendice:  Notes 

explicatlTes.  Stuttgart,  W.  Violett  1906,  angez.  tou  A.  Wftrzner    953 

Lange  E.,  Sokrates.  34.  Heft  der  Gymnasialbibliothek.  Heraus- 
gegeben Ton  H.  Hoff  mann.  Gütersloh,  C.  Bertelsmann  1906, 
angez.  Ton  J.  Kohm  955 

Letoschek  £.,  Sammlung  von  Skizzen  und  Karten  zur  Wieder- 
holung beim  Studium  der  mathematischen,  physikalischen  und 
politischen  Geographie.  Druck  und  Verlag  der  kartogr.  Anstalt 
Ton  Freytag  ft  Berndt,  angez.  Ton  J.  Müllner  543 

Lichtenecker  H.,  Sechzig  Jahre  auf  Habeburgs  Herrscherstuhl 

(Lichtbilderrortrag  Nr.  18),  angez.  von  B.  Löhn  er  1024 

Lindemann  H.  s.  Pahde  A. 

Lohmeyer  J.-VTislicenusG.,  Auf  weiter  Fahrt  Selbsterlebnisse 
zur  See  und  zu  Lande.  Deutsche  Marine-  und  Kolonialbibliothek. 
V.  Band.  Mit  28  Abbildungen  und  einer  Karte.  Leipzig, 
W*  Weicher  1907,  angez.  tou  J.  Mi  klau  1146 

Lowack  A.,  Die  Mundarten  im  hochdeutschen  Drama  bis  gegen 
das  Ende  des  XVIIL  Jahrhunderts  (Breslauer  Beiträge  zur 
Literaturgeschichte,  Vll).  Leipzig,  M*  Hesse,  angez.  tou  E«  t. 
Komorzynski  91 

Manilin  A.,  Hat  Dörpfeld  die  Enneakrunos-Episode  bei  Pauaanias 
tatsächlich  gelöst  oder  auf  welchem  Wege  kann  diese  gelöst 
werden?  Einige  Bemerkungen  zu  ludeichs  „Topographie  Ton 
Athen".  Wien,  Holder  1906,  angez.  Ton  J.  Gehler  542 

Matthias  A.,  Goethes  Gedankenlyrik.  Für  Schule  und  Hans 
(Freytags  Schulausgaben).  Leipzig  und  Wien  1905,  angez.  Ton 
S.M.Prem  ^        ^       r  ^  ^^ 

Mayer  F.  M.-Berger  K.,  Geographie  der  österr.-ungar.  Monarchie 
für  die  IV.  Klasse  der  Mittelschulen.  Achte,  berichtigte  Auf- 
lage. Wien,  F.  Tempsky  1907,  angez.  Ton  B.  Imendörffer       190 

Mayer  J.  s.  Becker  A. 

Mortons  M.  s.  Kuenen  £. 


XXVII 

Seit* 

Mejer  M.  W.,  Tom  Himmel  und  Ton  der  Erde.  Stuttgart  und 
Leipsig  1908,  anges.  Ton  N.  Herz  1025 

Michaelis  G.  b.  Ostermann  Ch. 

Mignla  W.,  PflaDzenbiolo|^ie.  Mit  50  AbbildnDgen.  Zweite,  Ter- 
besserte  Auflage.  Leipzig,  Sammlung  Göschen  1906,  angez.  tod 
T.  F.  Hanausek  93 

s.  ThomÄ. 

Maller  J.,  Die  Germania  des  P.  Cornelius  Tacitus.  FQr  den  Schul- 
gebrauch bearbeitet  tou  A.  Th.  Christ.  2.  Auflage«  Wien- 
LeiMig  (Tempsky-Frejtag)  1906,  angez.  tou  F.  Eunz  667 

,  P.  Cornelii  Taciti  opera  quae  supersunt.   Recensuit.   Editio 

minor :  Volumen  II.  Historias  et  opera  minora  continens.  Editio 
altera  emendata.  Leipzig,  G.  Freytag;  Wien,  F.  Tempsky 
MDCCCCVI,  angez.  yon  J.  G ollin g  953 

Mailer  H.  J.  s.  Ostermann  Ch. 

Napraynik  F.,  Vollständig  gelöste  Haturit&tsauf gaben  aus  der 
Mathematik  für  SchOler  der  obersten  Klassen  an  Bealschulen 
und  Gymnasien  sowie  zum  Selbststudium.  Wien  und  Leipzig, 
F.  Deuticke  1907,  angez.  von  £.  Grünfeld  1025 

Nissen  Th.,  Lateinische  Satzlehre  f&r  Beformanstalten.  Leipzig, 
G.FreyUg;  Wien,  F.  Tempsky  1907,  angez.  Ton  A.  Scheindler    469 

Nobl  H.,  Ciceros  Bede  gegen  Q.  Caecilius  und  das  vierte  Buch  der 
Anklageschrift  gegen  C.  Verrea.  Ftlr  den  Schulgebrauch  heraus- 
gegeben. 8.  Auflage.  Leipzig,  Wien  (Freytag,  Tempsky)  1907, 
angez.  von  F.  Eunz  542 

Nover  J.-Wftgner  J.,  Unsere  Vorzeit  III.  Germanische  Volks- 
sagen. Erzählt  fftr  Jugend  und  Hans.  2.  vermehrte  und  ver- 
bauerte Auflage.  Leipzig,  0.  Spamer  1907,  angez.  von  A. 
Hausenblas  283 

Ostermann  Ch.,  Lateinisches  Übungsbach.  Ausgabe  für  Beform- 
schulen,  bearbeitet  von  H.  J.  Müller  und  G.  Michaelis. 
L  und  IL  Teil*  Ausgabe  B.  Leipzig  and  Berlin,  Teubner  1905, 
aagea.  von  H.  Bill  186 

Onf  edniöek  £.,  Übungsbuch  der  deutschen  Sprache  für  die  I.  und 
II.  Elasse  der  Mittelschulen  (öechisch).  3.  gänzlich  umgearbeitete 
Auflage  mit  einem  Bilde.  BrOnn,  K.  Winiker  1906,  angez.  von 
F.  Koväf  188 

Pahde  A.,  Leitfaden  der  Erdkunde  für  höhere  Lehranstalten.  Bear- 
beitet von  H.  Lindemann.  IIL  Heft.  Mittelstufe.  2.  Stück. 
Mit  6  Abbildungen  im  Text  Berlin  und  Glogau,  C.  Flenuning 
1907,  angez.  von  J.  Müllner  382 

Peters  B.,  Gudrun.  Die  deutschen  Klassiker,  erläutert  und  ge- 
wflrdjfft  für  höhere  Lehranstalten  sowie  zum  Selbststudium 
von  f  uenen  und  Evers.  26.  Bändchen.  Leipzig,  H.  Bredt, 
angez.  von  F.  Holzner  667 

Philipp 8 on  A.«  Das  Mittelmeergebiet,  seine  geographische  und 
kulturelle  Eigenart  2.  Auflage.  Mit  9  Figuren  im  Text,  13  An- 
sichten und  10  Karten  auf  15  Tafeln,  l^ipzig,  Teubner  1907, 
angez.  von  J.  Müllner  473 

Polack  P.  s.  Frick  G. 

Probst  H.,  Deutsche  Bedelehre.  Dritte,  verbesserte  Auflage.  Samm- 
lung Göaehen.  Leipzig  1905,  angez.  von  F.  Holzner  189 


XXVIII 


8«ite 


BaBi  P.,  De  positione  debili,  qnae  vocator,  seu  de  syllabae  ancipitis 
ante  mutam  cum  liqnida  usu  apad  Tiballam.  fistratto  dai 
„Bendiconti*  del  B.  lat.  Lomb.  di  sc.  e  lett,  Serie  11,  Vol.  XL» 
1907,  aogez«  tob  A.  Haemer  187 

Bicbter  £.,  Xenophon  in  der  römischen  literatnr.  Abdruck  ans 
dem  Jahresberichte  des  KönigL  Kaiserin  Augnsta-Gymnasinm 
zu  Charlottenburg.  Ostern  1905,  angez.  Ton  F.  Kunz  188 

Bippel  J.»  Grundlinien  der  Chemie  für  Oberrealschulen.  I.  Teil: 
Anorgranische  Chemie.  Mit  72  Abbildungen  and  einer  Spektral- 
tafel in  Farbendruck.  Mit  Erlaß  des  hoben  k.  k.  Ministeriums 
für  Kultus  und  Unterricht  Tom  25.  Anlast  1905,  Z.  90.503, 
allgemein  zulassig  erklärt  Wien,  F.  Deuticke  1905,  angez.  Ton 
J.  A.  Kall  281 

,  Grundlinien  der  Chemie  für  Oberrealschulen.  II.  Teil:  An- 
organische Chemie.  Mit  39  Abbildungen.  Mit  Erlaß  des  hohen 
k.  k.  Ministeriums  für  Kultus  und  Unterricht  yom  29.  April 
1907,  Z.  16.711,  allgemein  zulässig  erklärt.  Wien,  F.  Deuticke 
1907,  aneez.  Ton  J.A.  KaiJ  670 

Bosenberg  K.,  Besultate  der  Übungsaufgaben  aus  dem  Lehrbuch 
der  Physik  für  die  oberen  Klassen  der  Mittelschulen  und  ver- 
wandter Lehranstalten.  Wien,  A.  Holder  1906,  angez.  Ton 
J.  Jacob  190 

Boß  mann  Ph.,  Handbuch  für  einen  Studienaufenthalt  im  französi- 
schen Sprachgebiet  unter  Mitwirkung  von  A.  Brunnemann. 
Dritte,  umgearbeitete  und  bedeutend  vermehrte  Auflage  von 
„Ein  Studienaufenthalt  in  Paris''.  Marburg,  N.  G.  Elwert  1907, 
angez.  von  A.  Seeger  855 

Busch  G.,  Lehrbuch  der  Geschichte  für  österr.  Mädchenlyzeen. 
III.  Teil.  Für  die  IV.  Klasse.  Wien,  A.  Holder  1907,  angez. 
von  B.  Imendörffer  1146 

Schafheitlin  P.,  Synthetische  Geometrie  der  Kegelschnitte  für 
die  Prima  höherer  Lehranstalten.  Leipzig  und  Berlin  1907, 
B.  G.  Teubner,  angez.  Ton  E.  Grün  fei  d  1147 

Schill  B.,  Maturitätsaufgaben  aus  der  darstellenden  Geometrie 
nebst  vollständigen  Lösungen.  Für  die  oberen  Klassen  der  Real- 
schulen und  verwandter  Anstalten  sowie  für  das  Selbststudium. 
III.  Teil.  Wien  und  Leipzig,  F.  Deuticke  1908,  angez.  von 
H.  Wehr  859 

Scott  J.  A.,  Prohibitives  with  IIPOS  and  the  Genetive.  Sonder- 
abdruck aus  Classical  Philology,  Vol.  II,  No.  3,  July  1907, 
angez.  von  F.  Stolz  854 

Sevin  L.,  Goethes  Dichtung  und  Wahrheit.  Schulausgabe.  4.  gänz- 
lich umgearbeitete  Auflage  mit  einem  Anhang:  Gedichte  Goethes 
von  1765—75  nebst  einem  Plan  von  Frankfurt  (Literatur- 
geschichtliches  Lesebuch  in  einzelnen  Bändchen  von  L.  Sevin  1). 
Karlsruhe,  J.  J.  Beiff  o.  J.,  angez.  von  S.  M.  Prem  381 

S  p  e  r  1  i  n  g  C.  F.,  Eine  Weltreise  unter  deutscher  Flagge.  51.000  See- 
meilen mit  dem  deutschen  Kreuzergeschwader  durch  die  Ozeane. 
Mit  zahlreichen  Abbildungen.  Leipzig,  W.  Weicher  1907,  angez. 
von  J.  Miklau  857 

Stähelin  F.,  Der  Antisemitismus  des  Altertums  in  seiner  Ent- 
stehung und  Entwicklung.  Basel,  C.  F.  Lendorff  1905,  angez. 
von  D.  E.  Oppenheim  668 

Strauß  F.,  Naturgeschichtliches  Skizzenbuch.  4.  Heft:  Die  Vögel. 
Wien,  Verlag  der  Allg.  österr.  Lebrmittelanstalt  1907,  angez. 
von  H.  Vieltorf  1026 

Swoboda  H.  s.  Szanto  £. 


XXIX 

Seite 
Szanto  £.,  Ansg^ew&hlte  Abhandlungen.  Heransgeg.  von  H.  Swo- 
boda.  Mit  einem  Bildnis  Ssantos  in  HeliograTÜre,  einer  Tafel 
aod  Abbildungen  im  Texte.    T&bingen,  J.  C.  B.  Mobr  1906, 
anget.  Ton  J.  Oehler  470 

Thom^  Dr.,  Flora  Ton  Dentsehland,   Österreich  und  der  Schweiz. 

y.-~YIL  Band:  Krjptogamenflora  (Mooee,  Algen,  Flechten  and 

Pill«)  Ton  W.  Mignla.  Gera,  Zezschwitz,  ang.  von  H.  Yieltorf    957 
Tbnraa  6.  s.  Xoschwitz  £. 
Trentlein  P.,  Mathematische  Aufgaben  ans  den  Beifeprnfangea 

der  Akdischen  Mittehchalen  herausgegeben.  I.  Teil :  Aufgaben. 

Leipzig  und  Berlin,  Tenbner  1907,  angez.  von  E.  Grünfeld      858 

Yonderlin  J.,  FaralldperapektiTe.  Becht winkelige  und  schief- 
winkelige Axonometrie.  Leipzig,  Sammlung  Göschen  1905,  angez. 
TOB  K.  Suppantschitach  383 

,  Schattenionatruktionen.  Mit  114  Figuren.  Sammlung  Göschen. 

Leipzig  1904,  angez«  Ton  B.  Sappantschitsch  282 

Wagner  J.  8.  NoTer  J. 

Walter  M.,  Der  französische  Klassenunterricht  auf  der  Unterstufe. 
Zweite  Auflage.  Marburg  i.  U.  1906,  Elwertsche  Verlagsbuch- 
handlung, angez.  Ton  A.  Würzner  1145 

Weigel  F.  8.  Curtius-T.  HarteL 

Wershoven  F.  J.,  Kriegsnovellen.  Trier,  J.  Lintz  1907,  angez. 
von  A.  Würzner  1026 

Wild  J.,  Erklärender  Text  zu  der  Wandtafel  zur  Veranscbaulichung 
geographischer  Grundbegriffe  in  Schulen  und  als  Beigabe  zum 
Anschauungäunterricht.  Dritter  verbesserter  Neudruck.  Eßlingen 
und  München,  J.  F.  Schreiber  1907,  ang.  von  B.  Imendörffer    281 

Wislieenus  G.  s.  Luhmejer  J. 

Wolf  H.,  Die  Religion  der  alten  Griechen  (Gymnasialbibliothek, 
41.  Heft).  Gütersloh,  Bertelsmann  1906,  angez.  von  J.  Oehler    280 


^offrammensehau. 

Arbes  J.,  Über  Erfindung,  Gestaltung  und  Wertschätzung  der  Lo- 
garithmen. Progr.  des  deutschen  Gjmn.  in  Smichow  1907,  an- 
gez. von  K  Wolletz  475 

Bion  M.,  Geographische  Beziehungen  zwischen  Österreich-Ungarn 
und  Nordamerika.  I.  Progr.  des  Gymn.  im  VI.  Bezirke  Wiens 
1907,  angez.  von  J.  Müllner  960 

Bubeniöek  J.,  An  der  Schwelle  Albaniens.  Progr.  des  Gymn.  in 
Prag-Newtadt  1903/4,  angez.  Ton  B.  So  IIa  1028 

Daroetz  M.,  Marlowes  Edward  IL  und  Shakespeares  Richard  II. 
Ein  literarhistorischer  Vergleich.  Progr.  der  Bealschule  im 
III.  Bez.  Wiens  1904,  angez.  von  J.  Ellin ger  190 

Diener  €.  H.,  Lord  Bjrons  Pessimismus.  Progr.  des  Kommunal- 
Obergymn.  in  Bregenz  1905,  angez.  Ton  J.  Ell  in  ger  284 

Darst  &.,  Königin  Elisabeth  und  ihre  Beziehungen  zu  Osterreich 
in  den  Jahren  14S9— 1442.  Progr.  des  Gymn.  in  Böhm.-Leipa 
1907,  aogex.  tou  J.  Loser th  861 


XXX 

Btitt 

Frind  £.,  Die  eeistige  Arbeit  des  Freihandzeichnens.   Progr.  der 

II.  Realschule  im  II.  Bez.  Wiens  1904,  angez.  Ton  J.Langl     285 

F ttr st  St,  Fastorom  Gampililiensinm  tom.  IIL  (1500—15801  Progr. 
des  n.  ö.  Landes-Beal-  and  Obergjmn.  in  Mödling  1907,  angez. 
▼on  J.  Loserth  958 

Oranello  L.,  II  cnlto  di  Dioniso  nelle  Bacche  dl  Euripide.  Progr. 

des  Kommnnal-Obergymn.  in  Triest  1907,  angez.  t.  J.Jttthner  1149 

Hassny  J.  B.,   De  interrogationnm  disiunctiTamm  apnd  Tacitnm 

stmctara.    Prog^.  des  Gymn.  in  Tamopol  1907,  angez.  Ton  J. 

Golling  860 

Heck  K.,  Über  die  Notwendigkeit  der  Schaffung  einer  neuen  Mittei- 

schulgattung  (polnisch).  Progr.  des  IIL  Gymn.  in  Krakau  1907, 

angez.  Ton  J.  DemiaÄczuk  862 

HetteggerG.,  Qua  ratione  M.  Fabius  QuintiHanus  in  institutione 

oratoria  laudarerit  scriptores.  Progr.  des  Fürsterzbischöflicben 

Gymn.   am  Kollegium  Borromäum  zu  Salzburg  1905,    angez. 

von  P.  J.  Wöhrer  93 

Hoffer  M.,  Die  Verteilung  des  bauerlichen  Grundbesitzes  in  der 

Umgebung  von  Marburg  zu  Beginn  des  19.  Jahrhunderts.  Progr. 

des  k.  k.  Staatsgymn.  in  Marburg  a.  D.   1901,   angez.   Ton  J. 

Loserth  1149 

Hora  E.,  Der  Komparativ.  Ein  neuer  Deutungsversuch.  Progr.  des 

Gymn.  in  FreisUdt  1907,  angez.  von  J.  Golling  1026 

Illing  W.,  Mähren  und  seine  Bevölkerung.    Progr.  der  Landes- 

Oberrealschule  in  Zwittau  1905,  angez.  von  J.  MttUner  546 

Jäger  P.  y.,  Salzburfi^  und  seine  Umgebung  als  geographisches 
Lehrmittel.  II.  Teil.  Progr.  des  Gymn.  am  Kolleg.  Borromäum 
in  Salzburg  1906/7,  angez,  von  B.  Imendörffer  959 

Xrdmaf  ik  P.,  Die  Erdbeben  des  Baikalgebietes.  Progr.  des  Gymn. 

in  Nikolsburg  1905,  angez.  Ton  J.  Müllner  384 

Kreiszle  v.  Hellborn  B.,  Versuche  einer  deutschen  Beichsreform 
unter  Ruprecht  von  der  Pfalz  nnd  Sigismnnd.  Progr.  der  Ober- 
realschule in  Tesohen  1907,  angez.  von  J.  Loserth  545 

Kryczyüski  L.,  Quonam  die  M.  T(ulii)  Giceronis  oratio  in  Cati- 
linam  prima  habita  sit  Progr.  des  Gymn.  in  Z^oczow  1907, 
angez.  von  F.  Kunz  859 

Landwehr  T.  Prägen  au  M.,  Japan  bis  zur  Mitte  des  XIX.  Jahr- 
hunderts. Progpr.  des  k.  k.  Erzherzog  Bainer -Gymn.  in  Wien 
1905,  angez.  von  J.  Mailner  383 

Loebl  A.,  Dr.  Barthlmä  Pezzen,  ein  österreichischer  Staatsmann 
unter  Rudolf  IL  Von  seinem  Leben  und  Wirken.  Progr.  der 
k.  k.  Staatsrealschnle  im  XVI.  Bezirke  Wiens  1907,  angez.  von 
J.  Loserth  1150 

Mayer  B.,   Rudolf  IL  und  die  Nachfolgefrage.   Progr.  des  Ober- 

gymn.  in  Brüx  1907,  angez.  von  J.  Loserth  861 

Nathansky  A.,   Bauernfeld  und  Schubert.    Progr.  des  Gymn.  in 

Triest  1906,  angez.  von  V.  Po  Hak  544 


XXXI 

Seite 
Oehler  J.,  Epimphisehe  Beitrage  xur  Geschichte  des  Ärztestandes. 
Progr.  des  MizimilianB-Gymn.  in  Wien  1906/7,  angez.  Ton  H. 
Lackenbacher  474 

Pedrotti  ü.«  Geschichtliche  Notiien  über  die  Entwicklung  des  erd- 
kundlichen Unterrichts  (italienisch).  Progr.  della  J.  A.  Scnola 
fieale  Snperiore  Elisabettina  di  RoTereto  1904,  angez.  Ton  J, 
MtUner  383 

PitaecoG.,  De  mnliernm  Bomanamm  cnltn  atqne  ernditione.  Progr. 
des  Gjmn.  in  G5rz  1907,  angez.  Ton  H.  Siess  473 

Prem  8.  M.,  Graz  in  den  März-  und  Apriltagen  1848.  Progr.  des 
xireiten  Gymn.  in  Graz  1907«  angez.  Ton  J.  Loserth  861 

P  sc  hör  L.,  Bealerklamng  nnd  Anschannogs- Unterricht  bei  der 
Lektflie  Ton  Ciceros  Bede  „Pro  L.  Mnrena**.  Progr«  des  Gjrmn. 
in  Mahr.-Trflban  1907,  angez.  Ton  F.  Ennz  860 

Beide  1  L.,  Goethes  Anteil  an  Jung-Stillings  »»Joeend^^  Progr.  der 
L  deutschen  Bealschnle  in  Prag  1906  und  1907,  angez.  Ton  S. 
M.  Prem  957 

Rief  J.  C,  Beiträge  znr  Geschichte  des  ehemaligen  Eartäaierklosters 
Allerengelberg  in  Schmale.  Progr.  des  önentl.  Obergymn.  der 
Franziskaner  zu  Bozen  1907,  angez.  Ton  J.  Loserth  958 

Bot  hang  B.,  Über  die  Verwendung  der  Spezialkarte  1 :  75.000  im 
Unterrichte.  Progr.  der  Bealschnle  im  X.  Bez.  Wiens  1906, 
anges.  Ton  J.  Mflllner  959 

Bxehak  A.,  Die  „grusinische  Militarstraße'*.  Progr.  der  deutschen 
Laudes-Oberrealschule  in  Brunn  1905,  angez.  von  J.  Mflllner    383 

SchaehnerP.  BL,  Naturbilder  und  Naturbetrachtnng  in  den  Dich- 
tnnffen  Friedrich  t.  Snee.  Prog^.  des  Obergjmn.  der  Benediktiner 
zu  Kiemsmflnster  1906,  angez.  Ton  V.  Pollak  475 

Sehmid  £^  Beiträge  zur  Methodik  des  Zeichenunterrichtes  an  der 
Mittelschule.  Progr.  der  Bealschnle  in  Bozen  1904,  angez.  Ton 
R.  Boeck-Langl  94,96 

Schmidt  W.,  Zur  Veranschanlichung  der  Zeitfolge  in  der  Ge- 
schichte. Progr.  des  Elisabeth-Gymn.  in  Wien  1907,  angez.  t. 
J.  Loserth  545 

Schuh  A.,  Eine  Mittelmeerreise.  Erster  Teil.  Mit  einem  Titel- 
und  60  Textbildem,  2  Karten  und  einem  Profil.  Progr.  der  Beal- 
schnle in  Marburg  1906,  angez.  Ton  J.  Mflllner  959 

S  c h  u  s  t  e r  M.,  De  Apollodoris  poetis  comicis.  Accedit  cuiusdam  Apol- 
lodori  interpretatio.  Progr.  des  Obergymn.  zu  Wiener-Neustadt 
1907,  angez.  Ton  H.  Haas  543 

Seltenhammer  L.,  Papst  Cölestin  Y.  (Peter  von  Murreno).  Progr. 
der  Bealschnle  im  IIL  Bezirke  Wiens  1907,  angez.  von  J. 
Loserth  545 

Sigmund  0.,  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Höhenregionen  in  den 
Ostalpen.  IL  Teil.  Progr.  der  Oberrealschnle  in  Görz  1905,  ang. 
von  J.  Mflllner  546 

,  HL  Teil.  Progr.  der  Oberrealschule  in  Görz  1906,  angez.  von 

J.  M&llner  960 

Starek  W.,  Beitrag  zur  Beformbestrebung  im  Zeichenunterrichte. 
FroffT.  des  k.  k.  Karl  Ludwig -Gymn.  im  XII.  Bezirke  Wiens 
1906,  angez.  von  J.  Langl  1151 


xxxu 


8«itd 


Stastny  J.,  Die  Thraker.  Eine  Probe  ans  der  Schrift:  Gesebichte 
Makedoniens  im  Altertum.  II.  Teil:  Ethnographische  Probleme 
(dechisch).  Progr.  des  böhm.  Gymn.  in  Prag  1905«  angez.  Ton 
E.  Peroutka  234 

Stensl  F.,  Einfluß  der  Erddrehnng  anf  Bewegungen  an  der  Erd- 
oberfläche in  neuer  Darstellung.  Progr.  der  Luides-Oberrealschule 
in  Zwittan  1904,  angez.  Ton  J.  Müllner  547 

Strelli  B.,  Quaestiones  Catnilianae.  I.  De  prisca  et  genuina  car- 
roinum  CatuUi  editione.  II.  De  ordine  et  temporibus  carminum 
Catulli.  Progr.  des  k.  k.  Stifts-Gymn.  in  St.  Paul  (Kärnten) 
1906/7,  angez.  Ton  J.  Fritsch  114^ 

Thetter  F.,  Die  Buhe  in  Natur  und  Kunst.  Progr.  des  n.-ö. 
Landes- Bealgymn.  in  Waidhof en  a.  d.  Tbaya  1905^  ang.  Ton  J. 
Langl  1151 

Vetter  E.,  Kleine  Beiträge  zur  hiteinischen  Wortforschung.  Progr. 

des  Gymn.  in  Prachatitz  1906/7,  angez.  von  F.  Stolz  670 

Vierhapper  F»  Der  Kreislauf  des  Stickstoffes  im  Pflanzenreich. 
Progr.  des  Erzherzog  liainer-Gymn.  im  II.  Bezirke  Wiens  1904, 
angez.  Ton  B.  So  Ha  1026 

Werenka  D.,  Kritische  Bemerkungen  über  die  Gefechte  der  The- 
baner  tou  der  Schlacht  bei  Hahartus  bis  zur  Schlacht  bei  Man- 
tinea.  Progr.  der  griech.- Orient.  Oberrealschnle  in  Czemowitz 
1907,  angez.  Ton  A.  Bauer  544 

Wurm  P.  S.,  Kaphamaum.   Progr.  des  Franz  Joseph-Gymn.  der 

Franziskaner  zu  Hall  1906/7,  angez.  Ton  £.  Janak  546 


Z  u ck  J.,  Th.  Moores  „The  Lores  of  the  Angels"  und  Byrons  „Ueayen 
and  Earth*'.  Eine  Parallele.  Progr.  des  Kommunal-Obergymn.  in 
Bregenz  1905,  angei.  Ton  J.  Ellinger  191 


Fünfte  Abteilnni^. 

Verordnungen,  Erlässe,  Personalstatistik, 

Verordnungeti  und  Erlässe. 

Gesetz  vom  15.  Februar  1907,  wirksam  für  das  Königreich  GaL'sien 
und  Lodomerien  samt  dem  Grofiherzogtume  Krakau,  womit  der 
Artikel  V,  al.  d)  des  Gesetzes  Tom  22.  Juni  1867,  L.-G.-B1.  Nr.  13, 
in  der  Fassung  des  Gesetzes  Tom  8.  September  1880,  L.-G.-B1. 
Nr.  34,  abgeändert  wird  54S 

Verordnung  des  Min.  für  K.  und  U.  vom  29.  Februar  1906,  Z.  10.051, 
womit  eine  neue  Vorschrift  für  die  Abhaltung  der 
Beifeprüfungen  an  Gymnasien  and  Bealschnlen  er- 
lassen wird  54b 

Verordnung  des  Min.  für  K.  und  U.  vom  81.  März  1908,  Z.  15.667,  womit 
eine  neue  Vorschrift  für  die  Abhaltung  Ton  Beifeprü* 
fungen  an  Mädchenlyzeen  erlassen  wird  548 


xxxm 

8«ifte 

Erlift  des  Min.  ftr  £.  ood  ü.  Tom  31.  Dezember  1907,  Z.  49.639, 
womit  die  Bedinffnngen  für  die  Erlangung  des  freien 
Eintrittes  in  die  königlich  italienischen  Samm- 
langen (Mnseen,  Galerien  nsw.)  kundgemacht  werden  548 

ErUß  des  Min.  f&r  £.  und  ü.  Tom  30.Deiember  1907,  ad  Z.  14/277 
ex  1907,  an  sämtliche  LandesschnlbehÖrden ,  betreffend  die 
Erhöhung  der  Remuneration  an  den  staatlichen 
Mittelschulen  550 

8xla&  des  Min.  fttr  E.  und  U.  Tom  29.  Februar  1906,  Z.  10.053, 
betreffend  den  Unterricht  aus  der  Physik  in  der  VIII. 
Klasse  der  Gymnasien  550 

ErUa  des  Min.  für  K.  und  ü.  Tom  29.  Februar  1908,  Z.  10.052, 
betreffend  Wiederholungen  aus  der  Physik  in  der  YIL 
Klasse  der  Realschulen  550 

Verordnung  des  Min.  für  K.  und  U.  vom  11.  Juni  1908,  Z.  26.651, 
betreffend  das  Prflfen  und  Klassifizieren  an  Mittel- 
schulen (Gymnasien,  Realgymnasien  und  Realschulen)  1031 

Verordnung  des  Min.  für  K.  und  ü.  Tom  21.  Juni  1908,  Z.  23.151, 
an  samtliche  LandesschnlbehÖrden,  betreffend  die  Zulassung 
der  AbsolTenten  höherer  Gewerbeschulen  und  ver- 
wandter Anstalten  zur  Reifeprüfung  an  Realschulen  1086 

Verordnung  des  Min.  für  K.  und  U.  vom  8.  August  1908,  Z.  34.180, 
betre&nd  dieErrichtung  von  achtklassigen  Realgym- 
nasien und  Reform-Realgymnasien  1037 

FerMhung  des  öffentlichkeitsrechtes  und  Anerkennung  des  Rezi- 
prositatsTerhaltnisses  551,  1037 


Personal'  und  SehutnottMen, 

Ernennungen  552,  1037 

Auszeichnungen  559,  1054 

Nekrologie  660.  1055 


Zeitschrifkenschau  Nr.  11  I— XIV 
Fünfzehnter  Jahresbericht  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Altertums- 
kunde in  Prag  191 
Eingesendet.  Von  G.  Niemann  192 
Bemerkung.  Von  R.  8uppantschitsch  286 
Erwiderung.  Von  J.  Arbes  287 
Ehrung  des  Landesschulinspektors  Eduard  Kuöera  in  Brunn  288 
Berichtigung  288 
Bericht  über  das  sechste  Vereinsjahr  des  «Wohlfahrtsvereines  für 
Hinterbliebene  von  Angehörigen  des  Mittelschnllehramtes  in 
Wien*  384 
Entgegnung.  Von  A.  Grimm  476 
Erwiderung.  Von  A.  Hausenblas  477 
Frans  Bücheier.  Von  Edm.  Hauler  478 
Erwiderung.  Von  W.  Bauer  560 
Entgegnung.  Von  G.  Turba  564 
Zu  Alkmans  Partheneion.  Von  R.  G.  Kukula  566 
Erwiderung.  Von  H.  Jurenka  567 
Entffegnung.  Von  J.  Strnadt  568 
Erwiderung.   Von  B.  Imendörffer  569 


XXXIV 

Seite 
Professor  Dr.  Friedrich  Bauer  f.  Nachraf.  VonK.  F.  J^rnold  570 
Fortbildungskurs  für  Mittel schullefarer  an  der  böhmischen  Uniyer- 

sit&t  in  Prag  671 

Fortbildungskurs  für  Hittelschullehrsr  &n  der  k.  k.  Unirersität  in 

Gra»  671 

Eingesendet  672 

Zeitschriftenschan  Nn  12  I-XIV 

Berichtigung  864 

Entgegnung.  Von  J.  Arbes  lO&ö 

Erwiderung.  Von  K.  Wo  Hetz  1056 

Berichtigung  1056 

Entgegnung.  Von  H.  Kleinpeter  1151 

Erwiderung.  Von  Dr.  N.  Herz  1152 


'.<"./ 


Erste  Abteilung. 

Abhandlungen. 


Winekelmanns  Eansttheorie  in   Goethes  Fort-' 
bildung. 

In  drei  Epochen  seines  tiebens  —  in  Leipzigs,  in  Italien,  in 
der  Zelt  der  Yerbindoog  mit  Schiller  —  hat  sich  Goethe  ,mit 
Winckelmsnn  beschäftigt,  „das  Verdienst  nnd  die  Einwirkung 
diasM  wickern  Mannes  im  einzelnen  sich  deutlich  zu  machen  ge- 
sneht"^);  nnd  ein  imposantes  Doppel  denkmal  sollte  auch  uns  noch 
anfmimtem  zu  Studium  und  Wertschätzung  des  ^außerordentlichen, 
herrlicheo,  längst  Termißten  Mannes"'):  die  selbst  wieder  zum 
hdcbitan  Kunstwerk  erhobene  Charakteristik  des  Menschen  <  durch 
Ooethe,  sowie  die  wertvolle  Dresdener  Ausgabe  seiner  Werke  ^  auf 
Goethes  Antrieb  und  Anteil  hin  besorgt  durch  die  bewährten  Kunst- 
beirftte  FemoWt  Meyer  und  Schulze. 

Wie  bedeutend  die  Einwirkung  Winekelmanns  auf  Goethe  sei, 
wird  nurgend  bestritten ;  aber  ihr  im  einzelnen  nachzugehen,  ist  — r- 
•0  Tiel  ich  weiß  —  won  keiner  Seite  unternommen  worden,  und  wer 
lieh  daran  wagt,  erkennt  alsbald  die  entgegenstehenden,  kaum  uber^ 
wiadlicfaen  Schwierigkeiten:  wie  alle  Philosophie  blieb  auch  WinckeK 
Banns  Kunstiehre  fflr  Goethe  wesenlos,  so  lange  sie  ihm.  nicht  Er- 
kbnia  geworden  war;  dann  aber  wurde  sie  für  ihn  der  Kristalli«* 
ntionspunkt,  um  den  eigene  nnd  fremde  Ideen  zu  fester  Gestalt, 
n  bestimmtester  Form  kamen. 

Wer  daher  unser  Problem  dogmatisch  lösen  wollte,  käme  nie 
um  Ziele.  Es  muß  geschichtlich-entwickelnd  behandelt  werden  und 
wird  uns  von  der  Anschauung  flberleiten  zum  Begriff  und  d^m  Be- 
triff wieder  anschauliche' Erscheinung  geben. 


>)  An  SchiUer  21.  Angust  1799  (Briefe  14»  IfiO).   AUe  Zitate 
te  Weimarer  Auagabe. 

•)  Aanalen  1805  (W.  35,  19S). 


SiÜMkiifl  1  4.  «fttir.  Oyaui.  I90e.  L  Heft. 


XXXIV 

Seite 
Professor  Dr.  Friedrich  Bsuer  f.  Nachruf.  Von-  K.  F.  Jlrnold  570 
Fortbildungskurs  für  Hittslschu Hehrer  an  der  böhmischen  Univer- 

sit&t  in  Prag  671 

Fortbildungskurs  für  Mittelschullehi^er  an  der  k.  k.  Unirersitat  in 

Gras  671 

Eingesendet  672 

Zeitschriftenschan  Nr.  12  I—XIV 

Berichtigung  864 

Entgegnung.  Von  J.  Arbes  lO&ö 

Erwiderung.  Von  K.  Wollets  1056 

Berichtigung  1056 

Entgegnung.  Von  H.  Eleinpeter  1151 

Erwiderung.  Von  Dr.  N.  Herz  1152 


Erste  Abteilung. 

Abhandlungen. 


Winekelmanns  Eansttheorie  in   Goethes  Fort-' 
bildung. 

In  drei  Epochen  seines  Lebens  —  in  Leipzigs,  in  Italien,  in 
der  Zeit  der  Yerbindong  mit  Schiller  —  hat  sich  Goethe  mit 
Wiockelmsnn  beschäftigt»  „das  Verdienst  nnd  die  Einwirkung 
diasM  wsckem  Mannes  im  einzelnen  sich  deutlich  zn  machen  ge- 
sucht" ');  nnd  ein  imposantes  Doppel  denkmal  sollte  anch  nns  noch 
safmimtem  zu  Stndinm  nnd  Wertschätzung  des  ^außerordentlichen, 
herrlicheD,  längst  rermißten  Mannes"'):  die  selbst  wieder  zum 
hdcbstan  Kunstwerk  erhobene  Charakteristik  des  Menschen  •  durch 
Goethe,  sowie  die  wertvolle  Dresdener  Ausgabe  seiner  Werke  ^  auf 
Goethes  Antrieb  nnd  Anteil  hin  besorgt  durch  die  bewährten  Eunst- 
beirlte  Femow,  Meyer  und  Schulze. 

Wie  bedeutend  die  Einwirkung  Winekelmanns  auf  Goethe  sei, 
wird  nirgend  bestritten ;  aber  ihr  im  einzelnen  nachzugehen,  ist  — 
ao  Tiel  ich  weiß  —  von  keiner  Seite  unternommen  worden,  und  wer 
lieh  dsran  wagt,  erkennt  alsbald  die  entgegenstehenden,  kaum  ubert 
windlidien  Schwierigkeiten:  wie  alle  Philosophie  blieb  anch  Winckel^ 
Bsnns  Kunstiehre  fflr  Goethe  wesenlos,  so  lange  sie  ihm.  nicht  Er* 
khois  geworden  war;  dann  aber  wurde  sie  für  ihn  der  Kristalli*' 
lationspunkt,  um  den  eigene  nnd  fremde  Ideen  zu  fester  Gestalt, 
IS  bestimmtester  Form  kamen. 

Wer  daher  unser  Problem  dogmatisch  lösen  wollte,  käme  nie 
xnm  Ziele.  Es  muß  geschichtlich-entwickelnd  behandelt  werden  und 
vird  nns  von  der  Anschauung  flberleiten  zum  Begriff  und  d^m  Be- 
griff wieder  anschauliche' Erscheinung  geben. 


'}  An  SchiUer  21.  August  1799  (Briefe  H  160).  Alle  ZiUte  naeh 
t  Weimarer  Antgabe. 

*)  Aanalen  1805  (W.  35,  198). 

SMIiAiin  t  4.  «fttir.  Oyaui.  190S.  L  Heft.  1 


2    Winokelmanns  Kanstthaorie  in  Goethes  Fortbildang.  Von  E,  OasUe, 

Denn  „BJd  zweierlei  Weise  kann  der  Geist  böchlicb  erfreat 
werden,  dnrcb  Anscbanong  nnd  Begriff.  Aber  jenes  erfordert  einen 
wftrdigen  Gegenstand,  der  nicht  immer  bereit,  nnd  eine  Terh&ltnis- 
m&ßige  Bildung,  za  der  man  nicht  gerade  gelangt  ist.  Der  Begriff 
hingegen  will  nnr  Empfänglichkeit,  er  bringt  den  Inhalt  mit  nnd 
ist  selbst  das  Werkzeug  der  Bildung**  *). 

Da  Goethe  in  Leipzig  Winckelmann  kennen  lernte,  fehlte 
fast  jegliche  Anschannng.  Bei  allen  Ton  öser  angeregten  Bemü- 
hungen» welche  sich  anf  Eonst  nnd  Altertam  bezogen,  hatten 
Goethe  und  seine  Jagendgenossen  zwar  stets  Winckelmann  vor 
Augen,  dessen  Töchtigkeit  im  Vaterlande  mit  Enthusiasmus  aner- 
kannt wurde,  zu  dessen  Bnhm  alle  Zeitschriften  übereinstimmten, 
dessen  neue  Ansichten  sich  über  Wissenschaft  und  Leben  yerbrei- 
teten;  man  nahm  seine  ersten  Schriften  mit  Andacht  in  die  H&nde, 
las  sie  fleißig,  suchte  sich  die  Umstände  bekannt  zu  machen, 
unter  welchen  diese  merkwürdigen  und  doch  mitunter  so  rfttsel- 
haften  Erzeugnisse  entstanden  waren,  nahm  es  aber  dabei  nicht 
sehr  genau:  denn  die  Jugend  will  lieber  angeregt  als  unterrichtet 
sein').  Sie  staunte  als  Meteore  an,  wer  zeichnen  und  Griechisch 
konnte,  kramte  viel  Wissens  aus,  Ton  Battenx  bis  zu  Wood,  von 
De  Files  zu  Winckelmann,  las  Sulzers  Theorie  durch,  verschaffte 
sich  etwa  noch  ein  Manuskript  von  Heyne  über  das  Studium  der 
Antike  und  —  ließ  es  im  übrigen  gut  sein*),  wogegen  Lessings 
„Laokoon*  auf  die  jugendlichen  Gemüter  eine  unendliche  Wirksam- 
keit ausübte,  indem  „dieses  Werk  aus  der  Region  eines  kümmer- 
lichen Anschauens   in  die  freien  Gefilde  des  Gedankens  hinriß"^). 

Trotzdem  Goethe  manche  Antiken  gesehen,  gesammelt  und 
selbst  besessen  hatte,  blieben  seine  Augen  auf  diese  Gegenstände 
nicht  geübt;  vieles  sprach  ihn  gar  nicht  an,  ohne  daß  er  sagen 
konnte,  warum  ^):  es  fehlte  Anschauung  und  Begriff. 

Winokelmanns  wird  in  den  Weimarer  Jahren  vor  der  Italie- 
nischen Reise  kaum  mehr  gedacht  und  die  Schriften  seines  Geistes« 
verwandten,  des  Malers  Menge  hinterlassen  das  halbpeinliche  Ot- 
fühl:  f^Dh  lernt  man  sich  bescheiden,  daß  eigentlich  niemand  als 
ein  solcher  Künstler  über  die  Kunst  reden  sollte^').  Erst  in  Rom 
verdankt  Goethe  ihren  Ideen  glückliche  Erleuchtungen,  „weil  er 
jetzt  die  sinnlichen  Begriffe  besitzt,  die  notwendig  vorausgehen 
müssen,  um  nur  eine  Zeile  des  Werks  recht  zu  verstehen'*^). 

Aber  die  Selbsterziebung,  die  Goethe  in  dieser  Zeit  energisch 
betreibt,  bringt  ihn  einem  Winckelmannschen  Ideal,  und  damit  dem 


n  Dichtang  und  Wahrheit  8.  Booh  (W.  27,  164). 

*)  Ebenda  (27,  182.  161.  183^ 

*)  Die  Leiden  des  jangen  Werthers  (W.  19,  IS). 

«)  Dichtung  nnd  Wahrheit  8   Bach  (W.  27,  164). 

•)  Ital  Bdiie,  6  Sept.  1786  (W  SO,  10). 

•)  Goethe  an  G.  t.  Knebel,  26.  Febraar  1782  (Er.  5,  272). 

*)  IUI.  Reise,  1.  Mürs  1788  (W.  82,  289). 


l^MkalmaBDa  KoDiitiioona  in  Goethes  Foribildongr.  Von  E.  Ca9ik.    3 

Ventindnia  WinckehBaimseben  OeisUe  fiborbanpt,  n&ber:  GooUm 
ringt  nach  Stille. 

«Die  8iille  wnrde  naeb  dem  Plato  als  der  Znstand  betracbtet, 
weleber  das  Mittel  ist  zwiscben  dem  Scbmene  nnd  der  FrOblieh- 
keit;  und  eben  deswegen  ist  die  Stille  derjenige  Zastand,  welcher 
der  Schönheit»  ao  wie  dem  Meere,  der  eigentlichste  ist,  nnd  die 
Srfabning  leiget,  dafi  die  schönsten  Menschen  Ton  stillem,  gesit- 
tetem Wesen  sind.  Eben  die  Fassung  wird  in  dieser  Absicht  in 
dem  Bilde  sowohl  als  in  dem,  der  es  entwirft,  erfordert:  denn  es 
kann  der  Begriff  einer  hohen  Schönheit  anch  nicht  andern  erienget 
werden  als  in  einer  stillen  nnd  von  allen  einzelnen  Bildungen  ab- 
gemfeaen  Betrachtung  der  Seele.  AnAerdem  ist  die  Stille  nnd  die 
Enhe  im  Menschen  nnd  bei  Tieren  der  Zastand,  welcher  nns  f&hig 
■achet,  die  wahre  Beschaffenheit  und  Eigenschaften  derselben  zn 
aatersncben  nod  zn  erkennen,  so  wie  man  den  Qrnnd  der  Flflsse 
ud  des  Meeres  nur  entdeckt,  wenn  das  Wasser  still  nnd  unbewegt 
ist;  und  folglich  kann  auch  die  Kunst  nur  in  der  Stille  dag  eigent- 
liche Wesen  derselben  ausdrücken  **  ^). 

„In  allen  Stellungen,  die  tou  dem  Stande  der  Buhe  zu  sehr 
abweichen,  befindet  sich  die  Seele  nicht  in  dem  Znstande,  der  ihr 
der  eigentlichste  ist,  sondern  in  einem  gewaltsamen  und  erzwun- 
genen Znstande.  Kenntlicher  nnd  bezeichnender  wird  die  Seele  in 
heftigen  Leidenschaften ;  groß  aber  und  edel  ist  sie  in  dem  Stande 
der  Einheit,  in  dem  Stande  der  Bähe"*'). 

Es  ist  der  Geist  der  vorgeahnten  echten  Winckelmannscben 
Antike,  der  in  nlpbifir^nio''  d^o  ruhigen  Gang,  diese  fast  g&nz- 
üche  Entäußerung  der  Leidenschart  bildet,  so  daß  sie  einem  Opfer 
gleicht,  dessen  Bauch,  von  einem  sanften  Luftdruck  niedergehalten, 
an  der  Erde  hinzieht,  indessen  die  Flamme  freier  nach  der  Höhe 
zn  gewinnen  sucht'). 

Und  noch  von  zwei  anderen  Seiten  her,  in  Weimar,  wurde 
Goethe  reif  gemacht  für  die  reine  Anschauung  der  Antike:  durch 
Shaftesbury  und  Spinoza. 

Der  geistbelebende  nnd  geistdurchflntete  Mystizismus  Plotins* 
erneut  eich  gleicherweise  in  Shaftesbury  wie  in  Winckelmann. 
Winckelmann  lAßt  eich  zwar  nicht  ein  auf  die  Plotin  entnommene, 
fftr  ihn  unfruchtbare  Scheidung  Shaftesburys  von  drei  Klassen  der 
SebOnbeit:  toter  Formen  ohne  Geist  und  Tätigkeit  (im  Natur-  und 
Knnstgegenstand),  bildender  Formen  mit  Geist  und  Tätigkeit  (im 
Meoachen),  endlich  der  Geist  nnd  Tätigkeit  hervorbringenden  Form 
alkrbOchster,  unvergleichbarer  originaler  Schönheit  in  Gott  —  er 
gebrancht  auch  nicht  den  Plotin  wie  Shaftesbury  geläufigen  Ana- 


>)  Winckelmanns  Werke  (Dresdener  Aotgabe)  IV  187  f. 
")  Diese  aaf  eaitesianijcbo  Ideen   lorOekgebeBde  Polemik  gegen 
Dnboa  und  die  von  ihm  abhäogigen  Aatbeliker  is.  B.  Meier)  ebenda  1 88. 
*)  ItaL  Beise  10.  Jaannr  1797  (W.  39>  949). 


t   WiDckelmaons  Emitttheoria  in  Goethes  Fortbildnng.  Von  E,  OaHU. 

zu  haben'),  und  so  wurde  denn  auch  WiDckelmanDs  Geecbichie 
der  Knnst  ein  treuer,  in  seinem  Werte  immer  mehr  gewürdigter 
Fibrer*),  ein  danerbafter  Faden  durch  die  labyrintbieehen  Ginge 
der  TerBcbiedenen  Knnatepoehen '). 

Hier,  an  dem  Terscbiedenen  Stil,  dessen  sich  die  Yölker  be- 
dienten, den  sie  in  Folge  der  Zeiten  nach  nnd  nach  ansgebildet 
nnd  znletzt  wieder  rerbildet  hatten^),  konnte  Goethe  den  Begriff 
gesetzmäßiger  Entwicklung  wieder  erkennen,  den  ihn  die  Natar- 
betrachtong  schon  gelehrt,  den  er  aber  ffir  die  Konst  doch  nicht 
frflher  fest/ansetzen  sich  getränt  hatte,  bevor  er  nicht  ffir  ihn 
zugleich  den  Charakter  des  Erlebten  gewonnen  hatte.  Das  ist  aber 
das  unvergängliche  Verdienst  Winckelmanns  um  die  gesamte  Kultur 
der  Menschheit,  daß  er  zuerst  lehrte,  „die  Werke  der  Kunst  nach 
der  Weise  und  den  Gesetzen  ewiger  Naturwerke  zu  betrachten,  da 
Tor  und  nach  ihm  alles  andere  Menschliche  als  Werk  gesetzloser 
Willkür  angesehen  und  demgemäß  bebandelt  wurde*  ^). 

Der  Tollständige  Parallelismus  von  Kunst  und  Natur,  mag 
er  auch  schon  früher  unter  dem  Einfluß  Shaftesburjs  geahnt 
worden  sein,  ist  in  der  Tat  die  erste  große  Erkenntnis,  die  aus 
Winckelmanns  Lebenswerk  geschöpft  wird:  „Außer  den  Gegen* 
ständen  der  Natur,  die  in  allen  ihren  Teilen  wahr  und  konsequent 
ist,  spricht  doch  nichts  so  laut  als  die  Spur  eines  guten  verstän- 
digen Mannes,  als  die  echte  Kunst,  die  ebenso  folgerecht  ist  als 
jene"«). 

Kaum  war  eine  etwas  tiefere  Einsicht  erlangt,  als  sich  eine 
zweite  Betrachtung  über  die  griechische  Kunst  im  besonderen  auf- 
drängte und  zu  erforschen  suchte,  wie  jene  unvergleichlichen 
Kfinstler  verfuhren,  um  aus  der  menschlichen  Gestalt  den  Kreis 
göttlicher  Bildung  zu  entwickeln,  welcher  vollkommen  abgeschlossen 
ist  und  worin  kein  Hanptcharakter  so  wenig  als  die  Übergänge 
und  Yermittlnngen  fehlen^).  Nach  Winckelmann  hatten  sich  die 
Kfinstler  dabei  der  eklektischen  Methode  bedient,  einen  Auszug  der 
schönsten  Formen  gleichsam  zusammengeschmolzen  und  aus  diesem 
Inbegriffe  war  wie  durch  eine  neue  geistige  Zeugung  eine  edlere 
Geburt  entstanden«);  sie  hatten,  mit  Lessing  zureden,  geschaffen, 
wie  sich  die  plastische  Natnr  das  Bild  dachte:  ohne  den  Abfall, 
welchen   der  widerstrebende  Stoff  unvermeidlich  macht;    ohne   das 


')  Verzeichnis  der  geschDittenen  Steine  im  Berl.  Mas.  (W.  49, 116). 

*}  Goethe  an  Karl  Aof^ost,  20.  Januar  1787  (Br.  8,  137). 

»)  Ital.  Reise,  8.  Mai  1787  (W.  81,  187). 

«)  Ital.  Reise,  28.  Januar  1787  (W.  80,  264). 

')  Scbelling,  Ober  das  VerhältDis  der  bildenden  Kfinste  zu  der 
Natur.   Sämtliche  Werke.  I.Abteil.  VII  298. 

•)  Ital.  Reise,  18.  Dezember  1786  (W.  80,  2S5). 

')  liHl.  Reise,  28.  Januar  1787  (W.  80,  264  f.). 

^)  Wineki*lmanD8  Werke  IV  71;  vgl.  Cicero  fiber  den  Zeus  des 
Phidias  Or.  8,  10. 


Wiacktlmuiaa  KoostthMri«  in  Goethes  Fortbildnog.  Von  E*  (hutlA,    7 

Verderb»  mit  welchem  die  Zeit  dagegen  ank&mpft').  Diese  Anf- 
Cuemig  ist  Goethe  nicht  ganz  fremd  geblieben  (s*  unten);  aber 
anch  ihm  sind  die  Bedenken  Berninis  anfgestiegen^  wie  aas  solchen 
lebOnsten  Teilen  sich  ein  schönes  Ganzes  zasammensetzen  ließe, 
aad  ob  denn  nicht  fdr  die  Operation  des  Genies,  indem  es  sich 
der  Erfahmngselemente  bedient,  der  Aosdmck  „znsamtnensetzen" 
va  niedrig  sei?')  «leb  habe  eine  Vermntnng'',  schreibt  er'),  ,,daß 
die  griechischen  Känstler  nach  eben  den  Gesetzen  verfahren,  nach 
welchen  die  Natnr  Terffthrt  nnd  denen  ich  anf  der  Spnr  bin.  Nor 
ist  doch  etwas  anders  dabei,  das  ich  nicht  anszusprechen  wflßte.^ 

Voll  Eifer  sacht  Goethe  in  Sizilien  die  Bobriken  des  V^inckel- 
■snnschen  Schemas  der  Tier  griechischen  Stilarten  mit  bestimmten 
Kaastwerken  aoszofflUen.  Aber  sein  urteil  ist  aasicher  and  greift 
noch  fehl. 

Ad  der  liegenden  Statae  der  heiligen  Bosalie  Ton  demi  Flo- 
mtiner  Gregorio  Tedeschi  in  deren  Grotte  aaf  dem.  Monte  Pelle- 
grino  findet  er  „Kopf  and  Hände  von  weifiem  Marmor,  ich  darf 
nicht  sagen,  in  einem  hohen  Stil,  aber  doch  so.  natftrlich  and  ge- 
flUtg  gearbeitet,  dsft  man  glaubt,  sie  müßte  Atem  holen  and  sich 
bewegen.  Ein  kleiner  Engel  steht  neben  ihr  und  scheint  ihr  mit 
emem  Liltenstengel  Eühlnng  zazawehen"  ^).  Es  ist  ein  sfißliches, 
gezierte«  Machwerk  ans  dem  17«  Jahrhundert,  nicht  ^lu  ,Tergleiehen 
■it  semsD  Termutlichen  römischen  Vorbildern ,  Mademas  l^eiliger 
Cicilia  oder  Menghinos  heiliger  Martina»  Goethes  Urteil,  ist  an- 
begreiflieb :  wenn  fdr  eine  Heilige,  so  w&re  gerade  fflr  diese  nach 
Wiackelmanns  Andeatung^)  als  Modell  der  Typus  der  Amazone, 
des  Doberflbrten  sieghaften  Heldenmftdchens,  za  w&blen  gewesetn  -^ 
and  Goethe  hatte  doch  auch  schon  damals  gute  Beiepiele  forden 
heben  Stil,  die  Juno  Ludovisi,  die  Medusa  Bondanini,  kennen 
gtlent 

Bester  gelang  die  Bestimmung  des  Hippolytsarkophages  zu 
Girgenti :  „Mich  dfinkt  ton  halberhabener  Arbeit  nichts  Herrlicheres 
gesehen  zu  haben;  zugleich  ToUkommen  erhalten.  Es  soll  mir 
einstweilen  als  ein  Beispiel  der  anmutigsten  Zeit  griechischer  Kunst 
geheD**  ^  In  der  Tat  Ist  es  eine  römische  Kopie  nach  einem  guten 
griechischen  Original  Tom  Anfang  des  IV.  Jahrhunderts. 

Aber  Sizilien  ist  flberbanpt  nicht  der  geeignete  Boden,  am 
Stadiea  fiber  Plastik  anzustellen.  Das  Interessanteste  und  SchOnste 


<)  »Emilia  Galottl*  14.^  Der  Begriff  einer  plattisehen  Natur, 
laf  Arietotelee  zurückweisend,  von  Gadwortb  wieder  aufgenommen,  fuhrt 
sehoo  Harris,  den  Lessing  und  Herder  kannten,  zu  aatiteleolegisehea 
Felgemageu. 

*)  Goethe  an  Schiller,  28.  Febr.  1798  (Br.  18,  82). 

•)  Ital.  Reise,  28.  Jinner  1787  (W.  80,  265). 

«)  ItaL  Beiee,  6.  April  1787  (W.  81,  104). 

"  Wiackelmanns  Werke  IV  180. 

ItaL  Reise,  24.  April  1787  (W.  81,  159). 


'i 


8    wWclJelmairiis  KmiitllheoriÄ  in  OoeÜiM  FortbildoDg.  Von  JB?.  ÖaiHe. 

sehVifii  Öoetbb  auch  gar  nicht  gesehen  zu  haben.  Einen  nnan»- 
löBchluheren  Eindruck  als  alle  Architekturreste,  Münz-  nnd  Me- 
daillenkiinde  machte  die  wnndersamBte  Anmut  dee  Landes,  machte 
der  Beiz  wagemutig  bestandener  Abenteuer,  bei  denen  mehr  als 
einmal  O'dysseus  der  Patron  angerufen  und  seine  Vorspräche  bei 
PallÄs^thene  erbeten  werden  mußte*).  ' 

Der  Gewinn  der  siziliscben  Monate  ist  ein  anderer:  hier 
ward  fiomer  ergriffen,  der  Unterschied  zwischen  den  Alten  und 
Modernen  erfaßt,  in  der  Urpflanze  ein  Modell  und  Schlfissel  ent- 
deckt, mit  dem  man  Pflanzen  ins  Unendliche  erfinden  kann,  die 
konsequent  sein  müssen,  d.  h.  die,  wenn  sie  auch  nicht  ezistierent 
doch  existieren  könnten,  innerliche  Wahrheit  und  Notwendigkeit 
baben,ein  Ghesetz,  von  dem  Goethe  hoffte,  daß  es  sich  auf  alles 
übrige  Lebendige  werde  anwenden  lassen'};  nun  glaubte  er  auch 
den  Eapitalscblüssel  gefunden  tu  haben,  die  Kunstwerke  zu  er- 
klären und  das  auf  einmal  aufzuschließen,  woran  Künstler  und 
Eennilr  sieh  schon  seit  der  Wiederherstellung  der  Kunst  sersuchen 
und  zerstudieren:  ,;bo  viel,  meint  er*),  ist  gewiß,  die  alten  Künstler 
habeb  ebenso  große  Kenntnis  der  Natur  und  einen  ebenso  sichern 
Begriff  von  dem,  was  sich  yorstellen  Iftßt  und  wie  es  Torgestellt 
werden  muß,  gehabt  als  Homer.  Leider  ist  die  Anzahl  der  Kunst- 
werke der  ersten  Klasse  gar  zu  klein  ^).  Wenn  man  aber  auch 
diese  sieht,  so  hat  msn  nichts  zu  wünschen,  als  sie  recht  zu  er* 
kennen  und  dann  in  Friede  hinzufahren.  Diese  hohen  Kunstwerki 
sind  zugleich  als  die  höchsten  Naturwerke  von  Menschen  nach 
wahren  und  natürlichen  Gesetzen  hervorgebracht  worden.  Alles 
WiSkürliche,  Eingebildete  fiUt  zusammen,  da  ist  die  Notwendig- 
keit, da  ist  Gott**.  Oder  wie  sich  Goethe  später  in  den  Anmer- 
kungen zu  „Diderots  Versuch  über  die  Malerei''  erkl&rt*):  „Die 
Künstler  bilden  durch  Beispiel  und  Lehre,  nachdem  die  Kunst 
sich  lange  empirisch  fortgeholfen  hat,  endlich  die  Segeln  der 
Kunst.  Aus  ihrem  Geiste  und  ihrer  Hand  entstehen  Proportionen^ 
Formen,  Gestalten,  wozu  ihnen  die  bildende  Natur  den  8toff  dar- 
reichte; sie  kon?enieren  nicht  über  dies  und  jenes,  das  aber 
anders  sein  könnte,  sie  reden  nicht  miteinander  ab,  etwas  Un- 
geschicktes für  das  Bechte  gelten  zu  lassen,  sondern  sie  bilden 
zuletzt  die  Segeln  aus  sich  selbst,  nach  Kunstgesetzen,  die  ebenso 
wahr  in  der  Natur  des  bildenden  Genias  liegen,  als  die  große  all- 
gemeine Natur  die  organischen  Gesetze  ewig  tätig  bewahrt''. 

VfBün  Hirt,  die  alte  platonisch-aristotelische  Streitfrage  wieder 
anfwerfend,  gegenüber  Winckelmann  behauptete,  das  Cbarak- 
teristisehe  und  Individuelle  sei  Grundlage  des  Kunstschönen»   b*- 

1)  Ebenda,  18.  Mai  1787  (W.  81,  212). 

*)  Ebenda,  17.  Mai  1787  (W.  81,  240). 

*)  Ital.  Seise,  6.  Sept.  1787,  (W.  81,  77  f.). 

*)  Ein  MengSBcher  bedanke,  TgL  Jasti,  Winckelmann*  II  $0. 

•)  W.  45,  267  f. 


Kmatttieoile  in  GiraUiat  Foribiidmig.  ¥#&  £.  OasUi.  k  9 

Mb  M  die  ideale  Daratellaag  der  Oötter  and  Heroen  oder  jeden 
Inderm  gemeinen  oder  niedrigen  Oegenstand«  so  mußte  nun 
Oeikhe  folgerecht  entwickeln ,  .daß  freilich  der  Charakter  jedem 
Kanstwerk  anm  Grande  liegen  mösae,.  die  Behandlang  aber  dem 
Schönheitasinne  nnd  dem  Geschmack  anemprohlen  sei,  welche  einen 
jedsn  Charakter  in  seiner  AngemesBenheit  sowohl  als  in  seiner  An- 
mot  darxastellen  haben**^),  oder  wie  es  im  „Sammler  und  den 
Seinigen**  heißt:  „Das  Charakteristische  liegt  zum  Grande,  aaf 
ihm  ndien  Einfalt  and  Wflrde^  das  höchste  Ziel  der  Kanst  ist  die 
Schönheit  and  ihre  letzte  Wirkung  Gefühl  der  Anmnt**  >). 

Far  die  Aasbildang  nnd  Abrnndang  von  Goethes  Kaostlehre 
werden  noch  Herders  .„Gott**  and  der  dritte  Teil  der  „Ideen",  die 
aller  schlechten  Teleoiogie  den  Garaas  machten,  and  darein  mfln- 
dead  Moritz^  Gedanken  „über  die  bildende  Nachahmung  des  Schönen** 
•ntscheidendy  die  jenes  früher  als  unaussprechlich  Empfnndene  aus- 
zusprechen sachten:  das  Kunstwerk  faßt  wie  in  einen  Brennpunkt 
die  vollkommensten  Verhältnisse  des  großen  Ganzen  der  Nator, 
ebenso  wahr  und  so  richtig  wie  sie  selbst«  in  seinen  kleinen  Um? 
fang  als  ein  für  sich  selbst  bestehendes  Ganzes;  \ß  diesem  Sinn 
ist  ee  in  eich  selbst  vollendet  nnd  Selbstzweck,  e^  will  hervor- 
gebracht nnd  empfunden,  nicht  aber  erkannt  nnd  genossen  werden*)« 
Ton  hier  ans  schlug  sich,  wenn  wir  um  ein  paar  Jahre  vorgreifen 
dürfen,  wie  von  selbst  die  Brücke  zu  Kaut  und  Schiller«  die 
Kenst  und  Natur  nebeneinander  stellten,  sie  wohl  für  einander, 
aber  nicht  absichtlich  wegen  einander  besteben  ließen  und  beiden 
das  Reeht  sagestanden,  aus  großen  Prinzipien  zwecklos  zu  handeln  ^). 

Gleichsam  um  die  Summe  des  Erlernten  und  Erlebten  zu  zieheui 
besachte  Goethe  vor  der  Abreise  die  französische  Akademie,  wo  die 
Abgüsse  der  besten  Statueo  des  Altertums  beisammeo  stehen.  „Wie 
könnt*  ich  ausdrücken,  was  ich  hier,  wie  zum  Abschied,  empfand? 
Is  solcher  Gegenwart  wird  man  mehr,  als  man  ist;  man  fühlte 
das  Würdigste,  womit  man  sich  beschäftigen  sollte,  sei  die  mensch* 
liehe  €kstalt,  die  man  hier  in  aller  mannigfaltigen  Herrlichkeit 
gewahr  wird.  Doch  wer  fühlt  bei  einem  solchen  Anblick  nicht  also- 
bald,  wie  unzulänglich  er  sei;  selbst  vorbereitet  steht  man  wie 
vernichtet.  Hatte  ich  doch  Proportion,  Anatomie,  Begelmäßigkeit 
der  Bewegung  mir  einigermaßen  zu  verdeutlichen  gesucht  <  hier 
aber  fiel  mir  nur  zu  sehr  auf,  daß  die  Form  zuletzt  alles  ein- 
ichliefie,  der  Glieder  Zweckmäßigkeit,  Verhältnis,  Charakter  und 
fichönhect**  *).  „Eine  vollkommene  Nachahmung  der  Natur  ist  in 
keinem  Smne  möglich,    der  Künstler  ist  nur  zur  Darstellung  der 


>)  Ital.  Beiie,  November  1787  (W.  82,  152). 
•)  W.  47,  168. 

•)  IUI.  Beiee,  März  1788  (W.  82,  802  f.). 

')  Emwirkong  der  neaeren  Philosophie.  —  Goethe  an  Zelter,  den 
».Jaaoar  1880. 

•)  ItaL  Beise,  11.  Aprtt  1788  (W.  82,  317). 


10  Winckelmaniu  Knntttbeori«  in  GotUiM  Fortbildimg.  Ten  S.  OaiOe, 

Oberfläche  einer  ErsebeiDiiiig  berafen.  Du  Äußere  des  Oef&ßee, 
das  lebendige  Ganze,  das  tu  allen  ansem  geistigen  und  sinnlichen 
Kräften  spricht,  unser  Verlangen  reizt,  nnsem  Geist  erhebt,  desseo 
Besitz  ans  glöcklich  mscht,  das  Lebenvolie,  Kräftige,  Ausgebildete, 
Schöne,  dahin  ist  der  Kfinstler  angewiesen*'  ^). 

Wieder  ist  Goethe  zaräckgefflbrt,  dem  höchsten  Gedanken 
nachzudenken,  zu  dem  die  Natur  schaffend  sich  aufschwang: 

«Die  heiliffs  Mwe 
Bringt  harmonisch  ihn  dir,  mit  sanftem  Zwange  belehreBd. 
Keinen  hohem  Begriff  erringt  der  sittliche  Denker, 
Keinen  der  tätige  Mann,  der  dichtende  Kflnatler;  der  Herrscher, 
Der  Terdient,  es  so  e«'iD,  eifrent  Dor  dnr«  b  ibn  sich  der  Krone. 
'  Freoe  dich,  höchstes  Geschöpf,  der  Nator! 
Dieser  scbCne  Begriff  Yon  Maclit  ond  Schranken,  von  Willkflr 
Und  Gesetz,  von  Freiheit  and  Maß,  von  beweglicher  Ordnung, 
Vorzog  und  Mangtl  eifreue  dich  hocbl** 

(Metamorphose  der  Tiere.) 

So  stehen  wir  denn  am  Ende  aller  Kunstanscbauung  wieder 
beim  reinen  Begpriff,  ein  Weg,  den  in  gleicher  Art  Sokrates,  Ari« 
Btoteles,  Plato,  Winckelmann  zurückgelegt  haben.  Es  fand  Goethes 
▼oUen  Beifall,  da  ibn  diesen  Weisen  Wilhelm  von  Schütz  an- 
reihte'):  MG^ro^^^rt  Winckelmann  das  Geffibl,  mit  welchem  uns 
Plato  ergreift,  daß  er  sich  noch  nicht  vollkommen  ausgesprochen 
habe,  daß  er  sich  aucb  nie  vollkommen  aussprechen  könne  und 
werde;  so  ist  Goethe  der  dritte  Gei^t,  den  dasselbe  charakterisiert» 
als  Dichter,  als  Weltbeobachter,  als  Natorkundiger.  Betrachte  man, 
wie  wenig  er  mystisch  ist  in  seiner  Poesie,  wie  er  das  Geheimnis 
nie  in  den  Stoff  legt,  wie  dieser  vielmehr  als  ruhige,  klare,  durch- 
aus verständliche  und  begreifliche  Naturnotwendigkeit  dem  Leser 
nahe  tritt;  aber  man  bedenke  zugleich,  wie  wir,  wenn  das  Gedicht 
geschlossen,  uns  zunächst  an  der  Pforte  fahlen,  jenseit  welcher 
das  große  Allgeheimnis  schlummert,  aus  dem  sein  Werk  hervor- 
getreten." 

Hatte  Goethe  in  seiner  Jugend  WeltschOpfung,  Kunstscböpfung 
und  physische  Zeugung  so  oft  als  ähnliche  Vorgänge  betrachtet,  so 
gewann  das  alte  Bild  jetzt  för  ihn  neoe  Bedeutung:  der  Künstler 
hatte  in  der  Tat  die  Natur  nachzobilden ,  mit  ihr  zu  wetteifern, 
etwas,  das  ihren  Erscheinungen  ähnlich  ist,  etwas  Geistig -Orga- 
nisches hervorzubringen'). 

„Das  letzte  Produkt  der  sich  immer  steigernden  Natur  ist 
der  sch6ne  Mensch.  Zwar  kann  sie  ihn  nur  selten  hervorbringen, 
weil  ihren  Ideen  gar  viele  Bedingungen  widerstreben,  und  selbst 
ihrer  Allmacht  ist  es  unmöglich,  lange  im  Vollkommenen  zu  ver- 
weilen und  dem  hervorgebrachten  Schönen  eine  Dauer  zu  geben; 


>)  Diderots  Versacb  .fiber  die  Malerei  (W.  45,  S54  f.). 
*)  Zcr  Morphologie  (W.  2.  Abt.  6,  211  f.). 
')  Einleitoug  in  die  Propyläen  (W.  47,  11  &). 


ITOBckalaianBt  Kuwithaoiie  in  Goethes  Fortbildvog.  Yon  JBL  OaaÜe.  11 

teo  gena«  peooDiiDen  kann  man  sagpen,  es  eei  nur  ein  Augen- 
blick»  in  welchem  der  schöne  Mensch  schön  sei. 

Dagegen  tritt  nnn  die  Kunst  ein;  denn  indem  der  Mensch 
asf  den  Oipfel  der  Natnr  gestellt  ist,  so  sieht  er  sich  wieder  als 
eine  ganze  Natnr  an,  die  in  sich  abermals  einen  Oiprel  herrorzn- 
briagea  hat.  Dazu  steigert  er  sich,  indem  er  sich  mit  allen  Voll« 
kemmenheiten  und  Tugenden  durchdringt,  Wahl,  Ordnung,  Har- 
BODie  und  Bedeutung  aufruft  und  sich  endlich  bis  zur  Produktion 
des  Kunstwerkes  erhebt,  das  neben  seinen  übrigen  Taten  und 
Werken  einen  glänzenden  Platz  einnimmt. 

Ist  es  einmal  hervorgebracht,  steht  es  in  seiner  idealen  Wirk- 
lichkeit vor  der  Welt,  so  bringt  es  eine  dauernde  Wirkung,  es 
bringt  die  hOehste  h»r?or:  denn  indem  es  aus  den  gesamten  Kräften 
lieh  geistig  entwickelt,  so  nimmt  es  alles  Herrliche,  Yerehrungs- 
aod  Liebenswfirdige  in  sich  auf  und  erhebt,  indem  es  die  mensch- 
liche Gestalt  beseelt,  den  Menschen  über  sich  selbstt  schließt 
leioen  Lebens-  und  Tateukreis  ab  und  vergöttert  ihn  für  die 
Gegenwart,  in  der  das  Vergangene  und  Künftige  begriffen  ist.  Von 
tolchen  Gefühlen  wurden  die  ergriffen,  die  den  olympischen  Jupiter 
•rblickten:  der  Gott  war  zum  Menschen  geworden,  um  den  Men- 
icben  zum  Gott  zu  erheben.  Man  erblickte  die  höchste  Würde  und 
wird  für  die  höchste  Schönheit  begeisterf  ^). 

Dies  ist  der  höchste  Grad,  welchen  die  Kunst  je  erreicht 
hat  und  je  erreichen  kann;  diesen  Grad  auch  nur  erkennen,  ist 
BcboD  eine  groGe  Glückseligkeit,  und  davon  sich  mit  Verständigen 
onterbalten,  ein  edles  Vergnügen;  dahin  zu  gelangen,  darf  sich 
den  höchsten  menschlichen  Bemühungen  gleichstellen:  ihn  allein 
will  Goethe  als  Stil  bezeichnet  wissen. 

Insofern  Stil  auf  Nachahmung  der  Natur  beruht,  auf  der 
Bemühung  sich  eine  allgemeine  Sprache  zu  machai,  auf  genauem 
Bod  tiefem  Studium  der  Gegenstände  selbst,  ist  er  an  Dasein, 
Sinnlichkeit,  Endlichkeit  geknüpft;  indem  er  die  Eigenschaften  der 
Dinge  nnd  die  Art,  wie  sie  bestehen,  genau  und  immer  genauer 
keoaeD  lernt,  die  Beihe  der  Gestalten  übersieht,  die  verschiedenen 
charakteristischen  Formen  nebeneinander  zn  stellen  und  naohzn- 
ahmen  weifi,  beruht  er  auf  den  tiefsten  Grundfesten  der  Erkenntnis, 
snf  dem  Wesen  der  Dinge,  insofern  nns  erlaubt  ist,  es  in  sicht- 
baren und  greifliehen  Gestalten  zu  erkennen,  und  leitet  so  ins 
Obeiainnliehe,  in  ahndevoile  Onendlichkeit'). 

So  ist  das  Kunstwerk  wahr  und  doch  nicht  wirklich,  natür- 
lich zugleich  und  übernatürlich,  Einzelfall  und  doch  von  allge- 
■eiaer  Bedeutung,  es  verkörpert  das  Sinnlich  «Höchste  und  läßt 
das  Sittlich -Höchste  ahnen. 


D  WiDckelmann  und  sein  Jahrhundert  (W.  46,  29  f.). 

')  Emfaehe  Nschahmung  der  Natur,  Manier,  Stilt  W.  47,  V 


12  WundnUnannil  Kunattheori«  in  Gpeihet  Foribildiug.  Von  EJCasOe. 

Da  WiDckelmaon  nach  Born  kam  ond  die  Statuen  des  rali- 
kaniscben  BeWedere  sah,  »faßte  er  mit  dem  Sinn  onanseprech- 
liche  Werke,  und  doch  fählte  er  den  nnwiderstehlicben  Drang,  mit 
Worten  und  Bachetaben  ihnen  beizakommeo.  Das  Toilendete  Herr- 
liche,  die  Idee,  worans  diese  Gestalt  enteprang«  das  Geföhl,  das 
in  ihm  beim  Schanen  erregt  ward,  sollte  dem  Hörer,  dem  Leeer 
mitgeteilt  werden,  nnd  indem  er  nnn  die  ganze  Bnstkammer  seiner 
Fähigkeiten  mustert,  siebt  er  sich  genötigt,  nach  dem  Er&ftigeteii 
und  Würdigsten  zu  greifen,  was  ihm  zugebote  steht.  Er  muß  Poet 
sein,  er  mag  daran  denken,  er  mag  wollen  oder  nicht** ^).  Im 
Apollo  verkündet  er  religiös -verzückt  das  Wunder  der  Erscheinung 
der  Gottheit;  der  Torso  ist  ihm  ein  Bild  des  vergötterten  Her- 
kulek,  welcher  auf  dem  Berge  Ota  von  den  Schlacken  der  Mensch* 
heit  gereinigt  worden,  eine  Zusammenfassung  der  tatenreichen  Ge- 
schiente des  Helden;  es  ist  das  plastische  Kunstwerk,  welches 
Schiller  vorschwebte  bei  der  Charakteristik  der  sentimentalisehea 
Idylle.  Diese  Betracbtungsart  weiter  verfolgend  will  Goethe  auch 
Laokoon  bloß  als  Namen  bei  dieser  Gruppe  gelten  lassen:  es  ist 
eine  tragische  IdjUe;  ein  Vater  schlief  neben  seinen  beiden  Söhnen; 
sie  wurden  von  Schlangen  umwunden  und  streben  nun,  erwachend, 
sich  aus  dem  lebendigen  Netze  loszureißen'). 

Ein  jedes  dieser  Bildwerke  ist  ein  Symbol:  die  Erscheinung 
verwandelt  sich  in  Idee,  die  Idee  in  ein  Bild  und  so,  daß  die 
Idee  im  Bild  immer  unendlich  wirksam  und  unerreichbar  bleibt 
und,  selbst  in  allen  Sprachen  auegesprochen,  doch  unaussprechlich 
bliebe').  „Die  Bildhauerkunst  wird  mit  Becht  so  hoch  gehalten, 
weil  eie  die  Darstellung  auf  ihren  höchsten  Gipfel  bringen  kann 
und  muß,  weil  sie  den  Menschen  von  allem,  was  ihm  nicht  wesent- 
lich ist,  entblößt**  ^).  Dasselbe  liegt  aber  auch  in  der  Natur  der 
Poeäe:  „Sie  spricht  ein  Besonderes  aus,  ohne  ans  Allgemeine  an 
denken  oder  darauf  hinzuweisen.  Wer  nun  dieses  Besondere 
lebendig  faßt,  erhält  zugleich  das  Allgemeine  mit,  ohne  es  gewahr 
zn  werden,  oder  erst  spät**').  ,,Der  Geist  vernünftig  denkender 
Wesen**,  erklärt  Winckelmann'),  „hat  eine  eingepflanzte  Neigung 
und  Begierde,  sich  über  die  Materie  in  die  geistige  Sphäre  der 
Begriffe  zu  erheben,  und  dessen  wahre  Zufriedenheit  ist  die  Her- 
vorbringnng  neuer  und  verfeinerter  Ideen.** 

Ob  nun  die  Normalformen  der  bildenden  Natur  oder  die  G«- 
genstände  heiliger  Verehrung  aus  der  Hand  des  Künstlers  horvor- 
gehen  sollen,  immer  wieder  führt  ihn  die  Kunst  hinaus  über  die 
Natur,   hinab   zu  den  Urmüttern,    hinauf  zu  den  Urbildern  alles 


,  1)  Winckelmaon  nnd  sein  Jahrhundert  (W.  46,  56  f.) 

>)  Ober  Laokoon  (W.  47,  106  f.). 

*)  Sprüche  743. 

«)  Über  Laokoon  (W.  47,  106). 

*}  Sprüche  363.    . 
Vf)  WinckefmaDQs  Werkq  IV  71 


IjVlickalmuum  Koatttheorle  in  Ooetbet  Fortbildiing.  Von  E,  CasÜei  13 

Sains:  ,,bi«riii  ist  die  KvDBtwabrheit  bescblossen,  nach  welcher  der 
t^to  geaetzgebeDde  Künstler  strebt;  nar  der  gesetzlose«  der  einem 
blinden  Triebe  folgt,  strebt  nach  Natnrwirklicbkeit;  durch  jenen 
wird  die  Kanst  znm  höchsten  Gipfel,  durch  diesen  auf  ihre  nie- 
derste  Stnfe  gebracht**^).  „Die  Alten,  weit  entfernt  von  dem  mo- 
dernen Wahne,  daß  ein  Kunstwerk  dem  Seheine  nach  wieder  ein 
Katorwerk  werden  mflsse,  bezeichneten  ihre  Kunstwerke  als  solche 
durch  gewählte  Ordnung  der  Teile;  sie  erleichterten  dem  Auge  die 
Einsieht  in  die  Verhältnisse  durch  Symmetrie;  und  so  ward  ein 
fsrwiekeltes  Werk  faßlich**»). 

«Die  Klarheit  der  Ansicht,  die  Heiterkeit  der  Aufnahme,  die 
Leichtigkeit  der  Mitteilung,  das  ist  es,  was  uns  entzöckt;  und 
wion  wir  nun  behaupten,  dieses  alles  finden  wir  in  den  echt  grie« 
ehischen  Werken,  und  zwar  geleistet  am  edelsten  Stoff,  am  wftr- 
digsten  Gehalt,  mit  sicherer  und  Tollendeter  Ausfäbrung,  so  wird 
■an  uns  rerstehen,  wenn  wir  immer  von  dort  ausgehen  und  immer 
dort  hinweisen.  Jeder  sei  auf  seine  Art  ein  Grieche !  Aber  er  sei's**  % 

Der  alte  Goethe  sagte  zu  Eckermann ^):  „Das  Klassische 
nenne  ich  daa  Gesunde  und  daa  Romantische  das  Kranke.  Das 
Dsiste  Kenere  ist  nicht  romantisch,  weil  es  neu,  sondern  weil  es 
schwach,  kränklich  und  krank  ist;  und  das  Alte  ist  nicht  klassisch, 
weil  ea  au,  sondern  weil  es  stark,  frisch,  froh  und  gesund  ist.** 
Diese  Anffaasang  begegnet  schon  in  «Winckelmann  und  sein  Jahr- 
hundert^, wo  Goethe  Antikes  und  Heidnisches*)  zu  charakterisieren 
sucht  Daa  glfickliche  Los  der  Alten,  besonders  der  Griechen  in 
ihrer  besten  Zeit,  war  es,  daß  sich  die  sämtlichen  Eigenschaften 
gleichsam  im  Menschen  vereinigten,  wodurch  er  in  den  Stand  ge- 
setzt war,  daa  Einzige,  ganz  Unerwartete  zu  leisten.  Ohne  weitem 
Umweg  fählten  die  Alten  sogleich  ihre  einzige  Behaglichkeit  inner- 
halb der  lieblichen  Grenzen  der  schönen  Welt  Hierher  waren  sie 
gesetzt,  hiezu  berufen,  hier  fand  ihre  Tätigkeit  Baum,  ihre  Leiden- 
schaft Gegenstand  und  Nahrung.  Jenes  Vertrauen  auf  sich  selbst 
jeaea  Wirken  in  der  Gegenwart,  die  reine  Verehrung  der  Götter  als 
AhnherreD,  die  Bewunderung  derselben  gleichsam  nur  als  Kunst- 
werke, die  Ergebenheit  in  ein  übermächtiges  Schicksal,  die  in  dem 
hohen  Werte  des  Nachruhms  selbst  wieder  auf  diese  Welt  ange- 
vieeene  Zukunft  gehören  so  notwendig  zusammen,  machen  solch 
ein  aozertrennlichee  Ganze,  bilden  sich  zu  einem  von  der  Natur 
•elbet  beabsichtigten  Zustand  des  menschlichen  Wesens,  daß  wir 
hl  dem  höchsten  Augenblicke  des  Genusses  wie  in  dem  tiefsten 
der  Anfopferung,  ja  des  Untergangs,  eine  unTerwfistliche  Gesund- 
k«t  gewahr  werden.     Aber  nicht  allein  das  Glfick  zu  genießen. 


I)  Blaleitung  in  die  Propyläen. 
*)  Über  Laokoon  (W.  AT,  104). 
•)  Antik  nnd  modern  (W.  491,  155  f.). 
'   2.  April  1829  (Qeepr.  1122). 
-  4«,  21  Jf.  ' 


*)  2.A 
*)  W. 


14  Winekelmaans  Kouttheerie  In  Qoethes  Fertbildnng.  Yen  E.  OasOe. 

BODdeni  ancb  das  Unglück  zu  ertrageD^  waren  {ene  Natoren  hOeh- 
Uch  gesebickt;  denn  wie  die  gesande  Faser  dem  Obel  widerstrebt 
nnd  bei  jedem  krankbaften  Anfall  sieb  eilig  wieder  berstelU,  so 
vermag  der  jenen  eigene  gesunde  Sinn  sieb  gegen  inneren  und 
&nßeren  Unfall  gescbwind  nnd  leicbt  wieder  berznstellen.  —  Naeb 
einerlei  Weise  lebte  der  Dichter  in  seiner  Einbildungskraft«  der 
Gesebichtscbreiber  in  der  politiseben,  der  Forseber  in  der  natQr- 
licben  Welt.  Alle  bielten  sieb  am  Nächsten ,  Wabren,  Wirklicbea 
fest,  und  selbst  ihre  Pbantasiebilder  haben  Koocben  nnd  Mark. 
Der  Mensch  nnd  das  Menschliche  worden  am  wertesten  geachtet 
nnd  alle  seine  inneren ,  seine  äußeren  Verhältnisse  zur  Weit  mit 
so  grpßem  Sinne  dargestellt  als  angeschaut.  Wogegen  sieh  der 
Neuere  fast  bei  jeder  Betrachtung  ins  Unendliche  wirft «  nm  zu- 
letzt, wenn  es  ihm  glückt,  auf  einen  beschränkten  Punkt  wieder 
zurückzukehren.  Nur  dasjenige,  was  gedacht  oder  empfunden  worden, 
scheint  für  ihn  einigen  Wert  zu  gewinnen;  das  Gefühl,  die  Be- 
trachtung sind  zerstückelt,  in  der  gesunden  Menschenkraft  ist  eine 
kaum  beilbare  Trennung  vorgegangen. 

Das  Idealgemälde  des  Griechentums,  welches  hier  entworfen 
wird,  geht  unmittelbar  auf  jene  Zage  zurück,  die  Winckelmann 
zur  Begründung  des  Vorzugs  der  griechischen  Kunst  ^)  geliefert 
hatte  und  die  ebenso  für  Schiller,  Wilh.  v.  Humboldt,  F.  Schlegel 
volles  kanonisches  Ansehen  besaßen. 

Goethe  übernimmt  und  teilt  Winckelmanns  Auffassung  wie 
seinen  Grund-  und  Uanptiritum:  „im  Hinblick  auf  die  vorwiegend 
plastische  Oberlieferung  der  antiken  Kunst  identifizierte  man  Kunst 
nnd  Plastik;  im  Hinblick  auf  die  Vollkommenheit  der  hellenischen 
Plastik,  Plastik  mit  hellenischer  Plastik;  da  man  endlich  nur  einen 
geringen  Teil  der  hellenischen  Plastik  kannte»  diesen  zufällig  he* 
kannten  Teil  mit  der  Kunst  überhaupt.*' 

So  hatte  schon  Winckelmann  der  Enthusiast,  von  der  An* 
Bebauung  der  griechischen  Bildkunst  überwältigt,  das  Malerische 
in  der  neueren  Kunst  befehdet;  so  war  Lessing,  als  Gesetzgeber 
ein  frostiges  BegrifTsschema  handhabend,  zu  engherziger  Begrenzung 
der  Malerei  gekommen ;  so  forderten  nun  die  Weimariscben  Kunst- 
freunde, daß  sich  die  Malerei  den  Gesetzen  der  Skulptur  unter- 
werfe, ohne  dem  Umgekehrten  stattgeben  zu  wollen.  Totheit,  Un- 
lebendlgkeit,  charakterlose  Obeifläcblichkeit  waren,  wie  Schelling 
und  Hegel  feststellten,  die  beklagenswerten  Folgen  dieser  Sucht 
nach  vermeintlich  idealischer  Darstellung  in  den  bildenden  Künsten. 

Ganz  anders  in  der  Poesie.  Bei  dem  Versuche,  „ans  der 
wässerigen,  weitschweifigen,  nullen  Epoche  sich  berausznretten'*'), 
war  man,  dem  Zeitsinn  folgend,  zuerst  auf  das  Malerische  ge- 
kommen,   um  damit  nichts  zu  erlassen    als  „ein  Gastgebot   auf 


0  Winckelmanna  Werke  IV  8  iL 

*)  DiebtUDg  und  Wahrheit,  7.  Buch  (W.  27,  88> 


WiMkalmaont  KuBtttbMrie  in  Goethes  Fortbildnag.  Vm  JS*.  CkutU.  15 

kstor  BrflheB''^).  Indem  Klopstock  die  wiedergeborene  Musik  anf 
deb  wirken  lieft.^war  er  wohl  zn  Form  nod  Gebalt  gelangt,  anpb 
ins  Soblime  nnd  Ätherische  geraten«  aber  gerade  dadurch  ins  Ver- 
fifiebtigendo,  eich  aelbst  Auflösende «  Stofflose.  Erst  als  ein  pla- 
stisches Element  in  nneere  Dichtang  zurückgeführt  wurde,  gewann 
sie  Tollends,  was  ihr  not  tat,  bestimmte  und  für  die  Anschauung 
bsstimmte  Formen'). 

Gleich  jenen  unTergftnglichen  Bildwerken,  bei  deren  Anschau- 
nag  wir  staunend,  festgebannt,  zu  unmittelbarer  Erkenntnis  des 
YergsngB  gelangen,  den  wir  uns  fortan  gar  nicht  anders  mehr 
Toratellen  können,  ergreifen  uns  in  Goethes  Dichtungen  did 
Kitorformen  des  Menschenlebens'):  Geburt  und  Tod,  die  Lebens- 
alter und  ihre  Eigenheiten,  der  Ahnherr  mit  spärlichem,  bleichem 
Haar  und  das  zu  seinen  Fußen  spielende  Kind,  die  ans  der  Fa- 
niiie  werdende  Familie,  der  Zug  der  Geschlechter  zu  einander, 
Vater  und  Mntter,  der  Jdngling  und  das  Mädchen,  Werbung  und 
die  sich  knüpfende  Ehe,  die  Flamme  des  Herdes  und  der  stein- 
gefaßte Brunnen,  die  Urbeschäftigung  auf  der  Weide  und  dem 
Ader,  auch  mit  Spindel  und  Nadel,  die  begleitenden  Tiere,  Bind 
ood  Schaf,  Hund  und  Roß,  Bnder  und  Schaufel  und  Pflng,  auf 
der  Wiese  die  Sense,  im  Walde  die  Axt,  das  Netz  am  Ufer,  Arbeit 
and  MnAe,  Gesang  und  Tanz,  Zorn  und  Streit  und  Begier,  War- 
nung und  weiser  Bat,  wurzelnd  in  Sitte  und  Stammesgefnbl,  Weih- 
geechenk  und  Spende,  Mot  und  List  der  Helden,  Taten  der  Vor- 
fahren, Sagen  und  alte  Sprüche:  durchaus  Besonderes,  das  doch 
das  Gepräge  des  Allgemeinen  trägt^),  in  dem  Intellekt  des  Schöpfers 
▼orgezeicbnet  und  doch  dem  unmittelbaren  Leben  entnommen. 

So  yerfährt  der  plastische  Künstler  bei  der  Schaffang  seiner 
Menschen,  und  „der  Dichter  schildert  einen  ganzen  Charakter,  wie 
er  ihm  in  seiner  Seele  erschienen  ist;  einen  eolchen  Charakter  be- 
sitzt aber  ein  einzelner  Mensch  nicht  allein :  er  nimmt  Z&ge  von 
Beinen  Freunden,  ?on  den  Lebenden  um  sich  her;  dadurch  werden 
seine  Menschen  wahr,  ohne  daß  sie  eben  ein  ganzer  Charakter 
labsDd  sein  können  oder  dürfen*"^). 

Diese  Gestalten  erscheinen,  soweit  es  die  Poesie  gestattet, 
in  jeoer  stillen  Größe  und  edlen  Einfalt,  die  den  Aufruhr  der  Lei- 
deoschaiten  niederringt,  von  den  Vorgängen  des  Inneren  nur  einen 
bisen  Wink  gibt,  zartere  Laote  und  Anklänge  in  den  Ondulationen 
ihrer  Harmonien  leise  tönen  läßt  und  dem  endlichen  Menschen  auf 
lolche  Weise  ein  Mitgefühl  des  Ewigen  und  Unendlichen  gönnt*). 
DieAfliakta  werden  gedämpft,  auf  bloße  Andeutungen  herabgesetzt 

*)  LeesiDg,  Laokoon  XVIL 

*)  VgL  Schiller,  Ober  naive  und  ientimentaÜMhe  Dichtung. 

■l  Hehn,  Gedanken  über  Goethe,  &  190  t 

^  Sprüche  899. 

S  Gespräche  Kr.  8S. 

•)  Goethe  an  Friu  Stelbeig,  2.  Fehrnaf  1789  (Br.  9,  79). 


16  WiDokelmanii»Kiiii8ttheorie  in  GMthes  FortbildoDg.  Von  E.  Oastiei 

oder  gänzlich  ausgeschlossen :   denn  eine  weit  hObere  Aufgab^  ;i8fe 
es,  dareh  das  Sittliche  als  darcbs  Leidenschaftliche  zu  wirken. 

Der  Mensch  ist  der  höchste.  Ja  der  eigentliche  Gegenstand  der 
Kunst  1^)    Auch  das  Höchste  erscheint  uns  nnr  in  seiner  Gestalt, 

und  wir  Terehren 

Die  Unsterblicb«o, 

AU  w&ren  sie  Menschen, 

Täten  im  irroßen, 

Was  der  Beete  im  kleinen 

Tot  oder  möchte. 

Mythos  nnd  Symbol  wirkt  der  Dichter  wie  der  Plastiker  aas  in 
menschlicher  Gestalt,  unter  menschlichem  Namen. 

Und  das  poetische  wie  das  plastische  Kunstwerk  umkleidet 
derselbe  schöne  Linienfluß,  zwischen  dessen  Kur?en  sich  keine 
Grenzen  angeben  lassen.  Gleichwie  die  Gruppe  des  Laokoon  „ein 
Muster  von  Symmetrie  und  Mannigfaltigkeit,  von  Buhe  und  Be- 
wegung, von  Gegensätzen  und  Stufengängen  ist,  die  sich  zu- 
sammen, teils  sinnlich,  teils  geistig,  dem  Beschauer  darbieten,  bei 
dem  hohen  Pathos  der  Vorstellung  eine  angenehme  Empfindung  er- 
regen und  den  Sturm  der  Leiden  und  Leidenschaft  durch  Anmut 
und  Schönheit  mildern*''),  wird  eine  solche  „aussöhnende  Abrun- 
dung  eigentlich  von  allem  Drama,  ja  sogar  von  allen  poetischen 
Werken  gefordert**'). 

Ln  großen  wie  im  kleinen,  im  einzelnen  wie  im  ganzen  — 
in  letzter  Linie  ist  alle  Kunst  Problem  der  Form  und  Formung; 
denn  ^den  Stoff  gibt  die  Welt  dem  Künstler  nur  allzu  freigebig; 
der  Gehalt  entspringt  freiwillig  aus  der  Fälle  seines  Innern;  be- 
wußtlos begegnen  beide  einander,  und  zuletzt  weiß  man  nicht, 
wem  eigentlich  der  Reichtum  angehöre.  Aber  die  Form,  ob  sie 
schon  Yorznglich  im  Genie  liegt,  will  erkannt,  will  bedacht  sein 
und  hier  wird  Besonnenheit  gefordert,  daß  Form,  Stoff  und  Gehalt 
sich  zu  einander  schicken,  sich  ineinander  fugen,  sich  einander 
durchdringen*'^). 

Zahlreiche  Fälle  aus  dem  Schaffen  Goethes  zeigen,  wie  es 
oft  Jahrzehnte,  ja  des  Losringens  neuer  Kunstrichtungen  bedurfte, 
bis  der  Dichter  för  einen  Stoff  die  ihm  gemäße  Form  fand,  zu- 
weilen wohl  auch  die  Ausfuhrung  aufgab,  weil  er  sich  in  der 
Form  vergriffen  hatte. 

Nie  aber  ist  Goethe  in  Formalismus  verfallen.  Mochte  eine 
aus  den  Zeitläuften  geborene  und  zu  verstehende  revolutionäre 
Literatur  wieder  einseitig  auf  das  Charakteristische  in  der  Kunst 
losdringen,  mochte  die  lohaltsästhetik  Goethes  Alterswerke,  Form, 
Stoff  und  Gehalt  in  gleicher  Weise  verkennend,    der  Manier  be- 


^)  Einleitung  in  die  Propyläen  (W.  47,  12). 

*)  Über  Laokoon- (W.  47,  105). 

*)  Nachlese  tu  Aristoteles'  Poetik  (W.  41nr  248. 

^)  Noten  mm  Diwan:  Eingeschaltetes  (W.  7,  100). 


HaaU  pora.  Von  M.  Nütler.  17 

•eboldifiren«  so  haben  tiefere  Einsicht,  ein  vornrteilsfreierer  Bliok 
HOS  auch  in  diesen  SchOpfangen  den  großen  Stilisten  bewundern 
gelehrt. 

Aach  die  moderne  Kunst  ringt  nach  Größe,  ringt  nach  Stil 
nnd  bleibt  so  vielfach  nnr  in  Manier  stecken.  Warum  das?  Weil 
sie  nicht  hinter  das  Wesen  der  Dinge  gekommen  ist;  denn  unsere 
Zeit  hat  zwar  viele  Schlagworte,  aber  nur  wenig  Wahrworte,  ein 
paar  Modephilosophen ,  aber  keine  einheitliche  Weltanschauung. 
Nicht  eher  wird  jedoch  der  neue  Stil  sich  finden,  als  bis  wir  jene 
wieder  errungen  haben. 

Wien.  Prof.  Dr.  Ed.  Castle. 


Hasta  pura. 

In  dem  Franz  Bficheler  zugeeigneten  Band  der  Bonner  Jahr- 
[114/115  (1906)]  hat  Paul  Steiner  eine  längere  Unter- 
suebang  den  dona  milUaria  gewidmet^)  und  darin  auch  eine  Br* 
Uining  zu  geben  gesucht  Aber  das  Aussehen  und  die  Konstruktion 
der  Aojto  jmra,  einer  militftrischen  Auszeichnung,  die  uns  weniger 
bei  Sebriftstellem,  als  vielmehr  in  den  inschriftliohen  Denkmälern 
öfters  begegnet 

In  der  Einleitung  hat  Steiner  höchst  wahrscheinlieb  gemacht, 
daß  unprflnglieh  dem  Soldaten  ffir  eine  hervorragende  Waffentat 
unmittelbar  aoa  der  dem  Feinde  abgenommenen  Beute  ein  Stdck 
als  Aosteiebnnng  verliehen  ward;  dabei  mag  sich  auch  eine  ge- 
wisse Wertabstufung  der  einzelnen  Stficke  im  Verhältnis  zur  ge- 
leisteten Tat  entwickelt  haben.  Diese,  einem  früheren  Kulturzustande 
entsprechende  Übung  muß  dann  abgelöst  worden  sein  durch  die 
Terleifauog  von  stellvertretenden  Zeichen,  indem  sich  die  Sitte 
aasbildete,  dem  Soldaten  ffir  besonders  tapfere  Taten  vor  dem 
Feinde  ein  äußeres  Anerkennnngszeicben  zu  geben,  das  einen  Teil 
der  Waffenrfistnng  bildete,  doch  nicht  mehr  dem  Feinde  abgenom- 
men war. 

Ea  ist  ffir  uns  ein  großer  Vorteil,  daß  der  älteste  Berieht 
fiber  dieee  römische  Sitte  auf  einen  Gewährsmann  zurückgeht,  der 
vermöge  seiner  Stellung  und  Beziehung  zu  den  vornehmen  römischen 
Familien  und  seiner  klugen  Einsicht  in  die  römischen  Verhältnisse 
uae  die  besten  Aufschlfisse  geben  konnte,  nämlich  auf  Polybius'). 


<)  Die  dana  müitario  von  Paul  Steiner,  a.  0.  S.  1—98. 

*)  Polvb.  VI  89:  KvXAg  dh  xal  rovg  viovg  hxaXo^wat  n^^g  t6 
9ti99vP9vti9.  huMcv  ykQ  yiptjtnd  ug  %Qsia  xaC  ttveg  cc^Av  dvdQayadiawak, 
mtwafuvw  6  ütQtm^g  hodwaUof  tov  axQofonidov*  xal  lueQaaxtjcifUPog 
tvvg  doimrtis  v^  999Q€i%haL  iutip^Qov,  nff&tov  fikv  hyx&iuov  ^xsq  haatov 
ÜT»  miq£  x9  x%g  dvdgaya^lagf  i&v  ti  xatä  tov  ßiov  a^otg  &XXo  avv- 
vtük^XS  *9^  ^*  dya4^9  fit^fft^ff  ä^iov^  ftcr«  8h  tavtm  tf  fiip  tffActtrcL 
aiÜMlflll  t  A.  Mtn,  GjM.  1908.  L  Htfl.  2 


18  flaaU  pnra.  Von  M.  NüUer. 

Er  bezeichnet  anff allen derweise  die  AuBzeicbnuDg,  die  wir  im  An- 
sehlnsse  an  die  Antoren  und  Inschriften  fiaata  pura  nennen,  als 
ycUöog  nnd  der  yataog  war  nach  ihm  die  arsprAogllehe  and  ein- 
zige Form  der  Ordenedekoration.  Es  scheint  nun,  wie  schon  oben 
bemerkt,  nicht  wahrscheinlich,  daß  diese  Art  von  Anszeichnnng  in 
eigens  dazu  geschaffener  Form  der  frühesten  rOmischen  Zeit  angehOrt 
hat,  in  der  sie  vielmehr  durch  die  weiter  oben  erwähnte  Beschenkung 
aus  der  feindlichen  Beute  erfolgte.  Steiner  ist  anf  einem  anderen 
Wege  zu  demselben  Resultate,  zur  späteren  Ansetzung  der  haata 
pura  gekommen  und  ruckt  die  Schaffung  der  hasta  putxt  in  das 
dritte  yorchristliche  Jahrhundert.  Der  Ausdruck  yatöog  ist  weder 
griechischen  noch  rOmischen  Ursprungs^),  sondern  ein  keltisches 
Fremdwort'). 

Aus  Hesych')  und  Pollux^)  wissen  wir,  daß  yalöog  eine 
Lanze  war,  deren  Schaft  und  Spitze  aus  Eisen  bestand.  Nun  gibt 
es  unter  den  zahlreichen  Votivgegenständen  aus  der  gewaltigen 
Sehlacht  bei  Telamon  in  einem  daselbst  gemachten  Depotfunde') 
auch'  keltische  Lanzen,  die  vollständig  aus  Eisen  hergestellt  sind. 
Es  scheint  daher  die  Vermutung  Steiners  (a.  0.  S.  7)  ganz  zutreffend, 
daß  anfänglich  die  hoBta  donatica^)  ein  aus  der  Beute  auserlesenes 
QoMum  gallieum  war  und  der  historische  Anlaß  zur  Verleihung 
gallischer  Beotelanzen  am  besten  sich  erklären  ließe  durch  die 
Kämpfe  des  Jahres  225  ▼.  Chr. 


nolifuop  yatöop  Srngstteu,,  tf  dh  lunußedovri  x€tL  (nmXevaopti  x^  ah  «e£^ 
iptaXvv^  x^  d'  innBi  vpalaq!*^  h^  ^W^fi  oh  yalaov  (iovow  %vyx&vn  de  xovvmp 
oiit  iicv  h  naQatdt^n  xig  ^  nol^mg  xonahljipBi  xqAou  xiväg  i}  axvitvirg 
x&v  noleiUoiVf  &W  kav  h  dxQofiokiüfiolg  ij  xiüiv  &kloig  xotovvoig  xatQolg, 
h  olg  iifjSsfuäg  dviy^iig  oiftnjg  xar'  Sv^pa  xivdwBvnv  a^oC  xiveg  ixov- 
4fCmg  *ai  xaxie  nQoaiQtffiv  auvohg  tlg  xovxo  didoaatv. 

>)  Im  Griechiichen  wird  hasta  mit  ^ö^v  wiederiregeben.  Vgl.  bes. 
die  lD8chnft«o,  I.  B.  Athen.  Mitt.  XXII,  p.  89  i[no]  x&v  Ztßaozap 
xsx8ifiijiiiv[ov\d6Qetxt  xa^a^ig»;  Athen.  Mitt.  Ia,  p.  262  övitpdvw  nv^arcK 

Tial  d6QaxL  *at  ßij[li]aia;  Ball.  corr.  bell.  V  1I88I),  p.  478  xifi$»49xa 

üu[qfU\pmi]  xQVöi»t  xal  dÖQaxi;  CIL  IIl  18648  (14187»  =  6984  =r  454] 
(Die  rtbius  Crol^uff-Inscbrift)  xsxH(iiffii[va]  ....  009[a9i]  ttad^uifolg. 

')  Vgl.  Holder,  Altceltischer  Spracbschati  s.  ?.  Gaison. 

*)  8.  X,  yalöog  *  kufiöltov  6Xoöid7fQOv  ^  onXov  ditvpxijifiov, 

*)  VII  156  Soffv  oiocidijifov  xaUtxat  ih  yedcog, 

*)  Die  f^roße  Zahl  der  in  diesem  Depotfunde  aufgebrachten  Stfleke 
befindet  sieb  jetzt  in  Florenz;  vgl.  darQber  Milaoi»  Fireoie  Museo  areh.: 
„Dtte  ripostigli  telamofiefisi  dt  armi  e  d^  altri  oggetti  votivi'^  in  den 
Studi  e  materiali  I  (1899/01),  p.  125  ff. 

')  Die  Beieichnong  hasta  pura  können  wir  in  der  Literatur  nicht 
Aber  Varro  binaoi  verfolgen  und  auch  bis  zu  diesem  Autor  nur  durch 
SerTius  ad  Aeo.  VI  760.  Ob  die  von  Gato  [bei  Festus  p.  204  (M)  Optio- 
natus,  ut  decurionatus ,  pontificatus  dicitur,  ut  Cato  in  ea,  quam 
Jkabuü  apud  equites:  ^Maiores  seorsum  atque  diüersum  pretium  para- 
vere  bonis  atque  strefwis  decurionatus,  optionatus,  hastas  danaticas 
aliosque  honores]  erwftbnten  hcatae  donaticae  mit  den  hastae  purae 
identisch  sind,  ist  nicht  sicher;  doch  ist  die  Entscheidung  ?on  keinem 
weittragenden  Einfluß  auf  vorliegende  Frage. 


Haita  pon.  Yod  M.  Hisüer.  19 

Daft  mmn  gerade  galliecbe  WaffeDstflcke  znr  Aasteiehnnng 
Tflnreodete,  das,  glaube  ich,  bat  seinen  guten  Grand  in  der  Be* 
dentang  der  KAmpfe  gegen  diesen  Feind,  der  ja  bis  zum  zweiten 
pnniseben  Kriege  Borns  gefihrlicbster  Gegner  war. 

Wenn  die  AnszeicbnoDg  nrsprflngiicb  selbstTerst&ndlieh  in 
•iosr  echten  gaUieehen  Lanze  bestand,  so  ist  es  doch  nor  natfirlich 
lod  leicht  begreiflich«  daA  man  allm&hlich  von  der  Verleihung 
wirklich  erbenteter  gallischer  Waffen  abkam«  ja  abkommen  mnßte» 
sobald  die  K&mpfe  gegen  diesen  Feind  ihr  Ende  gefanden  hatten ; 
ebenso  rerst&ndlich  aber  bleibt  es,  wenn  die  einmal  angenommene 
Form  der  Anezeichnnng  ancb  dann  weiter  beetand«  wenn  die  Form 
dieses  Bilststdckee  mit  der  Bewaffnung  dea  bekimpften  Feindes 
kemsn  Zusammenhang  zeigte«  wenn  also  nun  wirklich  ungebrauchte« 
bfsw.  nachgemachte  gallische  Lanzen  Terlieben  wurden.  Diesen 
fiscbichtlichen  Zusammenhang  in  der  Entwicklung  jenes  militäri- 
schen Ordens  hat  Paul  Steiner  ferkannt«  wie  sich  aus  seiner 
Definition  der  hatia  pura  ergibt.  Er  wurde  zu  dieser  irrigen  An- 
sicht Terleitet  durch  eine  eigenldmliche  Wortinterpretation.  Ffir  ihn 
bedeutet  das  Epitheton  ^pura*  eine  Wandlung  im  Charakter  des 
dmums  nnd  er  h&lt  auf  Grund  der  möglichen  Bedeutungen  des 
Wortes  pura  es  für  wahrscheinlich«  daß  das  Beiwort  eine  „un- 
gebrauchte Lanze**,  ein  noch  „unentweihtes**«  „nicht  besudeltes** 
Stick«  im  Gegensatz  zu  der  urani&nglich  aus  der  Beute  entnom- 
meoen  hasta  dantUica,  also  einer  gewissermaßen  j^impura  haata* 
charakterisieren  soll,  und  daß  nach  einer  Beform«  vielleicht  des 
Marias,  an  Stelle  jener  nunmehr  eigens  für  diesen  Zweck  angefer- 
tigte hasiae,  somit  nun  wirkliche  „Ehrenzeichen**  in  unserem  Sinne 
unter  dem  seitdem  typischen  Namen  hastaepurae  Terliehen  wurden^). 

Gegen  diesen  Erkl&rungs?ersuch  spricht  ?or  allem  die  sprach- 
liche Schwierigkeit«  da  es  nicht  belegoar-  ist«  daß  haaia  pura 
identisch  ist  mit  hasia  aanguine  pura.  Es  bliebe  ferner  anffftUig, 
daß  nur  bei  der  haata  pura  das  Merkmal  der  noch  nicht  erfolgten 
Verwendnng  als  BäststQck  sprachlichen  Ausdruck  gefanden  haben 
sollte«  wfthrend  bei  den  ftbrigen  Zeichen  militärischer  Anerkennung« 
die  Epitheta  haben  (earona  muralis,  vallaris,  obsidionalis,  dtnoa), 
die  äußere  Erscheinung  und  der  Verleibungsgrund  oder  letzterer 
allein  (corona  eiviea)  ihre  sprachliche  Wiedergabe  erhalten.  Schließ- 
lich bliebe  dem  römischen  Wesep  fremd  und  uns  unverständlich« 
daß  gerade  das  Moment  des  Unbeflecktseins  von  feindlichem  Blute 
das  Ehrende  der  Gabe  bedeutete;  haben  die  militärischen  Aus- 
leichaangen  ihren  Ursprung  in  der  Belohnung  außerordentlicher 
soldatiecher  Leistungen  durch  dem  Feinde  abgenommene  Beute- 
itßcke«  so  wäre  ja  nach  Steiners  Erklärung  dieses  urspiöngliche 
and  natfirliehe  Motiv  völlig  verschwunden,  ohne  daß  wir  erfinden 
könnten«  welches  an  seine  Stelle  trat. 

>)  a.  O.  8.  10. 

2* 


20 


Hasta  puTL  Von  3f  Nistkr^ 


Fura  bedentöt  aber  nicht  bloß  „reiD,  TOti  Flecken  frti**^ 
iODdern  aocb  „reio,  einfach«  frei  ?od  ßeigabsn  (Zierateii)«  tm^ 
heiUicb''^). 

Wenn  inaii  db  hmia  pura  ihren  Ursprung  io  den  Kämpf  eil 
gegen  die  Eeltfii  tind  in  der  ihnen  ahgenoiDtneDen  Beate  bat, 
PolybioB  ferner  die  hasta  pura  yaiaop  nennt,  also  mit  dem  Namen 
einer  keltiachen  Waffe  bezeichnet,  wenn  wir  ferner  dnrcb  den 
Depotfund  bei  Telamon  wiaeen,  daß  ein  solcbes  keltisch  es  yccitrow 
eine  Lanze  irar,  bei  der  Spitze  nnd  Schaft  ans  Eieen  beetand*  eOf 
glaabe  icb^  müssen  wir  eben  nnter  hasta  pura  eine  gleiche  Lanz« 
verstehen^  die  ebenfalls  bloß  aas  Eisen  besteht ,  ohne  Beifuguni^ 
irgend  eines  Holzteiles.  Onter  dieser  Ännabme  sehen  wir  ancb, 
waroEO  zu  hasta  noch  die  nähere  Bestimmnng  pura  binzn^efdgl 
werden  mnßte.  Der  rOmiscbeii  Sprache,  d.  b.  der  rOmischen  WaffnD« 
terminologie  war  ein  adäqaater  Ansdmck  für  die  keltische  Waffe 
fremd f  da  in  der  Edstnng  des  rj^miichen  Soldaten  eine  gleiche 
Waffe  fehlte ;  es  mußte  abo  die  Bezeicbnnng  doreh  eine  Umsebrei« 
bnng  erfolgen,  wollte  tnan  nicht,  wie  Polybios  es  tat«  ein  Fremd- 
wort nehmeD  *). 


Wien. 


Dr.  M,  HiBtUr. 


J 


*)  Vffl^  PHn.  Ep,  III  1,  9  üdpQnüuT  cena  tmn  nimi»  %\üida  i 
fru^i  in  ar^tnto  puro  et  antiquo-^  VitrUT  VlI  3«  S  coronarum  auteni 
sunt  aliae  puraet  aliae  caelatae;  Püd.  H.  b.  IXIVl  8  [14)  cecidera$ 
cum  (iC.  öbdüeum)  NHhebis  rex  purum  (der  in  tiegeDiaii  geBteilt  wir<| 
tn  den  mit  BlMuerkeu  tiod  SchnftieicheD  Tereehfinen)^  Dig.  VI  1^  f 
(PauiuB  Hbro  ntxto  ad  tdiHum):  quamU^  in  vasis  cccurrat  difficuita^g 
utrum  lancem  dumtaxat  dici  opurUat  an  eiiam  quadrata  vel  rotundm 
vd  pura  an  caelata  Mint;  Dig*  XI 11  7»  43  (&:aeiyola  tu  libro  quinta 
Digestorum)  Locutn  purum  pignüri  creäüori  obHqat>it  eique  instrumen- 
tum  empti&nis  tradiäit:  et  cum  rum  iücum  inaeäifkare  vellet  . . .  pei^ 
a  creättore^  ui  inHrumentum  a  se  traditum  aucioriiaiis  €3:hibereL 

^]  In  der  in  den  Intchrifteu  sich  findeDd^n  grieehischeti  Bezeichoan^ 
#d^t?  Tta^agQv  (TgK  S.  13»  Anm.  1}  hat  xn&agop  dietelbe  Bedeotang  wie 
pura^    VgL  i.  B.  Herod,  II  40   Tauter  dh  notiiatxvtBg  to  &lXo  aübfta  tod 

Xißapmtov  tat  GfivQp^^  %ai  t^^  äHmtf  &vmftäzmv;  Eunp,  Ion  67S£ELj 
im&dteor  yoep  ^  xig  il«  nohff  niat^  I^J^Otf, 
i^v  TO^  v6(iOtiftv  äatbg  i,  t6  ys  <ftof*a 
Sovloi^  nifUitai  xü^  i%H  xui^^oüxv. 

Theokf,  XV  36    t^^  (iv^ov^t  Fo^yw*  «jU'ov  dgyvQtm  Madof^^  fipSv 


Zweite  Abteilung. 

Literarisclie  Anzeigen. 


Dr.  PfÄola)  WahrmaoD,  Prolegomena  zu  einer  Geschichte 
dar  griechisehen  Dialekte  im  ZettaUer  des  HeUeoidmas. 
8e|>ar&tatidruck  1907,   23  SS. 

Wmn  i'i%  Verfasserin  der  vorUegeiideD,  i»it  sehr  guter  Sa^b- 
kiDDtiiii  gencbriebeneti  Abhandlofig  3,  2  bi^merkt,  dalä  bißiicbtlich 
4«r EnUUhci]^  der  gnechieebeo  Koloe  alcb  zwei  Ansichten  BcbrofiT 
r^mübinteben,  ale  deren  Vertreter  anf  der  einen  Seite  kurzweg 
TliQial),  auf  der  anderen  ntir  Kret^chmer  alleiQ  genannt  werden 
Im,  la  ftcbeint  mir  das  dem  tatsäc  blichen  Verbal  in  ie  nicht  genau 
18  i«ti|)reeben.  Denn,  wie  schon  aud  der  eben  gemachten  Bemer- 
iQii?  ^eicbloeseQ  werden  kann,  hat  Kretecbmer  mit  seinen  Ane- 
ßliriF^fn  nnr  geringen  Anfang  geinnden,  w&hrend  fast  samt  liebe 
linefaroricber»  die  der  Frage  näher  getreten  sind,  eich  dahin 
iHfeilFrochen  haben,  daH  die  eigentliche  Grundlage  der  Keine  die 
ittiiche  Schriftsprache  gebildet  habe,  allerdings,  wie  immer  stärker 
^toBt  wird,  idU  starkem  ionischen  Einschlag.  In  diesem  Sinne 
^  lieb  der  Hauptsache  nach  neuestene  anch  E.  Hei  hing, 
flrifljiöiiik  der  Septnaginta,  Göttingen  1907,  ansgesprochen,  der 
S>  Vill  eich  dahin  änßert^  daß  der  Zneamnieühang  der  Koine  mit 
^•m  Auiscben  dnreh  die  Sprache  der  attischen  Eom5die  bewiesen 
^i^nle.  Kurz,  eoviel  scheint  mir  eicher  zu  stehen,  da&  man  die 
VetiQicht  der  Athener  im  fnnften  Jahrbnndt*rt  nnd  den  damit  in 
aiiitiiibarem  Znsammenhang  stehenden  Einfloß  anf  die  Verkehrs- 
•pricbi  iß  den  der  attischen  Herrschafl  nnter  steh  enden  Städten 
VD^  T«rritorisn  als  die  erste  nnd  fornehmlichste  Orsache  der  Ent- 
italiQog  ejuer  grleehiechen  Gemeinsprache  tn  betrachten  bat  Und 
«•  tit  »eitar  fdlkommen  klar,  daU  diese  anf  attischer  und  ioDischer 
tandlige  entetandene  Gemein  spräche  dnrch  die  Kriegszäge  Aie* 
nodiri  des  Grollen  nnd  die  damit  im  Znsammenbang  stehende 
Ambrsilnng  heileniscben  Wesens  über  den  ganzen  Orient  bin  berr- 
icbfod  geworden  ist.  Anderseits  let  ebenso  klar,  da&  die  labl- 
rntbeo  bkalta  Mundarten  des  Grle^biicben ,   die  nns  seit  Beginn 


22  P.  Wahrmann,  Prolegomen»  la  einer  Geichichte  mw.,  ang.  ▼.  F.  8Me, 

der  historischen  ÜberliefeniDg  entgegen  treten  und  deren  jede  ihr 
eigenes  Schrifttom  gehabt  hat,  nicht  mit  einem  Schlage  ausgetilgt 
werden  konnten.  Wann  die  alten  Yolksidiome  erloschen  sind,  sagt 
die  Verf.  8.  2  der  Torliegenden  Abhandlung,  und  wie  ihr  Bück- 
gang, bezw.  ihr  Absterben  sich  vollzogen  hat,  ist  noch  keineswegs 
endgiltig  festgestellt,  obwohl  von  mehreren  Seiten,  insbesondere 
von  Thnmb  und  Schweizer,  eine  eingehendere  Behandlung  der 
Frage  vorliegt,  die  freilich  nicht  zn  einem  fibereinstimmendea 
Ergebnisse  geführt  hat,  da  der  an  ersterer  Stelle  genannte  For- 
scher den  Untergang  der  alten  Dialekte  möglichst  früh  ansetzt, 
der  zweite  viel  längeren  Fortbestand  derselben  anzunehmen  geneigt 
ist.  Die  Quellen,  ans  denen  wir  unsere  Kenntnis  der  alten  Dialekte 
in  hellenistischer  Zeit  schOpfen,  sind  schriftliche  Aufzeichnungen 
im  Dialekt,  wobei  neben  verh&Itnismftßig  spärlichen  literarischen 
Denkmälern  insbesondere  die  zahlreichen  Inschriften  in  Betracht 
kommen.  Diesen  Quellen,  welche  die  Verf.  unserer  Abhandlung  mit 
Recht  als  „direkt^**  bozeichnet,  stehen  in  zweiter  Linie  zur  Seite 
„die  äußeren  Zeugnisse  der  hellenistischen 'Autoren,  die  gelegenV 
lieh  den  einen  oder  anderen  Dialekt  erwähnen**.  Außerdem  kommt 
«her  auch  noch  die  „Qrammatikertradition"  in  Betracht,  der  eine 
Art  Mittelstellung  zwischen  den  beiden  zuerst  genannten  Quellen 
eingeräumt  wird.  Die  Feststellung  des  Wertverhältnisses  der  oben 
genannten  Quellen  und  der  Art  ihrer  Verwendung  zu  Schlüssen 
über  die  Fortdauer  der  alten  Lokaldialekte  bildet  den  eigentlichen 
Gegenstand  der  auf  S.  8—28  durchgeführten  Untersuchung,  welche 
als  eine  wertvolle  Revision  der  bislang  auf  dem  fraglichen  Gebiete 
herrschenden  Ansichten  nnd  zusammenfassende  Ergänzung  der  zahl- 
reichen, im  Laufe  der  letzten  beiden  Dezennien  auf  dem  Gebiete 
der  Koine-Forscbung  erschienenen  Arbeiten  bezeichnet  werden  kann. 
Die  Gedrungenheit  nnd  Knappheit  der  Darstellung  gestattet  es 
kaum,  einen  Auszug  des  Inhalts  der  Abhandlung  vorzuführen.  Ich 
begnüge  mich  mit  dem  Hinweis  anf  einige  hervorragende  Leitsätze. 
Eine  identische  Gleichung  zwischen  achriftlichen  Aufzeichnungen 
und  lebendiger  Sprache  ist  unstatthaft.  Das  Vorkommen  überein- 
stimmender Mißbildungen  in  Inschriften  und  Schriftwerken  ist  ein 
Auefluß  der  Grammatikertheorie.  Die  griechischen  Dialektstadien 
standen  ganz  im  Dienste  der  Literatur  in  der  Blütezeit  der  ale- 
xandrinischen  Gelehrsamkeit  nicht  minder  als  in  der  Zeit  ihres 
Verfalles.  Zweifelhaft  bleibt  dies  nur  hinsichtlich  der  Glossographie. 
Infolge  der  Verschiedenheit  der  mündlichen  und  schriftlichen  Ver- 
kehrssprache in  Hellaa  haben  wir  bereits  für  die  spätgriechiache 
Zeit  anzunehmen,  daß  die  noch  heutzutage  fortlebende  Digloasie 
in  gewissem  Sinne  schon  damals  herrschte.  Besonders  beachtens- 
wert scheinen  mir  die  statistischen  Ergebnisse  über  das  Vorkommen 
von  Dialektizismen  in  den  Inschriften  des  I.  und  IL  nachchrist- 
lichen Jahrhunderts  (S.  21  f.),  welche  dartnn,  daß  der  Dialekt 
gerade  in   den   privaten  Inschriften    am    frühesten    zurücktritt, 


K.  Seik,  Der  OpUti?  bei  Poljbiai  ood  Philo  aiw.,  aag.  t.  F.  StoUf.  83 

dagegen  in  den  Offentlicben  eich  bedentend  länger  erhielt.,  Die 
Verf.  Doeerer  AbhandloDg  zieht  hieraus  den  ScbloQ,  daG  der  Ge- 
braneh  tod  Dialektformen  nicht  in  erster  Linie  auf  die  Einwirkung 
der  lebenden  Sprache,  sondern  Tielmehr  darauf  zurückzuführen  sei, 
dafi  in  den  einzelnen  Stadtgemeinden  die  ans  älterer  Zeit  über- 
kommene, staik  mit  Dialektizismen  gefärbte  Gemeindesprache  -r: 
uissre  Verf.  nennt  sie  Kanzleisprache  —  noch  festgehalten 
werden  sei,  während  Privatpersonen  sich  der  in  der  Schule  erlernten 
Literator-  nnd  Schriftsprache  bedienten.  Es  ist  einleuchtend»  daß 
durch  diese  Klarstellung  der  Sachlage  der  Wert  der  Inschriften 
als  Quelle  der  Dialekte  nicht  unwesentlich  verm'indert  wird.  Über- 
haupt muß  man  der  Verfasserin  darin  unbedingt  Recht  geben,  daß 
such  noch  ferschiedene  andere,  mitunter  recht  schwer  einzuschätzende 
Momente  bei  Beurteilung  der  Verwertbarkeit  einer  Inschrift  für  die 
Dialektkunde  in  Betracht  kommen. 


Dr.  Karl  Keik,   Der  Optatiy  bei  Polybias  und  Pbilo  Yon 
Alexandria.     Leipzig,  G.  Fock  1907.   XI  and  197  SS. 

Der  Verf.  dieses  mit  großer  Sorgfalt  und  Genauigkeit  ab- 
gefaßten Beitrags  zur  historischen  Grammatik  der  griechischen 
Sprache  rechtfertigt  in  der  Einleitung  zunächst  die  engere  Be- 
schränknng  des  Themas  auf  den  Gebrauch  des  Optativs  durch  die 
festetehende  Tatsache,  daß  bereits  im  IV.  Jahrhundert  ein  Zurück- 
gehen des  Optativs  zu  bemerken  ist,  der  bekanntermaßen  im  Neu- 
grischisehen  überhaupt  fehlt,  und  speziell  bei  Poljbios  und  PbÜo 
▼on  Alexandria  durch  den  Hinweis  auf  die  große  Verschiedenheit 
dieser*  beiden  Prosaiker,  welche  aus  der  Perlode  vor  dem  Sieg  des 
Atticismos  stammen,  endlich  durch  den  mehr  äußerlichen  Umstand, 
daß  für  diese  beidsn  Autoren  vortreffliche  teztkritische  Ausgaben 
vorhanden  sind,  die  von  Hnltscb  für  Polybius,  die  von  Cobn- 
Wendland  für  einen  Teil  von  Philos  Werken.  Auch  dürfte  kaum 
ein  ernstlicher  Einwand  dagegen  erhoben  werden,  daß  der  Verf. 
sieh  bei  der  Sammlung  des  Materials  einerseits  auf  die  fänf  ersten 
Bücher  des  Polybiue,  die  ja  bekanntlich  die  einzigen  uns  voll- 
ständiir  erhaltenen  sind,  beschiänkt  und  anderseite  nur  die  zwei 
ersten  Bände  der  teitkritischen  Ausgabe  des  Pbilo  von  Cohn- 
Wendland  nnd  die  Schrift  De  aetemitaie  mundi  in  der  Ausgabe 
von  CuDDOnt  dazu  herangezogen  hat.  Denn  der  Verf.  iet  wohl  im 
Sechte»  wenn  er  die  Oberzeugung  ausspricht,  „daß  eine  Stoff- 
sammloog  in  dem  angedeuteten  Umfang  vollständig  genügt,  um 
bestimmte,  allgemeine  Schlüsse  in  Betreff  des  Sprachgebrauchs 
•inee  jeden  der  beiden  Scbrifteteller  zu  ermöglichen,  die  auch  durch 
eine  Untersuchung  des  vollständigen  vorhandenen  Materials  nicht 
alterisrt  werden  künnten^. 

In  zwei  gesonderten  Teilen  wird  nun  „Der  Optativ  bei 
Polybias**  (8.  6 — 92)  und  „Der  Optativ  bei  Philo  von  Alexandria** 


24  H,  Kleingünther,  Qaaeitionei  »d  Astronomicon  libros,  »ng.  ▼.  K.  Prins. 

{Sp  98—193)  bebandelt,  worauf  S.  194 — 197  eine  „Znsammen- 
fassende  Gegenüberstellung  des  Optativgebrancbs  bei  Polybias  nnd 
Philo"  folgt.  Jeder  der  beiden  Hanptteile  zerfällt  in  die  zwei 
Abschnitte  „Formenlehre"  nnd  „Syntax  des  Optativs".  Der  letztere 
ist  nach  folgenden  Gesichtspunkten  gegliedert:  A.  Gebrauch  des 
Optativs  nach  der  rein  modalen  Seite.  I.  Im  selbständigen  Satz. 
1.  Der  wfinschende  Optativ.  2.  Der  potentiale  Optativ.  II.  Im 
abhängigen  Satz.  1.  Optativ  in  ideell  abhängigen  Sätzen.  2.  Optativ 
in  Final-  und  Beffirchtungssätzen.  8.  Optativ  in  Temporalsätzen. 
4.  Optativ  in  Relativsätzen.  5.  Optativ  im  hypothetischen  Satz- 
gefflge.  B.  Zeitformen  des  Optativs.  In  zwei  tabellarischen  Über- 
sichten (S.  88/89  nnd  190/191)  wird  eine  Statistik  des  Optatir- 
gebranches  bei  beiden  Schriftstellern  gegeben  nnd  in  je  einem 
„Bfickblick"  werden  die  wichtigsten  Ergebnisse  ans  der  vorana- 
gegangenen  allseitigen  Behandlung  abgeleitet  und  fibersichtlich 
dargestellt,  und  zwar,  soweit  Bef.  zu  sehen  vermag,  in  einer  den 
Tatsachen  durchaus  entsprechenden  Weise.  Da  eine  vollständige 
Aufzählung  dieser  Ergebnisse  für  jeden  der  beiden  Schriftsteller 
den  Rahmen  dieser  Anzeige  weit  überschreiten  würde,  beschränke 
ich  mich  darauf,  das  S.  196  verzeichnete  Schlußergebnis  der  ganzen 
vergleichenden  Untersuchung  vollinhaltlich  mitzuteilen.  „Der  Optativ 
erscheint  bei  Polybius  im  Rückgang  begriffen,  besonders  stark  der 
oblique  Optativ;  sein  Gebrauch  ist  jedoch  durchweg  ein  natürlicher 
und  entspricht  den  Prinzipien  des  guten  attischen  Sprachgebrauchs. 
Bei  Philo  dagegen  befindet  er  sich  wieder  im  Vordringen,  alleii 
dieses  Vordringen  ist  nur  ein  scheinbares:  es  beruht  lediglich  auf 
künstlicher  Wiedereinführung  dieses  Modus,  die  wir  als  nichts 
anderes,  denn  als  eine  Nachahmung  attischen  Gebrauchs  deuten 
müssen.  In  Wirklichkeit  liegt  diesem  künstlichen  Vordringen  des 
Optativs  ein  wirklicher  Rückgang  desselben  (erg.  in  der  gesprochenen 
Sprache  des  täglichen  Lebens)  zugrunde,  der  gegenüber  dem  schon 
bei  Polybius  bemerkbaren  Schwinden  des  Optativs  als  eine  Weiter- 
entwicklung seines   Rflckgangsprozesses  angesehen   werden   muß*". 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


1.  EleingQnther  Hermann,  Quaestiones  ad  Astronomicon 

libros,  qui  sab  Manila  nomine  feruntur,  pertinentes.  Diss. 
inaag.  leneDsis.   Lipaiae,  Q.  Fock  1905.   Preis  Mk.  l-öO. 

2.  EleingQnther  Hermann  Dr.,  Textkritische  und  exegetische 

Beitrl^e  zum  astrologischen  Lehrgedicht  des  sogenannten 
ManiliUB.  Leipzig,  G.  Poek  1007.  Preis  Mk.  2. 

3.  M.  Manilii  Astronomien.  EdiditTheodonis  Breiter.  I.  Carmina. 

Lipsiae,  Dieterioh  (Th.  Weicher)  1907.   Preis  Mk.  8*80. 

1.  Eleingünthers   fleißige,   mit   Sachkenntnis  und  urteil 
geschriebene   Dissertation  behandelt  im  ersten  Kapitel  die  Hand- 


K  KUUigüiiUhert  Qaaeitionei  ad  Astroiiomfcoii  libros,  ang.  ? .  K.  Prine,  25 

•diriftenfrige.  Er  lengnet,  daß  der  Matritenais  (M)  dem  Oembla-^ 
eenm  (0)  gleichwertig  sei  (HoQsman  hatte  in  seioer  Auegabe  dea 
•rBten  Baches«  erechieoen  190S  in  London,  zn  beweiaen  geancht, 
daß  die  reinere  Quelle  der  M.  nnd  ein  VoBsianuB  890  sei,  der  bei 
Jacob  die  Signatar  F  2  trftgt)  nnd  hält  jene  Kritik  für  ricbtigrf 
wricbe  eklektisch  Terfflhrt  nnd  bald  ans  M,  bald  ans  O  das  anf- 
Bimot,  was  dem  Sinne  der  Stelle  nnd  dem  Sprachgebrauch  des 
Dichters  am  meisten  gemäß  ist.  Freilich  Iftßt  sich  diese  schwierige 
Frage  nicht  mit  ein  paar  Zeilen  abtun ;  was  Kl.  achreibt,  ist  kein 
Oegenbeweia  gegen  Honsmans  Aufstellungen,  sondern  nur  eine 
Oegenbehanptong.  Auch  die  daran  angeschlossene  Erörterung  fiber 
lie  Zeit  des  Manilius  ist  keine  strenge  Untersuchung;  der  Verf. 
begafigt  sich  vielmehr,  nach  einem  kurzen  Referate  über  die  Tor 
ihm  anfgeatellten  Ansichten  seine  eigene  zu  präzisieren.  Er  meint, 
des  ganze  Werk  (auch  der  erste  Teil  des  5.  Buches;  über  deo 
Schluß  lasse  sich  mangels  jeden  Anhaltspunktes  kein  Urteil  fällen) 
sei  zu  Lebzeiten  Octavians  geschrieben  nnd  polemisiert  hier  mit 
guten  Orfinden  gegen  die  Aufstellungen  Honsmans.  Es  folgt  ein 
Abschnitt  De  fotUibus  Asironamieon  auctoris;  doch  bringt  auch 
dieser  keine  Untersuchung,  sondern  bloß  die  Mitteilung  der  An- 
sichten des  Verf. 

Diesem  ersten  Teil  der  Dissertation  darf  man  also  nur  den 
Wert  einer  Einleitung  zum  zweiten,  dem  Hanptteile,  zuerkennen; 
dieser  allein  macht  die  Arbeit  wertvoll.  Er  bringt  die  kritisch - 
exegetische  Behandlung  von  18  schwierigen  Stellen  der  Astronomica 
(aus  Hoch  I:  ?.  10;  896  ff.,  412  ff.,  765  ff.,  795,  807  ff.,  884  ff.; 
aus  n:  1  ff.,  226,  252  ff.,  804,  881;  ans  III:  4,  87  ff.,  608 ff.; 
SOS  lY:  279  ff.;  aus  T:  207,  515).  Hier  zeigt  der  Verf.,  daß  er 
nicht  bloß  seinen  Autor  kennt  und  sorgfältige  Vorstudien  getrieben 
hat,  sondern  auch  mit  Geschick  schwierige  Stellen  textkritisch  zu 
behandeln  versteht,  wenn  auch  gleich  ansgesprocben  werden  muß, 
isß  es  ihm  trotz  der  aafgewandten  Mühe  nach  meinem  Urteil 
vielfach  nicht  gelungen  ist,  durch  seine  Vorschläge  eine  wirklich 
vorhandene  Verderbnis  der  Oberliefernng  zu  heilen. 

Zum  Beweis  dafür  sei  hier  die  schwierige  Stelle  I  896  ff. 
besprochen.  Ich  hatte  anläßlich  des  Referates  über  Honsmans  Buch 
(in  dieser  Zeitschr.  LVI  126  ff.)  anfgezeigt,  daß  in  diesen  Versen 
auch  die  Lesung  und  Erklärung  Housmans  fiber  die  Schwierig- 
keiten nicht  hinweghelfe  und  daß  wir  nach  wie  vor  bekennen 
mSßten:  non  liquet.  El.  ist  mit  mir  darüber  einig,  daß  die  Hone- 
mansche  Erklärung  zu  verwerfen  sei,  bedanert  aber,  daß  ich  selbst 
nieeri  exstirpando  operam  dare  aiä  noluisse  aut  nequivisse.  Ich 
gestehe,  daß  ich  wirklich  eine  befriedigende  Lösung  nicht  gefunden 
hebe,  und  bedaure  dies  gewiß  nicht  minder  als  El. ;  aber  das  eine 
darf  ich  getrost  aussprechen,  daß  wir  durch  Kl  s  Vorschlag  dieser 
Losung  auch  nicht  um  einen  Schritt  näher  gekommen  sind.  Mit 
Keojektnien   wie  der  von   ihm  hier  veröffentlichten:   namque  (mit 


26  J?.  Klewüiniher,  QnMitioBefl  ad  Aitronomicon  libroe,  uig.  ?.  K  iVtiu . 

SalmMint ;  n^  die  codd.)  herrida  frigore  saevü  (so  G;  die  flbiigen 
mrgit)  eaßrula  cum  (die  codd.:  haee  vacuum;  M:  ne  tfaeuum) 
$oli»  fulgefUem  diserit  orbem  ist  der  WiseeDScbaft  nicht  gedient; 
denn  daß  sie  lerfebli  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Der  Dicbter  hatte 
▼oranegeechickt:  qua  (canicula)  nuUum  terris  violetUiua  advenU 
asirum  nee  graviua  eedü  nnd  schließt  mit  dem  Vers:  sie  in  utrum- 
que  movei  mundum  et  contraria  reddü.  Akzeptieren  wir  die 
Konjektur  K1.8,  so  würde  in  den  dazwischen  liegenden  anderthalb 
Versen  bloß  die  eine  Wirkung  ans^reführt,  das  frigare  saevire  dee 
Gestirns,  nicht  aber  auch  die  gewöhnlich  ihm  zugeschriebene,  auf 
die  schon  Homer  hinweist  in  den  Versen  xaxbv  di  ts  öfjiuf 
titvxtai  ical  ts  q>iQSi  noklbv  xvgstbv  dsiloiaL  ßgotoiac 
(II.  XXII  30  ff.).  Dann  könnte  aber  unmöglich  im  folgenden  Verse 
zusammenfassend  betont  werden,  daß  das  Gestirn  in  utrumque 
mavet  nnd  contraria  reddit.  El.  mag  das  wohl  selbst  getnblt 
haben;  denn  seine  Obersetznng  schmuggelt  in  V.  397  die  „Hitze** 
hinein:  „kein  Stern  verursacht  auf  der  Erde  solche  Hitze".  Aber 
davon  steht  nichts  im  Original. 

Auch  die  Verse  II  1  ff.»  von  denen  Scaliger  in  seinem 
Kommentar  mit  Recht  sagte:  non  est  locus  contaminatior  in  totq 
Manilio,  hat  Kl.  durch  eigene  Besserungsvorschl&ge  zu  heilen  ver- 
sucbty  mit  nicht  mehr  Glück  wie  an  der  eben  besprochenen  Stelle. 
Irarumque  faees,  wie  er  für  das  überlieferte  Heetoreumque  /acU 
zu  lesen  vorfchlftgt,  entfernt  sich  weit  von  der  Oberlieferung  und 
steht  entschieden  an  Wahrscheinlichkeit  dem  geistreichen  Einfalle 
Housmans  nach,  der  pectoraque  Aeaeii  vermutet.  Die  Umstellung 
von  cuiusque  ....  posteritas  nach  ore  sacro  ceeinit  wird  wohl  auch 
schwerlich  jemandes  Beifall  finden;  statt  daß  sie  die  von  El.  er- 
wartete Wirkung  hätte  ut  oratio  coneinna  fieret,  stört  sie  vielmehr 
empfindlich  den  Fluß  der  Bede.  Statt  patriae  quae  iura  petendo, 
dum  dahat,  eripuit,  wie  er  lesen  will,  wird  richtiger  mit  alten 
und  neueren  Herausgebern  (so  Bechert  und  Breiter)  zu  schreiben 
sein:  patriae  cui  iura  peienti  usw.  Der  Einwand  El.s,  daß  non 
Homerus  ipse,  sed  posteritas  iura  patriae  Homeri  petere  putanda 
est,  ist  nicht  stichh&ltig;  der  Heimatlose  bittet  um  ein  Hei- 
matsrecht;  nur  das  kann  iura  patriae  petere  hier  heißen,  nicht, 
wie  Kl.  übersetzt,  ^Anspruch  machen  auf  das  Becht,  das  Vater- 
land zu  sein",  auch  kann  nicht  der  posteritas  gleichzeitig  ein  iura 
petere  und  ein  iura  dare  beigelegt  werden.  Die  dichterische  Frei- 
heit aber,  sieh  Homer  in  Unkenntnis  über  seine  Vaterstadt  und 
als  Bewerber  um  ein  Heimatsrecbt  zu  denken,  um  so  auszudrücken, 
was  in  nüchterner  Prosa  hieße:  .man  kannte  Homers  Vaterstadt 
nicht  und  so  kam  es,  daß  ihm  viele  Städte  das  Heimatsrecbt  geben 
wollten**,  die  darf  man  m.  E.  Manilius  wohl  zubilligen.  Instantem 
kann  gebalten  werden  {instantis  will  Kl.  schreiben,  wie  schon  Jacob 
vorgeschlagen  hatte);  der  error  selbst^  hat  mit  dem  Meer  zu 
kämpfen.    Richtig  aber  wird  wohl  die  Änderung  Kl.s  ponti  (für 


JEL  Kkm^ümiker,  Teztknt  aad  ezoget  Beitrftge  ntw.«  aog.  t.  JT.  Fnng.  27 

^onA))  Min  und  aneb  darin  stimme  ieb  ibm  bei,  daß  geminaia 
bitber  noeb  von  niemandem  befriedigend  erkl&rt  wurde;  ob  aber 
du  von  Kl.  Torgeecblagene  glomeraia  wirlLÜcb  das  Ursprünglicbe. 
wiedergibt,  ist  mir  xweifelhatt 

Es  wdrde  den  Babmen  einer  Anzeige  entscbieden  sprengen/ 
wsDD  ieb  bier  alle  Stellen  erörtern  wollte,  an  denen  ieb  Kl.  nicbt 
beizBStimmen  Termag.  leb  begnüge  micb  daher,  jene  Bessernngs- 
Terscbiftge  berrorinbeben ,  die  ieb  für  gelungen  oder  wenigstens 
für  Dicbt  nnwabrscbeintiob  balte.  Es  sind  dies:  I  414  $fneruä,., 
Umptaia  (für  das  überlieferte  emerüum  ...  t€n€t  acta);  I  762  et 
te  CIttudi  (für  ei  Claudi);  I  8U7  mieet  (für  nüet),  m.  B.  aacb 
ism  ForsQblage  Breiters  ubi  niUat  ? orzazieben ;  III  4  eonabor  dignos 
ä  earmine  dieere  eantus  (für  conwr  ei  dignoe  \Q:  ei  indigno9\  ear- 
Mtfw  [oder  earmind]  dueere  caniua  der  Handscbriften),  obgleicb 
ieb  denke,  dafi  selbst  Kl.  fühlen  wird,  was  diese  Vermutung  doch 
liebt  recht  glaublieb  macht:  die  gezwungene  Wortstellung;  IV  290 
atf  potUum  caeio  vineirei.  Noverii  (für  ei  ,.,.  vineii  noverü  der 
Übiflieferang). 

Angeschlossen  sind  dem  Scbriftchen  noch  zwei  ganz  miz- 
liehe  Exkurse,  Ton  denen  der  erste  De  quibuadam  vüiorum  generibus 
in  eodieibus  Manüianis  oceurreniibus,  der  zweite  De  verauum  clau- 
eulie  a  Manilio  üeratia  bandelt.  Den  Schluß  bildet  ein  brauchbares 
LitsraturTerzeichnis  zu  Manilius. 

2.  Kleingfintbers  MTextkritiscbe  und  exegetiscbe 
Beitrftge*'  bebandeln  auf  47  Selten  in  6  Kapiteln  Nachstehendes: 
Kap.  I  bringt  einige  kritische  Beferate  über  Schriften  und  Anfsfttze 
IS  Manilius  9  dis  in  letzter  Zeit  erschienen  sind.  Hervorgehoben 
eei  daraus,  daß  er  II  258  zu  lesen  Torscblftgt:  contra  tu,  Cancer 
(die  codd.:  contra  iaeei  Cancer;  G  bat  eonirai  iac<t).  Das  über- 
lieferte foee^  bftlt  er  für  eine  Marginalnote«  auch  wirke  es  wegen 
iaesnieB  in  V.  255  anstößig;  dagegen  scheint  ibm  der  O.  noch 
iu  i  von  tu  erbalten  zu  haben«  Wahrscheinlich  ist  mir  diese 
KoDjektnr  nicht;  denn  gerade  an  dieser  Stelle  erwartet  man  nach 
^er  Toraosgeh enden  Unterscheidung  der  Sternbilder  in  currentia 
(245),  siantia  (247),  eedentia  (249)  das  bezeichnende  Wort  iacere. 
Ao  seiner  Wiederholung  in  Y.  255  braucht  man  sieb  gar  nicht 
n  stoßen ;  auch  das  sedeni  TOn  V.  249  erscheint  in  conaidens  des 
Verses  251  wieder  und  eine  Beihe  anderer  Wiederholungen  des- 
idben  Wortes  bat  ja  Kl.  selbst  S.  15,  Anm.  1  zusammengestellt 
Da  aber  contra  sonst  bei  Manilius  regelm&ßig  mit  langer  Endsilbe 
gebraucht  wird  (statt  V  595  soll  es  bei  Kl.  S.  5  beißen  V  596), 
•0  steckt  der  Fehler  wohl  in  diesem  Wort.  Dem  Sinne  nach  richtig 
•ncheint  mir  quaeve  iacent,  wie  Breiter  schreibt,  obKleich  ich  mir 
die  Verderbnis  in  den  Handschriften  dann  nicht  zu  erklftren  Ter- 
Bsg.  Andere  EmendationsTsrsncbe  sehe  man  in  Kl.s  Diss.  S.  82, 
38y  wo  er,  an  iacent  festhaltend,  vorgeschlagen  hatte:  eurva  iaceni. 
—  Kap.  II   bringt   eine   Untersuchung   über  die  Dmstellnng  des 


28  JET.  Kleingüniherf  Teztkrit  nad  ezegot.  Beitrftge  usw.,  «ag.  t.  K  Prim. 

W5rtcbeD8  que  bei  Manilias,  in  deren  Verlanf  eich  der  ?erf. 
wiederholt  veranlaßt  siebt,  einzelne  Stellen  teztkritisob  zn  prfifen; 
dieser  Teil  der  Arbeit  ist  wertvoll.  —  In  Kap.  III  wird  die  Kon- 
jektur von  Honsman  zn  I  84  abgelehnt,  mit  Becbt,  wie  ich  glaube; 
anfgefallen  ist  mir  nnr,  daß  hier  El.  meine  Bebandlnng  der  Stelle 
(a.  0.  8.  120  ff),  die  ihm  bekannt  ist  (vgl.  seine  Dies.  8.  8,  5 
nnd  19),  mit  keinem  Worte  erw&hnt,  obwohl  er  sieh  ihr  doch 
anznscbließen  scheint.  Dagegen  billigt  El.  Honsmans  Eonjektnren 
zn  I  146  (pugna  ingeniis  für  genua  in  pugna)  nnd  V  45  (Viim- 
tem  ffir  trementem);  die  erste  ist  wohl  bestechend,  die  zwetto  aber 
gewiß  verfehlt.  Honsman  selbst  sagt  (Ansgabe,  8.  68  der  Ein- 
leitnng):  „trementem  in  eautes**  hos  no  aense  nnd  El.,  der  auf 
diese  sprachliche  Schwierigkeit  nicht  eingeht,  wendet  sich  besonders 
gegen  die  Bemerkung  Scaligers  (8.  387  der  Ansgabe  von  1600) 
tremens  in  cautes  bona  gubematari  accommodum.  Er  sagt:  Ät 
equidem  eantrarium  de  bono,  utfuU  Tiphye,  gubematare  dieendum 
eese  eenseo:  bonus  t.  e.  impavidus  pericukrumque  Mi  conBcin» 
nauta  semper  id  apectabit,  ut  eautee  ecopulosque  erntet,  Ceterum 
quie  diacemat,  utrum  Tiphys  in  canapectu  eautium  Sympiegadum 
tremutarit  necna?  El.  billigt  also  Honsmans  Vorschlag  nnd  wiU 
die  Stelle  so  äbersetzen: 

nin  übertreffen  TiphTs,  der  so  mutig  losfahr 
Auf  joDe  Felsen,  die  dem  ächiffer  Unheil  drohten*. 

Zunächst  ist  gegen  diese  Erkl&mng  einzuwenden,  daß  uns  Tipbjs 
überall,  sowohl  in  den  Argonautica  des  Apollonius  Ehodius  wie  dee 
Yalerius  Flaccns,  als  ein  wetter kundiger,  mit  dem  Lauf  der  Gestirne 
wohl   vertrauter,   pflicbtgetrener  und  vorsichtiger  Steuermann  ge- 
schildert  wird,  nirgends  als  ein  „Drauflosgeher'',  wozu  ihn  Hons- 
man und  EI.  machen  wollen ;  das  ruere  in  cautea  wfire  auch  wahr- 
haftig keine  sonderliche  Empfehlung  für  einen  Steuermann.    Aber 
auch  wenn  man  cautea  auf  die  Symplegaden  deutet,   was  die  un- 
mittelbar vorhergehende  Erwähnung  des  Pbasis  nahelegt,  so  sieht 
man  nicht  ab,  warum  dann  die  Worte  nicht  am  Platze  sein  sollen. 
Dann   liegt   eine  Anspielung   auf  die  berühmte  Durchfahrt   durch 
jene  gefürchteten  Felsen  vor;  wie  sehr  da  die  Dichter  das  tretnert 
der  Durchfahrenden  betonen,  möge  man  aus  Apoll.  Ehod.  II  552  ff. 
und  Val.  Fl.  IV  689  ff.  ersehen  (bei  jenem :  V.  552  q)6ßaf ;    561 
6i)v  di  6q>Lv  %ijro  d^vfiög;  575  rgöfiog;  577  diog;  bei  diesem: 
V.  689  mein;  646  gelida  formidine),     Tiphys   selbst  wird    auch 
bei  dieser  gef&hrlicheo  Durchfahrt  von  Apollonius  als  vorsichtiger, 
geistesgegenwartiger  Lenker  der  Argo  geschildert,   keineswegs  als 
tollkühner  Wagehals.  Ähnlich  finde  ich  Tiphys  auch  in  der  Toten- 
klage auf  ihn  bei  Val.  Fl.  charakterisiert  (V  45  ff.) ;  ich  will  die 
Verse  hersetzen: 

Nee  summa  spectUantem  puppe  videbo 
Pleiadumque  glohoa  et  agentes  noctibua  Aretoa? 
Cui  Minyaa  caramque  ratem,  eui  aidera  tradis? 


H.  KlemgikUhert  Teztkrit  nnd  ezeget.  Beiträge  qsw.,  aog.  ▼.  K»  Ptins,  29 

Carpere  $eewra$  quia  tarn  iuhet  Aesona  noetes? 
Boc  labor,  hoc  dulci  totiens  fraudata  sopore 
Lumina  et  admotis  nimium  mens  anxia  Colehis 
Ptofmi? 

leb  glaube  also,  daß  das  überlieferte  Tiphym  in  eatUes  tremeniem 
gar  Dicht  so  widersinnig  ist,  wie  El.  nns  glauben  machen  will; 
M  fragt  sich  nur,  ob  es  sprachlich  möglich  ist.  Ich  gestehe  nun 
freilich,  daß  ich  dem  kühnen  Ausdruck  kein  yöUig  gleiches  Bei- 
spiel an  die  Seite  stellen  kann;  trotzdem  halte  ich  ihn  für  mög- 
lieb, Tollends  in  dem  Gedichte  unseres  Dichters,  der  sich  manch 
aodere  sprachliche  Kühnheit  erlaubt  hat.  Nach  meiner  Ansicht  gibt 
ineauies  das  Ziel  an,  welchem  das  Bangen  des  Steuermannes  gilt; 
Tergleichen  kann  man  trepidare  in  usum  aevi  .sich  aufregen  hin- 
sichtlich  des  Genusses  des  Lebens**  bei  Horaz  Od.  II  11,  4,  wozu 
man  die  Erkl&rer  sehe,  nnd  im  Griechischen  Soph.  Oed.  B.  980 
ilg  ti  fitiXQbg  [iti  ipoßod  vv(jLg>6viiata. 

Kap.  IV  und  V  werden  einige  BesserungSTorschlftge  zu  ver- 
tobten  (oder  wenigstens  naeh  des  Verf.  Ansicht  Terderbten)  Stellen 
der  Aäronomiea  gemacht,  nnd  zwar  behandelt  Kap.  IV  ausschließ- 
lich solche,   an  denen  ihm  metrische  Verstöße  oder  Lizenzen  vor- 
inliegen  scheinen,  die  er  dem  im  Bau  seiner  Verse  peinlich  genauen 
Dichter  nicht  zutrauen  möchte.    Es  sind  dies  I  876  candena  fuU 
fir  $xtanduUß  II  822  ter  trieena  quadri  für  ter  triginta  quadrum 
der  Haodsobriften   (wodurch  aber  eine   sehr  geschraubte,   schwer 
TenUndliche  Ansdmcksweise   entstünde;    auch   geht  es  nicht  an, 
qwadri  partes  als  quadri  latera  aufzufassen);  III  877  exstiUrant 
fv  exHiierini  der  maßgebenden  Handschriften  (doch  ist  das  Plus- 
quamperf.  hier  unerträglich,  w&hrend  die  metrische  Lizenz  exsti- 
ßrunt  dem  Dichter  nach  dem  Vorgange  von  Lucrez,  Vergil,  Ovid 
a.  a.  mbig  zugemutet  werden  darf,  auch  wenn  dies  hier  die  ein- 
zige  Stelle    in    den  Asiranamica   sein    sollte);    IV  677   aequara, 
putremoque  für  aequora  et  extremum  der  Handschriften.  —   Das 
F.  Kapitel  bringt  folgende  Vermutungen :  I  852  eui  latnpas  tertia 
fir  quod  tertia  lampada  (lampade:  L)  der  Handschriften   (diese 
Verbesserang  wird  wohl  richtig  sein;  quoi  schon  Scaliger,  lampas 
tertia  Torrnntangsweise  schon  Housman  und  jetzt  Breiter  im  Text); 
n  987  asseruit  templum  titulum  für  das  überlieferte  aaperum  erat 
lewipue  (templum:  M)  titulus  (ansprechend,  nur  setzt  Manilius  in 
lieaer  Bedeutung  sonst  eiln  hinzu);  IV  690  Raetie  für  ripis  (nach 
im  Vtrf.  Mitteilung  hat  diese  Konjektur  auch  schon  Job.  Schrader 
ia  dMi  Notizen  gemacht,  die  jetzt  in  der  Berl.  Königl.  Bibliothek 
mi  Ma.  Dies.  B.  Sant.  95  aufbewahrt  werden).  —  In  Kapitel  VI 
brin^  achließlich   der  Verf.  ausgewählte  Lesearten  ans   den  drei 
llteat«  Anagaben  des  Manilius  nnd  untersucht,   in  welchem  Ver- 
häitnis  sie  aneinander,    ferner  zu  dem  eod.  Fhr.  Laur.  plut.  80, 
15  (bei  Bechert  F)  stehen. 


30  r^.  Breuer,  M.  Maoilii  ABtronomiea,  aog.  t.  JT.  Frins. 

Aas  dem  Gesagten  ergibt  sich,  daß,  wer  sich  mit  Hanilins 
beschäftigt,  auch  dieses  Scbriftcben  EI.8  Dicht  ohne  Nutzen  lesen 
wird;  freilich  mnß  er  dafür  einige  Geschmacklosigkeiten  mit  in 
den  Eaaf  nehmen,  wozn  ich  zan&cbst  das  buntscheckige  Gewand 
rechne  (Kap.  I  nnd  Y  sind  deatsch«  die  fibrigen  lateinisch  ge- 
schrieben, ohne  daG  man  ffir  diese  Variation  einen  plausiblen 
Grand  finden  könnte),  dann  Anmerkungen  wie  die  auf  S.  7  und  12. 

8.  Die  neue  Ausgabe  der  Astronomica  von  Breiter 
wird  gewiG  vielen  Freunden  der  klassischen  Altertumswissenschaft 
erwünscht  kommen.  Ich  hatte  schon  in  den  einleitenden  Worten 
meiner  Anzeige  von  Housmans  Ausgabe  des  ersten  Buches  darauf 
hingewiesen,  daß  nach  der  Enttäuschung,  die  uns  die  lange 
erwartete  Ausgabe  von  IL  Bechert  bereitet  hatte,  eine  neue  Ana- 
gäbe  des  Dichters  mit  erklftrendem  Kommentar  nach  wie  vor  zu 
den  frommen  Wünschen  der  Philologen  gehöre.  Nun  liegt  der  erste 
Band  der  Breiterschen  Ausgabe  vor,  welcher  den  Text  mit  der 
adnotatio  critiea  enthftit;  der  zweite  Band  soll  den  Eommentar 
bringen.  Freilich  ist  es  noch  immer  ungewiß,  ob  dies  ein  exegeti- 
scher Eommentar  in  dem  uns  geläufigen  Sinne  sein  wird  —  nnd 
daß  wir  gerade  eines  solchen  dringend  bedürfen,  wird  jeder,  der 
das  schwierige  Gedicht  zu  lesen  wünscht,  bald  fühlen;  denn  die 
Worte  der  Einleitung  zum  L  Band:  ceterum  in  altero  huiu$ 
editionia  volumine,  quod  cammentarium  continehit,  lecticnis  reeepiae 
rationea  reddeniur  lassen  auch  die  Auffassung  zu,  daß  der  Kom- 
mentar in  erster  Linie  ein  kritischer  sein  werde. 

Breiter  hat  sich  seit  mehr  als  fünfzig  Jahren  mit  den 
Astronomica  des  Manilius  besch&ftigt  und  eine  ganze  Beihe  von 
Beitrügen  zur  Kritik  und  Erklärung  derselben  veröffentlicht;  wenn 
er  sie  uns  jetzt  in  neuer  Ausgabe  schenkt,  so  dürfen  wir  von 
vornherein  erwarten,  in  ihr  die  Besultate  seiner  langjährigen  Studien 
niedergelegt  zu  finden.  Da  aber  ein  so  wesentlicher  Bestandteil 
seiner  Ausgabe,  wie  der  Tersprochene  Kommentar  sein  muß,  noch 
aussteht,  so  halte  ich  es  für  geboten,  mit  einem  Urteile  über  seine 
Textgestaltong  noch  zurückzuhalten;  es  soll  erst  ausgesprochen 
werden,  wenn  man  auch  die  Rechtfertigung  seines  textkritischen 
Verfahrens  kennt.  Darum  begnüge  ich  mich,  über  den  vorliegenden 
Band  zu  referieren. 

In  der  adnotatio  critiea  unter  dem  Text  bringt  Br.  nnr  die 
Lesarten  von  den  vier  wichtigsten  Handschriften:  dem  OemNaeeneis, 
Lipsiensis,  Cusanue  nnd  Matritenaia.  Konjekturen  sind  in  ihr  nicht 
verzeichnet,  doch  wurde  dafür  gesorgt,  daß  der  Leser  dort,  wo  im 
Text  eine  Konjektur  steht,  darüber  nicht  im  Unklaren  bleibe,  was 
die  Handschriften  bieten.  In  der  Einleitung  (sie  umfaßt  11  Seiten) 
werden  die  Handschriften  kurz  beschrieben  und  ihr  Verhältnis  zu- 
einander charakterisiert.  Bis  auf  den  M.  hat  sie  Br.  alle  selbst 
verglichen,  den  G.  sogar  zweimal  (1858  und  1892).  Außerdem 
zog  er  für  die  Verse  1 — 82  des  ersten  Buches«  für  die  der  M. 


F.  Gaffiot,  Eeqd  faerit  st  partienlae  usw.,  aog.  ▼.  J.  OoUing.       31 

fehlt,  xwei  TJrbinaUs  (667  und  668,  beide  ans  dem  XV.  Jabr- 
boDdert)  herao,  die  ane  ihm  abgetcbrieben  sind.  Von  den  genannten 
Handtehr.  stebt  nach  Br.  der  G.  für  sich  allein,  iia  tä  solus  auam 
familiam  facere  videatur;  er  darf  bei  der  Textgestaltnng  weder 
mit  Jacob  ala  interpoliert  gänzlich  ignoriert  werden  (vgl.  dagegen 
Tbitlscber  im  Pbilol.  LXI  nnd  im  Rhein.  Mns.  LXII,  der  zn  be- 
leiseo  sncht,  daß  der  O.  ein  inUrpolaium  interpolati  Lipnenaia 
apographttm,  also  ganz  wertlos  sei)  noch  darf  man  mit  Scaliger, 
Bentley  nnd  Bechert  ihn  überschätzen.  Der  Heransgeber  ist  viel- 
mehr zn  der  Ansicht  gekommen:  hodi$  inier  amnes  eanvenU  (?), 
GmHaeensem,  licet  saepe  vel  metri  vel  senientiae  cauea  prieeas 
käUmee  carrexerit,  toiidem  tarnen  loeie  quot  Matritenaem  et  Lip' 
siefuem  genuinam  lectUmem  aervasee,  atque,  ubi  ab  hie  libris  die* 
crepet,  utros  sequamur,  pro  loci  natura  accurate  eese  pcnderandum. 
Nach  diesem  Grundsätze  hat  denn  anch  Br.  tatsächlich  bei  der 
Geetaltnng  seines  Textes  die  handschriftliche  Überliefemng  eklek- 
tiicb  Terwertek 

Ich  schließe  diese  Anzeige  mit  dem  Wnnsche,  daß  der  rer- 
•procbene  zweite  Band  nns  recht  bald  beschert  werden  möge. 

Wien.  Dr.  Karl  Prinz. 


Ecqni  fnerit  si  partienlae  in  interrogando  Latine  nsns.  Diepn- 

Ufit  Felix  Oaffiot    Paris,  G.  KÜDCkeieck  1904.    50  SS.  Gr. -8*. 
Preis  Fr.  8*50. 

Wenn  wir  bei  Terenz  Hant.  618  lesen:  üla  ei  iam  laverit, 
mihi  nuntia,  so  ist  man  geneigt,  den  mit  st  eingeleiteten  Satz 
als  Fragesatz  zn  fassen  nnd  st  dorch  *ob^  wiederzugeben.  In  der 
Tat  haben  einzelne  Erklärer  bei  Plantns  nnd  Terenz  eine  ganze 
Reibe  solcher  Stellen  finden  wollen,  wo  angeblich  st  als  Frage- 
ptrtikel  fungiert,  während  bei  näherer  Prüfung  sich  ergibt,  daß 
man  es  durchwegs  mit  der  gewöhnlichen  Konditionalpartikel  zn 
tun  hat.  Außerdem  aber  sollen  nach  der  Versicherung  des  Verf. 
vorliegender  Arbeit  anch  noch  Stellen  bei  Cicero,  Vergil,  Horaz, 
LiTius,  Lygdamus  nnd  Properz  die  erwähnte  falsche  Interpretation 
•rfabren  haben.  Bef.  würde  dieser  Behauptung  nicht  entgegentreten, 
wenn  der  Verf.  den  bezeichneten  Irrtam  als  vereinzeltes  Vorkommnis 
biastellte.  Wenn  er  aber  tou  einer  opinio  eaneeneu  doctiesimorum 
fere  cmniHm  hominum  iamdiu  probaia  eonfirmataque  spri(:ht,  so 
ist  dies  eine  Obertreibnng:  wenigstens  sei  es  zn  Ehren  der  dealBchen 
Philologen  gesagt,  daß  sie  in  der  Mehrzahl  der  von  G.  Torgerübnea 
Fälle  die  richtige  Erklärung  gegeben  haben. 

6.  findet  innerhalb  der  bezeichneten  Schriftsteller  nur  setbs 
Stellen,  wo  ei  als  Fragepartikel  dient.    Es  sind  zunächst  h\^'^ 
in\  ana  Livins:  XXIX  25,  8  primum  ab  iie  quaesivit,  si  a 
^minibue  iumentieque  . .  impoeuieeent.  —  XXXIX  50,  7  qua 


*t 


^ 


32  /.  Minor,  Goethes  Mfthomet,  »og.  f.  Ä  M.  Prem. 

9i  itieolumia  Lycortas  . .  e^iUsque  evasiasent  —  XL  49,  6  quae- 
sipit  üerutn,  $i  cum  Ramanü  milüare  Itcerei,  Dazu  kommen  eben- 
soviele  uns  Properz,  n&mlich  II  3,  5:  quaerebam,  sicca  st  passet 
piseis  arena  Nee  soLUus  ponto  vivere  torvus  aper.  —  II  84,  53  ff .  : 
Hamm  nuUa  soUt  raiumem  quaerere  mundi,  Nee  cur  fraUrnts 
Luna  labaret  equis,  Nee  st  post  Stygias  aliquid  restabimt^  Lindas, 
Nee  si  cansulio  ftdmina  missa  tanetU.  —  III  5,  40  ff.:  Tum 
mihi  naturae  libeat  perdiscere  mores...,  Sub  Urris  sint  iura 
deum  et  tormenta  nocentum,  Tisiphones  atro  si  furit  angue  eaput. 
Wiewohl  G.  in  der  Wendung  quaero  si  vollkommen  zutreffend  eine 
natürliehe  Weiterentwicklung  der  Konstruktion  exspedo  (tenio)  si 
erblickt,  möchte  er  doch  die  neue  Konstruktion  am  liebsten  auf 
Becbnung  der  Livianischen  PatavinitÄt  setzen  und  für  die  Stellen 
aus  Properz,  der  noch  fiber  Livius  hinausgeht  und  sogar  den 
Indikativ  mit  dem  fragenden  si  verbindet,  hat  G.  nur  den  Tadel 
einer  spracblicben  Verirrung. 

Zum  Schluß  sei  G.s  Interpretation  noch  eine  von  Ihm  über- 
sehene Stelle  aus  Livius,  die  ein  fragendes  si  zu  enthalten  scheint, 
empfohlen;  es  ist  HI  46,  6:  in  eo  verti puellae  saltäem,  si posUro 
die  vindex  iniuriae  ad  tempus  praesto  esset. 

Wien.  J-  Golling. 


J.  Minor,  Goethes  Mahomet    Ein  Vortrag.    Jena,  E.  Diederfehs 
Verlag  1907.    117  SS.  8»  (samt  Register).   Preis  2  K  40  h  =  2Mk. 

Der  Hauptinhalt  dieses  Buches    bildete  den  Gegenstand  des 
heurigen   Festvortrages    bei  der  Jahresversammlung   der   Goethe- 
Gesellschaft   in  Weimar;    wegen    des   bedeutenden  Umfanges  aber 
konnte  Minors  Vortrag,  wie  L.  Geiger  mit  breiter  Umständlichkeit 
an  zwei  Stellen  des.  Goethe- Jahrbuches  für  1907  erz&hlt,  hier  nicht 
untergebracht,  sondern  mußte  als  Buch  besonders  ausgegeben  werden. 
Es  ist  Hofrat  v.  Kelle  in  Prag  gewidmet  und  bietet  im  1.  Kapitel 
die  „Vorgeschichte**  des  Goetheschen  „Mahomet**.  Minor  hat  ganz 
neu  aufgegraben  und  den  literarischen  Grund  durchwühlt,   um  zn 
zeigen,  wie  Goethe  zu  dem  orientalischen  Stoffe  kam,   der  ihn  so 
vielfach  im  Leben   besch&ftigte.    Als  der  „Stürmer  und  Dr&nger"* 
Goethe  1773  denselben  aufnahm,  begann  sich  eben  erat  das  Urteil 
über  Mahomet  zu  kl&ren,  den  man  bisher  als  einen  Betrüger  an- 
gesehen  und   für  eine  Art  Antichrist  gehalten  hatte ,    sowie    man 
seit  den  Kreuzzngen    und    seit  den  Türkenk&mpfen   die  Mohame- 
daner  als  „wilde  Heiden**  bezeichnete.   Das  Aufhören  der  ""*  * 
gefahr  und  die  Zeit  der  Aufkl&rung  führten  jedoch  im  X^ 
hundert  einen  Umschwung  herbei ,  der  schon  bei  Leibni 
und  dem  Wolfenbütteler  „Ungenannten**  hervortritt    Mai 
in  Mahomet  nun  den  großen  Mann,  das  ursprüngliche  ' 


imor,  üoetbei  MÄboioat,  Mg,  j,  S,  M.  Frem, 


30 


^Mti  An  atich  dtr  jüng e  Goethe.     Minor  hat  in  kurzer  Zeit  eiod 

Lfatiltifi  Literatur  am  mebrereo  Spracbeo  bewältigt  and,  wie  die 

dti  Afitnerknngea  beweiBto,  yiel  NensB  errafft  uod  eine  feste, 

CJDlerlafe  fir  deö  OegeoataDd    geschaffen.     Yoo  S*   26    ab 

1    daiia    Goethes   Frankfortei-    Mahometfragmeate     bebaadelt, 

tarOD  zweifellos  der  ,,GeiaDg^  Älia  iind  Fatemas  daa  fröbeete  ist. 

Er  meheinl    im  Anhange    (nach   dem    ersten  Drack    im    Leneren- 

ilmiaach   für  1774^    wo   aueb    Goethes  ^Waudrer"    stand)    abge- 

dfielt  und  wird  meiat  als  Ersatz  fnr  den  vierten  Akt  dee  Goetbe- 

tdi«D  Mahometdramas  belracbtet,  daran  schließt  der  lyriecbe  Moao- 

iof  Mibomete  nnd  die  Prosaszene  i  die  sich  sacot  Geelhes  Koraü* 

merplen    im  Nacblaese  der  Frau  t.   Stein  fandeiip     Das  „König- 

iich  Oebet^  aber  lehnt  Minor  als  Mabometgediebt  ans  äußeren  und 

umirtD  Granden  ab»  obwohl  es  ans  der  ersten  Weimarer  Zeit  band- 

»thnftlieh  trhalten  ist    (S,  SO,  Note  73).     Eine  Ode  Ist  es  aller- 

,JiD|i  nicht  (S.  81)  nach  dem  Arlbegriff,    allein  m<  E*   könnte  es 

liiehwebl   als  eine  Mahnung  dea  „dänngestekten  Propheten'*    an 

Großen   gelten.     Als  Goethe   das   Schema   zu    ^^Diehtnng   nnd 

lihrbiit''    entwarf,    war    ihm    wohl    aneh    dieses    Gedicht  nicht 

~ff^«Qvärtig.     Über  die  Gründe,  die  Goethe  bestimmten,  den  dra- 

Qiitificben  Plao    fallen  zn  lassen,    wissen  wir  so  gnt   wie  nichts. 

^Biotzir  behauptete,    Merck  habe   ihm    denselben    zu  Gnneten    des 

^KOiltiz'*  ausgeredet    Die  Bache  ist  nicht  belegt,    steht  aber  nahe^ 

^^B  Mirck  der  Druck  oblag  nnd  gewiß  der  fertige  ^Göti*"  (der  im 

^Blii  1778  ancb  erschien)  lieber  war,    als    der  erst  in  Gestaltung 

^lipffine  ^Uahomet''.     Es  bleibt  zn  bedauern»    daß  Duntzer   für 

Mifil  Mirek'Biographie  keinen  Verleger  finden  konnte.     Eingebend 

Npiieht  MJaor  das  dramatische  Fragment,  ¥on  dem  Goethe  selbst 

10  „Dichtung  und  Wahrheit''    nur   aus   der  Erinnerung  berichtet. 

Didureh,    daß  Minor  endlich    die  Geecbichte  Mahomela   äum  Ver- 

ihkku    mll    Goethes    Arbeit    heranzieht,    kommt    er    zu    neuen^ 

^kmh,    nahezu  restlosen  Ergebnissen    und    kann  den  Fabulisten 

hilf  and  dort  auf  die  Finger  klopfen.    Im  3.  Kapitel  wird  die  Be- 

«llttaiig  des  Mahomet  von  Voltaire  (1799)  besprochen.  Das  Iran- 

tMMhe  Siück,    das  den  Fanatismus  geiieln  sollte   und  den  Pro- 

flitlB  als  einen  Verbrecher  hineteUte,  war  eine  schw&chlicbe  Arbeit. 

Olilbs  bearbaitete  es  auf  Wunach  dea  Herzogs    für  die  Weimarer 

BIhsi  uod  milderte  die  Sache  mit  großer  Gewandtheit  in  wenigen 

StiJihaQ  reebl  bedeutsam.  Ihn  zog  eigentlich  mehr  die  Form  das 

tlviltifltischen  Dramas  an  und  er  betrachtete  die  Aufführung  des- 

ülNa  als  ein  Exerzitium  für  Dichter,  Schauspieler  nnd  Zuschauer, 

die  lieh  wieder  an  Verse  gewöhnen  mußten*  So  ist  denn  auch  die 

%iul  bezügliche  Stelle    im  ^Maskenzng"    von  1818    völlig   ver- 

^Jttudlkb*    [n  der  nun  folgenden  Kritik  der  Angaben  Qoetbei  über 

^■a  ^Mabomei**    io  der  Autobiographie    fftUt   manches  Licht  auch 

^H(  andere  Dichtungen  Goethes  und  werden  interessante  Parallelen 

^PugiD^  kleine  Irrtümer  mit  leichter  Hand  beseitigt.    Wegen  des 

;  i;  «.  ««(«IT.  0JV«.  lees*  U  ll«a  d 


34  P.  Oerehe,  H«iBri«b  tob  Klotl»  H«nBM]itNUaebtp  Mig.  ? .  F.  Hokner 

58.  fenetiaDkehMi  Epigramms  liüte  auf  H.  FvDck»  Gotibe  aad 
Lavater  (Sebrifton  der  Goetlie-CtoMnaobaft  16,  871)  «ad  aUgemiiD 
auf  die  LaTater-Denksekrift  (Zflrieli  1902,  8.  888  ff.)  hiagtiriMeD 
werden  kÖDDen.  Is  „Dichtmig  nsd  Wahrheit''  hat  Ooetiie  tod  eiBW 
andeiii  Hahomet  erzählt,  als  er  vor  50  Jahren  hatte  daretailiD 
wollen,  QBd  sich  einfach  an  die  Biographen  des  Propheten  ange- 
lehnt (8.  58).  Bohr  klar  and  aufschließend  wird  endlieh  8.  58  (g. 
Goethes  abermalige  Besch&ftignng  mit  Eeran  und  Hohamedanisiims 
dargelegt,  die  dnrch  einen  Äußeren  Anlaß  hwTorgemfen  war  and 
den  „Weetdetliehen  Divan^  erzeagte,  während  er  ans  das  Drama 
schaldig^  geblieben  ist  Die  leitende  Idee  des  Hohamedaaismas 
aber  hat  er  als  „Islam"  (=  entsagende  Hingabe  an  G«tt)  aeeh 
im  Alter  oft  aasgesprochen  and  an  sich  selbst  «rfahrea.  Idi 
möchte  za  Minors  Stellen  8.  64  noeh  die  scbmerzlioheB  Srlebnisse 
in  der  Liebe  za  Ulrike  t.  Leretzow  nach  1828  lllgeii,  die  in  der 
bekannten  Werther-Elegie  ergreifead  aasklingeB.  8o  ist  Goethe  ein 
Hekkanns  in  höherem  Sinne  geworden,  als  Herzog  Karl  Aagast  es 
einst  gemeint  hat. 

Graz.  8.  M.  Prem. 


Dr.  P.  Oereke,  Heinrich  7on  Kleists  Hermannsschlacht  Die 
dentschen  Klaesiker  erläutert  and  gewürdigt  fttr  höhere  LehriMtiUso 
sowie  som  Salbststadiam  von  E.  Kaenen  «ad  M.  Ef  ers.  Leipzig 
1905,  Verlag  fon  Heinrich  Bredt. 

Gweke  geht  den  sichersten  Weg,  der  im  Unterrichte  ein* 
geschlagen  werden  kann,  indem  er  tächtige  Arbeiten  über  H.  ▼• 
Kleist  seinen  allseitigen  Erlänterangen  zagrande  gelegt  hat.  Er 
gibt  zuerst  den  Inhalt  nach  Szenen  oder  Szenengmppen  an  and 
erörtert  nach  jedem  Abschnitte  deren  Bedeutangr  ftr  den  Gang  der 
Handlung.  Abgössen  davon,  daß  dies  zu  Wiederholungen  fähit, 
überhebt  die  so  Torbereitete  Inhaltsangabe  den  Schüler  nar  za 
seinem  Schaden  der  Mühe,  den  Stoff  des  Dramas  seibat  anfznfassen 
und  durchzudenken.  Gut  ist  begründet,  warum  der  Stoff  der  Her- 
mannsschlacht mehr  für  ein  Epos  als  für  ein  Drama  geeignet  ist, 
doch  ist  die  Skizze  zum  Aufbau  der  Handlung  Torfehlt.  Denn  die 
treibenden  Motive  bauen  die  dramatische  Handlung,  nicht  der 
beobachtende  Zuschauen  Dazu  ist  die  Gliederungr^  die  Gereke  ver- 
sucht,  noch  in  sich  verfehlt.  Im  8.  Akte  ist  „Hermann  an  te 
Arbeit**.  „Sz.  1 — 2  Hermann  reizt  die  Cherusker  zum  Hasse  gegen 
die  Bömer  auf.  8z.  4 — 6  Hermann  täuscht  den  Oberfeldherrn  Yarns 
über  seine  wirklichen  Absiebten''.  Im  IV.  Akte  ist  „Hermann  am 
Ziel  seiner  Pläne'':  „8z.  8 — 6  Hermann  setzt  alle  germanischen 
Stämme  durch  Übersendung  der  zerstückelten  Leiche  Hallys  in 
Flammen  des  Hasses.  Sz.  7 — 8  Hermann  verbietet  jeden  Verkehr 
zwischen  Teatobarg  und  seinem  Heer,  8z.  10  Hermann  gibt  Astelf 


J.  J.  ÜTwnea,  Ghr«ft»Baiya  arehaiea»  ang.  t.  A.  Gafln0r.  95 

Wtitimi^B''  B8W.  Ist  da  Hermaiuit  der  „am  Ziel  aeiaar  Pliaa^ 
MiB  loU«  üebt  ebanao  noch  ^an  dar  Arbeit^?  Der  Aufbau  der 
Nebeabandlnng  leidet  aa  dem  Grandfebler,  daft  Tliaaoelda,.  dia  im 
Mitteipiiiikta  dea  Intereaaea  an  der  Nebeobandliing  %Uhi^  zu  Onnaiaii 
HimaBDa  beiaeite  geadiebea  wird.  Wer  ffihrt  denn  die  Kataalrepbe 
der  Nebanhandlang  aa  berbei,  wie  sie  erfolget?  Doch  nur  Tbnsaalda. 
Hermann  aber  fiillt  nnr  die  Solle  zn,  daß  er  Thoaneld»  ia  ent- 
MdMidende  Lagren  yeraetzt,  dnreh  die  aie  eich  ihrem  Charakter 
genia  haranantwiekeln  mnß.  Dar  8.  Abeehnitt  beattmmt  recht 
Mflftlhrlich  die  Zeitfolge«  der  Ereignisee,  eie  macht  Scbfllern  immer 
Seliwieri^keiten.  Dia  Pereoaen  werden  kurz  nod  recht  gut  charak- 
terieiert»  die  hietoriecha  Gmndlag^e  des  Dramas  ist  geachiekt  nach 
Mofflmaaa  auch  znr  Benfitznng  fflr  den  Lebrer  znaammengeeteilt, 
der  aaa  dem  Abachnitta:  y^Verhiltnia  dea  Dramas  znr  Oeaebiebta^ 
wehl  nnr  daa  Wicbtigate  bei  der  Sefanlbebandlnag  Tarwenden  wird. 
Der  Abschnitt  »Entstehang  nnd  Tendenz  des  Dramas'  wtrdigt 
vell  das  Dichter  nnd  sein  Werk.  Den  SehlnA  bilden  etwaa  zu 
reiche  Sacberklärnngen  nnd  Anmerkungen  nnd  eine  gnte  DarsteUang 
der  Biganheiten  der  Kleistsehen  Sprache.  Die  Gedanken  werden 
klar  aaageeproehen,  nnr  einmal  eine  Oewitterachildenng  ebne  jede 
Besiehnnir  (S.  47)«  ein  kleinea  Scbaastückt  nichts  mehr.  Die 
Syraehe  ist  rein  bia  anf  die  mnndartliebe  Wendung:  Die  Beispiele 
i'md  übarana  zahlrekh,  daß  sich  eine  Znaammenstellttng  erübrigt 
(8. 117).  Dmckfehler:  8.  85  Tagenbnnd,  8.  79  Affee,  S.  87  Dos. 

Wien.  Ferdinand  Holzner. 


Jos^  Joaqnim  NaneSy  Chreatomatfaia  archaica.  Ezcerptoe  da 
lUterAtora  portogoesa  deade  o  qae  de  mala  antigo  se  oonheee  nM  ao 
seealo  XVL  acempanhados  de  introdncäo  grammatkaU  notas  e  glos- 
sario.   Ferreira  k  OU? eira,  Lisboa  1906.  GLX  und  498  SS. 

Ea  Iftga  wohl  kein  Gmnd  vor,  dieses  hdbach  ansgeatattate 
Bach  nnaerer  Anfmerksamkeit  teilhaftig  werden  zn  laaaen,  wäre  es 
nicht  mabr  ala  ein  für  die  YII.  Klasse  der  portngiesisefaeo  I^zeen 
beatimmtea  Lehr-  nnd  Leeebndi.  Zn  seinam  großen  Vorteil  nnd 
zn  dea  Verf.  Ehre  fiberachraitet  ea  aber  dies  bescheidene  Ziel  so 
weit,  daft  die  gesamte  Bomaniatik  aein  Erscheinen  mit  lebhafter 
Genngtwnag  zn  begrüßen  alle  Ursache  bat. 

Dia  litarariacheo  Erzengnisae  Altlnsitaniens  sind  nfimlich  teils 
ia  Anagaben  erschienen,  die  in  den  wenigsten  nnaerer  Bibliotheken 
•athalten  aiad,  teile  Anßerst  kostspielig  nnd  volnminta  nnd  dabei 
zaweilan  nnr  diplomatiache  Abdrücke,  mit  denen  der  weniger  Ge- 
übte  j»  nicht  viel  anzufangen  weiß.  Wir  freuen  nns  zwar,  den 
Cmumkn  pariogkue  ddla  BMMeea  taikana,  me$$o  a  ttan^M 
db  Smaato  Monaci  nnd  den  ihn  erginzenden  Canzoniere  porto- 
fke$9  Ccloeci'Brancuti,  pubblicaio  neue  parti  che  eampletano  il 


36  J.  V*  Nunes,  Ghrestomathia  arebaio»»  aag.  t.  A.  Gafiner, 

Codice  vatteano  4803,  da  Enrico  Molteni  zn  besitzen  nnd  schätzen 
uns  glficklicb  über  die  Tortreffliche  Ausgabe  des  Canctaneiro  da 
Jjuda,  die  nns  die  gelehrte  Carolina  Michaelis  de  Vasconcelloa 
bescherte,  empfanden  bisher  aber  schmerzlich  den  Mangel  kleiner, 
handlicher  Ausgaben  altportngieeischer  Dichter.  Wohl  TerGffent- 
lichte  Henry  B.  Lang  im  Jahre  1894  „Das  Liederbach  des  EOnigs 
Denis  von  Portugal^  in  einer  sehr  dankenswerten,  weil  im  all- 
gemeinen trefflich  gelungenen  kritischen  Ausgabe,  allein  dasselbe 
enthält,  wie  schon  der  Titel  anzeigt,  nur  die  Werke  eines  wenn 
anch  bedeutenden  Dichters. 

Gleichwie  das  auf  eigene  Lektüre  gegrflndete  Studium  der 
altportugiesischen  Literatur  war  bisher  auch  das  der  historischen 
Grammatik  der  mittelalterlichen  Sprache  Portugals  mit  ziemlicher 
Mühe  verbunden.  Comus  fiber  jedes  Lob  erhabene  Grammatik  der 
portugiesischen  Sprache  in  GrObers  Grundriß  wie  Meyer -Lftbkes 
nicht  minder  Torzfigliche  Grammatik  der  romanischen  Sprachen 
behandeln  das  Altportugiesische  eben  nur  so  nebenbei.  Auch  des 
Bef.  Abhandlung  Aber  „Die  Sprache  des  EOnigs  Denis  von  Por- 
tugal", die  unlängst  in  VolImOllers  „Romanische  Forschungen^ 
gedruckt  wurde,  vermag  den  Anforderungen,  die  an  eine  historische 
Grammatik  zu  stellen  sind,  naturgemäß  nur  sehr  unvollkommen  zu 
genügen,  da  sie  ja  nur  die  Sprache  einer  sehr  kurzen  Zeitspanne 
und  eines  einzigen,  dazu  gelehrten  Dichters  behandelt. 

Es  hat  also  nicht  nur  der  Literarhistoriker,  sondern  auch 
der  Linguist  der  Gründe  mehr  als  genug,  das  Erscheinen  des  neuen 
Buches  mit  Freuden  aufzunehmen.  Die  Seiten  XXII  bis  CLIV  sind 
der  Grammatik  gewidmet  und  auf  S.  449 — 484  finden  wir  ein 
Olosaario,  das  nur  WOrter  und  Bedensarten  enthält,  die  heutzutage 
nicht  mehr  oder  in  veränderter  Bedeutung  üblich  sind. 

Den  Hauptteil  des  Buches  umfassen,  wie  nach  seinem  Titel 
nicht  anders  zu  erwarten  ist,  Texte  in  Prosa  und  in  Versen,  meist 
in  tadelloser  Form,  da  sich  der  Verf.  gewissenhaft  an  die  schon 
vorliegenden  Ausgaben  von  Carolina  Michaälis  und  Lang  hielt  und 
außerdem  in  vielen  Fällen  den  bewährten  Bat  und  die  nie  ver- 
weigerte Hilfe  der  Frau  Miehaölis  anrief.  Der  der  Lektüre  zuge- 
wiesene Teil  des  Werkes  enthält  Schenkungsurkunden,  Inventare, 
Testamente  aus  den  Jahren  874—1898,  Stücke  lehrhaften  Inhalts, 
eine  lange  Beihe  von  Legenden  und  Erzählungen  z.  T.  historischen 
Lohalts,  wie  über  den  Britannenkönig  Artur  oder  den  ägyptischen 
Josef,  und  einzelne  Fabeln  aus  dem  von  Leite  de  Vasconcellos  herans- 
gegebenen  Livro  de  Esopo,  dessen  aus  dem  XV.  Jahrb.  stammende 
Handschrift  in  der  Wiener  Hofbibliothek  aufbewahrt  wird.  Der 
poetische  Teil  umfaßt  Gedichte  epischer,  lyrischer  und  dramatischer 
Art,  hauptsächlich  eine  größere  Zahl  von  Cantigaa  d'escamio  e 
maldizer  (Satiren),  Cantigaa  d*anior  und  Cantigas  d'amigo  (Liebes- 
liedern), Cantigas  d$  ramaria  (Pilgerliedem)  und  Pastoreias 
(Schäferliedern)  in  schönster  Abwechslung. 


J.  J.  Nmtest  Chreitoiniftbift  arehaioa,  ang.  t.  ä,  Oaßner.  37 

Da  das  traffliehe  Bneh  hoffentUeh  in  kflrzester  Zeit  nieht 
oar  in  alle  Lyieen  Portagale,  eondem*.  anch  in  eine  große  Anzahl 
romaniitiaeher  üniTersitfttaaeminare  Eingang  finden  nnd  deshalb 
weitere  Auflagen  erleben  wird«  gestattet  sich  der  Bef.  eine  Beihe 
TOB  TerbessernngaTorsehlftgen,  die  ansschließlieh  den  grrammatischen 
Tsil  des  Werkes  betreffen.  Es  sei  Jedoch  ansdrfleklich  bemerkt, 
dsft  sieh  der  Bef.  stets  die  Tatsache  vor  Angen  hielt,  daß  das 
Bach  in  erster  Linie  für  Mittelschüler,  nicht  aber  für  gelehrte 
Romanisten  bestimmt  ist,  was  in  einigen  Füllen  den  Maßstab  seiner 
Kritik  rechtfertigen  möge. 

S.  XXV,  §  14  5.  Einzelne  der  Wörter  mit  Schwund  dea  an- 
laatenden  Vokals  würen  in  demselben  Kapitel  anter  Obs.  III  an- 
zuführen gewesen,  da  das  Volk  in  ihrer  vollen  Form  yermntlich 
Artikel  und  Sahst,  erblickte:  hatarda  neben  abetarda:  avi  tarda, 
hibe  neben  abibe^  ani  ibe,  bcdsga:  apciheea,  gume :  aeumine,  eajan 
D«ben  aeaijan :  aeeaaiane  für  oec.  —  8.  XXVIII,  §  16.  Einige  der 
dort  angeführten  WOrter  wie  viride,  damina  waren  nach  Meyer- 
Lfibke  I,  8  825,  schon  im  Vlat.  paroxyton  geworden,  wie  Nones 
in  der  Obs.  I.  für  andere  selbst  annimmt.  —  S.  XXXI,  §  18  nnd 
S.  rXXIV,  §  28.  Zn  dem  Wandel  Ton  ai :  ei  möchte  ich,  was  ich 
leider  auch  in  meinem  Denis  anzuführen  unterlassen  habe,  bemerken, 
daß  ee  sich  nur  um  Assimilation  handle,  die  aber  nur  bei  ursprüng- 
lichem oder  durch  frühe  Metathese  entstandenem  ai  eintritt:  a^ 
:  ii,  'ariu  .*  -eiro,  bei  jüngerem  ai  aber  unterbleibt :  eapia  :  sabha 
:  Mtba.  Ebenso  ist  in  ai« :  ou  nur  Assimilation  zu  erkennen.  — 
8.  IXXn,  §  20.  Unorganisches,  anlautendes  a  bei  weibl.  Substantiven 
erkllrt  sich  wohl  in  Tielen  Füllen  als  mißverstündlich  einbezogener 
Artikel :  abenteema,  avmtuma  oder  abanteema,  abespa  neben  bespa, 
Mspa,  ametade  neben  metade^  adaga,  awiara.  —  8.  XXXIII,  §  22. 
Npg.  fame,  altpg.  fatne,  das  schon  von  Denis  (V.  2741)  mit  ame 
QDd  come  gebunden  wird,  ist  ein  schlechter  Beweis  für  die  6e* 
Wahrung  des  lat.  d.  —  Ibid.  u.  a.  v.  a.  0.  Cabo  :  caput  und  alt 
caboOy  npg.  eaho :  eapulum  müssen  strenge  auseinander  gehalten 
werden.  —  8.  XXXV,  §  26.  Wenn  altpg.  cadea^  eheo,  i$a,  elo  usw. 
io  der  modernen  Sprache  auch  eadeia,  cheio,  teia,  eeio  gegenüber- 
stehen,  so  dürfen  wir  trotzdem  nicht  von  Diphthongierung  des 
alten  e  sprechen;  die  Sprache  strebte  einfach  nach  Tilgung  des 
l&stigen  Hiatue  und  schob  daher  y  zwischen  dem  betonten  und 
dea  tonloeen  Vokal  ein.  —  8.  XXXVIII,  §  82,  Obs.  I.  U,  eunho, 
agulha,  ehuva,  ruivo,  mureho,  matiru^:  übt,  euneu,  *acüela,  plüvia, 
riAeu,  ^mürdu,  naOürtiu  verdanken  ihr  u  statt  6  wohl  nicht 
•iner  grundlosen  Lüngung  des  betonten  Vokals,  sondern  dem  Ein- 
flasse dee  folgenden  «-Elementes  (Umlaut),  den  Nunes  betreffs 
dmrmo,  almufiha  usw.  richtig  selbst  annimmt  —  8.  XLV,  §  42, 
Obs.  Daa  Tortonige  •  von  milhar,  pidir,  vistir,  firir  uew.  dem 
Einflüsse  des  anlautenden  Labiale  zuzuschreiben,  ist  schlechterdings 
umüglich.  —  8.  XLVI,  §  45  wird  unter  den  Beispielen,  in  welchen 


38  J.  /.  Nwtes,  GhrwtMiuitliift  aniuika,  aeg.  ? .  A  Baßner. 

flieh  lat.  ö,  ö  oder  ü  alt  6  oder  6  mit  «-ftbnlicliMr  Klaogfarbe  er- 
baUes  habe,  aveb  euspir :  eoBpuere  aogeffihrt.  —  Ibid.  Obs.  II. 
M$9ir§  wird  ale  Fremdwort  bezeiebnet,  da  eich  eein  aoelanteDdee 
-tf  zu  -^  gewaoddt  habe.  Nanee  aeheiiit  eben  zu  ftberaehen,  da6 
dae  Wort  Dicht  von  magMru,  eondem  rom  Nom.  magisUr  abm- 
leiten  iet  —  S.  XLVm,  §  46.  Auf  altee  fermoBo  mag  nicht  bloß 
DiBsimilatioD,  eondem  auch  ein  anderea  AdjektiT  deeeelben  Anlants, 
z.  B.  fgrmo,  eingewirkt  haben ;  valertmo,  iemerveo  entetanden  wohl 
nach  dem  Verbilde  der  Inftn.  vaUr,  temer  and  in  retUmdo,  reiojo^ 
redar  oder  redol  erblicke  ich  den  Einfloß  dee  Prftfixee  r»-.  — 
Ibid.  8  47,  Obe.  L  Ourina  neben  urina  iit  rielleicht  weniger 
dialektisch  ale,  wegen  der  Ähnlidikeit  der  Farbe,  dnrch  (mro  her- 
▼orgemfen.  —  S.  L — LI,  §  51  nnd  §  51,  Obe.  IL  Aach  Nnnee 
vertritt  noch  die  Ansicht,  daß  sowohl  betontes  wie  Tortonigee  au 
:au  werde.  In  den  §S  8  nnd  29'  meines  Denis  Terenchte  ich  jedoch 
die  Behanptnng  zn  vertreten,  daß  vortonigee  au  nicht  zu  om,  son* 
dem  za  einfachem  o  werde.  Es  sei  hiemit  festgestellt,  daß  alle 
▼Ott  Nnnes  angeführten  Beispiele  fftr  mein  Geeetz  sprechen  oder 
ei^  wenigstens  nach  ihm  erklären  lassen.  Ich  fflhre  nur  diejenigen 
Beispiele  an,  die  ich  in  meiner  Arbeit  zn  besprechen  keine  Gelegen« 
beit  hatte.  Ouear,  <mvir,  gauvir  bezogen  den  Diphthong  ans  ihren 
stammbetonten  Formen,  oti^ofio  steht  nnter  dem  Einfloß  von  outo^ 
loureiro,  Louredo  nnter  dem  Ton  lauro.  Damit  erledigt  eich  auch 
alles,  was  Nones  aber  loar  nnd  air  rorbringen  zo  mflssen  meint. 
Orelka  stimmt  za  meiner  Annahme ;  eoa  neben  gel.  cauda  nnd  fas 
gehen  anf  vlat  eoda,  foces  (Meyer-Lflbke,  B.  6r.  I,  §  27)  zoröck. 
Endlich  pcbre :  paupere  erklärt  sich  schon  nach  Mejer-Lfibke,  B. 
Gr.  §  282,  aos  der  folgenden  Konsonantengroppe.  Schwierigkeiten 
bereitet  also  nor  ehosira,  doch  bleiben  diee  die  nämlichen,  welcher 
Ansicht  man  aach  holdige.  —  8.  LVUI,  §  57,  1^  Hier  und  a. 
a.  0.  so  ohne  weiteres  dicSre  zn  schreiben,  geht  nicht  an.  Man 
vgl.  dazo  §  121  meines  Denü. —  8.  LXK,  §  75,  Obs.  II.  Neben 
apg.  meeemo:me8mo  ans  ^metipsimu  (fflr  wohl  verdrocktes  «me- 
tip8$imu)  wäre  das  apg.  medie  zu  erwähnen.  —  8.  LXXni, 
§  85,  Obe.  nnd  8.  GXXXIV.  Abzolehnen  ist  die  Annahme  eines 
Jbfin.  *valuere  ^ormado  par  anaicgia  com  o  pret.  ealui:  arch. 
valvi**.  Die  Bewahrang  des  interTok.  t  in  vaier  erklärt  sich  ein- 
fach dnrch  den  Einfloß  der  anendlich  bäofigen  HL  P.  8g.  val  mit 
korrektem  l.  —  8.  LXXIV,  §  88,  Obs.  I.  Mit  Bficksicht  aof  das 
Apg.  wäre  am  Ende  zo  Terbeesera:  evdueiomm  para  nh,  quando 
0  n  ae  aehava  em  coniaeto  com  ae  vogaee  i  a  u,  da  wenigstens 
Denis  ancb  die  Formen  unha,  algunha  neben  na,  aigua,  nenhua 
kennt.  —  8.  LXXYI,  §  89,  Obs.  I.  Lies  *eo9uetumine  statt  des 
onm6glicben  *con»uetumine ;  desgl.  8.  LXXIX,  §  96  a:  cob^ 
eoepuere  statt  eans. . ;  ebenso  8.  CXXXn  presi  statt  *prenst 
8.  LXXVI,  §  89,  Obs.  IL  An  die  von  Nonee  angraommene 
wicklnng  von  -on  Aber  -an  za  -ao  vermag  ich  nicht  zo  glao 


X  J.  JVt0Mif  Cbfivioiiiatbtil  arcbtieSf  i^Df .  t>  A,  G&ßner, 


39 


fUf  tatoehtiiüiehif   ist  md  bleibt  die  Erkifrrnng  Meyer -Läbk«fi» 

^1.  Gf.  I,   §  400:    ~e/m.^b   nikd   dieses    dmrcb    Dissimilation    über 

:m.  —  B.  LXIVUl,  §  94,  Obs.  n.    Wem  Kiiiies  msiüsr  Äa- 

li  iit  (Demis^   §  40)  titid   den  Ausfall    des  6  im  Imperfekt  der 

L— IV.  K«ijiifmtt0ii  od4  in  ibi:i  für  eine  selbitändige,  teilweise 

m  Tlat   angibdrige  Erscbelnnng  aosiebt,  mnß  der  Scblnß- 

Ni  Äbicbnittet :   ^No  demparecim^nto  do  b  em  tibi  €  aihi 

^tiftimfimm  sem  duvida  mi:  mihi'*  entsprecbtnd  abgescbwäebt 

dir  Ausdruck   ^zweifellos'   tnmindest    dnreb  ^vielteiebt  aticb' 

iTütfl  werden.  IgL  dain  auch  die  Beiipiele  des  §  96  b^  3,  welche 

Mise  ^iiebl  beatAtigen.  —  8.  LIXX«  §  90,  Obs.  L     [n  uehe- 

mKii9:fmm»^    erbUcke    ich    eher    Einflai^    des    si  du  verwandten 

A^jtfct  /ütU  als  eine  Folgeerscbeinnng  der  EoDtraklion.  —  Ibid. 

firtM  BBd  i#w  eind  keine  Anenahinen,  sondern  provenz*  Lehnwörter. 

^  S,  LXXXIII,  g  101  a*     Die  Bebatiptong,    ss  «ei  bald  erhalten 

riblitb^D,  baldf  hanptsäcbUcb  in  Verbindang  mit  t^  zu  3t  geworden, 

in  iD  ftngtDiii.  Wenn  wir  im  Pg.  ^  erhalten,  baben  wir  es  eben 

^\  Ulli  m^   sondern  mit  s^t  zu  tun  und  ^unes   selbst  fnbrt  als 

Srttdiige  fon  pai^m,  rai^o  oder  rdi^ : passionff  ruaset*  an.   Für 

ki»  9^  basco   und  gr^ia^o  oder  graa^ü   müssen    wir   mit    Mejer- 

Ubli,   K.  Gr.  I,    §  546   basseu^    *^raa6eUf    fnr  cai^a  oder  caxa 

tiy  nicht  ^ssii^  sondern  tapsa^  worans  durch  eine  Art  von  Assi- 

tJAitiim    *mcaa    entstanden    wäre,    als    Groodtage    ans«t^el]«    — 

8.IiX£XTI,  §  105,  In  der  Überschrift  ist  FL  durch  PL  zu  ersetzen. 

^L  LXXXVII,  §  105,  Obs.    Daß  iuxoso  oder  /i^osö  lOxosu  ist 

«f«lar  eiD  Drucklthler)  nicht  wohl  ton   *lutHo$H  kommen  k5nne* 

libf  ich   bereite  in  meinem  Dmii$^  §  32,  2  bemerkt.  Seine  Grnnd^ 

h%%  d«rfte  eher  ^UTiom  sein.  —  S.  LXXXIX»  §  107,  Obs.  Fal&r 

ilt  Qscb  Comns  Fg*  Gr.,  §  1B7    offenbar    eine  Anbildung  an  das 

IpAmm%  mltir.  —  Ibid*  §  108.  Für  pübre  ein  schon  vlat  popr§ 
r  pmtperw)  anzusetzen  and  dies  mit  einem  Stern  zu  bezeichnen, 
weil  ebenso  ncstattbaft  als  überflüssig.  —  S.  XCII,  §  112 
d  nar  Bachstaben-,  nicht  Iiautgroppen  bebandelt,  so  daß  wir 
itilt  Qod  gutturale  Laute  kunterbunt  gemengt  finden.  Unter 
Qnipp«  nc  finden  wir  z.  B.  rancidu :  ranv;a  neben  rancore  ^* 
'^^eoTf  ^tter  rc  ^  mercedß  :  merce^  neben  mercan .- msrcar  uaw. 
TiNöift.  --  S.  CXVLI,  §  139,  Obs.  I.  Der  Schwund  der  ersten 
^Ät  im  pruklit.  Demonstrat.  iU*  ist  nach  Meyer- Lübke,  E-  Gr.  I, 
HU,  schon  vlat.,  nicht  aber  pg.  —  S,  CXK,  g  148*  Lat.  oder 
*Nlf.  starke  Partiz.  wie  coimntQ^  coihtiio,  beeiio  o.  a«  als  un regele 
^i^  ta  beteicbnen,  geht  in  einer  Grammatik,  die  aoi  wissenschaft- 
'<*•»  Wirt  Aniprucb  erhebt,  nicht  an.  Vgl.  auch  8,  CXXV,  §  153, 
"RCXXI7,  §  15L  Die  Tatsache,  daß  die  Verba  der  E-  nnd  /- 
Hiisa  in  IL  R  Sg.  des  Imperativs  das  t  oder  a  der  „vorletzten 
^»hili^sjlbe*'  im  Alip^.  sehr  h&ufig  io  t,  bezw.  u  verwandelten, 
m.  E.  nicht  bloß  erwähnt,  sondern  auch  erklärt  werden. 
eben  bab««  wir  nattriich  von  den  Verben  der  iat.  IV.  Konj.t 


40  J.  J.  Nune$,  Chmtomathia  arehueat  ug.  ▼.  A,  Gaßner^ 

deren  anslanteodee  •!  betonte«  e  oder  p  des  Stammes  nrnznlanten 
Tormag.  Dann  werden  sich  ihnen  die  Verba  der  Z- Klasse  mit 
stammhaftem  f  oder  o  nnd  endlieh  auch  die  Verba  der  ^-Klasse 
analogisch  angeschlossen  haben»  —  8.  GTSV,  §  154.  *Tr(unU 
:trouxe  kann  nicht  so  ohne  weiteres  zu  den  Verben  mit  sigmati- 
schem  Perf.  gerechnet  werden,  da  ironxe  nach  allgemeiner  Ansieht 
eine  Verschrinkang  von  traxi  +  iraeui  darstellt,  also  ebenso  gut 
znr  *!<••  Klasse  gehOrt.  —  8.  GXXVI.  Das  Perf.  *p€li  (für  peUi 
^  petim)  als  sehwache  Form  kann  nicht  nnwidersprochen  zwischen 
den  beiden  starken  Formen  ^^[uesirquis  und  ^poii:p68  stehen.  — 
8.  CXXVII  nnd  ff.  Wie  schon  bei  früherer  Oelegenheitt  mnß  hier 
neuerdings  gegen  die  Annahme  schon  Ylat.  Formen  wie  benedieSn, 
eognaaeSre,  eredSre,  dktre,  erigSre,  faeire,  perdSre,  permaneteSre, 
ptmire,  ^prendire,  ^querire  Einsprach  erhoben  werden,  da  sowohl 
die  ital.  (bsnedire,  conÖBeeref  crSders,  dire,  irgere,  f^^p  pSrdere, 
parre,  prSndere)  wie  anch  die  franz.  Formen  (Umr,  eonnaUr»,  afr. 
cofioiff^,  eraire,  dire^  afr.  aerdr$,  faire,  perdre,  pondre,  prrnidn) 
das  Gegenteil  beweisen.  —  S.  CXXVm,  Z.  7  ▼.  o.  *C(mquar9re 
ist  Druckfehler  fflr  ^cmfuaerere,  —  8.  CXXIX.  Als  Grundlage 
ffir  starkes  erat  kann  man  wohl  unmöglich  ein  lat.  *ire8i  für  erexi 
ansetzen.  —  8.  CXXXEI — IIL  Die  Schreibung  sdbia,  sirvia  im 
Konj.  Pris.  wirkt  einigermaßen  stOrend,  da  sie,  zumal  in  einem 
für  Mittelschüler  bestimmten  Buche,  zu  Verwechslungen  mit  dem 
Indik.  Imperf. :  aabia,  8$mia  Anlaß  geben  künnte.  Ich  würde  daher 
der  Yon  Lang  in  seinem  „Liederbuch  des  Königs  Denis  von  Por- 
tugal*' durchgeführten  und  von  K.  MichaSlis  in  ihren  'Bemerkungen' 
zu  demselben,  8.  48,  als  hübsch  bezeichneten  Schreibung  aahha, 
servha  den  Vorzug  geben.  —  8.  GXXXIII.  Ein  vlat.  *trag$re  für 
frohere  ist  wegen  ital.  trarre,  frz.,  prov.  traire,  span.  iraer  nicht 
anzunehmen.  Das  Wort  wird  vielmehr  nach  dem  Vorbilde  einsi, 
cindum :  eingo  zuerst  zu  iraxi,  iractum  ein  Präs.  irago  nnd  dann 
dazu  III.  8g.  trage  und  den  Infin.  trager  gebildet  haben.  — 
8.  GXXXVI,  §  156.  Die  Behauptung,  das  betonte  •  Yon  inUr  sei 
auf  dem  Wege  ins  Pg.  tonlos  geworden,  ist  abzuweisen:  ein  Wort 
kann  wohl  einmal  vom  Ton  getroffen,  ein  andermal  proklit.  ver- 
wendet werden,  nicht  aber  den  Tonvokal  in  einen  tonlosen  ver- 
wandeln. —  8.  GXXXVII,  §  157.  TwU  ist  nicht  unsicherer  Her- 
kunft; seine  Grundlage  ist  das  lat.  Partiz.  tastutn  und  sein  Aus- 
laut hat  sich  dem  des  Gegenwortes  tarde  angeglichen.  —  Ibid. 
Aid  neben  aed:eeeuhae  ist  nicht  ad  +  iliäc,  sondern  einfaches 
illäe,  das  seinen  Anlaut  dem  von  aed,  aqui  anglich.  —  8.  CXXXVIQ, 
Z.  12  ▼.  u.  fehlt  nach  tantu  ein  wesentlicher  Beistrich.  —  Ibid. 
§  158,  Obs.  Dem  schon  im  Lat.  Torhandenen  Adr.  per,  das  zur 
Verstürkung  von  Adjekt.  und  Verben  dient,  pejoratiren  Sinn  zuzu- 
schreiben, geht  mit  Bücksicht  auf  die  schon  klassischen  Wörter 
peraeutua,  perbeatua,  perhonue,  percder,  permagnua,  permuUue, 
percurare,  perdomare,  permavere,  permunire,  pereanare  o.  r.  a. 
nicht  an. 


£  Qui^,  PrftBi.  Auspraehe  imd  Spraohfeztigkeit,  sng.  f.  F.  Wawra»  41 

Ferner  sei  an  Prof.  Nnnea  die  dringende  Bitte  gerichtet,  bei 
dir  ZQ  erwartenden  Neuauflage  dee  Werkes  den  Korrekturen  größere 
Sorgfalt  zu  widmen:  das  Yier  Seiten  umfassende i  aber  trotzdem 
QDfoUstftndige  DruekfehlerTerzeichnis  fordert  zu  dieser  Bitte  ge- 
ndezu  heraus.  Endlich  noch  eine  Bemerkung  über  die  auf  dem 
(steifen)  umschlage  befindlichen  Ankündigungen  der  Verlagsbuch- 
bandlung.  Auf  einem  Schuibuche  ein  Werk  über  Ä  vida  sexual 
anzupreisen,  wftre  wenigstens  bei  uns  in  Österreich  unmöglich. 

Innsbruck.  Armin  Oaßner. 


Französische  Aussprache  und  Sprachfertigkeit.  Ein  Hilftboeh 
lor  EinfQhrnng  in  die  Phonetik  and  Methodik  des  FrantOiischen 
▼on  Dr.  K.  Qniehl,  IHrektor  der  OberreaUehnle  in  Gassei.  Vierte, 
amgearbeitete  Auflage.  Marburg,  Elwertsche  Verlagsbachhandlane 
1906.  332  SS. 

Wie  schon  in  der  2.  und  8.  Auflage  (vgl.  unsere  Bespre- 
ebuig  in  dieser  Zeitschrift,  Jahrg.  1896,  S.  248  f.  und  Jahrg. 
1899,  8.  889)  hat  der  Verf.  auch  in  dieser  sein  Buch  möglichst 
branehbar  zu  machen  und  auf  der  Höhe  zu  erhalten  gesucht 
durch  zahlreiche  Erweiterungen  und  Umarbeitungen  sowohl  der 
phooetiscben  wie  der  methodischen  Abschnitte.  Es  hat  auch  an 
ümfsng  erheblich  zugenommen:  aus  den  184  Seiten  der  dritten 
Auflage  (ohne  InhaltsTerzeichnis)  sind  Jetzt  825  geworden.  Vieles 
TOD  dem,  was  hier  vorgebracht  wird,  ist  freilich  bereils  Gemein- 
§rut  der  Lehrenden  geworden  und  wirkt  heute  nicht  mehr  durch 
seme  Neuheit  wie  zur  Zeit  seines  ersten  Erscheinens.  Unter  den 
umgearbeiteten  Kapiteln  heben  wir  das  Aber  die  Bindung  (und 
„Mitbindung  sonst  stummer  Endkonsonanten")  hervor,  das  größten- 
teils in  neuer  Gestalt  auftritt,  da  der  Verf.  diesmal  zur  Grundlage 
seiner  Beobachtungen  hauptsächlich  die  Parlera  Paristena  von 
Eoschwitz  genommen  hat.  Das  hatte  den  großen  Vorteil,  daß 
sieht  mehr  wie  frflher  die  Aussprache  eines  einzigen  Franzosen 
(P.  Passjs)  als  Begel  und  Richtschnur  in  allen  Punkten  ange- 
nommen werden  mußte,  sondern  daß  neben  ihm  noch  die  Sprech- 
weise anderer,  nicht  geringer  Autoritäten  zum  Vergleiche  heran- 
gezogen werden  konnte.  Neu  ist  auch  die  Behandlung  des  Drei- 
konsonantengesetzes,  von  dem  noch  weiter  unten  die  Bede  sein 
vird.  Auch  sonst  zeigen  sich  Verbesserongen  in  kleinen  Zusätzen 
sad  geänderten  Formulierungen.  In  der  phonetischen  Literatur 
(8.  28)  ist  auf  die  Experimentalphonetik  Bflcksicht  genommen 
worden;  doch  sind  dort  merkwürdigerweise  gerade  die  ersten  und 
frandleg«nden  Arbeiten  und  der  in  praktischer  Hinsicht  so  wich- 
tige Prids  de  Pnmoficiatum  frangatse  von  Bousselot  nicht  ge- 
Bsnnt.  Im  flbrigen  läßt  der  Verf.  eine  Einwirkung  der  von  ihm 
doD  Neusprachlern  anempfohlenen  Experimentalphonetik  jenes  Qe- 


48  JT.  ^uteM,  Fran.  AosspiMlie  und  SparacbfotigWt,  ang.  ?.  Jl  ITovra. 

lehrten  bei  sieh  selbet  TenDisBeii;  eonit  liUle  Biandiee  in  seinem 
Bnehe  anders  ausfallen  müssen.  80  wirde  er  sieber  (S.  128) 
eh^val  nicht  (wie  Njrop,  Manuel' phon^tiqne  8.  122)  als  drful 
transkribieren.  Auch  Passy  (rgh  die  5.  Anfl.  der  /Sone,  8.  128) 
gibt  in  le  chevtU  (beachte  aneh  die  Hinznitgnng  des  ArtiMs, 
welcher  den  Ansfall  des  dampfen  e  ven  ehecal  erst  möglich  macht) 
den  labiodentalen  Beibelant  nnr  als  stimmlose  Media  (^)  an,  was 
doch  wohl  Ten  /  Tersefaieden  ist.  Überhaupt  ist  Passj  jetzt  hin- 
sichtlich der  Assimilation  viel  konservativer  geworden  (vgl.  die 
transkribierten  Texte  der  letzten  Ansgabe  der  Sans  mit  denen  der 
ersten  Auflage  des  Elementarbaches).  Dies  würde  sich  nmso- 
mehr  für  Anfänger  empfehlen;  denn  mit  Becht  sagt  Bousselot 
(PridSf  8.  84):  Une  (unmilatian  vo/iUue  dSpasse  taujoura  la 
mesure.  H&tte  sich  der  Verf.  mit  des  letzteren  System  vertraat 
gemacht,  so  würde  er  (8.  38,  Anm.)  anter  den  Phonetikern,  welche 
die  beiden  a- Laute  in  einer  Passy  entgegengesetzten  Weise  be- 
zeichnen, neben  Thudichum  statt  Zünd-Burguet  und  Th. 
Boss  et  doch  zun&chst  den  nennen,  weicher  für  diese  beiden  Vor- 
bild gewesen  war,  nämlich  ihren  Lehrer  Bousselot,  welcher  wieder 
sein  Transkriptions-System  der  Revue  des  Pateie  OaUo-Bamane  ent- 
lehnt hat.  Auch  nimmt  nicht  Bosset  allein  drei  a-Laute  an,  sondern 
er  sowohl  wie  Zünd-Bcrgnet  gleichfalls  wieder  nach  dem  Vorgänge 
Bousselots.  Vgl.  darüber  sowie  überhaupt  über  das  Verhältnis  der 
phonetischen  Systeme  Bousselts  und  Passys  des  Bef.  darauf  be« 
zügliches  Schriftchen  (bei  Fromme,  Wien  und  Leipzig  1904  und 
1906).  Auch  wäre  bei  dem  genannten  Experimuitalphonetiker 
noch  manche  Bemerkung  über  die  Bindung,  wo  ja  der  Verf.  nach 
möglichster  Vollständigkeit  strebt,  sowie  über  die  Aussprache  oder 
das  Verstummen  des  dumpfen  e  zu  finden  gewesen. 

An  sonstigen  Einzelheiten  erwähnen  wir  noch  folgende: 
Aus  früheren  Auflagen  herübergenommen  ist  der  Widerspruch 
zwischen  8.  51:  „Die  stimmhaften  Laute  setzen  sich,  mathema- 
tisch ausgedrückt,  zusammen  aus  den  entsprechenden  stimmlosen 
Lauten  +  dem  Stimmton''  und  8.  56:  „Man  weist  den  Schüler  ao, 
die  stimmlosen  Laute  kräftiger  als  die  stimmhaften  herTorzubringen'*. 
In  der  Tat  bemerkt  schon  Passy,  Sons  (8.  Aufl.,  S.  88;  5.  Aufl., 
S.  92,  §  174),  daß  sich  stimmlose  und  stimmhafte  Konsonanten 
auch  in  der  Stärke,  mit  welcher  sie  herrorgebracht  werden,  unter- 
scheiden, demzufolge  sieh  auch  die  Bezeichnung  „hart"  und  „scharf 
(durea  au  fartea)  und  ^weich*'  oder  „sanft"  (faiblea  au  dauoes) 
findet.  Vgl.  dazu  auch  Prieia,  8.  51  f.  —  S.  88  wird  die  richtige 
Bemerkung  gemacht,  daß  geschlossenes  e  in  offenen,  offenes  e  in 
geschlossenen  Silben  steht,  wozu  eine  „scheinbare  Ausnahme'' 
Wörter  wie  Uever  mit  geschlossenem  e  vor  h  bilden  sollen,  was 
künstlich  so  erklärt  wird,  daß  Iv  (bei  ausgefallenem  dumpfen  e} 
zur  zweiten  Silbe  gehüren  soll,  wie  ja  auch  lever  =  Ivi  gesprochen 
werde.    Dem  gegenüber  ist  zu  bemerken,  daß  in  isoliertem  lever, 


X  QmMf  fiwm.  Avapraehe  ud  B|irailif«rlif MI,  ug.  ▼.  F.  Wawra,  43 

um  in  dieml  (wonaf  sehon  oben  bisgewieMD  wurde)  n.  ft.  dM 
dinpfo  ß  gtsprodien  wird  (so  aaeb  richtig  8.  118;  TgL  auch 
fwmj,  ^ofw^  8.  125).  Es  kau  in  dieser  8iell«ig  nnr  ausfallen, 
wna  sieh  dsr  YorbeiigeheDde  Konsonant  an  einen  vorhergehenden 
Tskal  anlehnen  kann  und  so  Ysrteilen  sieh  denn  auch  die  beidsa 
KMsmanten  in  natArlieher  Weise  anf  die  beiden  8ilb«i:  ü-ver^ 
we  dann  das  erste  #  in  geschlossener  Silbe  steht  nnd,  entsprechoid 
friosasieeben  Lantgewohnheiten,  anch  offen  gesprochen  wird,  bezw. 
da  die  Silbe  unbetont  ist,  halb  offen.  So  bezeichnen  denn  auch 
Isnsselet  und  alle  seine  Schüler  jedes  unbetonte  e  sowohl  in 
oinen  wie  umsomehr  in  phonetisch  geschlossenen  Silb«  als  ein 
.■itOsies''  (inoywi  =  halboflen).  Vgl.  Bousselot,  PrieiB  8. 148  f.; 
8adre»  P§Ui  Manuel  de  Prananeiatim /rangai$e,  1er  Fase.  (Paris 
1903,  8.  26);  so  auch  durchaus  in  ihren  Transkriptionen:  ZAnd« 
Bvgust,  Prakiiaehs  Ühungm  zur  Aussprache  des  Französischen^ 
sad  Boeset,  Bxereices  pratiques  d'ariicukUum  et  de  dicHon.  Vgl. 
X.  B.  die  Umschrift  von  Uevi(e)  bei  Bonsselot  a.  0.  8.  98  und 
198  und  Bosset,  6.  82  f.  Der  Verf.  selbst  gibt  ja  jetzt  (8.  109) 
n,  daA  in  sefawach  betonten  Silben  der  Vokal  mit  ,,etwas  schlafferer 
Ziaginhmltung''  geeprochen  werde.  Ist  dies  aber  der  Fall,  so  ist 
auch  die  geschlossene  Aussprache  geschwunden  und  hat  einer  mehr 
iftnen  Plntt  gemacht.  —  8.  92  und  109  wird  noch  immer  in 
Aalehnung  an  Paasy  adroii(e),  SiraU(e),  froid(e)  usw.  mit  tiefem 
a  gegeben.  Doch  ist  dies  nicht  die  gewöhnliche  Aussprache  wenig- 
ittts  nicht  in  Paris.  Vgl.  dazu  des  Bef.  Bemerkungen  a.  0.  II 
2S.  Dagegen  ist  jetzt  richtig  der  Eonjunkti?  f  utile  unter  den 
Wertem  mit  tiefem  a  gestrichen  (8.  98). 

Die  eehon  erwihnte  Behandlung  des  Dreikonsonantengesetzes 
bUbt»  was  Klarheit  der  Darstellung  betrifft,  hinter  der  bei  Nyrop 
m  Man.  phon.  zurflck.  Da  auch  diese  und  noch  mehr  jene  bei 
Psssy,  Sans  *,  8.  125  unzureichend  ist,  so  sei  hier  auf  die  in 
^setsehen  Philologenkreisen,  wie  es  scheint,  noch  wenig  bekannte 
Itotellung  dieiee  Gesetzes  von  Maurice  Grammont  Terwiesen, 
vMe  ala  Bxkurs  (^la  loi  des  trais  cansonnes*^)  seiner  Untersuchung 
te  i^Blow  dz  la  Franche  Montagne  in  den  Mimoires  de  la  SoeiSiS 
ie  LimfuizUgue  de  Paris,  VIII  (1894),  8.  52  erschienen  ist.  Sie 
iit  bis  anf  Einzelheiten  TollstAndig  und  macht  auch  alle  deutschen 
Arbeiten  Aber  dieeen  Gegenstand  überflüssig.  Nach  diesem  Gesetze 
v^ia  ü  me  da  (B.120  unseres  Buches),  falls  das  /  ron  il  ge- 
ipiechen  wird,  auch  daa  e  von  me  zu  sprechen.  Dagegen  hat 
(ibwda,  1.  Zeile)  das  £ndungs-#  ron  demande,  das  in  der  Um- 
Nhrift  des  Satzes  Je  ne  te  le  redemande  pas  erscheint,  wie  aucb 
(8. 121)  daa  End-e  you  redingde,  dessen  Aussprache  ausdrücklich 
viflaagt  wird,  in  um  redingoie  grise  wegzufallen,  da  die  Anfangs- 
fippe  gr  in  dieser  Stellung  den  Wert  eines  Konsonanten  hat. 
Vgl.  Grammont  a.  a.  0.,  8.  69.  Im  Anschluß  hieran  sei  die  8. 169 
litierte  Stelle  der  Pariere  Parisiens  bS,   17    Stendent 


44  K,  QuiMf  Frani.  AoBapnehe  nnd  Spriehfeitigkeit»  ang.  t.  F.  Wawra, 

uns besprochen.   Hier  erwartet  der  Verf.  bei  Bindung  des  t 

zQ  une  auch  Aussprache  des  e  der  Endung  ent.  Aber  nach  der 
Pariser  Aussprache  ist  gerade  hier  kein  Platz  für  ein  $.  Auch 
kann  es  sich  um  kein  i, Verhören''  von  Seiten  Koschwitz'  handeln; 
denn  dieser  gab  in  der  ersten  Auflage  das  auch  Ton  unserem  Verf. 
gewünschte  etd.d  und  imAppendice  und  dann  auch  in  den  darauf- 
folgenden Auflagen  das  von  Q.  Parcis  selbst  Tcrlangte,  dem  Verf. 
unseres  Buches  als  „unwahrscheinlich**  erscheinende  etä:dt.  S. 
darüber  Kosehwitz  a.  a.  0.,  1.  Aufl.  App.  S.  148.  —  Ebenso  ist 
S.  247,  1.  Z.  das  #  der  ersten  Silbe  von  demande  im  VerhUtnis 
zur  Aussprechweise  der  andern  Wörter  in  der  Umschrift  einzusetzen, 
wie  auch  in  femme  de  ehambre  (S.  127),  das  e  der  Pr&position 
de  zu  sprechen  ist.  Vgl.  auch  Nyrop  a.  0.  8.  68,  wo  femme  dt 
chambre  deshalb  dem  vaht  de  ehambre  entgegengestellt  wird. 
Ebenso  würde  der  Bef.  8.  248  das  e  von  de  sprechen  lassen  in 
je  n'ai  pas  eu  le  courage  de  les  hur  refvser.  In  derselben  Zeil« 
istf  entsprechend  der  Änderung  des  Textes  in  der  neuen  Anfltg« 
(▼gl.  8.  245),  ä  (leur  goüt)  statt  de  (leur  g.)  einzusetzen.  Sonst 
ist  der  Druck  sehr  sorgf&ltig  und  fällt  an  bemerkenswerten,  unter 
den  9 Berichtigungen**  nicht  Yerzeichneten  Druckfehlem  nur  la  statt 
le  (eeigneur)  8.  248  und  vaiem  st.  voisin  8.  96  auf. 

Sehr  trügt  diesmal  zur  Deutlichkeit  der  Umstand  bei,  daß 
das  Französische  durchaus  in  Eursivdruck  erscheint.  Auch  ist 
manches,  was  früher  Haupttext  war,  in  die  Anmerkungen  Terwiesen, 
wodurch  die  Hauptsache  mehr  in  den  Vordergrund  tritt.  Es  wäre 
zu  wünschen,  daß  in  dieser  Hinsicht  noch  mehr  geschehen  wäre. 
Viele  Kapitel  sind  durch  die  Erweiterungen  allzu  lang  geworden 
und  haben  an  Übersichtlichkeit  verloren.  Es  fehlt  dem  Buche  an 
Plastik.  Man  vergleiche  dagegen  die  Bücher  von  P.  Passy  und 
Njrop.  Überhaupt  kann  sich  Bef.  des  Gedankens  nicht  erwehren, 
daß  das  V^erk  für  seinen  Zweck  bereits  zu  umfangreich  geworden 
ist.  Man  bedenke  nur,  in  welcher  Progression  es  zugenommen  hat. 
Aus  den  49  Seiten  der  ersten  Auflage  sind  in  der  zweiten  150,  in 
der  dritten  184,  in  der  vierten  825  geworden.  Ein  solches  ouvrage 
de  iongue  haieine  dürfte  manchen  Lehramtskandidaten  eher  ab- 
schrecken als  anlocken,  noch  dazu  bei  dem  Gedanken,  daß  es  sieh 
ja  darin  in  der  Hauptsache  doch  nur  um  französischen  Anfangs- 
unterricht handelt.  Sorge  des  Verf.s  muß  es  demnach  sein,  in  den 
nächsten  Auflagen  sein  Werk  zu  kondensieren  durch  kürzere  Fas- 
sungen und  durch  Weglassung  von  Entbehrlichem,  so  o.  a.  der 
Wiederholungen.  Dies  kann  umso  leichter  geschehen,  als  ja  immer 
neue  Generationen  heranwachsen,  die  nach  der  „Neuen  Methode ** 
unterrichtet  worden  sind.  Wird  das  Buch  dann  noch  durch  den 
Druck  eine  plastischere  Form  erhalten,  so  dürfte  es  noch  lange 
ein  beliebter  Führer  in  der  Hand  von  Lehramtskandidaten  bleiben. 

Wr.-Neustadt.  Dr.  F.  Wawra. 


Bagtiaebe  und  fruiOrisohe  Übnogibibliothak,  ang.  ▼•  J,  EUinger,    45 

Englische  nnd  französische  Obnngsbibliothek. 

Paul  Heyse,  Im  Bande  der  Dritte.  Charakterbild  Id  einem  Akt 
(1888).  Zorn  Obertetten  aoe  dem  Deotschen  in  das  Engliiche  bear- 
beitet Ton  Dr.  Pb.  Ha d gen,  ord.  Professor  an  der  Tecbnisehen 
Hoehscbnle  in  Darmstadt.  Dresden,  L.  Ehlermann  1906.  VIII  nnd 
72  88.   Preia  80  Pf. 

Ernst  Wiehert,  Ein  Schritt  vom  Wege.  Lastspiel  in  vier  Anf- 
tflgen  (1870 — 1871).  Znm  Übersetzen  ans  dem  Deotschen  in  das 
FimuOoisehe  bearbeitet  von  Prof.  Engine  B  er  tanz»  Lektor  ffir  frao- 
lOeisehe  Sprache  nnd  Literatur  an  der  UniTcrsit&t  Innsbrnck.  Dresden, 
L.  Ehlermann  1906.  IX  nnd  175  88. 

Paul  Hey 808  ,,Im  Bande  der  Dritte**  ist  ein  gemflt-  und 
hvmorrolles  Charakterbild  mit  folgendem  Inhalts:  Zwei  Freonde, 
AasesBor  Heinrich  Haller  nnd  Bittergntsbeaitzer  Andreas  y.  Werder, 
die  sin  und  dasselbe  Mädchen  lieben,  geloben  einander,  wer  anob 
immer  die  Brant  gew&nne,  trene  Freunde  zu  bleiben;  Helene  gibt 
dem  Assessor  dsn  Vorzug  nnd  der  Bittergntsbesitzer  flberreicbt  ihr 
am  Hoehxeitstage  ein  Yerscblossenes  Kurort,  mit  der  Bitte,  es  zu 
Oftaen,  bis  er  nicht  mehr  im  Bunde  der  Dritte  sein  werde.  Als 
Werder  nach  einem  Streite  mit  Haller  sich  schriftlich  Ton  Helene 
Terabsehiedet  und  erklärt,  Ton  nun  an  darauf  rerzichten  zu  mflssen, 
im  Bunde  der  Dritte  zu  sein,  Cffnet  Helene  das  Kuvert  und  findet 
zu  ihrer  Überraschung  das  Testament  Werders,  worin  er  ihr  sein 
Itittergul  Tennacht.  Helene,  die  schon  langst  eine  tiefe  Neigung 
zwischen  Werder  und  ihrer  Freundin  Komelie  bemerkt  hat,  schreibt 
zu  diesem  Testament  ein  Kodizill,  dahin  lautend,  daß  sie  das  ihr 
Termaehte  Bittergut  ihrer  Freundin  am  Tage  ihrer  Verlobung  mit 
Herrn  Werder  zediere.  Dieser  letztere  ist  znsrst  unwillig  über  die 
Torzeitige  Eröffnung  des  KuYsrts,  ffigt  sich  aber  dann  gern  in 
sein  Schicksal.  —  Der  Text  ist  dem  im  Jahre  1889  in  Berlin 
srsebienenen  21.  BAndchen  der  dramatischen  Dichtungen:  „Kleine 
Dramen  Yon  Paul  Heyse  —  Erste  Folge^  entnommen.  Um  die 
Lernenden  bei  der  Übersetzung  des  deutschen  Textes  ins  Englische 
za  unterstAtzen,  hat  der  Verf.  erklärende  Fußnoten  und  ein  alpha- 
betisch geordnetes  Werterbuch  zusammengestellt.  Beide  Hilfen  Ter- 
dienen  unser  uneingeschränktes  Lob;  nirgends  wird  der  Schfller 
irgend  eine  Schwierigkeit  unerklärt  finden.  Nur  in  Bezug  auf  die 
snTollendeten  Sätze  (8.  18  Erlauben  Sie,  daß  ich  in  die  Kinder- 
stube — ,  8.  20  um  auf  seinem  eigenen  Herde  — ,  S.  25  Ich  will 
jetzt  nur  einen  Augenblick  —  uew.)  hätte  doch  bemerkt  werden 
eoUen,  daß  im  Englischen  in  solchen  Sätzen  das  Verbum  nicht 
Uüen  darf.  Unrichtig  ist  die  Redensart  „zum  Lachen  ähnlich  sein^ 
(8.  21)  mit  „to  bear  a  ludicrous  (ridicuhus)  reaetMance  to  ihe 
originaW*  fibersetzt  Wenn  ich  von  dem  Bildnis  zweier  Kinder 
sage  „Die  beiden  Kindsköpfe  sind  zum  Lachen  ähnlich'',  so  meine 
ich  nicht:  „eis  sind  so  ähnlich,  daß  man  darfiber  lachen  muß^, 
sondern:  „sie  sind  so  ähnlich»  daß  man  jeden  Augenblick  glaubt. 


46    EDgliMhe  and  fnAiAsiiehe  ÜbnngibibUothek,  ug.  t.  J.  EOmgm'. 

sie  werdeD,  wie  die  wirklichen  Kinder,  den  Mnnd  zom  LacheD  ▼er- 
ziehen*'. Im  Wörterbuch  fehlen  die  WOrter  „einreißen"  (S.  29  bei 
der  Entfremdong,  die  zwischen  ench  eingeriesen  ist)  nod 
„GOnnerin«  (8.  14). 

Der  Dmck  ist  sorgfältig;  ich  habe  nnr  einen  Druckfehler 
bemerkt:   S.  49  to  throw  meself  into  a  persan's  arm  (st.  arma). 

Der  im  Jahre  1902  Terstorbene  Gkheimrat  Ernst  Wiehert 
war  ein  fruchtbarer  Schriftsteller«  der  mebr  als  80  Theaterstficke, 
18  Romane  und  60  NoToUen  verfaß te.  Dm  flott  geschriebene  Lust- 
spiel „Ein  Schritt  vom  Wege"  gibt  ein  treffliches  Bild  deutscher 
Engherzigkeit  und  Kleinstaaterei,  wie  sie  vor  1870  in  DeutndilaDd 
herrschte.  Der  preußische  Gutsbesitzer  Artnr  toq  Schmettwitz  und 
seine  junge  Frau  Ella  kommen  eben  von  der  Hochzeitsreise«  die 
sie  in  die  Schweiz  unternommen  haben,  zurflck;  nur  noeb  eine 
Nacht  Sisenbahnfahrt  trennt  sie  von  ihrer  Heimat«  Da  bekommt 
Ella  eine  unwiderstehliche  Sehnsucht  nach  irgend  einem  romanti- 
schen Abenteuer.  Darauf  sagt  Artur:  „Ein  Schritt  vom  Wege  und 
wir  sind  in  der  allerromantischeetMi  Romantik  mitten  darin**.  Er 
wirft  Brieftasche  und  BOrse  weg  und  das  junge  Paar  sehlftgt  Ter- 
gnngt  den  Weg  in  den  Wald  ein.  Sie  werden  im  Walde  vom 
Gewitter  überrascht  und  kommen  ganz  durcknifit  in  dem  Bade 
Kiefertal  an.  Die  Abenteuer,  die  sie  hier  erleben«  da  sie  ohne  Geld 
dastehen  und  fflr  wandernde  Sänger  gehalten  werden,  sind  se 
mannigfaltig  und  fflhren  schließlich  zu  so  ärgerlichen  Verwick- 
lungen, daß  Ella  die  Romantik  nach  drei  Tagen  herzlich  satt  be- 
kommt und  sich  auf  das  ruhige  Leben  in  der  Heimat  freut. 

Die  Übersetzung  des  Stackes  in  ein  richtiges  Französisch  ist 
nicht  leicht;  ganz  besondere  Schwierigkeiten  bereitet  die  schwulstige, 
pedantische  und  geschraubte  Redeweise  in  den  Reden  der  Vor- 
steherin eines  Damenpensionate  Rosette  Hasenklein  und  des  Bade- 
kommissarius  und  PolizeiYorwalters  Busch.  Alle  diese  Schwierig- 
keiten hat  der  Herausgeber  geschickt  überwunden ;  mit  Hilfe  seiner 
Fußnoten  und  des  von  ihm  zusammengestellten  ansfnhiiichen  Würler- 
bttches  (S.  127 — 175)  wird  es  dem  Torgeschrittenen  Lernenden  bei 
einigem  guten  Willen  gelingen,  den  ziemlich  sprOden  Text  in  ein 
elegantes  Französisch  zu  übertragen.  Unnötig  war  es,  in  die  Fuß- 
noten Wortbedeutungen  aufzunehmen,  die  ohnehin  im  Wörterbuch 
stehen,  wie  z.  B.  S.  4  junges  Ehepaar  de  nouveaux  maHSa,  sidi 
aufzwingen  ^imposer  d,  S.  7  im  Gegenteil  au  eontraire^  8.  dO 
meine  Herrschaften  Memieura  et  damea,  8.  111  so  zu  sagen  pmr 
ainsi  dire.  Unrichtig  ist  die  Bemerkung  zu  der  Stelle  8.  21  JM 
ich  doch  ....  geblieben  wäre"* :  ^Aht  ei  (imparfaü)''.  Statt  „mi- 
parfaU*'  lies  „plusqueparfaü*' \  Ein  ÜbersetznngSTorschlag  fehlt 
zu  den  Stellen  8.  89  zu  meinem  engeren  Vaterlande  und  8.  102 
„Vorsichtig  und  fein,  das  ist  die  Hauptsache  —  ganz  fein". 
Wenn  „Torsichtig  und  fein**  mit  den  Substantiven  „prudenee  ei 
habileU*^  wiedergegeben  wird,  wie  soll  dann  „ganz  fein"  tbersetat 


Ä.  awmUtk,  Qiiindri&  der  Shtoilebr»,  aog.  t,  G.  Jwrü$dk,        47 

wwdenf  —  Im  ^WörtirbQch«  üUm  foigeode  WMer:  Ärger 
(8.  89).  dekooTTierai  (8.  89).  entsprechend  (8.  111),  Kire  (8.  22), 
Ubewehl  (&  57),  PretekUon  (8.  76),  nmkebren,  träne.  (8.  74), 
Tüiem  (8.  58).  »Enrte*«  (=  8pMeekarte)  ist  mit  „mmW'  nnd 
„^isskarte''  mit  n^He**  flbereettt!  Eine  kleine  Unrichtigkeit  ist 
„Liebehen  ckM,  mm  chkri"^  statt  ^xMrU^  ma  ehSne"*,  da  doch 
Blla  Ten  Artnr  mit  „Liebehen''  angeredet  wird. 

Der  Droek  ist  sorgfältig  dberwaeht  worden;  mir  sind  nur 
ftlgMide  Dmckfehler  anfgefaUeii:  X  as  (st.  se),  8.  24  abim$r, 
8.  170:  89  st  98. 

Beide  Bftndehen  eignen  eich  beeteoe  sowohl  znm  8eh«l-  als 
soeb  ram  MTalnaterricbte. 

Wien.  Dr.  Job.  Ellinger. 


Dr.  A«  Gamlich,  Grundriß  der  Sittenlehre.  Leiptia.  W.Enaei- 
190e.  64  SS.  gf.80. 


Bei  aller  Anerkennnng,  welebe  man  dem  iniwischen  Yorstor- 

besflo  Verf.   wegen  seines  Strebens  nach  Tagend  and  VerroUkem- 

ning  sollen  maß,   wird  ea  kaam  möglich   sein,    den  gegebenen 

Anregwgen  größere  Bedeatnng  znmmessen.     Was  als  Sittenlehre 

gebeten  wird,  ist  nftmlich  dem  Inhalte  nach  eine  siemlicb  getrene 

Kopie  der  clurislliehen ,  wobei  in  beiden  Systemen  nur  die  Motive 

▼sradiieden    sind.     Während    diese    bekanntlich    aaf    religiöser 

Ortadlage  faßt   nad  die  göttliche  Antorit&t  Jesu  Christi  betont, 

Btibt  jene  anf  dem  Standponkte  der  Negation  der  Voraassetznng. 

Nech  der  Anifassang  G.s  wird  nnsere  Einbildangekraft  von  frftbei 

Kindheit  an  durch  M&rehen,    Vorstellnngen   von  einem  Paradiese 

und  der  kAnftigeB  Seligkeit  sowie  doreh  Wondereri&hlangen  irre- 

geleiteC  (8.  27).  Die  Beligionsdiener  rerwirren  die  Gewissen  (8.  87). 

Aieh  wird  einbekamit,  daß  der  Troet,  der  in  dem  Glanben  an  das 

•teUTertreteode  and  s&hnende  Tan  and  Leiden  eines  Erlösers  dem 

iladigoB  Menechen  geboten  wird,  fftr  alle,  welche  i^gelftaterte  Be- 

grifle'*  TOB  Gott  and  eeiner  Gerechtigkeit   and  ?on  der  sittlichen 

PwBönliohkeit  des  Meneehen  haben,  seine  Kraft  Terloren  habe  (S.88). 

Die  SittoBlekre  G.e  wird  aho  za  den  Beligionsformen  der  Gegenwart 

in  keine  Besiehnng  gebradit,   da  sich  alle  anf  die  mit  Wandern 

aisgeachadckte  Geechichte  angeblich  geoffenbarter  Lehren  stätzen. 

Die  Bniatehang  and  Verbrettnng  dieser  Beligionen  war  nnr  in  den 

Zeit«  des  Aberglaabena  möglich.     Aach  dae  Christentam  hat  aaf 

4eiiselb«B  Wege  den  Geist  seines  Stifters  entstellt  and   za  Aber- 

glsaben  nnd  Fanatismas   Toranstaltet   (S*   51).     Die  Verhoißang 

•iasr  hinmliaehen  Glftckeeligkeit   Yon  Seiten    der   Beligionen    ist 

siebte  anderse  als  ein  Gankelepiel  (8.  60). 

Ave  diesen  Proben    dMte  der  Leser   die  Oberzengang  ge- 
D,  daß  der  Verf.  ein  Anh&nger  des  im  XYIL  Jahrhandert  in 


ftO     L.  WoUwMnny  Die  OemaaeB  ia  Fmkrmdi,  mag.  v.  /.  Frwßk, 

Bohilehteni  iMgMprocbweo  VarmiloiigMi  werden  bei  den,  der  m 
aaesprieht,  a«r  vol  leicht  dvrdi  Aiteeiggeetionraeeb  zv  Qewiiheltvd 
avC  dieeeai  Ratediterraia  werdeo  dann  aeoe  Hypeth^sea  eafgHiMit, 
bis  der  gaoie  Aftfbaa  beim  eretea  Stoft  in  siob  naamineibiMI. 
Bei  der  Baaaentbeerie  komnt  fainza,  dae  dieeelbe  der  BigeiriUbe 
und  den  Mnkel  eiaer  groftea  Menge  eebmeiciielt  and  es  bewttit 
ai«b  da  wieder  der  Aneepracb :  Dh  que  Vkomme  s^ffniU  tm  prk^ 
inp$  ^tti  q¥^ü  pmrsuU  an  ihUrÜ.  Der  Vater  dieeer  peeodowiae«- 
aebaftiichen  Hypothese  ist  bekaantlieh  Ctobinean,  deaaen  einer  aid- 
fraDiltoisehea  Htiwmpfwiikerfamilie  eatepioaaeoe  Vorfahm  im  KaopCi 
gegen  di«  Albigenaer  ond  Waldenaer  den  Adel  ind  grOftersB  Gi«id* 
beaiti  erwariMn.  Oehiaeaa  empfand  nun  daa  Bedirlkis,  aeiasa 
jnngen  Adel  wm(  einen  alten  Stamm  tn  eMieren  nnd  er  atrilte  m 
diesem  Zwecke  die  nieht  nnbedenkliehe  Behanptong  anf,  4er  ftaa- 
Bdsiaehe  Adel  sei  ein  Abkönunling  der  germaniaehen  Broboretrasssi 
die  während  der  V^lkerwanderang  sieh  als  Oberaehiohte  über  die 
keltische  Mhere  berGlkermg  gelegt  habe.  Br  Mgte  ein«  buchst 
phantastische  Oenedegte  seiner  Familie  hintn,  die  er  auf 
an  der  bretonischen  Küste  ein  selbetftndiges  Pintentom 
Yari  nad  auf  die  Herleitnng  des  Namens  OMnmu  ve«  Ahmm 
oder  GoiPim  zurückführte  (eine  Etymologie,  die  man  mit  Beeht  der 
Kombination  yon  Cicero  nnd  —  Eierknchen  Torglichen  hat). 

Wie  es  einstens  mit  Vorliebe  ans  der  Konstellation  der  Oestin« 
nnd  spftter  ans  den  Faktoren  des  Miliens  geschah,  so  wollen  Gobineta 
nnd  seine  Adepten  (wortter  beaonders  Bonsten  Stnart  CbiUBbiriaiB 
zn  nennen  ist)  allee  in  der  (Jeachichte  aoa  der  BaaaenmiactaBg  er- 
klären. Auch  Woltmann  folgt  ihren  Spnren  nnd  man  mvß  es  nnr 
bedanern,  daß  er  soTiei  ernste  nnd  ehrliche  Arbeit  nnd  Mühe  ao 
eine  Teriorene  Sache  verschwendet  bat  Es  fehlt  hier  eben  überall 
der  feste  Boden  unter  den  Füßen  nnd  man  wandelt  anf  ae  laftigsB 
Steigen,  dafi  jeden  Angenblick  ein  jäher  Abttnn  droht.  Oad  so 
begegnen  wir  anch  bei  W.  Verstiegenheiten  nnd  nnbewieaenso 
Behanptnngen,  die  nns  eher  Torblüffen  als  überzeagen,  oo  dai  er 
sich  nicht  wandern  darf,  wenn  ,,Yiele  gelehrte  Leute  über  eeioe 
Behaaptaagen  den  Kopf  geschüttelt  nnd  italianiache  Kritiker  sieh 
belustigt  haben"*.  Wir  künnen  hier  selbstrerständUch  seinen  Ans- 
fühmngen  nicht  im  einzelnen  folgen  und  wellen  nur  den  ohigeD 
allgemeinen  Bemerkungen  einige  Worte  hinznfägen.  Wenn  W. 
behauptet,  die  ükonomische  und  soziale  Auüasanng  dar  Geeohi^te, 
die  dem  Milieu  und  der  Masse  eine  entscheideDde  Bolle  «aachieibt, 
sei  „im  hächsten  Grade  eineeitig  und  willkürlich^,  ae  gilt  dies 
zumindest  nicht  weniger  tou  der  These,  die  Geachiefate  werde  nv 
^Ton  Rasse  und  Genius  erzeugt".  —  Ist  es  beute  wiridieh  so 
«gewiß'',  „daß  die  germanischen  nnd  griechiadien  BeldenaelMnB 
ans  Europa  stammten  und  im  Gegenteil  jene  paaaif  e  UibevOilDenmg 
aus  Asien  herrührt?  —  Ebensowenig  wird  man  mit  W.  ei 
„wahrscheinlich*'  finden  müssen,  daß  die  „Sumerier  im  Zweietrsm- 


L.  Wokmiam.  Di«.  GofpiAio  in  FmOaraioh.  a|ig.  %.  J.  Fr€^.     51 

Uid,  di»  TMentMi  io  AfWkMO.   di«  An^ariter  in  BalMlAftf  4P9 
P«l%«9«r  lad  Slfustar,  dift  Bioiieii  a^d  TBrui«r''  i^ra  l^iimb« 
ud  Kiütv  dw  Umtaoda  tu  lerdMke«  Miev,  di|ß  «M  di^ 
littsUo  WMdtfsAg»  dv  4ri»r  mit  d«r  •uig^bivwtQ  £l«i|AUierpM 
waiacbftMi.  —  I>ie  ^Var^cbnidKavg  f<m  Sftd-  iui4  KwdlfioknMipb*' 
var  lieh  nach  dem  Aibigoiww-kmgf«  «o  winiig   „b^sinielt^»  d»A 
nocii  viel  «pittr  der  Sid&anzQM  mit  dun  Nwntn  „J^rayc«**  ycüb 
dtf  6^«nd  am  Ghine  and  Loiro  wie  tqq  «dnem  frtmdtp  limi^ 
sprach  and  ^n  Bmaender  noch  im  Jakre  1680  frz&Wty  dar  ]?)ro- 
Ttnala   YaracUa  dap    „Fxaoxoaan*'   and   Yarböbne   i)m   aU  d«n 
«Ffioxmaiia''.  —  Bei  Bichar  iet  niebt  za  ibfKfaban,  dafi  er  tin 
bittarer  Faiid  dar  Oantocban  var  und  dat  «ain  6aacbtebtM#rk 
r«B  rahmradiger  Saibattloaehaag  w^i  iiei  iat  —  Dai  tUKgon- 
dUche  Baieb  wnEda  582  (niabt  &8d)  darob  Pblotar  nnd  CbUdaliart 
trobart;    534  wotde  as  scbon  zwiacbao  Cblatar,  (^Idabart  nnd 
Tb^adebefl  geteilt;  Bndolf  grflndata  Haobbnrgnnd  niobt  889,  eon- 
dtrn  »cbon  888.  —  Daß  die  zablraiabste  mindere  Be^öl^aiige- 
Uiiee  in  Frankraicb  (nach   den  Untaranebangto  J^  de  GaadaUae) 
die  wenigaten   Talente  beryorgebracht,    wftbrend   die  eebr   nanig 
zablrtifibe  Klaaea   »dea  Adele  and  Pa^iaiata^   aehr  viele»  ja  im 
VerbUtnia  die  maiaten  Talente  dar  franzdaiecben  Nation  gesobirnkt 
to,  btngt  «obl  nicbt  nor  „zom  Teil''  fon  aasialm  Qröiiden  abt 
aad  die  anlbropolagiacben  Uraneben  dftrfUn  dabei  nnr  wenig  in 
Frage  kämmen,  -r  Die  Cbrenik  daa  aogtanannten  Fredag^r  cflbrt 
aebi  nieU  ton  einem   «Fojtaetzar",  aondeni  ton  mebreran  Ter« 
faaaern  her,  aber  deren  Paraönliabkeit  wir  niobta  viaaan*  —  Dia 
Abatamijiaiig  dar  Karolinger  von  einem  eingewanderten   Sachsen 
Witiehin  tat  doch  wohl  nnr  eine  Sage.  —  Die  atotistiacbe  Angabe, 
dali   ,Ton   den   250  franzOsiachen  Oeniea  ....  etwa  60  adeligen 
ürspninga    aind,   alao  24^,    während    der  Adel   aelbat  nnr  mit 
0055^    an    der   Znaammenaetzong    dar   BeTGlkerong    teilnüpimt, 
tcheiat  ona  eine  noch  onverlftftliobere  Baals  zu  weiteren  Kanklu- 
sienen  als   die  obige  Anfatellnng  über  die  Talente  nnd  zeigt  Ton 
Menem,   ana  der  aeachiebte  nnd  der  Statiatik  laaae  eich  alles  be- 
waiaan.  —  Die  Bebaaptaag»  daß  faat  «alle  gmßen  AnatMe  and 
Handlnngan   (dar  franzßaiachen  Geaehicbte)  vom  Daten  nnd  Nord- 
osten dea  Laiidea  anagagangen  aind**,  eracbeint  nna  acbon  im  Hin- 
blick aof  die  Albiganaer,  Waidenaar  nnd  Girondiaten  aehr  anfeobt- 
bar.  —  Ton  der  Herkonft  Larocbafoncaalda  iat  nnr  bekannt,   daß 
sein  Hana  daa  oiit  einem  Beizeicben  rermahrte  Wappen  dea  Lnaig' 
nana  annahm  nnd  daß   aeine  Familie  in  Poiton  nnd  TAngonpiaia 
asbr  begAtart  war  and  es  dtrfte  zn  gewagt  aein,   lediglich  aaa 
daat  Namen  dea  Stammvaters  ,,Foacanld  =  Falkwald*'  deaaen  frftn* 
kiacbe  Herkunft  za  folgern.  —  Die  Angabe,  „Bonaparte"  sei  nor 
«eine  abgaiiiderte  Form  dea  langobardiachen  Bonipert" ,  wird  ebenso 
aaf  Zweifel   ataßen  wie  die  Identifizierong   von    „Gadotlingi''   (ao 
baißen  die  Vorfahren  der  Bonapartes  in  Florenz)  mit  dem  deataeben 


52        K.  SMemmer,  Lehrbaeh  der  BrdkvDde,  aog.  t.  /.  JfAlfcier. 

„Kadeling".  —  Daß  W.  nfiT^fiT^n  tanseDd  B&nd«  LebeDsbeschni- 
boDgen  darehsaebt"  babe,  mn  sieb  Aber  die  BasMoabstammiing 
der  fraozOsisebeD  Oenies  Elarbeit  zn  sebaffen,'  glauben  wir  ihm 
anfa  Wort,  kOoDen  aber  docb  nicht  umbin,  zu  bedauern,  daft  er 
seinen  immensen,  ans  seinem  Bache  ersicfatHcben  Fleiß  nicht  einer 
besseren  Sache  gewidmet  habe.  —  Montaigne  hatte  eine  jfidiscbe 
Matter  and  so  wird  schon  daraas  der  Umstand,  daß  er  einen 
kastanienbrannen  and  nicht  einen  blonden  Bart  hatte,  erklftrlicb 
sein.  —  Das  Zarückweichen  der  LangkOpfe  Yor  den  KnrzkOpfen 
in  Frankreich  Teranlaßt  W.  zn  dem  Scblnsse,  „daß  die  französische 
Nation  eine  anthropologisch  and  biologisch  im  Niedergange  be- 
griffene Basse''  ist,  trotzdem  er  zngibt,  daß  die  Abwicklung  der 
Dreyfoß-Aff&re  gezeigt  hat,  „daß  die  Nation  noch  großer  sittlicher 
Begeisternng  fähig  ist  and  der  Kampf  gegen  die  Kirche  and  ihre 
Trennung  vom  Staat  ein  Unternehmen  ist,  um  das  Frankreich  be- 
neidet werden  muß''.  —  Daß  Buy  Dlaz,  „der  Cid'',  „auf  deutsch 
Boderich  Dietrich  Leinitz  heißen  wfirde",  weil  dessen  Familien- 
name Lainez  dem  germanischen  Lan  entspricht,  wird  Tielen  Lesern 
jedenfalls  neu  sein. 

Doch  wir  wollten  nur  auf  das  Buch  einige  historische  Streif- 
lichter fallen  lassen  und  es  den  Leuten  Tom  Fache  fiberlassen,  das- 
selbe von  rein  anthropologischen  und  philologischen  Oesicbtspunkten 
aus  zu  beurteilen.  Sicher  ist,  daß  dasselbe  ebenso  anregend  wirkt, 
als  es  eine  Menge  von  Illusionen  enthält.  Unbedingtes  Lob  ver- 
dient die  geradezu  splendide  Ausstattang,  die  der  ausgezeichnete 
Verlag  dem  Buche  bat  zuteil  werden  lassen. 

Wien.  Josef  Frank. 


Jh.  TL  Schlemmer,  Lehrbuch  der  Erdkunde  für  hoheie  Lehr- 
anstalten. 3.  fcrb.  Aufl.  L  Teils  Lehrstoff  fflr  SexU  and  Qsinta, 
IL  Teil:  Lehrstoff  fSr  die  mittleren  Klassen.  Berlin,  Weidmann  1906. 

Der  erste  Teil  zieht  im  Sinne  der  preußischen  Lehrpläne 
von  1900  auch  Mitteleuropa  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung.  Er 
Yersteht  darunter  außer  dem  Deutschen  Belebe,  den  Niederlanden, 
Belgien  und  der  Schweiz  die  alpinen  und  sudetischen  Gebiete 
unserer  Monarchie.  Abbildungen  enthält  das  Buch  nur  drei.  Die 
länderkundliche  Darstellung  folgt  dem  Schema:  Grenzen,  Grßße, 
Gliedernng,  Bodengestaltung,  Fldsse  und  Seen,  Klima  und  Pflanzen- 
welt, Tierwelt,  Bewohner.  Der  zweite  Teil  ist  mit  84,  fast  durch- 
wegs typischen  Abbildungen  geschmflckt.  Der  Einzelbetrachtong 
gehen  Angaben  aber  geographische  Lage,  Größe  und  Einwohner- 
zahl Toraus.  Vergleichende  Bemerkungen  dienen  zu  ihrer  Erläute* 
rnng.  Mehrfach  wurde  versucht,  den  ursächlichen  Zusammenhang 
der  erdkundlichen  Faktoren  an  psssender  Stelle  nachzuweisen. 
Nichtsdestoweniger  ist  der  Übergang  von   einem  Stoffgebiete  zum 


i  JficA^iUeM«,  Die  niatli.  Geogtaphie  ntv«»  &og.  r.  £.  Imendörfftr.   5S 

aQiiirt&  ri«lt&eh  aifi  gezmixigeoer.    Auf  «^tatctODleche  Erf^rteniiigaii 
tadtra  gf^logiaebe  Hin  weise"  warda    grundiAtdich  Teritehtat 
liü   damit  begraodet,    dal^   die  VorbjIdaDg   der  ScbHlar  und 
r  Mmfel  au  Zeit  derartige  Ert^rternngan  nicht  gestatte.  Schättena- 
find    die    Erklimngen    d«r    geographi sehen   NamaD    und   die 
Dgeti,   dia  der  Verf.  tber    die  BehaDdicDg   der  Namen  im 
ilttfriebto    gibt.     Der  Teit   zeichnet   aicli    im   allge meinen  durch 
iliebe  Eicbiigkait  atia.  AnfgefaHeD  ist  dem  Eef.,  dali  anf  8.  72 
itm    ^ Grindel waMgietscber    in   den    Bernar    Alpen    2 wischen 
rborn    nnd  Brienzer  See**    gesprochen    wird.     Gemeint  iat 
QQter   der  nntare   Grindel waldgletgeh  er ,    der    in    1100  m   H5be 
laineawega    „inmitten    bebauter  Felder"    endet*     Ebensowenig 
ui  wie  die  Lagabestimmnng  dieses  Gletschers  ist  die  ßemerkang 
SO»  da0  die  den  Südabbäpgen  der  Oitalpen  entströmenden 
ina  adrJatiicbe  Meer   münden.     Van  einer  banmlasen  Hoch- 
da«  Earatea   itn    Sinne   dee   darunter    Teratandenen  Gebietes 
gafamrirtig  nicht  mehr  die  Bede  sein,    Böhmen  ist  irrtüm- 
Ji  Stnfenland   bezeichnet.     AU  Beispiel    eines   zwangsweisen 
^aogae   sei    znis    Scblasse  S.  71    herTorgebobeD,    auf  der   es 
^So   bilden    die  Alpen   die  Waaserscbeide   swiecben  Mittel* 
Nordaae   nnd  Schwane m  Meer.  —  Besonders  die  Schweizer 
sind  reich  an  schönen  Seen**.    Einer  netten  Aafiage  bleiben 
ser  Hinaicbt  naanche  Verbesfiernngen  vorbehalten* 


Wiei 


J.  Mölln  er« 


1^1  mathematische  Geographie  und  die  Bimmelskunde  im 
elementareD  Unterrichte  an  der  Volks-  und  an  der  Mittel- 
schule. Vqd  Prot  Anton  Micb&li  tscbke,  k.  k.  Bestrk« ■  ^chnl* 
lUf^ktor.  EtD  Beitrag  lur  Metliodik  dei  Gegen atandee.  Mit  einetD 
Begleitworte  roo  Hofrat  Dr.  0.  Willmaan,  Wien  und  Leipiig,  Fr. 
Deaticke  1907.  24  8S.  8». 

Empfehlende  Begltitwort«  von  Berähmtheiten  erwecken  leicht 
[in  Slndmck,  als  ob  derVert  die  deckende  Antoritftt  nötig  hätte, 
4^  aia  ob  diese  jeden  Widerepmch  ton  vomberein  mnndtot 
sieben  aoJll«.  Anch  hier  erscheint  mir  Willroanna  Einbegleitnng 
ivKklca,  Waa  das  Bdchlein  enthalt  *  ist  ja  ehnehin  fast  dnrcb- 
it|e  richtig  nnd  gnt,  wird  aber  dnrch  Willmanna  ßegleitwort 
Ditbt  baaaer.  Etwas  darchans  Nenea  and  Bahnbrechendes  liegt 
I  Uioüviigg  ?er.  Dnmerbin  wird  mancher  Lehrer  in  dem  Heftchen 
ikoen  oder  andern  hranchbaren  Wink  finden  kennen. 

B.  Imendörf fer. 


j_3_ 


54       th.  Reffe,  Die  6«wietrf#'der  Lfl^,  Mg.  ▼.  SitpptutUdiiUeh, 

«BT  M«»iiAiiiMk  M  der  UnififteStit  Mläyb«»g.  Zweite  A^leOAüg. 
Yieite,  tiiiig«arbeitete  und  rermebrie  Anflure.  Mit  58  Figoren  im 
Text.   Stuttgart,  Alfred  KrOnert  Verlag  1'907.  dS5  SS. 

Viereig  Jithre  arbeitet  der  gelebrte  Verf.  aa  der  Ansbildttog 
sviDer  VdrMge  fber  die  Oeoteetrie  der  LAg6,  die  jeden  modeitteD 
Malitoimtiker  bei  den  eriten  Sebrilien  i)i  die  synthetiscben  Teile 
dir  Wibseniriimft  fttren,  ibn  snf  teinem  Werdegang  begleiten  und 
die  aaeb  der  rtife  Portcher  nnr  selten  aat  dbr  Hand  legt,  wenn  er 
Teila  der  Mathematik  behandelt,  die  dem  Inhalt  des  Bnebes  Ter- 
watfdt  sind.  Bei  der  Ausgabe  der  vierten  Anflage  bat  dem  Verf.  Herr 
Jo'Mes  in  Charloltenbnrg  besonders  dnreh  kritische  Bemerknnges» 
nene  Beseiebnnngen  nnd  Eeweise  wertvolle  Dienste  gieleistet. 

Der  imgezeigte  Teil  handelt  in  nunmehr  81  VortrftgMi  haapt- 
Bitohhch  „ton  der  KoUineation  nnd  der  Korrelation  der  Qnmd- 
gfelbilde  zweiter  nnd  dritter  Btnfe,  von  den  Fliehen  zweiten  Grades, 
dib  dtocb  kom^lative,  nnd  den  Stnihrenkongmenzen  nnd  knbiseben 
Btfiimknrven,  die  dnroh  kollineare  zentriiche  BUndel  nnd  ebene 
Felder  erzengt  werdbn.  Er  amfafit  aafierdem  die  pblai^n  Blane 
nnä  die  NblMnme  wegen  ihres  nahen  Zbsammsnhanges  mit  den 
PAchen  zirelter  nlld  den  Banftihirvsn  dHtker  Ordnnng,  nnd  weil 
sie  von  kon^ativen  Bftnmen  gebildet  werden.  Dia  drei  IForMge 
über  symbolisches  Rechnen  mit  geometrischen  Terwandtschafton, 
Aber  zyklische  Eollineationen  und  aber  harmonische  Verwandtschaften 
werden  jetzt  in  den  dritten  Teil  des  Werkes  verlegt;  dagegen  wnrde 
der  81.  Vortrag  Aber  homotbetiscbe  koaxiale  Flftchen  zweiten  Grades 
ans  jenem  Teile  in  diesen  herfiber  genommen.  Der  25.  Vortrag 
Aber  die  Nnllknrven  eines  Nnllranmes  entstammt  einem  Abschnitte 
des  Anhanges  der  8.  Anflagb.  Die  drei  Vorträge  A^r  den  Achsen- 
kcfmpibx  des  polaren  Bamnes,  den  „Beyeschen  Xomplex**,  seine 
Fobalfelder  nnd  die  konfokaden  Piftchen  zWeiten  Grades  halian  den 
ihter  Schwierigkeit  entsprechenden  Platz  am  Ende  des  Bandes  ge- 
fnndiBn.  Aach  der  Anhang  ist  vermehrt:  dnrdi  Absdhnitte  dber 
fokale  Eigenschaften  kollinearer  ebener  Felder  nnd  kollinearer 
Bitittie  ...  usw.,  besonders  aber  darch  die  von  Jolles  stammende 
Ff/krithteorie  der  Ifnearen  Strahlenkongmenz.  Die  Mittelebensn  einer 
soidfsn  Eongtnenz  K  omhQllen  ein  gleichseitiges  hyperiioliscbes 
Pttrsboloidy  das  mit  ihr  in  enger  Beziehnng  sti^t.  fis  ist  dnrch 
die  KongfQenz  K  sich  selbst,  seine  BeyfihmngMyeiMy  Pniftte  nnd 
Strählen  paarweise  einander  zugeordnet.  Die  «ngeordnetmi  Strahlen 
bflilen  in  jeder  seiner  Begelsdharen  eine  inYolntion,  die  Jolles  ^Pekal- 
involttttön"  der  Kongmenz  Kn^tmi.  Ober  diesen  Gegenständ  werden 
schöne  Eigenschaften  entwickelt,  df e  tmroilflers  die  Beriehangen  des 
Parabdoides  zn  dem'Zylindroid  dritter  Ordnnng  der  linearen  Kongmenz 
erOrtem.  Interessant  ist  die  historische  Bemerkung  znr  Geschichte 
des  „Beyeschen  Ach8enkomlire»$B''.Der7erf.  glanbte  in  den  früheren 
Anfingen  die  Theorie  dieses  Gegenstandes  als  sein  geistiges  Eigen- 


gi>»ilir  Bprmpmtmf  EipMkieBl  Pljnk,  ufir.  ▼•  L  G.  WmBmUm.  bb 


m  MfiM.  äMh  jflsi  Moo«  er,  d4ft  dit  Arbeitsa 

BiMt  1811   nU  CkmOm   1887    mt   irrMmliek   mit   dieatai 

BtsMivif  gebrathl  wnvdtD,   dag^en   weist  er  mit 

YonehmMI  naeh,  d«A  in  der  Abhmidliyif  Amp^i ea  über 

ienaiclweii  (Mte.  de  TAeed.  B^j.  dee  Btieaees  de 
TfiMt  de  FiWMe,  Autfee  1821  et  1822,  Teme  V,  Pvie  182«) 
wichtige  Eigensehaften  dee  AeheeDkemplexes  begrfindet  wurden.  Be 
\ai  klar,  dai  diese  Arbeit,  aof  di#  der  Verf.  erat  dareh  £.  Köttera 
»Bie  Batwiekelaog  der  ayathetiaehen  Geometrie  von  Moage  bla 
V.  Staadi*"  (Leipzig  1901)  aafiaerkaam  gemacht  wnrde,  keiaeewega 
miaa  Yerdiesate  am  die  gräadliehe  Untersacbaag  dieeer  interesaanten 
Eneheiamig  aehm&lert. 

Mit  groOer  Freude  begrdßt  der  Bef.  die  moderaere  Faasnag 
■Mäher  Theoream  (Tranafanaatioaa'*  and  InTariaateabegriff)  oad 
die  maaaigfachen  Verbeaaemagen  der  Form,  wodurch  die  altbekanate 
Sehdaheit  aad  Klarheit  dee  Werkea  noch  erh(^ht  wird.  Faat  ia 
jeder  Zelle  bemerkt  man  die  kundige  Hand  dee  geeetamackTollea 
Meiateia  der  Daratellang,  der,  wie  in  allem y  so  auch  in  Becht- 
echreibnag  uad  Stil  mit  seiner  Zeit  fortschreitet.  Er  gebraucht  u.  a. 
die  Formen  tou  ^derselbe*  nur  mehr  dort,  wo  der  Franzose  die 
mtspreehenden  ?on  ^le  mhne**  setzt.  Ein  Beispiel.  In  der  8.  Aufl. 
kettt  ea  auf  8.  9:  „Seien  i}  und  q^  zwei  keDineare  ebene  Felder, 
P  and  P^  irgend  zwei  einaader  entapreehende  Funkte  derBeiben*". 
Me  4.  Aufl.  eraetzt  „derselben^  durch  „in  ihnen''.  H-andie  Ver- 
iadeiBagep  im  Ausdrucke  eind  glflcklich  fiberaommen  oder  neu 
gewiUt  worden.  Der  Yerf.  schreibt  fflr  Halbierungspunkt  . . . 
Hittelpunkt,  IBr  koigaktiT  ...  kollokal,  ftr  Nultüyatem  . . . 
HuUraum  ...  uaw.  und  die  achOnen  Bezeidinungen  »nuilinTa- 
riant"  fttr  Komplexe,  die  sidi  „stfltzen*  und  „Komplexwald* 
iir  das  lineare  Komxlexgewebe.  Man  orientiert  sich  darüber  in 
tai  neaen,  gut  gearbeiteten  Sachregiater  am  Schlüsse  des  Bandee. 
—  8.  90,  Z.  7  ▼.  u.  lies  G  statt  E. 

Beyea  Buch  war  ak  ein  Meisleratiok  aaah  dem  Iniialte  und 
all  «arhiM  aaeh  der  Form  in  jeAsm  Btafium  seiaar  Batwickiaag 
sia  Kaaatwerk.  Wir  bewaadlMm  dea  ¥erf.  med  dankea  ihm,  dafi 
gataagea  iet^  ia  der  neaen  A^^lage  eiae  noeh  MHiere  VoH- 


Wien.  Suppantschitsch. 


la^enmaiitieranda  Pbyaik.  Vea  Dr.  K.  Schreb^r  aad  Dr.  P.  Spriag- 
aaiin.  Zogleich  ToilttAndig  omgesrbeitete  deutsche  Auisabe  von 
BiSBri  Abrahams*.  Beeaeil  d*exp4rienc68  ^^mentaires  de  Pbysique. 
II  BsBd.  mt  4M  AbbfldoDfen  oad  einer  SpektraitafeL  Leipti^, 
i.  A.  Barth  lue.  Freis  geb.  llk.  8-80. 

Bs  wird  immer  mehr  die  Forderung  laut,  daß  den  Schülern 
^r  höheren  Leihnmstslien  Aelegenbeft  geboten  werde,  selbst&Ddig 


56  Sekrdb0r'Sprinymant%,  Experiment.  Pbjiik,  Mng,  t*  I.  G.  WaMentm. 


tn  eiperimentltreD  und  physikaliscbe  Beobacbttinget]  atn^usUllAQ. 
Die  jetzt  sebon  vielfacb  eiagirieht^tet)  phjaikali&eheD  ScbQkräbüogdn 
erGcbeinen  geeignet,  dieser  sicher  berechtigten  FordeniDg  Vorecbab 
tu  leisten.  Der  Schüler  soll  Auch  anfpeleitet  werden,  die  ?on  ihm 
bttreffa  einer  NainrerecbeiDung  gern  achten  Beobachtangen  geistig 
tu  erfassen  nnd  dai  diesen  zngmnde  liegende  Naturgesetz  zu  «ot- 
wickelo* 

In  dem  ersten  Teile  des  irortlegenden  Bnches^  der  den  Titel 
^Sehreibtisch  arbeiten"  trägt,  haben  die  Verfasser  gezeigt,  was  der 
Scbnler  mit  dem  gesammelten  Beobachtongsmaterial  in  tan  habe, 
nm  das  Naturgesetz,  das  diese  Beobachtungen  beherracbt,  aiifstel1«D 
tu  können.  Sie  sind  natnrgemM  anf  den  Begriff  der  Funktion 
Ton  einer  und  mehreren  Veränderlichen  des  niheren  eingegangen 
und  haben  anch  die  Nützlichkeit  der  graphischen  Darstellung  be- 
sonders hervorgehoben.  Wie  das  Etechnen  mit  den  durch  die  Beob- 
achtung gefundenen  Zahlen  am  zireckmäßigsteu  veraustattet  werden 
kann,  zeigeu  die  Verff.  in  diesem  Abschnitte,  wobei  u.  a.  aoeb  der 
Theorie  und  dem  Gebrauche  des  Becheu Schiebers  gedacht  wird. 

Im  zweiten  Abscbnitte  werden  jene  Experimente  zusammen' 
gestellt f  die  sich  auf  die  Licbtiebre  beliehen.  Ee  ist  durchwegs 
der  induktive  Vorgang  eingehalten^  d*  h.  es  wird  der  Schüler  au- 
geb  alten»  aus  dem  entweder  Ton  ihm  oder  dem  Lehrer  an  gestellten 
Experimente  die  entsprechenden  FoEgerungeo  zu  ziehen.  Wie  man 
sich  überzeugen  wird,  sind  die  vorgeführten  Versuche  meistens 
mit  sehr  einfachen  Hilfsmitteln  angzuführen,  wie  etwa  der  Abschnitt 
über  Reäexion  und  Brechung  des  Lichtes  zeigen  wird.  Auch  die 
Erscheinungen  der  Interferenz,  Beugung,  Polarisation  und  Doppel- 
brechung des  Lichtes  sind  durch  relativ  sehr  einlache  Versuche 
zur  Darstellung  gebracht  worden.  Besonderes  Interesse  wird  mm 
der  Zusammenstellung  jener  Versuche  entgegeubringeu,  die  auf  die 
physiologische  Optik  Bezug  nehmen. 

Der  dritte  Abschnitt  ist  den  Versuchen  aus  der  Lehre  vom 
Magnetismus  und  der  Elektrizität  gewidmet.  Eecht  intensiv  werden 
die  Begriffe  ..magnetischea  und  elektrisches  Feld"",  ^^EralltlinJea" 
in  Verwendung  gezogen.  Beaonders  eingebend  sind  die  messenden 
Versuche  aus  der  Lehre  vom  Gatvaniamus  zor  Erörterung  gelangt. 
Bemerkenswert  erseheiueo  auch  jene  Versuche,  durch  welche  die 
Niveau-  und  Stromlinien^  deren  Abhängigkeit  von  der  Leitfähigkeit 
und  die  Strömungen  tu  körperlichen  Leibern  dargetan  werden 
können.  In  kurzer  Weise  ist  das  Gebiet  der  elektrischen  Schwin- 
gungen und  Strahlungen  sowie  Jenes  der  hochgespannten  Ströme 
(Teslasche  Versuche)  bebandelt  worden.  Der  Bestimmung  der  cha- 
rakteristischen Kurven  von  Djuamomaschtnen  ist  besonders  Auf- 
merksam keit  gewidmet  worden ,  wie  denn  überhaupt  dieser  elektro- 
technieche  Absehaitt  zu  den  bestgearbeiteten  des  Buches  gehört* 
Den  Scbluß  des  Buches  bilden  einige  matbeuiatiscbe  Tafeln,  sodann 


I 


I 


9S  H.FMi§f  Eiueit  and  Urgwehraht«  des  MeMshen,  ug.  ▼.  Jf.  Eotmm, 

kODgen  ftber  die  BigeB8eb«fieo  der  Bienente  nad  deren  VerWii- 
doDgen  enthält  und  in  dem  manche  originelle  Anffasenag  dem  Ref. 
heecbtenswert  erseheineii» 

Die  AneitatlDog  des  Bmchee  ist  eine  geradem  prAchtife,  aie 
kann  wohl  nicht  mehr  Abertroffen  werden ;  der-  Preis  des  Bnchea 
(gebnnden  17  Mk.)  ist  ein  relativ  geringer. 

Wir  empfeUen  die  4.  Anflage  des  Lehrbaches  der  Chemie 
▼en  Dr.  H.  Brdmana  namentlich  den  Studierenden,  aber  aneh  am 
Lehrern  der  Chemie  anfs  wArmste  und  wAoschen  dem  Boche  an 
den  vielen  alten  Frennden  neue* 

Wien.  Dr.  I.  G.  Wallentin. 


Eiszeit  und  Urgeechichte  d«8  Menschen.  Von  Bu«  Pohlig.  Prof. 
an  der  Uoifersitat  Bonn.  Nach  seinen  Vorlesanffen  (ans:  Wissen- 
schaft and  Bildang,  Einzeldarstellangen  ans  allea  Gebieten  des 
Wissens,  heraasgeg.  von  Privat  dezent  Dr.  Peel  flerre.  8).  Verlag 
ton  Quelle  ft  Meyer,  Leipsig  1907.   141  88.  8*. 

Die  geegraphisch-geologisebe  Seite  des  EiszeitphAnomens  ist 
S.  8 — 91  ziemlich  ansfAhrlich,  wenn  anch  nicht  einwandfrei,  die 
zo^alAontdogische  8.  114 — 182  körzer  nnd  besser,  znm  Teil  anf 
Gnnti  eigener  Spezialstndien,  die  den  Namen  des  Verf.  Torteilhaft 
bekannt  gemacht  haben,  die  antbropolegisch-nrgeschichtliche  8.  92 
— 118,  ld8-**139  dagegen  stiefmfitteriich,  n.  zw.  teilweise  recht 
mangelhaft,  teilweise  schlecht  behandelt.  Irren  ist  menschlich  und 
es  mag  schwer  sein,  die  glazialen  Erscheiniuigen  allen  recht  zu 
schildern  nnd  zn  deuten.  Aber  durch  eigene  ni<^t  nnfrachtbare 
TAtigkeit  auf  irgend  einem  wissenschaftiicben  Gebiete  sollte  man 
immer  davor  bewahrt  bleiben,  anf  einem  Nachbargebiete  mit  einem 
ganz  onznlAnglichen  Maße  von  Kenntnissen  literarisch  anfzotreten» 
wie  es  P.  hier  in  der  menschlichen  Urgeschichte  tnt.  Der  hentige 
Gelehrte  ist  zwar  meist  Spezialist;  aber  das  ist  doch  anch  eine 
der  guten  Seiten  echter  Gelehrsamkeit,  daß  sie,  wenigstens  in  der 
Begel,  die  Grenzen  des  eigenen  Wissene  kennen  nnd  das  anderer 
achten  lehrt.  P.  kennt  die  prAhislorische  ArchAolegie  nicht.  Pfir 
thft  sind  die  Pfahlbanten  der  Schweiz  Alter  ale  die  ^jAUEcnmAddinger 
DAaemarks.  Er  glanbt,  daß  die  VerhAttnng  des  reinen  Eiaens  ana 
seinen  Erzen  erst  in  „der  Alteren  Eisenzeit  von  La  T^e**  begMinen 
habe.  FrAher,  in  der  HaUstattperiede,  habe  man  nnr  „hier  nnd 
dort  Bisenerze  in  rohem  Zostande  za.  Werkzeugen  verarbeitei**. 
Nephrit  and  Jadeit  sollen  am  Ostasien  nach  Bnrcpa  gelangt  sein. 
Bew.  Usw.  Anch  auf  S.  96—108  wimmelt  es  von  Onriehligireilan, 
im  ganzen  BAchlein  sft>er  von  LAssigkeiten  dea  Ansdracks,  so  daA 
man  ans  verschiedenen  Gftnden  diesM*  DarstsUung  die  wehe  Ver- 
breitong,  welche  sie  anstrebt,  nicht  wnsnchen  möchte. 

Wien.  M.  Beernes. 


H.  MUke^  Die  SiMh«iaing«i  «es  Lebens  eew.,  «ng.  ▼.  T.  F.  Hanaunk.  M 

He  EftekekiiuigtfB  des  LebeM,  Orandprebleine  der  modernen 
BMbgiei  Veii  H.  Miehe,  PrifUtdeieiit  in  LeiMig.  (.Ane  Nator- 
Md  OetotetveR.'  180.  Bdeli.)   Leipsig,  B.  G.  Teebner  1907. 

Wlsseneebiftlicb  vnd  doeb  jedem  Oebildeten  terst&ndlicb  nnd 
Mtribd  zilgleitb  ZQ  scbteiben,  ist,  nicbt  so  leicht,  als  mmn  ge- 
«tkdldi  denkt.  Ein  Mbister  dieser  Knnit  war  8 eb leiten,  dessen 
,%lbdn  der  Pfbnze''  ntfd  das  nmfangreidie  „tfeet**  Süeb  liente 
iiMib  xn  den  beeten  LeisttingbA  in  der  Verallg^enieinening  des 
IfhMne  zti  ziblett  sind.  Ol&nzetode  Vorbilder  dieser  Art  sind  aücb 
—  m  nur  auf  bnianisebem  Gebiete  zn  bleiben  —  Kerner(Pllanzen- 
fiben)  niid  Wiesner  (Biologie  der  Pflainzen,  Bobstoffe  des  Pllanzen- 
rtlebee),  densn  Werke  mit  Forioi  nnd  Stil  ftebide  gemaebt  beben. 
Äißb  M.  bemdbt  sieb  in  dem  Torliegenden  Buche,  das,  ans  Vor- 
trtgii  berrorgejfangsn,  die  bedentongstollsten  physiologiscben  nnd 
bielegisehen  Tetsachen  ans  dem  Pflanzenleben  enthtUt,  die  mitunter 
ifftit  bomplisieiten  Themen  Mar  zn  entwiek^ ,  ^eine  Totalansicht 
*r  eqrtnieehsn  Nnlnr  zn  erOShen*',  ohne  „das  Biü  in  jener  sen- 
■Üueelltii  effektt^en  Belenehtvng  z«  zeigen,  die  manche  pofmilr 
«IWMiettisfttiehe  Sdiritatoller  lieben**.  Und  ee  ist  in  d%r  Tat  ge- 
Mi|%n,  dleeee  Bild,  ee  let  eine  Tortreffiiehe  Arbeit,  logiecb  anf- 
giftaal,  reMhftllig,  mit  geietfollen  Ausblicken  in  die  Nacbbar- 
gWMs,  in  du  Tierreich^  nnd  nnr  auf  rsnlen  Tatsaeken  inftend. 
ai  begiMK  mit  einer  kurzen  BetTMbtiing  der  beidbn  gegverischea 
dMdainehMnngen  iber  die  Kansalitftt  der  Lebensprobleme,  die  nie 
leti««iemns  tmd  Yitalismtis  bezeichnet  weiden.  Dem  ersteren 
gm  dir  Teif.  nnr  deshalb  nnd  tom  rein  melhodieeben  Standpankte 
üi  ?iBmg,  Weü  er  in  TOniehftigem  Zaeammenbange  mit  nnserer 
StteMteBBteis  bleibt  nnd  die  Bncbeimmgen  des  Lebens  ais  Wir- 
kmgen  aRjgemein  g9liger  Iffetnrgesetze  aiffiasst.  Dabei  ist  aber 
MM  xn  bWMIktsn,  den  der  Me^ha^niemns  der  Wi-esenscbaft 
Mfwa«  gnuz  Mderes  i«t,  eis  der  Materialismns  der 
Ptfleeof^ie,  dem  nnr  die  Bedentnng  einer  metnpbysiscben  Hypo- 
Mke  mkMnil. 

IJbdk'  die  Betrachtung  des  Proloplasma»  der  MIe  und  der 
•Mbe  lihffi  nnk  dae  Bneh  in  tes  Beieb  der  einfeoheten  Lebe^ 
Wmt,  ztiT  BMibfuig  nnd  Atmnng,  zmn  Sinneeleben  der  Orga- 
üWmb^  tnr  AMMng  der  Individnen  nnd  der  Art  nsw.  Mit  der 
iWiUM'iilfc  dik  EntwiekkmgsgsecMcbt»  nnd  der  Beslebvngen  der 
LJkkWftwn  eBlUoinnnder  scMiefil  M.  seine  ArbeH,  der  warme  An- 
MsnMbg  bi^  ^nvgi  bleiben  wird. 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanansek« 


60    W,  Nausesier,  Denkeni  Spreehen  und  Lehren,  ang.  ▼.  B,  Laiäke. 

Dr.  Walter  Naasester,    Denken,    Sprechen  und  Lehren. 
.  I.  Die  Grammatik.  198  88.  8*.  Preii  4  Mk.  —  U.  Dae  Kind  nnd 
das  Spraehideal.  246  88.  S9.  Prell  5  Mk.   Berlin,    Weldmanneehe 
Baehhandlong  1901,  betw.  1906. 

Im  L  Bande  stellt  der  Verf.  die  Frage:  „Dient  die  Abwandlong 
ihrem  eigentlicbtten  8inne  und  Zwecke  nach  dem  GedankenansdmckP 
Hat  aie  einen  dem  Wort,  dem  Begriff  gleichen  oder  auch  nur  Ter- 
gleichbaren  Wert  ffir  die  Sprache?''  —  Seine  Antwort  ist  nein. 
Nach  N.  ist  die  Abwandlang  ffir  die  lebendige  Sprache  kein  Mittel 
des  GMankenansdmckes;  die  Flexionsendungen,  jeder  eigentlichen 
Bedentang  bar,  vermögen  nur  solche  Bezlehongen  zwischen  Be- 
griffen, die  jedem  Temflnftigen  Redenden  nnd  HOrenden  ans  der 
Lage  der  Sache  ohnedies  klar  sind,  zam  Überfloß  aach  noch  ftafter- 
lieh  anzadenten;  lediglich  ein  Schmuck  der  Sprache,  verhalten  sie 
sich  znm  Worte  selbst  wie  die  Uniform  zum  Soldaten. 

Um  beispielsweise  den  Gegensatz  zwischen  Singular  und 
Plural  auszudrücken,  genfige  nicht  die  Pluralendung;  es  mfisse  ein 
Wortstamm  (mehrere  o.  a.)  dazutreten.  Die  Casus  in  einem  ans 
„Baner — Acker — pflfigen''oderaas„Sch  windler— Reicher — betrfigen*' 
gebildeten  Satze  seien  aus  dem  naturgemäßen  Zusammenhange  obDe 
weiteres  klar  und  wenn  der  Fibelsatz  Caiua  Lueium  inter/eeü  dem 
zu  widersprechen  scheine,  so  verschwinde  der  Widerspruch  soforti 
wenn  wir  uns  den  Satz  in  der  lebendigen  Sprache,  die  Zusammen- 
hange, Verhältnisse  des  Lebens  mitteile,  gesprochen  denken.  Und 
daß  in  .Frauen -Liebe  und  Leben"  eine  Frau  spreche,  werde  nir- 
gends durch  eine  Genusendung  angedeutet.  Eine  Ffille  anderer 
Beispiele  soll  die  Bedeutungslosigkeit  der  Komparationsendungen, 
der  Tempora  und  Modi  von  Verbalstammen  ffir  den  Ausdruck  der 
Steigerung,  der  Zeitgebung  usw.  erkennen  lassen.  Scharfe  Gegen- 
fiberstellungen  von  Partizipien,  wie  Sallust.  lug.  20  mehien$  magi$ 
quam  metuendus  oder  Livius  XXV  11  oUideniea  qwim  cbsessif,  oder 
Webers  Dreizehnlinden  S.  272  „vergessend  wie  vergessen"  sind 
für  N.  Redeblumen,  Wortspiele,  wirksame  Zusammenüassungen  Ton 
(bedanken,  die  durch  Wortstamme  schon  genflgrad  klar  gemacht 
worden.  Zweifellos  ist  diese  Argumentation  wiUkfirlich.  Stimmt  ein 
Beispiel  nicht,  ist  ffir  das  Verständnis  eines  Gedankens  lediglich 
die  Flexionsendung  maßgebend,  so  wird  der  Ausdruck  als  nieht 
einwandfrei  bezeichnet.  Wenn  im  West-Ostliehen  Divan  VI :  „Wer 
geboren  in  bOs*sten  Tagen,  dem  werden  selbst  die  bOsen  behagen*", 
in  Zahme  Xenien  VI:  „Wer  Wissenschaft  und  Kunst  besitzt,  hat 
auch  Religion ;  Wer  jene  beiden  nicht  besitzt,  der  habe  Religion*', 
in  Platen   „Tod  des  Carus*':    „Ach,   und  Rom  in  seiner  Schande 

flehte  nur  um  einen  Mann;  aber  Mfinner  sind  erstanden  .  .** 

die  Gegensatze  zwischen  den  verschiedenen  Graden  einer  Eigen- 
schaft, zwischen  Behauptung  und  Aufforderung,  zwischen  Singular 
und  Plural  lediglich  durch  die  Abwandlung  ausgedrfickt  werden, 
80  ist  „das  keine  scbOne  Art,  einen  Gegensatz  auszudrficken".  Wie 


W.  Nam$€sUrf  D«ik«i,  Spreehan  ond  Lehren»  tag,  i.  E.  LaUke,    61 

wenig  sieh  ftberbavpt  N.  tod  grammatieeben  Erwftgnogen  leiten 
iJUIty  xeigt  die  „im  Vorbeigehen**  gemaebte  Bemerkung,  daß  er 
bei  der  Bildung  der  dentacben  Tempora  die  Hilfszeitwörter  als 
oeae  Wortatftmme  empfindet,  wobei  er  aber  an  der  Frage  ganz 
fortbergebt,  in>riefem  gewissen  Suffixen  die  Bedeutung  yon  Wort- 
ftiamen  innewohnt 

Mutig  zieht  N.  aas  seinen  Behauptungen  die  notwendige 
KoDsequenz.  Die  Schulforderung  „Konstruiere,  wenn  Du  den  Satz 
vMiteben  willst''  wird  als  unbegründet  abgelehnt.  Die  Abwand- 
IsDgBsjstsme  auch  der  alten  Sprachen  seien  zu  lückenhaft»  die 
Abwaadlnngsfoimeu  zu  tieldeutig,  als  daß  sie  einem  aus  dem  6e- 
wirre  der  Worte  heraaszufilhren  imstande  wftren.  Wer  bloß  Ab^ 
wsadlungsschemen  im  Kopfe  habe,  ohne  die  Worte  des  Schriftstellers 
zs  Terstehen,  werde  nie  konstruieren  kOnnen.  Und  so  kommt  er 
zs  folgenden  Ausführungen :  „Das  KonstruierMi  ist  nichts  anderes 
ab  das  Tom  Bekannten  zum  Unbekannten  weitergehende  Tasten, 
bei  dem  sich  der  Leser  den  Stoff  so  zurecht  legt,  daß  ein  Satz 
4abei  herauskommt.  Das  richtige,  genaue  Verstehen  der  Wortbedeu- 
tsBgen  spielt  hierbei  eine  so  wichtige  Bolle«  daß  das  ganze  Werk 
liockt,  wenn  hier  irgendwie  das  Rechte  Terfeblt  wird.  Sind  aber 
die  richtigen,  ?om  Schriftsteller  gewollten  Bedeutungen  getroffen, 
10  finden  wir  uns  durch  das  Wirrsal  dicht  nebeneinander  stehender, 
aber  nicht  zu  einander  gehßrender  gleicher  Kasus  mit  Leichtigkeit 
biadnich«  Das  wahre  Licht  des  BinverstAndnissss  zwischen  Dichter 
und  Leeer  stammt  eben  nicht  ti«  den  Formen  der  Abwandlung  her, 
....  die  in  Wirklichkeit  ffir  das  Konstruieren  nur  eines  leistet: 
sie  eruAgllcht  eine  Gegenprobe.  Das  Verstßndnis  wird  je  nach 
dm  Grade  der  Einsicht  des  Lesenden  aus  den  Wortbedeutungen 
iigeadwie  gewonnen:  wenn  die  Deutung  richtig  ist,  muß  sie  sich 
all  brauchbar  dadurch  ausweisen,  daß  der  Satz,  das  Satzgefüge 
aa^ebaat  werden  kann."  Jede  LelEtürestunde  am  Gymnasium  wird 
fis  Uahaltbarkeit  dieser  Ansichten  erweisen.  N.  scheint  andere 
Oatemchtserfahrungen  zu  haben.  Denn  er  entnimmt  ihnen 
«iiteres  Beweismaterial.  Bei  Übersetzungsarbeiten  aus  dem  Latei- 
siaehen  oder  Griechischen  ins  Deutsche  ergibt  sich  nach  seinen 
Wabnehmungen  die  Hehrzahl  aller  Übersetzungsfehler  aus  dem 
Mißfersteben  der  jeweiligen  Wortbedeutung,  das  dann  freilich  seiner- 
•iits  wieder  sog.  grammatische  Fehler  erzeuge.  Der  Schüler  lasse 
die  einmal  erfaßte  Wortbedeutung  nicht  gern  wieder  fahren  und 
nietzt  schiebt  und  dreht  er  die  Maschen  des  Abwandlnngsnetzes 
bin  und  her  und  sucht  es,  so  gut  es  gebt,  dem  Leib  der  einmal 
^undenen  Anschauung  anzupassen''.  Kenntnis  der  Formen  und 
ijBtaktischer  Regeln  nützen  dem  nichts,  der  beim  Übersetzen  die 
Labeasferhiltnisse  nicht  Torstehe,  die  geistigen  Zusammenh&nge 
sidit  ahne,  in  die  die  Worte  hineingeboren. 

Wenn  man  sich  auch  verwundert  fragt,  warum  N.  für  seine 
Behauptung,  daß  die  Flexionsendungen  in  der  lebendigen  Sprache 


%%     W,  Nau^ester,  D«DkeB,  Spraeben  OEd  Lebren,  uig.  ▼.  M,  Xatete. 

bedratangslos  seien,  Beweise  aas  dem  i^ilolegisehen  BnUrütktB 
belt,  so  wird  sich  doch  gegen  eine  gewisse  bedingte  QatigNst 
dieser  ErfabmngssAtze  nieht  viel  einwenden  lassen.  Besser  fipeilM 
gefallen  ans  die  Aneichten,  za  denen  er  bei  9etraeiitang  der  Febter 
in  deatscben  Arbeiten  gelangt.  Der  hamor&stisch  wirkende  üsaian, 
der  da  manchmal  zatage  gefördert  wird,  berabinaeh  N.  aof  nieiite 
anderem  als  aaf  der  Verweehslong  len  fiomonymen,  Ton  ^fileieh- 
worten',  d.  b.  anf  dem  Umstände,  daß  der  Hörende  (LeseQ4a>  mit 
einem  Worte  oft  ganz  andere  NebenvorsteUnngen  Terbindei,  als 
der  Bedende  (Schreibende)  gemeint  bat.  Werden  die  dofeh  diaae 
Nebenvorstellangen  geschaffenen  Schranken,  vermittelst  deren  4it 
dem  Ohre  gleich  kiingenden  Schälle  von  einander  gesimdert,  hin- 
sichtlich ihres  Sinnes  anf  bestimmte  Gebiete  eingeengt  and  so 
erst  wahrhaft  verständlich  gemacht  werden,  niedergerissen«  so  gibt 
es  kein  gegenseitiges  Verstehen  mehr.  Da  aber  jeder  Wortatanun 
Tieldentig  ist,  so  kann  nnr  der  Anadraok  als  gnt  bezeichnet  werdan, 
der  den  Strom  von  NebenvorsteUnngen^  die  dem  Hörer  oder  Laaer 
kommen,  immer  in  das  gewollte  Bett  leitet. 

Ans  dem  Gesagten  folgert  nnn  N.  zweierlei:  1.  „Jeder  Sprach- 
nnterricht  ist  als  nnnatäriicb  za  verwerfen,  der  von  der  AnfTasaiuig 
aasgeht,  daß  die  Wortformen  an  sich  etwas  bedeaten«  oder  dar 
dem  Lernenden  diese  Vorstelinng  nach  nnr  nahelegt*'  Also  bef^nne 
man  mit  dem  Unterricht  in  der  fremden  Sprache  erst  dann,  bis  das 
Kind  jene  geistige  Beife  hat,  die  es  befähigt,  fremde  Lebenssosam- 
menbänge  za  ahnen.  Man  lese  nnr  Texte,  in  denen  sich  aas  dam 
Verbinden  der  Begriffe  die  gewollten  Vorsteliangen  von  selbst  er- 
geben ,  niemals  sei  die  Form  als  Ffifarerin  zam  Verständnis  anan- 
sehen.  2.  ,yJeder  Spraohanterricht  hat  sein  wichtigstes  Ziel  darin 
zü  sehen,  daß  er  den  Lernenden  znr  richtigen  Brfasaang  des  Qlaioh- 
wortes  anleitet.*' 

Damm  lasse  man  das  Obersetzen  in  fremde  Sprachen  bleiben. 
Das  sei  im  sehnlmäßigen  Betriebe  etwas  Unnat&rliehes  nnd  drfieke 
die  Beschäftigang  mit  jenen  za  einem  bloßen  Zosammensetzeapiel 
herab.  Jede  Sprache  habe  kraft  des  Schwankenden,  UnbeatiBim- 
baren  der  Nebenvorstellangen  ihre  eigenen  Unbestimmtheiten.  .Wer 
nnn  aas  der  eigenen  Sprache  in  eine  fremde  flbersetza,  beaehte 
diese  Nebenvorstellangen  nicht,  nagle  das  fremde  Wort  gewisser- 
maßen fest,  mache  es  za  einer  anbeseelten  Vokabel. 

Wer  wird  diesen  Schlaßfolg«rangen  nicht  gern  zastimmenP 
Aber  konnte  N.  za  diesen  methodischen  Leitsätzen  nicht  anders 
gelangen  als  aaf  dem  Wege  der  Beantwortnng  der  —  in  der  Form, 
wie  sie  gestellt  würde  —  doch  recht  überflfissigen  Frage,  ob  die 
Abwandlong  eine  dem  Wort,  dem  Begriff  gleichen  oder  nor  ver- 
gleichbaren Wert  für  die  Sprache  habe?  Der  Beweis,  daß  dies 
nicht  der  Fall  ist,  ist  N.  nicht  geglückt  nnd  warde  nach  ziemlich 
einmütig  abgelehnt.  (Vgl.  Caaer  in  der  Ztschr.  f.  d.  Gymnasislw. 
1902,  S.  551  ff.;  Martinak  in  der  Dentschen  Literatnrzeit.  1M4, 


W.  Nnuester,  Owiken,  8prt«lieii  nd  Lehras,  «ig.  ▼.  JB.  LaUke.    W 

Kr.  14;  Ktlkr  n  4«r  Mmod  phil.  BiiDdaehaa  1M2,  997.)  N. 
kit  Mine  TkeM  MOaglteb  nur  fiftr  die  lebMidig«,  gea|MroolMiM 
Sprache  gelln  lassM;  er  sdiweifto  rtw  sehr  bald  io  das  GebM 
i«  iltklaaaiaoben  UnlerrielitM  ab  und  mnfi  hub  tmi  Koller  die 
Otgiftfrafe  hinnebmeii,  ob  denn  seiae  Sebfller  «irklich  emea  aMen, 
tif  die  Worletinne  redaxierten  Teit*)  bftMen  Abersetzen  kfonen. 
Pnktieeh  iai  also  nicht  Tiel  damit  aDzafangeii,  und  theoretisch? 
Satweder  stellt  naa  sich  aaf  den  Standpunkt  der  bistoriscbea 
Offanmalik,  also  hier  der  Stammbildangslebre,  nnd  dann  mnfte  die 
BtdMlniig  der  Fleilons-  nnd  Ableltnngssilben  als  TerblaAter  Wort- 
iliBBa  nnteinnobt  werden;  oder  man  stellt  sich  (mit  Martinak) 
wirklich  auf  den  Standpunkt  der  lebendigen,  gesprochenen  Sprache, 
sitbt  von  jedem  selbstindigen  Bedeatnngswert  der  Flezionsendong 
foa  vornherein  ab  nnd  nimmt  nnr  einen  Fnnktionswert  fOr  sie  in 
Aispnidi,  dann  durften  die  Argumente  nicht  ans  dem  philologiechen 
Merricbte  gehoh,  die  Felgemngen  nicht  aaf  ihn  belogen  werden. 

Für  N.  war  die  Frage  aber  Ton  vornherein  ledigli^  eine 
isthetisehe ;  freilich  wnrde  er  sich  darAber  erst  sp&ter  Mar  nnd 
•e  ksm  «a«  daß  er,  wie  er  Bd.  n,  195  selbst  zngibt,  seine  An- 
licht  im  L  Bd.  mit  schlechten  Grdnden  Tcrfocht. 

N.  kennt  —  so  beginnen  die  Ansfftbmngen  des  II.  Bandes 
—  drei  YoUkommenheitsgrade  der  Sprache :  Die  Oelehrten-(Biicher-) 
spräche,  die  Dicbtersprache  nnd  die  schOnste,  die  Sprache  des 
Sprichwortea  (des  Kindes).  Je  ToUkommener  die  Sprache,  desto 
mehr  arbeitet  sie  lediglich  mit  Wortst&mmen,  desto  weniger  mit 
Flcxioosendnngen.  Um  dies  zn  beweisen,  hat  N.  das  Material, 
das  die  ttber  18.000  Nnmmem  enthaltende  Simrocksche  Sprich- 
wCrtersammlnng  bietet,  zn  nmfftnglichen  statistischen  Zasammen- 
stcllingen  ansgenfitzt  So  hat  er  alle  Sprichwörter  ausgezogen, 
die  einen  (und  zwar  nur  einen)  Komparativ  oder  Superlativ 
esthalten,  hat  dabei  gefunden,  daß  die  Zahl  der  Sprichwörter 
mit  unreg^elmftßigen,  d.  b.  suppletivischen  oder  defektivischen 
Stfigerangsformen  (in  denen  also  Wortstimme  die  Steigerungs- 
fernen  ausmachen)  sich  zu  der  mit  regelm&ßigen  wie  8  :  1  ver- 
blit  nnd  kommt  zu  dem  Schluß,  daß  „dem  Sprichworte  das 
Oeltendmachen  der  bloß  suffixalen  Komparationsformen  zuwider  ist. 
Ist  dieser  Schluß  berechtigt?  Die  Statistik  zeigt  z.  B.  15  Kom- 
parative, 16  Superlative  von  groß,  je  10  Komp.  und  Sup.  von 
laog,  12  Sup.  von  scbOn,  21  Komp.  von  leicht,  also  Zahlen, 
die  zwar  von  den  289  besser  und  184  mehr,  aber  von  d«ien 
der  anderen  nnregelmftßigen  Steigerungsformen  durchaus  nicht  ab- 
stechen. Daß  die  Formen  besser  und  mehr  so  hohe  Zahlen  auf- 
weisen, ist  wohl  mehr  in  der  Natur  des  Sprichwortes  als  in  semer 
Abaeigung  gcfcn  die  regelmßßige  Komparation  begrflndet.  Die 
Kenstatierung  von   Qaalitftts-   nnd  Quantitfttsverhftltoissen    gehßrt 


')  Man  redusiere  etwa  ^a  auf  den  Wortstamm! 


64    W.  Neuseiter,  Deoken,  Sprechen  and  Lehren,  aag.  ▼•  JL  LaUke, 

eben  som  FnndamMit  praktiecher  Lebensweisheit;  namentlich  im 
ersten  Falle  wird  sieh  die  Form  des  gnten  Bates  einstellen  nnd  das 
Oberwiegen  der  Form  Mbesser**  ist  gegeben.  Aber  warum  ist 
dann,  wendet  N.  ein,  bei  den  entspreehenden  Positivformen  das 
ZahlenverhAltnis  ein  ganz  anderes,  wanim  stehen  beispielsweise  in 
den  ersten  800  Nnmmem  der  Sammlung  55  alt  nnr  17  gut 
gegenfiber?  Wohl  nicht  aus  formal«!  Gründen»  sondern  nur,  weil 
der  Begriff  alt  leistungsfähiger  fflr  die  Spruch  Weisheit  ist  als  dsr 
Begriff  gut  ohne  Vergleich,  weil  man  beim  Begriff  alt  das  Ab- 
solute, beim  Begriff  gut  das  BelatiTe,  praktisch  Wertvollere  he* 
Torzugt.  —  OewiA  ist  richtig»  daß  das  Sprichwort  die  Gegenfiber- 
stellung  yon  Positiv  und  Komparativ  meidet  und  dafflr  lieber  Wort- 
stftmme  gebraucht,  überhaupt  gern  die  Steigerung  durch  Substan- 
tiva  (Kupfer  —  Gold)  oder  durch  Verba  (trOpfeln  —  regnen)  voll- 
zieht»  aber  auch  hier  wird  man  den  Grund  lieber  positiv  aas- 
drücfcra,  indem  man  sagt,  das  Sprichwort  nützt  die  Kraft  der  An- 
schauung aus,  die  der  Tropus  enthilt,  als  mit  N*  negativ,  das 
Sprichwort  bevorzuge  defektivische  oder  komparativische  Formen 
deshalb,  weil  bei  diesen  die  Formelemente  belanglos  seien  and 
allein  die  St&mme  der  Worte  in  den  Vordergrund  treten. 

Ebenso  findet  N.»  dafi  in  der  Sprache  des  Sprichwortes  die 
Motion  (Darstellung  des  Geschlechtes)  in  regelm&ßiger  Form  aabr 
stark  zurücktritt  gegen  den  Suppletivismus  und  Defektivismus, 
worunter  die  Verwendung  von  Wortstftmmen  zu  verstehen  ist,  die 
nur  einem  der  beiden  Geschlechter  eigen:  Weib,  er,  Maria  asw. 
Von  regelmäßigen  Femininen  sei  nur  das  Wort  Wirtin  zweimal 
vertreten.  Sehr  wenig  gebrftuehlich  sei  Gegenüberstellung  regel- 
mäßig gebildeter  Gesohlecbtsformen  (14  Fülle),  wftbreud  Oegen- 
überstellung  defektivischer  oder  suppletivischer  Formen  nicht  aelten 
(71  FiUe)  sei. 

Audi  Deklinatione-  und  Koiyngaticmsformen  lasse  das  Sprich- 
wort nie  hervortreten.  Gegenüberstellung  von  Verbalformen  finde 
sich  nie»  von  Deklinationsformen  einmal  in  „Freiheit  ist  von  Qoti, 
Freiheiten  vom  Teufel*',  also  noch  dazu  in  einem  Beispiel,  das 
seiner  Sprache  nach  in  eine  Sprichwürtersammlung  nicht  gehüre. 
Die  formelle  Kennzeichnung  von  Subjekt  und  Objekt  vermeide  das 
Sprichwort  nach  Möglichkeit,  bei  4000  Nummern  komme  sie  nur 
in  ungefähr  250  vor.  Die  den  Deklinationskasus  so  scharf  her- 
vorhebende Apposition  komme  überhaupt  nicht  vor.  Da  Hervor- 
hebung einer  Form  immer  da  stattfinde,  wo  zusammengehörende 
Teile  auseinandergerissen  werden,  so  verwende  das  Sprichwort 
einfachen  Satzbau,  wo  die  Wortstellung  stets  genau  das  Zusammen- 
gehörige verbinde.  Eine  Ausdrucksweise,  in  der  nur  genaues  Er- 
fassen der  Abwandlungsformen  vor  Mißverständnissen  schütze  — 
man  sieht,  wie  der  rigorose  Standpunkt  des  I.  Bandes  bereits  auf- 
gegeben wurde  —  sei  für  die  Sprache  des  Sprichwortes  unmög- 
lich. Überhaupt:  „Formen  dürfen  nicht  in  den  Vordergrund  treten, 
daher  muß  das  Sprichwort  kurz  sein"*  (S.  105). 


W,  Ifeuaesier,  Denken»  Spreebeo  osd  Lehren,  nng.  t.  E.  LaUke.    65 

Beruht  diese  ganze  ArgnmenUtion  nicht  anf  einem  bedenk- 
lieben vöXB(^  ng&tSQov^     Ist  der  Sachverhalt  nicht  yielmehr 
dsr:  Weil  das  Sprichwort  seinem  Zwecke  gemäß  kürz  sein  muß, 
deshalb  dflrfen  Formen   nicht   in  den  Vordergrund   treten?     Doch 
bleiben  wir  einstweilen   auf  N.s  Gedankenbahn  1    In  der  Sprache 
des  Sprichwortes  findet  er  seine  das  Ideal  alles  sprachlichen  Ans- 
dnickea  bestimmende  Fordemng:  Der  Gedanke  soll  seinen  Ansdmck 
findtn  durch  Stämme«  nicht  durch  Endungen  —  annähernd  erfällt. 
Diise  Fordemng  ist  zweifellos  berechtigt.    Die  Plastik  deo  Aos- 
dnckea  liegt  Tomehmlich  in  der  geschickten  Verwendung  yon  Wort- 
itlmmoD,  in  dem  möglichsten  Verzicht  anf  die  Funktionen  der  Ab- 
leitanga-  und  Flexionsendungen.  Das  lehrt  vor  allem  die  so  wunder- 
bsr  anschauliche  Sprache  der  Mundarten  —  ein  Beweismittel ,  auf 
das  N.   merkwflrdigerweise  nicht  Terfiel.     Aber  wir  meinen  nicht, 
dift  die  Schönheit  der  Sprache  nnr  von  diesem  Gesichtspunkte  ans 
btorteilt  werden  soll.    Die  Sprache  ist  ja  nicht  nur  Material  ffir 
d«  Kfinstler»  sie  ist  auch  Material  fär  den  Techniker,  den  Gelehrten. 
So  wird  denn  ganz  allgemein  der  Satz  gelten:    schon  ist,    was 
iweckm&ßig  ist.    Wenn  also  N.  im  folgenden  die  Sprache  eines  ge- 
lahrten Werkes  —  des  Lehrbuches  der  alten  Geographie  von  Kiepert, 
Berlin  1878  —  untersucht,  dort  einen  Ausdruck  und  Satzbau  findet, 
dar  ffir  das  Sprichwort  unmöglich  ist,  weil  der  Schlfissel  zum  rich- 
tigen Verständnis  in  den  stark  hervortretenden  AbwandlungsformMi 
hagt  und    weil  die  Zahl  der  regelmäßigen  Steigemngs-  und  Mo- 
tiensformen,  der  Wortabkflrzungen  vor  allem,  so  unverhältnismäßig 
hoher  ist  als  im  Sprichwort  oder  etwa  in  0.  Ludwigs  „ErbfOrster** 
—  aach  dieser  wird  ffir  den  vorliegenden  Zweck  ausgebeutet  — 
oad  wenn    er   nun    die  Federsprache  des  gelehrten  Werkes    als 
»notorisch  schlecht''   hart  tadelt  —  so  wird  man  diese  Konse- 
qnanzen   eines  an  sich  richtigen  Satzes   eben   ablehnen  mfissen. 
Wir  wollen  Kieperts  Deutsch  vom  sprachästhetischen  Standpunkte 
sss  nicht  in  Schutz  nehmen  —  aber  es  kann  nimmermehr  an  der 
Sprache  des  Sprichwortes    gemessen  werden*    Eines  schickt  sich 
licht  ffir  alle   und   ffir  die  Erbauung  einer  Lokomotive  gilt   nur 
ias<tfsni  dieselbe  Ästhetik  wie  ffir  die  Erbauung   einer  Dorfkirche, 
als  beide  eben  dann  schOn  sind,    wenn  sie  in  jeglicher  Hinsicht 
ihrem  Zwecke  entsprechen. 

Was  wfirde  etwa  Johann  Gottfried  Herder  dem  Verf.,  der 
mit  seinem  absoluten  Sprachideal  unheimlich  an  die  „Nachahmer* 
in  XVnL  Jahrhundert  erinnert,  gesagt  haben?  Die  Sprache  des 
Schwertes  ist  schOn,  weil  sie  sich  dem  Zwecke  des  Sprichwortes 
upaftt.  Ebenso  vollkommen  entspreche  die  Sprache  eines  gelehrten 
Warfces  seinem  Zwecke.  —  Wir  werden  die  Sprache  Leasings, 
HttdarSy  Schillers,  Schopenhauers  nicht  an  der  des  Sprichwortes 
Baasen;  nnd  wir  werden  die  im  prächtigsten,  anschaulichsten 
SpricfawOrterdeutsch  geschriebenen  Belehrungen  eines  Johann  Peter 

ZtiiMdkiiffl  f.  4.  lüOTT.  OysB.  1808.  L  Heft.  5 


66      Jt.  Koch,  Die  Tölki-  und  Jogendspfale  niw.,  4ng.  t.  /.  Päwd. 

Hebel  oder  Beater  oder  Bosegger  nicht  ale  Mneter  aufstellen  dArfen 
für  die  Sprache  der  Wissenschaft. 

Immerhin  hat  K.  sehr  recht,  wenn  er  das  typische  Gelehrten- 
deutsch  bemftngelt,  wenn  er  mehr  Anschaulichkeit  verlangt  und  auf 
den  plastischen  Aosdmck  des  Sprichwortes  hinweist.  Aber  er  hfttte 
sieh  mit  diesem  Hinweis  begnügen  nnd  ihn  nicht  durch  eine  ver- 
gleichende Flexionssilbenstatistik  fibertreiben  und  damit  unwirksam 
machen  sollen. 

In  einem  weiteren  Kapitel  ,  Orammatische  Betrachtun^n" 
kehrt  der  Verf.  —  indem  er  die  Sprache  des  Eindes  belauscht,  das 
sich  die  Lebenszusammenh&nge  erst  selber  schafft,  daher  alle  Mit- 
teilungen durch  Wortst&mme  macht,  dessen  Sprache  sich  demnach 
mit  der  des  Sprichwortes  und  des  Dichters  dem  Ideale  der  Sprache 
n&hert  —  zu  seiner  ursprfinglichen  These  zurflck,  daß  die  Formeu 
nur  das  Oewußte  widerspiegeln,  daß  sich  in  ihnen  nur  „der  Drang 
offenbart,  die  inhaltlich  als  bestehend  empfundenen  Analogien  dem 
Gehöre  wahrnehmbar  zu  machen,  also  jenem  Sinne,  durch  den  allein 
die  Sprache  aufgefaßt  wird.  Schon  hier,  noch  mehr  aber  im  Schluß- 
kapitel „Das  Sprachideal*  begibt  er  sich  auf  den  schwanken  Boden 
einer  auf  der  Kindespsychologie  basierenden  Sprachphilosophie.  Di« 
Grundbestandteile  unserer  Bede,  Nomen  und  Verbum,  seien  dadurch 
gegeben,  daß  in  dem  Kinde  die  Vorstellung  lebe,  alle  Dinge  dieser 
Welt  sind  entweder  fest  oder  beweglich,  und  daß  es  die  Grund- 
eigenschaften aller  Dinge  in  der  Sprache  nachbilde.  „Wer  richtig 
tasten  und  fflhien  kann,  der  gewinnt  durch  die  Wahrnehmung  des 
Pesten  und  Beweglichen  den  Ausgangspunkt  der  flektierenden 
Sprachen."  Wie  der  Tastsinn  auf  die  Sprache,  so  wirke  Geschmacks- 
und Geruchsinn  auf  die  Stimme.  Weil  man  mit  dieeen  Sinnen  Er- 
freuliches und  Abscheuerweckendes  wahrzunehmen  vermöge,  so 
bilde  man  mit  der  Stimme  Klänge,  die  diesen  Empfindungen  ent- 
sprfichen.  —  Und  so  beruhe  aller  Gesang,  alle  tfusik  auf  einer 
metaphorischen  Verwendung  des  Geschmacks-  und  Geruchssinnes. 
—  Weiter  wollen  wir  dem  Verf.  auf  diesem  Wege  nicht  folgen. 
Tiefgrfindige  Gedanken,  g^stvoUe  Darlegungen,  die  anregend,  aber 
nicht  recht  überzeugend  wirken.  Ond  das  gilt,  so  dankenswert  auch 
die  Forderung  nach  Anschaulichkeit  in  der  Sprache,  im  Unterrichte 
ist,  doch  eigentlich  von  dem  ganzen  zweibändigen  Werke. 

Wien.  Dr.  Budolf  Latske. 


Die  Volks-  and  Jugendspiele  nach  den  Gmnds&tzen  des 
Zentralausschusses.  Anlaßlieh  der  2öjfthri£en  Erinnerongsfeier  fflr 
den  Goßlertehen  Spielerlaß  vom  Jahre  1882  bearb.  von  Prof.  Dr.  K. 
Koch  in  Braunsehweig.  Druck  von  J.  Schmidt  &  Co.,  Hofbuehdmckerei. 
Friedriehtroda  1907. 

Der  vorliegende,    von   dem  bekannten  Braunschweiger  Pro- 
fessor Dr.  Konrad  Koch  verfaßte  Bericht  fiber  die  Tätigkeit  des 


EL  jEoeft,  Die  Yolka-  und  Jngendtpiele  usw.»  uig.  ▼.  /.  Fawü,       67 

Z€BtnUiisicfaa8M8  für  Volks-  nnd  JogendspUle  in  DeatachUnd 
•atroUt  uns  ein  Bild  kaltargreschichtlicher  Arbeit,  wie  sie  wohl 
keine  uidere  Nation  der  Welt  in  diesem  Ausmaße  zn  veneichnen 
Ttmag.  Der  Yerf.  erOrtert  zanftehst  die  Ziele  der  Spielbewegong, 
g^bt  dann  einen  trefflichen  Überblick  über  die  Entwicklung  des 
Spieles  und  schildert  hierauf  die  Tätigkeit  des  Zentralansschasses 
TOD  seiner  Grfindnng  an  bis  znm  letzten  in  diesem  Jahre  zn  Straß - 
barg  abgehaltenen  Kongreß. 

Überblicken  wir  nnn  diese  ganze  TAtigkeit  des  Zentralaos- 
sdiQsses  an  der  Hand  des  Torliegenden  Berichtes«  so  müssen  wir 
oBomwiindMi  der  Bewnnderang  Aasdmck  geben,  mit  welcher  Opfer- 
Willigkeit  nnd  Ansdanar  d«r  Zeatnüansscbnß  seinen  so  hohen  Zielen 
wahrer  Jagend-  und  Volksbildung  zustrebte.  Unbestritten  wird  ihm 
das  Verdienst  zugesprochen  werden  mfissen,  daß  er  durch  seine 
fflUevolle  uud  rastlose  TAtigkeit  als  einer  der  ersten  Vaterlands- 
freande  ein  Wesentliches  zu  Deutschlands  neuer  Macht  und  Größe 
beigetragen  hat. 

Ein  großes  Verdienst  gebfihrt  dem  bekannten  Hitglied  des 
preußischen  Landtages  t.  Schenckendorff. 

Bitten  guten  Teil  dieses  Verdienstes  wird  aber  auch  der  rührige 
y«f.  des  Berichtes  ffir  sich  in  Anspruch  nehmen  dürfen. 

Wien.  J.  Pawel. 


5» 


Dritte  Abteilnn^. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Ein  geBehiehtswisBensehaftlieher  Stadienplan. 

Wm  Tor  mehreren  Jahren  nur  erat  in  Streiteehriften  o.  dgl.  ge- 
fordert wurde,  liegt  jetit  wenigstens  so  einem  kleinen  Teile  Terwirküefat 
▼or:  Stndienplftne  oder  Lehrpline  oder  Lernplftne  ffir  die  Stodierenden 
einer  Wissenschaft  oder  Wissenschaftsgrappe.  Es  würde  bereits  eine  nidit 
geringe  Anfgabe  sein,  diese  neueste  Literatur  umfassend  wiedenngeben. 
Wir  besehr&nken  uns  anf  die  Vorfflhmng  eines  Stückes  daraus,  das  uns 
gani  besonders  Terdienstlich  su  sein  scheint  Es  stammt  von  dem  Pro- 
fessor der  Geschichte  Dr.  Ernst  Bernheim  an  der  Uni?ersitit  Grei&- 
wald.  Im  Jahre  1901  hatte  er  die  Schrift  herausgegeben:  „Entwurf  eines 
Stndienplans  ffir  das  Fach  der  Geschichte  und  die  damit  TerbundeneD 
Nebenfftcher,  nebst  Beilage:  Beispiele  Ton  Anfängerftbungen**  (Greifswald, 
I.  Abel).  Nun  liegt  die  s weite,  in  beträchtlicher  und  bedeutender  Weise 
erweiterte  Auflage  Tor,  unter  dem  Titel:  «Das  akademische  Studivm 
der  Geschichtswissenschaft'*,  mit  Beispielen  Ton  AnAngerflbongen 
und  einem  Studienplan  (ebenda  1907). 

Der  Verf.  ist  in  weiteren  und  namentlich  in  engeren  Kreisen  wohl- 
angesehen durch  sein  ^Lehrbuch  der  historischen  Methode  und  der  Ge- 
schichtsphilosophie«*, das  seit  1908  in  3.  und  4.  Auflage  mit  betriebt- 
liehen,  namentlich  geschichtsphilosophischen,  Erweiterungen  Torliegt  (LoifH 
sig,  Duncker  ft  Humblot).  Dieses  Buch  dürfte  wohl  das  Hauptwerk  der 
historischen  Methodik  sein  und  ist  unseres  Wissens  beinahe  nneingeschriiikt 
anerkannt  und  als  Nachschlagewerk  benfltst  worden  (n&her  auf  seinen 
hohen  Wert  und  auf  einige  Ansichtsferschledenbeiten  geht  der  Anfisats 
des  Beferenten  ein:  ^ Geschichtswissenschaft  und  Philosophie",  in  «Nord 
und  Sfld'',  Jahrgang  29,  Heft  887,  April  1905).  Das  Buch  Tortritt  be- 
greiflicher- und  erfreulicherweise  das  Allgemeingültige  der  Geschichts- 
wissenschaft, allerdings  einschließlich  des  BahmeDS,  in  welchem  sich 
Sondergültiges  entfalten  kann.  Wie  sehr  es  auch  dort  anerkannt  und 
benütit  wird,  wo  dies  mancher  aus  Terschiedenen  Gründen  nicht  sofort 
erwarten  mOohte,  seigt  der  Umstand,  daß  es  in  dem  wertroUen  .Kompaß' 


Bio  gateUehtiwiMauohafllieher  Btadieaplan.  69 

▼•B  Oeradaui  mehimals  (baMmdcn  8. 186)  angeffthrt  wird,  und  daß 
B.  Dihri  ,J«rait6Dfiibeiii^  Öfter  darauf  iwfiekkommen  (Augabe  1904, 
batMdttB  &  471,  474,  785  und  polemiMh  8DIX  Aoeh  L.  Foncks  eben 
«WiMMMehaftliebei  Arbdien.  Beitrige  iw  Methodik  des 
i  Stndiiimi*  (Innebraek  1908)  Terwertet  Bemheimiohe  Gnmd- 
lagn  io  beeoaders  anerkennender  und  aasfAbrlieher  Weise. 

AUerdlnga  gebt  das  »Lehrbneb"  nur  auf  die  Methode  der  Syste- 
matik seiner  Wissensebafl  ein,  nicht  auf  die  Methode  ihrer  Didaktik. 
Aach  die  kone  popnüre  Fassung,  die  der  Aitor  dem  Inhalte  seines 
graAea  Werkee  gegeben  hat,  ond  iwar  in  der,  die  M8*nunl<uig  GOsehen* 
nsrenden,  »Einleitung  in  die  Gesebiehtswissensehaft'*  (1905),  greift  nieht 
ia  OBser  Thema  liinflber.  Doeh  sei  dieses  popol&re  Bachlein  hier  wenig- 
itsas  einiger  Hinweise  gewürdigt.  Namentlich  weift  es  sehr  feinsinnig 
ftber  das  melirerwihate  SondergHltige  sa  sprechen.  Wir  bekommen  (8. 18 if.) 
fOB  ft&nf  gegenwärtig  herrsehenden  Geecbiehtsanschannngen  so  hOren.  Als 
die  letite  von  ihnen  ond  als  die,  aaf  welche  sich  nach  der  Übeneogoag 
des  Autors  «am  besten  eine  allseitige,  tod  keinen  sjstematisehen  8onder- 
isteressen  eingeengte  Geseliiehtsaiiffassang  und  -methode  begrftnden  lißt, 
lanen  wir,  ob  nun  mit  oder  ohne  Glanben  an  diese  ObjektiTitit,  die 
.Hvmaaititsphilosophie*  kennen.  An  erster  Stelle  war  die  ^dnalistiseb- 
tbsokratisebe  Geschichtsanscbainng*  anfgefUhrt,  wobei  namentlich  die 
Ansrkennnng  bemerkenswert  ist,  welche  der  Autor  der  heutigen  orthodoz- 
katbolischen  und  orthodox -protestantischen  Geschicfatsanschaonng  su- 
kemmen  lAftt.  Im  übrigen  tritt  besonders  Bemheims  Festhalten  an  dem 
^siifiscben  der  GeschichtswiBsensehaft  gegenflber  dem  Andersartigen  der 
Nsturwissanschaften  henror;  und  die  Schwierigkeiten,  ToUe  Objektifitit 
so  erreichen,  werden  namentlich  in  §  5,  .Auffassung  des  Znsammen- 
ksBges*,  offen  dargelegt,  mit  besonderem  Hinweis  auf  unsere  ,»Wert- 
srteile«. 

Indessen  sind  llkrunsdiesesjstematiscb-methodologisehen  Leistungen 
Bernbeime  diesmab  nur  sekundir,  am  anregendsten  Tielleicht  dadurch, 
daft  wir  hoffen,  der  Autor  werde  dereinst  die  Didaktik  seiner  Wissenschaft 
•cUeditweg  ebenso  grtindlich  und  umfassend  su  behandeln  TermOgen,  wie 
ihre  Sjstematik.  Kehren  wir  jetit  su  dem  snrflck,  was  er  Torerst  als 
Attliofe  su  einer  Ton  uns  soweit  gesteckten  Aufgabe  Torgelegt  hat,  so 
sind  wir  gleich  wieder  geswungen,  Aber  diese  Speiialitit  nach  einer 
inderen  Seite  hinaustugreifen.  Professor  Bemheim  ist  nimlich  wohl  der 
«aeigiscbeete  aktiT-akademische  Vertreter  dessen,  was  als  Hauptteil  einer 
Hechechulpidagogik  den  Namen  einer  ȟniTersit&tsp&dagogik'' 
(Ihren  mag.  Bereits  1898  hat  er  in  seiner  Schrift  ,,Der  üni?ersitits- 
entsnicht  und  die  Erfordernisse  der  Gegenwart*  das  nach  seiner  Ober- 
uagnng  Mangelhafte  in  der  akademischen  Didaktik  scharf  gekennseiehnet; 
und  seine  Bektoratsiede  fon  1899:  »Die  gefihrdete  Stellung  unserer 
dsatschen  CniTcrsitlten*,  ist  eine  Tielleicht  noch  dringender  rufende 
Riglnaung  data,  mit  aasdrttcklichem  Hinweis  auf  das  auch  theoretisch 
Netweadige  and  auf  die  Auflage  eiaer  Bearbeituag  der  daraus  erwach- 
seadea  Aa^abea. 


70  Ein  gMehichtswiMttiMluiffUieher  BladieipUn. 

In  der  jettiges  Schrift  werden  geradem  Übungen  im  hieteiiMhen 
Lebrrertrege  gefordert  Dies  gebt  iwar  vielleicbt  fflr  mnneben  imdidAk- 
tiieh  Denkenden  etwu  wdt,  scheint  nne  aber  geradesn  nnentbehflieb 
in  sein,  snmai  fflr  künftige  Didaktiker  selbit.  Und  swar  iit  ee  dem 
Anter  mit  Beeht  nicht  nm  eine  Beschränkung  anf  kflnftige  BchnUehrer 
sn  tnn;  Tielmehr  denkt  er  dabei  anch  an  den  kfinftigen  Hochscholiehrer, 
anerkMint  aleo  die  (dem  Beferenten  manchmal  fibelgenommene)  Möglich- 
küt  oder  sogar  Notwendigkeit  einer  p&dagogischen  Bildung  der  Hoch- 
sehaUehrer.  DaA  dabei  noch  nicht  in  die  Verschiedenheiten  iwischen 
pidagogischer  Lehramtskandidatenbildnng  und  pidagogiseher  Dosenten- 
bildnng  eingegangen  werden  kann,  liegt  nahe:  «denn  die  Grundbedingungen 
einee  guten  Vortrages  sind  formell  und  sachlich  fflr  beide  Kategorien 
dieselben*'.  Es  erfordert  «die  Ausarbeitung  eines  guten  Vortrages  sowohl 
in  der  Schule  wie  auf  höherer  Unterrichustufe  dieselbe  kritieche  Ver- 
wertung der  Literatur  und  der  QuelleD,  dieselbe  Technik  der  Komposition 
und  Veranschaulichung*;  Torschieden  sei  nur  der  Grad  der  Vertief  sog 
und  Ausfflhrlichkeit. 

Damit  stehen  wir,  nachdem  die  Darlegungen  über  die  historischen 
LehryortrSge  mit  trefflichen  Bemerkungen  abgeschlossen  sind,  in  Bero- 
heims  «Studienplan''.  Entscheidend  ist  hier  vor  allem  das  Verlangen 
nach  praktischen  Übungen  vom  ersten  Semester  an.  Mit  diesem  Wider- 
spruche gegen  die  geläufige  Praxis  und  Theorie  hat  der  Autor  unseres 
Erachtens  so  Tollstftndig  Becbt,  daß  uns  jegliche  Versäumnis  dagegen  tu 
den  gefährlichsten  Hemmungen  des  akademischen  Lehrens  und  Lemeas 
sn  geboren  scheint.  Selbstferständlich  darf  man  sich  nicht  «zu  frflh 
spezialisieren*;  aber  man  darf  sich  anch  nicht,  wie  wir  sagen  mochten, 
«SU  spät  generalisieren'*,  und  die  auf  Selbsttätigkeit  gegründete  Einfflhrang 
in  das  Allgemeine  und  Allgemeingültige  des  Faches  ist  eben  unentbehrlich. 

Bernheim  macht  auch  noch  spesiell  auf  die  Vorteile  seines  Vor- 
gehens und  anf  die  Gefahren  eines  gegensätslichen  aufmerksam.  Dort 
lernt  der  Studierende  sofort,  «was  wissenschaftlich  arbeiten  heilet  und 
welche  Kenntnisse  dazu  nOtig  sind*.  Namentlich  die  Hilfswissenschaflen 
stehen  ihm  ohne  dieses  Verfahren  als  tote  Wissenslast  entgegen;  «eine 
Einsicht,  die  ihm  viel  zu  spät  kommt,  wenn  er  erst  in  forgerfickten 
Semestern  an  Übungen  teilnimmt,  zu  einer  Zeit,  wo  er  gar  nicht  mehr 
imstande  ist,  die  gewonnene  Einsicht  entsprechend  zu  ▼erwerten*'.  Paza 
dann  noch  die  zeitige  Erprobung,  ob  die  erwählte  Studienbahn  paßt,  oder 
ob  sie  mit  einer  anderen  Tertauscht  werden  mol^.  Für  den  Lehramts- 
kandidaten kommt  noch  dies  hinzu,  daß  er  die  Wahl  seiner  «Nebenfftcher** 
umso  eher  und  bestimmter  treffen  kann,  je  früher  er  im  «Laufe  der 
Studien  dorch  praktische  Übungen  auf  Tertchiedenen  Gebieten  Gelegen- 
heit genommen  hat,  seine  Neigungen  und  Fähigkeiten  kennen  zu  lernen 
und  zu  erproben*.  Selbst  solche  nicht  unwichtige  Bestandteile  der  ge- 
samten akademischen  Studientätigkeit,  wie  die  Ferienarbeiten,  machen 
sich  umso  leichter,  je  früher  er  in  das  selbsttätige  Arbeiten  eingefflhrt  wird. 
Natflrlich  warnt  Bernheim  mit  Becht  vor  der  Ycrfrflhten  Teilnahme  an 


SiB  fMcUehtmataaMhAftUcher  StadioopUn.  71 

koharaa  Stmiamta,  wl^eod  er  oagekahrt  die  Teilnahme  tos  Fort- 
gMchritteaeo  «a  AnllBgerflboqgeii  lebhaft  empfiehlt 

Des  ^HietoriaebeB  HilfewiaienecbafteD*'  engeres  SinaeB  und  den 
»SUCH  and  Nebenftehera  der  Geeehichte*  widmet  der  Aator  noch  be- 
leadera  Anweiiaagea»  mit  ipeiieUem  Henrorkehrea  der  Philosophie.  Doch 
•cheiat  aae  hier  der  Aator  etwat  id  fiel  aof  dae  blofte  Gelegenheits- 
phileeophieres  sn  gaben,  wean  er  t.  B.  pejehologiiehe  and  istbetisehe 
Oeakweiae  ia  arehiologiaehea,  pal&ograpbiaehen,  knaithistoriichen  Obangen 
gewiaaea  lassea  ivilL  JedeafaUe  aber  wird  Bemheim  mit  ans  einig  sein, 
wsaa  wir  in  seiaem  Sinae,  ja  im  Biaa  einer  Hoehsehnlp&dagogih  ttber- 
hupt»  das  haopteiehliehe  Faehitadinm  des  Stadentea  sam  s^genanatea 
KeaieatratioBsgsgegeastaBde  seiaer  gesamten  akademischen  Arbeit  ge- 
■aebt  sehen  wallen.  Vvt  kann  diee  eben  aaeh  mit  eiaem  antoaomea 
Betriebe  der  Philosophie  erledigt  werden.  —  Über  die  PAdagogik  hOren 
wir  Ahaliefaes;  doch  Yerdieat  der  noch  allenthalben  herrschende  Mangel 
la  siaer  wirkliehea  aad  sjitematisch  geschlossenen  Vertretaag  der  Pftda- 
|sgik  im  akademischen  Kreis  einen  abermaligea  Protest 

Wir  habea  bereits  angedeatet»  nach  welchen  Bichtangen  wir  die 
Asfistellnngen  Bemheims  f5r  nicht  so  einiig  richtig  halten  mochten,  wie 
Bssh  den  ftbrigen  Bachtongen.  Pie  Yorlesaagen  sind  nan  einmal  eia 
sksdemiaehes  Gat»  das  swar  darch  Beechaeidang  seiaer  Üppigkeiten  ge- 
«naea  soll,  dessea  kaostroUe  Aasgestaltnag  jedoch  nicht  TersAamt 
wenUa  darf.  Zn  den  gegen  sie  gestellten  Beforsngangen  des  Seminar^ 
wsssas  aaw.  kommt  nun  noch  eine,  wenigstens  in  der  tatsächlichen  Praxis 
fsOhrliehe,  Sache.  Weite  Kreise  ignorieren  oder  hassen  geraden  den 
Übaagaanterricht,  da  seia  »Drill'*  nsw.  mit  der  akademischen  Freiheit 
safsniabar  sei.  Es  scheiat  aas  nan  wahrlich  nicht  bald  etwas  leichter, 
js  sogar  tiefer  in  der  Natnr  der  Sache  liegend,  tn  sein,  als  eiae  —  kars 
geosgt  —  freiheitliche  Pflege  der  Obangen.  Deshalb  scheint  ans  aach 
fienheims  Neigung  sa  einem  Zwange  bierin  wenigstene  nicht  nOtig  sa 
leia.  (Die  diesbeillgliche  SUlle  der  1.  Aaf  läge,  S.  6,  ist  in  der  2.  Aof- 
l^e,  8.  69,  anfcriadert  beibehalten.) 

Allerdings  spielt  hier  aach  die  Staatsprüfang  mit  hinein,  die  ja 
ihrem  Wesen  nach  Ober  die  eigentlich  akademische  Welt  hinausgeht. 
BeiaheinD  Tcrteidigt  die  bei  ihm  tn  findenden  Sporen  Yon  Zwang  dnrch 
fiaeB  Hiaweis  aaf  Zwaagsmfiftiges  ia  den  Examina  (2.  Auflage,  S.  19 
•ad  28).  Mit  allem  Becht  bedaaert  er,  daA  die  »ZwaagsmaAregelS  als 
vekha  die  Examiaa  sn  beseichaen  seien,  „in  der  Tat  sa  anfreier  and  ia 
gioftem  umfange  sa  höchst  aDwisseaschaftlicher  Arbeit  feranlaOt**.  Dies 
ist  sa  richtig,  daA  wir  Aber  diesea,  auf  absehbare  Zeit  schwer  Tcrmeid- 
bsrea,  EiagrüF  ia  die  akademische  Freiheit  einerseits  traaera  dürfen  und 
sademaaita  aber  aaeh  hia wider  alles  aufbieten  mflssen,  am  eiaea  solchea 
sthidlkhen  Einfinft  möglichst  sa  Terriagem  aad  nicht  etwa  noch  von 
skadamischer  Seite  selbst  aas  su  begflnstigen. 

Wie  sehr  Bemheim  das  Wesea  der  akademischen  Freiheit  Yenteht 
•ad  darehsafahrea  beetrebt  ist,  erkeanen  wir  aach  an  manchen  Nuancen 
im  den  Ton  ihm  gegebenen  Übungsbeispielen.    Die  »Auffassung",  hiemit 


72  Etil  getdiichtswiiseBBChaftlicher  Stndieoplan. 

adso  ein  freiheitliebet  Moment,  wird  in  dieien,  noch  liemlieh  elementaren, 
Obnngen  ebenfalls  betont  (s.  B.  8.  61  nnd  68).  Ein  ganx  eigenee  Anf- 
gabenpaar  (8.  64-—66)  beschftftigt  eich  mit  der  Tersehiedeaen  Anfraerang 
der  Geiehichte  Gregors  VII.  bei  einem  antikatholisehen  nnd  einem  katho- 
liiehen  Sehriftsteller.  Dasn  gehört  aneh  eine  «BrOrtermig,  ob  nnd  wie- 
weit es  möglich  scheint,  sieh  Ton  den  Gegensfttien  der  Anschannng  un- 
abhängig IQ  machen,  was  doch  der  Forscher  wie  der  Lehrar  mQ5,  da  er 
ans  Werken  Ton  erentnell  so  Tenehiedener  Auffassung  su  lernen  und  su 
lehren  hat:  Tendens,  Unparteilichkeit,  Objektifität«. 

Eine  der  wichtigsten  und  Tielleicht  wenigst  beachteten  Schwierig- 
keiten, etwa  als  ein  «hochschulpftdagogisches  Paradozon*  su  beieiebnen, 
wird  auch  Ton  Bemheim  mit  Entschiedenheit  behandelt  Frtge:  Wie 
lehrt  und  lernt  man  in  sehr  beschränkter  Zeit  das  nnermeOliehe  Gebiet 
einer  Wissenschaft?  Bemheim  antwortet  mit  seinem  didaktischen  Metho- 
dismus :  Beschränkung  auf  Kollegien  über  besonders  wichtige,  lentrale 
Steife  und  weiterer  Kenntniserwerb  von  da  aus  durch  susammenfasacBd 
orientierende  Vorlesungen  und  durch  Lektüre  (S.  76).  Der  Kern  dietee 
Gedankenganges  ist  der,  daß  Torbildliche  Beispiele  wissenschaftlicher 
Darbietungen  die  weitere  Eigentätigkeit  bestimmen.  Dies  ist  so  richtig, 
daA  es  aufs  lebhafteste  sur  Befolgung  empfohlen  werden  muß.  Immerhin 
aber  dflrfte  doch  wieder  eine  Gefahr  darin  bestehen,  daß  der  Studierende 
schließlich  wichtige  Teile  seines  Gebietes  nicht  lu  fassen  bekommt.  Dem 
Referenten  seheint  hier  nur  das  Ton  ihm  mehrmals  empfohlene  Doppel- 
mittel möglich  nnd  notwendig  su  sein:  erstens  eine  ensyklopädiadie 
Übersicht  fiber  das  Gänse  des  Gebietes,  und  sweitens  erst  die  mnater- 
gebenden  Spezialitäten  („Torbildliche  Kreisausschnitte^). 

Nun  wird  jene  ensyklopädische  Durchnahme  des  Ganzen  kaum  in 
einer  Disziplin  so  schwierig  sein,  wie  eben  in  der  Geschichtswissenschaft 
In  dieser  handelt  es  sich  zunächst,  genauer  gesagt:  luletst,  um  die  so 
flberans  weite  Masse  von  Tatsachen,  als  den  Ergebnissen  der  wissen- 
schaftlichen Forsehongen.  Der  Gedanke,  all  dies  in  einer  enzyklopädischen 
Übersicht  zusammenzufassen,  kann  geradezu  schwindlig  machen;  man 
denke  nur  einmal  an  das,  was  ^Orient*  heißt,  zumal  bei  dem  jetzt  an- 
wachsenden Interesse  für  dessen  älteste  und  neueste  Zeiten!  Sodann 
aber,  oder  Tielmehr:  vorher,  bandelt  es  sieh  in  der  Geschichtswissensohafk 
um  die  erst  recht  weite  Masse  der  Medien,  durch  welche  hindurch  zu  den 
Tatsachen  Torgedmngen  wird:  also  um  die  Quellen  im  weitesten  Sinne, 
kurz  um  die  historischen  Materialien,  und  endlich  oder  erstens  handelt 
es  sich,  gegenüber  all  diesen  Einzeldingen,  um  das  Allgemeine,  das  fttr 
die  Quellen  und  die  Tatsachen  in  Betracht  kommt,  also  ungefUir  um  das, 
was  den  Inhalt  Ton  Bernheims  Lehrbuch  ausmacht. 

Nun  denkt  unser  Autor  jedenfalls  an  eine  Enzyldopädie  des  All- 
gemeinen, indem  er  (8. 78)  auf  Vorlesungen  hinweist,  die  da  als  „Historisdie 
Propädeutik,  Methodologie,  Einf&hrung  in  die  Geschichtswisaenachafl» 
allgemeine  Quellenkunde'*  usw.  gehalten  werden.  Indessen  bleibt  immer 
noch  die  Orientierung  über  jene  beide  Massen  fraglieh.  Darauf  finden 
wir  eine  Antwort  dort,  wo  Bemheim  auseinandersetzt,  wie  nach  seiner 


EiB  |t«<c^l<^^ttwbieiiBötiftÄJtcher  StadieaplAii, 


73 


Bg  dl«  tmoöligeD  gt^terett  YorEeiQngea  enetst  werdan  «olleii.     gr 
«blt  dftfttr,  »bgeitoken  too  praktiiebea  ÜbQD^«D  und  toq  KombJQfttiGii 
atiieber  DArattUiQ^   mit  lolcheo  ÜboDgeo,   haapteAeblieh  ^kurte 
ilifrUgiTorleitiitgen'*^    «worin  eine    g^drun^ne  Übereicbt    Aber    die 
ll«ntt  d«a  Stoffe«  unter  ir«ient]icbem  HerTorhebdu  dar  Auffaßt ang^ 
gebcD  wird  und  die  HOrer  durcb  KftCbwei»  der  kliBsiacheD  Haaptwerke 
ii&DdbQeb«j-  angeleilet  werden»  ticb  die  ÜetaitkeDntnUse  aelbuttätipc 
■«B*  (erftt  in  2.  Anftftge,  S.  10).    D&durcb  icbeint  nna  aber  doeh 
der  fbr  LebruntBkandidateii  wicbtige  Teil  der  Welt^escb lebte 
m  teti].   Wie  d&nn  die  Forde  mag  ejoes  ensjklopftditcbeti  Durch- 
Weltgeichicbte  icblecbiveg'r  sQVobl  die  TateaGben  wie  auch 
» ^tulleiiiimterial  nmfaiieodt  Terwirklicbt  werden  ki>niitef  mäHsen  wir 
ffttdfii  «li  eine  offene  Frage  weiteren  ErOrtenmgen  überUsBen^ 

Hau  «ber  h&odell  ei  sieb  —  and  mar  bereite  in  der  ersten  Ab- 
lüiuif  dee  B&cbleiBs  ^  am  die  sogeoannten  Obangakollegien  oder  Seminar- 
iloftn^  Ibnen  gilt  Bernbeimn  besondere«  Interesse.  Er  bespricbt  aneb 
4tf  Mannte  Übel  der  ÜberfOllong  ton  Beminarienf  bei  wetcbem  das  ,,Ideai 
in  ifnilaftriit] Beben  Lehrrerfabreni  im  Sinne  der  mDgli^^bit  intenaifen 
InQitiiing  der  Zeit  la  anmitlelbarer  GeiBlesarbeit  der  Beteiligten**  nicht 
Mfar  irrejebt  werden  kann,  well  datn  ^eder  in  jedem  Augenblicke  an 
Itr  i^rgetegten  Untersnchnng  p  Interpretation  oder  waB  an  sei  ^  wirklich 
iKUtbeiten  mnG  (S*  15).  Die  Abhilfe  faiid  Bernbeitn  In  dem  Verfahrenr 
itlreiid  der  Seminar  standen  selbet  Bcbriftlicbe  Ei  gen  arbeiten 
Mde»  tu  taiien,  .tu  kleincD  ünteranchnngen  im  unmittelbiiren  Verfolg 
dir  (letuntniiterflBehnng*.  Eine  merkwürdige ,  wenn  auch  nicht  enge» 
iul<9^r  tn  den  didaktjscben  EOnaten,  die  in  eiDklaBBigen  Volkaacbulen 
ui|tDoten  werden  mSa«eD,  nnd  iChliellUcb  ein  Entgegenkommen  gegen 
da  Drai»;  der  Jn^end  nach  eigenem  Hau  dun  legen! 

Da#  won  Bern  heim  angegebene  Mittel  ist  fon  verhl  äffender  Ein- 
ta^^it  nnd  Talkraft;  nnd  der  Erfolg  iit  f^r  manche  Dozenten»  die  d& 
klifei»,  i%&  lie  ihre  Lente  la  keiner  rechten  Mitarbeit  bringen  kOnnen, 
mi  recht  Terblflffend.  Kein  einxiger  ^emiDariatt  berichtet  der  Antor 
*tVe  liai  «.etwa  aU  einen  nnliebeamen  Zwang,  ab  eine  aebnlmfi&ige  Er- 
i4«4li|ting  empfanden;  rialmehr  erregte  die  intenaive  Anapannong  der 
üfietD  Titigkeit  nnr  daa  lebhafteste  Intereue  nnd  alle  gingen  mit  Eifer 
«f  daa  nicht  gewtybnliebe  Verfahren  ein*". 

Wie  non  dieaea  Verfahren  im  ein  seinen  gerechtfertigt  nnd  dann 
^ircbv'e?Qtlirt  wird^  kann  hier  nicht  nacfageteicbnet  werden.  Nur  aei  noch 
dtfiof  aafnierkaam  gemacht,  daD  et  nach  Bernbeimi  Worten  (S.  19) 
tsstttfieh  im  Anfange  des  SemeBters  nn gemein  dato  dienen  kannte. 
»^Fflblmig  des  Lloienten  mit  den  Teilnehmern  nnd  daa  lebendige 
iMiTtise  derselben  ttr  die  i^ache  aehnell  und  inteneif  herznatellen.  Dlei 
seoerdingB   nmto  empfeblenawerter,   da  ja  die  Abitarienten  aller 

I  SchnlgaHnngen  mit  ihrer  ao  Terachiedenen  spraeh lieben  Vorbildung 

3ta4i«a  tagelaftten   sind    nnd  es  reebt  zweckmäßig  ist,   wenn 

r0Mi«l0«ltfenhelt  findet,  ünsnlinglichkeiten  bei  dem  Einzelnen  bln- 


_M- 


74        Zur  griech.  und  UtoiD.  Lektflre  aa  «Dserain  GymoMiaiii.  VII. 

nehüich  der  SprtehkeimtDiBte,  besonders  im  Lateiniseben,   sa  bemerken 
nnd  nnf  reebtseitige  Kaehbolnng  Unsoweisen*. 

um  die  Snebe  gleieb  pmktiseh  so  teigen,  bat  unser  Antor  in  der 
nenen  Auflage  (S.  50—^)  noeb  ein  weiteres  Beispiel  von  Anfibgetüboiigen 
eingescbaitet:  «Übungen  Aber  das  Wormser  Konkordat  mit  sebriftti^hen 
Arbeiten  in  den  Seminarstnnden  selbst^.  Das  Beispiel  gebt  aneb  anf  die 
Biaselbeiten  ein  and  f&brt  namentlieb  merkwürdige  tjpisebe  Obersetinngs- 
febler  Tor.  —  Es  ist  sehr  sn  wfinseben,  daA  von  anderen  Doienten  des 
nimlieben  sowie  sonstiger  Ffteber  analoge  Beispiele  gegeben  würden. 
Voranssiehtlieh  wird  dann  die  Übersiebt  Aber  ein  mehrfaebes  deraitigts 
Material  seigen»  wie  Tiel  doch  Aber  den  jeweiligen  Versebiedenheiten 
Gemeinsames  bleibt,  das  sieb  sebli^lieh  sn  einer  engeren  oder  wetteten 
akademlsehsn  Didaktik  Tordiehten  kann. 

Berlin-Halensee.  Dr.  Hans  Sehmidknns. 


Zur  griechischen  and.  lateinischen  Lektüre  an 
unserem  Gymnasium. 

VII. 
Aach  die  Platolektflre  bespricht  H.  Scbenkl.  Er  fordert,  daft 
Ton  Piaton  etwas  gelesen  werde,  worin  seine  wahre  Bedentnng  nnver- 
kflrat  zur  Geltung  komme,  rit  Mheren  Stafen  schon  sng&ngliche  StQcka, 
wie  die  biographische  Einkleidang  des  Pbftdon  in  der  Y.,  den  Kriton  in  der 
VIT.  Kl.  tu  lesen,  bedauert,  daO  bei  nns  der  Hanptanteil  der  PlatonlektOre 
anf  Apologie,  Kriton  nnd  die  paar  Phftdonkapitel  falle,  wo  der  echte  Platon 
wenig  sn  Worte  komme,  nnd  daß  Yom  wissenschaftlichen  Dialoge  dabei 
kein  ? oUgiltigea  Master  geboten  werde.  Endlich  konstatiert  er  mit  Recht, 
da  es  kaum  mOglieh  sei,  eine  stets  befriedigende  Vorschrift  für  Platon  aof- 
znsteilen,  solle,  wenn  irgendwo,  hier  «der  Entncheidang  des  Lehrers  mög- 
lichst freier  Baam*  gelassen  werden.  Statt  aber  hier  abaabrechen,  empfiehlt 
er  die  52  Teabnerseiten  der  Gesprftehe  mit  Polos  and  Gorgias  aas  dem 
Gorgias,  bezeichnet  den  Protagoras  trotz  der  bekannten  Vorsikge,  darunter  des 
ümfanges  Ton  6ß  Teabnerseiten,  die  ihm  h&nflg  genug  die  Wahl  sicherten, 
als  unklar  und  unflbersichtlich  (fgl.  Instrokt.  S.  104),  will  das  Symposien 
der  PriYatlektflre  ttberlassen,  wfthrend  er  sich  tou  den  übrigen  größeren 
Dialogen  keinen  hinreichenden  Erfolg  verspricht.  Dann  wird  der  EuthTphron 
als  zu  wenig  ertragreich,  Laches  als  zwar  ftnßerlich  leicht,  für  das  innere 
Verständnis  aber  schwer,  Lysis  und  Charmides  (mit  25  und  SO  Teubner- 
Seiten)  als  gut  geeignet  bezeichnet.  «So  bilden",  schlieftt  er,  „Apologie, 
Lysis,  Charmides,  Gorgias  (bezw.  der  erste  Teil)  nnd  Protagoras  einen 
hinreichend  großen  Umkreis,  ans  dem  der  Lehrer  ein...  Programm  ao- 
sammensetsen  kann",  und  sein  Lehrplan  lautet:  „Apologie  oder  ein 
kleinerer  Dialog;  dann  ein  grOüerer,  bezw,  ein  abgesohlosseaes  Stück  aas 
einem  solchen*.  Das  Teabnerseitenminimnm  wird  nieht  bestimmt.  Daneben 


wmd  lalifa.  Ukttf*  m  Bisenn  GTUiMiiiB.  YU.       75 

4nokt  ar  den  j«M  güligen  Lduplan  ab:  »Die  Apologie  als  Binleitmif, 
lüi  im  UeiaeroD  oder  eiser  der  bedeoteoderoD  Dialoge*.  Sein  Lehrplaa 
UM  ne  aleo  die  Wahl  iwieebea  der  Apologie  und  einem  der  kleineren 
Dialage  md  iviagt  um,  einen  der  größeren  in  leeen.  Darin  aehe  iefa 
km9  beeondeio  Freilieit.  Seine  DeUilTOfechlftge  uehen  aber  den  Kreie 
«gar  ale  naeer  Lebrplan;  er  nimmi  ana  Laehee  and  Entbjphron  nnd 
«■pfieblt  ona  nnr  Oorgiaa  oder  Frotagorae»  die  noeer  Lehrplan  bei- 
•piabweiae  anftbrtt  D«r  jetaige  Zoatand  iit  mir  da  lieber.  £a  wire  beaaar 
faneaan  m  leigoa»  daA  irir  fftr  die  Platonlekttkre  nnbedingt  mehr  Zeit 
biMchen,  atait  nna  eolehe  Inatroktionen  so  bieten. 

Vor  allem  fehlt  die  genaoere  Darlegung  dea  Standpnnktee  fftr  die 
Aiavahl;  daa  vom  .echten  Piaton'*  iat  in  wenig.  Man  kann  bei  der 
AmvaU  den  2week  ▼erfolgen,  der  Jogend  nur  ein  Bild  dea  Sokratei  vor 
Aafea  la  atellen  oder  aie  mit  philoaophiaehen  Bntwioklnngen  Tertraat  in 
man  kann  haaptaiehlieh  aaf  den  ethiaehen  Gehalt  Bflelnieht 
oder  endlieh  mehrere  Zwecke  sogleieh  Teifolgen.  Sin  Moater 
wiiaenaehaftlichen  Dialogea  la  leaen,  kann  nnr  Nebeniweek  eein, 
lavia  die  Zahl  der  Teobneraeiten  nicht  die  Hauptrolle  an  apielen  hat. 
Waa  Sehenkl  rit,  kann  allea  nach  nnaerem  Leiirplane  geleaen  weiden 
■ad  glflcklieherweiae  noch  Tiel  mehr  —  ich  meine  natttrüch  nicht  Tenbner- 
Müaa;  denn  in  dieear  Hineicht  aind  wir  leider  in  aehr  eingeachrinirt. 
Wann  bei  nna  anitar  der  Apologie  oft  nnr  noch  der  Kriton  and  die 
PkUoakapttel  geleaen  werden,  ao  liegen  die  Qrflnde  banptaichlieh  in 
dam  StnndenanamaA;  man  lieat  aber  doch  aneh  aaderea,  wie  i.  fi.  Oorgiaa 
adar  Fratagoraa. 

Die  Phidonkapitel  nnd  den  Kriton  kann  man  eich  nach  H.  Sahenkl 
vm  aiaten  Semeeter  der  V.,  betw.  VII.  (neben  Diona  Saboikoa»  besw. 
D«naatiienee'  Fiiedenerede)  anasnehen.  Waa  denn  hindere,  fragt  H.  SchenU, 
daa  n  tan,  nftmlich  daa  eng  ZaaammengehOrige  anaeinander  in  reißen. 
Dia  Antwort  iat  nicht  achwer  an  geben. 

Qerade  die  neaeate  Zeit  hat  nna  ftbrigena  beiflgUch  der  Aaawahl  der 
Flalanlektflre  eine  Reihe  anageieichneter  Darlegungen  gebraeht  Dnaece 
liitraktionen  atehen  im  gansen  noch  auf  dem  Bonitsaeben  Standpunkte; 
aniaha  Lehrer  werden  ihre  eigenen  Wege  gehen  oder  aich  auch  aolchen 
aaiahliaßen»  die  einen  von  den  Inatruktionen  abweichenden  Standpankt 
jedenfalla  lAßt  ona  der  Lehrplan  Freiheit.  Boniti  befand  aich 
I  Verhiltniaaen  gegenftber  in  einer  achwierigen  SitaatioD,  diea 
taigan  aeiae  Worte  in  dom  bekannten  Aufaatie  in  dieaer  Zeitachr.  1855, 
8.  790C  Nach  aeinen  Gnmda&tien  iat  aaßer  dem  Theaetet,  Sophietea, 
Pelttihea,  Pannenidea,  Phileboa,  dem  Staat,  Timioa,  den  Geaetien  auch 
Maaen,  Bnthjdom,  Phidioa,  Sympodon  und  Phidon  wie  der  Jon,  Hippiaa, 
Alkibladee  aoatnachlieflen,  Laehee  wird  ala  wohl  geeignet  beteicbnet»  der 
BrfUg  der  LektAre  dea  Bnthyphron  bei weifeit,  Gharmidaa,  Lyaia  aad  Haue- 
maae  nicht  geiaten.  Empfohlen  werden  Apologie,  Kriton,  Protagoraa  und 
Soigiaa.  Waa  H.  Sahenkl  forachligt,  bedeutet  keinen  Fortachritt  gegen 
BaiilL  Wir  braadien  die  Freiheit  nicht,  auf  die  Apologie  Tcnichten 
n  kanaea,  die  nach  dem  Obereinatimmenden  Urteile  £aat  aller  Schol- 


76       Zar  grieeh.  imd  latain.  Lektüre  an  nneerem  OymiiMiiim.  VII. 

m&BDer  und  Gelehrten  jeder  Abiturient  einee  GyniDMiiime  gdesen  haben 
•oU;  ich  nenne  nnr  aoe  der  letiten  Zeit  0.  Altenbnrg,  A.  t.  Bamberg, 
Kam.  Hnemer,  0.  Jiger,  W.  Jeniealem,  0.  Kehl,  L.  Martene,  G.  Sehneider, 
K.  Seeliger»  Y.  Thnmier,  0.  Weiflenfels  ond  bringe  die  Werte  Theodor 
Gompen'  in  Erinnerung  (Grieeh.  Denker  II,  S.  88):  «All  daa  hat  die 
Apologie  sa  einem  LaienbroTier  etarker  nnd  freier  Geister  gemacht,  dac 
noch  hente  nach  drdnndiwanrig  Jahrhunderten  die  Seelen  ergreift  nnd 
die  Herten  entiflndet  Sie  ist  eines  der  mftnnlichsten  Blleher  der  Wolt- 
literatnr,  wie  kaom  ein  anderes  geeignet,  die  Mannestngend  der  Faasmg 
in  die  Gemflter  sn  pflanien.* 

Die  Vorsfige  des  Gorgias  sind  auch  in  allerletster  Zeit  wiederiiolt 
gerühmt  worden.  Wenn  wir  aber  nnr  einen  Teil  lesen  können,  werden 
wir  nicht  den  von  Seh.  empfohlenen  ersten,  sondern  trots  der  grOfteren 
Zahl  der  Teabnerseiten  den  sweiten  Teil  lesen,  den  onter  anderen  noch 
E.  Sigall  in  seinem  gehaltrollen  Vortrage  Aber  die  Platonlektflre  (Österr. 
Mittelflch.  1902,  8. 21  ff.)  als  fttr  den  ersiohenden  Unterricht  frachtbarer 
beseichnete,  da  er  die  wahre  Lebensaufgabe  som  Gegenstande  hat  Hier 
wird  der  Schfiler  s.  B.  flbsr  die  Modetorheit  des  Nietischeschen  Ober- 
menschentums anfgekUrt  (Tgl.  besonders  G.  Schneider  in  der  Zeitsehr. 
f.  d.  Gwes.  1908,  S.  119,  nnd  Härtens,  Die  Platolektflre,  8.  87),  hier  lernt 
er  durch  den  Mythos  vom  Totengericht  Torsichtig  sein  im  Urteile  Aber 
Lebende  und  Tote.  Vom  Sjmposion  wird  msa  womöglich  die  Bede  des 
AUdbiades  in  der  Schule  lesen,  die  ja  auch  schon  snsammen  mit 
Apologie,  Kriton  und  den  Pbftdonkapiteln  herausgegeben  worden  ist. 
Auch  die  Tollatändige  LektOre  des  Symposion  wie  des  Phaedros  nnd 
Menon  wird  empfohlen  (Max  Hoffknann).  Ober  den  Ertrag  des  Euthy- 
phron  ist  so  oft  ausreichend  gehandelt  worden,  dalS  man  heute  trots 
Bonits  keinen  Zweifel  mehr  hegen  kann,  daß  diese  Lektfire  sieh  lohnt. 
Der  kleine  Dialog  lehrt  die  Methode  der  Begrüfsbildnng,  seigt  also  »in 
Plato  einen  Begründer  der  wissenschaftlicben  Methode*  (G.  Schneider) 
und  führt  SU  einer  Definition  der  Frömmigkeit,  über  die  kein  Zweifel 
besteht  (vgL  Martens,  S.  58),  so  daß  diese  Lektüre  nicht  genug  empfohlen 
werden  kann  (K.  Seeliger).  Ebenso  ist  der  Laches  sehr  geeignet  (vgl. 
Jak.  Mayer,  Lehrpr.  n.  L.  64  [1900],  8.  50  ff.)  und  wird  daher  auch  s.  B. 
▼on  0.  Altenburg,  Fr.  Lohr  und  L.  Martens  angeraten.  Lysis  und  diar- 
mides  hingegen  eignen  sich  Ton  den  kleineren  Dialogen  gerade  weniger 
(YgL  auch  E.  Sigall,  8.  87),  außer  man  llU&t  gewisse  Stellen  aus;  sie  wer- 
den auch  You  den  Schulmftnnern  fast  nicht  empfohlen,  geschweige  denn, 
daß  man  einen  dieser  beiden  statt  der  Apologie  lesen  lassen  wollte* 

Mit  Hecht  betont  wie  Seh.  auch  K.  Eromayer  (N.  Jahrb.  1902,^  II, 
8. 278),  daß  gerade  aaf  dem  Gebiete  der  Platolektflre  Verordnungen  von  Übel 
seien,  daß  die  Fähigkeit  und  Neigung  des  Lehrers  das  allein  Entscheideside 
sein  müssen,  und  in  diesem  Sinne  sagt  Wilamowiti  (Gutacht.  S.  200) : 
,, Apologie  und  Kriton  reichen  nicht  aus,  so  scbOn  sie  sind,  wir  branelMn 
einen  Dialog,  der  das  Hers  packt  und  ernstes  Denken  fordert,  Fbidon, 
Gorgias,  das  erste  Buch  des  Staates,  aber  ein  guter  Lehrer  mag  jeden 
tiefen  und  künstlerisch  schOnen  wühlen,  den  er  bewältigen  ksan.^    Der 


Zu  grieeh.  imd  lateiD.  Lektflre  an  miMrom  OjarnuiniD.  VII.       77 

Km,  in  dem  wir  heute  wählen  kOnoes,  ist  so  weit,  dafi  wir  nur  sehn- 
liekt  wflBicbeii,  mehr  Zeit  Ar  die  grleehiiehe  Lektflre  in  der  YII.  vnd 
?ni.ni  bekommen;  wire  et  mftglieh,  Apologie  ond  Kriton  mm  Ende  der 
TIL  n  leeen,  so  könnte  Tielleieht  auch  bei  nne  ein  hoher  gestecktee 
&1  «reicht  werden,  während  wir  nns  forlftufig  meist  mit  dem  be- 
tthsiden,  wae  man  snletit  aneh  in  Deutschland  wieder  als  Ziel  der  Plato- 
liktln  am  Gjrmnasiom  beseiehnet  hat:  Ein  Bild  der  Persftnliehkeit  des 
Sskrates  tu  gewinnen  (L.  Härtens,  8. 6).  In  unserem  Lehrplan  aber 
biMshte  eigentlich  nichts  anderes  sn  stehen,  ab  was  der  preofiische 
Lahrplan  enthilt:  Piaton. 

Zom  Ersatte  der  beseitigten  Demostheneslektflre  sieht  sich  H.  Schenk! 
Mt^preehend  seinen  Gmnds&tten  nach  Formen  des  literarischen  Knnst- 
mkss  vm,  die  in  dem  bisher  gesogenen  Kreise  nicht  Tortreten  sind  und 
koBot  tonftehst  auf  die  —  Beredsamkeit  Da  er  ein  Semester  der  VL 
frai  hat,  ist  die  Wahl  nicht  eehwer,  sie  ftllt  auf  Lysias  sowohl  wegen 
MDSs  mnstergflltigen  Attisch  ind  der  leieht  Terstindliohen  Darstellung 
all  anch  wegen  der  geringen  Zahl  Ton  Tenhnerseiten  eintelner  Beden. 
Dsft  es  nicht  angeht,  einen  Schriftsteller  nur  tu  lesen,  weil  man  leicht 
riii  lesen  kann,  ist  klar«  Wie  kann  man  aber  Demosthenes  anch  wegen 
Mses  Charakters  Terwerfen  und  Lysias  empfehlen  ?  Bei  Lysias  ist  ea 
deefa  fftUig  ausgemacht,  daft  die  Qestalt  des  ansUndigen  Menschen 
nr  durch  Verschweigen  ? on  Tatsachen  tu  retten  ist,  schOne  Seiten  kann 
Dil  kaum  hervorheben.  Sagt  doch  Wilamowits,  der  tod  Lysias  nichts 
lessB  li5t,  Aber  diesen  (Kultur,  S.  62):  »Sein  Gewissen  gestattete  ihm 
ebflOMgut,  die  diametral  entgegengesetsteu  Tendenten  tu  Tertreten,  wenn 
iia  Angeklagter  dieser  Partei  klug  genug  war,  seine  geschiekte  Feder 
IS  gewinnen...  Er  weilV  den  Ton  der  gekränkten  Dnschuid,  des  harm- 
Isssa  Biedermanns  ebensogut  tu  treffen,  wie  den  des  Ehrabschneiders 
lad  des  Wiitee  einer  eleganten  Spielholle...  Nur  wahres  Ethos,  wie 
Antiphon  oder  Demosthenes,  hat  ein  Mensch  von  solcher 
Moral  solbstTerständlich  nicht:  wie  wfirde  er  Aber  die 
biederen  Schulmeister  lachen,  die  seine  gepfefferten  Heden 
sIs  geennde  Knabenkost  ins  Harmlose  umgedeutet  haben... 
Man  hat  ibn  als  echtesten  Attiker  angesprochen,  mit  Un* 
reeht:  da  ist  syrakusisches  Wesen,  gerade  in  dem  Gelungensten  dem 
8ephn»  Terwandt.*  Anfter  der  .gesinnungslosen  Babnlistik"  führt  man 
gegen  Lysias  anch  noch  an,  daß  er  „die  Kehrseite  des  Volkscharakters 
in  den  Vordergrund  stellt*  (P.  DOrwald)  nnd  daA  der  Stoff  seiner  Reden 
den  Schfllem  fernliege  (H.  Schiller),  während  ihn  andere  als  sehr  be- 
lehrenden Schriftsteller  (O.  Schrader)  gelten  lassen,  „dessen  Oerichtsreden 
■it  den  feingeieichneten  Charakterbildern  einen  besonderen  Typus  bilden, 
der  neben  den  politischen  Beden  des  Demosthenes  seinen  Platt  Yerdiene** 
(ft.  Meister).  Daä  uns  aber  Lysias  den  Demosthenes  sollte  ersetten  können, 
dafsn  kann  keine  Bede  sein*).  H.  Schenkl  verweist  flbrigens  den  Lysias 
vis  den  Demosthenes  in  seine  .tnr  Aaswahl  gestatteten  Ergänsongen". 


1)  Wenn  bei  uns  jemand  in  der  VII.  Kl.  Lysias  vor  Demosthenes 
Isssn  will  mit  der  Begründung,  daß  so  die  Demostheneslektflre  Yorbereitet 


78       Znr  gmtik.  und  Utoin.  LektOre  m  uiiaram  QymttMimn.  VII. 

HiDgegen  wliDiebt  H.  Sehenkl  aofii  dringendste  die  Anfeahnie  efiner 
bis  jetst  nnter  den  grieehiBehen  GymoMialMtoren  nioht  tertretenen  KiHMt- 
form,  die  anf  jogendliehe  Oemflier  eine  starke  Aniiehongsknift  nastafibett 
geeignet  sei:  der  Biognpbie;  also  Lektflre  Plntnrohs,  der  twnr  kein 
Klassiker,  aber  ein  aehtenswertor  Sehriftateiler  sei,  dessen  Grieebiieh 
keinen  Schaden  anriebten  kOnne  nnd  dessen  etbiseber  Gehslt  nnbeswelfelt 
•eL  Es  sei  geraden  nnbegreif Hcb^  daft  der  Lebrplan  sieh  ihn  habe  ent- 
gehen lassen;  offenbar  habe  ihm  die  Überseh&tsnng  des  Begriffes  ^Attfeeh* 
gani  nngereehtfertigtarweise  geschadet.  Da  Offne  sich  ein  weites  Feld 
ersprießlicher,  bildender,  den  Schfller  nicht  ermüdender  Lektttre.  Der 
durch  die  XenophonlektOre  gesehnlte  Sextaner  lese  Plotarch  mit  so 
spielender  Leichtigkeit,  daß  in  einem  Semester  bequem  200Teabner- 
seiton  erledigt  werden  kOnntan.  Er  sihlt  anch  eine  Antahl  Biographien 
anf  und  warnt  dann  noch  den  Lehrer,  sich  in  allta  kleinliche  Wort-  nnd 
Saeherklftmng  einsolassen  —  wieder  ohne  Angst  for  dem  Vorwarf  der 
Leichtfertigkeit—;  so  sei  es  möglich,  den  Schillern  Charakterbilder  (darunter 
jedenfalls  ein  Biographienpaar)  ans  der  griechischen  Geechicirte  des  V. 
nnd  IV.  Jahrhnndertat  ans  der  Zeit  des  Hellenismas,  ans  der  Geschichte 
Borns  ▼onoftlhren  nnd  noch  Zeit  f&r  andere  Ergftnsnng  der  Prosalektllre 
in  erflbrigen. 

Plntarch,  der  Freund  der  Jugend  nicht  bloß,  sondern  auch  der  besten 
(Geister  frflherer  Zeiten,  „wftre  der  ideale  Schriftsteller  fflr  die  reifere 
Jagend,   wenn  ausreichende  Zeit  Yorhanden  wftre,   die  Schüler  an  sein 


S 


werden  soll,  muß  man  sagen,  daß  in  der  VII.  auf  Demostfaenes  eben  Demo- 
sthenes  selbst  am  besten  vorbereitet,  weil  man  ja  snnichst  iwei  einander 
fthnlicbe  Beden  Yomehmen  kann;  die  Zeit  in  der  VII.  ist  in  kortt  als  da6 
man  neben  Demoathenes  einen  anderen  Aator  lesen  könnte,  ohne  daß  die 
Lektflre  des  ersteren  gefUirdet  wftre.  Eine  andere  Frage  ist  die»  ob 
man  in  der  VI.  an  Stelle  der  Memorabilien  Xenophons  Lysias  lesen  soll, 
was  schon  0.  Schrader  (Zeitschr.  f.  d.  Gwes.  1892,  8.  541)  gewünscht  hn,t 
vgl  Verhandl.  der  Berl.  Konf.  ▼.  1890,  S.  216)  nnd  O.  Jftger  (Lehrk.  a.  L.» 
}.  419)  für  möglich  bftlt,  Terwerfen  doch  auch  Fr.Aljr,  P.  Caaer,  Bi^ 
Bichter  die  Lyiiaslektüre  nicht  im  Gegensatse  zu  P.  Dettweiler,  0.  Kphl, 
0.  Macke.  In  Baden  und  Württemberg  wird  Lysias  gelesen,  in  Preußen 
ist  er  nicht  ausgeschlossen  und  eine  preußische  Zirkularferfügung  Tom 
18.  Mai  1897  gestattete  ausdrücklich  statt  der  Memorabilien  eine  geeignete 
Bede  des  Lysias.  Manche  wird  £.  Bosenbergs  Aufsats  (Zeitschr.  U  d. 
Gwes.  1903,  6.  225  ff.)  übeneugen,  daß  unser  Lehrplan  auch  hier  das 
Bessere  aufgenommen  hat,  und  ▼ielleicht  sagen  sie  mit  ihm  (8.  227):  «Man 

konnte  ja  Lyaias  leeen.    Gewiß!  Zum  Buhme seiner  Sprache,  seiner 

Stoffe,  selbst  seiner  Gewandtheit  Iftßt  sieh  manches  sagen  und  auch  als 
Einführung  in  die  Schriften  des  Demosthenes  Iftßt  seine  Lektüre  aioh 
geltend  machen,  aber  ob  eine  Lysiaslektüre  auch  das  Hers  ergreifen, 
das  Altertum  in  seinem  innerlichen  Denken  und  Fühlen  dem  Schüler 
nfther  bringen  kann,  ob  der  Gewinn  an  Kenntnissen  des  GeriebteweeeiM 
und  der  politisch-kulturhistorischen  Geschichte  Athens  sich  Teri^ekliesi 
l&ßt  mit  dem  geistigen  Gewinn,  den  ein  geeigneter  Untenioht  aus  diesen 
einfachen,  oft  hausbackenen,  immer  aber  wahren  und  das  Denken  wek- 
kenden  Darstellungen  und  Gesprftchen  des  Xenopbon  enielen  kann  — 
das  beiweifle  ich."« 


Zv  giMCiL  ud  Utflin.  Lektflre  an  iiiiiarem  OymnMiuii.  VII.       79 

GiiMkiMh  n  gowOhiiM«  tagt  0.  Woßenfelt  (ZdHehr.  f.  d.  Gwü.  1908, 
&  788)  f&r  die  prenftiiclMB  Vecli&ltniMe,  un  wie  Ti«l  mehr  gilt  das  tob 
te  UMrai.  Ich  finde  leiebt  begreif  lieb«  wwnm  Plntoieb  nieht  in  nnieren 
Lebiylaa  nn^nnommen  wurde.  Sfslene  Tertrigt  sich  die  Pinterehlektttre 
■il  dem  Leiiniele  niebt;  denn  dae  «Bedentendite"  gilt  für  Inhalt  und 
Foni;  sweiteni  istPlitareh  wegen  eeiner  Spraehe  vnd  seiner  Behwierig- 
keit  niebt  geeignet,  Xenophon  im  ersten  Semeeter  der  VL  xn  eveetieo. 
Der  dizeh  die  Xenophon-  nnd  Homerlektflre  noch  in  wenig  geachalte 
Sextaner  wlirde  Plntareb  aneh  mit  solcher  Schwierigkeit  lesen, 
daft  in  einem  Semester  in  4  wOchentL  LektOrestnnden  kanm  70  Teabner- 
Miten  bewiltigt  werden  konnten.  Was  die  Schwierigkeit  betrifft,  po 
kCanen  wir  in  Österreich  ans  nur  auf  die  Erfahmngen  berufen,  die  man 
mit  der  Privatlektflre  Plutarcbs  macht  (? gl.  s.  B.  Kam.  Huemer  a.  a.  0., 
3.  28);  man  empfiehlt  ihn  ja  natürlich  auch  erst  Ton  der  VII.  an  (Tgl. 
E  SefaickiBger  in  dieser  Zeitschr.  1908,  8.  942).  Mit  Plutareh  in  der 
Sdide  aber  hat  man  im  Beiche  die  Erfahrungen  gemacht,  die  tur  Ab- 
ichaffong  dieser  Lektftre  gefOhrt  haben.  «Mit  gutem  Grunde*  (A.  ▼.  Bam- 
berg) haben  die  preuiSischen  Lehrplftne  von  1891  die  Schullelctare  Pln- 
ttrebs  ausgeschloesen,  auch  in  den  neuesten  ist  nicht  auf  ihn  hingewiesen 
(nur  in  Bayern  ist  er  noch  aufgenommen).  Das  geschah  deswegen,  weil 
er  eben  fOr  die  Stufe,  auf  der  man  bei  der  größeren  Stundensabl 
«iaige  Zeit  bitte,  ihn  su  lesen,  fflr  OII,  zu  schwer  ist,  wie  s.  B. 
0.  Jiger  (Lehrk.,  8. 419)  nnd  W.  Gemoll  (ZeiUchr.  f.  d.  Gwes.  1899,  S.  665  f.) 
erfkhren  haben,  und  weil  er  in  I.,  wo  ihn  P.  Dettweiler  statt  Thukjdides 
leica  wlirde,  Wichtigeres  Terdringte^).  Ich  glaube  also  nicht,  daß  diesem 
Schriftsteller  bei  unseren  Oiganisatoren  die  Überschfttsnng  des  Begriffes 
•Attisch*"  so  sehr  geschadet  hat  Wir  würden  aber  heute  einen  niemandem 
begreiflichen  Dehler  begehen,  wenn  wir  die  Lektflre  Plutarcbs  in  die 
VLKL  aufnehmen  und  so  su  einer  früheren  Praxis  snrflckkehren  wollten 
ud  dabei  noch  die  Homerlekttlre  in  der  V.  nnd  YI.  auseinanderrissen. 

Fttr  die  PriTatlektOre  kann  man  ja  diesen  Autor  trotz  .seiner  oft 
icbweren  Konstruktionen,  die  dem  Schüler  m  schaffen  machen,  und  seiner 
Oinreriiseigkeit'  (B.  Foft,  Monatsschr.  f.  h.  Seh.  I  [1902],  &  265  f.)  empfehlen 
«cgen  seinee  interessanten  Inhaltes,  wegen  seiner  Wirkung  als  Muster 
fir  die  biegxaphisehe  Literatur  (W.  Christ,  Gesch.  d.  gr.  L.S  S.  680),  wenn 
nan  aneh  wie  0.  Weifienfels  (Wochentcbr.  f.  kl.  Ph.  1898,  8.  215)  das 
Gcfthl  haben  wird,  daß  kaum  bei  einem  anderen  griechischen  Autor 
IS  leicht  statt  des  Originaltextes  Übersetiungen  gelesen  werden  können; 
MS  ÜbersettUBgen  Plutarcbs  haben  ja  bekanntlich  grofie  Geister  Anregung 
mfUagtm.  Welche  Biographien  empfohlen  werden  sollen,  beeprieht  außer 
Faß  aneh  0.  Kehl  („Plutarcbs  Biographien  am  Gymnasium",  Monatsschr. 
t  h.  8ih.  1003,  8.  678  L).  Die  H.  Scbenklsebe  Besümmnng  der  Lektüre 
m  snleB  Semester  der  YI.:  „Mindestens  drei  kflnere  (iwei  umfangreichere) 
BisgiaphieB  Plotafebs«'  müssen  wir  also  leider  wieder  ablehnen. 


')  Vgl  Eckstein,  Unterr.,  S.  435:  ^Ytx  Sekunda  ist  er  su  schwer, 
tir  Prima  nahen  wir  Besseres." 


80       Zur  grieeh.  ood  )at«in.  Lektttre  an  aDserem  GymDMiam.  VII. 

Daft  wir  Thnkydidet  gern  am  Gjmnasram  lesen  vttrdoi,  bedarf 
wohl  keiner  Vertieherong.  Bin  paar  rein  hietorieeh  enihlende  Partien 
aber,  wie  H.  Sehenkl  tie  empfiehlt,  weil  tie  nicht  lehwieriger  sein  sollen 
als  fieles  im  Herodot,  ohne  Zosammenhang  mit  dem  übrigen  ünterrichti- 
stoife  in  der  VI.  in  lesen,  geht  nicht  an.  Was  H.  Sehenkl  sonst  noch  inr 
Aaswahl  stellt,  Dions  Jftger  nnd  des  Äschjlos  Sehildernng  der  Schlacht 
bei  Salamis,  lifit  man  jetst  gern  privat  lesen. 

Zum  Schluß  macht  unser  Beformer  noch  swei  Vorschlftge.  Er 
empfiehlt  sonftchst  fflr  die  Torgeschlagenen  ESrgftnsnngen  statt  einer  dick- 
leibigen Chrestomathie,  die  sich  fortschleppe,  eine  Beihe  einselner  kleiner, 
billiger  Heftohen  mit  knappen  fortlaufenden  Erklärungen  nach  Art  der 
„Prftparationen'*,  aber  ohne  den  Ballast  ansffihrlicher  Einleitungen,  die 
beliebig  suBammengestellt  und  eingeschoben  werden  konnten.  Auch  wenn 
man  Schenkls  Vorschlag,  die  LektHre  der  Hanptklassiker  durch  kleinere 
Stficke  KU  ergftnsen,  annähme,  konnte  man,  glaube  ich,  solche  Heftehen 
nicht  Terwenden.  Wenn  diese  Erginsungen  eine  Wirkung  haben  sollen, 
müssen  sie  doch  auch  dem  Schüler  in  einem  bestimmten  Zusammenhange 
vor  Augen  treten.  Die  Heftchen  würden  von  den  Schülern  verworfen, 
weggegeben  oder  von  der  Schülerlade,  die  ja  vielfach  Texte  verleiht,  statt 
sie  so  verschenken,  abgenommen.  Sollen  s.  B.  die  Einkleidnngskapitel 
des  Phftdon,  der  Kriton,  die  Apologie,  die  H.  Sehenkl  verschiedenen 
Klassen  inweist,  getrennt  sein?  Sollen  auch  die  Stücke  der  Kransrede, 
die  wir  in  der  V.,  VI.  und  VII.  durchsunehmen  hfttten,  nicht  beisammen 
sein?  Dann  müssen  wir  Erklftrongen  nach  Art  der  «Prftparationen*'  für 
das  in  der  Schule  Gelesene  ablehnen,  außer  die  Prftparation  ist  getrennt, 
die  Einleitung  aber  wftro  oft  nOtig  für  neu  hinsugekommene  Schüler.  Ich 
denke  gerade,  wer  Schenkls  Ansicht  billigt,  müßte  sur  Chrestomathie 
greifen,  welche,  wenn  sie  nur  die  von  ihm  vorgeschlagenen  Texte  ent- 
hielte und  etwa  auf  Dünnpapier  gedruckt  würde,  gant  dünnleibig  sein 
konnte;  Erklärungen  und  vielleicht  auch  untereinander  zusammenhftngende 
Einleitungen  konnten  doch  in  einem  Ergftnsungsband  beisammen  sein, 
den  der  Schüler  su  Hause  benotsen  würde,  wie  das  eben  beim  Lesebuch 
Wilamowits*  der  Fall  ist.  Die  Chrestomathie  würde  auch  die  von  Mar- 
tinak  gewünschte  Anregung  bieten,  wenn  es  der  Lehrer  daran  fehlen 
lassen  sollte;  denn  daß  eine  solche  Chrestomathie  für  die  Privatiektüre 
besonderen  Wert  hat,  läßt  sich  gewiß  nicht  leugnen. 

Der  sweite  Vorschlag  H.  Schenkls  besieht  sich  auf  die  Privatiektüre. 
Zunftchst  gibt  er  uns  den  Bat,  die  F&higkeiten  der  Schüler  in  Anschlag 
su  bringen,  dem  Begabten  und  Vorgeschrittenen  alles  tu  erOffhen,  für 
den  Durchschnitt  Ergftnsung  der  Haoptautoren  aninstreben.  «Soll  aber*, 
ffthrterfort,  .die  Privatlektüre  überhaupt  Aussicht  haben,  sieh  als 
eine  Institution  im  Unterrichte  einsubürgem,  so  muß  sie  auf  eine  andere 
Grundlage  gestellt  werden.*  Er  veriangt  regelrechte  Prüfung  der  Privat- 
iektüre am  Ende  jedes  Semesters  (oder  Schuljshres)  am  besten  aus  beiden 
Sprachen  gleichzeitig  vor  den  Fachlehrern  beider  Sprachen  im  Beisein 
der  gansen  Klasse  und  Einrechnung  der  dabei  enielten  Ergebnisse  in  die 


Zur  gxieoh.  und  Itteis.  LektOre  «n  iiDterem  Gjmnadiim.  VIL       81 

SoneitrAlseagiiiniotau    Nor  wenn  dem  Schiller  die  Mflhe  lieheren  Erfolg 
TOiliredie,  werde  er  rie  auf  sich  nehmen. 

Die  Prifatlehtflre  hat  sich  doch  l&nget  als  eine  dauernde»  dem 
Aoalaade  Aehtong  gebietende  Institntion  bei  uns  eingebürgert;  sie  wird 
fiele  Jahre  eehon  in  einem  mitonter  itannenswerten  Umfang  betrieben 
Ober  dieeen  Gegenstand  besteht  bei  ans  eine  gante  Literatar,  so  haben 
s.fi.  J.  Haemer,  Sfalatsehek,  Malfertheiner»  Maresch,  Nathansky,  Pera- 
theaer,  Primoii^  Schiekingert  Setnnek/,  8IUV»  Tominiek  darüber  geschrieben, 
M  manche  andere  haben  in  Debatten  bei  VereinsTorsammlnngen ')  und  auf 
dem  Uittelsehiiltage  darüber  gesprochen.  Die  philologischen  Lebreri  die 
imObergjmnasinm  beechftftigt  sind,  Torwenden  j&brlich  Yiele,  tiele  Standen 
uAer  der  Sehnlseit  aaf  die  Pri?atlektflre.  Da  ist  es  m.  E.  nnangemeisen, 
betCgtich  der  PriTatlektflre  Ton  .Aassicht  haben,  sich  einsabürgem**  sn 
reden  oder  Batschlftge  sn  geben,  die  selbstverstindlich  oder  anfechtbar 
lisd.  SelbstTcrstindlich  ist  natürlich  die  Einrecbnung  der  Prüfangsnote, 
•bwohl  es  am  besten  ist,  Ton  Noten  da  nicht  viel  xa  sprecben ;  antweck- 
Dißig  wftre  es,  ansschlieaiich  nar  in  den  lotsten  Standen  des  Semesters  oder 
gtr  Jahres  prüfen  sa  wollen.  In  den  allerletsten  Wochen  YOr  der  Klassi- 
fikitionskonferent  —  es  handelt  sich  ja  bei  Seh.  am  einrechenbare  Noten 
—  hat  man  an  solchen  Prüfungen  in  der  Schule  fast  gar  keine  Zeit.  Man 
würde  ja  anch  in  manchen  Klassen,  wo  die  Schüler  Yielerlei  lesen, 
Wochen  braachen  oder  man  müAte  nor  ein  paar  bestimmte  Stücke  lesen 
Isnen;  das  wire  aber  wohl  eine  diese  Einrichtung  sehr  sohftdigende  „Stabi- 
liiisrang«.  Doch  auch  die  Schüler  bitten  Yielfach  am  Schluß  keine  Zeit,  ihre 
Piifatlektflre  für  die  Prüfung  noch  durchsngehen,  and  eine  solche  .Privat- 
lektüre  mit  öirentlichkeitsrecht"  würde  oft  ein  trauriges  Besultat  ergebeu, 
Nlhst  wenn  noch  Direktor,  Inspektor  und  Eltern  eingeladen  und  Prftmien 
asigeteilt  würden.  Natürlich,  wenn  sehr  Tiele  Schüler  dasselbe  Stück  gelesen 
^ben,  wie  mitunter  in  der  Y.  und  VL,  pfiegt  man  besonders  Leichteres  in 
der  Schule  durehsugehen,  falls  man  Zeit  hat,  aber  sur  Begel  kann  das 
sie  werden.  Überdies  arbeiten  wir  anch  im  üifentliehen  Unterricht  mit 
allen  Mitteln  darauf  hin,  daß  die  Schüler  die  Lektüre  nicht  um  der  Note 
willen  betreiben,  sondern  daß  sie  Frende  finden  lernen  an  eigener  Arbeit 
SB  dieser  selbst  willen.  Man  lasse  also  die  PriYatlektüre  die  Schüler 
Beglichst  nach  ihrem  Gutdünken  (auch  in  Being  auf  die  Zeiteinteilnng) 
treiben  und  die  Lehrer  sie  nach  Belieben  kontrollieren. 

Seine  wichtigeren  Vorschlige  faßt  H.  Schenkl  in  acht  Thesen  su- 
•smmen.  In  der  ersten  wünscht  er,  daß  es  dem  Lehrer  fiberlassen  bleibe, 
die  im  Mindestmaß  festsostellende  (von  wem,  wird  nicht  gesagt)  Hanpt- 
lektüre  doreh  eine  Auswahl  kleinerer  Stücke  aus  einem  für  jedes  Jahr 
festgesetsten  Umkreis  Ton  Texten  nach  Bedarf  tu  erginsen.  Was  seine 
Asswshl  umfassen  soll,  ist  früher  gesagt  worden.  In  den  lotsten  pren- 
fibehen  Lehrplinen  bedeuten  die  Zaefttse  bei  Angabe  des  griechiecheD 


<)  Über  dieeci  Thema  ist  s.  B.  auch  am  28.  Jftnner  und  27.  Febraar 
1907  im  Verein  Mittelschule  gesprochen  worden  (Österr.  Mittelsch.  1897, 
8.  laeiT). 

ZtüKkrifl  f  i.  «rttrr.  Ojwai.  1906.  L  Heft.  6 


82       Zur  griadi.  imd  Uttfai.  LoMre  aa  aaitraiii  Gjniauiiiin.  ?II. 

LaMfioffes  («weiten  Antwahl  ?oii  Proben  mb  grieehiicheii  Sehrfflstelleni*, 
«aDdere  geeignete  Prosa**»  .aadero  inhaltlich  wertToUe  Prooa,  aoeh  ge- 
eignete Piobon  aoi  der  grieebiaehon  Lyrik*)  banpteiebUeh  eine  Konieuion 
an  den  Wilamowitüohen  Standpunkt,  dem  Standpunkt  H.  Sebenkla  Kon- 
leeiionen  so  machen,  wftrde  wohl  einen  Bflekichritt  bedenten,  wenn  et 
llborbanpt  bei  oneeren  fttnfiehn  Stunden  mOglioh  w&re.  Gibt  ee  doch 
anch  in  Deitsobland  SehahDlnner  genag,  welche  ihre  warnende  Stimme 
erhoben  haben,  ee  konnte  dem  Schiller  das  peinliche  Ctaffthl  nicht  orepart 
bleiben«  dae  eich  in  den  Worten  ansdrfieken  lieAe:  .Überall  in  Oaate, 
aber  nirgends  sn  Haise«  (Fr.  Lehr,  Zeitschr.  f.  d.  Gwes.  liK)l,  8.  5M). 
«Wir  wollen'  den  griechiachen  Geist  anf  die  Seelen  mserer  Schiller  wirken 
lassen',  sagt  F.  Homcmann  (N.  Jahrb.  19iNI,  II,  S.  866),  «das  ist  ofFenbar 
nicht  m  erreichen,  indem  sie  fftn^  sechs,  sieben  oder  noch  mehr  bedeotende 
Schriftsteller  anlesen,  sondern  nor  indem  sie  in  wenige  der  herror- 
ragendsten  sich  wirklidi  einlesen,  so  daA  ihnen  deren  Art  in  Sprache  nnd 
Gedaakenffthmng  gel&nflg  wird  nnd  sie  dem  Gehalt  ihrer  Werice,  unbeirrt 
dnrch  die  Schwierigkeit  der  Form,  Hen  und  Geist  Offoen  können. 
Darnm  mnft  sich  die  griechische  Lektüre  anf  die  dnrohaas 
notwendigen  Schriftsteller  beschr&nken  nnd  alle  anderen, 
ancb  wenn  sie  an  sich  lesenswert  w&ren,  lorfiekstelien.*  Das 
gilt  besonders  anch  für  uns.  Bitten  wir  sehr  fiel  mehr  Zeit  snr  Verfliguig; 
dann  konnte  man  Tielleicht  daran  denken  sn  erOrtem,  ob  wir  nicht  die 
prenAischen  Lehrpline  in  dieeem  Punkte  nachahmen  aollten.  Natftrlich  mfiAte 
dann  die  ergftniende  Auswahl  nicht  bloft  danach  erfolgen,  ob  irgend  «in 
StQckchen  snflilig  sprachlieh  noch  anf  der  enteprechenden  Stufe  in  be- 
wältigen  wire,  sondern  nach  einem  einheitUchon  höheren  Gesichtspunkte. 
Und  dann  wflöte  ich  wahrlich  nicht,  wie  wir  uns  den  Gedanken,  die 
Wilamowiti  ausgesprochen  hat,  entliehen  könnten.  Aber  neben  Homer, 
Herodot,  Demoethenes,  Sophokles  und  Piaton  noch  eine  Aniahl  Schrift* 
steiler  mit  den  Schfilem,  wie  sie  jetrt  sind,  nnd  der  Stnndeniahl,  wie 
sie  jettt  ist,  bebandeln,  das  gönnen  und  wollen  wir  nicht  (nach  H.  F. 
Möller,  Zeitschr.  f.  d.  Gwes.  1903,  &  16Ö,  vgl.  auch  E.  Sewera,  ÖstMr. 
Mittelsch.  1894,  S.  8ö5f.). 

Die  Thesen  2^6,  die  sich  auf  die  Änderungen  der  Hauptiektflre 
beliehen,  sind  ans  den  angegebenen  Grflnden  nicht  annehmbar,  die  Thosa  7, 
die  in  der  YII.  und  VIII.  griechiech-dentsche  Scbularbeiteo  Ycrlangt,  iat 
augenblicklich  gegenstandslos,  die  These  8,  in  welcher  BiarechnuDg  der 
Prüfungen  aus  der  Pri? atlektüre  in  die  Zengnisnote  Tcrlangt  wird,  über- 
flflssig.  Wir  wollen  die  Biume,  in  denen  wir  jetit  hanaen,  dadurch 
erweitern,  daö  wir,  wo  es  ohne  GeAhrdung  möglich  ist,  eine  oder  die 
andere  Hauer  durchbrechen,  um  noch  mehr  Licht  und  Laft  lu  habon, 
nicht  aber  darch  Aufführung  Ton  Qaermauem  Yerkleinem,  mn  in  engen 
Kammern  schlechter  in  sehen  und  schwerer  sn  atmen.  Unseren  Unterricht 
im  Griechischen  modernisiert  man  nicht,  wenn  man  nach  Yeralteten  Ge- 
sichtspunkten wieder  eine  Aniahl  minder  bedeutender  Schriftsteller  in 
den  Lektürkanon  aufnimmt,  sondern  wenn  man  darauf  dringt,  da&  Werke 
einiger  der  bedeutendsten  Autoren,  die  als  für  die  Jngendbildnng  beeon- 


JP.  ebner,  Siebi«lin  Jahr»  im  Kampf  usw.,  ang.  ▼.  A.  Drank        88 

den  vOTtfoll  aaeriABBt  iiad,  mit  allMi  Hilfemlttdn  mod«ner  Wiaaaa- 
Mkafl  vntar  atotor  Bttagnahma  aof  dan  tontlif en  Uatarriobt  oad  mÜ 
Blckiiaht  aaf  dia  haoligao  VarfailtalMa  to  iatavpraiiart  wardao,  daA  das 
latvMM  dar  Sehtlar  itets  wacbariialtan  wird.        (f  otiattnag  folgt.) 
Wien.  Dr.  Priedricb  LadeL 


Dr.  Pinl  Ganer,  SiebEehn  Jahre  im  Kampf  um  die  Sehul* 

reform.  Gesammelte  Anfsitze.  Berlin,  Weidmannsehe  Bnehbandlnng 
1908.  XIY  und  283  88.  Prds  4  Mk. 

Der  Kampf  verneint,  nm  zu  scbafFen ;  das  Alte  nnd  Abgestorbene 
bringt  er  aas  dem  Wege,  damit  das  Keimkriftige  und  Bessere  Baum 
fisd»  znr  Emenemng  des  Lebens.  Wo  aber  der  Kampf  sieb  nm  Mei- 
nitogen  nnd  Übenengnngen  dreht  nnd  in  Grtnden  nnd  Gegengrftnden 
ansgefoehten  wird,  liegt  die  Gefahr  nahe,  daß  er  in  nnfmehtbares  Wort- 
sMten  ausartet.  Die  Erfahrung  des  Lebens,  die  anf  den  Boden  des 
Streites  herflbergenommen  nnd  von  hier,  dnrehgedaoht  nnd  durchgesiebt, 
wieder  in  den  ergiebigen  Boden  der  Erfahrung  gelegt  wird,  kann  der 
Gefkhr  begegnen.  Paul  Cauer  kennt  die  Schule  als  ein  Ganzes  in  den 
Teilen,  er  hat  auf  dem  wichtigen  Gebiete  des  Spraehunterrichtes  Über- 
legung und  Ansfahrung  Tereinigt  und  in  selbständigen  Schriften  dar- 
gelegt>  Wer  s«in  Hilfsbueh  für  den  lateinischen  und  grieehisehen  ünter- 
ri^t  .Die  Kunst  des  Übersetzens«  (8.  Aufl.  Berlin  1908),  die  Er- 
fahrungen und  Wünsche  auf  dem  Gebiete  des  altklassiseheu  Unterrichtes 
m  seiner  ^Chrammaiiea  imlitani'  (2.  Aufl.  Berlin  1908),  die  Darstellung 
des  Altertums  als  Quelle  praktischer  Geistesbildung  in  der  ^Pälaestra 
eitee*  (2.  Aufl.  Berlin  1907)  und  die  Gedanken  und  Anregungen  „Von 
deutscher  Spraeherziebung''  (Berlin  1906)  kennt,  dem  werden  aueh 
«Die  gesammelten  Aufs&tze*  znr  Sebulreform  manche  Aufschlftsse  Aber 
Zweck  und  Entstehun^i:  dieser  Schriften  bieten,  zur  Geschichte  des  höheren 
Schulwesens  in  PreulSen  bilden  sie  einen  wertvollen  Beitrag,  der  uns  in 
den  frischen  Kampf  der  Schulreform  hineinführt  .Das  stete  Wechsel- 
spiel ron  Angriff  und  Abwehr,  die  Ftlle  von  Wünschen  und  Forderungen, 
PUaen  und  Yersuchen,  Irrt&mem  und  Erfahrungen,  die  miteinander  ge- 
rungen haben,  werde  zu  voller  Anschauung  gebracht.*  In  diesem  Kampfe 
steht  der  Verf.  in  den  vorderen  Reihen.  Er  hat,  wie  er  es  selbst  be- 
kennt, «in  schweren  Zeiten  den  Mut  nicht  verloren,  sondern  immer  wieder 
TersQcht,  konservativen  Sinn  und  den  Trieb  zum  Fortsehritt,  die  beiden 
groften  Krifte,  ohne  deren  ZasammeuBpiel  im  Staatsleben  kein  Gedeihen 
möglich  ist,  wenigtitens  auf  dem  Gebiete  der  Scbalpolitik  in  ein  rechtes 
VerhUtnis  za  bringen*.  Caner  hält  sn  dem  Glauben  fest,  daß  der  philo- 
logische Unterricht  wegen  seines  Bildangswertes  alle  Zweifel  und  Anfein- 
dungen ttberdauem  werde.  Daher  begrüßt  er  es  auch,  daß  durch  Aller- 
hachsten  Erlaß  (Kiel,  26.  No\  ember  1900)  die  Gleichberechtigung  der  ver- 
adiiedenen  Formen  der  höheren  Schule  feierlich  verkündigt  worden  ist, 
hatte  er  doch  bereits  swOlf  Jahre  vorher  in  dem  Aufsatze  „I.  Die  Gefahr 

6* 


84       P.  Cauer,  Siebzehn  Jahre  im  Kampf  usw.,  ang.  v.  Ä*  Frank* 

der  Einheitflsohnle*'  die  Forderimg,  zu  der  er  gelangte,  kurz  zusammen- 
gefaAt:  «die  drei  Schalen  (Gynmaeiam,  Bealgymnasiam,  Bealschule) 
rnftssen  ftußerlich  in  ihren  Rechten  einander  gleichgestellt  werden,  damit 
innerlich  eine  jede  ihrer  Eigenart  gemäß  sich  ausbilden  kann,  um  dann 
in  freiem  Wetteifer  mit  den  beiden  anderen  den  Wert  der  geistigen 
Elemente,  von  denen  sie  getragen  ist,  zu  bewähren"  (S.  XII,  15).  ,Die 
Gymnasien  sollen  nicht  mehr  in  ihrem  äußeren  Bestände  begünstigt  und 
die  gymnasiale  Bildung  niemandem  aufgedrängt  werden ;  durch  ehrlichen 
und  vollen  Verzicht  auf  jeden  äußerlichen  Vorzug  sollen  sie  das  Becht 
erkaufen,  ihren  inneren  Charakter  rein  zu  erhalten.  Es  gehört  zu  den 
„Kommenden  Aufgaben"  (XVI.  Aufsatz  1901),  daß  „die  erzieherische 
Mission  der  klassischen  Philologie  sich  gerade  für  die  kommende  Zeit 
zwar  nicht  ausgedehnter,  aber  größer  und  unentbehrlicher  sich  erweise 
als  fllr  die  eben  vergangene''  (S.  183,  195,  264).  Im  Zusammenhange 
damit  weist  Caner  das  „Phantom  einer  allgemeinen,  d.  h.  alles  WisseDs- 
werte  umfassenden  und  in  jedem  gleichmäßig  vorhandenen  Bildung*  ab. 
Darin  besteht  recht  eigentlich  der  Fehler,  den  die  Männer  des  deutschen 
Einheitsschulvereins  begehen:  sie  wollen  die  geistigen  Nahrungsmittel 
60  präparieren,  daß  aus  jedem  ein  Extrakt  gemacht  wird,  der  nur  den 
reinen  Nährstoff  enthält,  und  wollen  dann  bloß  diesen  Extrakt  den  Schalem 
zu  genießen  und  zu  verdauen  geben.  —  Oberflächlichkeit  und  Überbür- 
dung, beide  in  fester  Wechselwirkung  mit  einander  verbunden,  bezdchnen 
den  Zustand,  zu  dem  wir  gelangen  würden*  (S.  6,  8,  122). 

Wir  wollen  hier  nicht  näher  anf  die  einzelnen  Aufsätze  zur  Schul* 
reform  eingehen,  es  sei  jedoch  Cauers  Urteil  über  das  Beformymnasiutn 
angemerkt,  dessen  Lehrplan  er  in  „Yl,  Die  Frankfurter  Lehrpläne.  1893'- 

—  nXVII.  Der  Plan  des  Beformgymnasiums.  Was  verspricht  er?  —  und 
was  droht  er?  1902"  einer  eingehenden  Kritik  unterzieht.  Auch  die  Auf- 
sätze nXIX.  Die  Kasseler  Versammlung  der  Reformschulmänner,  und  was 
ans  ihr  zu  lernen  ist.  1903*  und  „XXII.  Die  Art  der  Verbreitung  des 
Beformgymnasiums.  1905*  werfen  weitere  Streiflichter  auf  den  Gegen- 
stand. «Mit  einem  stärkeren  Aufwände  von  Kraft  erzielt  das  Beform- 
gymnasium  doch  im  ganzen  eine  etwas  geringere  Leistung,  weil  es  — 
im  Bilde  zu  reden  —  den  kürzeren  Hebelarm  anwendet  und  infolgedessen 
auch  sonst  genötigt  ist,  die  Lasten  in  unpraktischer  Weise  zu  verschieben". 

—  «Kenntnisse,  die  den  Niederschlag  einer  längeren  Arbeit  bilden,  sitzen 
viel  fester.  —  Es  mag  möglich  sein,  im  philologischen  Unterricht  die 
Paragraphen  und  Paradigmen  durchzujagen ;  aber  daß  dabei  irgend  etwas 
wie  sichere  Gewöhnung  erzielt  werde,  irgend  ein  fester  Bestand  von 
Kenntnissen  sich  bilde,  der  eine  selbständige  Lektüre  in  den  folgenden 
Klassen  ermögliche,  ist  undenkbar."  —  Wenn  nicht  Begabung  der  Schüler 
und  Tüchtigkeit  der  Lehrer  zusammen  wirken,  wohin  soll  der  Lehr  plan 
des  Beformgymnasiums,  wenn  er  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  die 
allgemeine  Schulform  wird,  führen?  .Erst  wird  auf  Kosten  der  alten 
Sprachen,  indem  man  sie  bei  dem  lateinlosen  Unterbau  in  den  mittleren 
und  oberen  Klassen  zusammendrängt,  eine  Überbürdung  hergestellt,  und 
dann  wird  die  Überbürdung  auf  Kosten  derselben  alten  Sprachen  wieder 


P.  G(Hf«r,  Siebtehn  Jahre  im  Kampf  naw^  ang.  y.  A.  Frank.       85 

beieitigi  Denn  wenn  die  Leiatangen  geringer  werden,  ao  darf  das  kein 
Grand  eein,  den  Yeraoch  an  korrigieren  nnd  daa  Lateiniache  wieder  in 
einer  frftheren  Klaaae  zu  beginnen,  aondern  dann  mftaaen  die  Anaprftche 
in  dar  Beifeprüfong  ermftAigt»  daa  üriechiache  maß  fakultativ  werden 
oder  wu  eonat  tweckmäflig  und  auf  Koaten  der  alten  Sprachen  geachehen 
kann,  nm  die  Überbftrdung  zu  vermeideo.  —  So  kann  daa  Beformgym- 
nuinm  nur  eine  Etappe  werden  auf  dem  Wege  zum  Ziel  einea  von  den 
hiBtorieehen  Grundlagen  unaerer  Kultur  losgelösten  Erziehnngawesena*^. 
—  .Von  dem  Wettatreit  realistischer  Bildungsanstalten  droht  dem 
Gymnasium  keine  Gefahr;  ea  wird  auf  beiden  Seiten  daa  Können  ateigern, 
sehlnmmemde  Kriffce  weeken.  Die  Gefahr  liegt  in  dem  Zwittergebilde, 
in  dem  trotz  aller  früheren  Mißerfolge  unter  etwaa  rer&nderter  Geatalt 
eneaten  Versuch,  altüberlieferte  und  moderne  Bildungselemente  in  dem 
Lehrplan  einer  einzigen  Schule  zum  Gleichgewicht  zu  bringen,  wobei 
uiTermeidlich  die  alten  Sprachen  immer  mehr  zurückgedrängt  werden, 
isstatt  jenes  Gleichgewicht  dadurch  herzuatellen,  daß  man  die  verschie- 
denartigen Stoffe  auf  getrennte,  miteinander  konkurrierende  Schulen 
Tertnlf  (S.  82,  192,  194,  266). 

Eine  von  den  Schulmännern  Preußena  vielfach  erörterte  Frage  be- 
ithren  die  beiden  Aufsätze  .XX.  Die  äußere  und  die  innere  Abhängig* 
kdt  des  höheren  Lehrerstandes*  und  «XIIL  Lehrerberuf  nnd  Beamten- 
tarn*.  Sie  umfaßt  daa  Verhältnis  dea  Dienstes  und  die  Einordnung  in 
dss  GefÜge  des  Staatea,  kann  diea  zu  einer  Gefahr  für  den  Beruf  des 
Lehiera  werden?  Gau  er  beantwortet  die  Frage  aus  dem  Gedanken:  «Das 
gern  gemiflbrauchte  Wort,  daß  den  Erziehern  der  Jugend  die  Zukunft 
gehöre,  ist  freilich  nicht  so  zu  verstehen,  daß  die  Zukunft  eine  Zeit  sei, 
in  der  unser  Ruhm  glänzen  werde;  wohl  aber  iat  aie  daa  Gebiet,  ans 
dea  wir  die  Ziele  nnd  Maßatäbe  unseres  Schaffena  holen.  Auch  aus 
diesem  Grunde  iat  der  Lehrer  etwaa  anderes  als  ein  Beamter  des  Staates; 
denn  die  tiefsten  Fragen  der  Erziehung  und  Bildung  führen  über  den 
fiatwiekluDgazustand  hinaua,  den  der  Staat,  von  Natur  ein  Hüter  des 
Bestehenden,  mit  aeinen  Anordnungen  zu  beherrschen  vermag*.  ^  „Die 
Wirfcaamkeit  dea  Lehrers  iat  von  Natur  eine  so  persönliche  und  deahalb 
freie,  daß  aie  der  Einspannung  in  ein  streng  dienstliches  Verhältnis 
widecitrebt.  Wir  sind  aber  auf  dem  Wege,  dies  zu  vergessen.  Es  gibt 
▼iele  Lehrer,  die  in  erster  Linie  ala  Beamte  zu  gelten  wünschen,  weil 
sie  dadnreh  in  Staat  nnd  Gesellschaft  ein  höheres  Ansehen  zu  genießen 
boHen.  Dabei  müssen  wir  immer  wieder  erleben,  daß  Staat  und  Gesell- 
«chalt  die  VoUgiltigkeit  unseres  Beamtencharakters  doch  nicht  anerkennen**. 

»Die  Hauptelemente  dea  Staatea  sind  Macht  und  Recht.   Deshalb 

«erdan  die  Träger  und  Verwalter  von  beiden,  Ofüziere  und  Juristen,  im 
titaate,  mindeatens  im  preußischen  Staate,  immer  die  ersten  Plätze  ein- 
nehmen. Ea  liegt  nicht  an  der  Bosheit  oder  Kurzsichtigkeit  irgend 
weldier  Menschen,  sondern  ist  in  der  Natur  der  Dinge  begründet,  daß 
innerhalb  des  staatlichen  Gefäges  wir  Lehrer  zurückstehen.  Aber  führt 
der  Staat  den  Stempel,  dessen  Gepräge  erst  für  die  Menschen  wie  für 
ihre  Werke  und  Gedanken  die  Geltung  bestimmt,  die  ihnen  zukommen 


86       P.  Ckmer,  Sitbiehn  Jahre  im  Kampf  atw.,  ang.  ▼.  A.  SVanM. 

soll?  Ist  es  reeht  manneswftrdig»  die  Anerkennmig  des  ^geoen  Wertes 
Ton  dorther  n  enrarteo,  la  erbitten?*  —  ^Die  selbständigere  Stellung, 
die,  im  Vergleich  sa  den  eigentlichen  Beamten,  die  Lehrer  höherer 
Schalen  dem  Staate  gegenflber  einnehmen,  beruht  auf  dem  Zusammen- 
hange iwisehen  Wissenschaft  und  Schulet  ^uad  es  ist  Qrund,  daran  au 
erinnern.  Die  gute  Sitte,  daß  der  Lehrer  lugleioh  Gelehrter  ist,  hat  in 
neuerer  Zeit  bedenklich  nachgelassen." »Während  durch  das  Auf- 
blähen der  realistischen  Anstalten  sich  der  Kreis  der  Wissenschaften,  an 
deren  Arbeit  die  Lehrer  teilnehmen  können,  erfreulich  erweiterte,  konnte 
die  schnelle  Vermehrung  der  Schulen  wie  der  Schfllersahl  an  jeder  ein- 
seinen  kaum  ander«  als  das  Element  des  Handwerksmäftigen  im  Unter- 
richte rerstärken.  Auf  diesem  Wege  ist  jener  Kultus  der  Methode,  wo 
nicht  entstanden,  doch  lur  Macht  gelangt,  der  seit  etwa  zwantig  Jahren 
den  wissenschaftlichen  Charakter  der  Lehrtätigkeit  mehr  und  mehr  tu- 
rflckgedrängt  hat.  Von  selten  der  Begierung  ist  diese  Bewegung  durch 
das  System  der  Verordnungen  und  der  Instruktionen  gefördert  worden. 
—  Einschränkung  und  Starrheit  auf  diesem  Gebiete  würden  noch  erheb- 
lich stärker  sein,  wenn  die  Behörden  den  Vorschlägen  nachgeben  wollten, 
die  gelegentlich  aus  der  Mitte  des  liChrerstandes  selbst  gemacht  werden. 
Das  ist  ja  überhaupt  eine  seltsame  Erscheinang,  daß  das  Verlangen  nach 
genauer  Regelung  unserer  geeamten  Tätigkeit  bei  Tielen  Lehrern  drin- 
gender ist,  als  an  leitender  Stellung  sogar  gewünscht  wird.*  —  Die 
Werthaltung  des  Standes  ist  mit  einem  entschlossenen  Eintreten  fär  die 
Stundesinteressen  wohl  vereinbar,  Ja  erfordert  es  geradem;  denn  eine 
reichlichere  Ausstattung  des  äuAeren  Daseins  kommt  mittelbar  auch 
der  Freiheit  der  geistigen  Entwicklung,  dem  Umfang  der  Weltbetrach- 
tung und  Weltkenntnis  zugute.  „Den  Gedanken  aber  sollte  man  auf- 
geben, daß  es  gelingen  könnte,  zwischen  dem  inneren  Wert  unserer  Be- 
rufstätigkeit und  der  äuäeren  Ehre,  die  ihr  von  Amts  wegen  zuteil  wird« 
ein  Gleichgewicht  herzustellen.  Hier  handelt  es  sich  wirklich  um  unver- 
gleichbare  Größen.  Je  mehr  der  Staat  uns  zu  Beamten  werden  ließen 
desto  mehr  müßte  er  verlangen,  dsß  wir  in  seinem  Namen  und  in  seinem 
Sinne  den  Unterricht  gäben;  damit  würde  aus  dem  fireiea,  persänlMiMi 
Wirken  des  Lehrers  und  Erziehers  die  Seele  herausgetrieben  werden.  Sa 
wird  ja  auch  unter  uns  Le«ite  geben,  die  für  das  Ansehen  bei  ihrer  Uu- 
gebuDg  und  die  eigene  Zufriedenheit  auf  das  Maß  dessen  angewieeeB 
sind,  was  Staat  und  Gresellschaft  ihnen  zugestehen  und  verbriefen.  Aber 
das  ist  doch  wahrlich  nicht  die  Sinnesart,  die  den  Ton  angeben  «oUte. 
Möchte  dagegen  immer  mehr  die  Zahl  der  Lehrer  wachsen,  die  zu  vor- 
nehm sind,  den  Stolz  ihres  Lebens  ia  Dingen  lu  suchen,  die  in  einem 
militärisch  und  jurietiech  organisiertoi  Staate  notwendig  andere  vor  und 
voraus  haben,  ihn  vielmehr  da  finden,  wo  unsere  Stärke  li^  oder  lisigvn 
kann:  in  der  Frische  geistigen  Lebens  und  im  selbständigen  Anteil  au 
den  Gedanken,  welche  die  Entwicklung  der  Menschheit  bestimmen.* 

Pr»g-  Dr.  Anton  Frank. 


B.  M0yer»  Humanist  nn«  gaNhaohtL  fiiMang,  auf.  r.  A.  Bmuer.    87 

&  Meyer,  Himaniititclie  and  gefehiehHiche  Bildoog.  Berlin, 
W«idnuMB  1907.  41  88.  &.  Fwb  Mk.  0-60. 

Du  BflthkiB  entliilt  die  dMikensweite  Wiedergab«  eines  in  der 
?ereiaif«ng  der  Fmadm  des  httDuniitisehra  Qymnasinins  iu  Berlin  nnd 
in  der  Prsfint  Bnadesbuf  gekaltenen  V#itrag«s. 

Darin  greift  der  Verf.,  nm  Eigenart  nnd  Zweck  des  modernen 
Q^mnasiiims  n  bestimmen,  anf  die  Zeiten  znrtkek,  da  in  Athen  im 
V.  Jahrb.  t.  Chr.  nm  die  Eniebnngsfragen  der  erste  lebhafte  Streit  ge- 
fthrt  mnde:  er  teigt,  daß  damals  schon  dieselben  Gegensätze  aufeinander 
stiaflen  wie  hente.  Anf  der  einen  Seite  steht  die  Forderung  nach  all- 
gflmdner  Bildung,  nach  der  Yermittlnng  einer  Snmme  feststehender,  fUr 
das  praktische  Leben  rerwertbarer  Kenntnisse  nnd  Fertigkeiten  —  auf 
der  snderen  die  Forderung  nach  wissenschaftticher  Ausbildung,  nach 
immer  wieder  erneuter  Prüfung  aller  Erkenntnis  auf  ihren  Wahrheits- 
gebalt E.  H.  seigt  dann,  su  welcher  geistigen  Öde  am  Ausgange  des 
Altertums  die  Alleinherrschaft  der  allgemeinen  Bildung  gefBbrt  hat  und 
folgert  daraus,  daft  das  Qjmnasium  sich  nicht  die  Vermittlung  dieser, 
sondern  auf  dnigen  begrensten  Gebieten  die  erste  Einf&hrung  in  die 
WisMnschalt  xur  Aufgabe  lu  stellen  hat  Zu  dieser  Aufgabe  ist  es  des- 
halb in  weit  höherem  Maße  als  alle  anderen  Schulen  bef&higt,  weü  es 
in  den  antiken  Schriftstellern  ein  unftbertreffliches  Mittel  besitst,  um 
•eine  Schiller  mit  einem  Teil  der  Quellen  wissenschaftlicher  Erkenntnis 
des  Altertnma  Tertmat  su  machen. 

Zar  selben  Zelt,  ab  in  Atiien  die  8(4)higten  und  Isokiataa  das 
Ideal  der  allgemeinen  Bildung  Terfochten  und  Sokrates  die  Forderung 
Bseh  wissenschaftlicher  Forschung  stellte,  erhob  Thukydides  die  Geschichte 
zum  Bange  einer  Wissenschaft  Wahrend  aber  jene  Anregungen  fort- 
wirkten und  mit  dem  Sieg  der  allgemeinen  Bildung  endeten,  sind  Ge- 
Mhiehte  und  Naturwissenschaften  im  Altertum  niemals  ein  Bestandteil 
der  Bildung  der  jungen  Leute  geworden.  Von  j,histori8cher  Bildung* 
kaon  man  vielmehr  erst  seit  dem  Anfang  des  XIX.  Jahrb.  sprechen. 

Im  Anschluß  an  einen  früher  erschienenen  Aufsats:  Zur  Theorie 
sad  Methodik  der  Gesehichte  1902  erörtert  der  Verf.  hierauf  scharf  und 
ratreffend  die  Verschiedenheit  der  Geschichtswissenschaft  nnd  der  Gesetzes- 
winsnschaften,  Torbreitet  sich  dann  über  die  verschiedenen  Arten  ge- 
icbiditlicher  Betrachtung  und  seigt  den  erzieherischen  Nutzen  der  histo- 
riiefaen  Bildung,  als  deren  wichtigste  Wirkung  er  die  Überwindung  des 
in  die  Sophisten  des  V.  Jahrh.  erinnernden  fessellosen  Individualismus 
F.  Nietzsches  und  seiner  Nachfolger  bezeichnet  Die  geschichtliche  Bil- 
dung weist  im  Gegensatz  zu  solchen  Lehren  den  modernen  Menschen  in 
jenen  Kreis  und  in  jenes  Pfiichtgebiet,  in  denen  er  allein  ein  Becht  auf 
individuelle  Betätigung  hat:  in  die  Gesellschaft  seiner  Mitmenschen. 

Die  in  den  beiden  genannten  Schriften  entwickelten  Gedanken- 
reiben  werden  in  gewissem  Sinne  durch  einen  dritten  Aufsatz  des  Verf.s : 
Über  die  Anfinge  des  Staates  und  sein  Verh&ltnis  zu  den  Geschlechts- 
verbiadeo  und  zum  Volkstum  (Sitzungsber.  d.  Berl.  Akad.  d.  Wissensch. 


88    E.  Meyer,  Homanist.  und  geschichtl.  Bildang,  ang.  y.  A,  Bauer, 

1907y  S.  608  ff.)  ergänzt^).  In  diesem  yertiitt  £.  M«  die  Ansicht,  daß  eine 
fQr  die  Allgemeinheit  Terbindliche  Ordnung  nnd  eine  Maoht,  die  diese 
handhabt,  daß  also  der  Staat  in  seiner  Urgestalt  nicht  eine  Schöpfung 
des  Menschen,  sondern  &lter  als  dieser  ist,  daß  sich  das  Menschen- 
geschlecht ans  dem  Staat  entwickelt  hat,  daß  die  GeschlechtsTerbände 
und  die  Familie  nicht  Vorstufen  des  Staates,  sondern  Ton  diesem  ge. 
schaffene  Institutionen  sind.  Für  die  historische  Forachung  ist  also  der 
Staat  ebenso  etwas  Gegebenes  und  Ursprüngliches,  wie  der  Zufall  und 
der  freie  Wille  des  Menschen,  mit  denen  sie  ebenfalls  als  mit  gegebenen 
Tatsachen  zu  rechnen  hat 

Es  ist  lebhaft  su  wünschen,  daß  die  Abhandlung  K  Meyers  über 
humanistische  und  historische  Bildung  in  den  Kreisen  der  Mittel-  und 
Hochschullehrer  die  Terdiente  Beachtung  finde;  sie  wird  an  ihrem  Teil 
dazu  beitragen,  damit  Unirersität  und  Gymnasium  sich  wieder  auf  ihre 
eigentlichen  Aufgaben  besinnen:  die  Unirersität  auf  den  wissenschaft- 
lichen Betrieb  der  Torgetragenen  Disziplinen,  das  Gymnasium  darauf,  daß 
es  seine  Schüler  auf  ein  wissenschaftliches  Universitatsstudium  Torsu- 
bereiten  habe,  denn  der  wissenschaftliche  Charakter  beider  Lehranstalten 
ist  durch  die  auf  .allgemeine  Bildung*  gerichteten  Bestrebungen  der 
Gegenwart  ernstlich  bedroht. 

Gras.  Adolf  Bauer. 


')  ^S!-  J^tzt  die  2.  Aufl.  von  £.  Meyer,  Geschichte  des  Altertums. 
I.  Bd.,  1.  Hälfte.    J.  G.  Gottas  Nachfolger,  Stuttgart  und  Berlin  1907. 


Vierte  Abteilung. 

HiszelleiL. 


Ein  Banftmfitiger  Literat. 

Du  gerade  GegeDieQ  des  Behrallenhaften,  nnzaglDgliehen  Julias 
ten  VoA  war  der  gute,  sanfte  Frani  Hörn.  Er  war  im  ersten  Jahnehnt 
das  vorigen  Jahrhnnderts  nach  Berlin  gekommen ,  stand  anf  Seite  der 
dsmals  anfstrebenden  Schale  der  Romantiker  gleich  Tieck,  Achim  von 
Aimm  0.  a^  obwohl  die  literarischen  Kreise,  in  denen  Geschmack»  Be- 
geistemng  nnd  Kritik  nach  dem  Master  ?on  Nicolai  and  Bamler  herrschten, 
4D  Zihl  and  Einflaß  noch  obenauf  waren.  Als  jonger  Mann  hatte  er  darch 
teine  ersten  kritischen  nnd  historischen  Scliriften  große  Erwartungen  rege 
gcmscht;  es  war  eine  frische  Anschanang  der  YerhUtnisse  nnd  Dinge, 
4ie  begeistemde  Liebe  fflr  das  Große  and  Edle  namentlich  fflr  Shakespeare, 
welche  ihn  als  nicht  gewöhnliches  Talent  erscheinen  ließen.  Seine  meister- 
bsfkoi  Yoriesnngen  Aber  den  britischen  Dichter  ?erarsachten  den  Nicolaiten 
flicht  geringes  Unbehagen,  weil,  wie  sie  meinten,  das  rohe  Genie  des 
Briten  nicht  soTiel  Aufhebens  wert  sei.  Den  Anhängern  Tiecks  und  den 
echten  Romantikem  schien  Frani  Homs  Behandlang,  die  Art,  wie  er  an 
Shakespeare  modelte  und  feilte,  sich  bemfthend,  in  schmeidigen  oder 
iunmenen,  was  damds  dem  Geschmacke  und  SittlichkeitsgefUhle  wider- 
strebte, ein  unnötiges,  törichtes  Unternehmen.  Seine  historischen  Schriften, 
L  B.  die  Lebensbeschreibung  des  Großen  Karffirsten,  sind  wertfolle 
Arbeiten,  seine  Poesien,  Romane  and  Novellen  haben  nie  bedeatend  ge- 
wi^  Der  Gmnd  hieven  lag  zum  Teile  in  seinem  langen,  schweren  Siech* 
toa,  welches  die  schöpferische  Kraft  lähmte.  Doch  ist  Frans  Hörn  nicht 
sie  Dichter  und  Schriftsteller  allein  unter  das  Richtmaß  su  stellen,  man 
iBoft  auch  an  seine  Persönlichkeit  den  richtigen,  seiner  Zeit  entnommenen 
MsAstab  anlegen.  Seine  Teeabende  waren  damals  eine  HerkwQrdigkeit. 
Wilhelm  HaiäT  hat  in  seinen  .Memoiren  des  Satans"  eine  der  Frans 
Homschen  Teegesellschaften  so  anschaulich  nnd  laanig  geschildert,  daß 
«BS  Zeitlang  in  ganz  Deutschland  davon  gesprochen  wurde.  Der  bmst- 
kranke  Dichter  führte  in  der  Gesellschaft  natOrlich  das  Wort,  denn  man 
w  ja  gekommen,  um  ihn  zu  hOren,  die  größere  Hälfte  der  Anwesenden, 
OD  ihn  su  bewundern.  Es  waren  immer  woblabgerundete  Sätze  und  sorg- 
ftltig  dufchdachte  Sentenzen,  die  er  zum  Besten  gab,  und  die  sofort 
bitten  nachgeschrieben  und  gedruckt  werden  können,  obgleich  er  doch 
siebt  anf  alles  vorbereitet  sein  konnte,  denn  er  ließ  meist  seine  Jfinger 
vnd  Bewunderer  zuerst  ihre  eigene  Meinung  aussprechen,  um  sie  lavierend 


90  Miszellen. 

und  koiri^erend  zu  seiner  eigenen,  wenn  anch  gani  entg:egengeeetiten 
Ansicht  hmflber  zu  führen.  Diese  Knnst  konnte  man  an  ihm  sehitien; 
in  Tollkommenster  Hnmanität  sachte  er  das  Gegenteilige,  Widerstrebende 
mOgUehst  in  christliche  Liebe  nnd  Hilde  nminwandeln.  Er  liebelte  niebt 
nar  ttber  Wilhelm  Haoffs  Satire,  sondern  lud  den  Verfasser,  als  er  in 
Berlin  weilte,  frenndlich  sn  sich  ein  and  belobte  die  feine  Darstellnng, 
die  präehtige  Laone  seiner  Kunst  der  Gesellsehaftdoitik.  Er  hätte 
auch  dem  leibhaftigen  Teufel  sein  Kompliment  gemacht  and  ihm  mit 
Büßen  Sentenzen  aafgewartet  Teegesellschaften,  wie  sie  damals  in  Berlin 
Mode  waren,  geboren  längst  der  Geschichte  an.  Politik  war  selbstver- 
ständlich ^nsgetchlossen,  das  Theater  hatte  eine  eanz  andere  Bedentang, 
auch  die  Ästhetik  war  damals  eine  ganz  andere  als  jetzt.  Das  Teezimmer 
in  Franz  Horns  Haase  war  auch  ein  Tempel  des  Euftas  der  Fraaen,  aber 
aoch  der  eines  solchen  von  Seite  der  Frauen.  Die  Literatorgeeehichte 
hat  tauende  von  Beispielen,  wie  der  Enthosiasmos,  den  Fraoen  einem 
begabten  Manne  entgegenbringen,  diesen  verwohnen,  eitel,  fOr  den  Selbat- 
koltas  empfänglich  machen  nnd  seinen  philosophischen  Tiefblick  trflben. 
Was  war  naheliegender,  als  daft  der  kranke  Dichter  sich  abends  in  diesem 
Kreise  wohl  fühlte,  gern  vor  Bewonderem  sprach,  die  so  aufmerksam 
zuhörten,  und  auch  gern  sich  selbst  hOrte,  wenn  sie  seiner  Worte  lansehten. 
Das  geschah  in  ganz  anderen,  bedeutenderen  Kreisen,  and  weit  größere 
Geister  warden  ron  diesem  Weihrauch,  dieser  Yerhimmelung  derart  be- 
einflaßt,  daß  sie  anf  den  Beifall  ?on  Dilettanten  lieber  horten  als  auf 
das  Urteil  nnd  die  besonnenen  Einwürfe  ron  fachkundigen  Freunden  und 
Niehtfreunden. 

Goethe  galt  diesen  Kreisen  allerdingt  als  der  erste  deutsehe 
Dichter,  aber  zanächst  ihm,  und  nicht  allzu  fern,  stellten  sie  Franz  Hörn. 
Er  selbst  lehnte  diesen  Vergleich  bescheiden  ab,  aber  eine  Annäherung 
an  den  Meister  war  sein  sehnlichster  Wunsch.  Da  eine  Einladung  zum 
Besuche  in  Weimar  Tergeblich  auf  sich  warten  ließ,  machte  sich  eine 
Verehrerin  Horns  aaf  den  Weg  zu  Goethe,  eine  damals  beschwerliehe 
Reise  für  eine  einzelne  Dame.  In  feurigen  Worten  schilderte  sie  ihre 
und  ihres  Lehrers  Begeisterung  für  den  Altmeister  von  Weimar  und 
erflehte  Ton  ihm  eine  große  Gunst  als  Geburtstaggeschenk  fBr  den  kranken 
Dichter  in  Berlin  —  eine  Locke  ron  Goethes  Haupte.  Dieser,  wenn  auch 
überrascht,  gewährte  lächelnd  die  Bitte,  reichte  dem  Fräulein  eine  Schere, 
und  mit  einer  Silberlocke  ?on  Goethes  Scheitel  kam  die  Überglückliche 
nach  Berlin  und  zum  Geburtsfeste.  Ein  rührendes  und  im  romantischen 
Geiste  jener  Zeit  sinniges  Zeichen  der  FreundMhaft  Die  es  spendete, 
war  nicht  die  einzige  begeisterte  Freundin  Franz  Horns.  Bs  gab  eine, 
die  mehr  noch  und  ihr  ganzes  Leben  hindurch  dem  geliebten  und  Tor- 
ehrten  Manne  sich  weihte,  seine  Gattin  Bosa  Hom.  Sie  war  die  Tochter 
des  berühmten  Kenners  der  klasnschen  Philologie  and  ausgezeiehneten 
Schulmannes  Friedrich  Gedike,  welcher  mit  Meierotto  das  Mittelsebul- 
wesen  in  Preußen  auf  eine  beträchtlich  höhere  Stufe  gehoben  hat  Des 
Dichters  Stütze,  Pflegerin  und  TrOsterin  im  Leben,  hat  sie  sein  Andenken 
insbesondere  dadnrch  geehrt,  daß  sie  in  ihrem  Testamente  —  sie  Über- 
lebte ihren  Gemahl  um  ein  paar  Dezennien  und  starb  1859  einige  Wochen 
vor  Bettina  Brentano,  verwitwete  von  Arnim  —  einen  ansefanlicheB  Teil 
ihres  mäßigen  Vermögens  zam  immerwährenden  Andenken  an  den  Ver- 
ewigten zu  einer  Stiftung  für  würdige  und  dürftige  Studierende  an  der 
Berliner  Universität  bestimmte.  Man  mußte  damals  erst  naebsehen,  wer 
Franz  Hom  eigentlich  gewesen  sei,  so  schnell  loschen  Namen  aus  und 
schwinden  geträumte  Ewigkeiten. 

Innsbrack.  Dr.  F.  Lentner. 


MisMlleii.  Ol 

Literarisohe  Missellen. 

StephEDQB  Cybülski,  Tabalae,  qoibns  antiquitates  Oraecae 
et  Bomanae  illastrantur.  Tab.  XI:  DomoB  Bomana.  Editlo  III. 
aaetior.  Lipaiae,  K.  F.  Koehler  1905. 

Stephan  Cybulski,  Das  rOmische  Hans.  Erklärender  Text  ta 
Tafel  11.  Mit  15  Abbildongen  im  Texte.  Dritte  Terbeaserte  Auflage. 
Leipiig,  K.  F.  Koehler  1905.   27  SS. 

Daft  Torliegende  Tafel  aamt  erläotemdem  Texte  bereits  in  8.  Anf- 
lige  eracheint»  beweiat  ibre  Verbreitung,  die  sie  rollaof  verdient.  Sie 
fttftrt  in  den  betten  der  ganien  bekannten  Sammlon^  Volle  Anerkennung 
Tifdient  der  erklärende  T«rt»  der  das  rOmiache  Bana  auf  Omnd  der 
QaiUen  in  seiner  geaehiehtlicben  Entwicklang  darstellt  Freilieh  eracheint 
der  Titel  tn  eng:  ea  wird  nicht  bloß  daa  rOmiaohe,  aondern  auch  daa 
poiDpcianiaehe  Hane,  daa  ana  der  Verbindung  dea  altitaliaehen  Hanaea 
ndt  dem  grieehiaefaen  entatand,  behandelt.  Außerdem  finden  wir  Anf* 
idiliift  aber  Landhftnaer  und  Wirtachaftagebände,  Villen,  B&der,  Ober  die 
Wandmalerei  nnd  ihre  Technik,  aber  Mosaik,  Heisnng  nnd  Belenchtnng, 
Mftbel  nnd  SehlOaeer  und  Ober  den  Sänlenatil.  Die  Erianterangen  aind 
klar,  laicht  teratändlich  und  genan.  fiesfkglich  der  Tafel  wire  m  erwägen, 
ob  aie  nicht  tnTiel  enthält;  tieUeieht  wftrde  aich  eine  Verteilung  auf  zwei 
Tafehi  empfehlen,  wodnrch  die  Oberaichtliehkeit  gewänne.  Doch  iat  mit 
ditaen  Bemerkungen  kein  Tadel  gemeint:  mOgen  alle  Anatalten  die  red> 
liebe  Arbeit  dea  Herauagebera  wUrdigen  nnd  Tafel  nebst  Text  anschaffen ! 

Wiea.  t)r.  Johann  Oehler. 


A.  Lowaek,  Die  Mandarten  im  hochdeatschen  Drama  bis 
gegen  daa  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  (Breslaner  Beiträge 
rar  Literaturgeschichte,  VII).  Leiptig,  Max  Heasea  Verlag. 

Der  literarhiatoriach  und  philologiach  anacheinend  aehr  gut  tor- 
gebüdete  Verf.  hat  aich  sein  Thema  gut  begrenst,  glficklich  eingeteilt 
wA  man  Arbeit  gdiefert,  die  aeiaem  Können  daa  beate  Zeugnia  anaatellt. 
Im  eiueliieB  wäre  Tielleleht  nanehea  an  ergänten,  wie  in  dem  Kapitel 
iber  Henoc  Hoinrieh  Juliua  t.  Braunachweig  (40—59);  dech  liegt  auch 
famde  in  Sinelheiten  Tiei  SchOnee  und  Tflchtiges;  namentlich  sind  in 
diaosr  Beiiehang  die  Abschnitte  Ober  die  sprachlichen  HilDunittel  tur 
KRMduug  baetiaunler  Wirkunsea  im  Drama  tor  der  Verwendung  der 
Mundart  (97^29)  und  Ober  die  Oper  an  der  Wende  dea  XVIL  und 
XVUL  Jatekubdeita  (141--.143)  in  erwähnen. 

Wien.  E.  ?.  Eomorsynski. 


ins  deutschen  Lesebflchem.  Vierter  Band,  erste  Abteilung:  Epische 
Dichtuiffen.  Vierte  Auflage  unter  Mitwirkung  ron  Dr.  0.  Fries  nnd 
Dr.  P.  Po  lack.  Leipzig  und  Berlin  1906.  Theodor  Hofmann.  XII 
■nd  508  aa  Preis  4  Mk. 

Der  Torliegende  Tierte  Band  (1.  Abteilung)  des  allbekannton  Er- 
liatemngswerkei  hat  durch  die  neue  Auflage  keine  wesentlichen  Ver- 
inderungen  erfahren.  Zu  dem  bisherigen  Inhalt  «Das  Nibelungenlied*, 
•Gudrun«,  .Panifal«»  .Der  arme  Heinrich*,  «Das  glfickhafte  Schiff  yon 


92  Miszellen. 

ZSrich*,  „Der  MaMias**»  «Der  Heliand"»  ^Hermann  und  Dorothea*,  »Der 
eiebiigite  Geburtstag*,  «Reineke  Facht"  ist  MOriket  gemfitvolle  IdjUe 
„Der  alte  Tormhahn"  nev  hiDsogekommeii  (was  auf  dem  Umsehlagboffen 
so  vermerken  gewesen  wäre).  Die  immer  mehr  tanehmende  Zahl  der  Ver- 
ehrer YOD  MOrikes  Dichtangen  wird  diesen  Zuwachs  mit  Fronden  begrflßen. 
Behandelt  ist  die  Idylle  nach  den  bekannten  Gmndsätten  des  genannten 
Erläatemngswerkee. 

Mies  i.  B.  Adolf  Hantenblaa. 


ImendOrffer  B.,  Lehrbaoh  der  Erdkunde  fftr  iflidchenljieen 
nnd  verwandte  Lehranstalten.  2.  verbesserte  Anflage.  I. — IIL  Teil. 
F.  Tempsky  1907. 

Der  Bef.  kann  sich  bei  der  Besprechnng  dieses  Lehrbnches  Inirs 
halten.  Das  Erseheinen  der  bereits  approbierten  zweiten  Auflage  sowie 
der  Umstand,  daß  diese  Erdkunde  in  den  meisten  Lyseen  eingeAhrt  ist, 
beiengen  die  Verwendbarkeit  znr  Genfige.  Da  Mftdchenlyseen  —  soviel 
wenigstens  dem  Bef.  bekannt  ist  —  meist  in  LandesbaoptstAdten  sieh 
denät  befinden,  nnd  das  Sehfilermaterial  doch  bedentend  besser  ist  als 
das  an  Darchsehnitts-Gymnasien  and  -Bealschnlen  befindliche,  so  darf 
der  Verfasser  eines  Lehrbnches  größere  Anforderongen  an  den  Fleiß  und 
die  Intelligenz  stellen.  Vielleicht  hat  hier  ImendOrffer  des  Gnten  etwas 
inviel  getan,  wenn  man  die  Zahl  der  dem  GedAchtnisse  einsapr&genden 
Namen  heranzieht  Handlich  sind  die  drei  Bflchlein  außerordentlich,  sie 
scheinen  dem  Bef.  darin  bald  das  Äußerste  darznstellen :  58  4-  80  -{-  64 
SS.$  ob  da  nicht  ein  Band  genflgt  hätte?   Der  Preis  ist  mißig. 

Graz.  H.  Pirehegger. 


Dr.  J.  Brunn,  Vierstellige  Logarithmen.  Monster  i.W.,  Aschen- 
dörfische  Boohhandlang  1902.   18  SS.  8^ 

Die  Tafeln  enthalten  1.  ffinfstellige  Logarithmen  der  Zahlen  von 
1000  bis  1109  zum  Teil  mit  P.  P.,  2.  vierstellige  Logarithmen  der  Zahlen 
von  100  bis  1009  mit  P.  P.  und  Logarithmen  einiger  konstanter  Qrdften, 

3.  Hilfstabellen  zur   Berechnang  kleiner  Winkel  zwischen  0*  und   8% 

4.  Logarithmen  der  trigonometrischen  Fonktionen  von  Q^  bis  4b^  im 
Intervalle  von  0'1<^  mit  P.  P.,  5.  Gaaßsche  Logarithmen  (ftberfiftssig  Iftr 
MiUelscholen)  mit  P.  P.,  6.  eine  Tafel  fflr  die  Qnadrate  und  Quadrat- 
wurzeln der  Zahlen,  7.  Werte  der  trigonometrischen  Funktionen  fftr 
ganze  Grade. 

Bronns  Tafeln  sind  jedenfalls  empfehlenswert.  Obwohl  die  Ziffern 
ziemlich  klein  gedruckt  sind,  so  sind  sie  doch  noch  fttr  Augen  mittlerer 
Gfite  ziemlich  deutlich.  Die  Tafeln  sab  6  sind  dadurch  interessant,  daIV 
man  mit  dreistelliger  Basis  and  entsprechenden  Partes  proportionalee  das 
Qoadrat  auf  ffinf  geltende  Ziffern  ziemlich  genau  erhilt,  wAhrend  man 
umgekehrt  von  einem  Radikand  mit  vier  geltenden  Ziffern  (z.  B.  bestehend 
aas  Einem  and  drei  Dezimalen)  mittelst  der  P.  P.  auf  die  Wurzel  mit 
fftnf  geltenden  Ziffern  kommt.  Die  Tafeln  gew&hren  somit,  falls  es  Zeit 
und  Umstände  erlauben,  eine  weitere  Übung  im  Gebrauche  der  Partes 
proportionales. 

Prag-Smichow.  Joh.  Arbea. 


ProgrammeiiBehaii.  93 

W.  Migala,    Pflanzenbiologie.    Mit  50  Abbildungen.    Zweite  Ter- 
beeserte  Auflage.   Sammlang  OOseben,  Leipzig  1906.  119  SS.  12*. 

In  sehr  anaprecbender  Darstellnng  bringt  diese  Arbeit  des  bekannten 
berrorragendan  Bakteriologen  die  wichtigsten  Erscheinungen  aoB  dem 
Geeeblecbtsleben  der  Pflanzen,  beschreibt  ihre  Verbreitnngs-,  Schuti'  nnd 
Anpaseangseinricbtangen  nnd  erOrtert  schließlich  die  bedeatangsfoUen 
Woehselbeziehnagen  der  Organismen  zueinander  (Sapropbytismas,  Para- 
litismns,  Symbiose  nsw.).  Das  Büchlein  ist  für  Laien  geschrieben  nnd 
bietet  das,  was  der  Gebildeta  Aber  die  äußeren  LebenserscheinaDgen  der 
FfliDsea  wissen  soll.  Auf  S.  25  nnd  89  sind  anrichtige  Zeileneinstellungen 
la  korrigiaren. 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanansek. 


Brack  mann 8  Wandbilder  antiker  Plastik.  Photographische 
Originalaufnahmen  im  Format  Ton  etwa  98  X  ^^  ^^  BildgrOße.  Als 
Schalwandtafeln  aufgesogen,  mit  Band  etwa  125  X  84  ein  groß,  je 
10  Mk.»  nnaafgezogen,  olme  Band  7  Mk.  Brackmanns  Verlagsanstalt» 
Mflnehan  1907. 

Das  k.  archftologische  Institut  in  Berlin  Teranlaßte  und  fßrderte 
die  Heittellang  der  ersten  drei  dieser  Wandbilder  (der  Qrabstele  der 
Hegtso,  des  sogenannten  Alexandersarkopbages  und  der  Augustnsstatue 
fOB  Prima  Porta).  Da  die  großen  und  trotz  mäßigen  Preises  trefflich 
toigefllhrten  Tafeln  follen  Anklang  fanden,  hat  die  Verlagsanstalt  die 
Ssnunlung  fortgesetzt  und  neuerdings  um  folgende  heryorragende  Anf- 
Bshmen  fermehrt:  4.  Statue  des  Prsxitelisohen  Hermes  im  Museum  zu 
Olympia.  5.  Den  heiligen  Georg,  Marmorstatne  von  Donatello  im  National- 
maseom  zu  Florenz.  6.  Statue  des  ruhenden  Ares  im  Thermenmusenm  zu 
Rom.    7.  Orpheus  und  Eorydike,  Marmorrelief  im  Musenm  zu  Neapel. 

8.  Statue  des  Demosthenes  im  Biaccio  nuoTo  des  Vatikanischen  Museums 
n  Bom,  nach  dem  richtig  ergänzten  Abguß  des  Mfinchener  Gipsmuseums. 

9.  Moses,  Marmorstatoe  MichelangeloB  ?om  Grabmal  des  Papstes  JoUns  II. 
in  S.  Pietro  in  Vioeoli  zu  Bom. 

Diese  Beprodoktionen  beruhen,  wie  wir  aus  den  ans  vorliegenden 
iwei  Bildern  6  und  8  ersehen,  auf  sehr  gelungenen  Originalaufnahmen. 
Doreb  ihre  GrOße  wie  durch  ihre  vorzügliche  Ausführung  scheinen  sie 
dnrebans  gaeignet,  eine  klare  and  deutliche  Vorstellung  von  den  originellen 
plsitischen  Meisterwerken  zu  vermitteln.  Sie  eignen  sich  daher  nicht  nur 
gut  fllr  Schnlräame,  sondern  auch  fBr  das  Privatzimmer  des  Kunstfreundes. 

Wien.  £.  H. 


Programmen  8ch  au. 

L  Dr.  Oregorins  He  tt  egg  er,  Qua  ratione  M.  Fabins 
Quintilianas  in  institutione  oratoria.  laudaverit  scriptoree. 
Progr.  das  FflrstenbischOf liehen  Gymnasiums  am  KoUegiom  Borro- 
miam  zu  Salzburg  1905.  59  SS. 

Ohne  auf  Qaellenfragen  einzugehen  ^  behandelt  der  Verf.  die  Zitate 
sss  erhaltenen  Schiiftstellern  bei  Qointilian  (vgl.  8.  1).  Im  Kapitel  1  legt 
er  das  MaUrial  vor,  gibt  in  einer  Tabelle  eine  Übersicht  über  die  Zahl 
dsr  Stellen  aoi  den  einzelnen  Autoren  and  kommt  S.  21   zu  folgendem 


94 

SchloMe:  vere  €  Inmia  (auatanbus)  &pHmo8  ^kgii;  im  ex9mpli$  mttem, 
quüms  docirinam  »nam  expUearet,  praecipm  Eamania  U8^s  est  Aique 
palfnam  Oiceroni  dedü.  Die  Zitate  werden  dann  im  Kapital  2  je  naeh 
ihrer  EinfflhraDg  in  Orappen  eingeteili  Hier  wire  wohl  aaeh  das,  waa 
BebOD  Torher  Aber  die  Stellen  aas  den  griechiieheo  Sehriftetellem  gesagt 
wird,  einiQordnen  gewesen.  Sicherlich  hfttte  die  Übertiehtliebkeit  aataz 
gewonnen,  wenn  im  Abschnitt  1  nur  das  Material  Torgeffthrt  werden  wire, 
alles  aber,  was  Ober  die  Art  des  Zitiereni  so  tagen  war,  hier  eeinen  Plati 
gefunden  hätte.  Am  meisten  Interesse  dürfte  ans  dem  8.  Teile:  De  lo- 
corum  laudaiarum  conaüio  et  uau  wohl  der  8.  Punkt  beaotpraeheB, 
worin  die  MiiSverstindnisse  Qaintilians  erläntert  werden  (8. 88  IT.),  femer 
das  ganse  4.  Kapitel :  De  locorum  vcirietatibua  earumque  caueia.  Hier 
nun  macht  sich  der  Umstand,  daß  der  Verf.  den  Qaelleofragen  ganz  aoa 
dem  Wege  geht,  teilweise  ang&nstig  geltend.  Denn  nicht  so  sehr  anf  das 
Zitieren  ans  dem  Gedächtnis  ist  eine  große  Menge  ron  MißTerständniasen 
and  Varianten  larücksnfflhreo,  sondern  vielmehr  darauf,  daß  Fabioe  sehr 
häofig  die  Stellen  ans  Handbüchern  der  RhetorilK  ohne  weitere  Prflfnng 
Hbernommen  hat.  Daß  bei  einem  solchen  Verfahren  schiefe  Anffaeenagen 
vnd  abweichende  Lesearten,  besonders  bei  Zitaten,  die  in  den  Text  Ter- 
arbeitet  waren,  leicht  entstehen  konnten,  ist  sofort  klar.  Wie  Tieie  Stellen 
mag  Qaintilian  aas  der  Bhetorik  des  Celans  allein  ansgesohrieben  haben, 
wenn  er  diese  Öfter  in  so  ansgiebiger  Weise  benfittt  hat,  wie  es  fttr  ein- 
zelne Partien  schon  nachgewiesen  werden  konnte  oder  doch  sehr  wahr- 
scheinlich gemacht  wurde  (fgU  &  Beitsenstein,  PhUoL  LVII  54  S^  and 
des  Bef.  Arbeit  in  den  DUeertationee  phU.  Vmdab.  VII  2)1 

Die  anrichtigen  Zahlen,  die  da  und  dort  begegnen,  sind  wohl  anf 
Drnckfersehen  tarflckiafflhren,  von  denen  auch  sonst  manche  stehen  ge- 
blieben sind. 

Wilhering.  Dr.  P.  Jnstinas  WOhrer. 


2.  Proi  Karl  Schmid,  Beiträge  zar  Methodik  des  Zeiehen- 
Unterrichtes  an  der  Mittelschale.  Progr*  der  L  k.  Staatsreal- 
schale  in  Boxen  1904.  40  SS. 

Sowie  kürslich  in  den  Aasfftbrangen  Prof.  Falbrechts  ein  hOchat 
erfrenlicher  Beitrag  eines  Nichtfachmannes  zam  modernen  Problem  der 
Kansterziehnng  begrüßt  werden  konnte,  so  sind  wir  heute  in  derselben 
angenehmen  Lage  der  Arbeit  eines  berafenen  Fachmannes  gegenfiber. 
Wir  bedaaern  lebhaft,  daß  dieser  Auf sati  nicht  schon,  wie  geplant  war, 
1902  TerOffentlicht  wurde;  wir  glauben  nämlich  nach  einer  eingehenden 
Lektflre  desselben,  daß  er  schon  damals  viel  zur  Klärung  der  Verhält- 
nisse beigetragen  hätte.  Das  tut  er  allerdings  auch  heute.  Es  scheint 
uns  aber  sicher  zu  sein,  daß  manches  Unerquickliche  ?ermieden  worden 
wäre,  wenn  diese  so  konkreten  AusffibruDgen  schon  vor  drei  Jahren  zur 
Verfügung  gestanden  wären.  Bedingungslos  mochten  wir  diese  Beiträge 
zu  den  besten  rechnen,  welche  in  den  letzten  Jahren  zur  LOsung  der 
Frage  des  modernen  Zeichenunterrichts  an  der  Mittelschule  geliefert 
wurden.  Der  Verf.  betrachtet  den  gesammelten  Stoff  des  uns  so  sehr  in- 
teressierenden und  ?on  jeder  Epoche  immer  wieder  anders  zn  losenden 
Problems  ?on  mehreren  Gesichtspunkten  aus,  die  er  in  sechs  Abschnitten 
präsisiert.  Der  erste  heißt:  „Ist  die  Forderung  nach  unbedingter  Frei- 
bändigkeit  im  Zeichnen  der  ersten  Mittelschnikiassen  gerechtfertigt?"  Er 
kommt  dabei  zu  dem  Fazit  «Nein*  und  fei  weist  wie  Oberall  in  so  rieh- 
tif^er  Weise  auf  Erfahrungen  und  Obungen  in  der  Präzis.  Der  ausftbende 
Kfiostler  wird  Gerade  oder  Kreislinien  jederzeit  mit  Lineal  and  Zirkel 
mindestens  vorreißen,  wenn  er  sie  dann  auch  aus  irgend  welchen  Gründen 


96 

frfibisdfe  BMbsMht»  «Ol  üiB«B  «iBeii  fewiuM  Bais  der  ZoflUigkatt  in 
wak«,  dM-  fewOhalieh  kflaalleriMher  wirkt  all  die  atreofe,  geometriedia 
Siftimiaigkttt.  Hotoftie  motasdie  wäre  diese  Art  dee  Vorgangs  aoek  in 
4ii  Untemeht  aofiaaehmen.  Der  Titel  des  tweiten  Absohnittes  laatet: 
^emerknngeii  inm  Zeichnen  nach  dem  körperlichen  Qegenstande.<*  Der 
Verfl  tritt  hier  für  eine  nicht  sn  weit  gehende  Korrektur  am  Beginne  des 
penpektiviachen  Zeichnens  ein,  er  will  anch  den  perspektiTischen  Erklä- 
nagen  keinen  in  großen  Baam  zugewiesen  wissen  nnd  glaubt,  daß  den 
SckAlem  der  vierten  Klasse  anaführliche  perepektiTische  Unterweisungen 
▼ertttndlicher  nnd  wert?oller  sein  dürften  als  den  vielfach  sn  wenig  vor- 
gehildeten  Sekundanern.  Er  will  s wischen  Schlenderhaftigkeit  und  Obe^ 
JUchlifhkeit  einerseits  und  pedantischer  Qenauigkeit  anderseits  die  gol- 
dene Mifttelatraße  gebalten  wissen.  Das  dritte  Kapitel  behandelt  das 
«nasMatele  Zeiebnen.  Darin  sehlieftt  er  sich  dem  Eife  an:  «Zurflek  aar 
Hitv^,  und  liebt  das  moderne  Ornament  als  weit  Terbreitet,  lebendig 
aigtwendet  nnd  daher  ancb  allgem^  verstindlieb  den  Mneteru  ans  der 
Antike  «ad  Renaissance  vor.  Aoeh  das  «Ornament  an  etcb"  perboresiiert 
er  and  epricbt  dem  angewandten  Ornamente  daa  Wert  Der  vierte  Ab- 
iskaili  beCaAl  akh  mit  einem  biaher  allsu  aehr,  viellach  gani  nad  gar 
fcnacblleaigtes  Gebiet.  Die  Anlachrift  «Zur  Mttbodik  der  rarbengebuog** 
sagt  aUee.  Der  Verf.  beklagt  den  biaherigen  Mangel  einer  ajstematiaDben 
lad  kenseqnenten  Behandlong  nnd  tritt  flr  eine  weitgehende  Berflck- 
acbtagnag  dieeea  mehr  oder  minder  vemacblAseigt  gewesenen  Details  des 
ZcicbennDierriebtea  ein.  Da6  er  dabei  besonders  die  so  aebr  differenzierten 
ladifidnalititen  bertckaichtigt  wissen  will,  lenebtet  ein.  Er  macht  wie 
ia  allen  anderen  Kapiteln  anch  konkrete  Vorachlige,  hier  apeiiell  über  die 
Gssebmackebildnng  hinsichtlich  der  Farben  Wirkung  nnd  über  den  lu  all  dem 
cfferdeflicbeB  Lehrmittelapparat  Im  vorletiten  fünften  Abschnitte  be> 
sebütigt  aieb  Sebmid  mit  aem  «Zeichnen  aue  dem  Oedicbtniaae  nnd  nach 
Angabe  dee  Lehrers*,  sowie  n»it  dem  Skissenbuoh.  Auch  die  hier  ge- 
macbtsn  VoreeblAge  dürften  die  Billigong  aller  Einsiebtigea  und  mit  den 
diesbesügliebea  schwierigen  Yerbiltnissender  Hittelscbnle  Vertrauten  finden. 
DasSeblnAwmt  im  sechsten  Abschnitte  beschäftigt  sich  mit  den  Fragen: 
»Wie  stellen  wir  uns  su  den  Unterweisungen  aus  den  Hilfafftchern  ?  Kunst- 
gesebicbte  oder  Kunstlehre?"  Er  plädiert  für  den  gänsliohen  Versieht  auf 
tmatgeachiehte  sn  Gunaten  anderer  Disziplinen  (der  historischen  nnd 
philolegiecben),  tritt  aber  wärmstens  dafür  ein,  der  Ersithnng  zur  äathe- 
üaebea  Qennßfäbigkeit  durch  eine  elementare  Knnstlehre  za  helfen.  Dieae 
BÜäte  die  Baoknnat,  Bildnerei  und  die  vervielfältigenden  Künste  in  den 
Bereich  ihrer  Ausführungen  ziehen. 

Der  Verf.  gibt  mit  Scblagworten  aieh  hier  beatimmte  Anhaltspunkte. 
Doch  mochte  er  diesem  Gegenstande  in  den  obersten  Klassen  der  Mittel- 
scbale  eine  eigene  Wocbenstunde,  nicht  etwa  aof  Kosten  des  Zeichnens 
gegeben  wiaaen ,  ohne  damit,  da  dieaer  Unterricht  hauptsächlich  auf  An- 
aebaaung  aad  Erklärung  beruht,  irgendwelche  Belastung  durch  häusliche 
Arbeiten  bervorzorufen.  Endlieh  spricht  er  noch  für  eine  neue  Benennung 
unserer  Disziplin,  die  dem  derzeitigen  Wesen  derselben  h«sier  entspreche, 
ind  meint,  daß  die  richtige  Benennung  „Zeichnen  Jivd  Kuni^tLebre*' 
beißen  sollte.  Wir  glauben,  daß  dabei  der  heute  lo  intensiv  betriebeoe 
lialanterri<^t  verffeasen  ist  und  daß  der  Titel  für  „Zeictmeb  und  AUko  in 
verschiedenen  Techniken**  einfach  mit  dem  Worte  ^KyoKUntt^rricbt'^  aas- 
xudrücken  wäre.  Dann  scheint  uns  die  Disziplin  durcb  üie  Btiieicbaung 
•Knnstnnterricht  und  Knnstlehre*'  sowohl  nach  dtr  prakib^han  wie 
theoretischen  Seite  hin  zotreffender  charakterisiert. 

Sowie  wir  kürzlich  an  Prof.  Falbrecbt  den  Appi^ll  rieht' 
AnsdiauQugen  Ober  dieses  so  moderne  und  die  Oeiater  bewege 
auf  dem  nächsten  Mittelschnltage  seinen  und  unseren  Fuch^^uoi 
allen  Knnatfreunden  unter  den  MittelschuUebrern  durch  4ai 
und  belebende  Wort  vorzubringen,    so  mochten  wir   auch   Pi 


96  Prognnuneniehwi. 

bitten,  dasselbe  Ton  seinein  Standponkte  ant  vor  einer  einflaßreichen  Ver- 
aammlang  sa  ton»  die  dadurch  gewiß  auf  das  InteDsiTste  angeregt  wftrde. 
—  Wir  sind  fibenengt,  daß  jedes  Mitglied  der  Tagung  dann  in  eeioem 
eigenen  Kreise  krftftig  im  Sinne  des  Verf.s  ffir  die  gnte  Sache  weiter 
wirken  wird. 

WicD.  Bodolf  Boeck. 


Über  diesen  Programm- Anfsati  ist  uns  ?on  anderer  Seite  folgende 
Anzeige  zugegangen: 

Der  Aufsatz  kommt  etwas  ?erspätet.  Er  wurde  für  das  Programm 
1902  geschrieben;  da  aber  die  Anstalt  bis  1904  keinen  Jahresberieht  her- 
aasgab,  kam  er  eist  sp&ter  zum  Abdruck.  Zwei  Jahre  sind  wohl  ein 
kurier  Zeitraum,  fttr  den  Zeichenunterricht  aber,  der  heute  mit  Sieben- 
meilenstiefeln  Torwftrts  schreitet,  ist  das  Gestrige  schon  fast  ?eraltet 

Der  Verf.  hat  mit  Tiel  Fleiß  und  Gründlichkeit  bestimmte  Frin- 
zipienfragen  des  Gegenstandes  in  Erörterung  gesogen  und  seine  Ansichten 
Ober  zeitgemäße  Korrekturen  an  den  bestehenden  LehrplAnen  dargelegt 
Er  behandelt  zunächst  die  Frage,  ob  die  absolute  Freihändigkeit  im  ele- 
mentaren Unterricht  gerechtfertigt  sei  und  ob  nicht  hier  achon  fftr  die 
geometrische  Form  Hilfsmittel  in  Anwendung  treten  sollen.  DagegsD 
wäre  einzuwenden,  daß  diese  Übungen  heute  auf  das  Minimuro  beschränkt 
und  nur  Mittel  zum  Zweck  sind,  die  Hand  an  das  Gesetzmäßige,  leicht 
Korrigierbare  zu  gewöhnen. 

Bezfiglich  der  PerspektiTe  ist  es  ganz  richtig,  daß  dieselbe  nicht, 
wie  die  „Modernen*'  meinen ,  bloß  auf  dem  Wege  der  „Impression*  fer- 
mittelt  werden  kann,  sondern  mit  Begrfindung  der  Erscheinungen  gelehrt 
werden  maß,  u.  zw.  weni|^er  durch  Massen-  als  Einzel- Korrektur.  Der 
Vorschlag,  die  perspektivischen  Grundsätze  erst  zum  Schlüsse  der  IIL 
Klasse  in  mehr  wissenschaftlichen  Erörterungen  zusammenzufassen,  ist 
eine  neue  Idee,  die  gewiß  dem  weiteren  Zeichnen  nützen  konnte  — *  aber, 
woher  die  Zeit  nehmen? 

Bezüglich  des  ornamentalen  Zeichnens  hält  der  Verf.  sich  noch  Tor- 
wiegend  an  die  älteren  Ansichten  und  die  besfiglichen  Lebrpläne.  Lassen 
wir  das  Ornament  den  Gewerbeschfllern  und  Terwenden  wir  unsere  karg 
bemessene  Zeit  lieber  ffir  das  Zeichnen  und  Malen  nach  der  Natur!  -- 
Die  Kapitel  fiber  Farbenlehre,  Gedächtniszeiehnen,  Skizzen bücher  usw. 
enthalten  viele  gute  Vorschläge,  dieselben  können  aber  bei  unserer  ge- 
ringen Stundenzahl  nur  als  fromme  Wfinsche  genommen  werden. 

Viel  zu  weit  in  den  Forderungen  geht  jedoch  der  Verf.,  wenn  er 
in  den  Oberklassen  „Kunstlehre*  eingeschoben  wissen  will  mit  je  einer 
Wochenstunde.  Dazu  fehlt  unseren  Schfilern  denn  doch  die  nötige  Beife, 
abgesehen  da?on,  daß  ein  Gegenstand  mit  so  kompliziertem  Stoffgebiet 
sich  kaum  den  bestehenden  Disziplinen  noch  zureihen  ließe.  Lernen  wir 
den  Schfilern  zeichnen  und  die  Natur  anschauen,  die  Mittelschule  hat 
damit  ffir  die  kftnstlerische  Bildung  genug  getan. 

Wien.  J.  Langl. 


Erste  Abteilung*. 

Abhaidlungen, 


Was  iBt  Neuzeit? 

011  herlc^mmlichft  EinWIlniig  der  Weltgescbicbte  iQ  drei  Ab- 

Pldioitt«  «oteprADf^  züQächgt  dem  Bedärfaigge«  in  die  verwirrende, 

liOfi  £aihe  geacbtcbtUcbtr  Tatsacbeo  etDen  Oberblick  zu  briiigeD. 

liilangiD,   die  aacb  eineio  beglimmteD  Datum  erfolge Qh,  sind  atler- 

D^i   nnbeBtimmi    und    wUlkarlicb.     Natürlicb    baben    die    Zeii- 

^ttc^ien    der  EnldeckiingBf  ehrten    des    Celumbis  ebenso  wenig  did 

npEiiidQiig  gehabt:   jet7.t  gebt  es  iß  die  Neuzeit !   aU  die  Leute, 

4911  HaoeDstarm  erlebten,  Tom  Ende  des  ÄltertniDs  ecfamerdieb 

ihn  waren.  Aber  im  Lanfe  der  Zeit  kam  doch  dae  VerstÄodniB 

btD»f  deutlicher  znm  Dnrchbnicbe^  daß  Bich  die  Gegenwart  darcb 

'nicbieidaDde    und    wichtige    Ereignieee    tod    der   VergangBübeil 

iid«rt«,  daß  man  in  einer  „Neuheit"   lebe.     So  w&ren  also  nicht 

loilllififtD ,    sondirn  Übergangezonen  ein  zusetzen »  in  denen  eich 

«Cberlebgel''   (Tjler)   der   alten  Zeit   mit   den  ersten  kräftigen 

im  einer  nenen  211  einem  Bilde  kraftvoller  Peradnlichkeit,  wild 

kwigter  Eimpf«,  tiefgreifender  ümwälzangen  znaammenietzen. 

Mit  dem  Hnntneinfall  endet  das  Altertum  so  wenig,  als 
hi  Mittelalter  beginnt;  die  ganze  „Völkerwanderungszeit"  ist 
*m  «eiche  Obergan gfizone«  in  der  sieb  die  Bilder  langsam 
'•ffäiiehen ,  mm  Völker  auftreten ,  an  Stelle  des  eiDbeitlichen 
B5i&intiches  nene  Staatggebilde  entstehen,  das  abeolnte  Kaieertam 
^irii  NÄtionalstaaten  mit  Feadalverfaesung  ersetzt  wird*  Deutlich 
^mehmbar  ist  dieser  Übergang  von  der  Mitte  dea  V*  bis  zum 
BcfinQ«  dea  IX.  Jahrhunderts.  Doch  lassen  eich  die  Spureu  der 
fiT^  Uraw&izung  noch  viel  weiter  zurückrerfolgen ;  es  ist  dies 
^t  Heransbildnng  des  ,,  Volkere haos*")  aui'  der  einen  Seite  ^  die 
^tttenngifi  der  germauiscbeo  Volker  (Alamannen,  öotbeo,  Marko- 


':      H  Vgl  Chambeflain:   Die  Grundlagen  des   XIX.  Jabrbimderti.    I 


98  Wm  iat  Neuzeit?  Von  0.  Jauker. 

mannen,  ja  der  Cimbern)  anf  der  andern  Seite.  Dagegen  setzt 
Ghamberlain  ^)  das  „Erwachen  der  Germanen  zn  ihrer  welthisto- 
rischen Bestimmung  als  Begründer  einer  durchaus  neuen  Zivilisa- 
tion^ erst  um  das  Jahr  1200  an. 

Vom  Mittelalter  zur  Neuzeit  ist  diese  Zone  noch  deut- 
licher erkennbar.  Schon  daß  diese  Epoche  mit  einer  alle  Schichten 
der  Bevölkerung  ergreifenden  religiösen  Frage  einsetzt,  weist  auf 
das  durchaus  von  religiösen  Interessen  getragene  Mittelalter  zurfick. 
Daneben  stehen  jedoch  Entdeckungen  von  Kolonien,  Weltreisen, 
Postwesen,  Handelsinteressen,  soziale  E&mpfe:  kurz  lauter  uns 
heute  wohl  vertraute  Erscheinungen.  Ist  also  mit  dem  Hauptab- 
schnitte der  Entdeckungen,  mit  dem  Beligionsfrieden  in  Frankreich, 
England,  Deutschland  (in  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts)  diese 
Zone  richtig  begrenzt?  Wenn  eine  der  wesentlichsten  Bestim- 
mungen im  Augsburger  Beligionsfrieden  die  ist,  daß  sich  nur 
Fürsten  und  Edle  den  Aufwand  einer  religiösen  Oberzeugung  leisten 
dürfen,  die  übrige  Menschheit  sich  aber  eine  solche  anbefehlen 
lassen  müsse,  so  stehen  wir  doch  offenbar  damit  noch  ganz  auf 
dem  Boden  der  Feudalanschauungen  des  Mittelalters.  Noch  der 
dreißigjährige  Krieg,  der  aus  einem  Aufstände  gegen  den  Landes- 
fSrsten  ein  Parteikampf  in  Deutschland  und  schließlich  ein  euro- 
päischer Krieg  wird,  beginnt  mit  Beibungen  auf  religiösem  Qebiet 
und  wird  im  Anfange  bis  zum  Tode  Gustav  Adolfs  auch  in  diesem 
Sinne  geführt.  Allein  schon  in  der  zweiten  H&lfte  des  Krieges 
und  noch  mehr  im  Friedensschlüsse  wird  es  klar,  daß  Besitzver- 
schiebungen, Lauderwerbungen,  politische  Bechte  die  eigentlichen 
Kampfpreise  sind.  Mitten  durch  den  dreißigjährigen  Krieg  geht 
demnach  der  Schnitt:  aus  einem  Beligionskrieg  ist  er  ein  Banb- 
krieg  geworden,  und  Baubkriege  heißen  mit  Becht  die  nun  fol< 
genden  Unternehmungen  Ludwigs  XIV.,  Baubkriege  sind  auch  die 
anderen  Verwicklungen,  ob  sie  nun  Nordischer  Krieg,  Erbfolge- 
kriege (4),  Polnische  Teilung  oder  sonst  wie  heißen;  das  zieht 
sich  bis  in  die  Zeit  Napoleons  fort.  Das  ist  kein  Mittelalter  mehr, 
denn  selbst  Unternehmungen  wie  die  Kreuzzüge  waren  keine  Baub- 
kriege: das  ist  ein  Zeichen  einer  „Neuen  Zeit**. 

Auch  auf  dem  Gebiete  der  kulturellen  Zustände  und 
des  geistigenLebens  haben  wir  große  Veränderungen  zu  ver- 
zeichnen. Die  Entdeckungsfahrten  und  deren  tiefgehende  Folgen 
für  Handel  und  Städtewesen,  der  Niedergang  der  durch  die  Kreuz- 
züge mächtig  gewordenen  italischen  Handelsstädte  und  das  Empor- 
kommen von  Spanien,  Frankreich,  England  und  Holland,  kurz 
aller  nach  dem  Westen  schauenden  Mächte  treten  scharf  hervor. 
Die  Städte  werden  ein  immer  mächtigerer  Faktor').     Sozialfragen 


*)  Ebenda  I  8. 

*)  Vgl.  Chamberlain  über  Nationalismus  und  Universalismas.   11 
S.  654  ff. 


Wu  iBt  Neoseit?  Von  0.  Jauker,  99 

(Agnrfragen,  Oeldwirtscbaft  und  Natural  Wirtschaft) ,  die  seit  dem 
Altertum  stark  in  den  Hintergrund  getreten  waren,  drängen  sich 
Tor,  die  Bnrg  weicht  der  befestigten  Stadt,  das  Bitterheer  dem 
Söldnerheere  mit  der  Feuerwaffe.  Die  Entdeckungen  und  Erfin- 
doflgen  bringen  den  Empirismus  zur  Blüte,  die  Altertumsforschung, 
die  Ausgrabungen  haben  nicht  eine  sklavische  Nachahmung  des 
Altertums  zur  Folge,  sondern,  wie  Ghamberlain  überzeugend  nach- 
weist^), die  Befreiung  des  Menschen,  die  Eröffnung  neuer  For- 
schungsgebiete über  die  Scholastik  des  Mittelalters  hinaus.  An 
Stelle  der  Autorit&t  tritt  das  revolutionäre  Vertrauen  auf  die  eigene 
Kraft,  auf  die  eigenen  Augen,  die  eigene  Forschung. 

Wie  weit  reichen  demnach  die  Spuren  des  Mittelalters  herein  ? 
Wann  beginnt  die  Neuzeit?  Hermann  Schiller  teilt  seine 
Weltgeschichte  in  vier  Abschnitte:  den  dritten  benennt  er  Ge- 
schichte des  Überganges  vom  Mittelalter  zur  Neuzeit  und  weist 
ihm  die  Zeit  vom  Beginne  der  Reformation  bis  zum  Ende  des 
IVEL  Jahrhunderts  zu.  Ist  dieser  Zeitraum  von  800  Jahren  wirk- 
lieh nur  ein  Obergang?  Allerdings  dauert  die  Obergangszeit  vom 
Altertum  zum  Mittelalter  auch  300  Jahre;  allein  gleich  lange 
Zeiten  sind  in  der  Geschichte  nicht  auch  gleichwertig.  Die  Ge- 
schichte des  Altertums 9  die,  wenn  man  die  neueren  Forschungen 
über  Assyrien,  Ägypten  und  Griechenland  heranzieht,  über  das 
tweite  Jahrtausend  vor  unserer  Zeitrechnung  zurückreicht  und  sich 
bis  in  das  fünfte  nachchristliche  Jahrhundert  erstreckt,  ist  doch 
an  Zuständen  und  Ereignissen,  wenigstens  für  den  Schulgebraucb, 
so  beschränkt,  daß  es  als  gleichwertig  neben  die  1000  Jahre 
treten  kann,  die  wir  für  das  Mittelalter  zur  Verfügung  haben. 
Dann  bleiben  noch  400  Jahre  der  Neuzeit«  Eine  kurze  Spanne 
zwar,  aber  so  voll  unerläßlicher  Fragen  für  das  Verständnis  der 
Gegenwart,  so  reich  an  Stoff,  daß  dieser  Abschnitt  an  umfang  und 
Inhalt  die  beiden  anderen  weit  überragt.  Da  drängt  sich  denn 
dsr  Gedanke  auf,   noch  einen  vierten  Abschnitt  loszutrennen. 

Wodurch  unterscheiden  sich  eigentlich  die  Weltalter?  Welche 
Veränderungen  sehen  wir  sich  vom  Altertum  zum  Mittelalter 
ond  zur  Neuzeit  vollziehen?  Zunächst  einen  Wechsel  des  Schau- 
platzes und  damit  eine  Erweiterung  des  geschichtlichen 
Horizontes.  Man  hat  das  Altertum  die  Geschichte  der  Mittel- 
meervOlker  genannt  Das  ist  gewiß  richtig,  wenn  man  den  Begriff 
in  seinem  weitesten  Sinne  faßt.  Von  Indien ,  Assyrien  und  dem 
Wendekreise  schreitet  die  Geschichte  nach  Griechenland  und  Italien» 
aber  auch  Spanien,  Frankreich,  die  Bhein-  und  Donaugebietf 
treten  langsam  in  den  Kreis  der  Betrachtung  ein.  Wie  das  Mittel- 
alter mit  der  Wanderung  der  bis  dabin  nur  wenig  hervortr  ' 
Germanen  bezeichnend  einsetzt,  beginnt  die  Neuzeit  mit 
deekung   von   Ländern    außerhalb  Europas.     Das  Schwi 


4 


1)  Ebenda.  II  S.  801. 


> 


100  Wai  ist  Nenzeit?  Von  0.  Jauker. 

wird  im  Mittelalter  Tom  Mittelmeere  nach  Mitteleuropa  yerlegt. 
Freilich  treten  auch  England  nnd  Frankreich  hinzu,  freilich  be- 
schäftigen uns  noch  Bömerzüge  und  geschichtliche  Ereignisse  Ita- 
liens: aber  es  sind  hauptsächlich  religiGse  Fragen,  die  hier  ver- 
handelt werden.  Ein  Zug  nach  Oebieten  des  Altertums,  wie  die 
Kreuzzftge,  hat  schon  fast  etwas  Wunderbares.  Die  Neuzeit  zieht 
langsam  ganz  Europa  in  den  Kreis  geschichtlicher  Wirksamkeit, 
ja  gelegentlich  kommt  ganz  schüchtern  ein  Ton  aus  den  Kolonien, 
der  aber  fast  nur  durch  seine  Bück  Wirkung  auf  das  Mutterland 
Bedeutung  erhält. 

Ein  Wandel  geschieht  auch  in  den  führenden  Völkern. 
Das  Altertum  beschäftigt  sich  zum  größten  Teile  mit  den  semi- 
tischen und  romanischen  Völkern :  semitisch  sind  die  Wurzeln,  ro- 
manisch der  Stamm  des  Baumes.  Das  Mittelalter  beginnt  mit  der 
Wanderung  germanischer  Völker  und  mit  ihren  Staatengründungen, 
und  germanisch  ist  die  Geschichte  des  Mittelalters.  Die  deutsche 
Kaieergeschichte  bildet  für  die  geschichtlichen  Ereignisse  den  Ein- 
teilungsgrund. Schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  tritt 
eine  Änderung  ein ,  an  der  Schwelle  der  Neuzeit  hat  die  Kaiser- 
macht bereits  abgewirtschaftet,  der  dreißigjährige  Krieg  gibt  ihr 
den  Todesstoß.  Aber  noch  dauert  die  Agonie  bis  1806.  Die  Neu- 
zeit, die  mit  dem  Kampf  zwischen  Karl  V.  und  Franz  I.  einsetzt, 
sieht  im  dreißigjährigen  Kriege  das  Bingen  Deutschlands,  Frank- 
reichs, Englands  und  Schwedens  und  erhält  ihren  Herold  in  dem 
Oranier,  der  das  Schlagwort  vom  europäischen  Gleichgewicht  bildet 
Das  setzt  sich  auch  langsam  durch,  bis  Napoleon  nochmals  diese 
Gebilde  in  Fluß  bringt  und  durcheinander  wirrt. 

Vom  Altertum  zu  Mittelalter  und  Neuzeit  wandeln  sich  auch 
die  Staats-  und  Gesellschaftsformen.  Das  Altertum  hebt 
mit  dem  orientalisch- despotischen  Königtum  an  und  endet  mit  dem 
Despotismus  der  römischen  Cäsaren ;  in  seiner  Mitte  hält  es  die 
Polisverfassung  Griechenlands  und  die  soziale  Bepublik  Boms. 
Überhaupt  treten  soziale  Fragen :  Agrarreform,  Kolonialfragen,  ge- 
sellschaftliche Kämpfe,  VolksTertretang  ^)  so  sehr  in  den  Vorder- 
grund, daß  uns  diese  Zeit  yiel  moderner  erscheint,  als  das  Mittel- 
alter, das  in  diesem  Sinne  sozusagen  ein  Zwischenspiel  yorstellt. 
Der  Feudalstaat,  der  bald  zeigt ^  wie  das  Königtum,  nur  auf  die 
Treue  der  Vasallen  gegründet,  in  der  Luft  zu  hängen  scheint, 
löst  sich  nach  und  nach  auf,  indem  er  seine  Macht  an  die  Land- 
stände und  Beichsfürsten  abgibt  oder,  wie  in  Frankreich  und  Eng- 
land, zum  Absolutismus  führt.  Das  ganze  geistige,  gesellschaft- 
liche und  staatliche  Leben  ist  durchaus  von  religiösen  Fragen  be- 
herrscht. Die  Neuzeit  kehrt  insoferne  wieder  zum  Altertum  zurück, 
als  neuerdings  die  sozialen  Fragen,   u.   zw.  Agrarfragen,   in  den 


')  Vgl.  L.  Bloch,  Die  ständiflchen  nnd  sozialen  Kämpfe  in  der 
römischen  Bepnblik.   „Aas  Natar  und  GeiateBwelt*'.  22.  Bd. 


Was  ist  Neozeit?  Von  0.  Jauker.  101 

Yordergnind  treten  und  die  politische  Gestaltung  immer  mehr  dem 
Absolntismus  zndr&ngt.  Das  idealistische  Kaisertum  macht  der 
realeren  Hansmachtspolitik  Platz.  Auf  religiösem  Gebiete 
nimmt  im  Altertum  der  Polytheismus  den  größten  Baum  ein ,  das 
Mittelalter  ist  die  eigentlich  christliche  Zeit,  der  monotheistische 
Islam  tritt  daneben  auf  und  im  Wendepunkt  der  Neuzeit  erscheint 
das  Yierte  monotheistische  Bekenntnis.  In  der  Neuzeit  treten  die 
religiösen  Fragen  zu  Gunsten  der  oben  geschilderten  politischen 
stark  zurück,  machen  sich  aber  als  Unterströmung  im  Pietismus, 
der  Mystik,  dem  Deismus  und  der  Naturreligion  der  Aufkl&rnngs- 
seit  noch  bemerkbar. 

Mit  diesem  Maßstabe  gemessen,  yerdient  die  Neuzeit  mit 
Tollem  Becht  ihre  eigene  Stellung.  Bei  den  Namen  Wallenstein, 
Elisabeth  IL,  Maria  Theresia,  Josef  II.,  Friedrich  IL  hören  wir 
keinen  Nebenton  aus  dem  Mittelalter:  da  ist  wirkliche  Neuzeit. 
Oder  sollen  wir  die  Zeit  eines  Herder,  der  mit  Fragen  einer  fer- 
neren Zukunft  arbeitet,  eines  Schiller  und  Goethe,  als  Schöpfer 
einer  neuen  Weltanschauungsgrundlage ,  eines  Galilei  und  Newton 
eine  Obergangszeit  aus  dem  Mittelalter  nennen?  Und  doch!  Wenn 
wir  die  ersten  bedeutenden  Straßenbauten  seit  der  Bömerherrschaft 
in  der  Zsit  Karls  VI.  mit  unseren  modernen  Weltverkehrsmitteln, 
die  Kriegführung  Friedrichs  des  Großen  mit  einem  modernen  Kriege, 
die  Baubkriege  mit  unserer  heutigen  Weltlage  yergleichen,  so 
müssen  wir  sagen:  da  klafft  ein  weiterer  Biß  als  zwischen  der 
Zeit  eines  Ottokar  von  Böhmen  und  Karls  V.,  da  haben  sich  Um- 
bildungen YoUzogen,  die  tiefer  gehen,  als  der  Unterschied  Ton 
drei  Jahrhunderten.  Hier  ließe  sich  ein  vierter  Abschnitt 
der  „modernen  Zeit**  abgliedern«  der  mit  dem  Anfange 
des  XIK.  Jahrhunderts  beginnt. 

Betrachten  wir  nochmals  kurz  die  Verftnderungen  der  Welt- 
alter; gleich  der  erste  Punkt :  der  Wechsel  des  Schauplatzes 
und  die  Erweiterung  des  geschichtlichen  Horizontes 
tritt  scharf  hervor.  Alles,  was  bis  zum  Anfange  des  XIX.  Jahr- 
honderts  sich  ereignete,  steht,  wie  schon  erwähnt,  unter  dem 
Sehlagworte  der  Baubkriege,  der  Erweiterung  der  Hausmacht,  der 
Territorialkampfe.  Wenn  in  England  schon  zur  Zeit  des  spanischen 
Erbfolgekrieges,  ja  schon  unter  Elisabeth  die  Kolon ialpolitik  wichtig 
wird,  so  handelt  es  sich  bei  diesem  durchaus  moderneD  Staate 
nm  ein  Vorgreifen  gegenüber  dem  langsamereu  Gant^e  der  Ver- 
hältnisse auf  dem  Kontinente,  wie  denn  auch  der  ParlameBtariBmtiB 
hier  sozusagen  „yerfrüht*'  emporgekommen  isU  Im  Beginne  des 
IVHL  Jahrhunderts  tritt  der  ausgedehnte  Osteii  Europas  m  Fab- 
lang mit  dem  Westen  und  spricht  gleich  bedeutsam  mit.  Es  Ist 
kein  Zufall,  daß  mit  dem  Frieden  von  Sistowa  (1791)  die  groß«" 
Türkenkriege  Österreichs  ein  Ende  finden  und  mit  den  Türke 
kriegen  Bufllands  die  orientalische  Frage  eine  neneWendaBg  ' 
kommt   Gegen  die  Wende  des  XVIII.  und  XII.  Jahrbunderta 


102  Was  iflt  Neuzeit?  Von  0.  Jauker, 

zieht  sich  ein  Scbaaspiel,  das  ich  als  vorbildlicb  ansehen  möchte. 
ZüiD  ersten  Male  erleidet  ein  europäischer  Staat  außerhalb  Europas 
einen  empfindlichen  Schlage  im  nordamerikanischen  Freiheitskrieg 
nnd  von  da  an  drängt  sich  die  Eolonialfrage  immer  gebieterischer 
hervor.  Die  Unternehmnngen  Napoleons,  der  mit  scharfem  Blicke 
seinen  grimmigsten  Feind  in  England  sah,  gehen  in  der  Kon- 
tinentalsperre  nnd  in  dem  Zage  nach  Ägypten  deatlich  anf  die  Ver- 
nichtung der  englischen  Eolonialstellnng  ^).  Das  Jahrhundert  von 
1715 — 1815  ist  mit  kurzen  Unterbrechungen  eine  Zeit  des  Kampfes 
zwischen  England  und  Frankreich  um  das  Übergewicht  in  Asien 
und  Amerika').  Der  Nord-  und  Südstaatenkrieg,  der  Zug  Napo- 
leons IIl.  gegen  Mexiko,  die  Verhältnisse  in  Ägypten  und  am  Suez- 
kanal richten  sofort  die  Blicke  der  europäischen  Staaten  nach  dem 
„Auslände*.  Seit  den  großen  Entscheidungen  von  1870  ist  ftber 
ein  Menschenalter  in  Buhe  verflossen,  wenn  wir  die  Karlistenaof- 
stände,  den  russisch  •  türkischen,  den  serbisch  -  bulgarischen  Krieg, 
die  Besetzung  Bosniens  nicht  zu  den  großen  politischen  Ereig- 
nissen rechnen  wollen.  Dagegen  gehen  in  den  ersten  Jahrzehnten 
des  XIK.  Jahrhunderts  viele  Kolonien  des  ehemals  mächtigen  Spa- 
nien und  Portugal  verloren.  Die  Wende  des  XIX.  und  XX.  Jahr- 
hunderts sieht  den  spanisch-amerikanischen  Krieg,  die  Kämpfe  in 
Südafrika,  China,  Venezuela,  Mandschurei,  Südwestafrika,  Marokko, 
und  große  Erfolge  haben  die  Kulturvölker  Europas  nicht  aufzu- 
weisen. Erst  seit  dieser  Zeit  haben  wir  demnach  eine 
wirklich  umfassende  Geschichte,  die,  wenn  sie  schon 
nicht  Weltgeschichte  heißen  darf,  doch  politische  Staaten- 
geschichte  der  ganzen  Erde  zu  werden  beginnt.  Das  ist 
doch  gewiß  einen  eigenen  Abschnitt  wert.  Im  Altertum  war  die 
„Welt^'geschichte  die  Geschichte  einiger  Kulturvölker  des  Mittel- 
meeres, im  Mittelalter  wurde  sie  zur  Geschichte  der  Christenheit, 
in  der  neueren  Zeit  zur  politischen  Staatengeschichte  von  Europa, 
nun  ist  ihr  Horizont  über  die  ganze  Erde  gebreitet. 

Von  führenden  Völkern  kann  kaum  gesprochen  werden, 
da  das  europäische  Gleichgewicht,  wenn  man  überhaupt  von  Gleich- 
gewicht sprechen  kann,  eine  Anzahl  von  Großstaaten  geschaffen 
hat,  die  eine  Vorherrschaft  nicht  dulden.  Immerhin  ist  auch  hier 
ein  Wandel  eingetreten.  Das  Kaisertum  deutscher  Nation ,  das  im 
Mittelalter  neben  dem  Papsttum  am  meisten  maßgebend  war,  ist 
wie  dieses  kein  politischer  Machtfaktor  mehr.  Gerade  um  die  Wende 
des  XIX.  Jahrhunderts  stirbt  es  ab  und  macht  den  Kaiserreichen 
Frankreich,  Österreich,  Bußland  Platz;  die  Jahre  1866  — 1870 
bringen  das  neue  Deutsche  Kaiserreich,  das  geeinigte  Italien ;  die 
Balkanstaaten  bilden  sich.    Die  bedeutendsten  Staaten  im  Beginne 


*)  Vgl.  Schwemer,  Bestanration  nnd  Bevolntion.    „AaB  Natur  und 
Geisteswelt-.  37.  Bd.  S.  70. 

*)  Zeehe,  Lehrbuch.  III  196. 


Wu  ist  Nemeit?  Von  0.  Jauker,  108 

der  Nenxeit:  Spanien ,  Portugal,  sp&ter  Holland  und  Schweden 
treten  stark  znrück;  Boßiand  and  England,  Nordamerika  and  Japan 
steigen  rasch  in  die  HOhe^).  Im  Hinblick  anf  das  soziale  and 
stattliche  Leben  steht  gerade  aach  an  der  Wende  des  XVJLU. 
nnd  IIX.  Jahrhunderts  die  französische  Bevolntion  mit  ihren  neaen 
Ideen.  Ist  es  ein  Znfall,  daß  die  Zeit  wilder  Eftmpfe,  in  denen 
»das  Band  der  Länder  gehoben  ist**  nnd  „die  alten  Formen  ein- 
stürzen^, aach  zagleich  der  Zeitraam  ist,  in  dem  der  Jesniten- 
ordeo  mit  seinen  internationalen  Yerbindongen  der  Ffirstenhöfe  aaf- 
geboben  ist?  (1773 — 1814).  Der  Absolntismas,  der  sich  in  Frank- 
nich  schon  lange,  in  England  Torübergehend  (Heinrich  VÜL,  Crom- 
well),  in  Deatschlaod  yon  Maximilian  I.  bis  Leopold  I.  entwickelt 
hat,  war  zwar  durch  die  Aofklärangsbewegang  nach  der  sozialen 
Seite  hin  gemildert  worden ,  hatte  sich  aber  als  Absolntismas  wo 
mdglicb  noch  Terschärft.  (Josef  U.'),  Friedridi  E.').  In  Frank* 
reich  wurde  die  Gelegenheit  zu  zeitgemäßen  Änderungen  yersäumt 
und  weil  die  notwendige  Beform  nicht  kam,  so  kam  und  mußte 
die  soziale  BeTolution  kommen^),  die  zunächst  die  Konstitution 
srreichte.  und  der  Gedanke  der  Yolkeyertretung  schlief  Yon  da  an 
Dicht  mehr  ein  und  setzte  sich  langsam  in  den  Staaten  Europas 
durch  (1880 — 1848).  Der  Parlamentarismus  ist  gerade  für  diesen 
IV.  Abschnitt  charakteristisch ,  wie  der  Absolutismus  für  den  IE. 
Abschnitt.  Daher  hat  Freih.  y.  Wieser  ganz  recht  ^),  wenn  er 
erklärt,  die  Mißstände  in  unserem  Parlamentarismus  seien  nicht 
Zeichen  yon  Altersschwäche,  sondern  im  Gegenteile  Einderkrank- 
heiten.  So  greift  er  jugendfriech  sogar  nach  Bußland,  Monte- 
negro, Persien  über. 

Auf  dem  wirtschaftlichen  Gebiete  sind  die  Dinge 
beherrscht  Ton  dem  erweiterten  Gesichtskreis  in  Handel  und  Wandel. 
Auch  da  bildet  das  XIX.  Jahrhundert  einen  Markstein.  Da  sehen 
wir  bis  1840  die  Einführung  der  Nähmaschinen,  der  mechanischen 
Webstühle,  der  Photographie,  der  Gasbeleuchtung,  des  Telegraphen, 
der  Stearinkene,  der  Stahlfeder,  der  Schiffsschraube,  der  Phosphor- 
itreicbhülzer ,  der  Anilinfarben  usw.*).  Schon  in  den  Vierziger- 
jibren  treffen  wir,  dank  der  Bemühungen  Lists  und  Harkorts  eine 
Beihe  Ton  Eisenbahnen,  die  eine  ungeahnte  Ausgestaltung  er- 
fahren').   Die  Durchquerung   mit  Schienenwegen  ist  in  Amerika 


')  Vgl.  E.  Bothert,  Die  Großmächte  in  ihrer  räumlichen  Entwiek- 
lesg  Mit  1750.  Dfiiseldorf  1906. 

*)  Der  Staat  and  Menschen  „umschaffen«   wilL   H.  Bahr:  Wien. 
Stattgart  1907. 

*)  Friedrieus  rez.    Antsprüche  und  Gedanken  Fried,  y.  Preußen. 
Uiptig  1907. 

«)  Jauker,  Histor.  Leitlinien.  Wien  1905.  S.  58. 
,       *)  Ober  Vergangenheit  und  Zukunft  der  OBterreiehisehen  Verfassung. 
Orterr.  Bondschau  1904,  S.  67. 

*}  0.  Weber,  1848.  »Aus  Natur  und  GeiBtesleben".  58.  Bd.,  S.  3  f. 

')  Sehwemer  a.  a.  0.,  S.  76.    Bothert:  Karten  und  Skizien.   IV. 
Kirte  15. 


104  Wm  ist  Neuzeit?  Von  0.  Jauker. 

und  Asien  gelangen,  in  Afrika  nnd  Anstralien  arbeitet  man  an 
ihrer  Vollendung.  Die  entlegensten  Gebiete  sind  nunmehr  so  nahe 
aneinander  gerückt,  daß  eine  Automobilfahrt  Yon  Peking  nach  Paris 
schon  in  das  Kapitel  Sport  gehört.  Wie  sehr  die  Erleichterung 
des  Verkehrs,  der  Mitteilungen  (Telegraph,  Zeitungen)  auf  Handel, 
Gewerbe,  Industrie,  Weltmarkt —  denn  einen  solchen  haben  wir 
erst  Jetzt  —  eingewirkt  haben ,  braucht  nicht  gesagt  zu  werden. 
Mit  dem  Emporkommen  zahlreicher  Fabriken  sind  neue  soziale 
Probleme  entstanden,  die  Auswanderungsfrage,  die  sozialen  K&mpfe 
werden  wichtiger.  Wie  1789  der  dritte  Stand  seine  Geltung  durch- 
zusetzen Yersuchte,  so  wendet  sich  nun  der  yierte  Stand  gegen 
die  Bourgeoisie  und  yerlangt  soziale  Stellung  und  politische  Rechte 
(Patrizier  und  Plebeier!).  —  Auch  hier  ist  unsere  Zeit  allen 
frfiheren  Jahrhunderten  überlegen:  sie  ist  uniYerseller.  Welt- 
sprachyereine,  internationale  Beziehungen  (Genfer  Konvention),  inter- 
nationale Kongresse  usw. ,  das  ist  die  Signatur  der  Moderne.  — 
Auch  Wissenschaft  und  Kunst  haben  eine  neue  Renaissance  (im 
Sinne  Ghamberlains)  erfahren:  in  Medizin  und  Naturwiesenschaft, 
in  Technik  und  Chemie,  in  Malerei  und  Dichtkunst,  sind  neue 
Wege  erschlossen,  neue  Arbeitsmittel  entdeckt,  neue  Ziele  und 
Methoden  gefunden  worden. 

Daher  glaube  ich  einen  IV.  Abschnitt  «Moderne  Zeit*'  ge- 
rechtfertigt. Zun&chst  nur  für  den  praktischen  Schulgebrauch. 
Dabei  müßte  allerdings  das  Hauptgewicht  auf  die  Betrachtung  der 
kulturellen  Zust&nde  gelegt  werden.  Da  w&re  es  möglich  zu  zeigen, 
wie  die  scheinbar  entferntesten  Dinge  Einfluß .  auf  das  geschicht- 
liche Leben  bekommen,  daß  die  geschichtlichen  Ereignisse  nicht 
als  losgelöste,  aufeinander  folgende  Szenen  abrollen,  sondern  mit 
hundert  Beziehungen  in  dem  ganzen  kulturellen  Leben  der  Zeit 
wurzeln.  Das  läßt  sich  dann  bei  Gelegenheit  (Wiederholung  Yor 
der  Matura)  an  einzelnen  Beispielen  aus  dem  Altertum  yerwerien. 
Das  führt  allerdings  aus  dem  Bahmen  des  Geschichtsunterrichtes 
auf  das  Gebiet  der  „allgemeinen  Bildung **.  Manches,  was  lange 
schon  wünschenswert  ist  (Wirtschaftsgeschichte,  Soziologie)  könnte 
herangezogen  werden  («Kulturunterricht''). 

Es  fragt  sich  nur  noch:  wann  beginnt  überhaupt  die  Ge- 
schichte? Auch  diese  Frage  ist  strittig  geworden,  seitdem  wir 
mit  Hammurabis  Gesetzbuch  bis  in  das  dritte  yorcbristliche  Jahr- 
tausend, mit  den  mykenischen  Funden  Griechenlands  und  der  Inseln 
bis  über  das  zweite  Jahrtausend  yorgedrungen  sind.  Wenn  ans 
auch  einzelne  geschichtliche  Vorkommnisse  aus  so  früher  Zeit 
dadurch  bekannt  geworden  sind,  so  haben  wir  es  doch,  wie  in  der 
ülteeten  Geschichte  Ägyptens,  meist  nur  mit  Kulturzust&nden  zu 
tun.  Die  gleichmäßige  Reibe  geschichtlicher  Ereignisse  setzt  erst 
später  ein.  Es  empfiehlt  sich  also,  auch  einen  Abschnitt  der 
frühgeschichtlichen  Zeit  (etwa  bis  500  y.  Chr.)  anzusetzen. 
Es  heißt  immer,  „unser  Leben  ist  rascher**,   d.  h.   es  ist  reicher 


Zur  Theorie  der  Flftehen  xweiter  Ordnang  usw.  Von  Zahradnik.  105 

in  Beziehungen  nnd  Ereignissen  geworden.  Der  Umfang  (zeitlich) 
wird  kleiner,  der  Inhalt  größer.  Daraus  ergibt  sich  nn gefähr  fol- 
gendes ZeitBchema: 

L  Frühgeschichtliche  Zeit  bis  1000  v.  Cbr ? 

Übergangszeit  Ton  1000—500  v.  Chr 500  Jahre 

n.  Altertum :  1000  y.  Chr.  bis  Mitte  des  Y.  Jahrb.  n.  Chr. 

1500  Jahre, 
Obergangszeit :  Mitte  des  V.  bis  Mitte  d.  IX.  Jahrb.  400     „ 
m.  Mittelalter:  Mitte  des  V.  Jahrb.  bis  1500  1000  Jahre, 
Obergangszeit:  Ende  des  KV.  Jahrb.  bis  Mitte  des 

XVn.  Jahrb.  150     „ 
IV.  Nenzeit:  Ende  des  XV.  Jahrb.  bis  1800  200  Jahre, 

Übergangszeit:  1800  —  1848  (1870) 50     „ 

y.  Moderne  Zeit  seit  1848 ? 

Laibach.  Prof.  Dr.  Otto  Janker. 


Zur  Theorie  der  Flächen  zweiter  Ordnung,  welche 
durch  ein  Polartetraeder  und  den  Mittelpunkt  ge- 
geben sind. 

1.  Es  seien  a?|,  x^^  x^,  x^  homogene  Parallelkoordinaten  eines 
beliebigen  Punktes  im  Baume.  Die  Flächen  zweiter  Ordnung  sind 
dann  analytisch  definiert  durch  die  Qleichung  zweiten  Grades 

1..4 

wobei  die  konstanten  Koeffizienten  der  Relation 

Aij  =  Aji 
genägen.    Aus  der  Form  der  Torigen  Gleichung  geht  hervor,   daß 
Beon  Koeffizienten   von   einander   unabbanglg    srnd,   daß    also  dte 
Fläche   zweiter   Ordnung   durch    neun    von    einander   unabhängige 
Bedingungen  gegeben  ist. 

Im  folgenden  wollen  wir  nne  näher  mit  Betraeb- 
tong  einer  Fläche  zweiter  Ordnung  beacbäftigenp  ?ofl 
der  ein  Polartetraeder  und  Mittelpunkt    gegeben  eind. 

Ein    Polartetraeder    ist,    wie    bekannt,    ein    Tetraeder,    bei 
dem  jeder   Eckpunkt   den   Pol  der   gegenüberliegenden  T«traader- 
•bene  in  Bezug  auf  die  gegebene  Fläche  bildet*  Ein  Eckpunkt  des 
Tetraeders  —  Pol  1  —  ist  beliebig   im  Baume  wählbar  —  dae 
lind  CO*  Punkte  —  ihm  entspricht  die  Polarebene  L    Anf  d>^** 
viblen  wir  den  zweiten  Eckpunkt  —   Fol  2   (cx>-  Pankt«);; 
•ntipricht  die   Polarebene  IL     Den   dritten  Eckpunkt   wäbl# 
»af  der  Dnrchschnittslinie  (I,  II)  (co^  Pnnkte);  ihm  entapriA 
Polarebene  IIL  Der  Tierte  Eckpunkt  —  Pol  4  —  Ist  dann  ^ 


i 


106  Zar  Theorie  der  Flächen  zweiter  Ordnung  aew.  Von  ZahradnüL 

bwtimiiit  aJs  DorohsduiUspniilrt  dar  Polarebenen  I,  II,  III   und 

die  zugehörige  Polarebene  IV  als  Ebene,  welche  durch  die  Punkte 
1,  2,  8  geht. 

In  Bezug  auf  die  gegebene  Fl&che  zweiter  Ordnung  existiert 
also  eine  Mannigfaltigkeit  von  co®  Polartetraedern;  ist  amgekehrt 
ein  Polartetraeder  gegeben,  so  sind  damit  sechs  Bedingungen  zur 
Definition  der  Fl&che  zweiter  Ordnung  bekannt.  Weitere  drei  Be- 
dingungen sind  durch  Angabe  der  Mittelpunkte  gegeben.  Wir  sind 
also  in  der  Lage,  die  Gleichung  der  Fl&che  aufzuschreiben,  eventnell 
die  Fl&che  zu  konstruieren,  wenn  eines  ihrer  Polartetraeder  und 
ihr  Mittelpunkt  gegeben  sind. 

Sind  die  Koordinaten  des  Poles  x^^  x^\  x^',  xj  gegeben, 
dann  hat,  wie  bekannt,  die  zugehörige  Polarebene  in  Bezug  auf 
die  Fl&che 

1..4 

2]  Äij  Xi  Xj  =  0 
•»> 
die  Gleichung 

1..4 

27  Aij  Xi  Xj  =  0. 

Diese  Gleichung  wenden  wir  auf  die  einander  konjugierten  Eckpunkte 
des  Polartetraeders  (],  2,  8,  4)  an;  wir  erhalten  somit  sechs 
Gleichungen  für  die  Koeffizienten  Aij.  Weitere  drei  Gleichungen 
erhalten  wir  aus  den  Gleichungen  für  den  Mittelpunkt 

lil-0    -1^-0    -^L-o 

wenn  wir  in  dieselben  für  Xi  die  gegebenen  Koordinaten  des  Mittel- 
punktes einsetzen. 

2.  Wenden  wir  uns  jetzt  zur  Lösung  folgender  Auf- 
gabe: Es  sind  fünf  Punkte  im  Baume  gegeben;  beliebige  yier 
von  denselben  bilden  die  Eckpunkte  eines  Polartetraeders  nnd  der 
fünfte  den  Mittelpunkt  der  Fläche  zweiter  Ordnung  —  es  sind  die 
auf  diese  Weise  definierten  Flächen  zu  erforschen. 

um  die  Aufgabe  etwas  einfacher  zu  machen,  wählen  wir  ein 
neues  Koordinatensystem  y^,  y,,  ^3,  y^  und  zwar  so,  daß  die  neuen 
Achsen  durch  drei  gegebene  Punkte  gehen  und  der  vierte  Punkt 
den  Mittelpunkt  des  neuen  Koordinatensystems  bildet.  Durch  ein- 
fache Koordinatentransformation 

^i  =  cn  tn  +  cn  y%  +  c^  y^  +  cuVa »  =  1»  2,  8,  4 

bekommt  die  Gleichung  der  Fläche 

1..4 

2j  Äij  Xi  Xj  =  0 
«./ 
folgende  Gestalt: 

1..4 

^  hj  Vi  Vj  =  0. 

i.J 


Zar  Theorie  der  Fliehen  iweiter  Ordnang  aew.  Von  Zahradnik.  107 


Die  Lage  der  fflnf  gegebenen  Punkte  im  neuen  Systeme  ist  dann 
folgende : 

1  (y,<'),     0,     0,     y.W), 

2  (0.    y,(»),     0,     y/»)), 

3  (0,    0.    y,<»).     y^W), 

4  (0,     0,     0,     y^W), 

5  (yi<^   y/>,   y/>,   y/>). 

dit  Bedingung  för  das  Eoiyagiertsein  zweier  Punkte  ist: 

'sVy\y">  =  0. 
'.  > 
8.  Es  seien  erstens  die  Punkte 

2,     8,     4     5 
die  Eckpunkte  des  Polartetraeders  und  der  Punkt 

1 
d«r  Mittelpunkt  der  FIftcbe  Z^;    fflr  die  konjugierten   Paare  der 
Paukte  gelten  dann  die  Gleichungen 

(2.  3)  *„  y,w  y,w  +  *„  y,w  y/»>  +  *.t  y.^  y*'»)  + 

(2,  4)  bu  y,(*)  y4<*>  +  J44  y4<*>  y/*>  =  o. 

(2,  5)  d„  y^w  y,(»)  +  bu  y,««  y4<*>  +  *„  y,<*>  y,<»>  + 
+  *,.  y.«"»  y/«  +  *«  (y;»>  y*'*^  +  y,^*'  y/>)  + 
+  bu  y;*^  y/)  H-  *44  y;*>  y/*'  =  o, 

(8,  4)  J„  y,(»)  y/*)  +  b^  y/«  y,W  =  0. 

(3,  5)  i„  yjW  y,W  +  Ji*  y/"'  y/'  +  b„  y,W  y,W  + 

+  bu  y,<«  y/«  +  *..  y.<*)  y.<»>  +  *«  (y.^  y*«*'  + 

,«y.'«y/*'  +  *My.'»^y/*'  + 
+  i44y/>y/*>  =  o. 

ud  ffir  den  Mittelpunkt  5  gilt: 

*ny/'>  +  *uy4<'>  =  0, 

*i,yi<*>  +  *My/''  =  o, 
*i.yi«  +  i.4y4<»  =  o. 

Dttans  folgen  ffir  die  Koeffizienten  5^-  die  Werte: 


(4.  5)  *u  y.<*'  y4<*> 


«•«~y.wy,w' 


y/l)        t«  _ 
y.(«)'       b„  — " 

64«  ~  y.wy.(*>' 


*-~  y.wy.wy.w 


(y,(6)y(S)y^(t)   +   y,Wy,Wy;ä)_^ 

+  y,<'>  ya<''  v.n 


h.  _  y«W         (y,(»)  y,W  y^ 


,(6)  _  y,(i)  y,(5)  y^W)  . 


y,(»)y,(«)y,(»)y,(6) 


-y»' 


,W 


108  Zor  Theorie  der  Flftehen  zweiter  Ordnung  nur.  Von  Zahradnik. 

b«  _        y,w        (yi<>>  y.w  y/'>  -  y»«  y.«  y/»  - 

6*4  ~  y,(i)y.wy,wy4W  —  y/'^  yj^»^  y/'O. 

6,.  _         y«(»)        (y/«  y,w  y/>  -  y/*>  y,«»>  y/»'  - 

b«  -  y,(i)y.(«)y,(»)y,W  —  y,W  y,«  y*«). 

4.  Eine  zweite  Fläche  /,  definieren  wir  dnrch  das  Polar- 
tetraeder 

8,     4,     5,     1 
nnd  den  Hittelpnnkt 

2. 

Analog  wie  im  rorigen  Falle  bekommen  wir  anch  bei  der  Fl&ch« 
/,  nenn  Gleichungen  ffir  die  Koeffizienten  der  Fl&cbengleiebon;. 
Eigentlich  sollten  wir  diese  Koeffizienten  von  den  vorigen  nnter- 
scbeiden,  wir  sehreiben  aber  der  Einfachheit  wegen  wieder  nar  bij 
nnd  so  anch  in  den  dbrigen  F&llen.    Die  Gleicbnngen  sind  dann: 

(3,  4)  Jm  y;»'  y*<*^  +  ^44  y*<»'  y/*'  =  o. 

(8.  5)  *„  y/»)  y,w  +  J,*  yi<'>  y«^'>  +  *m  y.'«  y;*>  + 

+  bu  y,w  y/»)  +  i„  y,»>  y,<»>  +  J«  (y.^  y*«  + 

+  y.<«  y/>)  +  bu  y/«  y*««  =  o, 

(3,  1)  *„  y,0)  y.W  +  6„  y,W  y,(»)  +  6„  y,(«)  y^d)  + 

+  bu  y*<«  y/»>  =  0, 

(4.  5)  \,  y/»)  y/*)  +  J„  y,(«  y,W  ^  J„  y,(6)  y^W  4. 

(4.  1)  *u  yi<'>  y4<*>  +  *44  y*«  y*«*'  =  o, 

(5,   1)  *„  y,(»)  y,W  +  J„  y,(»)  y.W  +  J„  y,(»)  y,W  + 

+  K  (yi<«  y*««  +  yi<«  y/'O  +  ^,4  y»<«  y4<'>  + 
+  *84y/>y/»>  +  i44y4<''y4<*>  =  0 

nnd  fQr  den  Mittelpunkt  2: 

*»y,«  +  *i4y/»'  =  o, 
*„y,^*>  +  *.4y4w  =  o, 
*2.y.<*^  +  *My4w  =  o. 

Diese  Gleichungen  aufgelöst  geben  die  Koeifizienten  der  Flftebe  /j 
und  zwar 

tu  _  _  y4('i        ^»«  —  _  s'»'** 

644  ~      y.'»)'       64. "~      y.w' 

»i.  _  y4Wy4W         by  _  .v«t^)  y.(=)         &..  _  y.t'Ly«!!» 

644  ~  y.W y,(»)'  6«  —  y.aTy,«)'         \^  —  y.iny,(»>' 

6.4  _  1  (yi<'>  y,'*'  yi^"  +  y/*'  y.<*'  yV'»  - 

644"    y,0)«,(«)y,(6)  -  y/'^  y/»' y*"''  j 

6..  _        y4<'>       (y,<*'  yi'^'  y4<*'  -  y»*"  yi 
644  ~  y,<»y.(«)y,wy.w  —  y»'*>  yi'''  y*'* 

6«  _        y4w       (yi<''  y»'''  y«<*'  -  yi'*'  *• 
644  ~  y.(i)y.wy,wy,w  —  y,'*'  "  "' 


*^%,. 


i 

1 


ift  Theorie  der  Fliehen  iweiter  Ordnang  aam.  Ton  Zahradnik.   109 


¥^ 


(y^w  y»"'  y/'»  —  yi'"  y,™  yi™  — 
-y/''y.'='y4<'^)- 


"y>P'ytWy,t»»y,w 

Eebon  idb  diesen  ReEnlUten  erkeaneii  wir,  daJI  für  die  FUcben 
/,  ud  /,  dia  EoefBzienten 

irt  i,  k=l,  2,  3 

lliicb  lind.     ÜDd  daaselba   ^ilt,    wie  man  sich  leicht  überzeugen 
Yan,  ßr  di»  übrigen  Fiächea  /,,  /j,  /^,  welche  durch  die  Hittel- 

8,  bezw.  4,     5 

Dl  Folutetraeder 

(4,  5,  1,  2),  biiw.  (5,   1,  2,  8),     (1,  2,  3,  i) 

Miieri  lind.     In    den  Oleichangen    dieaer   fouf   FlSchen   zweiter 

Ortouig  kommt  dieselbe  Form 
i..» 

^  *tf  y.  y/ 

*,j 

w.  Dil  ^metrische  Interpretation  daron  ist  leicbt:  Alle  diese 
>«  JdioieTteD  fänf  FlAcben  zweiter  Ordnung  haben 
>it  dir  anendlicb   fernen  Ebene 

^is  ttd  dieselbe  Scboittkarve  and  zwar  die  EurTe 

ilt)  ein  Eegelsebnitt  ist,  braacben  wir  nicht  zn  erwibnen. 
öliicliang  des  Eegetecbnittes  bat  die  Eoefßzienten 


W" 


tV«y,"'y/^>-y,<*>y3'*'y/«- 


»!•  = 


jr,t»)y,(»y,(»)jr.{ft> 

>.t"yit»>y,%,(« 


-y5''*y.<*>y,<*'). 

—  y,«"  yj<*>  y**'>), 

(y,(.)  y,(.)  y,(«  _  y,t«  y,(«  y.W  _ 


j,(i)y,(«)y,f»)y,(S) 


-  W  y,'«  y4<"J. 


*M  —  y.(»)y.W" 


A,.  -  y«'"  y,<"       ä    _  y/^i  y«"" 
^  y,(''  y,™» '       "  ~  yi<"  y.<»> ' 

^>  Aaf  die  Spezialieierong   der  Lage   der  gegebenen  Ponkte 
'^  Folgen  wollen    wir  nicht  eingeben.     Wir  erwähnen  nor 
dii  sDkloge  Anfgabe  in  der  Ebene.     Sie  Isntet:   Es   sind 
^i([  Punkte  gegeben 

1  Uf^'\   0.   y/>). 

2  (Ol    y,<*>.   Ss<"). 


8  (0,     0,     yjOj, 


*  (y. 


(*\ 


y." 


.(«. 


y,'«). 


**iiiiddii  £6g«]scbii]tU  £Q  uü tsrancheo,  welch«  drei 
^^Miiieii  PnnkUn  zum  PoUrdreuek  und  dan  TUrten 
ß^  Mjttilpiiäkt«  baboDe 


HO  Zor  Theorie  der  Flfteben  sweiter  Ordnung  qbw.  Von  Zahrcidnik. 

Ffir  alle  diese  Tier  Kegelschnitte  erh&lt  man  dieselben  Glei- 
chnngskoeffizienten 


"~  y.a)y,(»)' 


Zur  Theorie  der  Fliehen  zweiter  Ordnang  qbw.  Von  Zahradnik,   111 
also  dieselhen  (in  y^^  y^  quadratischen  Glieder 
^i  Vi^  4-  2  5,2  y,  y,  +  *M  y»*. 

Anders  aosgesproeben :    Die   so   definierten   Kegelschnitte 
hiben  mit  der  unendlich  fernen  Geraden 

ys  =  o 

dieselben  Dnrchschnittspnnkte 

hl  Vx  +  2  *i,  yi  y,  +  h^  yf  =  0, 
D&mlieh 

( jt)  =  ^  ^-  *»  =^  l/V-*nJ«). 

6.  Was  die  Konstruktion  der  Fl&che  zweiter  Ordnung  im 
gegebenen  Falle  anbelangt,  so  können  wir  die  Konstruktion,  welche 
MilinoTski  in  seiner  elementarsjnthetischen  Geometrie 
der  Kegelschnitte  1882  p.  228  anführt,  auf  den  Baum  übertragen. 

Es  ist  nämlich  (Fig.  1): 

(P,  P,'  Ä,  A,')  =  -  1 
ud  dabei 

Der  Punkt  Pj'  ist  Durchschnitt  von  P,  8  und  der  Ebene  P,  Pg  P4. 
Aus  Torigem  gebt  hervor 

and  daraus  ist  die  Konstruktion  von  J|  und  A^    sichtbar. 
Wien.  Dr.  Zahradnik. 


Zweite  Abteilung. 

Literarische  Anzeigen. 


Franz  Stürmer,  Griechische  Lautlehre  auf  etymologiaeher 
Grundlage.  Halle  a.  S.,  Verlag  der  Baehhandlimg  des  Waisen* 
hansea  1907.   80  SS. 

Der  Verf.  dieser  kleinen  Schrift  bat  bereits  früher  in  einer 
anderen  Schrift  „Die  Etymologie  im  Spracbnnterricbt  der  höheren 
Schalen*'  (Halle  1906),  zn  deren  Heraasgabe  er  offenbar  dorch 
das  Werk  Yon  Hemme,  „Das  lateinische  Sprachmaterial  im  Wort- 
schatze der  deutschen,  französischen  und  englischen  Sprache"  (es 
wird  etwas  stark  übertreibend  „epochemachend**  genannt!)»  zwar 
nicht  angeregt,  aber  wenigstens  darin  best&rkt  worden  ist,  in 
methodischer  Ausführung  gezeigt,  wie  man  die  Etymologie  schon 
Yon  der  untersten  Stufe  an  als  ein  stehendes  Unterrichtsmittel  ver- 
werten und  so  den  Sprachunterricht  nicht  nur  nutzbringend,  sondern 
auch  anregend  für  den  Schüler  gestalten  könne.  In  der  jetzt  vor- 
liegenden Schrift  ist  der  Abriß  einer  auf  strengwissenschaftlicher 
Basis  beruhenden  Darstellung  der  griechischen  Lautlehre  gegeben. 
Zu  diesem  Zwecke  wird  zun&chst  eine  Übersicht  der  Laute  der 
indogermanischen  Qrundsprache  Dnd  deren  EnUprechungen  tm 
Griechischen,  Lateinischen  nnd  NBnbachdeatBcfaea  gegeben.  Dana 
folgt  die  griechische  Lautlehre ,  timfaseeud  EonsciDanttsmas  iiD<i 
Yokalismus.  Die  Darstellung  des  erstereD  zerfällt  itt  folgende  Onier- 
abteilungen:  Lautgesetze  dea  Anlanta  und  InlantSf  Einwjrkting 
nicht  unmittelbar  benachbarter  Konsonanteo  BUftinander  (DUelmi- 
lation  der  Aspiraten,  Umspringen  der  Aspiration,  DiisimiUtioti  d«r 
Liquida,  Silbenausfall),  Lau  tj^e  setze  des  Aus  laute.  Der  'zweite  Ab- 
schnitt  enthält  die  Kapitel:  Ablaut,  Debonng,  Kürzung,  KtmtraklioQ, 
Sonstige  Veränderungen  der  Vokale^  Protbetiiche  Vokält^  Yokal- 
entfallung. 

Gegen  die  Anordnung  und  Ansfähning   fm  *^ 
sich   nicht  viel  Besonderes    einwenden   Usst 
sind   in   letzter  Instanz  docb   die   vorband« 
Darstellungen   des  Gegenatandes   gewesen. 


tStiimer,  Qrieeb,  Lavtlebfe  ftaf  dtjmoL  Gmiidlafe,  ang.  ?,  F.  St&lt,  113 


m  fol^di  BimerkßQgea^  bezw,  ÄneftellüDgen  notw endig.  S,  4 
bit  bii  der  Ang^abe  ober  die  Vertretunf  vou  id^.  s  im  Anlant  zu 
«Man  tiH  der  Btgel".  S*  7  (§  3}  werden  poena,  punio,  P^in 
ilf  OTTinrai^dt  mit  gr.  ^oa'ij  verEeichnet,  während  bekanntermaßen 
jji  lit«iat8cbeG  VVorte  Lebnworte  ans  dem  Griecbischeii  Binil  ond 
du  diatiebe  Wc^rt  ans  dem  LateiniBchen  entlehnt  ist.  3,  10  (§  7) 
will  /  ^iachlicb  aU  Vertreter  vun  inlantendem  idg.  f^,  dh  im 
LitiiDlicbeii  bneicbnet  Das  angefnbrt«  ru/m  ist  Dicbt  ecbt 
kdtQiicb*  Bondern  nur  ruber.  S.  10  (§  8)  stebt  infolge  einea 
Dmclfeblvfi  %  statt  M.  S.  11  (§  9)  wird  irrigerweise  neben  qu 
ud  {p^  ale  Vertreter  Ton  idg.  ^*'''  suri^efQbrt:  das  angeführte 
kpm  ist  tin  Lehnwort  ans  dem  Embrigcb^asklsoheii  (sabiniseben) 
Spri%ebi#t  (fgl.  Hiat  0ramin,  I  269),  8,  12  werden  äfKVQa, 
Mttmtf  Anker  eowie  äfy§kog  nnd  Engei  als  urverwandt  angesetzt 
CQii  doeb  ferhilt  es  eich  mit  ibnen  genan  eo,  wie  oben  mit  poena 
ndMfi.  S.  12  (§  12)  stebt  infolge  eines  Dmckfehlers  ijJtsvdo  für 
mMm^  S.  13  (§  14)  wird  die  alte  Erklämng  von  ßX^öKfs  ..ans 
pl&*  durdi  Metathesii  ans  Stamm  ^ol-''  nenerditigs  vorgebracht, 
o^iokl  oacb  S.  25  (§  81)  die  ricbtige  Erklärung  gegeben  werden 
kmnU.  S.  IS  (g  15)  ist  die  Annahme  einer  doppelten  Vertretung 
Tüa  ei~  (ipir.  aaper  oder  ö-)  nicht  zn  billtgen.  3>  13  (g  20) 
tini  die  nnbaltbar«  Zusammen stellang  ron  gr.  t^TtaQ  und  lat,  teeur 
uit  (itntecbem  Ltb^r  wieder  anfgetischt;  vgL  Walde  ^  Lat  etjm< 
WOrterhudi  S.  294.  B.  14  (onten)  ecbeint  mir  der  Ansdrtick 
ZwmmmirUrwten  statt  Zmammentrefftn  (tdd  zwei  oder  mehr  Eon- 
•Haofeefi  Im  Inlaut)  nicht  gnt  gewählt  S.  15  (g  35)  ist  die  falsche 
lib4|»liing  BufgeateUt ,  daü  ein  Dental  d,  t,  #  TOr  fi  entweder 
ra  €  werde  oder  d^  r,  9  erhalten  bleibe.  Nur  das  Letztere  ist 
ridbtif »  TgL  bom,  ISfx&t^^  während  Cö^ibv  Analogiebildung  nach 
yfi  iatufi  ist  nnd  ebenso  die  übrigen  Formen  mit  <f  iit'iv&fiai, 
^4ftui^  win^Kf^ai)  als  Analogiebildungen  zu  betrachten  sind, 
S.  16  (ä  SS)  wird  ebenso  nnrlebtig  gelehrt,  daß  r^  ent weder  zn 
fu  oder  ptfi  werdt:  lantgesetzlicb  ist  nnr  das  Letüere;  wo  ü^ 
«ichtiDi,  wie  in  nitpaüimt^  mtß  eine  andere  Erklärung  gesucht 
nnba.  S*  16  (§  42)  bedarf  die  Hege!  über  -ev-  einer  Über- 
pUug,  ebenso  S.  17  (§  47)  die  ober  -^tf-.  S.  19  (§  61):  die 
hoMH  ^tLlvm  nnd  XG^igm  ddrfen  nicht  mit  den  ährigen  hier  anf* 
fiAlrteo  anX  eine  Stnfe  geetellt  werden,  da  sie  ihren  Diphthong 
Hütbese  dea  i  zn  verdanken  haben«  während  in  den  übrigen 
■  -^^^..  Ereats  der  Foeitionslänge  durch  die  Natarlänge  vorliegt 
«•4  dif  Diphthong  u  in  xtBivm  ij^Bigm  nnr  ein  unechter  ist*  Die 
Mfi  rom  Vokalablaot  (S.  22  ff.)  let  zn  wenig  präzis  gefaßt, 
Mine  niebt  eine  genaue  Darstelinng  der  einzelnen  Ablantstüfeu 
ßtett  modernstem  Muster  geboten  ist:  mit  der  KlassiQj^Jerung 
NorailfltQrt,  Titfstnfe  findet  man  sein  Aaslangen  nicht  mehr,  anch 
^m  binttrher  bei  der  b*o  Hiihe  noch  eine  o- Stufe  und  eine 
^tkottaf«    aDftietzt    ist     S.  24  (§  78)    werden    ä^x^^^^    ^"^ 


f.  d.  tettrr.  Qfma,  iSÜi.  II.  mtu 


8 


1 14  0.  Krcmi,  Neae  Stadien  nr  arisioteliicbeii  Bhetoiik,  aag.  t.  J,  Zyeha, 

dffxioiuu  etymologisch  nisamiDeogogtoUt:  offenbar  liegt  eine  Ver- 
wechtlnng  mit  ÖQiafiog  Tor,  mit  dem  aber  ÖQxioiuu  nichts  n 
tos  hat  (Tgl.  PrellwiU'  s.  t.  ^ÖQxio/).  S.  27  (§  87,  4)  lies  tsliti 
für  XBi%dfi.  S.  28  (§  89)  werden  %xBlvm  and  öx^igm  wieder  falsch 
erklirt  (TgL  meine  Bemerkung  zn  §  61).  8.  29  (§  94)  muß  Tor 
der  Wendnng  „nach  p,  i.  a**  notwendigerweise  „im  Attischen** 
eingeschaltet  werden«  §  97  fehlt  orgr.  -170-,  welches  die  gleiche 
Behandlung  wie  das  ans  nrgr.  -äo-  entstandene  ionisch  •  attische 
-i}0-  erfahren  hat,  wie  man  ans  hom.  ßcufiliiagj  att  ßa6ÜLiG>g 
ersehen  kann. 

Die  im  Torstehenden  gegebene  Lese  Ton  nngenanen  oder 
irrigen  Angaben  nnd  Annahmen,  die  sich  bei  sehr  genauem  Zusehen 
Tielleicht  noch  Termehren  ließe,  liefert  den  unumstößlichen  Beweis, 
daß  die  rorliegende  „Griechische  Lautlehre  auf  etymologischer 
Grundlage*'  noch  einer  sorgfältigen  Überprüfung  und  Überarbeitang 
bedarf,  wenn  sie  ein  Tollständig  einwandfreies  Unterrichtsmittel 
werden  solL 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


Nene  Stadien  znr  aristotelischea  Rhetorik,  iusbesoudere  über 
das  yivog  inidsixtixöv.  Von  Oskar  Kraus.  Halle  a.  8^  Verltg 
Ton  Max  Niemejer  1907.   117  SS. 

Der  Verf.  veröffentlichte  1905  als  Parergon  seiner  kritischen 
Studie  über  die  „Lehre  tou  Lob,  Lohn,  Tadel  und  Strafe  bei 
Aristoteles*'  (Max  Niemeyer,  Halle  a.  S.)  die  Abhandlung:  „Über 
eine  altüberlieferte  Mißdeutung  der  epideiktischen  Bedegattung  bei 
Aristoteles**.  Dort  suchte  er  nachzuweisen,  daß  die  bisherige  Auf- 
fassung, die  epideiktische  Gattung  habe  zum  Zwecke,  dem  rein 
künstlerisch  interessierten  Publikum  die  Virtuosität  des  Redners  m 
zeigen,  nicht  nur  dem  aristotelischen  Geiste,  der  das  reine  Virtuosen- 
tum  in  jeder  Kunst  Terabscheue,  sondern  auch  direkt  den  Stellen 
widerspreche,  auf  die  sie  sich  beziehe.  Er  leugnet  nicht,  daß  der- 
artige Prunkreden  zu  derartigen  Zwecken  faktisch  gehalten  wurden; 
auch  das  gibt  er  zu,  daß  die  Lobredner  Torzugsweise  bei  festlichen 
Gelegenheiten  auftraten  nml  hitrt  liira  Kui]st  aula  bücl^stc  sp^^tKnc^ 
Anlaß  nafam^G,  zn  brilliereD  tiDd  bewundert  tu  wordeiu  AÜe^it 
Aristoteles,  der  hioter  dem  äDBereo  Scbetn  das  wabro  Wesen  ^ 
Dinge  zu  rochen  gewobut  war,  konDto  in  diesen  Dingen  iiidit  d^t 
Kern  der  Sache  erblicken,  nicht  das,  wau  iolehen  Beden  dtf  elhi^nii 
Sanktion  verleiht.  Ihm  iat  die  «pideiktifche  Bedt  um  ici^aa 
stellerische  liede  nur  in  dem  SloDe,  diß  dtrr  Uodiier  in  iki  n\ 
Schau   stellt   dla  Größe   der  Togtnd.  '    2ur^c\wHi9^ 

seiner  Ansicht    dnrcb    P,  Weiii^la-'^    -  .cq    LiUnrtrt^« 

Zeitung  190G.  Nr.  9  mä  Vi 
Prüfung  der  Frag«  and  ^^'      ^^^^^  ..  :^4 


J 


ilfdia,  Neaf  Stadjeo  Earariitotallscben  Bhetonkf  ang.  t.  J.Zycha.  115 


Sebfift  QJiter  öt»if«iii  Titel  der  6ffeDtlicb«n  Disktteslon.  Dtn 
iilitU  diteer  Stodie  fai^t  Kraus  in  11  Kapitel  znsammeD:  L  Ein- 
^^itöDf,  IL  Der  Systematiker  Aristoteles,  IIL  Der  Piaton iker  Äri- 
^HMtltg,  IV.  Dtrr  tieformator  Aristoteles^  Y*  Wendland  als  Text- 
PVKtibr,  VL  Die  arietotelische  Defioitton  der  epideiktiechen  Bede, 
'  VIL  Die  ariitotelieclie  Oeüoition  der  Tagende  VIIL  Wendland  als 
L^Bfeirpret,  IX.  Et  Dt  angebliche  schlechtere  Lesart  {iTtiÖBinvvvxBq 
H^ll  Im^antnj^kmfot]^  X>  Znr  Geschichte  der  Worte  mi6Biiitix6g 
^SA  i%i6Et%iq^  XL  SchInQ.  Im  Anhang  fügt  er  noch  fünf  Aoiner- 
^viifeii  bmi8  ond  dann  folgen  noch  zwei  Eiknr&e  nnd  zwar  L  über 
\^mn  BjrmoBi  an  dte  Tugend,  2.  über  die  Hhetorik  an  Aleianden 
^^  Wtil  es  «kb  \m  Grunde  genommen  bei  dem  ganr.en  Problem 
^^b  die  richtige  Erklärnn^  ?0Q  nar  zwei  Stellen  bandelt,  will  ich 
^Bdi  ftof  die  Beg|»f&chnng  dieser  beschränken  und  nur  eine  &1I^ 
fniilliie  BemerküDg'  streifen.  Er  ans  sagt  S.  S:  „lob  unterbreite 
>  €ti  Fmefat  dieier  doppelten  Prüfang  htemit  dem  interessierten 
LMtrkrtJi;  ?or  allem  den  Kennern  ari s tot tli scher  Philosophie*  leb 
Haristotelischer  Philosophie^ ;  denn  es  handelt  eich  bei  der 
orik  tun  einen  iotegnerenden  Bestandteil  des  arietoielischen 
ffflb&ndes«  Nun  vermag  aber  die  gründlichste  Kenntnis  der 
lebiicbea  Sprache  und  der  ipracblicben  Eigentnmlichkeiten  der 
iristoteliscb  überlieferten  Schriften  die  Vertrautheit  mit  den 
m  Eigentnmlicbkeiten  des  Philosophen  nicht  zu  ersetzen. 
die  unerlißiichgte  der  nnerläüliciien  Vorbedingungen  zur 
pbiaebeu  Interpretation  und  Kritik^.  Kr  ühersiebt,  daß  zu 
ilMDMtCim  Versiändnifi  der  Bhetorik  neben  den  von  ihm  auf- 
f«ilillteD  Forderungen  auch  Kenntnis  der  Entwicklung  der  Bered- 
«lakitt  gebort- 

W«ndeD  wir  uns  nun  der  Stelle  tu,  die  für  Kr.  Deutong  die 

lli|4l&€hlichste  Stütze  bUdei:*    Sie  lautet  I  3  (1358,  B7  CT.)  iüti 

ffg  ^j^ro^^x^^   BlSt}  tgia  tbv  dgid'iiüv*   toüovnn  yhQ  xal 

fir^Ottful  föjv    luymv    vndgx^'^^^^^  wug-    uvyHuvm    fäv 

im  t^^P  o  Xoyo^j  fx  n  tov  liyopto^  xul  ntgi  ov  XiyH 

h^ota^,  uväynti  6k  tt>i/  SL%goax^v  ^  %Empbv  ilvui  i)  ngitriv^ 

1  tiju  ^Bll6vTmif  H^ivmi/  olov  ixxljjöiaötijg^  6  öi  ^i^l 

'iUfil^vmp  olop  ü  dixaörijs,  i  öh  [ytegi]  ztlg  dvväfismg 

ÄiifT*  i|   ivdyxtig    &v   bIij   tgia  yivri    t€bv  Ivyop 

€^^  0viißotd£vtty.6p^  6iKaifix6p^  imdBifcuxop.  Dazu 

fei :  A  et  qui  arikulum  om.  rdiqui  aädideruni  ä€^/, 

mH  d0pm¥itni  €m  perbv  XQivwt\  huius  enim  gemris  audüor 

i^  ftf  jp^nfg,  €U  &£a>pü^%  S€d  ex  uoe*  &no:ig6g^  quare  Gregor ium 

^  Aic  rf  itipra  anie  dix^öttlg  articulum  rede  om,  puiö.     Anders 

Di«  Fr&positioti  3t$gl  jedoch  wegzulassen,  batte  und  habe 

troU  Spengej   keine  Yeranlaaaung.     Ich   beatreite  entschieden, 

dir  dJCP^d^  kein  Kgitijg  (xgipmp)  ist  und    da£^   mgl   nicht 

8* 


116  0.  KrauSt  Neae  Stadien  sar  aristotelischen  Rhetorik,  ang.  t.  J.  Zycha, 

▼OD  xfflvcyv  abhänge  (S.  81)''.  Nach  seiner  Aoffassnng  nrteilt 
der  %B(OQ6g  ober  die  Macht,  Gewalt  der  Tngend,  indem  er  igexilg 
ergänzt.  „Die  Darstellung  des  Tugendhaften  nnd  Lasterhaften  soll 
als  die  eigentfimliche  Aufgabe  der  epideiktischen  Bedegattung  rer- 
etanden  werden.  Das  Durchsetzen  eines  konkret  praktischen  politi- 
schen Zweckes  ist  nicht  Ziel  des  epideiktischen  Redners.  Es  gilt 
nicht  den  Hörer  unmittelbar  zu  einer  praktischen  Entscheidung 
(xglöiq)  zu  bringen;  wohl  soll  er  auch  zu  einem  Urteil,  einer 
Überzeugung  über  den  Gegenstand  der  Lob-  oder  Tadelrede  ge- 
langen, er  ist  also  auch,  allgemein  gesprochen,  ein  Richter,  aber 
zu  keinem  politischen  oder  gerichtlichen  Schritt  hat  er  sieh  zu 
entschließen,  sondern  die  ethischen  Wirkungen  sollen  sich  zunftchst 
in  seinem  Gemute  vollziehen,  um  erst  bei  entsprechender  Gelegen- 
heit auch  nach  außen  hin  praktisch  belangreich  zu  werden''. 

Aus  den  Worten  des  Aristoteles  geht  unzweideutig  herror, 
daß  er,  da  sich  der  Zweck  der  Rede  nach  dem  Zuhörer  bestimme, 
die  drei  Klassen  tou  Zuhörern  zum  Einteilungsgrund  der  drei  Bede- 
gattungen macht.  Ob  dieses  Prinzip  konsequent  durchgeführt  und 
festgehalten  werden  konnte,  diese  Frage  lassen  wir  beiseite.  Nor 
darauf  sei  hingewiesen,  daß  Aristoteles  im  dritten  Buche  tatsäch- 
lich Reden  symbuleutischen  Charakters  von  G^rgias  und  Isokrates 
unter  die  epideiktischen  einreihte.  Die  Zuhörer  von  zwei  Gattungen 
sind  zur  XQlöig  berufen  als  ixxX'^öiaötaC  und  dLxaötaly  den 
Zuhörern  der  dritten  Gattung  kommt  das  xqLvbiv  nicht  zu;  es 
heißt  ja  ausdrücklich  ^  ^sogbv  slvai  ^  XQitrjv,  Und  diesem 
Gedanken  entspricht  vollkommen  die  Überlieferung:  6  dk  zrjg 
Swdfi€G}g  ^soQÖg.  Der  Ausdruck  ^e(OQ6g  in  diesem  Zusammen- 
hange läßt  keinen  Zweifel,  daß  Aristoteles  die  inideliBig  im  Ange 
hatte,  die  den  Agonen  angegliedert,  später  eingegliedert  waren. 
Damit  ist  auch  schon  die  richtige  Bedeutung  des  Wortes  rijg 
dvväfiecog  gegeben.  Sowie  die  einen  bei  den  Wettk&mpfen  ihre 
körperliche  Tüchtigkeit,  die  anderen  die  Geschicklichkeit  im  Wagen- 
lenken bewundern  ließen,  so  traten  Verfasser  von  epideiktischen 
Reden  in  den  Wettkampf,  um  ihr  Können  {dvva[iLg)^  ihre  Kunst- 
fertigkeit zur  Schau  zu  atfeUan ,  um  durch  deren  Vortrag  Prei&e 
oder  den  Beifall  der  Festversämmlüng  zq  erwerbsD,  an  d%m  ibDtn, 
da  sie  zumeist  Schulh&opter  waren ^  schon  ans  Eonkürrenzrücksicbt?n 
außerordentlich  viel  gelegen  eem  muGle.  Tn^fTend  bestätigt  diet 
der  Meister  der  epideiktischen  Eedo  leokrates  Ep.  I  6  mit  deo 
Worten:  TCQÖg  Si  tovtotg  yccxetvo  näm  <fccPBQ6Pj  6ti  toig  fikv 
inLÖsl^ecag  deo^ivoig  al  ^avriyvpHg  {KO(i6troviJi%ff  inH  yÄ^  dr 
ttg  iv  nlslözoig  ri]v  aurcO  dvvapnv  öiaenB/^Bi^v,  Von  dio&«r 
gleichsam  ursprunglichen  Art  des  i7ttSHXvv<ii^m  wurde  dje  Be- 
zeichnung auch  auf  andere  sogenanDta  epldiiktiflche  Eedtn  fttMr-^ 
tragen,  wenn  sie  unter  der  Fiktion  einer  TeraatE" 
diese  auch  nur  für  Leser  bestimmt  waren. 


\ 


IKroMf  Keoe  Stadien  tut  arittoteliecben  Rbetorik,  &iig^  t.  J.  Zycha,  117 


6«gen   4ie6s  AiiXlasstujg    ma€bt   Kr.    den   EiDwaDd   geltend, 

&C  AHibtaleSf  der  die  dritte  Bed«gattDDg  als  solche  erst  atatuierte 
nid  daher  er  erßl  ihr  Wegen  bestimmen  konnte,  nnmOglicb  das 
tn^  der  rednemcbiQ  Fertigkeit  als  Aufgabe  der  epideiktiscben 
Bill  bibe  betrachten  k^iiDeis ,  weil  ihm  das  YirtQusentnm  Über^ 
upi  ftrhaGt  geweäen  sei.  Wob  er  weiA  denn  Krans^  daJ!^  ÄriatDteleB 
trster  die  Gattnng  dBT  epideiktiscben  Rede  festsetzte?  Es  wird 
bebaiptet,  aber  damit  ist  es  noch  nicht  bewiesen*  Aber  aneb 
inj)  fafttti  ArietoteleSi  wie  er  sonst  t*  ß.  ia  der  Poetik  tutp  ihr 
Dür  auf  Grund  der  hislonsch  überlieferten  Eoden  l>eBttmniea 
die  eben  dem  von  Krans  ^araDsgesetzten  Zweck  wider- 
Anderaeiti  moLl  eDtgegnet  werden,  daß  Aristoteles  nur 
die  Answäehse,  gegen  das  Übermaß  der  ecbausptelenscben 
lüititioaeD  and  des  auf  die  Spitze  getriebenen  rednerischen  Vir- 
tüoieotame  seiner  Zeit  sieb  wendet.  Denn  die  Agone  selbst  waren 
fMtgiwaraelt  im  griecbiscben  Nationalcbarakter  und  standen  aü* 
fiffiiiii  IQ  hohem  Ansehen.  Ich  onterla&se  es,  gerade  diese  PoIemilE 
>k  0»ge&&rgQment  gegen  Kraus  zu  verwenden^  weil  er  selbst  S.  61 
iii  Tirhllinias#  entsprecbecd  charakterisiert 

EigenttmUcb  berührt  Kraus'  Behanptnng  anf  S.  26:  „DaJl 
iriitot«1eB  den  Fmnk  gerade  bei  der  Lob-  nnd  Tadelrede  gebilligt 
Htk  hi  mit  keiner  Zeile  nnd  mit  keinem  Worte  seiner  Bcbriften 
n  bewelien  oder  auch  nnr  wahrscheinlich  zn  machen".  Es  kann 
in  QegenteU  gezeigt  werden,  daß  Aristoteles  hier  ganz  anf  dem 
Bodia  dir  rhetoriseben  Tradition  steht.  So  sagt  er  I  9,  1366,  26 
i  (dp  üv^fimg  intzridiLöTdzTi  rot^  imdHKrtxoi^.  Was  ist  im 
^raodi  fenommen  jede  avhj^tg?  Der  Übertreibende  legt  einem 
%<{iitand§  Attribute  bei,  die  ihm  eigentHcb  nicht  zukommen. 
Iqi  dieteiD  Gmnde  bftU  Piato  das  avlitv  ethisch  nicht  für  erlaubt. 
Bil  Afialoteles  sncht  es  Kr.  zu  entschnldigen.  „Die  Erlaubnis, 
»tlphrt  Parbt»  aufzutragen**,  scb reibt  er  S*  38p  „das  ünecbein- 
^«  XII  Tergr^ßern,  das  Anffälüge  zu  verkleinern,  findet  in  dem 
WB  Afiatoteles  angegebenen  Zweck  der  Gattnng,  dem  naXov  nnd 
*^Iq6p,  seine  ethische  Rechtfertigung^.  Wenn  ferner  Aristoteles 
19  dffielben  Stelle  zur  Begröndnng  der  Anwendong  der  av^ri6is 
es  bkibe  dem  epideiktiscben  Eedner  nichts  übrig  als  did 
itanden  öbernommenen  Taten  nnd  Handlangen  mit  Gri^ße 
dnbeit  in  nmkleiden,  so  ist  das  gewiß  ein  Prnnk  nnd  ent^ 
f ollkommen  dem  iTZidimnx^g  im  Paneg.  §  11.  Dieselbe 
ilbong  enthält  auch  die  Definition  der  Lobrede. 

Difie  führt  nns  zur  Besprechung  der  zweiten  Stelle,  auf  die 
dti  nene  Interpretation  beruft.  Kr.  übersetzt  J  9,  1367  Z»,  27: 
i  Lob  ist  eine  Bade,  welche  die  Oröi3e  der  Tngend  anscbaulicb 
ht  Der  Lobredner  mnß  also  binweigen  auf  die  Handlangen  als 
^'Wip^  d,  bp  als  ingendhafte''.    Letztere  Übersetznng  setit  den 
J^mliit  i(iq}ümimp  i^stijp  Toraas^  während  es  beißt:    ix4y£^og 


118  0.  Krauä,  Krae  Stadien  snr  aristoieliiehen  Rhetorik,  ang.  t.  J.  Zycha, 

igsT^g.  Qtgen  Wendlandy  der  an  dem  Ansdracke  y,der  Tugend'^ 
Anstoß  nahm  nnd  igetils  im  weiteren  Sinne  gefaßt  wissen  wollte, 
sncbt  Er.  in  dieser  zweiten  Abbandlnng  seine  Dentnng  aufrecht 
zn  halten.  Betrachten  wir  ohne  Voreingenommenheit  die  Definition 
in  ihren  Beziehungen,  wobei  Ton  Marx'  Einwand  gegen  die  Zweck- 
mäßigkeit der  Definition  abgesehen  wird,  aber  zugleich  betont  sein 
mag,  daß  1867  6,  22 — 28  eine  Periode  bilden.  Diese  Bemerkung 
ist  notwendig,  weil  Spengel  zu  1867  6,  26,  27  anmerkt:  Ceterum 
neseio  an  praestet:  l&ti  yig  ixaivog  und  weil  mancher  Übersetzer 
hier  einen  neuen  Abschnitt  ansetzt.  Ej'aus  y,i8t  nichts  gewisser, 
als  daß  nach  Aristoteles  die  Lobrede  dem  Tugendhaften  gilt;  nur 
größte  Unwissenheit  oder  Unehrlichkeit  kann  das  Gegenteil  be- 
haupten*' (S.  47).  Er  zitiert  auch  LOhning,  der  in  seiner  Zurech- 
nungslehre des  Aristoteles  schreibt:  Gegenstand  des  Lobes  und 
des  Tadels  sind  zun&chst  die  Tugend  und  das  Laster  selbst  als 
innere  seelische  Zust&nde,  weiter  deren  Tr&ger,  der  gute,  tugend- 
hafte und  der  schlechte,  lasterhafte  Mensch.  Diese  Behauptungen 
stehen  im  Widerspruch  mit  Aristoteles  1  9,  1366,  29:  ix3l  dk 
evfißaCvsL  xal  xwQlg  öJtovdrjg  xal  (lerdc  exovdfjg  inacveiv 
nolkdxig  ov  [i6vov  äv^Q(07iov  rj  ^sbv  dXlic  xal  ätlfvxa  xal 
x&v  äXkcyv  ^ipfDv  tb  %v%bv,  xbv  avxbv  tgönov  Tcal  xsqI  zovxmv 
Xrixxiov  xicg  ngoxäCBig,  —  Hier  macht  Aristoteles  erstens  noch 
andere  Gegenst&nde  des  Lobes  namhaft;  dann  darf  man  vom 
Systematiker  Aristoteles  wohl  yoraussetzen ,  daß  seine  Definition 
fär  alle  Torgesehenen  F&lle  passe.  Das  trifft  aber  nach  Kr.  Fassung 
für  die  zwei  letzten  Begriffe  nicht  zq.  Auch  die  der  Definition 
unmittelbar  Yoraasgehenden  GedaDkec  lasfieor  ^lo  mir  scheint»  Ai% 
Deutung  des  Wortes  uQBxq  im  engereD  Sinne  nicht  za,  wohl  aber 
in  dem  Sinoe,  wie  Isokrates  Hei*  15  eagt;  inaiVBiv  Si  tovg  in' 
dya/^p  xivi  öiatpiQovTag,  Aristoteles  gibt  1  %,  1S67  d,  23 — 26 
folgende  Vorschriftea:  xqii\(3i^qv  Öi  tb  Ttolkdxig  tpüiv^ß&ai 
nB7CQa%6xa^  öib  xal  xh  ßv^uxibfiatu  xccl  th  d^b  xvpjg  txig  iv 
XQÖcuQiöBi.  kriTiTiop'  &if  yäg  Jiokkä  xal  ofiot^  Tt^üffi^fitia^ 
örifislov  d^^rf^g  elrca  Ö6^u  xal  ngoai^itrsrng.  Ms  goleh«^  Glückt' 
fälle  führt  er  i  5,  1362,  7—12  folgende  vier  an:  iüti  öl  %ixi 
XG)v  nagh  7L6yov  dya^iov  altia  xv%r}^  olov  d  ot  älloi  aie^^i^l 
ddeXfpoi^  &  Öi  xaXög,  tj  oi  äkltu  ^ii  ddov  xbv  ^i^Gav^iVf  i 
d'  €VQBVy  ij  et  Tof  nXr^^iöv  Ixvjfs  zb  ßiXoQj  zovtQV  3^  |t4f  § 
bI  fiTj  JiXd^B  ^oi^og  dsl  q>oit€bP,  ol  6h  Httci^  ik^ovti^  6u^9d- 
Qflöav.  —  Nehmen  ivir  an,  daß  eiDem  Menschen  alle  Ui«r  xitisflfiii 
Glücksfälle  ÄUteil  wurden,  so  igt  er  gewiß  von  b^tvxJ^  begflnitigt 
und  ein  geschickter  Epideiktiker  koa&te  diejf*^ 
stellen,  daß  der  Leaer  darin  ©in  M&rköja' 
im  Sinne  Aristoteles*  erblickte 
ebensowenig  wie  jene  Poppaea, 
heißt:  laudatitqMe  ipse  apuä  \ 
infantis  parens  fuiBset  aimfk 


% 


[  Bitbert  Ha»  Dresdener  BcbAnspfelcrreH&f^  ang.  r.  J.  Oekler.     110 

Ki£li  iQtiner  Übarxeogung  ist  dit  ^altüberltefertd  MiBdautüDg^ 
Si  nefacijer&  Detitnn^,  die  mue  ümdeutiiztg  Id  Kr.  ÄbhaBdlnn^en 
in  d«r  Tat  eine  Mlßdentcng.  Trotzdem  enthalten  Kr.  Arbeiten 
Bi&onigfaehe  AJiregaDgen  nnä,  wenn  eia  Atilaß  geben,  mancbe  noch 
mifiMe  Fragre  der  arietoteli sehen  Ebetorlk  in  Angrif  in  nehmen^ 
ünn  litt  er  der  Wiesensebaft  eiBen  Dieitst  erwiesen. 


WieB. 


Jos.  Zjcha« 


t  Mirgar^te  B  iah  er.  Das  Dresdener  Schauspielerreliöf. 
Efn  BeitTft^  tor  Geicbicbte  des  tragiBcbeQ  Kovtümi  und  der  grie- 
chiiehffi  ^ufft.  Hii  1  T&fel  und  1£}  Äbbildaogeo  im  Texte.  Bonn, 
ff  CelieQ  1007.  91  S^. 

Di»  Verfäseerln  des  forliegenden,  vornehm  ausgestatteten,  G. 
tngeeigDetei]  Boches  bebandelt  das  Dresdener  Soban- 
ilief,  wel€bes  nach  dem  Originale  ani^  der  dem  Bncbe  bei» 
|l|Aiiiii  Tai'el  reproduziert  ist,  nnd  bietet  anschließend  wichtige 
Mlanuigeii  über  das  Gewand  and  die  Fußbekleidung  des  tra- 
lachen  Scb anspielers.  Die  Arbeit  zeigt  feine  Beobachtung,  Be-* 
'  'r  >^hQig  des  Materials  nnd  der  Lit«rattir  and  bietet  reiche  Be- 
:  and  Amegung  nicht  bloß  den  Fachgenossen,  sondern 
jfdm  Lehrer  der  Geschichte  nnd  der  klassischen  Sprachen  sowie 
!*äeiD  Preandfl  der  Literatur.  Eap*  I  behandelt  die  Überliefernng 
Q  ErbaltnngBznstand,  Kap*  11  gibt  die  Bescbreibang  nnd 
<ng  des  Reliefs:  die  Mittel%nr  wird  als  Schauspieler  in 
-t'ber  Bolle,  die  weiblicbe  Fignr  ais  Vertreterin  der  Per- 
'vG:iiuueii  der  Stadt  oder  einer  Pbyle  erklärt.  Kap.  III  bescbäftigt 
Utk  mit  dem  Bühnenge wände  des  tragischen  Schauspielers  und 
^  s&f  Grund  der  beobachteten  chronologischen  Abfolge  daa  Eelief 
^  bfDsnivliacbe  Zeit.  Besonders  interessant  sind  die  Ansfuhrnngen 
*»  IV.  EipileU  aber  die  Entwicklung  des  Kotbnrns:  derselbe  war 
EQBkhat  tin  eobltoloeer,  weicher,  hoher  Schaftstiefel;  Aiscbylos 
Affti  ejnt  Sahk  hinza;  im  11.  nnd  I.  Jahrhundert  t,  Ohr.  erhielt 
tr  irnt  Hohsoble  ia  der  Stärke  ron  etwa  vier  Lederscbichteu,  erst 
tcill.  Jäbrhandert  n*  Chr.  wurde  unter  den  Schub  mit  dicker  Sohle 
Heil  ii»e  hobei  aiehtbare  Stelze  binzngefagt  (S.  68),  Das  Dres* 
tev  Etliet  ist  nach  der  frühhellenis tischen  Form  des  Schnhes  in 
in  UL  Jalirbaiidert  r.  Chr.  zn  setzen.  Das  V.  Eapitel  behandelt 
^  knw^j^McMchtliche  Stellung  des  Reliefs,  das  Robert  in  die 
Ut  h§  Angnatna  setzt  nnd  als  Originalkomposition  betracbtet. 
l*iTtrf;  ab^r  sieht  darin  eine  zur  Zeit  des  Angaetus  gefertigte 
MMUeag  eines  Originals  in  Bronze  aus  dem  III.  Jahrhundert 
*'  Oir.,  das  in  Kleinasitn  entstanden  sei.  Überzeugend  ist  die 
^AOptnog  S.  89  r  daß  iüt  einen  angesehenen  Leiter  einer  Enlt- 
ftttiBsehafl  die  eelbstbewußte  Haltung  des  Scbauspielers  passe, 
^i  der  Sdilnfi :  ^Aue  dem  Kreis  der  kleiuasiatischen  di^nysiscbeo 


120  C  Bar  dt,  Römische  EomOdieo,  ang.  ?.  jB.  Kauer, 

Kflnstler  wird  die  Erfindung  des  Dresdener  Schanspielerreliefs  her- 
vorgegangen sein''.  Bef.  wünscht,  daß  recht  viele  Kollegen  Be- 
lehrung ans  dem  Buche  schöpfen,  das  in  keiner  Lehrerbibliothek 
fehlen  soll  und  das  zeigt,  welche  Erkenntnis  aus  der  Betrachtung 
der  Denkm&ler  gewonnen  werden  kann  zur  Ergänzung  der  litera- 
rischen Nachrichten. 

Wien.  Dr.  Johann  0 eh  1er. 


ROniische  Komödien,  deutsch  von  G.  Bardt.  II.  Band.  Plantos: 
Die  GefangeneD,  Der  Bramaibas,  Der  Schiffbruch;  Terentins:  Der 
Selbstqniler.  Berlin,  Weidmannsche  Bnchhandlong  1907. 

Am  Schlüsse  des  Yorwertes  zum  I.  Band  (enthaltend  Plautns : 
Der  Schatz,  Die  Zwillinge;  Terentins:  Das  Mädchen  Ton  Andres, 
Die  Brüder;  erschienen  1908)  schrieb  G.  Bardt:  „Daß  die  Ser- 
monen des  Horatius  hier  und  da  auch  Ton  Philologen  gelesen  und 
gern  gelesen  werden,  ist  mir  eine  große  Freude;  möchten  auch 
die  Komödien  unter  ihnen  hier  und  da  einen  Freund  finden !  Frei- 
lich, sie  werden  es  nur  dann,  wenn  man  ihnen  die  lange  und 
ernste  Arbeit  nicht  anmerkt,  durch  die  sie  zustande  gekommen 
sind-- 

Da  die  Komödien  somit  in  erster  Linie  für  Nichtphilologen 
Tordeutscht  sind,  ergibt  sich  für  die  Beurteilung  durch  den  Philo- 
logen eine  große  Schwierigkeit;  dieser  ist  nftmlich  doch  in  erster 
Linie  geneigt,  eine  Prüfung  anzustellen,  ob  wirklich  der  deutsche 
Text  dem  entspricht,  was  der  römische  Dichter  sagen  wollte;  der 
Absicht  des  Bearbeiters  entsprechend  sollte  er  aber  die  Verdeutschung 
allein  auf  sich  wirken  lassen.  Ich  suchte  dieser  Schwierigkeit 
wenigstens  einigermaßen  dadurch  auszuweichen,  daß  ich  das  Buch 
einerseits  einem  Nichtphilologen  zum  Durchlesen  gab,  anderseits 
es  selbst  zuerst  durchlas,  ohne  im  mindesten  den  lateinischen  Text 
heranzuziehen.  Wir  kamen  in  dem  Urteile  überein,  daß  die  Komö- 
dien in  dieser  verdeutsch teti  Gestalt  sehr  gut  zu  lesen  öiii<i,  daß 
sie  fast  nirgends  den  Eindrnck  dee  öe^wüngeneo  machen,  ja  nur 
sehr  selten  die  Meinung  aulkommän  laeseo,  man  habe  es  mit  einer 
„Übersetzung"  zu  tun,  souderD  ^ie  eine  OrigiiiaMicbtußg  a&muteD. 
Aus  diesen  Umständen  erklärt  sich  auch  dag  überleb wengliclie 
Lob,  das  diesen  YerdeutscbtiDiereB  vod  der  Kritik  eoast  ausechließ* 
lieh  gezollt  wurde.  Daß  dabei  über  daa  Ziel  gi^ficbOBBeD  wutde^ 
ist  mir  nicht  zweifelhaft  ^J.  Ja  ich  kann  nicht  umhin«  hier  die 
Bemerkung  machen,  daß  bei  dem  BemDhet],  eine  recht  flotte  Ter* 
deutschung  herzustellen,  manchmal  eq  weit  vom  OrigiDil  abgefangH] 


^)  Ich  kann  s.  B.  durchAiii  cleht  de 
Drabeim  namentlich  der  ObersettnDi;  toh  ( 
der  Mühe  wert,  die  beiden  feite  nefaeneimh 


C,  Bmdi,  EOmbehe  ^omOdien,  ang,  ?.  B.  Kauer, 


121 


vnräi,  dj|0  biedureb  hi«r  und  da  ein«  klaiD^  Unklarheit  eBtstaad. 
U  km  fti  wobl,  d^ü  hk  mir  beim  ersten  Dorcblesen  an  maDcliea 
Sttliin  Pr&ge^tichen  machte  QDd  dana  bei  der  Vergleich uti^  mit 
dfis  Original  fand,  d&ß  eben  die  alha  grolle  Freiheit  daran  Bctxuld 
itL  Eid  oebme  sich  die  Mähe  i,  B,  für  den  Endens  die  Stellen 
ticbtoieheDt  die  folgenden  Versen  dee  Originale  entiprecben  sollen : 
h  L  (iwmtlg  Miceo  sind  für  ein  Handgeld  zu  hoch,  im  Original 
Bükt  tripnta  minis  sibi  pnellam  äestmatf  daique  armbonem  nßw.), 
ISOi  841,  S54  r.  (namentlich  die  Frage  ,, Ward's  dir  nicht  ange* 
itgt?''  bleibt  EQTersl&ndllcb];    nach    S62    entepricbt   der    Zusatz 


m(£E)  Quid  trat  ei  nomen? 


KiJb)  yiiMl  erat  et  mmenf       28S.  Heg.  Der  Eltern  Namen  gib 
bekannt ! 
UIL,     ThemauTüchr^sorUcQ'  PblL    Erjtbraipi«    ist    mii 

ehrymle^  Vater  benanolp 

EA)  ViddicH  propter  diviticts  Dat  beiüt  Ter  dolmetscht  „rot  e  r 

inditum  id  ni^ffi^i  quasist  iSchild", 

Seine  Mutter  war  eine   f|Van 
der  Bjlt^ 
817  (PEIL)    Immo  edepol  propter  ^86.  Das  dentet  aaf  Tolle  Bente!  hin. 
afttriHnm  ipsius  atqut  au-  2B7.  Auf  Geiz  vielmehr  und  kargen 
dticiam.  Sina. 

Kl  Jfttm  üle  qutdem  Iheodoromedes  288. 
fuü  g^rmajio  nomine. 
I  dlfiB  fnecbiichen  Hamen  Thfnäauroehrtjgmnc&chrifSides,  aue  dem 
flBi  oportlitt  nnd  uudacia  erklärlich  eiud,  %u  entaprechePr  führt  alao 
FJt  den  Aj^acbroniamni  fom  Vater  Eot^child  und  der  (gans  Über- 
i^f  BniDgeietateti)  Mutter  Vanderbilt  (auch  deswegen  ni.  E.  nicht 
VB  retlitfcrtif  ecTf  «eil  sieb  reitbe  AmenkanennneEi  in  Europa  wobl  bohe 
Adflige,  ftber  keine  Banquien  tu  Gatten  ancben),  wodurch  der  Vere: 
»ion}«j|  vielmehr  und  kargen  ^inn''  {auducia  m^^ie  tu  ipso  entfallen) 
iidierftlndlieh  wird ;  denn  durch  dleie  Eigenschaften  teicbnen  eich  weder 
Bolichfld  noch  Vauderbilt  aue.    Was  aber  mir  bedenklich  erscheltit 

P^^and^  daß  Bardt,  um  dem  griecbiecben  Namen  des  Originale 
uen,  ein  neues  griecbiscbea  Wort  erfindeti  mit  dem  der 
igloge  ebenaowenig  anfangen  kann,  daa  ficböüe  Wurt  Erijthraspu. 
t  w4ra  ee  doch  beaeer  gewesen,  dem  acher^haft  geblldi;teu  ^piu- 
rhemiauröchrj/9oni€ochry8ides  ÄdfiqUB.tee  in  finden  und  damit 
I,  den  wabran  Namen  und  den  Sinn  der  Stelle  £U  retten.  In 
r  Weite  icheint  mir  auch  Capt  888  Boius  €9t  toiam  ierü  nicht 
eklich  nnd  knapp  wiedergegeben  zu  sein  mit 


^AuB  Ohrjiopolls  war  er  im  Sikulerland» 
CbaliopoUs  bei&t'a  jetzt  jedenfalls  (!  I), 
Denn  eherne  Hinge  trägt  sein  Bals'^. 


^imro  aoli,  weil  3talagmtis  eine  Eette  uro  den  Bali  trägt,  das  angeb- 
kkt  Chr^iopolis  jetit  jedenfalls  Chalkopolk  benannt  werden? 
V^ite  n;an  icbon  dem  etwas  anitODigen  Wits  b&iam  terü  aus  dem  Wege 
tll«i,  der  in  V.  880  (der  natürlich  dann  auägelaesen  werden  muDle) 
hfitelst  wird,  io  wäre«  doch  nicht  nyjtig,  wieder  griechiicbe  Wörter 
"^  ~  ^  nm  einen  keltiechen  Namen  zu  Termeiden,  Aber  ee  wäre 
gegangen  mit  ^Ein  Ei^en  Städter  ist  er  jedenfaltst  denn 
II«  tiingt  ihm  an  dem  Ha  ja"*,  woran  auch  V.  B89  HbfTorum 
wm  eauäa  et  crtdo  uxor  dataai  ohne  Mühe  angetcbloßsen 


122  C,  Baratt  Römische  EomOdieD,  ang.  ?.  B,  Kauer. 

Dicht  der  Situation;  874  f.  ist  in  das  Gegenteil  Terkehrt;  528  f., 
585  f.,  570,  626,  659,  764.  „Nix  Feuer'',  das  glaubt  doch  kein 
Leser,  daß  der  Sklave  ein  „60hm**'  war;  778  (nur  mit  dem  latein. 
Text  verständlich);  787;  820  „schleunig"  ist  unrichtig,  sie  sollen 
ja  Posto  fassen  und  stehen  bleiben;  988  f.  bes.  „und  nennt  mich 
erst  das  Zeitungsblatt" ;  1004;  1011;  1072;  1098;  1108;  1126; 
1164  (was  soll  „auf  der  untersten  Zeile"  auf  einem  Beile!);  1178 
„0  Tochter  im  Alter  mein  Stecken  und  Stab!"  1805  „Zettelmann 
— ^Bettelmann?"  Das  Wortspiel  (es  soll  dem  medieus  —  mendieus 
entsprechen)  blieb  mir  unverständlich.  Ich  glaube  daher  trotz  des 
Lobes,  das  ich  der  guten  Verdeutschung  im  allgemeinen  zollen 
muß,  und  trotzdem  ich  mich  dankbar  des  bedeutenden  Eindrucks 
erinnere,  den  die  Men&chmi  in  Bardts  Wiedergabe  bei  der  Hallenser 
Versammlung  auf  mich  machten,  mich  doch  der  Meinung  anschließen 
zu  sollen,  die  Skntsch  gelegentlich  der  Besprechung  des  L  Bandes 
geäußert  hat,  daß  nämlich  jedem,  der  das  Original  halbwegs  zu 
lesen  imstande  sei,  zu  raten  sei,  sich  an  dieses  zu  halten. 

Und  damit  bin  ich  bei  dem  Standpunkte  angelangt,  den  der 
Philologe  dieser  Übersetzung  gegenüber  einzunehmen  hat.  Dieser 
hat  die  Pflicht,  die  Vergleichung  mit  dem  Originale  vorzunehmen. 
Selbstverständlich  wird  er  dies  nicht  in  der  Weise  tun,  daß  ihm 
der  Vorwurf  gemacht  werden  kann,  er  solle  sich  erst  vom  Wort- 
dienste befreien.  Auch  als  Philologe  kann  ich  Übersetzungen,  wie 
sie  Capt.  810—15,  401—10,  660—706,  911—921,  Haut.  818  ff. 
gegeben  werden,  nur  auf  das  freudigste  begrüßen,  bin  z.  B.  mit 
der  Wiedergabe  von  Capt.  594  fii  opus  durch  „Stricke  her"  voll- 
kommen einverstanden,  glaube  aber  doch,  daß  man  „der  Wahrheit 
treuer  Dolmetsch '^  sein  kann,  ohne  so  viel  zu  ändern.  Und  dies 
tut  Bardt. 

An   vielen  Stellen   scheint  mir  nämlich   der  Sinn,   beileibe 
nicht  der  Wortlaut  des  Originals  nicht  scharf  genug  hervorzutreten : 
Man  vergleiche  z.  B.  in  den  GelangeaeQ  126  capCM  ^  SblartH' 
schar    unverständlich,    145  quünii,    181    fundum,    206  a  metuU, 
216  obnoxii,  228  nicht  ant  die  Treae,  eoudem  auf  die  Geschick* 
lichkeit  kommt  es  an,  240—244,  269,  271,  279,  282,  283,  284 
(läßt  sich  den  Hieb  auf  die  Philosophie  entgehen),  301  die  Pointe 
verdorben,  808,  809,  823,  828,  B36p  350  benicalus  soll  ergaben 
sein,  Tynd.  spielt  sich  ja  aaf  d^u  Herrn  binsnfi,  302  f.,  876  (dem; 
es  gehört  mein),  897,  447  et  Uta  H  Uta  =  unser!  464  dk^  uod 
octdi  paßten  doch  so  gut  zusammen,  469,  473  „wled^r^'  ist  utiViT' 
ständlich,  474  einzuholen  ::=  obsonant,  475  Pointe  ?erfebll,  dit  In 
der  Antithese  ad  lenones  eunt    —    condemnant  r«w   ***** 
Pointe  exitium  —  exitiost  verwischt,  550  im 
ebenso  558,  555;  s.  Brix-Niemeyer  zu  dies 
an  die  „brennenden  Fackeln''  xn  deDken^  6^ 
wird   auf  das  Haupt  getränfeit,    616  adil 
um  das   Nähergehen  handelt   es   sich, 


C*  Borcii,  Bflmisehe  Komödien,  aüg*  ?♦  R.  Kauer. 


123 


darf  flicht  ,,Freaod"  gesagt  werden,  sondern  ^Herr"  j 
kt  es  ja  707t  daher  aDcb  720  nicht  vom  Freond  meiner 
hsgoA  geredet  werden  darf,  so  dick  hielten  es  Herr  und  Diener 
siebt  7S5  f.  doppäldentig«  775  ob  sich  der  Lesar  nnter  lasten- 
lik*  nimu  dem  sim  saeris  Eotsprecbendes  denkt?  793,  704,  808, 
BS4(I),  MO,  942,  948  f,,  956,  1014  (mm  mit  ,,drOTn"l),  1035, 
Kl  ift  twiileü^e,  daJ&  nicht  jede  Pointe  ond  jeder  Witz  im  DeotscbeD 
tiidirf«g«b«i!  werden  kaQDi  immerhin  bedauerte  ich  es  Oapt,  70  t, 
HS,  1S2  (wAre  so  gut  mit  Grand  nnd  Abgrund  gegangen),  281 
(«rpiiu«  dipiii4H  —  s€htfm  txcoquBre  etwa  „hat  dick  er  es  wohl  ^ 
am  FettanslasseD  im  Kaeaerol),  428  (anf  fnimei  mihi  kommt 
m  iD),  475,  726,  788,  796  f.,  860  wnrde  nach  der  gewöhnUcheti 
DkUHtonog  mit  Märker — merkst  gegeben  ;  smtketum  bedeutet  aber 
ftiu  ünangtntbmes  nnd  es  entspricht  der  Situation,  daß 
Irrtiiliis  eben  erklirt,  Hegio  befiade  sich  in  keiner  eo  nnan- 
fttflibmen  Lage,  die  ihn  znm  sentire  nOtigt. 

E$  ist  eelbstveritiodUch ,  daß  dirch  die  freie  Bearbeitnng 
lad  ifi  (l«r  Frende  des  Schaffens  —  die  merkt  man  überall  —  fiel  dazn 
liloeuDeo  ist,  was  im  Original  nicht  steht,  dafür  allerdings  auch 
M^ii  ansgelaesen  wnrde,  was  sich  dort  findet.  Gar  manche 
f«ciiltett  iil  damit  hineingeraten ,  die  der  nnbefangene  Leser  dem 
iüUm  Dichter  und  nicht  dem  modertien  Bearbeiter  znznechrelben 
fiuigt  sein  dürfte.  Ich  glanbe  aber  doch,  daß  hiebet  nach  beiden 
BMügeD  maBChmal  dee  Gnten  zQTiel  getan  wnrde,  namentlich 
nkmtn  mir  manche  Erlinlernngen  entbehrlich  lu  sein ;  man  kann 
Um  Lüer  schon  zn tränen,  daß  er  die  knappe  Dar&tellnng  ebenso 
mtibl  wie  der  römische  Znscbauer.  Man  vergleiche  darauf  hin 
Cipt.S8,  90,  124,  158,  173,  179,  190,  210,  232  f,,  237  (sina- 
H  HO,  2S7,  250,  254,  292,  302,  317,  B24,  341,  861,  366  f,, 
!:&,  889,  S90,  892,  423,  424,  446.  461,  466,  479  (halb  grob?), 
iÄS,  492,  493,  494,  522,  528,  536,  562,  563,  589,  598,  605, 
«10,  617,  623,  626,  639,  652,  653,  729,  743,  747,  750,  759 
IriTfibeni  in  wenig),  762,  764,  769,  775,  799,  822,  829,  835, 
837,  g39,  844,  846,  853,  855,  856,  861,  871,  886,  890,  903, 
ni  988—940,  954,  963.  969,  977,  980,  985,  987  (mit  dem 
Vüif  i^aaseoden  „nrngetanft"*),  993  t  Der  Lateiner  tat  beseer,  dai^  er 
mhmmisir  erkUrte,  994,  999,  1012,  1028  qmi  peculi  nil  est, 
mkfmris  dnrch  4  Zeilen,  Tor  1029  4  Zeilen,  1081,  1035,  1036, 
An  fast  ebensoviel  Stellen  wnrden  dafür  Feree  oder  Verstelle 
>ti|elasa«|],  an  ron  den  Captivi  znnftchst  der  ganze  Prolog  1—68, 
^  nm  Terstftndnii  der  Anfangsszenen  nnerJäßlkh  ist,  was  mir 
te  doeb  sehr  bedenklich  erscheint;  anch  über  die  planUnischen 
^lofe  haben  wir  seit  den  letzten  Jahren  nnd  jetzt  gar  nach  dem 
Situ Mfoanderbqcb  anders  zn  denken;  dann  76  f.,  82,  84,  92,  125, 
m,  Ul(umcm),  169—171,  174,  186.  221  f.,  288.  303,  319, 
'^,ZU,  S7ö— 380,  ^96,  411,  429—445  in  4  Zeilen  abgetan, 
4W,   486,    490  L,    494,    508  f.,    544,   558,    565  (I),    582, 


124  C.  Bardt,  BOmiscbe  KomOdien,  ang.  t.  B.  Kauer. 

595,  680—682,  641  f.,  644,  657,  698,  710,  776  f.,  789,  800, 
801,  802,  811,  881,  887,  889,  857,  889,  910,  985  f.,  947, 
964,  969,  988,  1022—1024.  Daza  kommen  noch  die  Stellen, 
wo  die  Personenverteilnng  ohne  Grand  ge&ndert  wnrde  (Tgl.  287, 
249,  421,  611  f.)  oder  wo  durch  Anslaesen  von  Gegenreden  die 
Lebhaftigkeit  des  Dialoge  vermindert  wurde:  so  u.  a.  Gapt.  210, 
427,  570,  881,  888,  885,  889,  910,  935  f.,  958,  978,  1015. 
Gewiß  mag  hier  die  Yersnot  oft  der  Grund  gewesen  sein;  wer 
aber  die  Sprache  so  beherrscht  wie  0.  Bardt,  könnte  rielleicht 
doch  einen  Ausweg  finden.  Vielleicht  könnte  da  bei  einer  folgenden 
Auflage,  die  sich  zweifellos  bald  nötig  erweisen  wird,  manches 
geändert  werden,  was  offenbar  nur  wegen  des  Beimes  in  einer 
nicht  ganz  einwandfreien  Form  gegeben  wurde;  z.  B.  Gapt.  289 
pcUer  praxumus  Tftterlich  Stecken  und  Stab,  885  adhue  schon 
vorhin,  888  gebührt  statt  geziemt,  459  eequis  hune  aduleBcnUem 
naverU  „Ob  dieser  dort  Bekannte  gefunden''!  (als  ob  Philokrates 
so  hinspazieren  konnte),  628  istic  wird  durch  „freche  Fileu^  (!) 
fibersetzt,  dagegen  wird  mo^^io«  659  nicht  flbersetzt,  626,  633, 
752,  760,  802  Bauch— Gauch  (steht  gar  nicht  da  und  paßt  nicht 
auf  den  Parasiten),  942,  998.  Des  Beimes  wegen  spricht  sogar 
der  Bramarbas  (Mil.  1047)  von  den  Jungen  und  alten**,  die  er 
geliebt,  und  wird  735  „heuer**  unrichtig  für  heute  gesetzt. 

Es  sei  mir  gestattet,  hier  noch  auf  einige  Versehen  hinzu- 
weisen, die  ebenfalls  in  einer  Neuauflage  berichtigt  werden  könnten. 
Capt.  541:  Quid  istuc  eit  quod  nieos  te  dieam  fugiiare  oeulo$ 
Tyndare,  wird  mit:  „Was  meiden  deine  Augen  mich**  fibersetzt, 
ohne  den  Namen  zu  nennen,  auf  den  es  ja  hier  vor  allem  ankommt, 
da  hiedurch  die  Verwechslung  sofort  aufgedeckt  wird;  trotzdem 
heißt  es  dann  in  der  Übersetzung  von  V.  546  „Und  Tyndans 
doch  statt  Philokrates  nennst**  und  von  V.  559  „Da  er  dich  Tyn- 
darus  genannt**,  obwohl  Aristophontes  in  seiner  Bede  (bei  C.  Bardt) 
den  Namen  gar  nicht  ausspricht.  Ebenfalls  durch  Unterdrfickvog 
eines  Namens  (ich  verkenne  nicht,  daß  sie  schwer  in  deo  EBittel* 
vers  gehen)  ist  eine  andere  Ungenauigkeit  entstanden:  Capt  V.  288 
mit  dem  wirklichen  Namen  des  Vaters  des  Philokrates,  aimlich 
Theodaromedes,  wurde  (S.  Anm.  auf  S.  121)  ausgelassen;  trotidem 
fftUt  merkwürdigerweise  dem  Hegio  (V.  974),  als  Stalagmu  diesen 
Namen  (978)  nennt,  ein,  daß  dies  der  Name  des  Vaters  des  Philo- 
krates „sein  müsse**  ^).  Bud.  306  ff.  treten  nicht  Schiffer,  aondem 
Fischer  auf,  es  heißt  auch  einige  Zeilen  weiter  gleich  Fiscfaerleute. 
Die  szenische  Bemerkung  zu  Bud.  IV  3  (Trachalie)  «koumt  mit 
einem  Koffer  und  l&ßt  Stricke  hinter  sich  hersehleppen**  (ac)  hat 


^)  Störend  für  den  Hörer  (denn  auch  an  dieieo  ist  n  denksa)  ist 
an  manchen  Stellen  der  UmBtand,  daß  in  der  VerdeutsdiiiBg  die  Mama 
der  auftretenden  Personen  (wohl  ans  Verenot),  die  der  Bdoier  an  diesem 
eelbstverstindliehen  Grande  in  den  Dialog  einsetste,  ansieleBi:  vcL  «.  a. 
HiL  596,  610,  1897;  Haat  241  new. 


O.  Bardt,  BOmifcbe  KomOdien,  ang.  ?.  B.  Kauer.  125 

u  und  für  sich  nod  aoch  hier  keinen  Sinn,  weil  sie  eben  an  den 
knüng  der  Torhergebenden  Szene  gehOrt;  Gripns  läßt  ein  Seil 
(989  rudentem)  nachschleifen,  an  dem  ihm  Trachalio  nachkommt  ^). 
Hint  285  sitzt  Antiphila  am  Web  stahl,  805  sinkt  ihr  die 
Stickerei  in  den  Schoß,  294  f.  heißt  es  Ton  der  Magd,  daß  sie 
webend  (sie)  in  Sack  nnd  Asche  lag  {sie).  Mil.  1179  wird  die 
rotbraune  Haut  als  Bestandteil  des  Schifferkleides  aufgezählt.  Bad. 
708  spricht  Trachalio  zweimal,  das  zweitemal  maß  es  Daem.  statt 
Trieb,  beißen.  Eigentümlich  ist  es,  daß  Mil.  1808  due  adiutares 
Ueum  ad  navim  qui  ferant  zweimal  übersetzt  wird:  einmal  mit 
„Zwei  Knechte  lass'  mit  ihren  Sachen  Sogleich  sieh  auf  die  Sohlen 
machen*'  Tor  1804  and  dann  noch  einmal  mit:  „Zwei  Knechte 
mögen  meinetwegen  Das  Gepäck  zn  tragen  Hand  anlegen**.  Pa- 
liMtrio  aber,  dem  dieser  Auftrag  zweimal  erteilt  wird,  geht  schon 
xwei  Verse  früher  ab!  Aach  diese  moderne  Interpolation  dürfte 
besser  beseitigt  werden. 

Ich  maße  mir  nicht  an,  an  der  außerordentlichen  sprachlichen 
Oeschicklicbkeit  Bardts  Kritik  zu  üben.  Einiges  liegt  mir  doch 
am  Herzen.    Vielleicht  irre  ich  mich,  wenn  ich  Haut.  115 : 

«Mflrb*  ward  mein  Junge  nach  and  nach 
Und  tchließlich  so  ihm  selber  sprach*, 

für  ungewöhnlich  halte  oder  auch  folgende  Übersetzungen  nicht 
ganz  einwandfrei  finde  (Haut.  264): 

.Du  sprichst  f on  Weibertrog  und  List, 

Denkt  anders  dein  Mädchen,  denn  sie  ist**, 

oder  Capt.  891 : 

•Ich  sei  als  Knecht  in  eines  Hut, 
Der  freundlich  an  mir  tat  und  tot", 

Capt.  166:  Heerchef,  Heer  ist  doch  kein  Fremdwort,  das  in  der 
Zssammensetzung  unverändert  bleibt,  oder  Capt.  817: 

«Deiner  Worte  Gewicht  kann  ich  ermeBaea 
Und  werde  gewiß  der  keines  ▼ergeeeeti". 

Eioig»  Aasdrücke  finden  sich,  mit  denen  mancher  nicht  fiel 
wird  aaiaDgen  können:  Capt.  611  plinken  ^^  abnutar^^  908 
Schweder,  Mil.  1181  verliebt  wie  ein  Stint,  Hud.  1302  (der  Brat- 
spieß) hotzelt  ein(f);  auch  befremdende  Wortverbindutigen  und 
Wortbildungen  wie:  Haut  845  sich  zu  Gemüt  ziehen,  Mil.  1096 


')  Die  Bseniicben  Bemerkungen :  „kommt,  tritt  aaf",  aiad  la  kaapi 
M  tollte  immer  dasu  gesetzt  werden,  wober  aie  Personen  kommea^    7 
Capt  657  konnte  data  gesetzt  werden:  „raft  im  Ha^«",  in  765;  ^w^ 
18  sein  Hans*,  su  767 :  «wird  weggefahrt**;  zn  MiU  1427  fr&r  tu  bemericei 
daft  die  Diener  des  miie»  vom  Hafen  safückkoiumeQ.  C&iit  S37  (j 
Autults  aosgelassen)  wird  nicht  beiseite  gesprochen.  Mil.  10&&^  *^ 
Pslaeitrio  nicht  leise,  1218  maß  Acroteleutium  noch  leite  »pr    >' 
948  wird  ausgelassen,  daß  der  Miles  erw&hnt,  seineii  Patäiiten  ■ 
IS  haben,  was  doch  fSr  die  Ökonomie  des  Stückes  von  Bedeü 


126 


C.  Botrdt,  BAmttehe  KomOdien,  a 


aaf  dM  Trab  briogen,  Capt.  793  crdreuttuij 
nsw.   Haut  88  und  91  toll  es  Hark«, 
diese  braucht  mao  sieht  beim  „graben  ^. 

Nor  «nige  Bemerinrngen  Aber  di^ 
mich  als  Philologe  gedrängt  fühle.   Wa 
mit  dem  Zitat  auf  S.  VI:  „Fleckeisen  11 
Nieh^hilologen    die    absprechende    A^?:i 
Komposition   des  Bramarbas,  zumal  nciair- 
tnües  durchaus  nicht  so  schlecht  und  stätrp^ 
wohnlich  und  auch  hier  behauptet  wird?   War 
philologischen  Leser  auf  S.  XII  der  bloi^e  H:r 
wenn  die  Yerszahlen   im  Buche   nicht  beieicLr 
Vers  in  der  Übersetzung  fiberhaupt  ausgelasser 
Leser   femer   tou    der  Behauptung   halten,    dii 
nicht  kontaminiert  ist,  wenn  er  als  Grund 
hOren  bekommt  (S.  XII  unten):  „wenn  ich  ein«  !^ 
richtig  ▼erstehe*',  ohne  zu  erfahren ,    welche 
noch  wie  sie  Bardt  versteht? 

Auch  mit  dem  Tadel,  den  G.  Bardt  S.  VI  im 
Lessing  über   den  Dichter   der  Gaptivi  vorbringt: 
Motivierung   bat  es  sich   der  Dichter  so  leicht  goL 
eben  die  Komödie  zu   tun   pflegte;  wenn  Hegio  ein* 
auf  den  weisen  Gedanken   käme,   sich   einmal  zu  er 
denn  keiner   seiner   flbrigen  Gefangenen    den  Philok 
(V.  459,  hier  also  richtig,  im  Texte  falsch),  w&re  die  ^ 
Entwicklung  unmöglich  geworden",  scheint  es  mir  nicb 
zu  stehen.  Im  Gegenteile.   Der  Dichter  sab,  daß  es  pb 
vollkommen    selbstverständlich    sei,    daß  Hegio   in   se. 
Schmerze  darüber,   daß   sein  Sohn  noch  immer  in  Gefa 
schmachte,    aun&chst  die  Gelegenheit,   seinen   Sohn   zd 
freudig  erfaßt  und  alles  daran  setzt,  sie  so  rasch  als  mö^ 
znnätzen  (460  ei  rei  primutn  praevarti  volo),  um  nur  .. 
Augenblick  zu  verlieren,    der   die    GefangeDscbaft   seinei 
verlängern  könnte.    An  die  Möglichkeit  eiuer  Tän&chucg 
gar  nicht,  da  ja  beide  G^I'an^eDe  einen  guten  und  glaube      ^ 
Eindruck  machen.  Daß  dies  mch  bei  Tjndams,  dem  vartatli    ,^ 
Sklaven,   begründet  ist,    erprobt   eich  ja  später«    da   er  ai*^ 
leiblicher  Sohn  des  Hegio  heransstellt«    Die  Erkondignog. 
Hegio  später  ausgeht,    hat  ja  nur  den  Zweck«  über  d«n  Jd^ 
an  dem  sein  Hoffen  hängt,  K&beres  zu  erfahr""«    Uni 
Aristophontes  mitnimmt,    geecbieht  nicht, 
bei    ihm   Gebliebene    wirklich    Philokrates    i 
Aristophontes   selbst  exUmph  orat  obset 
liceai  videre  514  f.  und  er  setzt  hinzu   imB\ 


^)  Die  Einleitung  kann  nnr  ftir  diesen  besHx 
braacbt  nie  nicht. 


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128  F.  SkuUcK  GaUnt  und  Yergil,  aog.  t.  A.  ZimgerU. 

kl&rnng  des  Gedichtes  Ciris  bis  in  kleinere  Einzelheiten  in  den 
letzten  fünf  Jahren  yiel  mehr  gefördert  worden  ist»  als  früher  seit 
langer  Zeit,  indem  man  znletzt  banptsftchlich  anf  die  Nachahmnngs- 
yerh&ltnisse  besondere  Bücksiebt  nahm,  nnd  daß  in  manchen  Ponkten 
wieder  anf  eigene  Schönheiten  des  Gedichtes  nnd  anf  gerechtere 
Würdigung  desselben  aufmerksam  gemacht  wnrde.  Eine  ganz  be- 
sondere Frende  würde  es  bereiten,  wenn  ans  dem  Ganzen  nnn  ein 
scbüner,  dem  jetzigen  Standpunkt  der  Wissenschaft  allseitig  ent- 
sprechender Kommentar  zn  Ciris  erwachsen  nnd  derselbe  nns  dnrch 
Skntsch,  den  neuen  Anreger  dieser  Forschungen,  geboten  würde. 

Indem  Ref.  hiemit  die  Verdienste  des  Gelehrten  auch  auf 
diesem  Gebiete  ebenso,  wie  in  der  einstigen  Besprechung  des  ersten 
Teiles,  gebührend  hervorgehoben  zu  haben  glaubt,  kann  er  frei- 
lich nicht  leugnen,  daG  er  von  der  Ansicht,  daß  gerade  Cornelius 
Qaüus  der  Verf.  des  genannten  Gedichtes  sein  müsse,  trotzdem 
mit  anderen  auch  jetzt  noch  nicht  überzeugt  ist  Es  sei  ihm  er- 
laubt, auf  seine  diesbezüglichen  Beiträge  zur  Gegenansicht  in  dieser 
Zeitschrift  1902,  S.  498  ff.  kurz  zu  verweisen  (vgl.  darüber  auch 
P.  Jahn  im  Jahresbericht  Bursian-Jwan  v.  Müller  180  [1906], 
S.  47  f.) ,  wo  unter  anderem  namentlich  die  mit  Sorgfalt  nachge- 
wiesenen Allitterationsverh&ltnisse  doch  wohl  nicht  ganz  zu  dem 
jetzt  S.  6  sicher  ausgesprochenen  Urteile  stimmen,  „daß  die  Ciris 
nun  einmal  ausgesprochen  den  Charakter  vorvergilischer  Zeit  habe" . 
Doch,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  möchte  Bef.  nur  noch- 
mals die  von  ihm  zuerst  eingehender  nachgewiesenen  Berührungen 
von  Cirisstellen  auch  mit  Ovidischen  (Phil.  Abhandlungen  III  25  ff. 
[1882])  hervorheben  nnd  die  für  das  Ganze  gewiß  nicht  unbedeu- 
tende Frage,  welche  in  einem  Beferate  wohlwollend,  aber  nicht  ganz 
genau,  wiedergegeben  wurde,  pr&zis  wiederholen :  Ist  es  wahrschein« 
lieh,  daß  Ovid,  der  selbst  die  Scyllafabel  aufgriff,  im  Falle,  daß 
Cornelius  Gaüus  denselben  Stoff  früher  in  einem  überall  be- 
kannten Epyllion  behandelt  und  ihm  Anlaß  zu  formellen  Ankl&ngen 
auf  ausgedehnteren  Gebieten  gegeben  hätte,  in  seinen  bekannten 
„Eatalogpartien^ ,  wo  er  auch  auf  Gallus  wiederholt  zu  sprechen 
kommt  und  auf  dessen  Lycoris •  Elegien  namentlich  anspielt,  ein 
anderes  von  ihm  sichtlich  benutztes  Gedicht  des  Yorg&ngers  gegen 
seine  sonstige  Manier  nicht  einmal  mit  einer  Andeutung  berührt 
h&tte? 

Den  Schluß  des  Buches  bilden  ein  von  W.  Kroll  beige- 
steuerter interessanter  Anhang  über  „Die  Locke  des  Nisos**  und 
dankenswerte  Indices  (a.  Sprachliches;  h.  Stellenverzeichnis). 

Innsbruck.  Anton  Zingerle. 


i,  Lit0is,*4«iitsetieB  Bchaliii^rterbtuta,  ang,  r.  B.  BiUchof&hy.  ISO 


LiMiiisoh^detitdcheg  Schulwörterbuch  mit  beBomderdr  Berücliich- 

ItfBDf  ^et  EtjTnobgi«  ferfa&t  roü  Dr.  Uarminn  M«ii^e,  kOnigL 
IjifUttAiiftldirektQf  a.  D.  BerLlii  1907,  Laii^«ntchfri4t8cbo  Ferii^t- 
bicIkhAiidltiiij?  (Fiat  0.  Laagenaelieldtj.  XVI  and  SIS  E^.  Gr.-LaxikxMi' 
Fomat.    Preis  6  Mk. 

[d  Terblliaiimlßig  kurzer  Zelt  nach  dem  Erscheinan  dM 
piiijiiieh  <  dtntflcbtn  SchaJwdrtarbucheB  bat  d«r  Verf.  Min  nieh 
tfiei«lb«Q  Ortindiits^iii  bearbsiteUg  lateiniBches  WörUrbncli  er- 
linisto  laB««D.  D«r  Titel  ^Scbnlwörterbtich''  soll  iicb ,  wi«  in 
fülül  bemerkt  Ut,  nicbt  auf  den  Sinn  roo  ,fScbftlerwOrterbiieh' 
tMiebriiiktii ,  «ODdero  daraaf  bioweisen,  da(S  es  den  BedirfDiaeeii 
dir  b&betiii  Schiiliii  dberbanpt  zu  dienin  betbisiehtig^t  In  «raier 
Liiu«  ioiit«  d«r  £ijmol«fi«  zu  der  ibf  gebdtareDd«!!  Slftlliog 
ittlilfea  virdea,  da  keinei  der  bieber  TerftffeDtlichteci  Bcbalw^iter* 
Mir  dieaer  Äof^abe  to  gendgeoder  Weise  EecbnuDg  fetragtii 
MHi  imeh  dme  tog  8iowaaser  Dicbt.  Der  Etjmokgie  eollt«  im 
Qtffuiüli  SU  diteed  «ine  gleicbmÄBiger«  und  objektivere  Bebtiid- 
IA|  md  «ina  iQvarl&iiigere  wlaiesacbaftliclie  Grundlage  gegebee 
ürte.  ßtiiBUt  wtirdeü  die,  wie  der  Verf.  aagt,  darcb  die  n#iieit»ii 
tiiieoitbanJicbeD  Fori cbün gen  bestätigten  etymologlafben  Angibeo 
iü  friedüieb-deütucbed  ScbnlwQrterbicheB  Qod  Waldes  lateioiiebe« 
ityiaebfiiebei  WOrterbucb  (Heidelberg  1906],  von  dessen  Annabme 
nr  in  iuflerst  «enigen  Fällen,  meistene  von  nntergeordneteEo 
W«rtt,  abgffvicben  wurde,  Alfi  eme  eolcbe  Abweicbai^  mall  as 
1.6.  aücb  beieicbnet  werden,  wtnn  Menge  ammtum  (Wurf-, 
Bebwaogriemen)  entweder  ans  ^afjmmtum  oder  ans  ^apmentum 
ütitaDdia  gein  lißt,  während  Walde  zmhthm  amtmntmm  „^  ütt- 
Niffltn,  EiemeDsebleife ,  such  andere  Kiemen  zum  E'mim*^ 
{ha  9pere}  nnd  ametitum  „Zünglein  an  der  Wage^  (ron 
ipwt)  ttDiefscbeideli  CMlsr  wenn  Menge  bei  fretum  voo  dar 
Biteliiog  ^Meerenge'*  auf  die  BedeQtnng  „Plnt*'  kmcat, 
tibrtod  Walde  nmgekebri  als  OrnodbedeittiDg  „Strfymnog'' 
isfibl  und  erst  in  letzter  Linie  ,,  Ms  erenge'';  wenn  ferner  Menge 
bi  iaüitö  Yon  dec  BedeQt«ng  ,«erfretit''  ausgebt,  wobei  der  Be- 
taluiftwaiidel  bis  zu  don  heta  flumina  und  armenta  nnr  g«-^ 
liia|ill  tr klärt  werdin  kann,  wäbrend  bei  Walde  die  Stüfenfalg« 
tw  „fiU'*  nach  „beiter"*  führt.  Bei  prats  und  probm  bat  sieb 
dir  V^i*  jedesmal  für  die  erste  der  Ton  Menge  angegebensn  Mög- 
ikkbiian  aoiscbtedent  praedium  ist  d#saeü  Ansicht  «ntgsgen  von 
pm§  abgaltitfl.  Die  etymologische  Erkl&rnDg  ist  gewöbnlicb  an 
W  Ende  dar  alDi^eljien  Artikel  ?eHegt  nnd  dnrcb  ein  fett  gedrucktes 
t  aiarkierl,  TtelXacli  aber  aocb  gleich  an  das  fragücbe  Wort  an- 
t^ttcbloftien^  ?gL  £.  ß>  gUäum,  gradipm\  griwia  u«  a.  Der  Verf. 
^  m  iicb  öberall  ungelegen  ieiD  lasaen,  uar  solcbi  Erklärnagen, 
^a  bicbtigkeit  semer  Üherieagnng  nach  nicht  angefacbteci 
Vttiao  kann,  in  der  Form  positiver  Angaben  ohne  jeden  weiteran 
liUli  tu  g#biii,  dagegen  in  allen  Fällent   in  denen  ihm  die  Ao- 


130  H.  3fenge,  LateiD.-deQtiehe8  ScholwOrterbneb,  ang.  t.  B.  Bitsehofsky. 

ffthrnng  einer  der  BerflckBichiigang  würdigen  Hypothese  ans  irgend 
einem  Grande  wünscfaenswert  oder  notwendig  erschien,  anf  die 
Unsicherheit  derselben  dnrch  Hinzafügnng  yon  Fragezeichen  oder 
durch  den  Znsatz  eines  „wohl,  rielleicht,  möglicherweise,  wahr- 
scheinlich^ aufmerksam  zn  machen.  Inwieferne  die  Etymologie  für 
die  Anordnung  der  yerschiedenen  Bedeutungen  gewisser  Wörter 
einen  Anhaltspunkt  zn  geben  rermag,  dürfte  aus  den  eben  ange* 
führten  Beispielen  ersichtlich  sein,  denen  sich  noch  etwa  eauaa 
anreihen  ließe.  Aber  ganz  abgesehen  yon  dieser  speziellen  Ver- 
wertung gibt  die  Etymologie  auch  höchst  interessante  Aufschlüsse, 
wenn  sie  uns  bei  gf^wissen  Wörtern  die  zugrundeliegenden  all- 
gemeinen Begriffe  ermitteln  l&ßt,  wie  bei  aecipiter  (Schnellflügler), 
argentum  (weiß  sein,  gl&nzen),  eancer  (hart  sein),  spemo  (mit  dem 
Fuß  stoßen),  suavia  (gut  schmecken),  aus  (viel  geb&rend?),  tauruB 
(der  Dicke,  Fette),  mnum  (Rankengewächs)  u.  a.  In  anderen  F&llen 
müssen  wir  uns  begnügen,  durch  Beibringen  yon  yerwandten 
Wörtern  wenigstens  die  Zugehörigkeit  zum  indogermanischen  Sprach* 
stamme  zu  erweisen,  wie  bei  equus,  frater,  g<Uea,  mI,  aulpur  u.  a., 
oder  ein  Wort  als  Fremd-,  bezw.  Lehnwort  zu  erkl&ren.  Wenn  zu 
rideo  anf  skr.  vrldate  .er  wird  yerlegen,  sch&mt  sich**  yerwiesen 
wird,  so  bedarf  dies  der  Ergänzung  durch  den  Zusatz  =  „er 
l&chelt  yerlegen^.  Die  Auflösung  yon  Zusammensetzungen  in 
ihre  Bestandteile  wie  coepi  (aus  *60-ip«),  copia  (aus  co-opia),  d^eo 
(aus  de  und  Ao^o),  dego  (aus  de  und  o^o),  exta  (aus  ex-aeeta)^ 
induatriua  (aus  indu  und  struo)  u.  a.  ist  eigentlich  nur  eine  Vor- 
stufe der  etymologischen  Erklärung.  Wider  Erwarten  zahlreich 
sind  die  Wörter,  und  darunter  gehören  gerade  die  allergeläufigsten, 
die  einer  allgemein  befriedigenden  Erklärung  spotten.  Ich  führe  an : 
abdamen,  acerra,  aequus,  eremo,  gero,  lepua,  metus,  pravus,  premo, 
quaero,  BamneSf  aepelio,  severus,  talua^  tardua,  temo,  umbra,  uva, 
vagina^  variua,  vaa  *Gefäß\  vena,  vepres,  votner,  vtdgus,  vuUua, 
Die  auf  diesem  Gebiete  herrschende  Unsicherheit  offenbart  sich 
auch  darin,  daß  man  Etymologien,  die  bisher  für  ausgemacht  galten, 
jetzt  fallen  gelassen  hat.  Ich  denke  an  calamitae  (nicht  zu  ealamua, 
trotz  des  yergleichbaren  emolumentum  [yon  e-indo\)^  camena  (mit 
Carmen  und  eano  nicht  yerwandt),  diacipulus  (nicht  zu  disco,  son- 
dern zu  *di8'-cipere  geistig  aufnehmen,  Gegensatz  praecipere  lehren 
=  etwas  mit  den  Schülern  yomehmen),  fcUlo  (nicht  zu  griech. 
öipdXXca)^  fnilea  (nicht  zu  müle,  sondern  zu  griech.  cf-|iaAo^),  nubo 
(sehr  fraglich,  ob  zu  nubea  gehörig),  oro  (nicht  zu  oa),  parvua 
(nicht  zu  griech.  n:ai>Qog),  patiar  (nicht  zu  griech.  ndöxca),  perdo 
(nicht  zu  griech.  niQ%^(o)^  aermo  (wahrscheinlicher  [als  zu  aerö] 
zu  \/^au>er  sprechen),  ailva  (sehr  fraglich,  ob  zu  griech.  vAij).  Bei 
dem  offenbaren  Bemühen  des  Verf.,  die  Etymologie  in  möglichst 
großem  Umfange  zu  verwerten,  wundert  es  mich,  daß  er  dies  bei 
einer  beträchtlichen  Anzahl  yon  Wörtern,  deren  Deutung  sich  ja 
mit  derselben  Beserye  geben  ließ   wie  die  vieler  anderer,   unter* 


E,  Mengej  Lit6iii.-d6iittehM  SehnlwOrterbneli»  ang.  t.  B.  Bitsehofaky,  181 

lamn  bit  Ich  Btello  eine  Beihe  solcher  mit  ent8prech«nden  Zu- 
litieD  xDBammen :  aduUer  (dUer),  amoenus  (nicht  zu  amo,  sondern 
ins  *ad-^Mimi$  ^^n  den  Stadtmauern  befindlich  **),  hc^lux  (span.  W.), 
tainlMB  (mhd.  hat^,  nhd.- Schweiz,  haue  «Ziege**,  nrsprünglich 
wohl  „Tieijonges  tod  Haustieren"),  causa  (nicht  zu  eaveo)^  eoeles 
(wobl  aus  xiixXatlfj  Verbindung  mit  oculus  unmöglich),  ebriua 
(Ma  =r  vas  vinarium),  ßagüium  (Öffentliche  Ausscheltung :  flagUo)^ 
giiieo  (nicht  zu  griech.  xUm  ^hin  warm''  und  nhd.  „glimmen*'), 
keema  (nicht  zu  lacer,  lacinia\  lama  (nicht  zu  laeua)^  lamtnina 
(nicht  zu  griech.  ilavpa,  weder  als  ur?erwandt  noch  als  Lehn- 
wort aus  ilaoiiivfjjy  lignum  (wohl  zu  griech.  Xiyvvg  „Bauch, 
Qoalm",  deutsch  also  „Feuerungsmaterial**;  nicht  zu  lego),  luseua 
(wobl  zu  lueeo:  eigentlich  „dftmmemd**,  yem  Auge  „halbsichtig**), 
maniica  (wohl  aus  dem  Keltischen),  merUula  (wohl  zu  eminere, 
mons)^  nepa  (afrikan.  W.),  perüua  (periculum)^  püentum  (wohl 
keltisch),  planta  (kaum  „die  sich  ausbreitende**,  sondern  wohl 
Bfiekbildung  aus  ^plantare  „den  Boden  ebnen  als  Vorstufe  des 
Pflanzens,  Sftens**),  propago  (kaum  zu  pango)^  aimia  (griech.  6i(i6g 
«stompfnftaig**),  aincerus  {sine  *cera:  Tgl.  griech.  (bcij^oro^, 
jniifaivm  „Torderbe**),  eponte  (ahd.  apanet  ^Antrieb,  Beiz,  Lockung**, 
nhd.  widersp&nstig),  talea  {xfiXs^dfo,  ^äXXm),  teeiie  (zu  teeta: 
Tgl.  tae,  im  Flur.  =  „Hoden**),  Uro  (?ielleicht  aus  griech.  xeiQoivi 
ut^Oj  xQißfo  =  übe),  tandeo  (griech.  xivdcD  „benage,  nasche**), 
tragtüa  (wohl  kelt  W.),  triehila  (Abkürzung  von  trielinium?), 
iurpie  (wohl  zu  trepü  „vertU'*^  ein  ptc.  necess«  „wovon  man  sich 
abwenden  muß**),  turtur  (redupl.  Schallwort),  täeiseor  (wohl  zu 
ykue,  also  ursprünglich  „schw&ren.  gegen  jemanden  Eiter,  Oroll 
snsammelD''),  veto  (wohl  zu  griech.  oix  itög  „nicht  ohne  Grund**, 
hA^iog  [bei  Homer  ^st,]  „Yergeblich,  ohne  Erfolg,  unnütz**). 

Die  Transkription  des  Altindischen  wurde  nach  Uhlen- 
beck  gegeben.  Für  Schüler,  denen  Schreibungen  wie  <irnäti,  drdhde, 
rnjoH  r&tBelhaft  erseheinen  müssen,  w&re  eine  erkl&rende  Tabelle 
lehr  erwünscht  gewesen.  Daß  in  einem  SchulwOrterbuche  von  der 
Bsrücksicbtigung  des  Altpersischen,  SlaTischen,  Litauischen,  Preu- 
ßischen, Altnordischen  u.  a.  abgestanden  wurde,  bedarf  keiner 
weiteren  Bechtfertigung. 

Bei  der  lexikalischen  Behandlung  der  Wörter  ist  you 
einem  systematischen  Verfahren  nach  historischen  Oesiohtspunkten 
and  nach  semasiologischen  Prinzipien,  über  die  noch  keine  Einigung 
•ireiebt  Ist,  abgesehen  und  des  Verf.  Streben  lediglich  darauf  ge- 
richtet  gewesen,  die  Yerschiedenen  Bedeutungen  jedes  Wortes  in 
Bdgliehst  übersichtlicher  (bezw.  logischer)  Weise  zur  Darstellung 
zu  bringen,  und  zwar  a)  unter  strenger  Scheidung  des  klassischen 
Bod  onklassischen  Gebrauches,  h)  unter  weitgehender  Berücksich- 
tigung der  Phraseologie  und  Synonymik,  c)  unter  sorgf&ltiger 
Angabe  der  Konstruktionen.  Besonders  bei  umfangreicheren  Artikeln 
wurde  die  Gliederung  durch  abgestufte  fette  Zahlen   und   Buch- 

9» 


188  H,  Mmgej  Latein.-dMtMkM  SchvlwOrterbtieh,  «ng.  t.  B.  BUsthafBby. 

Stäben  auch  &«fterlich  znr  Aoschaüing  gebracht,  intenderhait  ab« 
warden  die  BedentiiDgen  telbet  in  der  lorgf&ltigsten  Weiee  bis  int 
einzelnste  dieponiert.  Die  vorhandenen  Hilfsmittel  (aligeneine  nnd 
Speziallezika,  Orammatiken,  Stilistiken,  Formenlehren)  wnrden  in 
weitesten  Umfange  benntzt.  Die  vom  Verf.  als  synkopiert  bezeich- 
neten Formen  aradum,  peridum,  vinelum  waren  als  die  ftlteran 
vor  die  mit  u  zn  stellen.  Da  praesto  in  der  Bedetttang  „sich  ver* 
bfirgen**  als  Zusammensetzung  von  prae9  und  tto  erkl&rt  wird  = 
«idi  stehe  als  Bftrge'',  so  hfttte  es  von  praesU^  =  prae  -f-  «^ 
getrennt  werden  sollen.  Bei  inconditus  fehlt  der  Bindestrich.  Be. 
rflcksiehtigung  fanden  folgende  Autoren:  Cicero,  Cisar,  Ballast, 
Nepos,  Livius,  Curtius,  Quintilian  (10.  Buch),  Tacitus  (auch  lustio, 
Aurelius  Victor  und  Eutrop),  Horaz,  Vergil,  Catull,  TibuU,  Properz, 
Ovid,  Phädrus.  Ausgeschlossen  wurden,  was  man  von  vielen  Ssitea 
bedauern  wird,  Plautus,  Terenz,  die  Briefe  des  jüngeren  Plinivs 
und  die  Biographien  Suetons,  weil  dieselben  höchstens  ausnahms* 
weise  in  einzelnen  Gymnasien  gelesen  werden.  Bine  besondere 
Eigentümlichkeit  liegt  in  der  Anwendung  bestimmter  Zsichan, 
die  einerseits  stilistischen  Zwecken  dienen  sollen,  anderseits  wohl 
auch  als  Ersatz  der  fehlenden  Autorenzitate  zu  betrachten  sind. 
Aue  solche  Würter  nftmlich,  die  bei  Cicero  und  C&sar  vorkommen, 
sind  am  Kopfe  unbezeichnet  geblieben.  Solche,  die  sich  zwar  nicht 
bei  Cicero  und  C&sar,  wohl  aber  bei  Sallust,  Nepos,  Livius  (Cor- 
niflcius  und  in  den  Briefen  an  Cicero)  finden,  sind  besonders  be* 
zeichnet  und  zwar  anders,  wenn  sie  heutzutage  beim  Lateinsehreibea 
als  entbehrlich  zu  meiden  sind,  anders,  wenn  ihre  Benutzung  heut- 
zutage für  notwendig  oder  wenigstens  für  zul&ssig  zu  erachten  iei. 
Solche  Wörter,  die  sich  bei  keinem  der  genannten  Autoren  finden, 
erhalten  wieder  besondere  Zeichen  in  den  zwei  eben  erw&bnten 
Bücksichten.  Unklassische  Konstruktionen  oder  Phrasen  and  solche 
Zitate,  die  nicht  den  Schriften  jener  fünf  Prosaiker  entnonuaen 
sind,  sondern  den  Dichtern,  oder  der  vor-,  bezw.  nachklassischeo 
Zeit  angehören,  sind  mit  einem  Sternchen  bezeichnet.  Übrigens 
sind  Zitate  nicht  durchaus  verpönt.  Sie  finden  sich,  wo  es  eich 
um  eine  Quantit&tsfrage,  um  die  Synizeee  zweier  Silben,  um  die 
Synkopierung  einer  kurzen  Silbe,  um  eine  seltene  Flexionsfi»ia, 
Bedeutung  oder  Anwendung  eines  Wortes  n.  &.  handelt.  Die 
Qnantit&t  der  einzelnen  Silben  jedes  Wortes  ist  genau  angegeben 
und  zwar  in  der  Weise,  daß  die  durch  Position  langen,  aber  von 
Natur  kurzen  Vokale  durch  ein  eigenes  Zeichen  kenntlich  gemaeht 
sind.  Benutzt  wurden  die  maßgebenden  Schriften  von  Marx  nnd 
Körting.  In  zweifelhaften  Fftllen  wurde  die  Quantit&tsbezeichnaog 
nnterlassen,  was  natürlich  h&ufig  bei  Eigennamen  geboten  war. 
Irrtümlich  ist  die  Quantitätsbezeicbnung  unterblieben  in  expolitio, 
manua  e.  v.  mäne,  von  pugna  bis  inkl.  pugnua  (anf  der  Anfangs- 
silbe). Zu  verbessern  ist  tnfeliXf  instäbilU,  magnöpere  nnd 
tnaximöpere  (s.  v.   magnöpere)^  permäture$co,  pröctdo.    Sine 


Kulm-CharlHy,  La  France  Litt^raire,  ang.  ?.  F.  Wawa.       138 

weMDftlicbe  Vareinfacbiuig  wftre  es  gewesen,  wenn  naeb  toostigem 
6«braiicbe  dU  kurzen  Silben  ganz  nnbezeicbnet  geblieben  und  das 
Könezeieben  ^  zur  Markierung  der  positionslangen  Kurzen  ?er- 
wMdet  worden  w&re.  Die  yerhftltnism&ftig  wenigen  nnsicberen 
Fftlle  b&tten  dnrch  einen  knrzen  Beisatz,  etwa  ,»Q.?'S  bervor- 
febobeo  werden  kOnnen. 

Was  die  Eigennamen  betrifft,  so  wurden  nnr  solcbe  anl- 
gaoommen,  die  nach  des  Verf.  Ansicht  Anspruch  auf  erklärende 
Angaben  in  einem  Schullexikon  erheben  kOnnen.  Er  glaubt  übrigens, 
io  diesem  Punkte  eher  des  Guten  zuviel  als  zuwenig  geten  zu 
hiben.  Vorausgeschickt  sind  Bemerkungen  über  die  Deklination 
dtr  griechischen  und  der  (besonders  lateinischen)  Nomina,  ein  Ver- 
liidinia  der  Abkürzungen  und  eine  Zeichenerklümng. 

Der  Druck  ist  korrekt  Ziemlich  oft  sind  die  am  Schlüsse 
Tiiler  Artikel  zur  Einleitung  der  etymologischett  oder  der  die 
FonD(en)  betreffenden  Angaben  angewendeten  Buchstaben  E  und  F 
ferwechselt  Ich  yerweise  auf  atfi,  delicatuSf  ßdo,  fragor,  laar, 
Mir,  obUrOf  p€U>,  petuiana,  plango,  panti/ex,  rudo.  Weiter  ist  mir 
lafgefallen  s.  t.  adelphi:  ääBk(pov  st  iösX(pol^  iniernluaio  et. 
inkrelusio,  s.  t.  migro  (E):  F  statt  des  Wurzelzeichens,  s.  ▼. 
mma:  Mine  st.  Mine,  s.  t.  nugax:  nngae  st.  nugue^  s.  y.  plnü: 
lebwimmen  st.  schwimmend,  s.  ▼.  poeco  ist  zu  ergänzen  (got) 
fraiknan^  s.  ?t.  radix  und  ree  (E)  fehlt  der  Wurzelvokal. 

Das  BorgHUtig  gearbeitete,  bequem  zu  handhabende  Buch 
wird  bei  Lehrern  und  Schülern  voraussichtlich  groäen  Anklang 
finden.    Der  Preis  ist  müßig. 

Wien.  B.  Bitschofskj. 


La  France  LlttAraire.  Eztraits  et  Hiatolre.  Zorn  SehQlgebrauch  heraus- 
iregeben  von  Dr.  K.  Kühn  und  8.  Gharl^ty.  Mit  eloem  Plan  von 
Paris,  einer  Karte  der  Umsebung  von  Paris  and  einer  Karte  von 
Frankreich.  Bielefeld  und  Leipzig  1906,  Verlag  von  Velhagen  k 
Kissing.  Vm  und  376  SS. 

Wie  schon  der  Titel  anzeigt,  zerf&llt  diese  Chrestomathie, 
welche  znn&cbsi  als  Fortsetzung  zu  Kuhns  Lesebuch  La  Francs 
ä  kt  Fran§a%e  (s.  diese  Zeitschrift,  Jahrgang  1905,  S.  845)  ge- 
dacht ist,  aber  auch  selbstündig  gebraucht  werden  kann,  in  zwei 
Hauptteile:  L  Lektüreproben  (ExtraUs)^  H.  Literaturgeschichte 
(Hietoire).  Sin  Anhang  (Appendice)  gibt  erkl&rende  Anmerknagen 
a  den  beiden  Teilen  (Notee  explicativee)  und  biographische  und 
IHsrarische  Bemerkungen  zu  den  vorgeführten  Schriftsteilem  (Notiees 
hiographtquee  et  liitiraireM).  Den  Schluß  bildet  eine  kurze  Vers- 
lehre (ProBodie  franfaiae). 

Was  nun  den  L  Teil  betrifft,  so  überwiegt  dem  Umfange 
»ach  das  XU.  Jahrhundert  (mit  162  SS.)  bedeutend  die  beiden 


134       Kühn-CharUty,  La  Franc«  Litt^raire,  ang.  t.  F.  Watora. 

TorhergehendeD  (mit  48,  bezw.  49  SS.).  Oew&hlt  wurden  yorzags* 
weise  solche  Schriflsteller,  welche  noch  nicht  in  Schalansgaben 
und  anderen  Lesebüchern  vorlagen«  Daher  finden  wir  nnter  denen 
des  XIX.  Jahrh.  nebst  anderen  vertreten :  O.  Sand,  Balzac,  Flau- 
hert,  MaupasMfU,  Zola,  P.  Lati,  A.  France,  Lecante  de  LisU, 
Richepin,  HSridta,  Rostand.  So  macht  denn  das  Bnch  dnrchaas 
den  Eindruck  des  Nenen  and  Modernen.  Daß  die  beiden  Heraus- 
geber ihr  Augenmerk  auch  noch  darauf  richteten,  vor  allem  Proben 
zu  geben,  die  ffir  die  Beurteilung  der  Schriftsteller  und  ihrer  Zeit 
von  Bedeutung  sind,  braucht  wohl  bei  ihnen  nicht  besonders  her- 
vorgehoben zu  werden. 

Der  n.  Teil  gibt  nicht  einen  einheitlich  geschriebenen  literar- 
geschichtlichen  Überblick,  sondern  es  kommen  darin  ffir  die  einzelnen 
Literaturperioden  und  die  hervorragendsten  Vertreter  derselben  ver- 
schiedene neuere  Literarhistoriker  {Paul  Albert,  AUngny,  Doumk 
u.  a.)  zu  Worte.  Hier  tritt  das  Persönlich  -  Biographische  meist 
hinter  das  allgemein  Kultur-  und  Literargeschichtliche  zurfick.  Auf 
diese  Weise  erlangt  die  Gesamtdarstellung  eine  größere  Gedrängt- 
heit und  Übersichtlichkeit.  Nur  das  Leben  der  ersten  Heroen  der 
Literatur  (ComeiUe,  Racine,  Molüre,  Lafontaine,  Voltaire,  Bouseeau 
und  F.  Hugo)  wird  kurz  skizziert.  Auch  wird  an  die  Darstellung 
von  Corneilles  und  Bacines  Leben  und  literarischem  Wirken  die 
Analyse  von  je  drei  ihrer  Dramen  (Cid,  Cinna,  Pclyeude;  Andro- 
tnaque,  Phidre,  Äthalie)  angefügt.  Doch  konnte  nicht  ausbleiben, 
daß  sich  in  die  etwas  mosaikartige  Zusammenstellung  trotz  aller 
Vorsicht  der  Herausgeber  Widersprüche  einschlichen  und  darin 
Ansichten  vorgetragen  werden,  welche  nicht  immer  denen  der 
letzteren  entsprechen.  Deshalb  finden  sich  auch  Öfter  in  den 
Erkl&rnngen  des  Anhangs  Bemerkungen  entgegenstehenden  Inhalts. 
Es  w&re  zu  wünschen  gewesen,  daß  h&ufiger  das  im  Text  Vor- 
gebrachte richtig  gestellt  worden  w&re.  So  enth&lt  namentlich  die 
diesen  IL  Teil  eröffnende  Betrachtung  über  die  Entstehungs- 
geschichte des  Französischen  nach  CUdat  mehrfach  unrichtiges, 
bezw.  Ungenaues.  Auch  in  den  literar-geschichtlichen  Partien  gibt 
es  wohl  mehr  als  einen  Punkt,  der  zur  Kritik  herausfordert.  Davon 
abgesehen,  ist  die  Lektüre  dieses  Teiles  höchst  anziehend,  dank 
dem  Geschmack  und  Urteil,  mit  welchem  die  Herausgeber  in  der 
Auswahl  und  Zusammenstellung  geeigneter  Abschnitte  aus  fran- 
zösischen Literarhistorikern  vorgegangen  sind. 

Die  an  erster  Stelle  im  Anhang  stehenden  erklärenden  An- 
merkungen (Notee  explicatites)  könnten  etwas  reichhaltiger  sein, 
namentlich  im  Anfang.  Dem  Gebrauch  des  Artikels  in  au  Mazarin 
S.  265,  4  (schon  S.  9,  27  steht  le  Maearin)  liegt  nichts  Herab- 
setzendes zugrunde;  er  erklärt  sich  vielmehr  wie  in  le  Tasse,  le 
Titien  und  anderen  italienischen  Eigennamen. 

Die  darauf  folgenden  alphabetisch  geordneten  biographischen 
und  literarischen  Bemerkungen  (Notices  biographiques  et  liUiraires) 


Fmoidiitcbe  Lesestoffe,  aog^  r.  F.  Wawra. 


1115 


difl  iricbti^iteD  Daten  aber  jene  Schriftsteller^,  deren  Leben 
Mi  liter&riächft  Tttigkeit  in  II  keine  besondere  Darfitellimg  ge> 
Mm  bat.  Immerhin  bftttan  wir  auch  diese  lieber  in  die  eigent- 
licjti  yteratnrgeiehicbte  verwoben  geBehen.  Hier  iit  S.  371  vor 
Jtem^  alt  Vürntme  statt  Eughm  Edmond  einzusetzen. 

DiB  Ganze  wird  abgeBchlosstn  durch  eine  Verslebre  von  zwei 
^^StitBQ  (Pros&diS  /rangaiM),  welche  sich  auf  das  ÄHernotweDdi^ete 

^B  D&»  ß^ch  bietet  vom  Anfange  bis  inm  Ende  eine  gennB* 
^Biiek  Uktöre.  Der  Triacbe»  kr&l'tige  Zug^  der  darin  webt,  kann 
^^icbt  f«rf«bten,  anf  bildungsfähige  Jünglinge  fördernd  nnd  anregend 
I  lioiQviiken,  nnd  damit  dürften  die  Beranigeber  das  Ziel  ihrer 
I      Bttfllionifen  fAr  eneicbt  halten. 


Franzdsisehe  Lesestoffe- 


Mcecirs  dea  lUBectes  (Hym^napthei).  Per  loaie  Figaler. 
igewiblt  und  fQr  den  Bcbckigebrftaeb  erkliit  von  Dr  Fritx  Strob- 
niejer,  ObeHebrcr  an  der  itfidt  liealiebnk  in  Cbarlottenbarg.  Mit 
S  Äbbiiduiji^en  (55.  Bändeben  der  f.  Abteilang  der  ^^ebulbibliotbek 
fruit,  nnd  en^L  ProiaschnfteD^»  heranafc^ebeD  tod  L.  ßabUen  und 
J.  Eiengeebacbu  BerliQ  1906,  VVeidmannecbe  Bocbbandlnng^  X  and 

m  8s. 

DieBer  dem  größeren  Werke  Les  Insectes  des  rühmlichst  he- 
iminn  franiöaificben  Natnrforscbers  Louis  Fignier  entnommeBe 
ibichoitt  beschreibt  mit  wissenschaftlicher  Genauigkeit,  aber  in 
miftliinder  Form  das  Leben  nnd  Treiben  der  den  „Hantflnglern 
(ijiiDepteren)*  angehörenden  Arten  der  Bienen,  Hnmmebi  Wespen 
ni  Amtisen.  Die  von  greller  Sorgfalt  zeugenden  Anmerkungen 
^M  HiTansgehers  erläutern  den  Teit  in  sprachlicher  und  sachlicher 
Biiiicbt  Der  Stoff  läßt  sich  recht  gut  bereits  anf  der  ersten  oder 

ittiitMi  Lektfirestafe  y  er  wenden. 
L«S  Provinces  Franyaiseß:  Mmra,  Habitudes,  Vie.  Par  Henri  Bor> 
Dccqne«  prefeiseer  a  FuDiverBite  de  Lille,  et  A.  Müh! an,  doctear 
ei-|#lir«g,  profesBeur  au  Ijcde  foyal  de  Glatt  (56.  Blodchen  der 
[  l  AbUÜnng  der  ^8Ghulbibliotb3k  franz,  und  eogL  Proiascbriften", 
l  ktisaegegeben  tod  L.  Bahtien  ond  J.  H<«ngeflbacb).  Berlin  1306, 
I  W^dnkanntobe  Buchbandlcng,  VI  11  und  156  8S. 
f  Wahrend  in  älteren  Schriftcben  wie  Brunos  Le  tour  de  ia 
mnce  nnd  dessen  Nachahmungen  die  franko  tische  Jugend  mit 
kfin  Heimatlande  in  geographischer ,  landwirlscbafUicber  und 
iBduatrielkr  Hinsicht  bekannt  gemacht  wird,  die  Sitten  der  Be- 
muf  jedoch  nnr  ieUen  mit  einer  Bemerkung  gestreift  werden, 
ktUn  in  dem  oben  erwähnten  Werkchen  letztere  in  den  Vorder- 
Pud,  indem  der  franzl^sische  Verf.  den  Dentschen  —  denn  diese 
^  er  mnäebat  im  Auge  —  ntebt  nnr  das  äußere  Leben  der 
im  mUgemeinen^  sondern  auch  die  Besonderheiten,  nament- 


136       Mistr^d^Mühtan^  Bonwtmn  de  Jeutetat,  «ttg.  7»  J.  E&ü. 

lieb  die  AHB  älteref  Zeit  staiDDitndeB  Sitteu  und  Gebr&ucht  ?or« 
ftfart  und  lii  eiDen  Blick  toii  läßt  io  deo  Volkae  bar  akter,  wie  ir 
Mfa  in  den  «inzeben  ProriozeD  wiederspIegdU,  Et  kommt  ihm 
dabei  ror  allem  daranf  aD,  dae  jedesmal  Cbaraktenetisehe  find 
Fittor&fike  herTorznbebep.  Daher  v&hlt  er  sieb  zum  Yorwnrf  hAii|»t^ 
üeliUeh  eolebe  Landesteile,  welcbe  noch  ein  gut  Ttil  ihrer  alieo 
Ulfiehtungon  uod  Lebens^ftwobDbeiten  id  dla  modems  Zeit  hiniber» 
gerettai  baben  wie  Flandern,  die  BretagDef  die  Freigraftebailt 
finrffiiiid  n.  a*  Ancb  das  Leben  in  einem  Dorfe  und  in  elser  Land« 
ttadt  (bizteres  in  Briefform)  lernen  wir  kennen.  Das  Bäofaltio, 
welcbes  noch  mit  dan  Text  begleiienden  (französiecb  gescbriehtoeii) 
Anm erklingen  yerAeben  ist,  därlte  Btcb  in  knrzer  Zeit  bei  Lehrende» 
wie  Lernenden  gleich  großer  Beliebtheit  erfrenen  und  eignvt  tieb 
besonders  fnr  die  Priratlektäre. 


Wr.'Nenstadl 


üu  F.  Wawra. 


F.  MiatraU  Sau?enirB  de  Jennesse.  Eitralti  de  tee  „ildmoiKi 

et  R^oiti'*.  Ftr  dai  g&ote  deutsche  Spracbgebiet  all  ein  bereofatigti 
Sehukiisgabe  TOti  Dr/ A.  Müblan.  1.  Teth  EinleittiDg,  Tust  nod 
Anmerkanfen.  Preis  geb.  Mk.  1  60.  —  IL  Teih  WOrterbncb.  Freii 
Mk^  0*30,  Neb  fit  Bikinis  des  Dtebters  mit  Beiß  er  eigenbändigen  XJnUt- 
ichrift  Qod  einem  Eiitcben  der  Provence.  Leiptigj  Gerbard  (Fi'aDl&- 
■itche  SchuliuegAben  Nr.  22)  1907  i). 

Kistral  Terdient  wegen  der  liervorragenden  Stellung,  die  er 
miter  den  nenproveoii^aliscbeD  Dicbtern  einnimmtr  in  ncBeren  Scbnlen 
gelesen  zu  werden.  Wenn  auch  von  seinen  im  Patoia  geacbm* 
benen  Werken,  denen  er  gerade  seinen  Enhm  verdankt,  abgesehen 
werden  ma£,  so  können  doch  ganz  git  die  .^Mdmoires  et  Eöcita** 
herangezogen  werden,  ans  denen  Möhlan  hier  eine  Auswahl  bietet 
Der  Dichter  schildert  nns  darin  in  anziehender  Weise  iiln  Leben 
bis  znr  Yeröffentlichnng  seinea  berühmten  ländlichen  Epoa  Mirölo, 
nber  dessen  Entstehnngsgeacbichte  wir  manche  interessante  Mit- 
teilnng  erfahren.  Da  Mistral  der  Sohn  eines  wohlhabenden  pnp- 
Tenzalischen  Landwirtea  ist  ond  seine  Eniebnng  anf  dem  täter- 
ücben  Gnte  erhielt,  ist  ee  kaum  anders  m6gltch,  als  daß  er  in  die 
ünihlnng  seiner  Lebensgescbiclite  manches  anmutige  Gemälde  ton 
den  Sitten  der  Landbefölkernng  seiner  tonn  igen  Heimat  mit  «tnflieht. 

Mistrals  ^Memoires''  werden  von  der  Jngend  nnaerer  höheren 
Schalen  wohl  nicht  minder  gero  gelesen  worden  als  Le  petit  Chosi, 
Tartarin  und  die  Lettres  de  man  MohHd  seines  engereD  Lands 
mannet  Ä.  Dandat  Besonders  unsere  Französisch  lernendtn  Gjm- 
nasiaateD  werden  darans  neben  Untarhaltnng  ancb  macnigfiche 
BelehrnEig  ecbOpfen.  Für  manche  Namen«  die  ihnen  ans  der  Qe4>- 
grapbie  gel&a£g  sind,  werden  sie  hier  Wort-  nnd  Sacbsrklirnngen 

'}  Wir  behaltet]  nns  ¥0r,  auf  diese  interessatite  Änigabe  demaiebst 
iflfllekiukoninieD.  Dia  Bedaktioo. 


MHitul'Mühlani  SouTentri  dt  JeanesB^^r  mg,  ? .  J,  Kail        137 


idifl,   dit   «tif  difi  römisch 8  AUeriotn    zurückweisen.     Äncb  eine 

laubl  Vök&b«ls,  die  in  der  Sprache  des  Nordens  »elteu  oder  gar 

lieht  b«gegiieQf  sowit  «inige  sjutaktischeEigentäimUchlEeiteD  werden 

Sehwierigkeit    mit   dem   Lateioischen    in  Znsammenbang 

und  richtig  übersetzen. 

ie  der  Anigabe  MüblanH  voraiiageEcbiekten  Bemerkungen 
Miitrals  Leben  und  Werke  sowie  die  Änmerktingen  zn  ein- 
ülEtm  SteDea  des  Teites  sind  gut  und  für  Scbnlzwecke  7oll- 
kamio  tiinreicbend.  Der  Drnck  des  Textes  nnd  der  Anmerkungen 
km  Im  f&n%on  mh  sorgfältig  bezeichnet  werden,  nnr  bie  nnd  da 
Mit  man  anf  kleine  Irrtümer:  3,  26  dSsig-natU  st,  dM-gnant; 
8i  25  m  B%.  ä\  46,  8  inwr^  st.  enivri§;  68,  6  Z^f/f/rr  st 
Uto^  89,  10  ist  wohl  bester  te  statt  la  in  lesen;  112  /n  100, 
10  ipFH§  st.  4pr€iL  Dagegen  wirken  im  W&rterbnche  di^  zahl- 
»icbtQ  Ttrsfthen  des  Setzers  nnd  des  Heransgebera  recht  störend : 
ihrmn  st.  harrau^  7  öUnir  st  hUttir^  8  candeiabre  st.  cündUühr^^ 
IM  eÄar^  Fähre  et  Fnhre,  13  di&vHir  at.  dMtir,  11  farand 
Ki  f^trawit  80  ra^ocAa^r^  et*  ral^ächage,  37  evrro»  st  i?errou,  38 
b0L  foTi/  aaiöbnia  st.  Gelöbnis-,  Sttßi  (Teit  46,  22)  fehlt  im 
^OrtftrbQclie  gäntlicb.  Bei  einigen  anderen  Wörtern  lat  gerade 
m  ^dentnogt  in  der  sie  im  Teile  erscheinen,  nicht  angegeben. 
Bft  biüet  -fm  hmqttti  das  Wörterbuch  nur'Stränüchen';  37,  &  be- 
^t  le  ^Gruppe';  eannß  ist  bloß  durch  'Rohr,  Schalmei'  über* 
Miitt  35,  21  weist  der  Zusammenhang  uu?erketmbar  auf  die  Be- 
tetiitf  'Kanne,  Krug  hin,  für  welche  in  der  Sehrifteipractae  alter* 
fafl  nur  die  Verkleinerungsform  caneite  gebräncblich  ist;  bei 
ftfifr  itiht  'tragen,  bringen,  richten';  97,  29  heilet  es  "mit^ 
oibM«*;  ^aiUard  kommt  88,  29  auch  als  Snbstanti?  ^Eerl, 
Baiitbi"  ?nr;  für  saigmr  paßt  weder  38,  25  noch  45,  6  'hinten, 
mk4m  lassen',  sondern  'umbringen,  erwur^^en';  smger  kann  11, 
1  lad  81«  4t  5  nur  durch  'träumen \  nicht  durch  'denken'  wieder- 
lifft^ia  werden;  geradezu  belustigend  würde  «s  wirken,  wollte 
Mo  aaeh  dem  Wörterbuche  etre  blanchi  36,  21  mit  'gewaschen 
furiin  ibersetien;  ^.  bL  et  nmtrri  beißt  dert  natürlich  'freie 
JV'liche  und  lost  bekommen';  tirer  an  derselben  Stelle  ist  durch 
iniitreiebenf  einzteben^  zu  Terdeutscben;  compagnie  wäre  89,  21 
ui  90,  2  lieber  durch  'Gesellen,  GehiltW  ais  durch  'Qesellschaftf, 
^^(irimr  18,  4  besser  durch  'Beim'  als  durch  'Inneres'  zu  geben, 
fias  4«a  Wöfttrböch  die  Obersetzung  von  iout  ä  eoup,  faire 
iÜMitei  fnifn  maurir  bringt,  würde  man  auch  die  vun  mup  de 
fmt$  *Bili  (SSt  10),  ä  €i  coup  dieamar  (67,  12),  faire  damer 
"ttitTi»Ä  aufspielen^  (41,  21}  u*  a.  erwarten.  Von  einigen  Wörtern 
iM  iDTicfalige  Bedeutungen  angegeben:    btmdir  nicht  Soll  sein', 

Woil  oiaflbeu,  fülltn*  (83,  27);  dSvoyir  nicht  'auf  Abwege 
sondern  a.  Ä.  fuhren  (34,  10) ;  fair$  mvie  nicht  "neidisch 

,  ioodtrs  *Lust,  Verlangen  erregen  ^  gelüsten*.  Bei  den 
^^■tullfiti  hmrkgij  hn^f  Iwre,  meukj  ms    ist  das  Qtscfalecfat 


138  K.  EeinoMmn,  Goethei  Werke,  ang.  v.  8.  M,  Frem, 

falsch  angegeben.  Die  alpbabetiBcbe  Ordnung  ist  nicht  immer  ein- 
gehalten: hrasier^  biasphSmer,  hrassie;  ehai,  ehalan,  ehäUau; 
fauieur,  faux,  fauveUe;  merveiUe,  meiure,  messager. 

Prag.  J.  Eail. 


Ooefhes  Werke,  unter  Mitwirkong  mehrerer  Fachgelehrter  heraus- 
gegeben Ton  Prof.  Dr.  Karl  Heinemann.  Kritisch  darchgeeehene 
Ausgabe  (Mejers  Elassiker-Aasffaben ,  heraosg.  tob  Prof.  Dr.  Ernst 
Elster).  Leipsig  und  Wien,  Bibliographisches  Institot.  28.,  18 — 21., 
25.,  27.  imd  28.  Band. 

In  unmittelbarem  Anschlnsse  an  meine  letzte  Anzeige  dieser 
Ausgabe  mag  zun&chst  erw&bnt  werden,  daß  die  zweite  Hftlfte  des 
23.  Bandes  einzelne  Aufs&tze  Ooetbes  entb&lt,  die  einer  ftußeren 
Veranlassung  oder  einer  augenblicklichen  Regung  des  historischen 
Interesses  ihre  Entstehung  Terdanken;  es  sind  zumeist  kunstge- 
scbichtliche  Abhandlungen :  fiber  griechische  Skulpturen,  über  Vincis 
Abendmaly  den  Triumphzug  C&sars  von  Mantegna  und  das  Bochas- 
bild  (Bingen)  u.  a.,  wozu  0.  Hamaks  Anmerkungen  eine  kurze 
Orientierung  geben.  Diese  Aufs&tze  bezeugen  nicht  allein  Goethes 
?ielseitiges  Interesse,  sondern  auch  die  Tatsache,  daß  er  die  Heimat 
der  Antike  in  Griechenland  zu  suchen  begann  und  von  1818  ab 
eine  frische  kunstgeschichtlicbe  Tätigkeit  entfaltete.  Der  25.  Band 
(bearbeitet  ?on  Georg  EUinger)  bringt  Goethes  Änfsäts^e  obar 
Theater  und  Literatur,  Ton  denen  als  bssondera  ivicbtig  die  Be* 
richte  über  die  Erstauf fühmn^  vod  Scbillera  „WaUeiisUiD'^  in 
Weimar  und  die  (1808  entworfen eo)  ^Hegeln  für  Scbanspieler"  ge< 
nannt  werden  mögen*  Im  zweiten  Teile  des  Bandes  begegnen  ans 
außer  einigen  Rezensionen  Goethee  (z.  6.  des  ^Eegolni''  von  Callin, 
Hebel)  ein  Auszug  aus  der  Hackert-Biographief  eine  Voranzeige  Ten 
„Des  Epimenides*  Erwachen''  n.  a.  Ein  tficbttges  GeBamtregister 
am  Schlüsse  dieser  im  ganzen  treffJ leben  Ausgabe  wird  vor  aUem 
nötig  sein,  um  das  Zusammengehörige  obne  großen  Zeitverlust  inf* 
finden  zu  können. 

Der  27.  Band  enthält  den  ßeiTennto  Cellini  mit  einer  draog 
sachlichen  Einleitung  von  E.  Yossfer,  wO£q  der  „Anhang'*  und  die 
Anmerkungen  des  Herausgebers  im  28.  Bande  folgen.  Hier  babed 
auch  die  Übersetzungen  „Bameanä  Nefe"  und  Diderot«  «Versniih 
über  Malerei*'  Platz  gefunden  sowie  Goetbee  Beden  (cur  ErOfluDfif 
des  Bergbaues  in  Ilmenau  1784,  die  Trauerreden  anf  die  H«nof tu 
Anna  Amalia  1807  und  auf  Wieland  181S  uiw.).  Durch  Rinbc- 
Ziehung  der  Lesarten  der  Weimarer  Ausgabe  wird  der  We 
bekannten  Schriften  Goethes  in  wiageneebafUi''^^-  ^ 
deutend  erhöht;  die  Anmerkungen  halten  sich 
einer  weisen  Beschränkung  auf  das  N<>tige. 

Der  18.  Band   enthält    Goethea  ^FastnE 
Frankfurter  1772 — 1774  und  den  Weimarer  » 


Es  HnnHnmm,  Qo^ihm  Werk«,  ^ng.  v.  S*  M.  Prem, 


139 


£0  dii  B^Tolationidranien,  Prologe  Goethes  und  Verwaodtea  mit 

'  Ciulflitongen  und  Erllüternngen  tod  Th*  MatthiaB,  die  ßaehlicb  dag 

irfardtriiche  wiBseDScbafUiche  Material    bieten,    mancbmal   jedoch 

Dü^tDiQ  lind    und   sprachlich   Dicht   immer  attf  der  H6he  ateheD, 

S<i  bifit  »8  gleich  S.  7  -  „ScboD  in  der  eraten  Geatalt,  m  der  da^ 

8eä^hartepjeP)   im  letsteo  Drittel    des  Märi  177B    aU  Gabe  für 

Füiod   Mtreke   beTorB  tobenden  Geburtstag    to  Darm  ata  dl   eiDtraf, 

nm  dsrm  miB&Jgfaebe  EriDDeroDgen ,   AnregoDgeo  und  Stndiea 

itfainaieDgeflaiaffi***    In  den  ÄninerkungeD   zjn  den  „Aufgeregten" 

Hdbt  S.  459    fotgendta:    „Die  Angabe  Preme,    Goethe,   S.  506. 

Aid.  144   (8.  Anft, ,  Leipzig  1900),    Ton  einer  tateächlichen  Anf- 

Uhraof ')    am    16.  Jänner   1898    am  Berliner  Hoftheater   flcheint 

itf  Irrmm  zu  beruhen^'*    Da  ich  diese  Notiz   ntcbt   ans  der  Lnft 

ftgriffüi  tu  haben  glaubte,    wandte  ich  mieh  (dircb  die  Vermttt- 

ittf  ßtinhold  Steiga)  an  die  Berliner  Generalintendanz  nnd  zngleich 

«0  Pdta  T,  Stenglin  nnd  erhielt  TOn  beiden  Seiten  die  BeBtätignng 

T^ü  der  Adflnbrnng  dea  Stackes   im  kg!,  Scbanapieibause   am   17, 

JltM>r  1898  (nnd  einir  Wiederbolnng).    Yon  dieser  Auffnlirüng  ist 

4lfjg«D8  damslB  in  Berliner  Blättern  viel  dte  Bede  gewesen.    Doch 

gtavg  difonl     Im  19.  Bande    bringt   der  Eanptberansgeber  Karl 

HtisimaoD  Goethes  Singepiele,   die  Feßtapiele   ttnd    „Die  Wetta". 

2g  dun    nörgelnden    Bemerknngen    S.  ^9S     möchte   ich    folgen  das 

tt|i&;    n^^^  Kaiserin   hat  jedenralls    den  Stoff  exponiert ,    Goethe 

ilur  mit  m^^giiebgt  getreuer  Anlehnnug  daran  das  Stück  gemacht. 

iifdjfse  Weise  fällt  es  dann  nicht  anf,  wenn  er  das  Stück  selbst 

«umatig*  nennt.     So   meinl  es  wobl  auch  Saner  in  den  Goethe- 

•chriften  17,  XXI?. 

Den  20,  Band  besorgte  abermals  Th.  Matthias,  der  hier  die 
4rimatiieheD  Fragmente  nnd  Einzelheiten,  anch  „Belsaiar"  nnd 
^«1  jTngendspiegeP  sowie  die  Opern  fragmente  und  Goethes  Über- 
HUangen  (S.  293  fg*)  bietet  Den  «Mahomet^  hat  instwiecheu 
Mim  mit  eingehenden  Ontersnchnngen  ins  rechte  Licht  gerückt. 
B«r  21*  Band  dieser  Ausgabe,  der  von  E.  Heinemann  bearbeitet 
iit,  enthilt  Goethes  Eezensionen  in  den  „Frankfurter  gelehrten  An- 
»igin*'  (1772  —  1773),  kleinere  JagendechriftoD  (darunter  die 
JudeDpredigt^)  und  Dramen  in  ursprüDglicher  Gestalt;  hier  findet 
lith  inch  der  „Urfanst"  und  die  erste  Bearbeitung  der  „Iphigenie" 
laoProii).  Zum  ^^Götz*"  3.  246  nnd  Anm.  S.  476  m5chte  ich  des 
teffttaeg  wegen  erwähnen  ^  daß  Margarete  t,  Edibeim  ^  Tochter 
Itiaer  Maximilians  I.  und  zweite  Frau  des  Helfenstelners,  den  die 
hum  durcb  die  Spieüe  jagten,  in  einem  Bilde  erbalten  sein 
ttrfte^    fOD    d#m   M.  Hecbfellper    im  Progr>  dea  Gymnasiums   zu 

*^  ,Dafl  Jafarmarktifeit  tu  Flunden  weilern."  Die  Stellen 
worIwOrthch »  ohne  das  Geringste  iu  Indero ,  aaesulassen  oder 

*>  D«r  St«ngliniCb«ii  Ergfeutuog  des  Dnuna»  (1897). 


140        Graesers  ScbnlAOs^ban  klait.  Werke,  iBg.  ▼.  F.  Poüak. 

Innsbniek  1901 ,  8.  88  spricht.  lo  deo  ÄDmorkiingeo  zu  „Erwii 
und  Elmire*",  S.  476  werden  ans  der  Opempartitnr  der  Henogin 
Anna  Amalia  (Weimarer  Sophien- Aasgab«,  88.  Bd.)  aneh  die  im 
Texte  Ooelbee  fehlenden  Lieder  abgedrückt  Desgleichen  sind  überall 
in  dankenswerter  Art  die  Paralipomena  zn  Goetheseben  DiehtangeB 
Terzeichnet,  znm  „Fanst*'  endlich  anch  noch  die  Weimarer  loazs- 
niemngsversnche  ?on  1812,  die  Szenen  rem  Badziwillschen  ,,Faost'' 
nnd  die  Verse  znm  Monodrama  „Fansf,  die  an  Stelle  der  Vine 
680—685  der  Bearbeitung  von  1808  treten  sollten. 

Graz.  S.  M-  Prem. 


Graesers  Schulausgaben  klassischer  Werke. 

Im  Jahre  1883  erschienen  die  erstMi  Heftehen  der  Oraaser- 
sehen  Klassikeraasgaben ,  so  daß  die  Firma  ein  kleines  JobilftSD 
zu  verzeichnen  hat.  Seither  hat  sich  die  Sammlnng  ans  bescheidanM 
Anf&ogen  stattlich  entwickelt;  fast  800.000  Exemplare  sind  — 
nach  der  Angabe  des  Firm  ain  habere  —  verbreitet.  Sie  hat  aich 
anch  innerlich  nicht  nnbedentend  ver&ndert,  nnr  der  Preis  —  das 
sei  rühmend  erw&hnt  —  ist  dnrch  28  Jahre  nnferiadert  geblieb« ; 
erst  in  der  neaesten  Zeit  wurde  er  etwas  erhöbt.  Das  Programn, 
das  der  Firma  ursprüDglicfa  yorgeschwebt  bat»  ist  jetzt  yoUaUadig 
aaagefflbrt,  ja  sie  ist  schon  darüber  hinaasgeschritten.  Die  Werke, 
die  man  mit  dem  schwer  faßbaren  Beiwort  „klassisch^  allgtmain 
zu  bezeichnen  pflegt  nnd  die  für  die  Schule  bislang  in  Batracbt 
kamen,  sind  fast  alle  in  der  Sammlnng  vertreten,  die  meisten  tod 
ihnen  in  Neubearbeitung.  Wenn  noch  immer  neue  Hefte  in  Vor- 
bereitung sind,  so  deutet  das  auf  die  überall  bemerkbare  Eracbainaog 
hin,  daß  der  Schule  der  alte  Bahmen  zu  enge  geworden  ist,  daß 
sie  Neues  in  ihren  Bereich  ziehen  will;  die  Einsicht  der  Firma 
ist  zu  loben,  die  diesem  Verlangen  entgegenkommt. 

70  Nummern  sind  derzeit  im  Umlauf;  eine  kleine  Statlstiic 
zeigt  eofort,  welcher  Art  iJtBBr&  SchuUektäre  ist,  44  Namiuiri^ 
gelten  dem  Drama,  9  dem  Epos,  ebeüsovide  <ler  Ljrilt,  ttntif 
dleBeo  eine  Antholügie  ^ Österreich tscbe  Dicbttr  d«t  XIS.  I«hr^ 
bonderts" ;  von  den  8  übrigen  Numm^ru  sind  &  kntiscb^IalbvÜit^iO 
Inhalts,  1  hiatoritch'politiscb^r  Art«  ein  Heft  ^ibt  Piitt^D  »^ 
DicbLnng  und  AVahrbeit,  ein  auderes  Proben  der  dmUtbm  H^Uiia- 
sage.   Das  AnfUlligsie  bei  dieser  Auswahl  iti  «4illif*ad» 

Prosa* DichiUDg  ganz  vernachlftsaifjt  er«r*Tp  -ji^^i  ^         uiDwa^t^J 
LebrplaB    nod    unseren    Instruk'' 
Abneigung  gegen  Dlchlnn^n^-i 
am  KGäcbtigsteii  ani  il<i^ 
kanm  eiistteren«  eutäpri 
lieb    erleben    wir   ea^   4 


Ofm^en  SflbttliOigibes  kUis.  Werke«  äog.  ?.  F.  I^Uak^        141 


4ir  t^ilbelm    MtiaUr    doch    einmal    ODter    di«    obligatorisch    zu 
l«HO(l«o    Werke    aüfgenomtDon    werden,    daß    SchiilaaB^ab«a    das 
.StQipliiiiftiiDtii"  erBcbeiDeu,  dal^  Wielandei  da£^  Schillers  eri'.ÄhleDde 
Fna4iiii  8cböler  bekannt  werden.  Welch  weites  Feld  sieb  eröffnet, 
wm  «inmal  das  XIX.  jahrb ändert  ^ebübreod  berückeicbtigt  wird^ 
dii  kfftocbt  QJcht  ersi  gesagt  iq  werden.    Mancher  treffliche  Pro- 
fite l6ouie  durch  4ie  Scbule  io  lebendiger  Erinnerung  erhalten 
Hfimi  leb  oeone  nnr  Sealsfield,  dessen  Werke  bente  schon  selten 
fifordtn  Bind.  Dafnr  werde  die  Sebnie  noachwer  eine  EinscbräD- 
^lof  der  kritischefl  und  Astheliecben  Schriften  vertragen,  Übrigeas 
riraiiU  niao  in  dieser  Gruppe  bei  Gr&eser  eint  Herdtr -Nummer; 
aifa  die    ^Ideen''    könnten    herangezogen  werden.     Zu  ^,Dicbtnng 
Ui  Wahrbeit*'  wäre  als  Qagenstock  Orillpar^ers  Selbdtbiograpbie 
intocbt.  Wenig  bedeuten  die  IjriscLen  Nnmmem  der  Sammlnng ; 
ik  Leiihicher  bieten  ja  aacb  im  allgemeinen  genug  Lyrisches  nad 
dii  iQsacnmenhängende  Lektor«   eines  Ljrikers   Ist    in    der  Schule 
kkum  anKuempfablen ;  sie  iteileo  mehr  eine  respektvolle  Verheugnng 
wm  diu  Aatorsn  dar,  als  daß  sie  nntnittelhar  praktischen  Zwecken 
0mm.  Bae  Epos  ist  hinreichend  vertreten,  sogar  stirkefi  als  die 
Sdialpruii  fordert. 

Diritit  und  in  Zukunft  wird  die  SchaUektöre  das  Drama 
v^orxQgiweis«  püegen,  hierin  eine  gute  Auswahl  zu  treffen  ist 
du  Hiiiptanfgabe.  Bei  Graeser  entspricht  sie  dem  gegen» 
^irtigtu  Schul  gebrauch;  für  djs  Znkanfi  bleiben  wohl  einige 
Wintebt.  Sebilier  ist  eo  gut  wie  vollständig  vertreten,  von  Goethe 
Mm  die  Singspiele,  Stella,  Natürliche  Tochter,  Faust  11*  dann 
^«  kleio«rea  Dramen  nnd  die  Eerolatignistücks,  lauter  Werke, 
«liehe  die  Schale  enthebren  kann  oder  muß;  auch  bei  Leeeiog 
«tliehisii  wir  keine  Erglnznng.  Anders  bei  Grillparzer:  boffontlich 
t^omiatö  wir  noch  „Web  dem»  der  lügt*",  den  f,Treuen  Diener**, 
,IJii  Mesfes  und  der  Liebe  Wellen"  —  auf  die  „Judin  von  Toledo" 
kfiait  mall  allenfalls  verzichten.  Überängstliche  Bedenken  wegen 
du  laliaUa  der  drei  let^enannteB  Dramen  eind  doch  wohl  bei 
Uturer  Lebrtnehaft  nicht  vorangz;nset£on.  Außer  den  Dramen  dieser 
IUI  gebnlklifisiker  im  engsten  Sinne  des  Wortes  haben  noch  Kaum 
fifaiiien  „Juliue  von  Tarent*'^  „Zrinj">  „Eögulus'S  „Ludwig 
lir  BiLier'',  tanter  recht  matte  Dramen,  die  vermutlich  nirgends 
MialiviAtg  gelesen  werden ,  nud  drei  Dramen  Elei&ta.  Das  ist 
MintnngBfolJ,  hier  lenkt  die  Schul iektüre  in  neue  Bahnen  ein. 
tdiit  ielbst  muß  vervollständigt  werden,  mindestens  durch  den 
•Zirkfoe^eaen  £rug^;  an  ihn  schließt  sich  dann  Hebbel,  dessen 
•libiittiigtii''  bereits  in  Vorbereitung  sind.  An  diese  sollten  sich 
Aocb  «Maria  Magdalena",  eventaeU  der  ,,Gyges*'  oder  die  „Ms- 
ifeni**  rtthtn.  und  neben  Hebbel  gab6rt  Otto  Ludwig,  neben 
^ebdrt  Eaimund,  fielleicbt  Bauernfeld  —  es  ist  noch 
füiiif  tut  die  Zukunft  da,  seihst  wenn  man  von  „  modernen*' 
Im  engeren  Sinns  absieht. 


142        Graesers  SehalaaagabeD  klaM.  Werke,  ang.  ▼.  F.  PoUak, 

Einige  Werke  ans  fremden  Sprachen  schließen  sich  den 
deutschen  Schnlaaioren  an,  vor  allem  Shakespeare,  der  bisher  mit 
sechs  Dramen  vertreten  ist.  „Richard  Ul.^  nnd  „Othello**,  deren 
Kenntnis  doch  dringendst  erwünscht  w&re,  fehlen,  anch  alle  Lnst- 
spiele,  Yon  denen  „Was  ihr  wollt*'  leicht  ffir  die  Schale  einzu- 
richten w&re.  Nnr  ffir  die  Bealschnle  ist  ein  etwas  mageres  „Dias**- 
Heft  bestimmt ;  auch  Moliöres  „Geiziger**  findet  sich  in  der  Samm- 
lung, man  sieht  nicht  recht  ein,  zu  welchem  Zweck,  da  im  Gym- 
nasium ffir  dieses  Stfick  kaum  Zeit  bleibt.  Wollte  man  diese 
Gruppe  über  Shakespeare  und  Homer  hinaus  erweitem,  so  wößte 
der  Bef.  keinen  fremden  Dramatiker  zu  nennen,  dessen  Lektflre 
wünschenswerter  als  die  Ibsens,  an  dem  der  Schüler  Yerst&ndnis 
für  die  neuere  Dramatik  gewinnen  könnte.  Vom  rein  literar- 
historischen Standpunkte  aus  ließe  sich  allenfalls  noch  für  irgend 
welche  Proben  aus  der  Tragidie  cktsaique  plaidieren  —  Schillers 
„Ph&dra^'-Übersetzung  würde  genügen. 

Bei  der  Graeserschen  Sammlung  ist  es  dem  einzelnen  Heraus- 
geber fiberlassen,  wie  er  sich  mit  seiner  Aufgabe  abfindet.  Nur 
rein  äußerlich  ist  die  Einrichtung  durchaus  einheitlich:  zuerst 
die  Einleitung,  dann  der  Text,  in  einem  eigenen  Teil  die  Anmer- 
kungen. Dennoch  kann  man  auch  in  der  Behandlung  eine  gewisse 
Übereinstimmung  bemerken,  besonders  in  der  Torzugsweisen  Berück- 
sichtigung sachlicher  Momente  Tor  dem  rein  formellen.  Die  Ein- 
leitungen geben  im  allgemeinen  die  Entstehungsgeschichte  des 
Werkes,  sie  legen  das  Verhältnis  zwischen  Stoff  und  Dichtwerk  dar, 
gehen  auf  die  Beziehungen  zwischen  Werk  und  Autor,  auf  die 
literarhistorische  Bedeutung  ein;  erst  in  zweiter  Linie  analysieren 
sie  das  Werk  selbst  nach  technischen  und  ästhetischen  Gesichts- 
punkten ;  die  Anmerkungen  sind,  was  sie  sollen,  Behelfe  zum  Ver- 
ständnis schwieriger  Stellen.  Das  ist  gar  nicht  so  selbstverständ- 
lich, wie  es  scheint ;  wir  dirfeu  diese  SacbBchkeit  aach  okht  aus- 
schließlich als  ein  Ytirdlenst  der  einzelnen  Äntoren  anfieheUi  aond^rn 
sie  ist  dem  Geiste  der  5BterreicbLechei]  MitteUobnU  zu  danlcen. 
Klar  wird  dies^  wt^nn  m&n  unaere  Samiulnng  einerseits  mit  andeiss 
österreichischen  vergleicht,  die  im  weseatlieben  denselben  Charakt 
tragen,  anderseits  mit  solchen  reicbedentscher  Herkanft,  z.  B.  mK 
Teubners  „üeatachen  Scbnlane gaben**,  die  Gandig  and  Tricl 
herausgeben.  Bei  dieeen  febU  die  Einleltang  ganz,  die  AnmerkQn^i 
sind  äußerst  spärlich,  dafür  yerbreitet  sich  ein  .^Anhang"^  m  lüi 
möglichen  „Dnrcbblickea^  und  ,^BückMicken**  über  im  Gliednun 
und  die  Charaktere  des  Dramas.  Dte  Schule  c'*»**^"*^  -^"^ 
das  bei  der  Lektüre  in  betonen,  was 
raschesten  dem  Scbnler  seine  Dicbt 

Die  GraeserEcben  Ausgaben  sin 
wertig.  Man  könnte  nnter  ihnen  ^wei  C 
die  eine  mehr  nach  wisgenecbaftlicbe 
keit,  die  andere  mebr  nach  scbulmilß 


« 


Qfm^er§  SckalaoBgabeo  kJati.  Werke,  an^.  t*  K  Pöllak,        14:^ 

fliof  mahr  zum  Lehrer  epricbt,    deco  sie  Materia!  bieter)  will,  die 

lOfUri  unmittelbar   auf  dea  Schüler   wirken   soll,     Natörlich    läl^t 

itCQ  liioe  scbarfe  Greo^e  ziehen ;  i  mm  erb  in  katio  rnsiu  kotiBtatiereiit 

M  der  ergUn  Grupp»  im  allgem einen  jÜQ^ere>  der  zweiten  ältere 

Aatonti  angehdrsn.    Die  entBChiedenste  Eigenart  weisen  zwei  von 

Ciitif  heranegegebene  Hefte  &af,  nnter  diesen  wieder  TOrznga weise 

dir^TaiiO^.  Bas  h%  keine  Schulanegabe  mehr,  eoDdem  eine  ernste 

Mtitt   die   iieb    an  Fachmänner    wendet.     In  echarfer,    mitanter 

iknckarfer  Analjae    des    inneren    Gehaltes    der   Dichtnng    Bncht 

Uli  ilire  Eigenart  klar   za  machen,   er  gebt  allen  Beziebongen 

n  &^be0  Perinn  nicb,    zieht   zahllose  ParallelBtetlen  berbei,   er 

ifitirtiiebt    in    feiueter    Weise    die    Metrik    des    Taiso    —    allee 

J)iD;i,    di«    telhat   ?otn    Lehrer   ein    anfmerkaamea    Studium    ver- 

hifiOf  tiiDsomehr,  als  die  beiiehnogsreiche  Darstellongeweiee  nicht 

Iwmm  gleich   erkennen  läßt,  was  AnBpielnng  auf  Goetbesche  Änt^e- 

nofta   jitf    der   Schüler  wird   mit   dem   Heft    eelbetändig    wenig 

Alfia^iQ    kdanen.     Nicht    ganz    so    tief    greift   desselben   Äntore 

i^WilliiiAielD*' -Aasgabe«  aber  noch  immer  tief  genng.  In  der  Ein- 

UitOLf  z,  B.  nimmt  hier  den  breitesten  Eanm  die  Er5rternng  der 

^isDtren  Farm^  ein,    wobei  Castle  zn  zeigen  bemüht  ist,    wie  die 

GhankttrgestaUüQg  im  Wallenetein  ans  Schillers  ästhetischen  nnd 

^OaiOphiacben  Grundsätzen  entspringt  So  selbständig  —  in  jedem 

8isift  —   gebalten    ist  keine    Ton   den   übrigen    Ausgäben;    wobl 

aber  xeigen  die  meisten  Heransgeber  Fleiß  nnd  Oewissenbaftigkeii 

iü  dtf  Eenntznag  des  gegebeneu  Materials,  Besonnenheit  im  Urteil, 

Qitttnigkeit  in  den  tatsäcbllchen  Angaben;  es  sind  ganz  treffliche 

BrilA  darunter,    die  meisten  entsprechen  dem  heutigen  Stande  der 

fmctiaiig,  selbst  die  schwächeren  reichen  im  Scbulnnterricht  ans* 

br  Astg&b«  des  „Fanat''  möchte  der  EeL  bemerken^   daß  in  der 

KbWlBlf    und    in    den  Anmerkungen    vieles    veraltet   ist;    es  ist 

Mik  «iitiDil  der  ürfanst  herangezogen.     Auch  der  „GOtz  t.  Ber- 

itdiisgeD"  wäre  einer  Beviston  bedürftig. 

Darf  man  dae  erl&nternde  Beiwerk  der  Ausgaben  im  all- 
fiBiiiea  loben^  so  gilt  leider  nicht  das  Gleiche  vom  Teit.  Eine 
^|Uigogik,  die  dem  Schüler  eine  ad  usum  Deiphini  moralisch 
irte  Welt  vorführen  will,  macht  sich  da  mitunter  bedenklich 
Mi  Gewisse  „Verbeesernngen^  im  Tezt  der  „Iphigente"  haben 
lehi^j]  Berühmtheit  erlangt;  ähnliche  Sünden  sind  im  „Fanst^ 
fangen  wordtöt  wo  z,  B.  in  der  letzten  Kede  Valentins  der  Vers 
Jbchst  deine  Bachen  scbleebt"^  ohne  Beim  bleibt,  weil  sonst  das 
W^ffrt  „Bnr**"  nicht  zn  vermeiden  gewesen  wäre.  Es  ist  ganz  seit- 
it&:  die  zynischesten  Beden  Mephistos  sind  abgedruckt  —  das 
Wm  ^Hnre'*  aber  darf  nirgends  stehen*  Auch  dort  nicht,  wo  es 
'1^  ootvindig  wftre^  wie  etwa  in  der  Szene  in  „Kabale  nnd  Liebe", 
«0  lieh  Ferdinand  wegen  der  nngebenerlicben  Bescbimpfnng  seiner 
Mühten  durch  eben  dieses  Wort  vom  Vater  lossagt.  Eine  andere. 
Tilitlicht  ooeb  trisera  Versündigung  am  Dichter  ist  ee»  wenn  in  der 


144  J?.Ja^dk,MftrUSturtKtaisiBV.8eMIUBdtM^v.J.i^afilL 

PAast-Szent,  wo  Mephisto  von  dam  SekiAt«!  dm  entei  SciiiniAk* 
kftstcbeo«  boricbUi,  dor  Goiitlidio  gwjii  weggditüi  kt  Und  dadi 
dnieki  dor  Heransgebor  die  KaUcbisaiionanMie  ab  aad  ialarpreliiti 
aia  unbefangen  genng.  Ancb  in  den  „BinberB**  nnd  im  „Fiaaka'' 
lassen  sich  nicht  alle  Weglassnngen  reebitotigen:  die  zjuachen 
Änßenmgeo  Franx  Moors  x.  B.  geh(Mren  onbediagt  tn  seinem 
Cbarakler,  sie  geben  sun  Teil  den  Schlüssel  dexa,  die  achmotzige 
Intrigoe  des  Mobren  im  Fieske,  durch  welche  er  in  den  Beettx 
Ton  Oianettinos  Liste  kommt,  darf  nicht  weggeiasaea  werden.  Eine 
Revision  der  Texte  nach  dieser  Seite  hin  wire  dringead  netwendig. 
Anderseits  sind  einzelne  Ansgaben  —  ao  x.  B.  die  von  Streiax  -^ 
philologisch  sehr  genau  gearbeitet 

Die  &nßere  Ausstattung  der  Hefte  ist  vollkommen  entsprechend^ 
besonders  mit  Bficksicht  auf  den  sshr  geringen  Preis;  ee  bleibt  nur 
zu  wünschen,  daß  einzelne  stark  begehrte  Nummern,  besonders  dit 
von  größerem  ümfaog,  auch  in  festem  Einband  zu  haben  wären.  Dana 
wfirde  mancber  Mittelschüler  sie  seiner  Bücherei  einreihen  künnen, 
indes  die  alUrdings  bequemen  Heftchen  docb  meist  zugrunde  gehen. 

Wien.  Dr.  Valentin  PolUk* 


Prof.  Dr.  Eduard  Heyck,  Maria  Stuart  Königin  von  Schott- 
land. Mit  fünf  Kunstdrucken.  Bielefeld  and  Leipiig,  Velbagen  A 
Klaeing  1905.   210  83.  Kl-S". 

Das  Problem  der  Frage  nach  der  Bchuld  Maria  Stuarta  wird« 
trotzdem  es  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  des  QusllenmaierialB 
beinahe  unlösbar  erscheint,  doch  fflr  neue  Lösungsversuche  immer 
wieder  eine  m&chtige  Anziehung  ausflben«  geradeso  wie  die  Frage 
nach  der  Schuld  Wallensteins.  Die  Quellenschriften  sind  ja  ancb 
in  anderen  F&llen  nicbt  so  lackenlos,  als  daß  sie  den  Geschieht- 
Schreiber  nicht  öfter  zum  Versucbe  nötigten,  den  leeren  Baum 
neutralen  Gebiets  zwischen  dem  Mitgeteilten  und  Obergangeaea 
mit  Gldck  und  ^^i^^üick  uur^h  vmw  ^«wii^Bo  Divißatiuijügaüi»  ut34 
kombinierende  Pb  anlag  ie  zu  bebauen  und  den  QueUeo  auch  da 
etwas  abzugewinnen  nnd  eie  zum  Eedeti  zq  brm^^en ,  wo  lie  m 
nicht  willig  hergf^ben  wollen«  Abgest^hen  davon  ^  daß  viele  zeU* 
genÖBsische  Aufzeicbnangen  der  Nachwelt  Terloreii  giogeiif  uui  je] 
über  das  Gewflrm  und  Öe wirre  Ton  Gedank«»  und  L«idenseha£i<»i!iJ 
die  die  agierenden  biBtonscben  Htlden  »rfdllUn^  »uch  soimI  fctttiej 
Akten  aufgelaufen  und  wir  baben  auch  kein  MÜM — ■"■*^ 
Inneres  blicken  zn  kennen,  wie  Hwa  durch  '' 
deckel  versehenen  Apparat  auf  das  t»-*'*»-  ■■' 
Die  ÜberzeugUDir  ^on  der  Bedji>~^ 
liehen  Handlungen  ^ibt  uoe  ^ 
die  sie  aualöseitdms    FstkUre 


K  E$^k^  M&rift  Stu&rt  Ednigin  r .  Sch<»tbkadr  «&g»  ?*  J,  Frank,  145 


ftviidenbaftt  Gtaehichtsechreibdr  Biets  Oefabr  laofeni  dal^  mil 
inrfiudtuii^  mnes  oeaen  ecbrlfUich^n  Dokaments  eaine  müh^ToU 
gifoirMDftti  Ergebe isHfl  wieder  über  den  Haufen  geworfen  werden. 
It  omS  sieh  onr  böt^s,  das^  was  bei  der  einstweiligea  Flaktttaiioii 
dir  faebgen  fies  beben  Ansicbteti  daa  vürbereiteDde  St&dtnm  noch 
ticbt  äberwüßdeci  hat,  als  fiber  dem  Hader  der  EoDtroverie  iu 
rU»i|«f  Sieberbeit  tbroneod  hjneteUen  zu  wollen.  Der  YerL  des 
mlitgttidcii  Bacbea  bat,  wie  uns  acbeint,  alles  «lies  ni^bt  nut 
irtDgiüf  sondem  alle  Vorgänge  mit  großer  Kunst  der  Menecben- 
ifitildinDg  ond  9rfillt  vm  apr&beBdem  Leben  dargeeteltt,  so  daß 
fii  rar  dem  Änge  eines  Dicbtera  lebendig  geworden  ist,  wai  die 
ForKbiifig  gefunden  hat.  Er  hat  den  Znaammenbang  der  Ereignisse 
stiii  der  dnrcha  ich  tilgen  Klarheit  und  dam  fernen  Sinn  für  das  Aue- 
darbalten  und  Verknupfto  der  einzelnen  Fiden  bloßgelegt, 
die  Spracbe  tat  vornehm»  nur  bte  und  da  in  Ziererei  oder 
pretentiöae  Gespreiztbeit  verfallend.  Alles  in  allem  kann  das 
Back  ali  eine  ebecao  lehrreicbe  als  fesselnde  Lektäre  bezeietanet 
ftfid  in  jenen  Schriften  gezühlt  werden,  die  nlnbt  nur  beeprocbani 
üodlin  auch  gelesen  wenden  wollen» 

Alf  einzelnes  sei  noch  besonders  b ingewiesen.  Mit  Eaoht 
•io4  jtoi  swel  geheimen  Urknnden  b  er  vor  geh  ob  en^  die  Maria  1558 
aFmokriicb  nntirzei ebnete,  obwohl  dieselben  sowohl  ihren  recbt- 
iii£[pn  Macbtbefngniseen  als  auch  den  feierlichen  VerbriefnngeQ« 
4»  lie  ihren  acbottischen  Untertanen  gab,  schnarstracks  zuwider- 
liiiü.  In  der  einen  ?ermacbte  sie  die  Herrschaft  über  Bchottlandf 
k  4ir  zweiten  ihre  Erbrachte  auf  England  und  Irland  für  dea 
M  der  iünderlosigkeit  ihrer  Ehe  an  die  Krone  tod  Frankreich. 
Ditiir  Omatand  wird  im  allgemeinen  ebenso  zuwenig  beachtet  wi« 
4ii  rateache,  daß  Franz  U.  und  seine  Gemahlin  Maria  im  Wider* 
ifniebe  mit  dem  knrz  vorher  abgeacblossenen  Frieden  den  Königs- 
tM  fou  England  und  Irland  annahmen  und  in  ihrem  Wappen 
fihitfn.  Ebenso  zuwenig  gewürdigt  in  der  Geschichte  Marias  wird 
%  daß  ti«  den  Edinburger  Vertrag  vom  Jahre  156Q  nicht  ratifi- 
üid«  und  diesen  in  all  er  diplomatischen  Form  abgeschlossenen 
Tnktai  ancb  dautt  als  nicht  bestehend  betrachtete,  nachdem 
Inni  U.  schon  gestorben  war.  —  ßeaondere  hingewiesen  sai  auch 
m  ik  Liebesepisoden  Marias  mit  Chastelard  und  Damevtlle« 
D«  iftt^e  wurde  sogar  zweimal  in  näcbtlicber  Stande  in  ihrem 
SAUgtmaolie  ertappt  und,  da  er  darüber  zum  Tode  terurteill 
nrim  war,  trillerte  er,  während  er  die  Stufen  zum  Schafott 
ttpontifgi  den  Eefrain  seiner  letztverfa&ten  Liebeeelegie.  —  Wi» 
«tif  nad  cbarakteristiscb  ist  die  Aoekdote  von  der  Begegnung 
k  Eänigin  Etisabetb  mit  dem  schottiBcben  Gesandten  Mehille, 
M  dar  dieser,  obgleich  von  Elisabeth  in  die  Enge  getriaben,  nicht 
Ofeben  will,  ata  sei  schöner  als  seine  Herrin.  Als  Elisabeth 
icbbsfilieh  brüsk  hervorstieß:  „Zum  mindesten  ist  Euere  KAnigm 
ikmu  gewachsen  als  icbl''  konnte  er  nicht  umhiD,  auch  dem  in 

EcÜiaHII  f.  C  «»1«^.  üjram.  1S08.  H.  Hört.  10 


.m^ 


150    J,  Sehröder,  Dantellende  Gaomatrie,  ang.  ?.  SuppawUehitseh, 

▼on  Dr.  J.  Lanz-Liebenfels  gibt  ein  gates  Bild  yoo  der  bieber 
geleiBteten  dentschen  Ealtnrarbeit,  oamenüich  in  der  braailianiscben 
Provinz  Bio  grande  do  Snl.  Oskar  Ganstatt  in  Wiesbaden  gibt 
interessante  Aofschlfisse  über  „Die  Lavaf eider  der  Eifel". 
Prof.  Jfittner  letzt  seine  dankenswerte  Jahresrevne  über  die  «Fort- 
scbritte  der  geographischen  Forschungen  nnd  Beieen 
im  Jahre  1906''  fort  nnd  berichtet  über  Asien.  Endlich  enthftlt 
das  Heft  an  größeren  Anfs&tzen  noch  den  Schluß  der  Darlegungen 
des  russischen  „Milit&rarchivs"  über  „Die  milit&rische 
Bedeutung  der  Wasserstraßen  des  europ&ischen  Büß- 
lands".  Der  Anhang  bringt,  wie  stets,  eine  Fülle  kleinerer,  wert- 
voller Mitteilungen  aus  allen  Gebieten  erdkundlicher  Arbeit. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


Darstellende  Geometrie.  Von  Dr.  J.  Schröder,  Oberlehrer  au  der 
Oberrealsehale  vor  dem  Holitentor  in  Hamburg.  I.  Teil:  Elemente 
der  darstellenden  Geometrie.  Mit  826  Figuren.  Leipzig,  G.  J.  60- 
icheuiche  VerlagshandluDg  1901.  (Sammlung  Schubert  XII.)  Preis 
geb.  Mk.  12. 

Lehrbuch  der  darstellenden  Geometrie  fttr  den  Gebrauch  an  teeh- 
nischen  Hochicbnlen ,  mittleren  gewerblichen  und  technischen  Lehr- 
anstalten, Eanstgewerbesehulen,  Fortbildangsschulen  usw.  nnd  fflr 
das  Selbststadiam.  Von  Prof.  Erich  Geyger,  Oberlehrer  an  der  kgi. 
Baagewerbeschule  in  Kassel.  I.  Teil:  Affinitftt  und  Perspektifitit 
ebener  Figuren,  iu?oIatorische  nnd  harmonische  Grandgebilde.  Kegel- 
schnitte als  Kreisprojektionen.  Die  orthogonale  azonometrische  nnd 
schiefe  Projektion.  Zylinder,  Kegel,  Kugel;  ebene  nnd  Ranrnkorren. 
Schnitte  und  Abwicklangen.  Dnrchdringnngen.  Mit  sahireichen  in- 
gewandten  Beispielen  und  290  Figuren.  Leipzig,  J.  G.  QOschenscfae 
Verlagshandlung  1906.  S2I  SS. 

Das  erste  der  angezeigten  Bficher  tr&gt  von  Abschnitt  II  bis 
VI  die  Elemente  der  orthogonalen  Projektion  bis  zu  den 
Durchdringungen  von  Yielflachen  Yerstftndlich  und  gut  vor.  Der 
I.  Abschnitt  schickt  dem  Grund-  und  Aufrißyerfahren  eine  knne 
Erörterung  der  schiefen  Projektion  Yoraus.  So  ist  es  nnn 
einmal  Mode  in  Dentschland  und  man  kann  ja  diesen  Abschnitt  Aber- 
schlagen.  Der  Schluß  (YII.  Abschnitt)  handelt  tou  den  elemen- 
taren Konstruktionen  an  Kegelschnitten.  Die  Figuren 
sind  klar,  doch  könnten  sie  netter  sein.  Dire  Bezeichnung  trägt 
manches  Fremdartige  an  sich ,  sie  ist  aber  gut  gew&hlt  und  kon- 
sequent.   Das  Buch  sei  jedermann  empfohlen. 

Sein  zweiter  Teil  ist  leider  nicht  erschienen.  Die  Fort- 
setzung soll  vielmehr  durch  das  zweite  der  angezeigten  Werke 
gebildet  werden.  Dieses  enth&lt  die  am  Titelblatte  nach  den 
Worten:  L  Teil  (siehe  oben)  angeffthrten  Gegenst&nde.  Der  Verf. 
hat  sie  mit  großem  Fleiße  aus  der  neueren  und  neuesten  Literatur 
zusammengetragen,    dabei  aber  nicht  immer  die  besten  Methoden 


Jf.  Mäüeff  Die  abgekftrite  DeiimalbrachreehnaDg,  ang.  t.  J,  Jacob.    151 

heraugasaeht;  aneh  hat  er  es  unterlassen,  die  214  Seiten  über 
projektive  Geometrie  in  eine  einheitliche  Form  zu  gießen. 
Er  macht  sich  oft  an  Anfgaben«  die  den  Bahmen  seines  Baches  über^ 
tchreiten,  die  er  daher  nnr  nmst&ndlich  nnd  weitl&afig  behandeln 
kann.  Man  vgl.  z.  B.  S.  145 :  Die  LGsnng  der  dort  behandelten 
Frage  nach  Durchmessern,  Achsen  nsw.  eines  durch  ffinf  Tangenten 
gegebenen  Xegelschnittes  kann  vereinfacht  werden  durch  den  be- 
kannten Satz  über  die  Mittelpunkte  der  Kegelschnitte  einer  Schar. 
Der  Satz  selbst  steht  zwar  im  Buche,  S.  168,  doch  ohne  Anwen- 
dongen.  Die  Erörterungen  über  die  Arten  der  Xegelschnitte  im 
Büschel  und  andere  Feinheiten,  z.  B.  über  DeveloppabU 
8.  280  ff.,  die  zudem  manchmal  unklar  dargestellt  werden,  gehören 
nicht  in  ein  Lehrbuch,  das,  aus  der  Art  seiner  Bezeichnungen  ge- 
schlossen, beim  Leser  im  allgemeinen  die  Kenntnis  des  griechischen 
Alphabetes  nicht  voraussetzt. 

Li  Lehrbüchern  von  der  Gattung  des  angezeigten  pflegt  man 
keine  hohen  Ansprüche  an  die  logische  Durcharbeitung  des  Textes 
zustellen.  Dennoch  überraschen  auch  hier  Behauptungen,  wie: 
»Wir  erzeugen  sie  [seil. :  die  Kurven]  entweder  durch  die  Ermitt- 
long  einer  genügenden  Anzahl  von  Punkten  oder  durch  die  Kon- 
struktion einer  größeren  Zahl  von  Tangenten.**  Ganz  unpassend 
ist  die  Erklärung  des  Wendepunktes  durch  zwei  aneinander- 
stoßende Halbkreise  (Fig.  241,  Text  S.  272),  die  bei  dem  Anfänger 
falsche  Vorstellungen  über  Kurven  überhaupt  erwecken  muß.  Der 
noglückliche  Ausdruck:  „Axonometrische  Projektion**  richtet 
zwar,  wenn  er  von  der  Mittelschule  mitgenommen  wird,  sogar  an 
technischen  fiochschulen  Unheil  an,  doch  als  altehrwürdig  wird  er 
neck  lange  leben.  Stolz  und  neu  ist  aber  die  Schöpfung  der  „me- 
deren  Mathematik**  (S.  268)  als  Gegensatz  zur  höheren* 

Die  Figuren  sind  fast  durchaus  gut,  nur  häuflg  mit  Linien 
überladen.  An  Druckfehlern  ist  kein  Mangel.  Sie  sind  meistens 
störend,  manchmal  erheiternd,  z.  B.  S.  280,  Z.  1  von  oben. 

Das  Buch  schließt  sich  nur  lose,  fast  nur  durch  die  kurze 
Bemerkung  S*  263  an  das  eben  besprochene  Werk  von  Dr.  Schröde-r 
sa.  Es  wendet  sich  an  einen  großen  Kreis  von  Lesern,  aber  es 
bringt  dem  einen  zu  viel,  dem  anderen  zu  wenig  und  muß  jeden 
ermüden.  Der  Bef.  ist  in  Verlegenheit  zu  entscheiden,  wem  die 
große  Mühe  nützen  soll,  die  der  Verf.  auf  sein  Werk  verwendet  hat. 

Wien.  Suppantschitsoh. 


Die  sbgekflrzte  Dezimalbrnchrechnang.  Ein  Beitrag  von  Dr.  Max 
Möller.   Wien,  A.  Holder  1906. 

Mit  vielem  Fleiße  und  großer  Sorgfalt  wird  in  dieser  Sehrift 
der  Einfluß  der  dritten  Korrekturstelle  auf  das  Bechnungsresultat 
bei  der  abgekürzten  Multiplikation  und  Division  untersucht.     Da 


152    F.  WeUdMh  inleifamg  zur  M!kroiko|ne  usw.,  ang.  ?.  N.  Herz. 

d»m  Yeif.  tod  berufener  Seite  bedeutet  wnrde,  daß  dieses  Thema 
^  T^jg  HDfrnchtbares  sei  und  der  Ansspmch  zitiert  wnrde:  „Ab- 
gektrstes  Bedmeo  ist  etwas,  was  jeder  kanHf  aber  niemand  tat, 
WEB  jedernumn  in  der  Bchnle  gelernt  hat,  keiner  aasdbt",  so  hätte 
er  diese  Worte  wohl  beherzigen  sollen. 

TBtsftchlich  spielt  das  abgekfirzte  Bechnen  weder  in  der  Theorie, 
noch  in  der  Praxis  eine  bedeutende  Bolle  nnd  ein  schon  verstorbener 
Wiener  Astronom  gab  seiner  Yerwandemng  nnverholen  Aasdmek, 
daJS  Schlier  im  nnmerischen  Bechnen  mit  Dingen  geplagt  würden, 
die  er  selbst  niemals  brauche.  Damit  ist  auch  die  Stellung  des 
abgekürzten  Bechnens  in  der  Mittelschule  pr&zislert:  da  ohne  Lo- 
garithmen viele  numerischen  Bechnungen,  besonders  in  der  Stereo- 
metrie, kaum  zu  bew&ltigen  sind,  muß  der  Schüler  zwar  mit  dem 
abgekürzten  Bechnen  vertraut  gemacht  werden,  jedoch  ist  dieses 
nur  als  ein  Notbehelf  zu  betrachten  und  daher  auf  ein  Minimum 
zu  beschrünken. 

Wj-en.  Dr.  J.  Jaceb. 


Fr.  W«lleba,  Anleitiuig  zur  Mikroskopie  und  Mikrophoto- 
graphie fax  Anf&nger.  Wien  1907.  Preis  biosch.  2  E  50  h. 

Mikroskope  in  ihrer  heutigen  Vollendung  sind  derart  kompli- 
ziert gebaut,  teß  nicht  jeder  mit  denselben  umgehen  kann;  nm 
dieses  dem  Anf&nger  zu  ermüglichen,  ist  eine  Anleitung  unbedingt 
nötig.  Eine  hiezu  dienende  Beschreibung  des  Mikroskopes  und  An- 
leitung zur  Behandlung  desselben,  ohne  theoretische  Erörterungen 
gibt  der  Verf.  in  gedrängter  Kürze  nnd  recht  gelungener  Form. 

Einige  geringfügige  M&ngel,  auf  welche  Bef.  hinweisen  zu 
müssen  glaubt,  konnten  leicht  in  einer  sp&teren  Auflage  vermieden 
werden. 

IHe  in  Pig.  10  gew&hlte  Anordnung  des  Belenchtungsprismas 
ist  eehr  ungünstig ;  denn  sowohl  Bildintensit&t  wie  Bitdgüte  müesen 
notwendig  durch  die  seitliche  Verdeckung  des  halben  Objektires 
leiden  und  ist  die  zweite,  nur  vorübergehend  erwähnte  Form  wohl 
die  bessere. 

l>te  filteren  Konstruktionen  des  Objekttisches  (6.  13/4)  hitlan 
wohl,  als  derzeit  überhaupt  nicht  mehr  verwendet,  übergangen 
werden  kOnnen.  Zu  S.  27  wäre  zu  bemerken,  daß  die  erste  Methode 
der  scharfen  Einstellung  besser  nicht  angegeben  wird.  Die  scharfe 
Einstellung  soll  nie  durch  Hinabschrauben  des  Tubus  erfolgen; 
namentlich  bei  starken  Objektiven  wird  der  Tubus  erst  bis  fast 
zur  Berührung  (aus  freier  Hand,  oder  mit  Zahn  und  Trieb,  ohne 
Druck)  genähert,  dann  durch  Entfernen  scharf  eingestellt;  denn 
der  nach  der  Berührung  (welche  der  Anfänger  oft  übersieht)  baim 
ffinabscfarauben  auftretende  Druck  ist  vOliig  unkontrollierbar.  8.  88 


J.  Kung,  Tiwor.  Pbytik  auf  me«li.  Gnmdlagfe,  ang.  ▼.  J.  G.  WäUentin.  153 

*Dd  85  tot  dem  FftrlMD,  Trocknen  nnd  Aufhellen  der  Schnitte  etwas 
zu  wtnif  Phrtz  Mngerftmnt.  S.  69  wird  das  Pftrben  der  Schnitte 
ilfl  eine  Arbeit  besei^net,  die  „in  vielen  Fällen  große  Übung  und 
Erfahrung  Toraussetzt*'.  Es  ist  dieses  Tielleicht  die  einzige  nicht 
b«grtedele  Äußerung  in  dem  Werke.  Bei  Oelegenheit  der  Anferti- 
fnmg  von  Schnitten  mit  dem  Mikrotom  (?on  welchem  ja  auch  zwei 
Typen  durch  Zeichnung  dargestellt  sind)  h&tten  die  Hftrtungs- 
mtthoden  (Alkohol,  Hayems  Flfissigkeit),  die  Einbettungsart  (Cel- 
loidin,  Paraffin)  und  die  doch  so  leichten,  einfachsten  Färbungs- 
nttboden  (ffimatoxylin,  Eoein,  Alaunkarmin),  endlich  die  Aufhellung 
iBittels  N^ken-  oder  BergamottenOl  (statt  Terpentinöl)  erw&hnt 
werden  sollen.  Endlich  w&re  es  notwendig  gewesen,  der  Entkalkung 
dtr  Knochen  zu  gedenken,  da  auf  S.  84  ausdrucklich  auf  die 
Knecheasdinitte  hingewiesen  ist,  und  beim  Schneiden  nicht  entkalkter 
Knochen  der  eiste  Schnitt  das  Messer  unbrauchbar  machen  kann. 
Im  ganzen  ist  besonders  rühmend  hervorzuheben  die  gute 
Auswahl  und  Anordnung  des  Stoffes,  wodurch  sich  jeder  leicht 
inredit  finden  wird.  Unterstützt  wird  die  Darstellung  durch  eine 
niche  Auewahl  reu  Illustrationen,  welche  Mikroskope  der  verschie- 
densten Typen  (es  sind  im  ganzen  acht  der  berfihmtesten  Firmen 
vertreten)  zur  Anschauung  bringen.  In  einzelnen  Fällen  (z.  B.  auf 
6. 10)  wire  durch  größere  Ausnfitzung  der  den  Figuren  beigesetzten 
Buchstaben  die  Deutlichkeit  der  Beschreibung  noch  etwas  erhöht 
worden. 

Wien.  N.  Herz. 


Theoretisehe  Physik  auf  mechanischer  Grandlage.  Von  Dr.  Jakob 
Kuns,  Pzivatdozent  fflr  Fhyiik  am  eidgenOssiecben  Polytechnikam 
in  ZUiich.  Mit  291  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen.  Stattgart, 
Ferdinand  Enke  1907. 

Der  Verf.  hat  bei  der  Bearbeitung  des  vorliegenden  Buches 
den  Zweek  verfolgt,  die  s&mtlichen  physikalischen  Erscheinungen 
aaf  Bewegungen  turückzuffihren,  welche  den  dynamischen  Grund- 
iltsen  entsprechen.  Namentlich  ist  es  das  Prinzip  der  kleinsten 
Wirkung,  das  bei  der  Ableitung  der  Gesetze  der  Thermodynamik 
imd  der  Elektrodynamik  mit  Vorteil  verwendet  wird  und  dem  auch 
der  Verf.  besondere  Aufmerksamkeit  zuwendet. 

Der  Verf.  hat  in  dem  Buche  nur  die  Dynamik,  die  Thermo- 
dynamik in  ihrer  Zurückffibrung  auf  die  dynamischen  Prinzipien^ 
die  kinetische  Gastheorie,  die  empirischen  Gesetze  der  Elektro- 
dynamik und  die  Zurückffibrung  der  letzteren  auf  die  Prinzipien 
der  Dynamik,  endlich  die  theoretischen  Grundlagen  der  Wirme^ 
Strahlung  behandelt. 

Das  Buch  ist  aus  Vorlesungen  hervorgegangen,    welche  di 
Virf.  am   Mdgenössischen  Polytechnikum   in  Zfirich    gtibalten  bs 


I 

A 


154  /.  Runs,  Tbeor.  Physik  auf  mech.  Grondlage,  ADg.  t.  I.  G,  WaUaUin, 

Die  Darstellmig  ist  durchwegs  ftbersichüich  and  klar  und  dori  — • 
wo  der  mathematische  Kalkül  eingreift  —  einfach  gehalten.  Ans 
dem  reichen  Inhalte  des  Bnches  sei  Nachstehendes  hervorgehoben: 
In  jenem  Abschnitte,  der  Ton  den  Grandbegriffen  handelt«  werden 
anter  anderem  die  drei  Integrationsmethoden  der  Mechanik  erörtert 
and  die  Ableitung  der  Newtonschen  Bewegongsgleichangen  ans 
dem  Prinzipe  von  der  Erhaltung  der  Energie  gegeben.  In  der 
Dynamik  eines  Massensystemes  ist  den  Botatlonsmomenten  und 
den  Flftchens&tzen  ein  breiter  Baum  gewidmet  worden;  ebenso  ist 
der  Erörterung  der  kinetischen  und  potentiellen  Energie  besondere 
Aufmerksamkeit  geschenkt.  Im  Anschlüsse  daran  wurden  in  natur- 
gemäßer Weise  Potential,  Kraftlinien  und  Niveaufl&chen  behandelt. 
Ganz  besonders  wichtig  erscheint  dem  Bef.  der  Abschnitt,  in  dem 
die  Prinzipien  der  Dynamik  in  zusammenfassender  Weise  zur  Dar- 
Stellung  gelangen.  Es  sind  dies  in  erster  Linie  das  Prinzip  der 
virtuellen  Verschiebungen,  dann  das  von  d'Alemberty  das  Prinzip 
des  kleinsten  Zwanges  von  Gauss,  das  Hamiltonsche  Prinzip«  das 
Prinzip  der  kleinsten  Wirkung  von  Euler.  Diese  Prinzipe  werden 
durch  entsprechende  Beispiele  erl&utert.  Die  Bewegungsgleichungen 
werden  in  jenen  Formen  dargestellt,  die  ihnen  von  Lagrange  und 
Hamilton  gegeben  worden  sind  und  dann  wird  auf  die  Ausdehnung 
des  Geltungsbereiches  der  dynamischen  Prinzipien  des  Näheren 
eingegangen.  An  Anwendungen  der  theoretischen  Erörterungen  fehlt 
es  in  diesem  Abschnitte  nicht;  besonders  seien  diesbezüglich  die 
Theorie  der  Kreiselbewegung  und  die  Ableitung  der  Grundgesetze 
der  Elastizität  hervorgehoben. 

Ganz  zweckentsprechend  ist  in  dem  vorliegendem  Buche  du 
Thermodynamik  behandelt;  namentlich  ist  der  zweite  Hauptsatz 
und  dessen  physikalische  Bedeutung  gewürdigt  worden.  Die  Zurück- 
führung  der  Thermodynamik  auf  die  Prinzipien  der  Dynamik  hat 
der  Verf.  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Forschungen  Max- 
wells  und  Boltzmanns  zur  Sprache  gebracht.  In  der  kinetischen 
Gastheorie  werden  zunächst  die  Gasgesetze  bei  Vernachlässigung 
der  Zusammenstoße  abgeleitet,  dann  wird  das  Maxwelleche  Ge- 
schwindigkeitsverteilungsgesetz  deduziert  und  auf  die  Studien  Boltz« 
manne  in  steter  Weise  Bezug  genommen. 

Der  folgende  Abschnitt  handelt  von  der  Elektrostatik,  deren 
Grundgesetze  in  sehr  ansprechender  Weise  zur  Darstellung  ge- 
langen, dann  werden  die  Grundgesetze  der  fließenden  Elektrizität 
erörtert,  wobei  die  Unterschiede  zwischen  den  Leitungs-  and  den 
VerscbiebungsstrOmen  betont  werden.  Die  weiteren  Abschnitte  sind 
der  Theorie  des  Magnetismus,  der  Elektrodynamik  und  der  Induktion 
gewidmet.  Im  folgenden  hat  der  Verf.  die  Ableitung  der  Grund- 
gleichungen des  elektromagnetischen  Feldes  nach  dem  Vorgangs 
von  Maxwell  gegeben,  wobei  auch  nach  Poynting  die  Energie- 
wanderung im  elektromagnetischen  Felde  in  Erwägung  gezogen  wird. 


C.  GuiOuird,  Tnutd  de  Mdeaniqae,  ang.  ▼.  J.  Q.  WaUentin.      155 

Besonderea  InteresBe  birgt  der  Abschnitt,  der  von  der  Znrück- 
(fihniDg  der  Elektrodynamik  auf  die  Prinzipien  der  Dynamik  handelt. 
Dir  Verf.  hat  es  verstanden,  die  schwierigen ,  hierher  gehörigen 
Betraebtongen  dnrch  klare  Daretellnng  leichter  zu  gestalten. 

Die  mechanische  Theorie  des  Äthers  leitet  den  Verf.  zu  einer 
iDderen  Ableitung  der  Mazwellschen  Omndgleichangen.  Ans  den 
•lastischen  Eigenschaften  des  den  Betrachtungen  zngrnnde  gelegten 
Äthers  wird  dann  weiter  deduziert,  daß  ein  Lichtstrahl  auf  eine 
absorbierende  Fläche  einen  Druck  ausübt,  welcher  gleich  ist  der 
in  der  Volumseinheit  enthaltenen  Energie. 

In  der  Theorie  der  Wärmestrahlung  werden  zunächst  die 
•mpirischen  Gesetze  aufgestellt,  dann  wird  die  Ableitung  der  Gesetze 
der  Wärmestrahlung  Torgenommen.  Aus  der  elektromagnetischen 
Theorie  des  Lichtes  wird  die  Folgerung  gezogen,  daß  der  Druck 
eines  parallelen  Strahlenbüschels  auf  eine  yoUkemmen  schwarze 
Flieheneinheit  gleich  der  in  einem  Kubikzentimeter  enthaltenen 
Soergie  der  Strahlung  ist.  Es  war  so  möglich,  dem  Stefanschen 
Gesetze,  dem  Prinzipe  von  Doppler  und  dem  Gesetze  von  Wien 
eine  mechanisehe  Grundlage  zu  geben. 

Das  vorliegende  Buch  erscheint  zur  Einfuhrung  in  das  Studium 
der  theoretischen  Physik  sehr  geeignet. 


Trait£  de  Mieaniqao*  Par  C.  Guicbard,  membre  correipondant  de 
rinstitut,  profeeeear  ä  rÜDiversit^  de  Clermont.  Premiere  Partie: 
GiDdmatiqDe.  Deozi^me  Partie:  Cin^matiqoe,  Statiqae,  Dynamiqae. 
4.  et  2.  Edition.    Paris,  Velbert  et  Nony  1906. 

In  dem  vorliegenden  Buche,  das  zum  größten  Teile  elementar 
gesehrieben  ist,  wird  in  erster  Linie  die  Theorie  der  Vektoren  und 
zwar  in  rein  geometrischer  Weise  auseinandergesetzt.  Naturgemäß 
echloß  sich  daran  die  Theorie  der  Momente  von  Vektoren  bezfiglich 
eines  Punktes  und  einer  Achse.  Die  beiden  wichtigen  Theoreme 
Ton  Varigoon:  Das  Moment  der  Besultierenden  zweier  Vektoren 
bezüglich  eines  Punktes  ist  die  geometrische  Summe  der  Momente 
dieser  Vektoren  bezfiglich  desselben  Punktes  und  das  Moment  der 
Besultierenden  mehrerer  Vektoren,  die  zusammenlaufen,  bezfiglich 
eines  Punktes  ist  die  geometrische  Summe  der  Momente  aller  dieser 
Vektoren  bezfiglich  desselben  Punktes  werden  in  sehr  einfacher 
Weise  deduziert  Zum  Schlüsse  dieses  Abschnittes  betrachtet  der 
Verf.  noch  Vektorssysteme.  Im  zweiten  Abschnitte  finden  wir  all- 
gemeine Betrachtungen,  welche  in  die  Kinematik  einleiten;  diese 
teilt  der  Verf.  in  die  Kinematik  des  Punktes,  die  Kinematik  Yon 
Systemen,  die  Zusanunensetzung  yon  Bewegungen.  Bei  der  Ablei- 
tung des  Begriffes  der  Beschleunigung  bedient  sich  der  Verf.  des 
Hodographen.  Als  Beispiele  werden  einstweilen  die  gleichförmige 
Bewegung  auf  einer  Geraden  und  im  Kreise,  die  gleichförmig  be- 
schleunigte Bewegung   und  die  einfache  geradlinige  Schwingung^ 


156      0.  Ouiehard,  Traltä  de  Mdcaniqae,  ang.  ?.  I.  6^.  WaUentm. 

bewegnng  betrachtet.  In  der  Kinematik  von  Syalemeii  ist  es  die 
Tranelatioiis-  nnd  die  Botationsbewegang,  die  aasfAhrlick  xar 
Sprache  gelangen.  Ein  besonderer  Abschnitt  ist  der  Sdiranben- 
bewegnng  gewidmet.  Wie  diese  Bewegung  in  der  Praxis  realisiert 
wird,  wird  im  folgenden  gezeigt.  Znm  Schlüsse  des  1.  Bandes 
wird  die  Zasammensetznng  von  Bewegungen  besprechen,  nnd  zwar 
jene  von  translatorischen  Bewegongen*  Jedem  Abschnitte  sind  recht 
gut  anegewfthlte  Übnngsaofgaben  angeschlossen. 

Im  zweiten  Bande  wird  die  Kinematik  fortgesetzt  und  an- 
gewendet anf  das  Bollen  nnd  Gleiten  einer  ebenen  Knrre  anf  einer 
anderen  ebenen  Kurve  (besondere  Berdcksichtignng  der  zykloidalen 
Bewegungen),  anf  die  ineinandergreifende  Bewegung  tob  BAdera. 
Im  weiteren  finden  wir  wesentliche  Bemerkungen  Aber  aiiiknlierie 
Systeme  nebst  wichtigen  Erörterungen  über  den  Pantograpben,  das 
auch  in  der  Mechanik  belangreiche  Problem  der  luTersian  (InTeFser 
von  Peaucelliw). 

Nun  wendet  sich  der  Verf.  zur  Erörterung  des  Kraftbegiilbs, 
des  Massenbegriffes.  In  ftußerst  klarer  Weiss  sind  die  Einheiten 
der  Mechanik  ausein ander gesstzt.  In  der  nun  folgenden  Statik  ist 
die  vollkommen  freie  Bewegung  eines  Massenpunktes,  fsmer  jene 
eines  Massenpunktes  mit  Reibung  auf  einer  Kurve  und  anf  einer 
Fl&che,  dann  die  reibungslose  Bewegung  eines  solchen  Punktes  in 
Erörterung  gezogen  worden.  Die  Statik  von  Massensystemen  (festen 
Körpern)  wird  im  folgenden  behandelt;  besonders  eingehend  kommt 
die  Theorie  der  parallelen  und  gleichgerichteten  Kräfte  und  deren 
Anwendung  auf  das  Problem  des  Schwerpunktes  zur  Sprache.  Es 
wurden  in  diesem  Abschnitte  recht  instruktive  Beispiele  und  Theo* 
reme  gegeben,  die  nicht  nur  mathematisches,  sondern  anch  physi- 
kalisches Interesse  haben.  Der  feigende  Abschnitt  ist  der  Betrach- 
tung der  einfachen  Maschinen  gewidmet. 

Im  Abschnitte,  der  von  der  Dynamik  des  Punktes  handelt, 
wird  mittelst  der  Differentialgleichungen  der  Bewegung  der  freie 
Fall,  der  schiefe  Wurf,  femer  die  geradlinige  Bewegung  eines 
Punktes,  der  von  einem  fixen  Zentrum  angezogen  wird  nnd  awar 
mit  einer  Kraft,  die  der  Entfernung  des  Punktes  vom  Attraktione- 
Zentrum  proportional  ist,  in  erster  Linie  bebandelt.  Von  dem  letzteren 
Falle  ausgehend,  bespricht  der  Verf.  die  Theorie  des  mathsMati- 
schen  Pendels  unter  der  Voraussetzung  kleiner  Schwingungeu. 

Mit  großer  Eleganz  ist  der  Abschnitt  über  Arbeit  nnd  lebendige 
Kraft  bearbeitet.  In  großer  Genauigkeit  lehrt  der  Verf.  die  gra- 
phische Bestimmung  der  gesamten  Arbeit  und  wendet  die  erhaltenen 
Theoreme  auf  Maschinen  an.  —  Das  vorliegende  Buch  eignet  sich 
zur  Einführung  in  die  analytische  Mechanik  in  ganz  vorzüglicher 
Weise. 

Wien.  Dr.  L  0.  Wallentin. 


M.Ebdmg^  Lehrbuch  der  Chemie  und  Mineralogie,  angf.  ▼.  J.  A.  Kail.  157 

Dr.  Max  Ebeling,  Lehrbuch  der  Chemie  and  Mineralogie 
Ar  höhere  LehraoetalteD.  Erster  Teil:  Unorganisohe  Chemie.  Mit 
876  Abbildungen.  Zweite  Auflage.  Berlin,  Weidmannscbe  Bacbband- 
long  1906.   845  SS.  8*. 

Die  erste  Auflage  des  Torliegeoden  Werkes  ist  am  2.  Juni 
1902  als  eine  für  Bealgymnasien  und  Oberrealschalen  bestimmte 
Enreitemng  des  „Leitfadens  der  Chemie  fflr  Bealschalen*'  erschienen. 
Di«  Torliegende  zweite  Anflage,  die  also  nach  ca.  vier  Jahren  not- 
weodig  geworden  ist,  zeigt  einen  am  61  Seiten  größeren  Umfang, 
aoeh  die  Zahl  der  Abbildnngen  ist  darin  etwas  vermehrt  worden.  Der 
Preis  ist  am  Mk.  0'40  gestiegen.  —  Die  Stoffvermehrang  betrifft: 
„Könstliche  Don  gemittel*'  (S.  97),  ansfährlichere  Mitteilangen  fiber 
^Gesteine**  ond  fiber  „die  Zeitalter  der  Erde  and  ihre  Formationen" 
(8.148  —  152),  „Elektrolyse"'  (S.  180  — 186),  „BadioktivitAt*' 
(g.  320  —  324)t  endlich  eine  „Übersicht  aber  Bergwerks-  and 
Häitenprodnktion  des  Deatschen  Beiches  im  Jahre  1908". 

Die  Denen  Abbiidangen  stellen  dar:  eine  Dewarscbe  Flasche 
(S.  49),  eine  ebensolche  mit  Abföllvorrichtnng  im  Filzkorb  (S.  49), 
eis  ebensolches  ohne  Silberspiegel  (S.  50),  eine  Zelle  für  elektro- 
Ijtische  Blaichnng  (S.  70),  Bildnng  von  Schwefeltriozyd  (S.  90), 
eisen  „Platinkontakti^parat  der  badischen  Anilin-  ond  Sodafabrik" 
(S.  94),  einen  Dialysator  (S.  147),  ein  Kapfervoltameter  (S.  180), 
dii  Wandening  der  Jonen  (S.  181),  ein  Enallgasvoltameter  von 
Kohlraoscb  (S.  184),  einen  elektrischen  Schmelzofen  (S.  218),  den 
.Tagebaa  in  Stockwerken  anf  Magneteisenstein  am  Eirana-Berg  in 
Norbotton"  (S.  241),  einen  Apparat  ffir  galvanische  Vernickelang 
(S.  271),  eine  Einrichtnng  für  Galvanostegie  (S.  271).  Dafür  sind 
eisige  graphische  Darstellnngen  über  Metallproduktion  als  veraltet 
wtggelassen  worden. 

Alles  in  allem:  Die  nene  Auflage  kann  nicht  nur  als  eine 
Tsniehrte,  sondern  zugleich  anch  als  eine  verbesserte  bezeichnet 
warden,  aas  der  mancher  Lehrer  der  Chemie  beim  Zurechtlegen 
isioes  Unterriehtspensums  gelegentlich  recht  brauchbare  Angaben 
finden  wird. 

Wien.  Joh.  A.  Kail. 


Dr.  Job.  Bamüller,  Die  Entwicklungstheorie  and  der  Mensch. 
Mit  7  Abbildnngen.  Heraasgegeben  von  der  üe^ellscbaft  ff^r  Nator- 
wiMeoichaften  aad  Psychologie.  München,  Verlag  der  Zeiticbrift 
.Natur  and  Kaltnr«  1907.    79  SS. 

Man  möchte  auf  diese  lesenswerte  kleine  Schrift  in  gewiisem 
Sinne  höheren  Wert  legen,  als  anf  eine  Darstelluog  dasaelben 
StoiTea  von  der  Gegenseite.  Denn  es  scheint  doch  tod  nictit  ge 
nager  kritischer  Bedentong,  wenn  ein  mit  anthrüpob^iBcher  ' 
tehung  veriraater,  kirchlich  gesinnter  Mann  mit  FieiE  und  Ga 


1 


■> 


158  /.  Bmm&t.  Die  ErtwkkJiinitiwiM  aiv^  aa^  v.  Jt  OoiMf . 


aÜM  zanascstrift  wm  sach  mIbv  Amt kkt  fir  daa  Wito  mehr 
mai  Mir  imMkethiagiB  AwMMmmng  rmm  CiapiM^  te  Itaich- 
Mt  ffricki.    DcrTcfft,    rai  Seiler  JiIiwm  SaakH  nnd  be- 
kaast  iirdk  leiDeüatomdiiaflr  ibv  ■wachli^a  aml  Aieafemon, 
ftoki  nck  bw  ^an  aaf  des  Bodm  im  Wif  irhift    Et  geht 
aber  aaa  aaiscr  Aiteü  —  g^aaz  ^a^ea  imm  Abckkt  —  dMtiich 
barfor,   4a6  aki  ^a^rea  die  moaogwmMüwtk^  Lehre  Tea  der  Her- 
kaad  der  argaciscbea  Welt    and   im  beaeaderca    ^agea  die  ent- 
epredMade  Lebre  tob  der  AbetaoiaiaD^  dee  M aiscbea   weaig  Ton 
eatecbeideadeai  Gevicbt  eiaweadeo  liftt.  Er  pUdiert  atagehead  fir 
eine  poljpb^eliecbe  Aaachaaiing   binsicbtücb   der  Katetebimg  der 
Stiaime  dee  Iteracbee;  aDeia  eiae  mMm  wirda,  weaa  sie  unter 
den  Eaibfyologaa   and  PalAoBtolofea  aacb  aabr  Anbinger  hätte, 
ali  gegeDwirtif,    dea  Meaeebeo  doeb  acbwerlidi  so  aaßerhalb  die 
Siagetierwrit  etellea,   wie  ee  der  Yerf.  mikhte.     Dieeer  aoerkennt 
zwar   die  analomiecbe  ZugehArigkeit    dee  Meoseben    zn   der  ge- 
aanotea  Gruppe,  fiodet  aber,   ee  gebe  im  gaazea  Tierreich  keine 
zweite  Ordnaag,   welcbe  einer  anderen  gegenüber  ao  Tide  imd  bo 
wichtige  ünterecbeidangemerkmaie  aafweieen  könne,  wie  der  Mensch 
gegenüber  den  Primaten.    BeecbeidentUcb  nennt  er  die  Anffasanng 
dea  Meneeben  ale  einer  aelbetindig^en  Gnippe  (worin   ihm  Bänke 
mit  seiner  Unterscheidung    zwischen   „Hirn-*   und   „Darmwesen'' 
nicht  allzn  gificklicfa   Yorangegangen  iet)  eine  „berechtigte  Hypo- 
these'' (8.  78).    Allein  seine  Beweisffihmng,    daß    der  Mensch  in 
die  systematische  Reihenfolge  der  Affen  nicht  passe,  ist  insofeme 
ganz  fiberfldssig,  als  die  einsichtigsten  Vertreter  der  Abstammongs- 
lehre  in  dem  System  der  rezenten  Primaten  obnediee  keine  gerade 
Linie  aufsteigender  Entwicklung  sehen,    sondern  eine  Anordnung, 
die  in  mancher  Beziehung    erweislich   von  der  Entwicklungsbahn 
des  Menschen  binwegfnhrt.    Am  weitesten  ist  hierin   bekanntlich 
Klaatsch  gegangen,    der  im  Menschen  eine  hochaltertümliche  Pri- 
matenform erblickt,  deren  Abstammungslinie  von  der  aller  übrigen 
Primaten  getrennt  werden  müsse,  w&hrend  Schwalbe  eine  primitive 
Antbropoidenform  als  Ausgang  der  zum  Menschen  führenden  Einzel- 
babn  ansieht. 

Großes  Gewicht  legt  B.  natürlich  auch  auf  die  geistige  Potenz 
der  MeiJöebeü  DDd  der«n  pby&ischeB  Kf^rrelat:  Schädel  Qud  Gebircif 
Femdr«  leb  enden  eeieu  dteae  RekapitQlatmn^n  empfohlen;  in  dem 
Pnnkte,  aaf  welchen  es  dem  Verf.  ankomml,  sagen  sie  aber  nicht 
viel  mehr  aus,  als  was  echon  Karl  Yogi  in  semen  YorlesuDgeii  nber 
den  MHiichen  lehrt»,  Da£^  der  Menicb  ungefihr  dreimal  eo  vi»! 
Hirn  half  als  die  begahtest^n  Anthropoiden,  igt  nie  beiwiirtll  ^ 
worden.  Man  mag  jedoch  den  geiBÜgeD  DnterBchied  zwiBcbei  di 
Menschen  nnd  der  übrigen  Tierwelt  noch  eo  borb  eiDSCbätotit 
faGcnen  doch  Intelligenz  and  deren  Belftti^ang  an  der  Statttto 
eines  Wesens  im  zoolof^isohen  Sjeteoi  nidit«  Andi^rn;  ja  wir  iMä 
hinzufügen,  daß  jener  Üb*" 


A 


H.  Simroih,  Abrift  der  Biologie,  ang.  ▼.  H.  Vieltarf.  159 

leibliche,  wenngleich  die  volle  Übereinstimmnng  zwischen  Gehirn- 
biQ  und  Intelligenz  weder  bewiesen  ist,  noch  vielleicht  jemals  be- 
wi«6D  werden  kann. 

Gleichzeitig  ist  desselben  Verf.  Bnch  „Ans  der  Urzeit  des 
MMidien*<  (1.  Aufl.  1900)  in  2.  Anfl.  mit  84  Elnstrationen  (Köln 
J.  P.  Bachern  195  SS.)  erschienen.  Eine  dorchgreifende  ümarbei- 
toog:  fimd  der  Antor  nötig  nach  dem  Erscheinen  des  Penck-Brückner- 
scben  EiszeitwerkeSy  des  Boches  des  Bef.  fiber  den  diluvialen  Men- 
Bcheo  in  Enropa,  der  Urgeschichte  Earopas  von  Sophns  Müller  nnd 
d0r  anatomischen  Abhandinngen  Schwalbes  fiber  qnartftre  Fossil- 
foode  vom  Mensehen.  Tertiär  nnd  Dilnvinm  sind  S.  1 — 136  ziem- 
lieb ansfflhrlich ,  jöngere  Stein-,  Bronze-  nnd  Eisenzeit  viel  kürzer 
btbandelt  Die  „Eolithen*  nehmen  einen  zn  breiten  Banm  ein  nnd 
Abbildungen  wie  Fig.  1—5  sagen  überhaupt  gar  nichts.  Auch  die 
Bilder  auf  S.  89  (zum  Teil  keine  „Werkzeuge**)  hätten  wegbleiben 
können.  Im  übrigen  hält  sich  die  Darstellung  an  die  besten  Quellen 
und  ist  dabei  schlicht  und  vorsichtig,  also  für  weitere  Kreise  wohl 
tu  empfehlen. 

Wien.  M.  Hoernes. 


Prof.  Dr.  H.  Simroth,  Abriß  der  Biologie  der  Tiere.  2.  Aafl. 
Leipzig,  G.  J.  GöBchensche  Verlagthandlong  1907. 

Auf  150  Seiten  findet  der  Naturforscher  hier  alles  zusammen- 
gedrängt,  was  mit  der  Zoobiologie,  d.  h.  mit  den  Lebenserschei- 
onngen  der  Tiere,  insofeme  sie  von  der  Außenwelt  abhängig  sind, 
nsammenhängt.  Simroth  geht  von  der  Ansicht  aus,  daß  das  erste 
«ofache  Leben  ein  Produkt  der  Erde  darstelle  in  Anpassung  an 
Bedingungen,  die  wir  nur  in  allgemeinen  Vermutungen  erschließen 
kOonen.  Der  nähere  Vorgang  der  ersten  organischen  Schöpfung 
bleibe  uns  vorläufig  verborgen.  Es  gibt  wohl  kaum  ein  Kapitel 
ftQS  dem  umfangreichen  Gebiete  der  Biologie,  das  in  dem  Büchlein 
nicht  erörtert  würde.  Die  vielen  Details,  welche  das  Bändchen 
enthält,  dürften  es  dem  großen  Publikum  leicht  zugänglich  machen. 

Wieo.  H.  Vieltorf. 


0.  Zaabftrias,  Das  Süßwasser-Plankton.  E^iDfabrnn^  in  die  frei- 
lebffid#  Or^BDiiiDeDwelt  unserer  Teiche,  Flösse  und  Seebeeken.  Mit 
li  4bllll4iitig#ii.  Am  ^K&tar-  und  GeiEitäawdt",  156.  Bändchen. 
"      fif,  B.  O.  T«abüM  1907,    l^Q  Sa  Doodei. 

Bar  B9|fr6iid«r  der  wissenechaftlicbeo  SaeDknode  Prof.  F.  A. 

^rtl  M  (ii«btt  Ä^»-  ''■ ""*ö  Zoologen  P.  E.  Müller)  der  erste, 

^"^der  Tiefenfauua,    zunächst   des 


160  0.  Zacharias,  Dai  SOßwMier-Plankton,  ang.  ? .  T.  F,  HatMtuieh. 

Genfer  Sees,  yorgeDommen  and  dio  Natnrgescbiehle  des  PlaoUoBBi 
der  „Schwebe-Lebewesen''  geschaffen  hat.  In  Dentsehland  hat  Dr. 
Zacbarias,  Direktor  der  biologischen  Station  zn  Plön  in  Holstein, 
sich  bernfsm&ßig  nnd  w&hrend  vieler  Jahre  mit  biologiachen  See- 
stndien  beschäftigt.  Er  erzfthlt  in  dem  historischen  Bfickblick 
seines  Werkchens  darüber  folgendes:  „Ich  begann  damit  1884  im 
Biesen*  nnd  Isergebirge,  wo  ich  die  dortigen  Moorgewftsser  and 
Hochseen  nniersnchte.  Später  begab  ich  micb  an  die  Salaseen  bei 
Bisleben  nnd  die  Kraterseen  (Maare)  der  Eifel.  Weiterhiu  ezploierte 
ich  die  Dilnvialbeeken  Holsteins,  Mecklenburgs,  Pommerns  nnd 
Westprenßens,  sowie  nenerdings  (1904  nnd  1905)  die  lombardischen 
großen  Seen  nnd  verschiedene  Binnengewässer  Mittelttaliens.  Im 
Jahre  1890  begründete  ich  am  Ufer  des  großen  Plöner  Sees  eine 
besondere  Anstalt  für  Süßwasserbiologie,  welche  bis  xnr  Stunde 
nnansgesetzt  in  Betrieb  geblieben  ist''.  Dieses  Beispiel  des  dentschen 
Forschers  fand  lebhaften  Anklang  nnd  wir  finden  in  Finnland,  in 
Bnßland»  Frankreich,  Nordamerika»  Italien,  England  solche  Stationen. 
Anch  in  Osterreich,  nnd  zwar  im  Prater  zu  Wien  nnd  zn  Lnnz- 
Seehof  sind  biologische  Laboratorien  errichtet  nnd  die  oberöster- 
reicbischen  Seen  werden  planmäßig  durchforscht. 

In  den  ersten  Kapiteln  behandelt  der  Verf.  den  Fang  nnd 
die  Konserviernng  des  Planktons,  die  laknstrische  KrnstazeenfanDi, 
die  Botatorien,  Flagellaten,  Bhizopoden  nnd  Infnserien,  also  die 
wichtigsten  Formen  der  planktenischen  Faana.  Bin  sehr  inlereesanter 
Absatz  schließt  an  die  Yariations-  nnd  Matationstheorie  an,  um 
die  Entstehung  neuer  Arten  und  Varietäten  durch 
Isolierung  zu  erklären.  Nach  moderner  Auffassung  sind  Varie- 
täten nichts  anderes  als  beginnende  Arten,  solche  Varie- 
täten aber  entstehen  zufolge  der  Abtrennung  der  Individuen  von 
der  Stammform  in  passiver  Wanderung,  durch  Versetzung  in  ein 
neues  Milieu  und  Anpassung  an  dieses  und  darin  kann  man  ein 
Mittel  erblicken,  „welches  —  natürlich  nur  innerhalb  langer  Zeit- 
räume —  zur  Entwicklung   wirklich   neuer  Spezies  Anstoß   gibt**. 

Die  planktonischen  Pflanzenformen,  Diatomeen,  Orün-  und 
Blaualgen  bilden  den  Inhalt  des  nächstep  Kapitels;  hiebei  werden 
verschiedene,  schon  seit  langem  bekannte  Erscheinungen  an  und 
in  den  stagnierenden  Gewässern  erörtert,  so  das  „Blühen"  des 
Wassers  (grüne  Algenhaut  an  der  Wasseroberfläche),  der  Stinksee 
in  der  Nähe  von  Berlin  (von  einer  übelriechenden  Blaualge  Clatro- 
cystis  iieruginosa) 9  das  „Burgunderblut"  (Botfärben  des  Mar- 
tener  und  Baldegger  Sees  durch  Oscüaiaria  rubeseenßf  zugleich 
eine  historische  Anspielung)  usw. 

Von  allgemeinem  Interesse  sind  die  Kapitel  iber  die  Be- 
ziehungen der  planktonischen  Tiere  und  Pflanzen  zu  einander,  die 
Bemerkungen  über  das  Heleo-  und  Potamoplankton  und  das  Ver- 
hältnis der  Hydrobiologie  zum  Fisohereiwesen.  Als  Gegenstand  eines 
zeitgemäßen  biologischen  Schulunterrichtes  wird  das  Plankton  wohl 


E,  KüiUTf  YBimetning  ud  S«xa«liat  oiw.,  ang.  v.  T.  JFl  Hanauseh.  161 

BQr  in  Sptualsehaleo »   Tielleieht  auch   in   Lehrerseminarien  auf- 
giBommtn  werden  kOnnan. 

Dia  forinfflicbe  Arbeit  verdient  in    weiten  Ereiaen  bekannt 
ZD  werden. 


Termehrang  und  Sexnalitftt  der  Pflanzen.  Von  £roit  Kftater. 
Privatdoient  ftr  BoUnik  an  der  Uni? ertitAt  Halle  a.  S.  Hit  88  Ab- 
bildangen  (aas  der  Sammlung  »Ani  Natnr  und  Geistetwelt*).  112. 
Bindehen.  Leipsig,  B.  G.  Teabner  1906.   Y  nnd  120  88.  12*. 

Daa  Bneh  gibt  eine  knrze  nnd  eorgflUtig  bearbeitete  Übereicht 
ftber  die  Tielgeataltigen  Erecheinnngen,  die  eich  im  Pflanzenreiche 
bti  den  fdr  die  Erhaltung  der  Art  nötigen  Prozeaaen  abspielen; 
eine  Toraiebtig  durchgeführte  Einschränkung  der  umfangreichen 
Matoie  erwiea  sieh  sehen  deshalb  angezeigt,  da  eine  erschöpfende 
OarsteUnng  unserer  Kenntniese  über  die  Vermehrung  und  Sexua- 
litlt  weit  Aber  den  Bahmen  dessen  hinausgehen  wflrde,  was  ffir 
diD  Gebildeten  und  überhaupt  für  den»  der  eich  für  die  Sache  in- 
tenesiert,  ohne  Fachmann  zu  sein,  als  netwendig  erscheint.  Das 
Werkchen  umfaßt  nebst  der  Einleitung  nur  zwei  Abschnitte:  der 
•ntere  weit  kürzere  behandelt  die  vegetative  Vermehrung  höherer 
ood  niederer  Pflanzen»  der  zweite  in  guter  Gliederung  die  sexuelle. 
Der  zweite  Abschnitt  wird  mit  einigen  historischen  Angaben  ein- 
geleitet, die  allgemeines  Interesse  beanspruchen ;  sie  beginnen  mit 
dem  groflen  Naturforscher  des  Altertums,  Aristoteles,  der  den 
Pflanzen  und  allen  festsitzenden  Tieren  die  Sexualitit  abgesprochen 
bit.  Daß  sein  Schüler  Theophrast»  wie  auch  die  sp&teren  Autoren, 
z.B.  der  Vielschreiber  Plinius,  gegen  die  Anschauung  des  Stagi- 
rtten  nicht  auftraten ,  obwohl  schon  damals  die  popul&re  Auffas- 
nog  vom  Geschlecht  der  Pflanzen  existierte  (man  vgl.  Herodot 
1198,  wo  es  heißt,  daß  die  Babylonier  die  Frucht  deijenigen 
Dattelb&nme,  zovg  iQöavag^ElkrivBg  xakiova^j  an  die  frucht- 
biren  Exemplare  anbinden) ,  ist  einerseits  in  dem  Ungeheuern  An- 
sehen begründet,  das  Aristoteles  genoß,  anderseits  auch  als  Folge 
linzlieh  mangelnder  Forschungsarbeit  leicht  erklärlich.  Noch  die 
Kr&uterbücher  des  XVI.  Jahrhunderts  weisen  die  Sexualitftt  der 
Pflanzen  zurück  und  erst  der  Tübinger  Botaniker  Jakob  Camerer 
(Camerariue),  der  die  Frage  auf  dem  Wege  des  Experiments  in 
Angriff  nahm,  und  KOlreuter  haben  sie  endgiltig  und  bejahend 
estschieden.  Eigentümlich  ist  der  Wechsel  der  Anschauungen  bei 
Oeetbe,  der  die  Lehre  von  der  Sexaalitftt  der  Pflanze  ursprünglich 
»genommen  hatte,  1820  sie  aber  wieder  ablehnte. 

Ale  den  zweiten  Markstein  der  Geschichte  dieser  Lehre  be* 
leiefanet  Küeter  die  1856  erfolgte  Entdeckung  Pringsheims  von  der 
Vereinigung  des  Spermatozoons  mit  dem  Eiplasma  (in  der  Alge 
Oedögmhm);  dann  folgen  Hertwigs  berühmte  Forschungsarbeiten 
ui  Seetgehi  1876,  die  die  Verschmelzung  der  Kerne  beider  Sexual- 

Z«ilKktift  f.  4.  e«t«T.  Oymn.  1906.  n.  H«fl.  H 


162      L.  Busse,  Die  WeltaotchaaiiDgen  usw.,  ang.  ▼.  A.  o.  Ledair. 

zelloD  ergaben ;  Bcbließlich  werden  die  neneeten  Arbeiten  Ton  Stras- 
bnrger,  Hftcker,  Moore  n.  a.  entoprecbend  Terwertet  Den  Hanpt- 
teil  der  Arbeit  maebt  die  Darlegung  der  eesnellen  Vermebning  bei 
den  Terscbiedenen  Gmppen  des  Pflanzenreicbes  nnd  die  Behand- 
lang besonderer  Fälle  ans,  wie  Chemo-,  Zyto-,  Earyo-,  Cbromo- 
tazis,  Polyspermie,  Partbenogenese ,  Parthenokarpie,  Apogamie, 
Aposporie,  Merogonie,  MonOcie  nsw.  In  den  Schlnßbetracbtiingen 
▼erbreitet  sieb  der  Verf.  über  die  Terscbiedenen  Theorien  der  Be- 
fruchtung und  der  Sexualit&t. 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanauaek, 


Ludwig  Busse,  Die  Weltanschauungen  der  großen  Philosophen 
der  Neuzeit.  2.  Aufl.  Leipiig,  Tenbner  1905.  164  S&  (56.BindcheD 
der  Sammlang  «Aoi  Nator  and  Oeiitaswelt*.) 

Der  TerdienstTolIe  Verf.  der  schönen  Monographie  „Geist  und 
EOrper"*  (1908)  hielt  im  Winter  1902  über  das  obige  Thema 
vor  einem  größeren  Publikum  Vorträge ;  daß  diese  hierauf  in  Buch- 
form weiteren  Kreisen  Interessierter  zugänglich  gemacht  wurden, 
kann  nur  freudig  begrüßt  werden.  Die  Vorträge  verfolgten  den 
Zweck,  die  Zuhörer  in  gemeinverständlicher  Form  mit  den  bedeu- 
tendsten Erscheinungen  der  neueren  Philosophie  bekannt  zu  machen 
und  dadurch  für  Philosophie  überhaupt  und  ihre  Probleme  Interesse 
zu  erwecken.  Daß  sich  B.  bei  dem  so  knapp  bemessenen  Baume 
begnügt,  die  metaphysischen,  erkenntnistheoretischen  und  ethischen 
Grundanschauungen  der  größten  Meister  des  Faches  zu  berücksich- 
tigen, kann  nur  gebilligt  werden.  Der  Verf.  ging  auch  darauf  aus, 
durch  allgemeine  Charakterisierung  ganzer  Epochen,  durch  orien- 
tierende Überblicke  und  durch  Verweisungen  innerhalb  der  Systeme 
selbst  deren  sachlichen  Zusammenhang,  sowie  den  Fortschritt  der 
philosophischen  Gesamtentwicklung  erkennbar  zu  machen,  und  gerade 
diese  Abschnitte  scheinen  mir  ganz  besonders  instruktiv. 

Mit  Schärfe  tritt  B.  der  Ansicht  entgegen,  daß  Philosophie 
in  Erkenntnistheorie  oder  Wissenscbaftslehre  aufzugehen  habe.  „Die 
Erkenntnistheorie  stellt  nur  einen  Teil  der  Philosophie  dar,  sie  hat 
nicht  über  Möglichkeit  oder  Unmöglichkeit  philosophischer  Welt- 
erkenntnis  vorab  kritisch  zu  befinden,  sondern  kann  selbst  nur  in 
Zusammenhang  mit  und  auf  Grund  einer  philosophischen  Gesamt- 
anschanung  bearbeitet  werden.  Es  gibt  keine  unverrückbare,  von 
vornherein  feststellbare  Grenze  der  Erkenntnis  und  es  gibt  kein 
schlechthin  und  an  sich  Unerkennbares,  dem  gegenüber  die  Grund- 
sätze unserer  Vernunft  ihre  Berechtigung  und  Anwendbarkeit  ver- 
lören; vielmehr  ist  die  Grenze  unserer  Erkenntnis  immer  nur  das 
noch  nicht  Erkannte,  diese  Grenze  aber  ist  beweglich  und  wird 
sozusagen  mit  jedem  Tage  weiter  in  das  Gebiet  des  Unbekannten 


E.  Raydi  u.  a.,  Jahrbach  f.  Volks-  n.  Jngendipiele,  aog.  ▼.  /.  Bowel.  168 

▼orgaMhoben.*'  Ich  sitiere  diese  Behanpinng  nur  als  Charakteristik 
des  Standpunktes  nnseree  Verf.8;  meine  dagegen  aufsteigenden  Be- 
denken kann  ich  hier  nicht  nfther  ausfuhren.  Vor  allem  käme  es 
da  auf  eine  Einigung  fiber  die  Bedentnng  der  Worte  'Grense'  und 
'Gebiet'  an;  kein  besonnener  'Agnostixismns'  wird  von  Tomherein 
eise  Erkenntniserwelternng  ablehnen,  die  sich  prinzipiell  etwa  mit 
des  Röntgenstrahlen  oder  4er  Erforschung  der  Marsoberflftche  in 
Parallele  stellen»  Hefte. 

Eine  kurze  Einleitung  erOrtert  Wesen  und  Aufgabe  der  Philo- 
sophie. Fflr  die  Unterscheidung  der  zwei  Hauptabschnitte  des  Stoffes 
bildet  selbstTerstftndlicb  Kants  Kritizismus  den  Wendepunkt.  Im 
einzelnen  scheint  mir  die  Darstellung  Ton  Francis  Bacon,  Locke, 
Berkeley,  Hnme  und  endlich  Kant  selbst  ganz  Torzüglich  ge- 
lungen. Der  Kundige  weiß,  was  dazu  gehört,  um  Kants  erkenntnis- 
kritische Bieeenleistung  auf  25  Seiten  bescheidenen  Formats  zu  skiz- 
cieren.  Der  innere,  entwicklungsgeschichtliche  Zusammenhang  der 
«ten  genannten  Systeme  ergibt  sich  mit  der  größten  Deutlichkeit. 
Mit  den  Bestrebungen  der  Gegenwart  stehen  eigentlich  nur  die 
Denkergebnisse  von  Fr.  Alb.  Lange,  Comte,  John  St  Mi  11  und 
Spencer  in  engerem  Zusammenhang  und  auch  diesen  Männern 
sind  nicht  mehr  als  77}  Seiten  gewidmet. .  Vielleicht  bat  es  sein 
Ostes,  daß  die  noch  Mitlebenden  und  Mitstrebenden  aus  diesem 
Znsammenhang  ausgeschaltet  blieben ;  übrigens  kommen  diese  inner- 
halb derselben  Terdienstlichen  Sammlung  „wissenschaftlich-gemein- 
Terst&ndlicher  Darstellungen*'  in  Kfllpes  Büchlein  zu  ihrem  Bedite. 
-  8.  118,  15.  Z.  ▼.  u.  lies  Identität'  st.  'Idealität'  und  6.  Z. 
▼.  1.  *noch'  st.  'nach';  S.  82,  14.  Z.  v.  u.  gehört  die  Klammer 
in  die  folgende  Zeile  vor  *das  Wort  Vorstellung'. 

Wien.  Ant.  v.  Leclair. 


Jabrbueh  tdr  Volks-  nnd  Jagendspiele,  in  Gemeinschaft  mit  dem 
?orsitsenden  des  Zentralansschosses  zur  Förderang  der  Volks-  und 
Jngendspiele  in  Deutschland  E.  von  Schenekendorff  und  Prof. 
Dr.  med.  F.  A.  Schmidt;  heransg.  Ton  Hofirat  Prof.  H.  Baydt. 
XVL  Jahrgang.  Leipzig,  B.  G.  Teobner  1907. 

Das  in  dieser  Zeitschrift  wiederholt  besprochene  und  emp- 
fohlene y Jahrbuch  fdr  Volks-  und  Jugendspiele  **  liegt  uns  gegen- 
m^riig  m  16.  Jahrgänge  Tor.  Der  Herauj^g^ber  ist  dieemal  der 
8ladiendir#ktor  der  Haüdelsbochfichnle  in  Leipiig,  Hof  rat  Prof.  H, 
Kajdt,  der  eich  durch  Schrift  und  Tat  um  die  EntwicklüD^  des 
Jegeodtpielnesens  in  Deatscbland  bleibende  Verdi eniie  erworben 
bit,  die  nun  durch  die  Ausgabe  des  Torliegenden  Jabrbuchee  eine 
weitere  Vermehrung  erfahren.  Anlage  und  Stoff  des  Bacbii  itebeo 
m  Gediegenbett  den  früheren  Jahrgängen  gleich;  neo  M  die  midi- 
bebe  Beigabe  gmt  fortrefflicher  SCeicbnang  en ,   dj<   *         'H  lur 


164  M*  Müf^dt  n.  a.,  Jatubucb  f,  Volki-  n.  Jagen dipieUi  «iig.  t.  J.  J^ 


BilebUDg  des  iDtereseee  und  zur  ErleicbteniDg  des  Vtretändjii 
beitrag&D.  SchoD  der  erste,  dit  AbbaDdlna^ea,  Yorecbläg« 
Bericbtt  umfaBflendt  Teil  bietet  eine  FaUe  theoretiscbeD  a&d  p 
tiscbeD  SpielEnateri&les ,  deBseti  Beachtnog  aacb  tiDsertn  Erai 
tuDgea  iihr  zugute  kommea  därfte.  IniareaBaDt  und  zeitgem&0 
die  Abbandlnng  ,,Züt  Erziebang  aer  weiblichen  Jugead^  rm 
neraiarzt  &,  D.  Dr.  Meisoer  m  Berlin,  nm&oiDehr  beacht^nsi 
da  DQcb  ao  bo  tnancbeD  MftdcbenBcbnlen  die  Pflege  der  leiblii 
Übungen  recht  im  argen  liegt.  Gleiche  Aurmerksamkeit  terc 
der  zweite  Anfsatz  über  die  FOrdernng  der  LeibesöbiiDgen  in 
deütecben  Stndentenachaft  von  Dr^  Knhr  in  Leipzig,  dessen 
cterknngen  ancb  von  noseren  bOberen  Lebran stalten  gelten  kOn 
Praktiecbe  Vorschläge  bringt  die  dritte  und  fierte  Abbandlnog 
die  Hotweodigkeit,  in  Banordnungen  und  BebaEtingspl&Den  i 
die  Kinderspielplätze  m  berücksichtigen,  ron  Baninapsktor  B«< 
iti  Königsberg  nnd  über  den  Fortecbritt  und  die  Eäckstftndig 
der  dffentlichen  Spielplätze  von  Prof.  Dr.  Koch  In  Braunscbi 
wo  ancb  fnr  unsere  Verbältnigae  so  manches  köstliche  Wort 
sprocben  wird.  Sehr  beacbtenBwert  ist  der  Beitrag  des  Bo; 
Sanitätsrates  Prof*  Dr.  F.  A,  Scbmldt  über  die  amerikaiü 
Spielplatz^ Vereinignng,  der  ans  an  einer  Menge  s tat i et i sehen 
teriales  anschaulich  vor  Augen  führt,  wie  weit  wir  noch  auf  dli 
Gebiete  zurück  sind.  Unseren  Spiel  Vereinigungen,  Ettern- 
Kinderhorten  wird  diese  alle  Spiel-,  Erholnngs-  und  BsBcb&ftigQj 
statten  der  amerikaniichen  Jugend  mit  seltener  Gründlichkeit 
handelnde  Schrift  auf  das  angelegentlichste  empfohlen.  Erwähn 
Terdient  das  Schreiben,  das  diese  Vereinigung  au  den  Vorsitzei 
des  ZentralausBcbusses^  Abgeordneten  ?.  Scbenckendorff,  gerk 
bat,  den  sie  mit  Eecht  als  den  eigentlichen  Begründer  der  nui 
weit  ?erbreiteten  Bewegung  zur  Forderung  der  Volks*  und  Jug 
spiele  preist  und  ihn  zur  ersten  Jahresversammlung  nach  Chi^ 
ladet.  Noch  wären  zu  nennen  die  Abhandlungen  „Der  Tnrnlei: 
Terein  der  Mark  Brandenburg  uud  seine  Mitarbeit  bei  der  FO 
rung  der  Volks-  nnd  Jngend&piele''  vom  städtischen  Obertnm' 
Dr.  Luckow  in  Berlin»  „Die  körperücbe  Auebildung  der  Pflicht 
biidungscbuJer''  von  Karl  t.  Ziegler,  „Volks-  und  Jugeudspiel 
England"  von  J.  F.  Stoy  in  Jeua  —  eine  sehr  instruktive  Ein 
rnng  in  die  bedeutendsten  Spiele  Englands  —  und  übor  Sc 
hjgiene  von  Baurat  Blankenburg  in  Berlin.  In  der  zweiten  AI 
lung  des  Jahrbuches  » Aue  dem  Geistesleben*^  wird  vom  Eiberff 
Oberlehrer  Dr.  Burgast  in  knapper,  aber  trefflicher  Weise  die  ] 
ratur  des  Spieles  und  der  verwandten  Übungen  im  Jabre  1906 
sprochen.  An  diese  Anzeige  reiht  sieh  ein  Auszog  aus  einer  j 
des  preußischen  Ministers  des  Innern  über  die  Bedeutnug  der 
Gesundheit  fördernden  Sports.  Aus  dem  dritten  Teil  führen 
an  die  Aufsätze:  ^Zur  Frage  der  körperlichen  Ertöchtignng 
deutschen  Jugend*"    vom  VoTsil^eaden   des  Zeutralausschnase 


a,^^t  u,  Qt  Jabrboeh  f.  Yolki-  n,  Jugend ipiek,  tog.  t*  J.  Püwd.  165 


iifickdBdorff,  „Die  EinrtcbtiiDg  altgemBiD  TerbindHcher  Scbtilsptdle*' 
m  Prof.  Dr.  Eocb  Iq  Brannscbwei^,  wo  ods  neben  der  gescbrcbt* 
acbin  EDtwickloDg  des  Jageodspiels  ancb  eine  Beibe  spielpraktiacb^r 
f|ficbl|g»  gemaeht  wird,  ferDer  aber  die  Einrieb  taug  des  obliga- 
iditD  SpIetQ&chmittagB  an  d«n  böberen  ScbQleD  id  Württeoi^ 
roo  Prof.  KtÜler«  Voritand  der  kgl,  wfirttembergiecbeit  Torti* 
irtryidaiigBäDstalt  in  Stattgart,  nDd  mehrere  andere  du  Spiel- 
iicbntittage  betreffende  Anfe&tze,  Aqb  dem  vierten ,  ^VerAcbiedene 
SpiiJi  cßd  vervtaDdie  Lfibeaöbno^en''  öberfiebnebenen  AbBcbniU 
DicIfeD  wir  aaf  die  treffücbeti  AbhaDdlcitigeD  aber  das  Wanderii 
ufmkiAin«  so  iDsbesocdere  anf  die  ansfftbrltcbe  Schrift  „Über 
^JckUtTreisen**  fom  Dresden  er  Obertarn  lebrer  Fritz  Eckardt,  ferner 
^Kf  die  Arbeiten  über  ScbwjmmeD,  EiBlanfen,  Krtegespiele  «nf 
HbdeD  nnd  T&Bze  im  Freien.  Der  fünfte  Teil  bringt  Beriebte 
Hitt  liOtelaeD  Gaaen  und  Orten  Deolicbtands ;  der  secbate  handelt 
^uir  dji  Spi#]knrge  ond  der  siebente  aber  die  inneren  Angelegen - 

liiten  des  Zentralausscbneses. 
'  Sehoo  atis  der  MannigfaUigkeit   nnd   dem  Beicbtnm  des  an- 

fißkiteD  MsUriales  wird  der  Leser  ersehen ,  dai>  das  Jahrbuch  aacb 
li  liiner  diesjibrigen  Ausgabe  eine  der  bedentfindsten  Erscbei- 
icigio  anf  dem  Gebiete  der  Laibe serziebnng  genannt  werden  kann 
Bad  iit  eokbe  aoeb  bei  nnseren  Behörden  nnd  Scbiilen  die  ge- 
Mkrtnd«  BeacfatiiDg  nnd  Verbreitnng  erfahren  wird* 


Wien, 


J.  Pawel. 


Dritte  Abteilung. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Zur  griechiBchen  und  lateinischen  Lektüre  an 
UDserem  Gymnasium. 

VIII. 

Ober  den  „  Kanon  d«a  Uteiniusben  lAht-  uaä  Liieitoffts'*  bindelt 
E,  C,  EakuU  Im  II L  Teüo  der  Reform ichnft  N«eb  kuii^laag  itt 
IftUiniichen  Antoreo  onsere»  GjmQAaiDiDs  erkl&rt  ett  Da  durch  du 
InetroktioDen  die  für  die  Oberstaf«  gewit  eriprifl^Uehe,  fftr  dit 
Utiteritafe  iweifeHoA  ter fehlte  Tendern  gegeben  lei,  die  SchlUer 
jeden  emielnea  Autor  «all  Ganzes  effaKaen^  zu  Uiseni  lei  der  Gebrantb 
Ton  GhrefltoniitbieD^)  und  QNrbaapt  eine  Lektflre  atta  Anderen  S«brift* 
itellern  im  Öffentlichen  Unterrichte  auegeec blossen.  Geaetzt  die  Tendeni, 
Nepoa  eder  Cäsar  oder  ÖTid  aeien  «als  Gan£es^  £U  erfasaeni  w&re  frirklieh  flr 
die  Ünteritnfe  gegeben,  lo  w&re  de  es  nicht  dnrcb  die  Inatrnkti^oetb; 
denn  deren  Aafgabe  ist  es  nieht^  loleb  grandlegende  Tendenzen  in  g ebsoi 
sondern  nar  Eatscbl&ge  in  erteilen,  die  man»  wie  schon  oft  genug  geeaeri 
wurde«  gar  nicht  iti  befolgen  braochtr  wenn  man  Beaaeres  weiü.  Der 
Lehr  plan  ist  ea,  der  a  neb  im  U.*G.  icbon  Antiaren  Lefctttre  TorscbreiU» 
and  daa  kommt  auch  im  Lebmei  des  Latein  Unterrichtes  am  U.-G.  zum 
Ausdrucke,  in  dem  ron  Fertigkeit  im  Obetsetsen  eine«  lelehteo  iatsln. 
Sebriftfttelleri  —  einei  antiken  n&mlich  —  die  Eede  itt.  Wer  nnn  dieet 
Vorichrift  all  für  die  Unterstufe  „zweifellos  rerfeblt'  beseichnel,  bezeichnet 
eben  auch  den  Lebrptan  in  diesem  Teile  als  lerfeblt  und  nimmt  einen 
3tein  aus  dem  darcb  diesen  gelegten  Fundamente.  Das  iat  aber  durchaus 
niebt  Tadels,  londern  nnr  Lobes  wert,  wenn  das  „iweifeUos  TerfebJt*  zu 


')  M>  Fetiehar   t.^ur  Reform be weg ung  im  altkl.  unten.*'    Pmgr, 

dea  G|mn.  fon  Stotkerau  1901/Q2)  will  auch  im  O.-Q,  in  reichem  Mi4i 
kuiBonecbe  LektQre  nach  einer  Uhreatomathie  mit  der  Einriebt  ung  tinserer 
deatsdisn  I^esehüchei  betrieben  haben;  so  kOnne  das  antike  GeisteilebiO 
dem  ScbQler  alt  ein  in  sieb  abgescbloesenes  Game  nfihergebracht  werden. 
Der  Attsdmck  ^als  Games  erfassen "  besiebt  sich  in  anaeren  Inttmktioneo 
(3.  69)  natürlich  nur  auf  ein  einzeln  et  Werk,  auf  TergiJa  Aenels. 


fri^k  cmd  Utein,  LektQre  an  tmierem  OjniQaftiiiiB.  VIIL     167 


beiUbt^   Aena   ein  PoDdimeot  kann    nur  an  Festigkeit  gewiöneai 

itsQ  QiAQ  emeo  brtcbigoi)  alten  Stein  da rcb  einen  soliden  neaen  tnettt. 

Di$  hM«  Betiftoptung  alJerdiiigip   da5  etwM  Terf^hlt  iei^  in»g  mao  mit 

^ikr  ttocb  io  imseh  fertig  tein,   mag  sie  dem,  der  sie  aniapHcht,   noch  so 

^kitviireUo»"  riehtig  scheioeD,  geDOgi  nicbt.  Dia  wtnigen«  die  aleh  bis  j^ttt 

^■Vit  letier  Teodeos  siebt  einTeritanden  erktlrteo,  babeni  lOFiel  icb  weil^, 

y^jeh  10  lUTeniGbiUeh  geaprochen.     Aber  nicfat  daran  liegt  ea*  wenn  sie 

tiebt  gfböft  worden  lind,  sondern  daran,  da£  «ie  durcb  ibre  Gründe  andere 

aithi  dafön    in  überzeagen    terEnoehten»   ei   Bei   beuer  in  der  11 L   und 

IV.  wieder  m  dem  ror  1849  geliebten  ^jitem  von  Cbrestomatbien  <»der 

Leübttdieill  aorückiDkebren i   dia  in  der  K  und  IL  feitgebalten  werden 

Blfii  «l>tr  Werl  dei  Organiiations-EDtwarfea^,  tagt  B.  ßonits  in  dieser 

1853^   8l  627  in   einer  Anmerkung  in  F.  EiapN  Anfaats  „Ober 

gegen wirtigen    Gjmnasialanterriciil'*,    fliegt    niebt    in    irgend 

«dclin  nenen  Entdecktingen  ober  das  Ziel  oder  die  Mittel  dea  Qjro naaiat* 

ilteßicbtet,  ■ondern  banptalc blieb  darin,  dal^  die  gro£^e  Mannigfaltigkeit 

diMi,   «ai   als  Bedarfnis  hier  scbon  längst  anerkannt   nod  beantragt 

ffu,  waa  die  Errahmng  bereite  liier  oder  ander vlrts  bestätigt  hatte,  la 

it&em  in  lieh  TolUcommen  tnjtamtnenb&ngenden  Gassen  verarbeitet  ist,  in 

fekbein  joder  Teil  in  allen  übrigen  in  beatimnit  abgemeieenem  Verbllt- 

ito  it«llfe*     Wo  man  an   einem  solchen  gogiiederten  Sjsteme  von  Ein- 

liebtoGiftn.   in  der  Oberieagung  Ton   der  ZweckmADigkelt  des  Ganzen 

od  ia  der  Absiebt,  den  Charakter  nnd  Zweck  dee  Ganzen  TaUatftndiger 

m  fintwicklniig  lo   bringen »  Modifikationen  im   eint  einen  Tornimmt, 

irt  uuaer  nmfkbtig  iq  aberlegen,  wie  weit  lieb  die  mittelbare  Wirkung 

wkiff  Modifikationen    erstreckt;    denn  «s  kann   leiebt  gescbeheDf   dal^ 

iaäirnjigen,  welebe  klein  nnd  onerbeblieb  echeinen,  Andernngen,  welche 

k  der  aofricbtigiten  Beittimmung  in  der  gesamten  Hiebtang  des  ürgant- 

lllba»^Ei)twnrr«s  rorge»chUgen   werden,  dennocb   denselben   in  leinem 

ttienten  Grunde  in  gefihrden   ond  nmmatanen   geeigDet  aind".    Haeh 

4ititQ  Anifthmngen  werden   wir  anfmerkeam  darauf  acbtes,  ob   unser 

fiitlfnief  xn  beweisen   imstande  sein  wird,  daß  nanmebr  gegen  die  Ton 

Btaiti  emthnten  Erfahrungen  und  gegen  die  in  den  Jahren  1849—1906 

fffVineni  Einiicbt  die  im  Lebrplaae  ftir  den  lateiniichen  Unterriebt  im 

1^'4>  fietffehaltene  Tendenz  reifehlt  ist. 

McBe  Praxis,  für  die  Wabl   der  Schullektüie  eine  unrerrflckbare 
^^Korm  ta  sanktioniereo,  Ueße  »ich  nach  rQckwftrta  bta  auf  die  Grammatiker 

^■Anitophanea  ron  Bjxant  nnd  Ariatarch Terfolgenf   heilet  et  bei  K, 

^*veitff,  nnd  habe  einerseiti  „allenthalben"  das  Stadinm  der  würdig  Be* 

fiiDdvDco  gefordert    und    die   minder   begünstigten   Schriftsteller  in  den 

Hiftterpind  gedrängt  oder   ans  der  allgemeinen  Bildung  auiges ehaltet, 

^^MffteHl  habe  rieb  begreiflicberweiie  der  Gescbmaek  dee  Literatentumi 

^^M  dct  Gebildeten  überhaopt  nicht  Immer  ton  den  .Grammatikern^  in 

^BbMls  legen  iaeeen,  sondern  aeinen  Widerspruch  ^in  Theorie  nnd  Praxis 

^■•Utiftdj^  und  habe  seblie^lich  sogar   bei   manchem  Frommglänbigen 

^^itlaag  gtfnndin,  dem  ,  nach  gerade  die  Weite  des  einen  oder  anderen 

m  den  Mnitergilligea  »o  peinigend  wie  etwa  ans  die  abgedroschene 


168    Zur  griach.  und  laMo.  LektOra  an  natiram  QymBMiiim.  VIII. 

Melodie  einer  Straftenorgel  in  den  Ohren  klingen  moehte^/'.  Ähnlieh  ginge 
es  heute  vielen  V&tem,  die  ihren  Jangen  «beim  Nepoe  helfen*  wollten, 
und  manchem  freiheitedontigen  SehnlmAnne,  der  wieder  einmal  Ciceroi 
Laelioi  tradieren  solle,  vom  munteren  Quartaner  gans  su  eehweigeB, 
dem  sich  troti  seiner  kriegerischen  Anlagen  das  Veiwt&ndnis  fflr  Oiean 
Bdlum  OaUieumf  diesen  „militirischen  Rapport  des  demokratiaehen 
Generals  an  sein')  Volk*  (Mommsen,  B.  Q.  III  615)  noch  immer  nicht 
so  gans  ersehließen  wolle.  Kokula  httte  schon  aus  Marftinaks  «flflchtigem 
Bück  in  die  Oeschichte  des  LektOrkanons*  lernen  können,  worin  Ände- 
rungen im  Kanon  ihren  Grund  hatten  und  worin  sie  bestanden.  Die  heute 
in  unseren  Kanon  aufgenommenen  Autoren  sind  so  liemlieh  alle  oeit  jeher 
gelesen  worden,  wenn  auch  nicht  allein,  so  planmftßig  und  in  demselben 
Umfange.  Der  Vater,  dem  es  heute  so,  wie  K.  sich's  Torstellt,  beim  Nepos 
geht,  ist  gewift  tu  bedauern,  wenn  er  allen  seinen  Jungen  —  denn 
mehrere  mftssen  es  ja  doch  sein  »  schon  bei  diesem  Schriftsteller  helfen 
muß.  Die  Viter  flbrigeni,  die  ich  bis  jetit  als  Helfer  ihrer  Söhne  kennen 
gelernt  habe,  waren  gerade  in  dieser  Eigenschaft  mit  Nepos  am  sufrie- 
densten  und  es  lAßt  sich  eogar  eine  öffentliche  Vaterstimme  von  nicht  lu 
unterschitaender  Bedeutung  gerade  fflr  den  armen  Nepoe  anfflhren.  L.  t. 
Sjbel  lobt  in  den  «Gedanken  eines  Vaters  lur  Gjmnasialsaehe*  den 
Nepos  wie  Cicero,  welchen  er  auch  durch  Nachsprechen  gewisser  Urteile 
heimbsusetien  warnt.  Fflr  die  mit  Tiden  Buben  gesegneten  Viter  aber 
einen  raschen  Autorenwechsel  eintreten  tu  lassen  empfiehlt  sieh  doch  nicht, 
weil  es  fielleicht  wieder  diese  Viter  in  große  Verlegenheit  bridite.  leh 
glaube  also,  wir  werden  hierin  kein  «Beformmoti?*  in  erkennen,  dieser 
„Haaptrichtlinie*  nicht  tu  folgen  brauchen.  Dem  freiheitsdurstigen  Schul- 
mannOi  dem  der  Laelius  lu  langwellig  ist,  rate  ich  dringend,  ihn  in  der 
Schule  nicht  lu  lesen,  und  wenn  er  glaubt,  daß  er  das  »soll*,  rate  ich 
ihm  weiter,  den  Lehrplan,  wie  wir  ihn  jetit  noch  haben,  einiusehen,  da 
wird  sein  Freiheitsdurst  hoffentlich  einigermaßen  gestillt  werden. 

Nicht  ans  bloßem  Mitleid  mit  sich  selbst  und  mit  der  Jugend  bat 
sich  Enknla  der  oben  angernfcDen  Schul-  und  Literaturgewaltigen  —  er 
kann  nur  Aristophanes  von  Byiani  und  Aristarcb  meinen  —  eilnnam 
mfissen,  welche  drei  ttk$9ie  von  Sehulschriftstellem  bitten  gelten  lassen. 
Ich  wflßte  wie  P.  Wendland  (in  der  erwibnten  Anieige)  gerne  etwas 
Niberes  Aber  die  %ding  dieser  beiden  und  dann  wUßte  ich  audi  gerne, 
was  außer  jenem  Mitleid  die  Erinsening  Knkulas  an  diese  beiden  wach- 
gemfen  hat  Wiederholt  sei  er,  setit  E.  fort,  in  diesem  historisch-loyalen 


^)  Ob  dieses  Satses  ruft  Wenger  (Verb,  der  IIL  n.-ö.  Dir.-Konf^ 
S.  145):  , Bitte  doch  der  Graser  diese  Kraftworte  nicht  drucken  lassen!* 
K.  weist  hier  auf  Plinias  fip.  VI  21,  1  hin:  ium  ex  ii$  qui  miraniur 
antiquoB,  non  tarnen  ut  guidam  temporum  naeirorum  imgenia  detpieio. 
Was  soll  der  hier  gemachte  Unterschied?  Wir  sind  Verehrer  der  Größten 
unter  den  Antiken,  nicht  auch  der  Mittelmißigen. 

';  Moromsen  hat  selbstTerstindlich  geschrieben  «an  das  Volk*;  das 
ist  doch  etwas  anderes.  Ed.  Norden  sitiert  (Knnstprosa,  S.  210}  die  Worte 
richtig. 


Zur  g^eeb.  niid  latmo.  LektOre  aa  unterem  Ojmiiatiam.  VIII.    169 

SiBoe  onter  Hinweit  anf  das  Beitpiel  preofiiteher  Lehrpline  (1891  nnd 
]901)  aneh  bei  nns  ftr  eine  Erweiterong  dee  Kanont  nnd  eine  Bebeidnng 
ii  gebotene,  empfoblene  nnd  nliieige  Antoren  eingetreten.  Damm  dflrfe 
er  wobl  dieemal  die  Enreiternngsfrage  mehr  oder  weniger  (I)  anteehalten 
nd  den  miftigen  Banm  der  Unterencbnng  der  Frage  widmen,  ob  alle  in 
UMrem  traditionellen  Leeekanon  yertretenen  lateiniieben  Antoren  hente 
Bodi  flfar*einen  enprießlichen  Betrieb  altepraehliehen  Unterrichtet  alt 
geeignete  Omndlage  angeteben  werden  kOnnen.  Er  bejaht  diete  Frage 
fftr  Lifint  mit  Aateeblnß  dee  I.  Bncbet,  Sallnit,  Tadtttt,  Ofid  nnd  Horai 
nd  geht  dann  an  teine  eigentliche  Aufgabe. 

Um  taine  Berechtigung,  in  der  Kanonfrage  mittprechen  in  dürfen, 
n  erweiten  nnd  nm  in  leigen,  daß  er  von  der  Erweitemngifrage  hier 
abieben  kOnne,  fflhrt  C  in  einer  Note  alle  Stellen  beeonden  an,  wo  er 
fir  eine  Brweitemng  det  Kanone  eingetreten  tei.  In  dieter  Zeittchr.  1896, 
&  S2  f.  hat  er  bei  Betprechnng  der  .Antgewihlten  Briefe  det  jQngeren 
Pliniu*  Ton  A.  Kreoter  betont,  daft  die  Brieftammlnngen  det  Cicero 
lad  Plinittt  ineinand«  ihre  harmonitche  Ergtoinng  finden  nnd  hat  dee- 
wcgen,  weil  der  Korretpondeni  Gicerot  ndanernd  nnd  allgemein"  im 
piceftitdien  Lehrplan  Platt  getchaffen  tei,  gewflntcht,  anch  der  Plin* 
Saannlong  eolle  in  Prenüen  Einla5  gewährt  werden»  nnd  weiter  anchi 
mscre  oberen  Satten  mögen  etwa  fftr  die  Torgetohriebene  Antwabl  ant 
den  wenig  ergiebigen  Eclogae  nnd  Bncolica  det  VergU  nnd  den  ermfldenden 
Dialogen  Gicerot  recht  bald  die  bedentendtten  Stücke  am  den  brieflichen 
Ntehllcien  dee  Plinint  nnd  det  Cicero  eintantchen.  Im  Begleitworte 
der  Sammlung  yMeiiterwerke  der  Oriechen  nnd  BOmer*  (1901)  hat  er 
dtu  den  Wnntch  geinftert,  et  mOge  eich  dietet  vor  allem  fttr  Privat- 
liktAre  beetimmte  Unternehmen  auch  fftr  eine  Beform  det  Kanont  der 
•fftitlieheD  Lektüre  nütslich  erweiten,  da  doch  die  alljährlich  ohne  Ab- 
wechflttog  wiederkehrende  Lektüre  der  nämlichen  ant  den  einttigen 
Klettenehnlen  1)  übernommenen  Antoren  eine  dem  modernen  Rufe  nach 
Mchlichar,  nicht  bloA  formaler  Bildung  enttprechende  Fortentwicklung 
dit  alte|Kranhliehen  Lehrbetriebet  empfindlich  beeinträchtige.  Alt  dann 
Ktknla  in  jener  Sammlung  eine  Autwahl  der  Briefe  det  jüngeren  Plinint 


')  Dieee  Behanptnne  erinnert  an  eine  Stelle  in  der  Eingabe,  welch« 
die  ttändigo  Delegation  det  IV.  Otterr.  Ingenieur-  und  Architektentaget 
dem  MiaiSlerprättdenten  nnd  dem  damaligen  Leiter  dee  Unterrichtt- 
miaiiterinine  übeneichte,  in  der  et  u.  a.  heißt:  «Die  latein.  nnd  griecb. 
Sprache  wnrde  in  Anfang  det  XIX,  Jahrb.  aat  den  alten  Klottertcbnlen 
übemommoB*.  Vgl.  t.  Amimt  Vortrag  über  den  Bildnogewert  det  griecb. 
DDtcrrichtee,  gehalten  in  der  gründenden  Venammlung  det  oben  erwähnten 
VerciBee  (Vereintniitt.,  I.  Heft,  8.  27  if.).  Unpaetend  iat  die  Beieichnnng 
enteret  Kanont  alt  einet  traurig  fcralteten  im  Vorworte  einer  hauptsäch- 
lich für  Schüler  bettimmten  Autgabe,  abgetehen  da?on,  daß  tie  auch,  wie 
wir  tehen  werden,  im  wetenüichen  unbegründet  itt  Solche  leicht  bin- 
gcwetfene  Urteile  eetien  die  bettehende  Organisation  bei  Schülern  nnd 
Eltern  nntsloe  herab  nnd  itellen  andere  Lehrer  alt  armtelige  Duckmänter 
hin,  die  ekh  nicht  in  tagen  getrauen,  was  tie  doch  tehen^mütten.  Man 
rufe,  to  laot  man  will  nnd  kann,  in  die  Ohren  der  Facbgenotten  und 
Behürden»  die  Schüler  Tertchone  man  mit  derartigem. 


170     Zur  griech.  und  latein.  Lektlire  an  noterem  QjmDaiiom.  VIII. 

heraaigab  (1904),  tprseb  er  in  •einem  Vorworte  abermali  den  Wnnseb 
am,  es  mOge  diese  Arbeit  alt  Beitrag  in  einer  Eanonreform  empfanden 
werden;  denn,  meinte  er  8.  V»  »ein  unbefangener  Vennch  und  ein  ehr- 
lieber  (!)  Vergleicb  mit  Vergilt  Bneolica  oder  Qeorgica,  mit  Cieeroe  Laeline 
oder  Cato,  mit  Ciears  Beüum  eivilct  Werken,  die  im  tranrig  Teral- 
teten  Kanon  unterer  alttprachlichen  Lektftre  noch  immer  bartnftekig  (!) 
ihren  Plats  behaupten,  konnte ...  nur  in  Quntten  der  Pünianitchen 
Episteln  enteohieden  (!)  werden**.  Von  Ciceros  Briefen,  ohne  die  es  wohl 
noch  nie  Jemandem  einfiel,  Briefe  des  Plinios  tu  lesen,  war  also  keine 
Bede  mehr.  Im  Sommer  1905  las  Knkula  in  der  VII.  des  Wiener 
Sophien-Qjmnasiums  statt  einer  philosophischen,  besw.  rhetorischen  Schrift 
Ciceros  mit  behardlicher  Bewilligung  eine  Ansahl  Plinianischer  Briefe 
und  TerOffentlichte  einen  Beriebt  hierflber  in  dieser  Zeitschr.  1905,  S.  818  ff. 

An  allen  den  erwfthnten  Stellen  hat  aber  K.  stete  nur  die  Briefe 
des  Pliniut  empfohlen,  unseren  Kanon  einfach  als  traurig  Teraltet,  gewisse 
Stflcke  als  wenig  ergiebig  beseichnet  Ein  Beweis  ffir  diese  Bebauptongen 
wurde  nicht  einmal  ? ersucht,  geschweige  erbracht  Damit,  daft  man  erklärt» 
der  Kanon  bedürfe  der  oder  jener  Änderung,  flberseugt  man  noch  nicht  tou 
der  Notwendigkeit  einer  solchen.  Auf  die  Empfehlung  der  Plinius-Briefe 
als  Klassenlektftre  komme  ich  spftter,  da  jener  Bericht  im  weaentlichen  in 
die  Torliegende  Schrift  Aufnahme  gefunden  hat.  Die  Bftcksicht  auf  die 
preuAischen  LehrpUne  aber  bitte  K.  Ton  allen  seinen  Vorsohligen  nur 
lurfickhalten  sollen,  wie  sich  im  einselaen  seigen  wird;  hier  sei  nur  im 
allgemeinen  hervorgehoben,  daß  die  preußischen  Lehrplftne  gegenAber 
unterem  im  Lateinischen  keine  Lockerung  oder  Erweiterung  leigen,  man 
müßte  denn  darin  eine  Erweiterung  des  Kanons  sehen,  daß  von  Halb- 
jahren nur  selten  die  Bede  ist,  daß  neben  Nepos  auch  ein  Lesebuch,  das 
Lebensbeschreibungen  hervonagender  griechisoher  und  römischer  Helden 
umfaßt,  sugelatsen  ist,  daß  von  Cicero  noch  die  Briefe  empfohlen  sind 
und  daß  von  Cisar,  Livius  und  Ciceros  Beden  wie  philosophischen 
oder  rhetorischen  Schriften  bei  der  größeren  Stundeniahl  bedeutend 
mehr  verlangt  und  durch  genauere  Angaben  auf  verschiedene  Klassen  verteilt 
ist.  Natflrlich  enthalten  auch  jene  LehrpUne  keine  Scheidung  lateinischer 
Autoren  —  von  den  griechischen  spricht  ja  K.  nicht  —  in  gebotene, 
empfohlene  und  lul&ssige. 

Im  ersten  Abschnitte  handelt  K.  Aber  Nepos  und  Cisar. 

Gegen  Nepos  werden  die  lingst  bekannten  Vorwürfe  erhoben,  als 
gilte  es  wieder  die  These  tu  erweisen,  die  Hanow  im  J.  1850  beweisen 
tu  können  glaubte:  C  N,  arcendus  erit  tamquam  pesiia  a  pueris. 
H.  Ziemer  eagt  von  einem  in  gleicher  Absicht  geschriebenen  Zeitungs- 
artikel Ober  „C.  N.  in  der  Schule««  (Jahresb.  1898,  VI  57),  alles,  was  da 
aU  allerneueste  Weisheit  ausgekramt  werde,  sei  schon  hundertmal  aus- 
gesprochen und  ebenso  oft  widorlegt;  es  sei  nicht  der  Mflhe  wert,  auf 
diese  Auslassungen  einiugehen.  Eigentlich  gilt  das  auch  hier.  Wenn  ich 
mich  trotsdem  mit  dem  beschiftige,  was  K.  anfflhrt,  so  geschieht  dies, 
weil  er  sich  von  denen,  die  bis  jetit  seit  dem  Ende  des  XVUL  Jahrb. 
gegen  Nepos  aufgetreten  sind,  darin  tu  unterscheiden  scheint,  daß  er  nicht 


Zv  grieeh.  «ad  latein.  Lektftre  an  nnteremi  Oyamaiiom.  YIII.    171 

Toa  KepM  Mlbst  aaageht»  sondern  Ton  neueren  Urteilen  aber  Nepos,  wodnreh 
neh  dae  Alte  neu  aii%opatsl  darstellt  Der  erste  Teil  seiner  Aasfflhrangen 
]«hit  sieh  an  M.  Sehani,  der  iweite  an  Ed.  Norden  an.  Es  ist  Oberhaupt 
fib  Kuknlaa  Darstellang  gegenflber  der  H.  Sehenkls  cbarakteristisehy  daß 
er  in  der  Regel  an  Urteile  bedeutender  Forseher  der  neuesten  Zeit  an- 
kalplt,  sie  omtohreibt  und  erweitert  und  aneh  SdilOsse  liebt,  an 
welche  jene  Gelehrten  selbst  gar  nie  gedaebt  haben;  mitunter  kommt 
4ss  Qegentoil  ?on  dem  heraus»  was  sie  gewollt.  Wo  aber  E.  Ober  jene 
urteile  hinausgeht,  ist  die  Saehe  meist  bedenklieh.  Dies  leigt  sich  gleieh 
bei  Kepot. 

Der  Freund  des  Cieero  und  Atticus,  dem  der  grOßte  rOmiiche 
Lyriker  »durch  die  Widmung  seiner  (Gedichte  ein  unvergingliehes  Denk- 
flul  setste*  (Schani),  den  die  EUimer  selbst  gern  gelesen  haben,  wie  wohl 
der  Umstand  leigt,  daft  sein  Werk  De  viris  iUfUtribua  in  iweiter  Auf- 
lege erschien,  den  natfirlich  Plutarch  nicht  lU  benOtien  Terschmfthte,  was 
lUerdings  nicht  fiel  bedeutet,  den  Mftnner  wie  Muret  und  Buhnken  be- 
wnnderten,  dessen  Anmut  im  Stil  und  Naivetit  kein  anderer  als 
Goethe*)  rflhmt,  der  Autor,  an  den  die  meisten  mit  den  Gefühlen  denken, 
weiehe  die  Erinnerung  an  Liebes  aus  der  Enabenieit  begleiten,  er  wird 
kanw^  als  unertrigUcher  Stilpfuscher  beieicbnet;  wo  er  nicht  aus 
eifener  Anschauung  schreibe,  leiste  er  an  Entstellung  und  Verdrehung 
Uoftbeitreiniches.  Und  doch  seigt  gerade  die  moderne  historisch -philo- 
logisehe  Wiasenscbaft,  wie  ungerecht  es  ist,  ihn  als  Historiker  und  Stilisten 
n  echelten. 

Sehen  den  Aufbau  des  Werkes,  den  man  bekanntlich  nur  ? ermutungs- 
wsiee  feetgestellt  hat,  findet  K.  tadelnswert  und  weicht  da  in  so  merk- 
wfttdiger  Weise  Ton  der  Darstellung  in  der  Literaturgeschichte  des 
M.  Schani  ab,  den  er  darum  auch  keinen  Grund  hat  hier  lu  nennen,  daß 
aaa  sieb  nicht  genug  wundem  kann.  Der  Einfachheit  wegen  stelle  ich 
beide  Darsiellangen  nebeneinander. 


1)  Warum  Goethe  sagt  (Dicht,  und  Wahrb.,  Bedam,  S.  20):  „Der 
dir  jonge  Leute  so  starre  Cornelius  Nepos,  das  alltu  leichte  . . .  neue 
Tcetament  usw.  kennten  uns  kein  Interesse  geben**,  begreift  man,  wenn 
naa  von  ihm  hört,  daß  man  in  der  Begel  nicht  den  Nepos,  sondein  die 
ferschiedeoen  eunh  ablaiivo$  abaolutos  usw.  lernte.  Er  redet  (S.  19)  Ton 
öer  Pedanterie  und  TrObeinnigkeit  der  an  öffentlichen  Schulen  angestellten 
Lehrer  wie  Ton  dem  Schlendrian  derer,  die  ihm  und  den  Nachbars- 
kmdern  Prifatunterricht  gaben.  Goethe  kam  der  formiriliche  Zustand 
der  (Chrestomathien  natfirlich  als  hedeutender  Fortschritt  vor;  aber  was 
der  Zeit  ?on  1755  gegenfiber  einen  Fortschritt  ausmachte,  wurde  bei  uns 
1849  beseitigt  und  kann  nicht  fflr  uns  jetst  wieder  ein  Fortschritt  sein. 
I)s8  Urteil  Goethes  Ober  den  Stil  des  Nepos  kann  wohl  auch  ffir  uns 
beschteaswert  sein,  nicht  aber  etwa  seine  Äußerung  (Dicht,  und  Wahrh., 
S.20):  «Chrestomathien,  wodurch  die  Belehrung  heiter  und  mannigfaltig 
wird,  waren  noch  nicht  bis  lu  uns  gekommen".  Man  darf  also  nicht 
etwa,  waa  allerdings,  sofiel  ich  wenigstens  weü^,  bis  jetit  nicht  geschah, 
Oeetiw  f&r  die  Chrestomathien  ins  'Aeffen  führen ,  inmal  wir  ja  im  ele- 
BMotarsten  Unterricht  —  und  von  dem  spricht  eben  Goethe  —  ohnedies 
QuettoBathisn  Ähnliche  Elementarbficher  ferwenden. 


172    Zor  grieeh.  und  lateio.  Lektüre  an  nnierem  Oymnanam.  YIII. 


Sehani  (I>,  S.  228): 
Dai  erste,  was  der  Wfirdignng 
OBterstellt  werden  mnO,  ist  der  Auf- 
bau (des  biographischen  Werkes)  nach 
Kategorien.  Zu  diesem  Zweck  war 
es  notwendig,  einmal  diese  Kategorien 
richtig  aasiQwihlen  nnd  dieselben 
passend  in  ordnen,  dann  fflr  jede 
die  herTorragendsten  Persön- 
lichkeiten ansznsnehen  nnd  die 
ansgesachten  in  eine  natür- 
liche Reihenfolge  sn  bringen. 
Wie  hat  Nepos  diese  doppelte  Auf- 
gabe gelost?  Die  erste  anlangend, 
können  wir  nnr  ein  bedingtes  Urteil 
abgeben,  da  hier  die  Überlieferung 
uns  lu  wenig  Daten  an  die  Hand 
gibt.  Wenn  aber  Nipperdeys  Auf- 
stellung das  Bichtige  getroffen  hat, 
so  dürfte  unser  Autor  keinem 
erheblichen  Tadel  begegnen. 
Nur  einmal  seigt  es  sich,  daO  ihm 
sein  Fachwerk  Schwierigkeiten  be- 
reitet. Der  Aufbau  desselben  beruht 
nftmlich  darauf,  daft  den  Königen 
die  NichtkOnige  gegenübergestellt 
werden,  nach  den  FAchern  des 
Wissens  und  Könnens  geschie- 
den. Allein  trotzdem  kommt  er  in 
dem  Feldherrenbuehe  auf  die  Könige 
lu  sprechen.  Nur  mangelhaft  hat 
Nepos  die  zweite  Aufgabe  gelost. . . 
Nachdem  einmal  der  Autor  be- 
schlossen hatte,  seine  Biographien 
nach  F ichern  anzuordnen,  so 
m  u  5 1  e  bei  der  Ausführung  seine  erste 
Aufgabesein,  in  jeder  Biographie 
die  Seite  in  den  Vordergrund 
zu  stellen,  welche  auf  das  be- 
treffende Fach  hinweist.  Auch 
dies  ist  nicht  beachtet  worden. 
Man  sieht,  das  Faehwerk  ist  nur 
ein  ftnßerer  Rahmen,  dasselbe  hat 
nicht  bestimmend  auf  die  Kompo- 
sition eingewirkt.  Aber  auch  ab- 
gesehen davon  sind  die  Biographien 
keine  Meisterwerke.  Nepos  ist  nicht 


Kuknla  (S.  09): 
In  alter  Sophistenmanier  baut 
er  sein  Werk  nach  Kategorien 
auf,  klaubt  mit  geringem  Scharf- 
blick für  jede  Kategorie  einen 
typischen  Vertreter  aus  und 
plagt  sich  endlieh  mit  sehr  frag- 
lichem Erfolge,  diegewthlten 
Typen  nach  den  F&chern  dsi 
Wissens  und  KOnnens  in  eine 
natürliche  Reihenfolge  so 
bringen. 


Denn  da  er  sich  einmal 
für  die  Einteilung  seines  Boches 
nach  Fftchern  entschieden  hat, 
muß  (!)  er  in  jeder  Biographie 
um  jeglichen  Preis  diejenigeo 
Seiten  in  den  Brennpunkt 
stellen,  dieanf  daobotreffende 
Fach  hinweisen.  Nicht  mioder 
unzuTorlftssigist  er  in  geographiscbeo 
Daten.... 


Dieses  ganz  äußerlich  schema- 
tische Verfahren  setzt  ihn  begreif- 
licherweise außerstand,  ein  wahres 


Zar  griMh.  und  UttiB.  Lektflre  an  onterem  GyrnnMiiUD.  YIII.    173 

imaUade,  «in  adiqnatei  Le-  Lebensbild  leichnen  in  kannen. 
b»»bild  in  seiefanen,  er  Ter-  (Dieter  Snti  geht  dem  hier  darüber 
ftbrt  nicht  pejehoiogiseh,   eondem  eUhenden  bei  K.  Toran.) 

inßerlieh  -  sehematiseh.    Das 
Anekdotenhafte  tritt  stark  hervor. . . 

Ich  betone»  daß  ich  es  dorchaas  nicht  tadle,  daft  K.  sich  an  eine 
Astedtit  wie  Sehans  angeschlossen  liat,  ich  tadle  es,  dafi  er  sich  in  einigem 
nicht  anges^ossen  hat;  denn  die  Abweichnngen  sind  höchst  sonderbar. 
Jn  alter  Sophistenmanier*  sagt  K.;  es  unterliegt  doch  keinem  Zweifel 
mehr,  daG  Nepos  da  Yarro  gefolgt  ist.  „Einen  typischen  Vertreter  fflr 
jede  Kategorie!''  Ja,  wie  sah  denn  das  Werk  des  G.  N.  ans?  Wie  sieht 
dsBB  das  Feldherrnbaeh  ans?  Bestand  oder  besteht  es  ans  den  Biographien 
eioes  Königs,  eines  Feldherrn,  eines  Staatsmannes  nsw.?  Bei  Sehani 
Heht  nat&rlich  der  Plnral  »Persönlichkeiten«*.  Vielleicht  ist  Ed.  Norden 
SD  der  Sache  sehnld,  der  (Konstpr.,  S.  206)  schreibt:  «Da  er  (0.  N.)  den 
Betreffenden  jedesmal  als  eins  ig  in  seiner  Art  hinstellt,  kommt  es 
fdcgentlieh  Tor,  daß  er  in  iwei  Viten  genaa  das  Gegenteil  eri&hlt,  s.  B. 
wild  in  der  vUa  des  Timotheos  1,  3  dieser  gerOhmt,  dafi  er  nicht  wie 
Agesilaos  vom  Perser  Geld  genommen  habe,  w&hrend  in  der  vüa  des 
Agesüaos  7,  2  dieser  gepriesen  wird,  daß  er  sich  tom  Perser  habe  be- 
icheaken  lassen  and  dadurch  das  Vaterland  gerettet  habe''.  K.  hat 
linlieh  dasselbe,  was  Norden  ?on  „i.  B.*  ab  sagt,  in  einer  Note 
hemerkt,  nur  daß  die  swei  Zitate,  mit  den  Nummern  der  Biographien 
f ersehen,  in  umgekehrter  Reihenfolge  erscheinen,  daß  es  einmal  statt 
,daß«  »weil*  und  jedesmal  statt  »von  dem  Perser*  heifit  »von  den 
Pmem*!).    Und  endlich  gar  jenes  Schanische  »mußte"  (debebat)  und 


')  Es  ist  das  eine  ebenso  ungenau  wie  das  andere.  Wie  gut  es 
tbrigens  iat,  die  Zitate  immer  selbst  Dachsueeheni  zeigt  sich  hier.  Von 
Timothens  beißt  et:  Ariobarsani  aimul  cum  Agesüao  atucüio  profectus 
est;  a  quo  cum  Laco  pecuniam  numeratam  accepisset,  iUe  dvis  8uo$ 
•jro  oüue  urbihus  augeri  maluit  quam  id  aumere,  euiua  pariem  domum 
tuam  ferre  passet,  Itaque  aceepit  Crithoten  et  Sestum;  von  Agenilaoe: 
. .  numquam  Agesikios  destitit,  quibuscumque  rebus  posset,  patriam 
mvare.  Nam  cum  praecipue  Lacedäemonii  indigerent  pecimia,  ille 
mmbus,  gw»  a  rege  defecerant,  praesidio  fuit;  a  q^üms  magna  douatus 
feeumia  patriam  sublevavit.  Aifue  in  hoc  iUud  in  primis  fuit  admi- 
fäbile,  cum  maxima  munera  ei ...  canferrenturt  quod  nihü  unquam 
domum  suam  eantulit.  Nepos  enfthlt  gar  nicht  „genau  das  Gegenteil*", 
Mifter  was  den  Tatsachen  entsprach,  daß  Timotheus  statt  Geld  lieber 
Lsad  nahm,  Agesilaos  aber,  weil  Lakedimon  Geld  brauchte,  Geld.  Warum 
ÜBOtheus  kein  Geld  nahm,  stand  in  der  Quelle  des  Nepos  wohl  noch 
dsatiicher,  als  der  Belativsats  cuias  . . .  posset  besagt  Timotheus  kennt 
•siae  Athener  (man  denke  an  Demosthenes!),  bei  Land  konnte  ihm 
Biemand  vorwerfen,  daß  er  etwas  eingesteckt  habe.  Mein  Koll.  Filipsk^ 
mscbte  micb  da  aufmerksam  auf  Xenoph.  Anab.  IV  6,  16  Ülila  fiivTOt, 
ffn  6  Xsiifi^o^og  (auf  den  schlechten  Wits  Xenophons,  daß  ja  die  Lak. 
neh  schon  von  klein  auf  im  Stehlen  flbten),  *dym  ifutg  tovg  lä&ijvaiovs 
dioi(»  Siußovg  »Iweu  itXhnew  sa  difftoaia  (öffentliche  Gelder),  xal  ftdltt 
^og  6u9q9  »urdvpov  rf  vXemoptij  xairohg  xQutiarovg  fiipvoi  fMcXccnra, 
t^f  ^fUw  oi  Mifdtiütot  &QX9i9  d£&o€fyraft*  &n9  Aqu  xal  aol  kni^sU- 
^veda»  T^  umÖHap.  Agesilaos  hat  eben  einen  derartigen  Vorwurf  nicht 


174    Zur  griMh.  nod  Uteio.  Lektflre  an  unterem  Gymnasiom.  YIII. 

dM  «moft*  und  das  hflbsehe  «nm  jeglichen  (!)  Prtia''  bei  E.  Ja,  wenn 
man  bei  Benfltsnng  einet  wittentehaftliehen  Werket  avt  Imperfekien 
Praetentia  macht  and  dann  einen  oder  den  anderen  8ati  flberaieht,  wie 
hier  den  Sati  «tncb  diet  iit  nicht  beachtet  worden*,  dann  atellt  man 
sich  auf  einen  „prlteritalen*'  Standpanlit  nnd  mitunter  anch  anf  den 
gegenteiligen,  den  falschen.  Nepot  hat  eben  die  gewiaten  Seiten  nicht 
nm  jeden  Preit  in  den  Vordergrund  geatellt,  wie  die  Lektflre  so  mancher 
Biographie  leigt.  Schani  macht  Nepot  gerade  darant  einen  Vorwarft  K. 
wendet  die  Sache  int  Gegenteil,  nm  anch  wieder  dem  „kranken  Mann« 
(Reinhardt)  einen  Vorwarf  sa  machen  i). 

Und  da  werden  an  Nepot  Mi ATerttindnisie,  banale  Gemeinplfttie 
and  Widertprfiche  gerfigt.  Schani  tagt  enttprechend  den  Tatsachen 
(S.  224):  «Nar  in  leicht  lißt  er  (N.)  sich  gerade  fon  der  PertOnliebkdt, 
die  er  behandelt,  sa  einer  Übertchltinng  der  Bedentang  dertelben  hin- 
reißen; im  Zniammenhang  damit  tteht,  daft  er  lieber  dat  Bfthmliche  alt 
dat  Tadelnswerte  an  teinen  Helden  henrorhebt,  wat  ftr  ein  lieberollet 
Gemüt,  aber  nicht  fflr  einen  tcharfen  Geitt  spricht*.  K.  li&t  Nepos  „unter 
bewaßter  MiOachtung  der  Wahrheit*  das  BOhmliche  geschmacklos  über- 
treiben, das  Tadelswerte  abschwftchen.  Das  „bewui^ter*'  sollte  doch  erat 
bewiesen  werden,  und  wenn  es  bewiesen  wäre,  wäre  es  eben  nur  das 
Zeichen  eines  guten  Menschen  eigentflmlicben  Bestrebens,  das  wohl  nie 
ans  der  Welt  schwinden  wird.  Denn  «des  Menschenfreundes  Lüge*  scheint 
manchen  besser  als  „des  Menschenhassers  Wahrheit*.  Und  dann:  Nepos  hat 
eben  nicht  GcMhichte,  sondern  ßloi  schreiben  wollen,  also  die  Gesetie  des 
kyx6fuovy  von  dem  E.  selbst  spricht,  befolgt  und  als  Quelle  «die  massenhafte 
Literatur  negl  Mo^mv  dvSQ&v  benutit,  in  der  es  Geseti  war,  nur  weiü  oder 
schwan  in  malen*  (Norden).  Eben  den  richtigen  Standpunkt,  d.  h.  den 
moderner  histor.-phllolog.  Wissenschaft,  gibt  das,  was  E.  aus  Ed.  Norden 
anführt  (Eunstpr.,  S.  205):  „In  unserm  Jahrhundert  ist  es. .  .Mode  geworden, 
ihn  als  Historiker  und  Stilisten  lu  schelten;  aber  das  ist  ungerecht: 
denn  auf  den  Namen  eines  Historikers  hat  er  selbst  keinen  Ansproch 
erhoben  und  als  Stilist  hat  er  das  in  leisten  sich  bemüht,  was  der  pnerile 
Stoff  erheischte*.  Wenn  Norden  unmittelbar  Torher  sagt,  daß  N.  nirgends 
das  Niveau  auch  nur  der  Mittelmäßigkeit  erreichte'),  was  E.  gesperrt 


gefürchtet  und  Lakedftmon  brauchte  Geld.  Obrigens  handelt  es  sieh  bei 
Tiroothens  am  Entgelt  für  Unters tütiung  des  Ariobananes,  der  sich  gegen 
Artazerzes  empört  hatte,  an  der  sweiten  Stelle  nur  um  Gelder  Tonseiten 
derer,  gut  a  rege  defeeerant.  Ich  denke,  man  braucht  die  Stellen  nur 
genau  ansusehen,  um  das  Bichtige  lu  finden.  So  ainflltig  war  denn 
0.  Nepos  doch  nicht  and  auch  seine  romischen  Leser  nicht  Also  Norden 
ist  da  SU  weit  gegangen,  E.  aber  nennt  das  gleich  „das  berüchtigteste 
Beispiel*  Ton  Widerspruch. 

^)  Oder  sollte  E.  am  Ende  nicht  gemerkt  haben,  daß  b«i  den 
Worten  Schans'  „Auch  dies  ist  nicht  beachtet  worden*  su  ergftnsen  ist 
„Ton  Nepos?* 

*)  Norden  erklärt,  G.  N.  habe  sich  im  Dunstkreis  der  Grüßten  seiner 
Zeit  bewegt,  nirgends  das  Niveau  der  Mittelmäßigkeit  erreicht,  Schani 
lählt  ihn  den  Transpadanern  bei,  die  sur  Zeit  Giceros  in  dei  römischen 
Literatur  eine  hervorragende  Stellang  einnahmen. 


Zur  griech.  und  latdn.  Lektflre  ao  unterem  Gjmnaiinm.  YIII.    175 

dradrty  eo  kann  daa  deeh  fBr  ihn  nieht  gar  so  Tiel  antmaehen,  der  ipftter 
(S.  82)  den  Gnndtati  anfetellt,  daß  Ar  die  Mittelschnle,  die  nur  eine 
Mittelitofe  nnterer  intellektnellen  Entwieklnng  dantelle,  unbedenklich 
dif  weniger  «Große*  heraninrieben  lei ;  da  steigt  doch  Nepos  eebr  im 
Km.  Ebenso  finde  ich  aofTallend,  daß  K.  anf  die  Worte  Nordens 
»obwobl  sein  (des  Nepos)  Spracbgebraneb  gans  nnklassiseh  ist*  Gewicht 
legt,  er»  der  doch  8.  90  f.  erklirt,  daß  „der  frfther  etwa  gehegten 
BefBrchtong,  daß  dnrch  die  Lektflre  von  Sehriftstellem  des  silbernen 
Zeitalters*  (die  den  Klaistkem  doch  nieht  so  nahe  stehen  als  Nepos)  „die 
Korrektheit  des  lateinischen  Aasdmckes  beeintrftchtigt  werden  konnte, 
dsreh  das  Verklingen  des  Lateinischen  als  Umgangs-  oder  Schriftsprache 
je^ieher  (!)  Gmnd  und  Boden  entxogen  ist*. 

Aber  K.  schilt  Nepos  auch  als  Stilisten  troti  Norden  nnd  Schans, 
der  aosdrfleklieh  sagt  (S.  224):  „Der  Stil  ist  der  schlichte,  der  sich 
frei  hilt  Ton  großer  Periodologie  und  sich  in  einem  sehr  beschrftnkten 
Wortsehati  bewegl  Derselbe  ist  aber  durch  das  rhetorisch  Zugespitste 
osd  Zierliche  gehoben*  und  (8.  248)  „daß  auch  der  Stil  Gisars  und  Corn. 
Hepos*  (hier  verweist  Schani  auf  Nordens  Konstprosa)  „mit  dem  attischen 
verwandt  war,  kann  fflglich  nicht  besweifelt  werden*.  Und  trotidem 
nseht  es  gerade  die  Qualität  seines  Stiles  unserem  Beformer  recht 
sorerstindlich,  daß  sich  das  Buch  so  hartnäckig  als  Grundlage  der  ersten 
Lsteinlektftre  am  Gymnasium  zu  erhalten  vermochte;  denn  just  fflr  die 
SBterete  Stufe  dflrfte  nur  ein  möglichst  leichter  und  wenn  nicht  inhalt- 
lich bedeutender,  so  doch  wenigstens  im  Satsbau  vorbildlicher  Text 
is  detraebt  kommen.  Die  Geepreistheit  des  Ausdruckes  seige  sich  bei 
Nepos  auiii  nachteiligste,  wenn  man  zu  der  fflr  die  Unterstufe  wiehtigsteD 
Aufgabe  gelange:  seine  Worte  in  ein  verstlndliches  und  korrektes  Deutsch 
II  Abersetien.  Und  er  fflhrt  (ans  Norden)  swei  Beispiele  von  „abgeschmackten 
Wortspielen  und  aosgeklflgelten  Antithesen*  an,  die  die  Fassongskraft 
dieier  Altersstufe  flbersteigen  sollen;  auch  starke  Verkehrungen  der 
sstflriiehen  Wortfolge,  namentlich  in  den  Klauseln,  sollen  die  Erkenntnis 
des  logisch  Zusammengehörigen  erschweren.  Und  endlich  hebt  K.  wieder 
mit  Korden  hervor,  „daß  die  Sitze  meist  aus  kurzen  Teilchen  bestehen, 
die  nur  durch  adversative  oder  kopulative  Partikeln  in  den  Fugen  ge- 
iialten  werden,  daß  größere  Sfttse  fast  immer  entweder  roh  sind  (langer 
Vordersati,  kleiner  Nachsatz)  oder  infolge  der  Einschiebung  von  Paren- 
thesen elendiglich  in  die  Brflche  gehen*,  setzt  aber  Nordens  weitere 
Worte  nicht  hinzu:  »Wir  beobachten  also  schon  hier  den  Prozeß  der 
AsflOsung  der  Periode,  worflber  wir  bei  den  Autoren  der  Eaiserzeit 
engehender  werden  handeln  mflssen*. 

Der  Satz  mit  dem  „hartnäckig  sich  erhalten*  seigt  Unkenntnis 
der  Geschidite  der  Neposlektflre  bei  uns  und  anderswo,  das  flbrige  ist 
Qozotrcffend.  Gerade  der  Stil  macht  es  eben  verständlich,  daß  dieser 
Autor  fflr  die  erste  Lateinlektflre  immer  wieder  verwendet  wurde. 
Denn  erstens  ist  er  nach  der  Meinung  vieler  Kenner  an  und  fOr  sich 
sieht  so  schlecht,  wie  er  dem  scheinen  mag,  der  Aber  die  antike  Kunst- 
ptssa  schrieb  und  seinen  „Sinn  fflr  die  großartige  FormsehOnheit  der 


176     Zur  gxiech.  und  latein.  Lektflre  m  aDterem  OymnMiiim.  VIII. 

lateiniicben  Spraehe*  an  Cie«ro  gebildet  hat  Zweitens  sind  die  kunen 
8&tse  des  Nepos  mit  ihren  einfachen  Verbindongen  Tortrefflieb  fOr  den 
ISjfthrigen  Tertianer»  der  erst  anfingt,  eich  lelbet&ndig  im  Satsbaa  an 
versQchen  und  dessen  größeren  Sitten  die,  die  jahrein  jahraus  Deotseh 
in  der  III.  nnd  IV.  haben»  die  Roheit  der  Sfttie  des  Nepos  —  natQrlieb 
Tergleiehtweise  gesprochen  —  wftnsehen  mochten.  Drittens  sehreiten  wir 
eben  von  der  aafgelOiten  Periode  sar  einfachen  Cftsars,  dann  lor  kom- 
plizierten des  LiTios  nnd  endlich  lar  ToUendeten  des  Cicero  sjstematiBch 
fort  Daß  weiters  die  Übertragung  der  Sfttie  des  Nepos  in  ein  korrektes 
Deatsch  bald  auch  dem  normalen  Tertianer  keine  Schwierigkeit  bereitet, 
ist  eine  allgemein  anerkannte  Tatsache;  C  Nepos  ist  eben  ein  möglichst 
leichter  und  doch  inhaltlich  bedeutender  Schriftsteller.  Ist  die  Fassungs- 
kraft der  Schfller  fflr  das  Wortspiel  habebat  in  matrimonio  sororem 
germanam  suam  non  magia  amore  quam  mare  d%KStu8  oder  für  die 
Antithese  sie  vetere  instituto  vitae  effugit  nova  pericula  wirklieh  sn 
gering,  so  wird  man  auf  diese  Dinge  nicht  eingehen  nnd  der  Verlust  wird  sieh 
Terschmenen  lassen.  Einen  im  lateinischen  Satiban  Torbildlichen  Schrift- 
steller darf  höchstens  der  verlangen,  der  auf  stilistisehen  Unterricht  das 
Hauptgewicht  legt  Fflr  den  Tertianer  sind  die  im  lateinischen  Satsban 
wirklich  vorbildlichen  Schriftsteller  noch  lu  schwer;  ändert  man  aber  an 
ihnen,  dann  sind  sie  keine  vorbildlichen  lateinischen  Schriftsteller  mohr. 
Die  Verkehrungen  in  der  natflrlichen  Wortfolge,  die  Nepos  vo^enommen 
hat,  weil  er  den  rhythmischen  Satuchlnß  beobachtet  oder  «weil  er  Ober 
hanpt  salopp  schreibt**  (Norden),  was  aber  nach  Norden  noch  genauer 
untersucht  werden  muß,  erschweren  die  Erkenntnis  des  logischen  Zusam- 
menhanges nicht  im  mindesten;  denn  es  macht  fflr  das  Verständnis  gar 
nichts  aus,  ob  es  heißt  esset  adductus,  fuisse  cammunia,  sunt  secuti 
oder  adductus  esset  usw.  Wenn  endlich  K.  in  Nepos  den  Tfpns  des 
Aristotelischen  ij^svdoyQdtpog  findet  kann  ich  Nepos  diesen  Ehrentitel  erst 
dann  geben,  wenn  man  beweist,  daß  er,  um  nur  jemanden  su  belasten, 
was  er  in  seinen  Quellen  fand,  absichtlich  ins  Gegenteil  verkehrt  hat. 

Niemand  beiweifelt  daß  Nepos  weder  sachlich  noch  spraehlich  ein 
mostergiltiger  Schriftsteller  ist,  wie  K.  S.  72  resümiert,  nftmllch  ein 
für  die  Menschheit,  nicht  fflr  Tertianer  mustergiltiger;  darum  hat  man 
aber  noch  nicht  das  Recht  den,  dessen  Werk  die  ROmer  selbst  geschfttst 
haben,  einen  stflmperhaften  Schriftsteller  su  nennen.  Davon,  daß  Nepos 
auf  Geist  und  Geschmack  der  Schfller  nur  abschreckend  und  verderblich 
wirke,  mflßten  doch  andere  Leute  auch  irgend  etwas  gemerkt  haben. 
Daß  alles  das,  was  man  an  Nepos  zu  tadeln  hat,  weniger  bedeutet  als 
das,  was  ihn  fflr  die  Lektflre  auf  dieser  Stufe  besonders  geeignet  erscheinen 
läßt,  ist  Ungst  vortrefflich,  wie  mir  scheint,  und  erschöpfend  gezeigt 
worden.  Man  vgl.  besonders  die  Auseinandersetzungen  L.  Vielhabers  in 
dieser  Zeitschr.  1860,  S.  4^2  £  i),  die  hente  geradeso  lesenswert  sind  wie 


>)  Auch  W.  Eergel  in  dieser  Zeitschr.  1858,  S.  58—56  verdient 
noch  Berflcksichtigung;  flber  die  Geschichte  der  Neposlektflre  im  all- 
gemeinen orientiert  natflrlich  Eckstein  (L.  o.  Gr.  U.,  S.  207  ff.)  am  besten. 
Die  Bedeutung  des  Nepos  fflr  den  Unterricht  ist  in  neuerer  Zeit  besonders 


Ein  NatarforMher  nnd  dis  philologiicb«  OymnMinm.  177 

doft  Dftft  mAii  des  Nepot  ▼•rbeMerU»  «neb  Terachiede&e  Sonogate  ein* 
fthrta,  ist  allbekannt  Ebenso  bekannt  ist,  daß  auch  in  neuester  Zeit 
bsdsvtende  Sehnlninner  der  Ansicht  sind,  daß  aof  dieser  Stufe  Nepos 
m  der  ona  Torliegenden  Form  noch  am  besten  ist  Genannt  seien 
0.  Jiger,  H.  ZieBMTt  0.  Weifienfels.  Der  letitere  gibt  den  heutigen  Stand 
4a  Frage  (Handb.,  8.  270)  mit  folgenden  Worten:  .Hente  stimmen  so 
asnlish  alle  darin  flberein  >),  daß  C.  N.  gerade  so^  wie  er  ist,  wenn  man 
tisigss  nngeleeen  lißt,  ein  allen  Anforderungen  genOgemder  Schriftsteller 
Ar  den  Anfang  ist^.  Die  Anafflhrangen  Koknlas  sind  nichts  weniger  als 
feeigael,  das  Gegenteil  glaablich  tu  maeheo.  (Fortsetsnng  folgt) 

Wien.  Dr.  Friedrich  Ladek. 


Ein  Naturforscher  nnd   das  pbilologisehe 
Gymnasinm. 

Es  ist  kMn  Geringerer  als  Karl  Ernst  von  Baar,  anf  dessen 
Selbstbiographie,  ein  schwer  erreichbares  nnd  deshalb  wenig  bekanntes 
Bodi,  aber  ein  beachtenswertes  seholgeschichtllohes  Dokument,  ich  durch 
disM  Zeilen  die  Aufmerksamkeit  hinlenken  möchte:  Nachrichten  Aber 
Leben  und  Schriften  des  Herrn  Geheimrates  Dr.  Karl  Ernst 
tOB  Baar,  mitgeteilt  von  ihm  selbst   St  Petersburg,  1865. 

Der  berflhmte  Verf.  will  durch  die  Darstellung  seines  Bildungs- 
Ssages  das  Schulwesen  seiner  Heimat»  insbesondere  den  Betrieb  des 
Bstorwissensehaftlichen  Unterrichtes  fordern.  Man  kann  daraus  entnehmen, 
wie  alt  die  Fragen  sind,  die  heute  wieder  die  Öffentlichkeit  besch&ftigeD, 
vie  klare  und  bflndige  Antworten  schon  Tor  Jahnehnten   darauf  erteilt 


gewürdigt  worden  von  G.  Daichendt,  Progr.  des  evang.  O.-G.  A.  B.  su 

Bisferits  in  Siebenbürgen  (D.  Lekt  d.  C.  Nep.  mit  Besug  auf  die  Charakter- 
bildung der  Schaler,  vgl.  H.  Ziemer  in  B.  Jahresb.  1890,  lY,  S.  42  f.)  und 
J.  WeU^enboni,  Progr.  Ascbaffenbarg,  1892.  Mit  diesen  Ausfflhrungen  hat 
lieh  jeder,  der  Aber  die  Neposlektftre  schreibt,  auseinandersusetsen.  Im 
tbiigen  Tgl.  man  0.  Jigers  Äußerung  auf  der  BerL  Konf.  1890  (Verb., 
S.  136)  und  Kflblers  Gutachten  fflr  die  Konf.  Ton  19G0  (Verb.,  S.  292). 
Asch  Fr.  Alj  spricht  sich  in  der  allgemein  gehaltenen  trefflichen  Wider- 
iegoog  Kokulas  fflr  die  Lektflre  des  Nepos  aus. 

•)  Vgl.  P.  Cauer,  Palaeitra  Vitae,  S.  78  f.:  »Wenn  ich  recht  sehe, 
■0  mehren  sieh  neuerdings  wieder  die  Orte,  an  denen  in  Quarta  der  un- 
Terk&nte  Com.  Nepos  guesen  wird.  Die  Jungen  selbst  haben  ein  Gefahl 
dee  Stolxes,  daß  sie  nun  schon  anstatt  eines  zorecht  gemachten  Textes 
eisen  wirklichen  alten  Schriftsteller  lu  lesen  bekommen  und  einen,  dessen 
Werk  lu  den  Qoellen  eben  der  Geschichte,  die  sie  gleichieitig  lernen, 
gehört  AuAerdem  ist  er  fflr  unsere  Jugend  der  isinfige  Vertreter  seiner 
Osttang;  denn  daß  Ton  Plutarch  auch  nur  eine  Biographie  Ton  Schfllern 
roUsttn^g  gelesen  wird,  kommt  wohl  nirgends  Tor.  Bei  Comel  erhalten 
lie  in  jedem  Lebensbild  ein  Games ,  das  auch  sie  flberblicken  kOnnen ; 
tmd  wenn  sie  die  Anmut  und  das  Gerundete  der  Darstellung 
»ehr  unbewuAt  empfinden  als  klar  erkennen,  so  tut  das  der  innerlichen 
Wirkung  kaum  Abbruch". 

Z«tMkriA  f.  d.  Qtterr.  QjmxL  1906.  n.  Heft.  12 


178  Ein  NataiforBcher  and  das  philologische  Gymnasium. 

worden  und  wie  elegant  man  in  der  guten  alten  Zeit  im  Kampfe  der 
Meinungen  die  Klinge  lu  f&hren  yerstand, 

Baar  hat  die  Knabenjahre  auf  dem  Lande  fugebracfat,  der  Unter- 
richt wurde  durch  Hauslehrer,  gute  und  schlechte,  besorgt.  Mit  15  Jahren 
wurde  er  in  die  Prima  der  Bitter-  und  Domschule  su  Beral  aufgenommen, 
in  der  er  drei  Jahre  (1807—1810)  verweilte;  fflr  die  griechische  Spradie 
durfte  er  gleichseitig  die  Tertia  besuchen,  wo  man  diese  Sprache  anfingi 
und  rflckte  aus  dieser  Klasse  spftter  nach  Sekunda  Tor,  immer  lugleich 
in  Prima  yerbleibend.  Er  gesteht  an  seinem  Lebensabende,  daß  er  mit 
dieser  Zeit  am  meisten  tofrieden  oder  gegen  sie  am  meisten  dankbar 
in  sein  Ursache  habe. 

Er  glaubt  nie  yerkannt  su  haben,  daß  unsere  Bildung  ans  der 
griechischen  heryorgesprossen  ist  Aber  er  weiß,  daß  die  Hnmanitftt  fort- 
geschritten ist  und  wir  nicht  nOtig  haben^  sie  immer  nur  ans  den 
griechischen  Quellen  xu  schöpfen.  Auch  mflßten  diese  Quellen  ja  gar 
nicht  befruchtend  wirken,  wenn  sie  nicht  schon  lange  und  flberall  Frflchte 
getragen  hfttten  in  allen  europftischen  Literaturen.  Er  ist  vielmehr  davon 
ttbeneugt,  daß  auf  uns&hligen  Wegen  die  Bildung  des  Altertums  in  allen 
Sprachen  und  Literaturen  auf  uns  eingewirkt  hat  und  einwirkt,  uns 
gleichsam  umgibt.  Diese  Erwftgnngen  fflhren  su  dem  Gest&ndnis,  daß 
er  den  Wert  des  Studiums  der  alten  Sprachen  anderswo  suche  als  im 
stofflichen  Inhalte  der  Klassiker. 

Er  sucht  sich  vor  allem  klar  zu  machen,  was  das  allgemeine 
Ziel  der  Schulbildung  sein  solle,  und  gelangt  nach  sehr  interessanten 
Erörterungen  Aber  die  Urteilsf&higkeit  der  Menschen,  die  er  in  swei 
Weltteilen,  Europa  und  Asien,  kennen  gelernt  hat,  su  dem  Ergebnis,  daß 
die  wahre  Aufgabe  der  Schule  in  der  Eintibung  eines  konsequenten 
und  kritischen  Denkens  zu  suchen  sei.  Diese  Arbeit,  wir  wollen  sie 
Geistesgymnastik  nennen,  ist  die  wahre  Aufgabe  der  Gymnasien  und 
verwandten  Schulen.  Es  kommt  nur  darauf  an,  durch  welche  Mittel  diese 
Geistesgynmastik  geübt  werden  kann.  Als  vorzügliche  Mittel  haben  in 
den  höheren  Schulen  seit  längerer  Zeit  die  Mathematik  und  die  alten 
Sprachen  gegolten.  Bei  der  Mathematik  springt  es  in  die  Augen,  daß 
sie  ganz  besonders  die  kritische  und  konsequente  Methode  befolgen 
kann,  und  es  ist  deshalb  ganz  besonders  ihre  konsequente  Methodik, 
das  Fortschreiten  von  den  einfachsten,  von  selbst  einleuchtenden  Prin- 
zipien zu  immer  weiter  geführten  Folgerungen,  bearbeitet  worden.  Eine 
60  konsequente  Methodik  kann  auf  die  alten  Sprachen  zwar  nicht  an- 
gewandt werden,  da  es  bei  ihnen  nicht  darauf  ankommt,  aus  einfachen 
Prinzipien  ein  Geb&ude  des  Wissens  zu  erbauen,  sondern  fremde  Ge- 
danken in  unsere  Sprache  und  Ausdrucksweise  umzusetzen.  Darin  &ber 
liegt  eine  große  Gymnastik.  Der  ganze  Bau  der  alten  Sprachen  weicht 
von  dem  der  neuen  und  namentlich  auch  von  unserer  deutschen  so  ab, 
daß  es  keineswegs  genügt,  die  Bedeutung  der  einzelnen  Wörter  xn 
kennen,  sondern  daß  wir  einen  Satz  erst  im  Geiste  der  alten  Sprache 
klar  denken  müssen,  um  ihn  dann,  im  Geiste  unserer  Sprache  gedacht, 
ausdrücken  zu  können.  Das,  was  wir  «übersetzen"  nennen,   scheint  ihm. 


Eid  Natmfoneher  und  du  philolo^tcbe  GyrnnMiom.  179 

weoD  Ton  alten  Sprachen  die  Bede  iit,  immer  in  dieaer  doppelten 
Denkftbnng  m  beetehen  nnd  das  langsame  Dorehffibren  dareh  die 
Qnmmatik  beim  üoterricht  ist  nichts  als  die  dnreh  Erfahrung  gewonnene 
Methodik,  snm  ToUen  Verständnis  za  führen.  Die  neueren  Sprachen  (der 
Terf.  hat  schon  in  frfiher  Jugend  sich  in  mehreren  Sprachen  bewegen 
gttlent)  sind  Ton  unserer  Muttersprache  in  ihrem  Ban  viel  weniger  Ter- 
ichiedea  als  die  alten.  Deswegen  iat  Tiel  weniger  Geistesgjmnastik  beim 
Obezsetien  ans  denselben  als  beim  Übersetsen  aas  den  alten  SprachcD, 
so  nütilich  auch  jene  durch  ihre  Anwendbarkeit  auf  das  Leben  sein 
mögen.  Ist  es  anraerkennen,  daft  das  Übersetsen  ans  einer  alten  Sprache 
in  snsere  Hottersprache  in  einer  fortgesetiten  Denkühnng  besteht,  so 
wird  man  ancb  sugeben,  daß  die  Klage:  „Ich  habe  mein  Latein  nnd 
Qriechiseh  Tcrgessen;  schade  um  die  auf  der  Schule  verlorene  Zeit!**  un- 
begründet ist.  Man  hat  eben  die  Übung  im  Denken  gewonnen,  wenn 
man  auch  nur  einige  leichte  Schriftsteller  gelesen  hat;  hat  man  mehr 
gelesen,  so  muß  man  mehr  dabei  gewonnen  haben. 

Andrerseits  kann  er  nicht  damit  fibereinstimmen,  wenn  man  jede 
Vergleichung  anderer  Unterrichtsgegenstinde  mit  den  alten  Sprachen  als 
eisea  Angriff  auf  das  Allerheiligste  betrachtet.  Auch  fühlt  er  sich  immer 
oBaogenehm  berührt,  wenn  er  gegen  das  Verlangen,  daß  die  Schule 
luf  die  künftige  Lebensbestimmung  ihrer  Zöglinge  Bücksicht  su  nehmen 
habe,  die  hergebrachte  Bedensart  hOrt:  die  Schule  muß  nicht  bloß  ab- 
hefaten  wollen.  Die  Ausstattung  für  das  Leben  ist  doch  sicher 
eise  Aufgabe  der  Schule.  Es  kommt  nur  darauf  an,  das  richtigste 
Teihiltnis  der  allgemeinen  Ausbildang  durch  Geistesgymnastik  und  der 
Aosstattung  mit  Stoffen  lu  finden,  die  im  spftteren  Leben  sich  Terwerten 
lissen.  Diese  und  ähnliche  Erwägungen  führen  ihn  lo  der  Forderung 
eines  gründlicheren  Betriebes  jener  Zweige  der  Natorwissenschaften,  die 
infolge  ihrer  konsequenten  Methodik  ohne  Geistesgymnastik  und  folge- 
richtiges Denken  nicht  betrieben  werden  können,  die  ferner  zugleich 
doreh  ihren  stofflichen  Inhalt  fördernd  für  die  Lebensberufe  sind.  Er 
•düießt  seinen  Vorschlag,  dem  immer  dringender  werdenden  Bedürfnisse 
TOD  allgemeiner  Terbreitenden  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  in  den 
exakten  Naturwissenschaften  in  entsprechen,  ohne  deshalb  die  bisherige 
Gestaltang  der  Schulen  umsuändem  und  namentlich  die  philologischen 
Stadien  an  Terdrängen,  mit  den  Worten:  „Vielleicht  werden  diese 
Stadien  im  Laufe  der  Jahrhunderte  den  Naturwissen- 
schaften gani  weichen  müssen,  aber  beschleunigen  wollen 
vir  ihren  Fall  nicht. ** 

Wie  ein  Protest  gegen  die  Einheitsmittelschule  klingt  es,  wenn 
er  erklärt:  Einem  Volke,  das  fast  noch  an  dem  Scheidewege  der  Bichtung 
•eines  Schnlweaens  steht,  möchte  ich  raten,  beide  Wege  sogleich  su 
gehen,  sowohl  Schulanstalten  für  gründliche  klassische  Bildung  als  auch 
aadere  für  ebenso  gründliche  in  den  exakten  Naturwissenschaften  su 
errichten  und  besonders. in  den  großen  Städten  beide  sogleich  bestehen 
»  lassen.  Es  ist  ohnehin  kein  Qrnnd  elntusehen,  warum  alle 
Henschen  nur  dieselbe  Sphäre  des  Wissens  Terfolgen  sollten. 

12» 


180        W.  Foerster,  Schule  nnd  Obarakter,  ang.  y.  J.  Perkmann. 

Das  Bach  ist  reich  an  Bemerkangen,  die  aach  heate  Doch  Intereiie 
beansprachen :  ^ Ich  fühle  ein  wahres  Bedürfnis  in  sagen,  daß  ich  es  f&r 
eine  anTerantwortlicbe  Grausamkeit  halte,  die  WeiterhüdoDg  eines  jungen 
Menschen  aofsohalten,  wenn  er  in  einem  Zweige  nieht  Torwirts  kann 
oder  auch  nicht  mag.*  Linnä  wäre  wegen  seiner  Abneigung  gegen  das 
Hebräische  Schahmacher  geworden,  wenn  nicht  ein  weitersehender  Mann 
sich  seiner  angenommen  hätte. 

Teschen.  Dr.  Fr.  Spengler. 


Fr.  W.  Foerster,  Schule  und  Charakter.  Beiträge  xor  Pädagogik 
des  Gehorsame  nnd  snr  Reform  der  Schnldissiplin.  Zürich  1S07, 
Sohnlthei^  &  Comp.  218  SS.  8». 

Ausgehend  von  dem  Grundsätze,  daß  die  Charakterbildung  im 
Mittelpunkte  des  Unterrichts  stehen  müsse,  sieht  der  Yerfasaer  das 
wichtigste  Ziel  in  der  Herrschaft  des  Menschen  über  die  Naturgewalten 
in  seinem  Innern.  Schon  in  der  Einleitung  weist  er  auf  die  Gefahren 
bloßer  Verstandesbildung  hin  und  zeigt  die  ethischen  Bedingungen  der 
intellektuellen  Kultur:  wahrhaft  logisches  Denken  setit  Charakter  Toraus, 
weil  nur  Charakter  unsere  Gedanken  Tor  der  Bestimmbarkeit  durch 
äußere  Einflüsse,  durch  Interessen  nnd  Vorurteile  schfltst.  Weiterhin 
▼emehmen  wir  wichtige  Aufschlüsse  über  die  Bedeutung  der  Charakter- 
bildung für  den  Beruf,  über  den  engen  Zusammenhang  einer  hOher  auf- 
gefaßten ästhetifchen  Bildung  mit  der  Läuterung  des  Charakters,  über 
den  günstigen  Einfluß  strammer  Willenstucbt  auf  körperliche  Gesundheit 
nnd  Kraft.  Trotz  aller  Lebenserleichterung,  die  Ton  der  techniseheo 
Kultur  ausgeht,  leiden  wir  heute  mehr  von  den  Stoßen  nnd  Wider- 
wärtigkeiten des  Lebens,  weil  uns  die  Innenkraft  Terloren  gegangen, 
.  weil  uns  die  großen  und  starken  Ideale  fehlen,  die  alles  Heroische  im 
Menschen  aufrufen.  Auch  im  Verkehr  der  Menschen  unter  einander  fallen 
wir  uns  „auf  die  Nerven*,  weil  Liebe  und  Geduld  nicht  mebr  lebendige 
und  gebietende  Mächte  sind.  Die  Lehre  vom  Sicbgehenlassen  wirkt  aufs 
tiefste  Gesundheit  zerstörend,  weil  sie  die  schlaffe  Widerstandslosigkeit 
des  Menschen  gegenüber  allen  Zuständen,  Affekten  und  Trieben  fordert 
Nach  dieser  Einleitung  werden  unter  der  Überschrift  „Vorbeugung* 
ausführlich  behandelt:  die  ethische  Seelsorge  und  Schuldisziplin,  Schol- 
lüge,  sexuelle  Frage  in  der  Schule,  gemeinsame  Erziehung  der  Ge- 
schlechter, von  Boskos  PräfentiTdisziplin,  das  Brownlee-System  und 
anderes.  Im  nächsten  Abschnitt  wird  „das  Problem  der  Disziplin" 
erörtert,  dabei  die  stramme  deutsche  Heeresdisziplin  im  Gegensätze  zur 
französischen  nach  ihrem  Werte  geschätzt,  wobei  aber  Foerster  Gewicht 
darauf  legt,  daß  starke  Anforderungen  an  Gehorsam  und  Präzision  mit 
respektvollster  Behandlung  des  Mensehen  verbunden  werden.  Gerade  bei 
indi?i dualistisch  angelegten  Bässen  yerlangt  die  soziale  Korrektur  des 
Selbständigkeitsdranges  ganz  besonders  nach  takt?ollen  Erziehern,  die 
inmitten   des    S^rstems   der  Subordination  aach  die  Selbständigkeit  nnd 


W.  Foerster,  Schule  und  Charakter,  ang.  ▼.  J,  PerJcmann.       181 

Würde  dei  eioielnen  za  ehren  wiMen.  Be  gilt  eben  in  der  Disziplin 
zvei  diametral  entgegengesetzte  Bedfirfnisse  des  Menschenlebens  mit 
eiaaoder  in  Einklang  sn  bringen:  das  Bedürfnis  der  sozialen  Ordnang 
cod  Arbeit  nach  exaktenn  Gehorsam  und  das  Bedürfnis  der  menschliehen 
PmOolichkeit  nach  Freiheit  and  Selbständigkeit.  Das  Freiheitsbedflrfnis 
nod  das  persönliche  Ehrgefühl  soll  dem  Gehorsam  nicht  anf  dessen 
eigenem  Gebiete  entgegentreten,  sondern  anf  eine  tiefere  und  innerliehe 
Art  befriedigt  werden,  n&mlich  in  den  Motiyen  nnd  Inspirationen  des 
Geborsamsy  sowie  in  der  Tonart  des  Befehls.  Darnm  ist  anch  eine  Schul- 
diiiiplin  Terkehrt»  wenn  sie  Ton  dem  Geiste  des  bloßen  äußerlichen 
Zwanges  getragen,  die  Selbst?erantwortlichkeit  unentwickelt  läßt  und 
das  Ehrgefühl  abstumpft  Man  wird  mit  Bedauern  F.  zugeben,  daß  die 
Fragen  der  Schuldissiplin  nicht  wahrhaft  gründlich  und  konkret  diskutiert 
«erdeo.  HOchte  doch,  fügen  wir  hinzu,  dieses  wertvolle  Buch  Försters, 
recht  TieJoD  Lehrerbibliotheken  einverleibt,  bei  Konferenzen  Anlaß  und 
Gniodlage  zu  sachlichen  Erörterungen  dieses  wichtigen  Gegenstandes 
bieten! 

Der  folgende  Abschnitt  „Zur  Pädagogik  des  Gehorsams"  bebandelt 
angebend  die  Bedeutnng  des  Gehorsams  für  die  Freiheit,  tadelt  die 
Unklarheit  der  modernen  Freiheitspädagogik,  unterscheidet  strenge 
Indifidnalität  und  Persönlichkeit,  sinnliches  und  geistiges  Ich  und  rügt 
dabei,  daß  jene  fundamentale  Verwechslung  zwischen  der  bloßen  natür- 
lichen Indifidualität  und  der  geistigen  Persönlichkeit  auch  in  den 
äckriften  yon  Ellen  Key,  sowie  in  Gnrlitts  Vortrag  „Eriiehnng  zur 
PeisOnlichkeit«  hervortrete;  persönlich  werden  wir  gerade  dadurch^  daß 
wir  dem  bloßen  Ansleben  unserer  Indi?idualität  entgegentreten.  Im 
iwsiten  Teil  dieses  Abschnittes  wird  die  Bedeutung  der  Freiheit  für 
den  Gehorsam,  der  Begriff  eines  beseelten  Gehorsams,  die  Versöhnung 
vsB  Gehorsam  nnd  Freiheit  im  Christentum,  die  pädagogische  Bedeutung 
des  Eleinaten  n.  a.  dargelegt. 

Der  letzte  Abschnitt  enthält  Weisungen  zur  „Reform  der  Scbnl- 
diaziplin*,  ein  Schlußwort  bespricht  „Religion  und  Schule*  und  ein  An- 
hang bietet  „Winke  für  die  ethische  Durchdringung  des  gesamten  Lehr 
Stoffes*  —  zum  Teil  im  Anschlüsse  an  des  Verfassers  „Jugendlehre"  — 
snd  hebt  besonders  rühmend  herror,  daß  „Tor  einiger  Zeit  ein  erfahrener 
Oiterreichischer  Pädagoge,  Zeller  (in  der  Zeitsch.  f.  d.  österr.  Volkssehal^ 
Wesen,  XVI,  1903)  eine  Reihe  sehr  wertvoller  Vorschläge  für  die  mor&l- 
pldagogisehe  Verwertung  des  Elementarunterrichts*  geboten  habe. 

Der  reiche  Inhalt  dieser  Schrift,  deren  Verfasser  Pri?atdozeiit  fOr 
Philosophie  und  Moralpädagogik  io  Zürich  ist,  bestimmt  mich,  jeden)« 
der  im  Erziehungsamte  wirkt,  zuzurufen:  Nimm,  lies,  beherzige! 

Wien.  Jos.  PerkmauD. 


I 


182  Festgabe  nm  lOOjähr.  Jabil.  d«  Sebotteogymn.,  aog.  ▼.  E,  Gschwind. 

Festgabe  zum  hundertjährigen  Jubiläum  des  Schotten- 
gymnasiums. Gewidmet  too  ebemaligen  Sehottenecbülerii.  Wien 
1907,  Verlag  Ton  Wilh.  BraomOUer,  Hof-  und  Unl?eniatsbiieh- 
handlang.  406  SS.  6r.-8o. 

Lehrer  und  Schüler  des  Schottengymnasinms  in  Wien  haben  am 
9.  Nofember  1907  den  handertjfthrigen  Bestand  dieser  Anstalt  in  wahr- 
haft erhebender  Weise  gefeiert  Die  Knndgebnngen,  die  bei  diesem  Jubel- 
feste Ton  ehemaligen  Schfllem  der  Anstalt,  Ton  denen  die  meisten  in  hohen, 
ja  herTorragenden  Stellungen  wirken  oder  gewirkt  haben,  lant  worden, 
bilden  wirklich  ein  monumentum  aere  perenntus-,  sie  bezeugen,  daß  die 
Flacht  der  Jahre  die  innige  Zaneigang  and  Hebeyolle,  geradeia  rfihrende 
Anh&Dglichkeit  der  Schüler  an  ihre  einstigen  Lehrer  and  an  das  Schotten- 
stifk  überhaupt  nicht  ausiutilgen  yermoehte.  Gegenüber  den  immer 
lauter  und  ungestümer  in  die  Öffentlichkeit  geschlenderten  Vorwürfen 
über  die  Gebrechen  und  Mängel  des  Gymnasiums  und  der  altklasaiaehen 
Bildung  sticht  diese  Kundgebung  doppelt  wohltuend  ab. 

Der  Benediktinerorden  nahm  innerhalb  des  Borgfiiedens  Ton 
Wien^  dessen  Schicksale  er  Jahrhunderte  hindurch  teilte^),  aus  dessen 
Beiirk  er  seinen  Machwuchs  bezog,  die  WeUenbewegung  des  stftdtiachen 
Eultarlebens  in  sich  auf  und  pflegte  den  Geist  der  Wissenschaft»  «mit 
Heiterkeit  durchdrungen**,  wie  Goethe  es  will.  Die  Gymnasialbildnng 
beruht  eben  nicht  bloß  in  der  Vermittlung  positiver  Eenntnisse  homa- 
nistischer  und  realistischer  Richtung,  in  der  Schulung  des  Verstandes 
der  in  der  Entwickelang  begriffenen  jungen  Leute,  sondern  auch  in  der 
Ersiehung,  in  der  Weckung  und  Förderung  des  Charakters.  Das  ganze 
Geheimnis  der  Erziehung  aber  ist  nach  Schleiermacher  eingeschlossen  in 
Liebe  und  Wahrheit.  Der  Unterricht  erfordert  also  neben  der  ToUen 
Beherrschung  des  Lehrstoffes  jene  starke  sittliche  Kraft,  die  oft  un- 
bequemen und  widerstrebenden  Jünglinge  mit  ihren  Launen,  ihrer  Un- 
zulftnglichkeit  zu  ertragen  und  zu  zügeln.  Der  Lehrer  muß  aus  sich 
heraustreten,  muß  seine  herzliche  Teilnahme  allen  Schülern  gegenüber 
walten  lassen,  er  muß,  wie  Bitter  ?.  Wittek  in  der  Vorrede  zur  Fest- 
gabe sagt,  es  Tcrstehen,  die  Schale  zum  zweiten  Eltemhause  zu  machen. 
Groß  ist  der  sittliche  Einfluß  der  Persönlichkeit  des  Lehrers,  mftehtig 
wirkt  sein  Vorbild,  wenn  er  sich  selbstlos  seinem  Berufe  hingibt  Solche 
Ekkehardpoesie  umgibt  die  alten  Benediktinerklöster;  dazu  kommt  das 
kerndeutsche  und  österreichische  Wesen  jener  M&nner,  die,  wie  Pemes- 
torfer  (S.  224)  bekennt,  den  Lehrberuf  in  sich  hatten,  für  die  der 
Unterricht  junger  Menschen  eine  Herzens-  und  Lebenssache  war. 

Die  Festgabe  selbst  enthält  nicht  weniger  als  44  wertTolle  Bei- 
träge aus  dem  Gebiete  der  Literatur,  Wissenschafb  und  Kunst,  ist  mit 
einem  prächtigen  Bilderschmuck  ausgestattet,  den  der  Kunstmaler  Maxi- 
milian Liebenwein,  gleichfalls  ein  Schottenschüler,  besorgte,  der  zugleich 
in  einem  gelungenen  Aufsätze  über  seine  Jugend  sich  als  Meister  in  der 


1)  Vgl.  Mayer,    Aus   dem   geistigen   Leben   lliederOsterreichs  im 
15.  Jahrhundert,  8.  187—201. 


PMtgabe  lom  lOOjihr.  Jabil.  d.  Sebottangjmn.,  ang.  ?.  B.  08chw%nd,  183 

Flkiug  der  Feder  Torttelli  So  yenehieden  der  Inhalt  der  einielnen 
gfluMehea  Eisaji  iat>  so  omaehließt  sie  doch  alle  als  innigstes  Band  die 
SehilbilduBg»  die  diese  herrorragenden  Männer  am  Sebottengymnasinm 
genossen.  Es  dllifte  von  Interesse  sein,  so  erfahren,  daß  auch  Prini 
Alois  Ueebtenstein,  der  gewOhnlieh  als  JesniteniOgling  beieiohnet  wird, 
lUe  seine  Prttfongen  am  Sobottengymnasium  abgelegt  bat. 

Wollte  man  eine  sobirfere  logische  Einteilang  am  Inhalte  der 
Festgabe  Tomebmen,  so  wUrde  der  Referent  folgende  Gmppen  anf- 
itsDen;  a)  theologisebe  Anfsitie;  b)  philosophisobo  (Psjoho- 
logie,  Ethik,  Eechtspbilosophie  and  Pädagogik  omfassend); 
e)  bistorisehe  Ornppe  (einsebließlieb:  Knltargesehiebte 
osd  Antiqnititen);  d)  Spraebforsehnng;  e)  Geographie  (Topo- 
fraphie  nnd  Beisebescbreitnng  mit  inbegriffen). 

Leider  ist  ons  wegen  der  Knappheit  des  tngemessenen  Banmes 
teissgt,  aneh  nnr  die  Einreihnng  der  einielnen  Beiträge  in  die  oben 
ugsAhrten  Gmppen  dwehranebmen;  wir  mflssen  nns  auf  die  Erwähnung 
jtstr  Anfiätse  beschränken,  die  sich  anf  das  Schottenstift,  aof  die 
Srimemg  an  die  Scbnlieit  und  anf  bestimmte  Lehrer  belieben.  —  Es  ist 
gwidesa  rflhrend,  mit  welch  lieberoller  Innigkeit  eintelne  Lehrer,  deren 
Nsmen  immer  wieder  anftanchen,  erwähnt  werden;  sie  werden  oft,  als 
ob  sie  mit  ihren  Schalem  eine  Familie  gebildet  hätten,  bloß  mit  dem 
Ordeasnamen  genannt  (s.  B.  Bigismnnd  Gsebwandner,  Hogo  Mareta, 
der  temperamentroUe  Erklärer  des  Nibelnngenliedes,  der  tflchtige 
PUtolege  Clemens  Kickh  n.  a.).  In  diese  Grappe  gehören  folgende  Ab- 
hsndlongen:  Hofirat  Chiari,  Eine  Erinnerung  an  Sigismnnd  Gsebwandner 
(S.  S6  ff.).  —  Wilh.  Freiherr  ▼.  Berger,  Grflne  Jagend  (8.  24  ff.).  — 
Alfred  Freiherr  t.  Berger,  Ans  der  Jagendzeit  (S.  21  ff.).  —  Maximilian 
UebsBwein,  Ein  Stflck  EntwicUangsgesehichte  (8.  881  ff.).  —  B.  A. 
Esgelbert  Pemerstorfer,  Ein  Blatt  dankbarer  Erinnerang  (S.  222ff.).  — 
Freibeir  y.  Wieser,  Anna  Timmqae  cano  (8.  822  ff.).  —  Prof.  Jakob 
Ztidler,  Aas  dem  schottischen  literatarwinkel  (8.  855  ff.).  —  Prof. 
Bsbenleefaner,  Hamerling  als  Schottengymnasiast  (S.  242  ff.). 

Die  Oifanisation  des  Gymnasiums  im  allgemeinen  wird  in  drei 
bSebst  bedeateamen  Beiträgen  bebandelt:  1.  Sektionschef  Freih.  ▼.  Nie- 
bsaer,  Daa  Gymnasinm  im  Yormärs  (8.  209  ff.).  —  2.  Min.  B.  PoppoTiö, 
Schale,  Amt  and  Leben.  Die  Kritik,  die  der  (seither  yerstorbene)  Verf. 
in  dem  heatigen  Gymnasinm  flbt,  klingt  leider  in  den  Worten  ans:  „Man 
werfe  die  altklassiseben  Sprachen,  oder  wenigstens  das  Griechische,  Aber 
Berd«  (8.  S88  ff.).  --  8.  L.  8.  J.  Dr.  Aug.  Scbeindler,  Pro  Gymnasio. 
Ein  Beitrag  t nr  Kenntnis  des  gegenwärtigen  Znstandes  des  Osterr.  Gym- 
sssinms  (S.  261  ff).  Anf  Grand  statistischer  Tabellen  werden  die 
Mstangen  der  Schaler  in  den  altklassischen  Sprachen  nach  ihrem  wahren 
Werte  abgeechätit,  ohne  daft  dieser  erfahrene  Schalmann  die  Schäden, 
an  denen  das  hentige  Gymnasinm  kmnkt,  ferschweigt. 

Zorn  Schlosse  spricht  der  Bef.  den  lebhaften  Wunsch  ans,  die 
kSstttche  Festgabe  möge  in  die  weitesten  Kreise  dringen,  da  die 
llttmgfaltigkeit  des  Inhaltes  die  mannigfaltigsten  Ansprache  sa  befriedigen 


184  ^.  Martindk,  Über  PrQfen  o.  ElMtififieren  uw.,  ug.  ?.  jI.  v.  Ledair. 

geeignet   ist.   Diee   wird   Tiel   dam  beitragen,   die  Anflehten  Aber  den 
Zoitand  nnd  die  LeietongsfEhigkeit  dee  hentigen  Gymnasinma  m  kUren 
and  den  nogetttlnien  Stormianf  gegen  die  altUaüiiohen  Sprachen  in  hemmai. 
Prag.  Emil  Oeehwind. 


Üniy.-Prof.  Dr.  Eduard  Martin ak.  Ober  Prüfen  und  Klassi- 
fizieren vom  Standpunkte  der  Praxis.  Wien,  Holder  1906. 
29  88. 
Dem  Yeif.  dieses  nach  vielen  Biehtnngen  anregenden  Sehiiftchens 
fillt  das  Verdienst  za,  ein  besonders  wichtiges  Mittel  der  Unterrichts- 
technik  schon  Tor  Jahren  inr  Diskossion  gestellt  la  haben.  Nicht  nnr 
der  7.,  8.  nnd  9.  dentsch-Osterreichisehe  Mittelschnltag  hat  dem  Problem 
des  Prflfeos  nnd  Klassifisierens  seine  Anfmerksamkeit  angewendet»  auch 
eine  lange  Reihe  Ton  Anfsitien  nnd  selbetindigen  Publikationen  au 
dem  E[reise  der  Fachmänner  beschäftigt  sich  mit  Theorie  nnd  Fniis 
des  genannten  Themas.  Es  ist  ein  besonderes  Verdienst  Martinaks,  diß 
er  im  ersten  Teil  seiner  Arbeit  über  diese  reiche  literatnr  knrsen,  mit- 
unter aber  auch  kritisch  eingehenderen  Bericht  erstattet.  Schon  1900  hst 
H.  iweierlei  festgestellt:  erstens  handle  es  sich  beim  Klassifizieren  om 
psychische  Leistungen  nnd  für  solche  gebe  es  keinen  exakten,  Tollkommen 
▼erl&l^lichen  MaOatab.  Sodann  seien  Ar  Zeugnisnoten  nicht  die  einseloen 
Leistungen  maftgebend,  sondern  die  yorhandene  Leistungsfähigkeit; 
dieser  Schluß  aber  Ton  der  Einielleistung  auf  die  Leistungsfähigkeit 
unterliege  mancherlei  FehlermOglichkeiten.  Zu  diesen  Orundthesen  will 
nun  das  Torliegende  Heft  einige  weitere  Beitrage  liefern.  Fttr  die  Art 
und  Weise  des  Prttfens  und  Elassifliierens  komme  die  Verschiedenhdt 
der  LebrgegenstAnde  in  Betracht,  ja  selbst  innerhalb  des  einseloen 
Lehrfaches  seien  die  Verschiedenheiten  in  diesem  Punkte  noch  groß  genug. 
Von  diesen  Differensen  werde  aber  auch  die  Qewinnnng  der  Semestral- 
note  aus  den  Einzelnoten  stark  beeinflußt  Endlich  komme  auch  noch 
die  Gewinnung  der  allgemeinen  Fertgangsklasse  aus  den  Noten  der 
Einself&cher  in  Betracht.  Zum  ersten  dieser  Punkte  fflhrt  H.  ans»  daß 
aller  geistige  Erwerb  nichts  anderes  bedeute  als  Bildung  oder  Steigerong 
einer  Disposition.  Von  der  Dlspositions  Steigerung  für  ein  ganz  be- 
stimmtes Tun  und  Können,  bei  der  die  Übung  die  Hauptrolle  spielt,  sei 
dieDispositionssummierang  zu  nnterscheiden,  die  sich  in  jedem  Lebr- 
fache  dadurch  ergibt,  daß  Ton  einander  unabh&ngige  Einzeldispositionen 
nebeneinander  erworben  werden  sollen.  Im  ersten  Falle  nennt  M.  die 
Zielforderung  intensiT,  im  zweiten  eztensir.  In  den  einzelnen  Lehzfftchem 
ist  die  Kombination  yon  Dispositions-Steigerungnn  und  •Snmmiemngen 
verschieden  und  darnach  differenziere  sich  notwendig  der  Wert  der 
Einzelnoten  für  das  Schlußergebnis  des  Semesters.  Auf  die  interessante 
Durchfflhmng  im  einzelnen  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Et 
liegt  auf  der  Hand,  daß  in  allen  F&llen  einer  reinen  Disp.- Steigerung 
die   letzten   Noten   allein   der   richtige  Ausdruck   fflr  das  im  Semester 


E,  Mariinak,  Über  Prüfen  n.  KlAniflrieren  usw.»  ang.  ▼.  Ä.  v.  Leclair.  185 

Erreichte  sein  kODnen,  also  die  BerechDong  einer  DarehtehnittBleiBtaDg 
videnioDig  ist  Hiemit  f&Ut  aber  schon  der  der  offiziellen  Praxis  der 
aKkssenkatalege**  ingrande  liegende  Gedanke,  sofern  er  Schablonen- 
mlAig  dorehgefBhrt  werden  soll»  als  vOlIig  haltlos  in  sich  zusammen. 
M.  ist  besonnen  genug,  am  herrorznheben,  daß  die  Unmöglichkeit  einer 
IhirehMhnittsbereehnang  and  somit  die  entscheidende  Bedeatang  der 
xdtlich  leisten  Noten  allerdings  nar  dann  zutrifft,  wenn  die  Einzel- 
leistongen ?om  Schlechteren  zum  Besseren  fortschreiten,  keineswegs  aber 
im  omgekehrten  Falle,  der  einer  besonderen,  ziemlich  naheliegenden 
Erwigong  bedarf. 

Theoretisch  hat  M.  YoUkommen  Beeht,  nachdrücklich  fflr  zeit- 
wtfligea  Prüfen  ohne  Klassifikation  einzatreten;  das  „freie^  Arbeiten, 
d.  h.  das  Arbeiten  ohne  die  drohende  „Peitsche*  der  Leistangsnoten 
mochte  er  aach  aof  die  schriftlichen  Schalarbeiten  aasgedehnt  wissen, 
N  daß  nur  ein  Brachteil  der  lehrplanm&Digen  Arbeiten  za  klassifizieren 
wire,  —  ein  Vorschlag,  der  viel  für  sich  hat,  aber  bei  der  für  st&rkere 
Daesen  ohnehin  geringen  Zahl  solcher  Arbeiten  nar  dann  darchgefflhrt 
werden  konnte,  wenn  diese  Zahl  erhobt  würde.  Sehr  beachtenswert  sind 
die  Aosffihrangen  über  die  sogenannten  Affektnoten  and  darchaas  zu 
billigen  ist  die  Forderang,  daß  die  Wiedergabe  ästhetischer  oder  ethischer 
Eindrücke  aas  der  Lektüre  einer  Klassifikation  gänzlich  entrückt  bleibe. 

Bei  Besprechang  der  Feststellang  der  Zeugnisnoten  redet  M.  dem 
Prinzip  der  Kompensation  das  Wort;  meine  darauf  bezügliche  Meinung 
habe  ich  in  dem  Artikel  „Kompensation**  des  «Enzykl.  Handbuchs  der 
Eniehangskonde**  von  J.  Loos  ausgesprochen. 

So  interessant  und  wertvoll  das  Ton  H.  gebotene  Stück  an- 
gewandter Psychologie  ist^  mOchte  ich  doch  einerseits  da?or  warnen,  die 
Unbefangenheit  des  gewissenhaften  und  berufsfreudigen  Lehrers  ja  nicht 
tu  beeinträchtigen,  indem  in  das  Geschäft  des  Prüfens  und  Klassifiiierens 
allzuTiel  Theoretisches  hineingetragen  wird;  bei  der  großen  Mannig- 
faltigkeit der  Einzelfälle  wird  der  Takt  und  die  Treffsicherheit  des 
eifalixenen  und  menschenkundigen  Lehrers  jeder  Theorie  überlegen 
bleiben.  Hoch  wichtiger  aber  erscheint  mir  der  Einwand,  daß  bei  unserem 
öffentlichen  Massenunterrichte,  wo  in  einer  Klasse  auch  50  bis  60  Schüler 
xosammengepfercht  sind,  die  «Peitsche"  des  Prüfens  mit  Notenkalkfll 
Biemata  wird  entbehrt  werden  kOnnen;  dieses  Prüfen  ist  doch  wohl  etwas 
mehr  alt  ein  notwendiges  Übel,  wenn  man  bedenkt,  daß  nach  den 
jetzigen  sozialen  Verhältnissen  in  jeder  Mittelschulklasse  ein  beträcht- 
licher Bmchteil  der  Knaben  den  für  ein  erfolgreiches  «freies'*  Arbeiten 
BOtwendigan  Fond  von  Intelligenzi  Interesse  und  Willenskraft  yermissen 
läßt  und  doeb  hat  die  Offentliehe  Schule  die  Pflicht,  mit  allen 
mOgliehen  Mitteln  ihre  Schüler  bis  ans  Ziel  zu  steuern.  So  zerstört  auch 
hier  die  raohe  Wirklichkeit  das  lockende  Ideal  und  für  alle  ähnlichen 
Vonehläge,  wie  die  an  sich  so  dankenswerten  Martinaks,  gilt  das 
Weit:  Com  grano  salis! 

Wien.  Ant.  v.  Leclair. 


Vierte  Abteilung. 

Miszellen. 


Literarisehe  Miszellen. 

Christian  Ostermanns  Lateinisches  ObuDgsbuch.  Am  gäbe  fftr 
BeformschaleD,  bearbeitet  tod  Prof.  Dr.  H.  J.  Httller,  Direktor  des 
LaieeQit&dtiseben  Gjmnasinme  io  Berlin  und  Dr.  O.  Miebaelis, 
Direktor  des  BeformrealgTmnasiami  in  Bannen.  I.  und  II.  Teil.  Aai< 
gäbe  B.  Leipsig  und  Berlin  1905,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teabner. 

Mit  der  waehBenden  Zabl  der  Beformgyznnaaien  halten  die  Herans- 
geber ?on  Lese-  nnd  Übangebflchem  fttr  deren  Elementarklasse  gleichen 
Sehritt.  Mit  regem  Eifer  sacben  sie  neae  Mittel  und  Wege  aotfindig  lo 
machen,  nm  den  Schfllem,  die  vor  die  harte  Arbeit  gestellt  sind,  den 
▼ordern  fflr  zwei  Jahre  berechneten  Lehrstoff  nunmehr  in  einem  Jah^e  zu 
bewältigen,  diese  Aufgabe  tunlichst  in  erleichtern. 

Nach  dem  Erscheinen  des  Übangsbaches  von  Reinhardt- Wolif, 
welches  nach  der  Perthesschen  Methode  aasgearbeitet  war,  nntemahm  es 
Dr.  H.  Lattmann,  ein  solches  anf  Grundlage  der  indaktiTen  Methode,  wie 
sie  dessen  Vater  in  seinen  Übangsbücbera  verwertet  hatte,  bersostellen, 
wobei  sogleich  die  Anknflpfnng  des  lateinischen  Unterrichtes  an  den 
französischen  dnrcbgefflhrt  wurde.  Von  dieser  Verwertung  des  Französischen 
ffir  den  Lateinunterricht  machen  auch  die  Verff.  des  TorliegendeD  Baches 
Gebraaefa,  indem  in  der  Wortknnde  in  jenen  Fftllen,  in  denen  die  Kenntnis 
der  entsprechenden  französischen  Bedeatangen  nnd  syntaktischen  Erschei- 
nungen bei  den  Schfllem  voransgesetzt  werden  kann,  diese  in  Klammern 
beigefflgt  sind,  verfolgen  aber  im  flbrigen  einen  von  der  Methode  Latt- 
manns Terscbiedenen  Gang.  Während  dieser,  wie  im  LVL  Jahrgang  dieser 
Zeitschrift  gezeigt  wurde,  der  Induktion  einen  so  weiten  Spielraum  läßt, 
daß  mittels  ihrer  auch  Formen  und  Vokabeln  aas  der  Lektflre  gewonnen 
werden,  dient  sie  bei  jenen  ausschließlich  zur  Erwerbung  syntaktischer 
Kenntnisse.  Infolgedessen  sind  auch  im  großen  undganzendie  einzelnen 
Lektionen  auf  den  gerade  behandelten  Lehrstoff  beschxlnkt;  Torwegge- 
nommene Einzelheiten  dagegen  finden  sieh,  wie  es  in  den  meisten 
Übnngsbflchern  zu  Zwecken  der  Apperzeption  geschieht,  auch  in  unserem 
Buche  nicht  allzu  selten.  Sonach  liegt  in  der  im  Vorworte  S.  V  ent- 
haltenen Forderung:  „Damm  ist....  eine  ängstliche  Vermeidung  alles 
dessen,  was  irgend  verwirren  konnte,  dringend  nOtig;  darum  soll  der 
Schfller  möglichst  gar  nichts  nnverstanden  und  auf  Treu  und  Glauben 
hinnehmen.  Es  ließ  sich  nicht  vermeiden,  Einselausdrflcke  wie  Caesar 
und  pater  vor  der  Zeit  zu  gebrauchen,  diese  aber  lernt  der  Schfller  ein- 
fach als  Vokabeln"  nur  eine  versteckte  Anspielung  auf  ein  flbermäßiges 
Heranziehen  von  Unbekanntem  und  Unverstandenem,  welches  allerdings 


Miszellen.  187 

eisam  sicheren  inethodipchen  Gange  abtriglich  ist.  Aach  hier  gilt  das 
Wort  ^Medio  tutüsimus  t&is*. 

Der  Übnngittoff  ist  troti  seiner  anefa  nach  Aosscheidnng  manches 
ÜBweientlichen  noch  reichen  Ffllle  in  erschöpfender  Weise  in  Einiel- 
litien  rar  Anachaanng  gebracht,  w&hrend  die  snsammenhftngenden  Stücke 
—  auf  25  von  95  Seiten  im  lateinischen,  auf  S4  Ton  107  Seiten  im 
deotseben  Teile  —  Wiederholnngen  bieten,  die  nicht  nnr,  wie  es  im  Vor- 
worte heißt,  ohne  Sehaden  aasgelassen  werden  können,  sondern  Tielmehr 
der  großen  Menge  des  Dbrigen  Stoffes  wegen  werden  aasgelassen  werden 
mflssen. 

Der  Lehrstoff  ist  in  iweckmäßiger  Weise  so  TOrteilt,  daß  mit  der 
eisten  Konjagation,  ond  zwar  savßrderst  mit  den  Imperatiyen  begonnen 
OBd  mit  dieser  Konjagation  sugleich  die  1.,  2.,  4.  and  5.  Deklination 
behandelt  wird«  Diese  Anordnang  gibt  nicht  nar  einer  gründlichen  Ein- 
ftboig  dieaer  grandlegenden  Konjagation  Baom,  sie  ermöglicht  es  aaeh 
den  Yerf,,  den  Übnngsstoff  reichhaltiger  sa  gestalten. 

Die  Einsels&tse  sind  sameist  historiscben  Inhaltes,  in  den  spftteren 
Partien  Tielfach  aas  Nepos,  Cftsar  and  Li?ias  entnommen  nnd  stellen 
dsreh  die  beigefügten  Jahressahlen  eine  innigere  Besiehang  snr  Geschichte 
her.  Stets  bilden  sie,  ob  größeren  oder  kleineren  Umfanges,  ein  abgeron- 
detes,  keiner  Erklftrong  bedürftiges  Gansee.  Zar  Belebung  des  Interesses 
dienen  ancb  swei  Karten:  «Griechenland  im  Altertom"  nnd  i^Die  Be- 
Bitlangen  der  BOmer  and  Karthager  im  Zeitalter  der  panischen  Kriege**. 
Aoeh  die  Sitse  anderen  Inhaltes  sind  anregend,  dem  Gedankenkreise  der 
Schüler  aaf  dieser  Stafe  angemessen  and  wirken  darch  die  Abwechslang 
nicht  ermüdend. 

Die  Wortknnde  ist  lediglieh  mit  Bücksicht  anf  praktische  Benots- 
barkeit  durch  die  Schüler  angelegt;  demnach  stehen  die  Wörter  in  der 
Abfolge,  in  der  sie  in  den  Übangsstücken  vorkommen  nnd  ohne  Angabe 
der  Ginndbedentang.  Hinsichtlich  des  im  Vorworte  8.  X  betonten  Grand* 
•atses,  daß  solche  Wörter,  welche  Gegenstand  der  grammatischen  Be- 
lehrmig  sind,  s.  B.  FürwOrter,  in  der  Wortknnde  überhaapt  nicht  ver- 
leichnet  werden,  seheint  eine  Yerwechslang  der  Aasdrücke  „Wortkon de* 
sod  «WOrterTerseichnis*  Torsaliegen.  In  dem  letsteren  sind  sie,  wie 
es  selbstTerstftndlich  ist,  nicht  mehr  angegeben,  in  der  Wortknnde 
dsgsgen  findet  man  die  Mehnahl  derselben  übersetst,  und  swar  nicht 
um  Nachteile  dieses  Elementarbaches,  in  welchem  die  Pronomina  knapp 
an  das  Ende  der  Formenlehre  gerückt  sind. 

Dem  ersten  Teile  ist  die  Formenlehre  Ton  Dr.  H.  J.  Müllers 
Lateinischer  Sehnlgrammatik,  Ansgabe  B  (3.  Aofl.  1904),  beigegeben.  Den 
Schloß  des  Baches  bilden  Sprichwörter  and  sprichwörtliche  Bedensarten. 

Die  Aosführang  seigt  bis  ins  kleinste  die  grOßte  Sorgfalt  Der 
•prachliche  Ansdmek  ist  im  lateinisohen  nnd  deutschen  Teile  eeschmack- 
fott  ond  ohne  TadeL  Die  Aosstattnng  nnd  der  Drack  ist  allen  Anfor- 
derongen  entsprechend.  Es  ist  sohin  gewiß,  daß  dieses  treffliche  Bach, 
wie  es  anf  den  Lerneifer  der  Schüler  einwirken,  so  aaeh  Ton  den  Lehrern 
als  FOrdemngsmittel  des  Unterrichtes  willkommen  geheißen  werden  wird. 

Tesehen.  Hermann  Bill. 


Basi  Pietro,  De  positione  debili,  quae  vocatar,  sea  de  syllabae 
aneipitis  ante  mutam  com  liquida  nsn  apad  Tiballum. 
Estratto  dai  «Bendiconti"  del  B.  Ist.  Lomb.  di  sc.  e  lett.,  Serie  II, 
VeL  XL,  1907,  p.  658—678. 

Die  Untersnchnng  kommt  nach  Anfsählnng  and  Gruppierang  allei 
Fllle  sa  folgendem  Besaltate:  nTünUlum  non  aliter  aique  ceteros  poetm 


188  Miszellen. 

optimoa  syüabam  natura  brevem  ante  mutam  cum  liquida  arhitrio  suo 
modo  brevem  retinuisse'modo  longam  effecisse  prout  ad  versus  condendos 
et  numerosam  verborum  conelusionum  assequetidam  id  suo  commodo 
fiebat;  hanc  vero  syllabam  saepius  aut  brevem  in  thesi  aut  Umgarn  in 
arsi  ^am  longam  in  thesi  usurpasse  nüüamque  rationem,  ne  in 
adiectivo  quidem  vel  substantivo  a  litteris  sacr  ineipiente  excepto, 
syUabae  subsefuentis  habuisset  quam  vel  praeeunte  syüdba  longa  in 
positione  debüt  satis  mtUtis  exemplis  efficitur  mensura  longa  sive  in  arsi 
oive  in  thesi  sine  ullo  discrimine  ac  promiscue  notatam  esse  a  Tibüth". 

EremBmÜDBter.  Dr.  Adslbero  Hii«n]er. 


Dr.  Ernst  Bichter,  XeDophon  in  der  römischen  Literatnr. 
Abdraek  aus  dem  Jahresberichte  des  Königlichen  Kaiserin  AngnsU- 
Gjmnasinms  sa  Gharlottenbarg.   Oitern  1905.   24  SS. 

Der  Verf.  will  feststellen,  wie  weit  Xenophon  and  seine  Schriften 
in  der  lateinischen  Literatur  gekannt  sind,  jedoch  nicht  etwa  einen  Ein- 
fla(S  Xenophontischer  Schriftstellerei  in  römischen  Literatnrwerken  naeb- 
weisen,  sondern  nnr  die  Stellen  zasammen tragen,  wo  lateinische  Antoren 
nominatim  Ton  Xenophon  reden  oder  ans  seinen  Werken  berichten.  Ali 
ersten  Römer,  der  eine  Kenntnis  Xenophontischer  Schriften  besaß,  nenot 
der  Verf.  den  ftlteren  M,  Porcius  Cato.  Besser  soll  es  wohl  heißen,  daß 
ihm  diese  Kenntnis  Ton  Cicero  in  der  Schrift  Aber  das  Greieenalter  in 
den  Mnnd  gelegt  wird.  Die  meisten  Stellen  Aber  Xenophons  Schriften 
nnd  die  Benrteiiang  seines  Stils  finden  sich  bei  Cicero,  Aber  die  Penon 
Xenophons  berichtet  er  aber  fast  nichts  (S.  4 — 10).  Die  lateinische  lite- 
ratur  ist  in  der  angegebenen  Richtang  bis  auf  den  Bischof  Ton  Serilia. 
Isidorus,  von  dem  Verf.,  soweit  ein  Urteil  möglich  ist,  in  erschöpfender 
Weise  dorchforscht  worden.  Nene  Beiträge  fflr  die  Benrteiiang  Xenophooi 
und  seiner  Werke  ergeben  sich  aas  dieser  Znsammenetellang,  die  als  eine 
Vorarbeit  gelten  soll  (S.  3),  allerdings  noch  nicht. 

Wien.  Franx  Kam. 


Cviöebnice  jazyka  n^meck^ho  pro  prvnf  a  dmhou  tfida  skol 
stfednfch  (Obungsbuch  der  deutschen  Sprache  für  die 
I.  nnd  II.  Klasse  der  Mittelschulen).  Verfant  Ton  Edssrd 
Onf  ednidek.  8.  gänslich  nmgearbeitete  Auflage  mit  einem  Bilde. 
Brflnn  1906,  Dmck  nnd  Verlag  der  k.  nnd  k.  Hofbnchhandlong  Karl 
Winiker  in  Brflnn.   Gr.-8«,  IV. 

Die  Torliegende  8.  Auflage  bedeutet  im  Vergleich  su  der  1.  (deren 
Anzeige  ich  in  dieser  Zeitschrift  Jahrg.  1890,  S.  584  ff.  und  1891,  8.458<r. 
gebraäit  habe)  einen  merklichen  Fortschritt.  Erfahrung  macht  klug!  So 
kam  es  denn,  daß  der  erste  Versach  des  nnnmehr  auf  dem  Gebiete  des 
deutseben  Sprachunterrichtes  an  böhmischen  Mittelschulen  erprobten  Verf. 
erhebliche,  Inhalt  und  Form,  ja  in  gewisser  Hinsicht  sogar  die  Methode 
betreffende  Änderungen  und  Umgestaltungen  mußte  ttber  eich  ergeben  Issesb. 

Inhaltlich  bewegt  sich  nun  der  Übungsstoff  auf  durchaus  prsk- 
tischem,  dem  Schiller  wohlbekanntem  Boden.  Altertflmelnde  Lesestfteke 
der  1.  sowie  der  ein  wenig  modifizierten  2.  Auflage  maßten  jetst  modeneo 
Gestalten  und  Erscheinungen  aus  dem  alltftglicben,  anschaulichen  Uttn 
Platz  machen.  Schule  und  Kirche,  Haus  und  Hof,  Speisen  und  Getrinke 


Miszellen.  189 

geben  einen  ebeoso  dankbaren  Lese-  und  Spreehstoff  ab  wie  Post,  Tele- 
gfipb  0.  a.  m.  Mit  einem  Worte  ist  sowohl  die  Auiwahl  als  aaeb  die 
Aofeioanderfolge  diesmal  gani  danach  angetan,  das  allseitigste  Interesse, 
des  lernenden  wie  aaeh  des  lehrenden  Teiles  su  erreeen,  zamal  da  gegen 
Erlabmong  desselben,  bezw.  Ermattung  beim  Unterrichte  durch  mancherlei 
{oten  Witi,  fesselnde  Anekdoten,  spannende  Bätsei  und  last  not  Ucut 
durch  das  dem  Bache  als  Veranschanliehnngsmittel  fflr  eine  stattliche 
fieibe  von  Lesesttlcken  beigegebene,  in  Farbendruck  ansgefQhrte  Bild 
«Der  Frahling**  reichlich  ?orgesorgt  wurde.  Soviel  Aber  den  Inhalt  der 
6täeke  und  den  daraus  sich  ergebenden  Unterriehtsgang. 

Es  wäre  nur  noch,  sei  es  in  logiseher  oder  ästhetischer  Hinsicht, 
IQ  indem  oder  fallen  su  lassen :  8.  9  Ich  bin  alt  (si^  ein  Primaner). 
Ziemlich  wässerig  ist  Njr.  82,  8.  16  nnd  lOl/XIY.  S.  20,  St.  87  dürfte ' 
eine  Fassung,  wie:  ^Über  diesen  langen  Weg  geht  ein  schmuckes 
Hidehen.  Es  nähert  sich  dem  Ufer.  Unweit  des  Ufers  sieht  man  einen 
großen  Hund  nnd  ein  kleines  Kind"  Torsaiiehen  sein.  Der  sprachliche 
Ausdruck  des  Dbungsstoffes  sowie  der  Stilisierung  der  daraus  induktiv 
erfiießenden  grammatischen  Begeln  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  (S.  5,  10 ; 
6. 11;  7,  12 d;  9,  15;  17,  88;  22,  42;  28,  58a;  78,  155a)  korrekt.  Aus- 
nmersen  sind  die  Sätse:  8. 24,  446:  einige  Ketten  —  Angen  nnd  Ohren; 
8.  25,  49  c  Anfregnngen  und  Leidenschaften  —  unbekannt. 

Indes  find  die  hier  berQbrten  Mängel  nicht  der  Art,  daß  sie  den 
positiTen  Wert  des  bereits  approbierten  nnd  nett  ausgestatteten  Buches 
irgendwie  beeinträchtigen  konnten.  Wir  empfehlen  es  daher  tum  Unter- 
ricbtsgeb rauche  aufs  wärmste. 

Olmftti  Dr.  Fr.  Ko?äf. 


Deatsche  Bedelehre  yon  Hans  Probst.    Dritte,  Terbesserte  Auflage. 
Leipsig  1905.   Sammlung  Göschen. 

Das  BAehlein  ist  klar  disponiert.  Es  beginnt  mit  der  Lehre  Tom 
Aosdrack,  erledigt  rasch,  was  die  Beinheit  der  Sprache  stOrt  (der  kon- 
krete Ansdmck  wird  als  der  wirksamste  empfohlen),  durchleuchtet  die 
Tropen  nnd  Figuren,  hilft  den  einfachen  Sati,  die  SatsTerbindung,  das 
SatigefBge  (besonders  instruktiT  wird  im  §  18  der  Gnmdban  des  Hanpt- 
ssd  llebenaatses  Torgeffthrt)  und  die  Periode  richtig  bauen,  Oberall  der 
Knft  des  Mnsterbeispiels  ? ertranend.  Der  II.  Teil,  die  Lehre  Tom  Inhalte, 
lehrt  in  treffender  K!flne,  wie  der  Wahmehmungsstoff  in  Erzählung,  Be- 
•ehreibnng,  Charakteristik  und  Schilderung  su  sichten  und  anzuordnen 
ist  Der  §  88  lehrt  einfach  nnd  anschaulich  den  Unterschied  zwischen 
der  sprachlichen  Darstellung  und  der  Darstellung  in  Stein  oder  Farbe. 
Wie  dem  Begriffsstoffe  beiznkommen  ist,  erarbeitet  sich  das  Bflchlein 
dsreh  geschickte,  leicht  faftliche  Darstellung  des  Begriffs,  des  Urteils, 
des  BeweisTorfahrens.  Damit  ist  der  Weg  su  einsichtigen  Batschlägen 
gebahnt,  wie  der  Stoff  zn  Themen  gesammelt,  gegliedert  und  in  der  Aus- 
arbeitung gerundet  werden  soll.  Ein  Überblick  Ober  den  Einfluß  der  be- 
deutendsten Schriftsteller  auf  die  Entwicklung  der  deutschen  Prosa  be- 
sehlieftt  das  Büchlein. 

Der  ruhige,  gemessene  Lehrton,  die  reine,  deutliche  Sprache  werden 
es  dem  Laien  leicht  machen,  sich  eine  sichere  Kenntnis  der  Bedelehre 
aozaeignen.  Der  Lehrer  kann  sich  aus  dem  Handbuche  manchen  Wink 
f&r  den  Aufsatsnnterricht  zunutze  machen. 

Wien.  Ferdinand  Holiner. 


192  fiiageseodet. 

Anton  Auanpergt.  BealMhalprof.  Dr.  A.  Stein:  Aot  dem  Archiv  eines 
rOmifleben  Kommandanten  in  Agjpten.  —  22.  Jannar  1907:  UniT.Prof. 
Dr.  S.  Stein  her  i:  Die  lateiniechen  Handschriften  der  Prager  ÜniTersitits- 
bibiiothek.  Hofrat  Uniy.-Prof.  Dr.  A.  Biach:  Nachruf  auf  Wilhelm  von 
HarteL  Univ.-Prof.  Dr.  H.  Swoboda:  Nachruf  auf  Otto  Benndorf  und 
Wilhelm  Dittenberger.  —  19.  Februar:  Gjmn.-Prof.  Dr.  J.  £ndt:  Die 
Persönlichkeit  Homers.  Doi.  Dr.  D.  Hersog:  Kachruf  auf  Morits  Stein- 
achneider. —  12.  M&n:  Dos.  Dr.  J.  Eeisenmeier:  Gibt  es  eine 
Kontiniuit&t  der  philosophischen  Forschung?  ^  28.  April:  Dos.  Dr.  H. 
Sohm  erb  er:  Empire  und  die  moderne  Kunst.  >-  7.  Mai:  Uniy.-Prof.  Dr. 
O.  Weber:  Über  Friedjungs  letstes  Buch.  —  11.  Juni:  Doz.  Dr.  J. 
PoUak:  Geschichte  der  Keilschriftentsifferung.  ^  9.  Juni:  Hofrat  Dr.  A. 
Bsach:  Baalbek-Heliopolis. 

An  die  Yortr&ge  pflegten   sich  Besprechungen    und    gemfltliche 
Zusammenkünfte  ansaschbeßen. 


Eingesendet 

Im  Verlage  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  ist  Tor  kursem 
eine  farbige  Original-Lithographie  erschienen:  „Der  Parthenon''. 

Wir  wissen,  daß  das  Problem,  ein  Bild  des  in  der  Umgebung  sahl- 
loser  Statuen  und  anderer  Weihgeschenke  strahlend  anfragenden  Parthenon 
unseren  Sinnen  zu  erschließen,  der  arch&oloeischen  Forschung,  welehe 
das  Unerwiesene  verwirft,  nicht  gelingen  kann.  Sollen  wir  deshalb 
darauf  verzichten,  dem  Traumbilde  Gestalt  zu  geben,  welches  der  Anblick 
der  Baine  vor  dem  inneren  Auge  des  Wissenden  erstehen  Ußt?  Sollen 
wir  uns  begnflgen,  der  Jugend  von  der  Herrlichkeit  der  g^echischea  Kunst 
durch  ungeschickte  kleine  Buchdrücke  oder  Photographien,  welche  die 
Bauwerke  als  dunkle  Masse  auf  hellem  Grunde  erscheinen  lassen,  falsche 
Begriffe  zu  geben? 

Dr.  arch.  Oskar  Strnad  hat  den  Versach  gemacht,  den  Parthenon 
inmitten  seiner  einstigen  Umgebung  farbig  darzustellen.  In  dichterischer 
Inapiration  bat  er,  von  eminentem  Können  begflnstigt,  twar  ohne  jade 
Pedanterie,  welche  die  Sache  von  Tomherein  unmöglich  gemacht  bitte, 
aber  unter  sorefältiger  Beobachtung  und  Benutzung  der  Torhandenen 
Qaellen  ein  Bild  geschaffen,  welches  dienen  soll,  zunächst  der  Jn^end 
der  Mittelschulen  die  farbenfreudige  Herrlichkeit  der  griechischen  Kunst 
?or  Augen  zu  f Ohren.  Wie  eine  schöne  Vision  steht  Aber  dem  Gewflbi 
▼on  Statuen  und  dazwischen  wandelnden  Menschen  der  Wonderbau  des 
Tempels;  licht  auf  dem  blauen  Grunde  der  Luft,  die  starken  Farben 
darch  das  alles  umfließende  Licht  gemildert. 

Gewiß,  das  Untemebmen  ist  kflbn  und  mancher,  besonders  unter 
den  Nichtkünstlern,  wird  sagen:  Das  habe  ich  mir  anders  gedacht?  Das 
soll  uns  aber  nicht  abhalten,  uns  dieses  wunder?ollen  Blattes  zu  freuen 
und  durch  dasselbe  die  Phantasie  der  Jugend  anzuregen. 

Wien.  G.  Niemann. 


Erste  Abteilung. 

Abhandinngen. 


Kritische  Beitr&ge  zu  den  ADf&ngen  Ferdinands  I.^). 

Unter  dem  Titel:  „Die  Anfänge  Ferdinands  I.**  ist  im  Yer* 
la^e  Ton  Branmüller  1907  in  Wien  nnd  Leipzig  eine  Habilitations- 
schrift von  Wilb.  6 an  er  erschienen,  deren  Besprechung  nnd  Er- 
gftomng  die  folgenden  Zeilen  gewidmet  sind.  Der  Umfang  meiner 
Darbietung  wird  wohl  dnrcb  das  Interesse  gerechtfertigt  sein, 
welches  das  Thema,  besonders  in  Österreich,  beanspmchen  darf, 
daoo  aber  anch  dnrcb  die  Arbeitsweise  des  Antors. 

Erzherzog  Ferdinand  ist  zweifellos  eine  bedeutende  historische 
Figror.  Aber  die  Sympathien  des  Antors  fnr  ihn  hatten  manchmal 
üiteile  znr  Folge,  die  man  zwar  psychologisch  yerstehen  kann,  die 
aber  objektiver  Prüfung  schwerlich  standhalten  können.  Es  gilt 
^ies  Dftmlich  für  die  Frage  der  Landausstattung  des  Erz* 
berxogs. 

Die  Landausstattung  hat  eine  seltsame  Vorgeschichte,  über 
^ie  ich  mich  früher^)  in  folgender  Weise  ausgesprochen  hatte: 
9E1  scheint,  daß  Karl,  Tielleieht  mehr  überredet  als  aus 
eigenem  Antriebe,  einer  Regelung  der  Erbfolge  mit  Absiebt  aus- 
vicb.^  Ale  teils  eingestandene,  teils  mögliche  MotiTe  dieser  Zö- 
f«rung Karls  ffthrte  ich  für  1518  an:  1.  Die  noch  nicht  erreichte 
Velljabrigkeh  Ferdinands,  ohne  welche  Karl  keine,  Dauer  verspre- 
chenden Yereinbamngen  treffen  zu  können  erkl&rte ;  2.  den  etwaigen 
Wanseh  Karls,  das  ganze  Maximilianische  Erbe  allein  anzutreten, 
Ferdinand  dann  anderswo  zu  entschädigen;  8.  die  bisher  absicht- 
lieh genftbrte  Hoffnung  der  Ungarn,  schließlich  doch  noch  Karl 
>titt  Ferdinands  zum  Gemahl  ihrer  Prinzessin  Anna  zu  bekommen. 
Ich  fSgte  femer  hinzu:  „Wichtiger  war  aber  die  Erwägung,  ob 
der  Kaiser   seinem  Bruder  überhaupt  gestatten  sollte   zu  beiraten. 


*)  «Oetehiehte  dea  ThroBfolgerechtea  io  allen  hababorgiachen  Lan- 
dtm  1156-1782«,  Wien,  Fromme  1908,  8. 155  ff. 

Zrilnkiin  f.  a.  tetVT.  OyBn.  190e.  IIL  H«A.  18 


194  Krititehe  Beitrige  in  den  Anfängeii  Ferdinands  I.  Von  G,  Twrba. 

Denn  die  Heirat  bedeutete,  da  man  Ferdinand  schwerlieh  ohne 
Landanestattnng  lassen  konnte,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine 
danemde  Teilung  innerhalb  der  gesamten  Lftndermasse,  welche 
Karl  ererbt  hatte .  .  .  Jetzt  schien  eine  Verheiratang  eine  Gefahr 
ffir  die  Einheit  des  Uanses  und  des  Besitzes  zn  sein.  8  ich  er  lieh 
zögerte  der  Kaiser.  Eine  Zeitlang  war  es  also  sehr  ungewiß, 
ob  das  Vorrecht  des  Ältesten,  wie  es  das  Mains  formuliert  hatte, 
über  Ferdinands  Gleichberechtigung  den  Sieg  davontragen  würde. 
Aber  politische  und  religiöse  Rücksichten  nötigten  dem  zwanzig- 
jährigen Kaiser  einen  folgenreichen  Entschluß  ab,  ohne  den  Ferdinand 
in  österreichischen  Lftndem  nie  Landesherr,  sondern  höchstens 
Regent  freworden  würe**.  Zum  Worte  ^religiösen''  fügte  ich  als 
Anmerkung  hinzu:  „»^1^  undatierter,  aber  sieher  SlJahre  sp&ter 
geschriebener  Brief  des  Herrn  Logos  an  einen  ungenannten  gibt 
an :  „Der  Beichtvater  Karls  V.  meinte :  ^Wollte  man  Ferdinand  zur 
Ehelosigkeit  zwingen,  so  könnte  dies  Gottes  Strafe  und  den  Verlust 
alier  Staaten  zur  Folge  haben  ...*''  Die  Gewinnung  des  Beichtvaters 
sei  das  Werk  des  Spaniers  Salamanca  gewesen;  dessen  fabelhaft 
rasche  Bereicherung  und  großer  Einfluß  auf  Ferdinand  sei  davon 
abzuleiten.''*' 

Dazu  bemerkt  nun  Bauer  S.  141:  „Wenn  Turba  auf  Grund 
einer  mindestens  81  Jahre  sp&ter  hingeworfenen  Bemerkung  wirk- 
lich annimmt,  daß  Karl  die  Absiebt  hatte,  seinen  Bruder  unver- 
heiratet zu  lassen,  um  nicht  in  eine  Teilung  willigen  zu  müssen,  so 
ist  dem  entgegenzuhalten,  daß  gleichzeitige  Quellen  davon  nichts 
wissen",  und  B.  führt  dann  aus,  derartiges  w&re  sch&dlich,  un- 
gerecht und  unklug  gewesen.  „Es  mag  ja  vielleicht  der  eine  oder 
andere  Ratgeber  Karls  solch'  unnatürlichem  Plane  das  Wort  ge- 
redet haben."  Aus  meinen  angeführten  Worten  ist  aber  zu  ersehen, 
daß  ich  nicht  behauptet  hatte,  Karl  habe  persönlich  jene  Ab- 
sicht verfolgt  oder  ausgesprochen,  ja  ich  habe,  gerade  weil  ich 
dies  für  unsicher  hielt,  femer  weil  darauf  einzugehen  dem  Zwecke 
meiner  Darlegungen  damals  ferne  lag,  dem  Leser  folgenden  Satz 
in  jenem  Briefe  erspart:  „Havendo  egli  preseniüo  [Salamanca] 
che  Panitno  deW  Imperatare  era  dt  far  per8uader$  Sua  Maestä 
[Ferdinand,  damals  nur  Erzherzog]  ä  tum  prender  mogliß,  aocioehk 
li  statt  non  ai  diauniaaero,  fece  officio  con  ü  con/uacr**  ^).  Grund 
zu  einer  Polemik  lag  demnach  keiner  vor. 

Aber  so  ganz  unwahrscheinlich  ist  es  dennoch  nicht,  daß 
wenigstens  eine  Zeitlang  in  der  Umgebung  Karls  der  aller- 
dings sehr  sp&t  bezeugte  Plan,  Ferdinand  die  Heirat  mit  Anna 
oder  das  Heiraten  überhaupt  auszureden,  tats&chlicb  bestanden  hat. 
Ich  weise  hiebei  nur  auf  die  Angaben  B.s  hin,  welcher  es  wieder- 


1)  Weiß,  Papiera  cCitat  du  cardiwil  de  GranveUe.  Paris  184S, 
IV  (nicht  V,  was  ein  Draokfehler  in  meiner  Geschichte  des  Thronfolge- 
rechtes war)  S.  384. 


KriÜMhe  Beitrige  sn  den  Anfängen  Ferdinands  I.  Von  G.  Twrha.  195 

holt  selbst  ausgesprochen  hat,  daß  die  Bäte  Karls,  besonders,  wie 
«r  sagt,  .der  Nimmersatt*'  GbiÖTres,  den  er  als  das  Hanpthin- 
dsrnis  ffir  die  Erfüllung  von  Ferdinands  Wflnschen  bezeichnet 
(8.  28,  114,  184,  185),  „am  liebsten  anch  Osterreich  allein  ver- 
schlongen  h&tten"  und  dem  Infanten  nnr  eine  magere  Abfindung 
gewfthren  wollten  (8.  72,  108,  110,  166),  bis  „die  Macht  der  Ver- 
hältnisse*', „äußere  umstände*'  (8.  184,  185),  besonders  aber  das 
driogiiche  Verlangen  der  Ungarn  nach  Ausstattung  Ferdinands 
mit  Osterreich,  dann  auch  der  vom  Verf.  fast  gar  nicht  in  Bech« 
Dung  gezogene  spanische  Aufstand  dem  Erzherzoge  zuhilfe  kamen 
(8.  112  f.,  116).  Diese  Landausstattung  war  schon  in  einem 
Vertrage  Maximilians  L  mit  KOnig  Wladislav  November  1507  be- 
stimmt, 1515  allerdings  nicht  wiederholt  worden.  Landausstattung 
ond  Verheiratung  Ferdinands  hingen  eben  aufs  innigste  zusammen, 
M  daß,  wenn  die  Heirat  unaufschiebbar  wurde,  dasselbe  auch  für 
die  Landausstattung  galt.  Eine  gewisse  Mitwirkung  des  kai- 
lerlichen  Beichtvaters  und  Salamancas  in  den  Verband- 
luigen  Yon  1520/21  und  1521/22  fiber  die  beiden  Brbteilungen 
•eheint  mir  ferner  durchaus  nicht  bloß  legendenhaft  oder  gar  un- 
möglich (8.134  f.)  Diese  Mitwirkung  ist  fflr  die  zum  zweiten, 
dem  Brüsseler  Teilungsyertrag  vom  7.Febniar  1522  ffihren- 
den  Verhandlungen  sogar  unbestreitbar  sicher.  Dafür  liegen 
ngar  zwei  ziemlich  gleichzeitige  Zeugnisse  Erzherzog  Ferdinands 
TOT,  von  denen  aber  Bauer  nur  das  Salamanca  betreffende  ver- 
wertete, wobei  er  selbst  anerkannte,  daß  die  Grdße  des  Erfolges 
FerdiaandB  dar  ,pgeriebenen  Kaufinannsschlauheit'  (8.  168)  Sala- 
mancas zu  danken  war^).  Aber  auch  das  den  Beichtvater  Jean 
Qlapion  betreffende  Zeugnis  hätte  B.  hervorheben  mfissen.  No- 
rember  1522  ließ  nämlich  Ferdinand  den  Kaiser  daran  erinnern, 
daß  dieser  ihm  bei  Beginn  der  zweiten  Verhandlungen  schon  in 
Oent  (Mitte  Dezember  1521)  ursprfinglich  auch  die  elsässischen 
Gebiete  vererblich  zugestanden  habe,  erst  später  durch  andere 
davon  wieder  abgebracht  worden  sei,  und  Ferdinand  fflgte  hinzu: 
„wie  dies  Gimpion,  Beichtvater  des  Kaisers,  wenn  er  noch  lebte, 
bezeugen  kOnnte,  und  wie  der  Kaiser  selbst  weiß**').  Warum  wird 
nur  Olapion  als  Zeuge  hiefür  genannt?  Wohl  deshalb,  weil  nie- 
mand Anderer  so  sehr  das  Intimste  von  diesen  Verhandlungen  er- 
fahren hatte  und  zugleich  dem  Erzherzog  so  wohlgesinnt  gewesen 
war.  Daß  femer  der  Einfluß  Glapions  schon  frflher  groß  war, 
kann  man  aus  Bauers  eigenen  Angaben  schließen  (8.  35,  Anm.  2, 


^)  Am  Kalserbofe  wUnsehte  man  1524  sogar,  ihn  von  Ferdinands 
Hefe  SU  entfernen  (B.  209). 

*)  Oamwu  sofs  eanfessewr eut  pm  teatnoingner  ///,  si  fust 

mtie  et  arnui  Sadite  Majuti  U  $eaü.  Ms.  684.  l  fol.  2.  des  Wiener 
Stiatsarchivs  (auch  von  Baoer  benCtst,  hier  aber  nicht  zitiert).  Jean 
Glapion  starb  gegen  Ende  Aognst  oder  Anfang  September  1522.  Collec- 
tnm  de9  voffogu  d€$  souverainB  de$  Pays-Baa.  Brnzelles  1874,  II,  p.  67. 

18» 


196  Krititche  Bfiträge  la  des  Anflogen  Ferdinands  I.  Von  G.  Turha. 

146).  Nach  Chiöyres'  Tod,  womit  die  Gegenwirkungen  in  der  Brb- 
teiinngefrage  anfbOrten,  war  wohl  Qlapions  Einfloß  noch  größer 
geworden.  Salamanca  dürfte  Bauers  Angaben  (S.  167)  gem&ß  anch 
während  der  ersten  Erbteilnngsverhandlongen  in  Ferdinands  Nähe 
geweilt  haben;  freilich,  ob  er  damals  ähnlich  große  Dienste  wie 
bei  den  zweiten  ErbteilnngsTerhandlnngen  geleistet  hat,  ist  in  Fer- 
dinands Zeugnis  nicht  gesagt. 

B.  glaubt  ferner  (S.135)  Grund  zu  einer  Polemik  gegen  mich 
in  anderer  Sichtung  zu  besitzen.  Er  sagt  nämlich:  „„Wenn  Inrba 
behauptet,  „eine  Zeitlang  war  es  also  ungewiß,  ob  das  Vorrecht 
des  Ältesten,  wie  es  das  Mains  formuliert  hatte,  ftber  Ferdinands 
Gleichberechtigung  den  Sieg  davontragen  würde'',  so  fiele  es  wohl 

schwer,  hiefär  einen  Beweis  zu  erbringen Daß  man  je  das 

Hains  zur  Grundlage  der  Verhandlungen  machte,  wird  sich  kaum 
erweisen  lassen.  <*'*  Derartiges  zu  behaupten,  ist  mir,  wie  sich  der 
Leser  durch  den  früher  (s.  oben  8.  194)  angeführten  Wortlaut  meiner 
Äußerung  überzeugen  kann,  nie  eingefallen.  Wie  sich  aus  diesem 
Wortlaute  und  aus  dem  ganzen  Zusammenhange  ergibt,  wollte  ich 
vielmehr  bloß  vom  Standpunkte  des  historischen  Verlaufes  der  Thron- 
folgeentwicklung die  Tatsache  feststellen,  daß  es  wegen  der  Zö- 
ge rung  Karls  eine  Zeitlang  ungewiß  war,  ob  die  Sukzession  des 
Ältesten  im  Sinne  des  Mains  in  den  österreichischen  Ländern 
eintreten  werde,  oder  ob  der  zuletzt  im  XV.  Jahrhundert  verfochiene 
Anspruch  auf  Gleichberechtigung  aller  Männer  dee  Hauses  Öster- 
reich, wie  er  in  Maximilians  Testament  durch  Erbeinsetzung  zu- 
gleich Karls  und  Ferdinands  und  auch  von  Karl  V.  aufs  neue  an- 
erkannt worden  war  (B.  141),  wenigstens  in  Bezug  auf  Teilung 
der  Erträgnisse  der  österreichischen  Länder  zum  Siege  gelangen 
werde.  Dies  letztere  war  im  ersten  Er bteilungs vertrage  von  1521 
in  der  Tat  einer  der  leitenden  Gedanken. 

Konnte  sich  dieser  Vertrag  und  der  zweite  von  1522  auch 
auf  das  nicht  österreichische  Erbe  Karls  beziehen? 

Entsprechend  der  ley  II,  tit.  XV,  part.  II  aus  der  Zeit  des 
Königs  Alfons  X.  des  Weisen  von  Kastilien  hatte  Königin  Isabella 
von  Kastilien  in  ihrem  Testamente  von  1504  den  Wunsch  ausge- 
drückt, daß  für  Ferdinand  in  der  Weise  gesorgt  werde,  wie  es  in 
Kastilien  für  nichtregierende  Prinzen  üblich  sei.  Oberdies  konnte 
an  eine  Teilung  der  spanischen  Königreiche  schon  wegen  der  feier- 
lichen Eide  nicht  gedacht  werden,  die  Ferdinand  der  Katholische 
von  Arragonien  vor  und  nach  der  Hochzeit  mit  dieser  Isabella  zu 
Gunsten  der  üntrennbarkeit  der  spanischen  Königreiche  geleistet 
hatte,  und  so  sicherte  er  Karls  Alleinsukzession  auch  1510  in 
Kastilien.  Man  darf  ferner  behaupten,  daß  auch  in  dem  nieder- 
ländisch-burgundischen  Erbe,  den  eigenen  Thronfolgegesetzen  dieser 
Länder  gemäß,  ohne  besondere  Verzichte  Karls  an  eine  Ländertei- 
lung  zu  Gunsten  Ferdinands  nicht  zu  denken  war.  Trotz  der  außer- 
ordentlichen Liebe,  mit  der  der  spanische  Großvater  seinem  gißich- 


Krititche  Beitrftge  tu  den  Anfftngeo  Ferdinands  I.  Von  G.  Turba.  197 

Dimif^tn  Enkel  zugetan  war,  bewegten  sich  darum  seine  auf  dessen 
kioltige  VereorgQng  bezöglichen  Verhandlungen  immer  nur  in  der 
RiebtDOg,  daß  dem  Erzherzog  nnd  Infanten  ein  teils  oberitalie« 
iiJMhaiy  teile  mittelitalienisches  Beich  als  dentsches  Beicbsleben  mit 
9iw  ohne  Tirol  verliehen  werde,  aber  nnr  gegen  ausdrückliche  Ver- 
zicbte  Erzherzog  Ferdinands  auf  alle  Österreichischen  Linder,  be- 
liehnogsweiee  auf  die  meisten  derselben  (B.  16,  19,  20).  Ähnlich 
plioUn  Karl  und  Kaiser  Maximilian  noch  1517  die  Errichtung 
eines  „Königreichs  Italien*,  das  vom  Nordwesten  der  Adria  bis  tief 
Dieb  Toskana  hinein  reichen,  ebenfalls  ein  erbliches  deutsches 
fisiehsIehM  sein  und,  wenn  nicht  Karl  selbst,  seinem  Bruder  Fer- 
dioaod  zufallen  sollte i).  Daneben  scheint,  wenigstens  1515,  Fer- 
dioaads  Ausstattung  mit  dem  Königreich  Neapel  als  päpstlichem 
Lehsn  mindestens  ernstlich  erwogen,  wenn  nicht  vielleicht  schon 
durch  ein  pftpstliches  Belehnncgsverspreohen  für  die  Zeit  nach  dem 
T(Mie  Ferdinands  des  Katholischen  in  die  Wege  geleitet  worden  zu 
sein.  Schon  früher  konnte  ich  auf  ein  allerdings  viel  zu  sp&tes, 
aber  sehr  bestimmtes  Zeugnis  aufmerksam  machen  (B.  69),  nach 
welchem  Ferdinand  von  Maximilian  I.  1515  als  künftiger  König 
Nespels  bezeichnet  worden  war.  Bei  allem  Vorbehalte,  welchen  ich 
wegen  Unzulänglichkeit  der  Zeugnisse  machen  muft,  möchte  ich  doch 
dsriof  hinweisen,  daß  die  Oründung  einer  eigenen  Dynastie  im  pftpst- 
lieben  Lehen  Neapel  durch  Erzherzog  Ferdinand  und  seine  Nach- 
kommen, wenigstens  eine  Zeitlang,  dem  Papst  minder  gefähr- 
lich und  aooehmbsrer  erscheinen  mußte  als  die,  alten  Gedanken  ent- 
•prechend,  in  Born  aufs  neue  für  inkompatibel  erklärte  Verbindung 
vni  römisch -deutschem  Kaisertum  und  neapolitanischem  Königtum. 
Ab  dieeer  Inkompatibilität  hat  man  in  Bom  mindestens  vor  Karls  V. 
römischer  Königswahl  festgehalten').  Mit  Becht  macht  B.,  wenn 
auch  nicht  hl  solchem  Zusammenhange,  darauf  aufmerksam  (8.  71, 
74,  80,  Anm.  1),  daß  Erzherzog  Ferdinand  mindestens  überall  in 
allen  österreichischen  Ländern  König  genannt  wurde,  so  viel  ich 
derzeit  seheD  kann,  auch  nach  Maximilians  Tod  im  Jahre  1519. 
Bioe  Erklärung  dafür  hat  B.  nicht  gegeben.  Ich  wage  noch  nicht 
ZQ  entscheiden,  ob  sich  dieser  Königstitel  auf  den  Plan  einer  nur 
Dich  Karls  deutscher  Königswahl  auszuführenden  Ausstattung  Fer- 
dinands mit  Neapel  oder  auf  ein  zu  schaffendes  österreichi- 
iches  Königreich  oder  am  Ende  gar  nur  auf  eine  Verleihung  Ma- 


M  Manum,  Hahgburgiea,  KorreepoodeDS  Kaiser  Karls  V.,  Wien 
18^  IL  Abt.  I.  Band,  8.  87. 

^  Noch  1527  erinnerte  Papet  Klemens  VII.  in  einer  (undatierteo) 
Denlnehrift  für  den  zum  Kaiser  beetimmten  Kardinal  Famese,  daß  er  «elbat, 
damili  Kardinal,  es  gewesen  sei,  der  dem  Papste  Leo  X.  nach  der  K^dIj^s- 
wähl  geraten  babe,  diese  Wahl  zu  bestätigen  nnd  den  Kaiser  la  absol- 
vieren ^daUa  stwonia,  dal  ptrffiwro,  che  ncn  poUva^  esaendo  JU  di 
A  apoli,  Beeondo  la  eanBtitutüme  di  Papa  . . .  procurare  di  esserr  Im- 
peratore  et  reinvestirlo  et  donarli  di  novo  ü  regno  di  Napoli.*  ^-^^'^ 
Papiere  tPHat  1  282.   Vgl.  Pattor,  Päpete,  1906/7,  IV /2  299. 


f 


1 


198  Kritüche  Beiträge  n  den  Anfftngen  Ferdinands  I.  Von  G.  Turha. 

zimilians  adperaanam  bezog.  Sicher  ist,  daß  Karl  (V.)  noch  1517 
die  Möglichkeit  eines  nord-  nnd  mittelitalieniBchen  MKöDig- 
reichs  Italien*  für  Ferdinand  erwog  und  daß  er  1520,  jenem  Ge- 
danken Maximilians  L  folgend,  ein  österreichisches  Königtam 
bloß  Yon  Ferdinands  Belieben  abh&ngig  machte.  Anff&llig  ist  aber, 
daß  Ferdinand  der  Katholische  in  seinem  letzten  Testamente  TOm 
Jftnner  1516  den  Erzherzog  Ferdinand  nicht  König  nannte,  ihn 
jedoch  mit  süd  italienischen  Hafenpl&tzen,  darunter  Tarent,  lU 
königlich •  neapolitanischen  Lehen,  überdies  mit  50.000  Dukaten 
Jahresrente  ans  Neapel,  alles  yererblich,  bedachte. 

Wenn  schließlich  der  so  Bedachte  im  zweiten  Teilongsvertrag 
vom  Februar  1522  mit  Ausnahme  els&ssischer  Gebiete  alle  anderen 
Mazimilianiscben  L&nder  mit  Württemberg  erhielt,  allerdings  einen 
Teil  der  Zugabe  zu  den  L&ndem  des  1521er  Vertrages  yorl&nfig 
nur  geheim  (Württemberg,  Tirol,  Vorlande),  wenn  er  außerdem 
(gegen  Verzicht  auf  jene  Landzuwendungen  in  Süditalien)  eine  Er- 
höhung des  neapolitanischen  Legates  auf  60.000  Dukaten  jährlich 
empfing,  so  hat  er  schließlich  sicher  mehr  bekommen,  als  er  nach 
der  Rechtslage  fordern  durfte,  und  er  verdient  kaum  die  Klage,  er 
habe  „das  Schicksal,  das  dem  Jüngeren,  dem  Zweitgebomen  eignet, 
bis  zur  Neige  auskosten"  müssen  (B.  100).  Es  soll  damit  nicht 
geleugnet  werden,  daß  politische  Motive  die  reichlichere  Landaus- 
stattuDg  dem  Kaiser  rätlich  erscheinen  ließen.  Solchen  Motiven  ent- 
sprang auch  Ferdinands  Bestellung  zum  Statthalter  des  abwesen- 
den  Kaisers  im  Beichsregiment  und  es  wurde  ihm  (was  der  Verf. 
allerdings  anführt,  aber  an  unpassender  Stelle:  S.  212)  auch 
mündlich  versprochen,  daß  diese  Stellvertretung  des  Kaisers 
künftig  durch  die  Wahl  Ferdinands  zum  römischen  König  zu  einer 
dauernden  und  würdevolleren  werde  ausgestaltet  werden.  Freilich, 
vorausgehen  sollten  dieser  Königswahl  (wie  die  auf  dem  Wormser 
Reichstag  von  1521  im  Namen  des  Kaisers  abgegebenen  Erklä- 
rungen und  spätere  Äußerungen  Ferdinands  erkennen  lassen)  zu- 
nächst die  Ordnung  der  spanischen  Angelegenheiten  während  eines 
Aufenthaltes  Karls  V.  daselbst  und  dann  die  römische  Kaiserkrö- 
nung Karls  durch  den  Papst.  Von  der  Rechtslage  abgesehen,  hatte 
Ferdinand  —  eine  statthalterliche  Regierung  in  den  Niederlanden 
abgerechnet  —  fast  mehr  erreicht  als  sein,  von  so  viel  Liebe  für 
ihn  erfüllter  spanischer  Qroßvater  für  ihn  erhofift  und  geplant 
hatte  ^).  Darum  hatte  der  Erzherzog  alle  Ursache  zufrieden  zu  sein 
und  tatsächlich  versprach  er,  künftig  nichts  mehr  von  Karl  fordern 
zu  wellen.  Ja,  er  leistete  sogar  wie  auch  sein  Bruder  auf  die 
Einhaltung  des  Vertrages  vom  7.  Februar  1522  einen  feierlichen 
Eid,  was  B.  nicht  erwähnt. 

Trotzdem  drang  der  Erzherzog  nur  wenige  Monate  später  in 
den  Bruder,    dieser    möge   sich   durch   eine  päpstliche   Bulle    die 


*)  Siehe  oben  S.  196  f. 


Krititdie  Beitrige  in  den  Anflogen  Ferdinands  I.  Von  O,  Turha.  199 

Kaiflerkrose  erteilen  lassen,  wie  Maximilian  solches  schon  für  sich 
nigeeagt  erhalten  habe'),  nm  so  die  Bahn  für  die  nene  römische 
Königswahl  früher  frei  zn  machen.  Schon  1521  flatterten  nach  B. 
(8. 128)  Gerüchte  von  Ferdinands  künftigem  rOmisch  -  dentschen 
Köoigtnm  anf ;  Tielleieht  hatte  ihm  Karl  V.  schon  in  Worms  1521 
selbst  daranf  Hoftanngen  eröShety  als  die  ersten  Teilangsverhand- 
Ivogen  stattfanden.  Der  Verf.  sagt  freilich,  an  diesen  Gerüchten 
lei  „kaum  etwas  Wahres"  gewesen  nnd  es  sei  „müssig  zn  nnter- 
nchen,  ob  es  sieh  hier  nm  ein  MilSverstAndnis  handle  oder  nm 
•ine  Böswilligkeit".  Noch  mehr:  entgegen  den  getroffenen  Verein- 
barangen  beider:  bis  snr  Kaiserkrünnng  warten  zn  wollen,  wandte 
lieh  Erzherzog  Ferdinand  an  den  einen  oder  anderen  Kurfürsten, 
bisonders  an  seinen  Schwager  KOnig  Ludwig  von  Böhmen  nnd 
Ungarn,  mit  Anfragen  über  seine  künftige  Wahl.  Der  Verf.  gibt 
nur  zu»  er  habe  «höchstens  yorsiehtig  angeklopft"  (8.  216  ff.,  282). 
Sehen  November  1522  tmg  femer  Ferdinand  Bevollm&chtigten 
beim  Kaiser  anf,  noch  ganz  anderes  zn  verlangen:  erblichen  Besitz 
elsissischer  Gebiete «  erblichen  Besitz  der  damit  zn  vereinigenden 
GrafKhaft  Bnrgnnd,  Zession  der  Ansprüche  Karls  V.  anf  Bonrgogne 
ond  Dazugehöriges.  1524  kamen  wieder  nene  Bitten  hinzn:  nm 
4ie  Statthalterschaft  in  Mailand,  das  dem  römisch-dentschei  Reiche 
wieder  einzuverleiben  sei,  ja  nm  die  Statthalterschaft  in  den  Nie- 
derlanden» 1525  schließlich  sogar  nm  eine  Statthalterschaft  in 
Italien  (8.  191,  210,  216,  282).  In  seltsamem  Kontrast  standen 
•olche  Fordemngen  zn  den  beeideten  Erklftmngen  des  Vertrages 
▼em  7.  Febmar  1522.  Daß  dämm  der  Kaiser  solche  Fordemngen 
sieht  einmal  anhören  wollte»  ist  nnr  begreiflich  (S.  280).  Wie  sehr 
bat  andi  Maximilian  n.  an  den  nnrohigen  Ehrgeiz  seines  Vaters 
Ferdinand  sp&ter  erinnert  I  Ferdinands  Forderungen  beweisen  nach 
B.  allerdings  nnr  immer  „eine  unstillbare  Herrscherfreudigkeit**, 
den  „noch  ungereiften  Trieb,  sich  als  Landesherr  auszuleben" 
(8.  216)  nnd  „Tatendrang"  (S.  237).  Aber  ähnliche  Forderungen 
Ferdinands  an  den  Kaiser  begegnen  nns  auch  in  dessen  gereiftem 
Mannesalter.  Als  1526  die  Vakanz  des  böhmischen  und  des  un- 
garischen Thrones  eintrat  und  sich  dem  „Tatendrang"  Ferdinands 
im  Osten  ein  neues  Feld  zu  eröffiaen  schien,  da  mochte  der  Kaiser 
trotz  der  neuen  Sorgen  doch  auch  ein  Gefühl  der  Erleichterung 
empfunden  haben.     Denn   nun  durfte  er  hofifen,    wenigstens  für 


*)  (krwmer par  re$cript  ou  hMea,  eamme  VEmpereur 

[liazimiliaa]  ....  avoit  resolu  faire  et  ausai  desia  impeiri a 

aoM  faire  Boy  des  Bomains,  eamtne  il  [Karl  V.}  U  nous  a  protniB: 
Hm.  684. 1  des  Wiener  Staatearehivs  ond  Bauer  191,  212,  218.  fii  kommt 
is  Besag  auf  die  genannten  geheimen  Verhandlnnffcn  Hazimilians  I.  mit 
Bern  auch  der  sebon  benutzte  Berieht  dee  Bischofs  von  Ploök  an  Maxi- 
ouBan  de  dato:  Born,  27.  Dezember  1518,  in  Betracht,  wo  aber  noeh 
eicht  Ton  der  Erlangung,  sondern  höchstens  ?on  Hoffnang  auf  Erlanganr 
die  Bede  ist.   Wien,  StaatsarchiT,  „Bom,  Berichte".   Pastor  IV/1  181. 


200  Kritische  Beiträge  la  den  Anfiogen  FardiiuuidB  L  Von  Cr.  Turha. 

einige  Zeit    von  den  fortwährenden  Landforderoogen  Ferdinands 
befreit  zu  sein. 

In  einer  anderen  Frage  maß  ich  B.8  Daratellnng  gegen 
ühlirz^)  Yerteidigen.  Zwar  sollte  eine  Bemerkung  des  Letz- 
teren nnr  mich  treffen,  sie  trifft  aber  ancb  B. ,  weil  dloBer  ein 
Besoltat  meiner  Arbeiten  wiederholt  und  besUtig^.  Ich  hatte  o&m- 
lieh  darauf  hingewiesen'),  daß  die  bisher  ernst  genommene  Ur- 
kunde Yom  30.  Jänner  1522,  wonach  dem  Kaiser  Tom  Maximi- 
lianischon  Erbe  noch  Verlande,  Wflrttemberg  and  Tirol  verblieben 
wären,  ein  nar  zar  Täascbnng  der  Öffentlichkeit  aasgestellter 
Scheinakt  gewesen  sei.  Zam  Beweise  dieser  Behaaptang  mnfite 
selbstyerständlich  ein  nntrfigliches  Zengnia  angefahrt  werden»  and 
ich  konnte  aaf  einen  Ton  mir  anfgefandonen  geheimen  Bevers  Fer- 
dinands Yom  8.  Febroar  1522  yerweisen,  den  ich  in  einem  Anhango*) 
hatte  abdracken  lassen.  Dort  ist  nämlich  die  Täoscbang  klar  ein- 
gestanden and  aasdrflcklich  die  alleinige  Giltigkeit  der  am 
7.  Febrnar  1522  abgeschlossenen  Vereinbaningen  zwischen  KarlV. 
and  Ferdinand  bezeagt.  Nach  diesem  allein  giltigen  Vertrage 
hatte  Ferdinand  aaob  jene  genannten  Gebiete  (nar  Hagenaa 
and  Pfirt  worden  anagenommen)  nicht  als  Gabernator  im  Namen 
des  EjiiserSy  sondern  za  eigenem  and  za  erblichem  Besitze  erhalten. 
Der  fingierte  Vertrag  sprach  trotzdem  nar  Ton  Begiening  derselben 
darcb  Ferdinand  im  Namen  des  Kaisers.  Ich  konnte  daram  die  zwei 
Urkanden  vom  30.  Jänner  1522,  Vertrag  and  Patent,  «Scheinakte" 
nennen.  Daza  bemerkt  nnn  ühlirz:  „Den  za  Brüssel  am  80.  Jänner 
1522  zwischen  Karl  V.  and  Ferdinand  I.  geschlossenen  Vertrag 
and  den  ihm  entsprechenden  Erlaß  Karls  V.  kann  man  ebenso 
wenig  als  Seheinakte  wie  die  im  Jahre  1708^)  getroffenen  ge- 
heimen Abmachangen  als  ,8chein  and  Trag'  bezeichnen^. 


')  Hiitor.  Zeitschrift,  99.  Band,  S.  620. 

*)  Geschichte  des  Threnfolgereehtes  1908,  165  and  Anm.  3,  As- 
hang  401. 

'}  Daselbst 

i  Diese  Abmachangen  Ton  1708  selbst  so  la  bezeichnen ,  ist  mir 
efalleo.  Denn  als  solche  waren  sie  beschworen  and  giltig. 
Jedoch  hatte  ich  behauptet:  Kaiser  Karl  VL  habe  noch  1712  «gat^ 
Gnmd'  gehabt,  .mit  Bdcksieht  auf  seine  Verbündeten ,  samal  noch  nicht 
Friede  geschlossen  war,  den  Sehleier  von  dem  Geheimnis  and  IVng  Ton 
1708  nicht  weffzaiiehen**.  (Die  pragmatische  Sanktion,  Wien,  Biani  1906, 
8. 122  oder  76  der  Separataasgabe),  um  diesen  Satz  za  verstehen,  maßte 
man  freilich  aaoh  S.  6  nnd  9  bis  12  (ebendas.)  gelesen  haben,  wo  ans- 
gefahrt  war,  daß  die  Seemftchte  als  Verbfindete  Kaiser  Leopolds  I.  tod 
den  geheimen  Bedingangen,  anter  denen  Spaniens  Monarchie  Ton  der  Öst- 
lichen Monarchie  getrennt  warde ,  nichts  erfahren  sollten,  and  daß  vor 
84  Zeagen  nar  eme  harmlose  ErUärang  £rihersog  Karls  am  12.  Sep- 
tember 1708  feieriich  Terlesen  warde,  während  eine  gleichseitige  andere, 
nar  fflr  elf  nütwissende  Zeagen   bestimmte  Erklirang  Karls,   worin  das 

S  actum  mutiMe  auccessümis  inseriert  war,  geheim  blieb.    Man  ersiebt 
arans,  wie  anrichtig  Uhliri  zitiert.  Da  ich  hier  aaf  andere  Einzelheiten 
Yon  Uhlirz'  Kritik  nur  insoweit,  als  B.s  Aaßerangen  heransasiehen  sind, 


Kritisehe  Beitrige  ta  den  Anfingen  Ferdinands  I.  Von  O.  Turha.  201 

Aach  B.  (8.  149,  151)  sagt  yon  dem  angeblichen  Vertrage 
fom  80.  J&nner  1522,  daß  man  darin  „mit  Absiebt  den  wahren 
Inhalt  jener  Abmacfanngen,  die  das  Datum  vom  7.  Februar  1522 
tngen,  der  öffentnchkeif  yorenthalten  habe  and  spricht  darum 
auch  von  »falschem  Schein  **.  B.  und  ich  sind  daher  in  Uhliirz' 
Augen  gleich  schuldig.  Ich  berufe  mich  aber  auf  eine  höhere 
loitanz:  auf  die  geheimen  Erklärungen  der  vertragschließenden 
MoDsrchen :  denn  beide  sprechen  ihre  Abeichten  ganz  uoffeniert  im 
geheimen  Bevers  vom  8.  Februar  aus.  Damit  niemand  den  Arg- 
wohn schöpfe  («usptoart)«  heißt  es  darin,  der  Kaiser  h&tte  seinen 
•igenen  Anteil  am  Maximilianiseben  Erbe  schon  abgetreten»  femer 
damit  Ferdinand  die  Binkflnfte  auch  aus  diesem  Anteil  schon 
jetzt  für  sich  beziehen  und  verwenden  könne,  h&tten  sie  beide  zwei 
uderoy  vor  datierte»  ostensible  Urkunden  vom  30.  Jänner  1522  aus- 
fertigen lassen,  welche  zur  Verschleierung  und  Verheim- 
lichung des  erfolgten  Abschlusses  und  seines  Inhaltes  verOfifent- 
lieht  werden»  aber  der  Oiltigkeit  der  Urkunde  yem  7.  Februar  in 
knoer  Weise  Eintrag  tun  sollten  ^).  Wird  Uhlirz  auch  jetzt  noch 
gli&ben,    »»der  Vertrag**   vom   30.  J&nner  habe   „neben   der  am 


eiogehen  kann,  will  ich  lar  Charakterisierung  nar  Felgendes  anführen. 
Unter  den  „wichtigeren  Einzelheiten'',  welche  Uhliri  frCheren  Kri- 
tiken gegen  mich  hinzafCgen  will,  befindet  sich  auch  (S.  620)  die  fol- 
gende: «Die  Zession  vom  20.  Mftn  1617  hat  Ferdinand  natCrlieh  nicht 
als  Kaiser  (S.  206),  sondern  als  Sraheriog  unterzeichnet."  Es  sollte  doch 
nicht  der  Bindraek  ersengt  werden,  all  ob  ich  nicht  wftßte,  daß  Ferdi- 
Bsad  1617  noch  nicht  äiser  war?  Denn  gegen  eine  solche  Annahme 
«ebfltst  mich  allerdings  der  Wortlaut  meiner  Angaben  gerade  an  der  von 
ühlirz  litierten  Stelle.  Ich  sehrieb:  „Kaiser  Ferdinand  unterzeichnete  und 
nagelte  diesen  geheimen  Vertrag  in  Prag  am  20.  Mftrz  1617  gani  allein. 
Ais  er  am  29.  Juni  1617  zum  König  von  Böhmen  gekrönt  war,  erneuerte 
snd  ratifizierte  er  ihn  als  gekrönter  König  von  Böhmen  in  Prag  am 
29.  Juli  1617.  Weder  der  Kaiser  Mathias,  noch  Kardinal  Khlesl  er- 
^en  davon.«'  8.  407  hatte  ich  diesen  Vertrug  Überdies  unter  folgender 
Überschrift  mitgeteilt:  «Geheime  Zusagen  Ferdinands  (IL)  an  KOnig 
Philipp  lU.*  Femer  schrieb  ich  eine  halbe  Seite  nach  jenem  ersten  Zitat, 
S.207  »1681  . . .  wurde  dieser  Vertrag  . . .  erneuert  und  best&tigt,  diesmal 
von  Ferdinand  IL  als  erwihltem  römischen  Kaiser.*"  Das  möge  vorläufig 
renSgen.  Derselbe  Kritiker  spricht  fCr  1522  von  Karl  V.  und  Ferdinand  I."" 
Wie  kleinlich  wäre  es,  wollte  ich  dies  zu  „wichtigeren  Einzelheiton'' 
recboen. 

0  mldMe  fieri  posaet  aHio  iuato  colore fierent,  prout 

faet^  Hmt,  iu^  aJ/i^  hUer^  anteriortB  dat^,  mdelicet  de pentUHma 
fiMxi  metuis  Januarii,  qu§  dictis  litteria  communibus  inte  gram  par- 
tionem    nobis    aeeignatam  eantinentüfua   nequaquam   preiudicari 

poeeitU sine  preiuditio  sübsequejUium deheant  dum- 

taxtU  ad  eolorandum  negotium  et  rem  »ecretius  agendam 
pMieari.'*  Das  Patent  Karls  vom  15.  Februar  1525  sagt,  was  Karl  in 
Tirol,  Wfirttembeig  und  in  den  Vorlanden  als  Gnbernator  des  Kaisers 
getan  habe,  solle  Ferdinands  schon  am  7.  Februar  1522  erlangten  Rechten 
ab  Laadeeherr  daselbst  keineswegs  abträglich  gewesen  sein  {neqiMguam 

utribue  ipaiua fratrie  noHri  praeiudieium  atUdiase  censeatur). 

Bauer  2tt. 


Krititohe  Beitrig«  la  den  Anfibigeii  Ferdinands  I.  Von  O,  Turha. 

7.  Febrntr   bearkondeten Hanpterbabteilnng  (I)    durcbans 

wirkliehe  Geltung"  gehabt? 

Sowie  der  Vertrag  vom  7.  Febrnar  1522  mußte  ein  auch 
Bauer  unbekannt  gebliebener  Zneatzvertrag  {^convetUa  €t  pro- 
missa*)  geheim  gehalten  werden,  dieser  wie  jener  aber  nur  inso- 
weit, als  er  sich  anf  das  Maß  der  Zngabe  an  Land  zn  den  1521 
abgetretenen  fünf  Österreichischen  Herzogtfimem  (Österreich  ob  xmd 
nnter  der  Enns,  Steiermark,  E&rnten,  Erain)  bezog.  Der  Zusatz- 
vertrag  trug  das  Datum  Brüssel,  21.  Februar  1522  und 
wurde,  wie  Konzepte  zu  sp&teren  Vollmachten  der  beiden  Kon- 
trahenten vom  29.  M&rz  1522  klar  aussprechen,  zwischen  Karl 
und  Ferdinand  abgeschlossen,  mit  den  Siegeln  beider  verseheo, 
▼en  beiden  eigenhftndig  unterzeichnet,  von  deren  Sekretftren  gegen- 
gezeichnet und  regelrecht,  wahrscheinlich  wieder  in  lateinischer 
Sprache,  ausgefertigt  {expeditis).  Da  der  Znsatzvertrag  trotz  eifriger, 
von  mir  erbetener  Nachforschung  in  den  Archiven  von  Wien,  Brüssel, 
Lille  und  Simancas^)  verschollen  blieb,  so  können  wir  davon  nur 
so  viel  erfahren,  als  die  erw&hnten  Vollmachten  daraus  wiederholen. 
Sicher  waren  in  dem  geheimen  Zusatzvertrag  ausdrückliche 
Verzichte  enthalten,  und  zwar  Ferdinands  auf  Karls  Länder  und 
Karls  auf  Ferdinands  L&nder.  Wahrscheinlich  sind  femerauch 
Erbvorbehalte  gemacht  worden ,  kaum  aber ,  soweit  sich  hier 
eine  Vermutung  aufstellen  läßt,  anderen  Inhaltes  als  nach  Maß- 
gabe der  thronfolgerechtlich  in  Betracht  kommenden  und  nach 
Lftndern  verchiedenen  Anfallsrechte.  Über  die  Benuntiationen  sollten 
im  Namen  beider  Monarchen  Erklftrungen  abgegeben  und  je  nach 
Herkommen  „ einregistriert **  werden,  wie  solches  die  sp&teren  Voll- 
machten für  dazu  Beauftragte  feststellen.  Diese  Vollmachten  sind, 
wie  schon  erw&hnt  wurde,  aus  Brüssel  vom  29.  März  1522 
datiert.  Darin  ist  aber  das  Maß  der  Zugabe  an  Land  zn  den  fünf 
Osterreichischen  Herzogtümern  durchaus  nicht  verraten,  sondern  es 
wird  nur  auf  den  Znsatzvertrag  vom  21.  Februar  verwiesen,  dessen 
Inhalt  „unpr&judizierllch''  giltig  und  maßgebend  bleiben  solle,  was 
an  ähnliche  Werte  in  Ferdinands  Bevers  vom  8.  Febrnar  bezüglich 
des  tags  zuvor  abgeschlossenen  Vertrages  erinnert.  Vorsichtig 
und  nur  für  die  Eingeweihten  vollkommen  verständlich  steht  darum 
in  der  Vollmacht  für  die  Proknratoren  statt  einer  namentlichen  Auf- 
zählung der  außer  den  fünf  österreichischen  Herzogtfimem  neu 
überlassenen  Länder  nur  folgendes:  „aliisque  Dominus  et  bonis 
Nabis  proportione  Nostra  iissignatia*^ ,  was  Ferdinand  sagt;  oder: 

„et   in  singuiis  aliia  dominiie fratri  Nostro  per  didas 

litteras  communes  assignatie^,  was  Karl  sagt'). 

^)  Fflr  diese  Bemfibungen  sei  den  Verwaltungen  der  genannten 
Archive  biemit  auch  öflfentlich  aufs  Beste  gedankt. 

')  „Stib  quälitatibus,  modis,  formiSj  renuntiationilmSt  reservatio- 
nibus  ac  condicionibus  latius  expressis  et  contentis  in  Uteri 8  c om- 
ni unibu  8   inter  No8  super  huiusmodi  divisione  kincinde  expe- 


Kritiaehe  B«itrige  tu  den  Anftngen  FerdiDUida  I.  Von  O,  Twrba, 

Dies«  Fasenng  ermögliebte  es,  ohne  Preisgabe  des  Geheim* 
nisses,  mit  der  Erlassnng  der  Karl  auf  Grand  des  Teilnngsver- 
trages  Ton  1521  geleisteten  üntertaneneide  nnn  zn  Gunsten  Ferdi- 
nands in  einem  Teile  ^)  der  diesem  nea  überlassenen  Gebiete  schon 
1522  za  beginnen'),  nnd  im  Beste  dieser  ^alia  daminia**^  d.  i. 
lA  Württemberg,  Tirol  nnd  Vorlandeni  die  Verftndemng  erst  1525, 


ditis  ae  utriuaqm  Nostrum  manihus  Bignatis,  Nostrisque 
sigilli»  sigillati»  ae  pernoatros  seu  euiuslibei  Nostrum  secre- 
tario»  »ubgeriptis,  Vatis  Bruxellis  die  vigesima  prima 
pr(terüi  [irrig:  ^.pntis**  =^ presentis]  mensis  Februarii  ad  qufas]  in- 
preiuditialis  häbeatur  relatio  et  int  er  cetera  ibidem  eonventa 
et  hmeinde  promissa  actwn  fuerity  quod  uterque  Nostrum  cansti- 
tueret  procuratores,  per  guos  in  singülis  reptiis  et  dominus  alter 
alteri  renuntiare  et  gf/netare  deberet  quiequid  juris  habere  poterit  in 
aivis  bonis  alteri  assignatis  ante  dictam  conventionem  et  concor- 
diam  (genannt  sind  Eaatilien,  Arragonien,  beide  Siiilien,  Brabant,  Luxem- 
biDg,  Flandern,  Borgnnd,  Henoegan,  Holland,  Namar  qbw.  ;  die  Namen 

der  Frokoiatores  lind  nicht  eingesetst) renuntiationem  et 

qmetationem  omnium  bonorum  patemorumt  matemorum  et  avitorum 
in  dietis  litteris  dedaratam  et  expressam  iuxta  ipsarum  Ute- 
rarum  formam  et  quatenus  expediat  ibidem  defiuo  Nostro  [Ferdinand] 
nomine  quietandum,  cedendum  et  remunerandum  pro  Nobis  Nos- 
trisque heredibus  et  successoribus  quibuscumque,  omni 
jurt,  aetümi  seu  querelf,  quod  vd  quam  TuUmimus  seu  habere  potuimus 

out  in  posierum  habituri  fuissemus  (!) dumtcueat  iüis  quinque 

DucatAus  aliisque  Dominus  et  bonis  Nobis  pro  portione 
Nostra  assignatis  et  reservatis  et  in  dietis  litteris  eommunibus 
expressis  ae  deelaratis,  qu^  a<2  Nos  pleno  iure  ae  iuxta  ipsarum 

litterarum  formam  pertinere  dignoseuntur Nostram  quieta- 

tionem  et  renuntiationem  cum  qualitatibus  et  reservationibus 
antedictis  ac  cum  tenore  presentis  mandati  inscribi  ae  registrari 
fadendum  et  eonsentiendum  in  libris  ac  registris  cuiuslibet  curie,  in 
qua  ipsius  renuntiationis  actum  fieri  seu  eelebrari  continget  et  de  his 

instrumenta  ac  acta  publica Ferdinands  Qeneralmandat 

flkr  noch  nicht  beseichnete  „Proknratoren",  Brüssel,  29.  Man  1522;  Wien, 
StaatsArehlT  ,Familienakten'*  Kopie.  —  y^Sub  qualitatibus.-.  wie  in  der 

Toranstehenden  Yollmaeht Des  Kaisers  Proknratoren  sollen  erscheinen: 

in  den  fünf  Hersogtflmern  „ei  quolibet  predictorum  et  in  sin- 
aulis  aliis  dominus  eidem  dMrissimo  fratri  Nostro  per  didas 

iiteras  communes  [21.  Februar  1522]  assignatis ...Nostro 

nomine  owunia  d  singtda  contenta  in  dietis  nostris  litteris 

pro  Nobis  Nostrisque  heredibus  et  successoribus  quibuscumque  omni 

jurif  tictioni  (analog  der  Yorigen  Anmerkung) renuntiationem 

cum  fualitatibus  d  reservationibus "  Karls  Y.  Generalvoll- 
macht fttr  nicht  genannte  Prokuratoren  Tom  29.  MSra  1522.  Kopie  des 
Konsepts.  Ebendaselbst. 

*)  In  Teilen  Kimtens,  Krains,  Istriens,  Frianls;  ferner  in  Cilli, 
QCn,  Gradiska,  Triest,  Fiume. 

*)  ^Eidem  [Ferdinando]  fidelitatis  iuramentum  prestent 

quoniom  Nos  ipsos ab  omni  iuramento  Nobis prestito 

liberamus omneque  ius  nostrum  hereditarium  ac  omnem 

aetionem abdicamusr    ScheiuTertrag  Yom   80.  Jftnner  1522, 

Bauer  S.  246. 


204  Kritische  Beiträge  m  deo  Anfängen  Ferdinand«  I.  Ton  G.  Turha. 

nftmlich    naeh  Pablikation  des  Inhaltes   des  Gebeimyertrages  Tom 
7.  Februar  1522,  eintreten  zn  lassen^). 

In  diesem  Zusammenhang  sei  aneh  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  B.  (S.  127)  eine  unrichtige  Vorstellung  erwecken  kann, 
wenn  er  schreibt:  „Man  fand  es  [im  Wormser  Vertrage  ton  1521] 
schließlich  auch  nötig  festzusetzen,  daß  Karl  die  Untertanen  in 
den  fünf  Herzogtümern  aus  der  Eidespflicht,  die  sie  ihm  ge- 
1  ei  stet  y  entlasse  und  sein  Bruder  ähnlich  mit  denen  der  ober- 
Österreichischen  Länder  Terfahre.**  Denn  daraus  ist  nicht  deutlich 
zu  ersehen,  daß  die  Eidespflioht  in  allen  Österreichischen  Ländern 
beiden  Brüdern  ursprünglich  gemeinsam  geleistet  worden  war. 

Im  geheimen  Zusatzvertrag  vom  21.  Februar  1522 
war,  wie  schon  erwähnt,  mehr  enthalten,  als  die  genannten  Voll- 
machten für  die  Prokuratoren  zitieren,  was  schon  aus  den  Worten 
„inUr  cetera  ibidem  conventa  et  hineinde  promisea**  hervorgeht. 
Was  alles  unter  „cetera  canvenia^  gewesen  sei,  kann  nur  ver- 
mutungs*  und  nur  teilweise  gesagt  werden.  Es  dürfte  indes  kein 
bloßer  Zufall  sein,  daß  fast  in  derselben  Zeit,  aus  der  die  Voll- 
machten für  die  Prokuratoren  stammen,  n&mlich  am  28.  M&rz  1522, 
Karl  V.  seinem  Bruder  als  künftigem  Lehensträger  aller  österrei- 
chischen Länder  samt  Württemberg  und  Teck  die  Frist  zum 
Empfang  dieser  Beichslehen  und  zum  Empfang  der  von  anderen 
Fürsten  zu  erteilenden  dortigen  Lehen  in  zwei  Urkunden  auf  je 
sechs  Jahre  erstreckte  ')•  Höchstens  so  lange  sollte  ja  auch  der 
Teilungsvertrag  vom  7.  Februar  1522  geheim  bleiben.  Von  dem- 
selben Datum  des  28.  März  sind  auch  zwei  deutsch  abgefaßte 
Beichsbestätigungen  über  die  österreichischen  Privilegien:  ein 
Exemplar  bietet  eine  vollständige  Aufzählung  derselben,  das  zweite 
bestimmt  den  Sitz  der  österreichischen  Erzherzoge  auf  Reichs- 
tagen. Vermutlich  entsprach  es  den  im  geheimen  Zusatzvertrag 
vom  21.  Februar  enthaltenen  „reservatianibus*' ^  daß  schon  damals 
wie  später  1580  die  Österreichischen  Beichsprivilegien  Karl  und 
Ferdinand  und  deren  Erben  zu  gesamter  Hand  erteilt  wurden 
und  daß  dann  1580  die  Beichsbelehnung  beider  ebenso  vollzogen 
wurde.  In  denselben  Tagen,  da  die  Vollmachten  abgefaßt  wurden, 
ist  tatsächlich  auch  den  versammelten  Ständen  der  Niederlande 
Mitteilung  von  Ferdinands  definitivem  Verzicht  auf  die  Niederlande, 
bezw.  Mitteilung  von  demjenigen  gemacht  worden,  was  sonst  im 
ostensiblen  Scheinvertrag  vom  80.  Januar  1522   enthalten    war^). 


')  BelaxantcB  annullantesque  ittramentum,  Karl  V.,  Madrid, 
15.  Februar  1525,  bei  Bauer  S.  263. 

*)  Nar  diejenige  bezüglich  der  Beichslehen  bei  Bauer  S.  155, 
Anm.  2  zitiert 

')  Leider  Bind  die  Mitteilungen  Oachards  {Charles  -  Qutnt  in  der 
Biogr.  nationale  ...  de  Belgique,  Brnzelles  18y2)  540  und  Hennefs 
(Histoire  du  regne  de  Charles-Quint  en  Belgique,  Braxelles  et  Leipzig 
1858)  III  248  unbrauchbar, 


Entliehe  Beiträge  in  den  Anfingen  Ferdinuide  I.  Von  O.  Twrha.  205 

l>it  aoidrückliche  Anerkennung  der  Alleinsakxeesion  Karls  in  den 
Niederlanden  nnd  Borgnnd  dnrcb  eine  besondere  Urkunde  Ferdinande 
fand  auch  14.  Dezember  1550  statt,  als  Ferdinand  der  landes- 
gegetslichen  Garantie  von  Unteilbarkeit  des  niederlAndiscb-bnrgon- 
diieben  Oebietes  und  von  Bepräsentationsrecbt  fär  Kinder  yorTer* 
atorbener  Thronerben  seine  ausdrflckliehe  Zustimmung  erteilte  ^). 

Abschluß  nnd  Inhalt  des  geheimen  Zusatzyertrages  vom  21. 
Febrnar  1522  sind  B.  entgangen.  Er  zitiert  zwar  8.  83  eine 
„Urkunde"  vom  21.  Februar  1522  und  später  S.  157,  Anm,  8 
»Xonzepte"  mit  dem  Datum  des  29.  März  1522,  beide  Male  mit 
dem  Beisatze:  « Familienarchiv ".  —  Da  mir  aber  aufgefallen  war, 
daä  B.  ans  der  ^Urkunde"  vom  21,  Februar  1522  nichts  anderes 
mitgeteilt  hatte,  als  daß  dort  einige  Sätze  aus  dem  letzten  Testa« 
fflente  Ferdinands  des  Katholischen  inseriert  seien,  ließ  ich  mir  das 
Stock  ausheben  und  konstatierte,  daß  es  undatiert  war  und  nur 
SpezialVereinbarungen  Aber  Sicherstellung  und  Auszahlung  von 
Ferdinands  neapolitanischer  Beute  enthielt.  Am  linken  Bande  der 
ersten  Seite  stand  allerdings  „21.  Februar  1522*',  aber  nur  mit 
Bleistift  und  von  moderner  Archivhand.  Ursache  für  diesen  wahr- 
scheinlich auch  irrigen  Zeitansatz  gab  die  Zitierung  des  Vertrages 
vom  21.  Februar  in  den  beiden  Vollmachten  für  Prokuratoren  Karls 
aod  Ferdinands.  Diese  Vollmachten  vom  29.  März  hat  B.  nicht 
genau  geprüft,  weswegen  ihm  der  Zusatzvertrag  entging. 

Wenn  B.  femer  meinte,  durch  das  Testament  Karls  vom 
Mai  1522  und  durch  ein  wahrscheinlich  auch  von  Ferdinand  damals 
errichtetes  Testament ')  entfielen  bereits  meine  „Bedenken  tber  die 
Notwendigkeit  eines  gegenseitigen  Beerbungsvertrages'* ,  so 
hatte  er  eben  von  der  Existenz  des  Zusatzvertrages  vom  21.  Februar 
1522  keine  Kenntnis.  Überdies  zitiert  er  (S.  159,  Anm.  1)  gerade 
das  Gegenteil  von  dem,  was  ich  geschrieben  hatte.  Denn  ich  hatte 
nur  von  der  Möglichkeit  eines  gegenseitigen  Beerbungs Vertrages 
gesprochen,  aber  hinzugefögt:  „Nötig  wäre  er  nicht  gewesen^', 
wenn  man  die  spanischen  und  die  österreichischen  Länder  in  Be- 
tracht ziehe;  denn  die  gegenseitigen  Erbanwartschaften  seien  dort 
durch  Thronfolgegesetze,  hier  durch  Belehnung  zu  gesamter  Hand 
ohnediea  gesichert  gewesen.  Wenn  ich  auch  damals  gemeint  hatte, 
ein  gegenseitiger  Beerbnngsvertrag  wäre  nicht  nötig  gewesen,  so 
neige  ich  jetzt,  wo  ich  von  der  Existenz  eines  Znsatz  Vertrages 
durch  die  Vollmachten  vom  29.  März  belehrt  bin,  eher  der  Ansicht 
zu,  daß  gerade  dieser  Znsatzvertrag  Bestimmungen  dber  die  Fälle 
gegeoaeitiger  Beerbung  enthalten  habe. 


<)  Nach  Gachard  a.  a.  0.  in  den  ^Flacardi  de  BrdboMt'' ,  IV 
p.  431  enthalten  (abgedrackt?),  die  ich  nicht  benutzen  konnte. 

*)  Diese  VenDQtaog  kann  ich  nan  durch  folgende  Angabe  eines  om 
1565  (?)  abgefaßten  Bepertoriome  Aber  Ferdinands  I.  Haosarkanden  be- 
stUigen:  .König  Ferdinands  venecretiert  Testament.  Dc^um  Wien  anno 
162!t*.   Hofkammerarchiv  Wien,  Faas.  100  a. 


206  Kritisehe  Beiträge  zn  den  Anfängen  Ferdinands  I.  Von  G,  Turba. 

Im  Urteil  ober  Behauptnngen  anderer  läßt  es 
Bauer  gelegentlieh  an  Voreicht  and  Prüfnng  fehlen. 
So  bezeichnet  es  B.  als  einen  „Irrtum"  Ulmanns  anzunehmen, 
des  Prinzen  Karl  Mindeijährigkeit  hätte  mit  zwanzig  zurückge- 
legten Leben^abren  geendet,  wenn  Königin  Johanna,  seine  Mutter, 
fräher  gestorben  wäre.  Was  fflhrt  nun  B.  (S.  18,  Anm.  8)  zn 
Gunsten  seiner  Behauptung  an?  Zuerst  den  Vertrag  von  Blois 
vom  Dezember  1509  und  dessen  Ratifikation  durch  Kaiser  Maxi- 
milian in  Bozen  vom  1.  Januar  1510,  dann  die  Huldigung  der 
kastilischen  Cortes  für  König  Ferdinand  von  Arragonien  als  den 
Gubemator  im  Namen  seiner  geisteskranken  Tochter,  der  Königin 
Johanna  von  Kastilien,  Oktober  1510.  Alle  Male  sei  Ferdinand 
bis  zu  Karls  Fflnfundzwanzigjäbrigkeit  als  Oubernater  Kastiliens 
anerkannt,  das  zweite  Mal  mit  den  Worten:  „bis  der  genannte  Herr 
Prinz  Don  Carlos  25  Jahre  Tollendet  habe,  was  gemäß  den  Ge- 
setzen des  Königreiches  ist**  ^).  Daß  der  „sonst  so  gut  unterrichtete 
Zurita**  Zwanzigjährigkeit  für  Karls  Mindeijährigkeit  angebe,  findet 
B.  immerhin  auffällig.  Hätte  sich  aber  B.  im  Wiener  Staatsarchiv 
die  Testamente  der  beiden  katholischen  Könige  oder  wenigstens 
den  beliannten  Auszug  bei  Lafuente')  angesehen'),  so  h&tie  er 
über  Ulmann  anders  geurteilt.  Königin  Isabella  von  Kastilien  er- 
klärte nämlich  in  ihrem  Testamente  vom  12.  Olitober  und  28.  No- 
vember 1504,  daß  für  Johanna,  ihre  Tochter  und  rechtm&ßige 
Nachfolgerin  als  Königin  von  Kastilien,  wenn  diese  abwesend  sei 
oder  nicht  selbst  regieren  wolle  oder  könne  (wegen  Geisteskrank- 
heit), König  Ferdinand  von  Arragonien  so  lange  als  „Administrator 
und  Gubemator*'  zu  regieren  habe,  bis  der  Prinz  Carlos  das  gesetz- 
mäßige Alter  von  wenigstens^)  zwanzig  zurfickgelegten  Lebens- 
jahren erreicht  habe.  Dann  erst  sollte  Karl  Gubemator  (nicht  König) 
für  seine  Mutter  sein.  Da  die  Königin  Isabella  über  ausdrück- 
lichen Wunsch  der  kastilischen  Cortes  von  1502  und  1503  für  die 
Zeit  nach  ihrem  Tode  verfügt  hatte  und  da  die  Cortes  im  vorans 
Befolgung  dessen,  was  sie  anordnen  würde,  versprochen  hatten, 
glaubte  sie,  sich  nicht  strikte  an  den  Wortlaut  von  ley  III,  tit.  XV. 


^)  Aach  zitiert  Bauer  ungenau:  „vemte  6  eineo  (uios  cumplido 
eonforme  d  las  leyee  del  reino**  (8.  14,  Anm.)  statt:  „v.  e,  c.  aSios  cum-- 
plidoM  gues  f=  que  es]  c"  usw. 

')  Histaria  generdl  de  Espafia,  Madrid  1858,  X  252.  Die  dort 
zitierten  gedruckten  Texte  konnte  ich  nicht  benutzen. 

')  Das  erste  in  authentischer,  vielleicht  für  die  habsburgisehen 
BrQder  bestimmter  Kopie,  das  zweite  in  Mss.  85  dee  Wiener  Staataarddva. 
Den  bei  Sehirrmacher,  Gesch.  Spaniens,  Gotha  1902  (Heeren* Uckerteche 
Europäische  Staatengescbichte)  YII  688  f.  litierten  Abdruck  in  Donner, 
Varwa  discursos,  konnte  wohl  auch  B.  nicht  benütxen:  Bauer  sitiert 
S.  88,  Anm.  1  nur  einen  auf  Ferdinands  Apanagierone  und  Aosstattang 
mit  sfiditalienischen  Gebieten  besSglichen  Ansiug  aus  mesem  Testamente. 

^)  Nicht  wie  bei  Schinmacfaer  VII  851:  ,,oder  mindestens".  Denn 
der  Text  lautet:  nSea  de  edad  legiiima  a  lo  menos  de  veinte 
anos  cumpUdos**  (nicht:  u  a  lo  metwa  d,  v.  a.  c). 


Eriti0ehe  Beitrige  sa  dtn  AnAngen  Ftrdinands  I.  Von  G,  Turha.  207 

paitidall'),  d.  i.  der  OeBetee  ans  König  Alphoos^  X.  von  Eastilien 
Zftit^  haiiMi  sn  müssen,  wo  als  Mindeij&brigkeitsgrenzen  Zwanzig- 
jährigkeit ffir  kasftiliscbe  Thronerben  nnd  die  Zeit  der  Heirat  ffir 
kastiliseba  Kremerbinnen  festgesetzt  waren;  Isabella  meinte  yiel- 
mehr  mit  den  Werten  „von  wenigstens  zwanzig  zurückgelegten 
Lebensjahren^  ihrem  Gemahl  Ferdinand  von  Arragonien  die  Mög- 
lichkeit anch  lungeren  Gubernatorentams  ofifen  halten,  die  Stell- 
▼ertretong  dnreb  den  erfahrenen  Gemahl  derjenigen  dnrcb  den  un- 
erfahrenen Enkel  vorziehen  zn  sollen.  Weil  aber  ein  anderes  Gesetz 
derPartidas  (II,  tit  XIX,  partida  VI)  ganz  allgemein  gesagt  hatte: 
„Minor  es  Uamado  aquel  que  tum  ha  aun  veynte  e  cinco  ano8 
cumpluhs^  (mindeij&hrig  ist  deijenige,  welcher  noch  nicht  25 
Lebenqabre  vollendet  hat),  so  scheint  der  katholische  König  Fer- 
dinand diese  Bestimmung  als  Handhabe  benutzt  zu  haben,  um 
seine  eigene  Begierung  bis  zu  Karls  Fünfundzwanzigj&hrigkeit  zu 
siehera,  wenn  Jobanna  früher  stürbe,  und  um  hiezu  zuerst 
die  Zustimmung  Kaiser  Maximilians,  dann  diejenige  der  kastili- 
Kben  Cortee  zu  erlangen.  Ja,  beide  Zustimmungserkl&rungen  waren 
fär  Ferdinand  den  Katholischen  noch  günstiger  als  das  Testament 
der  Königin  Isabella.  Denn  für  die  ganze  übrige  Lebenszeit 
der  Geisteskranken  sollte  Ferdinand  auch  in  Kastilien  regieren.  So 
lange  diessr  lebte,  konnte  Karl  darum  niemals  Gnbernator 
oder  König  in  Spanien  sein;  dafür  garantierten  die  kastilischen 
Cortes  Karl  schon  damals  durch  Huldigung  die  Nachfolge  un- 
fflittelbar  nach  Ferdinands  Ableben.  Jene  Mündigkeitsgrenze  von 
20  Jahren  ist  übrigens  in  Kastilien  selten  eingehalten  worden. 
Wie  Kaiser  Maximilian  I.  seinem  Enkel  Karl  vor  Erreichung  des 
fflofzehnten  Lebenqahres  die  i>enia  aetatia  erteilte,  so  tat  Ähnliches 
neb  Ferdinand  von  Arragonien  in  seinem  Testamente  vom  Januar 
1516.  Es  geschah  (was  mit  Bücksicht  auf  die  Bechtslage  nicht 
inrelevant  war)  sowohl  für  die  königliche  Machtübung  in  der 
Sicht  kastilischen  L&ndergrnppe,  als  auch  für  die  stellvertretende 
Beg^erung^  in  den  kastilischen  Beleben,  beides  im  Namen  der 
alles  erbenden  Königin  Johanna.  Die  Altersnachsicht  erteilte  Fer- 
dinand dem  Prinzen  Karl  für  beide  L&ndergruppen  für  den  Fall 
noch  Sicht  erreichter  Mündigkeit  „kraft  königlicher  Gewalt*". 

Nach  all  dem  Gesagten  kann  man  ermessen,  wie  wenig 
brauchbar  die  Bemerkung  Bauers  (89)  ist,  Erzherzog  Ferdinand 
(geb.  1508)  habe  1519  noch  nicht  das  „gesetzliche  Alter''  erreicht 
^abt  Denn  welche  Gesetze  kamen  für  dieses  Mitglied  dreier 
Herrsdierhftuser  in  Betracht? 

In  einer  anderen  Frage  muß  ich  mich  gegen  die  Uogenauig- 
keit,  mit  der  meine  Behauptungen  zitiert  werden,  und  gegen  die 
Art  ihrer  Widerlegung  wenden. 


')  Marcelo  Martinez  AlenbiUa,    Codigoa   owImtuos  de  Eipaüay 
Madrid  1885^  I  8.  815  f. 


208  Kritische  B«itrlge  xa  den  Anf&ngen  Ferdinands  I.  Von  G.  Twrha, 

B.  sag^t  (8.  158,  Anm.  3):  „Der  Anschanong  Turbas,  daß 
trotz  des  Brfisseler  Vertrages  die  Einheit  des  habsbnrgischen  Haases 
weiter  bestanden  habe,  kann  ich  ebenso  wenig  wie  Kogler  bei- 
pflichten. Aach  die  Folgemngen,  die  Tnrba  aas  Terschiedenen  Be- 
legstellen zieht,  die  er  nenerlich  in  seinem  Buche  ,Die  pra^nna- 
tische  Sanktion',  8.  4,  Anm.  5  zusammenfaßt,  sind  meines  Er- 
achtens  nicht  yöllig  stiehh&ltig.  Wenn  da  und  dort  in  Ur- 
kunden die  beiden  von  Karl  V.  und  Ferdinand  I.  herrührenden  Linien 
als  eine  Einheit  betrachtet  und  als  das  Haus  Osterreich  bezeichnet 
werden,  so  mag  solcher  Ausdrucksweise  der  Niederschlag  haas- 
geeetzlicher  Anschauungen  zu  Grunde  liegen ,  ohne  daß  ihnen  des- 
halb staatsrechtliche  Bedeutung  zukomme^. 

Diese  Inhaltsangabe  ist  ebensowenig  zutreffend  wie  diejenige 
Eoglers^),  der  geschrieben  hatte:  „Abzulehnen  ist  Turbas  Be- 
hauptung, daß  bei  allen  Beichsbelebnungen  der  österreichischen 
Fürsten  mit  den  Österreichischen  Ländern  von  1580 — 1728  auch 
stets  die  spanischen  Habsburger  mitbelehnt  gewesen  sind*'.  Un- 
mittelbar darauf  sprach  er  von  einer  durch  mich  „erfundenen 
Mitbelehnung  der  spanischen  Habsburger  mit  den  österreichischen 
L&ndem".  Am  Ende  bin  ich  auch  noch  für  den  aus  einem  solchen 
Zitate  deduziblen  Glauben  an  die  Weiterexistenz  spanischer  Habs- 
burger über  das  Jahr  1700  hinaus  verantwortlich.  Bauer  ist  id 
dieser  Frage  doch  etwas  vorsichtiger  als  zuerst  Kogler,  dann  dessen 
Lehrer  Wretschko')  und  zuletzt  Uhlirz').  Er  fühlte,  was  seine 
Worte  „nicht  völlig  stichb&ltig''  zu  zeigen  scheinen,  daß  zur 
Kritik  noch  anderes  als  Energie  im  Behaupten  und  Ablehnen  ge- 
hört, wenn  auch  diese  Energie  häufig  wirkungsvoll  zu  sein  pflegt, 
weil  aus  ihr  Schlüsse  auf  besondere  Gründlichkeit  der  Erwägung 
oder   auf  überlegenes  Besserwissen  des  Kritikers   gezogen  werden. 

Wenn  ich  bloß  von  „bisher  nicht  beachteten  Momenten 
der  Einheit  des  Hauses*'  ^)  sprach,  noch  dazu  nur  bei  Besprechung 
der  österreichischen  Erbländer,  so  konnte  ich  die  Einheit  nicht  in 
demselben  Umfange  meinen,  wie  die  Leser  auf  Grund  des  Zitates 
anzunehmen  geneigt  sein  könnten.  Bloß  reichslehensrecht- 
liche,  nur  auf  die  österreichischen  Beichsbelebnungen  bezügliche 
Einheit  und  hauptsächlich  damit  zusammenhängende  Erbfolgever- 
fügungen Ferdinands  und  Benuntiationen  deutscher,  heiratender 
Erzherzoginnen  hatte  ich  gemeint.  Die  Bichtigkeit  der  Behauptung 


')  Monatsblätter  des  Vereins  für  Landeskunde  von  Niederösierreich, 
1903,  8.  10  des  Separatabdrackes. 

*)  Ohne  Angabe  von  Gründen  sagt  dieser:  ich  „operiere*'  nicht 
glücklich,  wenn  ich  „die  spaniecbe  Linie  in  den  vom  Deatsehen  Beiche 
für  die  österreichische  Linie  ausgestellten  Lehensinstrameoten  mitinbe- 
griffen  wissen"  wolle.  Beilage  inr  »Allgemeinen  Zeitang*  1903,  Nr.  149» 
Seite  13. 

*)  Histor.  ZeiUehrift,  99.  Band  620. 

«)  Geschichte  des  Thronfolgerrechtes.  169;  vgl.  162,  164,  171/8. 


Kritifdie  Beitrige  la  den  Anfängen  Ferdinande  I.  Von  O.  Turbo,  209 

Ton  einer  reichilehenereehtlichen,  anf  die  öeterreichiechen  L&nder 
beechrinkten  Einheit  des  Haneee  Österreich  hftngt  von  der  Beant- 
wortnog  der  Frage  ab,  ob  bei  den  Beichsbelehnnngen  mit  diesen 
Lindem  nnd  bei  den  PriTilegienbestAtignngen  für  dieses  Hans 
ueb  die  spanischon  Erzherzoge  eingeschlossen  waren.  Znerst 
leien  die  Beichsbelehnnngen  erörtert  nnd  nnr  den  Urknnden 
darüber  sei  das  Wort  erteilt. 

In  dem  Beichslehensbriefe  von  1580»  nach  welchom  die 
Oiterreichisehen  Länder  samt  Württemberg  nnd  Tech  nnter  einem 
ferliehen  wnrden,  sagte  Kaiser  Karl  Y.,  er  habe  die  Belohnung 
erteilt  dem  Erzherzog  Ferdinand:  „an  unser'',  d.  i.  des  Kaisers, 
«all  Erzherzogen  zu  Österreich  etat  nnd  als  Lehentrager  fnr  sich 
M]bst%  ain  aller  Unser  nnd  Seiner  Lieb  Erben  namen*,  d.h. 
vohl  nnr:  für  die  Erben  sowohl  Karls  als  Ferdinands.  Was  selt- 
sam erscheinen  mag«  ist  in  derselben  Urknnde  anch  begründet. 
Als  Gmnd  des  künftigen  Oesamth&ndertnms  wird  in  d^ms^lben 
Baiehslehensbrief  gleich  im  Eingang  angegeben:  „die weil**  nach 
tei  Tode  Kaiser  Maximilians  dessen  Länder  an  siebeide,  an 
Karl  nnd  Ferdinand,  „erblich  gefallen''  seien,  dazu  anch  Württem- 
berg nnd  Teck  erworben  worden  sei,  so  habe  Ferdinand  gebeten, 
der  Kaiser  mOge  belehnen:  „Sein  Lieb  als  Lehentrager  an  unser 
itat  nnd  für  sieh  selbe  als  Ertzhertsogen  zn  Österreich  und 
regiernnden  Landtsfnrsten  nnd  alle  unsere  nnd  Seiner 
Lieb  Erben".  Anch  von  den  Begalien,  die  mitverliehen  werden, 
ist  betont:  „Die  wir  nnd  Sein  Lieb  als  Ertzhertzogen  zn  öster- 
reich  nnd  Herren  aller  Torgeschriebner  landt"  ererbt.  Ich  machte 
femer  schon  1903  daranf  anfmerksam,  daß  1599  in  dem  Vertrage 
tviscben  Württemberg  nnd  Kaiser  Bndolf  IL  im  Namen  dee  ganzen 
Hauses  Österreich  ansdrücklich  nnd  wOrtlich:  „Dem  ganzen 
löblichen  Hans  Österreich,  das  ist  denen  yon  beeden 
Herren  gebrfldern  weiland  Kaiser  Karl  V.  nnd  Kaiser 
Ferdinanden  herrierenden  Linien"  die  „Anwartschaft  nnd 
Sukzession"  in  Württemberg  nnd  Teck  für  den  Fall  des  Ans- 
Sterbens  des  Mannsstammea  Herzog  Friedrichs  von  Württemberg 
gewahrt  wnrde.  Es  geschah  dies,  wie  derselbe  Vertrag  bestimmte, 
überdies  in  der  Weise,  daß  bei  der  jedesmaligen  Belohnung  des 
Hanses  Österreich  mit  den  Osterreichiechen  Ländern  anch 
Württemberg  eingeschlossen  sein  sollte.  Die  österreichi- 
ichen  Länder  nnd  Württemberg  sollten  künftig  immer  nnr  wie 
bisher  zusammen  dnrch  einen  einzigen  Belehnnngsakt  dem 
Hanse  Österreich  rerliehen  werden.  Indem  ich  1906^)  dies  aber- 
mals herf erhob,  tat  ich  es  mit  der  Schlnßfolgemng,  daß  damit 
die  Bechteeinheit  des  Hanses  Österreich  dem  Beiche  gegenüber  für 
diese  Länder  festgehalten  erscheine.  Jetzt  mnß  ich  gegenüber  B. 
bemerken,  daß   dieser  Vertrag  staatsrechtlichen  Inhaltes  ist, 


*)  Die  piagmatiiche  Sanktion,  S.  5. 

ZiÜMkrift  f.  a.  tetoir.  GywB«  1908.  m.  H«fl.  14 


210  Eritischd  Beitrflge  iq  den  AnflDgeo  Ferdinands  I.  Von  G.  Turha. 

daß  daher  sicher  nicht,  wie  er  sagt«  bloß  hansgesetzliche 
AnschannDgen  vorliegen.  Die  staatsrechtliche  Natnr  wird  besonders 
durch  die  knrfflrstlichen  Eonsenserklftrangen  nnd  die  Eonsens- 
erkl&mng  der  württembergisohen  St&nde^)  anfs  neue  bestätigt. 
Vielleicht 9  konnte  man  einwenden,  liegt  doch  keine  Becbts- 
kontinait&t  vor?  Dagegen  spreche  nun  folgendes:  In  den 
testamentarischen  Verfügungen  Ferdinands  von  1554 
wird  gefordert,  daß  an  dem  Bechtsverhältnis  gegenüber  Württem- 
berg festzuhalten  sei.  Auch  künftig,  so  rerlangt  Ferdinand,  solle 
die  Belehnung  von  Beichs  wegen  erfolgen  wie  1680:  „wie  auch 
wir  als  Lehentrager  in  namen  und  anstatt  der  Bümisch- 
kayserlichen  Majestät,  unsere  lieben  Bruders  und  Herrn,  und 
für  uns  selbe  als  Erzherzogen  zu  Österreich  und  regierenden 
Landtsfürsten  nnd  alle  Seiner  Lieb  und  Eay.  May.  und 
Unsere  Erben  solch*  Fürstenthumb  Wirtemberg  und  Teckh  von 
dem  •  •  • .  Beich  zu  Lehen  empfangen  [haben]  und  noch  tragen", 
und  zwar  wie  er  ausdrücklich  sagt:  „neben  und  mit  anderen 
Unsem  und  unsere  Hauß  österreichischen*  Ländern.  Ferdinand 
beruft  sich  in  dieser  testamentarischen  Verfügung  von  1554  auf 
Verträge  von  Eaaden  und  Passau  ron  1584  und  1552,  in  welchen 
dieses  Bechtsverhältnis  des  Hauses  Osterreich  zum  Beiche  best&tigt, 
zugleich  aber  doch  bestimmt  worden  sei,  daß  das  Haus  Österreich 
seinerseits  Württemberg  und  Teck  als  Afterlehen  den  Mannsstämmen 
Christophs  und  Georgs  von  Württemberg  zu  erteilen  habe  und  daß 
darum  yon  diesen  wieder  dem  Hans  Österreich  der  Vasalleneid  zu 
leisten  sei.  Auch  diese  Verträge  wurden,  wie  die  Lehensakte  yom 
6.  August  1585,  vom  2.  Januar  1555  und  vom  81.  März  1578 
beweisen'),  gegenüber  Württemberg  ausgeführt;  aber  auch 
gegenüber  dem  Beiche.  Immer  ist  in  die  Beichsbelehnungen 
des  Hauses  Österreich  Württemberg  und  Teck  eingeschlossen:  so 
am  5.  September  1572,  am  8.  Jänner  1578  und  am  21.  Oktober 
1597').  Immer  ist  femer  ein  Erzherzog  Lehensträger  oder  -Empfänger 
entsprechend  den  Worten  der  Belehnung  von  1580  im  Namen  auch 
„aller  Erben  am  Haus  Österreich  nach  besag  desselben  lOblicfaen 
Hauses  habenden  Brief[en]  und  Freyhalten **  oder:  „und  also 
ingemein  des  gantzen  hochlOblichisten  Haus  Österreich'*,  wie 
die  Instruktion   zum  Lehensempfang  vom  16.  August  1572  aagL 


^)  Gerade  darüber  und  teilweise  entgegen  Pfister,  Qesehichte  der 
Verfassong  des  wflrttemhergiBchen  Hasses  nnd  Landes,  bearbeitet  von 
Jäger,  Heilbronn  am  Neckar  1888,  8.  830,  382,  wäre  das  Material  im 
Wiener  StaatserchiT  la  vergleichen  nnd  swar  die  Mbs.  86,  62, 181,  596,  946, 
damnter  PoBohmanns,  des  geheimen  HAOBarchifars,  aasfDhrliche  Abhand- 
lang Ton  1789;  ebenso  im  Arehi?  des  Ministeriums  des  Innern  in  Wien  I. 
A  1,  8007,  3008;  Protokolle,  MajeetAtssachen  IX,  fol.  70  nnd  I  Bl,  886. 

*)  Beichsregifitrator  III.  fol.  59,  V.  fol.  157,  XX.  foL  843  nnd  ür- 
knndenrepertoriam  I,  Wien,  StaatsarchiT. 

')  Pergamentoriginalien  mit  beiOglichen  anderen  Schriften  im 
Wiener  StaatsarchiT,  ürknndenrepertorinm  I  nnter  den  angegebenen  Daten. 


Krititehe  Beitrige  xq  den  AnfftDgen  Ferdioands  I.  Von  G.  Turha.  211 

Wu  nnn  unter  dem  „allgemeinen  bochl.  Hans  OBterreieh**  nach 
derselben  Ihitraktion  tn  Tersiefaen  ist,  sagt,  abgesehen  von  jener 
gsDi  dentliehen  Stelle  im  Vertrage  Ton  1599  derselbe  Ver- 
trag anch  an  anderer  Stelle.  Als  diesem  Vertrage  gem&G  das 
AilerlebensYerbältnis  Ton  Wflrttemberg  anfhOrte  nnd  die  Herzoge 
wieder  selbst  Keichsyasallen  wurden,  wnrde  sowohl  der  Linie 
Karls  V.  als  derjenigen  Ferdinands  außer  „Anwartschaft 
und  Sukzession*'  —  nach  dem  Aussterben  des  württembergischen 
Mauisstammes  —  auch  „wie  bisher**  Titel  nnd  Wappen  von 
Württemberg  Torbehalten,  von  jetzt  an  aber  „eimg  und  allein  zu 
Aozeig  künftiger  Sukzession**.  Die  Worte,  daß  sowohl  Karls  V. 
Linie  als  diejenige  Ferdinands  diese  Anwartschaft  besitzen 
sollten,  wiederholt  ausdrucklich  auch  der  18.  April  1600  aus- 
gestellte Lehensbrief  über  die  neue  Beichsbelebnung  mit  Wflrt* 
temberg  ^).  Unbeschadet  dieser  Beichsbelebnung  und  aller  folgenden 
mit  Württemberg  sollte  auch  das  Haus  Osterreich  im  angegebeneu 
Umfange:  Karls  V.  und  Ferdinands  Linien,  bei  seinen  eigenen 
Reichsbelehnungen  Württemberg  trotzdem  auch  künftig  wieder  zu- 
iimmen  mit  den  anderen,  den  Österreichischen,  Lehen  empfangen, 
«wie  solches  seithero  1580  allweg  üblich  [und]  also 
hergebracht  worden**,  von  nun  an  aber  bloß  „zu  Beweisung 
Untltiger  unverzügener  [=:nichtTerzichteter]  Anwartschaft**. 
Deutlidier  kann  wohl  die  auch  auf  die  Oesamtheit  beider  Linien, 
der  deutschen  wie  der  spanischen,  bezügliche  Bechtskontinuit&t 
Hiebt  ausgesprochen  werden.  Ich  diof  darum  mit  Becht  gegenüber 
Biaer,  Kogler,  Wretschko  und  ühlirz  aufs  neue  behaupten,  daß 
seit  1580  eine  reichslehensrechtliche  Einheit  des  spanisch-deutschen 
Oesamthauaes  Österreich  für  die  altüsterreichischen  Länder  bestand 
Qod  unverftudert  aufrecht  erhalten  wurde«  Nicht  um  bloß  haus- 
^esetzliche  Bestimmungen  handelt  es  sich,  wenn  dem  spanischen 
Msonsstamm  in  den  Benuntiationen  heiratender  deutscher  Erz- 
herzoginnen und  in  Ferdinands  Erbfolgererfügungen  Nachfolgerecht 
in  den  altüsterreichischen  L&ndem  eingeräumt  ist,  überdies  Vorzug 
vor  deutschen  Erzherzoginnen;  es  handelt  sich  Tielmehr  auch  um 
eine  Befolgung  dee  in  reichslehensrechtlichen  Akten  fixierten 
Sechtszustandes.  Eine  Einsichtnahme  in  die  ja  zum  Teile  ge- 
dmekten'),  auch  sonst  leicht  zugänglichen  Akten  hätte  Bauer  und 
Uhlirz  Tor  bloßer  Wiederholung  der  f  oreiligen  Behauptung  Keglers 
and  Wretschkos  bewahrt. 

Nun  gelange  ich  zur  Bestätigung  der  Prif  ilegien  des 
Hauses  Österreich  —  nnn  im  Sinne  von  Dynastie  und  von 
deren  Ländergebiet  genommen')  —  im  Namen  von  Kaiser  und 
Reich.  Auch  hier  will  ich  nur  die  Urkunden  selbst  sprechen  lassen. 


>)  &  oben  S.  210,  Anm.  2. 

*)  Lünig,  Denteches  Beiehsarchi?,  pars  specialis,  Abteil.  IV,  p.  741, 
*id  pars  spee,  eaniinuatio  I,  tom.  11,  p.  66  and  78;  Ferd.  SehrOtter, 
II.  Abb.  aae  dem  Osterr.  StaaUrecht,  Wien  1762,  845  f. 

*)  S.  ästen  8.  212  und  219. 

14* 


212  EriÜMhe  Beitrftge  ra  deD  Anfftogen  Ferdinands  I.  Von  G,  Turba. 

Sowohl  die  yorlftnf  ige  PriTilegienbeBt&tigang  Tom  28.  März 
1522  als  die  definiÜTe  Tom  8.  September  1530  aageo  in 
wörtlicher  Übereinstimmong,  Ferdinand  habe  gebeten,  Karl  Y.  möge 
,al8  rOmiacher  Kayser  ime  an  nnnser  and  sein  selbe  etat  mid 
unserm  löblichen  Hanß  Österreich**  alle  Freiheiten,  Gnaden  aaw. 
best&tigen«  und  beide  Urkunden  sagen  wieder  gleichlantend,  Fer- 
dinand habe  seine  Bitte  am  Best&tigang  für  sie  beide  folgender- 
maßen begründet:    „Dieweil  nach  Absterben  weilennt  dea  aller- 

darchleachtigistea  Farsten  Herr[n]  Maximilian das  Haaß^) 

Österreich  mit  allen  seinen  verlassen  Farstenthamben 

landen  and  gepietten  an  Uns  and  sein  lieb  erblich  kommen 
and  gefallen  weren**.  Kaiser  Karl  V.  erkl&rt  in  beiden  Urkanden, 
dieser  Bitte  entsprechendi  die  Best&tigang  erteilt  za  haben:  „ünaerm 
lieben  Brader  Don  Ertzhertzog  Ferdinanden ')  von  anser  and  sein 
selbs  wegen,  aach  aller  anser  beiden  Erben  and  nach- 
kommen, Forsten')  des  Haaß  Österreich,  gemainlich^)  ond 
sonnderlich,  zu  ewigen  Zeiten **.  Gegen  Ende  der  Urkande  Ton 
1530  heißt  es,  diese  Freiheiten  sollen  gebraachen:  „all  onser 
baider  als  Ertzhertzogen  za  Österreich  Erbea  and  Nachkommen*'. 
Aach  die  Pri?ilegienbest&tigaDg,  die  Badolf  II.  im  Namen  von 
Kaiser  and  Reich  31.  Jali  1599  erteilte^),  galt  für  die  Gesamt- 
heit „aller  Brader  and  Vettern  der  darchleachtigsten  Fürsten,  Erz- 
herzogen za  Österreich  gemeinglich  and  sonderlich**,  „sampt  dero 
Erben**,  was  schon  dewegen,  weil  die  Konfirmation  Ton 
1530  wörtlich  inseriert  ist  and  weil  sie  in  allen  Pankten 
bestätigt  ist,  nicht  anders  als  1522  and  1530  and  nicht  anders 
als  im  Prager  Vertrag  von  1599  and  im  Lehensbrief  von  1600 
gemeint  sein  kann.  Also  haben  aach  die  Beichskonfirmationen  ge- 
rade so  wie  die  Beichslehensbriefe  das  bisherige  Gesamthftndertam: 
nan  der  spanischen  and  der  deatschen  Linie  des  Haases  Österreich 
aofrechterhalten  and  wollten  es  aach  lür  die  Zakanft  aafrechthalten. 
Nach  der  lehensrechtlichen  Entwicklang  für  große  Beichslehen  galt 
bei  Gesamtb&ndern  der  Grandsatz,  daß  der  aasgestorbene  Mannea- 
stunm  vom  überlebenden  za  beerben  sei;  Fraaenfolge  kam  wohl 
erst  beim  Aassterben  aller  Männer  and  aach  dann  nar  selten  in 
Frage.  So  hatte  man  es  aach  im  Hanse  Österreich  gehalten,  be- 
sonders deatlich  1379  in  einem  der  damaligen  L&nderteilnngs ver- 
trage and  hatte  es  so  aach  in  den  Benantiationen  heiratender 
Prinzessinnen  des  Haases  Österreich  immer  aasgesprochen.   Wenn 


^)  1530:  ^I>aB  Enhersogthnmb  nnd  Hanß*.  Wiener  Staattaiehiv» 
mit  GoldbaUe  wie  die  Urkonde  tod  1599. 

')  1530:  «König  Ferdinuiden  als  regieronden  Ertiherttogen  ond 
Landtsfarsten  in  Österreich". 

')  1530:  «Forsten  ond  Ertshertzogen'*. 

*)  1580:  gemaiDigclich. 

*)  Aach  gedroekt  bei  Lflnig,  Deotsches  Reichiarchir,  patrs  $peeiaU$, 
cantinuatio  I,  tom.  II,  p.  66  ond  73; 


Kritiiehe  Beitrige  m  den  Anfängen  Ferdinande  I.  Von  (?.  Turha,  213 

derselbe  Grundsatz  1522  und  1530,  wo  am  reichslehensrechtlicben 
Oeeamthftndertam  festgefaalten  wurde,  gleichzeitig  Ton  Beicbs  wegen 
wiederbolt  ist,  so  ist  nnr  konsequent  gebandelt  worden.  Daß  dieser 
Grundsatz  1522  nnd  1530  tats&cblicb  festgehalten  warde,  wird 
oun  ausgeführt  werden. 

Die  beiden  Privilegienbest&tigungen  Ton  1522  und  1580 
enthalten  eine  gleichlautende*)  Vererbungsregel ,  die  aus  dem 
Pririlegium  Mains  übernommen  wurde,  aber  doch  nicht  eine  bloße 
Übersetzung  desselben  darstellt,  wie  die  Gegenüberstellung  beider 
Texte  erkennen  l&ßt. 

Mains:  1522  und  1530: 

Et  si Dux  Auatri^  sine  Der  eltiet  onnder  den  Hertiogen 

herede  ßio  decederet,  idem  ducatus  soll  die  Herrichafft  des  Landts  haben 

adieniorem  filiam,  quam  rdiquerit,  ond  nach  Ime  sein  eltister  Sun  erb- 

devolvatwr.  Inter  Duces  Austri^,  lieh,  deeh  also,   das  es  Ton  dem 

911t  semor  fuerü,  dominium  habe-  Stammen  des  ploete  Bit  l^omflke  nnd 

ant  diet^  terr^,  ad  euius  eciam  das  diti  Hertiogtbomb  [Österreich] 

MNiorem  fUium  dominium  iure  he-  nvmer  mer  geteilt  soll  werden.  Wo 

reditario   dedueatur,    ita   tarnen,  aber  bemelt  Fürsten  on  Erbsun  ab- 

^uod  ab  eiusdem  sanguinis  sti-  gienngen,  so  soll  das  Hercogthnmb 

fite  non  reeedai,  nnd   die  Lannd  an  sein  dtiste 

verlassne  Tochter  fallen. 

Im  lateinischen  Texte  ist  Tochterfolge  nicht  an  die  ausdrückliehe 
Bedingung  geknüpft»  daß  gar  keine  Minner  mehr  rorbanden 
seien,  wohl  aber  im  deutschen  Texte,  Hier  ist '  gegenüber  dem 
lateinischen  Texte  eine  Umstellung  der  Sätze  vorgenommon*  Was 
im  lateinischen  der  Anfang  ist,  bildet  im  deutschen  T«xte  den 
Schluß,  80  daß  in  Anlehnung  an  das  hinter  Duces^  von  „bemelt 
Fnrsten  ••....  abgienngen",  also  in  der  Mehrzahl,  die  Bede  sein 
kann  statt  tou  „Duo;  Austrie  ....*...  deeediret'*.  Nach  dieser 
ümstellnng  nnd  Wortveründernng  ist  die  Sukzession  der  Tochter 
eines  söhnelosen  Herzogs,  wenn  andere  Mftnner  des  Herrscherhauses 
noch  in  Betracht  kommen,  ausgeschlossen  nnd  Primogeniturfoige 
ist  für  Töchter  nur  subsidi&rr  anwendbar,  wenn  nämlich  vom 
UBiBterbrochenen  Mannesstamme,  auch  der  Seitenverwandten  des 
zuletzt  regierenden  Fürsten,  kein  männlicher  Brbe  mehr  vorhanden 
ist  Der  reichslehensrechtlich  für  Gesamtbänder  ohnedied  gütige 
MiBuervorzng  ist  demnach  auch  hier  wiederholt,  Frauenfolge  nur 
für  den  Fall  des  Erlöschenn  dea  ganzen  Maunesstämmes  gestattet. 
Wenn  dann  auch  in  Benuntiationen  deutscher  Erzherzogannen  und 
in  Testamenten  Ferdinands  dem  spanischefi  Mannesstamm  in  4en 
altösterreichischen  Beichsgebieten  Vorzug  eingeräumt  wurde,  so 
geschah  dies  in  Befolgung  dieser  für  die  spanisch*deutschen  Ge- 
samthänder  nun  reichslehensrechtlich  fixierten  Vererbungsregel.  Frei- 
lieb hatte  auf  diese  Fixierung  frühere,  schon  haufigesetzliche  Übung 
mit  eingewirkt 

')  Nor  kleine  orthographische  Verschiedenheiten  twiechen  beiden 
Texten  kommen  in  Betracht 


214  Eriti8ch0  Beitrftge  la  den  AnfftDgen  Ferdinands  I*  Von  G,  Twrba. 

Daß  mit  der  ümstellnng  der  Sätze  nnd  der  Ver&ndemng  der 
Worte,  scheinbar  bloß  interpretatir,  Karl  V.  seinen  Nachkommen 
^ein  Erbrecht  aof  die  [Reichs] L&nder  der  österreichischen  Linie 
vor  den  Töchtern  derselben*'  sichern  wollte ,  M^cheint"  Bauer 
(S.  158)  „nicht  haltbar  zn  seln*^  nnd  er  kann  sich  dieser  Anf- 
fassnng  »ebensowenig  anschließen  wie  Eogler**  nnd  in  allerjongster 
Zeit  Uhlirz«  Da  aber  Uhllrz  ohne  eigene  Argumente  Eogler  bloß 
zustimmt«  erübrigt  nur,  zuerst  die  von  Bauer  gutgeheißenen  Argu- 
mente Keglers  und  dann  Bauers  eigene  zu  prüfen.  Nun  ist  das 
Hanptargument  Koglers,  ich  hätte  die  Mitbelehnung  der  spanischen 
Linie  „erfunden".  In  der  Tat,  wären  die  spanischen  Erzherzoge 
ausgeschlossen,  so  hätte  es  keinen  Sinn,  sie  in  die  PriTÜegien- 
konfirmation  einznbeziehen.  Da  nun  aber  Beichslehensbriefe  und 
Priyilegienbestätigungen  sie  ausdrücklich  und  wiederholt,  wie  ge- 
zeigt wurde,  einbeziehen»  fällt  diesea  Argument  £oglers  weg.  Viel- 
leicht sind  aber  seine  anderen  Argumente  stichhältig.  Ein  Bolehee 
ist  femer,  das  Literpretationskunststüek  Karls  V.  an  der  Vererbungs- 
regel  sei  „in  einige  Buchstaben  einer  versteckten  Stelle  hinein- 
gelegt, während  man  derlei  Dinge  recht  umständlich  und  deutlich 
zu  fixieren  pflegte**.  Besteht  aber  die  Veränderung  an  der  Ver- 
erbungsregel wirklich  nur  „in  einigen  Buchstaben  einer  rersteekten 
Stelle?*'  Ist  nicht  auch  ein  zweiter  interpretatiyer  Znsatz,  nämlich 
der  zu  „Hertzogtbnmb**  (am  Schlüsse)  gemacht  worden?  Eb  sind 
dies  die  Worte:  tt^xn^  die  land"^).  Konsequenterweise  hätte  dieser 
Zusatz  freilich  auch  einige  Zeilen  vorher  bei  demselben  Worte  ge- 
macht werden  sollen.  Bauer  spricht  doch  schon  Torsiehtiger  als 
Kogler  Ton  „textlichen  Veränderungen**.  Sie  kommen  übrigens 
nicht  bloß  an  den  zitierten  Stellen  vor.  Ist  ja  auch  in  der  PriTilegien- 
konflrmatioD  ron  15S0  der  Ausdruck  „Ertzhertzogthum**  neu  ge- 
braucht, von  anderen  Stellen  gar  nicht  zu  reden.  Beansprucht 
denn  femer  die  Beichskonfirmation  von  1580  bloß  eine  Über- 
setzung von  Privilegien  oder  ein  Auszug  aus  Freiheitsbriefen 
zu  sein?  Sagt  sie  nicht  selbst,  daß  Karl  V.  die  „Privilegien, 
gnaden»  Freyhaiten,  Oereehtigkeiten  und  gute  alte  Oewonhaiten** 
„konfirmirt,  bestättiget,  erläutert  und  gebessert**  habe,  ^^on- 
derlich**  die  Freiheiten  „der  edlen  Markgrafschaft  und  Ertzhertiog- 
thnmb  Osterreich*?  Also  auch  dieses  Argument  Koglers  ist  nicht 
stringent«  Kann  man  ferner  ernst  bleiben,  wenn  Kogler  gegen  mich 
anführt,  jene  Interpretation  des  Mains  habe  auch  den  Schriftstelltfn 
vor  mir  ferngelegen  und  meine  Folgerung  wäre  « geradezu  auf- 
sehenerregend** ? 


^)  Man  hielt  ihn  fflr  so  wichtig,  daß  man  ihn  ins  Original  von 
1530  nachträglich  mit  anderer  Hand  und  Tinte  einsetzte,  als  man  bemerkt 
hatte;  daß  der  Schreiber  diese  Worte  schon  des  Textes  von  1522,  wo  sie 
unbedenklich  in  fortlaufender  Zeile  stehen,  ausgelassen  hatte.  Dieselbe 
Feder  and  Tinte  tilgte  im  Original  von  1580  nur  noch  ein  einsiges,  irriger- 
weise zweimal  geschriebenes  Wort. 


Erititct^e  Beitrige  la  d«n  Anf&ogen  Ferdinand!  L  Von  (?.  Tarda.  215 

Nun  zn  Bauers  eigenen  Argumenten  (153).  Ich  hatte  1906^) 
gogonilber  Kogler  nnter  anderem  die  „an  Hinterlist  grenzende 
Sehianbeit  der  damaligen  Diplomaten  Spaniens  nnd  Frankreichs^ 
betont»  Baner  meint,  ich  schlage  sie  zu  hoch  an.  Mir  schwebte 
damals  anßer  anderem  anch  die  in  einer  Belehnnngsnrlronde  ge- 
heim zwischen  Karl  V.  nnd  Ferdinand  rerabredete  Verändemng 
der  Erbfolge  im  Beichslehen  Mailand  vor.  Denn  in  dieser  Beleb- 
nnogsnrknnde  vom  12.  Dezember  1549')  ist  genan  dieselbe  Erb- 
folge wie  in  der  Ton  mir  behaupteten  Interpretation  für  die  i^ster- 
reiehischeo  Beichslehen  enthalten:  zuerst  regieren  nacheinander 
Mannsst&mme,  diesmal  nur  der  spanischen  Linie  Prinz  Philipps  (IL) ; 
ent  nach  Erlöschen  äw  ganzen  Mannesstammes  Töchter  nach 
Primogeniturf orzug,  wie  er  für  Männer  gilt.  Als  die  deutschen 
Ffirsten  1552  in  ihren  öffentlichen  Beschwerden  gegen  Karl  V.  ihn 
der  „Verftiiderung  der  Natur  der  Beichslehen*'  beschuldigten»  bezog 
dies  Karl  Y.  nicht  auf  die  Veränderungen  von  1522  und  1580« 
aber  wohl  nur  deswegeta  nicht,  weil  damit  der  ohnedies  giltige 
Yanng  der  MannesstAmme  in  den  großen  Beichsfürstentümem 
fixiert  war.  Er  bezog  aber  den  genannten  Vorwurf  sofort  auf  jene 
geheime  Abmachung  von  1549  bezüglich  Mailands,  wo  Weiberfolge 
früher  politisch  angefochten  war,  und  scheint  Ferdinand  im  Ver- 
dtehte  gehabt  zu  haben,  daß  er  das  versprochene  Geheimnis  nicht 
gewahrt  habe').  Nur  ungern  dürfte  Ferdinand,  welcher  Absichten 
auf  Mailand  selbst  und  lange  gehegt  hatte,  im  Jahre.  1549  darein 
gewilligt  haben,  den  eigenen  Mannesstamm  Ton  der  Anwartschaft 
daselbst  auszuschließen;  lieber  w&re  ihm  wohl  wenigstens  ein 
ipanisch-deutsches  GesamthAndertum  wie  1522  und  1530  gewesen. 

Auf  eine  Veränderung  der  Vererbungsregel  wie  die  1522  und 
1530  festgesetzte  läßt  sich  auch  nicht  anwenden,  was  ferner  B. 
dagegen  anführt.  Er  sagt  nämlich:  ffWtLB  hätte  ein  augenblick- 
licher diplomatischer  Erfolg,  ein  fein  ersonnenes  Interpre- 
tationskunststück, das  nicht  in  den  Teilungsf ertrag,  sondern  in 
eine PriTileginmsbestätigung  eingeschmuggelt  würde,  nützen  sollen? 
Der  Vorteil,  der  daraus  erwachsen  wäre,  hätte  Tielleicht  mit  blutigen 
Kriegen  erkauft  werden  müssen  und  auch  noch  die  ideelle  Einheit 
des  babsburgischen  Hauses  zerstört**.  Es  kann  sich  hier  doch  um 
keinen  „diplomatischen  Erfolg",  stwa  Ferdinand  oder  dem  Beiche 
gegenüber  bandeln»  weil  nur  das  bisherige  reichslehensrechtliche 
Qeaamthändertum  festgehalten  wurde,  ebensowenig  um  eine  Gefahr, 
wie  sie  Bauer  schildert,  da  Ja  Ferdinand  gemäß  dem  Wortlaute 
der  Lehens-  und  Eonfirmationsbriefe  Ton   1522   und  1580   dieses 


')  Pragmatieehe  Sanktion,  15,  Anro. 

*)  Schrötter,  Zweite  Abhandlung  aus  dem  öeterr.  Staatereeht  388  f. 
Vgl.  dasn  meine  .Pragmat.  Sanktion**  S.  8,  Aam.  14* 

■)  »Ich  kann  mir  nicht  denken*',  schrieb  Karl  V.,  «wie  sie  das 
erfahten  haben  können*',  ^a^äant  traicte  avec  U  secret,  avec  leauel  je 
l€  Vou8  eammuniequay''.  Weiß,  Papiers  d^itat  du  card.  de  Or.  III  635. 


216  Kritische  Beiträge  sn  den  Anfftogen  Ferdinands  I.  Von  G,  Turha. 

Gesamtbftndertom  selbst  rerlangt  nnd  in  elg^enen  Testamenten  wie 
in  Bennntiationen  deutscher  Erzherzoginnen  selbst  wieder  anerkannt 
hat.  Wamm  aber  diese  Vererbnngsregel  nicht  anch  in  den  Teilnngs- 
▼ertrag  Tom  7.  Februar  1522  aufgenommen  wurde?  Weil  dies  im 
zweiten  geheimen  Zusatzvertrag  vom  21.  Februar  1522,  Ton  dem 
oben  die  Bede  war,  geschehen  sein  konnte  und  Tormutlich  ge- 
schehen ist. 

Daß  Karl  V.  mit  jener  Interpretation  der  Vererbangsregel  in 
den  Beichskoofirmationen  von  1522  und  1580  seinem  spanischen 
Mannesstamm  vor  deutschen  Erzherzoginnen  auch  vonBeichs 
wegen  einen  Vorzug  in  den  altGsterreichischen  Ländern  habe 
sichern  wollen,  bestreitet  Bauer  (S.  158,  Anm.  4)  auch  noch  ans 
einem  anderen  Orunde.  Er  sagt  nämlich,  die  genannte  Auslegung 
werde  durch  „die  Thronfolgeordnung  Kaiser  Karls  V.  Ton  1554 
und  durch  die  anderer  spanischen  KGnige  „.»Lfigen  gestraft"". 
Lieber  keine  Begründung  als  eine  solche!  Denn,  genau  besehen, 
bestimmen  nicht  die  spanischen  Könige  eine  Thronfolgeordnung, 
sondern  sie  alle  befolgen  nur  dasjenige,  was  die  „Leyes  de  las 
[sietej  patiidas**  Kastiliens  festgesetzt  hatten,  die  zur  Zeit  des 
österreichischen  und  des  Beichsinterregnums  im  XIII.  Jahrhundert 
entstanden  waren  und  gegen  1850  Oesetzeskraft  erlangt  hatten. 
Immer  wieder  sagen  die  spanischen  Könige  in  ihren  Testamenten, 
daß  ihre  Bestimmungen  Aber  Thronerbenfolge  alle  konform  den 
Leifes  de  las  partidas  und  anderen  Gesetzen  Spaniens  seien,  und 
sie  sagen  dies  im  besonderen  vom  Tochtervorzug  vor  einem  über- 
lebenden Bruder  des  Erblassers  beim  Mangel  von  Söhnen  und  vom 
Bepräsentationsrecht,  wonach  Geburtsvorrecht  eines  vor  dem  Vater 
▼erstorbenen  Thronfolgers  (Thronfolgerin)  Nachkommen  dieses  Vor- 
Torstorbenen  nicht  verloren  gehen  darf.  So  äußerte  sich  Isabella 
Ton  Kastilien  1504,  so  ihr  Gemahl  Ferdinand  von  Arragonien  1516, 
ebenso  Karl  Y.,  Philipp  IL  und  die  späteren  spanischen  Könige 
in  allen  ihren  Testamenten.  Da  nun  die  spanischen  Könige  Tbron- 
erbenfolge  nicht  beliebig  festsetzen,  sondern  schon  gesetzlich  be- 
stehende nur  befolgen  konnten,  so  ist  österreichische  Thronerben- 
folge prinzipiell  für  spanische  ToUkommen  irrelevant.  Es  ist  dafür 
auch  irrelevant,  ob  die  von  mir  behauptete  Auslegung  Kaiser 
Karls  V.  in  den  Beichskonflrmationsbriefen  von  1522  und  1580 
richtig  oder  unrichtig  ist.  Ein  Schließen  vom  einen  auf  das  andere, 
ein  „UgensiTzfen**  des  einen  durch  das  andere  ist  vollkommen 
ausgeschlossen. 

Bedenklicher  als  dieser  Fehlschluß  sind  die  vielen  Fehler 
und  üngenauigkeiten,  die  B.  bei  der  Wiedergabe  von  Texten 
passieren,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  diese  Texte  fast  durchweg 
leicht  leserlich  waren,  wenn  auch  etwas  Übung  im  Lesen  und  ein 
Minimum  von  Sprachkenntnissen  unentbehrlich  waren.  Ich  will  nun 
einiges  anführen. 


i 


ünUicbe  Bettri^e  za  den  lo fingen  Ferdrn&ndB  I.  Ton  G.  Turha.  217 

$.  12«  Anm   1   muß  g«leieQ  werden:  nüto  itfttt  niete  iZ,  9)  und 
icrm  a  i$q%i€U0t  qut  it(r(}ra  tt.  fl^rati  qu€  agora  (frgen  Scbloß),  Femer 
ii  m,  Anm.  1,  Z.  4  :  ^         ^  'fdme;  Z  ö,  7  und  IQ  ßle  wnic- 

f^und  plui^rurt  [iU:  'U^  ptuitettrSr  patrimon;  5,  110p 

iMLt  ^  2  nnnees  stmn  fji*^  tt.  anrurs  qite;   S.  193^  Anm.  2*  Z*  5  in- 
tfüiiriciif  fM«  .«•  |90iirrmefif  »ourdre  «t.  ......,-  ;)oiirrü»«»f  somdrc; 

ibi.Lt  flibt  at  u6/i'|jrali£m  «t.  en  robUgntion,  Noch  feblerbafti;r  ut 
iltVtHi  itf  S-  2t8|  Atitn,  '2,  Blitte*  geleeeü  warde  |>ü^f  qutUfS  it.  po«e 
fafßüt  mk*tUe$  und  (mit  Dicht  angegebener  AuflUfisnng  logar  eioer 
Zdi«)   »1   r»"»  M^*  recon formen  it.  ifi  F"  M^  leur  a  obsirve  lf% 

jmrtt  a  V^*  eUcHim  et  dtpuis  par  Vred{ite]  Majetite  recon- 
fmm  und  iwei  ^ilen  ipiter  forme  des  meaires  it.  forme  dt  piüaires. 
IHl  4k  iQttrponkti Ollitetehen  dei  Teilet  blieben  ntiberüekaicbtigt  Nicht 
filt  b«iier  lieiut  et  tnf  8,  225,  Antn*  It  Z.  2  enffopc  le  $f  Alonso  Meneses 
fi  m90^  icy  h  f  A.  de  M.  und  ebd.  Z.  ö  t  in  pourront  it.  tfen  p.; 
ftcMT  fmm§  . ,  t .  envö^e  it  venu  . .  * .  atr«we  ici^ ;  chmes  que  st»  choses 
fii;  cwpojre«  i.^ .  *  cAecaweti]^  payew  en  orare  et.  etipo^^r  . . , .  chevauix 
pffmü  9$  Unir  en  ordre;  endlich  S.  2^5,  Adth.  2,  SchloQ  ne  faiddra 
AMrt  metmimnnt  m*en  retourner  it.  me  fauldrajf  tout  iHCOntment  Wen 
r  —  ttltiniicfai>  Texte  erleiden  ähnliche  MiBhandlnof^eDf  ohne  dm^ 
ikhmmng  tthwtmig  geneieB  wire,  B.  19^  Aoin^  1  tat  toll  von  FehlerD- 
tmm  ai  aetwiium  in  partim  it.  r,  et  a.  mearum  \Z.  3);  esse,  est  it. 
rm,ut  {t^$\;  delibi^ratum  velle  it*  detiberatum^  [iic]  velte  (Z.  ä);  tt  «i 
«iM  lt.  ef  iil  «*  (Z.  IS);  r^  r€^em  it.  ei  ipmm  regem  {Z.  14);  Tirolis 
prmrHone  ei  rata  ßua  sit  etiam  bhub  l^co  totius  hereäitutis  parte  et 
me  bitr  %\»  CbilEretkfttifiaittng  §1,  T,  i>ro  portiotte  et  r,  «.  «.  e,  i.  loea 
IMwt  ^rrdifciiii  paierne  et  aintq.  Hier  bitte  der  Editor  Über  dem 
liit^  irbeiteodeii  DefbifTreQr  iu  Msiimiliana  L  Kaotlei  itehen  nnd  nie 
wapwie  lufrieden  leio  seUea.  Dann  wfire  aach  nicht  überiettt  worden: 
.(iflJSieliafl  Tirol  in  ihrem  M&&e  und  Verh&ltnie  an  Stelle  des 
Urjf«n  ErhBchaftsanteilea^  (S.  18^  In  demielben  Teit  anf  3.20, 
hm.  mall  es  heiiyen  domimi  Vcfutorum  nnd  „mit  dem  großen  Signtun'' 
mitfi  im>  si^no)  st.  domim  Ven^iorum  ond  ^mit  dem  Signum*.  S.  3(j, 
Im.  I   iisd  in  nur  drei  Zeilen  folgende  NAchl&ssi ^ketten:    19.  Fehrnaj 

IS1$  ft  ©.  Febniar  1516;  ferner  mortem de  qua  licet  exiHtmefn. ,  p  , 

t  m  . . . ,  de  qua  re  licet  ejcisiirnem  ,  ♦  *  -  ai*  hmc  mofutam  satis  eBie 
H"^  V  '  ohne  die  letzten  Worte  itt  der  Sati  uQ?erftftndljch.  is  41, 
Ja&  tanium  « . .. .  durare  mtle  ....  qtmd  * . » .  priuceps  i?adat 
jm  it,  f.  ^ . . .  if.  t^, .  i . ,  quoad  .  * . .  ji.  c.  in  H.  aut  quoad 
prrmiierit.  Anf  S.  43^  Anm.  sind  ferner  in  nur  Tier  Zeilen 
It  V«ri«atingeiit  morbissimQ  easu  quam  . , . ,  eiusdem  ,  * . ,  nunctiiS 
it  acerhiAsimo  ca$u  datig  q.  . .  >  eiugdemque  .  • ,  nuntii  » . . 
Anf  8.  50«  Aura.,  Z.  1  tind  5  lit  tn  Ueen  jc^ralicabanf  und 

ttL pra<:f ica^uHl  and  practica»;  Z.  4  &(ftte/iCM>  e^  aliis.  Et  ideo 
Jl  Irrip  heneficiit  et  ideo  nnd  jlituftfijwM  et.  -rl5lHnce»i«ti,  Ähnlich 
'<4tclaft  tifid  die  67,  Zeilen  wf  8.  80,  Anm.  1  wiedergegebeo.  Statt 
n«ito6»i  imsuper  uo^tro  nomine  «ere»!*"«"'  principem  ,  . .  Ferdtnan- 
2J  AkUera«  •  „ .  j?rMeH^a»ifiö  atque  ei  reverentiam  <  *  * .  offer  et  et  exhi- 
Wt  olfiM  eundem  gtatit  not  > . .  ^  co>7imenc^a^i£  e^c  * . . .  eum  Sert*  Sue 
m4  biq5  m  richtig^  heilen  Vüitahit  insuper  idem  D[ommf^  -^  nicht 
^«trei,  londern}  Paiäm  [de  Laude]  n.  n.  sercn^*^**  infant  (dieies 
"  Wl  fcftilfl)   principem  •  • .  *  J'erdiwawr?!*»*  öf gt*e  littera9  .  • , .  |JTc^eii- 

Jjjis  et  r. , , , .  off^ei  et  exh.  atque  eiüadem  §ratic  no§ eommen- 

•*w  nt,..,  cum  Ser^*  S.  Knr  die  Lesang  Ton  eiu^dtmf  fÄr  sich  allein 
MiOBteD,  konnte  paliagraphiich  iweifelbaft  ietn;  naeh  dem  Sinne  aber 
*•*«.  Ftmtr  erfand  der  Autor  anf  S.  118»  Anm,,  Z.  4,  linkt,  for  com- 
"■••••riifin  tOTum,  knt  S.  124,  Anm.»  linki*  laa  er  fernt>r  ohliijatum  .., 
^  *»•»•„,  tt  eompitnd^  it.  oblipati  >..,et  usttm  >,..  ad  e.  iZ.  11,  7| 
L-^  ^-.i.  ^i^^i  ^1^  Unmöglichkeit  Ton  coröu^no  ipsius 


218  KritiBche  Beitrftge  ta  den  Anfftngen  Ferdinands  I.  Von  6p.  Turbo. 

regia  Hungari^  (Mitte),  wo  tehon  in  der  ortprtlngliehen  Fassang  am 
Bande  die  Verbeeseraog  in  Regio e  Marie  steht.  Qiii,  gtMm.  quod  in 
Abkttrsangen  bereiteten  ihm  Schwierigkeiten  auf  S.  241  and  242,  obwohl 
die  Vorlage  sehr  deutlich  geschrieben  war.  S.  241  maß  es  Torletite  Zeile 
heißen  de  hiis  [!]  iwribus  gut,  nicht  gwim,  8.  242«  Z.  22  ▼.  o.  eowom- 
tum,  quod  üla  pluria  valefUiOf  nicht  aber  conventum  quam  iüa  plurU 
valentick.  Drei  Zeilen  weiter  anten  maß  es  heißen  ut  in  asaignatUme, 
nicht  ut  in  aaaignatiouem.  Aof  derselben  8.  242,  Z.  12  ▼.  a.  dann  ito, 
quod  st.  itaque;  Z.  7  y.  u.  medieUUem  st.  mediedatem.  Aof  8.  248,  Z.  5 
▼.  0.  wurde  nach  Maximiliani  aasgelassen  Ceaaria;  Z.  7  ▼.  o.  aof  der- 
selben 8eite  maß  gelesen  werden  requiaitione  Ceaare^  majeatati,  nicht 
r.  C  majeatatia  and  auf  8.  244,  Z.  4  t.  o.  nach  quatenua  erginat  werden 
quenUibet.  Die  Unmöglichkeit  von  iuribua  ....  nobia  a  noatria  ....  auc- 
ceaaaribua  dehitia  (3.  246,  Z.  6  t.  a.)  wurde  auch  durch  den  Wortlaut 
des  Originals  bestätigt,  wo  ac,  nicht  a  steht.  Auf  S.  258  muß  es  gegen 
Ende  heißen  aignatarum  st.  aignatorum.  Unangenehm  empfindet  der 
Leser  endlicb  den  Mangel  einer  Übersicht  gewflhrenden  Interpunktion  im 
Texte  des  Anhanges;  manchmal  hfttte  man  hierin  nur  dem  Original 
folgen  sollen. 

Dies  alles  sind  nnr  Stichproben  gewesen,  die  ich  anf  Texte, 
die  in  Wien  zng&nglich  waren,  beschr&nken  mußte.  Denn  nur 
dort,  wo  mir  bei  erster  Durchsicht  Bedenken  anfgeatiegen  waren» 
habe  ich  die  Texte  einer  Nachprüfung  unterzogen,  sonst  nicht. 
Hoffentlich  sind  die  Texte  nicht  auch  an  anderen  Stellen  anrichtig 
gelesen  worden. 

Mehr  als  einmal  hat  aber  der  Autor  den  Sinn  der 
Texte,  die  er  benützte,  mißTorstanden,  auch  dort,  wo  er 
richtig  gelesen  hat. 

8.  18/19  wird  auf  Grund  eines  Gespr&ehes  zwischen  einem 
kaiserlichen  und  einem  spanischen  Diplomaten  dem  Kaiser  be- 
richtet: ^Preterea  ipae  Rex  CcUholicua  resolvit  ae  etiam  in 
hoe,  quod,  poatquam  prineepa  Carolua  ekctua  ait  in  regem  Borna' 
norum,  quod  deinde,  quando  placebit  Majeaiati  Veatrae,  ipae 
aetnel  vadat  in  Hiapaniam  propter  infinitaa  neeeaaitatea  et  cauaaa 
et  eo  abaente,  ei  preaertim  ai  Va  Mtaa  eaaet  implieiia  alieui 
expißditioni  contra  infidelea,  et  etiam  poat  mortem  Vf^  Majeatatia 
(quod  Deua  longiua  amoveat),  ipae  Don  Ferdinandus  »U  gene' 
ralia  locumtenena  et  vicarius  principia  Caroli  in  tota  domo 
Äuatrie,  Burgundie  et  imperio  tato  per  Germaniam. .  ,*^  Diesen 
Gedankengang  glaubt  der  Verf.  mit  den  Worten  erfaßt  za  haben: 
„Don  Ferdinand,  meinte  der  katholische  König,  solle  Generalstatt- 
halter und  Stellvertreter  Karls  in  ganzOsterreioh  und  Bnigund 
und  in  Deutschland  werden,  wenn  Karl  zum  rßmischen  König 
gewählt  werden  würde,  oder  wenn  es  Maximilian  g^ele,  selbst 
einmal  nach  Spanien  zn  gehen  wegen  der  unzfthligen,  dringenden 
Nöte  (!)  dortselbst.  Auch  könnte  der  Infant  den  Kaiser  vertreten, 
wenn  dieser  einen  Zug  wider  die  Ungläubigen  unternehme  oder 
gar  stürbe^. 

Von  Maximilians  I.  etwaiger  Heise  steht  aber  im  lateinischen 
Texte  nichts.     Ein  „Besolvit*'  vom  katholischen  König  gegenüber 


KritiMhe  Beitrige  la  den  Anf&Dgea  Ferdinands  I.  Von  G.  Twrha,  219 

dem  ihm  doch  mindAstens  gleichstehenden  Kaiser  h&tte  wohl  selt- 
eim  geklnngen.  Überdies  kann  nach  dem  ganzen  Wortlaute  doch 
aar  gemeint  sein»  daß  Karl  nach  Spanien  reisen  mflsse,  schon 
deswegen»  weil  er  künftiger  Erbe  auch  der  dortigen  Königreiche 
und  gerade  dort  seine  Anwesenheit  sehr  dringend  nOtig  sei.  Die 
Beise  nach  Spanien  sollte  aber  Karl  erst  dann  (deindt)  antreten, 
Diehdem  er  znm  römischen  König  gewählt  sei.  Von  Maximilian  I. 
tollte  Karls  Beichsnachfolge  vorerst  erwirkt  werden.  Man  erinnere 
•ich  hiebeiy  daß  Maximilian  I.  selber  noch  bei  Lebzeiten  seines 
Yorg&ngers,  des  Kaisers  Friedrich  III.»  znm  römischen  König 
and  als  solcher  znm  StelWertreter  seinea  Vaters  im  Beiche 
ond  zu  dessen  künftigem  Nachfolger  daselbst  und  im  Kaisertum 
gewählt  worden  war.  Da  aber  Karl»  einmal  in  Spanien  angelangt, 
vom  deutschen  Seiche  und  von  Maximilians  I.  Erblanden,  Ja  von 
den  eigenen  Landen  abwesend  (eo  abaente)  w&re  und  den  Kaiser 
dann  nicht  vertreten  und  unterstfltzen  könnte,  besonders  wenn 
Mixifflilian  L  mit  einer  Unternehmung  gegen  die  Tflrken  beschäftigt 
wäre»  und  da  Karl  auch  nach  dem  Tode  des  Kaisers  jene  Gebiete 
von  Spanien  aus  nicht  selbst  regieren  könnte»  so  sollte  Erzherzog 
Ferdinand  Oeneralstatthalter  und  Vertreter  seines  Bruders  Karl  im 
ganzen  Berrschaftsbereich  der  Häuser  Österreich  und 
Bargund  und  in  der  Beichsregierung  nur  Deutschlands  werden. 
Entsprechend  dem  Ausdruck  „tok$  Domua  Auatrie**  im  angegebenen 
Sinne,  sprach  auch  Erzherzog  Ferdinand  November  1522  von  dem 
Lande  Österreich  ob  und  unter  der  Enns,  nach  welchem  das  Haus 
Österreich  Titel  und  Wappen  führe»  als  von  einem  »»Teil''  des 
«Hauses  Österreich**  ^),  und  warnte  vor  dem  großen  moralischen 
Sehaden,  der  gerade  deswegen  mit  dem  Verluste  dieses  Landes  an 
die  Türken  verbunden  wäre.  Das  war  eben  patrimoniale  Staats- 
ufiassung.  „Haus  Österreich"  erscheint  als  Name  der  Dynastie 
ond  als  Name  von  deren  Herrschaftsgebiet. 

Auch  an  anderer  Stelle  verfehlt  B.  den  Sinn  des  von  ihm 
benAtzten  Textes.  8.  49  stellt  er  die  Behauptung  auf»  man  habe 
—  nach  dem  Tode  Ferdinands  des  Katholischen  —  Karl  V.  «ge- 
ndezn  als  blödsinnig  und  deshalb  regierungsunffthig* .  bezeichnet, 
om  so  dem  Infanten  Ferdinand  die  Begiernng  in  Spanien  zu  vor- 


')  nCest  la  maisoUf  dotU  ü  est  party  et  parte  son  nom  et  ses 
orma*  Msi.  684»  1.  Fol.  2  Kopialbacb,  Wiener  Staatsarchif.  Vgl.  damit 
die  häufig  angewendeten  Ansdrfleke  in  Urkunden:  „Fflr  Uns  and  üneero 
Nachkommen  am  Beich*  and  analog:  »Fflr  Uns,  Uneere  Erben  und  Nach- 
keomen  an  UuMrem  darehlenchtieieten  Erzhaus  Österreich*  oder  «alle 
&ben  am  Haue  Österreich'';  aach  bei  Bauer  S.  187:  «Vorfahren  am  Haue 
Ötteneich'.  Die  i'rivilegienbestätiganpr  von  Beiche  wegen  fQr  dai  Haus 
Österreich  und  seine  Länder  vom  ^.  März  1522  sagt  daram,  an  Karl  und 
f  erdhuad  seien  «erblich  [gelkomtnen  und  gefallen" :  «Das  Haos  Österreich 
■it  allen  seinen  verlassen  Furstenthomben,  Pbalttsgraffechafften**  (!)  usw. 
Wien,  Staatsarchiv,  Original  aaf  Pergament.   Uikundenrepertorium  L 


220  Eritisebe  Beitrftge  tu  den  Anfingen  Ferdinand!  I.  Von  G.  Twrha. 

schaffen.  Die  Stelle,  anf  die  er  seine  Behanptang  stftizt,  lautet 
korrigiert  (s.  oben  8.  217)  folgendermaßen:  „lam  erant  magnates 
Hispanie  in  opinume  vera  vel  falsa  aut  ficta  polius^  quod  Rex  Catho- 
licus  esset  faiuus  et  ideo  praiieahant  facere  Ferdinandum  [...?] 
et  vokbant  mittere  oratores  in  Flandriam,  ui  Bern  Catholieus  con- 
seniiret,  guod  fuisset  gubernatcr  et  quod  Rex  Catholieus  haheret 
potestatem  providendi  de  ofßeiis  et  beneßeiis  et  aliis  et  ideo  episeopus 
Asturiensis  /actus  est  exul,  licet  dieüur  prqpter  pratieas  cum 
Gallis**.  Dies  berichtete  Andrea  da  Bargo  (der  kaiserliche  Diplomat) 
vertraulich  auf  einem  Zettel  dem  Bischof  Ton  Trient;  wann  und 
von  wo,  auch  nur  ungefähr,  erfahren  wir  von  Bauer  nicht.  Er 
sagt  nur:  „Wenn  auch  sp&t,  so  drang  doch  auch  nach  Deutsch- 
land die  Kunde  von  den  Vorgängen  in  Spanien'*.  Ich  mußte  daher 
selbst  nachsehen  und  konstatieren,  daß  es  eine  Abschrift  von 
anderer  Hand  aus  Nachrichten  war,  die  Andreas  da  Bürge  ans 
Spanien  unter  dem  Datum  Aguillar,  27.  Okt.  [1517],  von  einer 
Persönlichkeit  empfangen  hatte,  die  er  spätestens  während  seines 
letzten  Aufenthaltes  am  Hofe  Karls  in  den  Niederlanden  kennen 
gelernt  hatte,  wo  er  Januar  1516  eingetroffen  war.  Die  genannte 
Nachricht  aus  Spanien  traf  unseren  Andrea  da  Burgo  wohl  in 
Innsbruck  an,  wie  andere  Briefe  Tom  No?.  1517  an  den  Biicbof 
von  Trient  vermuten  lassen.  Die  Hand,  die  in  seinem  Anftrag  den 
Auszug  auf  jenen  Zettel  schrieb,  ließ  nach  facere  Ferdinandum*" 
wohl  ein  Wort  aus,  etwa  „gubematorem**  oder  „regentetn**.  Daß 
unter  „Rex  Catholieus^  nur  Karl  gemeint  sei,  scheint  dem  Verf. 
festzustehen.  Wie,  Karl  sollte  also  für  blGdsinnig  gehalten  worden 
sein  und  dennoch  Ernennungen  und  Verleihungen  kfinftig  vollziehen? 
Der  ffir  blödsinnig  Gehaltene  sollte  nur  einwilligen,  daß  sein  Bruder 
für  andere  Oeschäfte  Gubemator  werde;  in  Kastilien  natürlich  ffir 
die  geisteskranke  Königin  Johanna?  Das  kann  ich  nicht  glauben. 
Da  nehme  ich  lieber  an,  unter  ^Rex  Catholieus'*  sei  das  erste 
Mal  der  sicher  körperlieh  kranke  alte  König  Ferdinand  von  Arra- 
gonien  gemeint,  welcher  in  Kastilien  ^Gubemator''  statt  der  geistes- 
kranken Königin,  seiner  Tochter  Johanna,  war;  alle  folgende  Male 
sei  aber  „Rex  Catholieus**  auf  den  im  Zeitpunkt  des  Berichtes 
regierenden  König,  den  neuen  König,  zu  beziehen,  der  seinem 
kranken  Großvater  Ferdinand  gefolgt  war  (f  28.  Januar  1516). 
Erzählt  uns  doch  B.  selbst,  daß  man  von  Frankreich,  ja  beinahe 
schon  von  den  Niederlanden  aus,  sieh  kurz  vor  dem  Tode  des 
alten  Königs  anschickte ,  die  Elemente  des  Widerstandes  gegen 
diesen  König,  zunächst  in  Kastilien,  in  Bewegung  zu  setzen 
(S.  27,  87).  B.  erzählt  uns  femer  selbst  von  Praktiken  Alvaro 
Osorios,  des  Bischofs  von  Astorga,  zu  Gunsten  des  Infanten  Fer- 
dinand, der  sein  Zögling  war.  Diese  Praktiken  hätten  nach  dem 
Tode  des  alten  Königs  das  Ziel  verfolgt,  Ferdinand  wenigstens 
zum  Statthalter  für  die  Zeit  von  Karls  Abwesenheit  tu  erheben 
(49  f.),   demnach   dasselbe  Ziel,    welches  ja  ohnedies  schon  das 


Eritiieha  Beitrige  za  den  Anftogen  Ferdinands  L  Von  G»  Twrha.  221 

ente  Testament  des  alten  Könige  Ton  1512  ansgesprochen  hatte 
(26).  Ein  Onbernatorentam  Erzherzog  Ferdinande  war  anch  der 
lobilt  der  „schlimmen  Umtriebe*'  (51),  wie  nns  Karls  Briefe 
flieh  Spanien  vom  7.  September  1517^)  TOr  seiner  eigenen  Beise 
dabin  beweisen.  Dort  erfahren  wir  anch  die  Verfügung  znr  Ent- 
fernuig  des  Bischofs  von  Astorga.  Die  Worte  anf  jenem  Zettel 
Andrea  da  Bürgers  sind  demnach  einfacher  und  plausibler,  als  B. 
will,  erkl&rt. 

Wiederholt  sind  B.  im  erzählenden  Text  chronologische 
Irrtümer  unterlaufen:  S.  18  1514  st.  1518,  S.  88  1520  J&nner 
15/16  st.  1516  Jänner  23.  In  diesen  Fällen  handelt  es  sich 
wahrscheinlich  um  bloße  Schreibflüehtigkeit.  Anders  steht  es  aber 
in  folgenden  zwei  Fällen.  S.  122  spricht  B.  von  den  am  20.  April 
1521  erfolgten  Heiratsverabredungen  für  Erzherzog  Ferdinand. 
Darnach  sollte  sich  Ferdinand  zum  Beilager  mit  der  ungarisch - 
böhmischen  Prinzessin  Anna  nach  Linz  begeben  „adfeaium  PenU- 
dujttei  proxime  futurum**.  Diese  Worte,  die  B.  nicht  zitiert,  über- 
utit  er  mit  „zu  Pfingsten  des  nächsten  Jahres**.  Tatsächlich 
lind  Pfingsten  1521  gemeint.  Femer  ist  auf  8.  254,  Beilage  IV 
io  der  Titelaufschrift  „23.  Februar  1522''  datiert,  während  die 
darin  gleich  im  Eingange  enthaltene  Weisung  an  die  Kommissäre 
Kaiser  Karls,  sich  nach  Deutschland  zu  Erzherzog  Ferdinand  zu 
begeben  und  ihm  in  Karls  Namen  brüderliche  Empfehlungen  zu 
Iberbringen,  allein  hätte  genügen  sollen,  1522  für  unmöglich  zu 
halten.  Der  Verf.  mußte  sich  erinnern,  daß  sich  Ferdinand  damals 
ifld  in  den  folgenden  Wochen  ohnedies  am  Kaiserbofe  befand  und 
daä  die  niederländischen  Kanzleien  zum  Unterschied  von  der  kaiser- 
lieben das  neue  Jahr  erst  Ton  Ostern  an  rechneten.  Unbegründet 
iat  darum  auch  der  Vorwurf  des  Verf.  (S.  195),  die  kaiserlichen 
Eomfflissärs  hätten  ein  ganzes  Jahr  auf  sich  warten  lassen. 

Gar  mancher  unter  all  den  oben  angeführten  Fehlem  dieser 
Habilitationsschrift  hätte  bei  sachkundiger  Überprüfung  vor  der 
I^cklegnng  dem  Autor  erspart  werden  können,  besonders  was 
Wiedergabe  und  Erfassung  benutzter  Texte  betrifft.  Möge  gerade 
in  letzterer  Sichtung  der  Autor,  dem  ja  die  Herausgabe  der  Korre- 
ipoDdenz  Ferdinands  I.  anvertraut  ist,  künftig  glücklicher  als  dieses 
Hai  sein. 


I)  Weift,  Pttwer$  d^itat  du  eardinal  de  Granveüe.  Paris  1841— 
IM.  Tom.  I,  p.  89  st. 

Wien»  18.  Dezember  1907.  Dr.  G.  Turba. 


224  TT.  Larfeld,  Handbaeh  d/griech.  Epigraphik,  aog.  y.  F.  Wiedtmann. 

Anf  S.  881  werden  die  Nameki  der  phOnikisch-grieehifcben 
Bachstaben  anfgez&hlt.  Wir  ▼ermiisen  hier  die  Ergebniiee  der 
Arbeit  Theodor  NGldekes  (,Die  lemitiicheD  BochBtabeDnamen,  Bei- 
träge zur  semitischen  Sprach wissenschaftS  Strasburg  1904«  8.124 
bis  136)»  welcher  anf  Omnd  syrisch-arabiscb-ftthiopischer  QaelleD 
die  ältesten  Bachstabennamen  berznstellen  Tersacht  hat. 

Auf  S.  882  werden  die  betreffenden  Namen  erklärt  Es  iet 
schade,  daß  dabei  die  Ergebnisse»  zu  denen  M.  Lidzbarski  (,Die 
Namen  der  Alphabetbuchstaben,  Ephemeris  für  semitische  EpigraphikS 
II  2,  Giessen  1906,  S.  125 — 189)  gekommen  ist,  gar  nicht  in 
Betracht  gezogen  werden. 

Auf  S.  850,  856—857  wird  die  Inschrift  mit  der  korin- 
thischen Alphabetreihe  erwähnt,  wobei  das  i  als  fflnfstrichig  be- 
zeichnet ist.  M.  Fränkel  hat  diese  Inschrift  des  Berliner  Maseams 
im  IV.  Bande  der  ,Inscriptione8  Graecae'  (1902)  anter  Nr.  8S3 
herausgegeben:  wir  finden  daselbst  die  ausdrückliche  Bemerkung, 
daß  das  &  vier-,  nicht  fünfstrichig  zn  lesen  sei,  so  daß  dieser 
Fehler  jetzt  in  allen  betreffenden  Publikationen  verbessert  werden  muß. 

Auf  S.  856  sind  bei  der  Übersicht  der  Zischlaute  des  nörd- 
lichen Peloponnes  die  epidaurischen  Formen  "Ava^ig,  ^Ava^ago 
(=  ^j4va^id(OQov)n  welche  P.  Cavadias  (Foailles  d^Epidaare  I, 
Äthanes  1893,  S.  38,  Nr.  15)  veröffentlicht  hat,  gar  nicht  in 
Betracht  gezogen  worden.  Die  von  F.  Hiller  von  Gaertringen  anf 
Thera  entdeckte  und  in  Bnrsians  Jahresberichten  (XXXI  1903, 
,Neue  Forschungen  über  die  Inseln  des  Agäischen  MeeresS  S.  156; 
vgl.  IG.  Xn  3,  suppL,  Nr.  1818)  veröffentlichte  Form  j^t;$  hätte 
auf  derselben  Seite  gelegentlich  des  theräisch-korinthischen  S^vg 
erwähnt  werden  können. 

Anf  8.  858  oder  wenigstens  im  Exkurs  dazu  wäre  es  nötig 
gewesen,  anf  die  ältesten  Spuren  des  T,  welche  anf  einer  von  D. 
G.  Hogart  in  der  ältesten  Schicht  des  Artemisinms  unter  dem  Tempel 
des  Crösus  zn  Ephesns  gefundenen  und  in  die  zweite  EEälfte  des 
VII.  Jahrhunderts  hinauf  zu  datierenden  Silberplatte  in  den  Worten 
tsTagsg  und  xsTand9ovta  enthalten  sind,  zu  weisen.  (Tgl.  F. 
W.  G.  Foat,  Fresh  evidence  for  T,  JHS.  XXVI,  1906,  S.  286—7, 
als  Ergänzung  zum  Artikel  „äsade  and  Sampi**,  JHS.  XXV,  1905, 
S.  888—365). 

Anf  S.  868 — 4  fehlt  unter  den  Formen,  welche  die  Schreib- 
weise Ss  bieten,  das  gewiß  bemerkenswerte  linkslinfige  96Qci^ 
(CIG.  IV  7879;  E.  Wilisch,  Altkorinth.  Thonind.,  Tafel  VH;  E. 
Pottier,  Vases  antiques  du  Louvre,  S.  57). 

Auf  S.  878 — 4  werden  die  Zeichen  9,  Xi  ^  ^^^  ^^'  ^9  ^'  ^ 
entstanden  erklärt  (vgl.  auch  S.  899  unten ,  wo  +  =  x  «üifach 
als  Variante  des  T  angegeben  wird).  Da  bei  all  solchen  Herlei* 
tnngen  unwillkürlich  auch  der  Phantasie  eine  gewisse  Bolle  ein- 
geräumt werden  muß,  wäre  es  vielleicht  am  Platz  gewesen,  auch 
die  Vermutung  in  Betracht  zu  ziehen,  daß  wir  in  den  Supplementär- 


W.Larfiid,  Hftodbndt  d.  grieeb.  Epigraphik,  »Hg.  ▼.  F.  Wiedemann.  225 

seielieii  Tielleieht  Beete  der  kretisch  -  mykenisehen  Sehrifl  zn  er- 
kennen hätten  (Tgl.  darüber  Jetzt  Franz  Bell,  Nene  Jahrbücher  für 
das  klassische  Altertum,  Geschichte  nnd  dentsche  Literatur  nnd 
fir  Pftdagogik  1908,  8.  126).  In  der  Tat  wäre  es  sonderbar,  auf 
dem  Wege  mannigfaltiger  Kombinationen  schließlich  zn  solchen 
Fonnen  zn  gelangen,  welche  im  Bereiche  desselben  Äg&ischen 
Meeres  schon  so  wie  so  yorhanden  waren  (Tgl.  F.  Dümmler,  Jahrb. 
d.  K.  D.  Arch.  Inst.  VI,  1891,  S.  270:  „Mykenisehe  Keramik  (hat) 
m  Argolis  bis  gegen  800  ▼.  C9ir.  geherrscht''}. 

Anf  8.  876  nnd  419  ff.  spricht  der  Verf.  vom  Anfkommen 
des  milesischen  Zahlenalphabets  nnd  erwähnt  das  Jahr  700  r.  Chr. 
tb  termmna  anU  fitem  der  Einffihmng  desselben  —  hanptsleh- 
liflk  wegen  des  /,  welches  in  keinem  der  nns  bekannten  llletteo 
ionischen  Denkmälw  des  VII.  Jahrhimderts  nachgewiesen  worden 
ist  Schon  in  Bezng  anf  die  erste  Ausgabe  der  Epigraphik  be* 
merkt  A.  Oercke  (^nr  Oeechichte  des  ältesten  griechisehMi  Alpha- 
bete', Hermes  XLI,  1906,  8.  559),  dafi  der  vom  Verf.  angegebene 
Zeitpunkt  („spätestens  nm  800"*  heißt  es  anf  8.  544  des  P  Bandes 
bei  Iw.  T.  Müller)  nicht  stichhaltig  ist,  da  die  8chriftzei^benf  wie 
US  z.  B.  die  delische  Form  iMi  anf  Naxos  (lOA.  409)  zeigt, 
iseh  weiter  gebraucht  werden,  wenn  ihre  Ansspraeho  sogar  schon 
TerUsit  ist:  folglich  hätten  wir  das  Recht,  die  Entstehung  des 
Zahlenalphabeta  noch  hüher  hinanfzndstieren.  Da  aber  der  Verf. 
ttf  8.  421  seibat  zngibt ,  dafi  es  im  Interesse  des  Schwibetriebes 
Bit  emer  Homerlektüre  liegen  mnßte ,  wenigstens  s»  lange  als 
n^^flieb  das  nmi  einmal  im  Alphabet  Torhandene  Zeichen  festsn« 
btken,  gibt  er  selbst  den  Anlass,  den  Zeitpnnkl  de»  AnfkommeBS 
te  milesischen  Zahlenalphabets  noeh  weiter  herabtirücken. 

Anf  8.  878  werden  die  Orte,  wo  daa  M  =  ^  im  Sebraaeh 
nr(im  Text  ist  ans  Tersehen  das  Zeichen  ^  gedrwkt)^  anfgnzäblt; 
U^i  erwähnt  der  Terf.  die  Insel  Sikines  nicht,  we  wir  wahr- 
Nkeinlicb  ancb  ein  M  in  der  Form  hcoltiifav  zn  leeen  haben 
{fgl  IG.  Xn  5,  25). 

Anf  8.  880  werden  die  Inschriften  Ten  Ahn-Simbel  lOA.  482  c 
[i-  i  f.  i.q  einfach  als  Denkmäler  rhediaoher  Schrift  beseichnet. 
Ändert  nrteilt  darüber  F.  Dümmler  (Jahrbtch  d.  K.  D.  Arch.  Intt. 
n,  18S1,  8.  968  fll),  WM  der  Terf.  stiUsehweigend  nmgeht,  ob- 
Nth  er  etwas  weiter  die  betreffende  Stelle  selbst  angibt  md 
teAnaiehtiB  Diflamlsrs  beianstinsmeA  scheint. 

Alf  8.  881  wird  Q=  |  als  ein  Zeichen^  daa  nnr  aof  ita- 
^iMhem  Bodaii  anantreffsn  ist»  erwähnt  nnd  als  geometrische  Er- 
weitamng  des  X  erklärt.  Wir  finden  aber  dasselbe  Zeichen  aneh 
ia  eian  losehrift  aaa  Arkeaine  (Aaorgos)  im  Lantwerta  m  (MDAI. 
IXk  1896,  8.  199),  anf  der  Insel  Thara  (LGk  XH  8^  540)  nnd 
iä  BMiM  CLOA.  146)  in  dar  Bedentnng  d«.  anf  der  Insel  Ka- 
httia  natsr  den  Steinmatzzoiehen  in  den  Überresten  daa  Poseidan- 
timiela  «ea  TL  JahshniiderU  (MDAL  XX,  1895»  8. 287]^  in  west- 

Ziüickrifl  r.  d.  «et«?.  Ojbb.  1906.  m.  Htfl.  15 


226  TT.  Larfdd,  Handbaeh  d.  grieeh.  Bpigraphik,  ang.  ?.  F.  Wiedenwnn. 

lieben  Lokris  in  der  Bedentang  der  Ziifer  8  zwiscben  g  nnd  d  — 
folglicb  ri  (IQA.  321;  vgl.  Monnm.  dei  Lincei  IV,  1894,  S.  322). 
Was  die  geometriscbe  Erweiterung  ans  X  betrifft,  so  vertritt  C. 
Pauli  (Altital.  Forscbnngen  III,  Leipzig  1891,  8.  161  und  167) 
gerade  die  entgegengesetzte  Meinung. 

Auf  8.  382  wird  die  Form  A^-H-iiriro^  aus  Lebadeia  in 
BOotien  mit  dem  Hinweise  auf  die  Bedeutung  +  =  E  erw&hnt. 
Wenn  wir  das  bucbst&blicb  auffassen  wollten,  müßten  wir  ^  auch 
lesen.  Das  wäre  scbwerlich  möglieb.  Der  Verf.  bfttte  unserer  An- 
sicht nach  dieser  Form  mebr  Aufmerksamkeit  schenken  müssen 
(vgl.  dieselbe  Form  auf  S.  391  und  ebendaselbst  die  lokriscb- 
ozoliscbe  Form  i|idq)i++iv;  ähnlicbe  Formen »  wie  tbessalisehes 
d++avaKdb€V  —  MDAI.  XXI,  1896,  8.  249,  Zeile  9  und  S.  251 
—  und  argivisches  A^MMiXXo^  —  IQ.  IV  515  —  sind  gftnz- 
lieh  übergangen  worden). 

Auf  8.  392  werden  ursprüngliche  Alphabetreihen  angegeben, 
wobei  an  die  18.  8telle  das  Zeichen  T  gesetzt  ist,  als  wäre  es 
eine  unleugbare  Tatsache,  dieses  Zeichen  mit  dem  phönikischen 
Ssade  zu  identifizieren.  Das  ist  nun  kaum  möglich.  A.  Gereke 
(a.  0.  542)  hat  vielleicht  Becht,  wenn  er  dieses  Zeichen  mit 
ähnlichen  karischen  Zeichen  gleicher  Bedeutung  zusammenstellt 
(s.  die  Tafel  Ton  A.  H.  8ayce  in  den  ^Transactions  of  the  Society 
of  Biblical  Archaeology'  IX,  1893,  8.  138).  Demnach  könnten  wir 
in  dem  betreffenden  Buchstaben  ein  Zeichen  sehen,  womit  anfangs 
ein  eigenartiger  Zischlaut,  und  zwar  hauptsächlich  in  Fremdwörten 
(Tgl.  IGA.  500),  später  der  Laut  06  ausgedrückt  wurde.  Dieses 
Zeichen  scheint  der  barbarischen  kleinasiatischen  (nach  F.  W.  G. 
Foat,  JH8.  XXVI,  1906,  8.  287  —  fielleicht  der  thrakischen) 
Schrift  entnommen  und  beim  Zusammenstellen  des  Zahlenalphabets 
zur  Bezeichnung  des  scharfen  06  hinzugefügt  worden  zu  aein, 
weshalb  es  in  diesem  Lautwert  auch  in  rein  griechischen  Wörtern 
angewandt  wurde.  Es  mit  dem  18.  Zeichen  zu  identifizieren,  wäre 
vielleicht  etwas  gewagt. 

Auf  8.  394  wird  die  Inschrift  IGA.  466  erwähnt,  wobei  der 
Verf.  mit  H.  Bohl  vsa(Q}riß[ä]i/  liest  und  dem  Zeichen  P  die  Be- 
deutung ß  zuschreibt.  Aber  IG.  XII  3,  449  wird  dieselbe  Inschrift 
von  F.  Hiller  in  verbesserter  Form  vorgeführt,  woraus  wir  deutlich 
erkennen,  daß  das  betreffende  Zeichen  einfach  ein  x  sein  muß. 

Auf  derselben  Seite  will  der  Verf.  in  der  Form  3  eine  „geo- 
metrische Weiterbildung**  des  ß  A  erkennen.  Wäre  der  umgekehrte 
Schluß  nicht  einfacher?  Jedenfalls  ist  die  erstere  Form  der  phöni« 
kischen  näher. 

In  dem  Verzeichnis  der  Inschriften,  welche  als  Quelle  für 
epigraphische  Erörterungen  dienen  sollen,  sind  auf  S.  402—404 
leider  die  neueren  Ausgaben  (IG.  IV,  1902;  IG.  IX  1,  1897;  IG. 
XII  5,  1,  1903)  unberücksichtigt  geblieben.  Auf  diese  Weise  maß 
das  betreffende  Verzeichnis  als  unvollständig  angesehen  werden. 


E  Schönet  Repeit  grieeh.  WOrtarTeneiehniise  uw»,  tag.  ?.  F,  Stolz,  227 

In  der  Schrifttafel  der  griecbiscben  Lokalalpbabete  finden 
wir  haapts&eblicb  typisebe  Formen.  Ein  Tollst&ndiges  Gesamtbild 
der  TerBcbiedeDen  Schriftzeicben  in  einzelnen  Lokalalpbabeten  bietet 
ii«  nicht 

Von  Korrektnrfehlem  sind  nicht  viele  zu  vermerken.  Auf 
S.  880  (Z.  18  V.  0.)  ist  irrtfimlicb  das  Jahr  1894  sUtt  1898 
gedruckt.  Anf  8.  852  lesen  wir  Siwvlog  statt  des  richtigen 
livwloq  (bei  Tb.  Bergk,  Grieeh.  Literatnrgescb.  1 189,  Anm.  9, 
fiodsn  wir  die  Form  ZAwvios;  s.  aber  W.  Papes  Wörterbuch 
der  grieeh.  Eigennamen).  Auf  8.  860  (Z.  10  v.  n.)  findet  sich 
eine  Lücke.  Auf  8.  862  wird  vierstrichiges  6  in  der  Fonrmontscben 
Kopie  der  Inschrift  IGA.  85  angegeben:  in  Wirklichkeit  lesen  wir 
dl  ein  dreistrichiges  Zeichen.  Auf  8.  868  in  der  Mitte  ist  „Api- 
ntien"  statt  ^Aspiration**  gedrackt.  Auf  8.  878  finden  wir,  wie 
Kb<m  bemerkt,  das  Zeichen  ^  statt  M.  Auf  S.  899  unten  ist 
tweimal  der  Reihe  nach  Y  =  V  gedruckt.  Unverstftndlich  muß 
uf  den  ersten  Blick  für  den  Leser  folgender  8atz  sein,  der  sich 
in  dar  Mitte  der  8.  861  befindet:  «Allein  die  Herleitung  des  ^ 
IUI  ilterem  M  muß  so  lange  den  Vorzug  vor  einer  solchen  aus  M 
Tirdienen,  als  die  schon  auf  den  ersten  Blick  natürlichere  erstere 
Aanahme  nicht  in  bündigster  Weise  widerlegt  ist**.  Das  erstere 
Zeichen  soll  wohl  umgekehrtes  schin  sein,  das  zweite  —  ssade. 

Alles  das  sind  aber  nur  Kleinigkeiten  im  Vergleich  zu  dem 
großen  Verdienste,  welches  sich  der  Verf.  durch  seine  Leistung 
QiD  die  Wissenschaft  erworben  hat.  MOge  uns  daher  die  Schärfe  des 
Ausdrucks,  die  wegen  der  Kürze  stellenweise  scheinbar  hervortritt, 
Sicht  übel  genommen  werden.  Jedenfalls  wünschen  wir  dem  geehrten 
y«rt  von  Herzen  aufrichtig  Zeit  und  Kraft,  damit  die  Aufgaben, 
welche  im  Vorwort  angedeutet  sind,  auch  wirklich  in  Erfüllung  gehen. 

8t.  Petereburg.     F.  Wiedemann. 

H.  SehOne,  Bepertorium  griechiseher  Wörterverzeichnisse  and 
Speziallexika.  Leipzig  1907,  B.  G.  Teubner.  IV  und  28  88. 

Diese  in  hohem  Grade  dankenswerte  Schrift  bietet  in  alpha- 
bftischer  Anordnung  ^eine  Zusammenstellung  der  brauchbarsten 
i;riochiechen  Wörterverzeichnisse,  Konkordanzen '  und  Speziallexika'' 
und  in  einem  zweiten  auf  27$  Seiten  beschrftnkten  Teile  ein  Ver- 
uiehnis  .Ähnlicher  lexikalischer  Hilfsmittel^.  Ausdrücklich  hervor* 
haben  möchte  ich,  daß  außer  den  griechischen  Schriftstellern  bis 
io  spfttgriecbische  Zeit  herab  (vgl.  8.  25  , Weiberspiegel,  vulg&r« 
griMhischer  ed.  Krumbacber**)  auch  die  Inschriften,  Papyri  und 
du  alte  und  neue  Teetament  Berücksichtigung   gefunden   haben. 

Den  in  einigen  Besprechungen  (Literarisches  Zentralblatt  usw.) 
mitgeteilten  Ergünzungeo  wüßte  ich  nichts  Wesentliches  hinzuzufügen. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 

15* 


228        F,  Voümery  Q.  Horaii  FImcI  eumhia,  ang.  t.  JT.  FriM. 

Q.  Borati  Flacci  carmina.  Beeengsit  Friderieiis  Vollmer.  Editio 
naior.  Lipaiaa,  id  aedibos  6.  G.  Teabneri  1907.  YlII  und  892  88. 
Preis  2  lAk,,  gab.  2  M k.  40  Pf. 

Yollmer  hatte  im  X.  Sopplementbande  des  Fbilologoa  «in» 
für  die  Textkritik  des  Horaz  sehr  wichtige  Abhandlniig  nntar  dem 
Titel  TerMfentHcbt :  „Die  ÜberliefeniBgsgeschichte  des  Horaz*^ ;  dio 
damals  vorsprochene  kritische  Ausgabe,  derei^  Erscheinen  dnrch 
des  Yerf.  Bemiting  als  Ordinarius  an  die  ünifersitat  Münehen 
etwas  TerzOgert  wurde,  liegt  nun  vor»  Da  sie  die  in  der  genannte!» 
Untersuchung  gewonnenen  Resultate  in  die  Praxis  umsetzt,  so  wird 
es  sich  empfehlen,  den  Leser  zunächst  Aber  die  dort  vorgetrageoen 
Ansichten  zu  unterrichten;  kennt  er  diese,  so  l&ßt  sieb  das  Referat 
über  die  neue  Ausgabe  sehr  kurz  gestalten. 

y.  hat  also  zunächst  durch  die  ZusammensteUung  der  in 
allsB  unseren  Handschriften  sich  fodenden  Fehler  im  Text  des 
Horas  erwiesen,  daß  unsere  ganze  direkte  Überlieferung'  des  Diehtere 
auf  ein  einziges  antikes  Exemplar  zurückgeht.  Das  Überrascheodst 
ja^  ÜAwahrsoheinliche,  dafi  Heraz,  der  beliebteste  römische  Lyriker« 
uns.  in  einem  einzigen  Exemplare  des  Altertums  Oberkommen  sei, 
will  er  dadurch  glaublich  machen,  daß  er  behauptet,  Horaz  sei 
fast  zwei  Jahrhunderte  (VII.  und  VIII.)  ganz  ungelesen  geblieben, 
d.  h.y  cum  grano  «Uis  verstanden,  es  habe  dem  Dichter  in  dieeer 
Zeit  an  wirksamer  Verbreitung  und  allgemeiner  Beachtung  gefehlt. 
Erst  im  IX.  Jahrhundert  werde  er  dann  wieder  durch  die  Karolinger 
weiter  Torbreitet.  Diese  Behauptung  rerdient  m.  E.  eine  genaue 
Nachprüfung;  denn  Ton  Tomherein  ist  sie  nicht  wahrscheinlich. 
Diese  eine  alte  Handschrift,  welche  aus  Italien  her  den  Horaz  der 
fränkisch  -  germanischen  Bildung  yermittelt  habe,  sei  zwei  na  al 
selbst  abgeschrieben  werden  und  dann  Tcrloren  gegangen.  Ana 
den  zwei  Apog;rapha,  die  selbst  Tsrloren  zu  sein  scheinen,  stammten 
alle  unsere  alteren  Handschriften.  V.  berücksichtigt  aus  der  Masse 
der  Eellerschen  Handschr.  nur  Ä  (=  Pariainus  7900^),  B  (=  Ber- 
n$fms  8«%),  Z>  (^  Argtnim^lmm»  0^  TU  7,  im  J.  1870  rer- 
brennt),  C  +,  S  {—  Uatmmsi»  LaL  14.68^),  e  (zsp  Ambrofianus 
0.  186  sup.),  den  Bkmd.  (=  Blandiniantu  vetuatisaimus  CruquU)^ 
B  (;=  Vatiearma  Beg.  1708),  F  (=  qp^;  tp  =  Pariainua  7974, 
^  ==  Parisinuß  7971),  *  (=  Hßrleianw  2725),  X  (=  PariHnus 
7972),  l  {=Leidm^iß  Lot.  28),  n  {=  ParMnua  10.810)  und 
selten  den  Octh.,  (=^  Qothan^  duc.  B.  61);  hievon  werden  die 
Handschr*  Fd llst^  die  zusammengehören,  mit  O  bezeichnet.  fToch 
mehr  Exemplare  d^r  jüngeren  Miscl^haQ48Chi:.  heranzuziehen,  h&lt 
V,  für  wertV>s. 

Diese  zwei  Aj^ograpba  seien  untereinai^der  verschieden  ge- 
ii:efteq.  durch  die  Anordnung  der  Bücher,  sodaiiQ  durch  eine  Reihe 
von  i|))8chreibefehle];o.  und,  durch  den  Schollen-  und  Glossenbestand. 
Die  Zusammenstellung  der  Textfarianten  dieser  zwei  Klassen  zeig:t 
klar  einmal,  daß  diese  Varianten  nicht  Ausgaben,  sondern  Ab- 


F,  Voünur,  Q.  Horati  Flacci  oanoina,  ang.  t.  K  Bring. 

lebriAen  bodeotan,  dann,  daß  die  bessere,  getreuere  Kopie  Apo- 
grrapboD  (T)  war.  Aus  diesem  stammeD  die  Handscbr.  Ä,  B,  C, 
E,  D,  die  rnndereo  ans  Apograpbon  (o);  nur  sind  II  und  0  im 
«nten  Teile  (Carm.,  Epod.)  oft  Ton  Klasse  I  her  interpoliert,  hin- 
gega  E  bisweilen,  seltener  D  von  Klasse  II  her  beeinflußt,  wfth- 
rand  der  Ütere  C  rein  die  L  Klasse  wiederspiegelt.  Während  im 
ganxen  die  B^onstraktion  Ton  Apograpbon  (i)  V.  keine  sonder- 
liehen Schwierigkeiten  macht,  ist  diese  Aufgabe  l'fir  Apogr^bon  (S) 
dnrch  verschiedene  Umstftnde  erschwert.  In  der  Gruppe  0  erblickt 
«r  eine  Art  Ton  reeensio,  freilich  keine  des  Altertums,  sondern 
•ine  des  IX.  Jahrhunderts  und  eine,  in  der  die  kfihnsten  Inter- 
polationen neben  den  törichtesten  Schreibfehlern  stehen.  Zu  ihr 
treten  für  die  Bekonstmktion  Ton  Apograpbon  @  noch  R  und 
d«r  Bland. 

Aucb  der  Bland,  ist  nach  V.  aus  Apograpbon  (5)  geflossen, 
«  stellt  nicht  fflr  sich  ein  drittes  Apograpbon  dar.  V.  bat  nach 
meiner  Ansicht  als  sicher  erwiesen,  daß  der  Bland,  aus  dem  Arche- 
typoa  aller  unserer  Handscbr.  stammt.  Aber  auch  die  Ableitung 
au  Apographon  (5)  halte  ich  für  richtig;  V.  beweist  sie  zun&cbst 
doreb  die  gemeinsamen  Fehler,  zeigt  dann,  daß  die  Stellen,  wo 
Bland,  in  Falschem  oder  Wahrem  gegen  ®  zu  (1}  stimmt,  der 
Beweiskraft  ermangeln.  Schwieriger  ist  es,  sich  mit  jenen  Stellen 
abzofioden,  an  denen  der  Bland,  allein  von  allen  Handscbr.  das 
Bicbtige  bietet.  Man  erinnere  sich  nur,  was  man  bisher  in  so 
gamgbaren  Lehrbüchern  wie  der  Literaturgeschichte  von  Schanz  zu 
leeeo  gewohnt  war:  ^die  Kritik  des  Horaz  beruht  auf  dem  codex 
anti^i89imus  Blandinius'* ^  und  bedenke,  daß  V.  denselben  Kodex 
ZQ  einer  Abschrift  des  hinter  ^  zurückstehenden  Apograpbon  @ 
degradiert;  ist  man  da  nicht  besonders  gespannt  darauf,  zu  sehen, 
wie  eich  der  Verf.  mit  jenen  Stellen,  auf  denen  des  Bland,  älter 
Böhm  beruht,  abfinden  wird? 

Er  packt  denn  auch  wirklich  den  Stier  an  den  Hörnern  und 
bwpriebt  zunächst  Serm.  I  6,  126.  Es  sei  kein  Zweifel,  hier 
babe  der  Bland,  mit  campum  lusumque  trigonem  allein  das  Bicb- 
tige erbalten  und  rabiosi  tempara  aigni  in  den  anderen  sei  krasse 
Interpolation.  Ich  hoffe,  jeder  Einsichtige  wird  hierin  V.  zustimmen, 
ond  es  ist  mir  ganz  unbegreiflich,  wie  Keller  noch  in  allerjüngster 
Zeit  (Ehein.  Mus.  LXI 1906)  gerade  das  Entgegengesetzte  zu  ver- 
teidigen Termochte.  Aber  V.  schwächt  die  Beweiskraft  dieser  Stelle 
doch  stark  dadurch  ab,  daß  er  sagt,  nur  ein  Zufall  babe  uns  im 
Bland,  das  Richtige  erhalten;  denn  schon  sei  es  expungiert  ge- 
weeen  und  die  leetio  vulgata  war  beigefügt.  Statt  der  Expnngierung 
Kasur  —  und  das  Echte  wäre  unwiderbringlich  verloren  gewesen. 
Auch  würde  sicherlich  nicht  der  Bland,  mit  dieser  Lesung  allein 
ttebeo,  hätten  wir  nur  die  alten  Zeugen  ABC;  leider  fehlen  sie 
io  diesem  Teile  der  Satiren.  Somit  sei  durch  nichts  erwiesen,  daß 
^hioii  Umpora  8igni   im   Apograpbon   (T)   gestanden   habe.    An 


230        F.  VoUmer,  Q.  Horati  Flacci  earmina,  tag.  ▼.  JT.  Print. 

anderen  Stellen  leugnet  Y.,  daß  die  Lesnng  des  Bland,  allein  das 
£i  cht  ige  erbalten  habe;  dies  stehe  vielmehr  in  den  anderen 
Handschr.  So  soll  Serm.  I  7,  17  (diaeedat)  pulcriar  einer  der 
niedlichsten  Witze  des  Horaz  sein,  w&hrend  pigrior  im  Bland,  Y. 
bloß  als  nfichterne  Glosse  gilt;  doch  bezweifle  ich  sehr,  ob  ihm 
hierin  viele  beistimmen  werden.  Für  richtig  halte  ich  dagegen, 
daß  Carm.  IV  6,  21  vietus  das  Ursprüngliche,  ßexus  des  Bland. 
eine  Glosse  ist,  ebenso,  daß  Serm.  I  8,  60  versetur  richtig  nnd 
anstandslos  ist  nnd  der  Lesnng  des  Bland,  versemur  nicht  Tor- 
gezogen  werden  sollte;  ich  stimme  ihm  bei,  daß  Serm.  II  8,  803 
demens  verteidigt  werden  kann  nnd  daß  zn  beachten  ist,  wib 
Crnqnius  für  den  Bland,  bezeugt:  manibut  portavit;  das  zeigt, 
daß  der  Gelehrte  offenbar  ein  Glossem  mit  dem  Texte  verwechselt 
hat.  „Dagegen  beweist  nichts*',  sagt  V.,  „der  Gothanus  mit 
manibus  cum  portat,  im  Gegenteil,  er  zeigt,  daß  im  Bland,  aacb 
andere  Leser  als  Cruquius  zwischen  Glosse  und  Text  nicht  mehr 
zn  unterscheiden  vermochten **.  Endlich  Serm.  II,  108  h&lt  V.  qui 
nemo  ai  nicht  für  Überlieferung,  sondern  für  eine  aus  Serm.  1 1, 1 
leicht  zu  machende  Konjektur  (sei  es  eines  Karolingers  im  Bland, 
oder  seiner  Vorlage,  sei  es  des  Cruquius).  Ich  bin  auch  ganz  Y.s 
Ansicht,  daß  diese  Konjektur  nicht  einmal  richtig  ist.  Als  Ober- 
lieferung hat  also  nur  zu  gelten  nemon  ut. 

Überblickt  man  diese  Beweisführung,  so  wird  man  V.  za- 
gestehen  müssen,  daß  uns  nichts  zwingt,  den  Bland,  als  m.  selb- 
ständiges Apograpbon  oder  gar  als  Vertreter  eines  II.  Archetypen 
anzusetzen.  R  und  Bland,  zeigen  uns,  daß  Apograpbon  @  noch 
lange  nicht  so  korrupt  war  als  die  Gruppe  O  es  erscheinen  lassen 
würde,  wäre  sie  allein  erhalten.  Auf  die  Erörterung  der  Porphyrio- 
frage,  der  V.  ein  eigenes  Kapitel  widmet,  gehe  ich  nicht  ein.  Ich 
begnüge  mich  hervorzuheben,  daß  er  der  Ansicht  ist,  die  Handschr. 
des  Horaz,  welche  in  die  Karolingerzeit  übertrat,  sei  ein  Exemplar 
der  Ausgabe  des  Porph jrio  gewesen ;  und  zwar  glaubt  er,  es  sogar 
noch  genauer  bestimmen  zu  kOnnen:  es  sei  nach  der  bekannten 
Subskription  dasjenige  Exemplar  dieser  Ausgabe  gewesen,  das  nach 
dem  Jahre  527  Vettius  Agarius  Basiliits  Mavortiua  besessen  nnd 
emendiert  hatte.  Dieses  Exemplar  habe  wohl  einer  der  von  Kaiser 
Karl  mit  der  Suche  nach  einem  Horaz  beauftragten  Gelehrten  ge- 
funden und  so  sei  uns  der  Dichter  erhalten  worden.  Zum  Schlnsse 
unternimmt  er  es,  die  Geschichte  des  Horaztextes  durch  ein  Stemme 
anschaulich  zn  machen;  ich  setze  es  her: 

Horatius 

I 
editio  Ttohi 

I 
ediiio  Porphyrionis  cum  commento 

I 


F.  Voamer^  Q.  Hdnti  Flaed  eanniiia,  ang.  t.  K  Print. 

codex  liavortianuB  cum  eommento  Porphyrionis 
a  neseio  9110  doeio  Carolino  inventua  et  prapagatus 


231 


apographan  Q  cum  aehol  A       apograpJion  ®  cum  *Forph' 


AB 


ED 


Bland 


*  cum  'Porph.* 


FdUn       *Farph: 


Die  Basnltate  dieser  üntereachnog  V.b  haben  abgelehnt  Kroll 
in  der  Deutschen  Literatnrzeitnng  1906,  S.  1058  if.  nnd  Keller 
a.  0.  8.  78 — 90,  doch  bekenne  ich,  daß  sie  mich  nicht  überzeugten ; 
Tielmehr  halte  ich  die  Ergebnisse  der  Vollmerschen  üntersnchnng 
im  großen  nnd  ganzen  fftr  gesichert.  Wer  sie  ablehnt,  mnß  anch 
die  Torliegende  Ausgabe  ablehnen,  fiber  die  ich  nun  in  Kurze 
referieren  kann;  denn  sie  ist  ganz  und  gar  nach  den  in  jener 
Untersuchung  gewonnenen  Grundsätzen  geschaffen  worden.  Heran- 
gezogen sind  auch  hier  nur  die  oben  angeführten  Handschriften; 
unter  dem  Text  wird  Seite  für  Seite  angegeben,  aus  welchen  Hand- 
schriften für  die  betreffende  Partie  des  Textes  Apographon  (T) 
nnd  @  hergestellt  wird.  Die  adnoUUio  crUiea  operiert  nur  mit 
diesem  Zeichen;  doch  hat  sich  der  Benutzer  vor  der  Meinung  zu 
btten,  als  ob  damit  gesagt  sei,  die  angegebene  Leseart  finde  sich 
iD  allen  Handschr.  der  einen  oder  der  anderen  Klasse;  es  soll 
damit  nur  besagt  werden,  daß  man  mit  großer  Wahrscheinlichkeit 
annehmen  kann,  sie  habe  in  einem  jener  alten  Apographa  gestanden. 
Wie  man  sieht,  will  T.s  Ausgabe  die  große,  mit  uns&glicher  Mühe 
ond  Sorgfalt  gearbeitete  kritische  Ausgabe  von  Keller-Holder  nicht 
ftberfiüssig  machen ;  auf  S.  8  wird  dies  auch  ausdrücklich  hervor- 
gfshoben.  Praktisch  ist  diese  Einrichtung  der  Ausgabe  für  den 
Benutzer  gewiß,  vorausgesetzt,  daß  er  iutxU  in  verba  Vollmeri; 
vill  er  auf  eigenes  urteil  nicht  Terzichten,  so  kann  er  damit  nichts 
anfangen.  Großen  Wert  hat  V.  darauf  gelegt,  genau  anzugeben, 
vo  gewisse  Worte  oder  Verse  durch  alte  Zeugen  beglaubigt  werden ; 
dieser  indirekten  Überlieferung  hat  er  ja  in  seiner  Abhandlung  ein 
ganzes  großes  Kapitel  gewidmet,  das  sehr  lehrreich  ist.  Seine 
Textkritik  geht  zunächst  darauf  aus,  eine  sichere  recensio  zu  liefern ; 
fir  die  etnendatio  stellt  er  den  Grundsatz  auf:  melius  erit  in  muHia 
prudenier  dubOare  quam  nimis  animoae  caniectare,  etenim  facilius 
nt  pitia  edüionie  nobis  traditae  detegere  quam  üUra  Porphyrumem 
uper«.  In  diesen  bescheidenen  Worten  steckt  viel  Wahres;  wirk- 
lich siebt  man,  daß  zu  Konjekturen  verh&ltnism&ßig  selten  gegriffen 
wird.  Eigene  Konjekturen  V.s  findet  man  nur  ganz  wenige,  alle 
nur  in  der  adnd.  erit.  erwähnt;  ich  habe  mir  notiert:  Carm.  I 
20,.  1  potavi  (für  potabis;  wie  man  aber  potabis  und  bibes  neben- 


332  Prammer-Kappelmadier,  C.  lalii  Cftetaris  nsw.,  an;,  t.  Bitschofsky, 

einander  im  Texte  belassen  kann«  Terstebe  icb  nicbt);  m  14|  11 
(tarn  virum  expeetamt)  als  Parenthese;  IV  2,  49  tetua  dum  pro- 
cedü  (für  te^^  dum  procedü;  proeedit  B  C)\  Epod.  9,  17  abhinc 
(fflr  ad  hunc)\  ibid.  19  ponto  (ffir  portu).  Hervorheben  will  icb 
noch  die  Konjektur  Ton  Sndhans,  der  mit  Y.  Mum  Horativm 
perlegU,  plagulas  emaeulavU,  utütBaima  admonuii  et  notavU,  zu 
Carm.  I  82,  15  ^uale  hnimen  mihi  cunque  (für  dulce  Unimen 
mihicumque). 

Beigefügt  sind  der  Ausgabe:  1.  Das  oben  abgedruckte  Hand- 
schriften-Stemma,  2.  Suetons  Horazvita,  8.  Indices  u.  zw. :  a)  ein 
yerzeichnis  der  Gedichtanfftnge,  b)  eine  Zeittafel  der  Gedichte, 
c)  eine  Übersicht  über  die  Horazischen  Metra,  d)  eine  Zusammen- 
stellung der  metrischen  und  prosodischen  sowie  e)  der  grammatischen 
Eigentümlichkeiten  des  Dichtersi  von  welchen  besonders  die  letztere 
sehr  lehrreiche  Aufschlüsse  gibt  und  des  besonderen  Dankes  aller 
Benutzer  der  Ausgabe  sicher  sein  kann;  den  Beschluß  macht/) 
ein  Index  naminum.  Der  Druck  ist  korrekt,  die  Ausstattung  gut. 

Wien.  Dr.  Karl  Prinz. 


G.  lulii  Caesaris  commentarii  de  hello  Gallico,  fsr  den  Schal- 
gebrauch  herausgegeben  von  Ignas  Prammer.  Zehnte,  nea  bear- 
beitete Auflage  TOD  Alfred  Eappelmacher.  Mit  einem  Anhaag: 
Das  römische  Kriegswesen  in  Cftsars  galliechen  Kftmpfen  tou  Erait 
Ealinka.  Mit  47  Textabbildangen  nnd  18  farbigen  Karten  und  Tafeln. 
Leipzig,  0.  Freytag;  Wien,  F.Tempeky  1908. 

Bei  der  Gestaltung  des  Textes,  wie  er  noch  in  der  im  J.  1906 
erschienenen  9.  Auflage  der  genannten  Ausgabe  Torlag,  waren  die 
Ergebnisse  der  neueeien  Kritik  nicht  in  wünschenswerter  Weise 
berücksichtigt.  Der  frühere  Herausgeber  pflegte  in  dieser  Beziehung 
seine  eigenen  Wege  zu  gehen.  Es  war  ihm  in  erster  Linie  dsrum 
zu  tun,  einen  glatten,  ohne  Anstand  leebaren  Text  für  die  Bedürf- 
nisse der  Schule  herzustellen,  wobei  die  Eigenart  des  Wortlaotse 
mitunter  zu  Schaden  kam.  So  wurde  an  gewissen  Stellen  die  Ton 
der  unserigen  abweichende  Auffassung  verkannt  und  demnach  vili- 
kürlich  geändert,  einzelnes  infolge  Mißverständnisses  gestrichen. 
Singularitäten  des  Sprachgebrauches,  Eigenheiten  der  Wortstellung 
durften  nicht  aufkommen,  alles  mußte  sich  der  strengen  Segel 
fügen.  Es  darf  daher  nicht  überraschen,  daß  in  der  neuen,  nor 
ein  Jahr  später  erschienenen  Auflage  die  Zahl  der  Abweichongen 
vom  früheren  Texte  sich  als  eine  ziemlich  beträchtliche  darstellt. 
Ihre  Zusammenstellung  füllt  acht  Kolumnen  und  legt  beredtes 
Zeugnis  ab  für  den  Fleiß  und  die  Gewissenhaftigkeit,  womit  der 
neue  Bearbeiter  in  anderthalbjähriger  Arbeit  die  einschlägige 
Literatur  bewältigt  hat.  Bei  der  Beschaffenheit  der  Überliefenug 
der  cammerUarii  ist  die  Entscheidung  in  jedem  einzehnen  Falle 
nicht   immer   einfach  und   von  vorneherein  gegeben.     Sprachliche 


Prammtr-Kappämaeher^  C.  loUi  GaesAris  luw^  ang.  t.  BUadiofBky,  233 

«od  ttohliebe  Momente  der  yersehiedensien  Art  müesen  In  Erw&gnng 
gtiegen  werden.  Der  Bearbeiter  bat  nun  einerseits  die  Überliefemng 
dort,  wo  sie  mit  Unrecht  verdrAngt  war,  wiederhergestellt,  ander- 
8Mto  woblbegrfindeten  Änderungen  die  Aufnahme  nicht  Terweigert 
ind  bierin,  wie  ich  glanbe,  die  richtige  Mitte  zwischen  iwei 
Sxtiemen  eingebalten,  so  dafi  der  neu  gewonnene,  anf  Mensels 
Apparat  bembende,  aber  nicht  einseitig  die  Gruppe  ß  berfloksich- 
tigeode  Text  als  ein  sehr  zuTorlftssiger  gelton  kann,  bei  dem  die 
Anforderungen  der  Schule  mit  denen  der  Wissenschaft  in  keinen 
Konflikt  geraten  sind.  Es  kann  ja  nur  unbedingte  Zustimmung 
finden,  wenn  im  Torwort  das  Terfahren,  M&Qch  dort,  wo  die  hand- 
lehriftliebe  Oberlieferung  festeteht,  zu  ändern  oder  gar  zu  streichen, 
nm  sogenannte  Erleichterungen  zu  gewinnen**,  mißbilligt  wird.  Die 
Inhaltsangaben  am  Bande  der  Kapitel  wurden  fallen  gelassen, 
80  daß  der  eigenen  Gedankenarbeit  der  Schfiler  nun  nicht  Tor- 
|[igriffen  wird,  und  dafftr  nach  dem  Torbilde  von  Fries  und 
Fngser  Sperrdruck  angewendet,  wodurch  der  Inhalt  auch  rasch 
geloiener  Abschnitte  yergegenw&rtigt  werden  soll.  Die  Gliederung 
des  Textes  in  kleinere  Partien  erleichtert  die  Übersicht  über  den 
Inhalt,  was  besonders  bei  lAngeren  Kapitebi  seinen  Wert  bat.  Auf 
dit  Interpunktion  ist  alle  gebührende  Sorgfalt  verwendet. 
Strenge  Konsequenz  bei  der  Durchführung  ist  in  gewissen  Fällen, 
vi«  BelatiT-  und  indirekten  Fragesätzen,  bei  weitem  schwieriger 
als  im  Dentecben  und  eigentlich,  wie  mich  die  Erfahrung  gelehrt 
hat,  nur  bei  Torgleichender  Zusammenstellung  des  gesamten 
Materiales  erreichbar.  Tgl.  S.  82,  29  f.  mit  80,  18;  94,  19  f. 
mit  99,  12  f.;  148,  86  mit  144,  81. 

Das  Namenverzeichnis  entepricht  in  seiner  berichtigten 
und  erweiterten  Form  noch  mehr  dem  Zwecke,  dem  es  dienen  soll. 
Gleich  die  kurze  Anmerkung  S.  196  über  die  Bedeutung  von  bri^ 
uw.  trägt  zur  Erklärung  einer  Reihe  keltischer  Städtenamen  bei. 
Es  begegnen  veränderte  Schreibungen  wie  Atuatuca  und  Atuatuei, 
DMeiaeuM,  Oarunna,  LiOeeia,  einige  Namen  mit  berichtigter 
<)nantität  der  Antepaenultima  wie  CalBtea,  Carnütes,  Ceu- 
trönes^  Convietolitävia,  Lemönum,  Namnites.  Neu  auf- 
gcoonmen  wurden  confluens  und  ulterior  (superior) portus, 
gestrichen  Afrieanum  und  Alexandrinum  bellum.  Ein  glück- 
licher Gedanke,  eingegeben  von  richtiger  Erkenntnis  der  Schwächen 
unserer  Schüler,  war  es,  bei  einzelnen  PerBÖnlichkeiten  die  spär- 
lichen Notizen  zu  einem  kurzen  curriculum  vitae  zu  erweitem, 
bei  anderen  wenigstens  deren  endliches  Schicksal  anzugeben,  wofür 
ich  auf  Crü88u»,  Tater  und  SOhne,  Curio,  C.  Fabiua,  Labienua, 
Ro$ciu$,  Seriorius,  Trebonius^  Vatiniua,  Vereingetorix  verweise, 
oder,  wie  bei  QutuaUr  (Till  88  Accus.  Oulruaium),  ein  Miß- 
Ttrständnis  des  Hirtius  zu  berichtigen,  und  auch  bei  TOlker-  und 
Städtenamen  mancherlei  das  Terständnis  fördernde  oder  das  Interesse 
vsckende  Bemerkungen  einzuflechten,  wie  bei  den  AUobrcgea  (ihre 


234       F.  i7.  SehumdeTy  Jetn  PaqU  Jagend  usw.»  ang.  ▼.  «71  Cefny. 

Dnterwerfimg  und  Bedrüekaog  dnreh  die  Bömer),  Atuatuci  (ihr 
oppidum  nnd  dessen  Lage),  Camutes  {Cenabum  heute  Orleans), 
CeÜae  (ihre  Wohnsitze  und  Wanderungen),  Oenava  (Bedentong 
des  Namens) >  Haedui  (die  aspirierte  Namensform,  die  politische 
Haltung  des  Volkes),  locus  Lemannus  (Mündung  in  den  Bhodanua), 
NarUuates  (ein  Irrtum  Cftsars).  Da  I  40  nicht  gesagt  ist,  wann 
und  wo  die  Cimbem  und  Teutonen  von  Marius  besieget  wurden, 
wfirde  es  sich  empfehlen,  die  Angaben  hierüber  s.  tt.  Cimbri  und 
Teutani  zwischen  Klammern  zu  setzen.  Auf  die  angedeutete  W^ise 
wird  also  die  Aufmerksamkeit  der  Schüler,  die  gerne  mit  einer 
gewissen  Flüchtigkeit  über  Eigennamen  hinwegsetzen,  festgehalten 
und  ihnen  ein  deutlicheres  Bild  der  verschiedenen  vorgeführten 
Persönlichkeiten  und  Völkerschaften  vermittelt. 

Die  historische  Einleitung  wurde  sprachlich  und  sachlich 
überarbeitet  und  schärfer  gegliedert,  die  zeitliche  Abfolge  der  Er- 
eignisse durch  Beifügung  der  Jahreszahlen  auch  am  Bande  augen- 
fälliger gemacht.  Dankenswert  ist  die  Zusammenstellung  der  römi- 
schen Vornamen  mit  ihren  Abkürzungen.  Der  das  Kriegswesen 
bei  Cäsar  behandelnde  Anhang  ist  unverändert  geblieben.  Letst, 
notleast  erwähne  ich  die  beigegebenen  Karten  und  Tafeln,  auf 
denen  die  Krieg  führenden  Parteien  farbig  (rot  und  blau)  markiert 
sind,  was  zur  schnellen  und  klaren  Erfassung  der  Situation  wesent- 
lich beiträgt.  Ihre  Zahl  ist  um  sechs  vermehrt,  einige  sind  nach 
anderen  Vorlagen  ausgeführt:  8  (Ariovisti  clades)  nach  C.  Winkler, 
5  (ad  Äxonampugna)  nach  Napoleon  und  Dittenberger,  15  (Alesia) 
nach  Bheinhard- Herzog.  Die  Niederlage  der  Nervier  (früher  auf 
einem  Blatte  nach  Napoleon)  ist  jetzt  auf  T.  6 — 8  in  drei  b.  G. 
II  19,  28,  26  geschilderten  Gefechtsmomenten  nach  K.  Lang  dar- 
gestellt. T.  4,  11,  16  sind  Skizzen  der  Feldzüge  gegen  die  Hei- 
vetier  und  gegen  Ariovist,  gegen  die  Eburonen  und  gegen  Vercin- 
getorix  nach  Veith.  T.  14  (nach  Bheinhard -Herzog)  illustriert  die 
Beiterschlacht  an  der  Vinganne. 

Der  Druck  ist  mit  großer  Sorgfalt  überwacht.  Die  wenigen 
Fehler  und  Inkorrektheiten  bei  der  Silbentrennung  sind  nicht  störend. 

Das  Buch  wird  sich  in  seiner  neuen,  in  jeder  Hinsicht  ver- 
besserten Gestalt  sicherlich  noch  mehr  als  sichere  Grundlage  und 
als  vorzügliches  Hilfsmittel  bei  der  Lektüre  Gäsars  bewähren  und 
bei  Lehrenden  und  Lernenden  großen  Anklang  finden. 

Wien.  B.  Bitschofsky. 

Dr.  Ferdinand  Josef  Schneider,  Jean  Pauls  Jagend  und 
erstes  Auftreten  in  der  Literatur.  Ein  Blatt  aus  der  Bildnnes- 
geachichte  des  deatichen  Geistes  im  XV III.  Jahrhondert  Berlin  1S05, 
Bebrt  Verlag.  IX  und  S69  SS.   Preis  8  Mk. 

Es  muß  als  sehr  merkwürdig  bezeichnet  werden,  daß  sich 
die  deutsche  Literaturforschung,  die  sich  heute  infolge  Erschöpfung 


F.  J.  Sehneider,  Jean  Pads  Jugend  otw.,  ang.  t.  J.  (^my.      235 

dankbarerer  Aufgaben  immer  mebr  aneh  anf  Schriftsteller  Tierten 
nnd  fänften  Banges  wirft,  gBgBu  einen  der  gefeiertesten  nnd  ein- 
fluAreichsten  Dichter  an  der  Qrenze  zwischen  der  klassischen  Richtung 
nnd  der  Bomantik  ganz  stiefmütterlich  verh&lt.  Wohl  ist  Jean  Paul 
nicht  mehr  lebendig ,  sondern  unserer  Zeit  kaum  mehr  als  eine 
bistoriscfae  Oröße,  aber  das  sind  auch  gar  viele  andere,  mit  denen 
sich  heute  dickleibige  Bücher  befassen.  Ist  nun  diese  historische 
Bedeutung  dem  Philologen  zunächst  das  Wichtigste,  so  muß  die 
lange  Temachl&ssigung  Jean  Pauls  doppelt  auffällig  erscheinen. 
Denn  in  dieser  Hinsicht  wird  er  nur  von  wenigen  deutschen  Dichtern 
nbertroffen ;  er  ist  ein  Januskopf,  der  rückwärts  und  vorwärts  weist, 
•ine  für  seine  Zeit  überaus  charakteristische  Erscheinung  und*  auch 
an  nnd  für  sich  betrachtet,  ein  höchst  interessantes  Problem. 
Freilieh  ein  Problem  von  außerordentlicher  Schwierigkeit!  Nicht 
nur  der  große  Umfang  und  die  ganze  Art  seiner  Schriftstellerei, 
seine  oft  bodenlose  Sentimentalität,  seine  uns  ungenießbare  Satire, 
sein  überladener,  bilder-  und  beziehungsreicher  Stil  —  all  das 
hält  wohl  unsere  jungen  Philologen  in  so  respektvoller  Entfernung 
von  ihm.  Dazu  kommt  noch  seine  unklare  literarische  Stellung  und 
seine  Persönlichkeit  selbst,  die  eine  solche  Fülle  von  Bätsein  zu 
lösen  gibt,  daß  man  es  bei  dem  Mangel  an  tüchtiger  Torarbeit 
begreiflich  finden  kann,  waram  wir  von  der  klassischen  Jean  Paul- 
Biographie  noch  sehr  weit  entfernt  sind.  Auch  Spezialarbeiten  auf 
diesem  Gebiete  erfordern  eine  gründliche  literarische  Schulung  und 
eine  große  Belesenheit  nicht  minder  als  einen  feinen  psychologischen 
Spürsinn  und  so  ist  Jean  Paul  ein  Kapitel,  das  eines  Spezialisten 
bedarf  wie  das  Gebiet  der  Goethe-Philologie.  Schon  vor  mehr  als 
50  Jahren,  als  noch  Jean  Paul  ein  gelesener  Autor  war,  klagte 
Gottschall:  .Die  Intentionen  Jean  Pauls  zu  kommentieren,  haben 
unsere  Kritiker  und  Literarhistoriker  nicht  der  Mühe  wert  gehalten, 
während  man  oft  die  verlorensten  Anspielungen  Goethes  weitläufig 
erläutert  bat".  Zwar  sind  seither  umfangreiche  Werke  über  den 
großen  deutschen  Humoristen  erschienen,  so  vor  allem  die  beiden 
Bücher  Nerrlichs  und  die  Schriften  Josef  Müllers,  doch  bezeichnen 
sie^  die  Persönlichkeit  des  Dichters  von  entgegengesetztem  Stand- 
punkt beleuchtend,  kaum  biographisch  und  ästhetisch,  geschweige 
dann  philologisch  einen  wesentlichen  Fortschritt.  Über  die  Quellen 
von  Jean  Pauls  Schriftstellerei,  über  seine  wichtigen  Beziehungen 
zur  Literatur  seiner  Zeit,  über  den  starken  und  nachhaltigen  Ein- 
fluß, den  er  auf  die  deutsche  und  fremdländische  Dichtung  des 
UX.  Jahrhunderts  geübt  —  auf  die  Bomantiker,  besonders  aber 
auf  die  ganz  auf  seinen  Schultern  stehenden  Dichter  des  „Jungen 
Deutflchlandfl*,  femer  auf  Stifter,  Freytag,  Baabe,  Keller,  Th.  Vischer, 
auf  Dickens  und  Multatuli  —  von  all  dem  erfahren  wir  fast  gar 
uichta.  Torderhand  fehlt  es  freilich  auch  noch  an  den  primitivsten 
Voraussetzungen  dafür,  vor  allem  an  einer  würdigen  Ausgabe;  denn 
die  letzte»   die  Hempelsche,    ist    vor  gut  50   Jahren    erschienen 


•236      F.  J.  Sdhndder,  Jean  Patüt  Jogend  ni w.,  «ng.  t.  J.  dsnuy. 

HDd  harrt  driogender  Verbeasenrngen  und  der  YervollBtftodigaif . 
Auch,  die  zum  Teil  sehr  interesaantan  Brief wechael  Bind  acblaobt 
Q&d  Jean  Paula  ongehenerer  Nachlaß  nur  zum  geringen  Teil  und 
sehr  nnzQYerlftaaig  beranagegeben. 

Bei  diesem  Stande  der  Dinge  maß  daa  Toriiegende  W«fk 
ala  eine  bOobst  dankenswerte  Leiatong  begrüßt  werden.  Sein  7arf. 
bat  sieh  yor  nnnmehr  7  Jahren  mit  einer  Monographie  Aber  den 
MFibel**  nnd  den  „Komet^,  die  seinerzeit  auch  in  diesen  Blttom 
(von  Minor)  besprochen  warda,  als  Jean  Panl-Pbilolog  eingeführt. 
Seitdem  iat  der  jange  öaterreiebisohe  Gelehrte,  wie  sein  nenea  Buch 
beweist,  bedeutend  gewachsen  und  bat  eich  in  seinen  Autor  ao 
vertieft,  daß  man  ihn  nnbedeokliob  als  erste  AiltoritAt  anf  dieaem 
Gebiete  bezeiehnen  kann. 

Schneider  stellt  sich  nicht  nur  die  Aufgabe,  eine  Art  unter- 
bau ffir  eine  abaohließende  Jean  Paul-Biographie  zu  liefern,  aondeni 
sucht  Tor  allem  nachzuweisen,  wie  der  Dichter,  der  zeitlebeoe  Auto- 
didakt war,  das  merkwürdige  „komplizierte"  Wesen  wurde»  daa  Goethe 
trotz  aller  Ablehnung  dea  „Tragelaphen*  („Hesperus*')  anzog,  wie 
sich  schon  in  seiner  frühen  Jugend  die  Grundzflge  seines  literari- 
schen Charakters  feststellen,  wie  ihm  vor  allem  aeine  massenhafte 
und  dabei  ungeordnete  Lektüre  den  Weg  wies.  Daa  also,  was  die 
frühere  Jean  Paul -Forschung  rersftumt  hat,  will  Schneider  som 
Teil  nachholen.  In  der  Tat  war  besonders  diese  Arbeit  notwendig; 
denn  ein  Dichter,  der,  wie  Jean  Paul,  so  tief  und  unferkennbar 
in  seinen  eigenen  Erlebnissen,  namentlich  den  Jngenderlebniaaen, 
wurzelt,  l&ßt  sich  nur  aus  diesen  Voraussetzangen  richtig  ver- 
stehen. Ana  diesem  Bestreben,  die  Gedanken-  und  Gefühlswelt  des 
werdenden  Dichters  möglichst  vollstindig  zu  umspannen,  erkl&rt 
sich  auch  der  große  Umfang  dea  Buches.  Mit  Recht  weist  der 
Verf.  darauf  hin,  daß  una  für  die  Erkenntnia  des  Jean  Paulaehen 
Bildungsganges  ein  so  reiches  Material  zur  Verfügung  ateht  wie 
kaum  bei  einem  anderen  unserer  bedeutenden  Dichter,  und  die 
sorgfältige  und  gründliche  Verarbeitung  dieser  Quellen  erforderte 
einen  Baum,  der  auf  den  ersten  Blick  befremden  wird.  Da  indes 
Schneider  seine  Arbeit  selbst  als  eine  Spezialuntersuchung  bezeiehaet, 
iat  dagegen  kaum  etwas  einzuwenden.  Er  hat  vor  allem  mit  wahrem 
Bienenfleiß  ein  überreichlichea  Material  zusammengetragen.  Nicht 
nur,  daß  er  lötoQirjg  elvexa^  den  Spuren  des  Dichters  folgend, 
Oberfranken  und  das  Fichtelgebirge  nach  allen  Seiten  durchstrich, 
bei  den  Nachkommen  der  Familie  Jean  Pauls  und  seiner  Freunde 
und  Bekannten  Erkundigungen  einzog,  überall  in  die  Akten  und 
Urkunden  selbst  Einblick  nahm,  es  sind  auch  überall  unmittelbar 
die  Handschriften  zurate  gezogen  und  zum  Studium  der  Briefe 
Jean  Pauls  an  Vogel  pilgerte  der  gewissenhafte  Verf.  nach  London. 
So  hat  er  es  an  peinlicher  Sorgfalt  in  keinem  Punkte  fehlen  lassen, 
und  wenn  uns  manche  seiner  Mitteilungen  und  Exzerpte  zu  breit 
und   weitschweifig  oder  entbehrlich  erscheinen,  so  hat  Schneider 


F.  J.  SAiteiäir,  Jeaa  Pult  Jugend  asw.,  ang.  t.  J.  6em^.      287 

jitaifaUs  sein  Thema  erschöpft  und  für  alle  weitere  Jean  PanU 
Fonehnog  eine  yerlAßliche  und  nirgends  versagende  Qrnndlage 
gMChaffen. 

Damit  soll  jedoch  keineswegs  gesagt  sein,  daß  wir  es  hier 
Bv  mit  einem  hloften  Exzerptenwerfc,  einer  fleißigen  nnd  geschickten 
Malirialienaammlnng  tu  tan  haben.  Vielmehr  steht  doch  immer 
du  psychologische  Interesse  im  Vordergninde;  Schneider  schwebt 
offiibar  als  Ideal  literargeschichtlicher  Betrachtungsweise  die  Me< 
tbode  TOr,  wie  sie  etwa  Dilthey  in  seinem  prächtigen  Bache  ^Br- 
Iibftis  nnd  Dichtnng^  flbt,  nnd  es  maß  anerkannt  werden,  daß^ 
}%äm  Baustein  seines  Werkes  in  diesem  Sinne  am  richtigen  Orte 
▼«wendet  ist.  Wir  folgen  Schneider  mit  Interesse»  wie  er  vor 
noseren  Angen  das  Charakterbild  des  „Titan*' -Dichters  erstehen  läßt,, 
wi«  er  ihn  ans  der  Natnr  seiner  Heimat,  der  ihn  umgebenden 
Yerhftltnisse  nnd  Tor  allem  der  literarischen  Atmosphäre  seiner 
Zsit  berans  erklärt.  Weeentlich  nnterstfttzt  wird  dabei  der  Verf. 
durch  die  Gabe  der  warmherzigen,  lebendigen  nnd  zaweilen  schwang- 
▼oUio  DarsteUnnf  ,  die  dem  Tielfaoh  trockenen  Stoff  Leben  verleiht 
—  litt  bei  einem  Jean  Panl-Biographen  nicht  za  nnterschätzMider 
Vorzvg.  Besonders  angenehm  berührt,  daß  sich  Schneider  nicht 
mit  manchem  seiner  Vorgänger  verpflichtet  fflhlt,  die  Sprache 
Niies  Helden  nachznahmea  nnd  anf  diese  Weise,  wie  es  dieser 
hinlg  tat,  das  Naheliegende  mit  einem  großen  Aufgebot  kflhner 
BiMir  nnd  geistreicher  Weadunfen  zu  omschreiben,  sondern  klar 
QSd  präzis«  oft  mit  sddag^Qden  Pointen  seine  Gedanken  in 
Wüte  laßt. 

Bei  der  reichen  PäUe  des  Inhalts  ist  es  nnmäglich,  s»  dieser 
StiOe  alle  Sinselbeiten  herverznhebea.  Manchen  glncklichen  Fond 
hsbeil  wir  Schneider  zn  verdanken  nnd  namentlich  dnrch  die  ans- 
xifsweisa  Verftffeiitliebnng  einer  Beihe  von  kleineren  Anfsätzsn 
i«a  jijentiUchen  Dichters  erliährt  unsere  Kenntnis  eine  wülkosMneiie 
Bwiichennv.  Im  dem  rein  biographischen  Teil  verdient  namentlich 
TVieiciuiet'  zn  werden»  daß  Schneider  endlich  die  Frair*  OBch  dem 
StsmmbaHi  Jean  Panb  und  den  Verhältnissen  seiner  Familie^  8<m- 
veü  aick  dies  feststellen  läßt,  endgiltig  gelOst  hat  Beanideres 
Interesse  erregt  aber  der  literarhistorische  Teil  des  Bnchee,  der 
bis  znr  VerOftratlMinng  der  „arßnlAndischen  Prozessa''  (1788). 
TiiehlL  Hiei  aeigt  dar  VerL  ein*  große  Belesenheit  in  der  Literatur 
des  XVnL  Jahrhunderts  nnd  eine  glfickliche  Beobachtungsgabe. 
NamsalÜoh  hei  er  bei  deoi  Nachweis  der  mannigfaltigen  EinflAsse, 
dia4in  Satiiiket  Jean  Päd  gezeitigt  haben,  der  späteren  Forschung 
ksH»  etwa»  Qbrig  gelaseen.  Daß  dabei  der  ven  allen  Seiten  an* 
gimcäe  nnd  eaina  Mnstei  anm  Teil  wärtlieh  ausschreibende  junge- 
Disbter  niibi  gnt  wegkommt,  ist  naläriich^  Doch  erhalten  wir 
trels  dieser  Haehwaiae  den  Eindruck,  daß  sehen  ans  diesen,  nnsr- 
fiüliciisn  Satirea-  einoi  starke  Individnalität  hesverlencktel,  die  nnr 
aehr  flennt  brancht»  um.  bessere  Frftchte  zn  geben.    Mit  einer* 


238    F,  Kaufftnann,  DevUcbe  Qrammatik,  ang.  t.  A.  Hauaenblaa. 

fichOnen  Parallele  Jean  Pauls  and  Swifts  ond  einem  Aosblick  auf 
die  Schöpfung  des  „Titan"  schließt  das  Bncb.  Vor  dem  inter- 
essanten Wendepunkte  in  dem  Schicksal  des  hungernden  Poetea 
bricht  die  Darstellung  ab.  Und  das  ist  zu  beklagen;  denn  dieser 
Abschluß  ist  weder  äußerlich  noch  innerlich  begründet.  Indes  fallen 
in  dem  ßuche  h&ufig  genug  Schlaglichter  auch  auf  die  sp&tere 
Entwicklung  Jean  Pauls  und  wir  ffihlen,  daß  der  Verf.  über  das 
Büstzeug  verfügt  I  mit  dem  er  sich  getrost  an  die  LOsung  des 
ganzen  Jean  Paul-Problems  heranwagen  kann.  Vorderhand  kündigt 
er  nur  eine  Monographie  des  „Titan**  und  eine  eingehende  Dar- 
stellung von  Jean  Pauls  Beziehungen  zur  Romantik  an.  Bef.  ver- 
spricht  sich  namentlich  Ton  dieser  Arbeit  interessante  Aufschlüsse. 

Mies  i.  B.  Dr.  Johann  Cerny. 


Deutsche  Grammatik.  Kurzgefaßte  Laut-  uud  Formenlehre  dee 
Gotificheu,  Alt-,  Mittel-  and  Nenhochdentsehen.  Von  Friedrich 
E auf f mann.  4.  Aoflage.  Marburg,  Elwertsche  Verlagtbuchhand- 
luDg  1906.  VI  and  114  SS. 

An  Handbüchern,  die  bestimmt  sind,  in  die  Torschiedenen 
Disziplinen  der  Germanistik  einzuführen,  besteht  gegenwärtig  kein 
Mangel  mehr.  Aber  in  den  meisten  F&llen  mag  der  Anfänger 
bei  ihrer  Benützung  seufzen  Miya  ßtßUovj  fiiya  %a%6v  —  und 
mit  Becht.  Denn  dem  Anfllnger  ist  es  zunächst  darum  zu  tnn, 
die  Hauptwege,  besser  gesagt,  den  Hauptweg  in  der  jeweiligen 
Disziplin  kennen  zu  lernen,  um  erst  nachher  die  fielen  Seiten- 
wege und  Fußpfade  mit  Sicherheit  und  ohne  Gefahr  des  Irre- 
gehens betreten  zu  können.  Ton  diesem  Standpunkte  ans  be- 
trachtet, sollen  solche  Leitfäden  die  wissenschaftliche  Materie  in 
ganz  knapper  und  herrorragend  übersichtlicher  Darstellung  bieten, 
sie  sollen  natürlich  auch  stets  auf  der  Höbe  der  Forschnng 
stehen  und  —  darauf  ist  ein  besonderes  Gewicht  zu  legen  —  in 
guter  Auswahl  und  guter  Anordnung  die  einschlägige  Literatur 
enthalten. 

Diesen  Forderungen  entspricht  Fr.  EaulFmanns  Deutsche 
Grammatik  (ursprünglich  eine  Neubearbeitung  von  A.  F.  C.  Vilmars 
Deutscher  Grammatik  I)  in  ToUem  Maße.  Nach  den  Worten  des 
Verfassers  (S.  VI)  ist  die  Arbeit  „in  erster  Linie  für  die  Kandi- 
daten des  höheren  Lehramts  berechnet,  welche  Vorlesungen  Aber 
deutsche  Grammatik  oder  einzelne  Sprachperioden  gehört  haben 
und  als  eine  Art  Eepetitorium  das  Hauptsächlichste  in  Stich- 
wörtern hier  beisammen  finden *'.  Das  Büchlein  ist  demnach  rem 
Haus  aus  nur  für  einen  sehr  engen  Interessentenkreis  bestimmt. 
Wenn  es  nun  trotzdem  und  zwar  in  Yerbältnismäflig  kurzer  Zeit 
in  Tier  Auflagen  erscheinen  konnte,  so  liegt  schon  darin  ein  nn- 


^    T,  Hmsel,  Eontsei^,  ang.  t-  I%,  A.  BeeJfc^r, 


S39 


tri^Iicber  Beweis  fär  eeine  Verwendbarkeit  und  für  seine  Daseioe- 

Ein  so  ktLodiger  Pährer,  wie  KanffmatiQ  einer  ist,  findet 
ibin  leicht  Gefolgscbaft  und  tataäcblieb  bewährt  sich  seine  Ter- 
lyiichkeit  ebenso  in  der  ßebandlnng  der  Fschliteratnr  wie  in  der 
ktuen,  streng  einbtiUiehen  Darstellung  des  reichen  Staffss. 

Mtes  i.  6.  Adolf  Hansenbl&s« 


RonsSf  an.  Von  Paml  H en i e l»  Prof,  in  Erlangen.  Leipiif i  B.  G*  Tenbner 
1907  (Aas  Natnr  und  Geistetwelt  180j.  122  SS.  B^  Preis  geh. 
Mk.  1,  geh.  ML  1^25. 

JesD   JicqaeB    RousBeau,    sein   Leben   und   seine  Werke. 

Yon  Ltidwiir  Geiirer,  Prof.  »n  der  ÜniveriitAt  Berlin.  Leipzig, 
QiieUe  &  Meyet  1907  (Wiitenachaft  und  Bildutig  21),  131  SS,  E^. 
PreU  geh.  Uk.  1,  geb.  Mk.  P25, 

Dentschland  schuldet  Eonssean  aebr  ?iel  nad  hat  es  ihm 
iQch  redlich  i^edankt  Kant  und  Herder,  Goethe  nnd  Schiller, 
di»  dentsehe  Eotn antik  und  der  dentscbe  Idealismns  knüpfen  an 
Scofisean  an  nnd  erkennen  ihn  als  ihren  Lehrer.  Und  noch  heote 
i%Unn  die  Gedanken  nnd  Schriften  des  Genfers,  gehört  aneh 
»ine  einzigartige  Indiyidnalität  znm  geistigen  Besitztum  des 
4ei]iE€ben  Volks.  Besitzen  heiJ!^t  aber,  steta  ?on  nenem  erwerben, 
vti  [Dan  sein  Eigen  nennen  will«  In  diesem  Sinn  entsprechen  die 
«iMi  angefahrten  Bücher  nicht  nnr  einem  bleibenden  Bedörfnisi 
foodsm  sie  erfäilen  ancb  eioe  Ehrenpflicht,  —  ein  jedes  in  seiner 
Wtiie  nnd  mit  mehr  oder  weniger  Glück. 

Geradezu  glänzend  hatHenaeL  seine  Aufgabe  gelOst*  Seine 
Ablicht  war^  *,nnr  eine  Daratellung  von  Ronsseans  Gedanken  m 
fiimi,  nnd  auch  hierbei  nur  diejenigen  zu  berncksicbtigen,  die 
fir  die  mit  Bonssean  einsetzende  Bewegung  wertfoll  gewesen  sind". 
Über  EouBseans  äuDere  Lebensumstände  und  die  Entstehungszeit 
iiiner  Werke  orientiert  knapp  nnd  zweckdienlich  eine  ejn- 
cbfonifi tische  Tabelle  im  Anbang.  Dadurch  entlastet,  zerfÄilt  die 
Diritellung  sachgemäß  in  sechs  Eapiteh  Der  Mensch  (eine 
tos  nnd  zoire^ende  Analyse  yon  Eonsseans  Gemdtsrerfassnng 
mi  seiner  eigen tämlicben  Stellungnahme  zn  den  Lebenswerten), 
die  Geschicbtspbiloeophie  (d,  i,  die  negative  EinichÄt^ung 
du  Eolturfortscbritti  in  den  Preisschriften  von  1749  und  1754), 
41»  Bichtspbilosophie  (d.  i.  der  im  Contrat  social  geraachte 
?«ilieb,  eine  kritische  Norm  für  die  Eechtsordnnng  im  Staate  zn 
piw innen),  die  Erziehnngslehre  (jene  bahnbrechenden  Ge* 
dinken  ther  die  Notwendigkeit,  die  pädagogische  Leitatig  der  na- 
tftriiebin  Entwickelnng  des  kindlichen  Wesens  anzupassen  und 
iettrzQordnen),  die  Noupelie  Hilöise{d&B  Problem  der  Leiden- 
lehift  im  Konftikt    mit  den  ewigen  sittlichen  Ordnungen   nnd  den 


240    L.  Geiger,  Jetn  Jtcqaee  Bousmm  usw.,  mg.  t.  Fh.  A,  Becker. 

lMniT«ntione]leD  Vororteilen)  nnd  die  Belig-ioosphilosophi«^ 
(Bonsseaas  leideDscbaftliche  Verfechtung  einer  höheren  moralischen 
Weltordnnng,  unabhängig  Ton  jedem  OfTenbarnng^glaaben).  Die 
mit  keinem  besonderen  Kapitel  bedachten  Canfesaums  kommen  im 
ersten  Abschnitt  und  im  Schlußwort  za  ihrem  Recht  —  An 
Hensels  ebenso  gediegenem  als  fesselndem  Essay  mOehte  ich  am 
liebsten  alles  ohne  Einschränkung  loben  von  der  prächtigen  ein- 
leitenden Unterscheidung  zwischen  den  großen  Vollendern,  die  wie 
Voltaire  den  Geist  ihrer  Zeit  abschließend  zasammenfassen,  nnd 
den  großen  Beginnem,  die  gleich  Bonssean  eine  andere  Welt  im 
Basen  tragen  nnd  tastend  nach  ihrem  Wege  sndien»  bis  zu  dem 
dankbaren  Bückblick  auf  den  Einfluß,  den  „der  große  Heimat- 
lose an  der  Qrenze  zweier  Zeitalter*'  auf  die  ganze  Oedankenbe- 
wegnng  des  dentsohen  Idealiamns  gehabt  bat  Wer  Bonsaeans 
merkwürdige  Eigenart,  wer  den  tieferen  Oehalt  seiner  Werke  nnd 
den  nur  zn  oft  durch  paradozale  Übertreibungen  Tersehleiarten 
bleibenden  Wert  seiner  Gedanken  und  den  Grund  ihrer  weit- 
tragenden Wirkung  Torstefaen  will,  dem  sei  dieses  handliche,  mit 
Liebe  und  Verständnis  geschriebene,  sachliche,  gemein£aßliehe 
und  gründliche  Büchlein,  das  inhaltlich  wie  formell  eine  Meister- 
leistung ist,  angelegentlichst  empfohlen. 

Verlegener  fühle  ich  mich  L.  Geigers  Darstellnog  gef^en- 
über,  der  ich  keinen  Geschmack  abzugewinnen  ?enna§r«  indem  ich 
des  alten  Spruchs  gedenke:  de  gustilms  non  est  diajnUandmm. 
Ich  begreife  nicht  recht,  wie  mir  diese  neueste  Leietuug  einee 
durch  Tiele  ansehnliche  kultur-  und  literarhistorische  Arbeiten 
bekannten  Verfassers,  so  „ledem**  vorkommen  kann,  und  das 
macht  mich  bestürzt.  Gleich  zu  Anfang  sucht  der  Verf.  die 
heutige  allgemeine  Teilnahmslosigkeit  für  Bonssean  an  erklären« 
während  doch  seine  Zeitgenossen  Diderot  und  Vdtaire  nicht  aar 
in  Frankreich,  sondern  auch  in  Deutschland  heute  noch  dunefaene 
lebendig  sind:  Voltaire,  ein  FürstendieDer  ind  Speiehelleeker, 
hinterhältig,  ehrgeizig  bis  zum  Wahnsiim»  als  Spekulani  gswiseeo- 
los,  ein  Virtuose  der  Unwahrheit;  Diderot,  sieht  mnatastbar  in 
moraliKber  und  geschlechtlicher  Beziehung,  z«m  mlndesteB  sieht 
erbaulich,  wie  er  sein  ehrbares,  wenn  auch  ungebildetes  Weih 
yemachlässigt,  im  anderes  Frauen  naobzujagen  uod  in  Geaell- 
schaften  zu  glänzen ;  beide  zu  Tomehm,  um  ein  Amt  zu  b^eidsn, 
denen  es  aber  nicht  Tcrschlug  usw.;  indesses  Voltairee  hsdceke 
Gesänge  über  die  Joagfrau  tob  Orleans  erregen  selbst  in  Deoteeh» 
land  noch  beute  manefa  begierigee  Sehmunzeki  und  seine  Bomaae 
dienen  fortwährend  als  eise  gefällige  Lektüre  durch  ihre  Liebes» 
Szenen  und  seltsaaien  Abenteuer,  ihre  eatirischss  Gemälde  ss4 
iresischen  Wesdnnges ;  anob  Diderots  große  Bemase  werden  eifrig 
gelesen,  zsm  Teil  gewiß  Dank  der  ObscOnitätss  ed«r  misdeetsss 
dee  heiklen'  Stoffes,  der  für  fiele  so  ungeuMiB  aaiiehesA  ist,  oiw. 
Aber  Bouseeas9  -—  „Das  eigentlieh  BeUetristiscbe  —  uni  das  ist 


L,  Geiger,  Jean  Jacqnet  BousaeaQ  usw.,  ang.  ▼.  i%.  A,  Becker.    241 

•8  doch  znnftehst,  was  den  großen  Hänfen  anzieht  —  war 
SoDtseans  Stftrke  nicht."  Um  Himmels  willen!  gelten  solche 
Plattheiten  hentzntage  in  Berlin  als  ernste  knltnrhistorische  Be- 
tncbtnngen?  —  Aber  die  Ungunst,  die  Bonssean  zn  Teil  wnrde, 
lebeint  nicht  nnr  begründet  dnrch  seine  Schriften,  sondern  aneh 
dveb  sein  Leben.  Vor  allem  konnte  man  ihm  nicht  verzeihen, 
daß  er  der  bfirgerlichen  Moral  ins  Gesicht  sehlng,  dadurch,  daß 
er  sich  eine  Maitresse  nahm,  sie  nicht  verstieß,  nachdem  er  sie 
geflossen  hatte,  nnd  daß  er  sie,  wenn  er  nnn  schon  einmal  mit 
ihr  lebte,  nicht  ordnungsmäßig  heiratete  (wörtlich  so,  p.  8).  In 
oeuester  Zeit,  d.  h.  seit  etwa  20  Jahren,  ist  zu  diesen  Momenten, 
DBi  Bonsseau  unbeliebt  zu  machen,  noch  die  Auffassung  getreten, 
•r  sei  Terrfiekt  gewesen,  und  seine  geistige  Verirrung  habe 
gerade  in  den  Jahren  um  1761,  da  er  seine  größten  unsterblichen 
Werke  schrieb  oder  vollendete,  ihren  Höhepunkt  erreicht  (p.  8,  9). 
Welcher  ernst  zu  nehmende  Schriftsteller  hat  je  solchen  Unsinn 
behauptet?  —  Der  durch  diese  Auszfige  charakterisierte  falsche 
Ton  zieht  sich  durch  die  ganze  Schrift,  die  durch  eine  eigentüm- 
liebe Disproportion  auif&Ut:  von  der  124  Seiten  umfassenden  Dar- 
etellung  fallen  sieben  auf  Therese  Levasseur,  sieben  andere  auf 
die  Frauen  aus  Bousseans  Kreis;  Bousseaus  absolut  wertlose 
dramatische  Yersucbe  erhalten  auch  die  Ehre,  auf  sieben  Seiten 
besprochen  zu  werden.  Offenbar  ist  dem  Verf.  nicht  klar  ge- 
vorden,  worin  denn  eigentlieb  Bousseaus  welthistorisehe  Bedeutung 
besteht  Und  daß  ihm  auch  im  einzelnen  der  Sinn  seiner  Schriften 
ein  Bitsei  geblieben  ist,  möchte  ich  nnr  dnrch  den  einen  Satz  be- 
leuchten, in  welebem  der  Grundgedanke  des  EmiU  zusammen- 
gefaßt wird :  „Nun  bandelt  es  sich  aber  nicht  darum,  den  Menschen 
10  zu  belassen,  wie  er  von  Natur  aus  ist,  sondern  darum,  seine 
Kgenart  su  benutzen,  um  ihn  fflr  die  Oesellschaft  brauchbar  zu 
aacheii^  (p.  94).  —  leb  mag  auf  die  vielen  unriehtigen  Einzel- 
heiten nicht  eingehen,  und  bemerke  nur  zu  der  eigenartigen  Szene  von 
Mon^in,  wo  Bonsseau  eines  Tages  Therese  vor  zwei  Zeugen 
ab  seine  Ehefrau  erklArte,  daß  sie  viel  von  ihrer  Absonderlichkeit 
verliert,  wenn  man  bedenkt,  daß  es  in  Frankreich  weder  Zivilehe 
loch  Miachehen  gab;  von  Bonsseau  veriangen,  er  hfttte  Therese 
itaDdosamtlich  heiraten  sollen,  heißt  ihm  zumuten,  Frankreich  fftr 
ifluner  zu  Terlasccn  oder  wieder  zum  Katholizismus  fiberzutreten.  — 
Aaf  ein  tusammenüasaendes  Endarteil  will  ich  lieber  verzichten ; 
fir  den  Tom  pbilisteriiaften  Charakter  dieser  Boussean-Biographie 
loch  nicht  flbcneiigtcn  Leser  genflge  noch  dieser  kleine  Blfiten- 
stnuß  ms  der  Besprechung  der  Neuen  Heloise:  „Demgegenflber 
wird  mao  an  dem  Satze  festhalten  mflssen,  daß  dasjenige  Buch 
•itilich  genannt  werden  muß,  das,  wenn  es  auch  Yerg&nge 
HhiMert,  die  der  sogenannten  guten  Sitte  widerstreiten,  die  Brae 
folgen  lißt,  die  der  Mensdi  innerlich  empfindet,  oder  die  Strafe, 
die  er  von  anderw  erleidet. . . "  (p.  66).     „Die  fremme  Julie  hat 

Z«ilMlvifl  1  d.  liftnr.  Opu.  IMS.  m.  Heft  16 


242  K,  Fuch8,  Enhenog  Karl,  ang.  t.  K  Queisa, 

an  ihrem  Liebhaber  und  ihrem  Gatten  anezasetzen,  daß  beide  dem 
Atheismns  zugeneigt  sind,  und  bekämpft  dieee  Gesinnang,  die  ihr 
ffir  das  Diesseits  and  Jenseits  gef&hriich  erscheint,  mit  großer 
Entschiedenheit*'  (p.  87).  «Das  bedeutende  Nene,  das  bei  ihm 
iSich  zeigt,  besteht  erstens  darin,  daß  er  ..die  Schilderung  der 
örtliohkeiten ,  besonders  Paris  und  der  Städtchen  am  Genfer 
See,  den  von  ihm  geschilderten  Menschen  anpaßte,  besondere 
aber  darin,  daß  er  . .  [Bichardson  gegenflber]  . .  der  Sinnlichkeit 
ihr  Becht  gibt . .  *'  (p.  89  f.).  —  Hätte  Bousseau  in  dem  Tone 
geschrieben,  hätte  man  sich  gewiß  sein  Buch  nicht  «beinahe^  ans 
den  Händen  gerissen,  und  12  Sous  Leihgebühr  für  die  Stande 
bezahlt ;  Frauen  hätten  nicht  darüber  geweint,  „bis  sie  krank  nod 
häßlich  wurden,''  und  eine  Gräfin  hätte  nicht  erklärt,  „tm 
empfindsame  Dame  würde  diesem  Autor  nichts  verweigern*'  (p.  91). 

Dixi  et  scUvavi  animam  meam. 
Wien.  Ph.  Aug.  Becker. 


Erzherzog  EarL  Von  Prof.  Dr. Karl  Fache.  Mit  15  IllustratiooeD. 
Gras  1907,  VerlagsbaehhaDdlong  Styria  (lllastrierte  GescMehti- 
bibliothek  für  Jung  und  Alt). 

Das  geschichtliche  Interesse  knüpft  sich,  insbesondere  das 
der  Jugend,  mit  Vorliebe  an  einzelne  geschichtliche  Pereön- 
lichkeiten.  In  der  Tat  bietet  auch  das  Leben  der  meisten  henror- 
ragenden  Männer  viel  des  Anziehenden  und  Belehrenden,  so  daß 
es  kaum  eine  fesselndere  Lektüre  geben  kann,  als  die  Geschichte 
ihres  Lebens,  aus  der  man  fast  immer  zugleich  die  Geschichte 
ihrer  Zeit  erkennen  kann.  Ganz  besonders  gilt  dies  tou  dem 
glorreichen  Schlachtenmeister  und  Staatsmann:  Erzherzog  Karl, 
der  in  dem  Momente,  wo  die  Grundfesten  der  europäischen  Beiche 
und  Throne,  insbesondere  aber  die  des  Deutschen  Beiches  um  die 
Wende  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  durch  Napoleons  Gewalt^ 
streiche  erschüttert  wurden,  der  Erniedrigung  Deutschlands  und 
ganz  Europas  Einhalt  gebot.  Die  hohe  Bedeutung  dieses  Mannes 
wird  umsomehr  in  den  Vordergrund  gedrängt,  als  sich  der 
hundertjährige  Gedenktag  der  glorreichen  Schlacht  you  Aspwn, 
durch  die  der  Glaube  an  die  Unüberwindlichkeit  Napoleons  ge- 
brochen wurde,  nähert.  Aus  diesem  Grunde  wird  es  gewiß  aller- 
seits, ganz  besonders  aber  in  den  Kreisen  unseres  Vaterlandes, 
mit  Befriedigung  begrüßt  werden,  daß  eine  neue  volkstümliche 
Bearbeitung  des  Lebens  und  der  Taten  des  Erzherzogs  Karl  er^ 
schienen  ist,  und  zwar  aus  der  Feder  des  Prof.  Dr.  Karl  Fachs, 
der  sich  bereits  bestens  bekannt  gemacht  hat  durch  die  vor  drei 
Jahren  erfolgte  Herausgabe  der  Biographie  und  einer  Sammlaog 
der  ausgewählten  Dichtungen  Johann  Gabriel  Seidls  anläßlich  des 


K  Fwihs,  Enhenog  Karl,  ang.  ▼.  K,  Qwiss.  243 

bonderaten    Oebnrtotages    dieses  Dichters.     So   sncbt  ancb   Jetzt 
derselbe  Verfasser,  knrz  voraneileod  dem  hnndertj&hrigen  Gedenk- 
tage der  Schlacht  von  Aspeni,  anfs  Dene  insbesondere  die  Herzen 
der  Österreicher   zu   entflammen    für  jenen  Mann,    der   stets    ein 
Beispiel  der   edelsten  Vaterlandsliebe   nnd  Hochherzigkeit  bleiben 
wird.    In  diesem  Sinne  ist  diese  nene  Biographie  Aber  Erzherzog 
Karl  erschienen,  ein  Büchlein,  das  nns  in  ebenso  volkstfimlicher  als 
grfiodlieher  Weise  das  Leben  nnd  die  Taten  des  Erzherzogs  Karl  vor 
Augen  fflhrt,  nnd  zwar,  was  besonders  hervorgehoben  werden  mnß, 
auf  Grand   der  neuesten   nnd    vorzüglichsten   Qaellenforschnngen. 
Erst  seitdem  über  Auftrag  der  Erzherzoge  Albrecht  nnd  Wilhelm, 
später  der  Erzherzoge  Friedrich  nnd  Engen,  der  SOhne,  beziehnngs- 
weise  Enkel  des  großen  Schlachtenmeisters  nnd  Staatsmannes,  die 
reiche  Fülle   archivalischen   Materials  der  historischen  Forschung 
lor  Verfügung   gestellt  wurde,   konnte    ein  klares  Bild  der  Groß- 
taten   desselben    hergestellt    werden.      Die    Früchte    dieser    Be- 
etrebungen  waren  die  Werke   von  H.  v.  Zeissberg,  M.  v.  Angeli 
imd   vor    allem    die    sorgf&ltig    gesichtete    Ausgabe    der    „Aus- 
gew&blten  Schriften**  von  Franz  Xaver  Malcher.     Dieser  war  von 
Erzherzog    Albrecht    zum   unterrichte    der  Neffen    desselben,    der 
Erzherzoge  Friedrich,  Stephan  und  Eugen  berufen  worden.    Nach 
Vollendung    dieses    Erziehungszweckes    machte    ihn    Erzherzog 
Älbrecht  zum  Archivar  der  Albertina  und  später  (wahrscheinlich 
auf  Veranlassung  des  Prof.   Zeissberg)    zum   Bibliothekar.     Auf 
Bein  Ansuchen  gestattete  ihm   der  Erzherzog  Albrecht  die  Bear- 
beitung und  Veröffentlichung  der  im  obgenannten  Archiv   befind- 
liehen Originalschriften  seines  Vaters,  des  Erzherzogs  Karl.     Dieses 
Werk  F.  H.  Malchers,   aus  den  Originalbriefen  und  anderen  Auf- 
zeichnungen des  Erzherzogs  Earl  bestehend,  besitzt  zweifellos  die 
Tollste  Glaubwürdigkeit  und  ist  eine  Hauptquelle  für  das  Wirken 
des  Erzherzogs   Karl.     Mit  sorgfältiger  Benützung    aller    dieser 
Werke  gelang  es  dem  Verfasser,  die  fast  unübersehbaren  Einzel- 
heiten   eines   reichen    Lebens,    das    bestimmend    für    Österreichs 
Schicksale  und    im   besonderen   für  die  Neubegründung  und  Ent- 
wicklung seiner  Wehrverfassnng  eingriff,   in  eine  gedrängte,   all- 
gemein  verständliche   Fassung   zu  bringen,    und  zwar   auf   dem 
breiten,  dabei  streng  wissenschaftliehen  Grunde  jener  dem  großen 
Pnblikum  selten  zugänglichen  Werke.     Klar  tritt  der  Charakter 
dee  Helden,    der  von  frühester  Jugend  an   zielbewußt  seine  ge- 
waltige  Aufgabe    in    einem   Zeitalter    beispielloser    Umwälzungen 
anfaßte,    aus    der    Wucht   der    Ereignisse,    in    denen    ihm   eine 
rührende  Bolle  zuteil  wurde,  hervor.     Die  Schlachtenschilderungen, 
besonders  die  von  Aspem  und  Wagram,  sind   auf  den  neuesten 
Forschungen  aufgebaut;  nicht  minder  scharf  tritt  auch  die  rastlose 
Tätigkeit  im  Frieden  hervor.     In  klaren  Umrissen   sind  auch  die 
Cbarakterzfige  des  Helden,  insbesondere  sein  tiefreligiöses  Empfinden 
und  seine  durch  nichts  und  in   keiner  Lebenslage  zu  beugende 

16* 


244  B,  Imendörffer,  Lehrbach  der  Erdkande,  aog.  v.  H.  Pirchegger, 

WabrbeÜBliebe  gezeiebnet.    Fünfzebn  treffliebe  Abbildnngen  oaeb 
antbentiseben  Originalen  nnteretützen  die  Anscbanung. 

Das  Werkeben,  das  der  Verfasser  Sr.  k.  und  k.  Hobelt  dem 
Erzberzoge  Friedricb  ebrfarebtSYoIl  gewidmet  bat,  sehließt  mit  dem 
sebönen  Weibelied,  das  Jobann  Gabriel  Seidl  ans  Anlaß  des 
Festes  der  Entbfillnng  des  Denkmals  des  Brzberzogs  Karl  anf 
dem  ftußeren  Bargplatze  am  22.  Mai  1860  verfaßt  hat.  Das 
Bneb  kann  naeb  jeder  Biebtnng  bestens  empfohlen  werden. 

Wien.  Karl  Qneiss. 


ImendOrffer  B.,  Lehrbuch  der  Erdkunde  far  osterr.  Mittel- 
schulen. IV.  Teil  (Lehrstoff  der  vierten  Klaase).  A.  Holder  1907. 
Preis  geb.  1  E  46  b. 

Der  Lehrstoff  der  vierten  Klasse  ist  in  diesem  Lehrbneb, 
moderneren  Anfordemngen  entsprechend,  nicht  mehr  wie  es  Mher 
geeehab,  in  die  zwei  Hauptabschnitte:  «Physikalischer"  und 
„politischer"  Teil  gegliedert,  sondern  letzterer  ist  geschickt  io 
ersteren  hineinverwoben,  und  die  Gliederung  erfolgte  naturgemftß 
nach  den  vier  Hauptlandschaften.  Dem  Abschnitte  über  die 
Alpen  sind  acht  Kartenskizzen  beigegeben,  die  dem  Schüler  das 
Lernen,  insbesondere  das  Wiederholen,  recht  erleichtem,  da  sie 
nicht  zu  viel  und  nicht  zu  wenig  bieten.  Schade,  daß  der  Ver- 
fasser sonst  auf  sie  verzichtete.  Auch  Bilder  fehlen  ganz,  viel- 
leicht ein  Nachteil  gegen  andere  Lehrbücher,  insbeaonders  Bichtcr- 
Mflller;  freilich  kann  man  über  den  Wert  von  Bildern  in  Lehr- 
büchern verschiedener  Anschauung  sein. 

Der  Umfang  ist  der  Stundenzahl  angepaßt  und  der  Stoff 
zweckm&ßig  auf  die  101  Seiten  verteilt,  von  denen  etwa  18  Seiten 
zusammenfassenden  Wiederholungen  gewidmet  sind.  Eine  Be- 
lastung der  Schüler  durch  mehr  oder  minder  überflüssige  Namen 
ist  durchaus  vermieden,  ein  nicht  zu  unterschätzender  Vorteil 
dieses  Bündchens  gegen  die  früher  erschienenen  und  gegen  andeie 
Lehrbücher.  Wesentliche  Ausstellungen  kann  der  Beferent  nicht 
machen;  eine  zweite  Auflage  wird  einige  FremdwCrter  (z.  B. 
S.  10,  11  „Oraz  ist  ein  von  Bentnem  und  Pensioniaten  bevor* 
zugtes  AsyP,  28,  27  u.  a.)  beseitigen,  die  sich  ebenso  leicht 
und  schön  durdi  deutsche  Ausdrücke  ersetzen  lassen.  Auch  das 
heute  gern  gebrauchte,  aber  uuschCne  Wort  „Hauptelubruchstation 
der  Fremden"  müge  verschwinden  (S.  18  und  21).  Ist  (8.  9) 
Boseruck  wirklich  ein  slowenischer  Name  und  nicht  der  „Boeks- 
rücken*'?  Haben  die  mittleren  Züge  der  Alpen  tateüchlich  ein 
feuchteres  Klima  (S.  29)?  Als  erster  Liduetrieort  der  Untersttter- 
mark  ist  wohl  Harburg  anzuführen  und  nicht  Oonobitz  (8  82). 
Statt  „Lassinger  Alpen**  w&re  vielleicht  die  Bezeichnung  „Maria 
Zelier   Alpen"   vorzuziehen,  und  die  Erwähnung    dieses    grüßten 


F.  Bogd,  Daa  Baebnen  mit  Vortdl,  ang.  ▼.  •/.  Jacoh.  245 

(starr.  WaUfmbrt8«rt«8  geboten.  Auch  den  Obdacher  Sattel  mit 
dar  Bahn  Zeltweg — Cilli  hat  der  Ref.  yermißt.  Doch  das  sind 
KltinigkeiteDv  die  den  Wert  des  Bnchea  nicht  verringern.  Das 
gtlUlige  Äußere  vnd  der  mäßige  Preis  empfehlen  es  ebenfalls. 

Grat.  Dr.  Hans  Pirchegger. 


Bogel  F.,  Das  Bechnen  mit  Vorteil.  Eine eemdnfaßUehe,  durch 
saUrdehe  Beispiele  erliaterte  Dantellang  etnpfehlenswerter  Vorteile 
vnd  abkftrsender  Verfahren.    Leipsig,  B.  0.  Teobner. 

Das  Torliegende  Schriftehen  enthält  eine  Sammlnng  Ton 
79  Beehenvorteilen  in  leichtfaßlicher  Darstellnng ;  nm  einen  großen 
Teil  derselben  anch  jenen  sngftnglioh  zn  machen,  die  mit  der  all- 
gsneinen  Arithmetik  nicht  vertrant  sind,  sind  algebraische  Formeln 
Bv  in  den  seUenstea  Fällen  angewendet.  „Der  Zweck  der  Vor- 
Mle''  ^  sagt  der  Verfasser  —  „Banm  and  Zeit  zn  erspareui 
vird  aber  nnr  dann  erreicht,  wenn  sie  vollständig  beherrscht 
Qod  mit  solcher  Gewandtheit  gehandhabt  werdeni  daß  das 
RMbaen  fast  mechaniech  vor  sich  gebt.''  Aber  ein  Bechnen  geht 
Dv  dann  mechanisch  vor  sich,  wenn  die  Zahl  der  in  Verwendong 
kommenden  Lehrsätze  eine  geringe  ist,  so  daß  weder  das  Ge- 
tichtnis  mit  einer  großen  Menge  von  Begeln  belastet  wird»  noch 
die  Einreihnng  eines  besonderen  Falles  unter  einen  allgemeinen 
irireod  welche  größere  Anstrengung  erfordert.  Demnach  ist  es 
einlenehteiid,  daß  das  Schriftchea  diesen  Zweck  nicht  erreicht; 
deeh  wäre  es  ungerecht,  sich  der  Arbeit  des  Verfassers  gegen- 
ibsr  imbedingt  ablehnend  zu  Tcrhalten:  ist  das  Bftchlein  auch 
^  die  Mittelschule  nicht  yerwendbar,  so  ist  es  doch  allen  jenen 
ismempfehlen,  denen  die  Ausführung  einer  Zahlenanfgabe  durch 
KsDitgriffe  Vergnflgen  macht.  Und  auch  jene,  die  an  der 
liutorischen  Entwicklang  des  Zifferrechnens  Interesse  finden, 
Verden  in  dem  Schriftchen  manche  lehrreiche  Bemerkung  finden. 

Wien.  Dr.  J.  Jacob. 


Lehrbaoh  der  Physik.  Von  O.  D.  Chwolson,  ord.  Professor  an  der 
kais.  Universität  an  St  Petersbmg.  IIL  Band:  Die  Lehre  von  der 
Wanne.  Übertetit  von  E.  Berg,  Abteilcngsschef  am  physikalischen 
ZeDtralobserratoriom  in  St.  Petersburg.  Hit  259  eingedrockten  Ab- 
bildongen.   Braonscbweig,  Vieweg  ft  Sohn  1905.   Preis  18  Mk. 

Im  dritten  Bande  des  Lehrbuches  der  Physik  von  Prof. 
Chwolson,  dessen  beide  ersten  Teile  in  dieser  Zeitschrift  be- 
eprochen  wurden,  kommt  die  Lehre  von  der  Wärme  zur  Behand- 
iuig.  Es  soll  gleich  an  erster  Stelle  hervorgehoben  werden,  da' 
die  neosaten  Forschungen  auf  dem  theoretischen  und  experimentell« 


246    ChwoUon-Berg,  Lehrbcch  der  Pbynk,  ang.  v.  L  O,  WaUetUin, 

Gebiete  dieser  Wissenschaft  genan  berficksicbtigt  worden  und  daß 
der  Verf.  eine  eingebende  Literatnrangabe  jedem  Abscbnitte  bei- 
ffigte,  die  dem  Studierenden  dieses  Bncbes  die  MOglicbkeit  schafft, 
weitere  Studien  Yorznnebmen. 

In  der  Einleitung  werden  anter  anderem  die  Begriffe  der 
Wärmeenergie  nnd  der  Temperatur  ins  klare  Licht  gesetzt  ond 
die  Bedeutung  der  Temperaturkoeffizienten  dargelegt. 

In  großer  Ausführlichkeit  wird  im  folgenden  die  Thermo- 
metrie  besprochen  und  auf  die  Korrekturen  eingegangen,  welche 
man  bei  der  Bestimmung  der  Temperaturen  zu  berücksichtigen  hat; 
so  wurde  der  Einfluß  der  Eigenschaften  des  Glases  und  des  Qaeck- 
Silbers  sowie  äußerer  physikalischen  Ursachen  auf  die  Angabeo 
der  Quecksilberthermometer  in  Erwägung  gezogen.  Die  MessuDg 
hoher  Temperaturen  mittelst  der  Pyrometer,  unter  denen  auch  die 
optischen  und  thermoelektrischen  betrachtet  werden,  sowie  die  Be- 
stimmung sehr  niederer  Temperaturen  mittelst  Gasthermometer  and 
thermoelektrlscher  Elemente,  wird  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes 
gelehrt. 

In  den  folgenden  Auseinandersetzungen  finden  wir  die  Be- 
sprechung der  Abhängigkeit  der  Dimensionen  und  des  Druckes  der 
Körper  Yon  der  Temperatur,  femer  die  Bestimmung  der  Wänse- 
kapazität  ?on  festen,  fifissigen  und  gasförmigen  Körpern,  wobei 
auch  der  Beziehung  zwischen  der  Wärmekapazität  der  Körper  ood 
dem  Molekular-  oder  Atomgewicht  derselben  gedacht  wird. 

Im  Abschnitte,  der  von  dem  Übergange  verschiedener  Formeo 
von  Energie  in  Wärmeenergie  handelt,  werden  in  sehr  klarer  Weise 
die  Grundlagen  der  Thermochemie  aufgestellt  und  auf  die  tbermo- 
chemischen  üntersuchnngsmethoden  des  näheren  eingegangen.  Unter 
den  Ergebnissen  der  thermochemischen  Untersuchungen  werden  die 
Sätze  bezüglich  der  Bildung  von  Salzen  (Gesetz  der  Tbermo- 
neutralität  der  Salzlösungen),  bezüglich  der  Hydratisierung  der 
Salze,  der  Legierungen,  der  Mischung  von  Schwefelsäure  mit 
Wasser,  der  endothermischen  Beaktionen  usw.  hervorgehoben.  Zorn 
Schlüsse  dieser  Erörterungen  wird  das  Theorem  von  Bertbelot 
besprochen,  demzufolge  jede  chemische  Beaktion  in  der  Richtung 
verläuft,  in  welcher  die  größte  Wärmeabgabe  erfolgt. 

Von  großer  theoretischer  und  experimenteller  Bedeutung  sind 
die  Darlegungen  im  folgenden  Abschnitte,  welcher  von  der  Erkaltung 
der  Körper  handelt.  Das  Stefan  sehe  Gesetz,  daß  die  von  der 
Oberfläcbeneinheit  eines  Körpers  in  der  Zeiteinheit  ausgestrahlte 
Wärmemenge  der  Differenz  der  vierten  Potenzen  der  absolnten 
Temperaturen  des  Körpers  und  der  Hülle  proportional  ist,  wird  in 
den  Mittelpunkt  der  in  diesem  Abscbnitte  enthaltenen  Erörterungen 
gestellt.  In  vollendeter  Klarheit  sind  die  Elemente  der  mathemati- 
schen Theorie  der  Wärmeleitung  in  dem  vorliegenden  Buche  gegeben 
worden.  Im  Anschlüsse  daran  werden  einige  einfache  Aufgaben 
gelöst,  die  sich  auf  die  Wärmeleitung  beziehen;  dann  werden  die 


F.  E.  StanUm,  Die  tieritehen  Oifte,  aag.  ▼.  J.  Ä.  Kail         247 

€xp€riinentelleD  Methoden  zur  BestimmaDg  der  Wftrmeleitniigs- 
(Ihigkeit  Ton  KOrpern  aller  drei  AggregatzustäDde  angegeben.  Von 
geophysikalischer  Wichtigkeit  ist  das  Problem  des  Eindringens  von 
harmonischen  Wftrmewellen  in  einen  einseitig  begrenzten  homogenen 
Körper. 

Mit  großer  Ansfflbrlichkeit  sind  im  folgenden  Abschnitte  die 
Gmodlagen  der  Thermodynamik  dargestellt  worden.  Nach  Anf- 
stellnng  des  ersten  Hauptsatzes  der  mechanischen  Wärmetheorie 
wird  das  Prinzip  von  Le  Chatelier- Braun  besprochen,  daß 
D&mlicb  jede^  äußere  Einwirkung  in  einem  Körper  oder  in  einem 
System  eine  Änderung  in  solcher  Bichtung  her?orruft,  daß  infolge 
dieser  Änderung  der  Widerstand  des  Körpers  oder  des  Systems 
gegen  die  äußere  Einwirkung  vergrößert  wird.  Dann  gebt  der 
Verf.  zum  Studium  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik 
ein  und  bespricht  eingehend  die  Arbeiten  Yon  Carnot,  Clausius, 
Thomson,  Boltzmann  auf  diesem  Gebiete.  Aus  den  beiden 
Hauptsätzen  werden  einige  fflr  den  späteren  Gebrauch  wesentliche 
Formeln  entwickelt.  Wichtig  sind  die  Betrachtungen  über  die 
Entropie  und  deren  Eigenschaften,  über  freie  Energie  und  das 
ihermodynamische  Potential.  Die  Grundsätze  der  Thermodynamik 
werden  auf  die  kalorischen  Erscheinungen  in  Anwendung  gebracht. 
Besonderes  Interesse  bietet  in  dieser  Hinsicht  der  Abschnitt,  in 
dem  der  Übergang  aus  dem  festen  Zustande  in  den  flüssigen  und 
umgekehrt,  ganz  allgemein  die  Anwendung  der  Thermodynamik 
auf  den  allgemeinen  Fall  des  Überganges  einer  Substanz  aus  einem 
Zustande  in  den  anderen  besprochen  wird.  Die  beiden  nun  folgenden 
Abechnitte  sind  der  Lehre  Yon  den  Dämpfen  gewidmet  (Eigen- 
icbaften  gesättigter  Dämpfe,  Hygrometrie;  ungesättigte  Dämpfe, 
kritischer  Zustand,  korrespondierende  Zustände). 

Der  letzte  Abschnitt  ist  dem  Studium  des  Gleichgewichtes 
sich  berührender  Körper  eingeräumt.  Die  PhasenregelvonGibbs 
gestattet  eine  einheitliche  Darstellung  der  Erscheinungen.  Die  Theorie 
<ier  Lösungen  ist  recht  klar  und  übersichtlich  aufgestellt  worden. 

Wir  begrüßen  den  dritten  Band  des  Lehrbuches  der  Physik, 
der  den  Jüngern  der  Wissenschaft,  aber  auch  den  Vorgeschrittenen 
manche  wertvolle  Anregung  bietet,  aufs  wärmste  und  hoffen,  daß 
den  deutschen  Physikern  recht  bald  auch  der  vierte  abschließende 
Band  des  Buches  als  willkommene  Gabe  geboten  wird. 

Wien.  Dr.  I.  G.  Wallentin- 


Dr.  Faust  Edwin  Stauten,  Die  tieriscben  Gifte,  g.  Heft  toh 
«Die  Wiisenscbaft,  Sammlung  n&turwiisensc  haftlieh  er  und  matha^ 
matiteher  Monographien **.  Brannscbweiif,  Viebw«g  &  Sohn  Ld 
248  88.80. 

Verf.   bat  es  unternommen,  io  der  Torliegeni 
möglichst  knapp  gehaltene  ZusammenatellnDg  unar 


l 


248  Ä.  Sauer,  Minezalkande,  ang.  ▼•  F.  Noi. 

E«nDtni8Be  über  tierische  Oifte  za  geben,  die  für  einen  ungemein 
großen  Leserkreis  von  großem  wissenschaftlichen  und  praktischen 
Interesse  sind.  Die  Behandlang  des  Stoffes  geschah  yom  pharma- 
kologisch-toxikologischen  Standpunkte  ans.  Die  Qnellen,  ans  denen 
Verf.  geschöpft,  sind  aufs  gewissenhafteste  angegeben  worden. 

Nachdem  in  der  Einleitung  Zweck  und  Nntten  einer  zu- 
sammenfassenden Behandlung  der  tierlschon  Oifte  klargelegt  und  be- 
stimmt worden,  was  zu  den  tierischen  Giften  gehört,  „Bkiii*^  und 
.passiv^  giftige  Tiere  unterschieden  worden  sind,  wird  gehandelt 
von  eigentlichen  Giften  und  gelegentlich  die  Gesundheit  scb&di- 
genden  tierischen  Produkten,  von  der  historischen  Entwickelang 
unserer  betreffenden  Kenntnisse,  Yon  der  Bedeutung  der  Gifte  für 
die  sie  produzierenden  Tiere  und  für  den  Menschen,  endlich  von 
der  Systematik.  Die  Znsammenstellung  der  eigentlichen  Matsrie 
geschieht  ohne  Bficksicht  auf  die  Wirkungen  und  die  chemische 
Zusammensetzung  der  Gifte  nach  zoologischem  Gesichtspunkte, 
d.  h.  nach  der  Herkunft  der  Giftstoffe. 

Von  Wirbeltieren  kommen  zuerst  die  Säugetiere  an  die  Seihe, 
daran  schließen  sich  die  Eidechsen,  Amphibien  und  Fische.  Bei 
den  wirbellosen  Tieren  machen  die  Muscheltiere  den  Anfang,  worauf 
die  Gliederfüßer,  Würmer,  Stachelhäuter  und  Coelenteratea  folgen. 

Wo  man  das  Buch  auch  aufschlagen  mag,  überall  ist  es  in- 
teressant Der  Zoolog,  der  Physiolog,  der  Pharmakolog  und  der 
Patholog  Ton  Fach,  ebenso  der  praktische  Arzt  und  der  Kliniker 
und  endlich  der  naturwissenschaftlich  Gebildete  überhaupt,  alle 
finden  sie  in  dem  Werke  etwas  Brauchbares. 

Wien.  Job.  A.  Kail. 

Mineralkunde  yon  Dr.  A.  Sauer.  Mit  240  Seiten  Text  Großqnart 
und  26  farbigen  Tafeln.  Im  Leinenband  Mk.  18-60.  Verlag: 
Kosmos,  GeselTsehaft  der  Natarfreonde  (GeBchifteetelie :  Franek'sche 
Verlagsboehhandlang,  Stattgart). 

Über  dieses  Werk  wurde  bereits  an  dieser  Stelle  ausführlich 
und  anerkennend  berichtet.  Es  liegt  nunmehr  auch  die  siebente 
Abteilung,  der  Schloß  des  Werkes  vor.  Was  beim  Erscheinen 
der  ersten  Abteilung  yersprochen  wurde,  ist  getreulich  gehalten 
worden.  Die  Mineralbilder  auf  den  farbigen  Tafeln  entsprechen 
selbst  hohen  Anforderungen  hinsichtlich  der  Sauberkeit  und 
Naturtreue.  Sehr  beachtenswert  ist  auch  der  Text,  welcher  sich, 
wie  angekündigt,  nicht  nur  auf  die  Beschreibung  der  Mineralien 
beschränkt,  sondern  eine  Fülle  mineralgenetischer,  petrographiscber, 
chemischer,  geologischer  und  montanistischer  Belehrungen,  durch- 
wegs auf  modernstem  Standpunkte,  bietet.  Das  schöne  Werk  ge- 
hört in  die  Bibliothek  jedes  Freundes  der  mineralogischen 
Wissenschaft. 

Wien.  Dr.  Franz  NoS. 


Dritte  Abteilung, 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Die  Mittelschalenqnete  des  nnterriehts- 
ministeriiims  21. — ^25.  Jftnner  1908. 

VdB  dar  BadaktioB  dieser  Zätschiiffc  anfgefoidert,  Aber  den  Verlauf 
nd  die  BrgebaiMe  der  in  der  Oeeohiehte  dee  Oiteneiehieehen  Mittel- 
tdiQlweieDi  dpoelieiuGheiideiiy  im  greifen  Empfum^isaal  dee  hohen  k.  k. 
MmiitariuBB  fttr  Knltoa  nad  Ualerrieht  in  den  Tagen  Tom  21. — ^25.  Jftaner 
i  J.  abgehaltenen  and  in  allen  Kreisen  der  BevOlkening  unseres  groften 
Tstsrlaadesy  aber  aneh  im  Aaslande  mit  großer  Spannung  erwarteten 
Ssqaete  einen  Torlftofigen  Berieht  sa  erstatten»  halte  ieh  es  fftr  angemessen, 
wenigstens  in  karsen  Striehen  ein  Bild  der  gesteigerten  Bewegung  auf 
dem  Gebiete  des  Mittelsehuhresens,  die  sie  einleitete,  su  entwerfen.  Ton 
eiser  eingehenden,  alle  Phasen  berftcksicbtigenden  Schilderung  kann 
f%Ueh  keine  Bede  sein.  Dasu  reicht  weder  der  sur  Yerfflgung  stehende 
Basm,  noch  scheint  es  an  der  Zeit  so  sein,  mit  der  objektiven  Bähe  des 
Hiiterikers  alle  Einselheiten  danulegen. 

Die  Erkenntnis,  daß  Beformen  in  der  Organisation,  im  Lebrplan 
ond  in  der  Methode  unserer  Mittelichnlen  notwendig  seien,  ist  nicht  so 
JBBgen  Datums,  als  es  auf  den  ersten  Blick  erscheinen  mag.  Den  Lesern 
dieser  Zeitsehrift  braucht  dies  kaum  erst  in  Erinnerung  gebracht  su 
weiden.  Ist  doch  auch  hier  eine  Ffllle  von  Aufsitsen  und  Besprechungen 
enchienen,  die  einselne  Fragen  erörterten,  und  in  den  Verhandlungen 
der  Kittelschollehrerrereine,  der  deutsch-esterreichischen  Mittelschultage, 
des  BeichsTerbandes  der  Mittelschullehrervereine,  der  Direktoren -Eon- 
ferenten  standen  gerade  sie  im  Mittelpunkte  des  Interesses.  Und  die 
•cUer  unabsehbar  werdende  Literatur  Aber  Fragen  der  Schulreform  hat 
ksom  ein  Detail  des  großen  Komplexes  unbesprochen  gelassen.  Dasu 
kemmt»  daß  Bewegungen  auf  diesem  Gebiete  im  Auslande,  vor  allem  in 
Deutschland,  deesen  höheres  Schulwesen  in  den  lotsten  swei  Deiennien 
im  Zeichen  der  Beform  stand,  nicht  ohne  Bßcksohlag  auf  unsere  Verh&lt- 
Bisse  bleiben  konnten. 


250  Die  Mittelfchnlenquete  dei  UnterriehtsmioisteriaiDs. 

Aber  aocb  der  Gedanke  einer  Enquete,  d.  h.  des  Yemchei,  doreh 
eine  zusammenfaesende  Beratung  and  Verhandlang  aller  in  Betracht 
kommenden  Fragen  deren  Losung  herbeiiufflhren,  drängte  sich  schon 
lange  auf.  Allein  die  Losung:  quieta  non  movere^  die  an  sich  berechtigt 
auf  die  Dauer  als  ein  sn  starres  Prinitp  sich  erwies,  beherrschte  aUiosehr 
unser  Mittelschnlwesen  in  den  leisten  zwanzig  Jahren  und  gestattete  nor 
Änderungen  im  einzelnen,  die  die  immer  stärker  werdende  Bewegung,  die 
grOndliche  Beformen  Terlangte,  nicht  aufhalten  konnten. 

Demjenigen,  der  den  Werde-  und  Entwicklungsgang  unseres  Mittel- 
scbul-,  Tor  allem  unseres  Gymnasialwesens  zu  fiberblicken  Termag,  drängt 
sich  zunächst  die  Erwägung  auf,  dal^  es  seit  seiner  Neuordnung  im 
Jahre  1849  eigentlich  nicht  recht  zur  Rohe  kommen  kann.  Unter  großen 
Schwierigkeiten,  yon  denen  man  nor  aus  dem  Studium  der  Akten  eine 
Vorstellung  gewinnt  und  die  ein  Aufgebot  yon  adoiinistratiTer  Arbeit 
▼erlangte,  deren  Erledigong  in  erstaunlich  kurzer  Zeit  nur  durch  die 
Begeisterung  und  die  beispiellose  Hingebung  der  am  Werke  befindlichen 
Männer  möglich  war,  geschaffen,  hatte  die  Neuorganisation  bereits  im 
ersten  Dezennium  grofte  Kämpfe  zu  bestehen  und  es  ist  nicht  ohne 
Interesse,  daß  dieselben  Angriffe ,  die  jetzt  gegen  sie»  als  yeraltet  nnd 
für  unsere  Zeit  ungeeignet,  unternommen  werden,  bereits  in  jener  Frfih- 
zeit  begegnen.  Mit  der  kais.  Sanktion  im  Jahre  1854  war  eine  BeTision 
ffir  1858  in  Aussicht  genommen,  doch  gelang  es  —  es  ist  das  mit  ein 
Verdienst  des  Ministers  Leo  Thun  —  sie  auf  einige  unwesentliche  Ände- 
rungen im  Lehrplan,  die  bereits  1855  eingetreten  waren,  zu  beschränken. 
Aber  nur  wenige  Jahre  darauf,  während  des  ersten,  erweiterten  Beicfas- 
rates,  1861,  beginnt  der  Sturmlauf  auf  die  neue  Organisation,  diesmal  tod 
nationaler  Seite,  durch  den  bekannten  Antrag  Cuprs.  Wie  im  Jahre 
1858  war  es  wieder  Hermann  Bonitz,  der  in  den  Blättern  dieser  Zeit- 
schrift in  Artikelo,  die  heute  noch  lesenswert  sind,  den  Kampf  ffir  sein 
und  Franz  Ezners  Werk  mit  Frische  und  Lebendigkeit,  aber  auch  mit 
glücklichem  Erfolge  führte.  Gleichwohl  wurde  durch  die  gesteigerte 
nationale  Bewegung  die  Einheitlichkeit  der  Bildung  immer  mehr  er- 
schüttert. Aber  auch  die  Bestrebungen,  die  Ändernngen  in  der  Organi- 
sation und  im  Lehrplan  bezweckten,  zogen  weitere  Kreise  und  bereits 
1870,  also  schon  20  Jahre  nach  der  Schaffung  des  Organisationsentwnrfeit 
fand  eine  Gymnasialenquete  statt  Zum  Zwecke  der  „Besprechung 
mehrerer  meritorischer  —  auf  eine  Erweiterung  des  Gymnasiallehrkreises 
bezüglicher  —  Fragen**  sowie  um  der  „endlichen  gesetzlichen  Formulierung 
der  fOr  das  Gymnasialwesen  maßgebenden,  teils  im  Organisationsentwarfe 
für  die  Österreichischen  Gymnasien  und  den  beigegebenen  Instroktionea, 
teils  in  späteren  Verordnungen  enthaltenen  Normen  Vorschub  zu  leisten", 
berief  nämlich  Minister  Dr.  ▼.  Stremayr  für  Ende  September  1870  eine 
Gymnasialenquete -Kommission,  bestehend  aus  Vertrauensmännern  der 
Landesschulräte  und  einer  Anzahl  Tom  Ministerium  selbst  delegierter 
Fachmänner.  Die  Enqoete  beriet  eingehend  über  eine  Anzahl  Fragen  Ton 
grundlegender  Bedeutung.  Es  waren  dieselben  Fragen,  die  immer  wieder 
erörtert  werden  und  die  zum  Teil  auch  die  jetzige  Enquete  beschäftigten: 


Die  Mitialaehnlenquete  des  UDierriehtsminiaterioms.  251 

die  EiDfBhmDg  des  FreihandseichDens ,  der  iDodemen  Enltnrapracheii  in 
den  Lehrplan  des  QTmnaaiams,  AnordniiDg  der  naturwissenschaftlichen 
Lehntoife  in  den  Unter-,  Einffihrnng  des  Unterrichts  in  der  allgemeinen 
Naturkunde  is  die  Oberklassen  nnd  seine  Yerbindnng  mit  der  Mataritftts- 
prtfottg»  Einriehtnng  der  MaturititsprUfang  selbst,  Religionsanterricht  in 
den  oberen  Klassen,  Verbiltnis  der  Unter-  nnd  Oberklassen  nach  der 
Dsrchf&hrang  der  angedeuteten  Beform.  Nach  der  Tendenz  des  Ministeriams 
nllten  diese  Fragen  eine  Aasbildang  des  Gjmnasiallehrplanes  im  Sinne 
des  Niherrfiekens  an  die  Bealsehnle  anbahnen.  Die  Enqaete  sprach  sich 
jedoch  einstimmig  sn  Gonsten  des  bestehenden  Systems  ans  nnd  bean- 
tragte nur  einige  unwesentliche  Modifikationen  sur  Herstellung  der  Fort- 
eotvicklnng  der  Grnndsitse  des  Organisationsentwurfes.  Auch  das  in 
Aussiebt  genommene  Gesets,  für  das  ein  die  Ergebnisse  der  Kommission 
Terwertender  Entwurf  ausgearbeitet  worden  war,  kam  nicht  anstände. 

Es  sei  hier  nicht  untersucht,  ob  nicht  die  eine  oder  die  andere 
Forderung  den  Intentionen  des  Unterrichtsministeriums  entsprechend  hätte 
erfUlt  werden  können  und  sollen.  Es  sei  festgestellt,  daß  der  konserTative 
Zng,  der  die  Enquete  Ton  1870  beherrschte,  auch  in  der  Folgeieit  auf- 
recht blieb,  so  daß  die  Organisation  des  Gymnasiums  unTcrindert 
erhalten  und  nur  im  einielnen  Tieles  gebessert  wurde.  Die  Organisation 
des  Mittel  schul  Wesens  jedoch  erfuhr  in  sweifacher  Hinsicht  eine 
Erweiterung,  einmal  durch  das  im  J.  1864  geschaffene  Bealgymnasium, 
tis  gemeinsame  Unterstufe  fflr  Gymnasium  und  Bealschule,  das  im  Sinne 
des  Tom  Ministerium  angestrebten  Näherrfickens  der  beiden  Schulgattungen 
in  den  70er  Jahren  immer  mehr  yerbreitet,  allerdings  später  wieder  yiel- 
fseh  aufgehoben  wurde.  Es  konnte  sich  auf  die  Dauer  eben  nicht  halten ; 
Dan  empfand  es  als  Halbheit  und  auch  die  Vorteile,  die  es  bieten  sollte, 
die  Entscheidung  für  die  Berufswahl  hinauszuschieben,  konnten  nicht  ins 
Gewicht  fallen,  da  ja  doch  in  der  III.  Klasse  die  Scheidung  eintreten 
noDto.  Seine  Entstehung  yerdankt  das  Bealgymnasium  den  Einheitsschul- 
bestrebungen, die  zunächst  das  Ziel  yerfolgten,  den  Bealschulen  in  den 
unteren  Klassen  den  Lateinunterricht  einzufügen  (man  sieht,  Bestrebungen, 
die  fielen  als  ganz  neu  erscheinen,  während  sie  bereits  ein  ehrwürdiges 
Alter  haben).  Da  das  nicht  erreicht  werden  konnte,  wählte  man  den 
Assweg,  das  Untergymnasium  durch  Einfflhrung  des  Freihandzeichnens 
ud  des  Französischen  als  stelhertretendes  Fach  ffir  das  Griechische  zum 
geneinsamen  Unterbau  fttr  Gymnasial-  und  Bealschulbildung  auszugestalten. 
Eine  andere,  bedeutsamere  Fortentwicklung  der  Organisation  der  Mittel- 
schulen stellte  die  allmähliche  Ausgestaltung  der  Bealschulen  dar,  die 
Hit  1868  siebenjährig  sind.  Allein  der  an  sich  berechtigte  und  aus  vielen 
Gründen  begreifliehe  Unterschied,  daß  die  Gesetzgebung  Aber  die  Beal- 
Khulen  nach  dem  Grundgesetz  Aber  die  Beicbsvertretung  vom  21.  Dezember 
1867  den  Landtagen  Torbehalten  blieb,  während  jene  Ober  die  Gymnasien 
dem  Beiehsrat  zusteht,  schuf  doch  in  der  Folge  eine  Schwierigkeit,  die 
sich  heute  mehr  denn  je  f&hlbar  macht.  Denn  von  Haus  aus  als  Vor- 
bereitungsanstalt  für  mehr  praktische  Berofe,  dann  der  technischen  Hoch- 
Khole  gedacht  und  organisiert,  ist  die  Bealschule  durch  stärkere  Berfick- 


252  Die  HittdgobQle&qaete  des  Unterrichtimimeteiiami. 

•lehtignDg  der  modern-hamaDiitischeD  BildangselemeDte  gleichfalls  eine 
Schale  allgemeiner  Bildung  geworden,  wodurch  allm&hlieh  immer  mehr 
Aspirationen  fflr  die  prinsipielle  Zulassung  der  ReaUchulabsoW enten  sum 
UniTeriitätastndium  geweckt  wurden  —  Aspirationen,  die,  solange  die 
Ungleichheit  der  Studiendauer  besteht,  nicht  erftUlt  werden  können«  Fflr 
die  Ausgleichung  der  Studiendauer  d.  h.  fflr  die  auch  aus  inneren  Gründen» 
da  die  siebenklassige  Bealichule  alliusehr  mit  Wissensstoff  belastet  ist, 
notwendige  und  Ton  vielen  Bealscbulm&nnem  längst  erstrebte  Ausdehnmig 
auf  acht  Jahrgänge  bildet  die  Abhängigkeit  der  Bealschulgesetsgebung 
von  den  Landtagen  wenn  nicht  ein  Hindernis,  so  doch  eine  erhebiiebe 
Schwierigkeit. 

Diese  beiden  Momente,  die  Ungleichheit  der  Studiendauer  der  beiden 
Schulgattungen,  und  das  Fehlen  der  in  Deutschland  vorhandenen  dritten 
Schulgattung,  des  Bealgymnasiums  als  Vollanstalt,  Momente,  die  von 
deutschen  Schulmännern  als  Vorsflge  der  österreichischen  Oganisation 
beieichnet  wurden,  sind  nachgerade,  es  läftt  sieh  das  nicht  leugnen, 
doch  die  Ursachen  mancher  Unsnfriedenheit  und  der  Hemmschuh  weiterer 
Entwicklung  geworden.  Und  als  drittes,  die  beiden  anderen  an  einschnei- 
dender Bedeutung  weit  Qbertreffendes  trathinsu  die  Berechtigungsfrage, 
und  swar  in  doppelter  Hinsicht :  in  Besug  auf  das  Recht  des  einjährigen 
Präsensdienstes  und  in  Hinsicht  auf  die  Erlangung  auch  niederer  Beamten- 
stellen, sowohl  im  Staatsdienst  als  in  dem  Dienste  kommunaler  und  anderer 
autonomer  Behörden,  ja  auch  privater  Institute.  Auf  die  Sache  braucht 
hier  nicht  näher  eingegangen  su  werden,  aber  es  ist  klar,  daß  dadurch 
die  Mittelichulen  im  allgemeinen  und  mit  Bficksicht  darauf,  daß  unmittel- 
bar das  Becht  zum  Besuche  der  Universität  die  Gymnasien  allein  erteilen, 
diese  im  besonderen  überflutet  und  die  Zahl  der  Mittelschulen,  lumal 
der  Gymnasien,  eine  ungesunde  Vermehrung  erfuhr,  die  ihrerseits  in  swei- 
facher  Hinsicht  die  Quelle  großer  Übelstände  wurde.  Den  Mittelschulen 
und  namentlich  den  Gymnasien  wurde  ein  Schfllermateriai  sugefflhrt,  das 
sum  nicht  geringen  Teil  fflr  die  ihm  hier  gebotenen  Bildungsmittel  und 
die  ihm  hier  auferlegte  Arbeit  die  nötige  Eignung  und  Neigung  vermissen 
ließ;  der  Widerwille  und  das  Unvermögen  der  Scbfller  erseugte  oder  ver- 
stärkte die  nicht  selten  aus  eigener  Erfahrung  bereits  vorhandene  Ab- 
neigung des  Elternhauses.  Schon  dieser  Umstand  mußte  die  Wirkung  des 
Mittelschulunterrichtes  und  insbesondere  des  Gymnasialunterrichtes  unheil- 
voll beeinflussen.  Dasu  kam  aber  noch,  was  viel  bedeutender  ist,  daß  fftr 
die  Fülle  der  Lehranstalten  nicht  immer  ein  entsprechend  ausgebildetes 
Lehrermaterial  sur  Verfügung  stand.  Es  liegt  nun  in  der  menschliehen 
Natur  begründet,  daß  gemeinhin  die  Obelstände  als  solche  erkannt  und 
bekämpft  werden,  ohne  daß  den  Ursachen  nachgegangen  wird,  und  daß 
die  Heilung  dadurch  versucht  wird,  daß  die  Einrichtungen  selbst  als  Übel 
beseichnet  werden,  die  beseitigt  werden  müssen.  Die  Übelstände  selbst 
erkannte  nun  die  Unterricbtsverwaltung  such,  allerdings  war  sie  sich 
über  die  wirkenden  Ursachen  nie  im  unklaren,  allein  es  muß  doch  fest- 
gestellt werden,  daß  sie  es  an  energischen  und  erfolgreichen  Versuchen, 
diese  Ursachen  su  beseitigen,  fehlen  ließ. 


Die  MitieliehQleDqnete  des  ünterriefatsmiiiiateriams.  25$ 

Die  bestehende  Bewegang  gegen  die  Mitteltchnle,  inibesonders 
gegen  du  hamanistiiche  Gjmnafliam,  TeranlalSte  den  gegenirftrtigen 
(Joteiriebtsminiiter  Dr.  Marchet  die  Frage  der  Mittelschnlreform  amt- 
lich aofinrollen  and  zunächst  eine  weite  Kreise  der  Bevölkerung  om- 
ipannende  Enqnete  einsobemfen.  Die  Schwierigkeit  des  Unternehmens 
eiDsr  großen,  nicht  lediglich  aaf  die  Fachm&nner  beschränkten  Enquete, 
dis  Feststellnng  der  sor  Verhandlang  gelangenden  Fragen,  die  Aaswahl 
der  n  berofenden  Persönlichkeiten,  die  ja  sa  den  schwierigsten  Problemen 
geborte,  denn  es  maßten  die  Terschiedensten  Bicbtnngen,  ja,  in  Österreich 
ist  dies  selbstTerstindlicb,  aber  auch  besonders  heikel^  die  Terschiedenen 
Nstionalit&teo  berfieksichtigt,  es  maßte  jedoch  aach  darauf  Bedacht  ge- 
nommen werden,  daß  der  Zweck  der  Enqnete,  eine  ernste  and  gehaltvolle 
Aosiprache  Aber  die  Frage  der  Schalreform  sa  eriielen,  erreicht  werde  — 
ksn  die  Schwierigkeit  des  großen  Werkes  macht  es  erklärlich ,  daß  der 
Termin  der  Enqnete  mehrfach  verschoben  werden  maßte.  Ende  des  vorigen 
Jahres  waren  die  Yorbereitangen  so  weit  gediehen,  die  Referate  and 
Korreferate  verteilt  and  zam  Teil  erstattet  and  in  Druck  gelegt,  so  daß^ 
die  Abhaltong  der  Enqnete  für  den  Monat  Jänner  d.  J.  als  gesichert 
gsit:  es  wurde  dann  der  21.  für  den  Beginn  bestimmt  aod  die  Dauer 
TOD  4 — 5  Tagen  in  Aussicht  genommen. 

Auf  Grond  eingehender  Beratungen  im  Schöße  des  Ministeriums 
leihst  und  nach  Entscheidang  des  Ministers  Dr.  Marchet  wurden  folgende 
Fngepvnkte  den  Referenten  vorgelegt,  deren  in  Druck  gelegte  Referate 
dsBB  die  Gnmdlage  der  mfindlichen  Enquete  bildeten  : 

I. 
Thema  1;  Inwiefern  sind   unsere  Mittelschulen  (Gymnasien  nnd 
Bealschulen)    einer   YerbeBserung   bedflrftig?    (Allgemeine   Erörterung). 
Beferent:  Dr.  E.  Martinak,  Professor  der  Pädagogik  an  der  Universität 
in  Gras.  Korreferent:  Frau  Emilie  Einer  in  Wien. 

IL 
Thema  2:  Empfiehlt  es  sich,  daß  ein  neuer  Mittelscbnltypus  ge- 
•dudFen  werde,  entweder  a)  duch  Um-  und  Aasgeetaltang  des  in  Öster- 
tsieh  beitebefiden  Bealgymnasioma  sa  einer  aehtklassigen  YoUanstalt» 
oder  h)  dnrch  Angliedernng  einea  Oberrealg  jmnasiuma  an  eine  Usterreal- 
sebuk?  Im  Zosanrnienhange  damit:  Yom  Übergänge  der  BeaMiidahaol- 
veatoi  in  den  UniversiMtsstudien.  Referenten:  Dr.  J.  Haemer,  Hofrat 
in  Wien;  Hofrat  Dr.  Kasimir  v.  Morawski,  UniversiMtoprolsssor  in 
Krakao,  Mitglied  des  Herrenhanses.  Korreferent:  Karl  Morawits,  Prä- 
lident  der  Anglo-Österreicbischen  Bank  in  Wien. 

lU. 

Thema  8:  Soll  die  bestehende  Zweistnfigkeit  im  Unteiriehte  einiger 

DWpHnen  fallen  gelaesen  oder  in  W&rdignng  der  pädagogischen  Momente 

heibshalten,  aber  in  einer  von  der  bishetigen  abweichenden  Art  dnroh- 

(sflhit  weiden?    Referent:  Hofrat  £m.  Canher,  Profsaaor  an  der  teeh- 


254  Die  MittelicholenqQete  des  Unterricbtsminiateriaini. 

niBchen  Hochschale  in  Wien.   Korreferent:  Dr.  A.  Hofier,  Profesior  der 
F&dagogik  an  der  Universität  in  Wien. 

IV. 

Thema  4:  Eracheint  die  jetzige  MatQritfttBprfifnngBordnuDg  ond 
ihre  DorchfAhruDg  einer  Ändernng  bedflrftig?  Referent:  Dr.  Joief  Loos, 
LandesBcholinepektor  in  Lim.  Korreferent:  Prof.  Dr.  F.  Hofmann  ?. 
W  e  11  e  n  b  0  f ,  Beichsratsabgeordneter. 

V. 

Thema  5:  Wie  könnte  dem  bedenklichen  Zndrange  za  den  Hittel- 
schulen gestenert  werden?  Ist  eine  seitgem&ße  Revision  des  Berechtigongs- 
Wesens  wünschenswert?  Referent:  Sektionschef  Dr.  Frans  v.  Jaraschek, 
Fr&sident  der  statistischen  Zentralkommission  in  Wien.  Korreferent:  Dr. 
E.  Ehrlich,  Professor  an  der  jor.  Fakultät  der  Universität  in  Csemowiti. 

VI. 
Thema  6:  Vom  Übergange  von  der  Volksschnle  sor  Mittelschole, 
von  der  Mittelschnle  znr  Hochschule.  Im  Zusammenbange  damit:  Ist  du 
bestehende  Prflfungs-  und  Klassiflkations verfahren  sowie  die  in  den 
Dissiplinarvorschriften  festgelegte  Erziebungsprazis  einer  Änderung  be- 
dürftig? In  welcher  Richtung?  Referent:  Dr.  Karl  Tumlirs,  Landet- 
scbnlinspektor  in  Gras.  Korreferent:  Hofrat  Dr.  Vinsens  Strouhal,  Pro- 
fessor an  der  bobmischen  Universität  in  Prag. 

VII. 

Thema  7:  Ist  eine  Vermehrung  der  körperlichen  Obungen  not- 
wendig? Wie  konnte  für  diese  ohne  wesentliche  Beeinträchtigung  der 
Bzientifischen  Ausbildung  der  Schüler  mehr  Raum  geschaffen  werden? 
Referent:  Dr.  Ferd.  Hueppe,  Professor  der  Hygiene  an  der  dentseheo 
Universität  in  Prag.  Koneferent:  Regierungsrat  Dr.  Viktor  Thnmser, 
Gjmnasialdirektor  in  Wien. 

Als  VIIL  Punkt  waren  auch  freie  Anträge  in  Aussicht  genommen. 

Die  über  die  vorstehenden  Fragen  erstatteten  pReferate  und  Kor- 
referate** wurden  „als  Mannskript  gedruckt**  den  zur  Enqnete  Eingeladenen 
mit  dem  Einladungssehreiben  übermittelt,  um  durch  deren  Studium  den 
mündlichen  Verhandinngen  das  nötige  Substrat  zu  liefern.  Sie  füllen  ein 
stattliches  Heft  von  147  Druckseiten  und  enthalten  als  Anhang  die  im 
Verordnungsblatt  des  Ministeriums  für  Kultus  und  Unterricht  alljährlich 
erscheinende  Statistik  der  Gymnasien  und  Realschulen  für  das  Schn^sfar 
1907/08. 

Ans  Rsumrficksichten  kann  auf  den  Inhalt  dieser  im  ganzen  15 
Elaborate  nicht  näher  eingegangen  werden  und  noch  weniger  kann  es  die 
Aufgabe  dieses  Berichtes  sein,  an  ihnen  oder  an  einseinen  Ausführungen 
hier  Kritik  zu  üben.  DalS  bei  einer  so  großen  Anzahl  von  Arbeiten,  deren 
Behandlung  dem  subjektiven  Ermessen  überlassen  blieb,  —  zudem  war  js 
aus  guten  Gründen  die  volle  Selbständigkeit  und  Unabhängigkeit  jeder 


Di«  Mittelsehalenqaete  des  Unterrichtsministeriams.  255 

Arbeit  gewahrt  worden  ^  eine  gewisse  üngleichmftßigkeit  und  Wieder- 
bolongen  onTermeidiieb  waren,  liegt  ebenso  aaf  der  Hand,  wie  daß  gegen 
einieines  sich  manches  einwenden  ließe.  Allein,  soyiel  darf  hier  erfreu- 
Ijcherweise  festgestellt  werden,  daß  im  ganten  genommen  jene  Gründlich- 
keit ond  Gewissenhaftigkeit,  jene  Sachkenntnis  and  Sorgfalt  sich  bemerkbar 
machen,  die  das  große  Werk,  dem  sie  dienen  sollten,  verlangt  nnd  die 
bewihrteA  Namen  der  Urheber  erwarten  ließen,  so  daß  das  Stodinm 
dieser  in  nelfaeher  Hinsicht  anfschlaßreichen  Operate  Aber  die  Gelegen- 
heit hinans,  die  sie  ?eranlaßten,  von  Interesse  sein  wird.  Gans  besonders 
verdient  aber  schon  hier  das  ansgeseichnete,  tiefgründige  und  allo  In 
Betracht  kommenden  Gesichtspunkte  berüeksichtigeude  nnd  eine  über- 
reiche Falle  von  Material  bietende  Referat  des  PrAsidenten  der  statisti- 
sebea  Zentralkommission,  Sektionschef  Dr.  v.  Jnraschek,  hervorgehoben 
IQ  werden. 

Ans  dem  oben  angegebenen  Gmnde  beschränke  ich  mich  auf  knrso 
Asssfige  ans  den  Beferaten  nnd  Korreferaten  mit  besonderer  Berfleksich- 
tignng  der  Ergebnisse  und  Leitsfttie,  nnd  swar  in  der  Reihenfolge  der 
VerhaadlnngBgegenstftnde.  Zunächst  einiges  Aber  die  mündlichen  Yer- 
hssdlungen  der  Enquete  selbst. 

Sie  begannen  am  Dienstag  den  21.  Jänner  vormittags  nm  10  Uhr 
«ter  Vorsiti  des  Ministers  Dr.  Mar  che  t  und  währten  in  Vor-  nnd 
Nschmittagnitinngen  von  3—4  stündiger  Dauer  bis  Samstag  den  25.  Jänner 
mittagt.  Das  rege  persönliche  Interesse,  das  der  Unterrichtsminister  ihnen 
eatgegenbrachte,  kam  darin  inm  Ausdruck,  daß  er  den  Vorsiti  meist 
selbst  führte  nnd  nur,  wenn  dringende  Amtsgeschäfte  ihn  abriefen,  die 
Lcitaag  an  seinen  Stellvertreter,  Sektionschef  Bitter  v.  Eanöra,  abgab. 
Aber  auch  die  Beteiligung  an  der  Enquete  war  fortwährend  überaus  tege^ 
10  daß  anch  diese  Äußerlichkeiten  ein  Zeichen  des  ernsten  Eifers  waren, 
mit  dem  das  große  Werk  unternommen  und  durchgeführt  wurde. 

Von  den  eingeladenen  Teilnehmern  waren  erschienen:  Präsident 
des  Obersten  Bechnungshofes,  Ministerpräsident  a.  D.  und  gewesener 
Munster  für  Kultus  und  Unterrieht  Dr.  Freiherr  v.  Gautsch,  die  Mit- 
glieder de«  Herrenhauses:  Fabrikant  Brass,  Freiherr  v.  Csedik,  Abt 
Hslmer,  Hofrat  Universitäts-Professor  Dr.  Bitter  v.  Morawski  (Philo- 
logie) und  Graf  Stürgkh,  die  Beichsratsabgeordneten :  Hofrat  Universi- 
tIts-Profesaor  Dr.  Bachmann  (Geschichte),  Geheimrat  Universitäts-Pro- 
feisor  Dr.  BobriytlskiCStaaUrecht),  Bealschul-Professor  Erb  (Katurwiss.), 
Betlscfaul-ProfeeBor  Dr.  Hofmann-Wellenhof  (Deutsch),  Dr.  v.  Ober- 
leutbner,  Landeeanssohuß  Dt,  Pattai,  Pernerstorf  er,  Bealschul* 
Direktor  Dr.  Petelens  und  Gymnasial* Professor  Dr.  Stein wender 
(Philologie),  femer  Universitäts- Professor  Dr.  v.  Arnim  (Philologie), 
Oberbaorat  nnd  Stadtbandirektor  Dr.  Berger,  Bealschul-Direktor  Bil^, 
Holtat  Professor  der  technischen  Hochschule  Wien  Ciuber  (Mathematik), 
Bsgierungsrat  Gjmnasial-Professor  Def ant  (mod.  Philologie),  Universitäts- 
Professor  Drtina-Prag  (Philosophie  und  Pädagogik),  Universitäts-Pro- 
fester  Dr.  Ehrlich- Ctemowitz  (Bechts Wissenschaft),  Kustos  der  Wiener 
Universiats- Bibliothek  Dr.  Frankfurter,  Landesschulinspektor  Ger- 


256  Die  Mittelscbalenqaete  des  ünterricfatraiinisteriiiini. 

maoi  Yiseprfttident  der  Wiener  Äntekammer  Dr.  Gruß,  Fna  Marianiie 
Uainisch,  die  UniTersitftts-Professoren  Dr.  Hau  1er  (Philologie)  und  Dr. 
Höfler  (Pftdagogik)i  die  PrfUidentin  des  Wiener  Frauen-Erwerbfereine 
Priika  Freiin  y.  Hohenbrnck,  Bargenchnllebrer  Hohensinner,  Uni- 
yenit&te-Profeeior  Dr.  Haeppe- Prag  (Hygiene),  Begiernngnat  Jefabek, 
Prfteident  der  statiitiscben  Zentralkommiuion  Sektionecbef  Dr.  Bitter  y. 
Jnratcfaek,  Land eeecbolintpektor  K a •  t n e r,  Oymnasial-ProfeBsor  E n S a r- 
Zara,  Landeggchnliotpektor  Dr.  Loos,  Hofrat  Professor  an  der  deateehen 
techniecben  Hochschole  in  Prag  i.  B.  Lorber,  Uniyersit&te- Professor  Dr. 
Martin ak- Graz  (Pftdagogik),  Generalrat  der  Anglo-Osterr.  Bank  Mora- 
witz,  Eommenialrat  Gnst«?  y.  Pa ober  als  Delegierter  des  Bandes  Oateir. 
Indnstrieller ,  Sektionscbef  Dr.  Freiherr  y.  P  i  d  o  1 1 ,  Gymnasial  -  Professor 
Beichelt-Teplitz  (Philologie),  als  Obmann  des  Beichsyerbandes  der  HitUl- 
schnWereioe,  Eommenialrat  Biedl  yon  der  Wiener  Handels-  ond  Gewerbe- 
kammer, Landesscbnlinspektor  Dr.  Scheindler,  Prftsident  der  knltnr- 
politiBchen  Gesellschaft  Dr.  Sehen,  Hofrat  Professor  Dr.  Schipper 
(Anglistik),  Begiemogsrat  Professor  Dr.  Schwiedland  (Nationalökono- 
mie), Direktor  Stary,  Hofrat  Professor  Stronhal  (Physik),  Gymnasial- 
Direkter  Begiernngsrat  Dr.  Thamser  (Philologie),  die  Landessehnl- 
inspektoren  Dr.  Tnmliri  und  Dr.  W allen tin,  UniTorsitäts-Professor  Dr. 
Wähle- Ciemowits  (Philosophie  ond  Pftdagogik),  Gymnasial  -  Direktor 
Begiernngsrat  Dr.  Waniek  (Deutsch  und  Geschichte),  Uniyersitftts-Pro- 
fessor  Dr.  Wegscheider  (Chemie)  nnd  Hofrat  Ziwsa,  Direktor  des 
Gymnasinms  nnd  Leiter  der  Theresianischen  Akademie  (Philologie).  Als 
Vertreter  der  Ministerien  waren  anwesend:  Generalmajor  Meizner,  die 
Majore  Bardorf  nnd  Bipper,  Hauptmann  Mitlacher  Yom  Beid&s- 
Kriegsministerinm,  Sektionschef  y.  Thallocxy  des  gemeinsamen  Finaat- 
ministeriums,  Ministerialrat  Dr.  Munk  und  Sektionsrat  Schiller  vom 
Finanzministeriums,  Dr.  Bichter  fem  Handelsministerium,  Miniateiisl- 
sekret&r  Dr.  y.  Younga  Yom  Eisenbahnministerium,  Oberst  Piskadek 
und  Hauptmann  Moser  yom  Ministerium  Ar  Landesyerteidignng.  Das 
Unterrichtsministerium  war  vertreten  durch  die  Sektionsehefs  Bitter  t. 
Eanöra,  Dr.  Cwikliüski,  Dr.  Graf  Wiekenburg,  Dr.  Bitter  y. 
Hussarek,  y.  Fesch,  die  Ministerialrftte  Dr.  y.  Eelle,  Dr.  y. Hamps, 
Heidlmayr,  Erappel,  Sektionsrat  Dr.  Pollak,  Hofrat  Dr.  Hnemer 
als  Beferent^  Landessdiulinspektor  Begierungsrat  Pr  imoiid,  Begiemngsnt 
Setunsky,  Begierungsrat  Schilling,  Professor  Opussi]&ski. 

AuDer  dem  Beferenten  Hofrat  Dr.  Huemer  beteiligten  sieh  nur 
je  ein  Vertreter  des  Eriegs-  und  Landesyerteidigungsministeriums  aktiy 
an  den  Verhandlungen.  Minister  Dr.  Goß  mann,  Uniyersitita-Profeasor 
Dr.  Twardowski-Lemberg,  Frau  Emilie  Ezner,  Direktor  Charkie- 
wics,  Direktor  Sayieki,  die  Beichsratsabgeordneten  Professor  Dr. 
Sommer  und  Hofrat  äuklje  waren  durch  Unwohlsein  oder  durch  aadere 
Abhaltungen  am  Erseheinen  yerhindert,  zeitweilig  durch  UnwofalseiB  fem- 
gehalten  Hofrat  Pntfessor  Dr.  Einer,  Sektionschef  Dr.  Zschokke  und 
Profesor  Dr.  Martinak. 


Die  HiitateefaQleoqQete  des  Unterriehtsminitteriams.  257 

Wie  man  sieht,  waren  Qoter  den  akÜTen  Teilnehmern  an  der 
Enquete  6  hohe  Staatsbeamte,  darunter  1  ehemaliger  Unterrichtsminister, 
5  Mitglieder  des  Herrenhauses,  11  Beichsratsabgeordnete,  14  Vertreter 
der  Hoehschnlen,  1  Arst,  4  Vertreter  fcommeriieller  nnd  teebnischer  Berufe, 
der  Ftlddent  der  kaltnrpolitischen  Gesellsehaft,  1  Bibliothekakostos, 
S  Fhuien,  7  Landessehnlinspektoren,  10  Vertreter  der  Mittelsehnlen  and 
1  der  Bfiigersehnle.  Durch  ihre  Stellang  kOnnen  11  als  Vertreter  der 
hsnaBisttschen  Stadien  beieichnet  werden. 

Die  Verfaaadlnngen  worden  yon  Kammerstenographen  des  reichs- 
ridiehen  Bnreans  aofgenommen;  es  war  jedooh  dorch  das  Prftsidiom  des 
ÜBterriebtnninisteriiims  dafBr  Sorge  getragen  worden,  daß  den  Zeitnngen 
•chott  während  der  Enquete  karte  Berichte,  die  ein  getreues  Bild  der 
TeihaiidlnDgeii  boten,  flbermittelt  worden.  Ei  wurde  dies  dorch  den 
Miaiiter  selbst  in  der  ersten  Sitsong  mitgeteilt.  So  anerkennenswert  der 
Eifer  ond  die  Gewissenhaftigkeit  sind,  die  die  Herren  des  Präsidiums 
ud  des  Mittelscholdepartements  in  dieser  Hinsicht  an  den  Tag  legten, 
bitte  der  umstand,  daß  nicht  einer  mit  dem  Zeitongsdienst  Tcrtrauten 
Korrespondeni  —  etwa  der  Beichsratskorrespondeni  ^  diese  Aufgabe 
fibertrtgen  war,  zur  Folge,  daß  den  Zeitungen  tendeniiOse  und  unrichtige 
Berichte  zugingen.  Einerseits  das  unleugbar  grofte  Interesse,  das  die 
Zeitoogen  der  Mittelscholenqoete  entgegenbrachten,  anderseits  die  nun 
«amal  im  modernen  Zeitungsbetrieb  bestehende  Gepflogenheit,  so  rasch 
als  möglich  in  berichten,  brachten  es  mit  sich,  daß  die  Zeitungen,  da  sie 
lofort  Aber  den  Gang  der  Verhandlungen  keine  authentischen  Nachrichten 
erhslten  konnten,  sich  sie  unterhand  zu  rerschsffen  suchten  und  so  konnte 
der  joomalistische  Dienst,  der  mit  einer  unleugbaren  Tendens  hinter  den 
Esliesen  eiagerichtet  wurde,  —  es  kann  nicht  anders  gesagt  werden  — 
NiB  Unwesen  treiben.  Dadurch  kamen,  worflber  auch  in  der  Enquete 
leHMt  Klage  geführt  wurde,  zunächst  in  die  Wiener  Blätter  und  durch 
ne  sQcfa  in  die  Pro? inzzeitungen  und  in  die  auswärtige  Presse  der  Wahr- 
luit  widersprechende  Nachrichten  Aber  die  Enquete  und  insbesondere 
tber  die  Hitglieder,  die  nicht  ins  radikal  reformatorische  Hörn  stießen. 
So  iatereesant  und  bezeichnend  fQr  gewisse  UnterstrOmungen  es  wäre, 
dieee  Dinge  eingehender  zu  kennzeichnen,  muß  ich  mich  doch  begütigen, 
aof  sie  nach  dem  Grundsati  sapienti  sat  hinzuweisen.  Aber  ganz  flber- 
fiagsn  konnten  sie  nicht  werden.  Deshalb  soll  es  Aufgabe  dieses  Berichtes 
nOt  ein  möglichst  getreues  Bild  Tom  Gang  der  Verhandlungen  zu  ent- 
werfen. 

BrOffoet  wurde  die  Enquete  durch  die  folgende  groß  angelegte 
pwgraMBiatische 

Bede  8r.  Ezsellenz  des  Herrn  Ministers  Dr.  Marchet: 
•Hochgeehrte  Versammlung!  Indem  ich  Sie  auf  das  ergebenste 
begitte,  spreche  ich  Ihnen  allen  meinen  wärmsten  Dank  aus  dafür,  daß 
Sie  meiner  Einladung  zu  der  heute  beginnenden  Enquete,  welche  sich 
BdteiaigeB  beeonders  wichtigen  Fragen  des  Mittelscholwesens  beschäftigen 
•«Qf  bersitwillig  gefolgt  sind.  Ich  sehe  hierin  den  Beweis  Ihres  lebhaften 

UbtAOn  t  i.  tattrr.  Qjmn,  19C6.  Ol.  Hell.  17 


258  Die  MittelMhalenqaete  des  ÜDteniohUmixiiBteriaiiii. 

Iniereiset  an  den  znr  Beratung  gestellten  Fragen,  eines  Interenet,  du 
•ieli  anch  in  der  Öffentliebkeit  mit  einer  ungewöhnlichen,  immer  tteigendea 
Energie  kundgibt  Es  ist,  als  ob  dorch  die  bloüe  AnkUndignng  onserer 
Beratwgen  der  Zentralpnnkt  eines  Ner?engeflechtes  getroffen  und  dadareh 
nnsihlige  Wirkungen  und  Befleze  ausgelost  worden  w&renu  Eine  FlUle 
Yon  Sorgen  kam  sntage,  eine  Ftlle  Ton  Krftften  machte  sich  geltend, 
eine  Fftlle  von  Vorschl&gen  wurde  geseitigt  und  Kämpfe  entfesselt  Sie 
alle  streben  ein  Ziel  an:  das  beabsichtigte  Beformwerk  möglichst  raich 
SU  einem  guten  Ende  zu  bringen.  All  dies  beweist,  wie  richtig,  ja  not- 
wendig es  war,  die  Möglichkeit  su  schaffen,  daß  noch  einmal  Aber  diese 
Angelegenheiten  ernst,  eindringlich  und  insammenfassend  beraten  werde, 
daß  aber  dann  dem  Diskutieren  die  Tat  nachfolge. 

Ich  fllhle  die  GrOße  des  Augenblickes  und  gewiß  Sie  alle,  hoch- 
geehrte Anwesende,  fühlen  dieselbe  mit  mir.  Soll  doch  der  Abschloß 
eines  bedeutsamen  Beformwerkes  heute  ernstlich  begonnen  werden  — 
eines  Forderwerkes,  welches  die  Heranbildung  der  Jugend  bezweckt,  tief 
in  die  Familie  eingreift  und  fflr  den  Staat  yon  größter  Bedeutung  iit. 

Es  drängt  mich,  in  diesem  für  das  Schulwesen  Österreichs  wich- 
tigen Augenblicke  meiner  Vorgänger,  von  denen  mancher  nicht  mehr 
unter  den  Lebenden  weilt,  welche  insgesamt  wertTolle  Vorarbeiten  xnr 
Erreichung  des  Zieles,  das  wir  anstreben,  geleistet  haben,  in  schuldiger 
Dankbarkeit  zu  gedenken. 

Unser  Mitt^schulwesen,  ich  meine  die  Gymnasien  und  BealscbolSD, 
konnte  sich,  ruhend  auf  dem  gefestigten  Unterbau  unseres  im  In-  and 
Auslande  als  Meisterwerk  anerkannten  «Organisations- Entwurfes*,  Aber 
ein  halbes  Jahrhundert  einer  rahigen  Fortentwicklung  erfreuen  und  dsi 
noch  in  einer  Zeit,  in  der  in  anderen  Staaten  der  Schulstreit  schon  heftig 
entbrannt  war.  Die  im  Organisations-Entwurfe  niedergelegten  Frinsipien 
blieben  aufrecht  und  bestehen  auch  heute  Yor  jeder  grundsätzlichen  Prfl- 
fung,  wenngleich  die  Lehrpläne  den  Forderungen  der  Zeit  entsprechend 
im  einzelnen  manche  Veränderungen  und  die  Gesamtorganbation  Ergän- 
zungen erfahren  hat 

Um  nun  einige  wichtigere  uud  neuere  Bestimmungen  besfiglich  der 
Gjmnasien  henrorzuheben  und  um  zu  beweisen,  daß  die  UntelTiebtire^ 
waltung  in  der  uns  heute  abermals  beschäftigenden  Frage  nicht  mäl>ig 
war,  erinnere  ich  an  die  Änderungen  im  Lebrplane  der  Gymnasien  im 
Jahre  1884,  an  die  Verordnungen  Ober  den  Unterricht  in  den  klassischen 
Sprachen  und  Ober  Deutsch  als  Unterrichtasprache,  Ober  Geographie  ond 
Geschichte,  M/itbematik,  Naturgeschichte  und  Physik  an  den  Unter-  und 
Obergymnasien,  Ober  Zeichnen  und  Turnen ;  ich  erinnere  an  die  neuestens 
vollzogene  Abschaffung  der  Übersetzung  aus  der  Unterrichtssprache  ins 
Griechische  in  der  siebenten  und  achten  Klasse,  an  die  Vermehrung  der 
Lehrstunden  fflr  Physik  und  Chemie  in  der  siebenten  Klasse.  Nebenher 
ging  die  Forderung  des  Unterrichtes  in  den  modernen  Sprachen,  die  Ein- 
fdhrung  der  Landessprache  in  verschiedenen  Formen  sowie  die  Entwiek* 
lung  dieses  Unterrichtes  durch  neue  LebrpIäne  und  moderne  Methoden. 


Die  MitttlsehBleaqaete  des  Unterrichtsministerioms.  259 

OrOßeren  UmwiltnngeD  war  die  Bealsehnle  aaigesetit  Vom  Jahre 
1868  an  warde  in  ▼enefaiedeDeD  Landtagen  eine  Bealschalreform  fer- 
hiadelt»  deren  Wesen  in  der  Eliminierang  des  praktiicfaen  Lehrstoffes,  in 
der  Anfhahme  der  modernen  Sprachen  in  den  Lefarplan  nnd  in  der  Ver- 
Dflhmng  der  Jahrginge  Ton  seehs  anf  sieben  bestand.  1879  erschien  ein 
Nonoaliehrplan,  der  1898  revidiert  wurde  und  dem  1899  eine  nene  In- 
itniktion  ffir  den  Unterricht  an  den  Bealschnlen  gefolgt  war.  Anch  des 
Umitandes,  daß  die  Jogend,  an  welche  die  Schnle  namhafte  Anfordernngen 
hl  geistiger  Beziehung  stellen  maß,  anch  leiblich  gekräftigt  werden  mfisse, 
am  den  gansen  Menschen  in  stfltsen  and  in  schatten,  warde  nicht  ver- 
gesMD.  Insbesondere  in  den  1890er  Jahren  wurde  die  Pflege  der  körper- 
lichen Übungen  mit  Energie  gefördert  und  sind  mannigfache  hygienische 
Mißnabmen  getroffen  worden.  Ich  freue  mich  aufrichtig,  denjenigen  Mann, 
welchem  das  HauptTcrdienst  auf  diesem  Gebiete  gebflhrt,  heute  in  unserer 
Hitte  begrflßen  su  kOnnen. 

Wie  aus  diesem  Oberblicke  tu  entnehmen  ist,  sind  die  bestehenden 
Lehiplftne  fQr  Mittelschulen  weder  seitlich  noch  inhaltlich  als  yeraltet 
n  beseichnen.  Oleichwohl  lassen  die  inswischen  gemachten  Erfahrungen 
•owie  die  raschen  Fortschritte  der  Wissenschaft  eine  neuerliche  RcTision, 
>od  xwar  im  Sinne  einer  Erleichterung  und  Modernisierung,  als  wfinschens- 
wert  erscheinen.  Eine  solche  Bevision  wird  aber  mehr  als  wünschenswert 
lowie  notwendig  dann,  wenn  die  hochgeehrte  VerBammloug  im  Einklänge 
mit  der  ünterrichtsferwaltung  sich  dahin  entscheiden  sollte,  daß  der 
Maonigfaltigkeit  des  Lebens  dadurch  Bechnung  su  tragen  wftre,  daß  mehr 
Sebnltjpen,  als  bisher  bestehen,  zu  schaffen  wären. 

Ich  habe  bezüglich  der  Änderung  der  Lehrplftne  bereits  mehrfache 
Vorkehrungen  getroffen.  Um  nur  einige  derselben  hier  su  bezeichnen,  so 
•ollen  die  Lehrplftne  Yon  allem  entbehrlichen  Ballast  an  Wissensstoff  ent- 
lutet  und  das  sogenannte  Arbeitsprinzip  mehr  zur  Geltung  gebracht 
werden.  Im  Unterricht  in  den  klassischen  Sprachen  am  Gymnasium  soll 
der  grammatikalische  Unterricht  noch  mehr  eingeschränkt  und  fOr  eine 
erweiterte  Lektfire,  bei  deren  Auswahl  noch  mehr  Freiheit  notwendig 
erscheint,  Vorsorge  getroffen  werden;  der  Lehrplan  im  Deutechen  als 
Unterrichtssprache  wird  mehrfache  Verftnderungen  erfahren  mflssen,  ins- 
besondere auch  in  der  Hinsicht,  daß  in  den  oberen  Klassen  die  Literatur 
Dach  Ooethe  bis  gegen  Ende  des  ZIX.  Jahrhunderts,  mindestens  aber 
bis  1880  eine  entsprechende  Würdigung  erfahre.  Der  Unterricht  in  6e- 
•cUchte  ist  in  dem  Sinne  zu  modernisieren,  daß  neben  der  politischen 
mehr  als  bisher  die  Wirtschafts-  und  Kulturgeschichte  berficksichtigt  und 
daß  auch  der  Geographie  in  den  oberen  Klassen  die  ihr  gebührende 
Stellung  eingerftnmt  werde.  Durch  eine  geänderte  Ordnung  in  d«r  Zwei- 
itnfigkeit  würde  es  möglich  sein,  die  Vaterlandskonde  in  der  anreiterten 
Form  der  Soziologie  in  der  letzten  Klasse  als  besonderen,  deo  G^scbtebt»- 
soterricht  abschließenden  Gegenstand  einzuführen.  In  der  M&tbematik 
ood  Geometrie  soll  die  neue  Richtung,  die,  yon  Frankreich  &ui<^e^EiDgen, 
auch  schon  die  deutechen  Lftnder  erfaßt  bat,  alle  Beachtung  iiudea.  Uk^ 
babe  Fachleute  nach  Deutschland  und  Frankreich  sum  Stodiiin  der  ^^^ 

17» 


260  Die  Müteltehalenquete  des  UnterrichtBiniiiisteriiime. 

dachten  neuen  Biebtnng  beim  unterrichte  entsendet  nnd  in  etnielnen 
Scholen  Versoche  mit  der  nenen  Methode  bereits  nigelaseen. 

Die  UnterrichtsTenrnltnng  wird  aneh  nicht  sftnmen,  die  Yersnche, 
welche  mit  der  faknltntiTen  Einfflhrnng  der  darstellenden  Geometrie  an 
mehreren  Qjrmnasien  bereits  mit  günstigem  Erfolge  gemacht  werden«  anch 
weiterhin  entsprechend  la  fordern. 

Dem  Unterrichte  in  der  Naturgeschichte,  der  in  methodischer  Hin- 
sicht bereite  allgemein  anf  biologischer  Gmodlage  erteilt  wird,  ist  anch 
den  Lehrstonden  nach  eine  allgemeine  Brweitemng  logedacht,  nnd  es 
scheint  mir  wünschenswert,  daß  in  der  letiten  Klasse  ein  abschließender 
Unterricht  in  der  Form  einer  allgemeinen  Natorknnde  wieder  eingeführt 
werde.  Anch  bezflglich  des  Unterrichtes  im  Zeichnen  und  der  noch  übrigen 
Disiiplinen  liegen  mir  yerbesserte  Lehrplftne  yor,  nnd  gedenke  ich  den 
natnrgeschichtlichen,  physikalischen  nnd  chemischen  Schülerübnngen,  die 
schon  in  letiter  Zeit  Tielfach  eingeführt  worden,  alle  Forderung  snteil 
werden  in  lassen.  Wegen  allgemein  obligater  Einfühning  des  Zeidien- 
nnterrichtes  an  den  Gjrmnasien  liegen  mir  gleichfalls  die  Anträge  der 
LandesschnlbehOrden  Tor. 

Ich  habe  mir  hier  gestattet,  die  hochgeehrte  Versammlnng  über 
diese  Fragen  in  aasfflhrlicher  Weise  sn  informieren,  am  die  Biebtnng  vi 
leigen,  in  welcher  auf  diesem  Gebiete  seitens  der  Unterrichtsyerwaltnog 
▼orgegangen  werden  soll,  knüpfe  aber  die  Bemerkung  daran,  daß  eine 
ins  einselne  gehende  Debatte  oder  Beschloßfassnng  über  die  Lehrplftne 
außerhalb  der  Grenzen  liegen  würde,  welche  der  Enquete  nach  meiner 
Auffassung  gesogen  sind,  und  zwar  deshalb,  weil  eine  wirklich  wertyolle 
und  forderliche  Beratung  gerade  hier  in  Tiele  Details  sich  einlassen 
müßte  und  darum  weit  mehr  Zeit  und  Kraft  erfordern  würde,  als  einer 
aus  zahlreichen  Persönlichkeiten  bestehenden  Versanunlung  zur  Verfügung 
steht.  Überdies  werde  ich  yor  endgültiger  Feststellung  der  Umgestaltung 
der  Lehrplftne  Fachmftnner  und  fachliche  Korporationen  um  ihren  Bat 
und  ihre  Beihilfe  angehen,  so  daß  die  Interessenten  jedenfalls  noch  Ge- 
legenheit haben  werden,  der  UnterrichtsTcrwaltung  in  dieser  wichtigen 
Frage  beizustehen. 

Hochgeehrte  Anwesende!  Es  scheint  mir,  daß  neben  den  hier  be- 
rührten Angelegenheiten  ein  Punkt,  nftmlieh  die  Gesamtoiganisation 
unserer  Mittelschule,  nicht  nur  nicht  übersehen  werden  dürfe,  londem 
daß  derselbe  der  weitaus  wichtigste,  im  Mittelpunkte  des  Denkens  nnd 
Empfindens  aller  mittelbar  und  unmittelbar  Beteiligten  stehende  Punkt 
ist.  Unterstützend  fflr  diese  Ansicht  ist  der  Umstand,  daß  eine  Anzahl 
Ton  wichtigen  Fragen  zu  einer  LOsnng  drftngt:  der  Übertritt  der  Beal- 
schulabsolyenten  zum  UniTersitfttsstndium,  die  immer  notwendiger  werdende 
Berision  des  Berechtigungswesens  wegen  der  yon  manchem  Geeichtspunkte 
ans  zu  beklagenden  Oberfüllung  unserer  Mittelsehnlen.  Wir  yeneiehnen 
jetzt  an  Gymnasien  89.861  Schüler  und  Schülerinnen  nnd  45.565  Beal- 
Schüler,  zusammen  (zu  Anfang  des  Schuljahres  1907/8)  184.946  Mittel- 
schüler. Hiemit  in  Verbindung  steht  eine  OberfÜllnng  unserer  Hochschulen. 


Die  Mitteltcbiileiiqaete  des  ünterrichtsmiDiiteriami.  261 

Wenn  man  diesen  ond  anderen  derartigen  Fragen  aof  den  Gmnd 
a«ht  und  wenn  man  in  die  Öffentlichkeit  gedrungene  ÄnOerongen  genauer 
prflft,  so  seigt  sieh,  daß  bei  fielen  bewnßt,  bei  manchen  nnbewaßt  die 
Ansicht  lebt,  daft  alle  diese  Klagen  doch  nichts  anderes  seien  als  das 
Symptom  eines  tief  liegenden  Mangels,  and  daß  Tiele  Wünsche  nur 
daan  befriedigt  werden  kOnnen,  wenn  an  der  Wnnel  angesetit  and  die 
Organisation  des  Mittelschalunterrichtes  einer  ernsten  BoTision  anter- 
sogen  wird. 

Wenn  man  hente  genau  in  die  Öffentlichkeit  horcht»  so  ist  der 
Kampf  gegen  das  Oymnasiam  allmfthlich  in  Abnahme  nnd  scheint  ins- 
besondere, seit  man  infolge  der  Ankflndignng  unserer  Enqnete  annimmt, 
dal»  an  eine  Nenorganisiernng  der  Mittelschole  ernstlich  geschritten  werden 
wird,  die  Diskussion  in  ein  anderes  Qeleise  gebracht  lo  sein,  n&mlich 
dahin,  daß  den  Tielgestaltigen  Itebensverhftltnissen  dadurch  entgegenzu- 
kommen wftre,  daß  das  allerdings  nmiugestaltende  humanistische  Gym- 
oadum  und  die  in  manchen  Punkten  ebenfalls  zu  modifilierende  Beal- 
Kbole  aufrecht  zu  belassen,  daß  aber  daneben  ein  neuer  Typus  oder  deren 
mehrere  zu  schaffen  sind  als  Abarten  des  Gymnasiums. 

Mit  dieser  Frage  hat  sich  die  UnterrichtsTerwaltung  schon  seit 
ÜDgerer  Zeit  beschftftigt  und  gelangte  hiedurch  bei  Aufstellung  des 
Fragebogens  für  die  Enquete  im  Herbste  Torigen  Jahres  zu  dem  diese 
Frage  betreffenden  zweiten  Thema.  Sie  erwartet  mit  Spannung  das  Votum 
der  terehrlieben  Enquete- Versammlung  und  wftre  glücklich,  wenn  die  in 
der  Fragestellung  seitens  der  UnterrichtsTerwaltung  angezeigte  Richtung 
Billigang  fände.  Ich  gestehe  offen,  daß  die  ünterricbtsverwaltung  nicht 
den  Mut  hat,  einzureißen  oder  niederzureißen,  beyor  sie  nicht  die  sichere 
Überzeugung  gewonnen,  etwas  unbedingt  Besseres  an  die  Stelle  setzen 
ZQ  können. 

Welches  Ergebnis  immer  die  Beratungen  der  hohen  Enquete  zutage 
fordern  werden,  jedenfalls  wird  es  möglich  sein^  in  kürzester  Frist  eine 
Anzahl  yon  Änderungen  auf  den  hier  behandelten  Gebieten  einzufahren. 
Falls  ein  neuer  Mittelschultypus  geschaffen  werden  soll,  so  muß  den 
Abiturienten  desselben  der  Weg  zur  Üniyersitftt  durch  denselben  gebahnt 
werden,  obwohl  in  diesem  Typus  das  Griechische  keinen  Platz  mehr  fände. 
Aof  diese  Weise  würde  sonach  auch  jenen  Mittehcbülern,  welche  Grie- 
chisch nicht  studiert  haben,  der  Weg  zur  UDirenität  erMoet  werden. 
Meint  man  doch  mit  dem  Verlangen,  i^das  Griecbiscbe  ab xuich äffen  ^^^ 
vielfach  wenigstens  nicht,  daß  Griechisch  überhaupt  nicht  mehr  gelehrt 
«erden  soll,  sondern  man  meint  wohl,  daß  nicht  nlLe,  welche  emts  Boeh- 
•clralbildnng  anstreben,  auch  das  Studium  des  Griechiichen  iliircbzomaclj«<Fi 
baben.  Alle  Änderungen  bleiben  aber  wirkungaloB,  wenn  nicht  aüeh  ^U 
Lehrerschaft  yoU  nnd  ganz  auf  der  Höhe  ihrer  Aufgabe  steht.  Di«  Üntitf 
ricktsrerwaltung  befaßt  sich  daher  auch  icbon  jetit  mit  der  Prägt 
Wissenschaltlieb  nnd  pädagogisch  Tortieften  HeraBbildong  der  Lehr effchi 

Ea  sei  mir  ivm  Schlosse  gestattet,  ein  karxes  Wr>r^  ^^  ^i^  ^ia 
saomenittnng  der  Enquete  zu  sprechen.  Vor  ^Item  m^ 
iicht  Ausdruck  Torleihen,  daß  dieselbe  mit  Politik  ia 


26S  Die  Mitteltohnlenqaete  das  UnierriehtaiiiiiiiitafiiuDa. 

iD  toD  hat  loh  habe  geglaubt,  PenOBlichkeiten  der  Tenehiedensien 
polititchen  Anffaseong  bitten  so  ddrfen,  ihr  WiMen  und  ihre  Eifafaraog 
diesen  die  Jugend  ond  ihre  Heranbildong  betreffenden  Angdegenhettet 
ZOT  YerfOgong  la  stellen,  ond  bin  ttbenengt»  daß  dieser  Standpunkt  tod 
der  geehrten  Versammlung  ▼ollkommen  geteilt  werden  wird.  Leider  konote 
eine  groüe  Anzahl  laehkundiger  Personen  zur  Teilnahme  an  der  Enquete 
nioht  eingeladen  werden,  sollte  nicht  die  GrOße  der  Versammlung  eis 
Hindernis  fflr  die  Erreichung  des  angestrebten  Zieles  werden.  Die  Öffent- 
lichkeit wird  gewiß  noch  Gelegenheit  nehmen,  sich  mit  der  Schulreform 
zu  befassen,  und  insbesondere  die  Presse  wird  fielen  die  Möglichkeit 
bieten,  ihre  Ansichten  kundzuton. 

Mit  Bücksicht  auf  die  Kflrze  der  zu  Gebote  stehenden  Zeit  sowie 
die  Zahl  und  Schwierigkeit  der  yorgelegten  Fragen  erlaube  ich  mir  an 
die  hochgeehrte  Versammlung  die  ergeb^ene  und  dringende  Bitte  zu  richten, 
sich  bei  den  Ausführungen  möglichst  kurz  zu  fassen,  schon  deshalb, 
damit  möglichst  fielen  der  geehrten  Anweeenden  Gelegenheit  geboteo 
sei,  der  Unterrichtsyerwaltung  ihre  Ansichten  darzulegen.  Ich  bemerke 
hiebei,  daß  die  Verhandlungen  der  Enquete  nicht  Öffentlich,  sondern  nr 
Belehrung  der  unterrichtsyerwaltung  bestimmt  sind,  sowie  daß  eigentlich 
bindende  Beschlösse  nicht  gefaßt  werden,  wenn  auch  in  manchen  Fftlleo 
zur  Konstatierung  der  Ansicht  der  geehrten  Versammlung  eine  Abstimmang 
Torgenommen  werden  kann.  Es  wird  daffir  gesorgt  werden,  daß  in  den 
Tagesblättern  kurze  Mitteilungen  Ober  den  Verlauf  der  Enquete-BerataDgen 
erscheinen. 

Nachdem  die  Gutachten  der  Herren  Referenten  und  Korreferenten, 
denen  ich  auf  das  w&rmste  fOr  ihre  überaus  wertfoUen  Darlegungen  danke, 
bereits  gedruckt  in  den  H&nden  der  Teilnehmer  an  der  Enquete  sich 
befinden  und  angenommen  werden  darf,  daß  der  Inhalt  derselben  xor 
Kenntnis  genommen  wurde,  so  glaube  ich  es  dem  Ermessen  des  Herren 
Referenten  überlassen  zu  sollen,  ob  dieselben  die  zur  Verhandlung  kom- 
menden Fragen  Tor  der  Debatte  über  dieselben  noch  kurz  einznleiten 
beabsichtigen  oder  ob  sie  während  oder  am  Schlüsse  der  Verhandlang 
das  Wort  ergreifen  wollen.  Ich  erlaube  mir  ferner  die  Mitteilung  zu 
machen,  daß,  falls  ich  an  der  Führung  des  Vorsitzes  in  der  Versammlung 
gehindert  wäre,  in  meiner  Vertretung  Herr  Sektionschef  t.  KanSra  den 
Vorsitz  übernehmen  wird,  und  erlaube  mir  denselben  sowie  den  Herrn 
Referenten  für  Mittelschulen  Henn  Hofrat  Huemer  der  Versammlong 
vorzustellen. 

Ich  bin  zu  Ende.  Die  Wichtigkeit  der  Fragen,  welche  uns  be- 
schäftigen, ist  eine  überaus  hohe.  Handelt  es  sich  doch  um  das  wichtigste 
Kapital  des  Staates,  die  heranwachsende  Jugend.  Ich  habe  die  feste 
Überzeugung,  daß  die  hochgeehrte  Versammlung  das  Unterrichtaministeriom 
bei  der  LOsung  der  seiner  harrenden  Aufgaben  mit  wertfollen  Anr^ongen 
unterstützen  wird  und  gebe  gerne  die  ernste  Versicherung,  daß  wir  Ihrem 
Rate  den  größten  Wert  beimessen  und  ihre  Anregungen  nach  besten 
Kräften  Terwirklichen  werden.** 


Die  MittelsehalenqQete  des  ÜBterriebtsminUteriQma.  263 

Kaeh  der  mit  lebhaftem  Beifall  anfgenommeiieD  Rede  des  Misialen 
wrde  sofort  in  die  Yerhandlang  eingetreten.  Der  Minister  schlug  Tor, 
die  Fragen  I  and  II  gemeinsam  in  beraten ;  wegen  des  engen  Zusammen- 
banges  wurde  Tom  Giafea  Stfirgkh  beantragt,  aaeh  Frage  V  eininbesiehen ; 
CS  wurde  somit  beschlossen,  die  drei  Fragen  (I,  II  und  V)  als  ersten  und 
fvneiBsamen  Beratmigsgegenstand  so  behandeln.  Als  Sprechxeit  wnrde 
im  allgemeinen  eine  Viertelstonde  angesetzt,  doch  mit  Bflcksicbt  darauf, 
dsft  es  sich  «m  drei  Fragen  handle ,  die  Frist  auf  eine  halbe  Stande 
entreekt.  Aber  gleich  der  ente  Redner,  Baron  Fi  doli,  sprach  Vf^  Standen; 
diimt  war  ein  Priiedenxfall  geschaffen  and  auch  sonst  Tielfach  die  Zeit 
eibebhch  flberschritten.  Es  sei  hier  der  ttberaas  entgegenkommenden  Art 
gtdacbt,  mit  der  rom  Vorsitienden  mit  der  gewinnenden  Liebenswttrdig- 
keit  des  vornehmen  Mannes  and  der  Gewandtheit  des  erfahrenen  Paria- 
meotsriers  die  Verhandlungen  geleitet  worden;  sie  gestaltete  die  Enquete 
u  äaer  befriedigenden  freien  Aussprache  und  erhöhte  und  belebte  das 
Isteresse  der  Teilnehmer. 

Die  Debatte  Aber  die  drei  Fragen  füllte  die  ersten  drei  Sitsungs* 
tige  gani  aus.  Sie  war,  da  es  sieh  hier  um  die  allgemeinsten  und  grund- 
legmsten  Fragen  handelte,  besonders  reich  an  interessanten  und  packenden 
Momenten. 

Als  Grundlage  dienten  die  Referate  und  Korreferate.  Der  Referent 
nr  Frage  I,  Prof.  Dr.  Marti nak,  sucht  sunftchst  die  Haupttendenzen 
ia  den  mannigfachen  Äußerungen  der  Üniufriedenheit  in  systematischer 
Darlegung  festsustellen,  nimmt  data  kritisch  Stellung  und  leigt  dann, 
wss  seiner  Ansicht  nach  besserungsbedflrftig  sei.  Er  scbl&gt  Änderungen 
iB  der  inneren  und  ftuOeren  Organisation  der  Mittelschulen  und  in  der 
Lshierrorhildung  vor.  Die  Realschule  soll  durch  Aufnahme  der  philo- 
•ophischen  Propftdentik  und  des  relativ -obligaten  Latein  in  den  Ober- 
kiassen  auf  acht  Jahre  erweitert  und  mit  der  Berechtigung  für  das 
Mediünstudium,  xunftchst  yersuchsweise,  ausgestaltet  werden;  ob  auch 
Ar  das  joristioche  Studium,  mügen  die  Fakultäten  erwftgen.  Schulen  nach 
im  Tetsehener  Tjrpus  mOgen  empfohlen  werden.  An  den  Gymnasien  sei 
in  erweitertem  Umfange  der  relatiT-obligate  franiOsische  oder  englische 
Usterricht  einiuftthren.  Die  Errichtung  yon  Landeniebungsheimen  sei  lu 
finden;  der  Andrang  su  den  Mittelschulen  durch  Schaffung  einer  höheren 
Bildungssehole  für  das  praktische  Leben  su  bekftmpfen.  Für  die  Lehrer- 
forbfldung  empfiehlt  er  insbesondere  eine  Errichtung  nach  Art  des  erwei- 
terten Probejahres  an  einem  Gymnasium  in  jeder  ÜniTersitfttsstadt.  Die 
Leitung  dieses  Probejahres  obliege  dem  Professor  der  Pädagogik  gemein- 
nm  mit  dem  Direktor  der  Anstalt. 

Sehr  behenigenswerte  Worte  findet  die  Eorreferentin  Frau  Emilie 
Einer,  die  yerschiedene  Mftngel  in  der  Erziehung  und  im  Unterricht 
«rtftert  Dabei  spricht  sie  sich  mit  groAer  Wftrme  für  den  klassischen 
üstemdit  ans.  Die  Mitwirkung  der  Familie  sei  bei  der  Ersiehung  su 
eniOglieben,  weil  die  Schule  allein  dieser  Aufgabe  nicht  gewachsen  sei. 

Hofrat  Huemer  erörtert  in  seinem  Referat  sur  Frage  11  die  Lage 
te  jstiigen  Gesamtorganisation  der  Mittelschule,  bespricht  ihre  Mftngel 


264  Die  Mittelschalenqaete  des  ÜDterricbtiniiiiiBteriams. 

and  die  Torgeschlagene  Neaorgani«ation.  Er  lehnt  die  EinheitsBchaie  ent- 
schieden ab  nnd  gelangt  mit  eingehender  Begründang  za  folgenden  Vor- 
Bchlftgen : 

,1.  Das  bestehende  Bealgjmnasiam  ist  in  eine  acfatklassige  Voll- 
anstalt  am-  nnd  anszngestalten  and  seine  Verbreitnng  la  fordern.  — 
2.  Ks  sind  versachsweise  mit  Unterrealschalen  Oberrealgymnasien  la  Ter- 
binden  nnd  als  Beform-Bealgymnasien  nen  einzofflhren.  —  8.  Die  Absol- 
venten der  beiden  beseichneten  Schalarten  sind  rücksichtlich  der  Inskription 
als  ordentliche  Hörer  an  einer  UniTersitftt,  beiw.  an  den  anderen,  iholich 
organisierten  Hocbschnlen  den  AbsolTonten  der  bestehenden  Qymnasien 
gleichsastellen.  Die  Zalassong  der  oben  beieichneten  Absohenten  la  den 
Berafsstadien  ist  eventoell  im  besonderen  sn  regeln.  —  4.  Die  Annahme 
der  Antrftge  1  bis  8  Toraosgesetst,  ist  die  MinisterialTerordnong  Tom 
14.  Joli  1904  betreffend  die  Zalassnng  der  BealschalabsoWenten  xa  den 
UniTonitätsstadien  in  der  Art  absaftndern,  daß  die  Matnritftts-Ergftniangs- 
prüfang  fflr  Universitfttsstadien  der  Bealschnlabsohenten  aaf  Latein  nod 
philosophische  Propädentik  beschränkt  wird.*^ 

Dasa  ist  sa  bemerken,  daß  die  Vorschlftge  wohl  nicht  als  offiiielle 
der  Unterrichtsverwaltang,  sondern  als  Ansichten  des  Referenten  bezeichnet 
warden.  Allein  es  konnte  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  nnd  die  nntefi 
folgende  Schlaßrede  des  Ministers  bestätigte  es,  daß  hier  die  Ansicht 
der  UnterrichtsTerwaltang  znm  Aasdruck  gebracht  wnrde,  namentlich  den 
Anstarm  auf  das  Gymnasium  durch  Schsüffung  neuer  Typen  abzuwehren. 
Hofrat  Huemer,  als  gewiegter  Kenner  der  öBtecreichischen  und  reiehs- 
deatschen  Schalorganisation,  verhehlte  nicht,  daß  ihn  nicht  Begeistemog 
für  die  zwar  für  Österreich  neuen,  in  Deutschland  jedoch  heimischen 
Typen  eintreten  lassen.  In  der  Debatte  trat  der  als  Alternative  empfohlene 
Typus  eines  Beform-Bealgymnasiums  eigentlich  zarflck.  Ferner  sei  noch 
bemerkt,  daß  ein  Lehrplan  des  empfohlenen  dritten  Typns  von  Hofrat 
Haemer  vorläufig  nicht  vorgelegt  wurde. 

Auch  im  zweiten  Referat  des  Hofrates  Professor  Morawski  werden 
die  Errichtung  neuer  Typen  von  Realgymnasien,  aber  aoch  die  Erweiterang 
der  Realschulen  auf  acht  Jahrgänge,  mit  fakultativem  Unterricht  in  den 
klassischen  Sprachen  für  die  obersten  Klassen,  and  die  Gewährung  der 
vollen  Gleichberechtigung  für  die  Absolventen  aller  drei  liittelsebnl- 
gattangen  empfohlen. 

Der  Korreferent,  Präsident  der  Anglo-Osterreicbischen  Bank  Mors- 
witz, hebt  die  Übelstände  hervor,  die  in  der  jetzigen  Organisation  liegen: 
die  Entscheidung  über  den  künftigen  Beruf  müsse  zu  früh  erfolgen,  das 
Gymnasium  rufe  aber  durch  seine  Einrichtung  einen  Andrang  zur  Hoch- 
schule hervor  und  entziehe  den  produktiven,  den  eigentlichen  Kährständen 
fast  alle  intelligenten  Elemente.  Er  erwartet  von  der  Errichtung  eines 
neuen  Mittelscbnltypus  mit  stärker  betontem  Realienunterricht  ohne  6ri^ 
chisch  und  mit  der  Berechtigung  für  sämtliche  Hochschulen  ohne  Vor- 
prüfungen die  Behebnng  dieser  Mängel. 

In  dem  Referat  zur  Frage  V  behandelt  Sektionschef  Dr.  v.  Jara- 
schek  auf  Grund  einer,  wie  oben  bemerkt,  eingehenden  Statistik  die 


Die  Mittelscholenquete  dee  UnterriehtsminiiteriQiDB.  1^65 

Sebfllerbew^gang  an  den  Oeterreichiiehen  Mitteltehnlen  seit  1851/2  nnd 
laeht  den  Einfloß  der  den  Sehülern  inerkannten  Berechtigungen  anf  die 
Fteqnens  sn  ermitteln.  Tatsftctilieh  bestehe  ein  großer,  besonders  in  der 
lauten  Zeit  rasch  anwachsender  Andrang  sa  den  Mittelschnlen.  Seine 
Uiisehe  sei  sonftehst  das  fermehrte  Bedflrfnis  nach  höherer  Bildung, 
teflweite  aber  anch  die  nniweckmftßige  Organisation  des  Berechtignngs- 
wessDi.  Daa  Bedürfnis  nach  höherer  Bildung  dfirfe  nicht  eingedftmmt 
werden.  Wohl  aber  kOnne  ein  Bfickgang  des  Andranges,  der  anoh  auf 
die  Hochschulen  Obergreife,  nur  doreh  Eingreifen  der  ünterrichtsverwaltung 
erreicfat  werden.  Er  faßt  seine  Ausfflhrnngen  nnd  Vorschläge  in  folgende 
S&txe  sQsammen: 

»1.  Der  tatsftchlieh  bestehende,  besonders  in  letster  Zeit  rasch 
anwachsende  große  Andrang  an  den  Mittelschulen  ist  nicht  bloß  auf  die 
VenDehrong  der  gleichalterigen  jugendlichen  Bevölkerung,  sondern  haupt- 
liehlich  auf  ein  Yermehrtes  Bedflrfnis  nach  höherer  Bildung  und  eine 
teilweise  nnsweekmSAige  Organisation  des  Berechtignngswesens  surflck- 
nfthren.  -«  2.  Ein  beträchtlicher  Bflckgang  des  bereits  auf  die  Hocb- 
•ehslen  flbergreifenden  Andranges  ist  ohne  Eingreifen  der  Unterrichts- 
Terw&itnng  nicht  sn  erwarten;  manche  Umstände  lassen  vielmehr  ver- 
msteo,  daß  ein  weiteres  Anwachsen  stattfinden  wird.  —  8.  Ein  Zurflck- 
dringen  des  Verlangens  nach  höherer  Bildung  kann  und  darf  der  Staat 
nicht  in  Aussieht  nehmen;  er  kann  daher  nur  den  Andrang  su  Mittel- 
MliQlen  entsprechend  leiten  nnd  die  kflnstliche  Steigerung  desselben,  die 
doreh  ein  unzweckmäßiges  Berechtigungswesen  herTorgerufen  wird,  ver- 
biadern.  —  4.  Da  der  Andrang  bei  den  Gymnasien  beträchtlich  stärker 
uftritt  als  bei  den  Bealsehnlen,  wo  er  auch  einen  mehr  schwankenden 
Charakter  besitit,  sind  Haßregeln  tu  ergreifen,  wodurch  der  Andrang 
tsm  Teil  von  den  Gymnasien  su  den  Bealsehnlen  hinflbergeleitet  werden 
kann.  —  5.  Von  diesem  Gesichtspunkt  aus  nnd  in  Berflcksichtigung  des 
VerlsBgeDS  weiterer  Kreise,  der  Jugend  eine  bessere  Allgemeinbildung 
n  gewähren,  wäre  der  Lehrplan  der  Unterrealschale  einer  Bevision  im 
Siiae  der  Annäherung  an  jenen  des  Untergymnasinms  (unter  Weglassnng 
des  Unterriehtei  in  den  klassischen  Sprachen)  zu  nnteniehen.  —  6.  Der 
Hiberige  Charakter  der  Mittelschule  ist  ihr  auch  fernerhin  zu  bewahren, 
iubosondere  dem  Gjrmnasium,  das  in  noch  höherem  Maße  als  bisher 
dtto  bestimmt  sein  soll,  die  Vorbildung  fflr  die  akademischen  Berufe  zu 
Toraiitteln.  —  7.  Beim  Obertritt  auf  die  Oberstufe  der  Mittelschule  hat 
eine  strenge  Auslese  stattzufinden,  so  daß  nur  solche  Schfller  dahin  ge- 
langen, welche  voraussichtlich  das  Lehrziel  der  Oberstufe  erreichen  können. 
Zu  diesem  Zweck  empfiehlt  sich  die  Einfflhmng  eines  besonderen  Beife« 
leugnisses.  —  8.  Es  ist  neben  dem  Gymnasium  und  der  Realschule  ein 
seaer  Tfpos  der  Oberstufe  einer  Mittelschule,  das  Lyzeum,  einzurichten, 
welches  in  einer  allgemeinen  Abteilung  eine  höhere  Allgemeinbildung,  in 
besonderen  Faehabteilungen  die  Fachbildung  fflr  besondere  Berufe  nnd 
Dienste,  insbesondere  solche  staatlicher  Natur  zu  vermitteln  hat.  In  das 
Ljseun,  das  8—4  Jahrgänge  umfassen  soll,  ist  der  Eintritt  erst  nach 
Absolvierung  des  Untergymnasiums  oder  der  Unterrealschule  zulässig.  ^ 


2M  Die  MittelBchnlenquete  des  Unterriohtiministeriomi. 

9.  Dm  BeraebtignngsweBeD,  und  zwar  nicht  bloß  das  staaülehe,  ist  einer 
Reform  la  onteniehen,  und  zwar  in  der  Art,  daft  die  Eomalierang  tod 
Bereohtigangen  za  Gonsten  der  absolvierten  Gymnasial-  nnd  ReaUehfller 
möglichst  beseitigt  wird  nnd  der  Charakter  der  Oberstafe  dieser  Hitkel- 
sehnlen  nor  für  akademisehe,  das  Hoehsebnlstadinm  voranssatsende  Berufs 
die  Yorbildang  sa  yermitteln,  nicht  beeintrftehtigt  wird.  «^  10.  Der  Über- 
tritt in  Fachscbalen  ist  in  der  Art  einsariehten,  daß  er,  wenn  sieht  früher, 
regelmAßig  nach  AbsolTiernng  der  Tierten  Klasse  der  Mittelsehnle  nnd 
nnr  ganz  ausnahmsweise  nach  Absolvierang  einer  höheren  Klasse  erfolgt. 
—  11.  Die  Berechtignng  zom  Einjfthrig-Freiwilligendienst  ist  anBsndehnen 
auf  die  oberste  Klasse  des  neuen  Mittelschultypus  (Lyzeum)  und  auf  die 
Schüler  der  Gymnasien  und  Realschulen,  welohe  die  sechste  Klasse  absei- 
viert  haben.** 

Mit  großer  Wftrme,  das  sei  noch  im  besonderen  berTorgehoben, 
spricht  sich  Juraschek  dafQr  aus,  „daß,  unbeschadet  gewisser  Eonsessionen 
an  die  Forderung  der  Gegenwart,  der  humanistische  Charakter 
des  Gymnasiums  erhalten  bleibe  und  die  Anschauung  ab- 
gelehnt werde,  es  sei  der  Hauptzweck  des  Gymnasiums  oder 
der  Realschule,  nur  Kenntnisse  oder  gar  nur  praktisch  ver- 
wertbare Kenntnisse  zu  vermitteln.  Jedes  Einzelwiseen  ist  ja 
doch  vergftnglich  und  das  Entscheidende  für  die  Fortbildung  des  Mensches 
ist  der  Habitus  des  Geistes,  der  sieh  als  bleibende  Wirkung  einet 
rationellen  Unterrichtes  im  Sinne  des  bestehenden  Lehrplanes  bermusbildei 
Von  dieser  gemeinsamen  Wirkung  ist  kein  einzelner  Gegenstand  sus- 
geschlossen,  vielmehr  soll  der  Bildungswert  jedes  Gegenstandes  voll  lor 
Geltung  gebracht  werden.  Damit  erledigt  sich  allerdings  auch  die  viel 
erörterte  Frage  der  formalen  Bildung,  denn  im  Vordergrund  steht  dse 
„Denkenlemen*'  und  erst  in  zweiter  Linie  kommt  das  „Erlernen  tob 
Kenntnissen''  und  das  „konkrete  Wissen**  in  Betracht  Damit  soll  selbst- 
verstAndlich  keineswegs  das  Recht  des  Gefühls  und  der  Phantasie  sof 
entsprechende  Entwicklung  verkümmert,  die  Empfänglichkeit  für  Poesie 
und  Kunst  erdrückt  worden.**  Soll  aber  das  Gymnasium  auf  seiner  Hohe 
erhalten,  vielleicht  noch  gehoben  werden,  so  ergebe  sioh  um  so  mehr  die 
Notwendigkeit,  den  Zudrang  zu  den  Gymnasien  einzudAmmen,  denn  osr 
mit  einer  feineren  Auslese  vermOge  das  Gymnasium  das  vorgesteckte  Ziel 
zu  erreichen. 

Im  Korreferat  empfiehlt  Professor  Dr.  Ehrlich  als  Büttel  des 
Andrang  zu  den  Mittelschulen  abzuwehren,  eine  Umgestaltung  der  Bürger- 
schule in  eine  Schule,  welche  zweckmäßig  für  Handels-  und  Gewerbe- 
schulen  vorbereitet  und  auch  sonst  geeignet  ist,  den  Jüngling  zum  Oeot- 
leman  zu  erziehen.  Diese  Schule  soll  vier-  oder  besser  fünfklassig  sein, 
eine  moderne  Sprache  pflegen  und  eine  vertiefte  Kenntnis  der  Literator 
nicht  bloß  des  eigenen  Volksstammes,  sondern  auch  fremder  Volker  ver- 
mitteln. Die  Lehrkräfte  müßten  den  Mittelschullehrern  gleieliwertig  sein. 
Die  Gymnasien  und  Realschulen  sollen  ausschließlich  für  die  Hochscholen 
vorbereiten.  Die  entsprechende  Auslese  der  Schüler  soll  nicht  bei  der 
Aufnahme  in  die  erste  Klasse,  sondern  allmählich,  hauptsächlich  durch 


Dm  MittaltflMÜfeiiqQ«te  des  Untoriebtiiiiiiiitteriam«.  267 

«oe  AQftiAhmiprflfiiiig  fflr  die  Obentnfe  ToigeDommen  werden.  Von  den 
GjaiiMien  and  Sealiehnleo  soll  dev  Sehfller  etete  in  die  entspreefaende 
XlMie  der  BOrgertchole  übertreten  können,  anOerdem  soll  der  Obertritt 
TOB  der  Onterrealeebnle  ins  Obergjmnasinm  nnd  ans  dem  UnteigyrnnMinm 
ii  die  ObenealtehBle  onnOgliebt  werden.  Die  Anstalten,  die  an  die 
Bttigenehnle  anknflpfen,  haben  nach  Möglichkeit  dieselben  Berechtignngea 
a  fsrleihen  wie  gegenwärtig  die  Mittelschnlen.  Erwähnt  sei  noeh,  daß 
ProL  Ehrlieh  die  Einbeittsehnle  aasdrfleküeh  ablehnt  nnd  bemerkt, 
m  sei  ihm  uibegreiflieb,  wamm  man  anf  diese  Art  der  Uniformierong 
du  Qeistee  so  groflen  Wert  lege.  Daft  die  Nsignng,  Begabung  nnd 
Oeistesrichtong  der  Menschen  nicht  gleichartig  sei,  daß  sie  auch  im 
Lsbea  keineswegs  dieselbe  Sichtung  einschlagen»  werde  kanm  bestritten 
werden  können;  wie  man  von  diesen  Erwägungen  dain  gelangte,  ftr  die 
gtaie  Menschheit  dieselbe  Vorbildung  sn  Tcrlangen,  sei  nicht  ganx  klar. 
«FiilBehr  konnte  man  die  Frage  anfweifen,  ob  die  bestehenden  l^en 
sieht  noch  um  mehrere  vermehrt  werden  sollten,  oder  in  mindestens  ob 
sieht  die  verschiedenen  Obergjmnasien  und  OberreaUehnlen  im  Lehrplan 
geviise  Verschiedenheiten  aufweisen  sollten,  die  den  Bedflrfoisseo  gerade 
ihres  Schflkrmateriales  Bechnung  tragen  wflrden." 

Als  iweiter  Beratongsgegenstand  gelangten  am  vierten  Sittungs* 
tsge  wegen  ihrer  inneren  Zusammengehörigkeit  die  Themen  111  nnd  VI 
gemeinsam  inr  Verhandlung. 

Sowohl  der  Referent  als  der  Korreferent  zum  III.  Thema  sprechen 
neh  fftr  die  Beibehaltung  der  Zweistufigkeit  ans  und  empfehlen  Modifi- 
kationen. Der  Beferent  Hofrat  Gsuber  faät  sein  Mittel  in  folgenden 
SitMn  sntammen: 

»Die  Zweistnfigkeit  des  Unterrichtes  in  einselnen  Gegenständen 
st  als  eine  wertvolle  nnd  bewährte  Einrichtung  unserer  Mittelschulen 
aufrecht  sn  erhalten;  es  spricht  daffir  nicht  allein  die  Rücksicht  anf  die 
Tersehiadenen  Zwecke,  die  die  Mittelschule  so  erfollen  hat,  sondern  auch 
Boch  vielmehr  der  Umstand,  daß  der  Entwicklungsgang  des  Intellekts 
(iisss  Einzichtang  geradezu  fordert.  —  Zu  erwägen  wäre  die  Frage,  ob 
neh  nkht  in  der  Anordnung  der  Gegenstände  solche  Änderungen  vor- 
Bshmen  ließen,  durch  die  für  den  Unterricht  anf  der  Oberstufe  eine  aua- 
gisbigeff«  sachliche  Grundlage  gewonnen  werden  konnte.  Zu  wOnschen  wäre, 
4sft  ftr  eine  iweckmäOigere  Vorbereitung  der  Lehrer  in  den  demonstrativen 
Fichem  anf  ihren  kOnftigen  Beruf  Vorsorge  getroffen  werde. 

Der  Korreferent  Prot  Dr.  Hof  1er  beantragt  im  einieluen  Ande- 
mgea  in  Geechichte,  Mathematik,  Naturgeschichte  und  Physik. 

Der  Referent  aber  das  VI.  Thema,  Landesschnliospektor  Dr.  Tum- 
Urs,  stellt  in  seinem  eingebenden,  Ton  durchaus  modernen  Anschauungen 
gsksgenen  nnd  auf  eine  reiche  Erfahrung  gegründeten  AusfOhrnngen  ein« 
pääere  Auakl  von  Leitsätien  auf.   Es  seien  her?orgehoben: 

Fftr  die  Aufnahmsprafnng:  „1.  Der  Landesschnlrat  kann  das 
Beeht  nr  Abhaltung  von  Aufnahmsprflfungen  fflr  die  Mittelschule  einseinen 
Volksschulen»  an  denen  die  Bedingungen  dafOr  gegeben  sind,  fallweise 
bis  anf  Widerruf  flbertragen. .—  2.  Eine  solche  Prflfnng  ist 


268  Die  MitteUchülenqüete  des  ünterriehtsmiDisieriams. 

anter  dem  Vortitze  eines  hieso  yom  Landetschalrat  delegierten  Direkten 
oder  Professors  einer  Mittelsebnle  von  dem  Klassenlehrer  der  IV.  Klasie 
im  [Beisein  des  Oberlehrers  (Direktors)  in  den  leisten  14  Tagen  des 
Schuljahres  vorzonehmen.  —  3.  Die  Prüfung  ist  schriftlich  and  mündlich 
abznhalten.  —  4.  Die  schriftliehe  Prüfong  besteht:  a)  ans  einem  Diktate 
in  der  Mottersprache  inr  Feststellnng  der  Fertigkeit  im  Bechtschrdbeii 
nnd  eyentnell  der  lateinischen  Schrift,  h)  ans  einer  Arbeit  im  Bechnen. 

—  5.  Die  mündliche  Prüfung  hat  festinstellen  a)  in  der  ünterriehti- 
sprache:  Laat-  nnd  sinnrichtiges,  fließendes  Lesen  (anch  in  lateinischer 
Schrift);  Verständnis  des  einfachen  (erweiterten)  Satzes;  sicheres  Erkennen 
der  Wortarten,  der  Formen  des  Hanpt-,  Eigenschafts-  nnd  Zeitwortes  in 
snsammenhftngender  Bede,  h)  im  Bechnen:  Gelftnfigkeit  in  den  ?ier 
Grnndrechnnngsoperationen  mit  ganten  Zahlen.^  —  Von  Prüfnngeo 
unterscheidet  er  Orientiernngsprüfungen,  die  in  jeder  Stunde, 
Klassifikationsprflfungen,  die  nach  Abschluß  einer  wohl  durch- 
gearbeiteten und  dnrchgeübten  Partie  Torznnehmen  seien;  die  Ve^ 
Setzung sprüfnng  endlich  sei  yor  einer  Kommission  von  eogeren 
Fachgenossen  abzuhalten.  —  Die  Disziplinarordnung  solle  auf  dem 
Grundsatz  aufgebaut  sein,  daß  der  Schüler  der  Mittelsebnle  stufenweise 
zur  Selbstftndigkeit  nnd  Selbstverantwortnng  zu  erziehen  sei,  demgem&fi 
sollen  die  Vorschriften  für  die  drei  in  der  Mittelschale  vertretenen  Alters- 
stufen  yerschieden  sein;  danach  seien  auch  die  Strafen  zu  ordnen. 

Korreferent  Hofrat  Dr.  Streu hal  vertritt  die  Ansicht,  daß  in  der 
Volksschule  der  Stoff  anders  zu  yerteilen  sei,  um  den  Übei^ang  zur 
Mittelschule  sogar  ohne  Aufnahmeprüfung  zu  ermöglichen.  Der  Übergang 
von  der  Mittelschule  zur  Hochschule  sei  nicht  genügend  yorbereitet, 
weder  in  disziplinarer  Hinsicht  noch  darin,  daß  die  Schüler  zur  Beherr- 
schung größerer  Stoffpartien  angeleitet  würden.  Die  Mataritfttsprüfung 
wäre  nach  Erfüllung  dieser  Bedingung  überflüssig  nnd  durch  eine  münd- 
liche Aufnahmsprüfung  in  die  Oberklassen  zu  ersetzen,  um  Unfähige 
zurückzuhalten. 

Es  folgte  die  Beratung  über  Thema  IV  (Maturitätsprüfung),  das 
einzige,  über  das  am  Schluß  abgestimmt  wurde.  Beferent  Landesschui- 
inspektor  Dr.  Loqs  ist  der  Meinung,  an  eine  endgiltige  Losung  der 
Frage  kOnne  solange  nicht  gedacht  werden,  als  nicht  folgende  zwei  Vor- 
aussetzungen gegeben  seien:  1.  Müßte  zuyor  der  ganze  Komplex  der 
Berechtigungsfragen  gelöst  sein,  2.  müßte  eine  gründliche  Änderung 
nnseres  ganzen  ünterrichtsyerfahrens  im  Sinne  der  Konzentration  eintreten. 
Er  legte  eingehend  die  Momente  dar,  die  für  die  Beibehaltnng  der  Prfl- 
fung  sprechen,  macht  eine  Beihe  yon  Vorschlägen  zu  ihrer  Erleichterung 
und  stellt  die  Ergebnisse  in  folgenden  Thesen  zusammen: 

»1.  Die  Maturitätsprüfung  ist  an  unseren  höheren  Schulen  sowohl 
nach  ihrem  schriftlichen  als  nach  ihrem  mündlichen  Teil  beizubehalten. 

—  2.  Die  bisherigen  Maturitätsprüfnngsordnungen  bedürfen  jedoch  durch- 
greifenderer Änderungen.  —  S.  In  der  schriftlichen  Prüfung  hat  am 
Gymnasium  die  Übersetzung  aus  der  Unterrichtssprache  in  das  Lateinische, 
an  der  Bealschule  aus  der  Unterrichtssprache  in  das  Französische  so 


Di«  MittalsehiileBqMte  des  ünterriehtimioiateriiuns.  269 

«ntfalleo,  —  4.  Die  Arbeitsseit  fOr  die  am  Gymnasiom  im  bisherigen 
Ammifie  ra  liefernde  Übereetznng  aoe  dem  Lateinischen  in  die  Unter- 
netospraehe  ist  von  swei  anf  drei  Standen  in  erhöhen.  —  5.  Den  Beal- 
MhokbitQrienten  ist  bei  der  Obersetsnng  ans  dem  Englischen  in  die 
Osterricbtsspraehe  die  Benfltsang  eines  WOrterbnehes  sa  gestatten.  — 
6.  Bei  der  mündlichen  Prflfong  haben  die  obligaten  Dispensen  ans  6e* 
Nhichte  nad  Phjsik  so  entfallen.  —  7.  Dafür  tritt  die  Möglichkeit  der 
Diipensen  Ton  der  gansen  oder  von  Teilen  der  mündlichen  Prüfung  ein, 
aber  nnr  bei  üffentlichen  Schulen  über  den  besonderen  Beschlni^  der 
Pittfongskommission.  Ein  gesetsliohes  Recht  anf  Befreinng  hat  kein 
Sdiftler;  sie  kann  verweigert  werden,  auch  wenn  die  für  die  Befreinng 
Botwendigen  Bedingungen  vorhanden  sind.  —  8.  Befreinng  von  der  ganten 
mftndlichen  Prüfnng  kann  eintreten,  wenn  der  Abiturient  bei  tadellosem 
fietragen  in  keinem  Fache,  welches  Qegenstand  der  schriftliehen  Prüfnng 
iik,  in  den  beiden  Semestralsongnissen  der  obersten  Klassen  ein  Prftdikat 
Bster  «genügend",  in  allen  P&chem  aber,  welche  nnr  Gegenstand  der 
fflindlichen  Prüfnng  sind,  in  beiden  Semestraliengnissen  der  obersten 
ksia  Prüdikat  unter  „befriedigend"  und  außerdem  in  sftmtlichen  schrift- 
hchsn  MatoriUtsprüfongsarbeiten  kein  Prädikat  unter  „genügend"  er- 
kalten hat« 

Die  weiteren  Leitsfttse  beliehen  sich  auf  Befreiungen  von  Teilen 
4sr  mündlichen  Prüfung,  Beprobationen  und  Wiederholungsprüfungen. 
Horvorgehoben  sei  noch  i^lO.  Kompensation  bei  der  mündlichen  Prüfnng 
m  Sinne  einer  Ansgleichnng  nicht  genügender  Noten  durch  mindestens 
befriedigende  in  anderen  gleichwertigen  Prüfnngsgegenstünden  hat  nicht 
OBsutreten.  Zu  einer  billigen  Ausgleichung  reicht  die  Einrichtung  der 
Wiederholungsprüfung  und  das  ohnehin  bisher  bei  der  Beurteilung  der 
Baife  der  Eiaminanden  in  Übung  stehende  Verfahren  der  Prüfungskom- 


Korreferent  Professor  Dr.  Hofmann  v.  Wellenhof  fai&t  seine 
Ansicht  in  den  einen  Sati  lusammen,  den  er  begründet:  nDie  Haturitftts- 
prflfang  ist  überflüssig,  wie  so  vieles  Überflüssige  schftdlich  und  daher 
XU  beseitigen*.  Solange  es  aber  nicht  gelingen  sollte,  machte  er  den 
Verschlag,  sie  auf  den  freien  Auftats  in  der  Muttersprache  su  beschr&nken, 
jedoch  unter  der  Voraussetsung,  daft  die  Themen  wirklich  nur  dem  An- 
sehaanngs-  und  Gedankenkreise  des  jungen  Menschen  von  18  Jahren  ent- 
aoBfflen  werden.  Dasu  konnte  sich  eine  Art  KoUoquinm,  eine  freie  Wechsel- 
rede über  einselne,  wichtigere,  im  Unterricht  behandelte  Fragen  des 
Kaltnrlebens  gesellen,  worin  der  Prüfling  Gelegenheit  hfttte  lu  zeigen, 
ds6  er  sich  ein  gewisses  Maß  allgemeiner  Bildung,  von  Urteils-  und  ins- 
bssonden  auch  AnadmcksflUügkeit  in  der  Schule  angeeignet  habe.  Darauf 
BOehte  er  sogar  ein  starkes  Gewicht  legen;  denn  msn  sollte  wirklich 
von  einem  Menschen,  der  nach  vier  Jahren  Volksschule  und  acht  Jahren 
Mittelsehnle  an  die  Universitftt  gehe  oder  einen  praktischen  Beruf  ergreife, 
veianssetsen,  daft  er  richtig  und  sinngemiß  sprechen  (und  lesen !)  gelernt 
babe,  was  beides,  wie  die  Erfahrung  seige,  durchaus  nicht  immer  der 
FattseL 


270  Die  MittelaehnloDqaeta  des  Untemehtsministeriiuiie. 

Die  eingebende  und  sehr  lebhafte  Dieknisioii  Aber  dieses  Thenui 
endigte  erst  am  Yonnittag  des  leisten  Verbandlmigstages  mit  der  an- 
stimmigen  Beantwortong  der  Frage,  da5  die  Prflfong  dnrcb  wesentliehe 
Erleiehtemngen  einschneidend  geändert  werden  solle,  and  mit  der  bei- 
fälligst aufgenommenen  Erklftning  des  Ministers,  daß  noch  fftr  die  heorige 
Prfifang  die  entsprechenden  Yorkebningen  getroffen  werden  wtkrden;  eine 
Zosage,  die  in  der  Zwisehenieit  dnrch  die  im  Verordnungsblatt  des 
Ministeriums  für  Eultos  und  Unterricht,  Jahrgang  1908,  Stttck  V,  Nr.  18 
—21,  kundgemachten  Verordnungen  vom  29.  Februar  d.  J.,  Z.  10.051— 
10.058,  erfallt  worden  ist  Es  folgte  die  kurie,  aber  eindmcksvolle  De- 
batte ftber  Thema  VII. 

Referent  Professor  Dr.  Hueppe  stellt  und  begrflndet  folgende 
Anträge:  1.  Das  wöchentliche,  zweistOndige  Turnen  ist  an  allen  Mittel- 
schulen obligatorisch  einiufBhren,  Torndispensen  sind  nicht  so  reichlich 
SU  gewähren  wie  gegenwärtig.  —  2.  An  iwei  Nachmittag  ist  obligatei 
Schulspiel,  jedoch  ohne  Eingreifen  der  Lehrer,  anzusetaen.  —  8.  Die 
Tumhallett  sind  gemäß  den  Forderungen  der  Hygiene  einzurichten,  bei 
jeder  Schule  ist  ein  Platz  zur  Benutzung  durch  die  Kinder  in  den  Pausea 
erforderlich.  —  4.  Schttlerausflüge,  freiwilliges  Spiel  und  Sport  sind  ti 
fördern.  —  5.  Den  Schülern  ist  mehr  Buhe  zu  gOnnen;  ftber  die  Sonn- 
und  Feiertage  sind  ihnen  keine  Hausaufgaben  zu  stellen.  —  Richtige  and 
ausreichende  körperliche  Ausbildung  kOnne  niemals  die  wissenschaftliehe 
Ausbildung  beeinträchtigen,  weder  wesentlich  noch  unwesentlich,  sonders 
die  körperliche  Ausbildung  sei  für  die  Mehrzahl  der  Menschen  die  Vor- 
aussetzung einer  richtigen  geistigen  Ausbildung.  Der  Schulswang  legs 
auch  im  Sinne  des  bürgerlichen  Gesetzbuches  der  Schule  eine  Haftpflicht 
fOr  die  körperliche  Gesundheit  auf.  Praktisch  werde  die  grOßte  Schwierig- 
keit dadurch  zu  überwinden  sein,  daß  der  ungeteilte  wissenschaftliche 
Vormittagsunterricht  eingeführt  werde,  so  daß  für  die  mehr  k5rp«iiehe 
Tätigkeit,  Tomen,  Spiel,  Sport,  Handfertigkeit  und  Zeichnen  die  Nach- 
mittage zur  Verfügung  stehen. 

Korreferent  Begierungsrat  Direktor  Dr.  T  hu  ms  er  fast  seine  haopt- 
sächlich  auf  Grund  eigener  Erfahrung  geschöpften  Ausführungen  in  die 
beiden  Leitsätze  zusammen: 

„1.  Die  bisherigen  Vorschriften  betreffs  der  körperlichen  Ausbiidosg 
der  Mittelschuljogend  genügen  Tollständig;  nur  muß  die  Schule  in  die 
Möglichkeit  versetzt  werden,  sie  vollkommen  durchzuführen.  —  2.  Jede 
weitere  Verminderung  der  für  die  geistige  Arbeit  der  Jugend  festgesetzten 
Zeit  gefährdet  das  Ziel  der  Mittelschule. << 

Punkt  VIII:  „Freie  Anträge  betreffend  Maßnahmen,  die  sonst  im 
Interesse  der  Mittelschulen  für  erforderlich  erachtet  werden**,  war  nicht 
mehr  Gegenstand  mündlicher  Verhandlungen.  Die  eingebrachten  Antrftge 
sollen  im  Protokoll  der  Verhandlungen,  dessen  Veröffentlichung  auf  Antrsg 
des  Sektionscbefs  Dr.  v.  Ju rasch ek  und  mit  Zustimmung  aller  Teil- 
nehmer beschlossen  worden  ist,  mitgeteilt  werden. 

Da  die  Veröffentlichung  dieser  45  Druckbogen  fassenden  Protokolle 
nahe  bevorsteht,  soll  das  Beferat  über  die  mündlichen  Beratungen  bis 


Die  MittelsehiüenqQeta  des  UntemehttmiBisteriiimi.  271 

aaeb  dem  Sncheinen  Tenpart  bleiben  und  in  einem  späteren  Hefte  ge- 
geben werden. 

Die  bedeitoame  Sehlnßrede  dee  Herrn  Unterricbtsminiatera  bot  ein 
fibenichtliebea  Besmntf  der  Yerbandlongen ;  deebalb  sei  sie  hier  mitgeteilt 
ond  im  Anachlnfi  darui  die  im  Namen  der  Tmlnehmer  erfolgte  Dankrede 
Sr.  Enelleni  des  Freihenn  t.  Gant  seh. 

Sehlaßrede  des  Unterrichtsministers  Dr.  Marebet: 

«Die  Beratungen  der  Enqaete  sind  beendet.  Wenn  ich  in  meinem 
Begrfl&ongsworte  die  Übenengang  aassprach,  da5  die  Unterriehtster- 
waltaag  wertToUe  Bereichemngen  empfangen  werde,  so  sind  diese  hoch- 
gespannten Erwartangen  weit  ftbertroffen  worden.  Wir  haben  eine  Debatte, 
nach  Inhalt  and  Form  in  seltenem  Maße  bedeatend,  gehört.  Die  person- 
liehen Opfer,  welche  allen  Teilnehmern  aaferlegt  waren,  traten  inrflck 
gagenfkber  dem  ron  Stande  la  Stande  sieh  steigernden  Interesse.  Kein 
Mißton,  kein  Mißverst&ndnis  stOrte  die  Verhandlangen,  wflrdig  der  in  ihrer 
Bedeotong  fttr  Gesellschaft  and  Staat  nicht  hoch  genug  sn  sehfttienden 
Asfgabe,  die  die  Enqaete  sich  gestellt  hat.  Wenn  je  jemand  daran  ge- 
iweifelt  hAtte,  so  ist  es  darch  die  abgefflhrten  Verhandlangen  in  weit- 
tau  leachtender  Weise  erwiesen,  daß  diese  Enqaete  eine  Notwendig- 
keit war. 

Em  obliegt  mir  die  Pflicht,  in  kanen  Worten  la  leigen,  wie  die 
CnterriehtsTerwaltang  den  Standpunkt  der  Enqaete  in  einigen  besonders 
wichtigen  Fragen  aoflfaßt.  Zwei  Fragen  waren  es  neben  einer  Aniabl 
TOD  anderen  für  den  Schalbetrieb  wichtigen  Themen,  welche  das  Interesse 
der  Enqaete  im  hOchiten  Grade  gefangen  nahmen:  die  Mataritftts- 
prtfong  and  die  Organisation  der  Mittelschalen.  Die  Mataritfttsprttfang 
wurde  von  einem  Teile  als  ttberflflssig  and  daher  rerfehlt  beieichnet, 
TOD  anderen  wiederom  als  das  Mittel,  Rechenschaft  Aber  die  erlangte 
geistige  Beife  zn  gewähren,  festgehalten.  Allen  aber  war  die  Über- 
levgug  innewohnend,  daß  die  jetiige  Ordnung  dieser  Pr&fung  nicht 
liager  bestehen  dflrfe.  Werde  die  Prflfang  aofreoht  erhalten,  so  mflsse 
lie  einschneidende  Ver&nderungen  im  Sinne  Ton  Erleichterungen  erfahren. 

Weitaofl  am  tiefsten  erregte  —  ich  kann  kein  anderes  Wort 
finden  —  die  auch  von  mir  als  der  Kernpunkt  der  Enquete  beieiehnete 
Organisationi-Frage  der  Mittelschulen.  Alle  Teilnehmer  waren  dnrch- 
glfibt  TOB  dem  edlen  Bemühen,  das  Beste,  was  ihr  Geist  lu  ersinnen 
rermochte,  beiiusteuem,  um  der  Jagend  allseitige  Entfaltung  lu  bieten. 
Ei  war  ein  edler  Wettstreit  edler  Geister.  Die  Schwierigkeit  der  Auf- 
gabe, die  Möglichkeit,  dieeelbe  in  mehrfacher  Weise  zu  lOsen,  brachte 
es  mit  sich,  daß  eine  große  Zahl  ron  Auffassungen  und  Vorschlägen  zo- 
tage  traten.  Darin,  daß  unsere  Mittelschulen  Terbesserungsbedflrftig 
nad,  waren  alle  einig. 

Nor  wenige  Bedner  wQnsohten  die  sofortige  EinfQhrung  der  Ein- 
beitescbole,  neben  welcher  ein  anderer  Schultypus  nicht  zu  bestehen 
bitte.  Die  BinheitsschQle  ist,  ich  bekenne  es  offen,  ein  Ideal.  Ob  es 
caa  Unterichiede  f  on  anderen  Idealen  erreichbar  sein  wird^  wer  kann 


272  Die  MittelBehQleDqnetfl  des  UnterriehtimiiuBteriams. 

das  beute  iagen  ?  Ob  es  eine  Einbeitsscbole  wird  geben  können,  welebe 
weder  an  der  Scylla  der  Überbflrdang  nocb  an  der  Cbarybdii  der 
Lflekenbaftigkeit  lereebellt,  wer  mochte  es  Toranasehen?  Aoeb  die  Ein- 
heitsschnle  als  Unterbau  mit  mebrfacber  Gabelong  flUr  die  bamanistisebe 
nnd  realistische  Richtung  wurde  empfohlen. 

Aus  einer  Wecbselrede,  welebe  in  die  Tiefen  des  menschlichen 
Geistes  und  in  die  Seele  der  Jugend  sich  rersenkte,  ergab  sich  fBr  die 
Organisation  zunftchst  ein  Resultat:  Die  bestehenden  Schultypen,  du 
achtklassige  humanietische  Gymnasium  und  die  siebenklassige  Bealscbnle 
als  solche  sollen  bestehen  bleiben,  der  Lehrplan  aber  für  beide  allerdings 
einer  eingreifenden  Beform  untenogen  werden.  Die  Frage  der  Acht- 
klassigkeit  der  Bealscbnle  worde  teils  gefordert,  teils  bek&mpft,  aber 
gleichseitig  allseitig  festgestellt,  daß  die  achtklassige  Bealscbnle  den 
Zugang  lu  allen  Hochschulen,  also  auch  lur  Unirersit&t,  m  bieten  hätte. 
Mit  dieser  Auffassung  ist  jedenfalls  fflr  die  nächste  Zeit  der  heftig  ge- 
führte Streit  um  das  humanistische  Gymnasium  in  der  Weise  entschieden, 
daß  dasselbe  nicht  Terschwinden  soll.  Ob  dieser  Streit  wieder  auflodert, 
wird  auf  die  Philologen  selbst  ankommen.  Hat  man  doch  eigentlich 
niemals  den  echten  Klassisismas  bekämpft,  sondern  dessen  Zufiel  und 
die  Schale,  in  welcher  er  oft  dargeboten  wurde.  Wenn  man  heute  in 
dieser  Versammlung  eine  namentliche  Abstimmung  Teranstalten  würde 
über  die  kulturelle  Bedeutung  des  Klassiiismus,  das  Besultat  würde  sicher 
nicht  ungünstig  ausfallen. 

Und  die  Antwort  auf  die  von  der  UnterrichtsTerwaltung  gestellte 
Frage  bexüglich  der  Organisation  der  Mittelschule? 

Es  sei  mir  gestattet,  mit  swei  Worten  den  Standpunkt  der  Unter- 
ricbtsferwaltong  und  die  Entstehungsgeschichte  desselben  darsulegen. 
Aus  den  yielen  Beratungen,  welche  ich  mit  meinen  beiden  sachkundiges 
und  treuen  Beratern  über  diese  Frage,  Sektionschef  Bitter  Ton  Kanto 
und  Hofrat  Dr.  Hoemer,  im  Sommer  Torigen  Jahres  gepflogen  habe,  ei^ 
gab  sich  für  uns  die  Oberieugung,  daß  die  Vielgestaltigkeit  des  Lebeni 
und  pädagogische  Erwägungen  neben  den  beiden  Mittelsehultypen, 
welche  wir  dermalen  in  Österreich  besitsen,  einen  neuen  Typus  oder 
vielleicht  deren  mehrere  fordern.  Sie  werden  es  gewiß  nicht  Übel  deuten, 
wenn  die  UnterrichtsTerwaltung  bemüht  war,  bevor  sie  den  verant- 
wortungsvollen Schritt  einer  Mittelschalreform  su  tun  sich  anschickte, 
in  sich  eine  Antwort  auf  diese  Kernfrage  su  finden,  und  wenn  die 
Unterriehtsverwaltung  glaubt,  nicht  nur  ein  Amt  lu  haben,  eondem 
auch  eine  Meinung  besitien  lu  müssen.  Welche  diese  Meinung  ist,  er- 
gibt sich  für  jeden,  welcher  den  Funkt  II  des  Fragebogens  genau  ansiebt, 
und  xwar  dabin,  daß  es  der  Unterrichtsverwaltung  richtig  erscheint, 
wenigstens  einen  neuen  Mittelschultypos  einiuführen.  Dieser  Typus 
hätte  kein  Griechisch  su  enthalten,  dafür  aber  eine  moderne  Sprache, 
beiiebungsweise  eine  Landessprache,  das  Latein  wäre  lu  pflegen  and  die 
realistischen  Wissenschaften  wären  kräftig  sa  betonen;  er  muß  den 
Abiturienten  sämtliche  Hochschulen  einschließlich  der  Universität  er- 
schließen.   Es  ist  für  die  Unterrichtsverwaltung  eine  große  Freude  und 


Die  Mittelschal enqnete  des  UnterrichtsiDinisteriiuni.  273 

eine  große  Berohigirngf,  daß  gleiche  oder  ftholiche  Ideen,  insbesondere 
seitdem  die  Schnlreformfrage  in  die  Öffentlichkeit  gedrungen,  mit  immer 
iteigender  Intensit&t  «nftanchten  nnd  diskutiert  worden. 

Ich  darf  konstatieren,  daß  gegenflber  diesem  Realgymnasium  — 
sieht  sn  Terwechseln  mit  den  aof  die  Cnterstnfe  beschränkten  der- 
rnaßgen  Osterreichischen  Bealgymnasien  —  sich  die  weitaus  ftber- 
wiegeode  Majorität  der  Versammlung  in  der  Weise  ausgesprochen  hat, 
diß  es  erwünscht  sei  —  einige  haben  gesagt,  unerläßlich  sei  — ,  daß 
ohne  Druck  nnd  ohne  Zwang  seitens  der  ünterrichtsverwaltung  solche 
Schulen  ine  Leben  gerufen  werden.  Die  ÜnterrichtsTerwaltong  hat  sich, 
durchdrangen  von  der  Übeneugung,  daß  in  Schulorganisationen  jede 
Cberstfinung  bedenklich  und  gefährlich  sei,  die  Entwickeinng  der  Dinge 
nie  anders  vorgestellt.  Nicht  durch  offixiellen  Druck,  sondern  durch  den 
ioseren  Gehalt  muß  sich  jede  neue  Organisation  erproben  und  durch- 
»etxen.  Tnmultuarisch  wird  sich  die  Beform  schon  aus  dem  Grunde 
Dicht  gestalten  können,  weil  die  ffir  die  modernen  Sprachen  erforderlichen 
Lehrkräfte  dermalen  nicht  in  genflgender  Zahl  Torhanden  nnd.  Ent- 
scheiden wird  auch  hier  der  einzige  wirklich  kompetente  Richter:  die 
große  Gesamtheit 

Es  erfibrigt  mir  noch  eine,  die  wichtigste  Pflicht:  Dank  lu  sagen 
fftr  all  das  Wertvolle  nnd  Bedeutende,  was  wir  hier  gehört  nnd  gelernt 
haben.  Ich  ffthle  mich  außerstande,  in  Worten  in  danken.  Ich  kann 
meben  Dunk  nnr  auf  einem  Wege  abstatten :  mit  jenem  heiligen  Ernste, 
welchen  die  Fragen  der  Bildung  der  Jugend  erheischen,  gebe  ich  die 
Veniehervng»  daß  die  ünterrichtsverwaltung,  soweit  ihre  Kraft  über- 
haopt  reicht,  alles  das,  was  sie  selbst  schon  lange  plant,  geläutert,  ver- 
bessert nnd  geschützt  durch  die  Erf  ah  rangen  aus  dieser  Enquete,  rasch 
uid  energisch  in  die  Tat  umsetzen  wird.  Lassen  Sie  mich  mit  den  uns 
alleo  heiligen  Worten  schließen:  ,,Salu8  juventutis  summa  lex  esto.*^ 
Anhaltender  Beifall  nnd  Händeklatschen.) 

Hierauf  ergreift  der  Präsident  des  Obersten  Rechnungshofes  Frei- 
herr von  GftntBch  das  Wort  zu  folgender  Ansprache: 

.Eure  Exzellenz!  Es  ist  fflr  mich  eine  flberans  ehrenvolle  nnd  er- 
fresliche  Pflicht,  wenn  ich  mir  gestatte,  namens  derjenigen  Persönlich- 
keiten, welchen  die  Ehre  znteil  wurde,  zur  Mittelsdiul-Enqaete  eingeladen 
worden  zu  sein,  Eurer  Exzellenz  den  wärmsten  und  aufrichtigsten  Dank 
<ier  Versammlung  fOr  diese  Veranstaltung  zu  sagen.  (Beifall  nnd  Hände- 
Uatsehen.  Die  Versammelten  erheben  sich.)  Ebenso  wollen  wir  den 
sasgezeMmeten  Fonktionären  des  Hinisteriume  f&r  Kultus  und  Unter- 
richt, die  sieh  mn  die  Veranstaltong  dieser  Enqnete  bemflht  haben,  unter 
ihaea  iisbetoadere  dem  Herra  Referenten  fOr  das  Mittefscfaulwesen  Hof- 
rat Dr.  Hiemer,  unseren  warmen  Dank  aussprechen.  Wür  danken  aber 
neb  denjenigen  Minnern,  welche  durch  die  Erstattung  der  Referate  und 
Koireferate,  die  gedruckt  in  unsere  Hände  gelegt  worden  sind,  die  ht- 
beitea  der  Baquete  wesentlich  gefordert  haben. 

Ette  Bxi^enz  wollen  sidi  fiberzeugt  halten,  daß  jeder  eir-^^^- 
m  nt  bemflht  war,  nadi  bestem  Wissen  und  Gewissen  dasjeoif 

ZätKkiiA  f.  d.  tetttr.  G71U.  1906.  III.  Htft.  18 


1 


274  Mtthodisches  lom  Geiohichtsiuitarriehte. 

inbiingen,  was  er  an  Erfahrangen  in  TorBehiedenen  Lebenutellongen,  im 
Verkehre  mit  der  Jagend  ond  in  der  Schule  lelbit  gesammelt  hat  Wir 
alle  glauben  dadorch  redlieh  an  der  Sache  mitgewirkt  lu  haben,  ond 
sind  nach  den  Worten  Eurer  Exielleni  in  der  Hoffnung  ermuntert,  daß 
unser  MitteUchulweeen  im  Interetse  unserer  Jagend  ▼orausiichtlich  in 
nächster  Zeit  eine  Beihe  tou  wesentlichen  Verbesserungen  erfahren  wird. 
Wir  mochten  es  aber  auch  aussprechen,  dai^  gewiQ  jeder  einselne  Teil- 
nehmer aus  den  Verhandlungen  dieser  Enquete  selbst  Tiel  gelernt  hat 

Nach  einer  fünftägigen,  mitunter  recht  angestrengten  Arbeit 
scheiden  wir,  insbesondere  nach  den  anerkennenden  Worten  Enrer 
Ezsellens,  in  freudiger  Erwartung  und  mit  der  Zu? ersieht,  daß  diese 
Enquete  mittitig  war  bei  der  Forderung  unserer  Schule  und  der  heran- 
wachsenden Generation  im  Interesse  des  Staates.  Mit  dieser  Zuversicht 
verlassen  wir  diesen  Baum  und  wiederholen  Enrer  Ezsellens  unseren  er- 
gebensten Dank!*' 

Der  Ansprache  folgt  allgemeiner,  lebhaftester  Beifall. 

Unterrichtsminister  Dr.  M  ar  eh  e  t  spricht  hierauf  seinen  herslichsten 
Dank  aus  und  betont,  daß  er  es  als  den  schönsten  Erfolg  seines  Lebesi 
betrachten  wflrde,  wenn  die  Ergebnisse  dieser  Enquete  der  Jugend  reiche 
Frftchte  bringen  würden.  (Ein  weiterer  Bericht  folgt) 

Wien.  Dr.  S.  Frankfurter. 


Methodisches  zam  Geschichtsunterrichte. 

Der  Ministerial-Erlaß  vom  2.  Mai  1887,  Z.  8752,  erlaubt  ausnahmi- 
weise  und  nur  mit  Genehmigung  des  Direktors  die  Vornabme 
einer  schriftlichen  Prüfung  im  Aosmaße  eines  mündlichen  Examens  aoch 
in  jenen  Gegenständen  des  Gymnasiums,  aus  denen  schriftliche  Prüfungeo 
nicht  stattfinden.  Einen  solchen  Gegenstand  bildet  Geographie  nnd  Ge- 
schichte. Der  XU  behandelnde  Lehrstoff  ist  besonders  in  den  oberen  Klassen 
sehr  inhaltsreich  und  es  maß  mit  der  gestatteten  Unterrichtsieit  sehr 
haoshälterisch  vorgegangen  worden,  will  man  das  vorgesteckte  Lehniei 
erreichen.  Die  Vorschrift  verlangt,  jeder  Schüler  einer  Klasse  komme  in 
der  Begel  einmal  im  Monate  oder  doch  vier  bis  fünfmal  im  Semeiter 
zur  mündlichen  Prüfung,  also  wenigstens  einmal  in  jeder  Konferensperiode. 
Je  sahlreicher  eine  Klasse  ist  und  je  weniger  Unterrichtsstunden  einem 
Gegenstande  per  Woche  xugemessen  sind,  desto  schwerer  wird  diese  Frü- 
fongsvorschrift  zq  erfQllen  sein.  Soll  eine  Prüfang  diesen  Namen  verdienenf 
so  wird  man  in  einer  Unterrichtsstunde  —  jetxt  durch  die  vorgeschriebenen 
Pausen  um  je  10  Minuten  verkürxt  —  höchstens  vier  bis  fünf  Schüler 
abzufragen  vermögen.  Bei  einer  Ansahl  von  etwa  SO  Schülern  beaniprocht 
dieses  Examinieren  in  jeder  Konferenzperiode  volle  sechs  Unterrichts- 
stnnden,  also  mindestens  swei  kostbare  Wochen!  Wie  kann  man,  die 
Konferensperiode  lu  vier  bis  sechs  Wochen  berechnet,  im  Semester  mit 
dem  vorgeschriebenen  Lehrstoff  fertig  werden,  wenn  das  Examinieren 


MethodiiohM  snm  GesehiobtsQiiterriehte.  275 

eise  10  gwauma  Zeit  in  Ansprach  nimmt?  Ist  ein  Sdifller  in  einer  Kon- 
feranspeiiode  einmal  lom  Examen  gekommen,  so  wird  er  in  der  Begel, 
besonders  bei  wenig  Unterrichtsstunden  und  in  einer  sahlreicberen  Klasse, 
nicht  mehr  gemfen  werden;  ma(^  er  nicht  während  der  PrOfang  der 
anderen  Mitschfller  Ton  Langweile  belallen  werden?  Wie  Tiel  vergißt 
er?  Ein  strebsamer  ZOgling  wird  im  Stndienlanf  aufgehalten,  gehemmt. 
Die  bisher  noeh  nicht  £zaminierten,  gewöhnlich  die  schwächeren,  sitien 
indes  auf  einer  Art  Folterbank,  bis  endlich  das  gesamte  Examen  beendet 
ist  Während  der  Zeit  seines  Zawartens  kann  ein  solcher  anderen  Gegen- 
itlnden  nicht  die  volle  Aofmerksamkeit  snwenden.  Hiednrch  leidet  mehr 
minder  der  ganze  Stndienlanf  eines  solchen  Schfllers. 

Gibt  et  ein  Mittel,  nm  all  dem  in  etwas  Tortnbengen  ?  Das  Gesets 
geitattet  die  Vornahme  einer  schriftlichen  PrOfhng;  in  der  Zeit  von  V4~Vs 
Stande  ist  alles  abgetan.  Hiednrch  ist  fflr  den  mflndlichen  Unterricht  eine 
gerume  kostbare  Zeit  gewonnen ;  die  Schiller  mflssen  liemlich  gleichmäßig 
nd  gleichxeitig  studieren.  Gerade  der  schriftliche  Ausdruck  nOtigt,  den 
Text,  die  Schreibweise  sieh  tief  einxuprägen,  und  er  wird  das  richtige  Denken 
befördern.  Um  auch  das  richtige  Sprechen  au  Oben,  maß  das  schriftliche 
Eximen  nicht  in  jeder  Konfereniperiode  vorgenommen  werden.  Der  Natsen 
der  mündlichen  PrOfong  ist  nie  so  groß ,  daß  er  als  vollwertiger  Ersati 
Ar  den  Entgang  der  kostbaren  Zeit,  die  das  Prüfen  beanspracht,  angesehen 
werden  kann.  Fragt  der  Fachlehrer  beim  Direktor  um  die  Erlaubnis  eines 
KhriftUehen  Examens  an,  so  wird  diese  in  BOcksicht  auf  die  bestehende 
Torsebrift  entweder  gar  nicht  oder  nur  sehr  ungern  gewährt  Das  gleiche 
Schicksal  teilt  eine  Berufung  an  den  Landesschulinspektor.  Ein  solches 
Vorgehen  bedeutet  eine  unnatürliche  Einschnürung  des  Fachlehrers,  ein 
betrübendes  Hißtrauen  gegen  ihn,  hemmt  die  Freiheit  und  die  Arbeits- 
freudigkeit desselben.  Der  Fachmann  wird  doch  am  besten  wissen,  was 
im  gegebenen  Falle  lum  Ilutsen  des  Lehrgegenstandes,  sum  Wohle  der 
Schüler  ist  Man  gewähre  ihm  daher  vom  Qesetse  aus  eine  freiere  Bewe- 
gung, eine  größere  ^Selbständigkeit  und  lähme  seine  Arbeitslust  nicht 
dueh  tote  Paragraphe.  Die  Empfehlung  einer  Mhriftlichen  Arbeit  für  eine 
Dflndlicbe  Prüfung  bedeutet  hier  nicht  einen  Bückschritt,  sondern  einen 
Fortaehiitt 

Vom  Jahre  1871  bis  xum  Jahre  1892  bestand  die  Yorsobrift,  in 
der  IV.  Klasse  des  Gymnasiums  luerst  die  Geschichte  der  Nenseit  in  je 
vier  Unterrichtsstunden  per  Woche  bis  lu  ihrem  Abschlüsse  in  behandeln. 
Duan  schloß  sieh  der  Unterricht  in  der  Österreichischen  Vaterlandsknnde^ 
Die  Jahr  1892  brachte  den  Auftrag:  lY.  Klasse,  wöchentlich  vier  Stunden, 
a)  Geographie:  wöchentlich  iwei  Stunden,  h)  Geschichte:  wöchentlich 
iwei  Stunden.  Nach  dieser  Bestimmung  ist  auch  beute  vonugehen.  In 
der  Yaterlandakunde  schließt  sich  an  die  Behandlung  der  Oro-  und  Hydro- 
graphie des  Kaisarstaates  gewöhnlich  jene  der  einielnen  Kronländer  an. 
Der  Zeit  nach  dürfte  diese  beiläufig  in  die  Mitte  des  Schuljahres  fallen. 
Iniwischen  ist  der  Unterricht  in  der  Neuieit  bis  aum  Beginne  des 
iVm.  Jahrhunderts  vorgeschritten.  Bei  den  einseinen  Kronländera  pflegt 
«in  kmer  Überblick  über  die  geschichtliche  Entwicklung  derselben  ein- 

18* 


276         K,  Wotke,  Karl  Heinrich  Seibt,  ang.  ▼.  K.  F.  Kummer. 

geflochten  la  sein,  also  auch  geschichtliche  Ereignisse  des  ZVIIL  ond 
XIX.  Jahrhunderts.  In  der  Behandlang  der  Geschichte  der  Neuzeit  ist  man 
aber  noch  nicht  soweit  gekommen.  Was  nun  tno?  Der  Fachlehrer  mu^ 
entweder  diese  Punkte  iweimal  bebandeln,  was  einen  Zeitverlast  xnr  Folge 
hat ;  oder  er  wird  diese  Angaben  bei  der  Vaterlandskande  vorderhand  über- 
gehen, waa  eine  Lflcke  erzeagt,  eine  Halbheit,  eine  Unklarheit  bedeutet. 
Um  dies  zu  vermeiden,  hält  sich  vielleicht  ein  Fachlehrer,  der  doch  den 
vorgesteckten  Lehrstoff  im  Laofe  des  Jahres  erschöpft  and  dieselben 
Schfller  vor  sich  hat,  an  die  alte  Vorschrift.  Es  kann  aber  eintreten,  daß 
ein  Schüler  etwa  im  Falle  der  Obersiedlang  seiner  Eitern  an  eine  andere 
Anstalt  versetzt  wird,  wo  man  nicht  so  vorgeht,  so  ist  derselbe  genötigt, 
den  fehlenden  Lehrstoff  allein  nachzaholen.  Die  alte  Vorschrift  erscheint 
demnach  als  zweckentsprechender,  denn  nach  derselben  ei^&nzt  der 
Unterricht  in  der  Vaterlandskande  jenen  der  Neazeit  and  eilt  diesem 
nicht  voraas.  Es  gewftbrt  die  jetzt  bestehende  Eiorichtang  wohl  eine 
Abwechslang,  aber  aach  eine  Zerstreanng. 

Hall  (Tirol).  P.  Adjat  Troger. 


Earl  Heinrich  Seibt,  der  erste  Universitätsprofessor  der  deatschen 
Sprache  in  Prag,  ein  ScbQler  Gelierte  and  Gottscheds.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Deotschanterricbts  in  Österreich  von  Prof.  Dr. 
Earl  Wotke.   Wien  1907.   Im  Selbstverlag.   174  SS. 

Die  vorliegende  Schrift  ist  ein  Sonderabdrack  aas  dem  IX.  Heft 
der  „Beiträge  aar  Osterr.  Erziehangs-  and  Schalgeschichte **,  heraasgeg. 
von  der  Osterr.  Gruppe  der  Gesellschaft  fftr.  deotsche  Erziehangs-  nod 
Scholgeschiehte.  Der  gelehrte  Verf.  der  Geschichte  des  Osterr.  Gjmnasioms 
onter  Maria  Theresia  (Berlin  1905)  hat  sieh  mit  K.  H.  Seibt  als  Direktor 
der  Gymnasien  Böhmens  (1775— 1801)  bereits  im  VL  Hefte  der  genannten 
Beiträge  S.  198--240  beschäftigt  Dort  steht  aach  das  Urteil  aas  den 
Analeeta  historica  de  scholis  Pragae  (Prag  1830),  das  Seibts  Bedeatang 
als  Lehrer  des  Deatschen  and  der  Philosophie  ebenso  bündig  als  treffend 
würdigt:  „Debet  Uli  Bohemia  nofi  sermonis  tantum  theodisei  et 
stylt  maturiarem  cultum,  sed  progressus  guoque  mtilto  acceleratiores 
in  sensu  humanitatis  et  sapientiae  verae  exeolendo^  nw 
paucos  praeterea  viros  ad  munia  publica  rite  obeunda  praedare 
if^stitutos''. 

Der  Darstellung  dieser  dreifachen  Wirksamkeit  Seibts,  Pflege  des 
deatschen  Ansdrocks  and  Stils,  Hebung  des  Studiums  der  Philosophie 
und  insbesondere  der  Moral  und  dadurch  Ausrüstung  der  Anwärter  auf 
Öffentliche  Ämter  mit  der  nötigen  philosophischen  und  rhetorischen  Bil* 
dang,  ist  die  vorliegende  Schrift  Wotket  gewidmet.  IMese  pädagogisch- 
didaktische Tätigkeit  Seibts  liegt  vor  jener  mehr  überwachenden  ond 
verwaltenden;  sie  fällt  in  die  Jahre  1764<-17e5  nnd  spielt  sich  an  der 
Prager  Universität  ab. 


K,  WotJce,  Karl  Heinrich  Seibt,  aog.  y.  K,  F,  Kummer.         277 

Karl  Heinridi  Seibt  ans  Schlesien  (1785—1805),  ein  Schüler  Gelierte, 
wurde  von  Maria  Theresia  im  J.  1763  lam  ordentlichen  Professor  der 
KhOnen  Wissenschaften  und  gelehrten  Historie  in  Prag  ernannt  nnd 
begtDD  1764  daselbst  seine  Lehrtätigkeit;  1775  mnftte  er  seine  Vor- 
lenmgen  fiber  Moral  einstellen;  ftber  Ästhetik  las  er  noch  bis  1785,  in 
welchem  Jahre  er  won  Kaiser  Josef  IL  in  Anerkennnng  seiner  Verdienste 
um  Ansbreitnng  der  deutschen  Sprache  in  den  gebildeten  Kreisen  des 
deutschen  Volkes  in  den  Bitterstand  erhoben  wnrde  nnd  seine  Lehrkaniel 
aa  Ang.  Qottl.  Meißner  abtrat;  Tgl.  Nagl-Zeidler,  Dentseh-Osterr.  Lit.- 
Gesch.  U  358— S61. 

Seibt  begann  seine  LehrtAtigkeit  1764  mit  einer  Antrittsrede  „Von 
dem  Einflösse  der  schönen  Wissenschaften  anf  die  Aasbildnng  des 
Verstandes  nsw.*  nnd  verband  damit  einen  „Qmndriß  in  seinen  aka- 
denisehen  Vorlesungen,  in  wier  EoUegia  abgeteilt",  der  eigentlich  achon 
dis  ganse  Gebiet  umfaßt,  ttber  das  er  sich  werbreiten  wollte.  Es  ist  ein 
weites  Qebiet,  in  dessen  Bearbeitung  sich  heute  mehrere  Ordinarii  und 
ExtraordinarJiy  wohl  auch  Doienten  teilen  würden;  es  umfaßt:  allgemeine 
Ästhetik,  Poetik,  allgemeine  nnd  deutsche  Literatorgeschichte,  allgemeine 
and  Gelehrtengeschiehte,  Rhetorik  nnd  Stilistik,  praktische  Sittenlehre. 
Das  Hanptkolleg,  in  dem  die  Theorie  mit  der  Praxis  rerbunden  werden 
loIJte,  war  das  iweite,  daa  die  Redekunst  und  Tortflglich  die  deutsehe 
Beredsamkeit  mm  Qegenstande  hatte.  Die  Abhandlung  'Von  dem  Nutzen 
der  Moral  in  der  Beredsamkeit  usw.'  leitet  die  im  J.  1767  begonnenen 
Vorlesungen  ftber  Moral  ein,  nach  obigem  Programm  das  vierte  Kolleg.  Der 
»chlechte  Erfolg  der  praktischen  Übungen  in  den  Tomehmsten  Arten  der 
Beredsamkeit  (Grundriß,  zweiter  Abschnitt  d)  rechtfertigte  Seibts  Idee, 
darch  das  Studium  der  Moral  den  HOrern  sunftchst  richtige  Gedanken 
beisabrittgen.  Mit  der  Abhandlung  „Von  dem  Unterschiede  des  sier- 
liehen,  des  Hof-  und  Gurialstyls**  lud  Seibt  1878  lu  seinem  Prak- 
tikum über  deutsche  Schreibart  ein.  Namentlich  durch  die  hier  ?eran- 
Btalteten  Übungen  hat  er  sich  jenes  Lob  des  sich  hinter  den  Bochstaben 
C.  K.  Yerbergenden  Verfassers  der  Analecta  historica  de  seholis  Pragae 
verdient,  er  habe  nicht  wenige  junge  Leute  Torxüglich  darauf  Torbereitet, 
^entliehe  Stellen  in  gehöriger  Weise  zu  bekleiden. 

Diese  drei  Abhandlungen  hat  Dr.  Wotke  im  ersten  Teile  seiner 
Schrift  nicht  bloß  wollst&ndig  abgedruckt,  sondern  auch  mit  wertwoUen 
Ehilsitongen  wersehen,  in  denen  namentlich  Seibts  Abhängigkeit  von 
•eisern  Meister  Geliert,  aber  aach  wen  Gottsched,  ferner  sein  Verhiltnis 
IS  BoUin,  zu  Battenz,  zu  den  älteren  (J.  A.  und  J.  E.)  Schlegel  zur  Er- 
örterung kommt  und  mit  so  manchen  feinen  Bemerkungen  begleitet  wird. 
Ich  erinnere  beispielsweise  an  den  Exkurs  zu  III  ftber  die  'zierliche 
Schreibart'  nnd  damit  im  Zusammenhange  ftber  die  aus  archiTalischen 
Qsellen  des  k.  k.  Ministeriums  fftr  Kultus  und  Unterricht  geschöpfte 
Oesebichle  des  Deutechunterrichti  in  Österreich  (S.  76—85  und  8.  168— 
174).  Über  Gelierte  Bedeutung  ffir  die  methodische  Ausbildung  des 
^stoehen  Stils  in  Österreich  werden  wir  erst  durch  diese  Schrift  Wotkes 
naddieSeibtschen  Abhandlungen  vOUig  aofgekl&rt  und  wird  daraus  Matthias, 


278         K.  Wotke,  Km\  Heiorich  Seibt,  «ng.  ?.  Jf.  2^^.  Kummer. 


'Gesehicbte  dei  deaUchen   UnterrichU'  (MQucheii  1907}  in  den  G0II4 
geiridmatetr  Partien^  fDibetonder«  S.  155  f.,  teinameit  %u  er^inxen  tij 

Von  den  drd  AbhftQdlangan  dQrfte  nAmeQtUcb  die  Ilt  dir  1] 
gfenieioee  iBteresie  be&OfpTQcben  wegen  de?  treffliebeu  CbanLkteriitilfd 
BOgeDaniiteit  lierlicben  Bcbreibart,  dei  DatQrlicbeD  Bnefstili  tjodVd^ilfia 
und  Karialetili^  der  zwar  auf  jenem  bernbt,  aber  nach  den  TerseblidtDi 
VerhÄltninien  der  PerBooen  *  die  uebreibeu  und  an  die  geicbrieb^o  tir 
nach  «ei Dem  Inhalt  und  meiner  Abaiebt  bestimmt  ifird.  Die  ßeiipie 
{Lndnde  teilt  einer  Freundin  den  Tod  ihres  Man  nee  in  der  Scblaelit  m 
and  richtet  an  die  Kaieerin  ein  Gnadfin^etucb;  Fabndci  an  ttn\ 
PjrrbtlBi  PJinine  an  K,  Trajan;  ein  Geencb  um  KacblaÖ  too  Erbiehilt 
t^axen)  eolten  zeigen,  daß  aaeb  im  Geichäftü^til  eine  natarticbe  Scbnil 
weiie  angewendet  Verden  könnet  zeigen  aber  ancb  ungleich,  dat,  vi 
jenem  Meister  des  StiU  im  XVIII,  Jahrhundert  einfach  und  natürlü 
erschien,  nni  immer  noch  den  Eindrock  einet  gewiiien  SchvalBtet mich 

Während  die  drei  er wäbnten  Abband! oiigen  f oll etänd ig  ab^edfiid 
dndi  begnügt  sieb  der  Verf.^  im  aireiten  Teile  aemer  ächrift,  'Seiht  ali  pml 
tiseher  8tillebrer',  drei  Bacher  Seibti  die  Proben  seiner  akademischee^  wi 
würden  eagen  eeminanitiecben  Obongen,  entbalten^  nur  zu  cbarakteiiiifnn 
ynd  Seibts Lehrgang darsnlegen.  Es  iind  dies  die'AkademiBcben  VorUbunffl 
^lT69Ji  'Von  den  i^ülfsmitteln  einer  guten  denüichen  Schreihart*  i\l*^ 
und  'Akademiacbe  Blnmenleie*  (1734)^  drei  bente  schon  aelten  gewotdm 
BQcber,  die  ebenso  wie  die  S.  169  erwähnten  ältesten  dentscbei  Utt' 
büeber  Österreichs  ven  Mich^  Denis  nnd  Gratian  Marx  rerdienteti*  in  ^^l 
Monum.  paed,  einmal  in  ihrem  ganten  Umfang  abged rockt  kq  v«H«l 
Nur  die  Einleitung  der  s weiten  Schrift  'Von  den  Hülfsmitteln  M 
iruten  deutseben  Schieibart'  ist  follst&ndig  wiedergegeben  (S.  14$— 15^1 
Seibt  bat  steh  in  den  prakti sehen  Übungen  nicht  auf  Briefe  bescbrifiki 
sondern  dieselben  Stil gattnn gen .  die  beate  an  der  MitttUebtiie  |f^ 
werden,  also  ancb  den  Tergleicb,  den  Dialoge  die  EriählDOg,  die  Si^ 
dernngt  die  Cbarakteristikt  die  Übersettang,  die  Abbandlung  mit  i^^ 
UniTersitfitfibdrern  bearbeitet  Er  ist  von  Verbesserungen  febiirhlft« 
Ansirbeitungen  ausgegangen  1  er  hat  an  Scbüleratbeiten  Kritik  gefittt  viK 
wechselseitige  Kritik  feranlaßt,  er  hat  in  der  Art  des  Fort  seh  reltifil  ^ 
atrenger  Gebundenheit  an  das  Tfaema  bis  la  f  t^Uig  freier  Wahl  dfi^ 
einwandfreien  mathodiicben  We^  eingeschlagen.  Indem  er  in  jeder  ^4 
drei  iachriften  Aösarbeitnngen  seiner  Schüler,  und  xwar  so,  wie  sie  »' 
ihren  Händen  bervorgegangen  waren ^  veröffentlichte ,  bat  er  sDi  fOt* 
Gründen,  die  er  iii  der  Einleitung  zu  III  (S*  158  t)  entwickelt«  ein  ^^ 
fahren  befolgt*  das  mehrfach^  mietet  hei  Gejer,  'Der  deutsche  luS»^ 
(München  I90€i  im  Anhang  'Neun  AbitnrientenaufsätEe  über  dmi  Tbfflii 
«Da£  Gesets  nnr  kann  n&a  Freiheit  gehen*^  (Goethe/  KachaluniiBf  l< 
fanden  bat. 

Der  rübrige  Sekretär  der  Osterr  Gruppe  de?  Gesellschaft  für  dedtK^ 
ErEiebungt^  und  Schulgescbicbte  bat  aicb  durch  die  hier  knrt  gewürdifl 
Schrift  ein  neuerliches  Verdienst  nm  die  Geschiobte  de«  fateriliidii«^< 
Unterrlehtsweiens  erworben. 

Dr,  K.  F.  Enml 


Vierte  Abteilung, 

MiszeUen. 


Literarische  MiszelleQ. 

^gefaßte  Qnecbische  Schulgrammatik  Dach  Curtius- 
Hart  eis  Scbulgrammatik  bearbeitet  foo  Dr.  Florian  WeigeL 
Vieo,  F.  Tetopaky;  Leipiig,  G.  Freytaif  1907.  162  SS- 
Di«  vorliege  ade  «Earxgefaüte  Griecbische  Sebttl  gram  m  all  k*^  ist  eine 
"ige  der  von  mit  m  Jabrg.  1906,  S,  427  L  Engeseigt«»  „Eara- 
I  Ausgabe"  der  Grammatik  von  CuFtms-f,  Bartd«  Ton  der  m 
E^  la^Ufteblich  dorcb  nach  größere  BescbräokaD^  des  Stofi^ei  (162  S3. 
%tM  1 16)  nüterscbeidel  Dieae  EiDaebrAnkang  ist  teils  dureh  Weglasseiig 
litlc«r  Puagrapbe,  teils  durch  Kürsaag  der  fraheran  Fassung  erzielt. 
^^^OAndj^  vagg&U«B@ii  iit  das  Vd.  Kapitel  *  welchem  die  Wortbildang^ 
Ifif^ft^liatidcll  (§§  185^140),  die  g§  152—155,  1^7,  welche  inr  Lehre 
'^oiioiiilti&  gehOfen,  204,  der  eine  Tabelle  inr  f,ÜbersLcbt  über 
^  «ktion  der  Hauptsätze**  enthält^  Die  Paragrapbe,  welche  in 
^ F&if üDg  encheinen,  einselti  aofzaiähleu,  schtiüt  mir  Dicht  not- 
B|f.  our  eofiel  sei  hemerkt,  daß  dieie  Kür^augen,  wenn  man  Ton 
indpnnkte  ansj^eht,  nar  „liie  wicbtigEiten  grammatacben  Tatsachen 
itr  und  btiodiger  Fonn  ohne  betGiiderej  wisfienacbartlicbea  Beiwerk" 
lleiU  itu  aligeiDeineD  li^ebilligt  werden  können.  GelegeDtlich  eracbei- 
Zuaitie  Terdienen  gleichfalls  unaere  Billigaijg  (TgK  z.  B*  g  127, 
fij,  10 wie  ancb  suerkeDnend  beTvorgehobeu  werden  mnfii  daß  an 
i  wsnigeci  Steilen  durch  tlberstlcbtlicbere  Grappierung  und  namentlich 
nk  k^maeqnente  Anwendting  fetter  Lettern  ein  aicbtlicber  Fortschritt 
Hell  wordcirii  iet.  Die  Anordnnng  des  Stoffes  bat  nnr  dadurch  einep 
^r^feni  iw^ckentspreehende  Abauderung  erfahren^  daß  jet£t  auf  die 
jgioa  der  etrba  non  em^tracta  in  d^n  Formen  dei  PrasensstammeB" 
B)  idmittelbar  die  der  ^verba  cmitructa^  folgt, 
V  Za  wHiticben  int  nar^  daß  künftige  Neoanflagen  keine  durchgreifenden 
niadiraDgeD  erfahren,  damit  ältere  Auflagen  daneben  obne  Anataud 
bt  wtrdeu  kdnneo. 


280  Miszellen. 

Dr.  Heinrich  Wolf,  Die  Beligion  der  alten  Griechen.  GüUn- 
loh,  Bertelsmann  1906  (Gymnasial -Bibliothek,  41.  Heft>  108  SS. 
Preis  l  Mk.  50  Pf. 

Verf.  behandelt  die  mftchtigste  nnd  bedeatnngsYollste  Tatsache  des 
griechischen  Geisteslebens,  soweit  sie  im  Rahmen  der  Gymoasiallektflre 
liegt.  In  der  Einleitung  „Die  lentrale  Bedeutung  der  Beligion"  wird  der 
äatz  aosgefflhrt:  «Die  Beligion  ist  die  Wurzel,  ans  der  sieh  alle  Zweige 
des  griechischen  Kultur-  und  Geisteslebens  entwickelt  haben**.  Abschnitt 
A  Die  Gotter  behandelt  im  Anschlüsse  an  üseners  Buch  «GötterDameD" : 
Augen blicksgOtter,  SondergOtter,  persönliche  Götter,  LichtgOtter  ond  Zeni- 
religion.  Abschnitt  B:  Beligion  nnd  Mythus,  Sage,  Dichtung  stellt  d&s 
Verhältnis  der  Sage,  der  Dichter:  Homer,  Hesiod,  der  attischen  Tragiker 
lar  Beligion  dar.  „Alle  Helden  der  alten  Sage  sind  ursprftnglich  Götter 
gewesen",  heißt  es  richtig  8.  20.  Ein  Anhang  8.  58  f.  ist  der  Stellaog 
des  Herodot  und  Thukydides  lur  Beligion  gewidmet.  Im  Abschnitt  C: 
Beligion,  Koltos  und  Theologie  erfahren  wir  Nftheres  Aber:  Opfer,  Gebet, 
Tempel,  Feste,  über  die  eleusinischen  Mysterien  usw.  Es  wird  geieigt. 
daß  der  Gottesdienst  der  Griechen  ein  durchaus  heiterer  war.  Sehr  be- 
lehrend ist  der  Abschnitt  D  „Beligion  und  Philosophie**,  in  dem  die 
Ältesten  Philosophen,  Pythagoras,  Plato,  dessen  Philosophie  als  BeUgion 
beseichnet  wird,  der  Materialismus  und  die  Stoiker  besprochen  werden. 

Es  verdient  alle  Anerkennung,  daß  der  Verf.  nicht  nach  alther- 
gebrachter Weise  bloß  eine  Beiha  von  GOtternamen  aufzählte  und  diese 
behandelte,  sondern  die  Beligion  als  etwas  fortwährend  Werdendes  tod 
der  untersten  Stufe  bis  xur  Hohe  des  religiösen  Denkens  dannsteUen 
▼ersuchte.  Wert?oll  ist  dieser  Versuch  auch  deshalb,  weil  er  im  Anschloß 
an  den  Unterricht  entstanden  ist.  MOge  kein  Lehrer  des  Griechischen  es 
▼erabs&umen,  selbst  das  Buch  zu  lesen  und  den  Schfllem  der  obersten 
Klassen  angelegentlich  zu  empfehlen. 

Wien.  Dr.  Johann  Oehler. 


Prof.  Dr.  Georg  Dabislav  und  Paul  Book,  Französisehes 

Übungsbuch.  Ausgabe  A  und  B.  FAr  Sekunda  nnd  Prima  der 
Gymnasien  sowie  ffir  Obertertia,  Sekunda  und  Prima  der  Bealgym- 
nasien.  Mit  einer  Karte  von  Frankreich.  Berlin,  Weidmannsefae 
Buchhandlung.    Preis  2  Mk.,  60  Pfg. 

Der  äußerst  reichhaltige,  182  Seiten  umfassende  Obnngsstoff  des 
vorliegenden  Buches  ist  so  gegliedert,  daß  die  einseinen  Lektionen  fsst 
alle  in  4  Teile  (A,  B,  C,  D)  zerfallen.  A  enthält  gewöhnlich  ein 
französisches  Lesestfick,  das  die  zu  erlernenden  Begeln  zu  mOghchst 
reicher  Anschaaung  bringt,  während  in  B  Exercices,  d.  h.  französische 
Übungen  Ober  den  in  A  Termittelten  Stoff  geboten  werden.  Unter 
G  folgen  deutsche,  zom  Hin  übersetzen  bestimmte  Einseisätze  und  unter 
D  ein  demselben  Zwecke  gewidmetes  zusammenhängende«  StOck.  Am 
Schlüsse  der  größeren  Abschnitte  folgen  zusammenfassende  Einzels&tse 
und  wiederum  mehrere  zusammenhängende  Stücke.  —  Die  Auswahl  der 
syntaktischen  Kapitel  ist  der  Stufe  entsprechend  und  erstreckt  sich  des- 
halb hauptsächlich  auf  die  Bildung  der  zusammengesetzten  Zeiten  mit 
avoir  und  etre,  die  Bektion  der  Verba,  den  Gebrauch  des  tubjondiU 
des  infinitiff  der  participeSf  des  Artikels,  der  pronomSf  auf  die  Stellsng 
und  Steigerung  der  Adjektiva  und  auf  den  Gebrauch  der  Negatios. 
Lobend  sei  hervorgehoben,  daß  der  deutsche  Wortschatz  sich  oft  wieder- 
holt, so  daß  auch  schwächere  Schfller  aus  dem  Buche  Nutzen  ziehen 
können.  —  Die  Sprache  ist  nach  den  Stichproben,  die  der  Beferent  ge- 
macht hat,  korrekt.    Bei  einer  Neuzuflage  werden  wohl  auch  Wendungen 


Miszellen.  281 

wie  j,av€c  un  tempa  8%  admirable'^  (S.  45)  statt  ^par  un  iempa  si  ad- 
mirAle'  oder  Jemptreur  allemand  OuiUaume  ir*  (S.  99)  statt 
Jempereur  d*AUemagne  G  II*  richtig  gestellt  werden.  —  Den  Sehlaß 
des  Baches  bilden  Stoffe  za  Sprechfibongen  and  einige  Gedichte,  die 
msDcben  Lehrern  willkommen  sein  dfirften,  sowie  aasfAhrliche  Wörter- 
TOieichniflse.  Drack  und  Aasstattang  lasaen  nichts  la  wflnschen  flbrig. 
Der  Preis  ist  mißig. 

Wien.  M.  Bock. 


Josef  Wild,  Erklärender  Text  zu  der  Wandtafel  zur  Ver- 
aDSchaulicbung  geographischer  Grundbegriffe  in  Schulen 
und  als  Beigabe  zum  Anschauungsunterricht.  Dritter  ver- 
besserter Nendrack.    J.  F.  Schreiber,  Eßlingen  nnd  Mflnchen  1907. 

Die  Schreibersche  Wandtafel,  deren  verkleinerte  Nachbildang  dem 
Hefteben  beiliegt,  verfolgt  fibnliehe  Absichten,  wie  die  bei  ans  mehr 
reibreitete  HOlzelsche  Tafel  „Haoptformen  der  Erdoberfl&cbe*.  Sie  ist 
ebenso  wie  jene  ? on  jedem  Lehrer  leicht  xh  gebraachen ;  für  den  Lehrer 
iat  daher  der  Wildsche  Text  überflflssig.  Den  Schalern  aber  würde  ich 
üiD  nicht  in  die  Hftnde  geben.  Einige  Beispiele  werden  mich  jeder 
weiteren  Begründung  flberheben.  Es  heißt  aaf  S.  5.  ,,Nennet  Gegen- 
stiode  im  Sehnliimmer,  welche  eben  sind?  Antw.:  Die  Treppe  (!),  die 
Tacbplatte.  Ebenda:  n^^me  Gegend,  die  flberall  gleich  hoch  ist**«  --- 
ä  6.  «Eine  solch'  Ode,  nnbebaate  ebene  (1)  Gegend  nennt  man  kol- 
tarlose  Ebene  oder  Steppe."  Ebenda:  „Es  eibt  Ebenen  ? on  angehearer 
Ansdehnong,  welche  nar  nackte  Sandflächen  sind,  solche  Ebenen 
beißen  WOsten."  S.  7.  ^Breitet  sich  über  dem  stehenden  Wasser  ein 
iDKheinend  festes  mit  Pflanzen  bedecktes  Erdreich  ans,  so  heißt  es 
Moor.  Den  Boden  nennt  man  Moorboden."  S.  9.  „Sind  zwei  Land- 
massen  dareh  einen  schmalen  Landstreifen  ?erbaoden,  so  ist  es  (!)  eine 
LtDdenge."  S.  18.  „Je  nach  ihrer  Ansdehnnng  and  der  Anzahl 
der  Einwohner  nnterscheidet  man  Großstädte  und  Provinsstfidte*'. 
Ebenda:  „Der  einfachste  nnd  kürzeste  Verkehr  ist  der  mündliche  Aos- 
UQBch  gegenseitiger  Ansichten".  S.  14.  ,Eine  solche  nnter- 
irdiscbe,  dnreh  den  Berg  führende  Eisenbahn  heißt  dann  Tunnel  (!)". 
Deraitige  Beispiele  ließen  sich  aof  jeder  der  16  Seiten  fast  jeder  Zeile 
entaehmea;  indessen  aapUnii  sat*.  Das  Werkehen  ist  f&r  Volks-  und 
Bfirgersohnlen  approbiert. 

Wien.  B.  ImendOrffer. 


Job.  Rippel,  Grundlinien  der  Chemie  für  Oberrealschulen. 
I.  Teil:  Anorganische  Chemie.  Mit  72  Abbildungen  nnd  einer 
Spektraltafel  in  Farbendruck.  Wien,  Franz  Deoticke  1905.  266  SS.  8^. 
Preis  geh.  8  E,  geb.  3  K  50  h.  —  Mit  Erlaß  des  hohen  k.  k.  Mini- 
steriams  für  Kaltas  und  Unterriebt  vom  25.  Angust  1905,  Z.  30.503, 
allgemein  talässig  erklärt. 

Das  Bach  repräsentiert  sich  in  darchans  mnstergiltiger  Ansstattnng, 
unlaßt  259  Textseiten  mit  einer  stattlichen  Anzahl  von  Abbildongen  (72); 
das  gat  gearbeitete  alphabetische  Inhaltsverzeichnis  fQllt  7  Seiten.  Die 
b^gegebene  ^pektraltttfel  in  Farbendruck  ist  als  recht  sorgfältig  aas- 
^efQhirt  sn  bezeichnen. 

Binleitangsweise  wird  in  knappen  Zügen  eine  geschichtliche  Skizze 
gegeben,  die  anf  Grand  des  in  der  IV.  Klasse  erworbenen  Tatsachen- 


282  Hiiielleii. 

materiales  f&r  den  Schiller  gani  gnt  Tent&ndlicb  eneheint.  Daran  reiht 
sieh  die  anf  dae  Experiment  gegrflndete  Festlegung  der  chemiBchen  Onind- 
begriffe.  In  diesem  sowie  anch  im  epeiiellen  Teile  des  Bnehes  tritt  dem 
Leser  die  modernste  Anffassang  des  so  schonen  Wissensgebietes  entgegen. 
Dementsprechend  finden  anch  die  so  nngemein  wichtigen  Fortschritte 
der  Elektrochemie  sowie  die  ein  allgemeines  Interesse  beansprochenden 
Neuerungen  auf  den  wichtigsten  Gebieten  der  chemischen  Großindustrie 
eine  den  SchulYerh&ltnissen  angepaßte  Würdigung.  In  dieser  Richtung 
sowie  auch  in  Bezug  anf  die  eingestreuten  historischen  und  statistischen 
Angaben  sind  die  Österreichischen  Yerh&ltnisse  in  erster  Linie  berfiek- 
sichtigt  worden.  Die  genannten  wie  anch  biographische  Ausführungen 
wflnen  den  eigentlichen  Lernstoff  und  sind  doch  zugleich  auch  eine  weit- 
volle  Beigabe  n&r  die  Sache  an  sich.  Der  gedftchtnismftßig  festsuhaltende 
Unterrichtsstoff  ist  auf  jenes  Maß  beschränkt,  das  in  der  lugemesseoen 
Unterrichtszeit  ganz  wohl  zu  bewältigen  ist. 

Die  Abbildungen  sind  nicht  nur  zahlreich,  sondern  auch  durchwegs 
gut  und  sachgem&ß.  Die  Art  der  Darstellung  des  Stoffes  ist  sehr  kUr 
und  schon  zugleich,  aber  nicht  gar  so  knapp,  wie  dies  in  manchen  du 
nach  geringem  Umfang  strebenden  SchulbQchem  beliebt  wird.  Das  Ganze 
gemahnt  an  vielen  Stellen  an  einen  lebhaften,  guten  mQndlicben  Vortrag 
und  ist  nebenbei  recht  geeignet,  dem  durch  Krankheit  zeitweilig  am 
Schulbesuch  verhinderten  Schüler  das  Nachholen  des  Versäumten  so  gnt 
als  nur  immer  mOglich  zu  erleichtem. 

Diese  Art  der  Darstellung,  die  zahlreichen  guten  Illustrationen 
sowie  die  oftmalige  Anwendung  ausladender  Strukturformeln  bewirken 
den  etwas  größeren  Umfang  des  Lehrbuches,  keineswegs  aber  hat  daran 
schuld  die  eigentliche  Lernstoffmenge,  die  über  das  im  Noimallehrplane 
und  in  den  dazu  gehörigen  Instruktionen  Geforderte  nirgends  hinausgeht. 

Bef.  steht  nicht  an,  die  vorliegenden  «Grundlinien"  zu  den  besten 
Lehrbehelfen  zu  zählen,  über  die  die  heimische  Schulbücherliterator  der- 
malen verfügt. 

Wien.  Job.  A.  Kall 


ScbattenkODStruktionen.  Von  J.  Vonderlin,  Professor  in  Breilaa. 
Mit  114  Figuren.  118  SS.  Leipzig  1904,  Sammlung  GOscben. 
Preis  80  Pf. 

Mit  großem  Geschicke  führt  der  Verfasser  den  Leser  von  den  ein- 
fachsten Fällen  der  Beleuchtung  der  Punkte  und  Geraden  über  die  be- 
treffenden Probleme  an  ebenen  Figuren,  an  Polyedern,  Prismen,  Pyramiden 
und  an  den  elementaren  krummen  Oberflächen  bis  zur  Beleuchtung  der 
Rotationsflächen,  der  Schrauben-Linien  und  -Flächen  und  einer  BOhren- 
fläche.  Als  Projektionsart  dient  zumeist  das  Grund-  und  Aufrißver* 
fahren  mit  Bildachse.  Schon  die  Tatsache,  daß  es  dem  Verl  gelang, 
diesen  riesigen  Stoff  auf  118  kleinen  Seiten  fast  durchaus  sehr  verstind- 
lieh  zu  erledigen,  verdient  unsere  Anerkennung  und  läßt  uns  hinwegsehen 
über  manche  sprachliche  und  sachliche  Härte. 

Von  zwei  aufeinander  normal  stehenden  Ebenen  sagt  man  nicht, 
daß  sie  „in  einem  rechten  Winkel  geneigt**  seien  (S.  5).  In  der  Figur 
54,  S.  55,  geht  die  Gerade  a  6  selbst  schon  durch  den  Scheitel  7  der 
kleinen  Achse.  Durch  den  Bogen  5  a,  der  60^  spannt,  wird  der  Pankt  a 
einfach  gefunden.  Der  Beweis  für  diese  Konstruktion  kann  hier  nicht 
erbracht  werden. 

Die  Bezeichnung  der  Figuren  ist  konsequent,  wenn  anch  etwas 
überraschend.    Das  Büchlein  sei  empfohlen. 

Wien.  B.  Snppantschitsch. 


Miszellen.  283 

Unsere  Vorzeit  III.  Germanische  Volkssagen.  Erzfthlt  ffir  Jagend 
Qiid  Hans  von  Dn  J.  Not  er  und  J.  Wftgner  a.  a.  2.  fermehrte 
und  ferbeeeerte  Auflage.  Mit  48  AbbildangeD.  Leipzig,  0.  Spanier 
1907.  524  S8. 

Die  vorliegende  zweite  Auflage  des  dritten  Bandes  der  bekannten 
Sagensammlnng  onterecheidet  eich  nicbt  nnwesentlich  von  der  ersten, 
nniehst  schon  hinsichtlich  des  Inhaltes.  Ansgesebieden  ist  die  Sage  ? on 
Beiseke  Fachs,  dagegen  sind  nea  aufgenommen  worden  die  Sagen  «Ritter 
Samson*,  .Wilhelm  Ton  Orange**,  «Biobin  Hood**,  „Die  Märe  vom  Peik", 
«Der  Bflbensagel**  (warum  nicht  lieber  die  schon  einmal  ein^ebttrgerte, 
venu  auch  anfechtbare  Namensform  «Rabezahl **?),  , Heinrich  der  Vogler**. 

Diese  nea  hinzugekommenen  Sagen  zeigen  im  allgemeinen  eine 
recht  ansiehende,  schlichte  und  Tolkstfimlich- verständliche  Darstellung, 
■nd  in  dieser  Besiehung  haben  auch  die  Nummern,  welche  bereits  zum 
Bwtande  der  früheren  Auflage  gehörten,  Verbesserungen  erfahren.  Ins- 
besondere gilt  dies  auch  fflr  die  eingestreuten  sagengeschichtlich-kritischen 
£xkiine,  <Üe  vielfach  in  sehArferer  Fassung  als  frflher  entgegentreten. 
Auch  haben  manche  Sagen  recht  erwdnschte  Ergänzungen  und  damit  die 
nötige  Abruodung  erhalten. 

Schliel^lich  mag  nicht  onerw&bnt  bleiben,  daß  Aasstattang  und 
Bilderschmack  des  Buches  gleichfalls  einen  erheblichen  Fortschritt  gegen- 
über der  ersten  Auflage  erkennen  lassen. 

Mies  L  B.  Adolf  Hausenblas. 


unsere  Jungs«  Geschichten  aus  der  Stadt  Bremen  von  F.  Gansberg 
and  H.  Eildermann.  Mit  Buchschmuck  von  Tb.  Herrmann. 
Herausgegeben  vom  Bremer  Jogendschriftenaasschuß.  Leipzig-Berlin, 
Teubner  1906.   109  SS.  Preis  geb.  1  Mk.  50  Pf. 

Das  Bach  soll  mit  seinen  dem  Leben  abgelauschten  Geschichten 
ftlle  zarten  Saiten  der  kindlichen  Seele  anklingen  lassen  und  so  dazu 
beitrsgen,  der  Jugend  ihre  Welt  lieb  und  wert  zu  machen.  Ohne  Zweifel 
iit  mit  dem  Bnche  dieses  Ziel  voll  erreicht  worden ;  denn  inhaltlich  be- 
f&isen  lieh  diese  Geschichten,  die  auf  Markt  und  Straße,  im  Wohnhans, 
Magazin  und  Eontor  sich  abspielen,  nicht  mit  Qbertriebenen ,  losen 
ätrdeben,  die  übermQtige  Jangen  anderen  antan,  sondern  mit  bald 
beiteren,  bald  ernsteren  Vorfällen,  die  im  Leben  der  Jagend  vorkommen 
kfinsen,  daher  ihr  F&blen  und  Denken  umsomehr  beschäftigen  sollen.  In 
<ier  ersten  £rzählung  durfte  an  der  etwas  stOrmiscben  Neigung  des 
kleinen  Heini  sum  Zirkusmädchen  Lore  kaum  ernstlicher  Anstoß  zu 
ncbmen  sein.  —  Ist  auch  das  ganze  Kolorit  des  Buches  mehr  fflr  die 
alte  Weserstadt  berechnet,  so  werden  die  Erzählungen  doch  auch  die 
J^end  anderer  deutscher  Städte  fesseln.  Lokalausdrflcke  wie  Babbler, 
ScUiekerei,  ein  Stflek  Klaben,  es  kiOterte,  die  schrubbende  Reinmache- 
fru  Qsw.  werden  auch  die  Kinder  anderer  Gegenden,  wo  diese  Ausdrucke 
misder  gelänfig  sind,  sich  aus  dem  flbrigen  Inhalte  beiläufig  zurechtlegen. 
Im  Interesse  der  Stilbildang  wäre  es  aber  geraten  und  ohne  ärgere  Ver- 
ietxong  der  lokalen  Redeweise  auch  mOglich  gewesen,  Fügungen  wie:  Du 
wüst  noch  einen  Weg  aasgehen  (S.  20),  ich  hatte  mich  erschrocken  (S.  21), 
wie  kommt  ihr  dabei?  (st.  dazu,  S.  33),  wenn  er  vor  Angst  nur  nicht 
icboB  tot  gegangen  ist  (S.  26),  er  faßte  seinem  Vater  um  (S.  37)  usw. 
is  korrektem  Deutsch  wiederzugeben. 

Wien.  Franz  Kunz. 


284  ProgrammenscbaD. 

Program  mensch  au. 

5.  G.  H.  Diener,  Lord  Byrons  Pessimismas.  Progr.  dea  Kom- 
manal-Obergymn.  in  Bregenz  1905.    14  SS. 

Der  Verf.  geht  von  der  Behauptung  ans,  daß  der  PesaimisniDs 
Bjrona  nicht  erst  ?on  der  Zerttörang  seines  ehelichen  Glückes  datiert, 
sondern  daß  er  sich  schon  vorher  entwickelt  hat.  Es  gelingt  ihm,  über- 
zengend  nachzuweisen,  daß  die  bitteren  Erfahrungen  seiner  Kindheit  nnd 
seiner  Jogend  den  Dichterlord  za  der  pessimistischen  Anschanan^r  ge- 
trieben haben,  die  alle  seine  Werke,  insbesondere  aber  seinen  „Don  Juan- 
erfflUt.  Nicht  zastimmen  kann  ich  dem  Verf. ,  wenn  er  sagt,  daß  Byron 
sogar  Momente  habe,  wo  er  an  der  Existenz  der  Seele  zweifle.  Er  ffihrt, 
um  dies  za  erhftrten,  folgendes  Zitat  aas  Don  Jaan,  VI  22,  an:  „Es  ist 
mirnnklar,  was,  wo  nnd  wie  Geist  ist  und  Seele,—  hol*  sie  der  Teufel!' 
Die  Stelle  heißt  im  Original: 

Änd  I  can  give  my  whole  soul  up  to  mind; 
Though  what  is  soid  or  mind,  their  birth  or  growth, 
Is  more  than  I  knoto  —  the  deuce  iake  them  hoth. 

In  diesem  Zusammenhange  ist  es  klar,  daß  Don  Jnan,  hinter  dem 
sich  nat&rlich  Bjron  verbirgt,  seine  Unwissenheit  in  Bezug  auf  das  Wesen 
von  Seele  nnd  Geist,  aber  durchaus  nicht  einen  Zweifel  an  der  Existens 
der  Seele  ausspricht  Sagt  doch  der  Verf.  selbst  S.  12 :  „Innerlidi  war  er 
vom  Vorhandensein  eines  Jenseits  jederzeit  überzeugt.*^  Aach  nimmt  er 
den  Dichter  gegen  den  Vorwarf  des  Atheismus  in  Schati,  indem  er  sagt, 
daß  Byron  zwar  im  Lanfe  der  Jahre  aus  einem  arglosen  Glftubigeu  ein 
starker  Skeptiker  geworden  sei,  daß  aber  sein  Skeptizismus  mehr  io 
seinen  Werken  zum  Ausdruck  komme,  als  in  seiner  Oberzeagung  wusle. 

Diese  Arbeit  wird  auch  weitere  Kreise  veranlassen ,  den  auf  der 
einen  Seite  vergötterten,  auf  der  anderen  viel  geschmähten  Dichter  Bjron 
gerecht  zo  beurteilen. 

Wien.  Dr.  Joh.  Ellinger. 


6.  Dr.  Jaroslav  gtastny,  Thrakov6.  (Die  Thraker.  Eine 
Probe  aus  der  Schrift :  Geschichte  Makedoniens  im  Alter- 
tum. II.  Teil:  Ethnographische  Probleme.  Progr.  desk.  k. 
böbm.  Gymnasiums  in  Prag  (2itnä  ulice).  1905.    18  SS. 

In  dieser  kurzen  Abhandlung  (6  SS.)  sucht  der  Verf.  festzustellen, 
was  man  in  der  homerischen  Zeit  über  die  Sitze  und  Verbreitung  der 
Thraker  wußte.  Seine  Ergebnisse  faßt  er  in  folgenden  vier  Sfttzen  in- 
sammen:  1.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  homerischen  Sftnger  bereits 
die  Thraker  in  dem  apftteren  Bithynien  kennen.  2.  Die  Inseln  Samothiake, 
Lemnos,  Thasos  sind  zur  Zeit  Homers  teils  von  Thrakern,  teils  von  deo 
erst  sp&ter  eingewanderten  Tyrsenern  bewohnt.  8.  Der  Name  Thraker 
bezeichnet  bei  Homer  ursprünglich  nur  den  aaf  der  Gheraones  wohnenden 
Stamm.  4.  Anderseits  dient  schon  bei  Homer  dieselbe  Benennung  sor 
Bezeichnung  der  nördlichen  Stämme  des  späteren  Thrakiens. 

Die  Arbeit  ist,  wie  schon  angedeutet,  eine  Probe  ans  einer  Sehrift, 
die  der  Verf.  später  herauszugeben  beabsichtigt.  Deshalb  verwies  der 
Verf.  die  nähere  Begründung  seiner  Ansichten,  sowie  die  Kritik  der  be- 
treflfeoden  Literatur  erst  dorthin  —  gewiß  nicht  ganz  mit  Recht.  Das 
nähere  Eingehen  auf  die  vom  Verf.  vorgetragenen  Losungen  wäre  also 
vorzeitig. 


ProgrammeDBchan.  28& 

Zofolge  der  gleich  anfangs,  8.  3,  gegebenen  Dispoeition  glaubt 
jedoch  der  Bef.  bemerken  la  mflssen,  daß  ihm  der  vom  Verf.  eingetcUa- 
gese  Weg  nicht  der  richtige  la  sein  scheint.  FQr  die  LOiang  euinogra- 
gnphiseher  Probleme  dürfen  wir  nns  heate  nicht  mehr  auf  die  litera- 
mchen  Qaellenangaben  beschr&uken.  Die  Alten  wußten  von  der  Voneit 
weniger  als  wir  ond  konnten  dieselbe  nicht  richtig  beurteilen,  weil  ihnen 
Biebt  dasjenige  Material  ragebote  stand,  ftber  das  wir  heutintage  Ter- 
fBfen.  Heotsatage  darf  niemand  die  letzten  Ergebnisse  der  prfthisto- 
riKhen  Archäologie  and  der  vergleichenden  Sprachforschung  straflos  nn- 
betebtet  lassen.  Das  Resultat,  xu  dem  Ed.  Meyer  in  Betreff  der  Pelasger- 
fnge  gelangte,  konnte  nur  deshalb  auf  die  Dauer  nicht  standhalten,  weil 
er  das  Problem  ffir  ein  ausschließlich  literarhistorisches  ansah. 

Den  Ausgangspunkt  bei  derartigen  Fragen  mflssen  heute  die  letzten 
lotgrabungen ,  die  Resultate  der  prähistorischen  Archäologie,  wie  sie 
nieist  in  Sophue  Mftllers  Urgeschichte  Europas  (1905)  lusammengefaßt 
lisd,  sowie  P.  Kretschmers  Ergebnisse  bilden.  Nur  von  diesem  Stand- 
{Nukte  ans  kann  man  sowohl  die  Nachrichten  der  Alten  richtig  beurteilen, 
all  aoch  die  Forschung  wirklich  fördern. 

Kgl.  Weinberge.  Em.  Peroutka. 


7.  E.  Frind,    Die   geistige  Arbeit    des   Freihandzeichnens. 
Progr.  der  IL  k.  k.  Staats-Realscbule  im  II.  Bez.  Wiens  1904.  14  SS. 

Die  Abhandlung  kulminiert  in  dem  Satze,  daß  beim  Zeichnen  fol- 
gende Tätigkeiten  zu  erfttilen  sind:  „Erwerben  der  Scheineindrflcke,  Fort- 
l^teo  derselben  zu  den  form-  und  farbenempfänglichen  Nerven  im  6e- 
bine,  Verknöpfen  der  Eindrücke  mit  den  ?orhandenen  Vorstelluagsreihen, 
Leiten  der  zeichnerischen  Absicht  an  die  ausfahrende  Hand,  Erfassen  der 
GiAften-,  Form-  und  Farbenverhältnisse,  Verknflpfen  der  Erscheinungs- 
TasteUongen  mit  Ideen,  Berflcksichtignngen  der  in  Betracht  kommenden 
Gesetze.« 

Daß  anch  das  Zeichnen,  oder  greifen  wir  weiter  aus,  die  bildende 
KoBst  eine  geistige  Tätigkeit  inYolviert,  wird  niemand  bestreiten,  nur 
ist  das  Absorbieren  der  Erscheinungen  durch  das  Auge  erst  der  halbe 
Proidl,  wie  das  Notenlesen  in  der  Musik.  Der  weit  kompliziertere  Teil 
iit  die  Rflckaendung  der  Eindrflcke  durch  die  zeichnende  Hand  auf  die 
Ridie.  Der  Verf.  bespricht  in  sehr  eingehender  und  grflndlicher  Weise 
disse  «Arbeit* ,  geht  dann  auf  das  Gedächtniszeichnen  und  seine  Bedeu- 
hag  fflr  die  künttlerische  Komposition  Aber,  erörtert  die  Terschiedenen 
Heounungen,  durch  die  Lust-  und  Unlustgefuhle,  Fleiß  und  Trägheit  usw., 
wekhe  das  Gelingen  beeinflussen.  Fflr  die  Stärkung  des  Formengedächt' 
■issss  f&hrt  der  Yert  (als  Bollerschüler)  die  Gepflogenheiten  dieses  Kunst- 
lers  mit  dem  „Schejnzeichnen*  und  „ümdieeckezeichneu**  an  der  Kunst- 
g^werbeeehnle  des  Osterr.  Museums  an.  Diese  Methoden  können  freilich 
air  fftr  das  Allgemeine  der  Erscheinung  angewandt  werden,  nicht  aber, 
vom  es  sieb  um  ein  tiefergehendes  Naturstudium,  um  die  YoUendete 
teitleriaehe  Darstellung  handelt,  wo  das  unmittelbare  Vergleichen  der 
Kitar  mit  dem  Bilde,  die  rasche  Übertragung  des  Auges  zur  Bedingung 
viri.  Das  Pkücat  allein  darf  nicht  das  Endziel  des  Kunstunterrichtes  sein. 
Der  Yert  kommt  des  weiteren  auf  die  Beschränkung  der  Ausdrucks- 
■ittel  der  modernen  Kunst  lu  sprechen  und  preist  diese  mit  ihren  breiten, 
gochlosseneD  Tonmasaen  als  das  eigentliche  Ideal  der  Darstellung  in  Hin- 
Mht  dea  Großes,  Monumentalen.  Dem  Verf.  dürfte  bierin  Rodler  Tor- 
geschwebl  haben. 


286  Bemerkang. 

Er  gibt  wohl  so,  daft  dem  Anflnger  daa  Wiedergeben  der  Enchei- 
nang  in  einfacher  Weise  nicht  Bjmpathiich  iit,  weil  er  die  Ertcheinong 
nicht  so  sieht;  das  unterordnen  der  Detaiifonnen  muß  er  erst  allmih- 
lieh  lernen.  Damit  iat  wohl  eingestanden»  daß  der  Schüler  denn  doch 
TOD  der  naiven  Natnranschanang  erst  allmfthlich  lam  künstlerischen  „Weg- 
lassen**  enogen  werden  mnß  und  der  elementare  Zeichenanterricht  nicht 
mit  den  Thesen  der  großen  Knut  beginnen  darf. 

Wien.  Jos.  LangL 


Bemerkung. 

Zu  dem  Anfsatie  Professors  Arbes:  Methodisches  snr  wissenschaftlicheD 
Begrflndang  der  Additions-  und  hanptsftchlicb  der  Snbtraktionsgesetie  is 
der  y.  El.  des  Obergymnasiums,  beiw.  in  der  lY.  £1.  der  Beuschale^). 

Herr  Job.  Arbes  tritt  entschieden  für  die  Anschanlichkeit  in  der 
Begründang  der  Arithmetik  ein.  Deshalb  verdient  sein  Artikel  Be- 
achtung und  Anerkennnng.  Leider  unterlief  Seite  862  ein  logiicber 
Mißgriff,  der  durch  keine  didaktische  Bücksicht  gerechtfertigt  werden  kiDs. 
Die  Begründang  des  Satses  a  ss  (a  ±  &)  =F  &  gestfitst  auf  des 
Ansatz  a  ±:b^=(a  ±:b)  ist  mißlangen.  Sie  benOtigt  entweder implicite 
die  Sätxe  über  die  Sabtraktion  einer  Zahl  von  einer  Summe,  beaw.  die 
Addition  einer  Zahl  in  einer  Differenz  und  beide  Male  die  Einfthns^ 
der  Nnll  oder  den  Satz,  daß  die  Verminderung  einer  Summe  zweier 
Zahlen  um  eine  davon  die  andere  zum  Best  gibt,  und  einen  entsprechenden 
über  die  Differenz,  zwei  Sätze,  die  mit  dem  gesuchten  Theorem  identisch 
sind  und  deren  zweiter  außerdem  die  Subtraktion  definiert.  Im  ersten 
Falle  entsteht  ein  dartgov  n^oxBffovy  im  zweiten  ein  drculuB  vüiotoi. 
Der  Ansatz  a  —  h^ia  —  h)  ist  überhaupt  gleich  der  Tautologie:  die 
Differenz  ist  das  Besultat  der  Subtraktion. 

Die  bekannte  Sache*)  verb&lt  sieh  so. 

Die  Subtraktion  ist  formal  definiert  durch  die  Gleichung  5  -f  a;  =  Oi 
wo  a  und  h  gegeben  sind,  x  zu  suchen  ist.  Es  muß  zunächst  gezeigt 
werden,  daß  für  a  >  6  eine  und  nur  eine  solche  Zahl  x  existiert  Wir 
nennen  sie  (a  —  &).    Also  ist: 

6  +  (a  -  6)  =  a (1) 

und  wegen  der  Kommutativität  der  Addition: 

(a  —  6)  +  d  =  a,  .  . (2) 

der  zweite  Teil  des  Satzes. 

Man  weiß  femer,  daß  aus 

o-j-d=»a  +  V  .  .  .   .  5  =  6'  folgt (3) 

Dies  wird  indirekt  aus  der  Beziehung  a  =  a»  hz>V',  a  +  ^> 
^  +  5'  .  .   .  .  etc.  erkannt.    Die  Zahl  3/  =  (a  +  fr)  ~  &  ist  jetzt  oaeh 
der  Definition   (1)  jene  Zahl,  die  zu  h  addiert  a  +  ^  zum  Besultate  gibt 
Aber  aus: 

o  +  6  =  y  +  h 
folgt  nach  (8) 

der  erste  Teil  des  Satses. 

Die  einwandfreie  Begründung  der  Elemente  ist  so  schwierig,  diß 
sie  erst  bei  sehr  hoher  mathematischer  Bildung  und  nur  von  wenigen 
Köpfen  richtig  erfaßt  werden  kann.  Jeder  Versuch,  diese  Begründungen 
mit  der  didaktischen  Schere  für  unsere  Stufe  zuzuschneiden,  erzeugt  not- 


1)  Diese  Zeitschrift,  58.  Jahrg.,  S.  859. 

*)  Vergl.   etwa:    Stolz    und    Gmeiner,   Theoretische    Arithmetik« 
Leipzig  1900. 


Entgegnung.  287 

w0Ddig  MiogeL  Wo  aber  ist  der  Sehnitt  in  fUhren,  daft  er  erlmabte 
Mlogä  TOD  oneilaabien  trenne?  Ich  meine:  nnser  Gebäade  darf 
Lflekon  haben,  aber  keine  Fehler,  denn  jene  decken  wir  darch  die 
ÄBiehanang  in.  Der  Herr  Verf.  wird  mir  gewiß  gestatten,  daft  ich,  wie 
er  et  ulbit  in  anderen  Fftllen  mit  großem  Geschicke  tnt,  ancb  fftr  den 
Flu  (a  :t  b)  =F  b  s  a  anf  die  Zahlenlinie  Terweise. 

Wien.  B.  Suppantsehitseh. 


Erwiderung. 

Der  Herr  Kollega  spricht  Ton  einem  «logiscbem  Mißgriff,  der 
durch  keine  didaktische  Bflcksicbt  gerechtfertigt  werden  kann*.  Er  be- 
denkt aber  nicht,  daß  es  menschlich  ist,  sich  in  den  Gedanken  anderer 
nicht  immer  snrecht  so  finden,  was  ihm  auch  begegnet  ist.  Dann  finde 
ich  es  sehr  bedauerlich,  daß  Beferenten,  Tor  allem  solche,  welche  im 
Dienite  der  Wissenschaft  arbeiten,  nach  Schlagworten  fahnden,  um  etwa 
im  Schutse  dieser  Deckungen  instinktiT  empfundene  eigene  Schwftchen 
ufbauschend  umiuformen  in  scheinbar  feste  Stfltien. 

Zur  Aufhellung  des  nicht  Terstandenen  Teiles  meines  frflheren  Ar- 
tikels muß  ich  schon  etwas  ausfOhrlicher  sein,  sonst  konnten  wieder 
neue  onverstindlicbe  Stellen  auftauchen:  hat  man  die  Addition  natfir- 
lieher  Zahlen  im  Unterrichte  in  genttgender  Weise  erOrtert,  so  beginnt 
mto  mit  der  luTersion  der  Angabe  des  Addierens.  Beim  Addieren 
racht  man  die  Summe,  die  Summanden  sind  gegeben;  was  fttr  eine 
Beehnnng  taueht  aber  auf,  wenn  die  Summe  (lanftebst)  sweier  Zahlen  und 
einer  der  Summanden  gegeben  ist?  Die  FrM[e  und  die  betreffende 
Antwort  entspricht  folgenden  Gleichungen:  Wenn  a  +  b  =  c,  so  ist 
a  SS  c  —  b  (besw.  b  =s  c  •—  a).  Wegen  des  kommutatiTen  Prinsips  der 
Addition  fttbrt  diese  luTersion  nur  auf  eine  und  nicht  auf  iwei  Ter- 
lehiedene  Bechnungsweisen.  Im  Anschlüsse  daran  folgt  der  Begriff 
des  Subtrahierens  und  der  Sats  M  =  S-^D  und  andere  swei  Va- 
riationen nach  den  Grundsfttien  der  Gleichungen.  Schreibe  ich  nun 
s  -f  b  s=  (a  4-  b)  '  mit  (a  +  b)  beseicbnet  man  die  frflhere  Größe  c  — 
M  ist  nach  obigen  Definitionsgieiehungen  der  Subtraktion  a  als  Summand 
gleich  (a  +  b)  als  Summe  — -  b  d.  h.  a  s=  (a  4-  b)  —  b  .  .  (1).  Analog 
folgt  aus  a^b^ia  —  b),  daß  a  als  Minuend  =  b  (als  Subtrahend) 
-i-{a  —  b)  oder  a  =  (a  —  b)  -f  b  ...  (2).  Ich  meine,  die  Ableitung 
dieser  Sfttxe  1)  und  2)  ist  so  wunderbar  einfach  und  natflrlich,  daß  sie 
•ich  für  unsere  Schfller  sehr  empfiehlt,  wie  dies  auch  meine  Erfahrung 
bestittgt  Infolgedessen  sind  die  AusfQbrungen  des  Herrn  Kollegen  im 
2.  Abs.  seines  Artikels  wertlos. 

Anderseita  ist  die  Begründung  beider  Sfttse  durch  den  Herrn 
Kollegen  recht  schwerfUlig.  Die  Stilisierang  „Wir  nennen  sie  (a  —  b> 
AUo  ist"*  klingt  recht  despotitch  und  weniger  flherzengend.  Die  Schüler 
werden  sich  allerdings  bald  beruhigen,  weil  sie  einiges  aus  der  Tertia 
wissen;  sonst  w&rden  sie  etwa  fragen:  warum  nennen  wir  X  nicht 
anders,  s.  B.  2a  —  b  ?  Der  andere  Teil  wird  in  künstlicher  Art 
fflittebt  der  Gleichungen  a  +  b^^a  +  b'  und  y  =  (a  4-  b)  —  b,  besw. 
^'¥l{f'^+h)^b]=:  a  ^bso  umstftndlich  bewiesen,  daß  jeder  Lehrer 
diese  Beweiaart  xur  Freude  der  Schüler  gern  ablehnen  wird. 

Auf  8.  362  meines  Artikels  steht:  Die  Begründung  an  der  Zahlen- 
linie wird  jedenfalls  viele  (soll  heißen  „diese*")  Sätze  als  selbstver- 
ittndlich  erscheinen  lassen  (die  Geroldsche  Buebdruckerei  konnte  diesen 
Fehler  nicht  mehr  Terbessem,  obwohl  ich  darum  ersuchte);  damit  ent- 
fUlt  die  Schlußbemerkung  des  Herrn  Kollegen. 

Prag-Smiehow.  Job.  Arbes. 


288      Ehrung  des  Landesschulinspektora  Eduard  Kodera  in  Brflnn. 

EhruDg  des  Landessehulinspektors  Eduard  Kucera 

in  Brunn. 

Anlftßlich  des  60.  Gebnrtstagea  worde  dem  k.  k.  Landeuchnl- 
Inspektor  Eduard  Euöera  seitens  der  deatachen  Gymnasien  M&hreni  eine 
besondere  Ehrung  zuteil.  Die  Anregung  su  einer  Kandgebnng  war  Tom 
Direktor  Begiernngarat  Seysa-Inquart  aasgegangen  and  anter  allieiti^er 
Zastimmang  die  Überreichung  düBS  AlfoamrbescbloBsen  worden.  Direktor 
Bitter  ▼.  Reich enb ach  wurde  mit  der  Besorgang  der  erforderliehen  Vor- 
bereitangen  betraut.  Das  Überaas  vornehm  and  kanstvoU  ausgestattete 
Album,  das  die  Bilder  aller  deutschen  Gymnasial-LehrkOrper  Mährens  ent- 
h&lt,  worde  am  15.  März  1.  J.  dem  Jubilar  im  Sitzungssaale  der  mähiiMhen 
Statthalterei  feierlich  Qberreicht.  Diesem  Akte  wohnten  sämtliche  Direktorea 
sowie  zahlreiche  Vertreter  der  Lehrkörper  bei.  Der  Sprecher  der  DeputatioD, 
BegiemngBrat  Seyss-Inquart,  gab,  tiefbewegt,  zunächst  der  Freude  Ausdruck, 
daß  es  ihm,  dem  einstigen  Direktor  des  Jabilars,  vergönnt  sei,  die  Glflck- 
wflasche  der  deutschen  Mittelschulen  Mährens  zu  flberbringen.  In  treffendeB 
Worten  rühmte  der  Bedner,  wie  zielbewußt  der  Gefeierte  seines  nament- 
lich darch  die  heißen  Schalkämpfe  schwer  gewordenen  Amtes  walte,  mit 
welchem  Wohlwollen  er  die  Interessen  der  ihm  nntergebenen  Schulminner 
fördere,  welch  warmer  Freand  der  studierenden  Jugend  er  sei.  Schließlich 
bat  Direktor  Seyss-Jnquart,  als  kleines  Zeichen  der  Verehrung  das  Album 
entgegenzunehmen.  Sichtlich  gerührt,  dankte  der  Jubilar  in  längerer, 
alle  tief  ergreifenden  Bede.  Er  zollte  allen  seinen  bewährten  Mitarbeitern 
wärmste  Anerkennung,  nnd  versicherte,  daß  es  ihm  ein  Hersensbedürfaia 
sei,  jeden  der  ihm  unterstehenden  Lehrer  nach  Kräften  zu  unterstätsen. 
Die  sinnige  Ehrengabe  erfülle  ihn  mit  besonderer  Befriedigung;  er 
werde  dieses  Zeichen  von  Anhänglichkeit  stets  hochhalten  nnd  fflhie 
sich  allen,  auch  den  abwesenden  Professoren,  zu  innigstem  Danke  ver- 
pflichtet. Den  beutigen  Ehrentag  werde  er  immer  su  seinen  erhebendsten 
Erinnerungen  zählen. 

Die  eigentliche  Feier  fand  eine  gemütliche  Fortsetzung  bei  eioem 
gemeinsamen  Mittagsessen,  in  dessen  Verlaufe  noch  manches  schöne 
Wort  zu  Ehren  des  Uerm  Landessehulinspektors  sowie  zum  Lobe  des  oft 
bewährten,  gemeinsamen  Znsammen wirkens  gesprochen  wurde. 


Berichtigung. 

S.  205,  Z.  8  und  6  v.  o.  lies:   ^fand  indirekt  auch seine  loi- 

drücklicfae  Zastimmang  als  römischer  König  erteilte.  ^)'*  statt:  «fand  auch 

seine  ausdrückliche  Zustimmung  erteilte*  i).    Die  Anm.  1  daselbst 

hat  nun  zu  lauten :  ^Pkuseaerten,  ardonnantien  ,...hy  de  Ptinem  ron 
dese  Nederlanden  uyfgegeven,  Brüssel  1724,  lY.Teil,  S.  481  fg.  Nstional- 
bibliothek  Brüssel.  —  S.  177,  Z.  14  und  19  v.  o.  lies  Baer  st.  Baar. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlnngen. 


B.  H.  Broekes'  Bethlebemltischer  Eindermord. 

MariDOS  relip58«t  Heldengedicht  La  sirage  degli  innoeenti, 
welehea  Broekee  nngefftbr  ein  Jahrhundert  nach  seinem  Erscheinen 
(1632)  ana  dem  Italienischen  ins  Denteche  übersetzt  hat  (1724), 
gehört  zn  den  weniger  bekannten  Dichtungen  des  berfibmten 
Itiiters.  Die  literarischen  Fehden,  die  besonders  nach  Marines 
Tod  befug  entbrannten^),  konzentrierten  die  allgemeine  Anfmerk- 
Mokeit  aaf  sein  nach  anderen  Knnstkriterien  geschaffenes  Hanpt- 
«PM  AdeniSy  und  außerhalb  Italiens  machte  Heinsins*  Hercdes  in* 
fanticida  der  Strage  eine  sehr  gefährliche  Eonknrrenz.  Die  ver- 
bältoismäftig  wenigen  Übersetzungen,  welche  das  letzte  Viertel  des 
IVn.  Jahrhunderts  bringt,  sowie  die  Ton  Borzelli')  gesammelten 
Terlagsdaten  beweisen,  daß  später,  zn  Brockes*  Zeit,  dieses  Epos 
•in  knmmerliehee  Dasein  fristete,  nnd  J.  U.  König  hat  Becbt, 
vesn  er  bedanert,  daß  man  sich  in  Deutschland  eine  italienische 
Ausgabe  der  Strage  schwer  beschaffen  konnte.  Man  wird  des- 
h$\h  einer  in  der  Erseh-Oruberschen  allgemeinen  Enzyklopädie 
(IVI.  1884)  enthaltenen  Notiz  Glauben  schenken  dürfen,  daß  der 
Afliaft  zur  Brockesschen  Übersetzung  anf  einen  bloßen  Zufall  zu- 
röekzuführen  sei.  Ein  Hamburger  Freund  des  Dichters,  der 
spltere  Syndikus  J.  G.  Surland,  dessen  Lobgedicht  auf  die  Über- 
letzung  der  ersten  Auflage  des  Eindermordes  Torangestellt  ist, 
liatte  em  Exemplar  der  Sirage  bei  einer  Versteigerung  als  Zugabe 
«btlten  und  nachte  es  Brockes  zum  Geschenke.  Da  dieser  sich 
Mbon  Torher  mit  Übersetzungen  aus  Marines  Adonis  beschäftigt 
katte,  eotechlofl  er  sich  sofort,  das  Epos  ins  Deutsche  zu  über- 
tragen.   Ein  an  der  Elbe  gelegenes  Landgut  war  die  Stätte,  an 


^)  VcL  besonders   Crocos   Appunti   sulle  poletniche   suseitate 
daSAäM^.    CagliAri  1898. 

*)  BibUografia  deUe  opere  del  Cav.  Marino^  Borna  1888. 

ZtitKkrift  f.  d.  öftoiT.  Gtbii.  INS.  IT.  Heft.  19 


290    B.  H.  Brockes'  BethlehemiÜBcher  Kindermord.  Von  C.  Battiati, 

der  er  seinan  Plan  znm  größten  Teile  verwirklichte.  Ale  König 
nm  1711  mit  Brockes  in  Hamburg  zusammentraf,  lernte  er  den 
Anfang  des  Gedichtes  kennen  and  versftnmte  es  nicht,  Brockes  in 
PriTatgespr&chen  sowie  in  der  Zueignung  seiner  „Theatralischen 
Geschichten**  eindringlich  zur  Fortsetzung  aufzumuntern.  Aus  den 
Akten  der  „teutschübenden  Gesellschaft**  bringt  Prof.  BrandP) 
folgende  Daten  aus  dem  weiteren  Verlaufe:  am  2.  Mftrz  1715  las 
Brockes  den  Schluß  der  Übersetzung  Tor;  am  8.  April  war  sie  bereits 
druckfertig,  am  15.  September  hatte  der  Obersetzer  die  Widmung 
an  den  Kaiser  gedichtet  und  am  8.  NoTember  erschien  das  in 
Deutschland  mit  großer  Spannung  schon  erwartete  Werk  im  Bach- 
handel. Schon  am  18.  November  brachten  die  , Neuen  Zeitungen 
Ton  gelehrten  Sachen**  des  J.  G.  Grusins  die  erste  Anzeige  und  Be- 
sprechung. 

Kann  man  auch  über  Brockes*  Werk  kein  allzu  günstiges 
Urteil  fallen,  so  muß  man  doch  billigerweise  anerinnnen,  daß  der 
Übersetzer  nach  einem  wohldurchdachten  Plan,  mit  großem  Ernst 
und  ausgezeichneter  philologischer  Vorbereitung  an  die  Arbeit  ge- 
gangen war.  Seine  Verdienste  in  dieser  Hinsicht  ruckt  der  Vor* 
bericht  Königs  in  ein  gOnstiges  Licht.  Schon  die  Herstellung 
des  guten  italienischen  Textes,  den  er  der  Übersetzung  beigegeben 
hatte,  war  keine  leichte  Aufgabe ;  ihre  Lösung  jedoch  zeugt  ?on 
Brockes*  Scharfsinn  und  kritischer  Begabung.  Er  hielt  sich  dabei 
hauptsftchlich  an  eine  der  spftteren  Ausgaben  des  Scaglia  (Venedig 
1688  und  1668)  und  in  einigen  Tereinzelten  Lesarten  an  die 
römische  Tom  Jahre  1745  in  12^  die  man  in  der  Bibliographie 
Borzellis  vermißt»  w&hrend  er  die  ihm  bekannte  römische  des 
Manelfi  1688  nicht  berficksichtigt.  Blne  literarische  Tendenz 
zeigt  sich  in  der  Absicht  Brockes*,  Ton  der  König  berichtet:  „wo- 
durch zugleich  der  Herr  Übersetzer  die  von  den  Frantzosen  eine 
Zeit  her  hefftig  angefochtene  Dicht-Kunst  der  Welschen  etlicber- 
maßen  zu  vertheidigen  gesucht:  um  ihren  Wehrt  und  ob  sie  nicht 
der  andern  weit  vorzuzieheut  unsem  Teutsohen  zu  einem  nnpar- 
thejischen  Urtheil  vor  Augen  zu  legen*.  Denn  die  praktische 
Bettung  des  italienischen  Marinismus,  der  in  Frankreich  von  Mai- 
herbe bis  Bonhours,  Perault  und  Sorbier  eine  herbe  Kritik  gefanden 
hatte,  galt  auch  als  Bettung  für  die  deutsche  SchwulstdichtuDg, 
welcher  damals  der  Hamburger  Dichter  huldigte. 

Warum  Brockes  die  Strage  dem  Ädonis  vorzog,  wird  im 
„Vorberichte**  genau  begründet.  Die  angegebenen  Gründe  beweisen 
eine  genaue  Kenntnis  der  literarischen  Tätigkeit  Marines  und  zeigen» 
wie  der  Verfasser  des  Oratoriums  „Der  für  die  Sünden  der  Welt 
gemarterte  und  sterbende  Jesus**  mehr  an  diesem  religiösen  Epos 
als  am  Hauptwerke  Marines  Gefallen  fand.  Denn  unter  den  Werl^en 
Marines  nimmt  die  Strage  eine  besondere  Stellung  ein.    In  der 


>)  A.  Brandl,  B.  H.  Brockes.    Innibzuck  1882,  S.  19. 


E  H.  Brocket'  Bethlehemititeher  Kindermord.  Von  C.  BattiBti.    291 

Stnge  ist  der  Dichter  ein  echter  Epigone  Taesoe:  kein  romantieohes, 
«mdera  ein  dnrchane  episches  Heldengedicht  brachte  er  hier  hervor, 
itrsDg  nach  den  Vorschriften  Matteo  Pellegrinis,  daß  nftmlich  die 
epische  Dichtung  an  schlichte  Einheit  der  Handlung,  an  Erhaben- 
heit der  Darstellung  nnd  an  Wflrde  des  Stoffes  gebunden  sei. 
D«m  bunten  Gowirre  der  Episoden,  welches  im  Adonis  die  schwache 
Hanptbandlung  teilweise  ganz  verschlingt  und  dem  Dichter  die 
?adi«Dten  Vorwürfe  seiner  Kritiker  eintrug,  stellte  Marino  hier 
no«  trockene  Fabel  entgegen;  den  Umfang  des  Werkes  suchte  er 
dnreh  lange  Reden  und  breite  Darstellungen  zu  vergrößern.  Des- 
balb  findet  man  in  diesem  Qedichte  die  stereotypen  Kennzeichen 
dir  biblischen  Heldendichtungen  der  Spfttrenaissance,  die  schon  bei 
SaaoazaroB  De  pariu  Virginia  auftauchen  und  die  in  allen  religiösen 
Spw  des  Seicento  anzutreffen  sind^),  innig  verbunden  mit  den 
Merkmalen  der  Nachahmungen  des  „Befreiten  Jerusalems'*« 

Aber  der  Form  nach  steht  die  Strage  nicht  auf  jener  Höhe 
der  Vollendung,  die  der  Dichter  im  Adania  erreicht  hat;  schon 
Mengbini  hat  ganz  richtig  diese  Inferiorität  betont,  die  wahr- 
Kheinlich  auf  den  Umstand  zurückzuführen  ist,  daß  Marino  an 
Min  Werk  die  letzte  Hand  nicht  legen  konnte.  Stilistisch  zeigen 
neb  schwere  seicentistische  Gebrechen :  lange,  auf  alle  möglichen 
Eioxelheiten  eingehende  Beschreibungen,  Vorliebe  für  Antithesen 
md  sinnwidrige  Vereinigung  von  widersprechenden  Begriffen,  mehr 
abetoAende  als  erschütternde  Situationen,  schreiende  Farben, 
Hltfimgen  übertriebener  Epitheta,  die  den  Mangel  des  Dichters 
aa  echtem  religiösen  Gefühl  maskieren.  Hier  besonders  herrschte 
tviieben  Dichter  und  Übersetzer  eine  gewisse,  wenn  auch  entfernte 
Wibherwandtschaft,  die  möglicherweise  Brockes  bestimmt  hat,  die 
begonnoDe  Übersetzung  des  Adonis  aufzugeben,  um  sich  der  ihm 
Biber  liegenden  Strage  zuzuwenden. 

Was  Brockes  mit  dieser  Übersetzung  geleistet  hat,  dürften 
vir  am  besten  dadurch  beurteilen  können,  wenn  wir  einen  Blick 
ttf  die  zugleich  mit  der  ersten  Ausgabe  erschienenen  Gedichte 
Brockes*  werfen,  weil  dort  die  Keime  zu  finden  sind,  aus  welchen 
Stil  nnd  Form  der  Übersetzung  sich  entwickelten.  Denn  Mißver- 
ttlodnisse  aus  Unkenntnis  der  Sprache  des  Originals  sind  bei  der 
Spracbbeherrschnng  Brockee\  der  selbst  ganz  korrekte  italienische 
Madrigale  dichtete,  nicht  anzunehmen  und  kommen  auch  nicht  vor. 
Abweichungen  im  Stile  und  Metrum  sind  somit  nur  auf  genetischem 
Wege,  in  der  poetischen  Anlage  und  in  der  dichterischen  Vor- 
bereitung zu  suchen.  

In  den  meisten  Produkten  der  ersten  Periode  von  Brockes* 
dichterischer  Entwickelung  findet  man  Hftufungen  von  rhetorischen 

*)  V^  darüber  Belloni  ^Gli  Epigoni  deUa  Qerusakmme  liberaia''. 
PadoTs,  Draghi,  1898. 

19* 


2d2    B.  H.  Blockes*  BethlelMDiUiefacc  Kindermord.  Von  0.  BmttUH, 

Knnvigrifliuiy  die  ihre  Ursaebe  oft  in  einer  irraüoaellen  Betennng 
des  GefflblM  habeo,  and  die  meieteoe  mit  der  UngezwBDgenbeit  and 
der  eogv  mnodartlicheo  YernaeblisBigiuig  der  Sprache  disbar- 
monieren.  Mit  dieser  nnpassenden  AnsdraGkaweise  paart  aicb  die 
Breite  der  DarsteUimg.  Und  wie  der  Stil,  so  der  poetisebe  Ge- 
danke. Bald  schwelgt  Brockea  in  einer  Fülle  ¥<m  erbabeoen,  ein- 
ander drängenden  VorsteUangen,  die  ihn  in  den  merkwürdigsteo 
Goncetti  xwingen;  der  Dichter  Twmag  sie  nicht  TftUig  zn  erfassen 
nnd  er  erblickt  nnr  die  Beiiehnngen  der  ÜbereinstiBunang,  des 
Ckgensatzee  oder  der  Kansalitftt  nach  einem  ftnßerlichen  Zosammen- 
hang  seiner  Begriffe;  bald  fehlen  ihm  die  Anschannngen  dsrEin- 
bildnngskraft,  wodarch  sich  das  Wssen  der  Poeeie  Ton  jenem  der 
Prosa  nnterscheidet 

Dort,  wo  Brockes  sich  Tom  SchOnen  znm  Erhabenen  dnrch 
die  grOfite  Erregung  der  Phantasie  zu  erheben  Tersncfat  nnd  durch 
ein  Blendwerk  von  Anschannngen  den  berechnenden  Verstand  über- 
rnnpelt»  gelingt  ea  ihm  nicht,  jene  Tiefe  der  poetisch«!  Bilder  in 
erzielen,  die  den  Leser  mitreißen,  denn  die  Terstandeamäßige  Be- 
nrteilnng  wird  durch  die  disparate  Häufung  der  zueinander  be- 
zogenen Gegenstände  künstlich  erweckt  nnd  der  unvermittelte 
Widerstreit  zwischen  Torstellung  und  Objekt  ruft  daa  Komische 
hervor.  Leider  nur  das  Komische  in  direktem  Gegensätze  inr 
poetischen  Absicht  des  Marinismns,  der  durch  diese  vom  Konflikte 
zwischen  Einbildung  und  Verstand  bewirkte  Lösung  aus  der 
Subjektivität  des  Dichters  zur  Objektivität  des  Beurteilers  eben 
die  Bewunderung  für  die  verwendeten  poetischen  Mittel  erzielen 
will.  Daa  Hüchste  in  diesem  Barockstile  leistete  Brockes,  verleitet 
durch  die  mjrstische  Begeisterung  und  traditionelle  Oberlieferong 
der  Hamburger  Oper,  in  den  Arien  der  Oratorien  und  in  deo 
Kantaten.  Hier  lasse  ich  einige  Beispiele  „aus  dem  für  die  Sünden 
der  Welt  gemarterten  und  sterbenden  Jesu*'  folgen: 

leb  sehe  an  einen  Stein  gebanden 

Den  Eckstein,  der  ein  Fener- Stein 

Der  ew*gen  Liebe  seheint  zu  sein. 

Denn  aas  den  Bitsen  leiner  Wanden 

Weil  er  die  Glaht  im  Basen  trägt 

Sehe  ich,  ao  oft  man  aaf  ihn  schlägt 

So  oft  mit  Strick  und  Stahl  die  Schergen  auf  ihn  diingen 

Aas  jedem  Tropfen  Blut  der  Liebe  Funken  springen. 

Oder: 

Dem  Himmel  gleicht  sein  bant-gestrienter  Böcken 

Den  Regenbogen  ohne  Zahl 

Ale  laater  Gnade -Zeichen  ecbmfleken: 

Die  (da  die  Öflndflnt  nns'rer  Schuld  versehet) 

Der  holden  Liebe  Sonnen  -  Strahl 

In  seinee  Blatee  Wolken  zeiget. 


Oder: 


Die  Bösen  crOnen  sonst  der  raahen  Dornen  «Spitzen 
Wie  kOmmts,  daß  hier  ein  Dorn  die  Aarons  Böse  crOn't? 


B.  H.  Broek«'  Bethlehemiüscher  Kindennord.  Von  C  BatHsii.    293 

Da  auf  die  Boten  aonst  Aaron  Ferien  tfarint; 
FIb^  hier  die  Bom  eelbit  Bnhinen  an  xa  echwhzen. 

Odtr: 

Schaut  Seele,  aeban 

Wie  TOD  der  ffOtÜiehen- schönen  Stime 

Gleich  einem  Farpnr-farb'nen  Tbaa 

Der  rom  gestirnten  Himmel  sieh  ergießet 

Ein  lauer  Baeh  von  blat*gem  Porpor  fließet 

Mit  solchen  CoDcetti  gehen  Wortspiele  Hand  in  Hand,  die 
eine  gleiche  psychische  Voranssetzung  zeigen: 

...  Sprichst  da  denn  ... 
Ewigs  Wort,  kein  einige  Wort? 
...  Will  ein  ewigs  Leben 
Mir  in  geben 
SeUwt  (Us  Leben  sterben. 

Auch  ao  Oxymoron,  die  in  der  Tat  nichts  anderes  als 
Concaiti  ohne  tertium  camparationia  sind,  ist  Brockes  sehr  reich. 
Mit  Recht  nennt  ihn  F.  Wehl  den  „Yirtnosen  des  AdjektiTes**. 
Mao  braneht  nur  an  sein  erb&rmlicb-BchOn  zu  erinnern,  eine  Vor- 
bintaig,  die  in  der  deutschen  Kritik  des  XVni.  Jahrhunderts  eine 
bedeatende  Bolle  spielte.  Hieher  gehOren  die  hange  Lust,  das 
fröhliche  Entsetzen,  das  frostige  Feaer  nnd  die  lichte  Dankelheit 
im  Gedichte  anf  die  Oebnrt  des  Erzherzogs  Leopold  und  die 
lahlreicfaen  Belege  aus  sp&terer  Zeit,  die  Brandl  anführt.  An 
Lolienstein  erinnem  die  in  großer  Menge  zerstreuten  Kraftwörter: 
dffSftttder  ist  ein  Teufels -Werk -Zeug,  ein  Schaum  der  Menschen- 
kinder oder  ein  Schaum  der  Welt,  ein  wilder  Sündenknecht,  eine 
•rgrimmte  Hatter-brut,  eine  Zucht-brut  der  Drachen,  ein  Hund,  ein 
Trafel.  Fögt  man  noch  die  H&ufungen,  die  Variationen,  die 
kmaktiTon  Einschrftnkungen,  die  Methaphem  hinzu,  ffir  welche 
Brockes  eine  entschiedene  Vorliebe  hatte  (Beispiele  zu  bringen  ist 
sieht  notwendig),  so  ergibt  sich  Yon  selbst,  daß  er  in  der  Periode, 
in  welcher  die  Übersetzung  des  Marino  entstanden  ist,  mit  vielen 
Hauptkunstgriffen  ton  Hofmanswaldau  und  Lohenstein  vertraut 
wir,  daß  es  ihm  aber  an  kflnstlerischer  Kritik  und  an  Maß  in 
iler  Verwendung  derselben  fehlte.  Erst  durch  einen  langsamen 
Linterungsprozeß,  bei  welchem  die  Übersetzung  der  Strage  eine 
•ntscbeidende  Wirkung  ausfibte,  gelang  es  Brockes,  diese  ge- 
könstelte  Ausdrucksweise  zu  vermeiden  und  sich  einen  eigenen 
originellen  Stil  zu  bilden. 

Eine  andere  Schw&che  der  Brockesschen  Schreibweise  be- 
itebt  in  der  maßlosen  Brette  der  Darstellung.  Auch  hier  zeigt 
sich  wiederum  die  Unvollkommenheit  des  Anfängers.  Denn  der 
Dichter  ist  nicht  imstande,  durch  die  H&nfung  ähnlicher  Vor- 
Btellangen  die  Anschaulichkeit  zu  fördern.  Seine  Weitläufigkeit 
▼erlisrt  sich  in  beinahe  vollkommen  gleichen  Bildern,  welche  die 
Pbaolasie  ermüden  nnd  die  Besehreibung  nicht  ergänzen,  oder  er 
beeinträchtigt  die  notwendige  Anschaulichkeit  des   Gesamten,  in- 


294    B.  H.  Brocket'  Betblehomituober  Eindermord.  Von  G.  BattisH, 

dem  er  bei  den  EiDzeldarstellnngen  das  Sinnliche  durch  das  Über- 
sinnliche» das  Natfirlicbe  durch  das  Künstliche  in  veranschaulichen 
sucht,  weil  dadurch  eine  Rekonstruktion  der  psychisch  verschieden 
gestalteten  Details  erschwert,  wenn  nicht  überhaupt  unmöglich 
gemacht  wird.  Diese  malerische  Manier,  welche  sowohl  eine  Folge 
der  Anlage,  als  auch  eine  Folge  der  künstlerischen  Erziehung  unseres 
Dichters  ist  und  sich  langsam  aber  stetig  zu  einer  stiiistiscbeD 
Eigenart  entfaltet,  kommt  nicht  allein  bei  längeren  Stellen  Tor, 
sie  bekundet  sich  in  den  ununterbrochenen  Versuchen  Brockee'  die 
größte  Volletftndigkeit  der  r&umlichen  Vorstellungen,  in  welche 
ein  poetisches  Bild  zerlegbar  ist,  zu  erreichen.  Dadurch,  daß  die 
Anzahl  der  anschaulichen,  nacheinander  gegebenen  Vorstellungen 
die  Anzahl  der  von  unserem  Bewußtsein  als  übersehbares  Neben- 
einander aufgefaßten  übersteigt,  verliert  sich  endlich  die  Klarheit 
des  phantastisch  aufgenommenen  Bildes^).  So  beschaffen  ist  zun 
Beispiel  die  Darstellung  des  gequälten  Heilandes'),  wo  jeder 
krampfhafte  Zug  des  Mundes  mit  der  Schilderung  der  entsprechenden 
akustischen  Vorstellung  in  der  zeitlichen  Reihe  des  NacheinanderB 
verbunden  wird,  ähnlich  die  Klage  des  Petrus^),  wo  die  Effekte 
des  Schmerzes  auf  das  Innere  des  Betroffenen  nach  drei  Richtungen 
hin  geschildert  werden.  Und  in  die  gleiche  Qruppe  scheinen  mir 
jene  kurzen  Zusätze  zu  gehören,  die  eine  von  zwei  miteinander 
verbundenen  Vorstellungen  mehr  als  episodisch  ausdrücken:  z.  B. 
Speit  dein  Basilisken-Bachen,  Brut  der  Drachen,  Dem 
der  alle  Ding'  erhält,  Schleim  und  Geifer  ins  Gesicht 
Wir  können  im  Stile  dieser  Periode  ein  Bestreben  des  jungen 
Dichters  konstatieren,  kräftige  Eindrücke  hervorzurufen.  Er  greift 
aber,  um  die  größte  Wirkung  zu  erreichen,  einerseits  zu  einem 
potenzierten  Stile,  welcher  die  Wirklichkeit  in  der  Richtung  des 
Ungeschlachten  und  Kolossalen  erhöht,  andererseits  zu  einem  indi- 
vidualisierenden Stile,  welcher  die  Plastik  des  Bildes  durch  Dar- 
stellung der  nebensächlichen,  zufälligen  Merkmale  anstrebt^). 
Diese  zweite  Stilart  sollte  ein  Gegengewicht  sein  zu  den  Ver- 
schrobenheiten und  Gestaltlosigkeiten  der  ersten  Stilart,  indessen 
hat  die  Detaillierung,  welche  durch  die   zweite  eingeführt  wurde, 


1)  Vgl  Roetteken,  Hubert:  Poetik  I.  Bd.,  München  1902. 
S)  Brich  mein  Herti,  zetüieß  in  Thränen 

Jesa  Leib  zerfließt  in  B(at! 

Hör'  sein  jämmerliches  Achsen! 

Schau,  wie  Zang*  und  Lippen  lechzen  I 

Hör'  sein  Wimmern,  Seufzen,  Sehnen, 

Schau,  wie  ängstiglioh  er  thati 
*)  Die  wilde  Glut  der  dunklen  Marter -Hole 

Entzündet  schon  meio  zischendes  Geblüt 

Mein  Eingeweide  kreischt  aaf  glinunen  Kohlen 

Wer  löscht  diesen  Brand?    Wo  soll  ich  Bettung  finden? 
«)  Vgl.  Volkelt,  Johannes.    Ästhetische  Zeitfragen,  München  1895» 
Vierter  Vortrag :  Die  Stile  der  Kunst 


B.  H.  Brocket'  B«Uildiemiiiiehar  Kindennord.  Von  C.  BaitisH.    295 

•io  noch  fprelltreB  Liebt  »nf  die  Mafilotigkoit  d«r  «rsten  ge* 
werfen.  Und  der  linge,  zielbewußte»  stiliBtiBehe  Forteebritt 
Brockes^  bestand  eben  darin»  daß  er  eicb  anf  eine  rein  indiTidoa- 
liaierende  Kanier  beeebrinkte  nnd  sieh  Tom  potenzierten  Stile  zn 
dem  seiner  Anlage  mebr  angemessenen  Talsaebenstil  bekehrte. 
Ancb  die  Einwirkung  der  Metrik  anf  den  Stil  des  Dichters  ist 
TerbingnisToll,  besonders  dort»  wo  er  sich»  wie  in  der  Über- 
setinng,  des  Alexandriners  bedient.  Denn  dnrcb  die  Beobaehtnng 
der  Clsnr,  die  den  Vers  in  zwei  Hemistiche  teilt,  war  natiirlich 
eine  Zweigliedrigkeit  des  Gedankens  gegeben»  die  eine  Neigung 
znr  SstzTorteilnng  anf  die  Vershftlfken  mitbrachte.  Ist  aber  der 
Qedanke  zn  kurz»  nm  den  ganzen  Vers  aaszafdllen»  da  bleibt  dem 
Dichter  nichts  anderes  übrig»  als  in  Antithese  oder  Steigemng» 
Taatologie  nnd  Parallelismns  Ersatz  zn  suchen.  Denn  ein  so  langer 
Vers,  wie  der  Alexandriner  mit  einem  starken  Abscblnsse  am  Ende» 
kenn  in  den  meisten  Fftllen  nur  als  metrische  Einheit»  kanm  als 
Glied  einer  solchen  gelten.  Diese  Beschaffenheit  des  epischen 
Venbanes  gewährt  aberBrockes  einen  leider  zu  großen  Banm  für 
eine  breite  Darstellnngsart.  So  finden  wir  gleich  in  der  Zneignnngs- 
Schrift  an  Karl  YI.  beispielsweise: 

Zn  einer  solchen  Beis  und  himmelhohen  Fing. 

Das  Haopt  der  Erden  Karl,  so  rühmen;  zo  beeinfren. 

Der  Stürme  frecher  Sehwarm,  die  Furien  der  Lüffce. 

Die  Donner  grollten  stark  nnd  brflllten  gransamlich. 

Kein  Schrecken»  keine  Furcht  in  Karle  Gemttth  zu  erwecken. 

Sein  Witz  ist  nnbegranst  und  kennet  keine  Schranken. 

So  eilt  ihr  Tage  denn»  befiedert  euch  ihr  Zeiten. 

Dasjenige  also»  was  Brockes'  Produktion  in  dieser  Periode 
charakterisiert»  ist  nicht  so  sehr  die  eigentliche  stilistische 
Richtung  des  Schwulstes,  sondern  ein  tastendes  Hemmsnchen  nach 
kriftigen  Ausdrücken  oder  detaillierten  Beschreibungen,  welche  die 
Anschaulichkeit  fördern  sollen.  Der  durch  Uofmannswaldan 
sjstemisierte  Schwulst,  der  sich  auf  die  ganze  zweite  scblesische 
Schule  mit  Abschatz»  Corrinus»  Hnnoldt»  Lohenstein,  Mencke» 
Keukirch,  Ziegler  n.  a.  ausbreitete  und  den  wahren  deutschen 
Mtfinismns  darstellt»  ist  bei  den  Metaphern,  die  wir  bei  Brockes 
merken»  nicht  stehen  geblieben;  Ettlingers^)  und  Jellineks')  ünter- 
Bucbnngen  haben  reichlich  bewiesen»  daß  die  eine  qualitative 
Steigemng  des  Ausdruckes  bezweckenden  Gleichnisse»  Antithesen, 
Hyperbeln  nnd  Concetti  der  Scblesier  nicht  allein  dem  Grade, 
sondern  anch  der  Art  nach'),  von  den  bei  Brockes  angeführten  ver- 


')  Christian  Hofmann  v.  Hofmannswaldan,  Ein  Beitrag  znr  Lite- 
ratvgeoehiehte  des  17.  Jahrhunderts  von  Dr.  J.  Ettlinger»  Halle»  1891. 

*)  Hofinannewaldan,  Heldenbriefe  in  der  Vierteljabreeechrift  für 
Literatufgeschichte,  4.  Band,  1891. 

*)  Eine  Eigentümlichkeit  der  Scblesier  waren  die  etark  einnlichen, 
knltsanschen  Vergleiche,  wovon  bei  Brockes  keine  Spur  zu  finden  ist. 


2M    B.  H.  Bioekei'  Bethlahtmititeher  Kintomord.  Yob  C,  BaUutu 

schieden  sind.  Dieae  letzten  zeigen  ime  ?ielmehr  jenes  Yontadiam 
des  Schwulstes,  welches  A.  Gryphins,  D.  Sdiinner,  J.  Schwieger, 
B.  Feind  eigen  wir  nnd  das  sieh  im  französischen  Preziosismiis 
im  grofien  ganzen  bekundet.  Es  ist  kein  GewohnheitsmariniBmns, 
sondern  ein  Übergreifen  anf  die  jedem  Dichter  jener  Zeit  zur  Yer- 
fflgong  stehenden  literarischen  Mittel,  nm  den  Ansdmck  zn  beben. 
Die  strage  degli  innoomti  war  schon  deshalb  fflr  Brockes  das  am 
nächsten  liegende  Werk  Marinos,  viel  näher  als  das  Epos  Admis, 
▼on  dem  Brockes  eine  Übersetzung  zn  geben,  offenbar  nicht  ver- 
mochte. In  der  Stra^  fonden  sich  Marino  nnd  Brockes  in  der 
Vorliebe  für  das  Dflstere,  Ungfeschlachte  nnd  für  die  «bintigen, 
schweren  Gsntnsr^Metaphem''.  Aber  Ton  der  8trag$  konnte  Brockes 
anch  nicht  oder  mindestens  nicht  in  gleichem  Matte  den  eigent- 
lichen Seicentismns  Marines  lernen,  wie  Hofmannswaldan  ans  dessen 
Lira.  Die  Folge  war,  daß,  während  Hofmannswaldan  dnrcb  das 
Studium  und  die  Nachahmung  der  lyrischen  Gedichte  Marines  der 
Fahnenträger  des  deutschen  Schwuletes  wurde,  die  Übersetzung 
der  Slrage  Brockes  sogar  Yon  seinen  allzu  düsteren  Farben  ab- 
brachte, eo  daß  sich  in  der  nächsten  Zeit  bei  ihm  eine  Ge- 
schmacksbesserung zeigte.  Schwankungen  gab  es  dabei  natürlich 
durch  etliche  Jahre;  in  der  Lyrik  der  folgenden  Periode  bis  zorn 
„irdischen  Vergnügen*',  welche  als  unreif  in  den  ersten  Band 
dieser  umfangreichen  Sammlung  nicht  aufgenommen,  aber  mit  der 
Tierten  Auflage  des  betlehemitisehen  Kindermordes  gedruckt  wurde, 
zeigt  sich  noch  ein  gewisser  Mißbrauch  von  Metaphern,  die  im 
MarinismuB  wurzeln;  die  Farben  jedoch  sind  nicht  mehr  so  auf- 
dringlich wie  früher  und  der  Stil  bat  etwas  Flotteree  und  Eleganteres 
bekommen,  was  wir  bei  der  Übersetzung  leider  noch  immer  ver- 
missen. 

Ale  Versemacher  zeigt  sich  Brockes  besondere  in  dieser  Periode 
schwach.  In  der  Auswahl  der  Reime  und  der  Metren  verrät  er 
eine  Nachlässigkeit  und  Bequemlichkeit,  die  den  Forderungen  einer 
disziplinierten  Eurythmie  und  einee  musikalischen  Wohlklanges  nicht 
gebührend  Bechnung  tragen. 

Was  das  Beimtechnikwesen  snlangt,  so  hat  Brockes  seine 
Ansichten  über  die  Beinheit  der  Beime  in  einer  üntersnebang 
in  Weicbmanns  Poesie  der  Niedersachsen  L  1 — 82  veröffentlicht 
(Hamburg,  J.  Ch.  Hissner,  1725).  Wir  braueben  ihn  nur  nsch 
seinem  eigenen  Maßstabe  zu  beurteilen.  Gleich  am  Anftng  seiner 
Untersuchung  betont  er,  „daß  die  Teutsche  Sprache  in  ihren 
Beimen  vor  allen  anderen  sich  einer  sonderbaren  Beinigkeit  zu 
rühmen  hat  und  weder  die  Italienische,  Spanische  noch  eine  von 
denen,  die  ihre  Verse  mit  Beimen  schließen,  ihr  auf  einige  Abrt 
was  die  Bichtigkeit  des  Beime  so  wol,  als  der  Scaneion  angebt, 
zu  vergleichen  ist."*  „Die  wenigen  Freiheiten'',  sagt  Brockes 
ganz  richtig,  „beruhen  auf  dem  Unterscbiede  der  Mundarten  nnd 
der  Aussprache**  und  er  gibt  ein  Verzeichnie  der  unreinen  Beime 


B.  H.  BroekM*  BethlebemitiMher  Kiadonnord.  Ton  C.  Satiüiu    297 

der  oiadviftehBiioheD  Mandart«  die  er  btaeitigen  mOehtai  nm 
^die  Tentiehe  Sprache  von  aller  Hftrte  QDd  ünreinigkeii  geeftnbert 
ud  anf  dem  Oipfel  der  YollkommeDheit  zu  sehen.*' 

Man  miüS  aieh  allerdinge  fer  Augen  halten,  dafi  Brockes 
diraee  strenge  poetische  Oesetzbach  10  Jahre  spftter  als  die  Über« 
Mtnmg  der  S^yt^e  diktierte;  aber  dieses  löbliche  Streben  nach 
Beinbeit  bekundet  sich  in  der  ersten  Periode  seiner  Dichtung 
nicht;  er  reimt  sorglos  •  and  ü^)f  eu  nnd  äu  mit  ei^)^  ä  mit  ö 
ood  e')  wie  die  Obersachsen,  deren  Sprache  er  in  seinen  ersten 
poetischen  Yersnchen  als  Mnster  betrachtet.  Charakteristisch  ist 
es  indessen,  daß  Brockes  sich  von  dem  für  seine  Mnndart  un- 
passenden, in  der  schlesischen  Schale  nicht  zn  selten  auftretenden 
fisime  0  —  u  und  ö  —  i  mindestens  ftußerlich  fem  hielt  <)  und 
die  niedersftehsischen  Beime  k  g  auf  cb  als  Sölöcismus  sorgsam 
Tennied.  Für  unseren  Fall  ist  dabei  ein  weiterer  Umstand  von 
Ifrößter  Bedeutung,  daß  sich  nftmlich  hinter  der  Unreinheit  der 
Beime  eine  große  Armut  verbirgi  Die  gleichen  Worte  lassen  sich 
in  Beimstellung  sehr  oft  nachweisen. 

Ein  zweites  beachtenswertes  Moment  ist  der  Mangel  an 
regehnäßiger  Beim-  und  Strophenverbindung.  Fast  die  gesamte 
dichterische  Produktion  dieser  Periode  bewegt  sich  in  der  freien 
Fonn  der  Cantate  (meist  mit  musikalischer  Begleitung)  und  der 
Reim  wird  zwar  ausnahmslos  durchgeführt,  aber  ohne  ein  be- 
itimmtes  Prinzip  Tsrwendet.  Die  Verbindung  der  Tersscblüsse  ge- 
schieht zwanglos  dorch  Beimpaare,  gekreuzte  und  verschlungene 
Beime.  Auch  überschlagende  Beime  abc  abc  kommen  Tor,  sie  ge- 
h6ren  aber  zu  den  Seltenheiten.  Im  Gebrauche  der  stumpfen  und 
klingenden  Beime  (gleitende  kommen  überhaupt  nicht  Tor)  zeigt 
sich  ebenfalla  die  grüßte  Willkür;  dann  und  wann  besonders  in 
den  Arien  unter  Einfluß  der  Musik  und  in  den  Gedichten  auf  Erz- 
herzog Leopdds  Ctoburt  (1716),  auf  das  „Erz-Haus  von  Österreich*" 


*)  Sünden :  binden  299,  807;  betrüben  :  geschrieben  800;  Bflhnen: 
dienen  802 ;  wissen  :  küssen  808;  Terlieren  :  führen  804;  Binder  :  Sflnder 
306;  erkühnt :  Terdient  807;  Ungestflm  :  ihm  816;  Gemüt :  yerschied  818 ; 
BUtz  :  Gesehüts  822;  Brüder  :  GUeder  322;  Stime  :  Turne  824;  hinge- 
riaien  :  müssen  807;  Stricke  :  TOcke  808;  Bücken  :  Stricken  310;  drücken: 
erqoicken  814;  gerissen  :  müssen  815;  spricht :  Gerücht;  Himmel :  Ge- 
tSmmel  829 ;  Spiegel :  Hügel  829;  snrück  :  Augenblick  829;  Glücke  :  Ge- 
schicke 888. 

*)  Benlen  :  heilen  299;  Leuten  :  Seiten  805;  sengen  :  schweigen  807; 
each  :  zugleich  809;  schreyen  :  scheuen  818;  teilet ;  heulet;  versftumet : 
keimet  809;  faüuft :  reift  809';  Gerftusch  :  Fleisch  818;  Eingeweide  :  Ge- 
binde 880;  gleich  :  Gesträuch  880. 

<)  Fallen :  HoUen  800,  808;  Seele  :  Hohle  805,  814,  829;  Höhle  : 
qoile  808;  Cometen  :  tOdten  809;  wer  :  GehOr  809;  krOnt :  trfint  312; 
utertiaig  :  KOnig  318;  Elbe  :  GewOlbe  828. 

*)  Um  den  den  Schlesiem  yorgeworfenen  Beimfehler  (o  —  u)  zn 
Termeiden,  mußte  Brockes  einmal  zu  einer  Verbalform  greifen,  die  er 
mit  Ausnahme  dieser  Stelle  sieht  Terwendet;  knnt  (könnt')  :  Mnnd  800 


298    B.  H.  Broekes  Bethlebemitiieber  Kindermord.  Von  C.  BatüaH. 

(1721),  anf  die  Ankunft  des  Herzogs  Anton  Ulrich  von  Braun- 
schweig  in  Hamburg  (1712),  anf  den  Herzog  Ang^st  Wilhelm 
von  Brannscbweig,  auf  den  Tod  Lucas'  Ton  Bostel  (171€),  aaf 
ein  Abel  geratenes  Fenerwerk  nnd  „die  wol  eingerichtete  Bepnblik" 
kommt  das  Bestreben  nach  einer  Abwechslung  von  stampfen  mid 
klingenden  Beimen  znr  Qeltnng;  aber  anf  die  Dauer  macht  sieb 
der  Dichter  auch  von  diesem  Zwange  frei  nnd  geht  gegen  Ende 
der  erwähnten  Gedichte  znr  größten  Freiheit  über.  Was  du 
Verhältnis  der  zwei  Gattungen  zueinander  betrifft,  so  dftrften 
sich  die  klingenden  Beime  auf  beinahe  40  v.  H.  belaufen.  Mit 
der  Willkür  in  der  Beimverwendung  paart  sich  der  Mangel  an 
strophischen  Formen.  Solche  finden  sich  nur  in  den  Arien,  aber 
ein  bestimmter  Typus  l&ßt  sich  auch  da  nicht  nachweisen.  Nor 
die  Arien,  welche  die  gleiche  Gesangsbegleitung  haben,  sind  gleich 
gebaut  und  zeigen  ein  konsequent  festgehaltenes  Beimsystem. 
Durchgeführt  ist  beinahe  ausnahmslos  die  isometrische  Zwei- 
teilung^); bei  vierzeiligen  Strophen  dominieren  die  Kreuzreime 
(abba),  bei  den  sechszeiligen  ist  das  Schema  aab  aab,  abb  abb 
sehr  h&ufig.  In  strophischer  Form  sind  nur  die  „entzündete 
Minerva**,  die  sp&ter  als  die  Übersetzung  gedichtet  wurde,  die 
Zueignung  an  Karl  VI.,  das  »Hochzeitsgedicht**  und  einige  So- 
nette abgefaßt:  hier  ist  also  die  Arbeit  an  der  Strage  wirksam 
gewesen.  Die  erste,  die  auch  der  Form  nach  exotische  Einflfisee 
verr&t,  besteht  aus  vier  Alexandrinern  (a*  bb  a*)  und  zwei  Acht- 
silbern  (c*  c*,  vierffißige  Jamben).  Sie  zeigt  auch  im  Wechsel 
der  Bythmen,  in  der  Ablösung  des  Alexandriners  durch  doppelte 
jambische  Sechssilber  einen  feinen  Wohlklang,  der  auch  bei  den 
lyrischen  Gedichten  des  reiferen  Broekes*  unerreicht  bleibt. 

In  den  zwei  Sonetten  (in  Alexandrinern)  «auf  die  be- 
rühmtesten Komponisten**  und  MPortrfttschilderer  dieser  Zeit**  ist 
nach  französischem  Muster  der  Wechsel  der  stumpfen  und 
klingenden  Beime  durchgeführt  und  das  strenge  System  der  um- 
armenden Beime  in  den  zwei  Quartetten  (a*  bb  a%  a*  bb  a*) 
beibehalten.  Dies  galt  seit  Opitz  auch  in  Deutschland  als  BegeP). 
Das  Hochzeitsgedicht  bewegt  sich  einfach  und  schlicht  in 
Quartetten  (a*  b  a*  b)  von  jambischen  Achtsilbern,  die  Zu- 
eignung dagegen  in  der  seltenen  Form  der  italienischen  sesta  rima 
(a*  b,  a*  b,  c*  c*)  mit  Alexandrinern,  wobei  die  Auflösung  der 
Kreuzreime  durch  das  abschließende  Beimpaar  sich  dem  epischen 
Gange  der  ottava  rima  schon  bedeutend  n&hert. 

Die  Wahl  der  Verse  zeigt,  wie  sehr  Broekes  in  dieser 
Periode   unter  dem   Einflüsse  der  jambischen   Metren   steht.    Nnr 


*)  Dabei  darf  man  aber  nicht  außeracht  lassen,  daß  es  lahlreiehe 
Arien,  beacnders  im  Oratorium  gibt,  die  keinen  aoageaprochenen 
strophischen  Charakter  aafireisen. 

>)  Minor,  Neubochdeatsche  Metrik.  2.  Aafl.  Id02.    S.  487. 


B.  H«  Brockes'  Bethlehemitueher  Kindermord.  Von  C.  Battisti,    299 

in  wenigen  Arien  sind  troch&iscfae  Verse  zn  finden,  für  welche  die 
ErklAning  in  der  Mnsik  za  suchen  sein  wird.  In  den  Sonetten, 
in  der  Zueignung,  in  den  Oratorien  und  Gantaten  dominiert  der 
Alexandriner,  in  den  zwei  letzten  ganz  wilikfirlich  abwechselnd 
mit  Sechsailbern,  Hemistichien  und  Achtsilbern,  beziehungsweise 
füDffflßigen  Jamben  („Und  dieses  Unsterns  Quell"  ist  einzig  nur.  — 
Mein  Schutz- Qeetim,  den  Atlas  meiner  Krone.  —  Der  über  mir  mit 
starken  Flügeln  schwebt  usw.*  im  Gedichte  auf  die  Geburt  des 
Enberzogs  Leopold).  Zu  beachten  ist,  daß  die  ton  Opitz  ver- 
langte Übereinstimmung  des  Wort*  und  Versaccentes  streng  durch- 
geführt wird  and  beinahe  keine  Ausnahme  findet.  Weil  der  reine 
jimbisohe  Charakter  nicht  verletzt  wird,  ist  die  SilbenzAhlung 
(13 silbig  weiblich,  12 silbig  männlich)  auch  streng  aufrecht 
erhalten.  Hemistichia,  die  auf  Proparoxjtona  ausgehen  (diese 
bilden  vielleicht  7  v.  H.  der  Alexandriner)  und  in  denen  die 
uhwach  betonte  Endsilbe  einen  Hauptictus  empfängt,  zeigen  am 
Versende  meist  Abstracta  auf  -keit  oder  Adjektiva  auf  -lieh, 
•ig,  -isch^)  (also  nicht  geschwächte  Silben,  ca.  41/2  v.  H.), 
während  nebentonige  Silben  auf  geschwächtes  e  in  dieser  Stellung 
oar  dann  gebraucht  werden,  wenn  sie  einen  konsonantischen 
Ausgang  haben.  Die  Cäsur  fällt  ausnahmios  hinter  die  sechste, 
betonte  Silbe.  Brockes  hat  sie  mit  einer  natürlichen  Pause  des  Satzes 
derart  in  Einklang  gebracht,  daß  durch  diesen  rythmischen  Ein- 
icbnitt  eng  zusammengehörige  Satzteile  nur  selten  getrennt  werden. 
Eine  Verstümmelung  oder  Verlängerung  der  Worte  des  Bythmus 
w^en  ist  in  den  gebührenden  Schranken  gehalten;  in  der  Begel 
werden  nur  die  zwischentonigen  schwachen  e  unterdrückt  oder  es 
wird  in  der  Verbalfiexion  die  Endung  -et  auch  in  jenen  Fällen 
eingeführt,  wo  das  Neuhochdeutsche  bloß  ein  t  verlangt.  Wir  werden 
leider  sehen,  daß  der  Dichter  in  seiner  Übersetzung  zu  oft  von 
dieser  hier  bewahrten  strengen  Gesetzmäßigkeit  abgewichen  ist  und 
eich  zu  schweren  metrischen  Freiheiten  verleiten  ließ. 

Nach  dem  nicht  besonders  freundlichen  Eindrucke  der  ersten 
Periode  der  Brockesschen  Dichtung  darf  man  nicht  zu  viel  von  der 
Obersetzung  erwarten.  Brockes*  Stil  ist  wässerig,  gemütlich,  der 
Ton  Marino  hochtrabend  aber  geschmeidig,  Brockes'  Seicentismus  ist 
bloße  Nachahmung  des  Äußerlichen  in  dieser  Kunstrichtung,  deren 
ästhetische  Bedeutung  er  weder  mit  seinem  Gefühle,  noch  mit 
seinem  Verstände  erfaßt  hatte,  im  o£fenen  Gegensatze  zu  dem 
planmäßigen  Seicentismus  Marinos,  der  mit  äußerem  Prunk  und 
virtuosem  Künsteln  die  Leere  der  Gefühle  ersetzt  und  bestimmte 
Effekte  zu  erzielen  weiß.   Brockes'  Verstechnik  entspricht  schließlich 


*)  Diese  aber  nur,  wenn  sie  Proparozjtona  sind,  Fälle  wie:  bei- 
•pieliweise  menechlich,  Bchrecklich,  tOdtlicbi  gütig  etc.,  die 
eich  bei  Dietrich  von  dem  Werder  nachweisen  lassen  (vgl.  Carlo  Fasola, 
D.  V.  d.  Werder-Obertragong  des  Ariost  in  Ztoeh.  f.  vgl.  Litgeeeh.  N.  F.  7, 
8. 189  ff.)  kommen  bei  Brockes  nicht  vor. 


300    B.  H.  Broekei'  BethlehemitiBeher  Eindennord.  Von  C.  BattUH. 

nicht  den  AnfordenmgeD,  die  eine  UangrTolIe  in  ttetig  auf-  nod 
absteigenden  Wellen  eich  bewegende  Oktave  an  einen  Übersetzer 
stellt.  Und  in  der  Tat  scheint  Brockes  die  Kunst  Marinos  bei 
seiner  Übersetzung  arg  mißTerstanden  zn  haben;  bei  den  Stellen, 
an  welchen  der  italienische  Dichter  die  Grenzen  des  Eünstm&ßi§^en 
zu  überschreiten  scheint,  versnebt  er  es  mit  Kraftwörtern  and, 
wo  solche  ihm  nicht  zn  Gebote  stehen,  mit  Anhftnfnng  von 
niedrigen,  manchmal  pöbelhaften  Adjektiven;  nm  das  Erhabene  in 
Marino  wiederzugeben,  tr&gt  er  die  düstersten  Farben  auf,  welche 
die  Anmut  einzelner  italienischer  Verse  zerstören ;  die  mehr  geistig 
gehaltene  Darstellung  Marinos  wird  in  die  sinnlichsten,  rohesten 
Worte  umgesetzt,  wodurch  die  teilweise  verborgenen  Fehler  des 
Schwulstes  natürlich  um  so  kr&ftiger  zum  Vorschein  kommen,  und 
zuletzt  die  metrische  Seite:  der  musikalisch  einheitliche,  an 
Wechsel  der  Accente  reiche,  stetig  anschwellende  oder  allm&blich 
abnehmende  Zehnsilber  wird  durch  den  zweigliedrigen,  monotonen 
Alexandriner  wiedergegeben;  die  oUava  ritnOf  welche  durch  die 
gebundenen  Beime  (ab  ab  ab  cc)  eine  langsame  aber  stetige  Ent- 
wicklung des  melodischen  Satzes  bis  zum  vierten  Verspaar  bezweckt, 
wo  die  ritna  baciata  die  musikalische  Periode  in  einem  Grundakkord 
auflöst,  wird  in  6 — 11  nicht  durch  ein  festes  Beimsystem  zusammen- 
gehaltene Alexandriner  umgemodelt.  Hiezu  kommt  noch  die  Wahr- 
nebmung,  wie  regellos  Brockes  Vers  und  Reim  handhabte  und  das 
abstoßende  Gefühl,  welch  große  Mühe  die  metrische  Anpassung  der 
Worte  dem  Übersetzer  kostet. 

Im  folgenden  wird  die  stilistische  und  metrische  Stellnng 
des  Übersetzers  gegenüber  dem  Originale  untersucht  werden;  es 
wäre  aber  ein  arger  Fehler,  über  Brockes*  Leistung  nach  bloßen 
ftsthetischen  Prinzipien  zu  urteilen  und  von  ihm  eine  vollendete 
künstlerische  Übersetzung  zu  verlangen.  Seine  Übersetzung  ist 
bloß  eines  der  ersten  Glieder  einer  langen  Reihe  und  an  manchen 
seiner  Fehler  ist  seine  Zeit  schuld.  Das  Wort  Weichmauns  im 
Vorberichte  „daß  wir  bisher  in  unserer  Muttersprache  nichts  oder 
nur  was  sehr  unvollkommenes  von  dergleichen  Übersetzungen  vor- 
zeigen können**  ist  für  die  damalige  Zeit  nicht  übertrieben. 
Das  einzige  Vorbild  einer  Übersetzung  von  italienischen  Helden- 
gedichten in  8a  rima  war  in  Dietrich  von  dem  Werder  mit  seinem 
„Erlösten  Jerusalem**  1626  und  seinem  „Rasender  Roland" 
1682  gegeben,  aber  die  Kühnheit,  mit  welcher  sich  Werder  in 
der  Übersetzung  von  Ariosto  gegen  die  Vorschriften  Opitz*  ver- 
halten hatte,  ließ  seine  gesamte  T&tigkeit  nicht  gedeihen  nnd 
zur  Zeit  des  bethlehemitischen  Eindermordes  konnte  Weichmann 
aufrichtig  sagen  „Werder  ist  auch  nunmehr  bey  uns  selbst  in  so 
schlechter  Hochachtung,  daß  sie  (die  Übersetzung  der  Oemsalemme 
liberata)  den  allerwenigsten  bekannt  ist**.  Harsdörffers  Über- 
tragung der  Dianea  1634,  die  des  Petrarca  von  Ludwig  v.  An- 
halt und  die  des  Pastor  Fido  von  Hofmannswaldau,   um  bloß  die 


E  H.  BrockM'  Bethlehamititeher  Kiadennord.  Von  C.  Battüti,    301 

allerbMteo  za  nenneD,  bodentoo  nnr  sehr  laogsame  FortBchritte 
in  der  Obersetziiogskiiiist  ans  dem  Italienischen  nnd  konnten  der 
Form  nach  wegen  des  Terschiedenen  Versmaßes  Brockes  nicht  als 
Muster  dienen.  Anch  die  Seckendorffsche  Übertragung  des  Lncan, 
die  im  Stile  nnd  in  geistreicher  Treoe  nnbestreitbare  Vorzüge 
gegenüber  den  Übersetzungen  ans  dem  Italienischen  zeigt,  war 
wegen  des  reimlosen  Verses  nicht  nberall  mit  gleicher  Begeisterung 
aufgenommen  worden  nnd  konnte  schon  deshalb  als  Ideal  einer 
metrischen  Übersetzung  nicht  gelten.  Alle  diese  Vorarbeiten 
Brockes'  zeigen  ohne  Ausnahme  eine  mechanische,  kleiuliche 
Technik,  die  zwar  den  Wortlaut,  aber  lange  nicht  die  sprachliche 
Anmut  und  Geschmeidigkeit  oder  den  stilistischen  und  melodischen 
Beiz  des  Originals  wiedergibt.  Und  was  die  große  Frage  nach 
der  Wiedergabe  der  italienischen  ottava  rima  betrifft,  so  befand 
man  sich  damals  noch  in  einem  Versuchsstadium,  das  sich  erst 
mit  Heinse  (1774)  seiner  Lösung  n&herte.  Werder  hatte  zur 
Wiedergabe  des  endecasillabo  den  Alexandriner  verwendet,  was 
der  gewöhnlichen  Anwendung  des  Alexandriners  im  deutschen 
Sonette  entsprach.  Die  strophische  Form  hatte  er  im  befreiten 
Jerusalem  auch  in  der  zweiten  Auflege  1651  beibehalten  (ab* 
ab*  ab*  cc);  im  Basenden  Boland  war  er  von  der  beschwer- 
liclien  cttava  rima  abgegangen  und  hatte  den  paarweise  gereimten 
Alexandriner  mit  regelmäßiger  Abwechslung  der  weiblichen  und 
männlichen  Beime  vorgezogen  (a*  a*  bb  c*  c*  dd),  wodurch  der 
innere  Zusammenhang  des  Strophenbaues  verloren  gegangen  war. 

I.  Kapitel. 

Schon  die  hamburgische  Zunft,  die  nichts  als  Lobaprüche 
für  die  Brockeesche  Übersetzung  hatte,  hob  hervor,  daß  der  deutsche 
Dichter  im  €kbrauche  der  grellsten  Farben  seine  Vorlage  überbot. 
Dieaer  äußere  Schwulst,  den  uns  die  anderen  Gedichte  Brockes'  aus 
dieser  Zeit  zeigen,  fällt  auch  unwillkürlich  achon  bei  der  ersten 
Lektüre  auf.    J.  Suiland  meint: 

Denn  obwohl  die  Gedanken  Marino  dir  eratlich  gab, 

So  schließt  sich  doch  sein  Geist 

In  gleiche  Worte  zwar,  doch  nicht  in  gleiche  Schranken. 

Bicbey  geht  noch  weiter: 

Brockes  trifft  nur  mit  ihm  (Marino)  an  Geist  nnd  Worten  ein 
Hier  moß  das  Urbild  selbst  dem  achOnen  Abdrack  welchen 
Marino  wird  dnrch  Brockes  mehr  ala  Marino  sein. 

ond  in  gleichem  Sinne  änßern  eich  J.  Hübner  und   G.  J.  Hofft 
im  Namen  der  tentschübenden  Gesellschaft     An  Beispielen  dafür 
fehlt  es  nicht,  nnr  einige   der  krassesten  mögen   hier   angeführt 
Verden»  Bei  der  peychologischen  Unteisuchung  des  geistigen  Vo^ 
gangss  von  Brockes  bei  der  Übersetzung  lassen  sich  drei  Art* 
uiteracheiden:   die  Überaetzung  eines  sinnlich  -  bildlichen   Wor 


303    B.  H.  Brockea'  B^thleheiaitücher  Eiodermord.  Von  C.  Battitti^ 

dnreb  wm  verschrobenes,  abtr  gl  eich  artiges;  die  etnes  &bitrtlti 
intnitiven  dnrcb  ein  homogODes  aber  kräftigeres,  und  tebtieBfk 
die  eines  der  zweiten  GatttiD^  dnrch  eines  der  ersten^), 

Psycbotogjsch  bedentet  dieser  Yorgang,  wenn  auch  in  tai 
ficbiedeneEi  Graden,  die  Sucht  nach  dem  Beizendsten  und  & 
regenditeo,  nach  einer  DarätöUtxng  mittelst  Bildlichkeit,  die  lii 
intiitti?e  PerzeptioQ  bezweckt»  Der  Dichter  will  dem  Leser  dan 
die  nneig entliehen  Ausdrücke  das  UrteilsTerxn&gen  Bebmenf  m 
lediglich  atif  seine  Einbildang  und  auf  sein  Geföhl  zn  wirka 
üetbetiseb  umgedeutet  iit  dieses  Verfahren  voq  Brockea  ein  mb 
waßter  Versuch,  die  Scb ranken  der  dichtenden  nnd  bOdead^ 
Ennst  zn  durchbrechen  und  die  dieser  zakomEuenden  Bewegangi 
emp&Ddnngen  dnrcb  die  gesteigerte  Erregung  der  Pbantai« 
t&tigkeit  beim  Leser  zu  ersetzen ;  dadi^rcb  soll  eine  ebenso  lebütd:^ 
Oesichtswabrnebmnng  erreicht  werden,  wie  dies  sonst  aar  dit 
bildende  Kanat  Termag.  Man  darf  aber  nicht  vergesseß^  M 
Brocket  i^  der  Malerei  ausgingt)  nnd  daß  seine  Schrethkmut 
der  verscbtedenen  Perloden  sieb  immer  in  der  Eicbtong  lOl 
Malerei  bewegt.  Dieser  Fehler  kommt  besonders  in  jenen  luUeo 
zum  Vorscheine,  wo  Marino  eine  Wirknng  dtircb  StimmtingsTerliib- 
lichnngeo  beabsichtigt^),  welche  im  Leser  dnrch  Bewegnngiemplfi* 
dnugen  hervorgerufen  werden*  Wenn  nnn  ein  nnbildliches  W^rt 
mitten  in  einer  Keibe  von  Wörtern,  die  eine  ganze  BewefDBj^i- 
empfindnng  bilden,  mit  einem  aBscbanangsgesättigten  äbersitit 
wird,  80  ruft  dieses  Wort  unmittelbar  eine  Pbantasieanacb&QSflie 
berror^  die  stärker  ist,  als  die  der  ßewegnngsempfiiidnng  eot- 
sprechende  Stimmnogsverleiblicbnng*  Dadurch  wird  die  mQh«]c»» 
Anfassnng  der  Vorstellung  zerstört  und  die  Unlust  des  hnm 
erregt.  Man  vergleiche  beispielsweise  folgende  Stellen  Dir 
Fürst  der  Hölle  liest  in  den  Gestirnen  das  Schicksal  der  Er» 
lösnng:  I,  15 


^)  leb  lasse  bi&r  Beispiele  %m  den  ereteQ  40  Strapheu  des 
Gesanges  falgenr  L  KoDkreU;  gioghi  aiptm,  die  ranbeD  Spitti 
Vatrs  caverne^  die  graiiRe  Hölle  15;  in  tpieste  eüs«,  in  dieser  " 
Graft;  tormentator^  Benker  23;  c(isa  piü  tetribüe^  kein  iig're  < 
kluft  35^  teitQf  Scbrecketibaai;  vQcit  Geschrei  12;  I!.  AbstraHar  f^ 
Uagiückistorcn  0;  r«  dt  piantOi  König  alier  Pein  2;  sospeitu,  übciiiQ^' 
f olles  Grauen  7;  avide  hramef  dem  scharfen  Honger  B8;  llL  Wiedelftf« 
eines  Abstraktem«  mit  einem  Konkretam:  kijamh  Cetten  1;  maivrA 
eorporea,  irdische  Kreatur  24;  sguardü^  Strahl  3;  o  miei  sö$U^i  ^ 
saufen  meines  Eeiebes,  Diese  Anschwellung  des  Auidmckes  teigt  «^> 
besoaderd  aof  dem  Gebiete  de«  Adjektirums,  wo  der  Übenetitf  tei^i 
VorlBge  planmäöig  öberbretet:  cas^o  29,  Terworfen;  terreHre  24«  ^ 
scblacliten;  intriso  S7,  beichmuttt;  mensa  äetestabiU  3a»  Mördeftii^ 
amdo  28,  scharf. 

']  Allgemdne  fIncTklop&die   der  Wiise&icbafiea   and  KfiniM  v44 
Erach^Graber  XllL 

>j  Vgl  darf^ber  Volkeltp  JohanneB;  Sjitem  der  Ästhetik    Mßncb«B 
1905.     L  Bandp  IIL  Abicbnitt,  V,  Kspitd, 


BL  H.  Bro^ee^  Betbleb^mittseher  Kiodermord.  Von  C  BattiBti.   303 


I 


W«tj  iQi  der  Falsre  dqs  «o  vieler  fremden  S&cben 

StJD  Geist  den  tiefsten  SehlnB  der  hohen  Schiekuog  Kclilot 

Utii  de«8ei]  In  halt  ibis  recht  tnniglich  verdroß » 

Vtrdfeht«  er  feein  Äo^,  das  bl&Q  von  Gift  der  DrAchen, 

Dil  wie  em  b^lliicb  Feaer  glöbt  ond  vom  Blute  klebt, 

BedeeJite  «dße  Stirn e  mit  seinen  großen  KUuen 

Die  |;i.r  abiebealich  lehwartz  und  gräulich  anzuichaueni 

tTad  brflilt  io  graasim  it&rkt  daQ  Erd  und  HöUe  hebt 

Ja  bet^t  ans  Riferey  und  tollen  Eiffera  HiUe 

Voo  »einem  krummen  Scbitanti  die  Skorpiooen-SpitB«, 

BiHcM  dii  hasii  effetti  egli  raccoUe 

L*Mo  tenor  delh  cngion  $up€rne 

Tintt  äi  sangue  e  di  venm  traiiohe 

\hi«i#»  brugia  infemah  Vcmpie  lußemej 

6*a§cQfie  if  tfim  nUro  U  brutiehe^  e  sciolse 

M»gmio  che  mtrono  ratre  canenie 

E  di  la  coäUj  onäe  Bi  Unm  ait^rte 

La  €%ma  per  furor  tutta  u  morse. 


!L  Man  wird  zugeben  mtsseti,  daü  die  Strophe  Marines  kmnte- 
P  foilkommea  igt.  Eines  ist  aber  sicher,  daß  es  dem 
itnrscbeu  Dicbter  gelaug,  in  der  ersten ,  eben&o  wie  in  der 
•iit«n  Hilft»  dieser  oUana  rima  oine  Stimmaßg  des  mächtigen, 
u«no  Sichern porr ecken B  berToriarafen ;  die  Bewegangsem pgadnng 
Liift  IQ  regetmäüiger  Stufenfolge  anlwfirts;  anechauliche  Worte 
libtti  iti  letztes  Glied  der  den  BewegnngaempündungOQ  ent- 
pn«b«odeo  Wortreihen,  an  einer  Stelle  alao,  wo  die  YerkOr- 
imtg  ääi  Slimmong  sieb  schon  Tolhiebt.  Sie  verstärken  darch 
iri  lininittelhare  Wirkung  die  gewonnene  Phantasieaaschanung. 
mhüh  ist  die  sahitantiviecbe  Metapher  htcerna  für  occhh^  obwobl 
it  tum  verrafentten  Handwerkszenge  des  Seicentismns  gehört, 
idi  nnr  Dicht  stdrend,  gondern  vielmehr  effektvoll  Ebenfalls 
rirbiin  wird  in  den  letiten  vier  Versen  der  Übergang  vom  Macht* 
»Igkeits-  zum  Eacbe*  ond  Zorngefdble  dargestellt.  Was  macbt 
kr  der  Übersetzer?  Durch  Änfnabme  der  im  erregten  Stile  von 
iirme  glacklich  weggelassenen  tertia  comparatmnu  (blau  vom 
iiß  der  Draeben)  oder  erkürenden  Adjektiva  nnd  Znsätze  (und 
Imtii  Inb&lt  ihn  recht  innigllcb  verdroß,  bedeckte  seine  Stirne 
dt  setnen  großen  Klanen,  die  gar  abfichenlieb  schwarz  and 
piQlleb  ininschaneD,  von  seinem  kmmmen  Schweif  die  Scorpionen- 
Sfitte)  interbricbt  er  die  anfäteigende  Welle  der  phantastiGoben 
bscbaailiigeD,  dnreh  Einüechten  von  voritellnngsreicben  Wörtern 
oittio  in  der  Serie  (das  Ang  ist  blau  vom  Gift  nnd  glüht  wie 
UUiieb  Fener;  die  Klanen  sind  abschenllchf  achwartz^  grinlicb} 
ptipiirt  nnd  entstellt  er  die  Schill  Belekte. 
^  Einen  ähnlichen  Vorgang  erkennen  wir  an  den  Stellen,  wo 
Bniclie  etwa»  dem  Original  Fremdes  bringt,  sei  es,  im  die  An- 
idiAtillebktit  zn  fördern,  sei  es  nm  den  Eindruck  zu  verstärken* 
Didnrch  gebt  das  Stimmnngsbildf  das  Marino  hervorruft,  meist  in 
(TOttikt  Karrikaturen  über.  Kennzeichnend  für  dieae  Art  des  Vor* 
jii  die  Übersetzung  der  Strophe  1«  5: 


304    B.  H.  Brocket*  Bethlehemiiiicber  Kindermord.  Von  C.  Battiiti. 

Et  stehn'  drey  Forien  bar  diesem  HOlltyraiinen 
Um  auf  der  Folterbank  iho  ewig  aoiiiepanDeB 
und  ihn  ebne  Unterlaß  in  terr'n  nnd  m  lertpomen 
Dnrch  Peiteeben,  angetchftrft  mit  Nattern  und  mit  Domen. 
Die  Locken  ibies  Haare  liad  kmmme,  magre  Scblangen 
Jbr  falber  Schatten  echwftnt  die  abgetebrten  Wangen. 
Sein  Zepter  ist  fon  Stahl,  et  merkt  wer  ihn  betcbaot, 
Daß  ihm  toi  teinem  Reich,  ja  for  tieh  telber  graut. 

Tre  rigorose  Verpini  vicine 
Stanno  assiatefUt  alT  infernal  Tiranno 
E  con  aferze  di  vipere  e  di  spine 
Intente  sempre  a  siimvlar  lo  8tanno. 
Crespi  han  di  aerpi  in  aneüato  ü  erine 
CKhorrida  iniwnio  dl  voUo  ombra  lor  fanno. 
Scettro  ei  sostiefi  di  ferro,  e  mentre  regna 
II  8U0  regno  e  sestesso  abhorre  e  sdegna. 

Das  innere  Bild,  das  loh  dnrcb  die  italienische  oUava  rima 
bekomme  ist  folgendes.  In  der  Mitte  eines  nicht  näher  bestimmten 
Hintergmndes  sitzt  Lnzifer  aaf  einem  Thron  mit  dem  stählernen 
Scepter  in  der  Hand,  finster  nnd  ergrimmt;  ihn  umstehen  die 
schlangenhaarigen  Furien,  die  ihn  mit  Nattemgeißeln  stacheln. 
Durch  Oedankenassociation  ruft  mir  dieses  innere  Bild  die 
klassische  Darstellung  des  Hadeskönigs  henror  und  ich  empfinde, 
daß  darin  nichts  Heterogenes  vorhanden  ist,  was  eine  Einordnung 
der  Vorstellungsmassen  hindert ').  Bei  der  deutschen  Übersetzung 
ist  aber  das  Bild,  das  sieh  der  Phantasie  darbietet,  zunächst 
ein  ganz  anderes.  Ich  gewinne  den  Eindruck  einer  Folter- 
szene, in  welcher  die  drei  Furien  den  auf  die  Folterbank  ge- 
spannten Lnzifer  (die  Apperzeption,  daß  dieser  der  „HOllen-Tjrann'' 
ist,  stellt  sich  natfirlich  nicht  ein)  durch  Peitschenschläge  martern, 
ein  Bild,  welches  mir  aus  der  mittelalterlichen  Dämonologie  be- 
kannt ist  und  das  ich  in  zahlreichen  Gemälden  der  Frfihrenaissance 
wieder  erkenne.  Hier  hat  uns  Broekea  ein  Tom  OrigFDal  gruBi- 
verschiedenes  Stimmungsbild  gegeben,  welches  dem  aus  den 
Strophen  1—5  gewonnenen  widerspricbt  Mao  Termißt  dabei  jfi]!* 
innere  Verwandtschaft,  die  zwischen  Vorläge  nnd  Überaet^uüg 
walten  muß.  Aber  noch  ärger  ist  es  um  die  Verbindung  die^^ 
Bildes  mit  dem  in  den  letzten  zwei  Versen  der  oitava  rima  mi- 
haltenen  bestellt,  wo  Lnzifer  als  ein  König  mit  dem  Szepter  in 
der  Hand,  wie  im  italienischen  Urtexte  geschildert  wird.  FM 
derartiges  Hin-  und  Herpendeln  zwigcben  iwm  logisch  utivefahh 
baren,  ja  widersprechenden  Bildern  ist  natürlich  der  Tod  mr 
kfinstlerisch -ästhetischen  Genusses.  Dieser  Vorgang,  der  ^-^^^ 
durch  die  Einffihrung  des  Versee:  ^Um  attf  der  Folter] 
ewig  snzuspannen*'  entsteht,  kenn  zeichnet  het^*  ^»^— - 
größte  Unverständnis  ffir  die  Kunst  nnd  '^ 


*)  Die  Terminologie  itt  nach  ßottekei 


I 


6.  H.  Broeket'  Betiüebfimiiseher  Kiodermerd.  Yen  C.  BattisU,    305  '^ 

Das  Streben  nach  Breite  des  Ausdruckes  zeigt  sieb  in  aus- 
giebigerem Maße   bei  kdrzeren  Stellen.     Per  stilistische  Vorgang  ; 
ist  in  den  einzelnen  Fällen  verschieden.     Sehr  oft  wird  ein  Wort 
des  italienischen  Textes  durch  einen  aeuen»    sinnverwandten  Aus-                          'j 
druck  gegeben,    welcher  die  Bedeutung   des  ersten  erweitert,   teil- 
weise abändert  oder  einschränkt: 

lY  28   rtMseUitor  ehe  d'inprovviso  arriva  (den  Wfltrich)  der  sie  ^ 

guis  nnverhoirt  und  plOtilieh  tberratchte.    I  2  horribil  (regio,   einen  : 

«chreckliehen   ond  graasen  Zierrat  machea,  I  40  Vaer  foeeoy  bei  treber  ] 

Loh  und  nimmer  heitrem  Himmel.     I  40  porta  egli  ü  mel  neüa  fa^  ^ 

ve/io,  sein  Mand  hegt  Honigseim,  sein  Wort  Set  ZaekerteO.    II  65  c?ie  ^ 

((nellar  nan  nuote,  daß  er  vor  Eifer  kaum  die  e chwere  ^nage  lOet  If  70  | 

oedki . . .  ov*  I  presente  strtisio  e  «oh  vi  muave?  daß  ihr  den  blatgen  i 

Tod  und  wildes  Morden  verwehrt.  III  14  tinti  dPira,  bleich  vor  Grimm  j 

und  Wnt.  IV  6  ma  di  Signor  st  rigido  e  protervo  non  deve  piü  pie-  \ 

Uno  essere  ü  servo,  Wie  dann  bei  solehem  Herrn  nad  Feind  von  allem  J 

Gaten  ja   wohl    kein   besser  Eoeeht  und  Diener  su  vermoten.    IV  00  jl 

immortal  fornace^  einen  Heerd  nnd  lebenden  Kamin.  IV  66  ü  regnator  ' 
de  tenti,  der  Winde  Herrn  und  Meister.   IV  77  sieno  . . .  t  pianti  miei, 
li&  meiner  Meng  als  Tochter  meiner  Pein.    IV  77  dato  . . .  Vhavesei  di 
mia  mam  morteU  velemo,  dir  . .  gleich  hätte  tödtUeh  Gifft  nnd  Schlangen- 
MiMsm  gegeben. 

Gleich  geartet  sind  die  Fälle,  wo  ein  ganzer  Satz  durch  einen 
Den  hinzugefügten  ergänzt  wird: 

IV  Vuve  sperate  ü  vülanel  sospira,  Wodurch  der  Landmann  den 
onTenneidlichen  Yerlaet  der  schönen  Tranben  Darauf  er  gehofft,  besenfst 
«ad  sllen  Mnth  verliert.  IV  22  Vvmo  in  lavaero  tiepich  ei  bagnch  der 
ente  machte  sieh  im  lauen  Wasser  naß  Und  fand  im  Bade  bloß  ein 
Idndiiebes  Vergnfigea.  IV  65  cereando  pur  la  Vergine  emarrita  che  fu 
m  punto  col  vista  e  rapita,  nnd  ihre  Tochter  sncht,  die,  eh  sie  es  ver- 
spfbret  Und  fast  sasehends  ihr  geraubt  war  und  entfahret.  IV  5  stan 
. . .  qnaei  cuetodi  ai  fimnehi  murei  leoni,  awei  von  Gold  gegossnen  Lenen, 
4ie  jedem,  der  sieh  nahte.  Mit  trottigem  Gesicht  als  freche  fiater 
ditoen.  III  135  E  del  corpo  semü  V<miico  inearco  std  nodoso  baston 
incurva  in  arcot  Ein  knotenreicher  Stock,  den  seine  Linke  faßt,  T^ng 
Kines  alten  Leibs  schon  ganz  gekrümmte  Last 

Auf  einem  fibüMcheu  Gruodaatze  beruben  die  ^ahllosüQ  Bel- 
ipiele,  in  denen  der  Übersetzer  eiDem  ecboti  vorhandenen  Worte 
odsr  Satze  keine  gleichartige  Brgäuiung  hinznfAgtt  soadem  diui 
im  Urtexte  einfach  ausgedrückten  Bp^ri^  dnrdi  Acweiaduiig  ?ot} 
^ammatisch  verBcbiedenen  Zaisitzeü  brait^r  aHi^MrW 

1.  Mittel-at  einet  Adjelcti' 
77.  111 85)  miS  «der  «Ut^eu  Bnut"  üh.. 
9^}do^  als  ihr  soD«t  Uubei  Ohr  Bum  lli. 
9|e  . . .  a  rioeder  qucUe  malnate  a£k*^. 
dieten  Henkerinnen   lUil  befUger  h&gi¥t  \ 
cfce  ü  di  Wapportctj    woraur  derjra^e  ' 
11  2  oe'ei  po$a  le  pianU,  wori 

lY  72  futst*  unicQ  im,  dn^  "'-■ ' 

Zu  dieser  GaiinijfC  '  ' 
iimmengesetzten  Bauptwfi 

WtKkrifl  f.  d.  öttm.  Or 


iptwBr 


306    B.  H.  Brockes'  Bethlehemitiseher  EindenDorcL  Von  C.  BaittstL 

usw.,  welchen  in  der  Vorlage  keine  entsprechende  VerhinduD^ 
(z.  B.  micidial  apada,  del  camefiee  servi),  sondern  das  einfache 
Snbstantiynm  {spada^  aervi)  gegenübersteht  Weitere  Beispiele  für 
diese  Erscheinung  folgen  weiter  unten. 

2.  Mittelst  eines  Adverbs:  IV  15  quindi  m  altra  magiwi 
s'apre  Ventrata,  drauf  bricht  er  freventlich  an  andren  Orten  ein.  lY  66 
quand^apre  Vuscio,  wenn  er  ergrimmt  entschiei^t  der  Stftrme  donkles 
Nest.  IV  92  vede  aprir  Vuaeio  a  triplicato  soU,  Er  siebet  gantzt  6r- 
stannt  am  aufgeklfirtem  Himmel  drei  Tolle  Sonnen  dort  im  frühen  Osten 
stehen. 

8.  Mittelst  syntaktischer  VerToUst&ndigaDg:  IV  7 
A  librar  Vaniio  o  hmAatrea  ritomi,  Astr&a  kommt  und  wiegt  das 
Jahr  in  ihrer  V7age.  IV 12  e  2o  sveglia  dal  B<mnOf  Erweckt  es  ans  dem 
Schlaf  mit  fürchterlichem  Drfiaen.  iV  26  giunse^  Drauf  kommt  er . . . 
Mit  Mordbegiergen  Fuß,  roll  Wuth  und  Grimm  gelaaffen.  IV  4 
imma/ntinenU  ü  fier  tiranno  (ucese.  Drauf  stieg  den  Augenblick  . . . 
Mit  frechem  Faß  und  Sinn  der  wütenden  Tyrann. 

Am  ärgsten  hat  aber  Brockes  seiner  Weitschweifigkeit  an 
jenen  Stellen  die  Zügel  schießen  lassen,  in  denen  Marino  zwei 
sinnverwandte  Ausdrücke  gebraucht,  um  einen  breiteren  AssoziatioDs- 
Zusammenhang  zu  gewinnen.  In  solchen  F&llen  hat  Brockes  seine 
Vorlage  planm&ßig  überboten,  indem  er  an  Stelle  der  zwei  durch 
weite  Ähnlichkeitsassoziation  verbundene  Worte  des  Urtextes  immer 
neue  Zwischenstufen  einschob,  um  einen  sanfteren  Übergang  her- 
zustellen. Die  unbewußte  ästhetische  Tendenz  des  Übersetzers  ist 
also  auch  in  diesem  Falle  darauf  gerichtet,  die  freie  Willkür  der 
aufnehmenden  Phantasie  zu  beschränken  und  durch  Herstellung 
von  verbindenden  Fäden  einen  möglichst  bestimmten  assoziativen 
Faktor  hervorzurufen.  Dabei  stellt  sich  oft  heraus,  daß  Brockes 
durch  diesen  Vorgang  die  Breite  der  Assoziationsmasse  reduziert; 
ein  Beleg  dafür  wäre  z.  B.:  II 140  Piü  di  apavetUo  e  di  Stupor 
ripieno  voll  Schrecken,  Angst  und  Furcht.  Beispiele  für  derartige 
Erweiterungen: 

III  89  steso  al  suol  tutto  pesto  e  tutto  tritto,  Die  tersplittert 
und  sermalmti  zertrümmert  und  serbrochen.  III  25  quei  rugge  e  laira 
e  questa  lanque  e  gerne,  Er  knirschte,  brüllt  und  bellt,  sie  weinet»  heult 
und  schreit,  lll  11  Piü  conpiace  . . .  Ferro  e  sangue  il  erudde  havere 
intorno  Che  di  porpora  e  d^or  vedersi  adomo,  Fand  der  barbarische 
Tyrann  nicht  soviel  Lust,  Mit  Purpur,  Seid'  und  Gold  geschmückt  eio- 
hereugehen,  Als  sich  mit  Schwerdteren,  Stahl  nnd  Blot  umringt  zu  sehen. 
III  69  Senea  meto  senz'  alma  e  senea  vita,  Ganti  ohne  Wiim'  und 
Stimm'  und  ohne  Seel'  und  Leben.  IV  87  Fuor  che  strida  e  $aspir, 
pianti  e  ainghioezi,  Altro  non  si  sentia  per  ogni  partt,  Man  konnte 
nunmehr  nichts  an  allen  Orten  spflren,  Als  healen,  schluehsen,  schreyn, 
beklagen,  weinen,  wimmern. 

Eng  verwandt  damit  und  gleichzeitig  mit  einem  früher  be- 
sprochenen Vorgang  sind  schließlich  Stellen  wie  die  folgenden: 

III  24  Sciolse  eUa  gli  occhi,  egli  le  «ens,  sie  Offnet  Ang'  und 
Herts,  er  Adern,  Fleisch  und  Sehnen.  III  49  Di  soißo  ceffo  e  di  spa- 
ruta  cera, . . .  und  Bücke,  die  man  schier  Nicht  sehen  knnnt'  ohn  Angst, 
ohn  Eckel,  Forcht  und  Grauen.    III  54  (Jon  quetVaffetto,  che  dal  ptxtrio 


B.  H.  Broekes'  BethlehemitiBcher  Eindermord.  Von  0,  BatHsti.    307 

regno  VälU  flamme  fuggendo  II  buon  Troiano  II  vecchio  genitare  e  '2 
jNCCtoZ  peano  Begaea  col  tergg»  a  im  punto  e  con  la  mano.  Mit  wie- 
Tiel  Zftrtlichkeit  Draeh  der  Anaeas  dort  Anchisen  lud  den  Jnl,  sein 
kleiDes  Liebei  Pfand,  Dareh  Sehott»  durch  Asche,  Graaes  ond  Flammen 
beide  fort,  Deo  einen  aof  dem  Hals,  den  andern  bej  der  Hand. 

Znletzt  bleibt  noch  das  sprachliche  Material  zu  besprechen, 
dessen  sich  der  Übersetzer  bedient  hat.  Jedoch  kommt  für  nns 
die  Frage  über  die  poetische  Sprache  BrockesS  worüber  auch 
Brandt  einige  Andeutungen  macht,  nnr  insoweit  in  Betracht, 
ils  sie  eine  ästhetische  Bedeutung  hat.  Das  erste,  was  dabei 
anffällt  und  dem  Übersetzer  zur  Ehre  gereicht,  ist  die  sorgfältige 
Vermeidung  der  Fremdwörter.,  ein  Umstand,  der  den  „Bethlemi- 
tiscben  Kindermord''  viel  höher  stellt  als  den  „Basenden  Boland** 
und  auch  als  die  zweite  Ausgabe  des  „Befreiten  Jerusalem'^  von 
Werder.  Mit  diesem  Zuge  geht  eine  andere  Erscheinung  Hand  in 
Hand,  deren  Besprechung  allerdings  nicht  bisher  gehört,  die  aber 
mit  der  Umgehung  der  Fremdwörter  psychologisch  und  ästhetisch 
zu  innig  Terbunden  ist,  als  daß  sie  hier  getrennt  behandelt  werden 
könnte:  die  Wiedergabe  gelehrter  Anspielungen  und  mytholo- 
gischer Stellen  durch  solche,  die  dem  ?eränderten  Lesepublikum 
gelftofiger  waren.  Auch  darin  bekundet  sich  immer  die  ästhetische 
Tendenz  Brocke8%  nach  Möglichkeit  immer  die  psychische  An- 
itrenguDg  des  Lesers  bei  der  Assoziationsarbeit  zu  Terringem. 
Geradezo  typisch  ist  die  Stelle  am  Anfang  des  dritten  Gesanges, 
wo  Marino  sich  die  Darstellungskraft  eines  italienischen  Malers 
wünscht^  der  das  Eindergemetzel  mit  düsteren  Farben  geschildert 
hatte:  Brockes  stellt  an  den  Platz  des  Arpino  den  in  Deutsch- 
land bekannteren  Picard,  dessen  Kupferstiche  er  der  Übersetzung 
beilegt^).  Einen  ähnlichen  Vorgang  sieht  man  in  der  oben  er- 
wähnten Stelle  in  54,  wo  il  huon  Trojano  mit  Äneas,  ü  vechio 
genüore  $  il  pieeiol  pegno  mit  Anchise  und  dem  Jul^  sein  kleines 
Liebespfand,  oder  IV  45,  wo  licar  dt  Bacco  mit  Beben-Naß,  IV  41, 
vo  il  Libano  mit  die  Berge  Libanons,  I  87,  wo  i/  pdo  mit 
ADgel-Steme,  IV  0,  wo  il  limbo  mit  Limbus-Thal,  IV  18,  wo 
Giano  mit  Janus-Kopff,  IV  92,  wo  elisia  magion  mit  heiligen 
Hflgeln  übersetzt  werden.     Weitere  Beispiele  wären: 

I  80  Xe  apavefUose  Eumenidi  soreUe,  die  Furien.  IV  8  (a'odon 
tonar)  in  aueUa  guisa  Che  suol  da  gli  Austri  il  cambattuto  Egeo, 
HOrt  man  so  wie  Tom  Sturm  das  Meer  pfle^^t  sa  ertönen.  IV  80  Et 
eeeo  aiä  t^hamai  ei  leva  e  eeee  VAlha  dalVIndo,  Und  nunmehr  zeigte 
•ich  der  Morien  allbereit  IV  88  Vedeanei  . . .  Trumfar  Morte  horri- 
hüimetUe  e  Marie,  Man  sähe  hin  and  her  Den  Kriegsgott  und  den  Tod 
tbieheulieb  triumphieren.  IV  48  Celar  voi  da  queste  ingorde  Arpie, 
dich  ferberg  Tor  diesen  wilden  Bären.  IV  57  üaito  havrai  del  Tauro 
d^Ägrigento,  Quando  dal  rame  suo  concavo  e  pregno  Ne^  muggiti  non 


*)  Der  ffldehe  Fall  wiederholt  sich  III  59,  wo  anstatt  Arpins  der 
bolllndiiehe  Maler  Willem  Tan  Mieris,  der  ebenfalls  ein  Gemälde, 
dem  Inhalte  dieser  Strophe  entipricbt,  abgebildet  hatte,  genannt 

20» 


908    B.  H.  Broekes'  Bethlehemitiacfaer  EiDdermord.  Von  C.  Bütii%ti, 

9Uöi  sparse  Ü  latnento  Del  fiero  suo  fahbricatare  ingegno,  Gleich  wie 
Perillas  Ochs  aos  seines  Bancfaei  HOhle  Des  kOnsÜich  gnoiamen  Er- 
flnders  bange  Seele  Mit  dnmpfichten  Geschrej  and  fremden  brflllen  haneht. 

Gelingt  ea  i%m  Oberietz«r  nicht  immer,  die  mythologischen 
Bilder  ana  seiner  Vorlage  durch  solche»  die  den  Lesern  bekannter 
sind,  zn  ersetzen,  so  hat  er  wenigstens  in  zahlreichen  Fußnoten 
sein  Publikum  mit  diesen  fremdartigen  Begriffen  fertraut  ge- 
macht^). Ebenfalls  in  der  Absicht,  klar  zu  sein,  hat  Broekes  die- 
jenigen Tropen  der  Strage  gemieden,  die  einem  deutschen  Leser 
schwer  verständlich  gewesen  w&ren. 

Sogar  alle  Variationen  für  „Augen^,  die  durch  die  zweite 
sdilesische  Schule  eine  Zeitlang  Mode  geworden,  fallen  ab:  17, 
U  luciy  sein  gräßlich  Aug*,  I  15  Vempie  lueeme,  sein  Aug%  11  40, 
i  lumi,  den  frechen  Blick  und  IV  77,  Äugelchen,  III  48,  tor- 
cendo  al  cel  le  lacrimose  stelle,  und  sahen  in  die  Luft.  Weitere 
Beispiele:  I  0  la  perpetua  notte,  der  Hölle  schwarze  Klüfte,  n  lU 
veochierel  k  bianche  lane^  des  Alten  graues  Haar,  II  131  P  um&r 
noUumo,  den  kalten  Nacht-Thau,  IV  84  iepidi  torrenti,  laue 
Thränen,  IV  89  dei  begli  occhi  il  sol   der  Augen  Heiterkeit  usw. 

Bei  der  Besprechung  des  Wortschatzes  sind  besonders  zwei 
F&lle  von  großer  ästhetischer  Bedeutung :  Der  Gebrauch  eines 
Wortes  in  einer  ihm  grammatisch  nicht  zukommenden  Funktion 
und  die  teilweise  Veränderung  der  Bedeutung  des  Stammwortes 
durch  Zusammensetzung.  Ein  Fall,  welchen  Broekes  in  seiner 
Vorlage  fand  und  oft  genug  verwendete,  ist  der  Gebrauch  des 
substantivierten  Infinitivs,  eine  Erscheinung,  die  sich  an  deo 
eigenen  Gedichten  Broekes'  vor  1715  nicht  zu  oft  nachweisen 
läßt,  die  aber  nach  dem  b.  E.  besonders  in  den  ersten  Büchern 
des  „Irdischen  Vergnügens''  auffallend  oft  auftritt.  Den  Zweck 
dieses  Kunstgriffes,  nämlich  jene  Verminderung  der  Anschaulichkeit 
und  Herabsetzung  der  Lebhaftigkeit  der  Vorstellnng,  wie  Ellopstock 
in  seinem  Fragmente  über  Sprache  und  Dichtkunst  *)  meint,  hat 
der  Übersetzer  nicht  immer  vor  Augen  gehabt:  vielmehr  scheint 
es  mir,  daß  er  durch  die  Verwendung  des  Infinitivs  an  Stelle  des 
entsprechenden  Substantives  in  den  meisten  Fällen  eine  Umsetzung 
der  Beschreibung  in  Handlung  geplant  habe.  Beispiele  hiefür 
wären:  IV  81  dem  EOnig  folgendes  im  Niederknien  entdeckt,  Äl 
r^  s'inehiina  e  poi  comincia  oder  II  77  hör  mein  sehnliches  ver- 
langen, volgüi  a  questi  miei  verdidi  preghi^  IV  64  im  nieder- 
fallen sterben,  cadere  esHtUo,  III  81  Er  wird  noch  mehr  er* 
grimmt  Und  immer  rasender  durch  Lechzen,  Winseln,  Thränen,  pi^ 
la  steaea  pietä  V  infellonisce ,  IV  9  und  rief  so  stark  zu  Gott 
Mit  ängsügliehem  Sehnen,  E  al  aUe  mandd  U  vod  a  Dio  uw. 


>)  Beispiele  hiefflr:  I  2,  1%  38,  41,  42.  II  11,  64,  125,  126, 
138,142. 

')  Klopitocks  sämtliche  sprachwissenschafUiohe  und  ästhetische 
SchrifteUi  hg.  v.  Book  und  Spindler,  I  152. 


B.  H.  BrockoB*  Bethlehemitiseher  Eindermord.  Von  C.  Battisii.    309 

Eine  beliebte  Tendenz  Brockes'  ist  die,  ein  Substantiv  mit 
einem  eobstantivieften  Verbam  zu  yerbinden: 

lY  57  Mit  dnmpfiehteiD  Geschrei  nnd  fremdem  BrflUen.  II  184  Daß 
ibn,  indem  er  firi,  GehOr  nnd  Sehn  vergiengen.  II  57  Ja  bey  des 
Biomels  Lauf  nnd  nimmer  etillem  drehen.  II  81  Der  weder  von  Geburt 
noch  sterben  etwas  weiß.  II  70  Solch  unerhörte  Tat,  solch  greulich  unter- 
fangen. III  39  So  freches  Basen  wohnt  nnd  solche  Mörderinst.  IV  8 
Dar  Jebntiter  nun,  ersengt  bej  Blot  und  Morden.  IV  6  Zu  soleher 
Greneltbat  «nd  Blnt-fergießen.  IV  81  Der  Knechte  Klag-geschrey,  der 
Higde  Hinden-ringen  usw. 

Daß  bei  einer  solchen  Vorliebe  für  die  snbttantivitehe  An- 
wendung des  InfinitiTs  Broekes  die  embstantivierten  Infinitive 
seiner  Vorlage  ebenfalls  mit  Verben  übersetzte»  z.  B.: 

II  84  fl  ttio  pregar  ardente,  dein  heißes  Flehen.  III  SS  ü  iuo 
foler,  dein  wollen.    III  66  eol  propric  v€tgir,  durch  sein  Winunem 

ist  zu  erwarten  und  bedarf  keiner  weiteren  Belege.  Sehr  selten 
trifft  man  dagegen  ein  substantiviertes  Adjektivum»  einen  Kunst- 
griff der  auch  von  Marino  selten  gebraucht  wird;  aufgefallen  ist 
mir  nur 

IV  16  mit  dem  weißen  Naß,  ü  candido  Humor,  I  45  besprengt 
er  Stirn  und  Schiäff  mit  Lethens  feachtem  Naß,  sparse  U  tempie  altrui 
d'a^  letcth.  lY  16  seines  Blutes  Both,  als  Übersetzung  von  ü  ver- 
wiglio.  III  2  dein  geistreich  Schwarte,  IV  48  das  gefällte  Beben-Naß, 
Qod  IV  52  ihr  Schftffgen  ohne  Falsch. 

Viel  häufiger  dagegen  tritt  die  Verwendung  des  Perfekt- 
partizips als  Adjektiv  auf.  Von  der  großen  Anzahl  der  Partizipien 
einfacher  nnd  zusammengesetzter  Verba  abgesehen,  die  den 
Maogel  eines  Adjektivnms  verdecken,  findet  man  Fälle  genug,  in 
denen  der  Dichter  entsprechende  Adjektivs  zur  Verfügung  gehabt 
bitte,  welche  aber  durch  das  Partizipium  passend  ersetzt  werden, 
damit  mit  dem  Eindrucke  einer  bloßen  Eigenschaft  derjenige  der 
vor  sich  gegangenen  Entwicklung  verbanden  werde.  Diese  Absicht 
des  Obersetzers  geht  nebr  oder  weniger  deutlich  aus  allen  folgen- 
den Stellen  hervor: 

I  22  «ändert  des  Gestirns  so  lane  gewohnten  Lanff*,  wo  ein  „se- 
wohnlich*  bei  weitem  nicht  so  ausdrucksvoll  gewesen  wäre,  oder 
U  13e,  «daß  sein  gesteiffter  Fnä  die  schweren  Glieder  stützt".  I  12  er 
tiehet  gaox  erstaunt  am  aufgeklärten  Bimmel.  11  28  su  sehr  beschimpfter 
Thron,  vü  scettro  indegno,  II  20  ein  beliebter  Schall  erthOnet,  wann 
er  spricht  I  89  als  aus  verdorrtem  Stil  ein'  unverhoffte  Frucht.  II  24 
begltteket  in  regieren.  I  41  der  blotbesprititei  Feb  U  9.>  die  Scbultern 
Bind  entblOAty  porta  gli  omeri  igniAdi.  II  97  die  ^rot^  und  bunt  gefärbt 
waren.  II  190  auf  snmpfichtem  verwelktem  Grase  U  V27  in  den  ver- 
wilderten nnd  Sumpf  erfflUten  W&ldern.  III  3  Ui^  ia  der  Nacbt  ge- 
Khwintem  Kleide.  III  5  der  ongezfthlte  Schaar,  caUrve  inntimerevolL 
111  0  schwingt  den  eescbftrften  Stahl.  III 14  hier  schrei'n  die  Sterbe  öden 
trblaSt  nnd  sonder  Blnt 


In  anderen  Fällen,  wie  z.  B.  I  37  ^beschmutzt'', 
vom  Marino  verwendete  Partizipium  {intrist}  dem  Oberaetzer"^ 
floßt  haben. 


i 


310    B.  SL  Broekes'  Bethlehemiüscher  EiDdermord.  Von  C.  BattutL 

Von  der  ZnaammensetzuDg  mit  bestimmten  Pr&fixen,  die  bei 
den  Gedrehten  der  sp&teren  Periode  ein  beliebtes  nnd  h&nfig  ver- 
wendetes  Mittel  ist,  nm  neue,  sehr  anschanliche  Yerba  ans  Haupt- 
wörtern zu  bilden  (beblflhmen,  bebnschen,  bethrftnken,  entwOlkeo, 
enteisen  nsw.)  wird  in  der  Übersetzung  in  geringerem  Maße  Qe- 
branch  gemacht,  jedenfalls  aber  öfter  als  in  den  frübereD  Dich- 
tungen. In  den  meisten  F&Uen  findet  diese  Tendenz  ihren  Qmnd 
in  dem  Bedflrfnis,  italienische  Zeitwörter  mit  ähnlichen  deutschen 
zn  abersetzen ;  mit  diesem  Streben  verbindet  eich,  wie  der  h&nfige 
Gebranch  derartiger  Partizipia  als  Adjektiva  zeigt,  die  oben  nnter- 
snchte  Neigung  der  adjektivischen  Verwendung  des  Perfektpartizips. 

I  10  Die  Wftsten  LybicDs,  der  Scythen  rauhe  Spitzen  Sieht  er  im 
Augenblick  begrflnet  und  oelaubt  I  11  Er  sieht  den  fchwartseu  Dafft 
der  80  beglflckten  Nacht  I  25  Von  reicher  Beute  reich,  mit  Palm  und 
Böhm  bekrönt.  II  27  ...  von  den  bebltthmten  Haaren.  III  20  im  be- 
blflbmten  Mai.  I  58  . . .  durch  ihre  Macht  bekriegt.  II  102  In  weich 
bemooetem  Schoß  der  dickverwachenen  Hollen.  II  102  Ein  Mohn-Eranti 
...  Beschattet  ihm  die  Stirn;  die  linke  Hand  belaubt  der  Zweig.  II 
108  Benebelt  HOhl  und  Luft  III  61  . . .  war  mit  Ernst  befliessen  In 
einem  kleinen  Buch  die  Lettern  zu  studiren.  I  0  Um  . . .  behertzt  la 
widerstehen.  I  27  Uns  muß  man  nun  beherzt  ...  IV  66  und  Überall 
benetzt  von  bittern  Thränen  war.  IV  10  ...  von  den  beschwitsten 
Schnittern.  II  95  ...  des  Mondes  versilbert  Korn.  II  23  meines 
Vaterlands  dadurch  Yerwaiste  Pracht 

Auch  ähnliche  Substantivbildungen  werden  zur  Bezeichnnog 
von  Eollektivbegriffen,  wenn  auch  oft,  doch  nicht  so  zahlreich  ver- 
wendet wie  im  „Irdischen  Vergnügen^;  Zweck  derselben  ist  auch 
hier  die  Erhöhung  des  sinnlichen  Eindruckes  durch  Verwendung 
von  selteneren  Formen.     So  findet  man: 

IV  74  nicht  ans  menschlichem  Geblfit  erzeugt,  ne  d^human  seme 
nato.  IV  74  Gerberus  Gebrflth,  o  Cerhero  spietato.  II  94  das  Geetiro. 
I  58  sehr  wflrdiges  Gespiel,  siiora  hen  degna.  U  26  kein  GewOlk.  III 
18  ein  donnerndes  GetümrodL  IV  19  dieß  Gesehrej,  questi  lammti. 
III  28  mit  änntlichem  GeblOck  und  brüllendem  Geheule,  d^oTigoseiosi 
tnuggiti,  III  SO  Ob  diesem  unverhofft,  und  schleunigen  Gewitter,  ai 
repentino  inusitato  instUto.  III  50  kein  Gelaut,  voce,  III  80  ...  ein 
Gekreisch  von  Pein,  Und  ein  Gekninch  von  Wuth,  t;ocf  di  dolor,  stre- 
piti  d'ira,  IV  18  mit  grftßlichem  Geheul,  donneschi  tUulatu  IV  3  von 
plötzlichem  Gekreisch,  alti  atrepiti.  IV  88  Ein  gar  zu  j&mmerlich  Ge- 
schick, coBO  etnpio,  inaudito  usw. 

Unter  den  Substantivbildungen  mit  Ableitungssuffixen  hebe 
ich  nur  die  h&ufige  Deminutivbildung ')  mit  dem  Suffixe  -eben  nnd 
mit  der  Nebenform  -gen')  hervor,  die  Broekes  nicht  allein  als  Über- 


*)  H&ufig  nur  in  Betracht  der  wenigen  Stellen,  wo  die  Anwendung 
des  Deminut.  am  Platze  war.  Der  ftethetische  Gebrauch  dieses  stUistiscben 
Kunstgriffes  ist  im  Betfalehemitischen  Kindermord  verschieden  von  jenem, 
den  wir  im  Irdischen  VergnOgen  finden:  in  diesem  letzten  ist  es  die 
Kleinmalerei  und  die  Vertiefung  in  die  geringfügigen  Einzelheiten,  die 
Broekes  zur  Deminutiv bildung  fährte. 

*)  Die  Verteilung  der  zwei  Formen  -eben  und  -gen  hftngt,  wie 
auch   aus  den  gegebenen  Beispielen  hervorgeht,  tou  der  Qualität  des 


B.  H.  Broekes'  Bethlehemitiieher  Kindennord.  Von  C.  Battisti.    311 

Mtzuig  TOD  italieniBcben  DemiontiveD,  sondern  baupts&cblicb,  um 
eine  ZArtlicbkeitsstimmnng  berTorznrnfenv  verwendet.  Wie  Petri^) 
ricbiig  benrorbebt,  liegt  eine  der  Ursachen  fflr  die  Häufigkeit  dieser 
Bildung  im  starken  Gebrancbe  solcher  Ableitungen  in  der  nieder- 
dentseben  Volkssprache.  Dem  b&ofigen  Vorkommen  dieses  SufiTizes 
steht  die  Deminntivbildnng  mit  -lein  nach: 

IV  77  Äagelcben.  IV  70  ein  scharfes  Messerchen.  III  36,  IV  92, 
IV  98  WflrmcheD.  IV  105  Engelehen.  III  22  ArmcbeD.  III  57, 26,  77, 
lY  100  KOpffgen.  IV  104  8cb&ff|;eD,  T&abgeo.  III  10,  88  Fflßgen. 
IV  78  Cörperlein  (im  Beim  auf  sein,  aber  COrperchen  II  29).  III  51,  67 
Kindfren  und  III  54  die  beiden  Kinderchen.    III  76  bei  ibren  Kinderchen. 

III  67  Knftbken.  III  65  Brüderchen.  III  75  Giiederchen.  III  68,  80 
Kflchlein.    III  61  Bdeblein  osw. 

Ungemein  oft  kommt  aach,  wie  im  Passionsoratorinm,  die 
SobstanÜTbildung  mittelst  Znsammensetzang  Yor,  wodurch  das 
Eansalferb&ltnis  zweier  Vorstellungen  prägnanter  und  kräftiger 
anigedruckt  wird  als  durch  Verbindung  des  Hauptwortes  mit  dem 
daiu  gehörigen  Adjektir«  ein  Mittel,  dessen  sich  Werder  noch 
mißig  bediente,  welches  aber  besonders  bei  der  ersten  und  zweiten 
scfalesiscben  Schule  und,  nachdem  Opitz  es  als  besonderes  Verdienst 
hlDgestelli  hatte,  von  den  Scbwulstdichtem  in  übertriebenem  Maße 
Terwendet  wurde.  Da  eine  solche  Zusammensetzung  einem  Sub- 
stantiv mit  Adjektiv  oder  Substantiv  entsprach,  welches  eine  be- 
stimmte Eigenschaft  des  ersteren  hervorhob  und  sich  als  unver- 
änderlicher Zusatz  kristallisierte,  so  beruhen  die  meisten  solcher 
Snbstantivbildungen  auf  bestimmten  traditionellen  Begriffen  und 
erscheinen  öfter  wiederholt  in  wenig  veränderter  Gestalt.  Brockes 
ist  dabei  mehr  der  literarischen  Überlieferung  als  seiner  Vorlage 
gefolgt,  indem  er  sehr  oft  von  dem  italienischen  Beiworte  abge- 
wichen ist  oder  zu  ähnlichen  Zusammensetzungen  auch  dort  ge- 
griflen  hat,  wo  der  Urtext  ihn  dazu  nicht  berechtigte.  Die  meisten 
Beispiele  sind  schon  ans  der  zweiten  scblesischen  Schule  oder  aus 
Lohenstein  bekannt: 

Thrlnen-Bach  IV  80  II  186,  118:  -Plutb  II  75,  IV  83,  100; 
•Oflne  IV  118;  -Langen  IV  70;  -See  III  87.  Todes-Farcht  II  62; 
Kerker  IV  97;  -Wanden  TL  41.    MOrder-Nest  III 18;  -Schwerdt  III  17, 

IV  100;  Berts  III  20,  III  46;  -Faust  I  25;  .Tisch  I  87;  -Höhl  III  60; 
-Stich  III  78;  -Schaar  IV  6,  I  88.  II  112;  -Hauffen  IV  7,2;  -Wuth  III 
64;  -Klnft  I  84;  -Sacht  IV  27;   Hand  III  88,  I  41;  -Stich  III  78;  -Fuß 

III  82;  .Nacht  II  68.  MordTnmult  III  80;  -Lust  II  0,  III  88,  I  33; 
•Befehl  IV  0;  -Geschrev  IV  9;  -Begier  IV  58;  -Geheul  IV  54;    Schwerdt 

IV  W.  Liebee-Gott  III  84;  -Pfand  III  47.  54;  -Fracht  IV  24;  -Engel 
I  21;  -Altar  I  41,  I  188;  Gestirn  III  56.  Kriegs-Knecht  III  37.  65; 
•Pesaon  I  62;  .Gerlnscb  II  18.  MatterLieb  III  40,  74;  -Milch  UI  46, 
IV  16;   -Bmst  III  55;  -Leib  II  44,   19;  -Schoß    IV  16.     Hencker- 


Toraagehenden  Konsonanten  ab:  bei  Stämmen  auf  Liquida  -eben,  auf 
VenebloAlaate  -gen,  während  -lein  grandsätslich  nor  nach  dem  palatalen 
BeibeUate  verwendet  wird. 

')  Kritische  Beiträge  S.  57. 


312    B.  H.  Brockes'  Bethlefaemftiseher  Eindenuord.  Von  0,  Sattisti, 

Sohwerdt  III  68;  -Kneeht  III  10,  IV  \%  62;  -Baom  I  41.  Lebens-Sirft 
II  86,  IV  85;  -Draht  II  91,  IV  86,  90;  -Faden  IV  76.   Silber-Schanm 

I  10.  Wandet- Fracht  I  9;  -Stern  I  18;  -Thier  I  44;  -Kind  I  51;  -Zier 

II  4.  Bttrger-Blot  IV  10,  II  122;  -Scbaar  II  128.  Bach- Geschenk  IV 
89;  -Schwerdt  II  74.  Stern (en)- Barg  IV  110;  -Fflret  II  51;  -Bfihne  II 
109;  -GerflBte  III  70;  -Zelt  I  8.  Schlangen. Haar  I  84;  Kopf  I  38; 
•Heer  I  2;  -Seele  IV  70;  -Schaam  IV  77;  Schrecken- Gritft  I  85;  -HaoM 
I  40;  -Klaft  I  28;  -Bild  I  48;  -Gespenst  II  8. 

Wenn  aneh  nicht  so  reich  an  Beispielen,  kommt  die  entspre- 
chende Adjektivbildong  darch  Zusammensetzung  mit  Sabstantifen 
nnd  Adjektiven  doch  sehr  oft  vor:  wie  die  Adjektiva  werden  selbst- 
verstftndlich  anch  die  Partizipien  Praet  in  attributiver  Fnnktiofl 
behandelt.  Selten  werden  solche  Bildungen  als  Prädikat  verwendet. 

a)  Znsammenselzangen  mit  einem  Substantiv: 

II  70  Beiserfüllte  Blicke,  i  languidetti  giri;  II 135  Knotenreicber 
Stock,  nodose  haston-,  U  129  Wollen  —  weiche  Kttesen;  II 128  Die  bettel- 
arme Zeit,  la  atagion  menätca',  IT  26;  III  80  mit  mordbegierigem 
Fa&;   I  45  Schattenrei^e  Höhlen,  anibrose  eave-,   III  12  Banbbegierig; 

III  20  Blotbegierig  Aug';  I  SO  Sein  Blick,  der  trächtig  ist  von  blatgemiMbter 
Pest,  con  la  vista  peatifera  e  sanguigna;  II  127  Saropferfüllte  Wüste, 
contrada  inospita-^  II  95  ThaugefÜllter  Schleier,  rugiadoso  velo;  II  98 
Pfeilgeschwind. 

Weitere  Beispiele  drücken   sehr  gut  FarbenabtOnungen  ans: 

III  8  purporrote  Böse;  II  95  das  rosenlichte  Feuer;  II  56  mein 
rabenschwarzes  Haar;  II  49  der  schwanverbrannte  Leib;  IV  112  die 
silberweiße  Pracht,  ü  bei  candore. 

Die  Adjektivbildung  von  abstrakten  Hauptwörtern  mit  voll 
ist  ebenfalls  sehr  beliebt:  dadurch  gewann  Brockes  ein  bequemes 
Mittel,  um  sehr  ausdrucksvolle  Adjektiva  einzufahren: 

II  17  andaehtsvoUee  Flehen,  forza  di  prece\  I  18  der  alloiaebts- 
volle  Gott,  Vonnipotente  NtMne;  1 7  ein  argwohnvolles  Grausen,  il  sosMttO', 
I  48  die  schreckenvollen  Grflfte,  la  tremenda  corte;  l  57  das  angläcks- 
volle  Bette,  ü  Uto  infau8to\  1  59  der  bosheitsvolle  Sinn,  i  pensier 
crudi  e  malvaggi;  l  109  sein  Aag'  Verwanderangevoll  erblickt;  II  US 
mitleidsvoll,  compiangendo,  Koch  plastischer  sind  solche  Ableitungen  von 
Konkreten  wie:  14  schappen volle  Glieder,  le  8quame\  l  89  die  eiterrolie 
Hand,  la  mano, 

ß)  Zusammensetzungen  mit  einem  Adjektiv: 

II  41  tötlich-tiefen  Wonden,  sanguinoae  piaghe  di  morte\  IV  74 
die  fressig  räuberische  Harpyen,  Arpia  vorace ;  II  76  das  so  starke  Bood 
der  festverbandenen  Welt,  i  cardini  fermissimi  dd  mondo;  Ul  25  die 
tie^eschlagene  Wunde,  dd  saugue  Vonda;  IV  84  der  scbwirreoden 
Trompet  eescbwätiig-beller  Schall,  la  tromba  garrula  e  oanora;  IV  57 
des  kflnstlich-grausamen  Erfinders,  dd  fiero  suo  fabbricator;  II  102  im 
weichbemosten  Schoß  der  dicht  verwachsnen  Höhlen,  dentro  Vopaco  sen 
de  Vantro  herboso;  II  120  auf  reichgewirckten  Decken,  gli  ornamenti 
ülustri;  I  3  donkelrotes  Licht,  luce  vemiglia',  II 104  mit  dankelbramieii 
Flflgeln,  con  brwwi  vanni. 

Was  die  Verwendung  solcher  Wortbildungen  zum  Zwecke  der 
Übersetzung    betrifft,    so    sieht    man    aus   dem    hier   mitgeteilteo 


E  H.  Bioeket'  BeUÜAhemiiiibher  Kindermord.  Tod  C.  Battisti,    813 

iUücDiseheii  Terie  *),  daß  dadurch  Brocke»  imatande  war,  entweder 
«len  prftgnaateB  Anadrack  seiner  Torlage  mit  einem  ebenaolcben 
dentachen  wiedemgeben  oder  eine  loee  Verbindnng  des  italienischen 
Teites  mit  einer  prignanten  kflrzeren  Bildung  zu  übersetzen;  zn 
diesem  glücklicheas  Kunstgriffe,  der  in  der  Dicbtersprache  Klopetocks 
•iae  so  gro0e  Bolle  spielt,  gelangte  aber  Brockes  mehr  dnrch  die 
tetscbo  literarische  Tradition  als  darch  ein  Bedflrfnis,  mit  ihm 
•ioe  bestimmle  Wendung  seiner  Vorlage  zn  verdentachen. 

n.  Kapitel. 

„Dabs  man  aber  der  Italiäner  sogenannte  ottave  rime  oder  acht- 
teilige Strophen,  darinn  sich  der  erste,  dritte  nnd  fünffte,  der  zweyte, 
Tierte  nnd  sechste  sodann  der  siebende  nnd  achte  Vers  zusammen- 
reimen, hier  nicht  niichgemacht ;  sondern  eine  freye  und  vermischte 
Beimart  erwehlet,  ist  nicht  deswegen  unterlassen  worden,  als  ob 
es  im  Teutschen  unmöglich  nachzuahmen  wäre,  sondern  darum  weil 
min  in  der  Terdeutschung  sonsten  unhintertreiblich  würde  genOtigt 
seyn  des  Beimes  halber  bald  etwas  wegzulassen,  bald  wider  den 
S'uB  des  Marino  etwas  einzuflicken;  oder  widrigenfalls  das  ganze 
Gedicht  von  Wort  zu  Wort  allzu  ängstlich  und  gezwungen  zu 
übersetzen''.  So  Tersuchte  J.  U.  EGnig  im  Vorberichte  das  Ver- 
fihren  Brockes*  zu  entschuldigen.  Historisch  betrachtet  ist  die 
Anwendung  einer  solchen  zwanglosen  rhythmischen  Form  die  erweiterte 
Folge  jenes  Befreiungsprozesses  von  der  italienischen  Stanze,  der 
sich  in  der  Übersetzung  des  „Basenden  Boland*  von  Dietrich  von 
dem  Werder  gegenüber  dem  „Befreiten  Jerusalem "^  bekundet;  erst 
nach  Brockes  tritt  die  entgegengesetze  StrOmung  durch  Wieland 
und  Heinse  auf,  metrisch  das  italienische  Torbild  zu  erreichen. 
Eotwicklungsgeschichtlich  ist  sie  die  zu  erwartende  Folge  des  Sich- 
gehenlassens  Brockes*«  der  auch  in  viel  kleineren  Gedichten  aus 
dieser  Zeit  außerstande  war,  einen  strophischen  Bau  regelmäßig 
dnrcbsusetzen.  Seine  lose  Wiedergabe  der  ottava  rima  hat  aber 
der  Übersetzer  selbst  nicht  als  etwas  Vollkommenes  oder  ganz  Ent- 
sprechendes aufgefaßt:  er  hat  zu  ihr  bloß  aus  Utilitätsgründen 
gegriffen:  so  zeigt  z.  B.  die  Stanze  der  Zueignung  (a*  b,  a*  b, 
c*  c*)  eine  grOßere  Strenge  und  ihr  fehlt  nur  der  dritte  Satz 
(ft*  b)  zur  Erreichung  der  gleichen  Regelmäßigkeit  der  Strophen, 
die  das  „Befreite  Jerusalem"  von  Werder  (ab*  ab*  ab*  cc)  mit 
ungekehrter  Abwechslung  der  stumpfen  und  klingenden  Beime 
bietet.  Daß  weiter  Brockes  zur  Übersetzung  des  Hendekasyllabus 
den  Alexandriner  verwendete,  das  liegt,  wie  schon  oben  bemerkt, 
im  Modegeschmack  seiner  Zeit  und  der  Hamburger  Dichter  war 
Die  ein  Neuerer.     Die   Form,    der  sich  Brockes  bei  seiner  Über- 


')  Der  Mangel  des  ItalieDischen  Textes  bei  einigeD  Stellen  bedeutet, 
daß  Brockes  hier  gani  selbständig  fibersetzte  and  nur  den  Gedanken, 
aicht  aber  dem  Wortlaut  Marines  wiedeigab. 


314    B.  H.  Broekes'  Bethlehemitiicher  Kindennord.  Von  C.  Batiisti. 

setzaog  bedient,  ist  die  denkbar  freieste  nnd  b&lt  keine  regel- 
mäßige Abwecbslnng  von  stumpfen  nnd  klingenden,  fon  ge- 
paarten nnd  gekreuzten  Beimen  ein.  Die  ottaca  rima  wird  mit 
secbs-»  sieben-,  nenn-,  zehn-,  elfzeiligen  Strophen  wiedergegeben: 
Broekes'  Ideal  war  aber  eine  Strophe  Ton  acht  Versen  mit  ab- 
wechselnd stumpfen  und  klingenden  Beimen  und  er  entfernt  sich 
von  dieser  Form  nur  dort,  wo  es  ihm  sonst  nicht  gelingt,  eine 
treue  Übersetzung  zu  bieten.  Eine  regelmäßige  Beimverbindung 
(z.  B.  ab  ab  cd  cd  oder  aa  bb  cc  dd)  oder  sogar  die  Aufrecbt- 
erhaltung  des  italienischen  Beimsystemes  hat  aber  Broekes  nicht 
geplant  Mindestens  lassen  sich  keine  Spuren  aufweisen,  die  eineo 
Schluß  darauf  zuließen. 

Von  den  415  ottave  ritne  der  Strage  werden  353  mit  acht-, 
28  mit  sechs-,  6  mit  sieben-,  11  mit  neun-,  21  mit  zehn-,  1  mit 
elfzeiligen  Strophen  übersetzt.  Der  Prozentsatz  der  sechszeiligeD 
beträgt  zirka  5*5,  der  zehnzeiligen  5,  während  die  Strophen  mit 
ungerader  Verszahl  zusammen  kaum  4 '5^  übersteigen.  Daß  Broekes 
den  italienischen  Text  (8320  Verse)  mit  ebensovielen  deotachen 
Versen  übertragen  habe,  stimmt  auch  für  die  erste  Auflage  des 
bethlehemitischen  Kindermordes  nicht  ganz  genau,  indem  die  Über- 
setzung um  Tier  Verse  länger  geraten  ist  als  das  Original.  Be- 
achtenswert ist,  daß  der  Prozentsatz  der  Abweichungen  tou  der 
achtzolligen  Strophe  im  ersten  Buche  bedeutend  größer  ist  als  in 
den  drei  folgenden  Gesängen,  in  denen  er  ziemlich  konstant  bleibt 
(I  205^,  II  13J^,  in  15J^,  IV  14J^):  dieser  umstand  dürfte 
vielleicht  nicht  so  sehr  auf  den  Einfluß  der  Korrektur  von  J.  ü. 
KOnig  als  vielmehr  auf  die  geringe  Boutine  des  Übersetzers 
zurückzuführen  sein,  denn  der  erste  Gesang  bleibt  metrisch  aod 
stilistisch  hinter  den  folgenden  zurück.  Die  Abwechslung  von 
männlichen  und  weiblichen  Beimen  wird  natürlich  dadurch  erschwert, 
daß  gepaarte  und  gekreuzte,  ja  sogar  umschließende  Beime  in  einer 
Stanze  in  buntem  Durcheinander  verwendet  werden.  Immerhin  be- 
kundet sich  aber  das  Streben  nach  einer  großen  Begelmäßigkeit 
darin,  daß  die  ottave  ritne  mit  zwei  weiblichen  oder  zwei  männ- 
lichen Beimen  etwas  mehr  als  60^  betragen.  Nur  1^  der  Strophen 
zeigt  durchaus  stumpfe,  0*5^  nur  klingende  Beime.  Die  ent- 
schiedene Vorliebe,  Strophen  auf  weiblichen  Beim  ausgehen  zu 
lassen  (70^1^),  paart  sich  mit  dem  Versuche,  die  zwei  letzten  Verse 
in  einem  Beimpaare  zu  verbinden.  Da  der  Übersetzer  an  dem  Beime 
festhält,  so  sind  in  den  Strophen  mit  ungerader  Versanzahl  regel- 
mäßig drei  a- Verse  durch  den  Beim  gebunden  (schematisch  a*  a* 
b  a*  b  c*  c*). 

Die  Freiheiten  in  der  Beimtechnik  sind  größer  als  die, 
welche  man  in  Broekes'  eigenen  Gedichten  aus  dieser  Zeit  trifft: 
Beime   zwischen  offenem  und   geschlossenem  e^)   machen  beinahe 


')  Hiebei  sehe  ich  eelbetverständlich  von  joder  graphischen  Ver- 
schiedenheit ab :  fflr  die  Aaesprache  der  Vokale,  da  vom  XVI.  Jahrbandert 


B.  H.  Broekea*  Bethlehemiiisoher  Eindermord.  Von  C.  Battisti.    315 

2051^  der  tf- Keime  ans;  ei,  äu,  eu  werden  ganz  nnteracbiedslos 
dveh  den  Beim  gebunden  nnd  der  Beim  zwischen  i  nnd  ü  ist 
{^ftnfiger  als  der  reine  t-Beim  (65^).  Anch  auf  die  L&nge  nnd 
Küne  des  Vokals  wird  nicht  streng  geachtet.  Beime  wie:  an  — 
Zahn  I  4,  Bnh  —  zn  I  50,  gen&hrt  —  Schwerdt  II  15, 
Flnht  —  Blut  n  16,  schließen  —  befließen  II  42  sind 
nicht  selten  ^).  Gegenüber  den  eigenen  Gedichten  Brockes'  kommt 
im  Bethlehemitischen  Kindermord  eine  andere,  aber  nnr  scheinbare 
Freiheit  Tor:  sie  besteht  in  den  Beimen  zwischen  WOrtern  mit 
vollkommen  gleichem  Vokale,  deren  Endkonsonanten  aber  Tennis 
nnd  Media  sind.  Daß  Brockes  Wörter  wie  Feuchtigkeit  —  S[leid 
n  102,  sieht  —  Augenlid  m  12  oder  scheint  —  Feind  I  7  als 
nine  Beime  betrachtet,  geht  schon  daraus  henror,  daß  er,  der  in 
Betoer  Untersuchung  über  die  Beimendongen  ^  die  Beime  mit  der 
fQttnralen  Tennis  auf  eine  Media  oder  auch  auf  den  entsprechenden 
Baibelaut  als  s&chsischen  Provinzialismus  tadelt,  den  Fall  voe  t 
iwed  als  korrekt  gelten  l&ßt,  was  mit  der  heutigen  Aussprache, 
die  in  dieser  Beziehung  seit  Jordan  (S.  114)  und  Kolroß  (S.  74) 
futiteht,  durchaus  übereinstimmt').  Und  schließlich  hat  sich  Brockes 
manche  Tonverletzung  des  Beimes  wegen  erlaubt,  die  an  Werders  Vor- 
bild^) ermnera;  auch  hat  er  zu  mancher  willkürlichen  Zusammen- 
ziefaong  der  Wörter  oder  zu  mancher  ungewöhnlicher  Form  greifen 
müsen,  um  einen  Beim  zu  gewinnen.  Was  die  Formverletzungen 
betrifft,  so  handelt  es  sich  meistens  um  Proparazjtona  mit  voller 
Endsilbe  -is,  -ich,  -k6it,  welche  natürlich  vor  einer  Pause  (Vers- 
ende)  einen  Nebenton  auf  die  Auslautsilbe  erhalten  (-<^^c);  diese 
wird  zu  Beimzwecken  in  eine  Hauptbetonung  geändert  (^  ^  ^),  ein 
Vorgang,  der  auch  im  XTIU.  Jahrhundert  oft  genügt)  angewendet 
wurde  und  besonders  im  gereimten  Epos  am  Ende  des  XYII.  und 
un  Anfange  des  XVIII.  Jahrhunderts  gang  nnd  g&be  ist.  Posteis 


tt  dialektische  und  etymologiaehe  VeraehiedeDbeitan  sieh  durchkreuien 
*Bd  Schwankungen  im  Sprachgebrauch  hervorrufen  (vgL  aohon  daa  ^vl- 
labierbfichlein  von  Heller,  1593,  heranagegeben  von  BOthe,  Freibnrg  1882), 
liebte  ich  mich  nach  dem  erwähnten  Aofaatse  Brockea':  wo  dieser  im 
Stiche  ließ,  habe  ich  mich  an  Grabow  (Herriga  Archiv  für  neuere 
Sprühen  IX  1875,  S.  878  ff.,  und  an  YiStor,  Elemente  der  Phonetik, 
Uipsig  1905,  §  52)  gehalten. 

>)  Gefonden  habe  ich  zirka  zehn  Fälle  s.  B.  in  I  24,  II  7,  III 12, 
Iv  100,  wo  der  Längennnterachied  der  gereimten  Vokale  besonders  empfind- 
heb  iit:  Beime  von  überlangen  auf  lange  Vokale  darf  man  als  regelmäßig 
«geben 

')  a.  T.  0.;  vgl.  beaonders  S.  11  ff. 
,Afi  /)  ^  ''»  !<>•  17,  48;   II  87,  89,  51,  52,  68,  72,  75,  80,  91,  96.  102, 
58,114,  142,  144;  m  6,  9,  12,  18,  24,  50,  52,  57,  63,  67,  80;  IV  8,  10 
Wi  25,  85,  52,  72. 

..  ^  *)  Vgl.  Zeitschrift  f.  vergl.  Lit.-Ge8ch.  N.  P.  7,  S.  189;  Beispiele 
M«ftr:  17,  11,  19,  3S,  48,  49,  59;  U  74,  81,  114,  128,  136.  145;  III 80, 
H  4«,  47.  52,  58,  64,  79,  88,  90;  IV  7,  10,  15,  46,  65,  70,  78,  78,  84,  90. 
*)  VgL  Minor,  Neuhochdeutsche  Metrik.  StraObnrg  1902,  S.  896. 


316    B.  H.  Broekea'  Bothlahemitiacher  Kindemord.  Yon  C.  Battisii. 

Einfinfi  kann  sieb  in  dieser  Beziehung  anf  Brockes  besoaders  gii- 
tend  gemacht  haben.  Bedenklicher  sind  Fälle  wie  j^  zu  :  anthc 
III  46  oder  Göttinnen  :  Henckerinnen  133,  wo  die  natärlich 
betonte  Silbe  als  Senkung  geschwächt  nnd  unbetont  wird:  solche 
sind  aber  sehr  selten.  Zneammenziehnngen  kommen  nur  bei  Verbal* 
formen  vor  durch  Abstoßnng  des  stummen  e  zwischen  zwei  bom- 
Organen  Koneonanteni  z.  B.:  Terwnndt  HI  22,  25;  entzindt 
III  25;  zngerichtt  III  71;  schadte  IV  56;  zerschneidt  II 
91;  von  dieser  Freiheit  machte  Brockes  nur  selten  Gebraacb^). 
Die  außerhalb  der  Beimstellungen  nicht  verwendeten  Formen  teilen 
sich  in  verschiedene  Gruppen :  am  häufigsten  kommt  die  AnhänguDg 
der  schwachen  Endungen  an  starke  Präterita  vor:  funde  lü  85, 
43;  lüde  III  48  oder  der  Vokalausgleich  zwischen  Präseos  und 
Perfektum:  b  rannt  (praes.)  II  182,  III  57;  sehr  selten  ist  ein  un- 
organischer Umlaut  (Bahnen  :  Tränen  II  91;  Altären  :  Meeren 
II  118),  etwas  häufiger  die  Anwendung  des  veralteten  um  (II  65; 
m  21,  38,  47;  IV  17,  68),  während  für  statt  vor  (Maiec 
marschieret  uns  als  Haupt  und  Fuhrer  für  IV  33)  meines  Wissens 
nur  an  eben  dieser  Stelle  zu  belegen  ist^).  Solche  Freibeiteo, 
die  Brockes  im  ersten  Gesang  äußerst  sorgfältig  vermieden  hatte, 
die  er  sich  aber  im  Laufe  seiner  Übersetzung  gestatten  mußte, 
sind  Beste  aus  der  Übergangszeit,  die  nach  Opitz  nicht  einmal 
aus  der  höheren  Dichtung  vollständig  verschwanden:  sie  machen 
erfreulicherweise  bei  unserem  Dichter  einen  sehr  geringen  Proieot- 
satz  aus.  Auch  daß  bestimmte  Wörter  in  Beimstellung  sehr  oft 
wiederkehren'),  dürfte  Brockes  bei  der  Länge  des  Gedichtes  nicht 
vorgeworfen  werden  können:  das  erste  Beispiel  gab  ihm  der 
italienische  Text. 

Gegen  Brockes*  Versbau  ist  manches  einzuwenden.  Die 
strengen  Accentgesetze  von  Opitz  sind  nur  im  großen  ginxen 
gewahrt,  obwohl  unser  Dichter  hier  wie  in  den  eigenen  Dich- 
tungen aus  dieser  Zeit  nach  Brandls^)  richtiger  Bemerkung 
auf  einer  höheren  Stufe  der  Beinheit  steht  als  in  den  sp&tsres 
Lehrgedichten,  wo  er  von  argen  Skansionsfehlem  nicht  zurück- 
schreckte.  Der  Alexandriner  bewahrt  natürlich  den  Bau,  den  wir 
früher  bei  den  eigenen  Gedichten  Brockes*  kennen  gelernt  haben: 
ausgesprochen  iambiscben  Charakter  und  streng  gehaltene  Zlsu. 
Proparoxytona  eignen  sich  zu  einem  solchen  Versbau  natürlich 
nicht  sonderlich,   indem   sie  notwendigerweise  einen  Nebenton  aaf 


^)  Im  ganzen  17mal. 

*}  Za  dieser  Klasse  gehören  wohl  auch  spat  III  91  und  anitit 
IV  86. 

')  Zu  solchen  Beimen  gehören:  sehr,  leer,  Meer,  Wehr;  weifi,  (ser)- 
reiß;  Schmerz,  Herz;  -kelt,  Zeit;  Eid,  seid;  Mienen,  dienen,  Enbinen, 
erkühnen,  Bühnen;  Sohn,  Lohn;  Haopt,  belaubt,  glaubt;  Treue,  Beoe» 
freue  usw. 

*)  a.  0.  8.  126. 


B.  H.  Brotkes*  BetbMemitiseher  KindenMrd.  Von  C.  Battisti.    317 

die  Endsilbo  bekommen.  Brockes  erlaubte  sieb,  Proparoxytona, 
deren  Endsilbe  eiDen  Nebenton  vertrag ,  die  also  entweder  vollen 
Vokal  oder  mindestens  reduziertes  e  mit  koneonantiscbem  Ausgang 
hatten,  za  verwenden,  erklärte  sich  aber  prinzipiell  gegen  die  Anf- 
oehme  von  solchen  mit  ganz  reduzierter  Endsilbe.  Derartige  ver- 
pönte Fftlie  betragen  nicht  einmal  S^  der  verwendeten  Proparo- 
xytooa.  Schwieriger  und  bedenklicher  sind  solche  Wörter  am  Ende 
der  ersten  Vershälfte,  weil  die  nebenbetonte  (j.^^)  Endsilbe  den 
IktQs  des  Alexandriners  (6.  nnd  12.  Silbe)  empfängt  nnd  deshalb 
eisen  starken  Accent  tragen  muß :  dadarch»  daß  sie  metrisch  stärker 
als  die  erste  Wortsilbe  betont  wird,  enteteht  eine  empfindliche 
Terletzimg  des  natärlicben  Accentes.  Bei  einer  so  langen  Über- 
Mtzong  war  Brockes  nicht  imstande,  anf  die  Terwendnng  der 
Proparoxytona  in  Zäsurstellnng  zn  verzichten:  es  macht  sich  aber 
im  Laufe  des  Gedichtes  die  Tendenz  wahrnehmbar,  die  Anzahl 
derselben  nach  Kräften  zu  vermindern:  dem  Verhältnis  12  v.  H. 
des  ersten  Gesanges  entspricht  die  Durchschnittszahl  5  v.  H.  der 
lederen  drei  Bücher,  welche  dem  Prozentsätze  solcher  Fälle  in 
Brockes*  eigenen  Gedichten  sehr  nahe  kommt.  Die  Skansion  hat 
il)ef  den  Übersetzer  zn  einigen  Freiheiten  geführt:  für  alle  konnte 
liek  Brockee  jedoch  aaf  zahlreiche  Beispiele  aus  der  zeitgenössischen 
Dichtung  berufen.  Bezieht  sich  ein  oxyteniartes  Adjektiv  auf  ein 
Substantiv,  bei  welchem  die  Betonung  anf  die  erste  Silbe  fällt 
(beispielsweise  blutig  —  Schwort)  und  soll  dabei  das  erste  stark 
oder  schwach  flektiert  werden,  eo  entsteht  ein  Daktylus  (blutige, 
blutiges),  weil  eine  Nebenbetonung  der  Atislauteilbe  (-^  v^  c)  wegw 
der  folgenden  stark  betonten  Silbe  des  Hauptwortes  unstatthaft  ist. 
Da  gibt  es  nur  einen  vierfachen  Ausweg :  entweder  tritt,  was  nicht 
immer  möglich  ist,  Synkope  ein,  oder  das  Adjektiv  wird  unfiektieit 
lor  das  Snbstantivnm  gesetzt  (sein  blutig  Schwert)  oder  unflektiert 
diesem  nachgeateUt  (smu  Kind  unschuldig),  was  nur  dann  möglich 
itt,  wenn  das  Adjektiv  eine  unbetonte  Anlautsilfoe  hat  oder  wenn 
das  Substantiv  ein  Oxytonon  ist,  oder  endlich  es  wird,  was  wieder 
nr  bei  starker  Flexion  eontreten  kann,  die  Flexionesilbe  reduziert 
(lein  hlutigs  Schwert).  Die  Nachstellniig  der  Apposition  kam  bei 
da  Obersetanngen  Werders  nicht  selten  vor^),  war  aber  mit  dem 
Stiebeo  nach  Bicfatigkeit  und  Beinbeit  der  Sprache  am  Anfange 
des  XVIII.  Jahrhunderte  unvereinbar :  die  Reduktion  der  Flexions- 
Bilbe  ist  überhaupt  nur  bei  der  Endung  ea  möglich  und  auch  in 
diesem  Falle  manchmal  aus  euphonischen  Gründen  unzulässig:  es 
bleibt  somit  nur  die  erste  Möglichkeit,  an  welche  sich  Brockes 
&Qr  bei  neutralen  Substantiven  in  derartigen  Verbindungen  immer 
bielt.   So  finden  wir  im  ersten  Gesänge: 

sein  verdreht  Gesicht  8,  ein  steinern  Messer  20,  ein  schlafend  Herz 
49,  ein  bäarisch  Dach  62,  ein  blosses  blatig  Schwerdt  86,  sein  gemacht 
Getehöpf  24;  —  im  zweiten:  sein  langsam  Auge  20,  eb  ernsthaft  Wesen  21, 

*)  VgÜ  WftkewAi,  Die^ch  v.  d.  Werder,  S.  77. 


318    B.  H.  Brocket*  Bethlehemitücher  Eindermord.  Von  C.  Battistu 

ein  königlich  Gemflht  46,  ein  mnthig  Pferd  28,  sein  unschnldig  Volk  60; 
im  dritten:  sein  grftsslich  Angenlied  46,  ihr  eigen  üngelück  30,  sein 
göttlich  Ang*  81,  ein  wild  Schwein  83,  ein  farchtsam  Beb'  57-,  im  Tierten: 
ein  mOrdriech  Schwert  24,  ihr  zitternd  Hertx  25. 

Solche  Beispiele  kOnnte  man  nm  ein  bedentendes  Termebren,  aber 
diese  Flexionslosigkeit  des  attribntiyen  Adjektivs  bei  Neniren  fand 
Brockes  in  der  literarischen  Tradition  and  volksmäßigen  Sprache 
vor.  Sie  ist  auch  bei  den  meisten  Dichtem  der  ersten  Hälfte  des 
XVn.  Jahrhunderts  in  ansgiebigem  Maße  zn  belegen^). 

Die  Anpassung  der  Wörter  an  die  metrischen  Bedarfnisse 
stellt  Brockes  mit  allen  möglichen  Mitteln  her:  in  dieser  Beziebnog 
geht  Brockes,  der  Übersetzer,  immer  allznfrei  vor  und  nnterscbeidet 
sich  dadurch  zn  seinem  Nachteile  von  dem  sparsamen  Gebrauche 
solcher  Mittel  von  Brockes,  dem  Originaldichter.  Die  Synkope 
l&ßt  er  bestehen: 

iwischen  homorganen  Konsonanten  (dentalen) :  I  8  gemeldt,  IV  58 
eingebUdte,  I  82  empfindt,  IV  71  zagericht;  iwischen  und  nach  Liquiden: 
IV  26  mordbegiergen,  IV  10,  14  nnglOckselge,  IV  23  armeeige,  IV  72 
hircansche,  IV  88  hollsche  (aneh  vortonig:  genug  n  142,  gnngsam  11  81, 
'kommeg  I  57  part.  paas.)  und  nach  Verschlnßlaat:  gegen w&rtge  II  29, 
blutges  IV  20,  52,  67,  grosam&chtger  IV  81,  kOnfftge  lY  73,  Qbermfltge 
IV  36,  selbge  IV  77,  lanbrisch  IV  77,  echrnntzge  IV  73,  weithenge  I?  58, 
irrdsehe  I  24.  Aach  Zasammeniiehang  von  zwei  Silben  ohne  konaonantisebe 
Trennung  ist  eine  nicht  tu  seltene  Erscheinnng:  Fear  I  19,  54,  IV  56 
nsw.,  gehaanem  IV  20,  üngefaear  IV  90,  Ebrftsche  IV  14,  gerena  II  22, 
Seel  IV  79,  84. 

Die  Apokope  ist  ebenfalls  in  Zftsnrstellnng  im  Notfalle  darch- 
geffihrt;  z.  B.  im  zweiten  Bncbe  finden  wir: 

nnd  ihre  Tochter  sacht',  die,  eh'  sie  es  verspftrt  68;  Do,  Blmne 
meiner  Seel',  die  allsa  frflb  geroei't  84;  Und  seine  vieh'sche  Seel'  saaioar 
Leidenschaft  79;  Mose  gegenwart*ge  Straf  von  dir,  Barbar,  empfangen 
73 ;  Und  wie  ans  einer  Qaell'  das  Wasser  abw&rts  rinnt  82 ;  Zween  weiss« 
Marmor-Stein'  nnd  Klippen  schienen  nieder  88 ;  Fflr  blat'ge  Bach- Geschenk' 
dein  irmster  Vater  reichen  89;  So  sang  er  nnd  es  kennt'  den  lieblieben 
Gesang  113;  Sie  tollten  wechselweie'  bald  lane  Thrftnen-Gfisse  45;  Zu 
anser  Forstes  Stimm'  la  seinem  Pochen  46. 

Sehr  streng  nnd  ansnahmslos  wird  der  Hiatns  gemieden.  Brockes 
hat  sogar  die  Elision,  welche  flbrigens  Opitz  gestattet,  ancb  vor 
anlautendem  h,  wo  es  metrische  Bedürfnisse  erheischten,  benutzt: 
ein  holde  Frau^)  III  59,  viel'  helle  Lieder  II 183,  ein  hoch  erhab'ne 
Krone  I  2,  welch'  Anschl&g'  hat  er  I  52;  ancb  iwischen  Satsteilen,  die 
durch  Flexion  zusammengehalten  werden,  elidiert  Brockes:  I  35  kein' 
firg're  MOrder-Kluft,  IV  72  dein'  eig'ne  Frucht  nsw. 

Und  gleichwie  die  Wortverkürznng  verwendet  der  Übersetzer  frei- 
giebig  die  Wortverl&ngerung.  Die  ansgestoßene  Vorsilbe  ^  wird 
in  Genade  in  76  nnd  üngelflcke  14,  22,  IV  65  usw.  hergestellt, 

')  Zu  dieser  Gattung  gehOrt  auch  die  Flezionslosiekeit  des  erstsn 
von  zwei  attributiven  Adjektiven:  s.  B.  bei  viel  und  großen  Stücken. 

*)  Die  Beispiele  mit  ein  bei  Fem.  haben  einen  historischen  Hinter- 
grund im  mhd.  Gebrauche  des  unflektierten  ein  und  poss.  Fron,  im  fem- 


B.  H.  Brockes'  Betblehemitischer  Kindermord.  Von  C.  Battisti.    319 

desgleichen  die  im  Fräbneahocbdeatschen  reduzierte  Verbalendnog 
ft'.  gebeilet  lY  15,  kebret  IV  17,  getbeilet  IV  18,  länffet  IV  24, 
sterbet  IV  25,  boret  IV  81,  atraffete  IV  28,  62  usw.  Aacb  zur 
Anwendung  eines  paragogiscben  e  greift  Brockes  ebne  Bedenken: 
das  €  des  Nominativs  der  neutralen  yo*Deklination  wird  in  einigen 
Fällen  bergestellt:  mein  Scbmertze  IV  91,  des  Königes  Geschlecbte 
lY  62,  ein  Gescbencke  IV  55,  dein  Yaterbertze  11  72  usw.,  des- 
gleichen das  analogisebe  e  bei  den  starken  Präteriten :  IV  8  liesse, 
lY  13,  29  dränge,  II  141  sebwnnde^)  usw.  Um  eine  Silbe  mehr 
za  gewinnen  oder  den  Hiatus  zu  vermeiden,  verwendet  er  Formen, 
die  sonst  von  ibm  nicht  gebraucht  werden :  so  die  volle  Form  des 
Artikels:  II  79,  87  denen  Fischen,  III  97  nach  denen  heiligen 
Hageln  92;  das  mbd.  en  für  die  casus  obllqui  der  Einzahl  der 
schwach  flektierten  Femn. :  der  Sonnen  IV  77,  bey  einer  Frauen 
lY  11,  in  der  Wiegen  IV  11,  meiner  Seelen  IV  16;  die  von  der 
nhd.  Nominativform  zwh^e  abgeleitete  zwhien :  bei  zwenen  Knaben 
lY  22,  in  zweenen  Körpern  IV  18;  die  attributivische  mask.  Flexion 
eines  in  prädikativer  Stellung  durch  ein  Substantivum  determiniertes 
voü:  voller  Furcht  und  Angst  II  46,  voller  Wutb  II  64 ;  die  volle 
Form  des  Adverbiums  zurücke  IE  142;  die  analogische  Form  etwan: 
wo  etwan  einigen  Trost  II  74,  hat  etwan  euch  IV  52. 

Trotz  der  häufigen  Verwendung  derlei  Wortanpassungen  bat 
der  Alexandriner  des  Bethlehemitiscben  Kindermordes  keineswegs 
immer  einen  melodischen  Fluß.  Die  Ursachen  sind  dreierlei :  erstens 
es  bekommen  wegen  des  Satzaccentes  schwach-  und  unbetonte  Ein- 
silber  durch  die  Skansion  einen  Hauptton,  z.  B.: 

IV  80  und  die  entimte  Hand,  IV  8  das  Mder  pflegt  lü  ertönen, 
lY  10  stflrit  und  wird  abgemeit,  IV  10  In  ein  klein  Hiasgen  lief,  IV  22 
vor  ihr  selbst  an  in  graten,  IV  50  wo  und  an  welchem  Ort,  IV  10  etOizt 
ofld  wird  abgemeit,  II  189  and  sich  pflegt  zu  verlaufen,  II  189  ihm  in 
die  Aftgen  scheint; 

zweitens :  es  tritt  eine  Abweichung  von  der  gewöhnlichen  Betonung 
eines  mehrsilbigen  Wortes  ein,  z.  B. : 

IV  14  ein  Idbend^es  Grab,  II  74  und  aus  Israels  Blat,  II  75  an 
i^in  huldreiches  HerU,  IV  50  Boshaftes  Wefbebfld,  IV  44  und  nicht  im 
Pillsst  fanden, 

drittens:  das  natflrlicbe  Verhältnis  der  YVort-  zu  den  Versfflflen 
wird  durch  die  Aufeinanderfolge  gleicher  Wortffiße  verlegt;  das 
iit  dann  besonders  bei  den  Einsilbern  auch  aus  Betonungsrflck- 
sichten  metrisch  widrig,  z.  B. : 

IV  66  Mit  Luft,  Glath,  Brd'  und  Flnth;  IV  94  Wie  öder  auch  als 
wann;  IV  55  YYie?  Oder  dich,  der  du  |  ins  Grab  fast  wirst  getragen;  IV 
85  Sohn,  Cron'  und  Thron  zugleich ;  IV  86  Doch  brauchst  nicht  wo  das 


')  Oesen  die  Verwendung  dieser  paragogiseben  e  richtet  sieh  ein 
Epigrunm  des  zweiten  Bnches  Nr.  28  der  n^^smmlung  von  Sinn- 
gedichten" ScbOnaicbs  (1755):  Die  dentschen  Dichter  sind  gelerte  |  So 
wie  der  Dichter  Schnitzer  schöne;  Ja!  war  auch  gleich  ein  e  saviel  j  So 
nenne  ich  das  ein  DichterspieL 


820    B.  H.  Brockes*  Bethlehemitiflcher  KiDd«nDord.  Yon  C.  Batiiiti. 

Wecck  spricht  dass  man  Tiel  era&hle;  III 1  Zwiogt,  klemmt  andhftitüui 
fort.  —  Bei  Zweisilbern:  III  8  des  wilden  Donners  Krachen;  II  76  firCffioe 
deinen  Schos»  voll  sflsser  Qnaden- Gaben;  III  82  Ein  schOnee  janges  Weib, 
das  dorten  neben  sich;  III  68  den  kleinen  Beater  liegen;  III  81  durch 
Leebien,  Winieln,  Thränen;  III  81  das  metiein,  stechen,  faanen;  III  88 
lerqaetsebte  Schedein  fliessein;  III  88  vor  senfcen,  ecblnofasen,  aehneo; 

III  88  in  lauter  salsen  Thränen;  IV  4  ans  ihren  Schatten  stfirzt  eio 
starker  Begen  her;  IV  6  Der  seines  bOsen  Herren  gleicher  Diener  war; 
lY  84  es  worden  also  bald  Ton  nnsem  besten  Lenten;  IV  87  Als  henleD, 
schlachtzen,  sehreyn,  beklagen,  weinen,  wimmern. 

Der  starke  Gebrauch  der  Alliteration,  wofür  sich  Beispiole  genvg 
in  den  letztangefährten  Stellen  finden,  yerleiht  dem  Vers  einen 
bombastischen  Charakter,  der  anf  die  Daner  nnertriglich  wird. 
Und  auch  mit  der  Zäsur  ist  es  schließlich  manchmal  tbel  bestellt. 
Die  Nachlässigkeit  nimmt  in  dieser  Beziehung  (eng  zusammsD- 
gehörende  Satzteile  werden  durch  sie  gewaltig  getrennt)  gegen 
Ende  der  Übersetzung  stetig  zu: 

IV  22  Ein  Vater  sengte  Ton  |  zwoo  Hflttem  dieses  Paar;  IV  26 
Braut,  Wittwe,  Mutter  und  |  zugleich  auch  sonder  Erben;  1 1  Viel  Wusder, 
die  sein  Leyd  |  yemeoerten  su  schauen ;  I  20  Dass  er  dnxchaus  sich  nicht  | 
könnt'  ans  dem  Zweifel  finden;  I  24  Weit  mehr  als  sein  zuerst  |  gemacht 
Geschöpf  erheben;  I  51  Du  weist  gar  wohl,  dai^  ans  |  Israels  EOn ig  Stamm; 

IV  63  Und  fast  zusehends  ihr  |  geraubt  war  und  entführet;  IV  69  Dem 
ArgQS  sähe  die  |  so  oft  durchbohrte  Leiche;  III  81  Dasa  sie  sich  noUr 
die  I  gesfickten  Schwerdter  warf;  II  184  Er  sieht  eniaunend  an  |  der 
Pyramiden  Spitzen. 

Im  Yersbau  zeigt  sich  also  der  Übersetzer  nicht  auf  der  gleichen 
Hohe,  die  wir  nach  seinen  frfiberen  Dichtungen  erwarten  sollten: 
wir  finden  hier  vielmehr  den  Obergang  zu  seiner  späteren,  aUtn 
freien  Manier,  welche  die  bitteren  Vorwürfe  Gottscheds  ^  redlich 
verdiente. 

Der  Bethlehemitische  Kindermord  fand  im  allgemeinen  eine 
freundliche  Aufnahme.  Die  deutsch  -  fibende  Gesellschaft  und  die 
übrigen  Hamburger  Freunde  Brockes'  hatten  für  den  ersten  Druck 
Lobgedichte,  in  welchen  die  Überbietung  der  düsteren  Farben  des 
Originals  als  besonderes  Verdienst  hervorgehoben  wurde.  Die 
lateinischen  Acta  Eruditorum  Lipsiensium  A.  1716»  p.  385—386 
stimmten  in  den  Beifall  ein  und  betonten  besonders  die  Treee  der 
Übereetzung»  desgleichen  die  deutschen  Acta  Eruditorum  Lipum- 
Blum  (1716),  S.  491—500  und  die  HallensischeB ,  weiche  das 
Buch  als  „ein  Meisterstück  einer  poetischen  Überaetzung"  begrüMsD, 
aber  besonders  auf  die  Vernachlässigung  in  der  Betonung  und  in 
der  Sprache  aufmerksam  machten.  Fünf  Jahre  später  schrieb  C.  H. 
Heraus  in  der  Vorrede  zu  seinen  „Gedichten  und  lateinischen  b- 
Schriften",  Nürnberg  1721,  S.  17:  „Des  Herrn  Lic.  Brocke«' 
genaue  und  künstliche  üebersetzung  einer  bisherigen  Welschen 
Schreibart   kann   gleichfalls  ein  Beweistum   sein,    wie  fftfaig  die 


^)  Deutsche  Sprachkanst  1757,  S.  646. 


B.  H.  Brockes*  Bethlehemitischer  Kindermord.  Von  C.  Battisti.    321 

Teatecha  Sprache  sey,   allerley  Arten  nachzureden''.     Aber  diese 
SümmuDg  dauerte  nicht  lang.   Hagedorn,  der  in  einem  Briefe  auf 
Welcbmann  8.  Juli  1726  noch  kein  Urteil  über  die  neu  erschienene 
mite  Auflage  (Ende  1725)  wagte  ^),  beurteilte  1739  (1.  Dezember) 
die  Übersetzung   ziemlich   streng :    „Herr  Brockes  hat  sich   viele 
Mühe  gegeben  seine  Übersetzung^)  dogmatisch  zumachen  und  hat 
sie  daher  mit  grOfierer  Freiheit  bewerkstelligt  als  die  von  Marino, 
in  welcher  eine  jede  Zeile   der  anderen  des  Originals   gleichsam 
aogemeflsen  war,  und  3320  Zeilen  nur  3820  hervorbrachten :  der- 
gleichen BichtigkeU  ^vm  mit  einigem  jtechte  v^  dem  berühmten 
Footenelle  im  Ehge  de  Corneille  eine  pridsion  flamande  genannt 
wird.  Ich  finde  sie  ebenso  ftberfldssij^   und  4em  Originale  nach- 
teilig als  wenn  man  einen  prosaischen  Bficherschreiber  in  ebensoviel 
Zeilen  übersetzen  wollte.  Das  gebundene  in  der  Poesie  geht,  allem 
Aneehen  nach,  so  weit  nicht**.  Viel  trefflicher  als  das  rein  ftußer- 
liche  Urteil  Hagedoms   ist  daijjenige,   welches  Gottsched  17ßO  iu 
uiofa  FefMch«  eiosr  kritiaeheB  Pichtung  fftUt:    „Brockes*   hat 
des  Kindennprd  in  echt  Mariais^em  Geiste  übersetzt**.  Der  „Bilder- 
Saal  heutiges  'Tages  lebender   und   durch   Gelahrtbeit  bM^bmter 
Schriftsteller**  von  J.  Brncker,  war  der  letzte,  der  mit  Anerkennung 
6ber  die   Übersetzung   sprach:    „Brockes*    erhabener   Geist,    der 
fraehtbare  Wjt«  und  eine  {glückselige  Geschicklichkeit  ip  BeywOrtern 
eine  Sache  lebendig  auszudrücken,  gaben  ihm  bey  atkn  Kennern 
TOB  Marino  den  Vorrang  und  selbst  Meiner,  die  in  4er  jDiebl^st 
fefibt  war^n,  bewunderten  diese  Arbeit**  (J.  Bd.,  2.  Deoadfi  Biogr. 
419).   Die  wiederholt  verbess^rtMi  Aui^Aben  vermochten  aber  das 
Isterease  iör  die  Obaraetiupg  auf  die  Daaer  nicht   aufrecht  zu 
halten  und  die   Kritik,    welche  die  apftteren  Werke   Brockes*  in 
ünioer  koni^^rem  Tone   besprach,   hielt   über   den  Kindermord 
lange  Mt  ununterbrecbenes  Stilleebweigen.  Srat  1768,  faei  zwanzig 
Jahre  oMk  4e0  Tode  dee  Dicbttrs,  erschien  im  Hannöv.  Magazin 
S.  94  bei  d^r  Bßsprechopg  der  vergaofonen  Literatur  vpn  Ha»'. 
borg  eine  v«cQicbt#nde   Beaenaion   über   den   schon   lange  ganz 
rergesseniB  B^Uehamitiaohen  Kiodennord.  —  Mit  dem  Untergang 
4er  Schwnlatdicbtung   aohwiAd   anob    das  Yerstündnis   für  diese 
otfinistisehe  NacbbÜte :  man  vergafi,  wie  daa  Abrigens  schon  bei 
Bodmer   im    „GhArakt^r   der   denteeben  Gedichte**   (Beiträge  aur 
Utiieh«n  Historie  d^r  deutQCben  Sprache,  Poesie  nnd  Beredsamkeit, 
Jahrgang  1737,  S,  649^650)  der  Fall  war,  die  erste  literarische 
Sicbtaiig  des  eiaat  ao  gefeieiieii  Bambnrgera  und  man  machte  «ich 
a  leiser  JUonie  ftbf^r  #oiiie  veraltete,  religiftse  Naturdichtung  kistig. 

Wien.  Dr.  Carlo  Battisti. 

')  sich  habe  einige  Übessetsongep  und  einige  Gedichte  liegen,  die 
nur  aoa  Hamburg  mit  heutiger  Poet  verechreibe  nnd  ihrer  Beurteilung 
tberluse".  Fr.  v.  Hagedorn,  Poetische  Werke,  herausg.  von  Eechemborg, 
^.  AqU,  Y.  Tffil,  S.  5.  Ob  sich  aber  diese  Stelle  wirklich  auf  Brockes 
beiieht,  Uftt  eich  mit  Sicherheit  nicht  sntseheiden. 

*)  Beiieht  sieh  aof  die  Übersetsung  des  J^ssay  of  Man  von  Pope. 

Ziitwhiift  f.  4.  totarr.  GymB.  1908.  IV.  H«ft.  21 


Zweite  Abteilung^. 

Literarisclie  Anzeigen. 


Herodotus  Buch  I— IV.  Textaauabe  fflr  den  Schnlgebraoch  Ton  Prof. 
Dr.  Adolf  F ritsch.  Mit  Titelbild.  Leipzig  and  Berlin  1906,  Druck 
und  Verla?  tod  B.  G.  Tenbner.  XLII  and  426  SS.  8^  Preis  geb. 
2  Mk.  40  Pf. 

Herodotos  fOr  den  Schnlgebranch  erklftrt  von  Dr.  E.  Abieht  Dritter 
Band:  Bach  V  and  VI.  Vierte,  yerbesserte  Auflage.  Leiptig  nnd 
Berlin  1906,  Druck  and  Verlag  von  B.  6.  Teabner.  234  SS.  8*.  Preis 
geh.  1  Mk.  80  Pf. 

Thukydides  für  den  Schnlgebraoch  erkl&rt  fon  Gottfried  Boehme;  von 
der  yierten  Auflage  an  bearbeitet  Ton  Simon  Widmann.  Sechstes 
B&ndchen :  Bach  VI.  Sechste,  g&nilich  arogearbeitete  Auflage.  Leipzig 
und  Berlin  1906,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner.  IV  osd 
108  SS.  80.   Preis  geh.  1  Mk.  20  Pf. 

Sieben  Jahre  nach  der  zweiten  ist  die  Buch  I — ^IV  enthaltende 
Hälfte  der  vortrefflichen  Schnlanegabe  Herodots  von  Fritseh 
erschienen.  Sie  zeichnet  sich  dnrch  streng  wissenschaftliche  Be- 
handlung des  Dialektes  ans,  zn  der  ein  Vortrag  des  Herausgebers 
selbst  in  der  Bremer  Philologenversammlung  des  Jahres  1899  den 
Grund  gelegt  hatte;  vgl.  Verhandlungen  der  45.  Versammloog 
deutscher  Philologen  und  Schulm&nner  158  fif.  Am  meisten  stiebt 
der  Wegfall  des  Spiritus  asper  in  die  Augen ;  doch  versichert  Fr.« 
daß  eigene  nnd  fremde  Erfahrungen  die  Besorgnis,  die  Schäler 
seien  hiefQr  nicht  reif,  zerstreut  haben.  Die  Zusammenstellung  der 
wichtigsten  Eigentümlichkeiten  des  Herodoteischen  Dialektes  (IVII 
— ^XXVUI)  ist  fast  unverändert  aus  dem  zweiten  B&ndehen  beräber- 
genommen^);  nur  ist  S,  XXIX  ein  alphabetisches  „Verzeichnis  einiger 
Formen  mit  Hinweisen  meist  auf  das  Attische''  angehängt.  Dagegen 
erscheint  die  Beschreibung  des  Lebens  und  Werkes  Herodots  jetzt 
in  viel  weiterer  Ansfährung  (12  gegen  5  SS.).  In  beiden  Bändcben 


*)  S.  XVIII  jetzt  ÖQä  verdruckt  statt  6q^;  S.  XIX  onter  ooiov 
war  h  v^  nicht  als  Beispiel  aniuftlhren. 


±  FrUseh  and  K.  Äbichtt  Herodotoa,  ang.  ▼•  E.  Kälinka.      323 

gebt  dem  Texte,  der  sieh  anf  Eallenbergs  Ausgabe  und  Jahres» 
berichte  stützt,  noch  eine  Inbaltsdbersicht  nebst  einer  Zeittafel  voran« 
wftbrend  ein  erkl&rendes  Namen-  nnd  Sachverzeichnis  nachfolgt. 
Ein  kritischer  Anhang  füllt  die  letzten  Seiten. 

In  der  Einleitung  über  Leben  nnd  Geschichtswerk  Herodots 
Türde  Abschnitt  5  (Qnellen)  sich  besser  zwischen  12  (Reisen)  nnd 
13  (Geschichtswerk)  einfügen.  —  Becht  gebe  ich  der  Bemerkung 
des  Heraasgebers,  daß  das  Werk  nicht  zam  Abschluß  gediehen 
Mi  (im) ;  aber  eine  getrennte  VerOffentlichang  der  einzelnen  k&yot 
ist  doch  zuwenig  wahrscheinlich,  als  daß  ihrer  in  einer  Schulaus- 
gabe Erwähnung  getan  werden  durfte  (XII).  Anderseite  bin  ich 
Dicht  wie  Fr.  von  der  ünglaubwurdigkeit  der  Erzählung,  daß 
Tbnkjdides  einer  Vorlesung  Herodots  beigewohnt  habe,  überzeugt; 
s.  meinen  Beitrag  zur  Festschrift  für  Gomperz.  Überhaupt  sollte 
IS  siner  passenden  Stelle  (z.  B.  XVI)  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  im  Zeitalter  Herodots  die  Literatur  vorzugsweise  noch  durch 
öffentliche  Vorträge  Verbreitung  üand,  weil  es  ein  Lesepublikum 
noch  nicht  gab,  femer  daß  auch  Herodots  Stil  wie  der  der  sogenannten 
Logographen  im  Grunde  ein  epischer,  daß  ein  kunstmäßiger  Prosa- 
stil damals  noch  nicht  ausgebildet  war.  —  Die  Nachricht  des 
Markellinos,  daß  Herodots  Grab  in  Athen  neben  dem  des  Thukj- 
dides  gezeigt  worden  sei  (niQt  ist  mehr  als  zweifelhaft;  vermut- 
licb  liegt  ein  Fehler  der  Überlieferung  vor.  —  Ungern  vermisse 
icb  in  dem  Distichon  (VIP) 

'Slidi^v  Hgodötfi  tsii^  2k)q>oxkilg  itimv  Bw 
xivz*  ixl  xswi^xovt' 
die  ansprechende  Ergänzung,  die  Th.  Gomperz  in  den  M^langes 
Weil  begründete:  s^ixig  httaixBt.  —  Eines  erläuternden  Zusatzes 
bedarf  wohl  das  Wort  'Grammatiker'  auf  S.  XVI  ('Die  Einteilung 
in  neun  Bücher  und  deren  Benennung  nach  den  Musen  erfolgte 
erst  durch  die  Grammatiker').  —  Doch  all  das  sind  vereinzelte 
nnd  kleine  Mängel,  die  sich  in  einer  neuen  Auflage  leicht  bebeben 
lassen.  Die  Ausgabe  kann  schon  jetzt  bestens  empfohlen  werden, 
dz  sie  wissenschaftlichen  Anforderungen  nicht  minder  als  den  Be- 
dorfnissen  der  Schule  gerecht  wird. 

Nur  wenig  ist  über  die  neue  Ausgabe  Abi  cht  s  zu  sagen. 
Obwohl  das  Titelblatt  sie  als  verbesserte  Auflage  bezeichnet,  hat 
sie  ihr  Aussehen  seit  der  vorletzten,  vor  88  Jahren  erschienenen, 
die  allein  mir  zum  Vergleiche  vorliegt,  nicht  wesentlich  geändert. 
Der  Text  scheint  in  beiden  Büchern  V  und  VI  der  des  Jahres  1878 
geblieben  za  sein  bis  auf  die  eine,  übrigens  schon  alte  Verbesserung 
k  avToiig  (VI  2  gegen  Schluß)  für  früheres  [ig  iarotovg].  Dazu 
kommen  noch  leise  Änderungen  dialektischer  Art;  aber  von  einer 
durchgreifenden  Umgestaltung  der  Sprachform  nach  den  von  Fritsch 
sofgestellten  und  durchgeführten  Grundsätzen  ist  keine  Spur.  Weit 
mehr  Zusätze  und  Berichtigungen  haben  die  erklärenden  Anmer- 
kuigen  erfahren,  vgl.  Broschmann,  Berliner  philologische  Wooban- 

21» 


324  0.  Schroeder,  Sophodia  eanticA,  ang.  ▼.  H.  Jwenka. 

»cbrift  1908,  8p.  385;  trotzdem  ist  der  ümfaDg  snr  von  224  Seitao 
der  zweiten  Auflage  auf  2S3  in  der  vierteB  gestiegen.  JedeefaUi 
wird  das  bew&brte  Scbulbnch  immer  noch  gute  Dienste  leisten  können. 
Volle  Anerkennung  verdient  es,  daß  sieh  Widmann  ent- 
schlossen bat,  den  Ton  Boebme  gegrflndeten  nnd  noch  jetzt  nach 
jbm  benannten  Kommentar  der  Thnhydideischen  ivyyQa^  einer 
gitndlidien  Umarbeitung  zu  unterziehen.  Soviel  idi  ans  Stichproben 
eotiiebme,  ist  keine  Seite  ohne  einschneidende  Änderungen  nnd 
amtgiebige  Stofttze  geblieben;  sie  haben  den  Umfang  des  Bfindchens 
um  19  Seiten,  d.  i.  last  oin  Viertel  vermehrt.  Die  ältere  Fassnag 
und  Auswahl  der  Erklärungen  war  in  der  Tat  zu  ddrfl^g,  nm 
Anf&ng«rn  eni  tieferes  Verstftndnis  zu  vermitteln.  Jetzt  erat  erMt 
dieser  Kommentar  zurerlAssig  eine  Aufgabe,  die  ihm  neben  den 
mit  Geleinamkeit  schwer  bepackten  Bänden  Classen-Steups  eigene 
Daseiiisbcarochtigang  veilMht.  Daß  der  jetzige  Herausgeber  aUe 
neuere  Literatur,  soweit  es  geboten  schien,  verwertet  hat,  branche 
ich  an  dem  Verfasser  des  Buraiansdien  JabTesberiohtes  über  Thaky- 
dides  siebt  erst  eigens  zu  rfthmen. 

Innsbruck.  Ernst  Ealinka. 


Sopboclis  cantica  digesrit  Otto  Schroeder    Leipzig  1907,  BtbUoth. 
Tenbner.  86  SS.   Preis  E  1-68. 

Paul  Maas  hatte  in  seiner  Bezension  von  0.  Schroeders 
^Äeschyli  cantiea  B.  ph.  W.  1907,  8p.  710  dem  Verf.  vorgehalten, 
daß  er  bei  der  Feststellung  der  „Stollen*'  auf  die  Interpunktion 
zu  wenig  geachtet  habe.  Ich  stimmte  ihm  (in  dieser  Zeitsdir.  1907, 
S.  969)  zu,  in  folgender  Brw&gung.  Da  den  Sinnesabscbnitten  der 
gesprochenen  Bede  in  der  Musik  die  sogenannten  Phrasen  —  in 
der  Partitur  sind  sie  durch  die  großen,  oft  mehrere  Takte  nm- 
spannenden  Bögen  kenntlich  gemacht  —  entsprechen,  so  mtseiD 
in  der  gesungenen  Bede  beide  zusammenfallen.  Umsomehr  mneflen 
die  größeren  Abschnitte  der  Melodie  (also  die  Stollen)  mit  denen 
der  Bede  sich  decken.  Zweitens  hatte  Maas  den  Wunsch  aas- 
gesprochen,  daß  neben  dem  Texte  der  Strophe  jedesmal  der  der 
Oegenstropbe  abgedruckt  sein  sollte.  Auch  hierin  hatte  er  Recht. 
Denn  die  Identität  der  Melodie  in  Strophe  und  Gkgenstrophe  bat 
zur  Voraussetzung,  daß  in  beiden  die  Sinnesabschnitte,  die  kleinen 
und  noch  mehr  die  größeren  und  größten,  im  wesentlichen  kon- 
gruieren, so  daß,  um  bei  der  Scbroederschen  Aufteilung  sicher  tn 
geben,  die  Oegenstnophe  zur  Eontrolle  herangezogen  werden  muß. 
Dies  zu  tun,  scheint  aber  Sehr,  auch  im  vorliegenden  Buche  nicht 
Zeit  gefunden  zu  haben.  Wenn  seine  Diagramme  trotzdem  in  sehr 
vielen  Fallen  vollkommen  etimmen,  so  erklfirt  sich  dies  daraus, 
daß  die  Sache  eben  sehr  häufig  zu  klar  zutage  liegt,  um  nidit 
getrofEiBn  zu  werden. 


0.  Schroeder^  Sopboelis  caoticft,  ang.  v.  R.  Jwekka,  326 

Ich  will  nnn  am  Philektet  die  oben  auf^stellten  Sfttze  dar- 
Ifgw,  die  Irrtümer  Schr.e  anfzeigen  und  damit  togleieh,  wie  ich 
hoffe,  einea  nieht  nnwiehtigen  Beitrag  zw  richtig^  Aoffindnng 
dw  Stollengraizeii  liefern. 

lS5ff.cx)150flL  Schr.e  Anfteilnng  6.6.4.4  iet  nioht  riciitig, 
weil  sie  in  der  Strophe  die  Sätze  nag'  oztp  zb  ^itov  |  ^169 
ex^rpov  ivdc^sxat  und  eh  d\  i  xhtvov^  x6S^  iXi^kvdsv  |  xäif 
xoitog  dyyvywv  an  den  bezeichneten  Stellen  mitten  entzweireißt. 
Dies  wbrd  vermieden,  wenn  man  abteilt  7.7.  |  6,  was  auch  das 
Metrom  r&t:  beide  Stollen  beginnen  wie  der  Abgesang  mit  einem 
Büunb.  Denn  das  mnß  man  wissen  —  und  weder  Sehr.  (z.  B.  Trach. 
955  ex>  966)  noch  Maas  stoßen  sich  daran  — ,  daß  es  nicht  gegen 
dl«  Kichtigkeit  der  Anfieilong  spricht,  wenn  ein  Stollen  mit  einer 
uDiigen  Silbe  oder  einem  kurzen  Worte  (besonders  einer  Konjunktion, 
Ntgstiea  n.  dgl.)  in  den  folgenden  flbergreift.  Hier  also  entsprechen 
lick  die  StoUenachlOsse  187  tpQdifi  fnor  |  tixva  nnd  151  vöp  ii 
/loi  I  Xiy\  Etwas  ähnliches  kennt  anch  die  moderne  Musik:  der 
Komponist  (B.  Schumann)  trennt  gleich  dem  Dichter  in  den  Versen : 
.Ü6  Lotosblume  ftngstigt  ^  sieh  vor  der  Sonne  Prachf  eng  Zu- 
iaomengehdriges:  der  erste  Vers  bildet  in  der  Vertonung  eine 
Phrase,  nach  der  —  in  einer  Vr^^^*^!  —  ^^^  geholt  werden 
nifi.  —  169  ff.  cx>  180  ff.  stimme  ich  Schroeder  zu,  ebenso  706  ff. 

v718  ff.  —  201  ff.  cv>  210  ff.    sind  so  zu  gliedern:    8.8.T 

I  -S^V  1 1^^  I  ^'  ^^®  ^'"^  ^*^  '^•^•*  *^*'  ^^®I**^^  2^^' 
4aiu  der  Terschr&nkte  lambus  (•-•-)  209  an.  Das  letzte 
Drittel  hebt  sich  auch  durch  den  verwandten  Gedanken  wirksam 
ab:  did07iiuz  yicQ  tgosl  f\i  Tcgoßo^  xi  yicg  dei,v6v.  —  391  ff. 
V  507  ff.  Die  einzig  richtige  Gliederung  ist  hier  diese:  7.  |  10.  |  7. 
Die  Stollen  werden  beide  durch  einen  Diiamb  (801  ögsöxiga  o^ 
507  obmo"  ävai  und  400  li»  fubcatga  00  515  in'  bv^xoIov) 
j^innzeichnet,  während  der  Ab«,  hier  Zwischengesang,  sich  durch 
j«  ein  Dochmienpaar  am  Anfang  und  Ende  ganz  greifbar  abhebt. 
Endlich  fallen  so  die  stärksten  Interpunktionen  in  Strophe  und 
Oegtnstropfae  zusammen ,  was  bei  Sehr,  durchaus  nicht  der  Fall 
in  »  676  ff.  cx>  691  ff.  Hier  ist  Schr.s  Schema  so  zu  berichtigen : 
21. 1  24.  24,   wodurch  wieder  Koinzidenz   der  starken  Interpunk- 

tieoeu  erzielt  wird.  V.  682  (cv  697)  ist  -  ^  w kein  Dimeter 

(i^x  I  .  ^  .  j.),  sondern  ein  Dreiheber  jl^x-x,  wie  718 
(^  725)  &  luXait  iyv%d  (wo  die  Bemerkung  im  Kommentar  auf 
Einbildung  beruht),  nnd  bildet,  wie  die  Gegenstropfae  lehrt»  die  Sehr. 
;owiß  nicht  eingesehen  hat»  mit  dem  Vorhergehenden  ein  Ganzes, 

-e.x^|x_Ir  — 
827  ff  no  848  ff.  Diese  Strophen  geboren  zu  denjenigen,  die  wegen 
der  Dnsicherhelt  der  Überlieferung  besondere  Schwierigkeiten  be- 
reiten.   Sehr,  bat  sie  hier  sicherlich  nicht  verglichen:   hätte  efs 


326  0.  Sehroeder,  Sophoelis  cantica,  ang.  ▼.  H.  Jurenka, 

getan,  so  wftre  er  bei  Beacbtnng  der  iDterpmiktion  auf  das  Schema 
11.  I  14.  14.  I  11  gekommen;  Es  entsprechen  sich  ntolich  827  ff. 
bis  znm  ersten  Bia£(0Vj  dann  vom  zweiten  bis  882  xaidtv  einer- 
seits nnd  848  ff.  bis  zn  ßavdv  ftot^  sowie  Tom  zweiten  ßatdv 
bis  848  Isiiöösiv  anderseits.  Dieselbe  Zahl  der  Eebnngen  (14  + 
11)  ergibt  der  Best,  wenn  man  znr  Ansgleichnng  mit  der  Anti- 
Strophe  884  mit  Wecklein  schreibt:  xot  8i  xiv^ivÖB  ßdöi} 
(jL^x  .  -L^JL_)  nnd  888  die  Überlieferung  leoli)  xagh  x66a 
XQdtog  ä(fWTat  beibehält,  dagegen  im  Qegenverse  mit  G.  H.  Müller 
schreibt:  ndla  toi  änogd  y*  Ä'  IöbIv  xd9ij  i^^d^j  wi^^-2■w-1 
<i.  i.  er  -f  d).  Nach  dem  zweiten  Stollen  in  Strophe  nnd  Gegen- 
Strophe  starke  Interpunktion.  —  855  ff.  (Epode)  ist  die  richtigo 
Aufteilung  folgende:  12  (theses).  12.  |  11.  V.  862  ist  die  Ober- 
lieferung zu  halten  5pa,  ßlhc*  sl  xalgia  fp^iy^  |  -yij  { —  ^^  ~  | 
-^'  II -),  dagegen  der  sinnlose  V.  858  mit  B.  Hunziker  (Ana* 
gäbe  der  Bibl.  Goth.  1908)  wohl  zu  streichen.  Die  Stollenscheide 
ist  durch  den  daktylischen  Anhub  860  gekennzeichnet.  ^—  1081  ff. 
ro  1102  ff.  Schroeders  Schema  ist  unrichtig,  das  richtige  hsDd- 
greiflich  folgendes:  20.  20.  |  11.  Die  Ausrufe  1086  Sftoi  pol 
fioi  cv  1107  alat  alaij  die  die  Stollen  Toneinander  trennen,  sind 
▼om  metrischen  Diagramm  auszuschließen.  Den  Beginn  des  Ab- 
gesanges  markiert  der  Dochmius  1092  rv  1118.  Dann  decken  sich 
die  starken  Interpunktionen.  1091/2  lehren  bloß  den  engen  Za- 
sammenschluß  von  Stollen  und  Abgesang,  s.  oben  zu  V.  135  ff. 
—  Die  folgende  Ghorpartie  trenne  ich  ab  und  teile    sie   so   auf: 

4.  8.  8?  I  8.  4.  II  8;    1097  äkko&Bv  ixBi  z^xa  \  xaS*  iach  ft«- 

iovog  c\j  1119  iö^sv  vnb  xstgbg  &"  \  (läg  .  öxvysgicv  1%B^  wie 
überliefert.  —  1128  ff.  oo  1146  ff.     Auch   hier  ist  die  Chorpartie 

abgesondert  zu  behandeln.     Zuerst  also   14.  j  7.  2.  2.  |  9;  dann 

7.  7,  nach  inl  tfol  st&rkere  Interpunktion,  da  iaxlv  f  es  steht  bei 
dir')  zu  erg&nzen;  nach  äxofpB'öyBiv  im  folgenden  Vers  genügt 
ein  Beistrich.  —  1170  ff.  (Epode).  Man  kann  sich  wohl  mit  Scbr.6 
Zerlegung  des  Ganzen  in  drei  inhaltlich  abgeschlossene  Teile  ein- 
verstanden erklären.  Indes  glaube  ich  —  und  dies  gilt  yon  allen 
ähnlichen  großen  Komplexen  *— ,  daß  Gruppen  von  so  ungeheuerem 
Umfange  mit  dem,  was  man  als  Stollen  nnd  Abgesang  aufzufassen 
gewohnt  war,  nur  sehr  wenig  Verwandtschaft  besaßen.  Dagegen 
hat  Sehr,  sicherlich  Becht,  wenn  er  hier  an  den  Dithyrambus 
erinnert,  dessen  Aufbau  in  seiner  kühnen  Entfaltung  alles  Dagewesene 
weitaus  hinter  sich  ließ. 

Hier  sei  noch  bemerkt,  daß  Sehr,  im  vorliegenden  Buche 
ein  neues  Mittel  angewendet  hat,  um  Widerspänstiges  zum  Gehorsam 
zu  zwingen,  nämlich  außer  dem  Schaltvers  noch  den  Schaltfaß: 
Ant.  841  ([1  -f  ]2),  591,  Phil.  209  (nicht  289).  Auch  will  mich 
bedflnken,  als  ob  der  verfänglichste  Ausweg,  der  der  einschneidenden 


0.  Sehroederf  Sophoielis  cantiea,  ug.  t.  J7.  Jurenka,  327 

TaxtesftBdening,  darcb  die  ein  Yers  gleich  um  eine  Hebung  an- 
wicbstt  zu  bftufig  beBcbritten  würde.  Solche  Dinge  sowie  die  auch 
hier  wieder  begegnenden  Streckungen  und  Zerrungen  des  Versmaßes 
legen  den  Gedanken  nahe,  ob  denn  die  Stollen  wirklich  haargenau 
an  Zahl  der  Hebungen  gleich  sein  müssen,  ob  die  Rechnung  nicht 
aneh  dann  stimmt,  wenn  der  eine  Stollen  den  anderen  um  eine 
oder  zwei  Hebungen  übertrifft.  In  der  modernen  Musik  kommt  dies 
ja  blnfig  vor.  Freilich  die  schönen  Ziffern ,  mit  denen  w&re  es 
Torbei.  Aber  stehen  denn  Ziffern  überhaupt  einem  Dichter,  einem 
Masiker  wohl  zu  Gesichte?  Wird  aber  diese  Freiheit  nicht  zu- 
geatanden,  so  sind  obige  Ercheinungen  imstande,  auf  die  ganze 
Tbaorie  starke  Schatten  des  Zweifels  zu  werfen,  die  mir,  offen 
geaagt,  bei  der  Durcharbeitung  dieses  Bnches  wiederholt  auf- 
gefti^n  sind. 

Ich  Terzeichne  zum  Schlüsse  wichtigere  Versehen  und  Druck- 
fahler:  1.)  im  'metrorum  conspeeHts^i  S.  77,  Z.  10  t.  u.:  st. 
sp  ck  ha  sehr,  sp  eh  ia;  S.  77,  Z.  4  v.  u.  ist  ^dacU  et  un- 
richtig, es  gehen  lamben  voraus;  S.  78,  Z.  1  bessere  Ai.  199« 
200;  das.  Z.  17  bessere  Tr.  497;  der  Abschnitt  '  Ithyphallica. 
Lecjthia*  ist  an  eine  fremde  Stelle  vorgeschoben;  S*  79,  Z.  2 
baaaere  El.  186;  Z.  5  v.  u.:  dieser  Vers  ist  S.  82  als  iambadoneus 
baaeicbnet;  8.  81,  Z.  16  ist  ^ditnm  aeoU  clausulae*  falsch,  es 
gaheu  lamben  voraus;  Z.  7  st.  aeolicae  sehr,  -ca;  S.  88,  Z.  1,  2: 
daa  Zitat  Phil.  677  ist  unrichtig,  ebenso  das  folgende;  Z.  4  bessere 
Ast.  787;  Z.  12  bessere  ^^^^s^^;  S.  84,  Z.  18:  st.  Ai.  sehr. 
Aot;  S.  86,  Z.  9  ist  das  Zitat  Phil.  497  irrig.  —  2.)  In  den 
metrischen  Diagrammen:  Ant.  184  schiebe  die  '3*  vom  Bande 
weitar  nach  links  vor;  582  ff.  fehlen  am  rechten  Bande  die  Ziffer- 
summen  9.  |  7.  7.,  ebenso  863  ff.  (10.  10.),  1204  ff.  (11.  11.), 
Traeb.  181  (8.  8.),    638  (6.  6.),    821  (10.  10.)  u.  6.;    604  st. 

^  sehr.  "^ ;    882:    ist  nicht  statt  -    -w  |  -w— 3- 

lu  messen  -  -  w  -  (  ^  -  .  —?;  0.  B.  471 :  daß  -  ~  ^  ^  -  -  ein 
Eooplioe  ArehiL  sei  (S.  77,  letzte  Z.),  ist  schwer  zu  glauben, 
ebanao  unglaablieh  sind  die  Ithyphallici  El.  186  —  w  —  und 

514--- ;  El.  850  verbessere |;  Trach.  211  sehr. 

-  —  I ;  Phil.  205  bessere |  -  v^  w  -  ;  daselbst  208 

^^^^;  710b  "ww—  .  -.  Bichtigstellung  der  Schemata  emp- 
fähle ich  Trach.  181  ff.  (5.  5.  |  9.),  497  ff.  (8.  |  4.  5.  4.  5.), 
517  (5.  I  12.  12.).  —  8.)  Im  Kommentar:  8.  2  teilt  Sehr,  aus 
Alcm.  partb.  76  den  Namen  ^ufuuTOta  mit:  die  Betreffende  heißt 
aber  JttftMQixa.  Daselbst  ist  das  Zitat  I  5  etwas  unklar,  sehr. 
Hom.  IL  IX  5.  —  S.  14,  Z.  3  v.  u.  st.  brevia  sehr,  breves.  — 
8*  19,  Z.  10  st  exeeptus  sehr.  -um.  —  S.  85,  Z.  6  streiche  das 
<i.  —  8.  56,  Z*  6  V.  u.  begegnet  ein  grammatischer  Fehler, 
<ueipiamu8  st  aeeiperetnus.  —  Was  die  Latinität  betrifft,  so  bleibt 
sie  an  vielen  Stollen  beim  ersten  Lesen  unverst&ndlieh,  besonders 
da  Sehr,  mit  Interpunktionen  so  sparsam  umgeht,  vgl.  z.  B.  S.  46, 


328    P.  Lehmann,  Franeitcui  Modiu  ntw.,  aog.  t.  TF*  TF^nöer^^. 

oben  Satz  2:  weDigeteos  Z.  8  Dach  emsociantur  mkd  Z.  4  vor 
Hroehaici'  bWe  ein  Belstrieh  gesetzt  werden  sollen«  Nicht  eben 
sebön  klifigt  folgende  Wendung  (S.  58):  periodi$  aeoiieis  enopliis 
cum  dactylicia  iatnbkia  aeoliois  eonsociatis. 

Wien.  Hago  Jnrenka. 


Paul  Lehmann,  Franciscas  Modins  als  Handschriftenforscber 
(QaeUen  and  Unterflochnngen  snr  lateinisehen  Philologie  des  Mitte!- 
alteni,  heransg.  von  L.  Traobe»  IIL  Band,  1.  Heft).  MflncbeD,  Beck 
1908.  XIII  a.  151  SS.  gr.  8». 

Das  vorliegende  Heft  der  Quellen  und  Untersnchnngen  (die 
im  Geiste  ihres  Begründers  fortgeführt  werden  sollen)  ist  dem  An- 
denken Ludwig  Tranbes  gewidmet.  Die  Arbeit,  sagt  der  Verf.,  sei 
diesem  eigen,  nicht  so  sehr  deshalbi  weil  die  Anregung  von  ihm  aas- 
gegangen  sei,  weil  darin  nicht  wenige  Tatsachen  behandelt  werdeD, 
auf  die  er  aufmerksam  gemacht  habe,  und  weil  manches  Stück  in 
seinem  gastlichen  Hanse,  in  seiner  reichen  Bibliothek  entstanden 
sei;  das  Buch  gehöre  ihm  in  einem  höheren  Sinne,  weil  es  in 
Liebe  nnd  Yerehmng  ffir  ihn  geschrieben  worden,  weil  es  in  einer 
glücklichen  Zeit  innigster  Gemeinschaft  yon  Lehrer  und  Schüler  er- 
wachsen sei.  DaA  diese  Gemeinschaft  die  Sohnler  besonders  befüiigt, 
die  Weg^  zu  wandeln,  die  der  Lehrer  gewiesen  hat,  ist  kein  ge- 
ringer Trost  bei  dem  Hinscheiden  großer  Meister. 

M.  wurde  1556  als  Sohn  vornehmer  und  begüterter  Eltern 
bei  Brügge  geboren^  kam  1578,  nachdem  er  juridische  und  philo- 
logische Studien  betrieben  und  durch  die  Unruhen  sein  Vermögea 
verloren  hatte,  nach  £0ln,  wurde  dann  nacheinander  Sekretftr  bei 
dem  hessischen  Erbmarschall  Grafen  Biedesel,  Sekretftr  nnd  Biblio- 
thekar Neustetters  in  Eomburg  und  Würzburg,  Korrektor  bei  Feyer- 
abend  in  Frankfurt,  endlich  1590  Kanonikus  in  Aire  (nahe  bei 
S.  Bertiu),  wo  er  1597  starb.  Er  gab  CuHius  (1579),  Ivstinus 
(1582,  bisher  übersehene  Ausgabe,  deren  getreuer  Abdruck  die  von 
1586  ist;  für  die  Überlieferungsgescbichte  vgl.  S.  71  ff.),  Lifi^ 
(1588)  nnd  Vegetius  (1580)  heraus  und  besch&ftigte  sich  ferner 
(vgl.  seine  Tffovaniiquae  Leetümes.  Frankfurt  1578  nnd  das  Schrift- 
Stellerverzeichnis  S.  148  f.)  mit  Ambrosius,  Apuleius,  ÄrnobiuSf 
AuguHinus,  Calpurnius,  Cen8orinu9,  Cicero,  CdumeUa  (für  die 
handsehr.  Yerh&ltnisse  vgl.  S.  68),  Ennodius,  FronHnus^  Ful- 
gentius  (S.  106  f.;  Helm  hat  den  in  Stuttgart  erhaltenen  Cosi^''* 
getiaie  nicht  nachgewiesen),  Gratiue,  Hygin,  Isidor,  Lucan,  Luem 
(vgl.  8.  185  über  die  Frage,  ob  die  von  M.  benutzte  Hs.  verloren 
oder  mit  dem  Quadraitis  identisch  ist),  Ifaero^tMS,  Martial,  Mar- 
tianus  Capella,  Nemesianus,  Ovidiue,  PaUadius.  Panegyrki,  PH' 
nius,  Proper z,  Salluat,  Seneca,  ServiuB,  Siliue^  Staiiui,  Sytn' 
machus,  Tacitus,  TertuUian  und  Valerius  Maximus, 


P.  Lehmann,  FnneiMos  Modttii  oaw.i  aiigr.  f.  W.  Weifiberger.    229 

L.«  der  fiber  Modiim*  Leben  liod  Wirken  genaaer  als  Beine 
YorgiAger  berichtet  (S.  29—86:  Ana  M.a  Brief weebsel),  hebt 
benror  (8«  54  if.)>  daß  M»  die  he.  AntorStftt  nnd  ihre  Erforschnsg 
über  die  Eonjekturalkritik  stellte,  daß  seine  Angaben  zn?erl&8Sig 
nsd  Terhältnism&ßig  bestimmt  sind.  Volle  Klarheit  kann  man  nicht 
TOD  einer  Zeit  erwarten,  in  der  gedinckte  Bächer  als  Codices,  Pa- 
pierbandscbriften  als  tnembranae  bezeichnet  und  Sigel  nnr  ver- 
einzelt gebraucht  werden  (L.  weist  S.  62  Sigel  noch  Tor  M.  in 
PoUnanns  Ansoninaansgabe,  Antwerpen  1586,  nach).  Doch  verhehlt 
sich  L.  kmneswegs  (8.  XI),  daß  M.  in  den  Männern  gehi^re,  deren 
Bedentnng  fiber  ihre  Zeit  hinausgeht;  er  gebe  Gelegenheit,  eine 
gr»6e  Zahl  alter  Bibliotheken  in  durchwandern  nnd  ihre  Hand- 
KhriftenbMtinda  zu  mnstem* 

Und  in  der  Tat  biatet  L.  wertvolU  Bemerkungen  über  Ge« 
ichichte  nnd  Beständoi  namentlich  der  (im  Inhaltaverzeichniaa«  her* 
Torgehobenen)  Bibliotheken  von  S.  Bertin,  Brfigge,  Fulda, 
Eöln  und  Komburg,  für  die  Sammlungen  von  Modius,  Nan«- 
lins  und  Scriverius.  Fftr  dioHss.  Budolf  Agricoias  (die  doroh 
Dietrich  von  Plieningen,  Halder  und  Eck  an  Neustetter  in  Kern- 
barg  kamen),  Daibergo  und  Sichardts  wird  eine  besondere  unter- 
nehnng  angekflndigt.  Yon  M.8  eigenen  Hss.,  die  nach  seinem 
Tode  an  Eicbard  de  Pan  kamen  nnd  1605  in  S.  Omer  verzeichnet 
wardon,  sind  bisher  nur  wenige  in  Brüssel,  Gießen,  8.  Omer 
ond  vielleicht  in  Leiden  nachzuweisen.  Die  Identifizierung  einer 
Ozforder  Ha.  wird  (8.  142)  mit  Becht  zurückgewiesen.  —  Eine 
Si^bnrger  und  eine  Würzburger  Hs.  konnten  dem  Katalog  der 
Miniatarenauaatellung  der  Wiener  Hofbibliothek  entnommen  werden; 
fir  8.  Terweiae  ich  bei  diesem  Anlasse  auf  F.  W.  E.  Both ,  Hss. 
in  Darmatadt  aas  Köln  und  der  alten  Erzdiözese  Köln.  Annalen 
dei  histor.  Yereina  für  den  Niederrhein  LXII  177  ff.,  nach  dessen 
Aadeutongen  Hss.  von  8iegbnrg  in  Darmstadt  zu  vermuten  sind. 
^  Ana  8.  Bertin  stammt  auch  Gheltenham  1115. 

Die  Begister  helfen  allerdings  bei  der  Verwertung  der  Angaben 
aber  Hss.  und  Bibliotheken  nicht  immer  in  der  erwünschten  Weise. 
W&hrend  im  3.  Peraonenverzeichnis  z.  B.  Enoch  von  Ascoli  erscheint, 
TOft  deaaeo  Beisen  8.  48  ganz  im  allgemeinen  gesprochen  wird, 
Mbeint  das  1.  Handschriftenverzeichnis  grundsätzlich  auf  den  Auf« 
bewafaruagsort  beschränkt  zu  sein;  übrigens  ist  bei  Breslau  das 
Yorhandensein  von  Hs«.  ans  8.  Martin  in  Köln  (8.  92,  A.  S),  bei 
Haag  daa  von  Tongrenses  (8.  50,  A.  5)  nicht  erwähnt.  Daß  eine 
He.  von  Gent  nach  Stuttgart  verschlagen  wurde  (8.  106,  A.  4), 
fiadflt  man  nur  unter  8t.  verzeichnet.  Wer  vollends  auf  einen  0O(2sa? 
ThonnuB  stößt,  wird  durch  die  Indizes  nicht  auf  die  Aufklärung 
geführt,  daß  die  Hss.  des  Klosters  Ter  Do  est,  mit  denen  des 
Klosters  Tor  Duyn  vermischt,  nach  Brügge  gelangten.  Auf  weitere 
ibnliche  Fälle  hoffe  ich  an  anderem  Orte  zurückzukommen.  Vielleicht 
Uefte  sieb  den  folgenden  Heften   (ähnlich   wie  es  z.  B.  Graux  bei 


330     Th,  Schiehe,  M.  Talli  CiceroDis  Tasenl.,  ang.  ▼.  E,  Geehwind. 

seinen  Unterenchnngen  Aber  den  Eecorial  getan  hat)  ein  einheit- 
liches Register  beigeben,  in  dem  Heimstätten  nnd  AnfbewahnmgB- 
orte  der  Hss.,  Besitzer  nnd  Schriftsteller  dnrch  verschiedenen  Dnick 
gekennzeichnet  wnrden. 

Iglan.  Wilh.  Weinberger. 


M.  Talli  Giceronis  Tascnlanarnm  diBpatationnm  libri  quinqae. 
Für  den  Schnlgebraach  heraus^?,  von  Th.  Schlehe.  Zweite»  terb. 
Auflage.  Leipzig,  6.  Freytag,  Wien,  F.  Tempskjr  1907. 

Die  Ausgabe  ist  nun  mit  einer  Einleitnng  in  deutscher  Sprache 
ausgestattet,  was  dem  Unterrichte  nur  förderlich  sein  kann,  da  der 
Schüler  für  die  einleitenden  Erörterungen  des  Lehrers  dann  ein 
Substrat  in  der  Hand  haben  wird.  Der  erste  und  zweite  Absehnitt 
dieser  Einleitung  (Cicero  als  philosophischer  Schriftsteller  nod 
Gioeros  Eklektizismus)  sollte  aber  etwas  klarer  in  der  Darstellung 
und  auch  übersichtlicher  gehalten  sein.  Wir  begreifen  das  Be- 
streben des  Verf.s,  recht  viel  über  seinen  Lieblingsschriftsteller 
mitzuteilen  und  in  gedrängter  Kürze  vorzubringen,  aber  es  kommen 
dann  Verbindungen  heraus,  wie  z.  B.  S.  9:  „Neben  der  unserer 
Erkenntnis  allein  zugänglichen  Welt  der  für  sich  bestehenden,  ewigen 
und  unveränderlichen  Ideen  ist  von  der  unseren  Sinnen  zugänglieben 
Erscheinungswelt  wegen  ihrer  Vergänglichkeit  und  Veränderlichkeit 
nach  Plato  kein  Wissen,  sondern  nur  ein  Meinen  möglich,  nnd  so 
ist  es  auch  nach  Eameades  für  uns  unmöglich  ...  *  usw.  —  Bei 
der  Ableitung  des  Wortes  „Eklektizismus**  konnte  auf  ixkiym,  bei 
„Ungestörtheit**  auf  äxagaxla  hingewiesen  werden.  —  Die  Inhalts- 
angabe der  fünf  Bücher  der  Tuskulanen  ist  für  eine  Schulausgabe 
viel  zu  weitläufig.  —  Das  Verzeichnis  der  Eigennamen  enthält  nun 
nebst  der  Angabe  der  Fundstellen  kurze  erklärende  Bemerkungen, 
was  sehr  zu  billigen  ist;  überdies  sind  einzelne  Ungenauigkeiten 
der  ersten  Anfiage  richtig  gestellt;  so  Ae(a)eta  (für  Aeaetus  der 
ersten  Auflage),  Gaelus  (für  Caelum),  Democritei  u^  a. 

Im  Texte  selbst  wurden  an  etwa  SO  Stellen  Änderungen  vor- 
genommen. So  wurde  I  25,  60  das  handschriftliche  anima  ein- 
gesetzt, das  sich  ganz  gut  erklären  läßt;  I  25,  62:  instüutumes 
nach  der  Handschrift  statt  des  von  Manitius  an  in  die  Texte  über- 
gegangenen institUiones  f  das  bloß  für  diese  Stelle  angenommen 
werden  mußte.  Allerdings  findet  sich  auch  instütUio  (sMarum) 
hier  in  der  in  klassischer  Prosa  fremden  Bedeutung  „Stellung*', 
die  sich  aber  durch  das  Verbum  insiitusre  belegen  läßt.  —  I  88, 
91:  quam  aensurus  tum  sis  st.:  sit;  dadurch  wird  eine  Überein- 
stimmung mit  dem  folgenden:  eiiamai  tu  id  non  agas  erzielt  — 
II  2,  6 :  Quod  —  si  haec  studia  traducta  erunt  ad  nostras  in  An- 
lehnung an  das  folgende  ne  biUiotheeis  quidetn  Graecis  egehimus  — ; 
die  frühere  Leseart  ad  nostros  verdient  wohl   wegen  des  Verbnms 


Ä.  Bademann,  Yorlagen  sa  lat.  StilfiboDgen,  aDg.  t.  «T.  Dorsch,  331 

tradueere  den  Vorzug.  —  11  11,  26  nnd  III  6,  12  ist  die  Zu- 
weitnng  des  Dialogs  an  Ä  und  M  (mag  es  Atiicus  und  Marcus 
oder  Auditor  und  MaguUr  bedenten)  ebne  Grand  aufgegeben.  — 
II  14y  SS:  iacel  in  tecto  umido  nacb  Bonbier  und  den  meisten 
Ausgaben;  früher  brachte  Schiebe  seine  Konjektur:  in  saofo 
Lemnio;  aber  selbst  die  Lesart  Ton  GBB:  in  lecfo  umido  ist  an- 
nehmbar. —  II  26,  62:  amnes  lahores  dolore  contempto  fiunt  to* 
krahUee  trifft  wohl  das  Bichtige ;  denn  cod.  G  bat  das  sinnlose 
amtempno  und  daneben  einen  freien  Baum.  —  III  6,  12:  ei, 
inquit,  fuero  et  eeneus  adsU  der  ersten  Auflage  wurde  geändert 
io:  Wh  quid  fuerit,  8.  a.  — ;  inquit  (nacb  Seyffert)  ist  jedenfalls 
Dicht  baltbar.  Der  Bef.  meint,  eine  Lesart:  ei  quid  fuero  wäre 
der  entsprechendste  Ausweg.  —  IH  19,  46:  demus  hedychrum, 
ineendamus  seutellatn  —  nacb  dem  cod.  G,  der  datnue  hedychrum 
bietet;  denn  die  gewöhnliche  Schreibung:  hedychri  ineendamus 
feuiellam:  ^zünden  wir  eine  Schale  mit  Parfüm  an*",  l&Qt  sich 
Dicht  annehmen.  —  IV  6,  14:  stultorum  aegritudo  est,  eaque  ad- 
fieiuntur;  die  handscbriitliche  Lesart  der  ersten  Auflage  konnte 
gaox  gut  beibehalten  werden.  —  IV  36,  77:  Quo  igitur  haee  ruit 
mdes?  —  ruit  (st.  erumpit)  liegt  jedenfalls  dem  y erderbten  erunt 
der  Handschrift  näher;  dasselbe  gilt  von  V  9,  27:  tarn  expoliari 
potes. 

Schiches  neue  Ausgabe  der  Tuskulanen  ist  für  den  Schul- 
gebrauch ToUkommen  geeignet,  sowohl  wegen  des  trefflichen 
Textes  als  auch  wegen  der  willkommenen  Einleitung.  Das  anfangs 
bezQglich  der  Abschnitte  1  und  2  der  Einleitung  Vorgebrachte  wird 
der  Erwägung  des  Herausgebers  bei  ein^r  yermutlicb  bald  erfol- 
ge&den  dritten  Auflage  empfohlen. 

Prag.  *  Emil  G seh  wind. 


A.  Bademann,  Vorlagen  zu  lateinischen  Stilübungen  im  An- 
sehlmie  an  Giceros  TnsculaneD,  Bach  I,  II  und  V.  BerliD,  WeidmaDn 
1907.  68  SS.   PrelB  Mk.  1-20. 

Das  Torliegende  Büchlein  hat  vor  den  Bd.  LVII  518  an- 
gezeigten „Übungen  zum  Übersetzen  im  Anschluß  an  Ciceros 
Tosculanen**-  ron  Deiter  mancherlei  voraus.  Einmal  berücksichtigt 
ti  außer  den  dort  Terarbeiteten  Teilen  der  Ciceronianischen  Schrift 
loch  das  nach  Stoff  und  Form  wertvolle  2.  Buch;  fernerhin  ist 
die  Diktion  durchaus  einwandfrei  und  drittens  hat  der  Verfasser 
diranf  gesehen,  daß  sein  Übungsbuch  die  Einsicht  in  den  Inhalt 
der  Tusculanen  möglichst  vertiefe.  Denn  mag  auch  sonst  manchmal 
die  bloße  Wiedergabe  des  Inhaltes  für  Übungsstücke  zum  Über- 
setzen aus  dem  Deutschen  nur  als  Notbebelf  zu  betrachten  sein, 
«s  gibt  gewiß  auch  Fälle,  wo  derartige  Paraphrasen,  wie  sie  Bade- 


832  0.  HdlinghoM8,  Goethes  Werke  f.  Schale  iL  Haas,  ang.  ▼.  8.  M.Prem. 

rnanns  Vorlagen  bieten,  geeignet  sind,  daa  inbaltliebe  Veratftadnia 
des  Gelesenen  in  wirksamer  Weise  zn  nnterstätzen;  und  bisher 
gehören  yor  allem  philosophische  Schriften. 

Prag.  Dr.  Josef  Dorsch. 


Qoethes  Werke  fflr  Schale  und  Hans.  Mit  LebeDsbeschreibuDg, 
EinleitUDgen  nnd  Anmerkungen  yon  Dr.  Otto  Hell! ngb aas,  Gym- 
nasialdirektor. Drei  Bfinde  (Bibliothek  dentieber  Klassiker  ffix  Sehale 
and  Haas,  4.~-6.  Band).  Freibarg  i^  B.»  Herdersehe  Verlagsbachhand- 
lang  1906. 

In  zwnter,  yGUig  neu  bearbeiteter  Auflage  erscheinen  hier 
die  wichtigeren  Werke  Goethes  in  besonderer  Widmung  für  Schule 
nnd  Haus.  Der  1.  Band,  geschmflckt  mit  dem  Bildnis  Goethes 
yon  May  (1779),  enthftlt  die  Biographie  Goethes,  die  ^Gedichte" 
in  sorgsamer  Auswahl  sowie  Teile  aus  dem  „Westöstlichen  Dlyan^. 
Die  Biographie  umfaiU  allein  105  Oktayseiten  und  liest  sich  an- 
genehm, da  der  Stil  einfach  und  die  Darstellung  fortlaufend  Goethes 
eigene  Worte  yerwendet.  Auch  Bielschowsky  wird  oft  angezogen. 
Sachlich  wäre  allerdings  manches  auszustellen.  So  darf  die  Stellung 
des  Grafen  Thoranc  nicht  mit  der  eines  Stadtkommandanten  yer- 
glichen  und  Friedrike  Brlon  als  Modell  für  das  Gretchen  im  zweiten 
Teile  des  „Faust"'  aufgestellt  werden.  Sicher  unrichtig  ist  die  Be- 
hauptung, Goethe  sei  1790  in  Italien  wegen  des  schlechten  Wetters 
und  seiner  „wenig  befriedigenden  Häuslichkeit  zu  Weimar*'  in  Mil>* 
Stimmung  geraten.  Verstöße  und  Druckfehler  finden  aicb  da  und 
dort:  Goethes  Großmutter  starb  1754,  S.  97  heiüt  ee  Ulrike  yon 
Pogwitsch.  Die  Gedichte  werden  in  Goethes  eigener  Einteilung 
nach  der  Ausgabe  letzter  Hand  geboten ;  einzelne  wurden  aus  dem 
^Nachlasse''  eingefügt,  dafür  andere  weggelassen,  darunter  „Blinde 
Eub'S  das  mit  den  Versen  „Stirbt  der  Fuchs,  so  gilt  der  Balg*' 
und  „Bettung''  (S.  128)  eine  besondere  Gruppe  bildet.  Nach  Auf- 
zeichnungen yon  J.  Chr.  Ehrmann  soll  ihnen  ein  Straßbnrger  Er- 
lebnis yon  1771  zugrunde  liegen,  das  Martin  Greif  in  seiner  no- 
vellistischen Jugendarbeit  „Goethe  und  Therese"  aasgesponnen  hat 

Der  2.  Band,  dessen  Titel  mit  der  Goethebüste  yon  Trippel 
(1787)  versehen  ist,  enth&lt  den  „Beineke  Fuchs",  „Hermann  und 
Dorothea",  die  «Achillels*',  „Wertbers  Leiden*  und  den  „Götz  von 
Berlicbingen"  mit  entsprechenden  Einleitungen  und  kurzen  Anmer- 
kungen am  Schlüsse  des  Bandes,  die  hinreichend  sind,  um  bei  der 
Lektüre  fortzuhelfen.  Der  3.  Band,  mit  Stielers  Goethebild  (1828) 
geschmückt,  enth&lt  die  klassischen  Dramen  „Egmont",  „Iphigenie" 
und  „Tasso"  sowie  den  „Faust". 

Graz.  S.  M.  Prem. 


F,  SoUkauseth  Alt-  ond  mHteleDgl.  Texte,  ang.  t.  v.  Grienberger,  333 

Alt-  und  mittelenglisehe  Texte  hennsgegeben  tod  L.  Morsbach 
nnd  F.  fiolthaaeen.  Bd.  3  II:  Beownlf  nebit  dem  Finnsbarg- 
Bnichetfick  . . .  hemugegeben  fon  F.  HoltbaoeeD.  II.  Teil:  Ein- 
leitung, Glossar  und  Anmerkangen.  Heidelberg,  Carl  Winters  UniTer- 
git&tsbachhandliuig;  New  Tork,  6.  £.  Stechert  1906.  XX,  113  und 
272  SS. 

Der  erste  Teil  der  Beownlfausgabe  HoltbanseDB  enthielt  ein 
Torlänfiges  Vorwort  des  Heransgebers,  den  Text  des  Gedichtes«  dem 
die  Faksimile -Aasgabe  von  Znpitza  zugrunde  gelegt  wurde,  im 
Anhang  dazu  den  interessanten  Versuch  einer  Umschrift  der  Verse 
1—52  in  das  anglische  Original,  das  Finnsburg -Bruchstück  und 
•in  Verzeichnis  der  im  Liede  vorkommenden  Personen-  nnd  Orts- 
namen. 

Im  zweiten  Teile  bringt  Holthansen  nftchst  einem  Inhalte- 
verzeichniase  über  die  ganze  Ausgabe,  in  das  eine  gedr&ngte 
SkizziaruniT  der  Handlungen  des  Liedes  aufgenommen  ist,  eine 
trefOiche  Slinleitnng  mit  Nachrichten  über  die  Handschrift,  ihre 
BMchafiianiieit  nnd  ihre  Schickaale,  mit  chronologischen  Verzeich- 
niisen  der  Ausgaben  nnd  der  Erlftaternngsschriften  zur  Textkritik, 
znr  Sprache,  zum  Stil,  mit  orientierenden  Angaben  über  Entstehung, 
Verfasser,  Lihalt,  Quellen  des  Liedes  und  einer  ▼ollstAndigeo  Auf- 
zihhing  dar  Obersetzungen  in  acht  Sprachen,  von  denen  selbet« 
Terstftndlich  die  deutschen  und  englischen  Übertragungen  am  zahl- 
reichsten aind;  doch  fehlt  auch  nicht  eine  lateinische  von  Thorkelin, 
EopenhageD  1815. 

Nach  juudegea  Mitteilungen  znm  FiDuaburgfragmente  folfi^t 
du  ftlaeeftr  S.  IIB — ^200,  hierauf  die  mit  Begiater  versehenen 
AnmerkBoireB  B.  201—268,  dann  fönf  Seiten  Verbesserungen  und 
ükhtrige,  zwei  Seiten  Stammtafeln  der  im  Liede  auftretenden 
Dynastenfamilien  und  ein  Nachwort,  in  dem  sich  das  bedeutnngs- 
▼eile  BekenntBis  fiachet:  ^die  lange  Bescfaftftignng  mit  dem  Oedichte 
Qod  das  aiogebende  fitndhun  der  demselben  gewidmeten  Arbeiten 
hat  mich  in  Tiefen  FAll«i  wieder  zur  handschriftlichen  Überlieferung 
urnokfcebren  lassen,  wo  ich  früher  «ine  Emendation  ffir  nOtig  hielt\ 
Die  SchlQftw«rte  empfishlen  diese  neue  Ausgabe  dem  Wohlwollen 
der  akademiachen  Lehrer  und  der  Studierenden. 

Dieser  Empfehlung  wird  der  von  ihr  gewünschte  Erfolg  nicht 
eutgehen,  4a  die  Auegabe,  der  sie  gilt,  tatsächlich  in  so  reichem 
Ma0e  mit  zweckdienlichen  Bebelfen  versehen  und  so  sehr  praktisch 
emgericbtet  ist,  daß  sie  sich  ffir  den  Lehrgebrauch  vor  allen 
eoderen  eignet.  Es  ist  zu  erwarten,  daiS  sie,  überall  wo  Beownlf 
gelesen  wird,  der  Lektüre  zugrunde  gelegt  werde  und  daß  sie  in 
kommenden  Auflagen  sich  zu  einem  immer  mehr  gesteigerten  Orade 
der  Vollkommenheit  entwickeln  werde. 

Ich  habe  nicht  die  Aufgabe,  zum  ersten  Teile  mich  zu  &ußern, 
der  mir  zur  Besprechung  nicht  zugegangen  ist,  und  will  auch  in 
dieseai  Falls  Ton  einer  Durcharbeitung  der  zur  Textauffassung  und 


334  F.  Holthauseth  Alt-  and  mittelengl.  Texte,  aog.  t.  v.  Grienberger. 

Teztgestaltang  gehörigen  AnmerkongeD  absehen,  doch  finde  leh 
mich  angeregt,  über  das  Glossar  einiges  zu  sagen,  das  der  eine 
Hauptabschnitt  des  zweiten  Teiles  und  dem  Leser  des  Textes  die 
unentbehrliche  Wechselstelle  ist,  an  der  er  die  Münze  des  ae.  Textes 
in  nhd.  Werte  umsetzt. 

Das  Glossar  Holthansens  ist  zweifellos  eine  Torzügliche 
Leistung  lexikalischer  Darstellung,  deren  Leitpnnkte  etymologische 
Verknüpfung  des  Wortmaterials,  VoUst&ndigkeit  der  Belegstellen 
im  Beowulf  und  gedrängte  Fassung  sind.  Die  orthographische 
Darstellung  yerzichtet  auf  die  ags.  Type  ^ ,  bedient  sich  des  p  im 
Anlaute,  des  d  im  In-  und  Auslaute,  bezeichnet  das  Umlauts -e 
mit  e,  den  Wechsel  yon  ä  und  Ö  Tor  Nasalis  mit  ä:  lAmer,  Matd, 
hSingian,  macht  bei  einfachen  Vokalen  die  Länge  durch  Querstrich 
ä,  €B,  e,  1,  ö,  ü,  y:  gär,  gcest,  leg,  eäm  'Oheim'  (zweisilbig),  bei 
Diphthongen  die  Kürze  äa,  Bo,  to:  KMf,  r^ord  gegen  heah,  leas, 
leoma,  tarn  'Oheim'  (einsilbig)  ersichtlich  und  setzt  die  in  den 
gedeckten  Kasus  mit  der  einfachen  Konsonanz  der  ungedeckten 
wechselnden  Geminaten  im  Lemma  zur  Hälfte  in  Klammem :  8ib(b), 
hUm(fn),  h%l(l),  heor(r),  h^al(l),  hü(i).  Das  vor  dunklen  Vokalen 
die  Palatalis  c  anzeigende  e  wird  unterpungiert:  Bc0p,  seeöd. 

Die  Nietstellen  yon  Präfixen  und  Kompositionen  werden  durch 
Verbindungsstriche  angezeigt:  ge-nög^  n-efne,  n-Me,  hrogäen-mcH, 
htoy-lc,  ttoi'lff  öT'et,  was  bei  Proklisen  und  zweiten  Kompositions- 
teilen Terdunkelter  Natur  dem  Verständnisse  der  Wortform  ins- 
besondere forderlich  ist,  ebenso  wird  das  gotische  und  nordische 
Nominativzeichen  8  und  r  behandelt:  andei-s,  haidu-a,  haft-s, 
auHi-leik-s,  JUü-l,  giir-r  und  dadurch  der  Unterschied  der  got  und 
nord.  Nominativformation  von  der  ae.  gekennzeichnet  sowie  das, 
was  an  diesen  Belegen  dem  westgermanischen  Wortkürper  entspricht, 
wirksam  herausgehoben. 

Aus  Kompositionen  des  Beowulfwortschatzes  gezogene  Wörter 
sind  besonders  angeführt,  doch  folgt  in  diesen  Artikeln  keine  Vers- 
zahl, sondern  ein  Verweis  mit  ^in*  oder  *b/  auf  das  Kompositum 
wie  hctd  mnu  Halde,  in:  ^^stopa..,,  3.  hat  na.  Verheißung, 
Forderung  in  beot,  ör-et,  oder  ?iata  mk.  Hasser,  s.  däd  ^^,  oder 
selbst  -gen  Suff.  ...  in  htoir  — .  Besonders  nachgewiesen  sind 
auch  Wortformen,  deren  paradigmatische  Zugehörigkeit  nicht  so 
ohneweiters  klar  ist  wie  log  s.  lean  2,  lyhd  s.  lean,  hogode  s. 
hycgan,  hrödr-  s.  hred-,  toöc  s.  uxßcnan,  ^art  bist  •  • . ,  eode  prt. 
[zu  wadan]  ging,  schritt...,  sowie  fakultative  Lautgestaltungen 
innerhalb  bestimmter  Anlautgruppen  wie  dio-  s.  deo-,  fio-  s.  fto* 
und  fakultative  Schreibungen  wie  ge-mofu  s.  ge-wtf  oder  die  mit 
unfestem  y:  wie  gyn  s.  gin,  gyd  s.  gid  oder  mit  einfachem  Vokal 
an  Stelle  der  diphthongischen  Brechung  haU  s.  kt^ak. 

Der  Normalartikel  enthält:  erstens  die  ae.  Wortform  —  das 
Nomen  wie  herkömmlich  im  Nom.  sing.,  das  Verbum  als  Infinitiv 
— y  dann  eine  grammatische  Sigle,   dann  die  nhd.  Bedeutung  mit 


F,  EdÜhausen,  Alt-  and  mittelengl.  Texte,  ang.  t.  v,  Oriehberger»  335 

den  Stellenzahlen  und  zwar  in  einer  Partie,  wenn  die  Bedentang 
wie  bei  hcele(d)  mk.  *Held,  Krieger,  Mann'  eine  wesentlich  ein- 
heitliche ist,  in  mehreren  Beihen,  wenn  sie»  wie  bei  Mtan  red. 
1.  heilSeD,  nennen..,  2.  heißen,  befehlen...  semasiologisch  yer- 
schieden  ist,  oder  wenn  unter  ein-  nnd  derselben  Form  zwei  ver- 
Bcbiedene  Wortqnalit&ten  subsumiert  sind,  wie  bei  hceäen..,. 
1.  heidnisch  ...   2.  Heide  . . . 

Außerdem  enthalten  die  Artikel  an  schwankenden  Bestand- 
teilen die  fakultativen  Wortformen  des  Beowulfteztes  wie  hafela, 
hiafcla,  Ton  denen  die  erste  Form  zehnmal  y  die  zweite  dreimal 
vorkommt,  während  die  Form  hafdla  ?on  446  yermutlich  durch 
den  Verweis  hafda  s.  hafda  getroffen  werden  soll,  ferner  in  eckiger 
Klammer  knappe  etymologische  Verweise  intern  ae.  Natur  inner- 
halb des  Beowulfglossares  wie  tUs  fjö.  [zzztldB  zu  /ad^]...,  loca 
mk.  [zu  lücan\  ...,  cempa  mkj.  [cäinp]  ...  oder  außerhalb  des- 
Bslben  wie  herian  sw.  I  [tor].,.,  gemtnian...  [unte],,.^  Ver- 
weise auf  andere  germ.  Dialekte :  Got.,  AisL,  As.,  Ahd.  usw.  oder 
bei  Lehnwörtern  auf  latein.  Vorlagen:  cS^el  fö.  [lat.  oandela], .  .<, 
ernster  fo.  [lat.  ca8ira...'\  ...,  1  orc  ma.  [von  lat.  urceua]..,^ 
oder  auf  ne.  Entsprechungen :  be-lang,  swath,  oder  auf  erschlossene 
Torags.  Formen:  täcan  sw.  I  [*/ft«A^'an] .  • .,  rede  l^röpi]...f 
dann  in  Gänsefüßchen  geschlossen  nhd.  formelle  Wortentsprechungen 
oder  Nachbildungen,  d.  i.  Übersetzungen  mit  nhd.  Mitteln. 

8o  ist  in  dem  Artikel  toid(d)  nja.  [g.  widi]  *Wette'  Unter- 
pfand 2998  das  gotische  Wort  etymologische  und  semasiologische 
Gleichung,  nhd.  ^Wette*  die  formelle,  Unterpfand  die  begriffsmäßige 
Dhd.  Entsprechung;  in  hceg-steald  ma.  [haga\  ^Hagestolz',  Jflngling, 
Lehnsmann  1889.  F.  42  ist  ae.  haga  interne  Beziehung  zum 
Beownlfglossar,  *  Hagestolz'  die  etymologische,  Jftngling,  Lehns- 
mann die  semasiologische  Gleichung  zum  Lemma,  in  ge-unn(n)  na. 
'Gewinn":  1.  Kampf...,  2.  Mühsal..,  das  vorangestellte  Wort 
etymologische  Gleichsetzung,  die  anderen  die  Begriffswerte  im  Sinne 
des  Nhd.;  bei  häd-stapa  mk.  ist  'Haidegänger'  nhd.  Nachbildung, 
aber  Hirsch  die  Bedeutung  des  ae.  Kompositums,  bei  wind  ma. 
Wind  ...,  oder  winter  mu.  1.  Winter...  ist  das  nhd.  Wort  so- 
wohl formelle  als  semasiologische  Entsprechung.  Die  grammatischen 
Siglen  geben  bei  Substantiven  das  Genus  und  den  Themacharakter 
wie  ma.  generis  masculini  und  a- Stamm,  fi.  generis  feminini  und 
t-Stamm,  nja.  generis  neutrius  und^a-Stamm,  nwa.  generis  neutrius 
nnd  wa-Stamm,  mk.  generis  masculini  und  konsonantischer  Stamm 
(»-Stämme  nicht  besonders  ausgeschieden  1),  mni.  generis  masculini 
nnd  neutrius  und  t -Stamm,  mfkj.  generis  communis  und  konso- 
oantischer  (n)  Stamm  mit  j  im  Suffixe.  Die  starken  Verba  werden 
durch  die  Slgle,  abL  mehr  der  Klassenzahl  in  latein.  Ziffern, 
ebenso  die  Praeteritopraesentia  durch  Prt.  prs.  mehr  der  Kkssen- 
zabl,  die  reduplizierenden  durch  red.,  die  ^ Verba  durch  sw.  mehr 
der  Elassenzahl  I,  II,  III  gekennzeichnet. 


336  F.  BoUhauseii,  Alt-  oiid  mitteleDgl  Texte,  Mg,  ?.  ti.  Grienberger. 

Das  Adjektiv,  das  Pronomen»  das  Zahlwort  bleiben  nnbe- 
zeiefanet,  aber  Adyerbinm,  Pr&position,  Konjacktion  bei  den  ein- 
zelnen Wörtern,  die  in  mehr  als  eine  Kategorie  fallen,  werden  ge- 
schieden, die  Interjektion  mit  Int.  charakterisiert.  Die  Konstitntioa 
der  grammatischen  Siglen,  die  sicherlich  den  sonst  gebrftnehlichen 
gegenftber  große  Vorteile  aufweist,  dient  in  ihrer  gedrängten  Kürze 
gleichfalls  den  Zwecken  knappester  und  pr&gnaniester  Fassnng,  die 
das  ganze  Glossar  anszeiobnet. 

Eine  weitere  Ersparnis  an  Banm  wird  dadaroh  erzielt,  daß 
dem  Änßeren  nach  identische  W((rter,  wie  die  4  w^ard,  TOm 
zweiten  an  nicht  mehr  ausgedruckt,  sondern  darch  eine  Welle  — 
hemnter  genommen  und  mit  Ordnungszahlen  (hier  1  bis  4)  am 
Beginne  unterschieden  werden.  Der  gleiche  Vorgang  wird  bei 
identischen  Wortstrecken  unmittelbar  aufeinander  felgender  Lemmata 
eingehalten,  und  zwar  nicht  blaß  bei  Kompositis  wie  moräor  na. 
. . .  Mord  ...  I  — bed(d)  nja.  Totenbett. . . ;  myndgian, .  .erinnern 
an. . .  \  ge  ^-^  dass.  . . .,  sondern  auch  bei  Ableitungen  wie  mUt 
ma.  Nebel,  in  |  ~  hlid  na.  nebliger  Abhang. . .  \  -^ig  neblig. . . 
Insbesondere  aber  muß  hier  noch  als  in  hohem  0rade  raumsparend 
der  Behandlung  der  Verszafalen  als  Belege  gedacht  werden,  die  in 
arithmetischer  Folge  geordnet  die  identischen  Zehner,  Hunderter 
und  Tausender  nur  bei  der  ersten  Zahl  des  bezüglichen  Zahlen- 
abschnittes in  Ziffern  zeigen,  während  sie  bei  den  folgenden  dnrch 
Torgesetzte  Strichelchen  )[enntlich  gemacht  sind,  so  daß  z.  B.  50. 
80  '8.  109  '19  als  50,  80,  88,  109,  119  oder  8010  "29  "58 
'"B  als  8010,  8029,  80S8,  8058  zu  interpretieren  ist 

Ich  habe  in  diesem  sorgfältig  gearbeiteten  Glossar  an  ündeat* 
lichkeiten,  Inkonsequenzen,  Übersehen  nur  wenig  bemerkt. 

Höchstens,  daß  bei  hläfwdkan  Wiederholung  des  Yollwortes 
Uafwd  wünschenswert  wäre,  weil  man  —  Uo» :  hläßeas  zu  lesen 
▼ersucht  ist,  ebenso  bei  estum  miclum,  ^as  sich  aus  — midum 
nicht  sogleich  ergibt,  oder  daß  der  Artikel  spora  s.  178  einer 
anderen  Fassung  bedarf,  wenn  an  Stelle  des  fasl.  handsporu  yiel- 
mehr  ^handsperu  gelesen  wird  und  diese  Konj.  im  Glossar  S.  145 
als  Lemma  erscheint.  Der  Artikel  hom-  s.  h&m-  wäre,  da  keinerlei 
Komposita  mit  Aäm-  im  ersten  Teile  da  sind,  besser  als  -hom  s. 
-AäfN  -zu  fassen,  der  Artikel  «^^  na.  . . .  vni  ed  — ,  in  -^,  da  das 
einfache  Wort  aus  Kompositis  abgetrennt  ist,  vielmehr  als  -tcJt 
na.  . . .  new.  darzustellen. 

Bei  hringan  vermißt  man  die  nhd.  Bedeutung ;  unkorrigierter 
Druckfehler  ist  'Scheide'  statt  ^Schneide'  unter  h^rdicg,  eine  un- 
mögliche Letter  hat  erpr. 

Es  ist  dem  Glossare  HoHhausens  gegenüber ,  das  so  aus- 
gesprochen praktische  Ziele  verfolgt,  nicht  leicht,  weitergehende 
Wttttsehe  hinsichtlich  der  etymologischen  Beziehungen  zu  äußern, 
da  der  Verf.,  dem  nur  das  Notwendigste  anliegend  sein  dürfte, 
derartige  Ansinnen  ohneweiters  als  überflüssige  Belastung  seiner 


JP.  HoUhamien,  Alt^  md  mitteleogL  Ttet#|  tag.  t.  v.  GWMi^ef^er.  887 

Artikel  abraweiBen  yermag*  Abtr  das  «tjrmologiaeb«  yergtoiehs* 
mitorial,  das  er  bietet ,  ist  doch  ein  filomeilt,  dnroh  dat  leine 
Arbeit  nngemein  belebt  and  der  ZoBammenbang  des  ae*  Wort- 
sdiatzei  mit  dem  der  gleichseitigen  germ.  Dialekte  veranscbanlicbt 
wird»  80  dafl,  wenn  aeine  Abaicht  anch  nur  die  w&re,  die  ae. 
Wertformen«  inabeeondete  die  mehr  oder  weniger  terdnnkelten« 
wortgesohiclitlich  dnrchaiehtig  sn  machen,  die  Wirknng  eine  weitens 
inteosivere  ist. 

Ich  habe  mir  bei  der  Lesvng  des  Glossares  eine  Anzahl  von 
atjmologischen  Oleiehnngen  nnd  Bexlehnngen  angemerkt,  die  daselbst 
fehlen.  Ich  lasse  sie  hier  folgen,  ohne  den  Anspmob  zn  erbeben, 
den  Vert  erst  anf  sie  aolinerksam-  machen  zn  wollen,  ohne  die 
Perdening  tu  stellen,  daß  sie  in  einer  kOmsMnden  Auflage  berftck* 
liehtigt  werden  sollen*  Sie  sctalieften  sich  an  eine  vom  Verf.  des 
QioBcars  getroffene,  nitsliohe  ond  lehrreiche  Etnrichtnng  an,  yer^ 
ToUftindigen  dieee  nnd  mögen  fOr  sich  selbst  sprschen,  insbsson- 
dire  dann,  wenn  er  der  Meinung  sein  sollte,  daß  sie  sämtlich 
ibeeits  seiner  Anfgabe  nnd  seiner  Ziele  Iftgen. 

Das  Verbnm  b(B)aldian  'sieh  tapfer  zeigen"«  nv  2177  in 
Yerbittdnng  mit  gödum  dmdum  bat  Gering  sehr  ansprechend  Aber- 
letzt  'sich  durch  wArdige  Taten  her?orttin';  abd.  0«  entspricht 
irhaldm  'praeenmere,  nntemehmen,  wagen\  Praei.  er  irbaidöia, 
Nebenform  ist  abd.  Mnsp.  balden.  Zu  bft)aidar  ma.  'Forst,  Hen' 
iit  anch  abd«  Mers.  balder  zn  halten,  welchem  anf  Phol  zn  be* 
uebenden  Worte  aicberlicb  gleichfalls  die  appellati?ische  Bedeatnng 
*dsr  Herr'  zakommt  Abd.  Badu-,  Pattt*^,  zum  fw&.  biado,  -u  er* 
•cheiiit,  soweit  ich  sehe,  nnr  als  erster  Teil  Ton  23^idMif  doch 
dArfte  das  Adj.  unpata  'lentns'  Graff  8,  49  mbso  Beleg  für  appel- 
iitiTische  Lebendigkeit  des  Wortes  ancb  im  Abd.  darbieten.  Ae. 
beßru  mwa.  ist  als  abd.  Ortsname  Para  vnd  als  zweiter  Teil  in 
derartigen  Kompositis  -j>ar0,  sowie  ala  Basis  des  NMnen  agentis 
pturaumri  'amspee'  Greif  nachweisbar.  Das  ablaotende  Yerbnm 
o-M^me  ^ennmen'  ist  ancb  as.:  8  s.  praes.  biigit,  Praet«  baig, 
Pari  praet  gtbolgtm,  aowie  abd.  arbelfftm,  Part«  praet.  ar-,  er* 
heigam  Tcrtreten.  —  Zn  bean  'sein,  werdeft'  ktante  mao  as.  Hei. 
bium,  abd«  jmm  'ich  bin '  Tergleicben«  Dat  ma.  b^Sam  'Mann» 
&i^«r'  gehört  mit  litt^  bimae  m.  'Eneeht'  znsammen.  —  beran 
'tragen'  ist  anch  as«  nnd  abd.  sowie  got  bairan,  ebenso  bldan 
warten,  wetlenr  bleiben'  anch  as.,  got.  beidan.  —  bU(l)  na«  'Schwert' 
ist  anch  aa.  Hei.  nnd  abd«  Hild.  bezeugt;  as.  W.^)  hü  wiri  mit 
'paxillns'  glossiert  ^  bkee  'ecbwarz'  erscheint  ae«  bei  W.  ds  Sab* 
itsatiTnra  bktc  'atramentsm'  nnd  bildet  den  ersten  Teil  den  ahd. 
Kompoa.  biah-mäl  V^Avinm',  mhd.  Lexer  Uaehmäl  n.  'Niello- 
reiziemng*.  ~  hßed  ma.  'Kraft,  Snhn»  mnß  nach  Aisweie  des  Per* 
lonennamena  Bleda  bei  Jerdanee  anch  get.  gewesen  smu  und  iarf 


>)  Wsdstete,  KlehMse  as.  Bprachdeakmiler.  Horden«  I8M. 

ZiitKkxift  t  d.  tettfT.  Gtu.  1906.  IT.  Haft.  22 


338  F,  RM%amm^  Alt-  and  mittelengl.  Texte,  ang.  t.  «.  (7rt«n5«f  jrer. 

mit  ahd.  zapläm  ^aafblasen*,  nhd.  blähen  in  Beziehung  geseilt 
werden.  Das  in  hl&nden-fiax  'grauhaarig*  gelegene  red.  Verbnm 
Ukndan  'mischen'  bat  anch  im  got.  hlandan  aik  'sich  yermischen' 
entsprechende  Bedeutung;  metaphorisoh,  etwa  wie  nhd.  'anrühren 
jemandem  etwas',  ist  ahd.  blantan  ^anstiften'  entwickelt.  —  a- 
hredtoian  'töten*  entspricht  dem  ahd.  Hild.  breim  'niederstrecken', 
breffdan  'schwingen,  knfipfen,  flechten'  dem  gleichen  as.  Hei.,  ahd. 
brUian;  abgeleitet  hievon  ist  ahd.  brutUn  trans.  'erschrecken*. 
breoian  'töten'  ist  gleich  dem  an.  briäta  'zerbrechen',  wozu  das 
8ubstantivum  as.  W.  uuitUes  brüt  'uertigo'  gehört.  —  -bümid  mk. 
'Bewohner'  Terhftlt  sich  mit  Außerachtlassung  der  flexirischen  Er- 
weiterungen wie  an.  'bÜGfide,  -bönde  'Bauer',  ahd.  larUpuanier  'in- 
quiline'  GrafF,  mnd.  bunde.  Zum  Simplex  yon  a-eigan  'henromifen' 
l&Ot  sich  vielleicht  nnd.  köge  f.  'der  Husten*  halten.  —  cirran  'kehren' 
ist  auch  ahd.  kerren  sowie  as.  W.  kerrent  'uerrunt'  belegt.  Zn 
elSan(m)  ma.  ^Klammer,  Griff*  gehört  mnd.  klam  'enge,  fest  zn- 
haltend'  und  klamme  f.  ^Haft,  Klammer*  sowie  mod.  bsir.  die 
Klamm  'Bachenge'.  Das  Part,  praet.  in  coUenferhd  'erregt',  bei 
Heyne-Socin  yermutlich  besser  'beherzt,  tapfer',  stellt  sich  zu  as.  W. 
quellan  ablaut.  ▼.  'scaturire' ;  cringan  abl.  JU  'fallen*  scheint  formell 
gleich  afries.  Bichth.  hringa  'erhalten,  bekommen'  Praet.  Fl.  8 
krungen,  komp.  bikringa  Erreichen,  zuwege  bringen'.  —  cumbol 
na.  hat  gleich  dem  ahd.  Worte  in  khunpalporun  'cohortes'  Oraff 
die  Bedeutung  yon  'Banner,  Feldzeichen',  as.  Hei.  kumbal  ist  als 
Himmelszeichen  yon  dem  den  Weisen  aus  dem  Morgenlande  yoran* 
leuchtenden  Sterne  gebraucht.  —  euticcan  sw.  I  findet  sich  in  as. 
W.  queküik  ^uibrabilem'  (gladium)  wieder;  eymlice  erfährt  aller- 
dings aus  nhd.  kaum,  ahd.  kümo  ady.  'mit  Mühe',  küme  Meng. 
Schwerlich*  etymologische  Aufklärung,  aber  ich  glaube  nicht,  daß 
die  Übersetzung  zu  Beow.  38  *fejn,  herrlich'  zutreffe;  ich  über- 
setze das  Komparatiyadyerbium  cymttcar  daselbst  'mit  größerem 
Aufwände  yon  Bemühung',  den  ganzen  Passus  also  'ich  habe  niclit 
gehört,  daß  man  [jemals]  mit  größerem  Aufwand  yon  Bemühung 
einen  Kiel  ausgestattet  habe,  mit  Streitwaffen  und  Kampfgewftndem, 
mit  Schwertern  und  Brünnen*.  —  darod  ma.  *  Speer*  entsprielit 
dem  an.  masc.  darradr;  diarc  'dunkel,  düster*  könnte  als  ^dir-ka- 
gefaßt  zu  ahd.  iar-ni,  as.  der-ni  'yerborgen'  im  AblautverhUtDisae 
stehen.  —  Bei  dream  ma.  'Jubel,  fröhliches  Treiben'  fehlt  dag 
semasiologisch  nahe  yerwandte  as.  masc.  dröm.  —  diyemian  sw. 
II  'sich  yerdunkeln'  und  -dryene  in  kn-dryene  'furchtbar,  schreck- 
lich* gehören  wohl  beide  zu  dreosan,  as.  drioean,  got.  drituan 
'xücTsiv,  cadere*,  drue  as.  *m&6iqf  casus,  ruina*  und  beruhen 
bedeutungsmäßig  auf  'fallen*  gleich  'untergehen'  yon  der  Sonne 
gesagt  und  auf  'niederfallen'  infolge  eines  Schreckens;  Saidrgeiu 
scheint  'niederwerfend,  überwältigend*  zu  sein.  —  dynnan  sw.  I 
'ertönen'  ist  auch  as.  Hei.  dunian.  ^aldargedäl  ist  besser  Trennung 
vom  Leben*  als  *Lebensteilung*.  ^axlguUaUa  mk.  yerhält  sich  wie 


F.  Holihausenj  Ali-  und  mittelengl.  Texte,  ang.  v.  v.  Ortenberger.  339 

abd.  notgisiaUo,  Lndw.  ndtstaUo  ^Gef&brte  in  Nöten' ;  die  Bedeatong 
das  Eompos.  Wertranter  Oef&hrte*  scheint  eigentlich  *Gef&hrte 
TOD  Jngend  anf '  zn  sein,  denn  die  Bezeichnung  bernht  wohl  nicht 
aof  dem  Schalter  an  Schulter  stehen  im  Kampfe»  im  Bäte  oder 
sonst  irgendwo,  sondern  anf  der  identischen  SeholterhOhe  der 
heranwachsenden  Altersgenossen.  —  Bei  eee  Wig'  Termisse  ich 
got  ajuk-düps;  bei  entüe  ^riesisch'  fehlt  andd.  entisc  ^antiqans'» 
Dieses  Adj.  anch  ahd.  antisc  nnd  antrisc,  antriaee  ^antiqni*,  nm- 
(filaatet  entrise  priscns',  mit  g  statt  ik  im  Suffixe  entrig  *alt\ 
ist  sicherlich  eine  Umbildung  aus  an^s^ui^s  mit  Suffixersatz  ^8ka 
fftr  -^ifo  und  bezüglich  der  Formen  mit  innerem  r  von  anterior 
beeinflußt,  wAin  nicht  antrisee  überhaupt  eine  selbständige  Umbil- 
dang  aus  anteriores  sind.  Die  Entwicklung  des  Begriffes  'riesisoh* 
ans  'alt'  findet  sich  auch  im  Altbairischen,  wie  die  Glossierung 
ssgtis  ad  giganteam  uiam  (antisken  uuek)  in  einer  Urkunde  vom 
Jahre  ca.  1146  UOE  1,  686  beweist,  ist  also  sicherlich  schon 
westgermanisch;  es  liegt  nahe  anzunehmen,  daß  die  ae.  ente 
'Riesen',  Beow.  nur  Gen.  pL  in  enta  ärgetoHorc,  enta  gew^orc,  eald 
iiUa  geiciore  gar  kein  german.  Wort,  sondern  Tielmehr  ein  Bück- 
echlnß  aus  dem  Adjektiv  ente :  entiac  =  Engle :  engliec  sind  und 
dieser  Bflckschluß  könnte,  wenn  wir  den  Slavennamen  Aniee  bei 
Jordanes  als  germanische  Bezeichnung  ansehen,  schon  im  Gotischen : 
^Anteis  aus  ^antiake  und  auf  der  Bedeutungsstufe  'alt\  also  Antes 
'die  Alten'  erfolgt  sein.  Das  Fehlen  der  Verschiebung  ^  zu  «  im 
abl  antiae  bedarf  dabei  allerdings  noch  besonderer  Aufklärung.  — 
Za  ßeringa  ^plötzlich'  ist  as.  Hei.  färungo  \mversehens'  zu  halten ; 
mit  ßätgM  na.  'Goldblech'  muß  ahd.  fedelgM  *Plattgold,  bractea' 
irgendwie  zusammenhangen.  — fiorh  mna.  'Leben,  Seele'  ist  auch 
as.,  ahd.  ferh,  ferah  und  mit  got.  fairhwua  m.  *Welt'  zu  ver- 
binden. —  Zu  fiorm  f5.  'Nahrung'  gehört  ahd.  äfermi  'squalor 
Graff  1,  1S4  um  so  sicherer,  als  im  ae.  Verbum  fiormian,  afeor- 
mian  ^reinigen,  putzen,  mundare'  und  gefeormian  'schmausen'  die 
Bedeutungen  beider  Substantiva  sich  wiederfinden.  — fetian  sw.  II 
Wbeibringen'  vereinigt  sich  durch  'herbeitragen'  mit  got.  ßian 
abl  'gebären'  eigentlich  'tragen*.  —  folde  fk.  'Erde,  Boden'  und 
forma  'der  Erste'  sind  auch  as.  Hei.  folda  fök.,  formo;  /dm  fo. 
Hand'  ist  sowohl  ahd.  folma  fo.  'palma'  als  as.  Hei.  folmoa  ma. 
PI.,  fidfl)  na.  'Becher'  ist  as.  Hei.  ful  n.  und  longob.  lat. 
follea  'nasa'  bezeugt.  —  fundian  sw.  U  'streben,  beabsichtigen, 
wönschen'  entspricht  dem  aa.  Hei.  fundon  'streben'. 

Oaian  abl.  'anstimmen,  erschallen  lassen',  an.  gala  'singen', 
hat  andd.  und  ahd.  Merseb.  biguol  die  Bedeutung  'incantare'.  — 
oaiga  mk.  ist  auch  as.  und  ahd.  galgOy  an.  edd.  galge.  —  gSanal 
alt'  ist  an.  gamall  und  Grundlage  des  as.  Hei.  Partizipiums 
gigamalod.  —  Eine  alte  Entsprechung  zu  g&not  ma.  'Wasserhuhn, 
Tancher*  ist  germ.  lat.  ganta  bei  Plinius.  —  Ob  einer  der  Belege 
von  ahd.  gaakafi  f.  'fatum*,  ^  tlh  'fatalis'  bei  GrafT  6,  450,  etwa 

22* 


840  F.  RMkwMmy  Ali-  ond  milteleDgl»  Teite»  aog.  ▼.  «.  OrieMberger. 

eätcaßf  die  sonst  nsbsb  Form«ti  lAii  Tortoniii^tn  PrMfix  kiseaft 
stehsn«  auf  dsm  si^steii  Teile  in  beto&en  sei»  ist  Dicht  ersieht- 
lieh»  doch  spricht  das  bei  Heytte^Sohio  nach  Kivge  aas  Notker 
ailierte  pdaeaß  immet-hin  dafür ,  daft  die  Komposition  mit  ahd. 
gähi  'sebnell,  riech»  eilig'»  die  in  mhd.  ffdeh^ehep/e  ewf.  "Schick- 
salsgöttin*  vorliegt»  schon  ahd.  sei.  In  diesem  Falle  ist  oatirlich 
g&'Sü&fi  das  plötzlich  hereinbrechende  Schicksal  and  von  der  An- 
nahme «lUe^  betonten  PrfteAies  ^a«-  dnröhaas  nbzasehen^  FAr  dAs 
ae.  geoie^ß  Aec.  BeoW.  1234  and  geaaeäaß-güsta  Gen«  pl.  ebenda 
1266  ist  Weder  das  spetifisch  dentsche  Adjektiv  gähi  noch  das 
Pfaefit  ga»-,  he.  gi"  herentoziehen ,  sondern  doch  wohl,  wie  bei 
Heytie-Socin  vermutet  ist,  das  Adv.  gd^  ^ einst»  vordem'  mit  der 
BedentBDg  des  von  hltersher  bestehenden.  Es  schiene  mir  anßer- 
dein  nicht  nttttiöglieh,  daß  gM9^aß  auf  eigentlichem  ^geo-fesoeafl 
beruhe.  ^^  geoe  f5.  'llilfe,  Unterstfittung'  möchte  man  greme  mit 
^Ot.  aukan  red.,  ahd.  äuhhön  'angfere'«  aukhttngä  fi).  ^angmentatio\ 
äs.  Hei.  ökän  in  yerbindnng  bringen,  wenn  eich  zum  ae.  Diph- 
thongen eine  Brflcke  schlagen  liefie«  < —  ^eo^or  'böse,  schlimm'  anö 
got.  jiuka  ^vftrfg,  rixa,  animositAs'  «n  erlAütern,  scheint  mir 
ühbedenfclich.  --^  gittl  ma»  'Zapn»n'  ist  anch  as.  W.  ihUia  'süria ; 
tu  ^giftgan  abh  'gehen',  Praet.  g^^  l&flt  sich  ahd.  giv^gen  *ver- 
folgen,  wt)näch  streben'  vergleichen.  ^  g^f  f5.  'Tasche'  hingt  ja 
ih^hl  ttkit  got.  laßt,  an.  Uß  mk.  'pftlma'  fcnsämmen.  arlma  tok. 
'Viiier'  ist  anch  As.  W.  gni/M  'mhscus',  k  'maecns',  Zn  gHidan 
abl.  'mahlen'  in  ß^^^  gehört  der  erste  Teil  des  goi.  Kempos. 
gtinda-frapji^  'öAt^ö^D^ö^'»  wozA  es  ein  Nentf.  *grinia^frapi 
'Eleinttiat*  gegeben  haben  wird.  —  gt^Um  *grfifien^  ist  anch  as.  Hei. 
gtdiian  und  g^öwan  red.  'wachsen^  anch  ahd.  ^rteom;  grdit  'nirescit*. 
•^  Der  s^Sthmm  HM  nk.,  an.  hetU  'HeiU  GldCk*  ist  anch  as.  W. 
helf  ds.  hHe  'omine'  mit  der  zu  ^04  'gfinstige  Vorzeichen*  itim- 
mebden  Bedeutung  'omeh'  nachweisbar.  --^  JaafiMe^  fo.  'Bhnpt- 
berge'  ist  synonym  mit  'Helm'.  Ahd.  Httdu-  kommt  nur  in  Namen 
tor;  für  fte.  h^ado4iämde  mk.  Ist  die  Obersetttng  'Seefhhrer'  zu 
schwach,  genauer  müßte  man  das  Kompositum  mit  'auf  Eriegs- 
oder  Beutezug  begriffene  Seefahrer^  wiedergeben.  In  diesem  Sinne 
Mi  sieheflieh  ahch  der  Volksname  Häadoböai^dan  M  verstehen  als 
Abteilting  des  Volkes  der  Barden,  die  die  Heimet  zum  Behuie 
kriegerischer  ünterttehtnungen  verlassen  hat,  dagegen  möchte  ich 
hH^fft  na.  jetzt  nicht  tnehr  als  'Eampffeuer^,  eondem  als  Yelnd- 
liebes  Feuer'  auffassen.  <^  h^olf^  na.  'geronnenes  Blut'  ist  eine 
^-lose  Doublette  zu  a%.  scUfaV'  iflavue'  vom  Gold  gesagt,  also  eine 
alte  Farbbeteichnung.  -^  Moihddtync  mi.  ist  materiell  alisrdings 
'Blntstrom',  aber  gewiß  nicht  'Kampftrunk*,  sondern  'Schwerttraak* ; 
dae  Schwert  trinkt  Blut,  nicht  der  Kampf.  <—  Ans  dem  adj.  sctrüfim, 
das  sich  zu  JAina  verfa&lt  wie  bttdheart  zu  htMi^,  kann  man  auf 
einfaches  ae.  Aäm  ma.  'Gewatad'  nicht  schließen»  wenn  auch  an. 
hämr  mi.  Und  ae.  anderweitig  auch   Pietfonen  vokiüiecher  Dekli- 


F.  HdlihauieHy  Alt-  Hnd  nüteUBgl.  Teite,  ang.  v.  v.  Oriekberger,  841 

nation  ta  dtm  Worte  betettg^t  aiad;  m  wAh  also  sioberar  gewteea 
statt  M«i  Tiolmebr  nur  -hSana  ins  Beownlf-OIotiar  anfKVBabmoQ, 
odtr  dem  Artikel  eine  andere  Fasenng  eq  geben.  -^  hinfüa  ^bin- 
wegttrebend'  bat  eine  formell  genane  Parallele  in  abd.  0.  Ätna. . . 
fum.  —  hlear  na.  ^  Wange  ^  ist  ancb  as.  Hei.  hiemr  nnd  mndd. 
ler  Bit  der  gleichen  Bedeutung  'W«nge,  Baeke'  bezeugt;  das  Wort 
got  ^Uiu§  gebArt  ersicbtlieb  in  abd.  hhsen  *hAren\  got.  Uiu-ma 
'(raäür,  Ohr'  und  muß  demnaeb  nrsprAnglieb  die  ^Obrgegend'  be« 
niebnen.  —  DaA  htiflan  bw.  II  Emporragen*  mit  got.  hUüjam 
«eh  jemandes  annehmen\  an.  hlija  sw.  *6ebfltzen',  Part,  öhlifmm 
Verwegen',  d.  i.  'sieh  keines  Bebntses  bedienend*,  abd.  MHan  abl. 
'schonen'  tn  Terbinden  sei,  habe  ich  schon  Oot.  Wertk.  erkannt 
Die  semasiolegisehe  Entwicklang  ist  aber  Termntlieh  vielmehr  die 
von  ^schatten,  schirmen'  zn  ^sicb  sobUttend  erheben',  wenn  Aber* 
haopt  fAr  eine  der  vier  Beownlfstellen  81  s$le  htifade,  1799  rde$4 
htivadi,  1898  mmH  hlifade,  2804—5  se  (der  GrabbAgel)  seel  . . 
AmA  Ah/Ia«  die  an  gemischte  Bedentang  des  ^Emporragens'  an« 
Eui^men  ist.  Das  BekandArferbnm  geht  ja  sicherlich  Ten  einem 
Nomen  wie  an.  httffo.  ^Sehnte'  ans  und  mit  'schAtien,  schirmen' 
findet  man  in  Beow.  81,  1799,  2805  das  Ansiangen.  —  Za  Mid 
aa.  ^Bergabbang'  Tcrgleicht  sich  abd.  hlita,  nbd.  die  UU$.  ^-  hnttan 
abl  'stoßen,  bauen'  ist  ancb  an.  hntta  'stoAen'  und  as.  W.  in 
*of-]m%tan  'wegreißen',  Beleg  2  sip.  dfnü  *carpe'.  —  Zn  onhoKa* 
num  194A  ist  fragend  die  Bedentong  'schelten'  angesetzt  Ist  die 
ttymologiscbe  Znsammenstellang  mit  as.  Hei.  hoA  n.  'Spott,  Hohn' 
ricbtig,  so  gebAhrt  dem  ae.  Yerfonm  o:  on-höhmian  ebenso  wie 
dem  as.  Worte  höse,  W.  ns.  ftöae  'acroma'  (festivam),  ds.  hdata 
'earillo*,  denn  das  letztere  kann  von  akd.  At^A  m.  'Spott,  Hohn', 
pihvahoi  'inlnsit',  as.  W.  auer-höi  ns.  ^contemptor'  nicht  getrennt 
werden.  Bei  Aolm  ma.  'Meer,  Woge^  wird  as.  Mm  'HAgel^  yermißt. 
— ^Aop  na.  in  finhop  and  mörhap  ist  wohl  die  Omndlage  des  ae. 
Verboms  hopian,  nbd.  hoffen,  eigentlich  'Znflncbt  nehmen'  and, 
wie  ich  denke,  mit  lat.  euba  nr?erwandt.  —  Das  Adjekti?  hreo(h), 
hnow  1.  ^wUd,  ranh,  stfirmisch,  wAtend';  2.  'betrAbt'  iet  doch 
Böglicherweise  ein  etymologisch  einheitliches  \  dentliob  ist  das  dem 
zweiten  Werte  en^prechende  Wort  germ.  ^Atvuuio-,  Beew.  1307  0» 
Areon  mode,  als  Basis  des  d-Abstraktnms  ae.  hreaw  'Leid,  Kammer', 
shd.  hriuuua  'poenitentla,  dolor^,  mhd.  riuwe  stswf.,  swm.  'Be* 
trihnis,  Beae\  2a  Areosaii  abl.  ^fallen,  stArzen*  ist  an.  AWdio  abl. 
'sehaadem'  zn  halten.  —  Arvnan  abl.  'anrAbren,  berAhren'  ist 
•aeh  as.  and  abd.  Eine  Ablantform  ä :  ö  wie  in  abd.  rätoa  and 
rwiwa,  beidee  ^qniee',  kAnnte  fAr  hröf  ma.  'Dach'  in  abd.  räfo 
'tigaara,  trabe,  laqaear'  geboten  sein,  r—  Zn  hrüse  fk.  'Erde, 
Beden'  stellt  sich  abd.  rosa  'glacies,  crasta',  za  2  hwcU  'scharf, 
kAhn':  got  gaktta^fan  'anreitzen',  ahd.  htcegeen  'acaere\  -*  hyse  mi. 
|JADgling*  ist  in  deminutiver  Form  as.  W.  s.  176  als  huaieko 
'posie'  nachweisbar.  —  Zu  in(n)  na.  *Haas,  Gemach'  konnte  ne. 


342  F.  Holihausm,  Alt-  and  miitelengl.  Texte,  ang.  t.  v.  Grienberger, 

inn  yerglichen»  die  Steigerang  mit  tn-  .*  infröd  'sehr  erfabren'  ans 
got.  in-winds,  ahd.  0.  in-giriuno,  mbd.  in-grüene  erl&ntert  werden. 

—  Die  InteijektioD  lä  ist  anch  ahd.  0.  ^  neben  les  nnd  lewe$, 
as.  W.  dh.  Ua  'pro  pndor',  läf  fo.  ^Hinterlasaenscbaft'  auch  lange- 
bard.  laib  und  as.  leba,  das  Lebnwort  gelafian  sw.  II  ^laben',  anch 
ahd.  Tat.  Idbon  nnd  as.  W.  *gilauon  *recreare',  güäuod  'refectas'. 

—  lagu  mn.  'See,  Meer*  begegnet  anch  as.  Hei.  in  Eompp.  lagu-  und 
an.  als  Iggr.  —  Za  Iknggestreon  na.  'alter  Schatz'  stellt  sich  as. 
Hei.  das  Nentr.  gisiriuni.  Das  temporale  Acyekti?  dieses  EompositumB 
klärt  vielleicht  den  Namen  der  Langobarden  anf ,  insofeme  man 
darunter  ^Altbarden',  determiniert  wie  'Altsachsen',  verstehen  kann. 
: —  läodo8yree  fkj.  'Kettenpanzer'  kann  nach  as.  lido-bendi,  -kosp 
beurteilt  nnd  im  ersten  Teile  anf  die  Glieder  des  Leibes,  nicht 
die  eines  Ringpanzers  bezogen  werden,  wonach  sich  das  ae.  Kom- 
positnm  von  llcsyrce  'Panzer'  nicht  unterschiede.  —  lida  mt, 
wozu  aisl.  lidi  *a  sailor,  traveller\  ist  wohl  kaum  an  sich  '8cbiff\ 
sondern  nur  in  Eompos.  mit  sund-  und  yd-,  —  limpan  abl.  'er 
ffehen*   ist   auch   ahd.  Tat.  gilimphan  'oportere*.    —   linnan  abl. 

verlustig  gehen*  ist  sowohl  got.  aflinnan  als  ahd.  büinnan 
^weichen,  nachlassen".  —  löcian  sw.  II  'lugen*  findet  sich  auch  as. 
W.  3  spi.  umbilocod  'herumblickt\  —  gelöme  adv.  *oft'  findet  sich  ahd. 
als  kilömo  gl.  E.  mit  der  gleichen  Bedeutung  'frequenter',  wohl 
ablautend  zu  dem  gleichwertigen  kilamo  (a?)  Ba.,  Graff  ^,  212, 
außerdem  aber  auch  noch  als  Adjektiv  mbd.  lüeme,  md.  lüme 
'matt,  sanft,  milde'  und  in  ahd.  und  as.  Eompositis  wie  as.  W. 
gasluome  p.  'hospitale8\  —  Zn  Igt  'wenig'  stellt  sich  as.  Hei.  lut, 
vielleicht  gleichfalls  mit  Langvokal  1 782  uuerodea  lüt,  sowie  ahd. 
Is.  liuzil  mit  Diphthong  eu  statt  a.  —  meagol  'eindringlich,  herz- 
lich' Beow.  nur  einmal  1980  in  der  Bindung  meaalum  tcordumf 
von  Gering  sehr  ansprechend  'mit  gew&hlten  Worten  übersetzt,  ist 
vermutlich  mit  dem  ahd.  Elemente  tnagel-  in  den  P.  n.  Magel-ädw 
und  'potus  Libri  confr.  identisch,  gehört  somit  eher  zu  tnagan 
'können'  als  zu  aisl.  mügr  'Haufe*.  —  meareian  sw.  II  ist  auch 
as.  W.  gimarcoda  3  spti.  'destituit,  decrevit'.  —  myntan  gehört  zu 
ae.  as.  got.  munan  und  ist  eine  Bildung  wie  as.  W.  eigentlicb 
ahd.  üfuuänizenti  :  ahd.  uuänen.  —  (hjncegan  sw.  I  zu  1818» 
hier  wie  sonst  zumeist  in  Bindung  mit  wordum  'anreden',  scheint 
sich  mit  Bfiqksicht  auf  gencägan  'bedr&ngen*  ganz  wie  ahd.  gruaestn 
'anreden'  und  in  feindlicher  Absicht  ^angreifen'  zu  verhalten.  Ety- 
mologisch kann  das  ae.  Verbum  mit  got.  neiwan  abl.  cum  dat, 
Beleg  8  s.  praet.  naiw  ^ivatyBVj  insidiabatur',  zusammenhingen. 
Die  Gleichung  ae.  gehnwgan  demfitigen,  f&Uen*  zu  got.  hnaiwjan 
^erniedrigen'  wie  ae.  ncegan  :  got.  *naito;an  ist  formell  befriedigend, 
die  semasiologiscbe  Entwicklung  aber  -allerdings  durch  sie  noch 
nicht  gegeben.  —  nlpan  abl.  'umddstem'  und  genip  na.  'Dunkel* 
stellen  sich  zu  got.  ganipnan  'betrübt  werden*.  —  urhettun  Hild. 
ist  Verbum,  nicht  Nomen,    daher  die  Gleichung  ahd.  *urheizo  ZQ 


JP.  HoUhauient  Alt-  und  mittelongl.  Texte,  ang.  t.  v.  Ofienherger.  343 

öntta  siebt  anfreeht.  —  räsian  sw.  11  ist  formell  mit  ahd.  reisön 
'lortlBteD,  TOfbereiten'  identisch.  —  rape  in  724  und  mit  hr  ge- 
schrieben aber  zu  reinem  r  allitterierend  in  1890  nnd  1975,  in 
allen  drei  Fällen,  wie  ich  glanbe,  mit  der  Bedentnng  'sogleich^ 
[gebort  wohl  mit  got.  rapizo  ^  sixoscdnsQOVf  faeilins*  znsammen, 
wfthrend  hraäe  ^schnell,  rasch,  bnrtig^  mit  an.  hrapr,  ahd.  hrad, 
rady  redt  ^scbneir  verwandt  ist«  —  Das  Verbnm  in  434  wÖBpna 
ne  neeed  ist  mit  Holthansen  sieherlieh  dem  as«  Hei.  rMan  gleich- 
znsetzen,  dann  aber  aneh  mit  Länge  e  :  ree(c)an  im  Glossar,  reeeed 
im  Texte  zn  führen.  Konstmktion  mit  dem  Genit.  der  Sache  wie 
beim  abd.  ruohhen.  Andd.  entspricht  ruokan  I  'bedacht  se'm',  ne 
fuokU  'nolite*.  —  rign^  in  rignkiard  'sehr  fest*  heißt  nicht  eigent- 
lieb  'gewaltig',  sondern  'nnabftnderlich'  wie  as.  reginblind  'unheil- 
bar blind',  reginthiof  'Dieb  dnrch  nnd  dnrch*;  die  nmdas  reffn^ 
hearde  in  826  sind  demnach  'nnversehrbar  feste  Schilde'.  —  Za 
hereofan  abl.  'beranbsn*  ist  an.  riüfa  'zerbrechen'  zn  halten.  , — 
Bei  Tim  na.  *Beihe,  Zahl'  yermisse  ich  ahd.  rim  m.  'Beihe,  Beihen- 
folge',  nhd.  reim;  ebenso  bei  ritte  ma.  'Mann,  Krieger*:  as.  rink 
ond  heri — .  Zn  röwan  red.  'mdem,  schwimmen*  bietet  das  Ahd. 
Bor  eine  Ableitung  madar  n.  'Buder'.  —  Das  dem  ae.  -aceia  mlg. 
eBtiprechende  ahd.  '8äz(i)o  ist  gleichfalls  nur  im  zweiten  Eompo- 
sitionstoile  bezeugt.  —  acaean  abl.  'schießen,  enteilen*  ist  auch  as. 
ikakan.  —  8ein(n)  'Platte*,  Beleg  1694  on  äiöhn  acinnum  möchte 
man  mit  mnl.  eehene,  mnd.  und  md.  sehene  f.  "Schienbein,  Schiene', 
Dbd.  9chin(€)  stswf.  'lamina'  in  Beziehung  setzen,  aber  das  Um- 
lante-e  weist  eher  auf  die  Deminutivbildung  *8kan-ko  in  ae.  eeancan 
*tibiae\  eeeanean  'crura'.  —  ae^orp  na.  'Kleid*  in  here —  und  Hilde — 
ist  ItDgobard.  als  eeherpha  'mobiles  res*,  im  Testament  yon  Ber- 
gamo a.  774  als  'Gold,  Silber,  Kleider,  Pferde'  spezifiziert,  erhalten. 
^u  in  h&nd —  ist  auch  as.  ekola  iö.  'Scbaar .  —  serüd  na.  'Klei- 
doDg'  ist  auch  an.  Arüd  n.  'kostbart  tei'.  Die  Bedeutung  Ton 
scM»  mk.,  ahd.  ecuwo  'Schatten*  l&ßt  sich  mit  der  von  got.  skuggwa 
*ipecnlum'  durch  'Spiegelbild  im  Wasser*  Termitteln.  —  ecucca  'böser 
Geilt*  stelle  ich  mit  as.  W.  eeocga  'oscilla'  (a)p.  stf.  zusammen 
ond  finde  in  dem  ae.  Worte  eine  alte  Bezeichnung  ffir  den  'Bitten*. 
—  eeyndan  sw.  I  'eilen'  zeigt  im  ahd.  acunden,  eeunten  'antreiben* 
imd  as.  W.  *9kundian  'suggerere'  transitiven  Wert.  —  sScdo  'dunkel* 
iit  auch  ahd.  eaio  'dunkelfarbig,  schmutzig'.  —  1  84cg  mja.,  eigent- 
lich 'Gefolgsmann*,  lat.  söeiue,  ist  auch  as.  Hei.  678  PL  nom. 
9eggi,  Ebenso  erfa  mk.  'Sinn':  as.  eebo.  —  einminga  'alsbald,  plötz- 
lich*, gebildet  wie  das  got  Adv.  unweniggo  'unverhofft,  plötzlich', 
iit  von  dem  Ady.  ahd.  eaman  'simul',  andd.  eamen  'zusammen* 
ud  temporal  'gleichzeitig',  ae.  in  (Bt-  und  iö-eomne  abgeleitet  und 
Bteht  begrifflich  dem  nhd.  'mit  einem  Male,  auf  einmal'  nahe.  — 
ieomtan  sw.  n  'weilen'  kl&rt  das  ahd.  aiehnan  auf,  das  in  der 
SteUe  0.  lY  20,  6  tnU  rHnidu  gisSmotin  bleiben*,  nicht  'sich  sam- 
Hieto*,  bedeutet.  —  ald  'weit,  breit*  muß  doch  mit  an.  Hdr  'long. 


844  F.  BölihtmBen,  Alt«  und  mittelengl.  Ttita,  ang.  ?.  «.  Ornnbergcr, 

buigiDg,  demiBSUB*  gleich  sein ;  äig^n  abl.  'ziehen«  eich  legen*  ist 
ae,  and  ahd.  »igan  'sinken*,  ainc  na.  'Sohata^  aneh  aa.  $mk.  •**-  sUae, 
hat  mit  ndd.  elük  niohts  tn  tnn  -^  aa.  W.  »lük  ist  'die  abgewor- 
fene 8chlangenhant\  etymologisch  gleich  nbd.  sehlauA  —  sondern 
ist  mit  ae.  alak  'stampf,  feige'«  ahd.  N.  »iaeh,  $lah  'schlaff  identisch. 
-^  Die  r^lose  Form  des  Yerbnms  ^p^ean  abl.  'sprechen'  ist  auch 
ahd, :  $p9ehan.  *^  sporn  in  kandaporu  986  kann  anch  Nom.  pl.  eines 
d-Nentrams  aeio,  wo»  sich  ahd.  mbd.  spar  n.  ^Paßstapfen,  Ffthrte, 
Spar'  halten  l&fit  Dar  Bfdentnng  nach  ist  'Sporn'  als  Bewaffnnng  der 
Finger  Grendels  mehr  zn  empfehlen  als  '  Speer 't  daher  die  koaiaierte 
Lesung  ^-^speru  zweifelhaft.  Man  vgl.  nbd.  hahn^H^^am:  die 
doni^  oder  krallenartige  Bewaffnnng  des  HahnenfnAes.  —  9prm4 
ma.  'Spieß'  in  (oforsprwi  erscheint  snch  in  nbd.  €h$  bugsprüi, 
entlehnt  ans  ndl.  bqegapHgt,  bair.  demin.  spftetesj.  Das  abU  Yerbnm 
ist  as.  W.  als  üi  9prüian  'heryorspriei^en'  belegt;  ahd.  t^rim^uu 
BW.  'fnlcire'  ist  seknndftr.  Dem  ae.  Kompos.  entspricht  as«  W. 
euyrapiat  n.  p.  'nenabnla,  lance^'.  -^  9tarian  sw.  II'  ist  auch  an. 
stem  sw.  'stanen';  iteap  'steiU  hoch*  anch  ahd.  in  gtaima  eten/s 
'hohe  Felsen'  gl.  E.  Oraff  6,  660.  Die  ahd.  Sntsprechnng  in 
sUppan  abl.  'schreiten'  ist  *8t$phenf  die  as.  ^ft&ppian,  $Uip  an^ n- 
setzen.  -^  mto  fö.  'Ort,  Stelle'  findet  sich  anch  an.  M  f.  'a  slove 
in  a  firestove,  hearth'  nnd  im  Kompos.  ildsiö,  Fl.  $(6ar,  —  Zn 
^tatreon  na.  'Sch&tze,  Kleinode*  auch  das  as.  Yerbom  uirUmkm 
mit  Kostbarkeiten  Tersehen*.  Die  Basis  von  atgman  sw.  I:  ae. 
steam  ist  nnl.  als  aioom  m.  'Dampf,  Danst,  Schwaden'  bezengt 
Zn  ntkUrge-fatäeran  gebort  as.  YT.  gimUrithii  zn  atM^/ na.  ^helle 
Laft,  Himmer  as.  swigli  ^strahlend',  ahd.  stfi^gokt  t  'Flöte»  Pfeife'. 
suielgan  abl.  Werschlingen'  ist  anch  abd.  $w$l^,  swelhan;  9weiian 
abl.  'sterben'  anob  got  swiltan  nnd  aa.  sweltan.  —  «o^Erweitsning 
zn  Bweor  ma.  'Schwfther'  in  ädum  *^  ist  as.  9wiri  m.  'Qescbwister- 
kind'.  --*  suüean  abl.  'entschlüpfen'  ist  anch  aa.  Hei,  sunkan  'im 
Stiebe  lassen'  nnd  W.  6t-,  gi-swJkan,  sowie  abd.  $t^han  'nntar- 
lassen,  verlassen*.  —  awinsian  II  'tönen'  ist  eine  verbale  isön-Ablei- 
tong  ans  8win(n)  m.  'sonnd,  melody*  nnd  mit  lat*  8öMar€  arver- 
wandt.  -*  oferawidan  'flberw&ltigen  ist  offenbar  ans  9mä  *etark*, 
as.  9und(i)  abzaleiten  nnd  demnach  mit  L&oge  ofertun^an  aiun- 
setzen,  wie  ja  Holtbaasen  an  beiden  Teztstellen  ti^tstchlich  bat.  — 
Genaae  Entsprechnng  zn  swögan  red.  'prasseln'  mag  as.  Bei. 
ataögan  'raoacben'  sein,  wogegen  get.  ofatoägjan  nnd  die  IteraÜT- 
bildnng  auOgatjan  schwache  Verba  sind.  —  ayrwan  aw.  l  'nachstellan, 
insidiari'  ist  Ton  der  zweiten  Bedentnng  des  SabstantiTnins  ss»ro 
bei  Heyne-Socin  'insidiae*  ans  zn  yersteben.  —  tmkeU  ^antadalig' 
verbindet  Holthansen  mit  ahd.  Bädal  'pennria';  die  L4nge  des 
Stammvokales  ist  ans  der  ahd.  Glosse  zaadhnk  'egantes'  ersi^t- 
lieh.  -^eUona  in  ladgakona  'der  Leid  vernrsaohende^  ist  allerdings 
Nomen  agentis  zq  3  tarn,  ga-^  'machen,  zufügen',  ahd.  ii^^ön 
Veficere,  instaarare,  resarcire,  tingere',  aber  as.  Hei.  1810  gUiunmn 


J*.  EoUhamteth  AiV  ud  mitUtogL  T«it«,  tog.  ▼. «.  CM^n^tfr^/ef .  345 

hiißt  bloA  *«twaB  antun,  anhaben-,  iümcn  frummiun  Bd.  783 
'dM  [Üb«l]tat  (yg).  lat. /(Mtnua/)  anafühnn',  so  daiS  wir  dem 
udfienninierlen  -feteaiia  die  Bedeutung  *Knmnierbringer^  nicht 
nbilligen  können.  —  torlU  *gl&nzend'  iat  auch  as.  und  ahd. 
mki,  florsAl.  geiiMfan  aw.  I  ^trennen  Ton«  hindern  an,  beravben^ 
«lie  man  ▼eraieht  mit  ahd.  »iwtibm  *  zerteilen,  zeretreven, 
unttren*  znaammen  zn  bringen.  -^  -peodig  in  dpeoäig  as. 
Eil.  üUhmdig  *fremd*  iat  ja  wohl  nnr  Abstraktion  ans  dem  Eom- 
poutun,  das  seinerseits  anf  einem  Sabetantivnm  *$ipe€d  beruht. 
Sine  Nebenform  hiezn  mit  ü  ffir  ^u  e oh  eint  and.  •ihüd^ 
io  tmäir-ihadig  ^snbleetns,  snbditaa*  zn  sein,  die  aber  eher  fer- 
balM  Ursprunges  —  ae.  underpffdan  'snbdere*  1  —  ist.  — >  ficlian 
6w.  II  Mulden,  ausharren'  ist  aueb  as.  W.  thoUm  'pati*  und  Hei. 
•<M,  -oian  sowie  ahd.  iMUin.  -^  g$prQen  ^geschmiedet*  setzt  nach 
gtkAm  zn  hüan  einen  Infinitiv  ^prüan  Toraus,  wozu  vermutlich 
dii  as.  W.  stf.  thrühf  ^Fessel,  oompes'  dp.  druhin,  in  Komp.  dp. 
hdUikfwm  ^bojis',  handruMn  'manlcis'  gehört.  Zu  punian  sw.  II 
'deaBsm,  dröhnen'  könnte  man  ae.  pun&r  m.  erlftutemd  hinzusetzen. 
—  >«•  W  ist  auch  M.  Hei.  und  W.  ihu$.  —  umbor-iceaende 
'als  Neugeborener',  zusammengesetzt  wie  miht^toetinde  *als  Knabe', 
tothllt  ein  auch  unkomp.  forkommendes  ae.  Neutrum  umbor,  toh 
dMi  es  fon  vornherein  nicht  klar  ist,  ob  es  als  ««Stamm  oder  als 
r-Stamm  angesehen  werden  soll.  Etymologisch  ist  es  sicherlich  als 
Titfstufe  zu  got  ivamka  f5.  auch  ahd.  f5.  und  fk.,  annd.  uuaihba 
tmt  *uterus,  uenter',  as.  W.  *amhö  in  ämUn  'abdomina'  zu  be- 
trachten und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  umbar  zu  teamba 
sieh  hinsichtlich  des  Auslautes  wie  westgerm.  watar  zu  got.  wato, 
SB.  fo^ii  verhalte,  also  den  flexivischen  Wechsel  von  r  zu  n  in 
grieeh.  MoQj  t^<}avo^  zeige.  —  onuacnig^an  stimmt  zu  got.  ^a- 
%nkmn  'erwachen*  Luc  9,  82,  dessen  Praeteritum  ^gauxiknoda 
lauten  mufl,  das  Kausativum  n^eoait  ^aufwecken'  zu  got.  uHotUcjan, 
die  zugrunde  liegende  Intransitivum  wcseeam  sw.  I  zu  ahd.  wdhken, 
wMin  *uigilare\  d.  h.  die  ae.  und  ahd.  Form  dieses  Verbums 
ist  gegenflber  dem  got.  stv.  Ufc^can,  took  'wachen*  eine  Neubildung, 
die  möglicherweiae  auf  eine  ablautende  Form  mit  j  im  Praesens, 
also  weetgerm.  ^wdcjan  wie  westgerm.  abl.  Vigian  gegenüber  got. 
ligtm,  zuvückgeht  —  iocBd  n.  ^Flut*  ist  auch  ahd.  wMt  *uadum*. 
IMF/n  'unruhig,  hurtig,  tAtig*  verbinde  ich  mit  ahd.  weibön  ^flui- 
Ure,  agitari*  GrafF  1,  650.  —  wäg  ma.  'Wand*  ist  auch  as.  Hei. 
Ufeg  m.  'Bauwerk*,  1809  Acc.  pl.  tvegoa  und  ist  für  beide  Dialekte 
als  *wai-iU'  zu  konstmieren.  —  waru  f5.  in  lind  —  'Einwohner- 
Bchaft*  ist  auch  as.  tcara  fd.  *Hut,  Acht. . .',  ursprönglich  viel- 
leicht 'Besatzung'  und  bekanntlich  Grundlage  der  röm.  germ.  Volks- 
namen  auf  -nartt.  —  wea  mk.  *Weh  usw.*  ist  auch  ahd.  ivewo  m. 
'dolor,  malum';  f^ifialc  na.  'W&lzen,  Wogen*  gehört  zu  ahd.  walJcan 
red.  'uoluere*,  waücäri  m.  'fullo*.  —  Die  Bedeutung  'Wolf*  zu  ae. 
^otarg  ma.    ist    ffir   die  Belege    im   Beow.  h^oruwearg  und  fem. 


3i6  F,  Holthausm,  Alt-  und  mitteleDgi.  Texte,  ang.  t.  v,  Grieuherger. 

grunäwyrgen  Dicht  berechtigt:  Die  Orandbedentnng  d^s  Wortes  ist 
sicherlich  *Mörder%  woran  die  historischen  Bedentangen  des  Wortes 
germ.  lat.  wirgus  ^ezpnlsns*«  d.  i*  Vertriebener  Verbrecher»  Übel- 
täter', ahd.  ufarg  Hyrannns,  diabolas\  *farwergen  'maledicere',  ss. 
wirag  'Geächteter*  nnmittelbar  anknüpfen.  Wenn  got.  launawarffi 
deijenige  ist,  der  sich  gegen  die  dnrch  empfangenen  Lohn  über- 
nommenen Pflichten  Terfehlt,  so  ist  ae.  fr^^dowearg  deijenige,  der 
sich  gegen  den  Frieden  versündigt  nnd  für  den  hiS&row^rh  heUtie 
von  1267  ist  die  bei  Heyne -Socin  angegebene  Bedentnng  "dem 
Schwerte  verfallener  (Übeltäter)*  wahrscheinlicher,  als  die  bei  Holi- 
hansen  *kampfgieriger  Wolf,  grundtayrgen  is  allerdings  lokal  be- 
stimmt, doch  nicht  *Gmndwölfin%  sondern  Mie  Geächtete,  die  Übel- 
täterin* oder  meinetwegen  'die  Mörderin  am  Grnnde  der  See*.  — 
Wenn  ae.  wel  mit  Länge  angesetzt  werden  muß,  so  ist  für  got 
icaüa  das  ai  gleich  germ.  m  von  saian  anzunehmen  nnd  für  die 
ahd.,  andd.  Entsprechung  mit  a  gleichfalls  Länge  uuala,  uucdanu 
in  Erwägnng  zn  ziehen.  —  -u?ela  mk.  'Beichtam*  in  Eompp.  ist 
anch  as.  Hei.  welo,  W.  gp.  vu^Umo  *opnm*.  —  toic  na.  ist  gleichfalls 
as.  unk  m.  ^Wohnstätte,  Dorf,  ebenso  mg  mna.  as.  Hei.  mg  m., 
ahd.  Hild.  nnd  andd.  «me  'bellnm,  proelinm*,  —  Ufine  mi*  *FreiiDd' 
ist  anch  as.  Hei.  unni^  mhd.  wine.  —  winnan  abl.  'kämpfen,  streiten* 
ist  formell  ebenso  got.  wie  as.  HeU  nnd  ahd.  mit  der  Qniiid- 
bedentnng  laborare*.  —  mr  ma.  'Metalldraht  nnd  Schmnck  daraus' 
findet  sich  anch  im  ahd*  wiara  f.  'feines  Gold*,  mhd.  mert  ^ge* 
läntertes  feinstes  Gold  nnd  Schmnck  ans  solchem',  femer  in  as. 
W.  vuieron  'striatamm'  nnd  uuirebrün  'myrtens*.  Bei  wUianf 
toeotian  'bestimmen,  anordnen*  vermißt  man  got.  tcUop  'Qeseti, 
Gebot*.  —  fvliMc  'stattlich,  stolz'  ist  anch  as.  Hei.  wlank,  ebenso 
wöh  'verdreht*  anch  as.  wäh  n.  'das  Abschenliche*.  —  u^oUenUar 
ist  allerdings  mit  'tränenüberstrOmt'  vorzüglich  übersetzt,  aber  das 
Part,  icollen  heißt  keineswegs  'gequollen',  sondern  nach  Ausweis  Ton 
ahd.  0.  IV  20,  5  biuuoUan:  'befleckt',  gehört  also  zu  ahd.  httoeüany 
andd.  as.  W.  hewellan  'beflecken,  inflcere*,  ahd.  biwellida  'Be- 
fleckung*. Das  Komp.  kann  demnach  auch:  'mit  Tränen  bedeckt' 
wiedergegeben  werden.  —  iorcet(t)  fjö.  (?)  'Kunstwerk,  Schmnck, 
Kleinod*  scheint  vom  Praeteritalablaut  des  Verbnms  wrUan  aos 
gebildet  und  dürfte  wohl  'opus  insculptum'  sein.  Zu  -wradu  fo. 
'Schutz'  in  lif^^  halte  man  as.  Hei.  m'edian  sw.  'scbützes, 
sichern',  zu  wridan  abl.  'binden':  ahd.  rldan  abl.  'drehen*  in 
touldor  na.  das  got.  Neutrum  *mäpr  von  Gal.  2,  6  cod.  B.  — 
mmian  sw.  II  ist  auch  as.  und  andd.  wunon,  mmon,  ahd.  uuonen, 
tvyrd  fi.  'Schicksal*  anch  as.  Hei.  761  umrih,  ahd.  umrt,  an.  Vr^r. 
Das  Adjektiv  in  ydan  sw.  I  'veröden*:  ahd.  ödhi,  ödi  'vastns' 
erfordert  eine  got.  Entsprechung  ^aupeia. 

Gzernowitz.  v.  Grienberger. 


L«  Monde  Moderne,  tng.  t.  J.  Miklau,  347 

Le  Monde  Moderne.     Bevae  Mensnelle  illQBtrde  de  la  FamUle.    Pa- 
ratssant  le  10  ehaqae  mois.  F.  JnTen,  122  rne  Bäanmnr,  Paria  1907. 

Es  war  ein  sehr  glücklicher  Gedanke  nnserer  Unterrichts* 
Terwaltong,  durch  Einfdbrnng  des  bedingt  obligaten  Unterrichts 
in  einer  modernen  Sprache  (Französisch,  Englisch)  an  einzelnen 
Obergymnasien  nnserem  Gymnasinm  einen  modernen  Aufbau  zu 
geben.  Der  Versnch  kann  —  soweit  meine  Erfahrung  reicht  — 
als  gelungen  bezeichnet  werden  und  es  w&re  eine  Verallgemeinerung 
schon  jetzt  ins  Auge  zu  fassen.  Der  Gymnasiast,  der  Tier  Jahre 
sein  Latein,  zwei  Jahre  sein  Griechisch  redlich  durchgearbeitet  hat, 
vird  an  das  Studium  einer  modernen  Sprache,  schon  wegen  seiner 
spracblichen  Vorbildung,  mit  großem  Eifer  herantreten  und  wird 
—  einen  halbwegs  ▼emfinftigen  Unterrichtsbetrieb  Yorausgesetzt  — 
Außerordentliches  leisten  und  erreichen.  SelbstTerständlich  muß 
ihm  der  notwendige  Lehrstoff  aus  allen  Wissensgebieten  zug&nglich 
gemacht  werden  in  der  heutigen,  nicht  bloß  in  der  Sprache  (wenn 
aneb  mustergiltig  ffir  immer)  vergangener  Zeiten.  Sehr  dienlich 
üir  einen  solchen  Zweck  scheint  mir  eine  regelmäßig  erscheinende 
Zeitschrift,  wie  sie  mir  in  der  hier  angezeigten  vorliegt.  ^Le  Monde 
moderne**  erscheint  am  10.  jedes  Monats.  Mir  sind  zwei  ältere 
(aus  den  90er  Jahren)  und  die  Jahrg&nge  1906  und  1907  genau 
bekannt  Ich  muß  vorausschicken,  daß  ich  in  diesen  vier  Jabr- 
gingen  auch  nicht  das  Geringste  gefunden  habe,  was  in  sitt- 
licher, religiöser  oder  patriotischer  Hinsicht  bei  uns  Anstoß  er- 
regen konnte.  Der  Inhalt  weist  die  größte  Mannigfaltigkeit  und 
Vielseitigkeit  auf.  Deshalb  will  ich  den  letzten  Jahrgang  1907 
genauer  und  eingehender  besprechen.  —  Zunächst  sei  auf  die  vor- 
zügliche Bomanbeilage  hingewiesen,  die  nur  hervorragende  Werke 
bringt.  Unser  Jahrgang  bringt  zunächst  den  Schluß  eines  histo- 
rischen Bomans  aus  der  Zeit  Karl  Alberts  von  Sardinien  -  Piemont 
Qsd  Badetzkys.  „Uaube  libiratrice**  von  San  Giusto,  französisch 
bearbeitet  von  J.  H.  Desmarest.  Dann  folgt  eine  reizende  Erzählung 
ans  dem  Bussischen  ^ Antipode**  (P.  Gnieditcb),  französisch  be- 
arbeitet von  Marie  Petite.  Der  Boman  ^La  greffe**  von  Jean 
Boavier  ist  ungemein  fesselnd  und  sittlich  erhebend.  Dieselbe  sitt- 
lich läuternde  Wirkung  hat  der  aus  dem  Englischen  (E.  W.  Hor- 
Dusg)  von  Henri  Evie  fibersetzte  Boman  „Peceavi**.  In  den  zwei 
letzten  Heften  folgen  noch  die  Bomane:  „La  maieon  du  diable** 
von  Paul  de  Garros  und  der  Anfang  von  „La  MariSe  d'Jena**  von 
Louis  Sonolet.  Außerdem  enthält  jedes  Heft  mindestens  eine  kleine 
Novelle  oder  Erzählung,  von  denen  besondere  Erwähnung  verdienen: 
nLes  troie  rMrenees**  von  G.  de  Lys,  „Honor**  von  Mathias  de 
8t.  Vidal,  „Cranebas**  von  Emile  Solari,  „La  tenture**  von  F. 
Mazade,  „Suzamel**  aus  dem  Norwegischen  (Jonas  Lie),  „I^^  Sire 
de  Karak**  von  August  Lepage  usw.  —  Von  geschichtlich  -  geo- 
graphischen Aufsätzen  seien  erwähnt:  „Le  Forum  au  tempa  des 
Chors**    von    Boyer    d*Agen    (mit    wunderschönen   Abbildungen), 


848  L«  Monda  Modorae,  ang.  t.  J.  Müdau. 

^Le  roi  Dwn  Carka  I.*^ ,  „L'jßgjfpte  incpnnu"  von  Jehan  iTfiny, 
„Les  quatre  Uu  de  Napoleon** ,  „Äntour  d*Eylau*^,  y,La  queetion 
UMqu^*"  ▼QD  SrDest  Gay  (allerdings  so  gehalten«  als  ob  es  in 
Böhmen  und  M&bren  keine  Deutschen  g&be),  „La  vie  ä  3000 
wHrßs  d'aUüud^**  (Vöbeervatoire  du  Pic  du  midi),  „Le  gSnSral  San- 
terre,  braeseur,  sana-culoUe  et  chdtelain**,  nLa  coiffure  fSminim 
ä  Mßdagascar'* ,  „Paria -ancien** ,  „Lee  Ciaare  parlemenlairea", 
„Lß  langue  aacrie**  ^  „Lea  troia  Bihamin** ,  „Äu  paya  de  Nav- 
sicoa** ,  n^  iravera  la  brouaae  Squatoriale** ,  „Le  patrioiiame  ja- 
ponaia*^,  „he  ediake*"  (h  Rome),  „La  rue  de  Paria**,  „4utour  du 
banditiame** ,  „La  vie  en  Chine** ,  „Dana  la  hauie  Albanie*" ,  Jjt 
demier  aSjour  de  Napoleon  ä  la  Malmaiaon" ,  „Lea  qeuvrea  de 
jeuneaae  de  J,  P,  Marat**,  „Sir  Henry  Campbell  Bannermafm^'f 
„La  mannaie  ä  trapera  lea  iigea**,  „üne  Arcadie  anUricaine**,  »Le 
iraiU  franco-Japonaia  ai  la  Chine**,  „Lea  confrSriea  musulmanu 
ei  le  Maroc**,  „SSgovie**,  „Munich  et  VOetoberfeat**,  „Le  euUe  des 
morta  chez  lea  Oaulois** ,  „Terre  d'Spouvante**  (Martinique),  „Le 
portage  en  Äfrique**  nsw.  Eine  weitere  AnfzUblnng  w&re  über- 
flfissig.  Ein  breiter  Banm  ist  der  Ennst  gewidpuet,  erläutert  darcb 
die  denkbar  besten  Abbildungen,  Die  Literaturgeschichte  Frank- 
reichs (und  auch  anderer  Länder),  Sozialpolitik«  NaturwissenBcbafti 
Musik«  Milltftrwesen  —  alles  ist  reichlich  Tertreten,  St&odi^ 
Bubriken  sind  gewidmet  dem  Theater  (ohne  SchauspielerkultasI), 
„Mouvement  liUSraire**  (sehr  wertvoll«  da  die  wichtigsten  Ereebei- 
nungen  monatlich  besprochen  werden),  „Cßuaeriea  acientifijiiea'* 
(meist  neueste  technische  Erfindungen  usw,)  -^  Dem  Texte  stshss 
Abbildungen  zur  Seite«  die  in  jeder  Hinsicht  als  musterhaft  be- 
zeichnet werden  müssen ,  so  die  Bilder  des  Forums  in  Eomi  die 
der  Aufführung  des  Sbakespearescheo  «Julius  C&sar'  in  seiner  fran- 
zösischen Neubearbeitung  und  viele  andere. 

Aus  9iuer  derartigen  Zeitschrift«  die  alle  Wissensgebiet 
gleichmäßig  behandelt,  kann  nicht  nur  sachlich,  sondern  bei  sni 
namentlich  sprachlich  außerordentlich  Tiel  gelernt  werden.  Nur  lo 
ist  es  möglich,  sich  die  vielen  technischen  Ausdrücke  anzueigoeo. 
—  Von  allen  mir  bekannten  französischen  Zeitschriften  sei  sIm 
„Le  monde  moderne**  zur  Anschaffung  für  upsere  Schülerbüehenieo 
ganz  besondere  empfohlen»  Die  Verlagebuchhi^ndlung  Juven  in 
Paris,  122  rue  B^aumur  gewährt  übrigens  jedem  Abnehmer  (jttr* 
liches  Abonnement  kaum  20  Kronen)  Prämien  in  Bücbecn  aup  deiP' 
selbep  Verlage  lum  Ladenwerte  von  18  Frs.,  die  mit  der  Zeit  eise 
schöne  und  wertvoll»  frauRösiscbe  Bücherei  bilden  können. 

Graz.  Juliuß  Mlklaa* 


F,  Matraifej  La  GoDqftöte  Tandale  •&  A£dqM  luw.»  ftlig.  ▼.  J.  LoBerth,  349 

F.  Mitroye,  La  GonqnSte  vandale  en  Afriqaa  at  la  da^ 
stractiOD  de  TEmpire  d'Ooeident  Paris»  Libndrie  HaDhetie 
k  Oia.  1007.   VU  o.  892  SS.  8«. 

Si  fehlt  im  D^ntichen  Baicha  nieht  ao  gtttan  Büchern,  dia 
in  atiBfAhtlitliar  Oder  gadf&agtar  Darstelltmi;  die  Oesehicbte  dea 
TuialeurBiehaa  und  damit  auch  den  degetistand  behandeln,  mit 
dem  das  yorliegeüde  Bach  sich  besth&ftij^t.  Es  genfigt  hier,  an 
Dihns  E5nige,  an  seine  Urgeschichte  der  germanischen  nnd  fo- 
fflanisehen  Völker  (Bd.  1)  oder  an  das  neueste  Buch  von  Ludwig 
Schmidt  zn  erinnerta;  anders  in  Frankreich,  wenn  man  Ton  eini^n 
reralteten  Versnchen  absieht.  Da  nun  das  Land,  um  das  es  eich 
hudelt,  beute  gant  zn  Frankreich  gehört  oder  wenigstens  in  die 
fnnzösiscbe  Interessensphäre  einbezogen  ist,  wird  das  Torliegende 
Buch  daseibat  willkommen  sein.  Ohne  gerade  Wesentlich  Nenes  in 
bringen,  behandelt  ea  aflf  Qrtind  eines  grflndlicheti  Stndinma  der 
Quellen  den  Oegetastand  in  entsprechender  Form  nfid  bringt  an 
ftlehnem  Apparat  fco  viel  bei,  daß  der  Lehrer  in  die  Lage  kommt, 
^n  Qegenataad  eigrefier  Prftfhng  tu  nnterziehen.  Am  dankenswer- 
testen mag  yielan  die  Einleitung  scheinen ,  trotzdem  aie  im  Yer- 
hUtniB  zu  dam  aigentlieben  Gegenstände  etwas  zn  breit  geraten 
iit.  Sie  schildert  —  nicht  bloß  geographisch  —  den  Boden,  auf 
dem  sich  nachhar  die  vandalischa  Inrasion  abspielte,  d.  h.  die 
tttrehisehen  Zttatftnde,  dia  sich  im  römischen  Afrika  seit  dem  Be- 
ginne des  IT.  Jahrhunderts  vorgefnnden  habeti  Und  deren  Genesis 
in  den  dogmatiathen  Streitigkeiten,  tor  allem  mit  den  Donatisten, 
ttt  Bachen  iat  -^  ein  Gegenstand,  ftber  den  derselbe  Verf.  Jüngst 
noch  an  andarar  Stelle  gehandelt  hat.  Vielleicht  hUtta  anch  noch 
anf  die  Vamachl&saignng  dieser  Provinz  eeitens  der  Herrscher  im 
Westrom,  auf  d^  beispiellöseii  flskaliechen  Druck  aaw.  atwaa  mehr 
Gewicht  gelagt  Werden  können.  Gant  flbersehefi  ist  ja  die  Bache 
nicht.  Dm  nun  zUm  Geaamtinhalt  dee  Bnchea  zu  kommen :  ea  ar- 
zihlt  in  ffinf  größeren  Kapiteln  die  Eroberung  des  Landes  darch 
die  Vandalen,  die  Politik  und  die  Allianzen  Gknsericha  (far  diese 
Namensform  entscheidet  sich  der  Verf.,  ohne  sich  fiber  die  anderen 
tn  inßem,  wiewohl  er  sie  beilänflg  erwähnt),  den  Krieg  gegen 
du  Kaiserreich,  die  Organisierungen  in  dem  eroberten  Lande  and 
die  Regierung  des  Königs. 

Dia  eigentlitha  Darstellung  hebt  mit  dem  Tode  des  Honoriue 
u.  Der  Verf.  stellt  die  Nachrichten  Über  den  Statthalter  Bonifazius, 
der  hier  in  recht  eigentfimlicher  Beleuchtung  erscheint,  zusammen, 
Ribt  dann  aina  im  Vttrh&Unie  zur  Einleitung  etwaa  knapp  gefaßte 
DarBlelling  dar  tandaliachen  Wanderungen  und  der  Plftnderungen 
tOD  Gallien  und  ihrea  Einbrucha  in  Spanien.  Das  Portfit  Gen- 
Mriehi  ist  nach  Jordanea  gazeichnet.  Dia  Motiva  der  vandalis^hen 
Kfoberang  der  Provinz  Afrika  werden  nicht  ohne  sorgsame  Prdfung 
der  Ton  Prokopfoe  überlieferten  Nachrichten  dargestellt.  In  der 
Fnge,  ob  Genserich  das  ganze  Vandalentirik  gleich  ton  Anfang  an 


350        TT.  Sievers,  Allgemeine  Linderkande,  taig,  t  /.  Müüner, 

nach  Afrika  fährte  oder  nur  die  militäriscbdii  Kräfte  seioes  Volkes 
in  Ansprach  nahm,  weicht  der  Verü  von  Dahn  nnd  Schmidt  ab,  die 
sieh  fär  Ersteres  ausgesprochen  haben.  Ffir  die  tranervoUen  Ereig- 
nisse w&hrend  der  Invasion  selbst  werden  yoraehmlich  die  Nach- 
richten des  Victor  Vitensis  und  des  hl.  Angnstinns  siyate  gezogen; 
gut  aber  wird  bemerkt »  daß  nicht  alles,  was  da  an  Or&neltaten 
geschah ,  anf  die  Bechnnng  der  Vandalen  zu  setzen  ist ,  daß  die 
Erhebung  der  Maaren  and  vor  allem  die  dogmatischen  Gegner- 
schaften in  gleicher  Weise  mitspielten.  Der  VerL  geht  anf  die  ver- 
spftteten  Maßregeln  der  Begierang  zar  Bettang  des  Landes  ein  nnd 
schildert  die  Invasion  und  was  damit  zasammenh&ngt  bis  znm 
Frieden  von  442.  In  gleich  sachgemäßer  Weise  werden  aach  du 
zweite  and  dritte  Kapitel  abgehandelt,  in  denen  aaßer  dem  Ende 
Genserichs  besonders  die  Ansfahrangen  über  die  Ziele  seiner  Po- 
litik and  die  Plflndernng  Boms  interessieren  dürften.  In  beiden 
letztgenannten  F&llen  h&tte  man  ein  sch&rferes  Eingehen  der  Eritilc 
erwarten  dfirfen.  Das  vierte  Kapitel  gilt  einer  genanen  Schilderong 
der  von  den  Vandalen  getroffenen  Verwaltnngsmaßregeln  and  Ein* 
richtangen,  ihrer  ganzen  Verwaltnngsapparates  and  vornehmlich 
aach  ihrer  militftrischen  Organisation.  Von  besonderem  Interesse 
sind  die  Einzelheiten,  die  der  Verf.  S.  808  f.  über  den  Gebranch 
der  vandalischen  Sprache  beibringt,  von  der  er  im  allgemeinen 
bemerkt:  Elle  resta  en  asage  parmi  eox  sor  le  sol  de  TAfriqne, 
et  mdme  les  personnages  les  plus  importants  de  leur  nation 
semblent  avoir  -  d^daign^  d'apprendre  le  latin  oa  feignaient  de 
Tignorer  .  .  .  Das  letzte  Kapitel  gibt  eine  allgemeine  Charakte- 
ristik der  Herrschaft  der  Vandalen  ,  ihres  Verhältnisses  zn  den 
Eingebornen,  zar  Kirche  and  schildert  die  Motive  ihrer  eigen- 
artigen Kirchenpolitik  and  vornehmlich  nochmals  das  ganze  poli- 
tische System  des  großen  Königs.  Mit  Becht  wird  bemerkt,  daß 
Theoderich  der  Große  im  wesentlichen  dieselbe  Politik  verfolgte, 
die  sich  viele  Jahre  früher  anter  Genserich  bew&hrt  hatte. 

Graz.  J.  Loserth. 


Dr.  Wilhelm  Sievers,  Allgemeine  Länderkunde.  Kleine  An- 
gabe. Zwei  Bände.  Leipzig  und  Wien,  Bibliographisches  Inititat 
1907.    Preis  20  Mk. 

Gelegentlich  der  Anzeige  des  ersten  Heftes  (vgl.  diese  Zeit- 
schrift 1907,  S.  852/8)  warde  bereits  daraaf  hingewiesen,  daß  der 
Schwerpunkt  der  zweibändigen  Aasgabe  der  Länderkonde  in  der 
Einheitlichkeit  der  Teztierong  liegt,  die  dem  Werke  trotz  mancher 
Anklänge  an  seine  Vorlage  den  Stempel  der  Selbständigkeit  auf- 
drfickt.  Den  Anspruch  der  Neuheit  kann  das  Bach  umsomehr  er- 
heben,   als   es  den  gegebenen  Stoff  vielfach  von  neuen  Gesichts- 


'StkUUe-PM,  Mathematitehe  Anfgaben,  ang.  t.  J.  Jacob,       351 

poDkteD  ans  Ydrarbeiiet  nnd  dem  neuen  Stande  des  Wissens  aller- 
orts Rechnung  trägt.  Es  ergftnit  somit  in  willkommener  Weise  die 
AssfAbrangen  der  seehsbftndigen  Ausgabe.  In  der  Anordnung  der 
Darstellung  hat  manche  schätzenswerte  Veränderung  Platz  gegriffen. 
Die  Oruppierung  und  Begrenzung  der  geographischen  Einheiten 
ist  in  den  Fluß-  und  Oebirgskarten  der  Erdteile  auch  karto- 
gnphisch  zum  Ausdrucke  gebracht.  Auf  der  Karte  Europas  fehlen 
zwir  diese  Angaben,  doch  enthält  eine  selbständige  Karte  Ton 
Mitteleuropa  die  Eintragung  der  natürlichen  Landschaften.  Das 
Ksrtenmaterial  erfuhr  überhaupt  eine  ansehnliche  Bereicherung. 
Wir  finden  nicht  bloß  eine  übersichtliche  Veranschaulichung  der 
Urstromtäler  des  deutschen  Schollenlandes  mit  Angabe  der  End- 
moräoenzüge  der  nordischen  Vereisung,  der  zweite  Band  bringt 
im  Schlüsse  sogar  einen  Atlas  Ton  11  Karten,  der  die  gesamte 
Erde  nach  ihren  geologischen,  mineralogischeui  klimatischen,  pflanz- 
liehen, tierischen  y  ethnogp'aphischen  und  wirtschaftlichen  Verhält- 
Bisse  zum  Qegenstande  hat.  Die  Zahl  der  Abbildungen,  welche 
durch  die  Vereinigung  von  je  vieren  auf  einer  Olanzpapiertafel  an 
Schönheit  und  Klarheit  entschieden  gewonnen  haben,  ist  eine  ziem- 
lieh große.  Das  Werk  besitzt  nicht  nur  als  kurze  und  doch  Ter- 
blltoismäßig  erschöpfende  Gesamtdarstellung  an  und  für  sich  einen 
hohen  Wert;  es  ist  auch  für  denjenigen  unentbehrlich,  der  die 
sechsbändige  Ausgabe  zurate  zieht.  Der  in  Anbetracht  der  glän- 
linden  Ausstattung  niedere  Preis  sichert  den  beiden  Bänden  die 
weiteste  Verbreitung ,  die  sie  als  durchaus  modernes  Werk  Tollauf 
ferdienen. 

Wien.  J,  Müllner. 


Dr.  E.  Schulze  und  F.  Pahl,  Mathematische  Aufgaben. 
I.Teil  von  Prof.  Dr.  E.  Scholl  e.  Leipzig,  Därrache  Baehhandlnng 
1905. 

Vorliegende  Sammlung,  welche  Aufgaben  aus  der  Plani- 
metrie sowie  aus  der  Arithmetik,  u.  zw.  aus  letzterer  noch  qua- 
dratische Gleichungen  mit  einer  Unbekannten  enthält,  ist  von  drei 
■ehr  anerkennenswerten  Gesichtspunkten  abgefaßt.  Erstens  sind 
Aufgaben,  deren  Lösung  von  einem  glücklichen  Zufalle  oder  von 
einer  besonderen  Erfindungsgabe  abhängt,  ausgeschlossen.  Femer 
sind  bei  arithmetischen  Aufgaben,  insbesondere  bei  jenen,  die  zur 
Einübung  der  Eeebengesetze  dienen,  im  wohltuenden  Gegensatze 
tu  den  meisten  Aufgabensammlungen  solche,  die  übermäßige 
Bechnungen  erfordern  und  überdies  niemals  Anwendung  finden, 
grundsätzlich  vermieden.  Drittens  wird  verlangt,  daß  das  Rechnen 
niemals  ein  mechanisches  sei,  sondern  daß  der  Schüler  bei  jedem 
Sehritte  der  Lösung  sich  der  Lehrsätze  bewußt  ist,  die  ihn  zu 
diesem  Schritte   berechtigen:    gewiß    ein    auegezeichnetes    Mittel 


852      W.  Eh^seff  Leitfadta  der  Stereometrie^  an^.  ▼.  J.  J«m6. 

einerseita»  am  geistifi^e  Zucht  zu  erziehen,  and  anderseits  die  Be- 
dentoDg  der  Theorie  ins  das  richtige  Licht  za  setzen« 

Im  arithmetischen  Teile  sind  Aufgaben,  deren  LOsnng  den- 
selben Gedanken  voraussetzt,  konsequent  in  einer  Gruppe  zusammen- 
gefaßt; abgesehen  Ton  der  Bequemlichkeit,  die  dieser  Umstand 
jedem  Lehrer  bei  der  Zusammenstellung  Ton  Aufgabm  bietet, 
kommt  der  jftngere  Lehrer  nicht  in  die  Gefahr,  eine  Gruppe  von 
Aufgaben  zu  fibersehen,  und  weiß  der  Schüler  etwaige  Lücken 
durch  häuslichen  Fleiß  auszufüllen.  Im  planimetrischen  Teile 
will  der  Verfasser  gem&ß  der  Vorrede  jede  Aufgabe  so  stilisieren, 
daß  der  Schüler  mühelos  den  Lehrsatz  erkennt,  auf  dessen  An- 
wendung die  Lösung  der  Aufgabe  vorzugsweise  beruht:  doch  ist 
eine  derartige  Ausdrucksweise  nicht  immer  möglich  und  auch 
gar  nicht  wünschenswert.  Vielmehr  sollten  auch  hier  Aufgaben, 
deren  Lösung  auf  denselben  Gedanken  beruhen,  in  einer  Gruppe 
zusammengefaßt  seiUi  und  dieses  Prinzip  ist  im  planimetrischen 
Teile  nicht  ebenso  konsequent  durchgeführt  wie  in  der  Arithmetik : 
denn  der  Einteilung  von  geometrischen  Aufgaben  in  Eonstmklions- 
und  Bechenaufgaben  sowie  in  Beweise  von  Lehrsfttzen  gebührt 
nicht  die  erste  Stelle.  Im  Hinblicke  auf  die  zahlreichen  sonstigen 
Vorzuge  verdient  aber  die  vorliegende  Sammlung  mathematischer 
Aufgaben    bestens  empfohlen  zu  werden. 


Dr.  W.  Elsässer,  Leitfaden  der  Stereometrie«  Ein  HUftbieb 
zam  Gebraach  beim  Unterricht  an  höheren  Lehranstalten.  Stattsut 
and  Berlin,  Fr.  Grab.  1906. 

Zu  den  reformbedürftigsten  Kapiteln  des  geometrischen 
Unterrichtes,  wenn  er  im  Sinne  unserer  Instruktionen  betrieben 
wirdf  gehört  die  Stereometrie  aus  dem  Grunde«  weil  selbst  im 
Untergymnasium  einerseits  die  Deduktion  viel  zu  viel  bervor- 
und  anderseits  die  Anschauung  viel  zu  viel  zurücktritt  Das  vor- 
liegende Hilfsbucb,  vom  Standpunkt  der  preußischen  Lehrpline 
gearbeitet^  versteht  es  besonders  im  ersten»  propAdeuttschen  Teile, 
diese  MAngel  in  folgender  Weise  zu  bebeben.  Bratens  wird  tof 
alle  Lehrifttze  über  die  Lagen  von  Geraden  und  Sbenen»  welebs 
als  unmittelbar  evident  eines  Beweises  nicht  bedürfen,  verzichtet 
und  neue  mit  den  Begriffen :  Neigungswinkel  zweier  Ebenol  «ad 
Neigungswinkel  einer  Geraden  zu  einer  EbMie  gearbeitet,  osd 
zweitens  —  worin  ein  besonderer  Vorteil  der  Behandlung  liegt  — 
werden  die  Körper  «abgebildetes  d.  h«  die  Elemente  der  perspek- 
tivischen Geometrie  eingeführt;  tatsAchlich  genügen  die  beiden 
Lehrsätze:  „Strecken  und  Winkel,  die  in  einer  zur  Bildfl&ebe 
parallelen  Ebene  liegeui  bilden  sich  psrallel  und  gleich  ab"*  mid 
„Streckeui  die  auf  der  Bildfl&che  senkrecht  stehen,  bilden  sich  je 
nach  der  Bicbtung  der  Projektionsstridilen  in  verschiedener  Lftogs 
und  unter  verschiedenem  Winkel  gegen  die  in  der  Biidflüche  liegssd« 


8dttDaXb€-SfAn,  FbyiikaL  fteihMidvienMhe,  «og.  v.  L  Q.  WMenün.  35S 

flörizoDtiü«  ab**  nr  Lötang  von  «iner  gamtn  BeÜM  koatftrak* 
tjrer  Anfgabeoi,  die  im  kddistiii  Grad«  gedgiMt  sind,  das  An* 
BchanugafmiiOgaB  si  bildan.  NatArlich  wird  is  diaBam  propft" 
deatiseheB  Teila»  ganz  ao  wia  bai  una«  aach  dia  Oberfliehe  imd 
du  VolnneB  dar  atafacbaten  EOrpar  beatinmt. 

Im  saraHan  Teila  wird  dia  DaduktiOQ  aMhr  betont,  aber 
keioMwega  der  bei  ans  fibliche  wiasenschaftliehe  Staiidpaakt  feat* 
(IftbalteD«  nach  waldiem  aaa  mOgUdiat  wenig  an  Axiacaan  alle  Lebr- 
sltra  jibar  iaa  Lagttt  ▼«!  Oeratai  od  Sbeaan  abgeleitet  werden : 
Titimehr  wird  anah  hm  maMbar  iinsiiltalbar  andanta  Lebreatz  nicbt 
bevieeaD«  mik  anderea  Woiieas  die  Zahl  dar  AxioBe  wird  er* 
b5hi  Dm  BcUal^  biMan  dia  Obetf&cbe».  nnd  FoiraebaitiBi' 
mtDgBD  jener  ESrper,  die  iai  andettendan  Uatafiohte  oiebt  ge- 
DflmmiB  xa  werdaa  piagaa;  PyraBidea-  «ad  Kegebtaaq^f,  Teile 
dir  Kngai,  wiaisa  akii  dia  anldiaeeha  Bagai  aeUiaAt. 

Aaft  aaefa  dam  flaaagtaa  daa  BMilaiD  jedem  Labrer  baaieot 
«apfoUia  aretdao  nmA,  iat  seibatveratfiidlidi. 

Wien.  Dr.  J.  Jacob. 


PbjsikallBChe  Freibanidveraiicbau  üater  Benatnag  det  Hadriaaeet 
TOB  Prof.  Dr.  Benbard  Bcbwalbe,  weil  Geb.  ^gievu^wui  aad 
Direktor  des  Dorotheenat&dt  Realgymnafiams  sn  BerUn.  Zuammen- 
gaitellt  und  bearb.  TOn  Hermann  Hab n,  Oberlehrer  am  Dorotheen- 
itldt  BealgymDaaiQm  la  Berlin.  I.Teil:  Nfltsliehe  Winke;  Maß  und 
Hessen;  Mechanik  der  festen  KOrper.  Mit  269  Fignren  im  Text. 
Berlin,  Otto  Salle  1905. 

Die  maieten  der  im  Torliegenden  Bache  enthaltenen  Frei- 
kiodveiaaabe  aiad  auf  Gmnd  von  Vortrigen  and  Experimentier- 
kamen  eafealandan,  dia  Sdiwalbe  dnrcb  lange  Zeit  im  Berliner 
Lebrerrereia  gehaltea  hat.  Als  Mnster  in  dieser  Bichtnng  haben 
dn  Aaftar  diaaaa  Bacbaa  dia  Arbeiten  der  Fiaasoeea ,  Engländer 
ead  Amerikaner  aaf  diaaam  Gebiete  gadievt  Tom  Heranagaber  des 
Baebes  wanden  die  im  Nacblaaea  Schwalbea  dber  diasea  Gagen- 
8ind  varbandenan  An&aiehanngen  mehrfach  argänst  lad  es  wardea 
die  Freibandvannifiba  gagan  die  aigeatCehan  ScbnWersncbe ,  die 
6eh41eifibaagaa  lad  dia  Spiele  abgegrenzt.  Dia  meisten  der  im 
Bache  angagabaDan  Varaaabe  aind  in  der  Schale  verwendbar. 

Zaarat  arird  gazaigt ,  welche  Haadfertigkaiten  dem  Physiker 
DOtwendig  aind,  dana  werden  einige  Teraaehe  vorgeffthrt»  die  sich 
zaf  die  flaatalt  und  dea  Banm ,  aof  die  Masse  nnd  Dichte  der 
Urper  baziahen.  la  der  Mechanik  dea  Masaaateilchens  werden 
VersBcba  aaa  dar  Kiaematik  and  Dynamik,  in  der  Mechanik  der 
itarr«  Urpar  sokba  tbar  Schwerpankt  nnd  Gleichgewicht  der 
KOrper  daai  Jdaaar  dargeboten. 

Im  Mgeaian  finden  wir  sehr  sinnreich  zasammengestellte 
Versadia^  dia  aaf  dia  Bigenschaftan  der  festen  KOrper  (Ban  der- 

ZtitKkxift  f.  d.  IMtir.  Oymii.  1908.  IT.  Heft.  28 


354    M.  Simroth,  Pie  PendolatioDttheorio,  ang.  t.  7.  F.  HoiiatMei;. 

selben,  Gestalts&nderangen ,  Adh&sion)  bezugnehmen ,  veiters  aber 
Bewegangsbindernisse,  über  Übertragung  einer  Zagkraft  darch  das 
Seil,  über  den  Stoß,  die  Bewegung  eines  festen  Körpers  um  eine 
feste  Achse  (mit  besonderer  Berücksichtigung  der  verschiedenes 
Hebelarten  und  der  Wagen),  wobei  auch  —  allerdings  in  sehr  koner 
Weise  —  der  Lehre  Tom  Trägheitsmomente  und  vom  physischen 
Pendel  gedacht  wird. 

Zum  Schlüsse  der  beachtenswerten  Erörterungen  finden  wir 
noch  einige  Vorrichtungen  angegeben ,  die  zur  Demonstration  der 
Schwungkraft  und  der  erzwungenen  Bewegungen  auf  KurTen  and 
Flächen  dienen,  endlich  Versuche «  die  auf  die  Bewegung  eineg 
EOrpers  um  einen  Punkt  (Ereiselbewegung)  Bezug  nehmen. 

Freihandversuche  der  angegebenen  Art,  wie  wir  sie  in  der 
vorliegenden  Schrift  finden,  sind  in  hohem  Grade  geeignet,  den 
Schüler  zum  experimentellen  Studium  der  Naturerscheinungen  an- 
zuregen. Hierbei  ist  jedoch  nachdrücklichst  hervorzuheben,  daß 
die  Freihandversache  im  wesentlichen  nur  zum  Ersatz  und  als  ror- 
läufiger  Notbehelf  für  die  üblichen  physikalischen  Schulversache 
dienen  können. 

Der  Hauptzweck  der  vorliegenden  Sammlung,  deren  Fort- 
setzung die  Lehifr  der  Physik  sicher  mit  großem  Interesse  ent- 
gegensehen  werden,  ist,  den  Lehrer  auch  an  den  kleinsten  and 
mindest  dotierten  Schulen  in  den  Stand  zu  setzen,  den  Unterricht 
i'nMler  Naturlebre  auf  Versuche  zu  gründen. 

Wien.  Dr.  L  6.  Wallentin. 


Die  Pendulationstheorie.  Von  Dr.  Heinrich  Simroth,  Profeeur  an 
der  ÜDiversitftt  Leipzig.  Leipzig,  Verlag  von  Konrad  Grethleio  1907. 
XII  und  564  SS.  Lez.-80.    Preis  br.  12  Mk.,  geb.  14  Mk. 

Polverscbiebnngen  der  Erde  sind  schon  lange  bekannte  Er- 
scheinungen. Das  Schwanken  der  Erdachse  oder  die  Nutation 
wurde  im  Jahre  1747  von  dem  englischen  Astronomen  Bradlej 
entdeckt  und  als  eine  Störung  der  sogenannten  Pr&zession  (Vor- 
rücken der  Nachtgleichen)  erkannt.  Beide,  Prfczession  und  Nota- 
tion, sind  bedingt  durch  die  Anziehungskraft  des  Mondes  und  der 
Sonne  auf  das  Geoid.  Vermöge  der  ersteren  beschreibt  der  Fol 
eine  kreisförmige  Linie  (mit  dem  Pol  der  Ekliptik  als  Mittelponkt), 
wird  aber  durch  die  Nutation  in  dieser  Bewegung  derart  beeio- 
flui^t,  daß  er  bald  nach  der  inneren,  bald  nach  der  äußeren  Seile 
dieser  kreisförmigen  Bahn  abweicht,  also  eine  wellenförmige  Lioie 
durchläuft.  Träte  noch  eine  dritte  Art  des  Schwankens  hinzu >  so 
müßte  sich  auch  diese  mit  den  schon  genannten  kombinieren  afl<l 
die  Bahn  des  Poles  wird  zu  einer  sehr  komplizierten  Linie. 

Eine  solche  dritte  Art  der  Polverschiebung  wird  nun  von  dam 
Ingenieur  Paul  Beibiscb  angenommen,  der  im  Jahre  1901  die  aof 


K  8»>mroihf  Die  Penduiatiooithaorie,  ang.  t.  T.  F,  Hanausi^    355 

allgemuDe  Qrflnde  ans  der  Geologie  geetfttzte  Theorie  aufstellte, 
daü  die  Erdachse  eine  regelmäßig  ▼erlaufende  Pendelbewegnng 
dorcbfübre.  Diese  Pendnlationstheorie  veranlaßte  den  Zoologen 
Simrotb,  naehzoforscheny  ob  sie  imstande  vftre,  zahlreiche,  bisher 
nuTerst&ndliche  Fragen  der  Biologie,  insbesondere  der  Biogeo- 
graphie, in  befriedigender  Weise  za  beantworten.  Mit  wenigen  Ans- 
nahmen  gelang  es  nnn  dem  Leipziger  Forscher,  mit  Hilfe  der  Pen- 
dalatiodstheorie  über  diese  Fragen  Aufschluß  zu  erhalten  und  überall 
„sebien  sie  Stich  zu  halten,  zum  mindesten  zur  Entwirrung  des 
Scböpfnngsplanes  mehr  zu  leisten,  als  irgend  eine  der  bisher  gang- 
baren Hypothesen.  Sie  war  aber  allen  diesen,  welche  mit  alten 
LaodTerbindnngen  und  Verschiebungen,  Verschleppungen  durch 
Strömungen,  durch  Tiere,  Pflanzen  und  den  Menschen,  mit  den 
NiederschlagsTerhftltnissen,  mit  Gebirgsbildungen  u.  dgl.,  vereinzelt 
sogar  mit  PolTerschiebungen  und  ühnlichen  Ankl&ngen  an  die  Pen- 
dalation  rechnen,  insofern  weit  überlegen,  als  sie  alle  dieso  unter 
einen  einheitlichen  Oesichtspunkt  zu  bringen  erlaubte  und  dabei  in 
jeder  Hinsicht  mehr  zu  bieten  schien ,  als  sie  alle  zusammen- 
genommen'*. 

Ich  will  nun  versuchen,  in  folgendem  eine  kurze  Darlegung 
der  Theorie  selbst  und  eine  Zusammenfassung  der  in  hohem  Grade 
tbenaschenden  Ergebnisse  der  Simrothschen  Forschungen  zu  bringen, 
wobei  Ich  mich  aber  eines  definitiven  Urteils  über  Wert  oder  Un- 
wert der  Theorie  als  einer  verhältnism&ßig  noch  wenig  spruch- 
reifen Sache  enthalte,  jedoch  nicht  leugnen  will,  daß  sie  auf  mich 
den  Eindruck  hoher  Wahrscheinlichkeit  gemacht  hat. 

Im  Gegensatz  zu  vielen  anderen  Naturforschem  bejaht 
Simroth  die  Frage :  „ob  das  Land  mehr  Einfluß  gehabt  hat  auf  die 
Umbildung  der  Lebewesen  oder  das  Wasser^  für  das  Land,  indem 
er  meint,  „daß  zwar  der  Wechsel  beider  Medien  unausgesetzt  an- 
regend wirkt  und  für  den  Beiehtum  der  Schüpfung  verantwortlich 
IQ  machen  ist,  daß  aber  dem  Einfluß  des  Landes  für  den  Fort- 
Kbritt  vom  Niederen  zum  Höheren  unbedingt  der  Vorzug  gebührt**, 
hl  Beziehung  auf  die  Pflanzenwelt  scheint  dies  wohl  seine  Bichtig- 
keit  zu  haben,  denn  das  Wasser  hat  nichts  zustande  gebracht  als 
die  Algen,  Thallophyten,  von  denen  einige,  man  möchte  sagen  mit 
höchster  Anstrengung,  wie  die  Laminarien,  es  nur  zu  einer  schein- 
baren Differenzierung,  zu  einer  Vort&uschung  von  Wurzel,  Stamm 
nnd  Blatt  brachten,  während  die  unendliche  Mannigfaltigkeit  der 
Bldtenpflanzen  erst  das  Land  zuwege  bringen  konnte.  Aber  auch  für 
die  Tierwelt  mag  das  Land  der  maßgebende  Gestaltungsfaktor  sein, 
denn  „mit  seinen  Gegensfttzen  von  grellem  Licht  und  tiefem  Schatten, 
Ton  Trocknis  und  N&sse,  von  Frost  und  Hitze,  von  Windstille 
nnd  Stnrm,  von  nacktem  Fels,  treibendem  Sand  und  locker  festem 
Hnmus,  von  solider  Unterlage  nnd  überaus  leichter  Atmosphäre,  mit 
seiner  reich  gegliederten  Vegetation  birgt  es  eine  unvergleichlich 
böhere  Fülle  schöpferischer  Auregungen."     Diese  Gegensätze   und 

23» 


dö6    JL  Simrcth,  Die  BenMMÜtmMkeom,  Mag.  v.  T.  F.  Ha$umaA. 

im  doith  «M  rerunacirte  Energetik,  die  apezifisdieo  Arbeiteein- 
iielten  edieSBO  die  DifferaizieniBgieD  des  Kiirpers,  soliafien  die  Ao- 
pMaufseleifieDte^  schaffen  die  nach  aafwftrtB  forechreite&dn,  eidi 
iiUBor  WMi^  rerfollkf  mneBdcn  Formen;  dani  die  oft  so  bixarren 
GestatfaBTorftndening«! ,  die  wir  an  MeereBOifanismen,  FonwbBilieh 
der  Tiefe,  beobachten,  bedeaien  keinen  Forteeliritt,  sondexa  mir 
ein  maftloeee  AaswacbMU  tqd  Oigaaen^  die  mf  dem  Lande  er- 
vorben  wurden.  Die  Flucht  Ina  Waeaar,  fir  die  wir  an  dm 
MeereeeAmg«ra  ein  Beiapieil  babee,  bat  nur  den  Wert,  den  ^^nUen 
Goganaftteen  das  Landes  anaznweiebe»  nad  nimmt  dabar  oacfa  des 
PqUd  tm;  nach  dem  Äquator  zu  dagegen  wird  die  Anawandaraag 
der  Seetiere  ins  süfte  Wasser  and  der  Wasaertiere  aaÜB  Land  be- 
gönstigt.  AJie  Oeeetze,  die  sich  aas  der  Bedaataag  dae  Waas« 
nad  des  Landes  für  die  crganiscbe  SehOpfang  ergeben,  aoUan  io 
beetimmter  Abbftogigfeeit  stehen  v^m  der  Pendmlation. 

Nach  Baibiacb  besitzt  die  Srde  außer  den  beiden  fiotatieDfi- 
polea  (dem  Nord-  und  SAdpol)  noch  awei  Scbwingnngrspole* 
Ecaador  und  Sumatra ,  zwiachen  denen  sie  hin-  und  barpendeit. 
Der  durch  die  Rotations-  und  Schwingungspole  gehende  Maridiui 
—  Eulniaatioaakreis  genannt  —  teilt  ^%  firde  in  eine  pau- 
fiacba  und  in  eine  atlastiach-i&diacbe  Hemiapbftre.  Der  Meridian 
▼on  10^  OatL  L.  t.  ^.  ist  jener  Kreis,  auf  dem  der  Nord*  und 
Südpol  bin-  und  herschwanken,  der  Auaachlag  soll  SO — 40^  edw 
aacb  nur  10^  betragen;  die  Bchwingpolgebiete  unterliegen  keiner 
Verechiebuag  (selbstverstindiich  tou  der  Drehung  um  die  Botaüoni- 
acbse  abgesehen),  der  genannte  Meridian  von  10*  beifit  d«r 
Seh w in gungs kreis  und  geht  durch  die  Beringstraße.  Der 
KnlminalieDskreis  heißt  deshalb  so,  weil  jeder  Punkt  sMne  grüßt« 
Polböhe  erreicht,  wenn  er  diesen  Kreis  schneidet.  Die  Oescbwindig- 
keit  der  Schwingungen  ist  nach  unaeren  Maßen  gemessen  eine  sehr 
geringe  und  die  Frage,  wie  Tiele  Pendelbewegungea  die  Erde  seit 
der  Zeit,  von  welcher  uns  Spuren  in  den  Versteinerungen  gebüebeo 
sind,  durchgemacht  bat,  wird  einfach  dahin  beantwortet,  dsß  es 
ihrer  so  viele  waren,  als  die  Geologie  große  Perioden  unterscheidet. 
Wir  Europ&er  befinden  uns  also  wfthrend  des  Pal&otoicums  is 
polarer,  während  des  Mesozoicnms  in  äquatorialer, 
wAhrend  der  Tertiftrzeit  in  polarer  Schwingungapbase  aod 
jetzt  im  Quartär  schwanken  wir  wieder  dem  Äquator  zu.  Die 
Eiszeit,  die  wir  zweimal,  im  Perm  und  am  Ende  des  Tertiin, 
bezw.  am  Anfange  des  Quartärs  durchgemacht  haben,  hat  ibre 
Erscheinnngsursache  in  der  polaren  Schwingungsphaae.  Eine  Vtf- 
schiebung  unseres  Gebietes  schon  um  10"  nach  Norden  erUirt 
Tollkemmen  die  bedeutende  Verändemag  des  Klimas,  den  Obergang 
vom  tropischen  Eocäa  in  die  Glazialzeit.  Damit  ist  auch  die  ein- 
Jachste  Erklärung  des  Bätseis  der  Eiszeit  gegeben.  Alle  Niresn- 
Schwankungen,  das  Auf-  und  untertauchen  dea  Landes,  wofär  die 
Form  des  Geoids  verantwortlich  ist,  erklären  sich  aus  der  Pendn- 


K  Smrüäi,  Dia  PendnUtkoatiMorM,  aog.  ▼.  T.  F.  HammudL    85? 

laftios.  n^D^  dtt  Mmt  als  FlflBiigkMt  bal  jader  Lag«  dar  Botatioat« 
icha»  die  abgaplatteta  QaaidfonL  aanuMat,  dia  Erdkraata  aber  sn« 
Bklni  alarr  bleibt^  so  ergibt  ea  aicfa  ▼ob  aalbsi,  dafi  jeder  Paakt 
bfti  pelarer  Sebwingiuigtpbaaa^  vann  er  atdi  dem  Pela  aikart;  ana 
d«a  Wataar  baraoagekobaD  wird«  Unkgakekrt  wM  ar  bei  ftqnafta- 
rialer  nntartaaebeo.^  Daher  haben  aich  dia  im  aavdpaiiAwhao 
QnadmitaD  baflndlichan  Insda,  wia  dia  Hawaiinaete  (in  darjetaigeD 
pohHreD  SehwuigmigBpbaBa)  ana  dam  Waaaar  harana,  w&hraftd  dia 
die  sidpazifiachaa  votartauahea.  Florida  wird  gerada  roae  Kilmi- 
BatiooBkraia  gaechniiteo ,  die  Weathilfla  ataigt  in  polarer  Pbaaa» 
die  Octbftlfta  in  Äquatorialer  rnnfi  aiaken.  Wenden  wir  mia  dar 
gMgrapbiachan  Anaehannag  la,  ao  findan  wir  aina  bakannte  Dia« 
banaeaia  in  dar  ParaUelantwicklaag  dar  Kontiaanta  darch  die  Lage 
Toa  Afiika»  Dia  Pandalkewagnng  will  dia  Iiandmaaean  glaichmftßig 
am  dia  Pole  gmppiaiin,  so  daß  dar  Oetan  daaaalba  Bild  zoigt, 
wie  der  Weataa.  Aaf  dw  pazifieeban  Saite  hat  dar  Ozean  aaina 
Grenzen  mitgeachaffen,  anl  naaerar  atlantiacb-indiecban  Seita  atebt 
lim  der  alte  Klots  Afrika  im  Wege»  doch  hat  er  z.  B.  an  Baropa 
80  rial  zaratflckalty  da6  aa  jana  raiehgan^aderta  form  arkialt,  „dia 
ikffl  ia  der  Gaac^ichta  der  MeDachheit  das  markwüidiga  Über« 
giwicht  TaraefaaffU".  um  dieae  Dieharmania  za  lAaen,  wird  maa 
Afrika  aina  SandentaUnng  anweiaen  (die  apftter  anfgakiftrt  wird) 
vod  aar  Südamerika  and  Anatralian  in  Parallele  ziehen,  nn  znr 
sjmiaatriacshaB  Lagemag  zn  gelangen.  Übrigena  zeigt  aioh  dieae 
lieh  in  Bnropa,  dar  Schwingakreia  zariegt  dia  Alpen  in  eine  Oat- 
liehe  nad  waatUeba  Hftlfte  nnd  ea  kann  doch  ala  eiwaa  b6ehat 
Merkwflrdigaa  angaaahan  werden ,  da&  diaaer  Heridiaa  dia  Bhain- 
Haie  mit  dar  Babringatrafio  verbindet  nad  dia  Erde  in  swai  HAlftea 
xarleg^,  deren  Mittelpankte,  Ecnador  nnd  Sumatra  zugleich 
die  Endpunkte  der  Iftngaten  Erdachae  daratellon. 

Indam  ick  die  Besprechung  der  frftberan  Varftndamngen  in 
der  Koafignratiaa  dea  Faatlandea»  dar  von  der  Geologie  angenom« 
menen  alten  Landbräckan  (dia  nAtlantia'^eage  betrifft  Verbtn- 
dmigeD  TOD  Spaaian  nnd  Nordafrika,  deren  Abbruch  noch  in  die 
Erioaamngan  der  Menachen  f&Ut)  übargeha,  wende  ich  mich  dem 
fiaaptlaila  der  Simrotbachen  Arbeit  zu. 

Jeder  Organiamna  aaf  ainem  Punkte  unaarar  Erda  wird  bei 
weilerer  Yarmabmng  daa  Beatreben  haben,  aich  auazubreiten,  aaweit 
die  gleichen  kliaiatiachen  Yerhfcltnieaa  hwraohan;  durch  dia  Pen- 
dnlatian  aber  wird  er  rein  mecbaniacfa  aua  der  ihm  znaaganden 
klimatiachan  Lage  entführt,  wenn  er  nicht  auf  aeinem  Breitagrade 
fiuh  rechte  und  linka  anawieh ;  iat  diea  aber  tataftchlich  geaehehen, 
10  bewohnt  ar  jetzt  zwei  getrannta  Gebiete,  die  zu  beiden  Seiten 
dea  Scbwingvttgakiaiaaa  in  aymmetriecher  Lage  aich  befinden  und 
symmetriacha  Paukte  heißen,  wie  Japan  und  Ealifomiaa,  Ost- 
kieta  von  Nordamerika  und  ren  Aaien  in  daraalben  geograpbiaohen 
Breite.    Solche  Punkta   etellen    die  tranaveraale  Symmetrie 


358    JEf.  SimrotJh  Die  PendulatioDstheorie,  aog.  t.  T.  F.  Hanausek. 

dar.  Bei  äquatorialer  Pbaee  können  die  Organismen  die  Yerschie- 
bnng  nach  Sfiden  mitmactien,  werden  aber,  da  dae  Klima  zn  warm 
wirdt  anf  die  Gebirge  hinanfwandern ,  wenn  sie  den  Aqnator  ge- 
kreuzt baben,  jenseits  desselben  wieder  zurfick  zur  Ebene  gelangen 
und  somit  symmetrische  Punkte  in  meridialer  Symmetrie  eio« 
nehmen.  Dabei  ist  aber  zu  beachten,  daß  das  Ausweichen  nach 
Osten  und  Westen  am  Kulminationskreis  aufhOren  muß,  da  jenseits 
desselben  die  entgegengesetzte  Bewegung  eintritt  und  es  kommt 
an  diesem  Kreis  zur  Stauung  oder  Relikt enbildung,  die  am 
höchsten  an  den  Schwingpolgebieten  sein  muß.  Die  meridiale 
Ausdehnung  der  Organismen  wird  selbstrerstAndlich  am  größten 
unter  dem  Schwingungskreis  sein  müssen.  Aus  dieser  Darstellnng 
ergibt  sich,  daß  schließlich  Lebewesen  an  Punkten  erhalten  bleiben, 
die  zu  den  Schwingpolen  gleiche  Lage  und  gleichen  Abstand  habeSi 
also  identische  Punkte  sind.  Dafür  zwei  höchst  charakteri- 
stische Beispiele.  Im  Oberlauf  des  Yantsekiang  lebt  die  einzige 
Alligatorart,  die  Asien  besitzt.  Die  Arten  des  Mississippi  stehen 
der  chinesischen  am  nächsten;  an  der  Karte  kann  man  zeigen, 
daß  es  sich  um  zwei  identische  Punkte  handelt  und  die  Erklärung 
dieser  diskontinuierlichen  Wohngebiete  war  früher  nur  durch  die 
kühnsten  und  unwahrscheinlichsten  Hypothesen  (Überwandem  über 
die  Erde  usw.)  möglich,  Jetzt  zeigt  die  Penddationstheorle,  daß 
wir  vom  Schwingungskreise  auszugehen  haben  und  daß  sich  die 
Form  an  identischen  Punkten  unter  gleicher  Sonnenstellung  er- 
halten hat*".  Das  zweite  Beispiel  bilden  die  Lurch-  oder  Lungen- 
fische Lepidoairen  und  CetxUodus;  ersterer  hat  seine  Heimat  in 
Uruguay,  das  zum  Westpol  genau  die  gleiche  Himmelsrichtung  hat, 
wie  die  Heimat  des  CercUodus  Queensland  zum  Ostpol. 

Was  nun  die  Umbildung  der  Arten,  die  Entstehang 
neuer  Typen  betrifft»  so  weist  die  Pendulationstheorie  anf  den 
Schwingungskreis  als  den  eigentlichen  Herd  der  organischen  Um- 
gestaltung hin,  wo  die  Lebewesen  den  stärksten  klimatischen 
Schwankungen  ausgesetzt  sind  und  alles,  was  sich  unter  dem 
Schwingungskreise  vollzieht,  trifft  für  jeden  Punkt  der  Erde  zo, 
nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  die  Vorgänge  unter  dem  Kreie  ihr 
Maximum  erreichen  und  gleichmäßig  nach  beiden  Seiten  abnehmen, 
bis  sie  an  den  Schwingpolen  auf  Null  herabsinken*'.  Da  die  Scböpfnng 
allezeit  ihren  Höhepunkt  auf  dem  Lande  erreicht,  so  wird  der  Nord- 
quadrant, d.  h.  vorzugsweise  Europa  und  Nordafrika  der 
Herd  sein,  von  dem  sie  ausgeht  und  wo  sie  ihre  Yollendang 
erreicht. 

Im  systematischen  Teile  werden  jene  Tier-Typen,  die  ein  ge- 
nügendes Urteil  zulassen,  eingehender  behandelt,  von  den  übrigen 
das  Bekannte  und  Beweiskräftige  zur  Sprache  gebracht.  Zsm 
Schlüsse  werden  auch  noch  der  Mensch,  die  Pflanzenwelt  in  einigen 
charakteristischen  Gruppen  und  geologische  Tatsachen,  die  mit  der 
Theorie  im  Einklänge  sind,    zu  ihrer  Bekräftigung  herangezogen. 


jS.  Simrofh,  DLb  Pendolationstfaeoriei  ang.  ▼.  T.  F.  Hanausek.    359 

YoD  den  Holinsken  sind  es  insbeaondere  die  Vorderkiemer ,  die 
die  stärksten  Beweise  für  die  Theorie  bringen.  Das  markanteste 
Beispiel  ist  Trüan,  dessen  Arten  im  Indic,  wie  Ton  den  Antillen 
die  höchste  Symmetrie  zeigen.  Simroth  leitet  aas  seinen  ünter- 
snchnngen  allgemeine  Oesetze  über  die  Verbreitung  dieser  Gmppe 
ab,  anf  die  wir  hier  nnr  hinweisen  können«  Ans  den  Beziehungen 
der  rezenten  zn  den  fossilen  Vorderkiemern  ergibt  sich,  daß  nach 
der  Pendnlationslehre  alle  stenothermen  Formen  von  uns  ansge- 
gegaogen  sind,  von  nns  aber  bei  polarer  Phase  verdrängt  wurden 
und  sieh  dann  nach  dem  Orada  ihres  Wftrmebedfirfnisses  sym- 
metrisch eingestellt  haben.  Die  Arthropoden  zeigen  in  der  Klasse 
der  Crustaeeen  außerordentlich  klare  Beweise  für  die  Bichtigkeit 
der  Theorie;  beispielsweise  liegen  alle  Dekapoden  unter  dem  Schwin- 
gnngskreise,  ihre  Wiege  war  das  Süßwasser,  d\9  AsUiciden  fehlen 
io  den  Tropen  und  sind  nord-  und  südw&rts  kräftig  entwickelt; 
vielleicht  gibt  es  noch  einen  Best  auf  einem  malayischen  oder 
tropisch- amerikanischen  Hochgebirge.  Die  Klasse  der  Insekten» 
vor  allem  die  Hymenopteren,  Käfer  und  wohl  auch  die  Schmetter- 
linge sprechen  scharf  und  deutlich  für  die  Pendulation.  Die  Tene» 
hrio'  und  die  Btfpre^ts- Arten  bewohnen  deutlich  durch  den  Schwin- 
gungskreis geschiedene  Areale  (Westpol:  Buprestis  giganUa  in 
Soriaam ;  Ostpol :  Buprestis  bicolor  usw.  auf  Java).  —  Viel  Über- 
raschendes bieten  die  Vertebraten.  Die  Fische  sind  nach  Sim- 
roth rückgewanderte  Landtiere,  ihre  Vorfahren  sind  auf  dem  Lande 
tu  soeben,  Ton  denen  aber  keine  Beste  erhalten  geblieben  sind. 
Die  CydosUmaia  {Petromyzon  und  Myxine)  sind  ein  klassisches 
Beispiel  für  die  Pendulation,  sie  sind  im  Norden  unter  dem 
Schwingungskreise  entstanden  und  haben  sich  über  die  Schwing- 
pole hinweg  an  ihre  jetzigen  Wohnorte  begeben.  Ebenso  klare  Be- 
weise liefern  die  Selachier^  so  die  zwei  Arten  der  Dornhaie; 
Äeanthias  vulgaris  hat  das  Auge  der  Flachseetiere,  Ä,  Blainvilki 
du  der  Tiefseetiere  (V^  bezw.  ^/^^  der  Körperlänge  entspricht 
dem  Linsendurchmesser);  letztere  Art  ist  an  die  Tiefe  angepaßt 
nnd  in  der  Tiefe  durch  die  Tropen  geschobeu,  lebt  auf  der  süd- 
liehen Halbkugel,  während  Ä.  vulgaris  an  der  Küste  Ton  Com  wall 
in  ungeheurer  Menge  vorkommt,  dort,  wo  eben  der  Herd  der  Gat- 
tung ist. 

Wir  müssen  es  uns  versagen,  die  ganze  Beihe  der  Verte- 
braten -Klassen  und  -Ordnungen  vorzuführen,  die  auch  in  der 
höchsten  Abteilung,  der  der  Säuger,  vorzügliche  Beispiele  für  die 
Pendulation  liefern,  denn  dies  hieße  einen  umfangreichen  Auszug 
des  Werkes  zu  bieten ;  wir  wollen  nur  noch  einiges  über  die  Ver- 
breitung des  Pflanzenreiches  und  über  den  Menschen  berichten. 
DieConiferen  sind  scharf  nach  der  Pendulation  eingestellt,  alle 
foisilen  gehen  von  uns  aus,  sie  haben  die  Steinkohlenpflanzen  ab- 
gelöst. Magnolia  bewohnt  das  östliche  Asien  und  die  atlantische 
Hälfte  Nordamerikas,  die  Bot  buche  hat  das  Zentrum  in  Deutsch- 


S60    E.  Simrath,  Die  PendalatioiMlheMie,  mg.  v.  7.  J,  Hwinwtefc 

land,  ist  für  dM  Otbiei  cbr  OstMe  efaaraktengtis^  nad  reiebt  in 
Symmetrittateliniig  ym  den  Pyreiiftdn  bb  xum  Eankasos.  Die  Gam- 
pftBalaceen  bieten  in  ibren  dni  UntBrlamiUen  admife  Beispiele 
fdr  die  Pendalation.  Hier  ist  ancb  ier  Oii«  det  alten  adria- 
tieeben  WiokeU  zn  gedenbes,  der  eowebl  lllr  die  Tierwelt,  ale 
aneb  fftr  die  YegetaAion  ein  reiches  Baliktaogebiei  Ten  Lebeweeeo 
darstellt,  die  aber  jetzt  über  die  Erde  zerstrent  sind.  Die  brannte 
Wul/mia  earinthiaea^  snr  in  Kirnten  einbeimisdi,  bat  ibre  nächsten 
Verwandten  anf  dem  Libanea  (W.  orierUaUs)  and  anC  den  Hiaialtja 
(TF.  amhentiamt)^  edne  vierte  Art  ist  nenerlich  in  MenAenegro  ge- 
fanden  worden.  Fi^rsyMa  viriäitHma  (nnd  9U9pmM)9  der  früh- 
blühende  Strancb  anserer  O&rten  ist  in  China  nnd  Japas  zsbaoee; 
jüngst  erst  ist  an  der  Adria  Fara^ia  eurt^Hua  entdeckt  werden. 

Für  weitere  Kreise  bat  ohne  Zweifel  daa  Kapitel  über  dea 
Med  sehen  den  größten  Beiz  und  es  war  zn  erwarteOf  daA  Sim- 
roth  mit  seineo  nmfassenden  Kenntnissen  und  Erfahmngen  die  Be* 
ziefanngen  dea  Menschen  zur  Pendnlation  in  prftcbtiger  nnd  über- 
zengcnder  Weise  beransgearbeitet  haben  wird.  Das  ist  denn  aaeb 
tatsächlich  der  Fall.  Mit  seinem  gl&azenden  Stil  zwiagt  er  uns 
förmlich  in  den  Bannkreis  seiner  Anschannngen  nnd  wir  mflss« 
ihm  in  seinen  meisten  F(^gemngen  sageben,  daß  das  Geschehen 
wahrlieb  so  gewesen  sein  kann,  wie  er  es  feststellt  Schon  der 
erste  Abaatz  diesea  Kapitels  ist  so  beweiskräftige,  daß  ich  mir  nicht 
versagen  kann,  ibn  hieber  zn  setzen:  „Die  Pendnlatienstheerie 
zwingt  mit  aller  Schürfe  dw  Tatsachen  ^  die  jetzt  ebne  deren  lei« 
tende  Kraft  die  Terschiedensten  Speknlatioaeo  über  den  Herd  die 
Menscbengeschlecbtes  ermöglichen,  so  zn  gruppieren,  daß  daraas 
nicht  nnr  das  Scböpfnngszentmm,  sondern  selbst  die  ganze  Heraai* 
bildnng  der  Kultur  unter  den  Sdiwingnngskreis  in  unserem  Qua- 
dranten verlegt  wird.  Wo  sich  die  Qeschichte  abgespieit  bat  in 
ihrem  wichtigsten  Zusammenhaage^  wo  sie  zur  höchsten  Inteiligm 
geführt  bat,  d.  h.  in  unserem  Europa  stand  die  Wiege  des  Meo- 
scbengescblecbtes.  Es  gibt  keinen  Meridian  auf  unserem  Erdball, 
auf  dem  die  Bässen  audi  nur  annfthemd  in  ähnlichem  Wechsel 
und  ähnlicher  Vollständigkeit  übereinander  gelagert  wären»  als  d«n 
Schwingungskreis.  Eskimos,  Lappen ,  Finnen,  (Germanen,  Slawen, 
Italiker  und  Griechen,  Semiten,  Hamiten,  die  verschiedenen  Zweige 
der  Neger,  zwischen  ihnen  die  altertümlichen  Zwergvölker,  endlicb 
Hottentotten  und  Buschmänner;  und  dabei  meist  aisgezeiehnet 
unter  diesem  Kreise  gebliebeD,  wie  in  den  Mittelme«rländera,  tod 
Vorderasien  bis  Marokko.*' 

Der  Annahme,  daß  die  Schöpfung  des  Menseben  miter  den 
Schwingungakreis  in  unserem  Quadranten  verlegt  wird,  entsprscbes 
folgende  zwei  Tatsachen  der  Urgeschichte: 

1.  Alle  fossilen  Menschenaffen  finden  sich  bei 
uns  in  Schwingungskreislage,  zwischen  Wien  nnd 
Sudfrankreicb. 


JB.  Simrü&r  Die  PtndBktioMttaMne,  ng.  ▼.  T.  F.  Hanausek,    36 1 

2.  Mit  dtrselbeik  Pr&zisioD,  ja  noch  eng^erer  Bt* 
lekriDkang  auf  den  Sekwing^angskrtii  tritt  äer  Homo 
primi^ßnius  auf,  die  Rassen  rom  Neandertal  bei 
Diffieldorf  and  ron  Krapina  in  den  Südoatalpeu,  im 
idriatiiclieD  WiakeL 

Alle  antbrepoiden  Affen  sind  an  den  Uiwald  fsbfmden, 
(IhtiB  ein  Banmbben,  baten  Nester  in  den  Zweigen^  können  aber 
iifreehi  geben,  in  der  polaren  Scbwiagnngafpbase«  in  «bar  sie 
iiie  ucb  Norden  gehoben  werden,  weichen  die  einen  nach  der 
altflo  Stttte  ans  —  Gotilla,  Scbimpanae  —  oder  zum  Oatpol,  wie 
dtr  Orang-Utang t  der  Bjlebatea  —  oder  eadüeb  sie  paSten  aicb 
im  Bioen  Lebensbedingungen  an,  geben  nnr  mehr  aufrecht  nsd 
virdao  zn  Menscben.  Ancb  der  Tielbemfene  Püheean^rapus  $rBctus 
derjoDgen  SehiehtMi  Javaa  ist  nicht  dort  entatanden,  sondern 
sMlt  eine  der  nach  dem  Ostpol  aisgewicbenen  Arten  ror.  Die  alte 
Wohnang,  der  Banm«  weicht  je  weiter  Tom  Urwald  weg  immer 
iMhr  einer  anderen,  der  Höhle,  dann  tritt  das  Zelt  aas  Tier- 
fiüea  and  ana  Fik  nnd  endlich  der  Bao  ana  Stein,  H<^z,  Ziegeln, 
in  börsten  Norden  ans  Schneeqiadem  anf.  Die  arischen  Völker, 
als  die  höchatta  Knltnrträger,  stammen  ana  dem  Norden,  die  Hin* 
wtiie  in  der  Veda  nnd  AToata  anf  Bis  nnd  Schnee  sind  Er- 
iiuwruigen  an  einstige  polare  Terbiltniaae,  nnter  denen  die  Vor- 
litoa  lebten.  Das  Jnlfeat,  daa  wir  mit  dem  Weibnachtafest 
rauameogelegt  haben,  die  Feier  der  Wintersonnenwende,  konnte 
BOT  im  Norden  pi&iis  bestimmt  werden,  die  mehrtägige  Winter- 
nacht,  ^B  Mittemachteseane  im  Sommer  ergaben  die  nötigen  astro- 
Bomischeo  Termine.  Der  Entwicklungsgang  der  Kalter,  der  nach 
der  Qeacbicbte  anf  den  Osten  (Indien,  Peraien,  Mesopotamien)  hin- 
vtttt,  nicht  nach  Norden,  findet  wieder  aeine  Erkl&rang  in  der 
Pmdnlation.  „Vntar  dem  Schwingangekreis  entstand  der  Mensch 
lad  biir  wnrde  er,  bei  der  Yerscbiebnng  nacfa  Norden  nnd  wieder 
nrick,  mngewandeit;  die  körpwlicbe  Umwandlang  erfolgrte  wohl 
in  erster  Linie  bei  der  ersten  Bewegung,  entaprecfaend  der  hohen 
Slagtrschöpfnng  im  Tertiär.  Die  geistige  Kultur  geht  weiter . .  .^ 
—  Bei  der  polaren  Phase  werden  die  Menachen  nach  Norden  vor- 
gMcfaoben,  um  sich  in  neue  Baasen  umzuwandeln  oder  sie  weidien 
Mite&rts  nach  Westen  und  Osten  aua;  in  der  darauf  folgenden 
iqaatorialen  Schwingungsphase  fluten  die  uach  Osten  ^lusgewi- 
chentn  Elemente  wieder  zuröck  -^  fläcbtig  uur,  wie  die  alten 
Reiterscharen,  dauernd  und  bleibend,  wie  Fbdnizier  und  Griecb^ti* 

Von  besonderem  Interesse   sind  die  Id^an  Simrotbs  über 
Dosiestikation    der  Hanstiere,    d\%   Entwicklung 
Wohnungen,    des  Ackerbaues,    der  Karren  und  Mä 
Natienaltracbten  usw.,    wobei  freilich  auch  der  Phaatiiie  < 
Syiehaam  gegönnt  wird.  Phantastisch  erscbftiiit  der  ¥' 
Verhaltena  des  sAdafrikaniachen  Parians  (der  der  ^ 
ttellt.  Dm  sie  zn  zerreißen  nnd  die  g^ronnese  J 


362    JET.  Simroth,  Die  PandaUtioDitheorie,  aog.  ?.  T.  F.  Hanauük. 

aU  Leckerbissen  zn  g^enießen)  mit  der  Erfindang  des  Schweizerk&ses. 
In  Bezug  anf  die  Entwicklung  der  Wohnung  ist  es  gewiß  merkwürdig, 
wie  die  sardinischen  ürbanten,  die  Nuraghen,  in  den  aligriechiscben 
Enppelgr&bern,  den  Talayots  von  den  Balearen,  den  Trojabargen, 
den  Stonehenge  wiederkehren.  Vielleicht  haben  auch  die  ägyp- 
tischen Pyramiden  in  ihm  ihre  Wurzel;  ihre  Bedeutung  als  KOnigs- 
gr&ber  ist  eine  sekund&re,  dynastische  Anpassung.  Die  Oheops- 
pyramide  ist  das  genialste  und  großartigste  Werk  der  astro- 
nomisch-mathematischen Pr&zisionsmechanik.  „Der  sog.  Sarkophag 
ist  ein  Hohlmaß,  das  Pyramidenmeter.  Und  die  Proportionen  znm 
unteren  Pyramidenumfange  sind  so  wunderbar,  daß  dieser  so  Tiele 
Meter  lang  ist,  als  das  Durchschnittsjahr  Tage  hat,  bis  auf  mehrere 
Dezimalen.  In  den  PyramidenTerhftltnissen  steckt  ebenso  die  La- 
dolfische  Zahl  bis  auf  mehrere  Dezimalen.  Diese  Maße  stehen  aber 
in  einem  bestimmten  Zahlen  Verhältnisse  zur  Erdachse,  sowie  zur 
Entfernung  von  der  Sonne.  Die  Verhältnisse  sind  für  den  Einge- 
weihten  an  besonderen  Merkmalen  im  Inneren  abzulesen.  Ja  du 
spezifische  Gewicht  der  Erde  kommt  zum  Ausdruck.  Die  Lage  der 
Pyramide  hat  eine  feste  Orientierung  nach  der  Himmelsricbtimg, 
und  ein  Kanal,  der  schräg  den  Steinkoloß  durchsetzt,  ist  so  ge- 
richtet, daß  zur  Zeit  der  Erbauung  mittags  um  12  Uhr  durch  dieseB 
Biesenfemrohr,  welches  auch  bei  Tage  die  Sterne  scharf  zu  sehen 
erlaubt,  der  Polarstern  nebst  einem  anderen  Fixstern«  der  damals 
kulminierte,  zur  Beobachtung  kam.^  Simroth  hält  die  Pyramide 
für  den  Nuraghen,  wobei  der  Bundbau  in  die  gerade  Linie  über- 
setzt, der  unbehauene  Stein  durch  die  Quader  ersetzt  wird. 

Charakteristisch  ist  die  Expansion  der  einzelnen  Men- 
schenrassen und  Stämme.  Die  Mongolen  dürften  ?on  Nord- 
europa stammen  T7nd  nach  Osten,  die  Indianer  nach  Westen  aus- 
gewichen sein,  letztere  über  eine  damals  noch  vorhandene  nord- 
atlantische Brücke.  Die  Born  an  en  expandieren  über  Europa  hinans 
nach  Süden,  Südost  und  Südwest;  Mittel-  und  Südamerika  sind 
ihre  wichtigste  Domäne.  „Wunderlich  genug  aber  ist  das  gleich- 
zeitige  Erliegen  der  spanischen  Herrschaft  an  iden- 
tischen Punkten,  anf  Cuba  und  den  Philippinen."  Die 
Expansion  der  Germanen  richtete  sich  vornehmlich  nach  Westen 
(Nordamerika)  und  nach  dem  symmetrischen  südlichen  Gürtel,  Afrika 
und  Australien. 

In  den  Bemerkungen  zur  Geologie  kommt  der  Verf.  auf  den 
Einfluß  der  Pendulation  auf  die  Gebirgsbildung,  auf  das  Zn- 
standekommen  des  Vulkanismus,  auf  die  Eiszeiten  und  auf  den 
wahren  Verlauf  der  Pendulation  zu  sprechen,  die  ja  mit  den  anderen 
Schwankungen  der  Erdachse  in  Kombination  treten  muß,  wie  wir 
das  eingangs  unseres  Beferates  angedeutet  haben.  Die  Kombination 
dieser  Bewegungen  ergibt  eine  Schraubenlinie,  deren  Achse  der 
Scbwingungskreis  ist.  Eine  wichtige  Frage  erheischt  ihre  Lösung: 
Was  ist  die  Ursache  der  Pendulation?  Auch  dafür  hat  der 


H.  Simrotlh  Die  Peodalationstheorie^  ang.  t.  T,  F.  Hanausek.    363 

Verf.  eine  allerdings  Terblüffende  Antwort ,  die  übrigens  aber  nach 
neuesten  astronomischen  Arbeiten  im  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt. 
Ich  will  zuerst  roraasschicken,  daß  eine  Art  der  Erklärung  aaf  der 
Eotstehnng  der  WeltkOrper  ans  Spiralnebeln  fnßt;  der  znr  Erde 
werdende  Spiralnebel  stellte  sich  in  unser  Planetensystem  ein  und 
die  Achse  schwankt  noch  zufolge  des  Ausgleiches  zwischen  der  frü- 
heren Richtung  und  der  ihr  jetzt  Ton  der  Sonne  aufgedrungenen. 
Die  Losung  der  obigen  Frage  wird  aber  besser  durch  eine  andere 
ADDthme  gegeben,  da  diese  auch  das  Erdbild  erklärt.  Die  Erde 
hatte  zwei  Monde;  der  eine  funktioniert  noch  als  solcher,  der 
andere  ist  durch  Aufnahme  kosmischer  Masse  (es  können  auch 
mehrere  Monde  gewesen  sein)  gewachsen,  in  seiner  Bewegung  lang- 
samer geworden  und  schließlich  in  die  Erde  hineingestürzt,  er  hat 
sich  wieder  mit  dem  Hauptkörper  vereinigt.  Dieser  große  Fremd- 
körper ist  Afrika,  zum  mindesten  Südafrika,  tauchte  in  die 
dünne  Erdkruste  und  wurde  daselbst  festgehalten;  durch  seine 
Schwere  lenkte  er  die  Botationsachse  aus  ihrer  Bahn,  die  sich 
wieder  aufzurichten  sucht  und  daher  noch  öfters,  aber  mit  immer 
kleinerem  Ausschlage  hin-  und  herpendelt. 

Auch  wenn  man  won  der  Pendulationstheorie  absieht,  so  sind 
die  Ergebnisse  der  Simrothschen  Forschungen  für  die  Biogeographie 
TOQ  hohem  Werte  und  sichern  dem  Werke  in  unserer  naturwissen- 
schaftlichen Literatur  einen  Ehrenplatz. 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanausek. 


Dritte  Abteilung. 

Zur  Didaktik  nnd  Pädagogik. 


Zur  griechischen  and  lateinischen  Lektüre  an 
unserem  Gymnasinm. 

IX. 

Bai  Cäsar  wird  von  Knkala  die  Tsddlongkeit  der  Form  betont, 
aber  mit  Bücksicht  aaf  die  BeschafFenheit  nod  Umgrensiing  des  Inhaltes  Tor 
einer  so  ausgiebigen  Lektttre,  wie  sie  bei  ans  in  der  IV.  Torgeschrieben 
sei,  gewarnt.  Es  geborten,  sagt  E.  sogar,  Cftsars  Schriften,  beaonders  dii 
Bellum  Gaükum,  dank  der  flbertriebenen  Wichtigkeit  nnd  Aosdehnon^t 
die  man  seiner  Lektflre  einrinme,  so  den  nnglflcklichsten  Lesetexten 
unseres  Gjmnasiams.  Arme  Kandidaten,  die  man  durch  0.  Jiger  irre 
führen  ließ!  Sagte  doch  dieser  Verblendete  in  seinen  SeminarTortrft|^n 
(Lehrk.  3.  182)  za  einer  Zeit,  wo  auch  Schani'  Literatorgeschichte  schon 
erschienen  war:  ,,Einen  nnTergleichlichen  Schriftsteller,  recht 
eigentlich  einen  Klassiker  für  diese  Stufe  haben  wir  bekanntlich 
an  C&sars  Buch  vom  gall.  Kriegt,  ja.  er  preist  denjenigen  glücklich,  der 
C&sar  mit  Tertianern  lesen  dürfe.  Es  wird  uns  aber  nicht  genügen,  wenn 
K.  das  etwa  als  sonderbare  Schwärmerei  beseichnet  Er  Tersncht  aller- 
dings eine  Begründung  zu  geben.  Der  Zweck  des  Werkes  sei  ein  rein 
politischer,  der  Stoff  des  ausgesprochenen  Fachwerkes  auf  die  Nieder- 
werfung der  Gallier  in  den  Jahrea  58 — 52  und  aof  d&B  AktenmaUintl 
Ton  Cäsars  OperatioDäkantltfi  Lf  «cbräakt}  daher  rerdiene  die  Frage  wot«^ 
endlich  ernste  Beherzigung  und  Büigfältigste  Prüfuo^,  ob  dienet  Lektft^^ 
ein  Tolles  Jahr  gewidmet  werden  in ü^se.  Die  sorf^fälcigite  PrÜfiiiif  lM«HAl 
darin,  daß  gefragt  wird,  ob  Friedricha  dei  Groüen  Geschichte  dei  lie^' 
jfthrigen  Krieges  aach  einmal  gleicbeo  Zwecken  werde  dienen  mfieftin  oxi 
ob  man  meine,  solche  Werke  bildeten  eine  geei|e[n«te  GrtmdlHgeT  Vit  dtf 
man  kaum  14j&hrigen  KoabeD  Sach-  tind  Sprachunterricht  er  ml  es  «ftU^ 
Er  antwortet  einfach  dariinf  mh  e Intim  „  freimütigen "  Kein  «nA  litJT'^ 
Schans*  Worte  (S.  215):    ^Cäsär  rettete  dicb^)  dq-'  ' 


I 


')  Aus  dem  Zusriminenhiia^e  genommenf  mi 
ders  in  seinen  ersten  Worten  eigentfiinlieb  an;  et 
in  dem  die  Erhaltnni,'  dnrcb  die  Handschriften  bei 


Zar  griech.  utd  lattin.  LekiOre  an  unterem  GymDMxam.  IX.     365 

n  üe  NtniMt  beriber.  Diese  «eilt  ihn  relebe  BewmideniDg;  sie  fa&t 
aber  ueb  die  unsterbKcheB  Produkte  den  Kimben  als  Scbalbnch,  an  dem 
fit  die  grammatisehfln  Regeln  des  Latein  lernen,  in  die  Hand  gedr&ckt 
od  dadaicih  sieh  sebirer  an  dm  großen  Oenios  Tenftodigt;  denn  die 
Werke  Oisan  versiebt  nad  wtrdift  nnr  der  reife  Hann*.  Dieses  kofmpetente 
Orteily  das  jader  Sebahaann  mid  joder  absolflerle  QTmnaeiast  bestätigen 
vflfde,  reebtiarkiga  wohl  dea  Woasch,  Cisaio  ?o11ektare  ans  dem  obligaten 
LiMiteff  des  üntar-  nod  aaeb  des  Obfrg3fnnasinm8  —  in  dem  es  gar  keine 
^Ciftr-^oU-Lektftro*  gibt  —  entfernt  so  sehen;  denn  an  der  sebUebten 
fldiOohait  und  dosn  bistariseben  Werte  gebe  der  Scbtkler  «nahezn'*  fttbllos 
Krtei,  am  bleibe  nur  die  Qnal,  einen  seinen  Qeist  ermüdenden  Autor 
leei  Seaseater  lang  ftberaetien  in  masson,  dessen  Darstelhmgen  bei  Kindern 
leder  gareckte  Wftrdignag  noeh  abariengten  Beüall  aaslasen  können. 

Hat  S.  das  ütteil,  dasfiebaai  mefarere  Seiten  forher  (S.  206)  fiUt, 
sitbt  geiesan:  ^HioBais  ezmMet  dar  Leser,  soodem  stets  folgt  er  mit 
SpsanoBf  dar  Snihkmg?''  Darf  an  fiade  hier  unter  »Leser*  der  BcbtUer 
licht  TeEstiftden  werden?  Oder  ist  dieses  Uiteii  nicht  kompetent?  E. 
Mkeiit  aber  aa  graben,  daß  erat  er  jene  Frage  anfwerfe  and  daß  erst 
Sehini  jeDSi  «komperente*  Urteil  aosgesprocben  habe,  fir  maßte  sieb 
dscfa  aaderaraaita  daifibar  «aadem,  waram  bis  jetrt  aiemaad  in  Deatseb- 
ksd  stts  jeoem  Uitail  Scban'  jene  Konaeqaens  gesogen  bat?  Uro 
tis  JPr.  Aog.  Walf  abaosaban,  der,  wie  Ecketein  hervorbebt,  in  der 
ivaabl  der  ßobriftsteUer  taa  den  easjrklopidiecben  VenrniBgen  seiner 
Zeit  liefat  kn  war,  haben  scboa  l&agat  KAMj  and  Bttstow  eitiftrt,  daß 
Clisia  JLoinaiieDtarien  eigantlieh  iior  «ina  Leii:tfire  fftr  den  fan  affent- 
liflhca  Laben  darcfagaarbeiteten  Maaa,  fftr  den  denkenden  Politiker,  fftr 
4aL  gebadeten  Mflüir  aeiea,  nnd  Oetendorf  bat  aasf&brlieh  die  These 
bogrftadat,  4i9  Lektfln  Cisars  in  Tert»  sei  Tom  pßdagogiseben  and 
didaküicbao  wie  vom  aatioaalen  Staadpnakte  aas  in  fot  werfen.  Da  hörte 
■sa,  daß  Ik  die  Feraflge  der  Ponn  der  Tertianer  keia  Verstdadnis  habe, 
diß  ein  wahrca  Interesse  aas  Inhalt  sber  eist  liAmier  haben  kOnnen. 
Aber  dieaan  aichtigea  Behaaptangea  hat  H.  Perthes  (sar  Bef.  des  lat. 
Daten.,  8.  7BS.)  eine  sa  ansfihiliche  and  ?allig  Überseogende  Wider- 
kfaag  sataii  werden  lassen,  daß  diese  Sache  als  abgetan  betrachtet 
vesden  maß.  £r  hat  aar  allem  betont^  daß  der  Voriag  der  Schrift- 
itsUar  dea  klassisehen  JUteitBBis  ahea  dada  bestelle,  daß  sie  die 
is|«nd  and  la^^leicb  dat  gereifte  Alter  lu  fesseln  T^rrnö^en 
tiftd  daß  ebenso  andere  Autorea  nicht  tum  voUen  Ver^t&tidnb  gebracht 
»«rdxn  kanten,  worauf  &Dct)  Fr.  Alf  U  der  erwihDten  BetpreclmnjEr 
4^  90)  biti«iefl*  Jlit  Eechi  bciii«rkt  ja  d)ster«  aach  dem  ttrnDdfB.t£e 
hlkbe  oas  dberbiapt  eigen  tt  ich  nJeht4jH|m[d^ph  Cbz.  llnffs  iLa^- 
riiDg  über  «Herrn acn  und  Dorotbea" fB^^^^B  fQ*  di«  Berl,  KmU 
im  (Vtrb^  B.  234).  AMet, 
Mknebfi  haben,  würdij^t  cKe^ 
fg«»€bliebto  wird»  wBrdigifi 
laiiehtB  sw«l  Obeln  4«e 
Ciiati,  10 dem  wb  leiis  Wmk 


Wmk 


"^ 


366       Zur  giiecb.  ud  Utcm.  Lektftre  u  i 

indem  wir  ilir  diesen  Autor  Tortethattfii.     Übrifea«  dicat  Cittr  lehoB 
laage  nicht  mehr  blol»  dAsa,  die  grammatiichen  Beteln  n  Icnen. 

DaA  die  Comm.  d.  b.  GmlL  fftr  eine  Jagendlekfelre  n  lehr  be- 
Khrinkt  seien,  kann  doeh  im  Ernste  niemand  behanpten.  Es  sind  eben 
die  Comm.  d.  b.  GslL,  nor  daß  darin  anlSer  von  der  Niederwfaag  der 
Gallier  noeh  Ton  manch  anderem  die  Bede  isL  Bei  DettweOer  (S.  125  f.) 
findet  man  sogar  eine  Ans  wähl  ffir  eine  gansjihrige  LektAre  Ton  4  Wochen- 
staoden  in  III  B,  in  der  die  Kimpfe  mit  Galliern  nicht  berflcksichtigt 
sind.  Oberall  gibt  es  da  eine  FlUle  von  Episoden,  Ersihlangen,  Sehildenmgen» 
die  gerade  den  Quartaner  in  fesseln  TermOgen,  wenn  sie  ihm  nicht  dnreh 
grammatiscba  Exerzitien  gftnsUch  Tcrleidet  werden ').  Wenn  endlich  segsr 
darin  eine  Beschrftnknng  erblickt  wird,  daA  der  Stoff  ans  dem  Akteamateriii 
der  OperatioDSkanslei  geflossen  sei,  wie  man  Termotet,  so  darf  nicbt  yer- 
gessen  werden,  daß  die  Hauptqnelle  eben  Cäsar  selbst  ist.  Danim  ist  j» 
«ttber  die  Schrift  fom  gallischen  Krieg,  dieses  Stttck  Geschichte,  eine  belle 
Heitericeit  ond  einfache  Anmat  ansgegossen,  welche  nicht  minder  einng 
in  der  Literatur  dastehen  wie  Cäsar  in  der  Geschichte*  (MömnueD,  B. 
G.  IIL  616  f.)-  Von  einer  Qoal  oder  Ermadong  der  Schiller  kann  slso, 
wenn  der  SchrifUteller  richtig  behandelt  wird  (Tgl.  0.  Jftger,  Lehrte 
8.  165  f.;  P.  Caner,  Palaestra,  S.  79  f.),  wie  dann  jeder  Schnlmann  aod 
jeder  absolfierte  Gymnasiast  bestätigen  maß,  keine  Bede  sein.  Und  seboD 
gar  nicht  bei  ans  in  Österreich.  Wir  lesen  ja  '/^  Jahre  wOchentÜeb 
3  Standen  (mit  2  Grammatikttanden  kommt  niemand  ans),  V4  ^^ 
wöchentlich  1  Stande  das  Beü,  GäU.,  d.  i.  also  2V,  Wochenstonden  eis 
Jahr  lang;  diesen  stehen  in  Preaßen  s.  B.  mehr  als  6  Wochenstonden, 
also  mehr  als  das  Doppelte  fdr  dieselbe  Schrift  gegenflber.  Kor  gegen 
diese  so  aasgedehnte  Lektfire  sind  in  nenester  Zeit  wieder  Bedenken  Ton 
einer  Seite  erhoben  worden,  welche  bei  der  Lektfire  größere  Bficksicbt 
aof  die  philosophische  Darchbildang  der  Jagend  genommen  wissen 
will,  Tgl.  0.  Weißenfels  im  Handb.,  S.  271  ff.  In  geringerem  umfinge^ 
als  jetit  bei  ans,  kann  das  Bell,  GaU.  nicht  gelesen  werden;  denn  daß 
wir  in  ihm  eine  darch  nichts  in  ersetsende  Jagendschrift  haben, 
kann  nach  allen  Erfahrungen  heate  nicht  besweifelt  werden.  Dabei  wird 
natflrlich  nicht  Terkannt,  daß  C&sar  aas  politischen  Grflnden  für  die 
BOmer  geschrieben  hat.  Treffend  bemerkt  E.  Haemer  (S.  60^  es  müßte 
jemand  ein  Master  Ton  Ungeschicklichkeit  sein,  wenn  er  es  sostinde 
brichte,  diese  Lektfire  langweilig  za  gestalten.  Selbstverständlich  maß 
Cäsar  bei  aos  in  Aaswahl  nach  bestimmten  Gesicbtspankten  gelesen  werden 
(Tgl.  Dettweiler  S.  126,  Anm.  1).  Ganz  Vereinzeltes  aber  aas  Cäsar  mitten 
■Awhch^u  deo  StQcken  andi^rer  Antureji  TOrDtihm«D  in  wolleD,  «äie  Bicbt 
cur  värkäbrt,  Boadern  geiadesn  ein»  \  ersündigiiag  nm  Genins  CAüis  *^*  < 
IQ  atiierer  Jugend. 

K*  trägt  B§m|icii  gar   kein  L^^d^uken»  an  MüU  di^»  v^s 
Nepoi  nnd  des  eb^ngo  ictiwiefJg^J|^^|MU|^Cä«arelii' 

')  Ich  habe  iweiji^"  '^^^^^^^Ähfc  **äß«*»^' 
Partifit]  atieh  BchOhTlofT  _^^^^|[irid#li«r  ' 

du  miQ  Mal  tuittd.  1 


Zu  grieclL  und  latein.  Laktüre  an  unserem  Gymnasium.  IX      367 

Bod  Quarta  ansreiehende  Chreitomathie  ?onnichlagen  mit  einer  «mOg- 
lichit  großen  varietas  rerum'^-  Diese  mflsse  das  Interesse  der  SchtUer  wach 
erhalten,  der  Knabe  mflsse  znm  Bewußtsein  gebracht  werden  kOnnen^  daß 
uch  die  alten  BOmer  Menschen  wie  wir  gewesen  seien,  daß  ihre  sozialen 
Znttlnde,  ihre  Kunst,  die  Entwicklung  ihrer  Literatur,  ihr  Qef&hlsleben 
flbertll  Analogien  und  Zusammenhftnge  mit  unseren  Zeiten  zeige,  daß 
■ich  ihr  Dasein  fielseitig  abspielte.  Da  sollen  wechseln  milit&rische 
Themen,  Darstellungen  aus  dem  Friedensleben,  Stoffe  aus  dem  Öffentlichen 
Getriobe,  auch  Schilderungen  aus  der  hftnslichen  Sphftre  des  antiken 
Lebens,  neben  biographischen  LesestQeken  auch  Beschreibungen  und  Fabeln. 
Aber  beileibe  nicht  etwa  in  systematischer  Gruppierung,  welche  im  großen 
Sache  des  Obergymnasiums  sei,  sondern  ohne  stoffliche  Anordnung  und 
chronologischen  Zusammenhang.  Es  mflßten  bunt  wechseln  C&sar,  Liyius, 
Seneca,  Yelleius,  Floms,  Curtius,  Val.  Maximus,  Plinius  der  Altere,  Am- 
misDus  Marcellinus  u.  a.  —  Plinius  der  Jfingere,  ist  dem  Obergymnasium 
Yorbehalten,  weil  er  dort  eine  LQcke  ausfflilen  muß.  Natürlich  mflssen  die 
Beiträge  adaptiert,  gekürzt,  die  Behandlung  eines  und  desselben 
Gegenstandes  oderiusammen  hängen  der  Dinge  geteilt  werden 
und  ganz  so  wie  in  deutschen  (!)  und  anderen  neusprachlicben 
Lesebflchern  fflr  Unterklassen  dazwischen  Andersartiges 
geschoben  werden;  denn  diese  Lesestflcke  mflßten  in  ihrer  kunst- 
Yoilen  „Unordnung"  wie  farbige  Steine  wirken:  spielend  mit  seiner  regen 
Phantasie  stelle  sie  das  Kind  (!)  tu  bunten  Mosaiken  zusammen,  die 
bleibende  Eindrücke  hinterlassen  werden. 

Gewöhnlich  pflegt  man  das  Fehlen  eines  Systems,  eines  engeren 
geistigen  Bandes  als  Fehler  anzusehen,  hier  wird  das  als  Prinzip  auf- 
gestellt.  Ein  solches  Meisterstück  einer  Chrestomathie  fehlt  uns  noch. 
Allerdings  bemerkt  Fr.  Aly,  daß  kein  erprobter  Schulmann  dieser  Phan- 
taiie  auch  nur  einen  Augenblick  ernsthaft  nachdenken  wird.  Eine  der- 
artige Chrestomathie  konnte  nicht  einmal  dann  ?erwendet  werden,  wenn 
wir  im  Untergymnasiom  nicht  Sprach-,  sondern  Sachunterricht,  und  zwar 
wie  sich  K.  um  vorstellt,  zu  treiben  hätten.  Aber  solch  ein  Sachunterricht 
darf,  so  lange  wir  noch  Autoren  im  Originale  lesen,  nicht  getrieben 
werden.  Daß  die  alten  BOmer  Menschen  wie  wir  waren,  bezweifelt  auch 
kein  Schüler;  daß  aber  ihre  sozialen  Zustände,  Kunst,  Literatur  usw. 
Analogien  mit  uns  zeigen,  ist  für  ihn  leerer  Schall,  solange  er  unsere 
sozialen  Zustände,  Kunst,  Literatur  usw.  nicht  kennt  Doch  wozu  hier 
n^h  weiter  reden?  Es  geoügt  %jx  kanatatieren^  da&  dieser  Vorschlag 
liot  VtrktnnuDg  QQserf^fi  Unterricbtaiitildä  im  Utittrr^jiLiu^t^iiim  bedeutet. 
CbeiflÜillg  ist  ea  aucbi  Nepos  aU  SliliHt<^ü  mit  einiget!  der  oben  erwähnten 
AfiAi^feii  zu  rergi«icheD. 

üodi  «iütge  Betn^lkufigen  über  dia  Lektüre  in  der  IIL,  weil  man 
»  lUliiff  Z«U  wi«der  mehr  darüber  hört.     Düt  Lubrplan  ferlangt  einige 
lAss  Mi  K»i'ci?    '"'^^^    -1      ^ü?r%lil   aus  Curtiui.    Über  diesen  redet  K. 
\l  4  »f  bätte  eB  doch  auch  tun  müssen,  da 

^  >  ejiardi&gs  läßt  «;r  aicb  nicht  so  leicht 
Oiihi  sAgeD,  dafj  dieser  geschickte 


3S8      2ar  giieeb.  wi  latdB.  Lektflre  «b  «ntereiB  QjmxxuamoL  VL 

Naabafamer  des  lifto^  4er  cboMOWonif  Bistoriker  wie  SIepM  i»d  nw 
fiMtor  ist,  sick  doek  «di  Cftr  Tertimaer  eifi«!,  «em  «ie  dorth  Bepoi 
ia  die  IsMaieeke  Lektfl»  eingeftkrt  «nd.  Ali  betoadert  ^fumwoA  eoMen  er 
meaclwB  iBr  deo  Ükergaag  vea  Cii«  ib  hbrim  (Bekelcia,  Let.  ÜBterr^ 
&  2051h  0.  Weißenfeil  erMftrte  iha  «deiit  <H«Bdb.»  6.  274)  eb  ia 
hcrromgendem  Grade  ftr  ScMler  jedee  Altera  geeigaet,  aolMld  «k  dk 
ersten  SdiwierigfceiteB  des  Lateinlemens  abereraBdea  htttea.  Vielfaek 
werden  alao  bei  ona  nebat  Viten  det  Nepoi  ancb  BfcftelEe  mm  dem  eigiaaiee 
Cortiaa  geleian,  esgeailieh  tdkon  eine  Chreatommthie,  daneben  bMUBiaa 
aoab  bei  ans  die  6«rogale  dee  Nepoi  tot. 

Der  Vortcblag,  in  der  III.  Hberitaopt  eine  Chreatomatfaie  an  leien, 
ist  ja  nacb  1849  wiedetbolt  gemacht,  1855  im  Lefarplan  beradniehtigt 
and  erst  1864  wieder  fallen  gehMsen  worden.  Wae  die  neaerten  prenAitchen 
Leiirplftne  ToraehTeibeD,  iat  eben  bemerkt  Alle  diete  Cbreatomathien  aber 
haben  natflriic/h  mit  der  Ca  nichts  aa  tan.  Mag  man  nnn  in  der 
in.  Klasse  des  Ünterg3nnna8iams  den  C.  Nepos  in  Aaswahl,  mag  nsn 
eine  Ghreatomathie  leaen,  jedenfans  kann  es  sieh  in  dieser  Klasse  nur 
am  HisCorieeh-Biograpfaisches  ans  der  Antike  handeln.  Dies  hebt  fMt  ndt 
denselben  Worten  schon  Bonita  herror  in  dieser  Zeitschr.  1858,  8.  ^. 
Er  beipiioht  da  einen  Vorschlag  P.  Biepla,  in  der  ÜI.  Klasse  des  too 
diesem  ffir  zweckmftDig  erachteten  dreiklassigen  Üntergymnasiams  eine 
Ghrestomathia  dceroniana  (wie  die  Ton  Friedmann)  ta  lesen,  welche 
„ BrsfihlvBgen  Ton  bertthmten  i^nriscben  nnd  griechischen  Mftonem  esd 
Völkern,  Beschreibungen  nnd  Betracbtnngen  über  W^  nnd  Katar,  Über 
•Geiat  nnd  Körper  des  Menschen,  Ober  Tagend  nnd  Laster,  Gott  and  Uo- 
sterblichkeit,  Briefe  asw.  enthielte.  «8prach-  nnd  Sachkenntnis*  hatte 
damals  schon  Biepl  geechrieben  „würde  angleich  aaf  eine  ebenso  angeaehme 
und  abwecfaselBde  als  lehrreiche  Welse  Termehrt".  Natürlich  liandelt  ei 
sich  hier  am  einen  dreistofigen  ünterbaa  nnd  am  etwas  Geordnetes  sus 
dem  einen  Cicero,  also  nm  ein  Eiern entarlmeh  für  die  HI.  Nichts  anderes 
als  ein  solches  Elementarbacfa  ans  Kepos,  Gortins  asw.  aar  Einübang  der 
Kasns-  and  8atslehre  will  nan  nach  mdir  als  50  Jahren  wieder  Ant.  Mtl- 
fertheiBer  (Gedanken  and  Vorschlftge  sa  einer  leitgemlßen  Beform  des 
han.  Gymn.,  BrQnn  1906;  rgl  Pftdag.  Zeit  ?om  S8.  NoTember  1906)  fb 
d<e  letate  Klasse  seines  dreistofigen  ünterbaaes  des  Lateiaanterrichtei; 
4enB  die  eigentliche  Lektlire  soll  erst  in  der  IV.  beginnen  i),  weil  sie  is 
der  ni.  dnreh  granmmtieche  ErOrterangen  ao  beeintrftchtigt  werde,  dafi 
sie  nicht  za  ihrem  Rechte  kommen  künne.  Ich  kann  mich  mit  dieseo 
Verschlügen  ebensowenig  einverstanden  erkitren  wie  K.  M(endl),  der  diese 
Schrift  in  anseren  „Mitteilongen  der  Vereine  deatscher  Mittelscfaallebrer* 
IV  1,  8.  12  f.  kara  and  gnt  besprochen  hat.  Erstens  wissen  die  Schfiler 
'ven  der  I.  nnd  II.  her  aoriel  aas  der  Bjntax,  daß  die  Lektüre  des  Nepos 
ohne  besoBdere  Dnochnahme  derselben  mOglicb  ist  (Mendl),  aweitens  kun 


')  Aach  C.  Wanderlieh  (Progr.  des  Gymn.  Teplits-SchOnaa  1901/2) 
wiH  die  grammatische  Vorbildnog  der  Schüler  im  Lateinischen  mit  der 
lU.  ahscbliei^en. 


Zv  giieoh.  QBd  ktain.  LeMre  an  muenni  Gjmnftiioiiu  Uu      809 

bd  ditiar  Loktfln  das  Spraehlicfae»  das  anf  dieser  Stufe  fAr  die  fieblUer 
ndi  iatwinint  iit»  eben  die  giofie  Bolle  spielen,  die  es  da  spielen  mni^, 
drittens  ist  Nepoe  inhaltlich  so  leicht,  daß  man  von  einem  Verloste  des 
ZsMBnienhanges  höchstens  so  viel  nnd  so  wenig  spftrt  wie  bei  jeder 
indem  LeklAre.  Weiter  bedenteft  anf  dieeer  8tnfe  die  Unterbrechung  durch 
Bwhrers^Qrammstikstnnden  im  wesentlichen  nicht  viel  mehr  als  die  dercb 
ose,  dann  ist  der  Nepoe,  dieoee  ,|Wahre  Knabenbach*  (Thiersch),  ffir  den 
SeMkr  anflehend  (Mendl),  endlidi  wftrde  man  die  Schwierigkeiten  der 
«n(M  nsammonhingenden  Lektftre,  die  man  jetst  bei  Nepos  Tcrhlltnis* 
nIAig  leicht  überwindet,  bei  CAsar  schwerer  überwinden  nnd  die  aiemlich 
belsststs  IIL  würde  dnreh  den  grammatischen  Stoff,  den  Malfertheiner 
ihr  soweiat»  nicht  entlastet,  wie  er  es  wftaseht,  sondern  schwer  belastet 
(Mendl);  da  er  nimlich  dem  Lateinnaterriehte  in  der  L  nnd  IL  je  awei 
atonden  entueht,  müAten  dann,  wenn  die  Cisarlaht&re  ftberhaapt  mOglieh 
um  sollte,  die  6  Standen  in  der  IIL  dasselbe  leisten,  wie  jetit  die 
4  Standen  mdorLandlLanddied  +  S  Standen  in  der  IIX.  nnd  I?. 
Nach  dem  Gesagten  ist  ee  klar,  daft  ich  aach  den  anf  der  lotsten 
a-0.  Dirsktoien-Konfeiona  gemachten  Vorschlag,  an  Stelle  des  Nepos 
ttsf  Chrestomathie  ans  Verschiedenen  so  leeen  als  Bdcl^ebr  anf  einen 
gwade  ?on  ans  Otterreichem  flberwandenen  Standpnnkt  ansehen  mnJ^ 
Doch  maü  bemerkt  werdeo,  da0  da  eine  Chrestomathie  aas  wirklieh  guten 
Isieiaisehen  Stilisten  Terlangt,  Cicero  allerdings  als  Schriftsteller  tod 
iveifelhaftem  Bildongswerte  beieichaet  wird.  Man  mochte  gern  die  Aatoren 
kenocD,  die  anßer  CAsar  and  Sallast,  wenn  der  Gnade  finden  sollte,  in 
Betracht  kimen;  denn  Lifias,  der  beibehalten  wird,  trotidem  er  ein 
Yerehrer  Ciceros  war,  soll  erst  in  der  VIL  verstanden  werden  kOnnen.  Die 
Eriooerang  an  die  Geschichte  der  Nepoalektflre  in  anserem  Vaterlande  hfttte 
mische  dieser  Äaßerangen  sorfickhalten  kOnnen.  Fr.  Novotn/  sagt  in 
dieser  Zeitschr.  1881,  S.  211  ff.:  «Es  lassen  sich  wfthrend  der  Tcrflossenen 
90  Jshre,  die  Bei  teils  als  Schfller  teils  als  Lehrer  miterlebt  hat,  im 
gsosen  drei  Abschnitte  in  Hinsicht  auf  die  LateinlektOre  in  der  lU. 
vshmehmen  . . . , .  die  Zeit  des  eigentlichen  Nepoi,  dann  die  Zeit  der 
Suicgate . . .  nnd  endlich  die  Zeit  des  „Tcrbeseerten*  Nepos.  Der  eigent- 
liche Grand  dieser  Sehwankangen  nnd  Versache  liegt . .  darin,  daß  man 

etwa  1855  bei  one  die  hie  dahin  allgemein gebranchten  and  im 

Organisations-Entwarfe  empfohlenen  Vitae  des  C.  Nepoe  aU  anpassend 
ssd  onsweckmiAig  beseichnen  sa  mflssen  glaabte,  so  daß  hiefflr  anfangs 
die  Hisioriae  antiquae,  spftter  aber  gegen  die  Mitte  der  60er  Jahre  die 
MemarMlia  Alex.  3f.  als  Ersati  fast  allgemein  in  Gebranch  kamen. . . 
Die  Neoxeit  sOhnt  sich  allmJUilich  mit  Nepos  wieder  ans  ond  fflhrt  ihn 
uf  den  althergebrachten  Sita  sarüek.  und  daran  tat  man  wahrlich  nnr 
Bedit;  denn  die  Erfahrnng  hat  wohl  nnn  sattsam  gelehrt,  daß  man  eine 
Ar  den  beieichneten  Zweck  entsprechendere  Lel[tflre  nnn  einmal  nicht 
fladet*.  So  war  man  1881  beim  Tcrbesserten  Nepos  angelangt,  bei  dem 
vir  heote  noch  stehen.  Jetst  hat  man  die  Erfahrangen,  Ton  denen  Nof  otn/ 
Hhiieb,  f ergessen  nnd  sehnt  sich,  sie  mit  fthnlichen  Sanogaten  wie  man 
MlMkitft  f.  d.  Srtvr.  Ojau.  ISSS»  lY.  Htfl.  24 


870      Zar  griech.  und  laieiii.  Lektflre  an  uiseram  GjnmuiiiiiL  UL 

feie  seit  1655  ^)  benfttite,  wiedtr  la  machen;  da«  waren  nimlich  entweder 
„Sammlangen  ?on  allerlei  historiaelieD,  mytliologieehen,  moraliechen,  bie- 
graphiMhen  Stacken,  oft  ans  den  mannigfachsten  SchrlffesteUem  mter 
dem  Namen  ton  Chrestomathien  nsammeogelesen  oder  Saramlnngea  voa 
Ueineren  Ganten  ans  ?«rschiedeiien  SdiTiffcstellem  besondeis  mytho- 
logischen oder  historischen  Inhaltes  oder  man  ? ersnehte  es  endHeh  au 
Nepoi,  lostitttts,  Eatrop,  Valer.  Mazimas,  Gisar,  Lifins,  Floras  einen  knnen 
Abrifi  der  alten  Geschichte  xnsammensnstellen*  (Vielhaber).  Damsls  schon 
<1860)  war  man  sa  dem  Besaltat  gekommen:  „Yergleieht  man»  was  bisher 
statt  des  Nepea  geboten  worde,  mit  Nepos  selbst,  so  wird  man  imaer 
wieder  sagen  mflssen,  ftr  die  Bedürfnisse  der  Schale  sei  er  immer  nodi 
besser  als  das,  was  ihn  ersetsen  soll**  nnd  diese  Worte  Yiolhabeis  treffen 
weU  aneh  die  wi  iUiMtreg,  die  Lhomond  for  mehr  als  100  Jshres 
lasanmengestellt  nnd  Holter  18S5  für  devtache  Schalen  bearbeitst  bat 
(vgL  O.  Jiger,  Lehrfc.,  S.  iM)).  Allerdings,  da  auch  bei  ans  ein  Teil  der 
Lehrer  die  Surrogate  dem  Nepos  vonasiehen  geneigt  scheint»  win  ei 
im  Interesse  der  Freihsit  wttnschenswert,  wenn  nnser  Lehiplan  (wie  die 
pveafiisehen  Lebrpliae)  nnr  Hi8toriscfa*Biogr^>bisdies  sa  lesen  vorsehii6b& 

Im  sweiten  Abschnitte  seiner  Darlegungen  spricht  K.  tiber  Cicero 
and  Vergil.  Der  Standpunkt,  den  er  in  der  Benrteilang  Ciceroi  ein- 
nimmt, ist  aber  nicht  mehr  modern.  Seit  mehr  als  15  Jahren  UM  lieh, 
wie  schon  Oben  bemerkt,  „eine  einmütige  StrOmang  in  der  neoeren 
Forschang  Ciceros  Ehrenrettang  angelegen  sein*  (H.  Ziemer),  man  lieht 
jetzt  Cicero  wieder  mit  gani  anderen  Aagen  an  als  ein  Heneehen- 
alter  Torher.  Vergebens  hat  Friedr.  Caaer  (Ciceros  politisches  Denken, 
1903)  dieser  Bewegung  in  der  Wissenschaft  Einhalt  tun  wollen.  Von 
den  modernen  Literarhistorikern  ist  es  M.  Scham,  der  noch  einseitig 
schlecht  aber  Cicero  urteilt  und  „der  gant  offenbar  Ton  der  Farcht  be- 
herrscht wird,  durch  ein  Plus  Ton  Anerkennung  unkritisch  lu  erscheinen, 
und  es  daher  lieber  auf  ein  Minus  ankommen  Iftßt"  (Zielineki,  N.  Jshrb., 
1906,  I,  S.  538).  Aber  man  sieht  bei  Schani,  welche  MQhe  er  hat,  lein 
urteil  aufrecht  su  erhalten.  Nachdem  er  den  Einfluß  Drumanns  ond 
Mommsens  auf  die  Beurteilang  Ciceros  konstatiert  bat  (S.  548),  meint 
er,  man  habe  allen  Grund  diesen  großen  Kennern  des  Altertums  die 
Befähigung  suzutrauen,  fiber  Cicero  das  rechte  Wort  lu  finden,  ds  sie 
UnTergftngliche  Meisterwerke  geschaffen  h&tten,  und  es  ist  ihm  ein  be- 
deutsamss  Moment,  daß  Drumann  und  Mommsen  tibereinstimmten.  Dem 
kann  man  aber  jetzt  ebenfalls  die  Übereinstimmung  der  Urteile  großer 
Kenner  entgegengehalten.  Die  neueren  Darstellungen,  behauptet  Scbaoi 
ganz  einfach,  seien  panegyrisch  und  enthielten  Übertreibungen.  Nqd 
wissen   wir  aber  nicht   erst  fon  Cicero   her^   daß  bei  Mommsen  nnd 


^)  In  dieser  Zeitschr.  1855,  S.  195  bemerkt  L.  Jnsit:  »Daß  C.  Nepos 
fflr  die  III.  Klasse  ganz  passend  sei,  wird  wohl  niemand  in  Abrede  stelleo. 
damit  aber  einem  möglichen  Überdrosse  ....  Torgebeui?t  werde,  bat  die 
hohe  ScfaulbehOrde  in  einem  jftngsten  Erlasse  eine  passende  Chrestomathie 
aus  leichteren  Historikern  zur  Sebenlektflre  empfshleo"« 


»In  M.  T.  C  gipfelt  die  Ent« 
wieklaagdetrOmiicheiiKanetp 
p  r  0  ■  a,  obwohl  wir  Bclion  onter  Minen 
ZeitgenoMon  gante  Sehriftateller- 
Uaseen  kennen,  die  deh  mehr  oder 
weniger  (!)  bewufit,  wie  i.  B.  aoeh 
C&iar,  Ton  ihm  abgekehrt,  ja 
■eine  literarische  Bedentang  effen 
bekämpft  haben. 


Zar  grieeh.  und  latcin.  Lekt&re  an  oneerem  Q/mnaeiam.  XZ.      371 

üniDian  einseitige  Urteile  in  finden  find»  and  in  jenen  neueren  Dar* 
itdlaogen  über  Cicero  ist  der  Beweis  erbracht,  dafi  heate  ton  ihm  nicht 
nefar  das  gelten  kann,  wodurch  jene  groiton  Gelehrten  solange  die  Meinaog 
bshenschten.  Die  Wissenschaft  schreitet  eben  fort  and  wollten  wir  onseren 
Uhrplan  mit  dem  Fortschritte  der  philologischen  Wissenschaft  in  diesem 
Punkts  TOllig  in  Einklang  bringen,  so  mtlfitsn  wir  die  Cicerolektflre  an 
oBserem  Gymnasiom  erweitern. 

um  so  sonderbarer  ist  es,  daß  sich  Eaknla  heate  noch  in  der  Be- 
■tdlng  Cioetos  an  Scham  hilt  and  die  Danteilnngen  Ed.  Nordens  and 
Lsoi  Bsr  besfttit»  wb  eine  der  Absicht  dieser  Forseher  gerade  entgegen- 
IsMtste  Wizknng  in  eiaifllen.  VeigleidieB  wir  lanlchst  mit  dem  Eingange 
üt  fiterar^histoijscbsn  Wirdigong  Ciceros  bei  Leo  (Koltor  1 8,  S.  382  f.) 
4ie  Wofte»  mit  denen  K.  Aber  Cicero  in  reden  beginnt: 
Leo:  E.: 

.Während  ...,  gipfelt  in  M. 
T.  Cicero  die  Entwicklang,  die 
der  römische  Geist  aaf  literari- 
Bcben  Wegen  and  in  der  knnetp 
■JUtigen  GesUltnng  seiner  Sprache 
tmenmien  hat  Cäsar  selbst 
nannte  ihn  in  seinem  Bache  Aber 
die  Isteiaische  Sprache  den  Führer 
lad  Entdecker  anf  diesem  Gebiet; 
ditZeitgenoisen  sahen  in  ihm 
ifsr  nicht»  wie  er  gewflnscht  hätte, 
iär poUtischas,  aber  ihr  geistiges 
Oberhanpt  nnd  nmgaben  ihn 
mit  einer  Yerehrnng»  die  den 
getebeiterten  Staatsmann  in  der 
letsten  Katastrophe  der  Bepablik  an 
die  Spitse  des  Senates  rief.  In  den 
nkbsten  eeneratfoneii  war  seine 
litecarische  Bedentang  bettritten, 
tber  et  wirkt«  nnmiltelbar  fort 
Bad rangnieh durch;  etwaandert- 
bslb  Jahrhonderte  nach  seinem  Tode 
begann  er  dio  Schale  in  beherr> 
sehen  and  wnr  von  da  an  das  Hanpt 
der  lAmiKheo  Bildnng  nnd  ihrer 
Piepagnnda.  Duck  die  Benaissance 
vnrde  er  wieder  eine  Macht  and 
blieb  es  aof  allen  Gebieten  der 
eorepäisehen  Enitar  von  der 
BehalebiesadenParlamenten. 
Kein  Zeitalter  hat  seine  Schwächen 
Terkannt,  so  wenig  es  sein  eigenes 
Zeltalter  tat ;  am  schärfsten  erkannten 

24* 


Trotsdem  wirkte  er  fort  and 
rang  sich  alsbald  sar  Herrschaft 
Aber  die  Sehale  nnd  damit  za 
einer  diktatorischen  Macht  hin- 
dnrch  (!),  die  wir  dnrchs  gante 
Mittelalter  nnd  dnrch  die  Keaseit 
aaf  allen  Gebieten  enropäi- 
scher  Kaitor,  ?on  der  Scholz 
bank  bis  in  die  Parlamente  and 
anf  die  Kanseln  der  Kirche  sa  Tcr- 
folgen  imstande  sind. 


372      Znt  griaeh.  o&d  latein.  Lektflie  «n  noMrem  OTmaMiom.  IX. 

lie  einige  von  denen,  die  ihn  am 
enteehiedenifeen  rar  Geltung  bnehten 
wie  Petimre».  Aber  eoiange  man  die 
Alten  Im,  nm  ein  peraOnliehee  Ver* 
hiltsii  ra  ihnen  la  gewinnen  und 
in  pflegen,  ..hob  der  Eindrnek 
des  GeBamtbildei ...  über  An- 

itol^  nnd  Bedenken  fort 

Erst  im  XIX.  Jahrhandert, 
ala  die  hiitoritohe  Foriohnng 
die  Teilnng  der  philologiachea 
Arbeit  herbeiftfarte,  wurde  f&r  den 
eintelnen  dai  einielne  mm 
bloßen  MateriaL  Nun  iah  der 
Hiatorikor  der  poUtliehen  Geeehiehte 
nur  den  Staatemann  Gieero  und  fand 
es  nnertrAglieh,  daft  ein  politieoher 
Sehwiehling  die  Wege  Ciean 
kreuste:  der  Hiitoriker  der  Philo- 
•ophie  nor  den  Philoeophen,  der 
seine  Vorlagen  miAveratand; 
der  Interpret  nur  den  Advokaten, 
der  es  mit  der  Wahrheit  nieht 
genau  nahm;  und  die  vertrauten 
Briefe  an  den  Freund  bewiesen  die 
Haltlosigkeit  einer  sehwan- 
kenden Seele.  Seitdem  hat  die 
V  e  r  wu  n  d  e  n  d  e,  wie  es  in  derWissen- 
schaft  die  Regel  ist,  b e gönn e n  sich 
an  ihr  Geschäft  der  Heilung  su 
machen  and  das  Bild  des  Ganiea 
wieder hersustellen.  Wir  haben  ge- 
lernt, was  wenigstens  die  Engländer 
nie  beiweifelt  haben,  da0  auch  der 
Staatsmann  paktieren  darf;  wir  sehen, 
da&  Drumann  mit  Giceros 
intimer  Eorrespondeni  einen 
sohnOdenMißbrauchgetrieben 
hat  Wir  feistehen,  daä  die  philo« 
Bophischen  und  rhetorischen  Schriften 


Erst  das  XIX  Jahrhundert 
ftellte  dcfa  Gioero  kfthler  gegeaflber: 
dank  nnaenr  gelehrten  Fondmig 
finden  wir  in  Um  nieht  mehr  des 
Idealbild  männlioher  Wflrde,  eonden 
erkannten  ihn  aus  seinen  Staatstedas 


als  Schwächling, 

aus  seinen  philoeophiadMn  Sdnifkae 

ala  Kompilator*^)  (?gL  SAbbs, 

8.  848) 

«aus  seinen  Plaidoyen  ala  AdTO- 

katen«  (vgl.  Schani,  8. 884),  «der 

es  mit  Wahr heit  nnd  KonseqoeBi 

nicht  genau  nahm,  aus  isiieB 

Briefen    als    einen    Mann   mit 

wankelmütiger     Saale*     (TgL 

Schani,  S.  804). 


»Wir  haben  freilich  nicht  minder 
gelernt,  mit  Urins  bei  Sen.  nsi. 
6,  22  ^virtuiibui  viHa  petwmUi' 
Ton  diesen  irdischen  Schwächea  sb- 
susehen,  dem  unglfieklichen,  reiek 
begabten  Menschen,  der  sich  sekvl- 
eher  erwies  als  sein  polit.  Wollen  «sd 
Können  (!)  >)  unser  rolles  histor.,  lite- 
rarisches, psychologisches  IntsrsNe 


*)  „Wer  Cicero  hier  (in  den  philosophischen  Schriften)  nnselbstisdig 
schilt,  wiederholt  entweder  Terständnisfos  eine  von  auäen  sageflogene 
Phrase  oder  er  Tcrkennt  den  Unterschied  swischen  der  bloäen  Selbständig- 
keit und  der  schöpferischen  Kraft**  (Zielinski,  Gieero  i.  Wandel  d.  J.,  a21). 

■)  Soll  das  etwa  dasselbe  besagen  wie  Leos  Worte  (a  SSS):  »Ds^ 
er  seine  Taten  aberscbätite  und  an  seiner  Kraft  meist  ▼enweifelte,  eh« 
er  sie  erprobt  hatte"? 


Zu  grieeb.  md  lateiiu  Lektttrt  an  iiiiiamii  GjmnaaiQtD.  IX.      373 


fdemtikeoPnMa»  ratQwoideB,  und  je  mehr  feine 

knit  alt  Kinelwerke  Tentaaden,  ethieehe  Wertmig  lank,  desto 

dift  die  liteimrieehe  Bedevtang  der  objektifer  leine  Beden  und  Sehriften 

Bede  gewürdigt  werden  mnft;  wir  naeh  ihrer   formellen   Seite   als 

Twstohen,  was  es  bedeutet»  der  Voll*  Knnstwerke  von  gaat  beispielloser 

esder  der  Spiaeke  seines  Volkes  in  Wirkung  in  würdigen  :*  wir  ferstdien, 

MB,  ainsa  Volkes,  das  mit  seiner  was  es  bedentet ....  knltiTiert  hat' 

Spnche  die  westliehe  Welt  knltifieit  (Leo,  E.  I  8,  8. 883)». 

kaf .  (Alle  diese  Stellen  sehUeften  nnmit- 

telbar  aneinander  an.) 

Bei  Leo  also  der  Standpunkt,  den  die  moderne  phüologisch-histo- 
riiche  Wissenichafl  einnimmt,  bei  K.  ein  Zerrbild  der  Worte  Leos;  denn 
WM  sieht  stimmt,  ist  nicht  in  billigen.  Wenn  das  eine  Polemik  gegen 
Leo  lein  soll,  der  ja  am  Schiasse  wOrtlich  angeführt  wird,  dann  ist  sie 
Ulglieh  ausgefallen.  Wie  C&sar  über  den  Schriftsteller  Cicero  georteilt 
hit,  seigt  anch  die  fon  Norden  (Knnstpr.,  8.  209)  angefahrte  Stelle  aas 
Pünios  Eist  nat  VII  117:  *8älve  primus  omnium  parens  patriae 
appeUate  (Cicero),  primus  in  toga  triumphum  linguaeque  lauream 
merite  et  faeundiae  Latiarumque  litterarum  parens  atque,  ut  dictator 
(kesar  hosiis  quandam  tuus  de  te  scripsit,  omnium  triumphorum  laurea 
maior.  quanto  plus  est  ingenii  Somani  terminos  in  tantum  promovisse 
qmm  imperii^.  Da0  C&sar  die  Art  Gieeros  ansympathisch  war,  mag 
Bia  ?ermaten  (Norden,  S.  209),  Wie  sich  die  Zeitgenossen  gegen 
lletro  verhielten,  steht  bei  Leo.  Was  bedeatete  aber  die  Abkehr  oder 
B«kimpfang  der  ,»ganien  Schriffcstellerklassen'*  (das  sollen  wohl  die 
rhetores  latini  and  die  Attikisten  sein)  anter  den  Zeitgenossen?  Von 
dieMB  sagt  doch  aach  Ed.  Norden  (Ennstpr.,  S.  213)  mit  Becht,  nar 
veaige  bitten  ihn,  der  als  «KOnig  in  den  Gerichten"  gepriesen  wurde, 
in  tesdeniiOser  Weise  tn  Terkleinem  gewagt.  Darchs  ganse  Hittelalter 
können  wir  die  diktatorische  Macht  Ciceros  nicht  ▼erfolgen,  erst  darch 
die  Benaissance  wurde  er  eben  wieder  eine  Macht;  denn  im  Mittelalter 
vnrde  er  .mehr  gepriesen  als  gelesen,  die  Lektttre  seiner  Werke  schrampfte 
eia*  (Sehajis),  wenn  er  auch  in  der  Zeit  selbst  die  „inkarnierte  Bered- 
simkeit*  blieb,  «als  man  seine  Beden  kaom  mehr  las  nnd  einen  Stil  schrieb, 
den  der  Oefeierte  selbst  nicht  mehr  verstanden  hfttte"  (Norden).  Dann 
jenes:  «Dank  unserer  gelehrten  Forschung  finden  wir",  wo  „wir"  wegen 
des  Torausgehenden  «unser"  soviel  wie  «man"  bedeuten  mnl^!  Wir,  d.  h. 
man  findet  beute,  was  eben  bei  Leo  steht  Ciceros  ethische  Wertung 
i«l  nicht  gesnakea,  sondern  gestiegen,  weil  man  doch  «den  schnöden 
ICftbiaash"  Oramanns  erkannt  hat    Daß  man  endlieh  Ciceros  Sehriften 


^)  Wie  Norden  die  Stelle  litiert,  soll  C&sar  den  Cicero  apostrophiert 
biben  mit  den  Worten:  omnium  tr.  lauream  adept%u  es  maiorem^  guanto 
plfu  est..,.  imperU;  darin  findet  Norden  eine  leise  Ironie.  Die  Worte 
9MHito . . .  unperü  gehören  aber  doch  dem  Plinios  und  in  der  Apostrophe 
omhimi  tr.  lamrea  wuUar  hat  der  Alters  Plinius  wenigstens  keine  Ironie 
gefanden. 


374      Zar  grieeb.  and  UteiD.  Lekt&re  an  «oserem  GTamanom.  IX. 

Biebt  nor  oMh  ihrer  formellen  Seite  ftli  Knnetweike  n  iHbdigeo 
gelernt  bat,  seigt  wieder  Leo  durch  dae,  was  er  tos  den  Werken 
«Aber  den  Bedner^  «über  den  Staat**  oder  von  dem  L  Bneh  der  Tnskn- 
laviscben  Oeepriebe  (S.  335  f.)  sagt.  K.  encht  nni  einen  Teralteten  Stand- 
punkt all  modern  anfsoreden  nnd  will  Ton  dem  heutigen  niehti  winen; 
denn  Leoe  Daretellnng  kennt  er,  wenn  ei  ihm  anck  entgangen  sein 
loUte,  daß  Wilamowiti  eben  Cicero  im  Mittelponkte  dee  Latein- 
nnterricbtet  in  sehen  wfinacht  Birt  bemerkt  in  einer  BeBpnchanK 
des  ansgeseiebneten  Vortrages  Zielinskis  »Cicero  im  Wandel  der  Jahr- 
handerte*'  (Tgl.  Lehrpr.  a.  L.  75  [1903],  8.  84),  längst  abgebranchte 
Phrasen  über  Cicero  seien  dnrcb  Zielinski  außer  Kars  gesetit.  Hier  bei 
K.  begegnen  sie  leider  wieder,  und  nun  gar,  was  über  Cicero  in  der 
Schale  an  das  urteil  Leos  angeschlossen  wird !  „Wir  sollten  doch",  ssgt 
K.,  „die  Ffthigkeit  sa  so  abgeklärter  Distinktion  and  so  reifem  urteile 
nicht  schon  bei  unseren  Sextanern  nnd  Septimanem  Toranssetzen"  — 
daram  sollen  sie  ihn  nach  seinem  später  su  würdigenden  Vorachltg  um 
6  Wochen  weniger  genießen  —  „und  heutzutage,  da  der  Kaltas  der 
lateinischen  Bede  als  solcher  mit  Tollem  Rechte  gegenüber  der  Pflege 
der  Mattersprache  und  eigenen  i)  Nationalliteratar  in  den  Hintergrund 
getreten  ist,  Cicero  überhaupt  dem  Bereiche  unreifer  Septimaner- 
urteile  tunlichst  entrücken.  Sein  nachdrückliches  Stadium 
gehört  in  die  philologischen  Hürsäle  und  Seminarien  der 
TJniTersität,  nicht  mehr  in  die  Mittelschule.*'  Soll  am  Ende  das 
urteil  gewisser  Schüler  über  Cicero  su  fürchten  sein?  „Das  Sekundaner- 
urteil  sollte  in  der  Diskussion  über  den  Schatten  Ciceros  minder  hOrbar 
sein**,  sagt  allerdings  Leo  (S.  389).  Wenn  aber  K.  etwa  darauf  anspielen 
wollte,  so  müßte  man  sagen,  daß  er  mißTerstanden  bat,  wss  Leo  mit 
dem  Sekundanerarteil  meint  „Der  Name  Cicero  ist  in  aller  Munde;  und 
so  klein  das  Häuflein  derer  ist,  die  ihn  ans  eigener  Anschanang  kennen. 
so  sahireich  sind  jene,  die  ihn  zu  kennen  vermeinen.  Dieses  Termeintlicbe 
Wissen  aber  ist  weit  ftrger  als  TOUige  Unwissenheit'  (Zielinski,  Cicero 
i.  W.,  S.  3).  Wir  brauchen  nicht  zu  fürchten,  daß  die  Schüler  Cicero 
falsch  beurteilen,  wenn  wir  uns  nur  selbst  bemühen,  ihn  richtig  zn  be- 
urteilen, d.  h.  ihn  kennen  zu  lernen.  Daß  wir  aber  Cicero  dem  Bereicbe 
unreifer  Urteile  aus  dem  Grande  „tanlichBt<*  entrücken  sollten,  weil  der 
Koitus  der  lateinischen  Bede  als  solcher  in  den  Hintergrund  getreten 
sei,  will  mir  schon  gar  nicht  einleuchten.  Vor  unreifen  Urteilen  ist  Cicero 
nirgends  sicher. 

Gegen  Cicero  in  der  iScbule  spricht  nach  K.,  abgesehen  foa  der 
Schwierigkeit,  ihn  ganz  zu  feistehen  und  auf  Grund  dieses  Verstäadnissei 
zu  genießen,  noch  Tiel  dringender  ein  anderer  Umstand,  nämlich  «die 
Wortfülle ,  von  der  sich  Cicero  nie  losmachen  konnte**  (Schanz,  S.  285). 


*)  Aufklärung  für  diese  Ausdmcksweite  gibt  Schanz,  bei  dem  (8.848) 
za  lesen  ist :  „Heutsutage,  wo  der  Koitus  der  lateinischen  Bede  gegcatiber 
den  entwickelten  Nationalliteraturen  in  den  Hintergrund  getreten 
ist,  muß  Cicero  als  eine  gefallene  GrOße  angesehen  werden**. 


Zur  grieeh.  und  latein.  Lektflr«  an  imserem  QjmnMiaBi.  IX.     37& 

£Btwed6r  bftlt  man  sieh  aa  Leo  und  Norden  oder  an  Sohani,  am  beetes 
aUerdingf  an  Cieero.  Wer  naeh  den  Darlegingen  Nordeni  and  Leoi  in 
Gieefo  den  Vollender  der  lateiniedien  Sprache  sieht  nnd  in  seinen  Beden 
Bod  Sehriften  Knnftwerke  von  heiipielloser  Wirkung  naeh  ihrer  formellen 
Sstte  anerkennt,  der  darf  Cioero  nicht  wieder  mit  Scham  den  von  Norden 
(S.  218  ff.)  gründlich  lurflckgewieaenen  Vormirf  des  Aeianismos  machen^ 
Wer  wollte  nicht  ngoben,  daß  „in  den  Beden,  die  Cicero  anf  der 
Höhe  dos  KOnneae  Migen,  eine  itarke  rednerische  Ansachmflcknng  eines 
Sattes  nie  einem  hanalen  Gedanken  gilt,  daß  sich  fielmehr  nach  darin 
Mine  Ennst  loigt,  wenn  er  Lieht  nnd  Schatten  in  so  meisterhafter  Weise 
M  Terteiktt  weift,  daß  das  Game  sich  sn  einem  farbenprichtigen  Gemilde 
gestaltet«  (Norden,  8.  216).  Cieero  hat  eben  gerade  die  Wortf&Ue,  die 
ika  den  BOmem  als  größten  KOnstler  erscheinen  ließ,  welcher  die  Mitte 
hielt  iwischen  allen  Eitremen.  Wer  Ciceros  Stil  vom  deutschen  Sprach- 
geiite  ans  benrteilt,  mit  dem  kann  man  ▼emftnftigerweise  nicht  reden. 
Cieero,  erklärt  K.,  sei  durch  Nachahmer  wie  Wieland  und  Lessing  unser 
StUbildner  geworden,  „mit  seinen  überladenen  Perioden  aber,  in  denen 
mehr  auf  den  Glani  als  anf  den  Sinn  gesehen  wird  und  die  Worte  oft 
ovr  Äußerlicher  Abrundung  dienen,  mit  seiner  H&ufuDg  Ton  Figuren, 
leneD  Sata^rhythmus,  der  allm&hlich  sum  wichtigsten  Kriterium  guten 
8kili  erhoben  wurde,  und  all  dem  echt  romanischen  Prunk  seiner  Bede 
mde  er  logleich  unser  Stilferderber*,  fährt  er  dann  fort  Er  hat  iwar 
behauptet,  wir  hätten,  also  auch  er  hätte  gelernt  „objektiv  lu  wttrdigen'', 
tr  yerttehe  mit  Leo,  was  es  bedeute  usw.,  aber  aus  dem,  was  er  da  sagt, 
geht  herfor,  daß  er  das  nicht  gelernt  hat  und  nicht  Tersteht 

Die  Auswüchse,  in  denen  ein  schlecht  geübter  Ciceronianismua 
geführt  habe,  künne  der  deutsche  Stil  B.  G.  Niebnhrs  zeigen.  Und  K. 
ftkrt  einen  Sati  aus  dem  »Brief  an  einen  jungen  Philologen*  an^  so  dem 
tise  Periode  aus  pro  lege  Man,  I  2  das  lateinische  (Gegenstück  bilde. 
Aach  Stnrra  mßge  man  bei  dieser  Gelegenheit  den  Schülern  nennen,  der 
die  Kunst  des  lateinischen  Periodenbaues  in  seine  Muttersprache  über* 
tngen  in  sehen  wümchte.  Er,  K.,  kOnne  schließlich  das  Geatändnis  nicht 
ODterdrücken,  daß  diejenigen  Beden  und  philosophischen  Schriften  Ciceros, 
die  mit  Vorliebe  am  Gymnaeium  gelesen  würden  {de  imp.  Cn.  Pomp.,  in 
Catü.  —  eine  dieser  Beden  empfiehlt  er  selbst  — ,  pro  Ärchia;  Cato 
Motor,  Laelku),  für  unsere  Jugendbildnng  wenig  Wert  beiitsen  nnd  als 
Produkte  eines  um  Tüllig  entfremdeten,  mit  Becht  perhorrestSorten  Stil- 
ond  Kunstgeschmackes  ihre  Berechtigung  im  öffentlichen  Unterrichte  der 
Mittelschule  inm  grüßten  Teile  eingebüßt  haben.  „Kumt,  nicht  Kün- 
stelei", ruft  er  hier  wieder  wie  in  dieser  Zeitschr.  1905,  S.  820,  ^ifft  uTtters 
Ptrole,  Tatsachen  verlangen  wir,  nicht  Phrasen  nnd  in  der  Scha\&  wie 
im  Leben  dürsten  wir  nach  solider,  glaubhafter  Natürlichkeit,  naeb  form- 
▼oUeadeten  Beichtum  des  Inhaltes,  nicht  bloß  nach  gleißendem  Prook 
dei  Gewaados".  Auch  wir.  Und  darum  lesen  wir  Cicero  eben  wegen 
des  leiehen  Inhaltes,  der  in  Tollendeter  Form  geboten  wird.  T 
Cieero  «entwickelte  sich  sum  soureränen  Künstler,  der  eine 
hOchiten    Anforderungen    aller  Kunst,   Licht  und  Schatten   riebt 


g76     Zur  griaeb.  und  Ifttoin.  LekMra  aa  anterem  GTiiuatioin.  IX. 

r^USltn  und  gemde  die  grellen,  auf  die  Geftfalnierreii  beaondfln  ttuk 
wirkenden  Farben  nur  spart  am  aaiowendeii,  mit  foUendeter  Meiiter- 
icbafk  erfttUt",  er  bat  ferner  «sein  Naturell  gebindigt . . .  nidit,  indem  er 
lieh  dem  lebentlosen,  •obolaetiiehen  Attidemnt  in  die  Arne  «arf»  lendem 
indem  er  die  genialen  Kfthnbeiten  seines  feurigen  Tempexnmentee  dnch 
die  strenge  FormensebOnheit,  die  er  Tor  allen  an  Demoetbenes  studierte 
ned  durch  die  unit erselle  hellenieehe  Bildung  Teredelte  und  alles  fu  einem 
banDoniscben  Qanien  terband.  Gerade  durch  dieee  Mbetraebt  ist  er 
der  Bedner  geworden,  der  besser  als  die  anderen  gebracht  hat  nicht 
bloß,  was  seine  eigene  Zeit  sncbte,  sondern  aach,  was  bei  den  strengea 
Eunstriditem  der  folgenden  Generationen  Begeistening  herronrief;  und 
was  die  Probe  auf  die  Ewigkeit  so  gewift  bestehen  wird«  als  der  nach* 
empfindende  Sinn  für  großartige  Formenschßnbeit  der  Sprache  nie  ans- 
sterben  wird  —'^  (Nbrdeu,  S.  288  f.).  Daß  die  Perioden  des  Redners  nsch 
lateinischem  Sprachgeiste  überladen  sind,  hat  K.  gegen  Norden  eiil 
SU  beweisen.  Hag  aber  einst  Cicero  ron  einigen  so  gekannt  worden  sho, 
daß  er  Einfluß  nahm  auf  ihr  Deutsch  und  so  ihren  Stil  Terdarb,  wer 
spricht  heute  Ton  diesen  Zeiten,  die  Ißngst  Tergangen  sind?  If^e  ksan 
Cicero  bei  der  insbesondere  an  unserem  Gymnasium  so  beeehrlakteD 
LektOre  eines  Scbfilers  Stil  Terderben?  Mag  also  der  Stil  Niebubis  and 
anderer  unter  dem  Ciceronianismus  gelitten  haben  i),  mag  die  Ton  K.  ab 
Beispiel  angefflhrte  Periode  dieses  Gelehrten  schlecht  sdn,  ist  dsmit  am 
Ende  gar  etwas  gegen  die  Periode  in  der  Fcnnpeiana  gesagt?  Das  wire 
allerdings  ein  gUaiendee  Zeichen  tiefen  Eindiingens  in  den  Geist  der 
lateinischen  Sprache,  wenn  wir  Ciceros  Perioden  Terbesserungsbedflrftig 
fftnden,  weil  sie  sich  Ton  unseren  unterscheiden! 

Die  Ton  K.  angeffthrten  Schriften,  welche  besonders  hinfig  tob 
den  Lehrern  vorgeschlagen  werden»  scheinen  diesen  eben  beeonderea  Werk 
zu  besitsen.  Welchen  Wert  sie  haben,  ist  oft  genug  geseigt  worden;  war 
aber  diesen  Wert  leugnet,  muß  Gründe  für  dieses  absprechende  üitifl 
anführen,  denn  auch  andere  Terlangen  Tatsachen,  nidit  Phrasen.  ObiigiBi 
ist  es  doch  ein  Irrtum  su  glauben,  Ciceros  Wert  fttr  die  JugendbUdos^ 
liege  bloß  in  der  Form.  Selbstrerst&ndlicb  richtet  sich  die  Auswahl  aaeh 
dem  Inhalte.  «Wir  kennen  alle  noch  die  Zeit",  sagt  H.  Ziemer  (Jabrb. 
1888,  VI  80),  „wo  es  lum  guten  Ton  gehörte,  Cicero  als  Charakter  wie 
als  Schriftsteller  herabsusctsen,  ihn  als  eitlen  Menschen,  übeipathetiscbea 
Rhetor  sn  beieichnen.  Die  Schriften  Ton  Aly  (Denerling),  Schneidewin, 
O.  Weißenfels  und  Zielinski  lassen  es  unsweifelhalt,  daß  Cicero  einer  der 
▼ielseitigsten  und   wirksamsten  Schxiffesteller  ist,  dessen  Gedanken 


0  Erscheint  er  wirklich  Tiel  schlechter  als  der  Stil  mancher  in  der 
Gegenwart  mit  dem  immer  wiederkehrenden,  gewöhnlich  noch  scblacbt 
angewendeten  »gans  and  ?oll,  mehr  oder  weniger,  im  einseinen  und  im 
gansen,  außen  und  innen,  kann  und  soll,  darf  und  muß,  entbehrlieh  ssd 
ttberflOssig  usw.*,  Wörtern  wie  „allenthalben,  nachgerade,  tielbewoßtr 
henhaft,  treffsicher  usw.'*,  die  durch  fortwfthrende  Wiederholung  so  liiüg 
werden,  mit  den  geschmacklosen  Bildern  und  Übertreibungen,  mit  den 
sablreicben  Fremdwörtern,  uoi  ?on  Periodenbildung  and  logischem  Zo- 
sammenhange  su  echwcigen. 


Huidbibliotheken  fflr  Mittelacliftler.  377 

«■es  Kftt«ebisfli«t  der  «ntiken  Hauftnitit  dAntellen.  und  wenn 
ff  tMh  die  SelniUateia  niekt  mehr  als  aoüehlieftUehee  Vorbild  bebenreebti 
van  MMb  aein  Stil  niebt  mebr  wie  Mber  in  Komposition  and  Imitation 
mltet,  10  dxingt  man  nm  so  mebr  auf  Bffbfinnir  ^o*  Inbaltei  der 
Sehriftoi  dieeee  Typne  antiker  Bildnng''.  Inibeeondera  der  Vortrag  Fr. 
Alj!  .Über  die  Bedentong  Cieeroe  fflr  dae  bnmaniitiBdie  Gymnaeinm*, 
d«MB  Erwibanng  bei  K.  mit  Beebt  Ton  AJty  rermiftt  wird,  nnd  die  daran 
KUi«ft6nde  Debatte  in  Marbnrg  am  84.  Mai  1904  (Hnm.  Gymn.  1904, 
8. 189  ir.)  haben  die  Bedentnng  der  Schriften  Cieeroe  für  die  Sehnle  eben 
eigen  ibree  Inbaltee  ine  bellete  Lieht  geeetit.  Hier  wnrde  ron  allen 
Sdtea  betont,  daft  Giceio  anter  allen  lateinieeben  Antoren  die  Sebfller 
im  Tieleeitigeten  m  beeeh&ftigen  rermOge  nnd  die  bette  Qelegenbeit 
gebe,  sie  mit  dem  rOmiseben  Leben  nnd  einem  ansebnlieben  Teile  des 
gDeebiteben  Altertnme  bekannt  an  maebeni  ja,  daft  er  Tonttglieb  geeignet 
iii,  in  dae  geschiebtliehe  nnd  pelitisebe  Veretindnii  flberbanpt  einsnfllbren. 
«Dm  gaase  rOmieohe  Leben  seiner  Zeit*,  heiftt  ee  treffend  aneh  in  dem 
Bsehe  der  Homeffer  (Dae  klass.  Ideal,  8.  96),  «geht  an  den  Angen  des 
Lesen  (Cieeroe)  rorllber,  Krieg  Frieden,  Haaptetadt  Profinsen,  Ganner 
ekrliehe  Lente,  Charaktere  Schicksale,  b&asliehes  Öffentliches,  Beise- 
Beamtenleben,  allee  scharf  charakterisiert,  lenchtend  dargestellt*.  Daft 
bd  Cicero  hente  «dae  sachliche  Interesse  obenan  steht*  (Kflbler),  ist 
uMtalich  nnd  jeder,  der  dae  Latein  um  des  «wirklich  Realen*  willen 
getrieben  haben  will,  wie  s.  B.  aneh  K.,  mnft  gerade  diesen  Autor  pflegen. 
(Fortsetiang  folgt.) 
Wien.  Dr.  Friedrieb  Ladek. 


Handbibliotheken  für  Mittelschüler. 

Die  Seblklerbibliotheken  bieten  oneerer  Jogend  reichliche  Gelegen* 
keil,  ihr  Wiesen  in  Tcrtiefen  and  ihren  geietigen  Horisont  an  erweitem. 
Wir  all%  sieht  am  wenigsten  die  Lehrer  des  Dentochen,  wünschen  eine 
nebt  fleiftige  und  TeretAndlge  Lektflre  gerade  der  in  diese  Bibliothek 
aiiigsnemmenen  Bücher  nnd  ee  iet  dalttr  geeoigt,  daft  jeder  Schüler  das 
gevlhlte  Bach  entspreehend  lang  benfltsen  kann. 

Hnn  eind  aber  doch  aneh  Bftcher  eingestellt,  die  der  Schiller  in 
der  Zeit,  die  ihm  snr  Verfflgnng  steht,  sweifdlos  nicht  lesen  kann,  ja 
aoeh  solche,  die  man  (Iberliaapt  nicht  liest,  sondern  je  nach  Bedtlrfnis 
nr  Hand  nimmt.  Ich  denke  bei  dem  Qeeagten  an  grOftere  Literatnr- 
gsecbiehteB  nnd  etwa  Bflchmanne  «Qeflflgelte  Worte*.  Wae  hat  der 
SefaUsr  daTon,  wenn  er  sieh  eine  literatorgescbichte  anf  Tienehn  Tage 
oder  selbst  anf  ein  Monat  nach  Hanse  trägt?  Ich  will  nicht  sagen,  daft 
ein  Darehlesen  anf  der  obersten  Stnfe  gans  ohne  jeden  Wert  ist,  denn 
geseabhen  Ton  der  Wiederholnng  mag  s.  B.  dieeee  oder  jenee  poetische 
Werk  in  einer  anderen  Beleaehtnng  erscheinen,  als  diee  im  Unterrichte 
der  Fall  wsr.     Der  Schaler  greift  snr  Literatnrgeeehichfce  aber  anmeiet 


378  Haidbibliotheken  für  Mittelseh«ler. 

doch   nur»   um   lieh   Aber  «ibmi  einselnen  Diehtar»    eine  Gnipp«   oder 
Periode  genauer  in  nnteniebten»  lei  et  im  ABtcbloate  an  den  Untorriebt 
oder  die  bätsliehe  LektAre.    Hat  er  das  getan,  dann  trigter  m»  inrAek, 
um  lie  bei  nichster  Gelegenheit  wieder  in  holen,  wenn  sie  nicht  dann 
gerade  ein  anderer  entlehnt  hat,  der  ihr  Tielleieht  nnr  eine  knne  Notii 
fttr  einen  AnÜBats  oder  eine  Bedeflbnng  entnehmen  wilL    Oder  das  andere 
BeitpieL     Der  Sehfller  will  in  seiner  Haasarbeit  ein  Zitat  bringen;  er 
weifi  die  enrten  Worte,  aber  nidbt  das  Gänse,  er  weiA  sieh  nicht  so  er- 
innern, woher  es  stammt,  oder  wenn  er  es  weiß,  er  betitit  den  ]>iebter 
nicht  —  er  bittet  bei  der  Bücherrerteilang  am  den  Bttchmann  and  er- 
hftlt  die  Aaskanft,  daft  er  aasgeliehen  ist.    Es  ist  nnn  jedenfalls  kein 
Unglflck,  wenn  das  Zitat  den  Anfsats  nicht  Bchmflckt,  aber  dem  jongen 
Manne  bitte  es  doch  eine  Frende  gemacht.     Diese  rerdorbene  Freude 
ist  es,  die  mich  bedaaem  ließe,  daß  er  seinen  Bdcbmann  nicht  eiDsehen 
konnte.     Und  so  geht  es  denn  aaeh  noch  mit  anderem.    Bs  ist  gewiß 
nfltslieb,  wenn   die  Sehfller  Gasta?   Froytags    «Tedinik  des  Draati'' 
dareharbeiten.    Ich  nehme  an,  es  seien  in  einer  Klasse  Tiersig  Sdiflier 
und  in  der  Bibliothek  fflnf  Exemplare  dieses  Werkes  (eine  Zahl,  die  in 
Wirklichkeit  nicht  Torhanden  sein  dflifte).    Unter  dieser  Annahme  kßnute 
jeder  Freytags  „Technik"  f&nf  Wochen  lang  benfltsen.    Man  wird  mir 
sageben,  daß  diese  Zeit  nicht  aasreichend  ist    Und  weiter   muß  auch 
derjenige,  der  das  Bach  einmal  mit  Muße  darchgearbeitet  hat,  ßftan 
etwas  darin  wieder  nachlesen.    Bedenken  wir,  daß  die  Sehfller  allerlei 
lesen,  so  ergeben  sich  noch  andere  Bedflrfnisse.    Da  stößt  einer  auf  ein 
Fremdwort,  das  ihm  nicht  geläufig  ist,  oder  aach  ein  deutsches  Wort, 
das   er  noch  nie  gehört  hat«     Soll  er  einfach   darflber  weglesen?     E< 
mag  wohl  oft  geschehen,  ja  sehr  oft;  erfreulich  ist  das  nicht,  aber  be- 
greiflich.   Denn  wenn  die  Eltern  oder  andere  dem  Sehfller  Nahesteheode 
keine  Auskunft  geben  kOnnen  and  weder  ein  FremdwOrterbneh  noek  ein 
deatsches  Wörterbuch  im  Haase  ist,  was  bleibt  schließlich  anderes  flbrig! 
Wie  schon  wäre  es  da,  wenn  irgendwo  ein  größeres  deutsches  Wörterboeh 
and  ein  Fremdwörterbach,  etwa  Heyne  and  Heyse,  die  Aber  die  Bedentaag 
des  Wortes  und  sugleich  auch  flber  seine  Herkunft,  Verwandtschaft  o.  t. 
unterrichten,  bequem  sug&nglieh  wftre.    Wollen  wir  schließlieh  ancfa  noch 
die  schriftlichen  Arbeiten  in  Betracht  sieben.    Da  es  dem  Lehrer  einfseh 
unmöglich  ist,  bei  der  Bflekgabe  der  Aufsätse  jeden  einseinen  su  be- 
sprechen, so  Tcrbessern  die  Sehfller  stiliftische  Fehler  häufig  anfi  Gertte- 
wobl.     Sie  selbst  lernen  dabei  natflriich  nichts  und  der  Lehrer  hat  mit 
der  Durchsieht  der  »Verbesserungen^  die  doppelte  Arbeit     Wäre  den 
Schfllern  z.  B.  der  „Deutsche  Sprachbort"  tou  Heintse  ingänglicfa,  » 
wäre  Tielfach  beides  ?ermieden.    Ein  Lehrbuch  der  Stilistik  wflrde  glaieb^ 
falls  gute  Dienste  tun,  da  wir  diesen  Gegenstand  ohn^in  nicht 
matisch  durchnehmen,  und  endlich  könnten  Wustmanns  »Sprach 
heiten''  Nutsen  bringen,   wenn  auch  darflber  ein  paar  welcher 
▼erleren  gingen.    Das  wäre  su  Terschmersen. 

Das  Gesagte  l&aft  darauf  hinaus,  daß  der  Sehfller 
wenn  auch  nicht  immer,  so  doch  möglichst  oft?erw 


Haadbibliolheken  fttr  Mittelichttler.  379 

md  ich  hmbe  hier  einige  genannt,  die  den  Betrieb  dee  devtsefaen  ünter- 
richtei  fordern  lowie  den  SchlUern  die  Arbeit  anf  eine  durehane  tn- 
linige  Weise  erleiehtem  konnten.  Elasiiiche  nnd  moderne  Philologen, 
Historiker,  Natnrhiatoiiker  nsw.  wflßten  auch  ihrerseits  Bfleher  sn  nennen, 
die  die  Kenntniaee  der  Sdifller  in  ihren  Fächern  sn  erweitem  geeignet 
wiren.  £in  KonrersationBlexikon,  nn  diea  nebenbei  so  bemerken,  habe 
ich  mit  gntem  Grande  nicht  genannt.  Die  Ansehaffong  der  Bfleher,  die 
i«b  for  Angen  habe,  wftre  meiner  Heinong  nach  anch  im  Laufe  der  Jahre 
Dv  sehr  wenigen  mOglieh.  Einselnes  wird  man  ja  gewiß  in  manchen 
Hiosem  finden  können,  aber  ebenso  gewü^  in  vielen  gar  nichts.  Wie 
aber,  wenn  die  Schale  sie  allen  als  eine  kleine  Handbibliothek  in  gieidier 
Weise  sn  beqnemer  Bentltsnng  snr  Verfflgnng  stellte? 

Der  hier  ansgesproehene  Gedanke  ist  —  woranf  mich  Herr  Hof- 
rst  Dr.  J.  Hnemer  anfmerksam  machte  —  an  dem  der  Ldtnng  des 
Herrn  Direktor  Dr.  Alex.  Bosoll  ontentehenden  n.-5.  Landes-Real-  nnd 
Obergymnasinm  ^)  in  St  Polten  im  großen  nnd  gansen  bereits  realieiert, 
wie  lieh  ans  dem  folgenden  ergeben  wird.  Während  ich  den  Schülern 
die  Erweitemng  ihrer  Kenntnisse  darch  beqaemes  Zogftnglichmachen  Tor- 
Khiedener  Bfleher  ermöglicht  sehen  möchte,  sind  die  dortigen  Ein- 
richtaagen  ihrer  Erholnng,  Unterhaltung  nnd  ihrem  Vergnflgen  ge- 
widmet.   Beides  Iftßt  sich  jedoch  ?erbinden. 

Den  gfltigen  Hitteilnngen  des  Herrn  Prof.  Dr.  A.  Schmidt  ent- 
lebme  ich,  daß  an  der  genannten  Anstalt  ein  eigenes  Lese-  nnd  Spiel- 
nmmer  eingerichtet  ist  fflr  die  Großen  and  die  Kleinen.  In  diesem 
Zimmer  stehen  lange,  breite  Tische  in  xwei  Beihen  mit  Stflhlen. 
Die  Winde  sind  mit  Bildern  geschmflckt.  Gespielt  wird  Schach,  Salta, 
Hslma,  Domino  n.  a.,  also  Spiele,  wodurch  die  Lesenden  darch  Klopfen, 
Unten  o.  dgL  nicht  gestört  werden.  Wo  es  möglich  ist,  wäre  alier- 
diBfs  die  Einriehtnng  eines  eigenen  Spielsimroers  und  eines  damit  rer- 
bnndenen  Lesesimmers  so  empfehlen.  Die  Bibliothek  enthftlt  Pracht- 
werke, namentlich  patriotischen  nnd  kflnstieriscben  Inhalts,  so  Kaiser 
Praoi  Josef,  ötterr.  Fflrstenbooh,  Österr.-ongar.  Monarchie,  Alpine  3fa- 
jeiUton,  belletnttische  Zeitschriften  mit  Illostrationen,  kleine  Norellen 
ud  Bnihlangen,  die  sich  in  knrzer  Zeit  lesen  lassen.  Es  branchten  also 
BOT  die  Ton  mir  oben  genannten  Bfleher  eingestellt  sn  werden.  Einiges, 
wie  Literatorge^chiebtefTf  ßüchmannj  Frejtags  «Techoik"«  iil  da  und 
wechselt  nnr  leiü^o  Plati^  and  er  es  ksoDt  da  es  sieh  nFeht  nm  groö« 
Semmen  handelt,  aoi  den  HUHtelu  der  SchQIerbibliotbek  f(ürin]^5sidc 
Mit  der  Zeit  konnte  »cb  daui]  aber  sQcb  ^  xtm 
ni  sprechen  —  darch  ÄDicba^ang  Fon  Werken  ^U^ 
fttlas  lor  Geschiebte  der  deotscben  Ki^t 
BahestAtten  nnd  Denkmiter  nnserer  dentsclKL  . 
Eise  Biographie  in  Bildnistei],  JSebiUer.  £i»«_ 
B*  dgl.  das  AngenehiBe  mit  dem  NfltaUthto 


')  Von  LebrerAenjipar«!!  oiAfir 
wegen  ganz  abeelien 


4 


880  Handbibliotheken  fti  M ittdaehfller. 

Dm  Lese*  nnd  8|deliiinniflr  in  8t.  P5lton  ist  wihrend  der  nuihen 
Jfthreeieit  an  Sonn-  nnd  Feiertagen  Ittr  die  Sebfller  des  üntergymnaiiiuDi 
Ton  8-^  übr  nnd  naeh  einer  Panee  (imn  Lüften)  fon  5-*7  ühr  fttr  die 
dee  Obergfjmnaiianii  geOibet.  Die  SehlUer  haben  aieh  am  Vortage  in 
der  DixeMonakanilei  an  melden.  Berflekiiehtigt  werden  in  enter  Linie 
die  aoBwiitigen  Sehfller,  die  in  Koithinaem  an  wohnen  getwnngen  eind, 
nnd  Ton  den  OrtaangehOrigen  wie  billig  die  SOhne  ans  inneren  Fa- 
milien. Über  jede  AbteUnng  fahrt  ein  Mitglied  dea  Lefaridtrpen  die 
Aofneht  nnd  tlberwaoht  die  Ana-  nnd  Btekgabe  der  Bfleher  nnd  Spiele. 

Da  dieae  Einriehtnngen  daan  da  aind«  am  den  Sehfilem  nnter  der 
Anfrieht  der  Lehrer  ein  anm  Teil  gemeinaamee  Tergnflgen  gewfthrai, 
also  gewiBsermaßen  während  dea  Wintere  die  Jngendapiele  an  ereetsea, 
lassen  de  nichts  sn  wUnschen  flbrig.  Naeh  meinen  obigen  Ansfflhrnngen 
würden  natirlieh  einige  Änderungen  notwendig  werden.  Erstens  rnüAte 
daa  Leeeaimmer  wfthrend  dea  ganaen  Sehnljahree  nnd  nieht  bloA  im 
Winter  snginglieh  eein.  Ala  Benfltser  kirnen  da  nnr  die  Obeigjm- 
naaiaaten  (OberrealsehlUer),  die  eieh  über  dieses  oder  jenes  nnterrichtea 
wollen«  in  Betraehl  und  aweitene  mflftte  die  Benfltsnng  allen  ohne 
Ansnahme  naeh  Maßgabe  dee  Banmes  gestattet  aein.  leb  denke  also, 
man  stellt  den  Obeigymnaaiaaten  die  Bibliothek  des  Leaenmmsis»  lo 
weit  sie  dem  Stndiam  dient,  daa  ganse  Sehnljahr  hindoreh  wöchentlich 
einmal  aar  Verfflgang  nnd  bietet  —  wenn  man  aneh  diaa  tun  will  — 
die  Gelegenheit  aar  ünterhaltang  (Lektüre  nnd  Spiel)  nnr  in  den 
Wintermonaten,  so  daO  dann  beides  tosammenfillt.  Wem  ea  eraatKcfa 
dämm  sa  tan  ist,  über  irgend  einen  Qegenatand  Belehmng  an  findes, 
dem  kann  es  gleichgiltig  sein,  ob  sich  andere  neben  ihm  Bilder  anseheo 
oder  Schach  spielen. 

Zwei  Stunden  Zeit  halte  ich  fiOr  ToUkommen  genügend.  All« 
anderen  Fragen  kftnnen  nnr  den  Yerhiitnissen  entsprechend  beantwortet 
werden.  So  a.  B.  ist  es  fraglich,  ob  jeder  Lehrkörper  geneigt  ist,  Soao- 
nnd  Feiertage  sn  wihlen.  Man  könnte  die  Sache  etwa  ao  «inriefaten, 
daß  man  ftr  die  Großen  einen  Wochentag  festaetat  nnd  für  die  Ktetaea 
den  Sonntag.  Die  Stimmung  soll  ja  auch  berücksichtigt  werden  aod 
ein  kleines  Opfer  müßten  die  Lehrer  auf  jeden  Fall  bringen.  Die  Eia- 
richtnng  eines  Spielsimmers  wire  namentlich  in  kleineren  Orten,  die  dea 
Schülern  im  Winter,  sobald  es  dinunert,  wenig  oder  nidbta  Uetea 
können,  eine  Wohltat;  eine  Handbibliothek  nnd  die  Einrichtnng  ein« 
Lesesimmera  halte  ich  aber  aneh  im  Interesse  der  Sehale  für  höefaft 
wünschenswert.  Daa  angelegte  kleine  Kapital  an  Geld  nnd  Zeit  wflrde» 
daton  bin  ich  fest  Qbeneugt»  reichliche  Zinaen  tragen. 

Freiatadt  (Ob.-Öst).  Dr.  Heinr.  Blune. 


Vierte  Abteilung. 

Miszelleii. 


Literarische  Miszellen. 

Goethes  OedaDkenlyrik.  Für  Behnle  und  Hess  TOD  Dr.  A.  Matthias, 
Geh.  Obemgiernngirat  (Frejtagi  SehnUutgaben).  L«ipsi|^  and  Wien 
1905.  Preii  1  K. 

Ntch  einer  knrseii  Einleitang  Qber  Lyrik  und  deren  Unterarten 
folgen  in  cbrosoloffiacher  Beihe  44  Stfleke  ans  Qoethea  Oedankenljrik 
(ud  Gnomik),  eo  daß  man  leicht  ein  riehtiees  Bild  fon  dieser  Art  des 
groften  Dichten  erlangt.  Durch  80  Seiten  Oktar  laufen  dann  sweckent- 
n^reebende  ^Anmerkongen",  die  das  Veretandnii  der  voraofgehenden 
Dichtungen  f6rdem  and  namentlich  beim  Selbstonterrichte  die  Leie- 
iundamiste  beqaem  beseitigen.  Doreta  Heransiehong  fon  anderen  Dich- 
taugen  zom  Vergleiche  mit  den  Yorliegenden  wird  manch  frachtbare 
inregong  geboten.    Da  and  dort  konnte  allerdin^ n  einmal  eine  biogra- 

J bische  Ansdentang  bestritten  oder  (wie  8.  88|  die  Art  des  anregenden 
[etifB  bei  Goethe  besweifelt  'werden,  aber  doch  mehr  sabjektiv  als 
lieher  objekti?.  Ähnlich  söge  ich  S.  10,  V.  40  die  Form  seigen  s  tor- 
weiNn  der  gewählten  sengen  =s  bexeagen  ?or.  Unrichtiges  habe  ich  jedoch 
Birgcnds  gefanden.  Ich  mOchte  daher  diese  sehr  ffcdiegene  Aaswahl 
Goetbeseher  Lyrik  ftr  Schale  and  Hans  angelegentlich  empfehlen. 

GoetiieB  Dichtung  and  Wahrheit.  Schalaasffabe  fon  Ladwig  SoTin» 
4.  gSnslich  omgearbeitete  Aaflage  mit  Mnem  Anhang:  Gedichte 
Goethes  Ton  I7d5— 75  nebst  einem  Plan  ton  Frankfurt  (Literatox- 
geschichtliches  Lesebach  in  einseinen  Bindchen  fon  L.  Sefin  1). 
Karlsmhe,  J.  J.  Reiff  o.  J.  152  sa  kl.-8«. 

Eid  Anssng  ans  den  Tier  Teilen  der  Goetheschen  Aatobiographie, 
Ar  Sehalen  bereämtt  and  mit  einem  Anhange  Tersehen,  der  hiesa  ge- 
hörige Diebtoagen  Goethee  enthalt;  das  Gedicht  &  129  mit  der  willkflr- 
lieh  gewihlten  Aufschrift  ,In  SaarbrScken*  stammt  aber  sicher  nicht  Ton 
Ooetfie,  sondern  Ton  Lern,  der  eo  der  damals  in  SaarbrScken  weilenden 
Friederike  Brioa  widmete.  Wenig  empfehlend  ist  es  ferner,  daß  sich  schon 
hl  der  aeirten  Zeile  des  Textes  (S.  8)  ein  Dmckfehler  befindet,  dagegen 
■isd  die  beigefagten  Illnstrationen  gans  gat 

Gras.  Dr.  S.  M.  Prem. 


384    Berieht  über  das  eeehste  YereiBtjahr  dei  »Wohlfthrts? ereinet«. 

11.  Dr.  P.  Erömafik,   Die  Erdbeben   des  Baikalgebietes. 
Progr.  dea  k.  k.  Staategymiueiiimi  in  NikoUbnig  1905.  U  S8. 

Die  Arbeit  iit  am  se  Terdienttlieher  als  sie  mit  den  in  matiaeher 
Spraehe  niedergelegten  Unteranehnngen  der  maaiaehen  Mehrten,  vor 
allem  Moaehketowa  Tertravt  maehl  Ba  seigt  aieh,  daft  ,in  einer  Zone, 
die  Ton  der  Gegend  ron  Irkntak  aber  daa  aadw eatliehe  Drittel  dea  Baikal- 
aeei  bis  gegen  die  ehineaisehe  Ghrenie  bei  Kjaehta-Troiikoaaawaek  reieht, 
die  £rdbM>Mihftaflgkeit  am  gröftten  iaf.  Der  StoAponkt  wandert  in  dieeer 
Zone.  Die  Beben  lelbat  gehOran  aar  Qattnng  der  Dialokationabeben.  Diei 
b&ngt  mit  der  Tektonik  Tranabaikaliena  znaammen»  daa  in  eine  Bcihe 
paralleler  Horate  vnd  Qrftben  aeillUt.  Deren  Entatebnng  iat  aof  Spannaag 
oder  Zerreißang  lorflckinfflbren.  Die  Grftben  itreiehen  Oatlieb  and  iftd- 
Oatlieh  Tom  Baikalaee  in  baikaliseber  Biehtong.  Wo  dieae  mit  der  laja- 
niichen  inaammentriffk,  treten  nordafldlich  ?erlaafende  Qaerbrflehe  auf. 
In  dieeer  Gegend  findet  nach  beate  noch  ein  Einsinken  gro&er  Scboliea 
der  Erde  atatt  Es  ist  daher  dort  ein  Erdbebenherd. 

Wien.  J.  Müllner. 


Bericht  über  das  sechste  Yereinsjahr  des  «Wohl- 
fahrtsvereines fQr  Hinterbliebene  ?on  Angehörigen 
des  Mittelschallehramtes  in  Wien*. 

Der  Verein  sahlte  Ende  1907  das  aeebste  Jahr  aeinea  Beataadei. 
Die  Mitgliederiatal,  die  Ton  JAr  an  Jahr  stetig  annimmt,  atieg  im  letitta 
Vereinijahr  an  der  ansehnlichen  Höhe  Ton  541  Mitgliedern,  ein  Beweti, 
wie  sich  die  Überaeogong  Von  der  Notwendigkeit  nnd  aegenaiaicktB 
Wirksamkeit  dieaer  VereinapündoDg  in  immer  weiteren  Kreiaen  dtr 
Wiener  Mittelschnllehrerschaft  Bahn  bricht. 

In  sieben  Fftllen,  daronter  fünf  wfthrend  der  Ferienseit,  fand  der 
Verein  Gelep^enheit,  den  Hinterbliebenen  ?eratorbener  Mitglieder  die 
lalcnngsmiAigen  Unterstfitaangasommen  ananwenden.  Dieae  Iatrogen  im 
leisten  VereinBiahre  snsammen  7886  K,  während  in  den  früheren  ftof 
Jahren  in  25  TodesfftUen  17.698  K  anageaahlt  worden  waren,  wu  eine 
Gesamtanterstütanngsaamme  Ton  25.084  K  in  seeha  Jahren  ergibt 

Das  VereinsTermOgen,  dem  aoAer  den  Eintrittsgebühren  nir  noch 
daa  Beinertrignis  des  al^ihrlich  Yeranstalfceten  Vortragaabendea  aaflisftt 
nnd  das  im  J.  1907  om  beilftnfig  1000  K  wache,  beirtgt  gegenviitig 


K,  so  dai^  die  Anasahlang  auch  mehrere  Todeaf&ue  anmittelbar 
nacheinander  schnell  and  ohne  StOrang  erfolgen  kann. 

Der  VereinsaQsschoG  hält  an  dem  Gmndsatse  nnerachütterlieh  ftiti 
jedesmal  die  Aassahlang  der  ünterstfltiangsBamme  sofort  nach  den 
Bekanntwerden  des  Ablebens  des  betreffenden  Mitgliedes  erfolgen  ss 
lassen,  wodnrch  die  besagsberechtigten  Hinterbliebenen  gerade  in  den 
achwereten  Standen  einer  bangen  and  oft  buchst  drückenden  Sorge  über- 
hoben werden. 

In  Anbetracht  dieses  erspneßliehen  und  höchst  wohltätigem 
Wirkens  und  mit  Bücksicht  auf  die  geolante,  noch  weitere  Äusaestal' 
tung  dieser  Wohlfahrtseinrichtung  erlaubt  sieh  die  Vereinwitung 
diesen  Verein  der  Förderung  und  Unterstüteung  seitens  der  WitsMT 
Amtsgenossen  w&rmstens  tu  empfehlen  und  su  recht  sählreidiem 
Beitritt  eineuladen. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlnngen. 


Johann   Gabriel   Seidl. 

I. 

Im  Besitze  des  Bncbb&ndlon  Fritz  Rasch  in  Gilli  befindet 
sieh  das  ans  rier  Qnartblattem  bestebende  Mannskript  einer  echt 
Seidischen  Ballade«  die  weder  in  den  ^Gesammelten  Schriften'  des 
Dichters  enthalten  ist,  noch  sonst  yerOffentlicbt  wurde«  betitelt 
Jintterlisf*.  Sie  gehOrt  der  Handschrift  nach  in  die  letzte  Zeit 
Miaes  dichterischen  Schaffens.  Am  Schlüsse  steht  Seidls  ToUe 
UoterschrifL 

Wie  lieblich  raht  es  sieh  auf  weichem  FUam, 
Wenn  wir  ersehepft  Tom  Wirken  and  Oeoießen, 
Die  Angeolieder  sanft  bewSltifft  sehliefteD, 
Entgegenbarrend  iflAem  Schlaf  und  Tramn. 

Wer  aber  denkt  auf  selehem  DaanenpfOhle, 
Weher,  dnrcb  wen  ihm  eolches  Labsal  kam; 
Wer  fragt,  so  wohl  sieh  fehlend,  was  der  fOble, 
Der  sieh  die  Hflh',  ihm  so  zu  betten,  nahm? 
Habt  Ihr  70m  ktUinen  Jäger  nie  gehört, 
Der  ans  der  Buh'  den  Eiderrogel  stOrt, 
Sein  Nest  beraubt,  ihm  seine  Brat  entfiedert, 
und,  WO  kein  Baf  der  Menschenstimm*  erwidert, 
Selbst  wie  ein  Vogel,  hangt  am  Elippeneaam, 
Damit  Ihr  ichlammem  könnt  auf  weichem  Flaam?! 

Entsetzlieh  Handwerk,  granenTolle  Jagd! 
Auf  leichtem  Kahne  idiifft  er,  eh  es  tagt 
Yom  sichren  Strande  fort  mit  Weib  und  Kind, 
Die  Helfer  ihm  und  einz'ge  Zeugen  sind. 
Wo  fem  Tom  nngestttmen  Meer  nmzflrnt. 
Einsam  ein  Biff  emporra^,  felsgestimt. 
Da  zwingt  er  keck  sein  Fahrzeug  durch  die  Brandung, 
Der  YOgd  Pflif  verspottet  seine  Landung, 
Sein  Aug*  eirSt  die  Stellen  für  den  Tritt, 
Dort  klimmt  er  an  and  zerrt  die  Seinen  mit. 
Zum  Lagerplätze  dient  die  platte  Zinne, 
Wo  Weib  und  Kind  der  teuren  Beute  harrt. 

MiMkrifl  f.  d.  tetcrr.  Otbui.  1908.  Y.  Haft.  25 


386  Johann  Gabriel  Seidl.  Von  A,  Gnbo, 

Ein  kon  Qebet  noch  ipricbt  er  renn  Beginne, 

Dann  gebt  es  rOstig  an  die  Niederfahrt 

Ein  micbtig  Seil  gewnnden  nm  die  Lenden, 

Mit  Korb  and  Meieer,  lAOt  er  deh  hinab. 

Hoch  aber  ihm  dae  lEÜff  mit  Bchwanen  Winden, 

Tief  nnter  ihm  daa  graae  Wellengrab; 

Rings  am  ihn  her  der  Vögel  wilder  &eieel. 

Der  wirr  omkreiBebt  den  onwillkommnen  Gaet,  — 

Det  kalten  Zagwinde  ichaarigei  Geeftasel, 

Der  höhnend  spielt  mit  seiner  iaft'gen  Last. 

So  sehwebt  er,  fflhllos  fttr  Gefahr  nnd  Sehwindel, 

Gleich  weit  entfernt  von  Wog'  nnd  Wölk',  aaf  tcfalanker  Spindel, 

Und  schencht  ans  ihrer  danklen  Höhlen  Baom 

Die  Eiderrögel  mit  dem  lichten  Flanm, 

Von  welchem  Ihr,  so  sanft  Ihr  oft  draaf  rnht, 

Auffahren  würdet  mit  erstarrtem  Blnt, 

Schien't  Ihr  im  Tranm  Eoeh  nnr  aaf  karte  Zeit, 

Was  jener  ist  in  graoser  Wirklichkeit.  — 

Solch  eines  J&gers  Weib,  im  Ann  ihr  Kind, 
Dem  kaam  swölf  Monden  noch  entschwanden  rind, 
Folgt  ihrem  Gatten  einst  aar  Insel  Weight, 
Wo  reicher  Fang  den  Wagenden  erfreut. 

Bei  solchem  Werke  Gattin  —  Matter  sein  — 
Wftr  eines  nicht  fOr  uns  schon  Höllenpein? 
Sie  ist  daran  gewöhnt,  —  mit  flinker  Hand, 
Indes  am  Seil  ihr  Gatte  niedergleitet. 
Hat  sie  den  Wettermantel  aasgebreitet, 
und  draaf  gebettet  ihrer  Liebe  Pfand. 
Das  hier,  wiewohl  ambraost  Ton  Wind  nnd  Fiat, 
Doch  sichrer  als  in  leerer  Hütte  raht. 
Der  Sftngling  drflckt  die  Aof^lein  liebelnd  sa. 
Und  scheint  geborgen  jetst  in  sfll^er  Bah'. 

Getrost  nan  geht  die  Matter  an  ihr  Werk, 
Gerichtet  nnr  aafs  Seil  ihr  Aaj^nmerk, 
Das  telegraphisch  ihr  durch  seine  Begung 
Verrit  des  Gatten  leiseste  Bewegung. 
So  sammelt  sie,  gar  emsig  Torgebflckt, 
Was  er  im  Korb  ihr  ans  der  Tiefe  schickt. 
Die  Beut'  ist  reich,  die  Hand  ermödet  fast  — 
Drom  hält  sie  ein  und  gönnt  eich  kurie  Bast: -* 
Bast?  —  eine  Mutter  Bast?  —  willkommne  Pause, 
Um  nach  dem  Kind,  dem  schlummernden  lu  spih^n. 
Das,  eingelullt  ?om  fernen  Meergebrause, 
Wohl  lingst  schon  triumt,  lieb  Engelein  su  seh'n.  — 

Sie  wendet  sich  —  ein  Blick  ^  hilf  Gott!  —  ihr  Kind— 
Ihr  Kind,  —  ab  warf  es  seine  Schlummerdecke, 
Und  rflckte  Torwftrts  eine  weite  Strecke; 
Am  Band,  am  iußersten,  umspielt  Tom  Wind, 
Da  sitit  es  tindelnd,  ahnend  nicht  die  Klauen, 
Womit  der  Schwindel  schon  sein  Kleidehen  fa&t, 
Und  unten  —  hu!  schon  der  Gedank'  ist  Grauen  — 
Das  Meer,  aufgihnend  nach  so  teurer  Last  — 
Wohl  hundert  Klafter  —  neinl  wohl  Klingen, 
Die  kalt  sugleich  in's  Hen  der  Mutter  dringen !  . 

Was  hier  lu  tun?  —  Ein  Buf?  —  Nein,  Mutter,  bssdI 
Erschrickt  dein  Siugling  —  muß  sein  Tod  es  sein. 
Hin  eilen,  um  ihn  sacht  surücksusieh'n? 
0  weh  zu  spät,  —  xwei  Augenblick'  entflieh'n. 
Und  in  der  Tiefe  liegt  er  schon  begraben.  — 


Johann  Gabriel  Seidl.  Von  A,  Gvbo.  387 

Nicht  Hast,  nieht  Zöf^ern  frommt  sn  dieser  Frist, 
Den  Scharfblick  einer  Matter  ma6  man  haben : 
Denn  die  Venweiflnne  hat  anch  ihre  List. 

Wahnwitsig  lichelnd  kniet  das  Weib  m  Erde, 
Und  stimmt  mit  scheinbar  schmeichelnder  Geberde 
Ein  Liedchen  an,  dem  SIngling  wohlbekannt, 
Das  er  nie  flberhOrt*  mid  stets  verstand: 

«Kindlein  fromm, 

, Horch  nnd  komm! 

«Weißt  da  mir  schOnen  Dank, 

«Geh  ich  dir  sflßen  Trank. 

«Wenn  da  genng  hast,  so  wieg  ich  dich  ein, 

„Am  Bnsen  der  Matter,  da  ist  gnt  sein!* 

Das  Kindlein  horcht  —  and  horcht  —  and  rftckt  entlang. 
Gleichwie  sarflckgesogen  ?om  Gesang, 
Blickt  schelmisch  lächelnd  anterm  Arm  herror, 
Und  hebt,  vom  Band  schon  femer,  sich  empor. 
Und  priift  den  Schritt  —  and  schwankt  —  and  h&lt  sich  doch,— 
Und  steht  and  langt  —  and  sacht  onschlüssig  noch,  — 
Ein  j&her  Schafi  aar  Matter  kann  et  retten. 
Ein  jiber  Prall  xarück  —  im  Meer  es  betten. 

Da  streift  die  Matter  sacht  ihr  Tach  larück, 
Damit  der  Sftogling  aaf  den  ersten  BUck 
Die  sAfieste  der  Locknngep  erschaae, 
Den  Wanderbom,  erfflUt  mit  Himmelstaae. 
Woraus  dem  Kinde  qaillt  sein  erstes  Glflck;  — 
Die  warme  Wiege,  die  so  wonnig  wiegt. 
Daß  niemand  je  aaf  reichrem  Sassen  liegt; 
D  i  e  Stelle,  —  wo  im  lartesten  Gehftaae 
So  laat,  wenn  aach  fflrs  Menschenohr  so  leise 
Ein  Uhrwerk  hftmmert,  das  in  Last  and  Schmerz 
Nar  Liebe  seigt  and  schlftgt,  —  das  Menschen hers ! 

Welch  Kind  kann  solcher  Lockang  widersteh'n?  — 
Der  SAagling  sieht's  —  sein  Wanken  wird  sam  Geh'n, 
Sein  Geh  n  inm  Laof,  —  and  wie  das  Beh  im  Wald 
Zaepringt  dem  Qaell,  der  oft  den  Darst  ihm  kflhlte; 
Und  wie  die  Schwalbe  sacht  den  Anfenthalt, 
Wo  sie  sich  gastlich  stets  empfangen  fohlte; 
Und  wie  der  Pilger  wiederkehrt  xam  Bild, 
Das  seiner  frommen  Sehnsacht  Drang  gestillt: 
So  kehrt  das  Kindlein  aach  sarttck  xar  Bnist, 
Vom  Grabesrand  snrQck  zar  Lebenslast 

Wie  drückt  die  Matter  es  mit  Wenn*  ans  Herz, 
Wie  blickt  sie  stammen  Lobpreis  himmelwärts. 
Wie  zittert  sie,  die  erst  ?or  Schreck  gezittert, 
Vom  seligsten  Entsftcken  nan  darchscbfittert. 

Dem  Vater,  der  so  nahe  selbst  dem  Tod, 
Den  Tod  nicht  ahnte,  der  sein  Kind  bedroht. 
Hält  sie's  wie  einen  neageschenkten  Segen 
Mit  Trftnenlast  beim  Wiederseh'n  entgegen, 
Und  IftiSt,  was  staeamelnd  ihre  Lippe  spricht, 
Erraten  ihn  ans  ihrem  Angesicht. 
Doch  als  der  Leidenschaften  bange  Schwüle 
Sich  aufgelöst  in  sflße  Wehmatskflhle, 
Da  hoben  beide  Herz  nnd  Aug'  empor. 

Da  brach  ihr  Dankgebet  Tereint  herror  ^ 

Za  dem,  der,  wenn  des  Schiffers  Sinn  amschlmert,  ^^ 

Fflr  ans  hier  fest  aaf  sichere  Wege  steaert; 
Der,  wo  der  Mensch  die  schwarze  Kloft  nar  schaat, 

25* 


1 


\ 


888  Johann  Gabriel  Seidl.  Von  A,  Gubo, 

Ihm  gnftdig  drflber  Behnell  die  Brfleke  baut; 

Der,  wenn  der  Blinde  seinen  Stab  Terliert, 

Die  Hand  ihm  reicht  nnd  doreh  die  Nacht  ihn  fahrt; 

Der,  wenn  das  Heri  im  Starme  sich  ? ergifit, 

Und  wenn  die  Fagenng  ihren  Bat  ?erweigert, 

uns  Allberater,  AilbeschQtyer  iit, 

und  wie  die  Ohnmacht  er  mr  Kflhnbeit  steigert, 

Der  Hntterlieb'  anch  leiht  —  die  MatterUet. 


n. 

Anf  dem  anfgelaasenen  Friedhofe  bei  St.  MazimiliaD  in  Gilli 
befinden  eich  zwei  Steindenkmale,  die  Grabgedichte  Ton  J.  6.  Seidl 
enthalten.  Da  diese  in  den  ^Gesammelten  Schriften'  des  Dichten 
nicht  vorkommen,  überdies  der  Vernichtnng  durch  die  Atmosphftra 
preisgegeben  sind,  so  sollen  sie  an  dieser  Stelle  im  Anschlnsse  an 
die  VerOffentlichnngen  des  Jubiläumsjahres  1904    erhalten  werden. 

Das  eine  Denkmal  betrifft  Balbina  Steinmetz ,  die  Tochter 
eines  sehr  reichen  Gillier  Bargers  und  Gutsbesitzers,  in  dessen 
Familie  Seidl  w&hrend  seines  zwOl(j&hrigen  Aufenthaltes  in  der 
Stadt  viel  verkehrte.  Balbina,  eine  berühmte  Schönheit,  heiratete 
im  Jahre  1882  den  k.  k.  Oberlieutenant  Grafen  Eamillo  Bfidiger 
von  Starhemberg,  starb  aber  schon  nach  einem  Jahre  bei  der  Geburt 
eines  Sohnes,  des  nachmaligen  Fürsten  und  Majoratsherrn  Eamillo 
von  Starhemberg,  der  „rote  Prinz**  zubenannt  (f  1900). 

Das  vergessene  Denkmal  wurde  sp&ter  am  Eingange  der 
Maxmilianskirche  eingemauert;  das  Wappen  der  Starhemberg  ist 
jedoch  verschwunden.  Das  nur  mehr  schwer  leserliche  Grab- 
gedieht  lautet: 

Der  Gatte  weiht  der  Gattin  diese  Zeilen. 

Schon  war  eein  Traam  vom  Glück,  doch  bald  verweht 

Einst  wird  ein  Kind  hier  seine  Schmerzen  teilen, 

Das  jetzt  des  Vaters  Gram  noch  nicht  versteht. 

Die  Arme  gab  der  Welt  ein  janget  Leben 

Und  bflßt'  ihr  junges  Leben  drüber  ein. 

Warum  so  früh?    Wer  kann  den  Schleier  heben? 

Gott  gab  den  Schmerz,  Gott  mag  der  TrOster  sein! 

Es  flötet  flüsternd  ans  dem  Bosenbeete, 

Gleich  ihrem  Laut,  zum  Trauernden  empor: 

Je  flüchtiger  mein  Frühling  hier  verwehte, 

Ein  desto  schOn'rer  steht  mir  dort  bevor. 

Das  andere  Denkmal  betrifft  den  Hauptschullehrer,  Orgt- 
nisten  und  Ghorregenten  Karl  EOppel.  Er  war  am  10.  November 
1785  in  Gilli  geboren  und  wirkte  daselbst  von  1808  bis  zu  seioem 
Tode  1850.  Am  27.  Dezember  1849  wurde  er  vom  Eaiser  Fnnx 
Joseph  1.  mit  der  goldenen  Verdienstmedaille  ausgezeichnet  and  die 
Stadtgemeinde  verlieh  ihm  das  Ehrenbürgertum.  Die  dankbsres 
Mitbürger,  Freunde  und  Schaler  errichteten  dem  Verstorbenen  dieMO 
Stein,  für  den  J.  G.  Seidl,  der  mit  ihm  gut  befreundet  war,  zu 
Wien  folgende  Inschrift  sandte: 


Johann  Gabriel  Seidl.  Von  A,  Chtbo.  389 

Der  Tantenden  der  Bildung  erste  Keime 
Mit  treuer  Sorgfalt  in  das  Hen  gelegt. 
Der  im  Bereich  der  heirgen  Kirchenrftiime 
Doreh  OrgeUdang  inr  Andacht  angeregt, 
Der,  was  er  hieß,  so  ?Ollig  stets  gewesen, 
Daß  selbst  des  Kaisers  Dank  ihm  nicht  entging: 
Er  mht  nnn  hier,  ?om  Erdenleid  genesen, 
Nichst  denen,  die  sein  Hen  mit  Lieb*  omfing. 
Die  Treuen,  die  ihn  trauernd  fiberleben, 
Weih*n  ihm  dies  Denkmal  hier  sn  stillem  Böhm; 
Denn  mehr  als  ein  Geschlecht  kann  Zengnis  geben: 
Die  Schar  and  Kirche  war  sein  Heiligtam.  — 

Als  biographischer  Beitrag  sei  beigeffigt  das  Schreiben, 
welches  J.  G.  Seidl  an  die  Stadtgemeinde  Cilli  richtete,  als  sie 
ihm  1874  znm  siebenzigaten  Gebartatago  ihre  Gifickwünsche  dar- 
brachte. Es  wurde  im  Sommer  1907  bei  der  Skartierong  der 
Cillier  Magistrataakten  anfgefonden  nnd  lautet  wie  folgt: 

«Lfibliehe  Stadtgemeinde! 

Die  henliche  Beglflckwönschnnj?,  welche  die  Terehrliche  Beprt- 
sentans  der  landesffirstliehen  Stadt  Cilli  an  mich,  als  ihren  iltesten 
Ehrenbftrger,  anl&ßlich  meines  70.  Gebortstages  in  richten  so  gfitig 
war,  bat  mich  anf's  tiefste  nnd  innigste  gerfihrt.  Bleibt  mir  doch 
die  liebliche,  gastfrenndliche  Sannstadt  bis  sam  Ende  meines  Lebens 
Qn?ergeßUcb;  in  ihr  habe  ich  die  schönsten  nnd  glficklichsten  Jahre 
meines  Lebens  ingebracht,  in  ihr  die  Anregung  su  meinen  besten 
dichterischen  Leistungen  gefunden,  in  ihr  meiner  Lebensneigung,  dem 
Lehrfache,  am  wirksamsten  folgen  können. 

Die  Erinnerung  an  so  riele  Wohltftter  und  Freunde,  die  ieh 
dort  beim  Beginne  meiner  Beamten-Laufbahn  gefunden,  wie  mein 
aoTergeßlicher  Gönner,  der  biedere  Kreishauptmann  Balthasar  Edler 
▼on  ZiemfeldJ^,  die  eben  erst  im  Min  d.  J.  ffir  die  unilhligen  Akte 
ihrer  echten  Hnmanitlt  ?on  Sr.  Majestät  unserem  Kaiser  selbst  am- 
geieichnete  Frau  Anna  Baumbaeh '),  mein  wohlwollender  erster  Vor- 

geeetiter,  der  hoehw.  Prftfekt  Hartnid  Dorfmann  *),  so  fiele  waekere 
Eflrger,  so  fiele  liebenswfirdige  Frauen,  so  fiele  holfnungSTolle  Jflng- 
linge,  die  jetit  in  den  ferschiedensten  Berufsgeschäften  tätig  sind, 
werden  in  meinem  Gedächtnisse  nie  f  erlöschen. 

Ich  bitte  daher  den  hochgeehrten  Herrn  Bürgermeister  Dr. 
Neekermann,  in  dem  ich  ebenfalls  den  Sohn  eines  werten  Freundes*) 
ferehren  xu  dfirfen  glaube,  der  Löblichen  Stadtgemeinde  den  Ans- 
dmck  meines  wärmsten,  herslichsten  Dankes  mitsuteilen  nnd  meine 
lieben  Mitbflrger  in  meinem  Namen  su  ersuchen,  daß  sie  die  Erinne- 
rung an  mich  fielleicht  noch  fiber  mein  Leben  hinaus  freundlich 
bewahren  mögen. 

Wien,  am  L  Juli  1874. 

Johann  Gabriel  Seidl, 

Ehrenbfirger  der  landesfflrstl  Stadt 

Cilli,  k.  k.  Hofrat.^ 

Cilli.  A.  Gubo. 


«)  1817—1886. 

')  Gemahlin  des  Apothekers  Frans  Baumbach. 
•)  Admonter  Benediktiner,  Präfekt  des  sechsklassigen  GjmDasiu™- 
▼on  1828—1849,  1850  prof.  Direktor. 

*)  Rudolf  Neckermann,  Wundarit  nnd  Kreischirurg. 


i 


! 


390  Dia  neaejn  Bnicbrtflcke  dar  Koriima.  Von  H.  Jurenka, 

Die  neaoD  Braohstfleke  der  Eorinna^). 

Das  letzte  Heft  der  'Berliner  Elaesikertezte'  (V  2)  bringt 
eine  hochwillkommene  Gabe,  Bniehstüeke  der  bOotisehen  Diebterin 
Korinna,  der  Zeitgenoesin  nnd,  wie  es  heißt,  LehrmeiBterin  des 
großen  Pindar.  Wir  besaßen  Yon  ihr  26  Fragmente,  nur  eines 
Ton  4,  eine  ?on  3,  alle  flbrigen  von  nnr  1  oder  2  eebr  knnen 
Versen,  durchwegs  Zitieningon  ans  grammatischen  oder  metrischen 
Bäcksichten.  Der  Berliner  Papyrus  (Nr.  284)  besteht  aus  vier 
Kolumnen  von  je  51 — 52  Zeilen,  wir  gew&nnen  also  mehr  als 
200  Verse,  doppelt  soviel  als  das  alkmanische  Parthensionfragment 
faßt  —  wenn  alle  lesbar  wftren.  Leider  müssen  wir  uns  auch  hier 
wieder  bescheiden:  nur  60  lassen  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit 
herstellen,  alles  übrige  ist  bis  auf  einzelne  WOrter  als  terloren  zn 
betrachten.  Aber  es  sind  doch  11  Tollständige  Strophen,  eine  sehr 
ansehnliche  Vermehrung  des  bisherigen  Korinnabestandos. 

Die  Sprache  der  Diebterin  mutet  uns  fremdartig  an,  obwohl 
wir  darauf  durch  die  Yorhandenen  Brocken  einigermaßen  Torbereitet 
waren:  ihre  sprachliche  EonformitAt  war  —  nebenbei  bemerkt  — 
der  nächste  Beweggrund  die  neuen  BruchstAcke  der  Korinna  zuzu- 
weisen. Haupts&chlich  trägt  daran  die  sogenannte  phonetisehe 
Orthographie  Schuld,  die  die  mundartliche  AbtOnung  des  Klanges 
der  Sprachlaute  durch  die  Schrift  zum  Ausdruck  bringen  will.  lo 
Wahrheit  sahen  die  originalen  Gedichte  der  Korinna  wohl  sicher- 
lich anders  aus,  was  schon  daraus  herrorgeht,  daß  die  Torliegende 
Form  Inkonsequenzen  aufweist,  die  nur  ein  wenig  achtsamer  Redaktor 
(oder  deren  mehrere)  yerschuldet  haben  kann.  Mit  Recht  hatte 
▼.  Wilamowitz,  dem  wir  die  wissenschaftliche  Verarbeitong  des 
Fundes  zu  danken  haben,  ^Textgescbichte  der  griechischen  Lyriker'^) 
S.  22  betont,  daß  Korinna  und  Pindar,  die  beide  f&r  ein  bOotisches 
Publikum  dichteten,  unmöglich  so  ganz  yerschieden  gesprochen 
haben  können.  Aber  der  böotische  Dialekt  trat  bei  Korinna  dennoch 
mehr  in  sein  Recht  als  bei  Pindar').  Dieser  wandte  sich  bewoAt 
an  ganz  Hellas  (Ol.  I  120  nQ6g>avros  ^o(pl(f  [=  Dichtkunst]  xo^' 
"Eilavag  i&ma  icavx^)  und  bediente  sich  daher,  ich  möchte  sagen, 
der  patthellenischen  Schriftsprache  der  griechischen  Lyrik,  während 
Korinna  zu  ihren  Tanagräerinnen  rodete  (fr.  20  xaUt  yi^C 
(* Geschichten  alter  Leute*)  diöofiiva  \  TavayQtdBööL  kevwjixh' 
kvQ'  I  fiiya  d'  ^ft^s  yiya^a  nökig  \  kcyovQox(oxCkrig  ivoxfig) 
und  daher  den  Dialekt  in  viel  größerem  Maße  wahren  durfte, 
geradeso  wie  Sappho,  als   sie  fflr  ihre  lesbischen  Mädchen  sang. 


*)  Der  Aufsatz  war  längst  einfirereicht,  als  W.  CrOnerta  Abhaod- 
Inng  "Corinnae  quae  supersunt'  (Rhein.  Mas.  LXIII  2,  8.  161—189) 
erschien.   Doch  konnte  ich  sie  während  des  Druckes  bonUtsea. 

*}  Abb.  d.  kgl.  Gesellsch.  d.  Wise.  zu  GCUingen,  N.  F.  IV,  Nr.  3. 

')  Ein  unwiderlegbarer  Beweis  daf&r  ist  die  bOotische  Fonn  o^mr 
II  80  (Meister,  Dial.  I  274),  die  Korinna  gebraucht  haben  maß»  da  me- 
trische Grflnde  die  Form  Tcmov,  die  Pindar  anwendet,  aasscUießen. 


Die  ntaen  Bniebstfleke  der  Koriiuia.  Von  H.  Jurenka,  dl9t 

Die  Nachricht  des  PansiniM  (IX  22,  8),  dafi  Eorinna  ihr 
Dtifanal  SU  Tanagra  einem  Siege  Terdanke,  den  sie  über  Pindar 
daTentrng,  ist  naltrlich  falsch:  sie  warf  ja  ihrer  Berofsgenassin 
Mjrtis  Yor,  Sti  fiavk  (=  ywii)  fpoM^  ifia  Uivöägoi  sror'  Iqiv 
(fr.  21).  Wenn  er  hinzufügt.  Tilg  i^«^ii^ov  Svexa,  so  ist  das 
•benfalls  sinnlos:  wir  haben  daraas  bloß  zu  entnehmen,  dafi  dem 
Pansanias  die  Sprachform,  in  der  ihm  die  Korinna  Yorlag,  stark 
in  die  Augen  stach.  Aber  wegen  des  bloßen  Dialektes  wird  kein 
Dichter  berühmt,  auch  deswegen  nicht,  weil  seine  Stoffe  lokalen 
Charakter  besitzen.  Wenn  Eorinnas  schwacher  Stern  in  der  N&he 
des  pindarischen  nicht  verlosch,  so  hat  sie  es  dem  zn  verdanken, 
daß  es  eben  doch  ein  Stern  war,  d.  h.  daß  sie  wirklich  eine  echte 
ud  anerkannte  Dichterin  war. 

Es  wire  übrigens  Tergebliehe  Mühe,  wollten  wir,  wie  dies 
Otto  Schroeder  (Berl.  philol.  Wocbenschr.  1907,  1448)  tut,  die 
BMien  Fragmente  in  die  ursprüngliche  Form  zurückredigieren.  Dazu 
nicben  unsere  Eenntnisse  vom  Büotischen  des  V.  Jahrhunderts 
sieht  hin.  Wir  müssen  uns  daher  mit  der  yorliegenden,  einen 
ipitnen  Znstand  der  Sprache  darstellenden  Gestalt  zufrieden  geben, 
in  die  sie  in  Anpassung  an  die  lebendige  Sprache  schon  in  den 
heimatlichen  Abschriften  verülscht  waren.  Als  dann  Aristophanes 
▼OD  Byzanz  das  dialektologische  Interesse  geweckt  hatte,  wurde 
diese  Gestalt,  je  absonderlicher  sie  schien,  umsomehr  für  ursprüng- 
lich gehalten  und  daher  in  die  edüio  princepa  des  Altertums 
(IL  Jahrh.  t.  Chr.)  übernommen. 


Das  erste  Gedicht  erzfthlte  von  einem  musischen  Agon  der 
beiden  sangreichen  Berge  Helikon  und  Eith&ron.  Es  sei  erinnert 
an  Ofid  Metam.  XI 156  ff.,  wo  der  Berggott  Tmolus  als  Schieds- 
richter waltet  im  musischen  Wettstreite  zwischen  Pan  und  Apollo. 
Der  zweite  S&nger,  offenbar  der  Sieger  Eithftron,  hatte  zuletzt  die 
Kindheit  des  Zeus  behandelt  (Hesiod.  Theog.  458  ff.).  Hierauf 
ordnen  die  Musen  die  Abstimmung  an  —  die  Siebter  sind  die 
Olympier  —  und  Eithiron  erhält  den  Preis.  Spuren  dieser  Sage 
finden  sich  nur  noch  beim  Schol.  zu  Hom.  r267  und  bei  Tzetzes 
Prolegg.  zu  Hes.  'Egya  p.  SO  Gaisf. 

Das  Versmaß  sind  die  folkstümlichen  steigenden  loniker. 
Jedes  Eolon  besteht  ans  zweien,  nur  das  letzte  jeder  Strophe  aus 
dreien,  einem  Tollst&ndigen  und  zwei  unYollst&ndigen  in  der  Form: 
-w — ,  ww^,  .  w — .  Da  es  Eola  sind,  so  ist  weder  TsXsla 
Ulis  gefordert  noch  syUaba  anceps  gestattet.  Die  erste  Silbe  von 
fwlxa  Y.  8  gehört  metrisch  zum  yorhergehenden,  umgekehrt  die 
letzte  Yon  sigiös  V.  20  zum  folgenden  Verse. 


392 


Die  neuen  Braehstflcke  der  Korinna.  Von  H,  Jurenka. 


Xu&Qc^da]v  iy^- 

Exo]vX[o]iu£Tao  Kgöva 
t]av£xa  vlv  xkitlfs  [iS^nfiJfia 
'Ria. 

[li6]ydXav  x*  [i]^avdt(ov  2tf- 
5  {g)BX6  tiiidv.  zdd'  ifukits^. 
jAdxaQag  d'  a[i\tlxa  MAöti 
(p\BQiyi^v  ^[ajcpoi/  «[rjarrov 
XQ6\vq>Lav  xdlxidag  iv  iqov- 
eo\(palg*  zh  d'  afuz  xdvti[g] 

10  nUovag  d'  bIXs  Ki^qAv* 

xd%a  d'  *EQ(iclg  ivstpa  [fia-] 

xgb]v  dovöagj  iQ\at]icv  &g 

'^Is  vixav  [6]tB[(pa\irütfiv 

di]  i  xat'  ßgav  (dv)sx6' 

15  [(idxa]Qsg^   -rö  dh   vö<o>g 
yiya^t. 

6  dk  Xo]vxr}öL  xd\z]6xzog 
ööigvs]  kizzdda  [njizgav 


20 


dvBBlJlKBV  d'  Ä[()]og'  VXZQ&g 

dk  ß6]&v  ov[xl}o\d'Bv  stgiöi 

viv     «]ft     fAoi;[pAa]d£<y<y[t] 

kavg' 


M . . .  Da  inagebaim  vor  dem  Ter- 
sohlagenen  Kronos  ihn  gestohlen 
hatte  die  selige  Bhea. 


Und  hohe  Wfirde  empfing  er  tod 
den  Unsterblichen''.  Solches  sang 
er.  Den  Seligen  aber  geboten  sofort 
die  Musen,  geheimen  StimmsteiD 
abzugeben  in  goldschimmemde 
Urnen.  Die  aber  zugleich  erhoben 
sich  alle. 

Der  Steine  mehr  erhielt  Kitbairon. 
Und  schnell  yerkündeie  Hennes, 
laut  rufend,  daß  er  den  holdes 
Sieg  errungen.  Und  mit  Krftnzes 
schmfickten  sie  ihn  zu  gnter 
Stunde;  sein  Sinn  aber  freste 
sich  dessen. 


Der  andere  aber,  von  schwerem 
Leid  ergriffen,  Helikon,  rißhersm 
einen  glatten  Felsen :  der  Berg 
aber  gab  ihn  frei.  Und  jftmmer- 
lieh  schreiend  schleuderte  er  ihn 
hoch  herab  auf  die  unzählbaren 
Völker 


4  lla{g)  (Tgl.  II  23)  J.  9  Sfca:  Wilam.  &va  14  wtml 

Seder  r,  y,  9)01^ :  %a%'  &Qav  J.,  xcrr'  &if€iv  Sitsler  (N.  pbilol.  Bondsebiv 
,908,  147),  Tiax&fivg  0.  Sohroeder,  xor'  &utv  Wilam.  Ap&noafuw  aoeh 
Schroeder  15  xadsvogi  täi  dh  poog  J.,  deseleichen  Schroeder  und 

Cruaias  (Lit.  Zentralbl.  1907,  1309):  toi  de  Jutg  Wilam.  16  natmos 

J.,  ndd'eKxog  Wilam.,  sa  14  17/18  i-caS^i  J.,  nach  dem  Silbea- 

abteilangaf^eaets  (I  849,  unten  5);  k-asifve  WUam.  19  dvitoav  h 

kvidmxsv  Wilam.  20  yoäv  Sitsler 

1  lu^qddäv  neben  -ridov  wie  Id^Qu  (hymn.  Cer.  240)  neben  Xa^ 
xa  9  %Qovq>otddv  4  Hag  =  l|,  kg  =  hi  Kabner-Blass  I  297,  A.  4  6  Man 
:=  Moüoaiy  der  Accent  dorisch  (I  324,  3)  8  iv  =  hf  elg:  II  247,  S 

9  TV  =s  Toi :  I  603  unten  10  nUovug  =  itl&iwag^  BtMt  ft 

wird  i  geschrieben,  doch  gleich  bIXb  (im  Pap.  aaa  «^Ic  korr.)  nnd  3  'P»a 

Scorr.  aoB  *P^a)         12  dovaug  =  iSaagy  jedea  v,  das  lange  wie  das  Iranei 
orch  ov  ge^reben  13  cxstpavoiaivi  fflr  01  wird  v  geachr.,  doch  II21 

nffdroiy  22  E'öatvvfioi  15  tc5  =s  tov :  fflr  ov  o»        ytfa9't>  ^=  yv)/^h 

zu  10  16  Xvntiai  (zu  12)  17/18  h^iqvs  (zu  4)  19  hfkiiu9\ 

statt  1}  91         olxtQ&g  (la  13)  20  tfipod'sv  (zu  12)        iJQfiae  (la  19 

und  10)  21  Ittotg  (zu  13) 


Die  neoen  Broehstfleke  der  Korion*.  Yoi  H*  Jurenka.  393 

Kommentar.  —  i.  ka^gadtev  tu  xlii^s  gehörig:  Hom. 
i2  71  f.  —  4.  Nach  Hes.  Theog.  881—885.  Sitzler  macht  znm 
Sabjekte  tod  Hs  die  Bhea.  —  9.  Hom.  A  588  toi  d'  äfia  ndvtsg 
iviazav,  T.  Wilamowitz  ändert  &yM  ganz  grandios  in  ävai  es 
ni  nicht  wahrscheinlieb ,  daß  slle  Qötter  zugleich  anfstehen 
MllUn,  dagegen  milssen  alle  Biehter  abstimmen.  0.  Schroeder 
Tirteidigft  &^^  es  bedeute  'allzumal'«  Aber  offia  bezieht  sich 
auf  haztov  und  bezeichnet  die  Schnelligkeit  der  Ausfdhmng, 
Tgl.  die  Bedewendung  &ii'  Sxog  —  £ft'  ioyov  und  Hom.  T  242 
fffUK  fi^do^  ifiv,  zstiXs^xo  dk  iifyoVf  Xenoph.  an.  HI  3,  47  äfia 
xttOt'  Blxhv  iviötri,  —  14.  t.  Wilamowitz*  ötsqxiwöiv  d{i)  i 
xffT*  6iav  ix66fuov  'sie  schmückten  ihn  am  Schafpelz  (oder 
ichmflckten  ihm  den  Schafpelz)  mit  Kränzen'  ist  widersinnig,  auch 
nitrisch  unzulftssig,  da  äia  (auch  ^a,  c5a,  öaund  ota)  kurzes 
(  bat,  Schroeders  TunAgvg  (=  xcnlbQOig)  gar  nur  eine  proble- 
oiitische  Form  {^ndtaQog  Nbf.  ▼.  xataQig  'Band').  Aber  sehr 
anaprechend  Torgleicht  bt  iva  Tioöfiia  mit  ivadia  und  ivcatkixa 
bei  Pindar  (P.  H  6  ividriasv  Vgtvytav  örstpdvoig  [vgl.  noch 
I  40,  Is.  I  28,  Nem.  XI  20]  und  OL  II  74  oQ(ioiöi  tö^  (sc. 
iv^ifimv)  ivcaiXixopti  %iQag  tuA  XQOtdtpavg).  Auch  ivdtpri^i 
bier  Y.  9  ist  ein  neues  Kompositum  und  dva^  von  derselben  Be- 
dfotuig.  naz"  Agav  (das  h  ohne  Einfluß  auf  xor*  wie  H  11 
xox*  BlgduDV  nnd  fr.  2,  2  ibr'  sot)^*,  fr.  18  xevtslxovt'  oinlfißlag; 
daber  16  xdrsxtogj  H  29  Tielleieht  Tcä  zu  schreiben)  heißt  in 
tempore  'zu  rechter  Zeit,  zu  guter  Stunde'  (Theoer.  XVIII  12  und 
sonat)  und  ist  gleichbedeutend  mit  xaxic  xacQiv  (Pind.  fr.  128, 
1;  127,  1).  Vielleicht  hat  &Qa  pr&gnante  Bedeutung  (* festliche 
Stande,  Feierstunde')  und  dann  heißt  xaxic  *gemAß,  entsprechend* 
(pro  tempore).  Sitzlers  xect*  ägav^  Ton  äga  Sorge,  will  mir  nicht 
^fallen,  weil  dieses  Wort  nur  in  ganz  festen  Verbindungen  {ägav 
ilHv  oder  noieiö^ai  u.  ft.)  nachweisbar  ist.  —  15,  t&  di  v6og 
yiyti^i  ist  evidente  Verbesserung  (Grönert  entdeckte  zwischen  v 
and  o  Spuren  eines  zweiten  o).  Der  NominatiT  (sonst  yi^dioi 
9P^a,  xi^Qj  xcctic  dviUnß  und  dv^i/^)  Hom.  iV494  AlvsUf  dt;fi5ff 
ivX  Ov/fiBC^y  YBYjfftsi,  VI  269  yi^dijtfs  di  (lOc  tplkov  ^rop;  v6og 
(aoßer  an  den  von  Schroeder  angeführten  Pindarstellen  Ol.  X  87, 
P.  n  89)  Hom.  d  78  'Aya^fivii)v  xaZps  vöp^  hymn.  19,  41 
Za^cy  di  v6^  . . .  dcUfuav.  —  19.  Die  Form  &vi€iX6v  bei  Hes. 
Tb.  495.  —  21.  Diese  Bedeutung  und  Konstruktion  tou  igsidm 
{igildei^  xi  iv  tivi)  sonst  nicht  nachweisbar.  Am  nftchsten  kommt 
Soph.  Ant.  1286  IJQSiös  xlsvQatg  ^6<sov  iy%og.  —  22.  pLVQuig 
adjektivisch  auch  (Enr.)  Bhes.  913  (cho.)  ^vQiddag  xs  xöXsig  . . . 
ixiviocw.    Die  Völker  bildeten  die  ecrona  der  Zuhörer. 


Auch  dem  zweiten  Gedichte  liegt  eine  lokal-böotische  Er- 
zählung zugrunde.  Der  Flußgott  Asopos')  kommt  zum  Apollonorakel 

M  Der  bOotisehe,  nicht  der  von  Sikroo,  der  er  bei  Pindar  und 
BakchyUdes  ist  Er  spielte  bekanntlich  in  der  Schlacht  bei  Platii  eine  Bolle. 


394 


Die  neoen  Braebttfieke  d«r  Eoriniift.  Von  H.  Jurenka. 


Bftehst  der  Stadt  Akraiphia  am  PtooDgebirg>e  im  nördlieben  Böotien 
(Herod.  Vni  185,  Paus.  IX  28,  6,  Strabo  IX  418),  om  sich  dort 
nach  dem  Schicksale  seiner  ans  dem  Hanse  yerschwnndenen  Töchter 
sn  erkundigen.  Der  Eponymos  des  Orakels»  Akraipben»  Sohn  d«s 
Orion ,  kftndei  ihm  den  Verbleib  von  nenn  soiner  Töchter  nod 
tröstet  ihn,  da  die  Entffibrer  Qötter  soien:  sie  würden  Halbgötter 
gebären  nnd  ewigen  Bnhm  erwerben.  (Ebenso  kommt  bei  Pindir 
Ol.  VI  87  ff.  König  Aipytos  von  häuslichem  Kummer  bedrfickt  — 
die  seiner  Obsorge  anvertrante  Enadne  wird  gnier  Hoffisung  — 
zum  Orakel  nach  Pytho.  Es  wird  ihm  der  Bescheid,  Apolloo  Mi 
der  Vater  und  der  Sohn  würde  als  Seher  berühmt  werden,  oiii 
aox^  iXXilifstv  yiveäv.)  Dann  zählt  Akraiphen  die  früheren  Vor- 
Steher  seiner  Orakelstätte  seit  dem  ersten,  ApoUon,  auf,  gerade  lo 
wie  die  Pythia  zu  Beginn  der  Enmeniden  des  Aiscbylos  tit.  End- 
lich rät  er  dem  Asopos,  den  Unsterblichen  sich  zu  fügen  und  des 
Zornes  sich  zu  entschlagen.  —  Die  ganze  Sage  war  uns  bisher 
unbekannt. 

Das  Metrum  ist  auch  hier  ein  altes,  Tolkstümliches,  die 
sogenannten  choriambischen  Dimeter,  in  mannigfachen,  dnrehans 
verständlichen  Variationen,  und  zwar 


V.  5  ^cr   -^- 

Auch  hier  keine  sylldba  anceps,  die  xeXela  Xi^ig  nicht  Terbindlich 
(8.  V.  18/19  und  26/27). 


xäv  dh  m^[(ov  XQlg  filiv  ^jrt 
^Bij[g]  X€cts([qj  ndvxm\v  ßa- 

xQtg  di  %6vx\p  yäiis\  p.id(ov 
{noxiddovy  [xä]v  dh  dovlv 
5  0i>ßog  Ux[xQa]  xQoxovvij 

xicv  d'  tav  Mri\aQ\  dya^bg 
n^g*EQiiäg'  ov[x]a>yicQ''EQ{og 
xi}  Kovngtg  nthixceVj   xiag 
iv  d6fiC3g  ßävxag  XQOvtpddav 
10  Tubgag  iwC  ikiöitti. 


„Von  den  Töchtern  besitzt  drei 
Vater  Zeus,  König  des  Alle. 
Drei  nahm  zu  Frauen  des  Meeres 
Beherrscher  Poseidon ;  es  waltet 
des  Lagers  von  zweien  Phoiboe 


und  eine  nahm  Maias  wackrer 
Sohn  Hermes.  Denn  so  fiber- 
redeten Eros  und  Kypris  Jen«, 
in  dein  Haus  zu  gehen  nod 
heimlich  der  Töchter  neun  sieb 
zu  rauben. 


4  IIoTiddmv  J.,  deigl.  Crönert  man  erwartet  6ovi)9 

1  Ttaidmv      ixH        4  dvolv        5  XQOtvvii        6  Mtdug       7  wi 
8  xal  xEovg  (=  aovg) :  I  601,  §  170  und  394,  1  9  i( 

donovg  »Qv^adäP  neben  -ndov  wie  x(fvg)ä  neben  x^v9^,  in  1 1 

10  xov(^g  hvia  kXia&at 


Dk  ■eotii  Bniefaitfleke  ddr  Koriui*.  Von  H,  Jurenka- 


15  i[(fiM]idog  ö[t£  «ixovtffti}]. 

tids  yigag  J^axi^xov  Ujv] 
ig  nsvtslxo[vra  x]QarsQ[&]if 
6fi^fiGn/,  x^dovols  ngotpä^ 
tag  ö$iiv&v  [ido\vr(oVj  Xa^hv 
20  hlfsvdiav  *A9^^]q)elv. 

ngitoi  [fikv]  Yic[(f  Afnjotdag 
ddx'  E{i]ai[v]ov(ioi  tgixödoDV 
iög  l&v  [x^l^f^S  ivijtiv* 
T&y  d^  ig  yäg  ßalän/  OÜQisi^g 
25  rifi[iv  d6]vT$(fog  l(f%SPj 

xiig  [noT]cdd(ovog,  ixi-- 
t^  läjf[p/](DV,  &^6g  yspermg, 
yflc^  fl^  ixxaödfuvog. 
ld>  fiiv  (bQav[b]v  diiq>sxij 
SO  Tifft^f/  [d*  ^iUla%o]v  ovxav. 

xAvBx  Uif  X  fyya}]v  ivixe^ 

ro*  */,  \f^ü!\  Ini  [r'  c^Jd-a- 

xii  lov[6ov  iiivsog]  fpgivag 
t5  dfifi6^€66^  ixov]fieii(ov* 


Sie  nun  werden  dereinst  ein 
Oeechleeht  von  Heroen  geb&ren, 
Ton  Halbgöttem,  nnd  werden 
weitTerbreitet  sein  nnd  nie  al- 
ternd, wie  ich  ans  dem  weis- 
sagenden Dreifnß  erkundet. 

Solche  Ehre  erhielt  ich  vor 
fünfzig  mächtigen  Brüdern,  ich, 
der  Mitinhaber  des  ehrwürdigen 
Heiligtums,  Akraiphen,  dem 
üntrüglichkeit  zuteil  ward. 

Denn  zuerst  verlieh  Letos  Sohn 
dem  Euonymos  die  Qabe,  ans 
seinen  Dreifüßen  die  Orakel  zu 
künden.  Den  aber  warf  aus  dem 
Lande  Hyriens  und  erhielt  als 
zweiter  die  Ehre,  der  Sohn  des 
Poseidon;  dann  wieder  Orion, 
mein  Erzeuger,  als  er  sein  Land 
wieder  erworben  hatte.  Und  der 
nun  versieht  den  Himmelsdienst, 
seiner  Würde  Erbe  aber  ward  ich. 

Daher  erkannt^  ich  gar  wohl 
und  künde  reine  Wahrheit  mit 
Prophetenmunde.  Du  aber, 
Freund,  weiche  den  Unsterb- 
lichen und  banne  den  Unmut 
aus  dem  Herzen,  da  du  doch 
Himmlischen  Schw&her  bist.'' 


13  mmn  erwartet  x^oo  ...  14  mix[s:  &te  J.;  &az8  Wilam. 
15  M^MOffüfi/ii  Wilam.;  &irv*  IdidAxf^Bw  GrOnert  25  fiel],  üaiw 
97  ^SUtffimw:  Schroeder  *OolqUov  29  man  erwartet  x<&  und  fr.  10 
,  yit9mp  81  9h  %*  iyvmv  J,\  iyvmv  ravp  Wilam.,  iyvmv  9vv 
Schroeder,  k^M99V9^iw  GrOnert  84  /»^eoff  J.;  $  dilnv  GrOnert, 
nmrf^af  Wilam. 

11  TOi  ^Q&nw  12  ixyerraffof^t:  -v^i  bOot  Endung  d.  3.  plur^ 
dor.  -irr»  (U  48,  9);  attisch  hvfivvi^oinfCi       rnii^Btov  18  nßooowai 

(=s  xai  ldd.)t  -*<^i  bOot.  lt.  -rzai  (II  61,  7)  noXvaniQhg  14  dyilQta 
i^dH^aoiy  Find.  fr.  148,  1),  über  das  fehlende  t  subser.  I  188,  5      hc 

15  nknafuu  16  toHr  a  kfmvi  I  580  und  Bergk  PLGr«  so 

fr.  21  17  Ix  18  6iuilfimp  20  inbivdiuxv         !änoaupiiv 

21  wQStqf :  1 127  unten  und  894,  1  22  Eimvvii(p  28  i\  iAv 
(«/4v)  X9V^I^^  hhtttr  24  ht  'TQUvg  2b  tlcxBv  ss  faxiv : 
I  140  (#Ninu«tv  st  ^Ms  . . .)  26  näCg  26/7  huixa  27  äftog 
^^Vf^tugof:  1602  28yaJav  dvoMäoAfUVitg:  Schohon  dpctxniadfupog; 
*««ir  n^aig  Hesjch.  29  äiupinti         80  o^op  ss  tavrijp:  l  607,  3 

81  tavwna  82  dtQ^uLV        XQV^f^^^^Y^^  88  crv        slxs 

d^ttpdttotg  84  xtti  Xvaop  {Xvaop)  dor.  Accent,  sn  I  7 

85  daiß6p»99$       iitvffsvnv 


396  Die  neuen  Bniebitftcke  der  KoriDna.  Von  JET.  Jurenka. 

&g  i(pa  [fiivtig  «sjo&ysCg.  So  sprach  der  hochheilige  Seher. 

rbp  a  'J[6ambg  iö^aötcog  Ihn  aber  faßte  Asopos  freundlich 

dsii&g  [iq>atd(i]^o\s  bei  der  Hechten  and  indes  die 

ddxQov  X*  [dxvdXyidov  ngo-  Trftne  ans  seinen  Angen  fiel, 

paläyif  antwortete  also  seine  Stimme. 

40  &d'  ifiltt^ato  <]pai]t^*  .... 

40  man  erwartet  (pcMfä 

36  nSQayiJG  89  duxQV  40  dfuii^axo        <pm9^ :  in  14 

Kommentar.  —  1.  Ober  die  Töchter  des  Asopos  s.  die 
Hanptstelle  Diod.  IV  72.  —  tglg  b%i,  ^avg  (böot.,  anch  Aristoph. 
Ach.  911:  I  458):  alle  drei  sind  uns  bekannt,  nnd  zwar  Tfaeba 
nnd  Aigina  aus  Pindar  (Nem.  Vn  50,  Vin  6)  nnd  sonst  (Enrip. 
I.  A.  697  nnd  699),  Aniiope,  Mntter  des  Zethos  nnd  Amphioo, 
ans  Hom.  A  260  ff.  —  3.  %6vxm  iiid(ov :  Tgl.  Hom.  a  72  96(h 
xwog  &vydtriQ  &3ibg  . . .  iiidovrog,  bei  Pindar  (Ol.  VI  108)  imd 
Sp.  Tcovxofiidcav.  Anch  sie  sind  alle  bekannt:  Eorkyra,  Mutter 
des  Phaiax  (Diod.  nnd  Pans.  V  22,  6),  Prono«,  Matter  des  Phokes 
(Schol.  Hom.  B  517),  nnd  Salamis  piod.  nnd  ApoUod.  8  12  7  1). 

—  4.  täv  dk  dovOv :  eine  daTon  ist  Sinope  (Diod.  and  Apoll.  Bb. 
n  948  ff.).  —  5.  Wahrscheinlich  die  Tanagra,  da  Hermes  Schntz- 
gott  dieser  Stadt  ist.  Boscher  l  2849.  —  13.  noXvöxsQtsg  bei 
Hes.  Theog.  865  von  den  Okeaniden  ccZ  ^a  itokv6xsfisg  yalw 
oucl  ßiv&aa  UiLvqg  xdvtfi  Siiag  iq>ixov6ij  sonst  nnr  &p^qozoi 
(Hom.  B  804,  A  868).  —  17.  ig  'yqt\  prae:  Kühner  11  1, 
899 i;  vgl.  Pind.  Ol.  VI  25  xslvai.  ii  ilkav  ...  6dbv  &yino' 
v$i>6aL  inlötavtai.  —  xevxBlxovta:  es  sind  die  fünfzig  SObni 
des  Orion  (anch  fr.  18  xj^  fuvtsljtovt^  o^ißiag...),  Akraipheo 
inbegriffen,  s.  27.  —  18.  Da  die  Form  ofiaLfiog  nnr  bei  den 
Tragikern  vorkommt,  dagegen  bei  Pindar  (Nem.  VI  18)  öiialiuog, 
so  hat  Tielleicht  Korinna  öftqfUon;  (vgl.  I  14  ixAöiuoy)  gs- 
schrieben.  —  24,  Oi^isig  ist  der  Eponymos  des  za  ^anagn 
gehörigen  Dorfes  Hyriai  am  Asopos,  nach  Pindar  (fr.  78,  ans  Strsbo 
IX  404)  Vater  des  Orion.  —  27  f.  Orion  ist  nach  Schol.  Nik. 
Ther.  15  nnd  Schol.  Hom.  27  486  za  Tanagra  geboren,  wo  anch 
sein  Grab  gezeigt  wnrde  (Pans.  IX  20,  8).  Aach  er  warde,  wii 
Enonymos  (V*  22),  ans  dem  Lande  vertrieben,  das  er  sieh  erst  wieder 
erobern  maßte  {ixxa6d(Uvog).  Seine  Wiederkehr  behandelte  Korinoa 
im  KaxojtXovg  (fr.  2).  KÖQiwa  siesßiötatav  aitiw  Uysi  lud 
insXtdvta  xolXoijg  tiicovg  '^(iBQ&öai  xtd  xa^agCöoi  ixb 
difiQtcjv  (Schol.  Nik.  Ther.  a.  a.  0.),  er  war  also  Böotiens  Herakles. 

—  31  f.  Vgl.  Pind.  Ol.  VI  65  iv&u  foi  Axaös  ^6av(fbv 
dCdvfLOP  (locvtoövvagy  x6xa  (liv  gxovicv  ixo'ÖBiv  ipevdimv  äy 
vaörov  (hier  also  ii  iyvcav  dtgixBiav),  r&t*  ai  x^^^9^^ 
d'iö&ac  xiUvöBv.  —  35.  Sxovgeijmv  liefert  das  Scholion  (6  tfls 
ya(i7i9slctig  nccriiQ  ^  roO  yT^^artog).  —  36.  xsQ&yalg  ans  XBQh 


Die  fogeiuuint«  reUtive  VenchrftnkaDg  oiw.  Von  K.  Kwist.      397 

das  bei  Piodar  wie  im  Lesbischen  das  i  elidiert  (diese  Zeitschr. 
1902,  8.  294),  nnd  itfy^g  (=  &yv6g)^  also  mit  srippoxo?  Sappbo 
fr.  92  (=:  Sbo%og,  Find.  Ol.  VI  61)  zn  Tergleiehen.  —  39.  dxtdUiaw 
(mate.)  als  böot.  Wort  bezengt  durch  Arkad.  54,  4. 


Gehen  wir  nun  an  die  ästhetische  Wertong  der  Torste- 
heDden  poetischen  Beste,  so  ist  das  erste,  was  ihnen  den  Stempel 
echter  Dichiknnst  aufdrückt,  die  edle  Einfachheit  der  Sprache. 
Diesen  einfachen  Ton  zu  treffen,  wird  ja  dem  Dichterling  unendlich 
eehwerer  als  hochtrabendes  Pathos  nachzuäffen.  Es  ist  die  größte 
Dichterin  Griechenlands,  die  hierin  der  Eorinna  am  nächsten  steht, 
Sippho.  Korinna  wußte  wohl,  warum  sie  so  dichtete:  ihr  Publikum, 
lideheo  und  Frauen  aus  dem  Volke,  hätten  für  pindarischen 
Schwung  und  Dunkelheit  der  Sprache  weder  Sinn  noch  Verständnis 
aofgebracht,  während  sie  durch  unmittelbare  Verständlichkeit  und 
die  heimische  Mundart  ihnen  entgegenkam.  Aber  diese  Einfachheit 
•Dtbehrt  doch  nicht  ihres  Schmuckes*  Ihn  bietet  Tor  allem  Homer 
dar,  der,  frei  benätzt,  überall  durchschimmert.  Einen  intimen  Beiz 
verleiht  das  lokale  Kolorit  der  behandelten  Stoffe.  Und  aoch  das 
warme  Blut  echter  Empfindung  vermißt  man  nicht,  das  am  stärksten 
am  Schlüsse  des  zweiten  Gedichtes  pulsiert,  wo  der  verlassene 
Vater  für  die  traurige  Kunde,  die  ihm  geworden,  bewegten  Herzens 
«Dd  mit  Tränen  im  Auge  Dank  sagt. 

Man  kann  wohl  sagen,  daß  die  neuen  Bruchstücke  den  Namen 
Korinnss  in  unseren  Augen  gehoben  haben.  Auch  v.  Wilamowitz, 
der  über  sie  fräher  sehr  kühl  geurteilt  hatte,  schlägt  jetzt  wärmere 
Töne  an.  Und  so  haben  wir  Ursache,  dem  Schicksal  dankbar  zu 
lein.  Aber  auch  dem  großen  Gelehrten,  der  die  Aufgabe  der  Ent- 
xiffenmg  und  Ergänzung  des  Papjrus  sowie  der  Interpretation  gleich 
uf  den  ersten  Wurf  in  glänzender  Weise  gelöst  hat. 

Wien.  Hugo  Jurenka. 


Die  sogenannte  relative  Verschränkung  und  ver- 
wandte  Satzfügnngen    in    ihrem    Verhältnis    zum 
deatschen  Satzban. 

Die  Lehre  vom  Satsban  ist  der- 
jenige Teil  der  Grammatik,  dessen 
bisherige  Pflege  und  Ansgeetaltang 
im  ungekehrten  Verhältnis  steht  sn 
der  Bedeutong,  die  ihm  innerhalb  der 
Geeamtgrammatik  sokonunt 

Herrn.  Wunderlieh,  Der  deutsche 
Satib.,  Stnttg.  1892,  Vorw. 

Im  feigenden    bietet   der   Verfasser   eine   Fortsetzung    und 
Brglazimg    dessen,    was    er    unter    demselben    Titel    in    der 


398      Die  ■ogeoftonte  relative  Versehrinkang  ntw.  Von  K,  KwkA, 

ProgrammabhEDdlimg  des  k.  k.  Staaisgymnatiiimt  des  X£L  BairkM 
in  Wien  1908  auseinandersetzt.  Die  dort  niedergelegten  Betneh- 
tongen  Torfolgen  einen  doppelten  Zweck :  znnftehst  werden  die  Ter- 
schiedenen  Arten  der  in  dem  Titel  genannten  den  antiken  Sprachen 
eigentümlichen  Satzstmktnr  festgestellt  nnd  miteinander  Tergliehen; 
dabei  wird  der  Versncb  gemacht,  das  eigentliche  Wesen  dieser  in 
den  g^mmatisch -stilistischen  Werken  tielfacb  nnricbtig  definierten 
Eonstmktion  zu  bestimmen.  In  dem  zweiten  Teile  werden  die 
Möglichkeiten  der  dentschen  Wiedergabe  'yerscbr&nkter*  Belatif- 
sätze  erörtert  nnd  systematisch  geordnet.  In  der  hier  folgenden 
Ergänzung  nun  nntemimmt  es  der  Yerf.,  die  GrAnde»  wsrnm 
der  in  den  klassischen  Sprachen  dnrcbans  nicht  selten« 
Gebranch  der  genannten  Konstruktion  im  Deutsch» 
keine  Entwicklung  gefunden  hat,  aufzudecken  und  im 
Zusammenhange  damit  auch  andere  von  dem  Wesen 
antiker  Darstellung  abweichende  Eigentümlichkeit» 
des  deutschen  Satzbaues  zu  erörtern. 

Schon  der  Umstand,  daß  sich  griechische  und  lateinische 
Satzgefüge  mit  der  gewöhnlich  als  'relative  Yerachr&nkung*  bezeich- 
neten Konstruktion  im  Deutschen  überhaupt  nicht  wörtlich  wieder- 
geben lassen,  läßt  die  Vermutung  aufkommen,  daß  diese  Abweichung 
der  deutschen  Sprache  von  den  antiken  auf  einem  ihren  Satzban 
streng  beherrschenden,  den  antiken  Sprachen  jedoch  völlig  fremden 
Grundgesetze  beruhen  mag.  In  den  meisten  Darstellungen  der 
'relativen  Verschränkung^  auch  in  den  ausführlicheren  wie  bei 
G.  T.  A.  Krüger  (Untersuch,  auf  dem  Gebiete  der  lat.  Sprache, 
Brannschweig  1820—27,  §  94—101,  S.  285—250)  und  Bapb. 
Kühner  (Ausfübrl.  Gramm,  der  lat  Sprache  H,  §  196,  8.  897  i, 
Hannover  1879)  findet  diese  Frage  keine  Erörterung,  bei  Nägeli- 
bach-Müller,  Lat.  Stilistik,  wird  sie  §  164,  2,  S  (S.  670  ff.  der 
9.  Aufl.,  Nürnberg  1905)  nur  gestreift >).  Da  aber  Franz  Devantier 
(^Über  das  latein.  sogenannte  Belativum  in  der  Yerschränkung  oder 
Konkurrenz',  Bell,  des  Gymnasialprogr.  von  Friedeberg  i.  d.  Nen- 
mark  1886)  auf  eine  Erörterung  der  Ursachen  für  die  genannte 
Venchiedenheit  antiker  und  deutscher  Satzfügung  eingeht,  so  wird 
es  sich  empfehlen,  hier  an  Devantiers  Ausführungen  anzuknüpfen. 
Auf  S.  14  der  genannten  Abhandlung  werden  drei  Gründe  für  die 
Unzulässigkeit  der  'relativen  Yerschränkung*  im  Deutschen  namhaft 
gemacht.  Es  heißt  dort:  „Yon  fundamentaler  Bedeutung  ist  hier 
zunächst,  daß  im  Deutschen  ein  Nebensatz  zweiten  Grades  (a) 
nur  vermittelst  eines  Nebensatzes  ersten  Grades  (a)  oder  einee 
Teiles  desselben  mit  dem  Hauptsatze  [A)  verbunden  wird,  nicht 
unmittelbar  auf  den  Hauptsatz  folgen  kann Yon  Wichtigkeit 


*)  Zar  Übereicht  über  die  verichiedenen  Darstellongen  der  'reUtiTSD 
VerechränkuDg',  insbesondere  in  den  neaeren  grammatiseh-ttiliititcheB 
Lehrhebelfen,  vgl.  meine  obgenannte  Programmahhandlung  S.  8 — 13. 


Die  fOgeaaBBta  reiatiTe  VexBehrinkiuig  vsw.  Von  K.  Kunst.      399 

für  unser«  Eonstrnktian  ist  ferner  die  im  Lateiniechen  Torbandene 
Freiheit  der  WortateUnng  innerhalb  eines  Satzes,  woranf  namentlieb 
N&gekbadi  §  164  binweist  Im  Dentacben  verlangt  nftmlicb  sowobi 
du  BelatiTiim  als  anch  die  Konjunktion  gebieterisch  die  erste  Stelle 
in  Satze,  n«r  eine  Präposition  kann  noch  Ter  das  BelatiTom  treten. 
In  Lateinischen  kann  nun  zwar  das  satzTsrbindende  BelatiTüm 
auch  keinen  anderen  Platz  erhalten^),  aber  die  Konjonktion  kann 
recht  wohl  durch  andere  Wörter,  besonders  wenn  sie  betont  sind, 
TOD  dem  Satzanfang  vordringt  werden  . .  •  •  Schließlich  ist  anch 
der  Umstand  in  Betracht  zn  ziehen,  daß  im  Lateinischen  ein  Nomen, 
welches  bei  einem  ans  voranstebendem  nntergeordneten  und  folgen- 
dem fibergeordneten  Satze  bestehenden  Satzgefüge  vor  der  Eon- 
jnsktion  an  der  ^itze  des  Oanzen  steht,  nicht  notwendig  in  dem- 
selben Kasns  zn  beiden  Sfttzen  zn  gehören  brancht,  soadsm  allein 
nich  dem  voranstehenden  Nebensatze  konstruiert  werden  kann**. 
£ine  genanere  Analyse  dieser  drei  von  Devantier  aogeffthrten 
Gründe  zeigt  nun,  daß  sie  ihrem  Wesen  nach  durchaus  nicht  von- 
emander  so  verschieden  sind,  als  man  auf  den  ersten  Blick  glauben 
•oUte,  daß  sie  vielmehr  auf  ein  und  dasselbe  Prinzip  des  deutschen 
Satzbanes  zurdckzufäbren  sind  und  daß  denmach  zwischen  ihnen 
ein  Kausalnezns  besteht,  zu  dessen  Erkenntnis  Devantier  offenbar 
Dicht  durchgedrungen  ist. 

Beginnen  wir  nun  mit  der  Eigentfimlicfakeit  der  deutschen 
Satziorm,  auf  die  sich  der  zweite  unter  den  von  Dev.  angeführten 
Grfinden  bezieht:  Im  Deutschen  verlangt  sowohl  das  Belativum  als 
aoch  die  Eonjnnktion  gebieterisch  die  erste  Stelle  im  Satze.  Diese 
Erscheinung  hat  ihren  Grund  in  einer  Eigentfimlichkeit  des 
Deutschen,  die  weiter  reicht,  als  sich  aus  Devantiers  Worten  ent- 
oehmen  läßt ;  sie  betrifft  nicht  nur  die  relativen  und  konjunktionalen 
Nebensätze,  sondern  sämtliche  mit  einem  Fügewort  ver- 
sehenen Nebensätze,  also  auch  fragende,  sowohl  Ergänzungs- 
(Begriffs-)  Fragen,  in  denen  Fragepronomina  und  Frageadverbia 
als  Fügewörter  fungieren,  als  auch  Satzfragen  mit  dem  Fügeworte 
'ob*.  Ja,  bei  den  Fragesätzen  erstreckt  sich  diese  Eigentümlichkeit 
sogar  auf  einen  Teil  der  selbständigen  Sätze  (Hauptsätze),  nämlich 
auf  diejenigen,  in  denen  die  erste  Stelle  stets  dem  Frageworte 
vorbehalten  bleibt,  also  zunächst  auf  die  Ergänzungs-  oder  Begriffs- 
fragen. So  kann  der  Deutsche,  ohne  zu  einem  Pleonasmus  zu 
greifen,  einen  lateinischen  Satz  wie  Cic.  p.  Mil.  10  inaidiatori 
vtro  et  latroni  quae  potest  inferri  iniusta  nex?  nur  in  der 
Weise  wiedergeben,  daß  er  mit  dem  Frageworte  beginnt:  ^Wie 
kann  nun  gar  ein  Wegelagerer  und  Straßenräuber  unrechtmäßig 
getötet  werden?'  In  den  antiken  Sprachen  hingegen  wird  durch 
die  Freiheit   der  Wortfolge  die  Möglichkeit  geboten,   denjenigen 


M  Daß  hier  ein  Irrtum  Devantiers  vorliegt,   werden  wir  ipiter 
■ehea;  vgl.  S.  401  f. 


400      Die  logenaaiite  relative  Venchrinkoog  new.  Von  JT.  Kunti. 

Satzteil  an  die  Spitze  der  Frage  zu  stellen,  der  vermOge  des  Zu- 
sammenbangee  den  Hanptton  trägt  oder  der  Verbindung  mit  dem 
Vorhergehenden  dienen  soll.  Vgl.  in  diesem  Sinne  Sali.  lug.  81«  20 
nam  aervitutem  quidem  quis  vestrum  recusare  audebai?  ibid. 
23  nam  fidei  quidem  aut  eoneordiae  quae  spe»  est?  fibenio 
im  Orieeb.:  PI.  Prot.  p.  818 c  zgifpatai  6h  ^  ilfv%ri  ^^^^^ 
futdi^fia^t  di^xov  (wo  die  tgotpii  der  Seele  den  Hanptbegriif  bildet) 
oder  Xen.  Mem.  I  6,  9  iftgatsvoito  dk  ndxsQoq  iv  päovj 
6  (lif  dvvdfisvog  &V€v  7Cokvt8loi>g  dtaltrig  ^fjv,  ij  £  tb  lULqbv 
i^xolri;  ixnokcoQXfi^eifj  dk  nötSQog  &v  ^ävtov  ».  r.  L 
Eine  ganze  Seihe  so  geformter  Fragen  findet  sieb  Gie.  p.'Qninctio 
84.  Daß  dabei  der  Fragesatz  aneh  abh&ngig  (indirekt)  sein  kaoD, 
zeigen  Beispiele  wie  Nep.  Tbem.  2,  7  id  responsum  quo  i»- 
leret,  cum  intelUgeret  nemop  Themistodea persuatü,.,^).  Der  vor- 
geschobene  Satzteil  kann  ferner  dnrch  einen  ganzen  Satz  gebildit 
oder  Ton  einem  solchen  n&her  bestimmt  sein:  Gic.  p.  Arch.  13 
illa  quidem,  quae  »umma  sunt,  ex  quo  fönte  hauriam,  eeio*). 
—  Will  man  im  Dentschen  einen  Satzteil  wegen  der  besondaren  Be- 
tonung oder  der  Verbindung  mit  dem  Vorhergehenden  einem  Frage- 
worte ▼oransschicken,  so  läßt  sich  dies«  wenn  wir  tou  der  schlep- 
penden Umschreibung  mit  *was anlangt,   betrifft'  absebeo, 

nur  durch  die  Anwendung  des  sogenannten  Otfridischen  Pleo- 
nasmus  erreichen  (?gl.  Blatz,   Neuhochd.  Gramm.  U,   §  64,  4), 


')  Über  die  VoraDstellang  einei  Fragepronomene  oder  FrageadTer- 
biams  Tor  ein  anderei,  das  nicht  nach  dem  gleichen  Satsteil  fri^,  vgl- 
unten  8.  411,  Anm.  1. 

*)  Auch  in  der  Sati-  (Entecheidungs-)  Frage  und  den  dieser  Sati- 
form  sich  anichließenden  Aosmfiitien  hat  der  Deutsche  gewöhnlich  eine 
beitimmte  Wortfolge;  in  ihrer  regolftren  Form  beffinnen  diese  SiUe 
mit  dem  Verhorn  &iit.,  bei  suiammengeBetzten  Verbalformen  mit  dem 
flniten  Teile  derselben,  i.  B.  Trftgt  dieser  Baum  auch  Frttehte?  Wird 
dieser  Baum  auch  Früchte  tragen?  Trftgt  dieser  Baom  herrliche  Frfichte! 
Doch  ist  es  bekanntlich  auch  mOglich,  solchen  Sfttsen  die  Form  der  Aos- 
sage  in  geben  und  bloß  dnrch  den  Ton,  dem  in  der  Schrift  das  Frage-, 
besw.  das  Ansrafangsseiehen  entspricht,  ihr  wahres  Wesen  su  kennzeichseo, 
also:  Dieser  Baum  trftgt  auch  FrUchte?  Dieser  Banm  wird  auch  Frflebte 
tragen?  Dieser  Baum  trftgt  herrliche  Frflchte!  In  den  klassischen  Sprachen 
herrscht  hingegen  aoch  besflglich  der  Stellung  der  die  Satsfrageo  eio- 
leitenden  Fragepartikeln  Tollkommene  Freiheit,  so  daß  auch  hier  der- 
jenige Satzteil  an  die  Spitze  treten  kann,  der  den  Anschluß  an  das  Vor- 
hergehende am  besten  Termittelt:  Gic.  De  nat.  d.  I  88  deum  ipsum 

numne  vidisti?  in  Gat.  I  14  nuper,  cum vaeuefeeiisetf 

nonne  eiiam  cumulasti?  Xen.  Mem.  III  6,  16  ot  (paipovtat  sai 
XiyopxsSf  a  fiij  teaaiy  %al  nQdttovtag,  uoxiQa  ooi  6onovöt9 
knaivov  [iSXXov  ij  ipöyov  xvyxavHv;  So  wird  bekanntlich  regelmftßig  nach 
dem  satsTerbindenden  'quidT  nicht  die  Fragepartikel,  sondern  der  betonte 
Begriff  an  die  Spitze  gerUckt,  s.  B.  Gic.  Tusc.  I  56  quid?  illa  tandem 
wum  leviora  cenaes?  oder  p.  Mil.  64,  wo  dem  Frageworte  ein  ganier 
Sats  samt  seinem  Nebensätze  Torgeschoben  wird:  quid?  quae  posU^i 
aunt  in  eum  congeata,  quae  quemvia  etiam  medioerium  de- 
lictorum  conacientia  perculiaaent^  ut  auatinuit,  diimwutrtaiUt! 


Die  aogenaiuite  reUtive  yerscbriiikoDg  oiw.  Von  K,  KwMt     401 

wobei  der  yonngeitellte  Satzteil  in  dem  Fragesatze  selbst  durch 
MB  Prooomen  (AdTerb)  wieder  aufgenomiDen  wird.  Dadareh  gewinnt 
der  Fragesatz  wieder  seine  gewöhnliche  Form.  Ygl.  Goethe, 
Gi^tx  ?.  Berl.  IV2MeineLente,wo  sind  die?  Der  herforgehobene 
Sitztsil  kann  dabei  dnrch  einen  ganzen  Satz  vertreten  sein,  so  in 
d«D  (fon  0.  Weise,  Dentsehe  Sprach-  und  Stillehre,  1901,  S.  180 
ao^eftthrten)  Satze  ans  Lessing  'Die  einen  so  infamen  Titel 
fihri,  wie  heißt  diese  Scharteke?*  Anf  diese  Weise  ergeben  sieh 
fir  die  obgenannten  Baispiele  folgende  Obersetznngen :  Oic«  p.  Mil. 
10  'üod  vollends  ein  Wegrolftgsrer  und  Straßenrftnber,  kann  der  nn- 
rMhtmißig  getötet  werden?'  Sali.  log.  31,  20  *Denn  Knechtschaft, 
war  Ton  euch  wag^  es,  gegen  die  sich  anfznlehnen?*  ibid.  28  Denn 
gsf^seitiges  Vertranen  und  Eintracht,  wie  lißt  sich  auf  dieses 
Varb&ltnis  hoffen?'  nsw.  Daß  jedoch  diese  pleonastische,  von  dem 
•bn  n&her  charakterisierten  Sprachgebranch  der  antiken  Sprachen 
dtmoach  Torschiedene  Ansdmcksweise  mit  ihrer  stark  rhetorischen 
Firbmig  auch  hinsichtlich  der  H&nfigkeit  ihrer  Anwendung  an 
jenen  Spracbgebranch  keineswegs  hinanreicht ,  braucht  nicht  erst 
bisoodtfs  herrorgehoben  zn  werden. 

W&hrend  bei  selbständigen  Frage-  and  Ansmfs&tzen  min- 
dMtens  anf  diese  Weise  auch  im  Dentschen  die  Vorschiebnng  eines 
Satzgliedes  Tor  das  Fragewort  ermöglicht  wird,  erscheint  hier  die 
Möglichkeit,  einen  Satzteil  vor  das  Fflgewort  einer  abhängigen 
Frage,  eines  koigonktionalen  oder  relativen  Nebensatzes  zu  stellen, 
^anz  aasgeschlossen;  in  den  antiken  Sprachen  hingegen  herrscht 
aocb  in  allen  diesen  Satzkategorien  vollkommene  Freiheit  der 
Wertetellong,  vgl.  Cic.  Tasc  I  16  tameny  mors  ui  malum  wm 
tit,  e/ficiss;  id.   Lael.   94  multi   Gnathonum  simiUs  cum 

nnt  loeo superiares,  horum  est  adsentatio  moUaia;  ibid.  54 

illa  Buperbia  et  importunitate  si  quetnquam  amicum  habere 

poluit;  Thok.  I  144,  8  sldivac  di  %i^, £x  %s  xdiv  i/lb^ 

Yiörav  xivSvvav  Sri  tucI  nölai  xccl  Idicotn  ^eyiörtn  tiiial 
xiQiyiyvopxai,  ibid.  I  142,  4  q>QOVQiov  d^  sl  xoiiiöovxaif. . . 
Vgl.  Kfihner  za  Cic.  Tasc.  I  8,  16  and  Sejffert-Mailer  za  Cic. 
Lael.  16,  S.  97.  Devantier  will  zwar  a.  0.  S.  15  diese  Eigen- 
tfimllchkelt  nnr  von  den  Konjnnktionalsfttzen  der  klassischen 
Sprachen  gelten  lassen  and  meint,  Mas  satzverbindeode  Eelatirutn 
könne  auch  im  Lateinischen  keinen  anderen  Platz  erhalten  aJs 
den  tfsten*;  es  ist  jedoch  dagegen  za  bemerk»Dt  dail  auch  in 
Selativsitsen,  mag  ihr  Beziebangswort  voraasgeh^n  oder  folgtnt 
andere  Satzglieder  an  die  Spitze  treten  können.  Y^!.  Caei.  TII_11, 
8  Urtio  die  arma  conferri  ....  iusait.  Ea  qui  conficBret^  C 
^iiiffi  Uffotum  relinquit^  ipse  ut  . , , ,  faceret;  ebenso  SalUv 
98,  8  praesidio  qui  farent;  Cic.  Lael.  19  ui  ii  futrunt,  m 
^Koe  naminavi;  Varro  B.  B.  I  2,  9  quod  effodiebat^  eircm 

ZiÜNkrUt  f.  d.  toterr.  Otbui.  1908.  V.  Htft.  26 


402      Die  logeiiannie  relaiife  Venehrftnkuig;  niw.  Von  K.  ftmit. 

horeB  e  radieibus  quae  nascertntur  e  9olo  n.  ▼.  a.^).  Au 
dem  Griechischen  TgL  Plat.  Phaedr.  pg.  288  a  xal  tovrov 
lÖB&v  ixTtQsxiis  ^  &v  rvxv  y^o^ivri,  Thnk.  IV  80  »qobI- 
%oVj  aixAv  0601  i]iioi>6iv  iv  xois  noksfiloig  ysyBvilö^u 
Cfplöiv  ägiatoij  xgCvs^^ai. 

Ebeoso  wie  in  allen  diesen  Sfttzen  solche  Begr^iffs  der  Eonjonktion 
nnd  dem  Belati?Qm  Torangestellt  werden»  die  dem  Nebensatze  allein 
angehören  nnd  demnach  in  der  durch  das  v$rbumfin,  dieses  Satzes 
geforderten  Form  erscheinen,  so  terhält  es  sich  auch  mit  den  Sitzes, 
auf  die  De?antier  den  dritten  der  Gründe  für  die  Möglichkeit  der 
'relati?en  Verschrftnkung*  im  Lateinischen  stützt,  wie  Caes.  B.  6. 
IV  11,  1  Caesar  cum  ab  hosU  non  amplius  paasuum  XII  fiii- 

libus  abesset, ad  eum  Ugaii  revertutUur  oder  Li?.  V  1,  8 

Bomanis  eist  quietae  res  nuntiabantur,  tarnen  ....  ita  munie- 
bant. .  Daß  demnach  der  Ton  Devantier  an  dritter  Stelle  angefahrt« 
Grund  auf  derselben  Freiheit  der  Wortfolge  beruht  wie  der  lo 
zweiter  Stelle  genannte,  ist  einleuchtend. 

Diese  Möglichkeit,  einen  den  Anschluß  an  das  Vorasi- 
gehende  Termittelnden  Satzteil  Tor  das  Fügewort  eine«  NebeneatzM 
zu  stellen,  reicht  auch  vollkommen  aus,  die  als  ^Verschrlnkasg* 
bezeichnete  relative  Verbindung  von  Sfttzen  zn  erklftren.  Denhn 
wir  uns  n&mlich  in  Sfttzen  wie  Caes.  B.  G.  Vn  11,  3  ea  pi 
conßeeret,  C.  Trebonium  leg.  reliquü  oder  Nep.  Them.  11  7  id 
responsum  quo  valeret  nsw.  die  an  der  Spitze  stehenden  Demos* 
strativa  durch  Belativa  ersetzt,  so  gewinnen  wir  sofort  die  Form 
der  ^relativen  Verschrftnkung*.  Vgl.  meine  obgenannte  Programm- 
abhandlung  S.  14  f.  Wie  in  diesen  Sfttzen  das  den  Anschluß  an 
den  früheren  Teil  der  Bede  vermittelnde  Demonstrativ  dem  Ffige« 
wort  seines  eigenen  Satzes  (des  das  Satzgefüge  einleitenden  Kebtt- 
Satzes)  vorgeschoben  ist,  ebenso  verhftlt  es  sich  mit  dem  BelatiTam 
in  Satzgefügen  wie  Nep.  Thras.  IV  1  Thrasybulo  corona  a  pop> 
d.  est,  quam  quod  am.  civ.  et  n,  v,  expr,,  nuUam  habuit  invid, 
=:  A: a:a.  Hier  geht  das  die  Verbindung  des  Satzkomplexcfl 
a:a  mit  A  herstellende  Belativ  (quam)  dem  Fügeworte  (quod) 
des  eigenen  Satzes  (a)  voraus'). 

Welche  Bewandtnis  hat  es  nun  mit  dem  von  Devantier  u 
erster  Stelle  genannten  Grunde,  nftnflich  der  dem  deutschen  Satibaa 


M  Diese  sogenannte  Anaitrophe  der  Eonjonktion  und  desBeUttV. 
beiw.  FragepronomenB  findet  sich  besondere  bei  Varro;  vgl. .  Krambiegeli 
De  Varroniano  serib.  genere,  Lipt.  1892,  §  61;  Heidriel^  Der  Stil  des 
Varro,  42.  Jahres ber.  des  k.  k.  Stiftsgjmn.  von  Melk,  &  18  f. 

')  Die  hier  angewandte,  aoeh  sonst  in  Werken  stilistischen  lahsltei 
übliche  bildliche  Darstellang  von  Periodenformeo  bemht  darauf,  daß  die 
Haantsfttie  mit  großen  Bachstaben  A^  B,  0  a.  s.  f.,  die  Nebensfttze  ertttn 
Graues  mit  a,  b,  c  osw.,  die  iweiten  Grades  mit  a,  /?,  y,  die  der  nftdisteD 
Ordnong  mit  a ,  ^,  y  nsw.  bezeichnet  werden,  wie  es  schon  J.  A.  Lab* 
mann  in  seinem  » Allgemeinen  Mechanismas  des  Periodenbanes*.  Danxig 
1838,  getan  hat. 


Die  logeoaiiBte  reUti? e  VenehriiikaBg  niw.  Yen  K,  Kunst.     403 

DrirndtD,  in  den  antiken  Sprachen  hingegen  oft  yorkommenden  Satx- 
folge  a:a:A  oder  Ä:a:a,  bezw.  A(a:a)Ä?  Es  handelt  sich 
io  dieMn  Fällen  nm  Periodenformen,  in  denen  ein  Nebensatz  zweiten 
Gndes  an  der  Spitze  steht  oder  sich  nnmittelbar  an  den  Hanptsatz 
auebliefit,  z.  6.  Cie.  Phil.  V  6  quid  autem  agatur  (a)j  cum 
vfvrufTo  (a)j  faciU  erU  9tatuer$  (Ä),  quam  senietUiam  dkatis; 
angleichen  p.  Mil.  57  manu  vero  dur  miaerit  (a),  ei  id  potius 

gvwm  (a) ,  nesei»  inimiei  factum  reprehendere  (A);  oder 

fflit  Yoranstellnng  des  Hanptsatzea:  id.  de  orat.  I  284  veritua  es  (A), 
niii  tarn  artnn  oraiume  exaggerasHS  (a),  ne  operam  perdidisses 
(a)  oder  Caes.  B.  Q.  I  21,  1  eodem  die  ....  certior  /actus  • .  • . 

(A),  qualis  esset  natura  montis (a),  qui  eognoscsrent  (a), 

mitU  (A).  Anch  einen  Nebensatz  höherer  Ordnung  kann  der  Lateiner 
u  die  Spitze  eines  Satzgefflges  stellen,  wenn  es  die  besondere 
BitoBUig  eines  darin  enthaltenen  Begriffes  oder  der  Anschloß  an 
das  Yorhergesag^  erheischt,  so  Nep.  Arist  III  1  quos  quofacilius 
npükrent  (a),  ...ad  dassis  aedißeandas  exerdtusque  camparandos 
quanium  peeuniae  quaeque  civHas  daret  (a),  Aristides  delectus  est 
(A),  qui  eanstüueret  (a).  Woher  es  kommen  mag,  daß  sich  gegen 
dttlei  Satzfflgnngen,  die  in  den  antiken  Sprachen  in  hohem  Maße 
dazu  beitragen,  der  Darstellnng  ihr  besonderes  Qeprftge  zn  Torleihen, 
dir  dentsche  Satzban  strftnbt,  dar&ber  bemerkt  De?antier  nichts; 
zQch  bei  Nägolsbach-Müller,  Lat.  Stilist.,  wird  §  152  nnr  anf  die 
Uofflöglichkeit  einer  Yoranstellnng  Ton  a  vor  a  hingewiesen  ohne 
jide  ErklAmng  dieser  Erscheinung«  —  Geht  man  nnn  daran,  eine 
solche  an  snchen,  so  wird  man  dnrch  das  Wesen  der  Nebensätze, 
die  doch  stets  Satzgliedern  Ton  Sätzen  der  nächst  höheren  Kate- 
gorie gleichkommen,  anf  die  Stellung  der  Satzglieder  innerhalb 
eines  einfachen  Satzes  geffihrt.  Ebenso  wie  es  sich  im  Dentschen 
als  nnstatthaft  erwiesen  hat,  vor  das  Fügewort  eines  Nebensatzes 
•in  Satzglied  zn  stellen,  erscheint  es  anch  nnstatthaft,  einen 
diesaa  Satzglied  Tertretenden  Nebensatz  zweiten  Grades 
(c)  dam  Fflgeworte  des  Nebensatzes  ersten  Grades  (a) 
roranznstellen^).  Eine  natflrliche  Folge  dieser  Eigentümlichkeit 


*)  Ab  nnd  zu  kommt  diese  Satsitruktor  allerdingt  auch  im  Dentschen 
Tor,  beeonden  in  der  älteren  Sprache;  sie  gehört  aber  immer  zn  deo 
Siagolaritäten  nnd  wird  alt  Härte  empfunden.  Zu  der  Satzform  a:a:  A 
eriBBere  ich  an  Nib.  Str.  974,  8  f.  (Lachm.):  Dir  mir  in  (Sifrit)  Mt  he- 
n(men^  «rtrd  te^  des  l^ewtstt  (=  werde  ich  detsen  lieber),  es  muos  im 
sehedliehen  kamen;  so  A:a:a  an  Nib.  Str.  803,  8  f.:  Ich  wü  iueh 
ledee  Idn,  des  iuch  min  swister  sihet,  daz  ir  dis  niht  habet  getan; 
Leea.  Hamb.  Dramat.  81.  St.  «Ich  will  bloß  tagen,  wat  die  Franioien 
gar  wohl  haben  konnten,  daß  sie  das  noch  nicht  haben:  die  wahre  Tra- 
gödie". Etwas  weniger  hart  erieheint  der  Ausdruck  in  Fällen  wie  Nib. 
Str.  843,  1  ff.:  Jedoch  bin  idi  in  sargen,  awenne  er  (Sifrit)  in  strite 

etat  umd ,  daß  ich  da  Verliese  den  mtnen  lieben  man;  ähnlich 

ScfailL    Wilh.  Teil  I  ^ff.:   »Den  MOrtel  angefahren,   wenn   der  Herr 
LaadTOft  kommt,  daß  er  das  Werk  gewachsen  sieht''.    Zu  der  Form 

26* 


404     Die  logenAnnta  rdatif e  Yenehriiibing  ntw.  Von  K.  KwMt, 

ist  68»  daß  man  bei  der  dentechen  Wiedergabe  Ton  laieiuechen 
und  griechiscben  Satzgeffigen,  in  denen  eich  a  T<Nr  a  .geetiUk 
findet»  die  in  dieser  Sats^olge  gelegene  Schwierigkeit  zu  beseitigen 
bat  Bei  der  Satiform  a:a:  Ä  wird  man  demnach,  falls  der  Satt- 
inhalt nicht  die  Voranstellnng  des  Hanptsatx^t  geraten  erseheiaen 
läßt,  darauf  zu  achten  haben,  daß  im  Deatschen  mit  dem  Nebea- 
sats  erster  Ordnung  angefangen  wird»  eine  Segel,  die 
dem  ungeübten  Obersetzer  die  Arbeit  wesentiich  zu  erieiditern 
geeignet  ist. 

Daß  die  Unmöglichkeit,  die  antike  Satzform  a:a:Ä  uod 
die  erwähnten  damit  verwandten  Formen  nachzubilden  i  auf  dar 
ünstatthaftigkeit  der  Voranstellung  des  Nebensatzes  a  vor  das 
Fl&gewort  des  Nebensatzes  a  beruht»  daß  also  in  diesen  F&Uod 
speziell  dem  Ffigeworte  des  Nebensatzes  a  eine  wichtige  BoU« 
zofftllt,  ersieht  man  daraus»  daß  sich  eine  solche  Yorschiebaog 
eines  Nebensatzes  zweiter  Ordnung  (a)  vor  einen  Nebensatz  erstsr 
Ordnung  (a)  auch  im  Deutschen  sofort  als  möglioh  erweist,  sobald 
a  sein  Fflgewort  verliert»  d.  h.  sobald  an  Stelle  des  ToUstindigen 
Nebensatzes  a  eine  Satzbestimmung  mit  Satzwert  tritt.  Haben  wir 
z.  B.  den  Satz  *quid  factum  esset  (a),  ut  comperiretn  (a),  servwn 
ad  te  misi  (Af  ins  Deutsche  zu  ftbertragen»  so  ist  die  Beibehal- 
tung dieser  Satzfolge  unstatthaft,  falls  wir  'ut  eomperirem*  dnreb 
einen  Tollständigen  Nebensatz  mit  einem  eigenen  Fdgewtrt  Mamit 
(auf  daß,  daß)  ich  erfahre'  wiedergeben  wollen.  Bestehen  wir 
auf  dieser  Übersetzung»  so  mdssen  wir  mit  diesem  Satze  ak  dem 
Nebensatze  ersten  Grsdes  beginnen  oder  der  Hauptsatz  muß  an 
die  Spitze  rücken.  Die  Sache  ändert  sich,  sobald  an  Stelle  tob  e 
eine  fdgewortlose  Satzbestimmung  mit  Satzwert,  in  unserem  Falle 
eine  InfinitiTkonstruktion,  tritt:  was  geschehen  war  (a),  zv 
erkunden  (a),  sandte  ich  einen  Diener  zu  dir  (A).  Bbenso  kann 
man  bei  dieser  Art  der  Übersetzung  die  sonst  im  Deutschen  ebenve- 
wenig  flbliche  Satzfolge  A :  a:a=z  servum  ad  te  misi  (A),  p^id 
factum  esset  (a)^  ut  camperirem  (a)  oder  A  (a  :  a)  Äz=  serrum 
ad  te  (A),  quid  factum  esset  (a),  ut  comperirem  (a),  misi  (A) 
zur  Anwendung  bringen :  'ich  sandte  einen  Diener  zu  dir  (il)»  was 
geschehen  war  (a)»  zu  erkunden  (a)'  oder  'ich  sandte  (A),  ^^ 
geschehen  war  (a)»  zu  erkunden  (a)»  einen  Diener  zu  dir  (A)'.  Der 
Ausdruck  'zu  erkunden^  nähert  sich  eben  seiner  Geltung  nach 
einem  Satzteil,  der  mit  seinem  sekundären  Satzglied  (dem  Nebsn- 
satze  a)  als  eine  inhaltliche  Einheit  gefühlt  wird.  — •  Ganz  äbnlicb 
?erhält  es  sich  mit  einer  Partizipialkonstruktion  an  Stell» 
des  Nebensatzes  a.  Bei  der  Übersetzung  des  Satzgefüges  ^m^ 
factum  esset  (a),  cum  ignorarem  (a)  servum  ad  te  misi  (A)  odsr 


A(a:a)  A  Tgl.  das  Ten  Nfigelibach-Mfiller  in  der  Anm.  zu  §  152,  S 
beigebrachte  Beispiele  ans  Clandina  (Werke  I,  p.  61):  «Denn  (A),  was  man 
wfittichet  (a),  wenn  man's  hat  (aj,  so  ist  man  darum  noch  nieht  aalt  (A)^- 


Dk  MginAnDte  relative  VenehriDkimg  usw.  Von  K.  Kunst,     405 

timim  ad  U  tnisi  (A),  quid  factum  esset  (a),  cum  ignorarem 
(a),  bezw.  servum  ad  te  (A),  quid  factum  esset  (a),  cum  igno- 
rarem  (a),  misi  (A)  kann  man  ohne  weiteres  die  fieihenfolge  der 
Sitze  beibehalten,  falls  der  Nebensatz  cum  ignorarem  (a)  in  der 
Twkfirzten  Form  eines  Partizipiamt  wiedergegeben  wird,  also  'was 
^ebehon  war  (a),  nicht  wissend  (a),  sandte  ich  einen  Diener 
zu  dir  {A^  oder  *ich  sandte  einen  Diener  zn  dir  (A)y  was  gesdiehen 
wir  («),  nicht  wissend',  bezw.  'ich  sandte  (A)^  was  geschehen  war 
(a\  nicht  wissend  (a),  einen  Diener  zn  dir  M)*'). 

Die  gleiche  Wirkung  wie  mit  einer  Satzbestimmnng-  mit  Satz- 
wert  an  Stelle  des  Nebensatzes  a  läßt  sich  darch  eine  solche  Form 
dieselben  Nebensatzes  erzielen,   bei  der  der  Satz  unter  Verlust 
des  Fftgewortos  sein  Verb,  finitum  behält     Es  ist   dies 
die  Satzform,  die  dem  Obergange  eines  Satzes  Tom  Haupt-  zum 
Nebensatze  entspricht.     Sätze  dieser  Art  besitzen  noch  nicht  alle 
Merkmale  eines  Tollkommenen  Nebensatzes,  auch  nicht  Tolletändig 
dessen  Geltung,  es  sind  sogenannte  unechte  Nebensätze,  wie 
sie   insbesondere    in    der   Oratio  obl.    zur   Anwendung   kommen. 
Hindelt  es   sich   beispielsweise  um   die  deutsche  Wiedergabe  des 
Satzgefttges  num  quis  seeuturus  se  esset  (a),  quaesivisse  regem 
(a)  dicu9U  Isgaii  (A),  so  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  unter  Bei* 
bebaltnng  derselben  Satzfolge  den  Satz  also  zu  formen  'ob  jemand 
ilim  folgen  wolle  (tt),  habe  der  König  gefragt  (a),  sagen  die  Oes. 
(ly.  Der  Satz  a  steht  in  diesem  Falle  einem  vollgültigen  Hanpt- 
tttio  noch  so  nahe,   daß   sich  die  Verbindung  von  a  und  A  von 
einer  Koordination   nicht   weit   entfernt   und  a  beinahe  wie  Mn 
HiuptBatz,    a   aber   dementsprechend   wie   ein   Nebensatz   ersten 
Oradet   fofthlt  wird.     Von  den  beiden  anderen  im  Lateinischen 
ooch   möglichen  Formen  desselben   Satzgefüges  legati  (A),  num 
quis  se  seeuturus  esset  (a),   regem  quaesivisse  (a)  dicunt  (A)  = 
A  (a  :  a)  A  und  dicunt  legati  (A),   num  quis  se  seeuturus  esset 
(a),  regem  quaesieisss  (a)  ^=i  A  :  a  :  a   ist  zwar  die  erstere  im 
Dsutachen  nicht  mOglith,  weil  hier  das  Verb.  fin.  des  Hauptsatzes 
BOtwendigerweise  die  zweite  Stelle   in   dem  ganzen   Satzgefüge 
einnehmen  muß  —  ein  umstand,  der  uns  im  folgenden  noch  be- 
schäftigen wird  —  also  gleich  auf  das  Subjekt  'die  Gesandten'  zu 
folgen  hat;  hingegen  ist  die  zweite  Form  bei  besonderer  Betonung 
Ton  a  nieht  gerade  unmöglich :  die  Ges.  sagen  {A\  ob  ihm  jemand 
folgen  wolle  (a),  habe  der  König  gefiragt  (a).    Der  Grund  fttr  die 
Zoläsaigkait  dieser  Anordnung  der  Sätze  liegt  wieder  in  der  höheren 
Geltung  des  unechten  Nebensatzes  a.     Ganz  ausgeschlossen  wäre 
diese  Salifolge,  wenn  a  eine  einleitende  Konjunktion  hätte  ('daß 

')  Auf  der  hier  besprochenen  Eigenschaft  der  deutschen  Satz- 
beitimmungea  mit  Satswert  im  Gegensatz  zu  TolUtändigen,  fllgewörtlicben 
Nebeneätsen  beruht  die  in  meiner  obgenannten  Frogrammabhandlnnff 
8. 29  f.  unter  II  1  näher  gekennzeichnete  Übersetsungeart  'Terechränkter 
Bdalifsätse. 


408      Die  sogenannte  relati? e  Yenehr&nlrang  niw.  Von  K,  Kwm\, 

Nicht  ohne  Interesse  ist  es,  auch  bei  den  Satzfonnen  mit 
dem  Qmndtypas  a:{f>:A)^  bezw.  a:{b:\c: Jl^  den  Ursachen 
nachzugehen,  wamm  sie,  die  doch  in  den  antiken  Sprachen  allgemein 
üblich  sind,  sich  im  Dentschen  nicht  einbürgern  konnten,  wanim 
sie  der  dentschen  Satzfügung  widerstreiten.  Job.  Aag.  Lehmann 
spricht  a.  0.  wiederholt  von  diesen  Satzformen,  am  ansffihr- 
lichaten  in  dem  zweiten  Teile  seines  oben  genannten  Werkes 
§  58,  S.  885  ff.,  ohne  sich  ober  dio  erwähnten  Grande  n&her 
aasznsprechen.  Aber  aach  bei  Nägelsbaeh-Mnller,  wo  a.  0.  §  149 
diese  Periedeoformen  znr  Sprache  kommen,  und  bei  Blatz,  der 
in  seiner  Nenhochd.  Gramm.  II  §  245^  darüber  handelt,  wird 
nur  die  bloße  Tatsache  ohne  jegliche  Andentung  der  Grand« 
konstatiert.  In  Erdmanns  Gmndzügen  der  dentschen  Syntax,  Statt- 
gart 1886,  werden  die  Formen  der  deatschen  Perioden  und  dem- 
nach auch  die  hier  behandelte  Art  nicht  näher  besprochen  aod 
ebensowenig  in  neueren  Werken  über  deatschen  Satzbaa:  D.  Sanderi, 
Satzbaa  and  Wortfolge  in  der  deatschen  Sprache,  2.  Aufl.,  Weimar 
1895;  Wunderlich,  Der  deutsche  Satzbaa,  Stuttgart  1892;  Olbricfa, 
Goethes  Sprache  und  die  Antike,  Leipzig  1891. 

Mit  Büoksicht  auf  meine  obigen  Ausführungen  über  die  üo- 
zuläesigkeit  von  Satzformen  im  Deutschen,  in  denen  ein  Nebensatt 
zweiten  Grades  an  die  Spitze  gestellt  oder  an  den  Hauptsatz 
unmittelbar  angeschlossen  wird,  liegt  es  nicht  fem,  auch  bei  den 
hier  behandelten  Satzgefügen  die  Gebundenheit  der  Satz- 
stellung mit  der  Gebundenheit  der  Wortfolge  des  ein« 
fachen  Satzes  in  Verbindung  zu  bringen.  Zwar  yerwirll  Wod- 
derlich  a.  0.  8.  104  die  auf  Grund  ähnlicher  Erwägungen  ge- 
wonnene Ansicht  Erdmanns  (Grundz.  usw.  §  207,  S.  184),  da£ 
die  Anfangsstellung  des  Verbnms  im  Nachsatze  (Hauptsätze)  eines 
Satzgefüges  mit  einem  vorangehenden  Nebensatze  auf  die  SteUvog 
des  Yerbnms  im  einfachen  Satze  zurückzufahren  sei,  und  will  si« 
ans  'inneren  Gründen*  des  Hauptsatzes  erklären.  Ich  halte  jedocii 
Erdmanna  Darlegungen  für  vollkommen  berechtiget  und  glaube,  daß 
auch  die  Ünzulässigkeit  von  Satzformen  mit  dem  Grundtypns 
a  /  (fr  .*  A)  im  Dentschen  im  Zusammenhange  steht  mit  der  Wort- 
folge im  einfachen  Satze.  Zunächst  ist  hier  nicht  zu  übersehen, 
daß  die  Yoranstellnng  zweier  oder  gar  mehrerer  Neben- 
sätze ersten  Grades  vor  den  gemeinsamen  Hauptsatz  auch 
im  Deutschen  nicht  in  allen  Fällen  unstatthaft  ist  DIm 
zeigen  jene  oft  sehr  kunstvollen  Perioden,  in  denen  mehrere  Neben- 
sätze erster  Ordnung,  zumeist  mit  derselben  Eoiyunktion  eingeleitet, 
dem  in  der  Begel  kurz  ausgedrückten  Hauptgedanken  voraus- 
geschickt  werden;   so  heißt  es  z.  B.  bei  Herder:    *Wie  Nationeo 


Umstellang  der  Sätze  nicht  unbedingt  nOtig;  der  denteehe  Sats  kaan  aaeb 
heißen  'sogleich  bereitet  T.  alles  (A),  was  zur  Heilung  der  Wände  aot- 
wendig  ist  (o)^  als  ob  noch  Hoffnung  voAanden  wäre  Q>)^  eifrig  vor  {A)\ 


Di«  MgaiiADBte  relaÜTe  Vencbrftnkimg  obw.  Von  IL  Kunst     409 

waodeni«  wie  sich  die  Sprachen  mischen  nnd  Terändern,  wie  neae 
Gs^st&nde  die  Menschen  rühren,  wie  ihre  Neigungen  eine  andere 
fiiehtimg  nehmen,  wie  in  der  Zosammensetznng  der  Bilder  neue 
Vorbilder  anf  sie  wirken«  selbst  wie  die  Zunge  sich  anders  bewegt 
nad  das  Ohr  sich  an  andere  Töne  gewGhnt:  so  verändert  sich 
die  Dlchtknnst  nicht  nur  bei  verschiedenen  Nationen,  sondern  aach 
bei  demselben  Volke'.  Dabei  können  diese  Nebensätze  dnrch  andere 
bOberer  Ordnung  näher  bestimmt  sein;  vgl.  z.  B.  nachfolgende 
Periode  aus  der  Bede,  die  Justizrat  0.  Gassei  in  der  Sitzung  des 
presß.  Abgeordnetenhauses  vom  15.  April  1907  gehalten  hat: 
*Wenn  man  auch  betonen  kann,  daß  unser  altes  Oymnasium 
niebt  unfähig  gewesen  ist,  diejenigen  Pioniere  zu  entsenden, 
welche  auch  in  Mathematik  und  Naturwissenschaften  die  groß* 
artigsten  Leistungen  aufzuweisen  haben,  wenn  es  auch  richtig 
ist,  daß  das  Gymnasium  die  Kultur  unseres  Volkes  und  seine 
Entwi^ung  in  Technik  und  Industrie  nicht  hat  zurückgehen  lassen, 
wenn  es  auch  wahr  ist,  daß  Männer  wie  Helmholtz  und  Virchow 
Zdglinge  des  alten  Gymnasiums  gewesen  sind,  und  zwar  solche 
Schüler,  die  bis  zu  ihrem  letzten  Atemzug  —  von  Virchow  weiß 
ich  es  bis  in  seine  letzte  Zeit  hinein  —  mit  Freude,  Anhänglich- 
keit und  Dankbarkeit  an  diese  Schule  zurückgedacht  haben,  wenn 
es  auch  richtig  ist,  daß  das  Gymnasium  sie  zu  ihren  Leistungen 
nicbt  unfähig  gemacht,  sondern  ihnen  die  Grundlagen  hiezu  ge- 
währt hat:  8  0  will  ich  doch  zugeben,  daß  es  auch  Bevölkerungs- 
kreiso  gibt,  die  für  ihre  Kinder  eine  mehr  ins  Praktische  gehende 
Aotbildung  mit  Becht  wünschen*.  Nicht  also  die  bloße  Zahl 
der  dem  Hauptsatze  vorausgeschickten  Nebensätze  erster  Ord- 
niug  ist  hier  maßgebend,  sondern  auch  ihre  Qualität. 
In  den  beiden  angeführten  Perioden  sind  sie  jedesmal  sämtlich 
gleichartig,  d.  h.  sie  vertreten  alle  jedesmal  Satzglieder  derselben 
Art.  In  den  obgenannten  lateinischen  Perioden  hingegen  ist  das 
logische  Verhältnis,  in  dem  die  Nebensätze  zu  ihrem  gemeinsamen 
Huptsatze  stehen,  jedesmal  ein  anderes:  jeder  von  ihnen  vertritt 
m  Satzglied  anderer  Art. 

Wie  verhält  es  sich  nun  mit  der  Voranstellung  mehrerer 
Satzteile  vor  das  Verbumfin.  im  einfachen  Satze ?  Hierläßt 
sieh  im  Deutschen  das  allgemeine  Gesetz  beobachten,  daß  mit  Aus- 
Dsbme  von  Satzfragen  und  Begehrungssätzen  in  der  zweiten  Person 
die  Hauptsätze  das  finita  Verbum  (bei  zusammengesetzten 
Verbalfermen  das  Hilfsverbum)  an  der  zweiten  Stelle  haben.  An 
die  Spitze  des  Satzes  tritt  im  allgemeinen  derjenige  Satzteil,  der  dem 
Bedenden  den  passendsten  Ausgangspunkt  für  die  Darstellung  des 
Satiinhaltea  zu  bieten  scheint,  z.  B.  *Der  Spieler  hofft  immer  auf 
OewioB*  oder  'Immer  hofft  der  Spieler  auf  Gewinn*  oder  'Auf  Ge* 
winn  hofft  immer  der  Spieler'.  Nur  wenn  sich  die  Darstellung  von 
^tt  gewöhnlichen  Form  der  Bede  abheben  soll,  wird  der  Bedende 
«twa  zu  der  Endstellung  des  Verbums  greifen :  Immer  auf  Gewinn 


410      Die  logenannte  relatire  VertehrAnkimg  luw.  Von  JT.  EitmL 

der  Spieler  hofft*  ^).  Doch  Ton  dieser  hanpteäehlich  in  der  Diehter- 
spräche  vorkommenden  Wortfolge  kann  man  hier  fftglich  absehen; 
desgleichen  von  den  ebenso  seltenen,  dnrch  besondere  umstände 
bedingten  Fällen,  wo  ein  aussagender  Hauptsatz  mit  dem  Verbnm 
fln.  beginnt  wie  Ooethe,  HeidenrOsl.  V.  1  f.:  «Sah  ein  Enab'  ein 
BOslein  stehn" ').  —  Daß  aber  einem  solchen  dem  Varbam  flnitom 
vorangestellten  Satzglied  eines  einfachen  Satzes  in  einem  Satx- 
gefftge  ein  dem  Hauptsatz  vorangestellter  Nebensatz  entspricht,  ist 
klar.  Ebenso  wie  sieh  demnach  auf  einen  vorgeschobenen  Satzteil 
unmittelbar  das  finite  Zeitwort  des  einfachen  Satzes  anschließt,  so 
schließt  sich  in  einem  Satzgefüge  an  einen  an  die 
Spitze  gestellten  Nebensatz,  der  eben  jenem  Satzteil  an 
Oeltnng  fflr  den  Hauptsatz  gleichkommt,  unmittelbar  das  Verb, 
fin.  des  Hauptsatzes  an:  *Wer  spielt,  hofft  immer  auf  Gewinn'. 
Es  wurde  vorhin  dargetan,  daß  in  einem  deutschen  Satz- 
gefüge auch  mehrere  Nebensätze  ersten  Orades  ihrem  gemeinsamen 
Hauptsätze  vorangehen  kOnnen,  daß  sie  aber  dann  in  demselben 
logischen  Verhältnis  zu  der  Aussage  des  Hauptsatzes  stehen,  d.  h. 
gleichartig  sein  müssen ;  ebenso  verhält  es  sich  mit  den  dem  finitsn 
Verbum  eines  einfachen  Satzes  vorangestellten  Satzgliedern:  aneh 
ihrer  kOnnen  mehrere  sein,  doch  müssen  sie  der  gleichen  Kategorie 
angehören;  vgl.  z.  B.  Oellerts  Osterlied  V.  87  ff. 

Mit  Engeln  and  mit  Seraphim, 
Mit  Thronen  nnd  mit  Cherobim, 
Mit  allen  Frommen  aller  Zeit 
Soll  ich  mich  freua  in  Ewigkeit? 

Nicht  ganz  gleichartige  Bestimmungen  werden   nur  dann  zu  einar 
solchen  Einheit,   die  dem  Verbum  fin.  vorgeschoben  werden  kann, 


^)  VgL  Nib.  Str.  1648,  1:  mit  küsse  mitmecHehm  dir  wirt  do 
damnm  sehtet;  ans  dem  Nhd.  vgl.  etwa  Schill.  Taucher  3.  Str.  5:  «Und 
der  EOnig  inm  drittenmal  wieder  fraget*  n.  a.  ro.  Auch  das  Streben  nach 
Parallelismnt  kann  die  Endstellnng  des  Verbnmt  in  einem  aussagenden 
Satze  snr  Fol^e  haben,  so  in  Martin  Millers  'Zufriedenheit',  Str.  2,  5  »Je 
mehr  er  hat,  je  mehr  er  will". 

*)  Die  gleiche  Wortfolge  bieten  in  diesem  Gedicht«  aneh  die  nach- 
folgenden Verse;  die  ganze  Strophe  lautet  bekanntlieh:  „Sah  ein  Knab' 
ein  BOslein  stehn,  |  BOtlein  anf  der  Heiden,  |  War  so  jong  nnd  morg«n- 
sehOn,  I  Lief  er  scbnell,  et  nah  zu  sehn,  |  sah's  mit  vielen  Frenden". 
Der  ptjchologieehe  Gmnd  dafOr,  warum  der  Bedende  in  einem  soleben 
Falle  von  der  gewohnliehen  Wortfolge  abweicht,  kann  nur  darin  an  meban 
•ein,  daß  eich  nnter  den  Vorstellnngsmaßen,  die  den  ganzen  Satsinhalt 
bilden,  die  Vorstellang  dee  in  dem  Verbnm  liegenden  Begriffes  der  Hand- 
lung vordrängt  und  eich  lo  in  der  iprachliehen  Darstellung  dem  sonstigen 
Spracbgebraneh  snm  Trotz  die  erste  Stelle  erringt  In  gewOhnUeher  Prosa- 
rede wird  in  diesem  Falle  der  in  der  regulären  Wortfolge  gelegenen  For- 
derung, dem  Verbnm  die  zweite  Stelle  anzuweisen,  dadurch  Rechnnog 
getragen,  daß  die  erste  Stelle  einem  farblosen  Präparativ  des  Subjektes, 
dem  Pronomen  'es*,  nberlassen  wird,  s.  B.  Es  beult  der  Stnrm.  Ki 
rauschen  die  Wälder. 


Die  togenaiiiite  relaüTa  Venehrftnkmig  usw.  Vod  K,  Kunst.     411 

ziiBimmeog«faßt,  wenn  sie  etwa  der  Aaemaliug  einer  nod  derselben 
Situation  dienen,  wie  bei  Yoß,  Der  eiebz.  Oebnrtst.  1  f. : 

Auf  die  Poftille  gebflekt,  nr  Seite  des  wAnnenden  Ofeni 
SaiS  der  redliche  Tamm. 

Vgl.  Erdmann  a.  0.  §  206,  Anm.  Desgleichen  kann  das  dem 
Verbnm  des  Hauptsatzes  ▼orgesehobene  primäre  {vgl.  Blatz  a.  0. 
§  8,  8.  7  ff.)  Satzglied  durch  andere  sekundäre  Satzteile  in  der- 
selben Weise  näher  bestimmt  sein  wie  ein  gleichgestellter  Neben- 
»tz  erster  Ordnung  durch  Nebensätze  zweiten  und  dritten  Grades; 
T^l.  z.  6.  Hauff,  Liechtenstein  I,  8.  Kap.  (Edrschner  S.  29): 
„Diese  wenigen  Worte  aus  dem  Munde  eines  darch  Tapferkeit  und 
Kriegskunst  unter  seinen  Zeitgenossen  hochberühmten  Mannes  fibten 
80  besänftigende  Gewalt  über  Georg,  daß  er"  usw.  oder  Schillers 
Glocke  V.  62  ff.: 

und  herrlich,  in  der  Jogend  Prangen, 
Wie  ein  Gebild  aus  HiromelshOhn, 
Mit  lüehtigen,  versehämten  Waogen 
Sieht  er  die  Jungfrau  vor  sich  stehn. 

ÜBzulässig  wäre  es  aber,  auch  nur  zwei  einfache  Satz* 
glieder  Tor  das  Verbum  finitum  zustellen,  falls  sie  Ter- 
icbiedenerArtsind.8o  widerstrebt  es  TöUig  dem  Geiste  deutscher 
Sstzfügung  in  dem  einfachen  Satze  *Bei  ruhiger  Überlegung  wirst 
ta  dein  Unrecht  einsehen*  die  adverbiale  Bestimmung  'bei  ruhiger 
Überlegung'  samt  dem  Objekt  *dein  Unrecht*  vor  das  finite  Zeit- 
wort (bezw.  das  Hilfszeitwort)  zu  stellen  >).    Ersetzen  wir  diese 


0  Auf  der  hier  besprochenen  Eigentümlichkeit  des  deotechen  Sats- 
bines  beruht  aoch  die  Eneheinongy  daß  der  Deutsche  mehrere  Ergän- 
nogifragen  (Beniffefragen)  nor  dann  mit  einem  ond  demselben  Prädikats« 
ferb  verbinden  kann,  wenn  sie  gleichartig  sind,  d.  h.  wenn  mit  allen 
nach  Si^liedem  derselben  Kategorie  gefragt  wird,  s.  B.  'Wann,  wo  ond 
mit  wem  hast  do  den  Bruder  geeehen?'  Alle  drei  Fragen  gelten  hier 
idverbialen  Beetimmongen.  Der  Lateiner  ond  der  Grieehe  können  hio- 
(egen  gans  heterogene  Fragen  in  dieier  Art  Terbinden.  Ich  verweise  auf 
die  bekannten  Beispiele:  Verg.  Aen.  lY  871  quae  quihus  anteferam? 
(Frsge  nach  dem  Dativ-  ond  dem  Akknsativobjekt),  desgleichen  im 
Nebensaise  wie  Cic  p.  Mil.  31  num  quid  igitur  aliud  in  iudicium  venit, 
mti  uter  uiri  imÜioB  fecerit?  (Frage  nach  dem  Subjekt  ond  dem 
Dativobjekt);  ans  dem  Grieehitehen  vgl.  Xen.  Mem.  II  2,  8  tlvag  ohp 
ise  xiwmw  f0poi|ier  (St9  fuitova  §it^ytTiiiu90vs  ^  nutSug  ^Jto  yov^ir; 
(Frage  naebdemSubjektsakkussativ  ond  dem  Adverbiale  d.  Gr.). 
Vgl  hieM  das  8. 899 1  über  die  Stellong  der  Fragepronomina  ond  -adverbia 
Gesagte.  —  Sonst  finden  sich  im  Deotseheo  iwei  oder  ffu  mehr  Sats- 
glieder  venehiedener  Art  in  Haopteätsen  nur  hie  und  da  m  der  Diehter- 
•prache  den  Verhorn  finitom  veraogeetellt  Aoßer  den  schon  oben  (8.  410) 
«wählten  Fällen  mit  Endstellong  des  beetimmten  Zeitwortes  vgl  s.  B. 
Nib.  Str.  803»  1  Sifrit  dir  vü  hüene  um  eide  bot  die  hawt\  desgleichen 
Heine»  Belsaa.  Str.  3  ,,Dort  oben  in  dem  KOnigtaaal  |  Beliaser  hielt  sein 
KSaimahl*.  Andere  Beiipiele  für  diese  Art  von  Wortfolge,  den  Werken 
Goetbee  entnommen,  dessen  antUdsierende  Dichtongen  häofiger  eine 
kehnere  Wortstelloog  aofweisen  (vgl.  Lehmann,  Goethes  Sprache  und  ihr 


412     Die  Bogenannte  rolatWe  Venchrftokimg  niw.  Von  £.  KuhH. 

beiden  Satzglieder  durch  Nebensätze,  wodoreh  sieb  das  Satzgeftkge 
ergibt  'Wenn  da  mbig  Oberlegst  (a),  wirst  du  finden  (Ä),  dafi  da 
unrecht  hast  (b)\  so  w&re  es  ebenso  unstatthaft,  in  diesem  Satz- 
geffige  beide  Nebensätze  ersten  Grades  Yor  den  Hauptsatz,  bezw. 
vor  dessen  bestimmtes  Zeitwort  zu  stellen.  In  den  klass.  Sprachen 
hingegen,  wo  mehrere  disparate  Satzglieder  dem  Verbum  fin.  is 
einem  einfachen  Satze  Torangehen  können,  wird  durch  diese  Frei- 
heit auch  die  Yoranstellung  zweier  oder  auch  mehrerer  ungleich- 
artigen Nebensätze  Tor  das  Verb.  fin.  des  Hauptsatzes,  also  Tor 
den  Hauptsatz,  ermöglicht.  Der  Umstand,  da(S  sich  ab  und  zu  anch 
bei  deutschen  Autoren  derartige  fremdklingende  Satzfugungen  finden, 
beweist  nichts  gegen  den  regulären  Sprachgebrauch;  ja,  ihr  be- 
sonders in  Prosa  seltenes  Vorkommen  zeigt  eben,  daß  sie  mit  dem 
den  Bau  deutscher  Satzgeffige  bestimmenden  Gefühl  nicht  im  Ein- 
klang stehen^). 

So  bietet  uns  denn  die  Wortfolge  des  einfachen 
Satzes  mit  der  Stellung  des  finiten  Verbums  an  zweiter  Stelle  den 
Schlüssel  für  die  Erklärung  der  im  Deutschen  im  all- 
gemeinen seltenen,  in  der  neueren  Prosa  geradezu  unzulässiges 


Geist  S.  64  f.,  §  18  f.)  bringt  Olbrich  a.  0.  S.  21  ff.  bei.  Niefat  hieher  n 
rechnen  lind  aber  die  Beiipiele,  in  denen  ein  an  die  Spitse  dee  gaoseo 
Sattes  geetellter  Satzteil  nach  dem  Verb.  fin.  dorch  ein  Detenninatifion 
wieder  aufgenommen  wird,  wie  sie  Olbrich  8.  47  anfflhrt,  so  Pandora, 
1.  Anfi.  Anf.  ^Kindheit  und  Jngend,  alliu  glücklieh  preis'  ich  sie*,  .Doeb 
Menichenpfade,  zu  erhellen  sind  sie  nicht",  »Des  Jünglinge  Pfade,  n 
erraten  sind  sie  leicht".  Allerdiogs  gehen  anch  hier  immer  je  iwei  fer- 
schiedenartige  Satzglieder  (Snbjekt,  beiw.  Objekt  nnd  der  Prädikatibeghffj 
dem  bestimmten  Zeitwort  vorans;  doch  die  Wiederaufnahme  der  an  der 
Spitze  stehenden  Satzteile  dnreh  ein  Pronomen  naoh  dem  Verb.  fin.  bewirkt, 
daß  der  mit  dem  Pr&dikatsbegriff  beginnende  Teil  dei  Sattes  eine  gau 
gewohnliehe  Wortstellnng  aufweist;  das  den  ganten  Satz  einleitende  Sats- 
glied aber  erseheint  der  Herrorhebnng  wegen  nach  Art  des  S.  400  f.  be- 
sprochenen Otfridischen  Pleonasmua  roigeschoben. 

^)  Beispiele  tn  der  Periodenform  aiß  :  A)  aus  dem  Deutsehen  rieh 
S.  407.  Die  nicht  nnintereseanten  SatzfÜgongen  aber,  auf  die  Lehmann 
a.  0.  §  58,  S.  835  f.  aufmerksam  macht,  wie  t.  B.  *Weil  ich  etwas  krank 
gewesen  war  nnd  meine  Arbeiten  doch  fertiggestellt  hatte,  lobte  mich 
mein  Lehrer*  sind  anders  geartet  als  die  Sätie  der  hier  besprocbeneo 
Gattung.  Die  beiden  Tor  dem  Hanptsatse  stehenden  Nebeniätte  haben 
diesem  gegenflber  nicht  den  gleichen  logischen  Wert:  nnr  der  tweite  fon 
ihnen  enthält  eine  Begründung  für  die  Aussage  des  Hanptsatses,  während 
in  dem  ersten  Nebeneatie  eine  konzesiiTe  Bestimmung  tu  dem  sweiten 
liegt,  die  besser  in  Form  eines  Nebensattes  twdter  Ordnung  tum  Ane- 
druck  gebracht  werden  könnte:  *Weil  ich  meine  Arbeiten,  obwohl  ich 
krank  gewesen  war,  doeh  fertiggestellt  hatte,  lobte  mich  mein  Lehrer' 
ssBü  (cc)  a:  A,  Es  bildet  demnach  auch  der  tweite  von  den  beiden  koor- 
dinierten Nebensätten  nicht  allein  die  Begrflndung  für  den  Inhalt  dee 
Hanptsatses,  sondern  nur  im  Verein  mit  dem  ersten:  beide  Nebeniltse 
bilden  eine  Einheit  und  werden  als  ein  eintiger  Satt  gefühlt,  auf  den 
sich  dann  in  gewöhnlicher  Weise  das  Verbum  des  Hanptsattes  aasehiieOt 
Das  Schema  eines  solchen  Sattgefflgee  iet  nicht  a:b:Ai  noch  anch 
ai{h:A)i  sondern  (a  +  h) :  A, 


Die  •ogtnannte  relative  VenehrftBkaiig  oiw.  Von  K,  Kunst,     413 

AnweDdang  von  Periodenformen  mit  zwei  oder  mehreren 
ungleichartigen  Nebensätzen  ersten  Grades  vor  dem 
Hauptsätze.  Mit  dieser  Eigentftmliefakeit  des  Deutschen  hingt 
•ins  zweite  bekannte  nnd  für  den  Übersetzer  antiker  Texte  wichtige 
Begel  (Tgl.  S.  404)  zusammen,  nämlich  unmittelbar  nach  dem  ersten 
primiran  Satzglied,  bezw.  nach  dem  ersten  ein  solches  Satzglied 
▼ertretenden  Nebensatze  das  Yerbum  finit.  des  Hauptsatzes  folgen 
n  lassen.  Daß  aber  der  im  Deutschen  an  die  erste  Stelle  gestellte 
Nebensatz  nur  ein  Nebensatz  ersten  Grades  sein  kann,  haben  wir 
nebst  den  Gründen  hiefür  oben  gesehen. 

Wien.  Dr.  Karl  Kunst. 


Zweite  Abteilung. 

Literarische  Anzeigen. 


Mario  Barone,  SuU^  uso  deir  aoristo  nel  nsgl  tilg  iy^i- 
döösag  di  Isocrate  eon  nna  introdaziooe  intorno  al  ugniflctto 
foDdamentale  deU'aoritto  ^eco.  Borna,  Tipografia  d«lla  r.  aceadcnu 
dei  Lineei  1907.   108  88.  d^. 

In  klarer  Sprache  nnd  mit  eindringendem  Yeratändnieae  Ugt 
der  Verf.  S.  7 — 82  die  heutigen  Anffaasongen  des  Aorists  dar  nnd 
bekennt  sich  als  Anhänger  Delbrücks,  der  mit  glftcklicher  Hand 
die  punktuelle  Bedeutung  des  Aorists  aufgegriffen  hat.  Die  meisten 
Forscher  stimmen  mit  Mutzbauer  und  Delbrück  auch  darin  überein, 
daß  der  Punkt,  den  der  Aorist  bezeichnet,  entweder  der  Anfangi- 
oder  Schlußpunkt  ist  oder  daß  die  ganze  Aussage  im  Auge  des 
Sprechenden  zu  einem  Punkt  zusammenfließt  Diese  Scheidnng 
genügt  für  alle  Fälle  und  ich  kann  dem  Verf.  bei  seinen  weiteren 
Ableitungen  nicht  folgen.  Er  unterscheidet  noch  aoristi  indkofUi 
un  faiio  particolare  speciale  itnmediaio  o  un  fatto  isolaio  che 
aeeade  solo  una  voUa  o  un  fatto  eventuaU  und  aoristi  indieanti 
un  aspetto  parziale  di  un  fatto  piü  generale.  Die  Beziehung  anf 
eine  einmalige  Tatsache  (un  fatto  isciato)  ist  überhaupt  untrennbar 
mit  der  punktuellen  Natur  des  Aorists  Terbunden,  gilt  also  ane* 
nahmslos  für  alle  Aoriste.  Umgekehrt  ist  es  unerfindlich,  wie  dem 
Aorist  als  solchem  die  Andeutung  der  ETentualität  zukommen  soll. 
Ebenso  willkürlich  ist,  was  B.  an  anderen  Begriffen  hineinlegt 
Er  selbst  muß  zugeben  (S.  78),  daß  viele  Beispiele  von  dul^tiv, 
die  er  seinen  aoristi  indieanti  un*  azurne  immediata  e  partieolart 
zuteilt,  auch  Ingressiv  yerstanden  werden  können;  andere  wieder 
sind  ebenso  kompleziv,  wie  das  eine  duMstv^  das  er  8.  96 
aufführt.  Er  hätte  nicht  die  Unterscheidung  des  Grammatikers 
Apollonios  zwischen  Imperativ  des  Präsens  und  des  Aorists  sl> 
Beweis  dafür,  daß  der  Aorist  eine  sofortige  Handlung  bezeichne, 
ansehen  sollen,  da  vielmehr  der  Wortlaut  fi^  ififiivsiv  rg  xaga- 
xdöSi  auf  kompleziven  Sinn  weist. 


Jf.  Sanme,  Soll'  nao  dell'  aoristo  asw.,  aog.  t.  £*.  Kdlinka,     415 

Im  gaazen  also  bezeichnet  der  allgemeine  Teil  dieser  Ab- 
hindlong  keinen  Portsehritt.  Das  kann  man  von  einer  Erstlings- 
arbeit billigerweise  nicht  verlangen ;  aber  anch  Ton  einer  solchen 
mizß  man  erwarten,  daß  sie  eine  so  eng  begrenzte  üntersnchnng  wie 
die  angekfindigte  SulT  uso  delT  aoristo  nü  neQl  xf\q  ivtidöösmg 
di  ItocraU  mit  erschöpfender  Vollständigkeit,  mit  Beachtung  aller 
für  die  Gestaltung  der  einzebien  Stellen  maßgebenden  umstände 
ond  mit  steter  Bücksicht  anf  die  Zuverlässigkeit  des  Wortlautes 
dnrehfl&hre.  Diese  Erwartung  wird  nur  teilweise  erfüllt.  Orund- 
litxlich  ausgeschlossen  sind  die  Indikative  des  Aorists,  deren  Yer- 
giaieh  mit  den  Imperfekten  besonders  lehrreich  wäre,  femer  alle 
Fälle,  in  eui  per  apera  di  $peciali  eondiziani  l'aoristo  assume 
un  ngnißetUo  di  afUeriorOä  e  in  eui  quindi  raarisio  $  ü  presente 
nm  ii  pdrebbero  aasolutamenU  scambiare  (S.  82),  als  ob  nicht 
gerade  die  Bedingungen,  unter  denen  die  Punktualität  in  Vorzeitig- 
keit übergeht,  eine  viel  schärfere  Beobachtung  verdienten,  als  sie 
ihoin  z.  B.  der  Verf.  S.  27  und  48  £.  widmete.  Sogar  von  den 
Abrigen  Erscheinungen  werden  nur  ausgewählte  Beispiele  vorge- 
bracht, an  denen  die  allgemeinen  Sätze  der  Einleitung  nachge- 
wiesen werden.  Es  ist  gewiß  anerkennenswert,  daß  nicht  wenige 
Stellen  dadurch  schärfere  Beleuchtung  erfahren;  aber  es  herrscht 
unleugbar  das  Streben  nach  Schematisierung  vor  gegenüber  dem 
Interesse  an  induktiver  Erforschung  und  die  UnvoUständigkeit  der 
Beiipielsammlung  schließt  einen  tieferen  Einblick  in  das  Häufig- 
keitsverhftltnis  der  einzelnen  Yerwendungsarten  umsomehr  aus,  als 
die  Andeutungen  S.  81  ganz  unzureichend  sind.  Gerade  darin  aber 
liegt  ein  Hauptgewinn  solcher  Spezialuntersuchungen,  daß  sie  den 
6nmd  legen  zur  Yergleichung  mit  anderen  Werken ,  die  einen  ge- 
wissen Entwicklungsgang  erkennen  lehrt.  Dazu  finden  sich  in 
dieser  Abhandlung  ebensowenig  Ansätze  wie  zu  Erwägungen  über 
die  Textgestalt,  die  gleichfalls  ein  Becht  hat,  von  Arbeiten  dieser 
Art  Nutzen  zu  ziehen.  Auch  die  Bedingtheit  der  gewählten  Form 
doreh  rhythmische  Gebilde  ist  nur  im  Prinzip  anerkannt  (S.  81); 
Srsr  keine  Sede  ist  von  einer  Scheidung  zwischen  Haupt-  und 
Nebensatz:  friedlich  stehen  Optativ  mit  äv  und  Optativ  im  Final- 
satz nebeneinander. 

Immerhin  hat  die  Studie  ihren  Wert,  der  nicht  bloß  in  den 
schon  angedeuteten  Vorzügen  liegt,  sondern  auch  in  einzelnen 
Sitzen  wie  dem  folgenden  (S.  22):  Le  forme  derivaie  dal  tema 
ää  presenie  deecriwmo  l'aziane;  l'aoristo  inveee  Venuncia  eoUanto 
e  pereid  laseia  tuUo  in  una  indeterminaiezza  moito  maggiore  di 
q^  ehe  non  faecia  il  presenie.  L'aoristo  esprime  il  puro  faUo 
9enea  nmanees.  £  prcidbile  che  avessero  intuito  cid  quei  gram- 
matiei  atUichi  ehe  lo  chiamarano  iögi^Tog  =  indeterminato. 

Innsbruck.  Ernst  Ealinka. 


416     E.  Boieacq,  Diciioonaire  ^tjmologiqne  ntw.^  uig.  t.  F.  StdU. 

£.  Boisacq,  Dicüonnaire  äiymologiqae  de  la  langae  Greeqne 
6tadi^e  dans  ses  rapports  avec  les  aatres  langaes  Indo- 
earop^eDDes.  l«r<  linaiBon.  Heidelbtrg.Parii,  C.  Wintert  ÜBtrer- 
ait&tibocbbaiidliuig,  Librairie  C.  KliDckiieck  1907.  80  SS. 

Scbon  Tor  mebreren  Jabren  war  dieses  stymologiscbe  Wörter- 
baeh  der  griecbiseben  Sprache  aogekftndigt  worden ,  so  daß  ich 
in  der  Bespreehnng  der  zweiten  Auflage  von  Prellwitzens  Etymo- 
logischem WOrterbnch  (Nene  philologische  Bnndsehan  1906,  124 
bis  127)  die  Bemerkung  machen  konnte,  daß  das  zuletzt  genannte 
Buch  jetzt  nicht  mehr  als  alleiniges  Hilfsmittel  neuesten  GeprSgei 
auf  dem  Gebiete  der  griechischen  Etymologie  dastehe,  sondern  in 
der  Arbeit  des  belgischen  Sprachforschers  Boisacq  einen  gewich- 
tigen Konkurrenten  erhalten  habe,  wie  man  aus  den  seinerzeit  zn- 
geschickten  Probebiftttem  zu  sehließen  berechtigt  sei.  Aus  weichen 
Gründen  das  endliche  Erscheinen  der  ersten  Lieferung  des  schon  Tor 
ziemlich  langer  Zeit  angekündigten  Buches,  welche  von  i-  bis  iQÖa 
reicht,  erst  jetzt  erml^glicht  worden  ist,  ist  dem  Bef.  nicht  bekannt 
geworden,  übrigens  auch  Yollkommen  gleichgültig,  nachdem  sie  nnn 
wirklich  erschienen  ist.  Die  schwierige  Aufgabe  des  yerf.s  oinn 
etymologischen  Werterbuches  habe  ich  in  dieser  Zeitschr.  Jahrg.  1906, 
S.  130  f.  ziemlich  eingehend  gewürdigt,  als  ich  das  damals  bis  zur 
7.  Lieferung  gediehene  Lateinische  etymologische  Wörterbuch  von 
A*  Walde  einer  orientierenden  Besprechung  untertog.  DieselbeD 
Gesichtspunkte,  die  damals  für  das  Lateinische  geltend  geDseht 
worden  sind,  gelten  natürlich  auch  für  das  Griechische :  auch  hier  soll 
ein  etymologisches  Wörterbuch  ein  Gesamtbild,  möchte  ich  sagen, 
der  Geschichte  jedes  Wortes,  soweit  sie  unter  den  Chsicbtspunkt 
der  Etymologie  füllt,  yor  dem  Leser  aufrollen  und  die  Terschi«- 
denen  über  seine  etymologischen  Zusammenhänge  aufgestellten  An- 
sichten einer  kurzen  und  wenn  möglich  abschließenden  Wert- 
schätzung unterziehen.  Dieser  Aufgabe  ist  der  Verf.  dieses  neuen 
etymologischen  Wörterbuches,  soweit  man  aus  dieser  ersten  Lie- 
ferung ersehen  kann,  im  großen  und  ganzen  ziemlich  geredit  ge- 
worden :  jedoch  wäre  kürzere  und  präzisere  Fassung  manches  Artikels 
dem  Werke  nur  zum  Vorteil  gewesen  und  dankbar  würden  wir  ee 
begrüßen,  wenn  der  Verf.  etwas  freier  und  kühner  aus  seiner  banpt- 
Bächlich  referierenden  Bolle  herausgetreten  wäre  und  sich,  wenn 
es  gestattet  ist,  dieses  Bild  zu  gebrauchen,  selbst  eifriger  und 
unmittelbarer  an  der  allerdings  nur  referierenden  Debatte  beteiligt 
und  uns  manchmal  einen  Blick  in  die  Tiefen  seines  eigenen  etymo- 
logischen Inneren  gegönnt  hätte.  Indessen  muß  man  mit  dem  Ge- 
botenen wohl  zufrieden  sein,  zumal  die  Literaturnachweise,  soweit 
der  Unterzeichnete  zu  urteilen  rermag,  in  reichlichem,  die  Voll- 
ständigkeit wenigstens  anstrebenden  Maße  gegeben  zu  sein  scheinen. 
Allerdings  sind  beispielsweise  im  Artikel  *afia|a'  die  Ausföh- 
rungen  tou  Heringer  und  Schenkl  in  Kuhns  Zeitschrift  XL  217  ff., 
bei  'äiitpC    die   von   Solmsen  im  Bhein.  Museum  XLI  502,  bei 


NieäermanH'Hermann,  Histor.  Laatlehra  usw.»  ang.  ▼.  F.  SMt.  417 

^halvopMi  meioe  eigenen  in  den  Wiener  Stadien  XXV  188  ff. 
nicht  angeführt  und  gewiß  wird,  wer  über  systematie^be  Samm- 
ioDgen  Yerfügty  nocb  gar  mancbe  Stelle  naebtragen  können,  die  in 
den  Literatnmacbweieen  nicbt  aufgefnbrt  iet.  Seblimmer  scheint 
M  mir«  daß  von  Prellwitx  nnr  die  erste  Auflage  benützt  ist,  wie 
mitt  ans  vielen  Artikeln,  z.  B.  al^via^  dfU&vötogj  fdvaxsßt 
havQog  (dieses  Wort  erseheint  In  der  zweiten  Auflage  gar  nicht 
mehr),  &PBa,  Svxfov  n.  a.  ersieht  £s  ist  dies  nmsomehr  zn  be* 
dssern ,  da  Prellwitz  in  der  zweiten  Auflage  wesentliche  Yerbes- 
NrDBgen  aufzuweisen  hat  Erklüren  kann  ich  mir  diese  Tatsache 
BOT  so ,  daß  der  Verf.  diesen  Teil  noch  vor  dem  Erscheinen  der 
zweiten  Auflage  des  etymologischen  Wörterbuches  von  Prellwitz  be- 
arbeitet und  sp&ter  vor  der  Drucklegung  vergessen  hat,  seine  An- 
gaben nach  der  inzwiachen  erschienenen  zweiten  Auflage  richtig  zu 
itellen«  Hoffentlich  whrd  diesem  Obelstande  in  den  folgenden  Lie- 
firangeD  schon  vor  ihrem  Erschoinen  abgeholfen  smu.  Im  übrigen 
kaon  man  das  Erscheinen  dieses  neuen  etymologischen  Hilfsmittels 
Mf  dem  Gebiete  der  griechischen  Sprache  gewiß  nur  lebhaft  be- 
^en  und  ihm  die  weiteste  Verbreitung  wünschen. 

M.  Niedermann  und  Ed.  Hermann,  Historische  Lautlehre 
des  Lateinischen.  Indogennanische  Bibliothek.  Zweite  Abteilaog. 
Sprachwissensebafftlicbe  Gymnasialbibliothek.  Heraoigegeban  von  H. 
Niedermana.  L  Band.  Heidalberg  1907.  XVI  und  115  SS. 

Nachdem  ich  das  im  Jahre  1806  erschienene  französische 
Original  im  Jahrgang  1906,  S.  600  ff.  einer  ausführlichen  Be- 
iprechung  unterzogen  und  diese  höchst  erfreuliche  Erscheinung 
auf  dem  Gebiete  der  Sprachwissenschaft,  die  nicbt  nnr  für  den 
Unterricht  in  den  Gymnasien,  sondern,  wie  ich  auch  in  jener  Be- 
sprechung ausdrücklich  hervorgehoben  habe,  auch  für  die  Studie- 
renden der  Philologie  von  hervorragendem  Werte  ist»  mit  gebühren- 
din  Worten  gewürdigt  habe,  genügt  es,  auf  jene  Anzeige  des  Ori- 
ginals zu  verweisen,  zumal  nicht  eben  sehr  viele  Veränderungen 
▼ergenommen  worden  sind,  die  sich  meist  auf  Einzelheiten  beziehen. 

Besonders  zweckentsprechend  ist  die  Hinzufügung  von  §  1, 
welcher  einen  kurzen  historischen  Überblick  der  lateinischen  Sprache, 
bexw.  eine  Skizze  ihrer  gechichtlichen  Entwicklung  bis  in  die  neueste 
Zeit  enthftlt  (S.  1 — 8),  die  des  schematiscben  Medianschnittes  durch 
Nase,  Mund  und  Kehlkopf  (S.  6),  des  Verzeichnisses  der  zitierten 
lateinischen  Autoren  (S.  108 — 104)  und  des  Wortverzeichnisses 
(S.  105—115).  Eingeführt  ist  diese  deutsche  Bearbeitung,  für 
deren  treffliche  Herstellung  E.  Hermann  den  besten  Dank  verdient» 
durch  ein  Vorwort  aus  der  Feder  J.  Wackemagels,  in  welchem  mit 
Becht,  wie  idi  dies  auch  schon  früher  ansgesprochen  habe,  als  ein 
besonderer  Vorzug  dieser  historischen  Lautlehre  die  Beschränkung 
auf  du  Latein  bezeichnet  wird. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 

ZiitMkrift  f.  d.  ötterr.  Qjmn,  1908.  7.  Heft.  27 


418  Ä,  Sdiemdler,  Dm  C.  SaUnstiot  b.  Gaul,  naw^  ang.  t.  F.  PersthMa. 

Des  G.  Sallustins  Crispas  bellum  Gatilinae,  bellmn  Ingorthinam 
und  Beden  und  Briefe  ans  den  Historien.  Zmn  Schalgebnnehe 
beranigegeben  Ton  Aog.  Sebeindler.  8.  Auflage.  Wien,  F.  Temptkj 
1907. 

Wenn  sebon  der  Heraasgeber  seinen  nrsprfinglicben  Plan, 
für  diese  Auflage  den  Text  vollständig  nen  zn  konstitnieren,  dies- 
mal  noch  niebt  dnrcbfflbren  konnte,  so  ist  doch  der  Text  durch- 
wegs gewissenhaft  durchgearbeitet  und  yon  Versehen  gereinigt 
worden.  Ganz  besonders  begrflßen  wir  es,  daß  Seh.  nunmehr  aneh 
unter  diejenigen  Herausgeber  gegangen  ist,  welche  in  der  „lugurtbi' 
Iflcke"  die  interessanten  Resultate  der  Forschungen  eines  Wirz  und 
Maurenbrecher  als  wirkliche  Verbesserungen  in  den  Text  aufge- 
nommen haben. 

Nicht  ebenso  Lobenswertes  ist  von  den  übrigen  Teilen  der 
Ausgabe  zu  sagen.  In  dem  neuen  Vorworte  findet  sich  gegen  E&de 
ein  bOses  Versehen  (wohl  des  Manuskriptes),  welches  den  dort  aus- 
gesprochenen methodischen  Grundsatz  in  sein  Gegenteil  Torkehrt! 
In  der  Einleitung  zeigte  der  Setzer  zu  große  Vorliebe  fdr  den  Bocb- 
Stäben  m  und  so  lesen  wir  „Semptembres*  und  „Gambinischen 
Gesetze".  Was  endlich  das  Verzeichnis  der  Eigennamen 
anlangt,  das  wir  als  einen  elementaren  Bealienkommentar  am 
liebsten  für  alle  Schulausgaben  (b^soi^ders  Dichter)  fdr  obligat  er- 
klären möchten,  so  sind  trotz  der  konstatierten  „höheren^  Durch- 
sicht drei  gröbere  Versehen  der  2.  Auflage  stehengeblieben:  Der 
Fluß  in  Spanien  Ep.  Pomp.  6  heißt  noch  immer  Düris  statt 
Düriua,  das  sinnloser  Lemma  —  weil  man  den  Namen  ▼ergebene 
sucht  —  Piso  sieh  Calpumius  und  Pupius  flndet  sich  wieder 
und  endlich :  Bacchtis  ist  auch  in  der  3.  Auflage  noch  der  Schwieger- 
söhn  des  lugurtha,  mit  der  danebenstehenden  Belegstelle  bell. 
lug.  80,  6  et  tarn  arUea  lugurthae  filia  Bocchi  nupserat.  Nor 
anmerken  wollen  wir,  daß  man,  wenn  man  durch  neu  aufgenom- 
mene Lesarten  neue  Eigennamen  (Tucca)  in  den  Text  gebriebt 
hat,  diese  dann  auch  ins  Verzeichnis  der  Eigennamen  aufnehmen 
muß. 

Das  neu  hinzugekommene  (zweite)  Kärtchen  ist  wohl  etwas 
dürftig  ausgefallen;  umsomehr  ist  die  gefällige  Ausstattung  des 
ganzen  Buchleins  zu  loben. 

Triest.  F.  Perschinka. 


Cesare  Annibaldi,  L'Agricola  e  la  Germania  di  Cornelio 
Tacito  nel  ms.  Lat.  n.  8  della  biblioteca  del  eonte  G.  Balleaoi 
in  Jesi.  Gon  prefazione  del  Prof.  Nicola  Festa.  Gitta  di  CastelJo, 
1907  S.  Lapi.  ^I  nnd  176  SS.  Mit  5  Tafeln.   Preis  16  Mark. 

Der  Verf.,  Gymnasialprofessor  in  Jesi  bei  Ancona,  yeröffeot- 
licht  hier  endlich  ausführliche  Nachrichten  Aber  eine  neugefondeoe 


C.  Ätmibaläi,  L'AgiicoU  e  la  Gennania  di  C  Tadto,  aag.  ▼.  L.  P^char.  419 

iitoisisebe  Handachrift,  von  dar  schon  der  Floraotiner  üniTersitftts- 
profeMor  Fei.  Bamorino  auf  dem  Internationalen  Historikerkongreß 
Ostern  1908  einige  Angaben  machte;  sie  enthält  an  erster  Stelle 
(fol.  1 — 51)  des  Dictys  CreUnHs  bellum  Traianum,  an  zweiter 
(fol.  52—65)  nnd  dritter  (fol.  66—75)  die  Taciteischen  (Tacitns 
wird  ausdrücklich  wie  oben  Dictys  als  Terf.  genannt)  Eleinscbriften 
'Agricola*  nnd  ^Germania'  (deshalb  Ditti-Tacito  nach  dem  Inbalti 
Dach  dem  Fundort,  Jesi,  auch  codex  Äeeinus  (Eeino)  genannt  nnd 
mit  E  bezeichnet).  Sie  gehört  znm  Bestände  der  Familienbibliotbek 
ias  Conto  A.  G.  Balleani  in  Jesi,  dem  A.  sein  Buch  widmet.  Der 
Grundstock  dieser  Bibliothek  wurde  durch  Angehörige  des  bis  ins 
m.  Jahrhundert  zurückgehenden  Geschlechtes  der  Guarnieri  di 
Osimo,  namentlich  die  Brüder  Stefano  und  Francesco«  zwei  ge- 
lehrte Humanisten  des  XV.  Jahrhunderts,  gelegt.  Nach  dem  Aus- 
sterben der  G.  di  Osimo  zu  Ende  des  XYIÜ.  Jahrhunderts  mit  dem 
Grafen  Aurelio  gingen  ihre  Bücherschfttze  und  damit  wohl  unser 
Kodex  in  den  Besitz  der  Balleani  über,  da  Aurelios  Schwester 
Sperandia  mit  einem  Conte  Nicola  Balleani  vermählt  war.  Nach 
^er  Beschreibung  (S.  10/11)  ist  es  ein  Membrankodez  tou  76 
Buttern  (daa  letzte  Blatt  ist  frei),  meist  in  Quatemionen  geheftet. 
Wichtig  ist,  was  aber  zugleich  große  Schwierigkeiten  mit  sich 
fährt,  daß  die  zwei  ersten  Werke  der  Schrift  nach  im  Hauptteil 
d«n  Charakter  etwa  des  X.  Jahrhunderts  (die  karoling^sche  Minuskel) 
ooj  nur  teilweise  des  XV.  Jahrhunderts  (Dictys*  bellum  zudem  Yon 
vmehiedenen  Händen)  zeigen.  Die  Germania  schrieb  dieselbe  eine 
Hsnd  des  XV.  Jahrhunderte  (wie  den  Ägrieola)  in  der  Gänze;  foL  69 
daren  ist  rescribiert,  auch  76  trägt  Spuren  von  Rasur  (die  beiden 
Butter  hingen  wohl  ursprünglich  zusammen).  Der  Hauptwert  der 
HiDdschrift  (fürDietys  hatten  wir  schon  früher  eine  alte  Hand- 
schrift, den  S.  Gallensis  s.  IX/X)  liegt  auf  Taciteiischem  Gebiete, 
wo  bis  jetzt  nur  jnnge  Handschriften  zugebote  standen ;  namentlich 
ffir  den  Ägrieola  liegt  bei  A.  (S.  79—106)  eine  Yollständige  Kol- 
lation Ton  E  Tor.  Indem  er  andere  Handschriften  derselben  Pro- 
venienz, namentlich  einen  ziemlich  ähnlichen  Columella-Koäex 
(S.  4/5)  heranzieht,  kommt  A.  zu  dem  einleuchtenden  Schlüsse, 
daß  Stefano  von  den  oben  genannten  Brüdern  der  Schreiber  des 
jQogeren  Teiles  des  Ägrieola  und  der  ganzen  Germania  war.  Welches 
war  nun  die  Vorlage  Stefanos?  Die  naheliegende  Vermutung,  daß 
schon  sie  (für  den  Ägrieola)  gleich  viele  Blätter,  nämlich  14,  zählte 
Qod  die  Verwertung  einer  Notiz  über  Decembrio  (vgl.  S.  76) 
würden  so  schön  zum  Hersfelder  Kodex  führen,  der  durch  Euoch 
▼.  Ascoli  nach  Italien  kam,  doch  diese  Gründe  führen,  auf  die  Ger- 
fiania  angewendet,  nach  der  Gegenseite,  so  daß  wir  selbst  ron 
dem  Kunstmitte],  eine  frühere  Abtrennung  des  Ägrieola  aus  der 
Gesamthandschrift  zu  statuieren,  abseben  und  lieber  sagen  werden 
^huc  eub  iudice  lia  est.  Ober  die  Bichtigkeit  der  von  A.  (S.  184 

21* 


420  Vogd'WHHhold,  Q.  Cnrti  Bnfi  Hillorianim  oawn  uig.  ▼.  Bit$(^f $ly. 

nnd  8.  170)  anfgcstellteD  Stemmata^)  wird  frailicb  erst  spüere, 
gründliche  Prüfnog  entscbeiden ;  jedenfalls  ist  sein  Buch  ein  recht 
beachtenswertes  d&Qov,  das  ffinf  angehängte  Tafeln  mit  Proben  des 
Kodex  nach  photograpbiscben  Beprodnktionen  in  erfreulicher  Weis» 
begleiten. 

Mähr. -Trfiban.  Dr.  L.  Pschor. 


Q.  Curti  Bnfi  Historiamm  Alexandri  Magni  Macedonis  libri 
qai  supersunt  ftlr  den  Seholi^ebraaeh  erklärt  Ton  Theodor  Vof?«l. 
Zweites  Bändehen:  Bach  VI— X.  Dritte  Auflage,  besorgt  von  Alfred 
Wein  hold.  Mit  einer  Karte.  Leipiig  und  Berlin  1906,  Verlag  Ton 
B.  G.  Tenbner. 

Der  Historiker  Gnrtins  erfährt  nnter  den  am  Ojmnaeinm 
gelesenen  Autoren  eine  eigentflmliche  Behandlang.  Da  sein  blähender 
Stil  dem  Verständnisse  des  Anfängers  noch  erhebliche  Schwierig- 
keiten bietet»  liest  man  ihn  entweder  in  einem  dnrchgesiebten  Ans- 
znge  oder  man  zerpflflckt  die  zusammenhängende  Oeschichte»  die 
man  ohnehin  nnr  als  'historischen  Roman*  gelten  lassen  will,  in 
einzelne  Geschichten,  die  bei  den  jagendlichen  Lesern  erfahmags- 
gemäß  lebhaftes  Interesse  erregen.  Für  unsere  Tertianer  ist  nno 
Vogels  Ausgabe  nicht  berechnet  Sie  setzt  ihrer  ganzen  Anlage 
nach  ein  reiferes  Alter  und  sine  viel  innigere  Vertrautheit  mit  der 
lateinischen  Sprache  Torausi  als  sie  auf  jener  Stufe  Yorhanden  ist. 
Nach  einer  Bemerkung  Weinholds  im  Vorworte  zur  vierten,  1908 
erschienenen  Auflage  des  ersten  Bändehens ')  'möchte  das  Gebetese 
für  einen  Sekundaner  (an  'deutschen'  Gymnasien)  zum  Verständois 
des  Schriftstellers  genügen  \  Bei  der  Bearbeitung  des  zweiten 
Bändchens  wurden  dieselben  Grundsätze  befolgt  wie  bei  der  des 
ersten.  Der  Charakter  des  Buches  wurde  tunlichst  gewahrt,  nor 
wurden  die  meisten  teztkritischen  Bemerkungen  unterdrückt,  dagegen 
die  Übersetzungen  etwas  vermehrt.  Bei  der  Feststellung  des 
Textes  wurde  tunlichst  Anschluß  an  den  Parisinus  gesucht,  be- 
treffs der  Ausmerzung  eingeschobener  Worte  u.  dgl.  hsrrscht  im 
Prinzip  Obereinstimmung  mit  Stangl.  Vor  dem  Texte  sind  die 
Abweichungen  von  dem  Vogelschen  Text  vom  J.  1889  zusammen- 
gestellt, den  Abschluß  bildet  ein  Begister  zu  den  Anmerkungen, 


1)  Der  Vindobonensie  F(49s  der  Wiener  Hof  bibliothek ;  er  iit  1466 
ebenfalls  in  Born  geechrieben,  Tgl.  Zeitschr.  f.  Ost  G.  XXIX,  8.  801  ff). 
der  neben  Tacitot'  Dialogus  und  Snetons  Traktat  De  grammatiei»  et  rhet. 
die  GermsDia  Ton  schöner  Hand  des  XV.  Jahrhunderts  zeigt,  bietet  mir 
nach  vorläaflger  Vergleichang  grOßte  Annähernng  an  die  Handechrifteo- 
klasse  CD,  wohl  auch  den  Vaticanus  A  (bei  Annibaldi);  von  £  iit  er 
jedenfallB  nicht  direkt  abhängig. 

*)  Die  Verlaeshandlang  hat  mir  auf  mein  Ananchen  mit  aelteDer 
Bereitwilligkeit  aaen  das  erste  Bändchen,  das  mir  nicht  vorlag,  lar  Ver- 
fflgoDg  gestellt,  wofQr  ich  auch  bei  dieser  Gelegenheit  Terbindlichst  danke. 


Vogd-Wiikhoid,  Q.  Goiti  Baft  Hiitorianim  uw^  ang.  ▼.  SU8ehof$ky,  421 

baig«geb«n  ist  aioe  Karte:  imperia  Persarum  et  Macedanum 
{anetore  H.  Laoga  Baroiinenai).  Der  Sohlaß  Ton  YIII  8  ist  nach 
Froban,  e.  4  nacli  Freinsheim  ergäazt.  An  folgandan  Stellen 
wsrdeo  durch  Klammern  Worte  aoBgeechaltet :  VI  2,  8.  18.  11, 
15.  82.  85.  VII  3,  8  (21  wird  zn  den  Worten  Eyreaniam  et 
bemerkt:  ^Wohl  zn  streichen*).    4,  29.    5»  14.  28.    6,  22.    7,  9. 

10,  5.   Vin  2,  82.  8,  8.  10,  14,  11,  24.  IX  5,  4.  19.  9,  13. 

11,  19.  5,  12.  Der  Kommentar,  der  namentlich  anf  die  sprach- 
lichen BigantAffllichkeiten  nnd  die  Abweichongen  Yom  klassischen 
Oebrsache  eingeht  nnd  anch  sonst  alles  Wesentliche  berfihrt,  for- 
det Bor  selten  znm  Widerspruche .  heraus.  Einige  UngleichmftAig* 
kaiton  werden  sich  noch  beseitigen  lassen.    Die  folgenden  Bemer- 
knogas  mögen  das  Gesagte  n&her  erläntem:   VI  2,  1  ^exoepere 
tuiHf  doch  wohl  re^em,  nicht  animum\  Diese  Auffassung  (eum  =: 
ngm)  wird  durch  den  zu  IV  11,  4  und  X  8,  1  erw&hntea  Oe« 
brauch  (ofiiiiiiis  Tertranlich  für  Jumo)  erleichtert.  ^  5,  15  würde 
«ich  der  Hinweis  empfehlen,  daß  M$pe  Sahst,  ist.  —  6»  2  scheint 
du  Ausbleiben    des  Sahst,   an   erster   Stella   der   sprachlichen 
Symmetrie   an  dienen:    2  gegen  2   {PerticM  regiae  und  deorum 
foUntiae).  —  6,  25  hätte  zu  ipse  die  Bemerkung:   'Spr.  27'  (m 
badaotet  die  kurze  Übersicht  Aber  den  Sprachgebrauch  des  Q.  Curtius, 
1.  Bladchan,    S.  171~227)   gemacht  werden  aollen.  —  7,  29: 
adTarsatiYea  ae  findet  sich  kurz  Torher  in  8  21.  -*  7,  88  veritum, 
m ...  non  Mim  ritu  aliarum  detulinet  erfordert  eine  Erkl&rung, 
etwa:  «#  alii  riderent,  $i  detuii99et.  —  8,  10  'ntst  auetar  sc. 
t9$ä\   Doch  wohl  6p,  wie  auch  11,  89  nnd  IX  10,  27  nur  das 
Pirtizip  snppliert  worden  kann.  —  8,  25  BegrAndung  des  coni.f 
ItoratiT  nach  Spr.  110.  —  9,  2:  die  Verbindung  eimilia  atUmito 
vir  zu  7,  8   erklärt  worden,  wovon  hier  keine  Notiz  genommen 
iit,  wie  es  auch  sonst  mit  erttbaeo  c.  inf.,  ßdem  do  und  aecipio, 
äim,  speeto  Yon  örtlichkeiten,  subindey  hdud  sane,  eins  =  ipaiaa, 
at  enim,  «1  fere  fit,  opprimo,  ins  uiurpo,  humanae  r€$,  linquit 
animMBy  Bupervenio,  linquar  animo,  elido,  Parßpamisadae,  profecto, 
tt-qucque,  hottoi,  quam  ai  fuisset,  non  Muitineo  ^kann   es  nicht 
Qbar  mich  bringen',  torpeo,  eubit  animum,  morialitae,  quandoque, 
regia  eohara,  eanttematio  ^milit.   Aufruhr'  u.  dgl.  m.   (ich  folge 
beim  Aufzählen  der  Beihe  dea  Vorkommens  der  betreffenden  Aus- 
drücke) der  Fall  iat  —  9,  8  *dekaum,  scharf  betont  und  daher 
Tor  dss  Substantiv  gestellt*.  Die  Begründung  erscheint  zweifelhaft, 
wasD  man  VIII  1,  20  nudo  capite  regem  dimieantem  und  88  Par- 
mtnioni$  cum  hanore  mmUio  inkUa  berücksichtigt.  —  10,  5  und 

VII  8,  17  ist  einzuschalten:  ^so  wisse,  so  sage  ich  dir',  worfiber 
^  Tgl.  z.  III  2,  15.  —  11,  8  ist  für  eorum  =  ipeorum  der  Hin- 
«ais  auf  6,  20.  VII  8,  16.  X  1,  15  unterblieben,  wo  jedesmal 
danalbe  Gebrauch  konstatiert  wird.    Ein  Gleiches  gilt  Ton  latro 

VIII  8,  2  (vgl.  2,  9);  u^  aus  ne  zu  entnehmen:  14,  85  (vgl.  VQ 
h  88.  IX  4,  27);   at  enim  IX  2,  22   (vgl.  VI  8,  18);   locus  2, 


422  Vogel- Weinhold,  Q.  Cnrti  Biifi  Hiftoriwiim  naw.,  ang.  v.  BiU(hof$ky. 

84  (vgl.  Vin  14,  24);  regnavit  5,  21  (vgl.  ?ni  1,  14);  ErgftQ. 
znDg  Ton  fuisse:  X  1,  7  (vgl.  VI  9,  28);  propriu$  8,  8  (vgl. 
YII  4,  9);  omnia  5,  7  (vgl.  8,  9);  ius  gentium  7,  2  (vgl.  VI  11, 
15);  que,  et,  ae  'beziehentlich':  7,  10  (vgl.  VIII  2,  7).  —  11, 
10:  quidem — autem  =  (liv — di^  vgl.  6,  20  quidem  eeterum.  — 
VII  1,  1  liegt  in  quem  odisaent  kein  iterativer  Konj.  vor  (wie 
z.  B.  Vin  14,  19.  27),  da  es  eich  nur  am  die  Dauer,  nicht  um 
die  Wiederholung  handeln  kann.  Analog  scheint  mir  der  Kooj.  im 
Belativsatze  11»  10  Experiendo,  quae  ceteri  desperaverint,  Äeiam 
hahemus  in  potestate.  —  1,  9  ist  die  Notiz  über  obleetari,  wi« 
schon  das  Zitat  lehrt,  verspätet.  So  verhält  es  sich  auch  mit  den 
Bemerkungen  über  vulgua  (2^  88),  alioqui  (4,  8),  Sogdiana  (5,  \\ 
denuntio  (7,  25),  seriba  (VÜI  11,  5),  corana  (IX  1,  18),  atqui 
(2,  17),  videbaniur  mit  zu  ergänzendem  8ibi  {9,  10:  vgl.  VII  11, 
18).  —  8,  27  verdiente  feeerunt  periculum  virium  eine  erlänterode 
Bemerkung  9  femer  obterebat  laudes  eius  (VIII  1,  81)  auch  hio- 
sichtlich  des  Pronomens;  der  Subjektswechsel  5,  22;  süperbe 
habiii  als  hypothet.  Partizip  (8,  11);  modo  (IX  2,  15),  in  ripa 
omne  periculum  est  (2,  18),  magna  vi  sanguinis  emioanU  (5,  10): 
Tgl.  VIII  2,  26;  quiequam  (10,  80);  quem  vosdubitetis  paratum 
esse  vel  subdere  (X  6,  22).  —  Zu  10,  6  wird  für  nunc  =  vvv 
de:  m  4,  5  zitiert  Viel  näher  lag  5,  85.  Ein  gleiches  Ober- 
springen des  Nächstliegenden  begegnet  bezüglich  üiialis  eoior  YIU 
4,  8:  vgl.  Vn  8,  15;  Aonos  IX  1,  6:  vgl.  VIU  12,  8;  lymphatis 
simiUs  IX  7,  8:  vgl.  VI  2,  16;  sulest  X  2,  20:  vgl.  VI  9,  11. 

—  Vm  2,  25  Oxarten  misit  nationis  eiusdem  und  10,  14  for- 
tuitorum  seminum  fruges  handelt  es  sich  nach  meiner  Meinnog 
nicht  um  genetivi  qualitatis,  sondern  um  genetivi  possessoris.  — 
Sollte  2,  86  die  Wahl  des  Perf.  comOatus  est  nicht  durch  die 
Bücksichtnahme  auf  das  Obj.  vedum  veranlaßt  sein?  —  6,  16: 
über  attonitus  zu  4,  4.  —  Die  Bemerkungen  zu  9,  11  und  H  d, 
18  stimmen  nicht  zum  Texte.  —  11,  18  bedeutet  pereulsi  wobi 
'getroffen'.  —  12,  10  wird  bemerkt:  Uli,  'einem  Helden'.  Warom 
aber  nicht  =  r^^t  (Älexandro)?;  vgl.  zu  2,  88  ^illi  =  Alexan- 
dro%  zu  IX  8,  18  %7/c=  Alexander'.  —  IX  1,  12  war  quo^ 
zu  erklären:  vgl.  VI  4,  18.  —  Zu  2,  17  heißt  es:  'stagnare  im 
Sinne  von  lente  fluere,  labi  wie  VIU  13,  9\  Dort  wird  aber 
erklärt:  'stagnantium  hyperbolisch  für  effusarum.  Vgl.  1X2,  17'- 

—  4,  6  liegt  ein  Irrtum  vor,  wenn  seque  et  liberos  zitiert  und 
auf  Spr.  148  verwiesen  wird.  Im  Texte  steht  nicht  et,  soDdero 
ac,  und  que  verbindet  subiecere  mit  cremant,  —  4,  12:  'anceps 
periculum,  von  beiden  Seiten  drohend.  Vgl.  VIII  14,  16*.  Dort 
wird  auf  §  7   verwiesen:   anceps  'gefährlich,  prekär,   mißlich'. 

—  4,  13:  ^poterat  sc.  admoverV,  eine  Ergänzung,  die  ganz  ans* 
geschlossen  ist,  da  esse  ausdrücklich  dabeisteht.  —  5,  19:  fibcr 
adiium  moliri  zu  VI  6,  28.  —  9,  8  und  27  wird  evecti  =  vehendo 
assecuti  erklärt.     Die  Analogie  mit  egredi,  exeedere  führt  auf  die 


JEL.  Gerimg^  Beowoif  niw.»  ug.  t.  v.  Orimihirger,  423 

Btdtataag  'darfiber  hinanafahran'.  —  X  4,  8:  'Nie,  8pr.  151*. 
Es  haadalt  sieh  aber  um  iMe  •  •  fuidem,  wortber  VI  10,  10  za 
Tirgltiehao  ist 

Bai  den  ans  aodsran  Antoren  angeführten  Stellen  ist 
«  iMrend»  wenn  hie  nnd-  da  ein  nieht  von  selbst  sieh  ergebendes 
Wort  nnr  mit  dem  AnfangsbachstabeD  bezeichnet  ist.  In  den  anf 
Cartias  verweisenden  Zitaten  zn  VIII  4»  25.  8,  8.  K  7»  15. 
X  2,  29  seheinen  sich  Fehler  eingeschlichen  zn  haben.  Einige 
Anmerknngen  sind  umzustellen.  Die  Orthographie  ist  nicht 
rtreog  einheitlicb  durchgeführt  Es  begegnet  Alexßndrea  und  -ta, 
txmnguii  und  exanguis,  impedimefOa  und  inpedimmUa,  FtoUmatm 
jokd  Ftolamaeus,  uhicumque  und  uhicun^i.  Die  Interpunktions- 
xeichen  sind  an  ziemlich  yielen  Stellen  abgesprungen«  H.  4,  17 
ist  das  Komma  vor  non  tarnen  zu  beseitigen,  da  Partizipialkon- 
stroktion  vorliegt. 

Zn  verbessern  ist  in  der  Note  zu  VI  1,  10  iy6v  in 
dyov;  zu  2,  8  maia  in  mala;  4,  11  fuiaset  in  fuissmt;  zu  9, 
28  redUumm;  zu  10,  27  facere  mfecere;  zu  YU  1,  20  diHimus 
in  duinemus;  YJH  6,  2  minitterii  in  miniaUrüs;  zn  IX  8,  24 
knU  in  lernte;  zu  X  2,  28  rubiginaei  in  rubigmoeoi;  S.  226 
Mitte:  Conpertum  et  sibi  in  Canpertum  id  aibi. 

Wien.  B.  Bitschofsky. 


Beowoif  nebst  dem  Finnsbarg-BnichstQck,  flbersatrtund  eriiutert 
TOD  Hugo  Gering.  Heidelberg,  Carl  Winters  ünivenitStsboehhand- 
lung  1906.  XII  und  121  SS. 

Zur  gleichen  Zeit  mit  dem  zweiten  Teile  der  Beowulfausgabe 
Holtbausens  und  in  demselben  Verlage  ist  die  neue  Übersetzung 
d«  Deokmals  von  Gering  erschienen. 

Auch  sie  ist  mit  einer  interessanten,  die  historischen  und 
geographischen  Grundlagen  des  Gedichtes  und  den  geistlichen  Stand 
d«  nordenglischen  Verf.s  berührenden  Einleitung  (S.  V — XII)  und 
mit  einer  Zeittafel  versehen,  in  der  die  Personaldaten  der  Ange- 
hörigen von  Beowulfs  Familie  mütterlicher  Seite  und  die  Zeitpunkte 
der  sie  betreffenden  kriegerischen  Ereignisse  vom  Jahre  518  aus, 
eis  dem  mit  annähernder  Sicherheit  zn  ermittelnden  Termin  der 
Niederlage  Hygelacs  gegen  den  Frankenkönig  Theudebert,  be- 
rechnet sind.  Diese  Daten  umfassen  von  dem  Jahr  der  Geburt 
Bredels,  des  mütterlichen  Großvaters  Beowulfs,  bis  zu  des  Titel- 
helden Tod  einen  Zeitraum  von  141  Jahren:  480—571. 

In  Betreff  der  Nationalität  Beowulfs  und  der  Geaten  stellt 
sich  Gering  ganz  auf  den  Standpunkt  Fahlbecks  und  Bugges, 
welch  letzterer  in  PBB  12,  1  ff.  alle  sachlichen  Gründe  zusammen- 
gistellt  hat,   die  dafür  zn  sprechen  scheinen,  daß  die  Geaten  des 


4  24  H.  Gering,  6«owaif  osw.,  ang.  t.  v.  Grimberger, 

BeownlftpoB  nicht  den  skaodinavisehen  Oantar,  sradeni  dM  Jtten 
gleiehznsetzen  seien.  Während  aber  Bngge  den  Oeatennamen  in 
nneerem  Falle  als  eine  besondere,  mit  der  der  nordischen  Ostttar 
etymologisch  gleiche  Benennung  der  Jflten  anzusehen  geneigt  war 
(ebenda  8.  6),  ist  Oerlng  der  Meinung,-  daß  die  Form  des  Volks* 
namens  im  Beowulf  Oeatas  eine  in  der  westsichsischen  Umsehrift 
stehengebliebene  nordenglische  Form  mit  sa  fftr  eigentliches  eo  sei, 
und  zieht  daraas  die  praktische  Konsequenz,  den  Namen  in  seiner 
Übersetzung  überall  mit  'Juten'  wiederzugeben,  wogegen  man  nach 
Bugges  Auffassung  ja  allerdings  Vüten'  Torstehen,  aber  trotzdem 
^Oeaten'  übersetzen  müßte. 

Die  Beweisführung  Fahlbecks  und  nach  diesem  Bugges  war 
so  bestechend,  daß  man  sich  darüber  nicht  zu  verwundem  braucht, 
Geringe  Auffassung  durch  sie  bestimmt  zu  sehen ;  doch  bestsht  sie 
heute  nicht  mehr  zu  recht,  da  H.  Schuck  in  einer  scharfsinnigen, 
durch  überlegene  Beurteilung  des  Zeugrniswertes  der  Quellen  snd 
jene  feine  Kenntnis  des  alten  Namenmaterials  gleicherweise  aos* 
gezeichneten  Schrift^),  in  der  sich  unverkennbar  die  Schule  Noreens 
offenbart,  ihre  Argumente  zerfasert  und  die  Frage,  ob  unter  den 
Otatas  des  Beowulf  die  Juten  zu  yerstehen  seien,  endgiltig  von 
der  Tagesordnung  abgesetzt  hat.  Auf  die  OOten  paßt  die  poli- 
tische Oeographie  des  Beowulfepos,  das  als  Nachbarn  der  OSaka: 
Schweden,  Dünen  und  Nordleute  (Baumar)  kennt,  aber  nicht  SschisD, 
deren  im  ganzen  Liede  überhaupt  nicht  gedacht  wird,  auf  die  West- 
kante Schwedens  von  Halland,  WestgOÜand  und  Bohuslftn  paßt  die 
landschaftliche  Schilderung  einer  felsigen,  klippenreichen  Kfiete, 
nicht  auf  Jütland,  dessen  Strand  nur  im  nördlichen  Yendsjseel 
einige  Kalkklippen  besitzt,  sich  im  übrigen  aber  nur  ein  paar  Fuß 
über  den  Meeresspiegel  erbebt;  an  der  schwedischen  Westküste  sind 
außerdem  noch  heute  die  Väderöar  nachweisbar,  nach  denen  die 
QSatas  des  ae.  Gedichtes  auch  WecUras  heißen. 

Es  ist  ja  richtig,  daß  die  ae.  Beda- Übersetzung  Buch  I, 
Kap.  15')  den  Passus  des  latein.  Originals  adueneratU  auUm  d$.,. 
Saxanibus,  Anglis,  lutis.  De  lutarum  origine  sunt  Cantuarii  d 
Victuarii  . . .  wiedergibt :  C6man  hi  of  ...  Seaxum  and  of  Anglf 
cnd  of  Geatum  (var.  Geätum);  of  Geata  fruman  syndan  Cantwart 
and  WihtscBtan  .  .  .  und  den  folgenden  de  Anglis  hoc  est  de  üla 
pairia  quae  Angulus  dicUur  et  .  .  ,  usque  hodie  manere  desertus 
inter  provincias  lutarum  et  Saxonum  perhibetur  mit  bäwyh  (tv. 
bttwyx)  Geatum  ond  Seaxum,  aber  dieselbe  Übersetzung  kennt 
Buch  4,  Kap.  16  für  die  brittanischen  Juten  als  Entsprechung  der 
latein.  Vorlage  lutarum  prauincia    die   korrekten,    zu  germ.  lat. 


')  Folknamnet  Geatas  i  den  fornengelska  dikten  Beowolf  af  flesrik 
Schuck,  üppaala  1907    45  SS. 

')  KOnig  Alfreds  Übenetzang  von  Bedae  Kirchengeichichte,  beraos- 
gegeben  von  Jakob  Schipper.  Leipzig  1899. 


H.  Gering,  Beownlf  usw.,  äug.  t.  v.  Orienherger.  425 

EuthiOf  EitUo,  drrisilbig  ^  ^  ^  im  HexanMUr  bei  Vettantins  For- 
tvoatoe  IX  1,  Vera  78,  atimmenden  Formen  Eotaland,  yar.  Ytena- 
land,  TOD  denen  die  nmgelantete  auch  Widaid  26  and  Ytum 
[ictM]  Qtfujulf  bezeugt  ist ;  d.  i.  dentlicb  eine  Form  der  einbei- 
miieben,  lokalen  Überliefening  des  Yolksnameoe,  dessen  Tr&ger 
dbrigens,  wie  Schuck  S.  6  nach  Erdmann  und  Steensimp  anefftbrt, 
Dicht  direkt  Ton  Jfltland,  sondern  Ton  einem  sekundären  Sitze 
vestlieh  der  ElbemAndnng  nach  Brittanien  gekommen  sind. 

Ss  ist  also  in  der  Tat  fAr  dieses  Denkmal  die  Frage  za 
stoUtn,  ob  die  Giaku  des  ersten  Baches,  anter  welchem  Namen 
materiell  sieher  die  Juten  in  Jütland  gemeint  sind,  eine  zweite 
Baeichnang  für  diese  oder  eine  zweite  Form  des  einheitliehen 
Namens  oder  aber  ein  Irrtam  and  ein  Mißgriff  seien.  Diese  Frage 
bat  Schuck,  wie  ich  denke  tlberieagend,  im  Sinne  der  dritten  E?en- 
taaliUt  beantwortet 

Was  insbesondere  Oerings  Aneicht  betrifft,  müßte  man  an- 
nehmen, daß  nordengl.  Oeatas  auf  Mterem  ^Qeotaa  berohe  nnd 
•daß  in  diesem  Falle  der  schwebende  Diphthong  tu  des  Anlantes, 
den  wir  yermatlich  für  die  lutae  des  Beda  za  beansprachen  haben, 
sich  wie  im  Nordischen  zam  steigenden  Diphthongen  iö  gewandelt 
habe,  oder  daß  der  Name  in  seiner  angenommenen  älteren  Diph- 
tbongiernng  geö  eine  Entlehnnng  ans  dem  Nord,  sei,  denn  mit 
dem  fallenden  Sa,  So  des  nortbambr.  bSctda,  ws.  bSodon,  ließe  sich 
das  g  des  Anlantes  nicht  tereinen.  Dem  widerspricht  aber  min- 
destens —  eine  sp&tere  Entlehnung  des  Namens  aas  dem  Nord,  in 
dem  ae.  Nationalepos  ist  überhaupt  nicht  wahrscheinlich  —  die 
Stammbildnng  desselben,  die  sich  nach  dem  fast  TollstAndgen  Para- 
digma: Sing.  Nom.  Geat  1785,  1792,  Gen.  Oeates  640,  Dat. 
<kttie  1801,  PI.  Oen.  Geata  89mal,  Dat.  Geatum  5mal,  Acc. 
Oeaias  1178  als  Tokalisches  a-Thema  erweist,  w&brend  der  Jüten- 
name  «-Stamm:  EiOio  Venant.,  ItUa  Beda,  Jatna  eyn  Sachsen- 
chronik oder  I- Stamm  Tiena  Bedaübersetznng,  Ytum  Widsid  ist. 
Als  n- Stamm  glanbe  ich  auch  die  nord.  Jötar^  Jütar  sowie  den 
ersten  Teil  des  ae«  Eotaland  Bedaübersetznng  beansprachen  za 
dürfen,  da  Eota-  entweder  die  entlehnte  Genitivflexion  der  a-Dekli- 
oation  besitzeni  oder  aas  ^Eotna-  synkopiert  sein  kann. 

Aber  eine  nordengl.  Form  scheint  in  der  Tat  im  Beowalfepos 
stehen  geblieben  za  seia,  nor  bat  man  sie  nicht  in  dem  tadellos 
darchdeklinierten  Paradigma  Geat,  sondern  in  dem  einen  Oen.  pl. 
^toUna  448  in  saehen  and  für  das  Nordenglische  also  nicht  m 
Mis  eo  ans  germ.  eu,  sondern  Tielmehr  aso  aas  germ.  au  za  po- 
stalieren,  das  sieh  z.  B.  aach  in  dem  Worte  deoihdaege  in  Bedas 
Sterbegesang  nachweisen  l&ßt.  Die  is-Flezion  bei  einem  a-Thema 
ist  aber  gerade  etwas  für  die  nordengl.  Yermisehang  der  Deklinations- 
klassen Charakteristisehes. 


426  H,  Gering,  Beownlf  of w.»  ang.  t.  v.  Grienberger. 

Dia  Sache  ateht  alao  unweigerlich  so,  daß  man  die  gantische 
Nationalität  der  Oeataa  Tom  sprachlichen  Standpunkte  ans  nicht 
yerdftchtigen  kann,  wenn  man  nicht  gezwangen  ist,  sie  ana  dem 
Inhalte  des  Liedes  in  Frage  zn  stellen.  Das  aber  ist  keineswegs 
der  Fall  nnd  das  gezeigt  zn  haben,  ist  Schucks  Verdienst,  der 
Abrigens,  nebenher  bemerkt,  wieder  andere  Zeitdaten  als  Gering 
nnd  zwar  Hygelacs  Niederlage  znm  Jahre  516,  Beownlf s  Tod  nm 
580  angibt. 

Die  Yerdeatschnng  Gerings,  die  wir  genaner  als  Nachdichtnng 
bezeichnen  werden,  bildet  das  Epos  in  modernen  nhd.  Alliterations- 
yersen,  wobei  an  Stelle  des  vorwiegend  trochäisch  -  daktylischen 
Flnsses  des  Originales  sich  iambisch  -  anapAstiseher  Bhythmns 
geltend  macht. 

Sie  ist  im  wesentlichen  auf  Gmnd  der  Holthansensehen  Ans- 
gäbe  angefertigt  nnd  erstrebt  getrene  Wiedergabe  des  Sinnes,  ohne 
sich  an  das  Wort  zn  binden,  was,  wie  man  leicht  einsieht,  mit 
der  Beibehaltnng  der  Allitteration  nnd  sagen  wir  der  Nachbildnng 
in  Versen  nberhanpt  nicht  wohl  tereinbar  ist. 

Die  Übersetznng  ist  mit  reichen  Mitteln  des  sprachlichen 
Ansdmckes  ins  Werk  gesetzt,  von  poetischem  Schwnnge  getragen 
nnd  gewährt  für  sich  gelesen  einen  schönen  nnd  reinen  Genoß, 
sicherlich  geeignet  mit  Geringe  Worten  'empfängliche  Gemnter  zn 
fesseln  nnd  zn  erwärmen'. 

Besondere  Sorgfalt  hat  Gering  daranf  verwandt,  der  Fülle 
der  ae.  Synonymen  z.  B.  für  'Mann*  nnd  'Waffen*  eine  entsprechende 
Zahl  von  nhd.  Ansdrücken  gegenüberznstellen ;  z.  B.  'Hieber,  Klinge, 
Schneide,  Waffe,  Wehr'  neben  'Schwert',  'Brünne,  Harnisch,  Streit- 
hemd, Büstzeng"  neben  'Panzer\  wobei  er  oft  tief  in  die  Tasche 
des  nhd.  Wortschatzes  greifen  mnßte,  oder  ältere  deutsche  Wörter 
'Drost,  Markwart,  Degenkind'  einzuführen,  oder  die  ae.  ümscbrei- 
bnngen  wie  swanräd  'Schwanen8traße\  d.  i.  'Meer'  nachzubilden, 
wogegen  andere  Eenninge  wie  hronräd  *Weg  des  Wales,  ßla  läj 
'Nachlaß  der  Feilen',  d.  i.  'Schwert',  einfach  übersetzt  sind.  Eine 
treffende  Nachbildnng  bietet  Gering  in  'WalfischhOft'  (ür  HronesncBs; 
aber  beaga  hryita  ist  mit  'Brecher  der  Ringe'  unzureichend  wieder- 
gegeben, da  uns  im  nhd.  Worte  'Brecher'  der  Begriffsflbergang  zu 
'Spender'  nicht  gegeben  ist.  Der  Ausdruck  br^tta  hat  ja  wobi 
vermutlich  im  Brechen  und  Verteilen  des  Brotes  seine  kultur- 
historische Begründung. 

Daß  ich  für  meinen  Teil  eine  treue  prosaische  und  obendrein 
kommentierte  Übersetzung  der  poetischen  nicht  nur  Geringe,  sondern 
auch  jeder  anderen  vorzöge,  daraus  brauche  ich  kein  Geheimnis 
KU  machen  und  darf  dies  aussprechen,  ohne  dem  Werte  der  dich- 
terischen Nachbildungen  fremder  Literaturerzeugnisse,  die  ja  gar 
nicht  die  Aufgabe  haben,  philologische  Exegese  zu  vermitteln,  nabe- 
zutreten. Diese  ist  aber  dem  Beownlf  an  manchen  Stellen  noch 
gar  sehr  von  Nöten. 


H.  Gering,  Beownlf  usw.,  »Dg.  y.  v.  Grienberger.  427 

80  Torzeicbnet  Qering  nach  Vers  1067  genan  die  Lücke, 
die  hier  Holthansen  im  Texte  angegeben  hatte,  nm  sie  in  den 
Asmerkongen  zu  1064  ff.  'nach  1066  (richtig  1067)  ist  keine 
Lacke  nötig'  sowie  in  den  Verbessernngen  8.  264:  *1067  setze 
Komma  nach  seolde,  1.  eaferan  . . .  nnd  str.  die  Lücke'  wieder 
nirückzanehmen. 

Die  Übersetzung  Geringe  'Als  Finne  Geschlecht  das  Furcht- 
bire  traf  läßt  den  Vers  als  nachgestellten  Temporalsatz  erscheinen, 
zu  dem  der  Torhergehende  Hauptsatz  fehlt,  während  nach  Holt- 
bansens  erster  Anüassung  Ton  diesem  Hauptsätze  noch  das  Stück 
Finnes  eoferum  dastünde.  Heyne-Socin  hielten  den  Vers  für  den 
Titel  des  yom  Hofdichter  Hro)>gar8  Torgetragenen  Stückes  und 
ergänzten  hinter  Baferum  die  Präposition  fram  Won' ;  damit  ist 
die  letzterhand  nach  Trautmann  gegebene  Erklärung  Holthansens, 
Anmerkung  zu  1064  ff.,  S.  223:  *ia/eran  statt  -um  als  Apposition 
zu  h^aigamen  und  Objekt,  ton  mcenan  abhängig,  materiell  gleich, 
doch  möchte  es  mir  scheinen,  daß,  wenn  man  sie  festhält,  die 
Ergänzung  einer  Präposition,  sagen  wir  of  vor  Finnes^  der  Ab- 
änderung Ton  eaferum  Torzuziehen  wäre.  Andersfalls,  d.  h.  wenn 
der  Text  des  yorgetragenen  Stückes  mi(  Finnea  begänne,  müßte 
man  nach  aeolde  Doppelpunkt  setzen,  nach  beg^t  Eomma  und  den 
DatiT  Baferum  etwa  wie  in  nhd.  *er  ist  mir  gestorben,  er  ist  mir 
zugrunde  gegangen,  sie  (die  Tochter)  ist  ihnen  (den  Eltern)  ge- 
storben' erklären,  den  ganzen  Passus  also  übersetzen:  'den  An- 
gehörigen des  Fihn,  als  sie  das  Verderben  überraschte,  sollte  ein 
Mann  der  Halbdänen,  Hnief  der  Scylding,  auf  dem  Freswal  zu 
Falle  kommen*. 

Den  in  Vers  1072 — 4  auf  die  Gattin  Finns  nnd  Schwester 
Httffifs  bezüglichen  Satz  unagnnum  wBard  hehren  leofum  . . . 
bBamum  ond  brödrum  übersetzt  Gering,  da  hier  Holthausens  Text 
die  Besserung  unsynnfyjum  bietet,  die  also  ein  auf  leofum  usw. 
bezügliches  Adjektit  ^schuldlos'  herstellt,  mit  'denn  frei  Ton  Schuld 
waren  beide  teuren,  Bruder  und  Sohn'.  Aber  unajfnnum  haben 
HoTue-Socin,  wie  mir  scheint  befriedigend,  als  Adverbium  im  Instr. 
plnralis  'ohne  Schuld*  erklärt,  so  daß  ich  zweifeln  muß,  ob  die 
Übersefeznng  Geringe  richtig  sei  und  die  Verse  mit  Beziehung  des 
Ad?,  auf  Hildebnrh  nicht  tielmehr  heißen  müssen  'ohne  es  durch 
Schuld  yerdient  zu  haben,  ward  sie  ... .  der  Lieben,  des  Sohnes 
und  des  Bruders,  beraubt'. 

Vergleichen  wir  den  Passus  Vers  1068—67,  in  wörtlicher 
Obertragung  'da  war  zugleich  Gesang  und  Musik  Tor  dem  Feld- 
herm  des  Healfdene,  [da  ward]  das  Spielholz  (Harfe)  geschlagen, 
maoches  Lied  gesungen,  worauf  der  Dichter  des  Hro^gar  über  die 
Metbank  hin  eine  (die)  Saalunterhaltung  vortragen  sollte'  mit 
Qerings  Verdeutschung  'Gesang  erechoU  nun  nnd  Saitenspiel  vor 
Healfdenes  Sohn,  dem  Heeresfürsten;  die  Harfe  ertönte  zum  Helden- 
lieds, das  Hrodgars  Sänger  den  Hörern  zur  Lust  auf  des  Macht- 


428  WcHtze-Seheidemantii,  Du  klMiiiehe  Weimar,  ang.  t.  J.  Minor. 

habere  Waneefa  an  der  Metbank  Tortrnef,  eo  eehen  wir  allerdings 
die  Überlegenheit  der  Naehdiehtnng  tor  der  .elnfaehen  Übertragnng, 
die  sieh  gestatten  kann,  Nachrichten,  [welobe  die  Stelle  gar  nicht 
enthält,  wie  die,  daß  Hro])gar  der  Sohn  Healfdenea  ist,  oder  daß 
der  Vortrag  des  Liedes  durch  den  Dichter  *anf  des  Machthabers' 
Wnnsch  erfolgt,  einzaflechten  oder  den  technischen  Äosdrack 
hMlgamm  hier  *vor  der  Menge  im  Saale  torgetragenes,  zar  Unter- 
haltnng  dienendes  Gedicht'  durch  seine  psychologische  MotiTlerang 
Men  Hörern  zur  Lust'  zn  umschreiben  oder  das  die  Torhergesungeneo 
Lieder  begleitende  Harfenspiel  auf  den  Vortrag  des  Dichters  za 
beziehen,  und  die  durch  diese  freiere  Behandlung  des  Stoffes  eint 
Wirkung  erzielt,  die  Tielleicht  der  des  originalen  Textes  auf  die 
gleichzeitigen  Hörer  analog  ist  und  der  wörtlichen  Übertragung 
allerdings  yersagt  bleiben  muß. 

Czernowitz.  ?.  Grienberger. 


Das  klassische  Weimar.  Nach  Aquarellen  fon  Peter  Woltse.  Mit 
erliuterndem  Text  fon  Eduard  Scheid em ante  1.  Weimar,  Her- 
mann BOhlauB  Nachfolger  1907.  19  SS.  Folio  und  12  Tafein.  Pieii 
10  Mark. 

Keine  Mittelschule  sollte  es  Tersftumen,  diese  schOn«  Blittsr 
anzuschaffen  und  zur  Ausschmückung  eines  Schulzimmers  zu  Ter- 
wenden ;  was  bei  dem  niedrig  angesetzten  Preise  keine  Unmöglieh- 
keit  ist.  Der  Künstler  hat  Tersucbt,  was  mit  dem  Frankfurt  der 
Goethezeit  l&ngst  geschehen  ist:  das  klassische  Weimar  wieder- 
herzustellen. Eine  in  jeder  Einzelheit  zuferlftssige  BekonstruktioD 
liegt  natürlich  außer  dem  Bereich  des  Möglichen;  aber  den  Ge- 
samteindruck der  Goethezeit  bat  er  wohl  auf  jedem  Bilde  erreicht 
und  es  auch  in  Bezug  auf  die  Einzelheiten  nicht  an  den  nötiges 
Studien  fehlen  lassen,  um  die  Vergangenheit  an  die  Stelle  der 
Gegenwart  zu  setzen.  Er  gibt  uns  Bilder  der  gansen  Stadt,  die 
freilich  bei  Goethes  Ankunft  noch  mehr  einem  Dorf  glich:  dse 
Schloß  mit  der  Bastille,  den  Marktplatz,  das  alte  Theater  und  das 
Wittumspalais  der  Herzogin-Muttor  Amalia.  Er  stellt  uns  die  beides 
Wohnhäuser  Goethes,  das  Schillerhaus  und  Herders  Pfarrbaus  sicht- 
bar Yor  Augen.  An  Karl  August  erinnert  das  römische  Haus  im 
Park,  sein  liebster  Aufenthalt.  Auch  das  Haus  der  Frau  von  Stein 
fehlt  nicht.  Zu  den  Bildern  hat  der  sach-  und  ortskundige  Qym* 
nasialprofessor  Scheidemantel,  durch  seine  Tassostudien  rühmliebst 
bekannt,  einen  lehrreichen  Text  geschrieben,  der  nur  nicht  geosg 
auf  die  Bilder  selbst  bezugnimmt  und  nicht  immer  deutlich  er- 
kennen l&ßt,  ob  die  von  ihm  angeführten  örtlichkeiten  auch  ssf 
dem  Bilde  sichtbar  sind  oder  nicht  und  wo  man  das  Beschriebeoe 
auf  dem  Bilde  zu  suchen  bat.  Daß  in  dem  Briefe  Goethes  an 
Frau  T.  Stein   fom  21.  April  1776:    „Zum  erstenmal   im  Garten 


J,  Wiesner,  Der  denitohe  Untarrieht  mir.,  ang.  ▼.  A.  Lichttnheld.  43^ 

l^eteblafeD  und  nnn  Erdtal  in  fär  ewig"  das  einnlose  ^Erdtnlin'' 
ein  Lesefehler  fir  ^Erd kühlein"  ist,  haben  schon  Gödeke  (Grund- 
riß IV  2,  450)  and  Martin  (Jahrbach  XIX,  297  ff.)  erkannt.  Über 
das  M&rchen,  aas  dem  Ooethe  den  Vergleich  genommen  hat,  handelt 
fiolte  in  seiner  Aasgabe  des  Montanas  (Literarischer  Verein)  S.  267 
und  S.  591  L 

Wien.  J.  Minor. 


Der  dentBche  Unterricht  an  unseren  Gymnasien.  ErfahnuffeD» 
Bekenntnitie,  Vortcfalftge  von  Johann  Wies n er.  Wien,  A.  HoTder 
1907.    140  SS.  nnd  24  SS.  Anmerkungen. 

,»Da8  ganze  Oebiet  des  heatigen  Deatschanterriehtes  an 
MitteUichaleB  in  seinen  Anforderangen  (!)  za  darchstreifen,  den 
gaaxen  Komplex  von  Einzelfragen,  die  noch  immer  der  Erledigang 
btiren*^  (and  Tolle  Erledigang  wohl  nie  finden  werden)  „knrz  aaf- 
znrellen"  ist  die  Aafgabe,  die  dem  gehaltfollen  and  zagieieh  höchst 
aktoellen  Bnehe  gestellt  ist  Denn  da  die  endlosen  Erörternngen 
in  Wort  oad  Schrift,  die  in  den  letzten  Monaten  nnsere  Mittel- 
lebnlen  nmtobten  and  an  dem  Qefftge  ihrer  Organisation  bis  in 
die  Grandfesten  hinab  rüttelten,  doch  allerlei  Ändernngen  bringen 
Verden,  eo  ist  es  wahrscheinlich,  dafi  ancb  die  Organisation  dea 
Dsatschanterriehtes  der  längst  vorbereiteten  and  geforderten  Bevi- 
sion  nntersegen  wird.  Und  da  kann  es  nar  Ton  Vorteil  sein,  anch 
•inen  Manii  za  h6ren,  der  gestfttzt  anf  lange  Brfahrnng,  aaf  Be-^ 
berrschoog  der  in  Betracht  kommenden  Literatnr,  aaf  yielfache 
Beobachtang  im  In-  and  Ausland,  dasn  erfflUt  Tom  schensten  Eifer 
fftr  die  Sache  die  Ergebnisse  seiner  nmsichtigen  Erwftgnngen  zar 
Verfftgong  stellt. 

Der  Schwerpunkt  des  Baches  liegt  —  wegen  ihrer  Tragweite 
~  wohl  nach  ffir  dea  Verf.  in  den  positiven  Vorschlägen  fflr  Stoff- 
wahl and  Verteilang,  wie  der  Unterricht  im  Obergymnasiam  nea 
sa  gestalten  sei.  Der  Schlnß  der  vier  Abschnitte:  Grammatik, 
Lektare,  Dbnngea  im  mündlichen  Anfsatz,  bringt  jedesmal  eine 
Zosammeniastnng.  Aber  der  Beiz,  der  den  Leser  festhält,  liegt 
doch  viel  mehr  in  den  von  temperamentvoll  geführter  Polemik  be- 
gleiteten Erörternngen  and  Vorschlägen  über  eine  Menge  von 
inderen  Fragen,  wo  Umgestaltnng  ihm  notwendig  erscheint  leb 
nenne  da  für  das  Untergymnasinm:  das  Lesen,  das  Sprechen  and 
Erzählen,  die  Satzanalyse,  der  sich  die  Interpnoktionslehre  an- 
•ehlieät,  die  „sprachlichen  Beobachtangen**  (S.  17),  die  nar  maß- 
voll and  gelegentlich  za  behandelnde  Formenlehre,  die  Orthographie^ 
die  Scbreibübangen  nnd  der  Anfsatz  a.  a.  Was  da  vorgeschlagen 
wird,  rüttelt  nicht  sehr  an  nnserer  jetzigen  Verteilang  —  nnr  den 
LMebüchem  würde  die  Darchführang  ziemlich  znleibe  gehen  — t 
ist  aber  darchweg  so  annehmbar  and  lehrreich ,  daß  jeder  Eollege^ 


430  J*.  Wiesner,  Der  deattehe  Unterricht  aiw.»  ang.  t.  A.  LiehUmMd. 

dtrans  gewinneD  wird.  Nur  den  Anfängern  mOchte  ich  den  Bat 
geben,  die  Einleitung  niebt  za  lesen.  Die  terwirrende  FfiUe  dw 
widerstreitenden  Ansiebten,  dnrcb  die  sieb  der  Terf.  durchzuarbeiten 
hatte,  mögen  ihn  manchmal  daran  haben  verzweifeln  lassen,  stets 
auf  den  richtigen  Weg  zn  gelangen,  nnd  die  daraas  sich  ergebende 
pessimistische  Stimmung  (ihm  bleibt  nichts  flbrig,  sagt  er,  als 
yorlftofig  grau  in  grau  za  malen)  findet  in  der  Einleitung  za  starken 
Ansdrnck.  Sie  ist  der  Freudigkeit  gefährlich ,  die  die  Berafsaas- 
Übung  vor  allem  ersprießlich  macht. 

Die  Verständigkeit,  die  die  Bebandlang  der  oben  aufgezählten 
Gegenstände  dnrchzieht,  macht  den  Leser  geneigt,  sich  Ton  W. 
nun  auch  bei  dem  leiten  und  fiberzeugen  zu  lassen,  was  ffir  das 
Obergymnasium  vorgebracht  wird.  Aber  diese  Geneigtheit  gerät 
doch  bald  ins  Wanken,  weniger  weil  die  geforderten  Änderangen 
zu  radikal  sind  (unsere  jetzigen  Lesebficher  mftfiten  gänzlich  neu 
eingerichteten  platzmachen),  als  weil  die  Begründungen  zu  an* 
fechtbar  sind,  ja  einander  widerholt  widersprechen. 

Der  Hauptgrandsatz,  nach  dem  bis  jetzt  fQr  die  drei  obersten 
Klassen  der  Lesestoff  bestimmt  wurde,  war  der  literarhistorische 
Fortgang,    womit  trotz  so  mancher  Stellen  der  Instruktionen  der 
Literaturgeschichte  selbst  breit  die  Tore  geöffnet  wurden.  An  Stelle 
•dessen  soll  ein  anderer  treten,    die  Anpassung  an  die  mit  den 
Klassen  aufsteigende  Beife  der  Scbfiler.  Das  klingt  sehr  ansprechend; 
aber  die  Beifeabstände  zwischen  je  zwei,  ja  drei  Klassen  sind  nicht 
mehr  so  groß  wie  im  Ontergymnasium,  sie  sind  Tiel  geringer  als 
die  zwiscben  den  Schülern  derselben  Klassen   und   zwischen  den 
entsprechenden  Stufen  in  großstädtischen  und  yielen  Prerinzgym- 
nasien.     Zweitens  aber  ist  es  an  sich  überaus  schwer,   innerhalb 
eines  so  engen  Spielraums   für  jedes  Stück  die  Ansprüche  abzu- 
messen,   die  es   an   die  Fassungskraft   stellt;    wie  leicht  täuscht 
epracbliche  Flüssigkeit  über  inhaltliche  Tiefe.     Man  fergleiche  in 
dieser  Hinsicht    den  Widerstreit   bei  Klopstock,    der   doch  nichts 
weniger  als  gedankentief  ist,  so  widerspänstig  er  sich  gegen  das 
Verständnis  sprachlich  und  in  der  Aneinanderreihung  der  Gedanken 
geberdet.  Sodann  ist  bei  der  Auswahl  neben  jener  Stufe  doch  aneb 
stets  das  literarhistorische  Moment  insofern  zu  berücksichtigen  als 
unsere  Klassiker  möglichst  oft  zu  Worte  kommen  sollen  und  da  ist 
der  Kreis  der  Auswahl  —  für  die  Prosa  —  nicht  gar  groß.    Die 
eigentliche  Literaturgeschichte    soll   bei  diesem  Vorgange  dadurch 
zu  ihrem  Bechte  kommen,    daß  bei  jedem  yertretenen  Autor  das 
Nötige   beigebracht    wird,    also  Biographisches,    die   wichtigsten 
Schriften,   einiges  zu  ihrer  Charakterisierung  und  Wertbemessnng 
u.  a.     Nun  aber  gilt  es  in  unserer  Zeit,    schon   seit  dem  XVIIL 
Jahrhundert,  fast  als  ein  Axiom  für  das  Streben  nach  Erkenntnis, 
bis  zur  Bildung  hinab,  daß  das  Wesen  der  Objekte  erst  toU  erfaßt 
wird,    wenn  man   sich   zu  eigen  macht,    wie  sie  geworden,   ans 
welchem  Boden  sie  erwachsen  sind,  welche  Einflüsse  auf  ihre  Ge- 


/.  Wieiner,  Der  deatiebe  Unterricht  asw.,  aog.  t.  ä,  Licktenheld.  431 

•taltaog  gewirkt  haben,  korz,  wenn  man  ihre  historischen  Voraus- 
•itziisgen  kennen  lernt.  Und  diesem  Zuge  kann  sich  eine  Schule 
wie  das  Oymnasinm  nicht  entziehen,  sie  tnt  es  anch  nicht,  tollende 
Bieht  bei  der  Behandlung  und  Würdigung  der  Literaturwerke 
nnserer  Vergangenheit.  Also  kann  nur  eine  fortschreitende  Lite- 
raturgeschichte, die  die  Wandlungen  und  Strömungen  des  Ge- 
schmackes, der  Theorie  und  Kritik,  jener  Einflüsse  Ton  außen  und 
innen  mit  beachtet,  die  Tolle  Würdigung  der  Werke  schaffen.  Der 
Ersatz,  den  die  achte  Klasse  in  einer  beschränkten  Zahl  Ton  Stun- 
den durch  „Zusammenfassung^,  d.  h.  doch  wohl  chronologisch  fort- 
schreitend, dann  geben  soll,  wenn  so  viele  Lesestücke  und  was 
ihnen  angefügt  wurde,  nur  noch  in  nebelhafter  Erinnerung  sind, 
ennangelt  des  festen  Bodens  und  l&uft  mehr  auf  ein  Memorieren 
hinaus.  Lassen  wir  also  den  jetzigen  Vorgang  auch  weiter  be- 
stehen 1 

Damit  habe  ich  meinen  Standpunkt  jener  Hauptfrage  gegen- 
über gekennzeichnet.  Eine  Auseinandersetzung  mit  all  den  ge- 
gebenen Anregungen  und  Vorschlügen  würde  wieder  ein  Buch  er- 
geben und  darum  sei  nur  noch  einiges  herausgegriffen. 

Dem  anch  Ton  anderen  Seiten  ge&nßerten  Vorschlage,  den 
Beginn  der  Literaturgeschichte  in  die  Quinta  (das  zweite  Semester) 
in  verlegen,  ist  zuzustimmen.  Aber  nicht,  weil  der  Lehrer  „dem 
bisherigen  Pensum  dieser  Klasse  keine  fruchtbare  Seite  abge- 
winnen kann^,  sondern  weil  dadurch  die  nächsten  Klassen  etwas 
•ntlutet  werden.  Für  Eingehen  in  die  Poetik  (die  dann  bis  zum 
Schhiß  im  Auge  zu  behalten  ist)  und  Lektüre  von  Stücken  der 
Oreßepik  bleibt  immer  noch  Baum  genug.  Daß  hier  die  Literatur- 
geschichte doch  zugelassen  wird,  ist  dadurch  begründet,  daß  der 
entsprechende  Lesestoff,  hauptsächlich  das  Volksepos,  Quintanern 
wohl  angemessen  ist.  Batsam  ist  wohl,  daß  die  in  den  Lese- 
bächem  enthaltenen  „Definitionen"  der  Dichtungsarten  und  -6at- 
tnngen  gestrichen  werden  und  an  deren  Stelle  induktiv  zu  ge- 
winnende Zusammenstellungen  der  Hauptmerkmale  treten. 

W.  will  das  Mhd.  wieder  preisgeben,  und  zwar  weil  mit  der 
geringen  Stundenzahl  (er  rechnet  16  aus),  die  ihm  gewidmet 
werden  künnen,  Erfolge  nicht  zu  erzielen  seien.  Hier  kann  ich 
mich  ihm  anch  nicht  anschließen;  nicht,  weil  ich  mich  seinerzeit 
mit  um  die  Wiedereinführung  bemühte,  sondern  weil  ich  die  Be- 
gründung nicht  anerkenne.  Ich  wußte  stets  etwa  24  Stunden  zu  er- 
fibrigoi,  denen  sich  fortan  bei  der  eben  besprochenen  Verschiebung 
noch  einige  werden  zufügen  lassen,  und  war  mit  dem  Erfolg  zu- 
frieden. Die  Geläufigkeit,  die  die  Schüler  in  unmittelbarer,  des 
Übersetzens  entratender  Aufnahme  des  Inhalts  des  Gelesenen  er- 
reichen, fibertrifft  doch  bei  weitem  diejenige,  die  in  den  alten 
Sprachen  zu  erreichen  ist.  Sodann  hält  W.  selbst  es  für  angezeigt, 
daß  das  Gymnasium  irgendwo  einmal  in  das  Werden  unserer  Mutter- 
sprache den  Schülern  Einblick  gewährt,    und    welche  Gelegenheit 


432  X  WiesHer,  Der  dentoehe  üntanielit  nsir.,  ang.  t.  ä.  LidUenhdd. 

wäre  da  günstiger  als  die,  welche  die  Anregung  dazu  tod  selbst  und 
auch  so  zahlreiche  Belege  ffir  die  tu  besprechenden  ErscheinoDgeo 
bringt?  Der  Widersprach,  in  dem  W.s  Beseh werde,  daß  man  dem 
Mittelhochdeutschen  bei  der  Maturit&tsprdfung  nicht  Baum  ge- 
währen will,  mit  jener  Ausscheidung  steht,  scheint  ihm  entgangen 
zu  sein.  Die  daran  liegende  Forderung  selbst  zu  erfüllen,  wider- 
rate ich;  der  Gegenstand  liegt  schon  zu  weit  zurück.  Die  For- 
derung, dafi  die  Lesebücher  die  500  Jahre  der  Übergangszeit  Ton 
der  ersten  zur  zweiten  Blüteperiode  etwas  mehr  berficksichtigeD,  ist 
zu  unterstützen.  Indessen  enthalten  die  Lesebücher  doch  mindestens 
einiges  ton  Hans  Sachs  und  Hallers  „Alpen*"  bringen  nicht  nur 
sehr  schöne  Beispiele  für  die  „sinnreichen  Beiwörter**  der  Schlesier, 
sondern  tragen  auch  sonst  durchaus  das  Gepräge  eines  yorklss- 
sischen  Zeitalters.  Kleists  „Frühling**  mag  fallen,  aber  die  „Alpen*" 
möchte  ich  darum  nicht  missen.  Daß  die  Herderlektüre  bedeutend 
eingeschränkt  werde,  ist  berechtigt  und  geschieht  wohl  auch  all- 
gemein; der  „Cid**  ist  ein  guter  Ersatz;  ?om  „Oheron**  aber  bringen 
die  Lesebücher  gerade  genug. 

Aber  nun  Lesaing.  Der  kommt  gar  übel  weg.  Seine  Gegner 
hören  wir  reichlich.  Der  Dichter  wird  nur  mit  „Minna  Ton  B/ 
belassen,  aber  auch  nur,  weil  es  das  einzige  Lustspiel  ist,  das 
gelesen  wird.  An  die  bis.  auf  den  heutigen  Tag  reichende  Bühnen- 
Wirksamkeit  des  Stückes,  des  ältesten  deutschen,  das  noch  Bepertoir- 
stfick  ist,  hat  W.  wohl  nicht  gedacht.  Der  Laokoon  aber  wird 
ganz  gestrichen,  ton  der  Dramaturgie  nur  das  erste  und  das 
Schlußstück  gelassen.  Von  den. Literaturbriefen  iat  nicht  die  Bede. 
Sie  können  starke  Streichungen  tertragen;  die  Selbstanzeige  der 
Abhandlungen  über  die  Fabel  und  der  17.  Brief  sind  aber  nicht  tn 
missen«  Doch  reichen  die  literaturgeschichtlichen  Voraussetzungen 
für  diesen  wieder  sehr  weit.  Nun  ist  es  wahr,  daß  Laokoon  und 
auch  die  Dramaturgie  voll  Ton  Aufstellungen  sind ,  die  teils  als 
Irrtümer  erwiesen  sind,  teils  angefochten  werden,  ein  Schicksal, 
das  sie  mit  allen  ästhetischen  Schriften  teilen;  man  denke  nur  an 
den  Ästhetiker  Schiller.  Um  den  Laokoon  aber  wäre  es  mehr  tls 
schade.  Ersetzen  läßt  sich  schließlich  alles,  er  aber  nur  sehr 
schwer.  Er  bleibt  immer  ein  Meisterstück  geist-  und  wissene- 
reichster  Dialektik,  gehört  bis  auf  den  heutigen  Tag  zu  den  Grund- 
büchern der  epischen  Technik,  bietet  unter  entsprechender  Führung 
stete  Anregung  zu  Diskussionen,  denen  Oktavaner  sehr  wohl  ge- 
wachsen sind,  und  gibt  ihnen  Gelegenheit,  was  sie  Ton  antiker 
Kunst  auf  den  verschiedenen  Stufen  gehört  haben,  einmal  zu  ver- 
werten. Was  S.  55  hinsichtlich  seiner  Sprache  eingewendet  wird, 
kann  doch  für  Oktavaner  nicht  in  Betracht  kommen. 

Auch  der  Dramaturgie  ist  das  Wort  zu  reden.  Gilt  es,  Zelt 
zu  sparen,  dann  mögen  lieber  das  erste  und  letzte  Stück  falles. 
Aber  die  Stücke  über  die  historische  Tragödie,  die  Hegeln,  über 
Furcht  und  Mitleid  und  die  Katharsis  sind  wie  kaum  etwas  anderes 


J.  Wieiner^  Der  denttche  Untarriobt  asw.,  aog.  t.  ä.  Nathansky,  488 

^i^et,  die  theoretischen  Fragen  der  hohen  Dramatik  allseitig 
10  b^ltaebten.  In  den  bereits  gelesenen  Stücken  stehen  Beispiele 
lor  Geofige  znr  Verfftgnng  und  an  den  noch  zu  lesenden  kann  das 
Gevoonene  weiter  erörtert  nnd  befestigt  werden. 

Wie  weit  W.  in  diesen  Fragen  den  Unterricht  tertieft  wissen 
Tül,  siebt  man  allerdings  nicht  klar.     Es  scheint,    daß   er  selbst 
uf  die  Behandlung    der   Schnldfrage   wenig  Gewicht   legt,    was 
sieb  allerdings  mit  der  Aufnahme  der  Stücke  über  Fnrcht  and  Mit- 
l«id  Dicht  Torträgt.    Allen  Anweisungen  über  die  Behandlang  aber 
Böehte  ich  die  Forderung  Toranstellen :  Das  erklärende  Verweilen 
km  Einzelwort  und  bei  Einzelstellen  ist  durchweg   zu  vermeiden 
md  die  Betrachtung    stets  auf  die   Erfassung   des  Werkes    als 
GaozeSy    auf  die  Handlung  uud  ihre  Zusammenhänge  und  Fort- 
schritte von  Szene  zu  Szene,  auf  das  Problem,  auf  die  Charakteristik 
nd  ihre  Wechselbeziehung  zu  Handlung  und  Problem  und  auf  den 
Abschluß  zu  richten.     Für  die  Wort-  und  Sacherklärungen   mögen 
di«  Kommentare  sorgen ,    die  in  den  Schulausgaben  zur  billigsten 
Verfügung  stehen.    Gelegenheit  zur  Betätigung  der  Akribie  in  der 
Analyse  von  Einzelstellen   bieten  die  antiken  Klassiker  und   auch 
die  Ljrik  in  Fülle.    Auch  für  die  Darlegung   einer  bis  ins  Ein- 
zehiite  gehenden  Architektur  genügt  ein  Beispiel   (etwa  die  Jung- 
fna  von  Orleans),   der  Freytagsche  Aufbau  ist  dagegen  stets  zu 
berücksichtigen. 

Doch  ich  breche  ab.  So  viel  Gelegenheit  zur  Polemik  und 
zu  Zustimmung  das  Buch  auch  noch  bietet.  Ich  kenne  kein 
anderes,  das  in  so  gedrängter  Fülle  alle  unsere  Streitfragen  wirk- 
lieh  „aufroUf  und  empfehle  es  darum  dringend  allen  Kollegen. 

Wien.  Ad.  Lichtenheld. 


Von  anderer  Seite  ging  uns  folgendes  Gutachten  zu: 

Vber  den  deutschen  Unterricht,  wie  er  sein  soll,  gibt  es 
«oen  ganzen  Berg  Literatur;  hier  wäre  einmal  ein  Buch  über  den 
<ieatschen  Unterricht,  wie  er  ist,  wenigstens  an  den  österrei- 
chischen Gymnasien  ist.  Und  wenn  man  viel  graue  Thsofle  und 
nicht  wenig  rosige  Schönfärberei  gelesen  bat«  so  tut  eint  B^Mft 
vohU  die  von  beiden  gleich  weit  enlfernt  ist  und  sich  r^aoliit  auf 
den  Boden  der  Tatsachen  stellt,  selbst  wenn  oder  geridt  w#il 
Äiar  die  Erfahrungen  nicht  selten  tu  Bekeontniasen  werö*?»  ^■ 
M^echer,  mannhafter  Ton,  der  sich  nirgenda  ßch»^. 
^un  rechten  Namen  zu  nei^Den ,  macht  das  Buch  iS 
^•r  nicht  überall  unbedingt  zastiEHüjeD  knun*  I 

Ton  dem  Kaiierwort  ausgebend,  das  das  DentscM^ 
*^e  des  Mitteechnlanterrichtfls  beietebnete»  riiUBt  WU 
™»t  diesem  ScbUgworte  auf  nnd   zeigt,  wH   '  ^  '  ■^»*«^dL 
«towowenig  die  Hioptrolle  spid^n  kann,  f  *  -  »^k 

*•*•■«*»"*  f.  d.  «tttrr.  Ormn.  iftw    v     »^       M  » 


A 


434  /.  TFMfiMT,  Der.d«ateebe  ünUnrifllil  usw.,  aag.  ▼.  A.  Nathamtkp, 

Tordioity  mit  der  er  sieh  lange  Jahre  begnügen  mnßtt  vnd  Ten  der 
er  sieht  wenigitene  im  Untorgymnaainm«  noch  nicht  emaaupiwt 
hat.  Die  Abneigung  der  Lehrer  der  klaeaiaehen  Philologie  gegea 
den  Dentsehnnterrloht  in  Tertia  nnd  Qoarta,  die  sich  daran«  er- 
gebende Erteilung  dieeea  so  schwierigen  Unterrichts  durch  die 
jüngsten  Lehrer ^  die  Art«  wie  diese  Stunden  ohne  BAcksicht  tof 
Neigung,  Bef&higung,  Prüfnngszengnis  zur  Erg&nznng  der  Lehr- 
Terpfliehtung  aufgehalst  werden,  „die  allseitige  laxe  Auffassung" 
dieses  Unterrichts :  all  diese  ton  W.  offen  einbehannten  Übelst&adt 
bringen  ihn  zu  der  Überzeugung,  „dafi  in  keinem  Unterrichtsgebiet, 
wie  jetzt  die  Dinge  liegen,  mehr  kostbare  Zeit  Tollkommen  nutzlos 
Terscbwendet  wird  als  im  Deutschen"  (S.  8).  Freilich  darf  man 
diesem  herben  Wort  gegenftber  sich  und  dem  Verf.  znm  Troite 
sagen:  So  war  es  freilich  noch  in  junger  Vergangenheit,  ist  ei 
fielleicht  da  und  dort  noch,  aber  an  nicht  zu  wenigen  Orten  bat 
sich  doch  in  den  letzten  Jahren  bei  Behörde  nnd  Lehrern  eine 
ganz  andere  Auffassung  dieses  Unterrichtes  durchgesetzt,  viel- 
leicht nicht  gaus  unabh&ngig  ?on  der  Stimme  der  öffentlicbkeitp 
wie  sie  sich  etwa  auf  dem  ton  W.  so  hart  mitgenommenen  Wei- 
marer Eunsterziehungtag  Temehmlich  machte.  Aber  gerade  weil 
es  mit  dem  Deutschunterricht  aufw&rts  geht,  tun  BAcher  wie  dsi 
Wieenersche  gut,  die  den  Pinger  auf  die  Wunden  legen  und  naeii 
dem  Arzt  rufen. 

W.  beginnt  mit  der  Grammatik  und  Terlangt  mit  ZiwBt 
(nied.-österr.  Direktorenkonferenz)  Umwandlung  der  Diktate  in  Anf- 
satzAbungen.  Der  orthographische  Ertrag  stellt  sich  auch  bei 
diesen  ein,  der  Schaler  schreibt  keine  Worte,  die  er  nicht  Torstebk, 
was  bei  Diktaten  häufig  der  Fall  ist,  und  der  so  notwendigen 
Übung  im  selbstftndigen  Gkdankenausdruck  wird  das  BetAtigun^- 
feld  erweitert.  Tom  mittelhochdeutschen  Unterricht  hält  W.  nichts; 
er  nennt  ihn  unfruchtbar  wegen  der  KArze  der  zur  YerfAgung  ste- 
henden Zeit  und  terlangt  statt  der  Urtexte  „gute"  Übersetzungen. 
Hier  muß  ich  widersprechen.  Oute  Übersetzungen  aus  dem  Mittel- 
hochdeutschen gibt  es  nicht;  ja,  aus  dem  Mittelhochdeutschen  Iftfit 
sich  eigentlich  ins  Neuhochdeutsche  Aberhaupt  nicht  Abersetzen,  die 
Worte  sind  dieselben  und  doch  wieder  nicht  dieselben  Bedeutnngs- 
nuancen  kAnnen  erklärt,  aber  nur  in  den  seltensten  Fällen  in  der 
Übersetzung  wiedergegeben  werden.  DaA  dem  mbd.  Unterricht  nnr 
16  Stunden  zur  YerfAgung  stehen,  ist  wohl  auch  ein  bißchen  Aber- 
trieben nnd  wenn  der  homerische  Dialekt  dem  Quintaner  keine  no- 
überwindlichen  HiDderuisse  bereitet,  so  wird  wohl  auch  der  Sex- 
taner mit  dem  viel  leichteren  Mittelhochdeutschen  fertig  werden, 
wenn  man  es  ihm  nicht  durch  Abergroße  GrAndlichkeit  yerekelt. 

Damit  wären  wir  bereits  bei  der  LektAre  nud  was  hier  W. 
Aber  Textreinigungen  in  uaum  delphinif  Lesen  mit  verteilten 
Bollen,  häusliche  (kontrollierte)  LektAre  sagt,  verdient  volle  BUli- 
gUDg.    Wenn   er  aber    die  genaue  LektAre   der  Eüassiker   durch 


J,  Wumtr,  D«r  d«ol9tbe  Unteikki  ww.»  ing.  t.  A,  NaUum$kff,  435 

^Einalfngai  speiieUiiar  STatw''  emriagcn  will  (8.  40),  nuß  ich 
fl«int  Bttapiel«  ablehnen.     Er  fragt  beim   „GOtz**:    We  ist  ton 
Triomen  die  Bede?    Bei  welcher  Oelegenfaeit  wird  das  Gaetbane 
Zorn  Hiracben  in  Heidelberg  erwAfant   nod   wae  bat  sieb  dort  er- 
eignet? Wer  war  Konrad  Schott?  Dae  beißt  Mücken  selben.    Sehr 
leienswert  ist  die  Benrteilnng  ton  Freytage  „Technik  des  Dramas" 
(S.  41  ff.)  bezüglich  der  Verwendbarkeit  in  der  Schule.     Glücklich 
polemisiert  W.    anch   gegen   die  historische  Abfolge   des  Lektüre- 
kaooiis,    die  die  Dichter  der  Befreiungskriege   und    den    „letzten 
Ritter''  der  Oktana  znweist,    w&hrend  Elopstock   der  Qointa  und 
Sexta,  Schillers  und  Goethes  philosophische  Lyrik  der  Septima  zn- 
{^etrant  werden;   die  Ausmerzong  der  „Alpen**,   des   „Frühlings**, 
der  „Künstler**,  die  Einschränkung  der  Herderlektüre,  die  W.  Ter* 
lingt,  sind  schon  wiederholt  von  Scheich,  Herzog  und  mir  in  der 
^öeterreichischen  Mittelschule**  empfohlen  worden.  Dagegen  fordert 
W.s  Stellungnahme  g^gva  Lessing,  wie  er  selbst  recht  gut  weiß, 
znm  Widerspruch  heraus.     Den   ganzen   „Laokoon**    liest  ohnehin 
Diemaod  in  der  Schule;  aber  daß  die  Jugend  den  „Nathan**  lang- 
weilig finde  (S.  67),   ist  trotz  der  Berufung  auf  Wiese  eine  sehr 
käboe  Behauptung  und  die  Beurteilung  der  „Minna**  (S.  67  und 
154)  ist  ToUends  seltsam.    Da  spricht  W.  Ton  der  „geschraubten 
Biederderbigkeit  {sie/)  der  Charaktere**    und    dem  „verliebten  Ge- 
tindel  ältlicher  Leute**!     Und  doch   sind  Minna  und  Franziska 
Dich  n  2  noch  nicht  einundzwanzig  Jahre  alt,  der  Major,  der  nach 
ni  5  alle  Finger  ToUer  Yerlobungsringe  hätte  haben  können,  und 
eeia  Wachtmeister    sicherlich    im   siebenjährigen  Kriege    rascher 
iraocierty  als  es  heute  geschähe.    Nein,    Lessing  wollen  wir  uns 
doch  lieber  nicht  rauben  lassen   und   dem  mißbilligenden  Seiten- 
blick auf  den  „Goethe-Kultus**    (S.  66  mit  Nietzsche  susammen- 
geetellt!)  werden  sich  hoffenllich  nicht  Yiele  ansehließen.     Eigen- 
tämlich  erscheint,  daß  W.  eine  Abneigung  gegen  die  zeitgenossische 
Literatur  rundweg  in  Abrede  stellt  (S.  72),  S.  154  aber  als  „manie 
rierte  Vertreter   der  Moderne**    in   einem   Atem   Ibsen,   Nietzsche, 
Hofmannsthal,   Scheerbart,  Maeterlinck  nennt.     Ist  es  Zufall  oder 
Geringschätzung,  wenn  er  selbst  die  Namen  moderner  Autoren  so 
b&nfig  falsch  schreibt  (S.  89  Bielschofski,  S.  66  Nitsche,  S.  124 
Kancke  [soll  Klaucke  heißen],  S.  154  Nietsche,  Scberbart,  Mäterlink)? 
Mit  Becbt  bekämpft  W.    die  übliche  Art  der  Bedeübungen, 
die  AnfsatzbQcher,    die  „originellen**  Aufsatzthemen,  wie  er  über- 
haupt gegen  jede   Scheinarbeit    eine  scharfe  Klinge  führt.     Wer 
weiß,  wie  Paradeerfolge  gelegentlich  gezüchtet  werden,    kann  ihm 
da  nur  yollständig  beistimmen. 

Alles  in  allem:  Ein  kräftig  anregendes  Buch,  das  kein  Gkr- 
maniit  an  der  Mittelschule  ungelesen  lassen  sollte;  stolpert  er 
dabei  ein  paarmal,  so  macht  das  nichts,  angefangen  und  unbe- 
endet  legt  es  gewiß  niemand  beiseite. 

Tri  est.  Alfred  Natbansky. 


436      MistraUMiihlan,  Sonfenin  de  JenoeMe,  ang.  t.  A.  Oajiner. 

Fr^däric  Mistral,  SouTenirs  de  Jeanesse.  Extraits  de  ses 
«M^moires  et  Bäcits*.  Far  da«  ganze  deaUebe  Scbolgebiet  tllein 
berechtigte  Schalanegabe  von  Dr.  A.  MQhlan,  Prof.  am  Ornmasiom 
in  Glats.  I.  Teil:  Binleitaug,  Text  ond  Anmerkangen.  Preis  geb. 
IMk.eOPf.  II.  Teil:  Worterbacb.  Preis  30 Pf.  Nebst  Bildoii  des 
Dxcbters  mit  seiner  eigenhändigen  Unterschrift  nnd  einem  Klrtcben 
der  ProTenoe.  Leipsig,  Verlag  von  Baimand  Gerbard  1907.  VIII 
and  112  S8.') 

Das  XIX.  und  der  bisher  yerflossene  Teil  des  XX.  Jabr- 
hnndertB  war  fflr  das  literarische  Frankreich  zwar  eine  Zeit  der 
Fiat,  die  uns  eine  große  Zahl  herTorragender  Kunstwerke  darbot. 
Aber  seit  Alexander  Dnmas  seine  Eameliendame  geschaffen,  bildet 
die  Demi-mondainey  die  Demi-vi^rge,  der  elegante  Lebemann,  die 
trenlese  Gattin  nnd  der  abentenerlflsterne  Ehemann  den  Mittel- 
punkt fast  der  gesamten  Dichtang,  die  ans  diesem  Grande  der 
Eignung  zum  Schalgebrauche  fast  durchaus  verlustig  geht.  Unter 
diesen  umständen  muß  uns  Schulmenschen,  die  wir  in  unserem 
amtlichen  Wirkungskreise  jedes  schöngeistige  Werk  zuerst  nnd  ror 
allem  auf  seine  ,Zulftssigkeit*'  und  erst  zuletzt  auf  seinen  Ennst- 
wert  zu  prAfen  haben,  das  Erscheinen  eines  Werkes,  das  nicht  nur 
allen  Anforderungen  der  Sittlichkeit  gerecht  wird,  sondern  aacb 
allen  AnsprAchen  genAgt,  die  die  Kunst  zu  stellen  berechtigt  ist, 
mit  lebhafter  Freude  erfAllen. 

Ein  solches  Buch  hat  uns  unl&ngst  F.  Mistral,  das  ebr- 
wArdige  und  gefeierte  Haupt  und  die  Seele  des  provenzaliBcben 
F^libertums  In  seinen  französisch  geschriebenen  ^MStnoires  ei  BkUs"" 
beschert.  Prof.  Dr.  A.  MAhlan  entnahm  demselben  einige  der  fes- 
selndsten Stellen,  um  sie  in  glAcklichster  Weise  zu  einer  „Schal- 
ausgabe'' zu  Tereinigen,  die  der  Jugend  nicht  nur  einen  klaren 
Einblick  in  des  Dichters  Knaben-  und  JAnglingsjahre ,  in  seine 
Entwicklung  zum  Dichter  gibt,  sondern  auch  in  angenehmster 
Weise  Vertrautheit  mit  dem  Volkstum  der  Provenzalen  yermittelt. 
Da  der  Dichter  ferner  bis  ins  Mark  der  Seele  durchbebt  und  durcb- 
glAbt  wird  von  wahrer,  aufrichtiger  Liebe  zu  seinem  engeren 
Heimatslande  und  von  echt  kindlicher  Pietät  fAr  seine  Eltern,  ist 
das  Buch  doppelt  und  dreifach  wertvoll.  Da  das  Werk  endlich  in 
einer  sehr  klaren,  leicht  verständlichen,  trotzdem  aber  anmatlg 
hinfließenden  Sprache  geschrieben  ist,  eignet  es  sich  ganz  be- 
sonders zur  Lektüre  in  der  VI.  oder  VH.  Klasse  unserer  Beal- 
schulen.  und  da  ich  seiner  Einführung  eindringlichst  das  Wort 
reden  mOchte,  gebe  ich  seinen  Inhalt  wieder,  um  im  einzelnen  zn 
zeigen,  in  wie  mannigfacher  Weise  es  den  Schüler  anzuziehen  nnd 
zu  interessieren  und  wie  wohltätig  es  die  Entwicklung  seines  Cba- 
rakters  und  vor  allem  seines  GemAtes  zu  beeinflussen  vermag. 

Mistrals  Heimat  ist  ein  altes  Landhaus  in  Maillane,  öas 
sich    inmitten    wogender    Getreidefelder,    blumenbesäeter  Wiesea« 


*)  Vgl.  S.  186  ff.  dieses  Jahrganges. 


MUtrai'MMUm,  SoaTenifi  de  JeuiMte,  aag.  t.  ä.  Gaßner,     437 

fniehtbartr  Weinberg«  und  doppelfarbiger  ölpflanziingeii  erhebt. 
Dort  hauste  sein  Vater  Fran^oie  als  alternder  Witwer «  bie  er 
•ioN  Taget  beim  Äbrenlesen  unter  seinen  Gehilflnen  ein  schOnes 
Mldchen,  Dfiaide  Pool  inet»  des  Bflrgermeieters  Töehterlein,  er- 
bliekte  nnd  bald  hernach  freite.  Am  8.  September  1830  beschenkte 
lii  den  Gatten  mit  Fritz,    dem  Stolz  und  der  Zier  der  ProTence. 

Unter  der  Obhut  seiner  Eltern  wuchs  dieser  heran.  Sein 
Vfttor  war  ein  kluger  Mann  Ton  fomehmer  Gesinnung »  würdevoll 
und  fest»  Toller  Wohlwollen  gegen  andere«  dabei  Ton  eiserner 
Strenge  gegen  sieh  selbst.  Ewige  Zufriedenheit,  die  er  mit  der 
Xanst  paarte,  jedem  Ding  eine  nfltzliche  Seite  abzugewinnen, 
machte  ihn,  obgleich  sehr  wohlhabend,  zu  einem  sehr  sparsamen 
und  mftfiigen  Mann,  dessen  Hand  jedoch  für  jeden  Bedflrftigen  weit 
gidffnet  war.  Dabei  war  er  nicht  nur  selbst  sehr  tätig  und  arbeit- 
BUD,  sondern  auch  ein  so  aufrichtiger  Schätzer  der  Arbeitslust  bei 
aoderen,  dafi  er  jeden  tüchtigen  Arbeiter  fflr  einen  wackeren  Mann 
QQd  seiner  Freundschaft  fflr  wfirdig  hielt  und  daher  auch  zu  seinem 
Oeiinde  in  einem  wahrhaft  patriarchalischen  Verhältnis  stand. 
Kein  Wunder  also,  daß  auch  Fritz  an  dem  ruhigen  und  doch  ab- 
weehslnngsreichen  Leben  des  Landmannes  Wohlgefallen  fand  nnd 
den  Umgang  mit  den  Landarbeitern,  den  Schnittern  und  Hirten 
jtdtm  anderen  torzog  und  lieber  dem  Grofiknecht  bei  seinen  länd- 
lieben Verrichtungen  hilfreich  beistand,  als  Tomehme  Fremde  im 
fianse  begrüßte. 

Als  er  in  sein  achtes  Lebensjahr  eingetreten  war,  mußte  er 
die  Schule  besuchen.  Da  sich  aber  seine  Eltern  bald  flberzeugt 
liatten ,  daß  seine  Neigung  zum  Spielen  seinen  Lerneifer  um  Tieles 
obertreffe,  ward  er  zuerst  in  das  Pensionat  Saint  Michel  de  Fri- 
jToIet  gesteckt,  bald  aber  in  dem  des  Herrn  Millet  in  Avignon  unter- 
gfebracbt«  Vermochte  das  Leben  und  Getriebe  der  ehemaligen  päpst- 
lichen Residenz  den  DorQungen  zwar  mächtig  zu  fesseln,  so  schlich 
lieh  doch  in  kurzer  Zeit  das  Heimweh  in  sein  jugendliches  Herz; 
seine  frfiher  blflhende  Gesichtsfarbe  schwand  und  wiederholte  Fieber- 
anfalle  schwächten  seinen  Körper.  So  kehrte  er  in  den  Ferien  ins 
Vaterhaus  znrfick.  Erschrocken  unternahm  seine  fromme  Mutter 
mit  ihm  eine  Wallfahrt  zur  Einsiedelei  des  hh  Gent  vom  Bausset 
und  der  felsenfeste  Glaube  des  Kindes  ward  belohnt,  denn  fieber« 
frei  kehrte  Fritz  in  sein  Institut  znrfick.  Nun  besuchte  er  das 
Gjmnasium,  wo  er  seine  Studien  in  fünf  Jahren  mit  so  günstigem 
Erfolge  beendigte,  daß  er  mehrfach  mit  Preisen  ausgezeichnet  wurde 
nnd  sogar  den  Lorbeer  erhielt.  Wohl  das  wichtigste  Ereignis  aus 
eeiner  Gymnasialzeit  ist  sein  Verkehr  mit  seinem  Lehrer  Josef  Bou- 
fflssille,  der  seinerzeit  französische  Verse  gedichtet  und  seiner 
Matter  Torgelesen  hatte.  Die  aber  tergoß  Tränen,  da  sie  des  Sohnes 
Worte  nicht  yerstand.  Gerührt  schwär  er,  künftig  nicht  mehr  in 
siner  seinem  Mütterchen  unterständlichen  Sprache  zu  dichten  und 
wurde  so  der  Begründer  der  ernsten  neuproTsnzalischen  Dichtkunst« 


438      Mistrdl'MühUm,  SonTanin  de  Jcaneiie,  mg.  w.  A.  Gaßner, 

Qleiohzeittg  mit  SoDmanill«  lernto  er  ceineo  MitsehAler  Anselme 
Matthien  kennen  nnd  so  hatte  sieh  die  Trias  gefunden,  die  spitor 
das  F^libertsm  tn  begrftndan  berufen  war.  Nnn  steht  Fritt  ?or 
dar  Beifeprnfang.  Seine  Habseligkeiten  in  ein  kartiertes  Sacktach 
eingebunden,  macht  er  sieh  anf  den  Weg  nach  Ntmes«  wo  er  in- 
mitten zahlreiehOT  geschniegelter  Stadtberrchen  vor  der  Fakultät 
Ton  Montpellier  seine  Prftfnng  mit  Ehren  besteht.  Glftekstrahlend 
kehrte  er  ins  Yaterhans  zurück,  wo  ihm  ein  heiteres,  den  BränebeD 
und  Sitten  des  Landes  angepaßtes  Leben  winkte.  Der  abend- 
liche Heimgarten,  der  im  Enh-  oder  Sdiafstall  abgehalten  wnrde, 
brachte  ihn  mit  fröhlichen  Altersgenossen  ansammea;  Aafföh- 
rnngen  ?on  Trauer-  und  Lustspielen,  an  denen  er  sich  mit  d«r 
vollen  Begeisterung  seiner  Jugend  beteiligte,  fibten  unendlichen 
Beiz  aus  auf  den  künftigen  Dichter;  der  Verk^r  mit  den  Gehilfen 
seines  Vaters,  unverfälschten  Naturkindem,  die  noch  alle  Verrich- 
tungen im  Seh  weiße  ihres  Angesichts  besorgten,  legte  den  Grand 
zu  seinem  dichterischen  Schaffen,  denn  in  ihnen  hatte  er  seine 
Modelle  und  die  Lehrmeister  seiner  Kunst  gefunden.  Dies  heitere, 
ruhige  Leben  wurde  aber  durch  den  Ausbruch  der  Bevolution  des 
Jahres  1848  jih  unterbrochen.  Obwohl  ihm  sein  Vater  die  Schrecken 
und  Greuel  der  großen  Bevolution  eindringlichst  vor  Augen  hielt, 
wurde  Fritz  dennoch  von  den  Schlagwörtern :  Freiheit  und  Mensch- 
lichkeit einen  Augenblick  hingerissen ,  durch  die  Betrachtung  der 
Pracht  seiner  Heimat,  der  Buhe  und  Ordnung  des  Landlebens  aber 
bald  wieder  in  ruhigere  Bahnen  gelenkt.  Ais  M.  sodann  im  Alter 
von  21  Jahren  den  zweiten  akademischen  Grad,  die  Licence,  er- 
langt hatte,  erhielt  er  vom  Vater  die  Erlaubnis,  sich  selbst  einen 
Lebenslauf  zu  wählen.  Augenblicklich  faßte  er  einen  dreifachen 
Entschluß:  in  der  Provence  das  Volksbewußtsein  neu  zu  beleben, 
diese  Wiedererstehung  durch  die  Neuerweckung  der  alten,  histo- 
rischen Landessprache,  gegen  welche  die  Schulen  einen  erbitterten 
Krieg  ffthrten,  hervorzurufen  und  das  Provenzalische  durch  den 
Einfluß  und  das  Feuer  der  göttlichen  Dichtkunst  zu  verbreiten. 
Erfüllt  von  diesem  Drange,  aber  frei  von  jedem  literarischen  Ein- 
floß und  im  Bewußtsein  seiner  Unabhängigkeit,  die  ihm  Adlen- 
fittiche  verlieh,  begann  er  eines  Abends,  zur  Zeit  der  Aussaat,  den 
ersten  Gesang  von  Mireio,  jener  Liebesidylle,  die  seinen  Weltruhm 
begründete.  Vorerst  war  sein  Plan  nur  der,  zwei  sehüne  Kinder 
des  sonnigen  Südens  von  verschiedenem  Stande  in  heißer  Liebe  zn 
einander  entbrennen  zu  lassen.  Die  Lösung  des  Knotens  beabsichtigte 
er  dann  dem  Zufall  anheim  zu  stellen,  der  ja  se  oft  Menschen* 
Schicksale  lenkt  und  leitet.  Da  aber  Friedrich  gerade  zu  jener  Zeit 
die  Oberaufsicht  über  die  Güter  Übernamen  mußte,  die  sein  Vater, 
der  an  der  Schwelle  des  Patriarcbenalters  erblindet  war,  nicht  mehr 
allein  zu  führen  im  stände  war,  gedieh  das  Gedicht  nur  langsam. 
Dieser  umstand  berührte  jedoch  den  Dichter  kehDeswegs  schmerz- 
lieh, da  er  nur  vn  seinem  eigenen  und  einiger  Jugendfrsunde  Ver- 


MigtratrMiihUm,  Sovveirin  de  Jeimene,  tag.  ?.  Ä.  Gaßner.     486 

gniigeii  i«r  Miiae  holdigte  und  al8  h5ehst«8  Ziel  Beinas  Bbrgeixes 
dM  vor  Augen  hatte,  gelegentlich  bis  Arles  bekannt  zn  werden. 
Dm  Schicksal  hatte  aber  anderes  bestimmt.  Nach  dem  im  Jahre 
1847  erfolgten  Erscheinen  der  „Pro?eniallnttett^,  einer  Blfitenlese^ 
m  welcher  die  zeitgenössischen  Dichter  Beiträge  geliefert  hatten, 
begannen  einige  derselben,  nnd  nnter  ihnen  anch  M.,  einen  leb- 
haften Briefwechsel  über  ihre  Sprache  nnd  Werke.  Dabei  entstand 
bild  der  Gedanke  an  einen  Kongreß  aller  provenzalischen  Dichter, 
der  auf  Bonmanilles  Anregung  denn  anch  am  29.  Angnst  1852  in 
Arles  stattfand  nnd  im  folgenden  Jahre  in  Alz  vor  der  großen 
Öffentlichkeit  wiederholt  wnrde,  wobei  der  Vortrag  einzelner  Ge- 
diehte  stfirmischen  Beifall  entfesselte.  Da  diese  beiden  Kongresse, 
aber  keinen  Erfolg  in  der  Bichtnng  anfznweisen  hatten,  daß  eine 
Sinignng  über  die  Nenbelebnng  des  Provenzalischen,  erzielt  worden 
wäre,  dieses  Tielmehr  nach  wie  vor  Ton  den  tonangebenden  Klassen 
als  eine  Art  Bauern-  nnd  Dienstbotensprache  betrachtet  wurde, 
trafen  sich  am  21.  Mai  1854  sieben  Dichter  —  unter  ihnen  Bon- 
msnille  nnd  M.  —  anf  Schloß  Font-Segugne  und  beschlossen  dort, 
zur  Erreichung  ihres  Zieles  einen  Bund  zn  gründen  und  einen  jähr- 
lich erscheinenden  Almanach  herauszugeben.  Noch  in  demselben 
Jahre  erschien  der  erste  Band  desselben.  Er  wurde  ?on  den  Land- 
bewohnern mit  Freuden  aufgenommen,  von  den  literatunrerst&ndigen 
Pstrioten  gesch&tzt,  von  den  Künstlern  gesucht  und  erwarb  sich 
in  kurzer  Zeit  ein  derartiges  Ansehen  beim  großen  Publikum,  daß 
•r  heutzutage  an  50000  Leser  zählt. 

Kurze  Zeit  hernach  fiel  durch  seines  Vaters  Tod  der  erste 
Blitzstrahl  in  Friedrichs  sonnige  Jugend.  In  seinem  tiefen  Schmerz 
nchte  nnd  fand  Fritz  Trost  in  der  großartigen  Schönheit  seiner 
Heimat.  Da  das  Vaterhans  nicht  ihm  zugefallen  war,  mußte  er  es 
mit  seiner  Mutter  Terlassen.  Ein  guter  Stern  waltete  über  seinem 
neuen  Ansitz.  Denn  im  Jahre  1856  kam  Adolphe  Dumas  im  Auf- 
tnge  des  französischen  Unterrichtsministeriums  in  die  Provence,  um 
ihre  Volkslieder  zu  sammeln,  und  besnchte  M.,  um  sich  seiner  Bei- 
hilfe ZQ  tersichem.  Friedrich  sang  ihm  Magalis  St&ndchen  aus 
Mireio  Tor,  das  er  nach  einer  Volksmelodie  gedichtet  hatte,  die 
ihm  Ton  einem  seiner  Viehtreiber  vorgesungen  worden  war ,  und 
begeisterte  damit  seinen  Gast  dermaßen,  daß  er  ihm  ein  ganzes 
Stück  ans  Mireille  Torlosen  mußte.  Als  er  einige  Zeit  nachher 
mit  einem  Freunde  seine  Erstlingsfahrt  nach  Paris  unternahm,  be- 
lachte er  dort  Dumas  nnd  mußte  ihm  das  ganze,  inzwischen  voll- 
endete Gedicht  vorlesen.  Noch  am  selben  Tage  schrieb  Dumas 
an  den  Direktor  der  „Gazette  de  France*"  einen  Brief,  in  dem  er 
diesen  nnd  der  Öffentlichkeit  Aufmerksamkeit  auf  den  jungen  M., 
den  Virgil  der  Provence,  und  eeine  Dichtung  lenkte.  Er  machte 
Fritz  anch  mit  Lamartine  bekannt,  dem  er  einige  lyrische  Verse 
versprach,  die  wohl  seine  Befriedigung,  keineswegs  aber  seine  Be- 
Ceistening  hervorriefen,  da  M.s  St&rke  eben  in  der  Epik  zu  finde» 


440     Miatral'MÜkUm,  SoaTtniii  d«  JeuiaiM,  ang.  t.  ä.  Ouflner. 

ist.  Als  Lamirtine  absr  Mireio  gsisssn  hatU,  sehrieb  er,  er  sei 
dayoD  in  Herz  und  Verstand  so  betroffen  gewesen  9  daß  er  sieh 
daran  maeboi  über  das  Werk  nnd  den  proTonzalischen  Homer  eine 
Abbandlang  zu  schreiben. 

Damit  bricht  IL  seine  Autobiographie  ab,  da  sie  in  ihrer 
Fortsetznng  als  Geschichte  seiner  Werke  ohnehin  der  Offentliehkeit 
angehöre. 

Es  mflßte  wahrlich  Befremden  erregen,  h&tte  es  der  meister- 
hafte Schilderer  seines  Volkes  unterlassen,  uns  auch  ein  Gemilde 
des  Milien  zn  bieten,  das  er  als  wetterfeste  8&nle  hoch  Aberragt. 
80  macht  er  nns  vor  allem  mit  dem  Kastengeist  der  Gntsbesitzer 
jener  Gegend  bekannt,  die  sich  fflr  eine  Art  Ton  Aristokratie  halten 
und  Yom  entsprechenden  Ahnenstolz  beseelt  werden.  Ihre  allgemeine 
Bildung  freilich  liegt  im  argen.  Selbst  M.s  Vater  hat  Zeit  seinei 
Lebens  nur  drei  Bücher:  ,Da8  Neue  Testaments  ,Die  Nachfolge 
Christi  von  Thomas  a  Eempis'  und  ,Don  Quijote^  gelesen  und  be- 
trachtete das  Schreiben  fast  wie  eine  religiöse  Handlung,  so  daß 
er  in  Augenblicken ,  wo  Fritz  eben  damit  beschäftigt  war,  lieber 
auf  seine  wenn  auch  noch  so  notwendige  Hilfe  verzichtete,  als  daß 
er  ihn  darin  h&tte  stören  mögen.  Unter  diesen  Umst&nden  war  den 
Leuten  die  Arbeit  der  Gelehrten  yielfach  unverständlich :  das  Sta- 
dium der  älteren  Geschichte  ist  ihnen  unbegreiflich;  den  Sali- 
gehalt  des  Meeres  erklären  sie  aus  dem  zeitweiligen  Scheitern 
salzbeladener  Schiffe;  den  Ausgangspunkt  des  Mistral,  des  eisigen 
Nordwestwindes,  suchen  sie  in  einer  Felsenspalte  und  meinen,  durch 
deren  Schließung  seinem  Wehen  Halt  gebieten  zu  können;  die 
Gelehrten,  welche  die  Größenverhältnisse  der  Gestirne  berechnen, 
halten  nach  ihrer  Ansicht  das  Volk  zum  besten,  denn  dessen  Astro- 
nomie besteht  in  der  Auswahl  des  richtigen  Mondviertels,  wenn  ee 
gilt,  die  Sellerie  zu  säen  oder  die  Schweinepest  zu  bekämpfen. 
Daß  solche  Ansichten  der  Väter  auch  nicht  darnach  angetan  waren, 
die  lebenslustige  Jugend  zu  regem  Schulbesuch  anzueifem,  versteht 
sich  von  selbst.  Das  „Schulschwänzen''  oder  das  Durchbrennen 
ans  dem  Vaterhause  stand  daher  an  der  Tagesordnung  und  war 
das  Ziel  des  Ehrgeizes  der  gesamten  Schuljugend.  Auch  unser 
Fritz  erlag  gelegentlich  den  Verführungskflnsten  seiner  Kameraden 
nnd  ging  gelegentlich  „hinter  die  Schule".  Eines  Tages  war  ein 
derartiger  Ausreißer  die  Ursache  zu  Abenteuern,  die  uns  wie  ein 
Märchen  anmuten.  —  Wie  allen  enropäischen  Südländern  ist  aaeb 
den  Provenzalen  eine  ausgesprochene  Vorliebe  für  religiösen  Prook 
nnd  kirchliche  Zeremonien  angeboren  und  gerne  verbinden  sie  damit 
weltliche  Festlichkeiten.  Schon  die  Jugend  zieht  ans,  um  die 
Könige  aus  dem  Morgenlande  und  ihren  Troß  zu  empfangen  und 
ins  Dorf  zu  geleiten,  und  in  ihrem  stürmischen  Glauben,  ihrer 
feurigen  Phantasie  vermeint  sie  in  verschiedenen  von  der  nnter- 
gehenden  Sonne  magisch  beleuchteten  Wolkengebilden  die  Gestalten 
der  Orientalen  zu  erkennen.    Anziehend  geschildert  wird  auch  die 


EUmger-Builer,  L«hrb.  der  «Dgl.  Sprachei  ug.  y.  Th.  BeiUerer.  441 

ffltrkwflrdige  Art,  wie  das  Fest  des  hl.  Eligins ,    des  Patrons  der 
Liodleate,  gefeiert  wird. 

Die  Beechftftigiing  mit  dem  neuen  Werke  Blistrals  ist  also 
nicht  nur  von  Anfang  bis  sn  Ende  fesselnd  nnd  unterhaltend,  sie 
iit  auch  lehrreich  in  mehr  als  einer  Beziehung.  Aus  voller  Ober- 
MOgoog  ersuche  ich  daher  die  Herren  FaehkoUegen ,  den  Versuch 
za  machen  und  es  zur  Schullektüre  zu  benützen  oder  wenigstens 
xnr  häuslichen  Lektüre  zu  empfehlen  und  zu  diesem  Zwecke  die 
Schülerbibliotheken  damit  zu  yersehen. 

Innsbruck.  Armin  Gaßner. 


Job.  Ellinger  nnd  A.  J.  Percival  Butler,  Lehrbuch  der 
englischen  Sprache.  Ausgabe  B.  Für  M&dcheDlTseen  und  andere 
höhere  TOchtencholen.  L  Teil.  Elementarbneh.  Mit  10  Abbildungen 
vnd  einer  MflnstafeL   Wien,  Tempskj  1907.  171  SS. 

In  dem  vorliegenden  Elementarbuch  der  englischen  Sprache 
ist  zwischen  dem  Lesestoff  und  der  Grammatik  eine  Mr^lo^iche 
Scheidung**  durchgeführt.  Es  enthält  nämlich  auf  S.  92 — 140  eine 
«yitematische,  aus  9S  Paragraphen  bestehende,  zusammenhängende 
Dirttellung  der  Laut-  und  Formenlehre  und  die  auf  26  Lektionen 
ferteilten  40  Sprachstücke  sind  nur  mit  kurzen  Hinweisen  auf  die 
gleichzeitig  durchzunehmenden  Paragraphe  der  Grammatik  versehen. 

Dieeer  Vorgang,  zu  dem  sich  die  Verff.  unter  Berufung  auf 
Olaonings  „Bidaktik  und  Methodik  des  englischen  Unterrichts"  aus 
Oründen  der  Übersichtlichkeit  entschlossen  haben,  hat  sicherlich 
miDches  für  sich.  Vor  allem  ergab  sich  daraus  der  Gewinn,  daß 
die  Formenlehre,  die  in  systematischer  Darstellung  schon  in  diesem 
L  Teile  des  Lehrganges  enthalten  ist,  in  das  für  die  V.  Klasse 
der  Mädchenlyzeen  bestimmte  gramnlatiscbe  Lehrbuch  nicht  mehr 
aufgenommen  zu  werden  brauchte,  so  daß  der  IL  Teil  des  Lehr- 
gaogee,  die  Grammatik,  auf  die  Syntax  beschränkt  werden  konnte  ^). 

Dem  Einwände,  den  man  allenfalls  machen  könnte,  daß 
durch  eine  derartige  räumliche  Trennung  des  Lesestoffes  und  des 
SQB  ihm  zu  gewinnenden  grammatischen  Lehrstoffes  der  Zusammen- 
biog  zwischen  den  beiden  ^'«lockert  cmd  die  induktive  Methode 
dadurch  aufgegeben  erscheine,  ilBl  sich  mit  dem  Hinweise  darauf 
begegnen,  daß  es  Sache  daH  kund  igen  Lefarera  sei«  die  Beib^ 
bmgen  zwischen  den  beiden  äQüerlich  getrennten  Ttit^  de 
bnehes  herzustellen  und  aui recht  zu  erb  alten,  _ 

Eine  Schwäche  des  System g  scheiiit  mir  «^  ~       ^' 
diß  die  Verff.  dieser  Anordnang  znliebe  atti  ^ 
lieh  verzichtet  haben.     Denn  &aQer  etntm  S«  > 
WortsUllung  (Lektion  12)  und  der  Etgsl  flhc 

*)  Ä  Short  Englüh  Sifnt^si  m\ 


442  Eümger-Butler,  Labrb.  der  «ngl.  Spnehe,  ang.  v.  Th,  Beiiierer, 

(Lektion  17)  enthält  das  Lehrbuch  keinerlei  syntaktiBehe  Befiehl. 
Man  vermißt  daher  die  schon  anf  der  Elementarstnfe  unentbehr- 
lichen Angaben  aber  die  Stelhng  der  Objekte  nnd  Adverbien,  Aber 
den  Dativ  mit  nnd  ohne  to,  über  die  NacbstellnDg  der  Präposi- 
tionen nnd  die  Anslassnng  der  Relativpronomina.  Aneh  fehlen  kane 
Bemerkungen  über  das  englische  Passivnm,  den  Infinitiv  nnd  dss 
Gemndinm.  Der  Platz  für  derlei  Belehmngen  wäre  z.  B.  nach  dea 
Lesestflcken  7,  19,  24  nnd  25  gewesen,  da  der  Lehrer  bei  den 
dort  gestellten  Aufgaben  ohnedies  —  nod  zwar  nach  der  Absiebt 
der  Terff.  —  anf  einige  dieser  im  Bache  nicht  ausdrücklich  an- 
geführten syntaktischen  Regeln  aufmerksam  machen  muß^). 

Ton  dieser  vielleicht  bei  der  Herstellung  einer  Neuauflage 
zu  berücksichtigenden  Bemerkung  abgesehen,  kann  ich  dem  Butler- 
EUingerschen  Elementarbnche  nur  Anerkennung  zollen.  Die  Dar- 
bietung des  auf  der  Elementarstufe  zu  absolvierenden  Lehrstoffes 
erfolgt  an  der  Hand  von  40  sorgfältig  ausgewählten  Lesestückeo, 
welche  den  Schülerinnen  zunächst  den  Wortschatz  zuführen,  der 
sich  anf  ihre  nächste  Umgebung,  die  Schule,  bezieht.  Von  da  wird 
zu  Körper  nnd  Kleidung,  zu  Haus  und  Natur,  zu  den  Jahreszeiten, 
zu  Spiel  und  Handwerk  und  schließlich  zu  spezifisch  englischen 
Lebensverhältnissen  übergegangen.  Die  Lesestücke  sind  zum  Teil 
mit  Bildern  versehen.  Man  mag  ja  über  die  Wiederholung  der  ans 
dem  französischen  Unterrichte  her  schon  bekannten  Hölzelschen 
Bilder  (Jahreszeiten)  verschiedener  Meinung  sein:  Die  bildlidie 
Darstellung  englischer  Wohnhäuser  und  ihrer  Innenräume  aber  ist 
jedenfalls  sehr  geeignet,  das  Interesse  der  Schülerinnen  zu  er- 
wecken und  den  Unterricht  zu  beleben.  Auch  unterstützen  sie  das 
Gedächtnis  und  leiten  zur  Vomahnse  freierer  Gesprächsübungen 
hinüber.  Unmittelbar  an  die  einzelnen  Lesestücke  schließen  sieb 
die  Hinweise  auf  die  entsprechenden  Paragraphe  der  Grammatik. 
Außerdem  sind  jeder  Lektion  kleine  Aufgaben  und  Gesprächs- 
übungen beigegeben. 

Auf  den  Lese-  nnd  Übungsstoff  folgen  (S.  61)  Schulredens- 
arten und  Sprichwörter,  dann  eine  Obersicht  über  das  englische 
Geldwesen  (hiezu  auch  die  Münztafel)  und  schließlich  Erklärnngin 
zu  den  einzelnen  Sprachstücken  (8.  66 — 84).  Darauf  werden  ^ 
für  diejenigen  Lehrer,  die  mit  Lantachrifttexten  beginnen  wolieo, 
—  die  ersten  10  Lesestücke  in  Lautschrift  dargestellt  (S.  85—91). 

Die  Grammatik  gliedert  sich  in  eine  Aussprachelehre  und  io 
eine  Formenlehre.  Die  erstere  bringt  nach  einer  kurzen,  allgemein 
phonetischen  Einleitung  schematische  Übersichten  der  engliscbsD 
Laute  und  2teicben,  wobei  sich  die  Verff.  einer  einfachen,  leicht 
verständlichen  Transkription  bedienen.  Die  Verbindung  zwiscbeB 
Lesestoff  und  Ausspracbelehre  ist  durch  kleine,  den  Lektionen  bei- 
gegebene Aufgaben  über  Aussprache  und   Sehreibung   hergestellt. 


')  Siehe  Begleitwort 


J.  B$ock  AnschaDnvgi-  oad  Q^dftehtnkhilfen  uw^  Mg.  ▼.  Oh.  Würfl.  44S 

Die  Varff.  bfttta  auf  diestm  mit  Beeilt  eingeschlagenen  Wege  noch 
weiteii^ehen  und  die  Aasepnoheregeln  überhaupt  ans  den  Texten 
io  indaktiTer  Weiae  ableiten  kOnnen. 

In  den  übrigen  65  Paragraphen  der  Orammatik  ist  die  Fonoen- 
l«hre  Oberaiehtlioh  nnd  erschöpfend  behandelt  Die  Beispiele  sind 
glfieklich  gew&hlt,  die  Begehi  klar  nnd  pr&zise  gefaßt 

Den  SehlniS  bildet  ein  Vokabnlar,  ein  Anhang  enth&lt  deotsche 
Übangsstücke  znm  Bnckflbersetzen  ins  Englische. 

Ich  kann  das  handliche  nnd  typographisch  sehr  hübsch  aus- 
gestattete Elementarbnch  Yon  Butler -EUinger  den  Fachgenossen 
bestens  empfehlen. 

Wien.  Dr.  Theodor  Beitterer. 


Dr.  Johannes  Booek,  Anschaunngs-  nnd  Gedächtnishilfen  zur 
EriegSgeschichte.  4  Hefte.  Berlin,  bei  Friedrich  Staho.  Preis 
jedes  Heftee  50  Pf. 

Vorliegende  vier  Hefte  bilden  eine  ganz  interessante  nnd  eigen- 
artige Erscheinung  auf  dem  Gebiete  geschichtlicher  Anschauungs- 
mitteL  Die  großen  Kriegsereignisse  eines  nahezu  hundertjährigen 
Zeitraumes,  in  erster  Linie  solche,  welche  die  Geschichte  Preußens 
st&rker  berührten,  von  dem  Kriege  Frankreichs  gegen  die  erste 
Koalition  im  J.  1792  an  bis  zur  Einschließung  und  Kapitulation 
der  Bieeenstadt  an  der  Seine  1870/1  werden  in  ihrem  wesentlichen 
Vsrlaufe  graphisch  dargestellt  in  ihren  Höhepunkten  in  Schlachten- 
Skizzen  Yorgefflhrt  und  dadurch  dem  Yerständnisse  auch  des  mit 
keinem  umfangreicheren  kriegswissenschaftlichen  Bfistzeug  aus- 
gestatteten Laien  näher  gerückt  Und  dafür  kann  man  dem  Verf. 
nur  dankbar  sein.  Denn  wenn  man  auch  einer  zuweit  gehenden 
Berflckaiebtignng  des  kriegsgeschichtlichen  Materials  im  Geschichts- 
unterriehte  kaum  wird  das  Wort  reden  wollen,  so  wird  man  doch 
nicht  leicht  in  die  andere  Einseitigkeit  yerfalien,  an  geeigneten 
Stellen  kriegerischer  Großtaten  nicht  in  entsprechender  Ausführ- 
lichkeit zu  gedenken  nnd  dies  nmsomehr,  als  die  Jngend  für  den 
Heroismus  auf  dem  Felde  der  Ehre  stets  einen  regen  Sinn  hat. 
Au  den  zahhreichen  Kärtchen  der  yorliegenden  Sammlung  kann 
aun  der  Lehrer  manche  Anregung  entnehmen,  wie  er  seinen  Worten 
Bit  einigen  auf  die  Tafel  hingeworfenen  Strichen  ein  kräftiges 
Belief  geben  kann»  durch  das  sich  sein  Vortrag  erst  zur  plastischen 
Klarheit  erbebt  nnd  dem  Gedächtnisse  fester  einprägt 

Das  Heft  1  berücksichtigt  die  „Einigungskriege''  (1864— 
1871)  and  umfaßt  10  Karten  mit  folgendem  Inhalte:  Blatt  1. 
Diaischer  Kri^g.  BL  2.  KOniggrätz.  Bl.  8.  Französischer  Krieg, 
Asfmarsch  und  erste  Kämpfe.  Bl.  4.  Golombey^Nouillj.  Bl.  5. 
Mais  la  Tour-VionTille.  Bl.  6.  St.  PriYat-Orayelotte.  Bl.  7.  Der 
Anaurseh  nach  Sedan.  BL  8.  Sedan.  Bl.  9.  Kriegsschauplätte  im 


444  /.  Booek,  Antehaniuigs-  und  GadlehtniihilftfD  niw.,  wag.  ▼.  Ch,  Würfi, 

Nm  W.,  0.  6L  10.  BelagernDg  Ton  Paris.  Das  Heft  2  fihrt  uns 
«nf  10  Karten  die  Befreinngekrieget  d.i.  die  Zeit  too  1818 
— 1860  Tor,  das  Heft  8  behandelt  in  acht  Karten  die  Eroberungs- 
kriege des  ersten  Kaiserreiches  (1805—1812)  nnd  das  letzte  Heft 
hat  anf  acht  Karten  die  Erobemngskriege  der  ersten  Bepnblik 
(1792—1797)  znm  Gegenstände.  Wie  diese  Beihenfolge  der  Hefte 
zeigt,  hat  der  Verf.  dem  Mhistorisehen  Krebsgange''  seine  Beyerenz 
gemacht;  doch  verschlägt  dies  nichts  weiter,  da  die  einzelnen 
Hefte  inhaltlich  voneinander  unabhängig  sind  nnd  bei  jeder  Karten- 
serie die  chronologische  Abfolge  gewahrt  erscheint. 

Zar  leichteren  Orientiemng  in  dem  zeichnerischen  Stoffe  ist 
jedem  Hefte  ein  kurzer  Text  beigegeben,  der  lediglich  das  Wich- 
tigste zusammenfaßt.  Karten  nnd  Beigaben  wollen  eben  bloß  die 
Hauptsachen  berücksichtigen  und  halten  sich  von  allem  verwirrenden 
Detail  frei.  Darin  kann  man  dem  Verf.  ohne  weiteres  beistimmen, 
nur  ist  er  in  seiner  stofflichen  Enthaltsamkeit  hie  nnd  da  zuwait 
gegangen.  So  hätte  z.  B.  in  der  Beilage  zum  1.  Hefte  (S.  1)  beim 
Dänischen  Kriege  neben  den  drei  Korpskommandanten  Prinzen 
Friedrich  Karl,  Oablenz  und  v.  d.  Mülbe  doch  auch  der  Ober- 
befehlshaber Feldmarschall  Wrangel  einen  Platz  finden  sollen. 
Ebenso  sieht  man  in  diesem  Kriege  das  ruhmvolle  Oefecht  bei 
Helgoland  (Tegettboff)  ungern  flbergangen.  Aaffallen  muß  es  femer, 
daß  wir  in  dem  Kriege  Preußens  mit  Österreich  im  J.  1866  nnd 
ebenso  in  dem  deutsch -französischen  Kriege  von  1870/1  zwar  die 
einzelnen  HeerfQhrer  kennen  lernen,  daß  aber  der  König  Wilhelm  L, 
der  doch  den  Oberbefehl  führte,  und  sein  Generalstabscbef  MoUke 
ungenannt  bleiben.  Die  Mainarmee  wird  bei  den  kriegerischen 
Ereignissen  des  J.  1866  gar  nicht  erwähnt. 

Auf  einem  Versehen  beruht  es  wohl,  wenn  der  Verf.  in  der 
Beigabe  zu  Heft  2  (S.  12)  in  der  Schlacht  bei  Belle  AUiance  am 
18.  Juni  Blüchers  rechten  Flügel  gegen  Napoleon  selbst  vor- 
gehen und  wenn  er  Osterreich  in  dem  Schönbmnner  Frieden  „Salz- 
brunn*'  abtreten  läßt  (Beig.  zu  Heft  8,  S.  8). 

In  sprachlicher  Hinsicht  hätte  die  Arbeit  allerdings  noch 
eine  letzte  Feile  vertragen,  hauptsächlich  schon  deswegen,  um  die 
Schreibweisen  in  den  Karten  mit  denen  in  den  Beilagen  in  besseren 
Einklang  zu  bringen.  1.  H.,  BI.  9  Amien  (Amiens);  2.  H.,  BL  4 
und  6  Oyulai,  dagegen  im  Texte  S.  5  Gyulay;  Molk  st.  Melk 
(H.  8,  S.  2  und  8);  Yorck  (ebenda  S.  2,  4,  9);  Coburg  (H.  8, 
Bl.  8);  Coblenz  (H.  4,  Bl.  5  und  6),  hingegen  Koblenz  (H.  4, 
Bl.  1  und  8);  Erhzg.  Karl  (H.  4,  Bl.  5).  Bei  Wörtern  wie  Vor- 
stoß, Straßburg,  Oroßb(erzog),  Preaß.  Gebiet,  Preuß.  Eylau  wurde 
es  mit  der  Orthographie  in  den  Karten  nicht  aonderlich  genau 
genommen.  In  der  Inhaltsübersicht  zu  dem  H.  4  findet  sich  der 
Druckfehler  Morengo  (st.  Marengo).  Ob  das  Wort  „Unterführer*" 
(H.  2,  S.  2)  eine  gute  Prägung  ist,  mag  dahingestellt  bleiben. 


TT.  ÜUy  Lahrbneh  der  Erdkunde,  tag.  t.  B.  Immdärffer.       445 

Diese  kleinen  Mängel  TermOgen  jedoeh  den  Wert  der  ver- 
dieostvollen  Arbeit  nicht  stärker  zn  beeinträchtigen  nnd  können 
bei  der  nächsten  Auflage,  die  sie  voranssichtlich  bald  erleben  wird, 
leicht  beseitigt  werden. 

Linz.  Chr.  Wflrfl. 


Prof.  Dr.  Willi  üle,  Lehrbuch  der  Erdkunde  for  höhere  Schalen. 
Ausgabe  A  in  zwei  Teilen.  Erster  TeiL  6.  Auflage.  Leipzig,  G.  Frey- 
tag  1906. 

Was  an  Yorliegendem  Werchken  unangenehm  auffällt,  sind 
die  beigegebenen  Abbildungen,  die,  zum  großen  Teile  wenigstens, 
selbst  bescheidenen  Anforderungen  nicht  zu  genügen  TermOgen. 
Der  Text  ist  den  Lehrplänen  reichsdeutscher  Mittelschulen  ange* 
paßt,  denen  das  Buch  offenbar  —  die  sechste  Auflage  spricht 
dafür  —  angemessen  ist.  Nicht  befreunden  konnte  ich  mich  mit 
der  gebotenen  Behandlung  der  astronomischen  und  mathematischen 
Oeographie  und  der  „Darstellung  des  Landes  auf  der  Earte** ,  die 
▼iel  zu  gedrängt  ist,  um  wirklich  verständlich  zu  sein.  Weit  mehr 
sagt  mir  der  zweite  Teil  „Omndzäge  der  Länderkunde''  zu,  der 
im  ganzen  einfach  gehalten,  der  Altersstufe  der  Schfiler  gerecht 
wird.  Einige  Ungenauigkeiten  wären  richtig  zu  stellen.  So  heißt 
M  8.  88  „Wien  hat  jetzt  V/^  Biillionen  Einwohner''  statt  besser 
„fast  zwei".  Unklar  ist  S.  48  die  Wendung:  „die  Alpen  gliedert 
man  auf  Grund  ihres  Baues  in  die  West-  und  Ostalpen".  Ohne 
Zuhilfenahme  der  primitiYsten  geologischen  Unterscheidungen  bleibt 
die  Stelle  unverständlich.  Die  statistischen  Tabellen  8.  61,  69  ff. 
usw.  geben  sonderbarerweise  sogar  für  das  Deutsche  Reich  (!) 
durchaua  veraltetes  Zahlenmaterial.  Die  Schreibung  Her^^egotrina 
(8.  65)  ist  nicht  die  bei  uns  amtlich  gebrauchte. 

Wien.  B,  ImendOrffer. 


Die  Elemente  der  Neueren  Geometrie  unter  besonderer  Be- 
rflcksichtigung  des  geometrischen  Bewegungsprinzips  fsr 
die  oberen  Klassen  höherer  Lehranstalten  und  zum  Selbststadium 
bearbeitet  von  Prof.  Dr.  E.  G.  Volk.  Mit  93  zum  groften  Teil  zwei- 
farbigen Figuren  im  Text  Leipzig  nnd  Berlin,  B.  G.  Teobner  1907. 
77  S.  Preis  kart.  2  Hk. 

Der  neue  Zug  im  Unterrichte  der  Geometrie  hat  dieses  gute 
Bflchlein  schaffen  helfen,  das  mit  starker  Anlehnung  an  Beyer 
mit  nützlicher  Klarheit  und  Deutlichkeit  die  Elemente  der  „Neueren 
Geometrie**  behandelt,  der  eigentlich  andere  Namen  besser  stehen. 
Auf  die  Erörterung  der  Grnndgebilde,  die  viel  den  harmonischen 
Wurf  benfitzt,  folgt  die  der  Kurven  zweiter  Ordnung,  betrachtet  ala 


448  JB.  V,  Hamtein,  Lflhrb.  d«r  Tierkunde  usw.,  Mg.  ▼.  B.  VieUorf, 

Beizmiltel  erweisen  nsw.,  als  Entdedcongen  Loebs  hinstellte 
(8.  177).  Offenbar  waren  ihm  anch  die  Versuche  Yon  Stannim 
Ynlpiani  Bemak,  Bidder,  Goltz,  Heidephain,  Leyden, 
Mnnk,  Ludwig  u.  a.  aber  die  Herzbewegung  nicht  bekannt. 

Auch  die  in  der  NerTenphysiologie  grundlegenden  Arbeiten 
Yon Bitter»  Bellet,  Du  Bois-Beymond,  Brenner, Duchenne« 
Erb,  V.  Ziemssen,  y.  Helmholtz  n.  a.  sind  dem  Verf. 
g&nzlich  unbekannt,  und  so  schreibt  er  Mathews  das  ZuckungB- 
gesetz,  den  Einfluß  der  Kathode,  das  Myographium  u.  a.  m.  zn 
(S.  191). 

Ich  mochte  diese  Besprechung  nicht  schließen,  ohne  zwei 
Aussprüche  des  Verf.  zu  zitieren,  die  einer  aktuellen  Bedentong: 
nicht  ermangeln.  Berthelot,  jedenfalls  einer  der  bedeutendsten 
Chemiker  unserer  Zeit,  wie  dieses  der  Verfasser  auch  zugibt,  hat 
außer  den  wissenschaftlichen  Arbeiten  aus  seinem  engeren 
Forschungsgebiete  auch  „griechische,  arabische  und  lateinisefae 
Texte  übersetzt*'  (S.  158).  Fehlte  ihm  da  nicht,  nach  der  An- 
sicht gewisser  Apostel  der  Jetztzeit,  die  für  den  wirklich  genialen 
Mann  so  notwendige  —  Einseitigkeit? 

Dnd  femer  wird  Yon  den  Ansichten  des  Aristoteles,  .der 
lange  Zeit  fflr  den  weisesten  Mann  des  Altertums  gehalten  warde**, 
gesagt:  „Ein  solcher  Quark  diente  dem  menschlichen  Oeiste  als 
Nahrung  durch  mehr  als  zwei  Jahrtausende''  (S.  66).  Soll  dieses 
Yielieicht  eine  geistreiche  Bemerkung  sein?  Muß  in  einem 
populären  Werke  unserer  Zeit  ein  solcher  Ausfall  auf  die  Kennt- 
nisse des  griechischen  Altertums  Yorkommen,  damit  Eleinpeter 
dasselbe  für  würdig  h&lt,  um  übersetzt  zu  werden,  wenngleich 
dasselbe  „keine  philosophischen  oder  erkenntnistheoretischen 
Auseinandersetzungen  enth&lt,  wie  etwa  andere  Übertragungen  and 
eigene  Arbeiten  des  Übersetzers"  (!)   (8.  V  der  Vorrede). 

Wien.  N.  Herz. 


Dr.  B.  Y.  H an  stein,  Lehrbuch  der  Tierkunde  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  Biologie.  Mit  272  farbigen  mi 
195  tchwanen,  in  den  Text  eingedruckten  Abbildongen ,  nebst  einer 
Erdkarte.  Eßlingen  und  München,  Verlag  Yon  J.  F.  Schreiber  1907. 
Preis  geb.  5  Mk. 

Das  durch  schönen  Druck  und  prachtYoU  ausgeführte  farbige 
Textbilder  ausgezeichnete  Buch  ist  kein  methodisches  Lehrbncb. 
Die  für  eine  ganze  Klasse,  Ordnung  und  Familie  giltigen  Be- 
merkungen haben  ihren  Platz  in  den  einleitenden  Abschnitten  ge- 
funden; die  für  einzelne  Arten  charakteristischen  Merkmale  und 
Eigenschaften  werden  bei  der  Aufz&hlung  derselben  erwibnt 
Dadurch  ist  die  Auswahl  des  Vertreters  dem  Ermessen  des  Lehrers 


If*  Smmttin^  BftQ  ti.  Lebtn  des  Mens  eben  oiw.,  aog.  v.  H.  Tidtorf.  449 


asbeiffl^t^lt.  Der  Hinwais  anf  b i od o mische  Bezieh  äugen  ist  nicht 
n  YtnnifiseD,  da  die  bionomUcbe  ßetracbtimgeweiae  das  ititende 
Primi p  für  des  Scbnlimterricbt  bieten  mnü.  Der  Verf,  igt  jedoch 
m  MMixchm  lolcber  BeziebongeD  sehr  Torsicbtig,  weil  seiner 
Auitht  naeb  tod  manchen  Lehrbüchern  das  zulässige  Ma0  bereits 
ibifichriUea  wnrde,  indem  nicht  allei  auf  Appaesang  bembe^  nnd 
nicht  jede  am  Schrei htiecb  eraonnene  Theorie  der  Bfiobachlimg  in 
tfiiir  Natur  standhalte.  Eina  besondere  Anfiraerkeamkeit  widmet 
dtr  Ter(.  d^r  Entwicklang  der  Tiere  nnd  erörtert  dieeelba  wenigsttHB 
an  fiiem  Vertreter  jeder  gr&ßeren  Tiergrxtppe^  denn  er  siebt  nicht 
aia,  vamm  man  eicb  in  dieser  ßeiiehnDg  immer  nur  auf  Insekten 
■ad  Amphibien  beschränken  solle. 

^1  Ein  Abicbnttt  ober  allgemeine  Zoologie,  der  Gelegenheit  bietet, 
WRtige  morphologisch«  nnd  bionomieebe  Fragen  im  Zosammen- 
Imfi  tu  erörtern,  ist  der  spesieHen  Zoologie  angefügt.  Dr.  v.  Han- 
uUm  (*rbUckt  darin  den  Lehrstoff  eines  in  den  oberen  Elaesen  an> 
xattrebendeci  zoologischeD  Dnterrtcbtes.  Bei  dem  Abecbnitte  über 
4ie  geographiscbe  Verbreitung  der  Tiert    hat   ancb    die  palÄonto- 

KiChft  Eotwicklnng  Beräckeicbtignng  gefonden. 
Daa  Buch  macht  einen  sehr  gnten  Eindruck.     Die  Cbarak- 
iernng  der  gr50ereD  nnd  kleineren  Tiergrnppen    ist  klar  nnd 
imiii,    weshalb   es   sich   aach  vorzüglich    für  jene  eignen  dürfte^ 
bliebe  ihren  natnr  geschieh  Hieben  ÖesiCbtskreis  durch  PnTatstndium 

iirweitern  trachten. 
R.  ?.  H  an  stein,    Bau   und  Leben    des  Menschen    nnd 
ier  Wirbeltiere.    Fir  höhere  Lehranstalten  nnd  lum  Selbstanter- 
richt,  Eßlinf  en  tind  MtEchcD,  Verlag  von  J.  F,  Schreiber  1907.  Preis 
!  Mark 

^m  In  der  Yorl  leg  enden  Somatologie  ist  der  vergleich  enden  Be- 
^Btong  des  Banee  der  Wirbeltiere  eiQ  größerer  Eanm  gewährt 
Via  anderen  Lehrbüchern  dieser  Art»  indem  jedem  größeren  Ab- 
•cÄuitte  ein  Hinweis  anf  die  ÄnsbildiiDg  der  entsprechenden  Organe 
bti  den  Wirbeltieren  beigefagt  ist  Der  Zneammenbang  zwtachen 
Bia  nnd  Yerrichtnog,  sowie  die  Entwicklungsgescbicbte  der  Organe 
i*t4«i  Berücksichtigung.  Ebensowenig  fehlt  es  an  Anweianngen 
Jjm  Erhaltung  der  Gesundheit. 

^LCii  Buch  ist  eines  der  besten  kleinen  Lehrbücher  über  den 
^^^H  das  Lehen  des  Menschen. 


rtail. 


H.  Vieltorf* 


L  d.  ^trr.  afna.  1008.  T.  fiifl* 


29 


450  Meimang,  Ober  die  Stelliing  d.  Gkgenetanditheoxie,  eng.  t.  Osekwmd. 

M.  MeinoDg,  Ober  die  StelluDg  der  OegenstaDdstheorie 
im  System  der  WissenscbafteD.  Leipiig  1907,  B.  Yoigtiiiideii 
Vexlig.  159  SS. 

Der  Verf.  ferOffentlieht  hiermit  drei  in  der  Zeitschrift  f. 
Philosophie  und  philoe.  Kritik  (Band  129  f.)  erschienene  Artikel 
in  Bachform.  Man  kann  den  Inhalt  der  Schrift  am  kflneetsD 
als  eine  Apologie  der  Oegenstandstheorie,  wie  Meisong 
sie  in  den  üntersnchnngen  znr  Oegenstandstheorie»  Leipzig  1904» 
geboten,  bexeichnen.  In  sechs  Abschnitten  behandelt  der  Terf. 
1.  Heimatslose  Gegenstftnde,  2.  Die  eigenartige  Erkenntnisweiie 
der  Oegenstandstheorie,  3.  Näheres  fiber  Daseinsfreiheit,  4.  NfthersB 
dber  Apriorit&t,  5.  (oegenstandstheorie  nnd  Legik,  6.  Znr  Becht- 
fertignng  des  Desiderates  einer  Oegenstandstheorie. 

Oegenstandstheorie  ist  nach  Meinong  Wissenschaft  Tom 
Nichtwirklichen,  wie  sie  z.  B.  in  der  Mathematik  Yon  jeher  be- 
trieben wird.  Den  Einwarf  B.  Bossells  (Bilnd,  B.  XIV,  1905, 
8.  582  f.),  die  Anfstellong  einer  Wissenschaft  Yom  Nichtwirk- 
lichen verstoße  gegen  das  Prinzip  des  Widerspmches,  kaoo 
Meinong  allerdings  leicht  entkräften,  da  der  Satz  des  zn  yw- 
meidenden  Widerspmchs  sich  bloß  anf  Wirkliches  oder  Mög- 
liches bezieht.  —  Zn  den  „heimatslosen''  Gegenständen,  d.  h. 
solchen,  die  bisher  aoßer  dem  Bereich  wissenschaftlicher  Behend- 
lang  stehen  and  die  M.  eben  in  der  Oegenstandstheorie  onter- 
bringen  will,  rechnet  er  folgende:  a)  die  dnrch  Empfindangen  er- 
faßbaren Oegenstände,  abgesehen  Ton  ihren  Beziehnngen  zn  nnserem 
psychophysischen  Leben.  Die  Physik  hat  mit  ihnen  nichts  zn 
tan,  weil  es  Farben,  Töne  asw.  nicht  gibt,  b)  Die  sog.  nnmOglicb« 
Oegenstände  (z.  B.  ein  rnndes  Viereck,  immaterielle  Materie,  Drei- 
ecke mit  mehr  oder  weniger  als  180^  Winkelsamme). 

Einen  besonderen  Abschnitt  widmet  der  Verf.  dem  apriorischio 
(rationalen)  Erkennen,  das  er  dem  empirischen  gegenflberstellt 
Es  gibt  nämlich  Erkenntnisse,  die  weder  Erfahrnog  sind,  noch 
anf  Erfahrung  zarnckgehen;  daß  z.  B.  schwarz  nicht  weiß  iit, 
daß  5  weniger  ist  als  6  n.  a.  Der  Nachweis  der  UnmOglichkiit 
des  Oegenteils  ist  bei  Tatsach  eo,  die  jeder  an  sich  selbst  er- 
leben kann,  nicht  erforderlich;  die  Eyidenz  and  Oewißheit  haben 
solche  Urteile  mit  der  inneren  Wahrnehmnng  gemein;  die  „Da- 
seinsfreiheit* ist  geradezu  ihr  wesentliches  Merkmal. 

Der  Annahme  des  Objektiys,  als  eines  Oegenstandes,  der 
nicht  nur  wie  das  Objekt  gfiostigen  Falles  Sein  hat,  sondern  ror 
allem  selbst  Sein  ist,  stellt  der  Bef.  des  Oött.  0.  A.  die  Dia- 
jnnktion  gegenfiber:  „Die  Objektive  sind  entweder  Urteile  oder 
nicht**  —  worauf  Meinong  mit  Becbt  anf  die  sonderbare  Auf- 
fassung aufmerksam  macht,  als  ob  ein  Objektiv,  also  ein  Sein, 
ein  Urteil  sein  könnte.  Schließlich  gibt  der  Verf.  noch  —  den 
Bef.  derselben  0.  0.  Anz.  gegenfiber  —  in  einer  Polemik  den 
Unterschied    zwischen    Oegenstandstheorie    und    Erkenntnistheorie 


Umnmg^  Über  die  Stellanf  d.  Oegenitandttheorie,  ug.  ▼.  Gnchwind,  451 

nod  Legik  an  (S.  108 — 127),  so  wie  er  bei  einer  anderen  Ge- 
lignheit  (üniennebnngen  Aber  Oegenstandstbeorie  nnd  Psychologie, 
Mpxig  1904)  den  Unterschied  zwischen  Metaphysik  nnd  Psychologie 
oiieneits  nnd  Oegenstandstbeorie  andererseits  nachgewiesen  hat. 
Fjfar  Erkenntnistheorie  sowohl  als  ffir  Logik  gilt  die  Fordemngy 
dafi  eine  Theorie  des  Erfassens  anf  das  zn  Erfassende  Bftcksicht 
oibmen  mnß,  da  es  mit  der  Natur  des  zn  Erfassenden«  also  des 
Oi^enstandet  im  weitesten  Sinne,  rerbnnden  ist;  es  kann  daher 
kerne  Logik  nnd  keine  Erkenntnistheorie  geben,  in  der  nicht  anch 
Gtflftttstandstheorie  getrieben  wird;  sie  ist  also  eher  Yoranssetznng 
ili  wirklicher  Bestandteil  des  betreffenden  Wissens.  So  bant 
denn  der  arbeitsfrendige  Verf.  unentwegt  am  Gebftnde  seiner 
oeaen  philosophischen  Wissenschaft  weiter;  selbst  dort,  wo  man 
ibm  nicht  beistimmen  kann,  mnO  man  die  scharfe  kritische  Anf- 
fasnug  nnd  die  Feinheit  seiner  Distinktionen  anerkennen.  Von 
seinen  herrorragendsten  beiden  Schfiiem,  B.  Ameseder  nnd  E. 
Milly,  wird  demnftchst  im  Dflrrschen  Verlage  in  Leipzig  eine 
oene  Schrift  mit  dem  Titel  „Elemente  der  Gegenstandstheorie** 
•ncheinen. 

Prag.  Emil  Gschwind. 


29* 


Dritte  Abteilung. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Zur  griechischen  und  lateinischen  Lelctflre  an 
unserem  Gymnasium. 

X. 

Nach  Kaknla  soll  dds  aaeh  der  umstand  Teranlassen,  Cicero  in 
den  Bann  sa  ton,  daß  wir  nicht  imstande  sind,  die  SchQIer  in  die  rhyth- 
mischen Feinheiten  der  Eonst  Ciceros  einiofflhren.  £.  Norden  wtoseht 
n&mlich,  daß  wir  unsere  Sch&ler  „etwas  von  dem  Zanber  empfinden  lehren, 
durch  den  die  HOrer  des  Mannes  und  lahllose  Generationen  nach  ihm 
gebannt  wurden".  Das  ist  unerfüllbar,  sagt  K.,  auch  deshalb  muß  Cicero 
eingeschränkt  werden.  Korden  wird  gewiß  Aber  diese  Folgerung  sehr  e^ 
staunt  sein ,  wenn  er  je  Ton  ihr  erfährt  K.  sweifelt  n&mlich ,  ob  jeder 
Lehrer  solcher  Vortragskunst  gewachsen  sei  und  ob  die  Mehrtahl  der 
Schüler  aolchen  Exenisien  «Geschmack  und  Verst&ndnis*  entgegenbringen 
würden.  Er  vergißt  su  erwähnen,  daß  Norden  seine  Bemerkung  deshslb 
macht  (Kunstpr.  S.  774,  Anm.  2),  weil  ihm  vorgekommen  ist,  daß  Lehrer 
den  Cicero  flbersetsen  ließen,  ohne  vorher  die  lateinischen  Worte  über- 
haupt nur  SU  lesen,  „auf  deren  Stellung  und  Zusanunenfügung  doch  eben 
der  hauptsächliche,  oft  alleinige')  Beii  beruht".  Ob  die  Lehrer  das 
Bbythmische  lur  Geltung  bringen  kOnnen,  muß  man  ihnen  eben  über- 
lassen. Versucht  werden  viele  das  auch  ohne  Norden  haben,  lumal  unseie 
Schüler  von  unten  auf  angehalten  werden,  die  Quantität  n  beachten. 
Mit  Becht  verspricht  sich  Norden  von  der  Berücksichtigung  des  rhyth- 
mischen Elementes,  daß  dann  mehr  als  heute  die  Bewunderung  Ciceros 
als  Bedner  und  Stilisten  mit  sich  ins  Leben  nehmen  werden.  Aber  wir 
brauchen  Cicero  nicht  lu  beseitigen,  wenn  das  nicht  erreicht  wird,  weil 
Bewunderung  für  den  Bedner  und  Stilisten  nicht  Ziel  der  Cicerolektttre 


ME.  druckt  »a  11  einig**  gesperrt.  Beit  ist  nicht  dasselbe  wie 
Wert  Übrigens  glaube  ich,  Norden  meint,  daß  sunächit  der  Lehrer  Ohren 
und  Zunge  schulen  soll. 


Zar  griecb.  und  Uteio.  Lektflr«  an  inserem  Gjnmasiam.  X.        453 

iit  Wir  l6s«n  eben  Cicero,  weil  er  beionden  geeignet  ist,  die  Jngend  mit 
antiker  Enltor  bekannt  in  maeben.  Wenn  aber  E.  den  Gnind,  wamm  die 
Jegend  dieee  Bewnndernng  Cieeros  nicbt  mit  ine  Leben  nebme,  darin 
fiadet,  dal^  die  Qaalitit  Ciceronianiieber  Stoffe,  naroentlicb  der  pbiloeopbi- 
seken,  ihr  innerlich  fremd  encheinen,  nnd  dann  auch  darin,  daß  ein  veiter 
Abftaad  nnaer  modemee^  beeonden  aber  das  dentscbe  Stiiempfinden  Tom 
Cieeronianiachen  Knnetgeicbmaek  trenne,  scheint  er  mir  wenigstens 
in  einem  Irrtmne  be&ngon  in  sein.  Die  Cicerooianischen  Stoffe  sind  der 
Jugend  nicht  fremder  als  aÜe  anderen  Stoffe  der  altklassiscben  LektQre 
md  ancfa  die  Stoffe  der  philosophischen  Schriften  liegen  der  Jugend  nicht 
to;  gende  fflr  ethische  Probleme  i.  B.  hat  sie  Sinn.  Das  dentscbe 
Stiiempfinden  der  Septimaner  aber  dflrfte  sich  gegen  Cicero  wohl  kaum 
jestriUiben,  wenn  nur  die  deotsche  Übersetinng  des  Antors  ans  dem 
dentschen  Stiiempfinden  erwichst.  Daß  der  bildende  Wert  des 
Ubersetaans  ans  der  fremden  Sprache  umso  größer  ist,  je  mehr  sich  die 
fremde  S|pnche  Ton  der  eigenen  nnterscheidet,  ist  sweifellos.  Die 
Behanptnng,  hente  kOnne  der  beste  Lehrer  selbst  mit  all  seiner  über- 
Mogtea  oder  Yenweifelten(!)  Begeisterang  fOr  Cicero  nnd  Cicerqnianismos 
unserer  Jngend  kanm  mehr  andersartige  Empfindungen  „einimpfen  oder 
suggerieren*,  als  Lessing  gehabt  habe,  der  an  der  Philosophie  Cieeros 
wsnig  Geaehmack  fand,  oder  Hebbel,  dem  Cicero  von  jeher  inwider  nnd 
Cttüina  iaieretsanter  geweeon  sei,  klingt  etwas  gewagt  Ich  kenne  jenen 
besten  Lehrer  mit  jener  Begdsternng  nicht;  ich  glanbe  aber,  daß  ein 
Lehrer  mit  normalem  »Kennen  nnd  Können"  ans  der  Lektflre  Ciceroe  in 
doD  einen  Semester  sfhon  etwas  anderes  wird  machen  kOnnen,  als  sich 
K.  einbildet  Seine  Meinnng,  daß  Cicero  die  dominierende  Bolle  an  der 
Mittelechnle  wenigstens  in  dentschen  Landen  endgiltig  antgespielt 
^be^  Migt,  daß  er  i.  B.  die  allerletiten  preußischen  LehrpUne  nicht  gegen* 
wirtig  hat,  nach  welchen  Cicero  in  jedem  der  vier  letiten  Jahre  (in  ver- 
hittmmlßig  bedentendem  Umfange)  gelesen  werden  mnß,  wie  anchUartinak 
(8.  Ib)  herrorhebt.  Oder  will  K.  nnr  den  Wnnech  aoseprechen,  die  Bolle 
aiQge  anegespielt  sein?  Da  wird  man  ihn  Tielleicht  in  Dentschland 
trots  Th.  Ziegler  noch  warten  laesen.  Bei  nne  hat  aber  Cicero  eeine 
dominierende  Bolle  echon  seit  1849  anegeepielt  nnd  daher  mnß  die 
Ferdenug,  daß  die  .Lektfire  dietee  Antors  aof  ein  beecheidenes  Haß  ein- 
geschrinkt  werde*,  ali  lingst  erfillt  beieicbnet  werden.  «Mommeens  ver- 
nicktendee  Urteil**  also  »kann  nnd  eoll"  niemanden  mehr  in  «ner  über- 
flüssig en  Forderang  MStirken"  nnd  unsere  Zeit,  die  angeblich  „keine  Kraft 
mehr  ans  Cicero  liehen  kann,  darf  nnd  muß**  die  Schuld  daran  denen 
rasehreiben,  welche  die  Ton  diesem  Antor  gebotenen  Bildnngeelemente 
Bleht  nr  Geltnng  in  bringen  Torstehen.  K.  bitte  in  eeiner  «Wflrdignng 
easeree  heutigen  Yerhiltnisses  tnr  Antike* ,  die  wohl  wenige  außer  ihm 
selbst  Boeh  als  »unbefangen'*  ansehen  werden,  nicht  so  sehr  «alle  Be- 
f  eistenag  ciceronieeher  «od^uixot  wie  Th.  Zielinskis  oder  der  beiden  Hör* 
Mffer*9  •ondem  das  wankend  machen  sollen,  was  jene  nnd  andere  ans- 
gstddmete  Kenner  der  Antike,  wie  i.  B.  auch  Wilamowits,  in  letster  7 
gaschrieben  und  gesagt  haben. 


454       Zur  griech.  nnd  latein.  Lektikre  an  nnterem  GjmnasiaiD.  X. 

Mm  tollte  gUabeD»  E.  wftrde  aoi  seinen  Primiieen  den  enlipre- 
cheaden  Schlaft  liehen  nnd  nnf  Beieitignng  gerade  des  Bednere  Cieero 
dringen,  statt  deseen  verlangt  er  eine  Einscbrinkang  dieses  Anton md 
—  will  etwas  mehr  foni  Bedner  gelesen  haben,  als  jetit  gewöhnlich  bei 
uns  gelesen  wird.  Ich  habe  hier  wiederholt  Ton  dem  überaas  gefisgen 
Aasmaße  nnserer  GicerolektOre  gesprochen;  alle  die,  welche  in  Dentoehltnd 
eine  Beschrftnknng  der  Cieerolektfkre  verlangten,  schlogen  immer  noch 
mehr  tn  lesen  Tor,  als  bei  ans  gelesen  wird.  Es  ist  also  komisch,  we&n 
die  Cicerolektüre  an  nnserer  Mittelschale  als  «nachdrückliches  Stadiom* 
beteicbnet  nnd  erklärt  wird,  was  kein  Mensch  je  besweifelt  hat,  dsß 
dieses  .in  die  philologischen  HOrsile  nnd  Seminarien  der  Unitersittt* 
gehöre.  K.  will  nan  ohne  Angst  vor  dem  Septimanerarteil,  vielleicht  weil 
er  nicht  recht  weiß,  was  sonst  gelesen  werden  sollte,  nnd  wohl  andi,  am 
den  Qrands&tien  H.  Schenkls  Bechnang  in  tragen,  eine  der  CaülinarisdieB 
Beden  nnd  die  IV.  gegen  Yerres  gelesen  haben,  damit  «die  Bekanntschaft 
nnserer  Jagend  mit  dem  größten  Stilisten  des  Altertnms  aofrecht  oibalteD* 
werde.  Die  IV.  Verrine  ist  gewiß  aneh  geeignet  gelesen  in  werden  dsi 
Inhaltes  wie  der  Form  wegen;  aber  abgesehen  davon,  daß  gerade  hier  dii 
Gefahr  verliegti  daß  etwas  inr  Hanptsache  gemacht  wird,  was  nicht  Haopt- 
Sache  ist»  and  abgesehen  davon,  daß  man  liier  mit  größerem  Beehte  als  b« 
den  Beden  des  Demosthenes  hervorheben  konnte,  daß  schon  «die  Fiktios, 
aof  der  diese  Bede  berahe,  einen  reinen  Genaß  nicht  aafkommen  laite« 
(Scham),  die  Bede  ist  so  lang  ^)  and  der  Inhalt  so  reich,  daß  wir  nnr  schwer 
imstande  sind,  sie  in  dem  ans  lar  Verffignng  stehenden  Semeeter  mit  den 
vier  Lektlirestanden  in  Ende  in  lesen.  Etwas  mehr  von  einer  philesopliiMhsB 
oder  rhetoriMhen  Schrift  Ciceros  wflrde  jetit  meist  ebensowenig  wie  etwa 
eine  größere  Aniahl  von  Briefen  des  Piinias  neben  dieeer  Bede  gelesss 
werden  können,  nnd  ans  dieser  einen  Bede  nnr  aasgewfthlte  Abschnitte  so 
nehmen,  hat  selbst  K.  nicht  vofgescblagen.  Er  ist  begreiflicherweise  beeoigti 
daß  bei  dieser  LektOre  am  Ende  doch  der  Stil  der  SchOler  leiden  kOnnts^ 
nnd  empfiehlt,  «darch  gelegentliche,  rflckhaltlose  Belenchtang  des  Unter 
schiedes  iwischen  modemer  nnd  antiker,  romanischer  nnd  germanisch« 
Stilkonst  nnd  dnreh  nachdrflckliche  Warnnog  vor  imitatio  im  dentechsa 
Aosdraek,  namentlich  vor  dem  nndentschen  Übermaß  der  Hjpotaiie  dem 
anter  Laien  nnd  Sehfllem  vielfach  verbreiteten,  nicht  gani  nnbegrftndetss 
Vorarteile  entgegeninarbeiten,  als  beruhte  die  Wertsch&tiang  Ciesiea 
anf  arteilsloB  übernommener  nnd  blindlings  propagierter  Schnltraditien*. 


1)  Diese  Bede  hat,  am  aach  das  sa  erwJUinen,  allein  64  Tenbner 
Seiten;  was  gewöhnlich  von  Ciceros  Beden  in  der  VII.  Kl.  gelesen  wird, 
die  Pompeiana  und  pro  ArchiOt  macht  87  Teabnerseiten  ans;  es  ist  siai 
besondere  Leistang,  wenn  die  Boaciana  nnd  die  Bede  pro  Arthia  mit 
insammen  60  Teabnerseiten  bewIÜtigt  werden.  Gewöhnlich  idrd  neben  der 
Pompeiana  and  pro  Archia  der  Cato  mit  80  oder  Laelins  mit  87  Teabner- 
seiten, insammen  also  ca.  75  Seiten,  gelesen.  Natürlich  wird  man  mit 
guten  Klassen  aach  die  IV.  in  Verrem  vollstindig  lesen  können»  eine 
iweite  Bede  daneben  in  lesen  ist  aber  wohl  nnmOguch  nnd  die  Wirkung 
jener  einen  «oft  überschfttiten**  (Dettweiler)  Bede  der  ersten  Periode 
Ciceronischer  Beredsamkeit  einseitig.  Daher  liest  man  nur  Abschnitte  daraus. 


Zur  gri^eb.  imd  Utein.  LektQre  ui  QDsertfm  Gymnasiam.  X.       455 

Abo  bei  dieser  Bede  bat  man  ein  Mittel  gegen  den  ferderblichen  Einfluß 
dwStilittan!  Unsere  Septimaner  wflrden  sieb  übrigens  nnr  wandern,  wenn 
vir  de  erat  bei  Gieero  Tor  etwas  warnen  wollten,  was  sie  sebon  Itngst 
n  meiden  gewohnt  sein  mftssen.  Das  Wesen  des  Lateiannterriebtes 
im  gansen  Untergymnasiaxn  bestebt  darin,  daß  den  Sebfllem  die  Yer- 
lehisdenbeit  des  Lateinischen  nnd  Dentichen  fortwthrend  mm  Bewnßt- 
•eio  gebracht  wird,  nnd  dies  ist  aaeb  eine  der  Aufgaben  der  Lektflre. 
Digsgen  hielt  ich  es  immer  fftr  nOtig,  die  Sextaner  nnd  Septimaner 
ssimerksam  ra  machen,  daß  absprechende  Urteile  gerade  über  Cicero, 
die  sie  etwa  lesen  konnten,  Tielfacb  anf  dem  nrteililosen  Nachreden 
TOD  loßernngen  bemhen,  die  bente  als  abgetan  betrachtet  werden.  K. 
bitte  sieb  nnd  anderen  alles,  was  er  über  den  Bedner  Cicero  vor- 
gebracht  hat,  schenken  nnd  begnügen  können,  nni  Lehrern  sniarofen: 
,Wu  Ihr  von  Beden  Ciceros  gewöhnlich  leset,  scheint  mir  ga  langweilig 
mi  IQ  wenig  ergiebig,  ich  empfehle  Ench  aaßer  einer  eaiilinarischen 
Bede  die  IV.  gegen  Verres'*.  Daß  er  in  seinen  Lebrplan  an  Stelle  der 
jitst  fttr  die  VIL  Klasse  geltenden  Bestimmnng  «Ton  Cicero  mindeitens 
iwei  Beden*  geeetst  hat  „Cicero  in  Yenem  IV«*,  seigt,  in  welcher  Weise 
er  den  Frmheitsdnrit  der  Lehrer  befriedigen  will. 

Anch  Vergil  verdankt  nach  K.  vor  allem  der  konstvollen  SchOn- 
bdt  der  Form  seine  Vonngsstellang  nnter  den  römischen  Dichtem  am 
Gymnaiiam.  Doch  Vergil  verdankt  diese  Stellnng  vor  allem  seiner  Be- 
deetong  für  Geist  nnd  Gemüt  der  Schüler,  seiner  Wirkung  anf  die  Welt- 
literator,  seinem  anter  den  römischen  Dichtem  gani  einsig  dastehenden 
Werte  Ar  die  Erkenntnis  romischen  Wesens,  dann  erst  seiner  Bedentnng 
ftr  die  Erkenntnis  der  lateinischen  Sprache  überhaupt  und  der  dichterischen 
Sprache  nnd  Form  im  besonderen.  K  will  nicht  von  allen  jenen  Vonügen 
■prechen,  welche  Vergiis  „Erforschung  ffir  den  gereiften  Verstand 
n  einer  ebenso  liebenswürdigen  wie  frachtbaren  Arbeit  prftdettinieren«, 
er  könne  nur  die  Frage  anfwerfen,  „ob  unsere  gymnasiale  Jagend  mit 
dem  ganzen  Aufwände  unserer  didaktischen  Kunst  auch  wirklich  zu  einem 
eiaigeimaflen  befriedigenden  Verttindnisse  nnd  Genüsse  dieser  Vonüge 
biageleitet werden  kOnne,  und  ob  sich  aus  einer  durch  drei  Semester 
fortgesetzten  Lektüre  des  Dichters  für  das  reale  Wissen  und  die 
ftsthetiicbe  Urteilskraft  des  Schülers  •  •  •  eine  Stärkung  und  Bereicherung 
ergebe,  die  im  adtquaten  Verh&ltnisse  zu  den  an  seine  Aufnahmsflhigkeit 
geeteUten  Anforderungen  steht". 

K.  hat  Mhon  die  Frage  ungenau  gestellt.  Z»  fragt  sich  nicht»  ob 
die  Jugend  zum  Verstftndnis  oder  Genuß  jener  Vorzüge  bingeleitet 
werden  kann,  welche  die  Erforschung  Vergiis  für  den  gereiften  Ver- 
stand zu  einer  fmchtbarea  Arbeit  bestimmen.  Stellt  man  aber  die  Frage, 
ob  die  durch  höchstens  ein  und  zwei  Drittel  Semester')  fortge- 


*)  Wir  lesen  in  der  VL  Kl.  zwei  Drittel  des  zweiten  Semesters, 
in  der  VIL  kaum  das  zweite  Semester  Vergil,  da  am  Begione  des  zweiten 
Semesters  oder  während  dieses  Semesters  noch  etwas  Cicero  gelesen  zu 
werden  pflegt.  Allerdings  beginnt  die  Lektfire  Vergiis  im  zweiten  Semester 
der  VL  Kl.  und  endet  im  zweiten  Semester  der  VIL,  aber  im  ersten 
Semester  dieser  Klasse  wird  Vergil  nicht  gelesen. 


456       Zur  gxkch.  and  lateia.  Lektür«  an  unterem  GjmnAdoB.  X 

•  ettte  Ldctfire  fftr  Geift  nnd  Hers  des  Sehülere  einen  entepreehente 
Gewinn  ergibt,  besw.  ergeben  kann,  bo  mnß  man  diese  Frage  b^thsa. 
leb  braoflbe  das  im  einielnen  nieht  in  seigen,  jedem,  der  in  der  8cbak 
Vergil  liest,  kommen  hief&r  die  Belege  anter.  Aofierdem  ist  ds« 
selion  lingst  dargetan  worden.  Nor  am  fielleicht  sehen  YergesseaM 
wieder  ins  Gediehtnia  sa  rafen,  verweise  ioh  aaf  den  ersehO|Kfcnd«B, 
aehenen  Aofsati  des  J.  N.  Fischer  8.  J.  in  dieser  Zeitsehr.  1882,  &  878  ff. 
imd  987  if.,  wo  eine  Ffllle  von  Beispielen  geboten  wird;  neoerdings  hst 
Kam.  Hnemer  Tortrefflieh  die  Vergillektttre  verteidigt.  K.  verneint  seine 
Frage  .rnndweg*;  denn  das  foxmal-technisehe  Elonent  der  Poesie  Yergüi 
and  die  sachHehe  £zegese  nnd  die  Übersetsongsarbeit  Mete  selbst  as 
der  üniversitftt  ffir  Lehrer  vnd  Lernende  solehe  Schwierigkeiten,  daß 
!•  B.  ein  dreistHndiges  Kolleg  eines  Wintersemesters  an  VorbereitoBg, 
Mitarbeit  nnd  Ansdaaer  aof  beidea  Selten  die  höchsten  Anfbrdenagen 
stelle  nnd  beim  Zasammentreffen  aller  dieser  Bedingnngen  nor  bei  ud- 
sichtiger  Ökonomie  an  einigermaten  geschlossener  Interpretation  eiaei 
Gesanges  ansreiGhe.  Der  Kenner  werde  das  bestAtigen,  der  Femsteheod« 
nach  E.  Nordena  Kommentar  lom  VL  Gesänge  begreifen.  Über  die 
Schwierigkeit  eines  YergilkoUegs  Ar  einen  Univerdtfttslehrer  maAe  ich 
mir  selbstventOndlich  kein  Urteil  an;  fflr  ein  Kolleg  Aber  den  VL  Gesang, 
■Minte  ich  bisher,  bete  der  Kommentar  Nordens  einige  Erieichterang. 

„Man  wird  aich  hoffentiich*',  sagt  K.  weiter,  «den  Einwand  enpares, 
daft  man  eben  die  Grftndliehkeit  der  Erklinmg  an  der  Mittelschale  niefat 
tbertreiben  dflrfe  nnd  daß  •••  ein  flotter  Fortschritt  der  Lektüre  bei 
Vergil  nicht  nnmOglieh  sein  kOnne.  DaA  das  Knnetepos  Yergils  is 
metrischer,  dann  in  rein  sprachlicher  nnd  besonders  in  sachlicher  Be- 
siebang  anf  viel  komplitiertenn  Grandlagen  anfgebaat  sei  als  das  natar- 
wflchiige  Epos  Hemers,  sollte  jeder  Sextaner  wissen  ond  ein  sogenanntei 
rasches  „Hintberlesen*'  Aber  verhfllltere  Schwierigkeiten,  wie  es  ii 
nneerem  Mittelschnlnnterrichte leider praktitiert  wird,  vecatft^ 
nicht  bloß  gegen  pädagogisch-didaktische  Grnndsitie,  die  man  nicht  lelebt' 
fertig  überreiten  sollte,  sondern  fahrt  gerade  bei  Yergil  nicht  selten  n 
etner  fftt  Dichter,  Lehrer  and  Unterricht  verhängnisvollen  Entgieianag.  Jeac 
viel  verspottete  philologische  „Gründlichkeit"  acheint  mir  aneh  im  Mittel- 
schalinterrichte  nicht  immer  entbehrlich  in  sein.*'  In  dieser  Begründong 
befremdet  vor  allem  der  Sats  von  dem  bei  ans  leider  praktisiertss 
Hinüberlesen  nnd  —  reiten.  Woher  K.  den  Stoff  für  eine  der- 
artige Behanptong  hat,  weiiS  ich  nicht  Über  „nnaeren"  Mittelscfaalante^ 
rieht  könnte  dodi  erst  jemand  sprechen,  der  den  Unterricht  an  dea 
meisten  Anstalten  kennen  gelernt  hat;  das  aber,  was  man  etwa  ale 
Piobekandidat  and  bei  seinem  eigenen  Unterricbte  erlebt  hat,  darf  mas 
doch  nicht  ohne  weiteres  verallgemeinern.  Was  jedoch  das  Tatsäohliebe 
hier  betrifft,  so  ist  gewiß  richtig,  daß  Gründlichkeit  anch  im  MitteL 
soholanterricbte  nicht  immer  entbehrlich  ist,  ja,  ich  gehe  sogar  ohne 
Ironie  viel  weiter  als  K.  and  behaupte,  sie  ist  in  jedem  Unterrichte 
an  entbehrlich.  Die  Jagend  maß  schon  ans  dem  Grande  daran  gewohnt 
werden,  damit  sie  nicht  in  seichtes  Geschwäts  verfällt,  wotn  ja  gerade 


Zv  fiiteh.  Qod  latein.  LtktQre  an  onserem  Gymnasiam.  X.       457 

iif  diastf  Stale  die  Nei|^g  Torhanden  ist.  Nar  kommt  alles  darauf 
u,  wae  man  nnier  GrflDdlichkeit  ventebt.  H.  Schenkl  hat  (S.  44) 
Ton  «vmnefatiKer  Erkiixnng^')  gesprochen,  die  «ftber  manches  hinweg* 
gebsn*  mflise;  was  aber  K.  mit  «GrOndlichkeif*  meint,  das  seigt  er 
Mlbst  an  seinem  einiigen  .drastisdien''  Beispiele. 

Im  VL  Gesang,  in  dem  mir  die  Schwierigkeiten  der  Exegese  am  Gymn . 
dvth  £d.  Norden  jetst  gemindert  erscheinen,  schildert  Yeigil  bekannt- 
lieh  fOn  y.  77  ab  in  Form  der  Allegorie,  wie  die  Sibylle  in  prophetische 
Vaniekong  gerät  ^Sibyüam  quaai  equum,  ApoUinem  quasi  equitem 
tnducil  el  sf»  ca  pemumet  iramUUiom'*  sagt  Serrins.  »Die  Sibylle  wird 
mit  einem  widerspenstigen  Bo6,  Apollo  mit  dem  Reiter  ferglichen,  der 
M  slfamt,  «nd  ans  dieser  Sphäre  sind  alle  Ansdrfieke  gewählt*', 
btsierkt  £.  Norden  (Veigil,  VL  Bnch,  S.  143).  Dieser  hatte  aber  (im 
Haimes  1898*  S.  506  ff.)  tn  leigen  tersncht,  daß  die  Partie  einmal  eine 
ladsie  Faasnng  gehabt  habe,  welche  in  der  AngnsteiKhen  Zeit  doreh 
Bantationen  ?or  der  Edition  bekannt  ond  besonders  berflhmt  gewesen 
Mi.  Unpraaglich  sei  nimlieh  an  der  Stelle  von  sinnlicher  Yergewaltigong 
die  Bede  gewesen.  «Das  mnO  man  im  Ange  behalten,**  sagt  Norden 
(Kemm.  8. 145),  »om  einselne  Aosdrflcke  an  onserer  Stelle  an  terstehen: 
77  FhoM  paüems,  80  domofe^  premere.  Da  ist  die  Sibylle  swar  sn- 
siehst  als  nngeberdiges  Bo0  gedacht,  das  den  Beit er  nicht  doldeo 
viU,  aber  die  Amphibolie  dieser  AnsdrOcke  ist  durchsichtig  nnd  man 
glaubt  SQ  erkesnent  daft  ?on  der  ans  Beiitationen  bekannten  Fassang 
dkser  Stelle  in  der  ans  forliegenden  deutliche  Fäden  laufen."  Daraus 
wird  bei  £.:  «Die  Sibylle  wird  mit  einer  rasenden  Stute,  Apoll 
mit  ihrem  Beiteri  betw.  mit  einem  Hengste  ?erglichen,  den  sie  nicht 
dolden  will:  aber  das  bedeutende  Bild  wirkt  selbst  im  Zusammenhange 
der  Lektitre  für  unser  Empfinden  doch  nur  wie  eine  Karikatur,  ge- 
sehBasklos  und  fast  possenhaft»  wenn  der  Erklärer  die  kompliaierte 
AaphiboUe  der  Auadrfleke  . . .  nicht  frei  und  offen  aufdecken  . . .  kann." 
Data  sei  das  Auditorium  einer  Septima  nicht  geeignet;  wosu  dann  diese 
Lektäre  eines  Stoffes,  der  bei  rückhältiger,  d.  h.  mangelhafter  nnd 
nanreichender  oder  bei  absichtlich  unrichtiger  Deutung  nur  dis- 
hsoneaisebe  Empfindung  wecken  kOnne  nnd  achlieäiich  lur  Zote  proTosiere, 
wenn  einem  nnreiten  Jungen  troti  eifrigen  «Hinftberleeens*'  doch  das 
«ToUe«  Yerständttis  «anfgehe".  K.  hat  sich  förmlich  in  Erregung  hinein- 


^)  AIt  beraerict  in  der  Besprechung  S.  92:  „Es  gibt  eine  ^GrQnd- 
lichksit*»  die  gelegentlich  angebracht,  oft  aber  die  Mutter  der  hirn?ef- 
wflstenden  Langeweile  ist,  und  eine  Schulstunde  ist  keine  Vorlesung,  auch 
keins  Seminarfibung."  Über  dasselbe  äai^erte  sich  0.  Weii^enfels  (Kerafr. 
1901,  S.  59)  in  seiner  klassischen  Weise:  «»Man  darf  wohl  behaupten, 
daä  die  l^kanischen  und  griechischen  ^Schriftsteller  an  manchen  Gymnasien 
Dil  einer  alles  Interesse  ertötenden  Langsamkeit  gelesen  werden.  Nament- 
lich die  Jflngerenf  die  eben  erst  ?on  der  Universität  kommeui  glauben 
im  Pnsseen  dar  Worte  und  im  Wittern  von  Schwierigkeiten  gar  nicht 
weit  genug  gehen  lo  können.  Gleichwohl  wird  in  diesen  Fällen  nur  ein 
an  sieh  wicfatiffee  Prinsip  einseitig  gebandhabt  und  auf  die  Spitse  ge- 
trieben.*" YgL  0.  Jäger,  Lehrkunst,  S.  894. 


458       Zur  grieeh.  und  Utein.  Lektttrt  an  noterem  GjmQMiuiL  X 

getcbriebeD  gegen  jene  «rSckhiltigen**  IntMpx^ten  nnd  doeh  glnnbta 
wir,  daß  es  aneh  dem  «grftndlicheten'*  Lehrer  am  Gymnashmi  kaina  ein* 
fallen  wird,  eeinen  Sehfilern  die  Vermntang  Nordens  TomführeB. 

Erstens  handelt  es  sieh  eben  nm  die  Vermatong  eines  Gelehzten, 
bei  der  nicht  einmal  ?on  Wahrscbeinliehkeit  die  Bede  sein  kann.  Zweitens 
hat  Vergili  wenn  man  Norden  Reeht  gibt,  selbst  die  Änderang  ?or- 
genommen,  weil  er  das  Sinnliche  beseitigen  wollte.  «Vergfl  wird*,  sagt 
Norden  noch  im  Hermes  1898,  8.  510,  „darauf  anfmerkiam  genadit, 
daß  der  Ansdnick  fflr  die  jangfränliche  Sibylle  unpassend  sei,  die  Stelle 
geändert  haben  • . . ;  Yarios  aber  handelte  im  Sinne  des  Dichters,  wenn 
er  den  betieffenden  Vers  nicht  anfnahm.**  Demnach  hätte  Vergii  die 
Stelle  ferbessert,  nicht  terschlechtert,  wie  K.  wohl  haben  mochte,  der 
Dichter  hätte  die  Änderang  so  Torgenommen,  daß  man  eben  snr  anderen 
Anffaunng  nicht  kommen  sollte;  denn  er  war  gewiß  nicht  rflckbältig. 
Es  wäre  also  nach  jeder  Richtung  —  philologisch  wie  pädagogisch  — 
verfehlt,  wenn  man  dem  Gymnasiasten  mit  jener  Amphibolie  der  Aus- 
drflcke  käme.  Das  Bild  aber,  das  Vergii  gebraucht  hat,  ist  weder  ge- 
schmacklos, noch  posssnbaft  und  auch  deshalb  interessant,  weil  es  is 
der  Schule  Anlaß  gibt,  eine  allgemeine  Bemerkung  ftber  jenen  Zustand 
prophetischer  Versttckung  su  machen.  Ich  habe  es  auch  passend  gefunden, 
bei  Besprechung  der  Autosuggestion  im  Psychologieunterrichte  auf  diese 
Stelle,  die  ich  wiederholt  mit  Scbfllern  gelesen  habe,  lurflckiukommeiL  Voa 
„absichtlich  unrichtiger**  Deutung  konnte  höchstens  bei  dem  die  Bede  sein, 
der  die  Stelle  im  Sinne  der  Tormuteten  ersten  Fassung  durchnähme^). 
Aber  auch  wenn  die  Yeree  Vergils  in  jener  Fassung  wirklith  dastflndea, 
würde  ich  mich  in  der  YII.  nicht  su  dem  Mittel  entschließen,  das  man 
ja  gans  ruhig  anwenden  konnte  und  oft  auch,  durch  die  Zeit  gedrängt, 
anwenden  muß,  wenn  man  nicht  schon  die  gekftrite  Ausgabe  in  der  Haa4 
hat,  ich  meine,  die  Partie  so  Qbergehen.  Ich  halte  mich  in  eolchea 
Fällen  an  den  Bat,  den  0.  Jäger  (Lehrk.,  S.  264)  gibt:  Ein  Septimaasr 
ist  kein  Knabe  mehr  und  man  darf  nicht  ohne  weiteres  Gemeinheit  der 
Gesinnung  bei  den  Sehfilern  Toraossetien.  Auch  im  I.  Gesang  gibt  et 
Stellen,  bei  denen  man  dann  Ton  Sorgen  gequält  werden  mflßte. 

Mag  also  diese  Verwendung  der  geietrollen  Vermutung  E.  Nordeui 
originell  sein,  sie  kann  niemanden  ?eranlassen,  den  YI.  Gesang  gam  ati 
dem  Gymnasium  su  weisen.  E.  hat  selbst  treffend  dieses  Bdipiel  als 
drastisch  beseichnet*  Wenn  nun  E.  auf  Grund  dieses  Beispielee  der  voo 
den  Instruktionen  mit  Nachdrack  terlangten  Forderung,  den  YL  Gesang 
su  lesen,  mit  doppeltem  Nachdrucke  entgegen  tritt,  habe  ich  jetit  wohl 
das  Recht,  dieser  Art  Ton  Argumentation  noch  nachdriicklieher  entgeges 


>)  Man  wird  natfirlich  nichts  dagegen  haben,  wenn  etwa  jemand 
bei  dieser  Stelle  die  Schfiler  aufmerksam  macht,  daß  ein  Gelehrter  am 
einem  Zitate  auf  eine  andere  Fassung  der  Stelle  geschlouen  habe.  Aber 
es  ist  ftberflfissig,  wenn  man  das  nicht  gerade  als  Beispiel  fBr  YergOi 
Zartsinn  anführen  wollte.  Die  Sache  selbst  ist  mir  nicht  so  glanblid 
wie  E.  Vergii  sollte  erst  später  daraufgekommen  sein,  daß  sich  seine  Ats- 
drücke  mit  der  Jungfräulichkeit  der  Sibylle  nicht  Tortrügen? 


Zur  frieeh.  und  kteio.  Lektttre  ab  noierem  GynuiMiom.  Z.       459 

n  tratan.  Dtr  Satt  Lmi  (Kultur^  S.  849),  in  dem  er  Yergil  als  fAr  die 
Sehole  in  schwer,  aber  nnersettlieb  beseichnet,  wird  ?on  K.  als 
pdatieite  Antithese  erklärt,  hinter  der  sieb  jener  schwer  begreifliche 
tnditioBelle  Enthviiatnias  tenate,  der  noch  immer  mit  an  sich  richtigen 
pliilolegischeB  Wertarteilen  ntafasehe  Fordemngen  an  die  Mittalecbnle 
«begründen*  wolle  nnd  nachgerade  der  Bepfntatioa  dea  altspracfalkhen 
Ufitsnichtes  nnd  seiner  bemfenen  Vertreter  die  schwersten  Wanden 
gewhlsgen  habe.  Xir  scheint  E.  .nachgerade"  der  Bepntation  des  alttprach- 
liehen  Unterrichtes  nnd  dessen  Vertreter  schwerere  Wunden  sa  schlagen 
oder  — natHrlich  unabsichtlich  —  in  schlagen  im  Begriffe  in  sein  als  Leo. 
Des  Vorwurf  eines  traditionellen  Entbneiasmns,  also  der  Unselbständig» 
leit,  kann  man  doch  einem  Vertreter  der  Wissenschaft  wie  Leo  nicht 
mtehen;  jedenfalls  geht  es  nicht  an,  ihn  ffir  das  „in  schwer*^  als  Autorität 
tmoerkennen,  fttr  das  „unersetilich"  aber  tu  ?erwerfen,  da  ist  es  besser, 
ihn  Uberhanpt  nidit  heraniuiiehen  ^). 

Unbegreiflich  aber  ist  es,   daß  E.  aussprechen  konnte:   «»Wenn 
«iiklich  «aUC  großen  Eneugniase  der  römisehsn  Literatur  fttr  die  Mittel- 
lehole  lu  schwer  sein  sollten  (in  gewissem  Sinne  wird  man  das 
ftb«rhaupt  ?on   den  großen  Schöpfungen  aller  Literaturen 
aonebmen  dfirfen),  so  wird  man  eben  nach  jenem  Ersatse  nnbedenk- 
lieh  bei  den  weniger  »Großen"*  in  suchen  haben.  Den  Entschluß  biesn 
Big  uns  die  Erwägung  erleichtern,  daß  die  Mittelschule  troti 
iJirer  hohen  Aufgabe  doch  nur  eine  Mittelstufe  unserer  in- 
tellektuoUon  Entwicklung  darstellt  Zu  welchen  Folgen  wQrde 
et  fähren,  wenn  die  großen  Schöpfungen  der  Literatur  in  der  Schale  beseitigt 
werden  und  das  Mittelmäßige  an  ihro Stelle  treten  sollte!  (VgLK.Huemer, 
&  16  f.)  Für  die  Mittelschule  soll,  ihrem  Namen  entsprechend,  das  Mittel- 
nißige  daa  Passende  sein  und  doch  litiort  K.  selbst  an  anderer  Stelle 
sater  den  Worten  eines  anderen  den  Sati  vom  Besten,  das  fflr  die  Schale 
gemde  gnt  genug  sei.  Und  aof  diese  Prämissen  gründet  E.  seinen  Schloß: 
Asch  das  grflndliche  Stadium  Vergils  gehört  somit  an  die  Universität, 
licht  ans  Gymnasiom.  Ich  stinune  ihm  ttbrigene  bis  aof  das  .somit^  bei, 
iir  setie  ich  hinsu :  Die  grflndliche  L ek  tfir e  Vergils  gehOrt  ins  Gymnasium ; 
denn  sonst  wQrde  auch  das  jetst  angeblich  mit  solchen  Schwierigkeiten 
Tsrbnndena  grflndliche  Stadium  Vergils  an  der  Unireraität  gar  nicht  mehr 
möglich  aein.    Ich  erwähne  das  nur,  weil  K.  ton  jenen  Schwierigkeiten 
gflsprochoa  hat ;  ich  stehe  ja  auf  dem  Standpunkte,  daß  sich  die  Mittel- 
schule am  daa  speiielle  Fachstudium  der  klassischen  Philologie  nicht  su 
kämmera  hat.  Hier  sieht  man  ingleich,  daß  die  von  Martinak  angedeutete 
HoShnng»  dio  geplante  Kanonreform  konnte  eine  gflnstige  Bflckwirkong 
auf  das  Hochaeholstadium  äußern,  soweit  ee  sich  durch  die  Forderungen 
der  Lehmmtaprflfnng  beeinflußt  seige,  durch  die  ton  dem  EoUegen  ge- 
machten Tomchläge  etwas  verringert  wird.    Wer  es  aber  mit  E.  als  lu 


^)  Selbatändig  ist  dagegen  J.  Bott  in  seiner  Verurteilung  Giceros 
und  Vergils  (Mitt.  der  deutschen  Mittelschnlver.,  Jahrg.  1905—1907, 
»Gedanken  Aber  Hellas  und  Born").  Er  gebt  auch  nicht  von  den  Beform- 
ideen  Wilamowiti'  aus,  sondern  bekämpft  sie. 


460       Zar  griech.  und  lateio.  Lektftre  «n  OQserem  GymiiMiam.  X. 

Tiel  d«8  Goten  beieiehnet,  neben  der  Lektftre  Homere,  dem  Yergil  iotuI 
verdanke»  in  verlangen»  daft  ein  betrftchtlicher  Teil  der  Äneis  in  extemot 
der  Beet  in  anegiebigea  Partien  gelesen  werde»  der  wftrdigt  eben  nicht, 
waa  Yergil  eelbet  geleistet  bat  und  was  er  bedentet  £e  w&re  flberfi&iiift 
das  bier  darinlegen,  man  braucht  nnr  anf  B.  Heiniea  epochemacbendei 
Werk  .Yergils  epische  Technik*'  hininweisen. 

Dem  Bedflrfnisse  allgemeiner  Bildung  genflgt  nach  K.  die  LektAre 
eines  Gesanges,  etwa  des  1.»  mit  Inhaltsangabe  des  gesamten  Werket 
vollanf  and  die  Yerkftrsnng  würde  wett  gemacht,  wenn  der  Lehrer  dei 
Deatschen  die  weitere  Wflrdigong  Yergiis  ftbemfthme  ond  die  YeigUlekttre 
mit  Schillers  Übersetiongen  des  II.  and  lY.  Gesanges  forteetste.  Ja,  iit 
denn  der  erste  Gesang  nicht  noch  «in  schwer**?  Wosa  soll  ftberhaapt  der 
Urtext  gelesen  werden,  wenn  man  dem  Sebfller  jene  gewissen  Yonflge 
Yergiis  gar  nicht  klar  machen  kann?  Oder  soll  der  eine  Gesang  nv 
dämm  gelesen  werden,  dal^  man  sagen  kann,  man  habe  ihn  gelesen? 
Die  Germanisten  werden  aich  ftbrigena  fftr  die  neue  Anfgabe  bestesi 
bedanken,  die  haben  mit  den  deatschen  Originaiwerken  genug  ta  tos. 

Yergil  ist  schwierig  —  das  ist  ebenfalle  ein  besonderes  Bildongi- 
element  (?gi.  0.  Jftger»  Lehrk.,  S.  883)  — ,  aber  nicht  su  schwierig,  weno 
man  sein  Augenmerk  auf  das  richtet,  was  eben  der  Sebfller  erfasMO 
kann.  Aach  0.  WeiAenfels  sagt  i.  B.  nur  (Handbach,  &  284),  Yergil  lei 
fftr  Sekunda  eigentlich  lu  schwer»  in  Prima  habe  man  keine  Zeit  Ar 
ihn  fibrig;  bei  uns  wird  aber  in  der  YI.  die  Lektftre  nur  begonnen,  der 
Schwerpunkt  liegt  im  zweiten  Semester  der  YH,  wo  die  normalen  Sdifller 
fftr  diese  Lektftre  reif  sind.  Katftrlich  ist  es  so  wie  etwa  bei  Plate  nsd 
Sophokles,  die  Schule  mui^  sich  damit  begnftgen,  das  Yerstftndnis  geweckt 
sum  Genuß  der  Schönheiten  angeleitet  zu  haben»  und  diese  Au^e, 
meine  ich,  kann  sie  erfftll«n  und  kann  auch  Schftler  soweit  bringen,  da& 
sie  ihr  Yerstftndnis  des  Dichters  in  einer  Übersetzung  zeigen,  die  sekos 
einigen  Anforderungen  genftgt.  Das  Geschmacksurteil  der  Schftler  kans 
doch  gerade  an  der  Übersetzung  dieses  Dichten  betonden  geftbt  werden. 
Die  Bealerklftrung  endlich  hat  eben  der  Lehrer  nach  sorgfilttger  Vor- 
bezeitang  su  geben. 

Durchaus  nicht  ausgemacht  ist  es  femer,  dal»  Yergil  den  Sehelen 
langweilig  sein  muß»  wie  man  mitunter  hOrt,  weil  er  einem  Lehrer  lieg- 
weilij^  erscheint^  der  Yergil  die  Palme  nicht  reichen  will.  Je  ftfker  ou 
die  Aneis  liest»  umsomehr  ftberzeugt  man  sich  ?on  der  Bichtigkeit  der 
Worte  dee  Terewigten  0.  Weiftenfels  (Handb.  S.285):  „Wert  und  Sehta- 
heit  der  Äneis  offenbart  sich  auch  darin,  daß  sie  nicht  schnell  UVö^ 
sondern  bei  näherer  Yertrautheit  gewinnt*'.  Mögen  seit  Markland,  Fr« 
Aug.  Wolf»  Hegel  und  Gftthling  so  manche  dem  Yergil  fremd  gegenflber 
gestanden  sein  (Lehrpr.  79  [1904],  S.  117),  durch  B  Heinse  und  £.  Nerdez 
konnten  sie  bekeiurt  sein;  denn  diese  haben  eine  gerechtere  Beurteilnzf 
Yergiis  angebahnt  Der  Lehrer  freilich,  den  Yergil  völlig  kalt  Ußt»  seil 
ihn  mit  Schftlem  nicht  lesen.  Daß  man  bei  dieser  Lektftre  vor  allen 
neben  dem  I.  Gesänge  die  schönsten  Partien  des  besonders  gelungenes 
IL,  des  interessanten  lY.  und  des  fflr  die  ganze  Dichtung  wicbtigstea 


über  sonologische  Belehrungen  in  der  Mittelschale.  I.         461 

VI.  Getangee    mit    der   Heldentchao    und    den    grofiartigen   Verten: 

excndent  din ,  «der  historischen  Bechtfertigong  des  Kaiseneiehas* 

(Treitschke),  sowie  die  Nisns  nnd  Earyalns-Bpisode  berüoksiehtigea  wird^ 
iit  klar.  Hätte  E.  recht,  so  wftre  die  Yergillektflre  flberhanpt  in  streichen. 
Du  Urteil  schlecht  unterrichteter  oder  unreifer  Schiller,  aitf  das  mitunter 
tor  Dnterstfttznng  derartiger  Ansichten  hingewiesen  wird,  hat  nichts  in 
bedeuten.  (Fortietsnng  folgt) 

Wien.  Dr.  Friedrieh  Ladek. 


Über  soziologisehe  Belehrungen  in  der  Mittel- 
schule. 

L 

unter  den  Anklagen,  die  seit  einigen  Jahren  mit  einer  in  Zeiten 
recht  anschwellenden  Heftigkeit  gegen  das  Gjmnasiam  erhoben  werden, 
nehmen  jene  fast  die  bedeutsamste  Stelle  ein,  die  dieser  ünterrichtanstalt 
vorwerfen,  sie  berücksichtige  zu  wenig  die  Zeit-  und  Kulturbedftrfinsse 
der  Gegenwart,  sie  nehme  insbesondere  Ton  den  gewaltigen  Umwälzungen 
auf  sozialem  und  wirtschaftlichem  Gebiete  keine  Kenntnis.  Daß  hiebei 
ftben  Ziel  geschossen  wird,  darf  nicht  wundernehmen,  zumal  wenn  man 
bedenkt,  wie  Tielerlei  Ton  der  Schule  verlangt  wird;  immerhin  aber  Ist 
es  richtig,  daß  die  Schule  sich  nach  den  Eulturzuständen  und  Bildungen 
t)edfirfhissen  der  Zeit  richten  müsse  und  daß  „die  Bekanntschaft  mit  den 
wichtigsten  Tatsachen  und  Gesetzen,  namentlich  des  wirtschaftlichen 
Lebens,  heutzutage  einen  wesentlichen  Bestandteil  der  allgemeinen  Bildung 
ansmacht'*).  Es  kommen  eben  Zeitperioden,  in  welchen  das  Leben  sich 
liegen  die  Schule  wendet,  und  wenn  es  auf  Bildungsstoffe  stößt,  von  welchen 
es  keinen  Gebrauch  mehr  macht,  trachtet  es,  sie  abzustoßen  und  durch 
andere  zu  ersetzen.  So  finden,  wie  G.  Friedrich  sagt*),  von  Zeit  zu  Zeit 
AeTisionen  statt,  alte  Bildungsstoffe  fallen,  neue,  den  Bedürfhissen  der 
Gegenwart  entsprechende,  werden  eingeführt,  vor  aUem :  einzelne  Fächer 
werden  in  ihrem  Betrieb  unter  andere  Gesichtspunkte  gestellt. 

In  einer  solchen  Zeitepoche  befinden  wir  uns  auch  jetzt.  Dem 
aUgemeineii  Empfinden,  daß  Lehrmethoden  und  Lehrstoffe  einer  Umwertung 
bedürfen,  kam  die  Mittelschulenquete  entgegen,  in  der  Ton  vielen 
Seiten  anerkannt  wurde,  daß  fast  im  Mittelpunkte  unseres  Denkens  die 


')  £.  Moormeister,  «Über  yolkswirtscbaftliche  Belehrungen  im 
Unterricht  der  höheren  Schulen'',  8.  5  ff.  (Beil.  zum  Jahresbericht  über 
das  Gymnasium  zu  Schlettstadt  1888/89).  Vgl.  auch  B.  Sehmidt-Warnecke, 
•Die  llotwendigkeit  einer  sozialpolitischen  Propädeutik**  (Berlin  1886). 

*)  »Die  höheren  Schulen  und  die  Gegenwart*,  S.  4  (Leipzig  1896). 
Er  bricht  auch  über  die  Philosophie  den  Stab,  „ihre  InsolTenzerklämng 
ist  eine  Tollständige  und  die  Menschheit  sieht  sich  nach  einem  Ersatz 
un*-,  ein  solcher  sei  in  der  Soaialwissenschaft  gefunden,  denn  die 
sozialen  Probleme  sind  ein  Gegenstand  allgemeinsten,  ja  leidenschaftlichen 
luteressei. 


462  Über  loziologUche  Belehrungen  in  der  Mittelschale.  I. 

politiaehen,  sozialen  und  wirtschaftlichen  Probleme  stehen  nnd  da6  es 
daher  Pflicht  der  Schule  sei,  sich  mit  diesen  Fragen  mehr  zu  befassen. 
Und  in  der  Tat:  je  mehr  Anteilnahme  das  öffentliche  Leben  Ton  jedem 
einielnen  Staatsbtirger  fordert  nnd  je  grOßer  die  Y^rantwortnng  ist,  die 
infolge  der  Yerallgemeinening  des  Wahlrechtes  anf  jedem  lastet,  der  in 
gesetigebenden  Körperschaften  oder  autonomen  Verbänden  zur  Entschei- 
dung tber  wichtige  Fragen  des  öffentlichen  Wohles  mitbemfen  ist, 
desto  mehr  wendet  sich  das  Interesse  der  Pädagogen  und  Soxialpolitiker 
der  Frage  der  Behandlung  gesellschaftlicher  nnd  wirtschaft- 
licher Angelegenheiten  schon  in  der  Schule  zu.  Uad  so  kündigte  denn 
auch  der  ünterrichtsminister  in  der  Enquete  an,  dsA  der  Geschieht«- 
Unterricht  in  der  obersten  Klasse  eine  derartige  Ausgestaltung  erfahran 
werde,  daß  die  Yaterlandskunde  in  der  erweiterten  Form  der  Soziologie 
als  besonderer,  den  Geschichtsunterricht  abschließender  Gegenstand  wird 
eingeführt  werden;  es  sollen  demnach  in  den  historischen  Unterrieht, 
mehr  als  dies  bislang  geschehen  ist,  die  rechtlichen,  sozialen  und  ökono- 
mischen Momente  einbezogen  werden. 

Mit  der  Durchführung  dieser  Maßnahmen  —  wenn  anders  man 
unter  dem  Sammelbegriff  »Soziologie*  die  Elemente  der  gesamten  sozialen 
Disziplinen  zu  yerstehen  hat  —  werden  nun  wohl  alle  jene  zufrieden- 
gestellt werden,  welche  der  Schule  die  Aufgabe  zuweisen,  sich  auch  mit 
jenen  Fragen  zu  befassen,  an  deren  Lösung  heute  fast  jederman  beteiligt 
ist,  damit  sie  ihren  Schillern  einen  Einblick  in  das  Wesen  der  menschlicheo 
Gesellschaft  und  eine  zum  mindesten  elementare  Kenntnis  des  modernen 
Staates  und  seiner  Einrichtungen  gewähre,  denn  ^ wichtiger  als  die  Kenntnis 
des  Staatslebens  der  alten  Yölker  ist  die  Bekanntschaft  nnserer  Jngeod 
mit  den  Yerhältnissen  unseres  eigenen  Staats-  nnd  Gemeindelebens*  ^)  oder 
in  minder  schroffer  Form  ausgedrückt:  «Das  Studium  der  Yergangenbeit 
ist  wertvoll,  aber  noch  wertroller  ist  es,  wenn  der  deutsche  Staatsbürger 
die  Formen  des  öffentlichen  Lebens  seiner  eigenen  Zeit  gründlich  kennt . . . 
Es  gibt  nichts,  was  geeigneter  wäre,  die  jungen  Leute  zu  scharfem 
sozialem  Denken  zu  schulen,  sie  von  selbst  zum  Respekt  vor  den  histoiiscfa 
gewordenen  Zuständen  zu  führen,  als  die  Beschäftigung  mit  dem  Staats- 
leben  unserer  eigenen  Zeit**'). 

Es  wird  sich  nun  zunächst  um  eine  genaue  Abgrenzung  der  neuen 
Disziplin  handeln,  um  die  Festlegung  des  Notwendigsten,  was  jeder  ans 
dem  Gebiete  der  Staats-  und  Gesellschaftskunde,  wie  Dörpfeld")  die 
Zusammenfassung  dieser  Kenntnisse  genannt  hat,  wissen  soll,  um  auf- 
tauchenden Fragen,  die  sich  mit  diesen  Yerhältnissen  befassen,  nicht 


")  M.  Griep,  «Bürgerkunde«,  Yorwort  (Leipzig  1901). 

')  G.  Hoffmann  und  E.  Groth,  .Deutsche  Bürgerkunde',  Yorrede 
(5.  Aufl.   Leipzig  1908). 

")  YgL  F.  W.  Dörpfeld,  „Grundlinien  einer  Theorie  des  Lehrplanes' 
(Gütersloh  1908);  £.  Oppermann,  „F.  W.  Dörpfeld''  (Männer  der  Wissen- 
schaft, heransgeg.  von  J.  Ziehen;  Berlin,  Heft  3,  Leipzig  1905)  und  Tb. 
Franke,  „Aufnbe,  Umfang,  Stellung  und  Unterrichtsbetrieb  der  (jssell- 
Schafts-  oder  Sürgerkunde**  (Bepertonum  der  Pädagogik,  50.  Bd.,  10.  Heft; 
Ulm  1896). 


über  souologiBcbe  Belebrungen  in  der  Mittelscbule.  I.         463 

giDi  Tentindnislos  gegenüberzustehen.  Doch  sei,  ebe  wir  an  eine  Elar- 
stelluog  dieser  Frage  schreiten,  ein  kurzer  geschichtlicher  Abri0  der 
wnalpoiitscheDy  auf  die  Schale  übergreifenden  Bewegung  vorausgeschickt. 
Schon  die  großen  Pädagogen  des  XYIIL  Jahrhunderts,  wie  Comenius, 
LockSi  Felbiger,  Basedow  und  Diesterweg  verlangten  ebenso  wie  spater 
Fichte  eine  staatsbürgerliche  Erziehung  der  Jugend;  es  erschienen  auch 
Schriften  zu  diesem  Zwecke,  doch  waren  sie  zumeist  in  parteimäßigem 
Sinnt  abgefaßt  Als  aber  in  den  Siebtigerjahren  des  yorigen  Jahrhunderts 
in  Deotsehland  die  staatsfeindlichen  Parteien  auftauchten,  befaßte  man 
lidi  wieder  mit  der  Frage,  wie  die  Jugend  in  richtiger  Weise  über 
stutsrechtliche  und  volkswirtschaftliche  Fragen  unterwiesen  werden 
kdnnteb  um  spftter  nicht  auf  politische  Abwege  zu  geraten.  In  rascher 
Folge  erschienen  die  Schriften  von  Ddrpfeld^),  Pache*),  Patuschka*), 
Mittenzw^^),  Mahraun^)  u,  a.  Auch  die  Deutsche  Adelsgenossenschaft 
und  die  Qesellschaft  für  Verbreitung  von  Volksbildung  in  Berlin  griffen 
in  die  Bewegung  ein*);  dem  erstgenannten  Vereine  gab  Minister  v.  Goßler 
schon  im  Jahre  1887  auf  eine  Eingabe  die  Antwort,  daß  eine  dem  Ver- 
itindnisse  der  Jugend  angemessene  Belehrung  über  die  Grundsätze  des 
stutlichen  und  bürgerliehen  Lebens  und  über  die  volkswirtschaftlichen 
Verhaltnisse  sehr  wohl  schon  die  Aufgabe  der  Volksschule  sein  könne  ^. 


>)  «Gesammelte  Schriften«*  (Gütersloh  1903);  X.  Band:  „Sozial- 
psdAFogiscfaes  und  Vermischtes**.  Über  Dörpfelds  bahnbrechende  Tätigkeit 
auf  dem  Gebiete  der  SozialDldagogik  ist  eine  reiche  Literatur  vorhanden, 
die  sich  vornehmlich  an  aen  Namen  J.  Trüpers  knüpft,  dessen  Mono- 
gnphie  JF.  W.  Dürpfelds  soziale  Erziehung  in  Theorie  und  Praxis* 
(Gfttefsloh  1901)  große  Beachtung  fand.  1^1.  P.  Natorp,  «Dörpfelds 
wnale  Eraiehung**  (Deutsche  Schule,  VL  Jahrg.,  Februar  1902).  ^  Ober 
Begriff  und  Umfang  der  Sozialpädagogik  herrschen  bekanntlich  die  ver- 
idtiedensten  Anschauungen  (vgl.  u.  a.  ^Zur  Orientierung  über  den  Begriff 
Sonalpädagoeik**,  Die  deutsche  Schule,  IV.  Jahrg.,  5.  Heft,  S.  805  ff., 
ferner  J.  Edelheim,  .Beitrage  zur  Geschichte  der  Sozialpädagogik**,  Berlin 
1902  und  P.  Natorp,  «Sozialpädagogik**,  Stuttgart  1898,  sowie  „Sozial- 
padsgcfik**,  Dokumente  des  Fortschritts;  L  J^rg.,  5.  Heft,  1908). 

')  «Gesetzeskunde  und  Volkswirtschaftskunde''  (Wittenberg  1886). 

^  «Volkswirtschaft  und  Schule**  ((}otbal888);  „Volkswirtschaftliches 
iMebneh  für  Jedermann**  (Gotha  1889). 

*)  «Geeetseskunde  in  Verbindung  mit  Volkswirtschaftslehre  als 
ünterrichtsdisziplin**  (Gotha  1889);  «Vierzig  Lektionen  über  die  vereinigte 
6«setseskunde  und  Volkswirtschaftslehre**  (Gotha  1894). 

')  «Volkswirtschaftliches  Lesebuch  zum  ünterrichtsgebrauch  ** 
(Berlin  1898). 

J)  Den  Anregungen  dieser  beiden  Körperschaften  hat  man  das 
vortreffliche  Büchlein  von  P.  Jende.  „Über  aie  Einfahrung  der  Volks- 
wirtschaftslehre in  den  üffentlichen  Yolksschulunterricht**  (Deutsche  Zeit. 
Qnd  Streitfragen.  Neue  Folge.  IV.  Jahrg.,  Heft  57)  zu  verdanken,  das 
sich  an  desselben  Verfassers  Broschüre  „Schule  und  Volkswirtschaft*^ 
(Berlin  1886)  anschließt 

*)  Eine  vrertvolle  Anregung  zur  Behandlung  politischer  und  volks- 
wirtschaftlicher Fragen  an  höheren  Schulen  hat  J.  Jannasch  1882  im 
Berliner  Bealschulmännerverein  gegeben ;  dann  haben  H.  Schiller  (Zeitschr. 
f.  Gvmnasialwesen,  1888),  Moldenhauer  (Kölnische  Zeitung,  1888,  Nr.  246 
bis  248),  Nachtigall  (Progr.  der  Remscheider  Gewerbeschule,  1888)  un^ 


464  Über  sosiologische  Belehrangen  in  der  Hittelflehnle.  I. 

Im  Jahre  1889  erschien  dftnn  die  bekannte  KaMneteordre  dei 
dentsehen  Kaisers,  worin  es  hieß,  es  sei  der  Jagend  schon  in  der  Schule 
die  Übenengung  za  Yerschalfen,  daß  die  Leluren  der  Sodaldeniokratie 
nicht  nnr  den  göttlichen  Geboten  nnd  der  christlichen  Sittenlehre  wider- 
sprechen, sondern  in  Wirklichkeit  nnansführbar  und  in  ihren  Konse- 
quenzen dem  Ganzen  wie  dem  Einzelnen  gleich  yerderblieh  seien.  Die  neaen 
Lehrpläne  von  1891  sehrieben  daher  schon  soiialpolitiscbe  Belehnrngeo 
fUr  die  höheren  Schulen  yer.  In  deA  Erläuterungen  zn  dieeen  Lehiplinen 
hieß  es  unter  anderem :  »Namentlich  wird  den  Schülern  Anleitung  za 
geben  sein,  daß  sie  solche  Erscheinungen  des  geistigen  und  Wirtschaft 
liehen  Lebens,  die  von  wesentlichem  Einflüsse  auf  die  Yolksentwicklrag 
gewesen  sind,  genügend  würdigen  lernen  •  •  .  Die  wirtsehaftliehen  Be- 
strebungen werden  sich  überall  da  in  den  Gang  der  Geachiehte  eta- 
flechten  lassen,  wo  die  Lösung  sozialer  Aufgaben  und  wirtschafUieber 
Probleme  yersucht  worden  ist.  Wo  die  Gesohichte  der  leMen  Jshr- 
hunderte  Anlaß  bietet,  die  sozialpolitischen  Maßnahmen  der  eoropäiidien 
Kulturstaaten  vor  Augen  za  führen,  ist  der  Übergang  zur  Daretellun; 
der  Verdienste  unseres  Herrscherhauses  um  die  Förderung  des  Yolkt- 
wohles  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  von  selbst  gegeben.* 

Damit  war  förmlich  der  Weg  gewiesen,  der  beschritten  werden 
sollte,  um  Sozialpolitik,  nach  der  staatlichen  Seite  hin  gelenkt,  in  dM 
Schule  zu  treiben;  es  wurde  dabei  jede  Erörterung  der  sonalistischai 
Theorien  ausgeschlossen,  sondern  gegenüber  diesen  Bestrebungen  sollte 
lediglich  eine  geschichtliche  Entwicklung  des  Verhältnisses  der  Stände 
untereinander  und  der  Lage  der  arbeitenden  Klassen  insbesondere  in  objek- 
tiver Darstellung  gegeben  werden.  In  einem  späteren  ErhUS  wurde  neck 
verfügt,  daß  im  unterrichte  dabin  gewirkt  werden  solle,  das  Verständnis 
für  die  Arbeiterschutx-  und  Versicherungsgesetze  bei  der  Jugend  n 
wecken;  als  geeignete  Unterrichtsfacher,  bei  welchen  solche  Belehrungen 
angebracht  werden  können,  wurden  der  Geschiehts*-  und  der  Beohenunter^ 
rieht  bezeichnet. 

Es  entstanden  nunmehr  viele  Bücher  für  den  einschlägigen 
Unterricht,  deren  Verfasser  sich  bestrebten,  den  in  der  KabinetM>rdre 
geäui^erten  Wünschen  nachzukommen.  Überdies  beschäftigten  sieh  die 
Direktorenversammlungen  ^)  und  zahlreiche  Schulprogramme  inabesonders 


Oelsner  (Progr.  der  Wöhlerschule,  1885)  über  Art  und  Methode  dieses 
Unterrichtes  gehandelt.  Nähere  Literatarangaben  aas  der  älteren  Zeit 
findet  man  bei  C.  Endemann  «Staatslehre  und  Volkswirtschaft  auf  höheren 
Schulen''  (Bonn  1895),  S.  5  ff.  Dort  wird  besonders  auf  K.  Fischer, 
^Staats-,  Wirtschafts-  und  Sozialpolitik  auf  höheren  Lehranstelten*  (Ptogr. 
des  Realgymnasiums  zu  Wiesbaden  1892)  und  auf  desselben  Verfsssers 
größeres  Werk  „Grundzüge  einer  Soziaipädagogik  und  Sozialpolitik' 
(Eisenach  1895)  verwiesen,  dessen  Abschnitt  „Die  sozialpolitische  Arbeit 
in  der  Schule''  (S.  307^370)  ungemein  wertvolle  Winke  für  die  Methodik 
dieses  Unterrichtes  gibt 

')  Ganz  besonders  die  V.  Direktorenversammlunff  der  Rheinproms 
(1893),  die  eine  Reihe  grundlegender  Leitsätze  (abgedruckt  bei  Schenk, 
„Hilfsbuch  zu  den  Belehrungen  über  wirtschaftliche  und  gesellsehaft- 
liche  Fragen  im  Unterricht  auf  der  Oberstufe",  Leipzig  1896)  über  diese 
Frage  aufstellte. 


Ober  soziologisehd  BelebruDgen  in  der  Mittelschule.  I.  465 

mit  der  Frage»  wie  der  Gescbichtsanterricbt  für  die  sozialpolitische 
Eniehang  der  Jugend  nutzbar  gemacht  werden  könnte.  Fast  allgemein 
trat  man  für  eine  sozialpolitische  Propädeutik  ein,  die  politische  und 
wirtschaftliche  Kenntnisse  zu  übermitteln  hätte,  aber  ebenso  allgemein 
war  die  Anachauung,  daß  hiezu  kein  besonderer  ünterrichtsgegenstand 
nötig 'sei^  sondern  daß  man  in  den  Geschichtsunterricht  derartige  Be- 
lehmngen  einschalten  könnte,  zum  Teil  auch  in  den  DeutBcbunterricbt  *). 
Der  letzte  £rlalS  der  preußischen  ünterrichtsverwaltung  über  sozial- 
politische Belehrungen  stammt  aus  dem  Jahre  1902;  es  heißt  in  demselben, 
daß  die  Sozialpolitik  bei  passender  Gelegenheit  in  der  Schule  zu  pflegen 
und  den  Schülern  Verständnis  für  dieselbe  beizubringen  sei,  indem  auf 
den  Vorteil  hingewiesen  wird,  der  dem  Staat  aus  der  sozialen  Gesetz- 
gebong  erwächst 

In  Österreich  reicht  die  Bewegung  für  Einführung  einer  Staats- 
bfirgerlicfaen  Unterweisung  auch  schon  sehr  weit  zurück.  In  Prag  erschien 
bereits  im  Jahre  1793  ein  „Lehrbuch  für  Landschulen"  mit  einem  Anhang 
»Pflichten  der  Untertanen  gegen  ihren  Monarchen*;  im  Jahre  1826 
erschien  daselbst  ein  „Lesebuch  für  Wiederholungsschulen,  oder  Inbegriff 
des  Notwendigsten,  was  ein  jeder  als  Mitglied  der  bürgerlichen  Gesell- 
schaft wissen  soll*'.  In  den  folgenden  Jahrzehnten  erschienen  größere 
lud  kleinere  Werke,  die  sieh  mit  yolkswirtschaftlichen,  rechtskundlichen 
und  Terfassnngsknndlichen  Fragen  befaßten;  hieher  gehören  besonders 
die  Schriften  des  „Deutschen  Vereines  lur  Verbreitung  gemeinnütziger 
Kenntnisse  in  Prag**),  eine  „Populäre  Bechtskunde**  von  Brockhausen  und 
Bmhns  (Wien  1883),  die  sehr  interessante  Monographien  von  £.  Stein- 
bach: „Die  Eechtskenntnisse  des  Publikums«  (Wien  1878)  und  C.  Seefeld: 
»Zar  Verbreitung  der  Bechtskenntnis**  (Hamburg  1890),  der  „Leitfaden 
der  Verfassungskunde  der  österr.-ungar.  Monarchie**  von  Dr.  M.  Burckhard 
(Wien  1895),  femer  „Österreichische  Bechtskunde  für  jedermann''  von  Dr. 
A.  Seidl  (Wien  1904),  „Bechtskunde  für  jedermann*  von  Dr.  W.  Eowarz 
(Linz  1903),  „Leitfaden  der  österr.  Bechtskunde"  von  Dr.  J.  y.  Baechle 
(Innsbrnck  1905)»  „Verkehrs-  und  politische  Geographie  sowie  österr. 
Verfassung  und  Verwaltung"  von  Dr.  F.  Bachmann  (Wien  1908)  u.  a.  m. 

Einen  neuen  Impuls  erhielt  die  Bewegung  durch  die  Bektoratsrede 
Ton  A.  Exnar  (Wien  1891)  über  „Politische  Bildung^',  in  welcher  der  Tief- 

^)  In  eingehender  Weise  erörtern  dies  U.  Gaede:  „Zur  Behandlung 
iresellsehaftlicher  und  wirtschaftlicher  Fragen  im  Geschichtsunterricht 
der  höheren  Schulen«  (Lehrproben  und  Lehrgänge,  4.  Heft;  1901,  S.  47 
—62),  ferner  Edm.  Ulbricht:  „Über  die  Verwertung  des  Geschichtsunter- 
richts auf  Gymnasien  zur  politischen  Erziehung  unseres  Volkes«  (Progr. 
des  kgL  OTmnasiams  zu  Dresden-N.  1893),  ferner  A.  Bär:  „Ober  die 
Staat»-  und  Gesellschaftskunde  als  Teil  des  Geschichtsunterrichts*  (Gotha 
1898).  Von  demselben  Verf.  besitzen  wir  auch  eine  „Wirtschaftsgeschichte 
Qod  Wirtschaftslehre  in  der  Schule«  (Gotha  1902),  die  als  brauchbarer 
Ijshrbehelf  angesehen  werden  kann,  da  sie  Stoffe  und  Betrachtungen  zur 
Ergänsfing  dee  Geschichtsunterrichts  enthält. 

•)  »Katechismus  der  Volkswirtschaftslehre«  (Prag  1878) ;  „Populäre 
Qe8etsesknnde«(Praff  1884);  „Katechismus  d.  Staatsverfassung  Österreichs«, 
a.  Aufl.  (Piag  190^. 

Ztitickrift  f.  d.  tot«rr.  Oyan.  1908.  T.  Heft.  80 


466  Über  sosiologisehe  Belehrangen  in  der  Mittelschule.  I. 

8Umd  dieser  Bildung  selbst  bei  den  fahrenden  Standen  der  Gegenwart 
beklagt  wurde.  »Unsere  Zeit**,  sagte  Einer/)  »faUt  in  ein  Jahrhimdert 
blfthender  naturwissenschaftlicher,  sehr  abgeschwächter  ästhetischer,  aber 
kfimmerlicher  und  zurftckgebliebener  politischer  Bildung**  und  er  propheieit : 
«Das  XJL  Jahrhundert  wird  ein  politisches  sein,  wer  ihm  gewachsen 
sein  will,  wird  politischer  Bildung  bedürfen.*  *)  Er  stellte  deshalb  die 
Notwendigkeit  ausreichender  politischer  Bildung  fest,  weil  nur  auf  dieae 
Art  eine  erhöhte  Pflege  des  patriotischen  Geistes  in  der  studierenden 
Jugend  erxielt  werden  könne.  Ihm  erwiderte  F.  Tesner  in  seiner  Schrift 
politische  Bildung  und  Patriotismus**  (Wien  1897);  er  untersog  die  These 
Einers:  durch  politische  Bildung  zum  Patriotismus,  einer  gr&ndlichen 
Prüfung  und  fand,  daü  Einer  die  Wirkungen  der  ersteren  für  die  Heboog 
des  Patriotismus  überschätze;  allein  trotzdem  sei  ein  staatsbürgerlicher 
Unterricht  notwendig»  doch  nicht  erst  auf  den  Universitäten»  sondern 
schon  früher,  denn  politische  Bildung  ist  «das  einzige  Mittel,  um  das 
Verständnis  des  Yolkes  für  seine  öffentlichen  Einrichtungen  und  sein 
gesamtes  öffentliches  Wesen  zu  heben  und  dAS  einzige,  menschlichtr 
Macht  zugängliche»  wenn  auch  uuTollkommene  Mittel,  um  brauchbare 
Arbeiter  im  Dienste  der  staatlichen  Gemeinschaft  heranzubilden* 
(ibid.  &  73)8). 

Seither  hat  die  Angelegenheit  nicht  geruht,  indem  sowohl  f&r 
Volks-  und  Bürgerschulen,  als  auch  für  Mittelschulen  derartige  Unter- 
weisungen in  der  Fachpresse  und  auf  Kongressen  gefordert  worden  sind. 


>)  ibid.  S.  22. 

^)  Schenk  («Hilfsbuch  zu  den  Belehrungen  Über  wirtschaftliche 
und  gesellschaftliche  Fragen  im  Unterricht  auf  der  Oberstufe*)  drückt 
dies  mit  den  Worten  aus:  „Das  kommende  Jahrhundert  bedarf  ganser 
Männer,  voller  Einsicht  in  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Verhält- 
nisse des  Zeitalters,  Männer  von  politischer  Durchbildung  und  geschicht- 
licher Schulung**  (8.  IV),  und  Asbach  machte  in  der  V.  rheinischen 
Direktorenversammlung  (1893)  darauf  aufmerksam,  daA  „am  Anfang 
unseres  Jahrhunderts  Ästhetik  und  Literatur  die  Brennpunkte  des  geistigen 
Lebens  waren,  daß  dann  die  Bildungsinteressen  sich  philosophis^en 
Problemen  zuwendeten,  bis  sich  dann  wieder  der  Geist  der  gesamten 
europäischen  Gesellschaft  mehr  und  mehr  einseitig  mit  naturwissenschaft- 
licher Bildung  erfüllte,  endlich  aber  seit  den  Secbzigerjahren  unter  dem 
Einflasse  der  gewaltigen  politischen  Begebenheiten  die  Aufmerksamkeit 
der  Menschen  auf  das  politische  Leben  in  den  Verfassungsstaaten  and 
auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  richtete.* 

^)  Vorher  schon  hatte  F.  Stoerk  in  seiner  Schrift  „Der  staatsbürger- 
liche Unterricht**  (Freiburg  i.  B.  1893)  den  Gedanken,  den  Kaiser  Wü- 
heim  bei  der  Berliner  Schalkonferenz  ausgesprochen,  daß  das  deutsche 
Volk  zur  Erkenntnis  der  wesentlichsten  Begriffe  des  modernen  Staatslebens 
geführt  werden  müsse,  methodisch  ausgeführt  und  den  Einfluß  gezeigt,  den 
eine  staatsbürgerliche  Propädeutik  auf  die  Entwicklung  des  Staats-  und 
Rechtsgefüfals  im  Volke  und  damit  auch  auf  die  Bechtswissensdttfk 
selbst  nehmen  würde;  dann  fährt  er  fort:  ^Die  Schule  kann  und  mnft 
unserem  Eulturstaaate  hilfreiche  Hand  bieten»  um  jene  Millionen  ver- 
blendeter Volksgenossen  wieder  zu  gewinnen,  die  jetzt,  in  traumhaften 
Vorstellungen  üoer  die  Leistungskrut  des  Staates»  sein  physisches  Ün- 
▼ormögen  bloß  seinem  bösen  Willen  zuschreiben  und  duier  das  GUtek 
der  Zukunft  in  einer  staatenlosen  Welt  zu  finden  hoffen*  (ibid.  S.  21). 


über  soxiologische  Belehrnngen  in  der  Mittelsehnle.  I.         467 

Ffir  Bttrgerscbnlen  ist  durch  die  neuen  Normallehrpläne  vom  15.  Juli  1907 
für  einen  solchen  Unterricht,  der  auch  Yolkswirtschaftliche  Belehrungen 
nicht  ausschließt,  yorgesorgt  worden  i).  Doch  ist  es  nur  natürlich,  daß 
solche  Unterweisungen  auch  an  den  Lehrerbildungsanstalten,  an  Fach- 
und  Portbildungsschulen,  wie  überhaupt  an  allen  Schulen,  die  ihre 
Zöglinge  sofort  ins  praktische  Leben  entlassen,  eingeführt  werden*). 

Was  die  Mittelschule  anbelangt,  so  sei  in  erster  Linie  auf  die 
Yerhandlungen  des  YI.  Deutsch-österreichischen  Mittelschultages  (1897) 
renriesen;  Prof.  Dr.  L.  Singer  erstattete  daselbst  ein  Referat  fiber  »Poli* 
tische  und  wirtschaftliche  Bildung  durch  die  Mittelschulen",  in  welchem 
er  lebhaft  fttr  eine  staatsbürgerliche  Erziehung  der  Jagend  eintrat,  der 
ioeh  die  Instruktionen  für  Gymnasien  nicht  entgegenstehen,  so  daß  deren 
Einfügung  auch  schon  im  Bahmen  des  gegenwartigen  Lehrplanes  möglich 
sei  Ks  wurde  damals  eine  Kommission  eingesetsi,  die  sich  eingehender 
mit  der  Frage  befassen  sollte;  doch  hat  man  von  deren  T&tigkeit  nichts 
weiter  gehört,  wiewohl  die  Versammlung  sich  fast  einstimmig  für  eine 
solche  Unterweisung  aussprach« 

Im  zweiten  Jahresberichte  der  Staatsrealschule  im  10.  Bezirke  in 
Wien  (1904)  hat  Prof.  G.  Mayer  in  einem  Aufsätze  „Yolkswirtschafts- 
lehre  in  der  Mittelschule'*  ebenfalls  den  Nachweis  geführt,  daß  eine  Ein- 
beziehung der  Nationalökonomie  in  den  Unterricht  keine  Überbürdung 
der  Jugend  bedeutet,  daß  im  Gegenteile  ein  Interesse  für  diesen  Unter- 
richt, wo  es  noch  nicht  yorhanden  sein  sollte,  wachgerufen  wird;  er  legte 
sodann  eingehend  dar,  wie  solche  Belehrungen  in  die  sich  beim  Unter- 
richt in  Geschichte,  Geographie  und  im  Deutschen  ergebenden  Lücken 
eingeschoben  werden  könnten;  besser  stünde  es  jedoch  freilich,  wenn 
dieser  Disziplin  im  zweiten  Semester  der  obersten  Klasse  ein  eigener 
Teil  des  Unterrichtes  gewidmet  wäre. 

Wie  die  Demostheneslektüre  für  einen  bürgerkundlichen  Unterricht 
natibar  gemacht  werden  könnte,  hat  Prof.  J.  Mayer  im  79.  Heft  der 
Lehiproben   und  Lehrgänge')  gezeigt;  er  will  Belehrungen  über  Yer- 


1)  Für  diese  Schulkategorie  hat  insbesondere  die  „Wiener  päda- 
gogische Gesellschaff*  oft  und  eindringlich  den  Ruf  nach  solchen  Be- 
lehrungen erhoben  (?gl.  „Pädagogisches  Jahrbuch^  1882:  A.  Bruhns, 
nWie  ist  die  Jugend  für  das  politische  Leben  Torzubereiten?*;  1887: 
L.  Fleischner,  „Pflichten  und  Rechte  in  der  bürgerlichen  Gesellschaft  — 
»U  ünterrichtsffegenstand**;  1895:  F.  Frank,  „Über  staatsbürgerliche 
Erriehnng*;  1901:  A.  Bruhns,  „Wie  kann  die  Volks-  und  Bürgerschule 
ihre  ZögUnge  für  die  spätere  Ausübung  ihrer  staatsbürgerlichen  Rechte 
und  Pflichten  yorbereiten  ?* 

*)  Vgl  hiezu:  J.  M.  Hinterwaldner:  „Zur  Frage  der  Einführung 
einer  Bürgerknnde  an  den  österr.  Volks-  und  Büreerschulen**  (Zeitschr. 
fOr  das  österr.  Volksschulwesen,  VII.  Jahrgang,  UL/IV.  Heft),  femer 
L.  Fleischner:  „Der  Unterricht  in  der  Bürgerkunde''  und  „Staatsbürger- 
liche Erziehung-  (ibid.  VII.  Jahrg.,  8./9.  Heft  und  XVIIL  Jahrp.,  8./9. 
Heft)  sowie  desselben  Autors  „Der  Unterricht  in  der  Bürgerkunde''  und 
^Znr  Frage  des  Unterrichts  in  der  Bürgerknnde"  (Beil.  zur  Allgemeinen 
Zeitung,  München  1896,  Nr.  281  und  1900,  Nr.  203). 

*)  „Über  staatsbürgerliche  Erziehung  durch  die  Demosthenes- 
lektüre« (Halle  a.  S.  1904). 

ao* 


468  Über  soziologische  Belehnmgen  in  der  Mittelschnle.  I. 

fassongs-  und  Gesetzeskonde  sowie  über  Yolkswirtschaftslehre  an  passenden 
Stellen  dieser  Lektüre  einschalten,  da  gerade  diese  Beden  ersichtlich 
der  Vorbildung  für  das  Staatsbürgertum  dienen,  wie  man  dies  auch  tob 
Bismarcks  Beden  gesagt  hat^).  Auf  die  Bedeutung  des  klassischen  Alter- 
tums für  die  politische  Erziehung  des  modernen  Staatsbürgers  hat  nbrigeos 
schon  B.  Pöhlmann*)  aufmerksam  gemacht  und  darauf  hingewieaeD, 
daß  das  humanistiBche  Gymnasium  die  zu  maßgebendem  Einfloß  auf  das 
Volksleben  berufenen  Kreise  nicht  in  der  Weise  yorbilden,  wie  es  im 
Interesse  der  Erhaltung  des  modernen  Staates  und  der  Durchführung 
seiner  sozialen  Aufgaben  erwünscht  wäre*).  (Schluß  folgt) 

Budweis.  Ludwig  Fleiscbner. 


^)  Vgl.  A.  Baumeister:  „Die  Beden  des  Fürsten  Bismarck  als 
Lektüre  für  die  obersten  Klassen  höheren  Schulen*  (Lehrproben  imd 
Lehr^ee  19(^  2.  Heft).  Auch  Otto  Liermann  hat  in  einem  Vortnge: 
„Politische  und  soziale  Vorbildung  durch  das  klassische  Altertum'  (Heidel- 
berg 1901)  in  dieser  Hinsicht  auf  die  Beden  des  Demosthenes  Terwieaeo. 
?Beil.  zur  Allgem.  Zeitung,  München  1891,  Nr.  31  und  32. 
Wie  eine  solcne  Aufgabe  besonders  durch  den  Bechtsunterricht 
an  den  landwirtschaftlichen  Lehranstalten  der  mittleren  Kategorie  gdöet 
werden  könnte,  hat  A.  Seidl  in  einem  vortrefflichen  Aufsätze,  der  auch 
Literaturangaben  über  die  für  diese  Schulkategorie  bestimmten  Bacher 
und  einen  Lehrplan  enthält,  in  der  „Land-  und  Forstwirtschaftlichen 
ünterrichtszeitnng*'  (IX.  Jahrg.,  2./3.  Heft)  gezeigt. 


Vierte  Abteilung. 

Miszellen. 


Die  Allwissenheit  der  Erzähler. 

Mdne  Darlegungen  In  den  Wiener  Stadien  XXVIII  (1906),  8.  209 
mSebte  ieh  hier  doreh  einige  Bemerkungen  ans  der  neueren  Literatw 
ergioxen.  Tbakeraj  rUhmt  sieh  der  Allwiuenheit  des  Bomaniehreibers. 
AUwiaieod  xn  sein  hinsichtlieh  der  Personen  ihrer  Werke  behaupten  anch 
deutsche  Schriftsteller.  Fr.  Beater,  De  meckelnbOrgMben  Montecchi  and 
Capalotti,  Kap.  16,  beriditet  von  dem  Briefe,  den  der  alte  Jahn  an  seinen 
Sohn  sehreibt,  and  bemerkt  daia:  „Keiner  kreg  dat  tau  weiten;  twer 
vat  wi  Sdiriwwtstellers  an  Bedigörs  von  de  Zeitangen  an  Beriehterstatters 
tAnd,  dringen  ans  in  jedweder  Geheimnis  in,  an  as  de  oll  Jahn  siek  taom 
Sehriwen  henset'te,  keck  ick  denn,  ahn  dat  hei  't  ahnte,  äwer  de  Schaller 
OD  las  siaen  Breiw*.  Ähnlich  wie  sich  Tbakeraj  den  Besitier  der  Ge- 
beimsisse  Bebekkas  nennt,  dringt  sich  nach  Baater  jeder  Schriftsteller 
ia  die  Geheimniue  aller  ein.  Laani^  fBgt  er  die  Bedakteare  der  Zeitangen 
ond  die  Berichterstatter  hinsa,  da  sie  idles  wissen  wollen.  Beater  sdiaat 
dem  Schreibenden  Aber  die  Schaltern  in  den  Brief.  Nicht  viel  ?erschieden 
iit  es,  wenn  Blamaaer  behauptet,  er  allein  habe  der  Jano  lagehört  In 
der  40.  Strophe  des  siebenten  Baches  der  Äneide  liest  man: 

(Praa  Jono)  hielt,  in  ihr  Boadoir  Tersperrt, 
Worin  nur  ich  ihr  sagehOrt, 
Dies  Selbstgesprich  darüber. 

Smichow.  Dr.  Job.  Endt. 


Literarische  Miszellen. 

Lateinische  Satzlehre  für  Beformanstalten.  Von  Theodor  Ntiien, 
Oberlehrer  am  Beform-Bealgymnasiam  in  Kiel.  Preis  geb.  )  Mk.  80  Pf. 
Leipsig,  G.  Freitag;  Wien,  F.  Tempsky  1907.  133  SS. 

Auf  nicht  gans  120  Seiten  wird  die  lateinische  Satslehre  beha^"^  ** 
«▼eigleiehsweise  f&hre  ich  an,  daß  in  meiner  Schalgramm&tik  dU 
116  Seiten  geschieht).  Der  Stoff  ist  wie  bei  Schmali- Wagen  er  cncl 
teilen  geerdnet,  doch  so,  daß  das  ZasammengehOrige  nicht  lerritsei 

Originelle  Gedanken  sacht  man  natflrlich  in  einem  aokbea 
bocke  nicht,  wflrde  es  auch  yergebens.    Die  Darstellung  ist  mcl 


470  liineUeiu 

und  bündig;  wiederholt  fftllt  la  gto&e  Kfirae  auf,  i.  B.  §  29,  Appositioo 
mid  PrädikatseabBtanti?  richten  tich  nach  ihrem  Beiiehnngewort,  bsw. 
Snbjekt  im  Genas,  wenn  es  die  Form  erlaubt,  im  Nameras  nor,  wenn 
es  der  Sinn  erlaubt.  Das  letitere  werden  die  SchfUer  nicht  leicht 
Terstehen.  Wosa  gehört  ferner  »bsw.  Sabjekt";  offenbar  lu  Pridikata- 
sabstanti? ;  das  ist  aber  falsch,  denn  dieses  kann  in  jedem  Kasos  stebes. 
Unrichtig  steht  §  53:  Dasselbe  gilt  fftr  nomen  (coanomen)  alicui  dare 
(indere):  dasselbe  soll  heißen,  daß  der  Name  im  Nominati?  oder  Dati? 
steht!  Im  §  152  sind  die  Ansd^cke  „reales  Urteil**  nnd  „bedingt*^  falsch, 
mindestens  irreffihrend.  Aach  §  158  ist  sa  beanständen,  der  den  com. 
potentialia  erklärt;  dieser  stellt  den  Inhalt  einer  Behaaptang  nicht  aar 
als  möglicherweise  richtiff  hin.  Im  §  168  wird  das  Wesen  der 
deliberatiyen  Frage  za  eng  gefaßt:  quo  me  vertam?  entspricht  keinem 
Aafforderangssats,  indem  er  seine  Anfforderang  sa  einem  Bntschluae 
herTorrafen  will.  Die  Zasammenstellang  im  §  145  ?on  iubeo  te  venire 
and  impero  tibi  ut  venias  mit  sequi  te  and  succedere  tibi  ist  jedenfslli 
sehr  bedenklich.  Den  Unterschied  swischen  dem  pr&sentischen  and  dem 
konstatierenden  Perfekt  (§  172)  wird  man  Schfllem  kaam  leicht  bei- 
bringen können. 

Am  wanderUehsten  nehmen  sich  die  fielen  falschen  Tempora, 
Imperfekta  and  Plasqoamperfekta,  in  den  lateioiachen  Beispielen  aos;  im 
1 178  ist  die  Bedevtong  des  Ui.  Imperfekts  siemlich  richtig  dargestellt ; 
darnach  ist  i,  B.  im  Satze  ExercUus  non  minorem  laudem  quam  ipu 
imperator  meritu$  videbatur  (§  17)  falsch;  es  kann  weder  bedenteo: 
•pflegte  so  scheinen**,  noch  „war  im  Scheinen*"  be^priffen»  noch  ist  tod 
einer  Schilderang  die  Bede  —  das  ist  ja  in  einem  einfachen  Satte  nich» 
möglich  —  asw.  Ich  weiß,  der  Sati  ist  aas  Caesar  de  b.  Gall.  I  40; 
dort  steht  aber  das  Imperfekt  im  Zasammenhang  ganz  richtig;  es  heii»t 
dort:  factum  eius  hostia  periculum  pcttrum  nostrorum  memoria^  cu» 
Cimbria  et  Teutonis  a  C,  Mario  puUis  non  minorem  UnuLem  exereitut 
quam  ipae  imperator  meritua  viddmtwr;  ans  dem  Zasammen bange  ge- 
nommen, kann  es  im  einfachen  Satze  nar  heißen  Exereittu  . .  .  otsus  est. 

Qanz  so  falsch  ist  das  Imperfekt  im  folgenden  Satze:  Bar$  iaferior 
pontis  integra  remattebat:  ans  dem  Zosammenhange  gerissen,  kann  es 
im  einfachen  Satze  nar  heißen  remansit.  Ebenso:  P.  Cossidius  rei  rnüi- 
tarie  peritisaimus  luibebaiur;  pflegte  gehalten  za  werden  ist  ja  sinnlos. 
Ebenso  falsch  ist  im  einfachen  Satze  das  Plasqaamperfekt,  z.  B.  §  SS: 
Nervii  altiaaimaa  ripaa  aacenderart,  es  kann  nar  heißen  aaeend^Ht. 
Und  so  begegnen  eine  ^oße  Zahl  falscher  Imperfekte  and  Plasqnam- 
perfekta.  Im  §  45  erscheint  plötzlich  der  Terminas  „Akkasati?  des  Ssch- 
inbalts"*  ohne  jede  Erkl&rong.  Woza  die  §§  1—11  dienen  sollen,  ist  mir 
nicht  Terst&ndlich;  diese  Sachen  mUssen  doch  im  propftdentischen  dentschen 
Gramm atikonterricht  erledigt  sein;  dasselbe  gilt  ?om  §  165,  der?onder 
Einteilang  der  Fragen  handelt.  JSinen  Drackfehler  bemerkte  ich  S.  19, 
de  calamitate.  Ober  den  Erfolg. 

Wien.  Aagast  Scheindler. 


Emil  Szanto,   Ausgewählte  Abhandlungen,  ueraime^e 

Heinrich  Swoboda.  Mit  einem  Bildnis  Ssantos  in  HehograTflre, 
einer  Tafel  and  Abbildongen  im  Texte.  Tübingen,  J.  C.  B.  Mobr 
1906.  XXIV  and  419  SS.  Preis  geh.  9  Mk. 

Jeder,  der  sich  mit  griechischen  Altertümern  beschftfiigt,  wird  dem 
Heraasgeber  dankbar  sein  fflr  die  Torliegende  YerOffentliehnng,  die  qsi 
die  geistigen  ZOge,  die  Vielseitigkeit  der  Begabung,  die  Sch&rfe  des 
Denkens  zeigt,  die  dem  so  früh  ?erstorbenen  Sz.  eigen  war.  Die  Abhaod- 


Miszellen.  471 

Inogen  sind  in  vier  Gruppen  geteilt  und  in  jeder  Oroppe  cbronologiseh 
geordnet  Des  Heraosgebers  Tfttiffkeit  zeigt  sich  darin,  daß  die  Zitate 
revidiert  nnd  erg&nst  worden  und  besonders  in  den  Hinweisen,  wie  die 
TOD  Ss.  behandelte  Frage  wisBenBchaftlieb  weitergeführt  wnrde.  Gerade 
diese  Nachweise  finden  sich  zahlreich  nnd  geben  eine  wertvolle  Erg&nzang, 
die  nor  ein  Mann  geben  konnte,  der  auf  dem  Gebiete  der  griechischen 
Altertfimer  heimisch  ist.  Einbegleitet  ist  der  Band  dnrch  ein  knappes 
Lebensbild,  das  Siantos  Jogendfrennd,  Emannel  LOwj,  gesehrieben  hat, 
das  die  wesentlichen  Zflge  richtig  herrorfaebt  nnd  seine  Tfttigkeit  als 
Mensch,  Lehrer  nnd  Gelehrter  wtlrdigt.  Die  I.  Gmppe  nmfaßt  10  großen- 
teils toerst  in  den  „Wiener  Studien"  veröffentlichte  Abhandlungen  zum 
griechischen  Recht  Diese  zeigen  uns  das  Streben,  ein  Staatsrecht  der 
alten  Griechen  hennstellen.  Die  U.  Gmppe:  Zar  griechischen  Geschichte 
eathilt  11  Abhandlnogen,  darunter  Nr.  10:  Die  griechischen  Phylen,  die 
Tielleicht  besser  in  die  I.  Gmppe  einzureihen  w&re.  Die  Aufnahme  dieser 
wichtigen  Abhandlung  wird  ganz  besonders  willkommen  sein,  da  sie  da- 
dureh  leichter  zug&nglich  gemacht  ist.  Die  III.  Gmppe,  „Zu  Aristoteles*^ 
omfaßt  fünf  Abhandlungen;  die  IV.  Gmppe,  „Allgemeines'',  mit  yier 
Aufsitzen  beweist,  daA  Sz.  rieh  nicht  auf  sein  engeres  Arbeitsgebiet 
beschränkte.  Weitere  Kreise  interessieren  zwei  Aufsitze:  Über  klassische 
Bildsog,  in  dem  Sz.  warm  für  das  Studium  der  klassischen  Sprachen 
eintritt,  und  Theodor  Mommsen,  eine  klare  Charakteristik  Mommsens 
und  seiner  Werke  enthaltend.  Auf  S.  895 — 400  ist  ein  chronologisches 
Veraeichnis  der  Schriften  Sz.  gegeben.  Vier  Indices,  ein  sachlicher,  ein 
StellenTerseichnis,  ein  epigraphitcher  Index  nnd  ein  Ortsverzeichnis 
(401->405)  erleichtern  die  Benützung  des  Buches,  das  allen  Freunden 
der  Altertumswissenschaft  bestens  empfohlen  sei.  Besonderen  Dank  rer- 
diest  der  Verleger  für  die  schöne  Ausstattung  nnd  den  Bilderschmnck ; 
der  Preis  ist  mit  Büeksicht  auf  das  Gebotene  mißig. 

Wien.  Dr.  Jobann  Dehler. 


Homers  Ilias  von  Hermann  Grimm.  Zweite  Auflage.  Stuttgart  und 
Beriin,  Gottas  Bnchhandl.  Nachf.  1907.  491  SS.  Gr.-S».  Preis  geh. 
7  Mk. 

Mit  der  Homerforschung  stehen  diese  Obersichten  und  Ausführungen 
aaßer  Zusammenhang,  sie  stellen  einfach  das  Bettreben  eines  universal 
gebildeten  Gelehrten  dar,  sich  mit  dem  großen  Epos  der  Griechen  abzu- 
finden nnd  die  Idee  zu  begründen,  daß  Homers  Werke  „das  in  mühsamer 
Lebensarbeit  hergestellte  Uefüge  eines  einheitlichen  Kunstwerkes**  seien 
ond  wie  eine  moderne  Dichtung  beurteilt  werden  kOnnen  (S.  477).  Grimms 
Buch  erschien  1890  und  1895  in  xwei  BindeD,  di&  naa  fieinhold  Steii^ 
in  genauer  Durchsicht  neu  gedruckt  und  in  einem  ß^nd  vereinigt  bat- 
Grimm  nimmt  seiner  Ansicht  gamä&  auf  das  NibeluDgeQÜed  and  auch 
auf  neuere  Werke,  besonders  auf  (iaethes  Helena  im  j^Fatiit-^  ntid  auf 
die  n Achilleis*,  sowie  auf  Vossens  CbeisatiQDg  Rück^ficht*  Dabei  iit 
natürlich  Kritik  nicht  ausgeschloigeor  &ber  eia  wird  mehr  im  poftta^ben 
als  im  philologischen  Sinne  g^Hbti  dmn  die  Haupt ga che  war  für  d*^ 
geistTollen  Verfasser,  die  Dichtung  ta  g^DieJ^eu  und  .die  ffatur  dM 
Genusses  zu  beschreiben**  (S.  1T5K  Mehrfach  «erden  auch  bildn^li 
Gegenstände  zum  Vergleiche  heraogetogen,  daher  das  gasse  ei  och 
konsthistorischen  Sinne  interessanter  nod  vichtifer  ericbeint.  D^r  lieuti 
Literarhistoriker  findet  endlich  im  Sthlal^irorte  das  Verhiitiü»^ 
XU  Homer  anregend  beleuchtet. 

Graz. 


472  Miszellen. 

M.  Evers,  Schillers  Wallenstein.  Die  deutschen  Klassiker,  erliatert 
und  gewürdigt  für  höhere  LehraDstalteD  sowie  zum  Selbststndiom 
Ton  KneDen  und  Eyers.  28.  und  28.  BftndcheD.  4.  Hef^  erste  nnd 
zweite  Hälfte.  Leipzig  1905,  HeiDrich  Bredt 

In  einem  ausführlichen  Vorworte  gliedert  Evers  den  IV.  Band 
seinen  in  der  Sammlang  erschienenen  drei  B&ndchen  an,  die  der  Erlftateniog 
des  Scbillerschen  Wallenstein  dienen.  Dieser  yierte  Band  bringt  die 
Gesamtwürdignng  des  Dramas  so  eingebend  nnd  aasfflhrlicb,  wie  sie  eben 
nar  liebeTolle  Versenkang  erzengen  kann.  Die  Handlang  des  Dramis 
wird  in  allen  ibren  Zweigen  Terflochten  nnd  aufgebaut,  der  organiMfae 
Zosammenhang  der  Max  und  Tbeklahandlong  mit  der  WaUensteinluadlang 
wird  nachgewiesen.  Die  Übersiebt  über  die  zeitlichen  VeHaftltnisse  dei 
Dramas  ist  gut,  wenig  Wert  bat  die  Zosammenstellung  der  Ortlicbkeiteo, 
an  denen  die  einzelnen  Szenen  spielen,  kurz  und  gut  ist  die  Entstehongs- 
geschlchte  und  die  Bedeotnng  des  Dramas  herausgearbeitet.  Eine  ein- 
gebende Untersucbung,  wie  sich  Bealismiit  und  Idealismus  in  simtiicben 
Personen  entfalten  und  mischen  —  ibr  liegt  eine  für  den  Unterricht 
berechnete  und  ans  ihm  beryorgewachsene  Begriffsentwicklung  des  Bealisteo 
und  Idealisten  zugrunde  —  gibt  den  Grundton  an,  auf  den  die  aos- 
führliche  Charakteristik  der  Personen  gestimmt  ist.  Eyers  lehnt  die  An- 
sicht ab,  daß  Wallenstein  allzusehr  yon  Mftchten  abhänge,  die  außer  ihm 
stünden  nnd  seine  Willensfreiheit  aufhoben;  Schillers  Wallenstein  sei 
sonach  keine  SchicksalstragOdie,  sondern  eine  CharaktertragOdie;  und  so 
wird  auch  Wallenstein  als  der  allbelebende,  allscbOpfende,  alle  beherr- 
schende Mittelpunkt  der  yielgestaltigen  Handlang,  als  Bealist  und  als 
Idealist  in  seiner  Enge  und  Weite  umfassend  geschildert  Da  «die  Ennst 
der  Darstellung*'  schon  in  früheren  Abschnitten  mitbehandelt  ist,  maß 
sich  das  Kapitel,  das  ihr  eigentlich  gewidmet  ist,  mit  Bflckyerweisongen 
begnügen ;  auch  die  summarische  Auf  stellang  der  Selbstgespräche,  Boten- 
berichte  bringt  kein  Leben  hinein.  Weitaus  frischer  spricht  Eyers  Ober 
Schillers  Sprache  nnd  kennzeichnet  mit  treffenden  Beispielen  die  indiyi- 
dnalisierende,  anschauliche  Sprache  im  Wallenstein.  Da  Eyers  immer  die 
Bedürfnisse  des  lebendigen  Unterrichtes  im  Aoge  hat,  zasammenfassende 
Übersichten  geradezu  für  Scholzwecke  einstellt,  Aufsatsthemata  skizziert, 
auch  breiter  aasarbeitet,  werden  die  beiden  Bftndchen  den  Deutschlehrern 
gute  Dienste  leisten.  Die  Art,  wie  Eyers  den  tragischen  Gehalt  dei 
Dramas  auslöst,  das  Wesen  des  Tragischen  entfaltet,  hebt  über  manche 
Schwierigkeit  im  Unterrichte  hinweg. 

Wien.  Ferdinand  Holzner. 


Fleischner  L.,  Ö gterreic bische  Bürgarktinde.  3.  neobeaibsitik 
und  yermehrte  Auriag»,  Vyii>Dr  F.  Temp^kj  19DT.  Preis  geh*  2  K  SO^ 

Der  Verf.  betweckt,   den   LehramtskandidateD   einen  Einblick  Ifi 
die  wichtigsten  staatlicbeD  EluriebttiQ^^'n,  in  die  O^dingiiageD  de«  wirt* 
sehaftlichen  Lebens  and  in  das  VYeien  der  sotialpoliU^cben  Oetetlf^^^r 
zu  gewähren,  um   sie  in  den  Stand  tu  setEeni   diese  Kenntnisie  b?' 
BrziehuDg  der  Schiller  m  Staatubflrgern  xn  ?er«^  ^ 

Gesetzesknnde  und  Volk» Wirtschaft alehre  ijod 
fflbrlicber  Weise  erOrteii  und  hh  in  ihrem  neue 
In  zweiter  Linie  will  das  Bncb  eine  Art  Vt 
seio,  die  ins  praktiscbe  Leben  eltitreten,  obn^ 
Aufklfirung  über  die  fraglich  E^n  Punkte  gegeben  \ 
besonderer  Unterricht  in  BGr^GrkQode  in  der  %t> 


P  rogran]  men  E  cbiifi . 


473 


ide  Buch  dstn  benifefi«  die  Lücke  ausEufüllen,    Es  kann  nar  der 
f eioilfrt  ««rdaßr  leime  LekKtre  aoeh  den  Abitarieüten  der  Mittel 
«yi  IQ  empfehlen. 


A.  PbilippsoB,  Das  Mittelmeergebiat,  aema  gtoirr&pbiich«  und 

ketttirelle  Eigeiiaft  2.  Auflage  Mit  9  Fipren  im  Text,  13  ÄDBichten 
Dod  10  Kirten  ti^f  Ib  Tafeln.  Leipzig*  B.  a  Tetibner  1907.  X  nod 
361  m.   Freit  geb,  7  Mk. 

Die  sueite  Auflage  dieies  trefflicben  Bnebes  untersebeidet  sieb 
iti  d«r  enUn  (tgl.  deren  Beiprechting  in  dieser  ZdUcbr.  1905)  nur 
4iTtb  fimg«  Ideioefo  YerbeifternDgen. 


Wiifl. 


J.  Müliner* 


"Dr.( 


Program  menschall* 


Dr.  Georg  Pitacco,  De  mulierum  Bomanarum  cultu  atque 

imditJone,   Progr.  des  k.  k.  SuatJgyniDafiinma  in  Gfirs  1907.  49  BS. 

tDie  Abbandlang  macht  iicb  im  Aufgäbet  die  literariiehen  L«i* 
Ol  dir  rj^miicben  Fraien  Ton  den  älte&ten  Zelten  bia  in»  III.  Jabr^ 
ift  Q.  Chr.  herab  iniammeuhfingend  darsnstellen ;  die  chrittUclien 
artssen  irerden  anter  Binweie  auf  einen  in  einer  italieniBcben  Zelt- 
t  cncbienenen  Ätife&ts  dea  Verf.  ausgeacbloasen.  Voraa^getchlekt 
^rd  d»  Dberblick  4b«r  Leben eTerbältnisse  und  i^itten  der  Hämerinneni 
M  tticttem  tnit  Beebt  betont  wird,  da&  der  seit  den  poniichen  Kriegen 
ittukbare  Verfall  nicht  au  eebr  anf  daa  Eindriuf^en  griechiacher  Sitte, 
H^liflntebr  äuf  den  ateig^enden  Reichtum  nnd  Luxus  zurück Euftlhren  iet, 
Htr  ü&d  die  Nachrichten  über  das  Frauen  leben  dieatsr  und  der  apfiteran 
IM  lieh  aniichlieMich  auf  die  Tornäbmen  Kreise  belieben  nnd  lait  ihrer 
iBtlttif«!  HeoTorbebiing  der  Obelat&nde  und  dem  atereotjpen  Kückbiick 
^lii  •gQl*,  alte  Zeit"  kma  richtigst  Bild  der  wirklicbe'n  Verhältnisee 
Uteo.  ßd  dem  Verflekb  det  römischen  FraoenlebeD»  mit  dem  griecbi- 
>«k«s  bat  der  Verf.  den  gewaltigen  Unterechied  twiachen  der  Stellung 
|HFfai}  in  d«r  bcmeriachen  und  der  ioniich  -  attiicben  Welt  zn  wenig 
^^PtkitcbUgt 

^^     fn    der    eiirentliebeQ    Abhandlung    werden    nicht    nur    die    dureb 

iittftrisebe  TÄligkeit  bekannten   Frauen*  sondern   aoch  jeoö  hebandelt, 

4t  düicb   dufewObn liehe  Bildung  hervorragten    und   an   dem  geiatigen 

^bffti  ihrer  Zeit  regen  Anteil  nahmen,  wie  Catnlla  Lesbia,  Ciceros  kluge 

Ti^  r.Hi».    Cofreliia  B_   a.  m.     Der  Verf*   hllt   sich   dabei   atreng   an    die 

-n  der  Quellen  nnd  erblickt  mit  Becht  eine  wichtige  Aufgabe 

Zar fjck Weisung    der    übertriebenen    Darstellungen    älterer,    nicüt 

^»»eBicbafllieher  Werke,  deren  Verfasser  den  in  Wirklicbkeit  ja  äußerst 

f^Bffn  Anteil  der  rO mischen  Frauen  an  der  Literatur  ibree  Volkes  um 

>d(n  Preii  auf  ein   anaebnlicherefi  Ma5  m   bringen  trachteten.    Dabei 

J*H#is  wohl   auch  einige   offene  Tttren   eingerannt;    in    den    rergilbten 

^^naamnolnngen    der  Damen  Eenneriile   und  d'Ahrantt^a  am  den 

r    und  Ureiüigerjabren  4ea  vorigen  Jahrhunderts  holt  aicb  heute 

iiand   mehr  seine   VVeiifaeitf    und    der   bekannte    Islandfora  eher 

^tioo  liebelt  jetit  sicherlicb  aelbgt  über  die  Überach wenglichkeit 

^i\  Verf.  in  heftig  angegriffenen  Jugend  werke.  Eine  neue  Ansicht 

r  V«rf,  beittglicb  der  älteren  ^ulpicia  Ter»  der  er  nicht  nur  die 

^, .  ^üttUch  augeicbriebejj^fii  knrien  üe dichte  Tib,  IV  7 — 12,  sondern 


474  ProgrammeDschan. 

aoch  das  dritte  nnd  fflofte  des  gleichen  Buchet  soweist,  wihrend  er  die 
fibrigen  drei  Gedichte  des  von  Gruppe  abgetrennten  ersten  ElegienkraaMi, 
als  dessen  Aator  gewöhnlich  Tiboli  betrachtet  wird,  einem  nnbekanaten 
Dichter  znschreibt.  Anf  die  für  Tiballs  Autorschaft  vorgebrachten  sprich- 
lichen  Argumente  wird  nicht  näher  eingegangen.  Daß  aber  nur  Sulpicia 
selbst  die  effrenata  et  voluptuaria  earmina  IV  3  und  5  habe  schreiben 
können,  ist  wohl  Meinungssache;  die  soracbliehen  Hirten,  die  der  Verf. 
darin  entdeckt,  sind  unbedeutend  und  die  Ähnlichkeit  swisehen  lY  5  asd 
6  erklftrt  sich  daraus,  daß  beide  Gedichte  denselben  Gegenstand  behio- 
deln^  einmal  vom  Standpunkt  des  liebenden  Mädchens  aus,  einmal  tod 
dem  des  mitwissenden  Freundes.  Die  vom  Verf.  gegen  die  herrschende 
Ansicht  vorgebrachten  Grfinde  sind  also  jedenfalls  nicht  swingeod.  — 
BesOglich  des  der  jQngeren  Sulpicia  beigelegten  Gedichtet  kommt  der 
Verf.  lu  dem  Ergebnis,  daß  es  als  Werk  eines  Dichters  des  IV.  oder  Y. 
Jahrhunderts  ansusehen  sei. 

Die  Abhandlung  zeigt  eine  umfaisende  Benutzung  der  einschlägigen^ 
und  zwar  keineswegs  bloß  der  streng  fachlichen  Literatur;  in  den  Angaben 
darüber  finden  sich  einige  kleine  Ungenauigkeiten.  Das  Latein  ist  freier 
als  gerade  nötig,  jedoch  leicht  verständlich  und  wohllautend. 

Wien.  Dr.  Henr.  Sieis. 


13.  Prof.  Dr.  Johann  Oehler.  Epigraphiache  Beiträge  mr 
Oescbicbte  des  Ärztestandes.  Pro^r  des  k.  k.  Haxintiliiii*- 
Gymnasiums  in  Wien  1906/7.    Ji^  SS. 

In  knapper,  aber  übersichtlicher  Form  Ut  in  dhmt  AbbiadUu: 
ein  reiches  Material  —  280  Inscbritt^n  —  nach  verschied gnen  Gesiditi- 
punkten  zusammengestellt.  Die  AosbreitüDg  d?r  auf  den  Är^teitaDd  ^^ 
lüglichen,  in  Stein  erhaltenen  Urkonden  wird  darcb  eine  alpbabetiidiv 
Aufzählung  der  Fundorte  veraDScbaaliciit.  Der  folgende  Abschnitt  b«baiideH 
die  verschiedenen  Beieichnnngen  für  den  'Ar^t'  and  dessen  Berat  hä 
den  unter  dem  Schlagworte  Gemeit^de&rtt«  angefahrten  Inichri^n  faj' 
der  Verf.  übersehen,  daß  der  Aaidrack  äij^oaifvitv  licb  in  Koe  mh^ 
Pat-H.  S44  auch  ebenda  5  findet  in  d«r  von  ihm  aelbit  S.  18 
Stelle...  Durch  mehrere  Inschriften  erfahren  wir,  daß  es  lehon  ii 
tume  Ärztinnen  gab,  durch  IG.  XII  ^  199  erhalten  irir  Kunde_TOii 
liehen  Geburtshelfern.  Auch  Tier-  ^owie  Feat^  Schul-  und 
);annten  die  (kriechen.  Der  folgende  AbMtjnitt  handelt  über  AstfbU'luBr 
^rsteiehnlen  und  Arstevereine.  Den  unter '^teUang  zum  Kultus*  ai}gifftlutr< 
Ärzten,  die  auch  priesterliche  Stellen  bekleiden «  wäre  C.  SierU^*^ 
Xeftophon  zuzuzählen,  den  die  koiiche  Inschrift  Pat,>B.  d45  ^^  Ditt  »iir 
368  als  äffxUQia  x&v  d'B&v  luu,  U^-u  Öih  ßiop  tBv  ^$fittoy.Ap  ««1  'Jfr^ 
nioü  xcti 'Tyiag  TLalTIxLovijg  bezeichnet.  Die  Stellung  der  Ante  ttn^ut^ 
und  der  Gesellschaft  beleuchtet  das  folgeüde  Kapitel  Den  das«J^  ><^ 
sprochenen  Inschriften  mOcbte  ich  noch  die  in  der  '£7.  dfj*  }^^%  ^^  l^l , 
publizierte  aus  Gytheion  hinzufügen >  welche  die  Bchenlmig  dif«  A^^tiij 
EutjcboB  und  seiner  Familie  anführt  rlg  uhv  &f<o(it<rc  ic&l  u,- 
ßaazäv  evaißsiav  Sjjvdgta  (ivgiu  itai  ^?^  iXttayiQv  Öf^rtigia  ft^t  : 
Sogar  von  sdiriftstellerischer  Tätigkeit  von  Anten  T 
Schriften  und  besonders  interessant  liad  die  inj 
Urkunden,  die  von  medizinischen  Preiairbaiten  I 
letzten  Abschnitte  gibt  der  Yert  eine  Zasatiimei 
bezeugnangen  in  alphabetischer  Folge  der  Orte-  3 
Kaljmna  ein  ' Ehren dekret  für  den  ktii«erlieh«T*  ^ 
Dittenberger  Syll.«  870*  an.    Allein    dieses  *' 


Program  meiis  cha  u. 


475 


CilibArtWg.  Wob]  aber  wtirde  in  K.  ein  Altar  s;efqEideiii  in  dcBseo  Aaf- 
l^iift  wir  'di«  voll«  ofiiidl«  Formel  dei  Gebetes  fftr  XeDapbon*  haben ; 
Bcri<mi  Koii&be  ForKcbnogeitt   3.  108>    Anfübren  kOnüt«  man  bier  aucbi 

kM.  AHrtlio»  Ptötemaios  Ariktodemos  ai»  Sidjma  flieh  «elbit 
t^i  ttt^iliti^iifog  imü  t^v  I^sßctaviai^  itati  f^g  nctXQiöog  atXttovgyüc 
\  m  der  rom  VeiL  S*  8  efwAboten  Jnaclirifti  die  sieb  in  den 'Eeii«ii* 
(fiiebl  55|  fiadel*  Der  xom  Schiuete  bdgegebeD«  XameBindtz  rer- 
toM&ndift  dit  eofffältigü  Arbeit 

JH    Wien*  Han&  Lackeii1>acb«r. 

li  P.  Heinrich  Sehachser,  NaturbiJder  and  Katurbetrach- 
iLtimg  tn  im  Dichtungm  Friedrichs  7.  Spee.  Pro^r.  dei  k.  k. 
^KOber^jmnatiutni  der  ßenedikliaer  m  Kr^msmänster  190G.  60  gä, 

^M  Em  ertter  Teil  eammill  fj&temaUäcb  alle  Stellen  aai  Speee  Li  »der- 
^BtTD,  die  NatnTgegenst&Dde  und  Naturv^orgänge  poetiBch  rerwerten; 
WVwciter  ehatikleriiiert  die  Stellnnj^  Speas  als  Natnrdiebter.  Für  den 
iint^a  Teil  bitte  bei  der  Terwirrendeo  Masie  der  angeführt  an  Stellen  sieb 
Mkiebt  das  nüehteTnet  aber  praktische  Mittel  einer  Tabelle,  mindeslens 
^V kleine  etatirtiacbe  Übereit'bt  empfohlen.  Immerbifi  ergibt  schon  der 
^■itcheia,  daß  Spee  das  Freandllcbe  und  Anmutige  be^Forzagt,  meist 
^■ttoer  leichten  Heigoog  in m  Spielerigen;  in  zweiter  Linie  atebt  alles, 
RS  ivDti mentaler  TriDeosdigkeit  dienen  kann,  das  Große^  Furchtbare 
tfftt  iurtick-  Scbon  darum  seheint  mir  Scbachnere  Behauptung ,  Spees 
ibetracbtnng  sei  pim  weientlichen  eine  bibllBcbe'**  ein  fundamentaler 
b,  wttiiigitens  wenn  er  seiDen  Attasprueb  literar* historisch  vtsratanden 
L  wilL  iTbenfiO wenig  erscheinen  mir  die  angenommenen  Aoalogien  mit 
ri^tlichen  Hymnen  efident,  ja  nicht  einmal  wahricbeinllch,  nur  die 
«Fbilameiia**,  angeblich  des  hL  Bonaventura,  sind  Qbersengend, 
1  «t&rker  ist  jedenfaUs  der  Einfluß  der  gleich  zeitigen  LThk,  sowohl 
ITolks^  wie  des  Eunitliedes.  —  Zu  TermiBien  bleibt  eine  Ontersucbung 
bteriscben  Methode  von  Spees  Katorbildern«  ^ch.  betont  mit  Kecht 
t  Innigkeit,  seine  Gemütiitlefe  und  seine  reine  Naturliebe:  dem  gegen- 
muß  doch  festgestellt  werden,  dh^  alle  seine  Bilder  äußerlich, 
f^wahfe  AnBetaanlichkeit  uud  ohne  'Beseelung'  im  beutigen  Sinnt*  sind, 
doch  auch  darin  gans  in  seine  Zeit  Scb,  verkt'nnt  die«  nicht; 
ist  er  foii  dem  Hbemchwenglicben  urteil  der  Koraantik  beein- 
)as  Programm  bringt  außerdem  noch  eine  Stifter- Bede  P.  Fried- 
Is^yert  mix  einigen  nenen  Details  zu  Stifters  KremamQnBterer  Zeit, 


Wien. 


Dr  Valentin  Poilak. 


Joh.  Arbes,  Cber  ErüBdung,  Gestaltung  und  Wert- 
ItSUßg   der  Logarithmen,   Progr.  des  L  k,  deutseben  Staatt- 
Ijmnaaiiiiia  in  Smichow  1907,   22  SS. 

^L  DieMr  Aftfiati»  dem  dne  Förtsetxung  folgen  lolJ,  wendet  eich  in 
^V  tiJlia  ao  die  MitteliichÜler ;  Ton  diesem  Standpunkte  au»  mßge  er 
^MÜt  w«Mi«ii.  Nach  einer  ktirten  Einteitnng  wird  eine  Skizze  aber  den 
^H  4Jtr  llathecnatik  and  den  mathematischen  Unterricht  im  X\\  und 
MTjaisfhntiidert  gegeben  und  der  Ton  Chuqnet  und  Stifel  angestellten 
*«lncit«9geD  gediÄhtt  in  denen  eine  aritbmeliache  und  eine  geometrische 
fite  is  BitiehaDg  zueinander  gesettt  werden,  wodarch  man  suerit  den 


476 


Entgegunng« 


fondBmetit&liii  Eigen srbaften  derLogarithuieti  Bfthe  k«iii^  Htdi 
der  bedeutendsten  für  astroiiomiach«  Zwecke  anefr^&rbdteUs  || 

icbeü  T&feln   wird  Bürgi  »Is  ertter  Erfinder    der  Logaritlmii 
dann  die  LeietUDgeD  d«i  N«per  und  Briggs  beaprocbeij.  Sdxl 
eine  ciemtich  rekbb&ltige  Aoftäblung  der  (fa&QpiticbHcb  In 
and  Oiterteicb)   crichieDenen   Logarithmentafeln.  —  In   dein' 
der  benutzten  Qaellen   üadet  sieb   merkwürdif^erweiae  &icb 
tersationskiikoii. 

Die  wabrscbelnlicb  älteate  metbodisthe  BetracbtuDgi  dii 
ifttx  des  logAntbmiicbeo  Becbneoa  in  aicb  schließt«  und  et 
ftrcbimediBcheD  Scbrift  „^ufiptiT^s'^  find  e»  bfilte  daa  bler 
Thema  akis Eiert  vrerden  köDnen^  es  bitte  aocb  darauf  binge 
iDlleCi  daü  das  Problem  der  rnuaikaÜBCben  Temperatar  aof 
menbegrl^  fflbrt,  wie  es  Lagrange  in  sdnen  immer  notb 
»Z/Äfotis  iUmentaires'^  (1795)  andentet;  aneh  ein  Beispiel* 
als  Prostbapbairesis  beieicbnete  Metbode  diircbgefflhrt  wird»  i 
äcbQler  gewii^  Ton  Intereaae  geweaat),  Der  m  matbemalisdi 
so  überaus  wertvolle  Gedatike  der  Zuordnung  zweier  ßewegl 
dtiTcb  eine  kurze  EecbnüDg  erläutert  werden  sollen,  wobd  sl« 
des  Nsperscben  LogarithxueusjBtems  sofort  angeben  lißt  nfl 
Einblick  in  das  Wesen  der  natfirlicben  Logarithmen  sieb  eni 
alles  siüd  ja  DingCf  die  gerade  in  einem  an  die  Scbtller  gedl 
satze  sehr  scbün  durcbgefflbrt  und  sar  vollen  Geltm^  gebll 
können,  und  man  darf  wohl  boffent  d&^  dtt  Vetf.j  der  d 
Heranf^gabe  seiner  Tierstelligen  Logarithmentafeln  mit  diesen  ^{ 
genaa  Tertrant  gemacbt  haben  wird^  in  der  Fortsetzung  sein  ei 
auf  sattes  die  Aufmerksamkeit  seiner  Leser  anf  derartige,  für  dii 
der  Math  ematik  widitige  Beziebongen  lenken  wird  und  dem  | 
EewnDtaein  bringen  kann^  welch  bewundernswerter  Entscbti]| 
Adtoren  Ton  Logarithmentafeln  es  wafi  ihre  Lebentarbeit  an  so 
Rechnungen  zu  setten.  i 

Wien,  ProtK.  j 


Entgegnung, 

Eine  Betension  soll  dem  Leser  wenigstens  in  der  Ha| 
klares  Bild  des  besprochenen  Buches  geben.  In  dieser  Zäti 
Qeft  I2i  ersebien  die  BesprechüDg  eines  Lehrbuches  der  Q 
sehen  Stenographie,  IL  Teil,  in  welcher  das  Cbarakteritl 
Bncb&s  g&m  rerschwiegen  wurde.  Da  nun  dieses  TersebwliC 
teristikum  den  eigentlichen  Wert  des  Bucbes  begründet,  lo 
angefahrt:  L  Das  erwähnte  Bach  leitet  die  kurxen  Regeln 
Sprachatücken  und  nicbt  von  schwer  lesbaren,  Kusammenbanti 
üb,  da  nur  znearnfnenhäcgende  iSätza  dem  Geiste  der  SataU 
iiprecben  können,  2*  Die  gebräuchlichsten  Redewendungen  dl 
Paragraph  gebührend  beräcksicbtigt. 

Über  diese  angeführten  Neuerungen  in  der  Bebandlni 
kQrzung  iisbt  die  Monatsschrift  des  ateiermätkiacben  Steii^ 
»jtne«  in  Orax  I90G,  Nr,  S,  pag.  22,  zwischen  meinem  1^1 
denen  mit  sogenannten  ^HuilerA&tzen*'  folgende  Parallel«:    ' 

f,  .  ,  .  Der  historiscbe  Wert  der  Musik  einea  Qlnek  i 
limdet  hier  eine  Analogie.  Man  hört  sie  bente  noch  an  m 
finden  die  Musik  noch  ganz  reisend,  sebön  und  —  was  g§i 
epochal;  die  anderen  urteilen  kurz  und  finden  sie  anliquitil 

Die  „an^erordentltcb  knapp  gehaltenen  theoretiachen  Aoi 
nqr  ein  weiterer  Vorteil   för  den  Üntemcbt,  köonein  «tcb  i 


Krwideiung. 


477 


tes  Ldid^Ocbern  wobi  nicht  binnselwalt  eatferDen.  das  lieft 
4b^  in  der  Natur  d«r  S&ebe^  darati«  aber  die  BehaaptuDg:  Dchroieden, 
M  dAt  L«brt»utb  to»  Kramsall  diu  Grondlags  fOr  db  Formxilierutig  der 
liggli  bildetei  iit  lom  mlndeiteu  etwa»  lehr  gewa^. 

Di^  Aasemanderbaitiuigr  fOD  Ableitaiiga-  und  Fleiiot^aiüben  wird 
iiekt  Mo^  foo  Kram  I  all  uüd  mir,  lotidüro  auch  tod  Schell  er  r8.  65  aod 
&  S8>  LX.  Attfl/)  nkbt  durehgerübrt,  das  ist  für  den  Ste&ograpbeii  aucb 
Hiebt  notwendig;  ei  f^enflgt  Tollatindig  die  ßeteicbDimg  KndnQg 
t.  »t  elc.  and  NacbBtJbe  ihr  AbleitUQgi-  und  Flexionssilbe.  Di^^iti 
liebt  tertr^ten  alle  ^epraften  £>tanographen,  die  ich  emnerzeit  um 
;^iiig.  Dai^  dnrch  das  NicbtauBe  in  an  derb  alten  ein  „SaiiiineliTiriüin*^ 
kt  elwft»  g&ni  Neues  und  dQrfta  alte  8t6nograpbent  dte  nicht 
_  IQ  ttndf  tebr  intereuieren,  Tm  übrigen  danke  icb  fQr  die  aoge- 
W«rke  ilber  deatache  Spmcbbbre  nnd  bofTe,  daß  icb  nocb  recbt 
ioutA&de  iein  werde,  mir  notweüdi^e  Nachsetilagebüeber  »elbst 
1l«B  itt  können.  Wenn  ich  in  der  Neuauflage  der  Anagabe  für 
Mthidflii  dtr  Anieinanderbaltung  di«aer  Begriffe  bereita  Reebnung 
f I  ae  ist  du  nur  ein  2^ageatändnie  gegen  meine  Überteogting,  die  ioh 
Herni  Beienaenten  aus  pereOnlieher  Hochachtung  machte. 


Miet  L  6. 


Alfred  Grimm. 


ErwideruQg. 

Pä£  der  Verfaaaer  eines  Bncbea  dnrcb  eine  Bespreehung  deatelhen 

genug  gelobt  fühlt,   das  gebOrt  nicht  in  den  Selteohelten. 

Ikjeden  nen  ist  ea  aber,  wenn  er,  wie  der  Herr  Verfaesar  dar  vorans- 

p,  Entgegnung**  ei  int,  das  Versiumte  naeb  Kräften  salbät  na«h- 

Ond  eine  «Entgegnung"  aozatagen  als  Eeklamemittel  für  sein  Bueli 

ttItL    Der  Herr  Verf.  ba zeichnet  es  tiatin  als  „sehr  gewagtS  zu  be- 

»,  ^di£  das  Lahrbueb  fou  Kramsall  die  Grundlage  fQr  die  Fonnu- 

der  Hegeln  bildete'^.    Das  Wagnis  ist  aber  gar  nicht  groQ»  wenn 

die   Terblftffende   wörtliche  Übereinstimmung  der  Segeln    wahr- 

imt  TOD  denen  icb  eine  genflgaiide  Äntahl  angafQbrt  habe,    Übrigans 

ji&  dem  Herrn  Verf.   frei,   in  seiner  ^Entgegnung''  jdipp  und  klar, 

tk  ohne  jede  ausweichende  Wendung  in  sagen:    f,lth  erklire 

m%  auf  das  Bestimmtest«,  dae  Eramsellacbe  Bach  nach  keiner  Kicbtnng 

i  ttim  Vorbilde  genommen  ?i  babau.''    Einem  solchen  vor  der  O^ant- 

kstt  abgegebenen  Munnesworte   würde  kein  rechtlich  Denkender  den 

fersageo,   am  alJarwanigsten  ich.     Die  auffallende  Obarein&tim- 

[  d«a  Wortlautes  der  Regeinf  abgesehen  von  fielen  anderen  Ahnlicb^ 

t  btider  Bücher,  würde  dann  böchBteus  als  ein  nngemein  interesiiantee 

M  m  bftraebten  «ein.     Aber  auch  das  offene  Sf^ugeständnia,  die 

Qg  der  Eegeln  von  Kramsall  herübarganommen  2U  haben,  bitte 

I  auf  sich.    Denn  es  läge  eben  nur  die  Benütiung  fon  Einielheitan 

fM  mi  eine  solche  Benützung  mach«  noch  kein  FJagiat  aus.     Der  Herr 

Verfun-r  der  „Entgegnung*'  rennt  Übrigans  in  seinem  Kampfeseifer  auch 

«Alt  offene  Türen  ein.    ^o  stellt  er  die  Sachü  in  der  Weise  dar,  als  ob 

i^  ihsD  4as  Zusammenwerfen  vnn  ^Ableitungi^  und  Flaxicnsailben"  sum 

tttif  gemacht  hätte.     Ist  mir  gar  aieht  alogefallan;  die  bezügliche 

Us  lautet  fielmehr:  „Dadurch  nun,  da5  Kramsall  und  Grimm  fälschlich 

.Abldlungisilbe*  ,Nacbsilhe'   setzen,  also   »Nachsilbe^   and  )Flexinns- 

tr  ifinander  beiordnen,  ist  to  beiden  Lehrbüchern  eine  recht  hadenklicbe 

■ifrni^  herauf  beschworen  worden***  Der  Herr  Verf.  hat  ako  deti  Streit* 

lH  f «netto b«ii  oder  es  ist  ihm  auch  jetit  noch  nicht  klar»  nun  was 

«ig«Dtli€h  handelt.   (Der  Einwand,   dai^  der  gerügte  bedauerliche 


47» 


Tinnt  BOcbeler. 


Fehler  aacb  m  dem  Lehrbuch  tqd  Sehe]] er  »kb  ündet,  Isdeft  stüilii 
an  der  ^aebe  gaoz  und  gar  DicliUO  Mit  unrecht  ferQbaJt  er  mir  uc 
daß  ieh  Ibn  auf  die  Darst^Uaisg  deir  8ache  in  den  gebr&aehlldi^Q  Sebtf 
grftmcrmtikeD  TerwiaaeD  bftbe,  and  hofft,  „er  werde  nocb  recht  Imf»  m 
Stande  eeiX  ^i^b  die  notwendigen  Nacbicbbfi^bücher  sei  bat  ioCm' 
XU  kDimen**.  Ich  hoffe  es  aacb,  Bit  jetft  beiaJi  er  diese  Fihigkeit  w«iiifi 
hinsichtlieh  der  dentecben  GrammattkeD  leider  nkbt^  ionst  «ir« 
die  ftrgerliebe  ?erwechilang  jener  epracb liebe i  Begdlfe  nicht  w\ 
fahren*  Da0  ei  etenogrAphieche  LehrbQcber  mtfe  gultm  Eilolf 
nach  z  QIC  b  lagen  ins  stände  iit«  daran  zweifle  ich  kernen  AnifenhlidL  W^ 
leb  nun  gerade  anf  die  gebr&nch  lieben  ä  c  b  a  t  gramniatikeii 
habe«  was  der  Herr  Verfasaer  besoudera  kränkend  empfimdeii  IQ 
fcheint,  ao  ist  der  Ornnd  in  meiner  ßeEprecbnne:  anidrücklieh  aafKl 
Dat  in  der  Schule  benutzte  itenographiache  Lehrbneb  darf  tici 
der  Schnl^rammatik  nicht  in  Widertpracb  let^eD.  Ich  babe  midi 
bei  der  Eebandlang  der  Frage  Ton  streng  sachlichen  Getl-ehtafiaalli 
leiten  lassen.  Wenn  hqd  dem  gegen  Ober  der  Berr  Verf.  in  ««iner  «M 
gegnnng''  ganx  nnTermittelt  mit  einer  gewUien  SelbitgefUUf ktit  «I 
pere6nlicben  Auafall  auf  die  Philologen  sich  gOnnen  tu  in(lai«n  gUilb^ 
werden  die  Philologen  den  Angriff  tod  dieser  Seite  mindeateni  tfiil  4t 
leihen  Q-eJasscnheit  ertragen  wie  die  anderen  Anfechtangen  ans  lettterXi 


Mies  i.  B. 


Adolf  Hante&bIaL 


Franz  BücheUr. 

In  dem  grollen  Bonner  Philologen;  der  am  3,  Mai 
71.  LebenBJabre  infolge  einei  Her£»chlageB  ?erachitd,  belran«!! 
diJction  einen  an  ig  ex  ti  ebneten  Mitarbeiter  der  Zeitichnft  i^t 
beaondere  XV  578 — &9S  Th.  Gotnperi'  Philodemi  Epicurei  De  irQ 
in  einer  inbaltf^reicben  Antoige)  sowie  einen  hervorragenden  akadetniteMl 
Lehrer  und  Gelehrten.  Der  Unterzeichnete  bat  die  Abrasanng  dje*«^!  Jil ' 
mfea  nicht  nnr  pflicbtgemftß  ah  Redaktion amitglied  und  als  Lalk 
sondern  auch  ana  Pietlt  gerne  libernommen.  da  er  daa  GIQck  baUip  i 
Altmeister  selbst  tu  hören,  fticb  an  eeinen  Übungen  im  Seminar  ni 
Fritatiasininfn  aktiv  tu  beteiligen ,  in  seinem  ga<itfreandlichen  Eani«  P 
Ter  kehren  und  bis  xnletit  in  anregender  EorreipoudenE  mii  ihm  in  ftcj 

Frani  Bflcbelers  Leben  verlief  liemlieb  geradlinig.  Er  wsfd«  I 
In  Bheinberg  am  Niederrhein  geboren»  beaucbte  die  Gjmnaai«»  n  B 
und  CleTe^  studierte  in  Bonn  Tomehinlich  unter  Hiteehl  und  Jahli  H 
1856  Lehrer  am  dortigen  Gymnasinm  nnd  habilitierte  tich  18^7  dudf 
Schon  1858  wnrde  er  auGerordentUcber  und  1862  ordentlicher  PkIii 
an  der  Universität  Freiburg  im  Breiegan,  kam  im  Kriepjmhr  IM  l 
Greifiwald  und  wurde  1870  auf  Antitag  seines  Studiengeno^sen  und  F^fH 
H^  Usener  nach  Bonn  berufen,  wo  er  anfangs  nicht  obue  Eampft  i 
aber  als  allgemein  verehrter  akademiec her  Lehrer  und  bewunderivrPoiX 
bis  inletit  wirkte. 

4Seine  literarischen  Leiatnugen  vermag  und  wage  ich  nieht  m  < 
seinen  abxn^chätzen.  Es  lat  nach  annötig,  da  er  als  der  bttte  EeooiT 
Altlateins  und  der  verwandten  ttal liehen  Dialekte  aowie  al«  svifili 
neter  Philologe  und  Konjektnralkritiker  Qberall,  wo  klaasiich«  Phüok, 
betrieben  wird,  anerkannt  ist.  Nach  dem  Ersehe  inen  seiner  trcffUchi 
Dissertation  De  Ti.  Claudio  C€^Bar0  fframmatico  (Bonn  165$)  h«« 
er  sieh  cosanunen  mit  Usener  nnd  fünf  anderen  Bitichls^btteni  ^ 
anageber  des  Gran%u$  Licinianu§  (Tenboer  185Ö  >,  den  der  jQnger?  P«l 
aus  dem  Londoner  codex  ter  geriptus  tarn  erstenmal^  aber  4b«fM 
mangelhaft  veröffenUicht  batt«.    Anf  Bücbeler    entfiel   bei  der 


1 


Iligl[til  die  Haapttrbtit  der  Teitg^ataltüng,  wie  er  letbat  leb-* 
mio^f  kuriflUf  »her  in  halt  arti  eben  Gedftcbtmirede  auf  H.  Üieoir 
i  «Hit  fi«berb&fter  Hait,  'TtLg  und  Nacht  Arbeiteten  wir  im 
BD  Nosftt  Nofcmber»  jeUt  alidn,  jetzt  in  gemeiDeameti  Konffi^ 
[f  flilltf  StndeDteDbude . .  ^  eriät  den  Text  feitsteLNod^  Tür  den  ich 
v«ratitiiortlicb  bin,  dann  das  ToUitindige  Wortreptter,  der 
Wtrk^  inletit  die  einleitende  Vorrede,  welche  üaener  verfaßt  bäl. 
icj  dieter  Arbeit  hatten  wir  uns  gfegeoseitig  reretehen,  Tertragen 
Umb  gstoriit  und  wohl  in  Erinnertiiig  daran  scheute  Uten  er  keine 
^  killitfi  Efttnpff  cm  micb  ale  eeinen  Küllef^en  nach  Bnnti  tu 
t  Der  Erfolg  der  tiefgründiges  schriftatelleri»cben  Wirkaamkeit 
kftfierordentlichen  Lehrtätigkeit  Büchelera  b&itiitigte  baid  Useoera 
insfiid«  Die  Konat  philolof^ischer  Kritik  und  Eiegete,  die  Bd- 
ihon in  der  Aufgabe  tod  Frontina  Schriftchen  De  aquis  urbii 
L«i^£tg  1858)  md  bei  der  Erkl&rang  des  PsrmgiHum  Veneris 
$Stikgt  hatte,  wurde  dnrch  seine  meisterbafie  Anagabe  von  Petrona 
UNl  den  Frtapea  (Weidmann  1862 ,  die  kleinere  in  vierter  Anf> 
\}  in  noch  taellerea  Liebt  lEfeitellt.  Daa  gleiche  Lob  gebflbrt  leinen 
I  dei  homerifchen  Hjmntai  auf  Demeter  (1869)  nnd  dea  Eeiondaa 
Mr  litefariicben  Überreste  dea  ijuintus  Ciüero  und  den  Nenau* 

0  Jabna  Permi^  luiynahg^  SuJplctae  saiurae.  In  aeinen  Carmina 
epiüretphiea  (die  den  IL  Band   der  Äntkohtjia  Lntina^  Lipaiae 

1897  bilden)  und  im  ^Reefat  van  Gortja"*  idaa  er  zufiamüieu  mit 
iten  Zitelmano  1885  herausgab)  hat  er  weitere  glänzende  Miister 
lcb#r  Kritik  nnd  ErUuttrnng  geboten.  Die  von  leinein  Lehrer 
egonneoen  grammatmcben  ArbeiteOt  die  überall  daa  epigraphi^che 
genau  Ter  werteten,  forderte  Bücheler  auf  dem  Gebiet  der  Formen* 
i  ttlen  Latetna,  deeOikiacben  und  ümbriacben  in  herro fragender 
Kb  br&Qche  in  dieier  Beiiebun^  nnr  aof  seinen  bekannten  „Urnnd- 
iliifiitebeD  DeklinatioQ''  la  rerwtiisenf  der  (inent  Ltipiig  1866 
m)  ton  L.  Haret  ins  Frantöfliacbe  ftheraetzt  und  Ton  J.  Windekilde 
i  lieranigegeben  wurde,   dann  auf  aeioe  Frogranimabbaadlangen 

IguiriDiachen  Tafein  (Bonn  1876,  1878,  18S0),  aein  Lexicon  Ita- 
d  fein«  r^m&rica{18S3u  die  fQr  dieaea  btudiengehiet  bahnbrechend 
L  aind.    Dazu  kommen^    beaondera   seitdem   er   (1877)  suefet   mit 

daDü  mit  Useuer  das  Rbeiniicbe  Mnii^unr  redigierte,  eine  ganze 
tlobgiaeher  Kabioeltsittäckchen.  scharfsinnige  Yermutangen,  Leae- 
|d4  gelthrc«  Miszellen  aus  dem  weiten  Gebiete  der  Philologie, 
n  wenigen  Worten  sebwiertge  eprachiiclie  oder  literarhia torische 
»en  ttnd  ne^e  Anrei^nngen  oder  Anfkl§rnngen,  besondere  aber 
i  fulg&rei  Latein  bieten.  Kocb  dai  jUngate  Üeft  des  ^Ehein^ 
•  enthÄh  wertToUo  I^QMQfograpkica  und  Bemerkungen  znm 
\i  fon  Baulia. 
tebelera   inriiaenach&ftliche  T&tigkeit   besehrtinkt  sich   aber  nicht 

1  anch  dttrcb  ihre  «Dergische  Kürze  nnd  FrAgnani  aaagezeichneten 
Poblikationen:  er  hat  auch  *n  den  fielen  tüchtigen  Bonner 
Ionen  der  ietiten  Detennien  hanpti^äehUcb  über  PUntui  nnd 
lebt  nur  die  Anregung  gegeben,  aondern  anch  oft  dat  Beate  ans 

beigeiteuert;  dazci  itammeu  u,  a.  die  siGbersten  Yermutungen 
eil  lettter  Auflage  der  Fragmente  der  lateinischen  Szeniker  und 
^rt  kriliseher  Ausgabe  tod  Cäsars  Üfirgerkrieg  von  Bücbeler, 
i  ml  eist  bat  er  auch  die  lateiniacbe  Leiikographie  anfa  wirk- 
d'ftriitft.  Sebon  1868  atand  aein  Anaeben  auf  dietein  Gebiete  so 
I  Halm  auf  der  eraten  Wiener  FliiloIogenTereammlnng  daran 
alt  EittehJs  und  Fleckeisens  Hilfe  und  unter  BQchelen  Etdaktion 
Munt«  in  AngriiT  nehmen  zu  können.  Als  aber  dann  nach  fielen 
m  damali  noch  unreife  Gedumke  durch  Wötffltnfi  Vorarbeiten, 
)m  in  den  kritiacben  Äußg&ben  des  Wiener  Corpus  scriptoruTH 
ieomm  Latinorum,  der  Monumcftia  Germ.  hüL  (auct.  antiq*) 


480  Franz  Bttcheler. 

und  des  Corpus  macriptianum  Latinarum  sowie  dnreh  Hertt',  HartelB 
und  MommsaDB  Anregangen  feste  Formen  gewann,  da  warde  in  die 
engere  Kommission  außer  den  Vertretern  der  das  unternehmen  nater- 
stfttsenden  Alcademien  anch  Blieheler  berafen;  er  hat  xor  ersten  LiefeniDg 
das  Juianpe,  gehaltyoUe  Vorwort  f erfaAt  and  seit  Harteis  Tod  die  6e- 
sehftftsfflnrang  mit  der  größten  Umsieht,  Sachkenntnis  and  Hingabe  Ter- 
sehen.  Sein  letites  fürsorgliches  Bandschreiben  Tom  1.  Mai  an  die  Mit- 
glieder der  interakademischen  Kommission  gelangte  eres  mehrere  Tage 
spftter  an  den  Unterseiehneten  als  die  Traaerkande  selbst.  Er  hat  seinen 
jihen  Tod  so  wenig  yorhergesehen,  daß  er  in  demselben  Briefe  noch  des 
Termin  der  Herbstkonferens  festsetste. 

Noch  Größeres  and  Nachhaltigeres  hat  BOeheler  geleistet  in  seinem 
Wirken  als  akademischer  Lehrer,  in  seinen  anregenden  Vorlesangen,  seineo 
methodischen  Obnngen  im  Seminar  and  in  den  Pnyatissima.  Seine  Ansichteo 
entwickelte  er  anch  mflndiicb  stets  mit  Taciteischer  KOne,  aber  lebhift 
and  temperamentf  oll.  Besonders  wenn  er  Gegenansichten  inrfickwies,  geriet 
er  ins  Feoer  ond,  als  er  einmal  anf  gewisse  ephemere  Einf&lle  and  arge  Ober- 
eilnngen  B&hrens'  sa  sprechen  kam,  wurde  er  so  erregt,  daß  seine  Notiien 
ins  Aaditoriam  flogen.  Im  Seminar,  noch  mehr  in  dem  bloß  fOr  Vorgerflckte 
berechneten  Priyatissimam  stellte  er  hebe  Anforderangen,  war  aber,  wo 
er  eifriges  Bemflhen  sah,  sehr  entgegenkommend  ond  hilfreich.  Man  ging 
ans  solchen  Standen  immer  mit  dem  Gef&hle  weg,  fiel  gelernt  sa  haben  ood 
Tielfach  angeregt  worden  sa  sein;  denn  Bflcheler  yerstand  es  wie  kaum  ein 
sweiter,  die  kleinsten  fiinselfragon  anter  den  Gesichtswinkel  des  Gänsen  n 
stellen,  die  Verlocknngen  der  Phantasie  and  Willkür  strenge  absaweisoa  ond 
die  entscheidenden  Momente  sprachlicher  and  gedanklicher  Art  yOllig  Usr- 
sastellen.  Man  fühlte,  welche  geistige  Arbeit  and  Energie  er  vor  dieaen 
and  während  dieser  Standen  aafgewendet  haben  maßte,  am  das  jeweilige 
forderliche  Ergebnis  sa  ersielen.  Diese  lehrreichen  Standen  seigten  dssBüa 
des  ToUkommenen  Kritikers,  der  nicht  nnr  über  die  philologische  Technik 
sondern  anch  über  die  lateinische  and  griechische  Sprache  sonyerftn  gebot. 
Dabei  berührte  die  yoniehme  Bescheidenheit  des  Gelehrten  aaf  das  an- 
genehmste. Er,  der  anerkannte  philologische  Führer,  erklärte  bei  der  Feier 
seines  goldenen  DoktoijabiUams  im  Jahre  1906»  als  ihm  Schüler,  Freonde 
and  Verehrer  eine  Bronsebüste  neben  die  des  yor  ihm  im  gleichen  Lebens- 
alter and  ebenso  sanft  entschli^enen  üsener  stifteten,  daß  seine  Lebeni- 
leistang  windg  gewesen,  aber  kein  Heiliger  so  klein  sei,  der  nicht  setae 
eigene  Kerse  haben  müise.  Doch  hob  er  sogleich  mit  BcNcht  heryor,  dsfi 
sein  ganzes  Streben,  sein  großer  Ehrgeis  es  gewesen  sei,  ein  akademtecher 
Lehrer  sa  sein,  wie  sich's  gehört,  wohl  bewußt,  mit  Stols  bewoßt,  dsA 
der  März  die  Blomen  mache,  für  die  wir  dem  Mai  za  danken  pflegten. 
Das  Verdienst  an  etwaigen  Erfolgen  gebühre  seinem  yortrefflichen  Lehrer 
Bitschi  and  seinem  Frennde  Usener,  so  dem  er  sich  nar  als  Gegenstück, 
wie  der  Schatten  eret  das  Licht  markiere,  betrachtet  wissen  wolle,  ond 
dankend  wies  er  aach  auf  die  aaswArtigen  Kollegen  and  Freande  hin, 
die  (wie  der  nnyergeßliche  y.  Hartel)  ihre  Schüler  nach  Bonn  gesandt 
bitten,  weil  sie  Vertranen  gehabt  sa  seiner  Lehrtätigkeit  Durch  diese 
schlichte  Bescheidenheit  gewinnt  das  Bild  des  großen  Mannes  einen 
schonen,  lichten  Zag  mehr. 

Das  Verloschen  einer  solchen  Lenchte  trifft  die  Philologie  gerade 
jetzt  sehr  schwer,  da  sie  durch  andere  Wissenszweige  yerdunkelt  wird. 
Hoffen  wir  aber  mit  Bücheier,  daß  dies  nnr  yorüberiiehende  Schatten  sind 
(Lichtpunkte  sind  n.  a.  das  Aofblühen  der  klassischen  Archäologie  und 
der  ungeahnte  Zuwachs  an  neuen  kostbaren  Texten),  und  wünschen  wir, 
daß  nicht  nnr  über  der  Bonner  Hocbschnle,  dem  bisher  sicheren  Vorwerk 
der  klaesischen  Altertnmsforschang,  der  Geist  der  beiden  Dioskurea, 
Bflchelers  und  Useners,  yorbildlich  and  schirmend  schweben  mOge. 

Wien.  Dr.  Edmund  Hanler. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlungen. 


Neue  Wege  des  Sprachunterrichta^}. 

Bei  der  letzten  MittelschnleDqadte,  zumal  bei  den  rieleQ  vor- 
bereiteDden  Beden,  ist  der  Sprachunterricht  an  Mittelschulen  recht 
sdileeht  wefj^gekommeo ,  wohl  am  schlechtesten  unter  allen  Diszi- 
plinen. Diese  Bewegung  erreichte  am  8.  Dezember  1907  ihren 
Hdbepnnkt  in  dem  Vortrage  Wilhelm  Ostwalds,  in  dem  er  Sprach- 
wissenschaft, Sprachonterricht  und  Sprache  unerbittlich  und,  wie 
OSO  wohl  hinzufügen  darf,  in  ungerechtfertigter  Weise  herabsetzte, 
js  TsrbOhnte.  Er  hatte  leichtes  Spiel,  die  Menge  der  Unzufrie- 
denen, der  ürteilslosen  und  Schadenfrohen  um  sich  zu  scharen. 
Trotz  der  augenftlligen  BM0en,  die  sich  Ostwald  in  sprachlichen 
Diogen  gibt»  trotz  glänzender  Entgegnungen  ron  M&nnem  tob 
Bof,  erscheint  der  Philologe  noch  heute  in  seinem  Ansehen  auf  dav 
fimpflndlicbste  geschädigt. 

Da  müssen  wir  uns  wohl  fragen:  Haben  diese  Gegner  recht? 
Sind  es  berechtigte  Klagen,  die  sie  gegen  den  Betrieb  des  Sprach - 
QBterriehts  erheben?  Und  wenn  dies  der  Fall  ist,  wie  ist  den  Übel- 
ttand«  abzuhelfen?  Es  geht  nicht  an,  daß  man  alle  Schuld  auf  die 
Professoren  abwä^lzt  oder  gar  aus  dem  unzulänglichen  Erfolg  Febl- 
•chlüsse  auf  das  Bildungsniyeau  des  Lehrstandes  zieht.  Nein,  das 
Obel  steckt  riel  tiefer,  es  steckt  im  tiefsten  Kern  des  Unterricbts- 
betriebes  selbst. 

Vor  allem  tut  Klärung  not,  genaues  Abwägen  von  Ziel  und 
Mittel,  damit  es  fflrder  nicht  möglich  sei,  Ziele  zu  stecken,  ohne 
dsfi  für  die  anzuwendenden  Mittel  Vorsorge  getroffen  wurde,  oder 
Mittel  einzustellen,  die  nun  und  nimmer  zum  gewünschten  Ziele 
ffthren.  Leben  tut  not!  Dr.  Vrba  hat  in  einem  lichtTollen  Vor- 
tngfe  eine  Übersicht  der  Mittel  gegeben,    die  geeignet  sind,    dem 


0  Vortrag,  gehalten  im  Vereine  Kealschnle  am  15.  Februai  IlX)8h 

ZätKhrift  f.  d.  taten.  Gymn.  1908.  YI.  Haft.  81 


4S2  Nene  Wege  del  Sprachnnterrichto.  Von  L.  Wypld, 

Strachnnterricht  Leben   zuzuführen.     Ich   greife  heute   beeonden 
diejenigen  heranSf  die  auf  Handlung  und  Erlebnie  beruhen. 

Ich  will  aber  diesen  Oegenitand  nicht  ala  Beiweit,  ich  will 
ihn  als  Hauptsache  und  so  behandeln,  daß  ich  die  ErruDgen- 
sehaften  der  modemeu  Sprachforschung  auf  ihn  anwende.  Dabei 
schlage  ich  folgenden  Weg  Tor.  Erst  behandle  ich  die  Sprache, 
insbesondere  den  Satz.  Dann  gehe  ich  zu  der  Anwendung  der  sieh 
ergebenden  Erkenntnisse  über,  streife  den  Unterricht  in  der  Muttor- 
sprache, verweile  beim  Unterricht  aus  den  Fremdsprachen.  Da 
werden  sich  vor  allem  zwei  Fragen  ergeben:  Wie  ist  der  Unter- 
richt aus  den  Fremdsprachen  beschaffen?  Wie  sollte  er  in  Eiick- 
sieht  auf  die  gesteckten  Ziele  beschaffen  sein? 

Der  erste  Gegenstand  meiner  Betrachtung  ist  also  die  Sprache 
und  innerhalb  der  Sprache  das  Element,  aus  dem  sich  die  zusam- 
menhangende Bede  aufbaut:  der  Satz.  „Denn  die  erste  eigeo- 
lebige  Einheit  derSprache  ist  nicht  das  Wort,  sondern 
der  Satz**^). 

Ich  wende  mich  zunächst  dem  Sorgenkind  der  Oranunatiker 
und  Philologen  zu:  dem  eingliedrigen  Satz.  Wilhelm  Wandt 
in  seiner  Völkerpsychologie  (I  2)  macht  wenig  Federlesens  mit  ihm. 
Er  schaltet  ihn  einfach  als  Satzfragment  oder  Satz&qaiTalent  — 
übrigens  eine  glücklich  gepr&gte  Bezeichnung  —  aus  der  Betraeh- 
tang  des  Satzes  aus.  Ich  glaube,  die  Sache  l&ßt  sich  weniger 
gewaltsam  schlichten. 

Wundts  Gedankengang  ist  etwa  folgender :  Als  Beispiele  für 
eingliedrige  Sätze  gibt  er:  'EiP,  *Karll\  'Feuer!*,  'Diebef  Nun 
sei,  meint  er,  ein  Satz  wie ''Karl  T  vieldeutig.  Er  könne  bedentes: 
'Karl,  komm  herf  oder  *Earl,  nimm  dich  in  acht!'  oder 
Ähnliches.    Ist  dem  wirklich  so?    Ich  glaube  nicht. 

Alle  diese  Beispiele  —  das  übersieht  Wundt  —  gehören  der 
Umgangssprache  an  und  als  Äußerungen  der  Umgangssprache 
kommen  ihnen  Ton  und  begleitende  Oebarde  zu.  *Earir 
kurz  und  laut  mit  dem  entsprechenden  Wink  ist  nicht  mehr  zwei- 
deutig: es  bedeutet  'Karl,  komm  her!'.  Desgleichen  *£arlf 
drohend,  etwa  mit  erhobenem  Finger,  bedeutet:  'Karl,  tu  dai 
nicht!'  Und  denken  wir  uns  endlich  ''Karl!'  gesprochen  — 
seelenToU  —  sagen  wir  von  einem  weiblichen  Wesen,  das  sich 
seit  Jahr  und  Tag  nach  diesem  Karl  gesehnt  hat,  dann  bedeutet 
es:  'Karl!  Geliebter!  bist  Du  es  wirklich?' 

Daß  Wundt  die  Scheidung  zwischen  gesprochener  und  ge- 
schriebener Sprache  übersieht  oder  für  anwesentlich  hält,  gebt  soi 
einer  Stelle  seines  Baches  deutlich  hervor:  „Wenn  laßeruBgen 
wie  'Eil'  oder  'Karl!*  als  Satze  interpretiert  werden,  so  geschieht 


*)  Von  der  Gabeleni,  Die  Sprach wiesenschalt  (Vgl.  aadi  K.  Sflt- 
terlin,  Das  Wesen  der  sprachlichen  Gebilde.  Kritische  Bemerknogen  n 
Wandte  Sprachpsychologie.  Heidelberg,  Winter  1902.) 


Nem  Wege  des  Sprachunterrichts.  Yen  Z.  Wyplel.  483 

dies  in  Wahrheit  nicht  deshalb ,  weil  sie  als  ein  abgeschlossenes 
Otnzes  erscheinen,  sondern  weil  man  sieh  für  berechtigt  hftlt,  zn 
iboen  das  hinzaznfUgen ,  was  der  Redende  dabei  gedacht  haben 
kino,  aber  nicht  ansgesprochen  hat,  z.  B.  bei  dem  Ansrnf  ^^Earl' 
etwa  'Karlf  komm  hieher^  oder  'Karl,  nimm  dich  in  acht*  oder 
Ibnliehes.  Ist  ein  solcher  Nebengedanke  nicht  rorhanden ,  dnrch 
den  dts  gesprochene  Wort  stillschweigend  zn  einem  Satze  ergftnzt 
wird,  hat  z.  B.  jemand  anf  einer  Tafel  das  Wort  "EarT  gelesen, 
ohne  sich  irgend  etwas  weiteres  hinzuzudenken,  so  ist  nicht  ein-' 
zniehen,  wamm  man  sich  nicht  damit  begnügen  sollte,  ein  so  ge- 
lesenes Wort  eben  ein  Wort  zu  nennen,  ihm  aber  den  Charakter 
eines  Satzes  abzusprechen  — .^  Oewiß,  in  der  geschriebenen  Sprache, 
ins  dem  Zusammenhange  gerissen  —  ohne  Ton  und  Gebftrde  — 
schrumpft  der  Satz  'Earll'  zu  einem  toten  Wort  zusammen.  Diese 
Scheidung  ist  aber  so  wesentlich,  sie  trifft  60  sehr  den  Kern  der 
Sache,  daß  ich  auf  sie  nfther  eingehen  muß. 

Bin  Teil  der  Umgangssprache  —  ich  möchte  ihn  die  Um-* 
gangssprache  im  eigentlichen  Sinne  nennen  —  knüpft  unmittelbar 
an  das  Oegenwftrtige,  an  das  Hier  und  Jetzt  an,  sie  hat  das 
tatsächliche  Vorhandensein  einer  greifbaren  Umgebung  zur  Voraus- 
•etzung.  Geffihlsreaktionen  und  Willensäußerungen  sind  ihre  Lieb-' 
liogskundgebungen.  Doch  der  Mensch  lebt  nicht  nur  in  der  Oegen- 
wart;  er  erinnert  sich  auch  des  Erlebten.  Er  hat  das  Bedürfnis, 
aber  Dinge  zu  sprechen,  die  nicht  gegenwärtig  sind,  mitzuteilen, 
was  er  erlebt  hat.  Diese  Aufgabe  fällt  einem  anderen  Teile  der 
Ungangsspraehe  zu,  ich  möchte  sie  die  nachschaffende  Sprache 
nennen,  denn  hier  wird  die  Sprache  wahrhaft  zur  Schöpferin.  Sie 
schafft  dai  Nichtgegenwärtige  nach,  um  es  in  unserer  Phantasie 
wiedererstehen  zu  lassen. 

Es  gehört  zu  den  größten  Triumphen  des  menschlichen 
Geistes,  daß  er  diese  Aufgabe  gelöst  hat,  daß  er  tatsächlich  im- 
stande ist,  Tors  Auge  zu  führen,  was  längst  vergangen  und  yer- 
geisen  ist.  Wir  erleben  dieses  Wunder  oft  schon  bei  der  schlichten 
Erzählung  eines  einfachen  Mannes,  wir  erleben  es  am  vollkommensten, 
wenn  der  Mund  des  Dichters  zu  uns  spricht.  Welche  Kräfte  müssen 
in  der  Sprache  aufgespeichert  liegen,  damit  sie  diese  Arbeit  leisten 
kann.  Es  müßte  sich  lohnen,  ihnen  nachzuspüren.  Aus  dieser  nach- 
schaffenden Sprache  Tornehmlich  hat  sich  die  geschriebene,  die 
Bucbspraehe  entwickelt.  Sie  ist  es,  die  für  den  SchuloDterricbt  vor- 
wiegend in  Betracht  kommt.  Innerhalb  der  Buchsprache  können 
wir  uns  den  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Sprachacbicbten 
am  deutlichsten  veranschaulichen  durch  Boman  und  Bidtorie  einer« 
seits,  durch  Drama  anderseits. 

Im  Boman  und   in   der  Geschichte   herrscht  Erzäblang  nnd 
Beschreibung  vor;  im  Drama  ist  Beschreibung  und  Erzählung  aat 
die  Bflhnenweisnngen    beschränkt.    Sie  treten   bei  der  kuüf^' 
Ala  Dekoration  und  Handlung  vor  das  leibliche  Auge  de&  Zuscf 

81* 


r 


,  ^ 


iU  lIcR«  We^f  de%  Spmk9^Afiricktt.  VfB  JL  FsvW. 

g^pjF9«beQ«  Wort  ebaiiso  nttfrliifh  «»koäpfoo  kyia  wi«  im  wirk- 
Ii4sb40  Ltben.  Ea  wAre  aU«  aabr  badankli^»  mia  4iaa  Iiaie«  baattadi^ 
fbrd^,  4ia  Spraeha  nur  diircb  Spiaeban  iabra«  zu  noUa«. 

Ea  ist  ein  Zu9  daif  iqodafnea  gprackforaobing»  Aia  gaapfochana 
SpiraAbe  ia  dan  Eiaii  ibrer  9atiaiobteng  an  aiaben«  Qiea  aaigt  aiek 
aiAop  in  dar  Dafinitton  daa  Sa^taa»  Majar-Lftbk«  da&Diart  dai  SaU 
9)ß<  »ai9  Wait  odar  aii^Griippf  Ton  WOrlara»  dia  in  dar  gaapro« 
c^ianaA  Spraoba  ala  QaP^^aa  aiaabaioan,  dia  aicb  ala  aiaa  Mit- 
iailimg  aipaa  Spraobaadao  ap  ainan  andara  daralaUaD\ 
Ham.  Panl:  ala  „daa  Symbal.  daftr,  da0  aiek  dia  Yarbi^doBg 
ipabrarar  Yarat^allaiigaa  ^m  VaratoUaiigagFi^paQ  m  dar  8Mla  d«t 
äpracbaadan  TQUzog^Pi  bat,  nad  daa  Mittal  daaq,  dia  ntalioht 
YarbiDdang  d^r  aaialiabaa  YarataUaiigaD  ia  dar  Saala  daa  H6rai* 
dsan  %n  araaQgan''.  Am  aebOnataq  ▼.  d^aabalaat«:  »lab  kann  ^m 
Spracba ,  das  beißt  a^a^oa  %  iob  varataha  aia »  wano  ich  aia  htra 
odar  laaa,  ^  xm/i  awaitaqa:  iob.  waqda  aia  riabtig  an»  wain  ich 
ia  üiv  ra4l  odar  Hbraiba"*.  Kr  aabaide^  gaoa«  awisaban  dana  Stand* 
pqjlkta  daa  Bedaada«  aad  dam  Staadpiiakta  daa  Hfiraadao,  fordert 
dia  atrikta  Wabraag  diaaar  Cfaaiabtapajikta  aad  waiat  lor  ihrer  Yac- 
napbl&aaigang^  „Kein  Waadar  daram  -^  aagt  ar  -*  daA  faat  aUa 
lu^ybaadanan  Grammatikaa  awiaabaa  dea  beidaa  Gaaiohtapaaktaa  eiaa 
aattaama  ZwittarataUaqg  ainaabman,  FolgavidrigkeikaD  aller  Art  er* 
klAraa  aicb  darana.^ 

lob.  k<M9Bia  aa^mabr  aim  iwaigliadvigeq  Sata:  Zam  Haapt* 
tail  mainer  Betraobtaag.  Der  Teil  dar  YMkerpayobologia  WaadU, 
ißf  ?om  Satae  baadatb  iat  ein  Haiatarataek  dar  Dialektik.  Waadt 
gabt  ao  ^OF.  Sv  isy^t  die  DeQpitioaea  daa  Sataea»  dia  foa  Phikn 
logea  aufgestellt  worden  aisd,  Beyne  pasaieraa.  Br  achaidat  dabei 
dia  Definitionen  der  altea  ärammatikar  -r*  daza .  z&blt  ar  nnter 
afidiBrea  Fraaa  Kam,  deaaaa  Biafiaß  aaf  den  Spracbaatarriabt  ea- 
Tarb&agBiafoU  gewordea  iet  — ,  dia  DafinitioBan  im  Siana  der 
9#gatiTaa  Syntai  (Schale  Mikloaiob),  aadüob  dia  Dtfnition  naeh 
daa  baglaitaadea  Yoratellnngan  (He^m.  Paal)«  daa  w&ra  vom  pajalia- 
logiacben  Staadpankt;  dieaa  Bezaicbnaag  aber  behalt  Wandt  liob 
aal  bar  vor.  Er  bek&mpft  alle  diaae  Defiaitioaan,  wie  gaaagt,  mit 
glftosiender  Dialektik,  faßt  dann  allaa»  waa  aia  Gamainaamea  habae« 
aqaamoMB  aad  bringt  scbliaßlicb  eeina  aigaaa  Definition.  Da«  fibr- 
gabaia  iit,  wie  zu  erwarten  ataqd,  daß  Wandt  aar  aeina  Defioi- 
tioa  gelten  l&(^t. 

Wandt  eagt  (a.  0.  S.  284):  „So  weit  nach  die  DefiaitioonD 
aaseiaandargebea  mögen,  in  denen  Grammatiker,  Logiker  oo<i 
Psychologen  die  allgemeinen  Eigenschaften  dea  Satzea  feataaetelleo 
bawnbt  waren,  so  gibt  es  doch  einen  Pankt,  in  dem  sie  äbertto- 
atimmen.  Diea  iat  die  Yoraaseetzang ,  daß  dar  Satz  irgend  eiee 
Art  von  Yerb indang  eei,  die  darqh  eine  Snacaaaion  von  WOftero 
oder  von  Yoratellangen  zaatajada  komme.    Gerada   diaea  gemaia- 


bMtimmnDgeD  kann  ni^i  aber  einer  genanen  Prtfaflj^  taieht  atattd- 
baltiBv.  .  VIeliiiebr  iat  der  8ätt  die  Ketlegun^  «iUea  im 
Btwttfltaeiii  yorbabdeneta  Ganzen  In  aeikie  Teile.*  Cnd 
tpitir:  ^tn  erster  Linie  ist  die  Satzblldiing  ein  anAl^tieeher 
Torgang,  dettn  daa  Qante  des  Satzee  stebl  zanftebet  in  allen  eitt- 
lelnen  Teilen «  wenn  aiieb  neob  relatf t  donkel  bewnfit ,  als  eine 
^iMamtfonlellnng  iror  ttni,  und  diefte  OesattUorBtelltn^  gliedert 
lieh  in  ibre  Teile«  indem  einer  dieser  Teile  nacb  dem  andern  ftpper- 
lipiert  wird.*  Endlicb  definiert  Wnttdt  den  Satz  als  „den  spracb- 
liehen  Ansdrnek  fdr  die  willkflrliobe  Qliedemng  einer  Oesamtror- 
steUeng  in  ihre  in  logtsehe  Beziehung^  tn  einander  gesetzten  Be- 
etandtoile**. 

Wandt  hat  In  der  Darstellung  dieser  psychologischen  Vot- 
glBge  fraglos  recht»  Wie  aber  steht  es  um  die  Definition  der 
Philologen?  Da  begibt  Sieh  nnn  das  Herkwdrdige,  daß  die  Philo- 
logen mit  ihrer  Art  zn  definieren  nicht  minder  recht  haben.  tCh 
will  versuchen  darznlegen,  wie  dies  zn  terstehen  ist.  Wie  Sie  sich 
erinnern,  scheidet  Wnndt  nicht  sanber  genug  zwischen  geschrie- 
bener nnd  gesprochener  Sprache.  Infolgedessen  fibersieht  er  jetzt, 
d*0  zwei  psychelogische  Vorginge  zn  beobachten  sind,  einer  yoiti 
Standpunkte  des  Bedenden,  ein  anderer  vom  Standpnhkte  des 
Hörenden.  Die  Wnndtsche  Darstellnng  nnn  schildert  die  Vofgftbge 
in  der  Seele  des  Bedenden  oder  Sehreibenden.  Seine  Definition  ist 
tom  Standpunkte  des  Bedenden  aae  gefaßt. 

Die  Definition  der  Philologen  hingegen  faßt  die  psycho- 
logieeben Vorgänge  ins  Auge,  die  sich  in  det  Seele  des  Hörenden, 
Lesenden  TÖllziehen.  Urteilen  Sie  selbst:  begeben  ist  hier  der  ge- 
prägte Satz,  d.  i.  die  Worte,  ans  denen  er  besteht,  demnach  die 
den  Worten  entsprechenden  Vorstellungen.  Diese  TeiWorstellüngen, 
miteinander  in  Verbindung  gebracht,  ergeben  die  Oesamt- 
▼eretellQlig.  Diese  endlich  erschließt  den  Vorgang  der  Wirk- 
Uehkeit.  -  Dieselben  Wege,  hur  die  Bichtnng  verschieden.  Det 
Badende  schreitet  ton  der  Wirklichkeit  zum  sprachlichen  Ausdruck 
tor,  der  HOrende  vom  sprachlichen  Ausdruck  zur  Wirklichkeit. 

Bs  iat  also  Tatsache,  daß  Wir  seit  Jahrzehnten,  seit  Jabr- 
httttderlsB  —  denn  diese  Auffassung  geht  bis  auf  den  alten  Dio- 
oysiua  Thraz  zurück  ^^  in  der  Philologie  mit  einer  Definition  vom 
Standpunkte  des  Hörenden,  Lesenden  arbeiten,  ohne  auch  nttt  die 
Definition  vom  Standpunkte  des  Bedebd^n  aufgestellt  zu  haben. 

tob  üble  die  Erkenntnis  Wundts  zu  den  wichtigstefi 
Fund  Ott,  die  auf  dem  Gebiete  det  Sprachforschung  gemacht 
werdeft  aiad;  sie  ist  elfte  Erkentatnis,  die  berufen  ist,  auf  deih 
Oebitl#  iei  Bprathunterriebts  bahnbfechend  zu  wirken.  Kur  hat 
Wundl  •**•  iTenn  uuch  wir  eiu  wenig  maliziOs  werden  wollet  — 
selbst  nicht  ganz  die  Tragweite  seines  Fundes  erkannt,  er  fibersab, 
daß  er   die  Satzdtfinition  vom  Stabdpunkte  des  Bedond^n   ge- 


486  Nene  Wege  des  Spraebnnterrichta.  Von  L.  Wypld. 

fanden  hat,  sonet  hätte  er  die  philolog^ische  Schwesterdefinitioo 
nicht  Terwerfen  können. 

Die  Wnndtsohft  Art,  die  Sprache  zn  definieren,  fdhri  rar 
genetischen  Betrachtung  der  sprachlichen  Vorginge.  Wir 
können  nnnmehr  sozusagen  anf  ezperimentalem  Wege  den  sprach- 
lichen Ausdruck  aus  der  Wirklichkeit  erzeugen.  Hiemit  Ist  die  Philo- 
logie zur  Experimentalwissenschaft  geworden. 

Wenden  wir  uns  diesen  Problemen  zn.  Die  Oebnrtsst&tte  der 
Sprache  liegt  in  dem,  was  die  Psychologie  Apperzeption,  bezie- 
hungsweise fundamentale  Apperzeption  nennt.  Vornehmlich  das 
Wahrnehmungsurteil  dient  zur  Erschließung  der  Wirklichkeit 
Sprachschöpferisch  war  und  ist  derjenige,  der  durch  eine  funds- 
mentale Apperzeption  eine  GesarntTorstellung  gliedert  und  für  die 
Teilrorstellungen  die  sprachlichen  Ausdrücke  findet.  „Er  über- 
setzt gleichsam  die  Sprache  des  Universums  ins  Menschliche'. 
Der  Vorgang  der  Wirklichkeit  ist  „gedeutet,  aufgefaßt  und  geistig 
erobert" »). 

Nehmen  wir  das  Beispiel,  das  Delbrück  in  den  MGrundCrageo 
der  Sprachforschung''  anführt:  „Das  Fällen  eines  Baumes  durch 
einen  Mann."  Wer  wahrnimmt,  daß  sich  die  angedeutete  Verände- 
rung in  der  Außenwelt  vollzieht,  kann  sagen:  „Der  Baum  fällt*'. 
Wer  außerdem  erkennt,  daß  der  Mann  der  Urheber  dieser  Ver- 
änderung ist,  kann  denselben  Vorgang  in  die  Worte  kleiden:  „Der 
Mann  fällt  den  Baum".  Beide  haben  den  Vorgang  erschlossen. 
Der  zweite  Beobachter  ist  in  der  Erkenntnis  erheblich  weiter  ge- 
kommen. 

Wie  ist  nun  der  anf  diesem  Wege  gefundene  sprachliche 
Ausdruck  beschaffen?  Besteht  er  aus  willkürlichen  Zeichen,  wie 
z.  B.  Ostwald  behauptet,  oder  hat  er  vielmehr  eine  Beziehung  zu 
dem  Torgange  der  Wirklichkeit?  Er  steht  nicht  nur  im  innigen,  er 
steht  im  innigsten  Zusammenhang  mit  der  Gesamtvorstellung  jeoee 
Vorganges.  Man  wird  vielleicht  in  der  Namengebung  schwanken, 
ob  man  den  sprachlichen  Ausdruck  ein  Sprachbild  oder  eine  Dar- 
stellung des  Vorganges  in  der  Wirklichkeit  nennen  soll.  Man  kaon 
ihn  auch  als  Zeichensystem  auffassen,  als  ein  Zeichensystem  aber, 
das  80  beschaffen  ist,  daß  man  jederzeit  wieder  aus  diesen  Zeichen 
den  Vorgang  der  Wirklichkeit  zurück  erschließen  kann;  depn  dai 
steht  doch  zu  vermuten:  was  aus  der  Wirklichkeit  erschleseeo 
wurde,  muß  naturgemäß  der  Schlüssel  zur  Wirklichkeit  sein.  — 
Bleiben  wir  bei  den  Beispielen:  „Der  Baum  fäUf"  —  „DerMano 
fällt  den  Baum".  Jedem  konkreten  Substantiv  entspricht  eine  Person, 
ein  Lebewesen.  Darauf  gehe  ich  hier  nicht  ein;  es  ist  selbetver- 
ständlich.  Es  bleibt  in  beiden  Fällen  nur  das  Verbum,  der  »Zb- 
standsbegriff"  auszudeuten.  In  beiden  Fällen  geht  er  auf  dieselbe 
Veränderung  in  der  Wirklichkeit  zurück,  die  eben  zur  Satzbildsog 


')  Jerusalem,  Lehrbuch  der  Psychologie.   S.  108. 


Nene  Wege  des  Spraehmiterriobts.  Von  L.  WypUL  487 

Anlaß  gab.    In  beiden  FAllen  wnrde   diese  Ter&ndemng   an  dem 
Baome  wahrgenommen* 

Im  ersten  Satze  steht  das  Intransiti?nm  Mfallen**,  MBanm** 
alsNom.  (Snbjekt);  dadnrcb  legt  die  Sprache  genan  fest,  dafi  sie 
die  wahrgenommene  Verindemng  einfach  mit  dem  Banme  als  Träger 
dieser  Verindemng  ?erbnnden  wissen  will.  Im  zweiten  Falle  er- 
seheiot  die  wahrgenommene  Verftndemng  in  der  ?erbalen  Vorstellung 
„allen**  gepr&gty  d.  i.  ^zn  Falle  bringen^.  Die  faktiti?e  Form  des 
Verbs  sagt  mir«  daA  der  Mann  als  Urheber  der  Ver&ndemng  gesetzt 
ist.  Die  Ver&ndemng  nehme  ich  hier  am  leidenden  Objekt  wahr» 
d.  b.  der  Banm  hat  jetzt  die  Verftndemng  sozusagen  gegen  seinen 
Willen  erlitten.  Was  also  besagt  das  Verbnm  (wir  könnten  hinzn- 
fügeo,  das  A^ektiy,  das  relati?e  Snbstanti?)?  Es  ist  der  Ansdrack 
fär  die  Verftndemng  in  der  .Wirklichkeit,  sowie  Banm  nnd  Mann 
derAnsdmck  f&r  die  an  dieser  Verftndemng  beteiligten  Personen 
und  Sachen  sind.  Ein  nnd  dieselbe  Verftndemng  kann  nnn  auf  die 
Yerschiedensten  Arten  erschlossen  werden;  nicht  nur  am  Objekt, 
ebensogut  an  dem  Urheber  oder  durch  irgend  ein  charakteristisches 
Beiwerk,  z.  B.  das  Werkzeug. 

Ich  kann  den  obigen  Vorgang  auch  durch  die  Sfttze  er- 
Bchliefien:  „Der  Mann  baut  den  Baum  um^  (Betfttigung  des 
Subjekts),  ,,Der  Mann  hackt  oder  sftgt  den  Banm  um*'  (Werkzeug: 
Hacke,  Sftge). 

Besonders  klar  ist  die  Erschließung  durch  das  Adjekti7.  Hier 
wird  geradezu  die  beabsichtigte  oder  erfolgte  Verftndemng,  d.  i.  die 
erteilte  oder  erworbene  Eigenschaft  als  Eigenschaftswort  heraus- 
gestellt, z.  B.  „Ich  weiße  die  Wand**.   „Die  Wand  wird  weiß**. 

Im  ersten  Satz  bindet  sich  das  Element  „weiß"  mit  dem 
Objekt,  im  zweiten  mit  dem  Subjekt.  Ähnlich  im  Französischen: 
Je  rougis  Ufer  —  Ltfer  rougit.  Je  dureis  lepoi  —  Le  pat  durcU, 
und  so  in  allen  Sprachen. 

Wir  bringen  uns  ferner  zum  Bewußtsein :  Jeder  einzelne  Vor- 
gang kann  Ton  jedem  einzelnen  Eonkretum  aus  erschlossen  werden, 
das  an  dem  Vorgang  beteiligt  ist.  Im  Beispiel  „Der  Mann  f&llt 
den  Baum":  Tom  Mann  aas,  ?om  Banm  aus.  Die  Grammatik 
bebt  dies  heraus :  als  Akti?um  und  Pa8si?um.  „Der  Mann  f&llt  den 
Baum"  —  „Der  Baum  wird  gefftllt".  .,Dör  Baum  fällt"  nnd  „Der 
Baum  wird  gefftllt"  sind  Begriffs&qaivaleDte;  „D«r  Bamm  fällt" 
eine  Ersatzform  des  Passi?s,  weil  in  beiden  Fältett  derselbe  Vor^ 
gang  ?om  nftmlichen  Konkretum  ans  erBchlossen  wardt.  Wir 
werden  also  in  Zukunft  Sfttze  wie:  Jth  leide",  „ich  bekomm^ 
Prtgel"  nicht  mehr  als  akti?  analj^taren  mäseeji. 

Noch   besser    erkennen   wir    die  Beweglichkeit   der  Sprac 
wenn  drei  Konkreta  ins  Gesichtefeld  treteD.  Beispiel:  Wi 
Kranker  —  Decke.  Wahrgenommene  Vf^räDderang :  ^ 
aufgedeckt,  jetzt  ist  er  zugedeckt   Ürboberin  die 
sind  zwei  Beziebungsmöglichkeiteo.  W&rterio  :  Er«] 


\ 


4M  NeiM  Wege  Am  Spr«ebiiiit«nf ehto.  Yen  L.  Wypid. 

D^eke.  Dm  «rsto  «rgibi  dm  Satz:  Die  Wirterü  M«ekl  im  ! 
KraDken  mit  der  Decke  (der  Vorgang  ist  ala  ▼er&ndeniiif 
gefaAt);  die  «weite:  Die  W&rterio  legt  die  Decke  aof  den  Erankra 
(hier  iflt  er  ale  ZueemmeBsetzaBg  anfgefafii).  AttAerdem  sind 
Betftrlieh  EnehließuBgen  desselbeB  VorgaBgeft  vob  jedem  KmikietQm 
aus  mdglieb,  also  secb :  Der  Kranke  iet  ngedeckt*'  (Verladerimg). 
^Der  Kranke  liegt  unter  der  Decke**  (Zneammeneetzing).  EBdlich 
^Die  Decke  bedeckt  den  Kranken*".  ^Die  Decke  liegt  anf  dem 
Kranken**  new.  Und  noch  eins.  Wir  beben  an  der  eachliehen  Bt- 
tracbtnng  ein  Mittel,  inbaltliehe  Differenziernngen  genauest  featzu- 
etellen.  Idi  erinnere  an  die  Formen  „fUlt",  JMt'*  in  dem  obigeo 
Satzpaar.  Sie  sind  fonngleicb  und  bedeutungsTerscbieden;  ^li* 
«nd  wbnngt  zu  Falle**^  Und  das  ist  kein  Zufall,  da  Ja  anerkanntsr- 
maßen  die  Satzbildung  tflts&cblich  begriifsbildend  wird.  Man  Tsr* 
gieicbe  Delbrücks  Grundfragen:  „Eine  Oesamtrorstellung,  welelie 
einer  beziebenden  Analjse  unterworfen  wird, . . .  beißt  ein  Gedanke, 
die  Gliederung  eines  Gedankens  in  seine  Bestandteile  nennt  man 
ein  Urteil,  das  Produkt  einer  solcben  Gliederung  einen  Begriff*. 

Wertvolle  Einsiebten!  Docb  das  Wert?ollste  und  Wichtigite 
bleibt:  Wir  beben  der  Spraehbetracbtung  und  dem  Spracbunter- 
riebt  die  Wirklichkeit  zurflckerobert.  Es  bedeutet  Klarheit, 
Sicberbeit,  es  bedeutet  Können.  Hier  liegt  der  Weg  zv 
Spracbbeberrscbung,  denn  wer  Sprache  machen  kann,  der 
ist  gewiß  Herr  der  Sprache. 

Das  Auftauchen  der  Wirklichkeit  in  dem  Bereich  der  Sprach- 
betrachtung» namentlich  des  Sprachunterrichts,  legt  uns  aber  auch 
Pflichten  auf,  fordert  die  Lösung  ernster,  wichtiger  Aufgaben,  Vor- 
arbeiten für  die  gedeihliche  Führung  des  Sprachunterrichts:  die 
Erforschung  des  gesamten  Bereiches  jener  Vorg&nge,  die  sprach- 
schöpferisch gewirkt  haben,  femer  die  Erschließung  und  Einord- 
nung dieser  Vorg&nge.  Doch  brauchen  wir  nicht  zu  fürchten,  daß 
sich  diese  Aufgaben  zu  kompliziert  gestalten  werden.  Im  Gegen- 
teil, sie  föhren  zu  überraschend  einfachen  Ergebnissen.  Die  sich 
ergebenden  Satztypen  lassen  sich  an  den  Fingern  herzAblen;  ja, 
wenn  man  in  der  Abstraktion  vorschreitet,  gelangt  man  zu  bloß 
zwei  letzten  Gmnds&tzen :  dem  der  Ver&nderung  und  dem  der  Za- 
sammensetzung,  beziehungsweise  Trennung.  Prinzipien,  die  Sie 
bereits  aus  den  obigen  Beispielen  kennen  und  die  in  den  Sprachen 
in  Doppelerschließungen  zum  Ausdruck  kommen,  wie :  Je  U  etmrt 
du  manUau  —  Je  tmU  le  tnatUeau  sur  Ud. 

Diese  Beziehungen  zur  Wirklichkeit  endlich  werfen  nicht  osr 
ein  unsch&tzbares  Licht  auf  den  Spracbinbalt  selbst,  sondeni  aoeh 
auf  die  Sprach  form,  auf  jene  Spracherscheinungen,  die  dveh 
die  Grammatik,  besonders  die  Syntax,  denkökonomisch  in  Gesetie 
gefaßt  werden.  Ich  habe  schon  oben  hiefür  eine  Probe  gegebes, 
als  ich  auf  die  Brsatzformen  des  Passifs  zu  sprechen  kam. 


Mmw  Weg4  dM  SffMhiiBtonrtelite.  y<m  £.  Wt^pM.  48* 

Jt,  M  Mki  IQ  Iraffen,  daft  wir  in  abs^btrtr  Zeit  «rhalteil 
wirdM,  WM  mH  luig«ai  4i«  Behmnoht  d«r  fittthendea  ist :  Aufbau 
hr  Orammatik  au  dam  Woitadiate.  Das  wird  die  OramiDatik  das 
B#deBdeB  aaüil  Diaa  Ziel  kann  aar  darob  Harao^iabang:  dar 
Wirkllahkail  erreicbt  werden. 

An  dar  Wirkliehkalt  wird  die  Spraofae  nea  aratarkan,  wird  die 
Phrase,  das  Papierdentscb  in  ihr  Nidhta  KaBammenaabminpfan.  Dae 
lind  die  Baal iea,  die  wir  yor  allem  anzaetreben  babea. 

Und  80  atinden  wir  dean  Tor  dam  Hanptteil  nnaerer  BrOrte-» 
raa^:  der  Anwendani^  dar  nenen  Anetehten  aaf  den  ünterriobt, 
tonlcbst  aaf  den  Dnterriebt  ans  der  Matterapraebe.  leb  mnft  mieb 
hier  aaf  Andeatnngen  beechrinken. 

Aaf  Ansebannng  dringen  alle  Unterricbtacweige.  Der  Zeicben*- 
anterricbt  bat  sieb  die  Natnr  anrückerobert ;  die  Natarwissen* 
lehaften,  die  daretaliende  Geometrie  sind  Ton  der  Wirklicbkeit  an- 
treanbar.  Anf  Anaebanong  mnft  aneb  der  Unterriebt  in  der  Mntler* 
ipredie  begründet  werden.  Doeb  nicht  anf  Anacbantang  sebleebt'^ 
weg,  aaf  experimentaie  Eracbließnng  des  spraoblieben  Anedmcks 
ao8  der  Wirklicbkeit.  Dabei  können  Abbildangen  gate  Dienste 
tan.  Sie  Termitteln  das  Nebeneinander,  das  Babende,  eie  führen 
tar  Bescbreibnng. 

Hier  rnftssen  aber  aneb  ^^o^ii^'B^iIi^n^  eintreten,  die  ans 
der  angedeuteten  Handlang,  ans  dem  charakteristischen  Angenblick, 
deo  der  bildende  Kftnstler  beraasgegriffen  bat,  das  Nacheinander 
in  der  Zeit  entwickeln.  Dies  ist  der  Weg  tar  Ert&hlnng  (Tgl. 
Lssflings  Laokoon). 

Dieae  Erscbließnng  der  Wirklichkeit  dnrch  den  sprachlichen 
Aasdrack  ist  eine  Denkflbnng  sondergleichen.  ^Fertig  übemom*» 
mens  Urteile  werden  leicht  an  einem  toten  Wortwissen,  wenn 
wir  keine  Gelegenheit  haben,  die  Giltigkeit  dieser  Urteile  in  nnserer 
Erfahrang  selbst  an  erleben.  Ee  gehört  zn  den  wich- 
tigsten Aafgaben  des  Unterrichtes»  dnrch  ein  wohldnrch- 
dtcbtes,  abgekürztes  Yerfabren  den  Schaler  diejenigen  Erfahmngen 
Dseben  zn  lassen,  ans  welchen  sich  jene  bereits  l&ngst  ge^ 
bildeten  Urteile  als  leicht  ersichtliche  Folgemngen  ergeben **  ^). 

Die  sachliche  Sprachbetrachtang  führt  geradewegs  znr  Sti- 
listik, zn  einer  Stilistik,  die  nicht  nnr  die  untersten  Schnörkel 
QSd  den  feinsten  Zierat  im  Ange  hat,  nein,  die  den  Kern,  die 
Seele  der  Sache  trifft,  die  bernfen  ist,  einen  gesunden  Betrieb  der 
Anfsatzübnngen  anzubahnen. 

Aaf  dem  Gebiete  der  Grammatik  hat  sie  geradezu  ein  Er- 
löserwerk  zu  foUbringen.  Sie  wird  uns  tou  der  Mechanisierung 
der  Analyse  befreien.  Sagen  wir,  ein  Kind  habe  Schwierigkeiten 
bei  der  Analjse  eines  ganz  einfachen  Satzes,  wie  „Der  Herr  gibt 
dem  Bettler  ein  Geldstück''.     Er  kann,    sagen    wir,    das  Dati?- 


')  Jerasalem,  Lebrbach  der  Psjcbologie  S.  119. 


490  Nene  Weg«  dee  Spraebmiterridito.  Von  L.  WypM, 

Objekt  Dicht  boatimmon«  Wir  ersehließen  den  Vorging  tod  niT^ben" 
ans  und  erhalten  die  Voratellnngen:  Geber,  Oabe,  Empfftnger 
(Subjekt,  AkknaatiTobjekt,  Datiyobjekt).  Wir  fragen :  „Wer  ist  der 
Empf&nger?  Wer  kriegt  etwaa?**  Ich  glaube  nioht,  daft  ein  Kind 
die  Antwort  aehnldig  bleiben  wird.  Freilich  maß  man  aich  auf  den 
Standpunkt  dea  Kindea  atellen«  um  die  Bedeutung  einer  aolchen 
Hilfe  voll  würdigen  zu  können. 

Der  Hauptdienat»  den  una  die  Wirklichkeit  leiaten  kann,  ist 
noch  zu  erw&hnen.  Sie  iat  der  einzige,  untrügliche  Mafia t ab ,  an 
dem  wir  jederzeit  Ungenanigkeiten  und  »Erfimmen*  der  Sprache, 
wenn  aich  aolche  ergeben  aoUten,  richtig  atellen  können.  Jeden- 
falle  ist  diea  der  Weg,  jene  „klare  Begriffabildung*  herbeiznführen, 
▼on  der  Oatwald  in  aeinem  Artikel  Tom  5.  J&nner  1908  (Neue 
Freie  Prease)  nur  sehr  andeutungaweiae  apricht.  Es  acheint  mir 
aber  von  eminenter  Bedeutung ,  daß  sich  diese  Ei&rung  Ton  der 
Muttersprache  aua,  an  der  Mutteraprache  aelbet  auf  dem  natOr- 
licbaten  Weg :  durch  die  Anachauung  der  Wirklichkeit  yollzieht 

Dann  wird  man  getroat  an  die  Erlernung  ?on  Fremdapraohen 
gehen  können,  an  jene  Operation,  die  Oatwald  in  die  bitteren  Worte 
kleidet :  „Den  krummen  Maßatab  der  Muttersprache  dadurch  rektifi- 
zieren zu  wollen,  daß  man  einen  anderen  krummen  Maßatab,  den 
einer  fremden  Sprache,  unter  uns&glichen  Mflben  daranh&lf*.  Auch 
hier  werden  sich  die  Probleme  yertiefen.  Wir  werden  nicht  allein 
die  formelle  Seite  zum  Vergleiche  heranziehen,  wir  werden  riel- 
mehr  feststellen  können,  wie  Terschiedene  Völker  gleiche  Vorginge 
der  Wirklichkeit  nach  ihrer  Art  erschließen. 

Und  nun  zum  Unterrichte  in  den  Fremdsprachen!  Welche 
Kl&rung  haben  wir  hier  ron  den  gewonnenen  Erkenntnisaeo  zu 
hoffen?  Welch  neues  Licht  werfen  sie  Insbesondere  auf  Ziele  und 
anzuwendende  Mittel? 

Sie  erinnern  sich,  wir  haben  zwei  Standpunkte  streng  ge- 
schieden, den  Standpunkt  des  Hörenden  oder  Lesenden,  den  Stand- 
punkt des  Bedenden  oder  Schreibenden.  Diesen  Gesichtspunkten 
entsprechen  selbstredend  zwei  Ziele:  1.  Das  Deuten,  beziehnnga- 
weise  Verstehen  der  Sprache  (beim  Hören,  beim  Lesen);  2.  An- 
wendung der  Fremdsprache,  d.  i.  Sprachbeherrschung  (beim  Sprechen, 
beim  Schreiben,  also  beim  Aufsatz). 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  ein  Ziel  nur  erreicht 
werden  kann  durch  Übungen,  die  in  sein  Gebiet  fallen,  daß  man 
z.  B.  Sprachfertigkeit  nur  fördern  kann  durch  Übungen  vom  Stand- 
punkt des  Bedenden,  und  umgekehrt.  Wie  stellen  sieh  nun  die 
Übungen,  die  in  Schulen  betrieben  werden,  zu  diesen  Doppelzielen? 
Ich  spreche  zun&chst  Tom  Herüber-  und  Hinfibersetzen :  Tom  Über- 
setzen in  die  Muttersprache,  in  die  Fremdsprache. 

Hier  muß  ich  ein  Wort  über  das  Übersetzen  im  allgemeinen 
▼orausscbicken.  Übersetzen  ist  nicht  ein  Springen  Ton  Wort  zu 
Wort,  aus  Sprache  zu  Sprache,  wie  z.B.  Ostwald  glaubt,  selbst 


Nene  Wege  deg  Sprachimterrielitf.  Von  L.  Wypltl,  491 

dann  nicht,  wenn  dia  Verfahren  die  YertiefoDg  erfihrt,  Ton  der 
Gompen  in  seinem  Artikel  in  der  „Neuen  Freien  Preeae''  sprioht 
Die  fperingste  Fordernng«  die  wir  an  eine  Übersetzung,  bezw.  an 
dm  Übersetzer  stellen  mfissen,  ist:  Übersetzung  Ton  Satz  zu 
Satz;  denn  „der  Satz*  —  yergessen  wir  es  nicht  —  ^ist  die 
inte  eigenlebige  Einheit  der  Sprache''.  In  der  Schule  ist  diese 
Art  dar  Übersetzung  leider  noch  nicht  eingebürgert  Deshalb  ge* 
schiebt  es  ja  so  leicht«  daß  Schfller  mit  Hilfe  dea  Wörterbuches 
wahre  Mondk&lber  Ton  S&tzen  geb&reut  indem  sie  fremde  Glied- 
maßen an  einen  fremden  Bnmpf  flicken,  dem  werdenden  Geschöpf 
womöglich  einen  Kopf  aus  einem  ganz  anderen  Schöpfungsgebiete 
iDfsetzeo.  Und  kann  man  es  ihnen  verargen?  Sind  sie  gewarnt? 
lat  ihnen  zum  Bewußtsein  gebracht  worden,  daß  eine  Erschließung 
der  Wirklichkeit  die  Begriffe  festlegt  bis  in  die  letzten  Spitzen? 
Wissen  sie,  daß  der  Satz  ein  lebender  Organismus  ist,  der  aus 
Kopf  und  Gliedern  besteht,  ich  meine,  ans  seinem  Kopf  und 
seinen  Gliedern?  Deshalb  auch  wird  hier  der  formalen  Grammatik 
•ine  Aufgabe  zugemutet,  die  sie  ihrer  Natur  nach  nan  und  nimmer 
leisten  kann. 

Ich  kehre  zu  meinem  Gegenstand  zurück.  Die  Obersetzung 
in  die  Muttersprache  ist  ein  ziemlich  komplizierter  Prozeß,  der  in 
sieh  schließt:  1.  Deutung  des  Textes  der  Fremdsprache,  d.  i. 
Vordringen  bis  zur  GesamtTorstellnng  und  Erschließung  der  Vor- 
glBge  in  der  Wirklichkeit,  also  eine  Übung  vom  Standpunkt 
des  Lesenden,  bezw.  Hörenden;  2.  Ermittelung  des 
sprachlichen  Aosdrncks  für  diese  Vorgänge  innerhalb  der 
Mattersprache,  eine  Aufgabe  Tom  Standpunkt  des  Redenden. 
Diese  Übung  bietet  keine  unüberwindlichen  Schwierigkeiten,  weil 
man  erwarten  kann,  daß  sich  der  Schfller  in  der  Muttersprache  aus- 
zadrflcken  Termag. 

Anders  beim  Gegenstflck:  der  Übersetzung  in  die  Fremd- 
sprache! Hier  fällt  die  Ausdeutung  in  das  Gebiet  der  Mutter- 
sprache, die  Ermittelung  des  sprachlichen  Ausdrucks  in  das  Gebiet 
der  Fremdsprache.  Diese  Aufgabe  gehört  zu  den  schwierigsten 
Problemen,  die  überhaupt  gestellt  worden  können.  Es  ist  sozu- 
sagen eine  Bedeflbnng  mit  gebundener  Marschroute.  Kein 
Wnnder,  daß  die  Schfller  hier  Tersagen,  daß  sich  die  Einw&nde 
am  lautesten  gerade  gegen  diese  Art  der  Schnlflbungen  wenden. 
Ich  bin  nicht  fflr  Abschaffung  der  Übersetzungsübungen  in  die 
Fremdsprache.  Sie  sind  mir  lieb,  schon  weil  sie  im  Grunde 
Sehreib-  und  Bedeflbungen  sind.  Ich  bin  grands&tzlich  fflr 
je4e  Übung  Tom  Standpunkt  des  Bedenden.  Nur  muß  man  dem 
Übersetzenden  auch  die  Mittel  an  die  Hand  geben,  daß  er  der 
Aufgabe  wirklich  gewachsen  sei.  Versagt  er  in  diesem  Punkte,  so 
ist  dies  ein  experimentaler  Beweis,  daß  man  diese  Mittel  einzu- 
stellen Ters&umt  hat. 


498  Nest  Weg«  de«  SpHiebniterrielitt.  Ten  L.  Wfj^. 

Nan  tt  anderen  Obnegeo:  tu  NaeberaihUbgeo,  n 
Beprodnktienei  mit  oder  ebne  Saehfrligeii.  Aoch  eie  —  flberbAii|l 
alle  Oboogea  -^  terfkllen  In  dieee  swei  SUfefi:  in  eiae  Übta^ 
▼em  8tandpankt  dee  Hörenden  oder  Leeendeü»  in  eine  tirefle  nm 
Standpunkt  dee  Badenden  oder  Sebreibendea,  d.  i.  iai  gegebea* 
Falle  1.  in  die  Darbietang  öder  in  die  Pr&)matien,  2.  in  die  Naeb^ 
erzflbtang  aelbet.  Dieee  kann  natflrlieb  tnebr  anftere  Naebabmaa^) 
eie  kann  anch  eelbetandigere  Bedeibnng  sein. 

leb  komme  znm  Besomg.  Alle  Übungen  Tom  Standpunkt  defe 
Hörenden  —  icb  habe  jetzt  die  Fremd apfaebe  im  Auge —  be- 
deuten Vermittelnng  des  Spracbetoffee;  alle  Übungen  tom 
Standpunkt  dee  Redenden:  Anwendung  dee  Termittelten.  Hmi 
die  Hauptfrage  —  eie  gilt  für  alle  Fremdsprachen  — :  Wie  wird 
beim  jetzigen  Sprachunterricht  der  Sprachstoff  vermittelt  t  —  Vsr- 
mittelt  aber  muß  er  werden,  man  kann  doch  von  niemand  verlangen, 
daA  er  etwas  anwende,  was  er  nie  erhalten  bat.  — 

Die  Antwort  auf  die  Frage  liegt  in  der  Sache  eelbst:  Fait 
ausschließlich  durch  die  Lektüre,  gelegentlich  vielleicht  durch  sr- 
z&hlte  Oeschichtchen,  endlich  etwa  durch  die  Verwendung  der 
Fremdsprache  beim  Untericht,  d.  h.  meine  Herren,  die  Darbietung 
ist  dem  Zufall  überlaesM,  wenn  nieht  bei  Auewabi  der  Texli 
oder  durch  Le^ans  de  ehoses  eine  eystematieche  Übermittelung  du 
Sprachstoffee  ine  Auge  gefaßt  ist  Kobold  Zufall  wirtschaftet  aber 
oft  verhängnisvoll.  Ich  habe  einmal  nach  einem  Lebrbuoh  unts^ 
richtet,  in  dem  dae  Wort  »Mutter*  nicht  vorkam.  Icb  brauchi 
kein  Wort  hinzuzufügen. 

Aber  w&re  auch  der  gesamte  Sprachschatz  vermittelt,  sr 
bliebe  für  den  Schüler  tot,  d.  i.  für  das  Sprechen,  Schreiben, 
anch  für  das  Hinüberfibersetzen  unverwendbar,  so  lange  er  nicht 
auf  das  engste  mit  der  Wirklichkeit  verknüpft  wird,  und  zwar  anf 
dem  Wege  der  Erecbließung. 

Ich  könnte  noch  ein  kräftig  Würtlein  über  dett  fbrmalea 
Betrieb  der  Grammatik  sagen.  Icb  beschranke  mich  darauf,  fast* 
zustellen,  daß  die  formale  Grammatik  Sprachstoff  Hiebt  vir- 
mittein  kann. 

Eines  aber  steht  fest,  auch  sie  kann  durch  die  genetisebe 
Sprachbetrachtung,  dnrcb  das  Heranbringen  der  Wirklichkeit  mit 
neuem  Leben  erfüllt  werden.  Die  meisten  der  gesetzmäßigen  8^ 
scheinungen,  welche  die  Grammatik  an  der  Spraobe  hervorhebt, 
sind  in  den  Vorgangen  der  Wirklichkeit  begründet,  die  spraehliel 
erfaßt  worden  sind.  Ein  Blick  zur  Wirklichkeit  ist  oft  mindestem 
ebenso  forderlich,  als  die  säuberst  geprägte  Begel.  Denken  Sil 
nur  an  Begriffsscheidungen  wie  transitiv,  intransitiv  und  refietivt 

Dae  Ergebnis:  Es  ist  sicher,  daß  zwei  Gebiete  des  Sprach- 
Unterrichts  nicht  zielbewußt  genug,  bezw.  gar  nicht  angebaut  werden: 
die  Vermittelnng  des  Sprachstoffes,  die  Verknüpfung  des  spracblicheB 


}Si9%$  Wege  d6f  a^fMbanlAriiobU.  \m  X.  WypM.  4ft3 

Awducki  m%  dtv  WirUiobMt»  beiw.  die  AblMtniir  detBelbes  aw 
te  WifUiobkQit. 

'  Wit  ioh  mir  «na  dieae  Tenaitteliuig  denke  f  Ungef&hr  ao: 
BtobacklnagderVorgiUigaderWirkUelikeil,  die  an  Spracb&iAeroBgeii 
Aalet  gegeben  baben,  AjH»dnaag  dieaer  Verg&nge,  VerinitMiug 
dieser  Vorginge:  der  Torbereitenda  Teil  dei  Spraebimterriebta;  er 
ifk  lobM  darah  dea  UpWrriobt  ia  dar  Mnilereprache  angebahil. 
ftmer:  Ableitang  dea  freaidepraGbUebeii  Aaadmcka  aaa  dieaen  Yer- 
ffAügeat  Verkpüpfnug  deeAaedrooka  mU  der  Wirklichkeil:  der  b»- 
lebende  nnd  befraabteode  Teil  dea  Dnterrieble.  Badlich:  Heraaa- 
fteUea  der  ^raebtjpaii,  Kl&nog  der  Qesanit?oreleUaBgen,  Klftroog 
der  Begriffe:  an  der  Wirklicbkeit,  darch  Vergleiche  mit  der  Matter- 
•pieebet  ZoaaiaaieDiiaeMUig:  def  ajatamatiaebe  Teil  dea  Sprmabniter 
rich^a. 

Pdf  diaea  Art  dar  SpraabfaraittalQBg  ein  BMapieU  asa  dem 
Begriffsgebiete  Baum,  Ort,  Lagaabeatimmang  la  eiaam 
OegeoataDd:  sur  la  iable^  saus  la  tabh,  devant  la  table, 
ditrihe^  ia  tßöUt  ä  cöti  de  la  idbU  naw.  LageDbeatimmiMg  auf 
einem  Oegenatand.  a)  Erachließang  der  Linie:  au  baut  de 
la  ligne  (fibertragen :  au  eomtnencement  de .  . ,  ä  la  fin  de  la 
phnue).  —  Spezielle  F&lle:  Strafte:  dane  la  rue,  au  baut  de. ., 
au  eoin,  au  taumant  de  la  rue,  Flnft:  ä  la  souree,  ä  Vembau- 
chure  d'une  rivüre^  au  eof\fluetU  des  deux  rivüres.  b)  EracblieGung 
der  Fläche:  au  bord  de.  ..,  au  müieu,  au  cewtre  d'un  plan 
(ä  la  marge  de  la  page).  Spezielle  F&lle:  Land:  sur  la  fron- 
türe...,  au  eud,  au  nard  ete.  d'un  pays.  Wald:  eur  la  lieüre, 
au  fand  d'un»  forH.  e)  Eracbließnng  dea  Baumes:  h  la  sur- 
face  de...,  ä  Vinihieur  d'un  carps.  Spezielle  F&lle:  Zimmer: 
d  l'entrie,  au  fand  de  la  ehambre.  Berg:  au  pied,  au  bas  d'une 
montagne;  au  eammet,  au  haut . . . .;  eur  la  cöte,  sur  la  penie, 
k  pan,  le  penehant  d'une  eoUine  (des  profandeurs  de  la  terre), 
Tal:  d  l'entrie,  ä  la  eortie,  au  dibouehi  d'une  vallie;  au  fand 
de  la  V.  naw.  lat  ao  z.  B.  der  französische  Anadrnck  mit  der 
Wirklichkeit  Terknüpft,  ao  wird  er  anstandslos  fflr  das  Sprechen 
imd  die  Überaetznng  Terwendet  werden  können.  Jeder  Überaetzang, 
jeder  Nacherz&hlnng  aollte  eine  Vorflbnng  Toraoagehen,  darch  welche 
die  noch  unbekannten  AuadruckatTpen  Termittelt  werden.  Nament- 
lich leiaten  hier  Oouinache  Beihen  (aucceaeione  des  actes)  gute 
Dienste. 

Man  kann  über  die  Menge«  alao  Aber  die  AüBwahl  des  Qe- 
botenen  im  Zweifel  aein,  gewiß  nicht  Aber  die  Notwendigkeit  der 
Sache  seibat  Besondere  aind  die  Verben  ron  Wicbti^keit*  denn 
lie  eracbließen  die  Ver&nderungen  in  der  Wirklichkeit,  die  in 
Sitzen  zum  Auadruck  kommen.  Jede  aolche  ErscbÜel^an^,  die 
irgendwann  Ton  einem  aprachachöpferiachen  Kopf  gel  ai  stet  wurde, 
erscheint  mir  ala  Kraftelement.  Alle  dieae  Elemente  T«r»' 
xa  einer  Energie  ?on  unberechenbarer  Leiatungaf&higkeit 


^ 


494  Nene  Wege  dei  Spraebonterriebtt.  Von  L.  Wypld. 

Kr&fte,  die  fflr  den  Unterricht  nutzbar  gemacht  werden  müisen. 
Es  schlnmmem  aber  auch  Kr&fte  in  den  SchQlem,  die  bei  dem 
rein  formalen  Betriebe  des  Sprachnnterricbts  ungenutzt  blieben.  Ich 
spüre  bei  meinen  Schfllern  eine  wahre  Sehnencht  nach  Spreeben- 
lernen,  nach  Umgangssprache,  nach  wirklicher,  d.  i.  Terwendbarer 
Konyersation.  Diese  Kr&fte  dürfen  nicht  brach  liegen  bleiben.  Die 
Schüler  sind  fflr  jede  Yeranschaalichnng,  fflr  jede  Belebung  dei 
Sprachunterrichtes  &ußerst  dankbar.  Sie  lassen  sich  übrigens  für 
jede,  auch  für  mühe?olle  Arbeit  gewinnen,  wenn  sie  die  Notwendig- 
keit und  Verwendbarkeit  des  Gebotenen  einseben. 

Alle  diese  Erkenntnisse  sind  in  der  Sache  selbst  begründet. 
Es  kann  also  gar  nicht  fraglich  sein,  ob  wir  die  sich  daraus  er- 
gebenden Änderungen  im  Unterrichtsverfahren  Tomehmen  sollen 
oder  nicht;  es  kann  nur  in  Frage  kommen,  ob  wir  schon  diese 
Einsichten  verwerten  werden.  Eines  aber  steht  fest:  Dies  sind  die 
Wege,  welche  die  Zukunft  gehen  wird. 

Wien.  Ludwig  Wyplel. 


Zweite  Abteilung. 

Literariflclie  Anzeigen. 


Zanolli  Almo,  Osservazioni  suUa  traduzione  armena  del 
9XSQI  gyööBog  äv^Qdmov'^  di  Nemesio.  Estratto  dal  ^Oiornale 
della  Societä  Asiatica  ItaliaDa«*.   Vol.  XIX,  par.  2».    89  SS.  80. 

In  mainer  Anzeige  der  beiden  Abbandlangen  E.  Tezaa  über 
Nemesins  sprach  ich  (XLY  628  nnd  XLVII  898  dieser  Zeitschrift) 
den  Wnnsch  ans,  es  möge  der  nm  die  Fördernng  der  Nemesius- 
itadien  verdiente  Gelehrte  nicht  bei  den  gebotenen  Proben  stehen 
bleiben,  sondern  bald  eine  rollst&ndige  Vergleichnng  der  armenischen 
Übersetzong  mit  dem  griechischen  Texte  Mattb&is  ▼ornehmen  nnd 
die  sich  daraus  ergebenden  griechischen  Varianten  Teröffentlicben. 
Leider  war  Teza  bisher  nicht  in  der  Lage,  diesen  Wunsch  zu 
erfüllen,  doch  hatte  er  die  nicht  hoch  genug  anzuschlagende  Liebeus- 
wflrdigkeit,  auf  meine  briefliche  Bitte  wiederholt  eine  größere  Zahl 
Nemesiusstellen  zu  Tergleicben,  wovon  die  Wiener  Stud.  XXVI 212  ff. 
Zeugnis  ablegen. 

War  nun  dadurch  die  MOglichlceit  gegeben,,  das  neue  text- 
bitische  Hilfsmittel  kennen  zu  lernen,  es  auf  seinen  Wert  im 
allgemeinen  zu  prüfen  und  für  eine  Beihe  von  Stellen  nutzbar  zu 
machen,  so  eröffnet  die  Torliegende  Terdienst?olle  Arbeit  Zanollis 
einen  tieferen  Einblick  in  die  Werkst&tte  der  armenischen  Über- 
setzer und  bietet  den  Anfang  einer  fortlaufenden  Vergleichnng  des 
armenischen  Textes  mit  dem  griechischen. 

Bekanntlich  übertrifft  die  armenische  Übersetzung  durch  ihr 
ehrwürdiges  Alter  (VIII.  Jahrb.)  nicht  nur  alle  anderen  Namesias-  ^l 

Übersetzungen,  sondern  sie  ist  auch  etwa  zwei  Jahrhunderte  älter 
als  die  älteste  griechische  Handschrift.  Da  sie  sieb  überdies  im 
allgemeinen  sklaTisch  an  ihren  griechischen  Text  anscblief^t,  wird 
man  in  ihr  ein  kr&ftiges  Hilfsmittel  für  die  Textkritik  in  erbUcken 
baben.    Wenn   dies  auch  Zanollis  Überzeugung  ist,    ao   mahnt  «r  gj 

doch  mit  Becht  zur  Vorsicht    Ibm  scheint  eine  V<?rgIetcK  ^k         ^ 

Annenischen  mit  dem  Griechischen  nur  dann  für  beide  Tr 


^ 


496  Ä.  Zanoüi,  OBgenrasioni  lolla  trad.  annena  qiw.,  ang.  ▼.  K.  Burkhard. 

bringend  and  geeignet ,  eine  möglicbBt  dentlicbe  VorsteUnog  von 
der  griecbiscben  Vorlage,  die  von  dem  gewöbnlicben  Texte  ?er- 
Bcbieden  sei,  zu  geben,  wenn  man  sieb  Torber  darflber  klar  ge- 
worden sei,  Ton  weloben  Gesicbtspnnkten  aas  die  Übersetzung  aas- 
gefflbrt  warde  and  womögiicb  ancb  darüber,  weicben  Zweck  der 
Übersetzer  verfolgte.  Daher  stellt  Z.  zan&cbst  in  dieser  Bichtang 
seine  Untersncbang  an  (S.  6  ff.). 

Er  beginnt  mit  den  Bemerkungen,  welcbe  der  armenische 
Gelehrte  Jakob  Tasbean  über  die  Übersetzang  gemacht  hat.  Die 
Hauptpunkte  hatte  scboii  Tmu  in  «einer  aweitea  ijl)bandlang  wieder- 
gegeben und  das  strenge  Urteil  Tasbeans  zu  mildem  gesacht 
(Anzeige  a.  a.  0.  8.  800  f.).  Auf  ders^lbeii  Bahn  bewegt  sich 
Zanolli,  wenn  er  den  Bemerkungen  Tasbeans  einzeln  nachgebt, 
seine  Beispiele  prüft  und  seine  Bebaaptangen  berichtigt.  Er  hält 
mit  Teza  den  Verfasser  nicht  für  einen  Unwissenden,  sondern  for 
einen  Irregeleiteten,  der  in  guter  Absicht  Torging.  Er  meint,  am 
mich  kurz  zu  fassen,  die  Armenier  h&iten  sich  bei  ihrem  wissen- 
schaftlichen Sinn  ein  solches  Handbuch  der  Philosophie,  wie  ei 
das  wertToUe  Schriftchen  des  Nemesius  sei,  nicht  entgehen  lassen 
und  es  recht  bald  für  Scbulzweeke  eiag^iditel.  Diäten  bitten 
auch  nach  dem  Vorgange  der  gelehrten  Byzauthier  aabMehe 
erklAreade  und  etymologische  Bemerkmfea  swisoben  den  ZeUei 
und  am  Bande  gedient,  di«  Darid  Hjpates  gemacht  hab«i  müsse. 
Darauf  habe  der  berühmte  Stephanos  rm.  Sflnikb  formlot  und 
wahrscheinlich  nicht  ▼oHeadel  das  luftere  der  wahren  Übenetnng 
mit  dem  einzigen  bescheidene»  Anspruch  gegeben,  sich  daait  soicbea 
armenischen  Lesen  nützMoh  zu  erweisen,  weldie^  in  dev  griechtaeheB 
Sprache  nicht  so  bewandert  seien,  um  ebne  Sehwierigkeit  ein  Buch 
der  Philosophie  lesen  zu  kOnnen*). 

So  erklftrt  sich  die  Entstebungr  der  gerügten  Biterlinearüber- 
setzung,  einer  Übersetzungsform,  wie  sie  übrigens  auch  noch  in 
neuerer  Zeit  zum  leichteren  Verständnis  schwieriger  Texte  ')  gewählt 
wurde,  mit  ihren  rielen  Eigentümlichkeiten  in  Sprache  und  Stil 
und  so  finden  auch  manche  Schwierigkeiten  im  armenischen  Texte 
ihre  Erklärung. 

Wir  kommen  zu  dem  besonderen  Teil,  der  Vergleichung 
(S.  20—89),  die  den  ersten  Teil  des  ersten  Kapitels  S.  85,  1— 
52,  3  (Matth.)  umfaßt.  Der  Verf.  benützte  dazu  für  den  griechischen 
Text  die  Ausgabe  Matthftis  1802  und  für  den  armenischen  die  der 
Mechitaristen  in  S.  Lazzaro,  Venedig  1889.  Von  griechischen 
Handschriften  werden  vergleicbungsweise  die  beiden  Ältesten  Hand- 
schriften herangezogen,  die  in  der  adnotatio  critica  Matth&is  Ver* 


')  Eine  MasterüberBetsong  für  die  Schule  so  geben,  konnte  damals 
wohl  nicht  beabsichtigt  sein,  sie  hfttte  auch  nicht  mm  Ziele  gefOhrt 

*)  Vgl.  die  lateloische  Obersetsang  anter  Sanskrit-  uad  Kashmir- 
texten. 


A.  Zümüij  Oner? aiioni  ralla  trad.  urmena  usw.,  ang.  t.  K.  Burkhard.  497 

wendoBg  gefunden  haben,  D&mlieh  der  Cod.  Dresdenais  (Z>.  1.,  von 
mir  mit  D  bezeichnet)  und  der  Cod.  Äugustanus,  jetzt  Monacenais. 
Wie  ane  den  Wiener  Studien  X  97  f.  zn  ersehen  ist,  gehört  der 
Text  der  Handschrift,  die  bei  MatthAi  das  Zeichen  A.  2.  fflhrt, 
xwei  ▼erschiedenen  H&nden  an,  Ton  denen  die  ältere  Termatlich 
dem  XL  «Jahrhundert,  die  jüngere  wahrscheinlich  dem  XVI.  angehört. 
Jene  habe  ich  mit  A^  diese  mit  a  bezeichnet  Da  der  Text  beider 
auch  auf  Terschiedene  Handschriftengmppen  zurückgeht,  müssen 
lie  umsomehr  auseinander  gehalten  werden,  was  Zanolli  leider 
nicht  getan  hat.  In  dem  bisher  Teröffentlict^ien  Teil  seiner  Ver- 
gleiehung  ist  also  überall  a  f ür  ii  zu  Terbessem.  Von  den  latei- 
nischen Übersetzungen  erscheinen  alle  berücksichtigt,  die  tou  Cono 
(KoDOw)  wohl  über  Gebühr.  Wo  sich  n&mlich  wie  35,  2;  44,  18 
Mine  Übersetzung  mit  der  Burgundios  {Bg.)  deckt,  w&re  diese  als 
leioe  Grundlage  zu  nennen  gewesen.  Über  ihren  Wert  vgl.  ebd. 
S.  129  ff.  und  die  Praefatio  meiner  Burgundio- Ausgabe.  Erw&hnt 
konnte  sie  beispielsweise  auch  38,  5  werden,  wo  hoc  dem  Zusatz 
Tot>TO,  18,  wo  aecundum  haee  der  offenbar  erklftrenden  Variante 
»avä  raOTie  (so  las  an  beiden  Stellen  Arm)  entspricht.  Endlich 
mOchte  ich  daran  erinnern,  daft  der  Verfasser  der  Ton  Holzinger 
bsrausgegebenen  Übersetzung  seit  L.  Dittmeyers  Entdeckung  (Tgl. 
BUtt.  f.  d.  bayr.  Gymn.  XXIV  454  f.  und  Wiener  Stud.  XI  262, 
Anm.;  Clemens  Baeumker,  Die  Übersetzung  des  Alfanns  von  Ne- 
mesius'  xsgl  (pvösatg  ih/dpcoxov,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol. 
1896;  auch  Teza,  Nemesiana  n  11,  Anm.  1)  durchaus  nicht 
mehr  unbekannt,  sondern  Bischof  Alfanns  (Alf)  ist.  Im  einzelnen 
iit  folgendes  zu  berichtigen:  42,  4  sollte  heißen  ol  6og>ol  tuUi 
%  eödd,  studiati  dal  Matthäi  tranne  aa  e  D  oder  einfacher  ol 
öoipol  tolamenU  %  codd.  %M  (=  A.Z.  Ml  Matth.).  8.  27  lies 
44,  1  für  44,  4;  44,  18  sUtt  44,  14,  was  für  die  folgende  Zeile 
stimmt;  50,  6  für  50,  7,  im  folgenden  6—7;  51,  15  für  51,  14 
(forletzte  SteUe). 

Die  Torliegende  Vergleichung  bestätigt  neuerdings  die  Ver- 
mutung, welche  wir  in  dieser  Zeitschrift  XLV  628  ausgesprochen 
haben,  daft  die  Vorlage  der  armenischen  Obersetzung  am  n&chsten 
der  Handschriften familie  d  verwandt  ist.  Zu  dieser  geboren  u.  a. 
die  Patmoshandschrift  (77),  die  Handschrift  a  {A.  1  bei  Matth.), 
der  erw&hnte  jüngere  Teil  (a)  im  Augustanua  und  die  Vorlage  der 
Istenischen  Übersetzung  des  Alf,  der  die  armenische,  wie  es  scheint, 
em  nichsten  steht.  Der  Umstand,  daß  diese  Familie  für  die  Kritik 
sehr  wichtig  ist  (vgl.  auch  Wiener  Stud.  XXVI  212  f.)  erhöht  den 
Wert  der  armenischen  Übersetzung,  der  schon  in  ihrem  Alter  und 
in  ihrer  sklavischen  Anlehnung  an  die  griechische  Vorlage  liegt. 
Doch  dürfen  wir,  fürchte  ich,  für  die  Verbesserung  des  Griechischen 
nicht  sonderlich  ?iel  erwarten.  Wenigstens  fand  ich  in  dem  aller- 
dinp  kleinen  Stücke  kaum  eine  selbstftndige  Lesart,  die  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  in  den  griechischen  Text  gesetzt  werden  könnte. 

UtKkrifl  f.  a.  6iterr.  OymB.  1908.  TL  H«ft  82 


498  Ladewig-Schaper-Deutieke,  Vergils  Oediebte,  ang.  ▼.  «T.  GMmg. 

Die  meiston  Abweiehaogen  bttreffen  erkl&rende  iDterlioear-  oder 
MarginalglosseD»  die  io  den  Text  eisgedroogen  sind,  kleinere  oder 
größere  Lückeo,  ferner  Vertaoecbnogen  des  PaeeiTS  mit  dem  Aktiv 
nnd  des  Singnlars  mit  dem  Plnral  oder  omgekebrt  sowie  kleiDere 
erg&ozende  ZQs&tze,  AbweicboDgen,  die  wobl  nicht  alle  anf  acbleehte 
Überlieferung  oder  falsches  Lesen  der  Urschrift  bemhen,  sondern 
teilweise  wenigstens  gewiß  vom  Übersetzer  beabsichtigt  waren,  am 
dem  armenischen  Leser  entgegenzakommen.  Dagegen  ist  die  Über- 
setzong  ohne  Zweifel  eine  erwünschte  Beigabe  ffir  den  Kritiker, 
insofern  sie  ihn  bei  der  Feststellung  der  Lesarten  öfters  unterstötzt. 
So  bietet  sie  z.  B.  87,  18  pLSxadubxQiiuv  mit  iZP;  48,  11  de 
mit  nSF\  47,  12  den  Aorist  mit  11 F  Alf  Bg.  49,  SxalwiF 
Bg  Alf  {nichi  Z>,  wo  ij  steht!);  50,  2  fniöciv  mit  IIF.  Eb  wird 
daher  die  Fortsetzung  der  Vergleichung,  die  uns  der  YerL  in 
Aussicht  stellt,  eine  ganz  n&tzliche  Sache  sein  und  wir  werden 
uns  besonders  freuen,  wenn  sie  bald  erscheint.  Sehr  erwfinscbt 
w&re  freilich  auch  die  Mitteilung  wichtigerer  Varianten  aus  den 
armenischen  Handschriften,  Ton  denen  Teza  Proben  gegeben  hat. 
Doch  wir  wollen  in  Kenntnis  der  Schwierigkeiten,  die  sich  einer 
solchen  Arbeit  entgegenstellen,  nicht  den  Schein  der  unbescheiden- 
heit  erwecken. 

Ton  Druckfehlern  fiel  mir  nur  auf  8.  21,  4  t.  u.  ticg  fär 
triv;  S.  25,  12  y.  u.  [unaß.  fflr  ^etaß.;  Anm.  2  öwixvGiv  f. 
övvdnrmvi  S.  27,  12  ?.  o.  övvidijös  f.  öwidtiös;  S.  80  alg. 
f.  alQ.i  S.  88  quesivü  f.  quaesivit 

Wien.  Karl  Burkhard. 


1.  Vergils  Gedichte.    Erklärt  tou  Th.  Ladewig  und  C  Schauer. 

1.  Bändehen.  Bokolika  and  Georgika.  8.  Auflage,  bearbeitet  ?oii  Paul 
Denticke.  Berlin,  Weidmann  1907.  VII  ond  292  SS.  8«.  Preis  3  Mk. 

2.  Schülerkommentar  zu  Vergils  Äneis  in  Answahl.   Fflr  den 

Scbnlgebranch  heransgegeben  Ton  Jolins  Sander,  Prof.  am  städtiscbtn 
Gymnasium  in  Wittenberg.  1.  Aaflage  (zweiter  Abdruck).  Leiraig, 
G.  Freytag;  Wien,  F.  Tempsky  1906.  171  SS.  8^  Preis  geb.  1  E  80  h. 

1.  Wer  wie  Bef.  seinerzeit  Vergil  unter  Anleitung  des  Lade- 
wigschen  Kommentars  gelesen  hat  und  über  die  Unzulänglichkeit 
der  dortigen  Erklärungen  ärgerlich  war,  der  kann  es  nur  durch 
äußerliche  Grfinde  gerechtfertigt  finden,  daß  Ladewigs  Name  noch 
auf  Toriiegendem  Bändchen  erscheint.  *Die  rerdienstlichen  Grund- 
lagen Ladewigs  ließen  sich  zum  Glück  meist  beibehalten,  nament- 
lich für  den  Text'  sind  Worte  der  Pietät,  die  man  dem  Heraus- 
geber zugute  halten  wird.  Tatsache  ist,  daß  dem,  was  ?on  Lade 
wigs  Arbeit  geblieben  ist,  nur  geringe  Originalität  zukommt,  und 
was  für  dieselbe  charakteristisch  war,  diesmal  fallen  mußte.  Übrigeni 
konnten  auch  Sohapers  Änderungen  nnd  Zutaten  nur  zum  geringen 


Ladeioig^Sduiper-DeuHekey  Vorgils  Oedichte,  ang.  ▼.  J.  GoUing.  499 

Teile  belaeeen  werden,  so  daft  dts  BAndebeD  in  seiner  gegenw&rtigen 
Gestalt  80  gut  wie  Dentiekes  Arbeit  ist.  'Das  ganze  B&ndeben  ist 
am  ffinf  Bogen  gewachsen^  beißt  es  im  Vorwort  nnd  weiterbin 
erfabren  wir,  daß  das  Bedürfnis  der  Scbnle  niebt  weiter  für  die 
neue  Bearbeitung  maßgebend  geblieben  ist  Dieser  Umstand  ist 
besondors  dankenswert«  weil  dadnrcb  die  Oelegenbeit  geboten  war, 
die  einsebUgigen  Forsobnngsergebnisse  der  letzten  25  Jabre  (die 
7.  Auflage  ist  1882  erscbienen)  in  der  dem  gelehrten  Bedürfnisse 
entsprecbenden  Maße  zu  rerwerten,  eine  Gelegenbeit,  die  Denticke 
Bseb  Oabübr  ansgenfltzt  bat.  Besonders  der  nnnmebr  gftnzlicb 
nmgearbeitete  Anbang  8.  262 — 292,  der  übrigens  mehr  der  Er- 
klftrang  als  der  Kritik  dienen  will,  ist  ein  scb&tzenswertes  Beper- 
torinm  literariscber  Nachweise,  namentlich  aber  aller  bemerkens- 
werten  Kontroyersen  jüngerer  Zeit,  zn  denen  D.  regelm&ßig  Stellung 
nimmt.  Genug,  wir  besitzen  in  D.s  Torliegender  Arbeit  die  einzige 
Publikation,  welche  sich  nach  Text  und  Erkl&rung  an  die  neueste 
Literatur  über  Tergils  ländliche  Gedichte  anschließt  und  über  die« 
selbe  im  einzelnen  belehrt« 

Was  nun  insbesondere  die  Textgestaltung  betrifft,  so  zeigen 
mehr  als  ein  Dutzend  Stellen  Bückkehr  zur  handschriftlichen  Über- 
lieferung. Der  Kommentar,  der,  wie  gesagt,  mit  Ladewigs  und 
Sdiapera  Anmerkungen  stark  aufger&umt  hat,  stellt  sich  nebst  der 
Erl&utemng  des  Torliegenden  Textes  —  sachliche  Kritik  wird  an 
demselben  nur  selten  geübt  -—  die  Aufgabe,  das  Verhältnis  des 
Dichters  zu  seinen  Quollen  und  Mustern  möglichst  deutlich  zu 
machen.  Daß  hingegen  auf  Nachahmung  und  Benützung  Vergils 
nur  bei  besonderer  Gelegenheit  hingewiesen  wird,  ist  begreiflich. 
Endlich  sei  bemerkt,  daß  auch  die  Einleitung  über  Vergils  Leben 
und  Dichtung  (8.  1 — 18)  eine  zeitgemäße  Umarbeitung  erfabren  hat. 

Bef.  acbüeßt  mit  einigen  Bemerkungen  zum  Kommentar.  B. 
V  5:  8ub  ineertas  zephyrU  motantUms  utnhras:  ^matart  zeigt  die 
häufige  Wiederholung  der  Bewegung  an*.  Näher  läge  wegen  ineertas 
die  Auffassung  *hin-  nnd  herbewegen\  —  Ebd.  15:  iubelo,  %4 
certet  Amyntas.  Hier  bringt  D.  zu  iubeo  ut  je  eine  Stelle  ans 
Horaz  und  Lucan  ohne  weitere  Bemerkung  bei.  Allein  iubeo  (ut) 
e.  coni.  findet  sich  schon  bei  den  Komikern.  Brix  sammelt  zu 
Plaut.  Men«  955  die  Belege  und  bezeichnet  diese  Konstruktion  als 
Eigentümlichkeit  der  Umgangssprache.  Vgl.  auch  Lorenz  zu  Most 
918.  Bei  Livius  (s.  Weissenbom  zu  28,  86,  1)  findet  sie  sieh 
häufig  bei  obrigkeitlichen  Befehlen,  bei  Cicero  fast  ausschließlich 
von  Volkabeschlüssen.  Vgl.  endlich  noch  Vogel  zu  Curtius  5,  13 
(87),  19.  —  Ebd.  41 :  mandatjleri  sibi  talia  Daphnie.  Daß  mando 
mit  Acc.  c.  inf.  sich  nur  noch  bei  Sueton  (Tib.  65,  Cal.  29)  und 
Martial  (I  89,  10)  findet,  ist  unrichtig.  Vgl.  nämlich  lustin.  24, 
2,  4  und  Eutr.  5,  5.  Bei  Martial  findet  sich  die  Konstruktion 
I  88,  10.  —  Vn  18:  et  certamen  erat,  Corydm  cum  Thyreide, 
magnum^    Wenn  hier  Corydm  cum  Thyrside  als  freie  Apposition 


500  Ladetoig-^Schaper-Deuticke,  Vergils  Gtdicbte,  ang.  ▼.  J.  GnUimg. 

betaiehnet  wird,  80  eraofatint  dn  dentoehe  Spracbgebraach,  niebt 
der  latdioiscbe  berücksichtigt.^  Bei  Vergil  selbst  finden  sich  gast 
ähnlich  geartete  Stellen.  So  An.  I  456  fS. :  vidH  Jliaeas  ex  ardme 
pugnas  \  bellaque  tarn  fama  Mum  vulgaia' per  orbem^  \  AtHdoB 
Priamumque  et  aaevum  ambobus  AchiUem.  Oebhardi  ahnt  das 
Biehtige,  wenn  er  bemerkt:  'Die  für  den  trojanischen  Krieg  diink- 
teristischen  Figuren  entdeckt  das  Ange  des  Beschauers  susrst'. 
Wie  hier  stehen  Kampf  und  K&mpfer  im  appositioneilen  VerfailtniB 
Äo.  Yni  675  f.:  in  medio  daeeee  aeratat,  Aetia  beUa  \  cemere 
erat.  Vgl.  auch  LiT.  I  85,  9:  ludrieum  fuU  $qui  pugUesque.  Nach 
solchen  Stellen  begreift  sich,  daß  die  Bezeichnung  der  Wettkftmpfer 
für  die  betreffenden  Wettk&mpfe,  das  Tier  für  seine  Produktionen 
gesetzt  werden  kann.  So  findet  sich  gladiatoree  bei  Cicero  (Att. 
II  1,  5)  und  insbesondere  bei  Tacitus  (Hist  n  95  gladiiUores 
edere  u.  C.)  für  Gladiatorenspiele,  nreua  bei  Horaz  Ep.  II  I,  186 
für  B&rent&nze,  pugüee  ebd.  für  Fanstk&mpfe,  ferae  bei  Tacitns 
Eist.  II  94  für  Tierhetzen.  Vgl.  Hör.  Od.  I  28,  17  datU  alios 
Furiae  torvo  spectacula  Marti.  Analoges  liest  man  vereinzelt 
noch  hie  npd  da.  So  bei  Cicero  De  or.  III  87  phüaaqpho  (ss  philo- 
sophiae)  operam  dare  und  Tacitus  An.  III  28  paee  et  principe 
(z=z  principatu).  Noch  kühner  verführt  das  Griechische,  welches 
XQaypöoi  =:  zQaypdlai,  gebraucht  (die  Stellen  sammelt  Behdantz 
im  Index  zu  seiner  Ausgabe  des  Demosthenes  unter  zgay^oQ. 
Westennann  vergleicht  zu  Demosth.  5,  7  passend  das  spanische 
toroa  'Stiergefechte'.  So  viel  über  einen  Sprachgebrauch,  der 
allerdings  nicht  unbekannt  ist,  aber,  soweit  Bef.  sieht,  noch  nirgends 
im  Zusammenhange  behandelt  wurde.  So  dürfte  auch  der  kleine 
Exkurs  Entschuldigung  finden.  —  Zu  G.  I  169 — 175  heißt  es  in 
Bezug  auf  171  f.  huie  a  stirpe  pedee  temo  protentue  in  oetOy  \ 
binae  auree,  duplici  aptantur  dentalia  doreo  gutz  richtig:  *An 
dieses  gekrümmte  Unterstück  des  Ulmstammes  (huic  a  eiirpe)  wird 
dann  vorn  die  achtfüßige  (doch  wohl  acht  Fuß  lange)  Deichsel 
gefügt*.  Im  Widerspruch  hiemit  liest  man  zu  172:  ^Bei  aptantur 
ist  aratro  zu  erg&nzen'.  —  Ebd.  823  f.:  et  foedam  glomerant 
tempeetatem  imbribus  atrie  \  collectae  ex  alto  nubee.  Wenn  D. 
foedam  glomerant  tempeetatem  imbr.  atr.  übersetzt:  *  ballen  ein 
grausiges  Unwetter  aus  schwarzen  Begenwolken  zusammen',  so 
übersieht  er,  daß  nubee  Subjekt  ist.  Demnach  ist  imbribus  'Bflgeo* 
guß',  ^Begenschauer*.  —  Ebd.  884:  nunc  nemora  i$%genii  vetito, 
nunc  litora  plangunt.  Die  Anmerkung  ^plangunt  intransitiv  =: 
plangorem  edunt,  brausen'  gebt  von  plango  ^schlagen'  ans.  Wahr- 
scheinlicher ist  von  plango  ^trauern"  auszugehen  und  darnach  za 
übersetzen  ^üchzen'.  —  Ebd.  416  wendet  sich  der  Dichter  gegen 
die  Auffassung,  als  ob  beim  Baben,  der  den  Witterungswechsel 
voraussieht,  rerum  fato  prudentia  maior  vorhanden  wäre.  Aus  der 
Note,  wo  von  ^einer  ihnen  vom  Fatum  mitgeteilten  größeren  Ennds 
der  Zukunft'  die  Bede  ist,  ersieht  man,   daß  Forbigers  Nachweis, 


J.  ZmgerU,  T.  Li?i  ab  vfoa  condito  Ubri,  ang.  f.  A.  M.  A.  Schmidt.  501 

daß  fato  ▲blati?ii8  eomparationis  ist,  —  mit  Unraeht  —  abgelehnt 
wild.  ---  m  665  f.:  nee  longo  demäe  wioranU  \  tempore.  ^Dar  Abi. 
Umge  tempore  ist  mit  moranti  zu  f  erbindan  aod  antirortet  auf  die 
Frage:  imierhalb  welcher  Zeit?*  Uomöglicb,  da  mit  einem  Begriffe 
wie  Morarf  nnr  eine  ZeiibestimmiiDg  anf  die  Frage  wie  lange? 
rerbnnden  werdoi  kann.  Man  hat  es  offenbar  mit  dem  Abiatir  der 
Zeitdaaer  zn  tan  {=per  c.  acc),  der  bei  Cäsar,  Livins  nnd  den 
Dichtem  der  angnsteiscfaen  Zeit  gar  nicht  selten  ist.  Vgl.  P.  Hau, 
De  easuum  ueu  Ovidiano  p.  110,  wo  eine  große  Anzahl  tob 
Stellen  wie  longo  tempore  vulnue  alo  angeführt  wird.  *— ^Die  nackten 
Hinweise  anf  den  Kommentar  des  Herausgebers  znr  Äneis  mögen 
küoftigbin  wenigstens  dnrch  eine  Andeutung  des  Inhalts  der  be- 
treffenden Anmerkungen  ersetzt  werden.  —  In  dem  8.  17  zitierten 
Verse  TUyrue  et  frugee  Aeneiaque  arma  legentur  (0?.  Am.  I  15, 
25)  ist  eegeiee  st.  frugee  tu  lesen. 

2.  Zun&chst  lese  man  im  Titel:  dritter  Abdruck.  Denn  wie 
Ref.  auB  Deuticke  im  Jahresber.  des  i>hiiol.  Vereins  zu  Berl.  XXXI 
(1905),  8.  180  entnimmt,  ist  der  zweite  Abdruck  bereits  im  J.  1903 
erschienen.  Das  ist  jedoch  nicht  die  einzige  Liederlichkeit  an  dem 
Neudrucke:  fast  sämtliche  am  ersten  Abdruck  nachgewiesenen 
Dniekfehler  kehren  im  dritten  wieder:  ein  etwas  starkes  Stflck! 
Daß  übrigens  das  Büchlein  dort,  wo  Sanders  Text  im  Gebrauche 
steht  —  was  in  Osterreich  nicht  der  Fall  ist  —  trotz  mancher 
Ungel  im  Unterrichte  yerwendbar  ist,  ersehe  man  aus  Deuticke 
s.  0.  XXV  (1899),  8.  184  ff. 

Wien.  J.  Oolling. 


T.  Livi  ab  orbe  COndita  libri.  fidldlt  Aotonios  Zingerle.  Pars 
VIL  Fase.  V.  Liber  XLV.  Editio  maior.  Vindobonae,  F.  Tempskj; 
Lipsiae,  G.  Frejtag  1908.  Preis  geh.  2  E  »  1  Mi^.  80  Ff. 

Oenan  21  Jahre  (im  Juni  1887)  Tor  dem  Abschluß  dee 
letzten  Buches  entsandte  der  Verf.  den  L  Teil  seiner  Liviusaus- 
gabe  (in  der  BMiotheea  aeriptorum  Graecorum  et  Romanorum 
idUa  eurafUe  Carolo  Sehenkl).  Bescheiden  trat  das  Büchlein  mit 
seiner  knappen  Aaswahl  kritischer  Noten  in  die  Welt  und  nichts 
weniger  als  ermutigend  war  so  manche  Beurteilung,  die  der  homo 
noeue  namentlich  in  den  Fachbl&ttern  des  Auslandes  fand:  doch 
UMO  eifriger  und  unermüdlicher  Tertiefte  sich  der  Gelehrte  in  den 
Sprachgebrauch  des  Autors  nnd  in  die  pal&ographischen  Eigentüm- 
lichkeiten der  maßgebenden  Handschriften,  alle  neuen  literarischen 
Biseheinangen  eorgfaitig  und  gewissenhaft  prüfend  und  Terwendend, 
10  daß  schon  beim  Erscheinen  der  letzten  Bücher  der  IV.  Dekade 
selbst  solchen  Kritikern,  die  sich  ihm  gegenüber,  wenn  schon 
gerade  nicht  ablehnend,  so  doch  kühl  genug  ?erhalten  hatten, 
klar  wurde,  man  habe  es  mit  einem  toU wertigen,  ernsten  Forscher 


502  Ä.  ZingerU,  T.  Liri  ab  nrbe  eondita  libri,  sag.  y.A^M.A,  SdimiäL 

zn  ton,  desaen  Anaffibmiigan  siebt  snr  nnabweisbar,  sondeni  ganz 
yartranenswftrdig  aeian«  Von  welchar  Fülle  anatrengender  und  auf- 
opfernder  Arbeitt  aber  aneh  Ton  welch  grfindliehem  nnd  tiefem 
Eindringen  in  die  Textkritik  geben  nicht  alle  dieae  Bände  Zeugnis  I 
Mit  besonderer  Oenngtnnng  nnd  Frende  mnß  ea  aefaon  bei  der 
Heransgabe  der  letzten  Bücher  den  gewieaenhaften  Foracher  erföiit 
habent  daß  eine  Beibe  von  Gelehrten,  voran  der  Neator  der  Lifins» 
kritiker  Dentacblande,  ihm  ihre  wertjoUen  Bemerkungen  rar  Verfü- 
gung stellten  nnd  H.  J.  Müller  in  den  Jabresb.  d.  pbil.  Vereins 
in  Berlin  1908,  S.  82  dem  Abscblnase  der  Ausgabe  mit  den  wärm- 
sten Worten  die  gebührende  Anerkennung  zollte.  Auch  wir  be- 
grüßen das  große  Werk  als  einen  Fortachritt  unseres  TaterUn- 
diacben  Oeisteslebens. 

Über  das  neue  Büchlein  kann  nur  all  das  Gute  gesagt 
werden  wie  über  seine  VorgAnger.  Daß  trotz  der  neueaten,  anf 
photograpbischem  Wege  vermittelten  Publikation  der  Wiener  Hand- 
schrift durch  Karl  Wesaely  die  Ergebnisse  der  neuen  Kollation  durch 
Joaef  Zingerle,  der  aich  dadurch  unbeetreitbare  Verdienste  erwarb, 
in  gleicher  Ausführlichkeit  mitgeteilt  wurden,  ist  nur  dankenswert; 
denn  nicht  jedem  wird  es  mOglich  sein ,  die  wünchenewerte  Ein- 
eicht  in  jenes  kostspielige  Werk  (225  Mk.)  nehmen  zn  können. 
Von  der  Genauigkeit  und  Notwendigkeit  dieser  Vergleichung  zeigen 
die  .XI  Seiten  der  PrAfatio  und  so  manche  Note,  z.  B«  zn  25,  18 ; 
26,  8;  81,  8.  Private  Mitteilungen  H.  J.  Müllers  finden  wir  4,  2; 
10,  15;  12,  12  und  18,  17,  2  und  5;  19,  18;  81,  8;  87,  6 
und  8;  89,  10;  41,  5.  An  mehr  als  50  Stellen  begründete  der 
Verf.  seine  Teztesgestaltung  durch  eingehende  sprachliche  und 
palftographische  Ausführungen ,  vgl.  Sitzungsber.  der  kaia.  Akad. 
d.  Wies,  in  Wien,  phil.-hist.  Klasse,  Bd.  157,  Abh.  8.  Dabei 
brachte  er  mit  bescheidener  Zurückhaltung  nur  an  fünf  8tell«n 
neue  Vorschläge,  so  2,  5  quo  rex  fugisset;  8,  2  tuppliea^umes 
decrevU;  Latinae  edidae  a  consule;  5,  4  cur  igüur .  .  homieida, 
wnguine  regia  Eumenis  violat  (mit  Benützung  der  Konjektar 
Vahlens);  14,  5  ist  die  Lücke  nach  Sigoniua,  Madvig  und  H.  J. 
Müller  ausgefüllt  abaea  in  loeum  exigeretur,  reapanaum  eat,  katd 
aequum  vidari,  aenatum  a  Carthagianaibua  obaidea  arbUrio  Maat' 
niaaaa  exigere;  22,  1  dona  ferantea  aaeendebamua,  Vorschläge,  mit 
denen  man  sich  nach  genauer  Prüfung  gern  einverstanden  er- 
klären wird. 

Schließlich  mOchte  Bef.  nur  wünschen,  daß  das  vaterlftn- 
dische  Werk,  das  nun  abgeschlossen  ist,  auch  an  unaeren  Lehr- 
anstalten die  verdiente  praktiache  Anerkennung  finden  möge;  bu 
der  Stellung,  welche  Livius  unter  unseren  Schulautoren  einnimot, 
sollte  es  in  keiner  Bibliothek  fehlen. 

St.  polten.  Dr.  Adolf  M.  A.  Schmidt. 


K.  Enden,  Zeitfolge  der  Oediebte  mw.,  ang.  ▼.  Eg,  v,  Komorzynski,  503 

Karl  Enders,    Zeitfolge    der  Gedichte  und  Briefe  Johann 
ChriBtian  Gfinthers.    Dortmund,  Fr.  Wilb.  Kuhfuß  1905. 

Am  besten  setze  ich  an  die  Spitze  dieser  Benrteilnng  die 
Worte,  mit  denen  der  Verf.  seine  Arbeit  selbst  einleitet.  Er  sagt 
da  (S.  5):  ,,Die  forliegende  Arbeit  ist  eine  von  denen,  in  die 
man  von  selbst  hineinkommt,  weil  sie  ein  Bedürfnis  sind.  Natflr- 
lich  znn&cbst  nur  fär  den  Literarbistoriker,  der  über  Günther  and 
was  damit  verbunden  ist,  die  deutsche  Literaturgeschichte  in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  XVIII.  Jahrhunderts,  irgendwie  arbeiten  will. 
Bei  dem  Versnchy  eine  üntersnchnng  über  Natnrbeobachtung  bei 
Günther  und  deren  Entwicklung  anzustellen,  erkannte  ich  bald,  daß 
das  noch  nicht  anging,  weil  man  gerade  bei  den  wichtigsten,  nicht 
datierten  Gedichten  —  d.  h,  so  gut  wie  allen  nicht  zu  Namens- 
tagen, Leichenfeiern  usw.  gefertigten  —  über  die  Zeit  der  Ent- 
stehung noch  ganz  im  Unklaren  war  nnd  tou  der  Entstehung  einer 
Entwicklung  also  noch  gar  nicht  die  Bede  sein  dürfte.  Ohne  diese 
Erkenntnis  aber  konnte  diese  eigenartigste  Persönlichkeit  des  neu- 
dentschen  Literaturfrüblings  nie  zu  mehr  Leben  kommen  als  sie 
bis  jetzt  besaß."  —  Abgesehen  Ton  dem  gewaltigen  Fleiß,  der  in 
der  Arbeit  steckt,  Ist  es  besonders  anzuerkennen,  daß  der  Verf. 
sich  auf  eine  bloße  Vorarbeit,  die  doch  nur  die  Grundlage  für  seine 
sp&tere,  eigentliche  Arbeit  werden  sollte,  zu  beschranken  yermochte. 
Sicherer  Blick  und  philologische  Schulung  zeigen  sich  hierin  nnd 
aneh  sonst  im  einzelnen  in  dem  Buche  immer  wieder.  Die  müh- 
same Arbeit  der  Datumsbestimmung  ist  mit  Feuereifer  und  mit  Be- 
harrlichkeit durchgeführt  worden,  und  wenn  man  bedenkt,  wie  un- 
dankbar eine  derartige  Arbeit  ist  im  Hinblick  auf  richtige  Wür- 
digung in  weiteren  Kreisen,  so  muß  dem  Verf.  für  seine  unjer- 
rückbare,  streng  wissenschaftliche  Methode  eine  um  so  höhere 
Acbtang  gezollt  werden.  Schön  gesellt  sich  zu  der  philologischen 
ObjektiTltat  eine  gewisse  Herzlichkeit  im  Eingehen  auf  die  Erleb- 
nisse und  die  Lebensumstände  des  Dichters.  Die  Anmerkungen 
und  Exkurse  enthalten  Lehrreiches  (S.  42  f.  über  die  sogenannte 
nLeipziger  Leonore*',  S.  184  ff.  über  die  alten  Leipziger  Uni?er- 
sitatagebrauche,  8. 188  f.  über  Günther  und  Menantes-Hunold  usf.). 
—  Zwei  sorgfaltig  angelegte  Register  erleichtern  die  Benützbarkeit 
des  Buches,  das  für  die  künftige  Günther-Forschung  unentbehrlich 
bleiben  dürfte. 

Wien.  Dr.  Egon  y.  Komorzynski. 


Adolf  Bartels,    Handbuch   zur  Geschichte   der   deutschen 
Literatur.  Leipsig,  Eduard  Af eoarlui  1906.  Preis  br.  5Mk,  geb.  6Mk. 

Das  Werk  drangt  tum  Vergleiche  mit  dem  „Ooedeke*'.  Doch 
es  kann  diesen  nicht  ersetzen  und  hat  auch  gar  nicht  die  Absicht, 


504  TT.  Viitor,  Wie  ist  die  Aoetpraebe  mw.,  ang.  ▼.  Ä.  HauieMas. 

mit  ihm  zu  konknrrieren.  Denn  dem  LiterAtnifoncber,  der  ein  toU- 
kommen  genaaee  Bild  aber  beatimmte  Eracbeinongen  uaem  Dich- 
tung gewinnen  will,  wird  Ooedekes  .Grundriß"  immer  nnantbehr- 
lieb  bleiben.  Andere  ateht  ea  aber  mit  dem  Studierenden  und  dun 
literatorfrenndlichen  Laien:  ihnen  genögt  ea,  gerade  daa  Beste 
kennen  zn  lernen,  waa  die  Wiaaenacbaft  fiber  einen  bestimmteo 
Dichter  und  aein  Schaffen  za  aagen  weiß.  Sie  haben  einen  Ter- 
I&ßlichen  Führer  nötig,  der  aie  ohne  Zeitverluat  anf  geradem  Wege 
zum  Ziele  ffihrt.  Daa  ist  der  Zweck  dea  y erliegenden  Baches  nnd 
darin  liegt  aein  großer  Wert. 

In  der  Einleitung  hftlt  Bartela  kritische  Musterung  Aber  die 
Geachichtachreiber  der  deutacben  Literatur.  Der  eigentliche  Malt 
dea  Buchea  bietet  raach  orientierende  Übersichten  Aber  daa  Leben 
und  Wirken  unserer  Dichter  von  den  Ältesten  Zeiten  bia  in  die 
jOngate  Gegenwart,  dazu  ein  Ton  der  Eigenart  dea  geachfttzteo 
Forachera  beatimmtes,  aorgfftltig  ausgewftbltea  Material  an  Quellea* 
Schriften  zur  Literatur,  dem  man  aich  ruhig  an?ertrauen  kann. 

Wie  der  Strom  der  literarischen  Entwickelung  immer  breiter 
geworden  ist,  so  gew&hrt  auch  Bartela  in  seinem  Buche  der  auf- 
steigenden Zeit  einen  immer  größeren  Baum  und  den  größten  dar 
Dichtung  in  der  Gegenwart.  Die  Vorteile  dea  Werkea  kommen  also 
besonders  jenen  zugute,  die  einen  tieferen  Blick  in  daa  literarische 
Leben  der  neuesten  Zeit  werfen  wollen.  Goedeke  nimmt  darauf  über- 
haupt noch  keine  Bücksicht,  Bartela  dagegen  bat  gerade  diesem 
Zeiträume,  dessen  reiche  dichteriache  Ernte  er  in  aeinem  Buche 
„Die  deutsche  Dichtung  der  Gegenwart''  zuerst  Terläßlieb  sichtete, 
die  größte  Mühe  und  Sorgfalt  zugewendet. 

Das  Handbuch  dürfte  nicht  zuletzt  allen  Lehrern  der  deut- 
schen Sprache  eine  willkommene  Gabe  aein.  Für  Privat-  und  Schul- 
bibliotheken  kann  es  bestens  empfohlen  werden. 

Olmntz.  Franz  IngriscL 


Wie  ist  die  Aussprache  des  Deutschen  zu  lehren?  EinVoitng 
Ton  Wilhelm  Vietor.  4.  Auflage.  Marburg,  Elwertache  Verlagibscb- 
handlang  1906.  88  SS. 

Näher  auf  den  Inhalt  des  Vortragea  aelbat  einzugehen,  dain 
liegt  bei  der  Anzeige  der  vierten,  nahezu  unyer&nderten  Auflage 
der  kleinen  Broschüre  keine  Veranlassung  vor.  Nur  eines  sei  er- 
wähnt. Die  große  Zahl  der  Gebildeten,  ganz  beaondera  aber  aucb 
die  Schule,  hegt  unzweifelhaft  den  Wunach  einer  wenigatens  in 
den  Hauptpunkten  geregelten,  allgemein  gültigen  Auaapraehe  des 
Deutacben,  wie  ja  auch  eine  allgemein  yerbindlicbe  Becht- 
scbreibung  ein  dringendes  Bedürfnia  war.  Aber  zur  Erreichung 
dieaea  ao  wünschenswerten  Zieles  müßten  doch  wohl  xunftehst  die 
Phonetiker    selbst  zum  mindesten  in  der  Hauptaache  einig  aein. 


F.Bakkmpergerj  ^tadoa  d'hbtoire  litMrure,  ang.  t.  W.  A.  Hammer.  505 

Du  ]8t  iMkaBDtlieh  siebt  der  Fall.  Wendet  sich  doch  Victor  selbat 
in  dem  Vorwort  zu  aeiner  Broaehüre  (S.  5)  gegen  Erbe  nnd  be- 
haapftet  Ton  ihm,  daß  er  einen  entgegengesetzten,  „partiknlaria- 
üaeb«"  Standpunkt  einnehme,  er  iat  femer  in  einer  niebt  nn- 
wicbtigen  Frage  anderer  Meinong  als  SioTers  (S.  16,  Anm.  1)  nnd 
findet  die  Bestinunnngen,  welebe  Graf  Hoehberg  seinerzeit  als  Ge- 
neralintendant der  kgl.  Scbanspiele  in  Berlin  betreffiB  einer  einheit- 
lichen Ansspraehe  auf  der  Bohne  erließ,  „znm  Teil  vOllig  haltlos" 
o.a.  Und  welche  Ansspradie  soll  mustergültig  sein  nnd  demnach 
neh  in  der  Schule  gelehrt  werden?  Y.  antwortet  auf  diese  Frage 
(S.  8):  y,Die  im  emates  Drama  übliche,  wesentlich  norddeutsche 
Bfihoensprache".  Daß  aber  diese  Bühnensprache  selbst  noch  in 
gar  vielen  Punkten  der  Begelnng  bedarf,  ergibt  sich  doch  schon 
aas  Terschiedenen  Stellen  des  ViStorschen  Vortrages  selbst.  Also: 
Man  begründe  erst  eine  wirklich  homogene  Büfanenauaaprache 
—  die  bloße  Veröffentlichung  von  Schriften  wie  „Deutsche  Bübnen- 
aoBsprache  von  Th.  Siebs"  hilft  da  wenig  — ,  dann  mag  man  sie 
der  Schule  als  Muster  aufstellen  und  für  ihre  Verbreitung  durch 
YorUge  oder  Aufsätze  sorgen.  Dann  dürfte  es  aber  auch  kein 
Sehvanken  mehr  geben,  keine  „entweder  —  oder",  wie  sich  dwen 
noch  genug  bei  Vi§tor  selbst  finden.  Im  Notfall  müßte  dekretiert 
werden  (siehe  Orthographie!),  denn  jede  Unsicherheit  ist  geeignet» 
dem  großen  Laienpublikum  daa  Vertrauen  zur  Sache  zu  benehmen, 
wie  dies  eben  gegenwärtig  durch  die  Zwiespältigkeit  unserer  her- 
rorragendsten  Phonetiker  geschieht.  Aber  wer  soll  die  homogene, 
aUgenein  yerständliche  Bühnenaussprache  schaffen,  wer  soll  ihre 
Geltung  dekretieren?  Bef.  fürchtet,  daß  der  deutsche  Partikularismus 
abermals  triumphieren  werde,  und  wird  in  seiner  Befürchtung  unter 
inderiD  auch  durch  Luicks  sehr  interessantes  Buch  „Deutsche  Laut- 
lehre. Leipzig  und  Wien  1904"  bestärkt. 

Es  ist  befremdend,  daß  die  so  kleine  Broschüre  eine  Ter« 
hältniamäßig  große  Anzahl  manchmal  recht  stufender  Druckfehler 
iafweiet 

Mies  i.  B.  Adolf  Hausenblas. 


F.  Baldensperger,  Stades  d'histoire  litteraire.   Paris,  Li- 
brairie  Hachette  &  Cie.  1907.   Preis  8  Pres  50  cte. 

Die  Literaturforschung,  die  auf  deutschem  Boden  in  den 
Tagen  der  Bomantik  ihren  Anfang  und  bis  heute  einen  so  staunens- 
werten Auüscbwung  genommen  hat,  steckt  in  Frankreich  sozusagen 
oech  in  den  Kinderschuhen.  Es  ist  eben  noch  gar  nicht  lange  her, 
daß  daa  deutsche  Oeisteeleben  tou  franzüsischer  Seite  mit  chau- 
viiistwcber  Oeringscfaätzigkeit  abgetan  wurde.  Ja,  unmittelbar  nach 
den  Kriege  1870/71 ,  wo  alles,  was  mit  den  deutschen  Nachbarn 
in  irgend  einer  Weise  in  Verbindung  zu  bringen  war,  vom  natio- 


506  i^.  Baidetuperger,  lätodes  d*histoin  litMndre,  ang.  ▼.  W.  Ä.  Hammer. 

nalen  Stindpunkt  geächtet  war,  hätte  niemind  erwartet,  mit 
weleher  BewnndeniDg  einst  noch  dentsehe  Diehter  auf  franift- 
eischem  Boden  geehrt  würden.  Und  hente  ist  man  in  Frankreich 
nicht  nur  so  weit\  daß  die  deutsche  Sprache  eine  her^orrageDde 
Stellang  im  Lehrplane  der  Mittelschulen  einnimmt,  sondern  daß 
sich  sogar  Literaturhistoriker  mit  der  Geschichte  des  deatsehen 
Schrifttums  aufs  eifrigste  beschäftigen.  Eine  stattliche  Zahl  bio- 
graphischer Arbeiten  über  Goethe ,  Schiller ,  Grillparter ,  Laian  n. 
T.  a.  verdanken  wir  französischen  Forschem  und  so  dem  Verf.  des 
vorliegenden  Buches ,  Hrn.  Prof.  Baldensperger  an  der  Universiat 
in  LyoUt  zunächst  zwei  Werke :  „OaU/Hed  Keller,  ea  vie  et  m 
oßuvres**  nnd  „Ooethe  en  France** ,  im  Anschlüsse  an  das  Isbt- 
genannte  auch  eine  „Bibliographie  eriHque**.  Als  ein  weiteras  sicht- 
bares Dokument  der  emsigsten  Forscherarbeit  kann  aber  das  fDr- 
liegende  Bändchen  „^tudes  d'hietoire  liUSraire**  gelten. 

Es  enthält  fünf  für  sich  getrennte  Aufsätze,  Studien,  wie  lie 
der  Verf.  wohl  mit  Becht  nennt;  denn  sie  liefern  weniger  ein  For- 
schungsergebnis, sie  führen  uns  nur  auf  den  Pfaden  grfindliek« 
und  dankbarer  Untersuchungen.  Der  erste  Aufsatz  „CommeiU  U 
XVIIP  eikle  expliquait  VuniversalitS  de  la  langue  fran^m"^ 
verdient  aber  schon  in  Anbetracht  der  wertvollen  Quellenangabu 
hervorgehoben  zu  werden.  Aus  allem  geht  hervor,  daß  die  ihn- 
zOsische  Sprache  die  Zunge  des  deutschen  Nachbarn  ganz  bo- 
sonders  beeinflußt  hat,  und  zwar  umsomehr,  als  sie  durch  du 
Wirken  der  Akademie  und  den  Gebrauch  der  großen  Dichter  wie 
Corneille,  Moliöre  nnd  Bacine  an  Beinheit  gewann.  Die  erste  An- 
regung zur  Beantwortung  der  Frage,  wie  sich  überhaupt  die  Doi- 
versalität,  also  die  Bedeutung  des  französischen  Idioms  als  Welt- 
sprache erklärt,  wurde  durch  eine  Preisausschreibung  der  Berliser 
Akademie  im  Jahre  1784  gegeben.  Es  handelte  sich  um  die  Be- 
antwortung folgender  Fragen:  Qu^eeL  ce  qui  faü  la  langue  f ran- 
gaiae  la  langue  universelle  de  PEurope?  Par  oü  nUrUe-t-dU 
cette  prirogative?  und  Peut-on  prieumer  gu'elle  la  conserve?  Zwei 
prämierte  Arbeiten  mußten  sich  in  den  Preis  teilen.  Die  eine 
stammte  aus  der  Feder  eines  Deutschen,  namens  Johann  Christoph 
Schwab,  mit  dem  Motto:  Gallie  ingenium,  Gallis  dedii  ore  rolutide 
Muea  loqui,  die  andere  hatte  einen  Franzosen,  den  Grafen  Bivarol 
(Paris),  zum  Verfasser  und  trug  als  Kennwort:  „Tu  regere  elcquio 
populos,  0  Galle,  memento^.  Von  diesen  beiden  Abhandlungen  aus- 
gehend, zeigt  Baldensperger  auch  an  der  Hand  späterer  Belege,  diß 
die  französische  Sprache  ihre  Stellung  im  Weltverkehr  behauptet  bat 

Der  zweite  Aufsatz  „Young  et  ees  ^nuiW*  en  France**  be- 
schäftigt sich  zwar  hauptsächlich  mit  Beziehungen  zwischen  der 
englischen  und  der  französischen  Literatur.  Aber  indem  ToQDgi 
Einfluß  auf  Dichter  Frankreichs  nachgewiesen  wird,  fehlt  es  soeh 
nicht  an  Hinweisen  auf  die  deutsche  Poesie,  in  der  sich  das  Vor- 
bild des  Engländers   spiegelt.    Dem    «Genre  Troubadour"!  dss 


M.  J.  Wolffi  Shakespeare,  eng.  t.  A.  EickUr.  507 

oamentlich  znr  Zeit  der  Romantik  wieder  auflebte,  ist  die  dritte 
Studie  gewidmet;  Dur  b&tte  da  g^agt  werden  kennen,  daß  das 
iDteresae  fflr  die  8&nger  der  mittelalterliehen  Bitterzeit  zonftchst 
in  Dentechland  wieder  lebendig  wurde.  Von  unmittelbarem  Wert 
för  die  deatsebe  Literatnrforaehnng  dürfte  hingegen  die  Arbeit  „La 
Lhiore  de  Burger  dane  la  lüUrature  fran^aise^  eein.  Da  fordert 
dar  Verf.  wirklieh  manch  nnbehobenen  Schatz  zntage.  So  ist  es 
gewÜS  Yon  Intereflsey  die  Nachahmer  Bürgers  in  Frankreich  kennen 
zn  leinen,  z.  B.  den  Dichter  Berqnin,  der  den  Bürgerschen  Stoff 
—  Bürgers  Lenore  entstand  1778  —  schon  in  einem  Po6m  „Le 
PreeefUimerW*  im  Jahre  1776  verwertete.  Wie  B.  aasführt,  hat 
lieh  des  Themas  die  Bomantik  mit  Vorliebe  bem&chtigt.  Jos^phin 
Soolary  sagt  in  dem  Gedicht  „^e  chetnin  de  fer'^  (1841): 

Le  voyet-vous  eourir  sur  le  ehemin  sonore? 
Moins  rapide  volait,  en  emporiant  Linore, 
L'affreux  eourrier  dee  iripaaäes 

Den  Schluß  des  Bandes  bildet  eine  Üstbetiscbe  Studie  zur 
Definition  des  Humors ,  die  ebenso  wie  die  übrigen  Arbeiten  mehr 
kompilatoriflchen  Charakter  trügt. 

Ans  dem  hier  bloß  skizzierten  Inhalt  ist  wohl  zu  entnehmen, 
daß  Hr.  Prof.  Baldensperger  die  yergleichende  Literatur  durch  einen 
wartfoUen  Beitrag  bereichert  bat ,  aus  dem  jeder  Fachmann  reiche 
Aoregung  schöpfen  kann. 

Wiep.  W.  A.  Hammer. 


Shakespeare.  Der  Dichter  und  sein  Werk.  VonDr.MaxJ.Wolff. 
In  zwei  Bänden.  Erater  Band.  Mflnchen,  C.  H.  Beck  1907.  477  SS. 
Preis  6  Mk. 

Der  in  der  Shakespeare -Literatur  durch  einige  gründliche 
Arbeiten  wohlbewanderte  Verf.  unternimmt  es  hier,  eine  auf  durch- 
vags  wissenschaftlicher  Grundlage  aufgebaute  und  die  ganze  Zeit 
das  Dichters  umschließende  Biographie  zu  bieten,  die,  in  flüssiger 
Sprache  abgefaßt,  weitere  gebildete  Kreise,  nicht  zuletzt  den  der 
Familie  anzuziehen  geeignet  ist.  Es  ist  eine  formyoUendete,  ge- 
schlossene Darstellung,  deren  Qroßzügigkeit  die  reichlichen  Anmer- 
kungen zu  einzelnen  strittigen  oder  tieferen  Fragen  glücklich  und 
möglichst  Tollst&ndig  ergänzen.  Ohne  sich  in  Phantastereien  zu 
fariieren ,  schöpft  der  Verf.  aus  den  Dramen  im  Vereine  mit  den 
geringen  dokumentarischen  Nachrichten  über  Shakeapeare  eine  im 
wesentlichen  wohl  richtige  Anschauung  vom  Charakter  des  Menschen 
wie  des  Dichters.  Die  Kapitel  »I'änd  und  Volk**,  „Abstammung  und 
CMurt*",  „Slratford*"  und  „London''  sind  treffliche  Kultucbilder, 
die  den  Anforderungen  wissenschaftlicher  und  doch  gemeinverständ- 
iieber  Darstellung  yoUauf  genügen.  „Drama  und  Bühne''  ist  ein 
guter  Ausschnitt  aus  dem  reiehbewegten  Theaterleben  der  Zeit,  mit 


508  E.  DaeneU,  Gatch.  der  Yeremigten  StaftUn,  ang.  ▼.  J.  Lourih. 

feiner  HertorhebuDg  Dod  Unteracheidang  des  TraditioneUeo  und 
Individnellen,  letzteres  natargem&ß  auf  Shakespeare  bezogen  und 
mit  ihm  Terglicben.  Die  nan  in  weiteren  sieben  Kapiteln  bespro- 
chenen Werke  ans  Shakespeares  Jagend  nnd  erstem  Manneaalter 
sind  im  einzelnen  historisch -kritisch  mit  großer  Kanst  analysiert 
and  nntereinander  in  einen  organischen  künstlerischen  Zosammsa- 
hang  gebracht,  so  daß  man  die  sich  stets  h6her  and  freier  ent- 
wickelnde Erscheinong  dieser  bedentenden  Persönlichkeit  mfiheloa 
erkennt.  Dabei  sind  die  althergebrachten  Zftge  in  Shakespeares 
Dichtung  sowie  ihre  Schwächen,  vom  historischen  wie  Tom  bee- 
tigen Standpunkte  ans  —  wenigstens  in  diesem  1.  Bande  —  ini- 
parteiisch beienchtet,  wie  WoJff  ee  überhaupt  verstanden  hat,  keine 
Idealgestalt  anwahrscheinlicher  Pr&gung,  sondern  ein  großes  di^- 
terisches  Genie  in  seiner  menschlichen  Begrenzung  lebenswahr  n 
zeichnen.  Daß  mancher  Fachgelehrte  in  einigen  Punkten  von  des 
Verf.s  stets  deutlich  vertretener  Meinung  abweichen  wird,  ist  bei 
dem  vielfach  dunkeln  und  heiß  umstrittenen  Forschungsgebiete  un- 
vermeidlich; dadurch  kann  aber  der  hohe  Wert  des  würdig  ani- 
gestatteten  Buches  für  die  Allgemeinheit  nicht  verringert  werden. 

Wien.  Dr.  Albert  EicbUr. 


E.  Daenell,  Geschichte  der  Vereinigten  Staaten  Ton  Amerika. 

(AoB  Natur  und  Geisteewelt.  [Sammlang  wifsenschaftlich-gemeinTer* 
ständlicher  Darstellangen.  147.  Bftndchen.])  VI  and  176  S3.  Leipsig. 
Druck  nnd  Verlag  von  B.  G.  Tenbner  1907. 

Wir  dürfen  dieses  Bändchen  ohne  Bedenken  den  besten  d« 
ganzen  historischen  Gruppe  dieser  Sammlung  beizählen.  In  adit 
knapp  zugemessenen,  aber  inhaltlich  sehr  bedeutenden  Kapiteln 
wird  zuerst  eine  geographische  Ansicht  der  Vereinigten  Staaten 
geboten,  dann  werden  die  ersten  Kolonisationen  und  ihre  Weit«- 
fübrung  bis  in  des  XVIU.  Jahrhundert  bebandelt,  der  ameriks- 
nische  Freiheitskrieg  und  die  Gründung  der  Union  bee^eb«, 
dann  die  Schicksale  des  nenen  Staates  im  ersten  Vierteljahriiandirt 
seines  Bestehens  geschildert.  Eingehend  wird  die  europäische  Sin- 
wanderung,  zunächst  die  deutsche,  und  die  Art  ihrer  Organisiennif 
geschildert  und  die  Unterschiede  zwischen  den  Nord-  und  Std- 
staaten  in  der  Bevölkerungszunahme  und  ihrer  wirtschaftlichen  Ent- 
wicklung hervorgehoben.  Im  sechsten  und  siebenten  Kapitel  wMdes 
wir  mit  der  Genesis  und  dem  Verlauf  des  Sezeesionskriegee  bekannt- 
gemacht,  das  achte  schildert  endlich  die  großartige  BotwicUnng 
der  Union  seit  1865:  Die  Verleihung  politischer  Rechte  an  die 
Neger,  die  Eisenbahnpolitik,  die  Einwanderung  und  Einwandemngs- 
Politik,  die  Zusammensetzung  der  Einwanderer,  die  Negerfrage,  die 
Union  als  Weltmacht  und  ihre  Entwicklung  nach  der  imperialisti- 
schen Bicbtung  usw.  Sehr  beachtenswert  ist,  was  über  die  SteUsnff 


Fitdier-GMibeek,  Erdbinde  fflr  hdhere  Behnlen,  ang.  t.  J.  MüUner.  609 

der  Neger  nnd  im  allgemeineD  über  die  UnierBchiede  von  Nord  und 
Süd,  Oet  und  Weat  gesagt  wird.  Der  Dene  Westen,  wird  hier  ans- 
gefübrt,  zeiclmet  sich  aas  dnreh  kühne,  weitsefaanende  Anffassongen 
nnd  bringt  sie  in  der  Politik  der  Union  zur  Geltung. . .  Diese  west- 
liche BevOlkernng  zeigt  die  st&rkste  Miscbnng  innerhalb  der  Union. 
Neben  den  Besten  der  alten  spanischen  Herren  nnd  ihrer  Misch- 
linge ist  die  Zahl  der  Indianer  nnd  Chinesen  nicht  anerheblich; 
die  weiße  BevOlkernng  aber  enthält  weniger  englisches  Blnt  als 
indere  Teile  der  Union,  dagegen  in  starkem  Maße  irisches  nnd 
dentscbes ...  Der  Mann  des  Westens  fühlt  sich  als  der  nationalste 
Typus  des  Nordamerikaners  und  man  kann  sagen,  daß  hier  die 
gdosttgsten  Vorbedingnngen  ffir  die  Ansbildnng  einer  neuen  Nation 
auf  großem  fianme  vorhanden  sind.  Überhaupt  werden  die  enro- 
püsehen  nnd  nenenglisehen  Knltureinflüsse  zurücktreten ,  je  mehr 
der  Westen  emporkommt,  der  nach  Asien  hin  gravitiert  und  je  mehr 
auch  der  Süden  wieder  an  Bedeutung  gewinnt,  dessen  Front  Süd- 
md  Mittelamerika  zugewandt  ist.  In  gleicher  Weise  wird  die 
wirtschaftliche  Entwicklung  der  Union,  die  zunehmende  Industriali- 
lisning,  die  Trust-  und  Antitrustbewegnng  usw.  besprochen;  mit 
einem  Wort:  es  wird  uns  ein  wahres  Bild  des  heutigen  Zustandes 
geboten.  Vier  Beilagen  enthalten:  1.  Die  Präsidenten  der  Ver- 
einigten Staaten,  2.  Die  Staaten  und  (Gebiete  der  Union,  8.  Das 
Waehatum  der  Bevölkerung  und  der  Anteil  der  Neger  an  derselben 
nach  dem  zehnjährigen  Zensus  und  4.  ein  Verzeichnis  wichtigerer 
Literatur  über  die  Vereinigten  Staaten. 

Graz.  J.  Loserth. 


H.  Fischer,  A.  Oeistbeck  und  M.  Geistbeck,  Erd- 
kunde l&r  höhere  Schalen.  Buchausgabe  mit  280  schwanen  Ab- 
bildungen und  12  Farbentafehn.  Müneben  und  Berlin,  B.  Oldenbonrg 
1907. 

Der  Orundgedanke  des  Buches  ist  die  Zerlegung  der  Linder 
in  erdkundliche  Einheiten  und  die  innige  Verknfipfung  der  geo- 
^aphiacben  Faktoren.  Es  will  an  die  Stelle  des  Wissens  von  Einzel- 
kalten  geographische  Bildung  setzen,  indem  es  die  Einzeltatsachen 
in  Leitideen  zusammenfaüt  und  diese  als  Merkstoff  in  fetten  Lettern 
ans  dem  Texte  hervortreten  lüfit,  eine  keineswegs  neue  Erscheinung. 
Dia  Yerff.  beabsichtigen  durch  die  Aufdeckung  geographischer  Ge- 
ittxmftftigkeiten  eine  Schulung  im  induktiven  Denken  zu  erzielen. 
Sie  gruppieren  den  Stoff  um  den  Menschen  und  sein  Walten  auf 
dar  Erde  und  verlegen  dadurch  den  Schwerpunkt  des  Unterrichts 
anf  die  anthropogeographische  Seite.  Ihr  Zweck  ist  ein  Verst&ndnis 
^ar  wirtschaftlichen  nnd  politischen  Zustünde  der  Gegenwart   an- 


510  B-  Maaek,  KflMtl.  Heimatkande  ▼.  Hamburg,  sag.  t.  B.  Iwiendörfftr. 

znbabnen.  Aach  historische  BetracbtuDgen  sind  aiDgeflochteii.  Ssine 
Aufgabe  soll  das  Buch  in  erster  Linie  bei  der  binsliehen  Wiodsr- 
holnng  erfftilen.  Die  Ausstattung  mit  Bildern  ist  fiberans  reich. 

Wien.  J.  Müllner. 


Dr.  B.  Maack,  EQnstlerische  Heimatkande   von   Hambnrg 
und  Umgebung.  Leipsig,  Quelle  &  Mejer  1907. 

Der  Verf.,  Oberlehrer  an  einer  der  höheren  Schalen  Hsm- 
bargSy  will  an  dem  Beispiele  dieser  Stadt  zeigen,  wie  in  dm 
Schülern  Sinn  and  Verständnis  ffir  die  künstlMiscben  Beize  dw 
Vaterstadt  geweckt  werden  kann.  Wenn  M.  sieh  dabei  nicht  auf 
die  Kunstwerke  im  eigentlichen  Sinne  beechrftnkt,  sondern  aach 
kflnstlerisches  Verständnis  für  die  Schönheiten  der  Natnr  erhaltsn 
will,  so  ist  dies  dnrchans  lobenswert.  Es  wäre  erfreolich,  wian 
die  frisch  geschriebene  Schrift  dazn  anregen  wflrde,  auch  fftr 
andere  Städte  ähnliche  Fflhrer  fflr  die  Jagend  za  schaffen;  Wien 
wäre  z.  B.  des  Schweißes  der  Edlen  wert.  Ob  freilich  eine  prtk* 
tische  Verwertung  bei  gemeinsamen  Spaziergängen  oder  Besuchen 
bestimmter  Punkte  der  Stadt  so  leicht  möglich  ist,  wo  die  Zeit 
Ton  Lehrern  und  Schttlern  so  sehr  besetzt  ist,  ist  eine  andere 
Frage.    Immerhin  ist  die  Anregung  zu  begrüßen. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


G.  Bohrbach;   Vierstellige,  logarithmisch -trigonometrische 
Tafeln,   i.  Auflage.  Qotha,  E.  F.  Thienemann  1904.  36  Sa  8^. 

Die  Tafeln  enthalten:  1.  Eine  Einleitung  (S.  2 — 5);  2.  die 
Logarithmen  der  Zahlen  yon  1 — 2010  mit  mittleren  Differenzen, 
auf  die  Zeile  bezogen,  und  Partes  proportionales  für  D  =  22  bis  2 
(S.  6 — 9);  8.  goniometrische  Funktionen,  Sehnen  und  Bogenliogen 
(S.  10);  4.  die  Logarithmen  von  vier  goniometrischen  Funktionen 
nach  flblicher  Weise  für  Winkel  Ton  00^45®,  bezw.  90^--45^ 
im  Interyall  yon  6'  mit  Differenzen  und  Partes  proportionales  for 
Z>  =  178  bis  4  (S.  11—19);  5.  die  Logarithmen  der  Simiffie 
(S.  20)  und  der  Tangenten  (S.  21)  Ton  hundertste!  zu  hnndeititel 
Grad  ffir  Winkel  yon  0^— 5<>;  6.  die  Logarithmen  der  Sinosie 
(S.  22)  und  der  Tangenten  (S.  28)  yon  Minute  zu  Minute  för 
Winkel  yon  0®  bis  S^'.  Es  folgen  dann:  natfirliche  Logarithmen 
der  Zahlen  1—1000;  die  Quadrate  der  Zahlen  1—1000;  7stellige 
Logarithmen  der  Zinsfaktoren;  8stellige  Logarithmen;  Potenzen  und 
Wurzeln  der  Zahlen  1—20;  Fakultäten;  Potenzen  yon  2;  Fook* 
tionen  yon  n  und   einige   andere  Eonstante;    MaßyergleicbuDgeo; 


C.  Schrbach,  Vierstellige,  log.-trig.  Tafelo,  ang.  ▼.  J.  Arbes,      511 

Erddimenaicnen ;  physikalische,  aatroDomlsebe  nod  geographische 
Aogaben;  graphische  DarsteliQDg  der  geniometrisehen  FaDktionen. 

Bohrbaehs  Tafeln  haben  sich  zur  Zeit  ihres  ErscheiDens 
(1.  Auflage  1894)  jedenfalls  Torteilbaft  Ton  anderen  unterschieden, 
infolge  dessen  sie  an  Tielen  Schalen  Dentschlands  (mehr  als  50) 
EJDgang  fanden.  Die  Hanpttafeln  wie  die  der  Logarithmen  der 
Zahlen  nnd  der  Winkelfunktionen  muß  man  auch  wegen  der  prak- 
tiBcben  Einrichtung  und  der  Übersichtlichkeit  und  des  deutlichen 
nod  korrekten  Druckes  loben.  Ähnliches  Lob  gilt  auch  anderen 
Tafehi  auf  8.  20  bis  27.  Bei  den  Zahlenlogarithmen  kommt  eine 
Neuerung  vor,  bestehend  in  einer  Vertikalspalte  mit  der  Überschrift 
10,  hingestellt  in  der  Absicht  der  Erleichterung  des  Aufsucbens  der 
Differenz,  deren  mittlerer  Wert  auf  die  Zeile  bezogen,  übrigens 
gleich  daneben  steht. 

Um  auch  einige  Mängel  der  Tafeln  zu  erwähnen,  beginnen 
wir  gleich  mit  der  Einleitung.  Diese  ist  im  allgemeinen  fiberflflssig. 
Denn  sie  enthält  zunächst  Belehrungen  über  die  Art  des  logarith- 
misdien  Beehnens  und  weiterhin  mathematische  Formeln,  Dinge 
die  als  bekannt  Torausgesetzt  werden  können;  sie  enthält  auch 
Hinweise  auf  die  „Seiten*',  wofür  der  .Inbalf*  ausreicht;  andere 
Bemerkungen,  wie  über  zweite  Differenzen  und  entsprechende  Diter- 
polation  sind  ohne  sachkundige  Aufklärung  zu  kurz  gehalten  und 
können  in  der  Mittelschule  auch  nur  fallweise  besprochen  werden 

(r-  ist  dabei  allgemein  gehalten,  dsgegen  setzt  die  kleinere  Tabelle 

für  n  und  p  h  gleich  10  Torans);  bloß  yler  Formeln  zur  Bestim- 
mung Ton  log  sin  und  log  tg  kleiner  Winkel  bis  über  2®,  bezw. 
45'  sind  erwähnenswert,  aber  dem  Schüler  wäre  es  erwünschter, 
wenn  man  in  diesem  Falle  die  äußerst  kurze  Ableitung  dazu  auf- 
geDommen  hätte. 

Die  natürlichen  Maße  der  goniometrischen  Funktionen  sind 
Ton  Orad  zu  Orad  angegeben;  wenn  das  Winkelintervall  etwas 
kiemer  wäre,  würde  der  praktische  Rechner  dies  nur  freudig  be- 
grüß«!. 

Die  Tabellen  für  log  sin  und  log  tg  im  Interralle  Ton  0*01<^ 
lind  für  üsterreichische  Mittelschulen  nicht  nOtig. 

Das  Minuteninterrall  (8.  22,  28)  wurde  bis  zu  dem  Winkel 
Ton  8^  ausgedehnt,  wohl  deswegen,  um  dadurch  mit  Bücksioht  auf 
Seitenflächen  einen  einheitlichen  und  gefälligen  Eindruck  zu  er- 
xielen.  Letztere  Bemerkung  gilt  auch  von  den  Tafeln  für  die  na- 
tfirUchen  Zahlen  (8.  24,  25)  und  von  den  Tafeln  für  tfi  (S.  26,  27). 
Während  die  Angaben  f ür  n*  sehr  reichlich  sind,  beschränken  sich 

die  für  n\  Yn,  Vn  auf  die  Zahlen  1  bis  20,  d.  i.  auf  fünfzig- 
mal weniger  Zahlen. 

Im  allgemeinen  hat  Bohrbach  zu  viel  Zugaben,  sie  umfassen 
ugefähr  M%  (mit  der  Einleitung  M%)  des  Inhaltes.  Jeder  Lehr- 


512  ^.  Wangeritty  F.  NenmAnn  und  flein  Wirken^  Aug.  ▼.  i.  G,  WaUkniin, 

behelf  soll  der  Schale,  bezw.  dem  Schfiler  zugute  kommeu ;  auf  den 
Fachmann  kommt  es  da  nicht  an,  der  benütze  andere  ffilfemittel, 
wenn  ihm  etwa  Tieretellige  Tafeln  zu  wenig  bieten.  Zon&chst  muß 
der  Schüler  das  Lehrziel  möglichst  gut  erreichen;  wenn  dann  der 
Lehrer  die  Aufmerksamkeit  des  Schülers  noch  außerdem  auf  andere 
interessante  Dinge  zu  lenken  tersteht,  die  der  Schüler  leicht  auf- 
fassen und  behalten  kann  und  sein  Interesse  an  dem  Oegenstand 
bedeutend  erhöhen,  so  wird  der  Schüler  dem  Lehrer  nur  Dsok 
wissen.  So  z.  B.  sind  die  Berechnung  der  Logarithmen  d«r  Funk- 
tionen kleiner  Winkel ,  die  Durchführung  der  einfachen  und  ge* 
naueren  Interpolation«  die  Ermittlung  der  natürlichen  Logarithneo 
usw.  Dinge,  die  bei  günstiger  Gelegenheit  und  am  richtigen  Oite 
vom  Lehrer  vorgebracht  den  Unterricht  bedeutend  beleben  könnes. 
Werden  physikalische  und  astronomische  oder  geographische  Rech- 
nungen durchgeführt,  so  finden  sich  die  nötigen  Angaben  schon  in 
den  vorhandenen  Übungsbüchern  vor.  Bobrbach  hat  bei  diesen  Kon- 
stanten auf  deren  Logarithmen  fast  gänzlich  yerzichtet  und  banpt- 
s&chlich  dem  Physiker  und  Geographen  Bechnung  getragen. 

Die  Tafein  zum  Schulgebrauch  mögen  im  allgemeinen  snr 
das  enthalten,  was  nötig  ist  und  bei  der  Praxis  des  ünterrichtaa 
ausgenützt  wird;  anderes  Interessante  sollte  höchstens  in  sehr 
sorgfältiger,  ausgleichender  Auswahl  auftreten,  da  es  doch 
nur  gelegentlich  oder  mitunter  gar  nicht  zur  Verwendung  kommt 
Darnach  ist  die  Tabelle  der  natürlichen  Logarithmen  zu  sehr  aus- 
gedehnt, ebenso  die  der  Fakultäten,  da  man  in  der  Mittelsdinle 
mit  Billionen,  Trillionen  oder  gar  mit  26zifiFerigen  Zahlen  doch 
nicht  zu  rechnen  pflegt.  Die  dreistelligen  Tafeln  erscheinen  eben- 
falls unnötig,  schließlich  könnte  sich  dieselben  jeder  Schüler  aas 
vierstelligen  verschaffen,  und  so  läGt  sich  auch  an  anderen  Orten 
sichten. 

Was  den  Druck  betrifft,  so  erscheint  bisweilen  der  Inhalt  in 
sehr  zusammengedrängt,  so  daß  die  Ziffern  zu  klein  erschaiDeB, 
z.  B.  S.  10  im  unteren  Drittel,  femer  bei  den  P.  p.  auf  8. 11  bii 
S.  18  und  bei  den  physikalischen  und  astronomischen  Eonstaaten 
auf  S.  81  und  S.  32  in  der  unteren  Hälfte. 

Das  Papier  ist  schön  und  stark,  das  Format  jedoeh  übertrifft 
das  der  gewöhnlichen  Lehrbücher. 

Prag-Smichow.  Job.  Arbes. 


Franz  Nenmann  und  sein  Wirken   als  Forscher  and  Lehrer. 

Von  Dr.  A.  W  an  g  er  in,  Professor  an  der  Universität  Halle  a.  & 
Mit  einer  Teztfigur  und  einem  Bildnis  Neumanne  in  HeliograTore. 
Brannschweig,  Vieweg  &  Sohn  1907. 

Das  vorliegende  Buch   ist  als  Heft  19  der  „Wissenschaft', 
also  jener  Sammlung  naturwissenschaftlicher  und  mathematiecker 


A  Wangerin,  F.  Nenmaon  und  sein  Wirken,  ang.  y.  J.  Q.  Waüentin,  513 

MoDographieo  erschienen«  die  im  Verlage  Ton  Friedrieh  Vleweg  seit 
geraumer  Zelt  pabliziert  wird. 

Prof.  Wangerin  bat  in  dieser  Schrift  in  pietfttTcUer  Weite 
d«o  Lebentlanf ,  die  wissenschafüicben  Leietnngen  F.  Nenmanne 
ansffibrlieh  besprochen  und  dabei  aacfa  des  berTorragenden  Wirkens 
dieses  Mannes  als  Lehrer  gedacht.  Es  konnten  für  diese  Zwecke 
Seminarberichte  Nenmanns  yon  der  EOnigsberger  UnWersitit,  ferner 
die  im  physikalischen  Laboratorinm  zn  Königsberg  aufbewahrte 
Sammlnng  Ton  Arbeiten  ans  Nenmanns  Seminar  benutzt  werden. 
Außerdem  sind  die  Schriften  von  Voigt  nnd  Volkmann,  welche 
bei  Nenmanns  Tode  erschienen  sind,  femer  die  .Erinnemngs- 
blitter*,  welche  die  Tochter  Nenmanns,  Frftnlein  Lonise  Nenmann, 
ihrem  Vater  gewidmet  hat,  zurate  gezogen. 

Das  Buch  gliedert  sich  in  drei  Teile:  1.  Franz  Neumanns 
Leben;  2.  Nenmanns  wissenschaftliche  Arbeiten;  8.  Vorlesungen, 
Seminar,  Laboratorium.  Wangerin  zeigt  sich  im  ersten  dieser  Teile 
als  gewissenhafter  und  genauer  Biograph,  der  todI  edler  Liebe  zu 
Semem  einstigen  Lehrer  erfüllt  ist;  er  zeigt,  welche  domenToUe 
Wege  Nenmann  einschlagen  mußte,  um  zum  Ziele,  das  er  erreichte, 
zn  gelangen.  Die  Persönlichkeit  des  großen  Gelehrten  und  glühenden 
Patrioten  tritt  uns  in  diesem  Teile  in  den  schönsten  Zügen  entgegen« 

Unter  den  wissenschaftlichen  Arbeiten  Neumanns  werden 
nerst  die  kristallographiseh-mineraiogischen  Arbeiten  genannt;  auf 
diesem  Gebiete  hat  Neumann  sowohl  in  theoretischer  als  auch  in 
openmenteller  Hinsicht  gewirkt  und  wertvolle  Beitrüge  zur  Eri- 
itallograpfaie  und  Kristallonomie  geliefert.  Neumanns  Arbeiten  zur 
Wirmelehre,  die  nun  besprochen  werden,  sind  wesentlich  experi- 
menteller Beschaffenheit  (Bestimmung  der  spezifischen  Wurme  sowie 
der  ünßeren  und  inneren  Wftrmeleitnngsffthigkeit).  Neumann  zeigt 
aber  in  dieeen  Arbeiten,  die  mit  relativ  bescheidenen  Apparaten  aus- 
geführt sind,  wie  Experiment  und  Theorie  zu  vereinen  ist. 

Von  großer  Bedeutung  sind  die  Arbeiten  Neumanns  aus  der 
Optik  und  der  Elastizitütstheorie.  Ld  seiner  Theorie  der  doppelten 
Strahlenbrechung,  abgeleitet  aus  den  Gleichungen  der  Mechanik, 
^d  auch  die  Polarisationsebene  definiert  als  die  durch  die  Wellen- 
oormale  und  die  Richtung  der  Schwingungen  gelegte  Ebene  im 
Oegenaatze  zur  Fresnelschen  Annahme,  nach  der  die  Polarisations- 
ricbtung  auf  der  Bichtung  der  Schwingungen  senkrecht  steht.  — 
Belangreich  sind  auch  die  Arbeiten  „zur  Theorie  der  elliptischen 
Polarisation  des  Lichtes ,  welche  durch  Befiexion  von  Metailfiächen 
eneugt  wird"  und  „über  die  optischen  Achsen  und  die  Farben 
zweiachsiger  Kristalle  im  polarisierten  Lichte",  sowie  die  Abhand- 
lung^ „ttber  den  Einfluß  der  Eristallfiüchen  bei  der  Befiexion  des 
Liebtea  und  über  die  Intensitüt  des  gewöhnlichen  und  nngewOfan- 
lieben  Strahles",  welcM  Arbeit  Nenmann  in  einen  Priorititsstreit 
mit  Mac  Cnllagh  verwickelte.  An  diese  große  Arbeit  über  Kristall- 
reflezion  schlössen  sich  noch  einige  in  dasselbe  Gebiet  gehörende 

ZtÜKkrifl  f.  d.  eitanr.  0 jmn.  190S.  VL  H«A.  S8 


514  £.  Lampertt  OroAiebmatteriiiige  uw^  ang.  v.  J.  G.  WäOeiUm. 

kleinere  Arbeiten  an.  Im  weiteren  werden  noch  einige  der  Kristall- 
phyaik  angehörende  Arbeiten,  femer  die  Abhandlung  über  die  Ge- 
setze der  Doppelbrechung  des  Lichtes  in  komprimierten  oder  oa- 
gleichmftßig  erwärmten  nnkristaUinischen  Körpern  beeprocben. 

Von  besonderer  Bedeutung  erscheinen  die  Arbeiten  Neumsnoi 
ttber  induzierte  elektrische  StrOme»  welche  ihn  zur  Aufstellung  einM 
allgemeinen  Prinzipes  der  mathematischen  Theorie  der  induzierten 
elektrischen  Ströme  leiteten. 

Nun  werden  noch  die  mathematischen  Arbeiten  des  sosge- 
zeichneten  Gelehrten  gewdrdigt,  unter  denen  namentlich  jene  Aber 
KugelfuDktionen  hervorzuheben  sind.  Im  weiteren  finden  wir  einige 
wissenschaftliche  Untersuchungen  Nenmanns  skizziert,  die  nicht  von 
ihm  selbst  yeröifentlicht  wurden. 

Der  letzte  Teil  des  Buches  ist  vorzugsweise  der  Darstellnn^ 
der  publizistischen  T&tigkeit  Neumanns,  seines  Wirkens  im  Semiur 
und  seiner  Bestrebungen  zur  Errichtung  eines  physikalisdien  Labo- 
ratoriums, das  erst  im  Jahre  1886  vollendet  wurde,  als  Neumaon 
fast  90  Jahre  alt  war,  gewidmet. 

Das  vorliegende  Buch  erscheint  vollster  Beachtung  wert. 

Großsehmetterlinge  und  Baapen  Mitteleuropas  mit  betoDdeitr 
Berflckeichtigung  der  biologiieben  Verbftitnisee.  HeraoigeirebeB  ?o& 
Prof.  Dr.  Kurt  L  a  m  p  e  r  t ,  Oberttadienrat,  VoxstaDd  des  kgL  NaIiailieD- 
kabinete  in  Stuttgart  Esslingen  und  Mönchen,  J.  F.  Schreiber  1906. 
Lieferangen  7,  8,  9. 

In  den  vorliegenden  Lieferungen  wird  die  Besprechung  der 
zeitlichen  und  r&umlichen  Verbreitung  der  Schmetterlinge  fortfe- 
setzt  und  auf  die  Phylogenie  oder  Stammesgeschichte  derselben  ein- 
gegangen, wobei  gezeigt  wird,  daß  die  Äderung  des  Flflgeb  aii 
ein  in  stammesgeschichtlicher  Beziehung  besonders  wichtiges  Merk- 
mal zu  gelten  hat.  Weiters  wird  die  Nomenklatur  der  Schmetter- 
linge erörtert,  dann  werden  sehr  wertvolle  Winke,  die  auf  den  Fang 
derselben  und  die  Sammeltechnik  bezugnehmen,  gegeben. 

In  Lieferung  9  wird  mit  dem  systematischen  Teil  begoooeo, 
wobei  dem  Vorgänge  von  Staudinger  und  Bebel  Bechnung  ge- 
tragen wird. 

Auch  die  vorliegenden  Lieferungen  zeigen  die  Frische  und 
gewandte  Darstellung  des  Textes,  der  —  wenn  auch  popnlir  ge- 
halten —  doch  an  keiner  Stelle  die  strenge  Wissenschaftliebkeit 
vermissen  Iftßt. 

Die  den  einzelnen  Lieferungen  beigegebenen  Figorentafeln, 
auf  denen  die  Baupen  und  die  Schmetterlinge  sowie  die  Fetter* 
pflanze  der  ersteren  dargestellt  ist,  sind  meisterhaft  angelegt  und 
durchgeführt  und  werden  auch  bei  der  Bestimmung  der  Falter  dem 
Anf&nger  wertvolle  Dienste  erweisen. 

Wien.  Dr.  I.  G.  Wallentin. 


RSduaiter,  Lehrbnoh  der  Mineralogie  und  Geologie,  ang.  ▼.  F.  Nai,  515 

Lehrbuch  der  Mineralogie  and  Geologie  für  die  oberen  KUisen 
der  OjmaMien  von  Dr.  Rudolf  Sebariier,  Profeteor  an  der  Uni- 
▼eniUt  in  Csemowiti.  6.,  dnrebgeiebene  Auflage,  Wien,  F.  Tempskj 
1907. 

Die  sechste  Auflage  unterscheidet  sich  nur  in  nnwesentlicbea 
Dingen  Ton  den  vorhergehenden.  Einige  Textkorrektnren,  z.  B.  beim 
Qoan,  einige  nene  Illnstrationen«  Anordnung  und  Behandlung  des 
Stoffes  sind  die  gleichen  geblieben ;  daher  sind  auch  die  Vorzflge 
nod  Nachteile  des  Buches  die  gleichen  wie  bisher ;  darüber  ist  an 
dieser  Stelle  wiederholt  berichtet  worden  nnd  deshalb  nichts  Nenes 
hiozutufflgen. 

Einige  Abbildungen ,  so  Fig.  15  nnd  16  (FingalshOhle  und 
Wfgotsch)  und  besonders  das  unmögliche  Gletscherbild  Fig.  82 
konnten  durch  bessere  ersetzt  werden.  Der  Biliner  Sauerbrunnen 
iit  kein  Bitterwasser. 

Wien.  Dr.  Franz  NoS. 


SS* 


I 


Dritte  Abteilung^. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Zur  griechischen  and  lateinischen  Lektfire  so 
unserem  Oymnasiam. 

XL 
«Die  grOßta  Gefahr  droht  nnserea  höheren  Schulen  jetst  fonieiteB 
des  Nebensächlichen,  das  fortwährend  in  breitem  Strome  henngeflstet 
kommt  and  die  Aufmerksamkeit  Ton  dem  in  erster  Linie  Wichtigen  ab- 
lenkt* sagt  0.  WeiQenfels  in  der  Vorrede  seiner  Kernfragen  Toa  190S. 
Diese  Worte  finden  anch  in  dem  Vorschlage  ihre  Bestätignngp  den  Koknli 
nun  (8.  83  f.)  macht:  Die  paar  Wochen,  die  wir  anf  die  Lektfire  einer  phäo- 
sophlschen  oder  rhetorischen  Schrift  Cieeros  verwenden  können,  den  Briefes 
des  jftngeren  Plinins  ^)  in  widmen.  Von  den  Briefen  Cieeros,  die  K.  Crflher 


^)  Über  die  Lektfire  der  Plinins-Briefe  in  älterer  Zeit  TgL  EekiteiB, 
ünterr.  S.  272.  A.  Krensers  Bemflhnngen  nm  diese  Lektfire  (O7mn.-Prop^ 
Prfim,  1891  and  die  Aasgabe  ?on  1894)  blieben  troti  der  Empfehlssg 
H.  Ziemen  erfolsflos,  während  die  Briefe  Gioeros  trots  0.  Weiftenfels  (K. 
Jahrb.  1900,  II  528  ff.;  Kernfr.  1903,  8.  246  ff.)  in  den  prenß.  Lehrpläoes 
festgehalten  wurden.  Ein  paar  Plinias-Briefe  wollten  Th.  Vogel  und  Tliiale 
(N.  Jahrb.  1891,  II  209  ff.,  527  ff.)  in  der  Schale  lesen,  K.  Beinhsrdt 
(Berl.  £onf.  Ton  1900)  den  Briefwechsel  mit  Trajan  in  ein  lateiaisebei 
Lesebuch  lur  ünterstfitzung  des  Oetchichtaunterrichtes  anfgenonDca 
wissen.  Die  ChroBtomathie  von  Opits- Weinhold  enthält  auf  30  88.  Briefe 
des  jfiDgeren  Plinios,  natfirlich  sind  die  fiber  den  Ausbruch  des  Vcsst 
TOD  M.  C.  P.  Schmidt  aufgenommen ;  auch  in  der  Ton  W.  Jung  (Hoosti- 
schr.  1903,  S.  522  ff.)  skiziierten  Chrestomathie  hat  dieser  PliniuB  sein 
Platschen.  Interessant  ist,  daft  L.  Just  in  dieser  ZeiUchr.  1855,  8.  19^ 
erklärt,  schon  für  das  sweite  Semester  der  IV.  Klasse  wfinschten  mssche 
umsomehr,  da  Cicero  im  gansen  suwenig  berfieksichtigt  erseheine,  eioa 
kleine  Sammlung  anslehender  Briefe  tod  Cicero  und  Tielleicht  auch  PliniBs- 
Von  einigen  Briefen  Giceros  war  ja  bei  uns  nur  1849  ffir  die  VI.  KJsm 
die  Bede.  Das  Unterrichtsministerium  hat  fibrigens  mit  &laß  fom 
18.  Oktober  1905  Terlaotbart^  Ober  motiyieiten  Antrag  eines  LehrkOipen 
könne  gestattet  werden,  dafi  in  der  VII.  Gymnasialklasse  an  Stelle  der 
obligaten  Lektfire  eines  der  philosophischen  (oder  rhetorischen)  Werte 
Cieeros  die  Lektfire  einer  Auswahl  Ton  Briefen  des  jfingeren  J^linius  be- 
trieben werde.  Ob  ein  solcher  Antrag  Öfter  gestellt  worden  ist,  ist  ndr 
nicht  bekannt. 


Zu  grieeh.  und  Uteiiu  Lektflre  an  ans«rem  Oyinnasiiiiii.  ZI.      517 

•iBoud  empfohlen  hatte»  tprieht  er  nieht  mehr.    Jetst  hegreift  man,  wie 

er  den  Gnmdtati  hat  aufstellen  kOnnen,  statt  der  sa  schwierigen  Oroften 

leiei  nnbedenkUeh  die  weniger  GroAen  heransnsiehen.    Denn   darüber 

henseht  Einigkeit,  da(S  wir  an  Plinins  den  l^ns  flacher  MittelmiOigkeit 

hiben.  K.  wiederholt  hier,  was  er  in  dem  erwfthnten  AnfiMtse  sflber  die 

erfreulichen  Eigebnisse  dieser  Versachslektflre*  im  Jahre  1905  berichtet 

hit  Es  maß  nur  wieder  betont  werden,  daft  er  nicht  an  Stelle  des  Laelios, 

•oadem  flberhanpt  einer  philosophischen  oder  rhetorischen  Schrift  Giceros 

Pliiiiiis  gelesen  hat;  denn  selbst,  wenn  der  Vorgänger  im  Lateinnnterricht 

is  der  VI.  Klasse  den  Laelios  ftkr  die  VII.  Torgescblagen  hatte,  branchte 

er  sich  dnreh  diesen  Vorschlag  nicht  gebonden  fflhlen.  K.  wird  doch  wohl 

sieht  daraos,  daft  niemand  seinen  AosfOhnrngen  Oifentlich  entgegentrat, 

aaf  sllgemeine  Zastimmang  geschlossen  haben.  Die  Kollegen,  mit  denen 

ich  aber  die  Sache  sprach,  waren  ähnlicher  Ansicht,  wie  P.  Wendland  in 

der  erwähnten  Besprechnng,  daft  es  sich  hier  nm  eine  OeschmacksTcrirning 

hsodle,  die  kaum  jemand  mitmachen  wtlrde.  Ich  selbst  habe  mich  seiner- 

seit  damit  begnflgt,  in  der  Lebrerkonferens,  in  der  die  Thesen  fttr  die 

ietste  n.-O.  Direktoren -KoDferens  sor  Sprache  kamen,  anter  Zostimmnng 

der  Fachkollegen  sn  beantragen,  diese  Konfereni  mOge  ersucht  werden,  der 

Beseitigang  jener  Schriften  Giceros  ans  dem  Kanon  eDtgegensairetcD. 

Die  Begrflndong,  die  K.  hier  wiederholt,  scheint  mir  darchaas  nicht 
geeignet,  irgend  jemanden  sa  Plinins  in  Terlocken.  Er  beseichnet  sonächst 
diese  Lektfire  als  beste  Überleitang  sa  Tacitns.  Plinins  fahrt  aber  in 
«ine  Zeit,  in  der  sich  aach  die  Tacitas-Lektüre  nicht  bewegt.    .Die  £r- 
ienntnis  des  gesellschaftlichen  Lebens  der  Trajanischen  Zeit*  (Schans) 
itt  noch   nicht  Sache  nnseres   Scbnlonterrichtes.    Pauend  können   die 
psar  Briefe  des  Plinins,  die  in  Betracht  kommen  und  fftr  die  Schale  Wert 
haben,  an  die  Tacitns-LektOre  angeschlossen  oder  vom  Historiker  nnd 
Beligionslehrer  herangeiogen  werden.    Wollte  man  aber  die  SchOler  mit 
dem  antiken  Brief  bekannt  machen,  so  mOAte  man  Giceros  Original- 
briefe lesen  nnd  konnte  erst  dann  einen  oder  den  anderen  der  liebens- 
wOrdigen  Knnstbriefe  des  Plinins  Tomehmen,  die  schon  deswegen  von 
den  Schfllem  —  nach  meinen  Erfahnxngen  mit  der  PriTatlektOre  —  denen 
des  Gicero  nicht  Torgesogen  werden,  weil  sie  fOr  die  VerOffentlichong 
geschrieben  sind.  Bei  der  LektOre  eines  Briefes  will  die  Jagend  gewisser- 
matten  in  das  Briefgeheimnis  mit  eingeweiht  sein.    »Kanm  ein  sweiter 
Schriftsteller*,  sagt  K.  weiter,  „kaum  ein  iweites  Werk  der  BOmer  dOrfte 
den  Schfller  sn  plastischer  Vergegenwärtigong  der  Antike,  la  treifsicherer 
Erkenntnis  ihrer  Zasammenbänge  and  Analogien  mit  nnseren  Zeiten  . . . 
mit  geringeren  AniprOchen  aaf  Selbstentäatterang  beraniabilden  geeignet 
sein*.    Besser  hat  seinerteit  L.  Jnat  seinen  Vorschlag,  fielleicht  aneh 
Briefe  des  Plinins  im  sweiten  Semester  der  IV.  Kl.  sa  lesen,  be- 
grOttdet  mit  den  Worten  (in  dieser  Zeitschr.  18^  S.  195  f.) :  ,Zwar  dttrfte 
gegen  Plinins  eingewendet  werden,  sein  Latein  sei  nicht  gans  rein,  sein 
maniriortos,  gesachtes,  ans  moderne  streifendes  Wesen  sei  ein  MÜSklang 
gegenflber  der  klaren,   objektifen    Anschanangs-   nnd   Bedeweise   der 


518      Zur  grieeb.  vnd  latein.  Lektflre  an  vnteram  Gymoaiism.  XI. 

KlMdker  ertten  Banget;  aber  anderseita  gewähren  aeine  Briefe  eiaen 
Bliek  in  die  aoiialen  Verhiltnine  dea  Eaiierreieha  vnd  bieten  ao  maaeh« 
Aniiebende  and  Lebrreiehe  dar,  daa  man  nngem  ▼ermiAt  Jeder  von  aai 
wird  aich  des  ungemeinen  Vergnflgent  erinnern,  mit  dem  er  s.  B.  eeiB« 
Briefe  an  Taeitoa  geleaen*.  Idi  bebaopte  aber,  daß  die  Werke,  die  wir 
jetit  am  Gymnasinm  leien  kOnnen,  ebenso  geeignet  aind,  die  Jagend 
naeh  nnd  nach  in  jener  «treifsidieren  Erkenntnis^  heraninsieheB.  Deaa 
nicht  allein  auf  die  Kenntnisse  der  Realien  kommt  ea  an,  aondem  haapt- 
sftehlieh  anf  das  Eindringen  in  das  Wesen  der  Antike  doroh  deren  gr&Ate 
Geister. 

K.  meint,  einen  Maftstab  für  den  Yergleioh  Giceroa  mit  Pliaios  in 
der  Sehale  sa  besitien.  Gieeros  Pampeiana  war  aeinen  Sohfilem  laogwdlig, 
^e  Briefe  dee  Pliniaa  nicht,  and  iwar  wegen  ihrer  inhaltlichen  llaanig- 
faltigkeit  Wer  hat  ihn  geiwangen,  gerade  die  Pampeiama  sn  lesea? 
Waram  hat  er  nicht  die  ton  ihm  jedenfalls  ffir  interesaanter  gehaltene 
IV.  in  Verr,  gelesen?  Kann  er  aicher  sagen,  wie  sich  seine  Sehftler  n 
Gieeros  philosophischen  oder  rhetorischen  Schriften  gestellt  bitten,  wsbb 
sie  diese  mit  einem  Lehrer  gelesen  hätten,  der  ffir  sie  dieselbe  Ver- 
liebe gehabt  hätte,  wie  er  für  die  Briefe  des  Plinias?  Immer  wieda 
der  Hinweis  anf  die  varietM  recdium,  der  data  fahren  kann,  die 
Lektflre  der  Griginale  la  beseitigen.  Wenn  ich  das  sage,  Torkenne  ich 
darchaos  nicht,  daß  Jeder  Gedanken-  and  Wissensinhalt,  den  ich  mir 
selbst  aaa  der  Quelle  geschöpft  habe,  an  eigenartigem  Wert  jeden  anderen 
weit  fibertrifft«'  (Dettweiler  IIP,  S.  120);  aber  ist  dieser  Wertonterschied 
so  groß  and  so  bedentangsTolI,  daß  man  Torsagaweise  seinetwegen  lo 
yiel  Kraft  and  Zeit  anf  die  Erlernang  der  alten  Sprachen  Terwendea 
sollte?  „Was  kann  der  Lehrer",  rnft  K.,  «bei  Gieeros  LaeUaa  odar  Gsto 
aar  Belebong  and  Vertiefang  des  Unterrichtes  an  Bealien  und  StolFea, 
die  nicht  gerade  rein  „philosophischem«'  Wissensgebiete  angeboren,  oa- 
gezwungen  herbeisiehen  ?*    Erstens  handelt  ee  sich  nicht  am  Laelios') 


^)  Kein  Lehrer  ist  irgendwie  gebnnden.  Aach  Stücke  aas  rheUoiachea 
Schriften  Gieeros  werden,  wie  man  hOrt,  ietst  bei  ans  mit  Genaß  seiteat 
der  Schaler  gelesen.  Daß  aber  doch  auch  die  Lektfire  des  LtUliua  sasaeen 
kann,  bat  mir  ein  Fall  geieigt,  den  ich  mir  hier  ansafflhren  erlanbe.  Vor 
korsem  besacbte  mich  ein  ehemaliger  Schfller,  den  ich  seit  dem  Zosam* 
mensein  in  der  VII.  Gymnasialklasse  nicht  mehr  gesehen  hatte.  Im  Ge- 
spräche aber  gemeinsame  Erlebnisse  fiel  mir  der  junge  Mann  plötslich 
ins  Woit  nnd  rief:  „Wenn  Sie  wieder  Latein  in  der  VII.  haben,  lesea 
Sie  doch  wieder  den  Laelius;  er  ist  so  hflbsch  nnd  enthält  eine  Menge 
Sätse,  die  man  gar  wohl  braachen  kann**.  Er  wußte  auch  noch  ein  paar 
ansuf&hren.  Ich  muß  sagen,  daß  diese  Worte  auf  mich  Eindruck  gemacht 
haben.  Der  junge  Mann  ist  aber  nicht  etwa  Philologe,  sondern  aogea- 
blicklich  Assistent  an  der  Lehrkansel  fflr  mediiinische  Ghemie  ao  der 
UniTcrsität  Gras.  K.  hat  bei  H.  Ziemer  (Jahrb.  1905,  VI  74)  Zastimmnng 
gefunden.  „Diese  Briefe",  sagt  dieser,  „kOnnen  selbst  mit  Gieeros  Briefen 
wohl  den  Vergleich  aushalten,  dem  Cato  m.  und  Laelius,  dem  bdl.  cw. 
wOrden  auch  wir  sie  Torsiehen".  Wer  aber  den  Standpunkt  Ziemers  kennt, 
weiß,  daß  dieser  kaum  damit  einTcrstanden  sein  wflrde,  auf  Kosten 
sämtlicher  philosophischen  und  rhetorischen  Schriften  Gieeros  den 
Plinius  einsufflhren,  und  das  will  eben  K.    Daher  ist  es  fflr  die  fVage, 


Zor  gridcb.  und  Utein.  Lektfire  an  nDserem  Ojinnasiam.  ZI.      619 

oder  Cftto  allain ,  10006111  tkberhaapt  vm  philosophisehe  uid  rbetoriiehe 
Sehrifken  Cieerot  vad  iweitant  Icmd  wir  ja  aveh  gar  Bieht  diese  SehrifteD, 
am  die  Jagend  über  irgend  welebe  andere  Realien  nnd  Stoffe  in  nnterricbten. 
Wir  wollen  gerade  die  Jagend  ein  paar  Wocben  mit  „PbiloaopbiiebeDi'' 
baieblftigen,  wir  wollen  lie  ^lum  Naebdenken  Aber  wichtige  Lebenifragen, 
n  einem  beeebeidenen  Pbiloiopbieren  hinleiten*  (Dettweiler).  Und  diese 
Fragen  kOnnen  aneb  die  Sehtkler  dieie  knno  Zeit  interessieren.  Über  den 
BildoDgiwert  der  philosophischen  nnd  rhetorischen  Schriften  Cieeios  fttr 
die  Jugend  ist  man  doch  im  klaren.  „Sie  Termitteln  uns  die  Kenntnis  der 
edelsten  Gedanken  griechischer  Popalarpbilosophie*  (Siebonrg).  Wer  darflber 
kein  eigenes  urteil  bat,  wird  diese  Schriften  mit  allen  Hilfsmitteln  modemer 
Wissenschaft  itndieren  nnd  dann  darflber  lesen,  was  i.  B.  Weißenfels  ans- 
fefohrt  hat  Ist  er  nicht  derselben  Ansicht,  so  wird  er  abwarten,  bis  er 
Gelegenheit  hat,  diese  Schriften  mit  Schfllem  nnter  Verwertung  seiner 
Stadien  in  lesen,  und  wenn  er  dann  die  Erfahmng  macht,  daß  normale 
SektUer  sich  bei  der  secbawOcbentlicben  Lektflre  gelangweilt  haben,  wird  er 
ernstlich  mit  sich  sorate  gehen,  ob  er  nicht  doch  am  Ende  selbst  die  Schuld 
trigt,  nnd  erst  wenn  er  dieselbe  Erfahrung  wiederholt  mit  Torsehiedenen 
dieser  Schriften  gemacht  hat,  soll  er  Aber  seine  Erfahmng  sehreiben  nnd 
Tsnochen,  das  sn  wideriegen,  was  andere  darflber  gesagt  haben.  In  der 
Zeit,  als  das  Schlagwort  «KompUator"  noch  wirkte,  bat  man  Aber  diese 
Schriften  geringer  gedacht,  wie  onser  Lehrplan  von  1849  seigt,  aber  bei 
SOS  hat  man  schon  1884  den  Fehler  eingesehen,  den  man  in  Preußen  erst 
1901  gut  gemacht  bat  Auf  diese  neuesten  preußischen  Lehrpllne  bfttte 
also  K.  auch  im  allgemeinen  nicht  hinweisen  sollen,  die  schreiben  ja  in 
0 II  auch  Caio «i.,  in  Ol  eine  Auswahl  aus  Giceros  philosophischen  und 
rhetorischen  Schriften  Tor,  die  in  dem  Torhergebenden  Lehrplane  fehlt 
•Welcher  Lehrer*,  ruft  K.,  «kann  sich  und  anderen  einreden  wollen,  daß  er 
bei  Giceros  Fompeiana  oder  Rede  pro  Archia  gegen  die  immer  hoffnungs- 
loser schwelende  Oleichgiltigkeit  seiner  Klasse  mit  dem  sieggewohnten, 
dauernden  Erfolge  aniukimpfen  wußte?*  Diese  rhetorische  Frage  erinnert 
xwar  an  die  «nun  einmal  nicht  wegiuleugnende  Öde  und  Unfreudigkeit, 
die  sich  TorBUgsweise  in  die  Gieerostunden  eingeschlichen  lu  haben 
eebeint*  (Dettweiler),  aber  sie  klingt  doch  gerade  fflr  diese  swei  Beden 
(TgL  Dettweiler,  S.  185  f.)  etwas  gar  saTersiebtlicb.  Eigene  Erfahmngen 
in  dieser  Weise  in  generalisieren,  geht  nicht  an.  Außerdem  ist  diese 
Frage  hier  AberflAssig.  K.  will  die  Briefe  des  Plinius  nicht  an  die  Stelle 
der  Beden  gesetit  haben,  deren  Auswahl  uns  Tollkommen  frei  gestellt 

sm  die  es  sich  hier  handelt,  auch  nicht  von  großsiii  Gewicbt,  wtsan  D«tt- 
veiler  (S.  204)  mit  E.  darin  einig  )it,  daß  die  Lektflre  der  Plinmn  ßHefe 
«die  des  Ltulius,  des  Cato  m.  and  njancber  aodf^rtrii  L&dijßbnur  <ter 
Itteinischen  SchuÜektAre  an  did&ktiAcht^n  VorsQgen  flbi^rtrifft''  ^  du  an 
Dettweiler  setit  gleich  hinsu:  ^.Abur  dh  Werke,  die  to»  uns  emfrfbh&ftii 
■iod*  —  dasu  geboren  besondeis  pliiloeopbticbe  gchrift«»  üiv^t 
.halten  wir  trotidem  fAr  eine  einbeiiJkhe  Monte  Dtmtte  LektQre 
eDtbehrlicher.  Auch  wird  der  UatigeL  »n  Z«it  m«tet  ein  U'-  * 
die  DorchfAhmng  jenes  an  sich  truten  GeaankiBs  seJu*,  V« 
N.  Jahrb.  1908,  II  274  ff. 


620       Zar  grieeh.  und  Utein.  LektQre  an  onBerem  Gjmnaaiiim.  XI. 

iit,  Bondern  an  die  Stelle  der  philoeophiiebeii  ond  ihetoritcheD  Schriften. 
Was  jene  Öde  anlangt,  so  muß  bemerkt  werden,  daft  eben  in  Dentieh- 
land  fiel,  viel  mehr  Cicero  gelesen  wird.  Öde  kann  aber  alles  werden, 
natflrlich  aneh  die  Lektflre  Ton  Giceros  philosophischen  Schriften; 
man  denke  an  die  oben  angefahrte  Bemerknng  Uhligs.  Auch  Fr.  Alj 
sagt  mit  Recht  (Hom.  Gymn.  1904,  S.  148):  »Gerade  unter  den  Händen 
nicht  philosophisch  orientierter  ErkUlrer  kann  die  Lektflre  der  philosophi- 
schen Schriften  eine  Quelle  Ödester  Langweiligkeit  anbohren*.  Ich  weifi 
nicht,  ob  sich  diese  Öde  auch  gerade  in  das  eine  Semester  bei  ons  ein- 
geschlichen hat;  wenn  aber  das  der  Fall  ist,  kann  man  doch  nicht  Cicero 
und  den  Lehrplan  dafflr  Terantwortlich  machen. 

Beim  jQngeren  Plinias,  erklärt  E.,  ergebe  sich  leichter  nnd  Öfter 
als  selbst  bei  Tacitns  nnd  Horas  die  Möglichkeit,  ja  Notwendigkdt  anf 
geograpbiiches,  natarwisseniehaftliches,  historisches,  jnridisehes,  soiiales, 

Gebiet  einen  befreienden  Blick  so  werfen.    WoTon  will  er  sieh 

denn  eigentlich  befreien?  Wenn  Tom  lateinischen  Text  des  Plinhis,  miA 
er  beantragen,  ihn  deutsch  sa  lesen,  wenn  Tom  Latein  flberfaaopt,  mnA  er 
den  Antrag  aof  Beseitigung  der  OriginaHektflre  stellen.  »So  wirkt  in  der 
!ateinischen  Lektflrestonde  Pünias  Tielseitig  nnd  anregend,  nicht  einseitig 
oder  geradem  enchlaffend  wie  Cicero*.    Der  allgemeiBe  8chla5  stimmt 
eben  in  den  Pr&missen  nicht    Niemand  hätte  etwas  einwenden  können, 
wenn  E.  geschlossen  hätte:  »So  wirkt  in  mancher  lat  Lektflrestonde  nsw.* 
Wieder  ruft  er  nun:  „Nur  im  lateinischen  Unterrichte  sollen  wir  diesem 
Cicero  ....  auch  fernerhin  ror  allen  anderen  Schriftstellern  eine  abe^ 
ragende  Bedentang  einränmen  ....  Darnm  mag  man  ....  dem  jflngeren 
Plinias  auch  bei  ans  wieder  ein  Einlaßpförtchen  Offnen  nnd  Cicero  nnd 
Vergil  dem  Fachstadinm... Torbehalten:  amoveantur,  ut promaveantur*. 
Gerade  Plinias  stflnde  mit  seiner  maßvollen  Periodisierang  usw.  unseren 
Anschauangen  flber  Schönheit  des  Stiles  nnd  Zacht  des  Gedankens  näher 
als  Cicero.  Seine  Aosiebungskraft  werde  gestärkt  und  erhalten  durch  den 
geringen  Umfang  der  Briefe,  deren  Gliederung  sich  in  der  Regel  Ton 
selbst  ergebe  und  Dispositionen  und  Wiederholungen  des  Inhaltes  flber- 
flflssig  mache.   Endlich  sei  Plinius  als  Schopfer  des  Feuilletons  in  Brief- 
form auch   heote  noch  eine  literarische  GrOße,  deren  EinflaO  anf  dsi 
moderne  Schrifttom  dem  Schfller  leichter  geneigt  und  deutlicher  bewiesen 
werden  kOnne  als  Ciceros  angeblich  fortwirkende  Mostergiltigkeit  So 
habe  0.  J.  Bierbaam  den  Plan,  eine  moderne  Übersetsung  der  Pliniai- 
briefe  lu  schaffen. 

Die  flberragende  Bedeutung  Ciceros  in  onserem  Untemehte 
leigt  der  Umstand,  daß  von  den  ca.  900  lateinischen  Lektflrestunden  im 
Jahre  kaum  90,  also  kaum  ein  Zehntel  anf  Cicero  fallen,  der,  wie  bemerkt, 
kflreere  Zeit  gelesen  wird  als  Nepos,  Cäsar,  Livins,  Sallust,  Ovid  nsd 
Vergil.  Die  Promotion  aber  wflrde  Cicero  nnter  Umständen  sehr  sehsden; 
denn  er  konnte  an  der  Universität  weniger  GOnner  finden  als  am  Gysi- 
nasiuro.  Ich  will  auf  »unsere  Anschaaungen  flber  Stil  nnd  Zocfat  des 
Gedankens"  nicht  weiter  eingeben,  sondern  nur  konstatieren,  daß  die 


Zur  grieeh.  and  Utein.  Lektflre  ui  onaerem  OymnMinm.  ZI.       621 

grOtoe  Leichtigkeit  des  Pliniot  gegenftber  Cicero  nach  meinen  Ansehan- 
oogen  einen  wesentlichen  Nachteil  bedentet  und  mir  den  Plinioa  tüi 
diese  Stnfe  nicht  geeignet  erscheinen  läßt;  ebenso  halte  ich  die  Dispo- 
aitioDen  nnd  Wiederbolnngen  des  Inhaltes  (besonders  in  lateinischer 
Sprache)  trotz  des  wegwerfenden  Urteils  E.s  für  wichtig,  ja  anentbehrlich, 
damit  die  Jagend  sich  gewöhne,  stets  aaf  den  Zasammenhang  in  achten. 
.Die  Erarbeitang  des  Gedankenganges  bei  gleichseitiger  Überwindnog  der 
spiachlicben  Schwierigkeiten,  das  Überschanen  größerer  Abschnitte  bildet 
eine  Schale  des  Geistes,  wie  sie  aach  durch  die  Mathematik  oder  Logik 
oiebt  besser  enielt  wird*  (M.  Sieboarg).  Was  E.  sonst  anfOhrt,  ist  schon 
gar  nicht  von  Belang.  Daher  kann  ich  mir,  wo  wir  doch  fflr  die  knrse 
Zeit  soTiel  Beueres  haben,  als  obligate  Lektttre  nicht  eine  größere  Zahl 
TOD  Briefen  denken,  «die  ihren  wahren  Charakter  Terloren  haben,  ge- 
kflnstelt  nnd  gefeilt  sind*  (Schans,  8.  276);  denn  nnsere  Parole  laatet: 
Konst,  nicht  EftnsteleL 

K.  bat  sich  gegen  seine  Gewohnheit  bei  Plinias  aaf  keinen  Ge- 
«fthrsmann  bernfen.  Dafflr  hat  ihm  Aly  (a.  0.  8.  93)  die  Urteile  der 
oeoeren  Literarhistoriker  in  Erinnerung  gebracht,  die  den  jflngeren  Plinias 
natOrlieh  alle  in  gleicher  Weise  als  einen  ebenso  liebenswtkrdigen  wie 
flachen  nnd  eitlen  Biedermann  beseichnen;  an  ihm  tritt  auch  eine  Milde 
des  Urteils  herTor,  die  an  Nepos  erinnert  Daß  dieser  Plinias  sein  Ideal 
Cicero  in  keinem  Punkte  in  erreichen  ? ermocbte,  mflßte  gerade  ? on  dem 
berforgehoben  werden,  der  so  Tiel  von  den  Schwächen  Ciceros  la  sagen 
weiß.  Es  ist  ein  wahres  Glflck,  daß  wir  die  Hendekasyllabi  des  Plinias 
Dicht  haben,  deren  Verlust  nach  den  erhaltenen  Proben  so  ruhig  ertragen 
vird  (Schans,  8.  271),  sonst  konnte  es  noch  jemandem  einfallen,  nach 
jsnem  Grandsatie  «der  Mittelmäßigkeit*  anch  sie  aar  Lektflre  Torsuschlagen, 
da  ja  die  grOßte  varietas  in  ihnen  Torhanden  gewesen  sein  soll;  dann 
vflrde  Tielleicht  sogar  Catull  inrflcktreten  mflssen.  Ob  nicht  noch  jemand 
daraofkommen  wird,  nach  dem  Beispiele  Gesners  statt  der  Beden  des  Cicero 
deo  Panegjricns  des  Plinins  als  besonderen  Typus  su  empfehlen,  ist  nicht 
absoaeben;  allerdings  sagt  Bchans  fon  dieaem  (S.  269):  „Die  Bede  iat  ein 

höchst  unerfrealiches  Produkt ;  der  aufgedunsene,  Qberladene  8til 

ermfidet  ans,  die  großen  Schmeicheleien,  die  Traian  gespendet  werden, 
vidern  uns  an,  der  unedle  Haß  gegen  Domitian  erbittert  ans*,  aber 
•r  fährt  fort:   .Doch  dflrfen  wir  nicht  flbersehen,  daß  wir  fast  lediglich 
aos  dem   Panagyricus   die  Begierungsseit   Traians   bis   aum   Jahre  100 
kennen  lernen*.  Es  erübrigt  mir  nur  ngch  tar  CbarakteridUk  der  FersOn- 
lichkeit  nnd  des  Stilisten  Plinius,  deD  K,  fär  dl»  Schale  nebeo  CkerQ  iteHt, 
du  Urteil  Ed.  Nordens  nacbsatragen,   desa«ii  Äußeronif  ttber  Nep^i  IT 
Dicht  flbergangen  hat.  Bei  Norden  hsiU  es  von  Plinina  (i^amtpr. 
«Phnius  der  Jflngere  ist  als  PertOoltchkeit  nnd  Schriftilell« 
meisten  charakteristische  Bepräsentant  der  ersten  Kalieneit, 
8eoeca  nnd  Tacitus,  weil  er  nicht  so  eigeü&TÜg  TcriLalagt  wi 
mehr  das  Dnrchsehnittsmaß  anfweist,   weun  «r  ao^-h  m1- 
flbeiseagt  war,  es  weit  au  flbersch reiten.    ÜeoD  ^ 
deshalb  milder  beurteilen,  weil  er  aid  mU  lo  I 


522       Zar  griech.  and  latein.  Lektftre  ab  imserem  GymiiAthuik.  II. 

alt  etwas  Selbst? entft&dliohet  hervorkehrt,  iit  der  Grnndivg  seioet  Weeeos 
vod  all  homo  heUus  et  pusiUuB  Terrftt  er  sieh  auch  in  seinem  Stil,  mit 
dem  er  kokettiert  wie  mit  sieh  selbst:  alles  ist  geleckt  vnd  ge- 
drechselt ....  Es  ist  schwer,  im  einselnen  sieh  eio  Bild  seiner  Stilist 
Tendensen  iq  entwerfen,  denn  er  ioftert  sich  selbst  widersprechend,  ein 
typisches  Beispiel  ftkr  das  schwankende  Tasten  jener  Zeit 
nach  dem  Bichtigen  ....  Er  ahmte  gelegentlich  einmal  in  einer  nnd 
derselben  Schrift  Demosthenes,    Calms   nnd    Cicero   nach;   letstereo 

nennt  er  sein  Ideal,  dem  er  nacheifere Aber  ans  seinen  sich 

widersprechenden  Urteilen  heben  sich  doch  drei  Punkte  scharf  heraoi. 
Er  liebte  erstens  das  Volle»  ja  bis  zum  ÜbermaA  Volle....  Er 
liebte  sweitens  die  sierlich  gepotste  Diktion  ...  Drittens  hat  er 
Vergnügen  an  scharf  zagespitsten  Sentenzen*.  Was  will  mao 
noch  mehr.  Also  ich  habe  nichts  gegen  einzelne  Proben  ans  der  Eoire- 
spondenz  des  Plinins,  in  der  das  Beste  die  kaiserlichen  Schreiben  sind; 
doch  nach  dem  Angeführten  wird  man  es  begreifen,  wenn  ich  sage:  Ein 
Vergleich  mit  Terschiedenen  philosophischen  nnd  rhetori- 
schen Schriften  Ciceros  l&ßt  in  mir  jeden  Qedanken  an  eine 
ausgedehntere  Schnllektüre  der  Plininsbriefe  anf  Kosten 
einer  dieser  Schriften  schwinden. 

Statt  Vergil  will  £.  im  zweiten  Semester  der  VIL  Klasse  CatoII, 
Tiboll  nnd  Properz  lesen.  Diese  Lektftre  ist,  wie  auch  K.  bemerkt, 
wiederholt  schon  gewünscht  worden  nnd  zwar  ist  der  Wunsch  so  slt  wie 
unser  Lebrplan.  Man  lese  z.  B.  die  Erwägung,  die  L.  Just  in  dieser 
Zeitschr.  1855,  8.  196  f.  mit  den  Worten  schließt:  „Schwer  entbehrt  msn 
freilich  dieses  fast  ausschließliche  und  einzige  naturwQchsige  Produkt  der 
römischen  Dichtung  (die  Elegie) ,  aber  unsere  Zeit  ist  zu  ernst  und  be- 
darf mehr  des  praktischen  Verstandes  als  träumerischer  Sehnsucht*.  K. 
führt  aus  A.  Bieses  Vorwort  zur  Auswahl  der  römischen  Elegiker  dl« 
Stelle  an,  wo  dieser  unter  Berufung  auf  Mommsen  besonders  Gatoii, 
dann  das  Beste  aus  TibuU  und  Properz  empfiehlt  Er  hätte  noch  des 
unmittelbar  folgenden  Satz  anführen  kOnnen :  „Besonderen  Baum  aber  darf 
der  Tielleicht  begabteste  Dichter  der  Augnsteischen  Epoche,  Ofid,  bean- 
spruchen, Ton  dessen  Eigenart  die  Metamorphosen  doch  nur  ein  einsei- 
tiges Bild  geben*.  Dies  zeigt  gerade,  daß  Biese  Toraussetzt,  tod 
der  romischen  Elegie  werde  Oberhaupt  nichts  gelesen.  Es  entspricht  dsi 
auch  den  preußischen  Lehrplänen;  bei  nns  aber  werden  Elegien  Oridi 
gelesen,  so  daß  der  Schfller  einen  Begriff  dieser  Dichtungsgattung  eihält; 
die  Auswahl  trifft  nur  Tornehmlich  die  Metamorphosen  und  die  Fssti. 
Trotzdem  in  Preußen  viel  mehr  Stunden  zur  Verfügung  stehen,  haben  die 
Ton  E.  eingangs  angerufenen  neuesten  Lehrpläne  wie  die  frttheren  anf  die 
Elegiker  keine  Bflcksicht  genommen.  Was  bei  mehr  Stunden  schon  schwer 
möglich  ist,  ist  bei  wenigen  eben  noch  schwerer  möglich.  Es  ist  gewiß  richtig, 
was  H.  Ziemer  (Jahrb.  1904,  VI  74)  bei  Besprechung  der  2.  Auflage  dsr 
Bieseschen  Anthologie  sagt:  „Wer  die  Elegiker  nicht  kennt,  hat  nur  ein 
unvollständiges  Bild  der  römischen  Dichtkunst  In  der  Elegie  bietet  sie 
Eigenartiges  und  Vorzfiglicbes,  ja  das  Beste  und  Unmittelbarste,  was  sie 


Zur  grieeb.  und  latein.  Lektfira  ui  miMrem  Qjmnaarom.  XL      623 

gMcbaffeii^;  aber  Ziemer  hat  frfther  (Jahrb.  189i»  VI  72)  aaeh  bemerkt, 
ei  kömie  fon  Vergil  nnd  Horai  niehte  abgegeben  werden,  um  Zeit  f&r 
indere  Dichter  frei  so  maehen.  K.  erklärt,  da5  man  ein  Unrecht  begehe,  die 
Jugend  mit  dieeen  Schöpfungen,  in  denen  sie  den  Oenine  dei  Altertoms 
TOB  gani  nenen  nnd  eigentflmlichen  Seiten  Tel itehen  and  eein  Fortwirken 
in  der  Weltliter atar  viel  mannigfaltiger  all  etwa  bei  Sopheklei  nnd  bei 
Yergil  erkennen  würde,  so  nnxnlftnglich  bekanntsomaehen.  Was  man  an 
Zeit  nnd  an  mehr  oder  weniger  (!)  nnfrachtbarer  If flhe  Yergil  entliehen 
könne,  solle  man  diesen  Dichtem  inwenden,  die  onserer  Jogend  niher 
ligen  als  Vergil  nnd  ihr  wegen  des  kleinen  Urofanges  ihrer  Stflcke  ge- 
lingere  Schwierigkeit  nnd  Tollkommeneren  (jennß  boten.  Er  empfiehlt  der 
frschtbaren  Eonsentratien  wegen  H.  Jorenkas  Ansgabe  (.Meisterwerke*  III) 
mit  ihren  griechischen  VorbUdem.  Wenn  ich  anch  den  Sats  Tom  Tiel 
mannigfaltigeren  Fortwirken  im  Hinblick  auf  die  Äneis,  die  0.  Willmann 
bekanntlich  ein  Weltbnch  genannt  hat,  ans  dem  Generationen  ohne  Unter- 
brechung ihre  Bildung  gesogen  hätten,  nicht  nnterschrdben  mag,  stimme 
ich  doch  gerne  so,  dafi  man  die  Gymnasiasten  auch  mit  einigen  Dich- 
tnngen  von  Catall,  Tibnll  nnd  Properx  bekannt  machen  soll,  nicht  ans 
dem  Grande,  weil  die  Stücke  leichter  sind,  sondern  weil  Perlen  der  Poesie 
daronter  sind;  allerdings  gehOrt  wohl  inm  Genasse  gerade  der  Ljrik 
Behemchong  der  Spraehe.  Vielleicht  ist  es  daher  besser,  solche  Proben, 
wie  K.  Hoemer  (S.  78)  Torschlägt,  erst  in  der  VIIL  Klasse  sa  lesen,  wenn 
ne  auch  s.  B.  in  Sachsen  schon  fflr  OII  freigestellt  sind  (Dettweiler, 
6.214).  Zn  den  Oden  des  Horas,  die  wir  mit  besonderer  Vorliebe  lesen, 
•eheint  Vergil  eine  ebenso  gate  Überleitong  sn  bilden  wie  die  Lyriker  (Tgl. 
Dettweiler  207  nnd  214).  Monate  hindurch  aber  mit  den  SchOlem  an 
Stelle  der  Äneis  die  römische  Liebeslyrik  sn  lesen ,  halte  ich  nicht  für 
eotsprechend,  weil  die  Jugend  bei  Vergil  eben  mehr  lernt.  Hat  man  das 
Peasnm  aas  Vergil  oder  Boras,  das  man  sich  ja  gewöhnlich  selbst  be- 
itimmt,  erledigt,  so  wfil^te  ich  nicht,  was  einen  hindern  sollte,  einige 
Proben  aus  jenen  Dichtem  sa  lesen.  Eine  umfassendere  Lektflre  aas  den 
Elegikem  aber  wird  wie  bisher  dem  Privatfleiße  derjenigen  Schfller  su 
flberUssen  sein,  die  sich  ffir  diesen  Zweig  der  Literatur  besonders  interes- 
neren,  nnd  ffir  diesen  Zweck  haben  wir  eine  Reihe  ton  Hilfsmitteln, 
QBter  denen  gewiß  die  Ausgabe  Jurenkas  einen  ehrenvollen  Plats  ein- 
nimmt; meine  Schftler  haben  sie  fflr  die  Privatlektflre  gerne  benfltit 
Bad  idi  habe  sie  auch  im  Öffentlichen  Unterrichte  neben  den  Eclogtie 
poeL  Lat.  von  S.  Brandt  gelegentlich  der  Lektflre  tou  Proben  aus  Gatull, 
^boll  and  Propers  mit  Erfolg  Torwendet 

In  einem  III.  Abschnitte  handelt  E.  Ober  di«  PriratlektQre. 
Zunächst  ergeht  er  sich  wieder  in  aligemeinen  Wecduc^ea  üb«r  di«  Od- 
«olängliehkeit  unseres  Kanons,  der  die  notwendig! tea  Dienite  Tertagen 
■oU  fir  den  Beweis,  dafl  die  alte  Kultur  das  unentbebrlicbe  Fund&ixient 
der  modernen  seL  Diesen  Dienst,  meint  er,  werde  er  nicht  mehr  in  dem 
MiAe  Tersagen ,   wenn  Cicero  nnd  Vergil  beschränkt   und    '  ~~  '"'' 

d.J.  und  die  subjektiTc  Lyrik  eingesetst  seien.  leb  deoke. 
Dienst  dann  erst  recht  Tcrsagen,  und  begreife  nicht. 


524      Zar  griaeh.  und  latein.  Lektflre  an  ODterem  Gjamatiom.  XI. 

FandamentoD  moderner  Koltnr  apreehen  und  logleieh  die  Lektftre  der 
pbilosopbiechen  Schriften  Ciceroa  beseitigen  nnd  ein  Yeratindnia  Vergilt 
nnmOglieh  machen  kann,   nnd  ich  begreife  daa  omaoweniger  bei  einem 
Manne,  der  ja  die  neueaten  Daratellnngen  kennt,  die  Ton  Cicero  nad 
Vergil  handeln,  und  daa  wirklich  real  la  Nennende  atirker  betont  haben 
will.     «Aber  aach  der  Betrieb  der  pritaten  Lektflro   wird*,   leaea  wir 
weiter,  „darauf  eininricbten  aein,  den  Schüler  beaaer  ala  biaher  in  einer 
plaatiachen  Yergegenwirtignng  der  Antike,  an  einem  mehr  oder  weniger 
aelbatAndigen  und  ongeiwongenen  Auffinden ,  an  einem  treifaicheren  aad 
ftberxengten  Erkennen   ihrea  Wertea   hinsnleiten.     Dioaem  Zwecke  wird 
achlecbt  gedient,  wenn  die  Pritatlekttkre  immer  wieder  in  den  Baankreia 
der  öffentlichen  Lektflre  gexwingt . . .  wird.*  Den  Betrieb  der  Priratlek- 
tflre  richten  aich,  wie  achou  betont  wnrde,  Lehrer  nnd  Schfiler  aelbat  «a, 
wie  aie  ea  fflr  gnt  finden,   nnd  ao  mnß  ea  bleiben.     Nichte  wflrde  diese 
unter  ümatänden  aegenareiche  Einrichtang  mehr  achftdigen  ala  Regleniea- 
tierong.    Der  „treffaicheren*  Erkenntnia  dea  Wertea  der  Antike  kann  mit- 
unter durch  Lektflre  der  Schulklasaiker  mehr  gedient  aein  ala  dorch  eia 
Heromleaen    in  allen  möglichen  Autoren.     Wenn  K.  fortfährt:    «Diese 
allenthalben   Tielbeliebte,    beaondera  auch   Ton   Landeaschnlinapektorea 
favoriaierte  Praxia,   die  Ober  spontane  Wflnsche  der  Jugend   autontaÜT 
hinwegaieht  und  weder  den  literarischen  Intereaaen  dea  Lehrera  noch  der 
indifiduellen  Geschmacksrichtung  des  ächfllera  gerecht  werden  will,  atereo- 
typiert  auch  noch  den  Charakter  der  «frei willigen*  Lektflre  und  maeät 
aua  ihr  eine  geiatige  Tretmflhle,  in  deren  Joch  (!)  aich  aelbat  der  Yonogs- 
acbfller  nur  mehr  in  Begleitung  Oaiandera  oder  Freunde  hineinbegibt*, 
so   mu5   er  da  seine   Erfahrungen   haben.    Miachen   aich   wirklich  die 
Landesschulinspektcren  antoritati?  in  die  Privatlektflre,  dann  acbidifsa 
aie  dieae  Inatitution  geradeso  wie  jeder,  der  uns  gerade  die  Antorea 
aufreden  will,  die  seiner  persönlichen  Ansicht  nach  die  allergeeigneUtea 
sind.    Ich  selbst  habe  ton  einer  aolchen  FaTorisierung  nichts  gemerkt, 
auch  in  H&hren  nicht   Hingegen  weiß  ich,  daß  H.  Schenkl  jene  .Praiii 
favorisiert*;  denn  er  sagt  doch  (S.  68):  „Fflr  den  Dnrchachnitt  acbeiat 
ea    mir    iweckentsprechender,    Erginsung    der    fflr    die    Hauptiektlre 
bestimmten   Autoren    ansnatreben"    und   Aber   den   Durchschnitt  gehea 
nach   meinen   Erfahrungen    etwa   15X  ^«'  Schfller   hinaus,   ea  geltea 
also  diese  Worte  tou  der  Hauptmasse  der  Schfller.    Weiter  ist  bekanat, 
daß  die  ton  Kukula  angerufenen  neueaten  preußiachen  Lehrpline  jene 
«Praxia  faTorisieren* ;  denn  dort  lesen  wir  im  Lehrplane  aelbat,  nicht 
etwa   in  den  methodischen  Bemerkungen   (8.  27):    „Zur  Prifatlektflre, 
namentlich  auch  aus  den  in  den  frflheren  Klaaaen  geleaeoea 
Schriftatellern,   iat  anauregen*.    Der  Auaapruch   O.  Jigera  (Lehit 
3.  ^04/^    daß   er  Ton  der  «weiee  gerei^eUei»*,   „mit  Beräck«lcbtisuAf  d^ 
Itidiviiiualil&t  geregelten  Pnyatl^ktQr^*   nichu  balt^t  richtet  m^  tf^ 
gegtu  ^\t&e  ßegelubg,  wie  aie  eelbfltv€rfltäDdLich  vcboti  »ndere  TQrgMeÜlfN 
haben,  Tgl.  Oiterr  Mittehcbalo  1903,  S.  312  ff. 

ÜberÜüfi&ig  iit  e»  watter^  weoolL  du  Ch^ntti$^oi  Atiadt^i  ^^ 
die  priraie  lateioiacbe  Lekiflre  w«r  ^ne  wtttroU«  nei  aad 


I 


Zar  grieelk  and  Utein.  Lektflre  an  anserem  GjmnMinm.  ZI.      625 

drtekliehe  Erglnrang  der  Elafienlekttkre  werden,  wenn  sie  soweit  nie 
famlieh  freigegeben  werde,  and  iwar  für  eolehe  Stoffe,  mit  denen  die 
Öffentliche  Lektflre  keine  oder  flttehtige  Bekanntschaft  Termitteln  kOnne, 
wie  ue  in  der  Sammlang  „Meiiterwerke  der  Griechen  and  BOmer"  in  finden 
Wien.  Unsere  PriTatlektttre  ist  gltkeklieherweise  weiter,  als  vielleicht  selbst 
K.  tinlieh  erscheint,  freigegeben ;  man  denke  an  die  Worte  des  M.-Erl. 
fem  80.  September  1891 :  «Was  die  Schale  bietet,  soll  darch  die  Art, 
«ie  lie  es  tot,  den  Sinn  ftkr  die  groOe  Literatar  der  Griechen  and  BOmer 
wecken  and  den  Eifer  reiien,  die  erworbene  Kraft  za  Tersachen  and  nach 
demMaft  der  Terfflgbaren  Zeit  einen  weiteren  Kreis  des  Lesestoffes 
SS  nmspaniien.  Dabei  findet  der  Sehfller,  was  der  gebandene  Unterricht 
der  Schale  so  selten  sn  gewfthren  Termag,  genügenden  Spielraam  fflr  seine 
eigene  IndiTidnalitit,  indem  er  lesen  darfand  soll,  was  ihm 
bebagt,  and  er  aotenieht  sich,  frei  Ton  dem  Drnck,  der  aaferlegte  Arbeit 
begleitet,  nicht  angem  dieser  Anstrengang*.  Wosa  also  bringt  K.  das 
ror?  Der  Empfehlang  der  Sammlang  «Meisterwerke**  fflr  die  Zwecke 
der  Prifatlektflre  kann  ich  mich  anschließen,  da  ich  selbst  wiederholt 
die  Erfahmng  gemacht  habe,  daft  einseines  daraas  sich  fftr  reifere  Sehfller 
gar  wohl  eignet;  doch  haben  wir  aoßer  den  fon  K.  erwähnten  Chresto- 
mathien anch  anderes  Passende. 

Damit  die  Priratlektflre  den  Lehrer  nicht  an  sehr  belaste  and 
licht  wie  bisher  nar  als  Stiefkind  der  Öffentlichen  Lektflre  behandelt 
«erde  —  das  letitere  müßte  erst  bewiesen  werden  — ,  wird  wieder 
der  nicht  mehr  gana  neue  Vorschlag  gemacht,  der  schon  oben  besprochen 
worde,  eine  mißige  Standenaahl  des  Öffentlichen  Unterrichtes  etwa  am 
Schlaise  jedes  Semesters  fflr  die  Tor  der  Tersammelten  Klasse  absahaltende 
Prflfang  aos  der  PriTatlektflre  einaoriomen.  Aber  bei  der  Privatlektflre 
ist  die  Prflfang  darchaos  nicht  so  wichtig  wie  die  Besprechang  der  Tom 
•iaselnen  nicht  ? erstandenen  Stellen.  Einige  Standen  fflr  ein  etwa  ton  der 
gansen  Klasse  oder  der  Mehraahl  der  Sehfller  pritat  gelesenes  Werk  au 
verwenden,  kann,  wie  oben  bemerkt,  niemandem  Tcrwehrt  werden;  wer 
wird  aber  darans  eine  Norm  machen  wollen?  Ich  s.  B.  mochte  es  mir  nicht 
nehmen  lassen,  von  Schfllem  privat  Gelesenes  auf  Spasiergingen  im  Freien 
mit  den  einseinen  za  besprechen,  wie  ich  es  wiederholt  getan  habe.  Es 
wäre  wohl  recht  traarig  bestellt,  wenn  wir  in  der  Schale  prflfen  mflßten, 
OD  den  „Ehrgeia  der  fflr  selbst&ndiges  Lesen  taoglichen  Sehfller  anza- 
tpornen  and  an  befriedigen*.  Fflr  die  Gesamtheit  der  Klasse  sind  die 
Lektflrestanden,  in  denen  alle  in  gleicher  Weise  besch&ftigt  werden,  ob 
non  die  Lektflre  Torbereitete  oder  anforbereitete  ist,  in  der  Begel  die 
gewinnbringendsten. 

K.  fai^t  seine  Vorschlige  in  Tier  Thesen  sosammen.  Den  Vorschlag 
betreffs  des  Lesebaches  in  der  III.  and  IV.  Klasse  maß  ich  ablehnen. 
Dm  L  Bach  Livios  aas  der  Moßlektflre  —  wenn  das  „soll"  des  Lehr- 
npt  80  an  fassen  ist  —  aasaoschalten,  was  K.  selbst  nicht 
t^ge  ich,  weil  ich  dem  Lehrer  freie  Wahl  gelassen 
darf  es  niemandem  Terwehrt  sein,  jenes  Bach 
*  "'nkang  der  Lektflre  Ciceros  nod  Vergils  in 


526      Zur  griech.  und  latein.  Lektftre  ab  vosorem  Ojmnasiiiiit  XI. 

der  Art  ond  dem  MaGe,  wie  eie  tob  K.  beutragt  wild,  und  gegen  die 
Anfnabaie  der  Briefe  dei  j.  Plinios  in  den  Lehrplan  mnß  ich  mieh  aoi 
den  angeführten  Gründen  aoieprechen;  gegen  die  Bmpfehlong  fOB  Pioben 
ane  den  Elegikem  habe  ich  nichts  einiowenden,  da  ich  mir  ohnediee  echon 
ielbst  diete  kleiBe  Erwdtemng  dei  Lefarplanes  gestattete.  Das  VeriangeB, 
die  PriTatlektttre  in  den  drei  oberen  Klassen  soweit  als  tBBlioh  aach  fBr 
solche  Schriftsteller  nnd  Stoffe  freisngeben,  mit  denen  die  Öffentliche 
Lektflre  keine  oder  nur  eine  flttchtige  Bekanntschaft  Tormittelt,  ist  schon 
erfiUlt  worden. 

Das  wenige,  was  da  annehmbar  ist,  haben  andere  längst  Torge- 
sehlagen  nnd  manche  aach  schon  ansgeffibrt  Wären  die  für  die  flbrigeo 
Vorscblige ')  beigebrachten  Oründe  stichhältig,  dann  wären  das  allerdingi 
äaOerst  gefährliche  Waffen  in  den  Händen  der  Gegner  des  altsprachliches 
Unterrichtes.  Wer  Temimmt,  daß  Cäsar,  Cicero  nnd  Vergil  nach  der  An- 
sicht selbst  der  Philologen  nicht  mehr  für  die  Jogendbildong  taogeo, 
weil  sie  einseitig  nnd  ermüdend,  pbrasenreich  und  inhaltsarm,  nnBatflriich 
QBd  nnTcrstäBdllch  seiea,  der  wird  sich  tob  niemaBdem  die  Original- 
lektftre  eiaes  j.  Pliains  als  wert? oll  anfredcB  lassea.  Auf  die  Axt,  nsch 
der  K.  Torgeht,  kann  man  bald  jeden  Schriftsteller  ans  der  Schalt 
beseitigen  nnd  jeden  aafhehmen. 

Das  Schlaßwort  beginnt  mit  einem  schon  im  Bericht  ftber  di« 
Pliniuslektfire  Torwendeten  Satse  Fr.  Kietssches,  von  dem  mit  BeAt 
gesagt  wird,  er  sei  fflr  dea  Uabefangenen  selbstTerständlich,  nnd  schlieftt 
mit  den  Schillerschen  Versen :  .Ewig  wechselt...*  Zwischen  den  beiden 
Zitaten  aber  steht,  das  Gymaasiom  solle  Bicht  anf  dem  Umwege  aber 
Hellas  nnd  Bom  allgemeine  Bildung  Termitteln,  sondern  Tielmehr  doreh 
eine  sichere  Erkenntnis  nnserer  Kaltnr  uns  fähig  machen,  das  Empib- 
den,  Denken,  Handeln,  Leben  ferner  Zeiten  rftckschanend  sn  begreifeB 
nnd  wieder  Torwärtsschaaend  den  inneren  Zosammenhaag  des  klassiicheD 
Altertums  mit  naserer  Entwicklang  sn  wftrdigen.  Zar  Erlangung  dieser 
Fähigkeit  habe  der  Unterricht  in  den  modernen  Untemcbtsgegenständeo 
die  Yorauflsetsungen  und  Grundlagen  su  schaffen:  aller  antiquariiche 
Unterricht  habe  ihn  bei  dieser  Aufgabe  begleitend  su  unterstfltsen  nnd 
harmonisch  sa  ergänsen  durch  Einbesiehang  solcher  Stoffe,  die  Gegenwart 
und  Vergangenheit  als  Glieder  eines  geschlossenen  EntwicklungsproiessM 
deotlich  erkennen  ließen  und  Moderne  und  Antike  vice  versa  erkliies 
und  Terstehen  lehrten.  Vornehmlich  in  dieser  Absicht  strebten  die  Ve^ 
schlage  der  drei  Verfasser  —  so  fasse  ich  das  «unsere*  bei  .Vorschläge' 
—  eine  Erneuerung,  Lockerung  und  Erweiterung  des  altsprachlichen  Lese- 
stoffes am  Gymnasium  an.  Mit  Becht  beieiohnet  natürlich  Fr.  Aly  dieie 
Anschauung  als  das  ngAtov  ipeüdog.  Wer  sichere  Erkenntnis  unserer  Koltor 
besitst,  braucht  die  Antike  nicht  mehr  su  seiner  Ersiehnng,  abgesebea 


')  Manches  erinnert  auch  an  das  Ton  Dr.  GOring  auf  der  Berliner 
Eonfereni  rem  Jahre  1891  Vorgebrachte,  um  fon  denen  in  schweigen, 
die  in  ihren  Scbloßfolgerongen  soweit  gegangen  sind,  als  man  anf  diesem 
Wege  kommen  maß. 


Zur  grieeh.  und  latein.  Lekttkre  ab  anaerem  Gymnanum.  ZI.      527 

daTOD,  daD  daa  Ojmuiariiim  nicht  bloß  die  Aufgabe  hat,  allgemeine  Bil- 
dung in  Tennitteln.  Daß  nater  klauiecher  Unterrieht  anch  den  Zweck 
bat»  die  Jngend  dnrch  die  einfachen  Verhlltniise  der  Antike  aar  Erkenntnis 
der  eigenen  Knltar  anioleiten,  iit  in  letiter  Zeit  wieder  aasftthrllch  ton 
0.  Weiftenfeli  (Kemfr.  1901,  S.  80  ff.)  dargelegt  worden.  Gewiß  braochen 
wir  da  Stoffe,  die  «Gegenwart  and  Vergangenheit  als  Glieder... erkennen 
lassen*;  aber  solche  Stoffe  liegen  eben  gerade  in  den  Autoren  vor,  welche 
diese  Beform  einschränken  will.  Von  den  Gesichtspunkten  möglichster 
Erleichtening  und  Unterhaltung  ausgehende  Pläne  einer  Beform  aber,  welche 
nngescheut  das  Mittelmäßige  an  die  Stelle  des  Bedeutenden  setit,  weisen 
den  Weg  sur  Vernichtung  des  Gymnasiums  und  ich  meine,  die  an  einem 
in  diesem  Sinne  ausgestalteten  Gymnasium  Unterrichteten  wttrden 
•eben  gar  keine  genflgende  Vorbildung  für  das  UniTcrsitätsstudium  be- 
litien,  da  sie  vor  allem  nicht  ordeutlich  arbeiten  gelernt  hätten,  nicht 
IS  wissenschaftlichem  Denken  enogen  wären. 

Konnte  ich  mich  also  schon  mit  dsn  Grandlagen  und  Zielen  der 
vorgeschlagenen  Befonn,  die  weder  einheitlich  noch  klar  sind,  nicht  ein- 
Terstanden  erklären,  so  mußte  ich  aaeh  die  einseinen  Vorschläge  größtenteils 
abweisen,  da  lie  mir  dnrehans  nicht  geeignet  erscheinen,  eine  Verbesserung 
«aserss  Unterrichtes  in  den  klassischen  Sprachen  herbeiinfähren;  aller- 
dings hebt  sich  der  dritte  Teil  der  Kanonschrift  Ton  den  beiden  Toran- 
gehenden  da  merklich  ab.  Ich  bin  natOrlich  Tollkommen  da? on  tkbersengt, 
daß  die  Beformer  Ton  den  besten  Absichten  geleitet  sind;  da  sie  aber 
tber  den  Eindruck  ihrer  Vorschläge  auf  diejenigen,  deren  Tätigkeit  sie 
Ngetai  wollen,  nicht  TOUig  im  klaren  tu  sein  scheinen,  mußte  dargelegt 
werden,  warum  die  Erhöhung  der  Lehrfreude  Toranssichtlich  keine  all- 
gemeine wäre,  wenn  derartige  Vorschläge  Torwirklicht  wflrden.  Soviel 
Nnisen  sieh  die  drei  Verfasser  von  ihrer  Beform  Tersprechen,  soviel 
Schaden  beftrchtet  davon  ein  Teil  derer,  die  sie  durchsufübren  hätten. 

Noch  einem  Mißverständnisse  gilt  es  lu  begegnen.  Ich  habe  mir 
dorehaus  nicht  sur  Aufgabe  gemacht,  den  jetit  geltenden  Kanon  um  jeden 
Freie  sn  Torteidigen;  ich  wollte  nur  die  von  Terschiedenen  Kollegen  ge- 
teilte Überteugnng  begründen,  daß  unser  Kanon  fast  tkberall  dort,  wo 
die  drei  Beformer  ändern  wollen,  noch  das  Bessere  bietet  und  daß  sie 
soiere  Freiheit  —  ich  meine  die  der  klassischen  Philolegen  an  den 
QjBnasien  —  unbewußt,  ja  gegen  ihre  ausdrücklich  ausgesprochene 
Abeicht  eher  einsuschränken  als  lu  erweitern  im  Begriffe  stehen.  Ich 
telbst  weiß  gar  wohl,  daß  unser  Kanon  einer  Verbesserung  fähig  ist, 
Qsd  wflnsche,  daß  sie  Torgenommen  wird.  Wenn  auch  meine  Beformsucht 
Qm  so  geringer  wurde,  je  Öfter  ich  Latein  oder  Griechisch  im  Ober- 
gTBussium  unterrichtete,  einige  DetailTorschläge  hätte  ich  natOrlich  auch 
n  Dachen.  Doch  erstens  ist  wohl  nur  der  berufen,  solche  vorzubringen, 
der  nicht  bloß  den  gesamten  in  Betracht  kommenden  LektOrstoff  völlig 
beherrscht,  die  Geschichte  der  LektOre  am  Gymnasium  sowie  die  ein- 
*^kige  Literatur  genügend  studiert  hat  und  die  Schnlverhältnisse 
S^nas  kennt,  sondern  auch  Ober  eine  ausreichende  Lehrerfahrung  verfügt, 


628  Über  toiiologiiche  Belehrungen  in  der  Mitteliehole.  II. 

die  sich  liemlich  gleiehmißig  aof  alle  Klasien  dee  GymoMiiUDB  entreckt  ^). 
Zweitens  stehen  wir  jetit  vor  Reformen,  welche  die  klaseiichen  Spnchen 
am  Qymnasiom  nicht  gani  nnberfthrt  lassen  werden ;  die  Anfstellong  das 
Le][türkanons  hftngt  aber  doch  wesentlich  Tom  Stondenaotmaß  mid  ton 
der  Formaliemng  des  Lehrsieles  ab.   Bleiben  die  Lehrsiele  in  den  klass. 
Sprachen  dieselben  und  wird  an  der  fftr  die  LektOre  bestimmten  Standen- 
lahl  nichts  Wesentliebes  geändert,  dann  wflrde  es  genügen,  wenn  der 
Lehrplan  nnr  die  Namen  der  jetst  Torgeschriebenen  Aotoreo,  etwa  un 
die  römischen  Elegiker  nnd  Thnkjdides  Termehrt,  enthielte,  aber  so,  daft 
je  iwei  Klassen  snsammengeDommen  wftren,  im  Lateinischen  la  eiasr 
unter-  (IIL  nnd  IV.),  MiUel-  (V.  nnd  VI.)  and  Oberstofe  (VIL  and  Vm.) 
der  LektOre,  im  Griechischen  in  einer  unter-  (V.  nnd  VL)  nnd  Oberstofe 
(VIL  nnd  VUL).    Cicero,  LiTios*),  Vergil,  Homer  wiren  fOr  die  Mittel-, 
besw.  unter-  ond  anch  fflr  die  Oberstofe  ansnsetsen.  Wflrde  daa  einsebie 
(Umfaog  und  Reihenfolge  der  an  lesenden  Partien  innerhalb  der  Stofeo) 
die  Konfereni   der  philologischen   Lehrer  fikr  jede  Anstalt   feataetaen 
und  der  Landesscholrat  Torgescblagene  Ersatischrift steiler  ohne- 
weiters  bewilligen  kOnnen  (s.  Verb,  der  III.  n.-O.  Direktoren- Konferem, 
S.  164),  so  wäre  wohl  bei  der  flberwiegenden  Mehnahl  der  klasaischsB 
Philologen  an  den  Gymnasien  der  Drang  nach  grOl^erer  Bewegangsfreibeit 
in  der  Aaawahl  der  Lektflre  gestillt  Die  wahre  Freiheit  besteht  ja  nebt 
in  Tölliger  Schraokeniosigkeit,  sondern  darin,  daO  man  innerhalb  der  mm 
Wohle  des  Gänsen  —  aber  möglichst  weit  —  gesogenen  OreDBon  auf 
eigenem  Wege  einem  bestimmten  Ziele  lostreben  kann  (s.  Verb.  i. 
O.-E.  am  Schi).  Diese  Freiheit  scheint  mir  allerdings  nötig  som  Gedeiheo 
nnseres  Gymnasiums. 

Wien.  Dr.  Friedrich  Ladek. 


Ober  soziologische  Belehrungen  in  der  Mittel- 
schule. 

II. 
Einen   besonders   wertvollen  Beitrag   zn  der  in   Bede  stehenden 
Frage,  namentlich  was  die  soiialpolitischen  Belebrangen  anbelangt,  hat 
Prof.  Dr.  Bfetislaw  Fonstka  in  seinem  Programmaafsatse  ,,Die  Sosiologie 

und  die  Mittel  ach  ulfl***)  lareliefert,  Er  verlaa^'t  die  LirifüliruTig'  der  8^»iiol^^3^* 
als  neue  DiB£i|:iiiri  an  der  Mittelscbule^  indem  er  namentlich  euf  Frank" 
reich  yerweiit,  wu  eim  von  der  Reime  internationale  de  S&nälo§u  tet* 
anstaltete  Bnndfrtige,  ob  es  Torteilbaft  i&i,  die  ^oziologi«  t»  de 
schallebrplan  einzuführen,  taetimmend  beantivortat  wurde i  io 


')  AU  das  tnf[i,  wi«  mir  weQtgflttDB_tch^r 
Geist  der  aUtlasaiHcht^n  Studien  .^** 

•)  Schon   im  J.  1878  se»-^ 
schlagen  Lifiati  für  die  V.  an/ 
scbnle«  187g/d^ 

*)  Jahreshencht  1901 /C 


über  Miioloirucbe  Btlabraagen  ib  der  Mi^lelMlinle.  IL       ÖM 

ßiiina  bette  ekii  eoch  eeboo  dar  VlIJ.  Kongieft  der  deebischen  Professoren 
(1898)  anei^piodbeii. 

Die  AusftthmiigeB  Foostkae  führen  uns  wieder  lom  Ansgengspniikt 
uierer  firMemngen,  zu  der  Frage  naeh  dem  AesmaC  deesee,  was  der 
seiiaipolitisdie  Unterriebt  in  sieh  sn  begreifen  bette,  sorflck.  fis  worde 
•dum  gesagt,  daft  naob  Fonstka  die  Gmndbegrife  der  Soiialwiseeneebaft 
m  der  oberaten  Klasse  der  Mittelsebnle  gelebrt  werden  sollen,  weil  das 
Bedftrfikis  naeb  einer  derartigen  Bildung  jeden  Tag  offenbarer  wird;  es 
loU  daber  ma  jonger  Maiin,  der  die  fiebnle  Terlifit,  in  die  Grundbegriffe 
der  soliakB  Wissensebaft  wmigstens  aacb  ibrer  dkonomisehen  Seite  ein-» 
geweibt  werden  ^),  und  Fonstka  gibt  anob  einen  tob  Fooillte  aoigearbeiteten 
Lehrplan  an,  der  nnter  anderem  folgendes  amlaftt:  Die  Bedentnng  der 
Senologie,  die  Oliedenmg  der  Gesellsobaft»  der  Sinxelne,  die  Familie,  der 
Staat,  lolkawirtsebaftliebe  Sosiolc^e;  Eneagnng,  Yertetlnng  nndVerbraieh 
der  Güter;  das  Eigentum;  die  Sjsteme  des  Seztalismiis;  Alkobolismns 
and  SitTölkeruig;  politisehe  Senologie;  die  Priniipien  der  Demokratie; 
Rechte  nnd  PÜobten  der  Staatabftrger.  ßine  andere  Biofatnng  in  Franko 
leieb  gebt  allerdings  dabin,  Sonologie  niebt  als  eigenen  Gegenstand  la 
behandeln,  aondem  sie  mit  der  Logik  und  Psfcbologie  su  Terbinden^ 
10  daA  man  Sonalpbilosopbie  sebon  im  Babmen  des  jetaigen  Lebrplanea 
lehren  könnte.  DaA  die  8osiologie  noob  eine  sdiwankende  Wissensebaft 
ist,  halt  Fonstka  nieht  ab»  fttr  deren  Einfttbrung  in  die  Mittelsebnle  ra 
pbidieren:  dieser  Unterriobt  mttsss  niebt  bloß  das  bieten,  was  felsenfset 
dsiteht  nnd  Diskussionen  anaseblielVt,  er  soll  im  Geganteil  leigen,  dafr 
in  Gedankenleben  noeb  niebt  alles  so  festgefügt  ist  Aueb  den  Einwapd 
bekimpft  Fonstka,  daft  die  Sosiologie  die  Fassungskraft  der  Sobftler 
fibersteige,  ebenso  jenen,  daß  der  soaiologiscbe  ünterriebt  lu  gefabrlioben 
Diikossionen  in  der  Schule  Anlaß  geben  könnte'). 

>)  Von  einer  GesellBchaftskunde  spricht  auch  P.  Bergemann, ,, Soziale 

Pldagogik*  (Gera  1900,  S.  479):  „Die  Staate-  und  rechtskundliehea  nnd 

wirtechaftlicben  Belebrnuffen  fasse  ieb  unter  dem  Ausdrucke  Geeellscbafts- 

knnde  susemmen.    Der  Zweck   dieses   Unterriehtee  besteht  darin,   die 

Schüler  in  weit  eingehenderer  Weise  mit  der  sozialen  Entwicklung  ihree 

Volkes  and  überhaupt  der  Kulturwelt  bekannt  zu  machen  als  dies  bisher 

im  ^ßen  und  ffansen  geschehen  ist    Und  damit  dies  wirklich  ftberall 

i'tnn^  dürcLgfffönrt  werde»   varlange  ich  für  diu  get^üscbaftjakundlichen 

i       Betebruitfen  die  ^Stellung  eines  besondtireD  Unterridit^tacbt*!«.'' 

I  •i  In  rrftukreich   gibt  es    vortreffUcbL-   Lt-hrbocher    für   den    da- 

^^^llfigeu  Unterricht;  wir  nenoeD  mar  J.  Hutiiifl,  ^Noiions  sommaires 

^■wem^fMm  dvique- ;  M-  Block,  „Fetit  manuel  d'^-cmtomie  pratique'' ; 

pmiolf,  ^Neti&ns  d'4(::Qnomie  poUiique'' ;  P;  B^tt,  ^JJin&tfuctioH  civiquc*  v 

r     1>€  Lamarühe,   ^No4  devoirs  H  nüs  droiW    n.  a,  m.    Über  den  gegen- 

f      »irtiif«Ei  8l3fjd   tiej*   i*^*iiüIoifiiicbeu  Unterrichts  in  FraDkreicb    orieratiert 

'  .tx  von  W.  Müllor,  „Die  Bechtswiäa^nschüft  in 

PraKi  ll./llV  Ht'ft  I9*>Gk  in  welchen  auch  die 

in  andfiT^  ^   nJen. —  kh 

4p  r  P^'u*^  ^^'h*  V©rhllt- 

:.  ■  ^^*  (4.  Aufl., 

lUg  lur  Ver- 
>L^n  Weg  eiö^ 


580        Ober  Bonologiscbe  Belehraogen  in  dar  Mittelichale.  IL 

Er  Mt  schlidAlieh  seine  Argumente  dabin  süSMumen»  dA5  der 
Soiiologie  als  Lebre  Ton  der  Organisation  und  Entwicklung  der  Gaeell- 
scbaft  an  der  Mittelsebnle  neben  der  Psjchologie  ein  Plati  gebfthxe; 
sie  soll  jedem  einseinen  leigen,  weloben  Fiats  er  in  der  OeselKechalt 
einannebmen  bat;  doeb  ebenso  ist  eine  solcbe  fielebmng  im  modernen 
Staate  ndtig,  der  Ton  seinen  Bflrgem  die  ErfBUnng  gans  anderer  Auf- 
gaben fordert  als  die  antiken  Staatswesen.  Fttgt  man  die  soiiologiaehen 
Lebren  nicht  in  den  Lebrplan  ein»  so  befindet  sich  der  absolTierte  Mitteln 
sobftler  auf  einmal  ohne  Segel  und  Steuer  mitten  in  der  Strdmnng  des 
soiialen  und  politischen  Lebens,  inmitten  Terschiedener  Parteirichtiuigen, 
Theorien  nnd  Oronds&tse  nnd  wird  leicht  eine  Beute  der  Agitation;  nur 
mit  Hilfe  der  soiialen  Studien  kann  aber  auch  das  NiTeau  des  geemmtwi 
politischen  Lebens  gehoben  werden,  können  die  Ansichten  geklärt^  kann 
das  Verständnis  fftr  die  Bedftrf nisse  und  Aufgaben  des  Staates  gefordert 
werden.  Von  diesem  Standpunkte  aus  muß  es  daher  als  im  Interease  des 
Staates  gelegen  angesehen  werden,  daft  er  tfta  eine  höhere  sotiale  nnd 
politische  Bildung  seiner  Bürger  Sorge  trage.  Es  darf  ferner  nidit  über- 
sehen werden,  welchen  Vorteil  das  Studium  der  Sosiologie  als  Vorbe- 
reitung für  das  rechte-  und  staatswissenscbaftlicbe  Hochschulstadiam 
haben  würde;  hört  man  doch  mit  Hecht  über  die  geringe  Vorbildung 
klagen,  welche  die  Juristen  für  ihr  Fach  mitbringen,  und  doch  liat  des 
Hecht  im  gesellschaftlichen  Leben  seinen  Ursprung;  aber  auch  wer  sich 
technisch-ökonomischen  Studien  suwendet,  wird  der  Soziologie  als  Vor- 
studium nicht  entraten  können.  Der  Forderung  nach  Einfügung  sozio- 
logischer Beiehrungen  in  den  Mittelschulunterricht  stehen  überdies  die 
Instruktionen  für  Bealscbulen  und  Oymnasien  nicht  entgegen,  die  adien 
implicite  die  Soziologie  als  Lehrgegenstand  anerkennen,  wenn  sie  sagen, 
datt  bei  der  Kulturgeschichte  auch  die  gesellschaftliche  Entwicklung, 
die  internationalen  Beziehungen  und  die  Arbeiterfrage  zu  berücksichtigen 
seien  ^).  Hinsichtlich  der  Einfügung  in  den  gegenwärtigen  Lebrplan 
schlagt  Foustka  vor,  einen  der  bisherigen  Gegenstände  um  eine  Stunde 
zu  kürzen  und  dafür  Soziologie  einzuführen  oder  zum  mindesten  im 
Oesohichtsunterricht,  namentlich  bei  der  Vaterlandskunde,  das  Wesen  nnd 
die  Gesetzmäßigkeit  der  gesellschaftlichen  Entwicklung  zu  erklären. 

So  weit  Foustka.  So  sehr  man  nun  auch  seiner  Auffassung  Ton 
der  Einführung  soziologischer  Lehren  in  dem  you  ihm  gewünscbtsn 
Umfange  in  den  Lehrplan  der  Mittelschulen  aus  den  angeführten  Gründen 


')  nlnsbesondere  aber  versäume  man  nicht,  den  Schülern  eine  klare 
und  richtige  Vorstellung  zu  geben  Ton  der  Umgestaltung  aller  unserer 
gesellschaftlichen  Verbältnisse  und  den  Beziehungen  der  Völker  dnrcli 
die  allgemeine  Bewegung  und  die  stetige  Vervollkommnung  der  Dampf- 
maschine, des  Dampfschiffes,  der  Eisenbahnen  und  Telegraphen  sowie 
von  der  Umgestaltung  der  gesamten  Industrie  durch  das  Mascbinenweoen, 
als  dessen  Folge  sich  das  Arbeiterwesen  dersrt  entwickelte,  dsß  es  in 
das  gesamte  soziale  Leben  tief  eingreift  Diese  Dinge  wirken  oft  ent- 
scheidender und  weiter  als  manches  politische  Ereignis.*  („Lehrplan  und 
Instruktionen  für  den  Unterricht  sn  den  Gymnasien  in  Osterreich*» 
2.  Aufl.,  Wien  1900.) 


über  Boziologuehe  Belebrangen  in  der  Mittelscbnle.  II.         531 

beipfliebten  mag,  so  darf  docb  niebt  Terscbwiegen  werden,  daß  sieb 
gegenw&rtig  in  dieier  wicbtigen  Bildnngsfrage  zwei  Strömungen  bemerk- 
bar maeben,  die  nacb  Oeltnng  ringen ;  die  Anhänger  der  einen  schließen 
lieb  an  Fonstka  an  nnd  wQnseben  Soziologie  in  dem  Aasmaße,  wie  es 
«twa  ein  Dnrcbschnittsgebildeter  brancbt,  nm  öffentliche  Fragen,  die 
mit  Terfitfsnng,  Verwaltung  und  Volkswirtschaft  lusammenbängen,  ver- 
steben  in  können;  die  Anhänger  der  anderen  Strömung  hingegen  legen 
mehr  Qewicht  auf  praktische  Belehrungen,  auf  eine  Ausrüstung  des 
Mittelscbulabitnrienten  mit  juridischen  und  Tolkswirtscbaftlichen  Eennt- 
BineDy  die  ihn  im  konkreten  Falle  selbst  berühren  können;  sie  sind 
einem  Überwiegen  bloß  soiiologiscber  Lehren  abgeneigt,  weil  sie  das 
geistige  Niveau  der  Schüler  selbst  in  den  obersten  Mittelscbulklassen 
Dicht  so  hoch  dnschitsen,  um  dauernd  solche  Lehren  aufzunehmen  und 
in  yeraibeiten;  eher  sind  die  Schüler  für  die  auch  schon  vom  gegen- 
wärtigen Lehrplan  geforderte  Verfassungskunde  neben  Volkswirtschafts- 
lehre und  Recbtsknnde  zu  haben. 

Man  wird  sich  wohl  billigerweise  dieser  letzteren  Auffassung  an- 
schließen müssen,  weil  ja  gerade  eine  Belehrung  über  die  Elemente  der 
Nationalökonomie  und  Rechtslehre  die  Schule  Ton  dem  Vorwurf  in  be- 
freien imstande  ist,  daß  sie  sich  vom  Leben  abwende  und  gerade  das 
flicht  lehrt,  was  man  täglich  im  Verkehr,  im  Staate,  in  der  Gesellschaft 
benötigt.  Diese  bürgerkundlichen  Lehren,  wie  man  die  Zusammen- 
fassung der  genannten  Disziplinen  bezeichnen  kann,  werden  dann  den 
richtigen  Boden  abgeben,  auf  dem  soziologische  Lebren  leicht  ersprießen. 
Ei  wUrde  daher  genügen,  wenn  die  Mittelschule  ihren  AbsoWenten  eine 
übersichtliche  Kenntnis  der  wichtigsten  Bechtsnormen,  eine  Elarleg^ng 
der  Grundlehren  der  Volkswirtschaft  und  ein  Verständnis  für  den  Auf- 
bau, das  Werden  und  Wachsen  des  Staatsganzen  Yormittelt;  bleibt  dann 
noch  Zeit,  so  können  diese  Unterweisungen  durch  Heranziehen  eingehender 
soziologischer  Lehren  vertieft  und  erweitert  werden ;  die  Schüler  werden 
^0,  so  Torbereitety  an  das  Erfassen  dieser  Lehren  und  Erörterungen 
^el  aufnahmsfiLhigery  freudiger  und  mit  viel  mehr  Verständnis  herantreten. 

Aber  auch  wenn  man  sich  als  Anhänger  der  anderen  Strömung 
bekennt,  wird  die  Frage  nach  umfang  und  Ausmaß  des  zu  übermittelnden 
Wissens  immer  im  Vordergrunde  stehen,  um  sie  zu  beantworten,  wird  man 
vielleicht  nicht  ohne  Nutzen  die  wichtigsten  der  für  den  einschlägigen 
Unterricht  in  Deutschland  Torhandenen  Bücher  zurate  ziehen.  M.  Griep*) 
teilt  seinen  Stoff  in  zwei  Teile,  und  zwar:  Rechte  und  Pflichten  der  Minder- 
jährigen und  Rechte  und  Pflichten  der  Volljährigen,  wobei  Familienleben, 
Beruf  und  Gemeinde,  Staat  und  Gerichtswesen  erörtert  werden.  A.  Gieee') 
teilt  sein  Buch  in  drei  Teile:  Allgemeine  Staatslehre,  besondere  Staats- 
lehre (das  deutsche  Reich,  der  preußische  Staat,  die  außerpreußi^cheü 
Staaten)  und  Elemente  der  Volkswirtschaftlehre ;  J.  Groner  *)  erörtert  xu- 


*)  »Bürgerkunde«  (Leipzig  1900). 

')  »DeutBcbe  Bürgerkunde«'  (4.  Aufl.,  Leipzig  1907). 

*)  „Bürgerkunde"  (BerUn  1907). 

84« 


54l2         "Übn  Miiologiiche  Befehrasgen  in  der  MiU^lsehalB.  IE. 

aXehft  »Ugtraeines  ftber  VerfiMiang  and  Yerwaltmig,  sodran  die  «uebieii 
Zweig«  der  Yerwaltong,  ud  swar:  Landwirtscheffe,  HaiMld  nnd  QeverH 
Geld-  und  Kreditwesen,  Patent-,  Mnster-  nnd  Markenschats,  Mfeaklidie 
Verkehntattalten,  eosiale  Gesetsgebnnf ,  OenditsweeeD,  Eireke  nai 
Schule,  Heer  und  Marine,  Kolonien;  G.  Hofimann  and  £.  Giotli^)  teilea 
ihren  Stoff  in  elf  Kapitel,  nnd  zwar:  Gemeinde,  Staat  nnd  Baieh;  Kaieer, 
Bnndeeral  nnd  Beiehstag;  Beiehelcaniler  and  Beiehsbehonka ;  die  GeMte; 
die  Geridite;  Heer  nnd  Marine;  Landwiriechaft,  Handel  und  Gewerbe; 
Teilcehnweeen  nnd  Kolonien;  Finanaen,  Steuern,  Zölle;  Kirchen-  oai 
ünierricbtewesen;  eoiiale  Geietsgebnng.  L.  ?iereck*)  gibt  eine  Darlegna^ 
der  wichtigsten  staatlichen  Kinnehtnngen  (Staatsformen  nnd  WablfoiflMa, 
Yerwaltnng  nnd  Bechtspflege^  Heer  nnd  Flotte)  des  Deutschen  Beidis^ 
Freuftens,  Bayerns  nnd  HMnbnrgs  f&r  höheie  ünterri^tsanstaltea. 
F.  Marcinowskj  nnd  K  Frommd")  bieten  ein  Yolksbach  des  Staatswesen^ 
das  sich  in  seinem  sweiten  Teile  als  eine  Art  Sittenlehre  gibt 

Allen  diesen  Bfichem  ist  aber  gemeinsam,  daß  sie  Yerfassuagt- 
knnde»  Becbtskunde  nnd  Yolkswirtobaftslehre  nmfasseo,  da5  sie  an  das 
im  Gesohichtsnnterridite  der  obersten  Mittelsohulklasse  vorgeechnebese 
Pensum  anknüpfen  und  in  historischer  Weise  das  Wesen  des  StaatsgsaMs 
danulegea  Tersnchen*).  Alle  diese  Bücher  berühren  aber  aneh  das  sosialt 
Problem,  und  indem  wir  uns  nunmehr  diesem  Stofl^ebiete  mweata, 
soll  ein  Bedenken  aerstreut  werden»  das  gerade  dieser  Materie  gogeatber 
immer  auftaucht. 


?:1 


«Deutsche  Bürgerkunde"  (5.  Aufl.,  Leipsig  1908). 
.Bürgerkunde«  (2.  Aufl.,  HauDover  18M). 
■)  «BftrgerFccht  und  BOrgertugend«*  (2.  Aufl.,  Berlin  1896). 
*>  Ober  die  Methode,  die  bei  dieeen  Belehrungen  zu  befolgen  idf 
gibt  C  Endemann  (a.  0.)  recht  gute  Winke.    Man  hüte  sich  ror  sUmi 
vor  unfruchtbaren,  abstrakten  Defüütionen;  der  Unterricht  soll  stets  sa 

S Taktische  Beispiele  anknüpfen,  dann  wird  er  auch  das  regste  Interesse 
er  Schüler  hervorrufen.  Auch  darf  nicht  su  sehr  auf  ein  gedicbtmi* 
mWres  Aneignen  des  vorgetragenen  Stoffes  p^eachtet  werden,  denn  niebt 
um  aofragbara  Eünxelkenntnisse  handelt  es  sich,  sondern  um  Yersttodois 
der  Gesamtheit  des  Yorgetragenen.  An  einer  Beihe  von  Beispielen  tos 
Geographie  und  Geschiebte  zeigt  Endemann  (S.  71  ff.),  wie  er  diese  Be- 
lehrungen einfügt.  —  Über  die  Methode  dieses  Unterrichtes  handelt  ferner: 
„Die  Erziehung  des  Deutschen  zum  Staatsbürger,  eine  Denkschrift  über 
die  seitgemäfte  Aufgabe  des  Staates  auf  dem  Gebiete  der  Yolksersiehang*» 
von  M.  Laux  und  joh.  Boock  (Berlin  1902);  die  Broschüre  mithält  aoßb 
Literaturangaben  über  staatsbürgerlichen  Unterricht  in  Deutschland  usd 
Frankreich;  fQr  französische  Verhältnisse  wird  besonders  Beverdj:  «X^ 
droit  U9uel  ä  Vicole"^^  herrorgeboben.  —  Wertvolle  Winke  besftglich 
der  Yerteilung  des  Lehrstoffes  findet  man  in  einem  AaCsatse  yos 
L.  Mittenzwev :  »Die  Schule  als  Vermittlerin  rechtsknndlicher  und  wirt- 
schaftlicher Lebren •*  (Pädajfoginm,  XY.  Jahrg.  1893;  7./8.  Heft).  —  Auf 
Anknüpfungspunkte,  die  sich  beim  Geschichtsunterricht  für  derartige 
Belehrungen  von  selbst  ergeben,  ebenso  auf  sozialwissenschaftliche  ße* 
trachtuneen,  die  in  den  altsprachlichen  Unterricht  eingefügt  werden 
können,  nat  Chr.  Würli  in  einer  eingehenden  Besprechung  der  ersten 
Auflage  meiner  „Österreichischen  Bürgerkunde*  (4.  Aufl.,  Wien 
1908)  in  der  „österreichischen  Mittelschule''  (X  Jahrg.  18%,  S.  588-510^ 
in  dankenswerter  Weise  aufmerksam  gemacht. 


über  «onoltgiMhe  Beleliniiigai  in  der  IGfetebdiiile.  IL         §88 

Weai  iFW  der  firaeDgwg,  dem  ümkMif  kind  im  VerieUiiaer  ^»f 
Gttir  die  Bei»  eeia  wird,  duB  duf  der  Lelmr  Bioh  «tcli  nicht  sclMnea» 
TM  dtr  Uaglaichhttt  der  G4klerrerteihnig  in  efwecben  und  im  ZniMMoe»- 
kaag  ail  dies«  Encbainnng  an  eine  Ertiterasg  det  SeiialitHnn  benn^ 
nMmL  So  iranig  er  ee  nun  wird  ? eraMfaUeBigen  dtUfen,  die  ünini* 
fthrbftrkeit  der  kommnnistischen  Lehren  darzntnn,  so  iMnig  wird  er  ee 
indi  metoi— len  dBite,  anf  die  groAe  Bedevtniig  dee  Soiialiemns  nnd 
dir  ilun  uiliingenden  Soiieldemokintie  kiinnwdsen.  Die  Sehnie  darf  «i 
dioni  FkBgen  «nd  Sreebeinnagen  aidit  eebtlee  Torftbergeben,  detmeoiiet 
kiuito  ee  Idebt  geMfaeben,  daft  ibi«  Aheolnenten  bald  nach  dem  Vev* 
ksHB  der  Analalt  fon  anderer  Seite  nnd  in  einem  anderen»  Tieieiolii 
iiciii  TöIUg  nach  der  ataatliebea  Seite  geleakten  Sinne  beehrt  würden; 
aaeh  «ire  ee  Abel  angebiacbti  diese  eeiialpolltiicben  Beletunagen  Uoft 
deibalb  von  der  Schaie  fembalten  n  wollen»  weil  der  eine  odar  andn» 
i4bier  in  wenig  taktvoller  Weise  vorgehen  kannte*).  Freilieb  wobl  wire 
€•  aefar  ftbal  angebracht»  im  Sinne  eines  miATerstandeoen  Patriolaaaiaa 
etaa  bM  GeainnniigBdriU  treiben  an  wollen,  dessen  seblieftlkhes  Ergehnis 
garada  daa  Oegeatell  des  beabfiäehtigtea  Zweckes  sein  wirde*);  Takt  and 
Umsicht  des  Lehrers  werden  sich  am  besten  darin  inftem,  daft  er  in  daa 
Schttkm  sngleich  mit  dem  sosialpolitiscben  Interesse  das  Bewnl^teein 
enrsekt,  wie  rUA  fhaen  noch  zur  ?ollett  klaren  Einsiebt  ia  das  Wesen 
dtr  sotialen  Ftage  fehlt  In  Dentschland  bat  man  xwar  noch  Ende  de; 
Acfatiige^abre  des  vorigen  Jahrhunderts  den  Standpunkt  vertreten, 
Bi^erfcanda  aar  deshalb  an  kbren,  am  «den  die  sittlicben  FViadaaiente 
des  Staatee  «nterwtblenden  ümstantendeaien  «ntgegeaxntreten*.  Bs  Ist 
klar,  daO  mit  einer  solchen  Anscbannng  der  Sache  der  politischen  Yolks- 
bOdong  ein  schlechter  Dienst  erwiesen  würde;  der  Lehrer  hat  die  sosialen 
Thesia  aiebt  darsnlegen,  nai  eie  su  widerlegen,  sein  Unteriiefat  bat  aadi 
sieht  auf  die  Bekimpfung  bestiminter  Partefariehtungen  oder  auf  Erzietnng 
beetimmter  Parteiübeneugungen  gerichtet  zu  sein,  sondern  er  hat  die 
Bcbfiler  lediglich  vorzubereiten,  sich  spater  ein  selbständiges  Urteil  über 


*)  vin  einaelnen  Staaten  Dentschlanda  und  der  Schweiz  maeht  man 
oeoerdings  den  Veritucb,  die  Kenntnisse  der  wirtschaftlichen  und  sozialen 
Yerhiltntsse  durch  Einführung  der  sogenannten  Bürgerkunde  zu  ver- 
mitteb.  Bei  uns  in  Osterreich  befürchten  ängstliche  Gemüter,  daft  damit 
die  Politik  in  die  Schule  getragen  würde.  Aber  man  kann  nicht  leugnen, 
dd^  ein  empfindlicher  Mangel  an  politischer  Bildung  besteht"  (A.  Dopseh, 
•Osterr.  Bondscbau«,  Band  IX,  Heft  2;  16.  Dezember  1906).  Es  dürfte 
Abrigens  ^nügen,  anf  die  «Instruktionen**  in  verweisen,  wo  es  beiftt: 
•Tsgespolitik  ist  von  der  Schule  ausgeschlossen;  aber  erreicht  muft  werden,, 
daft  der  G^naaiast,  wenn  er  die  Schule  verliOt,  für  eine  eröOere  Verr 
tiefang  seiner  Kenntnisse  der  Gegenwart  eine  sichere  Grundlage  und  ein 
lebhaflecea  Interesse  gewonnen  bat^. 

*)  Alle  una  bekannt  gewordenen  Schriften,  die  sieb  mit  dieser 
^age  befaaaen,  wehren  sich  energisch  gerade  gegen  eine  solche  FlrbnuA 
die  man  den  sozialj^litiscben  Belebrungen  geben  wollte;  so  sagt  Schenk 
(a.  (X):  .Die  ffiatone  wird  nicht  tendenziüs  eatsteUt,  durch  Geiinnnnd^ 
drill  entwürdigt  werden;  IQio  bleibt  die  stolze  Muse,  die  strenge  Ffirderii^ 
d«  Wahrheit« 


584         Über  soiioloi^ische  fielehrangen  in  der  Mittelscfanle.  IL 

diese  Disge  bilden  sn  können.  Eines  aber  kann 'freilieh  d«i  SebUem 
eingeprägt  werden:  daft  nämlich  eine  Besserung  der  bestehenden  Var- 
hUtnisse  nnr  auf  dem  Wege  friedlicher  Ausgestaltung  derbernli 
Torbandenen  Wohlfahrtseinrichtnngen  mflglich  sei,  damit  der  8inii  fir 
Gesets  und  Gesetsliehkeit  auf  diese  Art  bei  der  heianwachsendea  GenentioD 
kräftig  entwickelt  werde  >). 

Yen  den  für  den  bftrgerkundlichen  Unterricht  bestimmten  Bttchem 
war  bereits  die  Bede;  es  sei  aber  noch  auf  die  neueren  Lesebücher 
für  Volks-  und  Bürgerschulen  hingewiesen,  die  auch  derartige  Belehrungeu 
enthalten*)«  Außer  den  für  Mittelschulen  bestimmten  Lehrbieheni  der 
VaterUndskunde  tou  A.  Lang*),  von  A.  Zeehe  und  F.  Heiderich*),  feiner 
Ton  F.  Heiderich*),  Ton  welchen  die  beiden  lettteren  einen  gedringten 
▼olkswirtscbaftlichen  Abrift  enthalten,  gibt  es  für  diese  Sehulkategorie  in 
Österreich,  wenn  man  von  meiner  «Österreichischen  Bürgerknnde",  die  nseb 
Ansicht  Weler  Beferenten  auch  für  diese  Stufe  viel  brauchbares  Materisl 
enthält,  abdefat,  kein  Lehr-  und  Hilüibuch,  das  den  bürgerkundlichea 
Lehrstoff  systematisch  Terarbeiteo  würde,  wiewohl  es  wünschenswtet  wäre, 
daft  wenigstens  recht  viele  Lesebücher  mit  solchen  Stücken  sosialpoliti- 
scben  Inhaltes  dnrchsetit  wären*). 

*)  £ine  eingehendere  Erörterung  dieser  Frage  findet  man  a.  a.  bei 
£.  Stutier:  «Die  soziale  Frage  der  neueren  Zeit  und  ihre  Behandlung  in 
Oberprima^  und  «Ein  Wort  lur  Verständigung  über  die  Behandlung  der 
sosialen  Frage"  (Lehrproben  und  Lehrgänge,  Heft  37  und  40),  ferner  bei 
G.  Völker:  «Die  Schule  und  die  soziale  frage"  (Scbönebeck  1890)  ond 
bei  W.  Münch:  «Schule  und  soziale  Gesinnung*  (LehrprobMi  und  Lehr- 
gänge, Heft  59). 

*)  Es  sei  hier  das  Ton  F.  Wichtrei  herausgegebene  Lesebod 
«Mattersprache'*  (Wien  1907)  genannt,  das  neben  anderen  ein  Lsse- 
stück  enthält,  in  welchem  eine  Debatte  in  einem  ländlichen  Gemeiiide- 
ausschusse  behandelt  wird,  wobei  es  sich  um  einen  Antrag  behufs  Or- 
ganisierung der  Feaerwehr  handelt  Ich  Terweise  femer  auf  das  neue, 
im  L  k.  Schalbücherverlag  erschienene  «Lesebuch  für  Bürgerschaien*, 
das  Stücke  über  wirtschaftfiches  Leben  und  Bechtskunde,  über  Hsodel 
und  Verkehr  enthält,  immer  mit  der  Tendenz,  den  Unterricht  in  dir 
Bürgerschale  den  Bedürfnissen  des  Lebeos  anzupassen. 

*)  „Vaterlandskunde  ftlr  die  VIII.  Klasse  der  öeterr.  GjmaasieB* 
(Wien  1906). 

*)  «österreichische  Vaterlandskunde  für  die  VIII.  Gjmnasialklssu** 
(Laibacb,  2.  Aufl.  1907). 

*)  «Geographische  Vaterlandskunde  für  die  VIL  Klasse  der  Betl- 
schalen*  (Laibach  1908). 

*)  In  Deutschland  gibt  es  auch  Bücher,  die  einen  solchen  Stoff  isi 
Anschlüsse  an  bestehende  Unterrichtsfächer  und  an  Lese-  und  iichrbficher 
vorbringen.  Hieher  gehört  L.  Hochhuth:  «Elemente  der  Volkswirtschafli- 
lehre  und  Bürgerkunde  im  deatechen  Unterricht*  (Berlin  1894);  du 
Buch  schließt  sich  an  Chr.  Muffs  Keubearbeitung  tou  Hopf  und  Paoldeb 
Lesebüchern  für  die  Klassen  Sexta  bis  Qaarta  an.  Der  Autor  wurde  la 
seiner  Arbeit  durch  K.  Fischers  bereits  erwähnte  «Staatswirtschafts-  nnd 
Sozialpolitik  auf  höheren  Lehranstalten*  TcranlaAt.  In  der  Vorrede  d« 
Baches  findet  man  ausführliche  Literaturnachweise  über  Lehr-  und  HUfr- 
bücher  der  Bürj^erkunde.  Es  sei  femer  erwähnt:  A.  Köcher:  «Die  Beleh- 
rungen über  wirtschaftliche  nnd  gesellschaftliche  Fragen  im  Ueschichti- 
unterricht«  (im  Anschluß  an  die  Lehrpläne  tou  1892;  Hannorer  18M), 


über  sosiologiiehe  Belehrnngeii  in  der  Mitteliohale.  IL         535 

Es  ist  TitUeieht  nieht  tlberfifissig,  in  erwftlinen,  4a6  derartige 
Bdehnmgm  auch  an  MidchenBcholen  (Lyieen)  Eingang,  finden  sollten; 
indem  man  die  Mädchen  auf  die  Wichtigkeit  gewisser  bürgerlicher  Bedits» 
handlangen  aufimerksam  macht  nnd  ihnen  die  Konseqaensen  Tor  Augen 
Ahrt,  welche  daraus  erwachsen,  schütst  man  sie  da?or,  im  späteren 
Leben  durch  Unkenntnis  sa  Schaden  in  kommen.  Fftr  die  Frauen  ist 
die  Beehtsbelehnmg  sogar  viel  notwendiger  als  fttr-  die  Männer,  denn 
«die  Fnu  ist  durch  die  veränderten  soiialen  Verhältnisse  unmittelbar 
aus  der  Kinderstube  auf  den  Arbeitsmarkt  entlassen  worden,  ohne  das 
Bflsteeug»  das  den  Männern  mitgegeben  wird ;  sie  kennt  den  Bechtsboden 
nicht,  auf  dem  sie  steht,  weiß  nicht,  ob  er  sie  trägt  oder  ob  er  unter 
ihr  Terschwindet"  ^). 


sodann  K  Claumitser:  „Staats-  und  Volkswirtschaftslehre*  (Halle  a.  S. 
1907)  und  das  bereits  sitierte  Werk  tou  Schenk  (es  enthält  Abschnitte 
aus  geschichtlichen  Werken,  Aktenstücke,  Edikte,  Druckschriften,  Bot^ 
sehanen  usw.,  die  im  unterrichte  den  Belehrungen  über  wirtschaftliche 
und  gesellschaftliche  Fragen  sugrunde  gelegt  werden  sollen;  femer 
Endemann  a.  a.  0.)«  der  auch  auf  andere  Staaten  verweist,  wo  äbnliche 
Belehrungen  Toreeschrieben  sind  und  der  über  die  Vorschriften  hinsichtlich 
der  soiialpolitiscnen  Belehrungen  sagt:  «Diese  Vorschriften  haben  den  Sinn, 
daA  der  Ueschichtsunterricht,  der  ja  alle  Seiten  des  Volkslebens  berück* 
sichtigen  muß,  soweit  sie  sur  Kenntnis  eines  bestimmten  Volkes  oder 
einer  bestimmten  Zeit  nötig  sind,  jetst  entsprechend  den  Bedürfnissen 
unserer  Zeit  sieh  mehr  als  sonst  unserer  gesellschaftlichen  und  wirt- 
schaftlichen Gestaltung  anwenden  soll",  und  der  die  Notwendigkeit  eines 
soldieQ  Unterrichtes  auch  damit  begründet,  da&  der  Lehrer  in  dem 
Schüler  schon  den  künftigen  Bürger  des  Staates  sehen  muß;  der 
ganse  Unterricht  soll  Ton  ethischem  Geiste  durchdrungen  sein  und  die 
Sdiüler  mit  früher  im  Unterrichte  übersehenen  Tatsachen  bekannt 
naehen.  —  Für  Fortbildnngs-  und  Volksschulen  gibt  es  eine  große  Zahl 
Ton  fliUsbüchem.  Es  seien  nur  einige  hier  genannt,  und  zwar:  Chr.  Boeses 
«Gestllscbaftskunde.  Das  Wissenswerteste  aus  der  Staaten-  und  Gesetses- 
künde  sowie  der  Volkswirtschaftslehre*  (Hannover  1901);  F.  Schleicbert : 
JOie  Tolkswirtschaftlichen  Elementarkenntnisse  im  Rahmen  der  jetsigen 
Lehrpline  der  Volksschule«  (Langensalza  1897);  A.  Bär:  »Stoffe  aus  der 
Volkswirtschaftslehre  für  Fortbildungsschulen <*  (Gotha  1900) ;  B.  Fritssche: 
«Die  Verwertung  der  Bürgerkunde  im  Geschichtsunterricht  der  Volks- 
schule* (Langensalza  1898);  F.  Bamberg:  «Die  Eingliederung  der  Volks- 
wirtsehafslehre  und  Gesetseskunde  in  den  Lehrplan  der  Volksschule* 
(Broslan  1901);  M.  Schuster:  ^Bürgerkunde  für  die  Fortbildungsschule 
sowie  für  jeden  Angehörigen  des  Königreichs  Württemberg*  (Eßlingen 
1896);  J.  Book:  Ldrnroben  zur  Bürgerkunde*  (Berlin  1902).  —  Für 
österreichische  Verhältnisse  sei  auf  W.  Srps  KonferensTortra^:  »Der 
Unterricht  in  der  Bürgerkunde*  (Prag  1899)  rerwiesen,  der  im  An- 
Bchlnnae  an  meine  »Osterreichische  Bümrkunde*  einen  Lehrplan  für 
die  Eingliederung  der  bürgerkundliehen  Lehren  in  den  Deutschunterricht 
an  Volu-  und  Bürgerschulen  enthält;  femer  auf  N.  Staberei:  »Der  Tolks- 
wirtschaftliche  Unterricht  in  der  reformierten  Bürgerschule*  (Wien  1902), 
Obentrants  .österr.  Verfassungskunde*,  bearb.  von  J.  Parsche  (Wien  1908) 
nnd  auf  die  fieferate  in  den  Wiener  Bezirkslehrerkonferensen  aus  den 
Jahren  1902  und  1907  über  bürgerkundliehen  Unterricht 

«)  Marie  Baschke  in  der  »Frauenrundschau*  (VIII.  Jahrg.,  Heft  8/9, 
8.907). 


II8<I         Über  ntiologiseho  fi^lehraiiceA  ili  der  IGttelMiiale.  IL 

^Ie4t  ^ffflBtlkhe  Sohnle  im  UMd^rim  StftiA»  mvß  tlire  Haapt- 
anffftbe  dadn  ferbikksn^  diaiiehtige,  wiikHsUrkt  aad  ftr  die  QeMmfteH 
■Atelkihe  Stefttibfttf  er  henuftbildeii.**  Mit  diesflai  SatM  Q. 
•Mnehi,  dea  «frigca  V^lecfaten  eider  staateUlrgerttckMi 
lfori]lildiingt8ck«leii  i)«  desMii  SefarifteD  >)  in  dieMr  Hinieht  tehabi^eiiiBd 
^woidea  eUid4  rnoß  skii  eiawretaiDdeB  eiklimi,  wer  die  XUlft  swiieheii 
Scbile  and  Lebeü  nicht  Hech  Uailnider  gt^taltea  vill.  Bielng  kst  laaa 
der  Solimle  in  ikna  irenchiedeBen  Abstiifiuigen  diese  Avl^fabe  noch  nieht 
iigewiewn  und  so  hah^m  nden  InetitatieneB*)  cieh  bettrebt,  hier 
helfend  eiuragreite«  damit  die  g^oAe  Masee  der  BerSlherug  wenigsfeeM 
eisigeniiaAeD  dea  Beebtesteat  b^greüin  lehrt,  ytm  den  eie  eo  viel 
erwartet,  dem  sie  so  Tiel  in  leisten  hat  und  von  dem  sie  so  wenig  weiS. 
Insbesondere  die  mangelnden  Bechtskenntnisse  sind  beklagenswert;  sie 
seitigen  aach  die  Angriffe  anf  die  Becbtspflege  und  sind  oft  aneh  Sebnld 
daran,  Wenn  so  tiele,  die  sich  in  ihrem  dunklen  Drange  des  rechtsn 
Weges  nicht  woblbewnAt  sind,  mit  dem  Strafgesetse,  dessen  Inhalt  sie 
nicht  kennen,  in  Konflikt  gesattti. 

Bs  gibt  alltoditigs  atieh  tQegner  einet  solchen  staatsbftrgetlieheB 
Ünterweisting,  wie  wir  eie  hier  vor  Angen  haben;  als  ein  solcher  bekennt 
sich  z.  B.  P.  Cauer,  der  meint  ^):  »Man  hat  neuerdings  Teranch^  die 
Snatee  dessen,  was  ein  leifsrer  Sehttler  von  den  Einrichtengeft  des 
d^n^  Staates  Wissen  soll,  in  besonderen  Darstellungen  ^  etwa  onter 
dem  Titel  BBrgerknnde  —  zusamobensafassen.  Einer  ausgiebigeren 
Benfttsung  für  ^  Schule  stcSit  aber  im  Wege,  daO  es  keine  Stelle  gibt, 
nn  ihren  Inlbsüt  erganlsch  In  den  Lelirplan  eintuffigen  und  dsft  eiw 


*)  Für  dsterreichische  Fortbüdui^sschuien  hat  dieselbe  Fordemag 
Dr.  M.  Baernreitber  in  der  58.  -Sitzung  des  böhmischen  Landtages  voai 
5.  Oktober  1907.  aufgestellt;  vorher  schon  hatte  auch  der  Abg.  Adaaek 
in  einem  dem  böhmischen  Landtag  in  der  Sitaang  vom  6.  April  1899  unter- 
breiteten Beliebt  den  Antrag  bestellt,  daß  «die  SchAler  der  hdhecea 
Jahrgänge  der  mehrklHssigen  Volke-  und  Bürfferechulen  auch  in  dan 
Grundzfigen  der  Voikswirtsehaftslehre  und  der  v  erwaltangsiehre  «nter- 
richtet  werden  selfoB.« 

*>  ^Staatsbürgerliche  Erziehung  der  deutschen  Jugend"  (3,  Aufl., 
Erfurt  1906)  und  «Grundfiagen  der  Schnlorganisation*  (Leipsitr  1907). 
Die  erstgenannte  Schrift  ist  eine  Antwort  auf  das  von  der  kgl.  Ahadecsie 
gemeinnütziger  Wissenschaften  in  Erfurt  erlassene  Preisau^echroiben : 
«Wie  ist  unsere  mannliche  Jugend  von  der  Entlassung  ans  der  Vglksehule 
bis  zum  Ittntritt  in  den  Heeresdienst  am  zweckmälVigsten  für  die  staate- 
bürgerliche  Gesellschaft  zu  erziehen?'*  Die  ausgezeiäneten  DaiieffUBgea 
EerschensteineFs  bilden  ein  Seitenstüok  zu  dem  bekannten  WeAe  Ten 
Edk  Pdtit,  ^De  Veeote  au  rigimmt*^.  Die  sozialpadagogischen  Aneiobtsn 
des  Müochener  Stadtschalrates  sind  aber  nicht  unwidersprochen  geblieben 
<TgL  P.  Zillig:  „Darf  der  Altruismus  zur  GruDdl^ni<iS>  <^^>  Büdangs- 
ideales  and  damit  des  Lehrplanes  für  die  Volksschule  genommen  werden?* 
Jahrb.  d.  Ver.  f.  wissenschaftL  Pädagogik  1906  und  Erlauterangea  an 
demselben  S.  7—38). 

')  Unter  diesen  dnd  besonders  zu  nennen  die  Arbeiterbildungi« 
vereine,  die  Frauenvereine,  die  Yolksbildungsvereine,  die  yolkstümliohen 
fioCbBchalkunie  und  die  Presse. 

^)  ^Palaeatra  vitae*"  (Berlin  1902,  8.  66). 


über  lotietogiBdie  Bdehnrngw  in  der  Mitteltdi»!«.  IL         Stt 

nkbe  MMh  sieht  gnclmSwk  wardtti  krai,  ohM  das  Mm  Vieleiiei  anfii 
noe  I»  Termehran.  AM  denon  bedarf  ee  ftQoh  aiobt  Wornnf  ee  an« 
konmti  ist  doch  hier  wie  anderwirte  licbt  die  Heage  der  etnielBeir 
KiuitadlM,  aoodefn  die  AftfaerkBainiEeit  des  Siaiiee,  die  Beieitnüligkeit 
oid  FÜHgkeit»  aaf  petifieohe  Yerhiltiiiflie  m  aohtea  und  daa  Wesent- 
Me  darin  anfiufaieeB.*  £beoia  bat  rieh  H.  SehiUer  in  eeiner  Abhand-^ 
lug:  »Bedarf  ee  «nee  beeondeven  neuen  Unterriehtogegenstandes,  nm 
dw  Sebalem  höherer  Lehranstalten  die  Kenntnis  der  etaatliehen  El«' 
riehtongen  ihres  TaAerlandea  in  Stehern?  >)  gegen  BinfBgang  eines  be^ 
tcnderen  Faehes  ansgesproehen. 

AUefe  die  hmten  Stimmen  der  Öifentliehkrit*)  werden  sieh  nieht 
nehr  sam  Schweigen  bringen  lassen  nad  eosielogisehe  Belehrangen,  die 
sieh  ans  den  Blementen  der  Verfassnngsknnde,  Beehtsknnde  and  NattonaN 
«kenoflrie  ansammf  setaen,  wwden  ihren  Einmg  in  die  Mittelsehnle 
hallen  massen;  sie  werden  als  staatsbttrgerliehe  Propftdentik  in  einem 
shatserhaltenden  Mittel  werden,  dessen  keine  Staatsregiening,  famal 
im  Zeitalter  des  aUgemeinea  Wahlreehtes,  wird  mehr  entmten  können; 
deaa  je  mehr  solche  Kenntaisse  man  sieh  ansoeignen  in  der  Lage  sein 
wird,  omso  vemanftiger  wird  sich  spiter  die  Ansübnng  der  «taatsbürger- 
Uebcn  Bedite  gestalten,  nm  so  weniger  werden  die  Borger  in  mißTer- 
•taadener  Anffassang  der  ihnen  gewftbvten  Freiheiten  diese  in  einseitiger 
Art  Uo6  fftr  ihre  Zwecke  ansntltien.  Unsen  Scbalgesettgebnng  fordert 
Ibrigcne  förmlieh  an  einer  solchen  Unterweieang  heraus;  schon  in  dem 
■inistsrieUsn  fimtwnrfe  der  Grandsttge  des  öffentlichen  Unterrichtes  in 
dsketnieh  ans  dem  Jahre  1S49  heiOt  es:    »Wo  des  Volk  snr  Trilnshme 


>)  «Zeitschrift  fOr  Opttnashilwesen«,  1888,  S.  401—430. 

*)  Bemeorkenswert  sind  hinsichtlich  bfifgerknndlicher  Belefamngen 
die  dem  Verein  Iftr  Schalreform  erstatteten  »Vorachlige  snr  Mittel« 
schttlreform'  (Wien  1906);  Ton  den  70  Befragten  sprach  rieh  die  aber- 
groAe  Mehrxahl  fQr  EinfBhmng  der  Bürgerkande,  bezw.  der  Elemente 
der  Staatswimensehafken,  der  Wirtschaftsffeschiehte,  Gesetseeknnde,  Volks- 
wirischafts-  und  Gesellschaftslehre,  Vermsnngs-  aud  Verwaltangsiehre, 
Elemente  der  Sosiologie  oder  Wirtschattslehre  ans.  Ebenso  mOssen  als 
(gmchtenawerte  Knndgebang  far  einen  bargerkandlitben  Unterricht  die 
ÄaAemngen  angesehen  werden,  die  der  »ZentralYcrband  der  Industriellen 
Otterrmehs*  anf  seine  Umfragen  erhielt  nnd  die  nanmehr  in  der  Schrift 
»Sehnlreform  und  Indostrie"  (Wien  1908)  Yorliegen.  Es  heiAt  daselbst 
(S.  87)  sasaromenfasseadi  »Die  Brnftt^paff  einer  Art  Bfirgerkunde  in 
den  Lehrplan  der  Miitelschnlen  wird  siemlioh  allgemeia  gefordert  Der 
Uaterrieht  hätte  die  wichti^ten  Grunds&tse  der  Volkswirtschaftslehre  im 
wutestan  Sinne,  eiasdilie&iich  der  Sosiologie,  des  Verfassange-  und  Vor« 
waktnagsrechtes  sn  umfassen*.  Aach  A.  Peea:  »Bemerkungen  anr  Mittet» 
scbalreform"  (Wien  1906)  spricht  rieh  (S.  6)  fftr  den  Unterricht  in  der 
Volkswirtschaft  aus.  Man  konnte  femer  in  den  der  Einbemfnng  der  Mittel- 
schnleaqnete  ▼oiaagegattgenen  VereinSTerBammlQBgen,  Debatten  nnd  Aui^ 
rasten  der  Fach-  und  Tagespresse  immer  wieder  den  Hinweis  anf  den 
Umstand  Temehmea,  daO  unsere  Mitteisohaler  swar  mit  genauer  Kenntnis 
der  Terhftltnisse  im  alten  Athen  und  Born  die  Schule  ▼erlassen,  ober  die 
bei  ana  geltenden  Bestimmungen  aber  im  Unklaren  bleiben ;  eine  Meiaaags- 
Tenehiedeaheit  bestand  nur  besttglich  der  Stelle  des  Lehrplanes,  an 
welchen  solche  Lehren  Plata  fiadea  sollen. 


538         Über  sosiologisehe  Belehrungen  in  der  M ittelBchnle.  IL 

an  der  Gesetsgebung  berechtigt  iat»  da  darf  keine  Anetrengnng  nnd  kein 
Opfer  gescheat  werden^  nm  allen  den  Unterricht  in  geben«  ohne  velchea 
dieses  Becht  ein  Widersprach  wäre.** 

Die  bereits  erwähnte  Erweitening  des  Wahlrechtes  rftckt  demnadi 
die  obligatorische  Einftthrang  bfirgerkandlicher  Belehrangen  immer  niher, 
denn  bei  den  gegenwärtigen  soiialen  and  wirtschafUichen  yerhiltnisseD  gibt 
es  in  der  Tat  keinen  besseren  Weg  snr  Erweckang  eines  staatsbargerlichen 
Sinnes«  Denkens  und  Wollene  als  den  der  Belehrung;  deshalb  taaeht 
die  Fordemng  nach  solchen  Unterweisungen  immer  wieder  auf  nnd  «e 
wird  umso  elier  erf&Ut  werden  müssen,  als  sich  sonst  das  erweiterte 
Wahlrecht  mangels  der  nötigen  Voranssetsangen  hinsichtlich  der  poli- 
tischen Bildung  der  an  die  Wahlurne  Berufenen  leicht  als  unsweek- 
mftßig  oder  Terfrftht  erweisen  könnte.  In  dieser  Zeit  des  allgemeitten 
Wahlrechtes  ist  die  Beschäftigung  mit  diesen  Disziplinen  ra  einer  Bürger- 
Pflicht  geworden,  sumal  sie  im  Brennpunkt  der  öifentlichen  Aufmerksam- 
keit stehen.  Neben  die  ästhetisch-stilistisehe  wird  daher  Tomehmlich  iu 
Gymnasium  »die  wirtschaftlich-politische  Bildung  treten  lassen,  es  wird 
mehr  als  bisher  die  Eniehung  sum  Staatsbürger  berücksichtigen  müssen, 
statt  nur  das  Weltbürgertum  im  Auge  su  haben* '}. 

Und  so  wird  denn  schon  der  Schule  die  Aufgabe  su&llen,  durch 
eine  entsprechende  und  sielbewußte  Aufklärung  auf  dem  Wege  soiio- 
logischer  Belehrungen  sur  Förderung  des  sozialen  Friedens  beisutiagen, 
einerseits  um  die  Wucht  der  gesellschaftlichen  K&mpfe  durch  die  Er- 
weiterung der  sosialpolitlBchen  Bildung  lu  mildem,  anderseits  aber,  um 
jeden  einzelnen  sur  klaren  Erkenntnis  der  ihm  aus  der  Staatsangehörig- 
keit erwachsenden  Vorteile,  aber  auch  der  für  ihn  daraus  erwachsenden 
Pflichten  su  bringen  und  ihm  die  groi^,  schaffende  und  organisatoris^e 
Straft  des  Staates  vor  Augen  zu  führen.  Die  Elemente  der  Staats-,  Gtechti- 
und  Wirtschaftslehre  werden,  als  Soziologie  zusammengefaßt,  diesen 
Zweck  sicherlich  erfüllen*). 

Budweis.  Ludwig  Fleischner. 


>)  G.  Friedrich  (a.  0.  S.  37>  Ein  begeisterter  Fürsprecher  ist  der 
staatsbürgerlichen  Jugenderziehung  jüngst  in  Ludwig  Graf  Bödern  er- 
standen, der  in  einer  beachtenswerten  Broschüre:  «Nicht  Ar  dieSehnle, 
sondern  fürs  Leben  und  fürs  Vaterland!*  (Freiburg  i.  Baden  1906)  in 
überzeugender  Weise  für  eine  solche  Erziehung  durch  die  Schule  eintritt. 
—  In  der  «Cechischen  ReTue**  (Prag,  MErzheft  1906)  schreibt  Prof.  DtÜns 
(Prag)s  „Dem  jetzigen  Gymnasium  fehlen  eine  moderne  Welt^rsche, 
Hygiene,  Geologie  und  Geographie  als  selbst&ndige  Lehrgegenstftnde, 
Chemie,  Bürgerkunde,  Zeichnen;  der  jetzigen  Bealschule  fehlen  Hygiene, 
Philosophie,  für  manche  Berufe  das  Latein,  bie  hat  wenig  Geographie, 
wenig  Statistik,  es  fehlt  die  Bürgerkunde,  Technologie  und  die  Grand- 
Isge  der  Nationalökonomie". 

*)  Freilich  wohl  herrschen  über  Wesen  nnd  Inhalt  der  Soziologie 
noch  Terschiedene  Anschauungen,  wie  man  einer  Umfrage  (abgedmekt 
in  «Dokumente  des  Fortschritts*',  IL  Jahrg..  3.  Heft,  1906)  entnehmen 
kann,  die  Fölix  Vdlyi  (Paris)  kürzlich  bei  den  herTorragendsten  Soziologen 
(Simmel,  Fouill^.  Stammler,  Breysig,  Ward  u.  n.)  üoer  diese  Dimiplin 
▼eranstalteteu  Vgl.  auch  ,J7eugestaltung  des  Geschichtsunterrichts'  von 
Otto  Wendlandt  („Die  pädagogische  Zeit«,  10.  Juli  1907). 


Ä.  HmUrhergtr,  Zur  Fngt  des  üntorr.  in  Hygiene,  äug.  ▼.  G.  Eergd.  689 

ßr.  Alexander  Hinterberger,  Zar  Frage  des  Unterrichtes 
in  Hygiene  an  Mittelschulen.  Wien  nnd  Leipsig,  W.  BrnomSUer 
1906.  28  8&   Preis  80  h. 

Der  Yeif.»  bekannt  durch  seine  Schrift  ,ylst  unser  Oymnsiinm  eine 
ivsdnniftige  Institation  in  nennen?*»  fordert  in  Mittelecbnlen  ^einen 
gesonderten  Hygiene-Ünterrieht,  der  sasschlieAlich  dnrch  Ante 
•rtiilt  wird.  Wiewohl  ein  anfirichtiger  Freund  der  schnlbygienischen  Be- 
ikrebuigen,  stehe  ieli  anf  dem  Btandponkte  der  Oleichwertigkeit  iwischen 
Ant  nnd  Lehrer.  Wie  der  Artt  behauptet,  daß  ein  Laie,  wenn  er  sich 
Aach  noch  so  sehr  an  medisinisehem  Wissen  bereiebert,  auf  dem  Gebiete 
der  Medisin  doch  ein  Kichtfachmann  bleibt,  so  bleibt  ein  Ant  jedeneit 
•in  Dilettant  im  unterrichten.  Und  die  Knnst  des  ünterriehUns  kann 
ia  der  Sehnle  der  Heilknnst  nicht  nachgestellt  werden.  Übrigens  ist 
HjgieDe  nicht  Heilknnst,  was  in  dieser  Streitfrage  in  Gonsten  der  Ante 
aeck  fiel  rawenig  anseinander  gehalten  wird,  sie  ist  eine  Disziplin,  die 
Qcmsmgnt  aller  Binaiehtigen  werden  aolL  Und  inm  Schinase  noch 
eiaes:  Wie  findet  man  sc  mit  den  einfachsten  hygienischen  Gmndatsen 
Tereiabar,  daß  ein  Ant,  der  Ton  Krankenbett  la  Krankenbett  eilt,  in 
der  Bchnle  nnterrichtet,  Ton  welcher  der  Lehrer  ansgeschloesen  erseheint, 
»bald  ehi  InfektionsfaU  in  seiner  Familie  konstatiexi  ist?  Oder  soll  da 
dieeer  Unterricht  immer  ansfaUen?  Ich  fOrchte,  das  gäbe  wenig  Unter- 
richtsstunden in  der  Hygiene. 

Avssig.  Dr.  0.  Hcrgel. 


Vierte  Abteilung. 

Miszelleiu 


Karl  Christian  Erast  Graf  tob  Benxel-Steraaii. 

Kamoi  TerblMsen  und  loschen  aott  mochte  ihnen  aoch  die  IGtwelt 
ein  nie  erlöschendes  Andenken  in  Aassieht  gestellt  haben.  Ein  sddiet 
Name  ist  ^r  des  Dichters  nnd  Staatimannes  Kari  CbrietiMi  " 


BenMl»9teman.  6eborao  aa  IfaiM  am  9.  Aprä  1767«  war  er  in  dsa 
Jahren  1806—1812  Direktor  des  badiieben  Miaisterinms  den  Innan  ud 
durch  iwei  weitere  Jahre  bis  1814  Staatsminister  des  Grofihenogs  tos 
Frankfurt.  Man  hatte  damals  den  Omndsats  anffestellt,  die  ÜidfmitIteB 
in  die  Hanptstftdte  sn  Tcrlegen»  wodurch  anstreitig  der  Qesichtskreis  der 
Lehrer  erweitert,  kleinliehen  Beibnngen  anter  denselben  Torgebengt  and 
nnter  den  Stndierenden  mancher  tOrichte  firaneh  gemildert  worden  iit 
Die  Universiat  sn  Frankfurt  a.  d.  0.  worde  iwar  auf  Wunsch  des  Ministen 
Stemau  dorch  ansehnliche  Lehrer  Terstärkt,  dtkrfte  aber  wegen  der  ob- 
waltenden Verhiltnisse  sdiwerlich  in  bedeutender  Blftte  gelangt  seis, 
weshalb  ihre  Übertragung  nach  Breslau  und  Verbindung  mit  der  dortigeD 
Universitit  beschlossen  wurde.  Als  dann  die  Flamme  der  B^eisterug 
während  der  Befreiungskriege  wieder  gedämpft  wurde  aus  Besorgnis,  die- 
selbe wflrde  das  ganse  Staatsgebftude  gefährden,  sog  sich  Graf  Beniel- 
Sternan  von  den  Staatsgeschäften  surflcl  und  nahm  seinen  Aufenthalt  in 
Zflricb,  wo  er  sich  fortan  den  gelehrten  Studien  und  der  Dichtkonst 
widmete,  ohne  darum  die  politischen  Wandlungen  ans  dem  Auge  sa  ver- 
lieren und  mit  seinem  gedankenreichen,  kräftigen,  mitunter  schanen  Werte 
IUI  Verbreitung  freisinniger  Ansichten  bis  su  seinem  am  18.  August  1849 
SU  Mariahalden  am  Zflricher  See  erfolgtem  Ableben  lu  wirken«  Froherr 
Ton  Biedenfeld,  welcher  1609,  damals  mit  dem  Grafen  Leopold  Ton  Hech- 
hergf  dem  ältesten  Sohne  des  Qrofihenogs  Karl  Friedrich  Ton  Baden  ia 
Heidelberg  studierend,  von  der  Universität  nach  Karlsruhe  herttbergekommes 
war,  um  Bestimmtes  über  das  Schicksal  seines  Bruders  in  erfären,  des 
ein  glflckiicherweise  grandloses  Geiflcht  unter  den  in  der  glorretebes 
Schlacht  Ton  Aspem  Gefallenen  genannt  hatte,  schildert  den  Grsfon 
Benzel-Sternan,  der  damals  an  der  Spitze  der  Verwaltung  Badens  stand, 
in  einer  Tagebuchnotii  als  eine  imponierende  Erscheinung  Ton  mittlerer 
Große,  stämmig,  breitschulterig,  mit  plastuch  modelliertem  Kopfe  «nd 
einem  Antlits,  welches  der  ansdrocksvoUstcn  Mimik  fähig  war.  Seiae 
Stimme  hatte  Kraft  und  Klang  und  die  Bede  dieser  Stimme  lieft  Geist, 
Schiagfertigkeit  und  eindringende  Vertrautheit  mit  dem  jeweiligen  Bebaod* 
Inngsgegenstand  erkennen.  Seine  Werke  mit  zumeist  humoristlseh-cagn- 
ichem  Einschlag:  ,Das  goldene  Kalb«  (1804),  die  Pjgmäenbriefe  (ISOgX 
seine  vier,  soziale  Probleme  behandelnden  Bomane  hatten  ihm  daaule 


5A1 

Bidift  mIUd  Ml  Spitifiadigkttion  «ad 

intitr  Mjitib  ttollMiviiM  Mcb  m  uWhaglkW  Üb«r]*diiof  ud  Weit- 
wttdif  Wt  im  Batihan  Klanr  «ad  darebttchtig«  aad  BenMl-StemaBa 
ylitMcha  fkhriftaa  ftlier  dk  Zakaaft  das  BonapartitnwM  ia  Fraokr«i«h> 
«bar  Unpnaf  aad  SatvieUoaf  dtr  ooeatalitebaa  Frairt»  flb«r  dk  frak- 
tiseke  Aawtadaair  theoretiacli  gawonaeaar  politifcher  Biatichtan  a.  a. 

Ia  baidaa  Bichtaagaa  laigaa  aaiaa  gaaektehtaphiloaopbiaahaB  Ba- 
tnektaagaa  aiaaa  vaitaa  Bliek«  aia  AhnaagsTannOgaa»  walehaa  dareh 
dea  Schlaiar  dar  Zakaafl  dai  Varhioffais  ▼orhanab,  tob  walaham  iwai 
Qeaantioaaa  apiler  die  fraaiMacha  Natioa  araili  wardaa  sollte.  Ea  ad 
wahfiahaialich,  maiata  Graf  BaaBal-Staraan,  da5  die  Methode  Napolaoa  I., 
«aiehar  aa  TeiaUad,  die  rerelatieaire  Bevagaag  eheaao  gawaadt  aa«a- 
Dfltiea  wie  die  Zerfahraahait  der  übrigaa  earopiiaehaB  GroßataataBy  ihre 
Ftotaatiaag  fiadaa,  aber  aefaüeftlieb  doeb  SchÜfbraeh  erleidea  werde.  Deaa 
aiebta  wirle  ao  abediwi^ead  and  kraftUbaiead  ala  die  EiteHieit  aad 
der  EigeadHakel,  der  aich  aelbet  belUgt,  aad  ao  werdea  die  Lebrea» 
«alaba  Fraakreiak  erhalte«  hat  aad  neeh  «riialtaa  werd%  ihm  aiebta  ge- 
Bfitil  babea. 

Aafteret  ▼erferaat  mit  der  Geataltaag  der  Diage  in  Orieat  aad  wie 
•altaa  aia  Staatamaaa  befthigt,  die  erieataliaehe  Frage  aaeh  der  MOg- 
liflhkeit  aad  dea  Mittala  la  beaiteilea»  Friedeaaeteniagea  bintaain- 
balteab  aiad  Steraaaa  diaebetflgiiehe  Aaaiebtea  aaeh  beate  aoeb  bemer> 
keaaweit  geaag»  am  aaa  Umea  Belehraag  «ad  Nataea  in  aieboa.  Obwohl 
IT  eia  aiklirter  Gagaer  dea  Kiiegea  war»  dea  er  ala  ferderbliehee  Ab- 
pbiade  der  Meaaebheit  betraahtete»  koaate  er  aieh  deaaoeh  mit  der 
Idee»  dea  £rieg  aaa  dar  Welt  la  iahaJBeai  die  damala  aa  dea  Pbiloiopbea 
Qotitlab  Viehte  eiaea  flbenangtea  Aawait  hatte,  aiebt  befreaadea.  Die 
naabaMBde  Sehwiahe  eiaea  Btaatai^  sagte  er  im  Hiablick  aaf  die  TOrkei, 
•ai  immer  aooh  eia  starker  Aareis  Kkr  die  Naehbamtaatea  gewjMea»  sieh 
saf  deasea  Eeaten  aa  ? «rgrOßei«»  was  aar  bei  dem  ebrliebea  Oaterreieb 
siebt  satreüSs»  wibread  bei  soaehmeadar  iaaerer  StArke  d«r  Btaatea  dieae 
ssf  LiaderaBwaebe  bedaeht  aeiaa,  wae  bei  fiaglaad  der  Fall  aal  Sieher 
vüde  ea  die  aiodene  Ladaelrie  iaimer  mehr  sawege  briagea»  aaf  kleiaem 
Bsaaie  groik  Weite  sa  eraeagea,  aber  die  BraaagBisae  erbeisehea  Ab- 
sebaier»  verlaagea  Koaaameatea.  aad  da  dieae  haBptsiehlicb  oater  dea 
Babaloffeiaeogera  la  saeboB  siad,  trete  die  Notweadigkeit  erweitertes 
Leadheeltsee  bei  dea  lAdaatrieTOlkara  immer  driaglieber  satage.  Das  sei 
dar  eiae  Graad»  weahalb  ia  eiaea  immerwibreadea  Friedea  keia  YerlaO 
iflt  Dia  aadere  Seite  sei  Tollgaaebriebea  mit  Vertrigea,  Abkemmea  aad 
diplomatiaebea  Notaa»  lameiat  aaerfailteB  and  aaanailbareB  WftBtcheB, 
beemidera  dort,  wo  ea  aieh  am  dea  Islam  haadell  Uatar  deasea  Harricbaft 
•ei  das  religiOae  Momeat  mit  dar  priratea  aad  OifeBUichea  Beebtalage 
und  aaeh  mit  dam  Jf^^niea  wirtachiurtlicheB  Lebe«  anlOabar  verkittet. 
Alle  Venaehe,  die  Tttikei  aaeh  earopAiaeham  Master  «a  reformiere«, 
dlrftea  fraehtloe  bleibea,  solaBge  die  islamiiisebea  Staate«  aa  dea 
SsUaagen  dea  Koraa  festhalten,  «ad  das  werde  eich  trots  alier  AufklAraog 
n  bald  aiebt  iadera. 

Graf  BoDiel- Steraaaa  an  klarea,  freisiaaigea  Ansebaanngea  and 

Kistreichea  Senteasea  reiehea  Sehriftea  siad  jetit  so  siemlieh  Tergessea. 
bat  antar  seiaea  Zeitgeaossea  Dichter  gegeben,  wekbe  iba  aa  Fbaa- 
tasie  aad  ? olkstflailieber  DarstelloDirigabe  weit  überflftgelt  babea,  kaam 
aber  eiaea,  dem  eiae  aolehe  UabeiaBgenbeit  das  Bliekea,  eiae  so  viel- 
•eüige  Kombioatioasgabe  eigea  war  wie  diesem  StaatBmaaae. 

Ffir  Tirol  besitst  der  Käme  der  aas  Schwedea  stammeadea  Grafen 
Beuel-Steraaa  aaeh  deshalb  eiaea  besoaderoB  Klaag,  weil  Graf  Albert, 
der  als  Bittmeister  dea  Babeetandes  laaabroek  sa  seiaem  Aofeatbalte 
w&blte  aad  hier  am  6.  Mai  1878  im  72.  Lebeasjahre  ▼ersehied,  seia  ganses 
VeimOgea,  etwa  50.000  Galdea,  einer  ieitent  der  Laadiebaft  sa  errieh- 


542  llimlleD. 

tonden  BlindeoAiMtalt  gewidmet  nod  teiii  rMchhaltigee  Heibaritm  im 
Gymnadam  in  Hall  ▼ermaeht  hat  Das  StiftaiigeTennOfreii  wird  top  der 
Laodichaffe  Terwaltet  und  hat  setther  einen  ansehnlieben  Znwaehi  erfihna. 
Chraf  Albert  Aleiander  war  der  ältere  Sohn  des  Staatiminitten  and  dai 
Haopt  der  jtkngeren  Linie  der  Stemani,  welche  in  Baiem  1818  bei  der 
Grafenl^laaie  immatriknliert  worden  iit   Er  ttarb  nnTermihlt. 

Innsbrack.  Dr.  F.  Lentaar. 


Literarische  MiBzellen. 

Cieeros  Bede  gegen  Q.  Caecilins  und  das  vierte  Bach  der 
ADklageschrift  gegen  G.  Verres.  FOr  den  Sebalgebraneb  beraot- 
ffegeben  Ton  Hermann  NobL  3.  Auflage.  Leipiig»  Wien  (Freytag, 
Tempiky)  1007.    160  88.   Preis  1  K  80li. 

Der  lateinische  Text  der  neneiten  Anflaga  dieser  Sehnlansgabe 
stellt  sich  als  nn?erinderter  Abdruck  der  früheren  Aoflage  dar.  Kv  ia 
der  Bede  gegen  Verres  finden  sich  an  Tier  Stellen  Abweichnngen  Ton  dister. 
So  sind  §  71  die  in  der  iweiten  Auflage  mit  Eberhard  getilgten  Worts: 

Qw>d  pr%v€Ui omari  pastus  est  wieder  aof|genommen  worden.  Im 

Zinsammenhange  damit  steht  die  §  101  aufgenommene  Lesart  omamdi, 
die  mir  aber  su  ad  spoUandwm  keinen  richtigeren  Oegensats  su  bildoi 
scheint  als  die  frtkhere  Lesart  orandi,  §  54  wurde  die  Um&ndemng  ron 
iüigabat  und  indudehat  in  den  Plural  Torgenommen,  §  188  ist  an  Italla 
eines  pordnum  eaput  ein  aprinum  c,  getreten.  —  Im  Anhange  hilt  dar 
Heranseeber  daran  fest,  daß  die  Verwertung  der  Bede  m  Iranatgeechisht- 
lidier  Belehrung  sieh  nicht  auf  dis  in  der  Bede  erwihnten  Eflnstler  ead 
Kunstwerke  bescbr&nken  dürfe,  sondern  daß  nach  Bewiltigung  der  Bads 
ein  susammenhftugender  Überblick  Ober  die  Entwicklnns  der  grieehischeB 
Plastik  am  Platse  sei,  wosn  es  bei  dem  größeren  Umfange  der  Bads 
allerdings  oft  an  Zeit  fehlen  dürfte.  Dieser  Teil  dea^  Anhangs  hat  sowohl 
im  Texte  als  auch  in  den  Abbildungen  etliche  Änderungen  erfabran, 
w&hrend  die  an  ihn  sich  schließenden  Erklärungen  der  Eigennamen  oad 
sachlich  schwierigen  Stellen  im  ganien  dieselben  geblieben  sind.  Auch 
an  der  Einleitung  ist  nichts  geändert  worden.  Die  Tom  Lehrer  geleitata 
BentktsuDg  des  Anhangs  ermöglicht  dem  Schüler  auch  ohne  ipeneUaa 
Kommentar  schon  bei  der  häuslichen  Vorbereitung  das  Verständnis  manchar 
schwierigen  Stelle,  worin  ein  Vomg  der  bewährten  Schulansgabe  liagt 

Wien.  Frani  Kuas. 


Alexander  Malin  in,  Hat  DOrpfeld  die  Enneakranos-Episode 
bei  Pausanias  tats&chlich  geUst  oder  auf  welchem  W^ 
kann  diese  gelöst  werden?  Einige  Bemerkungen  an  Judeichi 
«Topographie  Ton  Athen".   Wien,  Holder  1906.  8683. 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  Ansetinng  der  Enneakmnos  dureh 
DOrpfeld,  indem  er  behauptet,  der  Spaten  sei  unsureichend  fftr  die  Ent- 
scheidvog  dieser  Frage,  es  müsse  die  literarische  Tradition  herangeMgeo 
werden,  die  fttr  DOrpfald  durchaus  nngflnstig  sei.  Er  setit  die  Enoas- 
kmnos  am  Ilissos  an  und  erklärt  die  Enneakninos-Episode  bei  Pansanisf 
als  einen  durch  eine  Blattvertauschnng  entstandenen  Tezteinschnb.  Baf. 
kann  sich  nicht  damit  einTerstanden  erklären,  sondern  hält  den  ton 
DOrpfeld  ausgegrabenen  Brunnen  fftr  die  Enneakmnos. 

Wien.  Dr.  Johann  Oehlar. 


543 

E.  Letosehek,  Sammlonff  yod  Skizzen  und  Kurten  zur 
Wiederholung  beim  Studium  der  mathematischen,  phyai- 
kalischen  und  politiiehen  Geographie.  Droek  «od  YnhLg  der 
kirtogr.  Anftalt  von  Frejtog  k  fienidt 

Auf  18  Tafeln  werden  245  Kartentkinen  Torgeftthrt  Neben  einer 
Beihe  gvter  Entwfirfe  findet  sieb  aoeh  manchee  Unbranehbare,  das  mit 
BOckriebt  anf  die  lacbliehe  Biohtigkeit  der  YonteUnngen  nnd  den  Zweck 
dae  erdknadlichen  Zeiehneni  ftberbanpt  Tom  Unterricbte  lieber  fem  ge- 
bilten  werden  möge. 

Wien.  J.  Mtlllnei. 


Programmenschau. 

16.  Dr.  Mauriz  Schuster,  De  Apollodoris  poetis  comicis. 
Aecedit  emosdam  Apollodori  interpretatio.  Progr.  des  k.  k.  Staate- 
Obergymnaeiomi  sn  Wiener-KeniUdt  1907.  85  SS. 

Im  ersten  Teile  seines  Anfsatses  nntemimmt  es  der  Verf.,  den 
Nachweis  in  fahren,  daft  die  drei  Dichter  der  attischen  KomOdie,  die  den 
Namen  Apollodor  tragen  and  durch  die  Beinamen  *AdjfP€aosy  Ka^atvos 
sad  r9lt^  onterMhieden  werden«  eine  nnd  dieselbe  Person  seien.   DaO 
mit  dem  von  dem  einsigen  Snidas  angef&brten  Athener  Apollodor  nnr 
der  Karjstier  gemeint  sein  kann,  nnterliegt  wohl  keinem  Zweifel    Es 
himddt  sich  also  nar  noch  nm  den  Geloer  nnd  den  Karystier.  DaO  anch 
dieie  beiden   nicht  sn  trennen  sind,  erweist  der  Aotor  durch  folgende 
Qrttnde:   1.  Die  literarischen  Notisen  Aber  die  beiden  ApoUodore  bei 
Ssidas  ergSnaea  einander.    2.  Von  den  von  Soidas  s.  y.  IteoUdddvpog 
Pümog  diesem  sngeschriebenen  Stftcken  tragen  die  drei  ersten  an  anderen 
Stellen  (Said.  s.  ▼.  anwddt»,  Athen.  VII  280  D,  VI  248)  den  Namen 
des  Karyitiers.    Dasselbe  gilt  anoh  von  der  bei  Soidas  nicht  genannten 
'AxoXtiMovaa,  als  deren  Verfasser  Ton  Athenaeas  III  125  a  der  Geloer, 
bei  Photias  Bpist  156,  p.  210  hingegen  der  Karyttier  genannt  wird.  Die 
ftbrigen  ?on  Soidas  angefahrten  KomOdientitel  sind  verd&chtig.    8.  Ver- 
lUUiche  Aatoren  wie  der  Anonymas  xf^l  nafiipdiaey  Stobaeas,  ferner 
CIA.  II  977  ond  Etjm.  M.  818,  8  wissen  nichts  von  swei  ApoUodoren. 
4.  Die  sprachlichen  and  metrischen  EigentOmlicbkeiten  beider  Dichter 
•tinmen  ttberein.  Bei  beiden  finden  wir  eine  etwas  berabgekommene,  seh  wang- 
lose, anf  Neabildongen  erpichte  Sprache  nnd  Nachlässigkeit  im  Versbaa. 
—  Der  heikelste  Ponkt  in  der  ßeweisffihrang  ist  jedenfalls  die  Zeitfrage. 
Denn  während  Saidas  in  seiner  biographischen  Notis  den  Geloer  einen 
Zeitgenossen  Menanders  (c  842—892  n.  Chr.)  nennt,  wftre  der  Karystier 
nach  Athen.  UV  664  A  and  VI  241  f.  nngefihr  in  die  Zeit  tod  290—240 
t.  Chr.  sn  setsen.   Der  Antor  erkl&rt  diesen  Widerspruch  durch  d[&  Ad- 
nähme,  die  Notis  bei  Saidas  sei  nicht  aU  Zeitangabe  aafzuraafi«!!^  sond^rD 
soUs  nm  die  ZogehOrigkeit  des  Dichters  sor  nenereo  K«?m{idie,  dereo 
Haaptvertreter  eben  Menander  ist«  ansdrflcken.    Jedenfslle  ist  auch  Hef. 
im  Hinblicke  auf  die  flbrigen  beweiskriftigen  Argom«Dte  der  Anaicht, 
es  dftrfe  nm  jener  Angabe  des  ansaverlftssigen  Soidas  wiikQ  die  Hjpo- 
theee  nicht  geopfert  werden.  —  Der  Grand,  wamm  dertelb«  Apollodor 
«SS  bald  als  Karystier,  bald  als  Geloer  begegnet,  i«t  nach 
Ansicht  darin  sn  soeben,  dsA  der  Dichter  einmal  nach  aeitii 
ort,  ein  anderee  Mal  nach  der  Stadt,  in  der  er  das  BQrgei 
snbenaant  wnrde. 

Der   sweite  Teil   des  Aafsaties  bescbifUgt   sieb   mi 
Athsaaeas  YII  280  D  fiberlieferten  Fragmente  aas  dem  F^app 


i 


y 


5M 

(^KftMdnCAbTlkaiit«).  D»p  FngiiH»!  strOUl  «Mb  dei  Aftw  Aw^t  k 
iwei  Teile.  In  y.  1—14  fflbrt  ein  frobem  Leben^genOMe  s^getoaer  JUna 
Klage  darftber,  daft  die  Menaeben  nnr  darauf  amgeban,  sieb  m  bekiauifcB 
Dod  n  TeroichteB»  und  gibt  die  Sobald  daran  einem  binriaeben  GeeobidLe. 
Kacb  y.  14  iit  eine  knne  Antwort  der  »geredeten  Penon  in  denken, 
woranf  der  Spreeber  ▼.  15— Sebloli  die  Freuden  aobilderi  die  em  fried- 
licbea  Leben  gestattete.  Angeredet  wird  eine  Franeneparaon.  Daß  dieie 
keine  Qottin  aein  kOnne  —  eine  aolcbe  vennntot  Maineke  <**  mOebU  ieh 
aoa  der  Anrede  yZtwvrdcv  nicbt  scblieAen.  £•  genOgt  dteabasfigliGb  vd 
die  Art  in  Terweiaen,  in  der  i.  B.  Ariitopbanea  nut  GOttem  nnd  QOtdnaea 
▼er&brt  —  Die  saoblieben  und  apraoblieben  Erklimogen  aiod  aorgfUtig 
nnd  erachOpfend,  die  konservatiTe  Metbode  der  Textkritik,  die  aicb  s.  B. 

in  der  Beibebaitnng  des  ftberüeferten  TIq  yit^ TSUip  (t.  9—10) 

seigty  nnr  lo  billigen. 

Melk.  Dr.  Hippolyt  Haas. 


17.  Dr.  Alfred  Nathansky,  Baneriifeld  und  Schubert.  Progr. 
dei  k.  k.  Staatagjmnasinms  in  Triett  1906.   28  88. 

Den  F^nodsebaftabnad,  d«r  Sebnbert  nnd  Banemfeld  f«n  1885 
bis  in  den  Eomponiiten  Tode  verband  nnd  d«r  ein  aniiebendea  Bild  der 
kftniüeriacb  ao  boebttebenden  Boböme  dea  vonnftnlieben  Wien  bietet,  bat 
N.  bereiU  im  Ciemowitier  Tagblafct  1908  (Nr.  44,  47,  48,  56)  geeebfldert; 
bier  geht  er  baaondera  anf  die  Diebtnngen  Banemfelda  ein,  in  denen  dai 
VerbUtnie  Anlaß  bot  Ea  aind  reebt  harmloae  OelegenheitediebtuigeB: 
eine  Faree  ana  dem  Jabre  1825,  aebr  entfernt  mit  Goetboeehen  Jogend- 
wetkan  ftbnlioben  Uraprange  Torgleiebbar,  niebt  ebne  Intereeae  Ar  die 
Gbarakteriatik  Sebnberto  nnd  aeinee  Kreiaea,  ein  reebt  aebwioblieber  Ptotog 
in  «iner  Sebnbertfeier  ans  dem  Jabre  1851,  endlieb  ein  Opemllt»etto 
„Der  Graf  ▼.  Gleieben«*.  Dieaem  gill  der  gr6Ate  Teil  der  Arbeit;  N.  gibt 
eine  StofPgeaobiebte  nnd  eine  eingebende  Anakae  dea  nngedmekten  Werket 
aowie  der  bloA  begonnenen  Sebnbertiehen  Eompoaition. 

Wien.  Dr.  Valentin  PolUk. 


18.  D.  Werenka,  Kritische  Bemerko^gen  Über  die  Gefechte 
der  Thebaner  yod  der  Schlacht  bei  Haliarios  bii  rar 
Schlacht  bei  Mantinea.  Progr.  der  grieeb.-orient.  Ober-Bealfebola 
in  Gseroowitz  1907.   80  SS. 

Der  Zweek  dieaer  Abbandlnng  aobeint  der  Nacbweia  in  aein,  daft 
1.  die  Naebricbten  Qber  Epameinondae  bii  an  aeinem  Auftreten  anf  den 
Friedenskongreß  in  Sparta  keinen  Glauben  Tordienen,  daß  er  bii  n 
dieaem  Zeitpunkt  Qberbanpt  keine  belangreiche  Stellung  eingenoramea 
bat,  daß  2.  die  Tbebaner  aeit  dem  Ende  dea  peloponneaiaeben  Kriccei 
weder  politiaeb  noob  militAriiob  Torsandig,  aondern  lediglicb  rftoksiehtaioi 
und  brutal  vorgegangen  aind  und  daß  8.  die  Sehlacbt  am  Nemeabacbe 
bei  Korintb  geacfalagen  wurde. 

Ala  Proben  für  Inbalt  und  Form  dieaer  Darlegnuiren  mOge  folgeudei 
gentkgen.  S.  4  «Dieee  Einriebtung  (die  bl.  Schar)  durcbziebt  den  gaaiea 
bOotiscben  Staat ....  in  icbOner  und  erfolgreicber  Weise  ....  Allerdingi 
baben  diese  halqoL  aucb  eine  Kebraeite  gehabt*.  8.  11  Zenonbona  Sats 
«in  seiner  HelleDika*"  und  ebenda  „die  Stelle  in  der  Hellenika*.  S.  23 
,Daa  Liebt  der  Welt  erblickte  er  (Kpameinondaa)  mm  eraten  Male  iv 


r  i  i  I  MS 

bei  MutjBM  982  mmb  IM.  W< 
bei  MabUma  tritt  «r  nt  Leboa  « 

b6KblMflt    « 

aTtntiadtielMB  nd  f« 

dicM  (Atha)  _ 

«■e  Gäikr  Aaria 

Dtr  Vüf.  m 

driagead  m  nin,  daft  er 

Deotiefa  la  Bchreibaa  wi 

Graa.  AMf  Baaer 


19.  Dr.  Leopold  Seltenhammer,  Papst  CMostin  V«  (Peter 
fon  Mnrreno).  Pn^.  der  k.  k.  Staala-Ewdicfcik  im  IIL  BMiikt 
Wieaa  1907.   U  88. 

Maa  koaai  dM  GeMbkht»  des  Eianedkn  aaf  dem  p&pttlkkaa 
StoU,  die  eonderbare  Ait,  vie  er  dabia  felaagte  aad  aich  »einer  all 
lijtigen  Bflrde  wieder  eatledigte.  Da  der  Gefeattaad  ia  aU^neiaerea 
Qod  fpeuellen  Schriften  wiederiiolt  aoeh  aeaevtent  behaadelt  warde»  darf 
min  in  der  Torliegeadea  Schrift,  die  aaf  eiaer  fatea  Eeaatais  des  ein- 
Khligigen  Qnelleaaiateriak  beraht,  aach  keiae  neeea  Getichtapaakte 
erwarten.  Die  Arbeit  achildert  sachgeinftA  1.  Peter  alt  Eintiedler  aad 
Ordens^nder»  2.  Seine  Wahl  mm  Papat,  3.  Das  Poatifikat  COleetiat  V., 
4.  äeine  Abdanknnf  aad  5.  Seia  Lebenaeade.  Von  Intereate  wäre  «a 
gewesen,  ana  aaitgenOssisehen  Quellen  den  Bindniek  lu  achildem,  den  die 
Abdaoknng  dea  Papstes  anf  die  abendündlache  Christenheit  machte. 

20.  B.  Ereiszle  y.  Hellborn,  Die  Versuche  einer  deutschen 
Seiehsreform  unter  Bnpreeht  yon  der  Pfali  und  Sigismund. 
Progr.  der  k.  k.  Staata-Oberrealschale  in  Teschen  1907.  22  83. 

Aaf  Omod  umsichtiger  Benfitsnng  der  ia  den  Beicbstagsakten 
pablisierten  Qaellenmaterials  nnd  der  einschlägigen  Literatur  erörtert  der 
Verf.  im  ernten  Abschnitt  innichst  die  Versache  Bnprechta  yon  der  Pfals 
xogansten  dea  Landfriedens,  Versache,  die  bei  seinem  Mangel  an  den 
mtsprechenden  Mitteln  nicht  riel  Erfolg  hatten,  und  geht  dann  aof  die 
Beformbeatrebaogen  Sigismund,  welche  die  Aufrichtung  eines  allgemeinen 
Undfriedens  aum  Ziele  hatten,  nfther  ein.  Die  Gegensfttse  swiicben 
Königs-  und  Knrfflrstentum  werden  hiebei  trefflich  beleuchtet,  die  Land- 
fnedensfrage  bia  1487  besprochen. 

Im  iweiten  Teil  behaadelt  der  Verf.  in  gleicher  Weise  das  Gerichts- 
weiea  aad  die  Versuche  es  su  reformieren.  Unter  Ruprecht  wurden  derlei 
Veraoche  gar  nicht,  unter  Sigismund  erst  am  Ende  seiner  Regierung 
sBternoauseii.  Auch  dieser  Teil  ist  streng  quellenmäßig  ausgearbeitet. 

21.  Dr.  W.  Schmidt,  Zur  Veranschaulichuog  der  Zeitfolge 
io  der  Geschichte.  Piogr.  des  k.  k.  Elisabeth -Gymnasiums  in 
Wien  1907.  82  SS. 

Diese  gehaltvolle  und  gut  geschriebene  Arbeit  Terdient  die  A 
■crksamkcil  aUer  Fachkollegen,  denn  sie  enthält  eine  Reihe  trefflic 
BfmeiliBgfB  Aber  die  seitliche  Gruppierung  der  Begebenheiten  in 

IctecMII  C  4.  teUrr.  Qjwan.  1908.  TL  Heft.  85 


646  ProgrammeDteban. 

Oetefaiefate  and  den  Wert  einer  richtigen  seitliehen  und  anediaiilicheB 
Erfaetong  der  Ereigniise.  Sind  lehon  die  allgemeinen  Bemerkmigen  recbt 
lehrreich,  lo  gilt  das  namentlich  anoh  von  epesiellen  Aneffibningen  Aber 
die  anBchanliebe  Behandlung  etwa  der  griechischen  nnd  römischen,  dann 
in  gleicher  Weise  der  deutschen  Qeschichte  usw.  ErOrternngeo,  wie  sie 
der  Verf.  vorbringt,  machen  den  Unterricht  belebt  nnd  wecken  die  Liebe 
des  Schülers  sa  dem  Gegenstande,  ohne  daß  ihm  »viel  an  Unterrichtsstoff 
logemntet  wird.  Bef.  erinnert  sich  heate  noch  mit  Dank  einer  ihnUchen 
Unterrichtsmethode  einer  seiner  Lehrer ^  die  einen  reichen  Erfolg  hatte. 

Qras.  J.  Losertb. 


21.  P.  Symmachns  Warm,  Eapharnaum.  Progr.  des  k-k.  Fraai 
Josef-Uymnasinms  der  Franiiskaner  la  Hall  1906/1907.   85  8S. 

Nach  einer  knrsen  ErOrterong  Ober  den  Namen  nnd  die  Bedeatosg 
der  Stadt  Kapharnanm  stellt  der  Antor  aof  Grand  einer  nmfangreicben 
Literatur  in  recht  ftbersicbtlicher  Weise  die  Gründe  tnsammen,  die  ibm 
daflBr  sn  sprechen  scheinen,  daß  das  biblische  Kaphamaam  an  der  Stella 
des  heutigen  Tdl  Hüm  zn  soeben  ist  Diese  Argumente  sind  entnommea 
der  Bibel,  Josephas  Flavios,  der  arabischen,  jttdischen  nnd  cbristUcben 
Tradition,  den  Angaben  alter  Karten  sowie  der  Betrachtung  von  Kaphar- 
nanm als  Zollstitte  nnd  Garnisonsort  und  endlich  der  Ardiiologie.  Wie 
schwach  die  meisten  dieser  Argumente  sind,  hat  der  Autor  wohl  selbst 
geffiblt,  da  er  nur  den  Torletsten  Punkt  als  ansschlaggebend  betrachtet 
wissen  will.  Wenn  man  infolgedessen  auch  nicht  der  sa  Beginn  der 
Abhandlung  zitierten  Ansicht  van  Kasterens  beistimmen  kann,  daft  die 
Frage  besfiglich  der  Lage  Kapharnaums  eine  quaestio  iudicata  sei,  se 
kann  man  doch  soviel  sugeben,  daß  mit  BQcksicbt  auf  die  geographisches 
Haltpunkte  die  Annahme  Kapbarnaum  =  Teü  Hüm  weitaus  mehr  ftr 
sich  hat  als  die  allerdings  anch  stark  vertretene  Ansicht  Kapharnaum  s= 
Chan  Minyeh,  Unangenehm  empfindet  man  das  Fehlen  einer,  wenn  aoek 
nnr  flflchtigen  Skizse  der  besprochenen  Gegend,  obwohl  eine  solche  ftr 
die  Würdigung  mancher  Argumente  von  nicht  geringer  Bedeutung  wire. 

Melk.  Dr.  Emmeran  Janak. 


22.  Dr.  W.  Illing,  Mähren  und  seine  Beyölkernng.  Piogr.  der 
LandesOberrealscbnle  in  Zwittan  1905.   21  SS. 

Der  Verf.  bietet  in  dem  vorliegenden  ersten  Teile  seiner  Arbeit 
einen  guten,  kurzen  Oberblick  Ober  die  geographischen  Eigenbeiten  ood 
die  geschichtliche  Entwicklang  Mihrens  bis  zur  Gegenwart. 


23.  Othmar  Sigmund,  Beitr&ge  zur  Kenntnis  der  Höhen- 
regionen  in  den  Ostalpen,  ii.  Teil.  Progr.  der  k.  k.  Staata* 
Oberrealschule  in  Görs  1905.   26  SS. 

Die  Arbeit  setzt  in  anerkennenswerter  Weise  die  im  44.  Jahrei- 
hericbte  der  Anstalt  begonnene  Besprechung  der  HOhengrenzen  in  des 
Niederen  Tanern  fort.  Sie  bebandelt  das  Mnrgebiet.  Dieses  wird  in  drei 
Abschnitte  zerlegt:  das  Hurtal  zwischen  dem  Eichsfeld  und  dem  Longao, 
das  Folstal  und  das  WOlzertal.    Tabellen  am  Öehlusse  jedes  Abschnittei 


PrognuDmanschaii.  547 

geben  einen  Einblick  in  die  Mittel-  nnd  MazimalhOlie  des  VoriLonimens 
fon  Winterweisen»  Sommerweisen  and  Boggen.  AnOerdem  werden  anch 
die  entapreebenden  Werte  fflr  die  Enltorgrense»  die  Alpwirtsehaftagrense 
ond  die  Waldgrense  mitgeteilt.  Die  letsteren  itehen,  soweit  ein  Vergleich 
mOgiieh  ist»  in  befriedigendem  Einklänge  mit  den  Yon  Marek  (Waldgrens- 
Stadien  in  den  Osten.  Alpen,  1905)  gefondenen  Zablen.  Der  Schloß  der 
Arbeit  ist  dem  nächsten  Jahresberichte  vorbehalten . 


24.  Fr.  Stenzl,  Einfluß  der  ErddrehuDg  auf  BewegUDgen  an 
der  Erdoberfl&che  in  neuer  Darstellung.  Progr.  der  Landes- 
Oberrealsobnle  in  Zwittan  1904.  20  88. 

Der  Verf.  beabsichtigt  durch  seine  Ansfflbrangen  dem  in  Bede 
stehenden  8toffe  die  Schwierigkeit  tn  nehmen,  die  ihm  anf  Grand  der 
bisherigen  Darstellnngsweise  unserer  Lehrbflcher  innewohnt.  Er  beschäftigt 
sieh  im  ersten  Teile  der  Arbeit  mit  dem  Einfloß  anf  VerBchiebongen  nach 
jeder  beliebigen  Richtung.  Er  erOrtert  an  dem  Beispiele  der  Änderang 
der  Gesehoßrichtnnff  den  Einflnß  der  Erddrehnng  anf  horitontale  Ver- 
ecbiebnngen  am  Pole  and  gebt  dann  anf  Bewegungen  beliebiger  Bichtung 
in  Terschiedenen  geographischen  Breiten  Aber,  von  den  hieraus  gesogenen 
Folgerungen  interessiert  besonders  die  fflr  „Wasserflflsse*'  gewonnene.  Der 
Verl.  gelangt  su  dem  Ergebnisse,  daß  das  im  Bhein  bei  Mannheim  «yon 
der  Eradrehung  bewirkte  Gefälle  Ton  rechts  nach  links  nahesu  dieselbe 
GrOAenordnung  erreichen  kann  wie  das  Gefälle  des  Flußbettes*.  Im  iweiten 
Teile  leitet  der  Verf.  die  Ablenkungsergebnisse  aus  dem  d'Alembertschen 
Prinsipe  ab  und  liefert  dadurch  den  Beweis  ihrer  Bichtigkeit. 

Wien.  J.  Mftllner. 


85* 


Fünfte  Abteilung. 

yerordnnngen,  Erlässe,  Personalstatistik. 


Verordnangen,  Erl&sae. 

Getett  Yom  15.  Februar  1907,  wirksam  fQr  das  Königreich  Gtliiiso 
and  Lodomerien  samt  dem  GrofthenogtQme  KrakaVt  womit  der  Artikel  V, 
alioea  d)  des  Geseties  Tom  22.  Jani  1867,  L.-G.'B1.  Nr.  18,  in  der  Fassso; 
des  Geseties  ? om  8.  September  1880,  L.-G.-BI.  Nr.  S4,  abgeftndert  mti. 
Hit  ZQstinimnng  des  Landtages  Meines  Königreiches  Galixien  nnd  Lodo- 
merien  samt  dem  Großhenogtnme  Krakan  finde  ich  aninordnen,  wie  folgt: 
Artikel  I.  Das  letste  Alinea  d)  des  Artikels  V  des  Gasetsee  ▼om 
22.  Jnni  1867  (L.G.-Bl.  Nr.  13)  Qber  die  Unterrichtssprache  an  VoUn- 
nnd  Mittelschnlen  des  Königreiches  Galiiien  nnd  Lodomerien  samt  dem 
Großhertogtnme  Krakao,  in  der  Fassong  des  Gesetzes  Tom  8.  September 
1880  (L.G.Bl.  Nr.  84),  wird  aoßer  Kraft  gesetit  nnd  hat  nnnmebr  iQ 
lauten  wie  folgt:  d)  ^Solange  das  Landesgeseti  nicht  anders  beetimmt, 
bleibt  die  dentsche  Sprache  in  dem  bisherigen  Urofanee  die  Unterrichts- 
sprache am  IL  Staats- Gymnasinm  in  Lemberg.  Artikel  II.  Nach  dem 
Inslebentreten  dieses  Gesetzes  wird  am  Staats- Gymnasinm  in  Brody  die 
polnische  Unterrichtssprache  —  ond  zwar  snkiessiTe  binnen  acht  Jihreo 
—  f  on  dem  anf  das  Inslebentreten  dieses  Gesetzes  nächstfolgenden  Schul- 
jahre gerechnet,  eingeführt  werden.  Artikel  III.  Mit  dem  Yolliuge  dieiei 
Geseties  wird  mein  Minister  ffir  Kaitos  nnd  Unterricht  betraut. 

Verordnung  des  Ministers  für  Knltns  nnd  Unterricht  ? om  29.  Fe- 
bruar 1908,  Z.  10.051,  womit  eine  neue  Vorschrift  für  die  Abhal- 
tung der  BeifeprOfungen  an  Gymnasien  und  Bealschulen  er- 
lassen wird.    (Ist  im  Separatabdruck  erhältlich.) 

Verordnung  des  Ministers  fftr  Kultus  und  Unterricht  Tom  81.  Min 
1908,  Z.  15.667,  womit  eine  neue  Vorschrift  fttr  die  Abhaltzig 
Ton  Beifeprflfongen  an  Midchenlyseen  erlassen  wird.  (Als  Sepsnt- 
abdiuck  erhiltlich.) 

Erlaß  des  Ministers  fQr  Kultus  und  Unterricht  vom  81.  Dezember 
1907,  Z.  49.689,  womit  die  Bedingungen  ffir  die  ErlangUD^dei 
freien  Eintrittes  in  die  königlich  italienischen  Sammlnngeo 
(Museen,  Galerien  usw.)  kundgemacht  werden.  Infolge  alliu  grofter 
Ausdehnung  von  Bewerbnogen  om  den  freien  Eintritt  in  die  kOaii^ch 
italienischen  Sammlungen  (Museen,  Galerien,  Ausgrabungen,  Denkmiler) 


VerordnnngoD,  Erlässe.  549 

lovis  infolge  forgekommeDer  MiAbrincbe  bat  das  kODielieh  italienische 
UoterriebtsmiDisteriam  die  genaue  Einhaltung  des  durch  kOnigl.  Dekret 
Tom  18.  April  1902  kundgemachten  ^Begolamento  per  Vingreaao  gratuito 
nei  musei,  neue  gaüerie,  negli  seavi  e  nei  monumenii'^  gefordert.  Die 
Bedingungen,  unter  denen  hienaeb  Österreichische  StaatsimgehOrige  den 
freien  Bintritt  in  die  beteiehneten  Sammlungen  Italiens  erlangen  kOnnen, 
werden  im  nachstehenden  sur  allgemeinen  Kenntnis  gebracht  Pflr  die 
ordentlidien  und  außerordentlichen  Hitglieder  des  Istituto  <»u8triaco  di 
itudii  itoriei  in  Bom  genftgt  nach  wie  f  or  die  auf  dem  Gesuche  um 
Oewihrang  des  freien  Eintrittes  abgegebene  Erkl&rung  des  Instituts- 
direktors, daß  der  betrefTende  Gesuchs werber  Hitglied  des  Institutes  ist» 
dtgegen  haben  im  Sinne  des  durch  königliches  Dekret  Tom  18.  April  1902 
kundgemachten  ^Begolamento  per  Vinaresso  gratuito  nei  muaei,  neue 
gaUme,  negli  scavi  e  nei  manumenti*  <ue  dem  Institut  nicht  angehOrigen 
öiterreiehischen  Staatsangehörigen  folgende  Dokumente  beisnbringen,  und 
iwar:  Die  Professoren  (Hoch-  und  Hittelschullehrer)  archäologischer,  ge- 
•ehiebtlicher,  literarischer  und  kunstgeschichtlicber  Fächer  ein  akademisches 
Dokument  (besw.  ein  amtliches  Zeugnis  ihrer  Eigenichaft  als  Lehrer), 
beglaubigt  vom  diplomatischen  Vertreter  oder  einem  Konsul  Italiens  in 
öiterreich  oder  Ton  der  k.  und  k.  Botschaft  am  königlich  italienischen 
Hofe.  Die  Hitgiieder  archäologischer  und  historiecher  Institute,  die  Stu- 
diereoden der  philosophischen  Fakultäten  (für  Altertumswissenschaft, 
Archäologie,  Kunstgeschichte,  Geschichte)  ein  ebenso  beglaubigtes  offi- 
lielles  Ton  dem  betreffenden  Dekanat  ausgestelltes  Zeugnis,  aus  dem 
berforgebt,  daß  sie  in  dem  Jahre,  fOr  das  die  Freikarte  angesucht  wird, 
der  Fakultät  angeboren  und  dort  Altertumswissenschaft,  Archäologie, 
Konstgeschichte,  Geschichte  studieren.  Es  dOrfte  sich  auch  empfehlen, 
daß  diese  Stadierenden  ein  amtliches  Zengnis  Qber  den  wissenscbutlicbeD 
Zweck  der  Reise  beibringen.  Kunsthistoriker,  welche  nicht  unter  eine  der 
genannten  Rubriken  fallen,  haben  dem  Gesuche  eine  ihrer  Publikationen 
beisolegen.  Sinngemäß  finden  diese  Bestimmungen  Aber  Vorlage  eines 
ikademischen  Zeugnisses,  eines  Zeugnisses  Ober  den  wissenschaftlichen 
Zweck  der  Reise  und  eTentuell  Publikationen  auch  auf  noch  nicht  an- 
gestellte geprüfte  Lehramtskandidaten  und  Doktoren  der  Philosophie  An- 
wendung. Jedem  Gesuche  muß  außerdem  die  unaufgetogene  Photographie 
des  Bittstellers  im  Format  f  on  höchstens  fflnfroal  8  em  beiliegen.  Das 
Gesuch  muß  (ffir  jeden  Bittsteller  besonders)  auf  amtlichem  italienischen 
Stempelpapier  tou  1  L  20  c  geschrieben  (besw.  wenn  auf  anderem  Papiere 
geschrieben  mit  einem  1  L  20  c  Stempel  ? ersehen)  sein  und  das  ^Ministero 
deUa  publica  ts^rtmon«,  DiresiatU  genet^erali  le  antiekita  e  le  beüe 
arti*  gerichtet  werden.  Alle  diese  Bedingungen  mOseen  auch  fon  den 
seitens  des  h.  o.  Hinisteriums  mit  Beisestipendien  Tersehenen  Hittelechul- 
lehrem  und  sonstigen  archäologischen  und  philologieehen  Stipendiaten 
erfallt  werden,  da  dieselben  Hitglieder  des  Istituto  austriaco  di  studii 
storiei  sind.  Das  genannte  Institut  Ut  ab«r  bereit,  aoch  feroarhio  den 
eben  genannten  Stipendiaten  und  sonstigen  tum  fttitn  ti^iutrUt  berech> 
tigten  Österreichern  die  Freikarten  lo  veräcbaff^o,  das  boiDt,  die  Gesnell« 
in  italienischer  Sprache  absufassen,  saf  üftlieniflcbeiB ;8cempdpapfer  m 
Mbreiben,  die  Dokumente,  wenn  sie  Dicbt  ecbao  io  Öilerrm«h  rote  dir 
italienischen  Botschaft,  besw.  einem  KoD^uiat  b«L;]aabigt  ^urc^-'^  ^  ' 
die  k.  und  k.  Botschaft  am  königlich  italif^niK^ben  HM?  t<^^<  < 
lassen,  das  Gesuch  mit  den  Beilagen  brim  italleuiichen  e 
minieterium  einsureichen  und  die  «rhultüaeti  Premeisi  d 
tiellem  sususenden,  wenn  das  Instiiiu  darum  onler  icMc 
Sendung  der  erwähnten  Zeugnisse  und  Pbotofrii^e  inc^^i 
Der  Gesuchsteller  hat  aber  ingleich  inmtt  i  ^  ~ 

raun  er  die  Freikarte  wflnscht;   der  lings&f 
solche  Karte  ferliehen  werden  kann,  jäuft 
tum  SO.  Juni  des  folgenden  Jahres.    Die  ~ 


i 


550  VerordDiingeD,  Erlftsse. 

20  c)  und  rekomroaDdierte  Zasendong  (nach  Österreich  50  c,  nach  Italien 
40  c)  sind,  wenn  der  G^sachstelier  Born  herflhrt,  im  Institate  selbst  si 
entrichteni  sonst  ? od  Italien  ans  in  italienischen  Briefmarken  oder  ducb 
Postanweiiang  an  das  Institut  einsnsenden.  Da  femer  die  Erledigong 
der  Gesuche  acht  bis  Tieraehn  Tage  erfordert,  ist  die  Einsendung  min- 
destens drei  Wochen  Tor  dem  Antritt  der  Reise  su  bewerkstelligen;  mit 
Büeksieht  auf  die  Institntsferien  (1.  Juli  bis  Ende  September)  können 
▼om  15.  Juni  bis  Ende  September  Qesuche  nicht  berücksichtigt  werdeo, 
vielmehr  sind  die  Gesuche  bis  l&ngstens  15.  Juni  beim  Institute,  nach 
diesem  Termine  bis  1.  Oktober  unmittelbar  beim  italienischen  Unterrichts- 
ministerium einiureichen.  Der  freie  Eintritt  in  die  Museen  osw.  einer 
Stadt  kann  für  die  Dauer  bis  su  einem  Monat  auf  Grund  der  oben 
genannten  beglaubigten  Zeugnisse,  aber  ohne  Einreichung  einer  Photo- 
graphie durch  Gesuch  auf  Stempelbogen  tod  60  c  erlangt  werden,  waches 
Gesuch  bei  der  Direktion  eines  der  Museen  usw.  der  betreffenden  Stadt 
einzureichen  ist 

Erlaß  des  Ministers  für  Kultus  und  Unterricht  Tom  80.  Desember 

1907,  ad  Z.  14.277  ex  1907,  an  sämtliche  LandessebulbehOrden,  betreffend 
die  Erhöhung  der  Remuneration  an  den  staatlichen  Mittel- 
schulen. Ich  finde  mich  bestimmt,  jedem  Assistenten  an  Staats- Mittel- 
schulen, die  fflr  das  Fach,  in  welchem  sie  assistieren,  die  Approbation 
ffir  Mittelschulen  besitzen,  vom  1.  J&nner  1908  angefangen,  an  Stelle 
der  bisherigen  Remuneration  Ton  60  Kronen  jährlich  fflr  jede  Wochen- 
stnnde,  eine  solche  im  erhöhten  Betrage  Ton  siebzig  (70)  Kronen  n 
bewilligen. 

Erlaß  des  Ministers  für  Kultus  und  Unterricht  Tom  29.  Febmsr 

1908,  Z.  10.058,  betreffend  den  Unterricht  aus  der  Physik  in  der 
VIII.  Klasse  der  Gymnasien.  Da  die  Physik  kflnftigbin  an  Gymnasien 
nicht  mehr  ein  eigener  Gegenstand  der  Reifepröfang  sein  wird,  eine  Zu- 
sammenfassang  und  Befestigung  der  Kenntnisse  in  diesem  Fache  jedoch 
sehr  wichtig  erscheint,  finde  ich  anzuordnen,  daß  bis  auf  weiteres  während 
des  zweiten  Semesters  im  Stundenplane  der  VIII.  Klasse  eine  vierte 
wöchentliche  Stunde  fOr  Physik  ausschließlich  zur  Wiederholung  angesetzt 
werde.  Durch  diese  Wiederholung  ist  tunlichst  auf  eine  sichere  Kenntnis 
der  Grunderscbeinungen  sowie  der  Grundgesetze  —  und  im  Rahmen  des 
Torgeschriebenen  Lehrstoffes  —  auf  die  Einsicht  in  deren  wichti^tt« 
gegenseitige  Besiehungen,  ferner  auf  das  Verständnis  der  in  das  Gebiet 
der  Physik  fallenden  Erscheinungen  der  uns  umgebenden  Natur  und 
namentlich  jener  des  täglichen  Lebens  wie  auch  auf  das  Verständnis  der 
wichtigsten  technischen  Einrichtungen  (mit  Ausschluß  konstrukti? er  Einsel- 
heitenj,  endlich  auf  einige  Obnng  in  der  Lösung  physikalischer  Aufgaben 
ohne  besondere  mathematische  Schwierigkeiten  hinzuwirken.  Zu  dieser 
Wiederholung  sind  die  Schfller  planmäßig  anzuleiten  und  schon  im  Tor- 
hinein  auf  jene  Punkte  aufmerksam  zn  machen,  auf  die  besonderes  Gewicht 
SU  legen  ist.  In  der  Schule  bat  die  Wiederholung  hauptsächlich  is 
Übungen,  in  gemeinsamer  Arbeit  des  Lehrers  und  der  Schüler  zu  bestehen. 
Wenn  dabei  auch  ein  eigentliches,  zeitraubendes  Prflfen  Termieden  werdeo 
^ollf  60  eiod  doch  die  LeiElungen  der  SobQkr  zu  beoba^chten  uni  bot  ir-^ 
£laaäiükälion  am  Scblusa^j  des  ächulj&hres  eDUprecheod  zu  &erÖckikllti|f£> 
Diese  Verfögung  tritt  sofori  in  Kraft. 

ErlaJ^  des  MiDiatsrg  für  EqUqs  ond  üntarrieht  rotxi  ^.  l^ehrsaf 
1908,  *L  10.052»  betreffend  Wiederboiaoj^eD  aui  rt<f  Ph?«]k  in  d<f 
VIT.  KUsae  derBeaUehnUn.  Zar  EtJeidit^rung  der  Eei»ptAfiiny  w 
der  Phjdk  finde  ich  *iisuordn«ü,  daß  1  ^'  f*raMi  bemmUi  dm  VlLk^Mm^ 
bis  auf  weiteres  w^ßbcutüeli  «in«  ^'np»ilictQiidcn  aaie^hlitiilotL  sd 

mntf   loflammenfasienden    Wt>  rivudfi    wanlft-    tT^  *' 


Verordniiiigen,  Erlfttse.  551 

WiederboloDg  m  «rmOgliebeD,  ist  der  Lehratoff  dieser  Klasse  naeh  Bedarf 
durch  AuMcheidimg  minder  wichtiger  EinielbeiteD  entsprechend  sa  Ter- 
mindem.  Die  Wiederhoinng  hat  unter  Her?orbebang  des  Weaentliehen 
ond  namentlich  im  Hinblicke  auf  die  in  der  bierortigen  Verordnung  ? om 
29.  Pebroar  1908,  Z.  10.051,  festgesetsten  Anforderungen  bei  der  Matnri- 
titsprOfong  ans  diesem  Gegenstande  so  erfolgen.  Za  dieser  Wiederbolnng 
nDd  die  Scbfller  planm&Dig  ansaleiten  ond  schon  im  Torhinein  anf  jene 
Pankve  anfmerksam  m  mMben,  anf  die  besonderes  Gewicht  sa  legen  ist. 
Iq  der  Schale  hat  die  Wiederbolang  baapts&chlicb  in  Übangen,  in  gemein- 
lajner  Arbeit  des  Lehrers  and  der  Sch&ler  sa  bestehen.  Wenn  dabei  ancb 
ein  eigeDtliehes,  seitranbendes  Prttfen  ?ermieden  werden  soll,  so  sind  doch 
die  Leiatnngen  der  Schfller  la  beobachten  and  bei  der  Klassifikation  am 
Sehlnase  des  äcbaljahres  entsprechend  sa  berücksichtigen.  Diese  Ver- 
ffignng  tritt  sofort  in  Kraft. 

Der  Minister  fflr  Knltaa  nnd   Unterricht   hat   das   Recht   der 
Öffentlichkeit  ferliehen:  der  1.  bis  V.  Klasse  des  Landes-Mftdchen- 
lyaeiune  mit  italienischer  Unterrichtssprache  in  Pola  anter  gleichseitiger 
Anerkennnne  des  BesiprositAtsferb&ltnisses   besflglich  jener  Lehrkräfte, 
welche  die  Lebrbeffthignng  fflr  Mittelscholen  besitsen,  fflr  das  Schaljahr 
1907/1908  aaf  die  VL  Klasse  aasgedehnt  and  fflr  dieselbe  Zeitdauer  das 
Recht  TerlieheD,  Reifeprflfnngen  abznbalten  and  staatsgflltige  Reifeseog- 
niase  anssostellen ;  dem  Prifat-M&dchenljsenm  des  Vereines  «Towarzystwo 
lieeam  ieütkiego  im.  W.  Kiedsialkowskiej*'  in  Lemberg  fflr  die  Schal- 
jiJire   1907/1908,  1908/1909  ond  1909/1910  sowie  demselben  das  Recht 
▼erliehen,  Reifeprflfnngen   absahalten   and   staatsgflltige   Reifezengnisse 
aoasnatellen;  dem  Prifat-Hidchenlysenm  der  Ursalinen  in  Kolomea  fflr 
das  Schaljahr  1907/1908  sowie   demselben   das   Recht  Terliehen,   Reife- 
prtkfangen  abznhalten  nnd  staatsgflltige  Reifezengnisse  ansznstellen ;  dem 
st&dtischen  M&dchenljseam  in  Czernowitz  aaf  die  Dauer  der  Brfflilong 
der  getetalichen  Bedingongen  sowie  Reifeprflfnngen  abzuhalten  und  staats- 
gflltige Reifezengnisse  anszustellen ;   der  L  and  II.  Klasse  des  Prifat- 
Mftdchengymnasiums  der  Kongregation  der  Schalschwestern  Tom  Orden 
des  heiligen  Fransiskns  in  den  Königlichen  Weinbergen  fflr  das 
Schuljahr  1907/1908  auf  die  III.  Klasse  ausgedehnt;  dem  Mädchenlyzeam 
des  Vereines  «Vesna"  in  Brflnn  sowie  das  Recht,  Matorit&tsprflfnngen 
absnbalten  nnd  staatsgflltige  Reifesengnisse  aussustellen,  aaf  die  Dauer 
der  ErfflUang  der  gesetzlichen  Bedingungen  Terliehen;   der  I.,  II.  und 
III.  Klasse  des  Pritat  -  Midchengymnasiams  der  Josefine  Sprinse  Gold- 
blmtt-Kammerling  in  Lemberg  fflr  das  Schiüjahr  1907/1908  Terliehen; 
der  I.,  III.   nnd    V.  Klasse   des   deutschen   rri?at-Hidchenljsenms   in 
Bndweis  fflr  das  Schuljahr  1907/1908;   dem  Pritat- Mädchenlyzeum  der 
Marie  Bild  in  PrsenaTsi  fflr  das  Schuljahr  1907/1908  sowie  demselben 
das  Recht  ferliehen,  Reifeprflfnngen  abznhalten  nnd  staatsgflltige  Reife- 
sengnisse aussnstellen ;  dem  M&dchenlyseum  des  Wiener  Franenerwerb- 
Vereines  das  Recht  zur  Abhaltung  ? on  Reifeprflfnngen  and  zur  Ausstellung 
staiUegflltiger  Reifesengnisse  auf  die  Dauer  der  ErfflUung  der  gesetsUchen 
Bedinfungen  eutreekt;  das  der  hoherea  Mädchenschule  in  Eger  fflr  die 
I.  and  li.  EUsaa  Terliebetie  &Gch  auf  dw  [j[.  Klasse  fflr  das  Schuljahr 
7/190^   aQfg«debDt;    das   der   i.,    11.    und   III.  Klasse  der    höheren 
1ien  Hidebe&acbuU  in  PiUeo  vfjfUehene  auf  die  Dauer  des  Schnl- 
1 907 J 1908  aasge dehnt;    das   dem   atüd tischen  Mftdchenlyzeum   in 
VfifUebcD«  Eecbt,    Beifeprülupgtiu   a isahalten   und  staatsgflltige 
•lleseiiKaUie  aQsiastellei],  auf  di«  Dauer  4er  Erfflllnng  der  gesetzlichen 
"  pitif  en  Mtgedebnt 

l^vt  Miaitier  fftr  Kaltui   und  UDterricbt  hat  der  I.  Klasse   des 
letAd!.  lUdcbta^ftmi   im  Laibach   für   d^s  Schaljahr  1907/1908  das 


552  Peno&al-  and  Sehnlnotit». 

Der  Minister  fflr  Knltns  nnd  Unterricht  hat  der  I.  und  IL' Kiene 
des  Prifat-MIdehengjmDasiamB  dee  EonTentes  der  Basiliuioiinnen  in 
Lember;  das  Redit  der  Öffentlichkeit  fOr  dae  Scbnljahr  19a7/190B 
TerUeben. 

Der  Minister  fOr  Knltns  nnd  Unterricht  hat  dem  PriTat-Midcheo- 
IjBenm  der  Kongregation  der  Schwestern  der  heil.  Familie  Ton  Nasareth 
in  Lern  borg  fftr  die  Schuljahre  1907/1908,  1908/1909  nnd  1909/1910  dse 
öffentlichkeitsrecht  sowie  demselben  das  Becht  Terliehen,  Beifeprflfangen 
abinhalten  nnd  staatsgflltige  Beifeieognisse  aassnstellen. 

Der  Minister  ftr  Knltns  und  Unterriebt  hat  das  dem  Prirtt- 
MAdchenlysenm  in  Salibnrg  fDr  die  I.— IV.  Klasse  ?eriiehene  Becht 
der  Öffentlichkeit  anf  die  V.  Klasse  fflr  das  Schuljahr  1907/1908  ausgedehnt 

Der  Minister  f&r  Knltns  nnd  Unterricht  hat  das  dem  sUdtischea 
MAdehenljzeum  in  Klagenfurt  für  die  I.  bis  IV.  Klasse  Terlieheae  Becht 
der  ÖffenUichkeit  auf  die  V.  Klasse  fflr  das  Schuljahr  1907/1908  ausgedehnt 

Der  Minister  fflr  Kultus  nnd  Unterricht  hat  der  I.  bis  V.  Klssse 
des  Prifat-Mftdchenlysenms  des  Konrents  der  Ursulinerinnen  in  Taroöw 
fflr  das  Schu^ahr  1907/1908  das  Becht  der  Öffentlichkeit  Teriiehen. 

Der  Minister  fflr  Kultus  und  Unterricht  hat  nachstehenden  Mittel- 
schulen das  Becht  der  Öffentlichkeit  ferliehen:  derl. — VIII.  Klaue 
des  PriTat-Mftdchengymnasinms  der  Helene  StraijllBka  in  Krakau,  der 
1.— V.  Klasse  des  Prifat- Gymnasiums  des  Gymnasialdirektors  i.  B.  Schul- 
rates  Dt.  Karl  Petelenz  in  Lemberg,  der  I. — VI.  Klasse  des  Prifst- 
Midchengymnasinms  des  Vereines  ,,Towariystwo  prywatnego  gimnai^om 
ieöskiego*  in  Lern  her g,  der  1.^11 1.  Klasse  des  fflrstbischofl.  Prirtt- 
Gymnasiums  in  St.  Veit  ob  Laibach ,  der  I.— VI.  Klaese  der  Prirst- 
Bealschule  des  Marieninstitutes  in  Grai,  der  V.  Klasse  der  mit  den 
niederOsterr.  Landes -Bealgymnasi ums  Tcrbundenen  Kommunal-0 beireal- 
schule  in  Waidhofen  an  der  Thaya,  der  I.  und  IL  Klasse  des  Priftt- 
Gymnasiums  im  XVI.  Betirke  in  Wien,  der  I.  Klasse  der  VereinsBesl- 
schule  im  Xl£  Bezirke  in  Wien.  IL  Auf  die  Dauer  des  Scholjabrei 
1907/1908  nnter  gleichseitiger  Anerkennung  des  Beiiproiitfttsrerhftltnistes 
im  Sinne  des  §  15  des  Gesetses  Toro  19.  September  1898,  B.'G.-B1> 
Nr.  173:  der  L— VII.  Klasse  des  Landes  Beal  und  Obergymnasinms  in 
Klosternenbnrg,  der  L— V.  Klasse  der  Kommunal-Bealscbnle  in  Nim- 
bürg,  der  L— VII.  Klasse  des  Kommunal-Gymnasinms  in  Wels.  III.  Auf 
die  Dauer  des  Schuljahres  1907/1908  mit  dem  Becbte,  Maturit&tsprttfongeo 
absuhalten  und  staatsgflltige  Maturitfttsteugnisse  ansinstellen :  der  L,  IL 
sowie  der  V.—VIII.  Klasse  des  Königin  Hedwig-Prirat-Midchengyninssioms 
des  Dr.  Thaddius  Browics,  Johann  Csubek  und  Dr.  Josef  Tretiak  in 
Krakan,  der  V.— VIII.  Klasse  des  Pri?at-Mfidchen-Obergymnasinms  des 
Vereines  «Towartystwo  sskoly  gimnazyaloej  ieükiej*'  in  Krakau,  der 
I.--VI1I.  Klasse  des  Pri?at-Midchengymnasioms  der  Sophie  Strsalkowsks 
in  Lemberg,  der  L,  II.»  IV.,  VL  und  VI II.  Klasse  des  Privat- Midebeo- 
gymnasiums  des  Vereines  nMinerTa"  in  Prag.  IV.  Auf  die  Dauer  des 
Schuljahres  1907/1908  mit  dem  Bechte,  Matnrit&Uprflfungen  absuhalten 
nnd  staatsgültige  Maturitfttsseugnisse  auszustellen,  unter  gleichseitiger 
Anerkennung  des  Besiprozit&tSTerh&ltnisses  im  Sinne  des  §  15  des  Qesetsei 
Tom  19.  September  1898,  B.-G.-B1.  Nr.  173:  dem  Kommunal -Oberretl- 
gymnasinm  in  Tetschen  an  der  Elbe. 


Personal-  und  Schalnotizen. 

Ernennungen  (Verleihungen): 

Zum  Landesscbulinspektor  in  KiederOsterreich   der  Direktor  der 
I.  Bealseh.  im  IL  Wiener  Geroeindebet.  Begierungsrat- Johann  Jannscbke. 


Penonal-  und  Scbslnoiisec;  553 

Zom  LaodWBChQliDspektor  in  NiederOsterreieh  der  Prof.  am  En- 
btnog  Bainer-OjmD.  in  Wien  Dr.  Karl  Vrba. 

ZaiD  LandesicbnliDspektor  in  Schlesien  der  Direktor  der  BeaUeh. 
in  Troppao  BegieningBrat  Dr.  Friedrich  Wrsal. 

Zorn  Landeischalinspektor  im  Eflstenlande  der  Prof.  am  Ojmn.  im 
XIII.  Wiener  Oemeindebetirke  Dr.  Franz  Perschinka. 

Zorn  Direktor  der  Frans  Joseph- Realsch.  in  Wien  der  Prof.  an  der 
iietltcb.  im  YII.  Wiener  Gemeindebesirke  Frans  Ten  gl  er. 

Zum  Direktor  der  Bealsch.  in  den  Königlichen  Weinbergen  der 
Direktor  der  Bealicb.  in  Kladno  Frans  Netoka. 

Zum  Direktor  der  Bealsch.  in  Kladno  der  Prof.  an  der  Bealtch. 
mit  bobm.  Unterrichtssprache  in  Bad  weis  Josef  Braniä. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Wittingan  der  Prof.  am  Beal-  and 
Obergjmn.  in  Smichow  Dr.  Josef  Pra24k. 

Zorn  Direktor  des  I.  Gjmn.  in  Bzeszöw  der  Prof.  am  Gjmn.  mit 
ratben.  Unterrichtssprache  in  Tarnopol  Dr.  Emil  Kalitowskj. 

Zorn  Direktor  der  Lebrerbildaogsanttalt  in  äobdslaa  der  Prof.  an 
der  I.  bChm.  Bealsch.  in  Pilsen  Besirksscbalinspektor  Peter  Vejpfek. 

Zorn  Direktor  des  Gjmn.  in  Trembowla  der  Leiter  des  Gjmn.  in 
Trembowla  Prof.  Valerian  Heck. 

Zam  Direktor  des  Gjmn.  in  Cattaro  der  pro?.  Leiter  des  Gjmn. 
io  Cattaro  Prof.  Frans  Katic. 

Zam  Direktor  der  I.  böhm.  Bealsch.  in  Brflon  der  Direktor  der 
Landes- Bealsch.  in  Ge witsch  Adolf  Erhart. 

Zom  Direktor  des  I.  Gjmn.  in  Laibach  der  Prof.  am  II.  Gjmn.  in 
Laibach  Dr.  Laarens  Poiar. 

Zam  Direktor  der  Bealsch.  in  Böhmisch- Leipa  der  Prol  an  der 
IL  deutschen  Bealsch.  in  Prag  Anton  Pechmann. 

Zum  Direktor  des  IL  deutschen  Gjmn.  in  BrQnn  der  Direktor  des 
Gjmn.  iu  Kikolsbarg  Karl  Schwertassek. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Oaslau  der  Direktor  des  Gjmn.  in 
Pilgram  Josef  Fr 4 na. 

Zum  Direktor  des  Gjmo.  in  Beneschau  der  Prof.  am  Gjmn.  mit 
bobm.  Unterrichtssprache  in  Prag  (Tischlergasse)  Badolf  Jedlidka. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Pilgram  der  Prof.  am  Gjmn.  mit  bOhm. 
Untenichtsspracbe  in  Prag  (Kleinseite)  Josef  Bubr. 

Zum  Direktor  des  Komm.-Gjmn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache 
in  Mihr.-Ostrau  der  gewesene  Direktor  daselbst  Dr.  Julias  Kraßnig. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Pola  der  Prof.  am  I.  Gjmn.  in  Graz 
Jotef  Holter. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Ungar.- 
Hradisch  der  Prof.  am  Gjmn.  mit  bObm.  Unterrichtssprache  in  Olmflti 
Josef  Bartocha. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  mit  bOhm.  Untenichtisprache  in  den 
Königlichen  Weinbergen  der  Direktor  des  Beal-  und  Obergjmn.  in  Ghrn- 
dim  Frani  Beiß. 

Zum  Direktor  des  akad.  Gjmn.  in  Prag  der  Prof.  am  Gjmn.  mit 
bobm.  Unterrichtssprache  in  Prag  (Tiechlergasse),  derzeit  in  Dieaatleiatung 
beim  Landesscholrate  f&r  Böhmen,  Albert  Dohnal. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Leitoroischl  der  Prof.  am  Beul-  und 
Obergjmn.  in  Cbmdim  Dr.  Franz  Dudänek. 

Zom  Direktor  des  Beal-  und  Obergjmn.  in  Keubjdiow  der  Prof, 
am  Gjmn.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Pilsen  Frans  Hladkv. 

Zom  Direktor  des  Beal-  nnd  Obergjmn.  in  Chrudim  der  Prof.  am 
Gjmn.  in  Baudnitz  Josef  Steinhauser. 

Zum  Direktor  der  Bealsch.  in  Troppau  der  Prof.  an  dieaer 
Wladimir  Demel. 

Zum  Yiseprisidenten  des  Landesichulrates  für  Galizien  dt; 
Dr.  Ignaz  Bitter  ?.  Dembowski. 


l 


554  Penonal-  ond  Schulnotixen. 

Zum  wirk].  Lehrer  am  L  Qymn.  in  Orai  der  dieser  Anitalt  inr 
Dienstleistung  zogewiesene  mM.  Lehrer  an  der  Bealteb.  in  Knitlelfeld 
Dr.  Ferdinand  Kern. 

Zum  wir][l.  Lehrer  am  Gjmn.  in  Sm)chow  der  Adjunkt  an  der 
deutschen  theol.  FakoltAt  in  Prag  Dr.  Johann  Melter,  am  Qjmn.  mit 
deutscher  Unterrichtssprache  in  Ungar.-Hradisch  der  Sopplent  an  dieser 
Anstalt  Josef  Schnb. 

Zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  mit  serbokroat  ünterriehtsspradie 
in  Zara  der  pro?.  Lehrer  an  dieser  Anstalt  Peter  Karliö. 

Znm  wirkl.  Lehrer  am  (ijmn.  in  Mistek  der  proT.  Lehrer  an  dieser 
Anstalt  Frans  Lakom^,  am  Oymn.  mit  bohm.  üoterrichtssprache  in 
Kremsier  der  Sopplent  an  dieser  Anstalt  Dr.  Josef  Zahradniöek. 

Zom  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  mit  ital.  Unterrichtssprache  is  Zsrs 
der  Sopplent  an  dieser  Anstalt  Iginio  Zncali. 

Zom  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Ried  der  proT.  Lehrer  an  dieser 
Anstalt  Karl  Bausch. 

Znm  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Znaim  der  proT.  Lehrer  an  dieser 
Anstalt  Dr.  Hogo  ▼.  Kleinmayr. 

Znm  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealsch.  im  IX.  Wiener  Gemeindebeiirke 
der  proT.  Lehrer  an  dieser  Anstalt  Ernst  Schmidt. 

Zum  wirkl.  israel.  Religionslehrer  ad  personam  an  der  Fraoi 
Joseph-Bealsch.  in  Wien  der  israel.  Religionslehrer  Dr.  Lasar  We seh  1er. 

Zum  wirkl.  Religionslebrer  am  Gymn.  im  VIII.  Wiener  Gemeinde- 
beiirke der  soppl.  Religionilebrer  an  dieser  Anstalt  Dr.  Frani  Zehet- 
baner. 

Zom  wirkl.  Religioniilehrer  am  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichts- 
sprache in  H&hr.-Ostrau  der  suppl.  Religionslehrer  an  dem  Kaiser  Frau 
Joseph-Komm.-Gymn.  daselbst  GostaT  Klameth. 

Znm  wirkl.  Religionslehrer  am  Gvmn.  in  Reicbenberg  der  ssppl. 
Religionslebrer  an  dieser  Anstalt  Reinhold  Ei  seit. 

Je  eine  Lehrstelle  am  Kaiser  Franz  Josepb-Komm.-Gymn.  in  Hlbr* 
Ostran  die  ProiT.  Hogo  Schubert,  Dr.  Rodolf  Prisching,  Alfred  M II hl- 
hauser,  Josef  Kinsel,  Dr.  Adolf  Bittersmann,  Artnr  Hahn,  GssU? 
Mflller  und  Anton  Brentano. 

Zum  pro?.  Lehrer  an  der  Realsch.  mit  bOhm.  Unterrichtssprsdw 
in  Prag  (Kieinseite)  der  Sopplent  am  Gymn.  mit  bObm.  Unterriehtssprscbe 
in  Prag  (Korngasse)  Franz  Srajer. 

Zom  Mitgliede  der  Prüfungskommission  fttr  das  Lehramt  an  Gjnn. 
und  Realsch.  in  Lemberg  und  zum  Fachezaminator  fflr  Chemie  fttr  dsi 
Studienjahr  1907/1908  der  außerord.  Unifersit&tsprof.  Dr.  Staniilsas 
ToHoczko. 

Zum  Mitgliede  der  wissenschaftlichen  Prttfungskommission  fttr  das 
Lehramt  an  Gymn.  und  Realsch.  in  Graz  und  tum  Fachexaminator  fttr 
Chemie  der  ord.  Off.  Prof.  an  der  Unifersitftt  daselbst  Dr.  Roland  Scholl. 

Zum  Mitgliede  der  wissenschaftlichen  Prflfuogskommission  f&r  dsi 
Lehramt  an  Gymn.  und  Realsch.  in  Wien  and  sum  Fachexaminator  fttr 
Mineralogie  fflr  die  laufende  Funktionsperiode  der  ord.  Off.  Prof.  an  der 
Unifersitftt  in  Wien  Dr.  Komelius  DOlter. 

Zum  Mitgliede  der  Prflfangskommission  fflr  das  Lehramt  der  Hotik 
an  Mittelschulen  und  Lehrerbildungsanstalten  in  Wien  und  tum  FMfa- 
ezaminator  fflr  das  Kla? ierspiel  der  Ausbildungslehrer  fflr  das  Klafierspisl 
am  Wiener  Konserfatorium  Hugo  Rein  hold. 

Zum  Mitgliede  des  oberOsterr.  Landesscbulrates  fflr  den  Best  der 
laufenden  Fnnktioosperiode  der  Senior  ond  eraogel.  Pfarrer  in  Lisi 
August  Georg  Koch. 

Zom  Mitgliede  der  wissenecbaftlicben  Prflfungskommission  fflr  dss 
Lehramt  an  Gymn.  und  Realach.  in  Wien  und  sum  Fachexaminator  fttr 
Physik  auf  die  restliche  Dauer  der  laufenden  Funktionsperiode,  d.  L  bis 


Personal-  and  Schnlnotiten.  555 

Ende  dei  Schuljahres  1907/1908,  der  ord.  Off.  Prof.  an  der  Unirertitit 
daieibst  Dr.  Friedrich  Hasenohr  1. 

Znm  Direktor  der  Prttfnngskomroiftsion  f&r  das  Lehramt  des  Turnens 
SD  Mittelsehnlen  nnd  Lehrerhildongsanstalten  in  Krakau  der  aaßerord. 
UnifersitAtsprof.  Dr.  Emil  Godlewski. 

Seine  k.  nnd  k.  Apostolische  MajestAt  haben  mit  Allerhöchster 
Entschließong  Tom  9.  Febroar  d.  J.  den  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Tabor 
ond  Prifatdosenten  an  der  bOhra.  techn.  Hocbschnle  in  Prag  Matthias 
Norbert  Vanddek  som  ord.  Prof.  der  Mathematik  a.  g.  tn  ernennen  geruht. 

Seine  k.  nnd  k.  Apostolische  Majest&t  haben  mit  Allerhöchster 
Entichließang  Tom  19.  Deiember  ? .  J.  den  BeÜKionsprof.  am  Frans  Joseph- 
Gjmn.  in  Lemberg  Prifatdozenten  Dr.  Adam  Gerstmann  sam  anOerord. 
Prof.  der  Pastoraltheologie  mit  poln.  Yortragssprache  an  der  Universität 
io  Lemberg  a.  g.  su  ernennen  gernht. 

Der  Prof.  am  Beal-  nnd  Obergymn.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache 
auf  der  Keostadt  in  Prag  Dr.  Karl  Wenig  als  Priyatdosenten  fOr  klass. 
Philologie  an  der  philosophischen  Fakoltit  der  bOhm.  UniTersit&t  in  Prag 
besUtigt 

Der  Prof.  an  der  Bealsch.  im  X.  Wiener  Oemeindebesirke  Albert 
Eiehler  alt  PriTatdoienten  för  englische  Sprache  und  Literatur  an  der 
techn.  Hochschule  in  Wien  bestätigt. 

Der  Prof.  am  IV.  Gjmn.  in  Lemberg  Dr.  Wilhelm  Salomon  Ton 
Friedberg  als  PriTatdosent  fflr  das  Gebiet  der  Geologie  an  der  techn. 
Uoehscbule  in  Lemberg  bestätigt. 

Seine  k.  und  k.  Apostolische  Majestät  haben  mit  Allerhöchster 
EotscbließoDg  Tom  26.  Februar  d.  J.  den  mit  dem  Titel  nnd  Charakter 
eines  Hofrates  bekleideten  Stattbaltereirat  ond  Beferenten  fOr  die  admini- 
•tratiren  nnd  Ökonomischen  Angelegenheiten  beim  Landesschulrate  fflr 
Galisien  Dr.  Ignas  Bitter  Ton  Dembowski  sam  Vizepräsidenten  des 
LandesBchalrates  fflr  Galizien  a.  g.  tu  ernennen  nnd  holdTolIet  in  be- 
willigen geruht,  daß  derselbe  ad  personam  in  die  IV.  Bangsklasse  der 
ätiatsbeamten  eingereiht  werde. 

In  die  VL  Bangsklasse  worden  befordert  die  Direktoren:  Johann 
Biiiac  am  Gymn.  in  Capodistria,  Josef  Bio  mer  an  der  Bealsch.  in  Teplitz- 
SchCnau,  Thomas  Brajkoviö  am  Gymn.  mit  serbokroat  Unterrichtssprache 
in  Zara,  Dr.  Anton  DanTsz  am  VL  Gymn.  in  Lemberg,  Anton  Decker  am 
Gymn.  in  Neohaas,  Laaislaos  Dolansky  an  der  I.  Bealich.  mit  bOhm. 
Unterrichtssprache  in  Pilsen,  Johann  Df  of  äk  am  Gymn.  in  Taus,  Josef 
Fachs  am  Gymn.  in  Mähr.-Weiflkirchen,   Edmund  Grz^gbski  an   der 
Bealsch.  in  Sniatyn,   Dr.  Thomas  Hanausek  am  Gymn.  in  Krems,  Karl 
Uaehnel  am  Gymn.  in  Landskron,  Franz  Hansl  am  Gymn.  mit  bOhro. 
Unterrichtssprache  in  Prag- Kleinseite,  Dr.  Georg  Jo ritsch  an  der  Bealsch. 
mit  deutscher  Unterrichtssprache  in  Pilsen,  Johann  Kos  am  Gymn.  in 
Mitterburg,  Ignas  Kranz  am  Gymn.  in  Podgörze,  Dr.  Isidor  Ku kutsch, 
am  Gymn.  im  Xlll.  Wiener  Gemeindebesirke,  Peter  Maresch  am  £li- 
labeth-Gymn.  im  V.  Wiener  Gemeindebesirke^  Sophron  Niediietskj  am 
Gjmn.  mit  rotb.  Unterrichtssprache  in  Kolomea,  Schulrat  Ptadi  Pejveba 
an  der  Bealsch.  im  IX.  Wiener  Gemeindebezirke,  Dr.  Joief  Pose  de  I  ' 
Gymn.  in  Bagusa,  Anton  BoUeder  an   der  Eeal»(^h.   in   Steyr,  1 
Bychlik  am  Gymn.  in  Jaroslao,  kais.  Bat  Dr.  Exaü  Sawieki  &m  6 
mit  mtb.  Unterrichtssprache  in   Tamopol,   Johatia   St^pinek   an 
Bealsch.  in  Pfibram,  Johann  äalc  am  Gymn.  mit  bOhm,  Uuteni 
•prache  in  Pilsen,  Franz  Ullsperger  am  Gyma,  mit  detttscher  ^ 
riehtssprache  in  Smichow,   Franz  Wann  er  am  Uyro«   '  '"' 

Johann  Wastl  am  Karl  Ludwig-Gymn.  in  Wien«  F 
Bealsch.  in  Knittelfeld,  Johann  W  immer  am  Gymn 


I 


556  Personal-  und  Sehnlnotiien. 

In  die  YII.  Bangsklatse  wurden  befördert:  die  Profesioren 
am  Gjrmn.  in  Karlsbad  Dr.  Viktor  Aebtner,  Siegrmnnd  Biedl,  Frau 
Böhm,  Dr.  Karl  Lndwig,  Dr.  Engelbert  Hora  nnd  Wilhelm  Eekl,  der 
Prof.  an  der  BeaUcb.  im  XV.  Wiener  Gemeindebesirke  Dr.  Leopold  Gold- 
hammer, der  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Steyr  Leopold  Erb,  Nikolam 
Baldemair  am  Gymn.  in  Iglan,  Geonr  Bayer  am  Gymn.  in  Saliborg, 
Josef  Benhart  am  Gyron.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  den  KOsig- 
liehen  Weinbergen,  Karl  Biasioli  an  der  Bealsch.  in  lonsbmck,  Batil 
Bilecki  am  akad.  Gymn.  in  Lemberg,  Dr.  Gerson  Blatt  am  ILGyms. 
in  Lemberg,  Josef  Bogner  am  Gymn.  (deotsche  Abteilaog)  in  Trieot, 
Georg  Brnder  am  Gymn.  in  Aossig,  Geraftim  Bnliga  am  III.  Gymn.  in 
Csernowits,  Dr.  Karl  Burkhard  am  Karl  Ludwig -Gymn.  in  Wies, 
Johann  äerm4k  am  Beai-  nnd  Obergymu.  in  Prag- Neustadt (Kfemenec- 
gasse),  Adalbert  Oern^  am  Beat-  und  Obergymn.  in  Kolin,  Karl  Ghar- 
yät  am  Gymn.  mit  bOnm.  Unterrichtssprache  in  Olroflts,  Anton  Derganc 
an  der  Bealsch.  im  IX.  Wiener  Gemeindebesirke,  Bronialaos  DobriaAiki 
am  Franz  Joseph-Gymn.  in  Lemberg,  Jaroslans  Dolenak^  au  der  Beaiicb. 
in  Jiöin,  Dr.  Josef  Dorsch  am  Gymn.  mit  deutscher  Unterricbtsspraebe 
in  Prag- Altstadt,  Dr.  Josef  Drosd  am  Gymn.  in  äanok,  Ignu  DoJ^ 
bowski  am  Gymn.  in  Nen-Sandez,  Josef  Durych  am  Beal  und  Ober- 
ffymn.  in  Smicbow,  Dr.  Franz  Duä4nek  am  Beal-  nnd  Obergymo.  ia 
Ubrudim,  Laurenz  Du  Sek  am  Gymn.  mit  bObm.  Unterrichtssprsebe  in 
den  Königlichen  Weinbergen,  Wenzel  Dyofädek  am  Gymn.  io  Jaog- 
bunzlan,  Bndolf  Drofäk  am  IL  bOhm.  Gymn.  in  Brflnn,  Dr.  Fraos 
Faktor  an  der  Bealsch.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Prag-Altstadt, 
Heinrich  Filippi  am  Beal-  nnd  Obergrmn.  in  Chrndiro,  Dr.  Brano 
Fleiachanderlander  Bealsch.  im  VIL  Wiener  Gemeindebezirke,  Weoiel 
Flodermann  am  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  in  Prag- 
Altstadt,  Johann  Fun  an  den  selbstAndigen  Gymnasialklassen  roitdeuticb* 
slow.  Unterrichtssprache  in  Gilli,  Karl  Franta  am  Gymn.  in  Hobenmaotb, 
Andreas  Gasiorowski  am  Gymn.  bei  8t.  Anna  in  Krakao«  Jobann 
G essler  am  Gymn.  in  Klagenfurt,  Hilarion  Gmitryk  am  Gymn.  in 
Sambor,  Eduard  Gollob  am  Sophien-Gymn.  in  Wien,  Alois  Grillitscb 
am  Gymn.  in  Klagenfurt,  Ferdinand  Gr  üa  am  II.  bOhm.  Gymn.  in  Br&oD, 
Dr.  August  Haberda  am  Franz  Joseph -Gymn.  in  Wien,  Adalbert 
Hanaöik  am  Gymn.  mit  bObro.  Unterrichtssprache  in  Bndweis,  zugewiesen 
dem  Gymn.  in  Jidi'n,  Johann  Hanamann  am  Gymn.  in  8cblan,  Weniel 
Haner  am  Gymn.  mit  bObm.  Unterrichtssprache  in  Troppau,  Alois  Heiti- 
berg  am  Gymn.  im  XUL  Wiener  Gemeindebezirke,  Dr.  Alois  Heroot 
am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  den  Königlichen  Weinbergen, 
Artur  Hesse  an  der  Bealsch.  in  Marburg,  Bomeo  Hochhinsler  am 
Beal-  und  Obergymn.  in  Gablonz  a.  d.  N.,  Leopold  Hof  mann  an  der 
Bealsch.  im  L  Wiener  Gemeindebezirke,  Wenzel  Hof  mann  an  aer 
Bealsch.  im  I.  Wiener  Gemeindebezirke,  Ignaz  Urozek  am  Gymo.  mit 
bOhm.  Unterrichtssprache  in  Ungar.-Hradisch,  Peter  Hrub^  am  Gymn. 
in  Schlau,  Alois  Hubka  am  Gymn.  in  Jungbunzlan,  Josef  J ige r  am 
Gymn.  in  Wittingan,  Johann  Jahn  am  Gjrmn.  mit  deutscher  Uoterrieätf- 
spracbe  in  Kremsier,  Bndolf  Jedlidka  am  Gymn.  mit  bOhm.  Oaterricbtf' 
spracht!  ir^  Pr»^  N«utitailt  iTischlerga^flai^  .losef  Jenko  ^iu  Gyn}i\.  ^'^ 
Serett^  Franz  Jtraj  am  il.  Gjiiin.  iü  Laibacb*  Franz  J*ffr»l»k  *•* 
Qymu.  in    MsiTbar^r,    Frani  Jejdiask)'   am   Gymii.    \n   T  *'' 

Jezdiö^ky  am  Real-  umi  Obergymn.  in  Pr»sf-l»«a*>*'^^  - 

Anton  Jurosaek  aa  iler Hcrabcb,  in  BlK^hii.  J  ' 
Gymn.  in  Wln'd,  Eu^ü^f  Kai^L  an  lier  1 

Kaliroiia  an  dor  Keahch.  mit  bOiuiL   '  '*' 

Seite,   8taTH>ilsii^  K&meui^kf'    "    «Mi    U  '^'* 

an  der  Eeal&ch,  in  Troppao 
richtisprachti  in  Troppau i 
Katser  au    d«T  h  deuuci 


i 


Penonal-  und  SohnlnotiMn.  557 

GjiDD.  in  Tans,  Aarel  Kiebel  am  Gymn.  in  Mies,  Igoat  Kislink  am 
GjmB.  mit  bObm.  Unterricbtsspracbe  in  Üngar.-Hradiich»  Dr.  Karl  Ria« 
toTfky  an  der  BeaUcb.  in  Teicben,  sugewiesen  dem  Gymn.  mit  denteeher 
UDiemcbtispracbe  in  Prag-Nenetadt  (Graben),  Johann  Klnibensehedl 
SA  der  Bealscli.  in  Bozen,  Josef  Kl? aäa  am  Gjmn.  mit  bOhm.  Unter- 
riehtMpracbe  in  Kremsier,  Ulricb  Kobrle  am  Keal-  und  Obergymn.  in 
Ohradim,  Julian  Eobylanski  am  II.  Gymn.  in  Csernowiti,  Jobann 
Kobont  am  Gymn.  in  Leitomiaebl,  Elias  kokorodt  am  akad.  Gymn. 
in  Lemberg,  Weniel  Eonh&aser  am  Gymn.  mit  dentscber  Unterriebts- 
spräche  in  Prag-Neustadt  (Stephansgasse),  Wensel  EOnig  am  I.  bObm. 
Gjmn.  in  Brfinn,  Johann  Koran  da  am  Gymn.  im  III.  Wiener  Gemeinde- 
besirke,  Josef  KostliTy  am  Gymn.  in  Eger,  Franz  Kovär  am  Gymn. 
mit  bobm.  Unterricbtsspracbe  in  Pilsen,  Josef  Kramäf  am  Gymn.  in 
Pisek,  Jobann  Kraus  am  Gymn.  in  Kiuman,  Budolf  Krenti  an  der 
I.  bOhm.  Bealscb.  in  Brfinn,  Franz  Kuus  am  Gymn.  im  XYIII.  Wiener 
Gemeindebezirke,  Marcell  Kndar  am  Gymn.  mit  ital.  Unterricbtsspracbe 
in  Zara,  Jobann  Lacinj^  an  der  Bealscd.  in  den  Königlichen  Weinbergen, 
itQdwig  Lederhas  am  I.  Gymn.  in  Laibach,  Jobann  Leis  am  Gymn. 
^  Qottschee,  lächnlrat  Tbaod&ns  Lewicki  am  V.  Gymn.  in  Lemberg, 
^arl  Linsbaner  an  der  Bealscb.  im  I.  Wiener  Gemeindebezirke,  Wenzel 
I^okyenc  am  Gymn.  mit  böhm.  Unterrichtssprache  in  Kremsier,  Wilhelm 
ijiibich  am  Gymn.  in  Böhmisch -Leipa,  Karl  Ludwig  am  Gymn.  im 
^^.  Wiener  Gemeindebezirke,  Johann  Maeher  am  II.  Gymn.  in  Laibacb, 
'«^^z  Mader  am  Gymn.  in  Freistadt,  Johann  Mädr  am  Gymn.  in 
M^^*  ^^^^^  Maletschek  am  L  deutschen  Gymn.  in  Bränn,  Emanuel 
^axkmtiiier  am  IL  bOhm.  Gjmn.  in  Brfinn,  Alois  Mayr  am  Gymn.  in 
^ntbiack,  Franz  Mazal  an  der  Bealscb.  in  den  KOniglicben  Weinbergen, 
If  K  V  ^'^^^  '^^  ^^'  deutschen  Gymn.  in  Bifinn,  Jakob  Midanik  am 
Wi  '^y°"''  ^°  Brfinn,  Franz  Michalek  am  Karl  Lndwig-Gymn.  in 
£lJA^k  ^^*  Mouöka  am  Gymn.  in  Hohenmauth,  Hugo  Muiik  am 
j™»at>eih.Gymn.  in  Wien,  Hugo  Navratil  an  der  Bealscb.  in  Linz,  Franz 
io  ^^^  Am  Beai-  und  Obergymn.  in  Klattau,  Jobann  Nömec  am  Gymn. 
•^«Jachigch-Meseritscb,   Josef  Kömec  .      ~         . 


^ohan»  V  "^^"^®*®"^^*^'^»  ^^^^^  Kömec   am   Gymn.   in   Deutsch- Broi 

.Pr«xi2  j^^pQBtil  am  Gymn.  in  Pfibram,  Emil  Neugebauer  an  der 

^^QieiTwf^^^'^^^^*  in  Wien,  zugewiesen  der  Bealscb.  im  XIII.  Wiener 

***   Gjf^**>«"5ke.  Franz  Novak  am  L  Gymn.  in  Laibacb,  Franz  Noväk 

•*»!   C»i?**  "^^^  böhm.  Unterricbtsspracbe  m  Troppau,  Dr.  Yinzenz  Ohm 

*'*iierord   ;,''*^*   böhm.  Unterrichtssprache  in  Prag- Neustadt  (Korngasse), 

^«»t^die    ^'*^^«""aisprof.  Dr.  Samuel  Oppenheim  an  der  Bealsch.  mit 

j^  J^^obdi.  ^A^^^'^<^tssprache  in  Karolinenthal,  Anton  Pado  am  Gymn. 

j^^^-^oiir»^  /^'^  Bobert  Parma  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache 

ibek  an  der  Bealscb.  in  Prag-HoUeschowits 


to'  ^-^i^Our»  /*^*>  xfcouert  rar  ms 
^^^^A^  Ottokar  Paroub 
j?  -^Ai  ^'Ai  Paszezyfiski  am  Gymn.  io  Brzezany,  Thomas  Pavlü  an 

^hS?***^^*  '^    Kiitt^aberg,   Martia   P«      "'  '    ^  

jg|Ji*i,  .*'^träö^k  am  Ih  böhm,  Gjmn 

.   ik^eXi    '^    Lot.  j  Jditl-Clkli  T.'kjK^laiia       Pir.v», 


p>^^i^j^^tjiJBicri^ti^    Laidi:*laus   Pircuan    am  Gymo.  in  Pisek,    Wenzel 

4t^*«f|,  *^  o^üfH^    iiijt  üeQtflcber  UoternebUBpraLhe  in  Smichow,   Ignaz 

^^»ttf   ,^^  oj^ÄJD     in  AlÄfbur^,    ÄJoIf  Poküriij   an  der  Franz  Joseph- 

4t  ^^M  ?  Tfc^J«"^*    ^^»  Simon  J^liiiian  Prem  um  11.  li>'niu.  in  Graz,  Karl 

fa^**tt        ^'^      ^-    Gymn,   in    üraz^    Kart   Procüäika    am   Gymn.   in 

%J^^UfiKflf    ^Ohfinger  am  üymu.  lu  Krtmä,  Karl  Queiss  an  der 

i*i:y"^tfi«fj»/»cli.  in  Wien,  Peter  Eada  am  Gymu^mit  böhm.  Unter- 

.ji     ^t^^sai^.fiipaKtadi  (TiKthlergaaac),  Ffanz  Rehof  am  Gymn. 

/lA^xi    Hippel  *ii  ü-r  l^,^aUcb.  im  XV.  Wiener  Gemeinde- 

;!       üo  i  tj^ii   bührii.  Unterrichtssprache  in 

it^  ai  v^ltiügay,    Dr.  Matthias  Bypl  am 

""*-      -'^  —n  mit  böbni.  Unterricbtsspracbe 

«jmLiuSf  Wladimir  Sazyma 
^e  in  Budweis,  Dr.  Anton 


558  Penonal-  und  Sehnlnotiieii. 

Scham 8  ed  d«r  Bealich.  in  Leitmeritz,  Bodolf  Sebantroch  amLOrmn. 
in  Tarnowy  Gostar  Scbaaberger  an  der  Bealscb.  in  Lini,  Frani 
Schindler  am  Gyron.  mit  bObm.  Unterrichtupracbe  in  Kremsier,  Johann 
Schmidt  am  Gjmn.  in  Weidenao,  Frani  Schneider  am  Gyma.  in 
Leitmerits,  Ednard  Sehniicik  an  der  Bealsch.  im  III.  Wiener  Gemeinde- 
bexirke.  Frans  Schwenk  am  Gymn.  in  ViÜach,  Frani  Sebald  an  der 
Bealscb.  im  1.  Wiener  Gemeindebezirke,  Karl  äej^a  am  I.  Gymn.  io 
Laibacb,  Ferdinand  Seidl  an  der  Bealsch.  in  GOri,  Dr.  Lndwig  Singer 
an  der  I.  Bealsch.  im  II.  Wiener  Gemeindebesirkei  Johann  Skikai  am 
Gymn.  in  2iikow,  Josef  Skarbina  am  Gymn.  in  Villach,  Joief  Sloupsky 
am  Gymn.  mit  bObm.  Unterrichtssprache  in  Kremsier,  Wensel  dole  au 
der  Bealsch.  in  den  Königlichen  Weinbergen,  Dr.  Josef  Öorn  am  I.  Gttdo. 
in  Laibacb,  Dr.  Johann  Spika  am  Ertbersog  Bainer- Gymn.  in  Wien, 
Wensel  Starek  am  Karl  Lndwig-Gymn.  in  Wien,  Theodor  Stegl  am 
Gymn.  in  Teplitz-SchOnao,  Gereon  Steinschneider  an  der  I.  dentKheo 
Bealsch.  in  Prag,  Johann  ät^än  am  Gymn.  in  Trebitsch,  Johann 
Stitzen berger  am  Gymn.  in  Tepliti-SchOnan,  Johann  Strinskf  am 
Gyron.  in  Dentsch-Brod,  Karl  Strasser  an  der  Bealsch.  im  XYIII.  Wiener 
Gemeindebezirke,  Franz  Stacbllk  an  der  Bealsch.  in  Pardnbitz,  Mattbint 
Snebaa  am  Gymn.  Cilli,  Ednard  8 Tot  am  Gymn.  in  Bandniti,  Karl 
Tappeiner  am  Erzherzog  Bainer-Gymn.  in  Wien,  Alois  Ta?öar  an  der 
Bealsch.  in  Laibacb,  Adolf  Thannabanr  an  der  Bealsch.  in  TUest, 
Josef  Tobiäfiek  am  Gymn.  in  Pilgram,  Jobann  Ton  dl  am  Gymn.  mit 
bO hm.  Unterrichtssprache  in  Kremsier,  Anton  Trnka  am  Gymn.  inJida, 
Josef  Trnbl  am  Gymn.  in  Beichenan,  Simon  Trnsz  am  Gymn.  in  Zlocsdw, 
Ferdinand  Vaäek  am  Beal-  ond  Obergymn.  in  Klattan,  Othmar  Vaftorny 
am  Gymn.  in  Hohenmaath,  Josef  Vato?ac  am  Gymn.  in  Gapodistrit, 
Wenzel  Ve?erka  am  Gymn.  mit  bohm.  Unterrichtssprache  in  Frag-Neo- 
Stadt  (Tiscblergasse),  Alois  Ylöek  am  Gymn.  in  Tans,  Franz  Vajtek  an 
der  I.  dentseben  BesJich.  in  Prag,  Franz  Vykonkal  am  Gymn.  mit 
bOhm.  Unterrichtssprache  in  Prag-Nenstadt  (Tiscblergasse),  Zdenko  Vj* 
soky  am  Gymn.  in  Keabana,  Dr.  Andreas  Wasbietl  am  Ershenog 
Bainer- Gymn.  in  Wien,  Laurenz  WaSkowski  am  Gymn.  in  Bochois, 
Valentin  Weinzettl  am  Gyron.  in  Bandnitz,  Josef  Wentsel  an  der 
Bealsch.  in  Laibacb,  Wenzel  Wild  am  Gymn.  im  XIX.  Wiener  Gemeind^ 
bezirke,  Leopold  Winkler  am  Gymn.  im  XXI.  Wiener  Gemeindebezirke, 
Josef  Wrnbl  an  der  Bealsch.  in  Bielitz,  Dr.  Johann  Wytrsens  am 
Gymn.  mit  poln.  Unterrichtssprache  in  Teschen,  Ladislans  Zagörski  am 
IV.  Gymn.  in  Lemberg,  Josef  ZaanmQller  am  Gymn.  in  Freiatadt,  Josef 
Zehente r  an  der  Bealsch  in  Innsbruck,  Frans  Zickero  an  der  Bealsch. 
im  I.  Wiener  Gemeindebezirke  nnd  Karl  2iyotsk^  an  der  Bealsch.  in 
Pardnbitz. 

In  die  VUL  Bangski as sc  worden  befordert:  die  Proff.  am  Gymn. 
in  Gmnnden  Ür.  Jobann  Kleinpeter,  Dr  H^idoir  WeiS  und  Cirt 
Badlof,  der  Prof.  an  der  Bealscb.  in  Ti\eni  Dr.  Karl  Tertoik,  der  Pr«t 
an  der  Unterrealsch.  in  Pola  Dr.  Anton  Guirg,  4er  Tar&lebrer  an  d?f 
Unterrealsch.  in  Pola  Feodor  Glaser,  ^i«}  Proff.  am  O^n.  in  Bf^feci 
Dr.  Jobann  Meizner,  Andreas  Mock,  Josef  Blum  rieb»  Dr^  Bodol/ 
Ager,  Franz  Schrempf  nnd  Friedrich  b«eber. 

In  die  IX.  Bangsklasse  worden   befördert:    der  I#ehre7  aa  d^ 
Vorbereitan^rsklasse  fOr  die  Mittelscbnleti   io   Hielits   Jobuif  ^    ' 
der  defin.  Tarnlebrer  an  der   Bealscb.   in   Bietitt   Bobeftt^ 
Lehrer  an  der  Vorbereitnngsklasse  am  Gymn.  in  Cilli  Jotj 
Turnlehrer  an  der  Bealsch.  in  Laibach  Pfot  Fraoi  Briiii)| 


1 


) 


I 


Penonal-  and  Schalnotizen.  559 

AoBzeichnnngeu  erbielten: 

Den  Titel  einet  Hofratea  ans  Anlaß  der  Versetiang  in  den  Bahe- 
•tand:  die  Landeeschalinipektoren  Stephan  Kapp,  Dr.  Lndomil  Germ  an 
nnd  Dr.  Franz  Swida. 

Den  Titel  einea  Begieranesrates:  der  Landesachnlinspektor  Johann 
Lewieki  in  Lemberg,  der  Prof.  an  der  I.  Bealscb.  im  II.  Wiener  Ge- 
meindebeiirke  Dr.  Gneta?  Schilling,  der  Direktor  des  Gymn.  der  Bene- 
diktiner so  den  Schotten  in  Wien  Anton  Saner,  der  Direktor  des  Gymn. 
io  Leitomiichl  Emannel  Seifert  am  Anlaß  der  Ton  ihm  erbetenen  Ver- 
•etxnng  in  den  bleibenden  Babettand,  der  pent.  Gymnasial prof.  Dr.  Josef 
Po  mm  er  in  Wien,  der  Direktor  der  BeaUch.  in  den  KOniglicben  Wein- 
bergen Franf  Warm  aas  Anlaß  seiner  Versetiang  in  den  bleibenden 
Bohestand,  der  Direktor  des  IV.  Gyron.  in  Krakan  Schahrat  Anton  Pas- 
drowski  ans  Anlaß  der  Ton  ibm  erbetenen  Versetsong  in  den  bleibenden 
Bohestand,  der  Direktor  der  Landes-BeaUeh.  in  Mihr.Ostraa  Wladimir 
Hanadek  anlftßlich  seines  Übertrittes  in  den  bleibenden  Bohestand,  der 
Direktor  des  Gymn.  mit  dentscher  Unterrichtssprache  in  Kremsier  Johann 
Stock],  der  Direktor  des  Gymn.  in  Strainits  Alois  Fischer. 

Den  Titel  eines  Schalrates:   der  Prof.  am  I.  Gymn.  in  Laibaeh 
Alfons  Paalin,  der  Prof.  am  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  in 
PragNeastadt  Karl  Schirek  aas  Anlaß  der  fon   ihm  erbetenen  Ver- 
setiang in  den  bleibenden  Bahestand,  der  Prof.  am  Gymn.  in  Jongbans- 
laa  Frans  Bared,   der   Prof.   am   I.  Gymn.   in  Laibach   Dr.  Heinrich 
Oartenaoer,  der  Prof.  an  der  I.  Bealscb.  in  Krakan  Leo  Piecard,  der 
Prof.  am  Gymn.  in  Preraa  Frani  Po  14k  nnd  dem  Prof.  am  II.  Gran, 
in  Lemberg  Nikolaas  Sy  walak  anlftßlich  ihres  Übertrittes  in  den  blei- 
benden  Bahestand,    der    Prof.   am    Gymn.    der   Benediktiner    so    den 
Schotten  in  Wien  Ernest  Spreitzenhofer,  der  Prof.  am  I.  deatschen 
Gymn.  in   Brunn   Josef  Zelenka,   der  Prof.   am   I.  bobm.   Gymn.   in 
Brunn   Franz    Bypädek;   die    Professoren:    Vinzeni    Bieber   an   der 
Bealscb.  in  Marburg,   Franz  Bilek  am   Gymn.  mit  bObm.  Unterrichts- 
spräche  in  den  Königlichen  Weinbergen,  P.  Jalian   Fednsiewics  am 
Gymn.  in  Stryj,  Mattbftns  Fradeliö  am  Gymn.  mit  ital.  UnterrichU- 
^ra^e  in  Zara,  Matthias  Hechfellner  am  Gymn.  in  Innsbrack,  Josef 
Beekel  am  Gymn.  in  Mies,  Karl  Himer  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unter- 
nchtssprache  in  Prag-Kleinseite,  Friedrich   Freiherr  ▼.  Holzhansen  an 
^w  L  ße»l«ch.  in   Grai,  Oswald  Kaiser  am   Sophien-Gymn.  in  Wien, 
Joisf  KODig  an  der  Bealscb.  in  Linz,  Karl  Kytka  an  der  BeaUch.  mit 
deatseher  Unterricbtssprache  in  Pilsen,  Adalbert  Miknliez  am  L  Gymn. 
w  Ciernowiti,  Emmerich  Müller  am  Gymn.  mit  dentscher  Unterrichts- 
ÜviiT   J.°   P'»f-AlUtadt,    Ferdinand    Neidl    an    der    Bealscb.    im 
Ui    i'  ^^^^^  Gemein  de  b  eiirke ,  Johann   Niederefrger  am   Gymn^  in 
^oitratk,  p,  Franz  Pilny    am  Gymn.  mit  b&bni.  ünttrricbtspp räche  in 
h^T^*  tf^^^^  SÄlifer  Ätn  Gymi».  m  Wei^ienau,   (ieorg   L'stöpan    am 
ÄijD  *  1  ^**'^'  and    Koiomuöd-Obergjnnii*  in  MÄbriftcb  Schönber^,  Jakob 
ffiej    V    ^"*  Gjsjn,  in  Egfr,  Jo»ef  Slrökel  am  Gymn,  iD  Cattaro,  Gou- 
tadtr     f^*^''^*  am    Qymn.   in  ViUach,   P.  Kolomno  Wagner   um    Karl 
O^g^  '^'%ina.  in  Wien*  Fmni  Wa^i*-  -'-  ^  --  v-    ^-^^j^r-  nnd  Komtntinal- 
Ud*-^*''*'-  in  3JÄJ5ri»ch-Sehflnh<tr|f.  n  Gymn.  mil  böbn).r 

B*4W    ***F*cüö    in   ¥rmM^^  .  ,^  .Hü^^Tifk  ^n  d*r 

^'  i^mu  «.tilLlilf'^^^  ^^M|i|g^«xia«i)  Kube«tand, 

Adu»  1    ^  '^'^^'^  -IM  #1  /  ^^^^^Btr  Qymna«ia[prci(, 


"««1 


^ 


560  Nekn^ogie. 

Den  Orden  der  eiBemen  Krone  IIL  KUise  der  LftndesBchnluispektor 
in  Zara  Michael  Zaradlal. 

Das  Bitterkrens  des  Frans  Josephs- Ordens  der  Prof.  am  skad. 
Gjmn.  in  Prag  Scbnlrat  Dr.  Siegmond  Winter  anilAlicb  der  Ton  ihsi 
erbetenen  Versetsnng  in  den  bleibenden  Ruhestand. 


Nekrologie. 

Gestorben  sind  *) :  Johann  Ealberg,  Gymnasialprof.  (LG)  in  VUlaeh, 
58  J.  alt;  Jaroslaos  Veruer,  Bealsehalprof.  (BF)  in  Bodweis,  50  J.  alt; 
Johann  Nofäk,  BeaUebolprof.  (M  Nl)  in  Badweis,  50  J.  alt;  E.  Doli 
em.  Bealscboldirektor  in  Wien,  71  J.  alt;  lierson  Steinsehneider,  Beal- 
sehnlprof.  (DF£)  in  Prag,  49  J.  alt;  Karl  Bntte,  Gymnasialprof.  L  B. 
in  Wien,  67  J.  alt;  Friedrich  Baner,  Gymnasialprof.  (Dlg)  in  Wien,  40  J. 
Alt;  Dr.  Karl  Leiss,  Bealscbnlprof.  (DFb)  in  Pilsen,  41  J.  alt;  Be- 
giemngsrat  Dr.  Anton  Beibenschnh,  Bealscboldirektor  i.  P.  in  Prag, 
68  J.  alt;  Msgr.  Frans  Benckl,  Beligionsprof.  in  Oberhollabninn,  64  J. 
alt;  Karl  Schwarzer,  Bealscbnlprof.  (Gern)  in  GOrs,  57  J.  alt;  Gnsto? 
Hiebl,  Bealscbnlprof.  (MGe)  in  Wien,  48  J.  alt;  Frans  Kons,  Gym- 
nasialprof. (LG)  in  Wien,  50  J.  alt;  Angnst  Meschkae,  Tarnlehrer  in 
Wien,  51  J.  alt;  Schalrat  Josef  Nahrhaft,  Gymnasialproi  i.  B.  in  Wien, 
67  J.  alt;  Angastin  Sebesta,  Gymnasialprof.  (LGB)  in  Pilgram,  47  J.  alt 


Erwiderang. 

Torba  bat  in  dem  Aufsätze:  „Kritische  Beitrage  sn  den  Anfingen 
Ferdinands  I.**  (in  dieser  Zeitschrift  S.  193  ff.)  mein  Bach  «Die  Anfange 
Ferdinands  I."  einer  Kritik  nnterzogen,  die  es  sich  zur  Aafgabe  gemacht 
hat,  f&r  seine  von  den  verschiedenen  Fachgelehrten*)  abgelehnten  staats- 
rechtlichen nnd  verfassongsgescbichtlichen  Anschannngen  (besonders  Aber 
die  Bedeutung  des  BrQsseler  Vertrages)  nochmals  eine  Lanze  zn  brechen. 
So  erklärlich  dieser  Vorgang^  a  is  ppjcholog^i?chpTi  Bewe^^'^rÖDilen  erscbeiHr^i 
mag,  so  wenig  dflrften  im  iül^^i^meineii  seine  sachlichen  Ausf&hranf^ 
überzeugend  wirken.  —  Um  es  glHch  yor wegzunehmen*  T.  bi^^hiittil 
sich  darauf,  ohne  Aber  die  pri:i)tivt>ii  Ergeboisse  meines  Bache»  DW  «ifi 
Wort  zu  verlieren,  jene  Momente  he nrar^u heben  ^  die  seiner  tnlijtktir^ 
Ansicht  nach  Grund  zum  Ta^U^l  ttieteD.  Und  dr>rt,  wo  er  mieh  #0  Lff^lalt 
in  Schutz  nimmt  (S.  200),  schimmert  die  eigi^ntUche  Absfdhi  dsf  7fft4 
nur  allzu  deutlich  hervor.  In  Atibetritcbt  dessen,  daü  mir  hior  nnf  iin 
sehr  beschrankter  Kaum  zur  W'rfüj^UEig  steht,  und  da  ich  mf  gtffift« 
Erörterungen  in  größerem  Zu^^ammeDbange  zuTnckkomtnen  will,  pti  ich 
es  mir,  wenigstens  einstweilen^  vereagen,  auf  alle  \  ■  '*'  -r 
ten  £inwände  mit  der  gewünächt^^n  AuaJUhrUcbkeit  ein   . 


*)  Um  in  diesen  Angaben  Vdlitändigkeit  zu  CTzie 
Lehrkörper  (Direktionen)  ersucht,  die  eintretenden  Todesfall 
gefälligst  bekannt  zu  geben.  ^ 

•)  Kogler,  Monatsblättor  den  Vereins  ÜIt  Lan 
derösterreich  2,  ß.  241  ff.    Wretschko*  E 
meinen  Zeitung  1904,  Nr.  149.    LeTeo 
äp.  301.    Uhlirz,  HistoriacliL^  Zm^ 


d#««l 


Erwiderung.  561 

Gleich  über  den  ersten  Pnnkt  wäre  es  für  meinen  Kritiker  besser 
Seewesen,  mit  Stillschweigen  hinwegzugehen.  T.  schreibt  in  seiner  (be- 
schichte des  Thronfolgerechtes  S.  156:  „Wichtiger  aber  war  die  Erwägung, 
ob  der  Kaiser  seinem  Bruder  überhaupt  gestatten  sollte,  zu  heiraten.* 
Diese  auch  noch  so  verklausulierte  Annahme,  daß  Karl  seinen  Bruder  zum 
Coelibat  habe  zwingen  wollen  oder  doch  ein  darauf  hinzielender  Plan  Yon 
ihm  vorübergehend  erwogen  worden  sei,  hat  m.  E.  etwas  so  Unffehener- 
liches  an  sich,  daß  idi  glaubte,  an  einer  solchen  Behauptung  nicht  still- 
schweigend vorübergehen  zu  sollen.  Wenn  nun  aber  derjeniee,  der  ein 
solches  Unternehmen  nicht  «so  ganz  unwahrscheinlich"  hält^),  sieh  auf 
eine  einzige  Belegstelle  stützt,  auf  die  mindestens  31  Jahre  später  ge- 
fallene Äußerung  eines  Mannes ,  der  sich  über  andere  damit  zusammen- 
hängende Punkte  keineswegs  sehr  gut  unterrichtet  zeigt,  so  kann  man  doch 
nicht  von  einer  kritisch  fundierten  Darstellung  sprechen.  Auch  die  Tat- 
sache, daß  der  kaiserliche  Beichtvater  Glapion  an  den  Brüsseler  Verhand- 
langen aktiven  Anteil  genommen  hat,  vermag  die  Wahrscheinlichkeit  der 
Behauptung  T.s  nicht  zu  erhöhen.  Die  Mitwirkung  Glapions  hervorzu- 
heben, lag  für  mich  kein  Grund  vor,  obwohl  ich  die  S.  195,  A.  2  ange- 
führte Stelle  wohl  kannte.  Aber  ich  habe  meine  Notizen  eben  nur  dann 
verwertet,  wenn  sie  mir  von  Belang  schienen.  Die  von  T.  hier  heran- 
gezogene Bemerkung  besag^  aber  g«r  nicht  das,  was  er  aus  ihr  heraus- 
lesen will,  daß  sich  nämlich  der  Beichtvater  für  Ferdinand  besonders  ein- 
gesetzt habe.  Sie  beweist  nur,  daß  Glapion  der  einzige  Zeuge  für  be- 
stimmte Verhandlungen  war.  Aber  auch  auf  die  Verdienste  öalamancas 
um  die  Teilungsache,  für  die  ich  eine  urkundliche  Äußerung  anführen 
konnte,  legte  ich  in  meiner  Arbeit  kein  allzu  großes  Gewicht,  weil  es 
mir  schien,  daß  ein  so  folgereicher  Entschluß,  wie  es  die  Erbteilnng 
▼on  1522  war,  mehr  durch  zwingende  politische  Ursachen  bestimmt  ward, 
sIb  durch  Diplomatenkunststücke,  die  T.  so  gerne  hinter  großen  Ereig- 
nissen wittert  —  Daß  die  Worte  T.s:  ^Eine  Zeitlang  war  es  also  sehr 
ungewiß,  ob  das  Vorrecht  des  Ältesten,  wie  es  das  Majus  formuliert  hatte, 
ftbffir  Ferdinands  Gleichberechtigung  den  Sieg  davontragen  würde",  min- 
destens so  aufgefaßt  werden  können,  als  ob  T.  meine,  das  Majus  und 
dessen  Bestimmungen  seien  damals  für  die  Teilung  in  Erwägung  gezogen 
worden,  wird  sieh  kaum  bestreiten  lassen'). 

Daß  mich  T.  einer  gewissen  Einseitigkeit  in  der  Beurteilung  der 
Lage  Ferdinands,  besonders  nach  der  Brüsseler  Teilung  zeiht,  hat  seinen 
vrund  in  dem  engen  Gesichtskreis,  von  dem  ans  T.  die  ffanze  Sachlage 
»surteilt  Meine  Bemerkung,  daß  Ferdinand  «das  Schicksal,  das  dem 
Jüngeren  eignet,  bis  zur  Neige  auskosten  sollte**,  ist  fürs  erste  in  ganz 
sndeiem  Zusammenhange  von  mir  gefUlen  und  bezieht  sich,  wie  jeder- 

k  ^  Er  schreibt  S-  194  wörtlich;    „Aber  80  gani  iinwahrsch©itilic}i 

T       tst  ea  dennoch  nicht,   da&    wenigstens  eirn»  '/.eltlan^   in  der  L*ni- 
^ebufig  Karls    der  allerditjgs  seht   spät   f  I'l&ö,    Ferdinaod    die 

Heirat  mit  Anna    oder  das  Meiraten  Mifii  fui^dt^n.    tatsächlich 

bertanden  hat-.    Warn  aber  1^^?^™^^^^  :mtritt,   als 

er  den  Plan  bloß  in  dieütp*  ^^%  ujin  sich  uij- 

^Ilkürlich,  w.  ,a*^  ZHlBtaPf  ^'^^^  brauchk^ 

lener  aein  E>  ri|^^^^EM%t  ^^^^ 

*}  Aut     !<  I^^^^^Ku^rli  des  Ka* 

llidliflchen,  d>rL,   L    L|||^  ^^^^^^^B:i  ich  hu  an- 

«rem  Oh&  t^iüg^bcaTt 

Inhal  tüAngabe^  4et**  un« 

meine  Arbeit  J^mm  -^  *> 

die  DepescbfeT 

dchl  das  RT- 

dort 


r*  « 


562  Erwiderung. 

mann  sehen  kann,  der  mein  Bach  liest,  keineswegs  auf  das  Ergebnis  der 
Länderteilnng,  wie  es  nach  der  Darstellang  T.s  den  Anschein  habet 
könnte.  Daß  der  Infant  nach  dem  Tode  seines  m&tterlichen  Groftraten 
Tiele  bittere  Erfahrungen  machen  mußte,  wird  man  kaum  bestreiten 
können.  Doch  davon  steht  eben  nichts  in  den  Urkunden  und  Ton  diesen 
allein  aus  beurteilt  T.  die  ganse  Angelegenheit.  Er  schildert  die  Stdlung 
Ferdinands  nach  1682  mit  lebhaften  Farben.  «Darum  hatte  der  Enhenog 
alle  Ursache  lufrieden  zu  sein  und  tatsächlich  yersprach  er,  k&nftig  nichts 
mehr  von  Karl  fordern  zu  wollen.  Ja,  er  leistete  sogar  wie  auch  seio 
Bruder  auf  die  Einhaltung  des  Vertrages  Tom  7.  Februar  1522  eines 
feierlichen  Eid,  was  B.  nicht  erwähnt"  Ja,  auf  den  Pergamenten  lieft 
sich  die  Sache  wirklich  grandios  an.  Leider  laßt  sich  aber  das  Lebeo 
und  deshalb  auch  die  Geschichte  nicht  nach  Yertr&ffen  allein  beurteilen. 
Ich  selbst  habe  nicht  angestanden  (S.  159),  die  Vorteile  der  Brüsseler 
Abmachungen  fttr  Ferdinand  heryorzuheben  —  das  Abergeht  fretUoh  T. 
~  aber  ich  habe  eben  als  Historiker  auch  jene  Momente  heranzieheB 
müssen,   die  sich  aus  den  Quellen  als  Beweise  dafür  ergeben,  daß  dsa 

f  linzende  Bild  des  mit  dem  maximllianeischen  Erbe  ausgestatteten  En- 
erzogs  eine  minder  leuchtende  Kehrseite  hat  Die  ffinzliche  Verschul- 
dung der  österreichischen  Landet,  die  darin  zum  Teil  herrschenden  anar- 
chischen Zustände,  die  durch  die  teilweise  Geheimhaltung  der  Verträge 
bedingte  reserrierte,  ja  ablehnende  Haltung  Tirols  und  der  Vorlande  be- 
deuteten keine  geringe  Einbuße  für  den  Wert  der  dem  Infanten  zuge- 
fallenen Herrschaft.  Selbst  die  Stellvertretung  Karls  am  Beichsregiment 
bedeutete  nicht  ,Tiei ,  wie  jeder  meinen  Ausführungen  entnehmen  kann. 
Ich  habe  auch  gezeigt,  wie  Ferdinand  zu  einem  seinen  Landen  schäd- 
lichen Frieden  mit  Venedig  einfach  genötigt  wurde ,  ich  habe  dargetaa, 
wie  ein  kaiserlicher  Beamter  1524  den  Erzherzog  schlechterdings  alt 
gwintiti  nigligeable  behandeln  konnte,  ohne  daß  T.  meine  Angaben  be- 
stritten hätte.  Aber  all  dies  Überschuß  mein  Kritiker,  weil  es  ein&ch 
nicht  in  seine  Konstruktion  paßt. 

Und  weiter.  Die  Bestrebungen  Ferdinands  nach  der  Würde  eines 
römischen  Königs,  nach  Erweiterung  seiner  Erblande,  sein  Verlangen, 
Statthalter  in  Mailand  zu  werden ,  sind  in  T.s  Augen  ebenso  riele  An- 
klagepunkte wider  den  Infanten.  „In  seltsamem  Kontrast  standen  solche 
Forderungen  zu  den  beeideten  Erklärungen  des  Vertrages  vom  7.  Februar 
1522**  schreibt  T.  S.  199.  Er  betont  zunächst  die  Tatsache,  daß  die  Ver- 
träge beeidet  worden  seien,  denn  er  hält  mir  weiter  oben  Tor,  daß  ich 
diesen  Umstand  nicht  eigens  angemerkt  hätte.  So  sehr  derlei  moralische 
Betrachtunp;en  demjenigen  alle  Ehre  machen,  der  sie  anstellt  so  wenig 
darf  ein  Historiker,  der  die  Verhältnisse  des  ausgehenden  XV.  und  be- 
ginnenden XVL  Jahrhunderts  kennt,  evuT  di.'»  ScUwui  in  |<v[i  > 
Schäften  Gewicht  legen.  Die  Einseitigkeit ,  mit  der  T.  &mn&  A 
durchführt,  hat  ihn  auch  Terhindert.  die  Fi^ge  auf^uwerr^n,  -  - 
seinerseits  allen  beeidigten  Vertragi^punkten  in  entiprecbentjer  \Sr!" 
nachgekommen  ist.  Ein  Blick  in  mtUi^  Arbait  Htt«  ihn  c^iaes  BeiMTru 
belehren  können.  Was  aber  z.  B.  di«  «erbliche  Oberlasauug  Pfirta  ttuil 
Hagenaus  betrifft,  so  hatte  Ferdinaud  diesa  nicht  aaf  6 rund  4^bt«ehi- 
lieber  Forderungen  (nur  solcher  konnte  er  ei<?h  £u  Brüäcel  ^nlSM^hll^c<M) 
▼erlangt,  sondern  als  Kompensation  für  etDeo  Verzicht  seiaerseiU  (S^ttif 
—  Die  Vollmacht  Karls  für  seine  Prokuratoren  (I  202  f.)  habe  teil  lln- 
falls  durchgesehen  und  für  mich  notiert  [t^L  B.  157,  Anm^  S)«  ^ 

habe  nicht  gewa^  die  wichtigen  Scbliisse  daran  i  zu  liehen^  die 
Wie  er  selbst  mitteilt,  ist  die  UberlielVrun^  nicht  g^ui  surerU 
Konzept,  dessen  endgiltige  Form  kein^;r?wegs  feststeht    Am  i|| 
Reihe  der  übrigen  Urkunden  fehlt  ton  diesem  die  ßein*^»^"*"  ^ 

direkte  Beziehung  auf  einen  Vertrag  foni  2t.  Febiiy 

Die  Korrektur,  die  ich  an  der  Mitteilnv^ 
macht,  muß  ich  trotz  T.  aufrecht  erhalten,  j- 


Erwiderung,  663 

sind  geradem  eine  Verstärkung  meiner  Behaaptnng.  Hatte  T.  die  be- 
treffende Stelle  bei  ülmann  nachgelesen,  er  hätte  gefanden,  daß  mir  nnr 
inaofem  ein  Versehen  unterlaufen  ist,  als  es  hätte  heißen  sollen :  „Es  ist 
ein  Irrtum,  wenn  U«. . .  annimmt,  die  alleinige  Regentschaft  Ferdinands 
in  Kastilien  hätte,  falls  Johanna  früher  gestorben  wäre,  mit  dem  20. 
Lebensjahre  Karls  geendet. 

Je  mehr  die  Ausführungen  T.s  über  seine  bekannte  These  von  dem 
Weiterbestand  der  Einheit  des  habsburgischen  Hauses  nach  dem  Brüs- 
seler Vertrag  in  die  Breite  geraten,  umso  kürzer  kann  ich  mich  fassen. 
£b  steht  da  Behauptung  gegen  Behauptung,  und  was  er  hier  an  Be- 
weisen bringt,  bewegt  sich  gani  in  der  Linie  seiner  früheren  Arbeiten. 
Ich  muß  es  den  Fachgenosseu  überlassen,  die  Entscheidung  in  treffen, 
sie  werden  auch  über  die  Art  der  Beweisführung^  T.s  ihr  Urteil  HLllen, 
wenn  er  z.  B.  die  wichtige  „Vererbungsreffel",  die  selbst  die  Literpreta- 
tionsknnst  T.s  ans  dem  Vortrage  vom  7.  Februar  1522  nicht  herauszu- 
tüffeeln  yermag,  in  den  geheimen  Zusatzvertrag  Tom  21.  Februar  1522, 
der  eben  bis  jetzt  nicht  anf^funden  wurde,  hineinversetzt  (S.  216).  — 
Anf  diese  Weise  läßt  sich  freilich  vieles  beweisen,  ob  sich  aber  auch  viele 
dadurch  überzeugen  lassen,  bezweifle  ich. 

Eine  Beihe  von  Ausstellungen  in  Bezug  auf  die  Richtigkeit  der 
von  mir  in  den  Anmerkungen  gebotenen  Texte  leitet  T.  mit  der  Bemer- 
kung ein,  «daß  die  Texte  fast  durch wesre  leicht  leserlich  waren,  wenn 
anch  etwas  Übung  im  Lesen  und  ein  Minimum  von  Sprachkenntnissen 
unentbehrlich  waren*.  Er  kreidet  mir  nun  als  Fehler  an,  wo  stillschwei- 
gende Verbesserungen  meinerseits  vorlagen  (z.  Ü.flusiewrs  st.  pluisewra) 
und  bezeichnet  als  Lesefehler,  was  jeder  Einsichtige  bereits  aus  der  Form 
als  Druckfehler  erkennt  (z.  B.  niete  st.  nteto,  venne  st.  vewue^  medie- 
datem  usw.).  Und  auch  bei  den  anderen  Unrichtigkeiten,  von  ganz  ge- 
ringen Ansnahmsfällen  abgesehen,  könnte  ich  dokumentarisch  nachweisen 
—  selbst  bei  dem  Satzansfall  —  daß  ein  Teil  der  Schuld  auf  den  Setzer 
fillt'l  Diese  bedauernswerte  Häufung  von  Druckfehlern  hat  darin  ihren 
Grund,  daß  ich  infolge  kürperlicher  Indisposition  die  Korrektur  einer  An- 
zahl von  Bogen  gar  nicht  oder  doch  nnr  ganz  flüchtiff  vorzunehmen  in 
der  Lage  war,  anderseits  eine  anfängliche  Unterbrechung  des  Druckes 
sehließuch  zu  einer  ungesunden  Beschieunigung[  führte.  Das  konnte  T. 
allerdings  nicht  wissen,  da  ich  zu  spät  auf  diese  Mängel  aufmerksam 
-wurde,  um  sie  noch  rechtzeitig  zu  vermerken.  Die  Strenge  freilich,  mit 
der  mir  T.  in  paläographischen  Fragen  Zensuren  erteilt,  steht  einiger- 
maßen im  Gegensatz  zu  der  Ratlosigkeit,  mit  der  er  selbst  hilfswissen- 
schaftlichen  ^Problemen*  gegenübersteht,  die  kaum  einem  Anfänger 
Kopfzerbrechen  verursachen  dürften.  Aus  Raummangel  greife  ich  als 
Beleg  für  meine  Behauptung  nur  eines  dieser  Fakta  heraus:  die  Abkür- 
zung mwiMimie  lüst  T.  in  seinem  Thron  folgerecht  S.  403  —  und  noch 
dain  in  der  Korroborationsformel  einer  Urkunde!  —  als  munitissime 
ftuf  und  illaetriert  durcli  WiedtT^^Lä  d^  p^luu^'^rapbiscb^u  Befuudea  zu 
allem  Überßnnie  seine  Hiirtoaigkeit,  Ein  Minimum  von  Kenntnis  äen  ^us 
der  Schriftkunde  und  ürkandenlebre   v  '■     ;'   u  «ia  mgtite  gekümmen. 

Das  Füllhorn  von  Teilet«  da«  T  u  Buch  ausachiHtet,  uitiü 

bei  Ündo  geweihten  den  Eindruc^j^A^-  ■-'  -w^^^ti    ^     ^^^  '^  ^i^'^  ^^^i* 
nm  eine  ganz  wertlM«  Arbeit  brf  >  ^^Ti«  treibt  man 

freilich    keine  Abhaiidlung.    ^  ■  M|^^^_u^a    t:in£  solche 

kommt  man   mit  ^<mpß  ^^^KBj/^B/A    doch 

«twos,  warum  merkt  T»  <^  ^^^^^^^PHw  Vec' 

nrleüuiig  und  Ik«8efit1fi^f 

Wien.  ^    ^ 

'J  T.aili« 
f<shl«r  (tri   '^ 


564 


Entgeguniig. 


Entgegnung. 

Da  in  den  Diferenzpuiikten  scbließlieli  ät>th  nur  rl«r  hr% 
Lernt  die  Entficlieidan^  bat,  so  will  ich  nur  Folgendes  b?merk8iu 
Erwiderung  d«a  Autors  der  „ Anfange  Ferdinands  L"  hat  dti«ii 
grott^n  Teil  meiner  „Kritificbeii  Beiträge"*  noer^rtert  and  UTiwi4fTl< 
gela^seD,  für  Anderea  entweder  Widerlegaiig  in  An-  --^"^  "Stellt,  nAnj^n*. 
^unglücilicbe  istilisiemnir'*  entscbttldigt,  oderendli  k'Q^Jf^  i^t^ 

über  Argumenten  d^e  Aatoritäl  ^d^r  Terschiedeiisit  :.  .  ..^,.^'e lehrten*  t^ 
Borufen,  die  roeine  „staatärecbtlicheo  oder  Terfassangflgesehichtlicb«!  Av 
scbaniingen,  besonders  über  die  BedeotuDg  des  lirüs&eler  Vsn«^ 
scboQ  abgelebut  bätten*".  Dies  erspart  Bauer  eine  objektive  Prüf  auf  öi* 
auch  von  ibm  nicht  wegzuleugnendsn  Wortlantea  antbeo lieber  tJtkoiti 
So  bleiben  denn  nur  wenige  Punkte  Sbrig,  in  denen  er  G«genafpiiD«ir 
vorbringt^  selbst  hier  ist  aber  aein  Ton  ni&bt  immer  gani  objfkiit. 

Sollte  trotz  aller  arknudeümäGigen  Beweise  doeb  ncNjh  ^i- 
an   dem  Umfang   des  Begriffes   „w^anzes  Haus'^  Öiterreich    nnd 
belebnnng  der  snaniscben  Eriberjeoge  mit  den   ^  iHehto  iI«tfi^ 

gebieten  übrig  bleiben  können  (oben  S.  21Ü  fg.),  -*r  «ch»tt4i^ 

sobald  man  gelesen  bat,  was  Kaiser  EudoIflL  mn  :::>,  r^uguit  15c$  flo 
württembergi sehen  ünterbäudkrn  erklären  lieG,  Dauiali  äußerte  er  nit- 
lich,  die  EVentualBukzession  in  Württemberg  ^^solle  lust^ben:  .Ifcw 
Kajiserli  M[ajestillt  und  dero  löblichen  HauL  Üst*>rrettb,  d^niatsc  vm 
nicht  allain  aie  van  wtüandt  EaiBer  Ferdinando  hirrrucrtnii  Im 
fsk!]^  sondernj  toh  es  je  vund  allweg^  die  maimiUif  ffthabtf  doifmiM 
Haus  Österreich  mu  versUheft^*  ^). 

Bauer  «ebreibt  mir  dio   in  solcher  Allgemeiulieit    von  mir  itOrt 
geleugnete    „These    von   dem  Weiterbestand   der   Einhtnt    de*  hal*fe* 
g  lachen  Hau  bei  *'  abermals  zu»   trotzdem  ich  gani  ansd 
•bM  re icbskhens rech tli che n ,  nur  auf  die  öat^rreiehi- 
nun  gen  bezQ  glichen  Einheit  des  Hauses**  gesprochen    und   aIh  urlu&kr 
mäJlig  bewiesen  hatte,  Bescheiden  klyjgt  xwijr  der  Satx,  er  wollt  »^l« 
Fachgeno&sen  überlassen»   die  Entscheidung  lu  treffen",    aber  'i-   ■ 
soll  doch  gegen  mich  eingenommen  werden«   wenn  hintufei^t^t 
FachgenoBsen   würden  auch  «über  die  Art  der  Beweis  T  * 
fällen**,  wenn  ich  die  wichtige  Vererbungsregel,  difise'i 
pretationskunfit**  Aaus  dem  Vertrage  vom  7^Febniar  i^j.«  l3K'.l  u.  - 
zntüfteln'*   Termögei    «in  den  geheimen  Zusatzvertrag   vom  ^t.  Yehtnn 
lb22f  der  bis  jeut  nicht  gefunden  wurde,  bineinversetite"«    Baa«r  hlß> 
in  einer  Fra^e,    wo   Beweismaterial  gewissenhaft  vorgelegt  weidll  '^ 
iS.  213  ff,  dieser  Zeitschrift)  liebet  Gegengründe  statt   derartig«  Wf^ 
üungen  schreiben  sollen.  Nur  derjenige  Leier,  der  es  sehr  eilig  bit,  wi 
sich  aber  durch  die  Komik  einnehmen  Issseüf  die  darin  beatehen  M,  M 
eine  Vererbungsregel  in  einen  noch  nicht  aufgefundenen  Vertrag  ,liiiii»* 
versetzt*  wird,    Ist  denn   der  Vertrag    wirkUcb   nur    imaginät?    Was 
Kaiser  Karl  VL  nnd  sein  Bruder  Ferdinand,  jeder  betonders;  amSSLMb* 
1521^f  gemäß  zwei  Konzepten  von  diesem  Tage,  über  den  Inhalt  gM^ 
samer,  in  Brüssel  am  2h  Februar  1522  von  ihnen  selbst  nnteneicM^ 
und  tatsächlich  schon  ausgefertigter  {expeditiB)  Vereinbarungen  epitctA 
so  ist  eher   mnglicb,    au  der  tatsichlicben  Ausfertigung    der  swii  T«l^ 
machten  als  an  der  Ausfertigung  des  darin  zitierten  Vertrage»  lu  swiUliä^ 
An  einer  anderen  Stelle  seiner  Erwiderung  sagt  B.,  die  Überliefarunr  *'- 
hier  niebt  ganz  zuverlässig,  weil  wir  es  bloß  mit  einem  Kons^f 
bitten.  Er  widerspricht  sicn  hiemit  selbst,  weil  er  in  seinem  Bnch^ 
den  Inhalt  gerade  dieser  Vollmachten  für  iO  sicher  hielt,   daft  a  *^ 


Konzej^t 


)  Hofkammerarcbiv  Wien,  Beichsakten,   WQrtteiDl»«rf  ö»t  I^*' 


Entgegnung.  565 

glaubte,  die  Prokoratoren,  für  welche  die  Vollmachten  bestimmt  waren, 
seien  sdion  damals  ernannt  worden,  während  erst  ich  ihn  darauf  auf- 
merksam machte,  daß  f&r  deren  Namen  in  beiden  Texten  ein  Baum  frei 
gelassen  wurde. 

Die  von  mir  (S.  195  dieser  Zeitschrift)  yerwerteten  Worte  Erz- 
herzog Ferdinands  über  Glapions  geheime  Mitwirkung  an  den  Yerhand- 
longen  mit  dem  Kaiser  1521/22  beweisen,  wie  6.  meint,  noch  nicht,  daß 
sich  Gla[>ion  besonders  für  Ferdinand  beim  Kaiser  eingesetzt  habe.  Das 
mag  Ansichtssache  sein.     Wenn  B.  aber  behauptet,  ich  bitte  nunmehr 
den  «Bfickzug  angetreten",  indem  ich  jetzt  den  Plan,   Ferdinand  die 
Heirat  mit  Anna  oder  das  Heiraten  überhaupt  auszureden,  in  des  Kaisers 
Umgebung  Terlege,  so  ist  dies  sicher  eine  unrichtige  Wiedergabe  meiner 
Worte  (S.  193  f.  dieser  Zeitschrift).     Der  Plan  selbst  wäre  in  der  Ge- 
schichte des  Herrscherhausei  nicht  ohne  Beispiel.  Während  B.  in  seinem 
Boche   (&  168)    selbst   von    Salamanca   gerühmt  hatte,    er   habe   bei 
den  Brüsseler  Teilungsverhandlungen   „so  ganz    seine  |^ebene  Kauf- 
munsschlauheit"    und   für  Ferdinand    »alle  Künste  seiner  Diplomatie 
spiden"  lassen,   erhebt  er  jetzt  in  seiner  «Erwiderung** ,  weil  ich  diese 
Titsache  heryorhob,   gegen  mich  den  Pauschalyorwurf,   ich  „witterte* 
^hinter  großen  Ereignissen**  „.90  gerne*  „Diplomatenkunststücke**?  Es 
freut  mich,  daß  Bauer  seine  Äußerung,  Ferdinand  „sollte  das  Schicksal, 
du  dem  Jüngeren  eignet ,   bis  zur  Neige  auskosten* ,  für  den  Brüsseler 
Vertrag  nicht  gelten  läßt.    Wenn  Karl  V.  seinen  Bruder  eine  Zeitlang 
seltsam  behandelte,  so  muß  man  die  Verstimmung  über  die  fortwähren- 
den Neuforderungen,   vielleicht  auch  über  Salamancas  Treiben  mit  be- 
rücksichtigen.   Daß  ich  zwischen  dem,  was  Ferdinand  nach  der  Bechts- 
läge  fordern  durfte,  und  dem,  was  er  schließlich  erhielt,  ganz  im  Sinne 
beider  Kontrahenten   scharf  unterschieden   wissen  wollte,  ist  in 
Bauers   Augen    „einseitig*,   „ein   enger   Gesichtskreis'',   wenn  ich  ihn 
nicht  mißverstehe,   auch  „Konstruktion*.    Aber  er  erinnert  mich  an  die 
zwingenden  politischen  Ursachen*  und  au  den  argen  Zustand  des  maxi* 
milianischen  Erbes  ohne  Grund.  Denn  auch  ich  hatte,  überdies  mitten  im 
Zusammenhange  mit  den  Ausführungen  über  die  Bechtslage,  gesagt :  „Es 
soll  damit  nicht  geleugnet  werden,  daß  politische  Motive  die  reichlichere 
Landausstattung  dem  Kaiser  rätlich  erscheinen  ließen.    Solchen  Motiven 
entsprach  auch«...* 

Besondere  Beleuchtung  verdient  femer,  was  B.  über  meinen  Hin- 
weis auf  die  zahlreichen  Fehler  in  den  mitgeteilten  Texten  sagt.  Bei 
den  zahlreichen  Textfehlem  fällt,  nach  ihm,  „von  ganz  geringen 
Aasnahmsfällen  abgesehen*,  „selbst  bei  dem  Satzausfall^,  „ein 
Teil  der  Schuld  auf  den  Setzer.* 

Kun  sind  aber  diese  Textfehler  noch  zahlreicher  als  ich  sie  mit- 
geteilt hatte,  und  ich  bin  jederzeit  gerne  bereit,  dies  im  einzelnen  nach- 
zuweisen. So  sind  z.  B.  auf  S,  23(5.  Z.  16  der  Anmtikuii^fii  Aeine^  Bucbes 
auf  einmal  vier  für  den  Zuü^ammeuh^n^  dur^baui  nicht  gieichgiltige 
Textzeilen  ausgefiJlen,  obwohl  d^  „wie  obao gezeigt*  d«ti  AVrt  hätte 
aufnieiksam  machen  müssen,  da£  etwas  fehlt«« 

Man  verteidigt  sich  schlecht,  indem  mm  tr  bat 

anderen  nachweist.    Sicher  iiube  ich  trotz 
graplue  hei  Prof.  Mühlbacher  gefehlt,  n\$  icl 
^tfie*  las«    Ich  gab  aber  iu  e^ii»r  Anui^^^'^ 
fund  an  und  ermöglichte  iq  alUn  f^^ii^ 
▲uflösang.  Das  wäre  ein  •t'tilttiit]''. 
spricht,  so  will  ich  doch  tikLiLTfiit  daik 

1)  Bauer  konnte  mir  f^rair"^ 
-j:  1904  stau  1903  uti^ 
Bani  Siehe  oben  S.  V. 


h 


566  Zu  Alkmans  Partheneion. 

ich  habe  bei  der  Edition  Tersehiedener,  manchmal  auch  paliogiaplnich 
recht  ichwieriger  Texte  sogar  die  Dmckboffen  mit  den  Original«!  muner 
Terglichen,  in  den  allermeisten  Fällen  anch  dasjenige  so  reridiert,  was 
in  Anmerkungen  xitiert  war.  Anf  keinen  Fall  wird  mir  der  Yerf.  eine  so 
große  Anzahl  Ton  Textfehlem  nachweisen,  wie  seine  Worte  yerrnnten  lassso. 
Baneri  absprechende  £rkUning  Ton  seiner  Solidarit&t  mit  den  ,?er- 
schiedensten  Fachgelehrten*  nnd  seine  eeneralisierenden  Yorwftrfe  werden 
die  Tatsache  nicht  aus  der  Welt  schaffen,  daß  über  meine  selbständige 
wissenschaftliche  Tätigkeit,  die  nnnmehr  schon  23  Jahr6  danert,  keine 
geringere  Körperschaft  als  die  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien 
schon  im  Dexember  1895  amtlich  die  Worte:  „Torz&gliche  LeistongeB'', 
„Tolles  Vertranen  anf  Ihre  erprobte  8acbknnde  nnd  Umsicht**  gebiancht 
hat,  während  nnter  den  in  meinen  Händen  befindlichen,  mm  Teil  amt- 
lichen Urteilen  von  vier  älteren,  herTorrasenden  Vertretern  gerade  des 
staatsrechtlichen  nnd  Terfassungsgeschichtlichen  Gebietes  das  eine  Mal 
▼on  allen  meinen  rechtsgeschichtlichen  Arbeiten  behauptet  wird,  sie  seien 
«wichtig  nnd  wertToll**  oder  auch:  „selten  ffrftndlich^S  „wertvoll**,  tob 
„Beherrschang  des  Stoffes  und  Qoellenmaterials*'  zeugend;  das  andere  Mal 
aber  von  meiner  »Pragmatischen  Sanktion*,  sie  gehöre  zu  den  «wertroUsteo 
Bestandteilen  unserer  rechtsgeschichtlichen  Literatur*  ^). 

Wien.  Dr.  G.  Turba. 


Zu  Alkmans  Partheneion. 

Gegenüber  H.  Jurenkas  Einwänden  S.  1084  L  dteser  Jahrgangei  A\ 
möchte  ich  folffenden  Bemerkungen  Baum  geben: 

I.  Daß  Y.  125  f.  ilQ^vi^  nicht  auf  einen  siegreich  beendeten  Krieg 
Spartas  gedeutet  werden  könne,  zeigt  das  Subjekt  9Htvidt$  und  der  Znsats 
li  ^Ayfi9i%6oa9i  Dank  Agesieharai  winkt  un8  Mädchen  der  liebUdie 
Friedifi.  Mit  Becht  hat  man  daraus  den  Schluß  gezogen,  dafi  hier  tl^^9^ 
(wie  sonst  vUij)  den  Erfolg  (Sieg)  im  Wettbewerb  bedeute.  Denn  «d«r 
Erfolg  wird  st^ijv^  genannt,  nicht  des  Staates,  sondern  der  Madien, 
Ton  denen  yorher  fidxtad^M  und  dfivrM  stand*  (Wilamowitz),  und  der 
Ton  Frisciau  I  22  zitierte  Vers  Alkmans  &(tkg  d^  il^ctw  xödt  yag  diro 
M&ca  Uyeux  „zeigt  jedenfalls  ähnlichen  Sinn  und  Zusammenhang*  (Bhfil 
Daraus  ergibt  sich  von  selbst,  daß  auch  V.  123  f.  nöpmv  Uermg  unmöglick 
auf  eine  Erlösung  aus  Kriegsnöten  bezogen  werden  kann.  Weshalb  hiebst 
die  rein  äußerliche  Nachbarschaft  Ton  lyiPto  (in  der  Zwischenbemerkung 
y.  124)  und  htißa9  (im  Hauptgedanken  Y.  126)  hindern  sollte,  einer- 
seits lysyro  «=  iatlv  zu  setzen,  anderseits  htißop  im  Sinne  ron  Kühner- 
Gerth  11^  166  f.,  11  und  12  zu  erklären,  ist  mir  unerfindlich. 

IL  Kompliziert  wird  Alkman  nnd  seine  Erklärung  nur  dann,  wenn 
man  ihm  mit  dem  Scholiasten  orehestische  Kunststücke  zumutet,  für  die 
sonstwo  weder  ein  Zeugnis  noch  eine  Analogie  vorliegt.  Auch  die  Kult- 
Teigen,  die  Alkman  stellte,  mußten  sich  selbstverständlich  in  hergebrachtes 
Formen  bewegen.  Gleiche  Stärke  der  Hemicfaorien  ist  also  a  priori 
wahrscheinlich,  zumal  die  yermeintliche  Diskrepanz  zwischen  SeM^  nnd 
Ivdnut  naldtg  Y.  138  f.  nach  keiner  Bichtung  einer  Prttfnng  stand- 
hält. Ich  wiederhole:  bloß  der  Unfähigkeit  des  Scholiasten,  sich  über  die 
Situation  und  die  Yoraussetzungen  des  Gedichtes  klar  zu  werden,  ver- 
dankt die  Mär  Tom  &ifiüog  dfft^ftog  der  konkurrierenden  Halbchöre  ihr 
zähes  Leben. 


M  Letzteres  bei  Tezner,  Ansgleichsrecht   und  Ansgleichspolitik. 
Wien,  Manz  1907.   S.  78. 


Krwidenuig.  567 

in.  Daft  Ainesimbrota  der  Agido  entspreche,  habe  ich  nirgend! 
betont,  wohl  aber,  daA  Aineömbrota,  wie  schon  Rhjthmns,  Silbensahl 
und  Yokalismns  der  beiden  Namen  rerrate,  der  Geffenpart  Agesichoras 
sii.  Man  wird  —  ahnlich  wie  bei  Stesichoros  (Wilamowits)  —  an  eigens 
zn  heilicem  Zwecke  Torgenommene  Bildnn|f  bedentangsToller  Namen 
denken  dflrfen.  Daß  Nenprignngen  oder  ümbildongen  von  Namen  gerade 
im  Kulte  nicht  selten  rorgenommen  worden  seien,  ist  an  und  für  sich 
plausibel  und  erst  jüngst  von  L.  Weniger.  N.  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert 
1907.  8.  106,  an  dem  fieupiele  von  Alpheiaia  und  Elaphiaia  dMgetan 
worden. 

lY.  Meiner  freieren  Paraphrase  von  Y.  95  ff.  ral  TlBUMig  yap 
afup  9mna  9C  d^ß^oalaw  &tB  aij(ftQ9  &a%Q09  a^^fOfuvatuAjprtat:  denn 
ein  SUbengeepann  fiießt  ihm  gteieh  einem  Unehtenden  Sternbüd  voran 
in  den  Streik  liegt  nicht  eine  irrige  Gleichung  udxoptM  ifuv  =  mqo- 
luKgovei  ii^kPf  sondern  der  Alkmansehe  Text  äfuv  a«e»^o/[ft«raft  fucjprvtu 
sugrunde.  Aus  ähnlicher  Auffassung  der  Stelle  ist  audi  bei  Buchholti- 
Sitsler  ifum  als  dat.  e&wnn.  erklärt 

Y.  Zu  Y.  93  habe  ich  unter  Hinweis  auf  ähnliche  Wortspiele  nnd 
Bufiiamen  bemerkt,  die  Zweite  an  Sehänheit  nach  Agido  {&  Sewi^ 
«c^  ^JyiSnv  To  elSog)  könnte  ^yielleicht*  geradezu  Dentera  geheißen 
haben;  Tgl.  oben  lu  III  und  ^evvaQog  als  Name  161ns.  III  858.  Über 
die  Bichtigkeit  dieser  Yermutnng  lu  streiten  ist  ebenso  aussichtslos  wie 
ftberflftssig:  auch  wenn  die  fragliche  Sängerin  nicht  ^evri^a  geheißen 
haben  sollte^  sondern  nur  die  davvSifa  des  Halbchors,  besw.  des  1.  ioyop, 
gewesen  ist,  bleibt  meine  Erklärung  aufrecht;  denn  der  Zusammenhang 
lehrt  die  Unmöglichkeit,  diese  «Zweite*  mit  Agesichora  su  identifisieren. 

YI.  Ans  Menander  fr.  165  K.  läßt  sich  natftrlieh  nur  erweisen, 
daß  man  sich  im  Notfalle  f&r  die  letiten  £17«  der  Chöre  mit  &(p«^vo^ 
dvo  xwhg  9  *9*^  zufrieden  gab.  Obligatorisch  war  die  Yerwendung 
solcher  Figurantinnen  nicht,  und  daß  vollends  Alkman  su  diesem  Aus- 
knnffeamittel  hätte  greifen  mttssen,  um  sein  Hemichorion  auf  die  Zebn- 
labl  in  bringen,  ist  mir  gans  unwahrscheinlich.  Aber  die  weniger  schönen 
und  weniger  geschulten  oder  stimmbegabten  Sängerinnen  hat  gewiß  auch 
schon  Alkman  hinter  die  Sterne  seines  Chors,  die  u^ftaioi  Iltlnadegf 
in  die  leisten  Glieder  gestellt,  nicht  anders  als  sein  verschollener 
dputymwtcnjg^  der  nur  Ober  fünf  konkurrenzfähige  xaXliativoveai,  (die 
Hyaden?)  verfBgte.  Daffir,  nicht  fttr  mehr,  spricht  die  Menander-Stelle. 

YII.  Daß  Y.  100  &üt'  äftvvai  zu  allen  Satzgliedern  von  Y.  99 
bis  Y.  107  ZQ  ziehen  sei,  ist  selbstrerständlich :  aber  die  Mädchen  be- 
haupten klärlieber  Weise  nicht  von  sich,  sondern  von  ihren  Gegnerinnen 
im  Wettstreit  unzulängliche  Ausstattung.  Dies  wird  u.  a.  durch  das 
Aktivnm  dißwnu  bewiesen«  das  nur  vom  konkurrierenden  Gegenchor  ee- 
daeht  sein  kann:  bezöge  sich  das  Yerb  auf  den  Alkmanschen  Halbchor 
oder  auch  nur  einen  Teil  desselben,  so  müßte  das  Medium  stehen. 

Graz.  B.  C.  Kukula. 


Erwiderang. 

Da  Herr  Prof.  Kukula  schon  Gesagtes  nur  mit  schärferem  Nach- 
druck wiederholty  sonst  aber  gar  kein  neues  Argument  vorbringt,  so  bin 
ich  nicht  in  der  Lage,  auch  nur  einen  einzigen  meiner  Einwände  zurftok- 
sunehmen  oder  su  modifizieren.  So  sei  es  denn  auch  mir  gestattet  —  an 
zwei  Stellen  —  schon  Gesagtes  nachdrucksvoll  zu  wiederholen.  Ich  be- 
merke also: 

ad  L  Daß  man  in  dem  Satze  Y.  128  ff.  n6vnv  yetg  &fU9  latnQ 
{y§9to  •*  l{  l^yifeixoifag  dk  viütvideg  tl^vag  kgavag  knißav.^  dessen  beide 


568  EntgegnoDg. 

Aoriste  jeder  unbefangene  anf  die  Vergangenheit  beliehen  muft, 
nicht  den  einen  yon  der  Zuknnft,  den  anderen  ron  der  Gegenwart 
yerstehen  darf,  muß  nachgerade  jeder  begreifen. 

ad  IV.  Kukula  Tersichert,  daß  er  in  dem  Satze  val  ÜBUutSBg  yojf 
apunf  ävst^liewai  (liroptM  den  Dativ  i(U9  mit  a^iiifoiupai,  nicht  mit 
ftuxoptah  verbanden  nahe,  eeht  hin  und  übersetzt:  «denn  die  PL  fliegen 
uns  voran  in  den  Streit^.  Ja,  heißt  denn  das  nicht  kurz  gesagt  s.  v.  a. 
„sie  kAmpfen  für  uns**? 

Wien.  Hugo  Jurenka. 


Entgegnung. 

Das  Heft  2  dieser  Zeitschrift  brachte  auf  Seite  149  eine  Bespre- 
chung des  „historischen  Schulatlas  von  Oberösterreich  und 
SalzDurg**,  welchen  ich  auf  Grundlage  des  akademischen  historischen 
Atlassee  der  österreichischen  Alpenlander  zum  Gebrauche  an  den  Öster- 
reichischen Mittelschulen  und  verwandten  Lehranstalten  zusammenge- 
stellt habe. 

Ich  wftrde  nach  der  sympathischen  Aufnahme,  welchen  der  Atlas 
gerade  in  den  Ländern,  für  welche  er  versuchsweise  bestimmt  ist,  g^ 
Funden  hat  —  ich  verweise  auf  Dr.  Karl  Bitter  von  Gömers  Artikel: 
Wo  liegt  Linz?  in  der  Linzer  „Tagespost*  und  auf  Professor  Dr.  Hans 
Widmanns  in  Salzburg  Besprechung  in  den  „Mitteilungen  für  Salzbnrger 
Landeskunde**  1907,  S.  382  —  mich  mit  dieser  Bezension  zu  beschaftigoi, 
nicht  ftkr  nötig  erachten,  würde  sie  nicht  in  dieser  Zeitschrift  erschienen 
sein,  welche  vorzugsweise  in  den  Händen  der  Mittelschullehrer,  aiso 
gerade  des  &chmänniscben  Publikums  ist,  und  wäre  nicht  die  Verlags- 
Irma  Ed.  Hölzel  mit  dem  Ersuchen  an  mich  herangetreten ,  dem  Herrn 
Bezensenten  gegenüber  meinen  Standpunkt  zu  vertreten,  da  er  nicht  mit 
Unrecht  besorgt,  an  seinem  ohnehin  nicht  auf  Gewinn  berechneten  Ver- 
lagsunternehmen Schaden  zu  leiden. 

Diesem  Wunsche  komme  ich  hiermit  um  so  mehr  nach .  als  mein 
Motivenbericht  dem  Atlas  nicht  beigegeben  wurde,  weil  nach  Ifitteilang 
des  Hrn.  Verlegers  die  Beigabe  von  Vorworten  zu  den  Lehrbehelfen  vom 
Ministerium  ausdrücklich  untersagt  ist.  Dieser  Vorbericht,  der  mir  nun 
zu  Gebote  gestellt  wurde,  lautete: 

„An  mstorischen  Atlanten  für  die  Mittelschulen,  aus  welchen  die 
Studierenden  eine  genügende  Übersicht  sowohl  der  allgemeinen  Staaten- 
geschichte  als  auch  der  Geschichte  unseres  Eaiserstaates  auf  die  Hoch- 
schule oder  in  das  praktische  Leben  mitzubringen  vermögen,  ist  sicher- 
lich kein  Mangel.  Dessenungeachtet  besteht  in  dem  Unterrichte  eine  em- 
pfindliche Lücke:  über  das  engere  Vaterland,  in  welchem  die  Unterrichte 
anstalt  wirkt,  fehlt  der  Jugend  jede  eingehende  Kenntnis,  nur  trümmer- 
haft  und  verspätet  wird  dieselbe  erworben. 

Deshalb  ist  in  Lehrerkreisen  wiederholt  der  Wunsch  nach  Herans- 
gabe  eines  Schulatlas  ausgeproohen  worden,  welcher  den  territorialen  Auf- 
bau des  Heimatlandes  nach  den  einzelnen  Zeiträumen  in  klarer  Vorstellung 
vor  Augen  führt.  Zu  diesem  Zwecke  sind  Karten  mit  der  modernen  Nomen- 
klatur zugrunde  zu  legen,  damit  der  Schüler  sich  rasch  orientieren,  die 
Geffenwart  mit  der  Vergangenheit  verbinden  und  die  erlangte  Vorstellung 
aueh  dem  Gedächtnisse  einprägen  kann.  Dem  Erfordernisse,  daß  die 
Karten  wissenschaftlich  auf  der  Höhe  der  Zeit  stehen,  kommt  gerade 
jetzt  das  Erscheinen  der  ersten  Lieferung  des  historischen  Atlasses  der 
österreichischen  Alpenländer  entgegen,  für  dessen  Zustandekommen  an 
umfangreiches,  häufig  ganz  neues  Materiale  aus  den  Archiven  zutage  ge- 
fördert worden  ist.  Nach  diesem  Grundsatze  hat  der  Verf.,  welchem  die 
Bearbeitung  der  Sektion  Oberösterreich  des  akademischen   historischeo 


Erwiderung.  569 

AÜu  übertragen  war,  sieben  Eartenblätter  über  die  historische  Entwick- 
lang  der  Kronländer  Oberösterreich  nnd  Salzbarg  zasammengestellt  Die 
Zosammenfassang  von  Oberösterreich  nnd  Salzburg  war  durch  praktische 
Erwägungen  geboten.  Da  beide  Lander  jedoch  keine  gemeinsamen  Epochen- 
uhre  haben,  mußten  in  dem  steten  Gange  der  historischeu  Entwicklung 
BahepunktA  gefunden  und  diesen  die  kartographische  Darstellung  in  den 
einzelnen  Blättern  angepaßt  werden.  Um  nicht  durch  Vielheit  der  Farben 
sa  ermüden  und  die  Aufmerksamkeit  von  der  Hauptsache  abzulenken,  wurde 
Flächenkolorit  (mattrot  für  Oberösterreich,  grün  für  Salzburg)  nur  für 
den  Grundstock  der  beiden  Länder  und  deren  allmählichen  Zuwachs  ge- 
wählt,  im  letzten  Blatte  dagegen  bloßes  Bandkolorit  angewendet,  um  die 
nach  der  Zeitgrenze  desselben  eingetretenen  Territorialveränderungen 
(bayrische  Grenze  der  Jahre  1810  bis  1816  und  die  schließlichen  Abtre- 
tungen an  Bayern)  augenföllig  machen  zu  können.  Daß  sämtliche  Karten- 
blätter auf  eingehenden  Detailstudien  beruhen  und  mehrfach  dem  aka- 
demischen Atlas  und  den  Abhandlungen  hierzu  vorauseilen,  wird  dem 
Fachmann  auf  den  ersten  Blick  klar  sein. 

Die  Erläuterungen  zu  jedem  Blatte  sollen  in  summarischer  Voll- 
ständigkeit geben,  was  dem  Studierenden  zur  Erbringung  einer  ausreichen- 
den Kenntnis  der  Entwicklung  des  Heimatlandes  von  Wert  sein  kann;  dem 
Ermessen  des  Lehrers  bleibt  vorbehalten  auszuwählen,  was  er  hievon  zum 
Vortrage  für  nötig  hält,  oder  als  nicht  erforderlich  beiseite  zu  lassen  hat.*^ 

Mit  diesen  Ausführungen  dürften  die  Bemängelungen  des  Herrn 
Beferenten  dem  fachmännischen  Publikum  der  Zeitschrift  f.  d.  öst.  Gymn. 
erledig  sein,  wenn  nicht  außeracht  gelassen  wird,  daß  der  Atlas  zum 
historischen  und  nicht  zum  geo^aphischen  Unterrichte  bestimmt  ist; 
übrigens  hat  das  Unterrichtsministerium  ausdrücklich  erklärt,  daß  — 
schon  jetzt  —  gegen  die  gelegentliche  Verwendung  des  Atlas  beim  Unter- 
richte kein  Anstand  bestehe. 

Zum  Schlüsse  muß  ich  bemerken,  daß  die  von  mir  angestrebte 
Herstellung  der  Karten  durch  das  railitär-geographische  Insiitut,  welche 
allerdings  auch  den  strengen  Geographen  mit  Befriedigung  hätte  erfüllen 
können,  nicht  zu  erreichen  war;  ich  mußte  der  auf  kartographischem  Ge- 
biete wohlbekannten  Firma  Ed.  Hölzel  dank  wissen,  daß  sie  für  eine  neue 
Idee,  noch  bevor  selbe  zur  Anerkennung  sich  durchgerungen  hatte,  das 
Kisiko  übernahm.  Billigerweise  kann  ihr  nicht  zugemutet  werden,  die 
eigenen  Karten  beiseite  zu  legen  und  eich  in  große  Auslagen  zu  stürzen, 
auf  deren  Ersatz  sie  bei  dem  beschränkten  Absatzgebiete  nimmer  mehr 
hoffen  kann;  aus  dieser  Erwägung  habe  ich  auch  gegen  die  Belassung 
der  Eisenbahnlinien  keinen  Anstand  erhoben,  weil  selbe  in  unserem  Zeit- 
alter die  maßgebenden  Verbindungen  darstellen  und  eben  deshalb  rasch 
die  Orientierung  vermitteln. 

Graz.  Julius  Struadt. 


Erwiderung. 

Die  vorstehenden  Ausführungen  geben  mir  keinerlei  Ankß,  meine 
seineneit  in  diesen  Blättern  gebrachte  Besprechung  des  in  Hede  stehen* 
den  Atlas  tu  revidieren.  Nur  so  viel  sei  gesagt ,  daß  es  mir  natürlich 
ferne  \%e,  die  guten  Absichten  des  Herausgebers  und  des  Ytrh^^f^xi  irgend- 
wie in  Zweifel  lu  ziehen.  Daß  mir  die  dabei  angewandten  l^Iittel  unsu* 
länglieh  erscheinen,  ist  allerdings  wahr;  aber  ich  kann  ntin  einmal  nur 
meine  persönliche  Überzeugung  vertreten.  Die  materiellen  lotereesen  des 
Verlages  kommen  dabei  freilich  nicht  in  Betracht. 

Wien.  B.  Imeudorf 


j 


Louise  Kiiarit  d&heito,  dADQ  iD  der  Volksicbol«  iiDternebf 

'bfaucbt^  ei  das  GjmtiasiQiD  id  Salzbari?,  wo  loebeiondere  ] 
aod  der  b^rObrnte  Geograph  Eduard  Eiehter  auf  ibn  ein 
(ISST)  bezog  ar  die  UoiTeräit&t  lunsbract  ood  ToHend«! 
1S8S— 91  iu  Wku,  dort  eio  i?chflkr  L  V.  Zingerlea,  bi4 
Minors.  18^2  erwarb  er  etcb  das  Doktorati  iwei  Jabre  spl 
LebramtsprOfati^  (fär  Deutacb  ah  Haupt-  Qid  klastkichi 
Käbenfa€bj  ab.  Yotd  Eeibüt  IBH  bii  JatiQar  1B95  war  er 
am  Mailmilian&-Qjniiia&iQm,  bia  Herbst  1896  Sapplent 
GyrnuasLums.  Darauf  wirkte  er  fflaf  Jahre  an  d«m  damalt  l 
Karlibader  G jnm&sinm ^  bia  er  &d  da»  Bemalier  G7TI11 
wurde;  1905  k%m  er  in  die  VIII.  Raeigeklaiie.  So  tcb«! 
Leben  gleichiani  geradlinig  kq  ?er|aafea ;  ati  elDen  DOrmaj 
Bcblifiüt  sich  der  normale  cursus  honorum  des  daterreit 
•cbnllebrere.  lfm  erstö  HAlfte  sei  nee  Lehens  bat  Baner  iq 
Städten,  die  Eweite^  fon  den  ffiof  Karlsbader  Jahren  abg« 
Gt^bartsst&dt  Wien  ?  erlebt  Qod  dje  Ferien  gettObBlich  tfl 
Mondiee,  if^  er  zwei  Vülcn  be«&&,  zugebracbt;  weitere 
ibn  naeb  Frankreich  nnd  an  die  l^ordsee*  Er  war  ron  kieioi 
WacbSf  in  kCirperlieben  Übungen  nicbt  angewandt,  aber  j 
naiiattr  dann  all  Frofeiior  (1903)  heftigen  AfTekttonen 
gesettt  und  hat  eine  antweifeihafc  forbandeoe  kranktaa 
dnicb  angeitreDgte  :^tnbenarbeit  noeh  gefordert.  Am  2( 
ist  er  emef  Lungen*  und  Kippe □fellentEÜD düng  erlegen. 

Die  schriftstellenicbe  Tätigkeit  Bauers  setzt  on 
■einen  Stndienjabren  eio  und  dauert  bis  zu  seinem  Lebeni 
TerOfientlichte  er  (Zeitichr.  t  ±  Qiterr.  Gjmn«  XLV  704^ 
^Sieben  Gedlcbte  Goetbes')  naeb  ihren  Gedankengängen 
Arbeitt  Ton  welcher  Wilhelm  t,  Hartel  noch  ein  Jabri« 
Entzücken  zu  sprecbeti  pflegte.  Nicht  «0  bekannt,  wie  si«  1 
leicbnet  sie  aicb  dnrch  eigentümlich  feinsinnige*  wann-  ] 
InterpretationakuDSt  aus.  Von  biographiscbeii  und  lit 
Einzelheiten  wird  nur  daB  schlecbthin  Unerlli&Ucbe  bägeli 
Pedanterie  dort,  wo  die  EJohildungRkraft  dei  Diebtera  i 
la  VorBtellang  springt,  die  Igglache  Bracke  g««cbtig«iu 


i\    /^.Ji.-ij 


Profp  Dt*  Fntfdrich  Bauer« 


571 


ehttlpraiif,  r&rntkd  Bauer  seböD  hier  «owobl  prosaische  Parapbra- 
1^  de»  ^a&ien  Gedicbui  ali  aucb  iQBatBiiieobaQgloBei  ErlänterD  ein' 
'  StellerD.  ,Deü  fortlaufenden  GedaDkeogang  eiDCi  Gedicbte»  ao  der 
blt^ag  telbit  tu  entwiekeln'^f  Bcb webte  ibm  uia  Ideal  solcher  Eie- 
Ifor,  und  aus  demielbea  Geiit  heraui  urteilte  er  alliremeiner:  ^Der 
nda  and  fracbibare  Botit^^  dea  SehQier  aus  der  Ltteraturstiiado 
laeo,  btitebt  in  dem  feieb&rfteii  VefitAndiiii  ftr  die  3cb0abtit 
fiieber  Kunttwerke  sowie  io  der  damit  Hand  in  Haad  ^ebacdea 
|k«il  aod  Freude  det  GealcüeDs''. 
[m  lelbeo  Jabre  ffibrte  Bauer  (CbroDik  dei  Wiener  Goetbe- Ter  eins 
X$S,i  twiieb^D  Haue  ^acbiens  eteifleiBenem  GeaprSeb  „Die  neun  Gab 
[of*  und  «H&nä  SachfleoH  poetiaeber  SendttQg"  einen  anztebenden  Ver- 
Idab  doreb.  1895  beipracb  er  (Zeitacbr.  f.  d.  Dtterr.  Gjuid.  XLY  76S— 
Hl  tifigebend  daa  erite  Heft  auierer  Facbseitacbnft  ^fEtipborlon''')  und 
bis  an]  Schillertage  im  Verein  nGloeke'  einen  aebwungTOlIeD  Vortrag 
Du  D/aiii&tliebe  in  Sebillera  Balladen^«  ^ier  1897  in  Karlabad  gedrackt; 

Evü.  FrQcbte  der  1690/91  nnd  1891/92  im  SeiniDar  Minor«  ani^eatellten 
lucbungen  Ober  den  weitreicbeDdeD  nod  tiefgebenden  EiDflaü  Law- 
Stern«!  aaf  die  deütacbe  Uichtucig  wareß  Bauers  Programme 
iMcbar  Hnnsor  in  Immermanns  MQnchbaaten^  {Eliaabetta  Gjmn. 
Qsd  ^Ober  den  tünflaü  L,  Sternea  auf  Cbr.  M.  Wieland*"  {Karlsbad 
1899,  1900)^  an  Umfang  und  QuaHtät  daa  bedeutendste,  waa  aas 
Seminar QbnDgeti  herforgeg;an§;en  ist.  Klar  diaponiertt  fein  nnter- 
iend,  srefai^r  urteilend  trägt  die  zweitgenanute  Sebrift  fiel  lur  Er- 
nii  ron  Wienands  BcbafTeneffeiae  bei'L 
1903  TerÖffeDÜichte  die  ^eitachr  f.  d.  Ost  Gjrmo,  {XLV  S53— 370, 
r  tineEü  Vonrag  in  der  ^MiitelBcbule**)  Bauen  p&dagogiaebe  Stndie 
[nenere  deatsche  Literalar  im  Lehrplan  der  Mittelschule'',  welche  nach 
krlicber  ErOrteruDg  des  Für  and  Wider  w  fc^lgenden  Theaen  gipfelte: 
Uaterricbt  tn  der  deutschen  Literatori^eechicbte  iat  über  Goetbea 
btoaai  bit  anr  Gegenwart  lortsuführen,  2.  Der  literaturg escblchtliebe 
gebt  iat  über  alle  «ier  Klaaeen  de*  Obt^rf  jinnasinmft  in  der  Art  zu 
Qiö^  dai^  man  in  der  V.  Ktai^e  Ton  den  älle&teD  ZeLten  bis  tnr 
if  der  nbd.  dcbriftapraebef  in  der  VI,  Elaßse  bis  xtim  juagen  Goethe» 
^r  VU*  Klaise  bJi  la  Goetbei  Tod,  in  dt^r  VI  iL  Kiaase  bia  aar 
ttwart  galangen  würde,  3.  Zar  UnteretHtzung  dee  dentscheo  Unter- 
In  den  oberen  Klaaaen  iat  eine  reicb  liebere  Eiuatellnng  toü  Dich- 
jm  dra  3t IX,  Jahf  hunderte  in  die  äcbQlerbibliotheken  wOitscbentwert. 
^diDg«t  »cbon  Tor  Bauer  hatten  vereinzelte  GenDaaiaten,  bierinlande 
,  tiell  ^ehOnbaeb  |£apb.  i  9  ff,)  and  Minor  Erweiterung  dea  deatachen 
Ulr-  und  Leaeitof  ee  über  den  5cb]agbaum  dea  Jabres  1832  her  gefordert 
lil  ferteidigt;  ea  bleibt  dennoch  Bauers  Verdienet,  dteae  Fordernngen 
m  der  pidagogificben  Öeite  her  anterttützt  und  zq  praktiachen  Darcb^ 
latoficbligen  ausgewertet  lu  haben.  Was  in  dieser  Richtung  biaber 
.»nrde  and  noch  erreicbt  werden  wird,  gehilrt  tum  guten  Teil 
Konto, 

and  1905  eracbien  in  zwei  itattlichen  Bänden  «,Karl  ScblUers 

Ibutb  der  deutaehen  Sprache  in  2.  g&nziicb  umgearbeiteter  und  fer- 

»r  Attflage,  heranagegeben  ?on  Friedrich  Bauer  nnd  Franst  Streini", 

,2«  Alf  läge'*   hatte  mit  der  ersten  ilSTl)  hertlich  weaig  gemein, 


1)  Ebenda  ferner  (S.  234— 238)  JuL  Haths  »Äu»führlicbei  orthogr. 
rbocii  der  den  lachen  Sprache"  (1894)  nnd  [S^  7t>>— 768)  die  „Deatsche 
Inrkn^de''  (1689  f  von  P*  Erfurth  und  H.  Lindaer, 
_  *\  Von  einem  am  9.  Man  1898  im  Karlsbader  Knrhant  gehaltenen 
ertrag'  «Ober  dentsehe  Namengebuing  mit  besonderer  BerQeksichtigung 
iff£arUb»der  Familiennamen*'  erschien  der  apeiielle  Teil  im  Karlabader 
lii  13.  und  16.  März  1898;  das  ganze  Ma.  iat  in  meinem  Besitz. 


572  Prof.  Dr.  Friedrich  Bauer. 

welche  aus  «deutschen  Uoterriehtsbriefen  in  systematischem  Stofennag* 
nnd  einem  «WOrterbnch  der  dentschen  Sprache  and  der  gebrftQcuichcii 
Fremdwörter*  bestand.  In  der  Nengestaltang  macht  das  Wörterbuch  ^ 
den  I.  Band  ans:  die  Vokabeln  erscheinen  nun  in  nener  Beehtschräbiiiie; 
die  etymoloeische  Herkunft,  der  Begriffsinhalt,  die  formalen  nnd  syntak- 
tischen Möglichkeiten  der  einxelnen  WOrter  werden  durchgängig  hsnrer- 
gehoben,  ein  Yerseichnis  der  gebräuchlichsten  Vornamen  (?on  £ul  Badlof) 
und  eine  Tabelle  der  starken  nnd  unregelmäßigen  Zeitwörter  beigeAgt 
Im  gansen  ein  sehr  brauchbares,  dabei  TerhältnismäOig  billiges  Wörter- 
buch fOr  Schule  und  Haus,  mag  es  gleich,  was  nicht  ferschwiegen  werden 
soll,  wissenschaftlicher  Kritik  manche  BlOße  bieten.  —  Der  IL  Band  des 
neuen  „Handbuches^  ist  von  den  Unterrichtsbriefen  a  la  Langeoseheidt 
der  1.  Auflage  gänzlich  unabhängig  und  scUeohterdings  ein  neues  W«k. 
Hier  bewiesen  sich  Bauer  und  Streins  als  gewandte  Organisatoren  wisses- 
schaftlicher  Arbeit,  indem  sie  die  Rechtschreibung  durch  Artnr  Braadets, 
Syntax,  Stilistik  und  Poetik  durch  Artur  Petak  und  die  deutsche  Literstsr- 

Seschichte  (leider  nur  bis  lu  dem  fatalen  Scblagbaum)  von  Valentin  PoUsk 
arstellen  ließen ;  in  die  Grammatik  teilten  sich  die  Herausgeber  so,  daß 
Streinz  die  Lautlehre,  dann  die  Formenlehre  der  Nomina  und  Verbs, 
Bauer  den  Best  der  Formen-  und  die  Wortbildungslehre  llbernahm  und 
beide  gemeinsam  einen  Abriß  der  Sprachgeschichte  ausarbeiteten.  So  gaben 
f&nf  Österreichische  Mittelschullehrer  in  bescheidener  Form  eine  Ensj- 
klopädie  des  germanistischen  Wissens,  soweit  dasselbe  fflr  den  mittlenD 
Unterricht  in  Betracht  kommt;  leider  ist  das  tQchtige  Buch  außerhalb 
Österreichs  yiel  zu  wenig  und  im  Vaterlande  lang  nicht  genug  gewürdigt 
Schon  um  des  trefflichen  Kompendiums  der  Literaturgeschichte  willen 
wäre  es  lebhafteren  Anteils  wOrdig. 

Gipfel  und  Abschloß  yon  Bauers  literarischer  Laufbahn  bildet  dss 
„Deutsche  Lesebuch  fflr  Osterreichische  Mittelschulen",  das,  tou  dem 
Dahingeschiedenen  im  Verein  mit  Streins  und  Franz  Jelinek  heraiisg[egeben, 
seit  Ende  1906  im  k.  k.  Schulbflcherrerlag  erscheint.  Bisher  sind  »s- 
gesamt  (mit  der  Jahreszahl  1907)  die  Bände  I,  II,  V^)  nnd  VI  TeiOffeat- 
licht;  an  den  Vorarbeiten  fflr  Band  III  hat  Bauer  noch  Anteil  gehabt 
Die  Herausgeber  des  Lesebuches  hatten  keine  scharf  abgegrenzten  Arbeits- 
gebiete und  so  ist  es  nicht  ganz  leicht,  den  besonderen  Anteil  Basen 
festzustellen:  immerhin  Terdankt  man  ihm  allein  mehrere  literarhistorisebs 
Abschnitte  des  VL  Bandes,  ferner  den  Eikurs  flber  das  Drama  (ebenda) 
und  die  ebenso  scbOnen  wie  tiefen  Geleitworte  zu  den  einzelnen  Bänden; 
als  Stoffsammler  betätigte  er  sich  Tornehmlich  auf  dem  Gebiete  der  Lyrik. 
Im  flbrigen  fließt  seine  Arbeitsleistung  mit  der  Ton  Jelinek  und  Streini 
zusammen.  Gleich  ihnen  hat  er  auf  Grund  der  behördlichen  Instruktionen 
bei  steter  Bflcksiehtnahme  auf  den  sonstigen  Lehrplan  der  betreffenden 
Klasse  und  auf  die  Fassungskraft  der  Terschiedenen  Altersstufen  prosaische 
und  poetische  Texte  aus  der  gesamten  Nationalliteratur  zu  Hanf  getragen, 
dann  in  der  großen  Masse  engere  und  immer  engere  Wahlen  getroffea, 
endlich  das  definiti?  Gewählte  gruppiert  und  kommentiert,  fiiebei  fiel 
der  Löwenanteil  der  Arbeit  den  unermQdiichen  Genossen  zu;  Bauers  Sache 
war  es  vielmehr,  wenn  ein  Band  im  Mannskript  Torlaff,  als  pädagogisch- 
literarischer  Feinschmecker  das  Ganze  nochmals  durchsugenießen,  strei- 
chend, einfflgend,  umstellend,  kflrzend,  erweiternd,  all  dies  mit  gewissen- 
hafter Sorgfalt  und  einer  Umständlichkeit,  die  den  Mitarbeitern  nicht 
immer  willkommen  war.  Gerade  heutzutage,  angesichts  der  geistiosen 
Anthologien-Fabrikation,  wie  sie  Tiele  Literaten  betreiben,  iet  der  Nickt- 
Pädagoge  nur  allzu  leicht  geneigt,  die  an  ein  Schullesebuch  gewendete 


^)  Vgl.  Josef  Janko,  Zeitechr.  f.  d.  Osterr.  Gymn.  LVI  420  ff. 
*\  Vgl.  diese  Zeitschr.  LVIII  605  ff.  (Ad.  Hausenblas  und  F.  Spina); 
..Zeit"  1.  Aug.  1906  (Ludw.  Singer)  u.  a.  Tagesblätter. 


Prot  Dr.  Friedrieh  Bauer.  573 

Arbeit  xa  nnterscfafttien ;  wer  je  einen  Blick  in  Baaen  und  leiner  Kollegen 
Werkstatt  getan,  blieb  Tor  eoleliem  Irrtam  bewahrt.  Anf  die  p&dagogiscben 
Verdienste  diesee  Werket,  das  den  Verblichenen  bis  aar  Todesstonde 
beschäftigte  nnd  seinen  Kamen  am  lingsten  der  Naehwelt  erhalten  wird, 
kommen  wir  noch  xnrftck. 

Unser  Überblick  über  Bauers  literarische  T&tigkeit  lAßt  dieselbe, 
somal  wenn  man  erwftgt,  daß  sie  sich  Aber  Tiersehn  Jahre  erstreckt,  nnd 
wenn  man  fergißt,  daß  es  sich  am  einen  TielbeschAftigten  Mittelschal- 
lehrer handelt,  als  quantitativ  gering  erscheinen.  Aber  ans  seiner  Feder 
floß  nichts  Minderwertiges,  nichts  Belang-  und  Gedankenloses.  Sein  Bestes 
leistete  er,  wenn  er  sich  mit  den  Fragen  beschäftigen  durfte,  die  ihn  am 
stirksten  ansogen,  Fragen  nach  dem  Wesen  der  Poesie  und  ihren  Gat- 
tnngen.  Zudem  gebot  er  über  ein  nicht  geringes  Maß  stilistischer  Kunst ; 
die  Festrede  Aber  „Das  Dramatische  in  Schillers  Balladen",  die  Geleit- 
worte des  Lesebuchet  bezeugen  das. 

Von  der  Verantwortlichkeit  seines  Berufes  war  Bauer  tief  durch- 
drangen. Seine  Vorträge  pflegte  er  im  Manuskript  sorgfältig  ausiuarbeiten, 
nicht  nur  die  literargesohichtlichen,  auch  die  grammatikalischen.  Doch 
sprach  er  Tor  seinen  Schttlem  selbst  TßUig  frei;  er  war  der  Meinung,  daß 
nur  der  freie  Vortrag  wirken  kOnne.  Zur  Illustrierung  rergangener  Zu- 
stfnde  nnd  Tatsachen  zog  er  oft  die  Gegenwärt  herbei.  Die  Korrektur 
der  sehriftliehen  Arbeiten  nahm  er  mit  peinlichster  Sorgfalt  Tor,  jede 
Note  an  einem  hochentwickelten  Gerechtigkeitsgefflbl  prOfend.  Anfangs 
griff  er  allerdings  im  mflndlichen  Vortrag  su  hoch;  später  aber  lernte  er 
Tortrefflich,  sich  auch  den  schwächeren  Schülern  Terständlich  zu  machen. 
NsmenUich  in  stark  besetzten  Klassen  begegnete  es  ihm  bisweilen,  daß 
er  den  Torgeschriebenen  Lehrstoff  nicht  fOlliyr  bewältigte,  aber  dieser 
Mangel  floß  aus  einem  Vorzog,  seiner  Gründlichkeit  nnd  Gewissenhaftig- 
keit, die  ihm  nicht  gestatten  wollte,  im  Lehrgang  fortzuschreiten,  ehe  er 
nicht  die  absolute  Gewißheit  hatte,  alUieits  Terstanden  worden  zu  sein. 
Er  liebte  seinen  Gegenstand  nnd  er  liebte  die  Schüler;  er  wußte  diese 
für  jenen  zu  erwärmen  nnd  brachte  es  dahin,  daß  die  Arbeit  des  Lernens 
grftßunteils  in  der  Schule  vor  sich  ging.  £s  war  den  ungebärdigsten 
Jungen  schwer,  fast  unmöglich,  ihn  in  Zorn  in  bringen ;  aber  seine  Freode 
Aber  gute,  sein  Kammer  über  schlechte  Leistungen  waren  so  un? erkennbar, 
daß  s,  B.  die  Knaben  in  Karlsbad  erklärten,  sie  lernten  bei  Prof.  Bauer 
nicht  sowohl  ans  Furcht  vor  schlechten  Noten,  als  vielmehr,  damit  er 
lieh  nicht  so  gräme,  wenn  sie  nichts  wüßten.  Er  hielt  viel  auf  telbstän- 

aes  Denken  nnd  Sprechen  der  Schüler  und  wußte  privaten  Fleiß  zu 
ätzen;  aber  er  wurde  nicht  müde,   vor  Oberanstrengung  im  Stodium 
n  wtraen. 

Und  doch  ^  wenn  der  Sprecher  dieses  Nachrufes  überhaupt  in 
derlei  Dingen  ein  Urteil  wagen  darf  —  lag  der  Schwerponkt  von  Bauers 
pädagogischen  Verdiensten  nicht  im  Schulunterricht.  £s  ist  kaum  zu 
lengnen,  daß  seine  zarte,  tentitive,  der  Außenwelt  abgekehrte  PertOnlich- 
keit  ihn  nicht  inm  Ideal  des  praktischen  Schulmannes  qualifizierte,  so 
eifrig  er  diesem  Ideal  sich  zu  nähern  strebte.  Sein  Bestes  gab  er  der 
teteneichischen  Mittelschule  nicht  vor  der  Front,  sondern  als  Schrift- 
iteller.  Sein  »Handbuch"  erweist  sich  alt  vortreffliches  Hilfsmittel  für 
Mittel-  und  auch  Bü^erschullehrer;  das  Niveau  des  Buches  liegt  wohl 
nicht  allzu  hoch,  niehtzdesto weniger  bleibt  es  ein  treffliches  Besamö  der 
wichtigsten  Erkenntnisse  unserer  Wissenschaft.  Das  „Lesebuch''  aber 
koount  Lehrern  und  Schülern  in  gleich  hohem  Maße  zugute.  Es  unter- 
Mheidet  sich  von  seinen  Vorgängern  vor  allem  dadurch,  daß  es  seinen 
I<«sestoff  unbefangen  der  gesamten  Nationalliteratur  einschließlich  der 
jüiwsten  Periode  entnimmt,  also  ganz  im  Sinne  jenes  programmatischen 
Aufsaties  von  1908,  daß  femer  in  den  eigentlich  literarhistorischen  Ab- 
ichnitten  das  entwicklungsgeschichtliche  Moment  sehr  stark  hervortritt. 


574  Prof.  Dr.  Friedrich  Baner. 

da5  endlich  in  den  Anmerkangen  eine  feinffthlige  und  takIfoUe  Iote^ 
pretaUonBiranit  geübt  wird.  Am  anfflUigiten  wirkte  die  GraBiTcnehiehviig 
gegen  die  Jetstieit  her;  von  ihr  ist  in  den  Kritiken  nnd  im  PnbUkim 
mmeist  die  Bede  gewesen;  ihr  ferdankt  das  Lesebuch  eine  eigenttanlieba 
Frische  nnd  Lebendigkeit,  deren  Beis  auch  auf  den  Niebtschfller  wukt 

„Die  Heraosgeber*,  schreibt  Bauer  im  Begleitwort  tnm  L  Bsndc, 
^»lieAen  sich  ?on  der  AnsehaDang  leiten,  daß  eine  Haoptanfgabe  dei 
Unterrichtes  im  Deutschen  in  der  Fflege  der  Phantasie  und  des  Gemfttet 
bestehe,  die  geeignet  ist,  die  in  anderen  Unterrichtsflchem  entrebte 
Ausbildung  des  Verstandes  und  Obung  des  Uedichtnisies  wohltitig  ts 
erginien;  daft  ein  Deutsches  Lesebuch  fflr  Hittelschulen  nicht  dasn  be- 
stimmt sei»  sachliche  Belehrung  lu  geben,  sondern  den  Sinn  fflr  die  Fora 
sprachlicher  Darstellung  su  wecken. . .  Die  ausgezeichneten  Lehrbfleher  der 
Geschichte,  der  Geoffraphie  und  der  Naturffeschichte«  Aber  die  wir  beste 
Terfflgen,  die  ausgebildete  Methode  des  Unterrichtes  in  jenen  Flehen 
und  ihre  mannigfaltigen  Behelfe  lassen  es  als  flberflflssig  erscheinen,  dem 
Lesebuchs  fflr  Mittelschulen  einen  enijklopftdischen  Charakter  la  fw- 
leiben  und  dem  Lehrer  des  Deutschen  die  Behandlung  ?on  Lesestflekes 
sniuweisen,  fflr  die  ein  besonderes  Fachwissen  wflnschenswert  wire.  Mebr 
denn  jemals  vermag  heute  ein  Lesebuch  fflr  Mittelschulen  seiner  cigat- 
lichen  Bestimmung  treu  zu  bleiben  nnd  im  Interesse  einer  allseitiffeD 
Ausbildung  dei  Geistes  der  Poesie  einen  Platz  im  ersiehenden  Unterriote 
zu  sichern.  Genug,  wenn  die  hier  gebotene  Lektflre  das  nach  Botfaltan^ 
dr&ngende  Innenleben  des  Knaben  kräftigt  und  bereichert,  klftrt  und  Tsr- 
edelt;  wenn  es  dem  jungen  Leser  Gelegenheit  bietet,  die  Welt  mit  dem 
Auge  and  Herzen  des  Dichters  su  erfassen,  dem  sich  der  Sinn  der  J^eod 
so  nahe  verwandt  fflhlt.  MOgen  die  flbrigen  Unterricbtsstnnden  Winen 
und  BilduDg  reichlich  Termitteln;  das  Lesebuch  soll  die  Knab»  vor  der 
Meinung  bewahren,  als  mflsse  immer  und  flberall  etwas  gelernt  werden, 
als  sei  die  in  gewissem  Sinn  zwecklose  Betätigung  der  Kräfte  in  Spiel 
und  Kunst  des  Gebildeten  nicht  ganz  wflrdig.  Es  soll  die  Schfller  vor 
Buchgelehrsamkeit  und  ähnlichen  Sulturkrankbeiten  bebttten  nnd  helfen, 
unsere  Juncren  jnug  zu  erhalten.  Scheinbar  ein  wenig  außerhalb  der  flbrigen 
Erziehungsbehelfe  stehend,  vervollitändige  es  so  die  auf  eine  harmoniseb« 
Ausbildung  des  jungen  Geistes  gerichteten  Bestrebungen." 

Von  höherem  Standpunkt,  mit  größerer  Einsicht  und  Saehkenntaii 
läßt  sich  die  Aufgabe,  ein  Schulbuch  herzustellen,  nicht  auffassen,  und 
dieser  Auffassung  entsprach,  was  zustande  kam.  Jeder  der  bisher  erschie- 
nenen vier  Jahrgänge  fflr  sich  bietet  eine  trefflich  abgerundete  und 
gewissermaßen  zusammenhängende  Lektflre  auch  fflr  Erwachsene;  nss 
vollends  dem  Gymnasiasten  ist  hier  ein  Boch  gegeben,  das  ^nicht  des 
Schulbuben  quält,  sondern  den  Jflngling  apostrophiert*.  Bd.  VI  ist  weniger 
Lese-  als  Lehrbuch  oder  beides  zugleich,  er  enthalt  einen  Abriß  der 
Sprachgeschichte,  dann  eine  reichlich  mit  Teztproben  durchwirkte,  teil- 
weise ausgezeichnete  Literaturgeschichte  von  den  Anfingen  bis  auf  Leesing 
und  Wieland  mit  besonderer  Hervorhebung  des  Österreichischen  Anteils, 
dazu  noch  in  einem  Beiheft  eine  mhd.  Grammatik  nnd  Metrik  tu  mtee 
und  ein  mhd.  Glossar*^.  Sogar  eine  Poetik  fehlt  nicht,  sie  ist  auf  Bd.  V 
und  VI  verteilt.  So  bietet  das  Boch  unzweifelhaft  mehr,  als  der  Dirch- 
schnitt  der  Mittelschfller  lernend  aufnehmen  kann;  es  will  eben  niebt 
nur  ein  Lehrmeister,  sondern  auch  ein  unterhaltender  und  kenntnisreidier 
Freund  der  Jugend  sein  und  womöglich  Aber  die  Matura  hinaus  bleiben. 
Der  Lehrerschaft  selbst,  meinen  wir,  mflßte  ein  auch  den  Gebildeten  an- 
ziehendes Lesebuch  wie  dies  willkommen  sein;  nnd  die  fachliche  Kritik 
hat  es  denn  auch  freudig  begrflßt.  Wir  Österreichischen  Germanisten  aber 


*)  Bd.  y  und  VI  sind  auch,  lehrplanmäßig  verkflrzt,  bezw.  crweiteit, 
fflr  Realschulen  ausgegeben  worden. 


Prof.  Or*Frtodrloh  Bi««r. 


5TA 

MiH 


frfoan  onf  Btidlot  eioar  lo  Iflehtiftn  Ltlilonf  ttiiivrfr  Kull«|fi 
übertreibt  nicht,  wenn  mio  der  GleBenItoB,  weUb«  vetii  I#h«IiH(||«  de» 
Triae  doreh  das  ganie  OjmBMiom  geleltel  wtrdtn  wirdi  bUlliiiHileH  iU 
vioB  weiüagt,  und  in  dem  geltllfen  BlnlbreUlittf  iwImIüh  Mmn)  mniI 
HechicIinU  wird  die  Aoffrleebuf  t  weleht  der  mtlller«  UnliMloNft  inn 
drei  SeUIen  HaiaMle  nnd  Minore  ompfOBfon  bMf  mlilil  Mt^U  wle^«^ 
der  XSwxwmrnOt  sagvto  komnon. 

wardon  dio  MUimfffitMlien  KI«fri«Mi«  fkn 

iWrvofon^  elokorlieb  MOb  Tofok«  f^«b«r  MtihnnHUBH 

bo  oetee»  Loben  ein  io  j/Uieo  Kn^e  ^mt^iMH  »ttnu, 

deabbif  beoebeidonelo.  f;ef  Mihftt^h,  ikhttf  imm^j 

btfo  MnM  fdUflo  lo  fr^^ofof  0«eo^M4W* 

ünknd  M  e<»iroi#oo^  iro»o  o^  o^f^^^u, 

m4  In  woMmomoo  f'o^doo     ^.f^  p^«l 

«»o  er^ny  OMO  foo^  fr«iH[r^  l^#o^4># 

"'""'  ~^*o>  er  ISiM  OM«  ^/4»MWf4  #>M4M 

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Mimrooto  nw<r»t<,  »4r»<iimi»#.^  «o 

ftr  /«US  A  ^-^««^    #  «irfiMM»  /^mtiM^ 


576  Prof.  Dr.  Friedrkh  Baaer. 

der  Metaphysik,  beugte  er  sieh  in  demfttiger  Ehrfurcht  ?or  den  Uner- 
forscblichen. 

Nan  raht,  was  an  Friedrich  Bauer  sterblich  war,  in  der  Side 
Gmondens,  dort,  wo  seine  schOnheitsdurstigen  Augen  so  sehnlich,  was  die 
Wimper  bftlt,  Ton  dem  goldnen  Überfluft  der  Welt  tranken.  Der  TItsib- 
stein,  Ton  Schleifers  und  Lenaus  Poesie  umflossen,  blickt  auf  das  Qrsb 
def  ScbwermfttigeD;  der  kühle  Seewind  streicht  darflber  hin.  Viele  und 
echte  Trauer  heftet  sich  an  dies  Grab  eines  Osterreichischen  Gjnmasiil- 
lehrers.  Seine  Familie  hat  ihre  Zierde  verloren,  seine  Schflier  einen  treff- 
lichen Lehrer,  seine  Lehrer  einen  trefflichen  Schiller,  seine  Amtsgenosses 
einen  mosterhaffcen  Kollegen,  die  Wissenschaft  einen  hingebenden  und 
begeisterten  Jflnger.  Und  die  kleine  Schar  der  ihm  naheatehenden  Studien- 
genossen  vermag  sich  noch  heut,  nach  Monatsfrist,  mit  der  Taksaehe 
seines  Todes  kanm  abzufinden.  Jene  akademifohe  Generation,  die  um  die 
Wende  der  80er  und  90er  Jahre  an  dieser  hohen  Schule  Germanistik 
studierte  und  sich  deutlich  von  frflheren,  noch  deutlicher  von  apitenn 
Jahrgängen  abhebt,  hat  in  Bauer  einen  ihrer  Besten  eingebflftt  Eis 
klassischer  Nekrolog,  den  das  Lesebuch  der  Drei  an  das  Ende  des 
V.  Bandes  stellt,  rflhmt  einem  in  treuer  Ausflbung  seines  Beriifes  saf 
dem  Felde  wissenschaftlicher  Ehre  gefallenen  österreichischen  Fonebet 
nach:  „Noch  ist  es  wie  ein  wilder,  wfister  Traum,  daß  der  Freund  uni 
so  plOtslieh  entrissen ;  noch  glauben  wir  ihn  leibhaftig  vor  uns  tu  sehen. 
Schwer  gewObnt  sich  die  YorsteUung,  das  Gefühl  an  die  klaffende  Likke 
der  Wirklichkeit,  nie  aber  wird  er  unserem  Gedächtnisse  entschwindeoi 
nicht  wird  er  gestaltlos  im  Reiche  der  Schatten  schweben".  Dieselben 
Gefohle  bewegen  auch  uns.  Fahr  wohl,  Dn  guter  Kamerad !  Nie  wirst 
Du  Deinen  Freunden,  solange  sie  selber  leben  and  arbeiten,  zom  imriß- 
loseu  Schemen  werden;  Zug  um  Zug  bleibt  unserem  Geiste  Dein  edJe« 
Selbst  eingeschrieben,  und  so  oft  wir  es  heraufbeschworen,  wird  es  sni 
fiber  das  Gemeine,  das  alle  su  bändigen  droht,  emporheben,  wird  es  ani 
anspornen,  der  Wissenschaft  und  der  Schule  so  besonnen,  so  treu,  to 
selbstlos  SU  dienen  wie  Du. 

Wien.  Prof.  Robert  Frani  Arnold. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlnngen. 


Züin  aotiken  Bibliotheks-  und  Buchwesen. 

Unsere  Kenntnis  antiker  Bibliotheksanlagen  beruhte  bis  vor 
wenigen  Jahren  im  wesentlichen  anf  den  Ansgrabnngen  zu  Hercn- 
laoom  (vgl.  D.  Gomparetti  nnd  G.  de  Petra,  La  Tilla  dei  PisoDi. 
Torin  1888)  nnd  Pergamnm  (Sitznngsber.  d.  Berl.  Akad.  1884  U 
1286,  Dziatzkos  Sammlung  bibliothekswiss.  Arbeiten  X  88).  Seither 
worden  in  Born  Beste  der  biUiotheca  Umpli  divi  Augu^i  (BOm. 
Mittel].  XVII  80),  in  Ephesns  dnrch  die  Grabungen  des  Osterrei- 
ebisehen  archäologischen  Instituts  (s.  Jahreshefte  VIII,  Beiblatt  61 
ond  Mittel],  d.  öst.  Vereins  f.  Bibl.  X  97)  solche  der  biblioiheca  Gel- 
mna,  endlich  in  Afrika  durch  die  Tätigkeit  von  Franzosen  solche 
der  Bibliothek  von  Timgad  freigelegt;  Tgl.  die  orientierenden  Ab- 
hindlnngen  von  B.  Gagnat  {Les  biblioihiquea  municipahs  dans 
l'mpire  Romain.  Sonderabdruck  aus  dem  88.  Bande  der  MSmoirea 
priseniSs  ä  VAead.  d,  Inacripi.  1906)  und  E.  Jacobs  (Zentral- 
bUtt  f.  Bibliotheksw.  XXIV  [1907]  118),  die  auch  ein  fragUches 
Oebftode  in  Pompeji  erwahneu.  Bei  letzterem  ist,  was  bei  der  Art 
▼OD  Cagnats  Zitat  (wohl  einer  Korrekturnotiz)  begreiflich  ist,  über- 
sehen, daß  die  Oberlicht-Theorie  lär  Ephesns  nicht  mehr  aufrecht 
erhalten  wird.  Heberdey  stellt  eine  eingehende  Untersuchung  über 
sntike  Bibliotheksgebaude  in  Aussicht ,  wobei  auch  die  Hadrianstoa 
in  Athen  berücksichtigt  werden  soll.  Aus  der  meist  sekundären 
Darstellung  Ton  J.  W.  Clark  ^)  mOchte  ich  nur  für  die  sp&tere 
Entwicklung  der  Bibliothekseinrichtungen  hervorheben,  daß  die 
j^tzt  gewöhnliche  Aufstellung  der  Bücherkasten  erst  bei  der  von 
Philipp  II.  im  Escurial  gegründeten  Bibliothek  üblich  wird;  bis 
dahin  standen  die  Kasten  normal  anf  die  Wand. 


>)  The  Gare  of  Booha.  Cambridge  1901;  die  2.  1902  erschienene 
ioflage  hat  mir  nicht  vorgelegen. 

Ztftiehiifl  f.  a.  Mm.  Qjmn.  IMS.  VII.  H«ft.  37 


578  Zam  antiken  Bibliotheki-  and  Bachwesen.  Von  W.  WeMerger. 

Die  Bibliotheken  von  Ephesus  nnd  Timgad  bieten  im  wesent- 
lichen  das  gleiche  Bild:  einen  Lesesaal,  dessen  in  zwei  Reihen 
übereinander  angeordnete«  wie  man  annimmt  mit  Holz  verkleidet« 
Nischen^)  znr  Anfnahme  der  Handbibliothek  dienten,  nnd  Depots, 
die  man  namentlich  in  Ephesns  gegen  Fenchtigkeit  (durch  doppelte 
Mauern)  zu  schützen  suchte. 

Wie  für  Bibliotheken  der  Spaten,  so  scheint  für  Fragen  dea 
Buchwesens  Neues  die  Befolgung  des  Grundsatzes  zu  bieten,  be- 
stehende Meinungen  auf  ihre  Stichhaltigkeit  zu  prüfen.  Theodor 
Birt  bringt  unter  dem  TiteP):  Die  Bachrolle  in  der  Knnst 
Archäologisch-antiquarische  Untersuchungen  zum  antiken  Buchwesen 
(Leipzig  1907)  eine  reiche,  allerdings  nicht  einwandfreie*)  Fülle 
archäologischen  Materials,  kommt  dabei  auch  auf  verschiedene 
Fragen  zurück,  die  er  in  seinem  Werke:  Das  antike  Buchwesen 
(Berlin  1882)  behandelt  hat,  und  h&lt  noch  immer  für  die  ültere 
Zeit  am  Groß  rollen  system,  für  die  sp&tere  an  der  Normal- 
rolle fest;  er  glaubt  also,  es  müsse  z.  B.  Herodots  Werk  in 
einer  Bolle  enthalten  gewesen  sein,  weil  die  Bucheinteilung  nicht 
auf  den  Autor  zurückgehe,  und  die  Äußerung  Galens,  es  ließe  sieh 
über  einen  bezeichneten  Gegenstand  ein  ganzes  Buch  von  mehr  als 


')  TgL  Plin.  £p.  II  17,  8  (armaria  parieti  tiuerta)^  Bemda  Po- 
chomii  Migo.  Patrol.  Lat.  XXIII  77  (fenestra  in  qua  Codices  coüocantur; 
dasQ  J.  M.  Besse,  Les  moines  d^Orient  antirieura  au  coficüe  de  (^tüd" 
daine» .  Paris  1900,  8.  392:  . .  armoire  creueie  ä  cet  effet  dans  Vepait- 
seur  du  tnur,  Les  aolitaires  igyptiens  d^osaient  hahitueUement  Ut 
manuscrits  dans  ces  sortes  aarmoires  gu*ils  appeüaient  des  fe- 
netres).  —  Ein  1847  an  weit  vom  matmaßlicnen  Standort  der  alezsndri- 
nischen  Bibliothek  gefundener  Steinblock  von  rechteckiger  Form  mit  der 
Aufschrift  ZilOCKOPI/iHC  t  TOMOI  (vgl.  Bevue  archiol  IT  2  [184S| 
758;  G.  Botti,  Plan  de  la  vüle  d^Alexandrie.  1898;  0.  M.  B.  Blomfieid, 
VempUkcement  du  musU  et  de  la  hihlioifUque  des  PtoUmies,  Ball,  de  la 
Soc.  archdol.  d'Alexandiie.  N.  S.  I  [1904]  15)  kann  nach  seineu  Dimeniionen 
(488  X  894  mm;  die  AuehOhlong  Jet  254mm  lang,  208 mm  breit  nnd  76 mm 
tief)  nicht  für  die  Bibliothek  in  Anepraeh  genommen  werden.  Gardt- 
hausen,  der  ihn  (Berl.  phil.  Wochenech.  1907,  852)  als  Teil  eines  Denk- 
mals erkl&rt,  konnte  für  die  Übung,  solche  scrinia  als  Stützen  le  ler* 
wenden,  auf  A.  Brinkmann,  Ein  verschollenes  Belief  ans  Neamagen.  Bonner 
Jahrb.  114,  466  Terweisen.  —  Der  gebohlte  Stein  einer  koptiichea  Kirebe, 
in  dem  in  gefahrvollen  Zeiten  ein  Psalter  geborgen  wurde,  kommt  nicht 
in  Betracht,  da  er  ja  nicht  sor  Aofbewahrnng  von  Bachern  bestinunt  war; 
vgl.  The  earliest  knaum  Coptic  Psalter  .  .  .  edited  from  ihe  umq}H 
papyrus  Codex  Oriental  5000  in  the  British  Museum  hy  E,  A.  VfaUis 
Budge.  London  1898,  8.  YII,  Wiener  Sitiangsber.  GLY  1  (1907),  S.  2. 

*)  Vgl.  anch  seine  Anfefttze:  Schreibende  Gottheiten.  Nene  Jsk^ 
bQcher  XXII  (1907)  700—721;  Bachwesen  and  Bauwesen.  Bhein.  Mni 
LXIU  (1908)  39—57. 

')  Vgl.  E.  Pfahl,  Zar  Darstellang  von  Baehrollen  auf  Grabreliefi. 
Jahrb.  d.  dentschen  archftol.  Inst.  XXII  (1907)  118—182.  ^  Auf  den 
titulus  der  anter  Nr.  156  abgebildeten  Bolle  lese  ich  Horatius;  Mao 
gibt  (BOm.  Mitteil.  YIII  [1898]  20)  Borne  ras  an  nnd  Birt  wandert  nch 
Über  die  lateinische  Namensform,  da  doch  an  einen  griechischen  Text  n 
denken  sei. 


Zam  antikeD  Bibliothek»-  tind  Bachwesen.  Von  W.  Weinberger.  579 

1000  Zeilen  schreiben,  bezenge,  daß  eine  gewisse  nnterste  Orenze 
des  Baebnmfanges  mit  Bewußtsein  beobachtet  warde^). 

S.  285  kommt  Birt  anf  die  camua  zu  sprechen,  worunter 
man  gewöhnlich  Knöpfe  an  dem  Stabe  {umbilteue)  versteht,  um 
den  die  Bolle  gewickelt  wurde.  Solche  Knöpfe  weist  tod  den  zahl- 
reichen Bildwerken,  die  Birt  —  zumeist  im  Originale  —  herange- 
zogen hat,  kein  einziges  auf.  Was  man  z.  B.  bei  Heibig,  Wand- 
gemälde 1725  (Niccolini,  Le  ease  ed  i  numumenti  dt  Pampei  II, 
LXXXVn  2')  (tr  camua  (vgl.  den  Eingang  der  Tristien:  Candida 
nee  nigra  camua  fronte  gerae)  erklärt  hat,  sind  tUuli.  Die  feste 
Verbindung  des  Stäbchens  mit  der  Bolle  war  nach  dem  Befunde 
der  Papyri  Ton  Herculanum  und  nach  Stellen  von  Autoren  (Lukian, 
TtQbs  xhv  ixaidßvtop  7  :  6^q>aloi)g  ivxi^rig)  keinesfalls  die 
Begel;  vielmehr  wurde  der  Stab  nach  Bedarf  für  Terschiedene 
Bollen,  die  man  eben  benutzte,  verwendet.  Dabei  wären  solche 
Knöpfe  eher  hinderlich  gewesen.  Auch  der  Gebrauch  von  zwei 
Stäbchen  ist  vorauszusetzen,  da  Bollung  von  beiden  Enden  auf 
Bildwerken  nicht  selten  begegnet.  So  erklärt  es  sich,  daß  beide 
Enden  der  Bolle  in  gleicher  Weise  verstärkt  und  gefärbt  wurden. 
Auf  diese  verstärkten  Enden  bezieht  aber  Birt  den  Ausdruck  eomua^ 
wobei  er  auf  den  Parallelismus  zwischen  explioare  aeiem  und  ex- 
plieare  vclumen  hinweist.  Man  wird  also  den  Schülern  bei  Be- 
nützung des  Hensellschen  Modells  wohl  sagen  müssen,  daß  die 
Bolle  nicht  immer  an  das  Stäbchen  geklebt  wurde,  daß 
dessen  Knöpfe  nicht  sicher  seien  und  daß  unter  eomua 
auch  die  (mit  Bflcksicht  auf  die  stärkere  Abnützung)  verstärkten 
und  (im  Hinblick  auf  die  Verwendung  als  Außenseite)  gefärbten 
Ende  der  Bolle  verstanden  werden  können. 

Ein  anderer  Fall,  in  dem  es  für  eine  herkömliche  Meinung 
zum  mindesten  keinen  Beweis  gibt,  ist  der  gemeinTerständlichen 
(auch  für  Schülerbibliotheken  geeigneten  Darstellung)  W. 
Scbubarts*)  zu  entnehmen.  Es  handelt  sich  um  die  oft  wieder- 
holte Behauptung,  daß  die  Herstellung  einer  größeren  Auflage  nach 
Diktat  erfolgte.  Das  ist  gewiß  möglich;  es  ist  aber  auch  anderes 
denkbar,  z.  B.  daß  derselbe  Schreiber  immer  wieder  die  gleiche 
Partie  abschrieb.    Birt  sagt  S.  197:    „Gewiß  mußten  sehr  viele 


*)  Die  FastQDg  ist  fast  wörtlich  Bohdes  Aufsatz  (Bhein.  Maienm 
ILIII  476)  entDommen.  Galen  erbietet  lieh  (VIII 698  K)  über  jedes  be- 
liebige Thema  in  bestimmtem  Ausmaße  sa  sprechen  nBlwmv . . .  äQid'fiov 
huiv  glxetv  h  bnoem  ßovXovtat  fiitQa  kxb'etv  (fielleieht  (U  SteX&slv) 
Qod  fährt  fort:  lyxiDiftZ ....  ^tuq  Ixaoroi;  t&9  ivoiuktmp  ^v  6I09  noul- 
eihu  ßifiiiop'  ietat  Öi  imtj  itlsCm  t&v  %iUmv, 

')  Einige  mir  nicht  lugängliche  Abbildungen  hat  Hr.  Prof.  Mau 
in  Bom  freundlichst  für  mieh  eingesehen. 

*)  Handbücher  der  kgl.  Museen  XII  (Berlin  1907):  Das  Buch  bei 
d«D  Griechen  und  Bömem.  —  S.  143  werden  aus  dem  bekannten  Taefaj- 
graphie-Lehrrertrsge  (Ozjrhjnchos-Papyri  IV  724)  fälschlieh  Schlüsse  für 
gewöhnliche  Schreiber  gesogen. 

87* 


580    Pbilobg.  aas  AaguBtiDi»  und  Ambrotins.  Von  Ä.  Engdbreehi, 

Schreiber  gleichzeitig  Dach  Diktat  tätig  sein,  nm  eine  Edition  io 
einer  Auflage  von  nnr  500  Exemplaren  herzustellen*' ,  maß  aber 
hinznfngen :  „Ägyptische  Beliefs  zeigen  uns  Schreiber,  die  gleich- 
zeitig angenscheinlich  nach  ^Diktat  schreiben«  Die  griechisch -rö- 
mische Ennst  kennt  nichts  Ähnliches". 

Durch  Schnbart  bin  ich  auch  auf  Inschriften  Ton  Priene^) 
aufmerksam  geworden,  in  denen  ein  Stadtschreiber  belobt  wird  mit 
der  MotiTierong  (Nr.  114,  Z.  10):  tj^i;  niöziv  xal  qyvl[a%iiv\ 
x&v  TCaQadod'ivtmv  avx&i  ygafiiithcav  ixoi[ill€f]axo  dötpali} 
dixkfjv  xiiv  [ivtt'\yQaq>iiv  aixwv  xagadoifg  iv  degiiativoiq 
xal  ßvßXlvoig  xsij{x]ii'Ot^]i  ▼?!•  Z.  80  stexolrixat  f»Sv  duvil^v 
xifv  x&v  drjfioölcov  ygafifiäxan/  dvaygatpijlv  iv  ßvßlQvoig 
xal  dsQ^axivoig  xbvxböw^  112,  28,  118,  17  xb\v  xoivbv  xal 
xbv  tdiov  Sxdöxov  ßlov  &6tpaXi6diLevo[g  d']üi  xi^g  iv  xoiq 
dcQiiaxlvoig  ßv[ß]Uoig  dvaygatpflg.  Diese  Inschriften,  die 
nach  84  y.  Chr.  fallen  (Schnbart  setzt  sie  nach  Christi  Qebnrt  an), 
sprechen  jedenfalls  dafür,  daß  zur  Zeit  des  angeblichen  Papyms- 
Ansfnhrverbotes  Ptolomaios'  YIII.  (146 — 117)  der  Gebrauch  dei 
Pergaments  häufiger  wurde;  doch  ist  es  keineswegs  ausgemacht, 
daß  xBf>xog^)  mit  Schubart  auf  Eodexformat  zu  beziehen  sei. 
Sicher  ist,  daß  es  im  ersten  und  zweiten  nachchristlichen  Jahr- 
hundert an  Pergamentkodizes  nicht  gefehlt  hat;  Tgl.  auch 
den  Papyrus kodex  mit  Euripidesfragmenten  (Kreter),  der  im 
5.  Bande  der  Berliner  Elassikertexte  ins  I.  Jahrhundert  n.  Chr. 
gesetzt  wird.  Im  17.  Jahrhundert  kommt  für  Herausgabe  litera- 
rischer Werke  wohl  nur  mehr  der  Kodex,  nicht  die  Bolle  in  Betracht 

Iglau.  Wilh.   Weinberger. 


Philologisches  aus  Augustinus  und  Ambrosius. 

I.  Der  heil.  Augustinus  als  Volksdichter. 

Das  „älteste  Denkmal  der  lateinischen  rhythmischen  Dichtung", 
Augustins  Psalmua  contra  partem  Donati,  wurde  von  Wilhelm  Mejer 
(Anfang  und  Ursprung  der  lateinischen  und  griechischen  rbythmi- 


*)  'Inschriften  von  Priene,  herausgegeben  von  Hiller  t.  Gbtringen. 
Berlin  1906,  S.  112—114. 

*)  Tgl.  Birt  8.  21 :  ^Endlich  heißt  aach  ts^jpg  in  der  klASiiMben 
Zeit  Bolle  und  darf  nicht  etwa  mit  Kodex  Qbersetst  werden/  —  Bei  des 
Codices  Ubrariorum  der  Miloniana  (Schnbart:  Aktenb&ode)  mOefate  ich 
an  Wachstafeln  denken;  Birt  8. 20:  „Der  Ausdruck  Kodex  hat  mit  Perir»' 
ment  snn&chst  nichts  lu  tun  und  bedeutet  bis  ins  11.  Jahrhundert  n.  Chr. 
die  mit  Wachs  bedeckte  Holztafel,  besw.  mehrere  unter  sich  Tsrbooder' 
solche  Tafeln.  •* 


Philolog.  aas  AtigostiBtiB  tind  AmbroiinB.  Von  A,  Engelbrecht.    581 

sehen  Dichtnnsr  S.  284 — 288)^)  eiogebend  behandelt,  doch  koDOien 
endgültige  Besnltate  nicht  in  allen  Punkten  erzielt  werden,  weil 
Meyer  trotz  eifrigen  Sncbens  keine  Handschrift  des  Psalmns  fand 
und  demnach  ganz  auf  dem  von  den  Manrinern  gebotenen  Text 
basieren  mnßte.  Dem  Herausgeber  des  Psalmns  in  dem  eben 
erschienenen  Angnstin-Band')  der  Wiener  Kirchenv&teransgabe, 
Michael  Petschenig,  ist  es  gelungen,  sechs  Handschriften  der 
Dichtung  ausfindig  zu  machen,  von  denen  zwar  keine  älter  als 
das  XIL  Jahrhundert  ist,  die  es  aber  ermöglichen,  an  manchen 
Stellen  über  die  Bezension  der  Mauriner  hinauszukommen,  und  auch 
die  zwei  von  diesen  benützten,  jetzt  Terschollenen  belgischen  Hand- 
scbriften,  einen  Cambranenaia  und  einen  Endaviensis,  entbehrlich 
machen. 

Unter  diesen  Umständen  ist  eine  neuerliche  Untersuchung  der 
auf  die  Überliefemngsgescbichte  und  die  rhythmische  Fassung  des 
Psalmes  bezüglichen  Fragen  geboten  und  darf  umsomehr  als  ge- 
rechtfertigt erscheinen,  als  sie  imstande  ist,  auch  auf  theoretischem 
Wege  hie  und  da  das  ihrige  zur  Verbesserung  des  Textes  beizutragen. 

Über  Anlage  und  Zweck  des  sot-disani  Oedicbtes,  das,  auch 
nach  den  Intentionen  des  Verfassers,  nur  versifizierte  Prosa  ist, 
erhalten  wir  bekanntlieh  von  Angustin  selbst  in  einem  Kapitel 
seiner  Retraetationss  ausreichende  Auskunft.  Ich  muß  den  Text 
der  Eetractatio  hieher  setzen,  weil  eine  darin,  wie  mir  scheint, 
bisher  mißverstandene  Stelle  für  die  Überlieferungsgeschicbte  des 
Psalmes  von  Wichtigkeit  ist  (Betract.  1 18  [20],  pag.  96,  9  Knoell): 

1.  TJolens  etiam  causam  Danatistarum  ad  ipsius  humülimi 
uulgi  et  <mnino  inperitarum  atque  idiotarum  notüiam  peruentre 
et  earutn,  quantum  fieri  per  noa  passet,  inhaerere  memoriae,  psal- 
mum,  qui  eis  cantaretur,  per  Latinas  lUteras  feci,  sed  usque  ad 
ü  liUeram,  quales  ahecedarias  appellant.  tres  uero  ultimas  omisi, 
sed  pro  eis  nouissimum  quasi  epilogum  adiunxi,  tamquam  eos 
mater  adloqueretur  ecclesia.  ypopsalma  etiam,  quod  respondetur, 
tt  prooemium  causae,  quod  ttoluimus  ut  cantaretur ^  non  sunt  in 
ordine  litterarum;  earum  qnippe  ordo  incipit  poit  prooemium, 
ideo  autem  non  aliquo  carminis  genere  id  fieri  udui,  ft«  mn  m- 
cessitas  metriea  ad  aliqua  uerba,  qtioe  uuigo  minus  sunt  usitaUif 
conpeUerei. 

2.  Iste  psalmus  sie   incipit:    „ömn§$  qui  ^#jidii|^l^ 
paee,  modo  uerum  iudicate*",  quod  eius  ^pop 

Der  Psalm  ist  also  eme  Art  von  in  V^   • 
diismoB  der  antidonatistischen  Lehre  der  k- 
gepaßt  dem  Fassongsvermdgen   Atr  großffi 


V)  Abhandlongen  der  bajr. 
hift  KLMse.   XVII.  Band,  2.  Ak      - 

•)  Corpus  Script,  eccle^.  Lmi^^ 
Donatistas  p.  I,  8.  1—16. 


■.  Äkad«»!^' 


582    Fhilolog.  aus  Angutinoi  and  Ambiotios.  Yon  A.  Engdbreekt. 

gaogbare  rhythmische  Textierang  nnd  eine  leichtfaßllche  Melodie 
instand  gesetzt  werden  sollte,  den  Wortlaut  sich  ohne  viele  Mühe 
zu  eigen  zn  machen.  Gegliedert  ist  das  Gedieht  in  Strophen,  deren 
Abfolge  sich  dem  Gedftchtnisse  leicht  einprägt,  da  der  erste  Bneh- 
stabe  jeder  Strophe  in  fortlaufender  Beihenfolge  den  Buchstaben 
des  lateinischen  Alphabetes  (a — u)  entspricht.  Die  ursprflnglicb 
griechischen  Buchstaben  xi^z  sind  hiebei  außeracht  gelassen;  all 
Ersatz  hiefür  ist  ein  Epilog  yon  SO  Zeilen  an  den  Schluß  gestellt. 
Die  einzelnen  (20)  Strophen  werden  voneinander  durch  einen  Befrain- 
yers  getrennt,  den  Angustin  (hjypopaalma  nennt,  also  „Psslm- 
schlußvers**  oder  „Besponsionsvers*  (quod  respondetur),  der  aber 
nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnis  der  RetraäiUio  zugleich  auch  im 
Anfange  des  ganzen  Gedichtes  stand.  Als  letzterer  wird  er  Ton 
Augustin  dem  ypopaalma  gegenüber  mit  prooemium  causae,  quod 
uduimus  ut  cantaretur,  bezeichnet,  ein  Ausdruck,  der  dem  folgeodaa 
iaU  paalmuf  sie  ineipit  vollkommen  entspricht  und  von  Augustia 
offenbar  deshalb  gew&hlt  wurde,  weil  ein  mit  dem  ypopsalma  kor- 
respondierender Ausdruck  (etwa  propaalma)  dem  Sprachgebranch 
fremd  war.  Ich  kann  deshalb  nicht  zugeben,  daß  Angustin  unter 
prooemium  eausae  einen  dem  epilogus  entsprechenden  Prolog  ge- 
meint habe,  der,  weil  er  sieh  in  unseren  Handschriften  nicht  finde, 
als  verloren  zu  gelten  habe.  Auch  eine  andere  Erwägung  läßt  die 
Hinfälligkeit  dieser  namentlich  seit  dem  Erscheinen  der  Benediktiner- 
ausgabe zum  Dogma  gewordenen  Ansicht  erkennen.  Ein  Prolog 
hätte  zweifellos  den  Anfang  des  Gedichtes  bilden  müssen,  sowie 
der  Epilog  seinen  Schluß  bildet;  es  findet  sich  dementsprechend 
nach  dem  Epilog  jener  Befrainvers  nicht  mehr.  Da  aber  Augostin 
selbst  als  ersten  Vers  des  Gedichtes,  der  somit  der  erste  Yers  des 
Prologes  sein  müßte,  die  Worte  omnes  qui  gaudetia  usw.  bezeichnet, 
so  bilden  eben  diese  —  ein  einziger  Yers  —  das  prooemium  nnd 
daraus  ergibt  sich,  daß  kein  integrierender  Bestandteil  des  Ge- 
dichtes verloren  gegangen  ist.  Da  übrigens  der  Yers  mnnee  qui 
qaudetis  sowohl  Anfangsvers  als  hypopealma  ist,  vermute  ich,  daß 
Augustin  am  Schlüsse  der  Betractatio  geschrieben  habe  quod  (fi) 
eius  f^opealma  est 

Yon  den  20  nach  ihren  Anfangsbuchstaben  alphabetisch 
geordneten  Strophen  bestehen  18  aus  je  12  Yersen,  die  C-Stropbe 
hat  11,  die  ^-Strophe  10  Yerse.  Daß  diese  beiden  Strophen  ver- 
stümmelt seien,  ist  müglich  —  Petschenig  hat  sachlich  sehr  an- 
sprechende Ergänzungen  versucht  — ,  jedoch  ist  auch  die  Annahme 
nicht  kurzerhand  abzuweisen,  daß  Augustin  ausnahmsweise  auch 
kürzere  Strophen  gebildet  habe,  da  die  für  jeden  Yers  sich  gleich- 
bleibende Melodie  dies  gestattete  und  ein  eigentlicher  Sinnesbiat 
an  beiden  Stellen  nicht  zwingend  zu  konstatieren  ist.  Denn  anch 
zwischen  Y.  85  nnd  86  finde  ich  keine  unüberbrückbare  Gedanken- 
lücke, da  Y.  85->37  tadellosen  Sinn  geben:  „Die  Donatisten  be- 
haupten,  sie  hätten   ihren  Yorfahren,   welche   die  Katholiken  als 


Fbilolog.  aat  AügUitinüs  und  Ambro aias.  Van  A.  En^dbreckt.    58^ 

fmiif^ret  Uhrürum  bezeichneieQ ,  Glaoben  geacbiukt;  ihre  Vor- 
Hm  haben  aber,  bebaopte  ich,  gelogeB,  da  ancb  wir  nnsarto 
%rabr«a  Glauben  ecboDkeD,  die  bobanpteten,  daß  die  Donatisten 
^diiores  librontm  waren*  Ea  alebt  äleo  Behauptung  g^g^ü  Be* 
HpluQg,  und  da  mäBsen  unterlieg  an,  qui  non  sunt  in  unitaie'\ 
I  Qebes  wir  unn  aaf  den  rb^tbrnlachen  Ban  der  Dichtnng 
Kr,  IQ  ferdient  die  Bemerknn^  Aa^uatiüe  Beaehiniigr  daß  er 
Kl  Vifse  nun  aliquo  carminis  genere  t%tM%  habe,  um  darcb 
%  mtissiias  metrka  nicht  dem  volkstämlichan  Ton  Abbruch  za 
ini.  Er  bftt  also  den  Hegeln  der  lateinisch en  quantitierenden  Metrik 
oicbt  anlerliegeoda  Zeilen  gebildet;  da  dieie  aber  für  den  Gesang 
butimmt  wareD,  maßten  eie  trotzdem  einen  beatttnmteo,  durch  den 
Silbivakient  geregelten  Ehythrona,  also  wenigeiene  eine  Yersfonn 
^lü,  die  ihnen  eine  Mittele tellnng  zwischen  qnantitierend  gebauten 
BiBD  und  eigentlicher  Prosa  anweist  Faßt  man  den  oben  be- 
Hidmen  Zweck  dea  Gedichtes  ins  Auge  ^  so  muß  a  priori  an* 
Bofnmen  werden,  daß  die  rbjthmiacba  GeataltUDg  der  Zeilen  sich 
V  möglichst  einfach  und  uniform  erweist.  Dies  vor  ausgeschickt, 
bnpreehen  wir  die  Verstecbnik. 

L  Beb  (in  längst  wnrde  erkannt,  daß  das  Gedicht  ans  Lang« 
kn  faeiteht,  die  Sohlußreim  haben,  indem  sie  alle  an f  (langes 
knriea)  e  oder  ae  ausgeben. 

2.  Ebenso  leicht  zu  erkennen  isti  daß  jede  Langzeile  dirch 

Iriie  in   der  Mitte  in   zwei   Halb  Zeilen  zerlegt  ist;   an 

fTrennnngssteüe  tritt  natürlich  die  sonst  in  den  ujeisten  Fällen 

ödende  Elision  des  schließenden  vor   dem  anlautenden  Vokal 


1  Der  größte  Teil  der  Langzeilen  besteht  aus  16  Silben, 
M  Jede  Halbzeile  aas  8   Silben,  nnd  ans  Versen  wie 

S  cont^regaftti  mnllos  pisces  omne  genus  hine  et  ind4 
fU  eich    (aUeoder   Ehytbmns,    indem   auf  Jede   der    4  (8) 
iitaiertiQ  Silben  je  eine  tonlose  folgt: 

|x  |x  |x  |x  jl  |x  |x  ix  |x- 

4.  In   den  wettane    meisten  F&lleii   findet  Elision  des  ane- 
Qüen  Vokals   oder  einer  mit  m  schließenden  Silbe  vor  vokali- 

An  fang   sowie   Sjnizese    hanptsäcblich    ron    i    und  e    hei 

fmdim  Vokal,   bezw,    konsonantische   Aussprache   dieser   Laute 

die  Formen  $enva^  arjeie  n.  ft.    bei  Vergil)  statt.     Dadurch 

in  einer   ganzen  Bei  he  Ton  Versen  mit   scheinbar   mehr  als 

[Silben  das  Sllbenplns  beseitigt 

5.  Am    Scblnsie   der  Halbzeilen    fällt   stete   der   rbyth- 
±}^Hh%  AkEent  mit  dem  Wortakzent  zusammen,    wftbrend 

[ladifeo  Versstellen   dies   nicht  der  Fall  zn  sein  braucht,   vgl. 
Eiteite  und  siebente  ToDsilbe  in  V.  9B 

tum  iudk€S  trammarinos  \\  psijii  ah  impSra(ar€. 


584    Philolog.  ans  AogattinoB  and  Ambronot.  Von  Ä.  EngdbreM. 

Diese  so  formulierten  Gesetze  bedürfen  einiger  teils  erU&render, 
teils  präzisierender  Zasatzbemerknngen. 

Zn  Regel  l.  Mit  Becht  nennt  W.  Meyer  den  ^-Beim  aller 
Langzeilenscblüsse  die  merkwürdigste  Eigentümlichkeit  des 
Gedichtes.  Den  Grand  für  diesen  ebenso  monotonen  wie  wlrknngs- 
losen  Yersschloß  kann  ich  höchstens  in  einer  Art  von  Reminiszenz 
an  ein  Vorbild  der  antiken  Metrik  finden,  indem  vielleicht  der  nach 
der  Anzahl  der  Hebungen  nnd  Senkungen  dem  antiken  troch&ischen 
Septenar  nahe  kommenden,  sich  nur  durch  das  Plus  der  Schluß- 
silbe unterscheidenden  Langzeile  dadurch,  daß  diese  letzte  Silbe 
stets  den  schwächsten  und  für  eine  mehr  minder  verschwommene 
Aussprache  geeignetsten  Schlußvokal  e  aufwies,  durch  eine  Art 
von  Verschlucken  der  letzten  Silbe  ein  Anklang  an  das  im  Sp&t- 
lateinischen  volkstümlichste  Versmaß  des  troch&ischen  Septenars 
gegeben  werden  sollte;  man  vergleiche 

92  hönores  uanös  qui  quaerit,  n&n  uuH  cum  Christo  regnar(e) 
etwa  mit  einem  der  von  Sneton  (Caesar  49)  überlieferten  Soldaten- 
verse : 

OdUias  Caesar  aubegiL  Nicomedes  Caisarem. 
Ich  bemerke  noch,  daß  in  der  tJberlieferung  der  e(ae)'Sch\ji&  der 
Langzeilen  ausnahmslos  rein  bewahrt  ist.  Bekanntlich  geben  auch 
die  18  Hexameter  des  Commodian  im  Akrostichon  Paenitentibw 
(Instruct.  II  8,  S.  69  f.  Dombart)  sämtlich  auf  e  oder  ae  aus,  so 
wie  die  26  Verse  des  Akrostichon  Commodianus  mendicus  ChrisU 
(ibid.  II  89,  S.  110—112)  auf  o. 

Zu  Regel  2.  Die  BezitMionspause  nach  der  vierten  der 
unbetonten  Silben  ist  ebenfalls  nirgends  in  der  Überlieferung  v«*- 
wischt.  Die  beweiskräftige  Nicbtbeachtan^  der  Elision  an  diesif 
Versstelle  ist  in  25  Fällen  (z,  B.  1 7  scissuram  |  €t^  22  librorum  \ 
excuaare,  40  no8tri\et,  162  €SM\exdudaniur  dsw.)  zq  kopetattereo. 

Zu  Begel  4.  Elision  ist  iunerbalb  der  Halb leLlen  die  Eegd 
—  sie  ist  sogar  dreimal  in  einem  Veree 

24  modo  quo  pacta j^zcumtunt  factum jaltär4  contra jtUiare 
zu  finden  — ,  Unterlassung  der  Elision  die  Ausnahme;  denn  ITl 
elidierten  Schlußsilben  stehe»  nur  folgende  12  nicht  elidierte  g'tgen- 
über:  44  episcqpum  ordinäre j  46  irati  sunt  quia  tpsi^}«  61  indi 
alias  infamaruntj  79  gaudium  magnum  cßset  nohiSf  S6  qmmiti^ 
erat  ferrent  unum,  164  quod  dixerunt  cum  honorem  197  quas  per 
totum  orbem  crescit,  216  qui  nondum  eramus  nati,  217  acriphim 
est  peccata  patrum,  225  quod  praectsum  est  de  uite^  270  rt«tfl 
me  apastolus  pra  \  regibus  mundi  orare.  Hie  von  ist  mdglichirwAti» 
V.  61  in  Abzug  zu  bringen,  da  August  in  indejiljos  infawmutntf^ 
geschrieben  haben  kann.  Sehr  anffällig  i&t  ^,  270«  da  hier  to 
einem  Verse  sich   zwei   EüBionaunterlasstiQgen  fiiiden^   wodorcb 


*)  Dieser  Vers  ist  lu  kaeu!  traft  sunt  quia  ifsi  \  n^  fr(^li«ni«i 
ordinäre. 


I 


Philolog.  aai  AngaBtinas  and  Ambroiias.  Ton  Ä,  EngMrecht    585 

zwei  Hiate  der  schwersten  Art  (in  tontragenden  Silben!)  entstehen, 
wie  sie  sonst  im  ganzen  Gedichte  nirgends  vorkommen.  Berfick- 
eichtigt  man  ferner,  daß  nach  dem  äberlieferten  Wortlaut  die 
Präposition  pro  Ton  dem  dazugehörigen  Substantiv  durch  die 
Diiresenpause  getrennt  wird  und  noch  dazu  als  einsilbiges  Wort 
am  Halbversschlnsse  steht,  so  wird  die  Fehlerhaftigkeit  der  Über- 
lieferung geradezu  zur  Gewißheit.  Die  Heilung  des  Verses  ist  ein- 
fach genug :  man  ziehe  pro  zum  zweiten  Halbvers,  so  lautet  dieser 
einwandfrei  pro  regibus  tnündijoräre ;  dann  weist  die  erste  Hftlfte 
eine  Lücke  auf,  die  unter  gleichzeitiger  Beseitigung  des  Hiatus 
sich  ungezwungen  durch  das  Wort  Paulus  ergänzen  l&ßt: 

iuasit  fnejapo8tolu8  {Paulus)  pro  regibus  mundi  orare^). 
Somit  kommen  auf  122  Elisionen  nur  höchstens  10  Hiate,  die 
sämtlich  der  leichtesten  Art  sind;  hiebei  ist  zu  erwähnen,  daß  in 
8  Fällen  von  10  die  Elisionsvemachlässigung  bei  aufm  ausgehender 
Schloßsilbe  vor  vokalischem  Anlaut  erfolgt.  —  Das  Gesetz  der 
Elisionsanwendung  im  augustinischen  Gedicht  wird,  wenn  es  noch 
nötig  wäre,  durch  das  Gesetz  5  gestützt,  indem  38  (fi)mta  est, 
100  (pro)batum  est  u.  a.  den  letzten  Halbzeilentakt  ausmachen, 
also  unter  Wahrung  des  Wortakzentes  zweisilbig  zu  lesen  sind. 

Synizese  (Vokalverschmelzung)  ist  ebenso  wie  die  Elision 
das  Normale,  Unterlassung  derselben  dagegen  eine  relative  Selten- 
heit. Dies  gilt  namentlich  von  der  Verschmelzung  des  i  mit  fol- 
gendem Vokal,  die  95mal  erfolgt,  während  sie  nur  6maP)  unter- 
lassen ist  (46  irati  sunt  quia  ipsi,  69  sieterunt  in  quaestione, 
82  a  uestra  eomtnunione,  151  non  ut  hämo  moriatur  [dagegen 
\f>2  morjatur'],  152  iam  cruciatus  languore  [dagegen  281  et  crucjor 
de  uestra  morte]^  275  quod  gentium  reges  magni).  Im  letzten 
Beispiele  ist  es  übrigens  fraglich,  ob  nicht  quod  genti(lt)um  (lies 
gefUüjum)  reges  magni  zu  schreiben  ist.  —  Verschmelzung  von  e 
mit  folgendem  Vokal  findet  sich  ISmal  (78  uideamus;  160  gau- 
deamus;  106,  110,  152  postea;  189,  180  patea(s);  189,  172, 
188  ar'ü(m,  s);  223  «ßo;  108  Sünde  und  —  sehr  auffällig  — 
185  (ßSs  se  dixit  reliquisse)  gegen  2  Fälle,  wo  sie  unterlassen 
ist  (174  per  quos  area  coUecta  est,  251  paleas  non  sustinere). 
Denn  daß  mei,  meae,  eis,  reum  (262,  272,  211,  255)  zweisilbig 
gsmesBeo  werdeo,  WQDdero  wir  uns  ebeu  so  wenig,  wie  über  das 
zweisilbige  detts  159,  während  vielmehr  das  emfillbig«  dcua  185 
nns  ausnahmsweise  verwendet  trscbien«  —  ßei  u  mit  jglfc^ndtm 
Vokal  [fit  die  einsilbige  MesBQDg  {i^^^ämf^Jjmm^iertdidLuef 
46  non  pofmrunt  ordinan^  277  ^^'  ^^I^^H^)  ^*^?f*ö' 

über  der  zweieilbigen  (45  kja    .  "^^bT2  quod 

illos  tamquamjirjam  suamf  ^  J^^^f^^t 


pum,  m,  233  cdthalica. 
'}  Oder  lm%K  w*ur 


586    Pbilolog.  Mf  Angwtiiuii  imd  Ambtonm.  Ycui  A.  EmgelbredU, 

278  noluisiis,  266  dueruenmfj  niebt  b«Toniigt.  —  Aueh  41« 
Synizeie  wird  durch  das  Gesetz  5  gtrsdoso  wie  die  Elision  eis  in 
nnserem  Gedicht  znrecht  bestehend  erwiesen,  da  z«  B.  128,  188, 
210  hodje,  286,  237,  289  nnefo  n.  ä.  den  letzten  Halbzeilentakt 
bilden,  also  zweisilbigr  gebraucht  sein  müssen. 

Zn  Begel  5.  Daß  der  Wortakzent  am  Schiasse  der 
Halbzeilen  gewahrt  ist,  ohne  daß  aber  zugleich  die  Quantität 
beobachtet  wäre,  und  daß  der  Akzent  hiebe!  stets  auf  der  vorletzten 
Silbe  niht,  hat  W.  Meyer  zuerst  gesagt.  Gegen  diese  Begel  Ter- 
steßen  diejenigen  Halbzeilenschlflsse  nicht,  die  durch  Annahme  tod 
Elision  oder  Yokalsynizese  zur  troch&ischen  Betonung  kommen, 
also  am  Schlüsse  der  zweiten  Halbzeile  116  pestüefUjae;  127  seil- 
tentjae;  128,  188,  210  hodje;  141  cotidje;  196,  275  tedetjae; 
am  Schlüsse  der  ersten  Halbzeile  8  euangeljum;  150  gladjum;  9, 
161,  261  eccUsja(m);  43  Numidja;  179  züanja;  238  uenjat; 
47  Caeiestjus;  144,  181  Macarjus;  56  iudiejo;  96  petüjo;  137 
macarjo;  236,  237,  239  nescjo;  173  qperarjoi;  38  finüa^est; 
100  probatumjeal;  110  iudicatumjMt;  17^  collecUtjMt;  190  sa- 
crißcatumj^8t;  204  datumjMt,  Von  den  288  Langzeilen  oder 
576  Halbzeilen  des  Gedichtes  bleiben  nach  der  neuesten  Bezensioa 
nur  5  übrig,  die  sich  dem  trochäischen  mit  dem  Wortakzent  zu- 
sammenfallenden Schlnßrhytbmus  scheinbar  nicht  fügen.  Es  lie^ 
nahe,  diese  5  Stellen  einer  kritischen  Revision  zu  unterziehen  und 
erst  dann,  wenn  sie  sich  als  kritisch  einwandfrei  erweisen,  sie  sls 
seltene  Ausnahmen  von  der  Begel  gelten  zu  lassen. 

Die  einzige  Stelle  am  Ende  der  zweiten  Halbzeile,  also  am 
Ende  des  Langverses,  in  der  der  Wortakzent  nicht  gewahrt  ist, 
erweist  sich  auch  sonst  als  unrichtig  überliefert,  V.  25 

et  pace  Christi  canacissa  spem  ponunt  in  homine. 
Die  zweite  Halbzeile  besteht  nur  aus  7  Silben  und  mutet  die  Be- 
tonung homine  am  Versschlusse  zu.  Petschenig  begnügte  sich  dem 
ersten  Übel  abzuhelfen  und  schrieb  {re^ponunt.  Jedoch  darf  m.  E. 
an  dem  Simplex  ponere  nicht  gerüttelt  werden,  weil  Augustin  hier 
offenbar  eine  Prophetenstelle  im  Auge  hat,  die  er  in  den  Schrifteo 
gegen  die  Donatisten  oft  genug  verwendet,  Hier.  17,  5  maUdiäia 
qui  9pem  ntam  ponit  in  homine  (vgl.  Contra  epist.  Parm.  II  4, 
8;  Contra  Petil.  I  8,  4;  II  5,  11  usw.).  Da  somit  das  Verbum 
ponere  und  die  Wörter  spem  in  homine  gesichert  sind,  bleibt  uns 
nur  übrig,  an  der  Verbalform  selbst  den  Hebel  anzusetzen,  und  da 
muß  diese  allerdings  in  der  Konstruktion  des  Satzes  als  auffällig 
bezeichnet  werden: 

modo  qtio  pacio  excusabunt  factum  aUare  contra  aUart 
et  pace  Christi  conscissa  spem  ponunt  in  homine^ 
quod  persecuiio  non  feeü,  ipsi  feecrunt  in  pace. 
Denn  ponunt  kann  doch  nur  mit  quo  pacto  verbunden  werden,  vas 
einen  schiefen  Sinn  gibt,  weil  nicht  gefragt  wird,  wie  sie  ihre 
HoKhung  auf  einen  Menschen   setzen,  sondern  höchstens  gep 


Philolog.  ans  AogottiDnt  and  Ambrosint.  Von  A,  Engdbreeht    587 

werden  kann,  daß  sie  dies  tun.  Diesen  letzteren  Gedanken  gewinnt 
man,  wenn  man  $p€m  ponere  von  exeusabunt  abhängig  sein  l&ßt 
und  $pempo8ui88e  schreibt,  so  daß  das  et  die  zwei  Infinitive /ac^tim 
€88$  und  poauisae  verb&nde.  Diese  LOsnng  gäbe  auch  einen  tadel- 
losen Vers: 

et  paee  Christi  conseisaa  apem  in  hamine  pasvisae. 
Zu  dem  dreisilbigen  paavisse  vgl.  das  dreisilbige  potverunt  (46), 
die  Elisionsvernachlässigang  sphn  in  findet  ihre  Parallele  in  154 
cum  honore.  Wer  mit  meinem  Bessernngsvorschlag  nicht  einver- 
standen ist,  wird  jedenfalls  zngeben,  daß  nnser  Vers  korrnpt  und 
daher  nicht  geeignet  ist,  gegen  das  obige  Klanselgesetz  als  einzige 
Ausnahme,  soweit  wenigstens  der  Langversschlnß  in  Betracht  kommt, 
anigespielt  zn  werden. 

Den  Vers  113    ediert«  Petschenig   nach    der  besten  Über- 
liefenmg  so: 

et  nunc  et  uos  totum  noscitia,  sed  fingitia  uoa  neacire. 
Da  aber  die  erste  Halbzeile  ans  9  Silben  besteht,  gab  er  in  der 
Mnataiio  critica  der  Vermutung  Baum,  daß  zu  schreiben  sei  at 
mrne  uaa  totum  noacitia,  wobei  wir  die  Klausel  noacitia  mit  in  Kauf 
nehmen  müssen.  Es  ist  sehr  unwahrscheinlich,  daß  Augnstin  ganz 
ohne  jeden  Grund  gegen  das  von  ihm  sonst  so  streng  beob- 
achtete Betonungsgesetz  verstoßen  haben  sollte,  zumal  da  die  allen 
rhythmischen  Anforderungen  entsprechende  Form  nosiia  den  allein 
ptuenden  Sinn  gibt:  ^Ihr  wißt  es,  stellt  euch  aber,  als  ob  ihr 
Dicht  wflßtet" ;  ähnliche  Gegenüberstellung  Contra  epist  Parm.  II 
1,  3  (p.  46,  15  P.):  eoguntur  miaeri  in  aehiamate  auo  ferre  quoa 
norunt,  in  arbe  terrarum  aceuaare  quoa  neaciunt.  Der  Vers 
ist  übrigens  bereits  in  der  Handschrift  q>  richtig  und  dadurch 
zugleich  rhythmisch  korrekt  gestaltet: 

et  nunc  et  uoa  totum  noetia,  aed  fingitia  uoa  neacire. 
Nur  scheinbar  gesetzwidrig  gebaut  ist  der  V.  120 
qui  non  tenetia  cathedram,  pro  qua  pugnetia  iniuate. 
Denn  die  hier  nötige  Betonung  cathidram  ist  wohl  die  eigentlich 
Tolkstümliche  gewesen,   die  einerseits  durch  die  griechische  Form 
xodfidpa  beeinflußt  wurde  nnd  anderseits  aucti  (\ui  ü^^i^upütu  kein 
wrifcium  intellectua  auferlegte,   deueu  ßetotiungeu   wie  lmii>ra$ 
im  Versschluß  geläufig  waren. 

Den  V,  184  hat  bereite  W,  Meyer  korrigitrt^ 
quibus  ai  et  nos  nmi  credimuaf  trit  rjap^j 
^  ist  etident,  daß  creäemus  zu  schreib«ci  '^' 
bypothetischen  Satze  durch  das  trü  dfti   ' 
gsttellt  wird. 

Somit  bleibt  nur  ßocb  ein  T«' 
legite  quomodo  üduUnri  j>l 
Nichts  berechtigt  hier  zu  dem  ^' 
liefenmg  vorliegt,  als   di^r 
Verses  aduUeri.  Es  ist  mn   c  ^ 


bin  kh  mir  bewnüt^  mich  iid  Gegensatz  zn  W*  Hi 
m  befinden»  der  S,  288  den  Tonfall  ?ör  dem  troc 
für  Ydllig  frei  erklär t^  da  er  ala  Gegner  der  sogen^ 
benden  Betotinng'*  den  Sat^  nberall  znr  Geltung  br 
„dae  Wesen  alier  rbjtbmiecber  Dichtncig  in  der 
gewÖbnHcberz  Betonung  nad  Anssprache,  welebe  i 
gewendet  wird,  bernbe''  (Ober  lateinische  Ebytboien  i 
gebe  zn  bedenket] f  äaü  nnaer  Psalm  eine  Ansnabnisstl 
den  rbytbmiscben  Gedichten  einnimmt,  indem  er  md 
erete  bekannte  lateiniscbe  rhjtbmisch«  Gedicht  ist«  M 
ansBcbließlich  ale  Geeangstext  verfaßt  wnrde.  Dem  Yai 
ee  weder  aaf  Scbönheit  Docb  anf  Natnrlicbkeit  der  H 
Form  an  nnd,  da  „man  alles  Bingen  kann",  nm  einen  to 
dtierten  Sati^  tu  gebrauchen»  nehme  ich  keinen  An 
trocbäiscbem  Ebjtbmna  der  Zeilen  zu  eprecben,  der  i 
der  Halbzeilen  mit  dem  Wortakzeut  znaammenfälll,  an  i 
Stellen  aber  von  diesem  eich  aucb  emanzipieren  kann. 
Zn  Kegel  3.  Erst  nachdem  wir  nnt  über  daa 
Halbzeilenecblüese  nnd  über  die  darcb  die  Elitinn  in 
bedingten  Eigentümlichkeiten  dee  Gedichtes  klar  gen 
können  wir  der  Frage  über  die  Bilbenzahl  der  snj 
Verse  im  Detail  näher  treten.  W.  Mejers  Besum^  lii 
nach  bleibt  der  Scblud,  daß,  obgleich  tiele  scheinbar  n 
oder  etfeilbige  Zeilen  dorch  Annahme  YOn  Elisionen  ni 
sehr  barter  Vokaherscbmehungeni  nnd  ziemlich  viele  i 
dnrcfa  Annahme  von  Hiatus  oder  Nichtannahme  von  Vokl 
znng  eieb  als  achtsilbige  erklären  lassen,  dennoch  nebei 
Überzahl  der  acbtailbigen  Halbzeüen  manche  nenneilbifi 
siebensilbige  Ton  Äugustin  selbst  zngelaeeen  eind.""  Dil 
nach  dam  heutigen  Stande  d&r  Dincre  nicht  mekr 


7gL  fibfig-ens  tifiteH  S.  533. 

Über  die  Veree  25,  113  und  2l 
Stelleo  gehandelt* 

Somit  können  wir  für  die  20  Strophen    nnd  El 
jetit  ohne  EinBchräDknng  bebanpUD,  daß  die  Silbeni 
nicht  in  der  Scbrirt,   flo   docb   in  der  Äneeprache  dlj 
zn  Bein  echelnt«  Damit  harmoniert  aber  nichti  daf»  da 
der  Refrain  Vera,  17  Silben  aufweist: 

omnes  qul  gaudetis  de  pacff  modo  uerum  tu 
Dieeer  Vers  wideratebt  jeder  Korrektur,  obwohl  Streij 
nahe  genug  läge*  Denn  eowobl  die  Fealmhandechr^ 
die  von  dieser  Überliefernng  nnabh&ngigen  zabtreich#D  j 
der  Eetractatio  bietec  den  Vers  ohne  jegUebe  Vananl^ 
lieb  will  den  Vers  um  jeden  Preis  znm  Setbzebniil 
indem  er  meint  (Gescb.  d.  Ltt.  d.  MiU.  P  251«  Nol^ 
qui  gaudetis  (de)  pace^  modo  uertim  itidimte.  —  de  ml 
ein  späterer  Zn&atZi  zon&cbet  in  der  Stelle  der  Eetri 
diese  Zeile  sich  zitiert  ündet,  erscheinen,  tan  wa  ej 
Handschrift  des  Psalm  selbst  äbergegangen,  Oder  iolj 
SjDkope  des  i  anznoehmen  sein?^  Das  sind  beides  j 
erklärnngen,  die  kdiner  weiteren  Widerlegung  bed 
müssen  wir  nns  mit  der  Tatsache  abfinden ,  dai^  di 
17  Silben  bat.  Non  erwäge  man  folgendes:  Ängnstil 
Gedicht  von  267  teilen  (abgesehen  ?om  EelraioTeri)  q 
in  jedem  Verse  die  Zahl  von  16  Sprach *(Sing-}Sill»i 
non  den  Refrain  vers  den  übrigen  gleich  b&ttt  gti 
hätte  er  dies  leicht  gekonnt,  zamal  da  er  den  dar 
GedaDken  mit  denselben  Worten  nnd  io  derselbao 
einziger  Weglassnng  des  de  bieten  konnte.  Da  er  d| 
at«   eo  ateckt  in  der   ITeilbigea  Form   dea  T4 


pyjolog,  »tii  AQ^nstmua  und  Ambroainfl.  Von  A.  Engelbrecht.    591 

Hüg  ifin,     Petscbeni^a  Emendatton  tarn  ~  das   etiam  ht  per 
^mmphiam  eDtsUnden  —  befnedigt  m  jeder  Beztehang. 
^P()5  tt*  quand^  non  pcHmni  exdudij  solo  separemnr  eorde: 
Dl  Um\  sebrieb  mit  ZastiminODif  Petacbenig»  cum  statt  qtmndo, 

(Änderung   iet  Dtcbl   gerade   wahrscheinlicfa,     tcb   tilge  daher 
ttJ  und  schreibe  V*  204  f.: 
Hd  Mohis  €3£emplum  datüm  est  malm  fratres  tohrare: 
quandö  non  possunt  exelttdif  solo  ssparsmur  corde, 
Bcbreiber^  der  den  eelbgt&ndigeD  Eonjanktiv  separemur  nicht 
Tifiiind,  icUob  das  ut  eis,    VgU  übrigens  unten  S.  593, 
244  et  tamiu  chriBtianum  taiem  audes  rehüptizare: 

KiCbeoig  fügte  tu  nach  uudes  ein,  das  eich  übrigens  schon  bei 
Mn\  tindet.  Man  kann  nicht  lengnen,  daß  tu  ein  Verlegen- 
leiQeehiebBel  ist*    Sehr  ähnlicb  mit  nnseretn  ist  V.  257 

H  tarnen  ekristianos  fratres  audelis  rebapivsare, 
|da8  Snbjektilpronomen  tu  atidetis  ebeDso  Cehlt  wie  V,  244.  Die 
r-Stropbe  ist  sjotaktisch  als  Änakalatb  tu  fassen,  indem 
kcginni  talis  si  quis  ad  te  ueniai  et  si  eibi  dicat^  woraul'  die 
iBedt  dEfch  9  Zeilen  folgt,  nnd  sc b ließt  tt  turnen  Chri$tiQtmm 
audes  rebaptizare»  Ich  kann  Fetaehenig  nicht  beistimmen, 
er  da«  Anakolntb  darin  bestehen  l&ßt,  daß  er  unter  Herao- 
Qg  tweier  ParallelsteHen  ans  ÄngüBtlne  antidonatietiechei] 
Itiften  nach  den  .?i-Sätten  nnd  der  direkten  Rede  den  Nachsatz 
im  nriterd  rockt  sein  läßt  tiiid  deshalb  am  SchlUBse  von  V.  243 
Ht  pQDkt  iet£t.  Dieee  Art  von  Anakoluth  halte  ich  in  einem 
Wichte,  das  in  nbersicbtUcbe  Strophen  gegliedert  ist,  Tir  nn- 
ilittbaft.  Daa  Anakointh  besteht  daher  m.  K.  nnr  darin^  daß 
Afljiiitiö  statt  si  tibi  dieat^  audeas  (edtr  audehis)  tarnen  rebapti- 
^i§rt  unter  Zerstdrang  der  Hjpotaxia  die  beiden  Bfiti&  darcb  et 
wXb  eb  kein  Nebensatz  der  erste  wäre.  Somit  aette  ich 
Uee  der  direkten  Bede  Y*  243  wohl  den  Gedankenstrich 
'Anakolnth^eichen,  ftbef  keinen  Punkt  nnd  schreibe  im  foK 
i*ii  Vers: 

et  tarnen  christianum  lahm  aude(bi)s  rebapiizartj 
ich   das  Recht,    audtbh  zn  emendieren,   ans  der  Form  des 
beo  V&rderfiatzeB  si  dimi  herleite.  Natürlich  nbten  die  Dona* 
die  Wiedertaüfe  damals   nnd   schon  viel  froher.     Decb  darf 
ren  diesem  Standpunkte   dem  FntnrQm  audtbis  nicht  an  den 
rücken,  da  es  nnr  mit  Röcksicht  anf  das  si  dkat  gebraucht  ist 
^H  ein  Vorwnrf,  in  die  Form  gekleidet:  „Wenn  ein  Katholik  dir 
^«triftigsten  Gegengrdnde  Torbräcbte,  wirst  dn  es  selbst  in  diesem 
btaemminen  Fall   wagen,  ihn  wie  d  er  zn  taufen**. 
Bl  fii»i  non  sunt  falsa  quue  auditis^  pottsti»  H  cmmderare: 
w  rit,  wenn  nicht  gescbrishen,  so  doch  gesprochen  worden  etm^ 
Jjfrffrf    infolge    Tortonigftf  Sjrnkope    des  e   im  Inlante^    woia   wir 
ein  Stiteöitäck  in  aduUri  V-  212  gefunden  haben;  außer- 
Ttrgletche  man  ans  Inecbrirteu  der  späteren  Zeit  die  bekannte 


594    Philolog.  aoB  Aagostinas  und  AmbroBiaB.  Von  X  Engdbreekt. 

quomodo  honum  ob  actum  simikUur  angelis 
perfectatnque  propter  uitam  aequatur  apontdis. 

Beaia  Christi  custodit  mandatn  in  omnibus^ 
cuiua  opera  refulgent  elara  inter  homines 
sanctumque  euius  aequuntur  exemplum  mirißcum, 
unde  et  in  caelia  patretn  magnificant  dominum. 

Wir  haben  es  hier  mit  rhythmischen  katalektischen  trochiiicben 
Tetrametem  (Septenaren)  zn  ton,  in  denen  sich  sehr  viele  Hiatan 
finden,  ohne  daß  Elision  einträte,  dagegen  keine  YokalTerscbmelinog 
(Synizese)  vorkommt.  Wie  W.  Meyer  in  seiner  bahnbrechenden 
Abhandlang  über  lateinische  Rhythmen  gezeigt  hat,  l&ßt  sich  Elision 
in  den  Rhythmen  der  älteren  Zeit,  vom  Psalm  abgesehen,  nicht 
beweisen,  doch  findet  sich  Yokalverscbmelzang  noch  in  der  Earo- 
lingerzeit  h&nfig.  Secondinns  h&lt  sieb  demnach  von  der  Elision 
schon,  von  der  Vokal?erschmelznng  noch  ferne.  Anders  steht  es 
bei  Angnstin.  Trotzdem  er  ein  volkstflmlicbes  Poem  schaffen  wollte 
nnd  Elision  zn  seiner  Zeit  sieber  nnr  mehr  in  gelehrten  Gedichtes 
Anwendung  fand,  mochte  er  von  ihr  sich  nicht  lossagen ;  dagegen 
machte  er  der  Ansspracbe  des  gemeinen  Mannes  bereits  die  Eon- 
zession der  Vokalverscbmelznng.  So  kam  ein  Gedicht  zustande, 
das  vielfach  volkstfimlichen  Einschlag  hat,  aber  doch  nicht  den 
gelehrten  Verfasser  verlengnen  kann. 

II.  Lexikalisches  ans  Ambrosins. 

Bei  Georges^  liest  man  den  Artikel:  ^grumula,  ae  f. 
(z=.  ^glumula,  Demin.  v.  gluma)  die  Hälse,  Schale,  agrestis  uüis 
grumulae,  Ambros.  de  Elia  6,  18''.  Es  lohnt  sich,  diese  Angaben 
anf  ihre  Stichhaltigkeit  zn  prüfen. 

Die  angezogene  Ambrosiasstelle  lantet  im  Zasammenbange 
nach  Schenkis  Teztkonstitnierang  folgendermaßen  (Corp.  Script 
eccl.  lat.  XXXn,  pars  II  421,  18  ff.):  Hdisaeus  uaiea,  qui  de 
magistro  didicerat  paraimoniam,  cum  filios  aleret  prophetarum^ 
uitis  agrestis  grumulis  menaas  onerabat  H  ineptis  siluestribus 
hospitalis  humanitatis  implebat  officium,  quorum  offensi  amariiU' 
dine  cum  manducare  non  posaent,  leuia  farinac  aspersione  omnem 
illam  amaritudinem  temperauit  propheticae  munere  oMiiMfOiaf 
ueneni  uires  tuacuans*  Die  hier  erz&hlte  Geschichte  stammt  aas 
der  Bibel,  wo  es  heißt  (IV  Reg.  4,  88—41):  38  xal'Ekiacui 
iniftzQB^JBv  dg  rdkyaka'  xal  6  hiibg  iv  ty  yri^  xol  vlol 
t&v  nQoq>7ix&v  ixddi^ivto  iv6nvov  aixod'  xcd  slxsv  ^EXiöeui 
%^  Ttaidagioi  aixoi>'  inlöxr^cov  xbv  kißrjfca  xbv  (tiytcv  xai 
eifs  etifsiia  xotg  vloig  xäv  TCQoqyrix&v.  39  xal  ii^ld^ev  elg  xi^v 
iygbv  övkkil^ai  dgitb^'  xal  aigav  äfutsXov  iv  xm  iyffm  xal 
Gvvikaisv  ia^  aitf^g  xokvKViv  iyglav  xkijgeg  xb  Iftdziov  avxoi) 
xal  ivißaksv  Big  xbv  kißriza  toi)  l^iyiaxog^  Sxi  oix  iyvm6ixv* 


Philolog.  aoi  Aagastinas  ond  Ambrosia«.  Von  Ä.  Engelbreeht.    595 

40  xal  ivi%Bv  toig  dvdgdat  g>ayBlv*  xal  iyivsxo  iv  tp  icd^Uvv 
aixohg  ix  toO  itlfifiatog,  xal  idoO  ävsß&riöav  xal  dxav  ^d- 
vaxog  iv  tp  ksßriUj  äv^Qaxs  zoi>  ^€oi>^  xal  ovx  ridiivavro 
ipayeiv.  41  xal  alxs*  Idßsrs  &Xbvqov  xal  iiißdkers  elg  xbv 
iißriza.  xal  sliesv  ^Ekiffai^i  ngbg  ru^l  tb  xaiddQwv*  iyxst  roa 
kaiß  xal  iö^iitaöav.  xal  ovx  iysvi^d'rj  ixsi  in  ^ijfia  novriQbv 
iv  xm  kißrixi.  Dem  Verst&ndDisse  bereitet  hier  nur  V.  89  Schwierig- 
keiten; er  ist  in  der  lateinischen  Vnlgata  so  übersetzt:  ei  egressus 
tH  unus  in  agrum  ut  eoUigeret  herbas  agresiea,  inuenitque  quasi 
uitem  siluestrem  et  coUegit  ex  ea  eolocynthidca  agri  et  impleuit 
Pallium  9uum  et  reueraus  concidit  in  ollam  pulmenti;  neaeiebat 
enim  quid  esset.  Es  ist  also  hier  äfiscskog  durch  uitis  siluestris 
wiedergegeben,  sowie  die  Fracht  dieses  Gew&chses  xokvscri  dnrch 
colocynthis;  während  aber  im  Griechischen  es  lakonisch  heißt 
^wils^ev  xokvnriv  dyglav  xal  ivißaXsv  slg  xbv  lißrixa^  so 
daß  ans  der  Znbereitangsweise  anf  die  Art  der  Fracht  kein  Schloß 
gezogen  werden  kann,  hat  der  lateinische  Übersetzer  dnrch  das 
concidit  in  oUam  für  größere  Deatlicbkeit  gesorgt  Aber  aoch  der 
griechische  Text  l&ßt  kein  Mißverständnis  zn;  denn  daß  man  es 
mit  einem  Bankengew&chs  zn  tnn  hat,  beweist  äfutskogj  daß  seine 
Fracht  bitter  war,  lehrt  der  Znsammenhang,  and  daß  die  Früchte 
and  nicht  etwa  die  Blüte  oder  sonst  etwas  davon  gesammelt  wnrde, 
gebt  aus  der  Etymologie  des  Wortes  xoXvnri  hervor,  das  eigent- 
lich „En&nel*'  bedentet,  hier  also  etwas  Knänelfthnliches  an  dem 
Gewächse,  was  demnach,  da  an  anter  der  Erde  befindliche  Pflanzen- 
teile (Knollen,  Zwiebel)  nicht  zu  denken  ist,  nnr  dessen  Fracht 
sein  kann.  Nun  berichtet  aber  das  Lexikon  des  Photins  p.  594,  6, 
daß  xokvnvi  eine  wilde  Kürbisart  {dygioxoXoxvvxvi)  bedeute,  and 
so  trifft  die  lateinische  determinierende  Übersetzung  colocynthis 
wohl  zweifellos  das  Richtige :  die  Früchte  der  im  Orient  heimischen 
Eoloquintengurke  {dtruUus  colocynthis  Schrad.)  sind  faastgroß, 
kugelrund  und  besitzen  ein  äußerst  bitteres  Fleisch.  Da  sie  nicht 
groß  sind,  konnten  sie  recht  gut,  ohne  erst  zerschnitten  zu  werden, 
in  den  Kochtopf  getan  werden,  so  daß  also  die  lateinische  Version 
vielleicht  mit  ihrem  concidit  des  Guten  zuviel  tut;  die  kugelrunde 
Form  der  Frucht  rechtfertigt  die  Bereich nung  xolvTtr^  aafe  beste, 
und  daß  ihr  Genuß  die  Leute  tot  krank  machte,  begreift  man,  wenn 
man  weiß,  daß  nur  etwas  größere  Dosen  der  nameniliob 
offizinell  gebrauchten  KobqniDte  Brechdurchfall,  hefUgea 
grimmen  und  sogar  YergiftuDgaerEcbeinuagen  wie  Schwill^ 
macht  u.  ä.  hervorrufen  könn^o. 

Wir  kommen  nunmehr  auf  die  Ämbrosiuis»UU* 
ist  klar,    daß   in   ihr  durch   uitis  agmsiin  ^tumtäi^ 
dygia  {xokvxri  dfutilov  üygiag)  der 
Somit  ist  die  von  Georges  gebotene  Di 
unrichtig  erwiesen.    Das  lateiDische  Wi 
Doch  über  die   Etymologte   Bpäter,   A^ 


A 


596    Philolog.  ans  Angnitiiiiii  ond  Ambroiioi.  Von  ^1.  Jängdbredd, 

ooch  ^]D«r  AnfklftiHDg  bedarf.  Was  beißt  ineptis  tünestrUm 
hospitalis  hutnanitatis  implebat  officium?  Wodvreb  leistete  EliUiu 
der  graetlicben  MeoschenfrenndUcbkeit  Qenfige?  Die  drei  Htad- 
scbriften  des  X.  Jahrhunderts  bieten  ineptis  ailmatribu»  ß)oUrüm 
nnd  Sobenkl  bemerkt  hieznt  „recU  puio**;  da  aber  hoUribm  in 
dem  führenden  Parisinns  1782  des  VIII.  Jahrhunderts  sowie  in 
den  übrigen  Handschriften  nicht  steht,  erweist  es  sich  als  bittige 
Interpolation,  die  ancb  durch  die  V^ortstellnng  —  man  erwirtot 
ineptis  holeribus  ailuestrtbus  —  sich  Tsrd&cbtig  macht.  Allerdings 
ist  die  beste  Übcrllefemng  anch  nicht  fehlerfrei»  aber  man  schreibe 
nnr  ineptiis,  so  ist  alles  in  Ordnung.  Die  eingesammelten  Früchte 
werden  als  ineptiae,  als  res  ineptae,  ad  nullum  H9um  ap^  be- 
zeichnet, ein  Ausdruck,  der  sehr  passend  ist,  da  es  dem  Ambroeias 
darauf  ankam,  die  paraimania  des  Elis&us  zu  illustrieren,  der 
sonst  von  den  Menschen  nicht  gegessene »  also  wertlose  Früchte 
zur  Bereitung  einer  Speise  verwendete.  Das  Wort  ineptiae  in  der 
Bedeutung  ren  ad  nullum  U9um  apiae  ist  bisher,  wie  ich  glaube, 
nicht  nachgewiesen,  wie  ja  auch  die  entsprechende  Bedeutung  dw 
Adjektivs  ineptus  „unpassend,  untauglich**  bei  Georges  nur  dnreh 
die  bekannte  Horazstelle  (epist.  11  1,  270)  quidquid  ehartis  amieUur 
ineptis  belegt  ist. 

Es  scheint  nicht  überflüssig  zu  bemerken,  daß  Ambroaiu 
ganz  sicher  das  griechische  V^ort  toXvni^  durch  sein  gruwdit 
wiedergeben  wollte,  da  er  für  seine  Schrift  de  Elia  eine  grie* 
Chi  sehe  Quelle  benützte,  die  1.  Homilie  des  h.  Basilius  de  t^iimo 
(XXXI  172  CD  Migne),  die  er  ihrer  Disposition  nach  geradez« 
fast  paraphrasierte:  ^EXi66atm  dh  notastbg  6  ßCog;  n&g  filv  %a^k 
t^  Uovva^Cudi  tfjg  isvCag  ixilavöi]  ncbg  di  avtbg  xovg 
itgotpi^tag  idsiioi>ro;  oixl  Idcxava  äygia  xal  dksi^^v  ßgaji} 
tijv  (pilo^svlav  inXi^QOv;  Sts  Tcal  tffg  tokvTtrig  trvpseafaXfiip' 
dslörig  xivdwsvBiv  i(isU,ov  ol  &ifdiiBVOi,  tl  fiii  rg  cO%g  Tot> 
vrj0tsvtoi>  T^iiavQibtri  rb  dijAi^ri^ptov.  Auch  hier  fand  also 
Ambrosius  das  Wort  tol'öxti  vor,  das  er,  wenn  er  es  nach  seioir 
Grundbedeutung  wiedergeben  wollte,  durch  glomus,  -eris  bitte 
übersetzen  müssen,  und  mit  diesem  Stamm  muß  wohl  auch  das 
von  ihm  selbst  vielleicht  neugebildete  Substantiv  zusammenbingeDt 
das  sich  als  Deminutivum  auf  'Ul(u8,  -a,  -um)  erweist.  Da  die 
von  Georges  gebotene  Ableitung  grumula  =  glumula  von  glum» 
aus  Bedeutungsrücksichten  unmöglich  ist,  setze  ich  die  Gleichung 
grumulum  =  glumulum  von  glomus  an.  Eine  Form  glumulum  bat 
Paucker  im  Suppl.  lex.  lat.  (Berlin  1885)  aus  Aldhelmus  Isud. 
uirg.  19  nachgewiesen:  granigera  spiearum  glumuia  germinanUs, 
doch  hat  man  es  hier  kl&rlich  mit  dem  Deminutiv  von  gluma  zn 
tun.  Wahrend  hier  die  neutrale  Deminutivform  neben  dem  femiBinen 
Grundwort  sogar  auffällt,  ist  diese  fast  geboten,  wenn  wir  as 
unserer  Stelle  das  Stammwort  ghmus  annehmen ;  allerdings  ist  ea 
nicht  ganz  unmöglich,  daß  das   der  Bedeutung  nach  mit  ghmu» 


Philologe,  aaa  AagustiniiB  and  Ambrosim.  Von  A,  Engelbreeht.    597 

Terwandte  globus  die  Bildung  der  Masknlinform  grumulus  begün- 
stigte. Jedenfalls  aber  ist  es  ansgescblossen,  daß  Ambrosins  das 
feminine  grumula  gebranchte,  weil  er  den  folgenden  Satz  mit  dem 
fielatir  guorum,  das  sich  anf  grumulis  bezieht,  einleitet.  Was  die 
Eonsonantengmppe  gr  statt  gl  anbelangt,  so  genügt  es  auf  die 
Form  fraglo  neben  fragro  zu  verweisen  nnd  daran  zu  erinnern, 
daß  in  Probi  App.  198,  9  E.  das  warnende  ßagellum,  non  fragel- 
lum  beweist,  daß  ancb  hier  das  anf  einen  Stnmmlaat  folgende  l 
im  Volksmnnde  oft  genng  durch  r  ersetzt  wnrde  (vgl.  ital.  fragello). 
Noch  weniger  bedarf  das  u  statt  o  einer  Beehtfertignng  nnd  so 
mag  nnr  noch  das  altfranzOsiche  gremissel  (=peloi(m,  „En&nel*') 
als  Eidesbelfer  angeführt  werden,  dae  anf  mittellateinisches  gru- 
miseeüus  (-um)  zurückgebt  nnd  in  dieser  Mittelstufe  sich  zu  dem 
zugrundeliegenden  glomieeUtu  ebenso  verh&lt  wie  grumulum  zu 
j^ulum  (?gl.  auch  Ducange  s.  y.  grumieeglus). 

Somit  glaube  ich  erwiesen  zu  haben,  daß  in  dem  eingangs 
zitierten  Artikel  aus  Georges  Form,  Ableitung  und  Bedeutung  des 
Lemma  unrichtig  angegeben  sind  nnd  es  vielmehr  zu  heißen  habe: 
^grumulum,  -s  n.  (=  *glumulum,  Demin.  von  glamus)  eig.  das 
EoAulchent  von  der  kugelrunden,  faustgroßen  Frucht  der  Eoloquinte 
gebraucht  (vgl.  rokiixtf  IV  Beg.  4,  89),  agrestis  uiiia  grumula 
(Piur.),  Ambros.  de  Elia  6,  IS**.  Außerdem  hat  daa  lateinische 
Lexikon  ineptiae  in  der  bisher  nicht  nachgewiesenen  Bedeutung 
res  nan  apiai,  res  nullius  usus,  res  inutiles  zu  registrieren. 

Wien.  August  Engelbreeht. 


Zweite  Abteilung. 

Literarische  Anzeigen. 


Euripides'  Helena.  Mit  erkUrenden  AnmerkQDgen  von  N.  Weckleis. 
Berlin  and  Leipsig,  B.  G.  Teabner  1907.  Preis  1-60  Mk. 

Bef.  machte  bei  der  Dnrcharbeitnng  dieser  Anegabe  dieselben 
WahmebmuDgen  wie  bei  früheren  desselben  Verf.s:  einerseits  dfirfte 
der  Kommentar  selbst  den  Studierenden  der  klassischen  Philologie 
oft  im  Stiche  lassen,  anf  der  anderen  Seite  bietet  er  ihm  viel  Ent- 
behrliches, besonders  flberflflssige  Konjektoren  (zu  den  Versen  88, 
145,  221,  457,  716,  725,  879,  1579  f.,  1649,  1664),  aber  ancb 
viel  ganz  Unverständiliches :  oder  wird  er  metrische  Bemerkungen 
(z.  B.  zu  471  nnd  1552)  nnd  Konjekturen,  die  *nm  des  Vere- 
maßes  willen'  gemacht  worden  (367,  650,  654,  1115  f.,  1349, 
1528),  Tersteben,  da  doch  im  ganzen  Bache  kein  Wort  über  die 
Metrik  zn  finden  ist,  ja  sogar  die  üblichen  metrischen  Diagramme 
fehlen  ? 

Znm  Texte  möchte  ich  folgendes  bemerken:  45.  Die  Worte 
*oi  yicQ  iinikriei  fiov  Zsvg  würden  besser  in  (  )  stehen.  — 
56.  Statt  dcoi)  war  Mancinis  Konjektur  ^säinf  unbedenklich  in 
den  Text  zu  setzen.  —  72.  Nicht  g>ovCovi  —  277.  äyxvQuä*, 
fj.  —  897.  Hier  war  der  Text  wenigstens  lesbar  zu  gestalten, 
ebenso  1584  ff.  und  1671.  —  586.  Doch  wohl  fiij  ebenso  806 
kmafv  ei  und  807  ^  0^,  endlich  1616  6ol  (au  der  Spitze  eines 
InfinitiTsatzes). 

Zum  Kommentar  habe  ich  mir  allerlei  angemerkt,  was  mir 
sowohl  für  ein  leichteres  und  schnelleres,  als  auch  ein  volles  und 
richtiges  Verst&ndnis  nicht  ohne  Belang  zu  sein  scheint.  Alles 
hier  abzudrucken  wäre  raumspielig. 

Wien.  Hugo  Jurenka. 


Geffcken-Sehtdis,  Sophokles'  Antigone,  ang.  ▼.  E.  Sieas.         599 


Sophokles^  Antigone.  Übersetst  yod  Joh.  Geffeken  Qod  Jal.  Schnitz. 
In:  Deutsche  Schalaasgaben ,  heraasgegeben  von  Direktor  Dr.  H. 
Gaadig  and  Dr.  6.  Fr  ick.  Verlag  von  B.  G.  Teabner  in  Leipzig 
and  Berlin  1907.   Preis  geb.  Mk.  —  *60. 

Die  Verfasser,  Ton  welchen  nach  Angabe  der  Vorrede  Geffeken 
die  Dialogstücke,  Schnitz  die  Chöre  übersetzt  hat,  yerweisen  statt 
einer  ansführlichen  Darlegung  der  ron  ihnen  bei  der  Arbeit  be- 
folgten Grnnds&tze  aaf  das  Ergebnis  dieser  Arbeit  selbst.  Die 
Dbersetznng  läßt  erkennen,  daß  die  Verfasser  bemüht  waren,  dem 
griechischen  Original  nach  Inhalt  nnd  Form  möglichst  gerecht  zu 
werden;  das  letztere  mit  Recht  nicht  dnrcb  Übernahme  der  grie- 
chischen Form,  sondern  indem  sie  dieselbe  dorcb  eine  dem  Wesen 
der  Tragödie  angemessene,  der  deutschen  Sprache  aber  vertrautere 
ersetzten,  wodurch  größere  inhaltliche  Treue  unter  Vermeidung 
sprachlicher  Härten  ermöglicht  wurde.  Der  iambische  Trimeter  ist 
durch  unseren  Fünf  fuß  1er  ersetzt,  wobei  aber  die  Anzahl  der  Verse 
im  Original  möglichst  beibehalten  wurde,  so  daß  keine  Weit- 
schweifigkeit entsteht;  Sticbomytbien  werden  als  solche  wieder- 
gegeben nnd  auch  die  Wortspiele  des  griechischen  Textes  nach 
Möglichkeit  nachgebildet.  Auf  mehrfache  Berührungen  mit  Wil- 
brandts  Übersetzung,  wie  sie  ja  bei  der  Wahl  des  gleichen  Vers- 
maßes im  Deutschen  manchmal  unvermeidlich  waren,  macht  Geffeken 
selbst  aufmerksam;  im  ganzen  ist  Geffckens  Übersetzung  wort- 
getreuer als  die  Wilbrandtsche  und  ahmt  die  gedrungene  Kürze 
des  Originals  besser  nach;  dafür  ist  Geffckens  Sprache  allerdings 
viel  härter  und  unpoetiscber.  Der  Gedankeninhalt  der  Chorlieder 
iit  zwar  sehr  frei,  aber  zumeist  glücklich  wiedergegeben.  Schwierig- 
keiten, welche  der  Inhalt  dem  Verständnis  bietet,  wie  z.  B.  An- 
spielungen auf  andere  Sagen,  werden  durch  kurze  Anmerkungen 
nnd  soweit  sie  in  den  antiken  BühneuTerhältnissen  ihren  Grund 
haben,  dnrch  Verweise  auf  Geffckens  Büchlein  über  das  griechische 
Drama  (Aus  deutschen  Lesebüchern,  VL  Bd.  Leipzig,  bei  Th.  Hof- 
mann 1905)  erledigt.  Ein  guter,  sehr  konservativer  Text  liegt  der 
Obersetzung  zugrunde;  so  sind  die  Absichten  der  Verf.  sichtlich 
in  allem  die  besten  gewesen. 

Freilich  sind  diese  löblichen  Absichten  nicht  überall  ver- 
wirklicht worden.  Zunächst  in  den  Dialogpartien-  Mit  Eeebt  bat 
Geffeken,  wie  bereits  bemerkt,  eine  möglichst  wort^eu<«ae  Über- 
setzung gesucht,  und  eine  solche  ohne  Vergewaltigniig  der  eigenen 
Sprache  zu  erreichen  ist  für  den  Übersetzer  gewiß  eioe  äußerst 
schwierige  Aufgabe,  wenn  er  nicht  auch  die  eigene  Sprache  mit 
der  Meisterschaft  des  Dichters  zu  gestalten  vermag.  So  Ut  e» 
nicht  zu  verwundern,  daß  auch  die  vorliegende  Ober*^ 
Härten  enthält,  darunter  allerdings  auch  einige,  di 
hätten  vermeiden  lassen,  z.  B.   v.  94   „es  widmet  1 

I 


\ 


600         Qeffeken-SchüUg,  Sophokles'  Antigone,  «ng.  t.  B.  8i€98* 

dir  mit  Beobf*,  y.  1092  f.  (1098)^)  „des  Hauptes  schwane  Decke**, 
▼.  1095  (1101)  „mein  Hanpt  ist  wüst''  n.  a.  m.  Unnötige  Wieder- 
bolnngen,  z.  B.  894  (389)  „vaid  nun,  nnii  bin  ich  doch  da",  435 
(435)   „und  sie»  sie  leugnet  nichts''  und  Satzbrechungen,  z.  B. 
162  (155)  „starker  Götterarm,  er  schuf  uns  Bettung**  usw.,  1010  f. 
(1009  f.)  ,,Yon  des  Fettes  Hülle  bloß,  so  lagen  jetzt  die  Schenkel- 
knochen  da**  müssen  gelegentlich   dem  Vers  auf  die  Beine  helfen. 
Fast  komisch  wirkt  308  f.  (309  f.)   „lebend  werdet  ihr  gehenkt, 
bis  ihr  gestanden,  wer  der  Frevler  sei";  das  ^dh^sg  KQSiiaötol 
des  Textes  deutet  für  die  Alten  toII  kommen  verstAndlich  den  be- 
kannten Vorgang  bei  der  Züchtigung  der  Sklaven  an;  „gefoltert" 
hätte  bei  dem  modernen  Leser  etwa  eine  gleichwertige  Vorstellung 
erweckt.  Auch  der  Sinn  ist  nicht  immer  ganz  getroffen;  so  h«ßt 
V.  19  i^insginov  nicht  „ich  sandte  dich  hinaus",  sondern  .holte 
dich  heraus"  (s.  Bruhn,  Antigone,  Berlin,  Weidmann  1904,  z.  d. 
St.);   ▼.213  (209)  wird  Kreon  noch  aufgefordert   „uns  allen  gib 
Gesetze",  w&hrend  im  Original  der  Chor  sich  dem  bereits  erlassenen 
Gebot  nur  widerstrebend  beugt;  ▼.  436  (436)  wird  i^ioiyB  ganz 
unnötig  mit  „uns"  übersetzt;  ▼.  635  ff.  (681  ff.)  wird  nicht  klar, 
worauf  es  gerade  ankommt,  daß  nämlich  Haimon  seinen  Gehorsam 
ausdräcklich  von  der  „guten"  Leitung  des  Vaters  abhängig  macht 
u.  dgl.  m. 

ungleich  gewandter  sind  die  lyrischen  Partien  übwsetzt;  der 
Bhythmus  der  Strophen  klingt  mehrfach  an  den  des  Originals  an, 
ist  aber  stets  einfach  und  sangbar,  und  daß  die  Entsprechung 
zwischen  Strophe  und  Gegenstrophe  nicht  immer  ängstlich  gewahn 
ist,  nimmt  man  für  ungezwungene,  wohllautende  Sprache  gern  in 
den  Kauf.  Besonders  gelungen  sind  die  Parodos  und  die  Stasima, 
in  deren  langen  Strophen  auch  die  oft  kunstvoll  verschlungenen 
Beime  nicht  störend  wirken.  In  den  Eommoi  dagegen  macht  sieb 
eine  gewisse  banale  Sentimentalität  unangenehm  fühlbar,  welcher 
Eindruck  durch  den  Beim  noch  verstärkt  wird.  Antigonea  Eomaos 
wirkt  wie  eine  larmoyante  Arie  alten  Stils,  in  welcher  manche« 
beinahe  komisch  klingt,  z.  B.  871  (866  f.)  „so  hast  du  Toter  mir 
den  Leib  (I)  genommen" ;  und  in  der  Ezodos  glaubt  man  den  Text 
zum  Finale  einer  italienischen  Oper  zu  lesen.  An  diesen  Stellen 
wäre  eine  reimlose  Übersetzung  dem  wuchtigen  Ernst  des  Originals 
weit  besser  gerecht  geworden. 

Es  läßt  sich  also  nicht  leugnen,  daß  die  vorliegende  Über- 
setzung trotz  des  ehrlichen,  von  den  besten  Absichten  geleiteten 
Strebens  ihrer  Verfasser   und   trotz   des    vielen  Guten,    das   sie 


M  Die  BandzähloDg  bei  Geffcken  ^bt  die  Verszahl  der  Übersetzang, 
nicht  die  dea  Originals,  und  ist  aUo  mm  Zitieren  nicht  brauchbar;  ich  gebe 
oben  die  Vernahlen  des  Originals,  in  Klammern  beigeffigt  die  der  Übtf- 

•etSQDg. 


/.  Kral,  fteökä  «  ffmskä  rbjtmika  a  metrika,  ang.  t.  J.  Pavlu.     601 

unstreitig  eothftlit  als  Ganzes  nicht  imstande  ist,  ron  der  herben, 
hoheitsToileo  Schönheit  ihres-  griechischen  Vorbilds  eine  befriedi- 
gende Yorstellong  zn  geben. 

Wien.  Dr.  Henr.  Siess. 


Dr.  Josef  Eräl.  6eckä  a  Hmskä  rbytmika  a  metrika. 
IL  BöcU  a  fimskä  metrika.  V  Praia  1906  (Griechisehe  and  rOmisehe 
Bbjthmik  und  Metrik.  II.  Teil:  Griechisehe  und  rOmische  Metrik. 
1.  Band.  Prag  1906).   Preis  15  K. 

Der  durch  seine  Arbeiten  über  Rhythmik  und  Metrik  best- 
bekannte  Verfasser  hat  in  dem  im  Jahre  1890  erschienenen  ersten 
Teil  dieses  Werkes  die  allgemeinen  Grundlagen  der  Rhythmik  be- 
handelt, der  zweite  Teil  soll  die  einzehien  metrischen  Gebilde  be- 
schreiben and  erkl&ren.  Die  rorliegende  erste  H&lfte  dieses  Teiles 
enthalt  die  Behandlung  der  anfachen  Metra,  also  I.  der  dakty- 
lischen, IL  der  anapastiscben,  III.  der  trochaischen,  IV.  der  iam- 
biscbsü,  V.  der  ionischen  und  choriambischen  und  VI.  der  paio- 
Dischen  Reihen.  Fast  das  halbe  Buch  beschäftigt  sich  mit  der 
Erklärung  und  Besprechung  der  daktylischen  Reihen,  wobei  wie* 
demm  naturgem&ß  der  Hexameter  am  breitesten  bebandelt  er- 
scheint Zuerst  wird  Bedeutung  und  Begriff  der  Casur  besprochen. 
Nachdem  wir  die  Ansichten  der  alten  and  neuen  Zeit  darftber  ?er- 
nenmen,  faßt  Eräl  seine  Ansicht  etwa  folgendermaßen  zusammen : 
Die  casur  ist  eine  stets  trennende,  nie  verbindende  Pause  im 
Bedeflusse,  der  zwischen  den  einzelnen  Wörtern  kein  Absetzen 
kennt,  zum  Zweck  des  Atmens,  einzig  und  allein  durch  den  Sinn 
bedingt;  darum  ist  sie  in  zusammengesetzten  und  zwischen  zu- 
sammengehörigen Wörtern  zu  meiden;  der  Dichter  kann  sie  auch 
setzen,  wo  in  der  gesprochenen  Rede  eine  Pause  zwar  nicht  not- 
wendig, aber  doch  möglich  ist  Ein  richtiger  Hexameter  bedingt 
eine  Casur,  nicht  mehr,  aber  auch  nicht  weniger  und  diese  muß 
in  der  Mitte,  im  dritten  oder  vierten  Takt  stehen.  Als  richtige 
Pausea  sind  anzusehen:  1.  die  nsv^rnuiu^g^  2.  die  TOfii)  xazic 
XQitov  tQO%atoPj  8.  die  iq^^i^u^g  und  4.  die  nach  Kr&ls 
Ansieht  am  wenigsten  häufige  rofi^  ßovxoXiTcr^j  die  aber  immer 
dann  sicher  anzunehmen  ist,  wenn  der  Dichter  durch  anaphorische 
Stellung  eines  Wortes  die  Pause  verlangt.  Unrichtig  sind  die,  wie 
es  scheint,  erst  dsm  sp&teren  Altertum  bekannten  Pansen  xetxk 
tituQiTOv  XQoxoliyif  und  die  rpidi^fi^fißpi^^.  Ein  HexatnoUr  ohne 
casur  ist  falsch.  Die  Diärese  ist  flberall  dort  am  Platze,  wo  ^ 
Dichter  mit  dem  Ende  eines  Taktes  eine  Pause  ansetzt;  nicbt  et 
auch  dort,  wo  mit  dem  Taktende  auch  das  Wort  eniigt:  m 
das  Auge,  sondern  das  Gehör  ist  ausschlaggebend«  Deshalb  K 
Hexameter,  in  denen  mit  jedem  Takt  ein  Wort  endigt,  an  | 
weder  falsch  noch  unschön;    denn  der  Strom  der 


602    J.  Kral,  fteökä  «  fimaki  rhytinika  «  metrika,  auf.  ▼.  /.  FnU, 

anterbrocbeo  weiUr,  z.  B.  Hom.  IL  I?  455:  xöw  di  tc  xifJU^s 
doihcov  iv  aögeöiv  IxXvb  noifLtjv.  Im  folgvodca  wtHfm  alk 
Regeln,  die  bezfiglicb  des  Wortrhjthmiis  Yor  und  na^  der  Cinr 
oder  in  einzelnen  Takten  dee  Verses,  der  Schlußworte  «.  i.  asf- 
gestellt  worden  sind,  teils  für  unrichtig,  teU«  for  ftb«rflt»if  er- 
klirt,  solange  man  nieht  das  Warum  keaot.  EbeD«o  iin^««LL  üsA 
nnznverl&ssig  seien  die  Beobacbtangei],  welche  betrtflj  des  Ttr- 
h&ltnieses  vom  Vers-  zürn  Wortaktent  gemacht  worden  «in«. 
W&hrend  der  mnsikallseh -melodisch  eA(czei]t  des  kriech  itchtn  Hiu- 
meters  in  den  Zeiten  vor  Cbrieto  mit  dem  Worttoo  nieht  imtammea^i^ 
fallen  mnGte,  läßt  sich  vom  lateinUchen  Hexameter.  d«r  ftr  lie 
Sprache  eigentlich  nicht  paQt,  nar  sagen»  dal>  die  Diieomjii  beider 
Akzente  immer  möglich  war,  daß  aber  die  Dicbttr  am  Ende  das 
Verses  wo  möglich  EoDsonacz  btr^astelleo  iracbtet&s.  Nach  eimr 
kritischen  Belenchtong  der  MeinnDgen  ober  die  ftrteHifg  de« 
Hexameters  formuliert  Eräl  seine  ADsichi  etwa 
Es  ist  nicht  Ton  einem  indo  enropäiBCheo  Veree  anszuirehe 
vom  fertigen  Hexameter,  über  deasen  cbarakteristificbe  Eigenn^aftei 
1.  die  C&soren,  2.  die  yerscbiedene  GeEtaltuDg  der  Takte  AoftchlaG 
geben  müssen.  Die  urepröiiglicben  Cäsnreo  6ind  im  3.  Takt,  die 
rofi^  itpdiJlUfUQiig  und  ßovxokixtj  eind  sejnes  Eraebteos  epiter 
hinzugekommen.  So  folj^ert  denn  Kral  in  ADlehDimg  an  Bergk, 
daß  hier  zwei  ziemlich  lange  Verse  iceiDander  gefiossen  sind  oad 
zwar  eine  tripodische  k ata]  ekti  sehe  (C^siir  nach  der  3.  Hebnsf) 
oder  eine  akatalektiscbe  (xatä  rgiiov  r^oxaioi')  fallende  tiiid  etne 
tetrapodische  katalektieche  steigende  Eeibe  ( Parat miakos)>  Der  nr* 
sprfingliche,  noch  gesQDgene  Hexameter  hatte  eine  freie  Gestallt 
wie  die  alten,  einfachen  Yerae  eJDzelDer  iDdo -etiropSi scher  Vdlkw 
auch  nur  Hebungen,  aber  freie  SenkEiDgen  haben,  die  eag ar  niitrr* 
drückt  werden  können.  Der  homerische  Hexameter,  welcher  zam 
Vortrag  bestimmt  war,  hat  acbon  «eine  feste  Geetalt«  Diesen  Am* 
führungen  wird  ein  Exkurs  Ober  die  Verwendang  und  Entwi^l^g 
des  Hexameters  im  Lauf  der  Zeiten,  eowie  eine  Übersicht  über  die 
große  diesbezügliche  Liloratnr,  8jBtematiscb  geordnet,  aügetchloteeii. 
Dieselben  Prinzipien  wie  für  dea  Heiameler  stellt  Kr&l  imuMii 
tnuiandia  auch  für  den  PeDtameter,  der  verdoppelten  Penlhemi* 
meres,  auf.  Sein  ^^0$  ist  7.Qm  UnEerschied  TOm  erüaiei},  gelrt- 
genen  Hexameter  ziemlich  unruhig  nnd  so  hält  KrUl  deott 
Schillers  bekanntes  Ept^'ramm  fär  nicht  richtig.  Darauf 
die  daktylischen  Systeme  and  StrophfQ  slegiscber  and 
Gedichte  zur  Sprache,  die  daktjliacben  Chorlied^r  bei  dio  Lyrikeii 
und  den  Dramatikern  und  scfalie^lieb  die  daktyltieh«n 
in  der  Tragödie. 

Der   II.   Teil    umfafSt    die   BeaprechTOg     "* 
Reihen,   die  nicht  etwa*  wie  Christ  — s*.'**^ 
Metrum  entstanden   sind,    bod^*'^ 
st&ndig  sich  entwickelt  haben 


>/.  Krtd^  iit&ki  m  f(inik^  rb3ftmika  &  metrik^,  &Dg,  f.  J.  Fmlu.    BOB 

imh.  Am  d«r  Behandlotigf  der  eiDi£«)Deü  anapästiechen  Kolen 
I  Hftrtn  iniereseiert  uns  beeouders  d«i  Yerf.a  Ättgkht  nber  den 
Enoplioa  oder  Prosodiakos,  di&  katakktieche  oder  akataiekllsche 
lii)ilitJiebe  Trtpodte,  diren  erster  Takt  anetaU  eines  voUsd  Ana> 
pifll  Spotiä^Qa  oder  auch  Jambns,  der  zweite ,  bezw.  auch  der 
^ritt«  Takt  ein  reiner  Aoapflet  ist.    Hier  neigt  sich  der  Verf.    im 

t'iQiati  zü  antiker  und  podaroer  AnfTaBeungi   die  ioiiiacb  mlMn 
Aoiictit  ziif  daß  die  MesBnng  nach  Anapäaten  mehr  Wabrecbein* 
hit  fär  sich  habe,    üoter  den  drei  dafür  angeföbrten  GrüDden 
Kfaeiüt  mir  der  letzte  den  Ausscblasr  zu  gabeD,  der  UmstaDd  näm- 

K,  daß  dieaer  Vera  \n  Marsch-  nod  Prozegsionsliedern  Verwen- 
f  fand,  wodareh  dem  Metrum  der  anapäatiaebe  Charakter  anf- 
tidrärkt  let.  Die  Diäreie  des  akatalektiscben  Dimeters  (nach  dem 
ftiiten  Takte,  d.  i.  nach  jedem  y.weitec  Schritt)«  bezw.  die  dafür 
Eitch  hl  ersten  Araia  dee  dritten  Taktes  stehende,  wehl  erst  später 
fOtitiQd«ae  Cisnr  richten  eich  häufig  nicbl  nach  dem  Sinn,  sondern 
trinoiD  ^naammeDgehdrige  Teile.  Dieae  auffälliger  s^iu^r  sonstigen 
ilfagiang  Ton  der  Cäsnr  ganz  widersprechende  Erscheinung  aacbt 
J«r  Verf.  damit  zu  erklären,  daß  diese  Keibeu  niemals  wie  der 
Amiter  bloß  gesprochet]»  sondern  entweder  gesungen  oder  doch 
I  ameikaliicber  Begleitang  vorgetragen  wnrden.  Bei  der  Be- 
cliDng  des  Paroimiakoa  werden  anf  Grnnd  genauer  Beobach* 
fiti  auiige  Hegeln  aafgestelltp  während  die  Hegeln  Hermanna 
dii  katalektische  Oktapodte  im  besonderen  tind  Hilbergs  dber 
•iiiehe  Beihen  im  allgemeinen  teile  ala  äberün^sig,  teils  als 
Bebtig  hingestellt  werden.  Bei  der  Behandlung  der  einzelnen 
päitticben  Systeme  and  Strophen  wird  der  TOn  Hermann  in  die 
(rik  eingeführte  Unterschied  zwischen  strengen  nnd  freien  Sy- 
bin  beibehalten  nnd  beide  Arten  werden  näher  belenchtet  nnd 
kteriaiert. 

n  IlL  Den  Namen  rgox^log  leitet  K.  mittelbar  von  tgi^Bit^ 
■ftittelhar  von  tgoxog  oder  noch  besser  von  ^^oj|;ij,  d*  h*  Lanf, 
Bin  ab  nnd  schließt  sich  mit  dieser  Erklärung  enger  an  Lentsch 
fF>%Linfer*^)  als  an  KirchhofT  {T^o^og  TOpferrad)  an.  Unter  den 
timlntn  Eolen  nnd  Metren  verdient  der  nralte  troehäiscbe  Tetra* 
^«t«r  Erwähnung,  der^  nach  seiner  Zusammensetzung  dem  ana- 
^liicben  und  1  am  biseben  Tetrameter  verwandt,  naturgemäß  durch 
4ii  Diärese  in  der  Mitte  in  zwei  Kolen  zerlegt  wird.  Ancb  hier 
im  die  von  Poraon  nnd  Qilberg  aofgestellten  Hegeln  ala  will- 
Ud)  ond  Tehlerhaft  bezeichnet* 
IT*  Die  antiken  nnd  modernen  Etymologien  des  Wortes  !^apt.ßog 
I.  fnr  verfehlt  nnd  begnügt  eicb  mit  Alexandereon  fesun- 
ll«ii,  daß  wir  die  wirkliche  Etymologie  dea  Wortes  nicht  kennen« 
I  hiaflgeten  Versmaß,  dem  iambiscben  Trimeterp  wird  ein  eigener 
^kitt  gewidmet.  Betont  ist  die  zweite  Hebung  jeder  Dipodie 
ttar  stnfeD  eich  die  Akitente  zum  mindesten  im  gesungenen 
^m  mit  Musik  begleiteten  Trimeter,  der  ein  Eolon  ansmacbt, 


604    J.  Kral,  ftedkä  «  hmtka  rbjtmUn  a  metrika.  Mag.  ▼.  J.  Finlm. 

folgendtnnafien  ab:  w-w^|  ^-w-  |  — ^.-2-,  Beim  gvtpnh 
cbenaD  gab  froilicb  der  8iD0  d«n  Anaaclilag.  D«r  Ytn«  4m  di« 
aüa  ObtriiafaniDg  mit  dam  HaxamaUr  giaickalUrig  dankt,  ist  ii 
Übereinatimmiuig  mit  Christ  eine  apUaror  Zait  angali^Mg«  Asalagia- 
bildoDg  zum  Hexameter,  wofür  aocb  die  zwei  aiaiig  m^glicbei 
CftenreD,  die  x^vdirifLtiisgiig  und  i^p^fufu^iig  t 
dort,  doreh  den  Sinn  bedingt  Dabei  ist  allerdinga  n 
dafi  fon  K.  Terbftltniem&ßig  h&nfig  febierhafte  CUireo  zwiicbM 
zwei  dem  Sinn  nach  untrennbaren  Wörtern  angeBommaB  werdta 
mfiseen,  gleichwie  aneb  fehlerhafte  Trimeter  ohne  C&av.  Di» 
Di&reee,  welehe  den  Vers  in  zwei  gleich  grofta  Teile  zerlagt,  aber 
dessen  dipodischen  Bau  Ttfletzl,  wird  gemieden.  Betreib  der  later- 
panktion  gelten  dieeelben  Begeln  wie  beim  Hexameter.  Zorn  Schlaft 
werden  die  Besnltate  ans  einer  großen  Anzahl  ?on  atatiatisckea 
Detailarbeiten  fiber  die  Form  des  Trimeters,  den  Gebranch  im 
Spondens,  des  scheinbaren  Daktjls,  des  AnapAsts,  des  Tribrachyi 
nsw.  Torgefdbrt  nnd  rielee  daTon,  damater  anch  die  Porsonecheo 
Geeetze,  als  nnzurerlAssig,  fiberfldssig  oder  nnrichtig  beiaidmet 
Was  den  Senar  des  Phaedms  betrifft,  so  sei  betreffs  der  „Geeetze", 
ans  denen  hervorgehe,  daft  Phaedms  nach  einer  Sdiablese  ge- 
arbeitet habe ,  noch  nicht  das  letzte  Wert  gesprochen  (Draheim. 
Langen),  vielmehr  erscbelne  nc^^b  eine  n«ae  Uatef^nchaog  gebotiB' 
In  Anlehnung  an  Westphal,  Eosebacb  utid  Crasim  mmut  £««  diA 
die  letzte  Dipodie  des  ChoUambs  so  zu  Wianen  sei  ^-^  — ^. 
Babrios  habe  den  Wortakzent  aHerdiogs  regeliDidig  ußd  absicht- 
lich anf  der  vorletzten  Silbe:  w-^-'  ^,  Eine  befriedigende  £r- 
kl&mng  für  diese  Ersehe] nnug  flei  zwar  noch  nicbt  gegeben«  e^^f 
eine  gewisse  Wahrscbeinlicbkeit  habe  die  Verbicdoüg  der  Antidit^^Q 
von  Cmsins  nnd  Abrens :  Babrios  ahme  römieche  CholiambeD  oaeii. 
in  denen  rhythmischer  und  Wortak^eDt,  —  einsilbige  Wörter  aa 
Schlnß  seien  verpönt  —  häufig  auf  der  vorlBUtea  Silbe  znsaanneo- 
fielen.  Nnn  werden  die  iatnbiscben  SjAUme  nsd  Strophen  infge* 
zihlt  nnd  eine  Anzahl  metriscb  zergliedert. 

Der  y.  Teil  behandelt  die  ioniscben  und  cborUmbisebefi 
Reihen.  Die  Betonung  der  ionischeu  Verse,  deren  Ben&DQüng  vua 
den  Alexandrinern  herstammt  nüd  die  gleich  dem  Cboriamb  or^ 
sprnnglich  sicherlich  wobl  ßtxKi^im  hießen,  ist  nicht  -^«^, 
bezw.  w  w-^  -^  ,  wie  Christ  meißt,  soadern  -  -  ^  ^ ,  bezw»  «  w-^, 
^a  für  den  fallenden  lonikog  auch  ein  Ditreehaaä  -  w^»  ßr 
den  steigenden  ein  Doppel  iaiDbos  ^  -  ^  -^  üblich  lAi  Ott  ligte* 
tflmliche  Erscheinung  der  Anaklasii,  wo  bmm  Zntammfiisiofi  twm 
ionischer  Takte  die  Linge  des  einen  Foßes  mit^^*»  »*— *.j 
anderen  scheinbar  den  Plat^  taaicbt,  findel  ^'' 
Erklärung  dnrcb  die  mit  der  antiken  Überli  ' 
einstimmende  Annahme  ron  Wilamowiti-' 
daß  die  letzte  Länge  aufgelöst  und  von 
standenen  Kürzen    die  letzte  mit  der  eri 


J.  Kral,  fieakä  «  ffmtkä  rfaytinika  a  »etrik»,  ang.  ▼.  J.  Püvlu.    605 

FoflM  wieder  In  eine  Liege  zusammengezogen  wird,  also: 
x/  s.  -  wTj-TTi  s^  — ,  wodnreh  allerdinge  die  Qrence  beider  Takte 
Terwiecht  wird.  Ebenso  einfach  erscheint  eine  andere  Erklärnng 
Eräls:  da  in  ionischen  nnd  daktylo-epitritiscben  Reihen  neben  den 
aeebszeitigen  anch  ftnfzeltige  TiJrte  Yorkommen,  so  wftre  es  nicht 
iBBgeschlossen,  daß  solche  Takte  anch  tob  den  alten  Metrikern 
nebeneinander  zngelassen  nnd  nnr  dnrch  das  Tempo  miteinAnder 
issgeglicben  wurden.  —  Das  am  h&nfigsten  vorkommende  Meimm 
ist  der  katalektische  Tetrameter^  der  Sotadins,  der  dnroh  Anf* 
ICiüDgen  nnd  Znsammenziehnngen,  dnrch  stellyertretenden  wirk- 
lichen nnd  irrationalen  Ditroch&ns  die  verschiedensten  Formen  an- 
nehmen kann.  Ja  es  finden  sich  sogar  siebenzeitige  Takte  von  der 

Gestalt v^,   ^^  —  w,    In    denen   Bossbach    den   Trochäus 

zweizeitig  messen  möchte,  was  aber  nicht  angeht  Anch  Pod- 
horekjs  Annahme  eines  irrationalen  Taktes  ist  unrichtig,  da  nie 
die  Hebung,  sondern  nur  die  Senkung  irrational  sein  kann.  E. 
glanbt  hier  wirkliche  Epitriten  zu  finden,  die  man  wohl  zwischen 
andere  Takte  einschieben,  nie  aber  unmittelbar  hintereinander 
folgen  lassen  durfte.  Nach  der  Be^echung  der  einzelnen  ionischen 
Eolen  und  Strophen  wird  der  Choriamb,  der  sich  bei  den  Dra- 
matikern sehr  h&ufig  findet,  einer  genaueren  Betrachtung  unter- 
zogen: er  ist  nur  eine  Abart  des  lonikus.  Die  Stellvertretung 
dnrch  den  Doppeliambus  (ein  sicheres  Beispiel  ffir  einen  stellver- 
tretenden DitrochAns  findet  K.  nicht)  bezeugt  den  steigenden  Takt: 
^  \^  ^  "^, 

Im  letaten  Kapitel  dieses  Bandes  werden  die  paionischen 
Beihen  behandelt,  deren  Takt  8  :  2  oder  2  : 8  ist.  Stichisch  finden 
sieh  nur  kretische  Verse,  von  denen  sich  aber  nicht  bestimmen 
lißt,  ob  sie  steigend  oder  fallend  zu  messen  sind. 

Der  Verf.  hat  in  dem  trefiTlichen  Buch,  das  einen  wertvollen 
Überblick  über  den  ganzen  Stand  der  Frage  bietet,  mit  Olfick  und 
Geschick  die  Klippe  der  Kompilation  umschifft.  Die  Literatur,  die 
bis  Ende  1905  vollständig  verarbeitet  erscheint,  wird  kritisch  ge- 
sichtet und  geprüft  und  daraufhin  vom  Verf.  ohne  subjektive 
Willkür  die  eigene  Ansicht  entwickelt.  Fem  von  Originalitäts- 
hascherei erkennt  er  bereits  vorhandene  richtige  Erkl&mngen  rück- 
haltslos an.  In  dankenewerter  Weise  hat  der  Verf.  in  einem  Anhang 
tili  Verzeichnis  aller  der  Strophen  dem  Bach  aofefügt,  deren  G\\&- 
äerung  bei  Bsfipreohung  der  einzelirei]  metft»cben  Eeibeo  gebotea 
«arde. 

An  stC^r^rden  Druck  r  dut  eine  KJetnigkeit  auf; 

Utk  A.  BM^^^^^^^HbI^  ^*  VHL 


606  E,  SehHeidewitt^  Eine  antike  Intiinktioii  usw.»  ang.  v.  E.  GtchwiMd, 

ProL  Dr.  Max  Schneidewin,  Eine  antike  Instraktion  an 
einen  YerwaltangSChef.  Mit  einer  Einleitang  Aber  rOmisehe 
ProTinsialTerwaltang.  Berlin»  Karl  Gnrtiiu  1907.  125  SS. 

Der  rühmlich  bekannte  Verf.  yerOffentlicht  nnter  diesem  Titel 
in  einer  besonderen  Aasgabe  (Text«  Übersetsong,  Disposition  und 
Kommentar)  den  ersten  Brief  ans  der  Sammlang  der  Briefe  Cieerm 
ad  QuitUum  fratretn  —  ein  Prachtstfiek  ans  der  gesamten  Brief- 
literatnr  aller  Zeiten.  Der  Bef.  mOehte  ihm,  was  Tiefe  des  Inhalts 
anlangt,  nnr  noch  ad  fam.  IV  5  (Trostbrief  des  Salp.  Serrioi 
nach  dem  Tode  der  Lieblingstochter  Ciceros)  an  die  Seite  stellen. 
—  Es  ist  dies  der  längste  Brief  Ciceros»  der  aof  ans  gekommen: 
quamquam  in  his  liUeris  Umgior  fui^  quam  aut  vellem  aut  quam 
me  putavi  fore,  heißt  es  Xu  36  im  Briefe  selbst. 

Wohl  selten  &aüert  sich  in  einem  Schriftwerke  eine  geradem 
ideale  Brnderliebe  in  so  zartfflhlender  Form.  Die  Batschlftge  dea 
besorgten  Bruders  erstrecken  sich  auf  alle  Verhältnisse  in  der 
Stellang  des  Qaintns :  gegenüber  den  dienstlich  Untergebenen,  des 
romischen  und  griechischen  ProYinzialen,  gegenüber  den  SklsTen; 
der  Brief  enthält  anch  Winke  für  die  Abwickelang  der  finanaielltn 
Schwierigkeiten  in  dieser  Provinz.  —  Eine  besonders  wertToUe 
Beigabe  ist  aber  die  Elnleitong  Schneidewins:  »Die  römische 
ProTinzialYerwaltang**,  über  die  wir  nnr  verstrente  Angaben 
in  den  Handbüchern  von  J.  Marquard  nnd  bei  Th.  Mommsen  be- 
sitzen. Der  Verf.  hebt  genan  den  Unterschied  zwischen  onserar 
modernen  Beamtenschaft  nnd  der  der  Römer  hervor  ( —  feste  Be- 
soldung, Pension,  Tradition  ehrenhafter  Gesinnung);  unsere  Be- 
amtenschaft ist  eine  berufliche  und  ist  mit  der  entsprechenden 
Vorbildung  ausgestattet,  ihre  Verantwortlichkeit  ist  genau  präzisiert 
und  in  der  Dienstespragmatik  verzeichnet.  Unsere  höchsten  Landes- 
behörden stehen  ferner  in  staatsbürgerlicher  Beziehung  mit  ihren 
Mitbürgern  auf  gleicher,  verfassungsgemäß  bestimmter  Stufe,  die 
römischen  Statthalter  dagegen  gehörten  dem  herrschenden  Volke 
an  und  standen  national  fremden  Untertanen  gegenüber;  sie  ver- 
einigten in  ihrer  Person  die  höchste  Militär-  und  Zivilgewalt  und 
die  Jurisdiktion  Ober  Leben  und  Tod,  gegen  die  nur  römische 
Bürger  Berufung  anmelden  konnten.  Der  römische  Statthalter  er- 
hielt allerdings  vom  Senate  eine  Instruktion,  welche  die  Ab- 
grenzung seiner  Amtspflichten  und  -rechte  enthielt,  aber  es  febit 
uns  über  derartige  Instruktionen  bisher  jede  Überlieferung.  Das 
vorliegende  Dokument  kann  als  Instruktion  des  Bruders  an  den 
Bruder  nicht  allgemeine  Geltung  beanspruchen  und  wenn  jemand 
sich  auf  die  Weisungen  des  Kaisers  Trsyan  an  den  j.  Plinius  bemfes 
wollte,  so  müßte  man  einwenden,  daß  diese  Instruktionen  für  den 
Statthalter  Bithyniens  —  denn  dies  war  der  j.  Plinius  —  sich 
nur  auf  konkrete  Einzelfälle  beziehen. 

An  diese  Abhandlung  schließen  sich  einzelne  interessante 
Bemerkungen  über  die  Entwicklung  der  provincia  Asia,  der  städte* 


J.  TT.  Beck,  HoraistadieD,  ang.  v.  J.  JE^^  607 

reicbstan  Pro? inz  der  Römer,  und  dereo  finanzielle  Bedeatang,  so- 
wie ein  Verzeichnia  der  Oerichtsat&dte  an. 

Als  Text  benützte  der  Herausgeber  den  der  Müllerschen 
kritischen  Ausgabe,  also  den  besten,  den  wir  fiberhanpt  besitzen. 
Die  Übersetzung  ist,  wie  man  es  von  einem  Philologen  Tom  Bange 
eines  Schneidewin  erwarten  kann,  angemein  ansprechend,  nähert 
sich  an  vielen  Stellen  geradezu  dem  Fenilletonstil;  denn  der  Ver- 
fasser der  „antiken  Humanität*',  der  „Lebensweisheit  des  Horaz** . . . 
ist  zugleich  ein  geistreicher  literarhistorischer  Schriftsteller.  Da 
die  Schrift  femer  fär  ein  weiteres  Publikum  bestimmt  ist,  wird 
der  Philologe  von  Fach  manche  Kraftworte  und  recht  energische 
Wendungen  in  der  Übersetzung  hierin  begründet  finden;  so  z.  B. 
kgaii  =  SUtthaltereiräte ;  letUitudo,  XIU  88  =  Dickfelligkeit; 
wlffarea  Jumores,  X  31  =  die  jedem  Hinz  und  Kunz  zuteil  werden  ; 
S.  121  Milo  ist  doch  nur  ein  Papierschnitzelchen  am  Drachen- 
sehwanz  der  weltgeschichtlichen  Zelebrität  Ciceros  u.  a. 

Der  Kommentar  entspricht  auch  höheren  Anforderungen; 
m  9  isia  provineia  abundat  sollte  die  Beziehung  auf  de  imp,  Cn. 
Pomp.  IV  14  Aeiii  tarn  opima  est  ae  fertilts,  ut  et  ubertate 
agromm  et  varietate  fruetuum  et  tnultitudine  earutn  rerutn,  quae 
expartantur,  facile  omnibus  terris  anteceUat  —  nicht  fehlen,  sowie 
Cicero  in  diesem  Briefe  fortwährend  einerseits  das  musterhafte 
Verhalten  des  Pompejus  auf  diesem  Schauplatze,  andererseits  die 
Mißwirtschaft  des  Verres  in  Sizilien  vor  Augen  führt.  —  Einer 
Erklärung  hätte  I  3  bedurft:  ei  te  ipse  ad  omnes  partes  hene 
audiendi  excitas;  dasselbe  gilt  von  IX  26  (S.  64)  gravi  vectigali 
aedilieio  Asiatn  liberaetif  an  welcher  Stelle  überdies  aus  Versehen 
im  Texte  aedliicio  (Übers,  ädilienische  Sp.)  stehen  geblieben  ist; 
(Tgl.  auch  VI  17  in  eervis;  VII  22  fehlt  artium  bei  optimarutn; 
8.  97  oleceniaeimi;  S.  68  tomporis  .  .  .). 

Der  Referent  muß  zum  Schlüsse  dem  Verfasser  Dank  ab- 
statten für  den  Genuß  und  die  Erbauung  bei  der  Durchsicht  seines 
Buches,  das  durch  den  fesselnden,  rein  menschlichen  Gefühlen  ent- 
springenden Inhalt  geeignet  sein  wird,  dem  klassischen  Altertum 
neue  Freunde  zu  gewinnen  und  die  moderne  Zeit  zur  Bückschau 
in  dieses  Gebiet  einzuladen. 

Prag.  Emil  OstihwiJid. 


J.  W.  Beck,  Horazstudien*  Ha&g,  U&rütfB« 

Mehrere  Dinge   mdseen  jedeD   Lesur   'i 
Der  Verf.  nimmt  nämlich   bto  aod  da  Bä|i^ 
scheinungen  der  deutschet]  Littjraiur^  ,J[pri^* 
sieht,    eine  Stelle   sei  schlecht 
lehrter  so  bezeichnet,  Tidiaali  h^ » • 


1 


608  J.  W,  Beck,  HoraiitodieD,  «Dg.  t.  /.  EtM. 

geführt  oder  wie  P.  Caner  (Palaeatra  tniae^f  8.  149,  28)  tagt, 
man  habe  den  Dichter,  nicht  die  Überliefenmg  yerbessert.  Damit 
h&ngt  Zusammen ,  daß  er  vor  den  viel  geprieeeoeo  Konjektaren 
nnd  Anfetellnngen  vieler  keine  Ehrfarckt  bat;  ich  nenne  Lach- 
mann (S.  27  tn  c.  m  24,  4),  Bentley  (8.  28  zn  c  m  25,  9, 
ni  26,  7),  Lambin  (8.  80  zn  c.  m  27,  60),  L.  Möller  (S.  81 
zn  c.  IV  2,  49),  Meineke  (S.  85  kx  Meinekiana  zn  c.  IV  8, 15  ff.), 
Hanpt  (8.  59  zn  AP  101).  Ebenso  weist  er  daranf  hin,  dafi  der 
moderne  Geschmack  kein  Gmnd  ist  zn  streichen,  zn  ftadem,  nia- 
znsteilen  oder  Lacken  anzunehmen  (8.  25,  81).  B.  frant  sieb, 
bei  Horaz  etwas  Menschliches  zn  finden,  daß  dieser  wie  aaden 
Autoren  seine  schwachen  8tündchen  hatte  (8.  25);  schon  QnintUias 
(X  1,  24,  25)  habe  daranf  hingewiesen.  Aber  jetzt  lasse  nun 
das  wohl  bei  8hake8peare  nnd  Goethe  gelten,  bei  Horaz  nicht,  flr 
ihn  wurden  Normen  und  Segeln  festgestellt,  die  Metriker  sucbtoo 
den  Dichter  ihren  Begeln  anzupassen  (8.  42). 

Daß  B.  durch  Vollmers  Arbeit  angeregt  wurde,  gebt  aas 
seinen  Worten  8.  1  hervor.  8ie  ist  ihm  »ein  warnender  Wegweiser*, 
fordert  oft  zum  Widerspruch  und  zu  scharfer  Kritik  auf. 

Vollmer  hatte  (Philol.  8nppl.-Bd.  X,  2.  Heft)  als  Ausgangs- 
punkt einer  Becensio  die  „Fehler**  s&mtlicher  Handschriften  an- 
genommen. Diese  Grundlage  nennt  B.  (S.  7)  schwach  und  g«* 
ffthrlich;  die  Liste  Vollmers  S.  279  ff.  bietet  doch  nur  Fehler  im 
Sinne  Vollmers,  also  sie  ist  subjektiv.  Das  zeigt  B.  an  c  I  8, 
1.  2.  Vollmer  schl&gt  hier  die  Zeugnisse  der  Metriker  nicht  bock 
an  (8.  272),    behauptet  aber  trotzdem,  sie  gäben  dem  Ausschbig. 

Nun  stellt  sich  heraus,  daß  Marina  Victorinus  und  Fortuna- 
tius  die  Stelle  mit  preoor  und  quaeao  paraphrasieren,  was  deutlich 
auf  aro  zeigt.  Und  Caesius  Bassus  hat  keine  Beweiskraft,  weil  die 
Stelle  interpoliert  ist.  Somit  lassen  sich  die  Metriker  nicht  als 
Hauptbeweise  anfahren. 

Im  dritten  Abschnitt  zeigt  B.,  daß  die  indirekte  Überliefe- 
rung des  Horaz  bei  den  Schriftstellern  und  Grammatikern  einheit- 
lich ist.  Einzelne  Varianten  sind  da,  aber  diese  stimmen  mit  den 
Handschriften.  B.  wendet  sich  dann  der  handschriftlichen  Über- 
lieferung zu.  Er  sagt  darüber  (8.  19):  „Wir  bringen  es  mit  dem 
größten  Scharfsinn  noch  immer  nicht  weiter  als  Keller,  der  nos 
aber  auf  den  richtigen  Weg  geführt  hat,  den  V[ollmer]  verlassen 
will.*'  Er  bespricht  dann  „die  sogen,  gemeinsamen  Eormptelen 
der  Handschriften.*'  Ich  hebe  hier  einiges  heraus.  Zu  c.  IV  8, 
15  ff.  bemerkt  B.  (8.  88):  „Horaz  hat  die  beiden  Scipionen  nicht 
verwechselt.  Die  Worte  qui  damita  namen  ab  Afriea  lueratus 
abiit  (vs.  18)  erinnern  uns  nach  vs.  17  {incendia  C.)  an  den  jün- 
geren Scipio  .  •  .  .  Die  Worte  ceieres  fugae  (v.  15)  deuten  die 
Schlacht  bei  Zama  und  Scipio  aaior  nur  ans  der  Feme  an.*'  Dem 
Dichter  war  der  ältere  Scipio  weniger  sympathisch,  mit  Africanas 
meint  er  nur  den  jüngeren  Scipio  (8.  86).  Serm.  I  6,  126  (8. 4i  t)- 


Draeger-Heraeus,  Die  Aooalen  des  Ttcitos,  ang.  ▼.  B.  Biisehofsky,  609 

«Das  Dogma  der  Antorit&t  der  Blandinii  —  ? on  Bentley  und  sp&ter 
▼00  der  sogen.  Berliner  Schale  gepredigt  —  ist  eine  Sache  des 
QUnbeDB,  nicht  des  Wissens . . .  B&tselhaft  ist  es  mir  immer  ge- 
wesen, daft  der  Blandininsspncic  noch  in  der  philologischen  Welt 
umherirrt"^).  B.  weist  nach,  daß  es  mthi  fugio  campum^  sondern 
fi»gio  e  campo  heißen  mnß.  Zu  dem  fugio  eampum  nnd  luaumque 
triqonem,  das  ja  selbst  den  Bland  in  iianbetem  nicht  paßt,  erkennt 
B.  die  Hand  des  Versemachers  einer  sp&teren  Zeit«  dem  das 
ftioere  Sprachgefühl  fehlte  (S,  48).  Daß  sich  Vollmer  mit  Serm.  I 
6,  126  die  Sache  beqnem  macht,  indem  er  Bentley  nnd  Mewes 
zitiert,  ist  fon  B.  (S.  77)  mit  Recht  getadelt  worden.  Ein  Siebter 
dürfte  es  jedenfalls  nicht  so  machen  wie  manche  Philologen  in  der 
Angelegenheit  der  Blandinii.  Die  ünxnyerl&ssigiceit  des  Crnquins 
wird  zugegeben,  aber  trotzdem  oder  yielleicht  deswegen  wird  Cm- 
qnins  als  ToUgültiger  Zenge  angesehen  und  nach  seinen  Angaben 
das  Urteil  gesprochen. 

Am  ScÜnß  seiner  Horazstndien  bemerkt  B.,  daß  er  die 
Arbeit  yon  Josef  Bick,  Horazkritik  seit  1880,  Ende  1906  erhielt, 
als  er  seine  Abhandlnog  abschließen  wollte.  Er  stimmt  mit  Bick 
io  den  Hauptpunkten  fiberein,  besonders  was  die  Teilung  der 
Horazhandscbriften  in  drei  Klassen  anlangt.  Den  Bflckschritt  zu 
Kellers  Ansicht  darfiber  nennt  B.  einen  großen  Fortschritt,  da  „der 
Ton  Christ -Leo -Vollmer  Torgezeichnete  Weg  uns  in  unbekanntes 
Land  ftthrt*". 

Im  ganzen  und  im  einzelnen  zeigt  sich  B.  als  bed&ehtigeu 
and  wohlflberlegenden  Kritiker.  Er  glaubt  den  Handschriften  mehr 
als  geistreichen  Einflllen  yieler  Gelehrter.  Außerdem  hat  er  manche 
Stelle  neu  erkl&rt  und  so  ihre  Echtheit  nachgewiesen.  Seine  Arbeit 
empfiehlt  aich  so  Ton  selbst. 

Smiehow.  Johann  Endt. 


Die  Annalen  des  Tacitns  fBr  den  Scbolgebranch  erklärt  TOD 
A.  Draeger.  Enter  Band.  Erttet  Heft.  Bnch  I  nnd  IL  Siebente 
yerbeeaerte  Auflage  ?on  Wilhelm  Heraens,  Prof.  am  großh.  Qjm- 
nasiom  sn  Offenbaeh  a.  M.  Leipzig  nnd  Berlin  1907,  Druck  nnd 
Verlag  ?on  B.  G.  Tenbner. 

Dia  ffinfte  Auflage  toiu  J*  1637  war  di?c1]  ft^n  Draeger 
selbst  btaorgt  worden,  die  eecbst«  vom  J.  1891  hat^A  F  Rnclter 
fibemooiflBaD.   Der  oeoeste  Bearbeiter  bemerkt  Im  V  ili  «r 

Ton  tiefer  einscboeideDden  Äi)dernog«]i  ^^  v 

dann  fori:   *Se  iit  mshefiODdere  ^'^ 
kungen  grAndltch   revidiert,   wob« 


1)  VgL  W«»tBer  In  der  B«rÜa«»H. 
8p«  482,  Adhl:  .Aber  aaoh  n||l'^  " 

Zeitsehrill  f  d.  *iieft,  0-™   T 


610  Draeger-HeraeuSt  Die  Aonalen  des  Tacitat,  ang.  t.  R.  Biischoßly. 

denn  Draeger  war  in  der  Dachtaciteischen  Literatar  wenig  heimisch. 
Aber  ancb  manches  dieser  Art  warde  als  überflassig  gestricheiii 
desgleichen  yiel  Ballast  von  Zitaten,  nm  Baam  för  sachliche  Er- 
klftrnngen  zu  gewinnen.  Der  Text  geht  yielfach  wieder  auf  den 
Medicens,  die  einzige  fdr  Bach  I — VI  erhaltene  Handschrift,  znrück, 
meist  in  Obereinstimmnng  mit  Andresen,  dessen  Nachrergleicbiuig 
bekanntlich  nicht  nnfrnchtbar  gewesen  ist'.  Anf  die  Einleitung 
fiber  TacitQs*  Leben  nnd  Schriften  folgt  eine  Obersicht  des  Taci- 
teischen  Sprachgebrauches  (S.  5 — 86),  der  kritische  An- 
hang gibt  die  Abweichungen  vom  Texte  der  4.  Ausgabe  Halms 
Tom  J.  1888  an.  II  55  cum  orta  tetnpestas  raperel  in  ahrupta 
poBsetque  inUrüus  inimici  ad  casum  referri  halte  ich  die  Ein- 
ffigung  Ton  Pisonem  nach  abrupta  nicht  für  geboten.  An  der  ancb 
sonst  vergleichbaren  Stelle  c.  23  postquam  mutabat  aesttts  eodmqw 
quo  ventus  ferebat  usw.  ist  ferre,  ein  abgeschwächtes  rapere,  io 
ähnlicher  Weise  ohne  Objekt  gebrancht. 

Der  Kommentar  l&ßt  an  einigen  nicht  ohne  weiteres  ein- 
lenchtenden  Stellen  im  Stiche.  Ich  meine  z.  B.  17  tamquam  teUrt 
re  publica,  10  m<ichinator  doli  Caesar,  85  faustis  in  Oermanicum 
ominibus,  89  neque  militum,  sed  deum  tra  resurgere,  46  eundemqw 
severitatis  et  munificentiae  summum,  47  omiUere  caput  reruMf 
59  nie  delectus  Tiberius,  69  accendebat  haec  onerabatque  Seianus^ 
75  veniam  ordinis,  76  quod  in  vulgus  formidolosum  et  pater 
arguisse  dicebatur;  II  80  ius  perorandi,  85  speeiem  libertatis 
Pisa  praeceperat,  50  aduUerio  teneretur,  85  exactum.  Das  sn 
I  84,  12  erwähnte  intransitive  ^ctore  findet  sich  bereits  18,  19; 
turbidus  =  turbulentus,  seditiosus  (88,  10):  84,  15;  placitum  = 
quod  placuit  (II  66,  5):  I  80,  5  (auch  dort  in  Verbindung  mit 
semel).  Für  inludo  c.  dat.  (I  71,  4)  konnte  anf  das  näher  liegende 
Beispiel  61,  18  f.  verwiesen  werden,  für  super  =  (2^  (U  28,  14) 
auf  zwei  Fälle  in  demselben  Bach:  85,  2;  54,  15.  Daß  im  ein- 
zelnen noch  manches  zu  berichtigen  oder  zu  ergänzen  ist,  will  ich 
im  folgenden  näher  ausführen.  Die  den  beiden  Bflchem  voran- 
geschickten  Inhaltsangaben  sind  nicht  immer  zutreffend.  Tcb 
führe  zwei  Beispiele  au:  II  bandelt  es  eich  nicht  nm  4ie  Vr^r- 
fasBUDg  des  lieicbes  vor  ÄngnsUs,  eondern  nm  die  Gründe,  valw 
Tacitns  znr  Wabl  d«r  vod  ihm  dargestellten  Periode  der  rOmlichtr 
Geschicbte  bestimiDteD.  D^r  Inbali  des  70,  Kaß.  wird  in  dit  W^vU 
zusamme[]gefa(^t ;  ^Eäckkebr  einer  Abteil  Qiig  zu  Wassec  .  Darere^t:  ' 
wird,  wie  die  2.  nnd  14,  Legion  bn  einem  heflii^ii  Dfivtttex  -^^ 
der  KüaU  zum  Flnsee  VisorgiG  marschierten t  Wfr  si»  fififüdüil 
wurden .  I  4,  II  71  ßnU  adfM  das  Lebiiiteii^  «r^f     — 

I  5;  11  36;  42  hat  poiiri  P»ffifctliWllUtiiQg,  »^  ^ 

Fälle  von  Krenzstellung  iM^^'^'^B^  r, 
druck  ^'der  Indikativ  par^l^ 
her?or'  i&t  irreföhresd«  *^ 
—  85,   17  €laium  (f$r 


Draeger-Heraeus,  Die  Annalen  dei  Taeiins»  ang.  ?.  B.  Bitschofsky.  611 

4 f.  gnarus  hostia  'der  umstand,  daß  der  Feind  Eande  hatte'; 
ZQ  19,  14.  —  86,  7:  ^pericuhsa  eet.  Hier  ist  est  zu  erg&nzeo. 
Die  Ansicht  ist  die  des  Tacitns,  allgemein  gdltig'.  Ich  glanbe, 
die  Stelle  ist  analog  zu  erkl&ren,  wie  10,  19ff.y  wo  der  Verf. 
bemerkt,  daß  der  accus,  c.  Inf.  korreicter  w&re.  —  86,  9:  über 
ipistulae  in  singnlarer  Bedentang  zn  80,  12.  —  89,  4  war  die 
Eonetraktion  tnetua  veniste  der  Erw&bnnng  wert.  —  40,  8:  fiber 
die  Anslassang  des  Eonj.  von  esse  zu  7,  8.  —  48,  12  befriedigt 
die  Erklftmng:  vo8  quoque  *aach  ihr'  non  solutn  tnens  Äugusii, 
imago  Drust  etc.  nicht.  —  44,  19  ist  das  Obj.  za  edebai  ans 
dem  Snbj.  des  Belati?satzes  za  entnehmen.  Übrigens  setzt  Kipperdey 
die  Komma  nach  erant.  —  46,  7  and  60,  2  f.  ist  der  ablat. 
^oal.  attrihntiT.  —  51,  8  gnarua  =  notus  hier  nicht  konstatiert, 
wobl  aber  zn.  5,  7  und  68,  8.  —  52,  9:  über  exereUus  im  Plar.  = 
wpioi  Nipperdey  zu  Com.  Nep.  Them.  2,  5.  —  58,  16:  über 
den  Ablati?  znm  Aasdracke  der  Aasdehnnng  in  der  Zeit  Mensel 
zn  Gaes.  b  c.  I  46,  1.  An  der  zitierten  Stelle  Nep.  £p.  5,  6 
iteht  der  Abi.  anf  die  Frage:  ^innerhalb  welcher  Zeit'.  —  64,  4 
lind  die  angeführten  Beispiele  insofeme  nicht  zatrefifend,  als  dort 
das  Adj.  nicht  attribati?  za  gradus  gehört  Eher  war  yergleichbar 
43,  15  aiabüe  ad  paenüetUiam.  —  66,  8:  per  ebenso  Caes.  b.  0. 
II  10,  8;  b.  e.  m  69,  8.  —  72,  8  ist  zn  dem  Satze  sed  alia 
in  iudkium  veniebant  das  entsprechende  Belati?  aas  dem  voran- 
gegangenen eui  zn  entnehmen.  —  77,  2  occma  non  modo  e  plebe 
(Lente)  aas  dem  Volke.  —  81,  5  braacht  descripait  nicht  za 
bedenten  'bezeichnen,  anspielen  anf'.  Tiberins  beschrieb  ja 
nicht  die  Kandidaten,  sondern  ihre  Herknnft,  Lebensweise  nnd 
Kriegsdienste  darch  Angabe  der  charakteristischen  Merkmale,  so 
daß  man  nach  dieser  signißcatio  wie  bei  einem  B&tsel  erraten 
konnte,  wer  gemeint  sei.  —  11  2,  8  stehen  die  Partizipia  truci- 
dantium  nnd  exturbantium  nicht  für  Snbstantiva,  sondern  ent- 
sprechen griech.  q)ovsv6ävt(ov ,  ixßaXövtav.  —  5,  18;  6,  4: 
über  das  adyersatiTe  et  zu  l  18,  8.  —  14,  1  quies  ^Traam', 
wofür  zu  I  65,  5  nnr  Vell.  II  70,  1  zitiert  ist.  —  14,  11 :  warnm 
soll  nemus  *Hanf*  oder  ^Draht'  bedenten? —  14,  12:  utcumque 
nach  Vogel  zn  Cnrt.  VIII  2,  84  'wohl  oder  über.  —  14,  16 
tidverwj»  nicht  absolnter,  sondern  lokaler  Ablati?  =  in  rebus  adversia 
fgh  Übera,  §  85),  eoteprechend  dem  folgeodon  uU^r  secunda.  — 
14,  }7  Tizth  ctipi&nt:  (so  geh^  er  i  hn^n  ü  je  Ver&icherang^. 
—  i6f  8  f.  fwpwrtiä  eaUnis,  sog.  aoristiscfa^B  Parti^ip  wie  I  77,  2. 
^-  23^  fi  t  «ifd  mch  am  eiafacbsteo  erklären  la^sea  darch  bellum 
/fltfvurfii*»/,  H^irifii^it^  ni  dediiitm^m  p>'^>f^^r'itns^enL  —  27,  2  f.:  über 
'.  14,6. —  M,  1  io  einiger  Entfer- 

f  wff  /wjwrf  dissimüi) 
iimorfs  nicht  die 
hnpes  tt  infauetoe 
ist  anders  zn  kon- 


612  7.  8ahr^  Deatsebe  Littraiurdeakmiler  oiWi^  ang.  ?.  B.  F.  AmM, 

stmieren.  Von  numuit  b&Dgt  insectandi  ab  (vgl.  zu  I  67,  2)  nnd 
da? OD  aemukUione  muliebri,  -<-  44,  8  ff.  aed  Maroboduum  regis 
nomen  inviaum  apud  populäres,  Ärminium  pro  libertaU  btUatiUm 
favor  habebat  wird  mit  Nipperdey  erkl&rt:  ^den  M.  maebU... 
yerhaßt,  den  A.  machte  die  Liebe  zu  einem  Eimpfer 
für  die  Freiheit.  Habebat  zengmatiaeh  im  zweiten  Qliede 
=  putabai\  Ich  halte  diese  Erkl&mng  nicht  für  richtig,  eondera 
übersetze:  *aber  den  M.  hatte  der  Eönigstitel  bei  seinen  Volks- 
genossen ferhaßt  gemacht,  den  A.,  der  für  die  Freiheit  kämpfte, 
nmfing  die  Gnnst'.  In  Gegensatz  stehen  einerseits  r€gi$  nomen 
nnd  pro  libertate  pugnaniem,  anderseits  invieum  nnd  fawr,  — 
71,  3:  die  Verbindang  naturae  coneedere  legt  es  nahe,  anch  in 
fato  (eoncedere)  den  Datiy  zu  erkennen.  —  84,  7  f.  aeheint  mir 
den  Worten  tamquam  auctus  liberis  Drusus  domum  Oermaniä 
magia  urgeret  nicht  die  Vorstellnng  zngmnde  za  liegen,  daß  'der 
auetua  liberia  Druaua  wie  eine  tnolea  anf  die  domus  Germania 
drückt,  sie  gewissermaßen  nnter  sich  begrftbt*.  In  dem  angeführten 
Beispiele  Verg.  Aen.  III  579  ist  die  erw&hnte  Anffaaanng  dnrch 
den  Begriff  tnolea  Cmole  hac)  nahe  gelegt.  Anch  ist  auctua  Dnuui 
s.  T.  a.  quod  Druaua  auctua  eaaet,  Mer  Umstand,  daß*  naw.,  worüber 
ich  anf  die  Note  zn  I  19,  14  yerweise. 

Zn  yerbessern:  I  24,  10  Comifiieiua;  31,  5  Caema; 
83,  11  das  Zitat  19,  1  in  19,  11;  35,  21  adüo  in  addito;  41, 
5  deee,  p  did,;  II  5,  5  iacaotaai^  in  dxöataöig;  5,  12  promp- 
tum  in  promptam;  6,  4  auguata  in  anguata;  12,  11  quo^e  in 
quoque;  29,  6  Llbo;  54,  3  auguatiaa  in  anguatiaa;  60,  2  0]^nd9 
in  oppido;  88,  1  aciptorea  in  acriptorea. 

Wien.  B.  Bitschofsky. 


Deutsche  Literaturdenkmäler  des  XVT,  Jährhuödertg.   hl  \^t^ 

Brant  bis  Bollenbagen.  Aueji^ew^blt  Gtid  erllutert  tod  Peilt  \^' 
Julias  Bahr.  Leipzig,  G.  J.  GGäcben  \mb.   Preis  80  Ff . 

Denkm&ler  der  älteren  deutschen  Literatur.   Hera^sgaf^bfa  nn 

Q.  BOtti eher  und  K.  Kin2el  \\\.  a.  Martin  Luther  Ein«  Ab*- 
wähl  ans  seinen  Schriften  mit  Einlertanfen  titid  ErlämeruugesD,  iLfbn 
eioem  grammatischen  Anhange  tod  Prot  ht,  Bichard  Ni?4bft«e^ 
2.  TeiL  8.  Auflage.  Halle  a.  S-,  Waisenfasqa  1907.  Prdt  Mk.  t  - 
Dieselben.  IV.  1.  Die  Literatur  ilea  XVIL  Jabthoudertu  Aiumti^* 
und  erliutert  ?on  Gotthold  ßotticber,  S.,  rerb.  Auflaga.  Ilaetibv 
1907.  Preis  1  Mk.  20  Pf. 

Velhagen  &  Klasings   Samtulung    deutscher   Sp*-^^* '     j 

Lief.  114.  Mireben  und  Notelleo  Tau  Goethe.  Ati 
ausgegeben  von  Prof.  Dr.  Ednmnd  t.  Sali  wfirk.  I 
1905.  Preis  1  Mk.  20Pf.  —  Ltef.  113.  Aa«  d«r  »Üb« 
Literatur.  Von  Dr.  Gerhard  Heine.  1905.  Pi^i*  8 
Moderne  ertihleode  Prosa.  Au  $^e wählt  und  beraoi 
Dr.  Gustaf  Porger.  Aohter  Teil  (VL  B&nd'^' 


J.  Sahr,  Deatflche  Liteiatordenknaftler  usw.,  ang.  ▼«  B.  F.  Arnold,  613 

Oerlaebs  Jogendbacherei.  Gedichte  ?od  Josef  Freiberm  ?.  Eidhen- 
dorff.  Bilder  ?on  Horit-Behiilte,  Texte  n^esiehtet  tod  Hans 
Fraongriiber.  Wien,  ohne  Jahnahl  (1902).  Freit  1  Mk.  50  Pf. 

Zar  Geschichte  der  deutscben  Literatur.  Proben  literarhittorischer 
Daretellang,  aaegewiblt  nnd  erlftutert  ?on  Oberlehrer  Dr.  Badolf 
Weaielj.  Leiptig,  B.  G.  Teabner  1905.  Preis  1  Mk.  20  Pf. 

Diegen  Bfichern  und  BfichleiD,  über  welche  Bef.,  dnrch 
andere  Arbeit  anfgehalten,  seinen  etwas  yersp&teteD  Bericht  er- 
statteD  will,  ist  allen  dies  gemein ,  daft  Ergebnisse  sprach-  oder 
literargeschichtlicher  Forschung  oder  wenigetens  (wie  in  der  an 
forietzter  Stelle  genannten  Schrift)  iltere  Texte  der  Schale,  dem 
Hans,  flberhaapt  den  „weiteren  Kreisen**  zng&aglicb  gemacht 
werden  aollen.  Ein  an  and  för  sich  schon  lobens-  and  dankens- 
wertes Beatreben»  an  welchem  bekanntlich  auch  österreichische  Ge- 
lehrte, Schalmftnner,  Verleger  großen  Anteil  nehmen.  Unter  den 
Torliegenden  Werkchen  ist  heimische  Arbeit  znfftUig  aar  einmal 
fertreten. 

Bahr  hat  in  der  Sammlang  GOschen  schon  früher  sehr  gut 
ansgewfthlte  and  kommentierte  Proben  aas  Hans  Sachs  und  dem 
deatschen  Volkslied  Teröffentlicht.  Mit  diesen  Kammern  (24  and 
25)  der  Sammlang  and  der  Nammer  7  (Martin  Lntber,  Thomas 
Mamer  nnd  das  Kirchenlied  des  XVI.  Jahrhanderts,  heraasgegeben 
fon  G.  Berlitt)  bildet  die  forliegende  Kammer  86  ein  Ganzes, 
du  dem  großen  Pnblikam  der  Sammlang  GOschen  einen  guten 
Oberblick  über  die  deutsche  Dichtung  des  XVI.  Jahrhunderts  ge- 
währt und  auch  den  Studierenden  brauchbare  und  leicht  zagftng- 
liche  Texte  zur  Verfflgang  stellt.  In  dem  zu  besprechenden  Bftnd- 
chen  sind  die  Didaktiker  beisammen:  Brant,  Hatten,  Fischart,  dann 
das  Tierepos  und  die  Fabel,  vertreten  darch  „Etoinken  den  Vos**, 
Waldis,  Alberus  und  den  Froschmenseler.  In  dieser  Zusammen- 
Stellung  yarmisst  man  freilich  auf  den  ersten  Blick  den  streitbaren 
Tbomaa  Mumer,  allein  dieser  bat  als  Widerpart  Luthers  bereits  in 
Kr.  7  der  Sammlung  Aufnahme  gefunden,  wo  vielleicht  Hatten 
besser  untergebracht  worden  w&re;  sonst  scheint  wider  die  Aus- 
wahl nur  noch  zu  erinnern,  daß  seltsamerweise  aus  Fischarts 
Prosa  nichts  mitgeteilt  wird.  Die  Texte  sind  verlißlich,  die  An«» 
merkungen  ansiäbriich  und  einsicüiig»  <}ie  EiDltjUangen  des  Heraus^ 
gebers  selbsUndi^  gedacht  nnd  iobwungToU  i^eeoh rieben. 

Keubauers  AQgwabl  itii  dau  Scb n^^ ^  •  r-i  «rfreut  sich 
mit  Becht    seit   ihrem   ersten  EfauhiUitlt^  J .  -1    d^t  besten 

Bofes.    Der  Hirauggeber,  fpQ^""*''''*^^^^}^.  <    l^hilol^ff  bnt 
im  ersten  BaLde  st  iD4i£|*-^^ 
im  zweiten  die  auf  -* 
IG  daß  beide  Teil«  «*     ■ 
Reformators  aem  Qumij 
dH  zweiten  Teäli   bnt   ^ 
von  kleinen  Kirxi?.'*'' 


614       ßöHicher-Kingel,  Denkmftler  usw.,  ang.  t.  R.  F.  AmM. 

wesentlichen  Ver&ndernngen  erfahren.  Sie  gliedert  sich  nach  wie 
vor  in:  I.  Vermischte  Schriften  weltlichen  Inhalts,  II.  FabelD, 
Gleichnisse,  Sprüche  und  Reime,  III.  Dichtungen,  IV.  Briefe  ond 
V.  „Sinnfolle  Aossprflche  und  Betrachtungen",  die  tn  allermeist  aai 
den  Tischreden  gezogen  sind.  Hieran  schließt  sich  8.  245  flf.  eioe 
verdienstliche  Übersicht  über  Luthers  Sprache  und  deren  Haopt- 
abweichungen  von  dem  heutigen  Sprachgebrauch.  Die  gramma- 
tische, lexikalische  und  sachliche  Eommentierung  verwertet  nieiit 
nur  die  gesamte  Luther-Literatur,  sondern  bringt  auch  viele  Sa- 
sultate  eigener  Arbeit  bei  und  macht  die  Publikation  zu  einer  der 
besten»  uns  bekannten  Schulausgaben :  denn  auf  die  Schulen,  natör- 
lieh  die  protestantischer  Lftnder,  ist  diese  Auswahl  berechnet.  Woo- 
derlieh,  daß  die  Kirchenlieder  prinzipiell  (8.  149)  ausgeachlosseo 
wurden.  Oleichwohl  hat  der  Herausgeber  ihrer  zwei  in  den  drittw 
Abschnitt  aufgenommen,  so  daß  eigentlich  nicht  recht  einzusehen 
ist,  warum  das  Prinzip  nicht  ganz  fallen  gelassen  wurde.  Im 
übrigen  kann  Bef.  das  Lob,  welches  der  Arbeit  Nenbaners  ron 
Fachmännern  wie  Eawerau,  A.  E.  Berger,  Bolte,  ElUnger,  Nerrlich 
gespendet  worden  ist,  seinerseits  vollinhaltlich  unteraehreibtn. 

Nicht  ganz  so  einverstanden  ist  er  dagegen  mit  Böttichers 
im  gleichen  Verlag,  ebenfalls  bereits  in  8.  Auflage  erschienenen 
Auswahl  aus  der  Literatur  des  XVIL  Jahrhunderts.  Denn  dieselbe 
gibt  ein  sehr  unvollständiges  Bild  des  behandelten  Zeitraums.  Der 
Herausgeber  hat  sein  Hauptaugenmerk  auf  die  Lyrik  und  inner- 
halb derselben  auf  daa  protestantische  Kirchenlied  gerichtet.  Die 
katholische  religiöse  Dichtung  ist  nur  durch  Scheffler  vartreten, 
w&hrend  eine  so  starke  dichterische  Persönlichkeit  wie  dia  Fried- 
richs von  Spee  fehlt;  anderseits  bleibt  auch  die  inhaltlich  and 
formell  so  charakteristische  galante  Lyrik  des  Jahrhunderte  völhg 
unberücksichtigt,  wiewohl  sich  mit  geringer  Mühe  Proban  finden 
ließen,  die  selbst  vom  pädagogischen  Gesichtspunkt  einwandfrei 
wären.  Die  gesamte  Tragödie  ist  unter  den  Tisch  gefallen  und 
die  dramatische  Dichtung  bloß  durch  Proben  aus  dem  Horribili- 
cribrifax  vertreten:  Proben  übrigens,  die  durch  böse  Druckfehler 
und  eigentümliche  Cngleichmäßigkeit  der  Eommentierung  entstellt 
sind.  Der  Herausgeber  hat  bei  seiner  Auswahl  sichtlich  solche  Per- 
sönlichkeiten und  Bichtungen  bevorzugt,  die  ihm  von  dar  sitt- 
lichen Seite  sympathisch  sind  und  von  deren  Dichtungen  er  sich 
Günstiges  für  die  Charakterbildung  der  Schuljugend  verspricht: 
ein  Standpunkt,  den  wir  voll  zu  würdigen  wissen.  Allein  kaun 
geringere  Berechtigung  hat  die  Forderung  des  Literarfaistoriken, 
daß  eine  Anthologie  wie  die  vorliegende  ein  auch  innerhalb  kleinen 
Umfange  richtiges  und  proportioniertes  Bild  der  in  Bede  stehen- 
den Periode  gebe.  Jene  Tendenz  und  diese  schließen  einander 
keineswegs  aus,  was  wir  dem  Verf.,  einem  namhaften  Schulmann, 
wohl  kaum  erst  zu  beweisen  brauchen  und  es  geht  daher  nicht 
an,  von  Kaspar  (sie!  S.  4)    von  Lohenstein  und  Hoffmannswaldan 


Saüwürk  u,  o.,  Velhagen  &  ElaBiogt  Sammlang,  ang.  i.  R.  F,  Arnold.  615 

tu,  sagen:  „Diese  haben  für  nnsere  Zwecke  keinerlei  Bedeatang**. 
Wie  der  Text,  so  gibt  anch  die  Einleitung  (8.  1  fif.)  nur  einige 
willkärlieh  herausgegriffene  Grundlinien  der  literarhistorischen  Ent- 
wicklung und  ist  überhaupt  allzu  dürftig  geraten.  Endlieh  möchte 
Ref.  für  eine  spitere  Auflage  auch  eine  kleine  typographische  Ver- 
besserung Torschlagen,  daft  nftmlich  in  dem  XXIX.  Abschnitt  (Grim- 
melshausen)  die  dem  eigentlichen  Text  eingefügten  yerbindenden 
Zwischens&tze  des  Herausgebers  klein  gesetzt  werden  mögen,  wie 
es  ohnedies  im  III.  Abschnitt  (Gryphius)  und  im  XXVIII.  (Abraham 
a  S.  Clara)  der  Fall  ist. 

Geschickt  vereinigt  t.  Sallwürk  aus  den  „ Unterhaltungen 
deutscher  Auogewanderter" ,  den  „Wahlverwandtschaften",  ^Dich- 
tung und  Wahrheit''  und  den  „Wanderjahren "  sechs  Proben 
Goetheseher  Er&hlungskunst  und  schließt  sein  B&ndchen  mit  der 
^Kovelle"  ab.  Er  reiht  die  Erzählungen  nicht  chronologisch, 
sondern  so  aneinander,  daß  sich  zuerst  die  Traum-  und  Fabelwelt 
des  „Neuen  Paris",  der  „Neuen  Melusine"  und  des  wundersamen 
Lilienm&rchens,  dann  das  reale  Leben,  wie  es  sich  in  den  Novellen 
spiegelt,  vor  uns  auftut.  Zieht  man  den  Zweck  der  Velhagenschen 
Sammlung  in  Erw&gung,  so  wird  man  die  vom  Herausgeber  ge- 
troffene Auswahl  gutheißen;  auch  der  gedr&ngte  Kommentar  (S.  164 
bis  S.  177)  paßt  sieb  durchaus  den  Bedürfnissen  des  Oberklassen 
des  Gymnasiums  an  und  schöpft  seine  Erlftuterungen  vornehmlich 
aus  Goethe  selbst,  ohne  der  Goetheliteratur  viel  nachzufragen. 

Unter  dem  Titel  „Aus  der  silbernen  Zeit  unserer  Literatur" 
stellt  Gerhard  Heine  vier  mit  reichlichen  Textproben  ausgestattete 
Aufsätze  über  Mörike,  Ludwig,  Hebbel  und  E.  F.  Meyer  zusammen. 
Die  Bezeichnung  „silbernes  Zeitalter",  irr*  ich  nicht,  von  Ad.  Bartels 
aufgebracht,  wird  aber  in  der  Begel  für  den  Zeitraum  zwischen  der 
M&rzrevolution  und  dem  deutsch-französischen  Krieg  verwendet  und 
als  Vertreter  dieser  Periode  sieht  man  gewöhnlich  die  sogenannte 
Münchener  Schule  und  die  ihr  Nahestehenden,  die  großen  and 
kleinen  realistischen  Erzftbler  der  Fünfziger-  und  Secbzigeijahre, 
endlich  die  großen  Isolierten:  Hebbel,  Wagner  und  Jordan  an. 
Mörike,  dessen  Gedichte  schon  1838  erschienen,  hat  wfthrend  des 
silbernen  Zeitalters,  das  er  freilich  durch-  und  überlebte,  nur  noch 
den  Epilog  seines  poetischen  Lebenswerkes  geschaffen  und  seine 
klassizistisch  abgetönte  Bomantik  bat  weder  mit  Lndwlg  »ocb  oiit 
Hebbel  noch  mit  dem  silbeiDeD  Zeitalter  andere  ßertbrQD^sf  unkte 
als  die  der  Zeitgenossenschaft.  Dai^  K.  F.  Hejer,  il^setn  kton 
zeichnende  Dichtungen  vod  den  Jahren  1B71  isa4 
grenzt  werden,  hier  fehl  am  Ort  ist,  bedarf  wah>  ^"'^^ 
Erörterung.  An  und  für  licb  slad  die  vm  ^ 
von  einem  gewissen  Hang  zir  Phrase  hkp  > 
instruktiv.  ^ 

Im  selben  Vsrlag  tind  innerhalb  dA  > 
beiden  eben  gewürdigten  BäDdcheii  ersebtiv^  ^ 


616  B,  DraungriÄber,  Oerlachs  Jagen  dbOcherei,  ang.  t.  jB.  F,  ÄmM. 

der  Leitnog  J.  Wychgrams  die  B&Ddcbenfolge  ^Deütsebe  Proea". 
Nr.  1  eDtb&lt  ^BedoeriBche  Prosa",  Nr.  2  „Patriotisobe  Prou  ans 
den  JabreD  1806—1815",  Nr.  8  ff.  ^»ModerDe  ersfthlende  Prou*,  in 
der  wir  tu  unserer  Frende  die  besten  österreichischen  EnAhler,  wie 
Bosegger,  Ebner-Eschenbachi  Anzengrnber,  Pichler,  Saar  vertreUn 
finden.  —  Der  Torliegende  acbte  Teil  ist  dem  baltischen  En&hler 
Theodor  Hermann  Pantenias  eingerftnmt,  dmekt  dessen  in  Kurland 
spielende  Erzfthlnng  „um  ein  Ei"  ab  und  fOgt  die  dorch  den  Stoff 
geforderten  Erlftntemngeii  knrischer  Dinge  nnd  Wörter  bei. 

In  Gerlachs  Jngendbücberei  hat  unser  wacicerer  Landsmann 
Hans  Franngrnber,  Lehrer  nnd  Poet  dazn,  ans  Eichendorffs  Lyrik 
heransgeboben ,  was  ihm  ffir  jugendliche  Laser  geeignet  erschien, 
oder  Termntlich  nur  einen  Teil  desselben;  denn  hier  galt  es,  sieh 
einer  Verlegenheit  des  Überflusses  zu  entwinden.  Das  Buch  ist 
wunderhfibsch  gedruckt  und  geistreich,  aber  keineswegs  in  Eichen- 
dorffs Geist  illustriert,  unter  unseren  modenien  Künstlern  wäre 
wohl  Ernst  Liebermann  (nicht  zu  Torwechseln  mit  dem  berAbm- 
teren  Max)  am  berufensten ,  Eichendorff  durch  den  Stift  zu  inter- 
pretieren. Dem  Illnstrator  der  Fraungruberschen  Sammlung  fehlt 
es  Yor  allem  an  der  nötigen  Naifetftt  und  Buhe. 

Die  Sammlung  Wesselys  beabsichtigt,  ,,in  die  Wissenschaft 
der  Literaturgeschichte  einzufahren  und  eine  Erg&nzung  zu  der 
Dichterlektfire,  dem  Vortrag  des  Lehrers  und  dem  Lehrbuch  zn 
bilden".  Sie  möchte  „zu  weiterer  Vertiefung  in  die  Werke  unserer 
Dichter  und  zu  eingehenderer  Beschäftigung  mit  der  Literatur- 
geschichte anregen".  Sie  tut  dies,  indem  sie  eilf  sorgfftltig  aus* 
gewfthlte  Proben  literarhistorischer  Darstellung,  nach  der  Chrono- 
logie des  (durchweg  deutschen)  Stoffes  angeordnet,  mitteilt,  in 
einem  Vorwort  die  Biographien  der  eilf  Darsteller  in  eine  Skizze 
des  Werdeganges  unserer  Wissenschaft  rerwebt  und  flbrigens  die 
mitgeteilten  Teite  diskret  und  yerl&ßlicb  kommentiert.  In  die 
Wissenschaft  nun  zwar,  will  sagen,  in  das  wissenschaftliche  Ar* 
beiten  wird  der  Gymnasiast  natfirlioh  noch  nicht  „eingeführt", 
wenn  er  schöne  Charakteristiken  ans  der  Feder  eines  Uhland, 
Gervinus,  Hettner,  Scherer  klopfenden  Herzens  durchliest,  aber 
ohne  Zweifel  kann  so  in  manchem  begabten  JOngling  die  Lust 
wachgerufen  werden,  in  die  Werkstatt,  der  solche  Kunstwerke  ent- 
stammen, zu  blicken  und  wohl  gar  auch  selbst  Hand  ans  Werk  zn 
legen.  —  Was  die  von  Wessely  getroffene  Auswahl  betrifft,  so 
h&tte  natürlich  jeder  andere  die  Sache  ein  wenig  anders  gemacht 
Beferent  seinerseits  h&tte  •—  um  nur  Tote  zu  nennen  —  auch  den 
bideren  alten  Vilmar,  Prntz,  Beroays  und  B&ehtold  zn  Worte 
kommen  lassen;  insgesamt  Literarhistoriker  von  ausgeprigtester 
Eigenart  und  hervorragender  Sprachkunst« 

Wien.  Prof.  Bobert  F.  Arnold. 


B.  SchulM  w.  a.t  Deotsebet  L«8ebacb,  ang.  ?.  A,  Hauaenblas.    617 

Dr.  Bernhard  Seh  alz,  Deutsches  Lesebacb  for  höhere  Lehr- 
ftüstalteii.  Nach  Maßgabe  der  Lehrpline  fOr  die  preuAisohen  heberen 
Schulen  vom  Jahre  1901  nea  berantgegeben  von  Prof.  Dr.  Schmitt- 
Mancj,  Prof.  Kost  er  and  Oberlehrer  Dr.  Wejel.  Zweiter  Band. 
Fflr  die  Mittelklassen.  12.,  nmgearb.  Aoflage.  Paderborn,  F.  ScbOningh 
1906,  T  und  694  SS. 

Der  erste,  fdr  die  nnteren  Klassen  höherer  Lehranstalten  be- 
stimmte Teil  des  genannten  Lehrbuches  ist  bereits  in  dieser  Zeit« 
Schrift  (58.  Jahrg.,  8.  288  ff.)  ansfährlicher  besprochen  worden. 
Der  vorliegende  zweite  Teil,  ein  stattlicher  Band  von  nahezu 
700  Seiten,  erscheint  nach  denselben  gesunden  Grundsätzen  wie 
der  erste  umgearbeitet.  So  ist  es  u.  a.  sehr  zu  loben,  daß  die 
Herausgeber  im  Prosateile  Stucke  ausgeschieden  haben ,  bei  denen 
,,der  Gewinn  Zeit  und  Mühe  der  Wort-  oder  Sacherklftrung  nicht 
lohnte  oder  der  Inhalt  überhaupt  Erfahrung,  Anschauungs-  und 
FassnngsyermOgen  auch  des  guten  Schülers  überstieg*'.  „Ein 
Gleiches  erfuhren  Stücke,  in  denen  erziehliche  oder  wissenschaft- 
liche Tendenz  sich  aufdr&ngte,  und  —  nach  dem  Grundsatze,  daß 
auf  der  Mittelstufe  die  Anschauung  das  vornehmlichste  Unter- 
richtsmittel bleibt  —  ebenfalls  ein  Teil  der  zahlreichen,  vielfach 
über  einen  Leisten  geschlagenen  abstrakten  Anfsfttze"  (S.  IV). 
Dafür  sind  —  wie  dies  schon  betreffs  des  ersten  Bandes  hervor- 
gehoben werden  konnte  —  in  bemerkenswertem  Umfange  Proben 
aus  der  Literatur  der  jüngeren  Vergangenheit  und  der  Gegenwart 
herangezogen  worden,  doch  „ohne  die  Rechte  der  Klassiker  zu 
schmälern**.  Es  erscheint  in  Vers  und  Prosa  nicht  nur  die  Zeit 
von  1870  berücksichtigt,  sondern  auch  Tatsachen  der  folgenden 
Jahrzehnte  finden  in  dem  Lektüresteff  Verwertung,  wie  die  Thron- 
besteigung Kaiser  Wilhelms  II.  (S.  286),  in  einem  Gedichte  Wilden- 
bruchs (8.  669)  der  90.  Geburtstag  Moltkes  (26.  Oktober  1890) 
u.  a.  Diese  moderne  Auffassung  macht  sich  noch  in  einem  anderen 
Punkte  bemerkbar:  in  der  Verteilung  des  prosaischen  und  des  poe- 
tischen  Lesestoffes.  W&hrend  auf  die  Gedichte  rund  200  Seiten  ent- 
fallen, ist  der  Prosa  ein  Baum  von  rund  500  Seiten  eingeräumt. 
Und  es  ist  gute,  abwechslungsreiche  Prosa,  die  hier  geboten  wird : 
Fabeln,  Parabeln,  Allegorien  und  Paramythien;  Erz&hlungen  und 
Legenden;  nordisch-germanische  GOtUr^a^^er},  cordiBch-^ernianiBcho 
Heldensagen;  zur  deutschen  Literatargeschicbte;  Geschicbtlidies; 
Beschreibungen,  Schilderungen,  Szenen  ^  Bilder,  GemäMe  uuj 
rakterzeichnungen ;  Abhandlungen. 

Mit  einem  Lesebuch,  welches  eiüe  solche  Fülle  ¥ortr« 
masDigfaeher  Stilmuster  bietet,  werden  sich  auch  leicht  di« 
stilistiachen  Ziele  des  deutschen  Uoterricbtes,    wie  iie  fftri« 
die  Mittelstufe  besonders  in  Betracht  kommei 
reichen  lassen^  im  Gegensatz  zu  anderen  L^^f 
in  denen  die  Prosa  allzu  stiefmütterlich  bed^ 
Mangel  an  guten  Prosa-Mustern  beeonders  ■^  * 


I 


618  Brandl'Keüer,  Jahrb.  d.  D.  Sbaketpeare-GeiellKb.,  uig.  ?.  Eüinger, 

OsterreichiBcheD  Qjmnasieo  herrscht»  darfiber  klagt  Denerdings  auch 
Wiesner  an  mehreren  Stellen  seines  sehr  beachtenswerten  BvchM 
^Der  deutsche  Unterricht  an  nnseren  Gymnasien,  Wien  1907*". 

Im  poetischen  Teile  nberwiegen  im  Einklänge  mit  den  nenen 
prenBischen  Lehrpl&nen  die  erzählenden  Dichtungen  nnd  zwar  mit 
YoUem  Recht :  „Die  Schüler  dieser  Klassenstnfe  yerlangen  starke, 
erschütternde  Töne,  eine  Poesie  voUBewegong,  Handlang  und  Leben; 
für  zarte  Natnr-  nnd  Seelenstimmnngen  sind  sie  in  diesem  Alter 
noch  wenig  empfftnglich'*  (8.  IV).  Deshalb  haben  sich  die  Herane- 
geber  der  Lyrik  gegenüber  anch  in  diesem  Bande  einer  gewiesen 
Maßhaltnng  beflissen,  „bleibt  doch  diese  zarteste  Blüte  mensch- 
lichen Geistes  in  ihren  feinsten  nnd  tiefsten  Gebilden  dem  besten 
Schüler  der  Mittelklasse  verschlossen''  (8.  IV).  Die  „Maßhaltang*" 
könnte  allerdings  noch  strenger  sein,  denn  das  Bncb  weist  an 
„eigentlicher  Lyrik**  immerhin  noch  78  Nnmmem  auf. 

Gegen  die  Answahl  im  einzelnen  lassen  sich  wenig  Einwen- 
dungen machen.  Anch  sind  die  Begriffe  „schwer"  nnd  gleicht", 
„passend"  nnd  «nnpassend*  gar  zn  schwanicend.  Doch  dürften  die 
Heransgeber  vielleicht  bei  genauerem  Znsehen  selbst  eingestehen, 
daß  die  feinsinnige  Betrachtung  W.  Wackemagels  (Leseatück  Nr.  43) 
„Die  Dichtkunst  im  Mittelalter**  eher  mit  gereifteren  Schülern  zn 
lesen  wftre,  ebenso  Nr.  44  „Walter  von  der  Vogelweide.  Nach 
Wilmar(!),  Stöhn -Violat  n.  a.**  —  In  den  Gedichten  Nr.  116,  117 
und  118  bfttten  die  Herausgeber  wohl  daran  getan,  die  hftßliche 
Wortform  „Zitherbubens**  zn  Andern,  auch  gegen  den  Autor. 

Mies  i.  B.  Adolf  Hauaenblas. 


Jahrbuch  der  Deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  im  Auftrege 
des  Vorstandet  heraasgegeben  ?on  Alois  B ran  dl  nnd  WoUguig 
Keller.  48.  Jahrgang.  Mit  2  Bildern.  Berlin- 8€h0neberg,  Lanfren- 
scheidteche  Verlagebuchhandlaog  (Prof.  G.  Langenseheidt)  1907. 
ZXXII  and  492  SS. 

Auf  den  Jahresbericht,  d,er  in  der  Generalversammlung  vom 
28.  April  1906  durch  den  Pr&sidenten  erstattet  worden  ist,  folgt 
ein  Abdruck  des  in  derselben  Versammlung  gehaltenen  Festvortragee 
„Shakespeares  Lustspiele  und  die  Gegenwart**  von  Ludwig  Fulda. 
Der  Vortragende  führt  darin  aus,  daß  Shakespeare,  den  nach- 
einander die  Stürmer  und  Drftnger,  die  Klassiker,  Romantiker, 
Naturalisten  und  Bealisten  zn  den  Ihrigen  gerechnet  haben,  von 
der  kommenden  Generation  vielleicht  noch  einmal  neu  entdeckt 
werden  könne.  Es  handelt  sich  n&mlich  um  Shakespearee  tob 
märchenhaftem  Zauber  und  festlicher  Heiterkeit  erfüllten  Lust- 
spiele, die  bisher  kein  Lustspieldichter  nachzuahmen  veraacht  bat 
und  die  gerade  dem  Bedürfnisse  der  modernen,  durch  die  alige* 
meine  und  gleichmäßige  Aufklärung    gesättigten  Menschheit  eut« 


^ 


Brfindl-K€U0t,  Jahrb.  d.  D.  Shakeapeare-GeaeHscli.j  mg.  ?*  EUinger.  6W 


Ift^flnDkOfnmeti  BcheinaiiH.  Der  BiMcn^Bwert  ShakespeartB  liegt 
darjDf  dal^  er  üsb  anleitet,  a^f  die  Natur  ^arückzügebeti ,  aber 
tiicbti  wie  der  NatnraliEmtig  es  f erlangte,  anf  die  Natur  am  ans, 
MOdirD  aaf  die  Natnr  in  qds,  und  daG  er  üds  ermutigt,  das  Ud- 
biffQQte  in  ihr,  weil  es  das  eiuzig  Schöpferische  ist ,  gegen  das 
QttiLflte  £n  TerteidigQO.  ^Er  nimmt  ana  das  Bleigewicht  Qnaerer 
Soperkingbeit  fon  den  Scbtiltern  und  drückt  uns  den  HirteDetab 
in  die  Hand.  lo  solcher  Verkindiichnag,  in  solcher  neuen  Men«cb- 
verdnDg  verheißt  er  uns  die  Wiedergeburt,  ana  der  aHeto  das  nn- 
eeWige  nod  nachwandleriscbe  ScbaßTen  einer  zakönftigen  Knnstt 
m  81  Goethe  verlangt,   ersprießen  kaQn^^ 

dm  Eeigei)    der  Abbandlangen    erOfnet   der   Abdruck   eines 

MonlipLeieB    ans   Shakespeares    Jugendzeit,     betitelt     nThe   Tide 

Tuf^tk  No  Man"*,   mit  einer  Einbitung    von  Ernst  Etbl   (S.  1 

lbiiS*52).    Sodann    folgt  der  Schluß  Ton  Engen  Kiliana  Arbeit 

liber  «SchrejTogels  Sbakespeare- Bearbeitungen"  (S*  53 — 97),    Der 

|Virf.   bespricht    die   deutschen    ObersetzungeEi   und   Bearbeilnngeo 

öo  Sbakeepeares  „Eanfmann  Ton  Venedig**,  „Othello"  nod  ^Uamlet" 

Dd  konrmt    in  dem  Seblnsse,     daß    Scbreyrogela    Bearbeitungen 

Ffif «Daher  den  ScbrSderi  sehen    in  so  fern   einen  Biesen  fortecbritt  be- 

[iiaUttn,    ale  eich  Schrejrogel   znerat  bemühte^    trotz  der  beson- 

lliriQ  Qeschnt  a ck trieb  tat)  g  des  Wiener  Publiknms  und  der  drücken- 

(ttEi  Zeninrverbältnisge   den  echten  Shakespeare   auf  die  Bühne  zn 

IkriogiD«     Hieran   reiht  sich   ein  äholicber  Aufsatz  von  Alexander 

k  Weilen  über  „Laube  und  Shakespeare"  (S.  98—137)-     Nach 

vkm  eingehenden  Betrathtung   von    Laubes  Shakespeare -Bearbei-» 

|lngin  fiUt  der  VerL  über  sie  das  Urteil,    daß   es   bnhntngerecbt 

A|«sehnittene  Theaterstücke  seien«    die   aber,    wie  seinerzeit   die 

^Biirheitungen  Schröders,   gar  keine  Eücksicbt  auf  die  lutentionen 

'  t  Originals  nahmen.    Laube  bat  nur  das  Verdienstf  vielen  Werken 

iktspeares   zum  eritenmai  einen  Plat^  im  Kepartoire  des  Burg- 

hnUn  verschafft  zu  haben ;    von  seiueD  Bearbeitungen    bat  sich 

Mir  die  des  ^Julius  Cisar"*    erbalten.     Die  zwei  ietzien    der  län- 

[firiu  Abhandlungen    sind:    ^Znr   Qnellenfrage    von   Shakespeares 

LSturm**    von    Dt.   Gustav   Becker    (die  1610    erscbiensna   spa- 

piseki  NoTeÜensamminng    ,Noehes  de   Jnpkrno'    von  Antonio   de 

lifaTa  hat  gemeinsame  Züge  sowohl  mit  Shakespeares  f,Stnrm^, 

kli  lach  mit  Ajrers  ^Comedia  von  der  schönen  Sldea'%   aber  alle 

4r«i  Werke   scheinen  auf  eine  unbekannte  Urquelle  znrückzngehen) 

»ind  ^FuechkiD  und  Shakespeare'*  von  Michael  Pokrowski  j  (S.  16B 
hi8.t09),  worin  nachgewiesen  wird»  daß  der  russische  Drama- 
^^f  PuBcbkln  in  seinen  Stücken  nn  verkenn  bare  Beeinöussung 
dwth  Shakespeare  verrät,  —  Auch  in  diesem  Bande  wird  die 
^^ll^ria  berübuiter  Künstler  als  Darsteller  Sbakespearescher  Ge^ 
^Jiititi  durch  zwei  neue  vermehrt,  nÄmlich  pStella  von  flohenfeis 
I  5»  0(*iielia^  von  Heleui  Richter  (S.  138—146)  und  ^Eilen 
kJ|D  all   Hertnione**    von   Ernst  Leopold  Stabi    (S,  147<— 154). 


620  Le  Towmau'Lagarde,  Abr^g^  d'hitioire  mir.,  wag,  r.  F.  Wawr: 

Der  zweite  Teil  des  ,, Jahrbuches*  hat  folgenden  Inhalt: 
^Kleinere  Mitteilnngen''  (8.  210—280),  „Nekrologe**  (Dr.  Richard 
Oamett,  William  James  Craig,  Richard  Schröder,  S.  281--286), 
^BQcherschaa''  (8.  237— 291),\,Zeit8chriften8chaa«'  (8.  202— o82), 
„Theaterschan''  (8.388—882),  ^Shakespeare-Bibliographie«'  1906 
(8.  888—475),  „Zuwachs  der  Bibliothek  der  Dentschen  Shake* 
speare-Gesellschaft  seit  April  1906««  (8.  476—480),  „Mitglieder. 
Verzeichnis««  (8.  481 — 187),  „Namen-  nnd  Sachyerzeichnis««  (S.  S88 
bis  8.  492). 

Das  nene  „Jahrbuch««,  das  dnrch  die  Reichhaltigkeit  und 
Gediegenheit  seines  Inhaltes  sowie  dnrch  seine  wirklich  voniobme 
Ausstattung  nicht  nur  allen  Mitgliedern  der  Deutschen  Shakespeare- 
Gesellschaft ,  sondern  auch  allen  Freunden  Shakespeares  hob«  Be- 
friedigung bereiten  wird,  scheint  mehr  als  alle  Reklame  duo  be* 
rufen  zu  sein,  fflr  die  Deutsche  Skakespeare-Gesellschaft  nene  Mit- 
glieder zu  werben. 

Wien.  Dr.  Job.  Ellinger. 


Abr^£  d^bistoire  de  la  Littöratore  fran9aise  ä  rosage  des  ^1m 
et  de  renteignement  pri?^  par  Marcel  Le  Toarnao  et  Lotus  Li- 
gar  de.  Berlin  1906,  Weidmannsche  Bachhandliing.  VIII  und  175  BS. 

Dieser   fflr  Lehrerbildungsanstalten,    höhere    Töchterschiileo 
und  weiter  dann  auch   fdr  Universitfttsstudenten  bestimmte  Abriß 
der  französischen  Literaturgeschichte  besteht  ans  Tier  Hauptteüen: 
1.    dem    Mittelalter    (S.    1—15)    und     dem    XVL    Jahrhundert 
(8.  16—25);    2.    dem   XVH.  Jahrhundert  (S.  25—58);    8.  dem 
XVIII.  Jahrhundert  (8.  58—75)  und  schließlich   dem  XIX.  Jahr- 
hondert  (8.  76—182).  Es  ist  also  you  den  frflheren  JahrhunderUo 
dem  XVIL,    und  dies  mit  Recht,   der  größte  Raum   zugemesseo, 
der  Schwerpunkt    der    Darstellung  jedoch  in    das    XIX.    yeriogt. 
In    das    letztere    sind    auch    bereits    Schriftsteller    aufgenommeo 
worden,    die    sich    bisher  noch   nicht   in   Kompendien   finden  wie 
Rostand,  P.  Loti,  Anatole  France  n.  a.  Außer  diesem  Vorzug  bat 
das  Buch  dann  baupts&cblich  den«  oau  eä  unter  Verraeidno^  \mn 
Redensarten  die  literarischen  Haupt&trC>müngrBn  in  korien,  krifti^eb 
Zflgen  charakterisiert,  die  Einflflste.  die  bestimmend  auf  den  ^asf 
der  Literatur    einwirkten,    aufzeigt    und    io    der    Behandlung  der 
Autoren    neben    dem    unumgänglich    notwendigen    Äoßerljob  Bu? 
graphischen  das  Eflnstlerisch -Literarische  scharf  her^ortreiin  "^^ 
Im  XIX.  Jahrbundertf  dessen  Darstellou^  nicht  nur  dem  Umfiof^t 
sondern  auch   dem    inneren   Werte   nach    die   der   TorhergeheD^ 
überragt,    sind    so    die    literarischen    Uichtnugen   des   BetUir 
des  Katuralismus,    der  Pamassicns,    der  Svmboliiten   und  \^^ 
sionisten  kurz,   aber  ausreichend  gt^konn zeichnet.     Hier    lifli«^ 
eingebender    behandelt    Chateaubriand,    V.    Hugo,    G^'^ — 


Le  Tournau-Lagarde,  kht4g4  d'bistoire  niw.,  ang.  t.  F.  Watora,  621 

Balzac,  M^rim^,  Zola,  Alphoose  Daudet,  P.  Loti,  Aoatole  France. 
Andere  sind  trotx  ihrer  Eärze  Tortrefflich  dargestellt:  Mme.  de 
Staä,  Alfrtd  de  Vigny,  Lamartine,  Mnsset  o.  a.  Unyerb&ltnis- 
mftßig  korz  kommen  dagegen  weg  Snlly  Prndhomme,  der  den 
Parnasiiens  abgeeprocben  wird,  und  Copp^e.  Andere,  die  man  doch 
aaeb  in  einem  ,,karzen  Abriß"  nicbt  gerne  missen  mOcbte,  sind 
übergangen:  im  XVIU.  Jabrhnndert  der  Abbö  Prevost;  im  XIX., 
wo  doch  sonst  nichts  Bedeutenderes  anßeracht  gelaesen  wird, 
Ponsard,   Mallarm6  und  Hör^ia  und  sogar  6ny  de  Manpassant. 

Die  Aber  die  Antoren  gef&Uten  Urteile,  offenbar  anf  ge- 
diegener Kenntnis  nicht  nnr  der  literarischen  Produkte,  sondern 
auch  der  literarischen  Kritik  beruhend,  sind  wohl  begründet  und 
dürften  selten  auf  Widerspruch  stoßen.  Destomebr  f&Ut  die  noch 
unter  dem  Einflüsse  Boileaus  stehende  Beurteilung  Bonsards  auf, 
dem  es  nach  der  Behauptung  der  beiden  Verfasser  an  poetischer 
Begabung  gefehlt  habe  („rinspiration  reelle  manque  &  la  po^sie 
de  Bonsard  qui,  pleine  d'une  savante  mytbologie,  est  plutöt,  t 
quelques  exceptions  pr^s,  Tourrage  d'un  adroit  yersificateur  que 
d'nn  homme  qui  chante  ses  joies  et  ses  peines"),  eine  Ansicht, 
die  Ton  der  literarischen  Kritik  schon  Iftngst  überholt  ist. 

Den  didaktischen  Zwecken  des  Buches  tragen  Bechnung  die 
jedem  Kapitel  angefügten  Zusammenfassungen  („R^sumös**).  Von 
der  eigentlichen  Literaturgeschichte  losgelöst  und  einem  Anbang 
(MAppendice**)  einyerleibt  sind  die  „Analysen"  einiger  der  hervor- 
ragendsten Literatnrwerke,  deren  Stoff  („suJet"),  Inhalt  („rösumö") 
und  kritische  Würdigung  („critique**)  gegeben  wird.  Vertreten  sind 
in  diesen  Analysen  der  erste  Zeitraum  durch  das  Bolandslied,  das 
XVIL  Jahrhundert  durch  Corneille  (Cid,  Horace,  Cinna,  Polyencte), 
Meliere  (Lea  Prdcieuses  ridicules,  le  Misantbrope,  TAvare,  las  Fem« 
mea  aayantes),  Baeine  (Britanniens,  Iphig^nie  en  Aulide,  Atbalie) 
und  F^nelon  (TeUmaque);  das  XVIU.  Jahrb.  durch  Voltaires 
Zaire,  Bouaseaus  Emile,  la  Nourelle  H^lolse  und  Contrat  social; 
daa  XIX.  Jahrb.  durch  eine  große  Anzahl  von  Autoren  und  Werken : 
Mme.  de  Stadi  (de  TAUemagne),  Chateaubriand  (Q^ie  du  christi- 
aniame  und  Atala),  V.  Hugo  (Hernaoi),  George  Sand  (la  petite 
Fadette)»  M^rimee  (Colomba),  Octave  Fenlllet  (?e  romaD  d'uQ  Jfüne 
homme  pauvre),  Ant^ier  (le  Geadr«  de  M.  FninerJ,  Dandet  (le 
peiit  Choae  nnd  TartariD  d«  TaratcDt])^  seblitülioh  P.  Loti  (P4cbeur 
d'Islande). 

Abgeech lotsen  wird  das  sich  ait«^jatt|^^^^rl^cb  darcb 
seine  aebOne  AueitattaD^  empfebl»nd^  ^^^^^^^B^*  chrono- 
logiaeh  geordneta  Ob  ersieh!  ftbiPT^*  ^^^^^^|towiirte 

(Tablean  biitariqüe   et  liUitf^  *  ^^^^pill»)^ 

I>er  VoUsUndigkeit  hq 
der   Verf.  an.    8,    24:    „ 
6f6qiie,    eoooQ   d'ailttQrs 
Panl  doane  son  Intn^ 


622  B,  F.  Heimelt,  Weltgeicbiohte,  sag.  t.  J.  Loatrih. 

eine  Verwechslang  mit  dem  Heiliges  Franz  TonSales,  Bliehof 

TOD  Genf,    Tor;    und  S.   43:    „ Martine  qai,   dans  ki 

PrScieuus  ridieules,  offenee  Vangelae'*»  wo  es  natürlich  statt 
PrMeuses  ridieules  Femmes  savantes  heißen  muß. 

Von  den  im  Verzeichnis  nicht  namhaft  gemachten,  noch  ein 
gntes  Dutzend  betragenden  Druckfehlern  heben  wir  nur  die  fftr 
Voiture  (S.  81)  gegebenen  Jahreszahlen  herror,  für  welche  statt 
1698—1548  einzusetzen  ist  1598—1648. 

Ohne  Zweifel  kann  Le  Toumau — Lagardes  Abriß  der  fran- 
zösischen Literaturgeschichte  als  eines  der  besten  diesen  Stoff 
behandelnden  Kompendien  betrachtet  werden. 

Wr.-Neustadi.  Dr.  F.  Wawra 


Hans  F.  Helmolt,  Weltgeschichte.  Neanter  Band.  Nachtrftfl;e. 
Quellenkande.  Generalregifter.  Mit  2  Karten  und  2  schwanen  Bei- 
lagen. Leipiig  und  Wien,  Bibliographisches  Institat. 

In  den  Nachträgen  behandelt  Alexander  Tille,  in  Ergänzung 
seiner  früheren  Darstellung  „Großbritannien  und  Irland^  (Bd.  VI), 
jetzt  die  Geschichte  Großbritanniens  und  Irlands  seit  dem  Tode 
Georgs  HI.  und  zwar  in  Tier  Kapitehi  1.  Großbritannien  als  Agrar^' 
und  Industriestaat,  2.  Seine  Entwicklung  zum  Industriestaat, 
8.  Industriestaat  und  Weltwirtschaft  und  4.  Weltbritannien  als 
Wirtschaftsgebiet  und  Staatenbund.  Die  Darstellung  ist  bei  aller 
Knappheit  streng  sachlich  und  dabei  übersichtlich  und  ansprechend. 
Politische,  Verfassungs-  und  Wirtschaftsgeschichte  werden  gleich- 
mäßig behandelt  und  die  Kolonien  entsprechend  berücksichtigt 
Eine  Karte  zeigt  die  Entwicklung  der  drei  Länder  England,  Schott- 
land und  Irland  seit  der  Angelsachsenzeit  bis  ins  XV.  Jahrbonderi 

In  gleich  Torzüglicher  Weise  wie  schon  im  VIII.  Band 
schildert  Richard  Mayr  Westeuropas  Wissenschaft,  Kunst-  und 
Bildungswesen  Tom  XVI.  Jahrhundert  bis  zur  Gegenwart  und  zwar 
zuerst  die  bildenden  Künste,  die  Natur-  und  die  Geisteswissen- 
schaften —  man  wird  gestehen,  daß  hier  ein  tüchtiges  Stück 
Arbeit  zu  leisten  war.  Der  Verf.  ist  ihr  nicht  bloß  in  Punkt  1 
und  8,  sondern,  wie  mich  ein  Fachkollege  belehrt,  in  Punkt  2 
durchaus  gerecht  geworden.  Zwei  Bilder,  die  Porträts  Ton  sechi 
Naturforschern  (W.  E.  Weber,  Gauß,  Helmholtz,  Siemens,  Edisoo 
und  Böntgen)  des  XIX.  und  sechs  deutsehen  Philosophen  (Kant, 
Fichte,  Hegel,  W.  r.  Humboldt,  Schelling  und  Schopenhaasr)  des 
XVUI.  und  XIX.  Jahrhunderts  enthalten,  sind  der  Arbeit  beigegeben. 

Als  Ergänzung  erhalten  wir  einen  trefflich  geschriebenen 
Aufsatz  von  Viktor  Hantzsch  „Die  deutsche  Auswanderung'*  und 
zwar  (was  manchem  yerwunderlich  sein  dürfte)  auch  noch  Tier 
Abschnitte  über  vorchristliche  Wanderungen  deutscher  Stämme,  ^9 
Völkerwanderung,  die  Bückwanderung  nach  dem  Osten  und  mehrere 


€h.  BImnerfmMBeii  Die  Jun^frAti  tüh  OrkÄti»j  atg»  r,  J.  Frartfe,  623 

[ire  EiDzelwAnderiiiigeii,  denen  eich  in  weitereD  vier  Abfichnilteii 
I  diiit&cbe  AuiwaDderüDg  im  XVL,  XVIL,  XVIIL  QDd  XIX.  Jabr- 
^dtrt  anaebUeßt«  Hieranf  folgt  em  'Metbolologigcher  Bäckblick' 
die  ErgebDiflAe  der  Weltgeacbicbie  (L  Die  Ergebniste  und 
I  Kar  Psjcbolögie  der  Weltgescbicbte)  ?od  Thomaä  Achelie,  der 
Un  giüi%n  Werdegang  ab  erblickt  und  die  emzelEeo  Methoden 
tiiiioaobaftlieher  BehaDdloDg  der  GescbicbU  beröbrL  Zam  ScblaBie 
brinft  Haufl  F.  Heimolt  im  V&reio  mit  den  Miiarbeitero  eine 
QaillftjiküQde,  d,  b^  n^ln  VerzeicbDis  jener  Scbriften,  die  eingebender 
fOD  den  im  Text  erwäbnien  Tatsachen  bandeln".  Fnr  die  Zwecke, 
iiktiedie  TorUegende  Weltgeacbicbte  verfolgt,  ist  der  Inhalt  retcblicb 
laMDoeOt  reicher  ale  man  ibn  in  eonstigeo  vielbändigen  Weit> 
^ichlebteo  findet«  Ich  wftGte  z.  ß.  nichts  wae  man  ^ —  immer 
Zweck  im  Ange  behaltend  —  in  Bezng  auf  die  Geschichte 
bmeni  an  Literatur  noch  mehr  anfügen  sollte.  Freilich  nicht 
all  ist  es  so.  In  den  ^nr  englischen  Geschichte  geh 5r] gen 
rtien  vermißt  man  doch  manches  Bnch  ^  das  noch  zn  nennen 
l^iHn  wäre.  Dankenswert  ist  das  Qeneralregister  zn  BämtUcbeu 
pi  Bänden»  dessen  Ausarbeitnng  sich  Friedrich  Bichter  unter* 
^n  hat. 


OraE. 


J,  Losertb. 


idy  Cbarlotte  Blennerbasset,  Die  Jungtrau  ?oq  Orleans. 
Üit  fSnf  Kunaldrucke».  Bielefeld  und  Leipiig^  Velhagen  &  Kla«ing 
IÖ06.  226  SÜ.  kl.  8^ 

Wem  es   mit  der  Erforschung   der  geschichtlichen  Wahrheit 
kt  ist,    der  wird  sich    stets  dagegen  str&nben,   an  die  Überlie- 
ag  von  VorgAngen  zu  glanben^  die  der  Analogie  aller  mensch - 
Erfabmog    nnd    den  Gesetzen    des  natnrlicbon   Oeecbehens 
lirfpreehen^  selbst  wenn  dieser  Glanbe  seinem  persönlichen,  poÜ* 
D.  nationalen  oder  religiösen  Selbstbewnßtsein  schmeicheln  und 
ieio«D   eigenen  Überzengnngen  nnd  Interessen    sonst  nberein- 
ioien  ioHte.    Es  geht  aber  darnm  doch  nicht  an,    jede,    wenn 
IBS  goten  Quellen    üießende  historische  Nachricht,    die   nns 
»Ulriich    erscheint    oder    sich    anch    onr  dem   gemein  faßlichen 
jVirit&iidnisse  der  Alltftgllcbkeit  nicht  leicht  einordnen  will,  sofort 
Reich  der  Fabel  nnd  tendenziösen  Erfindung    zu    verweisen 
inf  eine  seichte,  rationalistische  Art  denten  nnd  plattscb lagen 
»ollen.     Ein  solches  schwer  zn  bewältigendes  Problem  ist  die 
bichte  der  Jeanne  Darc.    Ancb  die  verwegenste  Kritik  konnte 
Nebt    lediglich    als    ein  ans  einem  verworfenen  Stein  der  Ge- 
Vcbte  zu   einem  Eckstem   der  Kunst  (etwa  in  der  Art  Wilhelm 
^*U$)    gewordenes    Gebilde    hinstellen !     Anch    der    beliebte   Ans- 
^%,  ibr  außerordentliches  Wirken    dnrch  Antosnggeetion ,  Extaaet 
Bttnalionen    nnd    ähnliche   bjsterische  nnd   kataleptische   Zn- 


esen  1 


der  iuessntig  nna  ZftbioDg  enuieEittxiaeti  «ogeDAnnt« 

als  m  der  6esfihicbtg  sehr  wirkBame  Faktoren  Dicht' 
An  der  HaDd  der  Lady  Bl.  kÖODan  wir  dieseD 
Sptireo  zieEDlich  gut  folgen.  Wir  werden  daraof 
hier  wie  anderswo  im  Volke  eine  vom  Klerus  nachaj 
dete,  innige  Vermengnng  nialter  betdnlicbtr  Sagtn  ml 
LegiDden,  beidniscber  Dämonologia  mit  cbristlitbem  | 
ineinander  TersebwmiBende  Heminiszenitn  an  ^au| 
Bieseo  und  Gnomen  einer*  und  an  Heilige,  Märtyrer, j 
Eingiedler  anderseits  eebr  stark  fortgewirkt  haben  n^ 
die  Jungfrän  von  Orleans  von  diesen  Einwirkangen  ergl 
gel«  obscbon  sie  die  Meinnng  des  eigenen  Bruders^  ^\ 
einer  getieimnisvonen ,  als  Schemel  oder  Damenbaii| 
Bucbe  angetan  worden,  beftig  zurückwies  und  jede  Bei 
Mandrftgorawonel  bestimmt  leugnete.  Dafi  diese  gl 
man  gen  in  jener  Zeit  soznasgeD  in  der  Laft  Iftgd 
mehrere  prodrome,  Ter  wandte  Erecheinnngen:  Die  m 
Merlin  zngescb rieben«  PropbezeinDg ;  die  Weissagnni 
miten  Jobann  tod  Gent;  die  Yisionäriti  Mai-ia  foQ  J 
An f treten  des  an  Savonarola  gemahnenden  Kar m eilt ermfti 
Conette  md  des  für  das  Jahr  1430  unerhörte,  wund^ 
nisse  Terköndenden  Franziskanerbrnders  Bichard*  ß« 
weist  die  30  Jahre  vor  Johannas  Geburt  gestorben e, 
bei  ihrer  Sendang  anf  einen  bestimmten  gGtiltchen 
Katharina  ron  Siena  überrascbend  ähnliche  Züge  mit 
Was  die  Johanna  am  m&cbtigeten  treibenden 
nnd  Stimmen  betrifft,  so  IftGt  sieh  dae  in  nnseren 
geteilte  etwa  in  Folgendem  zusammenfassen:  Johaim 
diese  piophetiseben  Inspirationen  felsenfest,  wen& 
sobald  man   von   ihr    genanere  Mitteiltiogen   dbe 


Qil^m^^m.      .^^m.^fr^ 


■AaAlalLAl^.*dLJ      ltL.>.«^L 


Ch.  Blennerhasset,  Die  JoDgfiraa  toh  Orleani ,  ang.  y.  J.  Frank,  625 

dessen  Mißtrauen  überwunden  habe,  obzwar  diese  hartnäckige  Yer- 
sebwiegenbeit  anscheinend  ihre  Verarteilnng  in  Ronen  herbeigreffthrt 
bat.    Im  allgemeinen  hOren  wir  Yon  dem  genauen  Eintreffen  der 
Yorhersagnngen  ihrer  Stimmen,  so  z.  B.  deren  Ankündigung,  daß 
Jobanna  bei  Orleans  yerwnndet,    aber  nicht  kampfunfähig  werden 
würde;    daß   sie   „nur  noch   ein  Jahr    und   nicht  länger  dauern 
werde'';    daß  sie  (so  sprach  sie  in  Melun)  vor  dem  Johannestag 
werde  gefangen  werden  und  daß  sie  (dies  waren  ihre  Worte  in  Com- 
piögne)  „binnen  kurzem  dem  Tode  werde  überliefert  werden'^.  Zu- 
weilen jedoch  ließen  sie  ihre  Stimmen  im  Stiche.  Sie  wollte  aber  auch 
dann  ihnen  niemals  die  Schuld  geben;  yielmehr  schrieb  sie  selbst 
die  Mißerfolge  lediglich   ihrer  eigenen  falschen  Deutung  des  Ver- 
nommenen oder  gar  ihrem  ungehorsam  gegen  die  ausdrücklichen 
höheren  Weisungen  zu.  Ersteres  z.  B.,  da  sie  zu  Beims  den  yer- 
miglückten   Zug  nach  Paris  verlangt  hatte;    letzteres,    als   sie, 
anstatt  in  St  Denis   auszuharren,    den  Angpriff  auf  Paris  unter- 
nahm,   als  sie  die  Bettung  aus  der  Gefangenschaft  durch  einen 
Sprung  in  die  Tiefe  versuchte,  und  als  sie  endlich  in  Ronen  sich 
zum  Widerrufe    einverstand.     Nur  kurz    vor  ihrem  Tode    scheint 
Jobanna  einen  Augenblick  schwankend  geworden  zu  sein    und   es 
ist  gut  beglaubigt,  daß,  als  ihr  Todfeind,  der  Bischof  Gauchon 
ihr  mit  höhnenden  Worten  ankündigte,   sie  müsse  sterben,  obwohl 
sie  gesagt  habe,  ihre  Stimmen  würden  sie  befreien,  auch  Johanna 
zugab,  daß  „sie  getäuscht  worden  sei**. 

Als  Wundertäterin  hat  sich  Johanna  nie  ausgegeben  und  sie 
▼erweigerte  es  schon  in  Poitiers  zu  ihrer  Beglaubigung  „Zeichen'^ 
zu  tun;  eine  ihr  nach  ihrer  Verwundung  zur  Stillung  des  Blutes 
vorgeschlagene  Zauberformel  wies  sie  entschieden  zurück  und  nie- 
mals (so  bezeugt  ein  Dominikaner)  hat  sie  abergläubische  Bräuche 
oder  eine  abgöttische  Verehrung  ihrer  Person  auch  nur  gutgeheißen. 
Eine  übertriebene  Vertrauensseligkeit  zur  Geistlichkeit  oder  auch 
nur  eine  Anrufung  derselben  als  Mittler  ihres  Verkehrs  mit  den 
Stimmen  war  Johanna  so  wenig  eigen,  daß  sie  später  einmal 
sogar  bekannte,  sie  habe  zu  Gott  gefleht,  sie  vor  den  Kirchen- 
leuten za  bewahren.  Bemabe  einstimmig  bezengt  ist  ihr«  Keuscb- 
beit  und  intakte  Jungfräulichkeit  (wie  Dicbt  nur  dnrcb  eine  oacb 
Domremj  gesandte  aus  Franzi  skaD^rn  b«Bt«hendd  Kommifisioo, 
sondern  anch  durch  die  perBf^nlicbe  ÜaUriuehUJDf  tier  Kdnigin  Vio- 
laute  und  ihrer  Begleiterinaeo  und  später  diLrch  -^^"-  ^'  trotioD 
im  Auftrage  der  Herzogin  vod  Bedford  f^-'         "  ylner 

Würde,   die  selbst  die  ZnärmV^*'^'  >  i 
Schranken  zurückwies  oder  m^- 
aufkommen  ließ,  obschon  di^  J^  ^ 
getreuen  Haushofmeisters  d*Ai]!&* 

Von  den  sonstigen  una  mü  -> 
Johannas  entnehmen  wir  ^ 
herzinnigen  Verkehr   nii* 

ZdtoehriA  f.  d.  ««terr.  t>j^— 


626  Ch,  j^etmerhoBsei,  Die  Jongfran  ton  Orleaiu»  aag.  ?.  Jl  IhtnL 

gerne«  wenn  irgend  mOglich,  „über  Nacht  junge  Hftddehin  in 
ihre  Kammer  nahm**,  als  sie  es  yermied  „mit  alten  Weibern  zn 
schlafen*'.  Auch  wich  sie,  wenn  sie  konnte,  der  Berührung  mit  der 
großen  Menge  ans.  Ganz  merkwürdig  erscheint  die  Vorliebe  Jo- 
hannas für  das  Tragen  von  Mftnnerkleidem,  wovon  sie  sich  dnrchans 
nicht  lossagen  wollte,  so  daß  sie  sogar,  nachdem  sie  sieb  dua 
endlich  nach  27  Monaten  doch  einverstanden  hatte,  wieder  Fnnen- 
kleider  anzulegen,  wieder  rückfällig  wurde;  allerdings  nicht  ohne 
daß  man  ihr  eine  Falle  gestellt  hatte.  Den  eigentlichen  entsehal- 
digenden  Grund  hatte  wohl  am  besten  der  Erzbiscbof  von  Embnrn, 
Jaques  Gelu,  für  diese  ihr  znm  todeswürdigen  Verbrechen  gemacht« 
Handlungsweise  schon  in  Cbinon  angegeben,  indem  er  erklftrte,  ihr 
sie  zum  fortw&hrenden  Aufenthalte  unter  Mtanem  zwingender  Beruf 
erheische  es,  sich  deren  Lebensweise  anzupassen  und  es  sei  für  tie 
anstftndiger,  ihre  kriegerischen  Leistungen  unter  M&nnem  in  Mftnner- 
kleidem  zu  yerrichten.  Wie  sehr  er  darin  recht  hatte,  wird  am 
besten  durch  die  Mitteilung  bestätigt,  daß,  als  Johanna  nach  hef- 
tigem Widerstände  endlich  die  Männertracht  ablegte,  der  ihr  zum 
Frauenkleid  das  Maß  nehmende  Schneider  sich  dabei  so  unziemlich 
benahm,  daß  ihm  Johanna  einen  Schlag  versetzte.  Indes  scheint 
diese  unüberwindliche  Abneigung  der  PuceUe  gegen  das  Anlegen  der 
Franentracht  doch  noch  einen  besonderen,  gebeimnisYoUen,  fär  uw 
nicht  mehr  erkennbaren  Grund  gehabt  zu  haben ,  wenn  man  auch 
nicht  gerade  Jean  d^Aulons  Angabe:  „ Johanna  sei  den  Gebrechen 
ihres  Geschlechtes  nicht  unterworfen  gewesen*',  unbedingten  Qlanben 
schenken  wilL 

Henrorhebenswert  ist  (wie  das  auch  Lady  Bl.  tut)  die  Un- 
dankbarkeit und  Lieblosigkeit  Karls  gegenüber  der  Jungfrau,  die 
es  bewirkte,  daß  darüber  ihr  kindlich  yertrauender  Glauben  an  sich 
selbst  bisweilen  schwankend  wurde,  und  daß  sie,  trotzdem  sie  in 
ihrer  Ehrfurcht  und  Hingebung  an  seine  Interessen  nicht  einen 
Augenblick  wankte,  doch  gegen  ihr  Lebensende  wehmütig  be- 
dauernd anläßlich  ihres  Verhöres  die  Äußerung  tat:  In  me  non 
crediditl  Obzwar  er  sie  einmal  bei  einer  Begegnung  in  Tours  in 
einer  plötzlichen  Anwandlung  you  Erkenntlichkeit  sogar  stürmisch 
vom  Pferde  riß,  „als  wollte  er  sie  küssen **,  waren  doch  im  all- 
gemeinen die  Yom  Könige  ergriffenen  Maßregeln  derart,  daß  ee 
schien,  er  wünsche  nichts  sehnlicher  als  neue  Erfolge  der  Jung- 
frau zu  Yerhüten.  Sie  mußte  nicht  nur  den  mißtrauischen  König 
öfter  durch  eigenmächtiges  Vorgehen  zum  Handeln  fortreißen,  sondern 
die  Hauptleute  entwarfen  sogar  Kriegspläne,  die  sie  ihr  zu  verbeim- 
liehen  suchten.  Besonders  schimpflich  erscheint  es,  daß  Karl  auch 
nicht  den  kleinsten  Schritt  bei  Papst  Martin  V.  tat,  um  Johanna 
zu  retten,  obzwar  dies  gewiß  you  Erfolg  gewesen  wäre,  und  auch 
sonst  nicht  einmal  einen  Versuch  zu  ihren  Gunsten  wagte.  Es 
stimmt  mit  diesem  Vorgehen  des  Königs  überein,  daß  mit  Aus- 
nahme eines  einzigen  Berichtes  nirgends  erwähnt  wird,  Karl  habe 
die  80  empörende  Hinrichtung  der  Jungfrau  zn  rächen  unternommen. 


Ch,  BlehnerhoBsei,  Die  Jangfran  ton  Orleant,  ang.  t.  J.  Frank,  627 

So  etwa  gestaltat  sich  das  Bild  der  Pueelle   naeh  der  Dar- 
eUllimg  des  nos  Yorliegenden  Boches.  Seitdem  Lady  Blennerhasset 
dasselbe  geschrieben  hat«  ist  manche  Publikation  erfolgt,  die  nns 
jMDoe  Darc  in  einem  wesentlich  anderen  Lichte   erscheinen  läßt. 
Wir  haben  dabei  zuFörderst  den  1.  Band  des  jflngst  ?erOffentlichten 
Werkes  ,Vie  de  Jeanne  cPÄrc''   Yon  Anatole  France   im  Ange. 
Derselbe  h&lt  die  VerhOrsprotokolle  des  Prosesses  der  Jnngfran  nnd 
die  Akten  des  BehabilitiemngsFerfahrens ,    das  Tagebnch  der  Be- 
iigernng  yon  Orleans,  das  einer  der  Belagerten  geführt,  die  zeit- 
genessischen  Chroniken  von  Cagny,  Gilles  le  BouYier«  Jean  Char- 
lier,  das  ^MysUre  du  Süge  d^Orleans"  s&mtlich  ffir  teils  gefälscht, 
teils  irarteiisch  gefärbt;  Johanna  selbst  erscheint  ihm  als  ein  armes, 
krsDkes,    von   der  Geistlichkeit  zu  ihren  eigensfichtigen  Zwecken 
fflißbranehtes  Dorfmädchen   nnd   ihre  kriegerischen  Leistungen  als 
nichts  weniger  denn  Heldentaten.  Wie  man  sieht,  wirft  diese  Anf- 
/sssmig  die  bisherigen  Meinungen  YoUends  über  den  Haufen.    Wir 
dürfen  uns  ein  entscheidendes  urteil  Aber  diese  Unstimmigkeiten 
umsoweniger   anmaßen,    als   wir  in   A.  Frances  das  Werk  leider 
nicht  einmal  Einsicht  nehmen  konnten  und  dessen  Hauptinhalt  nur 
ans  einem  Beferate   aus  zweiter  Hand   kennen.    Nicht  flbersehen 
kenn  man  auch  einen  in  der  Zeitschrift  „Le  Mayen  Age*  wieder- 
gegebenen Bericht,  den  der  Kapitän  von  Beims,  Jean  de  Chätillon, 
nach  den  Mitteilungen  eines  burgundischen  ieuyer  YerOfFentllohte. 
Dieser  bezeichnet  die  Jungfrau  als  ^la  plus  simple  ehose'^,  die  er 
je  gesehen  habe,  nicht  zu  Tergleicben  einer  .s«  vaillanie  femme 
^  Mme.  d'Or.*  Die  letztere  war  nur  eine  zwerghaft  kleine,  aber 
hflbsche  Person,    die  als  Hofhärrin  am  burgundischen  Hofe  sich 
zugleich  auch  der  Liebe  und  besonderen  Gunst  des  Herzogs  Philipp 
dee  Guten    erfreute.    Während  die  Mad.  d'Or.  nur  eine  lustige 
Närrin  wäre,  sei  (so  meint  der  ieuyer  in  seiner  schon  an  und  fflr 
eich  frifolen  Gegenüberstellung)  Johanna  dumm!     Merkwürdiger- 
weise begegnen  wir  auch  bei  anderen  Gewährsmännern  dieser  ge- 
ringen Einschätzung  der  geistigen  Begabung  der  Jungfrau:  Pierre 
Migiet,  der  Prior  Yon  LongueYille,  erklärt  sie  als  sehr  «simp^**, 
Martin  Ladyenu  als  ^bien  ignoranW^^  so  daß  sie  nicht  einmal  das 
Vaterunser  hersagen  könne,  der  AdYokat  des  Pariser  Parlaments, 
Aiman  Vlole,  spricht  Yon  ihrer  ^wunderbaren  Dummheit^  und  da£> 
sie  weder  lesen  noch  schreiben  könne.    Wir  hebeEi  dieee  Angaben 
herror,   weil  Lady  Bl.   gerade    das  außerordentlich  kluge  nnd  bt- 
eennene  Verhalten  Johannas   bei  ibrem  VerhOre    und   den    von  ihr 
gegebenen  Antworten  nacbdräcklich   betgnt.     Dai^  es  ta^  des  rir- 
echiedeneo  Forschem  auch  eonat  viele  toq  dtn  Jir 
enthaltenen  abweichende  MeiDtin^en  gibt,  Ui  ilh> 
hat  Ddnifle  die  Johanna  gegenüber  so  h\\ 
▼ersität  za  rechtfertigen  versBcht;  Äjndea 
Karl  YIL  für  die  Befreiung  der  Jongfrau  kfii 
habe;  Dunand  behauptet,  JohaoDa  hab^ 


i 


628  Bothaujf^  Di«  Onmdpriniipian  der  Wi«ier  8di«l«p  ug.  t.  J.  Mmier. 

Oaen  nie  ihre  Mheren  Angaben  abgeschworen,  sondern  nnr  einen 
Zettel  von  eeche  bis  acht  Linien  nnterseichnet,  der  ihr  nnterbriiUt 
worden  sei  Ton  Gnllanme  Brard  nnd  Jean  Massen.  Ans  dieser  tit- 
sichlieh  nnbedentenden  Handlung  habe  Canchon  eine  grofte  Affaiie 
gemacht,  indem  er  dnrch  eine  Fftlschnng  einen  langen  AbsehwA- 
mngstext  nntersoboben  habe.  —  Bevor  wir  diese  Anzeige  scbltefioD, 
mochten  wir  noch  darauf  aufmerksam  machen ,  daß  man  xnr  Er- 
kl&mng  der  «Stimmen*  Johannas  wohl  auf  das  Daimonion  des  80- 
krates  und  auf  die  Anrufungen  Mohameds  hingewiesen  hst,  dift 
man  aber  u.  E.  zum  Verständnisse  ihrer  ganzen  Persönlichkeit 
besser  an  die  analoge  Wirksamkeit  der  biblischen  Debora  „der 
Mutter  in  Israel''  denken  dürfe.  Auch  diese  begeisterte  die  StAmme^ 
daß  ihr  still  genfthrter  Ingrimm  zu  todesmutigem  Zorn  aufloderte, 
sie  gewann  Barak,  die  religiöse  und  nationale  Sache  zu  Teifecht». 
Die  H&uptlinge  weihten  ihr  in  freudiger  Aufopferung  das  Leben. 
Unter  Baraks  Führung,  geleitet  von  ihrem  anfeuernden  Lieäe 
sammelte  sich  der  Landsturm  auf  dem  Berge  Tabor  und  errang  ta 
Sieg  Ton  Thaanach.  Durch  ihre  göttliche  Begeisterung  war  Debon 
die  Retterin  Israels  geworden  und  hatte  das  Bewußtsein  der  Za- 
sammengehOrigkeit  untereinander  und  mit  Jahve  gewecLt  und  der 
Bnthusiasmus,  den  sie  entzündet  hatte,  wirkte  wahrscheinlich  neeb 
lange  nach.  Allerdings  hOren  wir  nicht,  daß  sich  Debora  un- 
mittelbar am  Kampfe  beteiligte. 

Es  erübrigt  uns  nur  noch,  dem  auch  &ußerlich  glftnzend  im- 
gestatteten,  trefflichen  Buche  einen  möglichst  gproßen  Leserkreii 
zu  wünschen. 

Wien.  Josef  Frank. 


Job.  G.  Bot  hang.  Die  Grundprinzipien  der  Wiener  Schule 
in  der  neueren  Schulkartographie.  Wien  1908,  6.  Frejtag  k 
Bemdt.   20  SS. 

Der  Aufsatz  ist  die  Wiedergabe  eines  Vortrages,  den  d« 
Verf.  in  der  Wiener  pftdagogischen  Gesellschaft  hielt.  Im  groften 
und  ganzen  wird  die  von  der  Firma  Freytag  A  Bemdt  geübte  AH 
der  kartographischen  Darstellung,  die  für  sich  den  Namen  Wiener 
Schule  in  Anspruch  nimmt,  Yerteidlgt  und  als  allein  richtig  hin- 
gestellt.  Neues  enth&lt  die  Schrift  nicht.  Einer  langen  Einleitasfr, 
in  der  der  Verf.  unter  anderem  auch  ausgiebigen  Meßübungen  in 
der  Schule  das  Wort  redet,  folgt  eine  Skizzierung  der  TerschiedeneB 
Verfahren,  die  bei  der  Kennzeichnung  der  Bodenformen  zur  An- 
wendung kommen.  Lehmann  wird  als  Begründer  der  Vertikal- 
schraffenmanier  hingestellt,  obwohl  er  doch  nur  auf  dem  Systeoe 
Ludwig  Müllers  weiter  baute,  das  bereits  Yon  dem  Qrundsatie 
ausging,  daß  die  Böschungen  um  so  dunkler  gefftrbt  werden  müssen, 
je  steiler  sie  seien.     Daß  Lehmann  seine  neun  Stufen  nur  bis  sa 


J.  Book,  ZeioheaiehDlo  fOr  d.  ünidfiiclit  mw.,  uig.  v.  £.  Imendßrfftr. 

aiaatt  NeigiisirswinM  von  45  Ghradra  ansddlinte»  batta  keineewegs 
dn  §nmd,  dafi  „er  sieh  dar  Schwäche  aaines  SystamB  gar  wohl 
bewußt  war  und  erkannt  hatte ,  daß  eine  größere  Auswahl  von 
Stofeo  die  unterschied»  derselben  vollständig  nnkenDtlich  machen 
missen",  sondern  darin,  daß  sr  militärische  Karten  Tor  Augen 
faatte,  in  denen  ans  leicht  ersichtlichen  Granden  ein  Eenntlich- 
machen  Ton  Böschnngen  Aber  45  Grade  Wertlos  war.  Daß  die 
Schraffen  in  den  8chulkartea  keineswegs  die  Aufgabe  haben»  den 
BöBchnngswinkel  zn  Yeransehanlichen,  scheint  Tom  Verf.  tbersehen 
worden  zn  sein.  Penckers  geistTOlle  üntersnohnngen  über  Schatten- 
plastik nnd  Farbeoplastik  werden  knrz  abgefertigt  nnd  die  zweck 
entsprechende  Verwendung  vorspringender,  ind  zurücktretender 
Farben  als  ein  Verdienst  der  kartographischen  Anstalt  von  Freytag 
&  Berndt  hingestellt.  Entgegen  der  Ansicht  des  Verf.  wird  nv 
diejenige  Karte  der  Schnle  die  besten  Dienste  leisten,  die  mit  der 
Dnfonrbelenchtnng  die  Schraffiemng  nnd  die  Höhenschichtendar- 
stellnng  verbindet  nnd  den  künstlerischen  Grundsätzen  nur  soweit 
Zutritt  gewährt  als  sie  der  geometrischen  Bicbtigkeit  nicht  zu 
schaden  vermögen.  Eine  gute  Schulkarte  hat  nicht  nur  schOn, 
sondern  auch  wahr  zu  sein. 

Wien.  J.  Mflllner. 


Zeichensehale  i&r  den  Unterricht  in  der  Erdkunde.  Von  Dr. 
Johannes  Book,  Oberlehrer  am  Friedrich  Wilhelms* Gymnasium  im 
Berlin.  Berlin  8W.,  Friedrich  Stahn. 

Es  liegen  zunächst  von  dem  geographischen  Zeichenwerke 
Boocks  sechs  Hefte  Zeichnungen  und  ein  Lebrerheft  mit  erläutern* 
dem  Texte  vor,  die  das  Deutsche  Beich  behandeln.  Der  ganze  Stoff 
ist  zweimal:  in  Teil  I.— IIL  B.  Oberstufe,  und  Teil  L — III.  A. 
Unterstufe  behandelt.  Das  so  schwierige  Problem  des  geogra- 
phischen Zeichnens  in  der  Schnle  ist  hier  m.  B.  im  ganzen  recht 
glücklich  bearbeitet  Angenehm  fällt  auf,  daß  weithergeholte  nnd 
den  Hautpnnkt  mehr  verschleiernde  Konstruktionen  vermieden  sind 
und  das  verwirrende  und  zeitraubende  Zeichnen  von  Hilfslinien 
entfällt.  Das  Grundprinzip,  bei  der  Zeichnung  von  den  Flnßlänfen 
auszugehen,  halte  ich  für  ganz  richtig,  da  sie  tatsächlich  das  am 
deutlichsten  ans  der  Karte  hervortretende  Element  des  Geländes 
darstellen.  Ebenso  ist  es  lobenswert,  daß  nicht  politische,  sondern 
geographische  Einheiten  den  einzelnen  Blättern  zugrunde  liegen. 
Die  Zeichnungen  sind,  was  vor  allem  zu  loben  ist,  klar  und  heben 
geschickt  das  wirklich  Wissenswerte  heraus.  Die  Zweistnfigkeit  des 
erdkundlichen  Unterrichts  an  preußischen  Anstalten  versetzt  dort 
den  Lehrer  in  die  angenehme  Lage,  auf  der  Unterstufe  sich  auch 
bei  Anfertigung  von  Faustskizzen  auf  die  einfachste  Wiedergabe 
beschränken  und  diese  auf  der  Oberstufe    entsprechend  ergänzen 


630  K.  Sehwenng,  Handbmh  d.  EloiiieBtaniiatii.9  ADg.  ▼.  J.  O.  WäOmtm. 

zn  dflrfeD,  w&hrend  wir  Bobon  auf  der  ünterBtnfe  kaum  wenipr 
leiBtoD  dürfen  9  alB  hier  die  Oberstufe  fordert,  was  freiliA  ssf 
Kosten  danemder  Aneignung  nnd  wirklieh  gründlichen  Veritlsd- 
nleees  gebt.  Nicht  ganz  einTeretanden  bin  ich  mit  der  Beigibe 
▼on  Zeiehenblättem,  die  in  Paukten  die  Hanptrichtongen  der  Fliifi- 
l&nfe  angeben  nnd  jeder  fertigen  Kartenskizze  gegenübergeitollt 
sind»  offenbar  zu  dem  Zwecke,  damit  diese  darauf  nachgezeichD«t 
werden.  Ich  würde  es  Toniebeny  die  fertigen  Skizzen  nv  dem 
Lehrer  in  die  Hand  zn  geben,  der  diese  an  der  Wandtafel  ia 
großem  Maßstabe  Tor  den  Schülern  entstehen  zn  lassen  hitu, 
während  die  Schüler  mitzeichnen.  Jedenfalls  werden  die  geboteaiD 
Kartenskizzen  Lehrern,  die  nicht  eben  besonderes  Geschick  im 
Zeichnen  haben,  sehr  gnte  Dienste  leisten.  Onte  Zeichner  freilich 
werden  es  wohl  znmeist  Yorziehen,  ihre  eigenen  Wege  zn  wsndein. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


Handbuch  der  Elementarmathematik  f&r  Lehrer.  Voo  Prof.  Dr. 
K.  Sehwering,  Direktor  des  Ojinnasiiime  an  der  Apostelkirehe  id 
Köln  a.  Bb.  lut  193  Figuren  im  Text  Leipzig  nnd  Berlin ,  &  G. 
Teubner  1907.  Preis  geb.  8  Mk. 

Das  Yorstehende  Buch  ist  bestimmt,  den  Lehrer  der  Ele- 
mentarmathematik an  den  Mittelschulen  in  seiner  Stellungnahme 
zu  wissenschaftlichen  Fragen  des  Gegenstandes  zu  unterstützen 
und  ihm  ein  Batgeber  zu  sein  und  auf  diese  Weise  ihn  auch  zur 
Fortbildung  anzuregen.  Bein  wissenschaftliche  Fragen,  die  zwar 
der  Schulmathematik  entspringen,  deren  Beantwortung  aber  ans 
der  Scbulmathematik  herausführt  und  auf  diese  keinen  weitertD 
Einfluß  nehmen  kann,  sind  aus  dem  Bahmen  des  Buches  ausge- 
schlossen worden.  Das  Buch  ist  nicht  für  Anfänger  im  Lehr- 
amte,  sondern  für  Geübtere  geschrieben  und  es  hat  der  Verf.  au 
diesem  Grunde  auch  die  allgemeinsten  Grundlagen  in  seinen  Dar- 
legungen herangezogen. 

Was  den  ersten  Teil  des  Buches,  die  Arithmetik,  betriff^ 
hat  der  Verf.  in  aller  Strenge  die  Permanenz  der  formalen  Ge- 
setze als  leitendes  Gesetz  durchgeführt,  zugleich  aber  auch  aii 
die  begleitenden  Anschauungsbilder  hingewiesen,  durch  die  der 
Unterricht  namentlich  auf  unteren  Klassen  belebt  werden  kann. 
Auf  diese  Weise  ist  es  ihm  gelungen,  die  Einführung  in  die  ali- 
gemeine Arithmetik  einheitlich  zu  gestalten. 

Die  irrationalen  Zahlen  sind  zuerst  als  solche  dargestellt, 
welche  durch  keinen  Bruch  ganzer  Zahlen  angegeben  werden  könneiit 
in  zweiter  Linie  sind  diese  Zahlen  nach  dem  Vorgange  Yon  Dede- 
kind  in  die  Zahlenreihe  eingeordnet  worden.  Im  Anschlüsse  sn  das 
Theorem  you  Moi?re  wird  gezeigt,   in  welcher  Weise  die  L^^snng 


K.  8(ikw€nng,  HandbMh  d.  Elementarmath.,  aag.  ?.  X  G.  WäUmtin,  681 

der  Oleiebimgr  o^  =  1  mit  dem  Probleme  der  Teilang  der  EreiB- 
peripherie  in  n  Teile  znsammenb&ngt. 

Sebr  beaobtenswert  siod  die  AasfAbniDgeii  jener  Abscboiüe» 
in  denen  toA  den  Gleiebnngen  geeproeben  wird.  Besondere  sind 
ee  die  binomiseben  Oleiebongen,  deren  Lösung  nacb  versebiedenen 
Metiiedeo  dargelegt  wird. 

In  der  Theorie  der  aritbmetiscben  Beiben  werden  aneb  die 
Reihen  böberer  Ordnung  mittelst  elementarer  Metboden  und  zwar 
onter  Anwendung  der  Bexnoulliscben  Zablen  zur  Lösung  gebracht. 
Von  besonderem  Literesse  sind  die  in  dem  Bncbe  gegebenen  Unter- 
soehnngen  der  Ezponentialreibe  und  der  aus  dieser  zu  ziebenden 
Folgerungen,  unter  denen  jene  berTorgehoben  werden  sollen,  welche 
sidi  auf  die  Berechnung  der  Ludolpbiscben  Zahl  beziehen. 

Besonders  eingehend  sind  die  Oleicbungen  dritten  und  vierten 
Grades  behandelt  worden.  Fflr  den  elementaren  Unterricht  sind  frei- 
lich manche  der  hier  torgetragenen  Lehren  weniger  geeignet,  doch 
werden  diese  Untersuchungen  immerhin  eine  anregende  Studie  für 
den  Lehrer  bilden.  Im  Anschlüsse  an  diese  wendet  sich  der  Verf. 
zn  einigen  allgemeinen  Aufgaben  aus  der  Theorie  der  Gleichungen. 
Yen  N&herungsmetboden  zur  Lösung  Yon  Gleichungen  werden  die 
▼on  Oraeffe,  Newton  eingebender  erörtert. 

Im  geometrischen  Teile  des  Buches  ist  besonders  der  an- 
fi^egebene  Versuch,  das  Parallelenaxiom  als  eine  Folge  der  flbrigen 
Axiome  herzuleiten»  bemerkenswert,  ferner  der  Abschnitt,  der  von 
der  anharmonischen  Funktion,  den  harmonischen  Punkten  und 
Strahlen,  den  Theoremen  Yon  Menelaus  und  Ceva  und  den  Pro- 
blemen der  Abbildung,  Yon  denen  die  ähnliche  und  umgekehrte  be- 
eprochen  wird,  bandelt.  Die  allgemeine  Abbildung  wird  durch  die 
Oleichnng  Xi  +  y^^  =  F  {x  —  y«)  charakterisiert,  in  der  F  eine 
willkürliche  reelle  analytische  Funktion  bedeutet.  Die  Bedeutung 
der  Polaren,  von  welcher  der  Terf.  mit  Becht  sagt,  daß  sie  .eine 
an  geometrischen  EigenschaftMi  so  ergiebige  Linie  ist,  wird  durch 
die  im  Buche  enthaltenen  Untersuchungen  in  das  rechte  Licht  ge- 
rflckt.  Die  Frage,  ob  statt  Zirkel  und  Lineal  auch  andere  Werk- 
zeuge angegeben  werden  können,  um  dieselben  geometrischen  Auf- 
gaben zu  lösen,  welche  auf  quadratische  Gleichungen  führen,  wird 
nur  gestreift.  Daß  man  aus  dem  Theorem  Yon  Moivre  die  Formeln 
fflr  cos  (2  ä)  und  sin  (2  a)  ableitet,  ist  ganz  geistreich,  scheint  dem 
Bef.  aber  denn  doch  allzu  erzwungen.  Jedenfalls  ist  aber  durch 
die  Entwicklung  in  diesem  Abschnitte,  der  von  den  goniometrischen 
Punktionen  handelt,  dargetan,  wie  fruchtbar  sich  die  Anwendung 
des  Theorems  von  MoiYre  erweist.  Die  Trigonometrie  des  Drei- 
eckes und  des  Viereckes,  sowie  die  an  diese  sich  anschließende 
elementare  Kreisberechnung  ist  in  eleganter,  Yielfacb  origineller 
Weise  durchgeffthrt  worden. 

Die  Lehre  tou  der  dreiseitigen  Edre  und  dem  sphArischen 
Dreieck  ist  sacbgem&ß  behandelt    Der  Begriff  der  hyperbolischen 


632  Nawicki-Mayer,  Flflisige  Loft,  ang.  ?.  Jl  Ä.  Kaü. 

Fnnktionen  ist  in  diesem  Absohniite  selbstredend  nur  gestreift 
worden.  Belangreich  erscheinen  dem  Bef.  die  in  dem  Bache  Tor- 
bandenen  rechnerischen  Betrachtangen  über  die  orthogonale  Pro- 
jektion von  geometrischen  Gebilden.  Namentlich  ist  es  die  ortho- 
gonale Projektion  jener  Fignr,  die  aus  drei  gleichen,  gegenseitig 
anter  rechten  Winkeln  aneinander  gesetzten  Strecken  gebildet  wird 
and  den  Namen  „Dreibein*  fährt,  welche  za  sehr  bemerkenswert«! 
metrischen  Beziehungen  fahrt. 

Die  Eabatar  der  EOrper  wird  in  mehr  arithmetischer  Weis« 
als  dnrch  geometrische  Baisonnements  ToUzogen. 

Von  Interesse  ist  das  in  dem  Bache  über  Engelteilong  Ge- 
sagte. Darch  diese  wird  der  Übergang  zam  Stadiam  der  regel- 
mäßigen Körper  yermittelt.  Die  halbregelmftßigen  Vielfl&ebner 
werden  in  den  Kreis  der  Betrachtangen  einbezogen.  Größtenteils 
in  analytischer  Weise  wird  das  Problem  der  stereometrischen  Ab- 
bildnngen  behandelt.  Die  letzten  Abschnitte  enthalten  die  Lehre  foo 
den  ebenen  Schnitten  der  runden  Körper,  die  wesentlichsten  Me- 
thoden znr  Bestimmang  der  Schwerpunkte  und  die  am  meisten  io 
Anwendung  kommenden  Formeln  der  Trigonometrie. 

Vielfach  sind  in  dem  Yorliegenden  Buche  VerweiN  auf 
Quellenwerke  gegeben»  so  daß  der  weiter  Strebende  auch  duch 
diese  eine  Förderung  erfährt. 

Wien.  Dr.  I.  G.  Wallentin. 


B.  Nowicki  und  Hans  Mayer,  Flflssige  Laft.  Die  Ver- 
fiüssigungsmethoden  der  Gase  und  die  neueren  Experi- 
mente auf  dem  Gebiete  der  flüssigen  Luft.  Mit48AbbfldaBgeiL 
Zweite»  Terbesserte  and  erweiterte  Anlage.  GemeinTerstäDdiich  dar- 
gestellt. Mfthr.-Ostran,  B.  Papaoechek;  Leipzig»  Bob.  Hoffmaoa  1906. 
60  SS. 

Im  August  1905  ist  die  erste,  im  Jänner  1906  die  zweite 
Auflage  dieser  interessanten  Schrift  Teröffentlicht  worden»  »»welch« 
auf  experimenteller  Grundlage  in  allgemeiu  Yerst&ndlicher  Form 
über  dieses  anregende  Thema  n&her  orientiert^.  »»Die  maschinellen 
Einrichtungen  und  die  Arten  des  Verfahrens»  welche  zur  Erzeugung 
von  flüssigen  Gasen  Anwendung  fanden, . . .  haben  in  dieser  Aus- 
gabe unter  Berücksichtigung  der  historischen  Entwicklung  der  ein- 
zelnen Methoden  eine  eingehendere  Bearbeitung  und  ausführlidien 
Darstellung  erfahren  • . .  "* 

Die  zahlreichen  Abbildungen  sind»  soweit  sie  technische  Ein- 
richtungen betreffen»  meist  gutzuheißen.  Von  den  die  Versnche 
illustrierenden  photographischen  Beproduktionen  ist  wohl  manche 
etwas  weniger  gut  ausgefallen.  Zu  bedauern  ist,  daß  maacb« 
Figuren  weit  weg  vom  zugehörigen  Texte  stehen ;  es  wird  hiedurch 
bei  der  Durcharbeitung  des  Aufsatzes   ein  lästiges  Hin-  und  Her- 


Nouficki'Mayer,  Pi&uige  Luft,  ang.  t.  J.  A.  Kail  633 

buttern  Dotweodig.  Nachdem  die  maschinellen  Einrichtungen  nnd 
die  Gaeverflässigangnsarten  besprochen  worden  sind,  werden  be- 
handelt: „SanerstofF-  und  Stickstoffgewinnnng  aas  fldssiger  Laff*, 
MVerwendnng  der  flüssigen  Luft*'  nnd  Terschiadene  MVersnche  mit 
flflssiger  Lnft«'. 

Im  besonderen  sollen  hier,  folgende  Stellen  her?orgehoben 
werden:  0/1  „ist  in  Abersohwenglicher  Weise  der  künftigen  Be- 
nützung der  flüssigen  Lnft  eine  Tragweite  zugeschrieben,  welche 
weit  über  das  natni^esetzlich  erreichbare  Maß  hinansgeht*'  (S.  22, 
Anm.  2). 

S.  23  nnd  24  wird  der  Verwendung  der  flüssigen  Luft  zur 
Bereitung  des  Sprengstoffes  „Ozyliquit*'  Erw&hnung  getan.  Es 
wird  angegeben,  ,,daß  der  so  hergestellte  Sprengstoff  eine  ezplo*^ 
slble  Wirkung  nur  ungefähr  15  Minuten  beibeh&It,  nur  insolange 
die  Verdampfung  der  den  Stoff  durchfeuchtenden  flfiss.  Luft  vor  sich 
geht**.  „Man  ist  daher  genötigt,  den  Sprengstoff  stets  vor  Ort  zu 
erzengen;  doch  hat  dies  anderseits  den  Vorteil,  daß  eine  Aufbe- 
wahrung nicht  notwendig,  und  mithin  ein  Mißbrauch  oder  eine 
unbefugte  Verwendung  ausgeschlossen  ist*'.  „Die  erste  praktische 
Nutzbarmachung  der  flüssigen  Luft  hat  Oberingenieur  0.  Suess 
in  M&hr.-Ostrau  in  der  Bettungstechnik  in  Anwendung  gebracht**. 
„Gegenstand  der  zum  Patent  angemeldeten  Erfindung  ist  eine 
AtmnngSTOrrichtung,  welche  ein  Eindringen  in  mit  Bauch  oder 
sch&dlichen  Gasen  erfüllte  Bäume,  sowie  einen  lungeren  Aufenthalt 
in  solchen  Bäumen  ermöglichen  soll**.  Auch  in  der  Stahlfabrika- 
tioD,  sowie  zur  Kühlung  von  Krankenzimmern  und  zu  Heilzwecken 
ist  flüssige  Luft  verwendet  worden.  „De,  wo  der  Kostenpunkt  nicht 
mitspielt,  wie  am  reichbesetzten  Tische,  wird  der  Weinkühler  ent- 
behrlich :  derselbe  kann  durch  ein  Dewarsches  Gef&ß  ersetzt  werden, 
ans  welchem  man  sich  nach  Belieben  flüssige  Luft  in  den  Wein 
gießt  Eisstückchen  verdünnen  den  Wein  durch  das  Schmelzwasser, 
flüssige  Luft  hingegen  verdünnt  denselben  nicht**. 

Der  Verf.  bespricht  nun  die  Konservierung  von  flüssiger  Luft 
nnier  Atmosphftrendruck  —  Methode  von  D'Arsonval  und  Dewar  — 
gibt  hierauf  die  Abbildungen  der  gewöhnlichen  Formen  der  Vakuum- 
g'eflUSe  und  beschreibt  endlich  die  Art  und  Weise,  wie  diese  ge- 
fällten Gef&ße  transportfähig  gemacht  werden« 

In  Bezug  auf  die  Verwendung  der  flüssigeo  Lnft    eind  Be- 
rn erknngen  wertvoll:    „Ein  21  Gefäß   von  Ku^eHörm    zeigt  in  24 
Standen  za.  12' b^  Verlust**  (S.  31)  und  „Die  Versuche  mit  Büfa^v 
ßig^T  Luft  gehören  zu  den  glinzendsten  und  abarrascbendstf^Ut  ^ 
wir   kennen.  Da  die  vollstündige  Vergasung  in  De  wargehen  Geffti 
Ton    2  1  Inhalt  erst  in  za.  10  Tagen  vor  sich  geht,  so  hat  i 
hinreichend  Zeit,   dieselben  anzustellen**  (S.  82).    Ebenso  wertvw 
sind  die  „Vorsichtsmaßregeln  beim  Hantieren    mit  dnasj#Ar  T^^i^ 
(S.    32).   —    Die  im  Büchlein   besprochenen  VcrgürS^ 
1.  Flüssige  Luft  und  Wasser  (S.  33).  2.  Veränderang  ^  ^  > 


634  üf.  Füeher,  Pokornyi  Natnrgaseh.  d.  Tierreichet ,  ang.  t.  H.  Vidtorf, 

zoBtandes  Yerscbiedeoer  Körper  (8.  84).  8.  VerftndanuigeD  der  Farbi, 
Härte  and  des  Klanges  yersehiedeaer  Körper  (8.  40).  4.  Demon- 
stration der  schnelleren  Verdampfong  des  8iiekstoffes  als  des  Sauer- 
stoffes ans  flflssiger  Lnft.  5.  Aufhebung  der  chemischen  Affinititen. 
6.  Änderung  des  elektrischen  Widerstandes.  7.  Änderung  pbyiiki- 
liseber  Eigenschaften  der  Körper.  8.  Einfluß  der  niederen  Tem- 
peraturen auf  die  spezifische  Wftrme  bei  Metallen.  9.  Magnetismas. 
10.  Physiologische  Wirkungen.  [„Es  ist  ein  Irrtum,  wenn  maa 
glaubt,  daß  die  bisherigen  antiseptischen  Mittel  und  Verfahren  zur 
Yemichtung  der  Mikroorganismen  durch  die  niedrigen  Tempert- 
turen  ersetzt  werden  können'*  (8.  58)].  11.  EzplosionserscheinnngiD. 
12.  Phosphoreszenz  nicht  metallischer  Stoffe.  18.  Flilssige  Luft  and 
Koblensiure.  14.  Versuch  von  Prof.  H.  Lange.  15.  Versuck  tod 
Dewar.  16.  Das  Kochen  auf  dem  Eise.  17.  Eine  Zigarre  entflaiuK 
in  fldssiger  Luft*'. 

Mit  einer  Zusammenstellung    der  auf  das  behandelte  Tbemi 
bezfiglichen  Literatur  schließt  das  lesenswerte  Büchlein  ab. 

Wien.  Joh.  A.  KaiL 


Po  körn  ys  Naturgeschichte  des  Tierreiches.  FOr  höhere  Lflk^ 
aofltaUen  bearbeitet  Ton  M.  Fiicher.  Mit  zahlreichen,  sQm  Teil 
farbigen  Abbildangen  und  29  farbigen  Tafeln.  27.  Auflage.  Leipng, 
Verlag  fon  G.  Freytag  1907.  Preis  geb.  4  Mk. 

Wie  der  Titel  besagt,  haben  wir  es  in  dieeem  Buche  mit 
einer  Bearbeitung  des  bekannten  Lehrbuches  von  Pokoruy  zu  tun, 
welches  M.  Fischer  durch  passende  Erg&nzungen  fAr  höhere  Lehr- 
anstalten Deutschlands  geeignet  zu  machen  suchte.  In  der  neuestsu 
Auflage  tr&gt  der  Verf.  der  biologischen  Bichtung  im  weitesteo 
umfange  Rechnung.  Die  Beziehungen  zwischen  dem  Bau  der  «s- 
zelnen  Organe  und  ihren  Verrichtungen,  zwischen  Gestalt  und 
Färbung  der  Tiere  und  ihrer  LebeDsweiee,  zwischen  dem  Wohn 
ort  und  dem  NahrungsbedfirfDia  werden  bii  den  elnselneo  Twrtn 
herTOrgehoben.  Die  SomatoEogie  ist  in  sehr  knapper  Fana  b<^ 
handelt ;  an  sie  reiht  sich  ein  ÄbBchDÜt  über  QesuadbeiUpÖift  ao. 
Wie  in  allen  Büchern,  die  in  hiiUr  Zelt  in  der  bekanntao  Vtr- 
lagshandlung  von  Freytag  erscbieneD,  sind  auch  in  dieeffm  Uxaekt 
die  Dlustrationen  mustergiitig.  Namentlteh  eei  aitf  die  29  tu^gm 
Tafeln  aufmerksam  gemacht,  welche  dem  ßneb«  zur  Zlertdt  er- 
reichen. Es  sind  dieselben  Tafelo,  die  In  den  $a 
Lehrbüchern  derselben  Verla^sbaDdlung  sich  fioden. 

Wien  H.k 


Q^  StemmoMHj  Der  Unterriebt  in  Geologie  uiw.»  ang.  ▼.  F.  Not.  d3& 

Der  Unterricht  in  Geologie  und  y erwandten  F&ehernaof  Sehide  nnd 
ünifenitit  von  O.  Steinmann  in  Bonn.  (Ans  dem  VI.  Bd.  der 
Zeiticbrift:  «Nator  nnd  Schale**.)  Bei  0.  Teobner,  Leipiig  1907. 

Gestützt  auf  die  BeformTorBchlftge  der  im  Jahre  1904  Yon 
der  Gesellschaft  deutscher  Natnrforsoher  und  Ärzte  gew&hlten 
ünterrichtskonmiasion  tritt  der  Verfasser  sehr  warm  und  sehr  wirk- 
sam für  die  Einführong  eines  znsamroenh&ngenden  Unterrichtes 
ans  Ckologie  an  den  Mittelschulen  Deutschlands  ein.  Er  betont 
intbesonders  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Geographie  und 
Geologie,  welche  Wissenschaften  Hand  in  Hand  gehen  sollen.  Er 
Terlangt  für  die  Kandidaten  des  Mittelsehullehramtes  ein  Pflicht- 
kollegium  aus  Geologie,  entwickelt  seine  Ansichten,  wie  er  sich' 
den  geologischen  Unterricht  an  den  mittleren  Schulen  betrieben 
denkty  weist  auf  den  großen  Wert  nnd  die  Unentbehrlichkeit  von 
geologischen  Exkursionen  hin  und  erörtert  sehr  gründlich  und  zu- 
treffend die  Stellang  der  Geologie  zu  den  übrigen  naturgeschicht- 
liehen  Disziplinen.  Heute,  wo  die  Erweiterung  des  naturgeschicht- 
liehen  Unterrichtes  auch  an  den  österreichischen  Mittelschulent 
namentlich  an  den  Gymnasien,  in  den  Vordergrund  der  Beform- 
bestrebungen  getreten  ist,  gewinnt  Steinmanns  Schrift  auch  für  die 
österreichischen  Schulm&nner  eine  besondere  Aktualität.  Möge  der 
Erfolg  nicht  ausbleiben. 

Wien.  Dr.  Franz  Noö. 


Dr.  Walther  v.  Knebel,  Höhlenkunde  mit  Berfleksichtiguig  der 
Kartt^änomene.  Mit  42  Abbildnngen  im  Text  nnd  auf  vier  Tafeln. 
(Die  Wiesenichaft.  Sammlang  natarwisceniehaftlicher  nnd  mathe- 
matiseher  Monographien.  Heft  15.)  Braonschweig,  Vieweg&Sohn  1906. 

Bislang  hat  es  in  der  gesamten  fachwissenschaftlichen  und 
popnlArwissenschaftlichen  Literatur  an  einem  Buche  gefehlt,  das 
den  wissenschaftlichen  Zwecken  und  Problemen  der  Höhlenkunde 
gareeht  wird.  Der  Verf.  der  Yorliegenden  Schrift  hat  mit  dem 
Phinomen  der  Höhlenbildung  in  den  Höhlengebieten  Süddeutsch- 
landa,  des  iräuKiaciieQ  and  schir&biacben  Jara,  der  i^d^iolaade 
and  des  öaterreicbiscben  Kars  tos  eicb  befaßt  and  aucb  jene  Be- 
IfltiterecbeiDüDg'eQ  etadiert,  die  als  Karst phäeomene  bezeichnet 
werden  köDoea»  Ee  wurde  dai^Pigm|b  'ni>  frn^rribDlogiscbeD, 
geologiecben    und    rom   phjsiltftr''*^^^T*^  ::iodpiinkte 

aufgefaQt;    daneben    VAU^m  i^^^_HMi<'beii    nnd 

biologiichen  Terbfiltfii^s^  ^^^^^^■r^rltnuoir. 

Der  Y^rf,    boft,    El' l  "i^^^^V^ 

ac^ertgi  werde  tu  einer 
kande.  In  den  verscbiedefl 
die  HöbleDknnde  ükT' 
deiren  Entwicklorr 


rmud 

1 


im  Gebirge  verBankenen  Flnaiss    Terstandaii  lüii,     w^ 
Orte  des  Hervorbrecbens   tou    badenteodeii  Wass«rED&8i 
sich  im  ItiQerD  des  Gebirg^es  siDgesamin«It  haben 

jener  EieseDqaelle  bervorstrdmeD. 

Im  weiteren    wird  die  Grnndwasscrtbeorie  zur 
bjdrogmpbiicben  Probleme  des  Karstes  dargelegt,  dieit 
worfen    ond    auf  die  T&tsacbe   des  AQftreteDa    tüo    H(1| 
die  darcb   enb marine  Quellen   nnd  Meerefiscbwindea 
sobeinen,  auimerkaam  gemacbt 

Die  folgenden  Ab&cbnitte    bandeln   ton  der  Em 
H^blenÜaesen,  tod  deo  DoUnen  nnd  deren  Bededtuiig  | 
etebung  ?on  Tälern ,  von  den  Poljen,  toii  den  wicbtifi^ 
gebieten,  deo  Halbbdblea,  den  ureprängiicben  HObten.  j 

Die  meteorologiscben  Verbältnisae  in  Höhlen,  die  I 
und  fannietiecben  Erecbeiniingen  in  denselben  werden  üi 
eicbtlicher  und  klarer  Weise,  ebenso  wie  die  Bedentnng 
ale  W  ebner  iß  der  präbiatoriecihen  Menscben  ekiiiierU 

^um  Schlüsse  gibt  der  Verf.  noch  ein  recht  aij 
Bild  der  Knltnrarbeit  in  E5falengebieten  nnd  eine  gelun 
der  GeschicbU  der  HObleDkande.  | 

Der  Verf.  bat  ee  yergtauden,  die  eifl&cblägigeB  Er^ 
nicht  nur  in  sehr  lichtvoller  Weise  im  beschreiben,  ad 
deren  Entetehttng  in  s ach  gemäßer  Weiae  ^ti  begr&ndeq 
ecbie denen  Anschauungen  werden  gegeneiDander  abgewd 
vollkommen  objektiver  Weise  bearteilt.  ßesooderes  Inten 
verlie'genden  Buche  dem  Karetphauomene  entgegeogebn 
nnd  dies  in  Anbetracht  der  Wichtigkeit  der  Kenntnii 
schein  an  g  für  die  Bodenknitor  mit  ToUem  Hechte.  Es 
die  knitnrelle  Verwertung  Terkarsteter  Länder  die  eul 
drternngH 


Dritte  Abteilung'. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Berieht  über  den  IV.  Internationalen  Mathematiker- 
Kongreß  in  Born  Tom  6.  bis  11.  April  1908. 

I.  Der  Bericht  Ober  den  Kongreß  unterliegt  eigenartigen  Sehwierig- 
keiten,  die  ▼onüglich  in  der  Aaiwahl  de^enigen  liegen«  wm  hier  gebracht 
werden  lolL  Denn  der  beecbrinkte  Baom  geetatlet  kein  nnsfflhrlichee 
Befemt;  für  dieiet  sei  auf  die  Atti  dee  Kongresses  Terwiesen,  deren 
Encheioen  sieh  allerdings  durch  einen  Streik  in  der  Dmckerei  des  ^Oir^ 
eolo  Maiematieo  di  PäUrmo"  etwas  Yerspiten  werden.  Aach  die  Zeit- 
•cbrift:  'L'JSnseignemmt  des  Mathimatiques"  hat  einen  sehr  ansfllh^ 
liehen  Bericht  gebracht»  nnterstütit  durch  kurse,  Ton  den  betreffenden 
iotoren  selbst  Terfaßte  Mitteilungen  Aber  die  gehaltenen  Vortrige'). 

8oll  die  Auswahl  auch  nur  ein  beilinflges  Bild  geben,  so  ist 
as  unerllßlicb,  gerade  auf  jene  Dinge  einsugehen,  die  heute  umstritten 
lind.  Man  kann  aber  dort,  wo  es  gilt:  guot  eapita  tot  sensua  billiger- 
weise keineswegs  von  einem  einseinen  volle  Objektivität  Terlaugen.  Der 
Leser  gewinnt  dadurch  den  Vorteil»  daß  er  seiner  Meinung  widersprechende 
Bemerkungen  als  der  subjektifen  Verarbeitung  entsprungen  auffassen 
kann,  während  er  sich  dort,  wo  seine  Ansieht  getroffen  ist,  Aber  einen 
neuen  Anhinger  freuen  däit 

U.  Der  äußere   VerlAuf  d€s   Eongreises   w&r  tili«smU   beiooder» 
glinsend  und  durch  starke  Beteiligtiijg  suiget«i<:l)net,  die  jed^tifalli  auch 
der  Aniiehnngskraft  Roms  entipraog.    H^tt  SenalM 
im  Abende  des  5.  April  (Sonata^)  4i«  bereite  m*-r^ 
in  der  Anln  Magna  der  ÜQireriitfct.  Der 
10  Uhr  Tormittags  im  borrikhen  tSa«  < 
Kapitol  in  Gegenwart  «einer  Msjeii 
eröffnet    Es  sprach  fierr  Ero«»to  il| 
Sindaeco  von  Born  and   der  Senato 


1)  10«  Ann^e,  mü, 


Lerner  UDd  Fors^th. 

Die  wejtdreD  VerbfindlnoKeD  des  KonfreiBe« 
tfoDen  statt:  h  ÄD&ljiitt  IL  Oeümetri«,  III-  Äug 
(mit  der  ODtefteilung  1115  Verticberongitecboik),  IV.  Phili 
fiidigo^iidia  Frobleme.  Die  SektioDieitiaDgei»  wurden  vom  i 
von  0  Uhr  bU  12  Ubr^  beiw«  1  Ohr  Tormittagi  ftbgeb«lte^ 
teran  YoUveiMmmtan^eDf  an  den  Nachmittagen  dfi  7^  fl 
Aprtl,  bietteti  einige  Mitglieder  de«  KoDgiesseü  lasanuneB 
tr&ge  IIb  er  Amgedebnte  Zweige  der  WiftiexLicbaft-  Ei  tprsclj 
Darboui,  nDick,  NewcQmb,  Lorenti,  Poincarä,  Pi 
4er  Vortrag  des  Herrn  Veronete  wegen  Erkrankung  d«i 
werden  mui^te. 

Der  von  der  Stadt  Rom  am  Abend  de«  8.  April  im 
Mine  gegebeoe  Empfaxig  führte  die  Mathematiker  iu  die 
dea  antik VD    Marmor«.     Am   Ö,  April  nacbmittagi    word«  I 
-dei  Herrn  Ministers  des  Off'enllichoEi  Unterrichtee   der  Pili 
der  Abend   dieiea  Tages   brachte   ein  Eomert  im   Tbeat<j 
10.  April  hielt  Herr  Stürmer  um  9  Ubr  abends  im  Saale 
und  ArebitektenvereiDes  seinen  Vortrag  mit  Projektios 
4es  Magnetismus. 

In  d^n  einieloen  Sektionen  sind  versehfedene  Bi 
und  der  lettten  Vollversammlung  lur  Approbation  vorgelif 
dem  Antrage  des  Herrn  Qadamard  entsprungene  B 
III.  Sektion  betrifft  die  Notwendigkeit  einer  EioigUDg  in  dl 
der  Vektoren  und  scfalAgt  der  Leitung  dei  Eongreises  die 
inter nationalen  Komitees  tum  Btudiom  dieser  Frage  vor.  In  d 
irnrden  Beiolationen  über  die  Ausgabe  der  Werke  Eulert^ 
von  Herrn  Kraser  —  und  der  Werke  von  Cavalieri  — 
Herrn  Amadea  —  gefaßt  Femer  anf  Antrag  det  Hemi  , 
Besointion  snr  Schaffung  eines  mathematisch  an  Arebivs  fn  1 


fieriebt  Aber  dtn  lY.  iDteniatioDalaii  Matbematiker-Eonffreß.      689 

wtrdeo  toll,  mit  der«»  Arbeitiprogramm  deb  eine  Ton  der  Leitung  dee 
IT.  KoDgresMi  lo  bildende  internationale  Komininion  in  beieblfligen 
bitte.  Ancb  dieeer  Antrag,  der  beeondert  dem  Wontcbe  der  III.  Sektion 
naeb  einer  grOAeren  Ann&benmg  der  Vertreter  der  reinen  Fortcbong  und 
der  Anwendungen  enttpraeb,  wurde  angenonunen. 

Herr  Foriytb  Itberbraebte  in  dieier  Vollfenammlong  die  Einladong 
der  angliieben  Matbematiker,  den  V.  Kongreß  inCambrige  abiobalten, 
oad  Herr  Mittag«Leffler  epraeb  den  Wuueb  ani,  der  VI.  Kongreß 
möge  in  Stoekbolm  itattfinden.  Beide  Bedner  ernteten  Zoitimmong 
und  Beifall.  Herr  Hadamard  gab  noeb  die  Anregnng,  ee  mOge  in  ab- 
iebbarer  Zeit  eine  Vereinigong  der  Kongreeee  der  Matbematiker  mit 
jenen  der  PbTuker  angeetrebt  werden. 

Hieran!  wurde  der  Kongreß  dunob  den  PdUidenten  Herrn  Senator 
Blaserna  geeebloeien. 

Herr  Darbooz  epraeb  der  Leitong  des  Kongreiaei  and  den 
italioaiaeben  Gastgebern  den  Dank  aoi. 

Am  Sonntag  den  12.  April  wurde  die  Villa  Adriana  ond  TiToli 
beraeht;  in  Tifoli  worde  ein  Bankett  unter  freiem  Himmel  gegeben. 
Wftbrend  des  Kongreetee  sorgte  ein  Damenkomitee  f&r  die  Unterbaltung 
der  Damen. 

III.  Über  die  gewaltige  Detailarbeit  dee  Kongreesee  kann  kaum 
romuniert  werden.  AUentbalben  surrt  das  Tielteilige  Biderwerk  der  Wissen- 
eehaft  und  die  Verbesserung  jeder  Kleinigkeit  ist  wertroU,  wenn  man 
nur  immer  bedenkt,  daß  sie  als  Teil  dee  Qanien  bannoniseb  wirken  muß. 
I>«i  besten  Dienst  leisten  ja  die  Kongresse  dadureb»  daß  sie  manebe 
Hftrten  der  allerdings  unerlißlieben  Spesialisiemng  des  einielnen  mildem, 
indem  sie  ibm  den  Überblick  ßber  das  Qanse  erleiebtem.  Der  Gbarakter 
d«r  f  egenwirtigen  Arbeiten  sielt  lumeist  auf  eine  Ordnung  dee  giganti- 
•doB  Materials.    Die  größten  Entdeckungen  des  XIX.  Jabrbunderts  be- 
stehen In  der  Aufstellung  fon  Priniipien,  die  große  Qebiete  susammen- 
fmmmmik  und  Terborgene  Zusammenb&nge  Ton  scbeinbar  Qetrenntem  grell 
dvrelüeucbten.    Die  Intuition  bleibt  inmier  nocb  das  beste  beuristiscbe 
mfeiel  und  sie  wird  mebr  als  je  dem  Anfinger  empfobien ;  aber  die  bebe 
Str«Dge,  die  man  beute  terlangt,  und  die  bedeutende  Scbwierigkeit  der 
meisten  Probleme  nOUgt  uns  fsst  immer,  die  geAmdenen  Ideen  analytiscb 
doreiisaarbelten.    Das  wird  duieb  die  Elegans  der  modernen  Metboden 
!>    \T     4^.':.i  htert^    dio    titijiit&ndliciie    EticbBUDgt^n    durcb    eine    iiDcroicbe 
SjrntHltJk  nod  lange  Übirleguisgen  darch  klag  koDstrui^rte  BegrifTe  eraetien. 

rV.  Birr  Poincard  bat  In  seinem  Vortrage  *^L'Av€fnr  des  Ma- 
m^afigut^t"*.  Am  Herr  Darboui  is  Vertretung  des  «rkraoktes  Oetebrten 
i^tfjit^rhifi  i{eltiiu  bikt,  in  ti4li«r  bek^nnUi»  geiitr«liibtii  Art  «io«D  BHck 
itk  die  jaofite  Verf^ltf^^^^^bAi  ^^  tisraus  beUio^  aaf  die  näcbäto 
Zafcimft  dtf  Irt-  ^^|^^g|i|fl  to  iiiilti 

c«rf 


10  Aflflwd^H 

ja  di«  Nfttiuj 


MatbettiaUber^  wie  jidor  rädere  Oalehrtet  «me 
leichter  sogar,  denn  die  Mithematik  iit  er  MtbiW 
BnUcblafV,  dar  sie  «cb^f.  Im  aUgemeinea  ii«Ut 
fertigen  Kombinat lonen,  es  iit  QDoer  GeiAt^  det  iie  bildd 
MAtbemfttik  h&t  eme  bohe  EigenbereehtiguDg^  eia  loU  km 
der  Pby^ik  dienen.  Die  feiialloie  Wiisenacbaft  alUiii  koi 
tQtn  ToraiiH  dia  Antworten,  die  si«  dem  Physiker  gibt,  «eni^ 
Tages  Terlaogt.  Daa  rerbilt  aieh  etwa  io  wie  in  der  Pbji^ 
man  skb  ebenfalU  keioetweg»  an  die  iDwendbarkeit  der  B 
bindet  Wäre  deon  sonst  ans  einer  Spielerei  mit  Beriiatdii| 
teebnik  entstanden?  Aber  den  Physiker  leitet  das  Geffthl  141 
wo  er  ein  lolcbet  abnt»  da  fori  cht  er  weitem  Genau  daa 
beute  in  der  Mathematik  (wenifsteni  dort,  meine  leb«  wm 
nebmeD  ist).  Wir  können  aus  unat^reo  Elementen  Millioi3«a 
nationen  bilden;  aber  eine  Kombination,  die  iioiiert  daett 
■llndig  werttos  f  man  hat  sie  oft  mit  großer  Hübe  kunatmi 
dient  ab  so  Int  xa  nichtig  ei  lei  denn  alt  Theina  doeri 
rt^iseig^iement  secondmfc.  Gant  and  er  s  ist  «■*  lobald  wm 
hinge  dieser  Kombination  mit  anderen  bemerken,  wir  Btsbel 
mehr  ?or  eluvt  Tatsache,  sondern  tor  einem  Geseti.  fi 
Erfinder  ist  nicht  der  Mann,  der  ainxelne  StUeke  gednidi 
sondert)  jener^  der  ihre  gegenaeitigen  Beiiehang en  anfdeekU 
dazQ  die  Anfatellnng  eines  nenen  Wortett  das  schöpferiech  \ 

Der  berühmte  Philosoph  f.  Hen  Mach  ana  Wien,  a§^ 
der  WissenBCbaft  bestehe  in  der  Schaffung  der  Ukonomie  dij 
Das  Ein  mal  eins  ist  ein  primiiires  Beispiel  daför^ 

In    der   Tat,    den    Wert   einer    wiaBenaebaftUcheil 
messen    wir  an   der  Menge  der  Gedankenarbeit i  die  sie  tT^ 
iind  in  der  Physik  wie  in  der  Mathematik  die  Geaeti^ 
gemdnheit  ftueb  Ton  hohem  Werte,  daher  itammt 


j 

cheü  Eri 
»  sie  «fi 

^seti^l 


Berieht  Aber  den  IV.  InieniitioDAleii  Mathematiker-KongreA.     641 

Der  Mathematiker  legt  ferner  ein  groAee  Gewieht  aof  4ie  Elegani 
!  Metheden  nnd  Beenltate.  Dae  iit  keineewegt  reiner  DiUetantiamnii, 
denn  eine  AnflOeong  befriedigt  nni  erst  dann,  wenn  de  Ordnong  in  dae 
onprflngüehe  Chaoe  bringt,  noeh  mehr  abert  wenn  eie  nne  dorjeh  die 
Atfdeekang  nener  Verwandtichaflen  Aberraeeht  Dadnreh  wird  eie  eben 
elegant  nnd  aneh  Okonomieeh  im  Sinne  Maeha.  Eine  lange  Beehnnng, 
lei  eie  aneh  gekrönt  Ton  einem  einfachen  Beenltate,  lAAt  nne  nnbefriedigt, 
wenn  wir  nieht  einsehen,  wie  wir  dae  Beeoltat  hätten  Toraneahnen  können. 
Denn  in  einem  Ahnliehen  Falle  werden  wir  nne  an  die  Beehnnngearbeit 
aw  wieder  dann  wagen,  wenn  wir  hoflbn,  daß  sie  ein  ebenso  einfaches 
Beanltat  bringen  wird. 

Seit  der  Mitte  des  Torigen  Jahrhnnderte  bemflhen  sieb  die  Mathe- 
matiker immer  mehr  nm  eine  abselnte  Strenge;  sie  haben  recht  in  dieeem 
Streben.  Die  Strenge  ist  swar  in  der  Mathematik  nicht  alles,  aber  ohne 
sie  ist  nichts.  Man  darf  jedoch  nicht  meinen,  daß  die  Mathematiker  Tor 
1820  ihren  Namen  nicht  Tcrdient  hätten,  die  Gelehrten  jener  Zeit  gingen 
nnr  ftber  rieles  rasch  hinweg,  was  wir  hente  ansffthrlich  nntersnchen. 

Ich  mochte  hier  hininf&gen,  daß  die  Gewöhnong  an  Strenge  aneh 

sehöpferisch  wirkt    Dae  erkennt  man  am  beeten  ans  den  großen  Erwei- 

temngen,  die  wir  der  strengen  Fassung  nnd  Untersnchnng  der  Begriffe 

Fnnktion  nnd  Integral  Terdanken.  ZorZeit  Newtons  nndLeibnitsens 

war  der  Begriff  Fnnktion  siemlieh  unbestimmt    Man  Tsrstand  darunter 

etwa    eine    Große    y    die    mit    einer    Terftnderlichen  x    durch    eine 

Oleiehnng  ferbnnden  war,  in  der  eine  gewisse  Zahl  von  Symbolen  Tor- 

kamen,  die  aue  bekannten  Operationen  gebildet  waren.  Eine  große  Zahl 

dieeer  Funktionen  konnte  man  integrieren,  dae  heißt  man  konnte  eben- 

■dehe  Funktionen  angeben,  deren  Ableitungen  jene  waren,  so  iwar,  daß 

e«  achien»  als  gehOre  lu  jeder  Funktion  auch  eine  primitife.    Bald  be- 

trmehtete  man  aneh  durch  Kurven  dargestellte  Funktionen,  doch  man 

lustersehied  sorgfiltig  solche,  deren  Geeets  analytisch  darstellbar  war, 

Ton  jenen,  welche  diese  Eigenschaft  nicht  besaßen,  man  betrachtete  lu- 

meist  nur  die  ersteren,  die  man  stetig  nannte  (Eulersche  Stetigkeit).  Die 

■tetigen  Funktionen  waren  die  eigentlichen.    Man  glaubte  nimlich,  daß 

mir  diese  einer  analytischen  Darstellung  fähig  seien.    Herr  Fonrier 

seilte,  daß  sieh  durch  trigonometrische  Beihen  analytische  Ausdrfleke 

für  nnstetige  Funktionen  bilden  lassen,  die  ans  Teilen  stetiger  susammen- 

^aaatit  sind.  Ich  erinnere  s.  B,  die  Funktion: 

siD  X-         liaBo;        lio  5jc 


die  gUith  ist  -j-  ins  InterTÄllt  o  <  ae  <  «  nod  gleich  —  -j-  fm   Intef- 


Talle  s  <  «  <  2  s,    Caacbj  bemerkte»  daß 
bei  ^ani  einfachen  AüHdrtlckan  aafti«t«iv   ^* 
-f-  OB    ist  für  o;  >  o   uod   gleich   - 
y  ^  -+ VÄ'Hier  fthtU  tl^o  di«  tti  - 
auf    die  bekannte  Erweitariifig  doi  & 
and    anderen  Terdanken  ood  die  ^1^^ 


J^ 


648      Bericht  ftber  den  lY.  InienMUlioMlM  Eathemaükar-KMgreft. 

ÜHleiMcliinif  tiMhite.  D«d«vch  wwde  wieder  eise  straogwe  DefimtioB 
der  Steftigkilt  MtweDdig.  Die  Aifelelliiiiir  ^m  Begriffee  .beettnulM 
Inlegral'*  nadite  eohoa  M  jenen  gvlmMgeii  PonMesen  die  Aikh- 
iMttg  mn  de»  weeig  kleren  Begriff  d«r  Flielie  nOtig,  die  8e^e  wird 
scAdiiiiver,  wem  »m  bedenkt,  daß  die  Gebiete  ton  Knrven  begnnk 
sein  können,  die  mm  Teilen  geonietrieeher  Linien  beeteben,  nnd  dtl  die 
Kenpliiäertheit  keine  4}renien  bat.  Dae  einmal  geweckte  Bedflifidi  sack 
Strenge  braehte  aoeb  dem  Begriffe  des  bettinniten  Integrale  nene  F» 
midiemngen.  In  der  medemeo  Tenrinolegie  kann  man  eieb  ao  anediflckmi 
Die  FankÜon  f(x)  werde  im  Intenralle  a  hit  ß  betrachtet  Die  Meegt 
jener  Packte,  in  denen  f  (x)  nnstetig  wird,  sei  JE.  Dann  bat  dae  fljfnbel 

nach  der  älteren  AnfÜMrang  nnr  dann  einen  Sinn,  wenn  E  keinen  Paekt 
entbüt.  Naeb  Gaacby  darf  E  eine  endliche  Menge  eein.  Bei  Diricklet 
nnd  Liptcbiti  ist  eie  nirgends  dicht,  sie  mn5  anfterdem  rednktibd  swi. 
Man  bat  aber  noch  Tiel  anangenehmere  Fanktionen  kennen  gdemt  sli 
die  eben  erörterten.  Ich  erinnere  an  die  stetigen  Eorren  ohne  TangeDtefi, 
an  die  Karten  der  Herren  Peano  nnd  Hilbert,  deren  Pnakte  eise 
Fliehe  erfOUen,  an  die  Fanktion  Ton  Dirichlet,  die  flberall  nnstetig 
ist,  and  an  die  Fanktion,  die  Biemann  nach  dem  Prinsipe  der  Ver- 
dichtang  der  ünstetigkeiten  gebildet  hat: 

x/«,        (g)    ,     (gg)      ,     (8a?)      , 

2  «  +  1  sr* 

nnd  die  an  allen  Punkten  — ^^ —  am  "j^jj^  epringt  Anf aolcbe Faak- 

tionen  sind  die  frflher  erwähnten  Betraehtangen  nicht  anwendbar.  Ri« 
setien  die  Arbeiten  Ton  Biemann  nnd  dn  Boia-Beymond  Aber  Funk- 
tionen mit  beschrankter  Schwankong  ein.  Man  kann  hente  sagen,  eise 
Fanktion  Ton  bescfarinkter  Sdiwankang  f(x)  sei  in  einem  iBtemllf 
integrierbar,  wenn  die  Menge  E  der  Punkte,  in  denen  sie  anstetig  iii 
im  Sinne  des  Herrn  Borel  den  Inhalt  NoU  hat  Die  geistvollen  Ideen 
des  Herrn  Borel  hat  Herr  Lebesqae  in  seinen  J^^ons  8ur  L^JMSgration 
mit  großer  Grftndüchkeit  aasgebaat. 

Die  grofie  Strenge  bringt  aber,  sagt  Herr  Poincarä,  die  Gefikr 
aUtn  langer  Beweise  mit  sich.  Da  seigt  sich  non  der  ganie  Ökonomist 
Wert  der  Schöpfung  neuer  Begriffe,  durch  die  lange  Überlegangen  erspsit 
werden.  Man  denke  s.  B.  an  die  mühsamen  und  Tollkommen  ntrengea 
Einseiuntersuchungen,  deren  oftmalige  Wiederholung  wir  heute  dnrcfa  des 
B^iff  der  gleichmäßigen  Kon? ergeni  ersparen.  Oft  Terhüft  ona  muh  eis 
neuer  Begriff  sur  Ausschaltung  von  Ausnahmen,  die  schädlich  aind«  weil 
sie  die  Gesetie  Tcrhfillen.  Aus  diesem  Grunde  schufen  wir  uns  die 
negatiTcn  und  komplexen  Großen,  den  uneigentlidien  Ponkt  u.  a.  m.  Di« 
Physiker  arbeiten  Obrigens  genau  so,  sie  erfanden  den  Begriff  der  Sneigi«> 
der  so  großartig  fruchtbar  worde,  weil  er  den  gleichen  Nsmeii  vielfs 
Krseheinungen  gab,  deren  Gegenstände  Tcrscbieden,  deren  Fomien  äks- 
lich  sind.    Zu  den  Wortschöpfungen,  die  in  der  Mathematik  den  gMk- 


Berkb^  tlber  den  IV.  Intanifttiontkn  MathemtUk^r-Konfreft.     fitS 

IkMmk  EiBini^  eilaagieD,  geh^e»  dje  der  Qropp«  oad  def  iBTfuJiipte. 
^«D6Ur,  die  in  lefaeinbar  geftreBaten  GeHeten  farKlit«ii,  fijid«D  «icb 
«iiM  Tegee  einander  genihert:  vir  eegen  heute,  sie  bltteQ  i»omorpbe 
Grappen  betreebtet  Mit  den  Begriff  der  iGnippe  iit  janer  der  Tuofor- 
aetieB  eng  lerbnnden.   Wir  eneben  eifrig  nnob  ntnen  Tr&oifan&ttioiiQD, 
^reil  wir  dnreh  ihre  Hilfe  nneere  SAtne  Terfielfftltigaii  kOnaeu.  Di«  soeboD 
bfipreefaenen  Enebeinnngea  haben   die  EntwickEnog  der  Mathematik 
itark  beeinfloAt  nnd  aie  werden  ee  wohl  noch  lange  tun.  Aber  auch  die 
Ibter  der  Probleme  spielt  dabei  eine  Boüe.    Denn  noiere  WiaMnicbaft 
gieoit  an  die  Philosophie  nnd  an  die  NatorwiisenichafteQ  und  wir  leheo 
wirklich  die  Mathematiker  in  awei  Kolonnen  Torwirta  driDgua.    FQr  die 
eiaen  ist  die  Mathematik  die  Wisaenechafty  die  Ober  licb  «elbit  nachdenkt. 
Dicee  Biditnag  hat  eine  gro6e  Bedeatang.    Denn  wenn  di«  Mathematik 
eolehes  tat»  eo  denkt  sie  Ober  den  menechlichen  Geiit  selbst  nach,  der  sie 
echa(  indem  er  dabei  weniger  der  Anftenwelt  entlehtit  hat  als  in  irgend 
einer  anderen  Wissenschaft  Darom  sind  anch  jene  Teile  der  Wiisenscbaft 
mtaUch,  die  enerwartete  Geometrictn,  eeltsame  Finktionen,  deo  ZuHanimeD- 
hang  der  Axiome  ....  betrachten.  Je  weiter  sich  dieee  Betracbtmigen  ?  qd 
der  Welt  der  Yorstellongen  nnd  dnmit  allerdings  aacb  roa  einer  qd mittel- 
baren Anwendbarkeit  entfernen,  desto  klarer  leigen  sie  uaty  was  nnsef  Gd«t 
fermag,  wenn  er  sich,  so  gnt  er  kann,  von  der  Tyrannei  seiner  Umgebcing 
befreit-  Per  grOftere  Teil  nnaerer  Mitarbeiter  aber  soll  auf  den  anderetj 
Weg  gewiesen  werden,  der  snr  Natnr  inrflckffihrt.    Hier  begegnet  dem 
Mathematiker  der  Ingenieur  mit  der  Frage:  «KOnnaQ  aie  mir  diaa«  o^r 
jene  Differentialgleichnng  integrieren,  ich  braocbe  die  LOsnng  Ton  beate 
in  acht  Tagen  an  einer  Konetmktion,  die  in  diesem  Termioa  fertig  &ün 
moß?*    Der  Ingenieor  braacht  fast  nie  eine  strenge  Lt^iang»  er  will  nai 
einige   bestimmte  Zahlen  wissen  and  fOr  ihn  müsse n  wir  N&berangs- 
lOsnngen  schaffen.    LOsnngen  aber,  die  sich  swar  als  exitteot  erweiseD. 
aber  durch  in  langsame  Konfergeni  in  keinem  praktiecb  braüchbareti 
Beenltate  führen,  findet  er  geradem  UcherUeb,  gleich  vi  el,  ob  §h  ans  als 
Mathematiker  befriedigen  oder  nicht  Ans  diesem  Bedürfnisie  eotspringt 
•die  Aufgabe,  nach  branchbaren  qoentitativen  LOsangeti  %u  Ton  eben. 

Das  gigantische  Anschwellen  der  mathematiBcbee  Wisse oiobaften 
bat  eine  groAe  Spesialisiemng  inr  Folge  gehabt.  In  diesem  Sinoe  allein 
darf  jedoch  nicht  fortgearbeitet  werden;  die  scbDnsteD  Resultate  sind 
Tielmehr  ans  der  AnnAhemng  yemdiiedener  Gebiete  tn  erwarten  nad 
daroacb  hat  die  Entwicklang  der  Znknnft  in  streben. 

Herr  Poincard  scbloiS  mit  einem  interessanten  Oberblick  tber  d|a 
einielnen  Teile  der  Mathematik,  indem  er  in  mehreren  Ponkten  lerj?*'^ 
eine  solche  gegenseitige  Annihemng  in  bewirken  w&re.  Die  Tbe^^ 
Ideale,  die  der  Arithmetik  angehört,  hat  Yerwandtacbaft  ml%  der 
der  Knrfen  anfeiner  Fliehe,  fttr  die  algebraischen  Gl  elebangen  gibt  t^  * 
die  Unteraachang  fon  Funktionen,  deren  Pole  ihre  NnUttell««  «Att^. 
BMI«  Art  der  nnmerischen  Behandlung.  Die  Theorie  d 
Ini^gnügleiebangen  wnnelt  in  ihrer  Idee  in  den 
jnit  ainer  nnbegrenxten  Aniahl  Ton  Unbekannten.     ^ 


1 


644      Berieht  über  den  lY.  Internationalen  Mathematiker*Kongre5. 

Untemehongen  nenne  ieh  hier  noeh  die  Arbeiten  dee  öetenreidÜBdiaa 
Gelehrten  Herrn  Plemelj  in  den  Monateheflen  f.  Math.  n.  Phye.  Hör 
Wirtinger  hat  in  eeinem  ideenreiche  Anfsatie:  «Zur  Theorie  dar 
mechaniichen  Aoegleiehang"  (Venicheningiwisaeniehaftliche  Mitteilung«!!, 
Wien  1907t  8.  89)  bereiti  einer  Anwendong  dieeer  Untennehangen  vor- 
gearbeitet Aneh  die  Geometrie  eoeht  nach  Strenge  nnd  naeh  allgemeiiMn 
Gesicbtapnnkten.  Dnrch  die  Theorie  der  Gmppen  hat  sie  Tiel  gewonaea. 
Sie  schafft  der  Analysie  Probleme  nnd  nntentfltit  nne  dort,  wo  wir  geo- 
metrifch  arbeiten  können,  durch  ihre  Aoachaolichkell  Die  mehrdimeD- 
•ionalen  Erweitemngen,  fo  fruchtbar  für  eine  elegante  FaaaoBg  der 
Theoreme,  nnd  die  Niohtenklidioehen  Geometrien  sind  in  kurier  Zeit  aUa 
Mathematikern  gelinfig  geworden.  Die  Nichteaklidiichen  BetraehtaDgea 
enteprangen  mm  Teil  einer  ftrengeren  Untennchung  der  Axiome,  in  derei 
Weaen  tie  uni  dann  ihreneitf  einen  tiefen  Blick  lu  tun  geetatten.  Von 
Standpunkte  der  reinen  oder  beseer  der  mathematischen  Geometrie  geltsi 
heute  die  Axiome  als  Vereinbamugen,  die  eigensehaftslosen  Dingen  «st 
jene  Merkmale  erteilen,  die  sie  einer  logischen  Behandlung  flhig  maefaea. 
Die  Übereinstimmung  der  Axiome  mit  der  Erscheinungswelt  ist  eine  gaai 
andere  Frage  geworden,  die  nur  mehr  vom  Standpunkte  der  Nfltaiiehkeit 
aus  betrachtet  werden  muft.  Wir  Terdanken  diese  Einsicht  lum  gioftes 
Teile  den  Herren  Hubert,  Euriqaes  und  Poineartf  telbst,  der  sieh 
darüber  in  seinen  Büchern  "Xa  Science  et  L^Hypothhee^  und  **La  Yekm 
de  La  Scimce^  ausspricht.  Die  philoeophiicbe  Mengenlehre  hat  dagsg«i 
auf  unentwirrbare  Widersprflche  geführt.  Herr  Poincartf  Iftftt  eich  dadoreh 
nicht  entmutigen  nnd  er  betont  die  Wichtigkeit,  immer  nur  Begrüfe  sin- 
anfahren,  die  sich  durch  eine  endliche  Aniahl  fon  Worten  ToUstindig 
definieren  lassen. 

y.  Die  IT.  Sektion  hatte  iwei  Sitsongen  und  swar  am  8.  und  9. 
April  der  ErOrterong  pädagogischer  Fragen  gewidmet  Yom  Komitee  des 
Eongreaaes  war  eine  Beihe  tou  Vorträgen  Aber  den  mathematiscbea 
Mittelschulunterrieht  in  den  Torschiedenen  Ländern  Tcranstaltet  wordes. 
Es  sprachen  die  Herren  Bor el- Frankreich,  Gutsmer-DeutschUDd« 
Godfrey- England  (gelesen  fon  Herrn  Tailati),  Smith- Vereinigte  Sttitoa 
fon  Nordamerika,  Beke-Ungam,  Vailati-Italien,  Fehr-Schweii,  Ste- 
phan o  s  •  Griechenland,  De  Galdeano- Spanien.  Österreich  war  Tertreteo 
durch  den  Vortrag  Ton  Sappantsch itsch:  ^L^ Application  dee  idea 
modernes  ä  Venseignement  eecondaire  des  Mathematiques".  Das  IntereMc 
für  pädagogische  Fragen  ist  lar  Zeit  außerordentlich  lebhaft  Die 
IV.  Sektion  trug  dieser  Stimmung  Rechnung,  indem  sie  auf  Antrag  der 
Herren  Smith  und  Archenholi  nach  lebhafter  Debatte  die  folgend! 
Resolution  annahm: 


„Za  Section  IV,  ayant  reeonnu  rimportanee  d'un  \ 
compari  des  mithades  et  des  plane  d^itudes  de  Venseigneme^ 
mathematicpu  dans  Us  icoles  secandaires  des  diffirentes  NaOenf, 
confie  ä  M.  M,  Klein,   Greenhill  et  Fehr  U  mandat  de 


Berieht  Aber  den  IV.  InteniatioiialeD  Mat]lelllatike^KoDgreiV.      645 

eanstUner  une  eommi$»i(m  internationale  gui  itudiera  eea  gue- 
stione  et  priaentera  un  rapport  d^enaemble  an  proehain  Conffres*. 
Diaio  BeiolQtioii  wurde  tod  der  YoU? ereammlong  dee  11.  April  approbiert 
leb  will  beioBders  Ober  die  MitteUmigeii  der  Heiren  Gotsmer 
VDdBorel  beriehten,  nieht  etwa,  weil  ee  die  uideren  weniger  verdienteD, 
MBdern  weil  gerade  diese  Herren  Aber  Dinge  spraehen,  die  hier  Ton  be- 
tonderem  Intereeee  lind. 

Heir  Gntimer  beriehtete  Aber  die  Beformbewegnng  in  der  Ver» 
«inigiing  der  deotiehen  Natorfoneher  und  Äntei  die  besondere  in  den 
Verhandlnngen  von  Heran,  Stottgarfc  vnd  Breelan  her? ortrat  Der  Redner 
bemerkte  aneh»  daA  ee  der  gegenwärtigen  StrOmnng  entspreehen  wttrde, 
die  hohe  Lehr-  ond  Lemireiheit  der  UniTersititen  in  dem  Sinne  etwae 
sa  kflnen»  daft  Programme  nnd  Batsehllge  fttr  die  Lehramtskandidaten 
aofgestellt  würden,  in  denen  sieh  die  Studierenden  leleht  inreeht  finden 
konnten  (etwa  nach  dem  Beispiele  GOttingens);  dagegen  solle  dem  Lehrer 
ia  der  Mittelsehnle  mehr  Freiheit  in  der  Auswahl  und  Methode  gegOnnt 
werden.  Dadnreh  wArde  die  Diskontinniat  iwiaehen  üniTersiat  ond  Mittel- 
•duile  etwae  gemildert  werden.  Femer  betonte  Herr  Gntsmer  die  beson- 
dere Wichtigkeit  der  Anwendungen.  In  der  Diskuesion  dieeee  intereeeanten 
Yoitmgea  wurde  tot  einer  alliu  groAen  Zenplittemng  der  Mathematik  in 
angewandte  Aufgaben  gewarnt,  lumal  auch  dadureh  die  immanenten 
Schwierigkeiten  dee  Gegenstandee  keineswegs  beseitigt  werden  können. 
Herr  Borel,   der  nicht  nur  den  Fortschritten  der  Mathematik, 
sondern  auch  ihren  Unterrichtsmethoden  große  Dienste  geleistet  hat, 
referierte  laent  Aber  die  Errichtung  der  fransOeischen  Schulen^)   nnd 
sprach  dann  ansschlieDlich  Aber  die  Abteilungen  C  nnd  D  des  ^seeand 
cyele^t  die  unseren  Oberrealschnlen  entsprechen,  während  in  Ä  nnd  B 
nur  wenig  Mathematik  getrieben  wird*).    Herr  Borel  bemerkte,  daß  die 
BegriiTe  Funktion  und  Ableitung,  genommen  etwa  im  Sinne  der  Mathe- 
matiker des  XVin.  Jahrhunderts,  heute  schon  su  solcher  Einfachheit  nnd 
IQarheit   durchgearbeitet  sind,  daß  sie  dem   allgemeinen  Verständnis 
ebenso  gnt  wie  der  Pythagoreische  Lehrsats  lugänglich  seien.    Gegen 
ihre  Verwendung  im  Mittelschulunterrichte  besteht  ja  in  der  Tat  nur 
mehr  wonig  Widerspruch.    Allein  fOr  die  Geometrie  ist  noch  der  Begrüf 
der  Grnppe  von  entscheidender  Wichtigkeit  geworden,  dem  ein  Alter 
von  etwa  80  Jahren  immerhin  schon  einige  EhrwArdigkeit  Terleiht  Herr 
Borel  mochte  auch  diesen  Begriff  im  Mittelschnlnnterrichte  nicht  Tor- 
miaeen,  doch  er  anerkennt  die  großen  Hindemisse,  die  sich  gegen  seine 
allgemeine  Anwendung  schon  deshalb  stenmien,  weil  er  heute  noch  nicht 
allen  Lehrem  geläufig  ist  Ich  maß  Herrn  Borel  auch  in  diesem  Funkte 
suftimmen.  Der  Begriff  der  Grappe  wirkt  unbedingt  ordnend  und  klärend; 
noch  mehr,   er  ermutigt  uns  tu  Herleitnngen ,  die  ohne  ihn  unstreng 


^)  Vgl.  Klein  und  Schimak,  Der  mathematische  Unterricht  an 
den  höheren  Schulen.   Leipsig  1907,   S.  40  ff. 

*)  Vgl.  des  Verfassere  Aufsati:  Über  einige  Fragen  dee  mathe- 
mMJkMbmn  Unterrichts...  usw.,  diese  Zeitschr.  1907,  S.  156 ff. 


646     BerkM  über  den  IT.  InteniatioflAloii  MathaiittCfkttP-KotgMft. 

enM^en  MtMi.  Itt  afnern  fproßett  Teile  der  8efaQl($eoinelrie  ipielt  j» 
die  GiUppe  der  Be#efiiBfeii  efne  wichtige  Belle.  Weao  dieee  eimul 
irgendfrie«  fflr  den  iBlinger  jedenfidli  floeehAiilieli  deiaieit  iety  ee  InM 
cm  ihr  eiie  Ffllie  EBtegender  MelhodeB  «ad  Pkohleaie.  Wie  eil  verwendet 
aMB  Mch  jetil  Bewegvngen,  die  eieh  aber  lageMhiekl  ia  eia  LehrgeUti» 
MBAgea,  dem  de  eigeatUeh  fremd  eeia  soUea.  Zo  dieeen  Paalcte  beandKU 
Herr  Borel,  daA  ee  ihn  oft  wie  ein  Qednldapiel  oder  «eueee-^etf*  ae- 
gemntet  habe,  weaa  er  ele  Sehftler  cfiae  Figur  in  recht  fiele  geicfaickt 
gewifalte  Dtfeieehe  lerlegea  maftte,  deren  KeagraeiB  atit  noch  atkr 
Findigkeit  naehiaweieen  War.  AUerdmgt»  dae  laatraaieBt,  daa  wir  epielca 
wellen,  wird  ent  ia  eiaer  fernen  Zokaaft  hanaoaieeh  hlingea;  aber  attar 
Aaluig  iet  eehwer. 

Ab  dieeea  beeoadera  anregeadea  Vortrag  echloft  eieh  eine  lebbiftt 
DiekaidOB,  die  iwar  nai  grd&tea  Teile  Znethamang  bradite,  aber  aacb 
seigte^  da*  eiaadae  Argumente,  deren  neh  maacho  Vertreter  der  Mmn 
Aalfaeaaag  gegeh  die  Neaenmgen  bedienen,  aie  einer  nieht  gan  ikhti|ee 
AnlfaeeoBg  der  Befermbeetrebaagea  flieftea  dftrftea.  Wir  haben  kiia«i- 
wega  die  Abeieht,  die  Mathematik  ebermißig  aa  beUmea,  daa  Vefitäadeii 
ihrer  Beheaheit^  die  wie  jede  andere  relatir  iet,  Meaeehea  aotadrlageB, 
SB  denen  eie  Aieht  epridit,  wir  wollen  vor  niemaad  erachreeken,  der  so 
matiiematieehem  Denken  wenig  beffthigt  itt,  neeh  den  alten  FenBalinni 
dmnh  efaen  neaen,  eehüauaeien  enetiea,  der  jedee  tiefere  VentladBii 
▼emichten  kennte;  wir  wellen  aber  dem  Geiete  der  Zeit  Beehnnag  tngea 
and  aaeh  ane  der  offenbaren  AbrarditAt  des  banalen  Utilitarismat  ia  dir 
Schale  noch  nicht  achließen,  daft  gerade  dai  Unbraachbare  dae  Bil- 
dendste seL 

Als  allgemeiae  Aniicht  der  Teilnehmer  an  den  Verhaadlnagea 
dieser  Sektiea  ergab  ee  sieh,  dalS  eine  Beschleonigaag  im  Mitteleehsl- 
unterrichte  notwendig  eei,  am  beeoaders  jeaen  jangen  Leotea,  die  in 
späteren  Leben  nichte  mehr  von  Mathematik  hCren,  weaigeteae  einige 
der  heate  fOhrenden  Ideen  mitsagebea.  Data  ist  aUerdiage  nCtig,  dsfr 
man  Tielee  von  dem  GebrftQchliehen  abwirft,  Tcraltete  und  eberflftssige 
Beehnongen  and  die  einer  Tcrmcintliehen  Strenge  gewidmeten  Weitliofig- 
keiten  Termeidet  Die  hohe  Achtung,  die  wir  der  Strenge  loUen,  wird 
uns  fielmehr  belehren,  daß  wir  sie  in  der  Sehale  niemale  toU  erreiebea 
kOnaen.  Wir  werden  swar  keine  offenkundigen  Fehler  machen  wellea, 
aber  LOcken  iidassen  mflesen,  die  nne  die  Anschannng  aaafftllen  kaaa. 
Wir  werdCB  s.  B.  nicht  sagen,  der  Kreis  amachließe  iwar  nach  der  nalAr- 
lichen  Aaffassang  eine  Fliehe,  doch  mfisse  dieee  Tatsache  etreng  kon* 
stmiert  werden;  wohl  aber  werden  wir  fielldcht  betonen,  daß  die^Ver 
allgemeiaerong  dee  Ansatiee  VT-V^—  V^  an<  V2.yS'^  Y6  mü 
aller  Strenge  ane  der  Theorie  der  irrationalen  Zahlen  gefolgert  werdsa 
maß  and  daß  wir  dieee  Betrachtangen  fibergehen.  Mit  einem  Worte,  die 
der  Anschanang  entnommenen  Sitze  mfissen  in  der  Schale  nicht  aaf  dae 
erreichte  Minimnm  redasiert  werden,  sondern  hier  kann  nne  die  Anschaaeag 
mitanter  anch  fiber  ableitbare  Sitie  hiaweghelfea.  Ee  ist  anch  gar  aicht 
wfinsehenswert,  dem  Abitarientea  dae  Bewaßteeia  eiaea  aeheinbar  ab- 


Beriebt  ibtf  d«i  lY.  IntenMUoAakn  MatbraiAtikemKoBgnß.     M7 

goNhlofteiieD  WifMat  müiic^bMi.  Sin«  toUU  £iabil4iiiig  ist  gtObrUafe^ 
kite  wird  üt  nocb  oA  b«obMbM,  bttondai»  wm  die  dwaMIknä»  0«»- 
>  b^tiiilk* 


Der  Lebrer  wird  Itbrigwt  mTermeidlieh  g^eiad»  jene 
Kififtel  mit  besonderer  Freade  anterrichten,  die  mit  den  bOberen  Qebieten 
IdeenterwMidtsebnft  baben,  in  denen  er  eben  arbeitet  Die  Anfdeekang 
loleber  Beiiehnngen  bereitet  viel  Freode  ond  bannt  die  Gefabr,  tieh  im 
Modnik  oder  in  anangenehmen  Ennftgriffen  ansinleben.  Davor  kann  aneh 
daa  fiewnßtiefai  leblttietti  daft  gerade  der  üntenidit  der  Elemente  eine 
lehr  icbwere  Aufgabe  ToreteUt,  die  in  Immer  nenem  Nacbdenken  leiit. 

Unter  den  Mathematikern  scbeiBt  die  Anikbt  verbreitet  in  sein, 
daß  es  siemlich  gleiehgiltig  ist,  an  welehen  engeren  Teilen  der  Wissen- 
Behalt  sieh  jemand  gans  besonders  den  matbematisehen  Bliek  sehftrfe. 
Die  Anwendbarkeit  des  Gelernten  sei  einee  nnserer  Ziele;  Aber  in  der 
Aehtong  Tor  der  Wahrheit,  die  das  Stndinm  der  Mathematik  dem  Jnngen 
Manne  einfloßt,  liegt  der  größte,  fielleieht  der  einsige  moralisebe  Gewinn 
der  Besehlftignng  mit  dieser  Wissenschaft  ^).  Wollen  wir  ihn  gani  beben, 
dann  dflrfen  wir  nicht  bloß  mit  fertigen  Abstraktionen  arbeiten.  Die 
Mslhematik  bildet  ja  xnerst  ihr  Material  ans  rohen  Vorstelhngea,  ein 
/Verfeinerungsproieß  ersetxt  diese  allmftbHeh  dnrch  Begriffe  von  hoher 
Abstraktion,  die  logische  Transformationen  snlassen.  Zvm  Schlosse  mnfl 
wieder  nachgesehen  werden,  wie  weit  die  Eracheinnngen  der  Nator  in  den 
Bahmen  passen,  den  nnser  Geist  geschaffen  hat  Besonders  der  lotete 
Punkt,  die  neuerliche  Annähwung  an  die  Welt  der  Tatsachen,'  klftrt  m.  E. 
am  betten  Aber  die  Unmöglichkeit  auf,  die  Natur  eiakt  sn  erfassen.  Die 
ErOrtemng  des  Wertes  dieser  Erkenntnis  f&r  die  Bildung  der  PersOnneh« 
keit  gehört  nicht  in  diesen  Bericht. 

Wir  wollen  auch  nicht  vergessen,  daß  wir  keine  Mathematiker  su 
eniehen  haben  und  daß  spesielle  Kenntnisse  fl&r  unsere  SchOler  im  all- 
gemeinen vgtktet  nur  wenig  Bedeutung  haben.  Wenn  G.  A.  Weber  sagt*): 
^Nichts  vermag  die  iQgellose  Einbildungskraft  eines  achtiebnjftbrlgen 
Jünglings  besser  im  Zaume  sn  halten  als  Mathematik;  nichts  besser  den 
Geist  SU  wecken,  wenn  man  auch  in  spftteren  Jahren  nicht  mehr  wissen 
sollte,  daß  die  Winkel  des  Triangels  I8O0  machen,  der  Zirkel  960^  hat.  .* 
so  stimme  ich  dem  Geiste  dieses  Ausspruches  immer  noch  bei,  obwolü 
der  Schluß  offenbar  bewußt  Obeitrieben  ist.  Ich  begreife  nicht  die  Ver- 
iweiflnng  mancher  Menschen  Ober  die  Unkenntnis  anderer  in  gani 
speiiellen  Dingen,  es  sei  denn,  daß  der  Gegenstand  dem  engsten  Fach- 
wissen dieser  Personen  angehören  sollte. 

VI.  Zum  Schlüsse  erfOlle  ich  noch  die  angenehme  Pflicht,  meiner 
vorgeiotsten  Behörde  den  Dank  dafflr  aussosprechen,  daß  sie  mir  durch 


M  Vgl.  Tannert  in  der  Torrede  des  L  Bandes  seiner  Xe^s 
lyjlgetre  H  I/Anaiy$e,  Paris  1900. 
*)  Demokritos,  X.  Bd.,  12.  Kap. 


$48         Zam  LebrpUti  für  die  it&t,  Spraebe  an  HitteliebiltQ  nw. 

weitbtirsigei  EDtgegeDkoromBti  die  Teilnahme  &m  Eon^ewe  ffisQflklt 
bat  Niebt  miod«!  danke  ieh  den  MaibemitikerD  Fraakrelcbi  m&  ittiim 
für  die  groiSe  LiebeDswürdigkeil,  mit  der  lie  mir  neiserdtofi  4vfiieMii 
ftber  die  biiElgUchen  Beitrebniigeii  w  ihren  HeimAtlindem  erteilt  hilit 
Wien.  £^  SappaatiebiticL 


Zorn  Lehrplan  für  die  italieDisefae  Sprieh«  an 

Mittelschulen  mit  deutscber  oder  kroftttiebtr 

ünterriohtssprache. 

Da&  der  LebrpUn  für  die  italieQiacbfl  Sprache  an  MitttiMiriis 
mit  deutdcher,  beiw.  kroatischer  UnterrichtiBprache  ciaer  gitsdlklii 
EeTisiOQ  dnngend  nötig  hat,  das  ist  eine  Tatsacbe,  die  ton  aikn  L«ta 
der  itftUeniicben  Sprache  zugegeben  wird.  Es  gebührt  daher  dem  Dr.Ti» 
daiiicb  jede  AnerkennQDgf  da£  er  mit  ieiDeo  ßemerknageti  tum  Lebl|llit 
für  die  italieDiiCbe  Sprache  die  Anregang  xn  einem  ertprießltohea  ü- 
DUDgiiustauecb  unter  den  engeren  Fachgenouen  gegeben  bat  hdmm 
lanD  ich  gleich  hier  bemerkeD,  dal^  icb  ans  beienden  lebwervicgtiiia 
Gründen  mit  aeineD  Vortcbligen  nicht  ÜbereinitimiDe.  Deeh  btfititi 
leine  Vonchiäge  einer  niheren  Pr&fang  ontersiehe,  halte  leb  et  fir  iH^ 
einige  allgemeine  B e merk no gen  iq  ton. 

Nach  dem  Lebrplane  wird  die  italieniiehe  SprAebe  an  mÜÄm 
Mittelicbnlen  mh  deutscher  od«r  kroatiicher  üntenicbliipracbe,  wamä 
eine  dritte  L&odeispracbe  gelernt  wird^  in  iwei  wöchenUicben  Stol« 
DDterricktet  Es  macht  somit  acht  StQDden  monatlicb.  Davon  fii»d  i^ 
jedeD  MoDat  zu  BcbuU  nod  Hausaufgaben  und  deren  Korrektur  ail  ^ 
3ebüJern  swel  Stusden  in  Abiag  tu  bringen.  Da  jedei  Bimetter  4)B^ 
BClinittlicb  Tier  Alonite  dauerl,  eo  bat  man  perSeroester  Tiemndrvitfif 
Stunden  für  die  italieniiche  Sprache,  Wenn  man  daa  MifirerbDEtf 
s wischen  dem  umfangreicben  zu  überwältigenden  Material  und  der  gtiiifn 
Stundenzahl  tqt  Augen  b&lt,  ao  muiy  man  anerkennen»  da0  et  !^  o* 
mOglicb  iit,  in  eo  kurzer  ^eit  du  ganxe  vargeftcbri  ebene  Uaterial  p^ 
lieh  durehEumaehen.  Da  man  eich  beim  Uuterriebte  der  itali^aiick« 
Sprache  aowohl  mit  LektAre  als  auch  mit  dem  Studinm  der  LltüSttt* 
geicbiebte  tu  befassen  bat,  to  erscheint  es  sweckentepreebender»  la 
Stoff  der  Literaturgeschichte  im  heschrAnken,  die  Lektfäre  dag egtn  nl» 
sifer  nnd  gründlicher  als  bjifaer  lu  betreihen.  Der  Grund  su  dJeMiP^ 
echrinkung  liegt  in  der  oben  lierrorgebobe&en  geringen  Zahl  der  Uitv* 
richtsstunden  für  das  Italieniiche. 

Während  die  Yerfasaer  des  Lehrplanes  fftf  die  italieniiche  Sfn^ 
diesen  so  wichtigen  Grund  auüeracht  gelassen  haben,  haben  lie  dtniiifc« 
beim  Lebrplane  för  die  deutsche  Sprache  an  Mittelscbnlen  tntt  kreaÜwii^ 
UnterrichUiprache  berücksichtigt.  Das  Studinm  der  deutschen  Liliistf^ 
gescbicbte  tet  auf  die  TIL  und  fllL  Klasse  betdirinkt»  dagegea  fiM 
die  Lektüre  im  ganxen  Oberg^oanasiom  intenii?  bet;dtb«ii,    fiei  dmt  * 


Zum  Ifflbrplaa  für  dia  itil.  Spriche  an  Hitt«I«ehtiIei3  diw.         64^ 

tÜgen  Emt^ÜEtng  4eB  LerostofFas  iicd  auch  die  Erfolge  Bberraicbend 
biere  SchQUif  di«  die  dentacbe  Sprache  er«t  im  Gjmna»iam  erlernau* 
i  ilue  Stadien  mn  deqtichea  Üoif  ersit&ten  ohne  besondere  Sehwiertg- 
fortietieni  während  andeneita  fest^eiettt  werden  mnL*  daJ^  die 
f  die  it&lieniuhe  Sprache  nicht  beionden  beherrschen,  ohtcbnn  fait 
■neb  Tor  ihrem  Eintritte  int  Gjmnafliain>  das  Italieniachij  nicht 
kn bekannt  ist. 

Btr  Leb rplan  fQr  die  italienische  Sprache  im  Obergjmnaaiam  be^ 
\  weiter:  Darch  Lektüre  getroonene  Kenntnis  einer  Auswahl  dei 
dilen  aus  der  Italien iacben  Literatur.  Jedoch  ist  dJe  Fülle  der 
lerfce  in  gro£^^  da£  die  Aosw&hl  tiemlich  umfangreich  erscheint 
if  £]aase  det  Ohergjtnnasinms  sind  einige  Autoren  fo  leseu,  aber 
fegen  der  bedeutenden  Anzahl  der  Schriftsteller  werden  den  Schülern 
nctaitücke  ans  einzelnen  Werken  geboten.  Infolged nassen  kann  weder 
treanlicbkeit  noch  die  literarische  Richtung  der  Autoren  Eur  fallen 
1^  gelangen*  Ein  tolcbee  l^ippen  ans  Teriehiedenen  Werken  ist  nn- 
^  Khidlich,  denn  es  ersengt  nur  Überfilehtichkeit.  Wenn  aber 
^liehkeit  Aberhaupt  icbAdlich  ist,  so  iit  sie  in  dieiem  Falle  noeh 
[eher.  Das  bekannte  Wort  Ton  PUnius  muUum  noti  multa  sollte 
Lernen  allein  herracbeo.  Ans  diesem  Gronde  wäre  die  Zahl  der  in 
Elasse  xn  lesenden  Seh  rif  tat  eller  zu  b  es  ehr  Anken,  anderseits  aber 
den  Sdiülern  von  jedem  Antor  deisea  Hauptwerk  vorgelegt  werden. 
nnn  die  Schüler  den  Wert  eines  Knnatweikea  richtig  würdigen  und 
in  können,  verlangt  man  Ton  ihnen  Intensität  heim  Lesen ^  vom 
'  aber  tiefgebende  Erkl&mng  des  betreffenden  Werkes  nebat  einer 
[it«t£t#n  Herforbebnng  allei  dessen,  wae  den  eigentlichen  Wert 
|en  ansmaehtT  was  natürlich  bei  den  ob  waltenden  Umständen  fast 
rhi essen  ist  Wie  man  sieht,  w&re  anch  bei  der  Lektür«  eiue 
Inknng  des  HateriaU  wünschenswert,  da  die  geringere  Quantität 
irehgenommenen  Stoffes  durch  die  größere  Intensität  des  ätudiums 
t  wAre. 

i^ne  ans  so  wichtigen  Gründen  gerechtfertigte  BesclirAnknng  des 
Its  ist  auch  geeignetf  die  Privatlektüre  der  Schüler  £U  f&rdern, 
I  am  hafte  F&dagogen  haben  die  Eltern  und  die  Lehrer  auf  die  Ge- 
anf merksam  gemacht,  die  der  Jugend  von  der  sogenannten  Jagend- 
lr droben.  Es  sind  nnr  Beb  und  werke,  die  aber  dnrcb  ihren  Inhalt 
Ihildnngskfaft  der  jQnglinge  volhtindig  fesseln »  ihr  Gemüt  dagegen 
I  gefährliche  Anfregung  Tersetien,  Viele  jugendliche  Verbrecher 
ben  dnrch  solche  Lektüre  anf  die  abschüssige  Bahn  des  Lasters 
i  worden r  worübei  wir  oft  in  der  Bubrik  Qeriebtssaal  unserer 
|en  erbaoliche  Dinge  xu  lesen  bekommen.  Die  Eltern  and  Lehrer 
\  mit  allen  ihnen  an  Gebote  stehenden  Waffen  gegen  die  Neigung 
Ipend  in  der  sogenannten  Jagendliteratur  kimpfen,  ansrotten  werden 
MJbt  aehr  ecbwerlicb»  denn  einerseits  siud  die  verbotenen  Früchte 
kmackhaf testen f  anderseits  ist  der  Geicbmack  nneerer  Schüler  nicht 
bd  gelintprt.  Eine  Lauter nng  nnd  Verfeinemng  des  Geschmackes 
nnr  durch  gesunde  Privatlektüre  geschahen«    Wenn  nun  die 


650        Zum  Lehrplaa  fttr  die  ital.  Spndie  an  MitlelMhilflB  ww. 

Sdiftler  schon  in  d«r  Sclrale  mit  deo  Tolfondetitm  SabOpfoigMi  im 
mentebüeheii  Gel«t«f  tertnvt  werden,  werden  sie  epiler  imatende  sita. 
Aber  den  Wert  dee  einen  oder  dee  anderen  literariechen  Weri^ei  dn 
riehtigee  urteil  sn  fUlen,  and  selbet  wenn  iknen  irgend  m  iekh» 
Sehnndwerlr  dnreh  Zafall  in  die  Hand  kommt,  werden  sie  eo  ecfaon  eich 
einigen  Seiten  von  iieh  werfen,  da  üir  Geist  an  eoleber  Lelctflre  kelMB 
Gefallen  finden  wird.  Vielmehr  werden  sie  ihre  PriTaäelMre  in  der  im 
der  Sehoie  gegebenen  Bichtang  betreiben.  Dadareh  werden  tie  lewoU 
ihre  Kenntniese  der  tollendeteten  Meiiterwerke  Terrdlstlndlgen  ale  eoeh 
ihre  Seele  mit  gaten  and  erhabenen  Gedanken  bereiehem.  Dieeen  6e- 
dttkenreiehtnm  werden  lie  dann  mit  ine  Leben  tragen,  er  wird  ihr 
geieMges  Patrimoniom  sein. 

Naeh  dieeen  YoraaaBettnngen  allgemeiner  Katar  werde  ieh  die  foi 
Dr.  Tidonieh  torgeeehlagene  Binteilang  naeh  Gottongen  einer  nihem 
Prnftrag  anteniehen. 

Die  ton  Dr.  Vidoseich  Torgesehiigene  Änderang  iii  lehon  aae  4m 
Grande  nieht  sa  billigen,  da  er  aaf  die  Poeeie  mehr  Gewiebt  legt  alt 
anf  die  Proea.  Naeh  dem  Lehrplane  iet  dae  Lehriiel  fftn  ObergymaariOB: 
Gewandtheit  and  etilittisehe  Korrektheit  im  «chriftUehen  and  mtodUchn 
Gebraaehe  der  italieniiehen  Sprache  inm  Anidracke  einee  im  üntenieUi- 
ond  Erfabrangekreise  der  Schtier  gelegenen  Gedankeninhahee.  Dieie 
Gewandtheit  ond  Korreictheit  im  Gebraaehe  der  Sprache  iet  aehwer  aef 
Grand  der  Poeiie  in  erlangen,  da  bekanntlieh  die  Dichter  towehi  Ua* 
Bichtlich  der  Grammatik  alt  anch  der  StiUitik  grofle  Freiheiten  geniiAia. 
El  iet  nicht  nOtig  in  beweisen,  daA  eben  solche  Freiheiten  oft  im  oflsaes 
Widerspräche  mit  den  Regeln  der  Grammatik  stehen,  waa  rar  Folge  habm 
konnte,  daft  die  Schfller  gar  leicht  die  Orieatierang  Terlieren 
Um  das  Lehniel  erreichen  in  können,  sollen  den  Schftlern 
Proben  ans  der  Prosaliteratnr  Totgelegt  werden  nnd  aar  «nf  Gmd 
solcher  Beispiele  wird  man  erdelen,  daA  sie  korrekt  sprechen  und  aehrsfl>sB. 

Diesen  ans  der  Torgeschlagenen  Änderang  entspringenden  Naehtril 
hat  Dr.  Yidossich  wohl  eingesehen  nnd  deswegen  hat  er  der  VIL  Klama 
die  Prosaliteratar  anfgebOrdet  Aber  dadarch  ist  der  Ton  der  YIL  Klama 
la  fiberwtttigende  Stoff  ongeheaer  angewaditen.  Die  so  entstandees 
Überh&ofang  des  Materials  hat  Dr.  Vidoseich  dadarch  ra  rechtfeitign 
gesocht,  da6  die  VII.  Klasse  die  leistangsfihigtte  sei.  Nnn  aber  «taäbe 
ich  mir  die  Frage,  ans  welchem  Grande  ist  die  VII.  Klasse  die  leiatnags* 
fUiigste?  Worin  besteht  diese  besondere  Leistnngafihigkeit  der  VIL  Klaaef 
Ich  bin  schon  seit  einigen  Jahren  Lehrer  in  der  VII.  Klaeee»  aber  ich 
habe  noch  nicht  eine  spesielle  Leistnngsffthigkeit  dieeer  Klasee  wahr- 
nehmen können«  Ich  bin  vielmehr  der  Meinong,  daft  die  grOAera  od« 
mindere  Leistangsfthigkeit  einer  Klaese,  abgeaefaen  Ten  aadeien  Orftadea, 
insbesondere  Ton  der  grOfteren  oder  kleineren  Tiehtigfcelt  der  Sefaller 
abhingt.  Je  begabter  die  SchQler  sind,  desto  grOfter  ist  ihre  Leislaags 
fihigkeit  Diese  größere  Begabnng  ist  aber  nicht  Immer  dae  eildaBive 
Vorrecht  der  VII.  Klasse;  nmgekebrt  ist  die  VIL  Klasee  hinilg  dis 
schwftehete  Klasse  im  ganten  Obergjmnasinm.  Aber  anch  legegeben,  daft 


Zn  UhrfUMtt  Ar  dl*  it^l.  8pr  A«ke  in  MHUlMhvlei  mr.       66 1 


dfo  VIL  KkMe  wUr  den  ftbri^Mi  KluiM  des  ObtrgymiMlinM  die 
leMwfifWgtl«  wir»,  to  itfe  du  noch  Mb  bcioiidtrer  Gnnd»  «ai  •!• 
■it  n  reieUitb  bemettontm  Lemtoffe  n  flberbflrdtn.  Blne  loleh«  Über- 
hMwng  «Mig«  Obarflieblietakeft,  d«rtB  Pcdgan  Ar  dia  Sthtttar  gtOhr- 
lieh  liid.  WiM  Dr.  VidMfkh,  «m  J«d«oi  Vorwaif  tat onnkoaiiDea,  be- 
ItoiyUI,  diA  6t  iMi  bei  d«r  ProM  rni  bieOe  Charakteristik  der  Gafetoagea 
bi«d«iC»  ohae  daA  eis  besoaderee  Eiadriagea  ia  die  Fem  Terlaagt  wird, 
10  icheiat  m,  ab  eb  er  keiaea  klarea  Begriff  ten  der  Wiehtigkeit  der 
Praa  beim  Erieniea  ekiar  SprMbe  bitte. 

D«r  iweite  Graad,  wüwegea  die  ton  Dr.  Yidotticb  loi^^eiehiageae 

ABderaag  aidht  ia  biUigea  itt,  liegt  ia  der  Eiateilaag  dee  LaraeteffBe 

Dieb  Oittaagea.    Dadareh  werdea  die  Naeht«ile  der  übUebea  lareraioa 

iddll  bMeitigt»  tielmehr  sie  bütebea  aeeh  weiter,  da  aach  die  Eiateilaair 

det  Liratteffee  aaeb  OattODgea  lar  ZetetOekelaag  der  Diehterpertaalich- 

k«ft  aad  la  Utotigea  Wiederhelangea  fllbrt.    Maa  kaaa  eigtatlieh  aaib 

ngea^  daft  bei  dieier  Eiateilaag  aiebt  dai  beete  aoa  daa  Werken  «inee 

jedea  BehriAitrileii  gebotea  wird.    So  kommt  Moati  ia  der  VI.  KlaM 

nter  den  Dramatikera  tor.    Moati»  mit  einer  eehr  lebhaften  aad  leiebi 

emgbirea  Phaataiie  begabt,  war  Toa  seiner  Begaboog  vielmehr  anf  des 

Gebiet  der  Lyrik  aad  der  Epik  ab  dei  Dramatik  aagewiessa.    Und  in 

der  Tel  bat  Ueati  aJs  B|iiker  aad  Lyriker  aaTergiaglkhea  Rahm  enrerbea» 

vtrflber  seine  BastvüUmna,  Mascheroniana  and  Muiogoma,  ferner  seine 

Odea  J^otopapea  di  Parid^  aad  AI  9%§nor  di  M<mt§6l(Ur  beredte 

Zeogea  sind.  Ale  Drtaatiker  dagegen  ninnat  Monti  in  der  italienisehen 

Uteratargeeehiebte  eine  antergeordaete  Stelle  eia.  Er  ahmte  iwar  Alfleri 

sad  Shakeapeare  naeh,  blieb  doeh  wmt  hinter  seinen  Mastern  sariek. 

Dssssibe  Sebieksal  trifft  aaeb  der  Eiateilaag  des  Dr.  Videssieh  dea 

Msaaeal.  Ale  Dramatiker  Tersaehte  Maasoai  die  Aafgabe  des  Historikers 

aad  des  Diehters  ia  Eiaklaag  w  bringen.    Seiner  Meinang  nach  war  ee 

des  Diebtera  Amt  nar,  aas  der  Qesehiebte  eiae  Orappe  tob  Ereigaissen 

samawiUeny  die  sieb  Ar  eiae  dnuaatisehe  Bearbeitaag  eigaet»  and  den 

OsscUelilseeltfelbet  la  erginsea,  da  der  Dichter  nicht  aar  beacbtea  soll» 

was  die  Mensehen  getan  haben,  soadera  nach  erratea,  was  sie  gedacht 

bibea.   Veecolo  aber  wies  ee  gleich  aach,  dafr  die  Aafgabe  dee  Dichters 

aad  dee  Histerikers  aie  im  Eiaklange  stehen  kannte  and  naaate  mit 

feilem  Beabte  Maaioaie  TragOdiea  höchst  dOrftige  SchapAngen.   Die 

ttiihtigkalt  diceer  seharfea  Kritik  zeigte  sich  schoa  bei  dea  AafAhraagen 

des  AdtMii  and  Oarma^iiolar  die  Tragidiea  ersidtea  gar  keiae  dra- 

matischa  Wirkang.  Als  Lyriksr  ist  Manioni  groA,  aber  seine  Inmi  $acri 

übten  aar  geringe  Wirkang  aas,  fanden  kaam  eiaige  mittelmißige  Nacb- 

shmer»  da  ss  ihnea  aa  aaheliegeadcm,  koakretem  bistoriscbea  Seeflis 

feblle.    Naa   hat   Dr.  Videsaich   dea   Maaseai   aater  die  Dramatiker 

(VL  Klasse)  aad  aater  die  Lyriker  (YIL  Klame)  gestellt 

Während  nan  Dr.  Vidossich  darch  seine  Yerteilaag  dee  Stcffsc  der 
Zetttttckelaag  der  DickterperiOaliehkeit  nicht  entgangen  ist,  hat  er 
sadeiaeiU  daa  Haaptwerk  Manseais,  die  Promesii  SpoH,  recht  bibscb 
tar  Seite  gelaseea.    Die  Promuii  Spoiit  dae  bedenteadste  Kar 


653        Zum  Lehrplan  fOr  die  iUl.  Sprache  an  Mitteleehnlen  oiw, 

der  italienitcben  Prosa  im  XIX.  Jahrhondert,  lollen  alt  PriTattektftn  in 
der  V.  Klaue  dienen,  wefem  ele  nicht  schon  in  der  lY.  gelesen  wardn! 
Bei  solchen  Worten  des  Dr.  Yidossich  wäre  man  Torsncht  in  behiaptts, 
daß  er  Jon  der  Erhabenheit  nnd  der  Bedentang  dieses  Bomani  ksiBe 
klare  Yorstellnng  habe.  Anch  mnft  ich  anf  einen  besonderen  V^denpneh 
in  den  Aniftthmngen  des  Dr.  Yidossich  aofmerksam  machen.  Er  schnibt: 
„Anch  mrd  er  (der  Qaintaner)  bei  der  Lektüre  der  iVomessf  Spati  sof 
eine  nicht  geringe  Aniahl  von  Idiotismen  und  Anakolnthien  stoßen«  auf 
Absonderlichkeiten  der  Phonetik  nnd  Syntax»  die  Ton  streng  sprachlicheD 
Gesiobtspnnkten  ans  ffir  ihn  keine  geringere  Gefahr  bilden  dfirfken  ili 
die  Archaiimen  der  alten  Sprache*.  Einige  Zeilen  später  hebt  dsnslb« 
Dr.  Yidossich  herfor,  daß  die  Yerlobten  in  der  lY.  Klasse  gelsNo 
werden.  Wenn  nnn  die  Yerlobten  fttr  den  Quintaner  schwer  sn  Terdaasi 
sind,  so  Torstehe  ich  wieder  nicht,  wie  der  Quartaner  sie  lesen  kaaii. 
Nach  meiner  Meinung  sind  die  J^ontesii  Spoii  ein  Werk,  das  des 
Scbfilem  nicht  genug  empfohlen  werden  kann.  Mansoni  ist  der  gewaltigite 
Schopfer  von  Charakteren,  den  die  italienische  Prosaliteratnr  beaitst,  die, 
obschon  reich  an  schonen  Werken,  nur  allsu  arm  an  gnt  geseicbneUB 
Cleetalten  ist  Alle  Personen  dee  Romans,  sowohl  die  idealsten  als  auch 
jene«  welche  im  Roman  eine  untergeordnete  Bolle  spielen,  sind  hOcbst 
lebenSToll  und  natnrwahr  geschildert  Pra  Cristoforo,  einst  ein  gevalt- 
titiger  Weltmann,  der  Mönch  wurde»  nachdem  er  einen  TotMhlag  be* 
gangen  hatte,  erscheint  als  der  glQhende  Held  der  Nichstenliebe,  der  sieb 
gans  dem  Wohle  seiner  Mitmenschen  opfert  Oft  erwacht  der  alte  Measeh 
in  ihm  nnd  er  empOrt  sich  angesichts  der  Ungerechtigkeiten  der  Welt 
Don  Bodrigo,  der  entartete  Peudalberr,  betrachtet  seine  ganse  ümgebuag, 
Menschen  und  Dinge,  als  sein  Eigen  und,  von  Brafi  umringt,  sucht  i 
Willen  durch  Gewalt  geltend  sn  machen.  Ein  Opfer  der  Atmosphire  i 
Standes,  kennt  er  keinen  höheren  Lebenssweck;  er  lebt  bloß,  nm  aadecea 
EU  schaden.  Don  Abbondio,  die  originellste  und  populftrste  Figur  dss 
Bomans,  ist  die  YerkOrperung  der  Furcht.  Er  ist  ein  großer  Egoist,  svsr 
nicht  aus  Ehrgeii  und  Habsueht,  sondern  lediglich  infolge  der  Angst, 
aus  seiner  Seelenruhe  gerissen  zu  werden.  Das  Komische  an  ihm  esdsl, 
sobald  die  Furcht  endet.  Der  Widerspruch  swischen  seiner  Pflicht  und 
seiner  Furcht  eneugt  eine  komische  Situation.  Diesen  Widerspruch  sadit 
er  SU  Terheimlichen,  aber,  da  alle  den  Grund  seiner  Ansichten  nnd  Hsnd- 
lungen  erraten,  so  bricht  das  Lachen  los.  Die  idealsten  Personen  des 
Romans  sind  der  Ungenannte  nnd  der  Kardinal  Borromeo.  Der  erste  bat 
nur  swei  Fehler:  unbändigen  Stols  und  sdirankenlose  Liebe  sur  Uasb- 
hingigkeit  Diesen  swei  mftchtigen  Gefühlen,  die  ihn  ginslieh  beherrsebo. 
entsprechen  Tollkommen  seine  Handluugen:  den  Schwachen  gegen  die 
Gewalttätigen  su  helfen,  den  Mächtigen  seinen  Willen  aufinswingen.  Dff 
Kardinal  Borromeo  ist  nicht  nur  ein  Heiliger,  er  ist  anch  der  aCihrBse 
gebildete  Weltmann,  der,  mit  feinem  Takt  nnd  großer  Mensehenkenatui 
begabt,  die  innersten  Gedanken  des  mit  ihm  Redenden  errät  und  slli 
Wege  kennt,  die  su  seinem  Herien  ftlbren.  Lucia  gehört  su  den  schöastes 
Charakteren  in  der  italienischen  Literatur:   unbekannt  mit  dem  Lebes, 


Zum  Lebq>lMi  fttr  di«  iUl.  Sprache  an  11  ittelsehnleD  otw.        653 

TOD  sanfter  nnd  eehambafter  GemOtaarti  gani  rein,  gani  offen,  beiitit 
116  keine  Phantasie  nnd  InitiatiTe  nnd  ift  geblieben,  wie  de  von  der 
Mntker  nnd  dem  Beiehtvater  herausgebildet  wnrde.    Sie  ist  nnffthig  snr 
Beeheit,  aber  anch  inm  Nachdenken.  Die  ttbergroOe  Idealitftt  Lnciat  wird 
isdenen  dnreh  die  Nähe  des  jugendlich  frischen  Benxo  nnd  der  tQchtigen 
aber  anch  schlauen  Agnee,  Lueias  Mutter,  korrigiert    Ihre  angeborene 
Gflte  ist  durch  ernste  Lebenserfahrungen  stark  beeinflußt  worden.  Neben 
diesen  Hauptpersonen  treten  andere  Nebenpersonen  auf,  die  fast  sprich* 
wörtlich  geworden  sind.  So  Perpetua,  die  Magd  des  Pfarrers;  Frau  Pras- 
sede,  die  bigotte,  affektierte  und  eigensinnige  alte  Adelige;  Don  Ferrante, 
der  pedantische,  fftr  das  XVU.  Jahrhundert  charakteristiiche  Gelehrte; 
Bruder  Galdino,  der  dumme,  unwissende,  kalthenige  Almosensammler. 
Alle  diese  nnd  noch  Yiele  andere  l^en,  die  im  Romane  nur  eine  unter- 
geordnete Bolle  spielen,  sind  höchst  lebensToU  und  naturwahr  geschildert. 
—  Manioni  ist  aber  anch  einer  der  größten  italienischen  Humoristen,  ja 
einer  der  grOftten  der  gansen  Welt,  besonders  durch  seinen  Don  Abbondio, 
der  eine  der  humoristischesten  Persönlichkeiten  der  Weltliteratur  ist  — 
llaosoni  war  anch  ein  großer  Meister  in  der  Naturschilderung.    In  den 
Yerlobten  hat  er  die  Berge  seiner  Heimat  und  den  See  Ton  Lecco  mit 
solcher  Wirme  und  Anschanlichkeit  geschildert,  wie  seit  Jahrhunderten 
kein  Dichter,  Goethe  nnd  Bjron  ausgenommen,  gemacht  hat.  —  Auch 
der  reinste  nnd  erhabenste  Patriotismus  Tcrleiht  den  Verlobten  einen 
beionderen  Wert    Durch  seine  ergreifende  Darstellung  der  spanischen 
T^nnei  in  Italien  wellte  er  auf  die  Oeterreichische  Herrschaft  anspielen 
ond  mit  seiner  EnAhlnng  Ton  Gewalttaten,  rasenden  Begierden  und  un- 
ferdientem  Elend  Tersncbte  er  seinen  italienischen  Brfldem  eine  Lehre 
der  Wahrheit  und  dee  Trostes  in  geben.    Sie  sollten  aus  seinem  Buche 
lernen,  den  Gewalttaten  Widerstand  in  leisten,  Abhilfe  fttr  die  rasenden 
Begierden  su  suchen  nnd  das  Elend  im  Yertrauen  auf  den  schließlichen 
IViumph  der  Gerechtigkeit  geduldig  zu  tragen.    Die  aufrichtige  Bewun- 
derung Goethes,   der  gleich   nach  dem   ersten   Erscheinen  des  Buches 
schreib :  ,In  dieeem  Romane  sieht  man  erst  recht,  was  Manioni  ist",  ist 
der  beste  Beweis  fttr  den  großen  Einfluß,  den  das  Buch  auf  die  Mitwelt 
ausßbte.  Giordani  ? erlangte,  daß  das  Buch  immer  wieder  gelesen,  in  allen 
Kirchen  und  Gasthftusem  gepredigt,  von  jung  und  alt  auswendig  gelernt 
werde.    Bei  diesen  so  großen  und  so  Terechiedenartigen  Vorifigen  des 
Buches,  das  gleich  nach  seinem  Encbeinen  in  den  g«]3tig:eD  Kreiaiaitf 
der  Weltliteratur  eintrat,  ist  es  mir  gaot  anbegreiflielir  dftß  es  alt  bloße 
Prifatlektflre  der  Quintaner  oder   Scballektflre    der   Quartaner    dienen 
sollte.   Nach  meiner  Meinung  sollten  die  Promessi  SpoH  so   wl»-^-- 
Divma  Cammedia  einige  Jahre  hiadurcb  m  der  Schale  unter  f^— 
des  Lehrers  geleeen  werden  nnd  die  daf^r  TarwendeU  Zeit 
wegs  Twloren. 

Wie  Monti  und  Manioni,  so  ergebt  es  auch  Foi^jy^ 
der  die  Verteilung  des  Lehrstoffes  Torscbl&gt»  bat  l|jC#^"*^ 
Plati  fOr  Foscolo  all  Lyriker  nnd  Romandicbt^~~ 
den  Dichter  der  Sepokri,  kann  Dr.  Vid&aek? 


\ 


664        Zum  LehrpUn  Ar  di«  iUL  Bpnifkp  an  ICütoMmliii  ww. 

<loeb  tind  und  wardan  bl«ib«n  dit  Sepokri  das  HMpiwaik  FoMolos.  U 
ömnebt  nicht  nnf  dit  Yontkg«  diaiet  liOcIiH  paatiiekan  Warkai  Umot 
waiaan,  ich  wUl  nnr  bamarkan,  dnft  kain  Diabiar  mit  aalehar  Zaiibol  ^ 
Waahaalbasiabuf  iwiiahan  dar  Natur  wd  dan  Totan  mUgiiM  bat  wie 
Foiaaio  in  aainan  Gribarn.  Und  dia  wdblicbaa  Gaataltan,  diaarii 
aain  Qadiobt  ainfflbitl  Und  ao  ais  Wark,  daa  ron  aainar  atatao  VoOtalp 
iiabnng  an  bia  kanta  dar  Jofand  tanar  var*  aall  Boa  a«f  rtmal  tat  6m 
SebaUaktflra  fanabirindan,  «m  aiaan  Barni  «dar  FofMfiiard  Platt  n 
inaakan! 

Wia  dia  angafHbrtan  FiUa  nr  Ganftga  bawaiaao»  bat  Dr.  YidoMiok 
mit  iaiaan  Varaehlaga  kaina  Varbaaaanini^  in  dan  liabrplaa  ftr  4it 
italianiacba  Spraaha  gabraabt  Daa  alta  Üb^  blaibt  Qoeb  wcitar  beit«b«i, 
mir  io  andarar  Fonii. 

Der  dritta  Grand«  ans  walabam  dia  von  Dr.  Vidaaaiab  twyaafiUafM« 
Vaitailnng  daa  Stoffaa  nicht  aninnabman  iat»  Uagt  in  dar  »ehr  ab 
«nginckUaban  Anawahl  dar  Aatoran.  Wann  an^  Dr.  Vidaaaiak  lact»  M 
«r  niaht  mabr  anfgananman  bat  alt  dar  NannaUabrplan  ? arachraib^  aatp 
apriefat  dock  diaaa  Babanptnng  kainaawafi  dan  Tataackan.  fiehanan  w 
düa  Baiba  dar  von  Dr.  Vidaiaiah  anfganammaMn  Dicbtar  an,  aa  flato 
vir  darantar  aolahe,  dia  ava  dam  Labrplana  anai«ioblaman  aind,  iria  t.  B. 
Barai,  Polci,  Bojaido,  TUaaino.  Wann  anab  dia  latatarwibntaa  DioM« 
im  dar  itaUaniaahan  Litaiatnfgaaahiakto  ainan  nickt  anbadantaadan  Plali 
cianabraen,  ao  bin  ieb  dach  faat  flbanangt,  daft  dia  Sabllar  ana  ibna 
Warkan  kainan  Untzan  li^an  wardaa,  aowokl  binaiahtlidi  dar  Spmcbs 
jdi  anek  dar  von  ihnan  babandaitan  nnd  baannganan  Gaganatftnda. 

fiarni  iat  der  Hanptrartratar  dar  barlaakan  Diahtar,  wakka  in  die 
italianiacba  Literatur  eine  nene  Fonn,  daa  aoganannta  gaacbvinttc 
Banatt,  eingeffthrt  liaban.  Glaiab  dan  anderen  bnrleakan  Dichtem  babaa- 
dalta  aaeh  Sarai  kaa? eationalle  Stoffe,  wie  i.  B.  aaUaehte  Plaxda,  acklackte 
Maklieiten,  acblecfate  Herbeigea.  80  beiang  Barai  in  ainam  gaacbwinit«B 
Bonatte  eine  £aalin,  die  ihm  Ton  einem  aainar  Frannde  gaUakaa  warAa 
In  einem  in  Taninen  vacfaftten  CapiMo  beaahraibt  Barni  eine  btai 
Ifacbt»  die  er  bei  einem  Prieater  anf  dem  Lande  ▼erbracht  kat  AoAcidiB 
▼arOffeatUckte  Barni  eine  Aniahl  Ton  biiarrea  nnd  paraduan  CapMi 
inm  Lobe  der  Pfiraiaba,  der  Aala,  dar  Gelatine.  Wie  man  aaa  dam  An- 
gefahrten eneben  kann,  iat  Barni  keineawaga  dar  Diakter,  dan  man  dan 
Bakfllarn  empfeklen  konnte.  Bei  Dr.  Vidaaaicb  finden  wir  ihn  nntar  daa 
Epikern,  waa  jedenfalli  dem  Umatande  suniakraiben  iat^  daA  Band  daa 
Verliebten  Boland  inBeing  anf  Stil  und  Spraeba  ftbararbailata.  Wen 
nun  nach  Vidoaaicba  Varteilnng  dea  Staffea  Bajaxdo  geleaan  werden  aall, 
▼erstehe  ich  nicht,  ans  welchem  Grande  anch  die  Übararbaitaag  dmaalban 
-Gegenatandea  dnrch  Barni  geleaan  werden  aoUte.  Dieaaa  Umatand  liebe 
ich  beionden  berror,  denn  ich  glaabe,  daft  Dr.  Vidonich  dia  barlankaa 
Sonetten  qad  CapUoU  ▼on  Berai  nicht  ala  SaknUalrtAia  empfeklen  wird: 
aie  atrotien  doch  vor  AnatOAigkeiten  und  Zwaidentigkeitea. 

Am  Hofe  Lorenioa  dea  Pricktigaa,  wa  aa  aakr  laaUg  n^^  wa 
man  tafelte,  impro^isierta,  aang  nnd  apialte,  war  Lnigi  Polei  mm  dar 


Zun  LebrplftB  iU  di«  iUL  Sprache  «a  ]|ltUbeh«lep  ww.       655 

UtbiktB  Qiito  und  Hanafriniido,  «od  iwar  wegeo  •einer  geiitreiclMii 
Uebeelieder  nnd  witiigeii  Sonetlen,  die  al>er  nidit  inmer  hannloe  waren. 
Seine  Beechiftignag  mit  der  llagie  und  eeine  Studien  halten  ihn  gleich^ 
fUtig  g^en  die  Beligion  gemacht.  Nicht  eelten  ipottele  er  die  frommen 
fUga^  die  von  der  Bibel  enfthlten  Wnnder,  die  Gelehrten,  die  über  die 
fieeU  itritien,  wobei  er  leite  Zweifisl  an  der  ewigen  Seligkeit  ioßerte. 
Da  dieie  Gedidite  gmßeB  Anftehen  machten,  eah  er  sieh  genötigt,  in  den 
letiten  Geeingen  eeines  MorganU  Mttggiare  seine  Bechljgl&abigkeit  in 
bekriftigen.  Wenn  anch  Morgtmte  Magffioire,  Pukia  Haoptwerk,  durch 
treffliche  Charakterieiemng  der  Fenonen  nnd  durch  beianbemde  Spraeha 
ein  wahfOB  Meictentflck  iat,  eo  iit  dieeee  Werk  ebencowenig  wie  die 
flbrigin  Diehtnagen  Fnlcie  ale  Schnllektüre  an  empfehlen,  da  —  man 
kann  behaoplen  waa  man  nnr  will  —  dae  Werk  eine  Satire  des  Bitter* 
twns  nnd  der  Beligion  nein  tollte;  wat  ichoa  daraoe  ertiohtlich  iit,  daß 
MwrgomU  Maggicre  einige  Jahre  nach  dem  Tode  det  IMchtect  neben 
BeceMtioe  Deeamerone  öffentlich  Terbrannt  wnrde« 

Bojardo  iet  ja  dnreh  teinen  Orhmäo  Itmamorato  der  Grflnder  det 
ronantieehea  Bittergediehtet  geworden«  aber  aeine  Sprache  itt  dialektisch 
gefftrbt,  er  verwendet  tehr  hinfig  niedere  Antdrflcke,  aoeh  die  Verte  und 
nicht  immer  fließend.  Oiete  Mtagel«  die  ichon  von  den  Zeitgenottea 
henoigehoben  wurden  |  veianlaAten  Berni,  eine  Oberarbeitong  det  Ge- 
dichtet vonnaehmen.  Wat  Aber  die  Überarbeitnng  det  Gedichtet  gettgt 
wirde,  gilt  aaeh  ffii  dat  Godicht  telbsi^  dat  an  tehr  vielen  Stellen  nicht 
einwandfrei  itt 

Man  mnft  eich  wirklich  waadera,  woaa  man  nnler  den  Epikern  in 
der  von  Dr.  Videttich  vorgeechlagenen  Vertcilnng  det  Stoffet  den  Trittine 
findet  Anf  dem  Btandpnnkte  atehend,  daß  der  OrlandQ  Furioio  ein 
Werk  iet,  dat  nur  dem  gemeinen  Volke,  nicht  aber  den  Gebildeten  nnd 
Gelehrtea  gefallen  kann,  betchloß  Tristino,  ein  epiachet  Gedicht  nach 
dem  Matter  der  IHas  in  veifiaiten,  nnd  to  kam  nach  langer  MOhe,  in 
den  Jahrea  1547  and  1548,  lein  Gedicht  L'Hälia  Hberaia  dai  Qoti  ant 
Licht  Daa  Gedieht,  dat  keinen  nationalen  Zog  hatte,  von  Gelehreamkek 
aber  voUgepfioopIt  war,  warde  von  den  Zeitgenotten  verspottet  nnd  ge*- 
tadelt,  bei  der  Kachwelt  fand  et  aber  nnr  einen  «niigen  Lobredne^ 
Qravina,  nad  in  der  aenetten  Zeit  Dr.  Vidottich. 

Das  Gedicht  ist  bis  ia  die  kleinsten  Binselheiten  eine  mißglflckte 
Wachahmang  Homert.  Wir  mOtten  gihnen,  wenn  wir  bei  der  Toilette 
Jottiniaan  aagegen  tind,  dem  der  Diener  Hemd  nnd  Strümpfe  aniieht, 
Watter  and  HaadtOcher  reicht.  Da  Tritiino  im  mjthologitchen  Apparate 
dem  Dichter  der  Iliat  nicht  folgen  konnte,  ti>  verwandelte  er  alle 
klattiachen  Gottheiten  in  Engel  Die  an  und  fOr  tich  tehr  große  Zahl 
der  Engel  warde  to  durch  einen  E^gel  Palladio,  einen  Eagel  Keptnnio 
and  aogar  durch  einen  Engel  Yenerio  vermehrt  —  Jedem  ist  die  herr- 
liehe Episode  im  ZIY.  Gesänge  der  Iliat  bekannt,  wo  Jone  ihren  gOtt- 
liehen  Gemahl  verführt,  um  ihn  to  von  der  Dntertttttiung  der  Trr*' 
absnbringaa«  Diote  Episode  wollte  der  gelehrte  Txittino  verwende 
to  tingt  er,  wie  die  Königin  Theodore  ihren  Gemahl  Jutinian  v< 


656        Zorn  Lehrplaa  ftr  die  ItaL  SprMha  ui  IßitelieinileB  luw. 

um  Ton  ihm  die  Bflekkehr  des  Neffen  Jiutiniif  und  leiiit  VenBiUasg 
mit  Sophie»  einer  Nichte  des  Eaieen,  m  erlangen.  Ydtaire  sagte  mit 
▼ollem  Rechte  flher  diese  Episode,  daft  sie  so  ahstoßend  ist»  wio  die  Lieb- 
korangen  eines  Ehepaares  vor  der  ganten  Welt.  Dr.  Yidossieh  httte 
besser  getan,  wenn  er  den  armen  Trissino  ans  seinem  Bdilafe  nicht  erweckt 
hätte;  wenn  er  in  seinem  Vorschlage  .Terlangt  bitte,  daß  Tassos  Osrw- 
iäUmme  liberata  nnd  Ariostos  Orlando  Furioio  im  gMven  ümCuge 
als  bisher  gelesen  werden. 

Es  ist  mir  gans  nnTcrstindlich,  wie  Fortigaerri  nahen  Arioste  nd 
Tassoni  neben  Tasso  stehen  kOnnen.  Sowohl  Fortigneiri  als  Tbssoni  haben 
in  ihren  heroikomischen  Oedichten,  Bieeiardetto  nnd  La  seecMi  rapUa, 
nichts  anderes  als  eine  mehr  oder  minder  gelongena  Parodie  der  Bitter- 
gedichte geliefert  Das  heroikomische  Gedicht  Bieeiardetto  wirda  tos 
dem  Dichter  ans  Sehers  begonnen.  Das  Gedicht  ist  im  Grande  geges 
die  römische  Kurie  nnd  die  MOnche  gerichtet.  Dabei  soll  bemerkt  werden, 
daß  der  Dichter  im  Dienste  der  römischen  Knrie  stand.  Nichts  Dsassm 
kann  man  von  der  Seeehia  rapita  des  Tassoni  sagen«  Das  Godicht  iit 
in  recht  Tielen  Besiehnngen  anstoßig.  Man  denke  nnr  an  die  erhäimliche 
Fignr  des  berflhmt  gewordenen  Grafen  von  Cnlagna,  eine  wohlgeloDgeae 
Karikatur  einee  Feindes  Tassonis,  des  Grafen  A.  Brnsantin!  ans  Ferrara! 
Tassoni  hatte  die  Absicht,  mit  seinem  geranbten  Bimer  die  alte  Welt 
sa  Boden  in  werfen,  aber  er  hatte  nichts  Nenes  in  sich,  nm  ee  an  denn 
Stelle  in  setsen.  Das  geht  am  klarsten  ans  der  Parodie  des  GOttenates 
herfor.  Apollo  kommt  in  die  Yersammlong  anf  einem  Landwagen  nnd 
hat  das  goldene  Vliee  nm  den  Hals;  Pallas  erscheint  n  Pferde  in  einem 
halbgriechischen  nnd  halbspanischen  Gewände;  Venns  kommt  mit  ihren 
Höflingen,  dem  Hanslehrer  ihres  Schnee  und  dem  Oberslabe  in  iwd 
Kutschen  gefahren;  Satnm  IftOt  sich  in  einer  Sftnfte  tragen  md,  da  er  alt 
nnd  mit  Katarrh  belastet  ist,  hat  er  bei  sich  ein  Nachtgeschirr.  Betranken 
wie  ein  Schweiier,  der  dem  Papste  Tonngeht,  geht  der  Aleides  dem 
GOtterrater  Toran.  Neben  Jnpiter  geht  Merknr,  der  die  Bittgesoche  der 
Menschen  in  Empfang  nimmt,  nm  dieselben  in  das  Privatkabinett  des 
höchsten  Gottes  Tor  zwei  NachttOpfe  tu  stellen,  damit  der  Vater  der 
Gotter  nnd  Menschen  diese  Gesuche  mit  Buhe  lesen  kOnne.  Wie  man 
sieht,  ist  der  Inhalt  des  geranbten  Eimers  gar  nicht  geeignet,  eine 
pusende  Schnllektflre  lu  sein. 

In  Besng  auf  den  ftr  die  Y.  Klasse  ins  Auge  genommenen  Stoff 
mochte  ich  noch  bemerken,  daß  die  sehn  von  Dr.  Yidossieh  forgeechlageaen 
Epiker  mehr  Langweile  als  Interesse  bei  den  SchOlern  herrorrafen  kOmieo. 
Ein  Wechsel  in  der  LektOre  bringt  weit  mehr  Nntsen  als  so  eine  es* 
unterbrochene  Beseh&ftigung  mit  demselben  Gegenstande. 

Der  Stoff  für  die  YI.  Klasse  ist  noch  am  geeignetsten  ervlUt 
Es  sind  die  Koryphien  auf  dem  Gebiete  des  italienischen  Dramas  nt- 
treten.  Ans  den  oben  angefthrten  Grflnden  mOchte  ich  den  Monti  und 
den  Manzoni  mit  ihren  Tragödien  ganz  auslassen.  Wenn  man  in  d«r 
Schule  den  Saul  Ton  Alfieri,  den  AUüio  Begolo  TOn  Metastaslo  ssd 
dazu  noch  wenigstens  zwei  KomOdien  fon  Qoldoni  gelesen  hat,  se  bst 


K.  Hutmer,  D«r  G«iBt  d.  altUftn.  Stadien  niw.»  Mg.  t.  R  JBMerkk.  067 

mMi  gaavg  g«toa.  E«  komat  noeh  ia  «eIrMhtt  d»A  in  dtr  VL  KInM# 
dit  Leklflre  d«r  Dtvma  Cammedia  beginnl,  ■••  wolehem  Grondt  ntki 
ralsam  encbeint,  daß  die  grflftke  Zahl  der  Unlemihtwtondt n  der  LiMro 
dM  gOttiidMa  Epos  gewidmet  leL 

Am  nnglftcklieheten  war  Dr.  Vidoeiieb  mit  leiner  SinteHaag  dee 
LemafeoffM  flBr  die  YIL  Klaeee,  wie  ieh  icboa  oben  erwifoeen  habe.  Dm 
Annralil  der  Autoren  iet  wirklieb  anglieklieb.  Was  werden  die  SeblHer 
bH  den  didaktieehim  Gediohten  dee  Bneeliei  nnd  AUamanni  anfangen? 
Weleben  Natien  werden  sie  aae  ibren  Werken  liphea?  Dabei  Tenniaee 
icb  die  VermoToUen  Gmeeii,  Seetinia,  PeUicee«  Fratia.  BoecaecM  ais 
Kofelliet  iet  ftr  die  Sebfller  eehr  geOhrlieh:  JDeomiimme  darf  wegen 
aeinee  eehlflpfrigen  Inbalte  niekt  in  die  Binde  der  Jagend  koaunen. 
Foeoola  ala  Bomaaaebrifteteller  bat  keine  Badeatong.  Seine  ÜUima  Uttere 
di  laeapo  Orii$  nebmen  Ton  Goetbee  Wertber  ibren  Antgang»  doeb 
der  Dichter  Abertfieb  Wertbere  Gefüble»  ÜBgte  der  Liabetleideneebaft  die 
potttieche  binn,  und  wlbrend  er  io  den  Grand  lam  Selbetmoide  tot- 
dappelte»  tat  er  der  klinstleriaeben  Wirkung  Eintmg.  Der  Stil  dee  Bomanae 
iat  nmiatttrlieb,  empiiaetiieb,  eenfienreieii.  Data  kommt  noeb  die  eefaid- 
liako  Wirknng,  welebe  dae  Werk  anf  jogendlicbe^  leiebt  em^bare  GemMa 
Innn,  waa  der  Diebter  eelbet  einaek,  ale  er  lagte»  daft  o«a 

I  nnr  ftr  reifere  Penonen  paaeend  iei  Weit  beseor  bitte  Dr.  Vidoeeifib 
wenn  er  ale  Somaneebrifteteller  den  Groeei  mit  eebMm  JCar^o 
VHcatUi,  den  Cazeano  mit  teiner  AtugMa  Maria  ^  den  D'Aieglio  ndl 
eeinem  Ettore  FieramMca  and  Nioc^  d^  Lapi  a«4iffonomaien  bitte. 
Dieao  Romane  neben  den  JVomeeet  SpoH  bildeten  eine  geeande  flebiä- 
lektOro. 

Somit  bin  ieb  mit  meinen  Bemerkangen  an  den  Vonobligen  des 
Dr.  Yidoesieb  am  Ende.  leb  babe  allee  aagefl&brt^  wae  mir  gegea  seiae 
Verftallnng  des  Lemstoifes  in  sein  sebien,  nnd  bin  anm  Seblaese  gelangt» 
dnft  dieeelbe  noeb  sehidliebar  wire  als  die  gegenwirtige  ist  leb  se^ 
dia  Notwendigkeit  ein,  den  Labrphm  fttr  die  italienisebe  Spraebe  eia«r 
Baviaion  an  nntexiieben,  aber  dieee  BoTision  darf  nicht  in  der  Ton 
Dr.  Vidossieb  Torgescblagenen  Weise  etattfindon. 

Bagasa.  W.  Freiherr  von  Ljobibratid. 


Eamillo  Hnemer,  Der  Geint  der  altklagBischen  Stadien  and 
die  Schriftstellerwnhl  bei  der  Sehallekblre.  Wiea  nad  Leip- 
aig  1907»  k.  nnd  k-  Hof-Verlagebnehhandlong  Karl  Fromme.  79  S& 
Preis  K  1-60. 

Dieee  Scbriit,  an  der  anßer  der  klaren  DarsteUnng  nnd  flioAenden 
Diktion  reiebe  Saobkenntnis  nnd  eehte  Begdstemng  fttr  den  Gegenstand 
rOlimand  berroigeboben  werden  mUssea,  besehiftigt  sieb  soniebst  mit 
dar  Frage,  aae  walcben  Grflnden  die  altklassisohen  Stndien  aoeb  benta 
noah  als  notwendig  nnd  nnentbebrlieb  besdebnot  werden  missen.    Der 

a«ttMhrift  f.  4.  teltrr.  Gym.  1S06.  TIL  Htft  42 


658  K  Huemer,  Dar  Geilt  d.  »ItklMS.  Stadien  usw.,  ang.  t.  F.  Heiden^ 

Verf.  nnteniiebt  eintelii  die  dftfllr  gtwObnlieh  Torgabraditen  ArgameBte 
und  findet  alt    das   wichtigste   den  Umetand,   daß   viele  Werke  d« 
grieehiMhen  und  rOmisehen  Literator  hinaichtlieh  ihres  Watet  flr  di« 
Jogendersiehnng  nnersetibar,  außerdem  aber  auch  nnflbenetibtr  ntd, 
worans  sich  die  Notwendigkeit  ergebe,  diese  Werke,  wenn  sie  toU  osd 
gani  wirken  sollen,  in  der  Urtpraebe  Tomffthren.    Also  nur  vm  iit- 
betiichen  —  genaaer  getagt  othiteh-isthetitehen  —  Standpunkt  Uftt  lieh 
nach  H.  die  Beibehaltung  der  altklassischen  Stadien  reohtfertigeD.  Diaiem 
Standpunkt  gegenüber,  meint  er,  treten  die  sonst  noch  angefittiiteii  Ai- 
gomente,  alto  dat  formale  nnd  das  historische  Argument,  in  den  Hinter- 
grnnd  und  würden  fOr  sich  allein  keine  genügende  Stütia  für  den  slt- 
sprachlichen  Unterricht  sein.    Dies  ist  allerdings  richtig  nnd  H.  wendet 
sich  mit  Becht  gegen  die  einseitige  Überschltiung  des  formalen  und  dei 
historischen  Gesichtspunktes;   aber  diese  dürfen  aach  nicht  gani  onter- 
schitst  werden,   denn  wenn  de  anch  dem  ethisch-Ästhetischen  Gesieliti- 
pnnkt  an  Wichtigkeit  nachstehen,  so  haben  sie  doch  solche  Bedeotasg, 
daß  die  boTorsugte  Stellung,  die  der  aittprachliche  ünterrieht  am  Gym- 
nasium einnimmt,  durch  sie   nicht  unwesentlich  gestütst  wird.    Fftr  die 
Auswahl    der  SchuUektttre   kann  freilieh   nur   das  ethiseh-isthetitehe 
Priniip  maßgebend  sein,  n.  iw.  sind  nach  H.  vor  allem  solche  litenxitchB 
Kunstwerke  tu  lesen,   welche  unübersetsbar  und  ihrem  Inhalt  nach  «d- 
ersettbar  sind,  in  iweiter  Linie  solche  Schriften,  welche,  wenn  sie  mdi 
nicht  Kunstwerke  sind,  doch  einen  bedeutsamen  Inhalt  haben  nnd  ge- 
eignet sind,  die  Schüler  «die  Grüße  des  Altertums  und  die  Bedeatong 
des  in  den  alten  Sprachen  niedergelegten  Kulturschaties  bogieifen  n 
lassen  **,  wobei  es  gleichgültig  ist,  welcher  Zeit  sie  angehören. 

Indem  nun  H.  den  geltenden  Kanon  der  alteprachtichen  Lektfin 
nach  diesen  Grundsitien  einer  kritischen  Betrachtang  untenidit,  indet 
er,  daß  einige  der  jetit  gelesenen  Werke  den  tou  ihm  geftallten  Feide> 
rungen  nicht  genügen,  er  schlügt  an  deren  Stelle  andere  tot,  dnrefa  die, 
wie  er  glaubt,  der  üntenicht  eine  größere  Wirkung  enieleB  würde.  Wai 
zunftchst  das  Griechische  betrifft,  so  soll  an  die  Stelle  Zenepiioiii 
Arrian  treten.  Diesen  Gedanken  hat  auch  H.  Sehenkl  in  der  bekuotn 
Schrift  der  drei  Graier  UniTcrsitütsprofettoren  autgesprochen,  aber  nickt 
alt  Forderung  wie  H.,  sondern  nur  alt  Vorschlag,  indem  er  die  Lekttre 
Ton  Arriant  Anabatit  neben  der  Xenopbonteitchen  frei  gegeben  mset 
wollte.  Daß  wir  in  V  mit  der  Kyrupüdie  wenig,  mit  den  Erinnernngei 
an  Sokrates  fast  gar  nichts  anfangen  können,  ist  ebenso  sicher  wie  ^* 
Tatsache,  daß  die  Ton  Arrian  enihlten  Ereignisse  sieh  an  Bedentssg 
mit  dem  Zug  der  Zehntausend  nicht  motten  können;  aber  unbedeottsd 
und  uninteressant  ist  auch  der  letztere  nicht  und  jedenfalls  hat  Xenopboe 
den  nicht  lu  unterschfttienden  Vorteil  für  sich,  daß  er  ans  frischer  £^ 
innerung  Selbsterlebtes  mit  anschaulicher  Lebhaftigkeit  niedergesehriebei 
hat,  während  Arrian  mit  nüchterner  Beflezion  über  Ereignisse  berichtet» 
die  mehrere  Jahrhunderte  hinter  ihm  zurückliegen.  Ich  kann  mich  slie. 
abgesehen  tou  dem  formalen  Moment,  das  Sehenkl  nicht  mit  Unrecht  n 
Gunsten  des  ülteren  Autors  geltend  gemacht  hat,  mit  der  ToUetin^gca 


Z.  Huemer,  Dtr  Geilt  d.  dtklasB.  Stodien  nsw^  ang.  t.  F.  Heiderieh.  659 

Verdriiigiuig  XenophoBS  dorehftiis  nicht  eioTerttaDden  erklftren^  mOcbte 
aber  den  aebon  an  anderer  Stelle  aaBgesprocbenen  Gedanken  hier  wieder- 
holen, daß  et  hieia  geeigneten  Lehrern,  die  mit  Arrian  eine  höhere 
Wirkung  an  enielen  glauben,  geetattet  werden  konnte,  seine  Anabasis 
in  der  Schale  in  erproben. 

Fttr  die  Lektikre  Herodota  fordert  H.  ebenso  wie  Schenkl  ein 
ganses  Semester  und  ein  möglichst  rasches  Tempo;  mit  Becbt  legt  er 
Gewicht  anf  eine  richtige  Auswahl,  da  es  Tor  allem  darauf  ankommt, 
die  inhaltlich  bedentsamsten  und  wirkungSTollston  Stellen  aus  der  Ge- 
schichte der  Perserkriege  lu  lesen.  Mit  Schenkl  stimmt  er  auch  darin 
ftberein,  daß  er  als  Ergftnznng  des  Berichtes  über  die  Schlacht  bei 
Salamis  die  Schilderung  dieses  Kampfes  in  Aucbylos  «Persem*  empfiehlt; 
als  weitere  Ergäniung  in  Herodot  schlftgt  er  die  Lektüre  jener  Kapitel 
aoi  Thnkydides  Tor,  welche  die  letzten  Lebensschicksale  des  Themistokles 
behandeln.  Beide  Yorschlftge  sind  wohl  begründet  und  beachtenswert  und 
es  wire  lu  wünschen,  daß  die  Herausgeber  der  Herodot-Ghrestomathitn 
bei  Nenauflagen  ihnen  Rechnung  tragen  möchten. 

Für  Plutarch  tritt  H.  ebenso  warm  ein  wie  Schenkl,  aber  er  findet 
f&r  ihn  in  der  Schule  keinen  Plati  und  muß  ihn  der  Privatlektüre  lu- 
weisen»  Dies  hängt  damit  susammen,  daß  er  im  Gegensats  su  Schenkl 
die  Demosthenerlektüre,  wenn  auch  in  beschränktem  Maße,  beibehält, 
sich  aber  lugleich  ebenso  wie  jener  für  eine  Erweiterung  der  Platolektüre 
einsetst.  Gegen  die  Ausscheidung  des  Demostbenes  aus  dem  Kanon 
wendet  sich  H.  mit  allem  Nachdruck,  yertritt  aber  gleichseitig  mit  Bück- 
ficht  anf  den  Umstand,  daß  der  Grundgedanke  in  allen  Staatsreden  so 
liemlich  derselbe  ist,  die  auch  von  anderen  geäußerte  Ansicht,  daß  diese 
Lektüre  anf  eine  Bede,  nämlich  die  IlL  philippische,  beschränkt  werden 
könnte.  Die  hiedurch  gewonnene  Zeit  will  er  für  die  erweiterte  Lektüre 
der  Dialoge  Piatons  verwendet  wissen.  Was  H.  über  die  Platolektüre 
sagt,  möchte  ich  als  den  Glanzpunkt  seiner  Schrift  beseicbnen.  Mit  ToUem 
Recht  weist  er  darauf  hin,  daß  wir  Plato  nicht  gerecht  werden,  wenn 
wir  ans  damit  begnügen,  die  Apologie,  den  Kriton,  die  Scblußkapitel  des 
Phaidon  und  dann  etwa  noch  den  Laches  oder  Euthyphiron  lu  lesen.  Er 
verlangt  Tielmebr,  daß  wir  außer  der  Apologie,  die  wir  nicht  entbehren 
können,  den  Schülern  etwas  bieten,  „worin  der  Dichterphilosoph  sich  in 
•einer  ganten  Größe  leigt",  also  hauptsächlich  Phaidros,  Symposion  und 
Phaidon,  sei  es,  daß  einer  dieser  Dialoge  gans  gelesen  oder  dem  Unter- 
richte eine  Chreetomathie  logrunde  gelegt  wird,  die  aus  diesen  und 
Anderen  berrorragenden  Schriften  Piatone  das  Bedeutsamste  zu  enthalten 
hätte.  Ich  für  meine  Person  würde  das  letztere  Verfahren  Torsiehen,  weil 
es  auch  in  den  bedeutendsten  Dialogen  Partien  gibt,  deren  Durchnahme 
in  der  Schule  sich  nicht  lohnt.  Die  Platoauswahl  von  0.  Weißenfels,  die 
H.  eofiTallenderweise  nicht  erwähnt,  hat  uns  den  Weg  gewiesen.  Indem 
H.  die  Apologie,  die  biographische  Einkleidung  des  Phaidon  und  den 
BehlniS  dee  Symposion  in  das  erste  Semester  der  YII.  verlegt,  weist  er 
den  größeren  Teil  des  ersten  Semesters  der  VIII.  der  erweiterten  Plato- 
lektüre su,  den  Best  dieses  Semesters  aber  will  er  für  Aristoteles 

42« 


660  K.  Huemer,  Der  Geilt  d.  ahUMs.  Stadien  usw.,  ung.  ▼.  F,  Etiieruk 

terwendet  willen.  Denn  aneh  dieeer  darf  nieh  H.i  Xeinnng  im  Ehmd 
nicht  fehlen,  n.  iw.  loll  er  durch  die  Poetik  Tertreten  mib,  aif  die  ji 
sowohl  der  deotiehe  all  auch  der  propidontieehe  Uoterrieht  BengnefamiD 
mtlise.  Die  Fordemng,  daß  Ariitoteles  im  Gymnasioin  mehr  war  GeltiBg 
komme,  iit  gewift  berechtigt,  nnd  wai  H.  rar  Begrftndnng  dieser  forde- 
mng  sagt,  dnrchani  intreffend;  auch  kann  kanm  ein  Zweifel  darftber  be* 
itehen,  daft  Ton  leinen  Werken  in  enter  Linie  die  Poetik  in  Bekncht 
k&me,  wiewohl  der  Einwand  nahe  liegt,  daß  dieie  Schrift  sich  wagen 
der  nngewOhnlichen  Schwierigkeiten,  die  ihro  Erklirong  bietet,  tu 
Schallektttre  wenig  eigne  nnd  daß  die  Kenntnii  wichtiger  Teile  ihreeli- 
halti  ohnehin  durch  andere  Lehrfächer  Twmittelt  wird.  Ab«r  wenn  wir 
einmal  wirklich  einige  Wochen  fftr  Ariitoteleo  gewinnen  sollten,  lo  wir» 
es  meiner  Aniicht  nach  nicht  sweekmißig,  dieie  ganie  Zeit  aif  die 
mflhsame  Erklirong  der  rollstindlgen  Poetik  in  verwenden;  vida^ 
würde  ei  lich  empfehlen,  den  Schillern  nnr  jene  Hanptsitie  des  Bfteb- 
leins  im  Original  Torznftthren,  die  in  der  Geschichte  der  modernen 
Literaturen  eine  so  wichtige  Bolle  spielen,  nnd  den  Best  der  Zeit  taf 
die  Dorchnahme  einiger  geeigneten  Proben  ans  der  Ethik,  Politik  oder 
Bhetorik  in  Tcrwenden,  somal  dieee  Schriften  im  Gegeniatse  an  andan 
Werken  des  Aristoteles  in  einem  Griechisch  geechrieben  sind,  das  aiakt 
so  schwierig  ist  als  das  des  Demosthenes. 

Mit  Wirme  nnd  mit  triftigen  Gründen  tritt  H.  daftr  ein,  dsfr 
wir  wenigitens  einen  Teil  unserer  Schftler  dam  bringen,  Partien  dei 
Nenen  Testaments  in  der  Ursprache  an  leien,  nnd  empfiehlt  es  daher  sb 
PriTatlektflre  fOr  YIIL 

Am  Ansmaß  der  Hemerlektftre  will  H.  niohts  geftndort  wisses. 
Freilich  schrftnkt  er  sie  einigermaßen  dadurch  ein,  daß  er  ftlr  die  HeioAet- 
lekttlre  ein  ganxes  Semester  in  Anspruch  nimmt;  aber  er  sagt  mit  Beeht» 
daß  es  nicht  darauf  ankommt,  möglichst  riele,  eondem  die  nchßnitea 
Gelänge  su  leien.  Was  den  Betrieb  der  Homerlektflre  betrifft,  ao  fordcit 
er  mit  Kachdruck  größere  Berücksichtigung  der  ästhetischen  bkttfiag* 
«...  Mit  einer  leidlichen  Übersetiung,  mit  ein  paar  SaeherkUmngea, 
mit  einigen  Modellen  des  Webstuhles  und  des  Streitwagens  ...  ist  es 
nicht  getan.  KunstTerst&ndige  und  auf  indiriduelle  Auffassung  beraheade 
Behandlang  iit  hier  dai  einiige,  wai  xum  Ziele  führm  kann ;  Mn  poetle* 
loser  Mensch  . . .  eignet  sieh  nicht  zum  Lehrer  des  GrieehieclMB,  dein 
er  Tcrmag  der  eigentlichen  Schönheit  seines  Gegenstandei  gar  aleht  bei- 
sukommen  ..." 

In  ausführlicher  Darstellung,  welche  ron  Toller  Beherrscbnog  des 
Gegenstandes  und  feinem  ästhetischen  urteil  tengt,  tritt  H.  dem  ▼e^ 
schlag  Sehenkls  entgegen,  daß  es  gestattet  sein  solle,  statt  einer  Tragödie 
des  Sophokles  eine  lolche  des  Euripides  lu  lesen.  Er  hält  unbadingt 
daran  fest,  daß  Sophokles  den  Höhepunkt  der  antiken  Tragödie  beaaiohaet, 
empfiehlt  aber  von  dessen  Stücken  nur  Antigene  nnd  König  ödipas, 
Als  poetische  Privatlektüre  lehlägt  H.  fflr  die  VL  die  griechiaeh« 
Lyriker  Tor,  für  die  wir  in  der  Schule  leider  keinen  Plati  finden,  nad 
für  die  VII.  und  YIIL  eine  Komödie  des  Aristophanas,  i.  sv.  die 


K.  Huemer,  Der  Geist  d.  altklaei.  Stadien  niw^  aog.  t.  F.  Heiderieh.  661 

«Wolken^,  well  die  Figur  dee  Sokratee  einen  .herrlichen  Eonientratione- 
puflkt*  gäbe.  Dieser  Vorsehlag  maft  nieh  den  froheren  beaonnenen  and 
wohl  erwogenen  IndernngsTorschlftgen  lebhafte  Verwanderang  enegen, 
und  was  H.  sar  Empfehlung  dieser  Idee  torbringt,  kann  sie  uns  nieht 
annehmbarer  machen.  Daß  die  Stücke  des  Aristephanei  nieht  in  die 
Schule  gehören,  hat  Schenkl  in  der  oben  angefahrten  Schrift  kora,  aber 
treffend  dargelegt.  Bietet  doch  die  Lektüre  derselben  gans  ungewöhnliche 
Schwierigkeiten  in  formalen  iowohl  als  besonden  in  sachlicher  Hinsicht» 
da  diese  Eomödien  ohne  genaue  Kenntnis  der  damaligen  politischen, 
literaiisehen  und  kulturellen  VerhUtoisse  gar  nicht  TerstAndlich  sind,  so 
daß  sich  nicht  Tiele  Lehrer  finden  dflrften,  die  in  Aristophanes  heimisch 
lind,  und  noch  weniger  Schaler,  denen  man  eine  solche  Lektüre  tumuten 
konnte.  Und  wenn  H.  gerade  die  .Wolken*  empfiehlt,  weil  Sokrates 
dabei  einen  Konzentrationspunkt  bilden  würde,  so  stellt  er  die  Idee  der 
KoDientration  in  den  Dienst  einer  schlechten  Sache.  Wir  werden  doch 
nieht  wünschen,  daA  unseren  Schülern  das  ideale  Bild  des  Sokrates,  das 
die  Apologie  entwirft,  gleich  darauf  durch  die  Lektüre  der  „Wolken" 
getrübt  und  Tenerrt  wird. 

Wie  sich  aus  der  bisherigen  Übersicht  ergibt,  ist  H.    genötigt, 
manches  Werk  der  griechischen  Literatur,  das  nach  seiner  Überieugnng 
in  der  Schule  gelesen  werden  sollte,  der  Pri?atlektüre  suzuweisen.   Aus- 
gehend Ton  dem  Gedanken,   daß  die  griechische  Literatur  die  römische 
an  Ursprünglicbkeit,  Gehalt  und  Eeichtum  weit  überragt,   sucht  er  ihm 
im  Gjmnasinm  größere  Geltung  tu  verschaffen   und   schlügt  su  diesem 
Zwecke^   ohne  das  jetsige  Stundenausmaß  für  Latein-  und  Griechisch  su 
erhöhen,  eine  andere  Verteilung  der  auf  die  beiden  Sprachen  entfallenden 
Standeniabl  ?or.  Eigentlich  wäre  er  geneigt,  den  von  Ed.  Hartmann  und 
anderen  gemachten  Vorschlag  aniunehmen,   wonach  das  Lateinische  im 
Lehrplan   des  Gymnasiums  überhaupt  tu   streichen   wäre.    Aber  da  er 
weißt  daß  diese  Idee  aus  praktischen  und  historischen  Gründen  gar  keine 
Anaaicht  auf  Verwirklichung  hat,  so  sollen  wenigstens  die  auf  Latein  und 
Grieefaisch  im  Obergymnaaium  entfallenden  41  Lehrstunden,   ?on  denen 
gegenwärtig  22  auf  Latein  und  19  auf  Griechisch  kommen,  unter  den 
beiden  Sprachen  in  der  Weise  aufgeteilt  werden,  daß  das  Griechische  28, 
daa  Latein  aber  nur  18  Stunden  erhält  DaTon  wären,  da  die  wöchent- 
Uektn  Grammatikstunden  nur  in  V  und  VI  tu  geben  wären,  in  VII  und 
vm  aber  su  entfallen  hätten,  21  (5  +  5  +  5  +  6)  griechUche  und  16 
(4  X  ^}  lateinische  Lektürestunden.    Durch  diese  Verteilung,   meint  H., 
würde  der  Unterricht  wesentlich  gefördert  und  manches,  was  er  unter  der 
Vorattaeetiung  der  jetiigen  Verteilung  der  Pri?atlektare  zuweisen  mußte, 
könnte  In  der  Schule  gelesen  werden.  Der  Vorschlag  dürfte,  da  er  in  die 
biaherige  Stellung  des  Lateinischen  Bresche  legt  und  damit  einen  gsnien 
Komplex  anderer  Fragen  aufrollt,   lebhaftem  Widerspruch  begegneü  and 
hat  wohl  wenig  Aussicht  auf  Verwirklichung;    aber  der  Verf.  hat  nicht 
gant  unrecht,  wenn  er  sagt:    „Soll  ich  das  Griechische  in  der  gelehrten 
Sefaole  erhalten,  dann  muß,  ohne  daß  die  dem  altsprachlichen  ünttiiriebt 
gewidmete  Standensahl  eine  Erhöbnog  erfährt  und  ohne  daß 


I 


662  K.  Huemer,  Der  Oeitt  d.  altklast.  Stadien  aiw.,  «Dg.  t.  F.  Seideruk 

belMtang  der  Schfller  eintritt,  mehr  geboten  nnd  mehr  erreicht 
werden^.  Doch  hingt,  wie  weiter  unten  dargelegt  werden  soll,  die  Er- 
reiehnng  dieiea  Zieles  weit  mehr  Ton  der  ErfflUong  anderer  Yonuu- 
iettangen  ab. 

Was  non  die  lateinische  Lektftre  betrifft,  so  eoll  NeposuIII 
nnd  Cäsar  in  lY  bleiben.  Aber  fOr  die  Klassen  des  ObergymDSsiami 
schlägt  H.  eine  lom  Teil  wesentlich  Terscbiedene  Auswahl  nnd  YerteflaBg 
der  Lektflre  Tor,  wie  die  folgende  Übersicht  leigt:  Y.  KL  Cistr,  Bellom 
ciTile.  Sallnst,  Catilina.  Cieero,  Catilin.  Beden.  Ori'd. 

YI.  El.  Cicero,  De  imperio  Cn.  Pompei.  Lifios.  Yergil,  Aeiieis. 

VII.  El.  Lirios.  Tacitns,  kleine  Schriften.  Yergil,  Aeneis,  Bnkolikv 
Georgika. 

YIII.  El.  Tacitns,  Annalen  oder  Historien.  Horai,  Oden  nnd  Epodes. 
Catnll,  Tibnll,  Properi,  Orid  (Ijrrische  Dichtungen). 

Daß  Lims  in  unserem  Lehrplan   nicht  an  der  richtigen  Stelle 
steht,   hat  man   llngst   erkannt  und   anch  Torschiedene  Vonchllge  n 
einer   besseren  Einreihung  dieses  Autors  gemacht.    Pflr   14^15jlhrige 
Schfller,    die  an  die  einfache,   klare  Diktion  C&sars  gewohnt  sind,  ist 
Lirius  mit  seiner  riietorischen  Sprache  und  seinem  Periodenbau  entschiedes 
in  schwer.  Der  Übelstand  ließe  sich,  lum  großen  Teile  wenigstens,  dir 
durch  beheben,   daß   die  beiden  Autoren  der  V.  ihren  Plati  tanscbes. 
Dann  wflrde  die  am  Schluß  der  IV.  begonnene   Ofidlektflre  im  eisten 
Sem.  der  V.  ihre  naturgemäße  Fortsetiung  finden   und  diese  poetisebe 
Lektflre   wäre   sogleich  in  gewissem  Maße   eine  Vorbereitung   auf  dii 
Lektflre  des  Lirius,  dessen  Sprache  ein  starkes  poetisches  Kolorit  trftgt 
Zugleich  wäre  der  Eonsentration  des  Unterrichtes  insofern  gedient,  ib 
die  LiTiuslektflre  mit  der  Behandlung  der  römischen  Geschichte  susammen- 
fiele.  Endlich   böte  diese  Änderung  auch   den  Vorteil,    daß   in  beiden 
Semestern  der  V.  nebeneinander  ein  Dichter  und  ein  Prosaiker  geleses 
wflrden  (0?id— Xenophon ;  Homer — Livins).    Gani  anders  aoeht  H.  die 
Schwierigkeit  su  beheben.  YYenn  er  im  ersten  Semester  der  V.  an  Stellt 
Ton  Lirius  Cäsars  Bellum  civile,  Sallusts  Catilina  und  Ciceroa  Catilint- 
rische  Beden  ansetxt,  so  erregt  das  mehrfache  Bedenken.  Gegen  die  Ab- 
setinng  des  Bellum  ciTÜe  an  dieser  Stelle  ist  lu  bemerken,  daß  es  kiao 
zweckmäßig  wäre,  wenn  wir  unseren  Jungen,  nachdem  sie  ein  gaaiet 
Jahr  den  Bericht  Aber  den  gallischen  Erieg  gelesen  haben,   nun  aach 
den  noch  trockeneren,  jedenfalls  aber  weniger  interessanten  Bericht  Aber 
den  Bflrgerkrieg  Torsetiten.  M.  E.  wflrden  wir  nur  dem  natflrlidien  Ye^ 
langen  der  Jugend  entgegenkommen,    wenn  wir  ihr  nach  xweijihc^ 
Beschäftigung  mit  lateinischen  Geschichtsschreibern  poetische  LektAtets 
größerem  Ausmaße  boten,    damit  sie  wieder  etwas  fflr  Hers  und  Gemtt 
hätte.  Und  nun  sollen  sich  gar  an  das  Bellom  ciTile  Sallusts  Catütai 
und  die  Catilinarien  anschließen,  so  daß  sich  die  Schfller  mehrere  Moatts 
hindurch  mit  einem    an   sich   gar   nicht  so   bedeutenden  Ereignis  der 
römischen  Geschichte  su  befassen  hätten,  das  ihnen  ans  dem  Geechidits- 
unterricht  noch  nicht  näher  bekannt  ist  und  dem  sie  nur  weni^  laterese 
entgegenbringen  kOnnen.  Abgesehen  da?on  kann  Sallust  auf  dieeer  Sirie 


Z.  Suemeff  Dar  Qaiit  d.  ftltklaia.  Stadien  ww.,  ang.  t.  F.  Heiderid^. 

wMugiteiu  f&r  seine  reflektierenden  Partien  —  ond  dieee  sind  dM  Beete 
u  Minen  Schriften  —  iravm  enf  Ventindnie  reebnen;  Tielleicbt  Mch 
in  der  TL  nicht»  aber  hier  doch  eher  ala  in  der  V.  KOnnen  wir  aber 
SiUoit  in  ?  nieht  braoehen,  so  gehören  anch  die  Catilinariechen  Reden 
]ii«bt  dahin. 

Wie  hoch  H.  Cicero  nnd  teine  Bedentnng  für  die  Schale  ein- 
Mhitst,  ergibt  deh  darau,  daft  er  anfter  den  Catiliaarien  nur  die  Bede 
da  inp.  Cn.  Pompei  gelten  laiaen  will.    Mag  dieae  Bede  noch  lo  Tiele 
Venflge  beiitien»  ao  iit  aie  gewiA  nieht  die  ^lige,  die  ana  der  grofien 
Zahl  dceroniaeher  Beden  empfohlen  werden  kann.    Mit  gleich  guten 
Grflnden  können  die  Bede  pro  Anhia,  pro  8.  Boecio  Amerino»  die  Verrinen 
0.  a.  genannt  werden.    Ea  wire  eine  allin  weit  gehende  Bevormandang 
dM  Lehrera»   wenn  man  ihm  bei  einem  Aator  wie  Cicero»  von  dem  wir 
eine  grofte  Zahl  fOr  die  SchoUektfiro  geeigneter  Schriften  haben»  jede 
AMwahl  nnmOglich  machen  wollte.  Abgeaehen  davon  aoUte  H.  bedenken, 
daß  Cicero  neben  Horai  fflr  nna  inaofeme  der  wichtigate  rOnüache  Schrift- 
steiler  ist»  ala  er  ein  gani  beaondera  geaehiokter  nnd  fflr  die  Jagend  ge- 
eigneter Vermittler  griechiocher  Bildung  iat»  weahalb  anch  die  giniliche 
AnsacheidoBg  aeiner  phüoaophiaehen  Schriften  aich  nieht  rechtfertigen  lißt. 
Fflr  Yergila  Aneia  tritt  H.  im  Gegenaati  sa  Eokola  lebhaft  ein 
ond  will  ihre  Lekttlre  im  biaherigen  AnamaAe  erhalten  wiaaen.  Er  möchte 
aach  aof  die  Bnkolika  nnd  Georgika  nicht  Tenichten,  glaubt  aber,  daß 
dieae  Dichtnngen  wegen  ihrer  größeren  Schwierigkeit  erst  nach  derÄneia 
geleaen  werden  sollten.  —  För  Tacitna  hegt  H.  eine  etwaa  ftbertriebene 
Wertschitanng;  er  nennt  ihn  einen  «Oeiat  höchaten  Bangea,  dem  gegen- 
ftber  alle  anderen  römischen  Prosaiker  im  Schatten  atehen,   eine  Figur 
wie  Cicero  aber  sich  nur  wie  ein  Diomling  auanimmt*.    (S.  60.)    Dem- 
gemiß  aoll  ftlr  ihn  mehr  Baum  geachaffen  werden.    Mit  aeiner  Lektflre 
wire  achon  in  VII  tu  beginnen,   a.  tw.  kimen  hier  die  sog.  kleinen 
ächiiften,  Yor  allem  die  Germania,  in  Betracht,  w&hrend  daa  ganie  erate 
Semeeter   der  VIII.  der  Lektflre  einea   der  Hauptwerke  gewidmet  aein 
soU.  Becht  befremdend  ist  der  Vorschlag,  die  Horailektflre  auf  die  Oden 
ond  Epoden  tu  beschränken,  nnd  was  H*  fflr  den  Auaachlnß  der  Satiren 
?orbringt,   wird  wohl  niemanden  flbeneugen.    Falle  die  Lektflre  einiger 
Stflcke  Ton  Gatoll,  Tibull  und  Prepen,  die  aich  nach  H.  an  die  Horai- 
lektflre anachließen  aoU,   nur  um  diesen  Preia  lu  Terkaufen  wiUe,   eo 
mflßte  man  jedenfaila  auf  aie  Tersicbten. 

Jeder  Entwurf  einea  Kanon  ist,  wie  ee  in  der  Natur  der  Sache 
liegt,  atark  anbjektiT,  und  wenn  man  Ton  den  anerkannten  Größen  der 
Literatur  abaieht,  ao  iat  daa  urteil  flber  den  Wert  literariacher  Erieug- 
niaae  oft  ao  achwankend,  daß,  waa  dem  einen  ala  sehr  bemerkenawert 
eracheint,  Ton  dem  andern  aie  wenig  geeignet  beieichnet  wird.  Iat  nun 
dieaer  Fohler  bei  der  Natur  der  Sache  unTcrmeidlicb,  ao  aollte  aich  doch 
jeder,  der  Ändemnga?erachliga  tum  Kanon  macht,  ?on  einem  anderen 
Fehler  mOglichat  frei  halten,  der  leichter  Termieden  werden  kann.  Ein 
Kanon  darf  nieht  lu  eng  aein,  er  muß  eine  gewiue  Elaatisitflt  beaitien 
und  die  Möglichkeit  der  Abwechslung  bieten,  damit  seine  Bestimmungen 


664  Jl  Fuehs,  Dia  tUiitl.  BadMftiiiig  d.  OjmUMiea,  äug.  t.  E,  Mwrtmk. 

Mehi  ftlt  lAitiger  Zwug  empfanden  wwden.  Des  Ytif.  Kuob  tW  u^ 
iii<flit  nur  eng,  er  fit  hie  und  da  logar  tjraaaiseb.  Wenn  er  fcriugt,- 
da6  TOB  Sallntt  nur  der  Caülin»,  Ton  Cieero  außer  den  Gatiliiiarin  &it 
die  Fompq'aDi»  tod  Horai  nur  die  Oden  nnd  Epoden  geleten  wadeii 
loUen,  80  eind  das  Forderungen,  die  eaeblicli  kanm  begründet  werde« 
ktanen,  die  aber  aneb  hemmend  der  Entfaltnng  der  Lehreriadindulitlt 
entgegentreten^    anf  die  H.  lonit  beeonderes  Gewicht  tn  legea  leiient. 

Die  Hanpteaebe  aber  ist,  da5,  wenn  der  altspraebliehe  ünteirie^t        | 
wirirlieb  gehoben  werden  loll,    hietii  nicht  die  Änderong  der  LeeNtoffe 
genügt,  londem  daß  dain  noch  manches  andere  notwendig  ist  Du  bijt 
denn  anch  H.  richtig  erkannt  und  bespricht  in  einem  Sehlsßworte  die 
Bedingungen,  Ton  deren  Brfflllnng  dae  weitere  Gedeihen  des  sltsprtfib- 
lichen  Unterrichtes  abhingt.    Von  den  dort  anfgeiählten  BediBgsngio 
kommen  m.  E.  haoptsAchlich  swei  in  Betracht,  nimlich  die  EatisitiBg 
dee  Gjnmasiuns  Ton  angeeigneten  Elementen  and  die  Tftehtigkeit  der       I 
Lehrer.  Wenn  wir  in  der  Lage  wiren,  das  Gymnasinm,  insbeeoadere  du 
Obergymnasinm,  ron  denjenigen  SchlUem  so  entlasten,   denen  es  mekt       I 
nm  hnmanistische  Bildnng,  sondern,  wie  H.  richtig  ssgt,   nnr  wn  die       ' 
Beehte  hamanistisch  Gebildeter  in  ton  ist,   nnd  wenn  wir  recht  iieU       1 
Lehrer  bitten,  die  anßer  einer  gediegenen  wissenichaftliehen  nnd  pldi-       ' 
gogisehen  Bildang  anch  noch  jene  seltenen  €kiben  beaiften.  Aber  die  der       i 
Verf.  in  so  reichem  Maße  Tcrfttgt,   ich  meine  dichterisches  Enpfisda       ' 
nnd  feines  Konstrerstindnis,  dann  wftrden  anch  bei  dem  gegenwiitiges 
Kanon   die  Ergebnisse   des    lateinischen  nnd  griechischen  Unterricbtei 
weit  befriedigender  sein.    Aber  wir  haben  so  riel  nngeeignete  Schiller 
nnd  in  wenig  Lehrer  der  angedeoteten  Art.    Diesen  Übelat&nden  sine-       | 
helfen,    dllrite  echwieriger  sein,    als   gewisse  Hiogel    des   Kanone  n 
beheben.  ^  | 

Die  anregende  Schrift  sei  den  Facbgenossen  wirmstens  «mpfoblcD. 

Wien.  Dr.  G.  Heidriek         I 


Die  staatliehe  Bedeutung  der  GymnasieD.  Ein  Beitrag  aar  Befonn.  i 

Von  Joeef  Fachs,  k.  k.  Gymnasialdirektor.    Wien,  Karl  Konefei  I 
(Ernst  Stfllpnagel)  1907.    34  88. 

In  tadelloser  Ansstattnog  liegt  uns  das  Hefteben  tot»  worin  der  | 
Verf.  seine  Ansichten  Aber  die  Reform  des  Gymnasiums  darlegt.  Ans  des 

ersten  Worten  ersehen  wir,  daß  das  Game  als  Vortrag  „ror  einem  Km»  I 

engerer  Facbgenossen*  gedacht  oder  wirklich  gehalten  ist.  Eines  ist  im  I 

Verf.  ohne  Zweifel  gelangen:   er  gewinnt  seinem  doch  sdion  bis  nm  1 

Oberdraß  hiofig  bebandelten  Gegenstande  neue  Seiten  ab   nnd  bri^  I 

rieles,  was  man  gerade  hier  dnrehaos  nicht  erwartet  hitte.  Der  Vortn|  i 

klingt  mitunter,  als  sei  er  in  einem  militirwissenachaftUelieB  Verefst  | 

gehalten.  Wir  hOren  zo  nnserer  Überraschnng  ron  Ttappenfthnuig,  Tiktik,  . 

Strategie,  Ton  Napoleon,  Ton  Glansewitt,  von  dem  massierten  Bataflles  | 
der  ▼omapoleoniscben  EriegfQhrnng,  von  BewegUchkeit,  Gliedenmg  is^ 


/.  Ikeft«,  Die  ilaalL  BedailQBg  d.  GyrnnMien,  ang.  t.  E.  Mariinah,  065 

Siiiheitliciikeit  dtr  Trappt,  tob  Jen*»  tob  Amloriiii»  Xankigo  o.  ■•  t 
8elbflt  in  der  AatdraekeveiM  meilct  num  den  miittiriselten  Too.  Im  Be- 
griffe, eint  fiberrateheade  Behanptiuig  aefiaetelleD»  bittet  dar  Torf  aeine 
ZnbOfir,  «die  Sitae  etwas  fetter  to  nehaien'*,  was  allem  Aaeebein  naeb 
kavaUerittiMb  korrekt,  aber  ia  Kreitea  tob  SobalmiaaerB  — -  aagewObB- 
lieh  iit.  Doeb  dice  mag  man  dem  wineBoebaftliebeB  Arboittgtbiete  des 
Verf.  tngvte  balten,  dertur  antikoB  Kriegsgessbiebte  seboB  m^ftobe 
wirtTelle  Beittige  geliefert  bat. 

SoeboB  wir  bbb  die  OniadgedaBkeB  des  Sebriftebeas  beraasiafiadeD, 
to  leigea  sieb  qbs  etwa  folgeadet  Die  groftartigea  kriegeriaebeB  £ifolge 
Ni^leoBS  OBd  PreolSeBs  gefaea  daraof  lorflekt  daA  ersterer  direkt  die 
utikeB  Vorbilder,  Aleiaoder,  HaoBibal,  Cisar,  befolgte  ond  daß  ii 
letiterem  Staate,  doreb  Claosewita  Termittelt,  der  Geist  der  aatikoB 
Kii^gfUiraog  tbofBommeB  worde.  Ferner:  der  flberrasebeade  Fortacbritt 
des  deatseboB  Haadels  aaf  dem  Weltmarkte  ist,  wie  selbst  Eagläader 
ngestehoB,  dar  ansgeMiebaeteB  OigaoisatioB  der  deatsebeB  Mittelsebiüeb 
slee  ia  erster  Liaie  der  QjmoasieB,  la  dankea,  ia  daaeB  kaolm&Baiseber 
Geist  geaebolt  werde.  «Der  Gedaake  ist  gar  niebt  abioweisea,  daß  darab 
die  enste  BaaeblltigQBg  mit  dea  Altes  oIb  Teil  der  fremden  Eaergie 
in  die  eigene  Seele  flberfiieße«  (8.  14).  Eine  weitere,  allerdings  nicbt 
neae  Idee  wird  aneb  Tom  Verf.  wieder  ia  aller  Sebirfe  Terfoabten:  die 
Fertacbritte  der  moderaea  Ealtnr  seiea  mebr  iaDerlicb,  es  sei  eben  in 
erster  Unie  tecbniscbe  Knltnr.  Aufgabe  des  klassisebsa  Unterriebtes  sei 
es,  das  Tielfaeb  seboa  Tsrlorene  Gleiebgewiebt  wieder  bennsteUoB,  der 
•geistigen  nad  etbisebea  Darcbbildttag*  in  dieaea. 

Soweit  der  allgemeine  Teil  des  Vortrages  (S.  1—24).  Hieia  liftt 
eicb  Bor  sagea,  daft  die  snletit  genannte  Forderung  darcbans  berecbtigt 
ist  and  daß  wirklieb  bieria  der  Hanptwert  der  klaisiseb-bomaalstisobeB 
Bildaag  gesaebt  werden  maß.  Doch  ist  dies  eben,  wie  erw&bnt,  etwas 
duebans  nicbt  Neaes,  ja  dieser  Gedanke  gehört  docb  lam  ebemen  Be* 
Blande  jeder  Apologetik  des  bumanistiscben  Gymnasioms.  Was  aber  die 
beiden  an  erster  Stelle  gebracbten  Argnmentationen  des  Verf.  anlangt, 
so  kann  leb  ibnen  leider  nicbt  beipflicbten.  TatsAchlieb  liegt  klar 
bOcbfltens  ein  post  hoc  Tor,  ob  es  aach  ein  prapter  hoc  ist,  bat  der 
Verf.  nicbt  nachgewiesen.  Was  speziell  Napoleon  betrifft,  so  ist  dessen 
Nacbabmnng  der  großen  Feldherren  des  Altertums  eine  Sache,  die  direkt 
mit  dem  klassischen  Unterricht  nichts  so  tun  hat.  Jedenfalls  konnte 
biefOr  das  Stadiom  Ton  Übersetiangen  and  Ton  kriegsgescbichtlichen 
Darstellnngen  genflgen.  Von  S.  24  bis  zum  Schlosse  geht  der  Verf.  aaf 
Einselbeiten  der  Methode  nnd  des  Betriebes  unseres  klassischen  Unter- 
richtes ein.  Er  ist  grands&tilicb  für  umfangreiche  Lektüre  weniger 
Autoren,  Zurflckdringen  der  Grammatik,  schArferes  HerTorkebren  der 
Saeberklirung.  Hiebei  legt  er  besonderen  Wert  auf  KriegsgescbichÜicbes 
und  fordert  sorgfAltiges  DurebarbeitoB  der  Schlacbtscbildsrungen.  Gerade 
letiteree  halte  ich  so  lange  nnd  insoweit  für  bedenklich,  als  die  Ezair* 
beit  mancher  Schlacbtscbilderungen  mit  Recht  angeiweifelt  werden  fc^ 
Wenn  der  Verf.  (S.  29)  die  Betrachtung  eines  Gefechtes  ,eine  ui 


666  J.  Fuchs,  Dia  Btaatl.  Bedentasg  d.  GTmiianan,  tug.  t.  E.  Martmak. 

gleiehlleht  logische  Obug"  oennt,  «wie  sieh  kanm  eine  andere  darbietet*, 
10  ist  das,  an  sieh  genommen,  nicht  gani  abtnweieen,  Ar  die  Sehale 
aber  gilt  dies  gani  gewiß  nicht,  mindesteni  nicht  in  eolcher  AUgemeio- 
heit.  Wir  können  die  Schliler  kanm  je  soweit  in  das  Verstindnii  all  der 
kompliiierten  Bedingungen  einer  Schlacht  einftthren,  am  ihnen  ein  aach 
nnr  annfthemd  klares  Bild  Ton  den  gewiß  intereasanten  Denkpmeesea 
im  Geiste  des  lenkenden  Feldherm  ra  rermitteln.  Der  Verf.  scheint  mir 
hier  nor  etwas  saweit  sa  gehen;  sonst  stimme  ich  seiner  Forderang  gerne 
la,  daß  die  Sacherklftrang  aaf  allen  Gebieten,  also  anch  anf  dem  der 
Kriegsgeschichte,  nach  klarer  Anschanlichkeit  streben  soll. 

Gans  entschieden  maß  ich  mich  aber  gegen  die  8. 29  ff.  Tertretene 
Forderang  des  Verf.  wenden,  Homer  fallen  in  lassen.  Damit  wire 
dem  Griechischen  das  Beste  and  Schönste  genommen.  Ich  sehe  ab  tcb 
meinen  eigenen  Erfahrnngen  ans  der  Gjmnasialseit,  als  Schftler  and  ab 
Lehrer,  aber  ich  weiß  es  aas  so  Tielfachen  Äoßerongen  ehemaliger  Schfller, 
selbst  solcher,  die  nach  Verlassen  des  Gymnasioms  sich  Ton  der  Antike 
gani  losgesagt  haben,  ja  ihr  feindlich  gegenüberstehen,  daß  sie  fllr  Homer 
doch  immer  noch  eine  stille  Ecke  freundlicher  Erinnerung  bewahren, 
Tielleicht  Yerklaasaliert  darch  Klagen  über  allia  grammatischen  Betrieb 
n.  ft.,  aber  ein  Strahl  der  «Sonne  Homers"  lenchtet  doch  noch  doreh. 
Und  gerade  dieses  Beste  sollte  fallen!  Alles  andere  würde  ich  eher 
opfern  als  Homer,  ich  würde  ee  wagen,  mit  Homer  and  Pinto  allein  ans- 
snlangen:  ohne  Homer  aber  nie  and  anter  keiner  Bedingang.  £a  ist  mir 
schlechthin  onTerständlieh,  wie  der  Verf.  (S.  81)  die  dadarch  ermO^ichte 
erweiterte  and  vertiefte  Lektüre  Xenophons  als  Ersats,  ja  als  Gewinn 
beseichnen  kann,  and  wie  er  weiter  (8.  82)  sogar  glanbt^  dann  noch 
iw ei  Standen  an  andere  Disziplinen  abgeben  in  kOnnen.  Die  indivi- 
daelle  Vorliebe  des  Verf.  für  Kriegsgeschichte  genügt  doch  nicht  als 
Bechtfertigang  hiefür.  —  Sonst  bringt  der  Verf.  manche  sehltiensweiti 
Einielforschlftge. 

Gras.  Ed.  Martinak. 


Vierte  Abteilung. 

Miszellen. 


Literarische  Miszellen. 

Die  OermaDia  des  P.  Cornelias  Tacitus.  Htraoage^eben  tod 
Jobaonet  MikUer.  FOr  den  Schnlgebranch  bearbeitet  tod  A.  Tb. 
Christ.  2.  Aofi.  Wien-Leipziff  1906  (Tempiky-FreTtag).  XII  and 
42  SS.   Preis  steif  broscb.  70  Pf.  =  80  b. 

Die  Ändemngeii  gegenüber  der  ersten  Auflage  (1898)  eind  groAen- 
teils  sdion  in  der  1.900  ersdiitnenen  editio  maior  aufgenommen.  Da  Aber 
den  Wert  dieser  Andemngen  in  dieser  Zeitscbrift  schon  F.  ZOehbaaer 
anslfthrlicher  gesprochen  hat  (Jahrgang  1901,  8.  129K  kann  hiefflr  auf 
dieses  Referat  Terwiesen  werden.  27ar  an  einigen  Stellen  seigen  sich  Ab- 
weiehnngen  von  der  editio  maiar,  unter  denen  II  22:  a  Victore  gegenftber 
aritcto]  Victore  am  Platze  ist,  ebenso  XXVI  2  die  Streichung  des  Zasaties 

iaeoque vetitum  esset.    Hingegen  möchte  ich  XIX  14  die  frühere 

Lesart  ne  tamqwim  (st.  ne  non)  nnd  XXIY  18  se  quoque  der  jetzigen 
Lesart  $e  suosque  Tonieben.  Die  dentsebe  Einleitang  nnd  daa  Namen- 
veneichnii  sind  onrerAndert  geblieben,  das  beigefügte  Kartchen  hat  ein 
kolorierte!  Kleid  erbalten. 

Wien.  Franz  Knnz. 


Rudolf  Peters,    Oadmn.     Die  deatacben  Klassiker,  erlftotert  und 

Sevflrdigt  für  höhere  Lehranstalten  sowie  zum  Selbststudium  von 
[nenen  und  £?ers.   26.  Bftndchen.   Verlag  tou  Heinrieb  Bredt  in 
Leipzig. 

Peters  stellt  aus  den  kritischen  Ausgaben  uad  lltarftrj«cb«n  Be- 
iprechungen  des  Gudrunliedes  das  zusammen,  waa  für  d&n  Uaterricbt 
oder  für  das  Selbststudium  der  Dichtung  notwendig  und  wertvoll  erscheint. 
Darum  beschränkt  sich  die  Besprechung  hauptsäcblicb  auf  die  ^ecbteo*' 
Strophen.  Eine  gut  gefaßte  Inhaltsangabe  —  die  in  ihr  wiedergeg^beueß 
Strophen  werden  an  der  Spitze  jeder  aventiure  aofgeiählt  —  eniapiingt 
wohl  dem  Streben,  die  Oesamterfassung  des  Original teites  fq  iichem, 
größere  Einschübe  werden  dabei  als  soldie  kurz  cbarakteriftii»rt*  Der  / 
schnitt  über  die  Entstehung  und  Oberlieferung  de^  Gedlcbtse  gl^ 
Aufklärung,  wie  diese  Interpolationen  überhaupt  «ni^tandeti  Rin<i 
mythologische  Grundlage  der  Hildesage,  der  bistoriecbe  Eii^terg 
Qudrunliedes  wird  leicht  faßlieb  klargestellt,  die  Berirtgsagti 


668  MiBzellen. 

nar  erwftbnt,  wo  der  Vert  gegen  die  Ergebnisse  der  UntemehngcB 
Fr.  Paniers  (Hilde-Gadran,  Eine  sagengeschichtliehe  Untersoebong)  Stel- 
lang nimmt  Die  .Cbarakteristik*  hebt  die  £inielpersonen,  die  «Wflrddgang* 
die  gegensfttsliebe  Zeiebnnng  der  kämpfenden  rarteien  berans  und  weist 
auf  die  Kanstmittel  bin,  die  dem  Dichter  des  Godrunliedes  ftr  die  epitehe 
Darstellang  in  Gebote  standen« 

Das  Baebiein  ist  gut  gearbeitet»  ftberall  werden  die  wissensehaft- 
lieh  feitgelegten  Tatsachen  verwertet.  Der  eingelegte  Kommentar  saeht 
fumeist  Schwierigkeiten  des  mhd.  Textes  mundgerecht  an  machen,  doch 
coli  er  anch  das  Wörterbnch  ersetsen.  Die  Lftngeieieben  fehlen  in  der 
Wiedergabe  des  mhd.  Textes  öfter.  Drackfebler:  856  kitOe  (fttr  UuU}, 
496  zu  (statt  ee),  518  toot  (statt  wol),  796  in  (fttr  tu),  1099  dinegt  (f&r 
dietiest),  1100  von  danuen  (fttr  daHnen)^  1488  sirüehen  (fttr  sUruchm), 
gemüet  ist  Part.  Ton  müegeti  (statt  des  gewObnlicben  mü^en),  dsTor 
sollte  die  Stropbe  497  angegeben  sein.  In  geariesefh  Strophe  587,  hat 
das  Praet.  mit  ge-  die  Bedentnng  des  Plnsqaamperfekts. 

Wien.  Ferdinand  Holzner. 


Felix  St&helin,  Der  Antisemitismns  des  Altertams  in  seiner 
Entstehung  nnd  Entwicklung.  Basel,  C.  F.  Lendorff  1905. 

«Antisemitismus*'  ist  ein  in  den  siebiiger  Jahren  des  Torigen  Jahr- 
hunderts Ton  dem  großen  Orientalisten  Pau  de  Lagarde  gcMhaifenes 
Kampfwort.  Wie  die  meisten  Begriffe  des  modernen  Lebena  kann  auch 
dieser  nur  mit  annihemdei  Genauigkeit  auf  antike  Verhiltniase  aa»- 
wendet  werden.  Der  moderne  Antisemitismus  sieht  in  den  Juden  dit 
Sprößlinge  der  semitischen,  den  indoeuropAischen  Völkern  weaenafrendes 
Basse  und  will  ihnen  darum  Gleichberechtigung  im  Staats«  und  Kulta^ 
leben  nicht  sugesteben.  Im  schftrfsten  GegensaU  su  dieser  Baesenprötik 
sucht  die  hellenistisch-rOmiscbe  Weltkultnr  mit  missionariacbem  Eifer  slle 
Volker  gleicbmftßig  in  ihren  Kreis  su  sieben  und  sOgert  nie,  da,  wo  ihr 
dies  gelingt,  tum  mindesten  geistige  Gleichwertigkeit  aaiuericennen.  Der 
HalbpbOniker  Zenon  von  Kition,  der  gansphOnikisohe  Malchoa-Porphnies 
Ton  Tjros,  der  Kartbager  Haadrubal  —  Kleitomacbos  —  und  der  Sjnr 
Lokian  Ton  Samosata  seigen,  daß  auch  hellenisierte  Semiten  im  Krsise 
hellenischen  Schrifttums  Geltung,  ja  bOcbste  Ehre  erlangten.  So  bättsa 
anch  die  Juden  innerhalb  der  Diadochenstaaten  in  Hellenen  werden 
können;  die  Antwort  auf  ibre  Weigerung  war  der  Judenhaß.  Kieht 
aus  dem  Gegensati  der  Bässen  ist  er  erwacbsen,  sondern  aus  der 
UnTcrtrftglicbkeit  der  Weltkultur  des  Hellenismus  mit  der  AUgegsn- 
wart  der  jadischen  Sonderkaltur  und  der  Unmöglichkeit,  das  rMigita- 
national  organisierte  Judentum  den  Ordnungen  des  heidnischen  Slaatsi 
einiuf&gen.  Geherrscht  bat  der  antike  Antisemitismus  in  den  niederes 
Volksscbicbten,  die  ihn  dorch  Jndenhetsen,  und  auch  bei  den  HOcbst- 
gebildeten,  die  ihn  literarisch  betAtigten.  Aber  Volksstimmungen,  aaeh 
wenn  sie  so  Terbreitet  nnd  tiefgehend  waren  wie  diese,  haben  in  d« 
Zeit  der  Diadochen  und  Cfiiaren  nicht  mehr  Geschichte  machen  dOifsa; 
das  besorgten  Tielmehr  die  fürstlichen  Kabinette  und  dort  wurde  keinerisi 
Gefflhispolitik  getrieben,  also  auch  keine  antisemitische.  Nflehteme  Staats- 
raison  hat  dazu  geffthrt,  daß  die  Juden  im  hellenistischen  Osten  imissr 
Bürger  zweiter  Ordnang  blieben,  im  lateinischen  Westen  sogar  nur  ge- 
duldete Fremde  waren  und  daß  ibnen  schließlich  mit  der  ZentOrmg 
Jerusalems  und  seines  Tempels  ihre  religiOs-nationale  Organisatien  ent 
rissen  wurde.  Diese  ganse  Entwicklung  der  jddiscben  Geschichte  hat  der 
Antisemitismus  mit  steigender  Erregung  begleitet,  bewirkt  aber  hat  er 
sie  so  wenig  wie  der  aus  ibm  erwachsene  Cbristenhaß  die  tcb  *^ 


StuUmtOBeni  TerflBgten  ChritienTerfolgvogen.  —  Von 
lltniMMs  Abbandlang:  «Jadaea  and  die  Jaden"  (ROm.  Geaeli.  V, 
pL  487  ff.)  gelaitet  habe  ieh  hier  die  Graadlinien  gesogen,  denen  nach 
nmen  ErmasseB  Felix  StAhelin  in  seiner  Schrift:  »Der  ABtisemitiamas 
dei  Altertoma*  hitte  folgen  sollen.  In  der  Daretellang,  wie  er  sie  tat- 
ildilich  gegeben  hat,  Termisse  ich  eine  Erklining  aes  Unterschiedea 
iwiseben  antikein  and  modernem  Antisemitismiia  and  eine  ceharfe  Um- 
grentoBg  der  historischeB  Bedeatnng,  die  jenem  innerhalb  der  altaa  Ge- 
Khicbte  sokemrat  IMeaer  Mangel  beraht  wohl  darauf,  daß  der  Verf.  mit 
leioem  Interesse  weniger  bei  den  realen  Miebten  des  politiseben  Lebens 
all  bei  geistesgesehichtlicben  EatwieklaageB  Terwdlt.  Wie  ia  dea  aati- 
semitiscbeB  KreissB  —  and  die  badeateadsteB  Sehriftsteller  gshOrea  ihnen 
an  ~  Aber  jOdisehe  Geiitesart,  Oesshiehto  and  BeligioB  gedacht  warde» 
dtfon  weift  Btfthdia  aof  Omad  rsieher  litsrarisshsr  Belege  hOshst 
lehrreich  sn  enthlsB.  Hit  besonderem  Interesse  wird  man  die  Bntwisk- 
Inog  der  fabelballeB  Berichte  Ober  dea  Bzodos  «id  die  Baelsferehrang^ 
der  Joden  sowie  die  lltesten  Zeugnisse  fflr  das  noch  heate  lebendig« 
Ritoilmordmirdien  kennen  lernen.  Höchste  Anerfcennong  aber  Tordlent 
der  oobefangen  Tornehme  Ton,  in  welchem  der  Verf.  ein  ^Mraa  bespricht» 
das  dnrch  die  erbitterten  Kämpfe  der  Tagespolitik  objektifer  wissen- 
lehafdicher  ErOrtemng  fast  g&nilich  entiogen  scheiBt 

Kikolsbarg.  Dr.  D.  E.  Oppeaheim. 


Dr.  K.  Kraepelin,  Leitfaden  f&r  den  biologischen  CDterricht 
in  den  oberen  Klassen  der  höberen  Schalen.  Mit  308  Abbildangen. 
Leipsig  and  Berlin,  Verlag  von  B.  Q.  Teabner  1907.  Preis  geb.  4  Mk. 

In  dem  Torliegenden  Bache  will  der  Verf.  den  mafigebeadea  Fak- 
toren der  StaatsregieraBgcB  dnrch  die  Vorlage  eiaea  aosgefOhrteB  Lehr- 
karses  eia  anschamichea  Bild  über  den  Umfane  and  den  Inbalt  der  im 
natorwissensohaftlichen  Unterrichte  aaf  biologisebem  Gebiete  angestrebtCB 
Beformen  bieten,  damit  die  Forderang  aof  Einftthrang  des  biologiachen 
Uaterrichtea  in  den  Oberklassen  höherer  Schalen  endlich  BerfickiichtigQng 
finde.  Seinen  AaeffthroBgcB  legt  er  jie  Meraner  Vorschlftge  der  Gesell- 
icbaft  dentscher  Natarforscher  and  Ante  lagronde.  Nachdem  in  dea 
Ufiter-  and  Mittelklassen  eine  genügende  Grandlage  morphologischer  and 
•Tstematischer  Kenntnisse  erworben  ist,  mOgen  aar  Darchnabme  des  bio- 
logischen L^rstoffes  noch  fOnf  Semester  aar  VeifUganff  stehen.  Die  bio- 
logischen Tatsachen  bitten  nach  Möglichkeit  die  Schfller  selbst  sn 
erarbeiten.  Die  Besprechang  der  DesscDdenalehre  wäre  in  Übereinstimmaog 
mit  dem  Meraner  Lehrplan  in  den  geologischen  Korsos  der  obersten 
iüssse  la  Terschieben. 

Das  Boch  enthilt  drei  Abschnitte,  in  welchen  Ober  die  Abblngig- 
ksit  dar  Lebewesen  von  den  Einwirkangen  der  Umwelt,  Aber  dm  Baa 
snd  die  Lebenstfttigkeit  der  organischen  Wesen  and  Ober  den  MeuBchen 
als  Objekt  der  Natorbetrachtang  gesprochen  wird.  Bef.  empfiehlt  allen 
Freonden  der  Eeformen  des  natargeschichtlichen  Unterrichtet  das  ^Qt 
d«  Feder  eines  so  tfichtigen  Gelehrten  and  Fachschriftstellers  hertor- 
gegangene  Buch  w&rmstens. 

Wien.  H.  Viel* 


\ 


k 


670  Prognmmentehan. 

Joh.  Bippel,  Grandlinien  der  Chemie  f&r  Oberreateeholen. 
IL  Teil:  Anorgaoiache  Chemie.  Mit  89  AbbilduiKeii.  Mit  Erlaß 
dea  hohen  k.  k.  Mioiateriama  für  Eoltna  QDd  Unterricht  Tom  29.  April 
1907,  Z.  16.711,  allgemein  snläaaig  erklftrt  Wien,  Dentieke  1907. 
Preia  geh.  2  K  80  b,  geb.  8  K. 

Bippela  Bach  iat  gaoi  im  Sinne  dea  neuen  Lehrplanea  und  im 
<j^ei8te  der  ingehOrigen  Inatraktionen  geachrieben;  ei  trftgt  den  neoMtan 
Foracbangen,  aoweit  aie  im  Mittelachalunterrichte  Terwendet  werden 
•können»  Tollkommen  Rechnung  nnd  iat  aach  in  aprachlicher  Hinaicht  mit 
rflhmeniwerter  Qründlichkeit  gearbeitet 

Der  Stoff  wird  angemein  klar  Torgetragen.  Angenehm  fallen  dam 
Bef.  auf  die  Vertiefang  und  größere  Aaafllhrlichkelt  in  theoretiachen  Be- 
trachtangen, die  fftr  ein  aicherea  Veratftndnia  dea  chemiachena  Wiaeeni 
nnerllDlieh  aind,  femer  die  aatreichende  Schildemng  Tieler  klwner  Ver- 
eache,  die,  obiwar  mit  den  einfachaten  Mitteln  aoaf&hrbar,  recht  sweck- 
dienlieh  and  gleichieiüg  fflr  den  Laboratoriamaanterricht  gani  Tonfiglich 
geeignet  aind.  Angenehm  berflbren  dea  weiteren  die  fielen  gnten  Abbil- 
dungen aowie  die  hittoriachen  und  atatiatiachen  Einatrenungen. 

Bef.  iat  der  Meinung,  daß  das  Torliegende  Buch  sich  in  der  Hand 
der  äehdler  aoageieichnet  oewihren  werde,  daß  es  aber  aveh  maaeheo 
jungen  Lehrer  der  organiachen  Chemie  beim  Vorbereiten  lom  erfolgreicben 
Unterrichte  willkommene  Dienate  leiaten  kOnne,  endlich  —  daß  ee  all 
einea  der  besten  Schulbflcher  aniuaehen  aei. 

Wien.  Joh.  A.  KaiL 


Programmenschan. 

2b.  E.  V  etter,  Kleine  Beiträge  zur  lateinischen  Wortforschnug. 
Progr.  dea  L  k.  Staatagymnasinma  in  Prachatiti  1906/07.    15  SS 

Der  Verf.  dieaer  dankenawerten  Abhandlung  beech&fligt  aich  mit 
4er  Featatellung  der  Grundbedeotung  und  Bedeutungsentwickiong  dei 
Wortea  tetnpus,  wobei  er,  entgegen  der  Tielfiach  von  Sprachforschem  ver- 
tretenen Anschauung,  daß  tempus  »Zeit"  und  tempus  «Schilfe*  iwei 
Wörter  verachiedenen  Urspranga  aeien,  einheitlichen  Uraprang  des  Woitei 
trots  der  beiden  verachiedenen  iBedeutungen  annimmt.  Die  Grandbedeotanf 
dea  Wortea  erachließt  er  aua  Phaedrua  V  8,  wo  daa  peraoniflsierte  Tonptf 
im  Sinne  von  gr.  Ka^og  eracheint.  Dieaer  personifiiierte  Kaioos*  balaneieft 
in  bildlicher  Darstellung  eine  Wage  auf  der  Schneide  einea  Kasiermeiaen, 
und  damit  iat  nach  V.  die  Grandbedeutung  unaerea  Wortes  «Meaaei^ 
achneide,  S^goü  äxfiij'^f  gegeben;  vgl.  die  bekannte,  schon  bei  flomer 
vorkommende  aprichwOrtliche  Wendung  'tetaad'M  hd  £v^  <b^i$\  die  in 
dieaer  oder  durch  Einaetsoog  einea  anderen  bedeutangsverwandteB  Ver- 
buma  etwaa  abgeftndeiter  Faaauog  auch  in  der  apäteren  Litemtor  mehr- 
fach nachgewiesen  iat.  Iat  auch  im  Lateiniachen  ein  ihnlichea  Sprichwort 
nicht  nacbzuweiaen ,  so  verweiat  der  Verf.  zur  Erhftrtung  seiner  scharf- 
sinnig aoegedachten  Anaicht  der  Bedeotungsentwicklung  von  tempus  =^ 
«Schneide,  Schftrfe,  Mesaerachneide ,  kritiacher  Aagenblick,  Augenblick, 
Zeitpunkt,  Zeit"  aof  die  „einigermaßen  fthnliche  Bedeutungsentwicklaof 
von  „momentum'^,  das  ohne  Zweifel  orsprfinglich  «das  kleine  Obergewicfat 
beseichnet,  welches  bei  gleichschwebenden  Wagebalken  den  Aosaehla^ 
gibt*'  und  denaelben  Stufengang  in  aeinen  späteren  Bedentungen  «kriti- 
acher Augenblick,  Augenblick"  aufweiat.  £a  iat  nicht  sa  verkennen,  daß 
-der  verh&ltnismftßig  spät  anftretende  Beleg  der  erschlossenen  Grand- 
bedeatoDg   die    angenommene  Bedeotungsentwicklung   in    einem 


Fortbildnngtkon  für  Mittelsehollehrer  oiw.  671 

xwtifelbaftaii  Lichte  eneheinen  lißt  Darf  man  aber  die  Orondlage 
onserer  bedentimgijfeeehichtlicheii  üntersiiehDog,  woio  mir  siemliehe 
fiereehtigQDg  Torsmiegen  seheint,  fOr  ttark  genug  halten,  so  wird  auch 
den  weiteren  Anefflhmngen  Aber  die  Bedentongsentwieklnng  von  tempus 
nod  den  dafon  abgeleiteten  Wörtern  in  der  Hauptsache  die  Zostimmnng 
ksnm  fehlen.  Besondert  beachtenswert  erscheint  mir  noch  der  8.  12  f. 
sBi  LiTios  XLIY  22,  5  erbrachte  Nachweis,  daft  exUmplo  die  Grnnd- 
bedeiliing  .ans  dem  heiligen  Viereck  heraus*'  gehabt  liabe  ond  snnichst 
fon  einem  romischen  Beamten  gesagt  worden  sei,  der  gleich  Tom  Anspi- 
nsm  weg  anf  den  Kriegsschanplati  aufbrechen  mußte. 

In  einem  konen  Anhang  S.  14 — 15  rechtfertigt  Y.  einen  sicher 
nebt  beachtenswerten  YerbesserangsTorschlag  in  Aischylos  Choephoren 
y.  888,  welcher  dahin  geht,  statt  des  Oberlicferten  Wortlautes 
iotTtt  v9p  a^t^g  hu  (p(fo9  f  »ilag 
[0^217^  TuaeXcb^at  nffog  Süajv  lunli/yiiipog] 
eiofsefa  iotxi  Hiv  ait^g  htl  ivQov  niUip  ml,  su  lesen. 

Innsbruck.  Fr.  Stols. 


FortbildQDgsknrB  fflr  Mittelschallehrer  an  der 

b.OhmiBchen  CniverBit&t  in  Prag 

{23.  bis  29.  April)  unter  der  Leitung  des  ünlTeritatsprofeesors,  Hofrates 
Dr.  Yinzeni  Strouhal  und  des  Landesscholinspektors  Dr.  Franz  Krsek. 

1.  Prof.  Dr.  Fr.  Grob:  Notö  objeTen^  Pftpji/  &  Tyinam  jeiich 
pro  döjinj  feckd  literatury  (Über  neuentdeckte  Papyn  und  deren  Bedeu- 
timg für  die  Geschichte  der  griechischen  Literatur).  —  2.  Prof.  Dr.  Ignas 
Yyokf:  Praxiteles,  list  i  döjin  feck^ho  umöni  (Praxiteles,  ein  Blatt 
aus  der  Geschichte  der  griechischen  Kunst).  —  3.  Prof.  Dr.  Jobann 
Michal:  Not^  pohledj  na  Oeskon  literaturu  dramatickou  (Neue  Aus- 
blicke auf  die  böhmische  dramatische  Literatur).  —  Prof.  Dr.  W.  E. 
Hourek:  NoTöjSi  n&zory  ▼  oboru  nömeskä  historick^  mluTnice  (Neuere 
Ansichten  im  Gebiete  der  deutschen  historischen  Grammatik).  —  5.  Prof. 
Dr.  Josef  Pekaf :  Yjbrand  partie  z  döjin  rakousk^ch  st&tft  (Ausgewihlte 
Partien  aus  der  Geschichte  der  Osterreichischen  Staaten).  —  6.  Prof.  Dr. 
Josef  Snsta:  Bädini  tc  Yatikinn  a  jeho  nejdüleiitdjdi  y^sledl^  pro 
döjinj  TSeobecn^  (Forschungen  im  Yatikan  und  deren  wichtigste  Ergeb- 
nisse ffir  die  allgemeine  (jeschichte).  —  7.  Prof.  Dr.  T.  G.  Masarjk: 
Z4k]adni  probl^j  noetickä  (Grundprobleme  der  Noetik). 

Die  Yortrige  finden  in  den  Yormittagsstnnden  statt;  die  Nach- 
mittage werden  fir  Exkursionen  reserriert. 

Samtliche  Yortrage  sind  sechsstündig  und  ffir  die  Teilnehmer 
unentgeltlich. 

Ansuchen  um  Beurlaubung  behnfs  Teilnahme  am  Kurse  sowie  um 
efentuelle  Beiseunterstfltznngen  sind  im  rorgeficbriebeneii  Dienitwege 
rechtzeitig  einsubringen. 


i 


Fortbildungskurse  fflr  MittelschoUebrer  &&  iax 

k.  k.  Universität  id  Graz 

(in  der  ersten  Hälfte  September  1908  ^  Qoter  Ldtu&g  im 
Professors  Dr.  Ad.  Bauer  und  des  Laj^d^s^diiüinipekifita 


\ 


672  liiigMMidet 

L  AUgememe  Kurse.  1.  SchalhTffiene  (6  Standen).  StadtiihTCÜau 
Prof.  Dr.  Oskar  Bberstaller.  —  2.  ISthiBehe  Fragen  dae  ScboUebeDi 
nnd  der  Sehnldiaiiplin  (6  ßtunden).    Prot  Dr.  Eduard  Martintk. 

IL  Hiatarisd^eoffraphis^  Kurse.  1.  Ans  der  Gesehiehto  dai 
Altertums:  a)  Der  Bc^nn  der  altägyptischen  Gesdiichte;  h)  ein  neser 
griechischer  Geschichtsschreiber,  OxTrbTnchospapjraa  Nr.  M2;  e)  die 
christliche  Weltehronik  bis  auf  Ensebios  (6  Standen).  Prof.  Dr.  Adolf 
Bauer.  —  8.  Zar  Methodik  nnd  Periodisierong  der  Geschiehte  des  Mittel- 
alters (6  Standen).  Hofrat  Prof.  Dr.  Johann  Loserth.  —  8.  Nras  Foi* 
schangon  and  Yerftifentlichangen  über  österreichische  Geschidile  des 
XYIIL  and  XIX.  Jahrhnnderts  (6  Standen).  Prof.  Dr.  Kari  Uhlirs.  - 
4.  Die  Anthropogeographie  in  der  Mittelschale  (6  Standen).  Prot  Dr. 
Robert  Sieger. 

HL  NeuaprtiMiehe  Kuree.  l.  Praktische  Übangen  im  Etwliseben 
im  Anschlag  an  Scotts:  England ,  its  People,  Politic  and  ronoiti 
riO  Standen).  Arthar  Perry  NichoUs  B.  A.  Xond.  —  2.  Fransödfiche 
Geschichte  and  Literatorgesdiichte,  Yortrige  mit  eyentnell  anschließender 
Diskassioa  (10  Standen).   Dr.  Loais  Charles  Lacien  Dupasqaiei. 

IV.  Slawische  Kurse.  1.  Neuere  Ansichten  Aber  einige  Fngen 
der  slawischen  Grammatik  (6  Stunden).  Prof.  Dr.  Karl  Strekelj.  — 
2.  Neue  Wege  in  der  sfldslawischen  Literaturgeschichte  (6  Stunden). 
Prof.  Dr.  Matthias  Marko. 

Sämtliche  Yorlesungen  und  Übangen  sind  ftx  die  Teilnebmer 
unentgeltlich. 

Fflr  die  Teilnehmer  an  den  Kursen  wird  auch  eine  Ankunft»-  nsd 
WohnnngsTermittlangsstelle  errichtet. 


Eingesendet. 

Das  dritte  Preisausschreiben  der  Eantgesellschft,  dii 
in  dem  in  Bälde  erscheinenden  neuesten  Hefte  der  «Ikantstudien*  mit- 

Jeteilt  wird,  lautet:  „Welches  sind  die  wirklichen  Fortschritte»  die  die 
[etaphysik  in  Deutschland  seit  Hegels  und  Herbarts  Zeiten  gemacht 
hat?**  i)as  Thema,  daft  einer  auch  Yon  Kant  bearbeiteten  Preieaufgibe 
der  Berliner  Akademie  im  Jahre  1791  nachgebildet  ist,  ist  Ton  Umrer- 
sitatsprofessor  Dr.  Karl  Gflttler  in  München  angegeben  und  formnlieit, 
der  auch  f&r  die  besten  Bearbeitungen  einen  ersten  Preis  fon  Ein- 
tausend Mark  und  einen  zweiten  Preis  Ton  Sechshundert 
Mark  gestiftet  hat.  Preisrichter  sind  die  beiden  Berliner  Geheimiite 
und  Professoren  Biehl  und  Stumpf  sowie  der  Würiburger  Professor 
Eülpe.  Die  Bedingungen  der  Preisaufgabe  sind  su  beziehen  durch  des 
Geschäftsfflhrer  der  Kantgesellscbaft  Prof.  Dr.  Yaihinger  in  Halle  a.  S. 


Erste  Abteilung^. 

Abhandlungen. 


über  die  Entwicklaog  des  älteBten  griechischen 
Alphabets. 

Die  Frage  über  die  EoiwicklaDg  des  ältesten  griechischen 
Alphabets  kann  noch  immer  als  nicht  geklärt  betrachtet  werden. 
Dffl  so  mehr  mnß  jeder  Yersnch,  der  Lösung  derselben  nahe  zn 
kommen,  mit  Frende  begrüßt ,  aber  zugleich  anch  eingebend 
geprüft  werden«  Meine  Untersnohnngen  über  diesen  Gegenstand 
habe  ich  in  einer  Schrift  zusammenzufassen  gesucht  und  gebe  der 
Heifiaiuig  Ausdruck,  zur  Sache  auch  ein  wenig  beigetragen  zu  haben. 
Um  nun  die  Ergebnisse  meiner  Arbeit  Tom  rein  wissenschaftlichen 
Standpunkt  aus  genauer  Prüfung  unterwerfen  zu  können,  ersuche 
ich  diejenigen»  welche  sich  in  der  betreffenden  Frage  auszusprechen 
nicht  abgeneigt  w&ren,  ihre  Bedenken  und  Entgegnungen  freund- 
Jjchat  zum  Ausdruck  bringen  zu  wollen. 

1.  Die  italischen  Alphabete  stammen  im  großen  Ganzen  aus 
einer  chalkidischen  Quelle  des  YIU.  Jahrhunderts. 

2.  Nebst  der  Dipyloninschrift  bezeugen  sie,  daß  in  der  Mitte 
des  YIIL  Jahrhunderts  das  östliche  und  das  westliche  Alphabet 
höchstwahrscheinlich  schon  geschieden  waren. 

8.  9,  X  =  ursprünglich  ph,  kh\  das  westliche  Zeichen  für 
I  anfangs  =  g  (h)j  später  erh&lt  es  den  Wert  einer  Doppel- 
konaonanz. 

4.  Ursprünglich  unterscheiden  wir  zwei  Gruppen:  die  öst- 
liche ph,  Ich  und  die  westliche  ph^  kh,  g  (h),  Ton  denen  die  erstere 
einüicher  und  Alter  ist. 

5.  Die  besonderen  Zeichen  für  ph  und  kh  sind  wohl  als 
Analogie  zu  ih  (d)  eingeführt  worden. 

6.  Der  Entwicklungsgang  dieser  Zeichen  in  dem  östlichen  und 
westlichen  Alphabet  könnte  in  folgender  Weise  dargestellt  werden : 

Zdtsekrift  i.  d.  taten.  Ojimi.  IMS.  Ym.  «  DL  H«fl.  48 


674  Ober  die  Entwieklimg  dea  ilt  griech.  Alphabete.  Ton  JP.  WiedemaiM. 

a)  (D  •¥ 
ph          kh 

A 

b)  9(h)    ib&  —  etwa  100  Jahre  Ung, 

I    I 
dann  e)  +    V 

d)  ©    y    + 

e)  +    ©     V 

Nach  Gercke  (Hermes  XLI,  1906»  549  f.)  entstanden  die  Zeieben 
O  +  V  im  lydisehen  lonien  gleichzeitig,  n.  zw.  znr  BezeichnaDg  der 
Lante  ph,  kh,  9h,  nachdem  das  B  ans  h  tu  e  geworden  war.  Als 
spftter  das  9  außer  Gebranch  kam,  behielt  man  nnr  noch  O  and 
+,  das  V  wurde  frei  und  bezeichnete  schließlich  einen  ganz  neuen 
Laut,  das  ^.  Im  westlichen  Alphabet  wurden  die  neuen  Zeicheo 
zwar  aufgenommen,  aber  das  %  erhielt  die  Bezeichnung  y,  das  + 
trat  in  der  Verbindung  +S  auf,  später  im  Werte  derselben  auch 
allein.    Danach  h&tten  wir  folgendes  Schema: 

a) 
h) 


o 

+ 

V 

ph 

Kh 

9Ä 

Östlich: 

e)  westlich: 

©     + 

©  V  +r»; 

ph  Ml 

ph  kh    g(h) 
(9Ä) 

Vom  Gutturallaut  V  =  ;|r  im  östlichen  Alphabet  besitzen  wir 
freilich,  außer  dem  therftisch-melischen  V  =  {,  keine  Spur.  £s  flllt 
auch  die  Eonsequenz  auf,  mit  welcher  das  östliche  +  =  %  ^^  ^ 
westliche  V  durchgeführt  wurden  (ygl.  freilich  IG.  IV  683|  684). 

7.  Mitte  des  IX.  Jahrhunderts  wäre  ungefähr  der  tennimis 
ante  quem  der  Einführung  besonderer  Zeichen  für  q>  und  %. 

8.  Zeit  und  Ort  der  Übernahme  des  phönikiscben  Alphabete 
sind  nach  Herodot  V  58  anzusetzen,  dessen  Angaben  einfach  ab- 
zuweisen wir  keinen  zwingenden  Grund  haben.  Wäre  die  Über- 
nahme im  Osten  des  Ägäischen  Meeres  geschehen,  so  hätte  der 
Historiker,  dem  die  Gründungsgeschichte  der  kleinasiaüscbei 
Kolonien  gut  bekannt  war,  es  nicht  yersäumt,  auf  die  etwa  rer- 
handene  Überlieferung  hinzuweisen.  Dagegen  finden  wir  ein  ans- 
drückliches  Zeugnis  für  Euripos  Tor.  Und  in  dem  „Palamedes* 
haben  wir  einen  direkten  Hinweis  auf  die  Kenntnis  der  Schrift  in 
der  Zeit  des  sogenannten  „Troiscben  Krieges".  Folglich  könnte 
die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Jahrtausends  r.  Chr.  ab  die  Zeit 
der  allmählichen  Entwicklung  der  griechischen,  zugleich  al»«r  andi 
der  phönikiscben  Schrift  angenommen  werden.  Einen  Amfeehwung 
erhielt  die  östliche  Schrift  (d.  h.  die  Schrift  Kleinseiem)  im  IL, 
die  westliche  (d.  b.  die  Schrift  des  Mutterlandes)  im  VHL  Jahr- 
hundert. 


über  die  EotwicklnDg  des  ftli  griech.  Alphabets.  Von  F.  Wiedefnann.  675 

9.  Die  ersten  Sparen  der  Schriflknnde  in  Italien  könnten, 
in  Anbetracht  einzelner  gemeinsamer  Zflge  der  italischen  und  der 
t^hrygisch-lemnischen  Alphabete  (B  =  h  lemnisch,  9  =  nmbrisch, 
t  faliskisch  nnd  pbrygiscb,  letzteres  freilich  in  unbestimmter  Be- 
deatongy  S  ^  phrygisch  nnd  italisch),  ins  IX.  Jahrhundert  hinauf- 
datiert werden. 

10.  Pheidons  Regierung  (erste  U&lfte  des  VIII.  Jahrhunderts) 
ist  Termutlich  die  Zeit  der  Spaltung  der  Alphabete  im  Westen  des 
Äg&ischen  Meeres.  In  diesem  Sinne  hat  sich  auch  Prof.  Eirchhoff 
ansgesprochen.  Wir  hfttten  recht,  daran  festzuhalten.  —  Einführung 
der  ionischen  Zeichen  für  <p  und  X' 

11.  Das  süd&g&ische  Alphabet  beruht  auf  der  Torpheidonischen 
Schrift  des  Peloponnes. 

12.  Das  $  in  lonien  ist  nach  dem  westlichen  Muster  +5 
oder  -f  auf  ein  Zeichen  fibertragen  worden,  und  zwar  das  ffinf- 
zehnte  des  Alphabets:  ^  oder  X.  Nacb  dem  dblich&n  Brauch  im 
westlichen  Alphabet  wurde  auch  in  loniefi  und  dann  aach  im 
Gebiet  Ton  Korinth  bald  I  (H),  bald  IS  (HS)  oder  IM  ge- 
schrieben.  Ähnlich  dem  besonderen  Zaicben  int  |  wurde  aneh  ein 
besonderes  ffir  ^  in  lonien  eingeffihrt, 

18.  Das  argivisch-amorginische  hh  :==  |,  daa  korintbjscb- 
theräiscbe  ^  (Z)  =  £,  das  epidauriscbe  X  ^^  g^  das  meliach-tbe- 
räische  Y  =  $  weisen  auf  spätere  Zeit  der  Einführung  der  ioo  Ischen 
£  und  tp  im  Westen  des  Ägäischen  Meerea  —  Tiellaicht  zuerst  in 
Xorintb  zur  Zeit  Perianders»  wie  wir  ans  der  korinth t^cben  Vasen- 
inschrift  Xdgrig  ^C  iygailfs  (Wilisch ,  Altborintb.  Xbonind*  167; 
Kirchhoffy  Studien^  102)  schließen  kOnnen. 

14.  Die  erwähnten  EigentQmlicbkeiteu  der  blauen  Alpbabete 
im  Westen  des  Ägäischen  Meeres,  die  recbt8lÄuüj?e  korinth laclie 
Inschrift  (PMC  =  ^o  (IG.  IV  323),  4aa  Fehlen  des  lornscben  m 
in  den  Ab u-Simbel -Inschriften  deuten  daranf  bin,  daG  das  mlle- 
sische  Zahlenalpbabet  wohl  kaum  über  das  VIL  Jahrhundert  hinauf^ 
zudatieren  ist. 

15.  Die  Zischlaute.  Das  Zeichen  M  ^  iT,  ebenaj>  m\%  ^  Z, 
V  n.  a.,  erinnert  uns  zu  sehr  an  die  kretisch- mjrkrnieclie  ScbriJV 
als  daß  wir  darin  eine  Neubildung  oder  Üm^^estaUnnf  tpAterer 
Zeit  za  erkennen  h&tten.  Daß  das  M  kmn  tttngekuhrti*«  Yi  ^*^» 
lehren  uns  die  Formello-Beihen ,  wo  wir  beide  Zeichen  M  and  ^ 
leaeD.  Und  aus  dem  phönikischen  fr'  za  erkliren  htIteD 
zwingenden  Grund.     Betrachten   wir   qi»«  die   pböuttriie^^^ 

laute  Dfther. 

7.  =t=  zai(n)  ödv  (21) 

15.  ^  semk  (sank)  öly^a  [ZI) 

18.  p^  9&d6  (tsade)  tfjza  (7» 

21.  w   din  i^  i^^ 


676  Über  die  Entwicklung  des  ftlt.  grieeh.  Alphabete.  Von  F,  Wiedmam. 

Da  sieb  diese  Laute  der  griechischen  Aussprache  nicht  gat  an- 
paßten» so  fanden  Abweichungen  statt  Daß  das  15.  Zeichen  nicht 
wie  griechisches  ö  ausgesprochen  wurde,  ist  klar:  weshalb  w&re 
es  denn  Terschmftht  worden?  Es  mußte  also  Tor  allen  Dingen  ein 
Zeichen  ffir  den  d-Laut  gescbaifen  werden,  und  dieses  war  nun 
ohne  Zweifel  M.  Seine  Einführung  muß  aber  mit  der  Zeit  der 
Übernahme  des  phönikischen  Alphabets  fast  zusammengefallen  sein, 
denn  sonst  h&tten  die  Übernehmer  keinen  Ausdruck  für  den  tf-Lant 
gehabt.  Somit  ist  es  wahrscheinlich,  daß  das  Zeichen  der  kretiüch- 
mykenischen  Schrift  entstammt  und  noch  ?or  der  Hellenisierung 
des  phönikischen  Alphabets  eingeführt  wurde.  Als  sich  aber  später 
das  h^  (ft)  zu  t^  Tereinfachte,  mußte  das  M  (0)  unbequem  werden, 
und  ein  neues  Zeichen  war  nOtig.  Meiner  Ansicht  nach  griff  man 
nun  zur  Zickzacklinie,  deren  Gliederzahl  unbestimmt  war  und  die 
vielleicht  die  graphische  Bezeichnung  einer  Schlange  darstellen  sollte. 
Die  gewöhnliche  Gestalt  war  wohl  f ,  die  zu  (  oder  S  yereinfacht 
werden  konnte.  Die  unbestimmte  Zahl  der  einzelnen  Glieder  ent- 
schied denn  auch  wohl  zuletzt  die  Form  des  21.  Zeichens  xnm 
Tragen  des  betreifenden  Lautes.  Damit  wurde  der  Name  eiy\ui 
Terbunden,  welcher  an  das  Zeitwort  el^m  zischen  unwillkürlich 
erinnern  mußte.  Der  Name  des  21.  aber  ging  nicht  Terloren,  sondern 
wurde  auf  das  15.  Zeichen  übertragen,  das  zugleich  einen  nenen, 
dem  Namen  entsprechenden  Lautwert  erhielt.  Am  besten  ist  es, 
diese  Änderungen  dem  Urheber  des  milesischen  Zahlenalphabeto 
zuzuschreiben.  Zugleich  konnte  der  Name  S^ra  auf  das  7.  Zeichen 
übertragen  werden,  weil  er  dessen  Lautwert  zu  entsprechen  schien 
und  dieses  die  gleichlautenden  Endungen  des  ^ra  und  des  ^^ra 
zur  Folge  hatte.  Der  Name  6dv  ging  für  die  lonier  Terloren.  Die 
Dorier  aber  behielten  ihn,  indem  sie  damit  den  21.  Buchstaben 
bezeichneten.  Den  Grund  dafür  finden  wir  bei  Athenäus  XI  467: 
„t6  öhv  ivxl  Tof)  6Cy^a  dcoQix&q  elgiqxaöLv'  ol  yhg  iiovemoi^ 
xad^dstsQ  xolkdxtg  'jigiötöiBvög  «pi^ct,  rb  6ly^a  Jiiysiv  xa^- 
tO'övTO  diic  tb  öxlfiQ60toiix>v  elvai  tucI  dviJCLti^deLOV  avla'. 
Die  von  demselben  Athenäus  a.  a.  0.  zitierten  Worte  Finders: 
nTcglv  (ihv  iiQTte  ö%oivoxBVBLa  t*  ioidh  %al  xb  öicv  xißdaXw 
inb  özofidzcov**  verstehe  ich  folgendermaßen.  Unter  dem  oop 
xlßdalov  wird  das  im  korinthischen  Alphabet  von  der  18.  ani 
die  21.  Stelle  übertragene  Zeichen  M  gemeint,  das  zu  Plndars 
Zeiten  durch  ^  ersetzt  wurde,  welch  letzteres  aber  in  der  Aus- 
sprache den  Anforderungen  der  ailrital  gemäß  durch  das  tönende 
8  {6dv)  vertreten  worden  war.  Das  öicv  xlßdcckov  also  —  M  oder 
auch  ^  =  (1,  das  richtige,  echte  ödv  —  ^  =  tönendes  s  (vgl. 
dazu  Hdt.  I  189). 

Wenn  Hirschfeld  (Bhein.  Mus.  XLIV,  1889,  8.  461—467) 
das  dreistrichige  s  aus  dem  Zeichen  M,  welches  im  Alphabet  von 
Caere  den  18.  Platz  einnimmt,  herleiten  will,  so  widerspricht  dem 
der  umstand,   daß  das  Zeichen   M  eine  stabile  Form  hat,  di«  nie 


über  die  EntwickloDg  des  ilt  grieeh.  Alphabets.  Von  F.  Wiedemann.  677 

mit  S  wechselt.  In  der  Inschrift  von  Mantineia  IIG.*  XXXII,  Nr.  9 
(S.  107)  finden  wir  es  in  der  Bedentnng*  ts  neben  dem  Tiersirichigen 
t.  Nun  gibt  es  aber  Altere  arkadische  Inschriften,  wo  das  «  drei- 
strichig  ist^).  Es  wäre  kaum  anzunehmen,  daß  das  betreffende 
Zeichen,  nachdem  ans  ihm  das  S  entstanden  war,  in  der  Alteren 
Form  noch  konsequent  funktionierte. 

16.  Das  /).     Die   verschiedenen  Formen  dieses  Buchstabens 
können  ans  drei  (wenn  wir  das  ^  als  kretisch-mykenisches  Zeichen 

auffassen)  Grundtypen  erklArt  werden.  Das  therAische  ^  |^  ^ »  das 
karische  b,  das  kretische  p,  das  kykladische  C  (Argos  IG.  IV  514  P, 
Hermione  IG.  IV  554  D)  sind  auf  die  phönikische  Grundform  zu- 
rückzuführen, das  isthmisch -melische  ungefAhr  in  folgender  Ent- 
wicklungsreihe darzustellen : 

Wie  ist  nun  das  Zeichen  M  zu  erklAren?  Meiner  Ansicht  nach 
war  ein  neues  Zeichen  notwendig,  wenn  an  dem  überlieferten  keine 
Änderungen  Torgenommen  wurden:  das  P  aus  e  mußte  ja  mit  dem 
Q  zusammenfallen  (vgl.  A.  N.  Uxlag,  'Eq>ri(i.  ägx.  1892,  S.  107). 
ÜDd  so  griff  man  denn  einfach  zum  18.  Zeichen,  das  im  Isthmus- 
gebiet außer  Gebrauch  gesetzt  war.  An  anderen  Orten  (Euripos- 
gebiet)  wurde  das  q  geschwAnzt,  ehe  man  zur  gewöhnlichen  /3-Form 
überging.  SpAter  wurden  beide  9- Formen  vermengt.  —  Gercke 
(Hermes  XLI  544  ff.)  leitet  die  gewöhnliche  /3-Form  aus  dem 
lydischen  lonien  her,  will  aber  darin  eine  Weiterbildung  des  Zeichens 
^  b  sehen.  Im  karischen  lonien  soll  zur  Zeit,  als  im  lydischen  B 
zu  e  wurde,  das  ^  (B)  den  Wert  e  erbalten  haben  und  in  der  Mitte 
des  Vm.  Jahrhunderts  nach  Eorinth  und  Megara  gekommen  sein. 
Erst  als  auch  in  Milet  das  B  =  ^  auftrat,  konnte  dem  B,  wie  im 
lydischen  lonien,  auch  im  karischen  der  Wert  ß  beigelegt  werden. 
Daß  das  e  in  der  Mitte  des  VIII.  Jahrhunderts  tatsAcblich  durch 
^B  ausgedrückt  wurde,  lehren  uns  die  Münzen  von  Segesta  und 
Erjx:  sie  bezeugen  jedenfalls  eine  Schriftstufe,  welche  Alter  ist, 
als  diejenige  der  uns  bekannten  Insahriften  der  übrigen  sizilischen 
St&dte,  und  wohl  in  das  VIII.  Jahrhundert  hinaufzurücken  ist.  Das 
sekyonische  X  =:  #  müßte  dann  jedenfalls  so  erklArt  werden,  daß 
hier  das  ß  in  der  gewöhnlichen  Form  schon  ein^efälirt  war,  ais 
der  Unterschied  der  e-Laute,  der  im  benachbarten  Eorinth  gra^^hiäcb 
Termerkt  wurde,  zum  Ausdrucke  gelangte.  Es  wurde  tino  dazu  ein 
Deoes  Zeichen  X  benutzt.  Diese  Theorie  hat  vieles  tör  sieb,  nur 
müssen  wir  uns  die  Eorinther  und  die  Sekyonier  gegen  seitig  arg 


')  Vgl.  hierzu  auch  F.  Stadnicxka,  Des  Arkaders  Phaulfas  Wei)t^ 
geeehenk  an  Pan,  Mitth.  d.  E.  D.  Arcb.  lost,  in  Athen  II £,  I905|  a.^fl&a^      ^ 
H.  Diels,  Der  Schlüssel  des  ArtemistempeU  zu  Losoi,  8ittuogtber  "^ 

Prenß.  Akad.  d.  Wiss.,  Gesamtsitsang  9.  JAnner  1908:  im  kuti 
■ehen  wir  beide  Formen  nebeneinander. 

i 


^ 


678  Über  die  Entwieklang  des  ftli  grieeb.  Alphabete.  Yon  F.  Wiedemann. 

befehdet  denken,  wenn  beide  St&dte  die  betreffenden  Zeichen  m 
dem  Oeten  berfibergenommen  und  in  dem  einmal  eingeführten  Liat- 
werte  hartnäckig  bewahrt  haben. 

17.  Das  V,  Gercke  (Hermes  XLI  541)  bat  recht,  weao  ir 
behauptet,  daß  das  v  erst  nachträglich  den  doppelten  Wert  ond  dann 
auch  doppelte  Bezeichnung  erhielt  Darauf  deuten  die  italischen  Alpbi- 
qete  der  zweiten  Gruppe.  Die  ursprüngliche  Form  V  erhielt  wohl  den 
Platz  nach  dem  r;  die  ihr  Tielleicht  parallele  Form,  welche  wahrscheinlich 

aus  der  /aziscfaen  "A  Termittelst  der  Modifikationen  ^  p  F  p 
entstanden  war,  blieb,  entsprechend  der  ursprünglichen  Bedeutiui^, 
am  6.  Platz. 

18.  Das  CD.  Nach  Gardner  (JHS.  VII,  1886,  S.  288)  ent- 
stammt dieses  Zeichen  der  kyprischen  Schrift.  Dazu  haben  wir 
meiner  Ansicht  nach  keinen  zwingenden  Grund.  Da  das  k/priscbe 
Syllabar  wohl  eine  Abzweigung  der  im  zweiten  Jahrtausend  im 
Mittelländischen  Meere  yerbreiteten  Schrift  war,  so  haben  wir  fär 
das  S2  auch  noch  eine  andere  Erklärung:  das  Zeichen  kann  au 
irgend  einem  Rest  dieser  Schrift  in  Kleinasien  (wohl  in  der  Gegend 
von  Milet)  stammen.  Daß  das  Zeichen  nicht  aus  dem  O  herzo- 
leiten  ist,  hat  Gardner  Tielleicht  richtig  erkannt:  die  ältesten  Typen 
des  CD,  die  wir  in  Naukratis  finden,  gehen  von  dem  O  weiter  aoi- 
einander,  als  die  späteren. 

19.  Das  T.  Als  ältestes  Zeugnis  hiefür  ist  die  Inschrift  Ton 
Ephesosy  welche  in  die  zweite  Hälfte  des  VII.  Jahrhunderts  binanf- 
datiert  wird  (F.  W.  G.  Foat,  JHS.  XXVI,  1906,  S.  286—287; 
D.  G.  Hogarth,  British  Museum,  Excavatians  at  Ephesus,  Tht 
Arehaic  Artemisia),  zu  nennen.  Die  Entstehung  des  Zeichens  ist 
vielleicht  nach  Gercke  (Hermes  XLI  542)  aus  einer  Nebenform  des 
I  —  dem  Hi  —  zu  erklären:  wir  finden  nämlich  w,  T,  4^  io 
karischen  Inschriften  in  gleicher  Bedeutung  nebeneinander  {Trans- 
adUms  qf  ihe  Society  of  Biblical  Ärehaeology  IX,  1898,  S.  188). 
Zu  dieser  Nebenform,  welche  wir  in  Argos  und  auf  Amorgos  wieder- 
finden, wurde  beim  Zusammenstellen  des  milesischen  Zablenalphabets 
gegriffen  und  das  Zeichen  T  (eigentlich  ^:  vgl.  IG.  XII  1,  913, 
add.)  geschaffen. 

20.  Schriftrichtung.  Die  rechtsläufige  Bichtung  wird  wahr- 
scheinlich aus  ßovöTQoq>rid6v  entstanden  sein.  Abgesehen  davon, 
daß  mit  der  rechten  Hand  viel  leichter  in  recbtsläufiger  als  in 
linksläufiger  Bichtung  zu  schreiben  ist  (vgl.  Erlenmeyer,  Die  Schrift, 
Grundzüge  ihrer  Physiologie  und  Pathologie,  1879),  müssen  wir 
auch  Nebenumstände  berücksichtigen :  bei  der  Vasenmalerei  i.  B. 
mußte  die  rechtsläufige  Bichtung  entschieden  viel  bequemer  sein, 
wenn  das  Aufgezeichnete  nicht  verwischt  werden  sollte;  auch 
dürfte  der  Art  und  Weise  der  Münzprägung  keine  geringe  Bolle 
beigemessen  werden. 

St.  Petersburg.  Friedrich  Wiedemann. 


^vx  Cbarakteriaiik  Fhokiona.  Von  C.  Büger,  679 

Zur  Charakteristik  Ptaokiona. 

Das  Oebnrtsjahr  Phokions  ist  nach  Platarch  das  Jahr  402, 
da  er  znr  Zeit  des  lamischen  Krieges,  Dach  dem  Tode  des  Leo- 
gthenes  und  kurz  vor  der  Schlacht  bei  EraDDon  (ADfaog  322), 
80  Jahre  alt  war,  Tgl.  Plnt.  Pboc.  24  iyä)  yicg  6  ^tgatriyög 
öydorixoörbv  i%aiv  Stog  iöofiai,  fis^'  ifi&v.  Vgl.  ancb  Plut. 
an  seni  sit  gereod.  repp.  15.  Damit  stimmt  Dio  Cbrysost.  or.  73, 
684  0(Dxi(Dva  di  {iötSQOv  xbv  inig  dydoi^xovta  ixri 
ßtatfavxa  ...  oix  'fJQXs^sv  aitotg  datoTcvstvaij  wonach  er  bei 
seiDem  Tode  (818)  Aber  80  Jahre  alt  war.  Abweichend  hievon 
berichtet  Aelian  Var.  bist.  8,  47  Omxlmva  dk  {  evg)i^(ila  .... 
oidh  diwilfi68Vj  oiSi  zic  nivxB  xal  Sßdoiii^xovxa  Sxti, 
ttxsQ  oiv  ii8ßC(D<fev,  wonach  er  nor  75  Jahre  alt  geworden 
wftre.  Die  Stelle  ist  aber  darum  verdächtig,  weil  sie  in  den  gleich 
darauf  folgenden  Worten  „inel  di  ido^Bv  ^JvxmdxQa  xbv  JIbi- 
gaiä  XQodidövai,  ^A^rivaloi  xaxiyvtoöav  aixoi)  ^dvatov**  einen 
Irrtam  enthält.  Statt  „^AvxindxQoj**  mnß  es  nämlich  heißen 
„NtxdvoQi,**^  da  Antipater  znr  Zeit  Ton  Phokions  Verurteilung 
nicht  mehr  lebte;  er  war  schon  819  gestorben.  Vgl.  Plut.  Pboc. 
82;  Diod.  18,  64;  Nepos  Pboc.  8.  Indes  scheint  die  Überlieferung 
von  den  75  Jahren  auch  Nepos  zu  kennen  nach  Pboc.  2:  Idem 
cum  prope  ad  annutn  oetogeaimum  prospera  perveniaset  far- 
tuna,  extremis  temporüms  magnutn  in  odium  pervenit  eivium 
suorum,  wonach  Phokion,  als  ihm  der  Prozeß  gemacht  wurde,  das 
80.  Jabr  noch  nicht  erreicht  hatte. 

Sein  Vater  war  ein  Mörserkeulenfabrikant  (doiivxoTtoLog). 
Plotarch  glaubt  diese,  auf  Idomeneus  beruhende  Nachricht  in 
Zweifel  ziehen  zu  mässen,  weil  Glaukippos,  der  Sohn  des  Hyper- 
eides,  der  eine  Schmährede  toII  Gift  und  Galle  gegen  Phokion 
▼erfaßt  habe,  darin  nichts  von  seiner  geringen  Herkunft  erwähne 
und  weil  sie  der  guten  Erziehung,  die  Phokion  genossen  habe, 
and  seiner  sonstigen  freien  Lebensstellung  zu  wenig  entspreche^). 
Doch  hat  dieselbe  Angabe  auch  Aelian  Var.  bist.  12,  48  Ooxlav 
. . .  XttXQbg  (liv  doldvxag  igyaiofiivov  fiv.  Außerdem  war  es  ja 
in  damaliger  Zeit  nichts  Ungewöhnliches,  daß  auch  Söhne  von 
Industriellen  eine  sorgfältige  Erziehung  genossen  und  zu  Ansehen 
und  Ehren  im  Staate  gelangten.  Man  braucht  nur  an  das  Beispiel 
des  Demosthenes  zu  erinnern.  Die  Schmährede  des  Glaukippos 
war,  wie  A.  Schaefer  (Philol.  IX  163  f.)  meint,  gegen  eine  von 
dem  jftngeren  Meidias  für  Phokion  beantragte  Ehrenstatue  gerichtet, 
nach  Plut.  vit.  X  erat.  850  B  ygarffd^Bvog  di  xal  x^v  (bojximvog 
doQBdv,  ^v  bIxb  Matdlag  MbiöIov  Hvayvgdötog  inl  abvlov 
ägxovxog  yafirihcbvog  ißdö^rj  (p^ivovtog  i^trij^i^.  Diese  ei^ent- 

*)  Plut.  Pboc.  4  ^toxltova  de  tfXficciQOfiai  (ih  nccvtinctßiv  bIvüi 
yhav£  dxlnov  xal  xaraifSvraixoTog.  El  yuQ  ^,  mg  (pfiauß  'l^apLi^tv^^ 
doidvxonoiov  natQogy  o^  &v  iv  t£  Xoyco  rXavTuatnog  6  *Tuf(feidon  piv^m 
(Torttloxhg  xal  tlQtfxmg  xa%  a^oD  xaxa  xipß  9vgyip9UtP  TtaQ^^t^Vt  ovj' 
c^  oihmg  kito^fgiov  ßiov  xal  aiitq>Qowog  xcrl  jtatdaiag  fitiiüxw. 


J 


680  Zur  Charakteristik  PhokiooB.  Von  C.  Rüger. 

lieh  auf  Hypereides  bezügliche  Notiz  bezieht  A.  Schaefer  auf  desBen 
Sohn  Glankippos  und  setzt,  indem  er  für  ffsvCov  TorechUigt 
Ei^svtTtnov,  die  ganze  Verhandlang  in  dessen  Archontat  =  804 
V.  Chr.  Dieser  an  sich  ansprechenden  Yermntang  widerspricht  indes 
der  Umstand,  daß  die  Ehrenstatae,  die  Phokion  erhielt»  ihm  sehr 
bald  nach  seinem  Tode,  nicht  erst  804,  gesetzt  wurde  ^),  jedenfillB 
als  nach  Erobernng  Athens  darch  Eassander  die  oligarchische 
Partei  wieder  die  Oberhand  gewann  und  Demetrios  Poliorketas, 
der  Freund  and  Genosse  Phokions,  der  zugleich  mit  ihm  yenuieiU, 
aber  noch  rechtzeitig  entflohen  war,  znm  Stadtverwalter  eiogsBetii 
wurde.  Er  war  wohl  auch  die  Veranlassung,  daß  Phokions  Gebeine 
nachträglich  auf  Staatskosten  begraben  und  seine  Ankläger  xnr 
Verantwortung  gezogen  wurden  (vgl.  Plut.  Phoc.  SB).  Unter  den 
letzteren  war,  wie  de  Sanctis  meint  {Studi  di  Sioria  aniiea  II, 
S.  10,  not.  4)  auch  der  oben  erwähnte  Glankippos,  der  Sohn  des 
Hypereides,  der  die  bei  Piutarch  Phoc.  4  erwähnte  Bede  (iv  t^ 
löyo}  Ilavxixxog  6  ^IbcsgeCdov  (ivgla  6vv6i.lox&>g  xal  elgipie>g 
xat^  airov  xaxd)  in  dem  Prozesse,  der  Phokions  Ende  heri)6i- 
führte,  gehalten  habe.  Dem  steht  aber  entgegen,  daß  in  den  sehr 
ausführlichen  Berichten,  die  wir  über  diesen  Prozeß  besitzen,  der 
Name  des  Glankippos  nirgends  erwähnt  wird  und  besonders  Flut 
Phoc.  88,  wo  die  drei  Hauptankläger,  Hagnonidee,  Epikuros  und 
Demophilos  nameutlich  aufgeführt  werden,  nicht  mit  genannt  wird. 
Wie  die  meisten  seiner  berühmten  Zeitgenossen,  so  ging  auch 
Phokion  von  der  Philosophie  aus.  Piutarch  berichtet  hierüber,  er 
habe  als  Jüngling  den  Unterricht  des  Plato  und  später  den  des 
Xenokrates  in  der  Akademie  genossen').  Da  der  letztere  erst  SS9 
y.  Chr.  die  Leitung  der  Akademie  übernahm,  als  Nachfolger  des 
Speusippos,  so  kann  Phokion  schwerlich  sein  Hörer  gewesen  sein; 
vielmehr  wird  an  einen  freundschaftlichen  Verkehr  beider  zu  denken 
sein,  wie  er  auch  sonst  bezeugt  ist  (vgl.  Plut.  Phoc.  27,  29). 
Nach  Diog.  Laert.  6,  2  sowie  Suidas  u.  OiXl6xog  Alyiwqxti^  soll 
Phokion  auch  den  Kyniker  Diogenes  gehört  haben.  Dies  ist  xwtf 
chronologisch  nicht  unmöglich,  aber  bei  der  Stellung  Phokions  inr 
Akademie  nicht  recht  wahrscheinlich ').  Die  Notiz  yerdankt  jedes- 
falls  dem  Umstände  ihre  Entstehung,  daß  einzelne  Eigenschaften 
Phokions,  besonders  seine  einfache  Lebensweise  und  seine  kurui 
sarkastische  Bedeweise  an  Diogenes  erinnerten.  Phokions  Verhältnis 
zur  Philosophie  bildet  den  Hauptinhalt  der  bekannten  Monographi« 
von  J.  Bernays,  seiner  letzten  Schrift.  So  Vortreffliches  dieselbe 
auch  in  einzelnen  Partien  enthält  und  so  musterhaft  namentlich  die 
Darstellung  ist,  so  muß  doch  die  Durchführung  des  Hauptgedankens 
als  verfehlt  bezeichnet  werden.  Bernays  nimmt  nämlich  an,  Phokion 
sei  in  früher  Jugend   einem  Bunde  von  Akademikern   beigetreten, 

*)  Nach  Plut.  Phoc.  38  Kai  nSirtoi  XQovov  ß^axiog  diay^f- 
fisrov  ....  dvögiavTa  {Uv  wöroü  nutxiatfiaav, 

*)  Plat.  Phoc.  4;  adfers.  Colot.  82;  Aelian  Var.  hitt  3,  17. 
*)  Vgl.  Zeller,  Philosophie  der  Griechen  II  l^  S.  421,  Aom.  1 


Zor  Cbftrakteristik  Phokions.  Von  C.  Büger.  681 

der  die  GrfindaDg  eines  grofien  griechischen  Einheitsstaates   mit 
makedonischer  Spitze  ersehnt  nnd  sich  daher  znr  Zeit  Philipps  nnd 
Alexanders  die  Förderang  der  makedonischen  Interessen  znr  beson- 
deren  Anfgabe   gemacht  habe.     Daraus    sei   Phokions   politisches 
Verhalten,  speziell  seine  Hinneigung  zam  makedonischen  Hofe,  zn 
erklftren  nnd  anf  die  Einflflsse  der  akademischen  Moral  seien  fast  alle 
seine  Charaktereigenschaften  znrQckznfäbren.     För  diese  gewagten 
Annahmen   bietet  jedoch   nnsere   tatsächliche  Überlieferang    nicht 
den  mindesten  Anhalt.     Ohne  Zweifel   wird  man   den  Lehren   der 
Akademie  eine  gewisse  Einwlrknng  anf  Phokions  politische  nnd 
soziale  Anschanangen  einränmen  dürfen.  Eeineefalls  aber  l&ßt  sich 
ans  unseren  Oq^H^o  die  Existenz  eines  philomakedonischen  Bandes 
von  Akademikern,  dem  auch  er  angehörte  nnd  dem  er  hauptsäch- 
lich  die  Anregung  zu   der   von   ihm   befolgten  Politik  verdankte, 
erweisen^).    Überhaupt  geschieht  ihm  m.  E.  zuviel  Ehre,  wenn  er 
Geistern    wie   Plato,    Aristoteles    und    Xenokrates,   ja    selbst   wie 
Antipater  und  Demetrios  von  Phaleron  an  die  Seite  gestellt  wird. 
Selbständig   denkender  Philosoph   ist   er  wohl  nie  gewesen.    Der 
philosophische  Zug  seines  Wesens  wird  vielmehr  darin  zu  soeben 
sein,    daß  er  die  Lehren   der  Philosophisi   besonders  die  ethischen 
Voraefariften  derselben,  im  Leben  zu  betätigen  suchte.  Daher  werden 
wir  Dicht  irren,  wenn  wir  auf  philosophische  Einflüsse  zurflckführen 
die  unerechQtterliche  Buhe  und  den  Ernst  seines  Wesens,  die  dia- 
lektische Schärfe  und  den  sarkastischen  Anflug  seiner  Bede,   die 
Einfachheit  seiner  Lebensweise  und  die  Verachtung  aller  irdischen 
Genfiase,   namentlich   auch  seine  damals  fast  beispiellose  Oneigen- 
Dfltzigkeit  und  Unbestechlichkeit.     Plutarch  weiß  von  allen  diesen 
Dingen   eine  Fälle  von  interessanten   Einzelheiten  und  Anekdoten 
ZQ  berichten,   die,    wenn   sie  ihm   auch   nicht  alle  aufs  Wort  zu 
glauben  sind,  doch  meist  einen  charakteristischen  Kern  enthalten. 
Besonders  bemerkenswert  war   die  wohlberechnete  Knappheit 
QDd    epigrammatische   Kflrze   seiner   Bedeweise.     Nicht   eigentlich 
Bedner  von  Fach,  doch  von  Natur  mit  einem  vortrefflichen  Mutter- 
witze begabt  war  er  Meister  in  schlagenden  Antworten,  wofflr  die 
glänze  Plutarchbiographie  tkberreiche  Belege  bietet.  Nach  der  Vor- 
schrift des  Philosophen  Zeno  suchte  er  in  möglichst  wenige  Worte 
einen  möglichst  tiefen  Sinn  zu  legen.     Je  kürzer  aber  seine  Aus- 
dracksweise  war,  um  so  mächtiger  war  ihre  Wirkung.    Mit  einem 
einzigen  bezeichnenden   Ausdrucke  wußte   er  die  Sache  in  ihrem 
Kerne  zu  erfassen  und  die  Lage  der  Dinge  mit  Blitzesschnelle  zu 
erbellen,   so  daß  Polyeuktos  der  Sphettier  gesagt  haben  soll,   De- 
naosthenes  sei  der  beste ,  Phokion   aber  der  gewaltigste  Bedner'). 

*)  Vgl.  hieiu  besonders  Gompen,  Wiener  Stadien  IV  102  f.  Bieh- 
ti^er  urteilt  aber  die  BeiiehuDgen  der  Akademie  lam  makedonischen 
Königshaase  Wilamowits,  PhiloL  Unters.  IV^  178  f.,  839. 

')  Plot.  Phoo.  5  oxi  iiJT»Q  fikv  ßgiavog  t(tj  JfjuoaO'ivijgf  elnstv  di 
Sstwotuxog  6  ^antav.  Etwas  anders  Fiat  Dem.  10  (liyunov  iih  slvcu 
^j^TO^  Jill»oa&itnfPf  dvpatAtaxov  Sk  sIkbIv  ^axlava'  nlelarov  yoiQ  h 
fgQ^Xy^^V  ^^'^  ^^'^  htfpe'ifstv.  Vgl.  aocb  praec.  reip.  gerend.  7  und 
Bennys  a.  a.  0.  S.  52. 


682  Zur  Charakteristik  Phokiont.  Von  0.  Bl^er. 

In  der  Tat  bildete  die  schlicbte  Geradheit  nnd  nngetcbminkU 
Offenheit  seiner  Darlegung,  welche  fast  allen  rhetoriecbeo  Pnok 
yerschm&bte  nnd  nur  hie  und  da  ein  giflcklicbes  Bild,  eine  b«- 
zeichnende  Antithese  anwandte,  einen  scharfen  Gegensatz  za  den 
▼om  Feuer  der  Leidenschaft  dnrohgläbten  Demegorien  des  Deno- 
sthenea.  Wie  sehr  ihn  dieser  ob  der  schneidenden  Kraft  osd  zer- 
malmenden Wncht  seiner  Bede  in  der  politischen  Erörtenog 
fürchtete,  beweist  ein  Wort,  welches  er,  wenn  Pbokion  anftnt, 
seinen  Freunden  zugefldstert  haben  soll:  „71  t&v  i(i&v  Uym 
xonig  näQ$6tiv**  nach  PInt.  Phoc.  5.  Ähnlich  Plut.  Dem.  10  und 
praec.  reip.  gerend.  7  {&vl6taxeu  statt  ndgeötiv).  Etwas  ?er- 
änderte '  Fassung  bei  Stob.  fior.  87,  84  Igxstai,  {  t^  Ifubv 
kdymv  tSf^Qa  xal  xonig.  Bemays  a.  a.  0.  8.  52  mit  A.  19  bebt 
mit  Becht  hervor,  daß  in  dem  Worte  xonig ^  welches  eigentlidi 
den  barbarischen  £[rummsftb6l  bedeutet,  der  Nebenbegriff  des  un- 
edlen liege,  daß  also  mit  dem  Bilde  der  Bedeweise  des  Pbokion 
zwar  eine  eigene  Schneide  zuerkannt,  aber  zugleich  Mangel  an 
feinerer  Kunst  und  edlerem  Schwünge  vorgeworfen  werde.  Das 
Gleiche  wtkrde  der  Ausdruck  6(pÜQa  =  Hammer  bei  Stobaeus  be- 
sagen. Bernays  äbersetzt:  „Das  Hackmesser  besteigt  die  Tribfise", 
läßt  also  den  Zusatz  „rmi'  iii&v  X&ymv''  weg.  Doch  scheiDt  mir 
derselbe  wesentlich,  da  durch  das  Bild  der  Gegensatz  zwisebea 
der  phokionischen  und  demosthenischen  Bedeweise  und  die  gerade 
an  Demosthenes*  Beden  geübte  scharfe  Kritik  nicht  minder  zam 
Bewußtsein  gebracht  werden  soll. 

In  der  Nüchternheit  der  Lebensweise  trieb  es  Phokion  bis  ZQ 
spartanischer  Strenge  und  Selbstverleugnung.  Er  war  so  abgeb&rtct, 
daß  er  zu  Hause  wie  im  Felde  niemals  Oberkleider  und  Schabe 
anzog,  außer  bei  besonders  strenger  K&lte,  so  daß  die  Soldaten 
scherzend  „den  Phokion  im  Mantel"*  {ivdedviisvov  ^mxiiava^  Plvt. 
Phoc.  4)  zum  Zeichen  eines  harten  Winters  nahmen.  Wie  sebr 
sein  Körper  gestählt  war,  ersieht  man  daraus,  daß  er  noch  sie 
SOjfthriger  Greis  an  der  Spitze  eines  Heeres  ins  Feld  zu  zieben 
vermochte.  Mit  dieser  Vorliebe  für  spartanische  Leibesabhftrtmig 
mag  zusammenhängen  seine  Hinneigung  zum  spartanischen  Wesen 
überhaupt,  die,  wenn  auch  nirgends  geradezu  ausgesprochen,  docb 
bei  Plutarch  an  verschiedenen  Stellen  deutlich  durchblickt  So  rief 
er  einst  zur  Unterstützung  seiner  Ansicht  einen  gewissen  Arche- 
biades  auf,  der  den  Beinamen  „der  Lakonier"  führte,  weil  er  in 
seinem  Äußeren  spartanisches  Wesen  geflissentlich  zur  Schau  trug')* 
Zum   offenen  Vorwurf  machte  man   ihm  den  Lakonismus,   als  «r 


>)  Pkt.  Pboc.  10;  vgl.  auch  20.  Dieser  Archebiades  ist  vielleicbt 
derselbe  wie  der  in  Demosthenes*  Bede  gegen  Konon  (54,  81}  erwihDte 
falsche  Zeuge,  der  Sohn  des  Derooteles;  vgl.  A.  2Schaefer,  Demo«tbefi«i 
1464,  wo  flbrigens  Konon  fftlscblich  als  Sebfitiling  dea  Denoethenff 
genannt  wird  statt  Ariston.  Dieser  Irrtnm  ist  dann  auch  übergegaag^B 
in  Kirchners  Artikel  „Archebiades«'  bei  Panly-Wissowa  II  437. 


Zor  Cbarftkteristik  Pbokiona.  Von  C.  Büger.  683 

8eio0D  aogeratoiien  Sohn  Phokos  zur  BessornDg  in  die  Zucht  Dach 
Lakedaimoo  gab.  Dieser  PbokoB,  der  in  allen  Stücken  das  gerade 
Gegenteil  seinee  Vaters  war,  wird  fast  durchweg  als  Wüstling  und 
Venebwender  bezeichnet^).  Wiewohl  Pbokion  öfters  über  ihn 
Qogebalten  war,  scheint  doch  das  gute  Verhftltnis  beider  zueinander 
nicht  weiter  gelitten  zu  haben.  Vor  seiner  Hinrichtung  ließ  ihm 
Pbol[ion  sagen,  er  solle  den  Athenern  wegen  seines  Todes  nicht 
zfimen,  was  aber  Phokos  nicht  befolgte,  indem  er  zwei  von  den 
Anklftgern  seines  Vaters  zur  Verantwortung  zog  (Plut.  Pboc.  86, 
36).  Nach  Lolling  (Mitteil,  des  archäol.  Inst,  in  Athen  V  582) 
ist  mit  ihm  identisch  ein  in  einer  Namensliste  des  IV.  Jahrh. 
anrftbnter  O&xoq  'Iq>i6xid8riq*  Danach  würde  die  Familie  des 
Pbokion  zum  Demos  der  ^Iq>uftiädaL  gehören. 

Verheiratet  war  er  zweimal.  Von  der  ersten  Frau  wird  weiter 
nichts  berichtet  als  daß  sie  die  Schwester  des  Eephisodotos,  viel" 
leicht  eines  ftlteren  Bruders  des  Praxiteles,  war').  Die  zweite,  ein 
Master  Ton  Tugend  und  Sittsamkeit,  war  ihm  an  Einfachheit  und 
Sittenstrenge  ganz  fthnlich.  Nach  einem  Wiener  Florilegium  hieß 
sie  Krateia*). 

Oanz  allgemein  Terbreitet  war  im  Altertum  nnd  vielfach  auch 
in  der  neueren  Zeit  die  Annahme,  Pbokion  sei  arm  gewesen,  ja 
es  habe  ihm  sogar  am  Nötigsten  gefehlt^).  Dem  steht  aber  doch, 
wie  Bernays  (a.  a.  0.  S.  128,  Anm.  20)  hervorgehoben  bat,  ver- 
schiedenes entgegen.  So  besaß  er  ein  zwar  kleines  und  einfaches, 
aber  doch  nicht  ganz  schmuckloses,  sondern  mit  Eupferplättchen 
gedecktes  Haus  im  Demos  Melite,  das  noch  zu  Plutarchs  Zeiten 
gezeigt  wurde  ^).  Ferner  hatte  er  die  Mittel,  seinen  Sohn  Phokos 
bei  den  Panathen&en  an  einem  Pferderennen  teilnehmen  zu  lassen 
(Plut.  Phoc.  20);  eben  diesem  wurde,  wie  erwähnt,  auch  vor- 
geworfen, daß  er  «das  väterliche  Vermögen"  verpraßt  habe.  Auch 
nahm  er  mit  seinem  Schwiegersohne  Charikles  eine  natürliche 
Tochter  des  Harpalos  von  der  Hetäre  Pythonike  in  sein  Haus  auf 
und   ließ   es   ihr  an  nichts  fehlen*).     Ja  es  wird  sogar  berichtet. 


')  Plut.  Phoc.  20,  30;   Stob.  Flor.  17,  10;   Athen.  IV  168  E  tov 

^iDiUmvog  vlov (^c&xoy  oim  i^v,  og  oit%  ifiiaet  lA^fjvalav  ndvxa  yuQ 

ävttXataB  xa  natgma  slg  äamtiav. 

*)  PlDt.  Pboc.  19;  Fortwängler,  Meisterwerke  der  griechischen 
Plastik,  S.  51S. 

*)  Plot.  Pboc.  19;  Diels,  Deatsche  Literatorieitong  II  1956. 

*)  Lakian  lappit.  eonfat.  16,  1;  lappit.  trag.  48;  Plat.  Pboc.  30; 
Nepos  Pboc.  1,  2;  Aelian  Var.  bist.  2,  43;  11,  19;  Seoeca  Controv.  2,  1, 
18.  Von  Deoeren  Qrota,  Geschiobte  OriecbeDlands  VI  249:  „Pbokion  war 
offenbar  und  offenkondig  arm**.  Aach  Schfarcs,  Die  Demokratie  I  588, 
nennt  ihn  „arm  wie  einen  Bettler". 

*)  Plot  Phoc.  11;  Wachsmotb,  Die  Stadt  Athen  im  Altertum  I  607. 

*)  Dieser  Charikles,  ein  Baameister  und  Freund  des  Harpalos,  baate 
für  dessen  Geliebte  Pjthonike  ein  Grabmal;  später  wurde  er  in  den 
harpalischen  Proseß  sowie  in  den  des  Pbokion  verwickelt  und,  da  er  sich 
geflOebtet  hatte,  abwesend  sum  Tode  verurteilt.  Plat.  Pboc.  21—22;  33; 
35;  pjftec.  reip.  gerend.  13;  Kirchner  bei  Paul j- Wieso wa  III  2148. 


684  Zur  Charakteristik  Phokioni.  Von  C.  Büger. 

er  habe  viele  mit  Oeldgeschenken  bedacht  nnd  Töchter  and«nr 
mit  Heiratsgat  anegeBtattet  ^).  Endlicb  sei  noch  hinzugefügt,  dal) 
alB  im  Jahre  322  die  antipatrische  Yerfaeenng  eingeführt  wnrdi, 
welche  das  Bürgerrecht  auf  die  im  Besitze  von  mindestem  2000 
Drachmen  Befindlichen  beschr&nkte,  Pbokion  nicht  anter  denjanigio 
war,  die  biedarch  des  Bürgerrechts  beranbt  wnrden.  Dies  erscheint 
um  so  mehr  bemerkenswert,  als  der  Zensus  von  2000  Drafibmen 
nach  damaligen  Verhältnissen  ziemlich  hoch  gewesen  sein  muß, 
da  sehr  viele,  12.000  von  21.000,  ihn  nicht  aufzuweisen  Ter- 
mochten  und  deshalb  aus  der  Zahl  der  Bürger  ausgestoßen  wurden'). 
Aus  alledem  scheint  hervorzugehen,  daß  Pbokion  nicht  bloß  nicht 
arm,  sondern  sogar  ziemlich  wohlhabend  gewesen  sein  muß.  Dies 
verdient  um  so  mehr  betont  zu  werden,  als  sich  hieraus  znm  Teil 
sein  politischer  Parteistandpunkt,  sein  beharrliches  Eintreten  für 
die  Oligarchie,  d.  h.  für  die  Klasse  der  Besitzenden,  und  m 
schroffes,  abstoßendes  Verhalten  gegenüber  der  besitzlosen  Heoge 
erklären  läßt. 

Zugleich  erfährt  hiedurcb  dasjenige  eine  Einschränkung,  «u 
uns  über  seine  damals  fast  beispiellose  Uneigennützigkeit  Qod 
Unbestechlichkeit  berichtet  wird.  Jedenfalls  hatte  er  es  nicht  nOtig. 
Geschenke  anzunehmen  oder  sich  bestechen  zu  lassen.  Allerdio^ 
muß  zugegeben  werden,  daß  er  in  dieser  Hinsicht  Proben  geno^ 
zu  bestehen  hatte.  Wie  nahe  es  für  ihn  in  seiner  Stellung  ai$ 
Feldherr  lag,  auf  Raub-  und  Plünderungszüge  auszuziehen  aod 
sich  auf  Kosten  der  Bundesgenossen  zu  bereichem,  wie  dies  m^ 
Amtsgenossen  Ghares,  Gharidemos  u.  a.  in  der  rücksicbtslosesteb 
Weise  taten,  bedarf  keines  Hinweises.  Doch  erfreute  er  sieb  in 
Gegensatz  zu  diesen  wegen  seiner  Bechtlichkeit  und  seines  rock- 
sicbtsvollen  Auftretens  bei  den  Bundesgenossen  stets  der  größten 
Beliebtheit  (vgl.  Plut.  Pboc.  11,  14).  In  die  gefährlichsten  Ter 
suchungen  wurde  er  geführt  durch  seinen  Verkehr  mit  dem  make 
donischen  Hofe.  Es  ist  begreiflich,  daß  die  makedonischen  Eöoip 
alles  aufboten,  einen  Mann,  der  so  unermüdlich  in  ihrem  Intereew 
tätig  war,  auch  durch  äußere  Beweise  der  Erkenntlichkeit  sich  n 
verpflichten.  Schon  König  Philipp  hat  ihm  nach  einer  Andeutong 
bei  Plutarch  (Phoc.  17)  seine  Hochachtung  bezeugt.  Geraden 
überschüttet  wurde  er  mit  Geschenken  und  Gunstbeweisen  alier 
Art  von  Alezander,  die  er  aber  alle  beharrlich  zurückwies,  selbst 
auf  die  Gefahr  hin,  die  Gunst  des  Königs  zu  verscherzen  (t^I. 
Plut.  Phoc.  17—18).  Nicht  minder  unzugänglich  erwies  er  sieh 
nach  Alezanders  Tode  gegenüber  den  BestechungsversucbM  det 
Menyllos,!  des  Befehlshabers  der  makedonischen  Besatzsog  » 
Athen,   und  des  Antipater.     Dem   letzteren  gab  er,  als  er  «tv^* 

*)  PlQt.  Phoc.  10;  Saidas  q.  «ox/oiy.  Hiesa  bemerkt  freilich  scboi 
Heyne,  opas.  acad.  Ill  846a:  ünde  Phocioni  istae  opes? 

*)  Plat.  Pboc.  28;  Diod.  18,  18.  Böckh,  Staatahaoshaltiuig  ^^ 
Athener  P  635;  De  Sanctii,  Studi  dt  Storia  antica  II  Sf 


Zur  Cbftrakteristik  Phokioni.  Von  C.  Büger,  685 

[[oziemliches  von  ihm  verlangte,  die  stolze,  viel  zitierte  Antwort: 
nOv  dvvatai  ....  ^AvxiuaxQOg  agia  fiot  xal  q>LX(p  xal  xdXaxv 
XQfjo^cct.** ').  Endlich  ging  er  auch  aas  dem  harpalischen  Prozesse, 
eioer  für  viele  so  gef&hrlicben  Klippe,  unangetastet  hervor,  obwohl 
ADJaß   genug  vorhanden   war,   den  Verdacht  der  Bestechnng   anf 
ihn  zu  lenken.  War  doch  sein  Schwiegersohn  Gharikles  der  offen- 
knodige  Agent  nnd  intime  Freand  des  Harpalos  und  war  er  doch 
auch   selbst  mit   ihm   wiederholt  in  Berührang  gekommen.    Seine 
Geschenke  zwar  hatte  er  jederzeit  zarückgewiesen ').  Doch  scheint 
er  sich   mit  Demosthenes  für  ihn   verwendet  zu   haben,   als  von 
makedonischer  Seite  seine  Aaslieferang   gefordert  wurde,  und  im 
Interesse  seiner  Vaterstadt  froh  gewesen  zu  sein,  als  Harpalos  aus 
dem  Gefängnisse  zu  Athen  entfloh   und  sich  nach  Kreta  begab'). 
Schließlich  nahm  er  sich  auch,  wie  schon  erwähnt,  nach  Harpalos* 
Ermordung  seines  hinterlassenen  Töchterchens  an.  Trotzdem  wagte 
sich  die  Verleumdung  in  keiner  Gestalt  an  ihn  heran.    So  erwies 
er  sich   denn  in  der  Tat  sein   ganzes  Leben  lang,   wie  Plutarch 
sagt,    „als  ein  vom  Golde  von   allen  Seiten  uneinnehmbares  Boll- 
werk**  (äg  lQv(ia  navxa%6^Bv   dvdXmtov   inb    rotJ   xQvölov^ 
Flut.  Phoc.  21).    Wenn  man  bedenkt,  daß  er  zu  einer  Zeit  lebte. 
JD  der  Bestechlichkeit  und  feiler  Verrat  so  überaus  häufig  waren, 
unter  politischen  Gesinnungsgenossen,  die  zum  Teil  offenkundig  im 
Solde  der  makedonischen  Könige  standen,  so  wird  man  seiner  sitt- 
lichen Festigkeit  und  Unantastbarkeit  eine  gewisse  Achtung  nicht 
versagen   können,   wenngleich   nach    unseren  Anschauungen   diese 
Eigenschaften  bei  einem  Manne  in  seiner  Stellung  eigentlich  selbst- 
verständlich sind.  Je  mehr  aber  seine  Bedlichkeit  und  Sittenstrenge 
im  Gegensatz  stand  zu  dem  leichtlebigen,   lockeren  Tone,  der  da- 
mals fast  in  allen  Schichten  der  athenischen  Bevölkerung  herrschte, 
um  so  mehr  war  sie  geeignet,  Ehrfurcht  und  Bewunderung  abzu- 
nötigen.   £r  war  gleichsam  der  Spiegel,    in  dem  die  meisten  das 
Bild  ihrer    eigenen    sittlichen   ünvoUkommenbeit  erblickten,    und 
seine  Erscheinung  mag  auf  die  verwilderte,  zügellose  Menge  einen 
ähnlichen  Eindruck  hervorgebracht  haben  wie  die  des  tugendhaften 
Xenokrates,  von   dem  Plutarch  berichtet,   daß  sein  bloßer  Anblick 
genügt  hätte,   um  in  jedem  Menschen,   sei  er  auch  noch  so  sehr 
von  Übermut,  Boheit  und  Leidenschaft  beherrscht,  sofort  das  Gefühl 
ehrfurchtsvoller  Scheu  wachzurufen  (Plut.  Phoc.  27). 


>)  Ploi  Phoc  80;  Agit  2;  de  vitioso  pud.  10;  eoniog.  praec  29% 
Apophthegm.  16;  Stob.  Flor.  74,  49;  Mich.  Apost  18,  28. 

*)  Nach  Plot  Phoc.  21  soll  Harpalos  dem  Phokion  700  Takiite 
angeboten  haben,  nach  vit.  X  orat.  846 B  war  dies  jedoch  die  Somma, 
die  er  überhaupt  mit  nach  Athen  brachte;  auch  bat  an  der  ereteren 
Stelle^  eine  Handschrift  (ParidDUi  C)   die  jedenfalls  ricbttgerti    h9$%^^ 

*)  Plot.  Phoc.  21   xfiv  hiiCvov  acmjQUxp  fv  xwi  Xoyff  t»^^>«i 
Vgl  Droysen,  Hellenismus  1,^  S.  279;  Grote  VI  658. 


i 


686  Zar  Charakteristik  PbokioDB.  Von  C.  Büger. 

HierauB  erklärt  sich  wohl  auch  das  hohe  ÄDseben  und  das 
beispiellose  Vertrauen,  dessen  er  sich  bei  der  Bürgerschaft  fast 
nnnoterbrochen  bis  an  sein  Lebensende  erfreute,  obwohl  er  seiner- 
seits nicht  das  Geringste  dazn  beitmg,  sich  dasselbe  zn  erwerben, 
sondern  im  Gegenteil  fast  alles  Mögliche  tat,  am  das  athenische 
Volk  sich  zu  entfremden  nnd  Ton  sich  abzustoßen.  In  seinem 
ganzen  Denken  nnd  Fühlen  mehr  zn  der  Stetigkeit  und  Strenge 
dorischer  Grundsätze  hinneigend  hatte  er  für  den  lebendigen,  Tor- 
w&rtsstrebenden ,  reiz-  nnd  wandelbaren  attischen  Yolkscharakter 
kein  Verständnis  und  wußte  dessen  Vorzüge  nicht  zu  würdigen, 
während  er  seine  Fehler  schonungslos  Terurteilte,  dabei  selbst  die 
unedlen  Waffen  Terletzenden  Spottes  und  bitteren  Hohnes  nicht 
Terschmähend.  Im  Gefühle  seiner  eigenen  Erhabenheit  blickte  er 
mit  herber  Geringschätzung  auf  den  Demos  herab  nnd  setzte  sich 
zn  allen  seinen  Neigungen  nnd  Wünschen,  Bestrebungen  und  Zielen 
in  geraden  Widerspruch^).  Man  darf  in  der  Tat  mit  Plntarcb 
(Phoc.  8,  10)  seiner  Verwunderung  darüber  Ausdruck  geben,  dafi 
ein  solcher  Mann,  der  seine  Abneigung  und  Verachtung  gegen  das 
Volk  so  geflissentlich  zur  Schau  trug  und  beinahe  zq  allem,  wai 
▼on  demselben  ausging,  den  verkörperten  Gegensatz  bildete,  licb 
bis  nahe  an  sein  Ende  an  der  Spitze  eines  Staates  wie  Athen 
gehalten  und  eines  so  unbedingten  Vertrauens  seiner  Mitbürger 
erfreut  hat,  wie  es  sich  einmal  in  der  Erteilung  des  Beinamens 
ÄgriöTÖg  „der  Brave**,  und  dann  in  seiner  45maligen^Wabl  mn 
Strategen,  einem  der  einflußreichsten  und  wichtigsten  Amter  jener 
Zeit,  kundgibt. 

Wenn  Bernays  (S.  54,  Anm.  10)  meint,  der  Beiname  l^ij- 
6t6g  sei  ihm  gegeben  worden  teils  wegen  seiner  sittlichen  Bra?- 
heit,  teils  wegen  seiner  gutmütigen  Nachgiebigkeit  und  Läßlicbkeit, 
so  vermag  ich  von  der  letzteren  Eigenschaft,  obgleich  sie  in  dem 
Worte  xQriazög  liegen  kann,  in  Phokions  Charakter  nicht  viel  » 
erkennen.  Überdies  scheint  ihm  der  Beiname  auf  öffentlichen  Be- 
schluß in  der  Volksversammlung  zuerkannt  worden  zu  sein  (Snidas 
u.  Ocaxlcjv  xQtiatbg  ixX'q^ri  xovvg  thiq>p  iv  t^  ixxlriöia)^^ 
daß  gewiß  nur  die  sittliche  Bravheit,  nicht  die  gutmütige  Nach- 
giebigkeit, welche  leicht  einen  tadelnden  Nebensinn  erweckt,  dadorch 
hat  ausgedrückt  werden  sollen.  Eine  ironische  Anspielung  auf  jeneo 
Beinamen  erblickt  Bernays,  S.  68  in  einer  Stelle  von  DemostbeDes' 
Kranzrede  §  89  zfjv  vvv  slgi^iniv  oitoi  xatic  xfjg  xcnfidog 
triQoi><Jiv  ol  XQiiötoL  Dies  scheint  mir  aber  deswegen  niebt 
sonderlich  wahrscheinlich,  weil  unmittelbar  vorher  die  Entsetmog 
von  Byzanz  durch  die  Athener  in  sehr  anerkennenden  Werten 
erwähnt  wird,  an  der  doch  Phokion  einen  besonders  hervorragenden 
Anteil  gehabt  hat  nnd  für  die  er  jedenfalls  von  DemostbeDes  selbst 


')  Vgl.  hiezu  die  für  seine  Stellung  ssm  Volke  charakteristiicbü 
Außemogen  nnd  Anekdoten  bei  Plnt.  Phoc.  8—9. 


Züi  Cbarakteriiiik  Phokiont.  Von  C.  Eüger.  687 

als  Feldherr  Torgeechlagen  worden  war').  Vielmehr  bezeichnet 
Demoethenes  an  der  angeführten  Stelle  wohl  nur  im  allgemeinen 
seine  Gegner,  ftbnlieh  wie  knrz  znvor  in  §  87  x&v  diaggayAöl 
xivsg  toitmv. 

Was  sodann  Phokions  45malige  Wahl  znm  Strategen  betrifft, 
die  Plntarch  (Pboc.  8)  als  feststehend  berichtet,  nnd  zwar  ohne 
dafi  er  zn  den  Mitteln  der  Wablbeeinflassnng  griff,  ja  anch  nur 
bei  den  Wahlen  persönlich  anwesend  war,  so  ist  eine  solche  Ans* 
zeichnnng  nnd  ein  solcher  Beweis  andauernden  Vertranens  seitens 
der  Bürgerschaft  in  der  Geschichte  der  athenischen  Demokratie 
ohne  Beispiel.  Um  indes  anch  diese  Tatsache  nicht  allzusehr  zn 
überseh&tzen,  muß  bemerkt  werden,  daß  es  stehende  Sitte  gewesen 
zu  sein  scheint,  bewährte  Strategen  Jahr  für  Jahr  wieder  zn  wählen. 
So  war  Perikles  während  seiner  40jährigen  Staatsleitnng  fast  all- 
jährlich Strateg,  von  Ghabrias  läßt  sich  die  Bekleidung  der  Stra- 
tegie 14mal,  von  Iphikrates  15mal,  von  Timotheos  12mal  nach- 
weisen ').  Sodann  ist  auch  Phokions  hohes  Lebensalter  in  Betracht 
za  ziehen,  sowie,  daß  er  in  den  letzten  Jahren  nicht  mehr  durch 
freie  Wahl  des  Volkes  Strateg  war.  Endlich  hat  er  sich  um  die 
Sirategenwürde  zwar  nie  besonders  beworben,  dieselbe  aber  auch 
Dicht  gemieden  und  ausgeschlagen,  wenn  er  dazu  berufen  wurde'). 

Trotzdem,  daß  er  so  oft  Strateg  war,  kann  doch  das,  was 
er  auf  militärischem  Gebiete  geleistet  hat,  nur  als  mittelmäßig 
bezeichnet  werden^).  Seine  militärische  Tätigkeit  tritt  entschieden 
zurück  hinter  der  politischen.  Überhaupt  erregte  die  Trennung  der 
militärischen  und  politischen  Wirksamkeit,  wie  sie  in  seiner  Zeit 
80  ziemlich  durchgeführt  war,  sein  Mißfallen,  und  er  selbst  wollte 
wie  in  alter  Zeit  nach  der  Weise  des  Perikles,  Aristides  und  Selon 
die  Feldhermwürde  mit  der  des  obersten  Staatsleiters  in  sich  ver- 
einigen  (Plnt.  Phoc  7).  Man  hat  ihn  hinsichtlich  seiner  militäri- 
schen Leistungen  nicht  ohne  Berechtigung  mit  Nikias  verglichen, 
mit  dem  er  auch  sonst  manche  Züge  gemein  hat.  Ein  Muster  von 
Pflichttreue  und  Diensteifer,  den  Strapazen  des  Krieges  trotzend, 
siroige  Manneszucht  haltend  und  im  Augenblicke  der  Gefahr  nicht 
ohne  Mut  und  Energie,  war  er  doch  stets  der  sichere  Mann, 
welcher  nichts  aufs  Spiel  setzt  und  ermangelte  der  wahrhaften 
kriegerischen  Begeisterung,  welche  allein  zu  großen  Taten  befähigt. 
Das  Kriegsbandwerk  scheint  ihm  überhaupt  wenig  Freude  gemacht 


*)  ComeL  Nep.  Phoc  8.    A.  Sehaefer,  Demotthenes  II  480. 

*)  VgL  die  ZosammenitelloDfr  der  atheDiseben  Strategen  bei  Beloeh, 
Attisebe  Politik  leit  Perikles,  S.  289  f. 

*)  Plat  Phoc  8  od  nttffarYilltov  oMh  lutnav,  iXV  o%9k  t^B^ymv 
oifS^  äxoSidifiiüxap  t^g  nolimg  uaXovmjg.  A.  ächaefer,  Demosthenes 
aad  seiae  Zeit  II  47. 

*)  Nepos  Phoc.  1  sagt  sogar:  Multo  eiu§  naiior  inUgn 
qu4»m  müUarii  labor;  itaque  huiuB  memoria  e$t  nulla,  iU 
magna  fama.  VgL  aveh  Timoth.  4,  wonach  das  Zeitalter  d 
athenischen  Feldherm  mit  Iphikrates,  Ghabrias  und  Timotheos  i 


688  Zur  Charakteristik  PhokioDt.  Von  C.  Büger. 

zu  haben.  Er  betrachtete  es  mehr  als  eine  Sache  des  GewisseoB, 
der  er  sich  Dicht  entziehen  konnte,  denn  als  eine  Sache  des  Herieni, 
der  er  seine  innere  Teilnahme  zuwandte.  Während  seine  großen 
Vorgänger  Iphikrates,  Chabrias  and  Timotheos  fast  jahraos  jahrein 
im  Felde  lagen  and  an  dem  politischen  Treiben  in  der  Stadt  wenig 
Geschmack  fanden,  sehen  wir  Phokion  nur  ab  and  za  in  ziemlich 
großen  Pansen  an  der  Spitze  einer  kriegerischen  Untemehmong, 
nach  deren  Beendigung  er  gewöhnlich  bald  wieder  in  die  Heimat 
zurückkehrte.  So  hat  er  auch  entscheidende  Schlachten  nicht  ge- 
schlagen und  Aufsehen  erregende  Eriegstaten  nicht  Tollbracbt. 
Immerhin  waren  die  wenigen  Unternehmungen»  welche  er  geleitet 
hatf  vom  Glücke  begünstigt  und  brachten  ihm  mehr  Bubm  und 
Ehre  ein  als  sich  nach  dem  Maße  des  dabei  gezeigten  Geschicke 
und  der  aufgewendeten  Mühe  erwarten  ließ.  Dies  gilt  insbesondere 
▼on  seinen  beiden  wichtigsten  Waffentaten,  dem  Feldzuge  nach 
Buböa  mit  der  Schlacht  bei  Tamynä  (um  850  t.  Chr.)  und  der 
Entsetzung  von  fijzanz  (840  ▼.  Chr.).  Bei  Tamynä  hatte  er  seinen 
Lagerplatz  so  wenig  geschickt  angelegt,  daß  er  nur  durch  ein 
hitziges  und  siegreiches  Durchbruchsgefecht  der  Gefahr  der  Um- 
zingelung und  Gefangennahme  entging,  ein  Schicksal,  das  seinen 
Nachfolger  im  Kommando,  Molottos,  tats&chlich  ereilte^),  und  bei 
Byzanz  verdankte  er  den  Erfolg  haupts&chlich  seiner  persönlichen 
Bekanntschaft  mit  dem  Stadtkommandanten  Leon;  auch  scheint 
seinem  Mitfeldherrn  Chares  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Verdienst 
an  der  Befreiung  dieser  Stadt  zuzuschreiben  zu  sein'). 

Den  politischen  Standpunkt  Phokions  kennzeichnet  am 
besten  ein  Ausspruch,  den  er  tat,  als  Alexander  bei  Beginn  seines 
Zuges  nach  Asien  von  den  Athenern  die  Stellung  einer  Anzahl  too 
Trieren  forderte  und  die  antimakedonisch  gesinnten  Bedner  auf 
die  Forderung  nicht  eingehen  wollten:  „Wir  müssen  entweder  mit 
den  Waffen  siegen  oder  uns  zu  den  Siegern  freundlich  stellen**^. 
Bei  der  trüben  Anschauung,  die  er  Ton  den  damaligen  politiicheo 
Verhältnissen  im  allgemeinen  und  bei  der  geringen  Meinung,  dii 
er  von  seiner  Vaterstadt  im  besonderen  hegte,  hielt  er  die  Behaop* 


^)  Vgl.  hierüber  A.  Sehaefer,  DemostheDes  II  74  f. 

3  Zwar  wird  dareelbe  von  Plat.  Phoc.  14  scharf  getadelt,  weil  «r 
ennenswertes  untemommeo  habe ;  doch  heben  im  Gegensati  din 
die  bysantinischeD  Quellen  anedrflcklich  die  Zweckmftßigkeit  seiner  Op^ 
rationen  herfor.  Jedenfalli  liegt  hier,  wie  auch  sonst  bei  Plotareh,  eine 
ungebührliche  Übertreibung  der  Verdienste  Phokions  Tor.  Vgl.  A.  Sehaefer 
II  476.  Eine  solche  liegt  nach  E.  Meyer,  Gesch.  des  Altert  V  894  auch 
in  dem  Berichte  über  die  Schlacht  bei  Nazos  (876  t.  Chr.)  for,  v« 
Plntarch  Phoc.  6  als  Befehlshaber  des  siegreichen,  linken  Flügels  ies 
Phokion,  Diod.  XV  84  dagegen  den  Kodon  nennt.  Vielleicht  ist  aber 
dieser  Widerspruch  dadurch  lu  erkl&ren,  daft  Phokion  an  Stelle  des  io 
Kampfe  gefallenen  Kedon  trat.   Vgl.  Behdanti,  Vit.  Iphier.,  a  60. 

*)  Plat  Phoc.  21  Afym  rolpw  ^ftZv f  xole  onloig  itqa%wt  f 

xol£  xQoiovai  q>üuov£  dvai.   A.  Sehaefer,  Demosthenes  III  161 ;  Drojses, 
Helleniemas  V,  242. 


Zar  Charakteriiiik  Pbokfons.  Von  C.  Büger.  689 

tiiDg  der  alten  Freiheit  and  ünabb&ng^igkeit  gegenüber  der  auf- 
blübenden  makedoDiscben  Monarcbie  ffir  aaseiebtslos  und  erblickte 
in  dem  freiwilligen  AnscblniS  an  dieselbe  das  beste  Mittel,  aas 
den  nnerqnicklicben  politischen  Zostftnden ,  welche  damals  in 
Qriechenland  herrschten,  heraosznkommen.  Eine  nfichteme,  prak- 
tische Yerstandesnatnr,  wog  er  das  Für  and  Wider  der  gegen- 
wärtigen and  der  anter  Makedoniens  Herrschaft  za  erhoffenden 
Stellang  gegeneinander  ab  and  entschied  sich  hiebei  aas  Vemanft- 
ood  Nützlicbkeitsgründen  für  die  letztere.  Einen  Kampf  für  die 
idealen  Güter  der  Freiheit  and  ünabb&ngigkeit  ohne  Aassicht  aaf 
Erfolg  hielt  er  für  Torheit  and  Yerblendang»  and  die  M&nner,  die 
ihre  Mitbürger  za  einem  solchen  Kampfe  za  begeistern  sachten, 
erschienen  ihm  als  ünrahstifter  and  Yerschwörer,  die  mit  allen 
Mitteln  unterdrückt  and  je  eher  je  besser  aas  dem  Staate  entfernt 
werden  müßten.  Somit  hat  er  seiner  Vaterstadt  entgegen  deren 
rohmreichen  Überlieferangen  in  der  Zeit,  als  die  erobernngslastigen 
makedonischen  Könige  sich  in  die  griechischen  Verhältnisse  ein- 
mischten, eine  Politik  der  Gleichgiltigkeit  and  tatenlosen  Fügsam- 
keit empfohlen,  indem  er  allen  Versachen,  welche  Taterlandsliebende 
and  hofEnangsfreadigere  Männer  zor  VFahrang  der  staatlichen  Selb- 
ständigkeit antemahmen,  einen  beharrlichen  Widerstand  entgegen- 
setzte. Das  Bedenklichste  hiebei  war,  daß  er  sich  dadarch,  wenn 
aneh  vielleicht  anbewaßt,  zam  Genossen  der  schlechten  Elemente 
in  der  makedonischen  Partei  machte,  die  zam  Teil  offen  in  make- 
donischem Solde  standen,  and  denen  er,  indem  er  sie  mit  der 
Unbescholtenheit  seines  Charakters  and  dem  Gewichte  seines  per- 
sünlichen  Ansehais  deckte,  in  ihren  fiestrebangen  wesentlichen 
Vorschab  geleistet  hat.  Wie  laß  and  indifferent  er  in  politischen 
Dingen  dachte,  zeigen  die  Worte,  mit  denen  er  seine  Mitbürger 
za  trösten  sachte,  als  sie  nach  der  Schlacht  bei  Ghaironeia  bereaten, 
mit  Philipp  Frieden  geschlossen  za  habea:  „Da  ihr  den  Frieden 
geschlossen  habt,  müßt  ihr  nicht  angehalten  sein,  dessen  eingedenk, 
daß  anch  eare  Vorfahren,  indem  sie  bald  herrschten,  bald 
sich  beherrschen  ließen  and  in  beidem  gat  daran  taten, 
ihre  Stadt  and  die  Hellenen  gerettet  haben**  ^). 

In  Tielfacher  Hinsicht  berühren  sich  seine  politischen  An- 
sehaaongen  mit  denen  des  Bedners  Isokrates ,  der  ja  bekanntlich 
avch  in  seinen  Heden  seinen  Landsleaten  eine  allgemeine  Politik 
dmm  Friedens  and  der  Gerechtigkeit  empfiehlt  and  ihnen  den  frei- 
willigen Anschlnß  an  König  Philipp  Yon  Makedonien  anrät,  am 
mit  ihm  gemeinsam  gegen  Persien  za  ziehen.  Zwar  i^t  ans  tod 
einer  Bekanntschaft  and  einem  näheren  Verkehr  beider  Mäuner 
nichts  überliefert,    doch   anterliegt  es   wohl  keinem  Zweifel^    daß 


')  Plat.  Phoe.  16   lUfinjfuvovgf  oxt  xat   ol   n(f6yowt>t,   «ü*^ 

T^TS^  9olip  iümcttv  Tua  xohg  ''EXkrivag. 

ZdtMhrift  f.  d.  6ttorr.  Oyaui.  ISOS.  YHI.  n.  IX.  Htfl.  44 


1 


690  Zur  Charakteristik  Phokioni.  Yon  C.  Büger. 

Pbokion   die  Schriften   des  Isokratee  gekannt  hat  und  wie  viele 
seiner    Zeitgenossen     von     seinen    Ideen    beeinflaßt    worden   ist. 
Wenigstens  findet  sich   in  Isokrates'  Beden  vieles,   was  Phokioos 
politischen   and   sonstigen  Anschauungen  nahe  verwandt  ist,  so 
namentlich  in  der  Sede  vom  Frieden,   in   der  er  seine  Mitbflrger 
zum   Verzicht  auf  die  Seeherrschaft  als   die   Wurzel   alles  Übels 
auffordert,    ihnen    die   Übung    der   M&ßigkeit    und    Oerechtigkeit 
empfiehlt,    wodurch    sie    sich    alle   Feinde    zu    Freunden   machen 
wurden,  und   sie  auf  dieselbe  energielose  PassiTit&t  und  dasselbe 
Gehenlassen,   wie  es  geht,   verweist,   das  Pbokion  als  Politiker  io 
die  Wirklichkeit  umsetzte.  Mit  Plut.  Phoc.  8  OSxa  8b  ewtc^ag 
iavtbv  inokixevBxo   &bI  tcqöq  slQTJvfjv  xal   ijöviiav 
vgl.  Isoer.  Yom  Frieden  §  6    c&g  f^aviiav  i%siv  dal  xal  \i,th 
fuydk(ov  ini^vfislv  nagic  t6  dixaiav^   ikkh  özigyBiv  toig 
jtaQ0i>6iv.    %  12  diic  (ihv  Toi)g  nagaivoüvtag  dvxi%€<f9ai 
tijg  slgi^vTig  oidkv  TcAnoxs  xaxbv  ixäd^ogisv  xxX.  §  16  ipfnu 
d'  oiv  Jjp^vat  jcoistöd'ai  xr^v  slgi^VT^v  . . .  jcgbg  axavtag 
&v^Q(hnovg,    §  20  f.  (Schilderung   der  Nachteile   des  Kriegee 
und  der  Segnungen   des  Friedens),   §  26,  71;   Archidamos  §  50. 
Wenn  ferner  Phokion  Alezander  den  Vorschlag  gemacht  haben  boIL 
falls  er  sich  nach  Buhe  sehne,  solle  er  den  Krieg  beilegen,  woin 
er  aber  nach  Buhm  strebe,   solle  er  die  Waffen  von  den  Heileo« 
ab  gegen  die  Barbaren  kehren  (Plut.  Phoc.  17  övvsßoi^lBVB  fi 
0(oxl(DV,   bI  (ihv  fjövxlag  ögiysxaij  %i6^ai  tbv  xöXsfiov' 
sl  dk   dö^rig,   giexa^iö&ai  xgbg  xovg  ßccgßdgovg  ixb 
xcbv  'EkXi^vcDv  xgan6^Bvov)t   so  bildet  dieser  Gedanke  be- 
kanntlich den  Kernpunkt  der  politischen  Anschauungen  des  Isokratee 
und  kehrt  besonders  oft  bei  ihm  wieder,  namentlich  im  Philippos, 
dessen  Zweck  ist,  KOnig  Philipp  zu  veranlassen,  unter  den  Helleneo 
Frieden  und  Eintracht  zu  stiften  und  mit  ihnen  vereint  die  Perser 
zu  bekriegen.   Vgl.  auch  Panathenaikos  §  18  inh  di  t&v  Xdyof 
iiya(i6va  xovxoav  ysysvri(iivov  x&v  nagaxako'övxmv  xovg 
EXXrivag   inl  xs  xr^v   ögiövoLav  xijv  ngbg   iXXi^lovg 
xal  xTjv  ötgccxslav  xijv  inl  xohg  ßagßägovg.  Briefül, 
§  2  övvsßovXsvov  , . .  slg  ö(i6voi.av  xaxaoxfjöai  xohg  "[Elili^a? 
...  slg  xiiv  'Aölav  xbv  x6k£(jLov  iieveyxsiv,  ebenda  §  4  u.  d. 
Wie  Phokion  eine  Vorliebe  für  die  spartanische  Verfassung  hatte 
(s.  oben  S.  ...),  so  findet  dieselbe  auch  den  Beifall  des  Isokratee, 
wenngleich  er  gegen  die  Fehler  der  Spartaner  nicht  blind  ist,  vgl. 
besonders  den  Archidamos,   eine  Verherrlichung  des  spartanischeB 
Staates,  und  vom  Frieden  §  95  f.  Beide  sind  Lobredner  der  alten 
Zeit  und  möchten  am   liebsten   die  staatlichen  EinriehtnogeD  ans 
der  Zeit  des  Selon  und  Kleisthenes,  Perikles  und  Aristeides  wieder 
eingeführt  sehen;    Tgl.   Plut.   Phoc.  7   ißovksxo  t^v  ÜBgi" 
xXiovg  xal  ^AgiöXBiSov  xal  I]6Xiovog  noXixeiap  .•» 
ivalaßBlv  xal  ixoäo'övai  mit  Areopagitikos  §  16  BÜgtoxa  yit^ 
xa-öxr^v  iiövr^v  &v  ysvogiivTiv  . . .  tav  xag&pxatv  xax&v  aMol' 


Zar  Charakteristik  Phokioni.  Von  C.  Büger.  691 

Xccyi/iv,    r^v    i^sXi^60D(iBv    ixslvriv     rrjv     dtifioxQatCav 
ivaXaßsiVy    ^v    ZJöXcov   iiiv  6  drifLOtixAtatog   ysvöfievos 
ivofio^itfiös,  KXsiö^svrjg  8i  . . .  ndXtv  i|  igf^ig  xaziöttiösv. 
Wie  PhokioD  es  aogem  sah,   daß    za   seiner  Zeit  die  milit&rische 
Tätigkeit  tod   der  politischen   getrennt  war,    indem  erstere  aas- 
scbließlich  Ton  den  Feldherren,  letztere  von  den  Staatsrednern  ans- 
gBÜht   wurde    (vgl.  Flui  Phoc.  7    öq&v    äk    rohg   tic    xoivic 
j(Qd66ovxag  z6ts  diriQtifiivovg  &6nsQ   dicb   xXi^Qov  tb 
^TQazrjyiov  xal  xb  ßfjficc),   so  bezeichnet  es  auch  Isokrates 
wiederholt  als   durchaus  für   den  Staat   ersprießlicher,    wenn   das 
Amt  des  Feldherm  und  das  des  Staatsleiters   in  einer  Hand  ver- 
einigt ist.  Tgl.  vom  Frieden  §  54  roöoi^ov  ds  dLaq>iQO[isv  tcbv 
ngoyövmv^   oöov  ixslvoL  [liv   zoi)g  avtohg  JtQOötäzag  zb 
Tfjg    xökamg    inoioüvzo    xal    özgazriyo'bg    rJQO'övzOj 
vo(illovzsg  zbv  inl  zov  ßi^fiazog  zic  ßiXziöta  av[ißovk€'06ai, 
dvvdiuvov^    zbv   avzbv  zoüzov  dgiöz'^  &v  ßovXBv6a6^at  xal 
xad^  avzbv  ysvögievoVy  f}p>6tg  di  zovvavzlov  zovzav  novo'ögisv. 
Ganz  ähnlich,    fast   mit  den   gleichen  Worten   Fanatben.  §  148, 
Pliilippos  §  140   (AdXiöza  zovzovg  zvfi&6iv  Sacavzag  xal  dav- 
fid^ovöiVj   oizivsg  dfjupözsQa  ävvavzaij   xal  itoXizavsö^at  xal 
<JZ(fazriyeiv.     Wenngleich  Isokrates  als  die  beste  Verfassung  eine 
mit  Aristokratie  Termischte  Demokratie  bezeichnet  (vgl.  Fanatben. 
§  153   Z7JV  ZB  dri(ioxQazlav . . .  dgiozoTcgazla   [Ui^vyiUvriv),   so 
scheint   doch   auch   bei  ihm  gleich  wie  bei  Pbokion  eine  größere 
Hinneigung   zur  Aristokratie,   bezw.   zur  Oligarchie  bestanden  zu 
haben.  Wenigstens  beklagt  er  sich  an  einigen  Stellen  darüber,  daß 
man  ihn  mit  seinen  Friedensbestrebungen  im  Verdacht  oligarchischer 
Oesinnnog    hat,    z.  B.   vom   Frieden    §  51    Ttgbg   [liv  zoi)g  zffg 
Bi^ip^rig  i^i'^lioihrtag  G}g  agbg  ökiyagxixovg  övzag  äv- 
isxökaig  ixogisVj  ebenda  §  138  ärjgiozixohg  (ilv  vo^iiovzBg 
zovg    övxoq>dvzag,    6liyaQxixoi)g    di    zovg    xakovg    zs 
xdycc&ovg.  Areopag.  §  70  XQäzov  gikv  ifiavzbv  inidsl^ai, 
ßovköfisvog  ovx  dXtyaQxi&v  ovdh  nksovB^t&v,   iXXic  öl- 
xaüxg    xal    xo6fiCag   ixi^v(ioi)vza    noXizsiag,     Auch    betont  er 
immer  nnd  immer  wieder,  daß  nicht  allen  im  Staate  die  gleichen 
Eechte    einger&umt   werden   dürfen,    sondern  <iaß   die  Be§teD  and 
Tfiehtigsten,  die  Gerechtesten  und  Würdigsten  an  der  Spitz.e  des- 
selben   stehen   und   den  maßgebenden  Einfluß    babeo   müeeen,    so 
Areopag«   §  21   zi^v  ^hv  (sc.  nohzslav)  z&v  ccvtt^v  d^ioi)&av 
zo-bg  X9V^''^^^S  ^oX  zohg  xovriQohg  dnaiSoxl^a^ov  tag  ov  dixalav 
o{ftKKVj    ebenda  §  60,   Fanathen.   §  182,    138,    139  L,    148,   au 
Nikoklee   §  16  u.  0.  Wie  Pbokion  mit  seinen  ADsicbten  und  Kät^ 
schlagen    bei   der  Bürgerschaft   oft   auf  starken  Widerstand    stieß 
(vgl.   Plni.  Phoc.  9  nokkk  iyh  övfißsßovkBvxcc  xakä  xal  av^i- 
q)iQ€>v%€t  xwzoig^  dkX'  oi  nsl&ovxal  (loi,  ebenda  d   ~ 
beschwert   sich   auch  Isokrates   des   Öfteren  über   seine 
öafi   sie  lieber  Schmeichlern  und  Sykophanten  ibr  Q#li4r 


692  Zur  CharBktaristik  Phokioni.  Von  C.  Büger, 

sich  TOD  den  Gnten,  Vernünftigen  and  Ehrlichen  leiten  laeeen,  vgl 
Panathen.    8  188  f.,    Brief  IV,    §  6,    vom    Frieden   §  89,   §  13 
vo(ilißt€  dfniotvwDxsQOvg  slvai  zohg  fis^vovtag  t&v  vfiipivtm 
xal  toi)g  voi>v  ovx  l%(yifzag  xav  si   (pQovoivxmv,     Wenn  m 
femer  in  dieser  Bede  §  56  nach  einem  Ausfall  über  die  Ungeschick- 
lichkeit der  damaligen  athenischen  Feldherrn  heißt  „Aiya  dl  xo^x^ 
oi  xaxic  xdvxmv,   ikkic  x&v  ivöxmv  xotg  ksyofiivoig  övtov^f 
so  liegt  es  nahe,   bei   der  Ansnahme,   die  der  Bedner  macht,  lo 
M&nner  wie  Phokion  oder  Timotheos  zu  denken.  In  letzterem  sieht 
Isokrates  das  Master  eines  Feldherm  and  gibt  Ton  ihm  Antidosii 
S  107  f.   eine  aasführliche  Gharakterzeichnang,   die   in  Tieler  Be* 
ziehong  aach  aaf  Phokion  trifft.  Beide  zeichneten  sich  durch  ibit 
gute  Manneszucht,   durch  ihr  rücksicbtsTolles  Auftreten  und  ibit 
Beliebtheit   bei    den   Bundesgenossen  aus,    die    ihnen   bei  ihrem 
Herannahen   von   selbst  die  Tore  öfEheten,   Tgl.  Antidosis  §  126 
xoiydQXOt  diic  xifv  ddl^av  xi^v   ix  xovxcop  yiyvofiivriv  isoXld 
xäv  ytöksmv  x&v  Tcgbg  i(Aäg  dvöxöXmg  ixov6&v  ävaxsxxa- 
liivaig  aixbv  idi%ovxo  xalg  yföXaig  mit  Plut.  Phoc  11 
sl  di   ^anUfov  ijyotxOy   nöggoD  vavöiv  IdUug  ixavx&vxBg 
icxBfpavtoiiivoi  xal  xalgovxsg  Ag  aixohg  xaxHyov,  ebeodi 
c.  14   (von   den  Byzantinern)  o^   staöccv   ||gi   öxgatoXBdiMa 
ßovXdiisvov,  iXV  dvöl^avxeg  xicg  nvXag  i8i\avxo.  Seid« 
yerstanden   es  nicht,   der  Bürgerschaft  zu  schmeicheln  und  nach 
dem  Munde   zu  reden  und  zogen  sich  durch  ihr  stolzes«  selbit- 
bewußtes  und  oft  schroffes  Auftreten   viele  Feindschaft  zu,  Tgl. 
Antidos.  §  181  oüxai  yhg  dtpviig  l^v  Tcgbg  xi^v  x&v  dv^gdnua/if 
%BQanBlav  &gjcsQ  dsivbg  nsgl  xijv  x&v  XQayfidtov  ixiiuXsupf. 
ebenda  §  188,  186,  188  mit  Plut.  Phoc.  8  xkslöxa  xoü  ^coxiovo; 
dvxixQoüovxog  aixm  (sc.  x^  dtiyLo)  xal  firidiv  ebtövxog  xdmoii 
firjöi  XQd^avxog  xgbg  %dQiVy  ebenda  c.  10  xQa%hg  ovx&g  ib^p 
xal  öxv^Qomög  ....  xal  dvösxßlaöxog  xal  djcagalxfjxog.  Beidi 
▼erdankten    ihre  Erfolge    nicht   zum    wenigsten    ihren    treffliches 
Charaktereigenschaften  und  der  sittlichen  Kraft  ihrer  Persönlichkeit, 
▼gl.  Antidos.  §  122   r^  (liv  dwdfLBi  xohg  xijg  xöIbo^  zoXt- 
yLlovg  xaxBöXQitpszo^  xp  ö*  i^^sv  xi^v  eijvoiav  xiiv  x&v  dilop 
XQogi^ysxOf  vogilia)v  rot)ro  öxQaxiqytifia  fui^ov  slvai  xal  xdUUof 
^  xokUcg  nöie^g  ikstv  xal  nokldxig  vtxfjöai  iiax6(Uvog  fxA 
Plut.  Phoc.  10  alg  xbv  dkkov  ßlov  eifisvfj  naOi  xal  Ttoivbv  m^ 
tpiXdv^Qmmyv  iavxbv  nagsixavy  ebenda  c.  14  xaxb  piv  iMd- 
^r^öav  ol  6v(i(iaxoL  xijv  XQV^'^^^V''^^  ^^^   dixaioöf&vffv  aixov, 
xaxh  8h  Syvmöav  ol  'A^rivaloi  xfjv  iiucaiglav  xal  ^Afii^v  xov 
dvÖQÖg  u.  ö.  Endlich  sei  noch  bemerkt,  daß  Isokrates  allentbalbes 
in  seinen  Schriften   dieselben  Lebensgrundsätze  und  Lebensregeta 
empfiehlt,   wie  sie  Phokion  praktisch  zu  bet&tigen  suchte,  Oboof 
▼on  M&ßigkeit  und  Oerechtigkeit,  Besonnenheit  im  Glück,  Oelassea* 
heit  im  Unglflck,   tugendhaften,   ▼orbildlichen  Lebenswandel,  ▼?!• 
z.  B.    Nikokles  §  29    olfiai   yicQ  iyä)  ndvxag  &v  Si^oloyifici 


Zar  Charakteristik  Phokions.  Von  C.  Büger.  693 

%ls(ötov  v&v  iQSt&v  ii^ag  slvai  ti^v  ts  öcnfpQo^ivriv  xal  xr^v 
dixaioövvflVj  an  Nikokles  §  89  xccl  (ifj  diataQcnto(iiv(yvs  iv 
talg  zoü  ßlov  (iBtafioXatg^  dXXic  xakäg  xal  fistglcog  xal  xicg 
Ovfupogicg  xal  zicg  sitvxCag  (pigeiv  ini6tagiivovg.  Antidos. 
§  278  tlg  yicQ  iyix  olds  . .  •  ticg  nlötaig  (AStf^av  dvvafiivag  xicg 
ix  TOt)  ßlov  ysysyrifiivag  ^  xicg  inh  roi)  X6yov  xsnoQiögiivag; 
ebenda  §  280  xb  dk  doxstv  slvai  xakbv  xiya^bv  oi)  fiovov 
xbv  kiyov  möxixsQov  ixolf}66v  dllä  xal  xicg  XQdißig  xoi>  xi^ 
xoutvxriv  dö^av  ixovxog  ivxi^uyciQog  xazi^zriöav. 

Mit    welcher   Einseitigkeit,    ja    engherziger    Beschränktheit 
Phokion  das  von  ihm  erwählte  politische  Programm  befolgte,  zeigt 
sein  nnbegreifliches,  mit  nichts  zu  entschuldigendes  Verhalten  gleich 
oaeh  Alezanders  Begiemngsantritt,   als  dieser  den  von  Athen  and 
Theben  unternommenen  Aufstand  unterdrückt,  über  die  Thebaner 
•in  forchtbares  Strafgericht  yerh&ngt  und   nach  Athen  Gesandte 
geschickt  hatte  mit  der  Forderung,   die  Anstifter  des  Aufstandes» 
besonders  Demosthenes,    Lykurgos,    Hypereides,    Gharidemos  und 
Charest  auszuliefern.  Da  war  es  Phokion,  der  im  Hinblick  auf  das 
Schicksal   Thebens    in    dringenden   Worten    die  Auslieferung   der 
Mftnner  befürwortete;  es  genüge,  wie  er  sagte,  daß  Theben  weint*). 
Zorn  Glück  waren  die  Athener  besser  als  er  angenommen  hatte. 
Mit  Unwillen  und  Entrüstung  wiesen  sie  seinen  Torschlag  tou  sich 
QDd  drängten   ihn   unter  lautem  Geschrei  tou  der  Bednerbühne. 
Lykurg  machte  ihm  heftige  Vorwürfe  über  seine  scbmachToUe  Ge- 
sinnung, worauf  er  auch  noch  erwiderte,  er  habe  den  Athenern  schon 
Tiele,  nützliche  Batschläge  gegeben,  aber  sie  hörten  nicht  auf  ihn  *)• 
Daa  Benehmen  Phokions   in  dieser  Angelegenheit  wirft  auf 
seinen  Charakter  einen  starken  Schatten.    Wie  konnte  er  an  seine 
Mitbürger  ein  Ansinnen  stellen,  das,  wenn  es  befolgt  worden  wäre, 
%w\ge  Schmach  und  Schande  auf  sie  geworfen  hätte?  Die  Thebaner 
waren,  wie  er  sagt,  seines  Mitleides  wert,  seine  eigenen  Mitbürger 
dagegen,  die,  wenn  sie  auch  seine  politischen  Gegner  waren,  doch 
—  daa   mußte  wohl  auch  er  sich  sagen  —  in  erster  Linie  aus 
Vaterlandsliebe   gebandelt  hatten,   wollte  er  kaltblütig  dem  Tode 
preisgeben!    Es  läßt  sieh   hiefür  kaum   ein  anderer  Beweggrund 
ausfindig   machen   als   persönlicher  Haß  und  kleinmütige  Verzagt- 
heit, and  man  kann  seinen  Gegnern  nicht  so  ganz  Unrecht  geben, 
wenn  aie  behaupten,  dieser  eine  Punkt  genüge,  um  den  Stab  über 
ihn  za  brechen').  Sehr  bezeichnend  ist  es,  daß  Bernays,  einer  der 

>)  Plot.  Phoc.  17;  Diod.  17, 15.  A.  Schaefer.  DemostbeDes  IIP  127  f. 

')  Plot.  Phoc.  9  TloJiXu  kym  cvikß$ßoiiUv%a  xaXa  xal  cvi^pigomcc 
xovxotgf  &W  o^  nBi^vxai  fioi, 

*)  Sehr  scharf  spricht  sich  Niebnhr,  Vorträge  S.  446  f.  aos:  „Der 
einzige  Zug  ist  genügend,  daß  er  Demosthenes  aufforderte,  in  den  Tod 
zu  geben.  Das  silein  kann  den  Nimbus  der  Togend  ?on  ihm  nehmen.  Z 
der  Klasse  ton  Lenten,  die  zwar  nicht  bOse  sind,  aber  unendlich  niedr 
iD  moralischer  Hinsicht  steheoi  ganz  indifferent,  alles  Enthnsiasmas  ga 
unfähig  gehört  Phokion". 


694  Zar  Charakteristik  Pbokions.  Von  C.  ROger. 

beredtesten  Verteidiger  Pbokions,  über  den  ganzen  Vorgang,  obwohl 
derselbe  im  Altertum  bocb  berühmt  war  nnd  die  dabei  gehaltenen 
Seden  noch  Livius  gelesen  hat  (vgl  IX  18),  stillschweigend  hin- 
weggeht*). 

Daß  die  Athener  w&hrend  Alezanders  Zag  nach  Asien  keinen 
ernstlichen  Erbebungsversacb  machten,  wird  gewiß  nicht  inm  ge- 
ringsten Teile  Pbokions  Einfloß  zuzuschreiben  sein,  daher  wohl 
auch  die  reichen  Gunst-  und  Onadenbezeugungen ,  die  Alexander 
aus  der  Ferne  ihm  zukommen  ließ  (vgl.  oben  S.  684).  Dagegen 
yermochte  er  den  Aasbruch  des  lamiscben  Krieges  nach  Alexanden 
Tode  nicht  zu  verhindern,  wiewohl  er  es  auch  hier  an  Warnungen 
und  trüben  Prophezeiongen  aller  Art  nicht  fehlen  ließ').  Selbst 
die  anfänglichen  Erfolge  des  Leosthenes  Termochten  ihm  eine 
bessere  Zuversicht  nicht  einzuflößen.  Während  seine  Mitbürger  voll 
freudigster  Hoffnung  waren  and  den  Göttern  Dankopfer  brachten 
und  Freudenfeste  feierten,  entgegnete  er  auf  die  Frage,  ob  er  nicht 
an  Leosthenes  Stelle  sein  und  das  von  ihm  Getane  ausgefnhrt 
haben  möchte,  das  schon,  aber  der  Bat,  den  er  gegeben  habe,  m 
doch  der  bessere').  Ja,  als  mehrere  Siegesbotschaften  einliefen, 
soll  er  ausgerufen  haben:  „Wann  werden  wir  endlich  aufhören  in 
siegen?**^)  Man  wird  nicht  umbin  können,  Niebubr,  der  sonst 
Phokion  nicht  immer  gerecht  wird,  beizupflichten,  wenn  er  ihn  im 
Hinblick  auf  solche  Aussprüche,  die  gewiß  nicht  jeder  historischen 
Grundlage  entbehren,  zu  den  Leuten  rechnet,  welche  „triampbiereo 
über  Dinge,  die  sie  sonst  mit  ruhigem  Sinne  beklagt  h&tten;  aber 
ihre  Weisheit  hatte  es  gesehen,  und  sie  kränkten  ihre  Gegner" 
(Vortr.  n  447). 

Noch  bedenklieber  und  zweideutiger  wurde  sein  politiscb» 
Verbalten  in  seinen  letzten  Lebensjahren,  wo  er  sich  mehr  nnd 
mehr  zu  einem  entschiedenen  Vertreter  der  Oligarchie  nnd  Gegner 
der  athenischen  Demokratie  entwickelte.  So  war  er  eine  der  Haopt* 
stützen  der  von  Antipater  nach  Beendigung  des  lamiscben  Krieges 
eingeführten  oligarchischen  Verfassung,  die  das  Bürgerrecht  aof 
die  im  Besitz  eines  Vermögens  von  2000  Drachmen  Befindlichen 
beschränkte.  Nicht  weniger  als  12.000  wurden  hiedorch  ihrer 
bürgerlichen  Bechte  beraubt  und  gingen  meist  in  die  Verbannung^). 
Außerdem  blieb  fortan  zur  Stütze  der  neuen  Verfassung  eine  make* 
doniscbe  Besatzung  in  Munycbia,  worüber  die  Athener  ganz  be- 
sonders  unwillig    und  ungehalten   waren.     Mit  dem   Befehlshaber 


*)  Nur  im  Anhang  seines  Buches  S.  180,  Anm.  21,   weist  er  bei- 

Iftnfig  darauf  bin.  .. 

*)  Vgl.  die  Anßeran^en  bei  Fiat.  Phoc.  22  und  28. 
*)  Plat.  Phoc.  28  „Ilaw  fih",  i(pfj,  ^ßsßovXeyod^ai  dk  hatwa^^ 
^)  Piut.  Pboc  23  „Uote  iga*^,  tpavat^  f^navaofisd'a  vix&wxBg;* 
*}  Vgl.  Aber  die  antipatriscbe  Verfassong  Böckh,  StaaUhauehaltoD^ 

der  Athener  P  46;   Bernsys,   S.  78—82;   De  Sanctie,  Studi  di  Stcrw 

antica  II  3 — 5. 


Zar  Charakteristik  PhokioDS.  Von  C.  Büger,  695 

derselbeD,  Monyllos,  sowie  mit  Antipater  selbst  stand  Phokion  im 
besten  EinvernebmeD,  nnd  es  mnß  anerkannt  werden,  daß  er  den 
Einfluß,  dessen  er  sich  bei  Antipater  erfrente,  wenigstens  dazu 
verwendete,  die  Härten,  die  die  Verfassangs&nderang  mit  sich 
brachte,  zu  mildem  nnd  namentlich  das  Los  der  Ansgewiesenen 
za  erleichtern^).  Im  ganzen  herrschten  unter  der  antipatrischen 
Verfassung,  die  nngefähr  dem  Ideal  entsprechen  mochte,  das  sich 
Phokion  von  einer  Staatsverfassung  machte,  äußerlich  leidliche 
Zustände.  Der  Wohlstand  begann  sich  zu  heben,  die  Bürger  hätten 
sieh  vielleicht  in  die  veränderte  Ordnung  der  Dinge  gefunden,  und 
auch  Phokion  wärde  sein  Leben  vielleicht  in  Buhe  beschlossen 
haben,  hätte  nicht  der  Tod  Antipaters  (319  v.  Chr.)  alles  wieder 
in  Frage  gestellt  und  einen  vollständigen  Umsturz  aller  Verhält- 
oisse  herbeigefährt. 

Zu  seinem  Nachfolger  als  Beichsverweser  hatte  Antipater 
Dämlich  nicht  seinen  ehrgeizigen  Sohn  Kassander,  sondern  seinen 
alten  Wa£Fengefährten  Polyperchon  ernannt.  Infolgedessen  entspann 
sich  zwischen  diesen  beiden  ein  heftiger  Kampf,  der  auch  fär  die 
Gestaltung  der  Dinge  in  Athen  von  einschneidender  Bedeutung 
war  und  insbesondere  für  Phokion  verhängnisvoll  werden  sollte. 
Kassander  stützte  sich  nämlich  auf  die  oligarchische  Partei,  deren 
Haoptvertreter  Phokion  war,  Pplyperchon  dagegen  auf  die  demo- 
kratische Partei,  speziell  auf  die  zahlreichen  Verbannten,  denen  er 
durch  ein  königliches  Dekret  die  Bückkehr  in  die  Heimat  und  die 
Wiedereinsetzung  in  ihre  bürgerlichen  Bechte  verhieß. 

Ohne  im  einzelnen  hier  auf  die  politischen  Verwicklungen 
einzugehen,  die  zur  Abschaffung  der  antipatrischen  YerfasBüng, 
zur  Einführung  der  Demokratie  in  der  schrankenlosesteD  ForEii  und 
im  Zusammenhang  damit  zu  Phokions  Hinrichtung  {19.  Manjchion 
318)  führten,  sei  nur  soviel  bemerkt,  daß  seine  VeruiteiliiD^  zum 
Tode,  die  Plutarch  als  eine  Art  Justizmord  hinstellt,  docli  nicht 
jeder  rechtlichen  Grundlage  entbehrt  zu  haben  scheint,  namentlich 
in  Bücksicht  auf  sein  eigentümliches  Verhältnis  zu  Nikanor,  der  nach 
Antipaters  Tode  als  Nachfolger  des  Menjllos  das  Kommando  über 
die  makedonische  Besatzung  in  Munychia  übernahm  nnd  sich  von 
da  ans  bald  nachher  durch  einen  Handstreich  auch  noch  des  Piraeua 
bemächtigte.  Schon  bei  dem  Wechsel  im  Kommando  scheint  Phokion 
die  Hand  im  Spiele  gehabt  zu  haben.  Wenigstens  wurde  er  he- 
schuldigt,  Antipaters  Tod  im  voraus  gewußt,  aber  au^  Gefälligkeit 
gegen  Nikanor  verschwiegen  zu  haben,  bis  der  Wechsel  volhogeo 
war.  Auch  stellte  er  sich,  ohne  sich  um  die  gegen  ihn  erhobenen 
Beschuldigungen  weiter  zu  kümmern,   zu  dem  neuen  Befehti 


')  So  erwirkte  er  für  eine  Ansahl  derselben  die  ßrUnbi 
außerhalb  Qriechenlands  sich  in  der  Peloponnes  ansiedeln  tu  di 
ihnen  gehörte  auch  Hagnonidee  von  Pergase,  der  später  hsQ] 
die  Anklage  Phokions  betrieb.    Fiat.  Phoc.  29—30;  Poljb   9,  S 


696  Zur  Charakteristik  PhokioDi.  Yon  C.  Eüger. 

in  ein  sehr  freandschaftlichea  Verhältnis,  empfahl  in  einer  üotor- 
redang  die  Athener  seiner  Güte  nnd  Nachsicht  nnd  bestimmte  ihn, 
nm  sich  die  Volksgnnst  zn  gewinnen,  das  Amt  eines  Kampfnebten 
zu  übernehmen  nnd  dem  Volke  anf  seine  Kosten  reich  ansgestattoto 
Festspiele  zu  geben  ^).  Als  dann  aber  die  Athener  gestützt  sof 
das  Freiheitsdekret  Polyperchons  von  Nikanor  die  schleunige  Est- 
femnng  der  makedonischen  Besatzung  yerlangten,  sachte  dieser 
durch  allerhand  Ausflüchte  Zeit  zu  gewinnen,  w&hrend  er  gleich- 
zeitig seine  Stellung  durch  nftchtlicbe  Zuzüge  möglichst  TersUrkte, 
jedenfalls  in  der  Absiebt,  die  Stadt  Athen  für  seinen  Hern 
Kassander  zu  behaupten.  Als  die  Athener  hierüber  unruhig  worden, 
ließ  er  sich  von  Phokion  seine  persönliche  Sicherheit  verbürgeo 
und  erschien  in  einer  Batsversammlung  im  Piraeus,  um  sieh  in 
eigener  Person  mit  den  Bürgern  auseinanderzusetzen.  Hiebe!  machte 
Derkylos,  der  Stratege  der  Landschaft,  dem  wie  auch  anderen 
Nikanors  Benehmen  schon  l&ngst  Terd&chtig  vorgekommen  war,  den 
Versuch  ihn  zu  yerhafien.  Doch  wurde  er  noch  rechtzeitig  gewarnt 
und  entkam').  Diese  Warnung  war  jedenfalls  von  Phokion  aus- 
gegangen. Wenigstens  erhob  sich  gegen  ihn  lauter  Unwille,  ds6 
er  Nikanor  habe  entwischen  lassen.  Phokion  entgegnete  auf  die 
ihm  gemachten  Vorwürfe,  daß  er  in  Nikanor  unbedingte  Vertraaen 
setze.  Wenn  er  sich  aber  t&usche,  so  wolle  er,  wie  er  sagte,  lieber 
Unrecht  leiden  als  Unrecht  tun').  Auch  als  die  Anzeichen  ?on 
Nikanors  feindseligen  Absiebten  auf  den  Piraeus  sich  mehrten,  als 
er  Söldner  nach  Salamis  übersetzte  und  mehrere  Bewohner  dse 
Piraeus  durch  Bestechung  für  sich  zu  gewinnen  suchte,  ließ  sich 
Phokion  durch  die  wiederholt  bei  ihm  hierüber  angebrachten  An- 
zeigen und  Klagen  in  seinem  blinden  Vertrauen  nicht  erschüttern. 
Ja,  selbst  als  Philomelos  von  Lamptra  beantragte,  daß  alle  Athener 
sich  bewaffnet  halten  und  sich  Phokion  als  Strategen  zur  Verfügoof^ 
stellen  sollten,  achtete  er  nicht  darauf.  W&hrend  man  nun  noch 
darüber  beriet,  welche  Maßregeln  gegen  Nikanor  zu  ergreifen 
seien,  rückte  dieser  plötzlich  bei  Nacht  heimlich  aus  Munychia 
aus,  besetzte  die  Mauern  und  Hafenbefestigungen  des  Piraeus  und 
Terscbanzte  sich  hier  in  ähnlicher  Weise  wie  in  Munychia^). 

Angesichts  dieser  Tatsachen  ist  es  kaum  anders  denkbar, 
als  daß  Phokion  im  Einverst&ndnis  mit  Nikanor  gehandelt  osd 
sich  zum  mindesten  einer  schweren  Pflichtvergessenheit  und  Nach- 


>)  Plnt.  Phoc.  31;  Soidas  a.  iyavo&hfig. 

>)  Plat  Pboc.  82;  Nepos  Phoc.  2. 

•)  Diod.  18,  64;  Plot.  Phoc  32  d  dh  lui^y  imUow  k^ÜBiv  ddaunh 
H8vog  9  ddLx&v  (fctveffog  ytvead'aL,  Über  diesen  der  antiken  Moral  bis 
auf  Plato  (? gl.  Gorgiae  S.  469  c)  fremden  Satz  s.  Bernays  S.  45.  Ähnlich 
ist  eine  bei  anderer  Gelegenheit  getane  Anßerang  Phokions  Plat  Phoe.  84 
xcrl  T&v  (fiXmv  XBvovtmv  ^g  dnod-avsTtai  XQogxQOvmv  totg  Mijvaiott 
„^AdCxag**,  slns9,  „tfy  noiä  tö  üVfAtpiQOv^  &v  Sk  nccQaßalvat^  dutaUts*. 

«)  Diod.  18,  64;  Plot.  Phoc.  82. 


Zur  Charakteristik  Pbokioos.  Von  C.  Büger.  697 

lluigkeit,  wo  nicht  des  Verrates  schuldig  gemacht  hat  Als  Militär 
müßte  er  sich  über  den  Zweck  der  verdächtigen  Maßnahmen 
Nlkanors  sowie  über  die  strategische  Wichtigkeit  des  Plraens  toII- 
Irommen  klar  sein*),  wie  denn  in  der  Tat  die  Athener  über  die 
Wegnahme  desselben  anfs  äußerste  ungehalten  waren,  da  sie  sich 
dadurch  der  so  wichtigen  Verbindung  mit  der  See  beraubt  und 
den  Oefahren  einer  Hungersnot  preisgegeben  sahen.  Daß  er  Nikanors 
Verhaftung  Tereitelte,  kann  höchstens  damit  entschuldigt  werden, 
daß  er  sich  für  seine  persönliche  Sicherheit  yerbürgt  hatte.  Auch 
mochte  er  für  den  rechtmäßigen  Nachfolger  Antipaters,  seines  bis- 
herigen Herrn,  dessen  Sohn  Eassander,  nicht  Polyperchon  halten, 
und  daher  sich  yerpfiichtet  sehen,  für  Kikanor,  Kassanders  Unter- 
gebenen, einzutreten. 

um  80  befremdlicher  ist  es  und  dazu  angetan,  an  seinem 
Charakter  yoUständig  irre  zu  werden,  daß  er  kurz  danach  Nikanor 
doch  noch  fallen  ließ  und  plötzlich  zu  der  Partei  Polyperchons  in 
Beziehungen  trat.  Als  nämlich  dessen  Sohn  Alezander  mit  Heeres- 
macht vor  der  Stadt  erschien,  begleitet  von  zahlreichen  Verbannten, 
die  auf  Orund  des  Freiheitsdekretes  die  Wiedereinsetzung  in  ihre 
bürgerlichen  Bechte  verlangten,  ging  ihm  Phokion  mit  seinen 
politischen  Freunden  entgegen,  machte  ihn  auf  die  Vorteile  der 
Besitzergreifung  Munychias  und  des  Piraeus  aufmerksam  und  riet 
ihm  die  beiden  Plätze  zu  besetzen  und  nicht  eher  wieder  heraus- 
zugeben, als  bis  Kassander  vollständig  besiegt  sei.  Zu  diesem 
höchst  bedenklichen  Schritte  veranlaßte  ihn,  wie  es  heißt,  die 
Furcht  vor  der  Erbitterung  des  Volkes  und  vor  den  beim  Sturz 
der  Oligarchie  und  Wiedereinführung  der  Demokratie  zu  erwartenden 
gesetzlichen  Strafen').  Hienach  trifft  ihn  der  Vorwurf  des  Landes- 
verrates und  der  politischen  Gesinnungslosigkeit  im  vollsten  Um- 
fange. Denn  er  bot  ja  geradezu  die  beiden  wichtigsten  Hafenplätze 
als  Preis  für  seine  persönliche  Sicherheit  und  scheute  sich  nicht, 
die  Sache  Nikanors  und  Kassanders,  der  er  bis  dahin  immer  ge- 
dient hatte,  plötzlich  aufzugeben  und  mit  der  Gegenpartei  zu  unter- 
handeln, in  der  Hoffnung,  sich  durch  sie  vielleicht  noch  retten  und 


')  Nach  Nepos  bildete  denn  auch  die  Preisgabe  des  Piraeoi  den 
HanptgroDd  so  seiner  Verorteilnng,  vgl.  Phoc  2  conddit  autem  maxitne 
ufu>  eriminef  guod,  cum  apud  eum  summum  esset  Imperium  poptUi 
iussu,  ei  Nicauarem,  Ciusandri  praefeetum  insidiari  Piraeo  a  Bercylo 
moneretur,  idemgue  posttdaret,  utpravideret,  ne  commeatibus  civitaa 
privaretur,  huic  auaiente  poptUo  Ihocion  negavit  esse  perictUum  seque 
etus  rei  ohsidem  fore  pollicitus  est;  ebcDda  4  Mio  ab  Hagnone  aeeusatus, 
gt&od  Piraeum  Nicanori  prodidisset, 

')  Diod.  18,  65  t&v  yic^  ]AvTin6txQ<p  ywyovovmv  ipiXmv  xwis^  &v 
^X'^ifXOw  lud  ol  »tgi  tPmx^oya,  ipoßoviifvot.  ricg  ix  tAv  vofkmv 
TLfnogiag  'bxijpTiiaav  'Ale^avdQipt  xai  dtÖa^avtsg  x6  avpLtpigov  insicav 
n-brcw  idi^  juttixsw  %a  ipQOVQta  xal  itij  nagaSavpai  rols  ^Ad^^aloig^  f^XQ'' 
&9   6  Käüvwdgos  lunanoXtuij^^, 


698  Zar  Charakteristik  Pbokioni.  Von  C.  Rüger. 

behaupten  zu  können^).  In  dieser  Ho£Fnang  sollte  er  sich  fnilich 
get&nscht  sehen.  Denn  Alezander  nnd  sein  Vater  Polyperehon,  die 
vielleicht  das  Anerbieten  der  Oligarcben  betreffs  der  Hafenplätze 
eine  Zeitlang  in  Erw&gnng  gezogen  haben  ^)y  entscblosseo  sich 
doch  schließlich,  der  demokratischen  Partei  treu  zu  bleiben,  der 
gegenüber  sie  sieb  durch  das  Freiheitsdekret  yerpflichtet  hatten, 
and  sich  ihrer  zu  bedienen,  am  die  Oligarchie  za  stärzen  and 
deren  H&npter,  Tor  allem  Phokion,  dnrch  HochTerratsprozease  zu 
beseitigen').  Wenn  nun  auch  bei  dessen  Vernrteilang  Partelleiden- 
Schaft  und  politischer  Haß  in  hohem  Grade  mitgespielt  haben  — 
denn  die  Vorg&nge,  die  sie  herbeifährten,  tragen,  wie  unsere  Ober- 
lief erang  zeigt,  einen  &aßerst  stürmischen  and  dramatisch  bewegten 
Charakter  —  so  kann  doch  auch,  abgesehen  bioTon,  das  über  ibo 
verhängte  Todesurteil,  namentlich  im  Hinblick  auf  die  in  der  letztec 
Zeit  seines  Lebens  von  ihm  getanen  Schritte  kaum  als  ungerecht- 
fertigt angesehen  werden.  Wenn  daher  Plutarcb  am  Ende  seiner 
Phokionbiographie  (c.  88)  meint,  das  Verfahren  gegen  ihn  bat» 
die  Behandlung  des  Sokrates  wieder  in  Erinnerung  gebracht,  indem 
man  den  in  beiden  Fällen  begangenen  Fehler  und  das  für  dii 
Stadt  daraus  entspringende  Unheil  ganz  ähnlich  fand,  so  kann  ?od 
einer  solchen  Ähnlichkeit  höchstens  äußerlich  die  Bede  sein.  Inner- 
lich besteht  kaum  irgend  welche  Qemeinschaft  zwischen  der  nüch- 
ternen, begeisterungslosen,  ja  oft  kleinlichen  und  niedrigen  DeoiL- 
weise  eines  Phokion  und  dem  hohen  Qedankenfluge  und  der  sitt- 
lichen Größe  eines  Sokrates,  der  als  ein  echter  Märtyrer  för 
Wahrheit  und  Becht  in  den  Tod  ging  und  dessen  Bild  in  veit 
reinerem  und  hellerem  Glänze  strahlt  als  das  des  Phokion.  Denn 
wenn  auch  zugegeben  werden  soll,  daß  dieser  zumeist  im  gutes 
Glauben  gehandelt  und  das  Wohl  seines  Vaterlandes  zu  fördern 
gemeint  hat,  daß  er  sich  durch  manche  treffliche  Charaktereigec- 
Schäften   von   der  Mehrzahl   seiner  Zeitgenossen    vorteilhaft  abkob 


')  Wie  sehr  er  übrigens  trotz  seiues  hoben  Alters  and  troti 
sonst  geflissentlich  zar  Schaa  getragenen  Buhe  and  Gleichgiltigkeit  geges 
alles  am  Leben  hing,  beweisen  die  venweifelten  Versocbe,  die  er 
während  seines  Prozesses  machte,  nm  sich  Gehör  so  verschaffen,  indem 
er,  als  er  fortwährend  Überschrieen  warde,  in  der  Todesangst  aller  Fasssag 
bar,  den  Körper  heftig  hin  ond  her  warf  and  sich  durch  das  erregtafte 
Gebärdenspiel  verständlich  zu  machen  sachte.  Erst  als  er  sab,  diA  a}Jcs 
vergeblich  war,  gewann  er  seine  Babe  wieder.  Vgl.  Plot  P^oc.  34; 
Diod.  18,  67. 

•)  Diod.  18,  66  d  ÜoXvaniifxmv  iaicsvds  (lev  (pQOtfd^  xofijftf  w 
Ilti^aiä  dicc  rö  noXXa  Svvaad'ai  xiftjaigievstv  xöv  XipLiva  n^og  f^S  ^ 
noUfiOLg  x^fiaff. 

*)  Von  einer  Sinnesänderung  Poljperchons  berichtet  Diodor  s.  a.  <l|. 
{fiitevo^ae  Tg  yvcafiy).  Möglicherweise  aber  sind  er  sowohl  wie  seia  Öo» 
Alexander  von  vornherein  entschlossen  gewesen,  nicht  mit  Phoki«  ■» 
den  Oligarcben  sa  gehen,  sondern  sie  haben  nar  zum  Schein  mi^  ^*** 
verhandelt,  ara  ihrer  habhaft  za  werden  nnd  sie  dann  am  so  «cfaavc  «& 
verderben. 


Stadien  tar  christlich-Iateio.  Intehriftenpoesie.  Von  C,  Weyman.  699 

and  daß   er  uns   als  eine  der  letzten  markanten  Persönlichkeiten 
des  linkenden  Heilenentnms  entgegentritt,  fär  deren  Volkstümlich- 
keit schon  die  ungewöhnliche  Fülle  der  über  ihn  im  ümlanf  befind- 
lichen Anekdoten  und  Aussprüche  zeugt  —  so  findet  sich   doch 
andrerseits  in  seinem  Wesen  so  mancherlei,  was  seiner  vollen  sitt- 
lichen Wertschätzung  Eintrag   tut,   und  bei  aller  Teilnahme,   die 
sein  tragisches  Ende   hervorruft,   ergibt  sich  doch,   wenn  wir  die 
Umstinde  in  richtige  Erwägung  ziehen,    daß  dieses  Ende  nur  die 
notwendige  Folge  seiner   eigenen  Handlungsweise  war.     Denn  da 
er  sieb,  namentlich  in  seinen  letzten  Jahren,   mehr  und  mehr  oli- 
garcbischen    Bestrebungen    und    Tendenzen    zuwandte    und    dem 
athenischen  Demos,  ohne  Verständnis  für  dessen  Ziele  und  Wünsche, 
jederzeit  rücksichtslos  und  schroff  entgegen  trat,  so  war  bei  einem 
überhandnehmen   und  Überschäumen  der  demokratischen  Elemente 
ein  anderer  Ausgang  kaum  zu  erwarten.     Die  beleidigte  Volkswut 
forderte  früher  oder  später  ihr  Opfer.  Demosthenes  hatte  das  Ge- 
fährliche in  Phokions  Stellang  richtig  erkannt   and   einst  in  die 
Worte  gekleidet:    „Die  Athener   werden  dich   tüten,   wenn   sie  in 
Wahnsinn  geraten**,   worauf  Phokion  gelacht  und  erwidert  hatte: 
^dnd  dich,  wenn  sie  vernünftig  sind**  (Plat.  Phoc.  9).  Zwar  meint 
Plutarch  (Phoc.  88),  die  Athener  hätten  bald  nach  Phokions  Tode 
ihr  Tun  bereut,  indem  sie,  durch  die  Umstände  belehrt,  um  welch 
einen  Hort  and  Hüter  der  Mäßigang  und  Qerecbtigkeit  sie  sich 
gebracht,   ihm  eine  eherne  Bildsäule  errichtet,   seine  Qebeine  auf 
Staatskosten  begraben   und  seine  Ankläger  zor  Verantwortung  ge- 
zogen hätten.  Allein  in  Wahrheit  konnte  von  einer  Beue  des  Volkes 
keine  Bede  sein ;  vielmehr  gewann  nur  wenige  Monate  nach  Phokions 
Tode  die  oligarchische  Partei  in  Athen  wieder  die  Oberband,  indem 
Esssander  sich  der  Stadt  bemächtigte  und  Demetrios  von  Phaleron, 
den  Freund  und  Genossen  Phokions,   der  zugleich   mit   ihm   ver- 
urteilt,  aber  noch   rechtzeitig   entflohen  war,   zum  Stadtverwalter 
einsetzte.  Für  ihn  und  seine  Partei  war  natürlich  die  Ehrenrettang 
Phokions  die  erste  Pflicht. 

Dresden.  Prof.  Dr.  C.  Büger. 


Stadien   zur   christlich  -  lateinischen   Inschriften* 

poesie. 

I.   Die  tituli  des   hl.  Ambrosius   zu   den  Gemälden  der 
Mailänder  Basilika. 

Ambrosius  von  Malland  hat  nicht  nur  Eirchenbymnen,  sondern 
anch  Epigramme  gedichtet.  Die  Forschang  über  die  Hymnen  ist 
jetzt  insofern  zu  einem  gewissen  Abschluß  gelangt,  als  die  lange 
beobachtete  übertriebene  Zurückhaltung,  die  sich  in  dem  sogen. 
^  Vierbymnendogma'   ausprägte,    durch   die  Arbeiten    von   Biraghi, 


700  Stadien  xur  chrittlioh-lateio.  InschriftADpoeiie.  Von  C.  WeyvMn, 

Dreves  nnd  Steier  eodgiltig  überwanden  ist  und  mehr  als  ein 
Datzend  Hymnen  für  ambrosianiseb  im  engeren  Sinne  gelten 
dürfen  ^).  Tgl.  jetzt  die  Ausgabe  von  Dreves,  ffymnographi  Lotini, 
Lateinische  Hjmnendiehter  des  Mittelalters.  2.  Folge,  Leipt.  1907 
{Änaleeta  hymnica  medii  aevi  Bd.  L),  S.  10  £  and  zum  Hjmnas 
'splendor  paternae  gloriae'  die  Bemerkungen  Ton  H.  Vogels  io  der 
Festgabe  für  A.  KnOpfler,  München  1907  (YerOffentl.  ans  dem 
kirchenhist.  Semin.  München,  III.  Beihe,  Nr.  1),  S.  814  ff.,  der 
sehr  hübseh  zeigt,  wie  Augustinus,  der  das  Fundament  für  das 
^Yierbymnendogma'  abgeben  mußte,  als  Zeuge  gegen  dasselbe 
auftritt. 

Was  die  epigraphisehen  Dichtungen  betrifft,  so  scheint  gegen 
die  Echtheit  d^r  drei  Epigramme  für  die  Kirche  des  hl.  Nazarias, 
das  Baptisterium  der  Theklakirche  (beide  in  Mailand)  und  ani 
Satyrns,  den  Bruder  des  Ambrosius  {earm.  epigr.  Nr.  906,  908 
und  1421  Buecheler),  kein  ernstliches  Bedenken  zu  bestehen.  Das 
erste,  tou  der  Idee  des  Kreuzes  beherrscht,  zeigt  die  wirkungsToUe 
Bhetorik,  als  deren  Meister  sich  Ambrosius  besonders  in  semes 
aus  Kanzelvortrftgen  entstandenen  Prosaschriften  erweist  (Tgl.  z.  B. 
den  Scblußvers  'cruxcuipalmafuii,  erux  etiam  ainus  esf),  das  dritte 

^Uranio  Saiyro  supremum  f rater  honorem 

martyris  (des  hl.  Viktor)  ad  laevam  detulU  Ambrosius. 

haec  meriti  merces,  ut  sacri  sanguinis  umor 

finitimas  penetrans  adluat  exuvias', 
über  dessen  Qedanken  z.  B.  P.  Allard,  Dix  legans  sur  le  märiyrtj 
Paris  1906,  p.  855  ff.  zu  Tergleichen  ist,  macht  durch  sein« 
schlichte  Innigkeit  und  Kurze  einen  tiefen  Eindruck.  Alle  drei 
weisen  Anklänge  an  die  klassischen  Dichter  auf,  besonders  an  deo 
dem  Bischof  von  Mailand  so  YöUig  vertrauten  (vgl.  M.  Ihm,  Stud. 
Ambros.  p.  80  ff.;  Gott.  Gel.  Anz.  1903,  S.  447)  Vergil.  Vgl.  « 
906,  7  'caput  eztulü"  Eclog.  I  24;  Georg.  II  341 ;  Aen.  I  127;  za 
908,  9  "crimina  vitae  Aen.  IT  550  (Ihm  zu  Pseudo-Dam.  68,  4; 
Blfttter  f.  d.  [bayer.]  Gymnasialschulw.  XXXI  [1895],  S.  541  [so 
carm.  epigr.  485,  4]);  zu  908,  12  '^candidiornivibus*  Ovid.  am, 
III  5,  11  (nachgewiesen  von  0.  Hense  bei  Buecheler);  zu  1421» 
1  'supremum-honorem'  Aen.  XI  61;  zu  1421,  8  ^sacri  sanguinü' 
Aen.  III  67  u.  0.  Weniger  begründet  erscheint  der  Anspruch  auf 
die  Autorschaft  des  Ambrosius  bei  einem  vierten  Gedichte,  dem  Ifl 
Mailftnder  Inschriftensyllogen  als  ^Ambrasianum*  bezeichne 
Epitaph  des  (Manlius)  Theodorus  (Konsul  im  J.  399)  auf  sein« 
Schwester  Manila  Daedalia  {carm.  epigr.  1484).  Wir  finden  hier, 
wenn  ich  recht  sehe,  mehr  formelhafte  Details  als  in  den  vorb«r 
besprochenen  Epigrammen  (so  v.  1  den  Yersschluß  *membra  »- 
pulcro*;  V.  2  'ut  lector  noscas';  v.  8  *clara  genus,  eensu  poUens'i 


')  Sehr  reserviert  äoßert  sich  noch  W.  Meyer,  Ges.  Abhaudl.  ta 
mittellat.  Kythm.  II,  8.  119,  Anm.  1  (aaf  S.  120). 


Studien  vu  chriftlich-lateiiu  IniebrifteDpoeaie.  Von  C«  Weyman.  701 

Ygl.  Blätter  f.  d.  [bayer.]  OymDasialsebnlw.  XXXVIII  [1902], 
S.  842),  nod  anch  die  mytbologiscbe  AnapieluDg  (auf  den  Fing 
des  DaedalQs)  und  der  stolze  Ton  des  Seblnsses  wollen  m.  E. 
weniger  für  den  Mailänder  Bischof  passen. 

Den  sogen,  iiiuli  Ämbrasiani  oder  ^disticha  S,  Ämbrasii  de 
diversia  rebus  quae  in  haeilka  Ambrasiana  scripta  sunt\   einer 
700  F.  Jnret  Paris  1589  ans  einer  inzwiscben  TerschoUenen  Hand- 
schrift herausgegebenen  Sammlung  von  21  je  ein  Distichon  (d.  h. 
zwei  Hexameter)  umfassenden  Beischriften  zu  bildlichen  Darstellungen 
biblischen  Inhalts  (ygl.  Qber  diese  ganze  Literaturgattung  jetzt  St. 
Beissel,  Geschichte  der  Evangelienbücher  in  der  ersten  Hälfte  des 
Mittelalters,  Freiburg  i.  B.  1906  [Ergänzungsbefte  zu  den  Stimmen 
ans  Maria  Laach  92  und  93],    S.  842  ff.),   hat  nach  Biraghi  be- 
sonders  S.  Merkle   eine   eingehende  Untersuchung  gewidmet  (Die 
ambroB.  Tituli.  Eine  literarbist.-arcbäol.  Studie.  Mit  einer  Ausgabe 
der  Tituli  als  Anhang,  Bom  1896.  Auch  in  der  rOm.  Quartalschr. 
X),  in  der  er  das  in  den  meisten  Ambrosiusausgaben  weggelassene 
Werkchen  durch  einen  mit  Nachweis  der  Bibelstellen,  der  sprach- 
lichen  und  sachlichen  Parallelen   aus  den  Prosaschriften  des  Am- 
brosius  und  der  Anklänge  an  Vergil  und  Ovid  ausgestatteten  Neu- 
druck  bequemer  zugänglich   machte  und  die   gegen  die  Echtheit 
der  tituli  geltend   gemachten  überlieferungsgeschichtlichen,   ästhe- 
tischen  und   kunstgeschichtlichen  Bedenken   als   nicht   stichhaltig 
erwies.  Trotzdem  yerharrten  einzelne  Forscher  auf  ihrem  ablehnenden 
Standpunkt,   so  der  berühmte  (inzwischen  leider   aus  dem  Leben 
geschiedene)  Freiburger  Kirchen-  und  Kunsthistoriker  F.  X.  Kraus 
und  der  Würzburger  Philologe  M.  Schanz,  der  in  seiner  Gesch.  d. 
rüm.  Lit.  IV  1  (1904),  S.  210  die  Besprechung  der  Disticha  mit 
den  Worten  beschließt:   'Trotz  der  eingehenden  Verteidigung  der 
Echtheit  Ton  Biraghi  und  Merkle  bleiben  die  tituli  Tordächtig'.  Mir 
scheint  diese  Skepsis  nicht  gerechtfertigt 

Zu   Dist.  4,  1  f.  ^lacob  fraude  bona,  patri  dum  suggerit 

escas,  praecipit  eulogianC  hat  schon  Merkle  Ambros.  De  lacob  II 

3,   10  (U,  p.  87,  19  Seh.)  "bonus  enim  dolus'  yerglichen.  Es  muß 

aber  anch  daran  erinnert  werden,   daß  das  Oxymoron  "pta  fraus* 

dem  Ambrosius   geläufig  ist.     Es  findet  sich   an   den  beiden  von 

G.  Landgraf  im  Archiv  XII  (1902),   S.  468   zu  anderem  Zwecke 

angeführten   Stellen  De  loseph  11,  62  (II,  p.  112,  6)  und  bell. 

lud.  y  15,  p.  299,  84  f.  Weber,  außerdem  in  der  Expositio  evang, 

Luc.  lY  16,  p.  147,  21  Seh.  —  Ton  Abraham,  der  seinen  Sohn 

als   Opfer  zu   schlachten  bereit  ist,   heißt  es  Dist.  12,  2  'patris 

ei  est  pietas  caro  non  parcere  nato*.  ^non  pareere  naio   enthält  und 

amsclireibt  den  Begriff  der  Umpietas'   und  wenn  das  antithetische 

Spiel  mit  ^pius*  und  'impius*  oder  ^pietas*  und  ^impietas*  auch 

gerade  keine  Seltenheit  ist  (vgl.  GOttlng.  Gel.  Anz.  1908,  S.  449; 

Panlin.    l^ol.  carm.  XXXI  45  ^inpia  nam  pietas*  \  Dracont.  carm. 

min.  V  257  Hnpietate  pius  -^  vgl.  Orest.  trag.  22;  Odo  Ton  Clngny, 


702  Studien  zar-ehristlioh-latein.  InsehriflenpoeBie.  Von  C.  Weyman, 

Occupatio  IV  177  ed.  Swoboda  ^parricida  |>tW^),  so  ist  es  doeb 
bemerkenswert,  daß  AmbrosiaB  Expos,  evang.  Luc.  IV  10,  p.  144, 
28  von  dem  den  Herrn  versuchenden  Satan  sagt:  'nimia  pietate 
inpium  esse  conpellit\  Aber  diese  Koinzidenzen  wlegeo,  da  sie  ^icfa 
auch  anf  andere  Weise  erklären  lassen,  nicht  sehr  schwer  und 
bedeuten  höchstens  eine  kleine  Verstärkung  des  von  Merkle  bei- 
gebrachten Parallelen materiales.  Mehr  Gewicht  glaube  ich  auf  eins 
andere  Beobachtung  legen  zu  dürfen. 
Mit  Dist.  4,  1 

' praestcHatur  ovans  sponsam  de  gentibus  Isaae' 
berührt  sich  in  auffälligster  Weise  der  24.  Vers  der  von  J.  Wilpert 
in  seinem  Buche  über  die  gottgeweihten  Jungfrauen  in  den  erstan 
Jahrhunderten  der  Kirche,  Freiburg  i.  B.  1892  wiederholt  heran- 
gezogenen (vgl.  besonders  S.  79)  und  zuletzt  als  Nr.  748  in 
Bnechelers  carmina  epigr,  (L,  p.  357  f.)  abgedruckten  Inschrift 
von  Vercelli 

*adventum  sponsi  nunc  praestolantur  ovantes*  (sc.  virgines). 
Eine  genauere  Datierung  dieser  Inschrift  ist  mir  leider  nicht  b«- 
kannt  geworden,  aber  mehrere  IndicieUi  so  die  Erwähnung  des 
Schleiers,  des  ^velamen  sanctunC  in  v.  2  (vgl.  Niceta  (?)  De  lapsu 
virg.  20,  p.  118,  19  Burn  [Cambridge  1905];  H.  Koch,  Viryines 
Christi,  Leipzig  1907  [Texte  und  Untersuch.  III.  B.,  I.  Bd.,  2.  H.]. 
8.  90  fif.  und  Theolog.  Bevue  1908,  Nr.  9,  Sp.  277;  A.  Schamagl, 
Das  feierliche  Qeldbde  als  Ehehindernis  in  seiner  geschichtlicbeo 
Entwicklung  dargestellt,  Freiburg  i.  B.  1908  [Straßburger  theol. 
Stud.  IX  2  und  3],  S.  12  ff.),  die  Bezeichnung  der  Jungfraueo 
als  ^sacratae'  (v.  12;  vgl.  G.  Caesar,  Observ.  ad  aetai.  UL  laL 
ehrist,  defin,  sped.,  Bonn  1896,  p.  80),  vielleicht  auch  die  Art 
und  Weise,  wie  die  heilige  Maria  mit  dem  ^castus  chorus*  der  ia 
die  Verklärung  eingehenden  Jungfrauen  in  Verbindung  gebracht 
wird  (v.  18;  vgl.  Koch  a.  a.  0.  S.  92  ff.)  lassen  es  jedenfili« 
nicht  rätlich  erscheinen,  sie  vor  der  Zeit  des  Ambrosius  anzuaetzoi 
(das  Uemistich  'ad  caelum  pariter  v.  15  nach  Damasus  31,  5? 
vgl.  Ihm  z.  St.).  Eine  genauere  Vergleichung  der  beiden  Verse 
aus  den  Distichen  und  aus  der  Inschrift  vermag  uns  einen  Sehritt 
weiterzufahren.  Ihre  auffällige,  ein  Abhängigkeitsverhältnis  bedin- 
gende Berührung  liegt  darin,  daß  hier  wie  dort  das  an  sieb  in 
den  christlichen  Inschriften  nicht  seltene  Partizipium  ^ovans*  (vgl 
Caesar  a.  a.  0.  p.  65)')  zu  ^praestolarV  tritt.  Während  es  aber 
in  dem  Verse  der  Inschrift  in  der  geläufigen  Bedeutung  'frohlo^ee' 
steht  und  durch  Matth.  25,  1,  worauf  in  diesem  und  dem  fdg^da 


*)  *sub  Pio  (d.  h.  AntoninuB  Pias)  impius^  witzelt  TertoIIiaii  tte 
den  Gnostiker  Marcion  (adv,  Marc.  I  19,  p.  314,  12  Kr.). 

')  S.  auch  6.  M.  Dreyes,  Hymnolog.  Stud.  zu  Venant.  Fori  u.  Bilb. 
Maar.,  München  1908  (VerOffentl.  ans  dem  kirchenhist.  Seminar  Mllncbes. 
III.  B,  Nr.  8),  S.  90  f. 


Stodien  xui  christlich-latein.  iDSchrifteDpoeiie.  Von  C.  Wtyman,  703 

Vene  (vesU  sacra  eomptae,  oUo  duratUe  heatd)  Bezng  genommen 
wird,  nicht  speziell  motiviert  ist,  dient  es  in  dem  Yerse  der  Disticba, 
wie  sehen  L.  Tranbe,  Hermes  XXVII  (1892),  S.  158  f.  (?gl.  Merkle 
S.  21  [201]  f.)   erkannt  hat,   znr  Wiedergabe  des  von  den  LXX 
Gen.  24,   68   (vgl.   Sabatier  z.  8t.)   gebrauchten   ^ &öokB6%H6ai,* 
(^i^lX^Bv  'loaäx  ddoXs6xfj6aL  slg  tb  nsdlov*).    Ich  neige  mich 
daher  zn  der  Anschanong,  daß  dem  Yerse,  der  die  ganz  singnlftre 
nnd  zugleich  durch  die  Vorlage  begründete  Anwendung  des  Wortes 
enthält,  die  zeitliche  Prioritit  zukomme,  und  werde  in  dieser  An- 
scbaoung  best&rkt  durch  die  Wahrnehmung,  daß  es  gerade  dieser 
Vers  der  Distichen  ist,  der,  wie  Traube  gezeigt  hat,  in  zwei  Hand- 
schriften des  IX.  Jahrhunderts   (Schollen  zu  Heirics  von  Auzerre 
Vita   S.  Germani   V  4   in   Poet.  lai.  med.  aev.  III,   p.  489;   ein- 
gelegtes  Blatt  im   cod.  Paris.   12.949),   allerdings   infolge  einer 
leicht  erklärlichen  Verwechslung  (mit  dem  sogen.  Dittochaion)  unter 
dem  Namen  des  Prudentius,  zitiert  wird.    Durch  die  Beobachtung 
aber,  daß  der  Vers  einer  Dichtung  vom  Verfasser  einer  metrischen 
Inschrift   nachgeahmt   und  in  späterer  Zeit   zweimal  zitiert  wird, 
ist  m.  E.   eine  gewisse  Präsumption  dafür  geschaffen,  daß  er  nicht 
irgend  einem  obskuren  Machwerk,  sondern  einer  durch  einen  klang- 
vollen Automamen  ausgezeichneten  Dichtung  entstammt. 

Ich  lasse  noch  etliche  Ergänzungen,  hauptsächlich  zu  den  von 
Merkle  aas  der  lateinischen  Poesie  gesammelten  Parallelen,  folgen. 
Dist.  2  ^aspice  lohannem  recubantem  in  peetare  Christi, 
unde  Deum  verbum  aesumpeit  pietaie  fateri*. 
Über  ^(i9pice*  als  Hexameteranfang  vgl.  Ihm  zu  Dam.  28,  1 ;  Fried- 
läoder   zn   luvenal  II  166.  —   Den   Gedanken,    daß   der  Apostel 
Johannes    dadurch,   daß   er  an   der  Brnst  des  Herrn  geruht,   zur 
AbfassoDg'  seines  Evangeliums  beHlbigt  worden  sei,  weist  P.  Corssen, 
Monarch ianische  Prologe  zu  den   vier  Evangelien,   Leipzig  1896 
(Texte  nnd  Untersuch.  XV  1),    S.  78  ff.  der  von    ihm  aus  diesen 
Frologvn^    Hieronymus,   Augustinus,   bezw.  Pseudoaugustinus  usw. 
rekonstmierten  historia  eceUeiaetica  de  Ichanne  apostolo  et  evan* 
qelUta  zn. 

Dist.  8  ^fida  quidem  lacob  natia,  sed  vera  loctUus, 

bestia  germano  qnod  eit  mens  invida  frcUri*^ 
Zum   Hezameterschluß  ^vera  locutus    vgl.  Val.  Place.  V  4  \tra  h- 
euti*;   Cypr.  Num.  670  *vera  loctUum\   Carm,  adv.  Marc.  V  154 
(Tertnll.   II,   p.  797  Gehler)   "vera  loquentur*;  (Damasus)   61.  6; 
DracoDt.   earm.  min.  VI!  27   'falsa  locuti'.   —   An   der   gleichen 
Versstelle   wie  ^mens  invida*  steht  'mors  invida*  carm.  epigr,  698, 
18  (Tgl.    429,  2);  tittU.  Gaüic.  6,  28   (Alcim.  Avit.  p.  1B5  F.); 
ÄfUhol.    lat.  845,  1  (P,  p.  274  B.);  Alcim.  Avit.  carm.  VI  ]^' 
Venant.    Fort«   IV  26,  47.    ^s<xrs  invida*  Sedul.  pasch,  carw 
130;   Venant.  Fort.  IX  1,  41;  append.  1,  1,  p.  271  L.  '/^ 
Ttda  Lncan.  IV  508  (v.  1.  Ws')- 

Dist.  9,  2  ^servitioque  dolus  patrio  dileetus  amare\ 


1 


704  Btodien  xor  chrittlich-latein.  Inschriftenpoesie.  Von  O.  ireyma«. 

Der  Hexameterscblaß  'düectus  amare   nach  Yerg.  Aen.  I  844. 

Dist.  12,  1  ^offeti  progeniem  sanetis  aliaribus  Häbran. 
'tanctis  dUaribuB    an   gleicher  YersBtelle  Alcim.  Atü.  V  461;  YI 
68  und  89 ;  Tgl.  Gjpn  Gen.  582  ^omnia  dispmit  saerisque  altarünu 
apiat*   und  Dreves,   Hymnol.  Sind,  zn  Yen.  Fort.  n.  Bab.  Hnr., 
S.  106. 

Dist.  16,  2  'laaias  vatea,  sociana  armerUa  U<mi\ 
Vgl.  Yerg.  eelog.  lY   22  ^nee  magnoa  metuewt  armenta  kima; 
Hör.  epod.  XYI  33  "^eredüla  nee  navos  timearU  armenta  Uoma, 

Dist.  17,  1  "^hic  est  Hieremias  sacratua  matris  in  aho*. 
^matfie  in  aivd"  als  Hexameterschloß  auch  Panlin.  Nol.  earm.  XXm 
298.   Vgl.  zu  earm.  epigr.  709,  8  t  (Bl&tter  f.  d.  [bajer.]  Qym- 
nasialschalw.  XXXI  [1895],  S.  550). 

Dist.  18,  2  ^raptus  in  aetheriam  meritis  caeUetüme  aulam\ 
Vgl.  Gypr.  Qen.  961  W  deua  aetheriae  regnator  maximue  atdai; 
Nnm.  108  ^eandidus  aetheria  nobia  benedieat  ab  aula\ 

An  dichterischem  Werte  stehen  die  Disticha,  was  übrigeos 
in  der  Nator  der  Sache,  d.  h.  in  der  Gebnndenheit  des  ganies 
yivog  der  tUuli  begründet  ist,  hinter  den  sonstigen  Dichtangso 
des  Ambrosins  ebenso  znrfick,  wie  das  Dittochaion  des  Pradentiu 
hinter  dessen  übrigen  Werken.  Aber  sie  sind  ^per  Viconografia  e 
pel  aimboliamo  eriatiano  aaaai  importanü'  (G.  B.  de  Bossi,  BnUit 
di  archeol.  eriat.  8.  Y,  Anno  in  [1892],  p.  154),  und  es  w&n 
dringend  zn  wflnschen,  daß  sich  yor  der  Inangriffnahme  der  neuen, 
för  den  achten  Band  des  Wiener  Ambrosins  in  Aussicht  genommenen 
Ausgabe  (vgl.  G.  Schenkl  in  der  praef.  zn  vol.  I,  p.  XIX,  adn.  2) 
eine  ältere  Handschrift  des  Werkchens  fände. 


IL  Znm  Papsteloginm  des  codex  Corbeienaia, 

Es  ist  nur  eine  Kleinigkeit,  die  ich  zur  Dentnng  des  riel- 
besprochenen  Papsteloginms  des  codex  Corbeienaia  {earm.  epigr. 
Nr.  787,  I,  p.  378;  Literatur  bei  Schanz,  Gesch.  d.  rOm.  Lit  IV 
1,  S.  197;  beste  Übersicht  über  den  Gang  der  KontroTerse  bei 
F.  X.  Funk,  Eirchengeschichtl.  Abhandl.  und  Untersnch.  I  [Pader- 
born 1897],  S.  891  ff.)  beistenem  kann.  Aber  der  Umstand,  dafi 
gerade  die  beiden  Yerse,  von  denen  ich  sprechen  möchte,  fär  die 
Beurteilung  des  ganzen  Gedichtes  Ton  entscheidender  Wichtigkeit 
sind,  mag  die  Mitteilung  rechtfertigen.  Es  handelt  sich  um  t.  41  f., 
die  nach  der  Überlieferung  lauten: 

en  tibi  diacrimen  vehemena  non  aufficit  annum, 
inauper  ezilio  decedia  martyr  ad  aatra. 

Hier  wird  deutlich  gesagt,  daß  der  Papst,  dem  das  Bloginm  gilt, 
nachdem  er  ein  ^diacrimen  vehemena^  (Mißhandlung  und  WegreiAong 
Ton  seiner  Kirche  nach  y.  87  ff.)  bestanden,  obendrein  in  der  Yer- 
bannung  als  M&rtyrer  gestorben  sei.   Damit  ist  die  Ton  De  Betsi 


Studien  nur  «hcwtiieh-UiiiB.  IiMkiiftMpMtt«.  Von  C.  We^tnam.  79(i 

vd  Yon  ainer  Baihe  and^mr  Fortehtr  >)  T«rtr»tase  Ansiekl»  daft  daa 
Gedicht  eich  lof  im  Papst  Liberiot  (852«-866)  btziahe,   nicht 
rereifltor.    Dtnn  Llbcrios  ist  ^  weder  im  Exil  noch  all  Mirtyrer' 
^Mtorbeo  (Fnnk  a.  a.  O.  8.  896).    Mao  bat  daher  daa  Mar^am 
in  der  Verbaonimg  dnieb  Terscbiedene  «zegetieobe  nnd  kritiaobe 
Manipalationen  an  beeeitigen  gesucht  De  Bosai  operierte  in  aeinem 
ersten  Anfsatze  mit  einer  Konstruktion,    deren  Oewagtbeit  ihn 
selbst  nicht  entgehen  konnte  {m  t.  d.  v.,  fian  »ufficU  annwn  in- 
mper  txiUo  =  non  nrffieU  mauper  asmum  [im  LanSs  dee  Jahieel] 
eandem  esss)  nnd  mit  der  Annahme  einer  Lücke  hinter  deekU9^  Btar 
Jetztere  fehlt»  wie  schon  Fnnk  S.  896  her?orfaebt,  jedes  Anzeichen, 
•ritorer  wird  —   ?on  allen  anderen  Erwignngen  abgesehen  -* 
schon  dadurch  der  Boden  entzogen,  daß  ^mnnum*  dem  eebon  ?ob 
Fnnk  and  spftter  Ton  Bnecheler  ?ennnteten  ^tmum*  weichen  maß. 
Dean  1.  Y  d.  v.  non  9uffieU  amnum*  kann  m.  £•  nieht  bedeuten, 
was  Funk  für  möglich  hUt,   *ein  großer,  ein  Jahr  anhaltender 
Kampf  genfigt  dir  nicht'.     2.  Eret  wenn  ^unum*  geleeea  wird, 
kommt  die  dnrch  Untnp&r*  eingeffihrte  Steigerung  in  t.  42  (? gl. 
aoeh  ▼.  88)  zu  ?oller  Wiikung.    8.  ^mfficif^  bieweilen  aneh  *fMn 
mffieU\   tritt  aehr  gen  mit  einem  Kasus  tou  ^tmiis*  im  Heia- 
metereehlnß  zusammen,  ein  zwar  keineswega  ansschlaggebender, 
aber  angeeiehts  der  Tatsache,  daß  der  Dichter  dee  Eloginma  ge- 
rade in  den  Hexameterausgingen  eine  Beihe  tralatiziacher  Yerbia- 
duDgen    Terwendet   (ygl.  Bl&tter  f.  d.   [bayer.]  Gymnasialschulw. 
ZXXI  [1895],  &  552  f.)»  nicht  ganz  belanglosee  Moment    Ich 
habe  mir  folgende  Stellen  notiert:  Iu?enal  UV  140  f. 

'efyo  pamUwr 
{MÜera  väla  tibi,  cum  ru$  non  antffißU  umm. 
Aleim.  A?it.  III  87  ^mOurak  tibi  t§gmon  non  su/fieU  unum. 
Yanani  Fort.  XI  9,  7  ^poriUor  ad  taniaa  minns  non  Btrf- 

ficU  imm\ 
OTid.  Met.  Yni  888  ^quodquo  atäis  poUrat  pt^Mtlo  (esm), 

non  oufficü  uni\ 
AIcuD.  ATit.  n  378  f.  'cur  um»  non  ouffieU  umm 

aubeuhuiase  dolo\ 
Proaper  De  ingrat.  765  (Migne  LI  184  A) 

*nam  meritum  ad  mortem  subeundam  Bufßcit  unum\ 
ApoU.  Sidon.  Carm.  VII  568  f.       ^       ^quod  sufficit  unum, 

es  merüis  divea. 
Bada  Hymn.  n  (Migne  XCIV  615  B) 

^pkirima  sunt  exempia  quidem,  aed  aufßeU  imtim*. 
SU.  ItaL  I  86  'dnx  agmina  eufßeit  (d.  h.  mafpedäal)  unm\ 
Itoriial  V  52,  5  ^a^fßeU  unue*  (huie  operi). 
Y«nant.  Fort.  TI  1,  78  ^pro  ambobm  sufßeU  umm\ 


>)  Zoletst  vea  F.  Safio,  La  OMltä  eattol,  LIX  (1906),  Tel.  8, 
}.  148  IT 

Z«i«Mhrift  f.  4.  tetwT.  Ojmn.  IMS.  YIU.  u.  IX.  Htft  45 


706  Ein  altes  EoUegienheft.  Von  A.  Huemer. 

Seren.  Samm.  808  (Bährens,  Poet.  lai.  min.  m,  p.  121) 
^sed  eoclear  trinum  guatu  tibi  suffieit  und. 

Diese  Stellen  bilden  in  ihrer  Gesamtheit  zugleich  ein  PrSjndit 
gegen  die  Art  and  Weise,  wie  der  yon  De  Bossi  in  seiner  zweiten 
Abhandlung  beifällig  zitierte  Ginti  die  oben  angeffihrten  Verse  der 
Liberinshypothese  dienstbar  machen  will  (Tgl.  Fnnk  8.  414  f.). 
Ointi  nimmt  zwar  die  Emendation  Ton  ^annunC  zn  ^unu»C  ao, 
interpnngiert  aber  nach  *'v€hemen8*f  nicht  nach  *unum^  ändert 
^exüio  in  'exUium*  und  setzt  dahinter  abermals  eine  Interpnnktion. 
Die  Stelle  wflrde  dann  besagen:  *  Siehe,  du  hast  einen  heftigen 
Kampf,  es  genflgt  fiberdies  nicht  ein  Exil,  dn  erhebst  dich  als 
Märtyrer  (bezw.  als  Bekenner,  was  matiyr  auch  bedeuten  kann)  n 
den  Gestirnen*.  Sie  würde  also  auf  eine  zweite  Verbannung  des 
in  der  Inschrift  gefeierten  Papstes  hinweisen  und  da  nun  der 
Kirchenhistoriker  Sozomenos  tatsächlich  von  einem  zweiten  Exil 
des  Liberius  zu  berichten  weiß,  so  scheint  der  Beziehung  dsi 
Elogiums  auf  diesen  Papst  keine  ernstliche  Schwierigkeit  mehr  im 
Wege  zu  stehen.  Aber  Cintis  Interpunktion  und  (eigene)  Emendation 
ist  mit  Funk  unbedingt  abzulehnen  und  zu  den  Ton  dem  trefflieben 
Tübinger  Forscher  geltend  gemachten  Gründen  (geringe  Zurer- 
lässigkeit  der  Nachricht  bei  Sozomenos,  Mangel  jedes  Verdaebts- 
momentes  gegen  "^exüio^  Verschlechterung  tou  Sinn  und  Stil  durch 
Aufnahme  der  genannten  Korrekturen)  gesellt  sieh  noch  ein  wei^ 
terer,  den  die  obige  Zusammenstellung  an  die  Hand  gibt.  An  den 
sämtlichen  Stellen,  an  denen  ^unus  adjektivisch  gebraucht  ist, 
bezieht  es  sich  auf  ein  im  nämlichen,  nicht  auf  ein  erst  im  fol- 
genden  Verse  stehendes  Substantiv.  —  Der  letzte  Vers  des  Elogiums 
^qui  8umu8  hocque  tuum  meritum  Jidetnque  secuii*  berührt  sich, 
wie  schon  M.  Ihm  gesehen  hat,  sehr  nahe  mit  dem  vierten  Verse 
des  Damasusepigrammes  auf  Felicissimus  und  Agapitns  (28  Dun) 
*reetaris  aaneti  meritumque  fidemque  secuii*.  Von  dem  Augenblick 
an,  da  Liberius  nicht  mehr  als  der  Held  des  Elogiums  in  Betracht 
kommt,  besteht  kein  Hindernis,  in  dem  Verfasser  des  Elogioms 
einen  Nachahmer  des  *  Dichters  der  Eüatakomben'  zu  erblicken. 

München.  Carl  Wejman. 


Ein  altes  EoUegienheft. 

Wollen  wir  einen  klaren  Einblick  in  die  Unterrichtsmethode 
vergangener  Zeiten  gewinnen,  so  muß  sich  die  Forschung  Tir 
allem  dem  Studium  der  Unterrichtsordnungen,  den  „InstraktieBSD* 
unserer  Vorfahren,  nicht  minder  aber  auch  der  Gheschiehte  dss 
Lehrbuches  zuwenden,  eine  Aufgabe ,  der  sich  ja  in  neuerer  Zot 
große  Verbände  von  Gelehrten  in  äußerst  dankbarer  Weise  zuge- 
wendet  haben.    Voll  und   ganz   freilich    kOnnen  wir  mit 


Bin  altes  KoUegienheft.  Von  JL  Humif.  707 

Mitteln  die  Methodik  jener  Zeiten  vor  unserem  geistigen  Ange  nicht 
wieder  aufleben  lassen«  da  doch  der  wichtigste  Faktor  des  Unter- 
riebliSy  die  Persönlichkeit  des  Lehrers,  in  diesem  Bilde  fehlt. 
HItte  d«ch  auch  heute  unsere  DnterrichtsbehOrde  alle  diese  Behelfe 
in  ihrer  Hand  und  sieht  sich  trotzdem  genötigt,  bis  in  die  letzte 
Dorfschule  hinaus  die  Organe  der  Eontrolle  zu  schicken,  und  läßt 
es  sich  nicht  verdrießen,  die  l&ngsten  Berichte  zum  Gegeostande 
ihres  Studiums  zu  machen,  um  sich  Aber  die  Art  der  Erteilung 
des  Unterrichtes  zu  unterrichten,  sie,  die  selbst  das  Unterrichts- 
bild entworfen  hat. 

Wir  kOnnen  nun  allerdings  den  Lehrern  vergangener  Tage 
nicht  billig  eine  Auferstehung  za  einer  Inspektion  zumuten,  damit 
sie  unsere  Wißbegierde  befriedigen ,  wir  kOnnen  aber  doch  dem 
einen  und  andern  Magister  ziemlich  g«t  in  die  Karte  sehen,  wenn 
wir  seine  Aufzeichnungen  ffir  den  Unterrieht  oder  gar  eine  „Mit- 
schrifk**  eines^  seiner  Schüler  entdecken.  Derartige  Schriften  geben 
den  Schulordnungen  erst  das  Leben  und  sind  daher,  so  unscheinbar 
sie  an  sich  sind,  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung.  Im 
Folgenden  sei  auf  ein  Stflck  dieser  Art  aufmerksam  gemacht. 

Der  Kodex  Nr.  81  der  Bibliothek  des  Stiftes  Kremsmflnster, 
ein  Sammelband  von  Handschriften  aus  dem  XII.,  XIH.  und  XIY. 
Jahrhundert,  bewahrt  uns  Fol.  125  —  156  das  Kollegienheft  eines 
Schdiers  auf,  das  den  Schriftcharakter  des  ausgehenden  XIY,  Jahr* 
hunderts  an  sieh  trägt  und  auch  nicht  später  geschrieben  sein 
kann,  da  der  Kodex  bereits  im  Jahre  1440  in  seiner  jetzigen 
Qestalt  Ton  einem  gewissen  Johannes  Seid  de  Lewbs  mit  mehreren 
anderen  Handschriften  dem  Stifte  Abergeben  wurde. 

Der  behandelten  Materie  nach    zerftllt   die   Schrift   in   drei 
Teile.    Es  war  Gegenstand  des  Unterrichtes:  1.  di^  Praeeepta  vitae 
und  die  vier  Bücher  der  Disticha  CaUmis,  Fol.  125  a— 187  b;  2.  ein 
liber  metrieuade  maribus  viriuium,  Fol.  188  a — 148  a^);  S.  einige 
Hexameter  grammatischen  Inhalts,  Fol.  148  b — 152  a.  Di%  praeeepta 
et  diMeha  Catanis  wurden  im  Mittelalter  regelmäßig  dem  Unter- 
richte zngrunde  gelegt  *)  und  auch  frühzeitig  ins  Deutsche  über- 
tragen').    Die  Sprüche  haben  eine  monotheistisch-humanitäre  Bich- 
tüDg    ohne    spezifisch    christliche   Färbung,    manche    sogar    eine 
gut  heidnische  und  auch  die  Abhandlung  von  sartes  und  von  blu- 
tigren   Opfern  ist  frei  von  christlicher   Begründung.     Alles   fährt 
daranf ,     daß  die  Sammlung  noch  aus  guter  Zeit  stammt^).    „Der 
Name  ,Cato*  soll  die  Sprüche  nur  als  weise  bezeichnend^). 


^)  In  der  Handschrift  tragen  die  Traktate  keine  eigenen  Übersehriften. 
*)  Vgl.  Müller  JohaDDei,    Qaelieniehriften    und    Geschichte    des 
deatechepraclüichen  Unterriehtei,  S.  213  ff. 

•)  Vgl.  Zameke,  Der  deuteche  Gato.  Leipzig  1852. 
«)  Teaffel,  Geschichte  der  römischen  Literatur.  898,  1. 
•)  Teoffel,  ebenda. 

45* 


tos  Bin  altM  KoH^eiiMI.  Von  A,  Huemer. 

Die  ElBleitung  znin  zweiten  Teile  lautet: 
Cum  niehil  utilius  humano  (sie!)  erede  (eicl)  saluti 
Quam  marum  novtsse  modos  et  morihus  uti 
Suppleho  pro  po8$e  meo  monitum  ratümis 
Quod  minus  exsequitur  morosi  äogma  Kathonis. 
Der  Verfasser  sagt  also  hier  aasdrflel[Iicb ,   daß  er  die  ditlida 
Caionia  ergänzen  wolle   and    seine  Arbeit  scheint  b&nfig  im  Zu- 
sammenhange   mit  Catos  Sittensprflcben    gelesen   worden  xa  sein. 
Unser  Kodex  enthält  Fol.  86  a — 44  a  einen  sehr  anaffibrliehen  Eon- 
mentar  zn  dem  Werke,   in  dem  es  heißt:    Causa  effieiens  et^,  vt 
quidam  dieunt,  religiosus  exisiens  lector  ordinis  Ciaercmsk  lo- 
hannis  nominis.    Näheres    ist  mir  Aber  den  Verf.   nicht  belLinot 
Das  Werk  selbst  beginnt: 

Cum  niehil  absgus  Deo  sit  proficui  vel  honoris 
ünum  regnum  Dei  tu  quaeras  omnihus  horis. 
Die  grammatischen  Verse  geben  seltenere  lateinische  Wörttr, 
insbesondere  griechische  Lehnwörter  wieder.     Die  Arbeit  scheifit 
unvollständig  zu  sein.    Anfangs-  und  Schlußrers  lanten: 
Cespitoit  in  phaleris  yppus  blaeiaque  supinis 
Lanx  platuram  tibi  eanstat  mu$tera  plura. 
Ans  der  Verschiedeiiheit  der  Tinte,    ans  der  größeres  ui 
geriagaren  Sorgfältigkeit  der  Schrift,  endlich  auch  ans  der  SWi 
an  der  die  Olossen  eingefftgt  sind,  können  wir  nnn  den  Oaog  du 
Unterrichtes  verfolgeD,    rieifaoh  sogar  Schlfisse  ziehen,   wie  ^ 
Unterriefat  erteilt  wnrde. 

Der  Scböler  hat  zunächst  den  Text,  der  behandelt  warfc 
außerhalb  der  Schule  sorgfältig  vorgeschrieben.  Die  erste  Hilft« 
des  Textes  ist  in  tiefschwarzer  Tinte  geschrieben,  währsud  die 
Bemerkungen  der  Schule  ziemlich  blaß  zn  Papier  gebracht  saA, 
ja  man  sieht,  daß  der  Schiller  die  blaße  Tinte  der  Schule  tiil* 
weise  durch  Nachfahren  mit  besserer  Tinte  aufgefrischt  hat  V« 
Fol.  188  an  ändert  sich  das  Verhältnis  fast  ins  Umgekehrte.  B« 
Cato  stimmt  der  Text  fast  durchwegs  mit  dem  der  Aaspb«i 
welche  Srasmus  von  Botterdam  1516  veranstaltet  hat^),  ov  dit 
praeeepta  weichen  in  der  Beihenfolge  mehrfach  von  der  des  Druck« 
ab ;  durch  ein  Versehen  unseres  Schreibers  erscheint  Verszeile  6—^ 
des  4.  Buches  als  Vers  17—19  des  8.  Buches.  Abweichende  hm- 
arten  sind  nicht  selten.  Die  böse  Zahl  18  hat  der  Schreiber  ni^ 
gefürchtet;  er  stellt  auf  jede  Seite  18  Verszeilen  in  eioMi  g^** 
seitigen  Abstände  von  18 — 14  mm.  Die  Initialen  der  einz^« 
Bücher  sind  20—80  mm  hoch  und  reich  in  Bot,  Gelb  und  6Hs 
ausgeführt ;  der  erste  Buchstabe  der  Verszeile  hat  ein  BubruA. 


M  Catonis  praeeepta  moralia  reeognita  atpte  interpretais  ^ 
Erasmo  Boterodamo  Argentorati  apud  Sehurenum;  Hautbai  Ferd. 
Catonis  phHosophi  Über,  'Berolini  1870  war  mir  leider  nicht  ngii^ 


Bin  «Itü  KoUigiealMft  Von  A.  Hu4mer.  709 

In  der  Sebnle  wurde  vor  allem  eioe  geaane  Satxanglyie  vor- 
gMommen  lund  die  einzelnen  Satzteile  naoh  ihrer  Wichtigkeit  für 
ifie  Obertettnng  mit  arabischeo  Ziffern  aammeriert  So  ist  bei*- 
spieliweioo  der  eiete  Satz  dar  Einleitung  in  folgender  Weise  zerlegt; 

II  2  2  2  4  8 

Cum  animadveriermn ,    quam  phtrimos  h&mines  grapüer  errar^ 

5        6  222  884 

Ml  via  marum,  sueeurrendum  et  eenatä^ndum  eorum  opinioni  fare 

1  6         7         8  7       10       10  9 

müimavi,  maxime  ut  ghriose  vivereni  ei  honorem  eoniingerent. 

In  ganz  einfachen  Sätzen  entfällt  wohl  erst  gegen  Schlnß  die 
Nnmmeriemng,  wiederholt  eich  aber  gewieeenhaft  im  erweiterten 
Satzgefflge. 

Es  wnrde  nnn    die  deutsche  Übersetzung    der  analysierten 
Partie  gegeben,  die  eich  der  Hörer  im  ganzen  ersten  Teile  und  in 
der  Einleitung    zum  zweiten  Teile    über   den    einzelnen  Wörtern 
notiert  bat;   Ton  Fol.  188a  Mitte  bis  zum  Soblusse  fehlt  sie  voll« 
sündig.   Diese  Übersetzung  scheint  nicht  diktiert  worden  zu  sein, 
da  die  Schrift  große  Fldchtigkeit  zeigt  und  Aber  einzelnen  Wörtern 
oft   mehrere   deutsehe  Ausdrucke   wiedergegeben    sind.     Vertikale 
Striche  zeigen  die  Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  Wörter  an. 
Die  Wiedergabe    des  lateinischen  Textes    ist    geläufig    und    gut 
deutsch.    Als  Probe  setze  ich  den  oben  zitierten  Satz  der  Einlei- 
tung bieber:    "Als  ich  mir  gedacht  hau   in  mein  mAt,   wenn   gar 
Til  lavt  Bw&rleich  ir  giengen  an  dem  weg  der  siten  ze  hilfe  ohomen 
un   ze   rat  chomen  ir  wanung  weaen  ich  hau   gedacht^  oder    ich 
waot  aller  meist  ef-berleich  lebent  ynd  di  er  pegreyffent*. 

Eine  knapp  gehaltene  lateinische  Worterklärung  sollte  dann 
daß  Varaiftndnis  des  litteralen  Sinnes  Termitteln.  Auf  den  ereten 
Bl&üern  hat  sich  der  Schaler  zahlreiche  Notizen  Aber  dieselbe 
swiacbaa  den  Zeilen  gemacht»  bald  jedoch  werden  diese  Glossen 
aaltaner.  Die  Schrift  zeigt  große  Hast  und  Eile.  Im  gramma- 
tischen  Teile,  in  dem,  wie  oben  bemerkt  wurde,  sowohl  die  deutsche 
Oberaeixiuigt  wie  jede  andere  Bemerkung  fehlt,  ist  diese  lateinische 
Interpretation  fast  vollständig  zu  Papier  gebracht  So  lautet  der 
»rate  Vera: 


•.  tituhat 
i.  cadit 
Cespitat 


i,  inpukkrit  j  i  tqwiu  j  nMU  j  pro  et  \  i.  euperlnie 


ornameHtie    |  j  veeU 

in  phaleris  j  yppus    \  hlacta  \  que     \  eupinis; 

a  Vers    1  f.  der  Disticha 

Si  Deus  est  animue,  nolne  itt  carmina  dicunt, 
Hie  tibi  praecipue  eit  pura  menie  coUndus 

ag^gen    haben   wir  nur   zu  uti   die  Bemerkung:   pro  Bieut^   zu 
irfrsffta:    t.  eeripiura,   zu  hie:  Deus  und   zu  colendus:  t.  vene* 


710  Ein  altei  Kollegienheft  Von  A.  Hu$mer, 

Wie  diese  ADmerknngen  dem  Yerat&ndDiBse  des  Wortlaotas 
gelten,  so  Heß  man  beim  Unterrichte  anch  die  Vertiefoog  des 
Qedankens  nicht  ans  dem  Attge.  Der  2— Sem  breite  Band  rechts 
nnd  linka  vom  Texte,  teilweiee  auch  der  nntere  Band  des  Blattes 
nnd  die  paar  freien  Millimeter  zwischen  den  Zeilen  sind  TomSebreibsr 
geizig  fflr  die  Niederschrift  der  Bemerkungen  ausgenützt,  die  diesem 
Zwecke  dienen.  Namentlich  haben  die  Praecepia  Catonis  eine  reiche 
Exegese  gefanden.  Der  Mangel  an  Banm  und,  wie  die  Schrift  hier 
besonders  es  zeigt,  der  Mangel  an  Zeit,  nötigten  den  Schreiber  uhl- 
reiche  Kürzungen  zu  machen  und  Ligaturen  anzuwenden.  Mit 
flüchtigen  Strichen  hat  er  das  Zusammengehörige  umrahmt  und 
ein  kurzes  Schlagwort  an  der  Spitze  zeigt,  wohin  die  Olosse  n 
beziehen  sei.  Daß  dadurch  die  Leserlichkeit  des  Textes  viel  zq 
wünschen  übrig  läßt,  ja  daß  sie  hie  und  da  geradezu  unmöglich 
wird,  ist  aus  dem  Gesagten  klar. 

Dw  Magister  ordnete  seine  Erklärung  so,  daß  er  seinen 
eigenen  Worten  meist  ein  Zitat  anfügt.  Die  Zitate  selbst  siod 
ungenau  und  oft  vermißt  man  die  Angabe  der  Quelle.  Dichter* 
Worte  werden  meist  mit  den  Worten:  undepoeta  oder  unde  verm 
eingeführt.  Bei  der  hl.  Schrift  ist  meist  das  Buch  angegeben,  au 
dem  der  Spruch  genommen  ist.  Außer  der  Bibel  werden  noch 
namentlich  angeführt:  Augustinus,  Gregorius,  Isidoms,  Senect, 
Boethius  und  Statins.  Das  Zitat  wird  sehr  häufig  nur  mit  den 
Anfangsworten  zu  Papier  gebracht.  Einige  Beispiele  mOgen  das 
Vorgehen  des  Lehrers  erläutern. 

Zum  ersten  Praeceptum  Catonis,  ^Itaque  deo  aupplica,  pa- 
rentea  ama*  vermerkt  der  Schüler  am  Bande  links :  Itaque  dto  sitp. 
0  fili  carissime,  tu  primutn  et  ante  alia  debes  deo  supplicare  et  per 
(sie!)  preees  eupplicee  ipai  deo  fundere  et  hoc  coneordat  cum  Inmo. 
Zwischen  den  Zeilen  und  am  Bande  rechts  ist  eingefügt:  Petru$ 
(sicl)  inquit  in  eanonicä  sua:  Ipee  est,  qui  omnibus  affluetäer 
dat  et  nuUi  imperat  (sic!)^).  Bonus  invoeantibus  est  pater  eym^Y 
Salvator:  Sine  me  nihil  potestis  faeere^).  Parentes  ama  dicü\ 
Debemus  amare  parentes  ipsis  obediendo  non  reeaieitrando  H 
ipsos  ad  iram  et  lacrimas  provoeando.  Ein  angefügtes  Zeich« 
gibt  Aufschluß,  daß  die  Fortsetzung  der  Glosse  am  Bande  ünb 
zu  suchen  sei.  Dort  heißt  es:  Honora  patrem  et  matrem^).  Qui 
dixerit  patri  et  matri  raeh,  morte  morietur^). 


')  lacobas  15:  8i  quis  autem  vestrum  indiget  sapientici,  poitM 
a  Deo,  qui  dat  omnibus  affluenter,  et  nou  improperat, 

*)  Ps.  144,  18:  Prope  est  dominus  omnibus  invoeantibus  eum: 
Omnibus  invoeantibus  eum  in  veritate. 

")  loh.  15,  5. 

«)  Exod.  20,  12. 

*)  Math.  5,  22:  Qui  autem  dixerit  frairi  siu>  raca,  reus  eni 
eoncilio. 


Ein  altes  KoUegionheft  Von  A.  Huemer.  71 1 

Der  Kommentar  der  Dietieha  ist,  wie  es  ja  die  Natnr  der 
Sache  mit  sieb  bringt,  weniger  omfangreicb.  Die  ersten  zwOlf 
Terse  des  ersten  Bnches^)  sind,  wie  folgt,  erklärt:  Plus  vigila 
dieit:  Tu  debts  plus  vigüars  et  labarare  quam  dormire  €t  quam 
(diare,  quia  dieit:  Oiia  dant  vUia  sua. 

Virtutem  primam  dieit:  Tu  debes  empeseere  et  refre- 
nare  linquam  tuam,  quia  maxima  virtua  est,  ui  homo  sciat  com- 
peeeere  linquam  quia  qui  hoe  eeit,  ipee  est  amicus  dei  et  ergo 
homo  debet  refrenare  linquam  euam^);  quia  dieit:  pars  una  lin- 
quam euam  nan  dirigere;  Salamo  dieü:  Qui  moderatur  labia 
ma*)  et  alibi:  Si  eupiae  pacem.  Salomo:  In  multiloquio  nan  deerit 
peceatum^)  et  Seneea  dieit:  Qui  neseit  taeere,  neseit  laqui. 

Sperne  repugnando.  Tu  debes  non  esse  contrarius  tibi 
ipsi,  qui  hoc  facit,  cum  nuüo  polest  coneordare  et  ergo  mmtm 
debet  sibi  ipsi  iniuriari  quia  dieüur:  qui  sibi  ipsi  «mm  pardt, 
mihi  vü  tibi  quomodo  pareet, 

8i  vitam  dieit.  Tu  nuUum  debes  arguere  pro  peecato 
cum  tu  ipse  sis  mnrmiatms  eodem  crimine  quia  postea  dieit:  Turpe 
est  äoeimri*),  pcrro  Tsodorus  (sie!)  dieit:  Qui  arguit  de  crimine 
purus  debet  esse  a  peecato,  sed  nos  omnes  sumus  maeulati  homines 
adeo  nullum  debemus  arguere. 

Quae  noeitura  dieit:  Tu  debes  relinquere  et  removere 
a  te  illa;  posaunt  tibi  noeere  quamvis  tibi  sint  muUum  dileeta, 
quia  homo  plus  debet  düigere  animam  quam  dipiiias  et  honores, 
quia  seriptura  dieit:  Facilius  est  camelum  per  foramen  aeus 
transire  quam  divitem  intrare  in  regnum  iM*). 

Hie  nnd  da  ersehen  wir  ans  den  Notizen  des  Schreibers 
ganz  dentlieb ,  daß  er  nicht  alle  Worte  des  Lehren  nachgeschrieben 


1)  Sie  lauten: 

Si  deus  est  animus,  nobis  ut  carmina  dicuntp 

Hie  tibi  praeeipue  sit  pura  mente  colendus. 

Plus  vigua  semper^  nee  somno  deditus  esto; 

Nam  diutuma  gutes  vitiis  Mmenta  miniatrat. 

Virtutem  primam  esse  puta  compescere  linguam: 

Proximus  iUe  deOt  qui  seit  ratione  tacere. 

Sperne  repugnando  tibi  tu  contrarius  esse: 

Cimveniet  nulli  qui  secum  dissidet  ipse. 

Si  vitam  inspicias  hominum,  si  denique  mores^ 

Cum  eulpent  oitos»  nemo  sine  crimine  tfivit. 

Quae  noeitura  tenes,  quamvis  sint  cara  relinque; 

Ütüitas  opibtu  praeponi  tempore  debet. 
*>  Vgl  lac.  1,  26:  Si  quis  autem  putat,  se  religiosum  esse  non 
refrenans  linquam  suam,  sed  seducens  cor  suum^    huius  vema  est 
religio. 

*)  Proferb.  10,  19:  qui  autem  moderatur  labia  sua,  prudentis- 
simuB  est. 

*)  Proferb.  10,  19. 

*)  Lib.  1,  60:  Turpe  est  doctori  cum  culpa  redarguit  ipsum. 

*)  Math.  19,  24:  Quam  divitem  intrare  in  regnum  caehrum. 


713  Kto  altM  EoUagieohtlt  Von  A.  Buemer, 

bat  Wran  beispi^wwse  zbb  prieeeptom:  ^a/«fti  /s^mA»-  dqt 
Ltm.  10,  4:  n^ifitfM«»  jmt  viam  BtthUaverüiB  notiwt  wird,  so 
kann  der  Lehrer  diese  Wtrt»  Dicht  eisfach  DebeoeiniDdergeetiDt 
haben,  er  miiß  eine  Biher»  Brklänmg  gegeben  haben. 

Doch  ich  glanbe,  mit  dem  Angefttbrten  ea  ?iel  gegeben  n 
haben,  daA  ein  Einblick  in  die  ünterriehtemetbede  m^lioh  iei 

Wir  bewnndem  es  mit  Beeht,  wenn  in  einem  Entwürfe  sn 
einer  Schnlordnnag  des  XVI.  Jahrbnnderts  bes&glich  des  mtduu 
doomäi  gefordert  wird,  „daß  bei  der  Briinterang  der  gruana- 
tischen,  diaiektiecbea  nnd  rhetorischen  Begeln  nichts,  bei  der 
Schriltstellerlektfire  nnr  wenig  diktiert  werden  soU''^),  md  w«ui 
in  derselben  Scbnlordnang  Hock  weiter  folgende  Prinzipien  saf- 
geetelU  werden  >):  ^Bei  der  Scbriftstellerlektdre  soU  der  Knabe 
xnerst  data  et  disHncia  voce  lesen,  beaw.  die  Verse  skandieien. 
Daran!  erU&rt  der  Prizeptot  Wort  fAr  Wert  nnd  gibt  den  er- 
klärten Text  in  angemessenem,  gewandtem  nnd  gutem  Dentsch 
wieder.  Sodsnn  hat  er  auf  Konsirnktion,  Bedewendnngen  nnd 
Figuren  anfinerksam  zn  machsn  und  dis  Wege  zur  praktiseken 
Anwendung,  znr  Imitation  zt  wslsen**.  Wir  werden  dem  zu- 
stimmen, wenn  der  Bearbeiter  der  Schulordnung  sagt:  „Mit 
leichten  Strichen  hat  Siber*)  hier  treffliche  Bichtlinien  fiir  die 
Lehrweise  hingeworfen"').  Es  wird*  aber  sichsrlich  unsere  Bewun- 
derung noch  mehr  erregen,  wenn  wir  sehen,  daß  bereits  zwei 
Jahrhunderte  firfiher  fest  die  gleiche  Methode  an  einer  Schule 
praktisch  geibt  wurde,  und  wir  werden  dem  Lehrer,  der  den  Unter- 
richt so  praktisch  erteilt  kat,  gewiß  unsere  Anerkennung  nicht 
yeisagen. 

EremsmfiDster.  Dr.  Adalbero  Huemer. 


^)  Ludwig  Frank,  Die  Entstehung  der  knrsachiigchen  Schulerdnuif 
?on  1580,  Berlin  1907,  S.  69. 
*)  Ebenda  &  69  f. 
*)  Der  Verf.  des  Entwurfes. 
«)  L.  Frsnk,  8.  60. 


Zweite  Abteilnng. 

Literarische  Anzeigen. 


Bede  anf  Hermann  Usener  von  E.  Schwtrtx,  gehtlten  in  der 
effentlieben  SitsaDS  der  kg).  OMelliehftft  der  WitfleDtebaften  in 
GötÜDgeB  tan  5.  Hai  1906.  Abdruck  au  den  getcbiftlieban  Mit* 
ttilnngon  1906,  Heft  1.  Berlin,  Weidmanniehe  fiaebbandlang  1906. 
14  S8.  80.  Preis  40  Pf. 

Torträge  and  Aufsätze  von  Hermann  üsener.  Leipxig  and  Ber- 
lin, Drack  und  Verlag  Ton  B.  O.  Teabner  1907.  V  nnd  259  SS.  8». 
Preis  6  Mk. 

Belebe  Ernte  bat  In  den  letzten  Jabren  der  Tod  nnter  den 

Memtem  der  Altertnmaferaebnng  gebalten;    leb   nenne  nur  Benn- 

dorl.  Blase,  Bmns,  Bfleheler,    Chriit,    Dittenberger,   Fnrtwangler, 

Bartels   Kaibel,  EObler,  Mommsenf  Wacbamntb.    Mommsen  allein 

Ton  ifaaan  durfte  bis  an  eine  äußerste  Qrente  meneeblicber  Lebens- 

daner   schaffen  nnd   wirken;    Usener  starb  zwei  Tage  vor  Voll- 

endnng  des  71.  Lebensjahres,    beransgerissen  mitten  ans  fmebt- 

barster  Tätigkeit.  Sehwartz  bat  ihm  einen  Nachnf  gewidmet,  der 

diB  Schwere  des  Yerlnstes  auch  Femerstebenden  znm  Bewußtsein 

bringt-     Br  ffthrt  mit  eindringlieber  Beredsamkeit  nnd   ehrlicher 

Beirandening  Useners  Entwieklnngsgaog,   du  weite  Gebiet  seiner 

wissensehaftlieben  Intereesen  nnd  Arbeiten,  die  Fälle  der  von  ihm 

aoagegaDgenen   Anregungen  tot  Augen.    Die  warme  Schilderung 

gewinnt  inneres  Leben,    wenn  man  daneben  das  weisbeitsachwere, 

dnreh    konzentrierten  Forseberemst  gekennzeichnete   Oreisenbaupt 

üseners   betrachtet,  du  die  Ausgabe  seiner  ausgewählten  Vorträge 

imd  Aafeätze  schmäckt. 

Dieee  Auswahl,  noeh  tou  Usener  selbst  geplant»  von 
▲.  Dietoncbf  seinem  treuesten,  leider  gleichfalls  dahingegangenen 
SeAdler«  herausgegeben,  ist  das  schönste  Denkmal  des  Dahin- 
ge^mD^eneD  und  wird  sein  Gkdäehtnis  weit  aber  die  Fachkreise 
hiDMUB  labendig  erhalten.  Lauter  Kabinetstficke  der  Usenerschen 
Geistosirerkstatt  sind  hier  vereinigt,  in  die  jeder  Philologe  und 
Historiker  sieh  vertiefen  sollte:    Philologie  und  Oeechiebtswiseen- 


714    P.  Wendlandf  Die  belL-rOm.  Knltar  niw.,  ang.  f.  B.  Meister. 

8chaft  (Bede   gebalten  beim  Antritt  des  Bektorates  am  18.  Ok- 
tober 1882,  erschienen  im  Verlag  von  Max  Geben  nnd  Sobn  1882), 
Mythologie  (Arehi?  für  Religionswissenschaft   1904,   YII  6-82), 
Organisation  der  wissenschaftlichen   Arbeit»    Bilder  ans  der  Ge- 
schichte   der    Wissenschaft   (Preußische    Jabrbflcher    1884,   UU 
1 — 25),  Ober  Torgleichende  Sitten-  nnd  Beehtsgesehichte  (Vortrag 
gehalten    in    der   XLII.  Yersammlang    deutscher    Philologen  und 
Scbnlm&nner  in  Wien  1898,  s.  Yerbandlnngen  dieser  Versammloog 
22  ff.,  Beilage  zur  Mflnchener  allgemeinen  Zeitung  1893  Nr.  148 
und  158,    Hessische  Bl&tter  fftr  Volkskunde    1902  I  195—228), 
Oeburt  und  Kindheit  Christi  (Zeitschrift  für   die  neutestameDtüche 
Wissenschaft  und  die  Kunde  des  Urchristentums  1903  IV 1—21), 
Legenden   der  Pelagia    (Einleitung    aus  der   „Festschrift  für  die 
XXXIV.  Versammlung    deutscher  Philologen  und  Schulm&nner  u 
Trier    1879    im    Auftrage    der    rheinischen    Friedrich- Wilhelms- 
ünit«nit&t  zu  Bonn),   Die  Perle,  aus  der  Geschichte  eines  Bildes 
(Theologische  Abhandlungen  Karl  Weizsftcker  zum  siebzigsten  Ge- 
burtstage 1892  gewidmet,  201—213),  Die  Flucht  for  dem  Weibe, 
eine  altchristliche  Nofelle,    erneuert    Ton   fi.    üdsaffhar    (Weiter* 
manne    Monatshefte    LXXV,    1894,     480—491).     „Zusfttze   und 
Änderungen,    die  er  selbst  bereits  zweifellos  für  den  neuen  Dmck 
▼orgenommen  hfttte,  sind  ohne  weiteres  übernommen,   eine  Anzahl 
▼on  ihm   beigeschriebener  Notizen,    bei   denen  in   diesem  Punkte 
Zweifel  möglich  waren,    sind  in    eckige  Klammem  gesetzt*.    Mit 
eigenen  Zusätzen  war  der  Herausgeber  äußerst  sparsam,  jedermana 
muß  ihm  darin  recht  geben.    Wenn  A.  Dieterich  im  Vorwort  eine 
wissenschaftliche  Ausgabe  der  kleinen  Schriften  Useners  ankündigt, 
so  wird  dieser  Plan  hoffentlich   durch  das   Torzeitige  Ableben  des 
Vortrefflichen  nicht  zerstört. 

Innsbruck.  Ernst  Kaiinka. 


Die  hellenistisch -römische  Ealtar  in  ihren  Beziehongen  zu 
Jadentnm  und  Christentum.  Von  Dr.  Paul  Wendland,  onL 
Prof.  in  Breslau.  Mit  5  Abbildungen  im  Text  und  12  Tafeln. 
Tübingen,  Verlag  von  J.  C.  B.  Mohr  (Paal  Siebeck)  1907,  190  SS. 
Preis  5  Mk. 

Wendlands  Buch  bildet  einen  Teil  der  von  Hans  Lietsmaoa 
in  Verbindung  mit  H.  Gressmann,  E.  Klostermann,  F.  Niebe^gail, 
L.  Badermacber  und  P.  Wendland  herausgegebenen  Handbnchei 
zum  neuen  Testament.  Das  den  Herausgebern  „vor  Angea 
stehende  wissenschaftliche  Ziel**  ist,  den  „Ertrag  der  Arbeit  sa 
den  Problemen  der  Sprach-,  Kultur*  und  Beligionsgeschicbte  ins- 
besondere der  jüdischen  und  altchristlichen  Theologie,  sowtit  er 
einer  kühlen,  vorurteilsfreien  und  durch  keinerlei  kirchenpolitiscbe 
Nebenzwecke  beeinflußten  Kritik  Stand  hält,  für  die  Erklärung  der 


P.  Wendiand,  M^iieli.-rOm.  Kaltur  osw.,  ang.  t.  JR.  Meister.     715 

Deatestamentlichei)  Schriften  ttotzbar  zu  macbeo^.     Das  Werk  ist 

aof  5  B&nd«  bsrechnet;   der  ersi»  soll  in  drei  Teilen  eine  Gram« 

matik   des   nenieatamentliehen    Oriediiseh,    eine   Darstellnng    der 

bellenistiBeb-rOmiscben  Enltnr  in  ibren  Betiebnngen  tu  Jndentnm 

und  Chriatentnm   nnd   eine  Analyse   der   nrcMallicben  Literatnr- 

formen   bringen.     Die  Abfassung    der  Grammatik   tat  L.  Bader- 

macber,    die  der  beiden  anderen  Teile  P.  Wendland  übwiiommen. 

Der  2.«  8.  nnd  4.  Band  wird  eine  Übersetzung  nnd  einen  witien- 

sebafUicben  Kommentar  der  Scbriften  des  neuen  Testamentes  enV 

halten»  n.  zw.  der  2.  Band  die  Evangelien,  der  8.  die  panliniseben 

Briefe,    der    4.    die  übrigen    nentestamentiichen    Schriften.     Der 

5.  Band  soll  M^^M^bließlieb  den  Bedürfnissen  der  Praxis  dienen". 

Das   Torliegende  Bneb   umfaßt  als  Abschnitt   2    die  8.  nnd  4. 

Liefemng  des  ersten  Bandes. 

Wenn  es  ein  bedeutsames  Verdienst  der  Arbeit   an  der  Er- 
forsebang  der  hellenistischen  Kultur  ist,    daß   durch  sie,    wie  die 
Ankündigung  des  Herausgebers  des  Handbuches  besagt,    ^die  so 
Jaoge  Zeit  hindurch  streng  gesonderten  Werkstätten  der  Philologen 
nnd  der  Theologen  in  freundschaftlichen  Verkehr  getreten  sind", 
so  darf  dies  von  dem  vorliegenden   Werke  in   ganz  besonderem 
Maße  gelten.  Indem  es  seinen  Standpunkt  ^nicht  erst  in  der  Zeit 
nimmt,    wo  die   energische  Auseinandersetzung  des  Christentums 
und  des  Hellenismus  beginnt",    leitet  es  vielmebr  zu  den  Quellen 
und  EntBtebungsbedingungen  des  Hellenismus  zurück,    um  sodann 
„ein  zosammenbingendes  Bild  der  kulturgeschichtlichen  Entwick- 
lung^ zn   geben   (8.  6}  und   erst  auf  diesem  Grunde  eine   klare 
ZeicbnoDg  der  Beziehungen  von  Hellenismus  und  Christentum  zu 
entwerfen. 

Wendland    hat    seinen    Stoff    in    zehn    Absdinitte    ge- 
gliedert:   I.  Die  weltgeschichtliche  Bedeutung  des  Hellenismus. 
II.  Polie  und  Monarchie.  III.  Kosmopolitismus  und  Individualismus. 
IV.  Oeechichte  der  Bildungsideale.    V.    Die  philosophische  Propa- 
ganda    ond   die  Diatribe.    VI.    Hellenistische  Beligionsgescbicbte. 
7IL     Die     religiöse    Entwicklung     unter    der    BOmerberrsebaft. 
VnL  Hellenismus  und  Judentum.    IX.    Hellenismus  und  Christen- 
tarn.  X«   Synkretismus  und  Gnostizismus.  Der  gedanklicbeAuf- 
ban,  welcher  uns  in  dieser  Gliederung  entgegentritt,  ist  demnach 
etwa    folgendermaßen   Vu    skizzieren:     Nach    einem    einleitenden 
Kapitel,    welches   die  Grundlinien  der  hellenistischen  Kultur  fest- 
legt, atellt  der  Verf.  in  zwei  weiteren  Abschnitten  die  Terftnderte 
Lage  der  geistigen  Kultur  im  Zeitalter  des  Hellenismus  dar,    und 
zwar  macht  uns  Kap.  II  mit  den   durch  die  neue  Weltlage   ge- 
scbaAmen  Bedingungen  und  Voraussetzungen  der  geistigen  Kultur 
dee    naefaalezandrlniscben  Zeitalters,    Kap.  III   mit   den    bezeiob- 
neiidston  Zügen  dieser  Kultur  selbst  bekannt.    Die  folgenden  Tier 
Abecbnitte  führen  uns  in  je  zwei  Kapiteln   den  Zersetzungsprozeß 
Jener    beiden   geistigen  Machte  vor,    aus    denen  der  Mensch  der 


716     P.  Wtndhud,  Die  heU.-rOiB.  Koltw  u«.,  utgpf.K  M^iaUr. 

Antik«  Mino  Wellanschaanng  za  achOpfen  ▼•rm^hte,  der  Pbll^ 
sopbie  und  d«r  Religion.  Mit  Kap.  VIII  fdbrt  uns  der  VerL  aaf 
den  Boden»  anf  weleliem  das  Chrietentam  ervadiiea  iet;  der  Pio- 
leß  des  Anstansebea  and  der  Vermisebnag  der  Knltoren»  wekber 
das  Wesen  des  HelleniamHa  im  Gänsen  ansmacbt,  wird  nnoniahr 
in  seinem  spezifischen  Ablaufe  anf  einem  beschränkten  Gebietet 
Palistina  and  der  jfldischen  Diaspora*  and  bei  einem  bestimmten 
Volke»  den  Jaden»  anfgeieigt.  Das  IX.  Kap.  gibt  dia  Anfinge  des 
Christentams»  seinen  Zosammmhang  mit  der  antiken  Koltor  and 
seine  Besonderheiten  gegendber  derselben  sowie  den  Beginn  dar 
AaseinandersetzuDg  twiscben  diesen  beiden  Mftebten*  Das  X.  Kap. 
endlich  zeigt»  wie  die  „Tendenzen  der  Ansgleicbang  and  Yer- 
schmelzang  der  Beligionen*  (S.  162),  der  Vermisebong  Ton  Bau- 
gioo,  philosophischer  Spekalation  and  mythologiecber  Phaaftaaie 
aneh  die  Entwicklaog  des  Christentams  begleiteten. 

Der  grofie  Umschwang  der  politiscben  and  aotialan 
Verhältnisse,  den  die  Begrtndaag  von  Alexanders  Orieckan 
and  Barbaren  omspannender  Monarchie»  die  in  seinem  Geists  fart- 
gesetzte  Tätigkeit  der  hellenistisohen .  Dynasten  and  endlick  das 
Aufgeben  aller  Mittelmeerländer  im  römischen  Weltreiche  herbei* 
geführt  hat,  hat  nicht  nur  die  äuäeren  Bedingungen  fdr  die  Ba^ 
wicklang  der  geistigen  Eoliur  der  Griechen  versobeben»  sondam 
auch  bald  diese  selbst  in  wesentlichen  Zfigen  ihres  gedanklichen 
Gebaltes  umgestaltet.  Wie  die  ganze  Politik  nunmehr  von  dam 
Herrscher  und  dessen  Umgebung  aasgieag,  so  war  auch  daa 
Schwergewicht  aller  geistigen  Tätigkeit  nach  den  großen  Mittel- 
punkten  der  Seiche  verlegt,  dahin  strömte,  wen  politischer  Klir- 
geiz  lockte»  nicht  minder  wie  deijenige,  der  sich  mit  eeioea 
literarischen  Leistangen  an  die  große  Öffentlichkeit  wenden  wollte. 
Unter  dem  Schutze  der  Herrscher  entwickelte  sich  eine  umfassende 
Organisation  der  wissenschaftlichen  Arbeit.  In  demeelben  Ma6a» 
als  die  Kleinstaaten  an  politischer  Bedeutung  yerloraui  hiirte  der 
Begriff  der  Polis  auf,  bestimmend  auf  die  Anschauung  und  Lebeoa* 
führung  der  Menschen  dieses  Zeitalters  einzuwirken.  In  dem  Be- 
griff der  Oikumene  fallen  die  alten  Schranken,  welche  Landschaft 
▼on  Landschaft,  Griechen  von  Barbaren  trennten  und  mit  dens 
Verfall  der  politischen  Bedeutung  des  selbständigen  Gemeinweaeoa 
lockerten  sich  auch  die  Bande»  durch  welche  der  fiinzeUke  in  dieaea 
mitverflechten  war.  So  fahrte  diese  Lage  einerseits  zu  einer  Er* 
weiterang  des  Menschheitsbewuätseins,  wie  sie  insbesondere  in 
dem  Kosmopolitismns  der  Stoa  zutage  tritt»  andereeits  im  einer 
LoslOsung  des  Individuums  von  allen  traditionellen  Banden,  wie 
sie  der  ethische  Atomismus  Epikurs  am  konsequentesten  aawge» 
sprechen  hat.  „Das  Gefdhl  der  Einheit  des  Individuuma  mit  Uim- 
^ebung  und  Welt  ist  dem  Bewußtsein  des  Gegensatzes,  der  üb* 
iibbängigkeit  und  Selbständigkeit  gewichen"  (S.  20).  So  hat  der 
Individualismus  gelehrti    das  Augenmerk  dberall  auf  die  Pereto« 


JP.  Wmdtand,  Die  btlL-rOa.  Kaltar  «tw^  ang.  ▼.  B.  Meitter.     717 

iNhkeit»  «nf  daB  reale  Einzeliie  tn  riohteo,  er  bat  „eine  der  Kai? i- 
tlt  des    aatllMi  MeDechen    ga&i   ftwode  Yertiefang   des    inneren 
Ltbene  ereeogt*'  (8.  21).   Aber  der  IndiTidnalismas  hat  den  Bin- 
xihiti  aneb  entwnnelt,    hat   iha    daraaf  hingewiesen,    ^nar    in 
Minem  Inneren   festen  Halt  «nd  die  Bedingungen  des  GlAoks  za 
finden*'  (8.  21)  und  trieb  ihn  so  tarn  Soeben  naeh  einem  geistigen 
Lebensi^ialte.     Und  die^n  erwartet  man   nnn   von  der  Pbilo- 
lopbie;    sie   sollte  Ffthrerin    zi   einer   innerlieb    befriedif enden 
Lebsnsfllfamng  sein.    Damit  trat  die  Ethik  in  den  Tordergmnd 
allte  Philesej^hierens.    Und   das  Bedflrfiiis   naeh    solcher  Lebens* 
weisheil   wwrde   aUgiemein   and    zeitigte   so    die  Brseheinang  der 
philooe|»his€hen  ICassenprc^agaoda,  welche  das  Interesse  an  philo- 
sophiflohen  Prages,    zumal   der  Moral,    in    imaser   weitere  Kreise 
trug.  Indes  mit  dieeer  Aasbreitnng  des  philosophischen  Interesses 
hielt   die   gedankliche   Tiefe   der  philosophischen    Stadien    nicht 
Schritt.  «Die  Mittel  rein  moralisisrender  Predigt  sind  bald  anfge- 
braucht,    und   aaefadem   man    sie   ffinf  Jahrhunderte   angewendet 
hatte,  waren  eie  ersch^^pft  und  ftmutzt.    Biae  Moral,  die  sich  zu 
spesielleter  Kasuistik  entwickelt  und  die  Philesophie  zur  Lebens- 
kunst,   den  Philosophen  zum  Erzieher  herabgedrQckt  hat,    zeugt 
damit  selbst  ron  dem  Mangel  tiefer  sittlicher  Motive  und  auf  das 
laaerate  des  Meiiscbeu  wirkender  Kr&fte**  (8.  87).    So  kommt  es, 
daß  die  alte  Sivalin  der  Philosophie,    die  Bheterik,    die  sich   in 
Gestalt  der  zweiten  Sophisttk  aufs  nsue  erhebt,   immer  mehr  usd 
mehr  an  Boden  gewinnt,  selbst  die  Fachwissenschaften  durchsetzt 
und  der  Philosophie  im  Kampfe  um    das  Bildungsidsal  scblieAlick 
den  Bang  ablftnft.     Das  Erfreulichste,  das  die  Oeistessntwicklung 
Jener  Zait  herrorgebracht  bat,    ist  jene  kleine  Zahl  tiefffihlender 
Menschen,    welche  die  Sebaaucbl  nach  einem  geistigen  Lebensin- 
halte und  die  ideale  Ferdemag  nach  einer  höheren,    sittlich  ge- 
liutsvtan  Lebensführung  anfreeht  erhalten  haben.     Darin  liegt  die 
Bedeniong  solcher  „echten  KTBiker**,    als   deren  größter  Epiktet 
gelten  darf.    Durch  ihren  Kampf  gegen  die  Lasterhaftigkeit  ihrer 
Zeit,  darch  die  Aufrjtttelnng  des  sittlichen  Gewissens  der  Massen 
und    dnreh   die   eneiigische   Betonung    einer  asketischen   Lebens- 
fibmag  und  der  Reinheit  des  Hsrzene  haben  sie  dsm  Ohristsntume 
feggenybeitet.    Und  fthnlich    lagen  die  Verhältnisse  anf  dem  Ge<> 
biete    d«r  Beligion.    Die  Mystik  mit  ihrem  EHösnngsbedürfnis 
und    iknr   tieferen   Sefansuebt    nach    innigerem,    unmittelbarerem 
Yerk^ur  mit  der  Gottheit  hatte  die  Uagenügendbeit  der  offtnellen 
fieligjon   Mr  das  religriOse  Gefflhl  erwiesen,    die  Kritik   der  AuC- 
klirwoff    die   nttlieben    MAngel   der   anthropomorphen    Qötterror- 
Stellongen  und  die  Sinnlosigkeit  des  Polytheismus  aufgedeckt  und 
aalbni    diejenige   Philoeophie,   welche    positive  YoretellongeEi  rem 
Tranaeandeaten  zu  gewinnen  suchte,    ging  nicht  darauf  aasi    die 
bark^mmlicbe  Beligion  zu  rechtfertigen,  sondern  sie  wollte  sj^^«^ 
aetaan.   Und  dieser  Zersetzungeprozeß  erf&hrt  in  der  hellenit^ 


720     P.  WmuUand,  Die  htlL-rtm.  Eiüitar  mw.,  tag.  v.  B.  limUr. 

dtr  wichtigslni  gMBtitelHQ  VersMhmgtti  und  einem  Hiniiiii  tnf 
dei  Einflaß  „orieiitalieeher  Giioak  «id  oneDtaUsciMr  BaUgioiiat'' 
Aaf  das  Cbrifttentam  in  seiner  Werdezeit  sohlieftft  das  Baeh  Wend- 
lands.  Die  Betraehtang  des  Entwickfanigsgaages  des  Ckristentiimi 
mthidet  liier  in  die  Dogmengesehiehte;  und  dieee  liegt  binite 
anfterbalb  der  Intentionen  des  Verf. 

Die  ebi^  DacBteUong  hat  verenebt,  ein  Bild  des  OeduütM- 
ginges  Ton  Wendlands  Scbrift  zn  geben,  soweit  dies  bei  dir 
Fälle  des  Materials  nnd  der  Beiebhaltlgkeit  der  Gesiehtapeakt» 
in  kurzem  tnnllch  war.  Die  Zeichnung  der  hellenistisebea 
Epoche  ist  frei  von  aller  Eineeitigriteit.  Wenn  sie  auch  dareb 
die  Aafdecknng  des  Zersetzongsprozesses  4er  antiken  Beligien  und 
Phflosophie  im  Ganzen  als  eine  Periode  des  Verfalles  erscheint,  w 
tritt  aaderseite  doch  auch  klar  zntagtt  daß  der  HellenisaMU  anf 
den  Gebieten  der  Faehwiesensehafteo  nnd  der  Literatur  (aas 
denke  an  Elegie  nnd  Epigramm,  an  die  Biographie,  die  nenm 
Komödie,  die  philosophische  Diatribe)  noch  manches  Originelle  ge- 
leistet und  selbst  nene  Werte  Ton  weittragender  Bedeutnng  (so  ä$ 
Idee  der  Humanit&t,  der  Persdnlichkeit,  die  Verttefnng  des  Isma- 
Mens)  geschaffen  oder  doch  znr  Entfaltung  gebracht  hat.  Durdi 
seinen  maßgebenden  Einfluß  auf  Bßmertum  und  Kirche  iet  d« 
Hellenismus  zum  Vermittler  zwisdien  der  antiken  (nueh  der  Uas- 
siscben)  Geistesarbeit  und  unserer  Kultur  gewnrden.  Durch  dn 
klare  Herausarbeitung  aller  dieser  Geeiehtepnnkte  wird  Wendla&i 
der  geschichtlicben  Stellung  wie  der  kultureUen  Bedeutung  du 
Helleniemus  in  gleicher  Weise  gerecht  (vgl.  namentlich  8.  8  i 
und  8.  18  ff.). 

Bei  der  Vergleichung  von  heidnischer  nnd  chriit- 
\icher  Gedankenwelt  wird  die  vielfach  Oheroinstifluneiide  Eot- 
ificklung  der  beiden  atete  im  Auge  behalten;  mne  Abhiagigkiit 
der  einen  von  der  anderen  wird  dort,  wo  sie  ale  geaichertas  Sr- 
gebnis  der  historischen  Kritik  gelten  darf,  rtekhaltelea  aneckamt 
Doch  nirgends  läßt  sich  der  Verf.  durch  bloße  Xhnlidikait  odir 
Gleichartigkeit  zweier  Gedanken  vwleiten»  auch  auf  daran  Ib- 
hAngigkeit  von  einander  zn  schließen.  Die  „letzten  Motive  nsi 
Omnds&tze''  sind  es,  die  hier  entecheiden  und  dieee  znigtn  siek 
sehr  oft  als  grundverschieden  (vgl.  8.  121  und  8.  129  £.).  IM 
ee  fir  die  gnoetischsn  Systeme  kaum  zu  erwarten  ist,  etnai 
einheitlichen  geschichtlichen  Ansgugspunkt  zu  finden,  wird  ma 
in  Anbetracht  der  Gteiehartigknit  der  Tendenzen  in  aflsi 
bellenieierten  L&odem,  wohl  zugeben  dürfen.  Der  Gnosis  fthilkte 
Prozesse  haben  in  jener  Zeit  alle  orientalischen  BeligioiMn  mehr 
oder  weniger  durchgemacht.  Einen  inhaltlichen  Sinigungspnato 
haben  alle  gnostischen  Strömungen  in  dem  Bestreben,  die  GUanbeBt- 
lehren  dem  Vorstellen  s&her  zu  bringen.  Zwiechen  der  H6he  phile- 
sophisoher  Spekulation,  die  eich  an  das  Erkennen  wandia^  nai 
der  krassesten  Mythologie,    welche  sich  der  Phantasie  das  Unge- 


P.  Wendkmd,  Die  helL-rOm.  Knltar  usw.,  aDg.  ▼.  JR.  Meister,     721 

öi/deten  empfahl,  lag  eine  große  Reihe  von  Zwischenstufeo ;  im 
EinzeloeD  wird  hier  der  Bildnogsgrad  des  Autors  und  das  Publi- 
kum,  das  er  im  Ange  hatte,  entschieden  haben.  Daß  man  die 
Mittel  phantastischer  Mythologie  und  der  Hypostasiening  Yon  Ideen 
bsTonngte  und  das  Erkennen  bald  als  eine  Offenbamng,  bald  als 
ein  fibematürliches  Schanen  faßte,  wird  in  einer  Zeit,  wo  selbst 
die  Philosophie  die  gleichen  Wege  ging,  keineswegs  befremden. 

Wendlands  Darlegangen  zeigen  im  Tollsten  Maße  die  beiden 
Vorzüge,   die  wir  von  der  znsammenfassenden  Darstellung  einer 
geschichtlichen  Epoche  erwarten  dürfen:  Höhe  der  Gesichtspunkte 
and  lebendige  Anschaulichkeit.     Der  Qesichtskreis  des  Werkes  ist 
der  denkbar  umfassendste :   alle  Erscheinungen  des  fielgestaltigen 
Kulturlebens  der  hellenistischen  Zeit  werden  zusammengenommen, 
om  über  den  Eintritt  des  Christentums  in  die  antike  Welt  Licht 
zu  verbreiten.  Lebendige  Anschaulichkeit  aber  erzielt  der  Verfasser 
durch  die  reiche  Fülle  der  herangezogenen  Details,    nicht  zuletzt 
auch  durch  die  Oeschicklichkeit,   mit  der  er  alle  diese  Einzelzüge 
zu  einer  Gesamtäußerung  zusammenschließt.    Die  Hauptlinien  der 
Entwicklung  treten   stets   klar  hervor;    nirgends    aber   sind  sie 
durch    vorschnelle    historische  Konstruktion    gewonnen,    vielmehr 
aberäU  das  Ergebnis  der   kritischen  Durcharbeitung  des  Quellen- 
materiala.     Ein    reicher  Apparat    von  Verweisen    ermöglicht    dem 
näher  Interessierten,  auf  die  Quellen  und  die  einschlägige  wissen- 
schaftliche  Literatur  einzugehen.     So  ist  das  Werk  vollauf  ge- 
eignet,   dem  Theologen  den  Ertrag   der  philologischen  Arbeit   an 
der  Erforschung  des  Hellenismus  in  faßlicher  Form  zu  vermitteln. 
Dem   Philologen   gibt  es   eine  durch   seine  Übersichtlichkeit  und 
Reichhaltigkeit    gleich    wertvolle    Darstellung    der   geistigen    Be- 
wegungen   dieser  Epoche  und  lehrt  ihn  durch   die  Betonung  der 
(?ieiciiju'tigkeit  der  Stimmungen  und  religiösen  Motive  der  griechischen 
wie  der  orientalischen,  der  jüdischen  wie  der  christlichen  Entwick- 
luDg  den   Geist  dieser  Zeit  tiefer  zu  erfassen.     Auch  der  Unter- 
richt in   den  altklassischen  Sprachen  vermag  manche  An- 
TBgung  daraus  zu  schöpfen ;  beispielshalber  sei  hier  verwiesen  auf 
die    sakralen   Beformen    des    Augustus  (S.   88  f.),    auf   das  Ver- 
hAltnis   der  Dichtungen  des  Vergil  zu  diesen  Bestrebungen  (S.  90), 
auf   Xenophons  Stellung    zum    Herrscherproblem  (8.  7),    auf   das 
Verhftlinia   des  Tacitus  zur  hellenistischen  Stilentwicklung  (S.  4), 
auf  die  Zosammenstellung  seiner  Germania  mit  den  idealisierenden 
Sehilderaneren  des  Barbarenlebens  aus  hellenistischer  Zeit  (S.  16). 
Der     Druck    des    Textes    sowie    die   Ausstattung   der   bei- 
iregebenen  Abbildungen  und  Tafeln  ist  durchaus  sorgfältig.  Störende 
>mckfebler    sind   mir    keine   aufgefallen;    kleine   Versehen,    wie 
!.    54,     Z.    11    V.  u.  6e8chichtsdarste»/ung,    S.  82,    Z.  25  v.  u. 
es  Medizin  verbessern  sich  von  selbst. 

Znain.  Dr.  Richard  Meister. 

2«itoelftrift  C  d.  telm.  Otbib.  1908.  VIU.  a.  EL.  Htft.  46 


ebockip  Obsertmtionea  Omdiunae  (S.  13 — 23)  bdcIiI 

8chart6verb&Un)s  iwiachen  Oyid  Ätn.  I  8  und  FUd 
lU  11  uiid  Tarens  Eqb.»  Am.  Ill  8  uod  LucUd  I 
ieitinstelleiir  —  S»  Skimioa,  Quaenam  frirtuUr. 
carminibus  Lattnis  epigraphieis  tribuaniur?  [SJ 
J.  Ziemeki,  Z>t!  Romas  epithsiU  ^imesHuncula  (SA 
di«  Epitheta  der  Stadt  Born  bei  des  lateiDtscb^ti  (nl 
Schriltstellern  auf,  —  L,  Piotrowicz,  FhiUppi 
rn intim  ineditormn  particuta  (S.  43 — 47)»  drei 
dichte  Kallimiicbfi  (in  Pb&laece^n)  mit  Eisleltim^] 
exegetisch  em  Kommentar,  —  Dt  aliquoi  Cracoeün 
cipum  CzarUirt/ski  mmumentis  (S,  49 — 105):  L  P,, 
Prae/atio  (S.  49 — 51),  &)  De  Vener is  pudicae  «£ 
— 60),  b)  De  dmhus  speeuits  Graeeis  (S.  60  —  66 
mulUris  Attkae  (8,  66—67).  D*  E.  B  Ulan  da, 
mUiiis  (S.  69—71),  b)  De  ApoHinü  $igiUo 
c)  De  Atheme  sigiUo  {S.  73—75),  d)  De  urtm 
(S.  75  —  77),  IJI.  L.  Piotrewlci,  De  L^eurgo 
Cracmiensi  repraesentato  (8*  79 — 87)* 
speculo  Etrmco  (S,  89-^96),  ?.  J.  Si 
siatuncuiü  Craetwiemi  (S.  97  — 105),  — 
trunco  Minervae  statunculo  i^serpationes  (S* 
arcbäologiscben  Anfiitzeii  sind  elf  LicbtdriicktafelQ] 
M,  Paroeg,  Aischyhs  im  hichte  der  Arist^^hi 
(S.  115 — 132),  Eesaj  auf  Grund  der  FrOscbe  des  J 
Y.  0 gro d  i i  n  B  k  i,  Beiträge  zur  Erkenntnis  der  kim 
sUtkr  in  Palm  im  XV!.  und  XVIL  Jahrhund^ri 
untersncbt  das  AbhängigkeitsverbäUnis  Eochanowek 
von  Sophokks  (Antigone)  nnd  Herodot  (I  3)  o^ 
Jahrb.)   von   Apnleins  (Metamorpb.)   und   Psei^H 


De  uma  $m 

LtfcurgQ  Hl 

IV.  W.  cl 

Ujdak,    Di 

—   G.  Prj 

me«    (S.   101 


.  JT*  ^vlatoMf  'H  »cfT^if  TOÖ  *0$voff4ms^  ißg.  ? .  J^.  GröschL     723 


doli 8 kl,  ^tJ  F^öft  ep»V4?r/f(ifn  (S.  179 — 1S3),  BomerkilDgeil 
t  8  und  zur  AbfaagQTigBzeit  der  Epitome.  —  Derselbe, 
rtino  PhiUppi  CaUimmchi  (S*  185 — 193),  iwei  Qedichte 
iCba  mit  VariaDten^erzeichiiLs  und  ÄDmerkung'Bn.  —  J«  Boz- 
Ttiri,  Thrücograem*  De  nominum  Haemi  Scardigm  mmtium 
int4m  Ia(n)tri  aique  Htbri  ürigmaiione  (S.  195— 2 15)*  — 
rei3:«nach,  Da  Abrahami  Fransi  contmdia  (8.  217  —  221), 
^i&Ü  die  Uteinieelie  Komödie  des  Eoglitiderä  Abraham  Fraulich 
I3&'  eine  fast  wortgetreue  Übereetmng  der  italieDisobeD  ^11 
\  fon  L.  PaeqnaUgi  ifit.  —  J.  Eallenbaeh,  Adam  MickU' 
Ü»  Pkiioio<j€  (S.  22S— 231),  gibt  polniflcbe  Obersetiiiinga- 
des  Dicbtera  aas  BoraZp  Oirid  und  Pindar,  —  Zum  ScblnA 
ich,  daß  der  philoiogiacbe  Verein  zn  Letnberg  den 
äud  der  Zeitschrift  'Em*  (Lemberg  1907)  Herro  v,  Morawski 
em  30 jährigen  Jübiläom  gewidmet  und  deo  Gelebrtai]  zo 
EbrenGPitgliede  ernannt  bit.  Mdge  der  Jabiiar«  mein 
ebrter  Lehrer,  noch  lange  Jabre  ^a  Not^  und  Fronimen  der 
lacbaft  in  frischer  Geistes-  und  Körperkraft  wirkeo  I 

HiHJsUu  (Galizien).  Z*  Dembitzar. 


tov   *OdvG^img.    Von    Nikolwe   K.  PaTUtos.    Athen, 
leinike"  1000.    179,  31  and  97  8S. 

['Es  wird  nicht  blofl  in  philologiacbeQt  sondera  auch  in 
EreiBeD  bekannt  sein,  wie  lebr  die  Levkas-Itbaka-Frage, 
rpfeld  in  Fla6  brachte«  die  Gemöter  in  Atem  hält.  Einer 
npt Vertreter  der  alten  Theorie  ist  bekanntlich  ein  Itba- 
N.  FaTlatoB,  der  bereits  im  Jahre  1902  in  Athen  ein 
ben^)  eracheinen  ließ,  in  welchem  er  DOrpfelda  Ansichten 
liderlegen  suchte.  Da  aber  im  Lanfe  der  Zeit  die  Literatur 
lie  Frage  immer  mehr  anschwoll,  so  mochte  der  Verf.  föhieo, 
li  kleine  Bncb  seinem  Zwecke  nicht  mehr  genüge»  and  war 
bestrebt,  seine  Ansichten  der  Öffentlichkeit  in  einem  grö- 
Werke  m  nnterbreiten.  So  entstand  das  obige  ßnchi  dessen 
kütllchong  man  schon  lange  mit  SpaaHnng  erwartete.  Ist 
ier  Verf.  ein  MaDn,  dem  selbst  die  Gegner  genaaeste  LokaU 
lisee  nicht  abtafprechen  wagen.  Aber  kann  denn  eio  Lokal- 
i  die  ndtige  ObjektiTitat  aufbringen  *  nm  über  einen  Gegen* 
bei  dem  er  so  sehr  Partei  ist,  gani  ^nToreingenommen  tu 
nf  Ich  werde  darzntnn  veraneben  ^  daß  P.  im  allgemeinen 
V  Torgeht>  Daß  er  freilich  als  tretjer  Sohn  seiner  Heimat, 
ngt  von  der  Eich tigkeit  seiner  Ansiebten,  vielfach  einen 


»)  *H  dlij^iig  'J*fif*Jr  ^^^  'O^ijQov, 


46» 


724     N,  K.  Pavlatos,  'H  naxQig  toxi  Vdvaaeag,  ang.  f.  J,  Grö$efd. 

wärmereo  und  schärferen  Ton  anschlftgti  —    wer  wollte  ihm  das 
übelnehmen?  —  Doch  zor  Sache! 

P.  gibt  zanftcbet  einen  geschichtlichen  Überblick  über  di« 
ganze  Frage,  nnd  zwar  so  aasführlich,  wie  das  bisher  noch  ni« 
geschah.  Der  Verf.  geht  von  dem  Satze  ans,  daß  die  alten  Schrift- 
steller durchaus  das  heutige  nnd  das  homerische  Ithaka  identifi- 
zierten, erw&hnt  dann,  daß  sich  bis  in  historische  Zeit  hinein 
einzelne  der  alten  Lokalbezeichnungen  unverändert  erhielten.  Ent 
in  neueren  Zeiten  erfuhr  nach  P.  der  Name  der  Insel  Verände- 
rungen, besonders  im  XII.  Jahrhundert  und  später.  Daß  aber  alle 
diese  Versuche  einer  Umnennung  scheiterten,  zeigt  zur  Genüge  der 
heutige  Name  Thiaki,  der  nur  eine  Verballhomung  des  uralten 
Namens  Ithaka  ist.  Von  den  Forschungen  der  alten  Gelehrten 
abgesehen,  ruhte  die  Ithaka-Frage  bis  etwa  1806  vollständig.  In 
diesem  Jahre  besuchte  der  Engländer  W.  Gell  die  Insel  und  be- 
schrieb sie  sehr  genau.  Der  Hanptirrtum  dieses  Gelehrten  bestand 
darin,  daß  er  den  Palast  des  Odysseus  auf  dem  A6tos  (also  in  der 
Mitte  der  Insel)  annahm.  Von  den  weiteren  Forschern  ist  be- 
sonders markant  B.  Horcher  (1866),  dessen  Bedeutung  für  unaere 
Frage  ich  jüngst^)  in  kurzen  Zügen  besprach.  Er  trat  entschieden 
gegen  die  alte  Theorie  auf,  nahm  aber  leider  auf  Ithaka  viel  in 
kurzen  Aufenthalt.  Damit  hängt  es  auch  zusammen ,  daß  er  nur 
zu  gern  an  Äußerlichkeiten  haftet.  In  den  Achtziger-  und  Nens- 
zigerjahren  erstanden  dann  der  alten  Theorie  drei  wackere  Ver- 
teidiger in  E.  Beisch,  J.  Partsch  nnd  B.  Menge.  Ihre  wissen- 
schaftlich begründeten  und  unparteiischen  Urteile  blieben  denn  audi 
nicht  ohne  Wirkung.  Unter  diesen  Umständen  sei  der  Versuch  des 
Neugriechen  Euruklis  (1898),  das  homerische  Ithaka  mit  dem 
heutigen  Kephallinia  zu  identifizieren,  nur  der  Merkwflrdigkeil 
halber  verzeichnet. 

Einen  Wendepunkt  in  der  ganzen  Frage  bildet  das  Auftreten 
Draheims  (1894),  der  das  alte  Ithaka  im  heutigen  Levkas  wiedo-- 
flnden  wollte.  Weiter  ausgebaut  wurde  seine  Theorie  eigentlich 
erst  durch  W.  DOrpfeld,  der  seitdem  in  mehreren  Aufsätzen')  fir 
seine  Aufstellungen  eintrat  und  darin  von  seinen  Anhängern*) 
Beissinger  (1908  und  1906),  Goessler  (1904)  und  zuletzt  von 
V.  Marens  (1906)  unterstützt  wurde.  Aber  auch  neue  Verteidiger 
der  alten  Ansicht  fanden  sich,  so  H.  Michael  (1902  nnd  190SV 
N.  Sabat  (1902),  W.  G.  Manly  (1908),  V.  B^rard  (1908),  G.  Lang 
(1905  und  sonst  öfter),  Erzherzog  Ludwig  Salvator  (1905),  end- 
lich A.  Gruhn  (1907)  und  meine  Wenigkeit. 


*)  DOrpfeldi  Levkas-Ithaka- Hypothese,  historisch  und  kritiseh  be- 
leuchtet.  Progr.  des  Friedeker  Gymnasinmi  1907. 
*)  Bes.  ^LeakaB«",  Athen  1905. 
*)  Vgl.  die  Literaturangaben  in  meinem  Programmaufsatse. 


N.  K.  Pavlaios,  *H  natffls  tov  'Odvaaeasy  ang.  f.  «7.  Oröaeht.     725 

Den  breitesten  Banm  in  Pavlatos^  Darstellnng  nimmt  natür- 
lich die  Widerlegung    der  von  DGrpfeld   för  seine  Theorie  Yorge- 
brachten  Gründe  ein.     Hier  geht   der  Verf.   mit  großem  Oeschicic 
und  mit  Aufwendung  eines  gewaltigen  wissenschaftlichen  Apparates 
Yor.    Jede  Blöße  des   Gegners    wird  benützt,    der   eigene  Stand- 
punkt aber  mit  warmen,  den  Eindruci^  der  Objelctivitftt  erwecken- 
den Worten  verteidigt.    So  weist  der  Verf.  S.  57  darauf  hin,  daß 
Dörpfeld   offenbar  über  die  Worte  der  Odyssee  (XXIV  877):    N^- 
Qixov,    ivxziiLSvov   moUa&QOVy   ixziiv  i^jcsIqoio   selbst  nicht 
recht  im  klaren  sei  und  daher  seine  ursprüngliche  Ansicht  ge&ndert 
habe.   Aber  auch  Dörpfelds  jetzige  Annahme,  NrJQixog  liege  7  km 
weit  im   Inneren  Akarnaniens   beim  alten  Palairos  lehnt  P.    mit 
Recht  ab.     Wie  DOrpfeld    und    alle   anderen  Forscher   untersucht 
anch   er  zun&chst    die  Hauptstelle   der  Odyssee   für  unsere  Frage 
(IX  19 — 28).    Am  meisten  Kopfzerbrechen  hat  hier  den  Erklärern 
die  richtige  Übersetzung    der  Worte  x^^l^<^^^S   und  ngbs  iötpov 
(gemacht.    Dabei    deuten    aber    die    Anhänger    der    alten    Theorie 
speziell  den  ersten  Ausdruck    immer  noch  viel  ungezwungener   als 
/^drpfeld  und  seine  Jünger,  die  jfi^ayLaXii  in  der  Bedeutung  „nahe 
am  Festlands"   fassen.     Den  Anhängern    der  alten  Theorie    kann 
sieb  das  ziemlich  gleichbleiben;  denn   auf  unser  Ithaka  paßt  jede 
Erklärung  von  i^aka^idg^    nicht   so   auf  Levkas.     Diesen  Punkt 
hätte  F.  etwas  schärfer  hervorheben  können,  da  sich  die  Gegen- 
seite gar  zu  sehr  auf  ihre  fragwürdige,  auch  von  Wilamowitz  be- 
kämpfte Deutung  von  %^ayLaX6g    stützt.     P.  verlangt  denn  auch 
nach  eingebender  Begründung  S.  69  mit  Becht,    x^.  müsse  auch 
an  unserer  Stelle   die  natürliche  Bedeutung  ^niedrig**  haben,    die 
übrigens  gerade  für  Ithaka    im  Verhältnis   zu   den  anderen  Inseln 
sehr  bezeichnend  ist.    Überragt  doch,  wie  ein  Blick  auf  die  Karte 
iebrtt   der  Hauptgipfel  des  benachbarten  Kephallinia,   der  1620  m 
hohe  Ainos,    die  höchste  Erhebung    Itbakas    um   ein    gewaltiges 
Stück.      Ich   stelle   also   nur  fest,    daß   wir   Anhänger   der  alten 
Theorie  in  der  glücklichen  Lage  sind,    bei  der  Deutung   von  x^. 
ohne  Künstelei  auszukommen. 

Viel  schwieriger  ist  allerdings  in  dem  erwähnten  Zusammen- 
bange   die  Frage,    wie   das  Wort  %o(p6g  zu  behandeln   sei.     Hier 
häUe    ich    an  Pavlatos*  Stelle    ohneweiters    zugegeben,    daß    man 
schließlich   auch  von  Levkas  sagen  kann,    die  Insel  liege  Tcavv' 
TtsQzdxri   ngbg  tfinov.     Eins   haben  wir  ja  doch   deshalb    immer 
noch    voraus:  Dörpfeld  müßte  erst  beweisen,  daß  Levkas  eine  der 
vier  £rr^^^°  homerischen  Inseln  ist,    daß   es   also  bereits  vor  Ab- 
fasBon^r    ^^8  ^P08  Inselcharakter  besaß.    Dieser  Nachweis  ist  aber 
bisher    weder  ihm   noch   seinen  Anhängern    gelungen,    mag    man 
aach    bnodertmal   von  günstigen  Ausgrabungsresultaten    und   geo- 
logischen Befunden  sprechen.  Man  lese  nur  Längs  ^)  überzeugende 

>)    Untereuehaogen   zur  Geographie  der  Odjssee,  Karlsruhe  1905, 
^es.  S.  10—14. 


72(>     N^  K^  FaviatoBf  'H  «CETpi;  toI!  1Ddt>^ai 0;^  fcng.  t.  /. 


Aüfiföhruiigeii^  die  sich  ja  auch  ^nt  geokgiBCb«  TakaclMA  1 
und  iDic  wiri  Etesiliog^}  beistimmeiii  wenn  ar 
wenigsten  e  —  DOrpfelds  Theorie  als  Dicht  Tiel  mehr  4«ui 
Hypothese  bezelchaet,  die  keine  Anssichl  hat,  jemals  tiij 
wegs  sichere  wieaenscbaltlicbe  Erkenntnis  la  werdeo**'  d4| 
schickt  ist  m.  E.  auch  der  HlDweis  PavUtoa*  darauf,  dal 
ÄBvnhq  nitpm  (Od.  XXIV  11)  unter  keinen  ütnstlnciii  in 
Insel  des  Odysseng  xü  encben  sei»  so  ödem  aEßerhalh  der« 
Ein  recht  wmder  Ponkt  der  neaen  Theorie  wird  damit  hL 
stellt.  Sehr  iberzengetid  ist  ferner  der  Nachweis,  daß  die  I 
rieche  Insel  Same  unmöglich  in  dem  heotigen  Thiaki  wied 
fnnden  werden  könne.  Ititeressant  ist  dabei  heiondert  di«  •< 
logische  Besprechnng  des  Namens  Same,  dessen  ph^nkischa 
sprang  als  gewiß  gelten  kanD,  Same  bedetitet  dano  ^dle  H 
was  sehr  gnt  ^nm  Lnselcbarakter  paßt,  ünaogenehm  i%\ 
allerdings  für  die  Anhänger  beider  ElchtniigeQ  die  Frage 
man  die  homerieche  lusel  Dnlichion  £Q  suchen  habe*  Die  1 
thesen  der  alten  Gelehrten  sind  hier  von  ebenso  onsicheren  m 
Annahmen  abgelöst  worden.  Wie  DÖrpfeld  ma&  auch  P,  £Q 
Mittel  greifen;  doch  würde  ich  noch  immer  der  ?on  F. 
Terfochtenen  Bjpotbese  den  Vorzug  gebeo,  Daiiebion  atfj 
noch  in  geschicbtücher  Zeit  Tor  der  Acheloos-Mändung 
denen  Schwemmlande  zu  sncheu*  Die  Bezeichnung  avif^i 
paßt,  wie  schon  <yft  nnd  oft  ber^orgehoben  wnrde,  riel  he 
Thiaki  als  auf  Le?kas.  P.  betont  dies  neuerlich  mit 
Geschick. 

Sehr  interessant  ist  der  Abschnitt  aber  Asteris,  di 
Frage  eine  große  EoUe  spielt  Es  handelt  sich  nämlich 
Insel,  hei  welcher  die  Freier  dem  heimkehrenden  Telemachoi 
lanerten.  Die  Anhlnger  der  alten  Theorie  enchen  das  Eilii 
der  heutigen  Klippe  Dhaskali6,  mitten  zwischen  Itbaka 
phallinia,  wftbrend  DOrpfeld  and  seine  Anbänger  fftr 
lieber  gelegene  Arkndbi  sind.  Hier  betont  nnn  F. ,  der 
Einheimischer  die  Gegei^d  genau  kennen  maß  —  auch 
hat  er  besieht  — ,  das  Cbaraktertstische  Ton  D^rpfeldi' 
sei  To  ymcai^Bg^  das  unseres  Asteris  aber  %b  MSt^^ÖBi*  Cli 
letzleres  ist  die  Dichtnng  ganz  entschieden.  Daß  natftriicl 
schiedene  Elnzelbeiten  nicht  mehr  gen  an  wieder^tierkeii 
wer  wollte  sich  darüber  wnndern,  da  die  Stürme  eo  Ti«t| 
hunderte  über  die  örtlich keiten  hinweggebranst  sind!  Bio 
liehen  Doppelhafen  —  das  Epos  nimmt  einen  eotchen  ffii 
an  —  kennen  ja  eigentlich  beide  Parteien  aaf  ibrim  Aiti 
nachweisen.  Wenigstens  stellt  Manly']  für  Alka dhi  daa  Tn 
eein  eines  solchen  ganz  bestimmt  in  Abrede. 

')  Hettner*  Geogr  S^.-Sehr »  19i><s  S,  843, 

1903,  g.  35  üQd  36. 


en  m 
aeS 

acbu 

Eil« 

1 


N.  K.  PavlatoSt  'H  natQis  tov  ^Odvaaiag,  ang.  f.  J.  GröaeM.     727 

Bei  dieser  Oelegeoheit  möchte  ich  dberbaopt  wieder  dsratif 

hinweisen»  daß  es  im  höchsten  Orade  kleinlich  ist,  alles,  was  der 

"  '     Dichter  an  örtlichkeiten  beschreibti  genan,  ja  peinlich  genan,  auf 

der  armen  Insel  des  Odjssens  wiederfinden  zu  wollen.    Weiß  man 

dMD  gar  nicht,  daß  es  anch  eine  dichterische  Phantasie  gibt  und 

dsß  Homer    oder   die  homerischen  Dichter  dieser  Gottesgabe    in 

höchstem  Maße  teilhaftig  waren?    Ich  ffir  meine  Person    Yortrete 

'     bezüglich  Thiakis  die  Anschaanng,  es  brauche  dnrchaos  nicht  alles 

-'    Bit  Homers  Darstellnng  übereinzustimmen.  Deshalb  gebe  ich  noch 

kein  Jota  von  meiner  Überzeugung   preis,    daß  Thiaki    die  Insel 

des  göttlichen  Dulders  sei,    im  Gegenteil,  nur  so  kann  man  der 

Dichter-IndiYldualit&t  eines  Homer  gerecht  werden. 

Daß  die  Beinamen,  die  der  Dichter  fftr  die  Insel  gebraucht, 
(Ifr  Thiaki  im  höchsten  Orade  bezeichnend  sind,    wurde  schon  so 
▼ielfach  hervorgehoben,    daß  ich  darauf  verzichte,    Bekanntes  zu 
'/    wiederholen.    Ich  will  nur  bemerken,    daß  P.  als  genauer  Kenner 
seiner  Heimatinsel   die  von  vielen  Besuchern  verblftffend  genannte 
Obereinstimmung  zwischen  Homers  Schilderang  und  der  Wirklich- 
keit noch  stärker  zur  Geltung  zu  bringen  weiß,  während  ich  gerade 
in  diesem  Punkte  auf  gegnerischer  Seite  bisher  nichts  Nenneni- 
wertea  fand.  Ich  weiß  natftrlich  ganz  wohl  und  anch  P.  wird  sich 
dieser  Einsicht  nicht  verschließen,  daß  die  topographischen  Binzel- 
heiten    auf  Ithaka,    sofern  sie   mit  Homers   Darstellung  flberein^ 
stimmen,  noch  nicht  den  Ausschlag  geben.  Es  ist  ja  möglich,  daß 
sieb    noch  auf  anderen  ionischen  Inseln  Ortlichkeiten  finden,   die 
zu  Homers  Schilderung   mehr  oder  wenig«:   passen.     Im  ganzen 
aber  gilt  wohl  der  Satz,    daß  sich  Dichtung  und  Wahrheit  noch 
am  ehesten   auf  Thiaki  vereinbaren  lassen').    Besonders  die  vom 
Dichter  erwähnten  trefflichen  Häfen  der  Insel  des  Odjsseus  lassen 
sich   schwerlich  anderswo  so  schön  wiederfinden  und  so  leicht  ver- 
teilen   wie  auf  Thiaki.    Die  Verteilung  dieser  Häfen   für  Levkas 
finde  ich  recht  unzweckmäßig. 

Und    endlich   die   Ausgrabungen,    al  noXv^Qvkijtoi  iva- 
axag>a£l     Welcher  Mißbrauch  wurde  nicht  mit  ihnen   von   einer 
Presse    g^etrieben,    die    mit  Vorliebe  Hypothesen    fflr  feststehende 
Tatsachen    ausgibt!     Was   sollen  denn    diese  Ausgrabungen    be- 
weisen,   selbst  wenn  sie  Mykenisches  zutage  gefördert  haben?    Es 
destreitet  ja  doch  niemand,    daß  Levkas  in  mykenischer  Zeit  be- 
siedelt  g^ewesen.  Wohl  aber  muß  hier  ausdrucklich  betont  werden, 
daü   anch  auf  Thiaki  mykenische  Funde  von  W.  VoUgraff  gemacht 
wurden«     über   die    auch  P.   spricht.     Ich  bin   Übrigens  begierig, 
wie   naan   es   auf  gegnerischer  Seite  anstellen  wird ,    den  Nachweis 
ZQ   erbrinfiT^n,  die  oder  jene  aufgedeckte  Bninenstätte  rubre  gerade 
von    der    Stadt  des  Odysseus  her.    —    Schließlich   stelle  ich   noch 


*)  Vgl.  Pavlatoi,  1906,  S.  186. 


730       K.  FrinM,  Aiuwahl  au  XenopboD,  ang.  ▼.  B.  WeifikSm^ 

dtD  Schriftsteller  Bdibat  dwch  einea  aeinar  wicbtigaton  Werk« 
n&har  cbarakteriaieran.  Wie  aehr  gerade  die  Hellenika  in  einer 
Sehflleraaawahl  Berdckaichtigimg  verdienten,  beweiat  ja  am  bnten 
die  Tataacbe,  daß  aiyfthrlicb  eine  große  Zahl  von  MatunftiÜM 
ana  ihnen  genommen  wurde. 

Wie  der  Verf.,  jedem  grandatnrzenden  Badikaliamiu  abiiold, 
bewfthrten  alten  Prinaipien  trea  blieb,  zeigt  der  Banm,  den  erta 
einzelnen  Werken  Xenopbona  anwies:  anf  die  Anabasis  komsien 
68  6.,  anf  die  Kyrnpädie  20  S.,  anf  die  Memorabilien  10  8.,  auf 
die  Hellenika  18  88.  aeiner  Anawabl.  Bei  Eornitzer-Schrakl  tot- 
fallen  aaf  die  drei  eratgenannten  Werke  57,  88  und  16  Seitoo. 
Prinz  kürzt  also  den  Hellen,  zuliebe  Kyr.  und  Mem.,  wai  ibm 
gewifi  niemand  verargen  wird ;  eratere  bietet  in  vielen  Teilen  der 
Jugend  aehr  wenig  Intereaae»  letztere  sind  für  die  AltersBtafe  d« 
Sextaner  zu  aefawer. 

Die  Auswahl    aua  der  Anabaaia  muft   natürlich  grofie  Äkn- 
lichkeiten  mit  der  entsprechenden  Partie  dea  bew&hrten  SehenklscbeB 
Buchee   aufweiaen.     Die  Abweichungen   sind  hauptsächlich  dank 
drei   nur   zu   billigende  Orunds&tze   dea    Verf.    bedingt:    1.  Mit 
Gharakteriatiken   sparsam  zu   sein;    2.    allea   zu  übergehen,   vai 
langatmige    Auseinandersetzungen    über    militärische    Evolutionei 
oder  die  Kriegstaktik  zur  Zeit  Xen^^hona  erheiaehte;    denn  daftr 
hat   die  Schule   keine  Zeit;    8.   von  langen  Beden,    „denen  ^e 
Jugend,   die  Taten   aehen   will«   erfahrnngagem&ft  nur   achwer  ein 
Interesse  abgewinnen  kann^,   nur  Notwendiges  aufzunehmen.    So 
ist   von    Charakteristiken    nur    die  des  Klearchoa   berücksichtigt; 
unterdrückt  wurde  mit  Becht   die  dea  Kyros,    mit  der  ich  stlber 
schon   böse  Erfahrungen  gemacht   habe,    ferner  aber   auch,   reo 
meinem  Standpunkt  aus  bedauere  ich  es,    die  des  Proxenos  and 
des  Menon:  gerade  die  Gegenüberstellung   der  drei  Feldherran  ir- 
regte  immer  das  höchste  Interesse  meiner  Schüler^). —  Von  Bad« 
entfiel  die  dea  Xenophon  an  die  Führer  der  Griechen ;  anfgenomnen 
wurde  unter  anderem  dessen  Ermutigungsrede  an  daa  Heer,  jedocb 
mit  der  beherzigenawerten  Bemerkung  des  Begleitwortea,  dafi  man 
sie  eher  übergehen  könne.  —  Von  Stellen  taktischen  Inhalts  ftblts 
bezeichnender  Weise  IV  8,  27—80  aua  dem  Übergang  über  d« 
Kentrites  und  IV  8,  9—18  aua   dem  Kampfe  gegen  die  Eol<te; 
auch  IV  6,  5  bis  Schluß  mag  hiehergehören.  —  Neu  kommt  bii- 
gegen  im  Vergleich  zu  Kornitzer-Schenkl  hinzu :  I  2,5 — 9  Marsck 
von  Sardes  bia  Kelainai ;    I  8  Meuterei  in  Tarsoi ;    H    1   und  2, 
1—10  der  Tag  nach  der  Schlacht  bei  Kunaxa;  III  4»  87-SchliCs 
Xenophons  begeisterndes  Vorbild  bei  Erstürmung  einer  Höhe;  IH 
5,  14 — 18  Beschluß,  durch   das  Land  der  Earduchen   xu  zich«B> 


1)  Allerdings  will  ich  nicht  verechweiKen,  daß  ich  mit  dieser  Ab- 
sicht  bei  Kollegen  Widersprach  fand.  Jeder  Lehrer  versteht  eben  ander« 
intereisant  so  gestalten  und  hat  von  diesem  Gesichtepnnkte  ana  dieAc» 
wähl  des  Stoffes  za  treffen. 


K,  Pring,  Aniwahl  ans  Xenophoo,  Ang.  f.  B.  Weißhäupl.       731 

Ähnliche  Prinzipien  wie  bei  der  Anabasis  befolgt  Prinz  bei 
der  Kjropftdie.  Es  werden  nur  „rein  nofellistiscbe  nnd  in  sieh 
sbgeschlotsene  kleine  ErzAblnngen  ansgehoben" ;  dazu  kommt,  daß 
nur  sie  Platz  fftr  die  Hell,  abgeben  konnte.  So  ergaben  eich  hier 
bedeutende  Abweichungen  Ton  der  Schenkrschen  Auswahl.  Es 
fehlen  Seh.  I  8 — 15  Erziehung  der  Jngend  bei  den  Persern;  IV 
dir  erste  Kampf;  V  Eyros  als  Feldherr  der  PM-ser;  Stocke  ton 
TI  Ejros  und  Oobryas;  VII  Kyros  und  Eroisos;  Stflcke  Ton  VIII 
die  Eroberung  von  Babylon  und  der  größte  Teil  von  IX  Eyros 
und  seine  Untertanen;  von  X  „Tod  des  Eyros"  ist  nur  §  17 — 25 
aufgenommen,  dieser  Partie  aber  unter  dem  Strich  Gie.  Gate  H. 
cap.  XXII  zur  Vergleichung  beigegeben. 

Vollst&ndig    umgestaltet    ist    die   Auswahl    aus    den    Mem. 
Fon   den  Schenkrschen   Stücken   findet  sich   darin  kein   einziges, 
auffftlliger  Weise  auch  nicht  die  hübsche,  leicht  verst&ndliche  Er* 
2Ablnng  von  Herakles  auf  dem  Scheidewege.  Hingegen  werden  ge- 
boten: 18,  1—8  Des  Sokrates  Frömmigkeit  und  Selbstbeherrschung; 
I  6,  1—10  Das  Glück  des  Lebens;  11  2  Ehre  Vater  und  Mutter; 
n  7  Arbeit  ist  keine  Schande;   III  12  Er&ftige   deinen   Eörper. 
Um  die  Übersichtlichkeit  zu  erhöhen,  wurden  lungere  Partien, 
wo  es  leidit  möglich  war,    durch   besondere  Überschriften  zerlegt. 
Eorze,    orientierende    Inhaltsangaben    stellen   den    Zusammenhang 
zwischen  den  einzelnen  Teilen  her.    Eine  Einleitung   zu  den  Hell. 
und  Vorbemerkungen  zu  mehreren  Stücken  dieses  Werkes  und  der 
XjT.    geben  dem  Schüler  das  zum  Verständnis  unbedingt  Nötige 
an  die  Hand.  Eine  allgemeine  Einleitung  endlich  bietet  das  Wich- 
tigste über  Xenophons  Leben  und  Schriften  nnd  über  die  griechischen 
Söldnerheere  der  damaligen  Zeit.  Es  ist  wirklich  nur  das  für  den 
Beginn   der  Lektüre  Notwendige,    was  hier  zusammengestellt  ist, 
so  daß  es  trotz  der  2Y,  Seiten   füllenden  Ausführungen  über  das 
Söldnerwesen  auf  57i  Selten  untergebracht  werden  konnte  (gegen- 
dber   11  Vt  Seiten  bei  Schenk]);  so  ist  z.  B.  Xenophons  Gharakter 
in    5    Zeilen  und  einer   Anmerkung,    sein  Stil  in   10   Zeilen   ab* 
getan.   Eür  eine  Einleitung  genügt  dies  vollauf;  es  ist  Sache  des 
Lehrer«,   w&hrend  der  Lektüre  selbst  im  Verein  mit  den  Schülern 
ergänzend  einzugreifen.     Von  den   Werken  des  Schriftstellers  sind 
nnr  die  vier  Schriften  des  Ghrestomathie  kurz  charakterisiert.    Ob 
da  der  Verf.    nicht  gar  zu  kurz  geworden    ist?    Das  Symposion 
z.    B.,    denke  ich,  w&re  doch  ans  verschiedenen  Gründen  einer  Er- 
wfthnmig  wert  gewesen. 

Der  Eommentar  berücksichtigt  Formales  und  Sachliches  in 
ansg'edehntem  Maße,  so  daß  er  ein  wirklicher  Schülerkommentar 
ist^  gr^^i^oat,  dem  Lehrer  die  zeitraubende  Vorprftparation  zu  er- 
sparen und  dem  Schüler  auch  etwaige  Privatlektüre  zu  ermög- 
JjcJien.  Dabei  verzichtet  er  trotz  alledem  auf  jenen  Ballast,  der 
atiB  manchen  modernen  „Schülerkommentaren**  geradezu  ein  Lexikon 
msLcbt    und    in  Übereinstimmung    mit    gewissen   Strömungen    der 


732  Zar  Uteratar  der  grieeh.  Tragiker,  ang.  f.  8.  Mekkr. 

äberempfindaamen  Oegeowart  der  Selbstarbeit  des  Scbfllert  schon 
gar  nichts  mehr  übrig  läßt*  In  richtiger  Erkenntnis»  daß  d«r 
Quintaner  zu  Beginn  der  griechischen  Lektflie  mit  grolSen  ayn- 
taktischen  Schwierigkeiten  za  kftmpfen  hat,  äberbebt  ihn  Prinz  oft 
des  verwirrenden  GrammatiknachBchlagenSi  wie  es  durch  blo&e 
Verweise  nOtig  wird,  indem  er  die  betreffende  Begel  selbst  in  dtn 
Kommentar  setzt.  Bei  schwierigen  Übertragungen  in  das  Deatsciie, 
die  gerade  bei  der  griechischen  Lektüre  hlufig  genug  yorkommen» 
gibt  er  nach  dem  Muster  anderer,  u.  zw.  sehr  guter  Kommentare 
entweder  direkt  eine  Obersetznng  der  Stelle  oder  eine  entsprechende 
Anweisung  dazu.  Durch  zahlreiche  Parallelstellen  aus  schon  be* 
kannten  antiken  Klassikern  oder  auch  aus  deutschen  Dichtern  wie 
Schiller,  Moser,  Ghamisso  u.  a,  werden  formelle  oder  inhaltliche 
Eigentümlichkeiten  dem  Verständnisse  n&hergebraeht,  Moltke& 
Briefe,  Brebms  Tierleben,  Herodot,  Strabo,  die  Evangelien,  baby- 
lonische Inschriften  zu  sachlicher  Illustration  herangezogen.  Karten, 
Plftne  und  Abbildungen,  letztere  in  maßvoller  Auswahl  —  ^das 
Wörterbuch  sollte  eben  kein  Bilderbuch  werden*'  —  dienen  übn- 
liebem  Zwecke. 

Das  Lexikon  endlich  ist,  soviel  ich  aus  einigen  Proben  er- 
sehe, sorgf&Uig  gearbeitet,  so  daß  es  den  Schüler  nicht  im  Stiebe 
lassen  wird.  Besondere  Berücksichtigung  fand  darin  die  Etymologie. 

So  kann  ich  am  Schlüsse  nur  das  Urteil  wiederholen,  das 
ich  zu  Beginn  der  Besprechung  füllte:  das  Buch  von  Prinz  ge- 
nügt den  Anforderungen,  die  man  an  eine  Schülerausgabe  in 
stellen  hat^  in  hervorragendem  Maße.  Ob  in  einzelnem  Änderungen 
notwendig  sind,  muß  erst  die  Praxis  lehren. 

Wien.  B.  Weißhftupl. 


Zur  Literatur  der  griechischen  Tragiker. 

1.  Das  griechische  Drama:  Aischylot,  Sophoklei,  Eoripidee.    Bear- 

beitet von  JohaDDes  Qeffcken.  Mit  einem  Plan  des  Theaters  dei 
DioDjsos  IQ  Athen  (Aas  deutichen  Lesebüchern.  VI.  Bd.,  1.  Abt.). 
Leipzig  und  Berlin  1904,  Tb.  Hof  mann. 

2.  Aescbyli  tragoediae,  iterum  edidit  revisas  Henricni  Weil  (Bibiio- 

theca  Teabneriaoa)  1907. 

3.  Sophokles'  Oidipns  Tyrannos  Ton  Fr.  Schobert  Dritte,  friatlicä 

nmgearbeitete  Auflage  von  L.  Hüter.  Mit  11  Abbildungen.  Loipxif- 
Wien  1907,  G.  Freytag- F.  Tempsky. 

4.  Sophokles  erkl&rt  von  F.  W.  Schneidewin  und  A.  KaocL    Sie 

bentes  Bändchen:  Philokletes.  10.  Auflage  beiorgt  von  L.  Bader- 
mach  er.   Berlin  1907,  Weidmann. 

1.  Es  war  ohne  Frage  ein  glücklieber  Oedanke,  in  den  Zjklas 
„Aus  deutschen  Lesebüchern",  welcher  „epische,  lyrische  und  dra- 


Zur  Literfttnr  der  griech.  Tragiker,  vag.  v.  8.  Mehler,  733 

mitische  DicfatangeD   erl&ntert  fär  die   Oberklassen   der  höheren 
Scbnlen  und  ffir  das  dentsehe  Haas**   umfaßt,   ein  Hilfsbocb  anf- 
tnoehfflen,   das  sich  zum  Ziel  setzt,    „die  Eanstmittel  der  alten 
Tragödie  in  ihrer  Entwicklong  nnd  Fortwirknng  ins  rechte  Licht 
zu  setzen  nnd  anderseits  die  Persönlichkeiten  der  Dichter,    soweit 
es  ging,   znm   geschichtlichen  Bilde  heranszuarbeiten"*.     Ist  doch 
der  Enltnrgehalt  des  griechischen  Dramas,  enger  gefaßt  sein  Ge- 
dankenschatz  nnd  Lehrwert,   zn  innig  mit  dem  übrigen  Bestände 
unseres    geistigen   Besitztums    verflochten,    als    daß    es    in    einer 
Sammlung  fehlen  dürfte,  deren  löblicher  Zweck  Ebnang  der  Wege 
ist,   die  znm  Verständnis  der  nationalen  Dichtungen  führen.    Der 
nicht  unerheblichen  Mühe,   ans   der  Fülle  des  verfügbaren  Stoffes 
alles  für  die  bezeichnete  Aufgabe  Geeignete   auszusondern   und  in 
wohlnbersehbarer  Ordnung  zu   gliedern,   hat  sich   in   der   Person 
Johannes   Geffckens  ein  Fachmann   unterzogen,   der  mit  Sach- 
kenntnis Enthusiasmus  und  Geschmack  verbindet,  mithin  die  Gew&hr 
bietet.  Lehrenden  und  Lernenden  ein  brauchbares  isagogisches  Mitte) 
an  die  Hand  zu  geben. 

In  drei  einleitenden  Kapiteln  entwickelt  und  umgrenzt  er  den 

vor  unbistorischer  Einschätzung  nicht  genug  in  Acht  zu  nehmenden 

Begriff  des  Klassischen,  entwirft  ein  annäherndes  Bild  des  Werdens 

und  klärt  über  die  wesentlichsten  auf  Bühnen-  nnd  Aufführungs- 

wasen  bezüglichen  Tatsachen  und  Annahmen  auf.    Phrynichos' 

Wirken    wird  veranschaulicht,   sodann  Aischylos'  Schaffensgang^ 

bis  zn  den  Sieben  verfolgt,  worauf  zunächst  Sophokles' Anfänge 

behandelt,  dann  erst  die  Orestie  in  eingehender  Analyse  gewürdigt 

und  das  älteren  Kunstgenossen  Ausgang  betrachtet  wird.  Es  folgt 

Sophokles'  Leben  und  Persönlichkeit,   woran   sich  die  ausführliche 

Besprechung  der  Antigene  und  des  Aias  schließt.  Nun  reiht  sich 

Enripides  an  mit  Alkestis,  Medea  und  Hippolyt,   um  seinerseits 

wieder    von  Sophokles  (König  Oedipus)   abgelöst  zu  werden.    Mit 

dem  Oberblick  über   die   fernere  künstlerische  Tätigkeit  und   den 

Ausgang'  beider  Dichter  sowie  über  die  Nachwirkung  der  Tragödie 

schließt  das  Buch. 

Wie   schon   dieser  Skizze  zu  entnehmen  ist,    geht  der  Verf. 
der    sehr   begreiflichen  Versuchung,   die  Koryphäen   der  Orchestra 
auf  den  Isolierschemel  zu  stellen,  aus  dem  Wege,  arbeitet  vielmehr 
die  Bntwicklungsstadien  der  dramatischen  Gattung  auf  Grund  der 
verbürgten  und  der  bloß  mutmaßlichen  Aufführungsdaten  dergestalt 
ineinander,    daß   der  Leser  ein    synchronistisches    Bild    der 
trag'iscben  Kunst  des  V.  Jahrhunderts   erhält.     Auch  der  anderen 
anf    dem    schwankenden    Boden    dieses    Stücks    Theatergeschichte 
nabelJecr^nden  Verlockung,   originale  Gedanken  zu  prägen,  wider- 
steht der  Verf.;   es  liegt  ihm  fem,   dem  Schwall  der  Hypothesen 
nenen   Stoff  zuzuführen,   er  bescheidet  sich   als  Kärrner  am  Bau 
der  Könige  und  tut  recht  daran.     Dörpfeld  und  Wilamowitz  sind 
die  Leitateme  auf  seinem  Wege,   der  an  neun  bedeutenden,  Szene 


734  Zur  Literatar  der  griech.  Tragiker,  ang.  t.  8.  Mekler, 

für  Szeoe  analyBierteo  Stücken  der  drei  großen  Meister  TorM  (je 
dreien  eines  jeden)  Ton  Thespis  grüner  Praxis  bis  auf  IristotelM* 
grane  Theorie  berabführt.  Daß  er  dabei,  woranf  schon  die  .Vor- 
bemarkang**  hinweist,  neben  den  Lesern  ohne  philologische  Vor- 
bildongy  denen  zuliebe  n.  a.  bei  Vorfflhmng  technischer  W6rt«r 
der  Gebranch  griechischer  Lettern  grundsätzlich  yermieden  ist, 
auch  die  Leate  yon  der  Zonft  im  Sinne  hat,  bringt  in  den  Vortrag 
eine  gewisse  Unruhe,  die  da  and  dort,  z.  B.  bei  den  gelegentlicben 
Seitenblicken  anf  die  Modernen,  ans  Kokette  streift;  doch  fällt  dies 
in  Anbetracht  der  Reichhaltigkeit  des  Inhalts,  der  Obersichtlichkeit 
der  Gruppierung  und  der  sonstigen  Gef&lligkeit  der  sich  behaglieb 
ergehenden  Darstellnng  nicht  allzu  störend  ins  Gewicht.  Eher  macht 
sich  die  Neigung,  den  Leser,  der  ja  in  das  Studium  dieser  Literatur 
erst  eingeführt  werden  soll,  durch  aufgedrückte  Stempel  und 
fixe  Werturteile  zu  bevormunden,  in  mißliebiger  Weise  fühlbar. 
Die  Aescbyleischen  Hiketiden  sind  „in  unserem  Sinne  durchaoi 
unklassisch*  (S.  29),  die  Perser  .mitnichten  klassisch"  (S.  80), 
die  Promethie  ist  „eine  keineswegs  klassische  Dichtung"  (S.  83), 
„klassisch"  dagegen  ist  der  KOnig  Oedipus  (S.  105).  Hier  scheint 
der  Verf.  im  kleinen  in  eben  jenen  Fehler  des  Generalisierens  tn 
verfallen,  vor  dem  er  gerade  in  Bücksicht  auf  den  Mißbrauch  der 
Etikette  Klassizität  im  Großen  nachdrücklich  warnen  zu  müssen 
meint.  So  müchte  man  auch  einen  anderen  Passus  mehr  Folge- 
richtigkeit des  unbefangenen  Urteils  wünschen,  ich  meine  jener 
eher  aphoristischen  als  Gründe  gegen  Gründe  haltenden  Gedanken- 
reihe  S.  74,  in  deren  Verlauf  Antigenes  vermeintliche  tragische 
Schuld  und  mit  ihr  die  Auffassung  abgelehnt  wird,  «der  Dichter 
habe  mit  solcher  Objektivität  (?)  die  Halsstarrigkeit  der  Anti- 
gene geschildert,  derselben  Antigene,  die  er  später  im  Oedipos 
auf  Eolonos  in  nnendlich  ergreifender  Erscheinung,  den  blindio, 
verstoßenen  Vater  leitend  und  tröstend,  uns  vorführt!  Dann  hfttUo 
wir  es  doch  mit  einer  Art  von  poetischem  Widerruf,  d.  h.  in  diesem 
Falle  mit  einer  vollständigen  Abnormität  des  literarischen  Lebens 
zu  tun".  Aber  nicht  zehn  Zeilen  vorher  bat  G.  den  Schuldscbnüfflem 
eingeschärft,  „daß  das  Kunstwerk  eine  Welt  für  sich  bleibt  nnd 
nur  aus  sich  selbst  beurteilt  werden  muß"  (soll  wohl  heißen :  darf). 
Solcher  Unebenheiten  weist  das  sonst  so  verdienstliche  Bsdi 
mehrere  auf.  Za  irrigen  Urteilen  muß  es  führen,  wenn  richtige 
Gedanken  unscharf  gefaßt  oder  durch  Übertreibung  des  Ausdrucks 
entstellt  werden ,  wenn  beispielsweise  der  Import  „beinahe  jeder^ 
geistigen  Tätigkeit  nach  Attika  (S.  5)  behauptet  und  damit  dem 
Lande  anscheinend  so  gut  wie  aller  Anspruch  auf  künstlerische 
Originalität  bestritten  oder  kurz  vorher  die  „Monopolisierung 
des  hellenischen  geistigen  Lebens  durch  Athen"  in  ein  Schlagwort 
gefaßt  wird.  Was  die  Wendung  S.  49  soll:  „Dem  furchtbaren 
Drucke  der  Begebenheiten  (im  Agamemnon)  nimmt  die  DarsteUnng 
der  Charaktere  seine  beugende  Last"  oder  die  Bemerkung  (8.  64), 


Zur  Litarttar  d«r  grieeb.  Tragiker,  ang.  y.  8.  MMer.  735 

daß  im  Prolog  dar  Antigone  „dM  aittlieha  Urteil  dareh  die  Innere 
Aoerkennang  der  Scbweatar  yorgezeichDef*  ist,  konnte  mir  nicht 
roJIkommen  klar  werden. 

Oberbanpt  eei  nicbt  veraeh wiegen,  daß  die  8pracbe  dieaea 
ror  allem  doch  fir  Schalen  beatimmten  Hilfabaehea  Mnstergiltigkeit 
Termitaen  Iftßt.  Daa  gilt  Ton  der  Wortwahl,  dem  Gebrauch  dea 
bildlieben  Aaadrncka  und  der  Eomplexion  der  Bedeglieder  geradeap 
wie  Tcn  der  Anwendung  der  Prftpoaitionen,  wie  wenn  8.  5  die 
Antike  vor  anderen  Zeiten  znrtckataht  oder  8.  98  Tom  EOnig 
Oedipaa  eiwaa  im  üntereohiede  znm  Oedipna  anf  KoL  behauptet 
wird.  Nnr  ein  paar  geringfflgige  Veraehen  mögen  achließlich  Ter* 
merkt  aein.  8.  71  Mitte  aoll  ea  heißen:  Die  Freunde  der  edeleten 
Frauen geatalt,  8.  79  M.:  irgend  einen  Anhalt  mußte  aie  doch 
haben,  8.  85  o.:  Forderer,  8.  107  M.:  von  denen  ....  der  8Uib 
gebrochen  wird. 

2.  Von  der  wahrhaft  bewunderungewOrdigen  Arbeitafreudig- 
keit  Henri  Weila,  des  NeunzigjAhrigen  und  der  Sehkraft  nahezu 
Beraubten,   gibt  die  Beyision  aeinea  Tor  nun  bald  einem  Viertel- 
jahrhundert der  wiseenacbaftlichen   Welt   in  die  Hftnde  gelegten 
AeachyluB  erhebendea  Zeugnis.  Eine  ragende  S&ule  dea  Helleniamue 
in  eeinem  AdoptiT?aterlande  Frankreich,  hat  er,  ehe  ihn  daa  bittere 
Loe  traf,   rom   Lesen  und   Schreiben   Abschied  zu  nehmen,   den 
bunten  Wechsel  all  der  Phaaen  der  Tragikerkritik  seit  der  Jahr- 
hundertmitte mit  durchlebt  und  selbst  sein  Teil  daran  gehabt;  geht 
doch  daa  Apergu  9ur  Eaehyle  (1849)  der  Hermanniechen  Ausgabe 
noch  noD  drei  Jahre  Yoraua.  So  mag  es  ihn  gedrAngt  haben,  nach 
langem  Baum  wieder  einmal  die  Summe  dea  Erarbeiteten  zu  ziehen 
und  dam  die  Zeit  her  allgemach  yerftnderten  Stande  der  Überliefe- 
rungakritik  durch  fortgefflhrte  Prüfung  und  Sichtung  dea  Materiala 
£echnung  zu  tragen.   Man  flberzeugt  sich  bald,  daß  nicht  verein- 
zelte Lichter  aufgesetzt  sind,  sondern  das  Bemaniement  eich  Aber 
den  geaamten  Apparat  erstreckt  und  reichlich  zweihundert  Stellen 
betrifft.    Davon   kommt  auf  den  Agamemnon  allein  gut  der  vierte 
Teil;   die  n&chste  Stelle  dürften  die  Sieben  in  Anspruch  nehmen, 
w&brand  die  Perser  und  der  Prometheus  mit  Zusätzen  u.  dgl.  am 
scbwftcbsten  bedacht  erscheinen.  Bis  in  die  jüngste  Zeit  herab  iat 
die  Literatur  verfolgt,   wie  z.  B.  die  Choephoren  erkennen  lassen, 
wo   blattneuemde  Hand  deutlich  verspürt  wird  (77,  181,  497  ff. 
und  sonst).  Wilamowitz*  Name  tritt  natürlich  im  Agamemnon  aehr 
merkbar  hervor,   der  Weckleins   auf  der  ganzen  Linie.     Obschon 
Wail    selbst  nur  mit  wenigem  Neuen  eich  eingestellt  hat  (so  daa 
ainnToUe  iiioißig  Hik.  402),  sieht  man  doch  mit  Vergnügen,  wie 
dar    ausgezeichnete  Hellenist,   dessen   energisches  Bemühen  kaum 
ainan  Ackerstreif  auf  dem  weiten  Felde  der  Tragikerkritik  unbe- 
fruebtat  ließ,  auch  jetzt  wieder  dem  Verstlndnia  dea  nie  genng  zu 
ergründenden  Dichters  frische  Keime  zuführt,  und  geschähe  dies 
aoeh    nur  in  Form  eines  flüchtigen  erkl&renden  oder  andeutenden 


736  Zar  Litentar  der  grieeh.  Tragiker,  ang.  ▼.  8.  Mdder, 

Winkes,  einer  Parallele  unter  dem  Striob.  80  trftgt  denn  der  neoe 
Aeschylus,  yielf&Itiger  Abweichung  nngeacbtet,  das  ansgesprocbena 
Gepr&ge  des  alten,  jedem  Mitarbeitenden  yertrant  nnd  lieb  gewor- 
denen, und  Yon  Neuem  stellt  er  die  ausgereifte  Frucht  eines  seltenen 
Vereins  tou  Eigenschaften  dar,  wie  sie  nur  je  dem  Philologen  den 
nachhaltigsten  Erfolg  eines  wahrbeitsbeflissenen  Wirkens  xu  Ter- 
bärgen  TermOgen:  wohlbegrnndete  Sachkenntnis,  ein  an  ihr  gebil- 
detes Feingefühl  ffir  das  Angemessene  und  jener  sch6ae  Freimat 
des  ümlemens  oder,  wenn  man  will,  die  stark  entwickelte,  auch 
dem  zu  hohen  Jahren  Gekommenen  noch  eigene  Beweglichkeit  doe 
Geistes,  die  ihn  in  den  Stand  setzt,  einen  minder  empfohlenen 
konjekturalen  Gedanken  einem  neuen  zu  opfern,  wenn  dies  einen 
Schritt  weiter  bedeutet  zu  dem  nur  in  hOehst  bedingtem  Sinn  er- 
reichbaren Idealtext.  Hierin  liegt  auch  die  Erklärung  dafür,  daft 
von  immer  überprüften  Überlegungen  aus  der  Standpunkt  der  (nun 
auch  schon  auf  fünf  Jahrzehnte  zurückblickenden)  Gießeoer  Ausgabe 
in  den  Morceaux  chaisia  verlassen,  wieder  ein  anderer  in  der  Teab- 
neriana  von  1884  eingenommen  wird,  um  selbst  wieder  im  vor- 
liegenden Abdruck  einer  alleijüngsten  Auffassung  den  Platz  in 
räumen.  Sicherlich  nicht,  um  dem  seit  Eirchhoff  neuerdings 
Trumpf  gewordenen  Konservativismus  seine  Beverenz  zu  machen, 
greift  daher  W.  zu  wiederholten  Malen  auf  die  vormals  verschmihte 
Überlieferung  zurück,  sondern  jedesmal  ist  der  Wechsel  der  Über- 
zeugung durch  sachliche  Gründe  bestimmt.  Ffir  diese  Selbstver- 
leugnung wird  sich  nicht  leicht  ein  schlagenderes  Beispiel  finden 
lassen  als  Eum.  222  ttc  fiiv  yicQ  oläa  xdQza  ö*  iv^itov- 
luvriv,  wie  W.  jetzt  mit  der  Hs.  liest  Das  gerade  Gegenteil 
nämlich,  old^  oi  xdQta^  hat  der  frühere  Text;  also  hat  sich  der 
Herausgeber  zur  Auffassung  derer  bekehrt,  für  die  das  xägta  iv- 
d'viiatödaL  den  wider  Orest  gerichteten  Verfolgungseifer  der  Eri- 
nyen  (das  „bitter  ernst  nehmen*'  bei  Wilamowitz),  das  i^öviai' 
rigav  (nSich  nicht  aufregen  lassen**  bei  Wecklein)  demgemäfi  ihr 
lässiges  Verhalten  derElytemnästra  gegenüber  bedeutet,  die 
somit  eine  cbiastische  Gliederung  der  mit  sl  zoiatv  o^  xisl- 
VOV6LV  anhebenden  Satzreihe  annehmen. 

Die  Stelle  hat  übrigens  noch  nach  einer  andern  BichtoBg 
ein  symptomatisches  Interesse,  dessen  Klarstellung  mich  auf  einen 
schwachen  Punkt  der  neuen  Ausgabe  führt.  Unter  dem  revidierten 
Text  findet  sich  nämlich  jenes  j^iiövxaitiQav  corruptum*^  wieder, 
das  augenscheinlich  seinen  Daseinsgrund  darin  hatte,  daß  W. 
seinerzeit  diese  Zeile  auf  Orests  unbillige  Behandlung  bezogen 
wissen  wollte;  ein  dem  iyQUBxiQov  B.  Schnitzes  ähnlicher  Begriff 
mag  ihm  vorgeschwebt  haben.  Jetzt,  da  er  die  Überlieferung  in 
Vers  vorher  wieder  in  ihr  Becht  einsetzt,  muß  jedes  Bedenken 
gegen  das  wohl  verständliche,  die  Indolenz  der  Bächerinnen  gegen- 
über allen  anderen  Mordtaten,  genauer  der  an  Agamemnon,  aati 
Klarste  ausprägende  Adjektiv  schwinden.    Wie  kommt  es,  daß  die 


Zar  Litexmtar  der  griech.  Tragiker,  Mg.  y.  SL  Mthkr.  737 

frigliebe  Fußnote   ihre  nunmehr  haltlos  geworden«  Existenz  fort« 
instet?    Die  Antwort  ][ann  nnr  die  sein,    daß  dio  tremnri^    auf 
deren  Mithilfe    der  Heransgeber  znfolge  seiner  physischen  ünzn- 
llDglichkeit  angewiesen  war,  idiem  Anschein  nach  der  Aufgabe,  das 
oeae  Buch  auf  die  erforderliche  HOhe  zu  bringen,  nicht  gewachsen 
gewesen  sind.    Daß  dieser  Vorwarf  einem  Eolleginm,  zn  dem  Däi- 
meyda  nnd  Hanvette  z&hlen,  nicht  erspart  werden  kann,   ist  selt- 
sam nnd  bedauerlich,  aber  nicht  minder  wahr.    Die  Herren  haben 
vermatlich   dem  Dritten  Im  Bunde,    einem  jungen  Griechen,   die 
Mähe  flberiassen,  in  geiwissen  Außen-  und  Nebendingen,  worin  W. 
die  Biehtschnur  gab,  nachzubessern,   und  so  hat  er,   sooft  er  auf 
•ine  Ka66ivdQa  stieß,    das  überschflssige  Sigma,   wo  ihm  aber 
eine  KXvtM\ivi^6xQa  in  den  Weg  lief,  das  yerpOnte  Ny  aus  den 
Pbtten  exstirpieren  lassen.   Wenn  man  noch  mit  geziemender  An» 
erkennung  erwähnt,    daß   den  zwei  oder  sechs  Lynkeusaugen  ein 
iatoSBCxwpLBva  (S.  XVI)  oder  J^'^vxsUia  (S.  JLYUi)   nicht  ent- 
gangen ist,  hat  man  alles  gesagt,  was  ihnen  nachgerAhmt  werden 
kann.  Aber  So^  (Pers.  ISS)  steht  nach  wie  vor  im  Apparat  und 
im  Text  und  auch  sonst  sind  falsche  Akzente  und  derartiges  mit 
dem  Respekt  behandelt,   den  der  Philolog  einer  alten  Tradition 
entgegenbringt.    In  ihrer  Unlust  oder  Unfähigkeit,  das  mAhselige 
Gesehift  der  Erneuerung  der  praefatio  mit  der  gehörigen  Sorgfalt 
zu  yerrichten,  haben  die  Helfer  die  lächerlichsten  Fehler  bsgangeo. 
Agam.  1S95  Iflßt  W.  jetzt  eine  früher  adoptierte  Sngersche  Ver- 
mutung fallen:   niemand  merkt,   daß  zwischen  n^hcov  suog  und 
ixufnevdiiv  etwas  fehlt,    und   der  elfsilbige  Trimeter  narrt  den 
Leser.     In  den  Noten  zu  Sieb.  S4  war  bisher  zu  lesen:  8i  ^oq* 
öBlxe  edii&ribus  placuit.  Indem  Weil  dieser  Schreibweise  Baum  im 
Text  gibt,    ändert  er  8.  XVII:  si^agtsetTS  Mm  seripuram.    Br 
hat  wohl  nicht  TOrausgesehen,  daß  das  idUaribus plaemt  stehen 
bleiben  und  ihm  hieraus  der  allerdings  grundlose  Verdacht  eines 
gerade    hier   wenig    angebrachten  Selbstiobes   erwachsen    konnte. 
Ganz  toll  endlich  mutet  an,  was  zum  ßiog  S.  LXVIIIi  Z.  8S  notiert 
ist:  i^avov  i]oi}  i^avsv  M  teste  Vitelli,    Wfißte  man  nicht  aus 
Weckleins  Apparat    8.  469,    was    hiemit  im  Grabepigramm  des 
Dichters  als  nicht  überliefert  bezeugt  wird,  man  wäre  yersucht,  an 
ein  TarBprengtes  Stück  aus  den  berufenen  Vokalserien  der  infded 
der  Zaoberpapyri  zu  denken. 

Indes  mögen  diese  und  zahlreiche  andere  xfik$dAfMxta  yon 
minderem  Belang  sein :  leid«r  sind  sie  aber  ganz  danach  angetan, 
den  Benutzer  der  Ausgabe,  soweit  er  mit  der  Grundlegung  des 
Weilaeben  Textes  sich  zu  befassen  Anlaß  erhält,  in  hohem  Maße 
miAtraniaeh  zu  maehett,  womit  der  praktische  Wert  der  sich  durch- 
geaeben  nennenden  Bdition  eine  fühlbare  Minderung  erleidet.  Ich 
spreche  nicht  von  dem  Kapitel  editorischer  Tätigkeit,  über  dessen 
wiaaensctaaftsgeschichtlichen  Wert  man  mit  Wilamowitz  (in  der  Vor- 
rede zum  Herakles)  noch  so  gering  denken  mag,  ohne  sich  sei»" 

ZtiUchxm  t  d.  tettrr.  Oyiui.  IMS.  Vin.  a.  IX.  Heft.  47 


738  Zaf  Literatur  der  griecfa«  Tragiker,  aDg.  v.  S,  Mekler. 

m.  E.  eDtficfalagen  za  dürfen »  Ton  der  „Priorit&tsacfasfiffelei*',  be- 
züglich deren  ich  lieber  auf  einen  von  Zielinski  mitgeteilten  Brief 
Naackfi  an  Gomperz  verweise,  wo  ein  bitteres  Wort  über  Ignorie- 
rang  der  Vorgänger  fällt.  Hierin  ist  ein  Weniges  geschehen,  Tiel 
mehr  nnterlassen.  Bei  weitem  verdrießlieber  ist  die  Wahrnehmung, 
daß  ancb  die  Fakten  der  bandscbriftlicben  Überliefenug»  die  sich 
heutzutage  anf  6mnd  bequem  zarYerfügaag  stehender  Arbeiten  fest- 
stellen lassen,  von  Zuverlässigkeit  der  Bearbeitung  weit  entfenit 
und  die  Fälle  nicht  selten  sind,  welche  dazu  berechtigen,  die  Va- 
rietas  lectionis  als  rückständig  zu  bezeichnen.  Die  Belege  für  dleee 
Behauptung  wird  jeder,  der  daran  ein  Interesse  bat,  selbst  fiodeo; 
ich  beschränke  mich  auf  eine  kurze  Hindeutung  auf  Prom.  371, 
880,  685,  767,  Sieb.  698,  881,  Pers.  845,  Hik.  94,  164,  259, 
386,  604,  1064,  Agam.  261,  1089,    Cho.  409,  661,  718,  883. 

8.  Hüters  Oedipus  weicht  in  so  vielen  Dingen  teils  weaeoi- 
lieber,  teils  äußerlicher  Natur  von  dem  seines  Vorgängers  (zweite 
verbesserte  Auflage  1890)  ab,  daß  mit  der  Bezeichnung  der  hier 
vorliegenden  Edition  als  einer  „gänzlich  umgearbeiteten^  nicht  a 
viel  gesagt  und  Schuberts  Nennung  auf  dem  Titelblatt  fast  dv 
mehr  als  Förmlichkeit  zu  betrachten  ist.  Es  ist  nicht  bloß  der 
Druck  des  griechischen  gleichwie  des  nunmehr  in  Antiqua  ge- 
gebenen deutschen  Textes,  ohne  an  Deutlichkeit  einzubüßen,  bei 
weitem  kompresser  geworden,  auch  sonst  haben  yerscfaiedenerlei 
typographische  Änderungen  zum  Bessern  platzgegriffen.  Dabei  ist 
der  einleitende  Teil  nahezu  auf  das  Dreifache,  und  zieht  man  die 
eben  erwähnte  Dichtigkeit  des  Satzes  in  Rechnung,  gut  anf  ds» 
Vierfache  angewachsen,  indem  das  Kapitel  'Ursprung  und  Ent- 
wicklung der  Tragödie'  6Vs  Seiten  (3 Vs  Schubert),  das  über  Leben 
und  Werke  des  Dichters  27)  (2),  das  vom  Bau  und  Wesen  der 
Tragödie  handelnde  6  (2),  der  Abschnitt  über  das  atheniscbe 
Theaterwesen  15  (8),  endlich  die  Einfährung  in  das  Stuck  24  (4Vt) 
Seiten  umfaßt,  wozu  noch  eine,  übrigens  sehr  dürftige  K(rti» 
'Metrisches'  (1  S.)  kommt.  Die  Zahl  der  Abbildungen  bat  sich  von 
7  auf  11  erhöht.  Die  metrischen  Diagramme  haben  ihre  Stelle 
inmitten  des  Textes  erhalten,  was  praktisch  von  großem  Vorteii 
ist  und  nicht  im  mindesten  stört.  In  dem  sehr  korrekten  Druck 
ist  mir  ein  einziges  geringfügiges  Versehen  (VT.  589)   aufgefalleo. 

Die,  wie  das  Vorwort  mehrfach  betont,  den  Zwecken  der 
Schule  und  den  Anforderungen  des  Unterrichtes  dienende  Bearbei- 
tung wissenschaftlich  zu  nehmen,  liegt  kein  Anlaß  vor.  V.  1212 
feiert  idvvdö&tioav  120  Jahre  nach  Brunck  eine  fröhliche  Urständ. 

4.  Badermacher  bat  in  dem  Bestreben,  den  anerkannt 
vortrefflichen  Kern  der  Schneidewin-Nauckschen  Iieistung  lu  er- 
halten, mit  sorgsamer  und  im  ganzen  diskreter  Hand  nur  da 
kürzend,  erweiternd  oder  gänzlich  umgestaltend  eingegriffen»  wo 
es  aus  triftigen  Gründen  geboten  schien.  Zunächst  was  den  Text 
betrifft.    Sieht  man  ab  von  der  Rezeption  handschriftlich  gewähr- 


Zar  Liteiatar  der  griecb.  Tragiker,  ang.  t.  S.  Melder.  739 

ieisieter  JooiameD,  imd"vvsirV  1059,  nXriyfj6L  1457,  des  ovvsxa 
774  (wogegen  das  gleichfalls  prftpositionaio  Bivexa  1038  gegen 
L  stehen  geblieben  ist),  sowie  von  der  Einfahrnng  der  diphtbon- 
giscben  Formen  (lal^at  106  üod  tsiöSLVt  zetöai  959,  1041  nnd 
ibnlicbem,  so  entfernt  sieb  der  Torliegende  Text  von  jenem  der 
achten  Anflage  (1882),  mit  dem  ihn  Bef.  yerglicben  hat,  an  un- 
gefähr achtzig  Stellen,  d.  h.  auf  achtzehn  Verse  kommt  im  Darob- 
schnitt  eine  Abweichung.  In  etwa  der  Hälfte  der  Fälle  oder  etwas 
weniger  stellt  sieh  die  Sache  so,  daß  die  von  Nanck  noch  beibe- 
haltene hs.  Lesung  verlassen  und  mit  der  Konjektur  vertauscht  wird, 
so  218,  wo  Lachmanns  yicg  athvov  aufgenommen  erscheint,  256 
((iflda[iot  dii^lvd'sv  Blaydes  -  Nauck) ,  319  {^dQXvg  &v  Idyoig 
Gembard),  491  {dsgdda  Toup),  699  (st  tt  övitniöok  Seyffert), 
835  {BvdeL  Herwerden),  1134  {äkköv  &  iv  (israklay^  Hermann) 
n.  ö.  Um  ein  geringes  häufiger  tritt  der  entgegengesetzte  Fall  ein, 
Depossedierung  einer  bisher  bevorzugten  Verbesserung  zugunsten 
^er  durch  L  allein  oder  den  consensus  librorum  oder  auch  durch  A 
vertretenen  Tradition.  Ihr  muß  demzufolge  so  manche  Lesart,  die 
sich  Generationen  hindurch  in  den  Sophoklestexten  zu  behaupten 
gewußt  bat,  den  Platz  räumen,  z.  B.  das  noch  bei  Jebb  stehende 
Brnnckscbe  vnccxovsi  (190),  das  xgbg  xoiov  ai  Dobrees  (572), 
die  von  Burges  stammenden  Vorschläge  xdyco  *%  äKQOv  (355) 
und  ovx  sldov  aitög  (445),  Wakeflelds  oxoi^  (481),  Botbes  rärr* 
av  (1089),  Erfnrdts  Verdopplung  von  n&c(iog  (1116),  Dindorfs 
Bkafisg  (1247)  u.  a. 

Ein  vorwiegend  konservativer  Zug  ist  somit  im  Verfahren 
•des  neuen  Herausgebers  nicht  zu  verkennen.  Es  steht  damit  im 
Einklang,  wenn  die  teils  von  Nauck  selbst,  teils  von  anderen  auf- 
gerichteten Klammern  hier  wieder  aufgeschlossen  erscheinen,  vgl. 
13  f.,  159  ff.,  224,  671  ff.  Doch  zeigen  255,  939,  1039  (samt- 
ilch  von  Nanck  getilgt),  daß  B.  das  Gewicht  seiner  Vordach ts- 
IfrOnde  zu  würdigen  gewußt  hat.  Viel  augenfälliger  äußert  sich  die 
Abkehr  von  der  analogetiscben  Schärfe  des  Vorgängers  und  die 
Hinneigung  zu  liberalerem  Urteil  über  sprachliche  Singularitäten  im 
Kommentar,  der,  wie  bekannt,  mit  Textkritik  stark  durchsetzt,  sich 
zum  Teil  einschneidende  Umformung  hat  gefallen  lassen  müssen. 
Wohl  kann  auch  da  und  dort  der  neue  Bearbeiter  nicht  umhin, 
^inhaltbaren  Dingen  gegenüber  das  Verdammungsurteil  aufrecht  zu 
halten.  Das  ngotsi^xs  (236)  ist  für  ihn  ebenso  widersinnig,  das 
ifiozbg  i^egiiöofiai  (439)  ebenso  bedenklich  wie  für  Nauck;  un- 
gleich häufiger  aber  greift  Milderung  des  Anstoßes  platz,  indem 
entweder  ein  Beisatz  dazu  dient,  der  verwerfenden  Kritik  die  Spitze 
abzubrechen  (42  das  über  (laxgdv  Bemerkte,  393  die  Abscbwä- 
chnng  „für  einen  Geographen  befremdlich^),  oder  das  Prädikat 
selbst  minder  peremptorisch  gestaltet  wird.  So  findet  die  neue 
Ausgabe  23  ngbg  c,  acc.  im  Sinne  eines  xazd  nicht  mehr  be- 
denklich,   sondern  nur  auffallend,    43  inl  q)OQßflg  v^6xov  wird 

47* 


740  Zar  Litentor  der  griech.  Tragiker,  vag.  ▼.  8.  Mekier. 

nicht  Biniilos  gescholten,  vielmehr  der  j^dnnkelD*  Wendong  ein 
BechtfertigüDgevereiich  gewidmet,  mit  dessen  Ergebnis  sieh  freilich 
nnr  befreunden  kann,  wem  es  nichts  versehlftgt,  wenn  an  dw 
fraglichen  Stelle  Odyssevs  bOcbst  pretiOs  von  der  „Sflftigkeit  des 
MnndForrates^  spricht,  die  Philoktet  ausfindig  machen  gegangen 
sei ;  904  (i^o»  roO  (pvzEv^avrog)  sehen  wir  als  kühn  erklftrt,  was 
früher  als  sehr  Wanderliche  nnd  an  dieser  Stelle  absolut  unmög- 
liche Phrase  verfehmt  war.  Wie  66  xoiizcov  yicg  oidiv  §1  dXyv- 
VBtg  sich  bei  Nauck  grammatisch  Mnicht",  bei  seinem  Nachfolger 
„kaum''  rechtfertigen  lassen,  so  „sdieint"  diesem  toXpnietaxs  984 
fehlerhaft,  was  es  fflr  Nauck  „ist**  usf.  Wiederholt  ist  auch  der 
Ausdruck  des  Bedenkens  ganz  unterdrückt  und  durch  eine  Vor- 
weisung auf  Bruhns  Anhang  (zur  Tmesis  IjXd'öv  ft£  iiita  843, 
die  N.  „ftnßerst  hart**  findet)  oder  durch  eine  abweichende  Intsr* 
pretation  ersetzt  (Wilamowitz  zu  440 :  das  dem  Thersites  gespea- 
dete  Lob  der  ootpla^  das  Nauck  befremdet,  wird  verständlich, 
wenn  man  beide  A^Jektiva  mit  yhheöri  verbindet  und  an  die 
Künste  der  Sophisten  denkt) ;  nXiov  (pQovsigy  von  Nauck  als  an- 
richtig bezeichnet  (818),  versteht  B.  als  den  gebesserten  Zustand 
verglichen  mit  dem  kurz  vorhergehenden  naQutpgovBig^  lOSS 
faßt  er  den  „Unsinn''  Jfia4)  itkBiieavtog^  ohne  hinsichtlich  des 
Aorists  einen  Anstoß  zu  äußern ,  als  die  dem  vi^  des  vorherge- 
gangenen Fragesatzes  entsprechende  „nötige  Zeitbestimmung" ;  uad 
erscheint  es  Nauck  „undenkbar",  daß  Sophokles  1049  sich  dlo 
„ungeschickte"  Bedeweise  al  ybcQ  tOLOvrmv  dst  gestattet  habe, 
so  klingt  jetzt  die  „unbestimmte"  Art  sich  auszudrücken  „ganz 
natürlich*.  Qegebenenfalls  wird  auch  wohl  der  Überlieferung  mit 
Hilfe  anderweitiger  sprachlicher  Observation,  für  die  der  Herans* 
geber  reichlich  gesammelt  hat,  eine  willkommene  Stütze  bereitet. 
Sehr  wertvoll  ist  in  dieser  Beziehung  der  Exkurs  über  Wortver- 
schrftnkungen  in  griechischer  Prosa  und  Poesie,  zu  dem  das  Hjper* 
baten  1140  tb  [Uv  si  ö^xaiov  sbtetv  Anlaß  gibt.  Dagegen  ksan 
ich  die  Bechtfertigung  von  285  6  xgivog  dtic  xq&pov  %fo^ 
ßaivi  fioi,  wo  Seyffert  sich  auf  das  Horazische  trwiitur  dm  die^ 
B.  auf  Lukians  yflv  ngb  y^g  iXaijvs^^av  u.  ft.  beruft,  nicht  alt 
gelungen  erachten.  Es  ist  ja  zuzugeben,  daß  man,  wie  es  S.  147 
heißt,  sagen  kann :  die  Zeit  bringt  sich  selbst  stetig  weiter,  eder: 
im  Laufe  der  Zeit  schritt  mir  die  Zeit  vor  (oder  vorwärts,  aller* 
dings  nicht,  wie  im  Kommentar  zu  lesen  steht,  voran),  tei^pn 
per  8€  ipsum  procedebaL  Damit  aber  ist  Naucks  schwerwiegender 
Einwand  (M61.  Gr. -Born.  III  38),  daß  xQÖvog  iiä  xQ^^Vj  weil 
es  reflexiv  genommen  werden  müßte,  den  genannten  Wott- 
fügungen,  die  ihrerseits  reziproker  Natur  sind,  nicht  gtoidi- 
wertig  sein  kann,  durchaus  nicht  entkräftet.  —  Im  übrigen  hat 
es  nicht  nur  der  veränderte  textkritische  Standpunkt  mit  sieh  ge- 
bracht, daß  der  Kommentar  Modifikationen  erfuhr:  auch  sonat  ist 
für  die  Verfeinerung  der  psychologischen  Analyse ,  für  das 


DiiterttliDiMi  pbilotogae  VindobonoDiMi  ang.  t.  F.  Weihrkh.    741 

Vent&odnis  der  topiscbea  Formen  i  far  HeraDziebuDg  des  Folklore 
und  der  moderoen  Literetnr  —  in  jener  Hineicbt  sei  a«f  538 
{xQ06Mvvfi6ig  der  Scbwelle  »1«  berzegowiniecber  HochzeitsbrAncb), 
in  dieser  auf  1139  {travailknU  camme  pas  une  analog  dem  oidstg) 
biogewiesen  —  manches  geschoben.  Inch  die  Bealerkl&rang  im 
engeren  Sinne  ist  nicht  leer  ansgegangen  (Hippokrateszitat  zu  828 
Aber  das  Schwitzen  des  Kranken). 

Wien.  Siegfried  H ekler. 


Dissertationes  philologae  YindoboDenses.  Volamen  ocUfam.  vin- 
dobODse  et  LipBiae.  Sumptos  fecit  F.  Deaticke.  MCHV.  192  88. 

Der  Band  entb&It  drei  Abbandlnngen,    die  sich  durch   Ge- 
wandtheit im  lateinischen  Stil  wie  dnrch  Vertrautheit  mit  der  Me- 
thode der  wissenschaftlichen  Untersuchung  auszeichnen.  Sie  liefern 
Ergebnisse,    die    in  der  Hauptsache   volle  Beachtung   verdienen, 
wenn  aucb  Einzelnheiten   in    der  Beweisführung  einer   zweifelndei^ 
Auffassung  ausgesetzt  sind  und  eine  festere  Begründung  erheischen. 
Pars  I:   losepbus  Pavlu»  Aleibiades  prior  quo  iure  tmlgo 
tribtttUur  Piatoni.    S.    1 — 68.     Nachdem    die  neuere  Kritik  den 
Ersten   Alcibiades  von  verschiedenen  Gesichtspunkten    aus  ange- 
fochten nnd  dadurch  andrerseits  eine  nicht  unwirksame  Verteidigung 
der  Behtheit  herausgefordert  hat»   bietet   die  vorliegende  Disser- 
tation einen  weiteren  Beitrag  zur  LOsung  der  immerhin  schwierigen 
Frage.     Der  Verf.   entwickelt  seine  Untersuchung  klar   und  über- 
sichtlich   in    fAnf  Kapiteln:   I  Di^posiiio,   II  qwte   9criptor... 
sibi  proposuerit,  III  quae  a  Piatonis  moribua  atque  oonauetudine 
abhorreantf   IV  quibua  locis  scriptor   —   usus  vel  imitatus  sU, 
V  quo  tempore  4ialogu8  coneeriptus  eU.     Wenn  auch   in   sprach- 
iicher  Hinsicht  das  statistische,  aus  dem  Gebrauche  der  Partikeln 
nach   Dlttenbergers  Vorgang  gewonnene  Ergebnis  noch  nicht  völlig 
zn  dem  angestrebten  Ziele  fuhrt,    gestattet  doch   nnter  den  sach« 
liehen   Beweisen  die  allzu   h&ufige  Einführung  des  Daimonion  den 
dberzengenden  Schluß,    daß  Plato  nicht  der  Verfasser  sein  könne. 
Die  zahlreichen,    aus  Platonischen  Schriften   beigebrachten  Stellen 
aber,     an   die  der  Text  des  Ersten  Alcibiades   sich    offensichtlich 
anlehnt,  verraten  vollends  einen  eifrigen  Nachahmer  Piatos  als  den 
Antor   des  Dialogs.  Im  Einklang  mit  diesem  Ergebnisse  steht  denn 
die   Terdienstvoll  durchgeföhrte  Zeitbestimmung,    wonach   die  Ab- 
faeenn^  der  Schrift   in  die  Zeit  nach  Isokrates*  Panegyricus  und 
g'enaner  in  das  Jahr  840/89,  also  nach  Piatos  Tode  zu  setzen  w&re. 
Pars  II:   losepbus  Zurek,   De  e.  Äurelii  Augustini  prae- 
ceptis   rhetorieis.  S.  69 — 110. 

Auch    die    zweite  Dissertation    behandelt   ein  Problem    der 
höheren  Kritik.  Der  Verf.  weist  nach,  daß  das  dem  h.  Augustinus 


743  B.  GoeheTi  Caeiftris  comtn.  de  b.  GtUico,  auf,  f ,  B.  BilHheftij^ 

zngeßcbriebene  Fragment  ober  Ebetonk  dem  groi^en  Kircbenlii 
abzUiprecbeo  mh  Er  dehst  leice  DüteffnchoDgen  obtr  Au  j^iffi 
System  der  Rhetorik  des  eiost  so  bervorragendeo  L&brerft  d*rJ 
redeamkeit  aiie    und    bebandelt    selneD   GpgeQ«tan4    JB   dtf|^ 
daß  er    zuerst    das   Fragment   bespricbi,    sodai}»    db  rbf 
und  pfailosopblschea  Studien  AugQStins  erörtert  and  §cbitt 
Stellen  rbetorJscben  Inhaltes  aas  den  Scbrifteu  des  grol^tu ! 
gesammelt   anfdbrt.     Der  Beweis,    daß   die    SchFift   Di   r4c/d 
die    mit    den   Worten    beginnt    Oratark  officium    €»t,    Gielit  Kt" 
Angnetinas  berrühren  kOnne^    ist   als    gelaogeii    and   ecdgilüf  ti 
betrachten.  Scbon  die  Manriner,  die  nicbt  etnmal  eioe  Bandiehift 
davon  anfzntreibeD  imstande  waren«  hatten  das  kieme  W«rlE 
die   nc echten  Schriften  verwiesen,    wobei  ele    Bcbliohl  bemirkM 
atictor  Grmca   vocubula   ciira  nectuitattm  usurpai   contra  mcfi 
Au^u3tinL  Erst  Halm  hatte  es  in  seinen  Rhetores  Lutim  min 
ans  dem  cod,  Birne  uns   363    b*    YIU»,   dem   Cohniemü  {Ikf^ 
äiadiknsis,   jetzt    wieder    in     Eöln)    s.    VIL    und    iwei   j&DfenB 
Monacenses  (Frising.  und  Emrmr.  Rat.)  nnter  Anguslinus'  KiS« 
1863   nen   herausgegeben    und  dadarch    wieder    zu    hobt  rem 
sehen  gebracht,    obce  sich  auf   einen  Beweis  der  Echtheit  m( 
lassen.  Der  Name  Angnstinns  steht  nnr  in  dem  Bemensis  unii 
in    demselben   Codex    die    Dialektik    voransgebt    und     eben  im 
Antornamen  trägt,    dürfte  dieser  Umstand  die  irrige  Bexi 
fir  das  folgende  Werk  veranlaßt  haben.    Indem    der  Verf»^ 
legen  sncht,  daü  Angnstinns  in  der  Lehre  der  Rhetorik  den  Stil 
punkt    Ciceros    eingenommen    habe,    regt    er    tu    weiteren   ^M 
forsch nn  gen  in  dieser  Hinsicht  an. 

Pars  III:  L*  Koterba»  De  senmm  Pacuviam  el  A& 
S.  111—192. 

Die  letzte  Schrift  ist   eine  hervorragende   Leistntäg,    dii  i 
eignet  ist,  die  Teitkritik  der  Fragmente  heider  Tragiker  wes^ntÜI 
zu   fördern.     Es  wird    darin    ihr  Sprachschatz  nach  Orthogr^pi' 
Metrik  und  Prosodik,  Formeulehre  und  Sjntii,  in  Bedeutoogt* 
Satzlehre  lichtvoll  durchforscht  und  eine  Aniahl  Stellen  rrfolf 
kritisch  und  ezegettscb   behandelt. 


Wien- 


Franz  Weiblich 


C*  lulii  Caesaris  cominentarii  de  hello  Gallico.  NüDT«llt* 

publice  u'uprei  ka  lueilleurfi  Ir&vaai  d«   1^  criliqa«   mkc  liea 
explicatife»    poitant  sur  la  langue,    rhiftttiire   ^i  1&  g^ager^ 
pÄr  Henri    Gaelzer,    prof<8e«ur   a  U    hcrkUi   dea   leilrw 
f erdtä  de; Paris  et  a  T^cole  uormaZe  lup^rieiir«.  Farbp  ÜAndlfl 
librairei-editeuti.  ]907* 

Nach    dem    vorausgeschickten    avertiisemmt   p.  Hi^.  ^ 
dir  Kommentar    der    h&ualicheo  Vorbereitung    der   Schüitr  *^^j 


,  GmUer^  CÄeiariä  comm.  de  b,  GaüicOr  »ßg.  ?.  fi.  Bitidmßky.  743 


L#1ir«r  in  der  Scbitla  nof  die  wettare  yertiefnn^  des 
'ciiees  öberbßaeD  bleiben.  Um  dieses  Ziel  anetandfilos  zr 
en^  darfte  ab#r  ergtene  der  Text  Dicbt  durch  eo  xablreicba 
ebler  äüf  äf^atea  Sorte  entstellt  seio.  So  fehlen,  nm  allea 
zti  dbergeheo,  ganze  Worte:  I  44,  5  esse;  VI  29,  4  ipie; 
p  10  auribu9i  56,  6  a  paluäe.  Verstellt  eind  die  Worte 
i  fidtm  I  41^  4;  Dutub  V  15,  5.  Und  zweitens  darf Itn  die 
tüDgeii  niebl  wiederholt  eine  Ton  der  aufgenomineDeii  ver- 
ieoe  Leeart  voransBet^'.eTi,  wie  z.  B<  VU  68|  2:  wo  impedt- 
is  aU  Dativ  erklärt  wird,  was  nur  mC^glicli  wäre,  wenn  que 
t  dufihus  fehlt e>  Etwas  Ähnlicbes  gilt  voo  folgenden  Sielleii: 
p  Z,  44,  7.  IJ  15,  1,  IV  10,  2.  11.  8,  12,  2.  VI  55,  2. 
2.  VI  13,  7*  le,  6,  24,  5.  27,  l.  VII  2,  2,  28,  4.  70,  3. 
1*  Vm  43,  4.  Völlig  rätaelbaft  moü  dem  Schüler  die  Be- 
lüg zu  VIII  48,  8  bleibet]:  Wii  (zu  verhegiern  in  siVi)  ablatif 
L  e&nee  d^'^pandant  d*  nn  antre  ablaiif',  da  er  kaum  darauf 
liiJi  wirdi  sie  anf  c,  43^  B  ^u  beziehen.  Wenn  der  VerLaiser 
>  tizh  äoi^ert:  J'sdpere  a?oir  donuti  an  teit  correct,  so  trifft 
ioch  in  khtifichem  Sinne  nicht  zu  trotz  seiner  Bekauutschalt 
den  einschlägigen  Arbeiten,  die  man  nach  dem  p.  XL  zu* 
engte  teilten  Vtrze  ich  niese  annehmen  muß.  Mitunter  weiß  man 
eil  man  eine  Willkarlicbkeit  oder  einen  Druckfehler  )?or  sieb 
cb  führe  nnr  einiges  an:  I  9,  3  sibi  nach  suo  hinzogelugt; 
mm  itati  ftrei  13,  2  uno  iiium  die  {mit  geänderter  Wurt' 
g);  24,  2  sed  in  summo  iugo;  40,  1  conc^llo  (und 
iim)  it.  coMilio;  Ilt  12,  1  quoä  Ifis  mailt  semper  horamm 
m  Bpatie  mit  der  Ergänzung  des  Partie.  intenucenU  {wuTum 
I  wenigsten a  iniermisso^)    zu  spatio;    IV    10,    2  in    Bhenum 

I  Dagegen  ferdient  der  Kommentar  alle  Beachtung,  Der  VerL 
Ugt  diä  formalen  Schwierigkeiten,  die  sieb  dem  Schaler  bei 
Lektarti  entgegenstellen.  Die  Sprache  Cäsare  gel  dank  den 
•r  zntrefend  gewlblteu  Worten  von  seltener  Klarheit,  nicht 
Hfto  der  Satzbau.  Ea  ist  daher  auf  die  grammatische  Erklärung 
Be  und  modi)  grol^er  Nachdruck  gelegt.  Singularitäten  im  Ge- 
ch«  gewisser  Wdrter  oder  Eonstruktionen,  Anklänge  an  die 
Üire  Sprech  woiso  werden  sorgfältig  vor  zeichnet,  znm  Vergleiche 
I  lofche  Autoren  heran  gezogen,  die  einer  höheren  Unterrichts- 
I  vorbehalten  lu  sein  pflegen,  als  oberster  Grundsatz  aber 
pt«)  mit    Kecbi   aufgestellt,    Cäiar   durch  Cäear    seihet  zu   er- 

El*  Nicht  alles  ist  emwandfrej.  So  mancher  Ablativ  gebort  in 
andere  Kategorie,  als  er  hier  verwiesen  wird.  111  17,  5 
wj  rfhi$  'ä  tous  egards'  ist  nicht  ahK  de  mani^re,  eondern 
lionia.  zn  idoneü  gehörig;  V  ]1,  2  magno  nc^otio  nicht  abl. 
^1  sondern  modii  VII  8,  2  durissimo  iempüre  anni  nicht  ab L 
liase,  soDdern  temports  und  alHssinm  nive  nicht  abL  df^ 
%n,  aondem  causae:  die  temporale  BeneDOHiig  echlleSt  ja  den 


744  H,  GoeUer,  Gftesarii  eomm.  de  b.  GtHico,  »ng.  y.  B.  BiUchofuky. 

eaasaleii  Nebenbegriff  nicht  ans«  wie  zn  20,  1  diacetsu  richtig  ftr- 
kaDDt  ist;  26«  2  ist  süetUio  noctis  gleichbedeutend  mit  'in  stiller 
Nachts  wie  V  48,  2  vmti  magnitudo  mit  un  vent  viokiU 
umschrieben  wird»  also  nicht  abl.  de  mani^re  (wie  allerdings  dis 
mabrmals  vorkommende  alleinstehende  siietUto),  sondern  abl.  temporii. 
Diase  Beispiele  mOgen  genügen.  In  ein  anderes  Kapitel  gebdrt 
VU  4,  8  armarum  guantum  quaeque  c%vüa$  domi  quodque  anU 
tempua  effieiat,  (Vercingetorix)  constUuit  mit  der  Notiz:  eftdat 
an  lien  de  effectura  sU:  „doit  llYrer^.  Man  traut  kaum  seinen 
Augen.  Also  die  coniugatio  perlphr.  w&re  wirklich  gleichbadeutend 
mit  effiemr$  deheai?  Einigemale  sucht  der  Verfasser  feini 
Distinktionen  zu  statuieren,  die  aber  vor  den  unumstößlichan  Tat- 
sachen des  Spracbgebiauchea  nicht  bestehen  können.  I  2,  2:  die 
Piüposition  de  (finibus  suis)  soll  zum  Unterschiede  von  ex  aus- 
drflcken»  daß  die  Hebetier  ihr  Land  yerlassen  sollten  ohne  sUe 
Hoffnung,  je  wieder  dahin  zurflckzukehren.  Diese  Behauptung 
wird  einige  Kapitel  später  (5,  1)  widerlegt,  wo  es  heißt:  Hehdii 
. . .  canantur,  ut  e  finihus  auie  exeant.  —  Zu  IV  17»  10  über- 
lasse ich  dem  Verfasser  das  Wort:  hie  defenaoribue  est  plus  exact 
que  hie  de/endentibue:  car  il  s'agit  de  slgnifier,  non  pas  qu« 
Vestacade  ser?ait  ä  ^Carter  tont  ce  qui  pouvait  compromettrs  la 
solidit^  du  pont,  mais  que,  ie  cas  öchiant,  eile  ^tait  susceptible 
de  Tecarter.  Das  verstehe  wer  kann!  —  Zu  IV  20,  4  wird  unter- 
schieden zwischen  qui  eeeent  . . .  idonei  portua  und  ^t  portvs 
eaaent  idonei  und  das  letztere  übersetzt:  y*a-t-il  des  ports  qot 
puissent  recevoir  des  navires  de  gnerre?  --  Nach  der  Anmerkuog 
zu  IV  21,  5  dient  das  Pr&sens  rxat\i  pMiceantur  zum  Unterschiede 
vom  Futurum  dazu,  zu  bezeichnen,  daß  das  Versprechen  bestimmt 
gehalten  werden  wird.  —  V  9,  1  soll  die  Setzung  der  PrApositieo 
in  vor  loco  zur  genauen  Bezeichnung  des  Ortes  dienen,  wo  der 
Feind  Stellung  genommen  hat.  Da  wäre  es  erwünscht,  zu  er- 
fahren, warum  z.  B.  Hirtius  VIII  15,. 4  eodem  loco  und  16,  1  ta 
iodem  loco  gewählt  hat.  —  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  V  25,  2 
in  Omnibus  bellis:  parce  qu'il  faut  exprimer  soigneusement  Tidte 
de  temps.  —  VII  54,  4  soll  Cäsar  (foduzisset  an  Stelle  von 
l)0rduxisset  gewählt  haben,  weil  er  den  größeren  Nachdruck  aaf 
die  mißliche  Lage  legen  wollte,  aus  der  er  die  Häduer  empor- 
gehoben hatte.  Wie  wenig  stichhältig  diese  Unterscheidung  ist, 
lehrt  ein  Vergleich  von  ni  5,  1  cum  res  esset  iam  ad  extremum 
perincidL  casum  mit  b.  AI.  7^  1  ut  ad  extremum  casum  perieuU 
omnes  dedncü  viderentur  und  von  V  81,  8  mit  b.  c  III  51,  7 
(nach  Mensel). 

Auch  sonst  fordert  da  und  dort  eine  Erklärung  zum  Wider- 
Spruch  heraus.  I  15,  5  non  amplius  quinis  aut  senis  müthus 
passuum:  die  Distributivzahlen  werden  damit  motiviert,  daß  mäis 
einem  Substantiv  gleichgestellt  sei,  das  keinen  Singular  hat  Ift 
denn  die  gewöhnliche,    ganz   naheliegende  Erklärung  nicht  voll- 


H,  CheUpTf  Cu»m§  oomm.  de  b.  GftUioo,  »og.  v.  fi.  Bitachofuky.  745 

kommen  befriedigend?    —    16,   2:   die  ünterseheidang  frumenta 
(die  Pflanze)  frumentum  (das  Nahrangemittel)   iMü&t  nicht  anf  alle 
FftUe;   ygl.  IV  82,  4  omni  . . .  d$tne$9o  frumetUo,    nnd  V  24,  1 
frumefiium  . . .  angustim  pranmerai.  —  21,  1  qualia  in  circuUu 
atcentus  (eBeet)  wird  erl&ntert:  si  Ton  ponrait  la  gravir  en  faisant 
in  d^tonr.    Das  Bichtige  wird  zu  II  29,  8  (vgl.  80,  2)  bemerkt: 
in  eircuUu  ^quivant  &  eircum  (adverbe).  —  84,  2  wird  opus  esset 
anf  die  Vergangenheit  bezogen,  welches  Zeitverhiltnis  dnrch  fuisset 
aasgedrückt  sein  mflßte.  —  II  31,  1  wird  pero  mit.Mr6ellement^ 
wiedergegeben,    der  Satz  übt  vero  . . .  viderufU  bildet  aber  offen- 
bar den  Gegensatz  zu  80,  3  ubi  viderunt.  -^  III  4,   8  superari 
eqaivant  k  superiares  esse  ist  ein  Irrtom,  es  mnß  heißen  inferiores 
esse,   —    12,    8  Wird  für  den  Dativ  bei  dsspero  anf  Stellen  ver- 
wiesen, m^  ds  rsM  Abi.  sich  findet.   —  V  4,  4  soll  animadverUns 
oder   ein    ühnlicbea  Partizip    ergänzt    werden.     Die   richtige  Er- 
klArnng  ist  I  7,   1   angedentet,    der   acc.  c.  inf.  abhängig  von 
tuLü  gnwUeri  vgl.  Cio.  Phil.  IX  8,  7.  ^  29,  1  brancht /ac^Mros 
kein  Objekt,    es  ist  gebraucht  im  Sinne  von  aeturos^    wie  facü 
VI  80,    1  als  gleiehbedentend  mit  agit  richtig  erkannt  ist.  — 
45,    2  ist  unus  Nervius  nicht   „nn  senl''  N.,    sondern  das  Zahl- 
wort in  abgeschwächter  Bedentang  zn  nehmen,    anf  welchen  Ge- 
brauch   wiederholt  hingewiesen    wurde.    —    VI  1,   2    steht  ipse 
(Pompeius)    nicht  in  Oegensatz   zu    quas^    sondern  zu  C&sar.  — 
21,  5:   die  Behauptung,    daß  intra  die  Stelle  von  inier  vertrete, 
ist  unhaltbar.  —  25,  1  deutet  der  Dativ  expedito  keineswegs  auf 
Entlehnung  aus  einem  griechischen  Autor.  Ich  verweise  auf  Heusei 
zu  b.  G.  m  80,  1.    —    88,  4  ist  der  Unterschied  zwischen  dies 
als  maae.  und  dies  als  fem.  ganz  mit  Unrecht  verwischt  •*-    35, 
8:  daß  bei  licet  der  accus,  ebenso  gebräuchlich  ist  wie  der  dat., 
dafür  gibt  die  Belege  Mensel  zn  b.  c.  III  1,   1.    —    VII   36,  3 
lassen  sich    die  Worte   seu  .. .  videretur   nicht    als  im  Sinne  des 
Vercingetorix   gedacht   erklären.     Offenbar   liegt   der  gleiche  Fall 
vor  wie  I  28,  8.  —  51,  4  wird  ah  radieibus  unter  Hinweis  auf 
I  1,  5  erklärt,  während  ab  doch  „von  ^ weg*'  bedeutet.  —  88, 
6:  daß  ea  heißt  esssnt  (defessi)  und  nicht  fuissent,  wird  damit  zu 
rechtfertigen  gesucht,  daß  der  Satz,  wenn  er  nicht  bedingt  wäre, 
lauten  müßte:    ^ia  erant  defessi,  omnes  hostium  eopias  Bamani 
delere  non  potuerunt.    Ich   glaube  vielmehr,    daß  hier  defessi  in 
seiner    verbalen   Natur    als  Partizip    von   defetiseor   zur  Geltung 
kommt,  gleichwie  es  auch  b.  c.  II  22,  1  reinen  Partizipien  koor- 
diniert ist.   —   Vni  14,  2:  qppressi,  „sarpris**,  sens  rare:    vgL 
aber  z.  B.  IV  4,  5.  VII  8,  8.  61,  1.  —  20,  1  ist  wohl  vestigiis 
von  ingressus  nicht  zu  trennen. 

Für  die  reale  Erklärung  wurden  hauptsächlich  französische 
Werke  benutzt,  nämlich:  Napoleons  in.  und  Stoffels  gleich- 
namige Werke,  v.  Qoeler,  Cäsars  Oallischer  Krieg;  E.  Des- 
j ardin 8,    Geographie...  de  la    Gaule   Bomaine;    Fustel    de 


746  B.  Goeleer,  GaeBaris  comm.  de  b.  Gallico,  ang.  v.  B,  BiUchofiky. 

Gonlanges,    la   Ganle  Romaine;    T.    Rice  Holmes,    Caesar'i 
Gonqaeet  of  Gaal;    G.  Bloch,  la  Gaale  (in  E.  Lavisse,   Histoire 
de  France),  G.  Jnllian,  Verciogetorix.  Die  Entscbeidangsschlaeht 
im  Kriege  gegen  Ariovist  wird  I  53,  1  in  die  Gegend  Ton  Arcey 
verlegt,    von  wo   die  Flncht  der  Germanen  in   östlicher  RicbtQii||^ 
gegen    Basel    erfolgt    sei.     Die    26    erl&nternden    Karten  nnd 
Pläne  sind   im  Texte   angebracht.    Sie   sind,    Besanfon  nnd  die 
ümgebnng  von  Dijon  aasgenommen,    teils  nach  Napoleon,  teils 
nach  Alb.  v.  K am pe n  »Mgef ihrt.  Die  örtlichkeit  der  Zasammeo- 
knnft    Cftsars    nnd   Ariovists   ist   naeb   IL    G.    Golomb   (Rivna 
Archeologiqae  v.  J.  1898)  dargestellt,    die  M&ndmg  der  Lein  za 
Gäsars  Zeit  nnd  die  vergleichende  Topographie  von  Boalogne-snr- 
Mer  nach  E.  Desjardins  in  dem   angeführten  Werke.     Eine  Reihe 
(aber  40)  anregender  Bemerkangen  geht   anf  die  ältere  Ansgabe 
von   Legongz   znräck.     Aach  die  Kraner-Dittenbergeracba 
Aasgabe  wnrde  vielfach  verwertet.  Als  charakteristisch  möge  Ein- 
zelnes   besonders    hervorgehoben   werden,    namentlich   Beflexionen, 
wie   sie    dem    trockenen  Stile   nnserer   Kommentare   in   der  Regel 
fremd  sind.     II  35,    4  wird  die  infolge  des  Berichtes  Gäsars  as- 
geordnete  supplicatio  mit  unserem  Te  deutn  verglichen.  —  V  31,  1: 
dans  son  raccoarci,  ce  tableaa  est  saisissant  de  v^rit^,    wie  näm- 
lich die  Kriegstribanen  nnd  Gentarionen  Sabinns  and  Gotta  bittend 
bei  der  Hand  fassen.  —  41,  6:   die  Rede  der  Anfährer  der  Ner- 
vier  sehe  ans  wie  eine  mittelbare  Kritik  des  Verhaltens  des  Sabinns. 
—  58,  7:    der   von   Gäsar   gewählte  Aasdrack   (paitloque  halfuU 
post  id  factum  Caesar  quieiiorem  Galliam)  beweise,    daß  er  sich 
nicht  za  sehr  aaf  diese  Rahe  verließ.  —  VI  13,  6  wird  als  ana- 
log der  von  den  Druiden  verhängten  schweren  Strafe  des  socri^'ii 
interdicere  anf  den  mittelalterlichen  Kirchenbann  hingewiesen.   — 
VII  66,    6:    wenn   Vercingetorix  gewußt  hätte,    daß  Gäsar  nnter 
seinen   Reitern   Germanen   hatte,    wärde    er  mit  weniger  Gering- 
schätzung gesprochen  haben.    —    76,  4:  der  den  vier  Komman- 
danten der  gallischen  Armee  zugewiesene  Beirat   scheine  die  Holle 
der  ^representants  da  peuple  auprös  de  nos  armöes  de    1793'  ge- 
spielt zu  haben.    —    89,  4  Vercingetorix  dediiur:  Gäsar  verliere 
keine    Zeit    mit    der    Beschreibung    dieser    Szene;    unter    seine 
Trockenheit   und   berechneten  Kälte   verberge  sich    ein   Haß,    den 
nicht  einmal  die  Siegesfreade  ersticken  konnte.  —  VIII  3,  5  beifit 
es  treffend,   Hirtins  und  Gäsar  hätten  eine  eigene  Art,  die  Worte 
dementia,  lenitas  etc.  zu.  verstehen.    —    44,  1 :  improbi  sei  ein 
seltsames  Wort  als  Bezeichnung  solcher,  die  ihr  Land  verteidigtes. 

Auch  die  Anmerkungen  weisen,  so  wie  der  Text,  viele 
Druckfehler  auf,  namentlich  in  den  Zitaten.  Das  Dutzend  Ver- 
besserungen (S.  489)  bedarf  selber  teilweiser  Berichtigung. 

Verdienstlich  ist  der  historisch-geographische  Index 
S.  449—488.  Im  Interesse  der  Schüler  hätten  Quantitätabezeieh- 
nungen  angebracht  werden  sollen.    Die    vorkommenden  Persdnlicb- 


H,  Goelzer^  Caesaris  comm.  de  b.  Gallico,  ang.  7.  B.  Bitschofsky.  747 

keiteD  (Marias  und  Sulla  ansgenommen)  sind  dnrcbwegs  mit  längeren 
Artikeln  bedacht,  s.  v.  Vercingetorix  ist  C&sars  aasführliche 
Darstellnng  übersichtlich  nach  den  Kapiteln  zusammengefaßt.  Bei 
Avaricnm  nnd  G  ergo  via  interessiert  die  Schildernng  ihrer 
Lage  nach  In  11  i an,  s.  y.  Haedni  die  ihrer  günstigen  Situation 
nach  Bloch.  Die  Belgae  bilden  nach  Ansicht  des  Verfassers 
keine  Ton  den  Kelten  gesonderte  Basse,  wie  man  lange  behauptet 
habe.  Belginm  soll  speziell  das  von  den  Bellovaci,  Amblaui  und 
Atrebates  besetzte  Gebiet  nmfassen.  Das  wird  sich  schwer  be- 
weisen lassen,  mir  scheint  es  dnrch  YIII  54»  4  vgl.  mit  5  wider- 
legt. Der  Verf.  hatte  kein  Becht  zu  bemerken,  daß  Cäsar  dem 
Lande  der  Boii  den  Namen  Boia  gebe,  denn  er  hat  VII  14,  5 
E.  HofTmanns  Emendation  obvia  aufgenommen.  Auch  die  Ver- 
weisungen s.  vv.  Gabillonum  und  Eleutheri  sind  irrtümlich.  Neben 
Ca  nah  um  (Orleans)  wird  eine  Stadt  Genabum  (Gien)  ange- 
nommen, die  Zitate  stimmen  zum  Teile  nicht.  Der  Name  Hercynia 
Silva  soll  im  heutigen  'Harz'  erhalten  sein.  Nicht  an  allen  vom 
Verfasser  angeführten  Stellen  entspricht  Italia  dem  Begriffe  des 
heutigen  Italien.  Die  Latovici  begegnen  im  Texte  nur  I  5,  4: 
an  den  beiden  übrigen  Stellen  ist  von  den  Latobrigi  die  Rede. 
Das  Tal  der  Lepontii  heißt  heute  Valle  Let^entina  (nicht  Lee^an- 
tina).  Mit  Bücksicht  auf  V  5,  2  eine  zweite  gleichnamige  Völker- 
schaft Meldi  anzunehmen,  ist  sehr  gewagt.  Nemetocenna  wird 
mit  dem  heutigen  Nampcel  bei  Ourscamp  identificiert,  es  sei 
nicht  zu  verwechseln  mit  Nemetacum  (Arras).  Noviodunnm 
Biturigum  wird  als  das  heutige  S an c er re  bezeichnet,  Ocelum 
als  das  heutige  Usseau.  Die  Pirustae  gehörten  nicht  zur 
'römischen  ProTinz\  sondern  waren  Nachbarn  Illyricums,  das  zu 
Cäsars  Provinz  gehörte.  Cn.  Pompeius,  der  Gallier,  meint  der 
Verf.,  sei  wohl  mit  dem  Vater  des  Historikers  Trogus  Pompeiua 
identisch.  Daß  Cäsar  mit  provincia  auch  speziell  das  Gebiet 
zwischen  der  Durance  und  dem  Mittelmeer  bezeichnete,  ist  eine 
unbegründete  Annahme.  S.  v.  Boscius  begegnet  die  unrichtige 
Namensform  Arimiittuni.  Merkwürdigerweise  ist  auch  die  Form 
Vog  esQs  aufgenommen  und  auf  Vosegus  verwiesen.  Darunter 
begreife  Cäsar  außer  den  Vogesen  selbst  die  monts  Faucilles  und 
das  Plateau  von  Langres. 

Vier  Tafeln  enthalten  in  kleinem  Maßstabe  Abbildungen 
römischer  Soldaten,  ihrer  Bewaffnung  und  Ausrüstung,  die  Be- 
festigungswerke, ßelagerungsmaschinen  u.  dgl.,  den  Abschluß 
bildet  eine  Karte  Galliens  zu  Cäsars  Zelt.  Der  Druck  entspricht, 
möchte  ich  sagen,  dem  kleinen  Formate.  Er  ist  speziell  in  den 
Anmerkungen  nicht  gerade  darnach  beschaffen,  das  Auge  der 
Schüler  zu  schonen.  Beim  Lesen  griechischer  Zitate  möchte  man 
fast  die  Lupe  zur  Hand  nehmen. 

Wien.  R.  Bitschofskj. 


748  Meüiner-Landgraf,  Ciceronis  Cato  MaioT»  aog.  ▼.  E,  SUUner. 
M.  Tullii  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectate.    Fflr  dao  Bebol- 

gebrauch  erkl&rt  von  Dr.  Karl  Meiisner.  5.  Aaflage,  betrbeitet 
von  Dr.  Gostav  Landfrraf,  Rektor  des  k^I.  QymDasiams  in  Bajreatb. 
Leipzig  DDd  Berlin  1907,  Drock  nnd  Verlag  von  B.  G.  Tenbner. 
80  SS.  80. 

Landgraf  hat,  nm  seine  eigenen  Worte  zu  gebranchea  (Vor- 
wort znr  5.  Auflage),  „die  Anlage  der  tüchtigen  Meiflsnertchra 
Ansgabe  in  allem  Wesentlichen  beibehalten.  Nnr  der  IL  Anhing, 
^Beispielsammlnng  ans  Cic's  Cato  M.  zu  den  Formen  der  tradaiio 
nnd  argumentatio*  wurde  als  antiqniert  beiseite  gelassen  nnd  an 
seiner  Stelle  ein  Abdruck  der  berühmten  Kede  Jakob  Grimms  über 
das  Alter  gegeben  ....  ist  doch  auf  diese  Weise  ein  Vergleich 
der  beiden  schOnen  Schriften  auch  für  Zwecke  der  Schale  ermög- 
licht. Der  Kommentar  ist  lediglich  den  Bedürfnissen  des  Schulen 
angepaflt,  im  Anhang  I  sind  einige  Ausführungen  für  den  Lebrer 
gegeben.  Die  willkürlichen  TexUndemngen  Meissners  wurden  be- 
seitigt und  im  Anschluß  an  G.  F.  W.  Müller  meist  die  Lesarten 
der  besseren  Handschriften  wieder  hergestellt.  Von  neueren  Ab- 
gaben des  Cato  M«  wurden  benutzt  die  von  H.  Anz,  8.  Aufl.  1902. 
J.  Ley,  2.  Aufl.  1908,  P.  Weißenfels  1903,  F.  G.  Moore,  New- 
York  1904;  vgl.  A.  Eornitzer,  Berl.  Phil.  W.  1905,  Sp.  507ff.* 

L.  hat  bei  seiner  Bearbeitung  der  M.schen  Ausgabe,  welcber 
ja  Eornitzer  in  dieser  Zeitschrift  1900,  S.  741  Worte  der  An- 
erkennung zollt,  nur  den  berechtigten  Wünschen  dieses  Befereoten 
Bechnnng  getragen  sowohl  mit  der  Weglassung  des  Anhanges  II 
als  aucb  mit  Beseitigung  der  willkürlichen  Text&ndemngen  H.  a., 
wie  er  sich  auch  den  Anregungen  anderer  Rezensenten  offeobtr 
nicht  verschlossen  bat. 

In  der  Tat  finden  wir  bei  L.  die  von  Eornitzer  als  nn- 
gerechtfertigt  und  gewaltsam  bezeichneten  M.schen  Einklammeruogin 
überlieferter  Worte  unterdrückt,  z.  B.  §  17  non  faciatM..* 
meliora  faciat,  §  28  in  suis  studiis,  §  72  ut  navem  . . .  diveüitw. 
Aber  L.  bewahrt  anderseits  seinen  eigenen  Standpunkt  binlangliefa, 
so  wenn  er  den  Satz  §  46  et  re/rigeratio  aeitate  et  vieisnm  aiU 
8ol  aut  ignie  hibemus,  den  M.  einklammert  und  Eornitzer  alt 
Glosse  ausscheidet,  nicht  beanstandet,  wobei  er  sich  in  der  Oe- 
Seilschaft  vieler  Herausgeber  befindet.  Mit  vollem  Rechte.  Cic 
hebt  die  geselligen  Genüsse  hervor,  deren  auch  der  Oreis  teilhaftig 
werden  kann,  und  da  sie  spärlicher  sind,  sucht  er  sie  ins  helUte 
Licht  zu  setzen.  Doppelt  wohl  tut  also  dem  Greise  das  Gastmsbi« 
wenn  es  bald  an  einem  die  Sonnenglut  abwehrenden,  bald  wieder 
angenehme  W&rme  spendenden  Orte  —  ignie  hitemus  =  Eamis* 
feuer  —  stattfindet,  wozu  es  auf  dem  Sabinergnie  Catos  reich« 
liehe  Gelegenheit  gibt.  Vgl.  §  57  Tibi  enim  pot€9t  iüa  attoM  o^ 
caleecere  vel  apricatione  melius  vel  igni  aut  vieissim  umbrU 
aquieve  refrigerari  ealübrius?  So  aufgefaßt,  wird  der  ZosamineB- 
hang  keineswegs  gestört.  Freilich  ist  L.  in  seinen  Abweichnnges 


Meissner-Landgraf,  Cieeronis  Cato  Maior,  avg.  t.  E.  Stettner.  749 

Ton  IL  nicht  immer  glfleklich,    beispielshalber  §  3    attribuito  st 
tribuüo.     Die  eine  Parallelstelle  De  orat.  II  14  kaou  Dicht  ans- 
scblagrg^ebeDd  sein.     §  18  quorsum.     §§  42,   44  quorsus.     §  28 
penaepe  ipBa  st.  per  h  ipsa  nnter  Bemfang  auf  Nonins  schw&cht 
die  Wirknog    der   leidenschaftBlosen    Bede   des   beredten    Greises 
merklieb  ab,    während  im  Gegenteil  Cic.   betonen   will,    daß  jene 
Bähe    anch    ohne   physische  Anstrengungen    der  Sympathien    der 
Zahörer  sicher  sein  kann.  §  49  schreibt  L.,  wenn  auch  schweren 
Herzens,  mori  videbamus.  Er  selbst  dachte  an  cammorari  st.  fnori, 
er  erw&hnt  den  Vorschlag  Moores  vivere   modo  videbamua.    Aller- 
dings, das  Argument  L.s,    der  Ansdrnck  mori  scheine   ihm  etwas 
in  stark,  da  Salp.  Gallns  nach  Oic.  Brat.  §  78  maxime  omnium 
nobilium  Graeeia  litteris  siuduit  isque  et  oraiorum  in  numeroest 
hahiius,  also  nicht  ansschließlich  Astronom  war,    ist  nicht  stich- 
haltig. An  unserer  Stelle  schildert  ihn  Cic.  mit  jener  rhetorischen 
Übertreibung^   die  er  auch  in  der  philosophischen  Schrift  nicht 
yerlengnet,   uls  einen  Astronomen   non  plus  ultra.     Aber  etwas 
anderes  dürfte  gegen  mori,  das  bei  M.  fehlt  (?.  Boltenstern  miro 
in  studio),  sprechen.     Cic.  fängt  gerade  mit  49  an,  das  geistige 
Fflrsichleben  (seeum  esse  secumque  vivere),  das  geistige  Leben 
(ei  vero  habet  dliquod  iamquam  pabulum  studii  atque  doctrinae, 
nihil  est  otiosa  seneetute  iueundius)  der  Greise  zu  preisen.     Und 
gleich  darauf  soll  er  fortfahren:  „Sterben  sahen  wir"  usw.?    Cic. 
macht  sich  daran,  Beispiele  fflr  solche  geistige  Genüsse  zu  bringen. 
Der  große  Eifer   des  Gallus  wird   genugsam   geschildert,    daß  er 
fast  Himmel  und  Erde  durchmaß,    daß  er  häufig  von  der  Frflhe 
bis  in  die  Nacht,   von   der  Nacht  bis  in  die  Frflhe  Sternkarten 
zeichnete.    Insbesondere  wflrde    der  letzte  umstand  eigentflmlich 
nachhinken,  wenn  es  schon  vorher  hieß,  er  habe  bis  zum  letzten 
Athemzuge  gearbeitet.  Cic.  handelt  es  sich  ferner  nicht  bloß  darum, 
das  Aufgehen  in  der  geistigen  Arbeit  durch  die  Erfahrang  zu  be- 
stätigen,   sondern  auch   ein  hohes  Gebiet  zu  erwähnen,    das   so 
recht  den  irdischen  Leidenschaffcen  entrückt  ist  (emeritis  stipendiis 
libidinis,  ambitionis,  sq.),  und  das   ist  die  Himmelsknnde.     Ein 
solcher  Gedankengang  gestattet  wohl  nicht,  die  Stelle  §  18  Piatonis, 
qui  . . .  seribens  est^mortuus  zum  Vergleiche  heranzuziehen.  §  81 
wäre  dagegen  eine  Änderung  von  corporis  in  corporum  am  Platze. 
Zu  den  gelungenen  Änderungen  scheinen  mir  neben  manchen 
anderen  zu  zählen  §  4  adeptam  st.  adepii.  §  20  perconianti  st. 
sie  enim  pereontantur.  Denn  wenn  man  auch  wegen  der  Lebendigkeit 
der  Szene  und  vi  eil  eicht    wegen    des    vestram    rem  publioam 
amisistis  und  respondtntur  (man  gibt  zur  Antwort) geneigt  wäre, 
mehrere  Personen,    möglicherweise  den   Chor  jener   altmodischen 
Oreise,  die  durch  das  Aufkommen  neumodischer  jugendlicher  Yolks- 
fflhrer  an  die  Wand  gedrückt  wurden»    oder  ihren  Sprecher  sich 
als  befragt  und  erwidernd  vorzustellen,    so  ist  es  natürlicher,    an 
einen  Fragesteller  zu  denken.  60  wurde  nach  Corvinum  aceepimus 


750  Meiasner-Landgraf,  Ciceronis  Cato  Maior,  ang.  ▼.  E.  Stettuer. 

glficklich  eo  beseitigt.  §  78  h&lt  L.  tantae  seietUiae  aoa  gntem 
Qrnnde  bei.  Erwähnen  möchte  ich  noch,  daß  ich  in  der  4.  Ad. 
M.s  einzelne  Lesarten  seiner  2.  Aufl.  von  ihm  selbst  geändert 
flnde  (diese  beiden  liegen  mir  vor).  So  hat  er  st  vix  vi  avelluntur 
später  vi  evelluntur,  was  L.  übernimmt.  Mit  Recht,  durch  die» 
wird  die  beabsichtigte  Gegenüberstellung,  daß  die  unreifen  Fracht« 
durch  eine  äußere  Kraft  (vi),  die  ja  nicht  übermäßig  zu  sein 
braucht,  gepflückt  werden,  während  die  Vollreifen  von  selbst  ab- 
fallen, gut  wiedergegeben  (wobei  sich  avelluntur  noch  besser 
eignen  würde).  Vix,  das  als  dritter  Ausdruck  der  physischen  Ao- 
strengung  hinzukommt,  läßt  diese  als  besondere  Kraftprobe  er- 
acheinen,  was  der  Tatsache  nicht  entspricht.  Auch  discedü  fand 
L.  §  80  in  der  4.  M.8  (st.  discessit  in  der  2.)  schon  vor.  Es  ist 
wörtliche  Übersetzung  von  o{;rfi  iKioi)6a  dgctxai  XenophoDi. 
•Soviel  über  einzelne  Stellen.  In  dem  schon  genannten  Anhang  1 
hat  Herausgeber  trotz  des  engen  Baumes  von  kaum  zwei  SeitH 
wertvolle  Literaturan  gaben  niedergelegt.  Der  Anhang  I  M.8  entbäli 
in  der  4.  Aufl.  ein  Verzeichnis  der  Abweichungen  vom  Texte  der 
Müllerschen  Ausgabe.  Ebenso  zweckmäßig  wäre  es,  wenn  der  B« 
arbeiter  bei  der  nächsten  Ausgabe,  da  er  ja  ohnedies  für  des 
Lehrer  textkritische  Bemerkungen  S.  61,  62  gibt,  diese  dorcb 
eine  Übersicht  seiner  Abweichungen  vom  Texte  M.8  erweiterte, 
wenn  er  sich  nicht  schon  der  noch  größeren,  aber  wobl  er- 
wünschten Aufgabe,  einen  vollständigen  Apparat  zu  schaffen,  unter- 
ziehen wollte.  Jedenfalls  bedeutet  L.s  kritische  Darbietung  eineo 
Portschritt  in  der  Festigung  des  Textes. 

Die  äußere  Ausstattung  ist  gefällig.  Schon  M.  hat  dbrigeai 
nachträglich  auch  der  Form  sein  Augenmerk  zugewendet.  In  der 
4.  Aufl.  sind  Kapitel-  und  Paragraphenzahlen,  einzelne  Worte  und 
ganze  Sätze  durch  Sperrdruck  hervorgehoben.  Der  andere  Dnek 
ist  entsprechend  groß  und  deutlich. 

Eine  formelle  Verbesserung  ist  es,  wenn  uns  manche  Qoantitits- 
Ji)ezeichnungen  begegnen,  die  wir  bei  M.  noch  in  der  4.  Aufl.  ver- 
missen, da  auch  die  Obergymnasiasten  über  solche  Dinge  nicbt 
immer  hinaus  sind:  3  Tithöno,  5  vietum,  10  eondUa,  Cetkeg^y 
24  St/nephebi,  38  desüdans,  57  praecidam  u.  a.  Solche  Angaben 
konnten  noch  vermehrt  werden,  nicht  minder  die  Abschnitte.  M. 
selbst  hat  schließlich  in  die  Monotonie  der  langen  Kapitel  dnrek 
Absätze  eine  leider  nur  seltene  Abwechslung  gebracht,  so  26,  33, 
47,  61.  L.  nimmt  noch  eine  Einrückung  in  8  vor.  Aber,  vi«  ge- 
sagt, das  ist  noch  zu  wenig.  Vielleicht  wären  auch  grOlSere  Ab- 
schnitte mit  Überschriften  zu  versehen.  Der  so  gerne  gebreocfate 
Einwand  von  den  ^Krücken*  wird  in  diesem  Falle  wohl  anfzagebea 
sein  angesichts  der  Tatsache,  daß  durch  solche  Förderanges  sudi 
schwächere  und  dem  Gegenstande  fremd  gegenüberstehende  Sckükr 
für  ihn  gewonnen  werden,  bessere,  mit  ihm  vertraute  nicbte  Teriieree 
•und  noch  genug  Schwierigkeiten  zur  Qeistesübung  vorhanden  bleiben 


MeiasHer-Landgraf,  Ciceronis  Cato  Maior,  ang.  v.  E.  Stettner,  751 

Daher  empfehlen  sich  ferner  —  nicht  in  dieser  Ausgabe 
allein  —  nach  bereits  vorhandenen  Mustern  wichtige  Jahreszahlen 
am  Bande  und  ein  wohlgeordnetes  Namenverzeichnis.  Wollte  man 
endlich  im  Sinne  modemer  Vervollkommnung  noch  ein  übriges  tun, 
80  wftre  wohl  auch  für  bildliche  Darstellung  Anlaß  (Portraits 
berühmter  Griechen  und  Römer,  Symposion,  Schriftwesen,  Garten-, 
Weinkulturen,  Landhaus,  Szenen  aus  Komödien  u.  a.  nach  Wahl). 

Hauptsächlich  in  der  philosophischen  Propädeutik  scheint 
Bef.  der  Wert  dieser  Schrift  zu  liegen,  nicht  darin,  daG  die  Jüng- 
linge sich  schon  jetzt  über  die  Leiden  des  Greisenalters  hinweg- 
setzen lernen,  selbst  wenn  man  annimmt,  daß  Cic.  ausschließlich 
nur  den  letzten  Zweck  im  Auge  gehabt  habe. 

Gerade  aber  in  der  Einführung  in  die  Philosophie  des 
Altertums  zeigt  die  Einleitung,  welche  bis  auf  zwei  Noten  und 
drei  Literaturangaben  unverändert  verblieb ,  eine  bedauerliche 
Locke.  Vgl.,  was  Dr.  A.  Höfler  in  seinen  drei  Vorträgen  zur 
Mittelschulreform,  Braumüller,  1908,  S.  127  ff.,  über  die  Philo- 
sophie, die  einstige  Königin  der  Wissenschaften  sagt,  auf  die 
oamentlich  die  freche  «Verachtung  naturwissenschaftlichen  Denkens 
im  Zeitalter  Hegels  diesen  Fluch  geladen  hat,  der  nun  auch  schon 
bald  im  vierten  Geschlecht  nicht  von  ihr  weichen  will**.  Er  betont 
(S.  137  f.),  daß,  trotzdem  die  pädagogische  Ethik  bei  dem  Ein- 
flüsse des  »Jenseits  von  Gut  und  Böse^  und  des  ,tJbermenschen* 
Nietzsche  auf  die  Jugend  sehr  tief  graben  müsse,  bis  sie  auf 
nicht  unterminierte  Fundamente  im  sittlichen  Bewußtsein  treffe, 
ihn,  unbeschadet  der  "Umwertungen  aller  Werte'  und  der  ist  ^Om- 
wortungen  aller  Worte\  noch  keine  Mode  an  der  altruistischen 
Ethik  irre  gemacht  habe,  „die  man  so  lange  für  die  ausschließ- 
liche Ethik  der  anständigen  Leute  gehalten  hat  und  wohl  auch 
künftig  wieder  halten  wird**.  Ebenso  verlangt  Weißenfels,  daß  man 
sich  an  Schüler  wende,  nicht  bloß  oloC  sl6iv,  sondern  auch  oiovg 
da  dvai  (Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1905,  S.  871). 

Pflege  des  Humanismus  gegenüber  dem  zu  stark  be- 
tonten Historismus  wünscht  Max  Siebourg  'Die  Philos.  am  Gjmn.' 
<Jahrb.  f.  klass.  Altert,  und  Pädag.  1908,  S.  266—279).  Vgl. 
auch  C.  Thiancourt,  Essai  sur  les  traitis  philosophiques  de  Ciciron 
€t  leurs  sourees  grecques  (Hachette). 

Allerdings  bietet  die  Lektüre  des  Cato  M.  selbst  reichliches 
Material  für  die  Kenntnis  der  antiken  Philos.  und  der  Kommentar 
M.-L.S  und  das  lebendige  Wort  des  Lehrers  sorgen  für  dessen 
Vermehrung,  Erklärung  und  Fruchtbarmachung  für  die  Gegenwart, 
aber  trotzdem  halte  ich  eine  spezielle  Einleitung,  wie  sie 
z.  B.  Th.  Schiebe  in  seiner  Catoausgabe  in  geradezu  vorzüglicher 
Weise  bat,  —  daß  einzelne  Daten  für  Schüler  zuviel  sind,  ändert 
nichts  an  diesem  Urteile,  da  bei  Einführung  in  die  Lektüre  eines 
Schriftstellers  ein  zuviel  nicht  hinderlich  ist,  —  für  ein  dringendes 
Bedürfnis.  Bef.  weiß  ganz  gut,  daß  es  auch  bezüglich  der  Ausführ- 


752  MeiBsner-Landgrafy  CiceroniB  Cato  Maior,  ang.  t.  B.  Stetttur. 

lichkeit  der  Einlaltniigao,  irie  bezfiglich  so  rieler  andaran  Fragen 
bei  SchnlansgabeD  ton  Klaasikern  aotgegengeaetzte  Aoaichtan  gibt, 
aber  er  ist  der  Überzengang,  daß  eine  übersichtliche  Gmppiiniog 
philosophischer  Gesichtspunkte  und  Probleme  in  dieser  Asag.  nicht 
zu  missen  ist  nnd  macht  ancb  anf  die  Benützung  dessen  auf* 
merksam,  was  J.  Borckhardt  in  seiner  'Griech.  Eoltnrgeachiebto* 
n  866  ff.  Aber  die  Lokation  der  Güter  (znr  Gesamtbilanz  in 
griecb.  Lebens),  namentlich  der  Gesundheit,  über  den  Pessimismos  der 
Griechen,  ihre  Klagen  über  das  Alter  o.  a.  zusammengetragio  od 
gedeutet  hat.  Manche  Parallele,  manche  Vorlage  für  Cato  IL  tiefte 
sich  schon  am  Anfange  vorbringen,  so  die  «borrible"*  Gegenüber- 
stellung von  Jugend  und  Alter  bei  Afistötelea  Bhetor.  II  12.  IS^ 
dessen  Schriften  Clo.  noch  in  der  für  ein  größeres  Publikum  be- 
stimmten dialogischen  Form  vorlagen  und  den  dieser  weltmünnisck 
frei  weitergab.  So  das  Gespräch  des  greisen  Kephalos  mit 
Sokrates  zu  Beginn  von  Piatos  Staat.  So,  was  den  Griechen  Be- 
glückung durch  den  Geist  war,  der  sogenannte  intellektueUe  Op- 
timismus. 

Gerade  Cato  M.  aber  ist  besonders  geeignet,  Fragen  der 
praktischen  Vernunft  systematisch  zu  behandeln,  da  er  jenen  Weg 
beschreibt,  quam  nobis  quoque  ingrtdiendum  est,  die  allen  ge- 
meinsame Lebensreise.  Die  „Aktualitüt"  des  Themaa  eeigt  sich 
schon  darin,  daß  die  Annahme  einer  SelbstgeaetsgebUDg  der  Ver- 
nunft oder  des  Willens,  die  persönliche  Autonomie«  „die  nicht 
gleichbedeutend  mit  *  Willen  zur  Macht*  isf"  (Biehl,  Zar  Ein- 
führang  in  die  Philos.  der  Gegenwart,  S.  209),  die  Gnadlage 
der  Ethik,  auf  die  Stoiker  und  noch  weiter  zurück  auf  die  fiokiatie 
des  Sokrates  zurückgeht  und  daß,  wenn  wir  das  Sittengeseti  als 
das  Naturgesetz  des  vernünftigen  Wesens  als  solchen  betrachten, 
wir  wieder  nur  den  Stoikern  folgen,  nach  deren  Ansieht  natar* 
gemäß  und  vernnnftgemftß  zu  leben  dasselbe  ist  (heute  sagt 
man:  „Das  Sitteogesetz  hat  kosmische  Tragweite**,  Biehl,  8.210). 
Ebenso  „aktuell"  ist  die  Forderung  der  Stoiker,  am  Staatslebeo 
aktiv  teilzunehmen.  Man  könnte  dabei  auf  Herrscher,  Staatsmänner, 
Feldherren  der  modernsten  Zeit  hinweisen,  welche  bis  in  das 
höchste  Greisenalter  mit  jugendlicher  Begeisterung  sich  dem  Staate 
gewidmet  haben,  und  in  die  Herzen  der  Jugend  dM  Vertangei 
pflanzen,  sich  dereinst  gemeinnützig,  sei  es  mittelbar,  sei  es  na- 
mittelbar  im  „Staatsdienste"'  im  weitesten  Sinne  zu  betätigen.  Anf 
solche  Weise  würde  man  auch  bewirken,  daß  der  „Staatsdieist' 
im  engeren  Sinne  endlich  aufhörte,  einem  Teile  4er  Bevdlkenag 
und  selbst  manchem,  der  sich  ihm  widmen  will,  ala  eine  über- 
krustete  Existenz  zu  erscheinen.  Kurz,  es  ist  dem  die  Lebens- 
reise  Antretenden  vorzuhalten,  daß  er  eine  Pflicht  zu  erföllen  habe: 
ä^un  devoir  ä  aecomplir  sagt  Charles  S.  4  und  bemerkt  von  dam 
Greise  im  Stile  des  Cato  M.:  „il  a  travaüU  ä  devenir  un  homme, 
ce  qui  ne  petU  se  faire  aans  travaiUer  au  bien  des  äußres, 


Meiismer-Xandgraf,  CicaroBli  Cato  Mftidr,  ug.  ▼.  E,  StMner.  75S 

M  dSvouer  ä  aa  patrie  et  ä  l^humaniü;  ü  a  rendu  de  grands 
mmei8  ä  am  rnrnblahUa  . . .  o«  bim  ü  a  vku  cbscur,  wtais  uliU 

Eodlieh  kOonte  auch   der  reiBste  Utilitarier,    dem  die  Moral 
oder  das  MoraliiierM  nnd  Maximen  ^)  anderer  trotz  des  Erspamissee 
an  Zeit  und  eigenen  EnttAnsehnngen  nicht  der  richtige  Weg  zu 
den  Yon  der  Ethik  geeteckten  Zielen  zn  sein  scheinen,  «nd  der  die 
80  einfache  Gelegenheit ,  eich  Aber  die  Anfgaben  der  praktischen 
Philosophie  zn  orientieren ,  ¥on  eich  weist,  dennoch  dnreh  einen 
Hinweis  in  der  Einleitung,  daß  nns  Cat.  M.  anch  als  antiker  Hnfe- 
laad  nnd  Fenditersleben   Lehren   gibt,  die  anf  Makrobiotik  and 
Diätetik  abzielen,  dem  alten  Bnche  eine  lebendige  Seite  abgewinnen. 
Der  Kommentar  ist   der    woblbewfthrte  M-s,   jedoch  mit 
gelegentlichen  Änderungen,    Kürzungen  nnd  Znsfttzen,  und  behftlt 
im  allgemeinen    die  Fassung   der    auch    in    dieser  Hinsicht   ver- 
besserten 4.  Aufl.  bei.  Nur  hätte  ihn  der  Bearbeiter  für  den  häus- 
lichen Gebrauch  nach  dem  sich  einbürgernden  Brauche  vom  Texte 
trennen  können.  Dies  wäre  der  typographischen  Ausgestaltung  zu- 
gute gekommen  und   hätte  den   Gebranch    dieser  Ausgabe    auch 
an  Österr.  Gymnasien  ermöglicht.     Die  Formen   der  tradatio  und 
argumantatio  hat   L.    zwar  Tormieden    übersichtlich    darzustellen, 
aber  er  macht  bei  passenden  Gelegenheiten  anf  formelhafte  Über- 
gänge, Schlüsse,  auf  den  Bhythmus  der  äauaulae,  auf  yerschiedene 
Figuren  aufmerksam.     Die  Formenerklärung  M.s  setzt  er  fort:  6 
iHue  =  isHtdce,  48  propter  aus  prop(e)üer  (M.  propiter).  Manche 
neue    Belegstelle  wird   herangezogen:    4  zu   ßaQvrsQov   Alxvaq 
Vergil  Aen.   III  554—562  (Ammon,    Bl.  f.  d.  Gymaasialschulw. 
1906,  S.  181);  §  14  das  Menanderzitat  xsviav  ^iQSiv  xal  yflQd$ 
iö-u  d'ööxöXov.  Doch  könnte  man  noch  Verschiedenes  in  Betracht 
ziehen.     Zu  §  1  moderatumem  animi  et  aaquUaUm  das  bekannte 
aequatn  mamento  rebus  in  arduie  eervare  memtem;  §  6  quam  — 
ingrediendum  eat  (wo  aus  Versehen   quae  steht),   ist  naeh   einer 
Vermotong  Ammons  dem  Atticus  —  ^Axxue^^xetxo^  —  zuliebe  ge- 
schrieben, entsprechend  Ixrpciov,  Cic.  ad  Att.  I  16,  18  istoe  emeu^ 
Uttus  tum  flocei  faetean,  wo  allerdings  die  zwanglose  ünterhaltnng 
mit  im  Spiele  war   und  ein  Scherzwort  bildete.     §  7   ist  an   den 
schoD  erwähnten  Dialog  Kephalos — Sokrates  zu  erinnern,  wie  denn 
im    allgemeinen    die  griechischen   Quellen  noch   mehr    vorgeführt 
werden   sollten,  sowohl  um  Cics  Schriftstellerei  beurteilen,  als  auch 
um  Vergleiche  zwischen  der  lateinischen  und  griechischen  Sprache 
und  Literatur  anstellen  zu  können.     Man  hat  ja  solche  Versuche 
bei  Horazausgaben  bereits  mit  Erfolg  gemacht.     §  44  zieht  Kor- 
nitzer  Her.  8at  II  6,  105  exetruetia  caniatria  heran.  §  58  dimenaa, 
discripia  xecvecgiaxQßlVj  dieerda^aiv  bei  Xenophon.  Solche  Vergleiche 


>)    Die   früher   sorgfältig  io    manchem  FlarOegium  (Stebaens), 
man<Aiem  Phsras  Tsieint  waren. 

Z«l«0ehrin  f.  d.  M«r.  Oynm.  1906.  YHI.  «.  IX.  Haft.  48 


764  Meiasner-Lanägraf,  GiceroniB  Cato  Maior,  ang.  t.  E.  SUttner. 

Termehren  auch  die  Sprachkenntnisae.  Deshalb  ist  es  befremdend, 
daß  L.  §  71  das  Ton  M.  za  cocta  erw&hnte  niöösiv^  tüxov 
übergangen  hat.  Von  den  nenen  Erkl&mngen  L.s  möchte  ich  au 
der  ziemlichen  Zahl  anführen  §  18,  wo  er  eleganter  adae  auf 
Atticos  beziehen  will  nnter  Bemfnng  anf  Nepos  Att  19,  2: 
pervenit  in  affinücUem  imperataria  (Augusti)  nuUa  alta  re  quam 
eUgantia  mtae,  %  h^  ne  a  me  ipso  reeedam  „nm  bei  meiner 
eigenen  Person  zu  bleiben*".  Bei  moUiier  5  dürfte  die  Wannog 
'nicht  effetninaU*  geboten  sein.  Sollte  die  Annahme  Ammons,  daß 
dem  alten  Gerichtsredner  in  §  7  das  Bild  Ton  einem  gerichtUeh 
Geklagten  vor  Augen  geschwebt  habe  (aeeuaare^  quod  tsaä 
accuaandutn)  die  Beistimmnng  L.s  finden?  Eben  jener  übersetzt  § 21 
tardiar  mit  'minderbegabt',  weil  'das  Ged&cbtnis  nach  Cic.  der 
Hanptteil  menschlicher  Geistesgaben  sei\  In  36,  einer  der  ge- 
f&hrlichsten  Stellen,  fehlen  wie  anch  bei  anderen  Heransgebem  die 
Gedankenbrüeken.  Ich  will  znn&chst  die  Schwierigkeiten  aofdecken. 
Cic.  sagt,  man  müsse  gegen  das  Alter  ankämpfen,  indem  man  dem 
Körper  dnrch  müßige  Übungen  und  das  notwendige  Maß  tob 
Speise  und  Trank  nachhilft,  noch  mehr  aber  bedürfen  die 
Geisteskrftfte  einer  Nachhilfe.  Denn  auch  sie  erlöschen  infolge 
des  Alters  ohne  Zugießen  von  Ol.  Doch  während  der  Körper  unter 
ermüdenden  Übungen  leidet,  verschaffen  Übungen  (ohne  den  Zusatx 
*auch  noch  so  große*)  dem  Geiste  Erleichterung.  Und  gerade  in 
diesem  Gedrftnge  verlangt  L.  vom  Schüler  passende  Übersetzungen 
von  exstinguufUur  und  levantur.  Vor  allem  würde  man  auf  den 
ersten  Blick  im  Sinne  des  'noch  mehr*  folgerichtig  erwarten :  „Dnn 
sie  erlöschen  auch  leichter^,  als  ob  facüius  ausgefallen  w&re. 
Sodann,  wenn  man  auch  den  mit  Bückeicht  auf  dae  erst  ans 
Übungen,  Speise  und  Trank  zu  gewinnende  Vergleichungsobjekt 
für  öl  etwas  hinkenden  Vergleich  gerade  gehen  Iftßt,  sollte 
man  meinen,  daß  dem  Geiste  viel  leichter  abzuhelfen  sei,  da  üin 
Übungen  nur  elastischer  machen,  wfthrend  der  Körper  ermattet 
Da  wftre  denn  doch  eine  Führung  nötig !  Nicht  minder  die  Er- 
wähnung, daß  nach  Ansicht  des  Aristoteles  keine  Anstrengung 
des  Denkens  (r6  öfpiÖQa  vorit6v)  dem  Geiste  echade,  während  n 
starke  Sinneseindrücke  (rö  öfpödga  alö^x&v)  die  Organe  der 
Wahrnehmung  stumpf  machten  (Weißenfels).  Um  doch  einen  Sinn 
zu  erhalten,  würde  ich  die  Stelle  so  auslegen:  „Die  Geisteskräfte 
brauchen  mehr  Nachhilfe,  weil  sie  unbeschäftigt,  ohne  Nahnsgi 
schneller  verfallen  als  die  körperlichen.  (Ob  dies  den  Tatsachee 
wirklich  entspricht,  ist  eine  andere  Frage.)  Denn  auch  der  Geiit 
—  was  man  seiner  immanenten  Natur  wegen  nicht  erwaita 
würde  —  erlischt  ohne  öl  (Übung).  Dafür  ist  es  wieder  daik- 
barer,  den  Geist  zu  üben,  da  er  dadurch  immer  elastischer  wird. 
Also,  sowie  der  Geist  ohne  Pflege  eher  verkommt  als  der  s>' 
gepflegte  Körper,  so  lohnt  er  andererseits  wieder  mehr  die  ^ 
ihn  verwendete  Sorge.     Beides   auch   mehr  Grund,    ihn  zu  übea. 


Zr.  Maeearif  OMerrasioiii  ad  Oraiio,  ang.  t.  K.  Bring.  755 

Dieses  oder  sonst  etwas  SinngemUes  wftre  dem  Schüler  zu  sagen 
gewesen.     Aneh  sonst  fehlt  es   bei  schwierigen  Passagen  an  An* 
baltspnnkten   ffir  den   gedanklichen  Zasammenhang,    die  logische 
Verbindung.  Ich  erw&hne  *8ibi  habeatU  igüur  arma  bis  heata  esse 
seneetus  poUst   58.     Setzt  nicht  die  vencUio,    die  Beschäftigung 
müßiger  Standen  56,    anch  eine  gewisse  körperliche  Anstrengung 
nnd  Übong,   den  Oebranch  einer  Waffe  Toraos?     78  bedurfte  der 
Spruch  Solons  quo  se  negat — vaeare  der  einrichtenden  Hand.     88 
adsum    amieis    ruft    in    Erinnerung    82    non   curia   vires   meas 
desiderat  . . .  non  atniei.     49  wäre   anläßlich  der  astronomischen 
Stadien  des  Oallus  der  Ausspruch  des  Anazagoras  zu  zitieren,  das 
Geborenwerden  sei    dem  Nicbtgeborenwerden  vorzuziehen    um  der 
Betrachtung  des  Himmels  und  des  Weltganzen  willen.  59  utfaeUis 
nicht  formelhaftes  'wie  bisher%  sondern  *wie  ihr  es  ja  auch  wirk- 
lich tnt\  (Drenckhahn).  Ebenda  unterblieb  bei  qui  est  die  Mahnung 
M.S  „nicht  agitf*^     Zu  regem  bringt   Komitzer  bei  Verr.  IV  27 
Reges  Striae,  regis  Äniioehi  ßlios.  §  71  fehlt  eine  Handhabe  fär 
die  Übersetzung  ?on  ante  partorum  bonorum  memoria  et  eqpia, 
Weißenfels:   sich  an  viele  ...    erinnern   zu  können.     Charles:  le 
Souvenir  et  la  jouissance  des  biens  acquis  dans  un  autre  äge.  Es 
ist  durchaus  nicht  gleichgültig,  ob  man  ein  Hendiadyoin  annimmt 
und  den  Greis  nur  von  dem  Vorrat   an  Erinnerungen  leben  läßt, 
oder  ob    er,    wie  sich   es  Charles  denkt,    teils   an   schönen  Er- 
innerungen zehrt,  teils  die  Früchte  seines  Strebens  genießt 

Yon  Fremdwörtern  macht  L.  keinen  besonderen  Oebranch. 
Doch  würde  4  inconstantia  reiner  und  ebenso  verständlich  mit 
^Unbestftndigkeit*  gegeben  werden  können  statt  mit  'Inkonsequenz'. 
86  ist  'energielos*  kein  richtiger  Ausdruck  für  dissolutos,  die 
Greise  der  Komödie,  die  sich  nicht  zu  helfen  wissen.  Hier  ist 
Villenlos'  entschieden  vorzuziehen. 

Bielitz.  Eduard  Stettner. 


L.  Maccari,  Osservazioni  ad  Orazio  (Seeondo  eaggio).    Siena, 
Tip.  edit.  S.  Beroardino  1907.  15  SS. 

Das  vorliegende  Schriftchen  bringt  aasschließlich  Interpreta- 
tionen einzelner  Verse  der  Epoden  I,  11,  IH,  V,  VI,  IX,  X,  XI, 
XIY  und  XVI  (nicht,  wie  es  irreführend  heißt:  XVII).  Leider 
läßt  sich  davon  wenig  Gutes  sagen;  das  meiste  ist  verkehrt  und 
onbranehbar.  Um  I  5  die  Ergänzung  lon  faciemus  {odw  faeiamus) 
zn  vermeiden ,  schlägt  er  vor  zu  verbinden  quid  nos .  • .  utrumne 
persequemur . . .  aut?  und  zwar  soll  ^id  als  eine  transitio  auf- 
gefaßt werden  und  zugleich  als  eine  generische  Prolepsis  der  fol- 
genden Doppelfrage.  Die  Erklärung  ist  aber  unannehmbar,  weil 
einmal  eine  transitio  gar  nicht  am  Platze  ist  nnd  auch  das  Metrum 

48* 


756  L.  Maecari,  ONenranoiii  ad  Oraiio,  aog.  y.  K.  iVtiK. 

ein«  «ngere  V«rbiodaDg  von  quid  mit  dem  betonten  no$  aU  das 
Natfirlicbete  eracheiDen  liftt  Die  Ellipse  ?on  faeer$  ist  übrigtos 
leicht,  nicht  selten  nod  findet  sich  anch  bei  Horaz,  z.  B.  Sat.  II 
2.  81.  —  Epod.  ni  will  der  Verf.  den  Schert  so  ?eretehen:  Hl- 
cenas  habe  den  Dichter  zn  einer  tarta  eolT  aglio  («^Knoblauch- 
knchen^)  eingeladen  nnd  dieser  habe  sich,  so  groß  sein  Wider- 
willen  gegen  dieses  Gericht  auch  von  jeher  gewesen ,  nur  seinem 
Protektor  znliebe  gezwungen ,  daron  zn  essen.  Als  er  aber  die 
schlimmen  Wiitangen  zn  sparen  bekam,  habe  er  diese  eomica  im* 
preeazione  geschrieben.  Aber  wie  sollte  sich  diese  Erklftmng  mit 
Vs.  4  yereinigen  lassen?  Müssen  wir  nicht  mit  M.  dann  annehmen, 
daft  M&cenas  seinerseits  das  Enoblanchgericht  ganz  gut  Tertragen 
habe?  Wie  nnfein  wftre  dann  des  Dichters  Ansmf :  ^O  dura  «le«- 
sortim  ütaf*"  Wie  man  femer  Vs.  21  nnd  22  qppanat  nnd  eubdy 
nachdem  doch  preear  unmittelbar  vorhergeht,  als  pontentiale  Kon- 
jnoktiye  auffassen  kann,  ist  mir  ganz  anbegreiflich,  abgesehen 
dafon,  daß  die  Pointe  des  Gedichtes  so  ?erloren  ginge.  Ganz  ver- 
kehrt  ist  anch  M.s  Erklftmng  yon  V  11,  wo  er  yerbinden  will 
constiHt  trementi  or$  =  „st  fermd  (tacque)  coüa  bocea  irmnmiii 
daUo  apavento* ;  dagegen  spricht  nicht  bloß  die  Stellang  der  Worte, 
sondern  vor  allem  der  Sprachgebranch,  der  ein  are  crnrntten  = 
taoerB  nicht  kennt  Was  er  gegen  die  Erklftmng  Kieselinge  vor- 
bringt, ist  ganz  baltlos;  er  scheint  eie  gar  nicht  verstanden  tn 
haben.  Anch  seine  Auffassung  der  freilich  etwas  dunklen  Stelle 
y  49  ff.  wird  schwerlich  vieler  Beifall  finden:  Der  Buhle  soll  gar 
kein  Bcnex  sein,  vielmehr  sei  mit  diesem  Worte  bloß  der  Wonscb 
angedeutet,  er  möge  zn  einem  aentx  verzaubert  werden;  femer 
soll  das  Gebell  der  canes  Suburanae  „dus  beschimpfende  G^creisehe 
der  Dirnen  jener  Gegend*'  bedeuten. 

Wird  jemand  solche  Interpretationen  emst  nehmen?  Ist  es 
wirklich  nötig,  darauf  hinzuweisen,  daß  bei  solchen  Zauberszeneo 
immer  Mondschein  vorausgesetzt  wird?  Bekanntlich  heulen  da  die 
Hunde  mit  Vorliebe;  was  Wunder,  wenn  sie  dann  den  Alten, 
schleicht  er  durch  die  Gassen  zu  seiner  Buhle,  heftig  anbauen? 
Man  vgl.  doch  die  Verse  51  ff.  z.  B.  mit  Theoer.  II  10,  Orid 
Met.  VII  180;  das  Bellen  der  Hunde  wird  ausdrficklich  erwftbat 
Theoer.  II  85  tal  xiivsg  ägifuv  ivk  m6Uv  ä^ovtai  (man 
sieht,  wie  wenig  Gewicht  auf  das  Femininum  cauM  Suburanoi  u 
legen  war)  und  Verg.  Belog.  VUI  107.  Entschieden  mißglädt 
muß  die  Verteidigung  des  ftberlieferten  vmena  magnum  in  Vs.  87 
genannt  werden.  Ganz  abenteuerlich  ist  auch  die  Erklärung»  dvcfc 
die  er  die  Überlief emng  von  IX  19  retten  will;  es  veriohnt  sich 
wirklich  nicht,  fiber  sie  ein  Wort  zu  verlieren.  Wie  der  Veif.  oA 
von  der  naheliegenden  und  einzig  richtigen  Erklftmng  zor  ge* 
suchten  und  sicher  verfehlten  abirrt,  mögen  seine  eigenen  Werts 
zu  X  8  ^trtmeniea  t'/toss'*  zeigen:  ^Non  H  dem  piuUotto  amr  m 
fMfUe  un  epiteto  inrnafUe,  che  ri^iami  i'in^preeeione  coeMt»  * 


P.  Brandi,  P.  Ofidii  Nmoiim  Fmü,  Tristia  uw.,  aag.  t.  JB.  Jurtnka,  757 

particoiar$  ddU  fogH$  dt  Uceio,  che  al  veiUo  piü  lüv$  eorruseamo, 
pd  co9iirasto  dsUa  faccia  iuperiare  lueida  e  9cura,  coU'  ifrftriort 
chiara  e  opaoa?  0  k  insieme  ü  tremiio  €  ü  rotmo  che  si  «nto 
vieino  al  troneo  che  re$ta  imtnolnle,  metUre  i  rami  «  pti^  U  foglü 
90H0  in  agUazume?^ 

Gelungen  scheint  mir  nnr  weniges:  sc  die  Beweisführung, 
dafi  1 10  nach  viro»  nicht  interpnngiert  werden  dürfe;  der  zweite 
mit  an  eingeleitete  Teil  der  rhetorischen  Frage  enthalte  nämlich 
die  Antwort y  so  da6  an  bedente:  «oder  Tieimehr^.  8o  hat  aber 
schon  Kiessling  nnd  lange  vor  diesem  Porphyrie  die  Stelle  anf* 
gefafit  Lesenswert  ist  anch  seine  Verteidignng  des  überlieferten 
inutüisgue  (II  18)  gegen  Bentleye  yielfach  aufgenommene  Kon- 
jektur ^inutüi9ve*\  bei  der  Überliefernng  sind  übrigens  in  letzter 
Zeit  anch  Menge,  Keller -Hänßner,  Vollmer  n.  a.  geblieben.  Für 
riehtig  halte  ich  endlich  den  Hinweis,  daft  ans  der  Ähnlichkeit  der 
Stellen  Hör.  Epod.  XVI  88  nnd  49  nnd  Verg.  Edog.  IV  21  nnd 
22  keine  Schlüsse  auf  Abhängigkeit  des  einen  ?om  andern  ge- 
zogen werden  dürfen,  weil  solche  Schilderungen  Gemeingut  der 
alexandrinischen  Peeeie,  somit  auch  der  lateinischen  Dichter  seien. 

Wien.  Dr.  Karl  Prinz. 


P.  Brandt,  F.  Ovidii  Nasonis  Fasti,  Tristia,  Epp.  ex  Ponto. 
Für  den  Schulgebranch  ausgewählt  und  mit  knappen  Erläuterungen 
versehen.  Leipsig,  1908.   148  88. 

Der  Verf.  rückt  der  Frage'  zuleibe,  weshalb  die  Fasten  und 
Tristien  auf  die  Schülerschaft  nicht  die  gleiche  Anziehungskraft 
sQsühen  wie  die  Metamorphosen,  und  beantwortet  sie  dabin,  daß 
die  Stütze  einer  erklärenden  Ausgabe  fehle.  Diesem  Übelstande 
will  er  abhelfen.  Die  Auswahl  bietet  eher  zu  yiel  als  zu  wenig : 
80  möchte  man  Nr.  8  (wegen  Vs.  28  f.  und  88  ff.),  Nr.  4  (als  zu 
unbedeutend),  Nr.  9  (Vs.  32 1),  Nr.  27  (wegen  Vs.  26  ff.  und  bes. 
87  ff.)  wegwünschen.  Der  Kommentar  ist  knapp  gehalten  und 
enthält  d|irchwegs  brauchbare  Hilfen  an  Erklärungen  und  Über- 
letzungen.  Bisweilen  dürfte  er  jedoch  den  Schüler  in  Stiche  lassen, 
80  wären  z.  B.  folgende  Verse  zu  erklären  gewesen:  Nr.  1,  13  f. 
(die  Konstruktion),  65  (wegen  der  Stellnng  von  nee);  Nr.  3,  22 
(tit  laerimas),  47  {wr<ma€)\  Nr.  5,  28  (ro/t);  Nr.  10,  9  f.;  Nr.  16, 
4  (profeua);  Nr.  18,  18 ;  Nr.  22,  8  (pro),  18,  20  (gtiestt  erg.  esse), 
24  {modus  Ende);  Nr.  26,  12;  Nr.  80,  26  (non  bona  Attribut, 
p^ior  Präd.  zu  causa,  patrocinio  abl.  in  Str.),  86  {fercre  war 
deutlicher  zu  erklären:  statt  *annehmem*  besser  'finden*),  119  f. 
(mutata  corpora  ==  mutatae  formac  117);  Nr.  41,  5  [antiquius 
war  zu  übersetzen).  —  Zum  Schlüsse  noch  einige  Bemängelungen : 
Nr.  1,  1:    die  Erklärung  ?on  lusor  ist  recht  prosaisch,    besser 


758         L,  Bloche  ROmisebe  Altaitnmakande,  ang.  t.  J.  OehUr. 

'ttodelnd'  (denke  an  nugae),  49  num$ro9U8:  wamm  nicht  V«ich 
an  Yeramaßen*?;  Nr.  2,  86:  was  eoU  der  Schüler  mit  dem  Zitat 
'Bekk.  anecd.  887'  anfangen?;  Nr.  5,  8:  das  Homenitat  eathllt 
drei  Fehler;  Nr.  16,  24:  hier  war  eine  fiel  kürzere  und  wört- 
lichere Übersetzung  mOglich ;  Nr.  22»  1 1  fehlt  der  Beistrich  oaeh 
auctar^  27  cttpiAi« 'nngedaidig*;  Nr.  30^  71  unter  d«n  dilowrum 
war  besonders  Äugusius  her?orzuheben :  Vs.  20  und  74.  —  So 
Tiel  als  Ergebnis  meiner  Stiebproben;  andere  Versehen  wird  di« 
Benutzung  des  mit  aufrichtiger  Hingebung  an  dio  Sache  gearbei- 
teten Buches  in  der  Schule  aufzeigen. 

Wien.  Hugo  Jureni[a. 


Dr.  Leo  Bloch,  Bönoiische  Altertumskunde.  Dritte,  Terbflnerte 
Auflage.  Mit  8  Vollbildern.  Leipiig,  GOichenBcbe  VerlagshaodloBg 
1906.  178  83.  Preis  geb.  80  Pf.  =  96  h  (Sammlang  GOacben  Nr.  45). 

Das  Erscheinen  des  vorliegenden  Buches  in  dritter  Aufl^« 
beweist,  daß  der  Verf.  die  verdiente  Anerkennung  findet.  Er  gibt 
auf  knappem  Baume  eine  vollständige  Darstellung  der  rOmiacbeo 
Altertümer,  die  jedem  Lehrer  und  Schüler  sowie  jedem  Freonde 
des  römischen  Altertums  gute  Dienste  leistet.  Der  Verf.  verstafid 
es,  in  klarer,  fibersichtlicher  Form  den  Stoff  zu  behandeln  und  ohoe 
Aufwendung  unpassender  Gelehrsamkeit  dem  Stande  der  wisMO- 
schaftlichen  Forschung  Bechnung  zu  tragen.  Schon  die  Literztar- 
angäbe  S.  1  beweist  den  Kenner,  der  vorzugsweise  Mommsen  folgt. 
Nach  der  Einleitung,  die  den  Begriff  der  Altertumskunde  und  di« 
Überlieferung  behandelt,  folgt  eine  übersichtliche  Verfassungag«- 
schichte.  Mit  Becht  gebraucht  der  Verf.  statt  des  herkOmmhch«fl 
Titels  „Staatsaltertfimer*'  den  Ausdruck  „Die  Staatsgewalten*  tmd 
bespricht  dabei:  Ä.  die  Magistratur,  B,  den  Senat,  C.  das  V«^- 
Präzis  ist  S.  26  die  Erklärung  von  itnperium  und  paUsUu;  da- 
gegen hält  Bef.  die  Annahme,  der  patrizische  Bestandteil  dis 
Senates  habe  gewisse  Sonderrechte  besessen  (S.  57),  nicht  für 
richtig.  Bei  der  Darstellung  der  einzeben  Ämter  ist  nberill  dtr 
historische  Entwicklungsgang  beachtet  und  erscheinen  Bechte  nad 
Pflichten  der  einzelnen  Beamten  genau  bestimmt.  Das  Heerwea« 
ist  S.  68—86  kurz  und  richtig  dargestellt,  bei  der  Bechtspflage 
verdient  die  peinliche  Genauigkeit  in  der  Darstellung  der  bürger- 
lichen Bechtsgrundsfttze,  des  Verfahrens  in  iure  und  tu  iudieidy 
des  Strafrechts  und  des  Strafverfahrens  volle  Anerkennung.  Dtf 
Abschnitt  „Das  Finanzwesen^  gibt  eine  Darstellung  der  Maße  osi 
Gewichte,  des  Mänzwesens,  des  Geldwertes  und  Geldverkebrif 
(8.  99 — 101  verdienen  besondere  Beachtung),  der  Staateeinnabnai 
und  Staatsausgaben  sowie  der  Finanzverwaltung.  Die  aogenaoat« 
Sakralaltertflmer  erscheinen   in   dem  Abschnitte   .Der   Eultaa''  » 


B.  Se^metder^.QwGhfiU»  aof  handaehr.  Bild«ni,  tag.  t.  J.  OMer.  759 

drei  Paragimpben  behandelt:  die  römisehe  Beligion,  die  Geistlich- 
keit« die  Spiele;  der  Abschnitt  „Das  Priratleben''  enthalt  das 
N6tige  über  die  Familie,  das  Hans,  die  Kleidung,  Erziehung  and 
Unterricht  nnd  über  die  Bestattung.  S.  148 — 168  handehi  über  die 
Stadt  Born:  auf  knappem  Baame  finden  wir  Anfschlnß  über  das 
Wachstum  der  Stadt,  die  Bauperioden  und  die  einzelnen  Stadtteile; 
diese  kurze  Darstellung  ist  auch  dem  Schüler  yerst&ndlich  und 
wird  ihm  zum  Verst&ndnisse  der  Schriftsteller  helfen.  Kenntnis  der 
Topographie  erachtet  Bef.  für  eine  unumg&nglicbe  Voraussetzung 
und  begrüßt  diesen  Abschnitt  als  Hilfe  für  Lehrer  und  Schüler. 
Der  Anhang  bietet  eine  kurze  Darstellung  des  römischen  Kalenders, 
ein  genaues  Begister  8.  167 — 178  erleichtert  die  Benützung  des 
Büchleins,  dessen  niedriger  Preis  bei  guter  Ausstattung  die  An- 
Bchaffung  seitens  aller  Schüler  ermöglicht;  jedenfalls  ist  der  An- 
kauf mehrerer  Exemplare  für  Schülerbiblietheken  bestens  zu 
empfehlen. 


Dr.  Budolf  Sehneider,  Oeschfltze  auf  handsehrifüichen 
Bildern.  Heramgegeben  und  erlftutert.  Mets,  Scriba  1907.  71  88. 
und  Y  Tafeln.  (Ergüniongsheft  inm  Jahrbuch  der  Oeaellichaft  fflr 
lothriDgische  Geschichte  und  AltertamskoDde.  II). 

Der  Verf.,  der  die  Verpflichtung  übernommen  hat,  dem  Oberst- 
lieutenant Sehramm  in  Metz  die  philologische  Grundlage  für  seine 
weiteren  BeiLonstmktionen  antiker  Geschütze  zu  beschafifen,  hat  in 
den  Büm.  Mitt.  XXI  (1906),  8.  142—168  Herons  CheirobaUistra 
behandelt  und  gezeigt,  daß  diese  Schrift  ein  Fragment  aus  einer 
Konstruktionslehre  ist,  aus  guten  Quellen  in  lexikalischer  Ordnung 
xuaammengestellt  In  der  vorliegenden,  mit  echt  philologischer 
Akribie  yerfaßten  Abhandlung  widerlegt  er  das  Schlagwort,  die 
in  den  Handschriften  der  griechischen  Techniker  beigegebenen  Ab- 
bildungen seien,  da  sie  späteren  Ursprunges  sind,  ohne  Wert.  Er 
zeigt t  wie  durch  methodische  Untersuchung  der  Bilder,  in  deren 
Überlieferung  sich  auch  in  den  jüngeren  Handschriften  eine  über- 
raschende Treue  zeigt,  das  Originalbild  sich  herstellen  lüGt.  Nach 
der  Aufzfthlung  der  Handschriften  finden  wir  genauere  Angaben 
über  den  Mynas-Kodex  (M),  der  ursprünglich  zur  Bibliothek  des 
Matthias  Coryinus  gehürte  nnd  von  Mynas  wahrscheinlich  aus  der 
Serail-Bibliothek  entwendet  wurde.  Nebst  diesem  Kodex  ist  der 
Parisinus  (P)  2442  für  die  Beprodnktion  benützt;  in  beiden  Hand- 
sebriften  ist  die  Stellung  der  Bilder  dieselbe,  es  standen  daher 
auch  im  Originaltexte  die  Bilder  an  der  gleichen  Stelle  (S.  26  bis 
8.  81).  8.  84—63  gibt  Text,  Übersetzung  und  adnokUio  crüioa 
TOD  Herons  Bilqpoeiea^  8.  64 — 71  behandelt  die  Bilder;  fünf 
Tafeln  geben  die  handsehriftlichen  Bilder  nach  Photographien  im 
Steindruck,  Taf.  V  zeigt  auch  die  Farben  des  Originals.  Der  Verf. 
yerdient  für  seine  Arbeit  alle  Anerkennung ;    bietet  sie  doch    dem 


760  Laehmann-^.  JErous,  Die  Qedielite  Wftlthen,  mg.  t.  A.  Benä. 

Techniker  eine  siebere  Graadlage  für  BekeminiktitiMO,  die  4« 
Fordernng  naek  AosebairangsiDittelii  Beehnang  tragen.  Henom- 
heben  ist  noeh  die  gute  Aoaetattong  der  Abhaodlnng,  die  in  keimr 
Lehrerbibliothek  fehlen  sollte. 

Wien.  Dr.  Johann  Dehler. 


Die  Gedichte  Walthera  von  der  Vogelweide.  Von  JUil  Laeb- 
mann.  7.  Aafl.,  besorgt  yon  Carl  t.  Krane.  Berlint  Oeerg  BeiiMi 
1907.  XXIV  n.  229  88.  PreiB  br.  4  Mk.,  geb.  5Mk. 

Die  7.  Auflage  von  Lachmanna  Ausgabe  der  Qedichte  Waitbm, 
die  non  C.  y.  Krans  besorgt  hat,  bedentet  eine  weaentlicbe  Yer- 
▼oUkommnnng  dieser  grundlegenden  kritisches  Ausgabe.  Sdien  das 
ftoßere  Gewand  ist  ein  anderes  geworden.  Die  einschneidendste  and 
offensichtliche  Verbesserung  betraf  die  Einreihung  der  Lesarten  not« 
dem  Texte;  die  Lesarten  unter  den  Anmerkungen  Tormischt  hinter 
dem  Texte  zu  suchen,  erschwerte  ihre  Benützung.  C.  y.  E[raus,  der 
alles  yermied,  was  dem  Geiste  Lachmanns,  dessen  Vertreter  er  im 
Buche  geworden,  zuwider  w&re,  begrfindete  seine  Änderung  mit  dem 
Hinweise  auf  Lachmanns  Vorgang  im  ParaiYal.  Die  AnmerkUD^eo 
sind  aber,  wie  billig,  an  ihrer  Stelle  geblieben  und  haben  ihre 
alte  Fassung  behalten. 

Aber  der  neue  Herausgeber  hat  sich  nicht  damit  begnügt, 
Lachmanns  Werk  äußerlich  handlich  zu  gestalten,  er  hat  mit  der 
Äußersten  Sorgfalt,  die  alle  weitere  Waltherforscbung  anerkennes 
wird,  die  ganze  handschriftliche  Überlieferung  auf  die  Lesarteo 
nachgeprüft  und  somit  eine  in  jeder  Hinsicht  einwandfreie  Grond- 
lage  des  Textes  geschaffen.  Diese  Nachprüfung  hat  Kraus  xam 
größeren  Teile  selbst  besorgt,  zum  kleineren  durch  befreaodfit« 
H&nde  vornehmen  lassen.  So  kommt  es,  daß  kleine  Bessemnges 
oder  wenigstens  Sicherungen  der  Lesarten  sich  allenthalben  finden; 
die  Bescheidenheit  des  Herausgebers  gibt  natürlich  die  Änderaoges 
nicht  an;  ich  kann  nach  einer  eingehenden  Vergleichung  ssgeo, 
daß  sie  recht  zahlreich  sind.  Im  allgemeinen  war  Lachmanns  No- 
tierung zuverlässig,  nachzubessern  gab  es  in  dem,  was  seine  Qt- 
wfthrsmftnner  und  Haupt  beibrachten.  —  Ganz  neu  und  bi)cbst 
willkommen  ist  die  Einfügung  der  Lesarten  von  U  und  w,  ent- 
haltend die  mehr  als  80  Strophen  der  Wolfenbflttler  Fragmente. 
Die  Lesarten  von  ü  zu  41—48,  70,  94—95,  114—115  und  m 
IV  zu  66  f.  und  125  bequem  vor  sich  zu  haben,  wird  jedem  Be- 
nutzer der  Ausgabe  willkommen  sein.  Das  Buch  ist  aber  sacb 
darin  die  Ausgabe  Lachmanns,  daß  trotz  der  neuen  Paginieranf 
die  alte  Lachmannsche  Zählung  herrschend  blieb.  Die  wenig« 
textlichen  Änderungen  gehen  aus  der  Kenntnis  von  U  hemm  — 
zur  Beurteilung  des  Handschriftenverhältnisses  vgl.  die  wicbtif« 
Bemerkung  zu  94,  11  —  und  finden  sieh  70,  12;  94,  20—23; 


0. 9. 8Ms$a,  Dm  A^J.  im  LiebMli«de  das  12.  Jb.,  aog.  ▼.  8.  M.  Prem.  761 

94,  85;  95v  7  und  «me  Reihe  Inderosgren  in  114;  ygi.  anch 
20,  17  imd  die  Einleitoni^.  Sieherlich  wird  diese  unter  der  eorg^- 
fUtigtti  Hand  des  neuen  Heranegebera  nea  gewordene  Ausgabe  auf 
eine  lange  Zeit  hinaus  den  Standpunkt  der  Wissensehaffc,  der  hier 
fist  mit  dem  Standpunkte  Laehmanns  tusammenfUlt,  wttrdig  rer- 
tntan. 

Leitmeritz.  Alois  Bernt. 


Otmar  Schissel  y.  Fieschenberg,  Dns  Adjektiv  als 
Epitheton  im  Liebesliede  des  12.  Jahrhunderts  (in:  Teutonia. 
Arbeiten  lur  ffermanischen  Philologie,  bgg.  Yon  Prot  Dr.  Wilhelm 
Ubl  SU  Königsberg  in  Preoften,  11.  Heft),  Leipsig,  Ed.  Ayenarins, 
1908,  XIII.  +  144.  8. 

Eine    erschöpfende    Darstellung     über    das    A^jekti?    als 
sehmflckendes  Beiwort   in    der   mhd.  Literatur   oder   eines    Teiles 
daTon  gibt  ss  noch  nicht,  nur  gelegentlich    wurde  manches  von 
Torschisdenen   Seiten  beigebracht.     Die  yorliegende   Arbeit   sucht 
diesem  Mangel  in  bestimmter  Abgrenzung  des  Stoffes  abzuhelfen, 
worüber  sich  das  „Vorwort"  dieser  dem  Hofrate  A.  E.  ScbOnbach 
gewidmeten  Schrift  nfther  yerbreitet.     0.  y.   Schissel  geht,    MF. 
zugrunde  legend,  sprachgsscbichtlich  yor.  Der  deutsche  Minnesang 
ist  yon  Anfang  an  Standespoesie  in  zweifacher  Beziehung  —  auf 
romanischer  Grundlage,    indem   er  yon   einem   bestimmten  Stande 
gepflegt  und  einem    bestimmten  Standesideal  zugewandt  war.    In 
Deutschland   gaben  jedoch  die  Formen  des  Lehensdienstes   sofort 
dem  Yerhftltnis    des  S&ngers   zu  ssiner   (yerheirateten)   Dame  die 
Biehtnng,    wodurch  eine  gewisse   Gleichheit  in  den  Motiven  der 
Lieder  und  sogar  in  den  Stilmitteln  entstand,    wie  im  Minnesang 
die  epithetische  Verbindung  yon  Adjektiv   und  Substantiv  beweist. 
Dayon  handelt  nun  der  I.  (allgemeine)  Teil   der  Arbeit  in  seinen 
spraebstatistischen    Ausführungen.     Nach     Steinmeyers    Vorgang 
werden   die  einzelnen  Adjektiye   als  Epitheta  monographisch    be- 
handelt. Zun&chst  kommt  das  yieldsutige  und  daher  in  den  Liebes- 
liedem  yon  MF.  yiel  yerwendete  guoi  an  die  Reihe  (S.  2  fg.).  In 
kflnstlerischer  Absicht  wird  es  jedoch  als  „Standeswort*'    (=  yon 
gotem  Stande)  und  dann  als  eigentliches  Wertepitbeton  gebraucht. 
Die  beiden  Bedeutungen   eind  gleichzeitig  und  finden   sich  schon 
so   Beginn  des  Minnesanges  (S.  8).    Dies  beweist  eben  auch  „die 
Macht  der  Formel**   in   der  bOfiscben  Lyrik.     Ähnlich   ist  es   mit 
liepj    das  teils  als  HOflichkeitsformel   oder  zur  erotischen  Charak- 
teristik dient,  manchmal   aber  auch  nur  als  inhaltslose  Form  yor- 
kommt,  z.  B.  in  lieber  iac,  Graz  wird  nur  im  übertragenen  Sinne 
als     Epitheton    im  Minnelied    verwendet,    echoene   ist   wohl   msist 
formelhaft,   manchmal    aber   doch   auch    (wie  guci)  in  Verbindung 
mit   tcip  und  vrouwe  „standesm&ßig**  gebraucht  (typisch  bei  Diet- 


762  0.  V,  Schiasel,  Dm  Adj.  im  Liebeeliede  das  12.  Jb.,  ang.  ?.  8.  Jf.  Trem. 

mar  von  Eist).     Ebenso  wird  hoch   als  standesmäfiiges  Epitheton 
allgemein  verwendei,  dagegen  saelie  nor  in  der  Beziehung  auf  den 
Mann  oder  snbjektiy  von  seinem  Standpunkte  ans  bei  dem  Weibe, 
das  beseligt,  gew&hrt    Seltener  erscheint  8enende  (seride)  nameot- 
lich  in  Bezeichnungen  eines  nnlustigen  Gemütsznstandes  erotischer 
Färbung.     Verwandt  damit   tritt  das  Adjektiv  in   temporirer  Be- 
ziehung auf.  Auf  Einzelnes  kann  hier  natürlich  nicht  eingegangen 
werden.    Es  ist  interessant  zu  sehen,  wie  yiele  feine  unterschiede 
im  mhd.  Sprachgebrancbe  gemacht  wurden.     Wichtig    sind  diese 
AusfQhrungen  0.  v.  Schisseis  in  ihrer  historischen  Anreihung  für 
die  mittelhochdeutsche  Lektüre  und  ich  möchte  daher  insbesondere 
auch  die  Lehrer  des  Mittelhochdeutschen  in  unseren  Mittelschulen 
darauf  aufmerksam  machen.     Sie    könnten    für   eine   lemfrendige 
Jugend  die  Lesung  einzelner  A?entiuren  des  Nibelungenliedes  und 
noch    mehr    der  Oedichte  Walthers    interessanter  gestalten;   denn 
in   der  Hauptsache  gelten   doch   dieselben  Begeln    nicht  nur  fnr 
das  12.,  sondern  auch  für  das  18.  Jahrhundert     Ein  sehr  über- 
sichtlich gehaltenes  Begister  am  Schlüsse  erleichtert  das  Aufsuchen 
der  gewünschten  Stellen  und  yoran  eine  Inhaltsangabe  das  Kach- 
schlagen des  betrefifenden  Wortes.  Ich  möchte  noch  hinweisen  anf 
die  Adjektive  aüeze,  boese,  tump  (=  unhöfisch),  reine  n.  ^   M 
ist  im  Naturbilde  formelhaft  geworden,  yielleicht  ähnlich  wie  später 
golden  (=  köstlich).  Im  12.  Jahrhundert  seltenere  Epitheta  (z.  B. 
etaete)  sind  nachher  erst  häufiger  geworden. 

Im  besonderen  II.  Teile  (S.  70—91)  geht  0.  y.  Schissel 
näher  auf  die  Formeln  zur  Charakteristik  des  Bitters  und  der 
¥on  ihm  verehrten  Dame  und  der  in  Betracht  kommenden  .Neben- 
umstände''  der  höfischen  Lyrik  ein,  wozu  die  sachliche  Übersieht 
S.  89 — 91  zu  beachten  wäre.  Dabei  wird  das  ganze  mittelalter- 
liche höfische  Liebesieben  beleuchtet.  Im  IIL  Teile  (S.  92  fg.) 
wird  endlich  anf  Grund  des  Vorangehenden  der  Anteil  der  ein- 
zelnen Dichter  am  Epithetenmaterial  des  12.  Jahrhunderts  unter- 
sucht, wobei  die  Dichter  selbst  mit  sicherem  Urteile  charakterisiot 
sind  —  von  E.  Heinrich  an  bis  auf  Heinrich  v.  Morungen,  Bein- 
mar  den  Alten  und  Hartmann  v.  Ouwe.  Eier  fällt  also  natur- 
gemäß manches  auch  für  die  allgemeine  Literaturgeschichte  ab. 
Es  zeigt  sich,  daß  alle  diese  Dichter  ihre  Kunst  typisch  gsibt 
haben  und  daß  nur  die  Art,  wie  sie  ihre  Persönlichkeit  in  die 
bestehende  (traditionelle)  Form  einfügten,  originelle  Details  anf* 
weist.  Daher  kann  als  Gesetz  der  höfischen  Liebeslyrik  gelten: 
innere  und  äußere  Form  sind  überliefert,  der  Erlebnisinhalt  fast 
Null,  denn  das  Verhältnis  des  Bitters  zu  seiner  Dame  war  infolg» 
der  eingehaltenen  Standesunterschiede  {diu  rehie  maze)  —  «ineal". 
Aus  diesem  Grunde  sind  ja  die  Gedichte  für  das  rein  Biographische 
unergiebig. 

Graz.  S.  M.  Frem. 


M.  Moers,  Schillers  Glocke,  aog.  t.  F.  HoUner.  763 

Pro£  M.  Eyers,  Schillers  Glocke.  Die  deotocben  Klassiker,  er- 
lAatert  nod  gewürdigt  fflr  höhere  Lehranstalten,  sowie  lam  Selbst- 
stadiom.   S.,  f  erb.  Aafl.  Leipiig,  Verlag  Ton  Heinrich  Bredt  1906. 

Eters  will  durch  das  Büchlein ,  das  sanmehr  in  3.  Auflage 
Torliegt,  ein  tieferes  Eindringen  und  allseitiges  Verst&ndDis  des 
Liedes  Ton  der  Glocke  den  weitesten  Kreisen  ermöglichen.  Darum 
hat  er  den  Text  übersichtlich  gegliedert,  daß  »uch  die  kleineren 
Oedankenabschnitte  scharf  heraustreten,  und  die  Leitbegriffe,  die 
für  den  Gedankengang  und  Plan  der  Dichtung  wichtig  sind,  im 
Drucke  hertorheben  lassen.  Evers  teranschaulicht  ferner  durch 
Zeichnung  und  Wort  das  Technische  des  Glockengusses  und  deckt, 
alle  Seiten  beleuchtend  und  feinsinnig  kombinierend,  den  Bau  des 
Kunstwerkes  auf,  wie  die  Gedanken  ineinandergreifen  und  der 
sprachliche  Ausdruck  dazu  einklingt,  wie  sich  die  Teile  harmonisch 
zum  Ganzen  schließen.  Die  Grundidee  der  Dichtung  spricht  Evers 
S.  44  so  aus:  „Die  stufenweise  Entwicklung  des  Menschenlebens 
und  seiner  Gemeinschaften  bis  zur  Höhe  der  Kultur,  nach  seinen 
typischen  Hauptgebieten  und  charakteristischen  Grundverh&ltnissen 
an  die  werdende  Glocke  und  deren  Beruf  dafür  als  stetigen  Aus- 
gangspunkt angeknüpft  und  entfaltet  oder  einfacher:  „Die  Wechsel- 
wirkung Ton  Glocke  und  Menschenleben,  dargestellt  je  nach  der 
stnfenm&ßigen  Entwicklung  ihres  Werdens  bis  zur  Vollendung*'. 
Daneben  aber  glaubt  Efers  eine  ganz  neue  Grundidee  nachweisen 
zu  können,  die  das  ganze  Gedicht  durchziehe  und  alle  Teile  inner- 
lich einheitlich  terknüpfe,  die  Grundidee  von  sittlichem  Gehalte, 
daß  nach  dem  allgemeinen  Entwicklungsgesetze  des  Welt-  und 
Menschendaseins  aus  dem  Untergänge  des  Kleineren,  Engeren, 
Niederen  ein  Größeres,  Weiteres,  Höheres  entsprieße  (8.  86). 
Schiller,  der  das  Werden  der  Glocke  und  das  Werden  mensch- 
lichen Zusammenschlusses  schildert,  mußte  der  Sache  gemäß  diesen 
Gedanken  in  seinem  Liede  ton  der  Glocke  miteinbegreifen,  der 
Nachweis  aber,  daß  die  beiden  Hauptteile  der  Dichtung  durch 
diese  Idee  verknüpft  seien,  ist  Evers  trotz  aller  dialektischen  Ge- 
wandtheit mißlungen.  8.  86:  „Ist  es  doch  auch  in  Wirklichkeit 
des  Lebens  unab&nderliches  Gesetz,  daß  alle  die  engeren  Ein- 
zelkreise des  Haus-  und  Familienlebens  ihrerseits  früher  oder 
sp&ter  dem  Untergänge  anheimfallen,  um  für  neue,  ans  ihrem 
Schöße  sich  erzeugende  Gebilde  gleicher  Art  Platz  zu  machen. 
Aber  ob  das  einzelne  Haus  mit  all  seinen  Gütern  und  Besitz- 
tümern zerf&Ut;  ob  die  einzelne  Familie  mit  all  ihrem  Wohl 
ond  Webe,  ihrem  reichen  und  mannigfaltigen  Leben  dahingeht: 
das   menschliche  Dasein  selber    bewegt  sich  doch   unablässig   in 

größeren  Kreisen   weiter  fort Und  so  muß  in  der  Tat 

(S.  87)  die  beschränkte  Gemeinschaft  des  Familien- 
bundes ....  vollends  nach  ihrer  Auflösung  in  der  um- 
fassenderen Gesamtheit  eines  Volks-  und  8taat6körpers  auf- 
gehen.   Dieser  ist  es,    welcher  all  die  verschiedenen  Familien  als 


764    0.  Böekel,  Pijobologie  der  Yolkidiehiiuig,  aag.  t.  L.  Langer. 

seina  Olieder  miteinaDdar  Terbindet"  vsw.  Der  Fehler,  den  Efers 
mit  so  vielen  Worten  verdeckt ,  springt  doch  klar  heraus.  Die 
Familie»  wie  sie  Schiller  in  seinem  Liede  von  der  Olocke  dantollt, 
wird  von  Eters  einmal  typisch,  dann  als  beschrftnkte  Gemein- 
schaft, wie  sie  eben  nor  diese  einzelne  Familie,  dieses  einxeh» 
Hans  darstellt,  verwertet,  am  seine  Ideenverknüpfnng  anstände  u 
bringen.  Schiller  selbst  galten  alle  die  einzelnen  Kreise  der  Familie 
als  die  Omndlage  der  staatlichen  Oemeinschaft  Der  Bestand,  niebt 
der  Untergang  der  Familie  sichert  das  Leben  des  Staates.  Nicht 
glflcklicher  verbindet  Evers  das  8.  Bild  (Zerst^mng  der  staatliclies 
Ordnung)  mit  dem  9.  Sprache  (Enthflllnng  der  fertigen  Oloekt), 
indem  er  meint,  dieser  &nAerliche  Kontrast  bilde  dnrch  den  Gegen- 
satz der  Ideen  die  echt  kflnstlerische  Brficke  zwischen  beiden  (8. 99). 
Es  ist  richtig,  daß  ein  Kflnstler  die  künstlerische  Idee  ans  ihren 
Licht-  nnd  Schattenwirknngen  hervorspringen  lassen  kann,  deeh 
darf  er,  nm  unserer  Phantasie  eine  Brflcke  zn  banen,  nur  ganx 
denselben  Stoff  znm  Vorwurfe  nehmen.  Wie  kann  aber  an  so  ganz 
verschiedenen  Stoffen,  wie  es  „das  dflsterschmerzliche  Bild**  der 
Zerstdrnng  des  staatlichen  Lebens  nnd  „das  hellgl&nzend- freund- 
liche Werk**  der  Vollendung  der  Glocke  sind,  die  Idee  des  Anf- 
steigens  vom  Engeren,  Niederen  zum  Weiteren,  Höheren  erweckt 
werden? 

Die  treffliche  Einzelerklirung  h&lt  sich  von  allem  Kleinkram 
frei,  Vers  und  Sprache  werden  sorgfältig  klar  gelegt,  Wert  uad 
Bedeutung  der  Dichtung  werden  erschöpfend  gewürdigt.  Das  Bach 
h&tte  auch  dann  seinen  Wert  behalten ,  wenn  der  Verf.  nicht  so 
peinlich  mit  Staedler  um  die  Priorität  der  Gedanken  gestritten 
(S.  47  ff.,  49,  S.  58,  Anm.  2),  wenn  er  den  liberalen  Doktrinftr 
nicht  so  sehr  hervorgekehrt  h&tte. 

Wien.  Ferdinand  Holzner. 


Otto  Böekel,  Psychologie  der  Volksdichtung.  Leipzig,  B. 0. 
Teobner  1906.  482  SS.   Preis  geh.  7  Mk.  geb.  8  Mk. 

Es  ist  ein  ernstes  Lebenswerk,  das  uns  Otto  BOckel  for- 
legt,  auegefährt  mit  dem  ganzen  Bnstzeng  des  Gelehrten,  der 
nicht  bloß  aus  der  Fülle  europäischer  und  außereurop&iscber  Volks* 
lieder  schöpft,  der  nicht  bloß  in  der  Studierstube  die  rcicbe 
Literatur  dieses  liebenswflrdigen  Stoffes  verarbeitet,  sondern  stlbit 
als  Sammler  im  Hessenlande  sein  Ohr  fflr  die  Feinheiten  ^ 
Volkfigesanges  gescb&rft  und  sich  in  der  Unrast  des  moderoeo 
Kulturlebens  Verständnis  und  Gefühl  ffir  die  Schönheit  des  Volks« 
liedes  erworben  und  bewahrt  bat 

Er  spürt  vor  allem  dem  Ursprünge  des  Volksgesasges 
nach,  den  er  in  dem  Bufe  als  der  Ältesten  Form  der  Volksdichton; 


0.  Böekel,  Pijeliologie  der  YolkidiehtaDg,  *Dg.  t.  L.  Langer.    765 

findet,  der  Teraehiedene  Stimmnngeii  ansdrflckt  nnd  eich  nach  der 
Stärke  des  OefUhlee  nnd  der  sich  stetig  steigernden  Empfind- 
samkelt  immer  mehr  dehnt«  bis  der  Rahmen  des  Bafes  gesprengt 
wird  und  l&ngere  AosfOhrnngen,  Worte,  weitere  Bnfe  entstehen. 
Dem  YolksUede  bleibt  der  Bnf  dann  als  Refrain  erhalten.  Er 
forscht  aber  aneh  nach  dem  Wesen  des  Volksliedes.  Das 
Volkslied  ist  fflr  ihn  der  dem  Oeffthlsleben  unmittelbar  ont- 
spmngene  Gesang  der  Naturvölker,  d.  h..  aller  deijenigen  Stftmme, 
die  der  Knltur  noch  fernstehen  und  im  unmittelbaren  Znsammen- 
hange  mit  der  Natnr  leben  (16).  Das  Volkslied  ist  mit  dem  Ge- 
sänge untrennbar  terwachsen,  es  wird  nur  singend  geschaffen, 
nnr  im  Gesänge  wiederholt;  ton  Dichtern  wissen  Natnrrölker 
nichts.  Das  Gedftchtnis  bewahrt  es  auf,  fflr  die  dichterische  Indi- 
▼idoalit&t  hat  das  Volk  in  seinem  naiven  Urzustände  kein  Ver- 
ständnis, daher  auch  kein  Interesse  fflr  Dichternamen.  Das  Volks- 
lied muß  gemeinterstiUidlich  sein,  es  erf&hrt  immerwährend 
Ändeningen  nnd  Fortsetzungen,  weil  es  dnrch  Gesang  flberliefert 
wird,  es  kennt  keine  politischen  Sehranken,  sondern  nur  die  der 
Volksart  und  Sprache  nnd  ist  nach  Charakter,  Klima,  Landschaft 
und  Geschichte  verschieden. 

Die  elementare  Sangesfreudigkeit  bedingt  das  Entstehen 
das  Volksliedes.  Nene  Lieder  zn  schaffen,  war  Naturvölkern 
ein  großes  Ereignis,  die  Gabe,  frei  zn  erfinden,  gewährte  ihnen 
Befriedigong,  mochte  es  sich  um  Lob  oder  Spott,  nm  Wettgesang 
odar  Tanzlieder  handeln.  Doch  eigenes  Schaffensbewußtsein  fehlt 
den  Volkss&ngem,  sie  verbergen  sich  daher  meist  absichtlich  nnd 
verleugnen  ihr  Werk,  sie  setzen  nur  fort,  was  vor  ihnen  da  war, 
singen  neue  Weisen  fflr  vergessene  alte,  sie  wollen  nicht  als 
NenschOpfer,  sondern  nnr  als  Fortsetzer  gelten.  Oft  dichten 
mehrere  an  einem  Liede  nnd  erleichtert  wird  ihr  Tun  dnrch  fest- 
stehende Formen  in  Weise  und  Wort.  Das  vorhandene  Sangesgnt 
früherer  Geschlechter  wirkt  anregend  fort  nnd  nur  in  diesem  Sinne 
kann  man  von  einem  «dichterischen  Volksgeiste*'  sprechen,  nnr  so 
Ußt  sich  die  Znsammenfassnng  der  einzelnen  Dichtenden,  sin- 
genden nnd  modelnden  Kr&fte  mit  einem  solchen  Begriffe  recht- 
fertigen. Das  Volkslied  ist  vielfach  ein  „Gelegenheitsgedicht".  Die 
Landschaft,  der  Beruf,  bestimmte  Erlebnisse,  Mitleid  nnd  Schaden- 
freude eind  seine  Quellen.  Und  es  bedarf  der  Zuhörer;  diese 
schaffen  mit,  schleifen  ab  und  setzen  fort,  dnrch  diese  wird  es 
verbreitet.  „Dichter  nnd  Zuhörer  gehören  beim  Velksliede  ebenso 
eng  nnd  untrennbar  zusammen  wie  Weise  nnd  Wort*'  (50). 

Volksart  nnd  Volksdichtung  werden  in  ihrer  Wechsel- 
wirkung einer  eingehenden  Würdigung  unterzogen.  Anders  ist  das 
Volkslied  im  Gebirge,  anders  an  der  See  oder  in  der  Heide  ge« 
artet,  eelbst  auf  die  Dichtungsgattung  wie  auf  die  Melodie  öbt 
der  Volkscharakter  einen  bedeutenden  Einfluß.  Die  Sprache  dee 
VoUcsliedes  hat  etwas  Feierliches,    daher  tritt  die  Mundart  mehr 


766    0.  Böckel^  Pqrchologie  der  VollndiehtaBg»  aog.  t.  L,  Langer. 

in  den  HiDtergnind,  da  das  Volk  das  richtige  Gtofühl  hat,  M 
diese  nichts  Pathetisches  ausdrücken  kann.  Die  Volksdichtung  wir 
nrsprfinglich  Oemeingnt,  dann  gab  es  besondere  S&ngerkasteii, 
schöpferische  AOden  nnd  vortragende  Rhapsoden ;  besonders  Blinde 
tan  sich  in  dieser  Beziehung  herror.  Dann  aber  ragen  ganz  be- 
sondere St&nde  als  Yolkssftnger  her?or,  die  Bauern,  Fuhdeate, 
Bergleute,  Hirten,  die  Bresthaften,  Gefangenen  und  die  Fahrenden. 
Ni^türlich  ist  der  Anteil  der  Frauen  an  dem  Volksgesange ein 
großer.  Sie  sind  zarter  besaitet,  haben  stets  Freude  an  der  Ge- 
selligkeit und  sind  konservativer.  Ein  geschichtlicher  Rückblick  be- 
weist dies.  Sie  singen  von  der  Arbeit  und  von  Liebe,  singen 
Sieges-  und  Trinmphlieder  und  von  Erlebnissen,  sie  haben  eine 
besondere  Begabung  für  die  Stegreifdichtung  und  ein  fabelhaftei 
Ged&chtnis.  Die  Totenklagen  sind  ihr  ureigenstes  Gebiet. 
Diesen  legt  Böckel  mit  Recht  einen  hohen  Wert  bei  und  er  be- 
zeichnet sie  als  eine  noch  zu  wenig  benützte  Quelle  für  das  Seelen- 
leben des  Weibes.  Ihre  Entstehung  und  Geschichte,  ihr  Inhalt  und 
ihr  Wesen  werden  uns  aufgedeckt.  Improvisation,  dramatische  Be- 
wegung, chorischer  Charakter,  Fragen  an  den  Toten,  Ausrufe  und 
Grüße  an  früher  Verstorbene  sind  ihnen  gemeinsam. 

Dann  führt  uns  der  Verfasser  an  die  wichtigsten  Stfttten 
des  Volksgesanges.  Die  Poesie  der  mit  Unrecht  bekämpften 
Spinnstuben,  die  Bauernlieder  in  der  Stille  der  Sommernächte,  in 
Tabemen  und  an  frischen  Waldquellen  sowie  beim  Tanze  um  die 
Dorflinde  werden  gewürdigt.  Diese  Lieder  haben  eine  z&be 
Lebenskraft  Der  Optimismus  der  Weltanschauung  und  die 
Piet&t  sind  ihre  Erhalter.  Sie  sind  unanfechtbare  Zeugen  der  Ver- 
gangenheit, werden  daher  oft  auch  ins  Geistliche  umgedichtet  und 
erhalten  den  Ruhm  beliebter  Volkslieder.  Sind  sie  vergessen,  so 
genügt  oft  ein  geschichtlicher  Anstoß,  um  sie  zu  neuem  Leben 
zu  wecken.  Besonders  religiöse  Volksges&nge  und  solche,  die  an 
Jahreszeiten  oder  bestimmte  Feste  anknüpfen,  erhalten  sich  lange. 
Freilich  erstanden  ihnen  seit  den  Ältesten  Zeiten  viele  Feinde.  Die 
katholische  sowie  die  protestantische  Geistlichkeit,  die  Gegenlieder 
förderten,  und  die  Verbote  weltlicher  Obrigkeiten  arbeiten  an  ihrer 
Vernichtung.    Die  letzte  Zufluchtsst&tte  fanden  sie  im  Klnderliede. 

Das  Volkslied  ist  auf  steter  Wanderung  begriffen.  Schnell 
vollzieht  sich  ihre  Verbreitung.  Auswanderer  nahmen  diesen  Schstz 
mit  in  die  neue  Heimat,  auf  Messen  und  Märkten,  durch  Kriege 
und  religiöse  Bewegungen  tauschen  stammverwandte  und  stamm- 
fremde Nachbarn  ihr  Volksgut  ans  und  die  Fremdherrschaft  hinter- 
läßt auch  ihr  Volkslied  als  Spur  in  dem  befreiten  Lande  zurück. 

Die  Volkskunst  will  sich  auch  zeigen,  Wettgesänge  sind 
die  psychologische  Folge  davon.  Sie  kommen  vom  Herzen  und 
dringen  zum  Herzen.  Die  Wirkung  des  Volksliedes  ist  daher 
groß.  Manche  Völker  sprechen  ihm  überirdischen  Ursprung  bei, 
Schneider  und  Müller,  Weiber  und  Bauern,  Geizige  und  Protua, 


0.  Böckel,  PBjcbologie  der  Volktdiehtaog,  ang.  ? .  L,  Langer,    767 

i\%  Singer  gelten  »neh  als  Zauberer,  die  Bachelieder,  die  Lieder 
religiöser  Bewegung,  Schlacht-  und  Siegeslieder  sind  bedeutungs- 
roU  fär  das  Leben  des  Volkes. 

Was  aber  an  ihnen  am  meisten  sch&tzenswert  ist,  das  ist  die 
Weltanschauung,  die  aus  ihnen  spricht,  der  gesunde  Optimis* 
mus,  der  sie  beseelt.  Aus  dem  Liede  schöpft  das  Volk  innere 
Erlösung  und  neue  Stärkung,  eine  Bejahung  des  Willens  zum 
Leben,  es  gibt  für  das  Volkslied  kein  „Nein'*  und  kein  „Niemals^, 
keinen  Tod  ohne  Hofihung.  Das  Portleben  im  Grabe,  die  Auf- 
fassung des  Todes  als  einer  Hochzeit,  die  Macht  der  Liebe,  die 
den  Tod  fiberdauert,  die  göttliche  Gerechtigkeit,  die  man  nie  ver- 
missen wird,  der  Stolz  ehrlicher  Arbeit,  das  Verhältnis  zwischen 
Armut  und  Reichtum,  Gottvertrauen  und  Lob  der  Wohltätigkeit, 
der  versöhnende  Abschluß  des  Volksliedes  und  die  Schlußmoral, 
seine  Mftrcbenstimmung  und  seine  Koseformen,  all  dies  sind 
Äußerungen  einer  heiteren,  versöhnenden  Lebensauffassung. 

Mensch  und  Natur  treten  im  Volksliede  in  innige  Be- 
ziehung. Diese  tritt  nicht  bloß  in  der  innigen  Liebe  zu  allen  Er- 
scheinungen der  äußeren  Umwelt  zutage,  in  der  Bolle,  welche 
Sonnoi  Mond  und  Sterne  spielen,  sondern  auch  in  der  Tierliebe, 
die  das  schönste  Licht  wirft  auf  den  hohen  Wert  des  naiven 
Volkscharakters.  Boß  und  Hund,  Vögel  als  Vertraute  und  Toten- 
kläger, der  Kuckuck,  der  Falke,  der  Fisch  sind  im  Volksliede  eben- 
so bedeutsam  wie  manche  Bäume,  die  Linde,  die  Eiche,  der 
Haselatrauch  .. ..,  die  ganze  Pflanzensymbolik.  Wasser,  Wolken 
und  Winde  gelten  als  Liebesboten,  der  Abschied  von  der  Natur 
haucht  Yielen  Volksliedern  tiefe  Wehmut  ein. 

Denn  der  Volksgesang  umfaßt  ein  reiches  Geföhlsleben, 
das  nach  Böckeis  Ansicht  vom  Standpunkte  der  Völkerpsychologie 
noch  zn  wenig  beachtet  wurde.  Nicht  als  ob  der  Volksgesang 
Gefühlsduselei  liebte,  er  schildert  Gefühle  knapp,  aber  anschaulich 
meist  dnrch  die  Wirkung,  keusch  verheimlicht  er  das  Herzleid, 
trägt  #8  heimlich.  Heimweh,  Bechtsgefflhl,  Treue,  Mutter-,  Ge- 
schwister- und  Kindesliebe,  Macht  der  Tränen,  das  Los  der 
Waisen,  treue  Liebe,  Verzweiflung  und  Fluch  —  das  ist  die  um- 
fassende Stufenleiter  der  Empfindungen,  die  das  Volkslied  umfaßt. 
Lachen,  herzliches  Lachen  gilt  als  Inbegriff  aller  Freude. 

Denn  Humor  und  Spott  sind  die  mächtigsten  Triebfedern 
des  Volksliedes,  wenn  Humor  die  Kunst  ist,  Schmerzen  lächelnd 
zu  überwinden,  freilich  sind  beide  oft  recht  ungeschlacht.  Der 
Hofflor  des  Soldaten,  des  Zechers,  des  Älplers,  Liebesglfick  und 
Liebespeeh,  der  Spott  über  verfehlte  Ehe,  ^Galgenhumor,  Lügen- 
ond  Wnnschlieder  sind  die  mannigfachen  Äußerungen  des  Volks- 
witzes* Selbst  an  ernste  Lieder  wird  ein  scherzhafter  „Schnörkel*' 
angebftngt.  Besonders  anziehend  sind  Böckeis  Untersuchungen 
über  Wesen  und  Alter  der  Bachelieder.  Im  Kriegerstande  finden 
wir  SpOtter  von  Walthari  bis  zum  Kutschke,  Pfaffen  und  Schreiber, 


768  EOlwig'mrt'Zemial,  DeatMiMS  LeMbseb,  ang.  t.  A.  HaMekkhi. 

Soontftgtj&ger,  alU  Jangfern  imd  Hageatohe  naw.  Bind  «btoBO 
Gegenattada  dae  Volkaapottaa  wia  ainzaloa  Orta,  VOlkar  uid 
L&nder.  Dar  TaDzplatz  ist  aina  baliabta  Stätta  TarhöhnaDdar  Lied- 
chan und  dia  Eaizanmnaik  in  mannigüaehar  Oasialtnng  gahM  aacb 
hiahar.  Aneh  hier  bat  daa  Verbot  der  Obrigkait  mancbam  Unfag 
gastanert,  aber  aneb  sehr  viel  altaa  Yolkagut  Tamiebtat 

Sehr  wertvoll  aneb  für  daa  Verat&ndnis  dar  Haldanaagan  ist 
der  Abscbnitt  Aber  Geachichta  und  Volkadichtung»  laaanswart 
sind  dia  Betracfatongan  ober  daa  Kriegs-  und  Hoobzeitslied. 

Doch  alla  diaaa  Harrlicbkait  achwindet,  Walt  und  Manschen 
sind  anders  gewordan.  Und  nnn  biatat  der  Verf.  ainen  Bandhlick 
über  den  hantigan  Stand  der  Volkadichtong  in  Enropa«  beapricbt 
die  Ursachan  daa  Verfalles,  würdigt  die  modeman  Baatrebnngen 
der  Tolksknnde,  dia  Vardiansta  des  dentachen  Kaiaara  und  öator- 
raichs  nad  schließt  mit  dem  Wunsche:  »Laftt  nna  wieder  YaUn- 
liader  aingani  Daa  beißt  ao  viel  aia:  Laßt  nna  wiadar  gasaaü 
werden  an  EOrpar  nnd  Seele  !<* 

Ea  liegt  aina  Fülle  des  Scbünen  nnd  Wahran  in  den 
angadenteten  Abschnitten  das  Böckalscben  Werkaa.  Dan  Foiacber 
maß  die  reiche,  mit  kundiger  Hand  gewühlte  nnd  wertfoUe 
Literatur  befriedigen,  ihn  wird  der  Umstand«  daß  der  ?erf.  nicht 
bloß  die  neueata  Zeit  berückaichtigt,  aondem  immer  geachichtUche 
Entwicklungsbilder  bietet  und  mit  großer  Torsicht  und  Wahiheiti- 
liebe  seine  Schlüsse  zieht,  fördern,  auch  den  Laien  muß  die  klars, 
schlichte,  reine  und  schöne  Sprache  erfreuen,  mit  der  dar  Ter- 
faaser  tom  Herzen  zum  Herzen  spricht,  ihn  muß  daa  poetisebe 
Empfinden  mitreißen,  wir  Österreicher  achließlich  müaaen  dem 
reichsdeutschen  Gelehrten  Dank  zollen  dafür,  daß  er  daa  Volks- 
lied unseres  Vaterlandea  so  TerBtündnisToU  zu  würdigen  farsteht, 
daß  er  immer  und  immer  wieder  unseres  wackeren  Dr.  Ponuitr 
gedenkt  und  auch  unseren  Anteil  an  der  Wiederbelebung  des 
Volksgeeangas  nicht  vergißt.  Böckela  Buch,  daa  eine  wartroile 
Bereichening  der  Poetik,  Literaturkunde  und  Völkerpsychologie'be- 
deutet,  sei  darum  jedem  Freunde  des  Volkea  und  aeiner  Eigeoart 
und  natürlich  ganz  besonders  jedem  Lehrer  w&rmstena  ampfoiüiD. 

Wien.  Dr.  Leo  Langer. 


Deutsches  Lesebuch  fikr  hebere  Schalen.  Heransg^eben  von  P.  Hell- 
wig,  P.  Hirt,  U.  Zernial  unter  MitwirkiiDg  fon  H.  Spiefi  md 
G.  H.  A.  Hath.  Sechster  Teil:  Prosalesebach  ftkr  Ober-Sekiudi. 
Heransg.  tod  H.  Spieß.  2.,  amgearb.  Aaflage.  Leipzig -Dresdes- 
Berlin,  L.  Ehlermanii  1907.  XII  and  201  S8.  —  Siebenter  Tett:  Fm^ 
lesebach  f&r  Prima.  Heraosg.  von  H.  Spieß.  2.,  amgearb.  Aaflaft. 
Ibid.  1907.  VIII  und  892  S8. 

Ein  Prosa -Lesebuch  und  zwar  ein  mustergültiges,  wie  vir 
ein  aolcfaes  für  die  östeireiebischen  Gymnasien  unbedingt  wfiaachtf 


Heüwig-Hifi-Zemial,  Denttehes  Letebnch,  ang.  t.  A,  Hauaenblas,   769 

müssen.     Klagt  man  doch  mit  Becbt  darüber,  daß  nnsere  gegen- 
wärtig in  den  oberen  Klassen    terwendeten  Lesebocber    zu   riel 
poetischen  Lesestoff  enthalten,   dagegen  za  wenig  oder  gar  keine 
Stilmoster   bieten,    die  als  Vorbilder    für   den   deutschen   Aufsatz 
dienen   könnten.     Im   Gegensatz    zn    nnseren    fast  ansschließlich 
^literarhistorischen^  Lesebüchern  hat  nun  der  Heransgeber  strengH 
den  Grundsatz  befolgt,  , wonach  für  die  Wahl  eines  Lesestückes  für 
die  Oberstufe  der  Stoff  nur  das  Sekund&re,  die  Form  im  weitesten 
Sinne  des  Wortes ,  das  Erste,  das  Entscheidende  sein  muß.     Wer 
die  Namen  der  ausgewählten  Autoren  in  den  beiden  Inhaltsverzeich- 
nissen des  Torliegenden  Lesebuches  überfliegt,    wird  unter  ihnen 
nnsere  besten,   sprachgewaltigsten  Schriftsteller    finden ,    so   auch 
Meister  des  Essays,  die  man  in  anderen  Büchern  vergebens  sucht. . . 
Ebenso  ist  auf  die  Mannigfaltigkeit   der  Stilarten  und  Stilformen 
Borgf&ltigst  Bedacht  genommen.     Zwar  herrscht,    wie  billig,   die 
klare  Sprache  des  kühlen  Verstandes  vor,  aber  auch  die  schwung- 
volle Bedo  des  bewegten  Herzens  kommt  zu  ihrem  Becht''   (Lese- 
bneh  für  Obersekunda  S.  Vm). 

In    Befolgung    dieser    Grunde&tze    hat    auch    der    Heraus- 
geber ans  beiden  Bünden  eine  große  Anzahl  von  Nummern,  welche 
den  stilistisch  -  formalen  Zwecken    weniger  dienten,    ausgeschieden 
nnd  in  der  vorliegenden  zweiten  Anflage  durch  passendere  ersetzt. 
Der  Band  für  Ober-Sekunda  enth&it  gegenwärtig  48  Nummern 
in  folgenden  Gruppen:  I.  Zur  antiken  Kultur,  II.  Über  Volkssage, 
Foiksepos  nnd  verwandte  Gegenstände,   IIL  Zur  älteren  deutschen 
Sprache   nnd  Dichtung.      Man    findet   unter    den  Autoren    dieser 
Gruppen    tatsächlich   „unsere   besten,   sprachgewaltigsten   Schrift- 
steller*' vertreten.    Ganz  besonders   aber   verdienen  die  Lesestücke 
der  IV.  Gruppe  (Mosteraufsätze  aus  dem  Gebiet  der  Lektüre)   an- 
geführt zn  werden:  Kriemhild  von  L.  Uhland,  Charakteristik  Her- 
manns  in  Goethes   „Hermann  und  Dorothea''    von  V.  Hehn,    Die 
künstlerische  Gestaltung  der  Handlung  in  Goethes  „Hermann  und 
Dorothea**   von  W.  v.  Humboldt,  die  Vorfabel  des  Lustspiels  „Minna 
von  Bamhelm**  von  Knno  Fischer,  Der  politische  Gehalt  in  Goethes 
^Egmont**   von  E.  Bosenkranz,    Johannes  göttliche  Sendung,  das 
Gmndmotiv  in  Schillers  „Jungfrau  von  Orleans**  von  H.  Hettner, 
Natur  nnd  Volk  in  Schillers  „Wilhelm  Teil**  von  H.  v.  Stein,  Der 
Gang    der  Handlung  in   Kleists   „Prinz  Friedrich    von  Homburg** 
von  Fr.   Hebbel. 

Bef.  ist  überzeugt,  daß  die  Behandlung  dieser  Lesestücke  — 
es  sind  „ Musteraufsätze **  im  wahrsten  Sinne  des  Wortes  —  in  der 
Schnle  unbedingt  gewinnbringend  sein  muß  und  daß,  wenn  den 
Schülern  Themen  ähnlicher  Art  vorgelegt  werden,  diese  gewiß 
weniger  stümperhaft  auefallen  werden,  als  dies  sonst  geschieht. 
Es  ist  aber  ferner  nicht  zu  zweifeln,  daß  auch  mancher  junge 
Lehrer  von  diesen  Aufsätzen  Nutzen  haben  und  vor  methodischen 
Mißgriffen  bewahrt  werden  wird. 

ZeitMhzifi  f.  d.  teterr.  Oyinn.  1906.  VIU.  n.  IX.  Heft.  49 


770  L,  Co^rueliti,  Montaigne,  ang.  t.  J.  Frank, 

Der  für  Prima  bestimmte  Band  umfaßt  folgende  Gruppen  mit 
61  Nummern:  I.  Zur  allgemeinen  Kultur,  II.  Aufs&tze  philo- 
sophischen Inhalts,  III.  Zur  deutschen  Literaturgeschichte. 

Bei  der  Fülle  des  Vortrefflichen,  welches  hier  zusammtn- 
getragen  wurde,  ist  es  leider  unmöglich,  auf  Einzelheiten  eiuiu- 
gehen,  und  Bef.  muß  sich  damit  begnügen,  die  Auswahl  als  eine 
geradezu  vorzügliche  zu  bezeichnen.  Doch  kann  es  nicht  untsr- 
lassen  werden,  wenigstens  die  Autoren-Namen  zur  I.  Gruppe  an- 
zuführen und  so  eine  ungef&hre  Vorstellung  des  Gebotenen  zu  Ter- 
mittein:  ü.  v.  Wilamewitz-Möllendorf,  L.  y.  Bänke,  K.  Hillebrand,  H. 
y.  Treitschke,  A.  W.  Schlegel,  Ed.  Zeller,  H.  Oldenberg,  Ad.Hamaek, 
Fr.  Paulsen,  H.  y.  Moltke,  E.  Bohde,  G.  Bümelin,  B.  Eucken,  Imm. 
Kant,  H.  Helmholtz,  W.  Wundt,  Goethe,  H.  Biegel,  H.  Grimm,  W. 
H.  Wackenroder,  A.  Bielschowsky,  Fr.  Nietzsche,  G.  Freytag. 

Mies  i.  B.  Adolf  Hausenblas. 


Montaigne  (1533  —  1595):  La  Tie  de  Montaijnie.  —  Les  Essaii 
Eztraits.  —  Jugements.  Par  Louis  Goquelin.  Bibliotheqae  Laioune. 
Paris,  Bne  Montpamasse  1908. 

Schon  der  Abb4  du  Perren  nannte  Montaignes  ^Euaü^' 
U  lereviaire  des  honniUs  gern  und  fragte  junge  Schriftstell«? 
geheim  (mit  Hinblick  auf  M.):  Ävez'wms  lu  Vauteur?  Audi 
Gustaye  Flaubert  stellt  einmal  darüber  eine  Betrachtang  as, 
daß  auch  die  menschlichen  Ideen  yeralten  und  absterben  und  dsfi 
es  in  der  Erscheinungen  ewiger  Flucht  ebenso  schwer  sei,  blei- 
bende, unyer&nderliche  Werte  festzulegen,  als  die  fließende  Welle 
zu  bannen  und  das  ewig  Wechselnde  in  Kategorien  zu  gießen  uoti 
schließt  mit  folgenden  Worten :  „Ich  wette,  daß  in  fünfzig  Jahns 
die  Worte:  Fortschritt,  das  soziale  Problem  usw.  sich  ebeofo 
grotesk  ausnehmen  werden  wie  heute  die  Schlagworte  des  XVIII. 
Jahrhunderts:  Empfindsamkeit,  Natur,  Vorurteil!  Es  gibt  einte 
Denker,  mit  dem  Sie  sich  n&hren  und  berahigec 
sollten:  Montaignel  Studieren  Sie  ihn  yem  Qrunde 
aus,  ich  befehle  es  Ihnen  als  Arztl"  Als  ob  dieser  Appell  nic^t 
ohne  Wirkung  geblieben  wäre,  sind  in  der  jüngsten  Zeit  nickt 
weniger  als  drei  neue  deutscheMontaigne-Übersetznngcc 
erschienen:  eine  Auswahl  yon  Erich  Meyer  (Greiner  k  Pfeiffer  m 
Stuttgart);  der  1.  Band  einer  auf  acht  B&nde  berechneten  Ausg^ 
Ton  W.  Weigand  u.  0.  Platte  (G.  Müller  in  München)  und  endlick 
die  Übersetzung  des  1.  Buches  yon  Wilhelm  Vollgraff  (Wiegan^ 
&  Grieben  in  Berlin). 

Die  uns  yorliegende  Auswahl  yon  Louis  Goquelin  ietsli» 
gewiß  nicht  unzeitgemäß.  Man  kann  sich  im  ganzen  aoch  mix 
seiner  einleitenden  Biographie  einyerstanden  erklären.  Die  wk&- 
tigsten  Momente  im  Werdegange  M.s  treten  darin  bei  aller  Ess^ 


L,  CoqjuMn^  MoDUigoe,  «ng.  f.  J,  Frank»  771 

beit  der  Daratellaog  genügend  hervor.    Daß  Coqnelin  sich  an  das 
1906  erschienene  Werk  Fortnnat  Strowskys:  Les  grands  phüo^ 
saphiSf  Montaigne  (Paris,  Felix  Alcan)  sehr  innig  angelehnt  hat, 
mochten   wir  ihm    hei  der  Trefflichkeit  dieses  Baches    nicht    als 
etwas  zn  Tadelndes  anrechnen.     Gut  angebracht  ist  die  Her?or- 
bebnng  der  von  Strowsky  nachgewiesenen  Quellen,   die  M.s  skep- 
tische Tendenz  bestimmt  haben,   wie  sie  besonders  in  der  ^^ Apo- 
logie de  Sebond"  (die  Lintilhac  sehr  treffend  den  Gewölbeschlüssel 
der  Eseais  genannt  hat)  zam  Ansdrack  kommt   nnd   wie  sie  sich 
schon  in  den  Aussprächen  des  alten  Zweiflers  Sextue  Empirieue: 
Uavxl  k6y^   X6yog  töog  ivrixsixai'   und    ivSi%e%av  xal   ovx 
ivdixstm   zusammendrängt.     Ereilich    hfttte    dieser  Schriftsteller 
ebensowenig  wie  die  sp&teren,  Picns  von  Mirandola,   Agrippa  von 
Nettesheim  und  Francisco  Sanchez  für  die  Geistesrichtung  M.s  so 
wirkungsvoll  werden  können,  wenn  sie  dieses  unablässige  Fließen 
der  Meinungen  in  seiner  seelischen  Anlage  nicht  bereits  vorgefun- 
den h&tten.   M.  suchte  keine  allgemeinen  Normen  des  Seelenlebens, 
weil  es    für  ihn   solche  gar  nicht  gab,   weil  sich  für  ihn    alles 
um  seine  eigene  Persönlichkeit  konzentrierte,   für  die 
er  seibat  seine  Gesetze  schuf.     Er  suchte  das  für  jeden  einzelnen 
Fall  Bichtige,    nicht  aber  ein  ewig  Wahres,    da  ein  solches  nach 
seiner  Überzeugung    dem  Menschen  nur  durch   eine  göttliche  Er- 
lencbtiuig,  nicht  aber  durch  Forschen  und  Grübeln  zuteil  werden  kann. 
Die  weitere  Charakteristik  M.s  als  Schriftsteller  h&tte  aller- 
dings schftrfer  und  pr&gnanter  sein  können,    als  wir  sie    bei  Co- 
quelin  vorflnden.  Man  ist  heute  wohl  davon  abgekommen,  M.  einen 
PyrrhODiker  oder  Skeptiker  im  gewöhnlich  hergebrachten  Sinne  za 
nennen  nnd  ich  möchte  ihn  (wenn  schon  ein  solcher  Schulausdmck 
herangezogen  werden  muß)  lieber  als  Probabilisten  oder  Agnostiker 
bezeichnen;  ebenso   war  er  nicht   ein  Epikureer,  etwa  nach  dem 
Ideale  bei  Hans  Sachs*,    der  sich  einen  Kranichhals  wünscht,   um 
recht  lange  zu  schmecken,  ein  Maul  wie  ein  Scheunetor  und  einen 
Baach    gleich   einer  Bierkufe.     Er  war  auch  kein  ausgesprochener 
Hedonist  und  Quietist,   wenn  er  auch  stets  nach  jener  Verfassung 
der  Seele  strebte,  die  aus  jeder  Lebenslage  das  Angenehme  abzu- 
BChOpfen  weiß  und  die  der  Eonserviernug  der  morschen  Lehmhülle 
unseres   Körpers  am  zutr&glichsten  ist  und  sich  eine  kleine  Hütte 
(arri^e-boutique)   mit  einem   kleinen  Glücke  sichern   wollte,    die 
der  Zeltenstrom  nicht  wegspülen  kann.    Ja  er  war  auch,  obgleich 
man   diee  von  dem  Manne  annehmen  möchte,  der  die  wissenschaft- 
iicbe  Erkenntnis  als    „äneries  de  l'humaine  eapience"    bezeichnete 
und  sieb  den  Ausspruch  leistete :    „11  nous  faut  ahUir  pour  neue 
assoffir/**   kein  Feind  des  Wissens.    Er  war   vielmehr  etwas   von 
alledem :  ein  Eklektiker  oder  (wie  das  Strowsky  vielleicht  treffender 
ausdrückt)  ein  Dilettant,  der  aus  allen  diesen  Lebensanschauungen 
und  Auffassungen  'das  auswählte,    was  ihm  paßte,  und  trotzdem 
dank   seiner  unverwüstlich  gesunden  Natur  und  seinem  angebornen 

49* 


772  Marttn-ThiergeHf  En  Fnnce,  »ng.  v.  F.  Wawra, 

grandiosen  Optimisrnns  Bich  eine  gewisse  Behentheit  and  Festig- 
keit im  Wollen  and  Handeln«  ja  einen  gewissen  Seelenadel  za 
wahren  wußte.  Sittliche  Begeisterang  wird  er  im  Leeer  seiner 
Essais  allerdings  kaum  erwecken,  denn  er  hat  für  sich  selbst  knapp 
nnr  soviel  daton  aufbringen  können,  am  die  Heroen  der  Menschheit 
za  bewandem. 

Im  übrigen  können  wir  ans  über  das  Torliegende  Bach  kurz 
fassen.  Die  ans  den  Essais  mitgeteilten  Brachstücke  sind  wohl 
etwas  dürftig  aasgefallen  and  wir  h&tten  etwas  mehr  Montaigne 
gewünscht,  selbst  anf  die  Gefahr  hin»  dadurch  etwas  weniger  Sech^ 
za  erhalten.  Besonders  erscheint  ans  das  17.  Kapitel  des  2.  Baches, 
welches  M.S  leibliches  and  geistiges  Portr&t  and  das  12.  Kapitel 
des  3.  Baches,  welches  das  Geheimnis  seines  Lebens  enthftlt,  nicht 
genügend  aasgenützt.  Die  am  Schlüsse  gegebene  Bibliographie 
ist  ziemlich  reichhaltig,  die  chronologische  Übersicht:  ^Moniaigni 
et  son  temps*  recht  sorgfältig  and  dankenswert,  die  Aasstattnoi^ 
sehr  gut. 

Wien.  Josef  Frank. 


En  France.  Gnide  ä  traTers  la  langne  et  le  pajs  des  Fran^aiB.  (,!■ 
FraDkreich."*  Ein  Führer  durch  die  Sprache  and  daa  Land  der 
Fransoien.)  Mit  deotscher  Übersetzung,  einem  gramroatieehen  AnbiDfre 
und  einem  phonetlBchen  WOrterTerzeichnisse  ?on  Paul  Martin,  Paiii 
und  Dr.  0.  Tbiergen,  Dresden.  Leipiig-R.,  Druck  und  Verlag  tod 
E.  Haberland  1907.   IV  und  219  SS. 

Von  den  Gesprächen  anderer  Konversationsbücber  unterschei- 
den sich  die  in  diesem  „Sprachführer''  gebotenen  dadurch,  dsi> 
sie  ein  fortlaufendes  Ganzes  bilden  und  durch  einen  gemeinsamen 
Grundgedanken  zusammengehalten  werden.  Dieser  ist,  daß  ein 
Schweizer  mit  seiner  Frau  über  Genf  nach  Frankreich  f&hrt  nnd 
über  Lyon  und  andere  Profinzst&dte  des  Ostens  Paris,  das  End- 
ziel der  Beise,  erreicht.  Innerhalb  dieses  Bahmens  findet  sieh 
Anlaß  zu  Gesprächen  in  Terschiedenen  Situationen,  wie  auf  dem 
Bahnhof,  im  Eisenbahnwagen,  im  Hotel,  auf  dem  Spaziergange 
usw.  usw.  In  dazwischen  eingeflochtenen  Briefen  an  zurückgeblie- 
bene Freunde  wird  dann  berichtet  über  Beiseeindrücke ,  Sehens- 
würdigkeiten der  Yerschiedenen  St&dte,  das  Leben  in  einer  fran- 
zösischen Familie,  französisches  Unterrieb tswesen,  Theater,  Kunst 
usw.  Außerhalb  dieses  Rahmens  stehen  einige  Gespr&cbe,  welche 
Vorkommnisse  des  gewöhnlichen  Lebens  („Um  ein  Zimmer  zn 
mieten"  ;  „Auf  einem  Postamt*' ;  „Bei  der  Konsultation  des  Arztes" 
usw.)  zum  Gegenstande  haben  und  einige  Annoncen.  Der  das  Bnch 
Benützende  wird  so  auf  ungezwungene  Weise  mit  den  gerade  gang- 
baren Wörtern  und  Redensarten  des  t&glichen  Lebens,  dann  mit 
den  Fachausdrücken  in  Kunst,  Literatur  und  Technik  bekannt  ge- 
macht. Die  Sprache  ist  durchaus  modern  und  mit  Idiotismen  reich 


Martin-Thiergm,  En  Fraoce,  aog.  v.  F.  Wawra,  773 

dorcbsetzt,  die  gegenflber  stehende  denische  Übereetznog  meist 
treffend  (doch  heißt  une  querelle  8*envenime,  S.  99 ,  nicht  „biu 
Streit  bricht  ans'').  Dieser  Teil,  148  Seiten  umfassend ,  verdient 
alle  Anerkennung. 

Wenig   dagegen    befriedigt  nns   die  mit  S.  149  beginnende 
^Kurzgefaßte   französische   Grammatik**.     Zunächst   tersteht   man 
nicht,  was  die  Vorführung  der  allerersten  Elemente  der  Laut-  und 
Formenlehre  hier  will.    Es  können  doch   die  vorhergehenden  Ge- 
spräche nicht  für  Anfänger  bestimmt  sein,  denen  erst  die  Verwen- 
doog  der  Akzente,  die  Pluralbildung  der  Substantiva,  die  Feminin - 
bildung  der  Adjektiva    und    ähnliche  Anfangsgründe  beizubringen 
sind.    Wer  nach  einem  solchen  Buche  greift,    der  muß  das  alles 
schon  überwunden  haben   und    kann  es  auch  überwunden  haben 
angesichts    der   Stellung    des  Französischen    an  unseren  Schulen. 
Oberdies  fehlt  es  ja  nicht  an  guten  Elemeütargrammatiken.  Aller- 
dings bildet  nach  einer  dem  Buche  rückwärts  angefügten  Annonce 
dieses  den  8.  Band  einer  Sammlung  von  „Sprachfübrern**,    denen 
also  ein  gemeinsamer,  schon  ton  vornherein  festgelegter  Plan  zu- 
grunde liegt.     Aber  infolge  des  eben  angeführten  Omstandes  war 
das  Französische    nicht  auf  gleiche  Stufe    mit  dem   Italienischen 
und  Schwedischen   zu  stellen   und   der  Plan  für  das  Französische 
entsprechend  umzuändern.     Es  hätten  die  in  den  Gesprächen  vor- 
kommenden Besonderheiten  der  Aussprache  (z.  B.  S.  138:  ehapelier; 
8.  141:  papeterie;   8.  148:  bonneterie)^  Formenlehre  und  Syntax 
besprochen  und  dazu  auf  lexikalisch  Bemerkenswertes  die  Aufmerk- 
samkeit gerichtet  werden  können,    wie  z.  B.  die  Verwendung  von 
camme  =  in  Bezug  auf  (comme  peitUure,  8.  81;  camme  acousiique, 
S.  87),  Ausdrücke  wie  (faire)  eacaU  (S.  82),    il  y  a  belle  lurette 
(S.  91)^  ä  la  queue  leu-leu  (ebda.),  jubi  (S.  92),  tUa  patronminel 
(S.  98),  Ue  noces  de  Gamache  (S.  100)  und  andere,  die  hinsicht- 
lich ihrer  Herkunft  und  eigentlichen  Bedeutung  zu  erklären  waren. 
Dies  umsomehr,    als  ja  das  Buch    dem  Vorwort  zufolge   auch  für 
Philologen  bestimmt  ist.     Sollte  aber   dennoch   an  einem  gemein- 
samen, auch  für  das  Französische  verbindlichen  Plane  festgehalten 
werden,  ao  mußte  immerhin  Besseres  geboten,  vor  allem  aber  dieser 
grammatische  Teil  in  Beziehung  zu  den  vorhergehenden  Gesprächen 
gesetzt  werden  in  der  Art ,   daß  bei  bemerkenswerten  sprachlichen 
Erscheinungen,  die  in  diesen  vorkommen,  auf  die  entsprechenden 
Erläuterungen  in  jenem  verwiesen  worden  wäre,    wie  z.  B.   bei  il 
tombe  des  gouUee  (S.  44)  auf  8.  161  der  Syntax,  bei^outr  de  (S.  85) 
auf  S.  163,  ä  moins  qu'ils  ne  soient  (S.8)  auf  S.  167  usw.  Statt 
desaen  steht  die  Grammatik  so  unvermittelt  neben  den  Gesprächen, 
daß  sprachliche  Eigentümlichkeiten  der  letzteren  dort  gar  nicht  er- 
wähnt vrerden,  wie  eon  earacthre  ä  eile  (S.  18),  il  y  en  a  une  de 
libre  (S.  14),  grand*  messe  (S.  58),  die  dreimal  vorkommende  Kon- 
struktion quel  que  sait  -)-  Subj.  (S.  27,  67,  97),    welche  gerade 
unter  den  Konzessiv- Sätzen  (S.  167)  fehlt  u.a.,  während  manches, 


774  Martin-ThiergeHi  En  France,  ang.  t.  F.  Watora. 

das  in  der  Satzlehre  bebandelt  wird,  namentlich  vom  Standpunkte 
der  Gespr&che  ans,  entbehrlich  w&re. 

Sehen  wir  aber  Ton  diesem  methodischen  Gesicbtspiinkte  ab 
nnd  betrachten  wir  den  grammatischen  Teil  als  eine  selbständige, 
Ton  den  Oesprftchen  nnabh&ngige  „Elementargrammatik" ,  so  muG 
man  leider  sagen,  daß  sie  in  vieler  Hinsicht  ftnflerst  mangelhaft 
ist  und  daß,  wer  wirklich  die  Anfangsgründe  des  Französischen 
nach  diesem  Bnche  erlernen  wollte,  damit  sicher  nicht  zn  seinem 
Ziele  kftme;  eine  Betrachtang  der  einzelnen  Partien  dieser  „kurz- 
gefaßten Grammatik*',  bei  welcher  wir  jedoch  nicht  anf  VoUsttUidig- 
keit  Anspruch  erheben,  soll  zeigen,  ob  diese  Behanptnng  gerecht- 
fertigt ist.    Znnftchst  die  Lautlehre. 

Da  ist  gleich  im  Anfang  (S.  149)  zn  bemerken,  daß  a  in 
aimämes  (trotz  des  Acc.  circ.)«  soldats  (wamm  gerade  derPlvral?), 
gouvemail  nicht  „offen*'  (womit  gemeint  ist  „tief**)  ist  Es  ist 
vielmehr  „mittleres*'  a  nach  Bonsselots  System,  das  bei  allen 
Orthoepikern  nnd  Phonetikern,  die  nnr  zwei  a-Lante  nnterscheiden, 
mit  dem  hohen  znsammenfftlU.  Umgekehrt  wird  S.  152  in  der  um- 
echrift  von  erdne  hohes  statt  tiefes  a  eingesetzt.  S.  150.  In 
pSrisse,  ministre  nnd  selbst  in  vie  (in  der  Pariser  Aussprache)  ist 
das  i  nicht  lang.  Ebensowenig  in  style  (gegen  Ende  derselben  Seite). 
Ebenda.  Jeun  mit  seinem  Nasallaut  hat  sich  unter  die  Wörter  mit 
oralem  ce  verirrt.  S.  151.  Der  e-Laut  in  der  Endung  -et  {txEdet) 
ist  nicht  „geschlossen**,  sondern  „mittel*'  und  wird  seit  jeher  von 
denen,  die  nur  zwei  «-Laute  unterscheiden,  dem  offenen  e  zugeteilt. 
Umgekehrt  nähert  sich  der  e-Laut  von  meSf  der  hier  zu  den  offenen  i 

gerechnet  wird,  in  unbetonter  Silbe  dem  geschlossenen.  Ein  Fehler,  1 

der  sich  durch  das  ganze  Buch  zieht,  ist,  die  auf  Vokal  +  e  sus-  ' 

lautenden   Silben    als   lang  zu   bezeichnen    (vgL   z.  B.   das  kurz  | 

vorher  besprochene  vie);  freilich  nicht  konsequent  (eine  Ausnahme  I 

z.  B.  S.  152  cavahrie).    Aber  auch  sonst  wird  Endvokalen  L&nge 
zugeschrieben;    so   S.  153:    poulSf  hup,  pied^  nez,  vieux  (auch  ' 

S.  154),  cavalier;  8.  178:  Doubs;  freilich  auch  nicht  konsequent: 
in  Schecs  wird  sogar  anlautendes  e  als  lang  bezeichnet.  Ganz  be- 
sonders häufig  werden  nasale  Endvokale  als  lang  wiedergegeben, 
so  in  sang,  S.  152.  Nach  der  Umschrift  anf  8.  152  wäre  nasalM 
0  Oberhaupt  immer  lang.  Bei  den  Reibelauten  (auf  8.  152)  wird 
wohl  von  der  Aussprache  des  g  in  gelie  gesprochen ,  die  Bezeich- 
nung desselben  Lautes  jedoch  durch  j  nicht  erwähnt,  ebensowenig« 
daß  das  Französische  die  Doppelkonsonanten  in  der  Aussprache  rer- 
einfacht;  es  bleibt  demnach  dem  Lernenden  die  Transkription  toq 
foueiter  und  appuyer  auf  8.  151  unverständlich.  8.  168,  VII., 
unter  5,  ist  bei  der  Feststellung  des  Unterschiedes  zwischen  den 
beiden  Arten  des  h  im  Französischen  nicht  das  Verhalten  des  ad- 
jektivischen Possessivs  (num  usw.)  und  des  adjektivischen  Demoo- 
strativs  {ce)  berficksichtigt.  Ebenda  wird  [unter  7  befremdlieber- 
weise  Bindung  angegeben  für  rat  in  un  rat  alla  ä  la  eave.    B^- 


Martin-Thiergen,  Eo  France,  «ng.  y.  F.  Wawra.  775 

kannilich  wird  das  t  ton  rat  ebensowenig  hinübergezogen  wie  das 
r  in  boucher  and  eapalier^  fflr  welche  dort  gleichfalls  (unter  8) 
Bindong  vorgeschrieben  wird.  S.  154  wird  das  Bestehen  der  Bin- 
dimg (soll  heißen  „konsonantischen  Bindung'^  damit  begrflndet, 
daß  „der  Znsammenstoß  zweier  Vokale  dem  Franzosen  sehr  nn- 
angenehm  ist."  Was  ist  es  aber  mit  «7  y  a  €u  und  zahlreichen 
anderen  F&llen?  Natürlich  ist  ton  einer  fokalischen  Bindung 
keine  Bede. 

Was  die  Lautschrift  betrifft,  so  ist  für  ein  Buch,  das  rein 
praktischen  Zwecken  dient  und  für  weite  Kreise  bestimmt  ist,  offen- 
bar diejenige  die  beste,  welche  den  Laut  unzweideutig  wiedergibt 
ond  dabei  mit  den  Hauptgewohnheiten  der  herrsehenden  Ortho- 
graphie nicht  in  Widerstreit  gerät.  Diesen  Forderungen  entspricht 
das  im  „Vocabnlaire*'  von  8. 195  an  gew&hlte  Lantsystem  der  Asso- 
ciation phon^tique  nicht.  Wenn  z.  B.  dem  Lernenden  eingepr&gt 
wird,  in  französischen  Wörtern  y  ja  nicht  als  u,  sondern  als  %  zu 
sprechen,  eignete  sich  dann  dieses  y  zum  Ausdruck  des  gerundeten 
geschlossenen  palatalen  Vokals  («n«)?  Lag  da  für  Deutsche  nicht 
die  deutsche  Bezeichnung  n&her?  Oder  wenn  in  der  französischen 
Orthographie  i  konsequent  den  geschlossenen  e-Laut  ausdrückt 
(Hi,  difiU)^  wozu  dann  in  der  Umschrift  e  dafür  einsetzen,  jenes  ^ 
das  er  ja  in  französischen  Wörtern  entweder  als  dumpf  (m)  oder 
überhaupt  nicht  zu  sprechen  hat?  Ein  Wort  wie  amu  muß  nach 
der  gewöhnlichen  französischen  Orthographie  als  arm\  in  der  Um- 
schrift aber  als  armS  gelesen  werden.  Schließlich  noch  ein  Bei- 
spiel: 8  zwischen  Vokalen  (fusü)  ist  in  der  gewöhnlichen  Ortho- 
graphie stimmhaft,  in  der  Umschrift  wird  aber  gerade  mit  ein- 
fachem 9  der  stimmlose  Laut  bezeichnet.  Es  ist  zu  bezweifeln,  ob 
Qesch&fts-  oder  Vergnügungsreisende,  für  die  ja  das  Buch  ge- 
schrieben ist,  die  Summe  an  Geduld  und  Ausdauer  aufzubringen 
willens  sind,  die  nötig  wftre,  um  in  diesem  Kampfe  mit  zwei 
Feinden  als  Sieger  hervorzugehen,  zumal  da  noch  andere  Feinde 
im  Hinterhalte  lauem.  Zu  diesen  rechnen  wir  auch  die  Bezeich- 
nung der  betonten  Silbe  durch  einen  Akzent  vorher,  welche  un- 
praktisch ist,  weil  sie  sich  in  Gegensatz  zu  allen  Wörterbüchern 
stellt.  Der  schlimmste  Feind  der  Lernenden  ist  jedoch  die  Inkon- 
sequenz des  Verf.s.  Denn  von  dem  oben  beschriebenen  Transkrip- 
tionssystem weicht  die  von  ihm  im  theoretischen  Teil  gebrauchte 
Bezeichnungs weise,  welcher  man  wegen  ihrer  Regellosigkeit  den 
Namen  „System **  nicht  beilegen  kann,  ganz  bedeutend  ab.  Zum 
Nachweise  des  Gesagten  einige  Beispiele.  Der  vokalische  Laut  in 
uns,  im  „Vocabulaire*'  durch  y  bezeichnet,  wird  S.  150 — 158 
durch  ü  wiedergegeben.  Die  qualitativ  verschiedenen  os- Laute  in 
Ua  Honneurs  und  vieuz  werden  auf  S.  158  auf  gleiche  Weise  be- 
zeichnet; auf  derselben  Seite  aber  das  hinsichtlich  des  (F-Lautes 
qualitativ  und  quantitativ  mit  dem  genannten  Worte  zusammen- 
fallende hceufa  wieder  anders,  nftmlich  nach  der  Art  der  Association 


776  Martin-Tkiergen,  En  Franee,  aag.  t.  F,  Wawra, 

phoD^tiqne.  Ebenso  werden  auf  S.  151  in  me,  hhu^  jeune,  peur, 
ceuvre  und  S.  154  in  adieu,  Üb  honneurs,  vieux  die  qnalitatiT  yer* 
acbiedenen  o^-Lante  nicht  getrennt  and  wieder  wie  an  der  erst  an- 
gefahrten Stelle  bezeichnet. 

Die  größte  Bantbeit  herrscht  bei  den  Nasallaaten.  In  pru- 
dent  S.  150  and  beaain  S.  151  bfttten  wir  Bezeicbnangsweise  Nr.  1, 
in  vinfft  and  un  S.  177  and  in  den  Endangen  -amtnent  and  -emment 
S.  182  Bezeicbnangsweise  Nr.  2,  in  employer  S.  151  Bezeicbnangs- 
weise Nr.  3  and  scbließlicb  aaf  S.  152  and  153  Bezeicbnangsweise 
Nr.  4  nach  dem  System  der  Association  phon^tiqae.  Dieselbe  La- 
konseqaenz  herrscht  in  Bezag  aaf  Betonnngs-  and  Qaantitätsbe- 
zeichnnng.  Aaf  derselben  Seite  (151)  wird  bant  darcheinander 
innerhalb  weniger  Zeilen  die  betonte  Silbe  dnrch  einen  Akzent  vor 
dem  betonten  Vokal  aod  darch  einen  solchen  aaf  demselbeo  bo- 
zeichnet.  Die  Kfirze  des  Vokals  wird  8.  150  and  151  öfter  an- 
iregeben,  sp&ter  nicht  mehr.  Die  Länge  wird  in  zahlreichen  P&ll«n 
darch  einen  Strich  über  dem  Vokal  angedeatet  aaf  den  Seiten  150 
bis  158  (aach  173  in  Doubs)^  dazwischen  aber  aaf  S.  152 — 154 
darch  einen  Doppelpnnkt  nach  der  Art  der  Assoc.  phon.  (wobei 
noch  za  bemerken  ist,  daß  die  Erkl&rang  der  Bedeatang  dieses 
Zeichens  (S.  153)  der  ersten  Verwendang  (S.  152)  nachhinkt),  ja, 
8.  158,  in  demselben  Worte  {pouU)  innerhalb  dreier  Zeilen  aof 
zwei  yerschiedene  Weisen ;  dagegen  aaf  derselben  Seite  (158)  gar 
nicht  in  den  Umschriften  von  guerre,  nerfs,  cerfs  and  aach  spitor 
S.  173  in  Vosges.  Das  französische  Alphabet  wird  zweimal  ▼or- 
geffihrt:  S.  150  and  153,  man  sieht  nicht  ein,  warnm,  yielleieht 
am  die  Inkonseqaenz  des  Verf.s  recht  dentlicb  zar  Anscbaaang  zn 
bringen.  Aach  über  dampfes  and  Stammes  e  wird  zweimal  g^e- 
sprechen:  S.  149  and  153  anter  VII.;  an  letzterer  Stelle  ist  di« 
Fassang  —  offenbar  ist  etwas  aasgefallen  —  zam  mindesten  un- 
klar, für  den  Lernenden  jedenfalls  nnyerst&ndlich.  Aas  den  aof^e- 
führten  Tatsachen  gebt  zar  Genüge  hervor,  daß  sich  hier  der  Verf. 
aaf  ein  Gebiet  begeben  hat,  das  ihm  vollst&ndig  fremd  ist 

Zar  Formenlehre  übergehend,  bemerken  wir,  daß  sie  s^hr 
lückenhaft  ist.  So  fehlt  die  Konjugation  von  apoir  and  itre,  die 
der  regelmäßigen  Verba,  der  Verba  mit  wechselndem  ««Laut  im 
Stamme  (wie  peler  and  appeler,  vorkommend  in  den  Gesprächen 
S.  16;  ihver  and  rappeler  S.  77  and  jeUr  S.  147),  während 
hingegen  ein  „alphabetisches  Verzeichnis*'  (zn  ergänzen  „der  an- 
regelmäßigen Verba")  iclore,  Schoir,  gSsir  nnd  andere,  für  die  Eon- 
versation wahrscheinlich  höchst  wichtige  Verba  anfz&hlt.  Sonder- 
barerweise fehlt  aach  die  Bedeatangsangabe  der  im  „alphabe- 
tischen Verzeichnis**  aafgeführten  Verba.  Bei  den  Formen  feus  nnd 
«tf  vermißt  man  eine  Bemerkang  zar  Aasspracbe. 

Selbst  die  Satzlehre  zeigt ,  abgesehen  von  den  schon  oben 
berührten  methodischen  Mängeln,  noch  manche  Fehler  und  Ge- 
brechen.     Zwar  mag   das  Beispiel  (S.  166)  je  partis  eans  vou» 


Mariin-ThiergeH,  En  France,  ang.  v.  F.  Wawra,  777 

avoir  fait  tnea  adieux  zafftllig  unter  die  Lehre  vom  Konjanktit 
gekommen  sein  and  bedeutet  es  nicht  viel,  daß  der  Ansdrnck 
(8.  167)  aecusatif  ahsolu  (womit  gemeint  ist  die  absolute  Parti- 
xipial-Konetniktion)  kein  französischer  Terminus  ist.  Aber  zu 
ernstem  Tadel  fordert  die  auf  S.  168  gegebene  Erkl&rung  des 
Unterschiedes  zwischen  dem  Passä  defini  und  dem  ImparCait  heraus, 
womach  das  erstere  „eine  einmalige  Handlung  von  kurzer  Dauer'', 
das  letztere  „eine  wiederholte  Handlung  oder  eine  von  l&ngerer 
Daner  darstellt*'.  —  Bei  der  Zeitenregel  (S.  169)  ist  der  Fall, 
womach  die  Handlung  des  Nebensatzes  der  Zukunft  angehört,  nicht 
in  Betracht  gezogen.  Andererseits  ist  zu  dem  letzten  Beispiel  auf 
der  Torhergehenden  Seite  (Le  mSdecin  nous  explique  qu$  lafövre 
produit  toujours  de  la  ehaleur)  keine  Begel  gegeben.  —  Eine 
sonderbare  Erkl&rung  wird  (8.  187)  zu  dem  Satze  Qui  que  vous 
aü  du  cela,  e'est  un  menteur  gegeben:  „Der  NominaÜT  qui  wird 
zu  que,  wenn  das  Relativ  qui  sieh  auf  das  fragende  qui  bezieht; 
hier  wird  que  gesetzt  zur  Vermeidung  des  schlechten  Klanges  qui 
qui**.  —  Eine  andere  merkwürdige  Erkl&rung  wird  S.  193  ge- 
geben: „Quand  wird  bei  einmaliger,  loreque  bei  wiederholt  ge- 
schehener Handlung  gebraucht.  ** 

Zum  Schluß  der  Besprechung  dieses  Teiles  noch  einige  wohl 
minder  wichtige,  aber  doch  nicht  ganz  zu  übergehende  Einzelheiten. 
8.  178  sind  die  „Ausnahmen*'  unter  a)  und  h)  verstellt.  —  S.  179 
gehört  zu  geniü  eine  Bemerkung  über  die  Aussprache.  —  8.  189 
soll  es  am  Ende  der  „Begel"  unter  4  statt  „sowie*'  heißen  „wie 
—  80"  als  Obersetzung  von  Tel  (mattre),  tel  (valet).  Auf  der- 
selben Seite  unter  5  wird  voua  Sing,  mit  „Euch"  übersetzt.  — 
Der  der  Syntax  folgende  kurze  Abschnitt  über  das  französische 
Geldwesen  (Monnaiee  ayant  coure  en  France)  würde  wohl  eher  als 
Anhang  zum  ersten  Teil  gehören. 

Den  letzten  Hanptteil  des  Buches    bildet   das  deutsch  •  fran- 
zösische „Yocabulaire",  welches  die  französischen  Wörter  wenig- 
stens   einheitlich   nach   dem   in  Passys    Buchern  üblichen  System/ 
wenn  auch  nicht  in  seinem  Sinne  umschreibt.  Denn  es  finden  sieb 
hier  dieselben  Inkonsequenzen  und  Unrichtigkeiten  wie  oben.  Eine 
Durchsicht  der  fünf  ersten  Buchstaben  (S — ^)  ergab  in  der  Haupt- 
sache   folgendes:    Hohes  statt  tiefes   a  findet   sich    in   den    Um- 
schriften   von  dme    S.  195,    8.  Z.  v.  o. ,    cadre  196,  2.  Spalte, 
anter  „Automobil"  und  198,  2,  „Bild"  (und  «niedrer) ;  bdiir  197, 
2,   „Bau";   pdquereUe  198,  2,  .Blume";    ätre  201,  2,    „Feuer'', 
gdchette  202,  1  „Flinte".  —  Vorzuziehen  war  tiefes  statt  hohes  a 
in  aable  197,  2,  „Bau";  hois  198,  1   „Bett",  und  200,  2,  „Erd- 
kunde";   taeae   199,   2,    „Caf^";  flamme   200,   2,   „Fahne"    und 
201»  2,  „Feuer".    Die  Endung  -ation   wird  einmal  (considSraiian 
195,   1  „Acht")    mit  tiefem  a,    sonst  aber  mit  hohem  a  wieder- 
gegeben {respiratian  196,  2  ^Atem";  communication  198,  1,  „Be- 
förderungsmittel";   rSclamaiian  198,  1,  „Beschwerdebuch**   usw.). 


778  Martin-Thiergen,  En  France,  ang.  v.  F,  Wawra. 

Der  e-Laüt  in  les,  deSf  tnes  wird  mit  eioer  Ansnahme  (reffistre  dct 
rSelamatums  198,  1,  ,,Be8Cbwerclebach'',  Tielleicbt  nnabBiehtiieh) 
immer  als  offen  gegeben.  Die  Endnng  -et  wird  (entgegen  der 
Angabe  aaf  8.  151)  als  offenes  e  transkribiert,  mit  zwei  Ana- 
nahmen:  beignei  199,  2,  „Ei**  nnd  raugei  201,  2,  „Fisch''. 

Anch  das  dnmpfe  nnd  stamme  e  werden  inkonsequent  be- 
handelt. Die  S.  149  gegebene  Weisung,  nach  Eons,  l  oder  r 
(sollte  yollstftndig  beifien:  nach  mehrfacher  Konsonanz  Tor  folgen- 
dem Konsonanten)  das  e  immer  lanten  zn  lassen^  wird  hier  nnr 
znm  Teil  beachtet;  so  in  quelqtie  ehose,  198,  1,  „bestehen  darauf**; 
courte-poifUe  und  couvre-lit,  198,  1,  „Bett*';  atUre/ais,  202,  2, 
„früh*';  garde-cötes  und  contre-iarpilleur,  202,  1,  „Flotte";  parte- 
drapeau,  196,  1,  „Armee";  garde-feu,  201,  2,  „Fener";  prtndrt 
eongi,  gleichfalls  so  bebandelt  200,  1,  „empfehlen";  dagegen  nicht 
195,  1,  „Abschied"  nnd  anch  nicht  in  maUre  d^hotel,  198,  1, 
„Bediente";  registre  des  rSclafnatians^  198,-1,  „ Bosch werdebnch^; 
itre  8ur  le  point,  198,  1,  „im  Begriffe  stehen";  tourne-sdy  198, 
2,  „Blame"  osw.  Anderseits  wird  das  e  der  Präposition  de  immer 
als  lautend  angegeben,  obwohl  es  wegzufallen  hätte  in  vaki  dt 
pied  und  valet  de  chatnbre,  198,  1,  „Bediente";  bais  de  lit,  198, 
1,  „Bett";  chemin  de  fer,  200,  1,  „Eisenbahn";  paiaon  de  mer, 
201,  2,  „Fisch";  houquet  de  hois,  200,  2,  „Erdkunde";  tnaiSriaux 
de  constrtkition,  197,  2,  „Bau";  moyen  de  communication,  198,  1, 
„Beförderungsmittel"  usw.).  Auszufallen  bat  auch  das  e  in  tein- 
iureriej  201,  1/2,  und  in  s'y  retrouver,  201,  2,  „sich  zurecht 
finden"  und  das  zweite  e  in  retenir^  198,  1,  „belegen".  I  wird 
unrichtigerweise  als  lang  angegeben  in  eandtoich^  198,  1,  „be- 
legtes Brötchen";  registre,  198,  1,  „Beschwerdebuch";  ietkme, 
200,  2,  «Enge";  marmiU,  200,  1,  „Equipierung" ;  saucieee,  202, 
1,  „Fleisch"  usw.  Inkonsequent  wird  auch  das  «  vor  gesprochenem 
End-5  behandelt:  lang  in  iris,  198,  2,  „Blume";  sonst  als  kurz: 
liSf  myosotis  (ebenda);  yae^i^^  200,  1,  „Einmaleins";^,  201,  1« 
„Familie".  Unrichtig  ist  auch  autrefois  mit  offenem  statt  ge- 
schlossenem 0,  202,  2,  „frfib".  Nicht  zu  lehren  war  die  Aus- 
sprache aiguilleUes  mit  nicht  gesprochenem  u,  196,  1,  „Armee**. 
Unrichtig  wiedergegeben  ist  obahques  mit  beibehaltenem  6.  Unrichtig 
transkribiert  sind  en  arrüre  199,  2,  „Dampfmaschine"  und  «n 
plein  air,  202,  2,  „im  Freien"  ohne  den  hinüberzuziehenden  Nasal 

Was  die  Quantitftts -Verhältnisse  betrifft,  so  wird  Vok.  +  « 
fast  immer  als  lang  gegeben:  armSe,  196,  1,  „Armee".  So  auch 
ie  mit  einer  (wahrscheinlich  nicht  beabsichtigten)  Ausnahme: 
bougie,  196,  2,  „Automobil"  usw.  Anch  Dipthong  -\- e:  voie, 
200,  1,  „Eisenbahn"  usw.  Aber  auch  bloßer  EndTokal:  ctoff; 
197,  2,  „Bau";  paix,  202,  2,  „Friede'*;  in  unbetonter  Silbe: 
moyen,  198,  1,  „Beförderungsmittel";  sogar  vor  konsonantisehem 
Auslaut:  prune,  202,  1,  „Frucht";  nike,  201,  1,  „Familie";  ä 
la  eoque,    199,  2,   „Ei"    und   selbst  vor  mehrfacher  Konsonani: 


A.  Mohrhutter,  Guide  Grammatica),  ang.  ▼.  J.  Eüiuger.        779 

courbe,  200,  1,  „EisenbabD*'  usw.  Unrichtig  ist  die  Lftnge  Öfter 
aoch  bei  aaslantendem  nasalen  a  eingetragen,  so  in  adolescent, 
195,  1,  „Alter**;  Stang,  200,  2,  „Erdknnde*".  Während  so  im 
Silbenanslaiit  nnrichtigerweise  Lftnge  statt  Kürze  gegeben  wird,  ist 
inlautend  notwendige  Länge  nicht  verzeichnet  in  bord,  200,  2, 
„Erdkunde";  dur,  199,  2,  „Ei-;  (mele/201,  1,  „Familie". 

Das  Buch  wird  abgeschlossen  mit  den  Plänen  der  Städte 
Lyon,  Beims  und  Paris,  denen  ein  Druckfehler -Verzeichnis  „Er- 
ratum"  (sie)  yorbergeht;  welches  jedoch  bloß  die  Gespräche  be- 
rdcksichtigt  und  selbst  fdr  diese  nicht  ToUständig  ist. 

Sollen  wir  noch  ein  Schlußurteil  über  das  ganze  Buch  ab- 
geben, so  müssen  wir  sagen,  daß,  so  sehr  uns  der  erste  Teil  an- 
mutet, wir  doch  den  zweiten  als  ganz  yerfehlt  bezeichnen  müssen. 
Die  Syntax,  an  fielen  Stellen  ergänzungs-  und  yerbesserungsbe- 
dürftig,  steht  ohne  Zusammenhang  da  mit  dem  ersten  Teile;  die 
Formenlehre  ist  unvollständig  und  mangelhaft  und  die  Lautlehre 
entspricht  nicht  den  bescheidensten  Anforderungen ,  die  man  heut- 
zutage an  ein  solches  Kapitel  stellt. 

Die  äußere  Ausstattung  dagegen,  sowie  Druck  und  Papier 
sind  recht  gefällig. 

Wr.-Neustadt.  Dr.  F.  Wawra. 


Guide  Grammatical.  Lexikon  für  franzOBische  Grammatik  von  Dr.  A. 
Mohrhutter,  Professor  an  der  OberreaUchule  sn  Kiel.  Leipzig  1907, 
Beogersche  Buchhandlung  Gebhardt  &  Wilisch.   IV  und  106  SS. 

Das  vorliegende  Lexikon  soll  dem  Bedürfnisse,  sich  schnell 
und  leicht  in  grammatischen  Dingen  zu  belehren,  entgegenkommen 
und  ist  nicht  nur  für  Schüler,  denen  irgend  eine  sprachliche  Er- 
scheinung entfallen  ist,  sondern  für  alle  diejenigen  bestimmt,  die 
das  Französische  überhaupt  nicht  schulmäßig  betreiben,  sondern 
die,  nachdem  sie  auf  irgend  eine  Weise  einige  praktische  Fertig- 
keit in  der  fremden  Sprache  erlangt  haben,  hin  und  wieder  sich 
über  grammatische  Fragen  Belehrung  verschaffen  wollen.  Das 
Lexikon  ist  so  angelegt,  daß  darin  der  gesamte  grammatische  Stoff 
(Formenlehre  und  Syntax)  verarbeitet  und  in  alphabetischer  Reihen- 
folge geordnet  ist.  Trotz  des  fQr  ein  Lexikon  ungewöhnlich  kleinen 
Umfangs  finden  wir  darin  folgende  längere  Artikel:  „Adjektiv"* 
(S.  2—5),  „Adjektiv  und  Substantiv«  (S.  5—6),  „Adverb'  (S.  6 
—8),  „Akkusativ,  doppelter-  (S.  9—10),  „Artikel"  (S.  13—15), 
»Besitzanzeigende  Fürwörter"  (S.  21—23),  „Bezügliche  Fürwörter** 
(S.  23—25),  ,/ö//oir-  (S.  41—42),  „Fragende  Fürwörter-  (S.  43 
—46),  „Fragekonstruklion"  (S.  44—46),  „Geschlecht  der  Sub- 
stantive" (S.  40-50),  „Infinitiv*  (S.  56-59),  „Kasus  der  Verben** 
(soll  heißen  „Sektion  der  Yerben»!  S.  62— 63),  „Konjunktiv- 
(S.  64—66),  „Participe  passö«  (S.  74—76),  „Partizipialkonstruk- 


780        A.  Mohrhutter,  Guide  Grammatical,  ang.  t.  «T.  Ellinger. 

tion«  (S.  76—80),  ^Persönliche  Fürwörter«  (8.  81—85),  ^Plural 
der  Substantive**  (8.  86—87),  .Rückbezügliche  Verben-  (8.  94— 
95),  „Teilungsartikel **  (8.  99—100).  Von  einer  Vollständigkeit 
kann  hier  natürlich  nicht  die  Bede  sein;  onvollständig  sind  z.  B. 
die  Listen  der  Adjektiva,  die  et  in  ^  ändern  (S.  2),  der  Verba 
mit  doppeltem  Akkusativ  (8.  10),  der  Verba,  die  einen  Infinitiv 
mit  ä  verlangen  (8.  58).  Auch  die  Fassung  der  Begeln  ist  oft 
unzulänglich,  z.  B.  S.  49  „Weiblich  sind  die  Snbstantiva  auf 
-eur''  (lies:  „die  abstrakten  Substantiva'');  8.65  „Der  Eoigunktiv 
steht:  4.  nach  einigen  (!)  unpersönlichen  Ausdrücken".  —  Da  das 
Buch  zum  Nachschlagen  eingerichtet  ist,  so  sollte  bei  jedem  Ver* 
bum  die  Präposition  angegeben  werden,  die  es  regiert;  eine  solche 
Angabe  fehlt  bei  avoir  (8.  18),  consentir  (8.  29),  dSsespSrer, 
disconvenir  (8.  34),  douier  (8.  35),  ichouer  (8.  36,  81),  essayer 
(8.  30),  s'itonner  (8.  39).  kre  (8.  39),  joindre  (8.  62),  nUdirt 
(8.  68),  passer  (S.  80),  prendre  (8.  88),  se  rijouir  (8.  92).  Einige 
Wörter,  die  ich  versuchsweise  nachschlagen  wollte,  fehlen  ganz: 
„considSrer" ,  „erwählen",  ^orcer""^  „je... desto"  (die  Übersetzung 
dieser  Konjunktionen  steht  unter  dem  8tichworte  „mehr",  wo  sie 
gewiß  niemand  suchen  wird!),   „mißlingen**,   ^obliger**,  ^regarder". 

—  Ein  grobes  Versehen  ist  es,  daß  der  Ausdruck  „rückbezügliche 
Fürwörter*'  als  gleichbedeutend  mit  dem  Ausdruck  „bezügliche 
Fürwörter"  angenommen  wird,  so  daß  die  zu  diesen  beiden  Stich- 
worten gehörigen  Artikel  inhaltlich  übereinstimmen  und  der  Ler- 
nende über  die  Beflexivpronomina  nichts  erfährt. 

Einige  kleine  Unebenheiten  und  Ungenauigkeiten  mögen  noch 
im  folgenden  herausgehoben  werden:  8.  1.  Unter  das  Stichwort  ä 
hat  sich  das  Beispiel  „c»  voyage"  verirrt.  —  8.  2.  J  wird  le,  t 
wird  ie,  s  wird  se,  n  wird  ne" ;  lies:  lle,  Ue,  sse,  nnef  —  S.  9 
„II  n'aime  pas  se  coucher  avant  deux  heure-s* ;  vgl.  dazu  S.  8 
^Taitnais  ä  me  rappeler  ces  beaux  joursl"^  —  8.  11  ,aa" ; 
es  fehlt  die  Übersetzung  durch  de,  z.  B.  „douier  de  zweifeh  an'*. 

—  8.  13  „apprShender  fürchten,  verlangt  den  Konjunktiv";  er- 
gänze mit  ne/  —  8.  34  „ef^  que  steht  meist  mit  dem  passi 
antirieur" ;  ergänze  „statt  des  plus-que-par/aü  in  Beziehimg  auf 
ein  pasaS  defini  im  Hauptsätze"  (dasselbe  gilt  von  quand,  8.89)! 

—  S.  39  „erst  que  ...  ne** ;  lies  ne  ...  que/  Die  hinzugefägten 
zwei  Beispiele  gehören  zu  „nur"  und  nicht  zu  „erst" !  —  S.  50. 
„Statt  aussi  que  kann  beim  Adjektiv  auch  autant  stehen,  aber 
dahinter".  Besser  würde  diese  Begel  so  lauten :  „Statt  auMi...^»^ 
mit  eingeschlossenem  Adjektiv  kann  auch  autant  que  hinter  dem 
Adjektiv  stehen".  —  8.  54  „i  wird  wie  t  gesprochen  vor  Doppel- 
konsonanten und  Konsonant  4-  Vokal".  Statt  „Doppelkonsonanten'* 
soll  es  heißen  „mm  und  nn'' ;  es  handelt  sich  doch  nur  nm  die 
nicht  nasale  Aussprache  des  i  in  Wörtern  wie  immobile,  innovalion! 

—  S.  69  „fw^mc  derselbe";  lies:  le  m^me!  —  8.  71.  Unter  ,«<* 
fehlt   das    „ne  expUiif"'    ganzi  —    8.  88   ^prSdire  vorherBagen, 


S,  Sieper,  Shakespeare  und  seine  Zeit,  ang.  t.  A.  Eiehler.       781 

siehe  dire'' ;  es  fehlt  die  von  dites  abweichende  Form  der  2.  Fers. 
Flor.  Fräsens! 

Wie  im  „Vorworte"  zn  lesen  ist,  hat  der  Verf.  besonders 
die  Grammatiken  yon  Flattner,  Floetz- Kares,  Ohiert  und  Bömer 
benutzt.  Außerdem  wird  an  vielen  Stellen  im  Sinne  des  bekannten 
arritS  des  französischen  XJnterrichtsmlnisters  vom  26.  Februar  1901 
die  Duldung  verschiedener,  von  der  strengen  Grammatik  abweichen- 
den Konstruktionen  ausgesprochen. 

Der  Druck  ist  im  ganzen  korrekt ;  an  Druckfehlern  habe  ich 
bemerkt:  S.  66  Piloponhe,  a  couronne  (st.  ia  couranne). 

Trotz  der  dem  Buche  noch  anhaftenden  Gebrechen  wird  es 
gute  Dienste  leisten. 

Wien.  Dr.  Job.  Ellinger. 


Shakespeare  und  seine  Zeit.  Von  Dr.  Ernst  Sieper,  a.  o.  Prof. 
a.  d.  Universität  Mflnchen.  Mit  3  Tafeln  und  3  Teztbildern.  Leipzig, 
B.  G.  Teubner  1907.  (Ans  „Natur  und  Geisteswelt«  Nr.  185.)  140  SS. 
Preis  geb.  Mk.  1  -25. 

Das  BQchlein  ist  aus  Vorträgen  entstanden,  die  der  Verf.  in 
den  Volkshochschulvereinen  zu  München  und  Augsburg  gehalten  hat, 
und  leider  ist  auch  die  bei  einem  wissenschaftlichen  Werke  doch 
etwas  störende  Form  des  Vortrages  beibehalten  worden.  Sieper 
handelt  sehr  eingehend  über  „Shakespeares  Zeit**;  fQnf  Kapitel 
von  zwölfen  und  ein  Anhang  sind  ihr  gewidmet;  so  wichtig  die 
Voraussetzungen  für  Shakespeares  dichterische  Erscheinung  immer 
sein  werden,  so  hat  man  bei  der  knappen  Form  eines  solchen  Leit- 
fadens hier  doch  das  Gefühl,  daß  das  Beiwerk  überwiegt.  Der  im 
ganzen  ansprechenden  Charakteristik  der  Dramen  im  iX.  Kapitel 
fehlt  infolgedessen  z.  B.  die  genügende  Vertiefung  und  Eiemplifi- 
kation  der  abgegebenen  Urteile  —  offenbar  aus  Haummängel.  Dieses 
Kapitel,  das  „Die  vier  Perioden  des  dichterischen  Schaffens"  über- 
schrieben ist,  schildert  eigentlich  Shakespeare  als  Menschen. 
Das  X.  und  XL  Kapitel  „Shakespeare  als  Dichter"  und  „Eigen- 
art und  ethische  Wirkung  des  Shakespeare-Dramas"  enthält  eine 
Fülle  von  scharfen  und  feinsinnigen  Beobachtungen  ganz  origi- 
neller Art.  Im  XIL  Kapitel  bietet  uns  der  Verf.  „Hilfsmittel  zum 
Studium  Shakespeares",  eine  dem  Laien  gewiß  hochwillkommene, 
im  wesentlichen  einwandfreie  Liste  der  besten  Literatur  über 
Shakespeare  nebst  treffenden  kurzen  Charakteristiken  der  einzelnen 
Werke  ^).    Wer  der  darin  vertretenen  starken  und  von  vielen  ge- 


1)  Mit  dem  Urteile  über  den  großen  Wert  von  Coleridges  ErUate- 
rangen  sn  Shakespeare  wird  man  trotz  Gervinus  nicht  so  schlankweg 
ein?erstanden  sein,  zamal  wir  ja  die  Authentizität  dieser  Notes  and  Lee- 
twres  zum  Teil  bezweifeln  müssen. 


782  EDgliiehe  TexUofgaben,  ang.  t.  J,  EUmger, 

teilten  Wertschätzang  B.  Dowdens  beistimmt,  wird  sich  vielleicht 
sogar  fragen,  ob  seit  der  deutschen  Übersetzung  des  ^Literature 
Primer  von  Dowden  eine  neuerliche  Einführung  in  die  Sbake- 
sparsche  Dichtung  in  Form  eines  Abrisses  Oberhaupt  ein  Bedfirfnis 
war.  Der  Anhang  über  die  Bacon- Hypothese  —  so,  und  nicht 
„Frage*"  sollte  man  sie  doch  lieber  nennen!  —  bietet  zwar 
nichts  Neues,  mag  aber  einen  oder  den  andern  nicht  fachmän- 
nischen Leser  interessieren.  —  Die  Beproduktionen  der  gut  aas- 
gewählten Bilder,  namentlich  zur  Frage  der  Shakespeare -Bfihne, 
sind  für  den  sonst  so  soliden  Verlag  nicht  erstklassig.  —  „Shake- 
speares Einfühlungsfähigkeit  in  die  Lage  und  das  Wesen  seiner 
dramatischen  Personen''  (S.  97)  ist  ein  kühnes  Wort! 

Wien.  Albert  Eichler. 


Englische  Textausgaben. 

Ohambers's  Historv  of  England  55  B.  C.  to  the  Present  Time.  Pttr 
den  Schul-  und  Prifatgebrancb  hergerichtet  Toa  Prof.  Dr.  J.  Klap- 
perich. Mit  14  AbbildoDgeD,  5  Nebenkarten  und  1  Haoptktrte. 
Oiogau,  Carl  FlemmiDg,  Verlag,  Bach-  und  Konstdraekerei,  L  G. 
VII  and  128  SS.  (Englische  and  Französische  Schriftsteller  der 
neueren  Zeit  Für  Schale  und  Hans  herausgegeben  von  J.  Klapperieh. 
XLV.  Bftndchen.   Aasg.  A). 

A  GoUection  of  Stories  and  Sketches  by  Modern  Autbors. 
Selected  and  annotated  for  the  use  of  the  higher  forme  in  Secondarj 
Schools  and  Oraromar  Schools  bj  H.  Weersma,  Leeraar  Bijks-floogere 
Burgerschool,  met  Tijf-jarigen  Carsas,  Oroningen.  P.  Noordhofl^  Gro- 
ningen 1907.   228  SS.   Preis  1  Fr.  50  Cent. 

Die  bekannte  „Hisiory  of  England*'  von  Chambers,  die 
selbstverständlich  den  jetzigen  Verhältnissen  gemäß  umgearbeitet, 
bezw.  erweitert  worden  ist,  eignet  sich  vorzüglich  als  LektQre  für 
die  mittlere  Stufe  unserer  höheren  Schulen,  da  sich  darin  ein  ab- 
wechslungsreicher Inhalt  mit  mustergültiger,  einfacher  Sprache  und 
frischer,  anregender  Darstellungsweise  verbindet.  Zu  billigen  ist, 
daß  darin  die  neuere  und  neueste  Zeit  eingehender  behandelt  wird 
als  die  ältere  und  mittlere  Periode,  femer  daß  nur  die  großen 
Ereignisse  und  hervorragenden  Persönlichkeiten  im  Mittelpunkte 
der  Erzählung  stehen.  Der  Anschauung  dienen  die  schönen  Bilder, 
welche  einige  geschichtlich  bedeutende  Stellen  darstellen,  und  die 
Kartenskizzen,  die  uns  die  Schauplätze  wichtiger  Begebenheiten 
vorführen. 

Die  „Anmerkungen«  (S.  118—128),  die  sich  bei  der  Leich- 
tigkeit des  Textes  meist  auf  sachliche  Erklärungen  beschränken, 
sind  vollkommen  zweckentsprechend.  Zu  mager  ist  die  Anmerkung 
zu  96,  8:  „Nelson,  Horatio  (1758— 1805),  Englands  größter  See- 
held".    Spensers  „Fatry  Queen""  wird  S.  123  ein  „episches"  Ge- 


Eoglisebe  Teitaasgaben,  aog.  ▼.  /.  Eüinger.  783 

dicht  genannt;  genauer  sollte  es  heüton:  „ein  allegorisch-episches 
Gedicht**  oder  «ein  allegorisches  Epos". 

Ausstattung  und  Druck  sind  tadellos :  S.  9,  Z.  9  ist  «7arrow 
Yerdruckt  f&r  Farrow. 

Die  von  H.  Weersmafür  holländische  Mittelschulen  besorgte 
^CcUeetton  qf  Storiea  and  Sketches'^  enthält  16  Erzählungen  und 
Skizzen,  die  modernen  englischen  und  amerikanischen  Autoren  ent- 
lehnt sind  und,  wie  in  dem  holländischen  Vorwort  zu  lesen  ist, 
in  keinem  anderen  Lesebuche  vorkommen  {^en  kamen  in  geen  ander 
leeeboek  voor*").  Der  Verf.  glaubt  zwar,  daß  ^men  al  de  etukken 
even  inUreeeani  zal  tnnden'',  doch  ist  es  nur  zu  natürlich,  daß 
unter  so  vielen  Stücken  der  verschiedensten  Autoren  sich  auch 
ein  paar  schwächere  finden. 

Von  Budyard  Kipling,  dem  Meister  der  kurzen  Erzählung, 
stammt  Namgay  DooHa:  Ein  König  im  Himalaja-Gebirge  weiß  mit 
N.  D.,  einem  widerhaarigen  Untertanen,  der  aus  Tibet  eingewandert 
ist,  nichts  anzufangen;  auf  den  Bat  eines  Engländers  macht  er 
ihn  zum  Kommandanten  seines  aus  fünf  Mann  bestehenden  Heeres. 
—  F.  Anstey  liefert  drei  Beiträge,  und  zwar  Mrs.  BrassingUm- 
ClaypMs  Children'a  Party  (ein  ünterhaltungsabend  der  blasierten 
Kinder  einiger  reichen  City-Großhändler,  bei  dem  auch  ein  „Zau- 
berer** (conjurer)  seine  Taschenspielerkünste  zum  besten  gibt) ;  Ä 
Bohetnian  Bog  (eine  Beisetasche,  die  der  Besitzer  nie  am  Bestim- 
mungsorte findet);  Why  I  have  given  up  writing  Novels  (die  Per- 
sonen seines  Bomans  Poisoned  Forridge  stellen  sich  leibhaftig  bei 
dem  Dichter  ein  und  leben  auf  seine  Kosten).  —  Von  Ma arten 
Haarten s  rühren  zwei  Erzählungen  her.  Die  eine  heißt  The 
Death  Way:  Ein  alter,  todkranker  Bauer  hört,  daß  der  „Toten weg**, 
über  den  seit  unvordenklichen  Zeiten  alle  Leichen  zum  Friedhof 
geführt  wurden,  von  dem  jungen  Gutsherrn  in  seinen  Gai*ten  ein- 
bezogen worden  sei,  so  daß  jetzt  die  Leichenzüge  über  die  Land- 
straße gehen  müßten;  über  diese  Änderung  empört,  läßt  der  Ster- 
bende seine  Söhne  schwören,  daß  sie  seine  Leiche  über  den  alten 
„Totenweg''  führen  werden,  und  die  Söhne  halten  trotz  des  Ein- 
spruchs des  Barons  ihren  Schwur.  Die  andere  Erzählung  ist 
„Israels'^  überschrieben,  weil  ein  junger,  für  die  Kunst  begeisterter 
Journalist,  der  plötzlich  Erbe  eines  steinreichen  Papierfabrikanten 
wird,  im  Sterbenshause  nichts  Besseres  zu  tun  weiß  als  sich  in 
einen  Salon  einzuschließen,  wo  Gemälde  des  berühmten  holländischen 
Malers  Israels  aufgehängt  sind.  —  Die  Amerikanerin  Mary  £. 
Wilkins  ist  ebenfalls  durch  zwei  Erzählungen  vertreten.  Die 
Heldin  der  Novellette  A  Modem  Dragon  ist  die  Mutter  eines 
Mädchens,  das  sich  in  einen  jungen  Mann  verliebt,  dessen  Mutter 
der  Heirat  abgeneigt  ist;  jene  tut  alles,  um  diese  umzustimmen, 
aber  vergebens.  Endlich,  als  sie  auf  ihrem  Totenbette  liegt,  läßt 
sie  den  jungen  Mann  rufen  und  sagt  ihm,  wenn  er  ihre  Tochter 
nicht  heiraten  wolle,   möge  ihm  Gott  seine  Tändelei  mit  ihr  nie 


784  Eogiischd  TextansgabeD,  aog.  t.  J.  EUinger. 

verzeihen ;  der  junge  Mann  antwortet,  er  werde  sie  sofort  heiraten, 
worauf  die  Alte  mit  den  Worten  „Then  les  aü  rigW  stirbt  TAe 
Bar  Lighthouse  zeigt  die  Bekehrung  der  alten,  gel&hmten  Fraa 
eines  Leachtturmwächters,  die  infolge  ihrer  traurigen  Erlebnisse 
an  dem  Dasein  Gbttes  zweifelt;  während  der  Abwesenheit  ihres 
Mannes  besteigt  sie  unter  schrecklichen  Schmerzen  den  Leachttoim, 
um  die  Lampe  anzuzünden,  findet  sie  aber  schon  angezündet;  sie 
sieht  darin  das  Werk  der  Vorsehung  und  glaubt  wieder  an  Gott 
—  W.  W.  Jacobs  stellt  sich  mit  zwei  Seegeschichten  ein;  sie 
heiBen  Ä  Black  Affair  (der  Eapit&n  eines  Schiffes  beschließt,  eine 
schwarze  Katze,  die  einen  Papagei  zerkratzt  hat,  Aber  Bord  zo 
werfen;  die  Mannschaft  bringt  ihm  eine  andere,  ähnliche  Katze, 
die  der  Kapitän  ins  Meer  wirft;  als  er  später  die  echte  Katze 
auf  dem  Verdeck  erblickt,  glaubt  er  entsetzt,  es  sei  der  Geist  der 
ertränkten  Katze,  bis  er  den  Betrug  erfährt),  und  Mrs.  Bunkerns 
Chaperon  (Mrs.  Bunker  macht  auf  der  Barke  ihres  Verehrers  eine 
Vergnügungsfahrt;  ihr  treuer  Begleiter,  ein  Hund,  beißt  den 
Schiffer  in  die  Wade  und  wird  Ober  Bord  geworfen;  darüber  e^ 
zürnt,  läßt  sich  die  Frau  ans  Land  setzen  und  will  tob  dem 
Schiffer  nichts  mehr  hOren).  —  Becht  hübsch  ist  die  Enählon; 
„The  Philosopher  in  ihe  Apple  Orchard''  von  Anthony  Hope: 
Miss  May  liebt  einen  etwas  älteren  Freund,  einen  gelehrten  Natur- 
forscher, der  sich  nur  um  seine  Bücher  kümmert.  Als  sie  einen 
Heiratsantrag  von  einem  anderen  Manne  bekommt,  der  ihr  siemlidi 
gleichgültig  ist,  geht  sie  zu  dem  Gelehrten,  der  in  seinem  Obst^ 
garten  arbeitet,  und  fragt  ihn,  was  er  einem  Mädchen,  das  sich 
in  der  eben  geschilderten  Lage  be&nde,  raten  würde  zu  tun.  Ohne 
zu  ahnen,  daß  es  sich  um  ihn  selbst  handle,  erörtert  der  Gelehrte 
den  interessanten  Fall  in  vollkommen  objektiver  Weise  und  kommt  zo 
dem  Schlüsse,  daß  es  für  das  Mädchen  am  besten  wäre,  den  Maim, 
der  um  sie  werbe,  anzunehmen.  Miss  May  befolgt  seinen  Bat  — 
Dramatisch  wirkt  die  Erzählung  „A  Strategie  Movement''  ron 
Glo  Graves:  Die  TGchter  eines  Witwers,  der  zum  zweitenmal 
heiratet,  wollen  ihren  Vater  nach  Art  der  Töchter  Lears  aus  dem 
Hause  schaffen;  er  aber,  schlauer  als  Lear,  setzt  im  Gegenteil 
seine  bösen  Töchter  an  die  Luft.  —  Die  letzte  Skizze  von  einigem 
Interesse  ist  „Medlock's  ReptOation"  von  W.  Fett  Bidge:  Med- 
lock,  der  als  Knabe  zufällig  einen  ertrinkenden  Mann  rettet,  indem 
er  ihm  einen  Baumast  hinhält,  wird,  obwohl  er  eigentlich  nicht 
mutig  ist,  Zeit  seines  Lebens  als  tapferer  Held  gefeiert. 

Schwach  sind  die  Stücke  „A  Didumary  in  Distress*^  von 
Israel  Z an g will  (überschwenglich  geschriebene  Bettelbriefe  ans 
dem  Londoner  Ghetto);  „TA«  Rival  Ghosts*'  von  Brander  Matthews 
(eine  verworrene  Geistergeschichte);  ^TheMystertfof  Whigkam  Hall" 
von  May  Bateman  (eine  schwer  verständliche  Detektivgeschichte) 

Die  von  spärlichen  englischen  Fußnoten  begleiteten  Texte 
eignen  sich  mehr  zur  Privat-  als  zur  Klassenlektüre. 

Wien.  Dr.  Joh.  Ellinger. 


E.  Lavisse,  Hittoire  de  France  usw.,  ang,  t.  J.  Lo9erth,         785 

Ernest  Lavisse,  Histoire  de  France  depnis  les  Origines 
jusqtf  ä  la  Revolution.  Tome  teptifeme  II.  Louii  XIV.  La  Reli- 
frioQ.  Les  Lettres  et  lee  Arts.  La  Gaerre  (1643—1685).  Paris,  Librairie 
Hachette  et  Gie.  1907. 

Dieses  ausgezeichnete  Werk  geht  nun  seiner  Vollendung  ent- 
gegen. Der  vorliegende,  von  dem  Heraasgeber  selbst  verfaßte  Band 
ist  der  zweite  von  jenen,    die  der  Geschichte  Ludwigs  XIV.  ge- 
widmet sind.    Er  enthalt  in  seiner  ersten  Hftlfte  eine  abgerundete 
Darstellung  des  geistigen  Lebens  in  Frankreich  in  jenem  Zeitalter 
und  in  der  zweiten  die  der  auswärtigen  Politik  Frankreichs  in  den 
Jahren  1661—1685:  demnach  das  Verhalten  der  Begierung  zu  den 
kirchlichen  Fragen,  d.  h.  zum  Jansenismus,  Gallikanismus  und  Pro- 
testantismus (Buch  6),  zu  den  Wissenschaften  und  Künsten  (Buch  7), 
dann  die  eurepftlsche  Politik  1661  —  1685  (Buch  8)  und  das  Ende 
der  Periode  (Buch  9).  Dieser  sorgsam  abgegrenzten  Gliederung  des 
Stoffes  entspricht  die  ebenso  sichere  Gliederung  in  Untergruppen. 
Wir  erhalten  sonach  jene  Partien  der  französischen  Geschichte,  die 
uns  Bänke  im  dritten  Bande  seines  Werkes   geschildert   hat  und 
von  der  einzelne  Abschnitte    auch  sonst   in  treffliehen  deutschen 
Werken,    so  namentlich  in  ErdmannsdOrfers  Deutscher  Geschichte 
vom  Westfälischen  Frieden   bis  zum  Begierungsantritt  Friedrichs 
des  Großen  behandelt  worden  sind.  Es  bedarf  keiner  Versicherung, 
daß   der  Verf.    nicht    bloß    die  einheimische,    sondern    auch    die 
deutsehe  Literatur  Aber  den  Gegenstand    sorgsam   berflcksichtigi 
Auch   in    diesem  Bande  empfindet  es   der  Leser  angenehm,    daß 
einem  jeden  Kapitel  reiche  Literaturangaben  vorausgeschickt  werden. 
Das  erste  Kapitel  enth&lt  in  zwei  Abschnitten  das,  was  Bänke  als 
die  Janaenistischen  Irrungen  bezeichnet  hat  und  den  Kirchenfrieden. 
Der  Unterschied  zwischen  dem  Gallikanismus,  dem  Jansenismus  und 
Protestantismus  wird  mit  wenig  Worten  an  die  Spitze  gestellt  und 
die  Entwicklung  aller  drei  Bichtungen  geschildert.    Besonders  an- 
eprechend   ist  die  Darstellung   des  goldenen  Zeitalters  der  franzö- 
sischen Literatur  und  Kunst  unter  Ludwig  XIV.,   die  namentlich 
die  Stellung  des  Staates,  bezw.  der  Begierung  zu  beiden  schön  be- 
leuchtet und  viele  neue  Gesichtspunkte  enthalt    Besonders  ist  die 
treffliebe  Schilderung  der  Leistungen  der  Jesuiten  und  Benediktiner 
auf  biatoriech-kritischem  Gebiete  herauszuheben. 

Was  die  zweite  Hälfte  des  Bandes  betrifft,  wird  es  deutsche 
Leser,  die  die  gewalttatige  Politik  Ludwigs  XIV.  aus  deutschen 
Bäebom  kennen,  interessieren,  eine  ruhige  und  sachlich  gehaltene 
Darstellung  von  französischer  Seite  zu  erhalten.  Die  ftußere  Politik 
wird  auf  Grundlage  der  zahlreichen  neueren  Qaellenpublikationen 
eines  Sorel,  Geffroj,  de  Caiz  de  Saint  Ajmour,  Farges,  Hanotaux, 
Leboo,  Bamband,  Waddington  u.  a.,  dann  der  zahlreichen  älteren 
Memoiranwerke  und  Briefsammlungen  und  neueren  Gesamtdaratel- 
lungan  geschildert.  Wir  dürfen  da  auf  die  zutreffende  Darstellung 
dea  habsbnrgischen  Spanien  und  seiner  Verwaltungsmazimen ,    der 

Zoitachrift  f.  d.  tetorr.  Qjmn.  1M8  VUL  a.  IX.  Heft.  50 


786         E.  Beyeh,  Wilhelm  Ton  Oraniea  mw.,  ang.  ▼.  J.  Franh 

Aeterreichischen  Lftnder,  auf  die  trefflicbeo  CbarakteriBtikeD  der 
Mooarcheo,  wie  Philipps  IV.  und  Leopolds  L,  auf  die  ScbilderuQg 
der  politischen  Lage  der  fraozosenfreoDdlichen  Lftoder  nsv.  bin- 
weiseo.  Beachtenswert  ist  namentlich  die  aasfübrlichere  Darstellniig 
der  militftrischen  Machtentfaltung.  Anf  diesen  Omndlagen  sebildert 
der  Verf.  die  auswärtige  Politik  und  die  kriegerischen  UDUrneb- 
mnngen  bis  znm  Frieden  von  Aachen  (1668)  in  allen  ihren  Einteln- 
heiten,  den  holländischen  Krieg  und  die  Bennionen  (Strasbourg  fut 
rSunU  8an8  formaliU  de  justice).  Das  letzte  Bnch  gibt  einen  gut 
geschriebenen  Überblick  aber  die  politische  Geschichte  der  Jahre 
1661 — 1685 1  wobei  namentlich  der  Tolkswirtscbaftliche  Nieder- 
gang des  Landes,  wie  er  sich  in  dem  wachsenden  Defizit  kund- 
gibt, hervorgehoben  wird.  Manche  nenen  Gesichtspunkte  wird  man 
in  dem  Kapitel  fiber  das  Privatleben  des  Königs  nnd  den  Hof  im 
Jabre  1685  finden.  Alles  in  allem  darf  man  die  beiden  Bände, 
welche  die  Geschichte  Lndwigs  XIV.  enthalten,  zn  den  gelnngensien 
des  ganzen  Werkes  zählen. 

Graz.  J.  Losertb. 


Prof.  Dr.  Eduard  Hey ek,  Wilhelm  von  Oranien  nnd  die  Ent- 
stehung der  freien  Niederlande.  Mit  einem  Faksimile  und  106 
Abbildongen.  (Band  XXVIII  der  „Monojerapbien  znr  Weltgeschiefate*). 
Bielefeld  and  Leipzig,  Verlag  von  Velfaagen  k  Klasing  1908.  Preis 
4  Mark. 

Bei  der  Darstellung  einer  so  gewaltigen  Volksbewegung  wie 
des  Befreiungskampfes  der'  Niederländer  und  der  so  ausgespro- 
chenen Fflhrung  durch  einen  geradezu  providentiellen  Mann  wie 
Wilhelm  von  Oranien  wird  der  Geschichtsschreiber  immer  zn  der 
Frage  Stellung  nehmen  müssen,  wie  sich  der  gegenseitige  Anteil 
beider  zueinander  verhält.  Es  ergibt  sich  auch  in  diesem  Falle, 
daß  selbst  die  grOßten  historischen  Persönlichkeiten  nur  immer 
im  Zusammenhange  mit  der  Zeit  und  dem  Volkstume,  in  denei 
sie  wurzeln  und  auf  deren  Boden  sie  erwuchsen ,  verständlidi 
sind;  daß  man  auch  bei  solchen  die  Bedingtheit  und  Bestimmt- 
heit ihrer  Handlungen  von  der  sie  umgebenden  Gesellschaft  n- 
geben  muß ;  daß  der  Charakter  selbst  des  hervorragendsten  Mannes 
in  der  Geschichte  nur  eine  veredelte  und  verdichtete  Wiederbolosg 
des  Zeitcfaarakters,  seine  Ziele  (wenn  auch  klarer  und  bewußter) 
die  Bestrebungen  und  Ziele  zahlloser  Gleichstrebender  seien ;  di& 
auch  ein  solcher  durch  die  Kraft  seiner  Persönlichkeit  nur  die  iir 
Schöße  der  Zeit  keimenden  Ideen  zur  Beife  bringen  kann.  Trotz- 
dem aber  stoßen  wir  dabei  immer  anf  einen  unaufgebbaren,  n- 
erklärlichen,  irrationellen  Best  und  das  Entstehen  eines  selebee 
Mannes  allein  aus  seiner  Zeit  bleibt  uubegreifbar  und  geradeie 
ein  Wunder.     Daß  auch  unser  Autor  diese  Auffassung  teilt,   geä< 


JS,  Heyekt  Wilhflm  von  Oranien  usw.,  ang.  ▼.  J.  Ftank,         787 

aas  dem  Schlußsätze  seioee  Bacbee  hervor:  „Wenii  es  die  wahrhaft 
großen  Vollbringer  kenozeicbnet,  zakanftsbest&odigere  Saat  aaezn- 
sfteii  und  reichere  Ernten  künftigen  Geschlechtern  zn  bescheren, 
als  sie  selber  schon  ganz  dberseben  und  geahnt,  so  reibt  sich  anch 
iD  dieser  Beziehnng  der  Name  Wilhelms  den  macbtTOlIsten  Persön- 
lichkeiten binzn,  durch  deren  individnelle  Schöpferkraft  Geschichte 
wird  nnd  die  wir  in  der  Demnt,  die  nns  vor  aller  Größe  des 
Geschehens  befftllt,  als  die  Werkzenge  der  höchsten  schicksals- 
tragenden Ftignngen  Terehren^.  Anch  sonst  begegnet  man  in  dem 
Bache  fiberall  sittlichem  nnd  politischem  Urteil  nnd  lebendiger 
Erfassung  der  Gegenwart  nnd  Vergangenheit,  nnd  wenn  sich  der 
Verf.  anch  in  dieser  Schrift  nicht  darauf  einl&ßt,  die  besondere  Arbeit 
der  einzelnen  Forscher  kritisch  zn  prüfen,  sondern  sich  begnügt,  sie 
hinzunehmen  nnd  wiederzugeben,  so  verzichtet  er  doch  keineswegs 
darauf,  sie  gedanklich  zn  durchdringen,  zusammenzufassen,  zn 
ordnen  und  zu  deuten. 

Im  einzelnen  haben  wir  in  Bezug  auf  die  sachliche  Bichtig- 
keti  manches  auszusetzen  und  wollen  im  folgenden  in  gedrängtester 
Kurze  einige  diesbezügliche  Notizen  zusammenstellen : 

Der  niederländische  Adel  war  zumeist  von  Humanisten  er- 
zogen und  daher  religiös  ziemlich  indifferent.  Die  besonders  Ge- 
bildeten unter  ihnen  lasen  die  Schriften  des  Erasmus  nnd  Gas- 
sander,  alle  aber  vertieften  sich  mit  Leidenschaft  in  die  Werke 
Eabelais*,  die  man  z.  B.  auch  unter  den  wenigen  Büchern  des 
Grafen  Egmont  vorfand.  —  Der  Kalvinismus  gewann  erst  im 
fünften  Jahrzehnt  des  XYI.  Jahrhunderts  Einfluß  auf  die  nieder- 
ländischen Protestanten.  —  Bei  der  Erwähnung  der  Wiedertäuferei 
vermißt  man  den  Namen  Melchior  Hoffmanns  ans  Schwäbisch 
Hall  nnd  auch  die  Anführung  der  Tatsache,  daß  die  Niederlän- 
dischen „Bandesbrüder*'  den  Fall  Münsters  vergeblich  hintanzn- 
halten  suchten.  Auch  war  hervorzuheben,  daß  selbst  nach  der  „fried« 
lieben  Wiedertäuferei **  Mono  Simonsz*  ihre  Verfolgung  weiter  fort* 
dauerte  und  sie  seit  den  Dreißigerjahren  die  meisten  Opfer  zur  In- 
quisition stellten.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  die  Bederigker- 
kammern  mit  den  deutschen  Meistersingerstuben  einen  „giinz 
parallelen  Ursprung"  haben;  ihr  Ursprung  ist  vielmehr  ein 
kirchlicher  und  die  alten  von  ihnen  standen  wohl  zuerst  unter  prie« 
sterlichem  Einflüsse  und  zählten  damals  wohl  auch  ? omehmlich 
Kleriker  zu  ihren  Mitgliedern;  erst  mit  der  Zeit  trat  hier  ein 
Wandel  ein.  Auch  der  „aktuelle  Hauptzweck  politischer  Aufklärung** 
trifft  nicht  zu  nnd  selbst  als  sie  den  Tummelplatz  für  den  aus 
den  Versammlungshäusern  der  Zünfte  entschwundenen  Tätigkeits* 
drang  bildeten,  trug  dieser  bei  ihnen  keinen  politischen  Charakter, 
sondern  bewegte  sich  in  einer  moralisierenden  und  sozialen  Bieh« 
tong  (vgl.  H.  Pirenne,  Geschichte  Belgiens,  8.  Bd.,  Gotha  1907, 
S.  895,  und  F^Bachfahl,  Wilb.  v.  Oranien,  Halle  1906,  1.  Bd. 
S.  888).   Übrigens  gab  es  solche  Bederigkerkammern  nicht  nur  in 

50* 


788         E,  Heyek,  Wilhelm  tod  OranieD  utw.»  ang.  ▼.  J,  Frank. 

den  Städten,  Bondern  auch  io  den  größeren  Dörfern.  Anch  rich- 
teten sie  weniger  direkte,  bittere  Angriffe  gegen  die  Kirche  und 
ihre  Einrichtungen,  als  sie  Tom  Geiste  der  Beformation  erfüllt 
waren.  —  Egmonts  Yermftlang  mit  der  Pfalzgr&fin  Sabina  fand 
im  Jahre  1544  (und  nicht  15451)  statt.  —  Granvella  war  in 
Omans  (und  nicht  in  Be8an9on)  geboren.  —  Wilhelmades 
Beleben  (1516 — 1559)  Verhalten  znr  protestantischen  Sache  war 
ein  Yorsichtlg  reserviertes  und  die  Beformation  wurde  in 
seinem  Lande  erst  nach  seinem  Tode  anch  äußerlich  vollständig 
eingeführt;  1529  wußte  sogar  sein  Bruder  Heinrich  noch  nichts 
von  seiner  Hinneigung  zum  Luthertum  und  hielt  er  sich  ebenso 
ferne  von  der  Opposition  der  protestantischen  Fürsten  und  Stände 
auf  dem  Beichstage  zu  Augsburg,  als  vom  schmalkaldischen  Bunde. 
—  Juliane  von  Stellberg  war  mit  25  (und  nicht  28)  Jahren 
verwitwete  Gräfin  von  Hanau.  Es  war  anzumerken,  daß  sie  nach 
Dillenburg  vier  Kinder  aus  ihrer  ersten  Ehe  mitnahm,  die  daaalbst 
Erziehung  und  Unterricht  erhielten  und  daß  sich  ebendaselbst  eine 
Tochter  Wilhelms  aus  seiner  ersten  Ehe  befand.  —  Waa  das  ibII- 
giöse  Bekenntnis  des  jüngeren  Wilhelm  (von  Oranien)  betrifft ,  so 
war  sein  Übertritt  (weil  er  dazu  auch  noch  zu  jung  war)  nicht 
in  aller  Form  erfolgt;  aber  er  empfing  die  Sakramente  am  Hofe 
der  Statthalterin  Marie  nach  Lehre  und  Bitus  der  katholiscbeD 
Kirche  und  es  war  mit  dem  bloßen  Messegehen  und  äußerer  Be- 
obachtung der  katholischen  Zeremonien  seinerseits  nicht  abgetan. 
Als  es  für  ihn  galt,  sich  von  der  Zugehörigkeit  zur  katholischen 
Kirche  wieder  loszusagen,  hat  er  sich  freilich  als  ^einen  in  der 
Augsburger  Konfession  geborenen  und  auferzogenen  dentschen 
Fürsten**  bezeichnet.  —  Schon  am  27.  April  1552  (also  nicht  erst 
als  „Einundzwanzigjähriger*')  erhielt  Wilhelm  die  Bestallung 
als  Oberster  über  zehn  Kompagnien  Infanterie  gegen  ein  monat- 
liches Traktament  von  800  Goldthalern.  —  Gerade  1552,  also 
kurz  nach  seiner  Vermählung  mit  der  steinreichen  Anna  v.  Egmont, 
war  Wilhelm  in  großer  Geldnot.  —  Der  noch  im  Jahre  1552 
eine  große  Bolle  spielende  Katzenellenbogener  Handel  hätte 
doch  kurz  berührt  werden  sollen,  wie  anch  der  Aufenthalt  Wilhelms 
in  England  im  Jahre  1554.  —  Daß  sich  Wilhelm  aus  seinen  großen 
Schulden  mit  „Opfern*  herausarbeitete,  kann  man  doch  nicht 
recht  gelten  lassen  (vgl.  Bachfahl  1.  c.  S.  218).  —  Auch  die 
„Eleganz  des  Lebensbehagens**  bei  Wilhelm  erscheint  fraglich, 
wenn  man  weiß,  daß  auch  er  dem  Trünke  so  ergeben  war,  daß 
seine  Völlerei  manchmal  beinahe  seinen  Tod  herbeigeführt  hätte.  — 
Der  Gegensatz  zwischen  Philipp  IL  und  Wilhelm  ent* 
wickelte  sich  erst  später  und  im  ersten  nach  Philipps  Thnm- 
besteigung  abgehaltenen  Kapitel  wurde  Wilhelm  in  den  Orden  des 
goldenen  Vließes  aufgenommen,  wie  der  König  ihm  auch  beim  Tode 
Annas  kondoliert  hatte.  Hatte  doch  damals  sogar  Herzog  Erich 
von  Braunschweig,  der  bei  Philipp  in  Ungnade  gefallen  war,  Wil- 


E,  Heyeh,  Wilhelm  von  Oranien  nsw.i  tmg.  ▼.  J.  Frank,         789 

heim  nm  dessen  Fftrsprache  beim  Könige  gebeten  und  Wilhelm  in 
Philipps  Auftrage  die  Verhandlangen  mit  den  im  spanischen  Dienste 
and  Jahrgelde  stehenden  deutschen  Fürsten  nnd  Offizieren  gefflhrt! 
"  Die  Nacbrichti  daiS  Heinrich  II.  Ton  Frankreich  anf  einer 
Jsgd  im  Walde  von  Vincennes  unbefangen  mit  dem  jungen  Dränier 
ftber  Absichten  sprach,  die  Philipp  II.  durch  andere  Ean&le  ins- 
geheim an  den  französischen  König  hatte  bringen  lassen:  fortan 
zwischen  Madrid  und  Paris  die  Hände  sich  fest  zu  reichen  zur 
Ausrottung  sowohl  der  Hugenottenmacht  in  Frankreich,  wie  der 
Protestanten  in  den  Niederlanden,  ist  sehr  fragwürdiger  Natur. 
Nicht  nur  hat  Oranvella  1562  gegenüber  Oranien  und  Egmont 
entschieden  bestritten ,  daß  Alba  w&hrend  seines  Aufenthaltes  in 
Paris  mit  Heinrich  II.  kurz  vor  dessen  Tode  über  die  Einführung 
der  Inquisition  in  Frankreich  und  den  Niederlanden  verhandelt 
habe,  sondern  man  hat  auch  in  der  Korrespondenz  zwischen 
Philipp  und  Oranyella  keine  Spur  einer  solchen  Unterredung  ge- 
funden, und  wenn  der  Dränier  1559  über  diese  Vorgänge  von 
Heinrich  IL  selbst  informiert  worden  wäre,  hätte  er  gewiß  es 
nicht  unterlassen,  die  Zweifel  und  Widersprüche  Granvellas  in 
siegreicher  Weise  niederzuschlagen.  —  Die  in  den  Niederlanden 
den  Opfern  der  Inquisition  bei  der  Verbrennung  umgehängten 
Pulverbeutel  waren  nicht  einmal  „milde  gemeint**  (vgl. 
Bachfahl  1.  c.  S.  875).  Sie  waren  vielmehr  darauf  berechnet,  auf 
das  Volk  eine  recht  drastische  Wirkung  auszuüben,  und  wenn  man 
das  Pulver  zur  Explosion  brachte,  riefen  die  Mönche:  „Da  holt 
der  Teufel  die  Seele  des  Ketzers!^  Übrigens  ist  die  Inquisition 
unter  Karl  V.  weder  in  allen  Teilen  seines  Staatenkomplexes  an 
der  Nordsee  cfo/ac^o  eingeführt,  noch  dauernd  und  wiederstandslos 
aufgenommen  worden.  —  Bei  der  Errichtung  der  neuen  Bis- 
tümer leitete  Philipp  und  Oranvilla  besonders  die  Absicht,  sich 
in  den  vom  Könige  zu  ernennenden  Bischöfen  gefügige  politische 
Werkzeuge  zu  schaffen,  während  die  Äbte  als  Vertreter  ihrer  Kor- 
porationen meist  den  Königen  Widerstand  leisteten.  —  Die  spa- 
niscben  Truppen  segelten  aus  der  Niederlande  am  10.  Januar 
1561  (und  nicht  im  Oktober  1560)  ab.  Den  Oberbefehl  über 
dieselben  hatten  Oranien  und  Egmont  allerdings  anfänglich  abge- 
lehnt, aber  schließlich  hat  der  erstere,  den  Bitten  Philipps  nach- 
gebend, ihn  doch  übernommen.  —  Oranien  war  mit  den  aus- 
wärtigen Beformierten  schon  recht  frühzeitig  in  innige 
Fühlung  getreten.  So  ließ  er  schon  1560  den  Laod^rafen 
von  Hessen  versichern,  er  sei  der  protestantischen  Belit^ion  vom 
Herzen  geneigt;  1562  und  1568  knüpfte  er  politische  Verbio* 
düngen  mit  den  deutschen  Beichsfürsten  und  dem  Fnmm  von 
Oond^  an;  1565  leitet  er  die  Verständigungsversuche  zwischen  deo 
deutschen  und  französischen  Protestanten,  wobei  ihn  das  ItitareaBe 
der  niederländischen  Beformierten  bestimmte  und  auch  Graf  Lu^'  * 
von  Nassau  handelte  stets  nach  den  Weisungen  seines  Brtid&rf 


^ 


790         E.  Heyek,  Wilhelm  vod  Oranieo  oiw.»  ang.  ▼.  /.  fVotit. 

heim,  der  ja  anch  seit  1559  darch  den  Tod  seines  Vaters  Be^nt 
seiDer  eyaDgelischen  Grafschaft  Nassen  nnd  deutscher  Beichsfärst 
geworden  war.  —  Die  Hochzeitsfeier  Wilhelms  mit  Anna  Ton 
Sachsen  fand  am  25.  (und  nicht  am  24.)  Angust  des  Jihrss 
1561  statt  (Tgl.  Pirenne  1.  c.  S.  510).  Das  Yersprechen,  seine  6e« 
malin  im  katholischen  Olanben  erziehen  zn  lassen,  hat  Wilhelm 
wenigstens  scheinbar  gehalten.  —  Egmont  and  Oranien  habeo 
Philipp  II.  ihr  Bntlassnngsgesnch  schon  am  28.  Joli  1561 
zugeschickt,  weil  sie  nicht  l&nger  die  Yerantwortang  fnr  die  yom 
Kardinal GranTelia  heranf beschworenen  Begebenheiten  tragen  wollten; 
das  am  11.  März  1568  an  den  König  gerichtete  Schreiben  wir 
bereits  das  zweite  in  derselben  Angelegenheit.  Die  im  Angnit 
1568  erfolgte  Sendung  von  Margaretas  Sekret&r  Armenteros  nach 
Madrid  ?erdiente  Erw&hnong.  Neben  dem  Wunsche  nach  der  Ab* 
berufung  Granrellas  mußte  auch  das  nachdrflckliche  Verlangen  nach 
der  Einberufung  der  Generalstaaten  durch  Philipp  herTOrgehoben 
werden.  —  Die  Narrenkdpfe  auf  den  Bedientenlivreeo 
hatten  höchst  wahrscheinlich  zun&chst  mit  Granrella  nichts  xu 
schaffen  und  röhrten  nur  daher,  weil  während  der  Gasterei  bei 
Kaspar  Schetz  gerade  Karneralszeit  war.  Es  konnte  die  Einfach- 
heit dieser  Livreen  höchstens  eine  Verhöhnung  auf  den  im  Haue 
Granyellas  herrschenden  maßlosen  Luxus  bedeuten;  übrigens  bil- 
deten dieselben  eine  Art  geheimen  Erkennungszeichens.  —  Anch 
das  Doppelspiel  Philipps  bei  der  Abberufung  GrauTellas  hüte 
wenigstens  angedeutet  werden  sollen,  wie  es  sich  schon  in  den  tob 
Armenteros  Ende  Februar  1564  nach  Brfissel  gebrachten  einandir 
widersprechenden  Instruktionen  und  Informationen  des  Königs  spit- 
gelte.  GrauToUa  Terließ  Brüssel  erst  am  18.  M&rz  1564.  —  Dis 
Einladung  Egmonts  nach  Madrid  war  yon  Philipp  selbst  ansge- 
gangen,  der  dadurch  eine  Spaltung  unter  dem  niederlftndischen  Adel 
hervorrufen  wollte.  Egmont  hatte  übrigens  am  20.  Juli  abgelehnt, 
als  politischer  Abgesandter  nach  Spanien  zu  reisen.  Die  Instmktioo 
Philipps  fflr  Armenteros,  die  Granvella  abberief,  war  vom  23.  Jannar 

1564  (nicht  vom  22.)  datiert.  —  Der  „mit  hoben  Ämtern  bedeckte 
Kardinal**  war  doch  unzufrieden,  weil  er  gehofft  hatte,  spanischer 
Premierminister  zu  werden. —  Der  „an  Margaretha  verheiftene 
Bescheid**    war  im  Walde  von  Segovia    am   17.  und  20.  Oktober 

1565  ausgefertigt.  —  Der  Plan  zum  Kompromiß  wurde 
schon  im  Juli  1565  in  Spa  entworfen;  im  November  wurde  er  ii 
Brüssel  im  Hanse  des  Herrn  von  Hamas  genau  festgelegt.  Der 
Kompromiß  war  ein  Bund  des  mittleren  und  niederen  Adels. -- 
Der  Oranier  h&tte  sich  wahrscheinlich  schon  früher  für  eine  est- 
schiedene  Stellungnahme  entschlossen,  wenn  es  ihm  ge- 
lungen wäre,  die  Herren  vom  Staatsrate  zur  Parteinahme  für  den 
Kompromiß  zu  veranlassen.  —  Hervorzuheben  war,  daß  vor  der 
Sendung  Albas  nach  den  Niederlanden  sogar  Granvella  ud<i 
Papst  Pius  V.  im  Vereine  mit  Margarethe  Philipp  zur  Hilde  rieUi:» 


Ktopp'Kanig,  DeatsehlaDd  und  die  Habsbarger,  ang.  v.  K.  Fuchs.  791 

dieser  aber  aolcben  YoraftellangeD  nor  ein  geriDgsch&tziges  Lftchelo 
aod  watende  Zornaasbräche  entgegenbracbte»  —  Nach  der  Bilder- 
stürmerei dachte  Margaretba  nicht  an  Flacht,  sie  wollte  nar 
nach  Mons«  weil  ihr  die  Bevölkernng  Brfissels  die  Tore  Torschloft» 
Die  Ableitong  des  Namens  nGensen"  ist  nicht  sicher.  „War 
es  in  der  Tat  ein  am  Morgen  jenes  Tages  vom  Grafen  Barley* 
naont  aasgestoßenes  Schimpfwort,  das  zu  diesen  Abzeichen  Ver- 
anlassung gab?  Oder  erscheint  es  glaabhafter,  daß  die  Edelleate 
darch  ihre  Verkleidung  als  hilfsbedürftige  Bettler  andeuten  wollten, 
daß  die  Politik  des  Königs  das  Land  binnen  kurzem  an  den  Bettel- 
atab  bringe?  Niemand  weiß  darüber  etwas  Genaues  l**  (Pirenne, 
L  c.  S.  557  und  558).  —  Zar  Bewilligung  der  „drei  riesen- 
haften Steuern'  berief  Alba  sogar  die  Generalstaaten;  er  wollte 
also  wenigstens  den  Schein  Termeiden,  als  ob  er  sie  „gegen  jedes 
herkömmliche  Landesrecht**  einhebe. —  Der  Sieg  auf  derMooker 
Heide  wurde  am  14.  April  (und  nicht  am  15.  März)  1574  er- 
fochten. —  Bei  der  Erwähnung  von  Oraniens  Vermählung  mit 
Charlotte  vouBourbon  hätte  schon  mitgeteilt  werden  können, 
daß  diese  als  Äbtissin  eines  französischen  Klosters  zu  Kurfürst 
Friedrieh  III.  nach  Heidelberg  entflohen  war. 

Wie  man  siehti  haften  dem  Werke  Heyeks  manche  Flüchtig- 
keiten und  manches  Versehen  an;  doch  sind  unsere  Aasstellungen 
nicht  derart,  daß  sie  den  Wert  des  Baches  wesentlich  beeinträchtigen 
könnten.  Im  ganzen  und  großen  kann  dasselbe  vielmehr  als  eine 
ebenso  tüchtige  als  empfehlenswerte  Leistung  bezeichnet  werden 
and  vollkommen  geeignet,  den  Leser  über  den  behandelten  Gegen- 
stand in  ausgiebiger  und  faßlicher  Weise  zu  unterrichten.  Die 
Ausstattung  ist  wie  die  aller  „Monographien**  dieses  rührigen 
Verlages  eine  vorzügliche.  Wir  können  aber  dennoch  nicht 
amhin,  zwei  Mängel,  die  die  Benützung  auch  dieses  Bandes  wesent- 
lich beeinträchtigen,  zu  rügen:  Das  ganz  unzulängliche 
^^Sachregister**  und  die  mangelhafte  oder  ganz  fehlende 
Erklärung  einzelner  Illustrationen»  auch  wo  sie  einer 
solchen  dringend  bedurften.  Beide  Gebrechen  sind  danach,  um 
um  einem  den  Genuß  des  sonst  tüchtigen  Werkes  zu  verleiden. 

Wien.  Josef  Frank. 


Onno  Klopp,  Deutschland  und  die  Habsburger.  Aas  seinem 
Nachlasse  heraosgegeben  und  bearbeitet  von  Leo  König.  Gras  and 
Wien,  Stjria  1908.  440  SS.  Gr.-8«.  Preis  10  Mk. 

Der  Herausgeber  faßte  auf  Grund  hinterlassener  Zitate  und 
Schriften  des  bedentsamen  Historikers  in  dessen  Geiste  eine  Über- 
sicht über  das  Verhältnis  der  Habsburger  von  Budolf  von  Habs- 
barg  bis  zum  Ausgange  Karls  V.  ab  und  benützte,  um  den  An- 
schauungen   des  ursprünglichen  Planes   des  Werkes    gerecht    zu 


792  JT.  Steinmetz,  Von  der  Adria  lam  schwanen  Drin,  ang.  ▼.  Jl  Jnng, 

werden,  nur  die  Ton  0.  Salopp  bezeichneten,  Ton  diesem  fftr  HO- 
parteiisch  gehaltenen  Quellen.  Aach  da,  wo  eine  Bearbeitung  erst 
erforderlich  war,  wie  beim  schmalkaldlschen  Kriege,  wurde  der 
Charakter  der  Darstellnng  des  verdienten  Historikers  gewahrt.  Der 
Verf.  geht  von  dem  Qrnndsatze  ans,  daß  die  Teilnngen  nach 
St&mmen  nnd  damit  die  Stammesherzogtümer  die  Eckfesten  der 
deatschen  BeichsTerfassnng  gewesen  seien.  Sie  wurden  durch  die 
gewaltige  Politik  der  Hohenstaufen  von  Friedrich  Barbarossa  an 
erschdttert  und  ebenso  wirkten  die  Feindseligkeiten  zwischeo 
Kaisertum  nnd  Papsttum  auflösend.  Er  sucht  femer  nachzuweisen, 
daß  von  Rudolf  von  Habsburg  an  durch  das  habsburgisehe  Haiu 
eine  Wiederherstellung  des  Reiches  und  der  KGnigsmacht  ange- 
strebt und  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  durchgeführt  wird. 
Schwere  Kftmpfe  hat  es  gegen  die  Türken  nnd  Frankreich  za 
fuhren,  das  sich  immer  mehr  den  Schein  gibt,  ein  bedrohliches 
Übergewicht  der  Habsburgiscben  Hausmacht  bekämpfen  zu  müssen, 
wobei  es  auf  die  Unzufriedenheit  deutscher  Fürsten  und  seit  Luther 
der  Anhänger  des  Reformators  zählt.  Das  Luthertum  wird  weniger 
als  eine  den  Dogmen  zuwiderlaufende  Schöpfung  denn  als  poli- 
tischer Faktor  erklärt.  Die  Zeit  Karls  V.,  die  fast  die  Hälfte  des 
Bandes  einnimmt,  erfährt  eine  besondere  Behandlung,  weil  hier  die 
Gegensätze  zwischen  den  Bestrebungen  der  Habsburger,  die  Eeichs- 
einheit  zu  erhalten  und  den  zentrifugalen  Elementen  in  oiTenen 
Kampf  geraten.  Der  Charakter  des  Kaisers  wird  in  licblroiler 
Weise  nach  den  Zeugnissen  Melanchthons  und  den  YenezianiscfaeD 
Gesandtschaftsberichten  erhellt,  und  damit  erscheinen  mancherlei 
Entstellungen  berichtigt.  In  interessanter  Weise  wird  zum  Schlüsse 
die  schon  von  Zeitgenossen  in  den  Bereich  der  Diskussion  ge- 
rückte Frage  erörtert,  wie  sich  die  Lage  Europas  gestaltet  hätte, 
wenn  die  Habsburger  sich  der  Lehre  Luthers  in  die  Arme  geworfen 
hätten.  Das  Werk  wird  nicht  nur  seitens  der  Historiker,  sondern 
auch  der  Politiker  Beachtung  finden. 

Wien.  Dr.  Karl  Fuchs. 


Von  der  Adria  zum  schwarzen  Drin.  Von  Ingenieur  Karl  St  eis- 
mets.  (Ans  „Zur  Kunde  der  Balkanhalbineel.  iUiten  and  Beobach- 
langen. "  Herausgegeben  von  Dr.  Karl  Batsoh.  Heft  6).  Mit  15  Ab- 
bildnnsrcn  nnd  einer  Karte.  SarajeTO,  Druck  and  Verlag  tod  Daniel 
A.  Kajon  1908.   78  SS.  8«. 

Unseren  Gymnasialbibliotheken  möchte  ich  die  Anschaflfung 
der  ganzen  sowohl  billigen,  wie  belehrenden  und  gut  redigiertso 
Sammlung  „Zur  Kunde  der  Balkanhalbinsel''  auf  das  wärmste 
empfehlen.  Besonders  auch  der  drei  Hefte,  in  denen  K.  Stein- 
motz  seine  Wanderungen  in  Albanien  flott  und  interessant  be- 
schreibt.    Das  yorliegende   Heft   bietet  die  Ergebnisse   einer  im 


K.  SteinmetMt  Yon  der  Adri»  lam  schwanen  Drio,  »ng.  ?.  J.  Jung,  793 

Angnst  1905  ooterDommeneD  Toar  darch  die  Oaue  am  Mati, 
dem  zweitgrößten  Flasse  Nordalbaniens.  Diese  Gebiete  gravitierten 
in  älterer  Zeit  entweder  nach  Ochrida  oder  nach  Venedig  nnd 
Bagnsa.  Wegen  der  fast  YÖlIigen  Vemachlftssignng  derselben  durch 
die  nenere  Forschung  haben  sich  mancherlei  topographische  Kor- 
rektoren ergeben,  die  aof  der  beigegebenen  Karte  eingetragen  sind. 
Als  größten  persönlichen  Erfolg  bezeichnet  der  Verf.  die  Besteigung 
nnd  Festlegung  der  Kunora  Lurjes,  eines  über  2000m  hohen 
Gebirgsstockes,  der  den  Geographen  bis  jetzt  unbekannt  war.  So 
findet  hier  Touristik  und  Landeskunde  zugleich  ihr  Becht.  —  Wir 
hören  daneben  Ton  der  staatlichen  Organisation  oder  Tielmehr 
Anarchie  (denn  man  zahlt  in  diesen  Gegenden  keine  Steuern  und 
gehorcht  niemandem);  von  der  Verfassung  der  einzelnen  Gaue, 
wobei  weniger  der  Bajraktan  (Vorstand),  als  die  jfthrhlich  einmal 
stattfindende  VolkiTersammlung  ron  Bedeutung  ist,  dann  tou  den 
wirtschaftlichen  Verhältnissen;  es  kommt  Tor  allem  die  Viehzucht 
in  Betracht:  dabei  rermögen  die  höher  gelegenen  Gaue  nicht  ihre 
Leute  zu  em&hren,  daher  sie  die  fruchtbare  Ebene  mit  Baubzägen 
heimsuchen,  was  wieder  Bepressalien  zur  Folge  hat  —  wie  einst 
im  alten  Italien  zur  Zeit  der  Aequer-  und  Volskerkriege.  Daß  die 
wenigen  Beichen  ihr  Geld  zu  dem  horrenden  Zinsfuße  Ton  5  Prozent 
monatlich,  d.  i.  60  Proz.  jährlich,  an  die  ärmeren  Stammesgenossen 
ausleihen,  erinnert  an  altrömischen  Zinswucher.  —  Gemildert 
werden  diese  freien  Znst&ndei  innerhalb  deren  die  Blutrache  eine 
große  Bolle  spielt,  durch  das  Walten  der  (hier  meist  katholischen) 
Ooistlichkeit^  mit  deren  Hilfe  allein  der  Verf.  seine  Wanderungen 
durchfahren  konnte.  Er  nennt  uns  einen  Tiroler  Franziskaner  P. 
Fabian  Barcatta,  den  botanische  Kenntnisse  und  ein  reicher  Vor- 
rat an  Arzneimitteln  eine  segensreiche  Wirksamkeit  in  der  Malcija 
Ledit  genannten  Landschaft  (sfldlich  von  Scutari  am  Bubigu  und 
Fani,  Seitenbftchen  des  Mati)  gestatten.  Auch  in  zum  Teil  fa- 
natisch mohammedanische  Bezirke,  wie  Seiita  (gleichfalls  in  einem 
äußeren  Seitentale  des  Mati)  und  die  Lurja  (deren  Gewässer  dem 
schwarzen  Drin  zufließen,  werden  wir  geführt,  wo  der  Verf.  die  Be- 
steigung des  genannten  Berges  nur  unter  mancherlei  F&hrlichkeiten 
zustande  brachte.  —  Es  ist  hier  durch  die  Schilderungen  tou 
Steinmetz  der  Wißbegier  und  der  Unternehmungslust  unserer 
Epheben  zugleich  ein  praktisches  Ziel  gesteckt.  Österreich  (Nemtzia) 
nnterbftlt  mit  dem  nördlichen  Albanien,  indem  es  die  katholischen 
Seelsorgstationen  unterstützt,  mancherlei  Beziehungen,  die  sich  seit 
der  Okkupation  Bosniens  noch  gemehrt  haben. 

Prag.  J.  Jung. 


794  t7.  MülUr,  Richten  Lebrboch  der  Geographie,  ang.  ▼.  B.  Imet^dörifer, 

Richters  Lehrbach  der  Geographie  Ar  die  L,  II.  vod  III. 
Klatae  der  Mittelschulen.  Neu  bearbeitet  von  Dr.  Johann  MfllUer. 
Der  Oeeamtansgabe  8.  Auflage.  Zwei  Bände.  Wien,  Verlag  von  F. 
Tempskj  1907  beiw.  1908. 

Das  weitverbreitete  Lehrbnch  Ednard  Bichters,  des  leider  zu 
früh  OeschiedeDen,  fand  in  Müllner  einen  Denen  Heransgeber.  Der 
gesamte  Stoff  ist  nunmehr  nach  Klassen  gesondert  in  drei  B&nd« 
zerlegt  worden»  deren  letzter  noch  ansst&ndig  ist.  Zweck  and  Be- 
rechtigung dieser  neuen  Erscheinungsart  sind  ohne  weiteres  klar. 
Was  freilich  in  jetziger  Gestalt  geboten  wird,  bat  lediglich  &iißer* 
liehe  Beziehungen  zu  Bichters  Werk,  die  sich  darin  erschöpfeo, 
daß  sein  Name  auf  dem  Titelblatte  noch  genannt  wird ;  im  übrigen 
haben  wir  es  mit  einem  y Ollig  neuen  Müllnerschen  Lehrbache 
zu  tun. 

Ich  vermag  auf  eine  WQrdigung  dieses  Buches  nicht  einn* 
gehen,  ohne  von  vorneherein  eine  prinzipielle  Frage  zu  berübreo. 
Da  ich  nftmlich  in  mehr  als  einem  Punkte  in  meinen  Ansichten 
über  die  Anforderungen,  die  an  ein  Lehrbnch  der  Erdkunde,  ins* 
besondere  für  Unterklassen  zu  stellen  sind,  von  dem  im  übrigeD 
von  mir  sehr  geschätzten  Hrn.  Verf.  abweiche,  werde  ich  in  fol- 
gendem genötigt  sein,  wiederholt  einiges  an  dem  Gegenstaode 
dieser  Besprechung  aussetzen  zu  müssen.  Ich  erkl&re  daher  tod 
vorneherein,  daß  es  mir  nicht  einf&llt,  damit  mehr  oder  anderei 
geben  zu  wollen,  als  den  Ausdruck  meiner  ganz  persönlichen  Ober* 
Zeugung. 

Was  zun&chst  den  I.  Teil  (I.  Klasse)  betrifft,  so  beginnt 
dieser  mit  einem  sehr  hübschen  einleitenden  Kapitel,  das  in  na« 
schaulicher  Übersicht  den  gesamten  Stoff  der  geographischen  Be* 
trachtung  vor  dem  Schüler  entwickelt.  Ob  freilieh  die  Diktion  in 
dem  letzten  kleingedrnckten  Absätze  für  Knaben  von  10 — 11  Jahres 
verständlich  ist,  möchte  ich  fast  bezweifeln.  Es  folgt  nun  die 
erste  Hauptabteilung  des  Buches:  „Geographische  Graod* 
begriffe^.  Hier  fielen  mir  in  dem  manches  Schöne  enthalteades 
2.  Kapitel  (S.  9 — 12)  einige  Stellen  anf ,  die  mir  zu  ernsten  Be- 
denken Anlaß  gaben.  So  heißt  es  8.  9:  „Den  Fuß  der  Er- 
hebungen erkennt  daher  nicht  bloß  unser  Aage ,  wir  spüren  ihn 
anch,  weil  er  uns  zu  Yerlangsamung  unserer  Schritte  zwingt  «Ist 
das  verständlich?  S.  10  sind  die  Ausdrücke  „Bodenschweile''  ssd 
„Hügel""  als  gleichbedeutend  gebraucht.  Ebenda  wird,  an  sich  j» 
natürlich  richtig,  der  Böschungswinkel  als  Winkel  zweier  SbtneB 
erklärt.  Aber  die  Schüler  wissen  von  Winkeln  meist  überhaapt 
noch  nichts.  Mit  dem  Satze  S.  11  „der  Gipfel  bietet  bald  mehr 
bald  weniger  Platz,  je  nachdem  er  steil  oder  sanft  geböseht  ist"» 
weiß  ich  offen  gestanden  nichts  anzufangen.  Ebenda  wird  das 
Wort  „Streichung"',  „streichen*"  gebrancht,  als  ob  es  liogst  be- 
kannt wäre,  ist  aber  noch  gar  nicht  erkl&rt.  Dann  heißt  es:  «zeigt 
anch  der  Umriß  (des  Gebirges)  nur  schwache  Gliedernog".*« 


J.  MÜUer,  Richten  Lehrbach  der  Geographie,  »ng.  t.  B.  Itnendörffer.  795 

Ich  kann  mir  keinctn  Schaler  der  ersten  Klasse  denken,  der  das 
Tersteht.  Was  soll  ihm  das  Wort  „Oliederang'*?  Derartige  Schwie- 
rigkeiten im  Ansdrncke  bietet  der  I.  Teil  des  Bnches  noch  viele. 
Es  ist  non  wohl  anbestreitbar,  daß  dadurch  der  Lehrer  genötigt 
wird,  sich  ganz  eng  an  das  Bach  zn  halten,  ja  er  wird  es  strecken- 
weise geradezu  lesen  lassen  und  erklftren  oder  aber  sich  die  Ter- 
minologie des  Boches  ganz  zu  eigen  machen  mfissen.  Sonst  werden 
die  Kinder,  denn  das  sind  die  Schüler  hier  doch,  sich  schwerlich  in 
dem  Bache  znrochtfinden  kOnnen.  —  Fflr  weit  über  das  Maß  dessen 
bioaosgehend,  was  man  in  der  L  Klasse  billigerweise  Terlangen  darf, 
halte  ich  die  ausführlichen  Kapitel  über  mathematische  Geographie 
nod  Klimatologie.  Schüler,  die  das  alles,  was  sie  meiner  Ober- 
zeagang  nach  wohl  ganz  allmfthlich  im  Laufe  der  vier  Unterklassen 
lernen  aollen,  schon  im  ersten  Jahre  bewältigen  müssen,  sind 
zweifellos  überbürdet.  Verlangen  die  anderen  Disziplinen  dement- 
sprechend viel,  so  müssen  die  h&uslichen  Arbeitsstunden  sich  ver- 
doppeln. Es  ist  als  ob  der  Hangel  des  geographischen  Unterrichtes 
auf  der  Oberstufe  dazu  führen  wollte,  daß  das  ganze  weite 
Wissensgebiet  schon  auf  der  Unterstufe  erschöpft  wird.  Weit 
besser  als  der  allgemeine  Teil  gefftUt  mir  der  zweite  Teil,  soweit 
er  die  L&nderkunde  behandelt.  Hier  wird  in  entsprechend  knapper 
Form  das  wirklich  der  Klasse  Angemessene  geboten. 

Bezüglich  des  zweiten  Bandes  (IL  Klasse)  habe  ich  zun&chst, 
was  die  ersten  Kapitel :  „Die  Sonnenbahn^,  „Die  Bahn  der 
Fixsterne*',  „Das  solare  und  physische  Klima*',  „Die 
Niederschlagsverh&itnisse**,  „Der  Einfluß  desKlimas 
auf  das  Leben  der  Erde**  betrifft,  ganz  dieselben  Bedenken, 
wie  ich  sie  oben  ausgesprochen  habe.  Was  hier  geboten  wird, 
kann,  wie  ich  aus  Erfahrung  weiß,  nur  mit  einem  ganz  unver- 
hftitnismftßig  großen  Zeitaufwande  halbwegs  durchgearbeitet  werden. 
Es  w&re  aber  weit  klarer  und  einleuchtender,  wenn  es  überhaupt 
nicht  isoliert  und  abstrakt  für  sich  allein  behandelt,  sondern  bei 
entsprechender  Gelegenheit  der  Länderkunde  eingegliedert  würde; 
allerdings  unter  Anlegung  eines  weit  bescheideneren  Maßstabes 
punkte  Ex-  und  Intensität  des  Betriebes^  als  es  hier  der  Fall  ist« 
Sobald  wir  einmal  so  weit  sind»  and  dem  Anscheine  nach  handelt 
es  sich  um  eine  nahe  Zukunft,  auf  der  Oberstufe  diese  Dinge  ent- 
sprechend breit  behandeln  zu  können,  wird  Müllners  Darstellung 
mustergiltig  erscheinen,  heute  würde  ich  es  nicht  wagen,  un- 
reifen Knaben  in  der  II.  Klasse  Derartiges  vorzusetzen.  Eine  be- 
sonders glücklich  zusammengesetzte  U.  Klasse  mag  das 
ja  ausnahmsweise  zum  größeren  Teile  mit  einigem  Verständnisse 
begleiten,  gründlich  verdauen  wird  es  sicher  keine  einzige« 

Dem  sehr  hübschen  länderkundlichen  Teile  hätte  ich  höchstens 
größere  Kürze  gewünscht.  Indessen  kann  sich  hier  der  Lehrer 
leicht  durch  Streichungen  helfen. 


796  JB.  Hödlf  Sieberta  Lebrbacb  der  Geographie,  aog.  ?.  JB.  Immdörffer. 

A.  E.  Seiberts  Lehrbuch  der  Geographie  fQr  osterreichiBebe 
Lehrer-  nnd  LebreriDnenbildangBanstalteD.  Nen  bearbeitet  yod  Prot 
Dr.  Boman  HOdl.  II.  Teil:  fttr  den  III.  Jahrgang.  8.  Aofl.  Wien, 
F.  Tempskj  1907.  Preis  8  K. 

Der  Torliegende  II.  Teil  von  Seiberts  Lehrbuch,  der  in 
kurzer  Frist  auf  den  kfirzlich  hier  beBprocheoen  I.  Teil  folgte,  zeigt 
mehr  noch  als  jener  die  bessernde  Hand  des  neuen  Herauegebers. 
Das  Alter  der  Schfller  l&ßt  hier  den  sozusagen  genetischen  Tor- 
gang, der  vom  geologischen  Aufbaue  ausgeht,  vollständig  gerecht- 
fertigt erscheinen.  Ebenso  ist  der  Anschluß  der  politischen  Be- 
trachtang der  in  eine  geographische  Einheit  fallenden  Gebiete  an 
deren  physikalische  Betrachtung  durchaus  zu  loben.  Das  Schluß- 
kapitel  ,yübersicht''  gibt  in  dankenswerter  Weise  eine  hflbseh  ab- 
gerundete Darstellung  namentlich  der  wirtschaftlichen,  kulturellen 
und  politischen  Verhältnisse  der  Monarchie.  Das  beigegebene  BUder- 
material  ist  mit  feinem  Takte  ausgewählt.  Dieselben  geologischen 
Karten,  die  Längs  Yaterlandskunde  zieren,  werden  auch  hier  will- 
kommen sein. 


Franz  D.  P.  Lang,  Geographisch-statistische  Yaterlandskunde 
fflr  die  YII.  Klasse  der  Osterr.  Bealschalen.  2.,  verbesserte  Anfliga. 
Wien,  F.  Tempskj  1907.  Preis  2K80h. 

Es  ist  erfreulich,  daß  Längs  Lehrbuch,  das  einen  entschie- 
denen Fortschritt  gegen  altere  Yaterlandskunden  darstellt,  nun- 
mehr in  zweiter  Auflage  vorliegt.  Einteilung  und  Behandlung  des 
Stoffes  sind  durchwegs  lobenswert,  und  hatte  ich  gerne  auf  die 
noch  immer  festgehaltene  strenge  Trennung  von  physikalischtr 
Geographie  und  Topographie  verzichtet.  Damit  wäre  zweierlei  ge- 
wonnen: das  Gesamtbild  der  einzelnen  Lftndergruppen  hätte  Ab- 
rundung  erfahren  und  das  Buch  hätte  geringeren  Umfang.  Wenn  man 
weiß,  welcher  Kunstgriffe  es  bedarf,  um  in  einem  kurzen  Semester, 
bei  oft  sehr  starken  YII.  Klassen  (ich  hatte  einmal  50  Abiturienten!) 
den  Stoff  nur  halbwegs  zu  bewältigen,  dann  wird  Kflrze  hier  ale 
oberstes  Gebot  erscheinen.  Besonderes  Lob  verdient  die  Beigabe  geo- 
logischer Karten  fflr  die  einzelnen  Ländergebiete «  sowie  der  meist 
sehr  instruktiven  Illustrationen  und  Tabellen. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


F.  Klein,  Yorträge  über  den  mathematischen  Unterricht  an 
den  höheren  Schulen.  Bearbeitet  von  Badolf  Schimmsck. 
Teil  I:  Yon  der  Organisation  dea  mathematischen  Unteirichtes.  Mit 
acht  zum  Teil  farbigen  Teztfignren.  Leipzig,  B.  G.  Teabner  1907. 
Preis  geb.  5  Mk. 

Die  vorliegenden  „Yorträge  über  den  mathematischen  Unter- 
richt an  den  höheren  Schulen''  gehören  der  Sammlung  der  .mathe- 


:Klein^Sehimmack,  Vortrftge  asw.,  ang.  t.  J.  O.  WaUenHn.       797 

matischen  Yorlesangen  der  Universität  Göttinnen"  an,  die  nunmehr 
im  Tenbnerschen  Verlage  erscheinen  wird.  Wenn  in  diesem  Bnche 
von  der  Organisation  des  mathematischen  Unterrichtes  die  Rede 
ist,  werden  in  zwei  folgenden  Teilen  ausgewählte  Fragen  einerseits 
der  Arithmetik,  andrerseits  der  Oeometrie  in  sinngemäßer  Weise 
besprochen  werden,  so  daß  nach  der  Absicht  des  berühmten  For- 
schers und  Lehrers  «der  Lehrer  eine  lebendige  Anschauung  von 
der  Entstehung  und  der  Bedeutung  der  für  ihn  in  erster  Linie  in 
Betracht  kommenden  Kapitel  der  heutigen  Mathematik  erhält"*. 

In  der  Einleitung  zum  Buche  wird  die  neuere  Beformbewe- 
gung  im  mathematisch -naturwissenschaftlichen  Unterrichte  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Aufgabe  bespiH>chen,  welche  die 
Breslauer  Kommission  sich  gestellt  hat,  dann  werden  die  Tor- 
schiedenen  Schularten  genannt,  deren  mathematischer  Unterricht 
in  den  folgenden  Darlegungen  eingehend  gewürdigt  wird.  Dies 
sind  zunächst  die  Volksschulen  (erster  Abschnitt),  die  sechs  unteren 
Klassen  der  höheren  Knabenschulen,  die  Mädchenschulen  und  die 
mittleren  Fachschulen.  Von  ganz  besonderer  Bedeutung  sind  aber 
die  folgenden  Abschnitte,  in  denen  vom  historischen  Entwicklungs- 
gange des  mathematischen  Unterrichtes  unserer  höheren  Schulen, 
▼on  den  drei  Oberklassen  der  höheren  Schulen  nach  den  Lehr- 
plänen vom  Jahre  1901,  von  den  Beformvorschlägen  für  die  Ober- 
klassen der  höheren  Schulen  und  Ton  dem  mathematischen  Unter- 
richte an  den  Hochschulen  im  allgemeinen,  der  Universität  und 
der  technischen  Hochschule  im  besonderen  die  Bede  ist. 

Prof.  Klein  gehörte  zu  den  ersten,  welche  nach  dem  kaiser- 
lichen Erlasse  vom  26.  November  1900,  durch  den  die  Gleich- 
wertigkeit der  drei  nennklassigen  höheren  Lehranstalten  als  Prinzip 
aofgestellt  und  die  Tendenz  gutgeheißen  wurde,  daß  jede  dieser 
drei  Anstalten  ihr  spezifisches  Lehrziel  ausbilden  müsse,  für  eine 
Beform  des  mathematischen  Unterrichtes  an  den  höheren  Schulen 
eintrat.  In  dieser  Beziehung  hat  die  Göttinger  Ferienkursschrift 
von  1900  ȟber  angewandte  Mathematik  und  Physik  in  ihrer 
Bedeutung  für  den  Unterricht  an  den  höheren  Schulen"  wohl 
bahnbrechend  gewirkt.  Mit  Becht  ist  betont  worden,  daß  die 
Mathematik  durchaus  eine  lebendige  Wissenschaft  ist,  die  fort- 
während neue  Probleme  aufnimmt  und  verarbeitet,  die  Veraltetes 
wegwirft  und  sich  so  immer  wieder  und  wieder  veijüngt.  Dieser 
Grundsatz  und  die  Hervorhebung  der  Biologie  im  naturwissenschaft- 
lichen Unterrichte  fand  sich  vertreten  auf  der  Hamburger  Natur- 
forscherversammlung vom  Jahre  1901,  auf  jener  von  Kassel  (1903) 
und  auf  den  Naturforscherversammlungen  in  Breslau  und  Meran 
(1904  und  1905).  Unbeschadet  des  Wertes  der  Mathematik  für 
die  formale  logische  Bildung  soll  nach  dem  allgemeinen  Standpunkt 
der  Breslauer  Unterrichtskommission  die  Stärkung  des  Anschauungs- 
vwmögens  und  die  Erziehung  zur  Gewohnheit  des  funktionalen 
Denkens  die  Hauptaufgabe  des  mathematischen  Unterrichtes  sein. 


798        EJein-Schimmack,  Yortrfige  asw.,  ang.  f.  L  G.  Wcikniin, 

Klein  zeigt  an  verschiedenen  Stellen  des  Baches,  daß  dieser  Stand- 
punkt anch  der  seine  ist,  daß  die  Betonung  der  formalen  Büdung 
als  des  eigentlichsten  und  hauptsächlichsten  Zieles  des  mathe- 
matischen Unterrichtes,  wie  sie  z.  B.  von  Beidt  in  seiner  „An- 
leitung zum  mathematischen  Unterricht**  hervorgehoben  ist,  veraltet 
ist.  Wenn  Geheimrat  Klein  fordert,  daß  der  Funktionsbegriff  in 
geometrischer  Form  die  Seele  des  mathematischen  Schulunterrichtes 
sein  soll,  wenn  er  weiters  der  Überzeugung  Ausdruck  verleiht,  daß 
die  ersten  Beispiele  von  graphischer  Darstellung  schon  nach  Ober- 
tertia und  Untersekunda  gelegt  werden  müssen,  so  stimmen  wir 
ihm  vollkommen  bei.  Mit  gutem  Rechte  zieht  Klein  auch  die  in 
unsei*er  Beziehung  sehr  lehrreichen  und  schätzenswerten  französi- 
schen Lehrpläne  heran  und  er  zeigt  namentlich  an  dem  Boreischen 
Lehrbuche  der  Algebra,  welche  Bahnen  der  reformierte  mathe- 
matische Unten'icht  an  den  Mittelschulen  wandeln  müsse. 

In  dem  Abschnitte,  der  von  den  Mädchenschulen  und  den 
mittleren  Hochschulen  handelt,  spricht  sich  Gehoimrat  Klein  mit 
vollem  Hechte  für  die  „Schulung  des  konsequenten  Denkens  ond 
der  wertvollen  Fähigkeit,  klar  zu  beobachten"  an  den  Mädchen- 
schulen mit  besonderer  Energie  aus;  er  sagt,  „die  Fähigkeit  zur 
Mathematik  hat  die  deutsche  Frau  ebenso  gut,  wie  die  Frau  anderer 
Nationen,  und  den  Willen  dazu  wird  sie  haben,  sobald  der  Unter- 
richt gehoben  und  mit  allen  Vorurteilen  aufgeräumt  ist!*  Anch  hierin 
geben  wir  ihm  Recht,  da  die  Erfahrungen,  die  man  in  dieser  An- 
gelegenheit zu  machen  Gelegenheit  hat,  für  diesen  Ausspruch 
lauten.  Von  großem  Interesse  sind  die  nun  folgenden  Bemerkungen 
über  die  Frage  der  Lehrerinnenausbildung.  Es  wird  gezeigt,  dafi 
die  derzeit  noch  bestehenden  Verhältnisse  dieser  Ausbildung  sehr 
unvollkommen  sind  und  nur  als  Obergangsstadium  gelten  köonoi. 
Auch  bezüglich  der  mittleren  Fachschule  sagt  der  Verf.,  daß  deren 
heutiger  Zustand  ungenügend  ist  und  daß  eine  moderne  Entwick- 
lung dieser  Schulen  dringend  geboten  erscheint.  Schon  hier«  wie 
an  anderen  Stellen  des  Buches  wird  betont,  daß  der  Mehrzahl  der 
Studierenden  der  Mathematik  und  der  Naturwissenschaften  eine 
engere  Fühlung  mit  der  Praxis  mangelt  und  daß  auf  eine  Ad- 
näherung  der  Mathematik  und  der  Technik  hingearbeitet  werden 
muß.  Verf.  zeigt  dann  an  zwei  charakteristischen  Büchern,  der 
„Ingenieurroathematik  in  elementarer  Behandlung**  von  HolzmflUer 
und  der  „Höheren  Analysis  für  Ingenieure"  von  Perry,  wie  ein 
technisch-mathematischer  Unterricht  sich  zu  gestalten  habe. 

Der  in  dem  Buche  folgende  vierte  Abschnitt  handelt  tod 
historischen  Entwicklungsgange  des  mathematischen  Unterrichtes 
unserer  höheren  Schulen.  Dieser  Abschnitt  kennzeichnet  gleich- 
zeitig den  Entwicklungsgang  der  einzelnen  Schulgattungen  selbst 
Es  wird  dargetan,  daß,  bevor  noch  die  Methodik  der  realistische« 
Fächer  ausgebildet  war,  ein  Schwanken  zwischen  praktischen, 
wissenschaftlichen  und  pädagogischen  Gesichtspunkten  sich  gritead 


Klein-Schimmackt  YortrSge  usw.,  ang.  t.  I.  G,  Wallentin.        799 

machte.  Einen  bedeutsamen  Wendepunkt  im  ünterrichtsbetriebe  an 
den  höheren  Schalen  bildet  der  kaiserliche  Erlaß  vom  26.  November 
1900,  dessen  Bedeutung  ffir  den  mathematisch-naturwissenschaft- 
lichen Unterricht  der  Verf.  hervorhebt.  Er  zeigt  aber,  daß  das 
Prinzip  von  1900  bislang  keineswegs  yoUst&ndig  zur  Durchführung 
gelangt  ist  und  daß  dafür  zu  sorgen  wäre,  „daß  bei  der  ganzen 
Entwicklung,  die  bisher  von  philologischer  Seite  viel  mehr  aus- 
genützt wurde,  die  Mathematik,  zugleich  mit  den  arg  bedrängten 
Naturwissenschaften,  ihren  richtigen  Platz  erhält". 

Der  nächste  Abschnitt  ist  der  Darstellung  der  Lehrpläne 
für  die  drei  Oberklassen  der  höheren  Schulen  vom  Jahre  1901 
gewidmet.  Von  besonderem  Interesse  ist  der  in  diesem  Abschnitt 
enthaltene  Exkurs  über  die  Frage  der  Infinitesimalrechnung  im 
Sehullehrstoff.  Verf.  spricht  sich  zunächst  gegen  eine  Vermehrung 
des  mathematischen  Lehrstoffes  in  beredter  Weise  aus,  will  aber 
in  diesem  Abstrakteres  durch  leichter  Zugängliches  ersetzt  wissen. 
Er  tritt  für  das  funktionale  Denken  in  der  Mittelschule  ein  und 
ist  der  vollständig  berechtigten  Anschauung,  daß  eine  gründliche 
nnd  fruchtbare  Behandlung  des  Funktionsbegriffes  sowie  der 
Grundbegriffe  der  Mechanik  ganz  naturgemäß  die  Hereinnahme 
der  elementaren  Infinitesimalrechnung  in  den  Unterricht  der  höheren 
Schalen  involviert.  Es  handelt  sich  hierbei,  wie  Geheimrat  Klein 
sich  äußert,  um  eine  notwendig  zu  vollziehende  Ideenbildung,  die 
für  jeden  notwendig  erscheint,  der  als  modemer  Mensch  in  die 
Entwicklung  unseres  kulturellen  Lebens  mit  offenem  Geiste  ein- 
treten will.  Die  Elemente  der  Infinitesimalrechnung  sollen  nach 
Klein  völlig  organisch  in  den  übrigen  Lehrplan  eingearbeitet 
werden.  Als  vorbildlich  in  dieser  Frage  erkennt  der  Verf.  die 
höheren  französischen  Schulen. 

Auch  die  auf  die  Behandlung  der  Geometrie  bezugnehmenden 
Ausführungen  enthalten  sehr  viel  Bemerkenswertes:  Geheimrat 
Klein  wendet  sich  gegen  die  starke  Vorherrschaft  der  planimetri- 
sehen  Konstruktionsaufgaben  im  geometrischen  Lehrstoffe,  da  dies 
nur  „von  dem  Standpunkte  einer  einseitig  formalistischen  Ausbil- 
dung zu  rechtfertigen  wäre,  den  man  heute  unmöglich  gelten 
lassen  könne".  Ferner  ist  er  der  auch  dem  Ref.  wichtig  erschei- 
nenden Anschauung,  daß  sich  die  Lehre  von  den  Kegelschnitten 
bei  geschickter  Mischung  der  synthetischen  und  analytischen  Me- 
thode weit  ergiebiger  gestalten  läßt.  Die  sogenannte  „Anwendung 
der  Algebra  auf  die  Geometrie''  hält  der  Verf.  für  altmodisch;  die 
Verbindung  von  Arithmetik  und  Geometrie  gewinnt  erst  dann 
rechtes  Leben,  wenn  sie  in  der  Form  der  kartesischen  Koordinaten 
erscheint.  Femer  erscheint  es  dem  Verf.  wesentlich  zu  sein,  daß 
der  Gedanken  der  Veränderlichkeit  der  Figuren  in  der  Schule 
betont  werde  und  daß  durch  die  Betrachtung  der  Figuren  als  kon- 
tinuierlich variabler  Gebilde  die  Baumanschauung  geübt  werde. 
Bezüglich  der  darstellenden  Geometrie  ist  Klein  der  Ansicht,  daß 


800       Klein-Sehimmaekt  Vorträge  qsw  ,  ang.  t.  L  O.  WaüetUin. 

sie  an  den  höheren  Schulen  im  weiteren  Sinne  gelehrt  werden  soll, 
d.  h.  alle  die  Regeln  nnd  Vorschriften  za  geben  wären,  dorch  die 
sich  die  räumlichen  Gebilde  überhaupt  konstruktiT  beherrschen 
lassen  (die  Torschiedenen  Arten  Ton  Projektionen,  die  sogenannte 
Axonometrie  und  die  Konstruktion  räumlicher  Modelle). 

Der  sechste  Abschnitt  enthält  Beformvorschläge  fQr  die  Ober- 
klassen der  höheren  Schulen  nebst  Erörterung  über  die  allgemeinen 
Fragen  der  Schulreform.  Auf  Grund  der  im  rorangegangenen 
Abschnitte  aufgestellten  Ansichten  schlägt  der  Yerfl  für  den 
mathematischen  Unterricht  Reformen  Tor.  Diese  Beformvorschläge 
werden  nach  Genehmigung  des  preußischen  ünterrichtsministerinnis 
an  einer  Reihe  von  höheren  Schulen  (Gymnasien  in  Göttingen  nnd 
Hannov.  Münden,  Realgymnasium  zu  Düren  im  Rheinland,  Ober- 
realschulen zu  Kiel  und  Königsberg)  unter  weitgehender  Freiheit 
der  Lehrer,  wie  sich  Ref.  bei  seiner  im  Spätherbste  1906  unter- 
nommenen Studienreise  zu  überzeugen  Gelegenheit  hatte,  durch- 
geprobt. 

Unter  anderem  wird  in  diesem  Abschnitte  auch  der  Wich- 
tigkeit der  physikalischen  Schülerübungen  gedacht.  Von  Interesse 
ist  auch  das  Streben  des  Yerf.s,  das  normale  Hochschulstudium 
unbeschadet  seines  wissenschaftlichen  Charakters  abzukürzen.  Eine 
solche  Abkürzung  wäre  nach  seiner  Ansicht  möglich,  wenn  nun 
das  Prinzip  der  spezifischen  Allgemeinbildung  in  konsequenter 
Weise  zur  Durchführung  brächte.  Sehr  bemerkenswert  in  dieser 
Beziehung  ist  auch  der  für  unsere  österreichischen  Verhältnisse 
passende  Ausspruch  des  Yerts:  „Die  große  Mehrzahl  der  jungen 
Leute  kommt  kaum  früher  als  mit  dreißig  Jahren  in  feste  Stellung 
und  dann  pflegt  das  Beste  dahin  zu  sein:  Der  frische  Lebensmnt 
und  die  Kraft,  etwas  Eigenes  zu  gestalten,  sind  durch  die  lange 
Zeit  der  Unselbständigkeit  gelähmt —  oft  für  immer"*.  In  diesem 
Abschnitte  wird  auch  der  verschiedenen  bestehenden  Schultypen 
und  der  möglichen  Schultypen  gedacht.  Geheimrat  Klein  tdtt  fOr 
eine  Verminderung  der  Gymnasien  mit  Entschiedenheit  ein  nnd 
wendet  sich  —  namentlich  was  den  mathematischen  Unterricht 
betrifft  —  gegen  die  Reformanstalten,  in  denen  der  Schwerpunkt 
dieses  Unterrichtes  nach  unten  Torschoben  ist.  Das  bekannte 
Goethe-Gymnasium  in  Frankfurt  am  Main  wird  in  den  Kreis  der 
Betrachtungen  gezogen. 

Nun  wendet  sich  der  Verf.  im  siebenten  Abschnitte  nr 
Organisation  der  Hochschulen  mit  besonderer  Rücksichtnahme  aof 
den  Unterricht  in  der  reinen  und  angewandten  Mathematik.  Gani 
besonders  Terweilt  er  bei  den  großartigen  Einrichtungen  der  üni- 
yersität  Göttingen,  die  überall  im  Interesse  der  wissenschaftlichen 
Forschung  Nachahmung  finden  sollten  I 

Geheimrat  Klein  tritt  in  diesem  Abschnitte  auch  dafür  ein, 
daß  die  technischen  Hochschulen  bei  der  Ausbildung  von  Ileh^ 
amtskandidaten  mitwirken   sollten.     „Es  läge  gerade  im  Interesse 


J.  Jacob,  Lehrbuch  der  Arithmetik,  ang.  t.  J.  ÄrhtB.  801 

der  Umyer8itate&  selber,  einen  solchen  Wettstreit  zu  schaflfenl 
Denn  das  vermag  am  besten  eine  Erschlaffung  der  Arbeitskraft  n 
yerhindem,  die  ja  überall  die  größte  Gefahr  der  Entwicklung  ist**. 

In  einem  ersten  Anhang  wird  der  berühmte  Vortrag  des 
yerf.8,  gehalten  in  Breslau  gelegentlich  der  allgemeinen  Debatte 
über  den  mathematisch-naturwissenschaftlichen  Unterricht  an  den 
höheren  Schalen  am  22,  September  1904,  in  einem  zweiten  Anhange 
der  Meraner  Lehrplan  für  Mathematik  (aus  den  Yerhandlnngen 
der  Natnrforscheryersammlnng  1905),  in  einem  dritten  Anhange 
der  Aufsatz  „Probleme  des  mathematisch-physikalischen  Hochschul- 
unterrichtes"  (aus  dem  Jahresberichte  der  deutschen  Mathematiker), 
in  dem  auch  die  Aosbildung  der  Lehramtskandidaten  für  Mathe- 
matik und  Physik  zur  Sprache  gebracht  wird,  wieder  abgedruckt 

Wir  empfehlen  die  aufmerksame  Lektüre  des  yorliegenden 
Buches  allen  Fachgenossen  und  Didaktikem  auf  mathematischem 
Oebiete.  Die  in  diesem  berührten  Fragen  sind  auch  für  unsere 
österreichischen  YerhUtnisse  so  aktuell,  daß  bei  einer  Beform  des 
Lehrplanes  der  Mathematik  an  unseren  höheren  Schulen  dieses  Buch 
als  treuer  und  verläßlicher  Batgeber  herangezogen  werden  soll. 

Wien.  Dr.  L  G.  Wallentin. 


Dr.  Josef  Jacob,  Lehrbach  der  Arithmetik  für  Obergymnasien. 
Ausgabe  B.  Wien,  Frans  Dentieke  1907. 

Das  Torliegende  Lehrbuch  sucht  in  erster  Linie  dem  Mini- 
sterlal-Erlasse  Tom  28.  April  1907,  Z.  4748  gerecht  zu  werden. 
Dieser  Versuch  ist  als  erstes  derartiges  Unternehmen  jedenfalls 
recht  gut  gelungen. 

Der  Funktionsbegriif  wurde  gleich  nach  der  Subtraktion  im 
1.  Abschnitt  der  Lehre  Ton  den  Gleichungen  eingeführt  und  durch- 
zieht wie  ein  roter  Faden  das  Weitere.  Nach  dem  Beebnen  mit 
nnTollstftndigen    Zahlen     werden    die    Funktionen    y  =  =b  2ar, 

y^— y    y  =  ^  konstruiert;    es   werden  ferner  die  Funktionen 
y  =  kx,  y  =  -,  y  =  kx^,   y  =  ^,y=Lkaf,    y  =  ^     und 

y  z=  k.^  besprochen,   ohne  auf  geometrische  Eigenschaften  der 

Knrren  einzugeben,  und  somit  Beziehungen  zur  Begeldetri  gefunden. 
Die  Elemente  des  Differenzierens  und  Integrierens  werden  auf 
den  Seiten  128 — 186  in  ▼ortrefllieher  Weise  behandelt«  Zur  Sprache 
kommen  die  Diflerentialquotienten  von  «,  z^n  sin  d;,  coso^  Ix,  a, 
g>ix)  +  if{x)t  af(x)  und  auch  von  implicite  gegebenen  Funk- 
tionen. Die  Bedingungen  des  Minimums  und  Maximums  einer 
Funktion  sind  sehr  deutlich  und  Yollstftndig  angegeben.  An  Lehr- 
sätze Aber  unbestimmte  Integrale  schließt  sich  noch  das  bestimmte 
Integral  an. 

ZdtKkrifl  f.  4.  Attarr.  Gyma.  1908.  YIU.  v.  IX.  H«ft.  51 


802  J.  Jacob,  Lehrbuch  der  Aiitfametik,  ang.  t.  J.  ArheB, 

Der  abelrakte  Lehrstoff  enoheiBt  beim  Addieren,  Sabtrahier«, 
ValtipliziereD,  Dtridi^reD  vnd  Ba4i£iereo  sehr  sUit  aingeediTiakt. 
AasgelMiid  Ton  der  Existeni  der  Binheiten,  Vielbeitea  nod  Meagw 
wird  beim  Addieren  das  KommntatioDegewtz  aogefflbri;  btiai  Sab- 
trahieren  werden  die  entgegengeaeftetea  Zahlen  nad  ^m  Addiens 
vnd  Snbtrahieren  algebraiaeber,  bezw.  gkichnamigar  Zahlen  be- 
■oidara  gawikrdigt.  Das  MvltipiimreB  beschriakt  aidi  anf  zwei, 
das  Dmdterea  anf  drei  Lehrsitze,  an  welche  sich  bei  der  Broeh- 
lehre  andere  Sftize  anecbließen.  Die  DtTiaMn  eines  Poljnons  doreh 
ein  and^ree  wird  einfach  an  einem  Betspiel  gezei^  Das  Badi> 
zieren  wird  auf  das  Potenzieren  znrftekg^nhrt  (entopreehend  dem 
Artikel  von  Job.  Arbee  „Über  methodisches  Vergehen  beim  Badi* 
zieren'*,  Zts.  f.  d.  österr.  Gymn.  1906,  XII.  Heft,  8.  1064—67). 

In  den  Übongsbeispielen  komsMn  mannigfache  Anwendungen 
anf  das  praktische  Leben  vor;  andere  Gtogeistftnde  wie  Qeometrit 
nnd  Physik  werden  h&nfig  herangezogen. 

Es  ist  nnn  selbetverstindlich ,  daß  der  ganze  Inhalt  dei 
Bncbes  nioht  jedermanns  Oeschmaek  TOllig  entsprechen  kten.  Wie 
ich  z.  B.  das  „Snbtrahieren*  erledigt  wissen  will,  ist  in  der  Zts. 
f.  d.  österr.  Qymn.  1907,  IV.  Heft,  S.  859—68  niedergelegt.  Die 
Operationen  der  1.  und  2.  Stufe  sind  fiberhaupt  solche  Kapitel, 
welche  sich  Jeder  Lehrer  besonders  zurechtzulegen  pflegt  Hllt 
man  sich  streng  an  die  Übnngsbeispiele  des  VerLs,  so  kann  mai 
mit  den  vorgeführten  LebrsUzen  das  Auslangen  finden :  in  anderen 
F&llen  hat  man  Fehlendes  zu  ergänzen.  Spezielle  M&ngel  wireo 
etwa  folgende: 

Bei  der  Subtraktion  sollte  erst  rem  ^entgegengesetzten 
Werte**  des  Polynoms  gesprochen  werden,  beror  man  zur  Subtrak- 
tion desselben  schritt.  Unnötig  erscheinen  mir  §  14  und  g  98. 
Die  Paragraphe  21  c,  1  und  auch  24  und  42  könnten  mindestens 
teilweise  anders  stilisiert  werden.  Das  Beebnen  mit  unvoUsi&n- 
digen  Dezimalzahlen  fiel  zn  kurz  aus.  Der  Satz  über  fortlaufende 
Proportionen  h&tte  allgemeiner  gefaßt  werden  können.  Mehr  be- 
langlos dagegen  ist  die  Zerreißung  der  Lehre  Ton  den  Gleichungen 
in   drei  Abschnitte,    da    man   die  Teile   beliebig   aneinanderreihen 

1 
kann;  ebenso  die  Schreibweise  von  V^a  „in  der  Form"  e* 
(vgl.  §  84). 

Anderseits  verdient  außo-  früher  Erw&hntem  noch  manehee 
andere  lobend  hervorgehoben  zu  werden,  wie  der  Lehrsatz  (S  26,  h) 
über  einen  speziellen  Divisionsrest,  die  mnstergiltigen  Beispiele 
über  Oleichnngen  (§  127),  das  Kennzeichen  der  Konvergenz  (|  187)» 
die  Beachtung  von  Gleichungen  sofort  nach  den  Operalionen  der 
ersten  Stufe,  die  markante  Hervorhebung  des  Grenzwertes  eoei 
periodischen  Dezimalbraches  und  hanptsichlich  dis  An^abensamsi* 
lang 9  in  welcher  Aufgaben  nach  Paragraphen  geordnet  aind  wii 
gruppenweise  nach  einem  einheitlichen  Oedanken  gelöst  werden  ktaaea. 


Whetham-Süibert,  Die  Theerie  qsw.,  ang.  t.  J.  O,  WBUentin,    803 

Das  Torliegende  Bnch  bedeutet  eeoaeh  einen  Fortediritt  in 
^er  Bnwicklang  der  arithmetiscben  Lekrbfieher  de«  ObergyAnasHuM, 
«8  steht  am  Beginn  einer  Epoche  des  mathematischen  Dnterrlehtes, 
weldM  sieh  schwungvoll  anl&ßl  nnd  itt  richtiger  WArdignng  wohl 
weitere  erfe)<greiohe  Wellen  ziehen  wiri. 

Prag-Smichow.  Joh.  Arbes. 


Die  Theorie  der  Experimental-Elelctrizit&t  von  W.  C.  D.  Whe- 
tham,  Prefessor  an  der  UntTenität  Cambridge.  Ans  dem  Bngliseben 
ftbersetit  Ten  Prof.  G.  Siebert.  Mit  IfS  Abbildangen  im  Teit. 
Leipiig»  J.  A.  Barth  1907.  Preis  geb.  Mk.  8*80. 

Die  nenen  Forachnngen  anf  dem  Gebiete  der  SlektriEitäts* 
lehre,  namentlich  jene,  die  sich  anf  die  Erscheinnngeii  der  Elektro- 
lyse, der  Leitung  dnrch  Gase  und  der  Radioaktivit&t  beziehen, 
Forschnngen,  welche  in  den  bisherigen  Lehrbflchem,  snnal  was 
4lie  Untersnchnngsmethoden  betriilt,  noch  allzn  wenig  verarbeitet 
fiind,  haben  den  Verf.  veranlaßt,  das  vorlieigeiide  Bnch  zo  edieren. 
In  demselben  ist  keineswegs  eine  vollständige  Darstellung  der 
Elektrizitätslehre  gegeben;  der  Leser  soll  dnrch  das  Stadium  des 
vorliegenden  Bnches  mit  der  Hauptsache  der  Forschung  vertraut 
gemacht  werden  nnd  keine  Ermfldnng  durch  det-ailiierte  Erörterungen 
erfahren.  Der  Hauptzweck  des  Buches  ist  eine  gründliche  nnd 
klare  Kenntnis  jener  physikalischen  Lehren  zu  lermitteln,  welche 
zum  Yeretändnis  der  neueren  Teile  der  Elektrizitätslekre  eiforder- 
lich  sind. 

Nach  grflndlicher  Erörterung  der  allgemeinen  Prinzipien  der 
Elektrostatik  werden  die  wesentlichsten  Theoreme  derselben  dedu- 
ziert, wobei  namentlich  vom  Gaussschen  Satze  ausgiebiger  Gebrauch 
gemacht  wird.  Dabei  wird  des  wichtigsten  Instrumentes  der  Slektro- 
Biatik,  des  Qnadrantenelektrometers,  gedacht  nnd  deesen  Theorie 
in  elementarer  Weise  vorgetragen.  Die  Bedeutnng  des  dielektrischen 
Medinras,  besonders  die  Energieverhältnisse  in  diesem  werden  nach 
den  Maxwellschen  Anschannngen  dargelegt. 

Nach  einem  kurzen  Abrisse  Aber  die  wichtigsten  Brschei- 
nangen  des  Magnetismus,  einer  Eriäutemng  des  Begriflbs  »mäg- 
Detischee  Potential"  wendet  sich  der  Verf.  zum  Studinm  der 
hydroelektrischen  und  thermoelektrischen  Ströme.  In  dem  darauf- 
folgenden Abschnitte,  der  von  der  elektromagnetischen  Induktion 
handelt,  werden  mehrfach  mechanische  Analogien  herangezogen, 
4ie  dem  Verständnisse  der  Vorgänge  im  elektrischen  ladaktiens- 
atrome  Vorschub  zu  leisten  geeignet  ersehenen. 

In  den  nachstehenden  Entwicklungen,  die  wir  im  Buche 
finden,  werden  die  elektrischen  Einheiten  sehr  eingehend  besprochen 
und  erörtert,  wie  die  Bestimmung  der  Stromstärke,  dee  Wider- 
ataadtB  und  der  elektromotorischen  Kraft  in  abs<^atem  Maße  zu 

51* 


804  LorentZ'SUbert,  Lehibach  der  Phyiik»  ang.  t.  J.  G.  WtüUntm. 

erfolgen  hat.  Gelegentlich  der  Besprechong  der  Yersnche  ftber 
elektromagnetische  Wellen  geht  Verf.  auch  auf  die  drahtlose  Tele- 
graphie  ein. 

Ganz  besonders  trefflich  aasgearbeitet  erscheinen  dem  Bef. 
die  drei  letzten  Abschnitte  des  Baches,  in  denen  die  elektrolytischeD 
Erscheinongen,  die  Leitang  der  Elektrizität  dnrch  Gase  ond  die 
Phänomene  der  Badioaktivität  znr  Sprache  gelangen.  Daß  hiebei 
speziell  anf  die  Beschreibung  der  Natar  der  Jonen  eingegangen 
wird,  ist  selbstredend.  Die  Erscheinangen  der  elektrolytischen 
Leitang  dnrch  Flflssigkeiten  und  der  nichtelekirischen  Leitang 
dnrch  metallische  Substanzen  werden  durch  die  Eorpaskulartheorie 
erklärt.  Während  die  Jonentheorie  der  Elektrolyse  den  Magnetisrnns 
erklärt,  durch  den  das  Gleiten  der  Enden  der  KraftrGhren  in 
leitenden  Fl&ssigkeiten  vor  sich  geht,  gibt  die  Korpuskulartheorie 
klare  Einsicht  in  die  Natur  des  Vorganges  in  metallischen  Strom- 
kreisen. Der  Verf.  gibt  insofern  ein  anschauliches  Bild  von  diesem 
Vorgange,  wenn  er  sagt:  „Die  Röhren,  welche  mit  ihren  Enden 
in  Elektrolyten  an  ein  Jon  oder  in  Metallen  an  eine  Korpuskel 
verankert  sind,  schleppen  ihre  Anker  mit  sich.  Das  Gleiten  der 
Anker  ist  es,  was  den  Strom  bildet,  und  die  durch  den  Strom 
entwickelte  Wärme  muß  durch  den  reibungsartigen  Widerstand 
erklärt  werden,  der  sich  dem  Schleppen  des  Ankers  oder  einem 
anderen,  noch  nicht  aufgeklärten  Vorgang  der  Energiezerstreaong» 
etwa  interkorpuskularer  Strahlung,  entgegensetzt**. 

Nach  dem  Vorgange  von  Butherford  und  Soddy  wird  die 
Energie  der  Eadioaktivität  auf  das  Zerfallen  der  radioaktiven  Atome 
zurückgeführt.  Die  bisherigen  Versuche  werden  vom  Verf.  in  sehr 
ansprechender  Weise  im  Sinne  dieser  Theorie  zusammengefaßt. 

Zum  Schlüsse  seiner  Betrachtungen  bespricht  der  Verf.  noch 
das  Verhältnis  von  Elektrizität  und  Materie  und  lehnt  sich  hiebei 
an  die  Theorie  von  Lorentz  und  Larmor,  nach  welcher  das  Atom 
aus  einer  Anzahl  von  Elektrizitätseinheiten,  sogenannten  Elektronen, 
besteht,  die  sich  mit  großer  Geschwindigkeit  in  geschlossenen 
Bahnen  bewegen.  Nach  der  Elektronentheorie  ist  die  Materie  eine 
Manifestation  der  Elektrizität  und  die  Masse  eines  Körpers  mnß 
als  elektrische  Trägheit  erklärbar  sein.  Experimente,  welche  von 
Kaufmann  angestellt  wurden,  bestätigen  wohl  die  Theorie,  daß  Masse 
eine  elektrische  Erscheinung  oder  eine  Erscheinung  im  Äther  ist 

Das  Buch  bietet  sehr  viele  geistvolle  Anregungen  und  ver- 
dient vollste  Beachtung  seitens  der  Physiker. 

Lehrbuch  der  Physik.  Znm  Gebrauche  bei  akademischen  VoriesuM» 
fon  H.  A.  Lorenti,  Professor  an  der  Uoivertität  Leiden.  Ans  des 
Holländisehen  übertetit  von  G.  Sieb  er  t  IL  Band.  Mit  257  Abbil- 
dnngen.   Leipzig,  J.  A.  Barth  1907.   Preis  11  Mk. 

Bef.  war  gelegentlich  der  Besprechung  des  I.  Bandes  des 
Lehrbuches  der  Physik  von  H.  A.  Lorentz  in  der  Lage,  denselben 


LorenU' Sichert,  Lehrbuch  der  Physik,  ang.  ?.  J.  G.  Wallentin,  805 

als  ein  Master  yon  außerordentlicher  Klarheit  und  Einfachheit 
hinzasteilen  und  dessen  hervorragende  Bedentang  ffir  das  Stadium 
der  Physik  auf  moderner  Grandlage  hervorzuheben.  Der  vorliegende 
II.  Band  steht  —  was  Gründlichkeit,  Wissenschaftlichkeit  und 
Klarheit  der  Darstellung  betrifft  —  dem  I.  Bande  nicht  nach,  er 
ftberholt  ihn  sogar  in  mehrfacher  Hinsicht. 

Zuerst  werden  die  Grundlehren  der  schwingenden  Körper 
behandelt;  dann  wendet  sich  der  Verf.  zur  Erörterung  der  Fort- 
pflanzung von  Schwingungen  und  bespricht  namentlich  in  ein- 
gehender Weise  den  Zusammenhang  zwischen  den  stehenden  und 
fortschreitenden  Wellen  und  den  Folgerungen,  die  aus  demselben 
zu  ziehen  sind. 

Die  weiteren  Abschnitte  enthalten  die  Lehre  von  der  Reflexion 
und  Brechung  des  Lichtes.  Sehr  gelungen  ist  die  einheitliche  Be- 
handlung der  Theorie  der  Kugelspiegel  und  der  Linsen.  Es  wird 
anch  die  allgemeine  Theorie  optischer  Systeme  zur  Sprache  ge- 
bracht. Sehr  genau  wird  auf  die  Bestimmung  der  Vergrößerung 
bei  optischen  Instrumenten  und  auf  die  mit  diesen  vorzunehmenden 
Messungen  eingegangen. 

Ebenso  ist  der  Abschnitt  Aber  die  Betrachtung  der  Licht- 
stärke der  Bilder  bei  optischen  Instrumenten  sehr  bemerkenswert. 

Der  folgende  Abschnitt,  der  mit  „Natur  des  Lichtes **  betitelt 
ist,  handelt  zun&chst  von  den  Methoden  zur  Bestimmung  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit des  Lichtes,  dann  von  den  Interferenz- 
Bengungserscheinungen  des  Lichtes,  von  der  Natur  und  den  Eigen- 
schaften der  einzelnen  Strahlengattungen,  von  der  Bedeutung  des 
Hnygenschen  Prinzipes  zur  Erklärung  der  Lichterscheinungen.  Die 
Diffraktion  in  optischen  Instrumenten,  die  in  den  Lehrbflchern 
entweder  nicht  oder  nicht  mit  der  genügenden  Schärfe  und  Klar- 
heit auseinander  gesetzt  wird,  bringt  der  Verf.  in  sehr  lichtvoller 
Weise  zur  Spi*ache. 

Die  Polarisation  und  Doppelbrechung  des  Lichtes  wird  in 
einfacher  Weise  mit  Vermeidung  des  Kalküls  behandelt. 

Der  weitaus  größte  Teil  des  Buches  ist  der  Darstellung  der 
magnetischen  und  elektrischen  Erscheinungen  und  deren  Theorie 
gewidmet.  In  der  Elektrostatik  wird  von  vornherein  die  Bedeutung 
des  Mediums,  das  die  Umgebung  und  den  Zwischenraum  der  auf- 
einander wirkenden  KGrper  erfQllt,  in  Erwägung  gezogen.  Es  werden 
die  Grundzflge  der  Faraday-Maxwellschen  Theorie  ohne  Künstelei 
▼erwertet  und  dies  erhöht  den  Wert  dieses  Abschnittes  wesentlich. 
Dabei  werden  fortwährend  mechanische  Analogien  herangezogen, 
am  die  elektrostatischen  Erscheinungen  zu  erklären. 

In  dieser  Beziehung  erscheinen  dem  Bef.  besonders  jene 
Erörterungen  bemerkenswert,  die  sich  auf  den  Flüssigkeitskonden- 
sator beziehen.  In  kurzer  Weise  wird  schon  in  diesem  Abschnitte 
das  Wesentliche  der  Elektronentbeorie  auseinander  gesetzt.  Gezeigt 
wird,   daß  die  Grundidee  der  Theorie  von  Maxwell  in  der  Elek- 


8M  Lormti-aiehert,  L«hrbaeh  der  Pbytik,  tag.  ▼.  J.  G.  Waümim. 

tronentheorie  erlialteB  gehliebM  ist.  In  sehr  pr&ziser  Pona  sind 
die  Erseheintingeii  der  Poteatialdifferenz  bei  der  Berfihrong  y«ii 
zwei  Metollen  auseinander  gesetzt.  Die  Eigenschaften  magnetiseher 
Felder  sind  sorgftltig  erörtert  worden;  die  Theorie  der  TeDi  gal- 
vanischen Strome  dnrohflossenen  Drahtspnlen  ist  genan  dargestsUi. 

Die  Erscheinungen  der  Elektrolyse  sind  unter  Zugnmde- 
leguni^  der  modernsten  Ansefaaanngen  zur  Darstellung  gelangt; 
auch  die  elektrolytische  Dissoziation ,  die  Bewegung  der  Jonen, 
die  Theorie  der  Eonzentrationsstrtae  hat  der  Verf.  in  den  Kreis 
seiner  Erwägungea  g^ogen. 

Theoretisches  Interesse  hat  der  Abschnitt^  der  von  den  Wir- 
kungen des  magnetischen  Feldes  handelt;  besonders  sind  es  die 
Srscheiungen  der  Magnetoindnktion,  die  in  geradezu  mustergiltiger 
Weise  besproK^en  wurden.  Mit  großer  mathematischer  Slegani  hat 
dier  Verf.  die  ^allgemeine  Theorie  der  Wirkung  zweier  Stromleiter 
betrachte!  Km  ist  die  Lehre  von  den  Dynamomaschinen  erörtirt 
worden. 

In  dem  Abschnitte  Ober  elektrische  Schwingungen  und  Aber 
die  Fortpflanzung  von  elektromagnetischen  Gleichgewichtsstönmgen 
hat  der  Yeif.  wM  die  meisten  der  Forschungen  von  Hertz  und 
Maxwell  und  deren  Nachfolger  auf  diesem  Gebiete  berücksicktigt. 

Dankenewert  sind  auch  die  Ausf&hrungen»  welche  sich  aaf 
die  Ersdieinungen  beliehen,  die  durch  die  Elektronentbeorie  erklärt 
werden  köimen.'  Es  bot  sich  hier  Gelegenheit,  die  Natur  der  elek* 
trischen  Strahlen,  namentlich  die  radioaktiven  Strahlen  genauer  zo 
stndieren. 

Den  Schluß  des  Buches  bilden  eine  Beihe  von  inatrnktiTen 
Bechenaufgaben  sowie  einige  Tabellen  (Dichte  von  Körpern,  Ka- 
stisitätskQefßzient  und  Tragfähigkeit,  Längenausdehnungdcoeffi* 
zienten,  kubische  Ausdehnungskoeffizienten,  Volumen  Ten  emem 
Gramm  Wasser  in  Kubikzentimentem,  Schmelzpunkte,  Siedepunkte, 
Spannung  des  gesättigten  Wasseidampfes,  spezifische  Wärme, 
Brechungsexponent  fQr  yerschiedene  Frauenhofersche  Linien, 
Wellenlftnge  in  Luft  und  Drehung  der  Polarisationsebene  in  einer 
Quarzplatte  von  1  ifiM  Dicke,  Brechungsexponent  fflr  Natrinmlicht, 
spezifischer  Widerstand,  Dielektrizitätskonstante,  magnetische  Per- 
meabilität). 

Zusammenfassend  können  wirf  das  Lehrbuch  der  Physik  tob 
Lorentz  als  eine  sehr  beachtenswerte  literarische  Erscheinung  be* 
zeichnen.  Es  kann  dieses  Buch  sowohl  was  Auswahl  des  LehrstoSi» 
als  auch  GrQndlichkeit  und  Wissenschafblichkeit  der  Behandlung, 
Klarheit  und  Präzision  der  Darstellung  betrifft,  geradezu  Torbiki- 
lich  fQr  jene  Lehrbflcher  der  Physik  werden,  welche  beim  ersten 
akademischen  Studium  mit  Vorteil  herangezogen  werden. 

Die  Obersetzung  ist  eine  gute  und  fiiefiende  und  dflrfte  aoch 
den  Intentionen  des  Verf.s  gerecht  werden. 

Wien.  Dr.  1.  G.  Wallentia. 


Buikerford'Levin,  Badioaktiv«  ümwuldkiigeiii  %üg.  t.  N.  MenL  90>7 
BadioakUve  ümwandluiiiKen  voa  £.  Ratherford,    ftbeuatgi 

von  M.  LeTin.   „Die  Wiesensehaft'*,    Heft  21.    Geheftet  8  Mk.»   in 
Leinwand  geb.  8  Mk.  60  Pf. 

Wie  im  Anfange  des  Torigen  Jahrhunderts  die  Elektrolyse 
und  50  Jahre  später  die  Spektralanalyse  znr  Kenntnis  nentr  Ele- 
mente geführt  hat|  so  bat  seit  etwa  10  Jahren  die  Badioaktivität 
nene  Körper  kennen  gelehrt.  Ob  man  hierbei  an  »»Elemente^  in 
froherem  Sinne  zo  denken  hat»  bleibt  nach  den  gegenwärtigen 
Aaschaanngen  fraglich;  denn  durch  die  Ansaendung  ron  .a- 
Partikelchen'S  welche  das  Helium  bilden,  entstehen  immer  neue 
Körper:  »Zerfallsprodukte''.  Und  wenn  eine  „Umwandlung  der 
Atome''  stattfindet,  so  muß  man  sich  selbstferstandiicb  tou  der 
älteren  Anschauung  von  der  Konstanz  der  Atome  völlig  frei 
machen.  Es  ist  daher  doch  etwas  gewagt,  wem  der  Verf.  (pag. 
256)  behauptet:  ,»Die  £adioakti?itftt  stfitzt  die  altere  Atom- 
theorie",  trotzdem  er  an  derselben  Stelle  sagt:  ^Dm  Atom  ist 
keine  Einheit,  sondern  ein  komplexes  System". 

Die  zahlreichen  und  ausgedehnten  Untersuchungen  Aber 
radioaktive  Substanzen  sind  nun  in  dem  Yorliegenden  Werke  zu 
einem  übersichtlichen  und  dem  Studium  förderliehen  Gesamtbilde 
zusammengestellt. 

Nachdem  im  ersten  Kapitel  ein  geschichtlicher  Überblick  ge- 
geben und  die  Messungsmethoden  durch  klare,  schematische  Zeieh- 
nnngen  erl&utert,  auseinandergesetzt  wurden»  werden  im  zweiten 
Kapitel  die  Umwandlungen  des  Thorium  und  im  dritten  Kapitel 
die  etwas  komplizierten  Vorgänge  beim  Badium  dargelegt  Die 
schnell  zerfallenden  Umwandlungsprodukte  des  Badium  werden  im 
vierten  Kapitel,  die  darauffolgenden  langsameren  Umwandlungen 
im  fünften  Kapitel  besprochen,  wobei  auch  anf  die  wahrscheinliche 
Identität  von  Polonium  und  Badiotellnr  mit  Badium-F  und  des 
Badioblei  mit  Badium-D  hingewiesen  wird. 

Den  Umwandlungsprodukten  des  Uranium  und  Aktinium  ist 
das  siebente  Kapitel  gewidmet,  nachdem  im  sechsten  Kapitel  der 
„Ursprung  und  die  Lebensdauer  des  Badiums"  besprochen  wurde. 
Im  achten  Kapitel  wird  dann  die  Emanation  n&her  betrachtet  und 
ihre  Identität  mit  Helium  nachgewiesen;  über  die  Eigenschaften 
der  a -Strahlen   wird  jedoch  erst  im  zehnten  Kapitel   gesprochen. 

Im  achten  Kapitel  wird  auch  die  Möglichkeit  der  Entstehung 
des  Badiums  aus  Uranium  erörtert;  diese  Hypothese  scheint  aber 
bis  jetzt  kaum  genflgend  gestützt;  wenn  auch  dem  Atomgewichte 
nach  sehr  nahe 

ür  —  3He  t=z  Ra;  Ba  —  5Ee  =  Fb;  Th  —  6He  =  Bi 
ist,  so  scheinen  auch  die  experimentallen  Besultate  diesen   Schluß 
nicht  zu  bestätigen. 

Von  großem  Interesse  sind  die  Zusammenstellungen  über  die 
Aktivität  der  Erde  im  neunten  Kapitel  und  die  Ausblicke,  welche 
sich  über  die  neuen  physikalischen  Anschauungen  unter  dem  Ein- 


808  Buiherfard-Levinf  Radioaktive  ümwaBdloogen,  ang.  v.  N.  Hen, 

floBie  der  Fonchnngen  Aber  die  Badioaktivit&t  eröffnen,  denen  das 
elfte  Kapitel  gewidmet  ist. 

Znm  besseren  Verständnis  der  radioaktiven  Umwandlungen 
möge  das  folgende  Gleicbnis  dienen: 

Ein  geladener  Akkumulator  entb&lt  an  der  einen  Bleiplatte 
I  Bleisnperoxyd;  an  der  anderen  Seite  die  Bleiplatte  II  mit  okkln- 
diertem  Wasserstoff  (H).  Wenn  der  Akknmnlator  geladen  ist,  aber 
nicbt  verwendet  wird,  so  wird  er  dennocb  seine  Ladung  nach  nnd 
nach  verlieren,  wobei  selbstverständlich  der  okklndierte  H  ab- 
gegeben wird. 

Wftrde  die  Bleiplatte  H  herausgenommen  und  einem  empfind- 
lichen, geladenen  Elektroskop  gegenübergestellt,  so  würde  dieses 
seine  Ladung  verlieren.  Der  frei  werdende  H  wird  sich  als  Blei- 
emanation in  der  Umgebung  abscheiden,  und  wenn  er  noch  Blei- 
teilcben,  die  selbst  noch  H,  aber  in  geringerer  Menge  okklndiert 
enthalten  können,  mitreißt,  so  werden  diese  Teilchen  als  Blei-A 
in  der  Umgebung  niedergeschlagen  und  einen  ebenfalls  noeh 
aktiven  Niederschlag  geben,  der  bei  der  weiteren  Abgabe  eines 
H-Atoms  sich  in  eine  dritte  Modifikation  Blei-B  verwandeln  wird. 
Blei-A  und  Blei-B  können  den  in  ihnen  enthaltenen  H  verschieden 
stark  festhalten,  sie  können  verschieden  aktiv  sein,  d.  h.  ver- 
schieden stark  auf  ein  Elektroskop  wirken  ....  nehmen  wir  an, 
daß  die  Aktivität  bei  der  Abgabe  des  H  nach  einem  logarith- 
mischen Qesetze  stattfindet,  was  wahrscheinlich  der  Fall  sein  wird, 
wenn  die  Abgabe  des  H  immer  denselben  Bruchteil  des  noch  darin 
enthaltenen  H  beträgt,  so  haben  wir  einen  ganz  ähnlichen  Prozeß, 
wie  er  bei  den  radioaktiven  Umwandlungen  stattfindet. 

Denn  in  genau  derselben  Weise  spielen  sich  die  Vorgänge 
bei  den  radioaktiven  Substanzen  ab;  die  weggeschleuderten  a-Psr- 
tikel  sind  Helium.  Denkt  man  sich  daher,  daß  Helium  in  den 
radioaktiven  Substanzen  okklndiert  ist,  und  die  einzelnen  Umwssd- 
lungen  durch  sukzessive  Abgabe  von  Helium  entstehen,  so  wäre  die 
Analogie  vollkommen;  ein  Unterschied  allerdings  liegt  darin,  dafi 
bei  den  radioaktiven  Substanzen  auch  die  Verbindungen  (Badinn- 
bromid  etc.)  Helium  abgeben,  also  enthalten  müßten,  und  femer, 
daß  in  dem  hier  angeführten  Beispiele  der  aktive  Bleiniederscbla; 
bei  der  Lösung  in  Säuren  den  okkludierten  H  sofort  abgeben  und 
dann  seine  Aktivität  verlieren  würde.  Möglich  aber  wäre  andi, 
daß  beim  Lösen  und  Eindampfen  das  resultierende  Blei  seinen  H 
nicht  verlieren  wird,  wenn  nämlich  das  Lösen  mehr  ein  Abspnleo 
des  Niederschlages  von  den  Gegenständen,  an  denen  er  sich  ^ 
gesetzt  hatte,  wäre.  Es  wäre  gar  nicht  uninteressant,  Versuche 
dieser  Art  anzustellen,  wobei  man  jedoch  zu  beachten  hätte,  difi 
die  Akkumulatoren-Emanation  (H)  Knallgas  gibt*). 


^)  Eine  Veriuchareihe,  welche  ich  im  Mai  1908  anstellte,  er;»b  ii 
der  Tat  eine,  allerdinga  außerordentlich  geringe,  aber  oniweifelhaft  k<m- 


Butherford-Lenin,  RftdioaktiTe  ümwandlimgeD,  ang.  t.  N,  Herz,  809 

Aber  es  liegt  fast  nfther,  den  wirkliehen  Vorgang  nach  dieser 
Analogie  zn  denten,  als  dabei  auf  die  besonderen  Eigentümlichkeiten 
der  mit  Lichtgeschwindigkeit  weggeschlenderten  Elektronen  znrück- 
zngreifen«  Man  kann  allerdings  aach  Elektrizität  sowie  Licht  nach 
der  älteren  Hypothese  als  weggeschlenderte  Partikelchen  ansehen. 
Der  Physiker  wird  gar  nichts  gegen  diese  Hypothese  haben,  welche 
ja  schon  fftr  das  Licht  von  Newton  gemacht  wurde  nnd  auch  bei- 
behalten worden  w&re,  wenn  nicht  gewisse  Tersnche  dieselbe  als 
unhaltbar  gezeigt  hätten. 

Am  unsichersten  scheint,  wie  schon  erwähnt,  die  Hypothese 
des  Überganges  von  Uraninm  in  Badinm,  nnd  dieses  in  Blei.  Es 
ist  offenbar  nur  ein  Notbehelf,  nm  das  Alter  der  Umwandlungen 
mit  den  geologischen  Epochen  in  Einklang  zn  bringen.  Aber  anch 
das  Entstehen  der  mit  Helinm  geladenen  Atomkompleze  in  der 
Erde  ließe  sich  ganz  einfach  erklären,  dnrch  die  Ladnng  der  Erde 
mittels  der  beständig  in  dieselbe  eingeleiteten  Elektrizitäten  oder 
mittels  der  der  atmosphärischen  entgegengesetzten  Elektrizitäten. 
Dann  besteht  der  Prozeß  in  einem  fortwährenden  Laden  der 
radioaktiven  Substanzen  in  der  Erde  nnd  Entladen  derselben  außer- 
halb dieser;  nnd  der  Ursprung  der  Radioaktivität  ist  etwa  derselbe 
wie  der  Ursprung  der  Aktivität  der  geladenen  Bleiplatten  des 
Akkumulators.  Es  ist  auch  die  Hypothese,  daß  das  Badium  sich 
aus  Uraninm  bildet  (pag.  190)  etwa  mit  der  Hypothese  zu  ver- 
gleichen^ daß  das  Leben  auf  der  Erde  von  einem  Meteor  oder 
einem  anderen  Himmelskörper  auf  die  Erde  kam :  sie  löst  die  Frage 
der  Entstehung  nicht,  sondern  verschiebt  sie  nur. 

Das  vorhandene  freie  Helium  liefert  auch  durchaus  keinen 
Beweis;  es  kann  ja  vielleicht  abgesondert  worden  sein;  ebenso 
wahrscheinlich  aber  ist,  daß  es  noch  nicht  okkludiert  wurde. 

Wenn  tatsächlich  durch  Okklusion  des  Helium  in  den  Atomen 
gewisser  Elemente  neue  Elemente  entstehen  würden,  die  sich 
chemisch  als  Elemente  verhalten  und  nur  durch  „Zerfall  der 
Atome**  in  einander  fibergehen  worden,  wodurch  sich  das  periodische 
System  der  Elemente  erklären  ließe,  dann  allerdings  wäre  das 
„Atom"  nicht  mehr  als  eine  Einheit,  oder  doch  nur  als  eine 
„ehemische  Einheit**  aufzufassen,  wie  das  Molekfil  als  eine  „physi- 
kalische Einheit**  und  dann  müßte  man  von  kleineren  Elementar- 
teilen sprechen,   bei  denen  das  Helium,   als  Emanation  auftretend, 


siatierbare  Radioaktivität  der  Wassentoffplatte.  Die  YereuchBaoordDUog 
war  die  von  J.  J.  Thomson  beschriebene:  Die  Nadel  eines  Qnadranten- 
elektrometers  wurde  durch  eine  Zamboniscbe  Säule  auf  konstantes 
Potential  geladen;  das  nicht  geerdete  Qaadrantenpaar  war  mittels  einer 
Batterie  ebenfalls  aof  konstantem  kleinem  Potential  geladen;  die  Wasser- 
atoffplatte  des  Akkomolaton  bewirkte  eine  Veränderung  des  Ausschlages 
der  Nadel,  der  1— 2>^  dei  uriprAnglichen  Ausschlages  betrug  (Abstand 
des  Ablesefernrohrs  mit  Skala  vom  Qaadrantenelektrometer  2*5  m;  Aus- 
schlag infolge  der  Ladung  der  Nadel  200—220  mm ;  Vermindernng  des 
Aassehlages  durch  die  Akknmnlatorplatte  2—5  mm). 


810  M.  Ebeling,  Lohrbaeh  d«r  Chtmie  and  Minendogie»  ang.  ▼.  J.  A.  Kaü, 

eine  dominierende  Bolle  Spieles  wflrde.  Der  TerL  hat  Ten  Staod- 
pnokte  der  Badioaktif  itftt  nnd  der  ElektroneDtheorie  ans  diese  Kon- 
sequenzen bis  znr  äofiersten  Grenze  Terfolgt,  nnd  in  klarer  nnd 
faßlicher  Welse  dargestellt,  nnd  sich  dadurch  jedenfalls  nm  die 
Vertiefnng  nndiTerbreitnng  des  Stndinms  dieses  intereeeanten  Teiles 
der  Naturwissenschaft  ein  großes  Yerdieset  erworben. 

Wien.  N.  Herz. 


Dr.  Max  Ebeling,  Lehrbuch  der  Chemie  und  Mineralogie. 
Fflr  höhere  Lehranitalten.  Zweiter  Teil:  «Organische  Chemie".  Mit 
63  Abbildungen  und  einer  farbigen  Tafel.  Berlin,  Weidmannecbe  Becb- 
bandlnng  1906.  80S  S8.  go.  Preis  2  Hk.  80  Pf. 

Im  Jahre  1902  hat  der  Verf.  im  Vorwort  zum  ersten  Teile 
versprochen:  „Aasgewählte  Abschnitte  der  organischea  Chesie 
werden  als  2.  Teil  dieses  Lehrbuches  rechtzeitig  erscheinen.*'  BeL 
hat  dem  Erscheinen  dieses  zweiten  Teiles  mit  Sehnsucht  entgegen- 
gesehen; nach  drei  Jahren  ist  derselbe  endlich  erschienen!  Der 
Yorf.  hat  auch  in  diesem  organischen  Teile  »die  Technik  ausfuhr* 
lieber  berflcksichtigt  als  dies  sonst  in  den  für  Schalen  beetimiatea 
Lehrbüchern  üblich  ist". 

Darin  ist  nun  der  Terf.  nach  des  Bef.  Meinung  wohl  etwas 
zu  weit  gegangen;  so  kann,  um  nur  ein  Beispiel  zu  geben,  das 
Ober  Alkoholindostrie  Gebotene  an  einer  Bealschule  absolut  nicht 
mit  Erfolg  durchgearbeitet  werden. 

Die  Ausstattung  des  Büchleins  ist  wieder  eine  ansgeseidi- 
nete,  sowohl  was  Papier  nnd  Druck,  als  auch  was  Abbildongea 
—  63  an  der  Zahl  —  anbehingt. 

Dem  historischen  Momente  wird  aUerorts  gebührend  Beg- 
ann g  getragen,  epochemachende  Erfindungen  werden  auch  seitüeh 
genügend  gewürdigt:  man  lese  z.  B.  Liebigs  Methode  der  Analjse 
organischer  Körper  nachl 

Die  theoretischen  Erörterungen  werden  in  überaus  Uarer 
Weise  vorgetragen,  sind  aber  auf  ein  Minimum  beschränkt;  sehr 
bald  wird  mit  der  Betrachtung  des  Tatsachenmaterials  begonnen, 
wobei  auch  sofort  kleine  Versuche  angestellt  werden. 

Bei  jeder  Gruppenverbindung  werden  eingangs  des  betreffen- 
den Abschnittes  die  wichtigsten  Eonstanten  der  Glieder  diesar 
Gruppe  tabellarisch  zusammengestellt.  Das  wichtigste  Glie<i«Dflr 
jeden  Gruppe  aber  wird  sodann  ausführlicher  behandelt. 

Was  die  Aufeinanderfolge  der  Gruppen  betrifft,  so  werden 
zuerst  die  Eohlenwasserstoffia,  dann  die  Alkohole  usw.  behandelt, 
ee  werden  also  nicht  die  Abkömmlinge  einer  Yerbindung  nsek- 
einander  abgetan.  Hiebe!  wird,  wo  es  angeht,  ans  schrittweise 
studierten  Reaktionen  auf  den  Bau  des  Moleküls  geschlossen,  die 


M.  Ebeling,  Lehrboch  der  Chemi«  und  Minoralogie,  aag.  v«  J.  Ä,  Kaü.  81 1 

Sichtigkeit  des  Schlusses  aber  durch  die  Art  der  Synthese  des  be* 
treffenden  Stoffes  erhärtet  (z.  B.  Methylalkohol). 

Im  allgemeinen  ist  es  in  sachlicher  und  in  stUistischer  Hin- 
sicht ein  Vergnügen,  das  Bach  durchzuarbeiten.  Dem  analytischen 
Moment  wird  fast  überall  entsiurechend  Rechnung  getragen,  wobei 
auf  den  1.  Teil  des  Wei'kee  vielfach  hingewiesen  wird. 

Den  Schluß  des  Buches  bildet  eine  Tabelle  über  ,»die  wich- 
tigsttti  Nahrungsmittel''  nach  König:  „Chemie  der  menschlichen 
Nahrongi-  und  Genußmittel "  (3.  Auflage.  Berlin  1889)  und  eine 
kolorierte  Tafel  über  „Nährwert  der  Nahrungsmittel**  nach  Ale- 
xander Müller.  So  yiel  im  allgemeinen.  Im  besonderen  ist  lobens* 
wert:  1.  daß  als  Vertreter  der  verschiedenen  Gruppen  organischer 
Verbindungen  gleich  einleitungsweise  fast  nur  solche  angegeben 
werden,  welche  aus  der  gewöhnlichen  Praxis  schon  bekannt  sind; 
2.  daß  anlaßlich  der  Ermittelung  der  Molekularformel  eine  größere 
Menge  von  Verbindungen  angegeben  wird,  welche  der  empyrischen 
Formel  CH^O  entsprechen,  Verbindungen,  die  dem  Schüler  mehr 
minder  bekannt  sein  können;  3.  die  Aufnahme  der  «Bestimmung 
des  Molekulargewichtes  aus  der  Erniedrigung  des  Gefrierpunktes'' 
in  recht  ausführlicher  und  faßlicher  Form ;  4.  die  Angabe  über  Hefe- 
reinzucbt;  5.  zweckmäßig  eingerichtete  kurze  Wiederholung  nach 
Absolvierung  eines  größeren  Gebietes;  6.  die  Ausführung  über 
„stereochemische  Isomerie"  anläßlich  des  Abschnittes  über  die 
Hilchsänre;  7.  das  über  die  verschiedenen  Arten  der  Weinsäuren 
Gesagte  und  die  Erklärung  ihres  verschiedenen  optischen  Verhaltens; 
8.  die  etwas  ausführliche  und  durchaus  wissenschaftliche  Angabe 
über  Indigo  usw.  usw. 

„Der  experimentelle  Teil  der  organischen  Chemie  ist  in  den 
SchuUehrbüchem  bisher  meist  ziemlich  sti^mütterlich  behandelt 
worden.  Daher  wird  die  ausführliche  Angabe  von  72  Versuchen, 
in  denen  die  Darstellung  der  wichtigsten  organischen  Verbindungen 
und  ihre  Hauptreaktionen  behandelt  sind,  auch  dem  Lehrer  will- 
kommen sein.''  Die  Versuche  sind  im  Gesamtstoff  ziemlich  gleich- 
mäßig Terteilt;  das  ist  natürlich  zu  loben.  Viele  Versuche  sind 
auch  während  der  Unterrichtsstunde  gut  ausführbar  und  zu  diesem 
Zwecke  gut  beschrieben;  nur  diese  Versuche  haben  aber  für  den 
Unterricht  selbst  Wert.  Viele  andere  können  beim  Unterricht 
höchstens  beschrieben  werden;  ihre  Durchführung  verlangt  mehrere, 
oft  sogar  viele  Stunden  Zeit! 

Neben  unleugbaren  Vorzügen  weist  der  vorb'egende  zweite 
Teil  einige  Mängel  auf,  die  bei  einer  Neuauflage  verbessert  werden 
sollten:  8.  10,  A.  2  heißt  es:  „Die  Flüssigkeit  richtet  sich  nach 
der  zn  bestimmenden  Substanz,  da  ihr  Siedepunkt  höher  (ungefähr 
30^)  liegen  muß,  als  der  der  letzteren.**  S.  11,  vi.  A.:  „Eisessig, 
der  bei  11^  erstarrt.**  S.  21,  A.  3:  „Das  Propan  ....  bildet 
sich  durch  Einwirken  von  Jodwasserstoff  auf  Glyzerin:  C^H^O^ 
+  6Hzs  C^H^  +  ZH^O."  Bef.  findet,  daß  diese  Notiz  für  den 


812  Hemmelmayr-Bruwnert  Chemie  and  Mineralogiev  ang.  v.  F.NoL 

Schfller  nicht  ohneweiters  Terständlich  sei.  S.  29,  A.  2  sollte  an- 
gegeben werden,  unter  welchen  Umständen  sich  die  Kohlenwasser- 
stoffe der  Azetylenreihe  „bei  der  Addition  .  .  entweder  mit  2  oder 
mit  4  Atomen  Wasserstoff  oder  Halogen"  yerbinden  können.  S.  35, 
1.  A.  wird  Tom  Chloroform  aasgesagt :  „am  Lichte  zersetzt  es  sich 
leicht. *  S.  38,  A.  1:  „Die  niedrigen  Glieder  (der  Alkohole,  Bef.) 
besitzen  weingeistartigen  Charakter,  die  mittleren,  von  C^  an, 
einen  unangenehmen,  faseligen  Gerach. "  S.  38,  A.  2:  „Die  Essig- 
säare  wird  durch  Behandlang  mit  Kalk  entfernt,  der  etwa  lOjI^ige 
Holzgeist  .  .  gereinigt*'.  Da  mußte  doch  angegeben  werden,  wie 
der  Holzgeist  vom  essigsauren  Kalk  getrennt  wird.  8.  39,  A  1: 
Methylalkohol  . . .  „löst  Fette"  und  „findet  technische  Anwendung 
...  zur  Herstellung  der  Wickersheimerschen  Fldssigkeit . . . ".  Ohn« 
jede  weitere  Angabe!  8.42,  A.  2  ..Äthylalkohol  „TorzQgliches 
Lösungsmittel  fQr  Harze  und  öle*.  8.  61  wurde  die  Angabe  f er- 
gessen, daß  die  Bier-Lagerfässer  ausgepicht  sein  müssen  u.  a.  dl 

In  Betreff  der  Nameu  gebung  wiU  dem  Bef.  nicht  ge&llen, 
daß  für  Eohlendiozyd  an  mehreren  Stellen,  so  8.  5,  L  A.,  ebenso 
8.  6,  A.  2  und  3  Kohlensäure  gebraucht,  daß  von  „Atzkalinm* 
gesprochen  (8.  36,  A.  2)  und  daß  das  Wort  „Alkohyd''  von  «Al- 
kohol dehydrogenatum*"  abgeleitet  wird  (S.  75,  A.  3). 

Der  8til  ist  so  gut  und  sch6n  wie  im  ersten  Teile.  Einii^ 
Verstöße  kOnnen  leicht  verbessert  werden.  8o  8.  20,  A.  2;  S.  28, 
A.  8;  8.  35,  Versuch  8;  8.  53,  1.  A.;  8.  69,  1.  A.;  8.  94,  A.  4; 
8.  109,  A.  2;  8.  111,  l.  A.;  8.  134,  A.  3;  8.  152,  A.  4. 

In  der  Orthographie  der  Fremdnamen  ist  nicht  durchaus 
konsequent  verfahren  worden;  vgl.  Schreibungen  wie:  Octue, 
Dodecan  (S.  18),  .  Octylen,  Decylen,  Ceroten  (S.  26),  Acetyleo, 
Crotouylen  (8.  28),  BLeinusöl  und  Buttersäuregly^erylester  (S.  88, 
89),  iTaUriumtartrat  und  ChlorArakium  (8.  101),  EaLnumatzii 
(8.  103),  SalLsylsäure  (8.  164) 

Wien.  Job.  A.  Kall. 


Chemie  und  Mineralogie  fOr  die  vierte  Klasse  der  Bealsehftleik  Vob 
Hemmelmayr-BrnDDer.  Dritte  Auflage.  Wien  1906,  F.  Taopskj. 

Ein  gutes,  sehr  inhaltsreiches  Buch.  Auch  den  methodischKi 
Anforderungen  suchen  die  Verfasser  nach  Möglichkeit  gerecht  n 
werden.  Das  Buch  ist  ja  nicht  neu  und  in  Fachkreisen  gut  a&* 
geschrieben.  Nur  der  Titel  sollte  geändert  werden.  Jetzt  heifit  er: 
„Chemie  und  Mineralogie".  Von  letzterer  ist  aber  im  Texte  so 
wenig  und  so  wenig  ansprechend  die  Bede,  daß  der  Titel  eot- 
schieden  nicht  zum  Inhalte  paßt.  Die  alte  Klage  l  Mineralogie  ond 
Chemie  sind  eben  zwei  Wissenschaften  und  es  wird  nie  geUngeD) 
beide  in  einem  ünterrichtskurse  gleichwertig  zu  behandeln.  D&ß 
die  Herren  von  der  Bealschule  dieses  mineralogische  Defizit  weniger 


J.  BuMka^  GaologiKbe  Streififige  ww.»  aog.  ▼•  H.  Commmda,    813 

empfinden,  ist  zu  begreifen;  sie  yerfttgen  in  der  YII.  Klasse  noch 
Aber  einen  ausreichenden  mineralogischen  Unterricht,  nar  möge 
der  Himmel  das  Gymnasium  vor  einer  solchen  Y^rquickong  von 
Chemie  nnd  Mineralogie  bewahren. 

Wien.  Dr.  Franz  Noe. 


Prof.  Dr.  Julius  Buska,  Geologische  Streifzflge  in  Heidelbergs 
Umgebung.   Leiptig,  E.  Nägele  1908.  XI  und  208  SS.  Gr.-8o. 

Der  Fachwelt  ist  der  Name  des  Autors  als  unermfldlichen 
Vorkämpfers  fQr  eine  moderne  Ausgestaltung  des  mineralogisch- 
geologischen Unterrichtes  an  den  deutschen  Mittelschulen  im  Sinne 
einer  möglichsten  Vertiefung  der  Anschauung  und  der  Basierung 
des  Unterrichtes  auf  jenen  Erkenntnissen,  die  sich  bei  planmäßigen 
Exkursionen  in  der  Heimat  gewinnen  lassen,  insbesonders  aus 
mehreren  Aufsätzen  in  „Natur  und  Schule''  bestens  bekannt. 

Der  vorliegende  Fflhrer  wendet  sich  an  alle  Naturfreunde, 
die  .Alt-Heidelberg  die  Feine,  die  Stadt  an  Ehren  reich"*  in  ihrer 
ganzen  Schönheit  und  Eigenart  aus  deren  geographischer  Lage 
und  dem  Aufbaue  des  Bodens  ihrer  Umgebung  sich  erschließen 
möchten,  nnd  einen  solchen  Fflhrer  bei  Streifzügen  in  die  Umge- 
bung gewiß  willkommen  heißen.  Wie  in  der  Schule  will  der  Verf. 
in  erster  Linie  zum  Beobachten  anleiten,  eine  einzige  wirkliche 
Exkursion,  wäre  es  auch  nur  in  die  nächste  Kiesgrube,  erscheint 
ihm  fär  das  Verständnis  geologischer  Vorgänge  fruchtbarer  als 
BQcherstudium  ohne  eigene  Anschauung.  Indem  die  planmäßig 
ansgewählten  und  genau  beschriebenen  Exkursionen  in  den  Mittel- 
punkt gestellt  werden,  ist  es  unter  geschickter  Verwertung  der 
hei  der  Betrachtung  des  Geländes  Aber  geognostische  Vorkommnisse 
eingestreuten  Erläuterungen  möglich,  ohne  Voraussetzung  besonderer 
mineralogischer  oder  geologischer  Kenntnisse  den  Aufbau  und  die 
Zusammensetzung  der  Landschaft  an  konkreten  Beispielen  zu  ent- 
wickehi,  und  die  erdgeschichtlichen  Vorgänge,  durch  deren  Auf- 
einanderfolge der  landschaftliche  Charakter  des  herrlichen  Stadt- 
bildes und  seiner  Umgebung  bestimmt  wurde,  zu  einer  Bildungs- 
geschichte des  ganzen  oberrheinischen  Gebirgssystems  zu  erweitern. 

Der  Inhalt  gliedert  sich  in  einen  einführenden  Abschnitt 
Aber  die  geographische  Lage  der  Stadt,  die  Landschaft  im  Wechsel 
der  Jahreszeiten  und  die  Besiedlungsgeschichte,  der  knapp  die 
Charakteristik  der  Aufgabe  der  geologischen  Forschung  beigefügt 
ist,  und  zehn  Kapitel,  Ton  denen  die  ersten  acht  Exkursionen 
schildern,  während  in  den  Kap.  9  und  10  der  Einbruch  des  ober- 
rheinischen Tieflandes  und  so  die  Entstehung  des  heutigen  Land- 
schaftsbildes skizziert  wird,  dem  dann  die  Bildungen  der  Diluyial- 
zeit  nnd  die  Werke  des  Menschen  die  letzte  Betonche  geben. 


814    J.  Buska,  Geologitehe  Straifsllge  usw.,  ang.  v.  H.  OomtuHda. 

Schon  in  der  ersten  ümBChaa  nnd  Begrenzung  der  Autgibe, 
in  dem  er  von  der  Friedricbsbrücke  ans  den  Leser  sieh  in  der 
Landschaft  orientieren  läßt,  zeigt  sich  der  Aator  dnrcb  die  weise 
Beschränkung  auf  die  dem  Zwecke  des  Buches  dienenden  Hauptsachen 
als  Meister  des  Stoffes,  der  ihn  sowohl  wissenschaftlich  grflndlich 
in  sich  ?erarbeitet,  als  auch  praktisch  aus  reicher  Erfahrung  sich 
zurecht  gelegt  hat.  Die  einzelnen  Exkursionen  dienen  der  Samm- 
lung Ton  Erfahrungen  mit  dem  Zwecke  der  Übertragung  derselben 
zur  Erkenntnis  weiterer  Gebiete.  So  wird  das  Kap.  2  zur  Ent- 
wicklung der  Grundbegriffe:  Grund-  und  Deckgebirge  benfltzt 
wobei  die  wichtigsten  Bestandmineralien  geschickt  erörtert  werden, 
im  Kap.  3  witxi  in  Form  eines  Ausfluges  nach  Weinheim  der 
kristalline  Odenwald  geschildert  und  die  nötigen  Kenntnisse  über 
skzessorische  Mineralien  passend  erarbeitet.  In  dem  nächsten 
Kapitel  wird  mittels  eines  Ausfluges  ins  Schriesheimertal  dss 
Botliegende  mit  den  Porphjrrorkommnissen  und  der  Wirkung  der 
Erosion,  im  Kap.  5  aber  der  Zechstein  gelegentlich  eines  Ausflug» 
ins  Maasbachtal  abgehandelt. 

Kommen  hier  einige  Grundlehren  über  die  Bildung  und  Um- 
bildung der  Sedimentgesteine  zur  Darstellung,  so  schildert  ein 
Ausflug  nach  Neckargemünd  den  Buntsandstein,  seine  Herleitong 
nnd  Verbreitung,  in  sehr  instruktiver  Weise,  und  die  Kapitel  7 
und  8  den  Muschelkalk,  Keuper  und  Jura  am  Neckargebiet  und 
•der  Gegend  von  Sauenberg  bis  Mulsch.  Hier  findet  die  Lagerung»* 
lehre  und  Tersteinerungskunde  besondere  Berücksichtigung. 

Ist  so  die  geologische  Formenlehre  entsprechend  vorgeführt 
und  erläutert,  so  verwerten  und  verweben  die  Schlußk^itel  die 
erzielten  Kenntnisse  zum  Verständnisse  des  größten  geologisches 
Ereignisses  im  außeralpinen  Süddentschlaud,  der  Bildung  des  ober- 
rheinischen Grabens  und  der  seit  der  Tertiärzeit  erfolgten  Über- 
schfittung  desselben  mit  den  Anschwemmungen  des  Bheins  and 
seiner  Nebenflüsse. 

Die  schließlichen  Literaturnachweise  ermöglichen  es  den- 
jenigen, welcher  m  einzelne  Erscheinungen  oder  Probleme  noch 
weiter  sich  vertiefen  will,  rasch  an  die  richtigen  WisseaBquellen 
zu  gelangen. 

Das  Buch  ist  in  Papier,  Druck  und  Einband  von  der  Ver- 
lagsbuchhandlung vornehm  ausgestattet  und  enthält  139  Abbil- 
dungen, Profile  und  Karten,  erstere  meist  von  Schülern  nsd 
Erounden  des  Autors,  letztere  von  ihm  selbst  stammend.  Die  meisteB 
Abbildungen  dienen  dem  Buche  nicht  nur  zur  Erläuterung,  senden 
auch  zum  Schmucke,  recht  sauber  und  instruktiv  sind  die  Kartei- 
«kizzen  mit  Schichten  in  Rot»  und  Formationsgrensen  in  Sehwtn^ 
druck,  auf  der  geologischen  Karte  der  weiteren  Umgebung  ieUt 
die  Legende,  allerdings  sind  bereits  drei  Karten  mit  meist  aittlogeo 
Zeichen  vorausgegangen. 


S.  Landtberg  u,  a.,  Katar  und  Sehule,  ang^.  ▼.  T.  F.  Hanatiseh,  815 

Ein  solches  Bach  spricht  besser  als  laDgatmipe  Erörternngen 
Ar  die  Berechtigniig  der  Geologie,  auf  der  Oberstufe  aller  höheren 
Schulen  gelehrt  za  werden.  Ähnliche  Bestrebungen  regen  sich  ja 
nun  allerorten,  wo  sach-  und  ortskundige  Lehrer  sich  die  Aus- 
gestaltung des  natnrgeschichtlicfaen  Unterrichtes  zu  wirklichem 
Sachwissen  angelegen  sein  lassen.  Es  ist  dem  Autor  und  der 
Heidelberger  Anstalt  wie  der  Verlagsanstalt  zu  dem  schönen 
Werke,  das  vielfach  Schule  machen  dürfte,  zu  gratulieren,  freilich 
koBimt  die  Umgebung  hier  den  Zwecken  desselben  in  einem  Grade 
entgegen,  wie  er  selten  anderswo  erreicht  werden  dflrfte,  aber  doch 
ab  und  zu,  wie  z.  B.  bei  uns  in  Salzburg  und  Innsbruck.  Möchten 
dort  berufene  Fachleute  wie  Prof.  Fngger  und  Dalla-Torre  mit 
analogen  Arbeiten  uns  erfreuen,  welche  der  Schule  und  allen  Natur- 
ft^onden  zum  Nutzen  und  einer  rflhrigen  Verlagsanstalt  gewiiS 
nicht  zum  Schaden  gereichen  dürften! 

Linz.  H.  Gommenda. 


Natur  und  Schule«  Zeitschrift  fQr  den  geaamten  natarkandlichen 
Unterrieht  aller  Schiüen.  Heraosgegeben  yod  B.  Landeberg,  0. 
Sobmeil,  B.  Sehmid.  IV.  Band.  Mit  110  Textabbildungen  und 
16  Abbildungen  auf  einer  Doppeitafel.  Berlin  and  Leipzig,  Veriag 
Ton  B.  G.  Teubner  1907.  VIII  und  568  SS.  Lex.  80.-  Preis  12  Mark. 

Diese  yorzügliche  Zeitschrift,  die  wir  seit  ihrem  Erscheinen 
an  diesem  Orte  besprochen  haben  —  der  yortrefflichen  Leitung 
und  gehalü'eichen  und  vielseitigen  Inhalte  konnte  nur  reiches  Lob 
gespendet  werden  —  hat  mit  diesem  Bande  ihr  Dasein  abge- 
schlossen; nach  einer  Mitteilung  des  Verlegers  mußte  sie  „infolge 
groBer  Meinungsyerschiedenheit  in  der  Redaktion,  die  ein  ferneres 
Zusammenarbeiten  durchaus  unmöglich  machen "",  zu  erscheinen 
aufhören.  Das  Eingehen  dieser  Zeitschrift,  die  in  der  Tat  in 
kurzer  Zeit  ein  Mittelpunkt  für  den  naturwissenschaftlichen  Unter- 
richt und  die  gesamte  naturwissenschaftliche  Unterrichtsbewegnng 
geworden  ist,  w&re  lebhaft  zu  bedauern,  wenn  nicht  zwei  der 
Hsrausgeber,  die  Professoren  Landsberg  und  Dr.  Sehmid,  sich 
entschlossen  hätten,  ein  neues  Organ  herauszugeben,  das  dem- 
selben Programm  wie  „Natur  und  Schule*'  dienen  wird. 

Gleich  den  früheren  B&nden  hat  auch  der  letzte  eine  Fülle 
von  interessanten  Artikeln,  sowohl  rein  wissenschaftlichen  Inhalts, 
als  auch  über  das  gesamte  naturkundliche  Unterrichtswesen.  Vor 
allem  soll  hier  auf  einen  Aufsatz  von  L.  Wunder  n^oterrichts- 
ergebnisse"  (S.  433 — 440)  aufmerksam  gemacht  werden,  dessen 
Lektüre  allen  Schulmännern  empfohlen  wird.  Der  Verf.  wendet 
sich  dagegen,  daß  die  Schüler  fünf  Stunden  im  Tage  stillsitzen 
und  in  jeder  Stunde  einem  anderen  Gegenstande  die  Aufmerksam* 
keit  schenken  müssen.    Es  sei  hier  der  Einwurf  einer  gewissen 


816  B.  Landaber g  u.  a,,  Natur  and  Schule,  ang.  ▼.  T.  JFl  Hanausek. 

Einseitigkeit  in  der  Anschauung  des  Yerf.s  gestattet,  er  vergißt 
nämlich  die  mächtige  Bezeptionsfähigkeit  and  die  Elastizität  des 
jugendlichen  Gehirnes,  dem  die  Abwechslung  kein  so  großer  Schaden 
ist,  wie  der  Verf.  meint.  Doch  hören  wir  weiter:  ^£r  hat  fünf 
Stunden  stillsitzen  müssen  und  das  Ergebnis  ist  ein  yerwinter 
£opf.  Aber  neben  diesem  greifbaren  Besultat  schlummert  im  Keim 
ein  Schaden  schlimmerer  Art.  Wenn  ein  Werk,  und  sei  es  das 
einfachste,  Zustandekommen  soll,  so  fordert  es  in  erster  Linie  Aob- 
dauer,  Willenskraft.  Diese  ist*s,  die  wir  im  letzten  Grunde  an  Helden- 
leistungen bewundem ,  was  soll  man  aber  dazu  sagen,  dafi 

in  der  modernen  Schule  der  Knabe  gezwungen  wird,  während  eines 
einzigen  Vormittags  den  Gegenstand  seiner  Arbeit  drei-  bis  fänfinal 
zu  wechseln?  Er  wird  gezwungen,  jeden  der  drei  bis  fünf  unter- 

richtsgegenstände  nur  oberflächlich   zu  betasten Daß  diese 

Schule  nicht  die  Ausdauer  und  Willensstärke  fördert,  ist  klar,  daß 
sie  willensschwache  Schüler  zu  mechanischen  Maschinen  macht,  daß 
sie  willensstarke  Knaben  langsam  und  sicher  lähmt,  ist  leider  klar". 
—  In  seiner  Schule  wird  der  Verf.  der  doppelten  Forderung,  die 
Zersplitterung  in  verschiedene,  zusammenhangslose  Lehrgegenstände 
zu  vermeiden  und  die  praktische  Selbsttätigkeit  der  Knaben  in 
Werkstätte  und  Laboratorium  zu  fördern,  in  der  Weise  gerecht, 
daß  er  den  ganzen  naturwissenschaftlichen  Unterricht  in  dem  Um- 
fange, wie  er  an  einer  preußischen  Oberrealschule  erteilt  wird,  za 
einem  Lehrgegenstand  ^)  zusammenfaßt  und  mit  praktischer  Schüler- 
arbeit verbindet.  Die  Erfolge  sollen  nach  Mitteilungen  des  Yerts 
sehr  ermutigende  sein. 

Aus  der  Beihe  der  wissenschaftlichen  Aufsätze  sollen  fol- 
gende hervorgehoben  werden :  Über  die  pflanzengeographischen  Ver- 
hältnisse der  subantarktischen  Inseln,  eine  hochinteressante  Arbeit 
von  Schenck,  bringt  M.  Möbius  ein  mit  Abbildungen  versehenes 
Referat.  Die  «naturwissenschaftlichen  Irrtümer  in  der  Sprache" 
behandelt  J.  Heiuzerling  (S.  49):  es  werden  Blindschleiche, 
Wasserläufer,  Ohrwurm,  Mauerschwalbe,  Neuntöter  usw.  besprochen. 
Bei  uns  bedeutet  „Unke"  die  Feuerkröte,  im  Siegerland  wird  die 
Bingelnatter  „Unke*'  genannt.  Das  aktuelle  Thema:  , Scheinbar 
lebende  flüssige  Kristalle''  hat  0.  Lehmann  nach  seinem  Yor- 
trage  in  der  Natuiforscherversammlung  in  Stuttgart  bearbeitet. 
Von  F.  Ludwig  rührt  der  Aufsatz  über  die  Milbenfauna  der  Kise 
(S.  170),  von  Karl  Kautzsch  die  physiologisch  interessante  and 
hygienisch  bedeutsame  Arbeit:  „Worauf  beruht  unser  Kochsals- 
bedürfnis?'' (S.  356)  her;  für  das  , Bestimmen  der  Vögel  nadi 
ihren  Stimmen"  erteilt  B.  Seidler  praktische  Winke  (S.  200);  der 


*)  In  ähnlicher  and  sehr  frochtbringender  Weiie  wurde  der  g^ 
samte  natarwiBseDschaftliche  Unterrieht  an  der  ehemaligen  dreiklainf«& 
höheren  Töchterschule  des  ScbnlvereiDS  für  Beamtentochter  in  Wies  er- 
teilt, der  neben  den  wissenichaftlichen  Grandlagen  haupteiehlich  dtf 
praktiiche  Moment  berflckaichtigte. 


«.  Graff,  Dm  8obm«rotiertam  im  Tienrekh  usw.,  aog.  ▼.  B.  ViOtorf.  817 

hübsche  Anfisatz  sollte  auch  ßchfllern  allgemein  zugänglich  sein 
und  yjelleicht  enischliellt  sich  der  Autor,  eine  kleine,  billige  Schrift 
fflr  Schalen  im  Buchhandel  erscheinen  zu  lassen.  Ein  mechanisch- 
physiologisches Problem  —  «Wie  öffinen  sich  die  Staubbeutel  dei* 
bedecktsamigen  Pflanzen?*'  —  behandelt  Otto  Damm  (S.  491); 
nach  Kritisierung  der  einzelnen  Theorien  kommt  er  nach  seinen 
eigenen  Untersuchungen  zu  dem  Besnltat,  daß  neben  der  (selten 
auftretenden)  Eohfisionswirkung  Yomehmlich  die  Schrumpfung  der 
Bank-  und  GriffiEellen  als  die  Ursache  des  öffiaens  anzusehen  ist. 
Umfangreiche  Aufisatze  behandeln  die  Reformbestrebungen 
auf  dem  Oebiete  des  naturwissenschaftUohen  und  geographischen 
Unterrichtes  in  Frankreich,  die  Ausbildung  der  Lehrer,  den  Unter- 
richt in  der  Geologie  und  verwandten  Fftchem  (sehr  lesenswert  I), 
die  Anleitung  zu  SchuWersuchen  mit  drahtloser  Telegraphie,  den 
Betrieb  physikalischer  Schfllerflbungen  in  der  lY.  Klasse  einer 
österreichischen  Bealschüle  (von  Ernst  Kall  er  in  Wien)  u.  v.  a. 
Das  Schlußheft  enthält  den  Bericht  Aber  die  Einrichtungen  fOr  den 
naturwissenschaftlichen  Unterricht  in  den  höheren  Lehranstalten 
Preußens,  erstattet  von  der  Unterrichtskommission  der  Gesellschaft 
deutscher  Naturforscher  und  Ärzte. 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanausek. 


L.  von  Graff,  Das  Schmarotzertum  im  Tierreich  und  seine 
Bedeutung  fftr  die  Artbildung.  Leipzig,  Verlag  von  QaeUe  k 
Meyer  1907. 

Die  Sammlung  „Wissenschaft  und  Bildung",  welche  die  Er- 
gebnisse wissenschaftlicher  Forschung  aus  aUen  Wissensgebieten 
aus  der  Feder  der  tflchtigsten  Gelehrten  bringt,  bietet  in  dem 
vorliegenden  BQchlein  im  wesentlichen  den  Inhalt  jener  Yortr&ge, 
welche  Prof.  von  Graff  im  Jahre  1905  bei  den  Ferialfortbildungs- 
kursen  in  Graz  und  im  Jahre  1906  in  Salzburg  gehalten  hat. 
Nach  einer  allgemeinen  Einleitung  geht  der  Verf.  auf  die  spezielle 
Naturgeschichte  der  Parasiten  aus  dem  Stamme  der  Urtiere, 
Wflrmer  und  Weichtiere  ein,  erörtert  den  Einfluß,  den  das 
Schmarotzertum  auf  den  Parasiten  selbst  ausübt,  femer  die  Ent- 
stehung der  heutigen  Formen,  die  Zweckmäßigkeit  des  Parasitismus 
und  dessen  Stellung  in  der  Biologie  der  Tiere.  Eine  tabeUarische 
Übersicht  der  auf  dem'  Menschen  schmarotzenden  Parasiten  be- 
schließt das  recht  lehrreiche  Büchlein. 

B.  Oiesenhagen,  Befruchtung  und  Vererbung  im  Pflanzen- 
reiche. Mit  81  Abbildungen.  Leipzig,  Verlag  von  QaeUe  ft  M^yer 
1907. 

Das  vorliegende  Buch  erschien  in  der  Sammlung  .Wissen- 
schaft und  Bildung".  Die  in  demselben  wiedergegebenen  Anschau- 

MtMkrifl  f.  d.  tetarr.  GymB.  1908.  VUI.  n.  IX.  H«fl.  52 


818  0.  EÜlpef  Die  Philosophie  der  Gegenwart  osw.«  ang.  t.  ä.  t.  LicUnr, 

ungea  Aber  Befmchtang  und  Yererbong  im  Pflanzenreiche  worden 
vor  einem  größeren  ZnbOrerkreise  zuerst  im  Mfinchener  Yolkshoch- 
scholyereine  entwickelt.  Der  Verf.  behandelt  im  ersten  Abschnitte 
die  Tegetatiye  Yermehrang  durch  Stecklinge,  Ableger,  AnsÜafer, 
Bmtknospen,  Zwiebeln,  BmtkOrperchen,  KeimkOmer  nnd  geht  daui 
über  znr  Besprechung  der  Yorg&nge,  durch  die  eine  artgleiche 
Nachkommenschaft  erzielt  wird,  zur  Yermehrung  dnrch  Gameten 
oder  GeschlechtszeUen.  Er  schildert  sehr  anschaulich  die  Befrnch- 
tungSTorgftnge  bei  den  Grflnalgen,  Moosen,  Famen,  Gymnospermen 
und  Angiospermen.  Yiele  andere  ungemein  interessante  Kapitel, 
welche  mit  der  Yermehrung  nnd  Yererbnng  zusammenhingen, 
findet  der  Fachmann  in  dem  lehrreichen  Buche,  das  sich  auch 
durch  gediegene  Ausstattung  bestens  empfiehlt. 

Wien.  H.  Yieltorf. 


Oswald  Eülpe,  Die  Philosophie  der  Gegenwart  in  Deutsch- 

land.  8.,  Terb.  Aufl.  Leipzig,  Tenbner  1905.  125  Sa  (41.  Biaddüs 
der  Sammlung  «Aue  Natur  nnd  Geisteawelt'*). 

Der  rflhmlich  bekannte  Schüler  Wnndts  bietet  in  dem  Bftch* 
lein  eine  Charakteristik  der  Hauptricbtungen  der  gegenwftrtig« 
Philosophie  in  Deutschland  nach  Yortr&gen»  die  er  1901  im  Ferien* 
kurs  fflr  Lehrer  zu  Wflrzburg  gehalten  hat.  Eine  kurze  Einleitung 
bestimmt  die  Aufgabe  der  Darstellung  und  das  Yerh&ltnis  der  Philo- 
sophie zu  den  Einzelwissenschaften.  Daran  schließt  sich  die  Cht- 
rakteristik  der  Tier  Hauptricbtungen  des  Philosophierens.  Ak 
solche  gelten  dem  Yerf.  der  Positivismus  (Mach,  Dnhring)^ 
der  Materialismus  (Ha e ekel),  der  Naturalismus  (Nietzsche) 
und  der  Idealismus,  reote  der  metaphysische  Idealismus  (Feehner, 
Lotze,  E.  T.  Hartmann,  Wundt).  In  den  Schlußbemerkuflgtn 
wird  aus  einer  Gesamtftbersicbt  die  Aufgabe  einer  PhQosophie  der 
Zukunft  gefolgert. 

Mit  Glftck  war  K.  bestrebt,  bei  seiner  Darstellung  den  strengen 
Schuljargon  fernzuhalten;  ob  aber  deshalb  beim  Leser  das  blaßt 
Interesse  als  Yorbedingung  des  Yerständnissee  ausreicht,  ist  mir  bei 
der  ungemein  komprimierten  Gedankenentwicklung  zweifelhaft  L 
stellt  sich  (8.  117)  eine  gar  hohe  Aufgabe,  wenn  er  auf  knapp  acht 
Druckbogen  darauf  ausgeht,  „nicht  das  Denken  seiner  Leser  n 
bestimmen  und  zu  fessehi  (d.  h.  hier  wohl  'in  Fesseln  zu  schlagen), 
sondern  Aber  die  gegenw&rtige  T&tigkeit  auf  philosophischem  Ge- 
biete zu  orientieren  und  zum  eigenen  selbständigen  Urteüea  aai 
W&hlen  anzuregen^.  Nach  E.  steuert  die  jetzige  Bewegung  uot- 
wendig  auf  eine  Erneuerung  des  Bationalismus  zu,  „insefara 
dem  Denken  flberhaupt  FAhigkeit  und  Berechtiguig  zugestand« 
wird,  BealitAten  zu  setzen  und  zu  bestimmen''.    (Das  ist  ja  sbir 


A.  Hühh  Gesehiebte  des  Unterr.  im  Stifte  Schottes,  ang.  ▼.  K.  Fitehs,  819 

eben  das  punctum  taluns  jeder  beeoDoenen  Erkenntistheorie  nnd 
wird  wohl  für  alle  Zeiten  ein  Streitponkt  sein.)  Nicht  Kant  sei 
der  eigentliche  Gegner  der  Wiederanfrichtang  des  Bationalismns^ 
Bondern  der  PositiTismua  im  Sinne  Machs,  der  in  der  Wirklichkeit 
der  nomittelbaren  Erfahmng  alle  Gegenstftndliehkeit  einer  realwis« 
Benscbaftllchen  Erkenntnis  beschlossen  siebt.  nE^ioe  gründliche  Ans- 
einaodersetznng  mit  dieser  Bichtnng,  die  wir  den  Wirklichkeits- 
standpunkt  nennen  können,  ist  daher  ffir  den  nenen  Rationalismus 
nnamg&nglicb."  Sehr  beachtenswert  ist  E.s  Hinweis  darauf,  daß 
einem  solchen  Neo-Bationalismns  zwei  Tatsachen  als  feste  Stfltze 
dienen,  das  fremde  Seelenleben  und  die  geschrchtliohen 
Bealitftten.  Leider  kann  an  diesem  Orte  weder  anf  diesen  wich- 
tigen Pnnkt,  noch  anf  anderes  Einzelne  n&ber  eingegangen  werden. 
Nur  drei  kurze  Bemerkungen  mögen  noch  ihre  Stelle  finden. 

Der  hohen  Bedeutung,  die  hier  dem  Mach  sehen  Denken  bei- 
gemessen wird,  entspricht  nicht  ganz  die  allzu  knappe  Darstellung 
der  Anschauungen  des  originellen  Denkers,  der  leider  selbst  oft 
genug  durch  seine  kompresse  oder  aphoristische  Ausdrucksweise 
die  Aufmerksamkeit  des  Lesers  auf  eine  harte  Probe  stellt.  — 
Wahrhaft  wohltuend  wirkt  die  warme  Anerkennung,  welche  E. 
seinem  großen  Meister,  „dem  Leibniz  der  Gegenwart",  zollt,  ohne 
deshalb  in  enkomiastische  Oberschwftnglichkeit  zu  Terfallen  und  auf 
jegliche  Kritik  zu  Terzichten. —  Anf  S.  110  ff.  ist  E.  bemüht,  die 
Anschauung  zu  widerlegen,  daß  die  „innere  Wahrnehmung*'  ihre 
Objekte  in  ihrem  Ansich  erfasse,  w&hrend  dies  der  „äußeren  Wahr- 
nehmung" Tersagt  ist  Die  Argumente  dagegen  Terwerten  ganz 
richtige  Beobachtungen,  treffen  aber  den  Eernpunkt  des  Problems 
nicht  Das  Ansich  der  ersteren  Objekte  mag  immerhin  erst  ein- 
dringender Analyse  erreichbar  sein,  zugänglich  bleiben  sie  prin- 
zipiell doch  unter  allen  Umständen  als  ein  im  Bewußtsein  Ge- 
gebenes. Das  Ansich  der  Objekte  der  „äußeren  Wahrnehmung"  hin- 
gegen ist  und  bleibt  wohl  für  alle  Zeiten  die  crux  jeder  meta- 
pbysikfreundlichen  Erkenntnistheorie. 

S.  110,  2.  Z.  V.  u.  ist  statt  ^physischen"  zu  lesen:  ipsy- 
chischen". 

Wien.  Ant.  v.  Leclair. 


Dr.  Albert  Hfibl,    Oescbichte   des  Unterrichtes    im   Stitte 
Schotten  in  Wien.    Wien,  Carl  Fromme  ^1907. 

Die  anläßlich  des  hunder^ährigen  Jubiläums  des  Wiener 
Schottengymnasiums  (9.  NoTomber  d.  J.)  Ton  dem  Professor  und 
Stiftsbibliothekar  Albert  Hflbl  verfaßte  Festschrift,  ein  stattlicher 
Band  von  885  Quartseiten,  behandelt  nicht  nur  das  neue,  unter 
Eaiser  Franz  1807  begründete  Gymnasium,  sondern  auch  die  mehr« 

52* 


A.  R^\,  Geschiebte  des  Unterr.  im  Stifte  Schotten,  ang.  v.  K,  fWI^. 

hBOder^'&hrige  Yorgescbiehte  des  Werkes  der  Erüehiiog  und  des 
Unterrichtes  dacelbstt  das  bis  in  die  Zeit  binaafreicbtf  da  Heioricb 
Jasomirgott  die  bibernisch  -  scbottlscben  Mönche  aas  dem  Matter- 
banse  von  St.  Emmoran  in  fiegensbnrg  nach  Wien  anf  den  Plati 
n&cbst  der  Freynng,  den  das  Kloster  noch  hento  besitzt,  berief 
(1178). 

Die  Mönche  richteten  sich  im  Sinne  ihrer  Hanaordnnng«  der 
Regel  des  hl.  Benedikt  von  Nnrsia,  wahrscheinlich  gleich  anCsogi 
eine  Klostersohnle   ein»    deren  Bestand   durch  Stiftbriefe  ans 
dem  Beginn  dee  XIV.  Jahrhunderts  genan  nachzuweisen  ist    Wie 
alle  anderen  Wiener  Schalen  war  sie  der  Domschnle  von  St  Stefto 
nntergeordnet     Vollends,  als  mit  Nikolaus  von  Bespitz   der 
erste  einheimische,   deutsche  Abt   an   die  Spitze  des  Ordens   trat 
(1418),    erhielt  Kloster  nnd  Schule    seine  engen  Beziehungen  ni 
Wien  und  den  Wienern,  die  seitdem  immer  mehr  gefestigt  wardeo. 
In  den  Tagen  des  ritterlichen  Kaisers  Maximilian,  da  mit  Eonrad 
Celtis  der  Hnmanismns  siegreich  in  die  hohe  Schale  Wiens  einzog 
nnd  die  flberlebte  Scholastik  verdrftngte,  standen  die  Schotten  auf 
Seiten  des  nenen  Zeitgeistes  und  mehrere  derselben  bekleideten  hobt 
akademische  Worden ;  die  vorteilhaften  Einflüsse  der  bnmanistiseheo 
Bicbtnng  auf  die  Schottenschnle  wurden  unter  den  Äbten  JohsDO 
von    Krembnitz    (t   1518)    und    Benedictus    Cbelidoniot 
(t  1521),  dem  Nflrnberger  Gelehrten  und  Freunde  Wilibald  Pirk- 
heimers,  lebendig.  Gbelidonins  dürfte  unter  dem  Einflüsse  dea  Kaisert 
selbst  nach  Wien  berufen  worden  sein.    Selbst  die  Türkennot  de« 
Jahres  1529   und  der  im  XVI.  Jahrhundert  allenthalben  in  ö^ttf- 
reichischen  Schulen  eindringende  Protestantismus  konnte  die  Fort- 
entwicklung der  Schottenschnle  nicht  hemmen;    hier   warsn  stiU 
festbesoldete  'schulmaister'  bestellt,  die  jeweilig  durch  lange  Jsbre 
ununterbrochen  ihres  Amtes  walteten,  während  man  sonst  unznrar- 
lässigen,    stets  wechselnden  Lehrern    an  den  Schulen   begegnet 
Während  der  Gegenreformation  waren  die  Schotten  stiller,  geräosck- 
loser  Arbeit  in  ihrem  Kreise  ergeben.    Ungefähr  von  15S8 — 1550 
wirkte    hier    als  'schnlmaister'   der  biedere  Oberpfälzer  Wolfgso^ 
Scbmältzl,  der  Verfasser  des  'Lobspruchs  der  Stadt  Wien',  der 
hier  im  Schottenstift,  wie  er  selbst  erzählt,  nach  langer  Wanderaog 
seine  'Scbmalzgrnb'  und  in  Wien  seine  zweite,  vielgeliebte  Heimat 
fand.    Eine  Unterbrechung  erlitt  der  Betrieb  in  der  Schottenscbol« 
durch  die  verheerende  Pest  im  Jahre  1679  und  die  zweite  Tflrksn- 
belagernng  im  Jahre  1683. 

Abt  Karl  Fetz  er  rief  erst  um  1720  wieder  ein  GyrnntsitD» 
wahrscheinlich  verbunden  mit  einem  Adelskonvikte,  ins  Leben,  das 
jedoch  schon  um  1740  infolge  der  Kriegsnot  unter  Maria  Thtrsii» 
aufgelassen  werden  mußte.  Kleinbürgerlichen  Elementen  war  dieit 
nur  für  die  Söhne  hervorragender  Familien  bestimmte  Anstalt  s* 
gut  wie  vereohlossen ;  wohl  aber  erblühte  bei  den  Schotten  dsaeb 
der  durch  die  große  Kaiserin  geförderte  Volksachnlunterrieht.  Das 


F,  iL  Schmidt  u.  a.,  SehOnheit  und  Ojmnuiik,  sog.  t.  J.  Pawel  831 

OjmnMmiD  das  Abtea  Karl  war  dnreb  das  Bestreben  m^glicbster 
VerTollkommiiDg  im  Oebraii€be  des  Lateiniscben  in  Wort  nnd  Schrift 
(^per/eda  eloguenüd')  gekeanzeicbnet,  welohem  Zweck  auch  die 
Anfffibrnng  gelehrter  ScbnlkomOdien  zu  festlichen  Zeiten  des  Jahres 
diente. 

Als  nnter  Kaiser  Franz  das  Streben  zntage  trat,  das  Mittel* 
Schulwesen  durch  Heranziehung  der  Orden  zur  Arbeit  des  Unter- 
richtes zn  verjüngen,  wnrde  dem  Schottenabte  BennoPointner 
nahegelegt  (1806)«  in  seinem  Ordensbanse  ein  Gymnasium  zu  er- 
richten. Nach  längeren  Bedenken  gab  der  Abt  nach  und  der  Schul- 
bau,  der  auch  heute  noch  besteht,  wnrde  1807  vollendet.  Am 
4.  November  wurde  das  Gymnasium  feierlich  eröffnet,  am  8«  No- 
vember begann  der  regelmäßige  Unterricht  Damals  bestand  das 
Gymnasium  aus  den  vier  Grammatikaiklassen,  denen  bald  zwei  Hn- 
manit&tsklassen  und  in  der  Folge  zwei  philosophische  Jahrgänge 
hinzugefügt  wurden«  die  jedoch  in  den  Bereich  der  Hocbscbnle  ein- 
bezogen wurden.  Durch  die  Beform  der  Gymnasien  im  Jahre  1848 
wurde  wie  anderwärts  das  Schottengymnasium  in  ein  achtklassiges 
mit  Maturitätsprüfung  verwandelt  und  dasselbe  entwickelte  sich 
jeweilig  im  Sinne  der  gesetzlichen  Ändernngen  als  eine  Masteranstalt 
weiter,  die  der  Sammelpunkt  von  Schülern  aus  dem  Adel  und  den 
besten  bürgerlichen  Kreisen  Wiens  und  Österreichs  wurde.  Daß 
Wien  das  größte  Kontingent  der  Schülerschaft  stellte,  geht  aus 
den  statistischen  Tabellen  im  Werke  Hübis  hervor  und  aus  dem  in 
deasen  Anhang  befindlichen  Verzeichnisse  der  Abiturienten  seit  1850. 
Eine  große  Anzahl  erlesener  Geister  hat  hier  auf  der  Schulbank  ge- 
sessen: Eduard  von  Bauemfeld,  Friedrich  Halm,  Anton  Langer, 
Bobert  Hamerling,  Ferd.  Küm berger,  Ferd.  v.  Saar,  Sigmund 
Schlesinger,  Franz  Nissel,  Johann  Strauß,  Johann  Nestroy,  Moriz 
Schwind,  Josef  Lewinsky  u.  a. 

Die  Hübische  Denkschrift,  abgefaßt  unter  fleißiger  Benützung 
eines  reichen,  meist  im  Archiv  des  Schottenstiftes  selbst  erliegenden 
Qaellenmaterials,  ist,  insbesondere  für  die  ältere  Zeit,  ein  hochin- 
teressanter Beitrag  zur  Geschiebte  der  Erziehung  nnd  des  Unter- 
richts in  Österreich,  denn  nicht  leicht  findet  sich  eine  zweite 
Anstalt  in  Österreich,  an  der,  wie  beim  Schottengymnasium,  die 
herrschenden  Strömungen  des  geistigen  Lebens  verschiedener 
Epochen  so  klar  zntage  treten. 

Wien.  Dr.  Karl  Fuchs. 


SehOnheit  nnd  Gymnastik.  Zur  iathetlk  der  Leibeiübang.  Von  F.  A. 
Schmidt,  K.  Möller,  M.  Radeswill.  Verleg  von  B.  G.  Teubner 
io  Leipzig  1907.   Preia  geh.  Mk.  2-80. 

Der  Bnf  nach  Erziehung  zu  Kunst  nnd  FormenschOnheit  ist 
seit  ein  paar  Jahren  zn  förmlichem  Schlagwort  geworden,  zn  einer 


822  F*  Ä.  Schmidt «.  a.,  SehOnheit  nad  Gymnastik,  ang.  7.  J.  Pawd. 

Art  ErlOsniigswort,  in  dem  die  yerachiedensten  Richtungen  menech- 
lichen  Wollens  und  Wirkens  wie  in  einem  Brennponkte  Tereinigt 
sich  wiederfanden.  Länger  und  m&chtiger  als  irgendwo  erklang 
dieser  Bof  gerade  aof  dem  areigensten  Boden  menschlicher  Bildong« 
auf  dem  der  leiblichen  Erziehung.  Und  mit  Becht;  denn  das  antike 
Ideal  reiner  menschlicher  Vollendung  zeigt  sich  gerade  auf  diesen 
Bahnen  in  seiner  ToUen  Herrlichkeit,  wo  Kunst  und  Leibeserziehung 
in  so  harmonischem  Zusammenwirken  walten.  Anstoß  und  Anregung 
erhielt  diese  Bewegung  insbesondere  yon  dem  rührigen  Zentral- 
ausschuß  fflr  Volks-  und  Jugendspiele  in  Deutschland,  welcher 
diesem  Gedanken  einer  auf  gesunder  Leibesfibung  fußenden  glflck- 
lichen  Wiedergeburt  der  Menschen  wiederholt  in  seinen  Jahrbnchen 
neue  Nahrung  und  Förderung  yerlieh. 

Heute  liegt  uns  eine  in  sich  abgeschlossene  Arbeit  desselben 
Gepr&ges  vor,  drei  Beitr&ge  zur  Ästhetik  der  Leibeserziehung  aos 
der  Feder  der  bedeutendsten  Vertreter  auf  turnerischem  Gebiete. 
Die  Verfasser  wollen  keine  umfassende  Ästhetik  der  Leibesflbnng 
fflr  unsere  Zeit  schreiben,  dafflr  dürfte  der  Augenblick  noch  nicht 
gekommen  sein;  in  den  hier  yereinigten  Arbeiten  sollen  nur  dl« 
Grundforderungen  einer  ästhetischen  Neubelebung,  auf  die  das 
Keimen  und  Wachsen  dieser  arbeitsreichen  Zeit  ringsumher  hin- 
weist, gesammelt  und  geklärt  werden. 

Das  Buch  verdient  das  Interesse  aller  Kreise  in  hohem  Grade, 
insbesondere  aber  die  Aufmerksamkeit  der  Schulen  und  ihrer  Be- 
hörden als  der  eigentlichen  Ausführungsorgane  der  jugendlichen 
Erziehung. 

Die  erste  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  den  natürlichen 
Grundlagen  der  Erziehung  des  Köi-pers  zur  Schönheit.  Ver&sser 
ist  der  bekannte  Sanitätsrat  Prof.  Dr.  F.  A.  Schmidt  in  Bonn. 
Eine  Reihe  höchst  anregender  Fragen  teils  turnerischen,  teils 
physiologischen,  teils  ästhetischen  Wesens  wird  hier  aufgerollt  and 
mit  einer  Klarheit  und  Sachlichkeit  besprochen,  die  schon  allein 
den  Wert  des  Buches  ausmachen. 

Die  zweite  Arbeit  .Kunst  und  Leibesübung  im  erziehlichen 
Zusammenwirken**  überschrieben,  stammt  aus  der  Feder  des  gleich 
bekannten  Altonaer  Turninspektors  Karl  Möller.  Sie  umfiißt 
13  Aufsätze  teils  turnerischen,  teils  physiologisch-erziehlichen,  teils 
rein  ästhetischen  Inhaltes  und  bildet  mit  ihrem  überreichen  knltor- 
geschicbtlichen  Stoffe  und  der  klar-  und  stilvollen  Darstellnngs- 
weise  als  Ganzes  für  sich  eine  höchst  wertvolle  Erscheinung  aof 
dem  Gebiete  unseres  Kunstschrifttums  überhaupt. 

Den  Abschluß  des  Buches  macht  eine  kurz  gefaßte  Ab- 
handlung der  Hamburger  Lehrerin  Minna  Badczwill  über  des 
Beigen  und  Beigentanz.  Die  Verf.  gibt  da  yom  Kunststandpunkt« 
aus  manchen  anregenden  Gedanken  zu  einer  Neugestaltung  der 
schulüblichen  Beigengebilde  und  eröffnet  auf  diesem  so  recht  eigenee 


F.  A.  Schmidt  u.  a.,  Schönheit  und  GymoMtik,  ang.  t.  J,  Pawd,  823 

ästhetischen  Fonnengebiete  unserer  Leibesflbung  recht  beachtens- 
werte Ausblicke  in  die  Zukunft. 

Dem  gediegenen  Inhalt  des  Buches  entspricht  auch  die 
überaus  schmucke  und  geschmackvolle  Ausstattung  des  Buches, 
die  durch  40  treffliche  Zeichnungen  teils  Nachbildungen,  teils 
eigene  Entwürfe  bekannter  Kflnstler  Deutschlands,  wesentlich  ge- 
hoben wird. 

Die  Besprechung  ergibt  das  Schlußurteil,  daß  das  vorliegende 
Büch  zur  Ästhetik  der  Leibeserziehung  vor  allen  anderen  Erschei- 
nungen auf  diesem  Gebiete  berufen  ist,  sich  in  den  weitesten 
Kreisen,  so  namentlich  an  allen  XJnterrichtsanstalten,  die  der  Kunst 
zuneigen,  insbesondere  aber  an  unseren  Mittelschulen  voll  und 
ganz  einzubflrgem.  Keine  Bflcherei  sollte  dieses  in  allen  seinen 
Teilen  ganz  vorzflglichen  Buches  entbehren. 

Baden-Wien.  J.  Pawel. 


Dritte  Abteilung. 

Znr  Didaktik  und  Pädagogik. 


Die  MittelschüleDqnete  des  ünterriehts- 
ministerinms  21. — 25.  Jänner  1908. 

(FortietiQDg.) 

Die  8.  270  erw&hnte  VdrOffentltehang  ist  bereits  vor  einiger  Zeit 
ereehienen  —  die  Schwierigkeit  des  Satset,  da  den  einseinen  Bednera 
die  Berinon  ihrer  Aoiftthmogen  aberlasien  war  and  die  all  Qniadlige 
der  m&ndlichen  Verhandlnogen  dienenden  ^Beferate  nnd  Korreferate"  io 
dankenswerter  Weise  mit  dem  Protokoll  &ber  jene  Tereinigt  worden  wsns, 
deshalb  jedoch  nen  gesetst  werden  mnAten,  erklärt  die  geringe  VenOgs- 
rnng  des  Erscheinens  —  nnd  f&hrt  folgenden  Titel: 

„Die  Mittelschal -Enquete  im  k.  k.  Ministerinm  für  Kultai  ond 
Unterricht.  Wien  21.— 25.  Jinner  1908.  Stenographiechet  Protokoll.  Re- 
ferate and  Korreferate.  Statistik  der  mit  dem  Öffentlichkeitsreehte  be- 
liehenen  Gymnasien  and  Bealschalen  in  Betreff  der  ünterriehtssprsehs 
im  Schaljahr  1907/08.  Heraasgegeben  im  Aaftrage  des  Ministerioms  ftr 
Koltas  nnd  Unterricht«*.  Wien,  Alfred  Holder  1908.  XIII  and  760  SS. 
Preis  18  Kl). 


1)  Landesschnlinspektor  Dr.  J.  Loos  hat  sieh  der  dankenswertes 
Aufgabe  nntenogen,  sn  dem  amfangreicben  Bande  ein  alphabetiiebei 
Sach-  and  Personenregister  hersostellen,  das  im  Verlag  der  EbenhOehicheB 
Baehhandlnng  in  Lins  (80  SS.,  Preis  K  1*20)  gerade,  da  dieses  Beferst 
sam  Sati  geht,  erschienen  ist.  Es  kann  allen  Benatiern  des  Werkes  über 
die  Mittelschalenqoete  —  troti  mancher  Lücken,  die  begreiflicherweise 
kanm  Termeidlich  sind  —  bestens  empfoblen  werden.  Nicht  nur  der  Lsie, 
der  f&r  die  in  der  Enqaete  behandelten  Fragen  sich  interessiert,  kssn 
an  der  Hand  des  Loosschen  Begisters  sich  leicht  and  raaeh  Aber  die 
behandelten  Materien  informieren,  sondern  aach  der  Fachmann  wird  ei 
mit  Nation  sarate  sieben.  Schon  die  Darchsicht  der  Schlagworte  sei^ 
welche  „F&lle  von  Stoff  ans  den  Gebieten  der  Schalpolitik,  der  Äußeres 
and  inneren  Organisation  des  höheren  Schalwesens  in  Österreich,  isi* 
besondere  Aber  die  die  Öffentlichkeit  jetst  mehr  als  je  intereesiereades 
Fragen  der  Ersiehong  nnd  des  Unterrichts  in  dem  Werke  geboten  wird*. 
Aber  nicht  nar  f&r  das  hobere  Schalwesen  in  Österreich,  londem  im  Hio- 
blick  aaf  die  bebandelten  Grandfragen  ancb  im  allgemeinen  kann  der 
reiche  Stoff  des  Werkes  großen  Wert  beanspruchen. 


Di«  Mittelsehnlonqneta  des  Untezrichtsminiiteriiims.  825 

Da  dieser  Berieht  somit  glei^ieitig  ein  Befent  über  diese  Ver- 
6ffeiitliebiing  darstellt,  seien  innäcbst  einige  BemerlciiDgen  Aber  das  Boeli 
der  llittelschQlenqoete  Toransgesehickt.  Es  umfaftt,  wie  schon  der  Titel 
bent^,  das  ganie  nr  Kenntnis  der  denkwflrdigen  nnd  ffir  die  Kenntnis 
oDsare«  Mittelsehnlwesens  ond  seine  Fortentwicklang  bedentiamen,  man 
d&rf  wohl  sagen  epochalen  Veranstaltong  das  gesamte  in  Betracht  kom- 
meiide  Material  nnd  darf  schon  deshslb  des  nachhaltigen  Interesses  aller 
sieh«r  sein,  denen  das  Wohl  nnd  Wehe  dieser  ffir  den  Staat  und  sein 
koatbantes  Gnt,  die  Jagend,  wichtigen  Institution  Sinn  und  YerstiLndnis 
habesy  mOgen  sie  in  welchem  Lager  immer  stehen.  Da6  dies  in  erster 
Linie  Ton  allen  gilt,  welche  pfliehtgem&A  der  Schule  dienen  und  ihre 
berufenen  Vertreter  sind,  den  Schnlminnem  nnd  liitgliedem  der  Schnl- 
beh5rdent  braucht  kaum  erst  gesagt  su  werden.  Der  Wert  und  die  Be- 
deutung des  Buches  wird  auch  in  einem  an  sftmtiiche  Mittelschuldirek- 
tionen  ergangenen  Erlasse  des  Ministers  fttr  Kultus  und  Unterricht  Dr. 
Mar  eh  et,  in  welchem  die  Direktionen  und  die  Lehrkörper  behufs  Berflck- 
siehiignng  der  in  der  Mittelscbulenquete  gegebenen  sahireichen  Anregungen 
auf  das  stenographische  Protokoll  dieser  Enquete  aufmerksam  gemacht 
werden,  das  jeder  Mittelschule  sugänglich  gemacht  wurde,  dabin  gekenn- 
seiehnet,  daft  das  stenographische  Protokoll  in  hohem  Maße  geeignet  sei, 
Aber  den  Stand  der  Mittelschulfrage  in  Österreich  lu  orientieren,  und  da 
ea  sahlreiehe  Anregungen  lur  Verbesserung  und  Weiterbildung  der  gegen- 
wärtigen Einrichtungen  enthalte,  mflue  Wert  darauf  gelegt  werden,  daß 
die  Lehrerschaft,  welche  berufen  ist,  an  einer  leitgem&ßen  Weiterentwick- 
Ixmg  der  Mittelschule  mitiuwirken,  sich  mit  dem  Inhalt  dieses  Protokolls 
▼ertrant  mache. 

Wie  bereits  bemerkt  worden  ist,  hat  die  Mittelschalenquete  ihre 
Analogie  in  den  Berliner  Schnireformkonferenien  in  den  Jahren  1890  und 
1900,  allerdings  mehr  mit  der  ersten  als  mit  der  sweiten.  Es  ist  daher 
nicht  ohne  Interesse,  die  Veröffentlichungen  tther  diese  drei  Veranstal- 
tungen, die  in  ihren  Aufgaben  und  Zielen,  lumal  bei  der  bei  aller  Ver- 
aeUedenheit  im  einielnen  im  wesentiichen  so  ähnlichen  Lage  der  Dinge, 
ao  Tiel  Gemeinsames  haben,  miteinander  lu  Tcrgleichen.  Zunächst  äui^er- 
lieh«  Die  beiden  im  Auftrage  des  preußischen  Unterrichtsministers  heraus- 
gegebenen, also  offisiellen  Werke  aber  die  Berliner  Konferenien  fähren 
den  Titel  „Verhandlungen  aber  Fragen  des  höheren  Unterrichts" 
(erschienen  1891  und  1901),  das  erste  ist  800  Seiten  stark,  die  eigent- 
liehen  Verhandlangen  umfassen  774  Seiten  oder  etwas  aber  44  Druck- 
bogen; es  nahmen  an  ihr  teil  Aber  besondere  Einladungen  44,  als  Ver- 
treter der  Ministerien  15  Herren  (ond  swar  8  Tom  Unterrichts-,  1  vom 
Finani-,  1  Tom  Handels-,  S  vom  Kriegs-  nnd  2  rem  Landwirtschafts- 
miatsterium),  eräffnet  und  geschlossen  wurde  sie  durch  bemerkenswerte 
Beden  Kaiser  Wilhelms  II.,  während  die  Verhandlungen  selbst  lumeist 
Yom  Minister  Dr.  Qossler  geleitet  wurden;  das  sweite  ist  414  Seiten  stark, 
die  Verhandlungen  199  oder  etwa  127i  Druckbogen,  sumeist  unter  dem 
Vorsitie  des  Ministers  Dr.  Studt;  es  nabmen  auf  besondere  Einladung 
84  Mitglieder,  ferner  8  BegierungsYertreter  teil. 


826  Die  HitteUehnleiiqaete  des  üniemehtsmiiiisteriiims. 

lo  dem  Werk  Aber  die  Oiierreiehiiche  MittelieholeDqaete  entfallaa 
genau  558  Seiten  oder  85  Drackbogen  anf  den  Berieht  über  die  mftnd- 
lichen  Yerhandlangen,  in  denen  über  beiondezo  Einladnng  des  ünteniditi- 
minieters  71,  alt  Vertreter  der  Minitterien  82  PeriOnliehkeiten^)  sngeug« 
waren.  An  den  Debatten  haben  57  Redner  mit  111  Reden  teilgeaemmaB, 
ond  iwar  22  mit  je  1,  18  mit  je  2,  15  mit  je  8,  2  mit  je  4  nnd  8  nit 
je  5.  Unter  den  57  Rednern  befanden  sich  nnr  8  Vertreter  der  Behörden: 
et  haben  somit,  da  von  den  71  eingeladenen  Teilnehmem  nv  82  erschienen 
lind,  54  von  ihnen»  d.  h.  Aber  87X  >i^  *^^  ui  den  Verhandlugen 
beteiligt  —  gewiß  ein  Zeichen  ernsten  Eifers,  den  sie  im  Interesse  6n 
großen  Werkes  bet&tigten. 

Aof  eine  innere  Vergleiehong  der  vorgenannten  Werke  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden.  Sie  wird  sich  am  Schlaft  dea  Referates  tob 
selbst  für  jene  ergeben,  die  alle  drei  kennen,  nnd  soll  wenigstens  in 
einigen  ZQgen  Tcrsneht  werden. 

Indem  ich  nnn  daran  gehe,  an  der  Hand  der  TerOifentlichta 
SittungsprotokoUe  über  den  Gang  der  mündlichen  Verhandlangen  n  be- 
richten, sei  Torerst  bemerkt,  daß  es  in  erster  Linie  meine  Aufgabe  seis 
soll^  sn  referieren  and  nicht  in  kritisieren.  Das  sdüiefit  natürlich 
nicht  ans,  daß  gelegentlieh  anch  naheliegende  kritische  Bemerkongis 
eingeflochten  werden  sollen.  Soweit  es  im  engen  Rahmen  dieses  BerichUi 
möglich  ist.  sollen,  im  Interesse  der  unmittelbaren  Wirkung,  die  einsehifB 
Redner  auch  tunlichst  selbst  sum  Worte  kommen. 

Gang  der  mündlichen  Verhandlungen. 
Debatte  über  Frage  I,  II  und  V  (Allgemeine  Erörterung  —  Organisatioo 
—  Berechtigung). 
Nach  der  programmatischen  Eröffnungsrede  des  Ünterrichtsminiitsrs 
(Tgl.  oben  S.  257—262)  und  nachdem  die  Referenten  Profi  Dr.  Hartinsk, 
Hofrat  Dr«  Huemer  nnd  Prof.  Dr.  Ehrlich  die  Gmadgedankea  ibrtr 
Referate  n&her  erl&ntert  hatten  (Hofrat  Prof.  Dr.  Morawiki  TcrsiehteU  ssf 
das  Wort  und  Sektionschef  Dr.  Juraschek  besehr&nkte  sich  auf  eine  ksrw 


')  Zu  der  oben  S.  255  f.  nach  der  „Wiener  Zeitung*  mitgeteiltes 
Pr&sensiiste  sind  nach  der  im  Torliegenden  Werke  gegebenen  offiiieUcD 
Liste  der  Teilnehmer  noch  naohintragen :  I.  Auf  besondere  Einladnng: 
SektioDBcbef  Wilhelm  Einer  (der  jedoch  am  Erscheinen  Terhindert  wer), 
Dr.  Ludwig  Frey  (abwechselnd  mit  Dr.  Grass,  als  Vertreter  der  Wiener 
Arstekammer,  ist  jedoch  nicht  erschienen),  Professor  Glas,  Obmann  dei 
Vereines  Österreichischer  Turnlehrer  und  der  Leiter  der  Universititstsn* 
anstatt  Lukas  (som  Thema  7);  Reichsratsabgeordneter  Kemetter, 
Direktor  des  Landeslebrerseminars  am  P&dagoginm  in  Wien;  Koesepte* 
adjonkt  Dr.  Matys,  Vertreter  der  Prager  Handels-  and  Gewerbeksmmer; 
Professor  Dr.  ▼.  Schullern;  Frau  Editha  Mauthner-Markhof,  Frltt* 
dentin  des  Vereines  für  erweiterte  Franenbildung  (ersterer  sum  TeÜ 
letztere  gans  durch  Krankheit  am  Erscheinen  Terhindert).  2.  Vom  Dntl^ 
ricbtsministeriom :  die  Ministerialr&te  Dr.  t.  Beck,  Dr.  Müller;  die 
Sektionsr&te  (seither  Ministerialr&te)  Dr.  D lab aO,  Dr.  Heim,  Dr.Khoii 
T.  Sternegg,  Hofrat  Professor  Hirn;  Tom  Ministerium  des  Innern  ^* 
I  tionarat  Dr.  Alexy;  Tom  Justiiministeriom  Sektionsrat  Dr.  ?.  Nenetbj 


I 


Die  MittelMhnlenqaete  des  ünterriehtaministeriiims.  827 

Bemerkiuig»  du  itotiitiBohe  Material  betreffend)«  sprach  als  erster  der 
Experten  Sektionsohef  Dr.  Freiherr  ▼.  Pidoll.  Seine  großangelegte,  ge- 
dankenreiche Bede  fand  nicht  nur,  weil  sie  die  erste  war,  sondern  Tor- 
nehmüch  wegen  der  Person  des  Redners  und  des  von  ihm  lertretenen 
Standponktes  trots  ihrer  außerordentlichen  Länge  —  Baron  Pidoll  sprach 
IV4  Standen  —  and  seine  —  in  der  sorgfältigen  Redaktion  im  Bericht 
erheblich  gekftnten  —  Aasffihrangen  fflllen  Aber  iwei  Drackbogen  — 
die  lebhafteste  Aofmerksamkeit.  War  es  anch  bekannt,  daA  er  namentlich 
doich  den  Aafenthall  in  England  bestärkten  reformfreondiichen  Anschaa- 
Qngen  holdige,  so  flberraschte  doch  der  Radikalismas  seiner  Ansichten. 
Wenn  er  anch  seinen  persönlichen,  aaf  Grand  langjähriger  Beobachtangen 
ala  Direktor  der  Theresianischen  Akademie  gewonnenen  Standpankt  ler- 
trat,  so  darf  doch  behauptet  werden  —  and  dieser  Eindnick  drängte  sich 
allen  Bürern  aaf  — ,  daß  Baron  Pidoll  sogleich  gewissermaßen  als  Wort- 
fabrer.  der  »Schalreformer*'  —  wie  sich  die  Vertreter  des  .Vereins  für 
Schnlrefonn'*  gern  nennen  —  sprach  and  sich  deren  Ansichten  und 
Wfinsche  sa  eigen  gemacht  hatte.  Das  ging  schon  aas  der  gelegentlich 
gebraachten  Wendong  »worauf  mich  meine  Freunde  aufmerksam  machten*", 
die  allerdings  im  Abdruck  fehlt,  hervor  und  wurde  mir  gesprächsweise 
indirekt  fon  ihm  selbst  bestätigt  Doch  sei  ausdrflcklich  herrorgehoben, 
daß  Freiherr  ?.  PidoU  allem,  was  er  Yorbrachte,  den  Stempel  seiner  Per- 
sönlichkeit aufdrOckte  und  den  Ansichten,  die  er  vertrat,  das  ?olle  Gewicht 
seiner  Eigenart  beilegte. 

In  eingehender  Darlegung  seigt  Baron  Pidoll,  daß  »eine  tief 
greifende  Reform  des  Gymnasiums  —  nur  auf  dieses  beliehen  sich 
seine  AusfOhrungen  —  notwendig  and  dringend  ist  Eine  solche 
Beform  wird  sich  in  der  Richtung  bewegen  mflssen,  daß  an  die  Stelle 
des  Intellektualismus  unserer  heutigen  Gymnasialbildung  ein  reicherer 
Inhalt  desselben  tritt  —  nicht  etwa  im  Sinne  einer  ensyklopädischen 
Vermehrang  der  Lehrfächer,  sondern  durch  allseitige  Einbesiehung 
der  in  der  jugendlichen  Indi?idualität,  in  dem  Subjekte  der 
Eriiehnng  ruhenden  psychischen  Kräfte  in  den  Bereich  des 
formgebenden  Einflusses  der  Eriiehung.  Nur  auf  diese  Weise 
kann  die  Gymnasialersiehung  dem  Bildungsideal  unserer 
Zeit,  der  Entwicklung  der  Persönlichkeit  su  Toller  Lebens- 
tflchtigkeit,  entsprechen;  diesem  Priniipe  hat  sich  auch  die  Orga- 
nisation der  klassischen  Studien,  an  welchen  im  übrigen  festsuhalten  ist, 
su  fttgen".  Im  Sinne  dieser  Grundsätse,  die  ihre  Meti?ieruDg  in  den  Tor- 
getragenen  pädagogisch -didaktischen  Brwägangen  finden,  stellt  Baron 
Fidoii  eine  Reihe  ? on  Anträgen,  „mit  denen  unter  Beibehaltung  der  bis- 
herigen Lehrfächer  —  jedoch  forbehaltlicb  einelner  Modifikationen  in 
Auswahl  und  Verteilung  des  Lehrstoffes  —  sowie  der  Zweistufigkeit  des 
Gymnasiums  angestrebt  wird: 

»Entlastung  der  Sch&ler,  insbesondere  auf  der  Unterstufe ; 
Anpassung  des  Unterrichtes  nach  Inhalt  und  Methode  an   die 
jogendliche  Eigenart  und  Altersstufe;  Forderung  der  spo 
tanen  Betätigung,  des  unbefangenen  Interesses  und  damit  der  Frr 


828  Di«  MitUliohiileDqaete  das  ünteiriehtsminiiteriami. 

an  enisier  Arb«it;  EfttwieklnBg  der  Willenskraft,  inebeseaiere 
durch  Beteilignng^  des  Gjmnasiams  aneb  an  den  niebt  «d- 
mittelbar  mit  dem  Unterricht  lasammenb&og^eBden  Betiti- 
gangen  des  SchOlersi  intentifere  Pflege  der  körperlichen  Bnt- 
wieklnng;  Wandlung  de»  Ojmnasiams  in  eine  BriiehanfB- 
schule«*. 

Mit  kunen  MoÜTierungen  werden  dann  folgende  Antrige  gesMlt : 

1.  Der  Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  beginnt  in  der  Anftsn, 
jener  in  der  griechischen  Sprache  in  der  sechsten  Gymnasialklasse,  unter 
Beibebaltong  ?on  wesentlich  der  bisherigen  Stundeniahl  der  Obeistafe 
und  Anwendung  der  analytischen  Methode,  Wegfall  aller  Obersetiuoges 
aus  der  Muttersprache  in  das  Lateinische  und  Griechische.  Ferm&ls 
Schalung  soweit,  als  sie  sieh  aus  der  analytischen  Methode  eigibt  Aach 
auf  diesem  Wege  sollen  die  Sehfller  beflhigt  werden,  die  Originalweiki 
der  klassischen  Schriftsteller  in  der  Ursprache  mit  Verslindnia  sn  Issei 
und  wird  demnach  an  dem  humanistischen  Lehriiel  des  Gymnadiiu 
in  dem  Umfang,  als  es  bisher  erreicht  wurde,  festgehalten. 

2.  Yerstftrkte  Vertretung  des  Unterrichts  in  der  Mutter- 
sprache. 

8.  Verstlrkte  Vertretung  der  Naturwissenschaften  saf 
der  Unter-  und  auf  der  Oberstufe.  Parallel  mit  dem  Unterricht  gebt  uf 
beiden  Stufen  praktische  Betfttigung  der  Schiller  (im  Laboratorium  usw.). 
Behufs  Vermeidung  einer  Oberbttrdang  werden  auf  der  Oberstufe  hin- 
sichtlich aller  Gebiete  lediglich  die  Kenntnis  der  typisches 
Erscheinungen  und  Gesetse,  dagegen  Detailkenntnisse  sar 
auf  jenem  Spesiälgebiet  Tcrlangt,  welches  sich  jeder  Schiller  Ar 
die  oberwähnten  praktischen  Arbeiten  frei  erw&hlt  hat. 

4.  Berflcksicbtigang  individaeller  Anlagen  durch  ErmOglichonf 
einer  Spesialisiernng  tod  der  siebenten  Gymnasialklatie 
angefangen  nach  den  Hauptgruppen  der  Lehrf&cher  (iifl- 
guistisch-bistorische  und  mathematiscb-natorwissenschaftliche  Gruppe). 

5.  Die  Schule  hat  insbesondere  auf  der  Unterstufe  ihre 
Anforderungen  wesentlich  während  der Unterrichtsieit  selbst 
lu  bew&ltigen  und  zu  erledigen.  Zu  diesem  Zweck  ist  eine  Bevisioa, 
besw.  Beduktion  des  Lehrstoffes  einsuleiten.  Jede  Gymnasialklasse  seil 
nicht  mehr  als  25—80  Schaler  s&blen  and  der  Unterricht  eine  Art  Kol- 
loquiam  iwischen  Lehrer  und  SchQler  sein.  Der  theoretische  Unteiriclit 
hat  nur  Vormittags  stattsufinden :  das  h&usliche  Studium  darf  in  den 
unteren,  mittleren  und  oberen  Klassen  nicht  mehr  als  ly^  beiw.  2  osd 
3  Stunden. tAglich  erfordern. 

6.  Die  durch  die  Beduktion  des  Unterrichtes  auf  der  Unteistofo 
sowie  die  Beschränkung  des  h&uslichen  Studiums  auf  beiden  Stiise 
ersparte  Zeit  ist  in  folgender  Weise  sn  Terwenden,  und  iwar  f&r: 

a)  freie  MuAe  des  Schillers, 

b)  die  oben  erwähnten  praktiseh-naturwissensebaft- 
lichen  Arbeiten, 


Dio  HitielMholenqiMte  des  UDtemehtimiiiitteriiiiiis.  829 


e)  H«Bd«rbeit«B»  Spiel»  Sport  (iiiMiiime&  miadettast  swei 

Standeo  tiglich),  Wandemngen»  Pflege  der  Kontt  (inibetondere 

Zeichnen  und  QeiAng), 

d)  Erlernung    einer    sweiten    modernen    Sprnehe 

mittele  der  nnalytiichen  Methode,  Ton  der  III.  Klatte  an. 

7.  DatGymnniinm  hat  alBErsiehnngeschale  an  fangieren» 
et  bat  eich  daher  nieht  bloA  an  dem  Unterricht»  aondern  auch 
den  ionitigenersiehlich  in  Betracht  kommenden  Bet&ti gangen 
dea  Schfllers,  inebeaondere  soweit  es  sich  am  die  Eniehang  dea  Willens 
(Charakters)  handelt  (fgl.  6)»  in  entsprechendem  Umfang  sa  beteiligen. 
Im  Zasammenhange  damit  wftre  die  bestehende  Dissiplinarordnung  fftr 
die  Schüler  den  Altersstafen  entsprechend  sa  modifiiieren. 

g.  Beschr&nknng  der  laafenden  Prflfangen  nnd  Klassi- 
fisierangen.  Abschaffang  der  Matarit&tsprflfang.  An  die  Stelle 
der  letiteren  hat  anter  gewissen,  speiiell  festiasetsenden  Modalititen 
(anter  denen  jedoch  eine  seitens  der  betreffenden  Hochschnie  ?ona- 
nehmende  Anfhahmsprflftuig  nicht  gemeint  ist)  der  Aassprach  des  Lehr- 
körpers and  des  Direktors  ttber  die  sittliche  and  geistige  Reife  des 
Abitnrienten  lam  Beeach  einer  Hochschnie  la  treten. 

9.  Dem  Gymnasialdirektor,  als  dem  Terantwortlicben  Leiter 
der  Anstalt»  ist  sowohl  gegenüber  den  ihm  Torgesetsten  Behörden,  als 
saeh  gegenüber  den  Lehrern  nnd  Schülern  ein  möglichst  wenig  be^ 
schr&nkter»  aasgedehnter  Wirkangskreis  —  so  s.  B.  hinsichtlich 
der  Yerwendong  der  Lehrer»  der  näheren  Feststellang  des  Lehrsieles  nnd 
des  Lehrstoffes,  der  Yersetsang  der  Schüler  in  höhere  Klassen  asw.  — 
einsnr&amen.  Behnfs  ErmOglichang  intensiierer  Betütigong  aaf  pftda- 
gogischem  Gebiete  ist  er  Ton  administrati?en  Geschiften  möglichst  sa 
befreien. 

Die  Aasbildang  für  das  Lehramt  ist  nach  der  p&dagogi- 
sehen  Seite  hin  sa  ergin sen  nnd  die  formelle  LehrbeflUiigang  Ton 
einer  l&ngereren  praktischen  Bet&tigang  abhftogig  sa  machen. 

10.  Nach  Analogie  des  §  117  ff.  des  Organisations-Eotwarfes  er- 
halten die  Angehörigen  der  Gymnasialschüler  das  Becht,  Yertranensmänner 
nie  ihre  Vertreter  sa  wühlen,  welchen  behafe  Herstellang  and  Erhaltnng 
dee  richtigen  Verhültnisses  swischen  Schale  and  Hans  eine  n&her  festsa- 
tetsende  Stellang  —  insbesondere  das  Becht,  dem  Gjmnasialanterricht 
und  gewissen  Lehrerkonferensen  beisawohnen  —  einger&omt  wird. 

11.  Die  Unterstnfe  einee  nach  den  dargelegten  Grnnds&tsen 
organisierten  Gymnasinros  würde  sich  als  eine  Einheitssehale  dar* 
stellen  nnd  demnach  den  absolvierten  Schülern  der  lY.  Klasie  ebensowohl 
das  Aaisteigen  in  das  Obergymnasinm  als  aoch  den  Übertritt  an  Fach* 
seholen  —  an  die  Obenealschale  CTentaell  onter  der  VorauAietineg  eiaer 
trgiasenden  Prüfung  ans  Geographie,  Geometrie  ond  Cb^mi«  ^  ffnnög- 
lieht  werden. 

Die  Torliegenden  Antrüge  wären  Torerst  nicht  allgemeiüi  lo' 
nla  Versaeh  an  gewissen»  hiesn  geeigneten,  mit  dem  ÜffeDtiichkeit^ 
▼enehenen  Anstalten  dnrchsnführen. 


\ 


830  Die  MitteliehQlenqiiete  des  UnterridtiBdBirteinflHL 


Aof  eine  Kritik  diäter  Farderug  kum  hier  i 
werden  wie  aaf  eine  BeleaekitoDg  der  tiieoreüeches  AoiiditeB  dee  Bedscn. 
Nor  Aof  einen  Widerspruch  kann  ich  niehl  umHdm  kiuiiweie—  Baron 
Pidoll  beginnt  seine  meritorischen  AnsfAhmngen  mit  dcB  Snftse:  «Dm 
heutige  Gymnuiom  ?ennittelt  nach  aUgemeiner  Anffnasnng  die  wertfeUste 
ond  vornehmste  Bildung;  nur  wer  das  Qymnasinm  abeolTiert  hat»  verftgt 
ttber  eine  Bildong  ohne  Lfleke*.  Ich  halte  iwar  diese  «aUgOMiBe  Alf- 
faisong*  fflr  eine  starke  Obertreibvng,  die  die  wahren  Freude  dst 
hnmanistisehen  Gymnasiiinis  nicht  teilen.  Allein  wenn  Baion  PldoQ,  wU 
es  nach  seinen  Worten  den  Anschein  hat,  sie  fttr  richtig  UUt»  no  ist  nieht 
recht  begreiflich,  wamm  diese  «wertwollste  nnd  fomehmsta  Büdnng  okie 
Lflcke**,  die  das  heutige  Gymnasiam  fennittelt,  Ton  ihm  im  wwteren  Ver- 
laufe so  scharf  kritisiert  wird  nnd  wamm  das  Gymnasium,  das  nach  Arn 
bereits  heute  die  ^wertfoUste  und  fomehmste  Bildung*  versaitteit,  so 
radikal  reformiert  werden  soll.  Darin  allerdings  wird  man  ihm  unbediigt 
beipflichten,  nnd  dieser  Standpunkt  wurde  nachdrftcklich  ?on  den  Freiadm 
des  humanistischen  Gymnasiums  Tortreten,  daft  die  Schaffung  never  Tjpeo 
die  Frage  der  notwendigen  Beformen  des  Gymnasiuma  nldit  in  den 
Hintergrund  dr&ngen  dflrfe. 

AU  sweiter  Bedner  ergriff  Begierungsrat  (seither  Hofrat)  Profmor 
Dr.  Schwiedland  das  Wort,  um  im  Namen  des  durch  Krankheit  an 
Erscheinen  ?eihinderten  Ministen  Dr.  QeAmann  eine  Erklinmg  n  ?er- 
lesen.   Dieser  hatte,  wie  bekannt,  sm  12.  Jinner  im  Verein  für  Schul- 
reform einen  Vortrag  ,,Zar  Mittelschnlreform*'  (Wien,  Mani  1906)  gehaHes, 
in  welchem  er  sich  —  nicht,  wie  Begierungsrat  Schwiedland  sagt«,  Ar  aiat 
Einheitsschule  —  sondern  fQr  die  fersuchsweise  Einfahrnng  einer  drittes 
gchulgattung  ausgesprochen  hat,  die  neben  die  bestehenden  und 
weiter  la  erhaltenden  Typen^  GymnasiDii]  nnd  Gkalichulef  treten  tolle 
Diese  neue  Type  nannte  er  Bilgemeioe  M  itteliebisl«  und  it^Ut«  f^? 
sie  auch  einen  Lehrplan  auf.  Dieeer  Lehi-f^Un  xeigt  jedem  mtt  den  Schulfn^fni 
Vertrauten  deutlieb,  daft  diese  Allgemeine  MitteUchute  \httm  Wesen 
nichts  anderes  als  eineMitteUcbule  mit  Latein  ohne  Griecbiicb^  aUo  bei  < 
Verschiedenheiten  im  Lehrplan  nichts  anderes  all  dasi  preußische  Se*l^ 
gymnasinm  und  im  wesentlieheii  nkhti  anderes  als  der  tom  Bcfersato 
Hofrat  Dr.  Hoemer  vorgeschla^eDe  dritt«  Typoi,  den  er  —  nach  4itm  h 
der  pldagogischen  Welt  flblifhen  ScbemK  —  eben  EealgTmaaAEun 
das  natfirlich  mit  den  in  öeterreieb  deneit  beiteheodeD  nidit  r«r 
werden  darf.  Ein  spftterer  Bedner^  HofTat  Pf<^f,  Lorbeer^  niKfale  nif  ^ 
versweifelte   Ähnlichkeit,    die    iwiachen    der    aiigemeioea    Uittelaeki** 
Minister  Dr.  Geftmanns  nnd  dem  dritten  minivtertellen  l^put»  d^D  Bsil* 
gymnasinm  Hofrat  Dr.  Haemere  (was  den  Orga^^p^  ' 
aufmerksam  nnd  bemerkte,  daL  deibalb  die  t>  *-- 
Minister  Geftmanns  gegen  Hofrat  HQemer  ; 
at&ndlich  sei.    Sieht  man  somit  f  on   diesi 
Erklinmg  darin,  und  das  ist  das  WertToll 
eich  mit  aller  Entschiedenheit  gegen  ^'''^ 


Dia  MiUelscbalfiDqisete  des  Üoterrichtsminiiterianti^ 


sai 


XJßd  «»  tu tb ehrte  otobt  eioer  gawiiseii  Piksnterief  dies«  ErklAmng  Tom 
ViKeprfiiidenten  des  ^ Vereins  für  8ehalreform**  tortragen  ta  boren,  dessen 
MH^ticder  bei  TeriebiedeBen  Oelegenb^iten  in  der  latelo losen  Ünterstafe 
mit  Gabetmng  oben  c)«s  gtMt&  Heil  der  Bcbolrefofoi  erblickten. 

Von  be^onderein  Interesse  sind  die  Gründe,  aoft  denen  sieb  Miniiter 
Dr.  Ge&m&OD  im  scbrofTen  öegensftU  zu  den  ^Scbnlreformem'*  gegen  jede 
Alt  Ton  G&belnng  ansspricbt-  ETsteni  würde  eine  derartige  Ori^ania&tioD 
detn  ai)i  wiebtigen  ioiialen  tind  wirtsehafUichen  EOeksicbten  aUgemeln 
empfandeneo  BedirfoiiBe  der  Hinanisebiebnng  der  Bemfsvabl 
nicht  hinreichend  Hechnitng  tragen»  da  diene  Wabl^  weiche  bisher  ins 
Kindesaiter  £el>  kanm  Qm  2wek  bis  fier  Jahie^  mitbia  bOcbstens  iqs 
Knabenalter  verlegt  wire,  aUo  ins  Alter  der  Pubertät^  um  welcbe  Zeit 
mancherlei  phjiidogieebe  und  piyebo logische  Momente  die  Bestimmung 
des  künftigen  Bemfes  weit  mehr  erichweren  als  erleichtern.  ZfreiteD« 
müßte  die  durch  die  Qahekng  hedingte  EinschrftokaDg  ge  wies  er  Diasl- 
ptineo  anf  die  Untn^  und  übersinfe  atnen  bedenklich  forcierten  Lehr> 
betrieb  in  den  betretenden  Diizlplinen  mit  sich  bringen^  der  den  Lehf' 
erfolg  weiäntlich  beeinträchtige.  Das  gelte  inibesondere  von  den  Spraohea. 
Und  der  Healpolitikert  als  den  sich  Mtnieter  Dr.  Geßmann  in  seinem  Vnr^ 
trag  selbst  beteicbn^t,  der  gewil^  ToUes  Verstandoii  für  die  aotialpolitiiche 
und  wirtscbaftlicbe  S^ite  der  iSehul reform  besitit,  behauptet  im  Gegen eati 
in  BAron  Pidoll  (der  ftuf  Grttnd  der  von  ihm  TertFetenen  pädagogischen 
Theorien  dem  Eindeialter  dafQr  jedes  luteress«  ahapncht  nnd  den  Unterricht 
in  den  kl&Bsiacbeü  Sprachen,  im  Ititereise  ititeiiiivereii  Betriehei  und 
besserer  Erfolge,  auf  die  Uberstofe  binanfschiehen  wkll)  —  so  nahe  bei- 
einander wohnen  die  Gedanken  — ,  der  Unterricht  in  klassiscben  wie  in 
rooderoeD  Sj^rachen  kGnne  nur  dann  bleibenden  Wert  fersprecben,  wenn 
er  tehon  im  Kindesalter  beginne  nnd  darch  eine  Beihe  von  Jahren 
fortgef&brt  werde,  Eid  forcierter,  auf  bloß  elaige  Jahre  ^  etwa  gar 
Dur  auf  die  Oberstufe  —  beschrinkter  i^pracbonterricbt  vermöcbte  weder 
in  geistig-formal  bildender  —  noch  weniger  aber  in  ethischer 
and  endlich  nicht  einmal  in  praktischer  Bexiebung  %n  befriedigen.  Drittens 
meint  er^  würde  eine  Schule  mit  ÜabelUDg  die  erwartete  Entlastung  der 
beiden  bisherigen  Mittelschulen  nicht  bewirken,  weil  die  Eltern  ihre 
Kinder  nur  in  Schalen  mit  bestimmten  und  kUr  erkennbaren  End- 
sielen gern  senden,  nnd  twar  in  der  Erwartnngf  daß  sie  den  gansen 
Knrtos  abaol Tieren.  Erst  wenn  ans  irgend  welchen  Grinden  das  Inf- 
steigen  in  die  Oberstofe  unmöglich  sein  tollte,  sehen  sich  die  Eltern  n&^h 
geeigneten  anderen  Obentnfen  um,  die  ihren  Kindern,  denen  die  Hoch- 
•ehulen  Terscblosten  bleiben,  neben  dem  FreiwJtligenrecht  eine  gewisse 
ftilge meine  Bildung  li ehern,  die  sie  befähigt,  wenn  auch  nur  mittlere  oder 
niedere  Stellen  im  Staatsdienste  lu  erlangen.  In  dieser  Hin  sieht  schlägt 
«r  (tn  Tbema  V)  vor:  ^Keben  dem  Gjmnasinm  und  neben  der 
Bealschole  nnd  der  (von  ihm  vorgescblagenen)  allgemeinen 
Mitte Iscbnie  (die,  wie  bemerkt,  wesenegleich  mit  dem  vom  Eeferenten 
empfoblenen  Eealg^rmnasiom  ist)  m&gen  noch  besondere  Allein- 
stehende  iwei-  oder  dreiklasiiga  Oberstufen  mit  beiondereQ 


832  Die  Mittaliebiilenqaeta  des  ünteRiehiamioiateriiiiiia. 

Zielen  fflr  lolehe  AbioWenten  der  TereehiedeneD  ünterstofen 
geschaffen  werden,  welche  ihre  Ansbildang  an  den  normalen 
Oberstufen  nicht  sn  Tollenden,  mithin  an  die  Hochtehnlcii 
nicht  sa  gelangen  vermögen.  Diese  besonderen  Oherstofes 
sollen  eine  gewisse  allgemeine  Bildung  ?ermitteln  and  für 
besondereBernfe  nndDienste  insbesondere  staatlicherKatar 
Torbereiten;  den  AbsoWenten  soll  das  Freiwilligenrecht 
eingeräumt  werden".  Mit  Entschiedenheit  spricht  sieh  Minister  Dr. 
Oefimann  gegen  die  vom  Referenten  Hofrat  Dr.  Huemer  als  AJtematifS 
empfohlene  vierte  Tjpe  (das  Beformrealgjmnaaium)  aus,  er  icOnne  ftr  dit 
Verbindung  der  gegenwärtigen  Unterrealschale  mit  einem  Obergymnaaiiiffl 
auf  keinen  Fall  eintreten,  da  hieraus  nur  eine  gekflnstelte  Organisaties 
mit  einer  bedenklichen  Gabelung  entstehen  mflAte.  Femer  wendet  sr 
sich  dagegen,  daft  die  im  ersten  Alinea  der  BeformTorschlige  unter  3 
beantragte  Qleichatellong  der  Torgeschlagenen  Type  mit  dem  Gymnasism 
hinsichtlich  der  Zulassung  lu  allen  Hochschulen  durch  den  Zusats  im 
sweiten  Alinea  wesentlich  eingeschränkt  werde,  indem  die  Zulassosg 
solcher  Absolfenten  su  den  durch  die  Hochschulstudien  führenden  Berab- 
Prüfungen  noch  besonders  geregelt  werden  sollte.  Hingegen  erklärt  er 
sich  damit  einverstanden,  daß  die  Bealachnl-Ergäniungsprflfung  —  falU 
sie  nicht  überhaupt  aufgehoben  w&rde  —  in  Hinkunft,  d.  i.  nach  Öduffasg 
der  neuen  acbtklassigen  Typen,  auf  Latein  und  philosophische  Propädeutik 
beschränkt  werde.  Wie  gegen  Hofrat  Huemer  polemisiert  dann  aoch 
Minister  Dr.  Geßmann  gegen  den  ersten  Korreferenten  Hofrat  Professer 
Morawski  und  pflichtet  im  wesentlichen  dem  iweiten  Korreferenten  Plä- 
sident  Morawits  bei.  Die  Polemik  ist  allerdings  mehr  formaler  Natir 
und  wendet  sich  meritorisch  mehr  gegen  den  Alternatirroreehlag  Hofrat 
Huemers,  das  sogenannte  Beformrealgymnasium  l^etreffend. 

Frau  Marianne  Hainisch  spricht  im  Sinne  der  Mütter,  die  sie 
als  Vorsitsende  des  Bundes  österreichischer  FraueuTereine  hier  Tertiat 
Man  lasse  den  Müttern  nicht  Zeit,  ihre  Kinder  lu  ersiehen,  man  weiii 
den  Müttern  vor,  daß  sie  ihre  Kinder  yeniehen,  der  Vorwurf  treffe  ner 
Frauen,  die  von  der  Ersiehong  nichts  verstehen ;  die  Mütter,  wekfae  ikrc 
Kinder  wirklich  ersiehen  wollen,  wollen  sie  tüchtig  machen  für  das  künf- 
tige Leben:  abgehärtet  physisch  und  geistig.  Mit  Bemfong  auf  ihrea 
vor  Jahren  gehaltenen  Vortrag  ,,Uber  den  Aufwand  und  den  Erfolg  dsr 
Mittelsehule**  behauptet  sie,  daä  der  Aufwand  ein  so  großer  sei,  daß  er 
in  keinem  Verhältnis  lum  Erfolg  stehe.  Der  Obergang  ans  der  Vefts* 
schule  ins  Gymnasium  sei  ein  viel  tu  großer,  aas  der  Hand  eines  Lehmsi 
der  in  die  Persönlichkeit  des  Kindes  eingegangen,  komme  das  Kind  ia 
die  Hand  eines  Fachscbollehrers.  Der  Hauptfehler  liege  im  vn^ück- 
seligen  System  der  Auslese.  Darauf  beruhe  hanpftsädilieh  die  aohiefe 
Stellung  der  Eitern  sur  Schule,  da  diese  Auslese  an  jedem  Qymnasinn 
anders  gehandhabt  werde;  das  Urteil  variiere  mehr  nach  Art  des  Gyss- 
nasiums  als  nach  der  Art  dee  Kindes.  Sehaife  Worte  widmet  aie  den  an- 
glückseligen  Spreehetunden ;  „Wir  Frauen  bewahren  uns«»  Männer  mlg 
liehst  davor,  in  die  Sprechstunde  su  gehen,  weil  wir  sie  dem  aieht  aas- 


Die  Mitielsehnleiiqaete  das  Uniairiehtimtiiisteriiimi.  83& 

setiea  woUeo,  dem  wir  anigeaetzt  rind,  wir  gehen  lieber  idber  hin»  nl» 
daft  wir  nneere  MAnner  in  diese  erniedrigende  Stellnng  gelangen  eehen^ 
Qod  et  gibt  sehr  viele  Frauen,   die  ihren  MAnnem   sagen:  *Da  darfst 
nicht  hingehen,  es  ist  sn  onangenehm*.*   Sie  belegt  dann  dieses  im  all- 
gemeinen so  harte  Urteil    mit  der   allerdings  mildernden  Bemerkung  t 
«hnmer  ist  die  Sache  ja  nicht  so  kraft*  durch  einen  konkreten  Fall,  der 
sich  in  einer  Realschule  ereignet  habe  und  den  sie  ans  den  Mitteilangen- 
einer  hochangesehenen  Fran  aas  den  hüehsten  Stinden  kenne.  (Im  Spreeh- 
limmer  standen  auf  der  einen  Seite  die  Mfttter,   anf  der  anderen  die 
Lehrer.    Jede  Matter  maßte  sn  dem  betreffenden  Lahrer  hingehen  oad 
int  ihm  Tor  dem  ganzen  Anditorinm   aber  das,  was  ihr  Lmerstes  be- 
wegte,  sprechen.    Trotidem   hat  ein  Profeieor    eine  Matter   farchtb«r 
herabgekanselt;  er  hat  sieh  aber  bernhigt,  nachdem  ihn  ein  Kollege  ei- 
mahnt  hatte.  Kanm  aber  hatte  die  Matter  die  TQr  hinter  sieh  geechloesen» 
sh  dieser  anglttckselige  Mann  in  seinem  Ärger  aasrief:  «Das  ist  mir  tber* 
haspt  das  OrlAlichste,  mit  all  den  Mflttem  sprechen  ra  mflssen*.)  SehlieA- 
lieh  spricht  auch  Fraa  Hainisch,  om  Schale  and  Haas  in  irgend  einer 
Weise  einander  n&her  in  bringen ,  fflr  EltemTersammlangen  and  Akti- 
▼iemng  des  §  117  ff.  des  Organisations-Bntwarfes  sich  aas.    Die  Aoiffth- 
nngen  der  jagendlich  lebhaften  alten  Dame  fanden  beifillig^  Aofnahme. 
üniTenitätsprofessor  Dr.  Wähle  (Cxemowiti)  wendet  sich  htopt- 
•ieUich  der  Didaktik  sa.  Er  meint,  die  GraTamina  betflglich  der  jetiigen 
Schale  entstehen  nicht  so  sehr  durch  die  Bildangsmittel,  i.  B.  also  nicht 
durch  das  CMecfaisch,  das  ein  herrliches  Bildongsmittel  sei,   wenn  auch 
nicht  absolot  wertvoU,  sondern  die  schlechten  Methoden  seien  die  Quellen 
der  Mißerfolge.  Man  eei  sich  ttber  Effekt  und  Wirkangskreis  der  Bildungs- 
mittel  nicht  klar.    So  kOnne  er  sich  nidit  damit  einyerstanden  erklären^ 
daß  die  Masse  von  Aasnahmen  der  Regeln,   wie  sie  (Ten  Baron  Pidoll) 
an  dem  Smtse:  „Äthenae  erant  oppid%$m*'  typisch  angeklagt  worden  sei» 
ftr  die  Ertiehung  answeckmißig  wäre.    «Im  Gegenteil,  sie  sind  intellek- 
tuell and  moralisch  nfltslioh.    Sie  helfen  dasn,  das  Gedächtnis  wachsen,, 
den  Geist  forsichtig,   elastisch,  energisch  sn  machen;  der  Schfller  soll 
•ich  an  Snbtilit&tea  orientieren  lernen.    Sie  wollen  ja  eben  den  Schfller 
sieht  im  Stande  grober  Simpliiitlt  erhalten,  sondern  über  seinen  ptimi- 
tiven  Stnnd  hinausheben.  Freilich  läßt  sich  das  durch  verschiedene  Dissi- 
plinen  erreichen  ^  immer  die  gute  Methode  Toraosgeeetsf     Wenn  OMm 
die  neoen  T^fpen  einfflhre  und  dai  f  deebiicbe  Qjmnajtiam  beateb^a  lsi«e, 
80  werden  diese  Typen  miteinander  den  Kampf  snskftmpfeti.  VoriiMtetfang 
fftr  diesen  Kampf  sei  natflriich,    di^Q  Soane  ond  Wind  gleich  mäßig  f«f- 
teiH,  daß  die  Berechtigungen  fQr  dieie  Tjpeo  die  gleichen  seien,    Ma 
mflsse  aber  das  Wesen  derT^en  und  Metboden  prüfen.  Die  Methad%jatif~ 
durchwegs  heuristisch  werden.  Die  Schfller  »oilao  allei  stlbO^ 
das  sei  die  Urmethode,  nach  ihr  finde  der  Z(»gUng  ^ 
ftenden  Tatsachen  und  Gesetse  selbst.    Ad   einigen  ■ 
da6  die  in  den  meisten  Pankten  aßgeEeichoetea  toitrdi 
hn  Geiste  der  Henristik  abgefaßt  liod.  Weü  die  Dlttlpl 
im  Geist  dieser  richtigen  Methode  gdebrt  wuTden«  iü" 

ZeitMhrifl  f.  d.  tettrr.  Gymn.  1906.  YlII.  a.  DL  P 


Ä 


:834  Die  Mittelscholenqneia  des  ünterrichtsminUterioiiii. 

•den  StbtUeni  Widerstreben,  Widerwillen,  Gleichgilügkeit  eingetreten.  Die 
Unterrieht8?erwaltnng  mOge  daher  mr  YerbessfrvBg  der 
Metboden  eine  BeTieion  der  Initrnktionen  im  Sinne  der 
Henrietik  Tornebmen. 

In  ttberans  temperamentToUer  nnd  wirksamer  Weise  Abt  der 
folgende  Redner,  der  Wiener  Handelskammersekret&r  Dr.  Biedl,  ecbufe 
Kritik  an  dem  jetsigen  Lehrbetrieb.  Seine  AnsfOhrnngen  wirken  ia 
der  Lektllre  besser  als  sieh  der  im  überlauten  Ton  gehaltene  Vortng 
anhörte.  Die  einleitenden  allgemeinen  AnsfOhrnngen  würden  im  eisMlDea 
freilich  dem  Urteil  kaum  standhalten.  Von  der  richtigen  Ansieht  lu- 
gehend,  daß  die  Mittelsehale  in  erster  Linie  in  selbst&ndiger  Beobadh 
tnng,  selbständigem  Denken  nnd  Urteilen  ersiehen  soll«  in  swmter  Lilie 
«rst  stehe  die  Ausstattung  mit  der  notwendigen  Vorbildnng  für  die  Weittf- 
ausbildung  su  einem  praktischen  Berufe,  nicht  aber  diese  praktiiche Be- 
rufsbildung selbst,  meint  er,  das  Gymnasium  habe  arsprftnglieh  dicK 
Bildung  durch  Torwiegend  historische  und  literarisch-kOnstlerisdie  Sdii- 
lung  des  Geistes  an  der  Hand  der  Antike  beiweckt.  Es  sei  nun  ridit|. 
daft  die  antike  Welt  infolge  der  Abgeechlossenheit  ihres  KnltarMi«. 
deswegen,  weil  sie  eben  vergangen  sei  und  die  Streitfragen  der  Oeg» 
wart  in  die  Betrachtung  der  Antike  nicht  bereinragen,  sosusages  ib 
Paradigma  fflr  die  mensehliche  Entwicklung  benntit  werden  könne.  Dieee 
Unterrichtsart  habe  aber  den  nicht  su  unterschUtsenden  Nachteil,  daß  die 
•Schüler  in  einer  gewissen  Abgewandtheit  vom  praktischen  Leben  dsrOeges- 
wart  enogen  werden,  ein  Nachteil,  der  in  der  weiteren  Entwickhug  dei 
<}jmnasiums  in  erschreckender  Weise  herrorgetreten  sei.  In  Betng  ufdie 
realen  FAcher,  auf  positive  Kenntnisse  habe  das  Gymnasium  nr^rtaglieb 
«ine  gewisse  Beschrftnknng  aufs  notwendigste  in  sein  Programm  vdf^ 
fiommen.  Die  weitere  Entwicklung  der  realen  Wissenschaften  haben  so 
bliesen  Bahmen  gesprengt  und  dadurch  sei  der  Gleichgewichtssutuid,  d« 
nach  der  ursprünglichen  Organisation  des  Gymnasiums  swischen  den  reiiiB 
«nd  humanistischen  Fftchern  bestanden  habe,  gestOrt  worden.  Dervd^ 
Abgewandte  Zug  des  Gymnasiums  sei  dadurch  eher  noch  fencbftrft  «tfdiB. 

Auch  Baron  Pidoll  hat  in  seiner  Bede  auf  die  durefagieifai^ 
Wandlung  hingewiesen,  die  in  dem  Bildnngsideai,  das  su  Anfang  da 
XIX.  Jahrhunderts  bestand  nnd  von  dem  auch  das  beutige  GymsaaBS 
«ein  Gepr&ge  erhalten  habe,  durch  Entwicklung  ?on  Naturwisaemebif^ 
nnd  Technik,  durch  Änderung  der  Verfassungen,  den  großartigen  ti^^ 
schaftlichen  Aufschwung  usw.  eingetreten  sei  nnd  auch  er  ist  dtfMeiBBig» 
^tL&  den  erhöhten  praktischen  Anforderungen,  die  an  den  Triger  am 
Entwicklung,  das  Indiriduom,  gestellt  werden,  das  heutige  GjBiseiiiB 
nicht  mehr  entspreche.  Und  dieselben  Vorwflrfe  wurden  auch  Ton  iptteriB 
Bednem  erhoben.  Da  ist  es  nun  nicht  ohne  Interesse,  wie  Unacr  4er 
Praxis  darüber  urteilen.  Deshalb  sei  in  diesem  Zusammenhang  anf  eia« 
Aufsats  hingewiesen ,  den  unter  dem  Titel  »Das  humanistische  Gjbi*- 
sium  und  die  Anforderungen  der  Gegenwart**  Dr.  Alfred  Gieseeke,  ^ 
Leiter  des  weltbekannten  Yerlagshanses  B.  G.  Tenbner  in  Leipsig»  '» 
Juniheft  der  „Neuen  Jahrbücher  fflr  das  klassische  Altertun*  TerCfot- 


Di«  Mittfllicbulenquelfl  d«i  ÜDterrichtflmiQiiteritimi. 


S35 


licht  bat.  Er  wendet  ikb  gerade  gegen  die  bi»  smin  Überdra&  wieder- 
holte Anklage T  diL&  die  »Ite  GelebiteDichale  fftr  d&s  Zeitalter  der  Elek- 
triiltit  md  der  Weltpditik  antiquiert  nei  and  ^bekämpft  eie  als  Mann 
itod  mit  M&Qneni  der  Fraxia.  Ei  sei  doch  inerk würdig »  daß  ein  Maikiif 
wie  Staatasekretär  Dernbarg»  dem  gewiS^  einiges  TaritäiidQJs  fßr  die 
Bedürft] iiie  dei  praktJBcben  Lebens  nnd  der  Weitpolitfk  nicht  beitritteo 
werden  kOnne,  für  dat  Gymnasium  eiDlreißf  iodetD  er  (DMCh  dem  Bericht 
in  der  ^FraneDbüdiiDg*'  1907,  7/8.  Heft)  getegentlicb  der  Beratnngen  ibar 
BegiüBduag  einer  b6beren  weltlicben  BildaagBaaBtalt  iu  Grunewald  äa&erte 
,...  er  trete  für  dai  hqmamitiecbe  OjEnnaaiQui  ein.  Die  höhere  Schale 
loll«  keine  Beruf »bildnng  r ermitteln  ,.>  Dar  Verstand  Golle  in  den  Be- 
aits  einer  braaebb&reii  Methodik  gelangen,  nicht  LernstoS'  bloß 
POlla  rermiltelt  werden"  ^  Ana  aeioer  praktiacben  Erfahrung  teilt  er  mli^ 
daß  aaa  den  vielen  TaDienden  von  jungen  Minnern,  die  er  in  den  großen 
B«tr leben  in  beobachten  Gelegenbeit  hatte  *  .  .  (anderen  gegenäber)  die 
GjmnaBJaiten  etwaa  Geachioaaenea  gehabt  bätten,  daa  k&me  wohl  daher, 
daß  die  QjmnaaialbLldODg  einfacher  eei,  weniger  übertreibe".  Und  der 
bor^brnte  Deutscbametikaner  Karl  Schnrs»  der  wie  wenige  den  Eroit 
dea  praktiecben  Lebena  keDoeii  gelernt  bat,  nrteilt  iu  aatnen  alten  Tagen 
ß&ch  fjelfacher  Lebenseifabrtmg  aber  dio  GjmDasialblldang:  „ich  habe 
ja  freilich  —  and  leider  —  Ton  dem  Latein  and  Gnech^icb,  daa  ich  all 
Schaler  woi^te»  im  Lanfo  der  bewegten  Zeiten  tiel  vergeaaen.  Aber  die 
iithetiacben  ttnd  aitt liehen  Anregungen,  die  jene  Studien  mir  gabeu^  die 
idealen  Maßst&be,  die  sie  mir  errichten  halfen^  die  geiatigen  Hontoßte» 
die  eie  mir  erOfiTDeten»  sind  mir  niemaia  Terloren  gegangen.  Jene  Studien 
«ftreu  nicbt  ein  bkIVea  Mittel  tut  Erwerbung  Ton  Kenntniiaen^  laud^n 
m  beaten  Sinne  dea  Wortea  ein  Knltur dement.  Und  ao  aind 
sie  mir  main  ganiea  Leben  hindurch  eine  nnerachöpfllcbe  Quelle  erbeben« 
den  Qenueaes  gehlieben.  W&re  mir  noch  ainmal  die  Wahl  gegeben  Eiviecheo 
den  klassiacben  Btndien  und  den  aogenonnten  ,niltalichen*  an  ihrer  Stellet  »n 
würde  ich  für  mich  aelbat  ud  zweifelhaft  im  waaenUicben  densalhep  Lehrplan 
w&hleof  den  leb  darcbgamacht  habe^  („Lebenaannnemnj^en''  I,  S,  91). 

Dr*  Gieaecke  erinnert  ferner  mn  die  Enf^aate,  die  der  Öatarrei- 
«hische  ZentraWerhand  der  Indoatdeüen  einige  Wochen  nach  der  mini- 
ateri eilen  MittelBcbulenqnete  aber  die  Erfahrangen  der  Indaatrie  mit  der 
Mitttlichnle  Teranataltet  hat,  deren  Ergebnia  in  der  8cbrifl  „Schulreform 
nnd  Indnatrie^  Tor  einiger  Zeit  veröffentlicht  worden  ist.  Daa  in  dem 
znaammenfaesendea  Berichte  selbst  ala  heaebtensirart  bezeichnete  Er* 
f  ehnia  iit  unD,  «daü  aelbat  die  ehemaligen  Eealachfller  In  der  Begel  fffir 
die  QjmnaaialbtldQng  eintreten»  iveil  diese  ein  gr&l^erea  Maß  allge^ 
meiner  Kenntnisie,  inibeaondere  aber  die  F&higkeit  Terleibe, 
aicta  in  der  Mutterapraebe  gewandter  und  klarer  anisadrücken  and  bisher 
Ufi bekanntes  rascher  und  sicherer  tu  erfassen.  Diese  Antworten  atQtaen 
sich  auch  auf  Erfahrungen  mit  Familienangebdrigen ,  soweit  aie  sich  in- 
dnetriellen  Berufen  angewendet  habend  und  mit  Beamtoil  der  Indnatrie. 
Hier  wird  abermala  die  Überlegtinbeit  der  ehemaligen  Gjmnaaiasten  ber- 
f  orgehoben.^  »Es  muß  tiberraachen**!  bemerkt  der  Berichteretatter  in  aeinen 

53 


886  IM«  HittelsekiilMiqQeie  des  üntonriehtniBitteriiniii. 

Etdrtenmgen  auf  Gnmd  der  Enqotte,  «als  Ergebnis  anterer  ünfrig«  m 
finden,  dalS  eieh  die  industriellen  Ereile  laniehst  Mr  die  Mitteitehnle 
AofhiimaniatiBelierOnindlngd  aMspreeben,  nerkwflrdig  gewiß,  wenn  maa 
bedenkt»  daß  man  ee  mit  M&nnern  an  tun  bat,  die  in  der  realen  Piaiia 
eteben  and  in  Untemebmnngen  titig  sind,  die  jenem  Gebiete,  weldie 
der  Httmaniimns  bebemcbt,  gans  ferne  liegen."  Wenn  man  Urteile  wie 
die  folgenden  Uett,  daß  „darefa  daa  Stndinm  der  bnmanistiwbefi  Fichtr 
Qttd  namentlieh  dnrcb  die  Lebtfire  der  alten  Sebriftiteller  daa  Denkver- 
mdgen  bedeutend  angeregt  wird,  ao  daß  die  Anffaaanngagabe  der 
AbfoWenten  dea  Qymnaaimni  in  den  meisten  FßUen  gegenftber  den  Ab- 
aoWenten  anderer  Mittelschalen  eine  weit  bßbei«  ist«  (&  48--49),  .dai 
sowobl  fbr  Indostrielle  wie  für  derdn  Beamte  ea  eiferderlieb  iat,  daß  die 
Jngendieit  dain  benntit  wird,  denken  and  arbeiten  in  lernen  . . . 
Dia  Verbildang  det  Gymnaainma  habe  iehniebereat  nnd  wflrde  ateti 
danaelben  Weg  wieder  einaehlagen  nnd  Jedem,  der  Indnatriellar  werda 
will,  biet«  raten«  (a  50,  52),  daß  die  absol?ierten  Gjmnaaiaalen  .skk 
gegenftber  absoWiertenBealiehftlem  dadnreb  ansaeiehnen,  daß  sie  betenden 
bei  Terwendnng  im  Korrespondenadienat  infolge  der  beeaeten  Be- 
heiraehnng  der  dentaehen  Sprache  fiel  formTOllendeter  nad  aaeb- 
lieber  schreiben  nnd  sieh  gewandter  aoaandrlkkMi  im  ataade  sind" 
(S.  72),  80  wird  man  den  Argumenten  Biedls  nnd  den  Ton  ihm  und  aadersa 
10  oft  erhobenen  Vorwftrfen  der  Weitfreradheit  der  Gymnasinafeen,  der  an- 
praktisehen  Kenntniese,  die  daa  Gjmnaainm  Termittle,  der  größeren  Wich- 
tigkeit der  modernen  lebenden  Sprachen  gegenftber  den  toton  n.  i.  kaia 
alltu  großes  Gewfebt  beilegen  kftnnen.  Verwiesen  aei  in  dieser  Hiasichtp. 
da  ein  Eingehen  auf  du  Einaelne  hier  ans  Baamrftckiichten  nnmftglieb 
ist,  auf  die  interessanten  und  tum  Nachdenken  anregenden  Aasffthruafea 
Dr.  Gieseckes  (der  tersichert,  daß  sein  Bernf,  »auf  der  Orme  zwiscba 
Wisaenschaft  nnd  Praxis  stehend,  ihn  eine  erweiterte  homaaiatiaclie  Bil- 
diing  täglich  als  die  beate  Forderung  praktischer  Wirksamkeit  empflndM* 
laaae)  und  waa  den  lettten  Vorwarf  betrifft,  noch  eine  Änßorang  des 
bereitB  erwfthnten  Karl  Schurs  angeftlbrt  „ich  kann  ton  mir  aelbot  sagea^ 
bemerkt  er  a.  a.  0.,  .daß  ich  in  der  Tat  nur  die  lateiniseho  Grammatik 
grftndllch  fcratanden  habe,  daß  aber  diese  Kenntnis  adr  die  grammatiaehca 
Studien  in  den  raodemen  romanischen  und  germanischen  Sprachen  aikr 
Mfihseligkeit  entkleidet,  ja  spielend  leicht  gemacht  hat*".  Selbatfarstiad' 
lieh  trete  auch  ich  entschieden  für  die  Berftckaichtigung  dar  modern« 
lebenden  Sprachen  ein,  nur  soll  man  nicht  daa  Bedftrfnia  der  Kenntnii 
dieser  Sprachen  als  Argument  gegen  die  klasaiaehen  gobraadien.  IMe 
Kenntnisse,  die  das  Gymnasium  Yermittelt,  mßgen,  aowelt  ea  steh  um  die 
Sprachstadien  handelt,  nicht  unmittelbar  nfttslich  und  praktiaeh  seia, 
aber  sie  schaifen,  wenn  man  den  oben  erwftbnten  Zengniaaen  gianbsa 
darf,  geistige  Werte,  die  sich  dann  im  Leben  in  praktisehe  wnastifa 
Und  wenn  es  heißt  «die  Erfahrung  neigt,  daß  Gjmnasialaehftkr,  die  nach 
Absolfierung  ihrer  Gymnasialstndien  ala  Beamte  in  große  Induatriebiaser 
eintreten,  Tiel  raaeher  und  selbständiger  die  Einrieihto&gea  des  be- 
treffenden  Industriebauaes  erfaasen  und  sieh  elnarbaltan  ala  Abaolnntie 


Die  HitUlsekviMiqiiil«  4«t  U&Wirkbtimiwtaioioi.  837 

toderer  IQittiaehileB,  di«  ja  tb«or«iifcb  f^wiß  FadikfonioMM  luib«S| 
dicBelbeB  abtr  prakÜKb  oft  niebt  f«rwert«s  kOaiieB  «wl  infolge  «in«8 
weniger  aug^bilieieB  ▲ofliMtngifenDOgess  villi  »ioder  Allg4raf^|| 
DenkftnnOgent  scbwcrar  in  der  Lage  sind»  sieh  de»  IjiitiMiiNi#n  and 
aod  Neaerangt»  angopasian«  Maa  wird  tagtIgUeb  konttatieraa  kOoMB, 
daß  Beamie»  die  hunaaistiacba  Siadieo  Unter  akb  babaa,  daa  glatt aa 
GescblftsTerkebr  und  den  notwendigen  Briefstil  ?iel  besser  beherr- 
schen als  I.  B.  jeder  Handelssebtiler»  der  doreh  Jabre  bindon^b  inr  ge- 
schäftliehen  Korrespondans  eriogen  worde"  '—  wenn  diases  Urteil,  das 
sich  auf  Erfabmag  stfltit,  riditig  ist,  dann  darf  maa  wobl  fragen,  warom 
du  Gymnaaiara  toib  Staadpnnkt  der  Piazis  bekimpft  wird«  da  as  doeb 
den  genannten  Vorsag  nur  dem  Bildangsoiittal  f  erdankt,  das  sein  nnier- 
•eheidendes  Merkmal  ist,  dem  Uatarricht  in  den  klassischen  Sprachen, 
was  übrigens  derselbe  iDdostrielle  aosdrüeklicb  an  der  oben  angeführten 
Stelle  herrorbebt 

Mit Seebt  bemerkt  Biedl  weiter,  daO  daa  Berecbtigangsmonopol 
die  Stellung  der  Qymnaaien  ferscboben  habe  and  daA  ftberhanpt  onsera 
Mittelschalen  infolge  des  Bereebtigangswesens  immer  mehr  ?on  ihrer 
Aofgabe,  Ar  die  HotlisebBlen  foraaberaiten,  abgekommen  and  Beamten- 
sachtanstaltan  geworden  seien,  nnd  mit  Geschick  and  Temperament  kri- 
tisiert er  die  Yerbaraaakratisierang  der  Schalen  (er  fiodet  sie  in  ainar 
Seihe  aooh  aonst  Ton  Facbmftnnern  scharf  baartailter  fiinricblangen,  die 
Dan  einmal  beateben,  wenn  sia  aaeh  nicht  aof  Vorschriften  baraben»  nnd 
die  Selbstindigkeit  des  Lehrers  einscbrftnkaa,  wie  Stoadanbilder,  Arbeits- 
kaleader  n.  a.)^)  and  die  Lehrbflcher.  Er  Tcrlangt  fftr  die  Beform:  Wechsel 
der  Methode  in  allen  Gegenat&ndea,  Befraiang  dar  Xisbrer  Tom  jetsigan 
Zwange,  Beracbtigang  svm  Besuche  der  Hochacbaian  fAr  alle  Mittelscbolan 
(•0  nach  dar  Gewerbeachalan  und  Tacbaik),  Bareobtigong  aom  niederen 
Staattdienst  fftr  die  Abaalfenten  der  Handels-  and  Gewerbeachalan 
eventnali  nach  Ablegaag  einer  StaatarechnangaprQfang.  Da  eine  plfitslicba 
Umwandiang  der  beatehandan  Scbalfoim  nicht  denkbar  sei,  tritt  aacb  er 
ffir  einen  dritten  l^as  eio,  bei  dem  anf  der  Untarstafa  Deatseb  im 
Mittelpunkte  steht  nnd  eine  moderne  Sprache  bis  aar  mündlichen  Beberr- 
•cbang  gelahrt  wird.  Ala  Oberstafen  seien  anmgUedera:  eine  Handels» 
schale  (mit  dam  Freiwilligenrecht  nnd  Fortsataang  in  einer  Handelsbocb- 
schole,  fttr  deren  Notwendigkeit  er  nüt  allem  Nachdruck  eintritt),  die 
habere  Gewerbescbnle  mit  der  Fortsetsung  an  der  teehniseben  Hocbscbnle, 
tu  welcher  aUa  Oewerbescbttler  aasalasaen  seien,  endlich  eine  Oberstofe 


*)  Mit  Recht  rigt  Redner  auch  die  achon  so  oft  f an  den  Scbul- 
mftnnem  selbst  beklagte  Überlastang  der  Gymnasialdirektoran  mit  Schreib« 
arbeiten  und  bemerkt  unter  Zustimmung  „das  sind  keine  Direktoren  mehr, 
das  sind  Beamte.  Die  eigentliche  Aufgabe  der  Direktoren  ist  doch  die 
Studiendirektieu,  daher  der  Nane*".  Wenn  er  aber  hinnfttgt,  in  «Deutsch«' 
land  baifien  sie  Rektoren,  bei  uns  Direktoren,  weil  sie  bareankratisab 
dirigieren  ond  nicht  den  Lauf  der  Stadien  regeln  sollen'*,  so  mag  das 
ein  guter  Wits  sein,  aber  richtig  ist  es  nicht,  denn  anch  in  Deutschland 
heißen  die  Leiter  der  Gjmnasien  im  allgemeinen  Direktoreo,  Rekteren 
aur  in  Bayern,  Württemberg  and  Sachsen. 


838  Die  MittelBchnlenqaete  des  ünterriehttministeriami. 

eines  Mittelaehnltypiii  mit  einem  hnmtnistiBehen  und  realistiiehen  Kone 
—  wie  mtn  sieht  in  seharfem  Oe^^ensati  in  dem  Tom  Minister  Dr.  6eß- 
mann  vertretenen  Standpunkt,  der  jede  Gabelnn^form  ablehnte. 

Eommerxialrat  ▼.  Fächer  wendet  sich  xnniehst  gegen  das  Epi- 
gramm» mit  dem  die  Dichterin  Baronin  Ebner  ▼.  Esehenbacb  ihies 
Beitritt  xnm  Verein  der  Frennde  des  homanistischen  Oymnasioms  begleitete: 

«Wer  Griechisch  nicht  kann  nnd  besonders  Latein, 
Der  kann  anch  des  Denttchen  Meister  nicht  sein. 
Soll  nnsere  Sprache  Tersinken  im  Pfnhle, 
Dann  treibt  nor  die  Klassiker  fort  aas  der  Schule  !* 

und  stellt  ihm  ein  Verslein  ans  den  ^Fliegenden  Blättern"  gegenftber: 

«Sonderbar!  Der  Mirabean 
Sei  ein  guter  Redner  gewesen 
Und  hat  doch  den  Redner  Cicero 
und  den  Deroosthenes  gelesen  I'' 

Er  meint,  daß  beim  klassischen  Unterricht  am  Gymnasium  Zweck  oid 
Mittel  miteinander  Terwecbselt  werden.  Die  Qrammaiik  trete  gios  io 
den  Vordergrund  und  auf  ihr  Erlernen  werde  uoferhältnismißig  viel  Zeit 
▼erwendet,  die  man  Tiel  besser  fttr  andere  Gegenstände  bentttsen  kdnote, 
spesiell  f&r  solche,  die  fQr  das  praktische  Leben  Ton  Wichtigkeit  liod. 
Die  Folge  dieses  Studiums  sei  die  TOllige  Apathie  gewesener  Gymnasisstes 
gegen  die  klassischen  Sprachen.  Er  bestreitet  auch  den  gflnsügen  Einfloß 
des  Studiums  dieser  Sprachen  auf  die  Kenntnis  der  Muttersprache.  Bit 
Vorschläge  des  Ministers  Dr.  Geßmann  haben  ihm  teilweise  gut  gefslieo, 
doch  fflrchtet  er,  wir  arbeiten  damit  nicht  fflr  unsere  SOhne,  sondern  Ar 
unsere  Enkel,  Tielleicht  Urenkel  —  wenn  wir  darauf  warten»  daß  mit 
einielnen  Versuchsanstalten  durch  ein  paar  Detennien  Erfahmngeo  ge- 
sammelt und  dann  erst  diese  Erfahrungen  in  die  Praxis  der  Mittelschol- 
organisation  flbertragen  werden  sollen.  Im  Namen  Hofrat  Schippers  gibt 
er  dem  Gedanken  Ausdruck,  daJ^  gleich  eine  größere  Antahl  Östezreichiscber 
Gymnasien  in  die  neuen  Schulen  umgewandelt  werden,  in  denen  in  der 
Unterstufe  keine  alten  Sprachen,  wohl  aber  eine  neue  gelehrt  werdeo, 
die  alten  Sprachen  jedoch  auf  das  Obergymnasium  beschränkt  werdeo 
sollen ;  ihm  selbst  täten  jedoch  die  ttbrigen  Gymnasien  leid»  die  auf  die 
Änderung  bis  nach  der  Erprobung  warten  mfiOten.  Zu  so  einiehneideodes 
Änderungen  habe  auch  er  nicht  den  Mut,  aber  daß  das  Qberwncbende 
Dornengestrüpp  des  grammatikalischen  Unterrichts  schon  jetst  beschuitteo 
werden  und  daß  man  dann  gradatim  Ton  Jahr  xn  Jahr  die  von  der  Grsn- 
matik  sweier  alten  Sprachen  abgesparten  Lernstunden  den  arg  feniscb- 
lässigten  Zweigen  des  modernen  und  realen  Wissens  xuweisen  kOnoe» 
daTon  sei  er  flberzeugt. 

Reichsratsabgeordneter  Realschulprofessor  Erb  spricht  spesiell  Aber 
die  Einheitsschule  und  erklärt  sich  dagegen,  daß  man  die  fiinheitamittei- 
schule  als  neuen,  dritten  Typus  aufstellt  und  schneller  oder  langaamer  ss 
dieser  Einheitsmittelschule  gelangen  will.  Den  Herren,  die  dafttr  etntreteo« 
schweben  immer  die  Verhältnisse  der  Großstadt  vor,  die  kleinen  Städte 
werden  gezwungen  die  bisherigen  Gymnasien  oder  Realschulen  tu  bebaltes. 


Die  Mitteluhnlenqoete  das  UntenichtimiiütteriiimB.  889* 

Deshalb  mfiese  eich  das  GjmnMiiiin,  das  in  seiner  hentigea  Gestalt 
eigentlich  schon  60  Jahre  bestehe,  den  nenen  Anforderungen  anpassen* 
Der  Unterricht  in  den  Naturwissenschaften,  deren  Lehrer  nicht  mehr,^ 
wie  bisher,  als  Lehrer  tweiter  Gflte  gelten  sollen,  müsse  den  Zeitrerhiit- 
oissen  entsprechend  geregelt,  Chemie,  Geologie  gelehrt  werden;  dio 
Grandlage  des  Unterrichts  mflsse  die  Unterrichtssprache  sein,  fflr  die^ 
neueste  Literatur,  für  die  Geschichte  der  neuesten  Zeit  usw.  mflsse  Baum 
geschaffen  werden.  Die  Schüler  sollen  alle  eine  gleichmftAige  Bildung 
erhalten.  Die  UniversitAt  solle  auch  den  Bealschttlem  sugänglich  sein^ 
und  iwar  ohne  vorausgehende  Ergänsungsprflfungen.  Man  kOnne  mit 
sieben  Jahren  Realschule  gans  gut  auskommen,  das  achte  Jahr  bedeute 
einen  Ökonomischen  Verlust.  Im  Interesse  der  Einheitsmittelschule  kOnne 
jedoch  auf  das  achte  SchuQahr  eingegangen  werden»  aber  nur  unter  der 
Voraussetsung  der  Tollen  Berechtigung.  Die  Obligaterkl&rang  des  Steno« 
graphieunterrichts  wäre  fOr  das  praktische  Leben  von  großer  Bedeutung» 
Bedner  reagiert  auf  Terschiedene  Bemerkungen  hinsichtlich  der  Methode», 
der  Besprechungen  der  Lehrer  mit  den  Eltern,  nimmt  die  Lehrer  gegei^ 
▼erschiedene  Vorwürfe  in  Schuts  und  regt  die  Bildung  eines  Komitees  an 
xur  Prüfung  und  Begutachtung  der  Lehrplftne,  bevor  die  neuen  Type» 
gesehaffen  werden.  Er  wünschte  eigentlich  lauter  Einheitsschulen,  min- 
destens aber  solle  dort,  wo  nur  eine  oder  swei  Mittelschulen  bestehen^ 
eine  Einheitsmittelschule  geschaffen  werden,  an  Orten  mit  mehreren. 
Mittelschulen  mOgen  eventuell  die  ferschiedenen  Typen  nebeneinander» 
aber  jedenfalls  sollen  mCglichst  viele  Einheitsschulen  bestehen. 

Oberbanrat  (jetit  Sektionschef  im  Arbeitsministerinm)  Borger 
spricht  sich  vom  Standpunkte  des  praktischen  Ingenieurs  gegen  die  ein- 
schlägigen  Ausführungen  Biedls  aus  und  vertritt  als  Vertreter  des 
Ingenieur-  und  Architektenvereins  die  Forderungen  des  V.  Österreichischem 
Ingenieur-  und  Architektentages  auf  Schaffung  einer  Einheitsmittelschulor 
deren  Absolventen  ohne  Ergänsungsprflfung  den  Zutritt  su  allen  Hoch- 
schulen erhalten.  Den  Bealschülern  müsse  der  Zutritt  sur  Universität 
offen  stehen.  Der  vorgeschlagene  Typus  mache  den  Eindruck,  als  ob  es 
wieder  nur  das  Gymnasium  ohne  Griechisch  wäre  mit  derselben  Ein- 
Bchrinkung  der  Naturwissenschaften,  er  lehnt  sie  auch  wegen  des  achten 
Jahres  ab  und  schließt  mit  den  Worten:  ^Wenn  die  Einheitsmittelschule 
nicht  so  wird,  daJ^  wir  unsere  Nachkommen  vOliig  richtig  ausgebildet 
erhalten,  dann  lassen  Sie  uns  die  Bealschnle  wie  sie  ist,  wir  werden  Bia 
uns  verbessern,  wie  wir  sie  brauchen!** 

Beichsratsabgeordneter  Professor  Dr.  Steinwender  wendet  sich 
dagegen,  daß  das  Gymnasium,  wie  mehrfach  behauptet  werde,  eine  Ellte- 
schnle,  eine  Elite  von  Lehrern  und  Schülern  sei.  Das  sei  es  nie  gewesen. 
Unser  Gymnasium  soll  die  mit  Bflcksicbt  auf  einen  Massenunter  riebt  »och 
mögliche  höchste  Bildung  des  Charakters,  des  Intellekts  und  &Qcb  dt:» 
Körpers  geben.  Es  sei  daher  begreiflich,  daß  man  dieser  Anstalt  uQd  dei 
neben  ihr  bestehenden  Bealschule  für  ihre  Schfller  das  Becht  zum  Buuitf' 
der  Hochschulen  gegeben  hat  und  daß  diese  Anstalten  daher  j^uf 
Bedürfnisse  der  Hochschule  Bücksicht  nehmen.   Unbegreiflich  Bei  jede 


4 


S40  Die  ICtMiebaltfi^ete  det  ÜBteniohtamiiiSttaiiiaw. 

4aA  ate  all  Yorbereitaiigudialeii  tnr  ErlaogOBg  von  B— lUmifcrilwi  gelten, 
4AEmii  habe  man  froher  nicht  gedacht;  diea  maiae  saerit  mdhX^m  «ad 
dae  BereehügimgtweseB  tberhaapt  geregelt  werden«  eonat  aei  eiae  Befonn 
der  Mittebchole  nicht  mOglieh.  Bedner  hält  dae  QjrvmMinia  ftr  Teraltet, 
wendet  ddi  gegen  den  Yoradilagy  einen  nenen  Typoa  aU  BMilgymnaämn 
an  eehaffea,  dafikr  gentge  ea,  am  dem  Gymnaeinm  —  dae  Griechiaeh  n 
entfernen  oder  die  Sehfller  dnTon  in  diepenaieren.  Dagegen  aei  der  aveite 
Yorechlag  dee  Referenten:  Unterstnfe  ohne  Latein«  Oberetnfe  mit  Latein 
braschbar.    Dieaer  Typna  aei  flberall  dort  einrafOhren,  wo  berecktigte 
Intereeaenten  aie  Teriangen.    Dae  hnmanietiache  Gymaaainm  bleibe  dort 
beetehen,  wo  mehrere  Anttalten  an  einem  Orte  aich  befinden,  ebenao  die 
Beaiaehnle,  die  jedoch  nicht  tn  einer  achtklaaeigen  anageetaltet  werden 
eoUe.   Ba  handle  dch  danim,  innichat  einen  Böhmen  henoatelioa.    «lat 
dieaer  Böhmen  hergeatdlt,  eo  werden  aich  in  dieaem  Böhmen  Goiat,  Me- 
thode, Änderungen  großer  nnd  kleiner  Art  echon  finden;  wir  mfiaeon  aber 
die  Hindemiase  beaeitigen,  wir  mfiaaen  abrei&en,  demolieren,  wenn  aich 
der  Herr  Minister  anch  dagegen  gewehrt  hat.  Wir  bauen  nicht  anf  grftaem 
Anger,  wir  iteeken  in  einem  altfiberkommenen  Gebinde.    Und  mn6  ein 
Teil  niedergerieten  werden,  ao  reißen  wir  nicht  mehr  nieder  ala  notwendig 
ist.  Wir  lassen  Ihnen  dae  faamaniatisefae  Gymnasium.   Wir  lasaen  Ihnen 
4ie  Bealschnle,  bessern  eie  diese  beiden  l^en  weiter  und  schaffen  Sie 
einen  dritten,  den  nenen  Typns.  So  glaube  ich,  können  wir  ea 
wenn  wir  anf  diesem  Wege  Torwarts  gehen,  kOnnen  wir  mu 
Ute  kommen*,  schloA  Bedner,  der  viel  gemftßigter  sprach  als  nadi  seinen 
sonstigen  Kundgebungen  erwartet  werden  konnte,  unter  lebhaftem  Bei&ll. 
Hofrat  Professor  i.  B.  Dr.  Lorber  beklagt  die  Geiingsfhitsuiig, 
der  die  Bealschnle  im  Publikum  begegne,  die  sich  auch  darin  inftere,  dai» 
bisher  in  der  Enquete  von  ihr  so  wenig  gesprochen  worden  aeL  Die  ver- 
breitete OberseugUDg,  daß  der  Absolvent  des  Gymnasiums  ein  besserer 
Mensch  sei  als  der  der  Bealschnle,  sei  mit  ein  Grund,  der  rar  SinheitB- 
fnittelschule  dringe;   denn  wenn  es  nur  eine  Bildung  Ar  allo,  die  sieh 
dem  Hochschulstudium  widmen,  gibe,  so  gibe  es  keinen  TorschiodeBeB 
Wertmaß  fOr  akademische  Bildung.    Deshalb  trete  er  im  Sinne  der  Be- 
schlfisse  des  Ingenieur-  nnd  Architektentages  fftr  die  BinheitsmittelacfaBle 
im  Tollsten  Sinne  dee  Wortes  ohne  jede  Gabelung  ein.    ,Wir  wären  als 
Techniker  eigentlich  fflr  die  siebenjihrige  Einheitsmittelachule;  wenn  wir 
uns  entschließen,  das  achte  Jahr  sutngeben,  so  geschidit  es  deohalb,  wsü 
die  Abiturienten   dieser  EiDheitsmittelschnle  ohne  weitere  Brginiungs- 
prfifnng  Zutritt  sn  allen  Hocbscbnlen  bekommen  mfiaaen  und  weil  mit 
sieben  Jahren  'doch  eine  Oberbfirdnng  der  Sehfiler  und  der  Lehrer  eia- 
treten  könnte*,  unter  der  YorauMetinng  der  Zulassung  der  AbeolTeatsn 
aller  drei  1>fpen  su  allen  Hochachulstudien  wflrden  die  Ttoohniker,  die 
sonst  die  siebenjihrige  Bealschnle  erhalten  wollen,  sich  mit  dem  achtea 
Jahr  der  Bealschnle  einTcrstanden  erklären.   Auch  er  wolle  die  von  ihn 
Tcrtretene  Einheitsmittelschnle  (ohne  Griechisch,  mit  obligatem  Lateia, 
darstellender  Geometrie,  philosophischer  Propidentik,  mit  Vertielvng  des 
Unterrichts  in  der  Muttersprache  nnd  in  den  mathematiseh-n 


Die  MitklMfcoleBqiMU  des  Ual«nriehtni]utt0riiim8.  Sil  • 

BchaftUehen  Fädianiy  nfttOrlieli  aaeb  mit  dem  obligftton  ÜA^iricht  in 
einer,  aber  nur  in   einer,   modernen  Fremdsprache,  die  in  gemiicht- 
ipraehigen  Lftndem  aneh  dnrch  eine  Landeeiprache  enetit  werden  könnte) 
lüs  neaen  dritten  l^ns,  eventadl  nach  Hnemen,  doeh  nicht  nach  den 
Intrigen  GelSmanns,  der  die  darstellende  Geometrie  vnd  die  Natnrwissen- 
Schäften  allsmehr  beeehrftnke.    Entichieden  rnftsse  er  lieh  jedoch  gegen 
den  Znsati  in  der  dritten  These  Hofrat  Hnemeti  ansspredien,  daß  die 
Zalassnng  der  Abeohenten  der  Ton  ihm  Torgeschlagenen  T^pen  in  den 
Berafsprfifangen,  erentnell  im  beeonderen  sa  regein  sei:  ei  mflsae  fiel- 
mehr  gleich  bei  der  Errichtnng  der  ersten  Klasse  der  neuen  Anstalt  Idipp 
und  klar  gesagt  werden:  Der  Abiturient  dieser  Sehale  hat  die  Bereehti- 
gong  sn  allen  Hochsehnlstadien  und  zn  jedem  das  gewählte  Stndiom 
Toranssetienden  Berufe.    «Wir  sind  deshalb  für  diese  dritte  Type,  weil 
wir  sie  als  Übergang  lar  wirklichen  Einheitsschnle  betrachten,  wir  glanbent 
daß  anf  diesem  Wege  das,  was  wir  seit  langer  Zeit  anstreben,  erreicht 
Dod  daß  daraas  die  Sehale  der  Zakanft  werden  wird".  Wo  an  einem  Ort 
nur  eine  Mittelschale  besteht,  soll  der  neue  Typus  eingefflhrt  werden,  wo 
ihrer  xwei  sind,  soll  eine  der  beiden,  und  wo  mehrere  Anstalten  toihanden 
lind,  die  Hftlfte  nach  dem  neuen  Typus  organisiert  werden.    Auch  er 
betont  die  Notwendigkeit  der  LOsung  der  Berechtigungsfrage.  Der  Unter- 
richt müsse  mehr  intensif  als  extensiv  werden;  die  Arbeit  mehr  in  die 
Schale  Terlegt  werden,  die  SchOlenabl  einer  Klasse  sollte  höchstens  SO 
betragen.  So  schwierig  die  Lösung  aller  Fragen  sei,  alle  —  tomeist  aus- 
einandergehenden —  Wünsche  lassen  sich  nicht  Tereinen,  so  wftre  es 
docb  mOgiicbf  eine  mittlere  Linie  lu  finden  and  er  wünsche,  daß,  wenn 
schon  nicht  das  Ideal  sustande  komme,  doch  erreicht  werde,  da5  die 
Schüler  mehr  aus  der  Schule  für  das  Leben  mitnehmen  und  sich  mit 
mehr  Vergnügen  an  die  Schulxeit  erinnern. 

Hofrat  Huemer  reflektiert  auf  einige  an  seine  Antrftge  geknüpfte 
Bemerkungen.  Bei  seinem  Vorschlage  habe  er  an  das  alte  Realgymnasium 
nicht  gedacht.  Der  Lehrplan  der  neuen  l^e  müsse  erst  festgelegt  werden ; 
eoTiel  könne  er  sagen,  daO  er  persönlich  auf  Übersetsungen  aus  klassischen 
Antoren  sn  Gunsten  der  Naturwissenschaften  verzichte.  Hinsichtlich  der 
leinen  Thesen  angefügten  Klausel  sei  er  xur  ErkUrung  ermiehtigt,  die 
ÜDterrichtsferwaltung  gedenke  den  Studienplan  der  neuen  Type  so  ein- 
zurichten, daJ^  den  AbsoWenten  der  Zutritt  zu  allen  Hochschulstudien 
ermöglicht  werde.  Ebenso  sei  sie  geneigt,  die  Frage  der  Zulassung  su 
den  Bemfsprüfungen  zu  Gunsten  der  Abiturienten  der  neuen  Mittel- 
scbultype,  besw.  der  Bealschulabsohenten  mit  Ergänsungsprüfung  tu 
losen  —  im  EinTcmehmen  mit  den  Professorenkollegien  und  der  betei- 
ligten staatlichen  Zentralstellen.  Dieses  Einvernehmen  werde  gleichseitig 
mit  der  Organisierung  der  neuen  l^pe  erfolgen.  Betüglich  der  Schulbüdier 
hebt  er  die  Schwierigkeit  hervor,  gute  tu  erlangen;  auch  Preisausschrei- 
bungen haben  nichts  geholfen,  rerweist  aber  auf  die  aufliegenden  neueren 
Lehrbücher,  die  manchen  Fortschritt  zeigen.  (Fortsetzung  folgt.) 

Wien.  Dr.  S.  Frankfurter. 


842  Die  in.  Direktoreskonfereiii  ia  Wmb. 

Die  m.  Direktorenkonferenz  in  Wien. 


Die  MitUlscIiale  iit  ond  bleibt  eine  meaadilkhe  ffimirhtieg,  ^inm 
ist  iie  einer  Verbenening  nnd  Ansgeetaltnng  aidit  wmr  fihif:,  loeden 
Mch  bedarfüg.  Daß  man  sieb  aber  am  anerwenigiten  im  Kiom  im 
Mitteleeballehrentandea  dem  Gebote  dee  Fortschrittes  Tcrnkfieftt»  bevoMs 
anter  anderem  die  Verbandlosgen  der  III.  in  Wien  abgebattcMS  Diiek- 
terenkonferent  1).  Anf  ihrer  Tageiordnong  standen  ackt  YerhiafiiBgi- 
gegenttinde.  Drei  derselben  geben  beide  Kategorien  der  Kttelscbsle  ib, 
nimlieh  die  Themen:  1.  Sollen  die  Hauptferien  an  den  niedcresteaekki- 
seben  Mittelschalen  aof  die  Zeit  Tom  1.  Joli  bis  Sl.  Aagast  teric^ 
werden?  —  2.  Ober  den  Standpunkt  der  Schale  besft||icb  der  seneUes 
Belehrnng.  —  8.  Ist  es  wünschenswert»  die  Zahl  der  regehnüftiges  Eos- 
ferensen  sa  beschrftnken?  —  Das  Gynmasiam  allön  betrafen  fdgesde 
Fragen :  4.  Ist  der  Kanon  der  lateinischen  and  griechiscken  SchaUatoRii 
oder  ihre  Reihenfolge  in  demeelben  xa  indem  ?  —  5.  Wie  kann  der  Erfoie 
des  stilistischen  Unterrichtes  im  Lateinischen  am  Obergjnsnasian  gebobei 
werden?  —  6.  Ist  eine  Änderang  der  gegenwirtigen  Verteflong  des  f^ 
schichtliehen  Lehrpensums  am  Obergymnadam  notwendig?  —  Esdüd 
belogen  sich  aosschließlich  aof  die  Bealschale  die  Themen:  7.  Ist  ose 
Bevision  der  Hatarit&tsprflfiingsordnang  f&r  Bealscholen  notwendig?  oad 
8.  Die  Errichtang  Ton  Lateinkorsen  an  Bealschalen. 

Indem  ich  nan  daran  gebe,  die  Ergebnisse  der  DirektoreakeBfenm 
den  Haaptpankten  nach  mitsateilen,  möchte  ich  mir  im  Hinblick  uf 
einselne  jener  Themen  aach  einige  Bemerkangen  erlanben. 

Am  lotsten  Mittelscboltage  worde  das  oben  anter  I  aageffihite 
Thema  bereits  eingehend  erOrtert  and  nnnmehr  bekanntlich  dorefa  eisen 
in  jüngster  Zeit  herabgelangten  h.  Ministerialerlaß  aach  den  obkIb» 
Lehrkörpern  dessen  Darchberatang  aufgetragen.  Hiedarch  ist  eis  Vor- 
schlag nach  2Sjährigem  Schlafe  xa  neaem  Leben  erweckt  worden.  Dess 
Ende  Märi  des  Jahres  1885  entbrannte  hinsichtlich  der  gleiches  Fng« 
swischen  der  «Mittelschule"  nnd  „Bealschale*  sowie  der  Presse  als  Ter* 
treterin  der  Öffentlichkeit  ein  hitsiger  Kampf.  Schlie&lich  trog  die  lite 
Ferialordnong,  deren  Gebart  ins  Jahr  1875  ftllt,  den  Sieg  daTos.  Der 
niederOsterreichische  Landesscbalrat  and  das  ünterrichtsministeriom  ftben 
der  Ton  einer  großen  Zahl  niederOsterreichiecher  Anstalten  fibeireicittea 
PetitioD  y  die  f&r  die  bisherige  Ferialordnang  eintrat ,  nach.  Usd  did, 
nach  mehr  als  iwei  Jahrzehnten,  scheint  man  gerade  in  NiederOsterreick 
fOr  die  Yerlegong  der  Ferien  sa  sein.  Direktor  Glßser  wenigstes«,  ^tf 
Beferent  dieses  Themas,  gab  trots  der  ablehnenden  Haltung  der  oieder- 
Österreichischen  Direktorenkonferens  (81  stimmten  gegen,  17  fttr  die  Ver- 
legung der  Ferien)  der  Überseugang  Ausdruck,  daß  die  Verschiebsag 
der  Ferien  auf  die  Monate  Juli  und  August  in  absehbarer  Zeit  erfolfCB 
werde.    Wer  nur  auf  die  Stimme  der  Hygiene  hört,  wird  sidi  aof  SaU 


<)  Vgl.  A.  Scheindler,  Verhandlungen  der  Ifl.  Konfereoi  ^« 
Mittelschaien  im  Ershersogtum  Österreich  unter  der  Enns.  Wien  190T, 
Holder. 


Dio  III.  Direktorenkonferent  in  Wien.  843 

des  Beferenten  GlOser  stellen.  Allein  Ton  Tielen  Mitgliedern  der  Eonfexenx 
wnrden  anch  die  Sehftden  betont,  die  jene  Verlegung  der  Ferien  fflr  den 
Unterricht  nach  sich  tOge»  nnd  dämm  stimmte  die  MajoritAt  sa  Gunsten 
der  alten  Ferialordnnng.  Auch  der  Lehrkörper  des  I.  deutschen  Oymnasiams 
SQ  Brflnn,  in  dem  ich  die  in  Bede  stehende  Frage  ausflhrlieh  so  besprechen 
hatte,  erklärte  sich  einstimmig  gegen  die  Verlegung  der  Ferien.  Aus 
meinem  eigenen  Referate  mochte  ich  nur  jene  Punkte  herrorbeben»  die 
ani^r  den  anch  Ton  der  Direktorenkonfarenx  vorgebrachten  Bedenken 
(8. 192—194)  ins  Treffen  geführt  werden  konnten.  Der  Unannehmlichkeit 
der  (angeblich  stets)  drückenden  Hitze  in  der  einen  Juliwoche  (besw. 
während  der  swei  Jnliwochen)  konnte  doch  dadurch  wesentlich  gesteuert 
werden,  daß  der  Beginn  des  Yormittagiunterrichtes  auf  7  Uhr  angesetit 
wird.  Weiters  bietet  die  bisherige  Ferialordnung  der  nicht  unbeträcht- 
lichen Zahl  Ton  Studenten»  die  wegen  der  Mittellodgkeit  der  Eltern  auch 
während  der  Ferien  tum  Verweilen  in  der  Großstadt  verurteilt  sind, 
wenigstens  awei  Wochen  kühlerer  und  somit  wohltuender  Erholungsseit. 
Mit  bloßem  Achselsacken  kommt  man  auch  über  die  Schwierigkeit  nicht 
hinweg,  daß  bei  einer  Rückverlegung  des  Beginnes  des  i weiten  Semesters 
auf  den  1.  Februar  der  botanische  Unterricht  nach  längerer  Zeit  mit  dem 
Mangel  an  Pflansenmaterial  sn  rechnen  hätte,  sicherlich  nicht  sn  seinem 
Vorteile.  Gewiß  verdienen  hygienische  Maßregeln  auch  in  der  Schule 
tunlichtte  Berücksichtigung.  Allein  es  muß  bei  der  Ferienfrage  betont 
werden,  daß  für  die  Mehrsahl  der  an  den  Mittelscfaalen  studierenden 
Knaben  höchstens  acht  Jnlitage  in  Betracht  kommen«  Tage  geringer 
geistiger  Anstrengung,  Tage  sumeist  ohne  Nachmittagsunterricht,  Tage, 
ansgefüllt  mit  fröhlichen  Jugendspielen,  endlich  Tage  mit  dem  beglücken- 
den Ausblicke  auf  die  Ferien.  Die  bisherige  Ferialseit  hat  sich  an  den 
Oiterreichischen  Mittelschulen  seit  mehr  denn  drei  Jahrsebnten  bewährt, 
weil  sie  den  Beginn  der  Ferien  mitten  in  die  heiße  und  das  Ende  in  die 
Mitte  der  kühleren  Jabresseit  verlegt.  Die  goldene  Mittelstraße  bleibt 
eben  stets  die  beste. 

Hinsichtlich  der  heiklen  Frage,  welchen  Standpunkt  die  Schule 
besüglich  der  sexuellen  Belehrung  eiDachlü^'eQ  solle*  ivtirdeii  foLgeade 
Leitsätse  von  der  Eonferent  angenommeti  t 

1.  Auf  der  Unterstufe  der  Mittelscbule  ist  ei  De  entsprechende  bio* 
logische  Behandlung  der  Befruchtung  uod  VermebrQDg  der  PflBnien  und 
'Here  xu  geben;  etwaige  Warnungen  vor  MlÜbrAucb  der  eigeoen  6«- 
•chlechtsorgane  konnten  nadi  Bespreehting  intt  dem  BlUrnhauaQ  durch, 
geeignete  Bibliotheksbücher  erteilt  werden  ;  -^^ 

2.  auf  der  Oberstufe  der  MittebchDle   wird  eine  wistenic^aftt 
Erklärung  der  Fortpflaninng  in  der  Z«lieüIebro  und  in  der  Phjmioln 
besw.  in  der  Biologie  der  Pflansen  und  Tiere^  uod  d«r  Hin  web  anl'f^ 
Gefahren  der  Geschlechtskrankheiten  im  hygieniicben  Teile  d**  ff-^-Ä 
logie  gegeben.  Die  Begattung  bei  den  Tiereti  und  die  m*^ 
ichlechtiorgane  werden  nicht  erklärt; 

8.  alle  vorkommenden   pathologi»cban   Fälle   eia 
überweisen; 


i 


844  Die  III.  DirektorAokMfireai  in  Wien. 

4.  4ie  weitere  AnifBlunuig  notwendig  eiedieineDder  Maßiefelii  wird 
der  Leitnng  nnd  den  LekrkOrpem  der  einebnen  Anetollen,  eoweii  wit 
mOgUeh  im  SinTemefamen  mit  dem  Eitemhanee»  ttberlMeen. 

Bei  Themn  8,  betreffend  die  erentnelle  Yerminderaag  der  ZeU  im 
regelmiftigen  Konferemen,  erklirten  äeh  atte  Direkteren  filr  die  fit- 
eteünng  der  Kleeienkonferenien.  Nnr  im  Mle  einee  oagewOhBlicte 
Yerbaltene  der  Klaeee  eei  eine  eolehe  Konfereni  einraberofen.  Ze  dm 
Anträge  des  Referenten  Dir.  Spielmnnn,  etatt  der  regelmiAigen  Memti- 
konferenien  nnr  iwei  Zennrkonfereniea  innerhalb  Jeden  Semeeteit  ekn- 
balten,  wnrde  noeh  der  Znsats  «anter  Yeraaeeetsnng  einer  iweskol- 
Bpreebenden  POhnmg  dee  Klaeeenkatalogee"  hiningefllgtb  fiinigM  Be- 
fremden dflrfbe  der  Seblnft  des  Leiteatiee  b  (TgL  S.  12)  erwecken,  b 
laatei:  «Nach  jeder  Zenenrkonferens  erhalten  alle  Schüler  einea  Zemii- 
ecbein,  der  jedoch  keine  Koten  enthält»  eendtrn  e? entneU  Mr  firmAemf 
oder  Tadel  in  den  Unterriehtegegenatinden  nnd  allgemeine  Bemeckm« 
dee  Betragene  nnd  dee  Fleiftee*.  Biiber  begnügte  man  cicbi  die 
echwachen  Sehfller  nach  der  jeweiligen  Konferens  durch  den  Zcaiu^ 
schein  rechtxeitig  anfnierkeam  so  machen,  wo  eie  den  Hebel  feeter  aaie- 
fietMD  haben.  Hineichtlieh  der  anderen  Sehfller  kOnnen  eich  ja  die  fiten, 
besw.  deren  Stell? ertreter  in  den  Spreehstanden  genflgend  edomdigm.  -* 
Das  anf  den  Kanon  der  altklassischen  SchallektOre  bexflgüehe  Tksws 
wnrde,  wie  schon  der  umfang  des  Berlebtes  ftoAerlieh  beweiet  (&  184- 
166)»  besondere  eingehend  behandelt  nnd  gab  tn  heftiger  Weehiekedt 
Anlaß.  Der  Referent  Dir.  Zi  wsa  hat  mit  einer  Offenbenlgkeit  geeprocbN, 
die  answeifelhaft  Widerhall  finden  wird.  «Fort  mit  aller  Beechrlaknc 
anf  bloß  formale  Zwecke  1  Nenee  wollen  sie,  die  Jangen  ans  dem  Ate 
erfahren,  was  den  Verstand  möglichst  Tielseitig  bildet,  ihre  EennteiM 
erweitert,  ihre  Phsatade  belebt,  ihr  Intereeee  erregt*  (8.  136).  In  d« 
Tat,  wir  Philologen  mflssen  nns  endlich  Ton  dem  Glauben  frei  mechm, 
daß  alles,  was  uns  Bemfspfailologen  interessiert,  auch  VeretAndnii  lad 
ästhetiBchen  Beifall  bei  der  Jagend  findet.  Ein  derartigee  Geetiadsii 
▼erträgt  sich  mit  der  eigenen  Vorliebe  fflr  die  griechisehen  nnd  rOmtsekes 
Werke  eehr  wohl,  es  Territ  aber  sogleich  ein  anfrichtigea  YerstiadBii 
der  Gegenwart.  Ein  solches  Geetindnie  darf  am  eo  eher  ge&nßort  wsrdm, 
als  schon  ein  Tacitoe  meinte:  «Nicht  alles  ist  bei  den  Alten  bsner. 
Ans  der  Seele  gesprochen  ist  mir  weiters  Ziwsas  Änßerang  (S.  137),  4m 
Lehrer  innerhalb  der  einseinen  Elaesenpenea  t ollkommen  freie  WsU 
in  der  Lektflre  sa  lassen.  Fflr  diese  Freiheit  trat  ich  achon  in  meissa 
Anfsatse  «Die  Entwicklang  des  öeterreiehiKhen  Gjrmnaainma  eeit  1849' 
(Örterr.-Ungar.  Bevae  1900,  8.  99)  ein.  Traorig,  aber  wahr  ist  Ziffw 
Behaaptung,  daß  es  «immer  Lehrer  geben  wird,  die  den  dnich  Vorschdftm 
nnd  Instmktionea  Torgeieichneten  Weg  lieber  wandeln,  ohne  hienn  äot 
Fessel  sn  fflhlen.  Wer  aber  sich  das  Denken  nicht  allmAhlich  abjswtteM 
will,  wer  nicht  Tag  fflr  Tag,  einer  Maschine  nicht  nnfthnlich,  in  maßf 
migem  Gleichmaß  fortarbeitet,  Tielmehr  dnreh  fertgeaetrte  anfmerfcM* 
Beobaehtang  seiner  selbst  and  der  wechselnden  Schflierqoalititsn  «et 
sor  Eanst  des  Lehrens  emporringen  will,   der  darf  der  sor 


Dfo  HL  Dinktorüikoiiferan  ia  Wito.  845 

gthftrifM  FnOieit  ■lebt  «sfanUeB"  (8.  187).  Mit  Be«ht  teinneite  aich 
te  Komfenak  Dir.  P.  Wenger  »d  das  Wort  tob  Boniti:  «Dem  est- 
fohiadeaea  WooMh«  dar  einitlnen  Lehrer  dtirfeii  bei  der  Avswahl  der 
LtMre  sieht  fo  enge  Qrenxen  geeteckt  werden ,  weil  dieee  sabjektifea 
Meneote  flir  den  wirkUebea  Eifolg  der  L^ttreetunde  von  der  grdAten 
Wiebtigkeit  nad*.  Yoa  dem  bedeateaden  Wert  dieeer  Bewegeaga- 
Mbeil  darehdraagea,  hat  aach  faMp.  Sobeiadler  dea  beeoaderea  Waaieh 
ifaiei  Iiehren  itatt  eiaes  philoeophinhea  Weihes  Cieeroe  eiae  Aaswahl 
foa  Briefea  des  jüagetea  FUnhu  lesea  sa  darfSn,  beim  h.  Hiaistsriam 
befflrwortst  Obwahl  er  persdnUch  die  Pliaiasbriefs  aicht  als  eia  Iqai- 
fikat  fftr  eia  grOfteres  Werk  Cieeroe  belraebtete,  hielt  er  es  doch  Iftr 
weit  forUilhafter,  dea  Lehrer  das  mit  dea  Sehftlera  lesea  so  lassea,  was 
diesem  VtigaAgea,  als  was  ihm  Mii^feiga«gea  bereite  (8.  164).  Aaf  des 
Lehrers  Begeistemag  fflr  die  Sache  soll  ebea  aicht  ia  leteter  Liaie  Bttcb 
lieht  geaoauaea  werdea. 

Das  Brgobais  der  Debatte  UosichUioh  dee  Kaaoas  der  allklaerfsebea 
Lektftre  war,  daft  die  Majoriat  der  Vemassmlaag  sieh  Ar  eise  fäkal- 
tatifc  Brweiteraag  des  JUaeas  and  iaaerhalb  dessdbea  far  tolle 
IVdhiit  aaesprach.  Sowohl  Ziwsa  als  Weager  redetea  der  Ansscheidaag 
des  Nepas  aad  tob  Cisars  Bttrgeifcrieg  dae  Wert  fiiasichtUch  der  Bmhea«» 
feige  der  Antorea  empfieldt  Ziwsa  oater  aaderem  die  eebon  oft  aad 
driogead  geiafterte  Yeriegaag  dee  Linas  ia  die  VIL  Klasse.  Die  Srf  Allaag 
dietee  Waaschee  warde  m.  E.  f  oa  dem  grOAtea  Teile  der  Berafageaoesea 
nicht  miader  freadig  begrüßt  werdea  als  eiae  Umstellaag  der  grioehischea 
Lektiro  dor  Oktara,  aleo  Sophokles  im  eisten,  Plato  im  sweftea  Semestsr. 

Ia  rschl  echroirem  Qegeaeatse  ioAertea  sich  die  Aastehten  der 
Konfsrsastellnehmer  bei  der  Behaadlaag  der  Frage,  wie  der  Erfolg  des 
stilistischea  Unterrichtes  im  Lateiniechea  am  Obergymnaeiom  gehebea 
werdea  könae  (S.  58--86).  Schwerlich  wird  sich  ia  dieser  Frage  eine 
Binigkeit  enielen  lassen.  Yoa  der  dnea  Seite  wird  ebea  der  Baf  aach 
Oramnmtisismns,  Ton  der  anderen  nach  Bealismos  erselmllen.  Sehr  be^ 
sehteaewert  encheinea  mir  die  Werte  des  Dir.  Stitt,  der  aaterHiaweii 
aaf  die  Forderoag  dee  Orgaaieatioaseatwnrfes  („Haaptsweck  der  Erleraaag 
der  altes  Spraehea  ist  die  Lesong  der  klassischen  Aatoren*)  meinte: 
«Zwei  Hoohgipfel  kann  ein  Toarist  sa  gleicher  Zeit  nicht  nehmea,  nad 
veaa  ich  f  er  die  Wahl  gestellt  werde,  so  siehe  ich  aaf  der  oberea  Stofe 
die  Fertigkeit  in  der  Handhabang  der  LektCre  for«.  Weaa  aach  wir 
PMlrtogea  lar  Brreichong  des  lotsten  Zieles  der  Ojmnasialstadiea,  d.  h. 
sar  Eatwieklaag  eiaee  edlea  Charakters  eatsprecbead  beitragea  wollen, 
daaa  mamea  wir  aach  beim  lateinischen  Unterrichte  das  Verstindnie  ftr 
dea  lahalt  der  klaesiKhen  Antorea  an  die  erste  8toUe,  die  stilistische 
Fertigkeit  im  Übersetiea  dos  Deatschen  las  Lateiaische  an  die  tweite 
Stelle  setsea.  Znr  Untorsttttiang  dieser  Anscbaaang  bsdorfto  ee  nicht 
dee  Hiaweiees  auf  die  Tatsache,  daß  selbst  DoktordissertatioaeB  geriage 
Oewaadtheit  im  lateinischen  Stile  aaf  weisen,  es  bedarfte  weiters  aicht 
des  Trostss,  daft  aach  sa  dea  deotsehen  UaitersitAtea  fttr  die  Schnlaag 
des  latdaischea  Stilee  weaiger  als  je  geleistet  werde,  eoadcrn  es  war 


846  Die  III.  Dixektorenkonferens  in  Wien. 

TOf  allem  auf  die  tatsiehliehen  Erfahriingen  der  TaterlindieeheB  Gyn- 
naiien  bininweiBan.  üod  dieser  nnTeiflUsebten  Quelle  entepringee  ud 
sind  danim  frei  von  jeder  BeMhOnignng  die  Worte  Ziweae:  «Die  Erfah- 
rungen im  nenspraehlicben  unterrichte  lehren,  da6  man  aehteuwerte 
Kenntniise  nnd  ansreichende«  Vent&ndnis  erworben  haben  kOnne  ud 
doch  in  Verlegenheit  gerate,  wenn  es  gilt,  einen  fransGiisehen  oder  eag- 
liachen  Brief  sn  schreiben.  Was  in  einer  lebenden  Sprache  schwor  ist» 
gestaltet  sich  noch  schwerer  in  der  toten.  Nor  höchst  Beeeheidenei 
TermOgen  wir  trotx  aller  Mflhe  sa  erreichen;   denn  daß  wir  vsatn 

Schtkler  wirklich  sn  lateinischen  Stilisten  bilden  kOnnen,  wäre «b 

nnterseihlicher  Irrtnm,  eine  arge  Selbsttinschnng'*  (8.  93).  Übrigess 
hat  Ziwsa  wohl  den  Nagel  anf  den  Kopf  getroffen,  wenn  er  (8.  91)  dai 
Streben,  den  stilistischen  Unterricht  im  Lateinischen  am  ObergymassisB 
SQ  heben,  nur  anf  den  Zweck  tnrftckflkhrt,  daß  die  schriftliche  Matuititi^ 
arbeit  ans  Deutsch- Latein  in  Zukunft  besser  ausfalle.  Allein  schon  metarss 
sich  betricbtlich  die  Stimmen  jener  Philologen,  die  meiDen,  daß  an 
Abiturient  den  Beweis  fQr  die  entsprechenden  Kenntnisse  des  Lateintsebes 
auch  nur  durch  eine  schriftliche  Obersetxnng  aus  dem  Lateinisehen  ts 
die  Muttersprache  erbringe,  da  eine  wirklich  gediegene  Übersetsnag  doeh 
unbedingt  solide  grammatische  Kenntnisse  sur  Voraussetsnng  habe.  Schos 
in  der  IL  Direktorenkonferenz  hat  sich  Dir.  Eye  er  t  nicht  gcaehesti  flr 
die  Abschaffung  der  deutsch -lateinischen  Haturit&tsarbeit  einiutrsteo. 
Tatsftchlich  ist  diese  Matnritfttsarbeit  nunmehr  geschwunden. 

Mit  weit  größerer  Einmütigkeit  sprach  sich  die  Konferens  hioiiskt' 
lieh  der  Verteilung  des  geschichtlichen  Lehrpensums  am  Ob^rgymasiisD 
aus.  Folgende  Leitaätie  fanden  fast  durchwegs  einstimmige  BiUigtmg: 
1.  An  der  eingehenderen  Behandlung  der  neuesten  Geschichte  ist  unbedingt 
festsnhalten.  2.  Lehrstoff  der  V.  Klasse  sei  Geschichte  des  Aitertnon  bii 
tur  romischen  Kaiseneit,  wobei  eine  Belastung  der  V.  Klasse  durch  Eis* 
schrftnknng  der  morgenlindischen  Geschichte  und  durch  Wegfall  der  dsi 
Gedächtnis  beschwerenden  Dinge  aus  der  griechischen  nnd  römisches 
Geschichte  rermieden  werden  solle.  8.  Lehrstoff  der  VI.  Klasse  sei  Ge- 
schichte der  romischen  Kaiserseit  in  ihren  herforragendsten  ErseheinaBgeB 
als  Einleitung  zur  Geschichte  des  Germanenfolkes;  Geschichte  desMittal- 
alters  nnd  der  neuen  Zeit  bis  inm  Beginne  des  Dreißigjährigen  Kriagis: 
ferner  STstematische  Wiederholung  der  Geographie  der  anßerenropäisebes 
Erdteile,  hauptsächlich  Yen  der  wirtschaftliehen  Seite,  wenigstens  aUe 
14  Tage  eine  Stunde.  4.  Lehrstoff  der  VII.  Klasse  sei  Geschiefats  der 
Neuzeit  vom  Beginne  des  Dreißigjährigen  Krieges  bis  rar  Gegenvait; 
weiters  systematische  Wiederholung  der  Geographie  der  enropäisehcs 
Länder,  mit  Ausnahme  Österreich-Ungarns,  hauptsächlich  Ton  der  wirt- 
schaftlichen Seite,  wenigstens  alle  14  Tage  1  Stunde.  5.  Im  erstes 
Semester  der  VIII.  Klasse  sei  Geographie  und  Statistik  österreiebs  drei 
Stunden  wöchentlich  tu  lehren,  im  sweiten  Semester  solle  eine  snssmmes* 
fassende  Wiederholung  der  Weltgeschichte  mit  besonderer  HerTorhebssf 
und  entsprechender  Erweiterung  der  Osterreichischen  Geschichte  und  sie 
tieferes  Eingehen  auf  die  widitigsten  Momente  der  Verfassung,  Volks- 
wirtschaft nod  Kunst  des  Vaterlandes  als  Aufgabe  gestellt  werden. 


Die  III.  Direktorenkonfereni  Id  Wien.  847 

Bei  dem  Thema  «Notwendigkeit  einer  Revision  der  MaturiUlti- 
prüfaogtordnong  fOr  Bealschnlen''  worden  iwar  keine  beatimmten  Antrftge 
som  BeacbloO  erhoben,  jedoch  Ton  der  geaamten  Konferenx  logeetanden, 
daß  manche  Bestimmungen  jener  Matnritfttsprüfangsordnang  eine  Yer- 
besserong  Tertragen  wttrden.  Man  wird  diee  wohl  anch  fflr  die  anf  die 
Gymnasialmainra  bezflglichen  Bestimmnngen  getrost  behaupten  können^}. 
Dir.  Dechant  kam  aach  aof  die  Nenregelong  der  Matnritätsprflfangstaze 
so  sprechen.  Fflr  eine  ErhOhong  derselben  nnd  fflr  einen  gerechteren  Ver- 
teiloDgsmodos  setste  ich  mich  bereits  Tor  drei  Jahren  in  meinem  Aofsatse 
.Ein  Wort  fiber  Mataritfttsprttfangstaxen"  (Zeitschr.  f.  d.  Osterr.  Gymn. 
1906,  S.  858—860)  ein. 

Hinsichtlich  der  Errichtung  too  Lateinknrsen  an  Bealscbnlen  sprach 
sich  die  Direktorenkonferens  dahin  ans,  Tersnchsweise  an  einer  Wiener 
Bealscbnle  einen  dreijährigen  nnobligaten  Sammelkura  mit  drei  wöchent- 
lichen Standen  fttr  jene  Schiller  der  oberen  Klassen  in  errichten,  die  sich 
später  dem  Unifersitätastadiam  anwenden  wollen;  der  Lehrer  solle  auch 
des  FransOsischen  kundig  sein.  Vielleicht  kann  ich,  da  ich  den  Latein- 
kars an  der  Brflnner  Scaatirealschnle  seit  seinem  Beitande  (d.  i.  seit 
dem  sweiten  Semester  1904/05)  leite,  in  dieser  Sache  einige  Erfahrungen 
mitteilen.  Daß  der  Brünner  Lateinkurs,  trotxdem  er  SchtUer  der  Staats- 
und  Landesrealschule  umfaßt,  sich  nur  in  der  Zahl  twisehen  9—15  Be- 
suchern bewegt,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Denn  erstens  haben  die 
mibrisehon  Bealschfller  außer  der  deutschen  und  fransOsischen  Sprache 
noch  an  der  böhmischen  einen  obligaten  Gegenstand,  weiters  macht  das 
fürs  praktische  Leben  notwendigere  Englisch  eine  dem  Lateinischen  ge- 
fährliche Konkuxrens.  Abgesehen  daTon  sind  die  Schiller  der  Obeneal- 
schule  nach  dem  deneitigen  Lehrplane  derart  beschäftigt,  daß  der  Besuch 
eines  weiteren  freien  Gegenstandes  eine  nicht  unerhebliche  Vermehrung 
geistiger  Arbeit  nach  sich  sieht.  Darum  hielt  ich  es  von  Anfang  an  fflr 
Gewisse  napflicht,  too  den  Besuchern  des  unobligaten  Lateinkurtes  gar 
keine  häusliche  Arbeit  su  yerlangen,  sondern  mit  ihnen  alles  nur  in  der 
stunde  selbst  grflndlich  einsulernen.  Ein  Lateiuunterricht  auf  Kosten  des 
Erfolges  in  den  obligaten  Unterricbtsgegenständen  ist  m.  £.  des  Fort- 
bestande« nicht  wert.  Weiters  unterschreibe  ich  die  Forderung  Deehants 
(8.  174),  daß  der  Lateinunterricht  an  der  Hedschuie  vuü  kIiuüh  Lehrer 
erteilt  werde,  der  auch  des  FransOsischen  mäcbtig  ist.  Gerade  der  Um- 
stand, daß  ich  nach  Tunlichkeit  Verbindung ef4d«Q  zwischen  der  lateini- 
schen Sprache  als  Mutter-  und  der  frantOsi^chen  &\s  Tocblerspracbe  t& 
spinnen  suchte,  hat  nicht  nur  das  Interesse  der  Schüler  aufs  lebbafbeit^" 
genährt,  sondern  auch  die  Aneignung  dei  Wortschatsea  üBd  mauotl' 
grammatischen  Erscheinungen  wesentlich  erleichterte  Darum  wird  aiu 
Deehants  Wunsch,  eigene,  fflr  Bealschfller  bestimmte  laUiDiscb«  Obual 
bflcher  in  Gebrauch  sn  nehmen,  möglichst  bald  erftlllt  werden  mflirf^ 


')  Den  Nachweis  hiefflr  glaube  ich  tn  eiaem  in  dei 
schule  gehaltenen  Vortrage  nLeitsätse  som  Eapitul  Mi 
geliefert  su  haben«  Vgl.  die  ,, Mitteilungen**  dieses  Ver^ioei 


1 


848  0.  Jäger,  Erlebtes  und  fintrebtes,  ang.  t.  A.  Frank, 

Vor  allem  aber  wird  man  eioh  beim  Latefnnsterriohte  an  der  Beabchide 
die  (fibrigens  aneh  eefaon  fOre  OjmnaBiam  geforderte)  BeechrtnlniBg  aef 
die  regelmäßigen  und  wichtigsten  grammatiseben  ErscbeuoifSB 
Tor  Angen  halten  mflssen.  Allein  trots  der  fftrs  Latein  wertvollen  Vor- 
kenntnisse im  FransOsisehen,  troti  des  Torgerflekteren  Alters  der  bekref- 
fenden  Bealsehfiler,  trots  der  nieht  genog  laut  i«  fordemden  Bemahnng, 
nnr  in  der  Unterriehtsstande  selbst  den  Lehrstoff  ta  rerarbeitett  oai 
trots  der  Besehränknng  desselben  anf  die  regelm&ftigen  Braeheiamign 
wird  sich  nach  meiner  Erfahrung  dureh  einen  wOehentiidi  8  Stand« 
nmfusenden  Unterricht  innerhalb  drei  Jahren  ehrlieh  and  grflsdlieh  nicht 
mehr  bewftltigen  lassen  als  der  fftrs  Untergymnasiam  Torgeaehiiebeae 
Lehrstoff. 

Brflnn.  Dr.  Simon. 


Oakar  J&ger,  Erlebtes  und  Eratrebtea.  Reden  und  AvMtas. 
Manchen  1907,  C  H.  Beck'sche  Verlagsbnchhandlang.  YIII  oad 
817  88.    Preis  geb.  M.  6  50. 

Über  einen  Zeitranm  Ton  siebiig  Jahren  ana  dem  Lebeasfaafc 
des  Terfassers  berichtet  das  Bach.  Es  fahrt  ans  in  den  Fremsdesfasii 
des  elteilichen  Hanses,  in  dem  Ladwig  ühland«  Gustav  Schwab»  Jisliaai 
Eemert  Eduard  MOrike  verkehrtesi  nnd  anch  doreh  ihre  Peraamliehkeilfla 
einen  nachhaltigen  Sinflnß  anf  die  Jogendentwiekelnag  dea  Verfamn 
ansabten  d,!.  Die  schwibische  Dichtersohnle*) ;  es  enihlt  van  seiua 
Stadentenjahren  1848-^1852*  an  der  Universitit  TabingeB,  es  bcfieitet 
insbesondere  die  letiten  dreiftig  Jahre  des  lebhaftea  KampisB»  der  an 
die  dentsche  Mittelschale  auf  prenitischem  Boden  gekämpft  worden  ist 
Dazwischen  eiagestreat  sind  die  Schildemngen  Aber  den  ^Beench  bei 
Bismardc  (16.  Jnli  1892  in  Kissingen)*',  „Der  Besaeh  preaftiseher  Qjm- 
nasiallebrer  in  Friedrichsrah  (8.  April  1895)^,  die  .Beden  aa  BtSDanto 
acfatsigstem  Gebartetag''  and  sa  .Bismarcks  Tod*,  der  «Beaaeh  be 
Panl  KrOger*,  kaltargeschicfatliche  Gedanken  nnd  Skisaen  Aber  «Die 
Marianischen  Kongregationen*  and  «Das  evangelische  Püarrhaas  oad 
den  katholischen  Klems*.  Aach  in  der  Festrede  anm  Geboitatage  da 
Kaisers  am  27.  Januar  1898:  «Kaiser  Trajanns*  und  in  den  Toitrsge 
vor  dem  sweiten  religionswisaenschaftliehen  Ferienkarsaa  rheiaisshsf 
Elementariehrer  sa  Bonn  1904:  «Das  Koastanser  Koaail  und  die  kiieb- 
liehe  Beformbewegnng  des  15.  Jahrhanderts*  fehlen  die  BesiairangeA  ssr 
Gegenwart  nicht. 

Die  schalpolitischen  nnd  pädagogischen  Beitrige  dee  Bachee  dar^ 
lebt  der  eine  Gedanke,  den  FOrst  Bismarck  in  eeiner  Erwidemag  asf 
die  Adresse  and  die  Ansprache  der  preo^ischen  Gjainasiallduer  eiafleeht: 
(S.  75;  «Die  Liebe  sam  Vaterlaäde,  das  Verständnis  fOr  politisebe 
Sitnationen,  fttr  diese  nnd  andere  Eigenschaffeen  werden  die  Keime  ge- 
legt in  dem  Stadium  des  Menschenlebens,  welches  Ihrer  Pflege  veraags- 
weise  anheim  fUlt"    Oskar  Jäger  war  mit  der  Abfassung  der  Adrsve 


0.  Jäger,  Erlebtes  uod  Eitirdbies,  Mg.  f.  A.  Frank.  849^ 

uidiDttder  Aniprieha  an  denFflnten  bei  der  Übemiehiuig  denalben  betrani 
worden.   Dar  weite  Blielc  des  Historiken,  die  Tiefe  «ad  GrOadliehkeit  dos  Pb>> 
loiogen,  dae  warme  «ad  Dachhaltige  Empfinden  des  Patriotea»  im  sebOnste» 
Ebenmaße  vereiat,  treten  in  den  genannten  Anfsilsen  in  Sneheinnng ;  kars  and 
treffend  gefaßt,  sebiagfertig  trigt  die  Bede  gleichsam  persßnliehe  Ztig» 
SB  Bieh,  maneber  Hieb  Allt  gegen  den  «radikalen  Beformdilettantismai*, 
ud  das  ^Geklapper  der  Beformmflhlea*,  die  kein  Hehl  leban  lassen^ 
wird  gebtthrend  gekennieiebnet    Oskar  Jäger  ist»  wie  wir  alle  wisaev, 
eia  flbenengangstrener  Yeifecbter  der  kiitoriseh-pbilologiaehen  Bildang t 
wie  sie  insbesondere  das  Gymnaeiom  der  Jagend  flbermittell.    Jiger 
nennt  in   diesem  Znsammenbaago   Goethes   Wort    ven   der   «Bohige» 
Bfldoag«     (14.  «Das  Beformgymaasinm    aaf  dem  Bremer  Phllologe»- 
tage*).    Er  torwirft  im  Prinsip  IQr  das  G jmnasiam  als  wissenschaftlieh» 
Verbereitnagaaastalt  im  strengen  Sinn  den  Beginn  des  grundlegende» 
Spracbaaterrichte  mit  dem  FransOsisehen  oder  irgend  einer  anderen  neaere». 
Sprache,  •ineehließlieh  des  Deutschen,  daa  fflr  aeanjihrife  Knabea  ehe 
wiieensehaftliober  Gegenstand  gar  nicht  sein  kann  noch  aach  sein  solL 
.Wir  bnmehen  ein  Wieeeasgebiet,  an  dem   der  Knabe,  nicht  erst  4m 
fienehajihrige,  stnfenweiee  sieh  die  wichtigsten  Begriffe,   soaiale, 
ethische,  poUtieche  osw.  Staat,  Beligion,  Beoht,  Krieg,  Friede^  Freund- 
icbaft  und  die  fielen  hundert  anderen  denkend  erarbeitet,  und  wir 
▼erlangen,  daß  er  sich  in  diesen  denkenden  Arbeiten,  das  ihm  die  tig-. 
liehe  Vergleichung  dee  Fremden  mit  dem  Eigenen,  der  fremden  mü 
der  Muttenprache  mOglieh  macht,  lebe,  eich  in  dasselbe  hiaeinlobe. 
Hier  ist  Form  angleich  Inhalt,  Lernen  sugleich  Eraiehung«. 
—  Es  handelt  sidi  nicht  um  ein  rascheree  oder  langsamerei,  um  bo- 
quemerea  oder  listigeres  Erlernen  der  IdasaiBchen  Sprachen,  sondern  «nn^ 
ein  fiel  Wichtigeres,  um  alle  die  ethischen,  pejchologiscben,  philoeophiachea» 
die  wissenschaftlichen  Momente,  die  man  am  Lateiaiechen,  den» 
weiterhin   dae  Griechiecho   eich  geeellt,  am  besten  lernt,  weU  oe  eine 
bistorisehe  Sprache  ist»  das  heißt  eine  solche,  die  mit  jeder  Vokabel,  dio 
der  Kaabo  lernt,  sugleich  ein  Stflck  Geschichte  mit  sich  fihrt.    Der 
Wbsensgegenstand,  den  wir  als  den  sentralen  suchen,  kaan  das  Deutseh# 
nicht  sein,  denn  der  Beichtum  oder  dio  Ctoeetse  unserer  Mutteiopraeho 
gehen  ihren  Söhnen  eben  erst  durch  dio  Vorgleichung  mit  einer  andere» 
^vaehe  auf;  es  kaan  die  Naturgeschichte  nicht  sein,   weil  der 
Kaabe  ihr  gegeaßber  sich  bis  sur  obersten  Stufe  hin  tberwiegend  resopüT 
▼erhalten  muß,  —  —  es  kann  weder  dae  Englische  noch  dae  Fran- 
tOsische  sein,   weil  bei   dieeen   Sprachen   der   Gegenwart   und    den 
lebendigen  Marktee  notwendig  und  mit  Beebt  ein  praktieohee  utilitarischea 
Moment  eich  einmischt,  ja  ▼ordringt.    Englisch  und  FransOsiMh  werden 
aash  andeia  geschrieben  als  gesprochen,  was  fflr  Knaben  echlechthin  ein 
Irratioaales   ist;   und   daß  man   mit   einem  solchen  Irrationalen    den 
Uatenrioht  aa  einer  Anstalt,  die  von  unten  an  durch  WiaseaMhafI  lur 
Wissensehalt,  von  Vemunftstufe  su  Vemunftstnfo,  nicht  bloß  Yon  Kenai- 
I  tu  Kenntnissen  führen  soll,  nicht  beginnen  darf,  sollte  einleuchten.* 
XcHmMII  f.  d.  örtnr.  Opu.  ISOS.  TIIL  s.  IX.  Heft  54 


860  0.  Jäger,  Erlebtet  and  Bntrebtet,  ang.  ▼.  A.  Frcskk. 

Die  heraasgehobenen  Oedanken  rechtfertigen  aneh  die  SteUvBg, 
welche  Jiger  der  Geiehichte  der  Orieehen  and  ROmer  im  Lehrplm  d« 
GymoMioms  laweist.  Jenei  «prodoktiTe  oder  Ton  ioneii  herauiehiffaide 
Verhalten  iet  nur  mdglich  auf  dem  Boden  der  alten  Geaehiehte.  laden 
der  Schiller  die  Sprachen  der  beiden  Völker  lernt  nnd  weiterbin  U- 
teiniiehe  nnd  grieehische  Antoren  licet  nnd  sich  deren  Veratftndnic  er- 
obert, icbafft  er  sieh  Ecnntnisee,  welche  Ton  Tomhorein  nnd  weeentlid 
GeechichtikenntniBse  lind.  Die  BpeiifiBche  Bedentong  dea  Unte^ 
rieht  es  in  alter  GcBcbichte  ale  Grundlage  fOr  alle  fernere  Geadnehti. 
nnterweisnng  iet  die,  daJ^  hier  allein  dae  reseptiTO  Veriialten  dei 
Schillere  dem  Vortrag,  der  Darbietung  des  Lehrers  in  den  Gesehiehti- 
standen  gegenOber  seine  ErgAnxnng  findet  in  dem  wesentlich  prodsk- 
tlTcn,  tn  dem  ihn  die  Latein-  nnd  griechischen  Sprachstnnden  anlettes; 
man  kdnnte  gans  einfach  sagen:  hier  allein  ist  Quellen lektllrs» 
Qnellenstndinra  möglich,  ohne  welches  geschichtliches  Srkennen  im 

wissenschaftlichen  Sinne  flberhanpt  nicht  möglich  isi.** Indem  di« 

geschichtliche  Wahrheit  Ton  den  Schttlern  selbst  erarbeital  wird»  liegt 
hierin  in  ansnehmendem  Maße  „die  Erxiehnng  an  objektirem  ür- 
ieilen,  das  wir  alle  dadurch  anerkennen,  insofern  wir  nnwillkftriidi 
nnd  fast  ohne  unterschied  der  Partei  bei  jeder  wichtigen  gesotigebeiieelMB 
Frage,  jeder  Debatte,  ja  jedem  Geiprich  Aber  bedeatangsroUe  politiseke 
oder  religiöse  Fragen  an  das  «Ürteil^der  Geschichte*  appellioreB'.  «- 
Dieser  sittliche  Gewinn  kann  im  Unterricht  der  alten  Geaehiehte  ssi 
natargomäi^en  Gründen  gehobea  werden,  da  «wir  noch  etn  Ton  Kstsr 
neutrales  Gebiet  haben,  tu  dem  die  konfessionellen,  politischen,  soiial« 
Gegensitse  der  Gegenwart  nicht  hindringen,  wenn  sie  nicht  der  üb- 
▼erstand  mit  4en  Haaren  herbeitiefat**.  (S.  242,  262,  264;  19.  ,0b« 
die  Stellung  des  Unterrichts  in  der  alten  Geschichte  im  Gymwaslalldu^ 
plan''.    20.  „Die  Zukunft  des  Geschichtsunterrichts.*) 

Was  konnte  denn  auch  Tor  der  ernstesten  Frage  dem  Staate  vsd 
der  Gesellschaft  mehr  frommen  als  die  „Weckung  und  Bntwickelung  dsi 
Wahrfaeitssinnes  und  die  StArkung  des  Willens  im  Dienste  der  Wahr- 
heit*? Jäger  verfolgt  diesen  Gedanken  in  seinen  Besiehnngen  f&r 
Schüler  und  Lehrer  in  den  Aufsätien:  8.  „Patriotismus  und  Gjmnasiil* 
ersiehung*,  17.  nPfiicht  nnd  Stellung  des  Gymnasiallehrers  in  Staat  and 
Gesellschaft*,  18.  „Politik  und  Schule*,  und  26.  «Wie  hat  aieh  das  fas- 
manistische  Gymnasium  gegenflber  der  Behauptung  su  Terhalten,  daß  dar 
höhere  Schulunterricht  in  Deutschland  lu  wenig  national  gestaltet  wät^ 
Der  Verfasser  ist  der  „Forderung  des  Tagest  die  fflr  uns  die  „Pfli^tes* 
lehrt,  sugewandt,  und  er  fordert  in  erster  Beihe  von  den  Lehrern  sdbik 
ernste  Geschichtsbildnng  und  ernste  Naturerkenntnis,  auf  dit 
sie  mit  der  Kraft  einer  tiefen,  in  reicher  Lebens-  und  BerufiMrfahrvsg 
gewonnenen  Oberzeugung  in  den  Kämpfen  des  Tages  das  Banner  d« 
Humanismus  hoch  halten,  4.  h.  derjenigen  Anschauung,  welche  im  fom 
humcmum  nicht  bloß  die  jetzt  Lebenden  und  ihre  Kllnste  und  Feitv" 
keiten  sieht,  sondern  die  Menschheit  in  ihrer  Vergangenheit,  G^|es< 
wart  und  Zukunft  als  ein  ethisches  Gänse  betrachtet  und  dieses  Ge- 


0.  Jäger,  Erlebter  nnd  Erstrebtet,  ang.  ▼.  A.  Frank,  851 

danken  nnd  seine  Konsequensen  alt  Fundament  der  höheren  Jngend- 
bildong  bewahrt  wissen  will**.    (8. 100,  228). 

In  diese  Richtung  weist  aneh  Jäger  die  «Bedeatong  Schillers  fttr 
dss  Gymnasiam"  (Festrede  am  11.  April  1905  auf  der  42.  Versammlung 
des  Vereins  rheinischer  Schulmänner  su  Kdln  gehalten).  Volkliches  Em- 
pfinden, geläutert  und  vertieft,  wird  durch  das  Verständnis  der  Eigenart 
anderer  Volker  wach  gerufen.  «Da  ist  es  von  besonderer  Bedeutung, 
dafi  in  Schillers  Dramen  fast  sämtliche  europäische  Hauptnationen  ver- 
treten sind,  der  Geist  dieser  Terschiedenen  Volker  in  seiner  Poesie  er^ 
faßt  ist,  der  französische  in  der  Jungfrau  Ton  Orleans,  der  englische  in 
Maria  Stuart,  der  spanische  im  Don  Karlos,  der  italienische  in  Fiesko 
und  der  Braut  Ton  Messina,  der  deutsehe  in  den  Bäubem,  Kabale  und 
Liebe,  im  Teil  und  Wallenstein,  und  selbst  dem  Slaventum  hat  dieser 
große  Dramatiker  im  Demetrius  seine  Poesie  abgelauscht  und  abgewonnen. 

Schiller  ist  der  nationale  Dichter  im  eminentesten  Sinne  geworden, 

weil  er  einen  weiten  Horisont  eröffnet  und  unsere  Blicke  nicht  auf 
dem  heimatlichen  Boden  allein  haften  läßt.  Es  mag  sein,  daß  tu  Zeiten 
darin,  in  der  aUsu  großen  Weite  unseres  geistigen  Horiiontes,  unsere 
Schwäche  lag;  heute  aber  nnd  durch  Schillers  Verdienst  ist  es  unsere 
Stärke  geworden.  Indem  wir  den  Geist  anderer  Volker  verstehen  lernen, 
▼ertiefen  wir  den  eigenen  und  machen  unseren  Patriotismus  stark,  in- 
dem wir  ihn  von  Einseitigkeit  befreien  und  wahr  machen.*  (S.  802). 

Es  sei  hier  angemerkt,  daß  Jäger  weit  entfernt  ist,  xu  glauben 
oder  SU  erwarten,  daß  ein  Lehrgut  schon  an  sich,  wie  gehaltvoll  es  sein 
mag,  im  Jugendunterricht  seine  Einwirkung  und  Erhebung  tuversichtlich 
bewähre:  «Hauptsache  beim  Lernen  ist  der  Lehrer*,  alle  Hoffnungen» 
daß  die  Beformen  die  endgiltige  Besserung  der  Verhältnisse  bringen, 
können  eich  als  trflgerisch  erweisen.  „Das  Heil  im  Gebiete  des  Unter- 
richtes ist  nur  xu  erwarten  von  der  unermfldliehen  Vervollkommnungs- 
arbeit,  welche  die  einseinen  sum  Lehrer  Berufenen  an  sich  selber  vor- 
nehmen*. —  «Das  Lehramt  flbt  seine  Träger  in  Geduld  und  objektiver 
Betrachtung  der  Menschen  und  der  Dinge;  es  gewohnt  uns,  uns  selbst 
lu  beherrschen,  unsere  Leidenschaften  xu  xähmen*.  Sittliche  Selbst- 
sucht fährt  nicht  sur  Erschlaffung,  sondern  xur  Festigung  der  Persön- 
lichkeit So  wird  auch  das  Eine  und  Notwendige  noch  in  vollerem 
Maße  su  erringen  sein,  als  es  bis  jetxt  gelungen  ist:  „Die  Anerkennung 
unserer  Autorität  als  der  Sachverständigen  auf  dem  Gebiet  der 
Ersiehung,  jener  Autorität  der  Sachverständigen,  die  dem  Arst,  dem 
Juristen,  dem  Techniker  ohne  weiteres  angestanden  wird.  Dann  aber, 
wenn  dies  in  demselben  Maße,  wie  bei  diesen  Berufen  errungen  ist, 
wird  unser  Stand,  der  früher  und  lange  Zeit  als  der  besonders  gedrückte 
erschien^  vielmehr  der  freieste  von  allen,  sein.  Der  Lehrberuf,  der 
gans  auf  Wahrhaftigkeit,  wissenschaftliche  und  sittliche,  gestellt  ist, 
wird  vor  andern  die  Kraft  haben,  seine  Träger  su  freien  Menschen  su 
machen*.    (8.  172,  240,  215,  222). 

«Erlebtes  und  Erstrebtes*  flbersehreibt  Oskar  Jäger  sein  Buch. 
Wir  können  es  ermessen,  welche  Erinnerung  und  welches  personliche 

54* 


852  A,  V.  Bamberg,  Ideale,  ang.  t.  7.  Thunuer. 

Smpfioden  er  in  die  beiden  Worte  hinein  legt.  Aoeb  einige  Wefamnt 
mag  darin  Torklingen.  Sie  fließt  in  das  «Vorwort*  binflber»  da»  in 
Wahrheit  ala  ein  Naebwort  das  fertige  Bach  in  die  Öffentlichkeit  ge- 
leitet «Ich  bin  in  die  Jahre  getreten,  wo  man  eein  Hani»  ancb  eeii 
literariicbee  Hau,  in  bestellen  dringenden  Grnnd  hat  Ich  Ikbeigebe 
dieie  Sammlung  der  weiteren  Öffentlichkeit  mit  der  Hoffnnngt  daA  mia 
■10  in  Übereinatimmnng  finden  werde  mit  dem  Bekenntnis  snm  honi- 
niatisehen  Qymnasinm,  das  ich  in  einer  früheren  Sammlung  pro  dem 
abgelegt  habe."  Dies  ist  das  Eigene:  ein  literarisches  Hans  steht  sUes, 
die  eintreten  wollen,  in  Noti  and  Frommen  offen.  Jigero  .Sedeii  vaA 
Aaürttxe*  weisen  auch  vielfach  anf  seine  sasammeahingenden  literariichea 
Werke  mrflck,  ein  arbeitsfolles  Leben  hat  an  ihnen  geschaffen.  W«m 
nun  der  Hen  des  Hanses  in  seinem  geistigen  Heim  die  Qiste,  die  näk 
einfinden,  nach  Mhtoem  Braach  willkommen  heißt,  so  darf  auch  bd 
dem  Geschaffenen  and  Erworbenen  eine  berechtigte  Befriedigong  ud 
echter  Mannesstols  die  Brnst  dorchsiehen:  Brate  fireaen  sieh  der  Tat 
Prag.  Dr.  Anton  PranL 


Albert  y.  Bamberg,  Ideale.  Ansgewihlte  Scbnlreden.  Berlin  1906, 
Jnlias  Springer.  lY  nnd  188  SS.  99. 

Die  hier  TerOffentlichten  Beden  des  hochverdienten  SchalmsBnei 
dienen  insgssamt  der  gleichen  Aafgabe,  .die  Yerbindang  der  klanischiii 
and  der  christlichen  Ideen  mit  den  nationalen"  bei  der  Jagend  mO^ichit 
la  ftrdefn.  Die  tiefe  Wirknng  war  den  Beden  dadareh  gesichert,  dafi  der 
Verf.  seine  Darlegangen  stets  an  das  aktnelle  Interesse  des  Taget  ss 
knüpfen  wnßte,  mochte  er  bei  der  Entlassang  der  Abitorienton  an  des 
70.  Gobortstag  Bismarcks,  an  die  handertste  Wiederkehr  von  Wilkefas 
Hejs,  Ton  Kaiser  Wilhehna  L  Gebartstag,  Ton  J.  Kants  and  Herden, 
ton  Schillers  Todestag,  an  den  Todestag  Goethes,  der  glelehseitig  der 
Gebartstag  Kaiser  Wilhelms  I.  ist,  erinnern  oder  anf  nahe  gelegene  Steffi 
des  Unterrichts  Piatons  Enthjphron  oder  Sophokles'  Antigene  (.SepL 
Ant  im  Lichte  des  Christentoms")  snrflekgreifen   oder  den  Aavprsefa 
klassischer  Zeugen,  eines  Emanael  Geibel  (in  der  fflnften  Bede:  «Drei 
sind  einer  in  mir,  der  Hellene,  der  Christ  and  der  Deotscho*),  etsee 
Thnkydides  (in  der  siebenten  Bede:  «Von  wahrer  Ifannhalkigkeit*)  oder 
bestimmte  Anschaanngen  der  Gegenwart  (in  der  nennten  Bede:  «Tes 
der  Selbstsacht  ond  ihrem  Gegenteil")  lom  Aosgangsponkte  setner  Abi- 
fUirangen  wfthlea.    Die  sweite  Bede  (»Kaiser  Friedrieh")  ist  bei  der 
Traaerfeier  am  18.  Jan!  1888  gebalten.  Immer  wieder  deckt  ▼.  Bambei| 
seinen  ZahOrem  die  Bedeotong  einer  «TollkrifUgen,  gesnnden  PecsOalidi- 
keit-  anf,  die  dem  Besten  des  Staatee  dient  nnd  .ihr  Leben  in  steter 
Verbiodang  mit  QqU  %jx  erhalten"  tersteht    Die  Herrorhebong  des  rek- 
giOsen  Moments  bei  dem  ersiehlicben  Unterricht  der  Mittelscholj^eBd 
kehrt  aach  in  einer  Anseige,  welche  Geheimrat  W.  Fries  in  den  .Lelu- 
pioben  nnd  Lehrgingen"  1906,  a  9b,  Aber  die  Monatsseitschrift  .IW 


Th,  Ziehen,  Die  GeistetkrukbeiteB  usw.,  ug.  ?.  L,  Burgerstem,  853 

Sehool  jßeview"  (üniy.  of  Ghieago)  1905  (Oktober),  und  iwm  über  dem 
Anfsfttx:  ^The  Bdigions  Spirit  in  the  Seeondary  Sehool*  TerOffeBtliebt, 
wieder,  indem  er  tagt:  «Es  ist  ein  Irrtum  in  meinen,  Fachkenntnis,  Lehr- 
geschick und  tadelloser  Wandel  machten  allein  die  wesentlichen  Eigen- 
schaften des  Lehrers  ans,  er  moft  mlmebr  sein  ^poeiHvely  rdigioue^f 
so  erst  wird  er  kraft  seiner  gansen  Persönlichkeit  werden  »a  life-ffiver^ 
Fflrwahr  eine  ernste  und  tiefe  Anffasanng  unseres  Terantwortlichen  Be- 
rufes, die  da  über  das  Meer  in  ans  herflberkiingt". 

Am  klazBten  traten  wohl  der  Jugend  die  Ton  Bamberg  gepriesenen 
drei  Ideen  in  der  fBnften  Bede  vor  Aagen,  da  er  sie  im  Anschlüsse  an 
die  oben  ausgeschriebenen  Worte  Em.  Geibels  in  anschaulicher  Breite 
entwickeln  konnte. 

Den  Schluß  meiner  Adieige  mögen  jene  Worte  bilden,  die  der 
Verf.  gegen  Ende  dieser  Bede  (8.  55)  ausspricht:  ,Es  ist  gute  deutsche 
Art  und  es  ist  echtes  Christentum,  was  in  dem  an  hellenischer  Schönheit 
gebildeten  Dichter  lebte  und  Leben  weckend  aus  seinen  Liedern  klang. 

Will  das  deutsche  Gymnasium  sein,  was  es  unserem  Volke  sein 
soll,  so  muß  es  eben  diesen  Geist  in  die  Seelen  seiner  Zöglinge  pflansen 
und  seine  Elemente  sn  schöner  und  fruchtbarer  geistiger  Durchdringung 
entwickeln." 

Wien.  V.  Thumser. 


Pie  Geisteskrankheiten  des  Eindesalters  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung des  schulpflichtigen  Alters.  8.  (Schluß-)  Heft.  Von  Dr.  Th. 
Ziehen,  Prof.  an  der  UniTersitlt  Berlin.  Berlin,  Verlag  Ton  Beuther 
&  Beichard  1906.  180  SS.  8®  (Sammlung  tou  Abhandlungen  aus  dem 
Gebiete  der  pädagogischen  Psychologie  und  Physiologie,  herausgeg. 
▼on  Ziegler  und  Ziehen.   VIII.  Bd.,  7.  Heft).   Einseipreis  8  Mk. 

Das  erste  und  sweite  Heft  der  ^Geisteskrankheiten  des  Kindes- 
alters"  wurden  in  dieser  Zeitschrift  (1902,  8.  1029—1030  und  1906, 
S.  659)  besprochen.  Es  sei  daher  auf  diese  Besprechungen  Terwiesen  und 
nur  hinsugefl&gt,  daß  das  Torliegende  Schlußheft  die  einfachen  Psychosen 
mit  Vorföhrung  der  Geistesstörungen  aus  Zwangsförstellungen  tu  Ende 
führt  und  die  tusammengesetsten  Psychosen  behandelt  sowie  Nachtrige 
sum  Inhalt  der  ersten  beiden  Abhandlungen  darbietet.  Die  an  Literatur- 
angaben reiche  Arbeit  schließt  mit  einer  schematischen  Anweisung  snr 
Untersuchung  des  Geistesiustandes  geisteskranker  Kinder.  Schade,  daß 
der  gansen  Abhandlungsreihe  nicht  ein  Sachregister  oder  doch  ein  Inhalts- 
▼eneichnis  angefügt  ist 

Wien.  L.  Burgerstein. 


Vierte  Abteilung. 

MiszelleiL. 


Literarische  Miszellen. 

Notes  npon  MS8  Gontaising  Persius  and  Petms  Diaeonos. 
By  FraDk  Frost  Abbott  Beprinted  from  Claasieal  Philologr,  ?ol.n, 
No.  8,  Jalj  1907,  p.  881—888. 

Zanftcbst  bietet  1.  die  Eollationsprobe  einer  Ton  ihm  in  der 
Kapitel-Bibliothek  in  Toledo  gefundenen  Handschrift,  welche  die  Sigoatu 
trägt  Nr.  101.  25.  A.nf  dem  Titelblatte  liest  man:  luvenälis  et  Fiarm 
Satyrae  a  lohanne  Orecgero  Nuremhergense.  Seeulo  XV  in  membnmii 
eonscriptae*  Am  Schlosse  des  InTenal-Teztes  steht:  luvemUia  Aptmaüi 
libri  quinq:  txpliciunt  Lau8  deo.  Die  Snbskription  hinter  dem  Teite 
des  Fersias  laatet:  Finis  est  Perni  vulterani  aatirici  liber  explicU  ptr 
me  lohanfie  Oreeeer  de  nürmberga  Anno  dnZ  1461.  Die  Kollation  (ni 
Anschlaß  an  Jahn-Bttchelei)  nmfaßt  den  Frolog  des  Persias  nnd  Sst  I 
1—50.  —  An  xweiter  Stelle  erhalten  wir  eine  nene  EoUatiott  deo  Mex 
Casinensia  Nr.  861,  welche  Frftnlein  Sasanna  H.  Ballon  besorgt  hat  Di« 
Handschrift  enthält  des  Petrns  Diaconos  Liber  de  loeis  eanetis.  Die 
Kollation  erfolgt  im  Anschloß  an  Geyers  Ansgabe  der  Itinera  Hiero9^ 
lymitana  im  Corp,  Scr.  EccL  Lat. 

Wien.  J.  Goiling. 


John  A.  Scott,  Prohibitives  with  UPOU  and  the  Genetire. 
Sonderabdrnck  ans  Glassioal  Philology,  YoL  II,  No.  8,  Jnly  1907, 
a  824-880. 

Der  Verf.  dieser  nicht  sehr  in  die  Tiefe  gehenden  Abhandlong 
befaßt  sich  mit  der  Yorfflhmng  Ton  64  Stellen,  die  sich  Ton  den  HeD^ 
rischen  Hymnen  (4,  187  f.)  bis  anf  Demosthenes  finden  nnd  in  denen  ia 
Frohibitif  Bfttien  n^og  mit  dem  Genetir  steht,  wie  beispielsweise  Sophokl« 
Elektra  1206:  *ii^  nQog  ^s&p  xovtö  ye  fi'  k^dtaji  |m'.  Nach  8.  steht  ii 
diesen  FrohibitiTsfttien  der  ImperatiT  des  Präsens,  wenn  *the  intere$t  U 
of  the  hearer  rather  ihan  of  the  8pedker\  dagegen  der  Konjnnktir  da 
Aorists,  wenn  *the  intereat  ia  of  the  apeaker  rather  than  of  the  hearer\ 
Daß  diese  rein  äußerliche  Klaasifiiiemng  fflr  die  richUgo  Beorteilug  der 
ohnehin  nar  in  geringer  Anzahl  nachgewiesenen  Fälle  nicht  ansreieke» 
hat  Ph.  Weber,  dem  ich  mich  in  der  Beorteilnng  des  Wertes  onierer 
Abhandlang  anschließe,  in  seiner  Besprechang  in  der  Nenen  philol.  Baod- 
schan,  Jahig.  1908,  S.  54—57,  ttbersengend  dargetan. 

Innsbruck.  Fr.  StoU 


MiBielleD.  866 

Goethes  Henuann  and  Dorothea,  «rliiitert  und  gewUidlgt  Ittr  hoher« 
LehrantUlten  sowie  som  Selbetstndiam  Ton  Edovd  Knenen.  6.  Ter- 
besterte  Auflage,  besorgt  Ton  Dr.  M.  Hertens,  Direktor  des  Gym« 
nMiams  in  Brflhl  (Die  dentsehen  Klassiker ....  Ton  F.  Enenen  und 
M.  Evers,  4.  Bftndehen).  Leipsig,  Heinrich  Bredt  1907.  Preis  1  Mk. 

Das  Bftndehen  (182  88.)  serftUt  in  xwei  Teile;  im  ersten  wird  die 
Handlang  des  Epos  angenehm  nnd  fliei^end  eriählt  und  der  Inhalt  der 
einseinen  OesAnge  in  Punkte  insammmengefaßt,  im  iweiten  finden  wir 
knne  Abhandiongen  Aber  die  Charaktere  des  Qoethesehen  Epos,  Aber 
die  Dichtong  als  soiehe,  Entstehung  derselben  nnd  die  gesebichtliehen 
Grandlagen,  wobei  flberall  auf  die  Stellung  Ton  Fragen  fiber  das  Fort- 
schreiten der  Handlung  und  die  Bedentong  der  vom  Dichter  gewählten 
Motife  nnd  aof  die  Stellnog  Ton  Aofsatsthemen  Bftcksicht  genommen 
wird.  In  dieser  Hinsicht  bietet  das  handliche  Bflchlein  Braachbares  fftr 
Lehrer  nnd  8chftler.  Dagegen  sind  die  hier  gebotenen  Anfschlflsse  Aber 
Entstehnng  nnd  Form  des  epischen  Gedichtes  so  knapp,  das  im  Kapitel 
»Geschichte'*  (8.  120 — 121)  Gesagte  erscheint  mir  soear  als  TOUig  nnia- 
reichend,  wfthrend  anderes  fielleicht  kttrser  hfttte  geußt  werden  können. 
Den  Anhang  (S.  128—132)  bilden  karse,  someist  treffliche  »Text- 
er lAnternngen". 

Grai.  Dr.  S.  M.  Prem. 


Dr.  Eduard  Eosehwitz,  AnleitoDg  zum  Stndiam  der  fran- 
zösischen Philologie.  Dritte,  Termehrte  nnd  Terbesserte  Anflage 
▼on  Dr.  GostaT  Tb a ran.  Marburg  i.  H.  1907,  ElwerUche  Verlags- 
bnchhandlnng.  268  8a 

Dieses  praktische  Handbuch,  das  einen  gaten  Wegweiser  sowohl 
ftr  das  wissenschaftliche  als  anch  fftr  das  praktische  Studium  der  fran- 
sOsiichen  Sprache  darstellt,  ist  auch  in  seiner  dritten  Auflage  Studierenden 
nnd  Lehrern  bestens  lu  empfehlen.  Unter  den  Neuerungen  ist  die  an» 
Schlüsse  des  Baches  susammengestellte  Adressentafel  namentlich  wegen 
des  Yerseichnisses  empfehlenswerter  Wohnungen  und  Pensionen  im  Aus- 
lände besonders  sn  begrflßen. 

Wien.  Dr.  A.  Wflrsner. 


Ph.  Boßmann,  Handbuch  f&r  einen  Stndienaafenthalt  im 
französischen  Sprachgebiet  unter  Mitwirkung  von  A.  Brunn e- 
mann.  Dritte  umgearbeitete  und  bedeutend  f ermehrte  Auflage  Ton 
»Ein  ätodienanfentbalt  in  Paris«.  Marburg,  N.  G.  Elwertsche  Ter* 
lagsbochhandlung  1907.   YIII  und  19S  8& 

Eine  eingehende  Besprechung  der  2.  Auflage  dieses  Buches  findet 
sieh  im  LIL  Jahrg.  dieser  Zeitschr.  vom  Jahre  1901,  S.  148  ff.,  auf  welche 
hier  aosdrflcklich  r erwiesen  sei. 

Das  gflnstige  Urteil,  das  Tom  Bef.  über  die  2.  Auflage  des  Boches 
geÜUlt  wurde,  beh&lt  seine  Tolle  Giltigkeit  auch  fflr  die  Torliegende 
ä.  Auflage.  Der  Ter&nderte  Titel  des  Baches  ergibt  sich  als  notwendige 
Folge  des  erweiterten  Inhaltes.  Während  die  früheren  Auflagen  noch 
bauptsichlich  Paris  als  Studienaufenthalt  des  Neuphilologen,  der  sich 
dem  Studium  der  fransOsischen  Sprache  widmet,  ins  Auge  faßten,  sieht 
der  Veif.  in  der  neuen  Auflage  seines  Boches  das  ganie  fransOsische 
Sprachgebiet,  also  auch  die  fransOsische  Profins,  die  franxOsische  Schwell 


«66  IDmUen. 

«nd  Belflea  te  Batneht.  Hiodueb  wird  die  BnickbaiMi  d#t  BmIim 
WMAOtlich  erhobt. 

Dia  SiataiUng  des  SWffai  itt  dieMlba  sebUebaBt  abar  fart  lUe 
▲bsobnitta  babaB  im  Varglaieb  iiir  2.  AnfUga  «Alraiche  taila  notvandige, 
teils  anrllnachte  Uraarbaitoagao  und  ErginioDgao  erfahren;  ao  der  L  und 
IL  Teil  in  den  Kapiteln:  Erwftgmigen  TOr  der  Baise,  Wahl  des  Anfent- 
faaltaortesv  Das  Unterkommen,  HOrftbnngen,  SprechflbnngeD. 

Ea  liegt  in  der  Natnr  des  Werkchena,  das  in  maneher  Hinädit 
einem  Beisehandboehe  gleicht,  begründet,  daß  seine  Angaben  in  den 
eben  genannten  Kapiteln  andanemden  Verftndemngen  nnterworfan  sind, 
die  Ton  Zeit  la  Zeit  registriert  werden  müssen.  Aber  aneh  dar  HL  Teil 
des  Boches,  der  in  die  Bealkeaotnisse  einführt  nnd  dessen  Inhalt  tu- 
filligen  Veründernngen  weniger  ansgeaetit  ist,  weist  überall  die  gewiasen- 
haffcette  Oberprüfang  aof.  Alle  Bemerknni^en,  Aniiehten  nnd  Bataehlige 
des  Verf.s  sind  aofs  nene  atilistiseh  nnd  inhaltlieh  darchgesehen,  einige 
Kapitel,  besonders  jene  über  Unterrichts-  ond  finidian|swaaen,  über 
Literatar  and  Konst,  Zeitnnjfen  und  Bücher  in  seit-  nnd  saehgemiftsr 
Weise  richtigsestellt,  besw.  bia  inr  Gegenwart  erginst. 

Am  SciuQsse  des  Bnehes  ist  inr  leichteren  Orientierung,  {nabeBondere 
in  den  Bealien,  ein  Namen-  and  Sachregister  beigefügt,  wofür  jeder  LeMr 
dem  Verf.  Dank  wissen  wird.  Anch  die  Aaßere  Gestalt  hat  aiefa  ctvat 
▼erändert,  indem  das  Bach  Taschenformat  angenommen  bat,  was  als  recht 
iweckmüßig  beieichnet  werden  mnft. 

Sein  Urteil  sasammenf aasend»  findet  Bef.,  daü  die  Torliegende 
S.  Aaflage  des  Baches  gegenüber  der  2.  grofte  Vorsüge  hat  and  daü  das 
Werkchen  für  jeden,  der  franiOsisches  Gebiet  anfaneht,  am  dort  theo- 
retische  oder  praktische  Stadien  über  Sprache,  Sitten  nnd  Charakter  der 
Fransosen  la  machen,  ein  bewährtes,  mcht  genag  la  empfÄlendes  Hüft- 
mittel  ist. 

Wien.  AL  Seeger. 


BOhmisehes  Lesebuch  f&r  die  erste  Klasse  der  Mittelsebolen 
(Öeskä  filtanka  pro  prnif  tffda  skol  stfednfeh).  Verfaßt  tob 
Johann  Kabelfk.  Brunn  1908,  Karl  Winiker.  Preis  geb.  2  K  40  b. 

Seine  arsprüngliche  Absicht,  so  wie  im  J.  1906  den  IV.  Teil,  non 
anch  den  1.  Band  des  Letebnches  Ton  Bartoi  nnr  amsaarbeiten,  mofite 
der  Verf.  mit  Bücksicht  anf  die  seit  dem  lotsten  Erscheinen  des  Baches 
▼or  10  Jahren  ? Ollig  geänderten  Schal rerhältnisse  ond  besonders  anf  dss 
höhere  Nif  eaa  der  jetiigen  Lesebücher  für  Volksschalen  anfgeben ;  aber 
sein  neaea  Bach  schlieft  sich  wenigatens  der  Gesamtanlage  nach  dea 
drei  anderen  Teilen  von  Bartod  Töllig  an,  die  K.  anläälich  einer  etwaiges 
Kenaaflage  nach  denselben  Grnndsätsen  nmsaffestalten  beabaichtigt.  Eot- 
eprechend  den  Forderangen  der  Zeit  behandelt  K.s  Bach  in  popnlftrer 
Form  yielfach  anch  Fragen  des  praktischen  Lebens,  ans  der  Geeandheitt- 
lehre,  dem  Bechtsleben  nnd  der  Technologie.  Aber  anch  Sinn  and  Ver- 
atändnis  für  die  Konst  sollen  schon  aaf  dieser  Stafe  geweckt  nnd  g^^ 
dert  werden;  deshalb  enthält  das  Bach,  meines  Wisaens  daa  erste  illo- 
strierte  Leseboch  für  Mittelschalen,  aach  einige  wenige  recht  gelnngeae 
und  geschickt  gewählte  BeDrodaktionen  Ton  Werken  der  berühmtesten 
tschechischen  Maler,  ? on  Mikaläfi  Aled  (dessen  Knnstwerke  das  Foyer  des 
Närodni  diradlo  in  Frag  schmücken),  ron  Jaroslay  Öermik,  Hsnol, 
Schwaiger  nnd  Josef  Manes  nebst  erläntemdem  Text;  femer  als  Beilag« 
sa  einem  literargeschichtlichen  Anhang  aach  die  Photographien  von  sechs 
bedeatenden  Vertretern  der  Literatar  Ton  Max  STabinsk/.  Weniger  iweek- 
xnäDi^  and  gelangen  finde  ich  die  Tier  Bilder  über  den  Betrieb  in  der 
Bachdrackerei  and  über  die  Papiereneagang. 


MinoUeB.  B57 

Die  Auswahl  der  Stfleke  iit  reichhaltig  nod  im  gtnsen  iweckmftAig; 
einselne  Gedichte,  nunentlieh  lyrische,  sind  wohl  etwns  in  schwierig. 
Auch  der  Hnmor  möge  etwas  stärker  Tcrtreten  sein.  Die  wenigen  Uteren 
Stocke  TOtt  Jnngmann,  Palack^  nsw.  teigen  natttrlieh  im  Aasdnck  und 
in  der  Orthographie  im  Vergleich  sn  hente  gewisse  unterschiede. 

QrObere  Dmckrersehen  finde  ich  keine;  erwfthntsei  nur:  WaffkUry 
(S.  152). 

Mähr.-Weiftkirehen.  Dr.  Oskar  Briefi. 


0.  FreytagS  Welt-Atlas.  58  Hanpt-  und  25  Nebenkarten  nebst 
einem  alphabetifchen  Verseiehnis  von  mehr  als  17.000  geographischen 
Namen  nnd  statistischen  Notisen  über  alle  Staaten  der  Erde.  8.  Tor- 
mehrte  AoiL   Wien  nnd  Leipsig,  G.  Frejtag  ä  Berndt  1008. 

Von  der  iweiten  unterscheidet  sich  die  Torliegende  Auflage  durch 
eine  stärkere  Betonung  des  Terrains  und  die  Anwendung  des  Greni- 
koiorites  an  Stelle  der  Fliehenfirbung.  GEaben  dadurch  sowie  durch  die 
▼ielfach  sartere  Schrift  manche  Karten  entschieden  gewonnen,  so  fehlt 
es  doch  nicht  an  solchen,  deren  Bild  flberans  unruhig  ist.  Als  Beispiele 
leien  Karte  10,  15,  16  und  17  genannt  Die  Zahl  der  Karten  wurde  um 
drei  formehrt.  Es  sind  dies  die  tou  WestruiSland,  Persien  nnd  Japan. 
Anerkannt  muß  werden,  daft  sahireiche  Nachtrige  aufgenommen  wurden, 
um  den  Kaiteninhalt  auf  den  Standpunkt  der  Gegenwart  sn  bringen.  Die 
statistischen  Notisen  lassen  noch  immer  su  wünschen  flbrig.  So  hat 
Monaco  x.  B.  noch  immer  einen  Flieheninhalt  tou  21*6  km*. 


Hassert  E.,  Landeskunde  nnd  Wirtschaftsgeographie  des 
Festlandes  Australien.  Mit  8  Abbüdungen,  6  graphischen  Tabellen 
und  einer  Karte.  Sammlung  GOschen.   Leipsig  1907. 

Auf  kleinem  Baume  ist  eine  erschöpfende  Darstellung  der  geo- 
graphischen und  wirtschaftlichen  Zustände  des  Erdteiles  gegeben.  Der 
Kaosaliusammenhang  ist  flberall  in  klarer  Weise  aufgedeckt.  Die  ethno- 
graphischen Zustände  der  UrbeTOlkemng  werden  ebenso  beleuchtet  wie 
die  geschichtliche  Entwicklung  der  Besiedlone  und  die  allmähliche  Aas- 
gestaltung des  Staates.  Von  besonderem  Werte  sind  die  statistischen 
Angaben  in  Form  von  Diagranmien.  Eine  Zahl  inmeist  gelungener  Ab- 
bildungen Teranschaulicht  den  Text  in  erwünschter  Weise. 

Wien.  J.  Mflllnei. 


C.  F.  Sperling,  Eine  Weltreise  anter  deutscher  Flagge. 
51.000  Seemeilen  mit  dem  deutschen  Kreusergeschwader  durch  die 
Oseane.  Mit  sahireichen  Abbildungen.  Leipsig,  W.  Weicher  1907. 

Deutschlands  Streben  nach  Verstärkung  seiner  Kriegsflotte  hat  eine 
stark  Tcrtretene  Literaturgattung  sutage  gefördert,  die  besonders  die 
Jugend  für  das  Seeleben  oeffeistem  soll.  Diesen  Zweck  hat  auch  das 
▼erliegende  Buch,  dessen  Verf.  die  Fahrten  der  Kriegsschiffe  «Bismarck" 
und  »Nautilus«  in  den  Jahren  1886—88  eingehend  nnd  fesselnd  beschreibt. 
Wenn  der  Schwerpunkt  auch  immer  im  Leben  auf  dem  Schiffe  rubt,  so 
bekommt  der  Leser  doch  auch  knappe  Schilderangen  tou  Land  und  Leuten 
in  China,  Hongkong,  Zansibar,  Kapstadt  und  dem  Kaplande,  Sydnej  und 


858  Miszellen. 

Aastralien,  dea  SaidoudmId,  Nenpommern  nod  Kaiser  WilheliiislAiid  a«f 
Neogninea  nnd  schließlich  Japan.  Alles  ist  lehrreich  ond  anregend,  nicht 
aafregend  ond  abenteoerlich,  so  kann  also  dieses  Bflchlein  unseren  Schftler- 
bftchereien  wftnnstens  empfohlen  werden. 

Gras.  Jnlins  Miklan. 


Mathematische  Angaben  ans  den  Beifeprflfnngen  der  Badiachen 
MitteUchnlen  heransgegeben  Ton  P.  Trentlein.  I.  Teil:  Anfgabeo. 
Leipsig  nnd  Berlin,  B.  G.  Tenbner  1907. 

Das  Torliegende  Bach  enthält  in  seinen  158  eng  bedmcktan  Seitcs 
eine  reichliche  FflUe  Ton  Aufgaben  Aber  alle  Wissensgebiete  des  an  des 
MitteUchnlen  Badens  behandelten  mathematischen  Lehrstoffes,  der  Aber 
den  an  den  heimischen  Anstalten  gelehrten  nur  wenig  hinausragt.  Nebst 
Anfgaben,  wie  sie  schon  in  filteren  Samminngen  Torkommen,  sind  in 
überwiegender  Mehreahl  gans  nene  Torhanden,  Ton  denen  Tielo  dsich 
ihre  Eigenart  bei  Lehrern  nnd  Schfllem  bereitwillige  Aufnahme  fisdes 
werden.  In  einigen  Abschnitten  wie  die  Aber  die  komplexen  Zahlen, 
Logarithmen  u.  a.  finden  sich  Anfgaben,  die  mancherlei  durchaus  nese 
Aufklftrungen  nnd  Wissensfermehrungen  danabieten  geeignet  sisd. 
Dberail  wo  es  angeht,  wird  nebst  der  rechnerischen  LOsnng  aoeh  die 
Darstellung  in  Zeichnung  gefordert,  was  nicht  genug  gebilligt  werden 
kann.  Der  sweite  Teil  des  Werkes,  die  Losungen  dieser  Aufgaben,  steht 
in  baldiger  Aussicht.  Sehr  gerne  empfiehlt  Gefertigter  dasselbe  su  dem 
Gebrauche,  dem  es  der  Verf.  gewidmet  hat. 

Wien.  Dt.  E.  Grflnfeld. 


Lehrbach  der  praktischen  Physik.  Von  Friedrich  Kohlraoseb. 
10.  vermehrte  Auflage  des  Leitfadens  der  praktischen  Physik.  Mit 
xahlreichen  Figuren  im  Text.  Leipsig  und  Berlin,  B.  G.  Teubner  1905- 

Auch  in  dieser  Auflage  sind  mehrere  Kenaufnahmen  wichtiger 
Partien  ToUsogen  worden ;  so  ist  bei  der  Bestimmung  von  phTsikaliicbeD 
Konstanten  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  ein  aUgemeiBeB, 
▼on  Prof.  Helmert  angegebenes  Verfahren  angewendet  worden,  welches 
die  Fehler  auf  alle  beobachteten  Größen  sn  yerleiten  gestattet.  Wicbtife 
Änderungen,  bezw.  Zusfitze  finden  wir  ferner  in  den  Abschnitten,  die  iick 
auf  die  spezifische  Wftrme  von  Gasen,  auf  die  Bestimmung  der  Diffuiionf- 
konstanten,  auf  Beobachtungen  von  ionisierten  Gasen,  auf  die  Messtm^ 
am  Drehstrom,  die  optischen  Pyrometer,  das  astatische  Torsions-Magsets- 
meter,  die  elektrischen  Wellenmesser  beziehen. 

Auch  unter  den  Tafeln,  die  dem  Bache  angeschlossen  sind,  finden 
wir  einige  Neuerungen;  besonders  herTorzaheben  sind  jene,  die  für  die 
physikalischen  Eigenschaften  der  Gase  gelten;  diese  sind  Ton  Holborn 
und  Scheel  zusammengestellt  worden. 

Zum  Unterschied  von  dem  Vorgange  in  dem  ehemaligen  , Leitfaden 
der  praktischen  Physik**  von  Eohlrausch  ist  namentlich  in  den  beides 
letzten  Auflagen  daraaf  besonderes  Gewicht  gelegt  worden,  daß  die  theo- 
retischen Beziehangen,  welche  einer  Messung  oder  einer  Gruppe  tob 
Messungen  zugrunde  liegen,  in  sehr  genauer  Weise  erl&utert  werden,  ds& 
weiters  auf  die  wichtigsten  Quellenangaben  die  gebfihrende  Bflcioidit 

Senommen   wurde,   so   daß   das   Verfolgen   der  einschlftgigen   Literstnr 
adurch  wesenUich  erleichtert  wird.  Wo  es  nur  tunlich  war,  wurden  sscfa 


Prognuninensehjra.  859 

Beifpkle  in  den  Beraieh  des  Baehai  gesogen.  Die  Aufgenommenen  Kon- 
ittoten  lind  den  sarerlisBigiten  Qoellen  entnommen. 

Et  iit  sweifelloe,  dnft  nach  diese  Neonnflage  des  Lehrbnehee  der 
praktisehen  Physik  von  Kolilranscb,  welche  bereits  das  28.  bis  27.  Tansend 
omfafit^  den  Physikern  vom  Faeh  sehr  willkommen  sein  wird  nnd  fOr  die 
jflDgere  Generation  der  Physiker  ein  wertTollert  kaom  ra  missender  Bat- 
geber bei  Anstellung  fon  physikalischen  Messnngen  sein  wird. 

Wien.  Dr.  I.  G.  Wailentin. 


Rudolf  Schill,  Maturit&tsaafgaben  ans  der  darstellenden 
Geometrie  nebst  vollständigen  Losungen.  Fftr  die  oberen 
Klassen  der  Bealschnlen  nnd  verwandter  Anstalten  sowie  fflr  das 
Selbststadiom.    III.  Teil.   Wien  nnd  Leipsig,  Franx  Denticke  1908. 

Der  yorliegende  III.  Teil  des  Werkes  enthftlt  218  Aufgaben  Aber 
Dnrehdringnngen,  BotationskOrper  nnd  Schattenkonstruktionen  nod  83  Anf- 
nben  ans  der  LinearperspektiTe  nngefihr  in  dem  umfange,  in  dem  dieser 
Gegenstand  an  den  Österreichischen  Bealschnlen  gelehrt  wird.  Ein  eigener 
Abschnitt  enthftlt  Andentongen  snr  LOsnng  der  Aufgaben,  nebstbei  sind 
18  aotographierte  Tafeln  mit  117  recht  sauber  ansgeffthrten  Figuren  bei- 
gegeben, welche  die  ToUstindigen  graphischen  Losungen  nahesu  aUer 
Aufgaben  enthalten  und  durch  ihre  glOcklichen  und  geftlligen  Annahmen 
dem  Schaler  ein  gutes  Mnsterbild  bieten. 

Das  Buch  kann  einen  dreifachen  Zweck  erfflllen.  Es  wird  dem 
Schiller  eine  reichhaltige  und  gute  Auswahl  von  Übungsaufgaben  darbieten, 
seinen  Fleiß  anregen  und  Lust  nnd  Liebe  lum  Gegenstande  fordern,  um 
so  mehr,  als  er  in  F&llen,  in  denen  er  sich  nicht  selbst  xorecht  findet, 
in  der  theoretischen  Anleitung  und  noch  mehr  in  der  foUstAndig  ans- 
gefthrten  Figur  einen  guten  Batgeber  hat  Es  wild  dem  Lehrer  will- 
kommen sein,  der  sowohl  fflr  die  Maturitfttsprfifung  wie  auch  snr  Vor- 
bereitung derselben  überaus  reiches  Material  ? or  sich  hat  Ein  Blick  über 
die  Figurentafeln  wird  ihm  einen  reichen  Stoff  sur  Übung  wie  snr  Ver- 
wendung fflr  die  Frflfnng  selbst  bieten.  Endlich  drittens  wird  diese  Auf- 
gabensammlung dem  Kandidaten  des  BttrgerschuUebramtes,  der  ja  grOßten- 
uils  auf  das  Mlbststndium  angewiesen  ist,  ein  ganz  Torsflglicher  Lern- 
behelf sein.  Wir  wflnscben  dem  Buch  recht  große  Verbreitung;  es  wird 
▼iel  Nntxen  stiften  können. 

Knittelfeld.  Hans  Wehr. 


Programmen  schau. 

26.  Ladislans  Eryczynski,  Qaonam  die  M.  T(ullii)  Gieeronis 
oratio  in  Gatilinam  prima  habita  sit.  Progr.  des  k.  k.  staats- 
Gymn.  in  Zlocxow  1907.   22  SS. 

Der  Verf.  weist  vor  aUem  die  Ansicht,  daß  die  Versammlung  im 
Haue«  Laecas  in  der  Nacht  Tom  5.  auf  den  6.  Norember  des  Jahres  68 
▼.  Chr.  G.  gehalten  worden ,  der  Anschlag  anf  Ciceros  Leben  aber  erst 
in  der  Frühe  des  7.  NoTember  erfolgt  sei,  mit  Becht  als  unwahrschein- 
lich surfiek ;  denn  der  Anschlag  mußte  wohl  unmittelbar  auf  den  Beschluß 
folgen.  Er  selbst  will  beweisen,  daß  die  Versammlung  im  Hanie  Laeoas 
in  der  Nacht  vom  6.  auf  den  7.  Nofember  stattgefunden  habe,  der  An- 
schlag anf  Cicero  in  der  Frflhe  des  7.  Nofember,   die  Senatssitsnog,  in 


860  FtogrammeBsehao. 

der  Gieero  dftrt&ber  beriehtet,  ent  «m  8.  MoTember»  wUiniid  «r  eine  Be- 
rnfiing  des  Senats  munittelbar  Dach  der  Tat,  in  den  YormiUageitiiHdiffi 
des  7.  NoTember  nicht  gelten  lassen  wÜI.  Ob  auf  Grand  der  Toa  desii 
Verf.  gefhhrten  Untersnchong  der  auf  das  Thema  besftglieben  Stellen  ans 
der  ersten  and  i weiten  Bede  gegen  Catilina  (8.  11  ff.)  die  Streitfrage 
nanmehr  als  abgesehlossen  betrübtet  werden  darf  (8.  88),  kaaa  naa 
nicht  obneweiters  behaupten,  weil  nicht  ieder  mit  der  Ton  den  Verf.  Ter* 
tretenan  Anffsssong  der  genannten  Stellen  einTerstanden  aeia  wird.  — 
Zusogeben  ist,  daß  wie  der  Verf.  aach  die  Mehnahl  der  neneren  Herans- 
geber  der  Beden  gegen  Catilina  die  erste  Bede  anf  den  8.  NoTember  aa- 
aetst.  Die  Heransiehang  einer  textlich  nicht  gans  einwandfreien  SteQe 
aas  Öallast  (8.  13) 'kann  sor  BekrAftigang  der  Annahme  des  YeztB  nor 
wenig  beitragen. 


27.  Dr.  L.  Pschor,  Bealerkl&rnng  nnd  Ansehanungs-Unter- 
rieht  bei  der  LektQre  von  Giceros  Bede  ^iPro  L.  Murena*. 
Progr.  des  k.  k.  Staato-Gymn.  in  M fthr.-Trflbaa  1907.  8  SS. 

Da  in  Kabiks  bekannter  Bealerkltrang  Ciceronianischer  Schriftea 
anf  die  in  der  Schallektttre  seltener  Torkommende  Bede  fOr  Martaa  nicht 
Bttcksicht  genommen  wird,  hat  der  Verf.  angef&hr  nach  dar  bei  Kabik 
getroffenen  Einteilang  die  Bealien,  soweit  sie  in  dieser  Bede  Torkonmen, 
lasammengestellt.  Was  der  Lehrer  an  Bealien  mehr  oder  minder  aas- 
ftthrlich  Torfflhren  will»  moA  allerdings  er  selbst  ermessen;  gleichwohl 
wird  eine  knappe  and  Terlftßlicbe  ZatanunensteUang  dessen,  woranf  bei 
der  Lektftre  der  Bede  hingewiesen  werden  kann,  manchem  nicht  anwill- 
kommen sein.  Namentlioh  machen  die  Hinweise  anf  Abbildoagen  ein 
rasches  Aaffinden  derselben  in  den  einschlägigen  Werken  Ton  Baomeisteri 
Oehler,  Schreiber  asw.  mOglich. 

Wien.  Frans  Kans. 


28.  J.  B.  Hassny,  De  interrogationum  didunctiTamm  apad 
Tacitnm  atractura.  Progr.  des  k.  k.  Staats-Gymn.  in  Tamopd 
1907.  29  88.  80. 

Wiewohl  der  Verf.  Torliegender  Arbeit  die  grftndliche  Abhandlong 
Ulbrichts  über  die  disjanctiTc  Frage  bei  Tacitas  (1888)  kennt,  entscUoft 
er  sich  doch  in  Hinblick  aaf  seine  abweichenden  Aneichten  im  einselnen 
das  Thema  Ton  neoem  so  behandeln.  Es  sei  hier  sogleich  bemerkt,  dafi 
die  Meinangsf  erechiedenheiten  swischen  Olbricht  and  dem  Vert  nicht  tirf- 

f reifend  genag  sind,  am  diesen  Entschloft  sa  rechtfertigen.  Da  übrigem 
er  Verf.  die  neueren  Arbeiten  Aber  den  lateinischen  Frageaats  im  all- 
gemeinen and  noch  manche  femer  liegende  Literatur  für  aeine  Zwecke 
heraasieht,  so  erhält  der  Aofsati  hiedarch  einen  selbständigen  Wert  — 
Zanftcbst  weist  eine  Tabelle  81  ferschiedene  Formen  der  disjonktiTea 
Frage  aaf,  fon  denen  9  der  Torklassischeo  Sprache,  8  Cicero  and  8  Ta- 
citas aasscblieftlich  eigentttmlich  sind.  Nor  Tier  Formen  gehteen  der  gansea 
genannten  Latinit&t  an.  Aas  Tacitos  wird  dann  das  ganse  Material  aa 
disjunctif  en  Fragen,  ToUstiLndig  gesammelt,  in  wesentlichem  AaecUaA  aa 
Olbricht  anter  passeode  Geiichtepunkte  gebracht,  aaAerdem  aber  die  Fre- 
qaenssahlen  der  einseinen  Formen  in  Besag  aaf  ihre  Verteilang  anf  die 
Terschiedenen  Schriften  des  Tacitas  näher  beleachtet  Hier  in  dea  Aas- 
fllhrangen  des  Verf.s  eine  FOrderong  nnserer  Kenntnis  des  TacÜeiaehea 
Sprachgebraacbs  Qber  Olbricht  hinaas  la  finden ,  ist  Bef.  nicht  in  der 


PiopamnitfiiMhMU  861 

Lftgf.  —  Hinnchtlieb  des  BefadiBbftraii  Gebraoehs  von  an  =  aut  8.  19  t 
bitte  sich  der  Verl  an  Madrig  sa  Cicero  Fin.  II  104  balten  sollen; 
aladann  wäre  er  nicbt  in  Venoehnng  geraten,  in  FAllen  wie  An.  III  30 
0»  saiias  eapit  allerlei  fiUinsen  sn  konstatieren.  Etwas  stark  ist  die 
Bebaaptnag,  daß  in  der  SteUe  An.  VI  45  quos  amiserit  receperitvef  in 
tneerto  fuit  -oe  fOr  an  gebrancbt  mL 

Wien.  J.  Golling. 


29.  Dr.  E.  Durst,  EOnigin  Elisabeth  and  ibre  Beziehungen 
zu  Osterreich  in  den  Jahren  1439—1442.  Progr.  dei  k.  k. 
8taats-Gjmin.  in  Bftbm.'Leipa  1007.  26  Sa 

In  ricbtiger  Erfassung  des  Gegenstandes  geht  der  Verf.  snerst  auf 
eine  Kritik  des  nicbt  allsiireieben  Qaeilenstoffes  ein:  der  polnischen» 
ungarischen,  Österreichischen  und  bobmiicben  Geschichtschreiber  nnd  der 
DenkwSrdigkeiten  der  Helene  Eottanerin»  bespricht  dann  die  nrknnd- 
lichen  Materialien,  ohne  aof  Vollständigkeit  Ansprach  la  erheben   nnd 

Seht  endlich  nach  einem  Blick  anf  die  neaere  Geschiehtisehreibuig  xa 
er  Darstellung  selbst  Ober,  die  der  Verf.  streng  saebgamlA  bis  som  Jahre 
1440  führt 

30.  Dr.  R.  Mayer,  Badolf  II.  nnd  die  Nachfolgefirage. 
Progr.  des  k.  k.  Obergymn.  in  Brflz  1907.  20  SS. 

Diene  Terdienstliche  Stodle  führt  den  Gegenstand  einstweilen  bis 
1694.  Sie  behandelt,  soweit  dies  snm  Thema  gehOrt,  die  Anfinge  Ba- 
delfi n.,  Ton  dem  de  ein  nach  allen  Seiten  anspreehendee  nnd  richtig 
geieichaetea  Bild  entwirft,  leine  Krankheit  and  deren  Einwirknng  aaf  die 
Beriemng.  Bei  diesem  VerhSltnisie  trat  die  Frage  der  Nachfolge  Bodolfs 
irflh^  aehon  1581  —  in  den  Vordergrand;  die  HeiraUplSne,  die  Bidolf 
selbst  machte  and  die  ffir  ihn  yon  seinen  nftebsten  Verwandten  aasginren, 
stehen  damit  in  enger  Verbindnng.  Aach  die  Charakteristik  der  Sbrigen 
herforragenden  Penönliefakeiten,  wie  die  des  Erxhenogs  Ernst,  ist  eine 
dorehans  latreffende.  Die  Beiiehangen  «i  Spanien  sind  rein  sachlich  dar- 
gestellt Fflr  die  Arbeit,  die  noch  einen  sweiten  and  dritten  Teil  erhalten 
dSifte,  iit  das  Qoellen-  nnd  Hilfsschrifkenmaterial  sorgsam  herangeiogen 
nnd  omeiefatig  benStst  worden. 

31.  Dr.  Simon  M.  Prem,  Graz  in  den  Mlrz-  und  April- 
tagen 1848.  Progr.  des  iweiten  k.  k.  Staats-Gymnasioms  in  Grai 
1907.  25  SS. 

Diene  Tortreffliche  Stadie,  die,  wenigstens  was  Grai  betrifft, 
BMichem  Vorarteile  Aber  die  yormänlicbe  Zeit  entgegentritt,  lanichst 
schon  da,  wo  betont  wird,  dal»  Grai  mehr  den  wirtschaftlichen  als  den 
politiBchen  Druck  des  «alten  Sjstems*^  Terspflrte,  gibt  lunftchst  eine  an- 
■preehende  Schilderung  der  Entwicklang  der  Stadt  in  den  Viersigeijahren 
in  Bemg  auf  Gewerbe  und  Industrie,  Handel  nnd  Verkehr  und  bringt 
daaa  durch  eine  Belhe  Ton  BelMfen  aus  seitgenOssiechen  Quellen  die 
Beweise  fllr  den  wirtschaftlichen  Untergrand  der  Bewegung  bei,  auf  die 
ja  die  Nachrichten,  die  aus  Paria  und  lulien  einliefen,  vor  allem  aber 
die  Tom  Aasbrach  der  Wiener  Befolution  nach  der  politischen  Seite  hin 
«iawirirten.  Der  Vert  benfltst  fflr  seine  Ansfflhrnngen  —  aufter  dem  mit 
▼iclea  AktcBstflcken  Tersehenen  Buche  von  Gatti,  Die  Ereignisse  den 
Jibres  1848  in  der  Steiermark  (Grai  1850),  die  Sammkngen  in  Gräser 


862  ProgrftmmentehftQ. 

Arehiren  und  Bibliotheken  nebst  einigen  PriTfttbriefen  und  mftndlichen 
Qaellen.  Die  einselnen  Phasen  der  Bewegung,  bei  der  auch  in  Qxmi  die 
akademische  Jajrend  eine  führende  Stelle  einnahm,  werden  TOn  ihr  fM 
Beginn  am  14.  Man  bis  in  die  letsten  Apriltage  saehgemiA  yorgelfthit 
(Petition  der  Studenten,  der  Bflrger,  Zusammentritt  des  Landtage!^  Ver- 
treibung der  Jesuiten,  Bewaffnung  der  studierenden  Jugend  usw.^  und  die 
leitenden  Persönlichkeiten,  wie  i.  B.  Emperger,  Graf  Wickenbnrg  gut 
charakterisiert.  Wir  können  rflckhaltlos  dem  Verf.  lustimmen,  wenn  er 
S.  12  der  Ansicht  entgegentritt,  daß  es  möglich  gewesen  wftre,  die  Be- 
wegung sofort  mit  Gewalt  sn  unterdrücken.  Auch  sonst  finden  sich  viele 
vortreffliche  Bemerkungen  in  dleter  Schrift,  auf  die  besonders  hininweiMn 
Bef.  als  seine  Pflicht  erachtet 

Gras.  J-  Loserth. 


32.  Dr.  Eorneli  Heck,  0  konieeznosci  utworzenia  nowego 
typu  szkoly  äredniej  (Ober  die  Notwendigkeit  der  SchaflEo^ 
einer  neuen  Mittelschulgattang).  Progr.  des  k.  k.  IIL  Staats- 
gymnaaiumi  in  Erakau  1907.  40  SS. 

Im  YII.  Hefte  dieser  Zdtochrift  vom  J.  1907  hat  Direktor  G.  Herger 
über  eine  neue  Gefahr  geschrieben,  die  unserer  Mitteltehnle  seitens  einiger 
Fachseitschriften  droht,  die,  obgleich  von  Mittelschullehrem  redigiert,  den- 
noch alhu  bereit  verschiedene  ungerechte  Angriffe  anf  die  bestehenden 
SchuliustAnde  in  die  Öffentlichkeit  bringen;  solche  Angriffe  seien  ein  sehr 
begehrenswertes  Bflstseug  fflr  reformsttchtige  Laien,  die  in  üinen  einen 

Sten  Statspunkt  fftr  ihre  Beformgedanken  finden.  Obgleich  ich  die  Qe- 
tir  nicht  so  groA  finde  und  den  in  Bede  stehenden  Zeitschriften  lieber 
Mangel  an  Loyalitftt  gegenüber  jenen  Mittelschulen,  von  denen  sie  be- 
logen werden,  vorwerfen  könnte,  dennoch  stimme  ich  darin  mit  dem 
geehrten  Verfasser  flberein,  daß  auch  eine  solche  Gefahr  nicht  gering- 
snschfttsen  ist.  Es  muß  ihr  im  Gegenteil  entgegengearbeitet  werden,  nad 
iwar  anf  diese  Weise,  wenn  man  die  schlechten  Zust&nde  verheeseit,  was 
umso  leichter  geschehen  kann,  als  in  diesen  Zeitschriften  haupteftchlich 
nur  Mangel  an  physischer  firsiehung  getadelt  wird. 

Eine  viel  größere  Gefahr  droht  unserer  Mittelschule  seitens  jener 
Beformatoren,  die  nicht  scheuen,  ihre  gmndstflrsenden  Projektein  aolebea 
Publikationen  su  veröffentlichen,  die  den  Schillern  sugftnglich 
sind,  wie  es  mit  dem  obangeführten  Aufsatse  der  Fall  ist.  Der  Ver- 
fasser, selbst  ein  klassischer  Philologe,  sucht  im  Gymnasinlprognunme 
den  Schfllern  tu  beweisen,  daß  der  Betrieb  der  griechischen  Sprache  an 
unserem  Gymnasium  gans  unsweckm&ßig  sei.  Die  griechische  Sprache  soll 
aus  dem  Gymnasiallehrplan  beseitigt  werden,  denn  es  genOge  vollkommen 
die  griechischen  Autoren  in  Musterflbersetiungen  in  lesen. 

Welchen  Einfloß  eine  solche  Publikation  auf  die  jugendlichen  6^ 
mfiter  ausfiben  wird,  kann  man  sich  leicht  vorstellen,  wenn  man  dabei 
bedenkt,  daß  in  dieser  Abhandlung  die  Schüler  von  ihrem  Lehrer  das 
bestfttigt  finden,  was  ihnen  ihre  „Freunde**  immer  zugeflüstert  haben. 
^Weg  mit  dem  Griechischen'^  —  haben  sie  sehr  oft  gehOrt,  aber  nicht 
immer  solchen  Beden  Glauben  geschenkt,  und  da  wird  ihnen  dasselbe 
bekrftftigend  unterschoben,  aber  nicht  in  einer  Tagesieitschrift,  sondern 
in  einer  von  ihrer  Schule  herausgegebenen  Publikation  und  in  einer  Ab- 
handlung, von  einem  klassischen  Philelogen  verfaßt  Das  Sehßdliche  ist 
in  dieser  Abhandloug  auch  mit  dem  Unethischen  verbunden,  denn  aneh 
höchst  nnethisch  muß  ein  solches  Vorgehen  bei  einem  Gymnasiallehrer 
beseichnet  werden. 


JPragr&inmeiiBeh&ii. 


868 


Der  gfföOte  Toil  de»  Änfa&tiei  (29  SS.)  itt  der  BeiprechQog  der 
beidtn  klMfiacheii  Spräclien  gewidmet.  Die  l&teiiiii<:be  Sprache  kaon 
derieit  im  GjmnäftiaOdfarplan  bleibeon  nur  die  dominier^iide  Stellnag 
miiQ  ihr  «bgeiprochen  werden.  Sie  eoli  n&mlich  um  eio  Jahr  v^rscbobeD 
wefdeu,  lo  daß  der  latelnivcbe  Dnterricbt  erst  tnlt  der  IL  Kl&iie  au* 
fifcngt  Äticll  die  Qesamtiahl  der  LebrttUDden  moD  aof  bOebatene  ieebs 
in  der  Woche  ber&bgeietst  werden.  Infolgedef  sea  id Daten  &uch  die  scbrtft- 
Itcheo  Arbeiteo  leltener  gemacht  werden  nnd  iwar  oor  die  SehQlEiafgabeOf 
denn  die  Hanaacfgaben  geben  den  Schülern  Antaf^  sa  Mi&bräachen.  Der 
UteintBcbe  Uoterriebt  soU  aieb  alao  folgend  erweise  gestalten:  In  der 
IL  Kiasie  nnd  im  ersten  Semeater  der  IIL  Klasse  inti&  def  grammatitche 
Sto^  der  beuligen  L  &nd  IL  Klaaae  dnrcb genommen  werden^  worauf  im 
tweiten  8em6ater  der  IIL  Eiaise  und  im  traten  SemeBter  der  IV.  Klasse 
die  lateiobebe  Sjntai  folgt,  ans  der  jedoch  nnr  die  Haaptgrnnde&txt 
dnrehgeübt  werden  sollen.  Das  tweite  Semester  der  IV,  Klasse  wird  mit 
der  LcklQre  der  Jateiniscben  Sebriftsteller  begonnen.  Bei  der  Wahl  der 
3ctanIaiitoren  wäre  aber  iiveierUt  in  beachten .  L  Jedes  Werk  soU  nicht 
im  Ganzen,  sondern  in  einer  bunten  Answabl  gelesen  werden«  2.  die 
ä stb e tj Beben  Erlfiute rangen  sind  den  s&cbli  eben  TorxQzieben.  Dabei  mfti^te 
auch  das  Darebgelesene  mit  den  analogen  Erscbeinnngen  nnaerer  Zeit 
T erglichen  werden. 

Von  den  laterniscben  Scbrifistellem  aind  alio  folgende  tu  lesen; 
CAaan  BeUum  Gatlicum  (tV.  2),  eine  der  beiden  Schriften  Sallnsta  [V«), 
eine  Chrestomathie  ans  Liriua'  Beschreibung  des  IL  pnnisehen  Krieges 
(TL),  eine  Chrestomatbie  ans  Orid  und  Vergil  (V«  und  VL).  Da  dio 
LektOfe  der  tergiliecben  Gedichte  sowohl  auf  den  Lehret  als  auch  auf 
die  Schüler  ermodeod  wirkt,  soll  sie  in  der  YIL  Klaate  nicht  mehr  fort- 
geseilt  werden,  sondern  es  sind  im  ersten  Semester  der  VII.  Klasse  eine 
Caülinana  nnd  eine  Answahl  ans  den  philosophischen  Schriften  Cieeroi, 
im  iweiten  Semester  CatuU  nnd  Borax  la  lesen.  Der  Lektüre  des  Horai 
müßten  noch  die  ersten  twei  Monate  der  VIIL  Klasse  gewidmet  werden* 
die  übrige  Zeit  bleibt  für  Tacilos. 

Den  lateinischen  Dnierricht  könnte  man  aber aacb  in  der  IIL  Klasse 
beginneSi  in  welchem  Falle  der  ganze  frammattsche  Stoff  tn  der  IIL 
nnd  (V.  Klasse  beendigt  nnd  Ton  den  Scbrifts teile rn  äallnst  ansgaschaltet 
werden  mtßle. 

Die  UnsnläsBlgkeit  des  ganzen  Voracblages  liegt  auf  der  Hand* 
Es  Iiat  ja  keinen  Zweckt  die  Grammatik  einer  Sfirache  nnr  in  Auswahl 
xn  lehren.  Schon  unter  den  gegenwärtigen  Verbal tniisen  künnen  gröDere 
Hesnltate  nur  mit  AI  übe  eriielt  werden,  wie  gerjag  also  wäre  die  Kennte 
niB  der  lateini gehen  Sprache  nach  der  beantragten  Eeform!  Wie  konnte 
man  dann  die  lateinisch en  Scbriftstellerf  einen  Horst  und  TacÜns  lesen? 
Die  wahre  Absicht  des  Verfassers  iit  aber  gatit  klar:  Die  TöUige  Ab- 
sehaffang  der  beiden  klasiischen  Sprachen  ist  sein  Ziel,  dai  er  betreffi 
der  lateinischen  Sprache  hinter  den  schlauen  EeformTora  cht  igen  nur  in 
Terhergen  lucht 

Der  grieehiiGben  Sprache  dagegen  Tertetzt  er  einen  Todeeatoß  . . 
zaiD  Glßck  nnr  anf  dem  gednldiamen  Papier.  Woza  brauchen  wir  — 
raiaouitert  der  Verfaaser  —  die  Kenntnis  der  griechischen  SpracheV  Um 
die  SdiTiftsteller  der  Griechen  kennen  %a  lernen*  Diese  aber  künnen  wir 
ancb  in  Obersetsangen  lesen^  wozn  also  die  Mühe?  Dem  Schüler  genQgt 
ea  Tolikommen,  nnr  das  griechische  Alphabet  zn  erbrnen»  denn  die 
grieehisehen  Aiitoren  wird  er  ohne  Mühe  in  seiner  Mattersprache  kennen 
nnd  fcb&txen  lernen. 

Der  Cnterricbt  der  auf  obige  Weise  nostri filierten  griechischen 
Sprach«  beginnt  in  der  IV.  bzw.  In  der  Y,  Klasse,  wenn  nAmlicb  der 
lateiniache  Untenicht  erst  in  der  IIL  Klasse  anfän^.  Nach  der  Erlernong 
des  griechiicben  Alphabets  sind  zu  lesen t  in  der  IV.  nnd  V.  Klasi^e  eine 
Auswahl    tos   Herodot   nnd   Xenophon,   Ueaiodi   Theogonie  nnd  ^Eeftt, 


864  Borichtlgimg. 

Homers  UiM  and  Odjttee  olma  Abkflnaiiffeii,  BfttnwhomjomMbie.  In 
dn  VI.  und  VII.  KImm  sind  die  geeobicbtlichen  Kenntnisse  der  Sehfller 
xa  Tertiefen»  and  iwai  dareh  ein  gesebiebtliehes  Leeebacb,  sosunmeB- 
geseilt  aas  Tbjkjdides,  Demoatbenes'  III.  Pbilipp.,  Poljbios,  Plntercboi 
a.  a.  Anfterdem  sollen  in  dieser  Klasse  die  gnechisehen  Ljriker  and 
Tragiker  gelesen  werden.  Fftr  die  YIII.  Klasse  bestimmt  der  YerfiMser 
eine  KemOdie  des  Aristopbanes,  mOgliebst  Tiel  ans  Plato  nnd  Armtotelas. 
Den  so  reformierten  Unterricht  maß  aber  ein  klassischer  Philologe  er- 
teilen, damit  er  etwaige  Fehler  in  den  Obersetinngen  Terbesitm  knnne. 
Mit  2—8  Standen  wöchentlich  kOonen  viel  ergiebigere  ResnlUto  ersielt 
werden,  als  bei  dem  jetsigen  Stande. 

Bis  nnn  wire  alles  in  Ordnung.  Da  bemerkt  der  Verf.  selbit,  daß 
die  polnische  Sprache  nicht  Tieie  Übersetsnngen  besitit.  Diee  liAt  ihn 
aber  nicht  irreführen.  «Deneit  mflssen  wir  nns  mit  minder  gnten  Ober- 
setinngen begnflgen,  bis  bessere  i«  Tage  treten  —  trMtet  er  die  Be- 
sorgten. «Jene  besseren  aber  Torfertigen  wir  selbet". 

Die  Verfasser  der  Programmarbeiten  rechnen  sehr  oft  darant 
daA  sie  im  besten  Falle  nur  von  ihren  Schfllem  gelesen  werdee, 
weihalb  sie  sich  Terschiedene  Fehler  nnd  NaintAten  Ar  erlaubt  wAhnea. 
Qans  andere  Ansprüche  hat  Herr  Prof.  Hock.  Die  Bewnndemii^  der 
naiven  ScblUer  reicht  ihm  nicht  aas.  Er  fordert  den  Landeescbnlmt  aof, 
seinen  Vorsehlag  in  Erwägung  su  sieben  nnd  die  QTmnasien  nach  seinen 
Beiept  nmngestalten.  So  schlimm  steht's  lom  Glflck  mit  nnssrcm  Scbui- 
rato  nicht,  daß  er  alle  VorsehUge  fftr  gut  finden  sollte.  Wir  aber  raten 
dem  geehrten  Verf.,  sich  mit  dem  jubelnden  Beifall  der  Sehfller  an  be- 
gnflgen,  die  seine  Vorscblftge  gewiß  mit  EntiOcken   aufnehmen  werden. 

Auf  der  so  genial  geschimenen  Grundlage  entfaltet  nun  der  Verf. 
die  idealen  Zustände,  die  in  den  Schulen  seines  Typus  eintreten  wftrdea. 
Die  Sehfller,  der  Last  der  griechischen  Sprache  entledigt,  wflrden  sehr 
▼iel  Zeit  gewinnen,  sich  mit  anderen  praktischen  Dingen  su  bescbAfügeu« 
als  mit  Zeiehnen  nnd  dem  Studium  der  franißsischen  nnd  engUsehen 
Sprache,  sie  konnten  auch  in  Schulwerkstätten  Öfters  arbeiten,  mehr 
Phjsik  und  Chemie,  polnische  Sprache,  Geographie,  Geschiebte  und 
Mathematik  lernen,  sie  konnten  sicn  sogar  den  Luxus  der  Erlernung  der 
mthenisehen  Sprache  gOnnen« 

Fflhrwahr,  einen  gesegneten  Zostand  konnte  die  Abechaffung  der 
klauischen  Philologie  mit  sich  bringen!  Was  soll  aber  mit  sahireichen 
Philologen  geschehen?  Die  mflssen  snerst  unschädlich  gemacht  werden. 
Da  aber  der  Verf.  selbst  ein  klassischer  Philologe  iet,  so  wäre  es  sehr 
schon  von  ihm,  wenn  er  seine  Theorie  auch  durch  Tat  bekräftige  und 
als  der  erste  Tom  Lehrstande  schiede.  Denn  sonst  kOnnto  er  sehr  leicht 
seinen  bei  den  Schfllem  durch  obige  Abhandlung  erworbenen  guten  Bnf 
einbflßen.  Wird  er  ohne  weiteres  eine  schlechte  Note  ans  dem  Grie- 
chischen geben  können,  nachdem  er  den  Schfllem  so  «flberseugend*  be- 
wiesen hat,  daß  die  griechische  Sprache  unnötig  sei? 

Stanislau.  Dr.  Job.  Demiafteiuk. 


Berichtigung. 

S.  658,  Z.  9  ▼.  n.  ist  lu  lesen:  daß  die  von  Arrian  ersählten 
Ereignisse  den  Zug  der  Zehntausend  an  Bedeutung  weit 
flberragen. 

S.  6dl,  Z.  8  f.  u.:  sieh  statt  ich. 

S.  668,  Z.  12  ▼.  u.;  erkaufen  statt  yerkaufen. 

S.  668,  Z.  7  f.  u.:  lesenswert  statt  bemerkenswert. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlimgen. 


Zur   Odyssee  a  1—31. 

Es  soll  im  folgenden  der  Yersncb  gemacht  werden,  die  «ahl- 
reiehen  nnd  verscbiedenartigen  Yorwflrfey  die  die  negatife  Kritik 
gegen  das  ProOminm  der  Odyssee  und  die  daranffolgenden  Yerse 
bis  81  erhoben  bat,  einer  eingehenden  Prfifang  zn  nnterwerfen. 
Denn  nur  so  dflrfte  m.  B.  eine  konseryative  Kritik  im  stände  sein, 
die  Oegner  erfolgreich  zu  bekämpfen. 

Wir  beginnen  mit  dem  Bncfae  von  Tiersch,  ürgestalt  der 
Odyssee,  Königsberg  1821,  8.  58  ff.  T.,  dem  es  fär  ausgemacht 
gilt,  daß  die  einzelnen  Teile  beider  epischer  Oedichte  einzelne 
Ganze  waren,  wnndert  sich,  daß  wir  zu  Anfang  der  ersten  Rhap- 
sodie eine  Proekthesis  lesen,  nnd  zwar  für  das  ganze  vereinigte 
Gedieht  Nach  m.  £.  schlägt  T.  einen  methodisch  falschen  Weg 
ein.  Sr  h&lt  es  fflr  ansgemacht,  daß  die  Odyssee  wie  die  Dias 
ans  einzelnen  selbständigen  Teilen  entstanden  sei,  statt  von  der 
Überliefemng  anszngehen,  in  der  jedes  von  beiden  Oedichten  als 
ein  einheitliches  Ganze  Torliegt,  nnd  nun  erst  zn  prüfen,  ob  diese 
Ansicht  haltbar  ist.  Aber  selbst  wenn  wir  annehmen  wollten,  daß 
das  Gedicht  aas  mehreren  selbständigen  „Rhapsodien''  znsammen- 
gesetzt  sei,  so  brauchen  wir  nns  deshalb  noch  nicht  zn  wnndem, 
daß  wir  nur  im  Anfange  der  ersten  Rhapsodie  eine  solche  Proek- 
thesis lesen.  Denn  ist  es  nicht  möglich,  daß  der  Mann,  der  die 
einzelnen  Rhapsodien  zn  dem  jetzt  yorliegenden  Gedicht  yereinigte, 
die  Einleitungen  zn  allen  übrigen  Rhapsodien  wegließ,  weil  er  sie 
Dicht  brauchen  konnte?  Das  überlieferte  Proäminm  war  für  das 
ganze  Gedicht  bestimmt  nach  der  Absicht  dessen,  der  ihm  die 
jetzige  Stelle  angewiesen  hat,  mag  dies  nun  der  eine  Dichter 
des  einheitlichen  Gedichtes,  wie  ich  annehme,  gewesen  sein  oder 
der,  welcher  dio  einzelnen  Rhapsodien  zu  dem  jetzigen  Ganzen  ver- 
einigte. Denn  sonst  hätte  er  dem  Proömium  nicht  diese  Stelle 
geben  können. 

ZiilMhiilt  f.  d.  totorr.  O7111B.  1908.  X.  Htft.  55 


866  Zar  Odyssee  a  1—31.  Von  F,  Stürmer. 

Wenn  das  ProOmiam  für  das  ganze  Gedicht  bestimmt  sei, 
80  kÖDDO  es«  meint  T.,  nicht  aas  der  Zeit  der  homerischen  Oe- 
s&Dge  stammen ,  aber  es  könne  nicht  fOr  das  ganze  Gedicht  be- 
stimmt sein,  weil  es  ebenso  wie  das  Proöminm  der  Dias  nur  die 
Wat  des  Achilles  als  ihren  Hanptgegenstand  nenne,  anch  mehrerer 
Hanptteile  unserer  Odyssee  gar  nicht  gedenke.  Es  passe  nur  auf 
eine  oder  zwei  Bhapsodien,  and  wenn  dieses  za  Anfang  ge- 
stellte Proöminm  verteidigt  werden  sollte,  so  müßte  jede  Bhapsodie 
ein  solches  haben.  Es  Iftßt  sich  aber,  wie  schon  oben  gesagt, 
als  möglich  annehmen,  daß  der  Ordner  dieses  Proöminm,  das  ja, 
wie  T.  selbst  zugibt,  als  Einleitung  ffir  eine  oder  zwei  Bhapso- 
dien  denkbar  w&re,  als  eine  solche  vorgefunden  und  als  Proöminm 
fär  das  ganze  von  ihm  zusammengestellte  Gedicht  verwandt  hat 
weil  es  ihm  zu  dem  Zwecke  brauchbar  schien,  die  Proömien  der 
übrigen  Bhapsodien  aber,  die  den  Znsammenhang  nur  unterbrechen 
würden,  einfach  weggelassen  hat. 

T.  meint,  daß  der  Verf.  des  Proöminms  nur  das  Umher- 
irren des  Odysseus  und  auch  davon  nur  einen  unbestimmten  Teil, 
nicht  aber  das  Treiben  der  Freier,  T«lemachs  Beise,  die  Yorfille 
bei  Eum&us,  den  Freiermord  usw.  habe  singen  wollen.  Wenn  es 
also  echt  sei,  so  stehe  es  wenigstens  nicht  an  der  richtigen  Stelle. 
Auch  hierin  kann  ich  T.  nicht  zustimmen.  Er  teilt,  wie  übrigens 
nach  ihm  auch  Bekker,  Düntzer  u.  a.,  dem  Proöminm  eine  ganz 
andere  Aufgabe  zu ,  als  es  wirklich  nach  der  Absicht  des  Dichters 
leisten  soll.  Es  soll  kein  sutnmarium  sein,  sondern  nur  das  In- 
teresse des  Hörers  für  den  Helden  erwecken,  und  dieser  Aufgabe 
genügt  es  vollkommen. 

Über  die  Entstehung  des  Proöminms  spricht  sich  T.  folgen- 
dermaßen aus:  Ein  Bhapsode,  der  eine  Introduktion  nötig  gehabt 
habe,  um  anzugeben,  was  er  singen  wollte,  habe  sich  diese  selbst 
gemacht  und  sich  dabei  die  Gewohnheit  epischer  S&nger  znm 
Muster  genommen.  Wenn  T.s  letzter  Satz  richtig  ist,  so  ist  damit 
bewiesen,  daß  die  Einzellieder  solche  größeren  oder  kleineres 
Proömien  hatten.  Wenn  diese  sie  hatten,  so  l&ßt  sich  erwarten, 
daß  größere  Liederzyklen  sie  ebenfalls  hatten,  und  es  ist  nicht  zn 
verwundem,  daß  einem  großen,  einheitlichen  Gedichte  ebenfalls  eis 
solches  Proöminm  vorausgeschickt  wnrde.  Denn  größere  Zyklen 
und  große,  einheitliche  Gedichte  brauchen  m.  E.  mindestens  ebenso- 
sehr, wenn  nicht  mehr,  eine  Einleitung,  jedenfalls  sind  sie  einer 
solchen  ihrer  Ausdehnung  wegen  würdiger  als  kleine  Einzellieder. 

Den  Schluß,  den  T.  aus  seiner  bisherigen  Erörterung  zieht, 
daß  die  Proömien  in  die  Zeit  der  Bhapsoden  fallen,  kann  ich  nicht 
als  logisch  anerkennen.  Das  Proöminm  der  Ilias  kann  ganz  gut  — 
wenn  es  nicht  die  Einleitung  zu  dem  ganzen  Gedicht  sein  soll  — 
die  von  dem  Dichter  selbst  verfaßte  Einleitung  zu  einem  Einzel- 
liede  über  den  Zorn  des  Achilles  sein,  das  Proöminm  der  Odyseee 
die  Einleitung  zu  einem   Liede   oder  einem  Liederzyklus  von  den 


Zur  Odyssee  a  1--31.  Von  F.  Stürmer.  867 

Irrfahrten  des  Odyssens.  Daß  sie  toxi  Rhapsoden  herrAhren  müssen, 
ist  dnrch  nichts  bewiesen. 

T.  geht  dann  dazu  über,  im  besonderen  die  sp&tere  Ent- 
stehnng  des  vor  der  Odyssee  stehenden  ProOminrns  nachzuweisen. 
Als  sachlichen  Grand  führt  er  das  bvO"*  äkkoi  (liv  nivzag  nsw. 
iD  y.  11  an ,  das  wie  eine  Fortsetznng  klinge  nnd  sich  nur  ver- 
teidigen lasse,  wenn  es  der  Übergang  von  einem  anderen  Gesänge 
jener  vööxoi,  sei,  deren  letzten  die  Odyssee  bilde.  Daß  die  Odyssee 
eine  i/tf<9T0g-Dichtnng  ist,  ist  ohne  weiteres  klar,  daß  der  Dichter 
sie  als  Fortsetznng  der  v66xoi  der  anderen  Helden,  von  denen  es 
sicher  Einzellieder  gab,  gedacht  habe,  mag  zugegeben  werden. 
Aber  ist  damit  bewiesen,  daß  das  ProOminm  nicht  ursprünglich 
ist?  T.  gibt  nicht  an,  wie  er  sich  diese  t;(5(Trog-Dichtang,  deren 
letzten  Teil  die  Odyssee  bilden  soll,  denkt.  Sind  die  i/ö(frot  der 
einzelnen  Helden  Einzellieder  von  yerschiedenen  Verfassern  oder 
rühren  sie  alle,  die  Odyssee  eingeschlossen,  von  demselben  Dichter 
her  nnd  sind  als  einheitliches  Gedicht  konzipiert?  Nach  T.  müßte 
man  das  letztere  annehmen;  denn  nur  wenn  iv%a  den  unmittel- 
baren Übergang  von  einem  anderen  vdaxoq^  wahrscheinlich  dem 
des  Menelaos  als  des  zuletzt  zurückgekehrten  Helden  bildet,  soll 
es  sich  verteidigen  lassen.  Was  für  ein  ungeheuer  von  Gedicht 
würde  das  ergeben  ?  Denn  von  unserer  Odyssee  müßten  doch  min- 
destens £ — V  dazu  gehören!  Oder  wenn  diese  vöötoi  Einzellieder 
waren,  wie  sollten  denn  da  die  ZuhOrer  merken,  daß  das  Iv^a 
sich  auf  den  vöörog  —  sagen  wir  des  Menelaos  —  bezog?  Auch 
in  diesem  Falle  müßte  man  annehmen,  daß  alle  diese  Einzellieder 
von  demselben  Dichter  herrührten ;  denn  wie  kam  jemand  auf  den 
Gedanken,  an  das  Lied  eines  anderen  in  so  engem  Zusammen- 
hange anzuknüpfen? 

Von  sprachlichen  Gründen  gegen  das  Pro5minm  führt  T. 
drei  an:  1.  xoXvzQOXog  könne  hier  nur  die  Bedeutung  „viel- 
gewandf*  =  schlau  haben,  w&hrend  es  an  der  einzigen  Stelle,  wo 
es  außerdem  noch  vorkomme,  x  880  „vielgewandert"  =  vielgereist 
bedeuten  müsse.  In  dieser  ursprünglichen  Bedeutung  könne  es  in 
a  nicht  gebraucht  sein,  da  sonst  der  Zusatz  os  iidXa  noklic 
nkdyx^Ti  ganz  dasselbe  ausdrückte.  Meiner  Ansicht  nach  kann  das 
Wort  TCokvzQonoq  an  unserer  Stelle  in  beiden  Bedeutungen  ge- 
braucht sein.  Die  Stelle  in  x  ist  nicht  beweisend  für  T.,  da  das 
Wort  auch  dort  im  eigentlichen  wie  im  übertragenen  Sinne  ge- 
braucht werden  kann.  Eher  könnte  man  geneigt  sein,  die  Stelle 
in  X  zu  Gunsten  der  übertragenen  Bedeutung  anzuführen,  da  es 
doch  ganz  passend  wäre,  wenn  Circo  hier  die  Vielgewandtheit  und 
Verschlagenheit  des  Odysseus  hervorhöbe.  Andererseits  kann  auch 
die  ursprüngliche,  örtliche  Bedeutung  in  a  stehen.  Den  Zusatz  o^ 
yidka  Ttokkk  nkdyx^r}  erklärt  La  Boche,  Anh.  zum  Odysseekom- 
mentar 1. 

55* 


868  Zor  Odyssee  a  1—31.  Von  F.  Stürmer. 

2.  &(fvvnai  V.  5»  das  in  der  Odyssee  sieh  sonst  Dicht 
finde»  in  der  Ilias  die  Bedentang^  habe  „etwas  erwerben,  erringeo, 
was  man  nicht  hat**,  mflsse  an  nnserer  Stelle  amt^iv  ^iXm  be- 
deuten, was  es  aber  nicht  bedeute.  Ferner  lasse  sich  nicht  ein- 
sehen, was  dQvvfiBvog  f^v  i>v%r^v  bedeuten  solle,  mindestens 
müsse  es  dQvviisvog  ol  ^vjr^t/  heißen.  Dieser  Anstoß,  den  T.  an 
&Qvv6^ai  nimmt,  ist  m.  B.  ungerechtfertigt.  Denn  er  flbersiebt 
ganz,  daß  zu  ägwöd'ai  noch  ein  anderes  Objekt  gehOrt,  zu  dem 
die  angefahrte  Bedeutung  „zu  erringen  suchen*'  gut  paßt.  Im 
schlimmsten  Falle  müßte  man  also  ein  Zeugma  konstatieren,  das 
noch  dadurch  erkl&rlicber  wird,  daß  vöötov  itaigav  oflTenbar  das 
wichtigere  der  beiden  Objekte  ist,  wie  die  Stellung  am  Versende 
und  das  folgende  beweist.  Aber  auch  ügwö^at  tj/vxrjp  läßt  sich 
erkl&ren.  Es  wird  dadurch  die  Größe  der  Qefahr  bezeichnet:  das 
Leben  des  Odysseus  ist  gleichsam  schon  yerloren,  er  sucht  es 
wieder  zu  gewinnen.  Das  ^v  tlwxriv  für  den  Datir  ol  ist  mir 
nicht  auffallend,  es  ist  gew&hlt  als  Gegensatz  zu  vöötov  izaigav, 

8.  aiz&v  6(p€tiQij6iv  sei  eine  dem  Homer  fremde  Konstruk- 
tion. apixBQog  sei  bei  Homer  das  Pronomen  der  dritten  Person 
Pluralis  und  es  müßte  entweder  avxoi  heißen  —  zu  dieser  Text- 
änderung  sei  aber  kein  Grund  vorhanden  —  oder  der  Vers  müsse 
aus  sp&terer  Zeit  stammen.  So  viel  ist  T.  zuzugeben,  daß  alxäv 
nicht  nötig  w&re,  um  den  Plural  zu  bezeichnen,  wie  in  sp&terer 
Zeit.  Ist  es  aber  nicht  möglich,  daß  der  Dichter  das  öipitsgog 
noch  verst&rken  wollte?  Diese  Verst&rkang  war  m.  E.  nicht  durch 
den  Nominativ  aitoCy  sondern  nur  durch  den  Genetiv  möglich. 

Eine  sehr  harte  Kritik  des  Proömiums  lieferte  Immanuel 
Bekker  in  einer  Sitzung  der  Berliner  Akademie  im  Jahre  1841 
(gedruckt  1853),  Homerische  Bl&tter  S.  99  ff.  Er  tadelt  zunächst 
das  Verschweigen  des  Namens,  an  dessen  Stelle  die  „ganz  vage** 
Bezeichnung  nolvtifoxog  trete.  Gewandte  Leute  seien  unter  den 
Hellenen  gewesen,  so  bald  und  so  lange  es  Hellenen  gegeben  habe, 
und  gewanderte,  gereiste  Leute  hätten  auch  nicht  selten  sein 
können  in  einer  Zeit  vielfältiger  Völkerwanderung  und  KolooisatioD. 
Was  zunächst  das  Verschweigen  des  Namens  angeht,  so  wäre  es 
nur  dann  zu  tadeln,  wenn  nicht  etwas  an  seine  Stelle  getreten 
wäre,  was  wichtiger  ist  als  der  Name,  nämlich  die  charakteristische 
Eigenschaft  des  Helden.  Was  ist  dem  Hörer,  der  noch  nichts  von 
Odysseus  gehört  hat,  der  Name?  Ein  leerer  Schall!  Für  den  aber, 
der  schon  etwas  von  Odysseus  gehört  hatte  —  und  das  hatte  doch 
zu  der  Zeit,  als  das  Gedicht  entstand,  die  große  Mehrzahl  der  Za 
hörer  —  war  der  Held  genügend  durch  das  Beiwort  »oXvxgtmoc 
gekennzeichnet,  welche  Bedeutung  des  Wortes  man  auch  für  uasert* 
Stelle  annehmen  mag.  Sowohl  die  Bezeichnung  „vielge wandt**,  als 
„vielge wandert*"  (B.  läßt  das  nokv-  unübersetzt)  kam  von  den 
damals  durch  die  Sagen  verherrlichten  Helden  keinem  mit  größerem 
Rechte  zu  als  dem  Odysseus. 


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1 

und   T 


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870  Zar  Odyise»  a  1^31.2 Von  i\  Stürmer. 

Selbst  der  gewaltige  Pelide  kosnte''  es  nicht,  auch  der  Halbgott 
Herakles  hatte  auf  seinem  Znge  die  Stadt  nicht  allein  erobern 
können.  Das  Beispiel  von  nzoki%oQ^og<i  das  B.  anfährt,  ist  recht 
nnglAcklicb  gew&hlt;  es  beweist  nichts  ffir  B.  Könnte  es  nicht  für 
Odyssens  proleptisch  gebraucht  sein,  ohne  daß  es  für  Achill  ebeoio 
gebraucht  sein  mnß,  da  Achill  nachweislich  viele  St&dte  der  Um- 
gegend zerstört  hat»  von  Odjsseas  aber  dies,  so  viel  ich  weiA, 
nicht  erz&hlt  wird.  Aber  zugegeben,  daß  Odyssens  es  nor  ebeoio 
wie  Achill  als  ehrendes  Beiwort  erh&lt,  so  beweist  das  doch  nicht, 
daß  hier  in  der  Odyssee  dem  Odyssens  die  Zerstörung  Trcjas  nicht 
zugeschrieben  werden  dOrfe. 

Die  Verse  8  und  4  enthielten,  meint  B.,  nur  eine  Ausfübrang 
und  wurden  in  Prosa  mit  Partizipien  I86v  und  jca&ov  angeschlosssa 
sein.  Sie  brächten  nur»  was  zu  jeder  nkdvri  gehöre.  Was  zunächst 
B.s  Partizipien  angeht,  so  steckt  bisweilen  in  solchen  Partizipitu 
der  Hauptbegriff;  beiläufig  gesagt,  wfirde  ich  nicht  Idav  and 
na^6v  schreiben,  sondern  ÖQdn/  und  scdöxcoi/.  Femer  lassen  sieb 
nicht  auch  xJidvai,  in  menschenleeren  Gegenden  denken?  WennB. 
dem  Odyssens  nur  vier  Städte,  die  er  gesehen,  zusammen  rechoet, 
so  mag  das  richtig  sein,  es  steht  hier  aber  gar  nicht  sröAci^, 
sondern  äötsa.  Die  Kyklopen,  die  keine  xokeig  hatten,  hatten  doch 
&0tsa.  Die  Bemerkung  über  die  Eimmerier,  die  Odyssaus,  da  sie 
in  Nebel  gehüllt  gewesen  wären,  nicht  habe  sehen  können,  kann 
ich  nur  für  einen  übel  angebrachten  Witz  B.s  halten,  dagegen  die 
nur  „schwerlich**  zu  denkende  Auslegung  nokkAv  iv^^dmaifv  äöisa 
=  aöleig  7cokvav^Q(h7tovg  halte  ich  für  so  absurd,  daß  B.  sie 
überhaupt  nicht  hätte  erwähnen  sollen. 

Aber  es  passiert  ihm,  daß  er  xoXk&v  iv^Qmxmv  ^0Tca 
übersetzt,  als  wenn  dastünde  nokkk  &axia\  In  dem  jcokk&v  liegt 
ausgedrückt :  vieler  verschiedener  Menschen,  so  daß  alle  griechisches 
Städte  des  Schiffskatalogs  und  der  Fahrt  des  Menelaos  überbaopt 
ausgeschlossen  sind,  wie  es  auch  0.  Hermann  zu  interpretieren 
scheint.  Was  aber  die  Hauptsache  ist,  die  Worte  ital  v6ov  iyv0 
hat  B.  ganz  unberücksichtigt  gelassen,  und  hierin  liegt  gerade  das, 
was  die  Beisen  des  Odyssens  vor  denen  anderer  hervorhebt.  Andere 
mögen  wohl  auch  Wohnstätten  verschiedener  Menschen  gesehen 
haben,  aber  ihren  vot)g,  worin  alles  eingeschlossen  ist,  was  wir 
heute  etwa  „ Kulturzustand **  nennen  würden,  zu  erkennen,  war  doch 
wohl  keiner  so  befähigt  wie  der  7tokvq>QG:iv  oder  «oXvTposo^ 
ävY^Q  im  Sinne  von  ^^i^^gswandt**.  Wie  mußten  diese  Worte  asf 
die  Erzählung  spannen! 

Noch  weniger,  fährt  B.  fort,  könne  die  Not  auf  dem  Meere, 
die  der  Gegensatz  zu  den  Menschen  V.  8  auf  Sturm  und  Unwetter 
beschränke,  als  etwas  Besonderes  gelten  oder  der  V.  5  angegebene 
Qrnnd,  warum  sich  Odyssens  solcher  Not  unterzogen  habe,  fiiaeo 
Gegensatz  zwischen  %okkAv  ö'  iv^gdmiov  tÖsv  ä<ftea  und  %oM 
tf'  öy  iv  növxp  %d^av  dkyia  kann  ich  nicht  erkennen.  Und  wie 


Zor  Odyuee  a  l-^Sl.  Von  JP.  Stürmer.  871 

steht  M  mit  der  Not,  die  ihm  die  Charybdis  and  Scylla  und  die 
Sirenen  bereiten,  ist  die  anch  dnrch  Sturm  nnd  Unwetter  rernr- 
aaeht?  B.  beachtet  hier  wieder  das  xoXJiä  nicht,  was  nicht  Tiel, 
sondern  Tielerlei  bedeutet  Ferner  druckt  aich  B.  recht  wenig  genau 
aoa,  wenn  er  in  iQPVftsvog  den  „Orund*'  sieht,  warum  er  sich 
solcher  Not  unterzog.  Einen  Omnd  hatte  er  wahrlich  nicht,  er 
b&tte  die  Not  wohl  sehr  gern  vermieden,  aber  die  Götter  schickten 
sie  ihm.  In  dem  Partizipium  sehe  ich  nicht  den  Grund,  sondern 
die  näheren  Omstftnde,  unter  welchen  er  die  äXysa  auf  dem  Meere 
zu  erdulden  hatte.  Wer  Gef&hrten  hat,  hat  freilich  auch  fär  sie 
zu  sorgen,  aber  um  so  größer  werden  seine  eigenen  Schmerzen. 
£s  liegt  ein  Lob  für  Odysseus  darin,  daß  er  nicht  bloß  an  sich 
dachte  nach  dem  Sprichwort  Jeder  ist  sich  selbst  der  Nächste**, 
sondern  yor  allem  an  die  Gef&hrten  nach  dem  Satze:  „Der  brave 
Mann  denkt  an  sich  selbst  zuletzt''.  Hier  freilich  fiel  die  Bettung 
der  Gef&hrten  mit  seiner  eigenen  zusammen. 

Die  Unterscheidung,  daß  der  Held  ffir  sich  das  Leben  und 
für  die  Genossen  die  Heimkehr  suche,  erkl&rt  B.  für  „eigen*",  als 
ob  er  auch  tot  heimkehren  könne  (wieder  ein  Witz!)  oder  als  ob 
er  leben  möchte,  ohne  heimzukehren,  wie  ihm  ja  so  ein  Leben  bei 
der  Kalypso  geboten  werde.  Meiner  Ansicht  nach  h&tte  der  Dichter 
sagen  könuen  „sein  und  der  Gef&hrten  Leben**  oder  „seine  und 
dor  Gef&hrten  Heimkehr*'.  Das  erste  verwarf  er,  weil  es  nicht 
genügte,  um  das  zu  bezeichnen,  was  Odysseus  erstrebte.  Das  andere 
verwarf  er,  weil  er  durch  ^v  xs  tlrviiiv,  zugleich  im  Hinblick  auf 
das  Folgende,  andeuten  wollte,  daß  er  für  sich  zwar  das  Leben, 
aber  nicht  die  Heimkehr  rettete.  H&tte  er  gesagt:  „Odysseus  wollte 
seine  und  seiner  Gef&hrten  Heimkehr  durchsetzen,  die  Gef&hrten 
konnte  er  aber  nicht  retten**,  so  mußte  der  Hörer  mit  einem 
durchaus  folgerichtigen  Schlüsse  schließen:  „aber  seine  eigene 
Bückkehr  setzte  er  durch",  was  der  Situation  bei  Beginn  des  Ge- 
dichts widerspricht. 

Wenn  B.  dann  weiter  behauptet,  daß  Odysseus  das  Herze- 
leid, daß  seine  Bemühungen  vergeblich  waren  und  seine  Gef&hrten 
durch  eigene  Schuld  umkamen,  mit  gar  vielen  Anführern  vor  und 
nach  ihm  teile,  so  gehen  uns  die  Anführer  nach  ihm  gar  nichts 
an,  und  weiche  Anführer,  deren  Untergebene  durch  ihre  eigene 
Schuld  umkamen,  kann  denn  B.  im  Sinne  haben? 

Daß  dann  in  Y.  8  und  9  der  Frevel  an  den  Bindern  des 
Sonnengottes  und  seine  Bestrafung  erw&hnt  werde,  sei  zu  individuell 
für  die  Ankündigung,  ungef&hr,  wie  wenn  im  Proömium  der  üias 
der  Tod  des  Patroklos  erw&hnt  worden  w&re.  Meiner  Ansicht  nach 
war  es  aber  nicht  genug,  wenn  der  Dichter  sagte,  die  Gef&hrten 
seien  durch  eigene  Schuld  umgekommen.  Dadurch  war  die  Neugier 
des  Hörers  erregt,  er  wollte  wissen,  worin  diese  eigene  Schuld 
bestand.  Durch  die  Angabe,  daß  es  ein  Frevel  gegen  einen  Gott 
war,   wird  außerdem  des  Odysseus  Frömmigkeit  im  Gegensatz  zu 


872  Zar  Odjrwee  a  1—81.  Von  F.  Siürmer. 

seinen  Gef&brten  aogedentet.  Der  Ton  B.  angefahrte  Vergleieh  mit 
der  Iliae  eeheini  mir  nicht  beweiskr&ftig.  Wenn  Patroklot*  Tod  im 
Pro4(miam  der  Iliae  erwähnt  w&re,  ao  mdßte  man  allerdings  daran 
Anstoß  nehmen,  weil  etwas  Toraiugenommen  w&re,  was  in  der 
Handlang  dea  Oediehts  eine  viel  spfttere  Stelle  hat.  Aber  der 
FreTol  an  den  Bindern  dea  Helios  und  der  dadnreh  Yemrsachte 
Untergang  der  Oef&hrfcen  war  an  dem  Zeitpunkte,  mit  dem  die 
Handlang  der  Odyssee  anhebt,  bereits  vergangen  and  motiviert 
gerade  die  Situation,  in  der  wir  den  Helden  bei  Beginn  dea  Qe* 
dichte  antreffen.  Wenn  B.  meint,  die  beiden  Verse  verdankten  ihren 
Ursprang  dem  Beddrfnisse,  eine  göttliche  Ffigong  einzuweben,  wie 
sie  in  der  Iliae  in  den  Worten  ^U>g  d'  ixsXsUxo  ßavXiq  enthalten 
sei,  so  ist  auch  dies  nicht  richtig.  Denn  das  Eingreifen  dea  Zaas 
in  der  Dias  hat  einen  ganz  anderen  Charakter  als  das  Eingreifen 
des  Helios  in  der  Odyssee:  Dort  ist  es  ein  durch  Thetis'  Bitte 
veranlaßter  freier  Entschluß,  den  Ach&em  zu  schaden,  ohne  daß 
diese  gegen  den  Qott  selbst  gefrevelt  h&tten.  Hier  ist  es  die  Strafe 
fdr  einen  gegen  den  Qott  selbst  begangenen  Frevel;  welchea  Ein- 
greifen besser  motiviert  ist,  ist  dadurch  ohne  weiteres  klar. 

Auch  den  letzten  Vers  des  Proömiums  tadelt  B.  &§i6^6v 
und  xal  iifiiv  sei  unerhört,  wenn  letzteres  den  Sftnger  und  aeine 
Zuhörer  begreife.  Dieser  letzte  Vers  schließe  alles  von  dem  Gedieht 
aus,  was  nicht  in  dem  Proömium  erw&hnt  sei,  und  das  seien  ven 
24  Büchern  höchstens  4,  von  10  Jahren  höchstens  2.  So  apricht 
B.  denn  das  Proömium  dem  Homer,  qui  nil  malüur  inepie,  ab. 
B.  h&tte  aber  wenigstens  Qründe  angeben  mfissen,  weshalb  ägAÖ^sv 
und  xal  ii^lv  unerhört  seien.  Und  das  Proömium  soll  ja  kein 
Inhaltsverzeichnis,  kein  Summarium  sein,  sondern  nichts  weiter  als 
den  Hörer  auf  das  eigentliche  Gedicht  spannen,  eine  Aufgabe,  die 
durch  dae  Proömium  der  Odyssee  m.  E.  in  noch  höherem  Grade 
erreicht  wird  als  durch  dae  Proömium  der  Ilias. 

Eine  durchaus  berechtigte  Antikritik  gegen  B.s  Kritik  lieferte 
Lehre  im  Rhein.  Museum  1864,  S.  802  ff.  (De  Aristarehi  studiis 
Homericia^,  p.  419  f.). 

Großen  Beifall  hingegen  fand  B.s  Kritik  bei  Henninge  in 
Jahns  Jahrbüchern  f.  Philol.  1859.  Er  bringt  aber  keine  neuen 
Anklagepunkte  vor  und  bewegt  sieh  nur  in  allgemeinen  Auedrfieken: 
er  nennt  das  Proömium  „eine  nüchterne  Aneinanderreihung  von 
Gemeinpl&tzen",  es  erw&hne  nur  die  Irrfahrten  und  die  schließliche 
Heimkehr  des  Odysseus  (das  letztere  ist  gar  nicht  einmal  richtig, 
denn  davon,  daß  Odysseus  den  vöötog  erreichte,  steht  gar  nichts 
da).  Er  verlangt  also  eben  so  wie  B.,  daß  das  Proömium  ein 
Summarium  sei.  An  einen  Gedanken  von  A.  Jacob  über  die  Ent- 
stehung der  Iliae  und  Odyssee  1856,  p.  860  anknüpfend,  behauptet 
H.  weiter,  daß  das  Proömium  eine  sehr  paesende  Einleitung  zo 
den  Bhapsodien  c — v  sei,  dagegen  mit  der  Telemaehie  nicht  in 
mindesten  zusammenhänge« 


Zar  Odyisee  a  1—81.  Von  F.  Stürmer,  873 

Btwas  günstiger  artoilte  ober  nsfler  ProOmiam  Bergk»  Oriech. 
Litt.  8.  662.  Er  meint,  der  Tadel  ginge  im  einzelnen  zu  weit, 
und  man  kOnne  leicht  dnrch  Streichang  einiger  Verse  manches 
Anstößige  entfernen«  Letzteres  halte  ich  nicht  für  mOglich,  ohne 
das  ganze  Proömimn  zu  zerstören.  Bergk  schließt  sich  dem  oben 
widerlegten  Tadel  Bekkers  an,  daß  der  Name  ersi  im  Gedichte 
und  zwar  nnr  gelegentlieh  erwühnt  werde;  ond  wenn  man  auch 
nicht  eine  vollstündige  nnd  detaillierte  Inhaltsangabe  Ton  dem 
ProOminm  Terlangen  dürfe,  so  yermisse  man  doch,  daß  auf  den 
zweiten  Teil  des  Qedichts  gar  keine  Bücksicht  genommen  werde. 
Femer  erscheint  Bergk  gerade  das,  was  über  die  Schicksale  des 
Odjssens  im  Eingange  angedeutet  werde,  mindestens  sehr  auf* 
fallend.  B.  meint  damit  wohl,  daß  ?on  des  Odyssens^  Schicksalen 
gerade  der  Frevel  an  den  Bindern  des  Helios  nnd  der  dadurch 
verursachte  Untergang  der  Gefährten  erw&hnt  wurde.  Das  geschah 
aber  deshalb,  weil  gerade  dieses  Abenteuer  die  Situation  motiviert, 
in  der  wir  den  Helden  finden:  allein,  ohne  Geführten,  selbst  ge- 
rettet, weil  er  an  ihrem  Frevel  nicht  teilgenommen  hatte.  Welches 
von  den  anderen  Abenteuern  war  für  sein  Schicksal  von  solcher 
Bedeutung,  daß  es  noch  h&tte  besonders  erw&hnt  werden  müssen, 
nachdem  der  Dichter  in  V.  3  und  4  die  Irrfahrten  allgemein 
charakterisiert  hatte? 

Bergk  kommt  zu  dem  Besultate:  wie  uns  von  dem  Eingange 
der  Ilias  drei  verschiedene  Fassungen  erhalten  seien,  von  denen 
nur  eine  des  großen  Dichters  würdig  sei,  so  könne  auch  die  echte 
Eisleitung  zur  Odyssee  frühzeitig  ganz  verdrängt  worden  sein. 
Wie  aber  das  echte  Proömium  der  Ilias  im  Altertum  die  meiste 
Anerkennung  gefunden  hat,  wenn  auch  daneben  andere  Fassungen 
überliefert  wurden,  so  wäre  es  doch  meiner  Meinung  nach  auf- 
fallend, wenn  das  echte  Proömium  der  Odyssee  so  vollständig  durch 
ein  unechtes  verdrängt  worden  wäre,  daß  nicht  einmal  eine  Spur 
davon  sich  erhalten  h&tte.  Ich  meine,  das  überlieferte  ist  auch  das 
echte  Proömium,  und  zwar  ist  es  so  allgemein  als  das  echte  an- 
erkannt, daß  sich  daneben  nicht  einmal,  soviel  ich  weiß,  andere 
Fassungen  erhalten  haben. 

Ausführlicher  spricht  dann  wieder  über  das  Proömium  Düntzer, 
Aristarch,  Padsrbom  1862. 

Nachdem  er  die  Bedeutung  „vielgewandt*'  für  nolvtgoxog 
nachzuweisen  gesucht  nnd  die  folgenden  Verse  2 — 4  als  nähere 
Ausführung  des  Umberirrens  bezeichnet  hat,  wendet  er  sich  gegen 
die  Verse  5 — 9,  deren  Inhalt  ganz  außerhalb  des  Zweckes  einer 
allgemeinen  Ankündigung  läge.  Ich  halte  diese  Verse  für  durch- 
aus dem  Zwecke  des  Proömiums  angemessen.  Sie  steigern  die 
Teitoahme  des  Hörers  für  den  Helden.  Er  sorgte  nicht  allein  um 
sein  eigenes  Leben,  sondern  auch  um  die  Heimkehr  der  Gefährten, 
aber  er  konnte  sie  nicht  retten.  Der  Verlust  der  Gef&hrten  war 
der  Höhepunkt  der  Leiden  des  Odysseus«    Nun   fragt  der  Hörer 


874 


Zur  Od jtsee  a  i^Sl.  Von  F.  Stürmer, 


nowillkürlicfa :  Wid  ging  deno  das  tUt  daß  er  die  GefihrIeD  nicM 
retten  konnte?  OdjsBens  war  doch  TtolvtQQTtog  im  Sinne  Ten 
„Tbl^ewandt'M  War  also  die  Öefabr  so  groß,  daß  Odyaaens  diee* 
tnal  £eiDe  Elaghelt  im  Stiebe  ließ,  oder  hatte  er  es  an  der  ndttfeD 
Vorsiebt  feblen  lassen?  Oder  —  das  war  das  dritte  —  waren  die 
Gefährten  leichtsinDig,  so  daß  eie  dnrcb  eigene  Sebntd  ombament 
Katt^rifch  mnßte  der  Dlcbter  die  stille  Frage  des  Hörer»  beatii* 
Worten,  und  das  geecbiebt  durch  die  Verse  7 — 0. 

D.  wiederholt  dann  Tierschi  Tadel  gegen  cepvvpLivog  nad 
Dekkers  Aa  säte  Hang  an  ijif  te  ^*v%iiv  %al  v6ßtü%f  hm^c3i%  ohne 
Bene  Beweise  dagegen  vor^ubriDgea.  Dana  erklärt  er  das  ^^%  das 
sieb  auf  das  bloße  agvvjiHfog  beziehe,  dano  aber  wieder  in  dem 
ganz  dasselbe  besag  es  den  lijLSVog  erklärt  werde»  fär  „etwas  aeo* 
derbar'^.  Darao  hat  aber,  soviel  ich  weiß,  außer  D>  noch  niemand 
Anstoß  genommen;  es  soll  dadarch  m*  E.  die  VoreteUnng  Qocb 
lebhafter  herTorgehoben  werden,  da£>  Odjssens  wirklieb  nicbl  bM 
alles  tat,  um  Beitie  Gefährten  zn  retten,  aondero  ancb  iuuerlicii 
Ton  der  Sorge  för  sie  erfällt  war 

Ferner  bemerkt  D.,  daß  bei  den  Genossen  an  alle  in  denken 
sei.  Dem  widerspreche  aber  der  wirkliche  Hergaag,  wie  er  im 
Gedjcbta  erzählt  werde.  Aber  es  kommt  m,  E,  eben  auf  die  znlitxt 
üDtergehendeD  Gefährten  an,  um  die  SitDation,  daß  Odyisema  allein 
sich  bei  Kalypao  befaiid,  za  erklären.  Es  war  immerbin  noch  fatt 
die  ganze  Bemannung  eine»  Schiffes.  Hätte  OdjsseQs  jemala  in  lo 
groBe  Not  geraten  kOnnen  p  wenn  er  das  let^^te  Schiff  mit  aeioer 
Bemannung  betaalten  hätte?  Und  ich  halte  es  anch  för  einen  gaiit 
nnbegründeten  AnstoB,  den  D.  nimmt,  daß  es  ja  nicht  HeliosT  son- 
dern Zene  war,  der  dte  Bache  Toll^og.  Diea  geschah  eben  atif 
Veranlassung  des  Helios  (i  374— S90.  Freilich  werden  diese  Terse 
von  manchen  Kritikern  als  späterer  Zosatz  angesehen,  aber  mit 
Unrecht  (?gh  Kiizech  z.  d.  St)-  Aber  selbst  wenn  die  Verse  unecht 
wäri^n,  80  ?ertrat  doch  Zens  immer  nnr  die  Sache  des  Helios,  und 
wenn  der  Widerspruch  zwischen  dem  ProÖmiüm  nnd  /*  303,  40S 
dem  Hörer  zum  Bewußtsein  kam,  so  konnte  er  sich  diesen  doch 
leicht  löfseOf  indem  er  den  Inhalt  der  ansgelftsaenen  Stelle  am 
sei  Dem  eigenen  Verstände  ergänzte:  Wenn  es  im  Pro5minm  hieiSi 
Helios  nahm  ihnen  den  Tag  der  Heimkehr,  und  jet^t  erzählt  wird« 
daß  Zeus  den  Sttirm  erregte,  was  bleibt  da  anderes  nbrig  all 
anznnebmen!  Zeas  tat  es  auf  die  VeraDlaaeuiig  dea  Helios^  Helios 
hat  Zeua  nm  Eache  gebeten? 

Wenn  D.  sagt,  ein  Interpolator  habe  uns  in  der  Ankündigung 
bis  zu  dem  Punkte  fährtn  wollen,  wo  Odjsseus  alle  Qefähtlen 
Tsrloren  habe,  so  kann  man  dem  entgegenhalten:  Was  D.  A*m 
Interpolator  zasch reibt,  kann  doch  auch  die  Absiebt  des  Ursprung* 
liehen  Dichters  gewesen  sein*  Denn  dieser  mußte  m.  E.  vor  der 
Einführung  der  Sltnation»  in  der  sich  Odjssena  befand,  den  V«f- 
Init  der  Gefährten  angeben,  weil  man  sonst  hätte  annebmeii  mäsitB« 


I 


I 
I 


Zar  Odjw««  €s  1— ai,  Ym  R  Stürmer. 


m$ 


OdjBBeue  sei  Dicht  alliin,  soDiierii  mit  eeioen  Gefährten  auf  der 
lüBÜ  der  Kalypeo.  Weiiti  iDan  datin  hdrte^  Odjüeas  sei  alleiii  bei 
Kalypso,  60  b&tte  m&D  verwaadert  fragen  mueseD:  wie  kommt  «b 
denn,  daß  er  keiDen  %iüz\g%n  GefäbrUti  bei  sich  bat?  Er  maß 
doch  mit  allen  seinen  Schiffen  zngleicb  vod  Troja  abgef abren  sein, 
ncd  wenn  etwa  sein  Schif  von  deo  anderen  verscblaj^en  worden 
vtäff  so  tunßte  doch  wenigstens  die  Beeat^nog  seines  Schiffea  bei 
ibtn  geblieben  aein!  D.  meint  siwar,  der  nrspröngliche  Dichter 
habe  am  so  weniger  VeTanlassnDg  gehabt,  die  Gefährten  zu  er- 
wähnen, aiä  er  ni^B  Odyseeng  ^^nnäcbet  ganz  allein  habe  rorfnhren 
müssen.  Ich  behaupte  über  im  Gegenteil:  weil  er  nns  Odyaeene 
allein  auf  df^r  Insel  i^f  Kalypso  vorführt,  so  malzte  er,  neu  dies 
zu  erklären,   den   Verlost  der  Gefährten  erwähnen* 

Der  liiterpolator  habe  aber,  eagt  D, ,  sieb  Belbst  des  Vor* 
teils r  den  er  durch  Einschiebnog  der  Verse  b — 9  habe  erreichen 
wolleD,  beraubt  durch  die  ncgeecbickte  Fassung  der  wiedefholten 
Anrnfnng  an  die  Mnse,  die  er  nicht  entbehren  'in  k^^nnen  gsglanbt 
habe,  weil  sich  V.  11  nicht  wobl  an  V*  9  anschließe*  Mit  rd^i' 
würden  wir  ¥Oii  der  Kacbe  des  Helios  wieder  in  dem  allgemeinen 
og  ^dXa  nläyx&ri  lurückgeldhrt.  An  V*  9  ßcbließt  Bich  allerdings 
Y,  11  nicht  gut  an,  wohl  aber  an  V.  10,  und  mit  tcov  werden 
wir  nur    bis   zu  V,  3    znriickgefabrt  (vgl.  Koch^Capello  z,  d.  8t,). 

Wenn  einer  behaupten  wollt«,  V.  10  gehöre  dem  alten  Dichter 
an  and  schließe  sich  ^an^  natürlich  an  V.  4  an,  so  behauptet  D* 
dem  gegenüber,  dai>  ihm  überhaupt  die  Wiederholnng  des  Änrnfs 
nicht  pHät^end  erscheine.  Eioen  Grand  hiefiär  gibt  D.  nicht  an. 
Freilich  würde  eie  anch  mir  nnpaisend  erscheiDSüt  wenn  sie  so 
bald  auf  die  erste  iolgte,  wie  es  nach  der  Atbetese  ?on  5 — 9  der 
Fall  wäre.  Ühngeus  i&t  der  V.  10  ja  nicht  eine  reine  Wiederholong 
ton  V*  1,  sondern  er  enth&lt  dorch  auditiv  noch  etwas  Nenes^ 
Lämlich  die  Andeutung,  daß  der  Dichter  die  Wahl  des  Ausgangs- 
punktes der  Mose  überlaegen  will  Man  bemerke  den  Unterschied 
£  wischin  dem  Fro6mium  der  Ilias  oud  dem  der  Odjasee^  Die  lliaf^ 
hat  nnr  eine  Anrufung  der  Mu§e»  weil  der  Anfang  der  Enählnog 
durch  das  Thema  selbst  gegeben  war:  es  mnCite  mit  der  Veran- 
lassung des  Zornes  des  Acbilles  begonnen  werden.  Anders  in  der 
Odyssee:  leb  meinei  der  Dichter  wollte  dnrcb  diese  zweite  Anm- 
mng  der  Muse  mit  tö>v  äpLo^tt^  andeuten,  daß  der  Hörer  nicht 
atwa  eine  fortlaufende  Er2äblnu^  der  Abenteuer  des  Odysseus  von 
der  Zerstörung  Trojas  an   zu  erwarten  habe. 

Unpassend  erscheint  D,  auch  die  Andeutnugt  daß  die  Mas« 
ton  einem  Punkte  beginnen  möge»  von  dem  es  ihr  beliebe.  Einia 
Qrnnd  giht  D-  wieder  nicht  an*  Vielleicht  meint  er,  daß  einem 
epiBchen  Dichter  der  Ausgangspunkt  seines  Gedichtes  nicht  gtelcb- 
güliig  »ein  dürfe,  Daa  ist  aocb  gar  nicht  mit  äfio^^v  gemeint^ 
■ondern  das  gerade  Gegenteil;  denn  dadurch,  daß  er  die  Muse  dazn 
anruft^  zeigt  er,  daß  er  von  ihr  deo  besten  Anfangspunkt  gelehrt 


876  Zar  Odjuee  a  1—31.  Yoo  F.  Stürme. 

babeD  will.    Aber  es  waren  eben  mehrere  Anfangspunkte  mOglieh, 
nnd  die  Wahl  des  besten  fiberläßt  der  Dichter  der  Mnse. 

Schließlieb  tadelt  D.  noch  das  xccl  ii(ilv,  worin  ansgedrflckt 
liege,  daß  die  Mnse  schon  anderen  davon  gesnngen  nnd  worin  er 
sich  nnd  seine  Znhörer  znsammenfasse.  Die  erste  Bemerknng  sollte 
man  von  einem  Kritiker  wie  D.  nicht  erwarten!  Oab  es  denn  Tor 
der  Entstehung  unserer  Odyssee  nicht  schon  Einxellieder  Ten 
Odyssens?  Und  die  letzte  Ansstellnng  macht  D.  m.  E.  nnr,  nm 
anch  an  dem  letzten  Worte  des  ProOminms  etwas  auszusetzen.  Was 
soll  denn  fi(iiv  anderes  bedeuten?  Ist  es  etwa  ein  pluralis  maiestaiis 
=  iiwi?  Das  nimmt  doch  wohl  auch  D.  nicht  an.  Und  ist  es 
denn  so  wunderbar»  wenn  der  Dichter  sich  mit  seinen  Zah6rem 
zusammenfaßt?  Er  hört  die  Stimme  der  Muse  in  seinem  Herzen, 
und  die  ZuhOrer  hören  sie  durch  ihn. 

Dnntzer  spricht  noch  an  einer  anderen  Stelle  über  das 
Proömium.    Homerische  Abhandlungen,  S.  178  f. 

Daß  der  Held  seine  Qenossen  habe  retten  wollen,  und  wie 
sie  durch  eigene  Schuld  umgekommen  seien,  das  falle  ganz  außer- 
halb  der  „eigentlichen  Bezeichnung  des  Gesanges^.  Vielleicht  meint 
D.  mit  diesem  ganz  unklaren  Ausdruck,  daß  dieser  indiTidoeUe 
Zug  nicht  mehr  nötig  sei,  um  als  den  Helden  des  Gedichts  den 
Odyssens  erkennen  zu  lassen,  was  nach  D.  die  einzige  Aufgabe 
des  Proöminms  sein  soll.  Aber  man  soll  m.  E.  den  Helden  nicht 
nur  erkennen,  man  soll  auch  von  yornherein  ffir  ihn  interessiert 
und  erw&rmt  werden.  Und  das  geschieht  durch  die  betreffenden  Veree. 
Zum  Schlüsse  wendet  sich  D.  gegen  Lebrs ,  der  ?.  5  ff. 
rechtfertigen  zu  können  geglaubt  habe,  well  hier  zu  der  entgegen- 
gesetzten Eigenschaft  der  Genosssn  übergegangen  werde,  durch 
die  sie  ihr  Schicksal  selbst  begrflndet  hßtten.  Spöttisch  Tuft  dann 
D.  aus:  eine  Moral  von  der  Geschichte  bei  Homer  und  gar  im 
Proömium!  Lehrs  meint  aber  jedenfalls  nicht,  daß  der  Dichter 
uns  die  Moral  auftische  wie  ein  Fabeldichter,  dazu  kannte  Lehrs 
seinen  Homer  doch  zu  gut,  wohl  aber,  daß  die  Harer  mit  Letch- 
tigkeit  die  Moral  daraus  entnehmen  könnten,  nnd  da  hat  er  recht 
Eirchhoff,  der  der  Ansicht  ist,  die  Verse  a  1 — 87  seien 
Qrsprünglich  die  Einleitung  zu  £,  dem  Nostos  des  Odyssens,  ge- 
wesen, streicht  V.  6—9,  genötigt  durch  seine  Annahme,  daß  die 
Abenteuer  auf  Thriakia  einem  jfingeren  Teile  der  Dichtung  angehören. 
Er  findet  außerdem  in  diesen  Versen  „eine  unverhßltnismftßige 
Breite*',  und  die  Binder  des  Helios  h&lt  er  ffir  ein  ganz  nebensäch- 
liches Moment.  Der  Einschub  sei  Teranlaßt  durch  das  Bestreben, 
der  Mißdeutung  vorzubeugen,  als  habe  das  in  V.  5  erwfthnte  Ringen 
des  Helden  um  das  Leben  und  die  Heimkehr  seiner  Genossen  nach 
beiden  Eiehtungen  den  gleichen  günstigen  Erfolg  gehabt.  Meines 
Brachtens  mußte  aber  dieser  Grund  nicht  bloß  ffir  einen  Intsr- 
polator,  sondern  auch  für  den  Dichter  selbst  maßgebend  sein.  Denn 
in  der  Tat  muß  der  Hörer,   wenn  V.  6  ff.  fehlen,   annehmen»  daß 


^ar  Odjssee  a  1^31.  Von  JP.  Stürmer.  877 

Odyssens  ood  seine  Oef&hrien  gerettet  seieo.  Es  maßte  also  gesagt 
werden,  daß  die  Gef&hrten  nicht  gerettet  waren  (V.  6),  darauf  folgte 
notwendig  die  Angabe  des  Grandes  ihres  Unterganges  (V.  7)  und 
dea  Urhebers  desselben  (V.  8  und  9). 

fiekkers  Kritik  fand  anch  den  Beifall  ?on  Steinthal  in  der 
Zeitschrift  fflr  Völkerpsychologie,  Bd.  VII,  8.   77  ff. 

St.  meint,  die  TOtnng  der  Binder  des  Helios  yertrage  sich 
nicht  mit  der  Kyklopensage,  nnd  will  das  Proöminm  nor  ans  den 
V.  1,  2,  4,  10  bestehen  lassen  nnd  behauptet,  so  habe  es  nichts 
Wesentliches  Terloren,  also  gewonnen.  Er  erkl&rt  es  fdr  einen  fest- 
stehenden Eingang  für  jeden  Gesang,  der  sich  auf  die  Irrfahrten 
des  Odysseas  beziehe,  und  der  uns  nicht  in  der  glücklichsten 
Fassung  Torliege.  Denn  wenn  er  auch  feststehend  gewesen  sei,  so 
schließe  das  nicht  aus,  daß  er  in  seiner  Fassung  zehnfach  variiert 
habe.  Wie  sich  die  Strafe  fdr  die  Tötung  der  Binder  zum  Zorne 
des  Poseidon  Tsrh&lt,  ist  m.  £.  eine  Frage,  die  für  die  Beurteilung 
das  Proömiums  nicht  in  Betracht  kommt.  Da  die  Objekte  Ter- 
schieden  sind,  so  lassen  sich  beide  ganz  gut  miteinander  vereinigen. 
Der  Zorn  des  Poseidon  richtete  sich  nur  gegen  Odysseus,  die 
Strafe  fflr  die  Tötung  der  Binder  traf  zun&chst  nur  die  Gef&hrten. 
Ließe  sich  nicht  die  Möglichkeit  denken,  daß  die  Gefährten,  falls 
sie  die  Binder  verschont  hätten,  gerettet  und  Odysseus  allein  an 
das  Gestade  von  Ogygia  verschlagen  worden  wäre?  Ferner  durch 
Verlust  kann  man  doch  nur  dann  etwas  gewinnen,  wenn  das 
Verlorene  geradezu  schädlich  war.  Daß  aber  die  ausgeschiedenen 
Verse  störend  seien,  dafär  bringt  St.  keinen  Beweis  bei.  Sts  Aus- 
führungen werden  mit  Becht  von  Kammer,  Die  Einheit  der  Odyssee, 
8.  84  kritisiert.  Der  von  St.  hergestellte  Eingang  macht  wirklich, 
gelinde  gesagt,  einen  recht  dürftigen  Eindruck;  aber  daran  ist 
nicht  der  Dichter  schuld,  sondern  St.,  der  das  Proömium  des 
Dichters  so  zugerichtet  hat.  Kammer  hat  recht,  wenn  er  sagt: 
„Ein  sonderbares  Verfahren,  einer  Statue  den  Kopf  und  die  beiden 
Arme  abzuschlagen  und  dann  zu  klagen,  sie  liege  uns  nicht  in 
der  glfickiichsten  Fassung  vor*". 

Aus  dem  Worte  diiöd'svj  das  nach  St.8  Ansdrack  „den 
ganzen  Zustand  der  Epik,  wie  er  ihn  fasse,  vor  die  Seele  rufe"*, 
sdi  ließt  er,  daß  das  Proömium  nicht  für  eine  fertige  ganze  Odyssee, 
sondern  fär  die  ganze  offiij,  d.  h.  ffir  jeden  Gesang,  der  innerhalb 
dieses  Kreises  liege,  gelte.  Denn  so  könne  doch  nur  der  sprechen, 
der  ein  Stuck  aus  der  otiir^  des  Odysseus  habe  singen  wollen.  Aus 
dam  Worte  &ii6^bv  ziehe  ich  gerade  den  entgegengesetzten  Schluß 
wie  St.  Wenn  die  Verse  des  Proömiums  zu  jedem  einzelnen 
Liede,  welches  etwas  Ton  den  Irrfahrten  des  Odysseus  erzählte, 
gehören  sollen,  so  hal  m.  £.  die  Muse  ja  gar  nicht  die  Möglichkeit, 
von  irgend  einem  Punkte  anzufangen,  sondern  sie  muß  eben  das 
xa  behandelnde  Abenteuer  da  anfangen,  wo  es  anfängt.  Andere  ist 
ea  mit  einem  Gedicht,  welches  alle  Abenteuer  behandelt.  Da  gibt 
es  doch   verschiedene  Anfänge.     Die  Muse  konnte  z.  B.   mit  der 


87S  Zar  Odyssee  a  1—31.  Von;F.  Stürmer. 

Abfahrt  tod  Tr^a  begioDen  oder  mit  der  BattaDg  des  Odysseos 
auf  die  Insel  der  Ealypso,  mit  der  Ankauft  anf  Seheria,  ja  es 
ließe  sich  allenfalls  ancb  ein  Gedicht  denken,  das  mit  dsr  Ankunft 
des  Odyssens  auf  Ithaka  anhöbe,  so  daß  der  Held  etwa  nachher 
seiner  Qattin  seine  Abenteuer  erzählte. 

Gegen  die  Verstfimmelong^  des  Proöminms  spricht  sich  aneb 
Eayser,  Philologns  XXI,  S.  317  ans.  Nur  in  x&v  &^lMbv  sieht 
er  einen  alten  Fehler,  der  schon  Tor  Piatos  Zeit  entstanden  sei. 
Dnrcb  eine  zweite  Anrofang  der  Muse  werde  die  erste  nor  in 
Unbestimmtheit  gezogen  nnd  abgeschw&cht.  Wir  wüßten  nun  nicht 
mehr,  was  der  Mnse  zn  singen  belieben  werde,  nnd  es  sei  die  Art 
der  alten  Sftnger,  nicht  sowohl  die  Mnse  um  Unterstfitzang  bei 
der  Darstellung  eines  schon  gewählten  Gegenstandes  anzusprechen 
als  ihr  im  allgemeinen  ein  Gebiet  mit  interessanten  Stoffen  ta 
bezeichnen  und  ihr  die  Wahl  unter  diesen  und  die  Bestimmang 
der  Grenzen  zu  überlassen,  in  denen  die  gewählte  Sache  zu  be- 
handeln sei.  Meines  Erachtens  schwächt  die  zweite  Anrufung  der 
Muse  die  Kraft  der  ersten  nicht  ab.  Die  erste  bezieht  sich  im 
allgemeinen  auf  den  Helden,  die  zweite  spezieller  auf  den  Aus- 
gangspunkt des  Gedichts.  Nicht  ins  Ungewisse  wird  also  der  Hörer 
durch  die  zweite  Anrufung  versetzt,  sondern  auf  den  Anfang  der 
Handlung  gespannt.  Das  x&v  fasse  ich  nicht  als  partitir,  abhängig 
von  bItcb^  wie  E.  es  zu  tun  scheint,  sondern  als  abhängig  von 
ifiöd-Bv,  so  daß  also  alles,  was  im  Proömium  angedeutet  ist,  im 
Gedicht  vorkommen  soll,  aber  von  einem  Ausgangspunkte  an  erahit, 
den  der  Dichter  der  Muse  überläßt,  im  festen  Vertrauen,  daß  sie 
ihm  den  besten  eingeben  wird. 

E.  konjiziert  nun  für  &^6^sv  daöd'sv,  so  daß  die  Stelle 
den  Sinn  erhalte  „von  da  an*';  r&v  beziehe  sich  auf  den  Unter- 
gang der  Gefährten.  Dieser  Eonjektur  kann  ich  nicht  beisümmeo. 
Erstens  halte  ich,  wie  oben  auseinandergesetzt,  die  Überlieferuttg 
für  keiner  Änderung  bedürftig,  da  t&u  äfiod^ev  m.  E.  einen  ganz 
angemessenen  Sinn  ergibt.  Ferner  scheint  es  mir  zweifelhaft,  ob 
äno^Bv  die  von  E.  angenommene  Bedeutung  jemals  gehabt  habe 
und  gehabt  haben  könne.  Nach  den  Wörterbüchern  ist  es  gleich 
&7t(od'Bv  in  der  Bedeutung  „von  ferne,  von  weit  her*.  Auch  erhält 
rav  bei  E.s  Auslegung  eine  sonderbare  Beziehung.  Entweder 
müßte  es  als  Maskulinum  aufgefaßt  werden  =  von  welchen  (d.  fa. 
den  Gefährten)  an  uns  erzähle  I  Oder  es  ist  Neutrum  Piuralis. 
Dann  stünde  es  immer  noch  auffallend  von  einem  einzigen 
Ereignisse.  Richtiger  scheint  es  mir,  t&v  von  allen  Dingen  zn 
verstehen,  die  im  Proömium  genannt  sind.  E.  deutet  schon  selbst 
an,  daß  r&v  ästo^Bv  nicht  ganz  das  leiste,  was  er  wünsche.  Wärt 
nämlich  mit  xAv  äno^Bv  der  Untergang  der  Gefährten  gemeint, 
so  erwartete  man  mit  Bestimmthli^^ift  der  Dichter  mit  der 
Bettung  des  Odyssens  beginnen 
in  a  noch  in  £.     Sc 


Zur  Odystee  «  1—31.  Vod  F,  Stürmer,  879 

eine  zweite  Anrafong  der  Hase  Tiel  weniger  berechtigt  w&re«  weil 
sie  mmötig  and  nichts  als  eine  bloße  Wiederhoinng  der  ersten 
wftre,  wenn  der  Dichter  der  Mnse  selbst  schon  den  Anfangspunkt 
vorschriebe,  als  nach  meiner  Anffassnng,  nach  der  der  Dichter  der 
Muse  die  Wahl  desselben  überläßt. 

Wenden  wir  nns  nun  zn  den  Versen  11—81,  so  mfissen 
wir  uns  zan&chst  wieder  mit  den  Angriffen  Bekkers  beschäftigen. 
Er  tadelt,  daß  in  der  Odjssee  jeder  Übergang  von  dem  Proöminm 
za  der  eigentlichen  Erzählung,  ja  jeder  Anfang  der  Erzählung 
selbst  fehle.  Sie  breche  herTor  mit  einem  „Belativum  ohne  Be* 
lation**.  iv&a  ist  aber  ebenso  gut  Demonstrativum  wie  Belativumf 
im  zeitlichen  Sinne  sogar  nur  Demonstratiyum  (vgl.  Autenrieth, 
Lexikon).  Ameis-Hentze  führt  folgende  Stellen  an:  /3  82,  d  285, 
£  188,  17  251,  d  93,  582,  t  478,  q  508,  E  155,  M  108. 

Wenn  man  versucht  habe,  fährt  B.  fort,  das  iv&a  an  die 
Ankündigung  anzuknüpfen  —  in  der  Tat  mit  Recht,  denn  iv^a 
ist  m.  E.  gleichsam  die  Antwort  der  Muse  auf  das  äfjLÖd'Sv  des 
Dichters  —  so  gehe  es  nicht  an,  weil  die  Ankündigung  nicht 
weiter  reiche  als  bis  in  das  zweite  Jahr  und  so  noch  immer  eine 
weite  Kluft  bleibe  bis  zu  dem  zehnten  Jahre.  Erstens  ist  zu  be- 
merken, daß  der  Zuhörer  diese  weite  Kluft  gar  nicht  merkt,  weil 
er  ja  noch  gar  nicht  weiß ,  wie  lange  Odysseus  umhergeirrt  war 
bis  zum  Untergänge  der  Gefährten.  Zweitens  schließt  sich  iv&a 
ja  gar  nicht  an  V.  9,  sondern  an  V.  10  an,  die  in  T.  13  ff.  ge- 
schilderte Situation  aber,  in  der  sich  der  Held  befand,  schließt 
sich  gerade  an  V.  9  trefflich  an.  Aus  V.  9  geht  hervor,  daß 
Odysseus  selbst  gerettet  wurde,  nachher  V.  13  erfährt  der  Hörer, 
daß  der  Held  bei  Kalypso  weile,  also  nimmt  er  natürlich  an  — 
und  trifft  damit  auch  das  Bichtige  —  daß  der  Held  seit  dem 
Untergange  der  Gefährten  bei  Kalypso  sich  aufhalte.  Zum  letzten 
rücken  wir  mit  V.  11  noch  gar  nicht  bis  ins  zehnte  Jahr,  sondern 
ins  achte,  in  dem  die  Rückkehr  des  Menelaos  erfolgte.  Ins  zehnte 
Jahr  Tersetzt  uns  erst  V.  16  dkk''  ots  dii  hog  f^k&s  naginko" 
lUvav  iviavz&v. 

Ferner  sei,  meint  B.,  das  Anknüpfen  von  Sv^a  an  die  An- 
kündigung dem  Begriff  einer  solchen  zuwider.  Was  die  Göttin 
erst  gebeten  werde  mitzuteilen,  könne  nicht  in  demselben  Augen- 
blicke Yorausgesetzt  werden  und  zugrunde  liegen.  In  der  allgemeinen 
Bemerkung  hat  B.  allerdings  recht,  aber  er  urteilt  zu  scharf  über 
das  iv^a.  Der  ganze  Y.  11  ist  die  Antwort  der  Muse  auf  das 
&H6^£V.  Das  iv^tt  steht  ohne  bestimmte  Beziehung,  wie  es  Cauer 
durch  ein  deutsches  Beispiel  belegt:  Ein  Märchen  bei  Grimm 
fängt  an :  ^Dar  wo»  mal  eena  een  Fischer  und  ayn»  Fru^.  Wenn 
B.  behauptet,  man  könne  ein  paar  Verse  als  ausgefallen  yoraus- 
aetzen,  in  denen  gesagt  war,  daß  seit  der  Zerstörung  Trojas  neun  Jahre 
gewesen,  so  ist  zuzugeben,  daß,  wenn  etwas  Derartiges 
man  daran  keinen  Anstoß  nehmen  könnte.    Aber 


\^^' 


880  Zar  OdjMee  a  1—81.  Von  F,  Stürmer. 

ist  d«nn  der  Dichter  etwa  yerpflicbtat,  ein«  tolebe  hietorisdi- 
chroDologische  Angabe  über  die  Zeit,  zu  der  sein  Gedieht  begioot, 
zu  machen?  Steht  denn  in  dem  Proömiam  der  Dias  angegeben, 
daß  ihr  Inhalt  im  zehnten  Jahre  des  trojanischen  Krieges  spielt? 

B.  meint  nnn,  die  von  ihm  verlangte  Ergftnzong  finde  sich 
später  in  den  V.  16 — 18,  nar  in  der  schlechtesten  Ordnung,  die 
möglich  sei.  Das  ivd'a  V.  11  bezeichne  denselben  Zeitponkt  wie 
iv&a  V.  18,  mache  aber  ein  tolles  Hjsteronproteron.  Meinet  £r- 
aehtens  hat  iv^a  in  V.  18  gar  keine  temporale  Bedentang,  wie 
freilich  Yon  den  meisten  Auslegern  angenommen  wird,  sondern  ich 
fasse  ivd^a  lokal,  auf  das  unmittelbar  Torfaergebende  Ithaka  be- 
zfigllch,  indem  ich  Aristarchs  Auffassung,  daG  der  Satz  ipda-xal 
(isric  ol6t  tplloiöi  eine  Parenthese  sei,  teile.  Aber  selbst  wenn 
iv&a  in  V.  18  temporal  zu  fassen  wäre,  so  kann  es  doch  nidit 
denselben  Zeitpunkt  wie  das  iv^a  im  V.  11  bezeichnen,  da  ja 
der  Satz  il^''  8ts  dif  hog  ^l^s  dazwischen  steht.  Dieser  msfi 
doch  den  Gegensatz  ausdrficken  zu  der  im  ror hergebenden  gesehU- 
derten  Situation.  Das  tolle  Hysteronproteron  entsteht  also  erst 
durch  B.s  Interpretation.  Hätte  er  freilich  mit  seiner  Ansieht  fiber 
iv&a  V.  11  recht,  dann  wäre  in  V.  11  das  zehnte  Jahr  schon 
da,  und  doch  soll  es  erst  V.  16  kommen! 

B.  greift  dann  die  fraglichen  Verse  mit  scharfem,  aber  m.  E. 
vGUig  unbegrflndetem  Tadel  an.  Wer  die  anderen  waren,  seien  wir 
nicht  gebalten  zu  Yerstehen;  weder  der  Zwischensatz  nötige  daza, 
denn  es  sei  bloße  Gutmütigkeit,  wenn  wir  das  allgemeine  ecixig 
öls&gog  auf  den  speziellen  Untergang  yor  Troja  oder  auf  der 
Heimfahrt  bezögen,  noch  der  Gegensatz  tbv  dij  ein  Pronomen 
ohne  Beziehung  auf  ein  Nomen.  In  diesen  Sätzen  hat  der  große 
Gelehrte  gezeigt,  daß  irren  menschlich  ist,  aber  der  Spott,  den  er 
fiber  die  Verse  ausgießt,  ist  eines  ernsten  wissenschaftlichen  Mannes 
nicht  wfirdig  und  yerdient  gebührende  Zurfickweisung.  Der  Dichter 
Terlangt  offenes  Ohr  und  offenen  Sinn,  und  diese  ihm  zu  gewähren 
mag  B.  immerhin  ^Gutmütigkeit^  nennen.  Man  yersetze  sieh  nnr 
einmal  in  die  Situation.  Der  Dichter  hatte  angekündigt,  daß  « 
ein  Lied  yon  dem  ävijQ  xokvtQonog  yortragen  wolle,  dabei  hatte 
er  Trojas  Zerstörung  erwähnt.  Er  hatte  femer  gesagt,  daß  dK 
Held  yiele  Irrfahrten  zu  bestehen  gehabt  habe  eben  nach  der  Zer- 
Störung  Trojas.  Und  da  sollte  es  auch  nur  einem  einzigen  ZnMnr 
dunkel  sein,  wer  unter  den  äkkoi  (liv  xdvxeg,  die  zu  Hanse 
waren,  und  dem  xbv  ds,  der  nicht  zu  Hause  war,  zu  yerstahen 
sei?  —  yorausgesetzt,  daß  die  Hörer  so  „gutmütig^  waren t  seit 
offenem  Sinn  und  offenem  Ohr  zuzuhören,  was  sie  in  den  mslsn 
zehn  Versen  doch  sicherlich  getan  haben  werden.  Daß  tbm  Mvtlm 
Nomen  gebraucht  hätte,  um  yerstanden  zu  werden,  ist  Wttttlt^l 
Daß  damit  ein  Mann  gemeint  sei,  mußte  doch  jeder 
wenn  er  yorher  yon  &XXo^  ndvrsg  Söoi  usw.  gehOrl 
und  yon   welchem  Manne  war  denn   in  den  ganzen 


Zur  Oäjiiee  u  1— 3L  VoB  F,  Stürmer. 


891 


<i06  FTOdmlnms  dk  Bede  als  von  dem  dvi]^  TnulvvQOTiog?  Man 
maß  sageD,  wenn  B,  diese  Veree  tiicbl  versteht,  so  will  er  aie 
nicht  Torsteben«  Das  Pro^mmoi  and  der  ganze  Eingang  der  Odyssee 
fioU  tbeD  nichts  taugen. 

So  gebt  et  mit  dem  Tadel  weiter!  Von  diesen  „allen"  werde 
fast  nichts  mehr  ausgesagt^  als  daCS  die  dem  Untergangs  entgangen 
seieilv  die  dem  Öniergaiige  entgangon  seiend  ö<soi  q)vyoi'  alnvif 
oX^d'^QV^  iöav  ^6X^^6u  tb  ^£fpivy6j:$g  iiÖ^  ^dla06ai'.  Und  wo 
bleibt  oinoi^  Es  ist  ein  merkwürdiger  Zo^all,  dal^  B.  dieses  eins 
Wort,  das  seine  ganze  Auseinandersetzung  widerlegt,  bei  der  An- 
föbrnug  der  beiden  Verse  ansgebssen  batl  Zunächst  m^cbts  ich 
doch  anch  auf  einen,  wenn  anch  yielleiebt  geringfügigen  Unter- 
schied  swischen  q^vyov  itlnvv  ÖIs&qov  nnd  7t6lifi6v  rs  ns^EV' 
yoTig  lidk  ^dka&6uv  hinweisen.  Das  erste  kann  man  doch  fon 
einam  sagen,  der  6hen  einen  furchtbaren  Starm  gidckiich  über- 
et&nden  hat,  sich  aber  noch  auf  dem  Meere  befindet.  Von  diesem 
kann  man  aber  nicht  sagen,  daß  er  nstpivyiag  ^dXatTav  sei. 
Auch  iit  sicherlich  ein  Unterschied  zwischen  dem  Aorist  nnd  dem 
Ferfektnm*  Der  Aorist  drückt  eine  einmalige  glückliebe  Errettnng 
ans,  das  Perfektnm,  daß  jetzt  jede  Gefahr  vorbei  ist.  Ich  meine, 
in  nnaertm  Saize  ist  jedes  Wort  von  gewichtiger  Bedeutung: 
äkkoi.  um'tsgi  nicht  bloß  Ttävtig;  denn  nnter  die  ^dvrsg^  o&at 
^vyov  aiMvv  dA£#()OF,  kannte  ja  ancb  Odyssens  gerechnet  werden: 
ur  saß  Ja  wähl  behalten  bei  Ealjpso;  :tdvt&gi  niebt  bloü  die 
eren,  so  viele  ihrer  entkamen,  aondem  alle  (darnm  steht 
fg  in  der  Hanptzlsnr);  der  Sata  ötfot  rpvyov  darf  nicht 
fehlen f  sonst  mül^te  man  denken,  daß  alle  Helden,  die  nicht  tot 
Troja  gefallen  waren,  glücklich  zu  Hanse  säßen  (vgl  dagegeu  Aias 
den  Lokrer)> 

Wenn  man  nnn,  fährt  B.  fort,  V.  18  erwarte,  daß  es  anders 
werdet  da  werde,  statt  tortznechreiten,  znräckgegangen  zn  dem, 
waa  bereits  breit  genng  dagewesen  sei,  nur  daß  statt  Ttsfpivyozig 
eine  neue  Form  mtpvy^ivog  gewählt  sei*  Daß  ov6*  Bv^a  mq^vy 
fiivog  t}%\  ancb  wei;n  ii/&a  tempora!  gefaßt  wird  —  waa  ich  für 
falsch  halte  —  doch  einen  Fortschritt  bringt  nnd  nicht  etwas,  was 
bereits  dagewesen  ist,  ist  leicht  einsoseben.  Denn  diese  ä&ka  be- 
zieh sn  sich  nach  der  Änslegnog  der  meisten  anf  den  Sturm,  den 
Odjsseni  anf  der  Fahrt  von  Ogygia  nach  Scheria  dnrchinmscben 
hat.  Man  entgeht  aber  dieser  Termeintlicben  Wiederbolnng  am  ein* 
fachsten,  wenn  man  Aristarchs  Konstruktion  annimmt  nnd  den 
Nachsatz  zn  dkl*  öz§  in  d^&ol  d*  ikiaiQOP  findet 

Den  Tadel  B.s,  daß  es  nnbestimmt  gelassen  sei,  zu  welcben 
Atbiopen  Poseidon  gegangen  sei,  hat  mit  Becht  Lehrs  a.  0.  S,  424 
widerlegt 

An  der  Bede  des  Zeni  tadelt  B,,  daß  er  nieht  fon  Odyssens 
an  fange,  sondern  von  Agisth,  an  dessen  bereits  neun  Jahre  vorher 
terabten  nnd  seit  wenigstens  zwei  Jahren  beatralteD  Untat  er  etnt 

ZtlUühtlrt  f.  d.  «rIeiT.  6711111.  IflOS.  1.  Hslt.  50 


«r   aa 
kMder 


88^  Zar  OdTSSM  o  1-81.  Voa  F.  SHirmer, 

Beiracbtimg  ankxiflpfe,  fflr  die  er  leicht  tanaend  asdere  Anloiäptanga- 
ponkte  h&tte  findea  kOnnen,  und  aicb  in  dem  Andenken  an  die  bia 
znr  ALbernbeit  phlegmaiiaebe  Inier?entiea  ergfebe,  wodurch  er  aiehl 
etwa  das  Verbrechen  yerbiDdert,  wohl  aber  die  Bache  achwer  ind 
gefftbrlicb  gemacht  habe.  Hiergegen  ist  zn  bemerken,  daß  man 
einem  Dichter  wohl  daa  Becht  znerkesnen  maß,  sich  Toa  den 
tanaend  Anknüpfungspunkten  den  auszuwählen»  der  ihm  zusagt 
Meinea  Erachtens  ließ  sich  kein  paasenderer  finden  ala  daa  SoUehsal 
des  Atridenbausea;  denn  es  hatte  gewisse  Ähnlichkeit  mit  dem 
Schicksal  des  Odysseus  und  seines  Hauses  und  stand  doch  aieb 
wieder  in  starkem  Kontrast  dazu:  In  der  Abwesenheit  das  Gatten 
wird  die  Gattin  umworben,  Elyt&mnestra  Ton  Ägisth,  Peaelope  Ton 
den  Freiern,  zugleich  zeigt  sich  der  Kontrast  zwischen  der  untreuen 
Klyt&mnestra  und  der  treuen  Penelope.  Eine  weitere  Ähnlichkeit: 
Beide  Helden  haben  einen  heranwadiaenden  Sohn»  Oreatea  rieht 
den  Tod  des  Vaters,  Telemach  soll  gegen  die  Freier  auftreten.  Ja» 
vielleicht  kenn  man  die  Parallele  noch  weiterziehen  im  Gedanken: 
Ägisth  tötet  Agan^emnon,  die  Freier  hätten  den  Odyaaena  wehl 
auch  getötet,  wenn  er  allen  erkennbar  zurückgekehrt  wftre;  daß 
sie  vor  Mordtaten  nicht  zurückschrecken,  zeigt  ihr  Hinterhalt  gegen 
Telemach*.  —  Daß  die  Tat  des  Ägisth  Tor  neun,  die  Baehe  Tor 
zwei  Jahren  geschehen,  ist  doch  kein  Grund,  daß  sieh  Zeua  daran 
nicht  sollte  erinnern  dürfen.  Eine  derartige  Behauptung  wäre  m.  B. 
albern.  Erinnert  sich  doch  ein  Mensch  oft  plötzlich  an  Ereignisse, 
die  viele  Jahre  zurückliegen.  Es  iet  eben  klar,  daß  B.  die  Gßtter- 
Versammlung  unrichtig  aufgefaßt,  wie  aehon  der  Auadruck  „Ver- 
handlung*' zeigt.  Die  Götterversammlung  ist  nicht  etwn  Ton  Zens 
berufen  mit  der  Absicht,  über  die  Büokkehr  des  Odysaeua  zu  be* 
raten  —  in  diesem  Falle  w&ren  B.s  Ausstellungen  berechtigt  — , 
soQdem  wie  alle  Tage,  so  waren  auch  damala  alle  Götter  bei  Zeus 
veraammelt  uQd  unterhielten  aicb»  So  faßt  auch  Lahrs  die  SitnatioB 
richtig  auf« 

Die  Bemerkung  B.s  von  „der  bia  zur  Albernheit  phlegmati- 
schen Intervention  des  Zeus*  iat  ungerecht.  Ist  denn  daa  Verhallen 
Jehovas  zu  Kein  vor  der  Ermordung  Abele  andere?  Ich  sehe  darin 
gerade  einen  vortrefflichen  Zug  der  homerischen  Dichtung,  daß 
dem  Menschen  selbst  der  Warnung  der  Gottheil  gegentkber  die 
Willensfreiheit  bleibt  auch  zum  Bösen.  Und  wie  soll  denn  dtnb 
die  Warnung  die  Bache  schwerer  und  geffthrlicher  geworden  seini 
Mußte  nicht  Ägisth  so  wie  so  auf  eine  Bache  aeitena  dea  Sobnea 
des  Ermordeten  gefaßt  sein?  Aber  schlimmer  wird  seine  Tat  und 
um  so  größer  der  Gegensatz  gegen  OdyssMU. 

Über  daa  Proömium  und  die  darauf  fnlgendea  Veree  bia  V.  21 
spricht  auch  Heimreich,  Programm  von  Flensburg  1865. 

Aach  H.  ist  dei;  weitverbreiteten  Meinung,  in  jedem  Preömium 
mfiaae  angegeben  werden  „quae  tusin^  taU  earmim*f  und  vea 
welchem   Punkte   die    Erzßblnng   anfangen    werde.    Der   Diehtsr 


Zor  Odyuee  a  1—31.  Yen  F.  Stürmer.  883 

QDBM'es  ProOmiams  habe  versprochen,  zq  erz&hlen»  wie  Odyssene 
auf  dem  Meere  umhergeirrt  and  wie  die  Qeffthrten  des  Odysseas 
elend  umgekommen  waren,  nachdem  sie  die  Binder  des  Helios  ver- 
zehrt. Das  sei  nun  nicht,  wie  H.  sagt,  die  summa  rerum  in 
Odyssea  narraiarum.  Er  meint  also,  es  fehle  etwas  vor  V.  10. 
Nachdem  der  Dichter  versprochen  habe,  er  werde  erzählen,  was 
Odyssens  erduldet  habe  igvvfuvos  nsw.,  erwarte  man^  daß  er 
nach  Y.  6 — 9  zn  Odysseas  zurückkehre.  Was  soll  denn  nun  aber 
nach  Y.  9  und  vor  Y.  10  fehlen?  H.  meint  wohl,  daß  angegeben 
sein  mußte,  wie  Odyssens  aus  dem  Sturm,  in  dem  die  Qef&hrten 
umkamen,  auf  die  Insel  der  Ealypso  sich  rettete.  Hiergegen  w&re 
zu  bemerken:  Daß  er  selbst  gerettet  wurde,  geht  schon  aus  dem 
Gegensatz  zu  seinen  Qefährten  hervor.  Wohin  er  gerettet  wurde, 
soll  der  Hörer  gleich  erfahren,  indem  ihm  mit  Y.  13  f.  die  Situation 
geschildert  werden  sollte,  in  der  sich  der  Held  bei  Beginn  des 
Gedichts  befand. 

H.  stellt  nun  Y.  16—18  hinter  Y.  9  und  läßt  dann,  nach- 
dem er  Y.  10  als  vielleicht  später  eingeschoben  verworfen  hat, 
Y.  11 — 13  folgen.  Abgesehen  von  der  doch  ziemlich  gewaltsamen 
Änderung  des  Textes  durch  diese  Umstellung  der  Yerse  —  die 
beiden  Halbverse  xal  [Utä  ötVt  (plXoi6i  und  ^sol  S^  iXiaiQOV 
uTcavTsg  machen  ihm  viel  Schwierigkeiten  —  was  kommt  durch 
diese  Umstellung  für  eine  Konstruktion  heraus  I  Sie  ist  m.  E.  viel 
anstoßiger  als  die  in  dem  überlieferten  Text  von  Y.  16 — 18.  Wir 
erbalten  dann  zwei  iv&a  in  zwei  aufeinander  folgenden  Yersen» 
Es  entsteht  auch  eine  zeitliche  Kluft  von  sieben  Jahren  zwischen 
dem  Untergange  der  Gefährten  und  dem  Jahre  der  Bückkehr^ 
während  jetzt  das  ProOmium  durch  Y.  10  abgeschlossen  wird, 
dann  von  dem  Aufenthalt  des  Odyssens  bei  der  Kalypso  gesprochen 
wird,  welcher  die  Zeit  zwischen  Y.  9  und  16  ausfüllte  und  schließ- 
lich durch  Y.  16  der  Zeitpunkt  angegeben  wird,  mit  welchem  die 
Handlung  des  Gedichts  beginnt.  Die  Schwierigkeiten,  die  nach 
den  Ansichten  der  meisten  Kritiker  in  den  Yersen  16 — 19  ent- 
halten sind,  sucht  H.  dadurch  zu  beseitigen,  daß  er  sie  hinter 
Y.  9  stellt  und  als  zum  ProOmium  gehörig  ansieht  unter  folgender 
Begründung,  das  iv&a  in  Y.  11  beziehe  sich  auf  den  Augenblick^ 
in  welchem  Zeus  Y.  31  zu  sprechen  beginnt,  auch  das  iv&a  Y.  18 
beziehe  sich  auf  das  zehnte  Jahr  nach  der  Zerstörung  Trojas; 
zwischen  beiden  iv&a  sei  nun  eingeschoben  ix?JJ  ot^  dli  iios 
^XJ^e  usw.,  was  dem  gesunden  MenscheDTerfitande  widerspreche* 
Die  Worte  ließen  sich  nur  entscbnldigea,  wenn  sie  vor  V.  U  ge- 
lesen würden.  Die  folgenden  Worte  ^$ol  d'  ikiuiQOP  beachl 
das  Yorausgehende  gar  nicht  and  bez^ögec  sich  fielisilii 
V.  13—15.  Denn  das  Mitleid  der  Götter  entsteht  f*^  ^'" 
Zeit,  wo  Odyssens  sich  schon  aof  der  Eückkehr  befif^ 
auf  dem  hohen  Meere  hemmgeworfeD  werde,  eonder^  i 
erregt,,  daß  er  auf   der  Insel  Kalypso  zartckgeLal 


LckgeLaltea 


884  Zar  Odyssee  a  1—Sl.  Von  F,  Stürmer, 

dieser  AnseioandersetzuDg  Heimricbs,  die,  an  sich  betrachtet,  TöUig' 
richtig  iet,  geht  m.  E.  hervor,  daß  die  von  ihm  angenommene 
Interpretation  nnd  Eonstraktion  der  Verse  16 — 18  verkehrt  und 
Aristarchs  Anslegnng  die  richtige  ist,  anch  wenn  es  H.  ffir  ftber- 
flüssig  hält,  weitlftnfiger  auseinander  zn  setzen,  daß  Aristarchs 
Eonjektar  aller  Wahrscheinlichkeit  entbehre  nnd  die  Schwierigkeiten 
nicht  beseitige.  „Was  k&me*',  fragt  H.,  „fCLr  ein  Satz  berans: 
St6  ol  iicBxXfhftavxo  &boC,  r&te  iliaiQov?*^  Dieser  Satz  zeigt 
die  Genauigkeit  der  Interpretation  H.s.  Der  angeführte  Satz  ist 
natürlich  absurd;  aber  so  steht  er  auch  gar  nicht  da,  sondern  — 
lassen  wir  einmal  der  Übersichtlichkeit  wegen  die  Parenthese  bei 
Seite  —  8t €  tö  Izog  ^l^B,  tc5  ol  iTtexXdb^avro  d-sol  oIxMb 
vistJQrai  slg  'Id'dxriv,  törs  d^eol  ikiaiQov.  Dieser  Satz  ist  so 
klar,  daß  ihn  jeder  verstehen  muß,  und  wo  da  noch  Schwierig- 
keiten sein  sollen,  sehe  ich  nicht.  Aber  was  macht  H.  dann  mit 
dem  übrigbleibenden  Halbverse  xal  lutic  ol6i  (pilot6t7  Er  weiß 
damit  nichts  anzufangen,  deshalb  muß  er  fort!  Wie  wird  nun 
aber  der  andere  Halbvers  untergebracht,  der  doch  nicht  fehlen 
kann?  Doch  H.  weiß  Bat  zu  schaffen,  es  muß  Platz  gemacht 
werden  für  den  Halbvers.  Y.  14 — 15  seien  =  29  und  30  und 
dort  passender  verwendet;  denn  a  14  vv^tprj  nötvia  und  Kcdvtifo 
dta  d'sdcDv  brftchten,  nebeneinander  gestellt,  molestam  verhorum 
copiam  hervor.  Vielleicht  sei  auch  aus  48  ff.  zu  schließen,  daß 
der  Dichter  in  dem  Vorhergehenden  den  Namen  und  die  Absichten 
der  Ealypso  noch  nicht  vorgebracht  habe.  Dann  sei  es  wahrschein- 
lich, daß  die  Verse  einst  so  verbunden  gewesen  seien:  vvy,fp^ 
n&tvC  Sqvxb"  ^Bol  d'  ikiatgov. 

Mir  scheint  das  Qegenteil  richtig:  W&re  der  Name  der 
Ealypso  vorher  nicht  erwähnt  gewesen,  so  h&tte  der  Dichter  in 
V.  48  ff.  doch  sicherlich  die  Oelegenheit,  ihn  zu  nennen,  nicht 
unbenutzt  lassen  dürfen  an  der  Stelle,  wo  er  ihren  Vater  nennt, 
zumal  er  an  einer  späteren  Stelle,  wo  Odyseeus  selbst  von  Ealypso 
erzählt  17  245,  den  Vers  hat  spd'a  fiiv  **Azlavxoq  %i)ydtrig  80- 
XÖBööa  KaXvtlfC3  valBL  BiTcXöxafiog  ÖBivii  ^BÖg.  Außerdem  ist 
es  doch  ganz  natürlich,  daß  der  Name  einer  Person  da  genannt 
wird,  wo  sie  zuerst  erwähnt  wird.  Daß  ihre  Absichten  ebenfalls 
sogleich  erwähnt  werden  mußten,  scheint  mir  einleuchtend;  denn 
der  Hörer  hätte  sich  doch  sonst  gewundert,  weshalb  die  hehre 
Nymphe  Odysseus  zurückgehalten  habe.  Ist  denn  dieser  Grund  ein 
60  durchaus  selbstverständlicher,  daß  der  Hürer  ihn  mit  Notweo* 
digkeit  ergänzen  mußte?  Was  nun  die  „molesta  verbarum  eopia'' 
angeht,  so  glaube  ich,  daß  sie  auf  folgende,  durchaus  natürliche 
Weise  entstanden  ist.  Neunmal  findet  sich  im  Buch  s  der  Vers> 
ausgang  Kalvtl^äi  dta  ^BdoDV.  Vielleicht  war  dieser  Versansgang 
schon  vor  Homer  in  den  etwa  schon  vorhandenen  Einzelliedem 
üblich,  jedenfalls  war  dla  ^Bd(ov  ein  stehendes  Beiwort  der  Ealypso. 
Hatte  nun  der  Dichter  den   V.  18   gedichtet    und    es   sollte  am 


Zar  OdjTMee  «  1^31.  Von  F,  Stürmer.  885 

Schinase  des  nächsten  Verses  der  Name  der  Göttin  mit  ihrem 
Epitheton  folgen,  so  blieb  ihm  noch  die  erste  Hälfte  des  Verses 
übrig,  er  setzte  zunächst  yor  dem  Nameo  das  Prädiiiat  des  Satzes 
igvxsi  den  übrig  bleibenden  Banm  anszüfüllen,  bot  «ich  ihm  als 
Anfang  des  Verses  die  BeneDnang  der  QOttin  pviKpn}^  Tgl.  £  14, 
80 ;  nnd  was  paßte  nun  in  die  noch  ?orhandene  Lücke  besser  als 
ein  Epitheton  zu  vvii(pri  wie  «özvia,  wie  sowohl  Ealypso  als  anch 
Kirke  geoannt  wird?  Wenn  H.  also  die  Hänfnog  der  Worte  lästig 
war,  so  hätte  er  zeigen  sollen,  wie  der  Dichter,  wenn  er  einmal 
den  Namen  der  Ealypso  mit  ihrem  Epitheton  nennen  wollte,  einen 
anderen  besseren  Vers  hätte  herstellen  sollen. 

Anch  Düntzer  hat  an  den  Versen  11 — 81  mancherlei  aus- 
zusetzen (Döntzer,  Aristarch,  p.  XII  ff.). 

Zunächst  wundert  er  sich  darüber,  daß  der  mit  iv9-a  V.  11 
eingeführte  Zeitpunkt  nicht  der  Anfangspunkt  der  Handlung  sei, 
sondern  daß  wir  V.  16  ff.  noch  einige  Jahre  welter  geführt  würden. 
Das  kOnne  unmöglich  von  dem  ursprQnglichen  Dichter  herrühren. 
Das  iv^a  in  V.  11  leitet  ja  aber  überhaupt  keine  Handlung 
ein,  sondern  eine  Situation,  die  bereits  mehrere  Jahre  dauerte 
nnd  Ton  dem  mit  iv^a  bezeichneten  Zeitpunkte,  dem  achten  Jahre 
nach  Trojas  Zerstörung,  an  noch  das  neunte  Jahr  hindurch  be» 
stehen  blieb,  so  D.s  Ausdruck  „wir  werden  eist  einige  Jahre 
vorwärts  geführt"  zum  mindesten  unklar  ist  und  leicht  zu  unrich- 
tigen Vorstellungen  verfährt.  Ich  finde  es  im  Qegenteil  sehr 
angemessen  und  des  „ursprünglichen"  Dichters  durchaus  würdig, 
daß  er  dem  eigentlichen  Beginn  der  Handlung  eine  Situations- 
schildemng  vorausschickte  *und  durch  den  Satz  äXX  ots  dii  itog 
fjAd-f  zu  erkennen  gab,  daß  die  Situation  über  den  mit  iv^a  V.  11 
angegebenen  Zeitpunkt  hinausdauerte.  Fehlte  der  Satz  diX  ot$ 
Sil  usw.  und  ließe  man  mit  D.  auf  iv  eniöfSi  yXaqwQolöf,  gleich 
die  Worte  &sol  S^  iliaigov  folgen,  so  erführe  man  ja  gar  nicht, 
daß  zwischen  der  Bückkehr  der  übrigen  Helden  und  dem  Beginn 
der  Handlung  noch  einige  Zeit  vergangen  war,  und  man  würde 
sich  femer  wundern,  weshalb  die  QOtter  nicht  schon  früher  mit 
dem  edlen  Dulder  Mitleid  hatten  nnd  ihn  heimsandten. 

Seltsam  sei  ferner,  fährt  D.  fort,  die  Verbindung  „als  das 
Jahr  kam,  worin  die  GOtter  ihm  die  Heimkehr  bestimmt  hatten, 
da  erbarmten  sich  die  QOtter".  Die  QOtter  hätten  sich  nicht  zu 
erbarmen  brauchen,  da  sie  ja  hätten  wissen  müssen,  daß  sie  selbst 
in  diesem  Jahre  dem  Odysseus  die  Heimkehr  bestimmt  hatten.  Von 
diesem  Beschluß  wüßten  aber  im  folgenden  weder  Zeus  noch  Athene 
noch  unten  e  282  ff.  Poseidon.  Es  ist  aber  m.  E.  kein  Wider- 
spruch vorhanden  zwischen  ixsxkdufavvo  und  ikicciQÖv  und  das 
iXiatfOv  ist  nicht  etwa  überflüssig,  wie  D.  zu  meinen  scheint. 
Wenn  sie  kein  Mitleid  mit  Odysseus  gehabt  hätten,  so  hätten  sie 
ja  einen  neuen  Beschluß  fassen  kOnnen,  daß  Odysseus  noch  länger 
von  seiner  Heimat  fernbleiben  solle,   gerade  so  gut,   wie  sie  den 


866  Zur  Odjssee  u  1—31.  Von  F.  Stürmer. 

Arüberen  Bescblnß  darch  den  neuen  etwas  modifizierien.  Jedenfalls 
war  es  nicht  nOtig,  daß  Odyssens  gleich  beim  Beginn  des  Jahres 
zurückkehrte  nnd  ohne  tfttiges  Eingreifen  der  Götter  wäre  er  ja 
anch  wirklich  trotz  des  früheren  Beschlnsses  von  der  Kalypso  nicht 
entiaseen  worden.  Übrigens  erwähnt  der  Dichter  hier  in  dem 
inexlAffavto  nur  die  Hauptsache  des  Beschlusses,  nftmüch  die 
Bückkehr;  eine  Nebenbestimmuog  übergeht  er,  daß  Poseidon  die 
Möglichkeit  haben  solle,  den  Heimkehrenden  weiter  zu  rerfolgen; 
auf  diese  Nebenbestimmnng  aber  bezieht  sich  gerade  das  iUaiQov, 
Die  Götter  wünschten  n&mlidi,  ihn  ohne  neue  Mühsal  heimkehren 
zu  lassen,  was  auch  beinahe  gelungen  w&re,  wenn  nicht  Poseidon 
zufällig  den  Odyssens  noch  auf  dem  Meere  getroffen  fa&tte.  Auch 
daß  Zeus,  Athene  und  Poseidon  nichts  ron  einem  früheren  Oötter- 
beschlusse  wüßten,  ist  unrichtig.  Wozu  hatten  Athene  und  Zeus 
es  nötig,  den  früheren  Beschluß  zu  erw&hnen?  Athene  tat  es  nicht 
wegen  der  bedenklichen  Klausel.  Aber  h&tte  Zeus  nicht  Tlelleicht 
sagen  können :  „Dvl  hast  recht,  wir  haben  ja  beschlossen,  Odyssens 
im  20.  Jahre  zurückkehren  zu  lassen"?  Ja,  aber  dann  hfttte  er 
hinzufügen  müssen:  1.  Das  20.  Jahr  ist  ja  noch  nicht  um;  2.  da 
▼ergißt,  mein  Kind,  daß  wir  dem  Poseidon  erlaubt  haben,  Odyssens 
auf  dem  Heimwege  zu  Terfolgen.  Er  wollte  sich  aber  nicht  in 
offenem  Gegensatz  zu  seiner  Tochter  setzen,  weil  er  deren  berech- 
tigten Vorwurf  ohnehin  schwer  genug  empfand.  Äthanes  Aufgabe 
war  es  m.  E.  im  Gegenteil,  den  früheren  Beschluß  zu  ignorieren 
und  durch  einen  dem  Odyssens  günstigeren  zu  ersetzen.  Und  Zeus 
erw&hnte  den  Beschluß  zwar  nicht  mit  Worten,  aber  er  spielt  dodi 
ganz  deutlich  auf  die  Klausel  an,  wenn  er  Y.  77  sagt:  ilotfci- 
ddov  dh  fiB&i^&SL  5v  xökov.  Was  drittens  Poseidon  angeht,  so 
irrt  D.  sich  vollkommen.  Poseidon  kennt  einen  Beschluß  dejr  Götter, 
wenn  er  s  286  sagt:  (tsrsßövlex^ccv  äXlaS'  1>m^  Änderaig 
des  Beschlusses  bezieht  sich  aber  nicht,  wenn  ich  so  sagen  darf, 
auf  den  Hauptartikel,  sondern  auf  die  Klausel,  daß  er  ihn  ?er- 
folgen  dürfe.  Die  -Götter  hatten  Odyssens  wfthrend  seiner  Abwesen- 
heit entlassen  und  dieser  war  schon  in  der  Nähe  des  Phftaken- 
landes,  also  wollten  sie  ihn  offenbar  ohne  neue  Drangsale 
heimkehren  lassen.  Daß  aber  Poseidon  von  einer  Heimkehr  des 
Odyssens  in  einem  bestimmten  Jahre  etwas  wußte,  beweist  v  131 
— 188  inel  ab  KQävov  iniaieo  xal  xarivsvifag.  Das  kann  sidi 
nicht  etwa  auf  den  in  unserem  Gedichte  vorgeführten  Beschluß 
bezieben,  von  dem  Poseidon  ja  nichts  wußte,  sondern  nur  auf 
einen  in  Gegenwart  des  Poseidon  gefaßten  Beschluß  (vgl.  übrigens 
auch  8  206). 

D.  streicht  also  die  vier  Verse  von  Xtlmoiiivri  V.  15  bis 
iplloKSi  V.  19.  Der  Dichter  habe  so  rasch  wie  möglich  an  den 
Anfangspunkt  der  Handlung  kommen  wollen  und  übergehe  alles, 
was  nicht  zu  diesem  Zwecke  diene.  Fehlen  aber  die  V.  15—19, 
so    wundert    man    sich    über  die  Hartherzigkeit  der  Götter   oder 


Zar  Odjffesee  a  1—81.  Von  F.  8tf&mer.  887 

wenigsteDB  AtheneDS,  der  Frenndm  des  Odyseens.  Sieben  Jabre 
yerweilte  nun  OdysseaR  bereits  bei  Ealypso.  Sollte  sich  da  das 
Mitleid  der  GOtter  nicht  eher  geregt  haben? 

Wenn  D.  gegen  V.  15  einwendet,  ytöfftg  bezeichne  bei  Bomer 
inner  den  rechtmäßigen  Gemahl  nnd  die  SleUMi,  wo  ktXatofiivri 
nioiv  tlvai  sonst  noch  vorkomme,  l  29 — 88.  ^  884  seien  Inter- 
polationen, so  ist  das  unrichtig.  Was  sollen  denn  al)eT  nach  D.s 
Ansicht  die  Stellen  s  119  f.  nnd  129  anderes  bedenten,  ah  daß 
sie  ihn  zn  ihrem  rechtmäßigen  Gemahl  machen  wollte?  Wenn 
ri  256  Odyssens  nichts  davon  sagt,  so  finde  ich  das  vortrefflich. 
D.  tadelt  den  Dichter  nnd  den  Helden  wohl  gar  noch  wegen  seiner 
keuschen  Verschwiegenheft,  und  btsnchen  wir  noch  lange  zn 
sitehen?  Der  Dichter  ffihrt  nns  ja  Ealypso  als  Xilaiop.ivij  xöciv 
shmi  selbst  vor !  Vgl.  b  208.  Die  Bemerkung  D.s,  itAtfig  bedeute 
nur  den  rechtmäßigen  Gemahl,  ist  ganz  tingeeignet  als  Waffe 
gegen  V.  15.  Ealypso  wollte  ja  eben  Odyssens  zu  ihrem  recht- 
mäßigen Gemahl  machen;  dazu  war  es  nOtig,  daß  er  unsterblich 
wurde.  Bis  jetzt  war  er  ihr  Geliebter  —  wenn  man  diesen  modernen 
Ausdruck  auf  homerische  Verb&Itnisse  tibertragen  darf  — ;  sobald 
er  einwilligte,  für  immer  bei  ihr  zu  bleiben,  machte  sie  ihn  nn- 
glerblicb,  und  er  wurde  ihr  redilmäßiger  Gemahl. 

Als  Grund  der  Interpolation  gibt  D.  an,  eine  Rhapsode  habe 
sehr  nnni^tig  daran  erinnern  wollen,  daß  Ealypso  den  Odyssens 
viele  Jahre  zurttckhielt.  Es  müßte  aber  m.  E.  ein  sehr  einfältiger 
Bhapsode  gewesen  sein,  der  diese  von  D.  ihm  untergeschobene 
Absicht  durch  dieses  Mittel  erreichen  zu  köntien  geglaubt  hätte. 
Ist  denn  durch  den  Wunsch  der  Ealypso,  daß  Odyssens  ihr  Gälte 
werden  m<)chte,  bewiesen,  daß  er  schon  viele  Jahre  bei  ihr  ge- 
wesen? Meint  D.  etwa,  daß  sich  der  Wunsch,  den  Odyssens  cum 
Gatten  zu  haben,  erst  später  nach  Jahren  bei  ihr  eingestellt  habe 
nnd  nicht  vielmehr  gleich  nach  seiner  Ankunft? 

Gegen  V.  21  behauptet  D.,  daß  der  Dichter  erst  die  Be- 
schützerin des  Helden  dessen  Namen  V.  48  habe  aussprechen 
lassen.  Ferner  sei  es  ein  durchaus  unnötiger  Zusatz,  daß  der  Zorn 
des  Poseidon  nur  so  lange  dauere,  bis  Odysseue  nach  Hause 
zurückgekehrt  sei ;  zu  fisviaivsv  bedürfe  es  gar  keiner  Bezeichnung 
der  Person.  Was  D.  über  ^svimvsv  sagt,  ist  zuzugeben.  Den 
Satz  wdq^  usw.  aber  fasse  ich  anders  auf  als  D.  Ich  sehe  darin 
kein  „nur  so  lange**,  sondern  „nicht  eher  als**.  Ob  er  dtton 
aufborte,  als  Odyssens  heimgekehrt  war,  darüber  ist  gar  nichts  in 
unserer  Steile  gesagt.  Übrigens  ist  nach  X  180  eine  VefnGhuung 
des  Poseidon  in  Aussicht  gestellt  (La  Boche).  Was  nun  D.s  Be- 
hanptVBg  angeht,  der  Dichter  habe  absiditlich  erst  die  Beschützerin 
dea  Helden  dessen  Namen  aussprechen  lassen,  se  bin  ich  darüber 
folgender  Ansicht.  Wäre  der  V.  21  nicht  überliefisrt,  eo  wäre  man 
nicht  gezwungen,  ihn  zu  ergänzen,  damit  der  Name  des  Helden 
verber  genannt  vräre,   aber  es  liegt  doch  kein  Grand  znm  Tad)»l 


888  Zur  OdTuee  a  1—81.  Von  F.  Stürmer. 

vor,  daß  der  Dichter  den  Helden,  dessen  Name  ja  allen  bekannt 
war,  nnn  ancb  selbst  mit  Namen  nennt.  Die  Absicht,  den  Namen 
zn  Terschweig^en  nnd  erst  im  Oespr&cb  zn  nennen,  halte  ich  für 
zn  reflektiert  nnd  träne  sie  unserem  naiven  Dichter  nicht  zn. 

Wenn  D.  sagt,  das  Schicksal  habe  die  Rückkehr  des  Odyssens 
bestimmt,  aber  der  bisher  dnrch  den  Zorn  des  Poseidon  rerschobene 
Zeitpunkt  der  Entlassung  h&nge  von  den  QOttern  ab,  so  glaube 
ich,  daß  er  die  Lage  des  Odyssens  nicht  richtig  auffaßt.  Ein  Be- 
schluß der  Götter,  daß  Odyssens  im  20.  Jahre  zurnckkebren 
solle,  muß  stattgefunden  haben.  Das  beweist  zun&chst  der  Aus- 
druck luzsßovksvaav  8  286,  dann  die  Prophezeiung  des  Hali- 
tberses;  denn  wie  könnte  dieser  vor  der  Fahrt  nach  Troja  dem 
Odyssens  die  Zeit  der  Bückkehr  vorausgesagt  haben,  wenn  von 
den  Qöttem  nicht  dieses  20.  Jahr  als  Zeit  der  Bückkehr  in  Aus- 
sicht genommen  worden  wäre? 

D.  verwirft  ebenso  wie  Bekker  die  Verse  23  f.,  ohne  neue 
Gründe  vorzubringen.  Ebensowenig,  meint  D.,  konnten  die  Verse 
29 — 81  dem  Dichter  gehören,  da  sie  den  Obergang  zur  GOtter- 
versammlung  in  nichtssagender  Weise  aufhielten.  Wenn  sieh  D. 
dabei  auf  das  auffallende  Beiwort  des  Ägisth  ifkii^uxtp  beruft,  so 
folge  ich  vielmehr  in  der  Auslegung  dieses  Wortes  La  Boche,  nach 
dem  es  sich  nicht  auf  den  Charakter,  sondern  nur  auf  die  edle 
Abkunft  bezieht.  D.  sagt,  Zeus  führe  das  Schicksal  des  Agisth 
nur  als  Beleg  für  seinen  allgemeinen  Satz  an;  dagegen  ist  zu 
bemerken,  daß  im  Leben  gewöhnlich  das  umgekehrte  der  Fall  ist. 
Man  wird  dnrch  einen  speziellen  Fall,  ein  eigenes  Erlebnis  oder 
ein  Ereignis»  von  dem  man  hOrt  oder  dessen  man  sich  erinnert, 
veranlaßt,  einen  allgemeinen  Satz  auszusprechen.  Das  ist  nuo 
offenbar  auch  die  Ansicht  des  Dichters:  Zeus  erinnerte  sich  an 
das  Schicksal  des  Ägistb,  dabei  fiel  ihm  der  allgemeine  Satz  ein, 
daß  die  Menschen  leiden,  was  sie  verdienen,  und  daß  somit  die 
Beschuldigungen,  die  sie  gegen  die  GOtter  erbeben,  ungerecht  sind. 
Dies  ist  die  Folge  der  Gedanken  im  Kopfe  des  Zeus;  bei  den 
Worten  gebrauchte  er,  wie  es  auch  meistens  zu  geschehen  pflegt, 
die  umgekehrte  Beihenfolge:  Zuerst  kommt  der  allgemeine  Satz, 
dann  dae  Beispiel. 

Ferner  meint  D.,  die  Verse  seien  an  einer  anderen  Stelle 
d  187 — 189  ursprünglich,  wo  alle  einzelnen  Ausdrücke  ganz  paßten, 
besonders  auch  iivqöato  und  ixifivtiö^eCg ,  die  von  wirklicher 
Bückerinnerung  ständen.  Wenn  wir  nun  die  beiden  Stellen  a  29 
bis  81  und  d  187 — 189  miteinander  vergleichen,  so  mag  ja  zu- 
gegeben werden,  daß  die  Stelle  in  d  etwas  angemessener  ist  als 
in  a.  Aber  der  Vorzug  besteht  nicht  sowohl  in  dem  angemesseoereD 
Gebranch  von  dfivficav  —  denn  in  der  von  La  Boche  nach- 
gewiesenen Bedeutung  ist  das  Wort  an  beiden  Stellen  gleich 
angemessen,  als  vielmehr  in  dem  Fehlen  der  Einleitungsworte: 
toUn  di  fiv&cyv  fiQX^v,  das  sich  aus  der  anders  gearteten  Situation 


Zar  Odyssee  u  1—31.  Von  F.  Stürmer.  889 

erkl&rt.  Was  D.b  Bemerkang  über  ^vi^oato  nnd  hcifivi^öd'slg  be- 
zwecken soll,  ist  mir  nnklar.  „Wirkliche  Bückerinnernng"  ist  doch 
in  a  ebenso  vorbanden  wie  in  d.  Eher  könnte  man  in  d  das 
ILvr^öaxo  anfechten,  da  Pisistratns  seinen  Brnder  gar  nicht  gekannt 
hatte.  Was  nnn  die  Einschiebnng  der  Verse  29 — 81  zwischen  die 
Formel  Toi6L  ds  [iv&oiv  i^Qxs  and  die  Bede  angeht,  so  halte  ich 
diese  für  entschnldbar,  weil  sie  sich  als  nnamg&nglich  notwendig 
heransstellty  wenn  der  Dichter  seine  Absichten  erreichen  wollte. 
Überlegen  wir  den  Fortschritt  der  Darstellung!  V.  27  wird  an- 
gegeben, daß  alle  GOtter  —  außer  Poseidon  —  im  Palaste  des 
Zeas  versammelt  waren.  Wie  sollte  der  Dichter  nun  fortfahren? 
Als  Hauptgedanke  dr&ngte  sich  ihm  auf,  daß  Zeas  das  Gespr&ch 
eröffnen  müsse,  wie  es  in  der  Ilias  am  Anfange  des  vierten  nnd 
achten  Baches  nnd  XXII  167  geschieht.  An  der  letzten  Stelle  steht 
unser  Vers,  dessen  beide  H&lften  übrigens  durchaus  formelhaft 
sind.  Nun  hätte  der  Dichter  auf  den  Formelvers  28  nach  seiner 
sonstigen  Qewohnheit  gleich  die  Rede  folgen  lassen  können,  mit 
dem  Satz  änÜTtoi  usw.  beginnend.  Dann  hätte  aber,  meine  ich, 
der  Hörer  verwundert  gefragt,  wie  kommt  denn  Zeus  zu  diesem 
Satze?  Die  ersten  drei  Verse  der  Bede  des  Zeus  wären  ihm  zwar 
in  ihrem  Wortlaut  und  Qedankeninhalt  verständlich  gewesen,  aber 
er  hätte  nicht  eingesehen,  weshalb  Zeus  sie  gerade  jetzt  ausspreche 
und  worauf  er  damit  hinauswolle.  Diese  Unsicherheit  des  Hörers 
wollte  der  Dichter  durch  die  in  Bede  stehenden  Verse  beseitigen. 
Wollte  er  dies,  so  hätte  er  vielleicht  sagen  können:  Alle  Götter 
waren ^ im  Palaste  des  Zeus  versammelt,  da  gedachte  Zeus  des 
edlen  Ägisth  usw.  Dann  wäre  ihm  aber  der  oben  erwähnte  Haupt- 
gedanke verloren  gegangen.  Wollte  er  beide  Gedanken,  die  Eröff- 
nung des  Gesprächs  durch  Zeus  und  die  Begründung  seiner  Worte 
durch  die  Erinnerung  an  Ägisth,  vereinigen,  so  blieb  ihm  nur  die 
Möglichkeit,  die  fraglichen  Verse  zwischen  die  Einleitungsformel 
und  die  Bede  selbst  einzuschieben. 

D.  konstatiert  dann  hinsichtlich  des  Zeitpunkts  der  Ermor- 
dung des  Ägisth  einen  Widerspruch  zwischen  unserer  Stelle,  die 
ihn  ins  zehnte,  und  den  folgenden  Büchern,  die  ihn  ins  achte  Jahr 
setzen,  fügt  aber  hinzu,  der  Dichter  der  Bückkehr,  dem  keineswegs 
das  dritte  und  vierte  Buch  gehörten,  habe  die  Bache  des  Orestes 
später  ansetzen  können.  Meines  Erachtens  geht  D.  von  zwei  falschen 
Voraussetzungen  aus:  1.  Er  nimmt  es  als  bewiesen  an,  daß  das 
dritte  und  vierte  Buch  nicht  demselben  Verfasser  angehören  wie 
die  Verse  a  1 — 87,  die  er  als  den  Anfang  des  vöözog  des  Odysseus 
betrachtet.  2.  Er  findet  einen  JViderspruch  hinsichtlich  der  Zeit- 
bestimmung der  Ermordung  des  Ägisth  zwischen  a  und  d.  Freilich 
scheint  das  vöv  in  a  48  die  Bache  des  Orestes  als  vor  ganz 
kurzer  Zeit  geschehen  zu  beweisen.  Ich  meine  aber,  es  ist  doch 
wohl  zulässig,  vi)v  auch  von  einer  Tat  zu  gebrauchen,  die  schon 
seit  mehr  als  einem  Jahr  vergangen   ist,   da  das  Besultat  noch 


890  Zar  Odyssee  a  1—81.  Von  F.  Stürmer. 

fortdanert.  Wie  sollte  sich  d«nn  Zeus  auch  anders  ansdrüekfoY 
Sollte  er  etwa  chronologisch  genau  sag^n:  Er  wollte  der  Wamvog 
des  Hermes  nicht  glauben,  er  hat  aber  doch  vor  nnnmebr  etwas 
mehr  als  einem  Jahre  seinen  Frevel  bftßen  müssen.  So  erzihlt  ein 
Chronist,  dem  es  darauf  anlcommt,  den  Zeitpunkt  eines  Ereignisses 
genau  anzugeben.  Zeus  kommt  es  hier  aber  nur  darauf  an,  du 
Resultat  festzustellen:  Er  wollte  es  nicht  glaubsn,  nun  hat  er  doch 
seine  Schuld  büßen  müssen.  Wer  diese  Auslegung  von  vi>v  nicht 
für  zulässig  hält,  der  muß  annehm^en,  daß  der  Dichter  eich  hin- 
sichtlich der  Zeit  des  Todes  des  Ägisth  widerspricht  nnd  zwar, 
wie  ich  dann  meinen  wurde,  absichtlich.  Er  braucht  das  selbst- 
verschuldete Verderben  des  Igisth  für  Athene  als  Anknüpfungs- 
punkt, um  das  im  Grunde  unverschuldete  Unglück  des  Odyssens 
dazu  in  Gegensatz  zu  stellen.  Deshalb  läßt  er  den  Tod  des 
Ägisth  erst  ganz  kürzlich  geschehen  sein.  Es  ist  aber  dieser 
chronologische  Widerspruch,  wenn  ein  solcher  wirklich  anzunehmen 
ist,  kein  Grund,  für  a  1 — 87  einerseits  und  y  und  d  andrerseits 
verschiedene  Verfasser  zu  konstatieren.  Denn  derartige  Widersprüche 
nnd  noch  viel  schlimmere  als  der  in  Bede  stehende  finden  sich  in 
vielen  Werken,  bei  denen  kein  Mensch  an  der  Einheit  ihrer  Ver- 
fasser zweifelt. 

Die  Verse  28—24  werden  auch  von  Wilamowitz  verworfen 
(Homerische  Untersuchungen  S.  17).  Wenn  W.  behauptet,  daß  dis 
Äthiopen  „immer  im  Osten  wohnten",  so  kann  ich  in  beiden  Dias- 
stellen  I  423  und  IXIH  206  nichts  davon  finden.  Daß  Poseidon 
in  £  288  von  den  Ostlichen  Äthiopen  zurückkehrt,  kann  doch  nicht 
als  Beweis  dafür  gelten,  daß  es  nur  östliche  Äthiopen  gebe 
gegen  die  ausdrückliche  Bemerkung  von  a  28  f.  Wenn  W.  femer 
gegen  Lehrs  behauptet,  daß  die  volkstümliche  Vorstellung  tatsäch- 
lich nur  im  Osten  Äthiopen  kenne  und  damit  ganz  recht  habe, 
denn  im  Westen  wohnten  keine  Menschen,  sondern  da  sei  Meer, 
so  ist  dem  zu  entgegnen,  daß  die  Äthiopen  doch  an  der  Küste 
dieses  westlichen  Meeres  wohnen  kOnnen!  Außerdem  hfttte  m.  E. 
W.  seine  Kenntnis  der  „volkstümlichen  Vorstellung**  über  die 
Äthiopen  näher  begründen  müssen.  Die  Verse  29 — 81  hält  v.  W. 
wenn  auch  nicht  für  gut,  so  doch  für  notwendig. 

Für  V.  28  schlägt  Sc.  eine  eigentümliche  Konjektur  vor  (Jahih. 
f.  Phil.  1890,  S.  770).  Es  habe  am  Anfange  von  V.  28  wohl 
ein  Ausdruck  des  Jammems  und  Klagens  gestanden,  der  in  den 
folgenden  Versen  motiviert  worden  sei  und  an  den  sich  dann,  ebi- 
geleitet  durch  V.  81,  der  Ausspruch  des  Schmerzes  an  die  andinn 
Götter  angeschlossen  habe.    Es  sei  zu  lesen: 

dW  Sy   ddvQsto  \  nvxvic  arar^p  ivdg&v  ts  ^s&v  ti. 
Abgesehen  davon,  daß  ich  die  Schwierigkeiten  in  den  Versen  nicht 
für  so  groß  halten  kann,  daß  sie  einer  Konjektur  benötigten,  kann 
ich  Sc.  Änderung  nicht  gerade  für  angemessen  erklären.     Ob  dal 
äXld  so  am  Anfang  eines  Abschnittes  stehen  kann,  wo  kein  Oeges- 


Zar  OdjBsee  a  1— dl.  Von  F.  Stürmer.  891 

satz  vorhandtn  ist,  scheint  mir  zweifelhaft.  Vor  allen  Dingen  will 
mir  die  Vorstellnng,  daß  der  QOtter?ater  jammerte  nnd  zwar 
xvxvdj  nicht  gefallen.  Mir  scheint  in  dem  (bnöxoi  vielroebr  der 
Avsdmck  eines  ärgerlichen  Staunens  zn  liegen.  So  interpretieren 
es  ancb  die  meisten  Ausleger. 

Wir  gehen  nan  zn  Scotlands  ausführlicher  ErOrtening  über 
die  Verse  a  1—81,  Philologns  XL  VI  85  ff.  über. 

Die  Verse  5 — 10  verwirft  Sc,  weil  sie  nichts  zu  der  genialen 
Charakterzeichnung  des  Helden,  wie  sie  in  den  ersten  rier  Versen 
enthalten  seien,  beitrügen.  Die  Ablenkung  des  HOrers  auf  einzelne 
Nebenpersonen  seien  in  der  Einleitung  unerträglich.  Meines  Er- 
achtens  tragen  aber  auch  diese  Verse,  wenn  auch  zwischen  den 
Zeilen  zu  lesen,  etwas  zur  Charakteristik  des  Odysseus  bei:  sie 
deuten  seine  Frömmigkeit  an.  H&tte  er  an  dem  Frevel  seiner  Ge- 
nossen teilgenommen,  so  w&re  er  auch  mit  untergegangen.  Ferner 
smd  die  Verse  nOtig,  um  die  Lage,  in  der  der  Held  sich  befand, 
deutlich  zu  machen :  er  hatte  alle  Geführten  verloren,  das  war  die 
Höhe  seines  Unglücks. 

Sc.  führt  dann  die  Angriffe  Bekkers  und  Düntzers  gegen 
i^iniftsvog  usw.  an,  ohne  selbst  neue  Gründe  dagegen  vorzubringen. 
Femer  erkl&rt  er  das  emphatische  oid'  6g  in  V.  6,  auf  das  ganz 
allgemeine  dQVvusvog  zurückweisend,  für  unmotiviert  und  ge- 
schmacklos. Man  kann  aber  sagen:  ovf  &g  weist  gar  nicht  auf 
i^vuevogj  sondern  auf  älysa  nd^BV  zurück  „trotz  der  Mühe, 
die  er  es  sich  kosten  ließ*'.  Gegen  dfid^sv  V.  10  wendet  Sc.  ein, 
wenn  ein  Dichter  aus  einem  umfangreichen  Stoffe  einen  einzelnen 
Teil  herausgreife,  so  dürfe  er  nicht  von  einem  beliebigen,  sondern 
müsse  stets  von  einem  seiner  Ansicht  nach  angemessenen,  also 
bestimmten  Punkte  beginnen.  Kann  es  denn  aber  nicht  mehrere 
angemessene  Anfangspunkte  geben?  Hätte  der  Dichter  der  Odyssee 
sein  Gedicht  nicht  auch  anders  beginnen  können?  Wenn  er  der 
Muse  die  Wahl  des  Anfangspunktes  überläßt,  so  kann  er  doch 
sicher  sein,  daß  sie  den  besten  finden  wird. 

Elnk  xal  fj^lv  erklärt  Sc.  für  überfiüssige  Wiederholung 
von  IwBxs  ftoi  in  V.  1,  wobei  er  aber  das  xal  ganz  übersehen 
zu  haben  scheint.  Außerdem  wird  durch  d^öd'sv  m.  E.  etwas 
Neues  vorgebracht. 

Weil  Ivd'a  in  V.  11  Sc.s  Anstoß  erregt,  schlägt  er  vor,  mit 
di^  den  Vers  zu  beginnen.  Dieses  würde  aber  m.  £.  auf  Menelaos 
nicht  recht  passen,  der  erst  im  achten  Jahre  nach  Hause  zurück- 
gekehrt war.  Femer  ist  es  mir  zweifelhaft,  ob  drjv  so  den  Anfang 
einer  Erzählung  bilden  kann,  während  ii^  dlkot  iiiv  nixvt€^ 
ein  nicht  ungewöhnlicher  Versanfang  ist. 

Dann  verwirft  Sc.  mit  Düntzer,  ohne  neue  Gründe  ^mn- 
führen  hkaiofiivrj  nöfSiv  bIvm,  aber  auch  iv  6xitS6i  yXa<pv- 
Qol6i.  Ich  meine  aber,  dies  soll  dem  Hörer  einen  Bück  in  deTi 
Aufenthaltsort  des  Helden  tun  lassen.    Die  Verse  16  und  17  ret^     _ 


I 


892  Zar  Odyuee  a  1^31.  Von  F.  Stürmer. 

teidigt  Sc,  aber  den  Zusatz  elg  'I^dxtiv  erkl&rt  er  nicht  oar  für 
äberflüseig,  sondern  sogar  für  stOrend,  da  er  den  bisher  noch  niebt 
genannten  Helden  vorzeitig  verrate.  Erst  Athene  solle  mit  üner 
gewissen  Feierlichkeit  das  Qeheimnis  loften.  Ich  glaube  aber,  daß 
diese  «gewisse  Feierlichkeit  mehr  einem  modernen  Dichter  als 
dem  Homer  ähnlich  s&be  und  daß  sie  überhaupt  nur  dann  am 
Platze  wäre,  wenn  die  Zuhörer  wirklich  über  die  Person  des  Helden 
im  Unklaren  geblieben  wären. 

V.  18  und  19  —  (plkoiöL  streicht  Sc  Die  Leiden  des  Odys- 
sens  in  seinem  eigenen  Hause  seien  nicht  Gegenstand  des  in  Y.  17 
erwähnten  Beschlusses  gewesen.  Das  ist  ja  aber  auch  nirgends 
gesagt I  Der  Anstoß»  den  Sc.  an  nstpvyiiivog  c  gen.  nimmt, 
scheint  mir  viel  zu  gering,  um  ein  stichhaltiger  Grund  für  eine 
Athetese  zu  sein  und  wenn  er  meint,  aus  futä  olc^  ^ÜLoufi  auf 
Verbältnisse  schließen  zu  müssen»  wie  sie  Agamemnon  in  seiner 
Heimat  vorgefunden  habe,  so  scheint  er  mir  zu  viel  daraus  heraus- 
zulesen. Vielleicht  ist  aber  diese  Unbestimmtheit  von  dem  Dichter 
absichtlich  gelassen,  um  dem  Zuhörer  dadurch  mehr  zu  spannen, 
welcher  Art  die  idXu  xal  (urh  ol6i  (pCloiCL  seien.  Wenn  femer 
Sc.  meint,  der  mit  ixsxXaifavxo  gemeinte  Beschluß  der  Götter 
müsse  bald  nach  der  Landung  auf  Ogygia  gedacht  werden,  so 
scheint  mir  das  recht  zweifelhaft.  Wie  erklärt  denn  Sc.  die  Pro- 
phezeiung des  Halitberses? 

In  längerer  Erörterung  weist  dann  Sc.  nach,  daß  bei  dem 
GötterbescbluBse  die  Klausel  vorhanden  gewesen  sei,  daß  Odysseuf, 
wenn  er  im  zwanzigsten  Jahre  nach  Hause  zurückkehre,  vor  seiner 
Ankunft  in  Ithaka  noch  viele  Leiden  durchzumachen  haben  solle. 
Deshalb  schlägt  Sc.  vor,  die  Worte  dkye'  ivaxk^6avxi  an  V.  17 
anzufügen,  so  daß  sie  mit  ^boI  fiUairQov  einen  Hexameter  bil- 
deten. Ich  räume  ein,  daß,  wenn  die  Worte,  wie  Sc.  will,  über- 
liefert wären,  an  ihnen  nichts  auszusetzen  wäre.  Für  notwendig 
aber  halte  ich  eine  Ergänzung  der  Klausel  nicht:  es  kam  hier 
zunächst  nur  auf  den  Hauptartikel,  die  Bückkehr  in  die  Heimat, 
an.  Wären  die  Verse  aber  ursprünglich  gewesen,  so  würde  eie, 
meine  ich,  der  angebliehe  Interpolator  von  18  bis  (uric  olöi  fi- 
loiöL  haben  stehen  lassen.  Aber  ich  halte  überhaupt  Y.  18  f.  für 
keine  Interpolation.  Die  Konjektur  Sc.s  ^a  für  di  zu  schreiben  io 
d-eol  d*iUav(fov  halte  ich  weder  für  nötig  noch  für  passeni 
Notwendig  ist  sie  nicht,  da  ja  der  Nachsatz  zuweilen  mit  äi  eia- 
geleitet  wird.  Angemessen  ist  sie  nicht,  da  durch  ^a  ein  „natür- 
lich" in  den  Satz  hineingebracht  würde.  Wäre  nämlich  das  Mit- 
leid der  Götter  mit  Odysseus  „natürlich*',  so  wunderte  man  licki 
daß  sie  nicht  eher  den  Odysseus  beimsandten. 

Schließlieh   verwirft  Sc    außer  V.  23  und  24  noch  ▼•  W» 
Einen  Grund  kann  ich  nicht  ausfindig  machen.    Der  Sat^ 
y^  ixigjCBXO  Souxl  stccgi^iisvog  sieht  mir  nicht  so  ans, 
unmittelbar  nach  V.  22  äXk*  6  [üv  usw.  stehen  könnte, 


ZuT  OdjBffee  o  1— 3L  Von  F,  Stürmer. 


893 


al«  w^nn  er  den  Abschluß  «iner  durcb  mtbrere  Veree  rejchendan 
SchilderuDf  oder  Erzählung  t>ild#te. 

Wenn  wir  ntis  See  Ätbetesen  noch  eimn&l  angab  an,  so  rer- 
lieren  wir  durch  sie  folgendes:  L  Wir  erfahren  Dichts  ron  dem 
TerluBt  der  Gefährten,  kfinnen  uns  bIso  gar  nicht  erklären,  wie  es 
kommt,  daß  Od^'Biena  allein  hei  der  Kaljpeo  weilt.  2,  Wenn 
y.  15  wegfftllir  was  Sc«  immerhin  als  möglich  binEtellt«  Termiseen 
wir  eine  intaressante  ÄD^ahe  nher  den  Aufenthaltsort  des  Odyesen» 
und  den  Grund,  weshalb  KaJypso  ihn  znröckbält  B,  Wenn  V*  18  L 
ausfällt,  fehlt  uns  der  Änebltck  anf  den  zweiten  Teil  des  Gedichtes* 
4p  Der  AbschltKi  V,  20  ist  m  abgerissen.  5.  Nach  VVeg fall  von 
23 — 25  wissen  wir  nichti  weäbalb  Poseidon  hei  den  Äthiopen  war. 

Noch  aoBfnhrlicber  spricht  über  die  ?erie  a  1 — 31  Wegen  er 
im  Philologns  X5XV  1876. 

In  V*  10  macht  W.  die  Erklärung  ?oii  äfiö^sv  und  xtxl  ^^^Iv 
Schwierigkeiten,  Da  nnter  tmv  nnr  die  Scbickgale  des  Odysaeua 
veretanden  werden  könnten  ^  eo  setze  nai  fjiuv  eine  Klasse  toq 
Dichtern  Torana,  die  ober  Odyseens  in  dichten  pflegten,  deren 
einem  wenigstens  es  gleichgiltig  sei,  womit  er  seine  Erzählnng  be- 
ginne. Für  einen  epischen  Dichter  sei  aber  der  Anfangspmikt  geines 
GedichtsB  keiueswegs  gleicbgiltig  nnd  man  rnnsse  gerechtes  Be- 
denken  gegen  eine  Klasse  von  Od}'sseuBsängern  liegen. 

M.  E.  liest  W.  ans  ic^ö^Bt*  sowohl  wie  ans  xul  ijfitv  in 
viel  berane«  Er  hat  rechte  daü  dem  epischen  Dichter  der  Ausgangs- 
punkt seines  Gedichtes  nicht  gletchgiltig  ist,  aber  das  liegt  auch 
in  &^6^iv  gar  nicht  enthalten,  sondern  damit  ist  uur  gemeint: 
foa  den  verschiedenen  möglichen  Anfängen  eines  epischen  Gedichtes 
—  daß  solche  yerichiedenen  Anfänge  und  zwar  gerade  bei  der 
Odyssee  möglich  sind,  wird  doch  W.  nicht  bestreiten  —  nberläßt 
der  Dichter  die  Wahl  des  Passenden  der  Eingebung  der  Muse.  Gerade 
daß  er  dtes  tnt,  zeigt,  daß  ihm  der  Anfangspunkt  des  Gedichtes 
nicht  gleichgiltig  ist.  Bei  der  Auslegung  von  x&i  {]p.lv  macht 
W.  m.  E.  einen  dcppelten  Fehler:  er  nimmt  an,  daß  damit  die 
Existeix^  einer  ganzen  Klasse^  nicht  bloß  eines  einzelnen  oder 
mehrerer  Dichter  bewiesen  sei«  die  von  Odyssena  zu  aingen 
pflegten.  Weder  ist  mit  ned  ij^lv  gemeint,  daß  ein  Vorgänger 
Homers  die  Schicksale  des  Odyssens  za  dem  anaschließlichen  oder 
auch  nur  vorwiegenden  Gegenstande  seiner  Dichtungen  gemacht 
habop  noch  daß  es  eine  ganze  Klaase  solcher  Männer  gegeben  habe; 
e§  bedeutet  nichts  weiter,  als  daß  es  vor  Homer  schon  Lieder  von 
Odyssens  gageben  habe.  W.  meint,  diese  beiden  Anstoße  in  V.  10 
Selen  weg,  wenn  man  annehme,  daß  der  Vers  von  einem  Hhap- 
soden  gedichtet  eei,  der  die  Dichtung  eines  andern  Tortragen 
wollte*  Ob  aber  das  Wort  ^mi  auf  einen  solchen  ßbapsodeu,  der 
nicht  eigene,  sondern  fremde  Dichtung  vortrug,  angewandt  werden 
kann,  scheint  mir  mehr  als  zweifelhaft.  Ich  meine,  durch  eine  der- 
artige Anrufung  der  Muse  durch  eiaeo  Bhapsoden,  der  nnr  fremde 


894  Zu  OdjBsee  a  1—31.  Von  F,  Stürmer. 

Dichtaag  Vortrag,  maßte  die  Mase  degradiert  werden.  Wena  eich 
W.  für  seine  Anslegang  von  xal  iigUv  aaf  G.  Hermann  benift,  der 
in  einem  Briefe  an  Bekker  behauptet,  der  Dichter,  der  das  &(iMsv 
geschrieben  habe,  habe  sich  durch  xal  i^fUv  als  einen  ron  dem 
nrsprdn glichen  S&nger  verschiedenen  angekündigt,  so  seheint  mir 
das  ein  sehr  voreiliger  SchloA  von  Hermann  zn  sein. 

W.  erklärt  es  für  in  hohem  Grade  anstößig,  daß  x&Vf  mit 
dem  doch  nnr  die  vorher  erw&hnten  Tatsachen  gemeint  sein  könnten, 
eine  andere  Beziehung  h&tte,  als  das  unmittelbar  vorher  gebrancbte 
xot0^  V.  9.  Ein  Mißverständnis  iet  aber  doch  dnrchaas  ausge- 
schlossen, da  r&v  &fi&&6v  doch  unmöglich  auf  die  Genossen  des 
Odysseus  bezogen  werden  kann. 

Wenn  W.  weiter  behauptet,  ivQ-a  in  V.  11  setze  eine  chrono- 
logische FixieruDg  der  Zeit  voraus,  diese  fehle  aber  in  dem  Prot- 
mium,  so  ist  darauf  zn  erwidern,  daß  m.  E.  mit  ivd-a  keinerlei 
zeitliche  Beziehung  auf  irgend  eine  im  Proömiam  erw&hnte  Tat- 
sache beabsichtigt  ist,  sondern  der  V.  11  ist  die  Antwort  der  Muse 
auf  das  ifiöd^sv  und  ip^a  steht  ohne  Beziehung  (vgl.  das  von 
Canef  angeführte  Grimmsche  M&rchen:  Da  war  einmal  usw.). 

An  äkXo^  [ikv  usw.  nimmt  W.  Anstoß,  weil  weder  das  eine 
noch  das  andere  Glied  durch  Nennung  des  Namens  deutlieh  be- 
zeichnet werde.  Das  ist  aber  auch  nicht  nötig,  da  mit  xbv  d*  olav 
doch  deatlich  der  Held  des  Gedichtes,  den  jeder  aus  dem  xoXv- 
XQonog  in  V.  1  erkannt  hatte, .  bezeichnet  war,  und  vrw  die  anderen 
waren,  die  sich  zn  Hause  befanden,  w&hrend  Odysseoe  noch  umher- 
irrte, verstand  jeder  Hörer  sofort.  Bei  einem  Gedichte  kommt  es 
doch  wahrhaftig  nicht  auf  die  logisch -grammatische  Vollständigkeit 
an,  sondern  darauf,  daß  der  Hörer  sofort  versteht,  was  der  Dichter 
sagen  will. 

Nach  W.  setze  das  äkXoi.  voraus,  daß  1.  im  Vorhergehenden 
die  Summe  der  trojanischen  Helden  (d.  i.  der  Grieoben  vor  Trqja) 
klar  vorgeetellt  und  2.  daß  der  Name  des  Odysseus  im  Gegensatz 
zu  den  übrigen  Helden  genannt  war.  Meiner  Ansicht  nach  ist  das 
aber  durchaus  nicht  nötig,  sondern  nur,  daß  Odyaseua  als  einer 
der  trojanischen  Helden  gekennzeichnet  war,  und  das  ist  der  Fall 
Auch  brauchte  der  Name  nicht  genannt  zu  sein,  nnr  maßte  seine 
Person  deutlich  erkennbar  gezeichnet  sein  und  das  ist  der  Fall 
Warum  er  aber  schon  vorher  im  Gegensatz  zu  den  anderen 
Helden  erwähnt  werden  mußte,  ist  mir  unklar. 

In  der  folgenden  Erörterung  macht  W.  höchst  eigentümliche 
Schlüsse:  Da  dem  äXXoi  als  erklärender  Znsatz  hinzugefügt  sei 
060L  tpvyov  usw.,  so  müsse  im  Vorhergehenden  nicht  bloß  der  ent* 
kommenen  Helden  im  Gegensatz  zu  Odysseus  gßdacht  gewesen  sein, 
sondern  vielleicht  sämtlicher  vom  Kampfe  verschonter  Helden  vor 
Troja. 

Da  der  Anfang  unserer  Erzählong  mit  iv^a  eine  Zasamma- 
fassnng  oder  Bekapitulation  vorausgegangener  Tatsachen  enthalte^ 


Zar  Odyssee  a  1—31.  Von  F.  Stürmer. 


B95 


80  setze  dies  eine  ^Vereinzelnng'' ,  d.  L  eine  ErzfthliiDg  von  den 
Erlebnissen  der  trojanischen  Helden  rorans.  Wenn  nnn  ein  Dichter 
diese  fiekapitalation  för  nötig  gehalten  habe,  so  mässe  er  ge- 
fOrchtet  haben ,  daß  die  Vereinzelung  in  der  Erzftblnng  sich  nicht 
zu  einem  deutlichen  Gesamtbilde  verbinde,  d.  h.  die  Erzählnng 
müsse  ausgeführt  gewesen  sein.  Ein  solcher  Übergang  sei  nur 
mOglich  bei  gleichberechtigten  Gliedern,  hier  ^wischen  der  Erzäh- 
lung von  den  übrigen  trojanischen  Helden  und  den  Schicksalen  des 
Odysseus.  Es  h&tten  also  unsere  Verse  eine  ausgefühete  Erz&hlung 
▼OD  den  trojanischen  Helden,  also  eine  Nostendichtung  zur  Voraus« 
Setzung.  Ein  Rhapsode  habe  also  seinen  Vortrag  einem  längeren 
epischen  Gedichte  entlehnt.  Mit  V.  11  beginne  gleichsam  ein  neues 
Buch  des  Tom  Bhapsoden  benutzten  Originals,  das  W.  Ä  nennt. 
Meiner  Ansicht  nach  sind  diese  ganzen  Schlußfolgerungen  W.s 
nichts  als  Phantasien,  die  ihren  Entstehungsgrund  in  seiner  falschea 
Auslegung  von  iv^a  haben.  Ich  meine,  wenn  ivd^a  eine  Rekapitu- 
lation von  vorher  erzählten  Tatsachen  bezeichnen  sollte,  so  würde 
der  Dichter  wohl  ein  oiv  oder  d?^  dahintergesetzt  haben. 

Aus  V.  14  schließt  W.,  daß  im  Originale  A  erzählt  gewesen 
sein  müsse,  wie  Odysseus  nach  Ogygia  gekommen  sei.  Nein!  Es 
wird  nur  angegeben,  in  welcher  Situation  sich  der  Held  bei  Beginn 
des  Gedichtes  befand.  Wie  er  in  diese  Situation  gekommen  war, 
brauchte  deswegen  doch  nicht  vorher  angegeben  gewesen  zu  sein. 
Denn  wo  sollte  sonst  der  Dichter  anfangen?  Dann  hätte  er  mit 
Trojae  Zerstörung  anfangen  müssen.  Was  wäre  das  für  ein  Biesen- 
epos  gewesen,  das  alles  von  W.  Verlangte  enthalten  hätte! 

Täv  in  V.  10,  fährt  W.  fort,  weise  auf  die  Tatsachen  vor 
der  Landung  auf  Ogygia  zurück,  der  Anfang  der  Erzählung  sei 
aber  nicht,  wie  räv  deutlich  verlange,  aus  ihnen  genommen, 
sondern  setze  erst  nach  ihnen  ein.  Daß  der  Anfangspunkt  aus  dem 
imProOmium  Erzählten  genommen  werden  mußte,  ist  nicht  richtig; 
tav  &fi&&£v  sagt  m.  E.  nur,  daß  etwas  von  dem  im  ProOmium 
Angedeuteten  in  der  Erzählung  vorkommen  werde,  aber  nicht,  daß 
auch  der  Ausgangspunkt  davon  genommen  werden  müsse. 

Die  Verse  5 — 9  verwirft  W.,  und  da  in  V.  8  die  Form  des 
relativen  Anschlusses  aufgegeben  werde,  so  liege  hier  ein  starkes 
Anakolnth  vor  und  es  müßten  die  Verse  8  und  4  und  auch  die 
Angabe  8g  fidla  nldy%%s  fallen.  An  Stelle  der  Tatgacben  ana 
der  Geschichte  des  Odysseus  müßten  Andeutungen  im  ersten  Pro(^- 
mium  gegeben  gewesen  sein,  aus  deren  Kreiset  die  D^cbfolgep^* 
Erzählung  hergenommen  sei.  Auf  solche  Wt^i^e  stürzt  W,  r' 
ganze  Proömium  um.  Daß  aber  zwischen  Y.  2  und  3  ein  ^ 
vorliegen  solle,  ist  mir  unverständlich;  deon  jroAAcdf  d*d|f| 
usw.  ist  als  zweites  Glied  des  Belativsatzes  uiiüiiras&eii 
Hentae).  Und  auch  der  Übergang  aus  dem  ßeUUv 
Hanyteatz  V.  4  ist  nicht  ungewöhnlich.  Fertier  ^*' 


i 


896  Zur  Odyssee  a  1—31.  Von  F.  Stürmer. 

genaa  an,  was  in  dem  „ersten**  Proöminm  an  Stelle  des  Überlie- 
ferten gestanden  habe. 

Ferner  werde  der  Name  des  Odyssens  genannt  gewesen  sein, 
der  einschachtelnde  Überarbeiter  habe  bierzn  keinen  Baam  gefonden. 
Ans  der  bisherigen  üntersncbong  sei,  meint  W. ,  der  Schloß  za 
ziehen,  daß  anf  nnser  ProOminm  nicht  die  ganze  Odyssee  gefolgt 
sei ,  da  der  Vortrag  des  Bhapsoden  nnr  ein  Stück  von  m&ßigem 
Umfange  habe  nmfassen  können. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  üntersnchnng  seien  za  berficksich- 
tigen:  1.  der  Verfasser  des  Originals  A;  2.  der  Rhapsode  and 
8.  der  Überarbeiter.  Dem  Bhapsoden  schreibt  W.  die  Verse  50 
bis  55  zn.  Er  lasse  anpassend  die  Athene  so  sprechen ,  als  ob 
erst  von  ihr  die  OOtter  genaue  Kenntnis  über  die  Nymphe  hätten 
erhalten  müssen.  Von  Ealypso  müsse  schon  vorher  die  Bede  ge- 
wesen sein.  Es  ist  nicht  recht  deatlich,  welche  Verse  W.  aas- 
scheiden will.  Ohne  Text&nderung  lassen  sich  nur  52 — 55  aas- 
scheiden, da  man  sonst  das  Subjekt  zu  d'ilysi  vermißte.  Be- 
trachtet anan  den  Text,  wie  er  uns  überliefert  ist,  so  könnte  die 
Frage  entstehen,  ob  „die  kurze,  erläuternde  Charakteristik''«  d.  h. 
die  Qenealogie  der  Ealypso  besser  in  der  Qötterversammlong  oder 
etwa  bei  V.  15  ihren  Platz  habe.  Meines  Erachtens  hat  der  Dichter 
recht  daran  getan,  die  Angabe,  in  welcher  Situation  sich  der  Held 
befindet,  so  kurz  wie  möglich  zu  gestalten.  Nachher  dagegen  ge- 
ziemt der  Qönnerin  des  Odyssens,  der  Athene,  eine  ansführliche 
Schilderung.  Die  Angabe,  daß  Ealypso  'die  Tochter  des  dloöipffcw 
AxXag  sei,  ist  durchaus  nicht  überflüssig,  sondern  gerade  ganz 
passend.  Die  Tochter  des  öko6(pQ(ov  wird  nicht  besser  sein  als 
ihr  Vater.  An  einer  anderen  Stelle  nennt  der  Dichter  sie  wirklich 
doX6B66a  B  145.  Das  dXoötpQOiv  mußte  begründet  werden  durch 
58  und  54.  Vielfach  läßt  der  Dichter  seine  Personen  auch  etwas 
sagen,  was  weniger  für  die  Teilnehmer  an  dem  Qespräche  als  für 
die  Hörer  notwendig  zu  wissen  und  von  Interesse  ist. 

Ebenso  sind  nach  W.  die  Verse  29 — 31  vom  Bhapsoden  ein- 
gefügt. Dadurch  seien  zwei  Anstöße  in  den  Text  gekommen: 
1.  die  formelhafte  Verbindung  xoiiJi  äh  fiijS-av  Jiqxs  obw.  hätte 
unmittelbar  vor  der  Bede  des  Zeus  stehen  müssen;  2.  es  sei 
höchst  armselig  (ivi^aaro  yicg  und  gleich  darauf  im^vi^ffd'elg  za 
schreiben.  Daran  ist  m.  E.  kein  Anstoß  zu  nehmen,  denn  dergleicheo 
Wiederh dangen  kommen  bei  Homer  nicht  selten  vor.  Im  übrigeo 
siehe  über  die  in  Bede  stehenden  Verse  oben  S.  888  f.  W.  behauptet 
femer,  die  Veranlassung  zur  Bede  des  Zeus  müsse  im  Zusammtfi- 
hange  von  A  deutlich  gewesen  sein  und  habe  eines  solchen  Hio- 
weises  nicht  bedurft.  Für  uns  bandelt  es  sich  aber  gar  nicht  am 
A,  sondern  um  den  Text,  der  nns  überliefert  ist,  und  in  diesem 
konnten  die  Verse  29 — 81  nicht  entbehrt  werden  (vgl.  oben  von 
Wilamowitz).  Und  wenn  unser  Text  von  einem  Bhapsoden  zoreebt- 
gemacht  worden  ist,  so  verdient  er  Lob,  daß  er  die  notwendigen 


Zur  Odyssee  a  1--S1.  Von  F.  Stürmer.  897 

YersBf  wenn  sie  in  seinem  Originale  nicht  standen ,  hinzusetzte. 
Wie  denkt  sich  nnn  aber  W.  den  Zasammenbangy  in  dem  die  Bede 
desZens  in  A  gestanden  hatte?  Es  ist  leicht,  mit  dem  Originale 
zn operieren,  wenn  nicht  genan  angegeben  wird,  wie  dieses^  be- 
schaifen  war.  Von  der  Ealypso  sollte  vxA  die  Bede  gewesen  sein 
und  nun  auch  von  Igisth  nnd  Orestes,  aber  welches  war  der  Za- 
sammenhang?  Wir  haben  bisher  nnr  gehOrt,  dB&A  eine  Nosten- 
dichtang  gewesen  sei. 

Aber  W.  genügen  die  ron  dem  Bhapsoden  eingeschalteten 
Verse  nicht  zur  Erkl&mng  der  Yeranlassnng  znr  Bede  des  Zens. 
Daß  Zeus  an  Ägisth  denke,  ersehe  man  ans  der  Bede  selbst.  Aber 
weshalb  denke  er  an  ihn?  W.  fragt  ein  bischen  za  Tiel!  Kann 
sich  denn  ein  Mensch  immer  Bechenschaft  darüber  geben,  waram 
ihm  gerade  in  diesem  Augenblicke  diese  Person  oder  diese  Begeben- 
heit^einfällt  ?  Die  Antwort  anf  W.s  Frage  ist  einfach.  Zeus  denkt 
an  Ägisth,  weil  es  der  Dichter  so  will,  nm  den  Ägisth  im  Gegen- 
satz za  Odyssens  stellen  za  können. 

Ans  der  Erw&hnnng  der  Tat  des  Orestes  in  der  Bede  des 
Zens  schließt  W.,  daß  diese  anmittelbar  Torher  in  A  erw&hnt 
werden  sei.  Hier  erhalten  wir  also  die  oben  geforderte  Angabe  über 
den  Znsammenhang  in  A.  Aber  wie  paßt  nan  Ealypso  hinein? 
War  etwa  die  Geschichte  des  Odyssens  in  den  Nosten  in  zwei 
Teile  zerrissen  nnd  der  erste,  die  Schicksale  des  Odyssens  bis 
zur  Landung  auf  Ogygia»  durch  die  Erzfthlung  yon  anderen  Helden, 
mindestens  des  Agamemnon,  von  dem  zweiten  Teil,  dem  eigent- 
lichen vdötog  des  Odyssens,  getrennt?  Ich  glaube  kaum,  daß  es 
Tor  Homer  ein  Nostengedicht  von  solchem  Umfange  gegeben,  das 
Nosten  aller  Helden,  Odyssens  mit  eingeschlossen,  besungen  h&tte. 

W.  behauptet,  das  Bedürfnis  des  Überganges  zeige  deutlich, 
daß  vorher  von  Odyssens  nicht  die  Bede  gewesen  sein  könne,  und 
da  bis  Y.  27  nur  von  Odyssens  die  Bede  sei,  so  könnten  die  Verse 
11 — 26  nicht  dem  Originale  A  gehören.  Sie  stammten  von  dem 
Bhapsoden,  der  vielleicht  die  Bekanntschaft  des  Originals  bei  seinen 
Zuhörern  habe  voraussetzen  können,  so  daß  diese  die  in  iv^a 
gegebene  Beziehung  hätten  verstehen  müssen.  Es  sei  auch  vielleicht 
in  dem  von  dem  Bhapsoden  stammenden  Proömium  nicht  schon  der 
Gegensatz  zwischen  Odyssens  und  den  anderen  trojanischen  Helden 
ausgesprochen  gewesen.  Wenn  aber  in  dem  von  dem  Bhapsoden 
herstammenden  „ersten  Proömium^  überhaupt  von  Odyssens  als 
Teilnehmer  des  trojanischen  Krieges  die  Bede  war,  dann  brauchte 
m.  E.  gar  nicht  von  einem  „Gegensatz''  zwischen  Odyssens  und 
den  übrigen  Helden  die  Bede  gewesen  sein,  um  das  §v^a  ver- 
ständlich zu  machen.  Alle  Vermutungen  W.s  über  das  Verhältnis 
des  Bhapsoden  und  der  Zuhörer  zu  dem  angeblichen  Original  v^ 
sind  unnötig  und  unhaltbar. 

Die  Verse  11 — 26,  die  nach  W.  die  Erzählung  nicht  weiter 
führen  —  es  ging  ja  aber  nach  der  Überlieferung  überhaupt  noch 

Zeitoeltfifk  f.  d.  6st«rr.  Gymn.  1908  X.  Heft.  57 


898 


Zm  Odyssee  «  1— 31.  Yoti  F,  Stürmer. 


gar  keine  Erxäblnn^  Tor&us  — ,  dieDten  nur  d&zc,  d&n  Hörer  dber 
die  SltnatloD  anfEHbläreo.  Nach  meioer  Ansicbl  modte  ftber  mtk 
der  ZDb5rer  bei  Beginn  des  Gedicbtea  aEfgeklärt  werden,  in  welcher 
Sltnation  sieb  der  Held  befand.  Und  der  Bbapsode  bewies  Binsichi 
wtnn  er  die  Notwendigkeit  davoo  erkannte* 

Wenn  der  Ebapiode  eicb  aucb  bei  der  Äasfdhriin^  des  SttnA- 
tionebildefi,  wie  W.  tneiDt^  nnbabolfen  zeigte,  sc»  kßntie  mao  iba 
doch  die  ^nngeetliickteii''  Verse  15 — 19  nicht  zntraneD.  Di«  Veri« 
find  aber  m.  E.  gar  nicht  ungeschickt,  wean  man  AriBtarcbe  Kr* 
klämng  annimmt.  Mit  den  Haaren  werde  bter  eine  Andeutung  ron 
Abentenern  auf  der  Heimfahrt  herangezogen  (di«  a^l&  find  m,  £. 
nicht  Abentetier  auf  der  Heimfahrt ,  sondern  die  Kitnpfe  mit  den 
Freiem,  sie  bieten  einen  Verblick  aaf  den  zweiten  Teil  des  Üe*- 
dichtes).  Ein  Oberarbeiter  habe  den  Vers  IS  nnd  die  Worte  öher 
FoieidoD  eingeficboben,  um  die  Scbicksale  dei  Odyieeni  durch  die 
Landung  anf  Scberia  noch  bonter  tu  machen*  Also  scheint  W«  an- 
zunehmen^ daß  eine  ältere  Odjesee  den  Helden  ohne  FAhrliehkeit 
von  der  Ealjpso  nach  Ithaka  gelangen  ließ. 

Nach  W,  liegt  ferner  ein  offener  Widersprach  in  den  Worten 
ill*  8t£  ö}^  —  iTESxXtJjöavTo  nnd  ^foi  d'iXiat^ov.  Leider  gibt 
W.  nicht  an,  wie  er  eich  die  Konstraktion  der  überlieferten  Vertf 
15 — 19  denkt  und  anch  worin  jener  von  ihm  konstatierte  Wider- 
sprach  bestehe*  Wenn  W.  etwa  D.s  Ansicht  folgt,  so  ist  diastihe 
oben  S.  885  widerlegt. 

Dnrch  diese  Interpolation«  di9  bis  V.  26  reiche»  sai  di«  oov 
wendige  Angabe,  daß  die  GOtter  sich  im  Hanse  des  Zena  fer^ 
iammelt  b&tten,  weggefallen,  nnd  es  fehle  anch  die  Angabe  aber 
den  Zweck  nnd  die  Yeranlassnog  der  GOtter  Versammlung  in  nnaerem 
Texte«  Die  Angabe,  daß  die  Götter  eich  TereammeUen,  ist 
m«  E.  nicht  nOttg,  es  genügt  die  Angabe,  daß  sie  Tersammtlt 
waren  nnd  die  steht  in  V.  27,  Freilich  wird  ihr  dnrch  die  Atht- 
tese  von  26  der  Anfang  abgeschnitten,  aber  gerade  dies  errsgt 
Verdacht  gegen  die  Atbetese.  Übrigens  war  es  gar  keine  Tersunin- 
Inng  der  Götter  ans  irgend  einer  bestimmten  Veranlassung  oder  lo 
einem  bestimmten  Zwecke  (fär  die  GOtter),  sondern  e«  war  eist 
Zagam menknnft,  wie  man  sie  täglich  im  Paläste  des  Zeni  tu 
denken  bat.  Für  den  Dichter  aber  hat  die  GOUerTeraammlisiii 
den  Zweck,  die  Bnckkehr  des  Od^ssens  zn  motivieren.  Die  Br- 
waJinnng  des  Igislh  hat  d«n  Zweck»  der  Athene  einen  Anknüpfttngs^ 
pnnkt  zn  liefern,  nm  den  Odyssens  in  Gegensatz  in  Agisth  iQ 
stellen  nnd  dnrch  das  Im  Grunde  nnTerschnldete  Ungltctc  nnd  die 
Frömmigkeit  des  Odjsaens  den  Zens  tu  rnhren  nnd  ihn  fnr  di« 
Heimsendnng  des  Odjssens  (and  iwar  ohne  Drangsale)  gtneUf  in 
atimnien. 

W.  bingegtn  mebt,  wenn  im  Original  A  doch  eine  Vtran^ 
liasnng  tnr  OötterTersammltuig   mngegeben  gtwssen  sii,    sd  k§bt 


I 


I 


Zar  Odjsiee  a  1—81.  Von  F.  Stürmer.  899 

816  in  der  Geschichte  des  Orestes  gewurzelt  und  sei  für  den  Bbap- 
Boden  unbrauchbar  gewesen. 

Das  Resultat  der  Untersuchungen  W.s  ist  folgendes:  Der 
Grundstock  der  Verse  1—81  gehörten  dem  Bhapsoden  an  und  ein 
späterer  Bearbeiter  habe  an  dieser  Einleitung  einiges  verändert,  um 
auf  gewisse  Tatsachen  aufmerksam  zu  machen ,  die  er  in  die  Er- 
zählung des  Bhapsoden  eingefügt  hatte.  Das  seien  die  Verse  8 — 9 
und  18 — 26.  Die  Verse  29— -81  habe  der  Bhapsode  eingelegt,  um 
die  Hörer  über  den  Anfang  der  Bede  des  Zeus  ins  Klare  zu  setzen. 

Wenn  ich  die  lange  Auseinandersetzung  W.s  recht  verstanden 
habe,  so  ist  seine  Ansicht,  kurz  zusammengefaßt,  folgende.  Es  gab 
eine  Nostendichtnng,  in  der  sich  die  Erz&hlung  von  der  Bückkehr 
des  Odyssens  an  die  Erz&hlung  von  der  Bache  des  Orestes  in  der 
Weise  anschloß,  daß  die  Götterversammlung  den  Übergang  bildete. 
Von  dieser  Nostendichtnng  wollte  nun  ein  Bbapsode  den  von  Odys- 
sens handelnden  Teil  vortragen.  Er  nahm  auch  die  Götterversamm- 
Inng  in  seinen  Vortrag  auf.  Er  verfaßte  nun  als  Einleitung  ein 
kurzes  Proömium,  aus  den  Versen  1 — 2,  10—17  bestehend.  Den 
Nachsatz  zu  16  f.  bildete  die  Angabe,  daß  die  Götter  sich  im  Pa- 
laste des  Zeus  versammeln.  Zur  Motivierung  der  Worte  des  Zeus 
legte  er  die  Verse  29 — 81  ein.  Dieses  Proömium  des  Bhapsoden 
wurde  nun  von  einem  Bearbeiter,  der  auf  die  Irrfahrten  des  Odyssens 
einerseits,  auf  den  Zorn  des  Poseidon  andrerseits  hinweisen  wollte, 
erweitert  durch  die  Verse  3— 9  und  18 — 26.  Ich  erkläre  nun,  daß 
ieh  die  Existenz  eines  Nostengedichtes,  das  auch  die  Bückkefar  des 
Odyssens  enthielt,  für  nicht  bewiesen  und  auch  an  sich  für 
wenig  wahrscheinlich  halte.  Wenn  femer  in  dem  von  dem  Bhap- 
soden verfaßten  Proömium  V.  10  gleich  auf  V.  2  folgte,  so  erscheint 
mir  die  zweifache  Anrufung  der  Muse  in  zwei  so  bald  aufeinander 
folgenden  Versen  höchst  anstößig.  Sollen  aber  durch  die  Einschie- 
bnng  von  V.  8 — 9  seitens  des  Bearbeiters  einige  ursprüngliche 
Verse  des  Bhapsoden  verdrängt  worden  sein,  so  hätte  W.  deren 
Inhalt  angeben  müssen.  Wenn  schließlich  von  W.  die  Verse  18-26 
dem  Bhapsoden  abgesprochen  werden,  so  fehlt  auch  die  Angabe 
von  der  Abwesenheit  des  Poseidon.  Poseidon  wohnte  also  der  Götter- 
versammlung bei.  Dadurch  mußte  aber  ihr  Verlauf  ein  ganz  anderer 
sein  als  nach  der  Überlieferung.  W.  wäre  also  verpflichtet  gewesen, 
den  Verlauf  der  Götterversammlung  bei  Anwesenheit  Poseidons  dar- 
zulegen. So  kann  ich  nicht  umhin,  W.s  ganze  Kombination  für  ein 
reines  Phantasiegebilde  zu  erklären,  das  völlig  von  dem  realen 
Boden  der  Überlieferung  losgelöst  ist 

Weilburg  a.  d.  L.  Franz  Stürmer. 


57* 


Zweite  Abteilung. 

Literarische  Anzeigen. 


Jos.  stark,  Der  latente  Sprachschatz  Homers.  Eine  Er^tnaof 
la  den  Homer -WOrterbflcbern  uod  ein  Beitrag  lor  griechiBefaen 
Lexikographie.    Mflncben  and  Berlin,  B.  Oldenbonrg  1908.    128  SS. 

Anf  S.  4  nnserer  Schrift  lesen  wir:  ,,In  der  folgenden  kb- 
handlnng  soll  nnn  znm  ersten  Male  der  Versnch  gemacht  werden, 
zn  allen  Homerischen  Wörtern  die  ihnen  zngrande  liegenden»  bei 
Homer  selbst  aber  nicht  vorkommenden  einfachen  Wortgebilde  — 
gleichviel  ob  sie  bei  den  nachhomerischen  Autoren  sich  fiodea 
oder  ob  sie  bloß  nach  Sprachgesetzen  angenommen  werden  kCnoen 
—  zn  sammeln,  nach  Klassen  zu  ordnen,  kritisch  zn  beleuchten 
nnd  sie  schließlich  zn  einem  „Index^  zn  vereinigen,  der  also, 
wie  der  Titel  unserer  Arbeit  besagt,  den  ganzen  latenten 
Sprachschatz  Homers  enthalten  soll*'.  Dem  in  den  vor- 
stehenden Worten  zum  Ausdruck  gebrachten  Zwecke  entsprechend 
wird  der  ganze  Stoff  nach  folgenden  Gesichtspunkten  gegliedert, 
die  ich  einzeln  namhaft  mache.  Das  2.  Kapitel  befaßt  sich  mit 
den  „Nebenformen,  d.  1.  Fftllen,  wie  fifiiiQri  und  ^(laQj  mit  den 
Aiolismen,  vavg  und  vrj'ög  u.  a.  Es  folgen  „Verbalkomposita", 
d.  i.  zusammengesetzte  Verba,  aus  denen  die  entsprechenden 
Simplizis  erschlossen  werden.  Latentes  Sprachmaterial  wird  femer 
aus  den  Homerischen  Eigennamen,  wenn  auch  in  verh&ltnism&fiig 
geringem  umfang  erschlossen.  Dagegen  liefert  die  Betrachtung 
der  mit  Suffixen  abgeleiteten  oder  durch  Zusammensetzung  ent- 
standenen nominalen  Bildungen  reiche  Ausbeute  an  Nomina  der 
verschiedenen  Stammklassen  (a-Stamme,  o-8tamme,  nnd  von  den 
Nomina  der  3.  Deklination  Vokal- Konsonanten-  und  Sigmastamme). 
Einen  sehr  beträchtlichen  Teil  der  Schrift  (S.  57 — 101)  nehmen 
die  beiden  Abschnitte  „Verba  denominativa^  und  „Sonstige  Verba** 
ein.  In  dem  ersteren  wird  unter  Benützung  der  bekannten  Arbeitea 
von  der  Pfordtens,  Sntterlins  und  Frankeis  ein  schematisches  Ver- 
zeichnis der  denominativen  Verba  auf  -aco,  -icn,  -dci,  -<££a>y  -^^ 
'uCvca,  'VViDj  -algca,  -vQoa  nach  den  Nominalklassen  aufgesteUt. 


cT.  Stark,  Der  latente  Sprachichats  Homen,  ang.  v.  F,  Stolz,      901 

TOD  denen  sie  hergeleitet  sind.  Es  folgen  dann  noch  die  Kapitel 
Adiectiva  verbalia,  Nomina  agentium,  Inteijektionen ,  Lokativ- 
adTerbien,  endlich  der  in  den  oben  aasgehobenen  Worten  erwähnte 
«lodex  des  latenten  Sprachschatzes  Homers^  (S.  117—128). 

Daß  darch  systematische  Zasammenstellangen  solcher  Art 
immerbin  einiger  Natzen  geschaffen  wird,  insofern  unter  allen 
UmstAnden  eine,  wenn  aach  häufig  nur  unvollkommene  Förderung 
der  Einsicht  in  die  Herkunft  und  den  genetischen  Zusammenhang 
der  bebandelten  Wörter  erfolgt,  soll  nicht  gelftugnet  werden.  Doch 
ist  die  große  Gefahr  vorhanden,  daß  die  von  dem  Verfasser  unserer 
Schrift  befolgte  Betrachtungsweise  zu  äußerlich  und  formalistisch 
sich  gestaltet,  ohne  dem  wirklich  geschichtlichen  Prozeß  der  Ent- 
stehung so  mancher  Neubildung  auf  den  Grund  zu  kommen.  Auch 
ist  es  völlig  naiv  zu  glauben,  daß  das  Zustandekommen  der  Neu- 
bildungen nach  dem  vom  reflektierenden  Grammatiker  entworfenen 
Schema  erfolgt  sei.  Wie  man  bei  der  wissenschaftlichen  Betrachtung 
dieser  Verhältnisse  zu  Werke  gehen  soll,  glaube  ich  in  dem  im 
XXV.  Bande  der  Wiener  Studien  S.  228—256  enthaltenen  Aufsätze 
„Beiträge  zur  griechischen,  insbesondere  homerischen  Wortzu- 
sammensetzung und  Wortbildung*  hinlänglich  deutlich  gezeigt  zu 
haben.  Leider  ist  dieser  Aufsatz,  dessen  Ergebnisse  zum  größten 
Teile  die  Zustimmung  Brugmanns  (Grundriß  2.  Aufl.  U  1)  und 
anderer  Sprachforscher  gefunden  haben,  dem  Verf.  des  vorliegenden 
Buches  unbekannt  geblieben.  Speziell  wäre  der  Abschnitt  meines 
Aufsatzee  „Homerische  Verba  auf  -fo,  als  deren  Grundwörter  zu- 
sammengesetzte Nomina  gelten*  der  Darstellung  nicht  nur  des 
entsprechenden  Teiles  unserer  Schrift,  sondern  aller  jener  Abschnitte, 
die  sich  mit  der  Erschließung  des  homerischen  latenten  Sprach- 
schatzes aus  der  Zusammensetzung  befassen,  sehr  zugute  ge- 
kommen. Dieser  allgemeinen  Charakteristik  unserer  Arbeit  und 
ihrer  hauptsächlichen  methodischen  Mängel  soll  noch  die  Bemerkung 
hinzugefdgt  werden,  daß  der  sprachwissenschaftliche  Horizont  des 
Verfassers  durchaus  nicht  dem  des  heutigen  exakten  Sprachforschers 
entspricht  Ich  will  zum  Beweise  dieser  Behauptungen  nur  einige 
wenige  Punkte  hervorheben.  S.  9  wird  oijvoyLa  als  ionisch  be- 
zeichnet, es  ist  aber  streng  genommen  nur  homerisch  {ov  ^metrische 
Dehnung**).  Daß  dfiiiiiayi/  nicht  als  Aiolismus  bezeichnet  werden 
darf,  kann  man  aus  allen  neueren  grammatischen  Hilfsmitteln  un- 
schwer erfahren.  Daß  aperio  uod  operio  zu  ario  ^  at^o)  ^^ehOrea 
sollen,  wie  S.  15  bebaoptet  wird,  M  eine  starke  Zumutung*  Was 
soll  man  heutzutage  von  einer  indog.  Qraddform  *ijhama  lu  gr. 
Xaiiäis  sagen,  die  S,  26  ohne  weitere  Skrupel  aus  Cnrltusr  Ornur 
d.  griech.  Etym.^  197  aberDomm«!!  wird?  Ein  starker  Bch^V 
ist  es  auch,  wenn  x^^^^^  ^^  ^^^  ^^^  Lokativ  ftistr 
erklärt  wird.  S.  69  i^t  d^ai  YerfaBaer  4ie  von  ^ 
Pluralbildungen  der  i[idDf,'erinaDiicb&Q  Kintra  S.  d%^ 
gebene  lautgesetzliche  Erkiärutig  öer  Form  &\ 


902    F,  Baumgarten  u,  a.,  Die  helleiiifche  Ealtar,  sag,  y.  JET.  iViiur. 

gang  YOD  er  in  s  vor  o-Lanten)  entgangen.  Noch  eines  besondera 
auffälligen  Miflyerst&ndnisses,  das  S.  89  begegnet,  sei  hier  Br- 
wfthnnng  getan.  Bei  Besprechung  der  Verba  anf  -aCva  wird  ihrer 
Herleitnng  von  Nentra  auf  -a  seitens  einiger  Forscher  gedacht  und 
diesen  die  Voraussetzung  zugemutet,  „dafi  jciq^icctog  statt  altem 
^ni^fiavtog,  xfjgia  also  statt  *xiliiav  stehe"  und  dann  fortgefahren: 
„indes  können  sie  fflr  das  ursprüngliche  Vorhandensein  des  Nasals 
bei  den  griechischen  Neutris  keinen  einzigen  Beleg  erbringen. ** 
Ein  solches  Verkennen  so  einfachen  und  durchsichtigen  Tatbestandes 
ist  doch  ein  starkes  Stfick  grammatischen  Nichtwissens. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


Die  hellenische  Koltar.  Dargestellt  von  FritsBanmgarten,  Frans 
Pol  and,  Kicbard  Wagner.  Zweite,  starkvermehrte  Auflage.  Mit 
7  farbigen  Tafeln,  2  Karten  nnd  Aber  400  Abbildungen  im  Text  ond 
anf  zwei  Doppeltafeln.  Leipzig- Berlin,  Druck  nnd  Verlag  von  B.  G. 
Tenbner  1908.  XI  nnd  $80  SS.  Lex.-8<^.  Preis  geh.  10  Mk.,  geschmack- 
Yoli  geb.  12  Mk. 

Drei  deutsche  Gymnasiallehrer,  die  in  ihren  Anschauungen 
vom  Wesen  und  Wert  des  klassischen  Altertums  völlig  überein- 
stimmen, auch  Griechenland  aus  eigener  Anschauung  kennen,  ver- 
einigten sich  vor  einigen  Jahren,  um  in  einem  nicht  zu  umfang- 
reichen Werke  all  den  Gebildeten,  die  sich  fflr  den  Zusammenhang 
unserer  Kultur  mit  der  Antike  interessieren,  eine  zusammenfassende 
Darstellung  der  griechischen  und  römischen  Kultur  darzubieten; 
doch  sollten  die  Bedflrfnisse  nnd  Ergebnisse  des  Unterrichtes  in 
den  Oberklassen  unserer  höheren  Schulen  hiebe!  besondere  Berück- 
sichtigung finden.  Das  Werk  wird  zwei  Bände  umfassen,  von  denen 
der  erste,  vorliegende,  die  griechische  Kultur  von  ihren  Anfängen 
bis  zum  Abschluß  ihrer  selbständigen  Entwicklung  in  der  Zeit 
Alexanders  des  Großen  schildert;  Gegenstand  des  zweiten,  noch 
nicht  erschienenen  Bandes  wird  die  Kultur  des  Hellenismus  und 
des  Bömervolkes  sein. 

Der  erste  Band  erschien  in  erster  Auflage  im  Jahre  1905; 
wenn  sich  schon  nach  zwei  Jahren  eine  Neuauflage  als  nötig  er- 
wies, so  ist  das  nicht  bloß  ein  erfreuliches  Zeichen  dafftr,  ^daS 
auch  in  unseren  Tagen  das  Interesse  ffir  das  klassische  Altertum 
noch  viel  lebendiger  ist,  als  manche  seiner  Gegner  die  Welt  glauben 
machen  möchten^  (Vorrede  S.  5),  sondern  auch  fflr  den  Wert  des 
Buches  selbst.  Denn  es  sei  nur  gleich  herausgesagt,  daß  ee  ein 
ganz  ausgezeichnetes  Buch  ist,  das  uns  die  drei  Verfasser  all 
Frucht  ihrer  gemeinsamen  Arbeit  geschenkt  haben.  Da  eine  Aaaeig« 
der  ersten  Auflage  in  dieser  Zeitschrift  nicht  erschienen  ist,  se 
wird  es  sich  empfehlen,  zunächst  seine  Anlage  und  seine  eigen* 
tflmlichen  Vorzflge  kurz  zu  charakterisieren. 


JP.  Baumgartefi  u.  a.,  Die  hellenisehe  Eoltnri  ang.  v.  K.  Fring.    903 

Die  FflUe  and  ManDigfaltigkeit  des  zu  bewältigendeD  Stofifes, 
deesen  wissenschaftliche  Erforschung  Ton  Jahr  zu  Jahr  mehr  in 
die  Tiefe  nnd  Breite  geht,  schien  den  Verfassern  die  Dreiteilung 
der  Arbeit  zur  Qenüge  zu  rechtfertigen;  an  die  Leistungsfähigkeit 
eines  einzelnen  hätte  er  in  Wahrheit  allzu  hohe  Anforderungen 
gestellt  Sie  verteilten  also  die  Arbeit  so  unter  sich:  Baum- 
garten (Freiburg  i.  Br.)  schilderte  die  Erscheinungen  in  der 
bildenden  Kunst,  Poland  (Dresden)  in  Staat,  Leben  und  Götter- 
verehrung» Wagner  (Dresden)  in  der  geistigen  Entwicklung  und 
dem  Schrifttum.  Es  sei  anerkannti  daß  sich  die  Verfasser  nach 
Kräften  bemflht  haben,  diese  Arbeitsteilung  nicht  als  Übelstand 
empfinden  zu  lassen.  Gegliedert  haben  sie  den  8to£f  in  der  Weise, 
daß  zunächst  (I)  das  griechische  Altertum,  dann  (II)  das  griechische 
Mittelalter,  zuletzt  (III)  die  griechische  Blütezeit  behandelt  wird; 
eine  einheitliche  Behandlung  erfuhr  hievon  bloß  der  erste  Abschnitt, 
den  Baumgarten  allein  geschrieben  hat,  während  in  den  zwei 
anderen  Abschnitten  sich  die  Verfasser  nach  dem  angegebenen 
Prinzip  in  die  Arbeit  teilten. 

Was  das  Buch  auszeichnet,  ist  die  weise  Beschränkung  auf 
die  charakteristischen  Erscheinungen  in  den  verschiedenen  Gebieten 
des  kulturellen  Lebens,  das  Geschick,  mit  dem  diese  zu  sauberen 
Einzeldarstellungen  verarbeitet  wurden,  die  sich  gegenseitig  er- 
gänzen und  schließlich  zu  einem  wirkungsvollen  Gesamtbilde  zu- 
sammenschließen. Denn  gldcklicherweise  wurde  nicht  über  Einzel- 
heiten vergessen,  den  inneren  Zusammenhang  der  Erscheinungen 
klarzulegen.  Hiezu  kommt,  daß  die  Verfasser  es  auch  verstehen, 
was  sie  sagen  wollen,  klar  nnd  in  fesselnder  Weise  zum  Ausdruck 
zu  bringen.  Besonders  rühmend  sei  hier  jener  Partien  gedacht, 
die  die  Kunst  behandeln.  Es  ist  ein  wahres  Vergnügen,  deo  Aus- 
führungen des  Verfassers  zu  folgen:  nirgends  Phrasen,  nirgends 
Flunkern  mit  Gelehrsamkeit,  nirgends  unsicheres  Hin-  und  Her- 
schwanken im  Urteil,  vielmehr  überall  liebevolles  Versenken  in  den 
Gegenstand,  sichere,  klare  Anleitung,  das  Wesentliche  in  den  Ge- 
bilden der  Kunst  nnd  ihrer  Entwicklung  zu  erfassen,  wie  sie  eben 
nur  auf  dem  Boden  wissenschaftlicher  Tüchtigkeit  erwachsen  kann, 
die  aufs  glücklichste  mit  feinem  Kunstsinn  gepaart  ist.  Beides 
beweist  auch  die  ganz  vortrefifliche  Auswahl  des  Bilderschmuckes, 
der  so  reich  und  äußerlich  so  glänzend  ist,  daß  man  den  Autor 
dazu  beglückwünschen  muß,  einen  solchen  Verleger  gefunden  zu 
haben.  Ich  wüßte  kein  ähnliches  Werk,  das  bei  gleichem  Preise 
ein  gleich  vorzügliches  Bildermaterial  bOte;  hiedurch  wird  aber 
erst  das  Wort  lebendig,  denn  fehlt  die  Anschauung,  so  ist  auch 
die  feinsinnigste  Kuustbelehrung  fruchtlos.  Es  ist  mir  kein  Zweifel, 
daß  das  Buch  die  Freude  an  der  Kunst  und  das  Verständnis  ihrer 
Schöpfungen  in  jedem  Leser  auf  das  wirksamste  fördern  wird. 

Mit  diesem  Lobe  soll  jedoch  das  Verdienst,  das  sich  die 
beiden    anderen    Mitarbeiter    an    diesem   Werke   erworben    haben. 


904    F.  Baumgarien  u,  a,,  Die  helleniMhe  Kaltor,  ang.  y.  K,  iVtsu. 

keineswegs  geschm&lert  werden;  gerne  eei  anerkannti  dtft  auch 
sie  ihre  Aufgabe  bestens  gelöst  haben.  Wer  die  Schwierigkeiten 
kennt,  welche  die  Darstellung  des  politischen  und  privaten  Lebens 
der  Griechen  dem  Bearbeiter  bot,  wird  zugestehen  müsaen,  dafi  es 
Poland  gelungen  ist,  ein  feines  Bildchen  au  zeichnen,  in  dem  kein 
wesentlicher  Zug  fehlt;  daG  viel  Detail  unterdrückt  werden  mußte, 
▼ersteht  sich  bei  einem  solchen  Buche  von  selbst,  ja  gerade  in 
dieser  Beschränkung  zeigt  sich  der  Meister.  Unterstützt  und  belebt 
wird  das  geschriebene  Wort  auch  hier  durch  gut  ausgewfthlte  Ab- 
bildungen. Auch  der  literaturgeschichtliche  Teil,  der  Wagner  zum 
Verfasser  hat,  ist  verdienstvoll  und  darf  sich  getrost  den  beiden 
anderen  zur  Seite  stellen ;  die  Entwicklung  der  griechischen  Literatur 
wird  in  anziehender  Weise  geschildert,  die  wohl  geeignet  ist,  den 
Leser  zum  Verständnisse  der  alten  Schriftwerke  anzuleiten  und 
Lust  zu  erwecken,  sie  durch  eigene  Lektüre  kennen  zu  lernen. 
Qerade  dies  Moment  darf  bei  einem  solchen  für  weitere  Kreise 
von  Gebildeten  bestimmten  Buche  nicht  unterschätzt  werden. 
Wie  in  den  beiden  anderen  Abschnitten  das  Bild  zur  Ergänzung 
und  Belebung  herangezogen  wird,  so  hier  vielfach  die  eigenen 
Worte  der  antiken  Autoren.  Die  ganze  Darstellung  verrät  überall 
eine  durch  umfassende  Lektüre  der  Schriftsteller  und  der  ein- 
schlägigen Literatur  gewonnene  Vertrautheit  mit  dem  zu  behandelnden 
Stoff,  Geschick  in  der  Auswahl  und  ein  gesundes  Urteil. 

War  bereits  die  erste  Auflage  von  der  Kritik  ausnahmslos 
freudig  begrüßt  worden,  so  wird  die  zweite  gewiß  einer  noch 
freundlicheren  Aufnahme  begegnen.  Sie  nennt  sich  auf  dem  Titel- 
blatt eine  „starkvermehrte^,  dürfte  sich  aber  mit  gleichem  Rechte 
auch  eine  ^^ verbesserte*'  nennen.  Li  Anordnung  und  Gliederung 
des  Stoffes  sind  zwar  größere  Änderungen  nicht  vorgenommen 
worden  —  hiezu  lag  auch  kein  Grund  vor  — ,  aber  im  einzehien 
findet  man  doch  zahlreiche  kleine  und  große  Änderungen  und  Zn- 
sätze, wodurch  fast  immer  eine  Besserung  der  Darstellung  erzielt 
wurde;  vielfach  merkt  man,  daß  hiebe!  die  AuregninGT^n  der  Kritik 
nicht  unberücksichtigt  geblieben  sind.  Auch  an  den  sprachlichen 
Ausdruck  haben  die  Verfasser  noch  einmal  die  Feile  angelegt,  wo- 
durch das  Buch  nur  gewonnen  hat^).  Alle  Anerkennung  verdient 
es,  daß  in  der  neuen  Auflage  bereits  die  neuen  Entdeckungen  und 
Forschungen  der  letzten  beiden  Jahre  berücksichtigt  sind,  die  auf 
dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst  und  Literatur  manches  Neue  zu- 
tage gefördert  haben.  Besonders  stark  tritt  dies  in  den  Parties 
hervor,  die  die  bildende  Kunst  behandeln.  Hier  hat  Banmgarteo 
zunächst    den    ganzen  Abschnitt    über    die    kretische  Kultur    auf 


')  Kann  man  aber  wirklich  (S.  468)  von  einer  «aittlichen  Roheit* 
sprechen,  die  sieh  in  den  unanstftDdigen  EostQmen  und  Tänzen  der 
Aristophaniechen  Lustspiele  aussprach?  Es  soll  wohl  »Sittenrobeif 
heißen. 


F,  Baumgarten  u,  a.,  Die  beiienitehe  Enltor,  ang.  y.  K  Prinz.    905 

Grand  eigener  Anschannng  der  FnndsUtten  grflndlich  umgearbeitet ; 
der  Verf.  nnterscbeidet  jetzt  (wftbreod  in  der  ersten  Auflage  sum- 
mariecb  von  der  „mykeniscben  Zeit"*  geeprocben  wurde):  1.  Die 
primitive  Kultur  (Troia  I,  Troia  II,  Steinzeit  in  Kreta),  2.  Die 
kretische  Kultur,  8.  Die  mykenische  Kultur»  4.  Die  einheimische 
Frühkunst  in  Hellas  (Dipylonvaseo).  Zahlreiche  neue  Abbildungen 
Bind  hier  dazugekommen.  Ferner  findet  der  Leser  der  zweiten  Auf- 
lage bereits  eine  recht  gute  photographiscbe  Reproduktion  der 
prachtvollen  Marmorstatue»  eine  Niobide  darstellend,  die  1906  in 
Bom  gefanden  wurde,  mit  eingehender  Würdigung  dieses  glück- 
lichen Fundes.  S.  142  ff.  wird  nun  in  einem  neu  eingefügten  Ab- 
schnitt die  Entwicklung  des  ionischen  Kapitells  besprochen,  S.  414ff. 
die  in  ünteritalien  seit  400  erblühende  Geschirrindustrie  charakte- 
risiert und  durch  neue  Abbildungen  erläutert.  Überhaupt  sei  die 
große  Sorgfalt,  mit  der  das  Bildermaterial  revidiert  und  ergänzt 
wurde,  rühmend  hervorgehoben;  aus  der  großen  Anzahl  neuauf- 
genommener  Abbildungen  nenne  ich  besonders:  Fig.  75  „Odysseus 
und  Gefährten  retten  sich  mit  Hilfe  der  Widder  aus  der  Höhle  des 
Eyklopen**  (von  einer  Kanne  aus  Ägina);  Fig.  117  „Heimführung 
der  Braut"  (von  einer  attischen  Lutrophoros  ans  dem  Ende  des 
5.  Jahrb.);  sehr  interessant  ist  die  Szene:  „Mädchen  bringen  einer 
Neuvermählten  am  Tage  nach  der  Hochzeit  Morgengaben **,  welche 
aaf  einem  tönernen  Nähkissen  aus  Eretria  dargestellt  ist  (Fig.  118); 
mit  Freude  sieht  man  nun  auch  eine  Abbildung  der  herrlichen 
Beliefs  von  dem  sogenannten  Thronsessel  der  Erycinischen  Venus, 
ietzt  im  Nationalmuseum  ^in  Bom  (Fig.  176),  ferner  der  Sphinx 
vom  Apbroditetempel  in  Ägina  (Fig.  241)  nach  dem  ergänzten 
Abguß  in  München  (Furtwängler).  Natürlich  beschränkt  sich  diese 
Vermehrung  der  Abbildungen  nicht  auf  die  Abschnitte  über  die 
bildende  Kunst ;  auch  die  anderen  sind  so  bereichert  worden.  Bis- 
weilen sind  auch  Abbildungen  der  ersten  Auflage  in  der  zweiten 
durch  andere  ersetzt  worden;  doch  bekenne  ich,  daß  ich  Fig.  99 
und  171  der  ersten  Auflage  vorziehe.  Hie  und  da  ist  auch  eine 
Abbildung  ohne  Ersatz  ausgeschieden  worden ;  bedauerlich  ist,  daß 
hiezu  auch  die  Abbildung  der  Zeusmaske  von  Otricoli  gehört.  Daß 
sie  nicht  mehr  an  der  Stelle  erscheint,  wo  von  Phidias*  Werken 
gesprochen  wird  (S.  818),  ist  wohl  zu  billigen,  weil  sie  ja,  wie 
der  Text  hervorhebt,  den  später  herrschenden  Zeustypus  wieder- 
gibt. Jetzt  wird  wie  früher  davon  gesprochen,  daß  dieser  „mehr 
das  Energische,  Gewaltige,  Herrschermäßige  des  Göttervaters  be- 
tont^, aber  bloß  die  Anmerkung  beigefügt:  „s.  u.  bei  Ljsippoa*'; 
dort  (S.  409)  wird  auch  von  dem  „bekannten  Zeus  von  Olritdi'' 
gesprochen,  aber  die  Abbildung  sucht  man  vergeblich. 

In  dem  literaturgeschichtlichen  Teil  merkt  man  gleich  falle, 
daß  die  Funde  der  letzten  Jahre  nicht  unberücksichtigt  geblieben 
sind;  so  werden  die  Eöen  bereits  durch  Inhaltsangaben  aoa  dem 
Berliner  Fragment    näher    charakterisiert  (S.  203),    auf    die   neu- 


i 


906    F,  Baumgarten  u.  a.,  Die  helleniaebe  Kaiiar,  mag.  ▼•  JL  Prins. 

gefandenen  Lieder  der  Korinoa  wird  hingewiesen  (S.  428),  ebenso 
anf  den  Papyrnsfond,  der  nns  Brncbstücke  ans  der  Yerieidigongi- 
rede  des  Antiphon  sohenkte  (S.  485).  Anch  sonst  stößt  man  öfters 
anf  emzelne  Umarbeitungen  nnd  kleinere  Zosttze;  zu  einem  der- 
selben sei  mir  eine  Bemerkung  erlaubt.  S.  481  wird  jetit  zu  der 
kurzen  Charakteristik  der  Eyrup&die  Xenopbons,  nachdem  gesagt 
worden  war,  daft  die  Lektöre  auf  die  Dauer  nicht  fesseln  könne, 
der  Satz  hinzugefQgt:  „Aber  es  ist  der  erste  Versuch  in  dieeer 
jetzt  wieder  allbeliebten  Oattnng,  deren  Vertretern  man  den  gleichen 
Vorwurf  oft  ebensowenig  ersparen  kann^.  Abgesehen  davon,  daft 
mir  die  Beziehung  auf  die  Gegenwart  nicht  ganz  klar  und  auch 
nicht  ganz  zutreffend  erscheint,  bezweifle  ich  auch  sehr,  ob  man 
Xenophons  Tendenzroman  wirklich  mit  Becht  den  „ersten  Veraucb'' 
in  dieser  Gattung  nennen  darf.  Für  uns  ist  Xenophon  freilich  der 
ftlteste  Vertreter  jener  Literaturgattung,  aber  er  war  viel  su  wenig 
originell,  als  daß  ihm  zugetraut  werden  durfte,  er  habe  in  der 
Literatur  selbständig  einen  neuen  Weg  eingeschlagen.  Auch  ist 
bereits  von  namhaften  Literarhistorikern  auf  Vorgänger,  denen  wobl 
Xenophon  gefolgt  sein  dürfte,  hingewiesen  worden;  ich  nenne  bloß 
E.  Schwartz  (Fünf  Vorträge  über  den  Griechischen  Boman,  8.  44 ff.) 
und  U.  T.  Wilamowitz  (Griechische  Literatur  in  der  „Kultur  der 
Gegen  wart**,  8.  80).  —  Schließlich  noch  eine  Kleinigkeit:  S.  210 
werden  zur  Charakteristik  des  Hinkiambus  die  zwei  bekannten 
Verse  des  Hipponax 

oxotv  yccfi^  xig  ndTupigi]  xBd^xvlav 

in  folgender  Übersetzung  angeführt: 

,,Am  icbOniten  sind  dem  Weib  onr  diese  zwei  Tage: 
Wenn  eine  freit,  und  wenn  man  sie  im  Grab  einsenkl" 

Ob  ich  zwar  weiß,  daß  anch  in  einer  anderen  Literaturgeschichte 
diese  Verse  ähnlich  übersetzt  sind,  so  muß  ich  doch  ernste  Be* 
denken  dagegen  aussprechen,  daß  damit  der  Sinn  des  Originals 
richtig  wiedergegeben  sei.  Meines  Eraehtens  ist  bloß  die  Auf- 
fassung berechtigt,  die  z.  B.  Sitzler  in  ssinem  „Abriß  der  grie- 
chischen  Literaturgeschichte*'  S.  121  mit  den  Worten  aossprieht: 
„Von  den  Frauen  sagt  er  (Hipponax),  es  gebe  nur  zwei  Tage,  an 
denen  sie  einem  Frende  bereiten,  am  Hochzeits-  und  am  Todes- 
tage*' ;  80  hat  die  Verse  auch  schon  Hugo  Grotius  Tsrstanden,  der 
sie  übersetzt  (Stob.  Flor.  68,  8;  Bd.  IV,  S.  150  der  Ausgabe  Ton 
Gaisford,  Lips.  1824): 

„üxor  vtarito  dat  duos  dies  dulces\ 

Cum  sponsa  nubit  cumque  funue  effertur.'' 

Doch  ich  will  mich  nicht  in  Details  verlieren,  sondern  liebtr 
noch  einmal  kurz  mein  Urteil  über  das  Buch  zusammenfassen:  Die 
„Hellenische  Kultur^  ist  (besonders  in  ihrer  zweiten  Auflage) 
ein   so    vorzügliches  Buch,    daß    es   die    weiteste  Ver- 


Der  rOmiB^be  Limei  in  Öiterrelab,  aiig.  ? >  A,  Qüheit, 


907 


br^itUDg  In  den  Krei&en  aller  Gabildeien  rardUnt;  loabeBondera 
eignet  eß  sich  beateAs  als  Qeechetik  fdr  reifere  Scböler  unserer 
bdberen  Scboleii,  denen  man  damit  gewiß  große  Fretide  bereiten 
mrd.  Daranf  bei  pEsseDder  Oekgenheii  hinznweiBan  nnd  ei 
Wirnietens  zu  empfeblen^  Bollte  keiner  von  uns  Gymnasial* 
lehrern,  die  wir  die  altklaa sieeben  Spraehen  lebren,  ntiterlassen ; 
keinesfalls  aber  eollte  es  in  der  Schälerblbliotbek  solcher  Änetalteo 
fehlen. 

Ich  fichließe  diese  Anzeiire  ^nit  dem  anfrlchtigeD  WnciBcbe« 
daß  sieb  der  zweite  Band  auf  der  Höbe  des  ersten  halte  und  er 
nne  recht  bald  beackert  werde» 


I 


Wien- 


Dr,  Karl  Prios. 


I 


Der  r&mjscbe  Limes  in  Ödterreiab.   Heft  VIIL  Mit  3  Tslelu  und 

85  Figuren  im  Taife*  Kätsorlicbe  Akademie  der  Witienttchaften.  Wien, 
A,  Holder  1907.  223  Sp. 

Das  VUf.  Limeebeft  bebandelt  die  im  J.  1905  in  Carnuntum 
und  Lauriaeum  ansgeführten  Grabnngen«  Während  im  Lager  von 
Cürnuntum  nur  der  sud liebe  Tnrm  des  rechten  PriD^ipaltorea  ge^ 
legentiich  näher  untersucht  worde  (Sp*  4—8),  bildeten  das  eigeut- 
liehe  Arbeite feld  sieben  vereinzelt  zur  ^erfügang  stehende  Acker- 
par^ellen  ö.  vom  Amßhitbeater  (ei De  n.,  die  anderen  e.  der  Beiehs- 
etra&e),  was  ebensOTLelen  Veraucbsgrabnogen  in  einem  FIAciienranme 
von  760  X  BOO  m  gleichkam.  Oberall  traten  röm.  Prifathftueer 
der  Zifilatadt  zutage.  Von  Öf entlichen  Gebinden  etiell  man  nur 
anf  die  seit  1875  bekannte  große  Badeanlage  und  erforschte  sie 
in  einem  beinahe  um  das  doppelte  größeren  FläcbeuaUBmaDe.  Auch 
die  Untorsuchung  über  die  Straßen  konnte  in  dem  bezeichneten 
Gebiete  vom  Grabungsleiter  und  Verf.,  Oberst  v.  Groller,  erheblich 
gefördert  werden  (Sp*  93^ — 98)*  So  hat  es  sich  als  aehr  wahr- 
icheinlicb  herauegeatellt,  daß  um  das  Amphitheater  ein  grolier 
Kiesplati  liegt,  welcher  in  die  Ton  d«r  porta  primipalts  dixtra 
nach  Deut  ich' Alteuburg  binfübrende  StraBe  eingeschaltet  ist.  Eina 
weiter  sidlich  aufgedeckte  Parallelstraße  führt  gegen  die  portm 
decumana  hin  und  scheint  bier  das  Lager  nmgiingen  ^n  haben, 
wodurch  die  CircniDTallationsstra^e  südlich  um  das  Lager  ge* 
schlössen  wäre* 

Von  einzelnen  Bauwerken  verdient  in  erster  Linie  Erwähnung 
die  Begräbnisstätte  im  Garten  eines  röm.  Privathaoses  (Sp»  8—10), 
bestehend  ans  einem  ummanerten  Viereck  mit  einem  Kindergrab 
darin  und  fünf  anßen  Hegenden  Gräbern,  während  ein  anderes  Kinder- 
grah an  der  UmfassungEmauer  des  Gartens  liegt.  Alle  Gi^ber,  von 
denen  zwei  je  drei  Skelette  enthielten,  sind  entschieden  gleichzeitig 
L  mit  dem  Haneban,    was  also  „den  Beweis  liefert,    daß  die  UniU' 


\ 


908  Der  rOmisehe  Limes  in  Öiterreieb,  ang.  y.  A.  Gakeis. 

lässigkeit  von  Orab  and  Wofanbaae,  sei  es  in  der  Zeit  (Fnndmflnie 
des  Maziminns !),  sei  es  in  der  Gegend,  der  unsere  Geb&nde  an- 
geboren, nicht  oder  nicht  mehr  bestanden  hat**  (?gl.  Sp.  8).  Ein 
ähnlicher  Befand,  gleichfalls  ans  römischer  Zeit,  bot  sich  noch  an 
anderer  Stelle:  Die  Maner  eines  röm.  Hauses  war  stellenweise  aus« 
gebrochen,  um  Baum  fflr  die  Bestattung  zu  gewinnen ;  ffinf  Skelette 
fanden  sich  vor,  alle  mit  dem  Kopfe  nach  W.  orientiert  (Sp.  88  f^ 
vgl.  auch  51,  52).  Von  anderen  Details  sind  anzuführen:  eine 
Werkstätte  mit  vielen  Bronzewerkzeugen  (36  und  41),  eine  Bade- 
kammer  mit  Warm-  und  Kaltwasserleitung  (44 — 46),  ein  in  ein 
Haus  verbauter  aufgelassener  Wachturm  (46  f.)  u.  dgl.  Zu  diesem 
Teile  des  Limesheftes  kommt  ein  doppelter  Anhang.  Im  techno- 
logischen Anhang  (Sp.  97 — 112)  behandelt  Oberst  v.  Oroller  mit 
rühmenswerter  Sachkenntnis  die  Olasmosaikarbeit  einer  prächtigen 
Agraffe.  Der  epigraphische  Anhang  (118 — 118)  entstammt  der 
Feder  Hofrat  Bormanns.  Hier  wird  die  auf  einem  Steine  vorkom- 
mende Heimatsangabe  dimio  Sergia  Savaria  —  Savaria  gehörte 
der  iribus  Claudia  an  —  als  auf  Verwechslung  mit  CamwUum 
beruhend  aufgezeigt.  Der  kleine  Altar  mit  dem  Namen  der  grie- 
chischen Qöitin  Brimo  {Bqi[iA)  ist  ein  Zufallsfund. 

In  Sp«  119—172  bebandelt  Groller  die  Legionslager  von 
Lauriaeum  und  Albing.  In  ersterem  wurde  die  von  der  Westbahn 
abgeschnittene  nördl.  Ecke  aufgedeckt  und  hier  fällt  sofort  die 
strenge  Gleichförmigkeit  in  der  Anordnung  der  Lagergebäude  auf« 
Eine  Beihe  von  zwölf  größeren  Gemächern  mit  etwa  doppelt  so 
vielen  kleineren  Bäumlichkeiten  daneben  lassen  jedes  der  Isng- 
gestreckten  Gebäude  als  Centarienkaserne  oder  verdoppelt  als 
Manipelkaserne  erkennen ;  drei  Baumeinheiten  —  eine  größere  und 
zwei  kleinere  —  zusammen  bilden  ein  corUubemium,  Der  freie 
Baum  zwischen  den  Schmalseiten  der  Kasernen  und  der  via  an^ 
laria  diente  als  Formations-,  bezw.  Exerzierplatz  und  enthielt  auch 
eine  Beihe  von  sicher  nachgewiesenen  Baracken,  etwa  für  den  Train. 
Natürlich  kamen  bei  den  Grabnngen  kleinere  Fandgegenstände  aller 
Art,  Waffen  und  Werkzeuge,  Schmucksachen  und  Gefäße,  in  groAer 
Anzahl  zutage,  die  Sp.  187 — 156  gewissenhaft  verzeichnet  and 
abgebildet  sind.  —  Das  Kastell  Albing,  das  5  km  östL  von  LaU' 
riacum  liegt  und  dessen  Flächenranm  (288  m')  größer  ist  als  der 
der  Lager  von  Lauriaeum  (190  m')  und  CamutUum  (170  m'), 
entbehrte  des  Wallgrabens,  was  mit  dem  Terrainbefand  zusammen- 
gehalten, zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  daß  es  einst  auf  einer 
Donauinsel  lag.  Die  Ecktürme  nicht  mitgezählt,  ist  die  südwest- 
liche Front,  die  Dekumanseite,  von  sechs,  die  rechte  Langseite 
von  acht  Zwischentörmen  flankiert;  dazu  kommen  natürlich  noeli 
die  beiden  Tortürme  in  der  Mitte  jeder  Front.  Zwischen  dieses 
liegt  bei  der  porta  deeumana  eine  Durchfahrt,  die  porta  prinä- 
palia  dextra  hat  deren  zwei,  die  porta  praeioria  sogar  drei.  Der 
antike  Name  des  Kastells  ist  noch  nicht  festgestellt. 


O,  Awmtm  n.  a.,  CieenM  Bede  flr  Sex.  Bowioa,  aag .  ▼.  A,  KoirmUw.  909 

Li  einem  namiemaiischen  Anhang  (Sp.  178 — 222)  sind  die 
ane  Lanriaeum  stammend«!  Fandmünzen  von  Hofrat  Friedr.  Kenner 
in  flbersiebtlicben  Tabellen  zasammengeetellt  nnd  beeprochen.  Die 
eich  hieraus  ergebenden  Schlosse  könnten  natflrlicb  für  sich  allein 
nicht  als  bindend  betrachtet  werden,  xnsammengr^halten  jsdoch  mit 
anderen  Zeugnissen  treten  sie  für  dieae  bekr&ftigend  ein  und  so 
kommt  der  Verf.  anf  das  Alter  der  beiden  Lager  tu  sprechen :  Die 
leg.  II  Italiea  wurde  bekanntlich  tou  Marc  Aurel  errichtet  Für 
dieee  Legion  nun  war  wohl  von  Anfang  an  das  Kastell  von  Albing 
bestimmt«  wohin  sie  auch  nach  ihrer  Dislokation  in  der  Gegend 
▼on  Cilli  zurflckberufen  worden  xn  sein  scheint.  Das  ältere  Legions* 
kastei],  dessen  Lage  auf  einer  Donaninsel  gewiß  mit  Nachteilen 
▼erknnpft  war,  wurde  dann  mit  dem  Lager  ?on  Lauriacum  ver- 
tauscht  und  für  dieses  besitzen  wir  die  allerdings  fragmentarische 
Bauinschrift  aus  dem  J.  205.  Von  Bormann  als  solche  erkannt 
und  im  IX.  Bande  der  Jahreshefte  behandelt,  ist  das  wichtige 
Fragment  mit  Bormanns  Kommentar  in  den  Anhang  unseres  Heftes 
aufgenommen. 

Triest.  Dr.  A.  Qabeis. 


Giceros  Bede  für  Sex.  Boscias.  Ffir  den  Sohnlffebranob  herant- 
gegeben  Ton  Friedrieh  Bichter  nnd  Alfred  Flsckeisen.  4.  Aufl., 
bearbeitet  von  Georg  Ammon.  Leipzig  nnd  Beriin,  Verlag  Ton  B.  G. 
Teabner  1907.   106  88.  8«.  Preis  geh.  1  Mark. 

Diese  Ausgabe  weist  zwar  in  ihrer  neuen  Gestalt  keine 
grundslArzenden  Änderungen  auf;  aber  immerbin  sind  die  Abwei- 
chungen von  der  letzten»  im  Jahre  1889  erschienenen  Auflage»  die 
noch  Fleckeisen  besorgt  hatte,  zahlreich  genug.  Der  Herausgeber 
war  bestrebt,  nicht  bloß  die  Bedürfnisse  der  Schfller  zu  berück- 
sichtigen, sondern  auch  dem  Studierenden  der  Philologie  nnd  dem 
Anf&nger  im  Lehramte,  der  diese  Bede  zu  interpretieren  hat,  die 
wichtigeren  Behelfe  zur  Erläuterung  an  die  Hand  zu  geben.  Die 
neue  Ausgabe  will  die  Mitte  halten  zwischen  der  allein  fflr  den 
Forscher  bestimmten  großen  Ausgabe  Landgrafs  und  den  dflrftigen 
Schülerausgaben.  Diese  Absicht  zu  erreichen,  ist  der  gewissenhaften 
Sorgfalt  des  Herausgebers  auch  wirklich  gelungen.  Er  hat  alles, 
was  in  den  zwei  letzten  Dezennien  zur  Kritik  und  Erkl&rung  der 
Bosciana  geleistet  worden  ist,  mit  Umsicht  zurate  gezogen  nnd 
mit  selbständigem  Urteile  fdr  seine  Ausgabe  verwertet 

Über  Ammons  textkritisches  Verfahren ,  das  mit  Bocht  über- 
wiegend konservatiT  ist,  gibt  der  sorgsam  gearbeitete  kritische 
Anhang  Aufschluß.  An  mehreren  Stellen  ist  A.  auch  mit  eigenen 
Vorbeaaerungsvorschlägen  hervorgetreten.  Von  besonderem  Interesse 
ist  die  Stellung,  die  der  Herausgeber  gegenüber  der  Ausgabe  Clarks 
einnimmt,    der  wichtigsten  neueren  Erscheinung  auf  dem  Oebiste 


912  6r.  Ätnmoft  u.  a,,  CiceroB  Bede  fflr  Sex.  Boseiai,  aog.  t.  ä.  EamtUet. 

neribuSf  Liv.  11  ex  loco  infesto,  I  47  infestum  regnumj  XXI  83, 
6  infestum  agnun  faeere.  —  §55  halte  ich,  was  ich  schon  ürAhor 
einmal  aasffibrte,  die  Schreibang  quare  hue  inimieus  venias  für 
besser  als  q.  huie  t.  v.  Auch  §  61  eonßtere  hue  ea  spe  venum 
spricht  dafür.  —  §58  wäre  die  Note  zu  bane  aeeusaior  *aach  im 
0-Lant  etwas  Ironisches'  besser  nnterblieben.  Sie  ist  etwas  seltsam. 
—  §62  hingegen  scheint  mir  die  Vermutang  Ton  Klotz  et  maxime 
et  primum  quaerüur,  fflr  die  A.  im  krit.  Anh.  eintritt,  recht  be- 
achtenswert. —  §64  empfiehlt  A.  im  krit.  Anh.  mit  den  Hsa.  zn 
schreiben:  cum  neque  eerpua  quisquam  reperübatur  (Vnlg.  re- 
periretur ....,  id  aetatie  autem  duo  filii  propter  eubantes  .... 
dicerent.  Allein  wenn  diese  Schreibang  Glauben  fände,  würde  eine 
bedenkliche  Unsicherheit  in  der  sonst  so  strengen  Modosgebang 
der  lateinischen  Sprache  einreißen.  Das  koordinierende  auiem  kann, 
wie  schon  Madwig  zn  Defin.*  p.  246  erklärte,  nnr  darchaos  Gleich- 
artiges Yerbinden  and  cum  kann  nicht  za  reperübatur  in  tem* 
poralem,  zn  dicerent  aber  in  kausalem  Sinne  gefaßt  werden.  Man 
maß  daher  aach  gegen  die  Hss.  reperiretur  schreiben.  Ebenso- 
wenig kann  §  81  das  flberlieferte  gut..  Ramae  mm  fuit,  Med.. 
neeciret  gehalten  werden  and  es  ist  mir  befremdlieh,  daß  A.  diesen 
Modaswechsel  für  ^wahrscheinlich'  erklärt.  Es  maß  yielmehr,  wie 
ja  allgemein  aach  geschieht,  geschrieben  werden:  nescMt.  Was 
Ammons  Verweisang  aaf  Nep.  Iph.  II  4  für  unsere  Stelle  bedeuten 
soll,  verstehe  ich  nicht.  Da  heißt  es:  cum  Artaxerxee  bellum  in- 
ferre  voluit,  ein  rein  temporales  cum,  dessen  Möglichkeit  doch 
niemand  bestreiten  wird,  wohl  aber  seine  Yerquickung  mit  einem 
kausalen  Konjanktiv.  —  §  70  hält  A.  das  handschrifUiche 
seripeerit  fest.  Die  neueren  Herausgeber  hatten  fast  darchaai 
dafür  nach  Halm  acripeit  geschrieben.  Daß  die  or,  obl.  hier  den 
Konjunkti?  fordere,  ist  nicht  zuzugeben.  Ja,  der  Indikativ  ist  dem 
Sinn  der  Stelle  angemessener  als  der  eine  nicht  recht  erwünschte 
Unbestimmtheit  hineintragende  Konjunktiv.  Freilich  werden  jetzt 
auch  rhythmische  Gründe  für  den  Konjunktiv  ins  Treffen  eingeführt: 
seripeerit  bildet  einen  schönen,  abschließenden  Cretieus.  —  §  80 
vermutet  A.  nos  iudicio  pertundere,  codd.  perfundere  und  hält 
das  Wort  für  einen  mit  pereutere  synonymen  ^Schlager  jener  Zeit*: 
Mir  kommt  oine  solche  Vermutung  recht  bedenklich  vor,  da  per- 
tundere in  diesem  Sinns  gar  nicht  nachweisbar  ist.  Freilich  ist 
auch  das  überlieferte  perfundere  kaum  zu  halten;  gewiß  nicht  in 
der  [von  Nägelsbach  gewollten  Bedeutung:  'Uns  scheinst  du  mit 
dem  Prozeß  nur  naß  machen  zu  wollen,  d.  h.  ujit  pro  forma 
in  ihn  zu  verwickeln,  wirklich  anzuklagen  aber  diejenigen,  die  dich 
bezahlt  haben'.  Kann  man  wirklich  die  furchtbare  Anklage  wegen 
Vatermordes  als  ein  bloßes  'Naßmachen'  bezeichnen?  —  §85  setzt 
A.  die  Konjektur  adplicatue  ad  eeveriUüem  in  den  Text,  im  krit 
Anh.  freilich  hält  er  inclinatue  für  geeigneter.  Die  ratio  jedoch 
fordert  hier  eine  Schreibung,  aus  der  die  handschriftliche  Korroptel 


G,  Amman  «.  a.,  Gieeroi  Bede  fttr  Sex.  Bosdiu,  aog.  t.  ä.  Kamitser.  913 

iwtplicUus  erkl&rt  werden  kann.  Dag  se  beqaeme  indinatua  würde 
hiezn  keinen  Anlaß  geboten  haben.  Es  mnfi  hier  m.  E.  ein  sel- 
teneres, dem  Abschreiber  fremdes  Wort  nrsprflnglich  gestanden 
haben.  Darnm  möchte  ich  des  Grävins'  Vermatong  implaoatua  vor- 
uohen,  wenngleich  das  Wort  nnr  bei  Dichtem  nachweisbar  ist  Das 
dabei  stehende  ad  severUatem*  ist  dann  bloß  ans  Grflnden  der  Kon- 
xinnittt  beigegeben  wie  etwa  Cic.  Gat.  I  12  giuod  est  ad  aeveri* 
tatem  lenius,  ad  eammunem  salutem  fUiliua.  —  §  89  bietet  A. 
zwar  im  Text  mit  den  anderen  Herausgebern  in  grege  adnumerer, 
ompfiehlt  jedoch  im  krit  Anhange  nach  der  Mehrzahl  der  Hss.  in 
gregem  a.  zu  schreiben,  „wie  Cicero  die  Verba  des  Beif Agens 
(eo  addere  a.  a.)  hftnfig  nach  der  Frage  'Wohin?*  konstruiert''. — 
Allein  bei  diesen  Verben  des  Beifügens  liegt  die  Sache  doch  wesent- 
lich anders,  eo  addere  ist  neben  addere  ad  rem^  wie  die  ganz 
normale  Konstruktion  lautet ,  sehr  leicht  Terstftndlich ;  aber  ad- 
numerare  Terbindet  sich  nur  mit  dem  Dativ  oder  mit  in  und  dem 
Ablativ.  —  §  99  lautet  die  hs.  Lesart  guid  erat,  guod  CapiUmem 
primum  eeire  voluerit?  Die  regelmäßige  Form  wäre  aller- 
dings teilet;  aber  es  geht  doch  nicht  an,  dieses  auffällige,  durch 
die  Einstimmigkeit  der  Hss.  gesehfitzte  voluerü,  wie  geschehen 
ist,  einfach  in  vellet  zu  Andern,  mag  dieses  auch  (nach  Zielinski) 
aus  rhythmischen  Ordnden  besser  sein.  Ebensowenig  ist  es  zu- 
lissig,  erat  in  eet  umzuftndem.  Es  steht  im  Grunde  dieses  voluerit 
auf  derselben  Linie  wie  jene  nicht  seltenen  F&lle,  wo  in  konseku- 
tiven Belativs&tzen  oder  bei  guin  der  Konjunktiv  des  Perfekts  nach 
einem  historischen  Tempus  eintritt  statt  des  zu  erwartenden  Kon- 
junktivs des  Imperfekts,  wie  z.  B.  nemo  te  plaeavit  inimieua,  gui 
ullae  reeedieee  in  ie  simultatia  religuias  eeneerit  Cic.  Dei.  9, 
oder  nemo  Lüyhaei  fuit,  guin  hoc  viderit  Cic.  Ver.  V  1.  Der 
Konjunktiv  des  Perfekts  drückt  da  eben  ein  Urteil  vom  Stand- 
punkt der  Gegenwart  ans.  Als  unhaltbar  aber  muß  ich  die 
▼eo  C.  F.  W.  Möller  und  anderen  in  den  Text  gesetzte  Schreibung 
guid  erat,  guod  Capitonem  primum  eeire  vduit  bezeichnen,  die 
ich  freilich  ehedem  selbst  gebilligt  hatte.  Denn  das  könnte  nur 
beißen:  Was  war's  denn  eigentlich,  was  er  dem  Capito  zuerst 
hinterbringen  wollte?  Aber  nicht  darnach  wird  hier  gefragt,  sondern 
Cicero  wiederholt  hier  nochmals  die  dr&ngende  Frage,  die  er  schon 
frflher  ausgesprochen  hatte,  vgl.  g  96.  Was  ffir  ein  Grund,  fragt 
er  dort,  war  vorhanden,  daß  die  Mordtat  gerade  dem  Capito  zu 
allererst  gemeldet  wurde,  der,  wie  der  Beduer  sagt,  keinerlei  be- 
sonderes Interesse  daran  haben  konnte,  davon  in  Kenntnis  gesetzt 
zu  werden,  ei  nullum  iam  ante  eoneilium  de  morte  ac  de  banie 
eine  inierat  nullamgue  eoeietatem  negue  ecelerie  negue  praemii 
cum  homine  uUo  coierat  (§  96)?  In  Ameria,  f&hrt  Cicero  fort, 
lebte  ja  die  Frau  des  Ermordeten  und  der  erwachsene  Sohn  und 
andere  Verwandte,  mit  denen  er  in  trefflichstem  Einvernehmen  lebte. 
Warum  also  wurde  nicht  diesen  zun&chst  Berufenen,  sondern  gerade 

ZeitMhTifl  1  d.  teteir.  Otvii.  1906.  X.  Heft.  58 


914  G,  Amman  u,  a.,  Cioeros  Bede  Ar  Sex.  Boieiai,  ug.  t.  A  Karmtter. 

dem  Boseiat  Oapito  die  Meldung  mit  solcher  Bascbheit  flbtfbrseht? 

—  Dieselbe  Frage  nnn  nach  dem  r&tselhaften  Grande  jener  «l- 
fertigen  Meldung  gerade  an  Capito  stellt  Cicero  anch  hier  ud  «• 
klärt  sarkastisch,  den  Grand  selbst  nicht  zn  wissen.  Die  Feig» 
jener  Meldung  aber  sehe  er  klar;  denn  jetzt  besitze  Capito  dni 
der  herrlichsten  Gfiter  des  Erschlagenen.  Damit  ist  dann  freüieh 
auch  die  Frage  nach  jenem  Grande  erledigt.  Die  anffslleode 
Schnelligkeit  in  der  Überbringnng  der  Nachricht  solltet  wie  Qlcm 
es  darstellt,  dem  mit  in  die  Tat  eingeweihten  Capilo  ermöglieha, 
einen  Vorsprang  zn  gewinnen  und  eilends  alles  Yorzukehren,  daß 
die  rachlosen  Pläne  der  Mordgesellen  nicht  etwa  durch  das  Ein- 
greifen des  jnngen  Boscins  dnrchkrenzt  würden.  —  Nicht  recht 
verständlich  ist  mir  die  Bemerkung  im  Kommentar  Amons  zn  dir 
Stelle,  die  sich  allerdings  anch  schon  in  der  früheren  Auflage  findil 
Sie  lautet:  „quid  erat  quod  voluerü?  =:  cur  vcluU?  Bei  der  Dd- 
schreibung  der  einfachen  Frage  pflegt  Cicero  selbst  dann  den  Kon- 
junktiv zu  setzen,  wenn  von  einem  Faktum  die  Bede  ist,  vgl  p. 
Cluent.  147  quid  eaty  cur  tu  in  isto  loco  sedeoB?  Phil.  Mllfn^ 
fuü  cauaae,  cur  in  Äfricam  Caesarem  non  scquere?**  Hier  msfi 
man  aber  wohl  fragen:  Wäre  denn  in  den  angeführten  Beispiekn 
überhaupt  ein  anderer  Modus  möglich  als  der  Koiyunktiv  oad  ist 
es  etwa  eine  Eigentümlichkeit  Ciceros,  in  der  abhängigen  Fn^ 
den  Konjunktiv  zu  setzen?  —  §  108  ist  die  Verdächtiganef  d« 
Satzes  hoc  est  —  quaeritur^  die  A.  im  krit.  Anhang  ausspricht* 
nicht  berechtigt,  mögen  auch  'die  Bhythmen  dadurch  schlechter 
werden'.  —  §  107  ist  im  Kommentar  vor  der  Note  zu  Mieti 
die  Bezeichnung  §  107  ausgefallen.  —  §  185  zu  «^  m  «ote« 
beatum  ptUet,  wo  beatue  das  äußere  Glück  bezeichnet,  wira  es 
wohl  recht  passend,  auf  eine  oder  die  andere  Stelle  hinzuweiten, 
wo  auch  beatus  bedeutet  'begütert,  mit  Glücksgütern  geeegnd*. 
wie  homines  non  beatiasimoa  Nep.  Ages.  8,  hi  dum  aedißcBi^ 
tamquatn  beati  Cic.  Cat.  U  20,  qui  tarn  beati  quam  isU  is< 
non  8umu8  Cic.  Verr.  IV  126,   beata  uxor  Hör.  Ep.  I  2,  144. 

—  §  141  nimmt  zwar  A.  die  Konjektur  experrecta  für  ezpMa 
der  Hss.  in  den  Text  auf,  vermutet  jedoch  im  krit.  Anhang,  e«  w 
vielmehr  ex  ciiata  zu  lesen,  wozu  experrecta  „Glossem**  geweseo  w* 
Nicht  ganz  klar.  A.  will  wohl  sagen,  daG  experrecta  sich  in  den 
Text  eingeschlichen  habe  und  später  zu  expedata  verderbt  wordea 
sei;  denn  experrecta  ist  ja  gar  nicht  überliefert.  Ein  etwas  Iwb* 
plizierter  Weg,  wie  man  sieht.  Auch  verwehrt  uns  hier  wieder  d» 
kritische  Methode,  das  bequeme  und  sehr  gebräuchliche  sxeitii^ 
als  das  Ursprüngliche  und  als  die  Quelle  der  Korruptel  in  den  Hsi- 
expectata  anzusehen.  Angelius^  experrecta  aber  ist  eine  gl&oifndi 
Emendation,  die  aach  paläographisch  sehr  nahe  liegt.  Durch  Ab- 
irren des  Auges  von  dem  einen  e  zum  nächsten  entstand  ans  ex- 
perrecta zunächst  expectay  woraus  dann  natürlich  expectata  p- 
macht  wurde.    —    §  146  omnia  aua  praeter  aniwtam  tradidä 


C.  Bwrdt,  Die  SannoMii  det  Q.  Horatiu  Flaceu»  uig«  t.  F.  Hmma.  915 

Volg.»  aaeh  Ammoii  im  TezI»  doch  im  krit.  Anbaiig  meint  «r,  4aA 
Tielleiebt  doch  das  bMser  beseafte  propttr  amiwiam  titfsinaigar 
aai.  Allein  iAr  prad$r  eprieht  mit  aller  Bnteehiedenheit  der  Um- 
atand,  dafi  Cicero  wiederholt  den  Gedanken  ansapriebti  der  An- 
geklagte habe  ana  seinem  reiehen  Beeitae  nichts  ala  das  nackte 
Laben  gerettet. 

Meine  eingehende  Besprechung  sollte,  wie  bereits  bemerkt, 
das  lebhafte  Interesse  an  der  Ausgabe  Ammons  beknnden»  die  hiemit 
nochmals  als  eine  grflndiche  Arbeit  der  Beachtung  der  Fachgenossen 
empfohlen  sei. 

Wien.  Alois  Kornitzer. 


Die  Sermonen  des  Q.  Horatias  Flaecas,  deutsch  Ton  G.  Bardt. 
Dritte  Termehrte  Auflage.  Berlin  1907,  Weidmann.  YIIl  und  258  SS.  8^. 
Pieis  4  Mk. 

Da  die  2.  Aufl.  dieses  Werkes  in  dieser  Zeitschrift  (1901, 
S.  608  ff.)  bereits  ausfflhriich  gewdrdigt  worden  ist,  so  dürfte  es 
nunmehr  genügen,  die  Veränderungen  gegenüber  jener  Auflage  kurz 
zn  beleuchten. 

Die  neue  Ausgabe  ist  bereichert  worden  durch  Hinsufügung 
▼on  drei  Satiren  (I  2,  7;  II  7),  so  daß  wir  nur  noch  Sat.  I  8; 
n  4,  8  vermissen.  Diese  zeigen  dieselben  Vorzüge  der  Feinheit 
und  Glätte  der  Sprache  wie  der  alte  Stamm,  dieselbe  Freiheit  in 
der  Umgestaltung  antiker  Verhftltnisse,  sobald  sie  dem  modernen 
Leser  nicht  Terst&ndlich  und  nicht  forderlich  erscheinen.  Daher 
werden  Namen  wie  Cerinthus  (I  2,  81)  einfach  beiseite  gelassen, 
Uta  et  Egeria  (126)  werden  zu  den  „schönsten  Namen  aus  dem 
Chor  der  Musen**,  Fabiua  (134)  wird  durch  die  Stoa  ersetzt;  die 
Weinbergneckerei  (I  7,  28  ff.)  Terwandelt  sich  in  die  Neckereien 
homerischer  Helden  Tor  dem  Kampfe,  statt  der  Gemftlde  des  Pausias 
bewundert  der  Sklave  Apelles*  Bilder  (II  7,  95). 

Nur  wenige  Sermonen  sind  ganz  frei  von  Veränderungen, 
bezw.  Ton  Verbesserungen  geblieben,  die  meisten  lassen  die  nach- 
bessernde Hand  des  Übersetzers  merken.  So  ist  überall  die  neue 
Beohtscbreibuog  durchgeführt  —  Seh  weis  (S.  150)  ist  wohl  nur 
ein  Druckfehler  — ,  Versehen  der  2.  Aufl.  werden  möglichst  getilgt, 
ao  8.  24  jetzt  „ungeschrieben**  (st.  umgeschrieben),  S.  141  „Aus 
bester  Quelle  sei  mir  (st.  ihm)  das  bekannt**,  144  „Ihm  sagt  das 
Fnßzeng,  das  ihm  ward,  nicht  zu^  (st.  „Ihm  sagt  das  ihm  ge- 
fallene Loa  nicht  zu**),  178  „Sich  an  den  (st.  dem)  Duft  gewöhnen**. 
Keine  Verbesserung  scheint  mir  S.  88  zu  sein  „Tor  Servius' 
ahnungslosem  Regiment**  (st.  ahnenlos  der  2.  Aufl.),  S.  164  «den 
himmlischen**  (st.  Himmlischen).  Ebenso  möchte  ich  der  früheren 
Fassung  ? on  Sat  I  5,  77  (S.  86)  den  Vorzug  geben,  wo  das  „ihnen** 
sich  an  das  unmittelbar  yorhergebende  „Berge**  glatter  anschloß. 

58* 


916  X.  Mdceari,  De  OTidii  Metamorphoseon  dieticliii,  uig.  t.  J.  OoOifig. 

Eine  schwache  Seite  der  ObersetziiDg  hiidet  der  ftbermUige 
Gebrauch  der  Fremdwörter.  Manche  Fremdiinge,  wie  Hakük, 
MedisaDce,  Differenz  ließen  sich  ohne  merklichen  Schaden  dnrch 
„Schwindsncht,  L&etemng,  Unterschied"  ersetzen.  Wörter  wie  „ans- 
probieren''  (S.  170),  ,,abkonterfeien'<  (S.  222),  „hinspaziaren« 
(S.  199)  wirken  für  Ang  und  Ohr  nnschön.  Schlecht  klingt 
„flchlechsten''  (S.  145). 

An  Dmckverseben  sind  mir  aufgefallen:  8.  12  Seile  statt 
Seide,  S.  101  Stadt  st.  Statt,  S.  107  ApoUes  et.  Apellea,  8.  196 
profitiert  st.  profitiere,  S.  220  weißt  st.  weiß,  S;  241  das  at.  daß. 
—  Im  „Begister  der  Namen  **  ist  die  alphabetische  Reihe  (d«- 
Namen)  auf  S.  257  strenger  einzuhalten. 

Duppau.  Franz  Hanna. 


Maccari  L.,  De  Ovidii  Metamorphoseon  diatichis.  Senae  luüae 
ex  officina  S.  Bernardini»  MCMVIl.    24  88.  gr.-8^. 

Um  sofort  den  befremdenden  Titel  yorliegender  Abhandlung 
zu  erkl&ren,  so  sucht  der  Verf.  die  Frage  zu  beantworten,  warum 
Ovid,  der  sich  in  seinen  übrigen  Dichtungen  des  elegischen  Vers- 
maßes bediente,  in  den  Metamorphosen  den  Hexameter  wählte,  Tor 
allem  aber  nachzuweisen«  daß  Otid  auch  in  dieser  Dichtung  den 
elegischen  Dichter  nicht  yerleugnete.  Nach  Orids  eigenem  Urteil 
gehören  die  Metamorphosen  gar  nicht  zur  epischen  Dichtung,  aie 
sind  vielmehr  inhaltlich  enge  mit  den  FclbH  verwandt,  denen  sie 
auch  der  Abfassungszeit  nach  nahe  stehen.  Ist  es,  so  fragt  M., 
nicht  nahezu  ausgeschlossen,  daß  dem  Dichter  vcn  vornherein  for 
beide  Dichtungen  verschiedene  Versmaße  vorschwebten?  JedenfaUs 
hatte,  wie  M.  meint,  Ovid  anfangs  die  Absicht,  nach  Art  der 
Alexandriner  die  alten  Mythen  über  Verwandlungen  in  "elegischem 
Maße  zu  bearbeiten,  wie  er  es  mit  einem  ganz  ähnlichen  Stoffe  in 
den  Fasten  getan  hat:  aber  mochte  ihn  der  große  Umfang  der 
Dichtung  oder  der  Vorgang  griechischer  Dichter,  die  daa  heroieehe 
Versmaß  für  elegischen  Stoff  verwendeten,  vielleicht  auch  das 
Streben,  sich  durch  die  Neuerung  interessant  zu  machen,  bewogea 
haben,  kurzum,  er  sei  von  seinem  ursprünglichen  Plane  abgegangen. 
Allein  sowohl  der  Stoff,  für  den  sich  der  Hexameter  wenig  eigne, 
als  auch  Ovids  Veranlagung  hätten  dem  Dichter  nicht  gestattet, 
sich  von  einer  Versart  vollständig  frei  zu  machen,  die  ihm  seit 
jeher  vertraut  gewesen  und  die  ihn  gezwungen,  die  einzelnen  Ge- 
danken auf  enge  Qrenzen  zu  beschränken :  wider  Wissen  und  Willen 
stelle  sich  bei  Ovid  auch  in  den  Metamorphosen  immer  und  immer 
wieder  das  Bestreben  ein,  mit  je  einem  Verspaare  einen  Gedanken 
abzuschließen,  was  dem  epischen  Gebrauche  des  Hexameters  wider- 
spreche. 


J.  W,  Nagl,  Mathe  Einleitang  in  das  Nibelangonliod,  ang.  t.  A,  Bemt.  917 

M.  unterBcbeidet  fünf  Arten  T«n  Versyerbindangen»  die  an 
die  elegische  Darstellongsweiee  erinnern.  Er  findet  unter  den 
11.959  Versen  der  Metamorphosen  zunächst  2250  Verspaare,  deren 
jedes  nach  Art  der  elegischen  Distichen  einen  abgeschlossenen 
Gedanken  enth&it.  In  der  erdrückenden  Mehrheit  der  Fälle  tritt  im 
zweiten  Hexameter  die  Penthemimeres  ein,  eine  Tatsache,  die  M. 
als  besonders  beachtenswertes  Merkmal  ovidischer  Manier  ansieht, 
n  170  folgen  vier  solcher  Verspaare  aufeinander.  —  Verbindungen 
Ton  vier  Versen  finden  sich  485 ;  sie  lassen  sich  leicht  auf  je 
zwei  'Disticha'  zurückführen.  Vgl.  IV  740—743,  XI  190—198. 
—  Sechs  zusammengehörige  Verse,  d.  i.  Je  drei  ^Disticha'«  kommen 
108  vor.  So  IV  47 — 52.  —  Verbindungen  zu  drei  Versen,  wovon 
einer  dem  ^Distichon'  zur  Vervollst&ndigung  des  Gedankens  voran- 
geht oder  nachfolgt,  sind  2160.  So  V  805  ff.,  V  815  ff.  —  Ver- 
bindungen zu  drei  Versen,  worin  ebenso  der  erste  mit  dem  zweiten 
wie  der  zweite  mit  dem  dritten  Verse  ein  'Distichon*  ergeben 
könnte,  zählen  177.  So  VI  879  ff.,  IX  885  ff.  —  Außerhalb  dieser 
fünf  Arten  von  Versgruppen  stehen  2596  Verse,  d.  i.  21  $|^.  Wo 
sich  solche  Versreihen,  die  des  elegischen  Charakters  entbehren, 
finden,  dort  glaubt  M.  meistenteils  auch  den  Grund  für  ihre  Ver- 
wendung nachweisen  zu  können.  Es  sind  Stellen  wie  III  181 — 
137  (rhetorisch  gehoben),  I  880  ff.  (epischer  Zug),  II  367—872 
(den  Übergang  vermittelnd),  XI  714—780  (dramatische  Bewegung) 
und  XV  296-806  (Beschreibung).  Am  Schlüsse  p.  17—24  sind 
80  ziemlich  s&mtliche  Verse  der  Metamorphosen  nach  den  vor- 
stehenden Gesichtspunkten  geordnet. 

Wenn  M.  zugibt,  daß  sich  die  von  ihm  beobachtete  Erschei- 
nung auch  bei  anderen  hexametrischen  Dichtern  findet,  so  wftren 
nähere  Angaben  über  deren  Umfang  namentlich  bei  den  eigentlichen 
Epikern  von  entscheidender  Wichtigkeit  für  die  Beurteilung  von  M.s 
Hypothese.  Der  Verf.  gedenkt  zwar  das  Versäumte  nachzuholen, 
sobald  er  die  Urteile  über  seine  derzeitige  Arbeit  gehört  hat;  allein 
diese  Urteile  können  ohne  Einsichtnahme  in  das  zur  Vergleichung 
heranzuziehende  Material  nicht  zutreffend  sein.  Warten  wir  also  ab  I 

Wien.  J.  Golling. 


Richard  von  Muths  Einleitung  in  das  Nibelungenlied.  Zweite 
Auflage.  Heraasgegeben  mit  des  Verfassen  Nachträgen  und  mit  lite- 
rarischen Nachweisen  bis  zur  Gef^enwart  von  J.  W.  Nagl.  Paderborn, 
Ferd.  Schöningh  1907.  X  und  501  SS.    Preis  8  Mark. 

Theodor  Abeling,  Das  Nibelungenlied  und  seine  Literatur. 
Eine  Bibliographie  und  vier  AbhandiangeD.  Leipzig,  Avenarias  1907. 
(„Tentonia.**  Arbeiten  sar  germanischen  Philologie,  herausgegeben 
von  W.  Uhl,  7.  Heft)   VI  und  257  äS.  Preis  8  Mark. 

Man  fragt  sich,  welchen  Zweck  eine  Neuauflage  von  Muths 
Buch,  das  im  Jahre  1877,   als  der  Kampf  um  die  Lacbmannsche 


918  J.  TT.  Nagl,  Matht  Einleitnog  in  das  Nibolim^Dlied,  ng.  t.  ä.  BenU 

Liedertbeorie  noeh  heftig  tobte,  seine  Beetimmimg  als  teiDp«rm- 
mentvollste  Vertretung  Laehmanns  erfüllen  mochte,  hente  nach 
einem  Meneehenalter  haben  soll,  wo  kaum  ein  Fachmann  naahr 
gana  aof  dem  Boden  Lachmanns  steht  nnd  wo  s.  B.  die  elnug« 
Abhandlang  von  A.  Hensler,  Lied  nnd  Epos  in  germanischer  Sa^e 
nnd  Dichtung,  1905,  die  Unmöglichkeit  einer  Addition  Ton  Binxel* 
liedern  im  Nibelungenliede  klar  erweist.  Mnths  Bnch  hat  auch  als 
Einführung  in  das  Lied  seinen  Zweck  erfüllt,  nnd  wer  den  Stand 
der  Frage  in  den  Siebzigeijahren  kennen  lernen  will,  wird  aleh 
Muths  Arbeit  und  seine  anderen  Schriften  tu  den  Nibelungen  ans 
jenen  Jahren  unschwer  Terschaffen  kOnnen. 

Nagl  gibt  nun  einen  ToUstündigen  Abdruck  des  Buches,  ohne 
Muths  Arbeit  zu  Andern;  kleinere  Zusfttze  und  Anmerkungen,  wie 
S.  228,  248,  249,  267,  288,  815,  409  sind  nicht  viel  mehr  als 
gelegentliche  Notizen.  Nun  hat  Nagl  auch  selbstindige  Arbeit  ge- 
leistet,   indem  er  die  Bibliographie  Muths  bis  auf  die  letzte  Zeit 
fortführt  und  so  wenigstens  die  Einleitung  in  das  Lied  nach  dieaar 
Seite  erfreulich  ergänzt.     Aber  auch  da  entt&uscht  uns  der  Yeif., 
indem  er  selbst  zugesteht,  alles  ausgeschlossen  zu  haben,  waa  die 
Nibelungensage  oder  Dichtung  nur  beiläufig  berührt  oder  nur  po- 
puläre Zwecke  verfolgt,  ebenso  die  von  anderen  angeführten  Schriltan, 
die   ihm   nicht  zugänglich  waren.     Prüft  man  darum   die  Bücher- 
listen auf  die  Erscheinungen  mehrerer  Jahre,  so  zeigen  sich  recht 
unerfreuliche  Lücken ;  so  fehlen  aus  dem  Jahre  1892  die  Arbeiten 
von  Fuhr,  Meblis,  Olrik,  Ten  Brink  —  wenn  Biegers  Schulausgabe 
1904  erwähnt  ist,  sollten  auch  die  verbreiteten  von  Bötticher  und 
Kinzel,  sowie  von  Legerlotz  und  von  Golther  aus  dem  Jahre  1892 
und  Stöckel  vom  Jahre  1895   nicht  übergangen  werden.    —    Aus 
dem  Jahre  1898  fehlt  Schmedes  und  Spiller,  aus  1894  Devantier, 
Golther,  Landmann  (Zur  neuesten  Nibelungen-Literatur),  Wossidlo; 
aus  1895  Brenner,  Fr.  Sander,  aus  1896  Freytag  und  Kamp;  aus 
1897  Bugge,  Carlyle,  Holdermann,   Meblis,    Mogk,    Sarrazin,   und 
so  ließen  sich  die  Reihen  fortführen.   Einzelne  der  hier  vermißten 
Arbeiten,  wie  die  von  Freytag  und  Kamp,  sind  allerdingfs  in  den 
Anmerkungen  zu  S.  484 — 487  zitiert;   im  ganzen  aber  kann  die 
Bibliographie    keinen    bescheidenen  Anspruch    auf  Vollständigkeit 
machen.  Nun  verweist  der  Herausgeber  auf  die  Jahresberichte  über 
die  Erscheinungen    auf  dem  Gebiete  der  germanischen  Philologie; 
aber  wer  diese  zur  Hand  bat,   bedarf  kaum  der  Nachträge  Nagls. 
Nun  würde  man  begreiflich  finden,  daß  der  Verf.  nur  jene  firscüei- 
nungen  zur  Nibelungendichtung  anführte,  die  die  Frage  entschei- 
dend weiterführten,    und   im  übrigen   auf  die  Jahresberichte  ver- 
wiese.  Aber  auch  dieses  Prinzip  ist  nicht  festgehalten,  denn  man 
findet  in  seinem  Verzeichnisse  für  die  Forschung  wertlose  Arbeiten 
aufgenommen,   wie  die  Arbeiten  von  Birch,   Burghold,   Glaassea, 
Bekerth,  PepOck,  Schliep,  Stein  u.  a.    So  ist  es  bedauerlich,  daß 
der  Verfasser  und  der  Verleger   so  viel  Mühe  auf  den  Neudruck 
eines  so  wenig  zeitgemäßen  Buches  verwendet  hat. 


Th.  Abdmg,  Dm  Nibolnogenlied  nod  leiae  Litexmtnr»  uig.  t.  A.  Bemt  919 

Von  viel  höherem  Werte  ffir  die  NibeliugeDforschimg  ist  das 
Boeh  Abelings.  Es  beginnt  mit  einer  Bibliographie  des  Nibe- 
lungenliedes Tom  Jahre  1756  bis  snm  Jahre  1905,  die,  naeh 
Jahren  geordnet,  in  1272Nnmmem  die  weitaus  yollst&ndigste  Über- 
sieht Aber  die  Nibelnngenforschnng  gibt  nnd  jedem  künftigen  Be- 
arbeiter der  Nibelungen  nnentbehrlieh  sein  dflrfte.  Schon  dieser 
Teil  beweist  die  Existenzbereehtignng  des  Bncbes.  Die  Biblio- 
graphie des  Bnehes  ist  höebst  sorgfältig  gearbeitet,  einige  Dmek- 
fehler  sind  allerdings  nnterlanfen ,  so  steht  1020  nnd  1069  Bad- 
atfibner  statt  Badstfiber,  1096  mitteldeatseh  st  mittelhochdentsch. 
Aber  anch  die  beigegebenen  Abbandinngen  sind  von  Wert  Die 
erste  betrifft  die  Handschriften  des  Nibelnngenliedes  nnd  ihre  Ge- 
schichte. Hier  wird  breit  referierend  das  interessante  Kapitel  Ton 
der  Entdeckung  des  Liedes  dnrch  Obereit  nnd  Bodmer,  das  Lied 
im  Mittelalter,  die  ersten  Dmcke  nnd  die  weitere  Geschichte  bis 
zum  Bosenheimer  Fnnde  im  Jahre  1902  vorgeffthrt;  dann  folgt 
eine  sehr  branchbare  nnd  alles  Tsrwertende  Beschreibung  der 
Handschriften.  —  Der  folgende  IE.  Teil  über  die  historischen 
Grundlagen  des  Liedes  ist  der  sohw&chste  des  Buches.  Der  Verf. 
leigt  sich  hier  nicht  so  bedächtig,  als  es  bei  dem  schwierigen 
Stoffe  geraten  erscheint  Ohne  die  bisher  aufgestellten  Ansichten 
in  besprechen  und  zu  widerlegen,  ja  meist  ohne  sie  zu  erwähnen, 
geht  er  eklektisch  vor  und  neue  Hypothesen  an  schon  bekannte 
anknüpfend,  sucht  er  alle  Sagenzüge  aus  der  fränkisch -burgun- 
disehen  Geschichte  zu  erklären  nnd  doch  wird  sich  kaum  jemals 
•ine  TöUig  einwandfreie  Aufteilung  der  historischen  Motive  Tor- 
nehmen  lassen,  schon  deshalb,  weil  alle  unsere  Berichte  über  jene 
Zeiten  lückenhaft  und  zudem  einseitig  sind.  Abeling  schließt  sich, 
wie  es  scheint,  aber  auch  nicht  Tüllig,  an  Symons  und  Sarrazins 
Arbeiten  an.  Die  von  Golther  aufgestellte  und  Ton  Symons  be- 
kämpfte Theorie  der  Liederwandemng  Ton  Südfrankreich  über 
Irland  nach  Island  nimmt  er  ebenfalls  an.  Die  Zusammenstellung 
der  Drachenkampfsage  mit  dem  Beowulfliede  verdankt  er  wohl 
Heinzel  und  Mogk.  Den  neuesten  Ausdeutungen  auf  rein  märchen- 
hafte Motive  —  Mogk,  Panzer,  Beer  —  scheint  er  nicht  viel  Ge- 
wicht beizulegen.  Daß  er  historischen  Ereignissen  den  Haupt- 
aoteil  an  der  Bildung  des  Heldensage  zuschreibt,  ist  gewiß  be- 
rechtigt, wenn  man  annimmt,  was  schon  Müllenhoff  zugegebM  hat, 
daß  sie  sich  mit  märchenhaften  Motiven  weitergebildet  haben 
künneii.  In  der  Ausdeutung  auf  bestimmte  Ereignisse  der  fränkisch- 
Imrgnndischen  Geschichte  geht  aber  der  Verf.  überall  zu  weit  und 
die  Sicherheit,  mit  der  er  die  Herleitung  vornimmt,  wird  keinen 
Beüall  finden.  Was  Abeling  bringt,  sind  eben  nur  Vermutungen, 
im  besten  Falle  Möglichkeiten.  Die  Sage  aber  in  ihrer  ganzen 
Verknüpfung  zu  erklären,  wird  gar  nicht  versucht.  Die  Thidreks- 
saga  und  die  Wolsungasaga  gelten  ihm  als  vOllig  wertlose  Bomane. 
Nach  der  Seite  der  Eddalieder   geht  ihm  offenbar  die  notwendige 


920  Th.  Äbeling,  Dm  Nibelosgenlied  osd  Mine  läteratar»  ang.  t.  ä.  BenU. 

Kenntnis  der  Terwickelteo  Fragen  ab.  Die  Sagenentwi^iing  wird 
in  eine  fränkische ,    eine  deutsche   nnd   eine  nordische  eingeteilt. 
Unter  ersterer   fersteht  er  die  historischen  Ereignisse  mit  ihrem 
Niederschlag   in  der  Sage,    nnter  der  nordischen   die  Lieder  tod 
Helgi,    von  SinfiOtli  nnd  von  Signrd;   Oeschichte  nnd  Inhalt  der 
deutschen  Sage  l&ßt  er  im  Ungewissen;  seine  weitere  Besprechung 
der  Sache  setzt  mit  der  fraglichen  Nibelungendichtung  des  X.  und 
XI.  Jahrhunderts   ein.    Eingeschoben   sind  ausgreifende  und    dem 
Fachmann  wohlbekannte  Berichte  aber  das  Volk  der  Hunnen  und 
über  Attila  mit  dem  oft  gedruckten  Berichte  des  Priskus  —   der 
in  diesem  Berichte  am  Hofe  Attilas  auftretende  Edeko»  Ffirsi  der 
Skiren,    ist  dem  Verf.   der  sagenberühmte  Bfidiger  tou  Bechlam! 
Auch  sonst  ist  Abeling  kombinationsfreudig.  Der  in  der  deutsehen 
Sage  Tielerwfthnte  Ermenrich  ist  nicht  der  Gotenkönig  Ermannrich, 
sondern  eine  Übersetzung  yon  lateinisch  Augustus,    also  der  Be- 
herrscher der  Römer,  der  sonach  leicht  auch  die  Bolle  des  Otacher 
im  Hildebrandsliede  einnehmen  konnte!  Der  Erwägung  wert  scheint 
mir  die  übrigens   von  Sarrazin  zuerst  genauer  begründete  Zasam- 
menstellung  Brunhilds  mit  der  Westgotin  Brunihildis,  der  Gemahlin 
des  575   ermordeten  Sigibert,    welche  618   nach  dem  Tode   ihres 
Enkels,  des  frünkischen  Königs  Theuderich  n.,  in  Worms  die  Be- 
gierung  führt.    Abeling   nimmt  damit  auch  die  tou  Heinzel  und 
Golther   yerfochtene  Zweiteilung  Brünbild  -  Sigrdrifa  auf.   —    Der 
IV.  Abschnitt  des  Buches  beschäftigt  sich  mit  der  Gestalt  und  dem 
Umfang  des  deutschen  Nibelungenliedes.  Er  wird  mit  einem  hüb- 
schen  Überblick   über  die  Lachmannsche  Liedertheorie    und    ihre 
Gegner  eingeleitet.  Der  Verf.  b&lt  mit  Holtzmann  die  Handschrift  C 
für  die  beste,  zollt  aber  den  Untersuchungen  von  Bartsch  über  die 
Handschriften  alles  Lob.    Ganz  neu  ist  dabei  Abelings  Einteilung 
der  überlieferten  Handschriften  in  zwei  rheinische  (C  +  BA)^  eine 
Donaugruppe  (Z>)  und  eine  Etschgrnppe  (Jd),   Als  Kriterium  ver- 
wertet er  dabei  die  Aventiureneinteilung  und  kommt  zum  Schlüsse, 
daß  der  Originaltext  86  Aventiuren  enthalten  habe.  Die  Niederschrift 
und  Erweiterung  der  vorhandenen  Handschriften  möchte  er  der  An* 
regong    zuschreiben ,    die  Wolfram    durch    seine  Erwähnung   des 
Liedes  im  Parzival  gegeben  hat.     Abeling  h&lt,  zum  Teil  im  An- 
schluß an  Holtzmann,  an  der  Nibelungendicbtung  eines  Fahrenden 
zwischen  971->991  in  einer  Vorstufe  der  Nibelungenstrophe  fest; 
fOr  die  Abfassung  in  der  Diözese  Passau  sprechen  neben  den  An- 
gaben der  Klage  auch  die  örtlichen  Beziehungen  im  Liede  (Zamcke). 
Um  1140  nnd  ein  zweitesmal  vor  1190  sei  sie   überarbeitet  und 
nach  1190  in  verschiedenen  Fassungen  redigiert  worden.  Abeling 
gibt  S.  241  der  Überzeugung  Ausdruck,   daß  seine  Meinung  über 
die  ursprüngliche  Gestalt  der  Dichtung  und  die  Überlieferung  des 
Liedes  „keinen  Best  übrig  lasse**  und  darum  „die  historische  Wahr- 
heit widerspiegle*'.  Man  sieht,  daß  auch  in  diesem  Abschnitte  Hypo- 
thesen eine  große  Bolle  spielen.    —    Der  V.  Abschnitt   gibt   eine 


Th,  MaUhiiiSf  Sprachlebeo  und  äpradaicb&deQ^  ^ng.  r*  F.  DoUmayr.  021 


I 


kürzt  &stbfltlBCbe  Wärdigru^^  des  Lladee.  Eine  höchst  wtllkoismeii« 
Beigabe  eDtbält  das  BQcb  in  dem  Aubange,  der  die  verechledeBen 
BtzticbiiQDgeii  der  Haadscbrilten»  die  Jabr«  ihres  Bekaoutwerdene, 
die  FuDdorte  aod  Anfbiwabrongsorte^  die  Gruppierang  der  Hand- 
schrifteD  QDd  die  Übersichtliehe  ZueammeD&tellQDg  der  durch  Frag- 
meDte  öberlieferteo  Partien  deg  Liedes  enthält;  auch  Seitenzabl  und 
Format  dieser  Fragmeate;  sowie  die  Lacken  der  TollgtätidigeQ  Haod- 
Schriften  sind  zusammengestellt*  Ein  sehr  erwönscfatea  Äutoreii- 
regißter  zur  Bibliographie  scb ließt  daa  durch  den  Fleiß  nod  die 
Tieleeitigkeit  des  Herausgebers  hervorragende,  aber  dnrcb  einzelne 
Teile  in  seinem  Werte  beeinträchtigte  Bich.  (S.  20^  stebt  als  stö- 
render Druckfehler  das  Todesjahr  Theodericbs  des  Großen  mit  524 
angegeben.) 


Leitmeritz. 


Aloia  Bernt. 


I 


I 


$pracbleben  und  Sprachschaden*  Ein  Fohter  darcb  die  Schwan- 
kuogen  und  Schwierigkeiteu  d^s  d^utachen  Spracbgebr^ucba.  Von 
Fraf  Dr.  Theodor  Matthias«  3«  ferb^iserte  und  Termebrte  Anflage. 
Lmpiig  1906, 

Die  Netianflage  des  bekannten  Buches  ^on  Matthias  wird 
Ton  Tielen  freandlicb  begrüGt  werden.  Es  war  schon  in  seiner 
2.  Anfl.  %m  Terlißücher  Fnbrer  bei  grammatischen  and  syntak* 
tischen  Zweifeln  nnd  bleibt  dies  auch  in  der  dritten,  in  welcher 
M.  alle  neuen  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  sorgfältig  verwertete, 
Ea  sind  deren  seit  1697  nicht  wenige  beran^usiehen  gewesen  und 
mit  besonderem  Nutzen  die  einschlägigen  Öntersuchnngen  Bebagbeis 
benutzt  worden*  Die  Einteilung  des  Stoffes  blieb  die  ajte,  iß  der 
allgemeinen  Anordnung  sowohl  (Wortbildung  §  1—45;  Wortbeugnng 
i  46—128;  Wortfügung  §  129—217;  Satifügung  §  218-408) 
wie  aneb  in  den  einzelnen  Unterabteilungen.  Ohne  Eestbe&tinde 
freilich  ging  auch  dieamal  daa  Material,  das  M>  yor legen  will,  in 
den  großen  vier  Gruppen  nicht  auf,  daher  er  als  Anbang  ^Einiges 
Ton  der  Sauberkeit ,  Einfachheit  und  Wahrheit  der  Darstellung^ 
nachträgt  (§  4Q9 — 421).  Die  Bedingungen,  unter  denen  ein  Unter- 
oibmen  wie  vorliegendes  für  weite  Kreise  fruchtbringend  wird,  sind 
doxtbaus  nicht  einfach.  Schon  die  Abgrenzung  des  StofgebieteSf 
die  EntscbeidtiTig,  was  Aufnahme  zu  ünden  bat  und  was  der 
Grammatik  anzuweisen  ist«  bleibt  vielfach  dem  aubjebtiven  Ermessen 
üherlasseut  da  naturgemäß  für  den  einen  Schwierigkeiten  entstehen, 
die  der  andere  auf  Grund  sicherer  Kenntnis  oder  besseren  Spraeh- 
gefdbls  nicht  empindet.  Man  muß  M.  volle  Anerkennung  zoUen 
für  das  Geschick,  mit  dem  er  seinen  Stoff  umgrenzt  und  Schwan- 
kungen  in  der  Sprache  sowie  Doppelformen  erklärt  und  auch  dem 
großen  Kreis  jener  Leser  verständlich  macht,  bei  denen  er  Kenntnis 
älterer  Sprachstufen  nicht  voraussetzen  darf«    Wie  schwierig  2.  B, 


922  Th.  Matthias,  Spraehleben  aod  Spraehwhftdea,  uig.  t.  ,F.  DaOmafr. 

siDd  schon  die  heutigen  ümlantBTM'hftltDisse  Tom  rein  nhd.  Stand- 
punkt zn  erklären.  Sie  sind  von  M.  sehr  nmsiebtig  dargelegt 
worden.  Gntgew&hlte  Beispiele  alter  nnd  jnnger  Znsammensetzimgeii 
mit,  bezw.  ohne  umlaute  zeigen  seine  lebendige  Wirksamkeit  in 
älterer  Zeit,  sein  Außerkrafttreten  als  Lautgesetz  in  neuerer  Zeit, 
wobei  die  yielfach  sieh  kreuzenden  Ausgleichungen  und  Analogie- 
bildungen auch  berflcksichtigt  werden  und  in  einzelnen  BeispleUn 
angemerkt  sind.  Ebenso  yerständlich  und  glflcklioh  ist  z.  B.  das 
Nebeneinander  starker  nnd  schwacher  Verbalformen  {v$rderben,  wer- 
derbte  *—  verdarb;  erschrecken,  erschreckte  —  ers^rak  usw.)  v- 
klärt  und  ihr  heutiger  Geltungsbereich  abgegrenzt.  Der  allgemalDe 
Standpunkt  M.s  ist  kein  engherzig  kritisierender,  sondern  dar  des 
feinffihligen  Forschers,  der  altes  Sprachgut  in  isolierten  Formen 
als  berechtigt  anerkennt  nnd  erhalten  wissen  will,  aber  auch  Nen- 
schöpfungen  duldet  und  billigt,  sofern  sich  Analogien  für  sie  finden 
und  sie  sich  praktisch  branchbar  erweisen.  Ganz  selten  verwirft 
er  eine  Form  oder  einen  Gebrauch,  der  sich  bereits  einbürgerte 
und  manchen  berechtigt  erschien,  wie  z.  B.  Teuerung  neben  Teu- 
rung,  Steuerung  neben  Steurung  oder  du  fliehst,  du  fiehsi  neben 
fliehtest,  flehtest. 

Vermissen  werden  manche,  die  sich  über  einzelne  Lautgesetze 
unterrichten  wollen,  Verweisungen  auf  die  entsprechenden  Abschnitte, 
in  denen  sie  besprochen  werden.  So  z.  B.  über  Umlaut,  der  nicht 
nur  bei  Wortableitung  zur  Besprechung  kommt,  sondern  anch  in 
der  Pluralbildung  von  Substantiven,  in  der  Deklination  und  Kon- 
jugation.  £s  läßt  sich  hier  nicht  entgegnen,  daß  M*s  Bach  als 
Nachschlagebuch  eine  engere  Beziehung  der  einzelnen  Paragrapbe 
zueinander  gar  nicht  anzustreben  braucht.  Denn  gerade  das  Register 
läßt  empfindlich  im  Stiebe  und  genügt  durchaus  nicht,  da  ea  kein 
eigentliches  Sachregister  ist,  sondern  nur  eine  alphabetisch  geord- 
nete Auswahl  der  im  Buche  gebotenen  Beispiele.  Es  fehlen  fast 
durchaus  die  allgemeinen  Lemmen  wie  „Flexion**,  „Kongmenz'', 
^ Akzent **  usw.,  so  daß  z.  B.  jener,  der  wissen  will,  ob  Kragm 
im  Plural  umlautet  oder  nicht,  ziemlich  mühsam  herumblättart,  da 
er  weder  rückwärts  im  Inhaltsverzeichnis  noch  vorne  in  der  kurz 
gehaltenen  Übersicht  das  Wort  „Umlaut*"  findet,  aber  auch  das 
fragliche  Wort  selbst  im  Index  vermißt,  trotzdem  es  von  M.  als 
Beispisl  schwankender  Umlautsbezeichnung  genannt  wird.  Eben 
solchen  Schwierigkeiten  begegnet  er,  wenn  er  sich  über  das  -s  der 
Eompositionsfuge  unterrichten  will  und  in  hundert  anderen  Fällen. 
Bei  längerem  Benützen  des  Buches  freilich  wird  die  grammatisch- 
sachliche  Anordnung  meist  bald  den  Nachschlagenden  die  Bichtang 
geben,  wo  zu  suchen  sei,  doch  nicht  immer.  Wie  möchte  man 
z.  B.  hinter  dem  Kapitel  Ober  den  „vielfach  zusammengesetzten 
Satz**  unter  dem  Lemma  „Wiederholungen  nnd  Überfülle  im  Aus- 
druck*' die  mißbräuchliche  Verwendung  der  Partizipia  (wie:  J[>er 
Ertrunkene  kämpfte  lange  mit  flnanziellen  Schwierigkeiten**  n.  dgl.) 


A.  SidUy  ScMTOO,  Po^Biet  diTenM,  uig.  t.  J,  Frank.  923 

TermnteD?    Ein  peinlich  genau   gearbeitetet  Sach«  and  ein  toU- 
atiadigee  Beiepielregister  find  darnm  dringend  zu  wünecben. 

Trotz  dieaee  Mangels  etehe  ich  nicht  an,  zn  erkl&ren,  daß 
daa  Bach  allen  Lehrern  wertvolle  Dienate  leisten  wird  ond  gewiß 
anch  in  weiteren  Ereiaen  Frennde  findet  schon  dämm,  weil  fiberall 
zwischen  den  Weisongen  and  Vorschriften  der  frendige  Stolz  des 
Antors  Aber  die  Geschmeidigkeit  ond  fein  abstnfende  Ansdracks- 
Bifiglichkeit  der  Mattersprache  heryorleachtet,  der  mit  der  andfich- 
tigen  Liebe  eines  Jakob  Grimm  dem  Walten  des  Sprachgeistes 
nachforscht  and  Tsrsteckte  Schönheiten  and  Ffthigkeiten  ans 
Licht  zieht. 

Wien.  Viktor  Dollmayr. 


Scarron,  Poesies  diverses,  ~  La  Masarinade  —  Virgile  Travesti 
—  Roman  Comiqne.  Choiz,  Notice  biographiqae  et  bibliograpbiqne 
par  AlphoDBc  Sdcb^.    LooIb  Michand,  Paris  1908. 

Paal  Scarron  wird  jederzeit  mehr  darch  seine  merkwördigen 
Lebensschicksale  als  darch  seine  Vorzfige  als  Dichter  interessieren» 
denn  trotzdem  er  znm  Hanüre  du  BurUsque  proklamiert  warde, 
iat  es  doch  mehr  als  fraglich  (was  Herrn  S^cb6  entgangen  za  sein 
scheint),  ob  er  dieses  poetische  Genre  geschaffen  habe.  Es  ist  viel« 
mehr  mit  Becht  daranf»  hingewiesen  worden,  daß  er  nar  als  Schäler 
St.  Amanta  nnd  £6gniers  die  von  diesen  beiden  bereits  eingeffibrte 
Manier  Callots  aaf  die  Spitze  getrieben  and  mit  Sack  and  Pack 
Tom  Barlesken  zam  niedrig  Komischen  fibergegangen  sei.  Sc.  selbst 
hat  seinen  Wert  and  seine  Bedentang  als  Poet  in  richtiger  Selbst- 
einschfttzang  nicht  sehr  hoch  angeschlagen,  woffir  sich  in  seinen 
Werken  zahlreiche  Belege  erbringen  ließen,  von  denen  wir  hier 
nnr  die  folgenden  anfahren  wollen.  So  heißt  es  (wir  zitieren  ans 
Bruzzm  de  la  Martinik-e)  VII  146: 


Que  n'itant  qu'un  tres-humble  et  peiit  poite 
Ni  setUement  ä  La  samette 


oder  Vn  96: 


Moi  divin?  je  auia  moins  que  hetei 
Qtfi  de  Vhomme  me  donneroit, 
Michement  me  regaleroit. 


Mais  8i  mal  faite  est  man  ichine 
Mal  fait  est  man  esprit  aussi. 


oder  vn  200: 

Moi^  je  n^icris  que  hagatelles 
16t  je  ne  danne  que  pour  teUes 
Les  vers  que  fiaris  quelques  fois. 

Daher  wird  aach  jeder  Biograph  Scs  gewieeiB  springenden 
Punkten  seines  Lebenslanfes  große  BeaohtiMjf  ■  MMlHt ''*''*'^°  * 
seuaen  Abenteaern  als  flotter  Abbe, 


924  Ä.  SicM,  Scarron,  Po^nee  diyenet,  ang.  y.  J.  Hukk. 

und  den  dagegien  angewandten  grotesken  Enren,  seiner  Teilnahme 
an  der  Fronde,  seiner  beabsichtigten  überseeischen  Beise  und  seinen 
Eolonialprojekten,  seiner  Eheschließnng  mit  Fran^oise  cTAubigni 
(der  spftteren  Mme  de  Maintenan),  den  Terzweif elten  Yerrachen, 
seine  ewig  zerrütteten  Finanzen  durch  Gründung  ton  aUerhand 
seltsamen,  problematischen  Aktiengesellschaften  m  sanieren  osw. 
Man  kann  nicht  eben  behaupten,  daß  sich  BMk€  die  Sache  allzu 
schwer  gemacht  habe;  er  hat  das  vor  kurzem  erschienene  treffliehe 
Buch  J^mile  Magnets  mit  einer  nicht  zu  unterschitzenden  Fixigkeit 
exzerpiert  und  sich  um  die  übrige  Literatur  sichtlich  so  gut  wie 
gar  nicht  gekümmert. 

Wir  wollen  dies  an  einem  Beispiele  zeigen:  La  Beaumdie 
gibt  n&mlicb  als  romantische  Ursache  der  für  die  ganze  Zukunft 
Scanons  so  verh&ngnisyollen  Erkrankung  ein  im  Winter  im  Huisne- 
flnsse  unfreiwillig  genommenes  kaltes  Bad  an,  zu  dem  derselbe 
infolge  eines  Eameyalulks  gedr&ngt  wurde.  Diese  Erz&hlung  stieß 
schon  frühzeitig  auf  yielseitigen  Unglauben  und  ist  als  ^eonU  de 
Beaumelle"*  stigmatisiert  worden.  Chardon,  wohl  der  yerdienst- 
yoUste  und  bedeutendste  Scarronforscher  (sein  vor  kurzem  erschie- 
nenes zweibändiges  Werk  ist  eine  wahre  Fundgrube  neuer  Ergeb- 
nisse) hat  gegen  die  ^cante  de  Beaumeüe*  die  wichtigsten  Bedenken 
yorgebracht.  Er  machte  geltend,  daß  die  zeitgenössischen  Schrift- 
steller yon  der  bei  Beaumelle  berichteten  Maskerade  See  und  dem 
kalten  Bade  kein  Sterbenswörtchen  erwähnen  und  daß  besonders 
Cyrano  und  Taüemant  berichten,  ein  liederliches  Vorleben  und  die 
Benützung  eines  drastischen  yerderblichen  Medikaments  haben  See 
Erankheit  unheilbar  gemacht.  Er  betont  weiter,  daß  auch  der 
Autor  der  Vie  de  Costar,  OirauU,  der  Sc.  in  Le  Mane  wiederholt 
besuchte,  nichts  yon  einer  Maskerade  und  einem  kalten  Bade  be- 
richtet, sondern  nur,  daß  sich  Sc.  einmal,  nachdem  er  yon  einem 
fieberhaften,  sehr  schmerzlichen  Bheumatismus  beinahe  hergestellt 
war,  auf  einen  Stock  gestützt  in  die  Eirche  St- Jean  en  Grhx  be- 
geben und  daselbst  den  Arzt  La  Mesnardih'e  angetroffen  habe, 
der  ihm  eine  Arznei  yerscbrieb,  die  ihn  unheilbar  krank  machte. 
Chardon  weist  auch  darauf  hin,  daß  die  allerdings  unyoUstftndigen 
Begister  des  Eapitels  yon  Le  Mane  (das  yon  1687  fehlt  ganz) 
yon  der  „conte  de  Beaumelle**  nichts  mitteilen.  Noch  schlagender 
aber  ist  sein  Argument,  daß,  wenn  Sc.  wirklich  das  yon  La  Beau- 
melle Erz&hlte  widerfahren  w&re,  er  sicherlich  nicht  Ragotin  im 
y,Roman  cornique*"  in  eine  ganz  ähnliche  Situation  yersetzt  hätte. 
Erst  1755  tischt  uns  La  Beaumelle  „der  Erzlügner^,  der  auch 
die  Geschichte  der  Frau  yon  Maintenon  arg  entstellt  und  gefälscht 
haben  soll,  seine  Neuigkeiten  auf.  Der  Umstand,  daß  eine  Brücke 
in  Maine  lange  Zeit  ^le  pont  de  Scarrcn*"  hieß,  beweist  für  die 
Wahrheit  der  Erzählung  ebensowenig  als  die  Existenz  der  Tell- 
stataen,  Teilplatten  usw.  für'  die  Geschichtlichkeit  der  Person  Teils. 
Es  spricht  yielmebr  alles  dafür,  daß  La  Beaumelle  seine  übrigens 


A.  Siehi,  Scattod,  Po^ties  divenei,  uig.  t.  J.  Frank.  925 

sehr  g^t  erfundene  Legende  dem  Roman  Comique  entnommen  habe» 
nm  Sc.  von  dem  yieWerbreiteten  Verdaebte  zn  reinigen,  seine 
Krankheit  wftre  eine  galante  tnaladU  de  gar^on  gewesen.  Es  sei 
nech  erwähnt,  daß  Ghardon  (dessen  Stndien  Aber  die  Krankheits- 
U'saehe  Scs  wir  hier  nnr  in  den  fiachtigsten  Umrissen  wiedergegeben 
haben)  auch  nicht  geneigt  ist,  an  den  plötzlichen  Bnin  der  Ge- 
snndheit  Scs  durch  die  Pillen  La  Meanardürea  zu  glauben,  da 
sonst  Sc.  mit  diesem  angeblichen  Urheber  seines  Unglücks  schwer- 
lich bis  an  sein  Lebensende  befreundet  geblieben  wftre  und  ihn 
nicht  nur  in  seinem  Testamente  yerspottet  h&tte.  Bemerkenswert 
ist  noch,  daß  Sc.  hie  und  da  in  seinen  Gedichten  durchschimmern 
Iftßt,  daß  er  selbst  sein  inkurables  Leiden  als  eine  Folge  arger 
Jugendsunden  und  Verfehlungen  in  Vener$  und  in  Baceho  ansehe, 
80  wenn  er  z.  B.  in  einem  Gedichte  an  MUe  de  Hautefart  im 
J.  1642  sagt: 

Four  moi  je  eaia  que  mes  offenses 
VetUent  de  rüdes  pinitencee 
Et  8%  fai  des  mawc  eutsans 
J'en  ai  fait  en  mes  jeunes  ans 
Qui  miritent  ce  que  fendure 
Mt  meme  uns  peine  plus  dure 

und  in  seinen  ^Stanees"*  ruft  er  aus: 

J'ai  trop  miriti  le  tourment  que  fendure  usw. 

Es  ist  aber  diese  Dinge  übrigens  noch  nicht  das  letzte  Wort 
gesprochen;  sicherlich  aber  h&tte  S6che  die  Einwendungen  Char- 
dons  nicht  ganz  außeracht  lassen  und  sich  ohne  Jede  Verwahrung 
Magno  anschließen  dürfen.  Von  geringerem  Belang  sind  einige  andere 
Ungenauigkeiten  S^cbös,  so,  daß  Sc.  am  4.  Juli  1610  geboren  worden 
sei,  w&brend  wir  nur  wissen,  daß  er  an  diesem  Tage  getauft  wurde. 
—  Der  Aufenthalt  Scs  in  Born  kann  keine  „irUerrupiian  assez 
Umgue*  seines  Lebens  in  Le  Mans  gewesen  sein,  da  er  kaum  vor 
Anfang  1684  dahin  kam  und  im  Oktober  1685  bereits  aus  Bom 
zurückgekehrt  war.  Sc.  kam  übrigens  auch  nach  1641  noch  öfter 
nach  Mans  und  hat  z.  B.  noch  im  J.  1646  sechs  Wochen  daselbst 
▼erweilt,  um  dem  Generalkapitel  beizuwohnen,  und  seine  amtlichen 
Beziehungen  zum  Kapitel  von  Saint-Julien  blieben  auch  fernerhin 
noch  sehr  rege.  1651  ist  in  den  dortigen  Begistern  das  letztemal 
▼om  „Kanonikus  Searron"  die  Bede.  —  Sc.  kann  auch  1641  noch 
nicht  „immobilisi  aur  sa  chaise**  gewesen  sein,  da  er  selbst  diesen 
Zeitpunkt  als  den  glücklichsten  seines  Lebens  bezeichnete.  —  Sehr 
gewagt  ist  es  auch,  den  Stoizismus  zu  preisen,  mit  dem  Sc. 
seine  schweren  Leiden  ertrug;  er  selbst  hat  nie  diese  Heldenpose 
angenommen,  sondern  er  gesteht  offenherzig: 

Je  suis  depuis  quatre  ans  atieini  d^un  fnal  hideuXf 


Qui  tacke  de  mTdbattre; 
J'e 


J'en  pleure  comme  un  veau,  quelquefois  comme  deux, 
Quelquefois  comme  quatre. 


926  EogliBche  Lehrbftehor,  aag.  t.  «T«  SUinger. 

Und  aaeh  sonst  bat  er  in  seinen  Werken  nnabl&ssig  rannund  aif 
seine  Krankheit  hingewiesen,  wie  gewisse  Bettler  Tor  Kirchenpforten 
anf  ihre  schw&renden  Gebreste »  nm  ein  Almosen  sa  eraielen.  — 
Daß  Fran^aise  d'ÄubtgnS  ihrem  Ehegatten  daa  Leben  sn  eine» 
„vSritable  paradis**  gemacht  habe,  ist  mindestens  übertriebio,  da 
wir  ihn  VII  40  klagen  hören: 

Ma  femmt  ahrs  me  laiase  en  tm  danger, 

Si'eüe  denroit  avee  min  partager, 
end  8(m  mcinehan  et  va  voir  quelqu'amie  niw. 

Was  die  Aaswahl  betrifft,  so  darf  es  auffielen,  daß  SMM 
keine  der  „NouveUes'*  anfnahm.  Daß  sieh  keine  Probe  ans  den 
Komödien  vorfindet,  nberrascht  nm  so  mehr,  als  Mariiloi  nnd 
Despois  nachgewiesen  haben,  welch  großen  Einfluß  So.  anf  die 
Entwicklung  des  französischen  Lustspiels  genommen  habe.  Da 
hfttten  wir  noch  lieber  auf  das  Stück  aus  dem  VirgiU  Travetii 
verzichtet,  das  bei  S^ch€  als  so  rechter  Angensand  abgedruckt  ist 

Wien.  Josef  Frank. 


Englische  Lehrbücher. 

Englische  Taschengrammatik  des  Nötigsten.  Von  Dr.  R.  Krön, 
Professor.  Freibarg  (Baden),  J.  Bielefelds  Verlag  1907.  (Tischen- 
format.)    80  88.  8». 

Across  the  ChanneL  A  Guide  to  England  and  tho  Engliah  Laagoage, 
with  Plans  of  London  and  its  EnTirons,  a  Map  of  England  and  a 
Table  of  the  Coioage  of  Great  Britein  by  H.  Alexander tllaj,  M.  A. 
of  Dublin  University,  of  the  Hanta  Education  Office,  and  Oskar 
Thiergens»  Ph.  D.,  Professor  of  the  Royal  Corps  of  Cadets.  Dresden. 
—  Ober  den  Kanal.  Ein  Fflhrer  durch  England  und  die  engiisebe 
Sprache.  Mit  Plänen  Ton  London  nnd  seiner  Umgebang,  einer  Karte 
von  England  nnd  einer  Mflnttafel.  Von  H.  Alexaeder  Ciay,  X.  A. 
der  Universität  Dublin»  Mitglied  dee  Hampshire  ErsiehnngsaaBtas, 
und  Dr.  Oskar  Thirgen,  Prof.  am  kgl.  Kadettenkorps  lu  Dresden. 
Leipzig-R.,  Druck  and  Verlag  von  E.  Haberland  1907.  VIII  n.  276  8S. 

Erons  „Taschengrammatik**  ist  für  diejenigen  bestimmt» 
deren  grammatisches  Wissen  mangels  Übung  im  Lanfe  der  Zeit 
verblaßt  ist  und  die  es  gerne  wieder  auffrischen  machten,  sowie 
auch  ffir  solche,  die  bei  irgend  einer  Prüfung  eine  angemeasene 
Vertrautheit  mit  der  englischen  Formenlehre  und  Syntax  nachu* 
weisen  haben.  Es  ist  dem  Verf.  gelungen,  auf  75  kleinen  Seiten 
in  klar  und  bestimmt  gefaßten  Regeln  alles  formell  oder  syn- 
taktisch Wichtige  aus  der  englischen  Grammatik  zusammensn- 
tragen.  Die  Aufstellungen  des  Verf.s  sind  Tollkommen  einwandfrei; 
nur  hie  und  da  möchte  der  Ref.  Änderungen  oder  Znsfttze  wflnscben. 
S.  32:  die  Verba  dare  und  need  können  auch  mit  dem  pr&poei- 
tionalen  Infiniti?  verbunden  werden ;  S.  52  zu  ,,damit  nicht"  fehlt 


EEnglisebe  Lehrbtteb«,  ang.  y.  J.  EUmger.  927 

le$i'f  8.  58  „utUesa  (wofern  nicht)**  gehört  nicht  zu  „ohne  daß*; 
S*  65  „Die  aktive  Form  (des  Infinitive)  ist  jedoch  znlftssig,  wenn 
sie  ein  Mißyerstftndnis  nicht  aufkommen  l&ßt,  n&mlich  nach  den 
vier  Verben  to  let,  to  hse,  to  spare,  to  blame**  (statt  „nach*  lies 
«vor*'  1).  Der  firsats  des  Konjunktive  dnrcb  Modalverba,  der  S.  64 
in  zwei  Zeilen  abgetan  wird,  b&tte  etwas  eingehender  behandelt 
werden  können.  Sehr  nützlich  sind  die  Lieten  von  nnregelm&ßigen 
Verben,  ferner  von  transitiven,  von  intransitiven,  eine  Pr&position 
regierenden  Verben,  nnd  von  Verben  mit  zwei  Objekten.  Wünschens- 
wert wftren  noch  Listen  von  Verben  mit  einem  Akkusativ-  nnd  einem 
Dativobjekte,  die  a)  die  Prftpoeition  to  vor  dem  Dativ  entbehren 
können,  oder  b)  die  stets  den  Dativ  mit  to  verlangen. 

Das  gut  gedruckte  Büchlein  ist  zu  den  oben  angegebenen 
Zwecken  bestens  zu  empfehlen. 

Der  Hauptteil  des  „Führers  durch  England*"  (8.  1—162) 
besteht  aus  englischen  Geepr&chen,  die  nach  den  Angaben  Prof. 
Thiergens  von  dem  EnglAnder  Alexander  Clay  verfaßt  worden 
sind,  denen  auf  jeder  Seite  die  deutsche  Obersetznng  gegenüber- 
steht. Betreffe  der  Anlage  dieser  Gespr&che  wird  angenommen,  daß 
ein  Deutscher  mit  seiner  Frau  eine  Beise  nach  England  macht,  daß 
die  beiden  in  einem  boarding-houw  in  London  nützliche  Bekannt- 
schaften schließen  und  überall,  wohin  sie  kommen,  sachkundige 
Berater  finden.  In  diese  Gespräche  sind  die  neuesten  Wendungen 
und  Anglizismen  der  Umgangs-  und  Gelebrteneprache  aufgenommen 
worden,  was  besonders  Philologen  und  Studenten  interessieren  wird. 
Diese  Anglizismen  sind  in  der  Obersetzung  durch  die  entsprechen- 
den Germanismen  wiedergegeben  und  beide  durch  gesperrten  Druck 
hervorgehoben.  Der  Inhalt  der  Gespräche  erstreckt  sich  im  L  Teile 
auf  die  Ankunft  in  England,  das  Nehmen  einer  Droschke,  das  Leben 
im  Gasthause,  das  Mieten  von  Zimmern  in  einem  boarding-house, 
auf  Mahlzeiten,  auf  Fahrten  im  Omnibus,  auf  der  unterirdischen 
Eisenbahn  in  der  „Zweipennyröhre**,  auf  Gottesdienst,  Sport,  Weih- 
nachten, Geschftftsieben  und  Zeitungen;  im  IL  Teile  werden  alle 
Sehenswürdigkeiten  Londons  besucht  und  der  IIL  Teil  ist  der  Um- 
gebung Londons,  dem  Heere,  der  Marine  und  den  Universitäten 
Oxford  und  Cambridge  gewidmet.  Der  Verf.  schreibt  im  Vorwort, 
8.  VI,  daß  das  Ganze  in  lebhaftem  Dialog  geschrieben  ist,  „so  daß 
wir  die  Szenen  wie  vor  unseren  Augen  sich  abspielen  sehen*'. 
Dieses  Lob  können  wir  aber  nur  für  die  Gespräche  des  ersten 
Te.les  gelten  lassen ;  gegen  das  Ende  zu  besteht  der  Dialog  meist 
aus  kurzen  Fragen  des  Max  oder  der  Elsa  nnd  aus  langen  beleh- 
renden Antworten  ihrer  englischen  Freunde.  Dagegen  ist  ee  nur 
zu  billigen,  daß  die  Gespräche  ab  und  zu  durch  Briefe  unter- 
brochen werden,  die  den  Lernenden  für  ihre  eigenen  Korrespondenz- 
versuche als  gute  Muster  dienen. 

An  die  Gespräche  schließen  sich  noch  folgende  Behelfe  an: 
eine  „kurzgefaßte  Grammatik  der  englischen  Sprache**  (S.  168  bis 


928  Englitebe  Lahrblleher,  ang.  t.  J.  Eüinger. 

212),  „Systematisch  geordnete  Wortgrnppen  nebst  Bedensaiten  und 
Sprichwörtern^  (S.  215 — 222),  ein  „Wörterverzeichnis  mit  der  Ans- 
sprachebezeiehnnngdesWeltlantschriftTereins^  (8.228 — 278),  ,»Eng- 
lische  Münzen"«  (S.  276). 

Der  englische  Text,  der  yon  einem  gebürtigen  Engl&nder 
stammt,  ist  natürlich  follkommen  korrekt;  nor  ^naturaüy*^  für  ,qf 
eourse^  scheint  mir  eine  Nachahmung  des  deutschen  „natürlich'' 
Zü  sein.  Auch  diei  dentsche  Übersetzung  des  englischen  Textes  ist 
tadellos;  warum  wird  „/lAe  Housea  of  Parliament**  S.  66  durch  „Die 
Abgeordnetenhäuser««  übersetzt? 

Die  „Grammatik*«,  die  das  AUemötigste  aus  der  Laut-  und 
Formenlehre  und  aus  der  Syntax  bringt,  ist  im  ganzen  einwandfrei. 
Ich  möchte  hier  nur  einige  wenige  Ausstellungen  machen,  die  den 
Verf.n  yielieicht  für  die  zweite  Auflage  yon  Nutzen  sein  können. 
S.  177  „Wenn  die  Endung  mit  Vokal  anlautet  (est,  ing,  ecQ,  so 
wird  der  einfache  Endkonsonant  der  Verben  verdoppelt,  sobald  ein 
kurzer  und  betonter  Vokal  vorhergeht««.  Statt  „kurzer««  muß  es 
„einfacher««  heißen;  denn  der  Stammvokal  in  spurred  ist  doch 
lang!  —  S.  184.  Als  Pr&teritum  von  to  shrink  wird  nur  shrunk 
angegeben;  häufiger  ist  ahrank;  ebenso  ist  S.  185  neben  spun  auch 
span  zu  setzen.  —  S.  199  „Nur  to  consider  und  io  regard  über- 
setzen das  deutsche  „als««  durch  oa««.  Dazu  ist  zu  bemerken,  daß 
to  consider  sehr  hftufig  mit  doppeltem  Akkusativ,  also  ohne  a»  ge- 
braucht wird.  —  8.  203.  „Auf  ein  Pr&sens  im  Hauptsatze  folgt 
das  Präsens  im  Nebensatze.««  Diese  Begel  ist  nicht  richtig,  denn 
nach  einem  Prftsens  im  Hauptsatze  steht  im  abhängigen  Satze  das- 
jenige Tempus,  das  stehen  müßte,  wenn  dieser  Satz  unabhängig 
wäre.  —  Unter  den  Wörtern,  die  ebne  Artikel  stehen,  fehlt  moit 
„die  meisten««.  —  S.  207.  In  der  Easuslehre  fehlt  eine  Begel  über 
die  Setzung  oder  Weglassung  des  to  vor  dem  Dativ. 

Die  13  „Wortgruppen««  und  das  deutsch-englische  „Wörter- 
verzeichnis«« setzen  den  Schüler  in  den  Stand,  eine  vergessene  Vo- 
kabel rasch  nachzuschlagen  und  ersparen  ihm  so  die  Mühe,  die 
zusammenhängenden  Stücke  nach  einem  fehlenden  Worte  zu  durch- 
suchen. Zu  der  12.  Gruppe  „Toilette  und  Kleidung««  (8.  219)  ist 
zu  bemerken^  daß  „Zylinderhut««  nicht  nur  siUe-hat,  sondern  audi 
top'hat  heißt,  ferner  daß  „Frack««  nicht  mit  „dreas-wW*,  sondern 
mit  „dresB-coat**  übersetzt  werden  muß. 

Der  Druck  ist  korrekt;  ich  habe  nur  zwei  Druckfehler  ge- 
funden:   S.  11  8oim  of  the  genüeman\   S.  219  Unterjacke  ms<«. 

Auf  der  Münztafel  sind  zu  unserem  Befremden  durchwegs 
nur  alte  Münzen  mit  dem  Bildnisse  der  Königin  Viktoria  zu  finden. 

Jeder,  der  sich  zu  einer  Beise  nach  England  rüstet,  wird 
durch  den  vorliegenden  „Sprachführer««  seine  praktischen  Kenntnisse 
des  Englischen  wesentlich  bereichern. 

Wien.  Dr.  Jeh.  Bllinger. 


Fuchs,  Bitterbargen  und  ritterl.  Leben  nsw.,  ang.  ?.  K.  Schiffmann,    929 

Dr.  Fachs,  Ritterburgen  und  ritterliches  Leben  in  Deutsch- 
land. Mit  16  Illastrationen.  167  SS.  Berlin,  H.  Paetel  1907.  Preis 
geb.  1  Mk.  75  Pf.  (Sammlung  belehrender  üoterhaltangsscbriften  fflr 
die  dentscbe  Jagend,  in  Verbindung  mit  W.  Capelle  beransgegeben 
ton  H.  Vollmer.  Bd.  23.) 

Dieses  sauber,  ganz  wie  die  Tenbnerscben  Schulansgaben 
deutscher  Klassiken  gedruckte  Buchlein  des  federgewandten  Verf.s 
bietet  das  Wesentliche  über  Bitterburgen  und  ritterliches  Leben  in 
Deutschland,  nimmt  aber  erfreulicherweise  —  auch  in  den  Abbil- 
dungen—  auf  Österreich  ausgiebig  Bedacht.  Daher  kann  es  unseren 
Schälerbibliotheken  empfohlen  werden,  mehr  als  das  zu  skizzen- 
hafte Göscben-Bftndchen  über  denselben  Gegenstand.  Auszustellen 
habe  icb,  von  kleineren  Dingen  abgesehen,  daß  der  Verf.  von  den 
Übersetzungen  des  'Helmbrecht'  gerade  die  von  M.  Oberbreyer 
(Beclam)  allein  anführt  (S.  23),  als  ob  es  nicht  höchste  Zeit  wftre, 
dieses  armselige  Plagiat  der  verdienten  Vergessenheit  anheimfallen 
zu  lassen.  Ferner  sind  mir  die  Aasführungren  über  die  mittelalter- 
liche Eheschließung  unangenehm  aufgefallen.  Der  Verf.  schreibt 
S.  121:  „Man  gewöhnte  sich  immer  mehr  daran,  die  gesetzliche 
Giltigkeit  der  Ehe  durch  die  kirchliche  Weihe,  die  fast  immer  in 
den  zahlreichen  Heiratsscbilderungen  der  Dichtung  aus  ritterlicher 
Zeit  erwähnt  wird,  allerdings  erst  nach  der  Hochzeit,  bekr&ftigen 
zn  lassen.  Erst  gegen  das  Ende  des  Mittelalters  geht  die  kirch- 
liche Einsegnung  dem  Abschluß  der  Ehe  voraus,  was  durch  das 
tridentinische  Konzil  sodann  dogmatisch  bestimmt  wird.^  Das  ist 
nicht  nur  unklar,  sondern  auch  unrichtig.  Unklar,  weil  die  Hoch- 
zeit nicht  der  Abschluß  der  Ehe  ist,  unrichtig  deshalb,  weil  die 
kirchliche  Einsegnung  nicht  der  vom  Konzil  von  Trient  zur 
Giltigkeit  der  Ehe  verlangte  Faktor  ist.  Von  einem  Dogma 
kann  man  überhaupt  hier  nicht  sprechen.  Der  Verf.  wird  mir  recht 
geben,  wenn  ich  es  bedenklich  finde,  angesichts  gewisser  Bestre- 
bnngen  den  jungen  Leuten  derartige  Vorstellungen  beizubringen. 
Eine  Neuauflage  wird  das  jedenfalls  zu  berichtigen  haben. 

Linz.  Dr.  K.  Schiffmann. 


Dr.  Fritz  Machaöek,  Die  Alpen.  Sammlnng:  „WieBensehaft  and 
Bildnng",  beraasgeg.  von  Dr.  Paul  Herre.  Leipzig  1908,  Verlag  von 
Quelle  &  Meyer. 

Die  Zahl  der  populärwissenschaftlichen  Sammlangen  ist  in 
steter  Zunahme  begriffen.  Neben  Göschen,  Teubner,  J.  J.  Weber 
n.  a.  tritt  nunmehr  der  Verlag  Quelle  &  Meyer  mit  einer  neuen 
derartigen  Sammlung  hervor.  Und  es  schadet  nicht.  Je  mehr  solcher 
Sftoimliingen  erscheinen,  desto  besser  f&r  die  Allgemeinheit,  zumal 
wenn  sie  alle,  wie  wenigstens  bisher,  bestrebt  sind,  Gutes  zu  bieten. 
Das  schmucke  Bftndchen,   in  dem  sich  Machaceks  „Alpen*'  produ- 

Z«itMhrift  f.  d.  teterr.  Oyian.  1908.  X.  Heft.  59 


930   F,  Umlauft,  Dentoche  Bnndichaa  nsw.,  ang.  ▼.  B.  Imendörffer. 

zieren,  wird  sicherlich  bald  viele  Abnehmer  finden,  wie  seineneit 
die  M^l^^scherknnde*',  die  derselbe  Autor  in  der  Oöschenschen 
Sammlung  hat  erscheinen  lassen.  Hier  ist  auf  ebenso  gedrängtem 
Baume,  wie  in  Siegers  gleichnamigem  Göschenb&ndcheo,  ein  nidi 
der  physikalischen  Seite  mindestens,  yielleicht  noch  yollst&ndigeroB 
Bild  dieses  Bfickgrates  Europas  entworfen.  Die  Gliederung  dtt 
Stoffes  ist  in  acht  Punkten  so  klar  und  naturgem&ß,  die  Darstellung 
80  anschaulich,  daß  das  Buchlein  namentlich  Mittelschfllern  dar 
oberen  Klassen  als  anregendste  geographische  Lektfire  empfohlen 
werden  kann.  Aber  auch  der  Lehrer,  der  weniger  Gelegenheit  bat, 
aus  eigener  Anschauung  zu  schöpfen  oder  die  einschlägige  Literatur 
zu  verfolgen,  findet  hier  in  handlicher  Form  alle  neuesten  Ergeb- 
nisse der  Alpenforschung,  zu  deren  tätigen  Mitarbeitern  der  Yerl 
des  Büchleins  zählt,  beisammen.  Nicht  ganz  gerechtfertigt  scheint 
mir  gegenfiber  der  Göschenschen  Sammlung  der  wesentlich  höhere 
Preis  (1  Mk.  25  Pf.  gegen  80  Pf.)  des  Bändchens.  Das  Format 
ist  zwar  um  weniges  größer,  der  Einband  in  der  Zeichnung  moderner, 
dafflr  aber  das  Papier  wesentlich  schlechter,  worunter  insbesondere 
die  Bilder,  soweit  sie  Reproduktionen  photographischer  Aufinahmen 
darstellen,  zu  leiden  haben. 


Deutsche  Bundschaa  f&r  Geographie  und  Statistik.  Unter  Xit- 
wirkang  von  hervorragenden  Fachmännern  herausgegeben  von  Prot 
Dr.  Friedrich  Umlauft,  Wien. 

Die  vorliegenden  ffinf  ersten  Hefte  des  XXX.  Jahrganges, 
der  mit  Oktober  1907  begann,  stellt  sich  äußerlich  in  neuem 
Gewände  dar,  ist  sich  aber  an  Gediegenheit  und  Beichhaltigkeit 
des  Inhaltes  gleich  geblieben.  Von  größeren  Aufsätzen  seien  hier, 
ohne  Anspruch  auf  Vollständigkeit,  herausgegriffen  „Wandern  und 
Reisen  in  Neu- Guinea*"  von  Dr.  B.  Pöch;  „Von  Adis  Ababa  fiber 
Assabot  nach  Dschibuti^  von  Fr.  J.  B  leb  er;  „Die  Erforschung  der 
nordeuropäischen  Meere*'  von  F.  Mewius;  „Eine  neue  mexikanische 
Eisenbahn*'  von  B.  Zürn;  „Das  moderne  Born**  von  Dr.  A.  Clinda 
u.  V.  a.  Daß  eine  Fälle  kleinerer  Mitteilungen  und  Notizen,  daß 
zahlreiche  vorzügliche  Abbildungen  und  Karten  den  reichen  Stoff 
ergänzen  und  abrunden,  ist  kaum  mehr  nötig,  hervorzuheben. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


Franz  Schiffner,  Planimetrie.  L  Teil.  Leitfaden  für  den  Unter- 
richt in  der  Geometrie  und  dem  geometrischen  Zeichnen  in  der 
IL  Elasee  an  den  österreichisohen  Bealichnlen  und  verwandten  Lehr- 
anitalten.  Wien,  Frani  Deutieke  1907.   Preis  geh.  90  h,  geb.  iXSOh. 

Das  kleine  Büchlein  ist  ein  Meisterstück  in  der  didaktisebeo 
Behandlung  des  Lehrstoffes  auf  dieser  Stufe.     Von  den  51  Seiten 


JacolnSchiffner,  Lehrbnch  der  Arithmetik,  «Dg.  ▼.  H,  Wehr.      931 

entfallen  nur  44  anf  den  eigentlichen  UnterrichtsstoflF,  S.  45 — 51 
enth&lt  ein  gewähltes  Übungsmaterial.  Anknüpfend  an  den  bei  dem 
Unterrichte  in  der  Formenlehre  schon  in  der  I.  Klasse  erworbenen 
Vorrat  geometrischer  Yorstellnngen  werden  die  geometrischen  Gmnd- 
begrifife  nnnmehr  etwas  sch&rfer  gefaßt  nnd  die  anf  der  Oberstnfe 
einsetzende  wissenschaftliche  Behandlung  des  Oegenstandes  wird 
sachgemäß  nnd  methodisch  richtig  vorbereitet.  Die  äußere  Aus- 
stattung ist  durchaus  gut,  die  Figuren  sind  deutlich,  rein  und 
nett  gezeichnet  und  recht  geeignet,  den  ästhetischen  Sinn  des 
Schülers  zu  bilden.  Die  kurze  Anleitung  zur  Ausffthrung  der  geo* 
metrischen  Zeichnungen  S.  41 — 43  enthält  wertvolle  Winke  und  Be- 
merkungen. Die  anregenden  Übungsaufgaben,  teils  fdr  die  Bechnung, 
teils  für  die  Konstruktion  sind  sehr  geeignet,  die  Lust  zur  Selbst- 
tätigkeit zu  wecken  und  zu  fördern.  Eine  beigegebene  Fig^rentafel, 
einfache  geometrische  Ornamente  darstellend,  ist  mit  Geschmack 
ausgeftthrt. 

Das  ganze  Buch  muß  als  ein  Torzüglicher  Leitfaden  be- 
zeichnet werden  und  stellt  das  methodische  Geschick  des  Verf.s  in 
ein  glänzendes  Licht. 


Dr.  Josef  Jacob  und  Franz  Schiffner,  Lehrbuch  der  Arith- 
metik für  ünterreaUchalen.  I.  Abteilung.  Lehrstoff  der  L  Klaiee. 
Wien,  Franz  Deutieke  1997.    Preis  gtsh.  1  K  30  h,  geb.  1  K  60  h. 

Der  Lehrstoff  der  I.  Klasse  ist  in  dem  Buche  in  übersicht- 
licher, sachlich  durchaus  einwandfreier  Weise  dargeboten.  Die 
Sprache  ist  klar  und  gewählt,  die  begrifflichen  Entwicklungen 
knüpfen  unmittelbar  an  die  Anschauung  an.  Ein  überaus  reich- 
haltiges Übungsmaterial  ist  beigegeben,  mit  dem  der  Lehrer  leicht 
das  Auslangen  finden  wird.  Sehr  verdienstlich  ist  es,  daß  die  Auf- 
f^aben  eines  jeden  Abschnittes  teils  nach  dem  Gesichtspunkte  der 
Schwierigkeit,  teils  nach  der  behandelten  Materie  in  Gruppen  ge- 
teilt sind,  wodurch  die  Übersicht  für  Schüler  und  Lehrer  sehr  er- 
leichtert ist.  Daß  die  theoretischen  Erklärungen  in  etwas  größerem, 
die  beigegebenen  Übungsaufgaben  in  kleinerem  Druck  geh  alten  sind, 
ist  ebenfalls  zur  rascheren  Orientierung  recht  vorteilhaft  Einzelne 
Aufgaben  erscheinen  uns  wohl  für  diese  Stufe  etwas  schwierig,  so 
insbesondere  die  Aufgaben  über  den  Zeitunterschied  zweier  Orte  und 
die  Bewegungsaufgaben.  Die  äußere  Ausstattung  ist  musterhaft. 

Das  nur  96  Seiten  umfassende  Buch  kann  als  ein  trefflicher 
Leitfaden  für  den  Unterricht  zur  Einführung  in  den  Lehrstoff  bestens 
empfohlen  werden. 

Knittelfeld.  Hans  Wehr. 


59» 


932  M.  Wolf,  Die  Milchstraße,  ang.  ▼.  J.  G,  Walleniin. 

Die  Milchstraße.  Vortrag,  gehalten  in  der  allgemeinen  Sitznng  der 
79.  VerBainmluDg  deatecher  Naturforscher  und  Ante  in  Dresden  am 
20.  September  1907  von  Prof.  Dr.  Max  Wolf.  Mit  53  Abbildoneen 
im  Text  und  auf  10  Lichtdrucktafeln.  Leipzig,  J.  A.  Barth  190S. 
Preis  4  Mk. 

Schon  Ptolemaeüs  hat  von  der  Milchstraße  eine  klare  nnd 
klassieche  Beschreibung  gegeben,  die  bis  ins  Detail  auf  den  heu- 
tigen Zustand  stimmt.  Herschel  bat  zwei  Wege  eingeschlagen,  um 
den  Bau  des  Himmels  zu  ergründen,  welche  erörtert  werden.  Von 
späteren  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  sind  besonders  jene  von 
Seeliger  zu  erwähnen,  welcher  die  funktionale  Verteilung  der  Sterne 
ihrer  absoluten  Leuchtkraft  nach  in  Hechnung  zog.  Auch  aus  der 
Verbindung  von  Eigenbewegung  und  Helligkeit  der  Sterne  lassen 
sich,  wie  spätere  Arbeiten  gezeigt  haben,  statistisch  Schlüsse  auf 
die  Verteilung  der  Gestirne  ziehen.  Die  statistische  Untersuchung 
des  Fixsternhimmels  leitet  zu  der  Anschauung,  daß  alle  sichtbaren 
Sterne  ein  gemeinsames  System  ausmachen,  daß  dessen  Hauptans- 
dehnung in  die  Milchstraße  fällt  und  daß  der  größte  Stemenreich- 
tum  in  ringförmiger  Verdichtung  weit  ab  von  uns  zu  suchen  ist. 

Im  weiteren  Verlaufe  seines  Vortrages  ist  der  Verfasser  des 
näheren  auf  die  photographischen  Aufnahmen  der  Milchstraße  ein- 
gegangen und  er  gibt  uns  einige  darauf  bezugnehmende  Figuren- 
proben.  Bezüglich  der  dynamischen  Form  der  Milchstraße  wird 
zunächst  die  Anschauung  von  Easton  besprochen,  der  sich  die 
Milchstraße  ans  größeren  Anhäufungen  zusammengesetzt  denkt,  die 
zwar  in  sehr  verschiedenen  Entfernungen  von  uns  liegen,  die  aber 
überallhin  durch  Ströme  miteinander  verbunden  sind.  Die  Anordnung 
wäre  nach  Easton  spiralförmig,  so  zwar,  daß  der  Kern  der  Spirale 
im  Schwan  zu  suchen  sei  und  daß  von  ihm  aus  nach  allen  Seiten 
hin  Ströme  ausgingen,  die  nach  Belieben  so  gruppiert  werden 
könnten,  daß  der  tatsächliche  Anblick  der  Milchstraße  zustande 
käme.  In  mehrfacher  Hinsicht  erscheint  die  Anschauung  Eastons 
nicht  stichhältig  zu  sein  und  es  muß  zugestanden  werden,  daß 
wir  vom  Aufbau  der  Milchstraße  derzeit  noch  sehr  geringe  Kennt- 
nisse haben.  Vielleicht  werden  die  diffusen  Nebelmassen  von  anfaß- 
barer Ausdehnung,  die  an  die  Milchstraße  gebunden  sind,  wenn 
sie  in  intensiver  Weise  untersucht  worden  sind,  uns  einen  Einblick 
in  das  Rätsel  der  Milchstraße  gewähren.  Es  geht  aus  den  bisher 
gemachten  Beobachtungen  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  hervor, 
daß  die  Nebelmassen  in  derselben  Tiefe,  wie  die  vielen  Milch- 
straßensterne  liegen.  Daraus  würde  auch  folgen,  daß  die  beobach- 
teten Höhlen  in  der  Milchstraße  ebenfalls  in  der  räumlichen  Tiefe 
der  Milchstraßensterne  lagern  müssen.  Daß  man  es  bei  der  Höhlen- 
bildung  mit  einer  Absorptionserscheinung  zu  tun  hat,  scheint  ans 
einigen  Wahrnehmungen  wohl  mit  Sicherheit  hervorzugehen.  Es 
wäre  die  Annahme  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  daß  überall  am 
Himmel  dunkle  Materie  lagert,  die  nns  'die  fernen  Sterne  verdeckt. 


P,  ffeukleTf  Der  Lehrpko  usw.,  äq^.  t.  T.  F.  Hmiumek.        Mi 

und  datl  Qur  mn  sclimaler  Spalt  rings  am  Himmel  ofen  iit^  dnrcb 
dtm  wir  die  fernen  Sterascbaren  sehen  können  als  Mtlehslraße.  Ea 
kLtnnten  anch  die  Hi'^hlen  wirkliche  Furchen  oder  VurdünkeluDga' 
e teilen  im  Sternen heere  Bein  nnd  darch  einen  uns  unbekannten 
Vürgang  könnte  eine  Zerklüflang  oder  ?erdanke!nng  der  Slernmassen 
bedingt  werden. 

Der  Vortragende  schlküt  mit  den  Worten^  daß  «e  sicher  ist, 
da0  die  MilehatraOe  nns  Bchöne  und  grolle  Probleme  aufgibt,  uns 
auf  Vorginge  und  Kräfte  hinweist,  für  deren  Beächreibang  nna 
heute  noch   Begriffe  und  Vorkenntnisse  fehlen. 


Wien. 


Dr.  L  G«  Wällen tin. 


Piiul  Heuklery  Der  Lehr[)lan  für  den  Unterricht  in  Natur- 
kunde, hbtoniicli  und  kritisch  betrachtet  Sammlung  naturwriaen- 
iehaftlicb-pAdagögiiieher  Abbandlangen,  heraueg.  vou  Ütto  :^GhmeÜ 
und  W.  B.  Scbnüdl.  Leipzig  und  Berlin^  B.  G,  Täqhner  1307.  IV 
und  44  Sa  80.    Preis  1  Mk. 

Für  österreichigcbe  Leser  sei  im  vorhinein  bemerkt,  daf& 
urter  „Naturkande"  unsere  ,, Naturgeschichte"  zu  versteh en  ist. 
An  der  Hand  von  Beispielen  wird  gezeigt,  daG  der  Lebrplan  für 
dieBefl  Fach  uen  tu  bearbeiten  ist.  Der  Verf.  bebandeU  sneral  die 
Normalität  des  Lehrplanes ,  dii)  darin  besteht,  daß  sowohl  die 
humaniHtiscbe  als  auch  die  realistische  Bildnng  m  ihrem  Tollen 
Hechle  komtnen;  diese  Forderung  iet  abzuleiten  aus  dem  Unter- 
ficbtszielep  das  ^gleichsch webende  Vielseitigkeit  der  Interessen  ver- 
langt". Das  /.weite  Kapitel  verbreitet  aicb  über  die  Atiswahi  nnd 
Anordnung  der  Lehrstoffes,  die  wieder  von  zwei  Gesichts* 
pnnkLän  bestimmt  wird:  1.  rom  nationalen;  es  ist  zu  fragen, 
welche  Lehrte toffe  fnr  das  Leben  unseres  Volkes  von  bleibender  Be- 
deutong  sind  (Matenalprinzip);  2.  vom  psychologischen;  die  Faa- 
enngekraft  der  Schüler  muS  berücksichtigt  werden  {Formalprin^ip). 

In  dem  Folgenden  werden  nun  die  moderneD  natnrknndUchea 
Probleme  erörtert,  in  die  der  Schüler  Bingefäbrt  werden  soll,  es 
wird  die  zwc^ckmäüige  B&iheD folge  dieser  Probleme  aafgestellt  und 
0chtiemich  die  Frage  der  Königen  trat  ion  in  ihrer  Haapttordernng : 
^Konzentriere  nach  Problemen,  nicht  nach  Objekten**  beaprochta. 
Die  Aufstellung  eines  Lehrplanes  Idr  den  natiifsdiichtlicben  Onter* 
rieht  in  einer  Volksech  nie  beschließt  die  gehaltvolle  und  leseng* 
werto  Schrift. 


Erems, 


Dr.  T.  F*  Eanansek. 


934  0.  Maas,  LebeDsbeding.  and  Verbreit,  der  Tiere,  ang.  t.  H.  Vidtorf. 

0.  Maas,  LebensbediDgungen  und  VerbreituDg  der  Tiere 
(189.  BftDdcben  der  Sammlang  „Aas  Katar  and  Geistes  weit*).  Mit 
Karten  and  AbbildaDgen.  Leipzig,  Druck  and  Verlag  tob  B.  6. 
Teabner  1907. 

Wie  viele  andere  Bftndcben  der  Sammlang  ^Ans  Natur  und 
Oeisteswelt^  ist  auch  das  vorliegende  ans  einer  Reihe  von  Vor- 
trägen entstanden.  In  ihm  wendet  sich  der  Verf.  an  wissenschaft- 
lich nicht  vorgebildete  Kreise ,  um  bei  ihnen  Interesse  flr  die 
Tiergeographie  zu  erwecken.  Dabei  ergaben  sich  Anknüpfongen  an 
soziale  Fragen,  die  wieder  nicht  berührt  werden  konnten,  wenn 
nicht  auf  die  biologischen  Verhältnisse  der  Tierwelt  eingegaogen 
wurde.  Die  Verbreitung  der  Tiere  hängt  von  den  Lebenebedingungeo 
und  der  Erdgeschichte  ab.  Die  Nahrung  regelt,  die  Temperatur, 
Liebt,  Luft,  Feuchtigkeit  u.  a.  m.  beeinflussen  die  Tierverbreitung. 
Der  Verf.  schildert  ferner  das  stufenweise  Auftreten  der  Organismen 
bis  zum  Erscheinen  des  Menschen,  den  Einfluß  des  Menschen  auf 
die  Tierverbreitung  und  die  tiergeographischen  Begionen  mit  ihren 
Oharaktertieren.  In  der  Bearbeitung  sind  nur  die  Landtiere  be- 
handelt. Anhangsweise  sind  eine  Anzahl  Schriften  zum  weiteren 
Studium  angegeben. 


Dr.  M.  von  Wretschkos  Vorschule  der  Botanik  fär  den  Ge- 
brauch an  höheren  Klassen  der  Mitteiicholen  und  verwandter  Lehr- 
anstalten. Vollständig  umgearbeitet  and  neu  herautgegeben  Ton  Dr. 
Anton  Heime ri.  8.  Aafl.  Wien,  Verlag  von  K.  Gerolds  Sohn  1907. 
Preis  geb.  8  K  50  h. 

Wretschkos  Vorschule  der  Botanik  bat  bei  den  Mittelschul- 
lehrern  Österreichs,  da  in  ihr  wissenschaftliche  Gründlichkeit  mit 
klarer  Ausdrncksweise  vereint  erscheint,  einen  so  guten  Buf,  dal» 
Bef.  sich  darauf  beschränken  kann,  die  Vorzflge  der  neuesten  Aut- 
lage hervorzuheben.  In  der  Anordnung  des  Lehrstoffes  ist  gegen- 
über der  7.  Aufl.  keine  Veränderung  zu  verzeichnen;  die  Grund- 
lebren über  den  inneren  Bau  und  die  Ernährung  der  Pflanzen  sind 
auch  hier  der  Besprechung  der  Kryptogamen  vorangestellt.  Viele 
Ordnungen  wurden  dnrch  Neuaufnahme  bisher  unerwähnt  gebliebener 
Arten  (Oscülatoria,  Peronospora,  Lecanora)  erweitert,  andere  fast 
vollßtändig  umgearbeitet,  teils  um  die  biologischen  Verhältnisse 
ausführlicber  und  genauer  zu  bringen,  teils  um  die  Bedentnnf 
mancher  Pflanze  für  einzelne  Industriezweige  besser  hervorzuheben 
(z.  B.  bei  den  Malven).  Andere  Ordnungen  wieder,  welche  bisher 
entweder  nur  kurz  erwähnt  worden  waren  oder  im  Lehrstoffe  de$ 
Buches  gar  keine  Aufnahme  gefunden  hatten,  werden  in  der  neuen 
Auflage  entsprechend  gewürdigt.  So  wurden  neu  aufgenommen  uod 
mehr  weniger  eingebend  geschildert  die  Zapfenpalmen,  Seeroseo- 
gewächse,  Ulmengewäcbse,  Lindengewächse,  Boßkastanien,  Ahoro* 
und    Weinrebengewäcbse.     Ebenso    fand     im    Anhange     zu    deo 


jR.  BichteTf  Einfahmog  in  die  Philosophie,  aog.  t.  E.  Gschwind.  935 

Malven  der  Eakaobaom  (Fracht,  Samen  and  Verwendang  desselben) 
Erwähnung. 

Viele,  sehr  gelungene  Illustrationen  heben  den  Wert  des 
Buches,  welches  überdies  durch  zwei  farbige  Pilztafeln  und  vier 
schwarze  Tafeln  (Moorlandschaft  ans  der  Steinkohlenzeit  nach 
Potoni^,  Zirbelkiefer,  Mammutbaum  und  Bananenpflanzung  auf 
Ceylon)  geziert  ist.  Die  Kosten,  die  durch  die  schöne  Ausstattung 
dem  Verleger  erwuchsen,  mögen  auch  die  Preiserhöhung  (50  h) 
rechtfertigen. 

Wien.  H.  Vieltorf. 


Baoul  Richter,  EinfQbrung  in  die  Philosophie.  Sechs  Vorträge. 
(155.  Bändchen  der  Sammlung  „Aue  Natur  und  Geisteiwelt").  Leipzig, 
Teubner  1907.   128  SS. 

In  dieser  Schrift  veröffentlicht  der  Verf.  sechs  Vorträge,  die 
er  1905/06  als  Volkshochschulkurs  abgehalten  hat.  Der  erste 
Vortrag  erörtert  die  Frage:  Was  bedeutet  das  Wort  Philo- 
sophie? Worin  liegt  ihr  Wesen?  Vom  Begriffe  Philosophie  gibt 
es  aber  so  viele  Definitionen,  als  es  philosophische  Systeme  gibt, 
und  der  letzte  Philosophenkongreß  konnte  sich  nicht  zu  einer  end- 
giltigen  Definition  einigen.  Richter  erklärt  die  Philosophie  als  das 
Streben  nach  Erkenntnis  vom  Zusammenhang  alles  Seienden  — 
eine  Definition,  die  sich  wohl  als  zu  eng  und  vor  allem  die  Meta- 
physik treffend  erweisen  dürfte.  Es  wäre  sicher  gerade  für  diesen 
Zuhörerkreis  von  Interesse  gewesen,  die  Definitionen  Kants,  Fichtes, 
Hegels  und  anderer  hervorragender  Philosophen  zu  erfahren.  Kant 
z.  B.  definiert  die  Philosophie  als  die  Wissenschaft  von  der  Be- 
ziehung aller  Erkenntnisse  auf  die  wesentlichen  Zwecke  der  mensch- 
lichen Vernunft  (Kritik  der  reinen  Vernunft,  3),  welche  Erklärung 
ebenfalls  bloß  die  Metaphysik  trifft  (vgl.  Aristoteles:  ijttozijinfj  rcöv 
nQd)T(Dv  dgxcbv  xal  alxi&v^  met.  1,  2).  Im  zweiten  und  dritten 
Vortrage  behandelt  der  Verf.  das  Erkenntnisproblem.  Erkennen 
(im  strengen  Sinne)  bedeutet,  sich  einer  Wahrheit  bewußt  sein. 
Wahr  sind  Urteile,  die  mit  Erfahrung  und  Denkten  m  Übäreineiim- 
mung  stehen.  Wahrheit  und  Gewißheit  stehen  zwar  in  Beziehung 
zu  einem  Subjekte,  aber  nicht  in  Belation  znr  Zeit  —  sie  sind 
ihrem  Inhalte  nach  allgemein  giltig.  Leider  konnte  Richter,  jeden« 
falls  infolge  seines  Planes  oder  aus  Mangel  ap  verfügbarer  Zelt, 
die  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Erkenntnis  nicht  behandeln* 
Die  Wege  zur  Beantwortung  derselben  betrat  einoreeitg  der  Sen*^ 
Bualismue,  der  da  behauptet,  daß  alle  Erkenntnis  aus  der  Erfahronj^^ 
stammt,  anderseits  der  Rationalismus,  der  alle  Erkenntnia  —  ^^^^ 
Vernunft  herleitet.  —  Im  vierten  und  fünften  Vürtrage  »t 
der  Verf.  zur  Höhe  metaphysischer  Spekulation,  indem 
Wirklichkeitsproblem  bespricht.  Richter  hält  den  S 


A 


\ 


936  B.  Richter,  Einfttbrnng  in  die  Pbilotophie,  ang.  ▼.  E.  Gsehwind. 

muB  fär  die  annebmbarate  Hypotbese.  Hieran  reibt  sich  die  Frage 
nacb  der  Existenz  nnd  Be8cba£fenbeit  einer  letzten  Einheit,  zn  der 
sieb  alle  Elemente  zasammenscbließen,  die  Frage  nacb  dem  Abso- 
luten, der  absoluten  Vernunft»  der  Gottbeit.  —  Im  letzten  Vortrage 
bebandelt  der  Verf.  die  Frage  nacb  den  obersten  Werten  des 
Seienden  in  sittlicber  und  religiöser  Beziebung.  Er  muß,  wobl  aus 
den  bereits  frnber  vom  Berichterstatter  erw&bnten  Gründen,  wieder 
ein  interessantes  Gebiet,  das  der  ftstbetiscben  Werte»  abseits 
liegen  lassen. 

Es  verdient  volle  Anerkennung,  daß  der  Vortragende  vor 
seinem  Zuhörerkreise  eine  Behandlung  seines  Stoffes  zu  behaupteo 
wußte,  die  den  philosophischen  Grundfragen  nicht  ausweicht  oDd 
die  bei  aller  Knappheit  der  Form  auch  einem  weiteren  Publikum 
verständlich  bleibt.  Oftmals  freilich  vermag  er  in  solch  engem 
Babmen  den  Weg  zur  Hebung  der  in  der  Tiefe  ruhenden  Schltze 
bloß  anzudeuten,  die  ein  geschickter  „delischer''  Schwimmer  erst 
heben  kann.  —  Allen,  die  sich  für  philosophische  Fragen  interessieren 
und  diese  bloß  im  umrisse,  in  faßlicher  Weise  geschickt  und 
kundig  dargestellt,  lesen  wollen,  wird  diese  Schrift  ein  willkommener 
Wegweiser  und  Führer  sein. 

Prag.  Emil  Gsehwind. 


Dritte  Abteilung. 

Znr  Didaktik  und  Pädagogik. 


über  den  Wert  der  Darchschnittsberechnung  beim 
Klassifizieren  intensiver  Leistungen. 

Herr  LandesscbaliDspektor  Dr.  A.  NitBche  hat  in  dieser  Zeitschr. 
1907,  S.  84  ff.  onter  dem  Titel  .Ein  Beitrag  zar  Lösung  der  Frage  des 
Prtkfens  und  KlaBsifizierens*  einen  nicht  nnwichtigen  Punkt  ans  meinen 
Aasfttbrangen  vom  letzten  Mittelschaltage  „Ober  Prflfen  und  Klassifizieren* 
herausgegriffen  nnd  einer  interessanten  Erörterung  unterzogen :  es  ist  dies 
meine  dort*)  aufgestellte  Behauptung,  daO  bei  rein  intensiver  Ziel- 
forderung es  schließlich  nur  darauf  ankomme,  in  wissen,  was 
der  Schaler  am  Ende  des  betreffenden  Zeitabschnittes  kann. 
Und  ich  schickte  dem  die  oratorische  Frage  voraus,  „welchen  Sinn  h&tte 
da  die  Berechnung  des  arithmetischen  Durchschnittes  seiner  Leistungen?" 
Dr.  Nitsche  erblickt  nun  darin  den  gewiß  nicht  leicht  wiegenden  Vorwurf, 
als  h&ttcn  alle  die  Lehrer,  die  bisher  in  derartigen  Fällen  doch  den 
Durchschnitt  berechneteu,  „sich  in  einem  wahrhaft  beschämenden  Wider- 
streit zur  gesunden  Vernunft  befunden**.  Zu  zeigen,  daß  sie  „sich  einer 
derartigen  Sflnde  nicht  scbulddig  machten",  sei  das  Hauptziel  seiner  Aus- 
fObrungen. 

Ich  kann  nun  vorweg  dazu  bemerken,  dal>  sich  die  GrOße  dieses 
Vorwurfs  ganz  von  selbst  bedeutend  herabmindert,  weil  ich  von  vorne- 
herein das  Vorhandensein  solcher  typisch  reiner  Fälle  intensiver  Ziel- 
forderungen fflr  sehr  selten  halte  (vgl.  S.  19  und  22).  Noch  mehr  wird 
der  Vorwurf  aber  wohl  dadurch  entkräftet,  daß  ich  ihn  ja  nur  dann  hätte 
erheben  dttrfen,  wenn  ich  sicher  wußte,  daß  ein  Lehrer  trotz  klarer 
Einsicht  in  die  rein  intensive  Natur  der  Zielforderang  die  Darch- 
schnittsberechnung angewendet  habe. 

Dies  sn  glauben  lag  mir  ferne,  da  ich  ja  eben  daran  war^  diese 
Unterscheidung  erst  aufzustellen  und  zn  begründen.    Hätte  ich  als  fär 


^)  S.  19  des  Sonderabdruckes.    Wien,  Holder  1906. 


{ 


938  Über  den  Wert  der  DarchschDÜtiberechnoDg  qbw. 

etwas  l&ngst  Bekanntet  and  in  der  Praxii  Gettbtea  gehalten,  lo  wfirde 
ich  Oberhaupt  davon  nicht  mehr  gesprochen  haben.  Also  schr&nkt  sich 
der  Vorwarf  meinerieits  tatsftcblicb  ein  aaf  jene  doppelt  seltenen  Falle, 
wo  der  reine  Typas  der  DispoBitionssteigernng  mit  der  klaren  Einsicht 
des  Lehrers  in  diesen  SacbTorbalt  vereint  verwirklicht  sein  mochte. 

Doch  dies  mag  sich  verhalten,  wie  immer ;  in  Kleinigkeiten  wollen 
wir  ans  nicht  verlieren,  am  so  mehr,  aU  ich  ans  den  trefflichen  Aas- 
fQhrangen  Kitsches  za  meiner  Befriedigang  entnehmen  kann,  daß  wir, 
soweit  es  aaf  die  Praxis  ankommt,  der  Hauptsache  nach  so  ziemlich 
flbereinstimmen  dürften. 

Was  mir  aber  wichtig  erscheint,  ist  das,  was  Nitsche  zar  theo- 
retischen Seite  der  Frage  beigebracht  hat  and  dies  veranlaßt  mich, 
hierin  neaerdings  das  Wort  so  ergreifen. 

Der  erste  Hauptgedanke  Kitsches  knttpft  an  die  Bewertung  tor- 
nerischen  KOnnens.  Er  erwähnt  den  Fall,  daß  bei  den  Wiener  Wettspielen 
(anläßlich  des  Mittelschaltages  1906)  ein  Schüler,  der  sonst  im  Gerwurf 
81  m  erreichte,  damals  nicht  fiber  27*8  m  hinaus  kam.  Sollte  da  wirklich 
dessen  Leistungsfähigkeit  lediglich  nach  der  Schlaßleistang  beurteilt,  also 
aaf  27-3  m  eingeschätzt  werden? 

Aach  der  Gegenfall  sei  ja  nicht  selten,  daß  gegenüber  geringen 
Durchschnittsleistangen  oft  überraschend  hohe  „Gipfelleistungen*  vollführt 
werden,  aus  denen  man  dann  auch  nicht  auf  die  Hübe  der  normalen 
Leistungsfähigkeit  schließen  dürfe.  Dies  wendet  sich  direkt  gegen  meine 
eingangs  angeführte  Behauptung,  daß  bei  intensiver  Zielforderang  es  nur 
darauf  ankomme,  zu  wissen,  was  der  Schüler  am  Ende  des  betreffenden 
Zeitabschnittes  kann;   die  Durchschnittsberechnung')   habe  keinen  Sinn. 

Hier  ist  nun  unbemerkt  zweierlei  ineinander  geflossen,  so  daß 
eine  sorgfaltige  Überprüfung  des  Sachverhaltes  notwendig  wird. 

Was  Kitsche,  und  zwar  mit  vollem  Recht,  behauptet,  ist,  daß 
aus  einer  einzelnen  Leistung  sehr  schwer  auf  die  dahinterliegende 
Leitungsfähigkeit  geschlossen  werden  kOnne.  Momentane  Abspannaog, 
irgend  eiu  asthenischer  Affekt  u.  dgl.  kOnnen  einerseits  nngewöholich 
gerioge  Leistungen,  starke  Beize  körperlicher  wie  psychischer  Katar  ander- 
seits unerwartet  hohe  „Gipfelleistangen''  verursachen.  In  beiden  Fällen 
wäre  es  falsch,  aus  diesen  einmaligen  Leistungen  auf  die  Höhe  des 
dauernden  KOnnens  zu  schließen. 

Dies  alles  habe  ich  ziemlich  ausführlich  auseinandergesetzt  in 
meinen  „Psychologischen  Untersuchungen  über  Prüfen  und  ELlassifizieren" 


')  Was  Kitsche  S.  84  bemängelt,  „daß  nicht  der  arithmetische 
Durchschnitt  von  Leistungen  in  Frage  steht,  sondern  der  arithmetische 
Durchschnitt  der  hierüber  gefällten,  in  Zahlen  ausgedrückten  Urteile,  der 
Koten",  so  kann  ich  dazu  meinerseits  nur  sagen,  daß  ich  wirklich  nie 
geglaubt  habe,  man  kOnne  aus  den  Leistungen  direkt  ohne  Yezmittliuig 
durch  Maßzahlen  den  arithmetischen  Durchschnitt  berechnen,  daß  ich 
aber  auch  nicht  einmal  die  Besorgnis  gehegt,  ein  Leser  kOnne  meine 
gekürzte  Ausdrucksweise  anders  verstehen,  als  sie  selbstferständlich  ge- 
meint war. 


Obtr  den  Weit  der  DurchscbnittsberechDaDg  qbw.  939 

(Wien,  Holder  1900,  S.  10—12  VDd  8. 14^15).  Wenn  nun  Nitocbe  meint 
(S.  86),  daß  daher  in  derartigen  F&Uen  ein  Darcbsehnitt  ein  TeilißliekereB 
Haß  abgibt  als  eine  Gipfelleistung,  so  kann  ich  ihm  ohne  weiteres  Recht 
geben,  ohne  doch  —  und  dies  dürfte  für  den  ersten  Augenblick  über- 
raschend klingen  —  mit  meinen  Behaaptangen  in  Widerspruch  so  geraten. 
Was  ich  mit  aller  Schftrfe  behauptet  habe,  ist,  daß  es  nnr  darauf  ankomme, 
SU  wissen,  was  der  Schüler  am  Ende  eines  bestimmten  Zeitabschnittes 
„kann**.  Ich  habe  aber  nicht  gesagt,  was  er  am  Ende  eines  Zeitabschnittes 
„leistet**.  Letxteres  ist  allen  Schwankungen  nach  oben  und  unten  ans- 
gesetit  —  ersteres  muß  aber  eben  mit  aller  Vorsicht  und  Umsicht  er- 
mittelt, erschlossen  werden.  Ich  habe  nirgends  gesagt,  es  komme  auf 
eine  Schluß-  oder  Gipfelleistung  an.  Das  Beispiel  Kitsches  vom  Schützen 
möchte  ich  deshalb  aus  der  Diskussion  ganx  ausschalten,  weil  hier  der 
Zufall  einen  ganx  besonderen  Spielraum  bat.  Die  beiden  anderen  von 
Kitsche  gebrachten  Beispiele,  der  Gerworf  und  das  Hochspringen,  sind 
nun  wirklich  derart,  daß  man  sagen  kann,  um  aus  den  Leistungen  das 
Können  zu  ermittein,  wird  man  aus  einer  größeren  Zahl  von  Leistungen 
eine  Art  von  Durchschnitt  ziehen  müssen  und  dabei  jedenfalls  sicherer 
gehen,  als  wenn  man  einfach  eine  Leistung  herausgreift.  Aber  dieser 
Durchschnitt  ist  von  wesentlich  anderer  Art  als  der  Durchschnitt,  von 
dem  man  eben  im  schultechnischen  Sinne  als  von  einer  „Durchschnitts- 
leistung** spricht.  In  den  von  Kitsche  herangesogenen  F&Uen  handelt  es 
sich  nämlich  darum,  eine  —  wenigstens  relativ  —  dauernde,  station&re 
Dispositionsgroße  zu  ermitteln.  Dies  ist  erwachsenen  Menschen  gegenüber 
nicht  selten  Gegenstand  unseres  Interesses:  wir  wollen  wissen,  wie  viel 
der  Betreffende  auf  dem  oder  jenem  Gebiete  leisten  kann.  Und  zu  diesem 
Zwecke  werden  wir  uns  klugerweise  nicht  mit  einer  einzigen  Beobachtung 
begnügen,  sondern  aus  den  oben  auseinandergesetzten  Gründen  durch  die 
Heranziehung  einer  größeren  Zahl  von  Beobachtungen  sein  normales, 
durchschnittliches,  mittleres  EOnnen,  auf  das  man  sich  sicher  rerlassen 
kann,  festzustellen  trachten.  Was  wir  aber  dadurch  schließlich  erfahren, 
ist  doch  eben  das,  wofon  ich  auch  in  dem  schon  oft  zitierten  Satze 
spreche:  Das,  was  er  zur  Zeit  kann. 

Wesentlich  anders  steht  es  aber  dort,  wo  wir,  wie  beim  jugend- 
lichen Menschen,  mit  einer  über  eine  lange  Zeit  hin  sich  erstreckenden 
sukzessiven  Zunahme  der  Leistnngsfähigeit  zu  rechnen  haben. 
Wenn  wir  z.  B.  am  Schlosse  eines  Schuljahres  den  „Durchschnitt"  be- 
rechnen, 80  muß  das,  wenn  man  die  Sache  theoretisch  konsequent  durch- 
führen will,  eigentlich  als  ein  Durchschnitt  aus  Durchschnitten  der 
früheren  Art  betrachtet  werden.  Der  Zeitraum  sei  ein  Schuljahr;  ich 
hfttte  die  Leistungsfähigkeit  des  Schülers  in  jedem  Monate,  also  im 
ganzen  zehnmal,  „ermittelt,  geprüft",  so  mußte  ich  dacb^  um  nach  deu 
früheren  Erwägungen  gewissenhaft  vorzogehen,  bei  der  jedesmaligen 
Prüfung  ans  mehreren  Beobachtungen  das  Mittel  ber^chtiet  häh&n  — 
also  z.  B.  als  Turnlehrer  durfte  ich  den  Jungen  bei  jeder  f.MoDatsprüfdng'' 
nicht  bloß  je  einen  Sprung  machen  lassen,  sondern  iDQüie.  um  iaflUly|fl 
Störungen  nach  oben  und  nach  unten  zu  eliminieren  i  durch  jr^^-*-^^^ 


940  Ober  den  Wert  der  DarcbschcittsberecbDaDg  usw. 

Proben  sein  wirkliches  KOnnen  feststenen.  Dieses  so  nach  eioem  TMlig 
berechtigten  DarchscbnittSTerfabren  konstatierte  „Können*^  am  Ende  des 
ersten  Monates  sei  durch  den  Zablenwert  100  charakterisiert,  das  am 
Ende  des  zweiten  Monates  mit  105,  des  dritten  mit  110  usf.,  bis  die  mit 
gleich  bleibender  Sorgfalt  ermittelte  Leistaogsfähigkeit  am  Ende  des 
zehnten  Monates  etwa  145  betrage.  Meine  Behauptung  geht  nun  dahin, 
daß  ich  als  Lehrer  am  Ende  des  Jahres  —  natürlich  den  Fall  der  Dispo- 
sitionssteigerung  ToraoBgesetzt  —  nar  die  letzte  Leisten gsf&higkeit 
in  Betracht  zn  ziehen,  bezw.  ins  Zeugnis  zn  setzen  habe.  Beebne  ich  den 
Dorchschnitt  aus  den  zehn  ermittelten  Leistungsfähigkeiten,  122*5,  und 
setze  ich  diesen  in  das  Zeugnis,  so  enth&lt  dies  eine  falsche  Mittei- 
lung fOr  denjenigen,  der  aus  dem  Zeugnisse  erfahren  will,  was  der 
Junge  am  Schlüsse  des  Jahres  kann. 

Während  ich  also  den  Dorchschnitt  zum  Zwecke  der  Einzelfest- 
Stellung  gut  beiße,  muß  ich  den  Dorchschnitt  aus  solchen  DurchschnitteD 
am  Ende  einer  längeren  Zeitperiode  stetiger  Entwicklung  ablehnen. 

Daß  Nitsche  tatsächlich  nur  den  Dorchschnitt  ersterer  Art  ond 
nicht  den  aos  einer  sich  gleichsinnig  ändernden  Reihe  im  Auge  gehabt, 
erhellt  ganz  besonders  klar  ans  seinen  Worten  (S.  85):  „Vergleiche  man 
zwei  Turner,  von  denen  der  eine  im  Laofe  einer  gewissen  längeren 
Periode  in  ungefähr  gleichen  Abständen  stets  eine  SprnnghObe  Ton 
115— 120  cm  erreicht  hat...'',  ferner  „zwei  Schützen,  von  denen  der... 
andere  ohne  auszeichnende  Endleistong  durchschnittlich  im  Vierer- 
kreise blieb". 

Indem  ich  daher  in  diesem  Pankte  mit  Nitsche  bezüglich  der 
Feststellong  des  Einzel-KOnnens  vOUig  Übereinstimme,  hoffe  ich,  daß  er 
anderseits  meiner  nor  genauer  präzisierten  Behaoptong  vom  Durchschnitt 
ans  so  gewonnenen  Durchschnitten  dürfte  zustimmen  können. 

Das  bisher  Besprochene  hat  natürlich  nur  für  jene  Fälle  Giltigkeit, 
wo  die  Leistungen,  wie  etwa  beim  Tarnen,  einem  absoluten  Maßstab« 
zugänglich  sind.  Dem  gegenüber  führt  nun  Nitsche  (S.  85  ff.)  weiter  aas. 
daß  bei  unserer  Klassifikation  psychischer  Leistungen  ein  derartiges  abso 
Intes  Maß  fehlt,  daß  wir  vielmehr  die  Leistungen  nnr  relativ  nach 
ihrem  Verhältnisse  zur  jeweiligen  Forderong  bestimmen 
können^).  Hier  gestehe  ich  gerne  zu,  durch  Nitsche  in  einem  wichtigen 
Punkte  berichtigt,  bezw.  ergänzt  worden  zu  sein.  In  der  von  mir  seiner- 
zeit*) versuchten  Fassung  des  Begriffes  „relativer  Maßstab**  hatte  ich 
nur  eine  sozusagen  rohere  Relativität  im  Auge:  das  Messen  der  Leistung 
eines  Schülers  an  den  gerade  tatsächlich  vorliegenden  Leistungen  der 
anderen  Schüler.  Nitsche  hat  eine  weniger  weitgehende,  dafür  aber  am 
so  besser  in  der  Natur  der  Sache  begründete  und  praktisch  braoehbarere 
Relativität  im  Auge:  Das  Vergleichen   einer  Leistung  mit  dem« 


M  Über  die  verschiedenen  Maßstäbe,  den  absoluten,  den  relativen, 
den  subjektiven,  vgl.  meine  „Psychologischen  Untersuchungen  über  Prüfen 
und  Klassifizieren''  S.  15  ff. 

•)  S.  die  vorige  Anmerkung. 


über  den  Wert  der  DarchschnittsberecbnnQg  ubw.  941 

wai  ein  SchQler  dieser  Klasse   und   dieser  Altersstufe  nor- 
malerweise soll  leisten  kOnnen. 

Dementsprechend  meint  Kitsche  mit  vollem  Recht,  daß  wir  ja 
einem  Schüler  der  IV.  Klasse  x.  B.  im  Griechischen  nicht  eine  bessere 
Note  geben  als  dem  Tertianer,  weil  er  als  Quartaner,  absolut  genommen, 
mehr  weü^  als  jener.  Wir  richten  ans  Tielmehr  im  Klassifizieren  nach 
dem,  was  normalerweise  von  einem  Tertianer,  bezw.  einem  Quartaner 
gefordert  werden  kann  and  bestimmen  danach  den  aas  der  Skala  zu 
wählenden  Kalkül.  Daraus  folgert  nun  Kitsche,  daO  das,  was  ich  in 
meinem  Vortrage  'j  befürchtet  hätte,  ja  gar  nicht  vorkommen  kOnne,  dal> 
nämlich  durch  eine  anfängliche  absolute  Minderleistung  das  SchluOurteil 
heruntergedrückt  würde.  W^enn  also  ein  Schüler  zwar  anfangs  absolut 
weniger  leistet,  aber  doch  dem,  was  gefordert  werden  darf,  völlig  ent- 
spricht, so  erhält  er  am  Anfang  ebensogut  sein  „Vorzüglich''  als  er  es 
am  Ende  auf  Qrund  einer  entsprechend  höheren  Leistung  erreichen  kann. 
Daraas  ist  klar  zu  ersehen,  daß  die  Durchschnittsnote  —  hier  sein  »Vor- 
zfiglich'*  —  durchaus  nicht  durch  die  absolut  geringere  Leistung  des 
Anfangs  herabgedrückt  wird. 

Dem  gegenüber  kann  ich  vorweg  nur  sagen,  daß  dies  nur  so  lange 
richtig  ist,  als  die  absolute  Minderleistung  der  normalen  Minder- 
leistung entspricht.  Sowie  aber  eine  aach  relative  Minderleistung 
Torliegt,  wird  tatsäeblich  bei  der  Darchschnittsbereehnung  das  Endurteil 
durch  anfängliche  Minderleistungen  in  oft  bedenklicher  Weise  herabgesetzt. 

Um  auch  hier  völlig  klar  zu  sehen  und  zu  sicheren  urteilen  zu 
gelangen,  ist  eine  genauere  Analyse  des  ganzen  Sachverhaltes  notwendig, 
als  ich  sie  seinerzeit  in  meinen  beiden  Vorträgen  über  Prüfen  und  Klassi- 
fizieren gegeben  habe.  Daß  dabei  auch  vielfach  mehr  mit  theoretisch 
Postuliertem  als  erfahrungsgemäß  Gegebenem  gearbeitet  werden  muß, 
liegt  nan  einmal  in  der  Natur  der  Sache.  Vor  allem  ist  der  hiebei  immer 
vorauszusetzende  Fall  reiner  Dispositionssteigernng,  wie  schon  wiederholt 
erwähnt,  empirisch  kaum  je  in  voller  Strenge  gegeben.  Außerdem  ist  es 
notwendig,  ein  absolutes  Maß  für  die  Größe  psychischer  Dispositionen 
wenigstens  zu  fingieren,  um  Bedeutung  und  Berechtigung  des  sich  darauf 
aufbauenden  relativen  Maßstabes  sowie  der  Durchschnittsberechnung 
möglichst  klar  darlegen  zu  können. 

Nehmen  wir  also  an,  es  handle  sich  um  die  zunehmende  Leistungs- 
intensität eines  Schülers  von  bestimmtem  Alter  und  bestimmter  Klasse 
sowie  von  normaler  Begabung.  Im  Laufe  eines  Jahres  wird  sie  normaler- 
weise kontinuierlich  und  mehr  oder  weniger  gleichmäßig  wachsen.  Fin- 
gieren wir  nun  absolute  Maßzahlen,  welche  uns  die  normalen  Werte  der 
zunehmenden  Leistungsfähigkeiten  im  Laufe  eines  Schuljahres,  und  zwar 
nach  je  einem  Monate  veranschaulichen  sollen: 


1)  „Prüfen  und  Klassifizieren«'.    Wien,  Holder  1906.    S.  19  Mitte 
und  8.  24  oben. 


942  Über  den  Wert  der  DarchachDittsberecbnoDg  oiw. 


Ende  des  I.  IL  III.  IV.  V.    VI.  VII.  VIII.  IX.  X.  Monates 

Fingierte  MaOzabl  deri 

ktTtÄ^^^  24  26    28    80    82    84      36      38    40 

keit  J 

Diese  Maßzablen  kOnnen  nns  aach  die  absolute  GrOOe  der  «Fordenug* 
darstellen,  die  der  SchQler  gflnstigsten  Falls  %n  erfüllen  hat.  Die  in  der 
Praxis  ttbliche  relati?e  Schätxang  der  Leistong  mißt  nan  die  tatsftch- 
liehe  Leistung  an  der  geforderten.  Entspricht  entere  der  letzteren 
▼ollstfindig,  so  mag  dies  etwa  mit  „Vorzflglich^  bezeichnet  werden;  zahlen- 
mfißig  mag  die  relative  Schätzung  wohl  am  klarsten  dnrch  «lOOX*  *»• 
gedrückt  sein.  Bleibt  der  Schüler  hinter  dem  Geforderten  zurück,  so  sinkt 
die  relative  Schätzung  auf  eine  geringere  Note,  bezw.  eine  geringere 
Prozentzahl  herab.  Wenn  nun  ein  Schüler  absolut  immer  das  leistet,  was 
oben  durch  die  Zahlen  20 — 40  ausgedrückt  ist,  so  wird  sein  relativer 
Kalkül  in  allen  Monaten  „lOO^"  lauten,  die  mittelst  Dorchsehnitts- 
berechnung  gewonnene  Schlußcharakteristik  ebenfalls  „100*^.  In  diesem 
Falle  sowie  immer  dann,  wenn  die  Leistung  perzentuell  immer  gleich 
weit  hinter  der  Anforderung  zurück  bleibt,  ist  das  verwirklicht,  was 
Witsche  —  mit  Recht  —  behauptet:  die  absolut  geringeren  Leistungen 
■am  Anfange  drücken  tatsächlich  den  Endkalkül  gar  nicht  herab.  Aller- 
dings ist  dies  aber  nur  deswegen  der  Fall,  weil  die  relative  Leistung 
konstant  blieb.  Wie  aber,  wenn  die  relative  Leistung  sehwankt,  oder 
anders  gefaßt,  wenn  der  Schüler  eine  anders  geartete  indivi- 
duelle Entwicklungskorve  zeigt  als  die  des  normal  „Gefor- 
Herten*"?  Nehmen  wir  einen  recht  einfachen  Fall  an,  daß  n&mlich  diese 
Entwicklungskurve  auch  geradlinig  verlaufe,  aber  von  einem  tieferen 
Anfangspunkte  schneller  zu  dem  gleichen  Endpunkte  gelange;  zahlen- 
mäßig sei  dies  so  dargestellt: 

Normale  Entwicklongskurve  wie  oben: 

22      24      26      28      SO  32      84      36      88      40 

Angenommene  individuelle  Entwicklungskurve: 

13      16      19      22      25  28      81      34      87      40 

Letztere  perzentuell  ausgedrückt  (Prozentzahlen  der  relativen  Lei- 
etungen) : 

59  66-6  73  78-6  83'3  87-5  91-2  94-4  97  100 
Die  gewöhnliche  Durchschnittsberechnung  ergibt  hier  den  Gesamtkalkfil 
S3'l^,  Und  das  ist's,  wogegen  ich  prinzipiell  ankämpfe.  Denn  auch 
hiermit  wäre,  wie  in  unserem  früheren  Falle  (S.  940  oben),  eine  direkt 
unwahre  Mitteilung  an  den  Leser  eines  solchen  Zeugnisses  gemacht,  sofern 
dieser  aus  dem  Zeugnisse  erfahren  will,  was  der  Schüler  am  Schlüsse  des 
Jahres  kann.  Denn  dieses  83*  IX  würde  dann  bedeuten,  daß  er  nicht  die 
ganze  Zielforderung  erfüllt  habe,  sondern  ihr  nur  zu  83* IX  gerecht  geworden 
sei,  also  daß  dessen  absolut  gemessenes  KOnnen  nicht  40,  Eondern  nnrSS'Si 
betrage.  Tatsächlich  aber  ist  sein  Können  doch  40.  Mit  vollster  Klarheit 
sieht  man  hier  das  verwirklicht,  was  ich  als  ungereditfertigteB  Herab- 
•drücken  des  Schlnßkalküls  durch  frühere  geringere  Leistungen  beseichoel 


über  den  Wert  der  DorchsebnittabereebDiiDg  asw.  943 

babe.   Da  dqü  die  ÜbereinstimmaDgr  der  indifidnellen  mit  der  normalen 
Kurve,  mit  den  „Anforderungen*,  der  yerbältnism&ßig  nnwahrscbeinliebere 
Fall  ist,  als  die  Nicbt- Übereinstimmung,  so  ergibt  sieb  daraus  die  — 
▼orlftafig  wenigstens  theoretiacb  gerechtfertigte  —  Folgerung,  daß  bei 
intensifen  Zielforderungen  die  Durebsebnittaberecbnung  niebt  am  Platte 
ist.  Es  ist  vielmebr,  wenn  das  seblieMicbe  Können  sieber  und  mit  aller 
VorBicbt  festgestellt  ist,  dieses  für  die  Qualifisierung  einiig  entsebeidend. 
Von  dem,  was  Nitscbe  S.  86  dagegen  vorbringt:  «wenn  ein  Scbfller  bis 
gegen  das  Ende  erbeblicb  binter  der  jeweiligen  Oebfihr  lurflekbleibt  und 
dann  unter  Bedingungen,  die,  soweit  erkennbar,  nur  einen  plötzlichen 
Bück  beganstigen  oder  schlechtweg  dem  Prüfongsglflck  einsuordnen  sind, 
auf  einmal  eine  weit  überragende  Leistung  sutage  fordert,  so  ist  das 
Bedenken  fOUig  gerechtfertigt,  ob  nicht  einem  so  raschen  Anstieg  ein 
ebenso  rascher  Abfall  folgen  werde*,  mOchte  ich  vorweg  die  Stelle  «unter 
Bedingungen  ....  einzuordnen  sind*  ausschalten,  da  wir  ja  nur  mit  dem 
Falle  eines  sicher  und  zuverlftssig  festgestellten  scblieAlicben  KOnnens 
rechnen.   Was  aber  sonst  gesagt  ist,  gibt  dem  gewiß  beachtenswerten 
allgemeineren  Gedanken  Ausdruck,  daß  die  Form  der  Kurve  doch  wohl 
von  wesentlicher  Bedeatung  sei;  speziell  wenn  die  Kurve  sich  anfangs 
immer  weit  unter  dem  Normalen  hftlt  und  gegen  Schluß  plötzlich  zur 
Hohe  der  „Forderung*  ansteigt,  dann,  meint  Nitscbe,  sei  es  nicht  un* 
wahrscheinlich,  daß  die  erreichte  Hohe  nicht  werde  festgehalten  werden, 
daß  vielmehr  die  Leistnngsfftbigkeit  möglicherweise  ebenso  rasch  wieder 
absinken  werde.    Damit  mag  Nitscbe  wahiscbeinlicb  Becht  haben,  aber 
allerdings  ist  dadurch  die  Fragestellung  ein  klein  wenig  verschoben:  es 
wird    die    voraussichtliche    Dauerhaftigkeit    des    erreichten 
KOnnens  mit   in  Bechnung  gezogen,   wahrend   wir  —  wenigstens  in 
unseren  theoretischen  Erwftgungen  —  in  erster  Linie  nur  das  tatsftch- 
lioh  am  Schluß  erreichte  Können  festzustellen  suchen.    Die  Frage 
▼on  der  Dauerhaftigkeit  erworbener  Dispositionen,  erworbenen  KOnnens, 
ist  gewiß  gerade  fflr  die  Praxis  Ton  außerordentlicher  Wichtigkeit,  hat  aber 
theoretisch  so  viel  noch  Ungeklftrtes  und  Problematisches  an  sich,  daß 
wir  hier  die  Untersuchung  nicht  damit  noch  belasten  wollen,  zumal  ja 
selbst  die  Praxis  der  Zeugnisse  sich  davon  fernhftlt:  Aber  die  zu  erwar- 
tende  Haltbarkeit  des  erworbenen  Wissens  und  KOnnens  meint   wohl 
niemand  aus  den  Noten  Aufschlösse  erbalten  zu  können;  so  wertToll 
sie  wftren! 

Doch  was  die  Hauptfrage  anlangt,  welche  Bedeutung  der  Form 
der  Kurve  zukomme,  maß  leider  gesagt  werden,  daß  wir  Aber  bessere 
oder  schlechtere,  fflr  das  schließlicbe  Können  mehr  oder  weniger  ent- 
■cheidende  Formen  dieser  Kurre  Oberhaupt  so  gut  wie  nichts  Zurer- 
Ifttaiges  wissen.  Ja,  was  noch  einschneidender  ist,  und  was  allen  Ton  mir 
and  von  Nitscbe  angestellten  theoretischen  Erwägungen  in  der  Praxis 
die  Wirksamkeit  abgräbt,  ist  das,  daß  wir  ja  aoch  Ober  die  Form  der 
normalen  Entwicklungskarve  so  wenig  wissen.  Aber  das,  was 
Nitsehe  die  „stnfenmftßigen  Anforderungen*  nennt.  Denn  was  in  Lehr- 
bachern, Lehrgängen  und  amtlichen  Unterricbtsplinen  darflber  enthalten 


944  Über  den  Wert  der  DarchsehnittsberochnoDg  asw. 

ist,  betrifft  ja  fast  immer  die  Zanabme  des  WissenaamfaDges,  also 
extensiver  Forderungen.  Es  ist  „rohe  Empirie**,  ein  Raten  nod 
Tasten,  das  gflnstigenfalis  den  gescbiekten  nnd  erfahrenen  Lehrer  das 
Richtige  treffen  Iftßt  Von  irgend  welchen  exakten  Bestinunangen  ist  hier 
keine  Rede.  Es  wftre  s.  B.  dorcbans  durch  nichts  beweiskr&ftig  gestfltit, 
wenn  man  behaupten  wollte,  die  normale  Entwicklnogskurve  mflsse  sich 
geradlinig  anfwftrts  bewegen;  es  wäre  ebenso  gewagt  zu  behaupten,  da& 
die  Form  der  Kurve  in  allen  Klassen  und  Altersstufen,  auch,  daß  sie  io 
allen  Gegenständen  gleich  sei  usf.  Man  ersieht  hieraus  aber  sofort,  wie 
schlimm  es  eigentlich  mit  der  von  Nitsche  betonten  und  von  mir  oben 
fiktiv  durehgefUhrten  relativen,  perzentuellen  Schätzung  der  Leistongea 
bestellt  ist  Wie  tatsächlich  die  Entwicklungskurven  beschaffen  sind, 
darüber  liegen  leider  so  wenig  sichere,  experimentell  ermittelte  Daten 
vor.  Nur  einen  Fall  kann  ich  aus  der  psjchologisehen  Literatur  bei- 
bringen, wo  auf  einem  praktisch  wichtigen  Gebiete,  das  noch  dazu  deo 
Typus  der  Diapositionsteigemog  ziemlich  rein  zu  beobachten  gestattet, 
umfassende  empirische  Ermittlungen  vorliegen.  Es  ist  dies  eine  Arbeit 
von  William  Bryan  und  Noble  Harter  fiber  das  Erlernen  der  telegrapbi- 
schen  Zeichensprache  des  Morse- Alphabets').  Insoweit  es  dabei  fflr  die 
Praxis  ganz  wesentlich  darauf  ankommt,  daß  der  Lernende  eine  gewisse 
Geschwindigkeit  im  Zeichengeben  und  Zeichenlesen  erreichen  muß,  um 
den  Anforderungen  des  Dienstes,  zumal  auf  fiauptlinien,  gerecht  zu  werden, 
insoferne  handelt  es  sich  hier  wirklich  in  erster  Linie  um  DispositioDS- 
Steigerung.  Im  Abschnitt  V  (S,  45  ff.)  dieser  Arbeit  wird  nun  ausdrück- 
lich über  die  Kurven  der  Geschwindigkeitszunahme  des  Zeichengebens 
und  Lesens  gehandelt.  Da  stellt  es  sich  denn  mit  größter  empirischer 
Sicherheit  heraus,  daß  erstens  die  Kurven  nicht  geradlinig  verlaufen  und 
zweitens  daß  die  beiden  Kurven  wesentlich  verschieden  sind.  Die  Kurve 
der  Geschwindigkeit  des  Zeichengebens  steigt  viel  rascher  an,  als  die 
des  Zeicbenlesens  und  erreicht  durchschnittlich  etwa  nach  9—10  Wochen 
des  Obens  die  vorgeschriebene  Geschwindigkeit  von  72  Buchstaben  in 
der  Minute  und  nähert  sich  dann  mit  abnehmender  Raschheit,  asympto- 
tisch, einem  Höchstmaß  von  130—140  Buchstaben,  so  zwar,  daß  etwa 
nach  der  48.  Woche  die  Leistungsfähigkeit  nicht  mehr  namhaft  wächst 
Die  Kurve  des  Fortschrittes  im  Zeichen  empfangen.  Lesen,  steigt,  wie 
gesagt,  langsamer  an,  erreicht  erst  nach  etwa  10—14  Wochen  die  Ge- 
schwindigkeit von  ungefähr  60  Buchstaben,  bleibt  dann  höchst  charak- 
teristischer Weise,  fttr  die  Lernenden  oft  geradezu  entmutigend,  trotz 
fortgesetzter  Übung  durch  etwa  10—14  Wochen  nahezu  konstant,  enetcht 
durchschnittlich  erst  in  der  28.  Woche  die  för  den  Dienst  vorgeschriebene 
Hohe  von  72  Buchstaben  und  wächst  dann  vergleichsweise  rascher  an, 
so  daß  sie  nicht  selten  die  Kurve  des  Gebens  erreicht,  ja  anch  überholt 
Ähnliches  wurde,  nach  einer  Bemerkung  der  Verfasser,  auch  beba 
Stenographiennterricht  beobachtet. 


^)  Studies  in  the  Physiology  and  Psyehology  of  ihe  Ttiegrofkie 
Language.   Psychological  Review  IV,  1897,  S.  27  ff. 


Budde^  Zw  Baf.  d.  fremdipr.  sehr.  Arbeiten  osw.,  uig.  ▼.  A,  WürMntr,  946 

Au  diesem  eioeo  Beispiele  kann  man  aber  sehen  rar  Genflge 
Vorsiebt  nnd  Znrflekbaltnng  lernen,  wenn  man  Leistungen  relatif,  d«  li. 
im  Vergleieh  in  dem,  was  normalerweise  u  fordemt  betw.  bb  ervaiton 
ist,  oinsehitson  wilL 

Habe  ieh  mit  dem  Yorstebenden  Torsnobt,  der  ? on  Nitsehe  gegebenen 
AnregQDg  folgend,  den  wesentliefaon  Bedingnngen  der  Dnrebsebnilte- 
bereehnnng  tbeoretiseb  nenerdings  niher  ra  kommen,  so  erbebt  sieb  mm 
Sehlosse  wobl  dio  Frage,  was  denn  ans  all  dem  fOr  die  Prane  abfallen  mag. 

Niebt  Tiel,  wenn  es  sieb  nm  direkte  Verwertbarkeit  handeil,  Wieh* 
tiges  nnd  allerdings  sehen  oft  Gleeagtes,  wenn  man  Aber  das  Nftohste 
hinansbliokt:  die  Sebwierigkeit  des  Klasiifiiierens  hat  sieb  nen  bo- 
atitigt.  Kin  so  sebwieriges  nnd  heikles  Verfahren  aber  —  wondet  man 
doeh  klagerweise  nicht  Öfter  an,  als  es  unbedingt  nOtig  ist.  und  ferner: 
migleieh  wiefatiger,  wertTollor  nnd  inTerlissigor  als  ein  noch  so  fein  ans- 
gesonnenes  BeehnnngsTerfabren  bleibt  die  genane  persOn liehe,  kon- 
krete  Kenntnis  des  Bebftlers  nnd  seiner  Bigenart. 

Die  aneb  anf  dem  letiten  Mittelaebnltage  von  mehreren  Seilen 
geforderte  Form  des  freien  Arbeitens  mit  den  Sebfllern  -—  ohne 
Klassiflsieren  —  dftrfte  Tielfaeb  das  Bild  vom  Sehfller,  das  der  Leärer 
sieh  doreh  Noten  erwirbt,  in  der  glflokliehsten  Weise  eigi&son  und 
beriebtigen. 

Ich  selbst  habe  viel  so  nol  Aehtnng  vor  der  ▼erantwortnagsTollen 
Praxis  nnd  den  sehweren  Anfgaben  des  nnmittelbaren  Wirkens  von  Lehrer 
anf  Sehfller,  als  daß  ieh  vorsehnell  ans  theoretischen  firwigangOB  pnak- 
tische  Konsequenten  sieben  mochte;  ich  glaube  aber  trotidem,  dafi  theo- 
reÜMhes  Durchdenken  der  fflr  die  ersiehexische  Berufsarbeit  wichtigen 
pBTcbologiscben  Fragen  manches  UAion,  manches  Torschnelle  Mechaaisieren 
oder  alliu  rasches  Feetfabren  in  irgend  einer  Boutine  Terhindecn  und  oo 
uneer  berufliches  Wirken  auf  jener  Hohe  wohldurchdachten  pidagogiachon 
TiiBs  erbalten  kann,  die  in  unserer  Zeit  nötiger  ist  als  je.  Das  Durch- 
ichnittsrechnen  ist  nun  einmal  ein  Verfahren,  das  äch  so  leiebt  angewöhnt, 
da  es  den  Schein  der  Exaktheit  Tcrlockend  auf  einem  Gebiete  aeigt,  das 
infolge  seiner  Komplitieitheit  noch  nicht  entfecnt  rechnensch  esakte 
Metheden  suliOt.   Einsicht  wird  hier  am  ehesten  Vorsicht  lehren. 

Gras,  November  1907.  Ed.  Martinak. 


Zur  Befonn  der  fremdsprachlichen  schrifUichen  Arbeiten  an 
den  höheren  Enabenechulen.  Von  Gerhard  Budde,  Oberlehrer 
am  Lyieum  I  in  fiannoTcr.  Halle  a.  S.,  Bnehhandlnng  des  Waisen» 
hanses  1907.   56  SS.   Preis  1  Mk. 

Der  Verf.,  Ton  dem  in  demselben  Verlage  eine  „Geschichte  der 
fremdsprachlichen  schriftlichen  Arbeiten  an  den  höheren  Schulen  Ton 
1812  bis  anf  die  Gegenwart*  erschienen  ist  und  der  es  deshalb,  abgeeehen 
f  on  seiner  langjährigen  Dnterriehtspraxis,  wohl  Tcrdient,  daß  man  seinen 

Z«itMhrifl  t  d.  örttrr.  QjtuL  ISOS.  X.  Htft.  00 


946  ßudde,  Zur  Bef.  d.  fremdspr.  ichr.  Arbeiten  usw.,  ug.  ▼.  A.  WürMner, 

Vonchlägeii  BeaebtaDg  icbenke,  bekennt  licb  la  jenen  Philologen,  denen 
die  HanpteMbe  im  Spracbontemehte  niebt  die  spracblicb  formale  Sebnlong, 
sondern  die  Obermittlang  wertroUer  Kaltnrgflter  iit,  and  stellt  daber  als 
Ziel  des  Sprachanterriebtes  aaf  der  unter-  nnd  Hittelttnfe  Tonriegend 
Spraebaneignang,  dagegen  aaf  der  Obentafe  Sprachverwendang  f&r  die 
Lektflre  aaf.  Dieaem  Ziele  entepreebend  baben  alle  acbriftlichen  Übongen 
aaf  der  Unter-  and  Mittelitafe  vorwiegend  der  Spracbandgnang,  anf  der 
Obeiatafe  aoeecblieiSlich  der  Lektflre  sa  dienen.  Demnaeb  wire  das 
Skriptum ,  d.  i.  die  Übersetsang  aas  der  Matterspracbe  in  die  fremde 
Spraebe,  aaf  der  Oberstafe  abiascbaffen.  Der  Verf.  widerlegt  sanftcbst  die 
swei  Haaptargamente,  die  gewObnlicb  fflr  die  Beibebaltang  des  Skriptoms 
angefftbrt  werden,  da6  es  ein  wesentliches  Mittel  der  formalen  BUdang 
and  fflr  die  grammatische  Sicherheit  im  Lektflrebetrieb  notwendig  sei. 
Er  stellt  fest,  daß  die  Klagen  Aber  die  grammatische  Unsicherheit  der 
Scbfller  in  der  Oeschichte  der  altsprachlichen  Methodik  seit  fast  bandert 
Jahren  immer  wieder  kehren,  and  behauptet  wohl  nicht  mit  Unrecht, 
daft  die  schlechten  Besaltate  in  den  Hinflbersetsangen  in  letiter  Linie 
darch  den  Umstand  bedingt  sind,  daß  fflr  diese  Obangen  der  groftea 
Mehnabl  der  Scbfller  der  Oberstafe  jegliches  Interesse  fehlt  Femer 
nähmen  diese  schriftlichen  Arbeiten  der  Lektflre  Loft  and  Licht.  Natflr- 
lieh  habe  dann  aach  das  Examenskrlptam  bei  der  Matarit&tsprflfang  n 
entfallen.  Als  Ersats  des  Skriptums  hätten  aaf  der  Oberstafe  BetroTe^ 
sionen,  freie  Darstellangen  and  Obersetrangen  aas  der  Fremdsprache  ins 
Deatsche  sa  dienen.  Namentlich  letsteren  Übungen  redet  der  Verf.  das 
Wort  Das  Skriptum  oder  Extemporale  will  er  auf  die  Unter-  und  Mittd- 
stufe  bescbränken  und  auch  hier  so  gebandhabt  wissen,  da6  et  seine 
bisherigen  Schrecken  fflr  Scbfller  und  Eltern  yerliere.  Auch  die  so  refor- 
mierten scbrifüichen  Arbeiten  dflrfen  nicht  fflr  das  Zeugnis  allein  aas- 
schlaggebend  sein,  sondern  nur  als  gleichwertiger  Faktor  lu  den  mflnd- 
lieben  Leistungen  biniutreten.  Zum  Schlüsse  faßt  Budde  seine  Ausfflhrangea 
in  mehrere  Leitaätie  lusammen. 

Der  Verf.  siebt  in  seiner  Schrift  iwar  namentlich  gegen  du 
Skriptum  im  Lateinischen  und  Grieehischen  su  Felde,  doch  begreift  er 
unter  den  „fremdsprachlichen*'  Arbeiten  auch  die  schriftlichen  Obangen 
in  den  modernen  Sprachen.  Im  Hinblick  darauf  mochten  wir  erwähnen, 
daß  an  den  Osterreichischen  Bealschulen  nach  dem  jetst  geltenden  Lekr- 
plane  das  Skriptum  aus  dem  FransOsischen  auf  der  Unterstufe  wohl  ab- 
geschafft ist,  aber  auf  der  Oberstufe  und  als  Maturitätaarbeit  allerdingi 
nur  während  der  Übergangsieit  verlangt  wird. 

Im  flbrigen  paßt  die  Torliegende  Schrift  auch  auf  unsere  Verbält- 
nisse  und  da  sie  die  Hinflbersetsung  als  Schularbeit,  also  einen  sehr 
wichtigen  und  wunden  Punkt  der  praktischen  Gymnasialpädagogik  ia 
objektiTcr  und  eindringlicher  Weise  behandelt,  kann  sie  der  Kenntnisnahme 
unserer  Philologen  nicht  genug  empfohlen  werden. 

Wien.  Dr.  A.  Wflriner. 


F,  Seiler,  Gesch.  d.  deatseben  UniarrichtsweianB,  aog.  t.  ä.  v.  Leelair,  947 

Friedrich  Seiler,  Oeschichte  des  deutschen  ünterrichtBwesens. 
Leipsig  1906  (Sammlong  Göschen,  275.  und  276.  Bindehen).  116  und 
122  SS. 

Nar  ein  Schohnann  von  eindringen dster  Sachkunde  konnte  es 
fertigbringen,  den  geradeio  ungeheuren  Stoff  in  so  knapper  Darstellung, 
jtnf  238  Seiten  des  bekannten  Kleinformates  Torinlegen,  dabei  aber  doch 
in  lebendigster  Weise  lu  belehren  und  nichts  wirklich  Wichtiges  in  Aber- 
gehen.  Der  Stoff  ist  in  acht  Kapitel  lerlegt:  an  die  gedr&ngte  Schilde- 
Tong  der  Schulsustinde  des  Hittelalters  (I.)  schlieft  sich  Humanismut 
und  Reformation  (IL),  sodann  das  17.  nnd  18.  Jahrhundert  als  Ober- 
gangsieit  (III.).  Naturgemäß  erfahr  das  19.  Jahrhundert,  in  welchem  sich 
4ie  modernen  Formen  unteres  Schulwesens  herausgebildet  haben,  eine 
relativ  eingehendere  Darstellung  durch  die  nAchsten  fflnf  Kapitel:  die 
höheren  Schulen,  die  Universitäten,  die  technischen  Hochschulen  und  das 
Fachschulwesen,  die  höhere  Mädchenschule,  endlich  die  Grundsflge  der 
Entwicklung  der  Volksschule  bis  auf  die  Gegenwart.  Ref.  hat  fast  alle 
Abschnitte  mit  gleichem  Interesse  gelesen;  insbesondere  versteht  es  der 
Verf.,  seine  Schilderung  jeweils  durch  sprechende  Zitate  in  beleben.  £ine 
kleine  Auslese  von  solchen  und  von  Stellen,  die  den  Kontrast  von  Einst 
und  Jetst  grell  beleuchten,  wird  vielleicht  die  Leser  interessieren  und 
stellenweise  auch  den  Geist  der  Darstellung  erkennen  lassen. 

Die  Bealienkenntnis  aus  dem  klassischen  Altertum  während  des 
Mittelalters  beleuchtet  folgende  Anmerkung  des  gelehrten  Kotker  Labeo 
Ans  St.  Gallen  lu  dem  Namen  Alkibiades:  „Wir  wissen  nicht,  wer  die 
schöne  Alkibias  war,  doch  vermuten  wir  mit  gutem  Grund,  daß  es  Her- 
kules' Motter  war,  weil  er  der  Alkide  hieß**.  —  Melanchthon  legt  fflr 
4en  Schulunterricht  ganz  besonderen  Wert  auf  die  griechische  Sprache: 
„Wie  freundliche  Lehrer  den  Knaben  Backwerk  geben,  sie  ansulocken, 
•eo  hat  auch  der  allmächtige  Gott  diese  Sprache  selbst  lur  allersflftesten 
gemacht,  keine  gleitet  mit  so  lieblichem  Klang  ins  Ohr.  Und  er  hat  sie 
gefüllt  mit  mannigfacher  Wflne  der  schönsten  Kflnste.  Sie  ist  die 
Lehrerin  und  Quelle  aller  Teile  der  Philosophie;  heilige  und  profane 
Oeschichte,  Ethik  und  Politik,  Mathematik  und  Astronomie,  Physik  und 
Median  fiieöen  aus  ihr.  Darum,  wenn  wir  des  gegenwärtigen  Lichtes 
Qberdrflssig  sind  und  in  die  frühere  Finsternis  luröck  wollen,  so  gibt  es 
keinen  kflrieren  Weg,  als  das  Aufgeben  des  Griechischen'*.  —  In  den 
1543  begründeten  „Fürstenschulea*  su  Pforta,  Meißen  und  Grimma  lebten 
Lehrer  und  Schüler  gemeinsam,  wie  die  Mönche  eines  Klosters,  die  Schüler 
wohnten  su  je  dreien  in  den  unheisbaren  (!)  Mönchsiellen  und  trugen  ein 
langes,  geistliches  Gewand  ans  schwarsem  Tuch.  —  Von  Seite  der  prote- 
•tantischen  Konsistorien,  welche  die  Aufsicht  über  die  Schulen  hatten, 
„wurde  besonders  das  Bekenntnis  sehr  scharf  kontrolliert,  die  Erhaltung 
der  „reinen  Lehre**  war  ja  ein  Hauptgrund,  weshalb  man.  Schulen  gründete. 
Selbst  die  mittelalterliche  Kirche  hatte  grööere  Duldsamkeit  geseigt. 
Frisch] in  klagte  1588,  daü  die  Männer  (d.  i.  die  Lehrer  der  höheren 
Schulen,  die  damals  auch  häufig  „ Schuldiener "*  genannt  wurden),  die  den 
ganien  Tag  im  Gestank  und  Lärmen  der  Knaben  subrächten  und  halb 

60» 


948  F.  Seüer,  Gaich.  d.  daoticliea  UotenricfatswaiaB»»  u^.  ▼.  A,  r.  Ledair. 

Bcbwiodiflebtig,  halb  taub  geworden  seien,  nacbhar,  -wenn  ne  Mm- 
gekommeD,  maDcherorten  du  Brot  des  Jammen  eeten  «nd  dM  Wfttter 
der  BekflmmerDis  trinken  mQAten*.  In  dieser  Epoche  ^wtLt  der  Harns- 
niinras,  d«r  snf&ngtieh  eine  begeisternde  nnd  begsieterts  Weltanschannng 
gewiesen  war,  in  Formslismos  nnd  Phrmaenwesen  erstarrt  nnd  sns  einem 
menschlichen  Biidnngspriniip  in  einer  mflhseligea  Schnlleistnng  her*b- 
gssnnken;  er  hatte  seine  freie  SeibatAndigkeit  aingebtIAt  nnd  -war  in  den 
Dienst  der  Theologie  geraten,  deren  Jünger  er  fflr  ein  geistliches  Amt 
vorbereitete  nnd  inn  Kampf  wider  die  Heterodozie  geaehiekt  sn  machen 
hatte".  —  Wie  objektiv  der  Verf.  an  jedem  seiner  Qegenatinde  die  Lieht* 
nnd  Schattenseitett  nnteracheidet,  erkennt  man  n.  a.  an  aeinem  Berieht 
ttbor  die  ratio  9tudiorum  der  Jeaoiten.  Ihr  strenges  Verbot  dee  toten 
Diktiereaa  nnd  die  Empfehinng  der  vtva  vox  iat  aneh  fftr  nnsere  Zeiten 
wohl  angeforaeht:  «Es  hilft  nichts,  wenn  man  anf  daa  Diktieren  eine 
ErUlntenng  folgen  lAAt;  denn  die  Zöglinge  paaaen  dann  nicht  anf,  weil 
aie  denken,  sie  hätten  die  Weisheit  anf  dem  Papier.  Aneh  dem  Lehrer 
kmnmt  die  Erliotsrang  ilfoerflflasig  nnd  mllhefoll  vor,  er  meint,  anine 
Sache  mit  dem  Diktieren  getan  tn  haben;  daher  Tcnch windet  dann  die 
Erliotemng  allmihlioh  gans.  Freilich  werden  inerst  nicht  alle  den  freien 
Vortrag  mitechreiben  kOnnen,  aber  der  Lehnr  mnß  eich  flben,  eine  solehe 
Vortragaweiae  in  erlangen ,  daft  die  meiaten  das  Notwendige  knra  nach- 
sehreiben können«.  In  derselben  ratio  $ti§dMrum  wird  tnm  eraten  Male 
neben  der  wiaaenaehaftllehen  Yorbereitnng  aneh  eine  didakt lache  Vor- 
und  Weiterbildnng  dea  Lehrera  verlangt.  —  Dort»  wo  von  der  kläglichen 
Entwicklung  der  medisiniachen  Stadien  im  16.  and  17.  Jahrhundert  die 
Bede  iat,  findet  Seiler  die  Tataache,  daß  man  daa  Sesieren  von  Leichen 
fftr  sftndlich  hielt,  am  ao  aeltaamer,  weil  man  doch  daa  Foltern  Lebendiger 
allgemein  flbte.  —  Qeradesn  nnglanblich  klingt  die  Schildemng  der  Hoheit 
nnd  Z&gelioaigkeit  an  dentachen  Hochscbnlen  der  angehenden  Neoaeit^ 
darnach  waren  die  Studenten  eine  wahre  Geißel  fflr  die  gesamte  Stadt- 
bcfvOlkemng.  Noch  barbarischer  erscheint  der  AnawQoha  dea  Pennalia- 
mns,  der  irgendwo  ala  «pestavtiger  Brand  nnd  Kreba«  beseiehnet  wird, 
und  trotsdem  mahnte  Schnppiua  aeinen  sur  UniveraitAt  gehenden  Sohn, 
er  aolle  aieh  daa  erate  Jahr  nur  mhig  drillen  und  vexieren  laasen:  ^otim 
meminiase  iuvabit^.  -^  In  den  Grundgedanken  der  „Aofklirung«  findet 
Seiler  mit  Recht  das  moderne  Prinsip  der  freien  Porechung,  des  Ton 
keinerlei  Scliranken  eingeengten  Denkens  su  allererst  klar  ansgeaprochen 
«Bis  in  das  18.  Jahrhundert  hinein  hatte  trots  der  Reformation  immer 
noch  das  mittelalterUehe  Priniip  gegolten»  daß  die  Wahrheit  gegeben 
nnd  unumstößlich  sei;  die  AufklArung  brachte  nun  die  Erkenntnis  inm 
Siege,  daß  die  Wahrheit  geaucht  und  gefunden  werden  mftaae,  aber  nie 
vollkommen  gefunden  werden  kOnne  und  daher  immer  von  neuem  tu 
auchen  sei".  —  Ana  dem  Bilde  der  Schulorganiaation  dea  ,,Pietiamna* 
(Franckeache  Schulen  in  Halle)  aeien  ein  paar  Zflge  hervorgehoben.  «Es 
gab  weder  Freiseit  noch  Ferien,  damit  die  Kinder  nicht  durch  hinaliche 
EtefiQase  nseratrent  und  Tcrwildert«  wflrden.  Täglich  war  aieben  Standen 
Unterricht.  «ErgOtslichkeiten**  aowie  allea  Spielen  war  verboten,  weil  da- 


A,  V.  PoriugäU,  Friedrich  FrObel,  ang.  ▼.  JT.  F.  Kummer.       949 

dareh  «di«  Qamflter  der  Eind«r  von  Gott,  dem  ewigen  G«t,  abgelegen 
werden  ond  lie  ihre  ifli^e  Herienilof  t  allein  in  ihrem  holdseligen  Heiland 
finden  •ollen''.  Statt  deisen  arbeiteten  eie  in  Hans  uid  Galten. ••.  Der 
Philologe  Reitke  klagt  in  seiner  Selbstbiographie:  JDie  Betstanden 
machten  mich  inm  Karren,  ich  ward  ein  Betnarr.  Allein  die  Hitse  ver- 
raochte  bald,  ich  kam  in  die  Welt  nnd  ward  nicht  ilel  besser  als  ein 
Naturalist;  von  diesem  weiten  Sprunge  Aber  eine  so  grofio  Elnft  habe 
ich  mich  noch  nicht  ganz  erholt**.  Und  Fr.  Nicolai  sagt,  daft  er  in 
Halle  auch  das  Heacheln  gelernt  haben  wflrde,  bitte  er  dain  nor  die 
geringste  Anlage  gehabt. 

Gans  modern  mutet  nns  der  Kampf  an,  den  Job.  M.  Gesner,  der 
Begrflnder  des  Nenhnmanismne  in  Glittingeny  gegen  den  üblichen  gram^ 
matischen  (wir  sagen  jetst  „grammatisistischen*)  Betrieb  der  alten 
Sprachen  fflhrte.  Diese  sollen  durch  den  Gebrauch  gelernt  werden,  die 
Übungen  im  Griechischschreiben  sollen  wegfallen,  dagegen  soll  in  beiden 
Sprachen  tflchtig  kursorisch  gelesen  werden,  ond  swar  so,  daß  bei  der 
Lektüre  die  Aufmerksamkeit  vornehmlich  auf  den  Inhalt  gespannt  ist, 
damit  der  Lesende  in  die  Absichten,  den  GedankengaDg  und  die  Eanst 
des  Schriftstellers  eindringe.  »Wer  die  Alten  nach  vorgeschriebener  Art 
liest  und  dabei  die  Gründe  von  der  Mathematik  studiert,  bekommt  geübte 
Sinnen,  das  Wahre  vom  Falschen,  das  SchOne  vom  Unförmlichen  su 
unterscheiden,  allerhand  schOne  Gedanken  in  das  Gedächtnis,  eine  Fertig- 
keit, anderer  Gedanken  su  fassen  und  die  seinigen  geschickt  su  sagen*". 
In  demselben  Sinne  wirkten  auch  Ernesti  und  Heyne.  Den  Idealen 
des  neuhumanistischen  Strebens  hat  aber  Herder  den  treffendsten  Aus- 
druck gegeben;  ich  verweise  auf  dessen  Ausspruch  von  der  Hottentotten- 
sprache (bei  Seiler  II,  S.  10),  die  man  manchem  heutigen  Bekämpfer  des 
Oriechischen  an  der  Schule  entgegenhalten  mOchte.  Indes  muß  ich  ab- 
brechen, ich  kann  das  Buch  Laien  und  Facbminnem  nur  aufs  wärmste 
empfehlen ;  es  zeigt  wieder  einmal  deutlich,  wie  das  Studium  der  GoMhiehte 
eines  Gebietes  neben  manchen  Irrwegen  und  Fehlgriffen  in  weit  lurück- 
liegender  Zeit  auf  Gedanken  und  Bestrebungen  stOAt,  die  der  Gegenwart 
als  die  reifste  Frucht  ihrer  eigenen  Erfahrung  und  Forschung  erscheint. 
Man  lese  i.  B.  bei  Gomenius  in  der  Didaeiica  magna  (Opera  did.  L, 
p.  120>  wie  vor  250  Jahren  im  Interesse  des  griechischen  Unterrichts  auf 
Yereinfachong  der  Grammatik  gedrungen  wurde. 

Wien.  Ant  v.  Leclair. 


Friedrich  FrObel,  sein  Leben  nnd  Wirken.  Von  Adele  von  Portu- 
gall.  Hit  5  Tafeln.  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipiig, 
1906  [»Natur  nnd  Geisteswelt**.  Sammlung  wissenschaftlich- gemein- 
verständlicher  Darstellungen.  82.  Bändchen].   VI  und  154  So. 

Von  der  richtigen  Anschauung  ausgehend,  daß  eine  Zeitschrift,  die 
den  Interessen  der  ältesten  und  vornehmsten  Gattung  der  Mittelschule, 
nämlich  des  Gymnasiums,  dient,  auch  die  Schulkategorien»  die  jenem  ihre 


950       A.  9.  PartugaUf  Friedrich  FrOb«l,  ang.  t.  K.  F,  Kummer. 

ZOgliDge  iiif&hreD,  und  die  HoehiehnleD,  fllr  die  es  seine  eigenen  Schttier 
▼orbereitet»  nieht  anßer  Betrncht  lassen  d&rfe,  nimmt  die  Leitung  der 
Osterr.  Gymnasialieitsebrift  anch  Besprechnngen  von  Schriften  anf,  die 
sich  mit  den  niederen  Schalen,  ihrer  Methodik,  Praxis,  Geschichte  nsw. 
beschäftigen. 

Eine  solche  liegt  in  der  oben  angefflhrten  for.  Friedrich  FrObel, 
der  Schaler  Pestaloisis,  der  Vater  der  Spielschale  oder  des  Kindergartens, 
der  Gründer  der  noch  heate  blflhenden  Ersiehangsanstalt  von  Keilhan, 
darf  wegen  seines  eigenartigen  Bildangsganges,  seiner  Lebensschicksale, 
seiner  fruchtbaren  Gedanken  ein  allseitiges  Interesse  bean sprachen; 
namentlich  wird  der  Lehrer  der  Jagend  dem  Manne  seine  Teilnahme 
nicht  fersagen,  der  ton  Forstwirtschaft,  Mathematik  ond  Natnrwissen- 
schaften  lor  Kleinkinderersiehang  gelangte  nnd  den  Best  seines  Lebens 
der  Einrichtang  widmete,  die  noch  heate  mit  seinem  Namen  antrennbar 
▼erknfipft  ist,  dem  Kicdergarten. 

Leider  befriedigt  die  Torliegende  Schrift  die  Erwartungen  desjenigae, 
der  eine  »wissenschaftlich-gemeinTerstftndliche  Darstellong''  dieser  inter- 
essanten Persönlichkeit,  ihrer  Entwicklung,  ihrer  Ideen  and  ihrer  Wirk- 
samkeit daraas  sa  gewinnen  hofft,  darchaas  nicht.  Die  Verf.  ist  Kinder- 
gärtnerin ton  Beraf;  sie  hat  in  Genf  and  Neapel  solche  Anstalten  ge- 
leitet; sie  bat  FrObels  Schriften  fleißig  and  aufmerksam  gelesen  und  aus- 
gezogen; sie  ist  von  ihrem  Berufe  begeistert  und  stellt  an  sich  selbst 
und  ihre  Berufsgenossinnen  hohe,  strenge  Anforderungen.  Aber  es  fehU 
ihr  die  Gabe  der  Anordnung  und  Darstellung  des  Stoffes;  sie  beherrscht 
nicht,  was  sie  darstellen  will,  sie  kann  sich  Aber  ihren  Stoff  nicht  erheben. 
Wer  FrObel  nicht  schon  aus  der  Geschichte  der  Pädagogik  kennt,  wird 
aus  ihrer  Schrift  kein  klares  Bild  gewinnen. 

Schon  die  Anordnung  der  Schrift  weist  arge  Mängel  anf;  sie  be- 
ginnt mit  einem  etwas  flberschwenglichen  und  nicht  sehr  klaren  «Apho- 
rism**  von  Berta  Baronin  v.  Marenholts-Bfllow  (gest.  1893),  die  bekanntlich 
lur  Verbreitung  der  Kindergartensache  in  Deutschland,  Frankreich  und 
England  am  meisten  beigetragen  hat  Daran  schliei^t  sich  eine  sogenannte 
biographische  Skisse  Friedrich  FrObels,  die  das  Leben  bis  1816,  also  bis 
sur  Gründung  des  Eriiehnngsinstitots  in  Keilhan,  darsustellen  sucht  Ich 
sage  absichtlich:  sucht;  denn  von  einer  pragmatischen  Biographie  kann 
keine  Bede  sein;  nicht  einmal  der  Ort  und  das  Jahr  der  Geburt  (Ober- 
weißbach in  Thüringen,  21.  April  1782)  sind  genannt  Mit  der  Geographie 
steht  die  Verf.  auf  gespanntem  Fuß:  Stadtilm  verwechselt  sie  mit  Stadtulm. 

Der  Leser,  der  gespannt  ist,  über  FrObels  Gründung  in  Keilhan, 
die  anfängliche  Blüte  des  Instituts,  seinen  Verfall,  FrObels  Rücking,  sein 
folgendes  Leben  in  der  Schwell  und  in  Berlin,  kurs  über  die  wichtige 
Zeit  von  1817  bis  1887  (Eröffnung  des  ersten  Kindergartens  in  Blanken- 
bnrg)  Näheres  zu  erfahren,  wird  gewaltig  enttäuscht;  denn  unmittelbar 
an  die  plOtslich  abgebrochene  biographische  Skisse  reihen  sich  secfas 
Vorträge,  die  sich  mit  FrObels  lotsten  Stunden  und  seiner  Methode  (1), 
mit  seinem  Hauptwerk,  der  „Menschenersiehung*   und  ihrer  praktischen 


A,  V,  Portugaüy  Friedrich  FrObel,  aog.  ▼.  K.  F,  Kummer.       951 

Yerwertong  (2),  mit  den  «Matter-  und  Koseliedem'*  (3),  der  Orflndiug  des 
Kindergartens  (4),  mit  FrObel  als  Lehrer  (5)  and  seinen  Besehfiftigongs- 
mitteln  (6)  befassen. 

Leider  aach  hier  wieder  alles  in  anial&nglicher  Darstellang:  die 
Veif.  ist  Yon  einem  anerkennenswerten  Idealismas  beseelt,  sie  hat  schOne 
Ideen;  aber  sie  weiü  sie  nicht  sa  gestalten;  es  fehlt  ihr  der  historische 
Sinn,  der  die  Dinge,  die  sie  wflrdigen  will,  vor  den  Aagen  des  Lesers 
aas  der  Persönlichkeit  entstehen  and  sich  entwickeln  Iftßt;  sie  verliert 
sich  fortwährend  ins  Moralisieren  and  Dogmati sieren,  statt  ihren  Helden 
nnd  seinen  Werdegang  danalegen  nnd  seine  Ideen  selbst  wirken  sa  lassen. 

Am  klftglichsten  sieht  es  mit  den  geschichtlichen  Partien  des  Baches 
aas.  Wer  FrObels  Biographie  nicht  kennt,  wird  sich  S.  91  ff.  nicht  aas- 
kennen, was  fflr  Bewandtnis  es  mit  Mariental,  Liebenstein,  der  Hersogin 
Toa  Meciüenbarg  asw.  habe,  S.  94  ist  das  Monatsdatam  der  Grflndang 
des  Eindergartens  in  Blankenbarg  wohl  angegeben,  das  Jahr  aber  fehlt. 
Aach  das  Baamersche  Verbot  der  Eindergärten  vom  7.  Aagast  1851  ist 
S.  35  in  einer  Faßnote  in  geradem  konfaser  Weise  behandelt. 

Am  besten  sind  noch  die  Partien,  die  sieh  mit  dar  eigentlichen 
Xindergartenbesehäftigiing  befassen,  also  der  dritte  and  sechste  Vortrag. 
WertToll  dem  Inhalte  nach  and  als  charakteristisch  fflr  FrObels  Baam- 
grOßensjmbolik  sowie  fflr  seinen  Stil  ist  der  im  Anhang  S.  137 — 154 
abgedmekte  Brief  FrObels  Aber  die  Vermittlangsschale;  die  Qaellenaogabe 
ist  wieder  mangelhaft  („Zeitschrift  von  Marqaardt**). 

Soll  ioh  noch  von  Sprache  and  Stil  reden?  Erstere  ist  vielfach 
inkorrekt  Der  Beistrich  scheint  fflr  die  Verf.  nnr  da  sa  sein,  am  aas- 
gelassen la  werden,  wo  er  hingehOrt,  and  gesetst  in  werden,  wo  er  fehlen 
sollte.  Zitate  sind  nicht  abgegrenzt;  oft  weiß  man  nicht,  wie  weit  FrObels 
Worte  gehen  nnd  wo  das  Raisonnement  der  Verf.  anhebt  Der  Stil  ist 
salopp;  I.  B.  S.  24:  „Dadurch  kräftigte  sieh  ihr  EOrper,  während  ihr  Geist 
sich  darch  Eenntnisse,  welche  ihr  Lehrer  durch  Anleitung  nnd  Anregung 
in  eigener  Beobachtung  ihnen  Termittalte**.  Solcher  Stellen  habe  ich 
eine  ganie  Reihe  aaf  S.  45,  47  f.,  50,  51,  54,  64,  66  usw.  angemerkt  Die 
Verf.  ist  eben  Eindergärtnerin,  es  fehlt  ihr  die  höhere  allgemeine  Bildung 
nnd  Sehulung  des  Geistes,  die  nOtig  ist,  um  über  ein  Metier  su  schreiben, 
das  sie  ja  technisch  beherrschen  mag.  Ihre  Schrift  gebOrt  nicht  in  eine 
Sammlung  „wissenschaftlich- gemein verständlioher  Darstellungen**  einer 
vornehmen  Firma.  Wer  FrObel  rasch  kennen  nnd  sehätsen  lernen  will, 
wird  ans  dem  Artikel  „FrObel"  im  „Ensyklopädisehen  Handbuch  der 
Ersiehungskande,  herausgeg.  von  Dr.  Josef  Loos,  Wien  nnd  Leipsig*, 
A.  Pichlers  Witwe  &  Sohn  1906,  L  Band,  S.  481a— 490  &  viel  mehr 
gewinnen  als  aus  der  gutgemeinten,  aber  an  zulänglichen  Schrift  der 
Adele  von  Portagall. 

Wien.  Dr.  E.  F.  Eummer. 


952  Varhuidl.  der  VI.  JahretTarMmmloiig  otw^  ang.  t.  L.  Bwrgerftem. 

Verhandlangen  der  VI.  JahresTerflammlang  des  Allgemeinen 
Dentechen  Vereioe  fllr  Schalgeenndheitspfiege  un  U.  aod  15. 
Joni  1906  in  Stattgart.  Leipsig  und  Berlin,  B.  0.  Teubner  1905. 
112  Sa  gr.-8*.  Preis  Mk.  1-80  (Ergininngsbeft  in  »Gesunde  JagendS 
y.  Band). 

Diese  JahresTersammlang  des  Vereines  stand  gani  besonders  unter 
dem  Zeieben  der  ünterriebtsbygiene  nnd  waren  es  speiiell  die  Tiel  be- 
sprocbenen  Tbemen:  Spraebanterricbt  nnd  ungeteilter  Tagesnnterriebt, 
welche  diskutiert  wurden,  selbstredend  mit  Hinblick  aaf  Entlastung.  — 
Zum  Gegenstand  des  fremdspracblicben  ünterricbts,  welcber  namentlich 
hinsichtlich  des  Modus  manchen  Angriff  erfahr,  referierten  Prof.  Vi€tor 
der  üniTersitAt  Marburg  und  Dr.  med.  J&g  er -Schwäbisch  Hall,  wobei 
ersterer  vor  dem  fremdsprachlichen  Unterricht  längere  Beschäftigung  mit 
der  Muttersprache,  aber  nicht  durch  grammatische  Behandlung,  sondern 
durch  Hebung  des  Sprachgefflhls  forderte;  die  sn  gewinnende  Zeit  soll 
der  Erholung,  dem  Bewegungsspiel,  freigewählten  Beschäftigungen  sowie 
der  Anleitung  tum  Beobachten  und  zeichnerischen  Darstellen  dienen. 
Dr.  Jäger  will  die  Verlegung  spesiell  des  grammatischen  Betreibens 
der  alten  Sprachen  auf  die  höheren  und  höchsten  Schulstnfen.  —  Hin- 
sichtlich  des  ungeteilten  Tagesnnterriobtes  trat  Oberrealsehnldirektor 
Hintimann-Elberfeld  für  45'-Lektionen  und  Zusammenlegen  des  Unter- 
richts auf  die  erste  Tageshälfte  ein,  während  Mittelschnllehror  Baft- 
Stuttgart  die  Ansicht  vertrat,  daß  dort,  wo  der  ungeteilte  Untenricht  Aber 
12  Uhr  dauern  mochte,  die  Zustimmung  der  Eltern  eininholen  sei;  die 
Fragen  sollten  experimentell  behandelt  werden.  Dr.  med.  Hellpaeh- 
Karlsruhe  ist  fttr  Unterrichtsteiteinheiten  von  45'  auf  den  unteren  nnd 
mittleren  Stufen,  für  die  Oberstufe  hält  er  bei  gewissen  Fächern,  welche 
im  allgemeinen  keiner  in  hohen  Spannung  bedflrfen,  Unterrichtsseitein- 
heiten von  80'  sulässig.  Den  Kachmittagsunterricht  will  er  auf  den  Spät- 
nachmittag Terlegt  sehen  (4—7  Uhr).  —  Stadtant  Dr.  Gastpar- Stutt- 
gart erörterte  kritisch  die  Schfllerunterauchnngen.  Antrag:  Die  sohulärst- 
liche  Untersuchung  ist  auf  die  Angehörigen  aller  Schulen,  also  anch  auf 
die  Besnoher  der  höheren  Knaben-  und  Mädchenschulen  ausiudebnen.  — 
An  die  Vorträge  schloß  sich  eine  rege  Diskussion  an. 

Ei  würde  weit  mehr  Raum  beanspruchen,  wollte  Ref.  diesen  Ver- 
handlungsbericht dem  Inhalt  entsprechend  resensieren:  dies  ist  ja  in  der 
Natur  einer  solchen  Veröffentlichung  begründet.  Wer  sich  fflr  die  ange- 
deuteten Themen  interessiert  ^  und  wer  tut  dies  heute  nicht  1  -~  muß 
naturgemäß  den  Berieht  selbst  lesen. 

Wien.  L.  Burgerstein. 


Vierte  Abteilung. 

Miszelleiu 


Literarische  Miszellen. 

P.  Coroelii  Taciti  opera  qaae  supersnnt.  Baeensnit  loannei  Mniler. 
Editio  minor.  Volmneii  U.  HistoriaB  et  opera  minora  cdotinens.  Editio 
altera  emendata.  Leipzig,  G.  Freytag;  Wien,  F.  Tempskj  MDCCCCVI. 
807  8S.  80.  Preis  geb.  2  K  40  b. 

Volnmen  II  der  tob  J.  Müller  nanmehr  in  «weiter  Aaflage  besorgten 
kritischen  Anegabe  des  Tacitos  ist  in  dieser  Zeitschrift  1907,  8.  50|^511 
eingehend  besprochen.  Hierans  erhalten  wir  im  vorliegenden  Bftndcfaen 
den  bloDen  Text  der  Historien  und  der  kleinen  Schriften  nebst  den  in- 
gehörigen  firoTiarien  nnd  dem  Index  nominum  in  sämtlichen  Schriften 
des  Tacitos.  Leider  sind  aach  die  lom  Teil  recht  störenden  Dmckfehler 
ans  der  Editio  maior  wieder  abgedrockt.  Dieser  Umstand  und  daxa  das 
roangelhafte  Papier  sind  fflr  ein  Schalbach  —  denn  als  solches  ist  die 
£!düio  minor  gedacht  — >  eine  mifiliche  Sache. 

Wien.  J.  Golling. 


Lonis  Lagarde,  La  lutte  poarlavie.  Atec  nn  appendice:  Notes 
explicatives.    Stnttgart,  Verlag  von  Wilhelm  Violett  1906.    144  SS. 

Dies  ist  der  erste  Band  einer  neaen  Sammlung  von  Sprachlehr- 
novelleo.  Man  kennt  diese  Gattung  von  Hilfsmitteln  rar  Erlernung  der 
Umgangssprache  schon  aus  Masse j:  ^In  the  StruggU  oflAfe^  und  «(Tod 
8ave  the  Queen*. 

Auch  hier  werden  die  Bealien  in  das  Gewand  einer  Era&hlung 
gekleidet.  Der  Sohn  einer  guten  aber  verarmten  Familie  einer  fraBtOsi» 
sehen  Prorinsstadt  geht  nach  Paris,  um  sich  dort  eine  Stellung  lu  suchen. 
Deit  Aufenthalt  in  Paris  gibt  Veranlassung,  die  Sehenswürdigkeiten  und 
Einrichtungen  der  Hauptstadt  su  schildern.  Schließlich  findet  der  Held 
der  Geschichte  bei  einem  Fabril[anten  in  der  Provins  Beschäftigung,  der 
ihm  dann  wegen  seiner  Tortrefflichen  Eigenschaften  seine  Tochter  sur 
Frau  gibt. 

Natflrlich  ist  auf  die  Anbringung  möglichst  vieler  Galliiismen  Be- 
dacht genommen,  die  in  den  Notee  explieativei  erklärt  werden. 

Fflr  praktische  Zwecke  und  tum  Selbstunterrichte  sind  solche 
Spraehlehmovellen  gewiß  gans  gut. 

Wien.  Dr.  A.  Wflrsner. 


954  Misiellen. 

Zar  Schärfiing  des  Sprachgel&hls  200  fehlerhafte  S&tze  mit 
VerbesseruDgen  und  sprachlichen  BemerkuDgen,  geprüft  tod 
ainem  Anstebnsse  des  Allgemeinen  deutschen  SprachTereins  mit  einer 
einleitenden  Abhandlung:  Was  ist  Sprachgefühl?  Wamm  soll  es  ffe- 
sch&rft  werden?  von  Hermann  Danger.  Berlin  1906,  Verlag  des 
Allgem.  deutschen  Sprachvereins  (F.  Berggold). 

Es  war  ein  glflcklicher  Gedanke,  die  200  fehlerhaften  Sitte  in  der 
Torliegenden  Fassung  sn  veröffentlichen.  Die  Angabe  der  QaeUen,  aas 
welchen  diese  geschöpft  sind,  rnft  allen  Kreisen  tu,  daß  es  nOtig  ist,  das 
Sprachgeffibl  sa  schärfen :  denn  «nicht  grobe  Fehler,  wie  sie  von  SchOlem 
and  Ungebildeten  gemacht  werden*,  wählt  das  Bflchlein  ans,  sondern 
Fehler  and  VerstOOe,  die  selbst  von  namhaften  Schriftstellern  gemacht 
worden  sind  and  am  häufigsten  bei  Gebildeten  vorkommen.  Allen  fehle^ 
haften  Sätzen  ist  eine  mastergiltige  Verbesserang  an  die  Seite  gestellt, 
wo  es  nottot,  werden  die  GrOnde  vorgebracht,  waram  man  so  nicht 
sprechen  and  so  nicht  schreiben  darf,  an  vielen  Beispielen  wird  geieigt, 
wie  weit  der  behandelte  Fehler  verbreitet  ist.  Das  Bflchlein  ist  kein 
Lehrbach,  denn  die  Fehler  werden  nicht  nach  Gruppen  behandelt.  Da 
ijeder  Sats  gewissermaßen  ein  Bätsel"  sein  soll,  das  dem  Leser  aufgegeben 
wird,  ist  fflr  Abwechslung  gesorgt  und  dabei  im  Auge  behalten  worden, 
daß  innerhalb  der  Gesamtreihe  ein  Fortschritt  vom  Leichteren  znm 
Schwereren  stattfinde.  Die  Schwierigkeit  im  BätsellOsen  ist  dadurch  ver- 
mindert, daß  mancher  Sats  den  neuen  Fehler,  der  entdeckt  werden  soll, 
mit  bereits  erkannten  Fehlern  verbindet,  durch  jenen  die  Keagierde 
spornend,  durch  diese  das  Erlernte  befestigend.  Freilich  werden  auch 
wahre  Sattaageheuer  angeführt,  so  wanderfremd,  daß  man  sie  anstaunen 
muß;  wer  ihnen  luleibe  gehen  will,  muß  Mut  haben.  In  manchen  Sätsen 
kämpft  der  AUgem.  deutsche  Sprachverein  gegen  das  mutwillig  oder  falsch 
gebrauchte  Fremdwort  Da  es  auch  dem  Gebildeten  manchmal  nicht  so 
leicht  wird,  den  verfahrenen  Karren  ans  dem  Sampfe  la  liehen  and 
heraussufflhren,  ist  in  jedem  Satse  die  Stelle,  die  der  Yerbessenmg  bedarf, 
gesperrt  gedruckt.  Das  Sachregister  ist  recht  suverlftssig  nnd  so  kann 
auch  der  Deutschlehrer  angemessene  Beispiele  bei  der  Verbessemng  der 
schriftlichen  Arbeiten  heranziehen. 

Hermann  Daoger  hat  den  fehlerhaften  Sätzen  die  Abhandlung: 
Was  ist  Sprachgeffibl?  Warum  soll  es  geschärft  werden?  vorangestellt 
Er  spricht  anziehend  und  richtig  Aber  das  Sprachgeffibl,  seine  Entstehung, 
Entwicklung,  Veränderung,  fiber  die  Einwirkung  der  Mundart  auf  das 
Sprachgeffibl,  er  weist  mit  Recht  nord-  und  süddeutsche  mandartliehe 
Ausdrficke  und  Wendungen  aus  der  Schriftsprache  hinweg.  Doch  tadele 
er  mit  Unrecht,  daß  ein  Österreichischer  Gelehrter  in  seinem  Lehrbuche 
der  italienischen  Sprache  scaffäle  durch  «Bücherkasten**,  scala  a  lumaea 
durch  „Schneckenstiege^  fibersetst  hat.  Diese  Ausdrücke,  meint  Dunger, 
führten  irre;  denn  bei  „Bücherkasten**  habe  er  an  eine  Eiste  sur  BefUr- 
dernng  von  Büchern,  bei  der  „Schneekenstiege**  zunächst  an  einen  Weg 
j;edacht,  auf  dem  Schnecken  emporkrOchen.  Das  italienische  scaffaU  msg 
ja  ein  „Bücherbrett**  oder  „Büchergestell**  sein  (damit  wiU  Danger  den 
„Bficberkasten**  beseitigen),  die  Süddeutschen  kennen  aber  einen  Bücher- 
kasten oder  Bücherschrank  ebenso  wie  einen  Kleiderkasten  oder  Kleider- 
schrank und  der  Bücherschrank  ist  wohl  auch  dem  Norddeutschen  nicht 
unbekannt,  scala  a  lumaea  ist  in  wörtlichster  Verdeutschung  tatsächlich 
nichts  anderes  als  eine  Sehneckenstiege.  Die  dem  Norddeutschen  geläufigere 
Wendeltreppe  stellt  sich  der  Süddeutsche,  der  das  Schneckengehänse  io 
der  Ansicht  und  im  Achsenschnitte  gut  angesehen  hat,  eben  aach  als 
Schneckenstiege  vor.  Wamm  sollte  bloß  der  norddeutsche  Ausdrack  sehrift- 
gerecht  sein?  So  eogherzie  ist  Dunger  sonst  nicht,  sagt  er  doch  S.  82: 
„Aber  wir  müssen  uns  doch  freuen,  daß  unsere  Sprache  reich  genug  ist, 
uns  mehrere  Ausdrücke  für  denselben  Begriff  zur  Verfügung  zu  stellen* 


Miszellen.  955 

Die  AbichDitte  ^MangelndM  Sprachgefflhl*,  »Sprachgeftthl  durch  Be- 
lebrnDg**  mtüen  grau  in  graa.  Wenn  emem  Scbriftateller  hie  ond  da  ein 
SaU  mißglflckt,  wenn  die  nSprachmeister",  die  Verfasser  foo  Lehrbüchern 
der  deatichen  Sprache,  hie  ood  da  eine  schlechte  Begel  aufstellen,  so 
reicht  die  Wirkungdiesea  Unheils  doch  nicbt  so  weit.  Die  wiederbolte 
Mahnung,  in  der  Wahl  seiner  Sprachlehrer  torsicbtig  su  sein,  wirkt  nur 
▼erängstigend.  Es  bätte  weit  mehr,  als  es  geschehen  ist,  herTorgehoben 
werden  sollen,  daß  das  Spracbgefflhl  nor  auf  dem  Grunde  tflchtiger 
spracblicher  Scbulang  und  aer  Lektüre  ?orittglicber  Schriftsteller  empor- 
gedeiben  kann. 

Wien.  Ferdinand  Holsner. 


Diktier-  uDd  AuDsatzbach  für  den  deutschen  Unterricht.  Von 
Dr.  E^^id  ▼.  Filek.  Wien  und  Leipsig,  Frans  Deuticke  1908.  VI 
und  116  SS. 

Wer  neuen  Diktiafitoff  für  die  unteren  Klassen  benMigt,  dem  sei 
Torüegendes  Bflchlein  als  sehr  brauchbar  empfohlen.  Es  ichliei^t  sich  an 
die  offlsielle  Ausgabe  der  ßechtachreibung  an,  ist  TerlAOlich  und  seichnet 
sieh  durch  Reichhaltigkeit  (auch  inbaltlicb)  und  durch  Bflcksichtnahme 
auf  die  Fassongikraft  der  Schfller  aus.  Die  fallweise  einmabenden  Laute 
sind  durch  den  Druck  hertorgehoben  (nur  selten  unterblieb  dies),  was 
▼ielleicht  als  (überflüssig  su  beseichnen  w&re.  Eine  empfehlenswerte  Ein- 
richtung dagegen  ist,  daß  die  ObungsstQcke  bftufig  verwandte  ortho- 
graphische  Gruppen  berflcksiehtigen.  Die  FflUe  des  Gebotenen  gestattet 
dem  Lehrer  nalflilicb,  immer  das  Zweckdienlichste  aussuwählen. 

Wien.  Dr.  Rudolf  LOhner. 


Dr.  Edmund  Lange,  Sokrates.  84.  Heft  der  Gjmnasialbibliothek. 
Heransgegeben  ?on  Prof.  Ha^o  Ho  ff  mann.  Gfltersloh,  Druck  und 
Verlag  Ton  C  Bertelsmann  1906.  72  SS. 

In  der  von  Hugo  Ho£fmann  herausgegebenen  Gymnasialbibliothek 
bat  Edm.  Lange  auf  seine  beiden  Heftchen  Aber  Xenophon  und  Thuky- 
dides  ein  drittes  folgen  lassen,  das  Aber  Sokrates.  Wenn  eine  Person 
des  alten  Griechentums,  so  ist  es  die  Terklärte  Gestalt  des  Sokrates, 
welche  das  empfängliche  Gemüt  unseres  Obergrmnasiasten  fQr  alles  SchOne 
nnd  Gute  entfljunmt.  Gewiß  mag  dieses  Bild,  besonders  bei  Plato,  nicht  in 
jedem  Zuge  mit  der  historischen  Person  des  Philosophen  flbereinstimmen ; 
die  Schullektüre  erfüllt  ihren  Zweck,  wenn  sieh  dem  Geiste  des  Schülers 
das  Bild  fest  einprägt,  wie  es  Plato  Tjon  diesem  wunderbaren  Manne 
entworfen  bat.  Die  wenigen  Partien,  welche  aus  den  Memorabilien  des 
Xenophon  in  der  Schule  gelesen  werden,  können  diese  Vorstellung  lum 
Teile  erg&nien. 

Insofern  es  sich  Lan^e  snr  Aufgabe  gemacht  hat,  vor  allem  unter 
Hinweis  auf  Xenophon  und  Plato  »die  persönliche  Eigenart  und  die  philo- 
sophische Bedeutung  des  Sokrates  lu  schildern**  (S.  8),  wird  dieses  Büch- 
lein auch  unserem  Oktafaner  gute  Dienste  leisten  und  genug  Sto£f  sur 
Belehrung  bieten.  Allerdings  wird  er  Nr.  1  „Der  Entwicklungsgang  der 
griechischen  Philosophie  bis  auf  Sokrates**  (S.  1  —  8)  nicht  fiel  Neues 
hören,  denn  kein  Lehrer  wird  an  die  Lektüre  Piatos  berangehen,  ohne 
eine  derartige  Einleitung  Toransgeschickt  su  haben. 


956  HitseUen. 

Befondcre  Beaehtong  verdieDaD  AbsehBitt  8  UDas  Leben  dai  80- 
kntes",  8. 10--16),  4  („Dia  Paraftniiekkeit  des  Sokrataa*  S.  16—42)  and 
5  («Die  philoaopbiicben  Anaebaaiuigen  das  Sokrataa",  8. 42—65). 

8.  80  ff.  werden  sor  beateren  Wflrdigong  des  Wesens  und  der  Lehre 
daa  Sokraiea  die  Haoptponkte  ans  der  Verteidigungsrede  des  Sokratas,  aas 
Kriton  nnd  einigen  liapitaln  des  Pbndon  wiadei^egeben.  Warum  wurde 
nicht  f&r  den  gleichen  Zweck  der  reiiende,  ffir  die  Charakteristik  des  80- 
kratea  nnd  die  8chale  ao  ergiebige  kleine  Dialog  Entbjphron  herauf 
sogen?  Im  5.  Abschnitte  werden  in  anregender  und  flbersichtlicher  Wetae 
die  Vorsflge  und  Schwächen  der  pbiloaophischen  Anacbauuogen  dea  8o- 
kratea  dargelegt.  Lange  wirft  hier  die  Frage  auf,  ob  Sokratea  mehr  Dia- 
lektiker oder  Ethiker  gewesen  iat  (3.  42  ff.).  Die  Apologie,  eine  der 
ältesten,  wenn  nicht  die  älteste  Sehiift  Platoa,  seigt  una  doch  deutlich, 
da6  die  Dialektik  fftr  Sokratea  nur  ein  Mittel  geweaen  iat,  die  Wahr- 
heit SU  finden,  um  dadurch  aeine  Mitbflrger  cur  Agnif^  sur  mOglichaten 
VerTOUkommnung  ihrer  Seele  su  fähren. 

Die  Beaaersnff  aeiner  Mitbürger  war  das  letite  und  höchste  Ziel 
aeinea  Strebena.  Wer  die  Wahrheit  kennt ,  kann  nach  Sokratea  nicht 
schlecht  handeln  und  auch  nicht  aeblecht  aein.  In  diesem  Sinne  iat  So- 
kratea ein  Wahrbeitasuoher  gewesen  und  auch  fär  die  Wahrheit  in  den 
Tod  gegangen.  Man  kann  daher  auch  nicht  sagen :  «Der  Kernpunkt  seiner 
Philosophie  ist  daa  Streben  .  .  .  nach  dem  Wiaaen  vom  Weaen  der 
Dinge**  (S.  52).  Diese  Kenntnia  äberlieO  Sokratea,  wie  wieder  die  Apo- 
logie deutlich  heseugt,  anderen  Pbiloaophen,  den  Katnrphiloaophen.  Die 
Selbsterkenntnis,  das  yvA^i.  eavtovf  soll  daa  Streben  einea  jeden  Men- 
schen aein,  um  auf  dieaem  Wege  lum  wahren  Glflcke  su  gelangen.  Die 
Behauptung,  daß  „die  Sophisten  daa  Niehtwiaaen  sum  Prinsip  machen* 
(8.54),  kann  doch  Ton  ihrem  Tornehmaten  Vertreter,  ?on  Protafforaa, 
nicht  gesagt  werden.  Der  aubjektifen,  relativen  Wahrheit  des  Frota- 
goraa  atellt  Sokratea  die  allgemeine,  objektire  Wahrheit  gegenflber. 

Die  in  jeder  Bicbtung  lesena werte  Schrift  achließt  mit  einem  Ka- 
pitel Aber  „die  unvollkommenen  Sokratiker** ,  einer  Parallele  iwischen 
Sokrates  und  Christus  und  dem  Nachweise,  welche  Stellung  die  Oestalt 
des  athenischen  Philosophen  in  der  neueren  deutschen  Literatur  einnimmt 
(8.  65  ff). 

Vielleicht  ließe  sich  in  der  Form  und  im  Ausdrucke  da  und  dort 
eine  Verbesserung  anbringen.  So  ist  i.  B.  8. 19  „mit  der  er  für  jeden  ..* 
su  achreiben  (statt  «mit  er  fär*" ..).  S.  16  ist  wohl  der  Sats  »da  nahm 
er  YoU  Seelenruhe  Abschied  von  aeiner  Frau  und  a einem  jüngsten  Kind^ 
ein  Veraehen.  Nach  Plato,  Phssdon  c.  65  hat  Sokrates  außer  von  seiner 
Frau  auch  von  seinen  drei  Kindern  Abschied  genommen.  Lange  dOifU 
sich  mit  einer  Äußerung  im  8.  Kapitel  dea  Phaodon  geirrt  haben. 

Wien.  Dr.  Joaef  Kobm« 


Dr.  AntoD  Becker  nnd  Dr.  Julias  Mayer,  Lernbueh  der 
Erdkunde.  II.  Teil.  Zweite  gekfirste  und  verbesserte  Auflage.  Wien, 
F.  Deuticke  1907. 

Die  vorliegende  sweite  Auflage  des  Becker-Mayerachen  Lehrbuchea 
unterscheidet  sich  sunächat  vorteilhaft  von  der  eraten  dadurch,  daß  sie 
mit  Recht  den  Titel  „gekflnt"  fährt  Tief  einschneidende  Änderungen 
in  der  Anlage  dea  Bachea  aind  mir  nicht  aufgefallen  und,  da  ea  an 
dieser  Stelle  bereits  einmal  ausfährlich  gewQrdigt  wurde,  genflgt  es  wohl« 
featiQstellen,  daß  es  in  der  neuen  Gestalt  tatsächlich  an  praktischer 
Brauchbarkeit  gewonnen  hat. 

Wien.  B.  ImendOrfter. 


ProgmmDflmehfta.  957 

Mathematische  Spiele  tod  Dr.  W.  Ahrens  in  Magdabarg.  Mit  einem 
Titelbilde  and  69  Figaren  im  Text.  Leipsig,  B.  G.  Teabner  1907. 
(„Aqs  Natnr  ond  Geiitetwelt**.  Sammluig  wisieDicbaftlich-gemeinver- 
ständlicher  Darstellungen.  170.  Bftndchen.) 

Unter  dem  THel  „Matbematitehe  Unterbaltongen  und  ^el«**  ist 
▼or  nieht  langer  Zeit  Ton  deraielben  Verf.  in  gleicbem  Verlage  ein  grö- 
ßeres Bach  TerOffentliebt  worden,  das  aoeh  in  diesen  Blättern  Beepre- 
ebnng  fand,  in  welchem  der  Gegenstand  aoafftbrlich  nnd  Tom  etreng 
mathematischen  Standpankte  aas  behandelt  worde.  Das  Torliegende 
Bflchlein  von  118  Seiten  bringt  eine  Answahl  von  mathematischen  Spielen 
solcher  Art,  daß  la  ihrem  YerstAndnis  keinerlei  Kenntnisse  aas  der  Ma- 
thematik Toraasgesetst  werden.  Folgeriehtiger,  strenger  Denkkn^  wird 
der  Leser  trotidem  nicht  entraten  kOnnen,  bei  langsamem,  allm&hliehem 
Hineinarbeiten  in  den  Stoff  wird  er  jedoch  sicherlich  som  Verständnisse 
desselben  gelangen.  Dadarch  antarscheiden  sieh  eben  diese  wenn  aach 
an  und  fftr  sich  einfachen  mathematischen  Spiele  von  allen  anderen 
Spielen  gans  wesentlich.  Dem  Freunde  von  Maßeatonden  bieten  dieselben 
reichliche  geistige  Anregung,  einen  kOstliehen  Born  von  Unterhaitang  ond 
Belehraog. 

Wien.  Dr.  £•  Grftnfeld. 


Dr.  Thomas  Flora  von  Deateehland,  Osterreich  und  der 
Schweiz.  V.— VII.  Band :  Kryptogamenflora  (Moose,  Algen,  Flechten, 
Pilse)  von  Prof.  Dr.  W.  Migala.  Gera,  Verlag  von  Zasschwiti. 

Dem  Bef.  liegen  die  lieferangan  40^48  vor.  Die  Bearbeitung  des 
Textes  und  die  bildliche  Darstellung  der  behandelten  Pflanien  (Algen) 
ist  musterhaft.  Mit  Lieferung  48  ist  der  VI.  Band  (Algen)  der  Kiypto- 
gamcDfiora  abgeschlossen.   Das  Werk  ist  sehr  su  empfehlen. 

-Wien.  H.  Vialtorf. 


Programmen  schau. 

33.  Dr.LeoBeidel,  Goethes  Anteil  an  Jang-Stillings  „Jagend''. 
Progr.  der  I.  deutschen  StaatsreaUcbnle  in  Prag  1906  und  1907. 

In  der  fflnfb&ndigen  Lebensgeechichte  Jungs  nimmt  der  erste  Teil 
(^.  H.  Stilllngs  Jugend**)  eine  besondere  Stellnag  ein  und  sticht  von  dem 
dbrigen  durch  seine  frische  Natflrlicbkeit  und  künstlerische  Vollendung  be- 
deutend ab.  Da  bekannt  war,  da6  diesen  Teil  der  Lebensgesohiohte  1776 
Goethe  sum  Drucke  befördert  habe,  so  behaupteten  DQntier  und  andere 
Literaturhistoriker,  die  «Jagend*  sei  von  Goethe  flberarbeitet  worden. 
Daceffen  machte  Max  GObel  geltend,  das  Werk  sei  mit  den  Fortsetsungen 
einheitlich  und  gans  Jungs  Arbeit.  L.  Beidek  Untenuchnngen  aber  stellen 
m.  E.  ttberseugend  dar,  daß  Jung  swar  Pietist  war  und  sich  Pietisten- 
biographien sum  Muster  nahm,  aber  in  Straßbarg  freiere  Luft  einatmete 
und  unter  dem  persönlichen  Einflüsse  Goethes  im  Sinne  des  Sturms  und 
Drangs  seine  autobiographische  ^Jugend"  verfaßte.  Nachdem  er  Straß- 
burg verlassen,  Änderte  er  sich  wieder  und  erschien  abermals  als  Pietist, 
der  er  dann  bis  an  sein  Ende  blieb.  Daher  seigt  er  sich  in  Briefen  und 


958  Pro^rftrameBBchao. 

for  allem  in  dem  bekannten  «SendBchreiben**  (1801)  als  echter  Pietist'). 
Die  VerftndeniDgen,  die  mit  dem  Werke  vor  eich  gingen,  h&ngen  also  mit 
den  Verftnderongen  des  Scbriftstellers  Jong  susammen.  Eingehend  wird 
Ton  B.  dargelegt,  daß  die  „ Jagend',  welche  in  neuester  Zeit  sonderlieh 
anch  ton  Nietsscbe  bewundert  worde,  getreulich  den  Charakter  des  Sie- 
garlandes, selbst  sprachlich,  wiederspiegelt  und  daher  das  Werk  Jungs 
sein  mfisse.  Sonst  würde  wohl  bei  einer  Umarbeitang  durch  Qoethe  die 
dialektlicbe  Färbung  verloren  gegangen  sein.  Zum  Schlosse  stellt  B.  im 
iweiten  Teile  (S.  32  ff.)  die  ganse  Entstehungsgeschichte  des  Werkes  ge- 
nauer dar,  um  seine  Torhin  angedeutete  Ansicht  su  begründen. 

Graz.  Dr.  S.  M.  Prem. 


34,  Dr.  Stephanus  Fürst,  Fastorum  GampililieiiBiani  tom.  IIL 
(1500-^1 580).  Progr.  des  n.-O.  Landes-Beal-  und  Obergrmnasiums  in 
MOdling  1907.  88  SS. 

Die  Einleitung  gibt  eine  knappe  Obersicht  über  das  Leben  und 
Wirken  Hanthalers,  dessen  Fälschungen  bekanntlich  in  den  Osterrei- 
chischen Geschichtsb flehern  bis  in  die  neueste  Zeit  fiel  Unheil  angerichtet 
haben  und  erOrtert  dann  den  Inhalt  der  Fasti  Campililienses ,  deren 
dritter  Band  nicht  erschien,  weil  ihr  Verl  früher  starb.  Dieser  dritte 
Band  reicht  bis  1710  und  soll  in  der  Weise,  wie  die  Jahre  1500—1580 
hier  gedruckt  sind,  mitseteilt  werden.  Nach  der  Torliegenden  Probe 
dürfte  der  Gewinn  fOr  die  Geschichte  nicht  alitu  hoch  eingeachätit  werden, 
es  ist  aber  doch  immerhin  gut  zu  wissen,  was  dieser  dritte  Band  eigent- 
lich enthält  Es  wird  auch  nicht  schaden,  wenn  zum  Schlüsse  des  Ganzen 
einige  Noten  angefügt  werden,  um  einen  und  den  andern  Irrtum  Han- 
thalers zu  berichtigen. 


35.  J.  G.  Bief ,  Beiträge  zur  Geschichte  des  ehemaligen.Ear- 
täuserklosters  Allerengelberg  in  Schnals.  Progr.  des  öffent- 
lichen Obergjmnasioms  der  Franziskaner  zu  Bozen  1907.   238  SS. 

Der  forliegende  fünfte  Teil  enthält  Urkundenauszüge,  Briefe  usw. 
▼om  11.  NoTember  1482  bis  1.  November  1491.  Auch  diese  Nummern 
sind  ton  lokal  geschichtlichem  Werte  bis  auf  einige,  wie  Nr.  684  oder  796| 
denen  eine  allgemeinere  Bedeutung  zukommt.  Die  Wiedergabe  der  ein- 
zelnen Stücke  scheint  eine  richtige  zu  sein. 

Graz.  J.  Loserth. 


')  Das  „Sendschreiben**  wird  nach  der  korrekten  Form  bei  A. 
VOroel,  Briefe  Jung-Stillings  an  seine  Freunde,  Berlin  1905,  S.  142  ff. 
zitiert;  auch  der  Brief  LaTaters  an  Jung  vom  28.  Juni  1797,  S.84,  Stücke, 
die  ich  1897  im  8.  Erg.-Heft  des  „Euphorion^  S.  148^158  suorst  Ter- 
Offentlichte,  worauf  sich  VOmel  nur  sehr  ungenau  in  einer  Fußnote  be- 
zieht. Vgl.  Beidel,  1.  Teil  des  Progr.  (1906),  S.  88.  Ob  in  dem  Aufsätze 
von  Ernst  Hellem,  Goethe  und  Jung-Stilling,  Bbein.-Westf.  Zeitung  1902, 
Nr.  608  hieher  Gehöriges  steht,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 


ProgrammeDBChaa.  959 

36.  P.  VitalJäger,  Salzburg  and  seiDe  Umgebung  als  geo- 
graphisches LehrmitteL  II.  Teil.  Progr.  des  Gymn.  am  Kolleg« 
Borrom&am  in  Salzburg  1906/7.   35  SS. 

Der  erste  Teil  der  Torliegendeii  AbhaDdlong,  der  im  Progr.  fflr  das 
Jahr  1908/04  erschienen  iit,  ist  mir  leider  nicht  bekannt.  In  der  vorlie- 
genden Abteilung  wird  die  weitere  Darstellung  der  allgemeinen  Erdkunde 
in  der  I.  Klasse  an  der  Hand  des  vom  Sehnlorte  und  seiner  Umgebung 
gebotenen  Hateriales  gegeben.  Das  von  JAger  eingeschlagene  Verfahren 
ist  wohl  nicht  gani  neu,  aber  die  gebotenen  Darlegungen  leigen  jeden- 
falls ein  ungemein  liebevolles  und  von  tiefem  Yerst&nanisse  getragenes 
Eingehen  auf  den  Lehrstoff,  der  hier  nach  jeder  Seite  hin  vertieft  wird. 
Freilich  muß  betont  werden,  daß  snn&chst  die  kleinere  Stadt,  sodann  der 
Umstand,  daß  es  sich  inmeist  um  IntematssOglinge  handelt,  endlich  die 
besonderen  Verh&Itniste  Salibnrgs  lauter  fordernde  Momente  von  außer- 
ordentlichem Werte  sind.  Das  Bestreben,  ein  möglichst  vollständiges  Bild 
des  Schulortes  lu  gewinnen,  fflhrt  flbri(:ens  hie  und  da  lu  weit  So  wflrde 
ich  in  der  I.  Klasse,  wo  historische  Kenntnisse  weder  in  fordern,  noch 
vorausiusetscn  sind,  nicht  derartig  ausführlich  auf  die  Geschichte  der 
Stadt  eingehen.  Was  sollen  SchQler,  selbst  wenn  sie  ZOglinge  eines  eri- 
bischOflichen  Alumnates  sind,  beispielweise  mit  den  geschichtlichen  Details 
tnn,  wie  sie  S.  6  und  7  geboten  wurden  ?  Auch  das  Absehweifen  von  Sals- 
burg  SU  einer  Negerfamilie,  su  dem  nur  eine  recht  lockere  Gedankenasso- 
siation  die  Brücke  bildet  (S.  9),  kann  ich  nicht  billigen.  Überhaupt  scheint 
mir  das  flberall  wiederkehrende  Bestreben,  unter  dem  Verwände,  Sals- 
burg  su  betrachten,  de  omntbus  rehu8  et  quibusdam  aliis  xu  sprechen, 
nicht  eben  vorteilhaft;  es  gebt  flberdies  hie  und  da  auf  Kosten  der  Tiefe. 
Davon  abgesehen  ist  die  Arbeit,  soweit  es  sich  um  rein  geographische 
Dinge  handelt,  methodisch  sehr  hßbsch  durchgearbeitet.  Ich  iweifle  auch 
nicht,  daß  eine  so  vorbereitete  I.  Klasse  mit  tflchtiger  Grundlage  auf- 
steigen  wird. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


37.  Adam  Schuh,  Eine  Mittelmeerreise.  Erster  Teil.  Mit  einem 
Titel-  und  60  Textbildem,  2  Karten  und  einem  Profil.  Progr.  der 
k.  k.  SUatsrealschule  in  Marburg  1906.  85  SS. 

Der  Verf.  beteiligte  sich  im  August  1905  an  der  von  den  Professoren 
Dr.  Miller  in  Stuttgart  und  Lorens  in  Neapel  veranstalteten  Mittelmeer- 
reise. Er  schildert  in  dem  vorliegenden  ersten  Teile  in  liemlich  breit- 
Snriger  Weise  die  Fahrt  von  Stuttgart  nach  Genua,  den  Aufenthalt  auf 
enorca,  in  Algier  und  Umgebung,  Konstantine,  Biskra,  Sidi  Okba,  Timgad, 
Tunis  und  Karthago.  Die  Ausstattung  des  Aufsatzes  ist  eine  reichliche. 
Befremdend  wirkt  die  Terraindarstellung  auf  der  Karte  von  Algerien  und 
Tunesien.   Das  beigegebene  Profil  besagt  nichts  Neues. 

38.  B.  Bothang,  Über  die  Verwendung  der  Spezialkarte 
1 :  75.000  im  unterrichte.  Progr.  der  k.  k.  Staatsrealschule  im 
X.  Bezirke  in  Wien  1906.  17  SS. 

Die  Gedanken,  die  der  Verf.  in  dem  Aufsatse  entwickelt,  sind 
durchaus  gesunde,  wenn  auch  die  praktische  Durchfflhrung  auf  gar  manche 
Schwierigkeiten  stoßen  dfirfte.  Vor  allem  wird  es  vielleicht  noch  lange 
Zeit  währen,  bis  sich  die  in  Aussicht  genommene  Auswahl  von  88  Blättern 
in  den  Händen  der  Schiller  befindet    Der  Verf.  hat  sich  der  dankens- 


900  Programm^iiacfaaQ. 

werten  Hübe  ontenogen,  aoa  der  großen  Zahl  der  Spetialkartenbifttter 
jene  heraiusasachen,  die  typische  geofpraphiiche  Elemente  enthalten.  Die 
^jasammenstellaDg,  die  er  giht,  ist  ein  ?erdienstlieher  Kommentar  sar 
Spesialkarte,  der  Tom  Lehrer  gewiß  gerne  benatit  werden  wird. 

39.  0.  Sigmund,  Beitr&ge  zar  Eonntnis  der  HöhenregioDeD. 
III.  Teil.  Progr.  der  k.  k.  Staatsoberrealsehale  in  GOrs  1906.  16  88. 

In  Fortaetsnng  seiner  berdts  angeseifften  Arbeit  (Tgl.  diese  Zeit- 
schrift 1908,  8.  546)  besohftftigt  sich  der  Verf.  aiit  den  Höhengrensen 
des  Ratsch-  nnd  Bantentales.  Du  mittlere  Wsldgrense  liegt  nach  seinen 
Untennehnap^ea  in  enterem  nicht  gans  1850,  in  letsteread  naheia  1890  m 
hoch.  Die  in  den  »Yorbemerlningen*'  angekündigten  Schlaftergebnisse 
sind  noch  aoastindig. 

40.  Dr.  Max  Binn,  Oeograpfaisehe  BeziehaDgen  zwisehen 
Osterreich-UDgarn  and  Nordamerika  I.  Progr.  des  k.  k.  8taats- 
gjmnasioms  im  VI.  Besirke  Ton  Wien  1907.   24  88. 

Der  Verf.  geht  Ton  der  Tatsache  ans,  daß  Amerika  in  der  dritten 
Klasse  der  Mittekohalen  des  Zeitmangels  halber  nicht  mit  jener  GrOnd- 
lichkeit  behandelt  werden  könne,  die  seiner  geographischen  nnd  wirt- 
schaftlichen Bedeutung  entsprechen  würde.  Er  ist  der  Ansicht,  daA  diesem 
Übelstande  teilweise  schon  dadurch  ai>geholfen  werden  könne,  daß  bereits 
Ton  der  sweiten  Klasse  an  auf  Tcrwandte  Verhältnisse  Besag  genommen 
werde.  Vor  allem  aber  erblickt  er  in  den  Besiehungen  wirtschaftlicher 
Art,  wie  sie  swischen  unserer  Monarchie  nnd  den  Vereinigten  Staaten 
bestehen,  einen  willkommenen  Anknüpfungspunkt  für  Vergleiche  der 
mannigfachsten  Art,  die  sich  in  den  Bahmen  des  erdkundlichen  Unter- 
richts der  Tierten  Klasse  einfügen  lassen.  In  erster  Linie  konstatiert  er 
eine  Übereinstimmung  im  Aufbau,  in  den  klimatischen  Verhaltnissen  nnd 
in  der  Verteilung  des  Bergsegens.  Der  Nachweis  im  einielnen  ist  Tielfach 
weit  hergeholt,  nicht  selten  gekünstelt,  einige  Male  mißlungen.  Vergleiche 
erfüllen  nur  dann  ihren  Zweck,  wenn  sie  sich  aus  der  Natur  der  Sache 
ergeben  und  den  Tatbestand  so  klar  erkennen  lassen,  daß  die  geistige 
EnassuDg  an  ihnen  eine  kr&ftige  Stütte  findet  Die  nicht  geringe  ZiSd 
Ton  F&Uen,  in  denen  die  Vergleichung  als  unstatthaft  beseichnet  werden 
muß,  beeinträchtigt  den  Wert  der  Arbeit,  deren  Idee,  maßToll  in  Anwen- 
dung gebracht,  dem  Unterrichte  nur  nütsen  kann. 

Wien.  J.  Mfillnez. 


Erste  Abteilung. 

Abhandlungen. 


Ober  den  Ursprung  und  das  Wesen  der  lyrischen 

Dichtung. 

(Ein  Vortrag.) 

Als  das  goldene  Zeitalter  entschwand  und  Mühen,  Krank- 
heiten, Nöte  nnd  Sorgen  aller  Art  fiher  das  glücklose  Geschlecht 
der  Erdenbewohner  hereinbrachen,  da  ließen  die  Götter,  wenn  wir 
alten  Fabeln  glauben  wollen,  als  einzige  Trösterin  und  Retterin 
auf  Erden  die  Hoffnung  zurück,  ünz&hligemal  ist  seit  den  Tagen 
des  Altertums  diese  Bewertung  und  Einschätzung  der  Lebensgüter 
wiederholt  und  bestätigt  worden:  Das  irdische  Dasein  sei  eine 
Kette  Ton  Qaalen  und  Entbehrungen,  nur  hie  und  da  von  kurzen 
Lichtblicken  der  Hoffnung  unterbrochen;  und  im  Grunde  seien 
auch  diese  Hoffnungsstrahlen  nichts  als  vorübergehende  T&uschungen. 
Wahrlich,  wenn  diese  Rechnung  der  Pessimisten  für  einwandfrei 
und  fehlerlos  gelten  soll,  dann  bleibt  es  auch  staunenswert  und 
sogar  unbegreiflich,  daß  sich  die  Sterblichen  in  diesem  schweren 
und  ungleichen  Kampfe  nicht  nur  behauptet  haben^  sondern  sogar 
eine  reiche,  aufstrebende  Entwicklung  durchmachen  konnten,  daß  sie 
sich  in  neue  Weltteile  verbreiteten,  ihre  Kenntnisse  vermehrten,  ihre 
Lebensbedingungen  erleichterten.  Es  muß  in  dieser  Rechnung  so 
mancher  Faktor  übersehen  worden  sein. 

Um  nur  das  Wichtigste  gleich  zu  sagen :  das  wirkungsvollste 
Gegengewicht  gegen  die  Mühe  und  den  Zwang  des  Lebens  ist  die 
Kunst.  Ich  möchte  im  folgenden  in  gedrängter  Kürze  den  be- 
scheidenen Versuch  wagen,  den  Wurzeln  der  künstlerischen  Betä- 
tigung überhaupt  nachzuspüren  und  wenigstens  bei  einer  Gattung, 
die  mir  eben  naheliegt,  bei  der  lyrischen  Dichtung,  andeuten, 
warum  mir  die  Kunst  nicht  nur  zu  den  wünschenswerten,  sondern 
geradezu  zu  den  notwendigen  und  unentbehrlichen  Bedingungen 
des  menschlichen  Lebens  zu  gehören  scheint. 

ZdtMhrifl  f.  d.  tetorr.  Qjmn.  190S.  XI.  Heft.  61 


962  Über  den  ürtpnmg  ond  du  Wesen  der  lyr.  Diehtang.  Von  B.  Ftudets. 

Denn  in  der  Tat  darf  unsere  Anffasanng  zuversichtlicher  sein. 
wir  dfirfen  zu  keinem  solchen  MißverhAltnis  gelangen,  wenn  wir 
Lust  und  Schmerz  in  der  Welt  gegeneinander  abwägen.  Nicht 
die  Hoffnung  allein  stärkt  und  erfreut  den  Menschen,  wie  jene 
griechische  Mythe  yerzagt  und  kleinlaut  behauptete;  es  wohnt  dem 
gesunden  Körper  ein  ursprünglicher,  lebhafter  Drang  inne,  sich  zu 
regen  und  zu  betätigen.  Nicht  erst  die  Not  lehrt  und  zwingt  uns 
zu  arbeiten,  die  Kräfte  des  Menschen  verlangen  nach  Erprobung 
und  Anstrengung  und  sehnen  sich  im  voraus  nach  den  Aufgaben, 
die  ihnen  das  Leben  stellen  wird.  Ein  bestimmtes  Maß  von  kör- 
perlicher und  geistiger  Arbeit  wird  uns  zur  Freude  und  zum  Be- 
dürfnis. 

Die  alltäglichste  Form,  in  der  dieses  Tätigkeitsbedürfnis  Ge- 
stalt annimmt,  ist  das  Spiel.  Kinder  spielen,  so  lange  ihre  an- 
gebome  Regsamkeit  noch  nicht  anderweitig  beansprucht  wird.  Eine 
gute  Erziehung  nützt  die  Lust  am  Spiele  aus  und  führt  in  un- 
merklichem Übergange  zu  zweckmäßiger  Tätigkeit.  Aber  auch  Er- 
wachsene spielen,  weil  ihr  Beruf  meist  nur  einen  Teil  ihrer  Kräfte, 
diesen  freilich  oft  im  Übermaß,  anstrengt  und  in  Übung  erhält. 
So  ist  das  Spiel  einmal,  dem  Spielenden  unbewußt,  eine  Vorübung 
zu  ernster  Arbeit,  das  anderemal  eine  Erleichterung  der  Arbeit  selbst, 
das  drittemal  ein  absichtlich  angewendetes  Gegengewicht  gegen  die 
Einseitigkeit  der  Arbeit. 

Wir  spielen  mit  den  Bewegungen  unseres  Körpers,  wir  be- 
schäftigen spielend  unsere  Phantasie  und  unsem  Verstand,  aber 
audi  unsere  Fähigkeit,  zu  fühlen,  Freude,  Sehnsucht,  Mitleid  und 
ähnliches  zu  empfinden,  will  zeitweilig  geübt  werden.  Jene  spie- 
lenden Betätigungen,  die  baupisäcblich  unsere  Gefühle  erregen 
sollen,  faßt  man  unter  dem  Namen  der  Knnst  zusammen. 

Man  hört  nicht  selten,  daß  Phantasie  und  künstlerische  Be- 
gabung einander  gleichgesetzt  werden.  Mit  Unrecht,  wie  mir  scheint. 
Der  Geograph,  der  aus  Strichen,  Punkten  und  Farben  der  Land- 
karte das  Belief,  die  Bewässerung,  die  Bodenbedeckung,  die  Weg- 
samkeit,  ja  zum  Teil  überhaupt  den  Knltunustand  eines  Landes 
yw  sein  geistiges  Auge  hinzaubert,  bedarf  gewiß  einer  reich  ent- 
wickelten Phantasie  zu  seiner  rein  wissenschaftlichen  Tätigkeit  Oder 
hält  jemand  die  darstellende  Geometrie  deshalb  für  besonders  künst- 
lerisch, weil  sie  geradezu  einen  Maßstab  für  die  Leistmg^flhigkeit 
der  Phantasie  abgeben  kann?  Nur  wo  die  Phantasie,  und  nicht  sie 
attein,  sondern  auch  die  andern  spreienÜen  Tätigkeiten,  sich  dem 
Endeweck  unterordnen,  Gefühle  zu  erregen,  nur  da  sprechen  wir 
voi  Kunst.  Die  Phantasie  ist  nur  eines  der  Mittel,  nicht  das 
Keenceichen  künstlerischer  Tätigkeit. 

Die  Kunst  seil  unsere  Gefühle  erregen  und  dadurch  zugleich 
entspannen,  mildern,  anflösen.  Diese  merkwürdige  Doppelbett  des 
Wirkens  ist  dennoch  eine  Tatsache  der  gewöhnlichsten  Erfahrung. 
Jähe  Freude  oder  überstarker  Schmerz  finden  erst  dnroh  jene  Ver- 


über  den  ünprang  ond  dM  Weaen  der  lyr.  DicbtüDf .  Von  B.  FindeU,  968 

ftodeningeD  nnd  Besonderheiten  der  Sprache  ihren  Weg,  die  als  die 
Mittel  der  poetischen  Sprache  bekannt  sind.  Das  gewöhnlichste  Ton 
ihnen,  die  Wiederholung  eines  Wortes  oder  eines  ganzes  Satzes 
steht  einem  jeden  znr  Verfügung;  man  kann  aber  aoch  beobachten» 
wie  ein  besonders  treffender  Ausdruck  oder  ein  gelungener  Vergleich 
das  Getnhl  des  Sprechenden  erleichtert  und  besänftigt,  dagegen  die 
Wirkung  bei  den  Hörern  erhOht. 

So  kann  die  Wirkung  der  Kunst  auch  nicht  durch  eine  be- 
stimmte Richtung  bezeichnet  werden«  Weder  Ton  einer  Verst&rkungi 
noch  Ton  einer  Abschw&chung  der  Qefdhle  kann  schlechthin  die 
Bede  sein,  sondern  nur  von  einer  Klärung.  Der  eine  findet  sich 
durch  den  Kunstgenuß  zu  Brust  oder  selbst  Schwermut  gestimmt, 
der  andere  zu  Freude  und  Zu? ersieht.  Keiner  ? on  beiden  beschreibt 
das  Wesen  dsr  Kunst  an  sich ;  ihre  Wirkung  ist  ein  Ausgleichen, 
ein  Zurftckffihren  auf  das  natürliche  Maß.  Je  nach  den  indi?idaellen 
Einseitigkeiten  bestimmt  sich  ihre  Richtung  in  dem  einzelnen  Fall: 
den  Traurigen  macht  sie  froh,  den  Obermütigen  ruft  sie  zur  Be- 
sonnenheit. Aus  gereifter  Erfahrung  schildert  uns  der  beachtens" 
werteste  Zeuge,  schildert  uns  Qostbe  das  Glück  des  Künstlers  als 
einen  unendlich  reinen  Mittelzustand  ohne  Freude  und  ohne  Schmerz. 

Ihren  gemeinsamen  Zweck»  Oefühie  zu  erregen,  erreichen  die 
Künste  auf  yerschiedene  Weise.  Tanz  und  Musik  haben  die  nftchste 
und  ursprünglichste  Wirkung,  bald  folgte,  wenn  wir  in  die  Urzeit 
des  Menschengeschlechts  zurflckblickeu ,  die  kunstmftßige  Aawen« 
düng  der  Sprache,  die  Poeeie,  den  weitesten  Weg  hatten  Plastik, 
Malerei  und  Architektur. 

Wenn  diese  Reihenfolge  der  Künste  richtig  ist,  so  folgt 
auch,  daß  unter  den  einzelnen  poetischen  Gattungen  jene  die  älteste 
ist,  die  dem  Tanz  nnd  dem  Gesang,  den  rhythmisch  gegliederten 
Künsten,  am  sAchsten  steht:  die  lyrische  Dichtung.  Wir  dürfen 
annehmen;  daß  sich  die  Poesie  in  genau  derselben  W«se  entwickelt 
wie  alle  anderen  menschlichen  F&higkeitMi :  die  Heftigkeit  der  be- 
gleitenden Gefühle,  ihre  anf&nglich  maßlose  Äußerung  muß  erst 
abgeschwächt  werden,  damit  einer  zunehmenden  yerstandesmäßigen 
Entwicklung  die  Bahn  frei  werde.  Die  älteste  Dichtung  entspringt 
•0  starkem  und  rohem,  nngebändigtem  Gefühl,  daß  die  dtskrelan 
Mtttd  der  heutigen  Kunst  diesen  Zustand  unmöglich  befriedigen 
ktanen.  Festlich  geputzt  entlädt  der  Wilde  hauptsächlich  durch 
Tanz  und  Lärm  die  überstarke  Erregung  seines  Innern.  Bei  wieder- 
holter Übung  bringen  nach  und  nach  die  Laute  seiner  Sprache« 
nrsprünglich  gewiß  nur  in  der  Art  sinnloser  Refrains  unermüdlich 
wiederholt,  immer  bestimmteren  Inhalt  in  dieses  primitivste  „QfH 
•nmtkonstwerk*' ;  es  wird  immer  ruhiger,  kälter,  deuüicher.  Immer 
mehr  werden  die  ursprünglich  berrschendeu  Künste,  zuerst  der 
Tnnz,  dann  die  Tonkunst,  zurückgedrängt  nnd  in  ihren  Rechten 
l^aschmälert;  dennodi  sind  sie  der  eigen tlidie  Mntterboden,  aus 
aen  die  Lyrik  nicht  nur  in  den  ältesten  Anfängen  hervorgegangen 

61» 


964  Ober  den  Urspning  and  dai  Wesen  der  lyr.  Diebtang,  Von  B.  Findeis. 

ist,  sondern  ans  dem  sie  zu  allen  Zeiten  belebende  nnd  ernenernde 
Kraft  in  siob  gesogen  hat.  So  verb&lt  aicb  die  Lyrik  zu  den 
gegenständlichen  Dichtnngsarten,  zn  dem  Epos  nnd  Drama,  ähnlich 
wie  die  rhythmischen  Eflnate  zu  denen  unseres  gefflhlsftrmsten  nnd 
kenntnisreichsten  Sinnes,  des  Anges.  Wenn  die  Gebilde  der  Plastik, 
Malerei  nnd  Architektur  außer  uns  stehen,  wenn  sich  Epos  und 
Drama  von  unserem  Selbst  absondern,  so  tragen  Tanz  und  Gesang 
und  von  den  Dichtungsgattungen  einzig  die  Lyrik  einen  höchst 
persönlichen  Charakter:  uns  selbst,  unser  eigenstes  Wesen  stellen 
wir  in  der  Schöpfung  oder  im  Genüsse  lyrischer  Poesie  dar. 

In  der  Schöpfung  oder  im  Genüsse:  denn  beides  ist  seinem 
Wesen  nach  dasselbe.  Hier  erkennen  wir  deutlicher  als  sonst  jenes 
Gesetz,  das  alle  Kunst  (einschließlich  der  bildenden  Kfinste)  be- 
herrscht: daß  der  künstlerische  Genuß  ein  Nachschaffen  ist,  ein 
Wiederholen  dessen,  was  der  erste,  der  hervorbringende  Künstler 
erlebte.  Eine  gewisse  Verwandtschaft  der  Seelen  ist  Vorbedingung. 
Nur  dadurch  erwirbt  der  Lyriker  unsern  Dank,  daß  er  uns  sagen 
lehrt,  was  wir  längst  schon  sagen  wollten.  Aber  früher  lag  es  so 
verworren  und  unbestimmt  in  unserem  Innern,  unsere  lallenden 
Worte  waren  so  arm  und  nnbehilflich,  vergebens  strebte  das  Gefühl, 
sich  aus  den  Tiefen  der  Seele,  wo  es  entstanden  war,  in  die  helleren 
Gebiete  unseres  Bewußtseins  durchzuringen.  Wie  im  Märchen  die 
Nennung  des  Namens  gute  Geister  ruft  und  die  bösen  bannt,  so 
hat  der  Dichter  mit  der  erlösenden  Klarheit  seiner  Worte  unsere 
Gefühle  ins  freie,  freudige  Leben  gehoben.  Es  wäre  zu  wenig, 
wenn  in  unserer  Seele  ein  bloßer  Nachklang  oder  Wiederhall  jener 
Musik  auflebte,  die  einst  in  der  Seele  des  Dichters  erwacht  war. 
Die  höchste  und  doch  nicht  gar  zu  seltene  Wirkung  ist  da,  wenn 
der  Dichter  den  Eigenton  unserer  Seele  rein  und  voll,  uns  selbst 
zum  Erstaunen,  erklingen  läßt,  wie  der  Bogenstrich  des  Künstlers 
auch  der  unscheinbarsten  Geige  Zauberweisen  entlockt.  Unsere  Seele 
ist  das  Instrument,  das  uns  erst  der  Dichter  mit  der  Kunst  seiner 
Worte  und  Gedanken  richtig  spielen  lehrt. 

Der  Lyrik  stehen  nach  einer  altererbten  Einteilung  zwei 
andere  Arten  der  Dichtkunst  gegenüber;  Epos  und  Drama.  Man 
pflegt  dies  für  einen  Unterschied  der  Form  zu  halten:  im  Drama 
sprechen  die  dargestellten  Personen,  im  Epos  gibt  uns  der  Dichter 
Bericht,  in  der  Lyrik  hat  auch  der  Dichter  das  Wort,  aber  nicht 
nur  erzählend  wie  im  Epos,  sondern  für  sich  selbst  wünschend 
und  fürchtend,  lachend  und  zürnend.  Damit  sind  wir  aber  eigent* 
lieh  schon  auf  den  Inhalt  eingegangen.  Auch  ist  die  formelle 
Grenze  keineswegs  scharf  und  der  äußeren  Unterscheidung  zntrotz 
steht  die  Lyrik  dem  Drama  näher,  findet  in  diese  Gattung  häufiger 
Einlaß  als  ins  Epos.  Also  kommt  es  doch  vor  allem  auf  den  Stoff 
an.  Dem  Stoffe  nach  führt  der  Epiker  die  fertigen  abgeschlossenen 
Handlungen,  die  großen  historischen  Ereignisse  vor,  oft  im  Spiegel 
vergangener  Weltanschauungen  und  Überlieferungen,   während  uns 


über  den  ürsproiig  und  das  Wesen  der  lyr.  Diehtoiig,  Von  JR.  Findeis.  96d 

der  Dramatiker  werdende  Taten    durch    die  Form    gegenwftrtiger 
Darstellung  erschließt  und  näherbringt.  Von  früheren,  ja  ich  möchte 
sagen:  fremden  Menschen  erzählt  uns  das  Epos:   wie  die  äußere 
Form  die  Vergangenheit  festhält,  so  stören  uns  weder  die  mytho« 
logischsn  Fabeleien  noch  die  geographischen  und  naturwissenschaft- 
lichen Unkenntnisse  unserer  Ahnen.  In  allen  diesen  Hinsichten  sind 
wir  weitaus  empfindlicher  und  kritischer,  wenn  wir  ein  Drama  Tor 
uns  haben.     Was  sich   im  Dunkel  der  Vorzeit  nicht  nur  stilyoll, 
sondern  sogar  ergreifend  und  bedentend  ausnahm,  erweist  sich  als 
klägliches  Scheinbild,  zerrt  man  es  in  das  klare  und  scharfe  Tages- 
licht der  Gegenwart.  Mögen  uns  auch  die  historischen  Namen  oder 
Angaben  des  Dichters  an  entschwundene  Jahre  und  vergangene 
Begebenheiten    gemahnen:    die    Zeit   des    Dramas    wird    trotzdem 
unsere  Zeit,  mitfflhiend  und  mitdenkend  stehen  wir  zwischen  den 
Handelnden.   Das  Epos  fdhrt  uns  in  entlegene,  fremde  Welten,  es 
entschädigt  uns  fflr  diese  Stoffwahl    durch  die  Erhabenheit  und 
Bedeutsamkeit  der  Ereignisse.  Der  Dramatiker  stellt  Menschen  dar, 
ähnlich    wie  wir   selbst  sind,  ihr  Schicksal   wird   wenigstens   im 
Wunsch   oder  künstlerischen  Traum   das  unsere.     Wir  schwärmen 
mit  Marquis  Posa  von  Gedankenfreiheit   und  Menschenbeglückung, 
wir  sehnen  uns,  zu  lieben  wie  Faust  oder  Egmont;  den  maßlosen 
Ehrgeiz  eines  Macbeth  freilich  hat  kaum  einer  von  uns  in  gleichem 
Maß  nachgekostet.    Die  vollkommene  Einfühlung  scheint  uns  eben 
das  stoffliche  Kennzeichen   der  lyrischen   Dichtung.     Wir  nennen 
Goethes  Dramen  lyrischer  als  die  Shakespeares,   aber  wir   stutzen 
dieses  Urteil  nicht  auf  Zahl  und  Umfang  der  eingelegten  Strophen 
und  Lieder,   sondern  weil  seine  Gestalten   ihrem  Schöpfer  genauer 
und  inniger  gleichen.    Ihre  Gefühle  sind  denen  des  Dichters  nahe 
verwandt,    um    so    zugänglicher    sind    sie    den    unselbständigen, 
fübrungsbedürftigen  Nachdichtern :  uns  Lesern.  Lyrik  aber  heißt  der 
nächste  und  unmittelbarste  Ausdruck  der  Gefühle  durch  die  Sprache. 
Wenn  es  sich  hier  also  immer  wieder  nur  um  unser  eigenes 
Ich  handelt,  so  darf  man  doch  nicht  meinen,  daß  jetzt  dieser  Stoff- 
kreis inhaltsleer  und  eng  begrenzt   sei  und  bald  erschöpft  werden 
müsse.  Denn  die  Allversöhnerin  Kunst  bringt  uns  das  Gemeinsame, 
das  insgeheim  jede  Menschenbrust  durchwebt,  zum  Bewußtsein.  Eine 
vollkommen  gesunde  und  natürliche ,  ja  notwendige  Eigenliebe  erhebt 
da  auch  das  Anspruchslose  und  Kleine,  auch  das  Vorübergehende 
und  Vergängliche  zu  einem   würdigen  und   dauernden  Gegenstand 
der  Dichtung.     In  der   Geschichte  der  Kunst   gilt  das   tröstliche 
Wort:  „Was  einmal  lebendig  war,  das  kann  nicht  sterben*".  Jane 
Gedichte,  in  denen  die  Sprachgewalt  einzelner  Seelenkündiger  Gehalt 
und  Gestalt  innig  zusammengepaßt  und  verbunden  hat,  die  bilden 
und  bleiben  ein  unverlierbares  Besitztum,  eine  dauernde  Bereicherung 
des  Menschengeschlechtes;  sie  sind  der  nie  versiegende  Jungbrunnen, 
in  dem  jeder  seine  Seele  reinigen  und  erneuern  kann,  der  sich  ihrem 
Zauber  willig  gefangen  gibt. 


966  Znm  Yertban  Fraincesfio  d'Ambra'f .  Von  Ä.  Gaflner. 

Damm  erregten  uns  auch  jeoe  Klagen  keine  Besorgnis,  die 
in  nnserm  praktieoben  Zeitalter  immer  wiederkehren  nad  unebmeo, 
die  Klagen,  daß  die  Sehnlnng  nnd  Übnng  des  Verstandes  fiber  6e- 
bfthr  nnd  aof  Koeten  der  Bildnng  dea  Gemfttes  gepflegt  werde,  die 
Gegenklagen,  daß  gnt  veranlagte  Köpfe  twar  za  finden  seien,  nmso 
seltener  aber  bildungsfähige  Herzen.  Die  Knnst  wurzelt  so  tief  in 
den  Omndbediirfhissen  unserer  Natur,  daß  sie  jedes  Zwanges  und 
jeder  ünterdrftekung  spottet  und  sich  immer  rein  und  unrersebrt 
aus  sieb  selbst  wiederherstellt.  Ohne  dafi  wir  es  aus  alten  Bdchem 
eder  Schriften  beweisen  konnten,  durften  wir  getrost  behaupten, 
daß  der  Ursprung  der  lyrischen  Dichtung  bis  in  die  Zeit  zurftck- 
reieht,  wo  sich  zuerst  die  menschliche  Sprache  entwickelte,  und 
ebenso  zuTsrsichtlieh  antworten  wir  auf  die  Frage,  ob  die  Lyrik  auch 
weiterhin  nicht  nur  dauern,  sondern  auch  sich  reicher,  herrlicher 
nnd  erquickender  entfalten  werde,   mit  den  Worten  des  Dichters: 

So  lang  der  Mond  noch  leuchtet, 
Ein  Hers  noch  sehnt  ond  fühlt, 
So  lang  der  Wald  noch  raaschet 
Und  einen  MQden  kflhit; 

So  lang  noch  Grftber  tranern 
Mit  den  Zypressen  dran, 
So  lang  ein  Acg'  noch  weinen, 
Ein  Hers  noch  brechen  kann; 

So  lange  wallt  aof  Erden 
Die  Gottin  Poesie 
Und  mit  ihr  wandelt  jubelnd. 
Wem  sie  die  Weihe  lieb. 

Und  singend  einst  und  jaachsend 
Dnreh*s  alte  Erdenbaus 
Zieht  als  der  letzte  Dichter 
Der  letzte  Mensen  hinaus. 

Triest.  Dr.  B.  Findeis. 


Zum  Versbau  Francesco  d^Ambra's. 

(Metrisches  nnd  Syntaktisches.} 

Der  NormaWers  des  italienischen  Dramas  im  weitesten  Sinne 
ist,  entsprechend  der  Vorliebe  jener  Sprache  ffir  paroxytone  Be- 
tonnng,  der  endeeasillaho  piano,  Erwähnung  verdient  daher  die 
Tatsache,  daß  der  Florentiner  Francesco  d'Amhra  in  seinen  beiden 
versifizierten  KomOdien  „/  Bcmardi**^  nnd  „La  Cofanaria**  fon 
diesem  Vers  fast  keinen  Gebrauch  macht  und  nach  dem  Vorbilde 
Ariostos  dafflr  nahezu  ausschließlich  versi  sdruccioli  scioUi,  in 
vereinzelten  F&Uen    sogar   versi  biadrucdoli  oder  piadrMruceioii 


Zum  Vertbaa  Fraoceceo  d' Ambra'«.  Von  A.  Gaflner.  967 

?erwendet^).  Da  sich  in  den  genannten  beiden  Lnstspielen  die 
Zahl  der  Verse  mit  gleitendem  zu  der  jener  mit  weibliebem  Ansgang 
nngeffthr  verbält  wie  30  :  1 ,  nimmt  d'Ambras  Sprache  einen 
ungemein  weichen,  melodischen  Klang  an.  Dieser  Vorgang  des 
Dichters  ist  selbstverstftndlich  ein  bewußter  und  beabsichtigter,  and 
unwillkürlich  dr&ngt  sich  die  Frage  auf,  in  welcher  Weise  er  sein 
Ziel  erreiche. 

Nnr  in  gant  wenigen  Fällen  greift  er  dadurch  zu  einem 
Gewaltmittel  9  daß  er  nach  der  betonten  sehnten  Silbe  noch  ein 
Wort  gebraucht,  das  weder  nach  seiner  Bedeutung  noch  nach  seiner 
Beziehung  für  tonlos  gelten  kann: 

Dio  me  ne 
Guardi!  Garxoiie^  eh?  m'aoconeeristi  pel  dl 
Belle  feste,  ti  so  dire,  B  II  6') 

I.  Sein  hAufigstes  Auskunftsmittel  ist  das  auch  der  Poetik 
anderer  Völker  bekannte  EnjambemefU  zwischen  begrifflich  zu- 
sammengehörigen Satzteilen. 

1.  Die  Bache  ist  sehr  einfach,  wenn  auch  vom  logischen 
Standpunkt  nicht  zu  billigen:  ein  meistens  proparozytones  Sub- 
stantiv, attributives  Adjektiv  oder  Numerale  beschließt  den  ersten 
nnd  das  zugehörige  Adjektiv,  Pronomen  oder  Substantiv  beginnt 
den  folgenden  Vers'). 

anima^nata  C  IV  4,  10;  Vanimo—ttto  B  I  1; 

tenera^C08a  6  II  2;  ottimo^consiglio  B  IV  6; 

dieci^anni  G  II  2;  undicir-dt  B  Y  1;   dodici^anni  B  III  10;   V  5, 

12;  C  I  8;  dodici—mAattrini  C  I  2;  quindiei—dl  C  I  2;  IV  18; 

quindici^giomi  B  X  2;  C  III  8;  gutndici—ore  G  I  2. 

Hierher  gehören  aneh  die  für  den  ersten  Augenblick  auf- 
f^ligen,  in  Wirklichkeit  aber  keineswegs  merkwürdigeren  52  Bei- 
spiele, in  welchen  der  als  florentinischer  Akademiker  gelehrte 
d' Ambra  ein  mit  mente  zusammengesetztes  Adverb  in  seine  Bestand- 
teile auflöst  nnd  das  Adjektiv,  um  dem  Verständnis  des  Lesers 
eine  Stütze  zu  bieten,  mit  dem  Trennungszeichen  ( — )  versieht: 

agevoU^mente  B  1,  C  2^)  ingeiiua — menie  C  1 

amQrevole~-meniß  B  2  libtra — menU  0  8 

eertissima—mente  B  5,  G  8  malagevol^mente  B  1 

contwua—tnetUe  B  6,  G  1  massima—mente  B  4,  G  2 


*)  Daß  Blüh  anter  leiDen  Versen,  falls  sie  genau  überliefert  sind, 
zuweilen  auch  katalektitehe  oder  hjperkatalektische  befinden,  ist  eine 
Sache  für  sieh  und  lei  nnr  nebenbei  oemerkt.  ~*  Lodovieo  Dolee,  Luigi 
Groto  und  teilweise  auch  Oiammaria  Gecehi  verwenden  in  ihren  KomOdien 
ebenfalls  diese  Veriart. 

*)  B  =  Bernardi,  G  =  Gofanaria.  Die  rOmisehe  Ziffer  bedeutet 
den  Akt,  die  arabische  die  Szene.  Eine  Ansfabe  der  Verse  ist  sns- 
gescfalossen,  da  wenigstens  meine  Anigabe  (Triest  1858)  eine  Zihlang 
derselben  nicht  dorchführt« 

')  Vgl.  hiersa  Meyer-Lübke,  Bomanisehe  Grammatik  III,  §§  729—780. 

^)  In  diesem  Verzeichnis  bedeuten  die  arabischen  Ziffern  die  Zahl 
der  in  der  betreffenden  Komödie  gez&blten  Beispiele. 


968  Zorn  VerBban  Francesco  d'Ambra'8.  Von  A.  Chifiner. 

difficUe—mente  B  1  piacevoU—mente  C  1 

facüe-^mefUe  B  4,  C  1  povera — mente  B  1 

graviasima^mente  B  1  pubhlica— mente  C  1 

ragionevole^mente  B  1 
aecondaria^mente  B  1 
aemplice— mente  C  1 
simile — mente  B  4,  C  1 
strettissima— mente  C  1 
ultima — mente  B  1,  C  1. 

2.  Ferner  treffen  wir  das  Enjambement  zwischen  Subjekt 
nnd  Yerb: 

dubiti'-tu  di  me?  B  II  6; 

or  va,  eh'aiutid—Iddio  B  V  7, 

sowie   zwischen  Verb   nnd  Objektsakknsati?,   wo  es   im  Falle   der 
Inyersion  leichter  verstftndlicb  wird: 

a)  e  voi  il  aimüe — fate  per  lui  B  I  2; 

o^i  grcusia-^erderä  B  I  2; 
h)  8%  puo  credere — cotesto  B  I  1; 

cJie  uomo  e  queUo,  che  disseti^) — questo?  B  I  4; 

per  fartene — onore  B  I  1; 

guantunque  i  8%  nomini — Bernardo  B  I  2. 

3.  Sodann  gestattet  sich  d^ Ambra  die  Trennung  von  Kopula 
nnd  Pr&dikatsnomen : 

e  questa  e— 2a  sua  lettera  0  7  2. 

4.  Des  weiteren  ist  das  Enjambement  zu  erwähnen  zwischen 
Adyerb  nnd  Verb,  die  zusammen  einen  einzigen  Begriff  bilden: 

andiamole — incantro  B  III  4; 

prima  mandisi — via  il  ganaitMl  B  II  6. 

5.  Unendlich  zablreidi  sind  endlich  die  FAHe,  in  denen  ein 
einem  Verbnm  finitnm  angereihter  Infinitir.  dnrch  die  Verspaosa 
von  demselben  getrennt  ist.  Da  sind  verschiedene  Möglichkeiten 
gegeben.  Ist  das  Verbnm  flnitnm  ein  Verbnm  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmung, so  vertritt  der  Infinitiv  einen  Objektssatz,  also  ein  eigenes 
Satzgebilde  nnd  daher  ist  gegen  die  Trennnag  vom  logischen  Stand- 
punkte kein  Einwand  zu  erheben: 

che  . ..  dehhi  tu  dir  da  te stessOy  sentendoti—portar  agli  Otto?  C IV  11; 
altri  vedemi — uacir  di  casa  B  IV  10. 

Daß  in  dem  ersten  Beispiele  trotz  der  Trennung  das  Gefühl 
der  Zusammengehörigkeit  beim  Dichter  recht  lebhaft  war,  beweist 
der  Umstand,  daß  er  das  Objektspronomen,  das  begrifflich  zum 
Infinitiv  gehört,  mit  dem  Gerundio  verbindet'). 

Weniger  zum  Bewußtsein  kommen  kann  die  Funktion  des 
Infinitivs  als  verkürzten  Nebensatzes  freilich  dann,  wenn  sich  das 
Subjektspronomen  ihm  anschließt: 


')  In  diesem  und  manchem  der  folgenden  FftUe  kommt  dem  Dickter 
die  Möglichkeit,  das  tonlose  Personalpronomen  enklitisch  verwenden  in 
können,  eehr  su  statten. 

*)  Vgl.  Meyer-Lflbke,  Roman.  Gr.  III,  §  738. 


Zun  Yersbaa  Francesco  d'Ambra'a.  Von  A.  Gafiner.  969 

vedestüo^affogar  tu?  B  IV  9. 

Ein  anderes  Verhältnis  freilich  erwarten  wir  bei  den  Modal- 
verben dovere,  pdere,  sapere,  soUre  nnd  wslere,  denen  wir  wohl 
anch  fare  und  laseiare  znz&hlen  ddrfen.  Da  wir  gewöhnt  sind, 
die  Formen  dieser  Yerba  nnd  den  folgenden  Infinitif  als  eine 
einzige  Worteinbeit,  das  Modale  also  nur  als  einen  vortonigen 
Bestandteil  der  ganzen  Form  zn  betrachten  —  und  die  zahlreichen 
Kurzformen  der  Modalia  bestätigen  unsere  Ansicht  —  möchten  wir 
erwarten,  daß  die  Trennung  wenigstens  dann  unterbleibe,  wenn 
die  beiden  Wortteile  unmittelbar  angereiht  oder  bloß  durch  ein 
Affisso  getrennt  sind.  Francesco  d'Ambra  bietet  jedoch  auch  für 
diesen  Fall  eine  große  Zahl  von  Beispielen: 

che  deggio—dir  di  questa  faccetida?  H  III  8; 

ü  che. .  .gli  w>niin%. .  .«ot»  poasono — fare  C  IV  7; 

soglioHO — servirai  del  magnano  G  IV  12; 

co8tor  vogliwio — ingantuinni  C  V  4; 

vo'  che  gnene  facciano—tor  per  forza  C  V  2  oder 

80  appunto  dove  dehhomi—gittar  C  III  7; 

noti  possovi—cmUraddir  C  III  8; 

ne  altro  sottene^dire  C  I  2; 

ami  vo*  me  ne—servire  C  II  2; 

fatemi — render  le  cose  mie  C  V  6; 

lascialo—vetiir  B  III  9. 

Leichter  verständlich  wird  ein  solches  Enjambement ,  wenn 
das  Modale  in  einer  umschriebenen  Zeitform  gebraucht  ist  oder, 
im  Gkrundio  stehend,  einen  ganzen  Nebensatz  vertritti  also  selbst 
eines  gewissen  Nachdruckes  teilhaftig  ist: 

come  ho  saputoli — ritrovar  B  V  2; 

la  vülania  che  egli  ha  volutomi^fare  GVS; 

dovefidosi — far  questa  sperietiza  G  II  1; 

potetidotu — aiutar  in  tcU  caso  B  V  5; 

ed  ei,  volefidoci—servire,  diese  ...  G  III  6. 

Noch  leichter  yerständlich  aber  wird  die  Trennung,  wenn 
zwischen  Modale  und  Infinitiv  eine  Umstandsbestimmung,  ein  Ad- 
verb, ein  Objekt  oder  das  Subjektspronomen  eingeschoben  wird, 
das  Gefüge  also  bereits  ein  sehr  loclieres  geworden  ist: 

laaciatemi — con  mia  sorella  tr  via  B  IV  9; 

oh  non  possoti — giä  consolar  B  V  7; 

ma  potrebbesi^ancora  a  tutto  rimediar  B  IV  11; 

puoasene—Ella  ricordare?  B  I  1. 

Keinerlei  schweren  Bedenken  endlich  kann  das  Enjambement 
begegnen,  wenn  das  Modale  dem  Infinitiv  nachgestellt,  das  GefOhl 
für  die  innige  Verschmelzung  der  beiden  Formen  also  gänzlich 
erloschen  ist: 

cht  portar  me  H—davea,  non  si  ritrova  G  IV  6; 
basta,  che  venirvelo — fard  in  Firenze  G  III  3; 
dunque  essere—tum  pud  giä  aui  B  IV  9; 
«*  80  die  iecrivere — eapete  B  I  2; 
appunto  dirvelo-^voUvo  G  I  3. 


970  Zum  Yenbaa  Francesco  d'Ambra'i.  Von  A,  Oaßt^er. 

6.  Gleichwie  das  Modale  mit  dem  InftnitiT  bildet  ein  Aoxiliare 
mit  dem  folgendeo  Partizip  eine,  wie  wir  Termnten«  untrennbare 
Wortelnheit,  aber  auch  in  diesem  Falle  gestattet  sich  d* Ambra 
hAnflg  das  Enjambement: 

[la  doU]  V  h — rimessa  appunio  in  cht  8*avea  a  rimeiiere  CVS; 
8€  s%  hd^hevtUo  troppo  JB  V  2. 

Weniger  oder  vielleicht  gar  nicht  fdhlbar  ist  die  Znsamraen- 
gehörigkeit  dann,  wenn  das  Anxiliare  ein  sobstantivierter  and  mit 
dem  Artikel  versehener  Infinitiv  ist,  in  welchem  Falle  das  Partizip 
mit  der  daza  gehörigen  Ortsbestimmang  als  attribntive  Beifftgong 
zum  Substantiv  aufgefaßt  werden  kann: 

Veaaere — measo  in  prigione  e  mala  eosa  C  II  8. 

Im  Gegensatz  zum  heutigen  Sprachgebrauch,  der  in  den  um- 
schriebenen Zeiten  dem  Affisso  den  Platz  vor  dem  Auxiliare  anweist 
(Pho  veduto)  und  nur  beim  Infinitiv  und  Gerundio  eine  Ausnahme 
macht  (aenza  averlo  veduto;  avendoh  veduto)  h&ngt  unser  Dichter 
nach  Alteren  Vorbildern  das  Objektspronomen,  bezw.  das  Pronomial- 
adverb  dem  Auxiliare  recht  h&ofig  enklitisch  an,  und  zwar  nicht 
nur  in  dem  Falle,  wenn  das  Hilfsverbum  das  erste  Wort  des  Hanpt- 
oder  Nebensatzes  ist,  sondern  auch  dann,  wenn  es  im  Satzinnem 
steht,  wo  in  der  alten  Sprache  die  Proklise  wohl  nicht  unbedingt 
gefordert,  aber  doch  beforzugt  wurde  ^): 

a)  Sonmelo—scordato  B  III  8; 
Hottelo—saputo  dir  B  IV  11; 

b)  e  8ol  qui  sommefie-^vetiuto  C  IV  3; 
iutto  erami^ascosto  B  lil  1; 

86  not»  erami-~chiarita  la  faccenda  C  V  10; 

orsü  abbiamoti—inteso  B  III  9; 

che  la  8tM  Spiuctta  abbiamogli — data  per  moglie  B  V  14; 

ansi  hannolo—portato  agli  Otto  C  IV  12; 

h  che  ma'  penai  cKuom  alcuno  abbiali^potuti  avere  B IV  10; 

come  se.  •  ,non  aveaeimi—parktto  e  detto  ehe  ...  B  IV  9; 

coel  aveaaile-'avute  d*altra  eortel  B  I  4. 


Weniger  deutlich  tritt  die  Komposition  natfirlich  hervor, 
das  Auxiliare  von  seinem  Partizip  durch  ein  Adverb,  ein  Substantiv 
oder  ein  Subjektspronomen  getrennt  ist  oder  wenn  eine  doppelte 
Umschreibung  vorliegt: 

guarda  ae  Vavevano—bene  ordinata!  GVS; 

non  ha  Vuecio^aperto  B  V  3; 

W  mi  tu^portato?  C  IV  8; 

diremo  d^eaaere—etati  iuvolati  B  IV  3. 


')  Vgl  hierzu :  Mossafla,  üna  particolaritä  aintattiea  deüa  liima 
italiana  dei  primi  aecoli  (Miaceüanea  di  filologia  e  linguietieOf  S.  255 1): 
Mever-LQbke,  Born.  Gramm.  III,  §§  715—6;  id.,  Zur  Stellung  der  tosloMB 
Objektsprooomina  (Zeitschr.  f.  rem.  Pbil.  XXI  818  ff.) ;  ferner:  Geßaer, 
Das  spanische  PersoDalpronomeD  (Zeitschr.  f.  rOm.  Phil.  XVII  1  ff.1  ud 
Staaf,  Contributiofh  ä  la  ayntaxe  du  prattom  peraonnel  dana  le  Poime 
du  Cid  {Mäangea  Chabaneau,  8.  621  ff.). 


Zum  YerBban  Francesco  d'Arobra's.  Von  Ä,  Gaßner.  971 

Da  die  Wortstollniig  in  der  &ltoren  Sprache  flberhaapt  ?iel 
freier  war  ala  heatzataget  bieten  die  Schriftwerke  jener  Zeit  nnd 
noch  die  Komödien  d' Ambras  zahlreiche  Beispiele  für  die  Nach- 
setzang  des  Verbams.  Auch  in  diesem  Falle  gestattet  sich  unser 
Dichter  häofig  die  Trennung,  wobei  der  Umstand  bemerkenswert 
ist«  daß  dem  Partizip  ausnahmslos  ein  enklitisches  Personalpronomen 
oder  Pronominaladverb  nachgestellt  ist: 

alla  qtuU . . .  irovatomi—aano  B  III  1 ; 

vetiutoci—sono  da  Eotna  B  III  9; 

quel  che  oceorso  mt— «  C  V  9; 

detto  ti—ho  C  I  S; 

dacci  quel  che  protnesso  ne—hai  B  IV  7  *). 

Daß  ein  eingeschobenes  Wort,  sei  es  ein  Modale  oder  die 
Verneinungspartikel,  oder  die  doppelte  Umschreibung  die  Trennung 
nur  noch  zu  erleichtem  vermag,  ist  klar: 

che  rubati  gli^debhi  aver  C  V  6; 

benche  dettomi — non  ha  con  cht  ai  atia  B  III  1; 

i  miei  danar .,,  tolti  (/li^sono  atati  B  II  6. 

II.  Ein  zweiter  bequemer  Weg,  verai  adruecioli  zu  bilden, 
ist  der,  sonst  proklitische  oder  solche  Wörter,  die  wenigstens  unter 
gewissen  Bedingungen  enklitisch  gebraucht  werden  können,  allgemein 
enklitisch  zu  verwenden. 

1.  In  erster  Reihe  kommen  da  die  tonlosen  Personalpronomina 
und  Pronominaladverbien  in  Betracht.  Da  es  dem  Dichter  geläufig 
war,  zu  sagen:  laaciatemi  andare;  non  daveUe  laaciarti  il  vero 
intendare;  aentitolo  avea;  potavatemi  dir  cid  che  voUvate;  vedetni; 
hoUalo  aaputo  dir,  lag  es  nahe,  diese  Pronomina  infolge  von  Analogie 
überhaupt  enklitisch  zu  gebrauchen  und  auch  Wörtern  ziacbiusetzeti, 
zu  denen  sie  inhaltlich  in  gar  keiner  BeziebuDg  itebea.  Den  Ans- 
gangspunkt  mögen  Fälle  gebildet  haben  wie: 

che  incontro  mi — viene  B  V  3  oder 
Chi  te  ne-pare?  C  IV  2. 

Im  ersten  Belativsatze  ist  incontro  Adverbg  welches  formell  aller- 
dings ebenso  zu  viene  gehört  wie  das  Affisso :  Venir  incontro^  das 
unserem  Deutschen  entgegenkommen  t  Oll  ig  entapricbt»  kann 
logisch  ebenso  gut  aufgelöst  werden,  freilich  umü  dann  die  Prä- 
position an  die  Stelle  des  Adverbs  treten.  Da  aber  Präposition 
und  Adverb  in  ihren  Hauptbestandteilen  IdeDtiscb  ninär  IMt  eich 
ganz  gut  denken,  daß  die  Konstruktion  der  mum  auf  da»  andere 
übertragen  und  nur  das  tonlose  statt  des  beton teo  Pionämons  ein- 
geführt werde').  Im  zweiten  Fragesatze  gebort  wetügetens  n# 
sinngemäß  zum  Interrogativum,  te  allerdings  iiam  Vürbum.  Mit  dem 


')  In  diesem  Satze  mochte  dem  Dichter   ?ie]Jei€bt  der 
vortchwebeo:  „Oib  udb,  was  du  noch  (in  deioeo  bänden)  bi 
du  es  uns  versprachst **. 

«)  Vgl.  hierzu  Mejer-Lfibke,  Rom.  Gr.  lli,  §  n& 


1 


m 


972  Zum  YersbRo  Francesco  d'Ambra'a.  Von  Ä.  Gaßner. 

gleichen  Rechte  aber  wie  die  Sprache  im  allgemeinen  beide  ans 
Yerbnm  knflpft,  vermochte  oneer  Dichter  einmal  beide  dem  anderen 
Elemente  anzugliedern. 

Francesco  d' Ambra  nimmt  sich   also  die  Freiheit»   Personal- 
pronomina enklitisch  anznhAngen  an: 

a)  Substantiva: 

Dio  me  ne—guardi  B  II  6,  V  7,  11; 

in  questo  mezzo  mi — poträ  qualche  disegno  etitrar  nelV  animo  C  I  2; 

la  scioecherella  gli-^prestava  fede  C  V  1; 

b)  Adjektiva: 

qualcJie  nuova  [sc.  disgraeia]  gli—e  data  C  Y  8^); 

c)  Fron,  indef.: 

a  tutto  si—e  pensato  C  II  2'); 

d)  Fron,  intern: 

ehe  U  ne-'pare?  C  lY  2; 

e)  Fron,  demonstr.  (4-  relat.): 

desidero^saper da te quel che ne  sai,  e  quel che  ti—muove  a  qiiesto  B II ; 

f)  Snbjektspronomina: 

<'  io  vi-'poaao  esaer e  favorevole  B  III  6; 

tu  te  lo — sai  molto  betie!  G  III  6; 

fWH  mente  se  egli  ti — conferisce  i  segreti  B  I  2; 

ch'  ella  ne—e  stata  per  morir  C  lY  4*); 

not  te  lo—facdam  saper e  C  IV  11; 

io  so  che  vo*  me  la—avete  fatta  uetta  B  lY  11^); 

g)  Yerba  eines  anderen  Satzes: 

credo  [che]  mi—äbbia  sdimenticato  C  lY  6  *) ; 

io  mi  maraviglio. .  .che,  se  d'un  non  ti  fidi,  gli—dia  faccenda  tale  B  I  1; 

h)  Adverbia: 

credo  che  appena  le—sentirebbe  C  III  3; 

che  incontro  mi—viene  B  Y  8; 

infine  la — vo*  dimandar  di  questo  caso  B  Y  11; 

quando  manco  le—aspetta  C  Y  8*); 

oiide  gli — hai  tu  avuti?  C  V  4*); 

e  tu  Chi  se%  che  tanto  ti—sforzi  saper...  B  III  9; 

troppo  mi — hai  infastidita  C  lY  15'); 

i)  Konjunktionen: 

MOf»  son  moW  anni,  che  ce  ne—era  un  ch'avea  cotesto  nome  C  in  2*); 

ma  no7i  come  ti—dissi  C  II  2; 

e  gnene-^appicavo  da  vero  C  II  3^); 

se  gnene — avessi  dati  C  lY  13*); 


')  Ein  Kritiker,  der  die  Möglichkeit  der  Synisese  switchen  deni 
Auslaut  eines  Torhergebenden  und  dem  Anlaot  des  folgenden  Yertes 
sagibt»  wird  dieses  Beispiel  natürlich  beanstanden.  Ich  führe  daher  soick« 
nicht  föUig  sichere  Beispiele  nur  in  dem  Falle  an,  wenn  mir  beweis- 
kräftigere  nicht  sa  Gebote  stehen. 


Zorn  Yersban  Fraoceico  d'Ambra's.  Von  A,  Oafiner.  973 

k)  die  Negation: 

fum  me  ne—dolgo  C  I  8. 

2.  Mit  dem  tonlosen  Personalpronomen  ist  der  bestimmte 
Artikel  formell  zusammenzustellen.  Es  geht  aus  der  Natur  der 
Sache  hervor,  daß  er  sinngem&ß  nur  mit  seinem  Substantiv,  und 
zwar  proklitiscb,  verbunden  werden  kann.  Da  wir  jedoch  in  der 
Einzahl  ü  und  lo^  bezw.  (vor  Vokalen)  V  nebeneinander  haben, 
sein  wesentlicher  Bestandteil  also  der  Konsonant  ist,  ist  es  be- 
greiflich, daß  zu  dem  vorvokalischen  proklitiscben  V  auch  ein 
nach  vokalisches  *l  gebildet  und  als  enklitisch  aufgefaßt,  daß  einem: 
non  9%  dee  disperar  Vuamo  auch  ein  perchd  H  maaehio  . . .  ebbe 
bando  an  die  Seite  gestellt  und  'l  als  von  tnaschio  losgelöst  und 
zu  perchh  gehörig  betrachtet  wurde,  so  daß  die  Trennung: 

perchk  H-^maschio  ebbe  bando  B  III  6 
ermöglicht  wurde.  Vom  Maskulinum  konnte  dieser  Vorgang  sodann 
auf  das  Femininum,  vom  Singular  auf  den  Plural  übertragen  werden. 
Gefördert  wurde  diese  Angleichung  in  Fällen,  wo  der  Artikel  mit 
dem  vorhergehenden  Worte  in  innigen  Beziehungen  steht.  Man  ist 
z.  B.  daran  gewöhnt,  tuUo  in  der  großen  Mehrzahl  aller  Fälle 
mit  nachgestelltem  Artikel  zu  begegnen  und  leicht  ist  da  der  aller- 
dings fehlerhafte  Schluß  gezogen,  der  Artikel  gehöre  zu  ttUto,  daher: 

non  81  dee  disperar  Vw)mo  in  tutte  le — awersitä  C  V  8. 
Dann  mag  der  Artikel  vorerst  in  Enklise  zu  Wörtern  getreten   sein, 
die  zum  folgenden  Substantiv   in   irgend  einer  Beziehung  stehen : 

anche  glistivali  aotio  U  miei  C  V  4. 

Dies    ist    auch    der   Fall  zwischen    Verb   und   Objekt  oder  nach- 
gestelltem Subjekt: 

f  ho  serrato  la—Lucrezia  in  una  camer a  B  III  5; 
eome  andd  la — cosa  C  V  6. 

3.  Erwähnung  verdient  femer  die  enklitische  Verwendung  von 
Präpositionen  als  Partikeln,  die  einzelne  Begriffe  miteinander  ver- 
knüpfen und  eigentlich  zum  zweiten  Teil  gehören: 

questa  fia  simil  a — qiieüa  di  Fazio  B  V  8; 
e  ehe  voi  poi  con — essa  . . .  andiatene  BIS; 
che  potessi  di^casa  sua  entrar  C  I  2; 
la  fanduUa  che  avete  in—casa  C  V  8. 

Ebenso  in  Verbindung  mit  dem  Artikel: 

andar  entrando  neU'^altrui  case  B  V  S 

oder  zwischen  zwei  Verben : 

vo'  cK  impari  a — airaziar  una  mia  püri  G  IV  14  j 
co^i  penso  di — fare  B  II  6. 

4.  Von  Bedeteilen,  welche  eigene  Sätze  eiolelteD,  sind  in 
erster  Reihe  die  Pron.  relat.  und  interrog.  zu  nenneD.  Versüodlicb 
iat  der  enklitische  Gebrauch  und  die  dadurch  ermöglichte  TreiitifiiE 


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1 


974  Zum  Venban  Franceeco  d'Ambra'i.  Von  A.  Qmßuer. 

kl  Aasdrficken  wie  cid  che  oder  qtuUo  ehe,  deren  Elemente  in  Tat 
nnd  Wahrheit  freilich  Bestandteile  verechiedener  8&tze  sind,  aber 
trotzdem  fast  als  Worteinheit  gefdhlt  werden: 

ho  inteso  qtUUo  ehe — io  volevo  C  III  5. 
Von  zahlreichen   derartigen  Beispielen   ans  erfolgte  dann  die  Yer- 
allgemeinemng: 

%  dtmar  ehe — s'  hanno  a  spendere  B  IV  I. 
Ähnlieh  verh&lt  es  sich  mit  dem  neutralen  Fragepronomen 
ehe.  Das  che  eosa  des  indirekten  Fragesatzes  wird  in  volkstflmlieher 
Bede  oft,  ja  mit  Vorliebe  dnrcb  quelh  che  oder  cid  ehe  ersetzt  nnd 
?om  logischen  Standpunkte  ans  ist  gegen  die  Ansdmcksweise  mi 
dotnandd  qttello  ehe  voleva  ebenso  wenig  ein  Einwand  zn  erkeben 
wie  gegen  das  von  der  Schriftsprache  gebotene  mi  damandd  ehe 
eosa  voleva  oder  voleesi.  Wird  nun  das  echte  relative  che  als  zn 
quello  oder  dö  gehOrig  betrachtet  nnd  daher  vom  folgenden  Verbnm 
losgelöst,  80  ist  zn  erwarten,  daß  dies  auch  bei  jenem  quello  ehe 
eintreten  werde,  welches  nur  die  Stelle  von  che  coea  vertritt  und 
dann  ist,  hier  wie  dort,  zur  Verallgemeinerung  des  Vorganges  nur 
mehr  ein  kleiner  Schritt  zu  machen: 

Ma,  oh  VuBcio  k  inehiamsUUato !  che 
Vorrä  dir  queeto?  B  IV  5. 

5.  Von  Eonjnnktionen  kommen  bei  d* Ambra  nur  o,  ehe  und 
ee  in  Betracht.  Von  ihnen  nimmt  o  eine  besondere  Stellung  ein, 
da  adversative  Konjunktionen  überhaupt  eine  entschiedene  Neigung 
zur  Enklise  haben,  die  sich  freilich  in  der  Begel  in  anderer  Weise 
äußert^): 
ella  e  la  maggior  [eosa]  eh*  io  vedesei  o—sefiiissi  mai  piu  C  IV  7. 

Bei  den  übrigen  mag  die  Trennung  vom  zugehörigen  Satz 
oder  Satzteil  vorerst  in  F&llen  vorgenommen  worden  sein,  wo  die 
Konjunktion  sich  enklitisch  an  Wörter  anschließt,  in  Gemeinschaft 
mit  welchen  eie  Ausdrücke  wie  in  ea$o  ehe,  eon  paUo  che,  prima 
ehe,  tanio  cA«  bildet,  welche  ich  —  nach  dem  Muster  der  PrApo- 
sitionalien  —  Konjunktionalien  nennen  möchte: 

in  caso  che—e^  la  pigliasse  per  aposa  B  I  2; 
C07i  patto  ehC'-mi  liberiate  6  V  13; 
prima  che-^e*  ei  metteva  in  atto  CHI; 
feci  tanto  ehe-^me  Vi^bUgai  C  II  1. 

Nach  dem  Vorbilde  solcher  und  ühnlichar  Beispiele  mag  dann  die 
Verallgemeinerung  eingetreten  sein: 

bieogna  che—io  aia  B  III  8; 

io  credeva  clie-^in  CicUia  tomasee  B  I  1 ; 

di  che  domandi?  che — ^  ancora  »n  faneiul?  B  I  1; 

se  non  fosse  che-^venner  certi  mereanii  B  III  6; 

»'  pefiso  che^piü  non  la  raffiguri  B  III  3;  ebenso 

intendi  se-^egli  in  ^  C  IV  7. 


')  V^.  hienu  Meyer-Lflbke,  Bom.  Gramm.  III,  §  726. 


Zam  Venbaa  Fraaeeico  d'Ambrft'i.  Von  Ä,  Gaßner,  975 

Anff&iliger  ist  die  Treooang  freilich  dann,  wenn  die  Eon- 
joaktion  durch  einen  eingeschobenen  Nebensatz  von  ihrem  Beuehnngs- 
worie  getrennt  ist  oder  eines  solchen  —  wie  im  hypothetischen 
Satsgefäge  -^  überhaupt  entbehrt: 

ma  fum  vo'  ffiä,  tpMndo  hen  8%  eontenii,  che—ü  parentado  «t  $cuopra  B II ; 
ed  anche  guesto  <wrei  trovato,  ae — io  aveaai  %  denari  C  I  2. 

ni.  Endlich  finden  wir  noch  Wörter  getrennt,  die  wir  in 
der  Begel  oder  wenigstens  recht  h&nfig  auch  in  der  Schrift  als 
Worteinheit  darzustellen  pflegen. 

1.  Die  grOßte  Zahl  der  übrigens  seltenen  Beispiele  ümfaAt 
Affissi  oder  Pronominaladverbien.  Den  Gesetzen  der  Logik  völlig 
entsprechend  ist  die  Trennung  in  dem  Befehle: 

levatevi—d  dincmMii  B  III  8, 
wo  wir  nur  das  in  meiner  Ausgabe   enthaltene  Trennungszeichen 
zu  beanst&nden  haben.   Enklise  des  Pronomens  an  das  zugehörige 
Verb  zeigen  ferner  die  Beispiele: 

contentandote—ne  nondimen  CVS; 
Ucekertatite — ne  U  düa  G  IV  5; 
gli  e  forsa  eh*  aweduta  8e — ne  sia  G  IV  15  und 
tu  giä  dettotie — n'  hat  una  B  V  II. 

unlogisch  ist  es  dagegen,  zu  sagen: 
faUme—gli  render  C  V  6f 
da  hier  beide  Pronomina  vom  Infinitiv  abb&ngen. 

2.  Auch  zusammengesetzte  Partikeln  werden  zuweilen  in  ihre 
Bestandteile  zerlegt: 

e  vo*  ehe  mettavi  in—sino  a  eaval  BIS; 

Ckrdwan  sarei  io,  ed  «n  QiovaiHni  dad-^dovero,  $e...  G  IV  S. 

Auff&llig  ist  eine  Auflösung  von  Präposition  und  Artikel,  soferne 
dadurch  die  beiden  Bestandteile  nicht  ihre  ursprflngliche  Gestalt 
wieder  erlangen,  wenn  wir  also  für  in — la  :  nel — la  erhalten : 

ch*  io  non  metta  nel—la  ccusa  i  danar  B  V  2. 

3.  Die  Zerlegung  eines  aus  Titelwort  und  Namen  bestehenden, 
daher  zusammengesetzten  Eigennamens  kommt  auch  gelegentlich  vor : 

(messer)  Domened^dio  B  V  11,  C  IV  5,  V  8. 

4.  Als  gewaltsam  endlich  ist  die  Zerreißung  einer  Verbalform 
zu  bezeichnen,  die  nicht  einmal  Stamm  und  Endung,  sondern  nur 
die'  Sprechsilben  berücksichtigt: 

mi  di$8e  pur  com*  a — vea  fätto  Vopera  B  IV  1. 


Welche  Veranlassung  mochte  nun  wohl  der  Dichter  gehabt 
haben,  von  Enjambement  und  Enklise  einen  so  ausgiebigen  und 
aller  Metrik  widersprechenden  Gebrauch  zu  machen?  Das  Bestreben, 
iD  dem  gerade  im  Seicento  so  mächtigen  Widerstreit  der  Meinungen 


976  Noch  einmal  tu  d.  VerbiDdnng  *patria  et  parefite8\  Von  A.  Komüzer, 

über  die  Frage,  ob  in  der  Komödie  der  feierliche  Vers  oder  die 
familiftre  Prosa  vorzuziehen  sei,  dadurch  die  goldene  Mittelstraße 
einzuschlagen,  daß  er  seine  Verse  möglichst  prosaähnlich  gestalte 
nnd  damit  die  Verfechter  beider  Ansichten  möglichst  befriedige^). 

Innsbruck.  Armin  Gaßner. 


Noch  einmal  zu  derYevhindirxng  ^patria  et parentes. 

Nur  ungern  komme  ich  hier  wieder  auf  die  Erörterung  des 
Sinnes  dieser  aliitterierenden  Wortverbindung  zurück,  die  ich  in 
diesen  Bl&ttern  (Jahrg.  1904,  S.  385 — 892),  wie  den  Lesern  dieser 
Zeitschrift  bekannt  ist,  eingebend  und,  wie  ich  glaube,  erschöpfend 
bebandelt  habe.  Schon  damals  mußte  ich  dem  leicht  müglicheD 
Einwand,  daß  ich  offene  Türen  einrenne,  mit  dem  Hinweis  darauf 
begegnen,  daß  bezüglich  der  Auffassung  des  Wortes  parentes  in 
jener  Verbindung  keineswegs  die  erwartete  Einstimmigkeit  herrsche, 
sondern  in  vielverbreiteten  lexikalischen  Werken  fast  durchaus  und 
auch  in  erklärenden  Ausgaben  immer  noch  die  Behauptung  auf- 
gestellt werde,  es  könne  parentes  in  der  Verbindung  patria  et 
parentes  auch  die  Bedeutung  ^Untertanen*  haben.  Ich  habe  noo 
a.  0.  den  Nachweis  erbracht,  daß  die  Phrase  patria  et  parentes, 
soweit  sie  sich  bei  lateinischen  Autoren  verfolgen  lasse,  stets  das 
dem  menschlichen  und  insbesondere  römischen  Empfinden 
Teuerste  bezeichne  und  den  Sinn  habe  ^Vaterland  und  Eltern*, 
daß  aber  die  Bedeutung  ^Untertanen'  für  parentes  in  jener  Ver- 
bindung ausgeschlossen  sei. 

Es  ist  mir  nun  überaus  befremdlich,  daß  es  auch  in  der 
letzten  von  Schmalz  besorgten  Neuauflage  des  Antibarbanu  S.  618, 
s.  V.  subdUus  nach  wie  vor  heißt:  ^Nach  Sallust  und  Velleius 
(8.  lag.  S,  2  und  102,  7;  Vell.  2,  108,  2)  heißen  Unter- 
tanen i^aren/«^'.  Hier  wird  nun  von  Schmalz  Un zusammengehöriges 
durcheinander  geworfen.  Denn  an  den  beiden  Stellen  (SalL  Ing. 
102,  7  parentes  aöunde  kabemus  und  VelL  2,  108  ex  votuntaU 
parentium),  wo  eben  parentes  allein  begegnet,  bedarf  es  betrefEs 
der  Bedeutung  des  Wortes  keines  Beweises  und  es  hat  nie  ein 
Zweifel  darüber  geherrscht,  daß  dort  parentes  ^Untertanen*  bedeute. 
Es  gibt  auch  noch  einige  andere  Stellen  dieser  Art,  vgl.  meines 
Aufsatz  S.  887  f.  Wesentlich  anders  aber  steht  es  mit  der  Stelle 
Sali.  lug.  8,  2  vi  regere  patriam  aut  parentes. .  .inporiumm 
est,  die  den  Ausgangspunkt  meiner  Ausführungen  bildete.  Bi« 
kann,  wie  ich  gezeigt  habe,  parentes  unter  keinen  Umst&nden  tineo 
anderen  Sinn  haben  als  'die  Eltern'. 

Wien.  Alois  Kornitzer. 


1)  Vgl.  hierza  Gasparj,  Geschichte  der  Italienieehes 
11.  Band,  S.  602. 


Zweite  Abteilung. 

Literarische  Anzeigen. 


Ausgewählte  Inschriften,  griechiich  und  deutsch  heraasgegeben  fon 
Walther  Jan  eil.  Hit  einer  Titelviiniette  nnd  drei  Abbildangen.  Berlin, 
Weidmannsche  Buchhandlung  1906.  VIII  nnd  148  SS.  80.  Preis  4  Mk. 

Janell  hat  als  Schüler  Hans  Ton  Arnims  sich  mit  wertvollen 
Arbeiten  über  Piatons  Schriften  in  die  wissenschaftliche  Welt  ein- 
geführt; die  von  ihm  bearbeitete  Auswahl  griechischer  Inschriften 
verfolgt,  wie  er  selbst  erkl&rt,  keinen  wissenschaftlichen  Zweck.  So 
mancher  begeisterte  Jünger  der  Altertamsforsohnng  sncht»  wenn 
er  frisch  Tom  Stndinm  weg  ins  Lehramt  eintritt,  wie  seine  archfto- 
logischen  so  gelegentlich  auch  seine  epigraphischen  Kenntnisse  znr 
Belebung  des  Unterrichtes  zn  verwerten,  liest  wohl  auch  mit  seinen 
Schülern  die  eine  oder  andere  Inschrift;  das  macht  Eindruck  und 
weckt  Interesse.  Solch  dankenswerten  Bestrebungen  kam  Janell 
schon  mit  einem  Qymnasialprogramm  des  Jahres  1908  entgegen, 
in  dem  er  einige  griechische  Inschriften  mit  Übersetzung  und  Er- 
kl&rung  versah.  Jetzt  hat  er  ein  ganzes  Buch  dieser  Art  zusam- 
mengestellt. Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  Aussehen  und  Auf- 
stellungsplatz der  inschriftlichen  Denkm&ler,  ihre  Schrift  und 
Sprache  und  über  die  wichtigsten  Bammlungen  werden  zuerst  grie- 
chische Urkunden  des  öffentlichen  Lebens  der  vorrömischen  und  der 
römischen  Zeit,  dann  Urkunden  des  religiösen  Lebens  der  Griechen, 
darunter  Freilassungs-Urkunden  und  Grabschriften,  vorgelegt,  im 
ganzen  280  Texte.  Bechts  neben  dem  griechischen  Wortlaut  steht 
eine  deutsche  Übersetzung ;  die  zum  VerstAndnis  erforderlichen  Er- 
läuterungen sind  teils  in  einen  die  Nummern  verbindenden  Text 
Yorflochten,  teils  am  unteren  Seitenrande  eingefügt;  die  Literatur- 
Nachweisungen  nehmen  die  letzten  sieben  Seiten  ein. 

Idee  und  Anlage  des  Buches  sind  nur  zu  loben;  an  der  Aus- 
führung l&ßt  sich  dies  und  das  aussetzen.  Was  schon  in  der 
„Bevue  des  itudes  greeques"  1906,  380,  von  Haussoullier  in  der 
„Bevue  de  pilMlNMkil^^'  80  ft,  ^  Sepp  in  der  „Zeitschrift 


978         W.  Janell,  AnBgewftblte  Inschriften,  »ng.  ?.  E.  Kaiinka. 

fär  das  Gjmoasialwesen*'  1907,  62  f.,  von  Larfeld  io  der  „Berliner 
philologiBcben  Wochenschrift*'  1907,  1458  f.  Torgebraeht  wnrde, 
will  ich  nicht  wiederholen.  Yor  allem  empfehle  aber  aach  ich  die 
Übersetzungen  einer  gründlichen  Durchsicht,  die  mancherlei  Ver- 
hessernngen  und  namentlich  größere  Gleichmäßigkeit  ergeben  wird; 
bo  ist  0eoC  Nr.  19  nod  21  flbersetzt  „Das  walte  Gott'',  Nr.  20 
„In  Gottes  Namen",  lAyal^^  rvxjl  Nr.  109  „Das  walte  Gott", 
Nr.  27  „Zn  Heil  nnd  Segen",  ido^s  bald  nominal  als  Überschrift 
(Nr.  8  und  17:  „Beschluß  von  Bat  und  Volk"),  bald  ▼erbal. 
Leicht  ließe  sich  diQ  typographische  Anordnung  besonders  der  län- 
geren Inschriften  dort  yerbessern,  wo  jetzt  die  Schlußzeilen  der 
beiden  Spalten  häßlich  weit  von  einander  abstehen ;  dadurch  wfirde 
zugleich  die  räumliche  Beziehung  der  Übersetzung  zum  Original 
klarer  hervortreten.  Ein  Wiener  Schulmann,  Prof.  Dr.  M.  Binn, 
äußerte  den  Wunsch,  daß  wenigstens  einige  Inschriften,  an  denen 
der  Scharfsinn  der  Ergänzer  Triumphe  gefeiert  hat,  samt  ihren 
Klammem  abgedruckt  werden,  damit  die  Benutzer  ein  richtigeres 
Bild  von  der  Art  epigraphischer  Überlieferung  gewinnen.  Auch  die 
Abbildungen  wärden  sich  ohne  erhebliche  Steigerung  der  Kosten 
um  etliche  lehrreiche  Beispiele  vermehren  lassen.  Die  Überleitungen 
von  einer  Inschrift  zur  anderen ,  die  stellenweise  etwas  gewaltsam 
sind,  könnten  hie  und  da  ganz  wegfallen.  Die  sprachlichen  Be- 
merkungen sind  im  Hinblick  auf  den  Leserkreis  eines  solchen  Werkes 
einer  Erweiterung  bedfirftig,  die  sich  in  vielen  Fällen  auf  die  in 
Klammern  beigesetzte  Nennung  des  Dialektes  beschränken  könnte. 
Dies  gilt  besonders  fär  die  Stellen,  wo  der  des  Griechischen  minder 
Kundige  Druckfehler  vermuten  könnte ;  so  ist  S.  83**  (zn  ^sa^ 
äonla)  auf  S.  37*  (tBfOQodonia)  verwiesen;  zu  Nr.  1  öpLavolag 
würde  die  Bemerkung  „Psilose  nnd  Bhotazismus"  genägen;  wie 
S.  24  i^d(iov  mit  ix  2!d^ov  erklärt  ist,  so  wäre  ebendort  ein 
ähnlicher  Zusatz  neben  äy  nicht  flberflftssig;  die  Fassung  „ivi- 
tv6s  der  Bedeutung  nach  =  ivitfixe'*  (S.  94*)  ist  von  irrefüh- 
render Kftrze.  In  der  Einleitung  (S.  3)  muß  der  Satz:  „Ferner 
war  E  =  £  und  rj ,  bezeichnete  O  sowohl  o  wie  o  und  ov**  be- 
richtigt werden;  E  bezeichnete  auch  den  „unechten  Diphthong*  bi, 
O  stand  nicht  ffir  jedes  ov.  Die  Gleichsetzung  eines  Obolos  mit 
0*18  Mark  ist  angesichts  des  Wandels  der  Münzwerte  zu  stair 
dogmatisch.  Im  Literatur  •Verzeichnis  stößt  sich  das  Auge  an  den 
ständigen  J  =:  /(nscr.). 

Im  ganzen  genommen  aber  befriedigt  das  Buch  ein  unleng* 
bares  Bedflrfnis  aufs  glücklichste.  Nicht  bloß  in  den  Gymnasial- 
bibliotheken  wird  es  sich  rasch  seinen  Platz  sichern,  sondern  alle 
Freunde  des  griechischen  Altertums  müssen  dem  Herausgeber  fär 
die  ansprechende  Gabe  Dank  wissen. 

Innsbruck.  Ernst  Kaiinka. 


F.  Brandacheid,  Novum  Test.  Graece  et  Latine,  ang.  ?.  F,  Weihrich,  979 

Novnm  Testamentum  Graece  et  Laune.  Teztum  Graecnm  recensnit, 
Latinum  ex  Tolgata  versione  ClemeDiina  adianzit,  breTes  capitnloiom 
iDscriptiones  et  locos  parallelos  nberiores  addidit  Fridericas  Brand- 
scheid.  Tertia  editio  critica  recognita.  Cnm  approbatione  Bot.  Arcbiep. 
FribQrgensis.  Pars  prior:  ßvanpelia.  Pars  altera:  Apostolicam.  Fri- 
bnr^i  Br.,  Herder  1906,  1907.  XlIV  und  652,  YIII  and  803  pp. 

Die  dritte  Auflage  der  bandlicben  und  wertToUen  Aasgabe 
des  Novum  Testamentum,  aus  dem  Nacblasse  des  Herausgebers 
hergestellt,  bietet  zahlreiche  Verbesserungen  des  eigenartig  gestal- 
teten griechischen  Textes.  Die  auf  den  gegenüberstehenden  Seiten 
abgedruckte  Vulgata  erscheint  in  genauem  Anschluß  an  die  tou 
Vercellone  in  der  Propaganda  besorgte  Ausgabe,  aber  doch  in  einer 
orthographisch  korrekteren  Gestalt.  Eine  gute  Abhandlung  über 
die  Prinzipien  der  Textkritik  und  die  im  Anhang  mitgeteilte  Tor- 
sichtige  Auswahl  der  Varianten  gew&bren  in  großen  Zflgen  ein 
Bild  der  handschriftlichen  Überlieferung.  Das  Buch  eignet  sich 
zum  Gebrauch  für  Theologen  aller  Bekenntnisse;  es  yerdient  aber 
auch  in  weiteren  Kreisen  die  grOßte  Verbreitung.  Wer  spezielle 
patristische  Studien  betreibt,  wird  es  als  einen  Mangel  empfinden, 
daß  der  Herausgeber  bei  dem  Vers  I  Job.  5,  7  mit  diskretem 
Schweigen  Torübergeht. 

Wien.  Franz  Weihrich. 


Gornelii  Nepotis  Vitae.  Für  den  Schnlgebranch  eingerichtet  von  Dr. 
Michael  Gitlbaaer.  Mit  einem  WOrterTeneichnis,  weaentlich  erweitert 
von  Dr.  Kono  Fe  cht.  Fünfte  Auflage.  Freiburg  i.  Br.,  Herdersehe 
Verlagshandlnng  1907. 

Dem  Texte  ist  eine  kurze  Einleitung  über  Leben  und  Schriften 
des  Cornelius  Nepos  vorangeschickt.  Die  Gitlbauer  eigentümlichen 
Lesarten  habe  ich  bei  Besprechung  der  8.  Auflage  vom  J.  1889 
im  Berichte  über  die  Corn.  Nepos  betreffende  Literatur  der  Jahre 
1878^1891  (Bursian),  S.  81  f.  zusammengestellt.  Die  neue  Auf* 
läge  weicht  an  einigen  Stellen  davon  ab.  Ep.  7,  1  res  eo  esset 
deducta  (früher  eo, esset  deducta  illa  militia),  vgl.  aber  den  genannten 
Bericht  S.  109  f.  —  Harn.  2,  2  sind  die  Worte  qui  adversus 
Romanos  fuerant  jetzt  getilgt  —  Att.  18,  1  ist  das  handschrift- 
liche enarravü  beibehalten  (früher  ordtnavü).  —  Für  Ar.  2,  1; 
Them.  6,  5;  Pel.  2,  5  verweise  ich  auf  meinen  Bericht  S.  108 
und  110.  Thras.  1,  2  ist  quod  (wie  fip.  5,  6)  =  was  das 
betrifft,  daß  oder  wenn:  ^deuü  wenn  viele  die  Absteht  ImtUn» 
aber  nur  wenige  es  imstande  war^n^  ihre  Vaterstadt  von  eioeiti 
Tyrannen  zu  befreien,  so  gelang  «b  ihm,  die  ?on  dreißig  Tyr&niteiij 
unterdrückte  aus  der  Knechtschaft  zur  Freiheit  i\ 
Gitlbauers  Vermutung  namque  wäre  aDuehmbari  ji< 
ersten  Satze  ausgesprochene  Gedanke  die  Begrft^^^~ 
Gesagten  enthielte.  In  diesem  Zaiammeobangt 


980    M,  Gitlhauer,  Gonielii  Mepotia  Titae,  ang.  t.  B.  Bitsdtoftky. 

wähneOi  daß  die  Zitate  des  WOrterverzeichDisses  an  einigen  Stellea 
znm  TorliegeBdeD  Texte  nicht  stimmeo.  Die  zq  inierdieo  nnd  zu 
quoad  (inwieweit)  zitierten  Stellen  Harn.  8,  2  und  Ale.  2,  3  lisd 
äberhanpt  gestrichen.  Cim.  4,  2  ist  Nipperdejs  YermutoDg  fwini^ 
aufgenommen,  Thras.  4,  2  perpetua,  wonach  die  bezflglieh«a  Be- 
merkungen unter  off  endo  nnd  proprius  zn  verbessern  siDd.  Bei  ^i- 
wissen  Eigennamen  sind,  wenn  sie  in  einer  vUa  zum  erstin  Mik 
begegnen,  Qaantit&tszeichen  angebracht,  nicht  immer  konieqirat: 
vgl.  Hann.  8,  1  nnd  8  Haadrubäle,  4,  1 ;  6,  1  Rhodämm}  Af. 
8,  4  Peraidis,  Enm.  7,  1  Peraldem;  einerseits  Phamahä^,  Tiri- 
bäzus,  andererseits  Ärtabazum.  Im  WörterTerzeichnis  finden  sich 
einige  unrichtige  Bezeichnungen :  indieo  (n.  index),  LusUanij  pri^ 
cacücLS,  pröhibeo.  In  Leucosyri  ist  die  Paenultima  mit  Becbt  qo- 
bezeichnet  geblieben,  während  Dat.  1,  1  irrtümlich  das  Lauf»* 
zeichen  angebracht  ist.  Wenn  bei  Afer,  dementia,  Elia  die  Anfangi-, 
bei  eu8t08,  nepos,  peltaetes,  pubes,  sacerdos,  scUue,  servüuSf  rtrtu 
die  Endsilbe  unbezeichnet  geblieben  ist,  so  muß  das  irrefobra 
Nach  den  8.  154  für  die  Bezeichnung  angegebenen  Nonnen  biu« 
die  betreffenden  Silben  als  Kürzen  zu  gelten.  Auch  die  Diire<« 
ist  nicht  konsequent  bezeichnet.  Es  findet  sich  aeneis,  o^teü, 
aeneus,  cöSgit  und  coegi,  poSticen  und  poetice.  Was  die  Ortb<r 
graphie  betrifft,  so  weicht  die  des  WörterTerzeichnisses  mehrfiek 
Yon  der  des  Textes  ab.  Es  begegnet  adfieio,  adßictis,  adf%\^ 
neben  afferre;  benivolentia  neben  benevdentia,  circuiretur  im^ 
circumeo,  epistula  und  epistoiam,  exeilium  und  exilio,  ^uotien' 
cumque  und  -cunque,  umquam  und  unquam,  in  primii,  pop^^ 
aeiio,  res  publica  nnd  die  nämlichen  Verbindungen  als  ein  Wert. 
conductitiis  und  ejusdem  sind  wohl  als  Druckfehler  zn  betracfatet 
Auf  die  Interpunktion  ist  in  einer  Schulausgabe  ein  befiooder« 
Augenmerk  zu  richten.  Milt.  6,  1  stOrt  das  Komma  nach  r*^' 
die  Konstruktion ;  Ar.  2,  2  ist  es  an  die  unrichtige  Stelle  gentfls. 
es  hat  nach  memoria  zu  stehen;  Att.  9,  6  ist  statt  des  Kooueii 
Punkt  zu  setzen.  Ausgeblieben  ist  das  Komma  Ale.  7,  1  u^ 
gereretur,  Chabr.  4,  8  nach  at  ille,  Hann.  11,  4  nach  pos^- 
Cato  2,  1  nach  Flacco  und  citeriorem,  Att.  18,  5  nach  modifi' 
Das  Wörterverzeichnis  erhebt  zwar  keinen  Anspruch  &^ 
Vollständigkeit,  es  wurde  nur  'wesentlich  erweitert'.  Trotzd«: 
werden  sich  die  folgenden  Bemerkungen  yomehmlich  auf  sprich* 
liehe  Erscheinungen  beziehen,  die  auch  in  dem  beschränkten  Baliff^ 
Aufnahme  Terdient  hätten.  Die  Präpositionen  (de,  erga,  tiiier,  f^» 
prae,  praeter,  pro),  deren  Gebranch  namentlich  dem  Anftßftf 
keine  geringen  Schwierigkeiten  bietet,  sind  völlig  Übergang«:^ 
audio  konnte  auf  dictum  verwiesen  werden ;  bei  de-eeendo  iit  ^ 
Simplex  acando  beigesetzt,  warum  nicht  auch  bei  aseendo  nnd  ce^' 
scendo?  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  deatituo,  instiiuo,  pratä^ 
(etatuo)  einerseits  und  consiituo,  restituo,  eubetituo  andenr«-^ 
Solche  Ungleichmäßigkeiten  begegnen  auch  sonst;  n.  difficüi»^^^ 


s'i-'' 


!> 


M,  Petschenig,  Sanoti  Aareiii  Aagnstini  opera,  ang.  t.  ^.  IFfiemer.  981 

es:  ^schwer  za  behandeln  =  lanniecb  Att.  5,  1',  n.  natura: 
'di/ficiüima  natura  verschlossener  Charakter';  statt  emendo 
war  za  schreiben  e-mendo;  hasta  publica  öffentliche  Verstei- 
g  er  ang  bedarf  eines  erlftaternden  Zasatzes;  a.  Lueani  wird  eine 
Landschaft  Brüsten  erw&hnt;  femer  sind  der  Erklftrang  bedürftig: 
eiu8  opera  magni  fuit,  nihil  aliud  quam  (nämlich  fecU  oder  egit 
g[uam)y  nomen  Romanum,  ordiri  mit  persOnl.  Objekte,  banae  res; 
bei  pareo  fehlt  das  Perf.  parat;  za  pereo  konnte  angeführt  werden 
periit  a  morho  anter  Hinweis  anf  morbus:  ^morbo  mori  eines 
natürlichen  Todes  sterben';  ^o^ior  mit  seiner  doppelten  Eon- 
Btraktion  fehlt;  in  praesentia  wird  als  Accas.  plnr.  erkl&rt;  procul 
bedeatet  aach  ^in  geringerer  Entfernung',  'anweit';  quidem 
war  wegen  seiner  adversativen  Bedentong  aafzanehmen;  revertor 
wegen  des  Perf.  reveraua  aum;  rex  ist  anch  nax^  iio%riv  'der 
Perserkönig';  rubrum  mare,  das  nicht  nnserem  Voten  Meere' 
entspricht,  darfte  nicht  übergangen  werden;  für  timidus  =  'be- 
dächtig' wäre  das  Zitat  Thras.  2,  8  nicht  überflüssig  gewesen. 
Störend  ist,  daß  a.  appropinquo  and  adventua  der  Strich- 
punkt fehlt.  Phyle  wird  eine  Qrenze  Nordafrikas  gegen  Böotien 
genannt.  V,  Pontua  soll  es  heißen:  'westlich  vom  Halys'.  Ipb.  8, 
4  ist  wohl  Threaaa  za  lesen  wie  im  Wörterverzeichnis.  U.  de- 
speratua  ist  anrichtig  abgeteilt  dea-peratia.  Endlich  berichtige  ich 
einige  nngenane  Zitate.  0.  conaulo  vielmehr  Milt.  1,  8;  u.  fere 
prol.  2 ;  a.  hiatoria  Cato  8,  8 ;  a.  minuo  Eam.  5,  1 ;  n.  modeatia 
ist  für  die  Bedentang  ^Ansprachslosigkeit'  Ag.  4,  2  za  streichen ; 
ü.  vadimonium  and  valetudo  ist  Timol.  an  Stelle  von  Tim*  zu  setzen. 

Wien.  B.  Bitschofsky. 


';'^        Saneti  Aurelü  Augustini  opera  (Sect.  VII,  pars  I).  Scriptomm  contra 
-''-'  Donatistas  pars  I:  Psalmas  contra  partem  Dooati,  Contra  epistnlam 

.  :'^  Parmeniani  libri  tres,  De  baptismo  libri  Septem  recensait  M.  Pet- 

^^i  sehen  ig.  Corpus  scriptorom  ecclesiastieorom  Latinoram  editum  con- 

silio   et  iropensis   Academiae   litterarom   Caesareae   Vindobonensis, 
vol.  LI.    Vindobonae,  F.  Tempskj  MDCCCCVIII. 

Von  der  Väterausgabe  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften 
zu  Wien  liegt  nun  der  LI.  Band  in  gleich  schöner  Ausstattang 
wie  seine  Vorgänger  vor.  M.  Petschenig  übergibt  in  demselben 
des  hl.  Augustinus :  Paalmua  contra  partem  Donati,  oft  Abcedarium 
genannt,  Contra  epiatulam  Parmeniani  libri  trea  und  De  baptismo 
libri  aepiem  der  Öffentlichkeit. 

Der  Herausgeber  bespricht  in  der  Einleitung  den  kritischen 
Apparat,  dessen  er  sich  bei  seiner  Arbeit  bedient  hat.  Es  ist  zu 
bedauern,  daß  er  dies  in  so  gedrängter  Kürze  getan  hat.  Er  teilt 
die  Handschriften  in  solche  der  besseren  und  schlechteren  Klasse 
ein,  ohne  den  Leser  darüber  zu  informieren,  aus  welchen  Qründen 


982  Ä.  BlancJhet,  Lee  enceintes  romaiim  de  la  Gaole,  ang.  t.  J.  OMer. 

er  zn  dieser  fiiDteilang  veranlaßt  würde.  Ee  steht  ja  allerdings 
dem  Benfttzer  der  Aasgabe  frei,  das  Urteil  P  s  hinzanehmen  oder 
sich  ein  eigenes  anf  Grand  der  angeführten  Lesearten  xa  bilden; 
aber  dies  ist  eine  müheToIle  Sache  and  es  wftre  meiner  Ansicht 
nach  Aufgabe  eines  Herausgebers,  den  Leser  Aber  die  Oftte  and 
Verläßlichkeit  der  einzelnen  Handschriften  zn  orientieren.  Wenn 
beispielsweise  P.  p.  IX  über  die  Handschriften  za  Contra  episUUam 
Parmeniani  schreibt:  E  mtätis  eodidbus,  in  quibus  ii  libri  con- 
tineniur,  coUati  sunt  oeto,  so  w&re  es  doch  interessant,  ja  nötig 
zn  wissen,  waram  der  Heraasgeber  gerade  diese  and  nicht  andere 
Handschriften  gew&hlt  hat.  Von  der  Bemerkung  (p.  XIII) :  Beliqw» 
(libros)  a  me  omnino  negUcios  hoc  looo  sallem  enumerare  libetf 
ut,  siquis  forte  unum  vel  alterum  conferre  velit  —  q%tod  quidem 
sine  uüo  emolumento  futurum  esse  mihi  persuasum  est  —  eligendi 
potestatem  habeat  hat  man  ziemlich  wenig.  Unter  den  Handschriften, 
die  Tom  Heraasgeber  dann  angeführt  werden,  sind  nämlich  sechs, 
die  in  das  XII.  Jahrhandert  gehören,  während  nnter  den  yon  ihm 
benützten  Handschriften  auch  nar  drei  dem  X.,  die  übrigen  fünf 
aber  dem  XU.  Jahrhandert  angebüren.  Zndem  ist  ja  das  Jahr- 
hundert, aas  dem  ein  Kodex  stammt,  nicht  immer  maßgebend  für 
dessen  Güte  and  Verwendbarkeit.  Es  könnte  also  anter  den  nicht 
benutzten  Handschriften  noch  die  eine  and  andere  Perle  sein. 

Der  früheren  Aasgaben  gedenkt  P.  anter  diesen  Umständen 
natürlich  nicht. 

Es  maß  im  übrigen  zagegeben  worden,  daß  die  Überlieferang 
dieser  Teile  der  Werke  des  hl.  Aagastin  eine  ziemlich  gnte  ist. 

Eremsmünster.  Dr.  Adalbero  Haemer. 


Adrian  Blanchet,  Les  enceintes  romaines  de  la  Gaale. 
j^tttde  Bur  Torigine  d'an  grand  nombre  de  yilles  fran^aises.  Paris, 
LeroQZ  1907.   821  SS.  und  21  Tafeln. 

Das  Torliegende  Bnch,  das  dem  Gründer  des  Stadinms  der 
nationalen  Archäologie  Frankreichs,  Arcissa  de  Canmont,  zageeignet 
ist,  bietet  einen  neaen  Beweis  für  das  eifrige  Interesse,  mit  dem 
französische  Gelehrte  die  Geschichte  ihres  Landes  bearbeiten.  Verf. 
behandelt  ein  wichtiges  Kapitel  der  Geschichte  Frankreichs:  die 
Entstehnng  einer  großen  Zahl  franzüsischer  Städte  aas  rOmisehen 
Festangsanlagen.  Das  HanptTerdienst  des  Baches  liegt  in  der 
Zasammenfassnng  des  Materials :  seit  dem  XVI.  Jahrhandert  finden 
sich  wohl  zahlreiche  Arbeiten  für  einzelne  Orte,  die  in  der  Ein- 
leitong  (8.  1 — 11)  aufgezählt  werden.  Da  im  Lanfe  der  Zeit  die 
Beste  der  alten  Maaem  Tielfach  zerstört,  Aofzeichnangen  über  die 
einzelnen  Fände  nicht  regelmäßig  gemacht  wnrden,  begrtifen  wir 
die  Mühe,  die  die  Herbeischaffnng  des  reichen  Materials  yenirsachte. 


F.  F.  Ähhoitj  The  Acc  in  Yolg.  and  Foimal  Latin,  ang.  t.  J.  Goüing.  988 

Um  80  mthr  ist  die  Arbtit  des  Verf.  anzaerkenneD,  der  im  ersten 
Boche  (8.  18 — 285)  eine  Aüfzäblang  und  Beachreibnng  der  St&dte, 
coBtra  nnd  eastella  der  vier  gallischen  Provinzen  bietet:  es  ist  ihm 
gelungen,  die  Qrnndrisse  von  48  Orten  festzustellen ,  welche  die 
47  Abbildungen  in  einfacher  Form  veranschanlicben.  Nachdem  so 
eine  statistische  Grundlage  gewonnen  ist,  beschäftigt  sich  das 
zweite  Buch  (S.  287 — 298)  mit  dem  System  der  Konstruktion  der 
Umwallungsmauern  nnd  behandelt  in  drei  Kapiteln  die  Einzelheiten 
des  Manerbaues,  die  Tore  und  Ausfallspforten,  die  Burgen,  Amphi- 
theater,  Wasserleitungen,  Form  und  Umfang  der  Anlagen.  8.  288  f. 
gibt  eine  Zusammenstellung  des  Umfanges  der  Mauern  von  48 
Städten  sowie  die  Flächeninhalte  einiger  Orte.  Dabei  werden  auch 
Anlagen  außerhalb  Galliens  verglichen  und  die  Vorschriften  des 
yitruY  und  Yegetius  in  Betracht  gezogen.  Das  dritte  Buch  (S.  299 
bis  888)  behandelt  die  Chronologie  dieser  Anlagen :  es  werden  die 
Bpochen  in  der  Erbauung  mit  Berücksichtigung  der  Inschriften 
und  literarischen  Texte  erOrtert  und  die  Aufstellungen  früherer 
Gelehrten  gepiflft.  Den  Schluß  bildet  ein  alphabetischer  und  Sach- 
index;  die  21  Tafeln  dienen  der  Erläuterung  des  Textes,  daher  in 
der  Erklärung  der  Tafeln  die  Seiten  des  Textes  angeführt  sind. 
Diese  kurze  Inhaltsangabe  möge  genflgen,  um  auf  die  Bedeutung 
des  Buches  aufmerksam  zu  machen.  Herrorzuheben  ist  die  reiche 
Literaturangabe,  die  sich  nicht  auf  französische  Werke  beschränkt, 
sondern  auch  die  in  Deutschland  erschienenen  Werke  heranzieht. 
So  wird  das  Buch  allen,  die  sich  mit  alter  Geschichte  beschäftigen, 
reiche  Belehrung  bieten  und  dem  Lehrer  der  klassischen  Sprachen 
bei  der  Cäsarlektüre  gute  Dienste  leisten. 

Wien.  Dr.  Johann  Oehler. 


Tbe  Accent  in  Vulgär  and  Formal  Latin.  By  Frank  Frost 
Abbott.  Beprinted  from  Claasical  Phüologj.  Vol.  II,  Nro.  4.  Od 
1907.  p.  444—460. 

Die  Frage  nach  dem  Wesen  des  lateinischen  Akzents  ist  seit 
Weils  und  Benloews  ^ThSorü  gSniraU  de  Vaeeeniuatian  latine 
(1855)  nicht  wieder  zur  Buhe  gekommen.  Dieselbe  wird  im  vor* 
liegenden  Aufsatze  insofern  unter  einen  neuen  Gesichtspunkt  ge- 
bracht, als  der  Verf.  zwischen  literarischem  Latein  und  Volkssprache 
nnterscheidet.  Der  Hauptakzent,  so  behauptet  Abbott,  bestand  in 
der  vorhistorischen  Zeit  in  Ton  Verstärkung  (exspiratorischer  Akzent) 
ond  fiel  auf  die  Anfangssilbe:  mit  ihm  war  ein  Nebenakzent  gleicher 
Natur  auf  einer  der  folgenden  Silben  verbunden.  Schon  vor  Beginn 
der  Literatur  sei  jedoch  der  Hauptakzent  sekundär  und  dafür,  in 
den  weitaus  meisten  Wörtern  wenigstens,  die  vorletzte  oder  dritt- 
letzte Silbe  starktönend  geworden.    So  sei  es  im  Vulgärlatein  ge- 


984  F.  F.  Äbhott,  The  Acc.  in  Vnlg.  and  Formal  Latin,  ang.  t.  J.  GoUing. 

blieben,  welches  allzeit  den  ezspiratorischen  Akzent  festgehalten 
habe.  Beweise  hiefär  sieht  A«  in  gewissen  als  Begleiterscheinong 
der  Tonstärke  ancb  sonst  nachweisbaren  Eigentömiichkeiten  des 
Yalg&rlateins,  als  da  sind:  jambische  Kürzung,  Volcal-  nnd  Qnan- 
titätsschwftchong  nnd  Synkope,  und  außerdem  im  Akzent  der  ro- 
manischen Sprachen,  der  anch  exspiratorisch  sei.  Erscheinungen 
wie  die  vorbenannten  findet  der  Verf.  im  literarischen  Latein  nicht; 
namentlich  sei  hier  die  Quantität  der  Silben  stets  strenge  gewahrt 
worden,  ein  Beweis,  daß  der  Wortalczent  TonerhOhung  war:  mnsi- 
kalischer  Akzent.  Von  besonderem  Interesse  ist,  daß  A.  durch  diese 
seine  Ansicht  die  alte  Streitfrage,  wieso  die  Lateiner  im  Verse 
zwei  verschiedene  Arten  von  Akzenten,  den  Vers-  und  den  Wort- 
akzent, unterschieden,  gelöst  sieht:  ist  der  Wortakzent  im  Gegen- 
satze zum  Versiktus  ein  musikalischer,  so  schwindet  hier  allerdings 
alle  Schwierigkeit.  —  Eine  äußere  Bestätigung  seiner  Ansicht  er- 
blickt A.  in  den  Lehren  der  Grammatiker  seit  dem  ersten  vor- 
christlichen Jahrhundert:  für  diese  ist  nach  seiner  Interpretation 
der  literarische  Akzent  musikalischer  Natur.  Daß  die  Grammatiker 
blindlings  die  dem  Griechischen  entlehnte  Akzenttheorie  auf  du 
Lateinische  übertragen  hätten,  sei  zumal  bei  Männern  wie  Cicero 
(Orator  57)  und  Quintilian  (I  5,  27;  XII  10,  88)  ausgeschlossen 
und  außerdem  fänden  die  von  ihnen  gegebenen  Regeln  über  du 
Vorkommen  von  Zirkumflex  und  Akut  kein  Gegenstück  im  Grie- 
chischen. Übrigens  erklärt  A.  die  Entwicklung  des  musikalischen 
Elements  im  literarischen  Akzent  als  eine  natürliche  Folge  der 
Nachahmung  des  Griechischen,  unter  dessen  vorwiegendem  Einfluß 
sich  die  lateinische  Literatur  und  das  literarische  Latein  entwickelt 
hätten.  —  Das  Aufkommen  des  exspiratorischen  Akzents  in  der 
Literatur  versetzt  A.  in  die  Zeit,  wo  das  Vulgärlatein  Schriftsprache 
geworden  ist.  Eine  Schwierigkeit,  die  von  A.  nicht  überzeugend 
beseitigt  ist,  erbebt  sich  hier  insofeme,  als  A.  in  den  Lehren 
einiger  Grammatiker  des  IV.  und  V.  Jahrhunderts  (Diomedes  E. 
I  480,  29;  Servius  K.  IV  426,  16;  Cledonius  K.  V  31,  30; 
Pompeius  K.  V  128,  81),  welche  sich  auf  den  exspiratorischen 
Akzent  beziehen,  ein  Zeichen  des  bereits  in  die  Literatur  ein- 
gedrungenen Vulgärlateins  erblickt,  dabei  aber  behauptet,  daß  noch 
im  VI.  Jahrhundert  der  musikalische  Charakter  des  Akzents  ge- 
lehrt wurde. 

Übrigens  durften  bei  demjenigen,  der  A.8  Ausführungen  nur 
aus  vorliegendem  Referate  erfährt,  noch  andere  Bedenken  hervor- 
gerufen werden:  diese  zu  zerstreuen  ist  nur  die  Einsichtnahme  in 
des  Verf.s  Beweismaterial  imstande.  Auf  jeden  Fall  verdient  der 
bestechende  Gedanke  der  A.schen  These  des  näheren  beleuchtet  zu 
werden  und  wäre  es  auch  nur  in  polemischem  Sinne. 

Wien.  J.  Golling. 


Zettel-Brunner,  Hellas  UDd  Born  usw.,  »ng.  t.  B.  WMan.       985 

Hellas  und  Born  im  Spiegel  deutscher  Dichtung.  Eine  Antho- 
logie von  t  Dr.  Karl  Zettel,  k.  GymnasialprofesBor  a.  D.  Mit  einem 
erkUrenden  NamensTerieicbnia  ▼on  Otto  Hart  lieh,  Oberlehrer  an 
der  Fflratenschale  in  Grimma  i.  S.  Herausgegeben  fon  Augnit 
Brnnner,  k.  Konrektor  am  Lniipold-Qymnasiam  in  MQnehen.  Zwei 
Bftnde.  Erlangen,  Palm  A  Enke.  I.  Band:  Mythen  nnd  Heroenieit. 
Griechische  Geschichte.  II.  Band:  BOmiache  Geschichte.  Stimmungs- 
bilder. XVI,  829  and  388  SS.  B". 

Ein  Buch,  das  gewiß  den  besten  Absichten  entspmngen  ist, 
von  dessen  Yerwendnng  in  der  Schale  jedoch  auf  das  entschiedenste 
abgeraten  werden  maß,  trotz  der  lobenden  Besprechangen  Ton 
Menge,  Stending  nnd  Georg  Brandes,  die  der  Verleger  aaf  der 
Innenseite  des  Titels  abdruckt,  Besprechungen,  die  nur  zeigen,  wie 
leichtfertig  sie  oft  niedergeschrieben  werden.  Gewiß,  der  Gedanke, 
eine  solche  Anthologie  zusammenzustellen,  war  an  und  fOr  sich 
rühmenswert,  aber  nicht  leicht  konnte  er  schlechter  ausgeführt 
werden,  als  es  hier  geschieht.  Der  eigelitliche  Sammler  der  Antho- 
logie, Dr.  Zettel,  ist  bald  nach  Beginn  des  Druckes  gestorben ;  an 
seiner  Steile  übernahm  Konrektor  Brnnner  die  Überwachung  des 
Druckes.  Oher  die  Schwierigkeiten,  die  sich  ihm  dabei  in  den  Weg 
stellten,  spricht  er  sich  im  Vorworte  selbst  aus;  sie  bestanden 
darin,  ^daß  das  Manuskript  an  Txelen  Stellen  sehr  undeutlich  ge- 
schrieben ist  und  die  Fundstätten  der  von  weniger  bekannten 
Schriftstellern  Torfaßten  Gedichte  nicht  ausfindig  gemacht  werden 
konnten  .  • . .  Bine  Korrektur  undeutlich  oder  offenbar  falsch  ge- 
schriebener nnd  deshalb  teilweise  ganz  unverständlicher  Stellen  in 
diesen  Gedichten  konnte  also  nach  dem  Original  nicht  yorgenommen 
werden**.  Der  Herausgeber  gesteht  also  selbst,  daß  wir  hier  Ge- 
dichte erhalten  sollen,  deren  Text  Terstfimmelt  ist  ^Unwillkürlich 
fragt  man  sich,  war  ein  solches  Buch  denn  notwendig,  mußte 
es  gedruckt  werden  ?  Aber  wir  wollen  gerecht  sein ;  das  Buch  war 
bereits  im  Druck,  der  Herausgeber  hatte  die  Arbeit  einmal  über- 
nommen und  erst  im  Verlaufe  der  Arbeit  sah  er  die  Unmöglich- 
keit, die  Fundorte  von  Dichtungen  ganz  obskurer  Dichter  ausfindig 
zu  machen.  Aber  Schiller,  Geibel,  Schack,  Lingg,  waren  ihm  auch 
deren  V7erke  unzugänglich  oder  war  er  zu  bequem,  die  Abschrift 
mit  den  Ausgaben  zu  vergleichen?  Denn  der  Abdruck  ihrer  Ge- 
dichte wimmelt  geradezu  von  den  haarsträubendsten  Fehlern.  Und 
Sammler  wie  Herausgeber  sind  doch  wohl  Philologen,  denen  das 
Gewissen  lauter  schlagen  müßte  als  etwa  einem  Naturhistoriker, 
der  eine  solche  Arbeit  unternähme.  Oder  sind  unsere  deutschen 
Dichter  Togelfrei  und  verdienen  nicht  die  Bücksieht,  die  man  den 
antiken  Schriftstellern  mit  Recht  zollt?  Dazu  kommt  die  Geschmack- 
losigkeit der  Auswahl.  Wem  nützen  wohl  unbedeutende  Gedichte 
namenloser  Dichter,  wie  sie  sich  I  166,  222,  269;  II  14,  57, 
92,  268  finden,  zu  denen  sich  Gedichte  von  Yerfassem 
die  dem  Herausgeber  nur  mit  dem  Anfangsbuchstaben  F  "* 


986        Zettel'ßrunner,  Hellai  und  Rom  qsw.^  ang.  t.  K  WMan. 

II  128),  E.  M.  (I  189)  bekannt  waren.  Wae  bedeuten  so  unbe- 
kannte Namen,  wie  Engelb.  Albrecht,  E.  Preser,  0.  Paeig,  A.  Fried- 
mann, J.  Britzelmayr,  E.  A.  Fetzer,  H.  Stadelmann,  A.  Frendentbal, 
E.  Enlmann,  am  nnr  einige  der  großen  Unbekannten  zu  nennen, 
wo  MOrike,  Hebbel,  Grillparzer,  Allmera,  Eonr.  Telmann,  Bicarda 
Haeh  and  so  viele  andere  vollkommen  fehlen.  Engelb.  Albrecht  ist 
mit  nenn  Dichtungen  vertreten,  Paul  Heyse  mit  zwei! 

Zum  Schlüsse  einige  Textverböserungen  dieser  Anthologie: 
Bd.  L  S.  14,  Z.  18/14  (Lingg)  reinere  Bahnen  verfolgt  ihr  st. 
reineren  Bahnen  folgt  ihr.  —  S.  67,  Z.  11  (Geibel)  des  Bingens 
Stande  st.  Bing  er  s;  S.  68,  Z.  5  als  ich  den  W&chter  dort  mit 
meiner  Hand,  der  grimmen,  bändigte  st.  den  grimmen;  Z.  18  wie 
einer  angstlos  fremden  Macht  st.  maßlos;  Z.  22  in  dieser 
Stunde  st.  zu;  Z.  27  Scheite  st  Scheiter;  Z.  81  trigt  reich 
des  Bauches  blühend  GoldgewOlke  st.  mich  (sechs  sinnentstellende 
Fehler  in  einem  Gedicht I).  —  S.  70,  Z.  12  (Lingg)  allen 
Brfidern  st.  Ländern.  —  8.  110,  Z.  2  (Geibel)  Poseidons 
Fichtenhaus  st.  Säulenhaus;  S.  111,  Z.  1  Tagelang  st 
Tage  dann;  Z.  18  unaussprechlich  st  unauslöschlich 
brannte  mir  das  Herz.  —  S.  126,  Z.  2  (Platen)  wenn  st.  wann. 

—  S.  129,  Z.  1  (Schiller)  altersgraaen  st  altergrauen;  8.  185, 
Z.  24  alten  Bette  st  kalten  Bette;  Z.  82  seinen  st.  seinem.  — 
8.  140,  Z.  9  (Schack)  Geschoß  an  Geschoß  st  auf;  Z.  12  Elek- 
trentor  st.  Elektrator.  —  S.  158,  Z.  7  (Heyse)  däncht  es  mir  st 
dnnkt  es  mir;  Z.  28  auf  den  Stiegen  ein  flflsternder  Elang  st.  vor 
der  Tür  ein  schwirrender  Elang;  S.  160,  Z.  2  in  st  ihn;  S.  161, 
Z.  7  lauschet  st.  lauscht.  —  S.  175,  Z.  80  (Schiller)  Frevler  st 
Sünder;  Z.  82  dunklen  st  dunkeln.  —  S.  186,  Z.  22  (Schiller) 
er  nimmt  st  und;  S.  187,  Z.  19  und  dennoch  st  doch, 
spricht  er.  —  S.  284,  Z.  21  (Lingg)  nach  dem  Müh'n  st  den. 

—  S.  246,  Z.  6  (Lingg)  mit  rücklings  gebeugtem  Angesicht 
fit.  rückgebogenem;  Z.  8  sonst  st  sanft;  Z.  12  von  scheuer 
Sehnsucht  st  von  scheuem  Sehnen;  Z.  15  höchstes  Weh  st. 
größtes;  Z.  30  Grabgesang  st  Brantgesang.  —  S.  267,  Z.  28 
(Greif)  nun  st  neu.  —  S.  277,    Z.  12  (Lingg)  lange  st  länger. 

—  S.  286,  Z.  6  (Platen)  forderte  st.  federte;  Z.  12  Mazedoniens 
st  Mazedoniern.  —  Bd.  H.  S.  56,  Z.  22  (Schack)  in  hefVgem 
Lauf  st  hastigem.  —  S.  120,   Z.  8  (Lingg)  Lande  st  Länder. 

—  S.  156,  Z.  6  V.  u.  (Geibel)  mit  langem,  gelbem  Haar  st. 
im  langen,  gelben  Haar.  —  S.  186,  Z.  9  (Geibel)  vor  meinem 
Blicke  st  meinen  Blicken;  8.  187,  Z.  22  nach  dem  Olympos 
seh'n  st  noch  den.  ^  S.  190,  Z.  8  (Geibel)  das  Weltgeschick 
6t  der  Welt  Geschicke;  Z.  17  lost  st  Eost  —  S.  214,  Z.  10 
(Lingg)  mit  wunderbarem  Schauern  st.  wunderbaren.  -*  S.  234, 
Z.  21  (Lingg)  schnell  nun  raff*  ich  empor  mich  st.  schnell  mich 
raff'  ich  empor;  Z.  81  von  faltigem  grauen  Gewände  st  von  fal* 
tigen  grauen  Gewanden.  —  S.  286  (Lingg)  umhallte  st  umhaiten. 


B.  Günther,  Deatsehe  Koltnrgesehiehte,  uig.  ▼.  JET.  Steinaeker.    987 

—  S.  288,  Z.  8  (Geibel)  ]aßt  mich  st.  sich.  —  S.  242,  Z.  2 
(Geibel)  selige  Nacht  et.  dnftige;  8.  248,  Z.  1  die  Becher  st. 
den.  —  S.  251,  Z.  5  (Waiblinger)  großblätterig  st.  großblAttrig ; 
Z.  19  Geiste  st  Geist.  —  8.  264,  Z.  28  (Lingg)  8&vle  st.  8äalen. 

Wien.  B.  Wolkan. 


Dr.  Beinhold  Günther,  Deutsche  Kulturgeschichte.  2.  omgear- 
beitete  Auflage.   Leipzig  1907.   Sammlang  GOscben  Nr.  56. 

Prof.  Dr.  J.  Dieffenbacher,  Deutsches  Leben  im  XII.  und 
XIII.  Jahrhundert.  Bealkommentar  zu  den  Volks-  and  Kunstepen 
und  zum  Minnesang.  I.  Öffentliches  Leben.  IL  Pri^atlebeo.  1907. 
Sammlung  GOscben  Nr.  93  und  328. 

Vor  wenigen  Jahren  hat  Georg  Steinhansen  eine  aasfähr- 
liche  „Geschichte  der  deotschen  Enltor*'  yerOffentlieht.  Wenn  irgend 
jemand,  so  war  er  data  bernfen.  Wenn  dennoch  bei  aller  Aner- 
kennung seines  Werkes  die  Vertreter  der  meisten  in  dieser  Kultur- 
geschichte  gestreiften  Forschungsgebiete  Bedenken  und  Einwände 
geltend  gemacht  haben,  so  kommt  darin  eine  Einsicht  zum  Ausdruck, 
die  am  klarsten  unter  allen  Kritikern  G.  von  Below  ausgesprochen 
hat,  daß  n&mlich  bei  der  heutigen  Verzweigtbeit  der  Forschung 
kein  einzelner  Gelehrter,  selbst  Steinhausen  nicht,  eine  berriedigende 
Darstellung  der  deutschen  Kulturgeschichte  liefern  könne,  weil  eben 
kein  Einzelner  alle  einschlägigen  Forschungsgebiete  auch  nur  an- 
nähernd zu  beherrschen  vermag.  Hinter  dieser  technischen  Schwierig- 
keit steht  aber,  wie  ich  glaube,  eine  zweite,  tiefergehende,  sach- 
liche Schwierigkeit.  Kultur  ist  ein  Sammelbegriff,  dem  im  wirk- 
lichen Leben  nie  oder  nur  selten  eine  einheitliche  Erscheinung 
entspricht.  Höchstens  auf  primitiver  Stufe  hängen  Wirtschaft, 
häusliches  Leben,  Sitte,  Becht,  Staat,  Krieg,  Religion,  Kunst, 
Wissen  und  alle  anderen  Gebiete,  die  man  im  Bereich  der  Kultur 
etwa  noch  unterscheiden  kann,  so  eng  zusammen  und  wirken  sich 
fär  alle  Volksgenossen  in  einer  so  gleichmäßigen  Weise  aus,  daß 
sich  eine  einheitliche  geistige  Stimmung,  ein  einheitliches  Kultur- 
milieu ergibt  Auf  fortgeschritteneren  Stufen  ist  die  Differenzierung 
des  Volkskörpera  in  Stände  und  Klassen,  die  ihr  eigenes  Kultur- 
leben führen,  und  die  Differenzierung  der  einzelnen  Kulturgebiete 
so  stark,  daß  jedes  dieser  Gebiete  bei  aller  gegenseitigen  Bedingt- 
heit doch  eine  zum  Teil  autonome  Entwicklung  aufweist,  nament-  j 
lieh  soweit  das  Eingreifen  schöpferischer  Persönlichkeiten  in  Frage 
kommt. 

Eine  allgemeine  Geschichte  der  nationalen  Kultur  kann  daher 
nur  eine  Geschichte  der  Wechselwirkung  zwischen  den  verschiedenen 
Kulturgebieten  sein;  sie  kann  die  gemeinsamen  Kräfte  und  Strö- 
mungen abzugrenzen  suchen  gegen  die  Sonderrichtung  der  auto- 


988    B.  CHinther,  Dentsche  Knltargesehichte,  ang.  t.  H.  Sieinacker, 

DomeD  Entwicklaog  des  eiszelnen  Gebietes.  Was  sie  aber  nicht 
kann,  das  ist,  den  ganzen  stofflichen  Bereich  aller  Gebiete  —  die 
gesamten  Staats-  nnd  Privataltertflmer  —  znr  Darstellang  bringen 
nnd  der  Sondergescbichte  z.  B.  der  Wirtschaft  oder  der  Kanst 
oder  der  Beligion  nsw.  in  deren  eigenem  inneren  Zasammenbang 
gerecht  werden.  Sie  mnß  dies  den  Sonderwissenschaften  überlassen 
nnd  deren  Stoff  voranssetzen.  Wo  sie  das  nicht  tat,  wo  sie  aas 
allen  näher  nnd  femer  liegenden  Gebieten  die  wichtigsten  Schlig- 
worte  bringen  will,  am  „Tollstftndig''  za  sein,  da  entsteht  ein 
Neben-  nnd  Dnrchelnander  Ton  laater  Fragmenten,  dnrch  künstliche 
Übergänge  gewaltsam  verbanden,  in  gesachte  Perioden  eingezw&ngt. 
Denn  eine  Periodisiernng,  die  der  Entwicklang  aller  einzelner 
Ealtargebiete  gerecht  würde,  gibt  es  nicht. 

Wie  sehr  sich  diese  Schwierigkeiten,  die  schon  für  das  nm- 
fassende  Werk  Steinhaasens  fühlbar  waren,  bei  kleinen  popalftren 
Darstellangen  steigern,  veranschaalichen  gat  die  Seitenüberschriften, 
die  z.  B.  für  das  V.  Kapitel  (Bevormnndang  and  Befreiung)  bei 
Günther  (S.  74—97)  Inhalt  nnd  Gedankengang  andeaten:  „Fran- 
zösische Einfiässe,  der  Staat  des  großen  Karfürsten,  Preoßische 
Yolksschale,  Heerwesen,  Anatomie,  latrochemie,  Pietismns,  Schrift- 
tam ,  Zeitschriften ,  Yolksschale ,  Dniversit&ten ,  Soldatenhandel, 
materielle  Knltor,  Aufkommen  von  Handel  nnd  Gewerbe,  Bntst^en 
der  Freizügigkeit,  ün Vollkommenheit  der  Verkehrswege,  B&nber- 
banden,  Wachsen  der  St&dte,  Klagen  über  das  „Lampenproletariat', 
Josefinismas,  Bandestag''.  Für  derartig  bnnte  Zasammenstellongen 
kann  man  kaam  die  Aatoren  verantwortlich  machen.  Vielmehr  ergibt 
sich  die  Forderang  an  den  Verlag,  dessen  Sammlang  gerade  aof 
historischem  Gebiet  vortreffliche  and  nützliche  Arbeiten  enth&lt  -^ 
(ich  erinnere  an  die  von  Bern  heim,  Hoernes,  Mnch,  Mather,  ühlirz, 
Jakob,  Arnold)  —  die  Aufgabe  anders  zu  stellen.  Ist  einem  so 
speziellen  Gebiet  wie  der  „Burgenkunde''  ein  eigenes  B&ndchen 
gewidmet,  so  würde  das  kulturgeschichtliche  Interesse,  dem  die 
beiden  besprochenen  Büchlein  die  2.  Auflage  danken,  eine  gründ* 
liehe  Befriedigung  verdienen«  indem  das  Gebiet  der  deutschen 
Kultnrgescbichte  aufgelöst  wird  in  eine  Verfassungs-,  Rechts-, 
Wirtscbafts-,  Kunst-,  Kirchengeschichte;  unter  Voraussetzung  dieser 
systematischen  Darstellungen,  die  zur  Not  in  je  einem  B&ndcheo 
zu  bewältigen  wären,  könnte  dann  die  Kultargeschichte  der  ein- 
zelnen Stände  (Bauern-,  Bitter-,  Bürgertum,  Klerus)  und  Berufe, 
die  Würdigung  kulturgeschichtlich  bedeutsamer  Gebiete,  Bewegungeo, 
Zeitalter  in  popnlärer  und  doch  richtiger  Weise  gegeben  werden. 
Denn  gerade  was  die  Bichtigkeit  anbetrifft,  sind  die  Büchlein  von 
Günther  und  Dieffenbacher  nicht  einwandfrei.  Ungenauigkeiten  in 
Einzelheiten  sind  nicht  selten;  so  kehrt  bei  Günther  S.  81  der 
alte  Irrtum  wieder,  daß  beim  Gottesurteil  der  Beschuldigte  in  sie- 
dendes Wasser  greifen,  über  glühendes  Eisen  gehen  mußte,  ohne 
sieb  zu  verletzen.     In  Wahrheit  handelte  es  sich  darum,  ob  nach 


J,  Dieffenhacher,  DenUcheii  Leben  usw.,  Mg.  ?.  H,  Steineuiker.   989 

bestimmter  Frist  bei  gerichtlicher  Aboahme  des  Verbandes  die 
Wundstellen  verheilt  waren  oder  nicht  (richtig  bei  Dieffenhacher  I, 
S.  108).  Unzutreffend  ist  die  Gegenüberstellnng  Ton  ^öffentlichen 
Grafengerichten''  nnd  „bänerlichen  Gemeindegerichten "  (S.  80), 
ferner  die  ganz  allgemein  aufgestellten  Bebaaptnngen,  daß  das 
Patriziat  der  Städte  ans  ,, Altfreien''  entstand  (S.  35),  oder  daß 
die  Bicbter  bis  ins  XIV.  Jahrhundert  selbst  ihren  Sprnch  vollzogen. 
Schwerer  ins  Gewicht  fallen  Ungenauigkeiten,  welche  in  wichtigen 
Fragen  Unklarheit  hervormfen  missen.  Die  Behauptnng,  daß  neben 
den  „in  Grafschaften  eingeteilten"  Herzogtomern  als  weltlichen 
Gebieten  sich  „geistliche  Gebiete  finden"  (S.  15),  maß  der  Leser 
nach  dem  Znsammenhang  and  der  beigeffigten  Liste,  die  nnr  die 
Bistümer  der  karolingiscben  Zeit  aufzählt,  auf  diese  Zeit  und  die 
nächstfolgenden  Jahrhunderte  beziehen.  Darin  liegt  eine  Vorwegnahme 
viel  späterer  Zustände,  ein  Verkennen  der  Grafschaftsverfassnng, 
in  welche  ursprunglieh  auch  die  geistlichen  Immunitäten  eingeordnet 
waren,  eine  Verschleierung  des  Verhältnisses  zwischen  Staat  und 
Kirche,  dessen  Wandlung  dem  Investiturstreit  und  der  ganzen  Ent- 
wicklung der  politischen  Zustände  zugrunde  liegt.  So  erklärt  sich 
denn  auch,  daß  für  den  großen  Kampf  zwischen  Kirche  und  Staat 
lediglich  das  Aufkommen  neuer  Ideen  innerhalb  der  Kirche  ver- 
antwortlich gemacht  wird,  die  auf  einmal  „begann,  den  Staat  als 
Teafelswerk  anzusehen".  Statt  dessen  hätte  in  wenigen  Sätzen  die 
Verweltlichung  der  Kirche  durch  Eigenkirchentum,  Immunität,  Graf- 
schaftsverleihung und  das  ganze  ottonische  System,  dann  durch  die 
völlige  Einordnung  in  den  Lehnsverband  und  den  jüngeren  Beichs- 
fürstenstand  der  staufischen  Zeit  geschildert  werden  können,  um  die 
innere  Notwendigkeit  dieses  das  frühere  Mittelalter  beherrschenden 
Kampfes  verständlich  zu  machen. 

Nicht  minder  auffällig  sind  die  Ungenauigkeiten,  die  sich, 
wenigstens  für  das  öffentliche  Leben,  bei  Dieffenhacher  finden. 
In  dem  Satze:  „Der  Gaugraf,-  ursprünglich  von  der  Hundertschaft 
gewählt,  wird  in  seinem  Amte  erblich,  schließlich  aber  von  einem 
vom  König  ernannten  Beamten  verdrängt"  (S.  17)  stecken  gleich 
mehrere  Irrtümer,  so  daß  er  sich  in  Kürze  gar  nicht  berichtigen 
läßt.  Irrig  sind  auch  Behauptungen,  wie:  „Der  König  kann  einen 
Stellvertreter,  ja  einen  Nachfolger  ernennen"  (S.  24)  oder  die  Aus- 
führung über  das  Lehnsverhältnis,  daß  anfangs  alle  Erben  gemein- 
sam sukzedierten,  was  eine  Zersplitterung  der  Lehen  zu  Folge 
hatte,  so  daß  sich  schließlich  die  Individualsukzession  durchsetzte, 
indem  der  Herr  sich  meist  an  den  „Vorschlag  der  Erben"  hielt 
(8.  21).  Daß  bei  planmäßiger  Erhebung  eines  Dorfes  zur  Stadt 
die  nähere  Ausführung  in  der  Hand  eines  Locators  lag,  der  dann 
Erbvogt  wurde,  ist  eine  Verwechslung  mit  Vorgängen  bei  den  Dorf- 
grfindungen  der  Kolonisation  im  Osten.  Diese  Unrichtigkeiten,  deren 
sich  leicht  noch  mehr  aufzählen  ließen,  bewirken,  daß  der  Wert 
der  Dieffenbacherschen  Bändchen   weniger  in   dem   liegt,   was  sie 


990  0.  Äpelty  Der  deotsche  Anfiats  in  der  Prima,  ang.  t.  ä.  Hautetibhu. 

als  ^Realkommentar''  za  den  deutschen  Dichtangen  beibringen,  als 
in  dem  Kommentar,  den  sie  ans  diesen  Dichtungen  durch  dankens- 
werte Zusammenstellung  der  einschlägigen  Stellen  fAr  verschiedene 
Einzelheiten  des  frühmittelalterlichen  Kulturlebens  bieten. 

Wien.  Harold  Steinacker. 


Der  deutsche  Aufsatz  in  der  Prima  des  Gymnasiams.  Ein 
hiBtorisoh-kritischer  Versach  von  Dr.  Otto  Apelt.  2.,  Terb.  Auflage. 
Leipzig  und  Berlin,  B.  G.  Tenbner  1907.  VI  und  284  SS.  8^.  Preis 
3  Mk.  20  Pf. 

Ist  im  deutschen  Unterricht  an  den  Gymnasien  und  ganz 
besenders  im  Aufsatzwesen  in  der  letzten  Zeit  ein  Fortschritt  zu 
verzeichnen?  Diese  Frage  möchte  man  unbedingt  verneinen,  wenn 
man  die  vielen  pessimistischen  Äußerungen  liest,  welche  allerorts 
von  revoltierenden  Laien,  aber  auch  von  Schulmännern  gemacht 
werden.  Ob  man  über  die  Sache  nicht  etwas  vorschnell  urteilt? 
Man  sollte  denn  doch  Gegenwart  und  Vergangenheit  auf  Grund  von 
Tatsachen  und  Materialien  vergleichen  und  nicht  zu  sehr  von  bloßen 
Eindrucken  sich  gefangen  nehmen  lassen.  Und  femer  —  seit  wann 
haben  wir  denn  —  an  österreichischen  Gymnasien  wenigstens  — 
einen  wirklich  geregelten,  ernsthaft  betriebenen  Deutschunterricht? 
War  nicht  der  Gegenstand  in  den  oberen  Klassen  meist  ein  unlieb- 
sames Anh&ngsel  fflr  Nichtfachmftnner,  wie  er  es  heute  in  den 
mittleren  Klassen  oft  noch  ist?  Man  kann  doch  nicht  gut  von 
dem  Niedergange  einer  Disziplin  reden,  wenn  nicht  zuvor  ein  Auf- 
schwung zu  verzeichnen  war. 

Ich  möchte  eher  meinen,  daß  auch  im  deutschen  Aufsatz 
manches  besser  geworden  ist,  und  wenigstens  was  die  Auswahl  der 
Themen  betrifft,  ist  eine  Läuterung  des  Geschmacks  nicht  zu  ver- 
kennen. Man  bl&ttere  nur  in  alteren  Jahresberichten  und  man  wird 
eine  Unzahl  gftnzlich  ungeeigneter,  gedankenlos  aufgegriffener  Themen 
finden.  Nicht  immer  sind  sie  so  harmlos-heiter»  wie  etwa  folgendes: 

Zigarre  macht  dem  Raucher  Spaß, 
Wenn  sie  gut  brennt  und  sieht; 
So  gilt  der  Menich  nur  dann  etwas, 
Wenn  er  für  etwas  giflht, 

welches  von  einem  klösterlichen  Germanisten  ersonnen  worden  ist, 
oder  das  durch  die  Kühnheit  der  Zusammenstellung  verbluffende  „Die 
Pest  in  Athen  und  die  Influenza  in  Krems^. 

Daß  nun  pompöse  und  verstiegene  Themen  immer  seltener 
werden  und  daß  die  Aufsatzthemen  doch  mehr  dem  Denkkreise  der 
Schuler  angepaßt  werden,  ist  das  Verdienst  einschlägiger  Unter- 
suchungen, unter  welchen  m.  E.  das  Apeltsche  Buch  mit  an  erster 
Stelle  zu  nennen  ist,  nicht  nur  der  Zeit,  sondern  auch  dem 
Werte  nach. 


0.  Apdt,  Der  denticbe  Aufsatz  in  der  Prima,  ang.  i,  A,  Hausenhhu.  991 

Koch  erinoere  ich  mich,  wie  ich  vor  mehr  als  zwanzig  Jahren 
als  jnnger  Lehrer  die  Schwierigkeiten  des  deutschen  Unterrichtes,  be- 
sonders aber  des  Anfsatzbetriebes,  mehr  ahnend  als  erkennend,  alle 
nnr  erreichbaren  Abhandlungen  (meist  Programmaufsätze),  die  zum 
Oegenstand  zu  gehören  schienen,  emsig  dnrchstOberte,  nm  Normen 
oder  wenigstens  Winke  fflr  den  Anfsatz-Ünterricht  zn  erhaschen, 
aber  leider  —  viel  Spreo  und  wenig  Weizen  fand.  Ich  erinnere  mich 
aber  aoch,  mit  welch  leidenschaftlichem  Eifer  ich  die  damals  er- 
schienene erste  Auflage  des  zu  besprechenden  Baches  durcharbeitete, 
znmal  da  ich  mich  mit  dem  bekannten  Laasschen  Bache,  welches 
ich  kurz  vorher  gelesen  hatte,  dnrchans  nicht  befreanden  konnte. 
Ich  erinnere  mich  anch,  wie  mich  die  ruhigen,  besonnenen,  histo- 
risch -  kritischen  Darlegungen  Apelts  fesselten ,  wie  mir  seine  Auf- 
fassung als  überzeugend  und  sozusagen  als  selbstverst&ndlich 
schien,  wie  ich  zu  der  Schrift  unbedingtes  Vertrauen  faßte  und 
mir  bei  ihr  immer  wieder  Bates  erholte. 

Deshalb  gehe  ich  mit  einem  gewissen  Oefflbl  der  Dankbar- 
keit, aber  auch  der  Wehmut  daran,  die  zweite  Auflage  dieses  Buches, 
aus  welchem  sicher  auch  andere  Fachgenossen  vielfach  Anregung 
geschöpft  haben,  der  Aufmerksamkeit  der  jüngeren  Kollegen  zu  em- 
pfehlen, u.  zw.  in  der  vollen  Überzeugung,  dafi  das  Buch  weiterhin 
in  der  einschlägigen  Literatur  einen  ehrenvollen  Platz  behaupten  wird. 

Und  wenn  es  vielleicht  auch  in  dem  einen  oder  dem  anderen 
Punkte  überholt  werden  und  veralten  wird,  nicht  veralten  wird  die 
Warmherzigkeit  und  Schülerfreundlichkeit,  mit  der  es  geschrieben 
ist.  Zum  Beweise  hiefür  seien  zwei  Stellen  (S.  82  und  88)  an- 
geführt, die  über  die  Beurteilung  des  Keif e •  Aufsatzes  handeln: 
„Von  allen  Leistungen ,  welche  der  schriftliche  Teil  der  Beifeprü- 
fung  fordert,  ist  die  deutsche  Arbeit  vielleicht  diejenige,  deren 
Gelingen  am  meisten  einerseits  von  der  zuf&lligen  Beschaffenheit 
des  gestellten  Themas '),  anderseits  von  der  jeweiligen  Stimmung  und 
Aufgelegtheit  des  Prüflings  abhängt.  Wie  der  Dichter  oder  sagen 
wir  bescheidener  der  Literat ....   seine  unfruchtbaren  Zeiten  hat, 

so  hat  auch  der  jugendliche  Aufsatzscbreiber  —  ein  Literat 

im  Kleinen  —  neben  seinen  glücklichen  seine  ungläcklichen  Stunden. 

Dies  für  die  Beurteilung  völlig  unberücksichtigt  zu  lassen, 

würde  nicht  nur  eine  Härte,  sondern  geradezu  ein  psychologischer 
Mißgriff  sein.*'  Ferner:  „Wer  in  reiferen  Jahren  viel  mit  der 
Jugend  zu  tun  gehabt  hat  und  an  ihren  geistigen  Freuden  und 
Leiden  einigen  Anteil  zu  nehmen  sich  gewöhnt  hat,  der  weiß,  wie 
spät  gerade  auf  dem  Oebiete  eigener  Produktion  bei  manchen, 
im  übrigen  ganz  wohl  beanlagten  Schülern  der  geistige  Wachs- 
knoten platzt.  Wie  es  schüchterne  und  ängstliche  Naturen  gibt, 
denen   es  in  ihrem  äußeren  Auftreten  nicht  gelingt,    einen  ihrem 


t)  Seither  hat  bekanntlich  die  Unterriehtsferwaltung  in  dieser  Be- 
liehong  lam  Teile  Wandel  geschaffeD. 


992  S.  J,  Morichj  Der  engliscfae  Stil,  ang.  y.  J,  Eüinger. 

inneren  Wert  entsprechenden  Eindmek  hervorznnifeD,  lo  findet  sich 
in  einer  heranwachsenden  Sohfilerschar  immer  einer  oder  der  andere, 
der  zwar  ganz  anyer&chtliche  Kenntnisse  besitzt,  anch  im  bestimmten 
Falle  Urteilsf&higkeit  zeigt,  dabei  aber  doch  in  seinen  Aofs&tzen 
meist  linkisch  und  unbeholfen ,  mitunter  wie  stammelnd  erscheint 
Entweder  ist  er  fiberhaapt  noch  zu  zaghaft....,  am  seine  innere 
Welt,  soweit  es  nicht  auf  bestimmte  Fachkenntnisse  ankommt,  in 
klarer  Form  znm  Ansdrnck  zn  bringen,  oder  er  siebt  sich  znf&llig 
meist  vor  Themata  gestellt,  die  gerade  dem,  was  in  seinem  Innern 
keimt  nnd  nach  Entfaltung  ringt,  nichts  Erweckendes  nnd  Fördern- 
des bieten Sind  also  im  fibrigen,  d.  h.  vor  allem  in  den 

alten  Sprachen  nnd  in  der  Mathematik  Anzeichen  tüchtigen  EOnnens 
nnd  guten  Urteils  Torhanden,  dann  —  aber  auch  nur  dann  — 
dfirfen  meines  Erachtens  Schw&chen  im  deutschen  Aufsatz,  sie 
mfißten  denn  ganz  elementarer  Natur  sein,  kein  unüberwindliches 
Hindernis  bilden  fdr  die  Zuerkennung  der  Reife''. 

Ohne  der  Laxheit  in  der  Beurteilung  des  deutschen  Beife- 
prnfungsaufsatzes  nur  im  entferntesten  das  Wort  reden  zu  wollen, 
habe  ich  die  Stellen  auch  deswegen  ausffthrlicber  wiedergegeben, 
weil  man  in  der  Praxis  oft  genug  die  erw&huten  ganz  besonders 
eigenartigen  Hemmnisse  des  Erfolges  im  Aufsatzunterridit  dbersieht 
und  besonders  dann,  wenn  ein  Matura- Aufsatz  mehr  oder  minder 
mißraten  ist,  die  Grunde  meist  anderswo  sucht.  Selbst  auf  die  Qe- 
fahr  hin,  der  Ketzerei  geziehen  zu  werden,  wage  ich  zu  behaupten: 
Der  deutsche  Aufsatz  bei  dem  Abiturienten -Examen  kann  deshalb 
nicht  unbedingt  als  der  Prüfstein  der  allgemeinen  geistigen  Reife 
angesehen  werden,  weil  er  eben  von  zu  vielen  Voraussetzungen  ab- 
hängig ist. 

Mies  i.  B.  Adolf  Hausenblas. 


Der  englische  Stil.  EId  Übongsbneh  ffir  Deutsche  tod  R.  J.  Morich, 
Lektor  der  englischen  Sprache  an  der  Unifersitftt  Grat.  Leipzig  nnd 
Wien,  Franz  Deaticke  1907.    YUI  und  885  SS.  —  Nebst  einem 

Scblflssei  (94  SS.). 

^Das  Torliegende  Buch  ist  aus  dem  Wunsche  des  Verfassers 
entstanden,  seinen  Schülern  bei  ihren  englischen  Stiiübungen  passende 
Materialien  in  handlicher  Form  vorlegen  zu  kOnnen**  (Vorrede  HI). 
Da  dem  Verf.  die  vorhandenen  Sammlungen  von  deutsdien  Obungs- 
stQcken  zu  kindlich  und  vielfach  veraltet  schienen,  hat  er  in  seinem 
Buche  charakteristische  Proben  deutschen  Stils  aus  den  verschie- 
densten Gebieten  der  Literatur,  meist  ganz  modernen  Ursprungs, 
zusammengestellt.  Wir  finden  hier  Bruchstücke  aus  Romanen  und 
Novellen  von  Goethe,  Tieck,  Keller,  Frenssen,  Mann,  Sudermann, 
Wildenbrnch,  Paul  Heyse,  Freytag,  Spielhagen,  Proben  ans  ge* 
schichtlichen  Werken  von  Pauli,   Ranke,   Moltke,   Sybel,  Raumer, 


JS.  J.  Maridi,  Der  englische  Stil»  aog.  t.  J,  Eüinger.  993 

Beeker,  literarhistoriBcbe  Abschnitte  von  Treitschke,  SchOnbach, 
Hettner,  Lübker,  ten  Brink,  Marie  Gothein,  Fragmente  ans  Ooetbee 
GlaTige,  Freytags  Joamalisten ,  Benediz'  Z&rtlichen  Verwandten. 
Aber  nicht  nur  die  schOne  Literatur,  sondern  aach  Beisewerke,  die 
Tagespresse,  naturwissenschaftliche  Werke  nnd  Werke  über  Handel 
(wie  z.  B.  Einer,  China)  hat  der  Verf.  fär  seine  Zwecke  aisgebeatet. 
Dem  schwierigen  und  mannigfaltigen  Übnngsstoffe  (S.  1 — 91)  ent- 
spricht anch  das  reichhaltige  Hilfsmaterial,  welches  ihm  der  Verf. 
beigegeben  hat  Es  besteht  1.  ans  „Anmerkungen**  (S.  98 — 218), 
die  entsprechende  Vorschl&ge  znm  Übersetzen  für  den  konkreten 
Fall  enthalten;  2.  ans  einem  Abschnitt  „Phraseologisches*'  (8.  219 
bis  258)  mit  über  200  alphabetisch  geordneten  deutschen  Wertem, 
von  denen  jedes  mehrere  Übersetzungen  zulftBt ;  8.  aus  Bemerkungen 
zum  englischen  Stil  und  zur  englischen  Syntax  (S.  259 — 885). 
Man  muß  zugeben,  daß  alle  drei  Hilfen  mit  Gründlichkeit  und 
Geschick  ausgearbeitet  sind  und  daß  besonders  die  zwei  letzteren 
für  den  Benutzer  des  Buches  von  großem  Werte  sind.  In  dem 
dritten,  die  Syntax  betreffenden  Abschnitt  sind  die  Segeln  sehr 
▼orsichtig  gefaßt  und  entsprechen  daher  dem  herrschenden  Sprach- 
gebrauch. Ich  lasse  hier  nur  einige  wenige  Bemerkungen  und 
Zus&tze  folgen:  S.  266.  Statt  I  teere  to  steht  nach  if  auch  / 
nhmUd.  —  S.  268.  Daß  die  Substantiva  chureh,  school,  priwn, 
bed  usw.  nicht  wirklich  „Abstrakten  gleichkommen**,  wenn  sie 
artikellos  gebraucht  werden,  erhellt  aus  dem  Satze  ^Bed  is  ihe 
heet  place  for  yau**.  —  S.  269.  Bei  Namen  Ten  Jahreszeiten 
und  Tagen  kann  auch  ohne  nähere  Bezeichnung  der  bestimmte 
Artikel  stehen.  —  8.  270.  Das  Beispiel  „The  England  of  aur 
daye*  gehört  nicht  in  den  §  82,  der  über  die  Setzung  oder  Aus- 
lassung des  Artikels  Tor  A^joktiv  -f~  Eigennamen  handelt  — 
S.  278.  In  den  Verbindungen  „three  Shillings  a  yard,  sixpenee  a 
paund  kann  statt  a  auch  ihe  stehen.  —  S.  275.  Die  Stellung  des 
unbestimmten  Artikels  zwischen  Adjektiv  und  Substantiv  tritt  auch 
nach  no  (still)  -)-  Komparativ  ein.  —  S.  292.  Das  verstärkende 
Adverb  „doch**  in  Sätzen  wie  „bringen  Sie  mir  doch  einige  Brief- 
marken** kann  auch  durch  do  ausgedrückt  werden:  do  bring  me 
same  stamps.  —  S.  800.  Auf  die  Frage  Whg  don'i  you  workf 
kann  man  nur  mit  I  do  tcork,  nicht  auch  mit  /  am  working 
antworten;  diese  letztere  Antwort  würde  doch  die  Frage  Whr/  are 
you  not  working?  veraussetzen.  —  S.  820.  Die  gleichbed«Qtend«& 
Präpositionen  an  und  upon  unterscheiden  sich  darin,  daü  upm 
das  gewähltere  Wort  ist. 

In  dem  „Schlüssel**  zu  dem  vorliegenden  „Übungsbuch''  aiiid 
alle  Übungsstücke  ins  Englische  übersetzt.  Diese  Übersetzangen 
wurden  meist  vom  Verf.  selbst  besorg^;  nur  X  (Ludwig  lieck,  Der 
getreue  Eckart)  und  XI  (Goethe,  Wilhelm  Meister)  stammen  von 
Garlyle,  und  XXVI  (ten  Brink,  Geschichte  der  englischen  LiUr^tar) 
dürfte  von  Kennedy,  dem  Übersetzer  ten  Brinks,  herrühren* 

ZeitMhrifk  f.  d.  6fterr.  GjniB.  1908.  XI.  Heft.  68 


( 


994  K,  BerqvMMin^  Die  iprMhl.  Ansebaaong  uw.,  ang.  ▼.  F.  Wawra. 

Auffallend  ist  es,  daß  im  ganzen  Bnebe  noch  die  alte  deataebe 
Beebtsebreibnng  (i.  B.  Li/torator,  giebt)  beibebalten  wird,  ferner 
dafi  dnrebwegs  nnengliscbe  Anfübrnngszeiehen  (»  ^  eder  '*  ^  statt 
^  ")  Tenrendet  werden.  An  Dmckfeblem  babe  ich  nnr  folgende 
bemerkt:  8.  265  eargerfy,  S.  278  Mr  (their),  8.  286  far  (far), 
8.  294  sadUy,  8.  808  andience,  8.  811  da/J  PassiT,  8.  825  <A« 
(thee),  S.  827  D»  Deateoben. 

Das  Bnch  ist  znm  Oebranch  an  den  englisehen  Proieminarien 
nnd  8eminarien  der  UniTereitftten,  an  teebniscben  Hoebscbnlen,  an 
Handelsakademien  nnd  an  allen  bOberen  8cbnlen,  wo  man  für 
umfassende  englisebe  8tilfibnngen  Zeit  bat,  sowie  zum  PriTst- 
stndinm  bestens  zn  empfeblen. 

Wien.  Dr.  Job.  EUinger. 


Die  sprachlicbe  Anscbaaung  und  Aosdracksweise  der  Fran* 
ZOSen*  Von  Dr.  Karl  Bergmann.  Freibug  (Baden),  J.  Bielefeldt 
Verlag  1906.  Z  nnd  188  SS.  Preis  3  Mk. 

Des  Verf.  Absiebt  war  weniger,  eüie  Pbraseolegie  im  land* 
Iftnflgen  Sinne  zn  liefern,  als  Tielmebr,  weniger  beacbtete  Seiton 
des  Spraeblebens  wie  Lantmalerei,  Enpbemismns,  Bildersprache  usw. 
am  ftranz(ysi8cben  Pbrasenscbatze  aufzuzeigen.  Es  handelt  sich 
hiebe!  greßtenteils  nm  sprichwörtliche  Bedensarten  familiftren  nnd 
▼olkstttmlichen  Oeprftges,  welche  den  Geist  des  Volkes  Tiel  besser 
znm  Ansdmck  bringen  als  die  konventionellen  nnd  daher  abgeblaßten 
Wendungen  der  Schriftsprache.  Der  hauptsicblicb  den  Werterbfichem 
von  Littr^,  Sacbs-Villatto,  Darmestetor-Hatzfeld  entnommene  Stoff 
ist  in  folgender  Weise  gruppiert:  I.  Lautmalerei,  Alliteration,  Beim, 
n.  Der  Euphemismus.  lU.  Schimpf  und  Spott.  IV.  Die  Ansdisu- 
lichkeit  der  Sprache.  V.  Die  Metapher.  VI.  Wie  die  Völker-,  L&nder- 
und  8tädtonamen  in  der  französischen  Sprache  zur  Verwendung 
kommen.     VII.    Die    Personennamen    im    sprachlichen    Ausdruck. 

VIII.  Die    Tier-    und    Pflanzenwelt    im    sprachlichen    Ausdruck. 

IX.  Nacbkl&nge  des  früheren  Aberglaubens  in  der  beutigen  Sprache. 

X.  Die  Bequemlichkeit  der  Sprache. 

Diese  Zusammenstellung  zeigt  schon,  daß  der  Verf.  seinen 
Stoff  nicht  nur  mit  Fleiß  zusammengesucht  bat,  sondern  ihn  auch 
▼oUst&ndig  beherrscht.  Er  gibt  uns  daher  auch  keine  dürren  Auf* 
Zählungen,  sondern  Terstebt  es,  das  lose  Material  zu  einem 
zusammenb&ngenden  Oanzen  zu  Terbinden  und  das  VerhAltnis 
zwischen  der  ursprünglichen  Bedeutung  und  der  spftteren  Verwen* 
düng  aufzudecken.  Manches  freilich  b&tte  der  Verf.  noch  Klöppers 
Französischem  Beallexikon  entnehmen  können,  namentlich  zu  den 
Omppen  VI  und  VII.  Auch  wftre  dort  (I  194  und  m  281)  die 
richtige    Erklftrung    für    une   quereUe   d'ÄUemand   (8.  102),    die 


F.  Umlauft^  Deutaebe  Bandiehan  üiw.,  aDg.  t.  B.  Imendörffer.   995 

übrigens  schon  bei  Sachs-Villatte  kon  gegeben  ist»  zu  finden  ge- 
Wesen.  Anch  fftr  die  sprichwörtliche  Redensart  ü  resaemble  au  ehien 
de  Nif?eUe,  ^i  $^enfuit  quand  <m  Vappeüe  (8.  115)  wird  dort 
(ü  629)  eine  andere  Erkl&rong  gegeben. 

öfter  kommt  der  Verf.  anf  etymologische  Dinge  zn  sprechen. 
Hier  Iftßt  er  jedoch  manchmal  die  so  notwendige  Genanigkeit  in 
der  Beobachtang  der  Lautgesetze  Tormissen.  So  kann  ehou  (in  der 
Bedensart  faire  ehou  blane)  keine  „verderbte  Anssprache"  von 
eoup  sein  nnd  wird  sich  anch  nicht  mundartlich  als  solche  nach- 
weisen lassen.  Auch  ist  es  nicht  möglich,  larigU  (8.  88),  das 
durdiaus  Tolkstamliches  Wort  ist,  vom  griech.  Idifyyl^j  Id^vyyog 
abzuleiten.  Ein  altes,  durchaus  Tolkstümlicbes  Wort  ist  auch  eauard 
(8.  24),  das  demnach  nicht  vom  ital.  eodardo  kommen  kann,  son- 
dern wie  dieses  regelm&ßig  aus  Tulgärlat.  eöda  +  germ.  Suffix 
hard  entwickelt  ist  Umgekehrt  stammt  oapriee  (8.  117)  nicht 
direkt  vom  lat.  eapra,  sondern  ist  Lehnwort  vom  ital.  eapriecio, 
dessen  Geschlecht  es  auch  übernommen  hat.  La  eabriole  und  ea- 
Moler  sind  Lehnwörter  aus  dem  Spanischen.  Im  übrigen  nehmen 
die  etymologischen  Bemerkungen  in  dieser  Schrift  einen  so  geringen 
Baum  ein,  daß  durch  dieselben  der  Wert  der  letzteren,  der  vor 
allem  in  einer  nach  kritischen  Gesichtspunkten  geordneten  Vor* 
fübrung  des  französischen  Phrasenschatzes,  speziell  des  volkstüm- 
lichen, liegt,  in  keiner  Weise  beeintrftehtigt  wird. 

Auch  der  Druck  ist  sorgfiltig.  An  bemerkenswerten  Druck- 
fehlem sind  nur  hervorzuheben:  8.  59,  Z.  2  v.  o.  „Hebel"  statt 
„Hobel**  und  ebenda,  Z.  22  v.  o.  .ttit"  st.  „une''  (dreuiaire). 

Wr.-Neustadt.  Dr.  F.  Wawra. 


Deutsche  Bundschau  für  Oeographie  und  Statistik,  unter  Mit- 
wirkung von  hervorragenden  Faehminnem  herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  Friedrich  Umlauft,  Wien.    XXX.  Jahrgang  1908.    6.-8.  Heft 

Mit  den  drei  vorliegenden  Heften  wird  die  beliebte  Zeitschrift 
in  würdiger  Weise  fortgeführt.  Wieder  bietet  sie  dem  Leser  eine 
Fülle  der  anregendsten  Lektüre.  Große  Aufsätze,  wie  „Zur  Geschichte 
der  Meeresforschung  von  Dr.  J.  Beiner  in  Gbarlottenburg,  „Das 
moderne  Bom^  von  Dr.  A.  Olinda  in  Neapel,  „Der  Sundgau^  von 
E.  Tschaeche  in  Bappoldsweiler,  eine  sehr  zeitgem&ße  Abhandlung 
über  „Die  Entwicklung  der  deutschen  Flotte**  von  Kapit&n  A.  v. 
Bziha  usw.  verleihen  auch  den  letzten  Heften  der  Bundschau  blei- 
benden Wert.  Daß  eine  große  Anzahl  interessanter  kleinerer  Auf- 
sätze und  lehrreicher  Mitteilungen  aller  Art  das  Ganze  in  höchst 
erwünschter  Weise  abrunden,  ist  nachgerade  überflüssig  zu  erwähnen. 

Wien.  B.  Imendörffer. 


es» 


996  O.  Sggeri,  Emffthmiig  in  die  Oeodide,  ang«  ▼.  J.  O.  WaUmtm, 

Einffthhing  in  die  Oeod&sie.  Von  Dr.  0.  Eggert,  PtofaMor  u  d« 
te^niictami  Hoehtebile  in  Dftn^.  Ifit  2S7  Fignron  im  Text  LMpiig, 
B.  6.  Timbner  1907.   Proii  geb.  10  Mk. 

Dieses  Buch  ist  auf  Gnmd  Ten  VorkBnngen  «itstaad«!, 
wriebe  der  Verf.  im  Jahre  1904  an  der  Berliner  (^irecsil&t  ge- 
balton  hat.  HiazagefAgt  wnrde  ein  km  gehaltener  Abriß  der 
▲nsgleichsrechnmigi  damit  einige  Methoden  der  MeMingeo  eine 
gründlichere  Behandhmg  erfahren  kennten.  Die  lastmmente  wirden, 
was  ihre  Theorie  nnd  Einriehtnag  betrifft,  mit  erschöpfender  Ge- 
nauigkeit behandrtt;  die  Abbildmig  der  Instrumente  entspricht  den 
Zwecken  des  Baches  rollkommen.  An  LiterAtorangaben  fehlt  es 
nicht;  sie  werden  geeignet  sein,  den  weiter  Strebenden  mn  gnter 
Berater  zu  seia.  Es  ist  torzngsweise  die  niedere  Geodäsie,  Welche 
sich  mit  der  Ansmessang  einzelner  Teile  der  Erdoberfliche  be- 
schiftigt,  die  in  dem  Torliegenden  Bache  tnr  Sprache  kcmmt 

Im  ersten  Abschnitte  werden  die  geometrischen  und  trigoao* 
metrischen  Honzontalanfinahmen  behandelt.  Znnftchst  sind  soldie 
besprochen  worden»  die  sich  mit  einfachen  Hilfsmitteln  anslflhren 
lassen;  dann  wird  die  Fehlertheorie  in  sehr  ansprechender  Weise 
in  ihren  Elementen  dargestellt;  weiters  wird  die  Theorie  der 
optischen  Instrumente  mit  besonderer  Bdcksicht  auf  das  Mikroskop 
und  Femrohr  vorgetragen.  Die  nftchsten  ErOrtemngen  beziehen 
sich  auf  die  LibeUen  nnd  AbleseYorrichtnngen,  den  Theodolit, 
dessen  Theorie  in  sehr  eingehoider  Weiss  zur  Darstellung  gelangt, 
weiters  auf  die  polygonometrische  Pnnktbestimmung  nnd  die  tri- 
gonometrische Fuiktbestimmang,  wobei  jederzeit  den  einzelnen 
theoretischen  Erörterungen  Beispiele  zu  deren  Erl&uterung  bei- 
gegeben sind.  Von  großem  Interesse  sind  die  im  Buche  weiter 
folgenden  Bemerkungen  fiber  die  Mittel  zur  Darstellung  der  Ergeh- 
nisse  der  Messungen  in  einer  Karte  oder  in  einem  Lageplan.  Die 
geometrischen  Meßtischaufnahmen,  welche  den  Zweck  verfolgen, 
bereite  im  Felde  ein  vegüngtes  Bild  von  der  Horizontalprojektion 
der  physischen  Erdoberfläche  herzustellen,  werden  im  folgenden 
behandelt,  ebenso  die  Theorie  »der  sich  oft  notwendig  erweisenden 
Flftcheninhaltsbwecbaangen. 

Der  zweite  Abschnitt  handelt  von  den  HOhenaufnahmen 
(geometrisches  Nivellement,  trigonometrische  Höhenmessung,  wobei 
auch  der  Einfluß  der  Brdkrflmmung  und  der  Strahlenbrechung  be- 
rflcksicbtigt  wird,  barometrische  H6henmessung  und  zwar  mittelst 
des  Siedethermemeters,  der  Quecksilber-  und  Aneroidbarometer). 

Im  dritten  Abschnitte  finden  wir  die  Darstellung  der  gleich- 
seitigen Horizontal-  und  Hl^henaufnahmen  (Tachymetrie,  Topographie, 
Photogrammetrie  unter  Eingehen  auf  die  Einrichtung  der  Photo- 
theodoliten und  die  stereophotogrammetrischen  Methoden). 

Im  vierten  Abschnitte  wird  die  Ausgleiehsrechnung  nach  der 
Methode  der  kleinsten  Quadrate  in  ihren  Grundlagen  erörtert  und 
auf  die  Ausgleichung  vermittelnder  und  bedingter  Beobachtungen 


L,  Tuwr,  Elemente  d.  Differential-  «sw.,  ang.  t.  X  &.  TFotiaat».  997 

in  Anwendang  gebracht.  Besonders  wichtig  ist  die  Aasgieichong 
▼<Mi  Ikeieekanetsen,  die  Koordinatenansgleichnng  von  Dreiecks- 
pankteo,  mit  welcher  das  Bach  seineD  Abschluß  findet  Es  ist 
in  allen  Teilen  so  klar  geschrieben,  dafi  es  sieher  als  eine  treff- 
liche Einffihning  in  das  Gebiet  der  niederen  Geodisie  beseichDet 
werden  kann  $  es  wird  eine  wirksame  Vorbereitung  fflr  das  Studium 
ansfohrlicherer  Werke  fiber  diesen  Gegenstand,  z.  B.  fflr  jenes  des 
berühmten  Handbaches  der  Vermessungskunde  von  W.  Jordan  bilden. 


Elemente  der  Differential-  and  Integralrechnang.  fliiAbneh  fttr 
den  mathematiBcheB  Unterricht  snm  Gebranobe  an  höheren  Lehi- 
anstalten.  Von  Ludwig  Tesaf,  wirkl.  Mittelacbollehrer  in  CMmüta. 
Hit  88  Figuren  im  Text    Leipsig  und  Berlin,  B.  G.  Tenbner  1906. 

Die  Bewegung,  die  in  den  letzten  Jahren  die  Bchulminaer 
Dentschlands  und  Österreichs  ergriffen  hat  und  welche  daranf 
hinauszielt»  den  Mittelschfller  sobald  als  möglich  nnd  sobald  es 
sich  didaktisch  Yorteilhaft  erweist,  in  das  funktionale  Denken  ein* 
inführen  nnd  ihn  mit  der  graphischen  Darstellung  der  wichtigsten 
Funktionen,  dadurch  indirekt  mit  dem  Verlaufe  derselben  (Wacha- 
tnm  und  Abnahme,  Maximal-  und  Minimalstellen,  Wendepunkte  usw.) 
▼ertraut  zu  machen,  ihn  weiter  bis  an  die  Grenzen  der  Infinitesi- 
mahrechnung  heranzuführen  oder  sogar  mit  den  Elementen  dieses 
Kalküls  vertraut  zu  machen,  hat  vielfache  Diskussionen  hervor- 
gerufen und  sowohl  in  Deutschland  als  auch  in  Osterreich  Vemn" 
lasBung  zur  Hwausgabe  von  Publikationen  über  diesen  Gegenstand 
gegeben.  Man  kann  wohl  behaupten,  daß  in  diessr  Frage  uns  die 
Franzosen  vorbildlich  vorangegangen  sind,  daß  andererseits  Ge- 
heimral  Klein  in  Güttugen  in  verschiedenen  sehr  lesenswerten 
Abhandlungen  dargetan  hat,  wie  die  Reform  der  Mittelschnlmathe- 
matik  zu  vollziehen  wftre. 

Soviel  steht  schon  jetzt  fest,  daß  sowohl  im  Lehrstoffe  der 
Arithmetik  als  auch  in  jenem  der  Geometrie  an  der  Mittelschule 
herzhafte  Stridie  vorgenommen  werden  müssen  nnd  zwar  vorzugs- 
weise in  jenen  Partien,  die  vermüge  ihres  allzu  abstrakten  Charakters 
denn  doch  der  Fassungskraft  unserer  Schüler  nicht  angepaßt  sind 
oder  sich  allzu  sehr  von  praktischen  Gebieten  entfernen  nnd  der 
Anschauung  wenig  zugänglich  sind.  In  der  Arithmetik  sind  es 
vorzugsweise  zahlentheoretische  Erörterungen,  die  an  und  für  sich 
belangreich  nnd  vom  Interesse  sind,  doch  sehr  wenig  die  malhe^ 
matisciie  Durchbildung  des  Mittelschülers  zu  fördern  geeignet 
erseheinen;  auch  in  der  Geometrie  wftre  es  an  der  Zeit,  statt  der 
vielen  Theoreme  der  Geometrie  des  Euklides,  der  —  wie  Geheim- 
rat  Klein  an  einer  Stelle  seiner  Schriften  bemerkt  —  sicherlich 
nicht  für  Mittelschüler  geschrieben  hat,  wertvolleren,  dnrdi  die 
Anschauung  errungenen  Lehrstoff  dem  mathematischen  Unterriohte 
einsuverieiben. 


998  ^'  Tesaf,  Elemente  d.  Dlf ereuliftl-  u&m.f  ADg.  r.  X  C?.  WoHenUn. 


Eine  roD  deo  vorhin  erwäbnteii  Scbriftin,  io  diDen  di«  ndQ«riD 
Bestrebmi^fn  auf  dam  Gebiet«  der  Mittelscbulmatbaiiialik  zur  Spracb« 
ktomm«n,  ist  die  forlieg^ude«  Der  Verf.  hat  znnftcbst  die  graphiscbe 
DargtelliiD^  der  Funktionen  gelehrt  und  gebt  biebei  voe  den  ein- 
fach 8ten  Fällen  ane  and  zeigt  an  passend  gewählten  Beiapi elin 
die  Anwendung  des  Yorgetragenen.  So  wird  die  Gerade,  die  Parabel 
und  die  gleichzeitige  Hyperbel  in  den  Kreis  der  BetrachtQiigtn 
eingefthrt. 

Im  zweiten  AbBchnltte  gelangt  der  Yerfasaer  auf  Ornnd  von 
kmematttichen  Er&rteruogen  zam  Begriffe  des  DifferenxeBqaotieotefi. 
Ad  einem  nnmeriBCben  Beispiele  wird  dargetan,  daß  dieser  Diffe- 
renzen qnotient^  wenn  Zähler  and  Nenner  g%gm  Null  konTergieren, 
zum  Differentialqnotient  wird.  Eine  graphische  Darstellang  dietei 
Quotienten  wird  sodann  vorgenommen  nnd  schon  an  dieser  Stellt 
gezeigt,  welche  Bedentnng  derselbe  beim  Studium  de»  Yerlanfea 
von  Korven  bat.  Daß  man  ans  gehend  yod  dem  ersten  Differenlial- 
qnotienten  zam  zweiten  und  den  höheren  gelangen  kann«  zeigt  der 
Verfasser  gelegentlich  der  Anf Stellung  der  angenhlicklichen  Bahn* 
beschiennignng  bei  der  ungleich  förmigen  Bewegung  in  einer  Enrta* 
Kef.  ist  der  Ansicht,  daß  die  Aufstellung  der  Symbolik  des  zweiten 
Di^erentialquotienten  ohne  Abbrach  an  der  Mittelschule  Termiedeo 
werden  könnte,  znmal  gerade  biebei  dem  Scbnlsr  leicht  Schwierig- 
keiten erwachsen  könnten*  Im  weiteren  werden  die  Differential* 
qnotienten  einiger  Funktionen,  die  am  häufigsten  in  den  Anwen^ 
dangen  auftreten ,  behandelte 

Die  Einfübrnng  des  Integral  begriff  es  im  Hittelschalanterriebte 
ist  nicht  unerheblichen  Schwierigkeiten  ausgesetzt;  jedenfalls  er- 
scheint diesbezüglich  jener  Weg,  den  Tannery  in  seinem  kfirzlicb 
in  diesen  Blättern  besprochenen,  sehr  lesenawerten  Buche  betreten 
bat,  dem  Eef.  der  am  meisten  nachabmene werte  ze  sein.  Die  Ein^ 
fäbrang  des  Begriffes  ,,Differentiah  in  dem  Abschnitte  ,,Einführunf 
iE  daa  Integral"  dürfte  man  keine  beeondera  gläckliohe  oennes. 
Jedenfalls  ist  der  apäter  abgeleitete  Satz,  daß  der  Differential* 
quotient  der  als  Funktion  von  x  betrachteten  (von  einer  fixen  nnttren 
Grenze  an  gerechneten)  Fläche  nach  x  (der  oberen  Grenze)  gleich 
der  Ordinate  ist^  in  der  ganzen  Theorie  der  wichtigete*  znmsd  er 
einen  sehr  bequemen  Weg  zur  Ansführnng  der  Integration  anzeigt« 

Ale  Beispiele  zur  Integration  werden  gegeben:  die  Quadratur 
Yon  ebenen  Flächen  nnd  der  Kngelfiäche,  die  Eabatur  Ton  EoUttODi* 
fliehen,  weiters  einige  physikalische  Anwendungen  (Bestimniiuif 
des  Seiten drackes,  des  Schwerpunktee,  Aufstelinng  der  Begtl  feo 
Gntdin,  Bestimmang  des  Trägheitsmomentes,  Potential,  potAnlitUi 
Energie  oder  Arbeite  wert,  Wecheelatrom). 

Der  dritte  Abschnitt  dea  Buches  ist  der  ÜnteraucUnng  fon 
Knrven  gewidmet.  Ob  der  Vert  in  diesem  Abaebnitta  njcht  tu 
weit  gegangen  ist!  EeL  glaubt»  daß  t,  B.  in  der  Torgefahrten 
Allgemeinheit  die  Theorie  der  Krömtnung  Ton  Surfen  an  der  Mitttl- 


I 


I 


u 


ichül6  nicht  vorgenommeD  werden  kaoi],  (ia0  nanj^DUieb  das 
EvolatflD-  und  ErohenteoprobUm  in  den  EabtDen  des  Mittel  schul* 
nnterncbtes  nicht  paßL  —  Bevor  sich  der  Vert  £Qib  Begriff  dea 
nnbeetimmten  Integrals  nnd  degaen  Znsatnmenbäag  mit  dem  be- 
etimmten  Integrai  wendet,  wird  noch  der  mathematiscbe  Ansdrack 
fnr  die  Größe  der  HormalbeschleunigiiDg  ermittelt. 

Der  Äbacfanitt  Über  die  logaritb  mische  FimktioD  nnd  die 
Exponestialfonktion  ist  im  wetentliobtD  nach  den  Tortref liehen 
Änsfthrnngen  Tannerys  aasgearbeitet.  Einige  Anwendungen  ans 
der  Physik  dienen  ^nr  näberen  ErUntemng. 

Den  Schlnß  des  Bnebes  bilden  Erörterungen  über  Maxima  nnd 
Minima  von  Funktionen  nnd  diesbezüGrliche  Beispiele. 

Gelegentlieb  der  graphischen  Darstellnag  Tcn  Funktionen 
hätte  es  sich  empfoblen,  auch  anf  die  graphische  LOsnng  Ton 
Gkichnngen  des  näheren  einzugehen* 

Ref.  wünscht  dem  mit  Hingabe  nnd  gntem  Geschicke  gear- 
beiteten Buche,  das  einen  der  Wege  zeigt,  anf  denen  die  Elemente 
des  Inünitesimalkalknls  in  den  Mittelschntnnterriebt  eingeführt  werden 
kannten,  recht  viele  Leeer. 

Wien.  Dr.  L  G.  Wallentin. 


Naturlehre  fer  die  enteren  Eksnan  der  Mitte!schulea  toh  Dr.  Aldi 
Hafler  unter  Mitwirkong  von  weiland  Dr,  Eduard  Mni^  und  Dr. 
Gnita?  Schilling'  Mit  290  HolzBehnitteD,  3  farbigen  Ftgoren*  vm9T 
iitbographierten  St^rntafel  und  einem  Anhange  lon  140  Denkaolgaben* 
4.  r er  besserte  Anfiaife.  Wien  1006,  Kail  Gerolds  äohn*  Prets  geh. 
2  E  30  b,  geb.  2K  m  b. 

Vorliegendes  Lehrbnch  Ist  in  dieser  Form  das  erstemal  vor 
IS  Jabren  aufgelegt  nnd  im  XLY*  Bande  dieeer  ^eitscbrift  S.  250 
angezeigt  worden.  Beitber  ist  eioe  nnTeränderte  2*  nnd  190Q  die 
ftrbeeserte  3.  AnOage  erschienen,  die  der  Verf.  selbst  als  ^ einen 
last  nnTSränderten  Abdruck  der  ersten  vom  Jabre  1898^  bezeicbnet. 
Wenn  sich  nnn  die  gegenwärtige  4.  Anf  läge  wieder  eise  verbesserte 
oennt,  so  kann  anch  von  ihr  gleich  bemerkt  werden,  daG  die  Ver- 
indernng  bis  anf  ein  paar  Pnnkte  «ich  nnr  auf  untergeordnete 
Kleinigkeiten  beschränkt,  so  daß  das  Bnch  nach  Inhalt  und  Form 
ancb  diesmal  im  wesentlicbeii  das  alte  geblieben  ist. 

Bei  dem  Umstände,  daß  nach  13  Jahren  nnn  schon  die 
4.  Änflage  netwendig  wnrde,  kann  die  Tatsache,  daß  dae  Bnnb 
biebtr  eine  namhafte  Andefnng  nicbt  erfahren  hat,  nnr  als  gotes 
Zeicben  dafür  geUen^  daß  der  orsprünglicbe  Plan  ein  woblnba?- 
legier  gewesen  nnd  der  Ansfnbmng  desselben  eine  reiche  Erfafarang, 
gepaart  mit  dem  richtigen  pädagogischen  Blick,  zngrnnde  gelegen, 
somit  der  erste  EDtwnrf  einer  Verbessernng    nicbt   bedürftig   war. 

H.  hat  sich  nach  dem  Tode  des  ersten  verdienstvolien  Mit- 
arbeiters,   Prof.  £d.  Maiß»   der  Mitwirknng  seines  Nacbfolgers  im 


1000     Höfler'Maiß'Sekiümg,  Katulehte,  ug.  t.  A.  LeehÜudar. 

Amte,  Qnst.  Sdiilling,  veraichert,  der  im  Geiste  der  urapröngliehcB 
Herausgeber  das  Bndi  revidierte,  mehrfache  kleine  VerbeBsemngeo 
didaktischer  und  stilistischer  Art  besorgte  und  die  neue  Orthogn^hie 
darchfährte. 

So  wurden  das  Telephon  und  Mikrophon  wieder«  wie  schon 
in  der  1.  nnd  2.  Auflage,  in  die  Elektritit&tslehre  gerückt,  „offen- 
bar in  der  richtigen  Brwftgnng,  daß  die  Bntstehnng  der  Indnktions- 
ströme  im  Sprachtelephon,  bezw.  Mikrophon  und  die  £rklAriuig  der 
elektromagnetischen  Vorg&nge  im  Hörtelephon  dem  Schuler  jeden- 
falls mehr  zu  denken  geben  als  das  Schwingen  der  beiden  Mem« 
brancB  und  des  Besonanzkistchens".  —  Zum  Nachweise  des  Ge- 
Wichtes  der  Luft  wurde  der  Versuch  mittelst  Einblasen  und  Aus- 
saugen oder  ErwftrmMi  und  AbkAblen  des  Qlasballons  neu  auf- 
genommen, der  auf  der  Unterstufe  dem  Versuch  mit  der  Luftpumpe 
gewiß  vorzuziehen  ist.  —  Auch  der  lehrreiche  und  nun  sehen 
ailttgliche  Phonograph  von  Edison  hat  Eingang  in  das  Buch  ge- 
funden. —  Als  wesentlichste  Änderung  der  Neuauflage  beseiehnet 
der  Verf.  aber  die  Bereicherung  der  letzten  Paragraphen  der 
Elektrizit&tslehre  „um  einige  der  nun  ganz  populftr  gewordenen 
elektrotechnischen  Anwendungen**  und  die  dafür  eingetretene  Ent- 
lastung der  sich  anschließenden  Anfangsparagraphen  der  Mechanik. 
Dahin  gehören  die  Aufnahme  des  Voltameters,  die  Einfdhrung  der 
Stromeinheit  (Ampere),  die  Erw&hnung  des  Amp^remeters  und  die 
Behandlung  der  Akkumulatoren.  Auch  ein  Paragraph  über  Dynamo- 
maschinen und  Motoren  mit  einer  Skizze  des  Grammesdien  Ringes 
ist  neu  hinzugekommen ;  dagegen  sind  die  Paragraphen  über  Form 
der  Bahn,  Sichtung  der  Bewegung  und  über  die  allgemeinen  Be- 
griffe der  gleichförmigen  und  beschleunigten  Bewegung  dadurch 
überflüssig  gemacht  worden,  daß  nun  „dem  Schüler  die  Bewegung 
an  der  schiefen  Ebene  und  beim  freien  Fall  so  bald  als  möglich 
als  physikalische  Erscheinung  vorgeführt  werden". 

So  erscheint  denn  das  Büchlein  wieder  mit  all  den  bekannten 
und  schon  mehrfach  gewürdigten  Vorzügen  Höflerscher  DarataUnng, 
die  ihm  von  Anfang  an  viele  Freunde  und  eine  weite  Verbreitimg 
verschafft  haben:  Sachlich  von  seltener  Gründlichkeit,  der  Form 
nach  logisch  und  psychologisch  bis  ins  einzelne  streng  nnd 
unanfechtbar,  methodisch  den  Anforderungen  einer  gesunden  Päda- 
gogik vollkommen  entsprechend,  verbindet  das  Lehrbuch  eine  viel- 
fach neue  und  eigenartige,  anregende  Darstellung  mit  zwingender 
Begründung  und  treffender  Exemplifikation. 

Wer  mit  der  Höflerschen  Darstellungsart  nicht  einverstanden 
ist,  weil  er  auf  der  Unterstufe  den  Philoeophen  zu  oft  hermuihöft 
oder,  weil  ihm  der  Psychologe  zu  w«t  geht,  die  Gründlichkeit  ab 
und  zu  in  Kleinlichkeit  auszuarten  scheint  und  das  fortw&krende 
Verweisen  auf  Vergangmes  und  nicht  selten  auch  auf  Zukünftiges 
didaktisch  bedenklich  erscheint;  wer  sich  durch  die,  auch  nicht 
überall  konsequent  gleich  weit  gehende,  Ausführlichkeit  des  Autors 


Höfler-Maiß'Schmng,  Natoriehre,  aog.  ▼.  A,  Ledithaier.     iOOl 

in  seiner  SelbBtandigkeit  als  Lehrer  beeintr&cbtigt  and  beTormnndet 
fühlt  und  daher  in  diesen  Ponkten  eine  Anderang«  bezw.  Ver- 
besserung anregen  wollte,  begehrte  nichts  weniger,  als  daß  HGfler 
nicht  weiter  Höfler  sein  sollte.  Eine  solche  Selbstverlengnnng  kann 
man  aber  bei  dem  (leiste,  der  Erfahrung  und  ÜbenBeugung  des 
Yerf.s  billigerweise  nicht  verlangen. 

Wenn  daher  Bef.  nachstehend  auf  ein  paar  Punkte  hinweist, 
in  denen  ihm  eine  Veränderung  eine  Verbesserung  dftnkte,  so  hat 
dies  mit  der  Eigenart  des  Buches  nichts  zu  tun  und  geschieht  im 
Sinne  der  Bitte  des  Autors  an  die  Fachkollegen  in  der  Vorrede, 
ihn  in  der  Verbesserung  seines  Werkes  zu  unteretfitzen. 

Vor  allem  findet  Bef.  die  für  Gymnasien  und  Bealschulen 
einheitliche  Form,  die  nur  mehr  tou  H.  zur  Verbilligung  des 
Buches  beibehalten  wird,  trotz  des  im  allgemeinen  an  beiden 
Anstalten  gleichen,  aber  nicht  durchaus  gleich  zu  behandelnden 
Stoffes  bedenklich.  Au^  ist  es  doch  recht  zweifelhaft,  ob 
durch  die  den  an  Bealschulen  zur  Ausgabe  gelangenden  Exemplaren 
auf  einem  besonderen  Blatte  beigegebene,  für  die  Bealschulen 
derzeit  angeordnete  Abfolge  der  Kapitel  hinreicht,  h&ufige  Ver- 
wechslungen hintanzuhalten  und  die  durch  die  nötigen  Umstellungen 
einzdner  Teile  des  Buches  gestörte  Obersicht  wiederberzustellMi. 
Des  weiteren  würde  es  Bef.  fflr  ersprießlicher  halten,  wenn  die 
Ton  H.  zuerst  eingeführten  Denkaufgaben  in  den  Lehrtext  ein- 
geschaltet würden,  wie  dies  in  anderen  Lehrbüchern,  wenn  auch 
weniger  ausgiebig,  geschieht,  da  doch  zu  befürchten  steht,  daß 
sie  außerhalb  desselben  «dem  Scharfsinn  des  Schülers*  nicht  genug 
„Anreiz  zur  Bet&tignng  geben**  werden. 

Eine  Vermehrung  der  recht  spftrlichen  historischen  und  bio- 
graphischen Daten  über  die  wichtigsten  Maschinen,  die  grund- 
legenden Naturgesetze  und  die  hervorragendsten  Physiker  wire 
gewiß  recht  erwünscht  und  es  würden  solche  als  Anhang  vielleicht 
eher  am  Platze  sein  als  die  Denkaufgaben. 

Die  Einführung  der  Thermometer,  bevor  auch  nur  mit  einem 
Worte  der  Ausdehnung  der  Körper  durch  die  Wärme  Erwähnung 
geschehen,  kann  doch  wohl  nicht  gebilligt  werden.  -*  Neben  dem 
Paragraphen  über  die  Thermometer,  wo  dem  Schüler  ohne  genügende 
Beachtung  der  „Stufe  der  Vorbereitung**  Eispunkt  und  Siedepunkt 
einfach  als  »Stellen'*  der  (kalibrischen !)  Olasröhre  erklärt  werden, 
bat  den  Bef.  am  wenigsten  befriedigt  die  Behandlung  des  Stoßes 
(§  85),  u.  zw.  wegen  der  nackten  Aufzählung  der  Gesetze,  ohne  daß 
MB  Versuch  gemacht  wird,  eine  Erklärung  derselben  aus  dem  ver« 
schiedenen  elastischen  Verhalten  der  Körper  zu  geben  (die  einzige 
Erklärung  des  Gesetzes  IV  wird  erst  in  8  88  gegeben). 

Die  Einleitung  in  die  Mechanik  (§  79  und  80)  erscheint 
dem  Bef.  trotz  der  eingetretenen  Kürzung  noch  keineswegs  voll- 
kommen. Zur  Erläuterung  und  Definition  des  Begritfes  der  Ge^ 
•chwindigkeit  werden  noch   immer  zuviel   Worte    gemacht;   auch 


1004  K,  iL  HemMigert  Vozberntender  Lehrguig  qbw.»  «og.  ▼•  J.  A,  Eaü, 

Uiit«n«lniiideii  nnaerer  Anstalt  (Cbarlottenburg)  seit  Jahrtn  im 
weseDtllcben  durchgearbeitett  PeDsom^.  „Im  Sinne  der  Lefarpline 
nni  Lebraofgaben  von  1901  sind  darin  nnr  die  ein£adisten  und 
notwendigsten  Omndlagen  des  ebemiscb  -  mineralegiscben  Lehr- 
gebietes sewie  die  Elemente  der  physikalischen  Chemie  beroek- 
sichtigt  nnd  nnter  Zngmndelegnng  möglichst  einfacher  nnd  dnrob- 
sichtiger  Versnebe  behandelt**.  In  dtn  §§  42 — 47  wird  den  Schfiiern 
anch  die  Kenntnis  einiger  wichtiger  Tatsachen  ans  dem  Gebists 
der  organischen  Chemie  Termittelt«  Es  werden  da  bebandsh 
„Assimilation  nnd  Kohlehydrate**,  „Gähning,  Alkohol,  Essigsinre**, 
,Nahmngsmittel,  N&brstoffe  nnd  Em&hmng**«  „Leachtgas  nnd 
Kofalenwassersteff**,  „Das  Wesen  der  Flamme**. 

Bef.  fand  bei  genauer  Darohsicht  des  Werkchens  best&tigt, 
was  er  schon  beim  raschen  Dnrcbbl&ttern  annehmen  zn  dürfen 
glaubte:  es  liegt  ein  wirklich  sehr  gntes  Buch  vor.  Es  ist  im 
modernsten  Sinne  abgefaßt  Terf.  geht  dabei  anf  dem  denkbar 
kürzesten  Wege  anf  die  Sache  los,  selbst  die  Kenntnis  der 
Formelsprache  wird  bereits  anf  S.  4  in  nberans  geschickter  Weiss 
Yermittelt 

In  recht  hübscher  Art  werden  auch  die  ffir  den  Chemieoster- 
rieht  notwendigen  physikalischen  Begriffe  entwickelt ;  die  bei  diesem 
Anlasse  gegebenen  nnd  anch  dnrchgefflbrten  Bechenbeispiele  sind 
▼on  einer  Klarheit,  wie  man  sie  selten  findet.  Klarheit  nnd  kern- 
pendiOse  Knrze  sind  ffir  das  Bfichlein  fiberhanpt  kennzeichnend. 
Der  Ausdruck  ist  meist  so  treffend,  daß  man  oft  geradezu  fiber- 
rascht  wird,  wie  kurz  und  klar  sich  eine  Sache  sagen  l&fit,  der 
sonst  gar  viele  Worte  gewidmet  werden.  Mit  großer  Sorgfalt  und 
mit  der  grfißten  Konsequenz  sind  die  Stoffrerweise  nach  vor-  und 
rfickwftrts  durchgeführt,  was  bei  Wiederholungen  nnd  rascher 
Orientierung  fiber  den  Zusammenhang  einer  eben  abgehaadelten 
Partie  mit  den  verwandten  von  großem  Werte  ist. 

Die  Versuche  sind  selten  ausführlicher  beschrieben.  Die  dies- 
bezfigiichen  Angaben  sind  aber  doch  allerorten  so  klar  gehalten, 
daß  die  Aufgaben  auch  der  Unerfahrene  mit  Erfolg  durchzuffihrsn 
in  der  Lage  sein  wird.  Die  den  Versudien  zu  entnehmenden  Tat- 
sachen werden  scharf  beobachtet  und  gut  beschrieben.  Die  hidMi 
sich  ergebenden  neuen  Stoffe  werden  sofort  beim  richtigen  wissen- 
schaftlichen Namen  genannt  Es  ist  dies  sehr  lobend  hervorunkehrso 
gegenfiber  der  Manier  mancher  Verfasser,  welche  ohne  Net  Hilfs- 
bezeichnungen  anwenden,  die  eine  Sache  erleichtern  sollen,  gewOhn* 
lieh  aber  nur  eitlen  Ballast  abgeben.  Betreffs  der  Mineralogie 
sei  erwähnt:  Nachdem  ein  Stoff  vom  chemischen  Standpmikt  be- 
handdt  worden,  werden  die  in  der  Natur  vorkommenden  Formen 
desselhen  oder  Verbindungen  dieses  Stoffes  beschrieben,  so  nach 
Besprechung  der  „Schwefelsfiure'*  die  „natfirlicb  vorkomneadsn 
Sulfate**:  (Schwerspat,  Coelestin,  Anhydrit,  Gips,  Eisen-  und 
Kupfervitriol).  An  einigen  Steliea  wird  die  Gesellschaft  angegebea, 


K,  A.  Henniger,  Vorbereitender  Lehrgang  utw.,  «Hg.  t.  J.  A,  Kaü,  1005 

in  der  recht  wichtige  Mineralien  Torkemmen.  Bei  seltenen  Metallen 
»  werden  eigentlich  nnr  die  allerwichtigaten  Erze  genaaer  beschrieben, 

das  über  das  Metall  selbst  ta  sagende  wird  in  aller  Kflrze  an  diese 
Betrachtang  aogeschlessen.  Die  Nomenklatur  ist  fast  darchans 
mostergültigy  nnr  sollte  ^EohlendioxTd*'  konseqaenter  benfitzt 
werden.  Besfiglich  der  Sehreibong  der  Fremdwörter  wftre  größere 
Gleichförmigkeit  erwflnscbt:  z.  B.  Calciumcarbonat  sollte  nicht 
L  geschrieben  werden. 

Bcf.    macht   in   den   folgenden   Zeilen   auf  einige   kleine 

z  M&ngel  aufmerksam,    die  bei  einer  Nenanflage  leicht  behoben 

werden  können  nnd  zwar  erstens  in  sachlicher  Hinsichk  S.  16  ist 

die  in  der  Fnßnote  gegebene  Definition  des  Begrüfes  „kristallinisch'' 

s»  nicht  ganz  leicht  Terstftndlich,  insofeme  es  heifit:    „deren  Einzel- 

iBdividaen  aber  die  Gesetzmäßigkeiten  der  Kristalle  aufweisen**. 

5  8.  82,  A.  3  „Yerbrennt ztt  einem  weißen,  schweren 

^  Dampfe,  tn  Phosphorpentozyd".    8.  88,  A.  4  wird  schmiedbsres 

.  Eisen  Ton  0*5 — l'5f6  C.  „dnrch  schnelles  Abkühlen  (z.  B.  dorch 

f'  Eintauchen  in  kaltes  Wasser)  hart  und  elastisch  =  Stahl.    8.  41 

„Die  atombindenden  Kr&fte  von  Gl,  0,  N  nnd  C  Terhalten  sich 
,j:  wie  1  :  2  :  8  :  4**.  Da  mößte  doch  wohl  „H-atombindende  Kräfte*« 

stehen  I     8.  41,  L  A.  „Die  Fähigkeit   eines  Elementes,  ein   oder 
mehrere  Elementaratome  (z.  B.   H)   chemisch   zn   binden  oder 
in  einer  Verbindung  zn  snbstitnieren,  bezeichnet  man  als  atom* 
"^^j  bindende  Kraft  oder  chemischen  Wert  (Valenz)*'.     8.  42,  A.  8 

^^  „Alle  Elementaratome,  welche  sich  in  einem  Molekflle  irgend  einer 

Verbindung  gegenseitig  substituieren  können,  ohne  doren  Bestand 
^  zu   gef ihrden,    betrachtet   man   als   chemisch    gleichwertig    oder 

äquiTslent''.  8.  41,  Punkt  8  „Atom-  oder  Verbindungsgewicht*', 
.\  dagegen  8.  47,  A.  1  „Durch  Erhitzen  von  zwei  Verbindungs- 

gewichten Kochsalz...*'.  8.  52,  A.  7  „Der  Bjhin  kristaUisiert 
in  durchsichtigen  (Farbe?  Bef.)  Wfirfeln*'.  8.  67,  A.  3  wurde 
die  Angabe   der  den  Kupferkies  kennzeichnenden   geringen  Härte 

unterlassen.     8.  70,  A.  1  „H  N  0,  entfärbt  Pflanzenfarben 

indem  sio  deren  Farbstoff  zu  einem  gelblichen  Körper  oxydiert''. 
8.  71,  A.  2  „Silbermünzen  =  9  Ag  +  1  Cu,  Legierung  also 
=  **%ooo"-  8.  71,  A.  6  „...  entstehen  in  der  Natur  bei  dem 
Zerfall  N-haltiger  organischer  8toffe  H  N  Og  und  in  Berfihnmg  mit 
^''  K,  Na,  NH„  Ca  oder  Mg  (soll  „-Verbindungen"  heiAen,  Bsf.)  die 

^^  entsprechenden  Nitrate".    8.  72,  A.  5  „N  H,  ist  ein an 

^^  feuchter  Luft  rauchendes  Gas...".     8.  77,   1.  A.  „Die  8chwarz- 

^  ^  kohle  . . .  terbrennt  an  der  Luft  mit  ruäender  Flamme  . . .  unter 

y^  Luftabschluä  dagegen  zu  Koks'.  8.  81,  FuiSnote  2  „Oberhalb 

^^  dieser  Temperatur läßt  sich  G  0,  selbst  durch  den  stärksten 

^  '•'  Druck  nicht  mehr  Terfifissigen.     75  Atm.  werden   deshalb  (t)  als 

.^  kritischer  Druck  Ton  CO,  bezeichnet".     8.  88,   A.  6   „Calcium- 

:^  karbonat  . . .  findet  sich  in  gewaltigen  Gebirgsmassen  als  ürkalk, 

'ß  Marmor,  Kalkspat,  Kalkstein,  Kreide  und  Aragonit".  8.  86  wurde 


i'J^ 


ff 


1006 


B^  H.  Franeij  Mikrokoitnoi,  an^.  i .  H.  Vültorf. 


tu  Bagen  Tergessdi],  daß  der  AssimiUtioGByersiicb  am  Sontiiolklil 
anznstelleo  ist.  8.  9Z^  A.  3  ^Der  breaaende  Docbt  veriassi^t 
dJ6  BritmmatenalieD  uod  führt  sie  dem  Brandherdt  ^u*".  i^.  96, 
Ä«  2  sollteti  die  dichten  QnarzabäiidemDgeii  besier  angeordnet 
werden.  S.  96»  A.  3  f,Der  Opal  ist  die  wasserhaltige  amoritbe 
Form  des  Quarzes".  S,  99,  L  A.  ^Die  G&setzinSi^igkeit  in  der 
AnsbildQDg  zeigt  eicb  jedoch  aelbst  bei  rerzerrten  natürlicben  (1) 
Kriitalien  dariD,  daß  die  Kanten  winkel  (=:  Neigcm  gswinltl 
zweier  Kanten)  konstante  ärMen  tind^.  Daß  aber  die  Fliehen- 
Winkel  gemeint  sind,  ergibt  sieb  ans  S.  100^  Fußnote*  S.  100» 
A.  It  ^Kach  der  TersehiedetieD  Beech äffen h ei t  dieser  Achsen- 
kränze  (!)  nnt erscheidet  man  6  Kristallfljrsteme''.  S,  IDO,  vorl  A.; 
S.  105,  A.  6;  S.  106,  A.  2,  ebenso  S,  25,  A.  2  nnd  8  solltt 
anstatt  ,,senkrecht"  gesetzt  werden  ^lotrecht".  3.  109,  A.  I  ^Von 
den  8  dreiflächigen  Ecken  sind  « . .  die  6  öbrigea  aber  immtr  nnr 
in  zwei  Winkeln  übereinstimmend^.  —  Zweiteoi  in  slil  ist  lieber 
Beziehnng:  S,  6,  vori  k>  ^Die  chemischen  Vorfftnge  dee  |  8 
lehren,  daß  das  Gesamtgewicbt  der  beim  chemischen  Prozesee  h%* 
teiligten  Stoffe  vorher  nnd  nachher  das  gleiche  iit''.  8.  38,  A,  1 
^Da  das  Eisen  bei  dieser  Temperatur  uQBchmelzbar  ist,  sinkt  m 
tiefer  herab**.  S.  59,  A.  3  „amorpher  Schwefel,  welcher  snD&cbit 
in  Schwefelkohlenstoff  nnlCslicb  ist,  nach  einiger  Zeit  aber  wieder 
in  den  gew5hnlichen  Schwefel  übergeht  nnd  dann  darin  (?)  Idslieta 
ist'*.  S.  69,  A,  5  „etwas  leichter  wie  die  Lnft'\  S.  61,  A.  6 
„Brennende  Kokekorbe"* 

Zum  Schlüsse  drängt  es  den  Eef.  an s£q Sprech en ,  dal^  4ai 
Bnchlein  das  beste  ist,  das  er  seit  langem  gelesen*  Es  sei  biemit 
w&rmstens  den  jüngeren  FacbkoUegen  empfohlen»  denen  das  Maß« 
halten  im  Lehrstoff  einige  Schwierigkeit  bereiten  machte,  aber  tack 
manchen  —  Bnoherfabrikanten  ala  eine  gnte  Vorlage. 

Wien.  Job.  A.  EaiL 


Mikrolcosmos.  Zeitechrift  xar  Forderung  wiieenfChaftLieher  ßildtmg» 
lieraosgegebeD  fon  der  deutichen  niikralogiicben  deieUtcbart  amiff 
Leitung  fou  B*  H.  France.  Stnttgarti  Franckicbe  Verlaeehaudlaaf 
1907,   Heft  3/4  und  5/6, 

Die  dentsche  mikrologiacbe  Gesellschaft,  die  btreita  2000 
Mitglieder  £äblt^  läßt  nnnmehr  statt  der  Tersprocbeoen  sechs  Belli 
acht  im  Jahre  erscheinen.  Mitglieder,  welche  als  Jahr«abtitftf 
4  Mk.  zn  entrichten  haben,  erhalten  dieselben  kostenlos.  Die  dam 
Hef.  Torliegenden  Hefte  3—6  enthalten  einige  gediegene  Anfa&tie 
ans  der  Feder  räbmlicb  bekannter  Fachschriftsteiler»  Ln  beeondifen 
seien  erw&hnt  A,  Wagner  (Die  HersteUnng  einfacher  AI genpräfkiraü; 
die  notwendigsten  Chemikalien  für  die  elementare  botaniedli  Mikt«' 
technik)  nnd  B*  H«  Franct^  (Praktische  Mikroskopie). 

Die  Zeitschrift  wird  empfohlen. 

Wien.  H.  TiöltorL 


I 


Dritte  Abteilung. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Die   MJttelscliQleiiquete   des  üoterrichtB- 
miDisteriums  2L — 25.  JäDner  1908, 

(Fortsetz  aDg.) 

AI«  Vertreter  der  ÄTi&tekammer  iprach   Dr.  Groat.     Er  rerlinft^ 

daß  die  BealichCiler,  w«do  iie  xum  tu edkitii Beben  Stadium  lugelftBien 
wtrden,  unch^  da^mit  nicht  «ine  bedenkliebe  ÜberfülIüDg  dei  ohnehin 
aehon  ftberföltten  ftritlieben  Befofes  eintrete,  tnm  JQnatiicben  StndiaiD 
tiif  elmaien  werden  mOgeD«  Aaf  Grand  aetner  ErfabrnDgen  alt  Arit  erbebt 
er  eine  Eeihe  ?on  Klagren  gegen  die  heatige  MittelsehtiLe,  Darch  die 
ÜberfölIuDg  der  KUaien  werden  die  Lehrer  uenraatbenisch  and  die  Nenr 
Mthenie  der  Lehrer  mÜBaen  die  Schaler  entfetten;  ee  werden  dann  aueb 
die  HQtter  neqraalbeniBch;  e^  mSsse  daher  gefordert  werden^  daO  nicht 
mehr  als  SO — 35  ScbQler  in  einer  Klasfie  seien.  Ad  einigen  drastiBchen 
Beitpielen  seigt  er,  wie  ungereobtfertigt  das  Vorgeben  der  Lehrer  bei 
^ewiaaen  Terfehlnngen  gegen  die  SehnldiixipUn  sei.  Die  Mitteliehalen 
B«ien  keine  Ersiehnnge^t  sondern  Unterrichtaanitalten  nnd  aach  der 
Unterricht  taBse  in  Bezug  auf  die  Methode  und  anch  «onat  riel  in 
wütiflchen  übrig;  durch  tnaDcbe  Einrichtangen  werde  der  Charakter  d«r 
8cblUer  nngünatig  beeinÜaQt.  Am  Gjmnaiiatn  werde  iQTiel  Latein  nnd 
iiawenig  Deutaeh  getrieben.  Daa  Grieehiacha  möchte  er  ana  der  Eniebnng 
an  den  gelehrten  Berufen  nicht  eliminieren,  wohl  aber  ioUten  die  Schul* 
kJufliker  andere  anigew&hlt  werden  (Livius,  Herodot  ond  Bemoatbenei 
kOnnaman  wegl&aaen);  man  tolle  hei  Ptato,  Homer  nnd  Sopboklea  bleiben, 
hei  dleaem  ioU  der  Profeieor  die  schweren  Chflre  selbst  Übcsraetien.  Not- 
wendig  «eien  Zeichnen,  Chemie,  deakriptive  Geometrie,  die 
Grnndsitse  der  InfinitesLmalrechnnng,  Hygiene  nnd  twftr  baupi* 
iicblich  Entwicklangelehre  und  Belehrungen  über  Geachlechta- 
krankbeiten;  femer  sollten  die  SchQJer  des  GjmnaiiQina  mit  einiger 
Kenntnis  des  Straf-  nnd  ZiTilrechte  am  gestattet  werden.  Dringend 
notwendig  sei  ferner^  daß  &m  Obergjmnaaiam  Geograpbie  und  Über* 


lOOS 


Die  MJtteiiebubDqtiete  dei  üntemebtimmiileniima* 


dies  &nch  Gaologia  geUhrt  werde;  and  lieb  fl4>lle  noeb  Geb^enheit  gegtben 
werden,  daß  Unterricht  in  den  mg  deine  o  Sprsebeo  erteilt  werde,  A^ber 
Diebt  ia  der  Wei^e  wie  beute,  soDdem  ee,  d&l^  sie  wirkUeb  erlernt  werden 
kdnoen.  Der  ReÜgionstinter rieht  h&he  auf  der  Oheratufe  tneiit  nor  eine 
uegaÜTe  Wirkdög,  deshalb  tritt  Hedner  daftr  ein«  daG  er  io  den  oberen 
KlABflen  der  MitteUchQlen  gana  entfAlle.  Mit  Entscbiedenheit  wendtt  er 
sieb  flcbliel^Ueb  dagegen  ^  d&5  die  Eealscb^ler  nach  sieben  Jftbren  die- 
lelben  ßerechtignngen  erlangen  wie  die  Gjmnasi&aten  nach  acht  Desbalb 
w&re  eine  Einbeittacbnle  wänecbeoswert;  da  ihm  jedacb  toh  erfahrener 
Seite  geeagt  worden  iei,  daG  tie  nicbt  möglicb  sei^  so  iolle  da«  faas 
Teraltele  G^tnoaiiam  in  der  f&n  ihm  angegebenen  Weiee  aaegetteklft 
werden;  die  Bealscbgler  loUen  in  einer  ac  b  t  kl  aasige  a  Bealecbde  tofiel 
Latein  lerneUf  &h  net wendig  let,  nm  Hedkin  sn  stodierenp  werde  aber 
ein  neuer  acbtklaaijger  Tjpns  geiebajfen,  dann  ieiie  toü  ibra  ant  der 
Zutritt  £Q  allen  HocbBcbulitadien  freistehen. 

Abgegeben  ton  der  Schwierigkeit  —  trot»  der  Tom  Eedner  g^* 
wünschten  Einicbrftnknng  der  lateiniacben  und  griethitcben  Lektüre  (denn 
anf  Latein  nnd  Griechiecb  will  er  ja  nicht  rerticbten}  —  die  nenee 
Diaxiplinen  ohne  erbebliche  Stund enterni abrang  su  berfiekaitb' 
tigen^  soll  doch  hier  anf  einen  merkwürdigen  Widerapmch  hingewie«ec 
werden:  Dr.  Omae  will  nicht  nar  anf  daa  üriechieebe  nicht  fersiebleo» 
sondern  legt  ihm  gerade  Tom  äritlichen  Beruf  ant  einen  lebi  bob«n  Wert 
beii  Er  sagt:  «iWae  das  Griecbiecbe  betrifft,  lo  bin  ich  leider  mit  d« 
Mehriabi  der  hier  anweteoden  Herren  (eollte  wohl  heißen:  der  Mebrtabl 
der  bisberigan  Redner)  nicbt  einferitanden.  Ich  halte  nitolich  dae  Gri»^ 
chiscbe  fflr  ein  io  eniinenteB  Bildangsmittel,  ich  balte  ei  aie  Biidimp- 
mittel  des  Hersens  nnd  des  Geistei  fflr  so  bedentungiToller  ale  Lal«ii 
(^mstimmiing)i  da&  icb  dae  Griechisebe  im  Gjmnasinm  and  anc^  in  dif 
Einbeitswbule  nicbt  entbehren  machte  (Znstimmang).  Der  HeUtninnm 
iteht  dem  Gjninasinm  Tbl  n&her  alfl  der  Rc^maniimna.  Und  was  dii 
B^mer,  mit  AufDabine  des  H  echte  b»  Gates  gehabt  haben,  haben  aie  all  es 
TOD  den  Griechen  Qbernommen.  Dat  Griecbiscbe,  meine  Herren,  ist  dal 
ideale  Bild  an  gern  ittel  nnd  hegt  mir  deshalb  lebr  am  Herren.  Und,  meine 
Henren,  bei  den  Bernfen,  £n  welchen  man  aUB  dem  Gjmnaainm  k«>Dimt  ^ 
icb  bebe  insbesondere  den  &rKtltcben  berror  —  ist  ein  gewiiBer  Idealitmu 
aabedjngt  nc^twendig*.  Warum  liebt  aber  Dr.  Gmei  (der  übrigena  den  Watt 
des  Lat.  nnteraehätat)  darane  nicbt  die  notwendige  EoDeeqneni,  ton  allan, 
die  Medixin  etadieren  wollen^  die  Kenntnis  des  Gri^chiBcben  in  rerlaiigenP! 

Präsident  Morawiti  bat  aua  dem  ^todiam  der  Fmge  41^  Ob«^ 
lengnng  gewonnen»  da&  die  Notwendigkeit  der  Beform  der  UitUlecbtttt 
allgimein  anerkannt  werde*  Die  Schale  werde  dem  wirtiebafiliehefi  Lebtn 
nicht  gerecbt.  Die  gegenwärtige  Teilnng  in  Gjmnaiinm  nnd  EaaUalialt 
nötige  xo  einer  frQhieitigen  Bemfawablt  die  höhere  ioiiale  Wertiutg  die 
G^naBiama  Terareache  einen  übergroßen  Zoing  in  den  Gjmnaiien  QOd 
in  weiterer  Folge  ta  den  Uniferajt&ten,  pdieeen  Elemente  lafübrend«  dlt 
ihnen  beeaer  fernbleiben^  da  eie  daa  Niveau  dieiei  Tornthmsten  BUdungt 
alitte  berabiadrftcken,  dem  Unterricht  den  niitenschartUchen  Cht^akt^f 


Bk  Mittetfcbulenqnete  des  ÜDlemcbUmmtsteriintt. 


1009 


XU  nebmen  end  «in  feiiiifes  Froletarlflit  xu  echafl^n  drobeo»  dai  «beoso 
ftlr  dep  StaodBrd  der  libeialeD  Berufe  wie  fQr  unser  (JfTeiit liebet  Leb«o 
«ine  »cbirere  Oefahr  bedeatet  SchlieQUeh  hat  dia  beitebende  Syttem, 
dfti  aoi  den  oberwAbateo  GrÜndeti  dlt  Oberwiegende  Mebrbeit  dir 
beftitseodeD  KUisea  T«r&D)&Ot.  ibre  Sohne  mi  Gjinuaiiatn  %u  BcbickeDi 
den  fflr  das  ladiTidanm  wie  für  die  öesamtbeit  gleich  «ichädlicben  Naeb- 
ttilt  die  Jo^esd  dea  BQrgertnnii  den  prodaktiveii  SiäDden«  auf  den^n 
itUD  grOJ^teti  Teile  die  polttlecbe  und  wirt«ebafUicba  Btellmig  dea  Staates 
beruht  I  so  eotfremdei)"*  Er  wflrde  wünBcbeiit  i^Ai^  die  Mittelechale  so 
geatatlet  werde  ^  daß  tie  w&btbaft  batnaDietische  Bildan^  allen  Kreiaet!, 
auch  denen  des  Erwerbs  nnd  wi rt seh af tischen  Schaffen! ,  id  TermittelQ 
geeignet  lei  —  allerdiogs  in  einer  Weise,  die  deren  pr&ktiBcbe  Tflohtif* 
ktit  nicht  beeintrlcbtigen.  j^Dieiea  Ziel  durch  eine  Einheitaiehüle  -^  ahne 
(jriechtaeb  —  wie  sie  tielen  forscbwebt,  antnttrebeo,  eracbeint  mir  dea- 
halb  nicht  richtig,  weil  dat  Gymnaginm  ala  Sehole  fQr  einei  wenn  auch 
TerhiltnitmAJ^ig  nicht  xn  sab! reiche  Grippe  Ton  Gelehrten  nnd  Personen r 
deren  Be mf  eine  ästbetji£hi?  and  idealiatisebe  Bildung  erheiscbt.  nnhedingt 
aufrecht  erhalten  werden  tnai^,  ebense  wie  die  ReaUcbnle,  die  nicht 
minder  sahireiche  fanatiiche  Anbänger  hat.  Infolgedeaaen  hätte  meiner 
Aafrassnng  nach  die  Reform  dcb  anf  die  Vorn  ahme  gewiss«  er,  nicht 
radikaler  Ändemagen  dea  Lebrplanea  an  den  deraett  beatebenden  An* 
italten  und  auf  die  ^chaffhng  einer  nenen,  gieichteitig  bamaDistischer 
nnd  reatei  Bildung  dienenden  Inatitntion  zu  beliehen*.  Ana  dem  Lebr 
plan  dei  nenen  l^pni  eoHe  derjenige  Stoff,  der  zur  Erlangung  einer 
human istlscben  Bildnng  nicht  nnumgtnglicii  erforderlich  sei,  ayigeicfaieden 
and  durch  jene  Kenntnisse  ersetzt  werden,  die  nebst  ihrem  Bilduagswert 
auch  einen  solchen  für  das  praktiache  Leben  haben.  Griechisch  sei  an 
dieser  Seh  nie  durch  eine  moderne  Sprache  tu  eraetien.  Auch  riel  Detail 
kannte  v^ggelatsen  werden,  dadurch  wUrde  Zeit  fdr  die  Aneignung  prak- 
tiicher  Eeontnisse  und  fQr  die  lo  notwendigen  körperlichen  Übungen 
gewonnen  werden.  An  Stelle  der  fielen  scbriftlieben  Übungen  wäre  das 
Hauptgewicht  auf  EedeÜbungen  in  legen.  Daa  Fr  ei  willige  nr  echt  aolle  auch 
der  YL  Klasee  luerkaunt  werden  ^  da  fiele  junge  Leute  nur  durch  den 
Wunsch,  dieaea  Recht  in  erwerben,  dain  verleitet  werden,  die  achtklaesige 
Mitteisehnle  in  Tollenden  ond  dadurch,  ohne  innere  VokatiDn  mm  Studium, 
der  Unifersität  xnr  Last  fallen;  andererseits  wflrden  jene,  die  sich  dem 
ßrwerbileben  tu  wenden  wollen  ^  diesem  iwei  Jahre  frflber  tageführt 
werden.  SeblieAlicb  tritt  Bedner  fQr  die  Absebaffnng  der  Maturit&tsprüfnng 
ein,  dafai  solle  in  den  unteren  Klassen  eine  strengere  Auakae  erfolgen. 
GjmnaBialdirektor  Begierungarat  Dr.  Thumaer  spricht  als  Schul 
mann  auf  Qrnnd  40j&brig«r  Erfahrungen^  die  er  ala  Schüler,  als  PriTat- 
lebrer,  als  Gytnnaiiailehrer,  ala  Direktor  und  alt  Vater  mit  dem  Gymna- 
sium gemacht  hat  und  vertritt  die  Ansiebt,  der  er  bereite  in  einem  Auf- 
fi«ts  im  ^bumaniatiechen  Gymnasium'^,  Im  Verein  der  Freunde  des  human, 
Qjmnaainma  und  auf  der  Basier  PhilobgeDV eraammlang  Auidruck  gegeben 
hat,  dai^  Lebrplan  und  Methode  mehr  mit  dem  Leben  in  Verbindung  in 
treten  haben.     ^Was  den  Lehrplan  hetrift,  so  iit  dem  Streben  der 

Z«iUekrift  f.  d.  friteir.  Gras,  1908.  XL  H«tl.  ^ 


1010  Dif  lltlk#lMbQl#Bqi«M  d«t  UBtNmkliBii»0ltriwi. 

DnitniehtiTenrillanff  nnoh  wfiief tr  Virbriltuif  ▼enehiadoBer  Dian^« 
aelur  Esoigie  blpiamflgea.  Erftooi,  daß  da«  Zeiehnan,  «alchai  banili 
an  aiaar  gaaian  Baiha  toh  Gymttaai«  aingafthrl  ist,  «b  allan  QjmBaaiaii 
abligat  arkUrt  warda*  Faraar  daft  dM  Tmaa,  «alekaa  an  aiaigaa  Qymh 
naaiaa  abligat  iai»  aa  aliaa  GjmnaaiaB  obilipil  arklirt  warda.  Bndliab 
«raabte  iab  aa  niaht  blaft  flbr  dia  Sabülar,  dia  aieb  atva  dar  Taabnik  adar 
fmkfciaeban  Barafan  siwaadaBt  aondarn  aaeh  Ittr  Sebttlar,  dia  aieb  wiaaaa« 
aabaftUebaa  gtadiea  aa  dar  Univaraitil  «idawa,  fOr  natvandig,  dal^  «a 
Oalagaifbait  babaa»  miadaalaiis  aiae  madaraa  Spraeba  im  Yarlaola  daa 
Obargymaaalamf,  ad  aa  abligat  adar  ralaÜT  abligat,  kennan  aa  laraaa*. 
HiaaiabtUeb  des  Malbada  aai  aa  jadan  Labrar  ia<^ieb,  aaiaaa  Oagaa« 
•taad  UDgaanobl  aiit  dam  Labaa  in  Yarbindoag  aa  bringan.  Badnar  aaigt 
aa  aiaigaa  Baiainalaa,  wia  ar  daa  aU  Pbilaloga»  aaoiantUab  beim  gria* 
abiacbaa  Uatarricbt  laa;  daaaalba  kAaaa  dar  Qarmaaiat»  dar  Hialarikar, 
dar  Natarbiatortkar  uad  Pb^aikar  Ina.  In  allaa  Qaganatandan  aaftaaa  dar 
Lahiaklf  binaiehUiah  dar  gtdftcbtaiamiftig  «a  arlaraaadan  Siaaalhaitatt 
immar  «iedar  gaaiabtal  wardaa.  »Diaa  iai  natOrlieb  garada  in  jaaaa 
Gagansliadan  aatvaadig»  walaba  aa  das  Gadfrobinia  wait  aiabr  Aateda- 
raagaa  staUan  ala  aiva  Matbamatik  and  PbUalogia.  Laaaaa  aia  aa  aiiab 
abrliab  anaapraebaafi  Wir  Pbiiolagan  babaa  ivar  dia  Mabraabl  dar 
Slondaa»  abar  wird  aiad  offan  and  abrliab:  Wann  dar  Gjmaaaiaal  ina 
ObaifTmaaaiam  Irilt,  maih  dia  PbUologia  niit  ibraa  Ajilardarangaa  larMr* 
trataa,  dia  grOßar«  Zait  dar  bftaaliabaa  Arbait  bat  dar  BcbOlar  dar  Ga- 
aabiobta,  Raligion,  Pbjaik»  Natargaaahi^ka  ananvaadan.  Garada  aia  tttab- 
tigar  Pbilaloga  wird  nil  diaaaa  VarbAltaiaaaa  raobnaa,  niadart  aaiaa 
Aafardaraagan  aa  dia  btaaliaba  Arbail  and  aibailal  ia  dar  Sabaia**.  Übar 
dia  Fraga  dar  Barecbtigaag  koauna  man  aiobt  binvag,  ab  maa  aaaa 
Sohalljpaa  aiaMbra  odar  aiabt  Dia  Baraabtigaagafraga  kOana  abar  niaht 
galOat  «ardaa,  obna  daa  acbta  Jabr  an  dia  BaaUcbaia  aaialabliaftaa. 
Garada  dia  Vartratar  das  Gpinaaiama  aaarkannan  dia  ?oUa  Glaiebvartig- 
kait  dar  Laiitaagon  dar  baaügaa  Baalaofaola  und  aaien  barait,  ibr  alla 
Prifilaglaa  daa  Gjmaaalama  ainsoriamaa,  aatar  dar  Voraaaaatsaag,  dafi 
dia  Baalaabala  aaf  acbt  Jabra  arwaitart  waxda.  »Fftr  diaaaa  aahta  Jabr 
babaa  aiob  dia  baw&brtaataa  MAnaar  dar  Baalaabala  aeban  ia  daa  Saab* 
«igaijabraa  daa  XIX.  JabrbaadarU  anagaaproaban,  gaiada  mit  BAakaiabt 
aaf  dia  H&afang  daa  Sloffaa  ia  daa  fiBalaabaldiaaipliaaa.  Waam  diaaaa 
aabta  Jabr  dar  Baalaabola  gagabaa  «ird^  aiad  wir  ?«ii  Gjmaaaiani  dia 
arataa,  dia  aagaa:  Gabt  dar  Baalaabala  alla  Pilfilagiant  dia  wir  babaa; 
wir  wdlan  kaina  Prifilagtani  daa  Gyainaaiam aoU  aiah  aaa  tUtk  adbai  ala 
fOr  daa  Labaa  afgabaiaraicb  und  mit  BAakaiabt  aaf  dia  SaMar  aaeb  aia 
praktiaeb  wirkaaaMr  Wattkampf  lait  dar  Baalaebala  laaaaan  aad  bawibm. 
Bawibrt  aa  aiab  niabt,  aa  fiUt  aa  van  aalbat«.  GymBaalam  «ad  BaalaaMa 
mtaen  aiabaiUiaba  wiaiaaaebaflliaba  2iala  babaitaa»  am  aiab  gAimüg 
waitar  la  antwiekala.  „Daabalb  arwarti  ataa  aiabt»  daA  wir  aia  Faa^ 
miaaar  fir  daa  aaaaa  Babal^aa  aaa  beaoadaia  arwinMa  kOaaMis  daaa 
ar  iat  aia  KampromiA  and  duab  iba  wird  aowabl  dam  fiamaaiattacbaa 
ala  aaab  dam  Baaiiatiaabaii  Abbiuab  gataa.    Daa  varaaUiaAt  aaa  abar 


Die  MitteUehaliüqäeta  4%§  üiiternchtimlQiflterimni. 


1011 


niobt  der  ErkeßniDii,  d&fl  oiit  dieiem  Typua  ein  Yersncb  f  emacht  werdaii 
mnSt.  Die  Strömung  der  Zeit  T^rlaogt  duu  «mmal  TeriebtedeDe  Tjrpen 
und  deabftlb  bin  ich  ftoch  der  Aoftcbaauig,  raiii  eoU  oicbt  blo^  eine  Art 
dies&B  DetieD  l^at  Tersacben^  Über  die  pädagodiacbeti  Frft^eo  ist  scbeo 
geneg  tbeoretiicb  geeproeben  wordec.  Wir  wollen  einmil  aai  der  Praiii 
kenneQ  lernea,  wie  sich  diener  aeue  Schdtjpu^  bewähreo  wird.  Bew&brt 
er  sich,  so  soll  er  ioweit  als  mOglicb  eitigeführt  werden**.  „Si  wird  sieh 
auB  soiiaJpolitbebeQ  6r&t)dea  empfehleD,  daQ  diese  Schalen  vor  milem  an 
Jen  CD  Orten  ei&gtftlbrt  werdeo,  die  nur  eine  Miltelsebole  erhalten  könDem", 
Vor  dem  achten  Schuljahr  dörfe  man  jedoch  nicht  xürQckteb recken.  Der 
Andrang  tu  den  Mittfliehiilen  müsse  durch  Ausdehnong  der  Berechtigungen 
der  Mittehchnlen  aof  Facbscbnlei]  nnd  jener  der  Üntermittelschnlen  auf 
eine  refonnierte,  erweiterte  Bürgencbole  eingetcbränkt  werden.  Schließ- 
lieh  wetidet  sich  Redner  g<*gea  einige  die  Lehre raehaft  betreffende  Anglist* 
Der  n&cbste  Bedner«  Ober s an itätirat  Professor  Dr.  H neppe  (Prag), 
Prieident  dea  ^Vareins  fQr  ächdlreform^^t  fltellt  feat^  daß  dorcb  die  Ein- 
(Obrnof  des  allgemeinen  nnd  gleicben  Wabirecbti  in  Oiterreicb  die  Not^ 
wendigkeit  eich  ergebe  ^  daß  sein  Unter richtsivesen  fieh  n«a  organitierei 
am  den  neuen  Äofgaben  des  Staates  gerecht  werden  m  können.  „Wir 
haben  je^t  niebl  bloüi  ron  Unterrichts-  und  Ertiehnngsf ragen  im  8inne 
der  äcbuttechnik  tn  sprechen,  sondern  die  ECriiebangs-  nnd  ünterricbts- 
f ragen  sind  beute  für  uns  soiiaie  Fragen  in  einem  ?iel  höheren  umfange 
geworden,  aN  dies  jetnaljB  forber  der  Fall  war*^.  Mao  kann  lugebeui  daß 
diese  Fragen  anch  ihre  loiiale  Seite  haben,  nnd  wenn  das  bente  mehr 
als  frflher  betont  wird,  so  hingt  daa  damit  Ki^ammeni  daß  wir  beute 
mehr  als  frfiher  sodal  denken.  Was  aber  das  allgemeine  nnd  gleiche 
Wahlrecht  damit  xu  tan  hat,  ist  kaum  abzusehen.  Österreich  bat  das 
EeiebsTolkischulgeaetSr  daa  die  allgemeine  Volksschule  geschaffen  hat,  ins 
Leben  gerufen  nnd  damit  das  Unter  rieh  tswescn  der  breitesten  Volki- 
ichiehtcn  nen  organisiert  in  einer  Zeil,  in  der  ee  weder  ein  allgemeines 
noch  ein  gleichet  Wahlrecfai  gab,  nnd  Deutsebtand  besittt  dieses  Wahl- 
recht schon  lauge,  ohne  bis  jetxt  aein  UnterricbtBwesen  neu  organiaiert 
an  habea.  England,  dai  Tom  Redner  ala  Mnater  hingestellt  wird,  fehlt 
nneb  das  allgemeine  nnd  gltjiche  Wahlrecht  Endlich  aei  noch  beaonden 
daranf  bingewieien,  daß  fUr  die  Mitt^lBcbnlenquete  nnr  das  Mittelachu)- 
weaen  in  Betracht  kam;  die  Ereiaci  die  an  ihm  interessiert  sind,  hat  tan 
aneh  frßber  das  Wahlrecht  und  jene,  die  dadurch  das  Wahlrecht  erhielten, 
babeir  am  Mittelschnl weaen  kein  unmittelbares  Interesse,  So  erwelien 
sieh  die  Eingangs! Itse»  wenn  man  sie  Mtisch  prüft,  nicht  nur  als 
nndchtig,  sondern  auch  als  Phrasen*  Bedner  bitte  es  gern  geaehen, 
daß  den  Vorsebiftgen,  die  in  den  HeferaUu  erstattet  eind,  ein  fem 
fr11h«ren  ünterriebtaminiater  Dr.  Wilhelm  Bitter  too  Hartel  geprigtea 
Motte  Toraui geschickt  worden  wäre;  ,Mit  dem  Gjmnasinm  ist  jeit  nle- 
niand  mehr  aufrieden",  Hier  iac  tn nächst  ju  bemerken,  daß  t.  Qattel 
dieses  Motto  gar  nicht  geprägt  hat.  £s  maß  dies  anadrßcktieh  hier 
fettgeslellt  w&rden.  damit  es  nicht  eine  fable  eonvefiue  werde,  H&rtet 
idbtt  habe  dieaea  geflügelte  and  ron  den  Gegnern  des  Ojmnaaiams  seit* 

64* 


1012  Die  Mittelscholeoqiiete  dei  Untflrriehtemiiiisteriiiiiis. 

her  gern  lititrie  Wort  geprigt,  d.  h.  wirklieh  geeproehen  oder  gesehrieben. 
Bartels  Worte  laoteten  tfttsftehlich  gani  anders.  Gemeint  kann  nimlieh 
nur  sein  die  bekannte  Stelle  im  Eingang  des  Artikels  im  «Neoen  Wiener 
Tagblatt**,  mit  dem  Hartel  die  Grflndong  des  Vereins  der  Frennde  des 
homanistischen  Oymnasioms  begrttßt  hat  (ersehienen  am  24.  Desember  1905 
nnd  wieder  abgednickt  im  I.  Heft  der  „Hitteilnngen  des  Vereins  der 
Preonde  des  hnmanistiseben  Ojmnasiams**  8.  8  ff. ;  Tgl.  Zeitsehr.  f.  d. 
Osterr.  Oymn.  1906,  V.  Heft).  Er  sehildert  dort  in  ftberans  ansehaollcher 
nnd  eindrncksf  oller  Form  die  Klagen*  die  gegen  das  Gjmnasivm  erhoben 
werden  und  hält  die  Tornrteilslose  Prüfling  dieser  Klagen,  die  aneh  Ton 
wahren  Frennden  nnd  Anhftngem  erhoben  würden  («so  sehr  sie  ftber  das 
Haß  ihrer  tatsftehliehen  Bereehtigong  ftbertrieben  werden  nnd  Wahmeh- 
mnngen  bedanerlieher  Art  in  einseinen  Fällen  nngebtthrlieh  Terallgemeinert 
erseheinen  mOgen"),  f&r  eine  nnabweisbare  Pflieht.  Das  tot  Hartel  in 
jenem  Anfsati  nnd  findet  die  Ursachen  nicht  in  der  Organisation,  sondern 
in  Übelstftnden,  mit  denen  sie  bei  ihrer  Einfllhrnng  nnd  seither,  nach 
forftbergehender  Bessemng,  immer  mehr  lo  kimpfen  hat;  es  sind  das  die 
aneh  in  der  Enqnete  Tielfach  herrorgehobenen :  daß  nicht  immer  ent* 
sprechend  Torgebildete  Lehrer  inr  Verfftgong  standen,  femer  die  ftber- 
grofte  Aniahl  Ton  Gymnasien,  die  ÜberfBllong  der  Klassen,  das  Tielfach 
ungeeignete  Sdiftlermaterial,  das  Berechtignngswesen.  Man  mag  ee  be- 
greiflich finden,  daß  ein  Leser  ans  dem  Hartelschen  8ati:  «Es  klagen  die 
filtern  . . .,  es  klagen  die  Schüler  . . .,  es  klagen  die  Lehrer  . . .,  ee  klagen 
die  Hochschnlen  ...^  den  Schloß  sieht:  also  ist  niemand  mehr  mit  dem 
Gymnasium  snfrieden.  Aber  das  berechtigt  ihn  nicht  in  sagen,  daß  Hartel 
dieses  Wort  geprigt  hat'). 

Zwei  Punkte  seien,  meint  Hueppe  weiter,  bei  der  Reform  in  be- 
rflcksichtigen:  das  staatliche  Interesse  und  Psjchologie  des  Kindes.  Man 
habe  nicht  bloß  su  fragen,  welche  Ziele  su  erreichen  sind,  sondern  auch, 
welche  Ziele  das  Kind  erreichen  könne  (das  ist  selbstTcrstindlich  richtig, 
ist  aber  auch  bisher  Gmndsats  der  Pidagogik  gewesen).    Die  Anlagen 


^)  Es  mag  ftbrigens  dieser  Anlaß  benutst  werden,  um  festrastelten, 
daß  Wilhelm  t.  Hartel  kein  anderer  Anteil  au  der  Grflndnng  des  genannten 
Vereins  sukommt,  als  der  —  und  der  ist  bedeotend  genug  — ,  daß  er 
durch  diesen  Artikel  sie  erheblich  gefordert  hat  Der  Gedanke  der 
YereinsgrUndung  telbst  stammte  nicht  Ton  ihm  und  auch  die  ersten 
Schritte,  die  daiu  ffthrten,  geschahen  ohne  sein  Wissen  and  ohne  sein 
Zutun.  Den  fertigen  Entwurf  eines  Bondscbreibens  des  Torbereiteoden 
Komitees,  der  ihm  im  Oktober  1905  mit  der  Bitte  um  leinen  Anschluß 
Torgelegt  wurde,  bat  er  ToUinhaltlich  gebilligt  nnd  dieser  ohne  seine 
Mitwirkung  entstandene  Entwurf  gab  ihm  dann  Anlaß  ta  seinem  am 
24.  Desember  erschienenen  Artikel  Das  geht  ans  diesem  selbst  deutlich 
genug  berror.  Und  dennoch  kann  man  irrigerweise  (manchmal  acheint 
allerdings  eine  bestimmte  Absicht  Tonuliegeo)  lesen,  Hartel  habe  die 
Gründung  des  Vereins  der  Freunde  des  hnmanistiseben  Gymnasiums  Ter- 
anlaßt  oder,  wie  Kleinpeter  „Anf  dem  Wege  tur  Schnlieform'*,  Wien  1908, 
S.  2  gar  sagt,  in  diesem  Artikel  »tur  Gründung  eines  Vereines  tum 
Schutse  des  humanistischen  Gymnasiums  aufgefordert,  der  nach  einigor 
Zeit  —  H&n  1906  —  ins  Leben  trat";  wie  unrichtig,  ja  man  darf  sagen, 
unwahr  das  ist,  braucht  kaum  erst  gesagt  lu  werden. 


Die  Mittelseholenqaete  des  UnterriebtsmiDiBtoriQiiis»  1013 

Imssen  sieh  nieht  bie  ins  üngemeMene  Terftodern,  tnui  mtttie  damit 
reebnen,  daft  die  Anlagen  lebr  Tertebieden  sind.  Die  Sobnle  iiOnoe  aach 
nicht  allee  leiiten,  sie  mflese  ancb  dem  Elternhaose  enieberiecbe  Aufgaben 
loweieen  (d.  b.  doch  mit  anderen  Worten,  die  Schale  kann  nicht,  wie 
Hneppe  eingange  doch  in  Tcrlangen  echeint,  direkt  Eniehongisehnle  eein !), 
aber  data  rnttsee  sie  dem  Elternhaose  auch  Zeit  laseen  nnd  die  Schale 
dürfe  die  Kinder  nicht  gans  in  Ansprach  nehmen  (dann  darf  man  aber 
aneh  nicht  eine  Beihe  neaer  Gegenstände  Terlangea,  so  daft  dem  Hanse 
noch  weniger  Zeit  gelassen  wird  als  jetit).  Versoehe  man  die  beiden 
Extreme,  daft  jedes  Kind  einerseits  eine  Indifidoalitit  darstelle,  die  be« 
rflcksichtigt  werden  mflsse,  die  Schale  andererseits  aber  nar  Massenbetrieb 
haben  kOnne,  tn  Tereinigen,  so  komme  ein  Faktor  in  Betracht,  den  et 
den  soiialanthropologiscbon  nennen  möchte.  «Wenn  wir  die  Völker  in 
ihrer  Gesamtheit  ins  Aage  fassen,  so  sehen  wir,  daft  sie  eine  gewisse 
Snmmt  Ton  gleichen  Anlagen  haben.  Wir  müssen  da  das  Volk  in  seiner 
Basseneinheit  betrachten,  wie  es  ist  Ich  will  da  nicht  Ton  der  reinen 
Basse  sprechen,  sondern  ? on  den  ULischangen,  wie  sie  ans  jetst  entgegen- 
treten and  wie  man  sie  im  öffentlichen  and  prifaten  Leben  erkennen 
kann.  Wir  sehen  da  kleine  Unterschiede:  Der  Engländer  wird  es  anders 
machen  als  der  Skandinavier,  der  Österreicher  anders  als  der  Norddeatsche 
—  das  ist  aafterordentlich  wichtig,  weil  ans  das  praktisch  weiter  hilft  — - 
aber  im  groften  Ganien  können  wir  damit  rechnen,  daft  wir  eine  arische 
Baise  sind  nnd  daft  bei  ans  noch  drei  Viertel  des  Volkes  arisches  Blat 
in  sich  tragen.  Diese  arische  Basse  hat,  seit  sie  in  die  Erscheinong  der 
Völker  getreten  ist,  eine  Beihe  Ton  Kaltnrwerten  geieitigt,  sie  ist  eine 
tatkr&ftige,  arbeitsCrohe,  darchaas  in  der  Welt  lebende  Basse,  sie  ist 
keine  weltfremde,  keine  weltflflohtige  Basse.  Es  ist  keine  Basse  des  bloften 
Intellektnalismas,  nicht  eine  Basse,  der  das  Chinesentam  irgendwie  liegt 
Unser  Unterricht  hat  aber  infolge  seiner  Überlastang  dahin  geführt,  daft 
wir  sa  einer  Art  Sitischwielentfttigkelt  Terarteilt  sind,  mehr  als  es  anserer 
Tatkraft  förderlich  ist  and  die  nns  den  anderen  Bauen,  den  Engl&ndern 
nnd  Amerikanern  gegenüber  im  Wettbewerb  der  Völker  snrfickgedrftngt 
bat".  Man  braacht  diese  S&tse  mit  der  aas  der  Laft  gegriffenen  Charakteristik 
der  arischen  Basse,  die  so  verschiedene  VölkerindiTidaen  anf weist  —  man 
denke  nar  an  die  Inder  and  ihre  tatfremde  Lebensaaffassang  —  and  dem 
Tölligen  Mangel  an  klarer  Begriffabildnng  nar  aafmerksam  sa  lesen,  am 
sofort  das  Haltlose  dieser  Bassentheorie  in  erkennen.  Haeppa  geht  Ton  der 
nnrichtigen  Voraassetiang  aas,  daft  es  sich  daram  handle,  ein  neaea  Unter« 
richte-  and  Bildangswesen  einsafflbren  nnd  sn  ontersachen,  ob  es  ans  als 
einem  Teil  der  arischen  Basse  ad&qaat  ist,  wfthrend  doch  amgekehrt  ein 
Unterrichtssjstem,  das  sich  bei  den  kontinentalen  earopftischen  Völkern 
nnn  einmal  entwickelt  hat,  am-  nnd  neagestaltet  werden  solL  Die  Tatsache 
aber,  daft  es  sich  so  entwickeln  konnte,  beweist  doch,  daft  es  dem  Wesen 
dieser  Völker  nicbt  entgegengesetit  sein  kann,  sonst  bitte  es  sich  eben 
so  nicht  entwickeln  können.  Mit  der  Bassentheorie  kommt  man  in  diesen 
Fragen  überhaapt  nicht  Torwftrts.  Das  Ertiehangs-  and  Bildangswesen 
steht  im  engen  Zasammenhang  mit  dem  ganien  Geistes-  and  Saltarr 


101 4  Die  Mittelsehalenqaete  des  UnterriehtsmiiiisteriiimB. 

instand  und  itt  in  seiner  Entincklang:  abhftngig  Ton  den  gesamten 
LebensTerhftltnissen,  Tornefamlieh  den  wirtaehaftliehen  nnd  politisehen. 
Ändern  sieh  diese,  so  wird  sieh  aach  jenes  ftndem  nnd  nmgelcehrt  können 
dnreh  Ändening  des  Erziehnngs-  nnd  Unterrichtswesens  die  genanntes 
Terbftltnisse  beeinfloßt  werden.  Daher  ist  es  gewii^  bereefatigt,  mit  dem 
Hinweis  anf  andere  Volker  gewisse  Beformen  in  empfehlen.  Wenn  ftbrigens 
die  Deotseben  den  Bnbmestitel,  das  Volk  der  Dichter  nnd  Denker  xn 
sein,  besltien,  so  danken  sie  ihn  eben  der  «Sitischwielentitigkeit*  nnd 
es  war  beseiehnenderweise  ein  arischer  Oelehrter,  der  tn  den  nötigen 
Ingredieniien  des  Gelehrten  die  plumbeae  nates  rechnete*  Und  anch  die 
oft  gerflhmte  (wenn  anch  beklagte)  Bierfestigkeit  der  Dentschea  beweiit, 
daO  dem  Deutschen  die  MSitsschwielentitigkeit*  nicht  wesensfremd  ist 
Allerdings  soll  nicht  verkannt  werden,  daß  sich  unsere  bessere  Einsieht 
nnd  die  Umwertung  aller  Werte  auch  darin  inßem,  daß,  während  früher 
Eltern  und  Lehrer  klagten,  ein  Jnnge  habe  kein  Sitsfleisch,  heute  um- 
gekehrt eine  stärkere  Entwicklung  der  Hnakeln  und  des  Sprunggelenks 
gewtkttscht  wird.  All  das  bat  allerdings,  ich  wiederhole  es,  mit  der  Basse 
nichts  sn  tun»  sondern  mit  der  Änderung  der  Anschauungen  auf  dem 
Gebiete  der  Brtiehung  und  der  LebensTerbftltnisse.  Darin  hat  Hueppe 
allerdings  recht,  daß  er,  wie  die  meisten  Bedner  for  und  nach  ihss, 
darunter  auch  die  Freunde  des  Gjmnadums,  die  Hypertrophie  der  Gym- 
nasien nnd  flberhaupt  der  Mittelschulen  beklagt  und  wiknscht,  daß  mehr 
Erifte  fttr  das  wirtschaftliche  Leben  firei  werden.  Ob  aber  dain  die 
Schaifung  der  neuen  Typen  und  die  Erleichterung  des  Zugangs  tor  Uni- 
fersität  das  richtige  Mittel  sind,  bleibt  die  Frage,  so  sehr  man  tugebea 
mag,  daß  heute  nicht  nur  das  Gymnasium  den  Zugang  lur  Unirersitit 
ermöglichen  solle.  Da  wäre  es  doch  entschieden  wirksamer  und  fiel 
dringender,  durch  geeignete  Mittel  den  Andrang  su  den  Mittelschuloi 
einiudftmmen,  wie  Sektionschef  Juraschek  und  nach  ihm  und  mit  ihm 
eine  große  Ansahl  Bedner  empfohlen  haben. 

Die  Gymnasien,  meint  Bedner  weiter,  seien  „tatstchlich  eine  fach- 
liche VorbereitnngsBchule  fflr  die  historisch-philologisehe  Gruppo.  Sie  ent- 
sprechen der  allgemeinen  Auffassung  ton  Bildung  deshalb  nicht,  weil  der 
Orgaoisationsentwurf  die  Naturwissenschaften  swar  mitbeiftcksicfatigt,  aber 
nicht  mehr  in  dem  Maße,  wie  dies  unsere  Zeit  f erlangt,  und  weil  dieser 
Unterricht  angegliedert  und  nicht  organisch  eingefUgt  ist  Gerade  dieser 
Mangel  spricht  sich  in  dem  Betriebe  sehr  stark  aus  und  konnte  nur  dureh 
eine  Änderung  der  Methode  behoben  werden**.  Wenn  nun  aber  nur  die 
Methode  gelodert  werden  muß  —  dasselbe  gilt  doch  auch  Ton  der 
Bealschule  —  so  ist  nicht  einsnsehen,  warum  das  Gymnasium  dem  all- 
gemeinen Begriff  um  Bildung  nicht  entsprechen  und  warum  es  nur  mehr 
die  Gelehrtensohule  fftr  die  historisch -philologische  Gruppe  nnd  nicht 
auch  fflr  die  Jnristen,  Medisiner,  die  Naturforscher  sein  soll.  Daß  aber 
die  Methode  des  Unterrichts  geftndert  werden  muß,  und  iwar  wie  in  allen 
Lehrfichem  auch  in  den  naturwissenschaftlichen»  das  ist  ja  die  ftberein* 
stimmende  Ansicht  aller,  die  in  diesen  Fragen  sieh  geftnßert  haben.  Und 
wenn  nur  die  Methode  geindert  werden  muß,  dann  ist  der  Vorwurf  gegen 


Dia  Hittelsohtileaqatte  dea  üfiteiriehtMiiiDlatarionii.  1015 

den  OrgtniiAÜoDsentwittf  völlig  unbereelitigt,  dar  dia  NAUrwiiieMcbtfta« 
niebt  nur  aDgagliedart,  sondarD  organisch  aingafflgt  hat  and  anadrüekliall 
in  dan  .Vorarinnongaa"  bamarkt:  ,,Matbamttik  nad  NatarwiaaaBaehaften 
laasan  aiah  Blebt  ignoriaran;  aia  gaatatlan  aiab  niabt»  daft  mati  dia  Kraft 
ibraa  Labana  tum  laaras  Sehattan  irgand  ainar  anderaii  vanibnan  wasant», 
lieh  vanehiadanan  DiatipUn  maaba.  Dar  TorUagaada  LahrpUa  Taracbnftbt 
in  diaaar  Beiiebaag  Jaden  faliaban  Babala,  sein  Scbirarpuakt  liegt  in  dar 
fclaaaiaebaB  LIteratir,  noah  in  diaaar  naammaa  mit  dar  TatarliadiaabaB, 
obwohl  beiden  Gegenatiadaa  nageCihr  die  Hüfte  der  geaamtea  Unter* 
riahtaieit  sogeteilt  ist,  aoadern  ia  der  «eeheelaeitigen  Beiiebang  aller 
üaterriefatagegeaatinde  aufeinander.  Dieaar  aaah  allen  Seiten  nachingehaa, 
aad  dabei  die  btmaniatiaeban  Elemente,  irelabe  auch  in  den  Nataririiaea<' 
aebaftea  in  reieher  FflUe  Torbanden  aind,  überall  mit  Sorgfalt  so  be« 
natien,  aeheiat  gegeaw&rtig  die  Aufgabe  in  aeia^.  leb  denke,  aaeb  beate 
liftt  aioh  die  Aafgabe  aiaht  beaser  formnlierea,  die  Methode  aber  aad 
alle  Eiatelheitea  dea  Lehrplaaea  aiad  im  Orgaaiaatioaaeatwarf  kmaeewaga 
ala  aaab&nderlich  fftr  alle  Zeiten  featgelagt;  sie  anterliegea  dea  Äade- 
raagaa,  die  die  Bedfirfaieae  aad  Ansehanaagea  der  Zeit  erfordara  ^  aad 
sie  wardea  and  werden  jeweilig  geändert. 

Ea  aoU  trots  der  Toratebeadea  kritlaebea  Bemerkaagea  aaerkaaat 
werden,  daft  Haeppe  mancbea  fhiehtbarea  Gedanken  Tortral  Aber  aeiaa 
Aaafftbrangea  leidea  doeb  aehr  aa  Unriebtigkeiten,  Unklarheiten  und  iaaerea 
Wideraprfleben.  Naahdrfleklieh  betonte  er  anah,  daß  dia  Bealachalen  ihm 
noah  reformbedftrftiger  aebeiaen  ala  die  Qymnaaiea.  An  beiden  Anataltea 
aai  daa  Prflfbagswoaea  ta  müdem,  die  Matarit&ttprflfang  abtaaehaflTea  aad 
kaiae  aadere  Pr&fang  einiafflhrea.  Der  Zndrang  kOnne  aar  durch  dea 
Aafbaa  der  Schale,  doreb  Anderang  dea  Bertehtigangaweaena  and  darcb 
Aapaaaang  der  Berecbtignagea  an  die  soaialen  VerhiltaiaBa  beaaitigt 
wardea,  daa  Bildangabeatraben  dürfe  aber  nicht  elngeacbr&akt  werden. 
Er  spricht  eich  fllr  eine  Einbeitaachale  mit  Oabaloag  aaa.  Bis  sa  einem 
gewiaaea  Alter,  bis  som  Eiatritt  dar  PabertU  (14.^^16.  Leben^abr),  kOnn«a 
die  YolkaaBlagaa  —  troti  iadifidaeller  Yerachiedenheit  -^  als  andUTerea* 
alart  geltea,  Ten  da  ab  solle  Gabelang  eintreten.  Zwei  Typen,  Gjmnaaitn 
aad  Bealachalen,  wOrdan  ausreichen;  werde  eine  dritte  Tfpe  geschaffen, 
die  «an  die  Stelle  einer  Aniahl  von  Gymnaaien  treten  aolle,  die  weder 
leben  noch  sterben  kOnnen,  weil  aia  hainem  Badürfiiia  entfiprechen,  sondern 
snm  Teil  aaa  potitischea  Grfluden  errichtet  werden  maftten*,  ao  komme 
man  la  einer  dreifaehea  Gabelaag.  Keia  Tjpaa  soll  voa  aatea  bis  oben 
reichen.  Dn  Uaterbaa  aoll  fttr  alle  gemeinsam,  auch  fttr  daa  Gymnaalam 
lateinloa  sein.  Aile  Tjpea  soUea  die  glelchea  Bereehtigangen  fBr  die 
Hochaehalea  bietea.  Der  Uaterriefat  im  Lateinischen  aad  Griechischen 
(ttberbanpt  in  allea  fremden  Sprachen)  soll  sp&ter  beginnen,  bia  daa  Kind 
die  Sprachbegriffe  an  der  Motterspraaha  aaagebildet  habe«  Dana  werde 
noch  der  vieijAhrige  Unterricht  ia  Lateia  aad  Griechiicb  bessere  Besaltale 
gaben  als  der  gegenwirtige.  Namentlich  fttr  kleine  Stidte«  die  meiat  nar 
eine  Mittelschale  haben,  seiea  die  Torgeschlageaea  Gabalangsschalen 
notwendig.    Der  Übergang  Ton  der  Mittelschale  aar  Hocbachola  habe 


1016  Dia  Hitieltebnleoqoetfl  de«  ünterriehUmiiiiitoriQiiis. 

■etaon  Im  16.  Lebantjabr  der  Scbftler  in  der  Obentnfe  aUm&blioh  i« 
beginnen. 

Labbaften  Beifall  fand  Seicbaratflabgeordneter  ProfeMor  Dr.  Hof- 
mann  t.  Wellenhof,  detaen  maftfoUe,  knne  and  gediegene  Rede  andi 
jene  feHelten,  die  im  einielnen  priniipiell  aaf  einem  anderen  Standponkt 
sieben.  Er  wiee  loniebat  anf  die  tiefgebende  ünaofriedenbeit  mit  der 
Mittelsofanle  hin»  von  deren  umfang  sieh  die  offitiellen  Vertreter  der 
Scbnlwelt  keine  reebte  Voratellong  macben  können,  weil  in  ihnen  nidit 
alle  Klagen  dringen.  Die  Ursache  dieser  Uninfriedenheit  sei  aber  weniger 
im  Lebrplane,  als  in  der  Darchfflbrang  des  Lebrplanes,  «daa  beißt  in  all 
denjenigen  in  encben,  was  ich  Methode,  Syitem  des  gansen  Sehnlbetiiebes 
nennen  mOobte**.  Die  Scbalfrage  sei  in  lettter  Linie  eine  Lebreifrage,  die 
Scbnlreformfrage  werde  dabej  immer  eine  Lehrerreformfrage  aein.  Er 
wolle  nieht  dem  Stande,  dem  er  selbst  angehöre  nnd  der  viele  aoageieiohnete, 
pflichteifrige  nnd  opferwillige  Mitglieder  in  seinen  Beihen  sihle,  irgend 
welche  Generalf orwfiife  machen.  Allein  er  kOnne  ihm  einen  Yorwnif  nicht 
ersparen:  die  Lehrer  kommen  an  die  Mittebehnle,  ohne  fttr  ihren 
schwierigen  Berof  Torgebildet  in  sein.  Zn  beklagen  sei  femer  die  Bneaa- 
kratisiernng  des  Scbalbetriebesy  nach  der  Direktor  nnd  der  Landeeeehnl« 
inspektor  seien  mehr  Schalbeamte  and  mit  einer  Menge  Ton  administra- 
tiven Gesch&ften  nnd  Kanileiarbeiten  tkberb&nft  and  dadnrcb  ihrer  eigent- 
lichen Aafgabe  entsogen.  Aach  die  Vielprüferei  sei  scb&dlieb.  Wie  d« 
Übergang  der  Volks-  sar  Mittelscbale  sa  spraogbaft  sei,  ao  geaebehs 
aoeb  der  Dbergang  von  dieser  sar  Hochscbale  la  onvermittelt  Den  kör- 
perlichen Obangen  sei  mehr  Aafmerksamkeit  saiawenden,  dafOr  genflgen 
nicht  die  swei  wöchentlichen  Tarnstanden,  noch  wenn  sie  in  allen  Gjm- 
nasien  obligat  sein  werden.  Die  Schalbjgiene  sei  mehr  in  pflegen,  ihcs 
Kenntnis  mftßte  ein  wesentlicher  Teil  dar  Lebrerbildong  sein.  lim  Un- 
kenntnis sei  scbnld  daran,  daß  die  bestehenden  scbalbjgienisehen  Vor- 
schriften nicht  immer  richtig  nnd  aasreichend  gebandbabt  werden.  Der 
Lehrplan  des  Gjmnasinms  bedflrfe  der  Erweiterang  (Chemie,  Qeologis^ 
moderne  Sprachen).  Da  jedoch  eine  Vermehrang  des  Schalpensnms  ais- 
geschlossen  sei,  müsse  Baom  geschaffen  werden.  Er  sei  der  Meinvng,  daA 
das  Griechische  anf  die  Dauer  nicht  sa  halten  sei.  Damit  wolle  er  nicht 
an  dem  hoben  Wert  nnd  der  hohen  Bedentang  des  hellenischen  Bildnngs- 
ideals  irgendwie  sweifeln  oder  rflbren.  Allein  er  sei  flbenengt,  daß  dieses 
BildoDgsideal  in  unserem  Scbnlunterricbt  auch  nieht  annihemd  eireicht 
werde  nnd  daß  in  keinem  anderen  Fache,  wie  gerade  beim  griechischen 
Sprachunterricht,  ein  solches  MißTerbtltnis  swischen  dem  Anf  wände  an 
Zeit  nnd  Mflbe  und  dem  geringen  Maße  dessen,  was  erreicht  warde,  be- 
stehe. An  der  Bealschole  müßte  die  sweite  Fremdsprache  abgeschafft 
werden.  Für  die  Zukanft  wftre  eine  einheitliche  Unterstufe  ohne  klassieebs 
Sprachen  aniustreben  mit  einer  Gabelung  an  der  Oberstufe  mit  fakaltatiTca 
Unterricht  im  Griechischen  im  Obergymnasium  (er  wolle  niemandem,  dar 
die  griechischen  Ideale  auch  in  den  Urquellen  aufsnoben  wolle,  die  Mög- 
lichkeit dazu  abschneiden)  und  fakultativem  Latein  Unterricht  in  der 
Obenrealschule;  dann  käme  die  neue  Scbultype  dasu,  die  sich  daran  an* 


:s 


2  Dif  Mittotocluüeiiqiiete  des  üi^nichtiminiiterinmi-  1017 

^  sehließeii  kOante.  üabt dingt  BOtwt adig  wir«  aber  die  GleiebatoUoag  der 

Absolfeaten  aller  dieaer  Anstalten.  Das  aehte  Sehnljahr  der  Realsehalea 
a.  lei  nieht  von  der  Hand  in  weiseni  und  iwar  aoe  prektiaehen  Gründen 

n  vom  Standpnnkt  der  Bealsehnle  mit  Bfteksiebt  anf  die  jetit  bestehende 

ÜberbOrdong.  80  langt  die  einheitliche  ünterstofe  nieht  erreieht  werden 
könne,  solle  möglichst  bald  nnd  möglichst  reicblieb  der  neae  Types  naeb 
dem  Referate  Hnemers  ins  Leben  gerofen  «erden. 

Beeondere  Anfmerksamkeit  erregten  die  AnsfflhreDgen  des  folgenden 
Bedners»  dee  Präsidenten  des  Obersten  Becbnongshofes  nnd  gewesenen 
Ministerprisidenten  Dr.  Freiherm  v.  Gantseh»  der  als  Minister  in  iwei 
Perioden  dnrch  fast  lehn  Jahre  das  ünterriebtoressort  geleitet  hat.  £• 
kam  somit  ein  Mann  som  Worte,  der  das  Uoterriehtswesen  grflndlieh 
kennt  and  der  als  Direktor  nnd  als  Korator  des  Theresiannms  obendrein 
anch  Einsieht  nnd  Erfahrnng  in  Eniehnngsfragen  gewonnen  hat.  Seine 
Ministert&tigkeit  ist  nnn  vor  allem  doreh  das  besondere  Intereaee»  das 
er  dem  Mittelseholwesen,  namentlich  aber  dem  Gymnasiom,  dem  klassi* 
sehen  Spiachnnterricht,  snmal  dem  anch  froher  schon  bekimpften  Grie- 
chischen —  denn  der  Kampf  dagegen  ist  ja  nicht  von  hente  —  stete  be- 
knndet  hat*  Wie  Baron  Gantseh  fOr  die  Belebnog  und  Vertiefang  dee 
altklaseiachen  Sprachnnterrichts»  fOr  Bessemng  und  Hebung  der  Lehrer^ 
bildnng»  fOr  die  grOOere  Pflege  der  körperlichen  Übungen  nnd  EinfOhrnng 
des  Jngendspiela  vorgeeoigt  hat,  so  trat  er  in  einer  sOndenden  nnd  Ober« 
zengenden  Bede  im  Abgeordnetenhaase  —  es  war  am  4.  Febmar  1898 
—  den  Bestrebnagen  entgegen,  die  anf  Beseitigung  oder  wenigstens  Ein* 
schr&nkang  des  griechischen  ünterriehts  abaielten.  Und  dieeem  Stand- 
ponkt  der  Erhaltung  and  Aosgestaltnng  blieb  er  anch  in  seiner  Enqnete* 
rede  treu*  Er  erachte  es  fflr  notwendig,  begann  er,  daß  an  dem  Betrieb 
der  beiden  klassischen  Sprachen  am  Gymnasium  festgehalten  werde. 
Dies  Toraosgesettt,  bejahe  er  die  Frage,  „ist  die  Mittelschule  —  er  mOchte 
diee  insbesondere  anf  das  Gjmnasiom  besiehen  —  reformbedflrftig  oder 
nicht  ?*  Man  mOge  eich  aber  keiner  Täuschung  hingeben,  daft  die  Gjrm* 
naeialjogend  eine  Belastung  mit  neuen  Gegenständen,  ohne  daA  hicfflr 
Baum  geschaffen  werde,  nicht  Tcrtragen  kOnne.  Es  sei  swar  leicht,  einen 
Lehrplan  su  entwerfen,  aber  schwierig,  ihn  praktisch  durchiofOhren.  Das 
Wort  „Auslese*  mOchte  er  in  dem  Sinne  verstehen,  wie  nie  frflher  von 
einem  fOr  ihn  kompetenten  Forum  geObt  wurde,  wenn  es  sich  dämm  ge- 
handelt  habe,  ob  ein  jonger  Mann  Oberhaupt  das  Gymnasium  besuchen 
aolle  oder  nicht,  eine  Aueleee,  die  geObt  wurde  von  verständigen  Eltern 
nnd  von  verständigen,  die  Eltern  beratenden  Lehrern  der  Volksschulen. 
Ober  solchen  Bat  setse  man  sich  heote  hinweg.  80  begreiflich  es  sei, 
daft  Eltern  fftr  ihre  Kinder  die  edelste  nnd  beste  Eniehung  wOnschen, 
ao  sei  ee  doch  tief  lu  beklagen,  daO  die  Auslese  nicht  so  stattfinde,  wie 
diee  im  Interesse  der  Schale  wOnschenswert  wäre.  Die  heutigen  Verhält- 
nisaa  erheischen  gebieterisch  Ändernngen  an  den  Mittelschulen.  „Wenn 
wir  aber  auch  die  BeformbedOrftigkeit  unserer  Mittelschulen  offen  er- 
klären» so  sollten  wir  doch*,  meint  er  unter  lebhaftem  Beifall,  „unsere 
Schulen  nicht  immer  herabaetsen  und  nicht  vergessen,  daft  diese 


1018  Dia  MittelMlivlMiqveto  Um  UatorriolitiniBiftorimi. 

SebaU  und  ihre  Entwidklong  in  dta  gliaseBditen  ßlilUn  d«r 
reieldtolieB  KaltnrgeMiUoht«  im  Ittiteo  Balbjahrhvndert  gahOit.«  Aicä 
er  stellt  vnter  allgemeiner  Zoftimmmig  auf  Gmad  eigener  releher  Er» 
fahmog  der  Lebrenebafk  du  Zeagni»  aae,  daft  sie,  abgtsebea  f»B  eiih 
seinen  Verimmgen  nnd  Unriehtigkeiten,  walebt  —  ee  liege  das  in  der 
Natnr  eines  Jeden  Standes  ^  ?Qtrkdmmen,  im  groften  nad  gaaien  nntec 
den  scbwierigsten  YerblltBiBseD  ibre  Pflfeht  in  trener  und  eifelgreiebstet 
Weise  erfflUt  bat  nnd  anoh  gegenwiitig  erfttUt. 

Was  nnn  die  Punkte  betrefT«,  we  die  Beferm  ansetsen  ktnntek 
fftbrt  Bedner  fort,  müsse  man  die  Frage  anfwerfen,  ob  niebt  dio  bentige 
Lage  der  Mittelsehale  aagenidits  der  lablroieben  Faobsehnlen  nnd  der 
beeonderen  Anstalten,  die  im  Lanfe  der  Zeit  entstanden  seien,  es  Qber> 
banpt  noefa  notwendig  mache  nnd  ob  es  Ton  dem  Standpnnkt»  der  Jngend 
Erleiehtemiigen  in  sehaiTen  «^  in  diesem  Sinne  wUnscbe  er  sn  spreoben 
^  nieht  iweckentspreehender  wire,  jene  Disiiplinen,  «elehe  am  Qym- 
nasinm  iweimal  nnd  -^  ohne  ein  ungünstiges  Urteil  fillen  in  wollen  — 
nicht  gerade  mit  auAerordentlioben  Erfolgen  gelehrt  werden,  kflnftigbin 
nur  einmal  und  auf  einer  Stnfo  sn  lehren,  wo  man  einen  weitaus  gtosti« 
goren  Erfolg  erwarten  dttrfe  und  diesen  clegenstiaden  mehr  Zelt  widmen 
konnte.  In  der  lateiniichen  Sprache  wire  eine  Herabmindemng  der 
Stnndensahl  mOgliob,  indem  in  der  ersten  nnd  tweiten  Klaeeo  die  Zahl 
Ton  8  auf  6  herabgesetit  werde.  Er  sei  Vertreter  der  Bicbtnng,  die 
Jugend  nicht  in  versftrteln  und  den  Wftnseben,  die  tielleiebt  ton  iftrt- 
lieben  Mfittem  oder  etwas  nacbsicbtigen  Vfttem  mitunter  sehr  laut  in  der 
Öffentlichkeit  gehört  werden,  nicht  naohtugeben.  Aber  für  einen  lehn- 
j&brigen  Knaben  kOnne  man  auch  mit  einer  Lateinstunde  tlglich  ane- 
kommen.  Zwei  Stunden  Latein  Vor  nnd  Nachmittag  oder  gar  am  selben 
Vormittag  sei  ein  bischen  tu  fiel.  Wenn  man  an  dem  Printipe  fest- 
hielte 6  Stunden  Latdn  jede  Woche  im  Unter-  nnd  5  Stunden  im  Ober^ 
gymnasium,  so  wfirden  dieee  dem  lateinischen  Unterricht  genttgen.  Naeb 
seinen  Voncbl&gen  wiren  die  SohQler  in  den  beiden  ersten  Klamen 
wöchentlich  28,  in  der  dritten  und  fierten  24  bis  25,  in  den  Oberklaeses, 
wo  auch  mehr  Terlangt  werden  kOnne«  wie  bisher  2S  Standen  in  der 
Woche  mit  den  wichtigsten  Obligatfichem  beiob&ftigt.  Sehen  Jetst  er- 
klArt  sich  Bedner  fftr  Abicbaffhng  der  Übersettung  im  Lateinlsohen  bei 
der  Maturititsprftfung  im  Zusammenhang  mit  der  Beseitigung  der  sebiift- 
licben  Oberaetiung  aus  der  Muttersprache  ins  Lateinische  und  Gffieebisebe 
im  Obergymnasium.  Zweck  dieses  Unterriebtee  solle  nur  sein,  Asn 
leichteren  Autor  mit  Hilfe  des  Lefikons  allein  lesen  lu  können.  Die 
Muttersprache  bedftrfe  einen  Tertiefteren  Unterriebt.  Beim  Griechisobea 
wire  die  Qesamtstundeniabi  nicht  tu  indem,  sondern  nur  eine  Te^ 
Schiebung  Tortunehmeo,  daft  in  der  Tierten  Klasse  4  Stunden  nnd  in  der 
siebenten  5  Stunden  aogesettt  werden. 

Ein  am  Gymnasium  Tomaeblissigter  Gegenstand  sei  die  Geo- 
graphie; fftr  sie  wire  Baum  geeehaifen,  wenn  die  Geschichte  ans  dem 
Untergymnasinm  beseitigt  wurde.  In  der  fSerten  Klasse  konnte  dann  die 
Heimatskunde  (nnd  die  Geographie  Österreicbs-Ungarns)  in  ansgedehntsism 


DU  MitteliebiileBqaate  des  Uiit«niehtimliilit«HnD8.  1019 

Maße  gtUhrt  wwden.  Die  Geschlehte  wire  mit  4  Stunden  f&r  jede 
KlMse  im  ObergToiBMiQm  sn  ferlegen,  we  duin  Mich  Btam  fflr  die 
neoere  Gesehiehte  Torbsnden  wftre.  Zu  beklagen  aei,  dafi  lo  wenig  jonge 
Leate»  welche  daa  Gjmnuiam  vwlaMea,  genflgende  Kenntniite  in  Pbjtiic 
anfweiaen.  Ihr  konnte  man  in  den  beiden  obersten  Klanen  Je  4  Standen 
einrftnmen.  Dagegen  sei  hente  der  Mathematik-Unterriebt  tn  ansgedebot, 
er  konnte  in  der  sechsten  Klasse  absefalieiton  und  bfttte  keinen  Gegen- 
stand der  Hatnra  ta  bilden,  wobl  aber  die  Phjsik.  Die  bisherigen 
Dispensen  ans  Physik  nnd  Geeeblehte  bei  der  MatoriUtepfftfang  hitten 
sich  nicht  bew&hrt.  • 

Die  Bealsehnle  habe  sieh  gegen  früher  Tom  Standpunkt  der  all- 
gemeinen Bildnng  weientUeh  geftndert.  Damit  erledige  stob  ein  Vorwarf» 
der  gegen  Bedner  (?on  Prof.  Lorber)  wegen  eines  Ansipraehes,  den  er 
Tor  20  Jahren  am  80.  M&rs  1886  im  Abgeordnetenhaase  getan  habe»  er- 
hoben worden  sei  (Er  sei  kein  Bewunderer  der  Bealsehnle.  Die  Beal« 
eehnlen  haben  TOehtiges  geleistet,  es  werde  dort  viel  gearbeitet»  es  seien 
kenntntsreiehe  M&nner  ans  der  Bealsebole  herTorgegangen,  aber  er  wflrde 
im  Interesse  aller  dieser  M&oner  wflnschen,  sie  h&tten  das  Gymnasium 
abeolTiert  Dieser  Ausipmcb  sei  der  Niederschlag  der  Stimmung  aus  dem 
Kreise  derjenigen  gewesen,  welche  Bealsehulstadlen  surlhckgelegt  haben). 
(Hier  sei  bemerkt,  daft  diese  Stimmung  auch  heute  noch  besteht,  und 
dieser  Stimmung  eDtspringen  ja  die  Wünsche,  den  Lateinunterrieht  den 
Bealscbulen  eiosu?erleiben,  der  gerade  ?on  Vertretern  der  teohnischen 
Wissenschaften  geltend  gemacht  werden  und  die  auch,  wie  Hofrat  Lorber 
ausführte,  tum  Wunsch  der  Einheitsschule  führte,  Tergleiche  auch  die 
Stimmen  aus  den  Kreisen  der  Induitriellen  oben  S.  885  ff.)*  Was  das  Be- 
rechtigungswesen anlange,  so  stehe  schon  jetit  die  UnitersitAt  dem 
Bealschüler  unter  gewissen  Bediognngen  offen.  Der  Gymnasialscbfller  ge- 
lange an  die  Technik  erst  ein  Jahr  spftter  und  müsse  auch  dort  eine 
Prüfung  machen.  Man  konnte  den  Bealscbülem  mit  Büeksicht  auf  die 
Entwicklung  dieter  Schule  den  Besuch  der  Unitersitlt  unter  der  Voraus- 
eetsung  ermöglichen,  daO  sie  torerst  ein  Jahr  nach  Abscblui^  der  Beal- 
schttletodien  Latein  und  Propädeutik  studieren.  Diese  Frage  mttOte  ? on 
der  UnterrichtSTerwaltuog  mit  den  Usifsrsit&ten  ausgetragen  werden, 
wobei  ▼ielleicht  gewisse  Berufsficher  oder  einselne  Fakultiten,  wie  t.  B. 
jene  der  Theologie^  ausgeschaltet  werden  dürften.  Damit  hitten  Beal- 
schüler und  Gymnasiasten  die  Möglichkeit,  sAmtliche  Hochschulen  lu  be- 
■neben.  Was  den  neuen  Tjpus  betreffe,  so  müsse  man  fragen,  welches 
Bedürfnis  eigentlich  weite  Kreise  an  seiner  Schaffung  bitten.  Erklirlicber 
wire  er,  wenn  hiemit  ein  noch  nicht  besehrittener  Weg  betreten  würde» 
der  Weg,  das,  was  das  Gymnasium  dureh  die  klassischen  Sprachen  leiste^ 
nunmehr  durch  die  Neuphilologie  tu  erreiehen.  Denn  auf  diesem 
Gebiet  werden  die  Erfolge  fielfach  für  nicht  genügend  betrachtet.  Aber 
der  in  einem  Beferat  (Huemer)  und  auch  Ton  anderer  Seite  (Geftmann) 
▼orgesdilagene  neue  Typus  wolls  das  nicht,  eondem  beabsichtige  die 
Beibehaltung  des  Lateinisohsn  und  bloü  die  Ausscheidung  des  Griechischen. 
Dieser  LebrpUn  sei  cioc  Art  Waffenstillstandsdokument  im  Kampfe  gegen 


1020   W.  A.  La^,  Methodik  des  D&turg.  öoterr.,  iitg«  f*  T.  F.  Satmmdt. 

die  kltuiflchen  Sprachen  zq  UngnsiteD  dei  Griechticben«  Dief«r  Kiapf 
w&rde  daaernd,  a^er  kmm  iliUe  stehen.  Dia  Eltern  werden  die  KitSftef 
aai  Ctilititsgründen  in  dieee  neue  Schule  tcfaicken,  di«  Alien  Tjp«ti  ab«r 
wflrden  mit  der  Zeit  an  Entkriftmif  sterben.  WaniD  denke  man  nieht 
ftD  einen  lateiKiloBeit  Tjpoi^  der  fi«r  bii  leeha  Elueen  nmfiÜt  nod  fBi 
alte  diejenigen  bestitntnt  wlre,  die  jeUl  allein  di«  Bealachnle  oder  da« 
Gjnanasinin  hefinebeD,  tini  dann  mit  14  Jabren  in  eine  fachliche  Sehui« 
flberautreten.  —  Gegenir artig  werden  die  unteren  Klauen  In  dieier  Hjth 
liebt  Bebr  ausgenutzt  Die  Bürgerscbule  habe  leider  bei  der  ße? Olkernpg 
niebt  den  gewünschten  Erfolg  gehabt 

Nach  einigen  Bern erkno gen  Qber  da«  Berecbtignngiweien  hinsieht^ 
lieh  der  Beamte ne teil uo gen,  deren  Regelung  in  dem  Sinne  beflLriiortet 
wird,  da&  fQr  eine  Reihe  f  on  Berofen  die  Matnrit&tBpr&fnng  einer  Mitlei- 
ichnle  nicht  gefordert  in  werden  hraacbte^  sondern  andere  Schulen  rell* 
konimen  ausreicheD,  leblieDt  Freiherr  Ton  Gautich  eeine  oratorineb  wifk> 
tarnen  AasfClbrnngen  unter  lebhaftem  Beifall  mit  dem  Wnoiche,  da^ 
wie  immer  nicht  unr  das  Votum  der  Versammlung,  tondern  ancb  die 
Enticheidnng  der  Uutarrichtsferiraltnng  ausfallen  werde,  das,  waa  g«* 
•oheben  werde,  mO glichet  bald  geschehe  —  das  erwarte  man  in  der 
Öffentlichkeit  und  das  dOrfe  man  nach  der  ErkUrang  det  Miniiteri  er* 
warten  ^^  und  dal^  es  ztzm  Wohl  an&erea  Mittel ichulweteni  atisfalk« 

(Fortietiung  folgt) 
Wien.  Dr.  8.  Frankfiirler 


Methodik  dei  naturgeachichtltchen  Unterrichts  und  Kditk  der 
Reform be«trehungen  ?od  Dr.  W.  A.  Lajr.  Dritte^  fermebrte  Anflage, 
imif  Leipzig«  Erwin  N&gde.  VÜI  und  lä4  &S.  a".  Prett  «eb. 
Mk.  2i0,  geb.  Alk.  3. 

Da&  diese  Schrift,  die  lur  Comeniaireier  am  28.  Mlrx  169S  ii 
ertter  Auflage  eitcbienen  ist,  Beachtung  gefunden  hat,  selgt  die  ror* 
liegende  dritte  Anflage,  and  sie  rerdieut  dieie  Beachtung  auch  mit  follea 
Recht,  denn  sie  entb&lt  eo  fiele  gote  nnd  brauchbare  Lehren  nnd  , For- 
dern o  gen**  fQr  ei  De  moderne  Beform  dei  natnrwtBsenschaftlichen  Unter- 
richts, daf^  ihre  Lektüre  allen  Aüfängern  inj  Lehramte  aofa  eindringlichefee 
empfohlen  werden  kaun.  Nach  den  Angaben  des  Verf.  bat  sieb  das  Bnch 
lur  Aufgabe  j^eitellti  «den  tiaturgeechichllicheu  Unterricht  im  Anschta«as 
an  die  Orundtatiacheti  der  pbriiologiscben  Psjcbolegie,  an  die  £nt«ick- 
IttngBgeiCh lebte  der  Biologie  und  Geologie  und  an  die  ünterricbttpraiü 
xn  einem  allseitigen  und  inteniifen  BildiiDgesnittel  in  geatallea«* 

Da  ei  nicht  gut  möglich  ist,  den  gedankenreichen  lobalt,  die  sahl- 
reichen,  aua  guten  Prlmiiien  gefolgerten  Schltsser  die  ali  Lehr-  oder 
Leitsätze  nnd  „Fordernngen'*  für  den  Lehrer  TortrefiTlicbe  Fahrer  hei  der 
Unterriebteerteilung  darbieten,  auch  nnr  annähernd  wiedergeben  tu  kOnnen« 
so  beecbrinke  ich  micli  iu  diesem  Referate  anf  eine  knraa  Betprecbnnf 
der  Anlage  dei  Werke«. 


TF.  ii.  Iray,  Meibodik  de«  nfttug.  Uoterr.,  sog.  ?.  T.  F.  ^anaiweik.  1021 

Im  eriten  Teil  wird  eine  „Getehiehte  der  Methodik  dee  natnr- 
geaeliiehtliehefi  Uoterriehti  in  ihrem  Zosammenliang  mit  der  Entwiek«* 
langsgesebiebte  der  Biologie  nnd  Oeologie**  gebnehti  in  dem  karte  An« 
gaben  über  die  BedeatoBg  der  herTorragenden  Natvrforieher  vnd  Lehrer 
vom  Altertum  bie  tnr  Gegenwart  gemacht  werden.  Etwas  aoiffthrlieher 
aind  die  Exknrse  Ober  die  Fortoher,  die  Theorien  lor  Erklftrang  der  Art- 
Entstehnng  aufgestellt  haben,  über  Charles  Darwin,  de  Viies,  Weis- 
^  mann  n.  a.  Die  Betrachtangen,  die  daran  geknflpft  werden,  sind  wohl 
'  oelir  antreffend  and  wenden  sieh  anter  anderen  gegen  die  Tielfiltig  ver- 
*  breitete  Meinang,  daft  die  Dessendenitbeorie  eich  mit  Religion  and 
Cbriitentam  nieht  Tereinen  lasse.  —  Ton  den  Methodikern  werden  Aagast 
Lflben  and  Friedrieh  Jonge  eingehender  behandelt  Des  Verf.  in  einer 
:  T  ^a  besonderen  Schrift  niedergelegte  Ansehanang  tkber  die  Beform  gipfelt 
^T^^rz  darin,  daft  die  Natargeschiehte  la  einem  allseitigen  and  intendTon 
i^  «^  Bildangsmittel  amgestaltet  werden  mOese,  and  daft  dies  erreicht  werden 
jzsc:  könne:  1.  wenn  der  Stoff  kaltorgemftft  ist,  d.  b.  dem  heatigen  Stande 
.  *;  £  der  Katar  Wissenschaft,  insbesondere  anch  der  Entwicklangslehre  ent- 
rz:  ^  spricht,  2.  wenn  die  Methode  natargemii^  ist,  d.  h.  Aaswahl,  Yer- 
^^  ca  teiloDg,  Anordnung  and  Darbietang  des  Stoffs  dnrcb  den  Lehrer  nnd  die 

^  r^         Yerarbeitang  and  Darstellang  des  Stoffs  darch  den  Schftler  im  allgemeinen 
_^*         und  im   einseinen   den  Besnl taten    der   modernen   Psychologie  and 
^.^^4         Kinderforschang  nnd  gleichieitig  den  intellektnellen,  isthetischen,   ethi- 
schen and  religiösen  Interessen  and  Normen  gerecht  wird.*  Der  Schlaft 
dieses  Teiles  gibt  eine  Übersicht  Aber  die  Widerspräche  der  Beformen; 
darans  will  ich  folgende  Sfttse  anfUiren:  .Die  meisten  Methodiker  gehen 
bei  der  Behandlang  der  Einielweeen   im  allgemeinen  Ton   der  KOrper- 
beschaffenheit,  den  Wirknngen,  Lay,  Pfohl,  Remas,  Schleichert  hingegen 
von  den  Lebensbedingangen,  den  Ursachen  aas.  Erstere  schlieften  .mehr- 
'  -"■  '\  dentig*  and  ansicher  aaf  die  Ursachen,  letstere  «eindeatig*  and  sicherer 

vai  die  Wirkangen.* 

Der  sweite  Teil  betitelt  sich  „Ableitang  der  Methodik,  Kritik  der 
;,  ^  Beformbestrebnngen'';  er  behandelt  Ziel  nnd  Stellung  des  natorgeschicht- 

"  ",,  liehen  Unterrichts,  ferner  in  den  „Grands&tsen'  die  Beobachtnng,  die 

geistige  Verarbeitang  and  die  Darstellang.  Die  Grandsitie 
werden  unter  Berflcksichtigang  der  psychologischen  Grandlagen  behandelt, 
als  Fandamentalfordening  gilt,  daft  Beobachtaogen  and  Versache 
stets  Grandlage  and  Ansgang  des  natargeschichtlichen  Unterrichts  sa 
bilden  haben,  die  die  Natarbeobachtung  bietenden  biologischen  and  geo- 
logischen LeitsAtte  werden  abgeleitet  ans  den  Verrichtangen  and  der 
Wechselwirkang  der  Organe  nsw.  Beeonders  eingehend  ist  das  Kapitel 
Aber  die  geistige  Verarbeitang  darchgefflhrt,  woraof  hier  nar  Tcrwiesen 
werden  kann. 

Der  Inhalt  des  dritten  Teiles  amfaßt  die  Lehrbeispiele,  die 
aas  den  drei  Natnrreichen  gewählt  werden:  Der  weifte  Bieneosang,  der 
grfine  Wasserfrosch  and  die  Steinkohle.  Entsprechend  den  im  forher- 
gohenden  Teile  aafgestellten  Leitsfttsen  gliedert  sich  die  methodiKhe  Be- 
handlang folgendermaften :  Erste  Stofe,  Beobaehtang:  Ezkarsionen  and 


■j^' 


1022       EuUer^KUmm,  Sehnlbildmg  obw.,  aag.  ?.  J.  Eümger. 

V«iMiehe  (BeobaehtaDgfn  im  Freito,  Oliedar,  Lebanigemoinde,  Lebens- 
weite,  Körperbesebaffenheit;  AnfMafeln  tob  WMeer  enf  die  BUtter,  Ein* 
tnvehen  in  Wnster  uw.).  Zweite  Stufe,  geistige  Yerarbeitug:  Bebiad- 
lang  in  der  Unterriebtsstonde.  Dritte  Btafe^  DanteUnng:  Merpbelogieehe 
«nd  biologisebe  Besehreibiug,  FornnlieniQg  biologiBefaer  Orandittie, 
modellierende  ond  leicbnerieehe,  poetieebe  nad  dramatiBcbe  Dantellmig. 
Die  beiden  letiten  DAntellnngeformen  bebnadeln  die  Beiiebimgea  der 
Hunmela  und  Bienen   la  den  Pflansen,  wobei  aneb  Goethee  Gedieht: 

^Ein  BlnmenglOekcben  Tom  Boden  ber **  angefflbrt  wird  md  das 

Mienenspiel  nnd  Hendbewegongea  («dramatiseb  ▼ortragen'*  I)  beim  Ein- 
prigen  nnd  Vortragen.  In  dem  Lehrbeispiele  tob  der  Steinkohle  ift  die 
Angabe  enthalten,  daft  das  Qppige  Waebstnm  der  karbonisebea  Sampf- 
wilder  dnrch  eine  kohlensAnrereiohe  Lnft  gefordert  werde.  Ob  die  da- 
malige Atmeepbäre  mehr  EobleneAore  enthielt  als  die  gegeBwirtige,  iit 
Boeh  eine  ungelöste  geologische  Streitfrage. 

Der  Tierte  Teil  enthilt  das  Qaellen-,  Literator-  und  Lehrmittel- 
▼eneiehnii,  das  reeht  reichhaltig  ist  nnd  -«  abgeeehen  Ton  der  die 
Mikroskopie  betreflSsnden  Literatvr  —   kein  nennenswertee  Werk  ver- 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanansok. 


SchulbilduDg  in  den  Vereinigten  Staaten.  Von  Dr.  Nicbolas 
Morraj  Bot  1er,  Frftsident  der  ColQmbia-üniversitftt,  Nea  York,  N.T. 
Yerdeetscbt  tob  Dr.  L.  R.  Klemm,  Speiialist  im  Nationalen  Br- 
liehengB-Bereaa,  Washington,  D.  C*  Minden  i.  W.,  C.  Marows^. 
26  SS.  Preis  60  Pf.  (SammUng  p&dagogiscber  Yortrftge.  Heraosgegeben 
¥on  Wilhelm  Meyer-Markaa.  ZweiioonaÜich  ein  Heft  Bezogapreis  Ar 
den  Jahrgang  Mk.  1*80). 

Ein  ünterrichtssystem  im  eoropäiscben  Sinne  gibt  es  in  Amerika 
nicht  Es  gibt  weder  eine  Unterrichts -Verwaltangsmascbine  von  Bandes 
wegen  noch  eine  nationale  gesetigebende  Aotoritftt  ftber  dae  Bildonge- 
Wesen  der  Einielstaaten.  Zwar  worde  im  Jabre  1867  ein  Eniebongsboreao 
in  der  Bondesbaoptstadt  Washington  eingerichtet,  aber  seine  Fonktionen 
eind  nor  beratende  ood  es  ist  absolot  abhftngig  ¥om  guten  Willen  der 
ScbnlbehOrden  der  Einielstaaten,  Grafschaften  ond  Stadtgemeinden  and 
Ton  den  Verwaltongsbeamten  privater  Inetitate,  om  die  Statistik  berso- 
etellen,  die  es  jahraos,  jahrein  sammelt  ond  TerOffentlicbt  Jeder  Staat 
sorgt  daffir,  dafi  allen  Kindern  TOllig  aoereiehende  Gelegenheit  fBr 
elementare  Bildong  gegeben  wird,  aber  aoch  reichliche  Gelegenheit  nr 
Aneignong  höherer  ond  höchster  Bildong  solcher,  die  hoher  streben.  Aber 
der  Staat  beansprooht  kein  Monopol  in  der  Scbolbildong.  Es  iet  in  den 
Vereinigten  Staaten  nicht  gebriachlioh,  die  Bildangearbeit  Ton  Privat- 
institoten  dorch  Staatsbeamte  so  beaufsichtigen  oder  in  ihr  Getriebe 
einiogreifen.    öffentliche  Elementarscbolen  werden  mehr  oder  wea^er 

I)  Ein  mehrmals  wiederkehrender  Schrdbfsfaler:  Sa  e^  Strae- 
bnrger  nad  nicht  StraAbnrger  keiften. 


BuÜer-Klemmt  Sehalbfldong  qbw.,  »Dg.  ¥.  J.  Ellinger.       1023 

■orgfiltig  getetslieb  geregelt;  die  Offentliehen  höheren  Schalen 
ßigh  sehooU)  jedoch  nnd  die  Staati-üniTcriitAten  bleiben  gewöhn- 
lich ohne  staatliche  Vorschriften.  —  Was  die  Aoalphabeten  in  den 
Vereinigten  Staaten  betrült,  so  sind  sie  besonders  noter  der  NegerbcTOl- 
kemng  und  nnter  den  Einwanderern  in  finden;  die  Zahl  derselben  in 
der  eingeborenen  weißen  BcTOlkerong  betmg  im  Jahre  1900  nnr  4'6X 
(von  allen  Aber  10  Jahre  alten  Einwohnern).  —  Eine  Eigentflmlichkeit 
des  amerikanischen  Schalwesens  ist  es,  daß  es  iwischen  den  Öffentlichen 
and  priTaten  höheren  Schalen  einerseits  and  den  üniTersititen  in  nnserem 
Sinne  andrerseits  noch  eine  Zwisehenstofe  gibt,  die  sogenannten  ^Col- 
leget'^9  deren  es  mit  Aasschloß  derer  fttr  Fraaen  allein  448  gibt.  Ein 
amerikanisches  ^Coüege'^  ist  ein  Inetitati  das  etwa  die  Sekonda  II  nnd  I 
nnd  Prima  II  and  I  des  deotschen  Gymnasiams  and  die  iwei  ersten 
Jahre  dos  üniTersititsstodioms  amfaßt  and  fast  stets  Internat  ist  — 
Einiig  in  ihrer  Art  ist  die  Tatsache,  daß  alljfthrlich  fllr  die  ünterstfltsong 
nnd  Aasstattang  von  Schalen  aller  Art  ongeheaere  Sammen  Ton  Einsei- 
bflrgem  geschenkt  werden. 

Aoßer  diesem  Vortrage  dee  Prisideaton  Batlor  ist  in  den  vor- 
liegenden Hefte  noch  eine  Bede  abgedrnckt,  die  «r  am  Vassar- College, 
einer  Fraaenhochschole,  über  die  pFfinf  Keanieichen  der  Bildang*  hielt. 
Dieao  fünf  Kennieichen  sind  nach  ihm:  Riehtigkeit  nnd  Genanigkeit  im 
Gebraaehe  der  Hattersprache;  feine  and  Tomehmo  Sitten  als  Ansdrack 
festgeformter  AngewOhnang  im  Denken  and  Handeln;  Kraft  ond  Gewohn- 
Mt  der  Oborlegong;  Kraft  sam  geistigen  Wachsen,  nnd  endlich  Tatkraft 
oder  Tflehtigkoii 

Wien.  Dr.  Job.  EUinger. 


Vierte  Abteilung. 

Miszellen. 

Literarische  Miszellen. 

Erklärung  der  Eigennamen  m  P.  Yergili  Maronis  cannina  teleeta. 
Herausgegeben  tod  J.  Golling.  8.  Aulage.  Wien  1906»  A.  Holder. 
S6  SS.  80.   Preii  50  h. 

DIeie  Alphabetieebe,  nach  Bedarf  mit  ffani  knappen  Eriantenugen 
Tenehene  Zuaainmenitellang  der  in  der  bekannten  oehnlaasgAbe  vor- 
kommenden Eigennamen  liest  nun  in  dritter,  offenbar  unTeranderter 
Auflage  Tor.  Die  Quantitatsbeieicbnung  ist  inkonsequent  und  daher  irre- 
fBhrend,  vgl.  i.  B.  Anehisiadea  (ohne  Laogeieichen)  neben  Aeaeides, 
Aleides  u.  a.,  Atlas  :  Calchäs  n.  t.  a.,  Caulon  i  Dolöth  Oirce  :  dj^ 
mene  n.  a.,  Oyhebe:  wonach  diese  Form  wie  Cybele  sa  betonen  wira, 
Cydon  nnd  iSairpedon  i  Automedön  ond  Medön,  Dvmas :  Acamäs 
nnd  BJrymäs,  Ganges  :  Eydaspes  nod  Oaxes,  öyas  :  PhUgyäSt 
Maemon  :  Hammön,  Phaethon :  Phlegethön,  Stimichon  i  Tarchön* 
Gani  Tereinselt  ist  die  Quantität  einer  positionslangen  Silbe  angegeben 
bei  regna  S.  8  und  22,  bei  Ismara  S.  18.  Zu  Torbessem  war  8.  8:  im 
Theben,  Dameotas  in  Damoetäs  (Tgl.  £!urotas)t  Dinaeus  in 
Diönaetts,  S.  18  (s.  t.  Dorydtu):  Bord  in  Beroit  Eliaius  in 
Elysius,  ä.  14  (zweimal):  Erinnyes  in  Erinyes^  Nantes  in  Nautls^ 
S.  24  (s.  T.  Opts):  Nmphe  in  Nymphe^  S.  29  (s.  t.  Sahina) :  iSä^tntertsi, 
s.  ▼*  iSSam«:  Kephalenia  in  JZep^a^onio,  iS^eiieZue  in  iS^/ieneliM.  Irr- 
tflmlieh  ist  die  Bemerkung  su  Alddesi  HerbuleSf  als  Nachkomme  des 
Alcäus  (statt  Alkeus)  nnd  8.  81:  Sita,  Bergwald  in  Bruttium, 

Wien.  B.  Bitschofsky. 


Sechzig  Jahre  auf  Habsburgs  Herrscherstnhl.  Von  ProC  Haas 
Lichtenecker  (Lichtbilderrortrag  Nr.  18).  22  SS. 

Kaiser  Franz  Josef  I.  Eine  Festschrift  zur  Feier  des  sechiigjihfigea 
Begierungsjubiläoms  unseres  Monarchen.  Von  Ferdinand  Frank. 
82  SS.  Wien  1908.  Yerlag  Ton  A.  Pichlers  Witwe  ä  Sohn. 

Die  beiden  kleinen  Festiehriften,  alz  Vortrage,  bezw.  als  er- 
läuternder Text  zu  Lichtbildern,  die  im  gleichen  Verlag  orschienon,  ge- 
dacht, erfttllen  ihren  Zweck  Tortrefflich.  Beide  wenden  sich  an  die  J^ead, 


Miszellen.  1025 

«ntera  Tornehmlieh  ao  Schüler  mittleren  Alten,  letstere,  die  mit  hflbsehea 
Bildern  gexiert  ist,  Torwiegend  an  Kleine.  Inhalt  ond  Sprache  sind  dem 
festlichen  Anlaste  angepaßt,  flberall  iit  die  sorgflltige  Feile  erkennbar. 
Mit  der  Haldi^ang  der  Personen  ist  die  rühmende  Hervorhebang  baa- 
Hcher  Schönheiten  Wiens  geschickt  verbunden. 

Wien.  Dr.  Bndolf  LOhner. 


M.  Wilh.  Meyer,  Vom  Himmel  und  von  der  Erde.  Stuttgart 
nnd  Leipiig  1908. 

Achtiehn  Kapitel  oder  eijgentlich  achtiehn  EesajB,  in  dem  be- 
kannten leicht  fließenden  und  aniiehenden  Fenilletonstil  dos  dem  Pablikmn 
sehr  wohl  bekannten  Verfassers.  Er  plaudert  Termisoht,  so  daß  der  Leser 
nie  ermüdet,  über  alles:  Über  die  Schönheit  nnd  Nachteile  des  Stadt- 
nnd  Landlebens,  den  Brontosaurns  nnd  die  Schönheit  des  menschlichen 
Körpers;  Tom  ^ewigen  paradisischen  Sommer  der  Tropen*  —  die  fast 
ebenso  ewigen,  nichts  weniger  als  paiadisischen  Tropenregen  überseht 
der  Verf.  —  von  einer  Nacht  in  Lnxor  nnd  Weihnachten  in  Capn  — 
Ton  dem  letiten  Aasbrach  des  YesQT,  von  der  Treptower  Sternwarte  nnd 
Helen  Keller;  vom  Badiam,  der  Fnnkentelegraphie,  den  Interglaiialseiten 
nnd  der  Fabrikation  von  Glaslinsen.  —  Man  sollte  es  kanm  für  möglich 
halten,  wie  so  heterogene  Dinge  alle  in  demselben  Boche  Fiats  finden 
können;  nnd  doch  hat  dieses  der  redegewandte  Verl  instande  gebracht. 

Besonders  gefreot  hat  es  mich,  daß  der  Verl  seine  alte  Ansicht, 
daß  die  Marskanile  Werke  höherer  Intelligensen  seien,  endlich  fallen  ge- 
lassen hat,  nnd  daß  er  logibt,  daß  Capri  für  den  Astronomen  auch  nicht 
865  schone  Beebachtnngstage  im  Jahre  hat:  «Seit  acht  Wochen  will  es 
Frühling  werden,  aber  es  wird  nicht  Frühling".  „Seit  fier  Wochen  sehe 
idi  Ton  meinem  Fenster  aas,  wenn  das  Wetter  etwas  in  sehen  erlaabt. .  .** 
(pag.  204)  and  daß  Capri,  obswar  poine  rahige  Insel  mitten  in  der  Um- 
gebung Ton  Vulkanen^  dennoch  sekularen  Schwankungen  des  Meeres- 
niTsans  nnterliegt,  die  bis  lu  5  Metern  und  mehr  betragen  kOnnen.  Da 
dürfte  es  sich  nach  der  Meinung  des  Bef.  aber  doch  empfehlen,  für  eine 
Sternwarte,  die  auf  Kosten  der  Allgemeinheit  errichtet  werden  soll  — 
eine  noch  ruhigere  Gebend  auszusuchen. 

Zwei  sinnstOrende  Fehler  kann  Bei  nicht  nnerwAhnt  lassen,  pag.  16 
heißt  es  „Der  Augenschein  trügt,  das  wissen  wir  alle  leider  längst"; 
natürlich  soll  es  heißen:  „Der  Augenschein  trügt  leider,  das  wissen  wir 
alle  Ungst**  nnd  pag.  247  wird  gesagt,  daß  sich  der  Meridiankreis  „in 
einer  absolut  senkrechten*  (statt  „lotrechten*)  Ebene  bewegen  muß. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  recht  gelungen;  das  Buch  ist 
durch  lahlrdche  interessante  Illustrationen  der  Terschiedensten  Art  ge- 
liert; nur  mochte  Bef.  fragen,  ob  denn  auf  einer  Einbanddecke  die 
Sterne  bei  hellichtem  Tage  fom  Himmel  geradeaus  in  einen  Schorastein 
hineinfallen  müssen,  damit  die  Moderne  die  Einbanddecke  als  schon  be- 
seiehnen  soll. 

Wien.  N.  Hers. 


Vollständig  gelöste  Matarit&tsaofgaben  ans  der  Mathematik 
für  Schüler  der  obersten  Klassen  an  Bealschnlen  und  Gymnasien 
sowie  sum  Selbststudium  fen  Frani  Napravnik.  Wien  und  Leipiig, 
Franz  Denticke  1907. 

Das  Buch  bringt  in  seinen  284  Drackseiten  887  Aufgaben  aus  den 
Terschiedenen  Gebieten  der  Schulmathematik  bis  in  die  kleinsten  Einiel 
SdtMktift  f.  d.  tatoxr.  Qjmn,  1906.  XL  Haft.  65 


1028  Prognunmenachao. 

42.  Jos.  Bnbeuiöek,  An  der  Schwelle  Albaniens.  Progr.  des 
deaUehen  StaaU-GyinDMiains  in  Prag-Neiutadt  1908/04.  Mit  II  Ab- 
bildungeD.   18  88. 

Von  Getioje  ins  Aber  Beifedere  (720  m  HeereshOhe),  inmitten  einef 
karstigen  Terrains,  fohr  Verf.  binab  in  ein  freandlicberes,  flppigeres  and 
anellenreicbes  Gebiet,  nach  Bijeka  Cntojeriöi  (20  m  MeeresbOhe).  Der 
Ort  maebt  aebon  ganz  einen  orientaliscben  Eindroek;  der  Pflanzen wncba 
ringsam  erinnert  an  das  aüdliebe  Dalmatien,  unter  den  Ealtaren  sind 
der  Weinstoek  and  der  Feigenbaam  torherrscbend.  Ohne  sieb  liier  aaf- 
lobalten,  wurde  der  Dampfer  bestiegen,  der  ans  dem  kanalartigen  unteren 
Lanfe  des  Bijeka-Floaaea  in  den  8katari-See  fabr.  Die  aeiebten  Ufer  des 
Flosses  bieten  yiel  Abweebslnng  in  ibrer  Vegetation  ?on  8nmpf-  ond 
Wasserpflanzen  y  unter  welcben  die  See-  nnd  Teicbroaen  ausgedehnte 
FlAcben  decken.  8ilberreiber,  Pelikane,  Wasserbflbner  nnd  Wildenten 
bringen  Leben  in  das  Bild.  Der  8katarisee,  ea.  40  km  lang  and  12  km 
breit,  birgt  n.  a.  eine  eigene  Fiscbart  [itklijeva  serbiseb,  searanta 
italienisch);  seine  Fläche  ist  stets  ein  Spiel  der  Winde,  von  denen  acht 
ihm  eigen  sein  sollen. 

Nach  5V^tflndiger  Fahrt  wird  beim  Dorfe  Siroka  Anker  geworfen 
und  Ton  hier  mit  Barken  nach  Skntari  übergesetzt.  Die  Stadt  (¥on  an- 
gefibr  40.000  E.)  ist  flberwiegend  albanesiseb,  zum  Teile  auch  aarbbeh; 
teils  mohammedanischen,  teils  katboliachen  Glanbens.  Die  Gebriuebe, 
die  Trachten  der  Städter,  das  Leben  im  Bazar,  das  Aussehen  der  Um» 
gegen d,  die  zar  Stadt  kommenden  Gebirgsalbanesen  worden,  während  des 
zweitägigen  Aufenthaltes,  in  Wort  und  Bild  reprodoziert.  Auf  die  mus^- 
manniache  Mißwirtschaft  wird  auch  hingewiesen,  welche  u.  a.  die  ¥om 
Berliner  Eongren  (1878)  zur  Pflicht  gemachte  Begulierung  der  Bojana 
(AusflaA  des  Skutariseea)  unbeachtet  läßt 

In  Skntari  ist  ein  Jesuitenkollegiam,  dem  ein  Zentralaeminar  fttr 
Albanien,  das  CoUeffiam  XaTerianum,  das  Oratorium  und  das  Mistions- 
haas antertraat  sind.  Im  Seminar  werden  die  jungen  Albanesen  aof 
Kosten  der  Osterreichischen  Begierang  zu  Priestern  ibres  eigenen  Volkes 
herangebildet.  Das  ton  den  Patres  geleitete  Gjmnaaium  ist  mit  reichen 
Lehrmitteln  aasgestattet.  —  Das  Kollegium  XaTerianum  ist  eine  Schale 
fflr  auswärtige  Scbfller;  an  demselben  ist  auch  eine  Sonntagsschule  ein- 
geführt. —  Die  Franziskaner  leiten  Elementarachulen  and  entfalten  eine 
aegensreiche  Tätigkeit  im  Lande. 

Herror^eboben  mag  werden,  daß  alle  Jesuiten  in  Skntari  Italiener 
find,  daher  wird  aach  in  ihren  Anstalten  die  italienische  Sprache  gelehrt 

Die  Katholiken  haben  eine  im  Basilikeastil  aufgefohrte  und  vor 
kaum  10  Jabren  Tollendete  Kathedrale;  auf  dem  großen  Vorplätze  dafor 
erbebt  sich  die  eribischOfliche,  äußerlich  stattliche,  inwendig  aber  sebr 
dflrftige  Besidenz. 


43.  F.  Vierhapper,  Der  Ejreislaof  des  StJckatoffeg  im 
Pflanzenreich.  Proer.  des  Erzherzog  Bainer^Gymnasioms  im  IL  Be- 
zirke Wiens  1904.   42  SS. 

Die  Pflanze  bedarf  des  Stickatoffea,  um  die  unentbehrlichen  Eiweiß- 
verbindungen in  ihrem  Organismus  zu  erzeugen.  Die  ton  Boussingault 
(1860)  fea^eatellte  Tatsache,  daß  die  Pflanze  den  Stickstoff  der  Atmo- 
sphäre nicht  zum  Aufbau  ihres  Körpers  verwerten  kann,  aondeni,  zur 
Deckung  ihres  Bedarfes  an  diesem  wichtigen  Element,  auf  den  im  Boden 
gebunden  Torhandenen  Stickstoff  angewiesen  ist  —  dieae  Tataacho  wurde 
m  den  letzten  Dezennien,  fflr  die  grttne  Pflanze,  durch  eine  Eeihe  fon 
Versuchen  seitens  Terschiedener  Forscher  bestätigt.  Es  gilt  heute  als 
sichergestellt,  daß  die  im  Boden  Torhandenen  Nitrate  die  wiehtigate  Stick- 


PiogrammeniicbaD. 


10^» 


Sto^queUa  der  frOnen  Pflanze  find,  und  daO  sie  in  lebr  TardCLßDter 
n&i^senger  LöaQc^,  miiteh  dar  Wurzelt äti|^keit,  fon  dieser  ßafgenommaD 
werden.  Ob  aaeh  die  im  Boden  rorhandtinen  Nitrale  ihren  Stickstolf  tat 
Pflan^enerDäbiun^  abgeben*  iit  nhtX  ganx  stcbar;  hingegen  ist  daa 
Ammoni&k  gleicIifaUa  eme  Verbindung  *  wekbe  den  Stickstoff  an  die 
Vegetation  —  freilich  nicht  fQr  alle  Fflanxea  in  gleichem  Qrade  —  ab|?ibt. 

iDtaretaant  ist  die  Bildung  de«  gebundenen  Stickstoffes  im  Boden^ 
nm  10  mehr  ali  Mineralef  welche  jeneo  ürnndstoßf  in  i^ebundener  Form 
«Dthalten,  &u£^erftt  sehtn  siod.  Der  in  der  Luft  Torbandene  Sticksto^ 
ivtrd,  gelegentlicb  elektriächer  ätrOice  f namentlich  nach  Gewittern)  oijdiert 
und  durch  ^Niederschläge  in  den  Boden  abgeführt;  auch  der  im  fioden 
freie  SUckatofF  Termag,  noter  Einäuß  der  Elektrizität,  ttieh  zvi  oxjdieren 
und  verbindet  sieb  dann  mit  den  vorhandenen  Elementen  iTorwiegend 
tnit  Kalium  und  Kaltinm)  zu  Nitraten.  Doch  bleibt  die  Menge  dea  auf 
diesem  Wege  entstandenen  gebundenen  iätickitoffes  eine  geringe.  Eine 
weitere  Znfuhr  TOn  ^^^tickstofif  bilden  die  in  ZerieuuDg  begriffenen  BeetO 
fon  Organismen;  aus  diesen  wird  ttin&cbflt  Ammoniak  frei»  das  durch 
fortgoeetue  üijdation  in  SaipetersSure  umgewandelt  wird.  Ganz  beson- 
ders wichtig  $ind  aber  in  dieser  Bedebuug  ne^risse  Bakterien,  fou  dottea 
einige  den  Btickbtoff  aufspeichern  (Stickstoffbtikterien],  während  andere 
wiederum  denselben  ^toff  aus  Nitraten  entweichen  machen  (Denitrifikations- 
bakteri^nj. 

]*)9   ist    eine   bedeutende    Errungenichaft    der  leUten   Jahrzehnte 

iFastenr  1890  nsw)}  daD  man  beutxntage  über  die  Holle,  welche  die 
Bakterien  im  ßoden  »piekn^  geoaucr  unterrichtet  ist.  Mau  unt^rflcheidet 
snnicbit  proteotjtlj^cbe  Bakterien  (EiweiQierHet^er).  Pflauxen  und  Tiere 
rerweseni  nach  ihrem  Absterben,  und  faulen.  Die  Verwtfiung  wird  durch 
aerobe  Bakterien  (solche^  die  tu  ihrem  Leben  ^^aueritoff  benötigen),  die 
F&ulnis  dagegen  durch  ana^rnbe  ?eranIaDL  «.Die  Leichen  gehen  lunächit 
an  der  Oberfläebe  dar  eh  die  Wirkong  der  a^rnbeD  Formen  in  Verwesung 
Qber,  während  dann  später  ana€robe  im  Innern*  wohin  kein  Sauerstoff 
gelangt,  die  Fäulnis  bewirken^.  Das  EiwelDmolek^il  wird  dabei  tn  mehr- 
facne  einfachere  Yerbinduugen  gespalten^  darunter  -*  hier  ?on  Belang  — 
in  Ammoniak,  dtickstüjf  u&w.  Daa  Tom  Boden  feilgehaltene  Ammoniak 
wird,  durch  die  Einwirkung  ?on  Nitrubakterien,  lu  Nitriten  oxjdiert»  die 
ihrerseits  in  Nitrate  ispäter  umgewandelt  werden  (Winngradskj  1890)« 
Daß  djete  Proiesse  von  tweierlei  Ürganiemen  ?ollingen  werden^  ist  nach* 
gewiesen  worden.  Aber  erst  dann,  wenn  alle  organische  .Substanz  durch 
dies  Proteoijten  zersetzt  worden  ist,  beginnt  die  Tätigkeit  der  Nitro- 
bakterien.  Eine  wiebtigere  Rolie  kommt  den  Stickstoffbakterien  iu,  welche 
den  freien  Stickstoff  der  Ltift  xq  binden  Termßgen.  Sie  leben  im  Boden 
nnd  eignen  sich  d«n  Stickstoff  der  Bodenlaft  an,  sowie  den  dnich  Fäulnis- 
nnd  durch  Denitnfikationsprozesse  fm  rorhandenen  Stickstoff.  Die  Deni- 
trifikationsbakterien r«tdutieretif  gewObnlicb  nur  beim  S«iuerstoffinangd, 
diu  Nitrate  zu  einfachere  Verbiadungen,  schließlich  zu  Stickstoff.  Dieser 
Vorgang  entzieht  selbstverständlich  dem  Boden  den  Stickstoff^  und  steht 
im  Gegensätze  zu  den  stickstoffbindenden  Vorgängen  (J.  Kuhn  1901}, 
wodurch  mehr  oder  weuiger  ein  Ausgleich  in  der  Natur  stattfindet.  Wo 
solcbei  Dicht  der  Fall  ist  muß,  bei  Kulturen,  der  Mensch  emgreifen  und 
den  Boden  rerbeisern. 

Erwähnt  sd  hier  gleich,  daß  ei  aber  auch  Pflanzen  gibt,  welche 
anf  anderem  Wege  sich  den  Mickstoff  verschaffen.  Zunächst  finden  wir 
solche,  und  for  allem  Filze,  welche  den  Stickstoff  der  Atmosphäre  direkt 
sich  innutze  machen;  andere  Pilze  termüpo  auf  Kosten  Ton  Nitraten, 
nnd  seitist  von  Nitriten  (daran ter  gewisse  Schimmelarten),  tn  gedeihen^ 
andere  entnehmen  den  Siicketüff  dem  Ammoniak  (Hefe  u,  a,)^  auch  gibt 
es  Pflanten«  welche  aus  Äsparngiii  iind  ähnlichen  Säareamiden^  aui 
PeptoDen  (Miisbrandbazilius),  ans  EiweiQorganismenjf£aci7fus  Biphteriac) 
ihren  liebensunterhilt  entnehmen.     Ancli   gibt  es  FÜte,   welche  Enzyme 


lOSO  Programmensehaa. 

aiusQbeijeo  ünj  ^dflmit  die  .Zellulose  oder  andere  l^ofalebjdrate  sertetzeo. 
Gan»  eigenartig  jet  die  Erfafth^ünj^sweise  der.  sogenannten  fl^ifchfreiaenden 
Qew&cbae,  bei  weleben  aie  tieriscben  Gewebe,  bexw.  die  beim  Fanlen 
der  Tierlficben  freiwerdepden  Verbindungen,  den  Stickttoflfbedarf  der 
Pflanse  decJ^en^  Bctüieftlicb  sei  npcb  der  chloropbyllosen  Phanerogameii 
ge<)acbt,  .Welche  den  Stfokstoff  sowie  den  Kohlenstoff  nsw.  von  einer  Wirt- 
pflanze erwerben,  anf  welcher  sieschmirotien. 

Sieht  man  von  den  letsteren  F^Ulen  ab,  so  Ifti^t  sich,  der  Kreisiaof 
des  Stickstoffes  folgen derma^ßen  darstellen,:  «Die  anf  anorganischem  Wege 
gebildeten  Nitri^te  werden  von  der  grfinen  Pflanse  aofgenommen  and  sn 
Eiweiß  yerarbeitet  Näcbi  ihrem,  Tode  geben  die  grflnen  Pflansen  diese 
^iweiftiabstansen  dem  Böden  infflck.  Die  proteolytischen  Bakterien 
spalten  das  Eiweiß  in  Ammoni^,  Stickstoff  nsw.  Dieses  Ammoniak,  fom 
Böden  energisch,  festgehalten«  aient  snm  Teil  gewissen  grflnen  Pfl.ansen 
direkt  all  Nahrung,  snm  Teil  wird  es  darch  die  Kitrobakterien  in  Nitrite 
and,  schließlich  iii. Nitrate,  die  als  wichtigste  Stickstoffqaelle  neuen 
Gekierationen  grflner  Pflansen  .zngnte  kommen,  umgebildet*. 

Die  Präge  des  Stickstoffes  ist  jedoch  iron  größerer  Tragweite  and 
gemattet  Einbficke  in  manehes  andere  biologische  Kapitel^  das  snr  Gel- 
tung kommt^    Gans   besondere  I^ebensformen   sind  nftmlich  diejenigM,  | 
welche  man  mit  den  Ausdrdcken  Symbiose  und  Metabiose  beseicnnet.  | 

Symbiose  (De  Barj.1879)  ist  die  Vereinigong  iweier  verschiedener 
Lebewesen  su  gegenseitigem  NatseUi  häuptsftenlich  sum  Zwecke^  das  Er- 
werbes und  der  Verabreichung  von  Nahrung;  also  phTsiologisch  eine 
ErnAhrüngsgenossenBchaft.  Von  den  fielen  einschlftdgen  Beispielen  gehOrt 
die  oildung  ton  JtnOllchen  an  den  Wurzeln  ton  Hfllsenfrflchtlern ,  von 
^rUn  u.  a.  hierher.  Diese  Pflansen  fermOgen  nur  dann,  in  Bezog  auf 
die  StickstoffernAhrune«  selbat&ndig  su  sein,  wenn  sie  mit  eigenen  Bak- 
tek-ien,  welche  ^n,  den  KnOlIchen  eine  Herberge  flnden,  in  Symbiose  leben« 
Sin  gleiches  gilt  Von  der  Symbiose  unserer  Wäldb&ume  and  anderer 
Pflansen,  deren  Wunelspitsen  mit  isinem  Bypbengeflecht  (Hykorrhisa) 
umflochten  sind,  welches  jene  bloß  äußerlich  umhQllt  (ektotroph)  oder 
selbst  das  Innere  einzelner  Zellen  einnimmt  (endotroph).  Ober  beiderlei 
F&Ue  —  WurselknöUchen  and  Mykorrhisen  —  ist  die  Literatur  in  den 
letzten  Jahrtehnteh  bereits  mftchtig  angewachsen.  —  Metabiose  (Ward 
läd9)  ist  dagegen  das  gesetsm&ßige  Nacbeinanderauftreten  ron  Organis- 
men, fon  deneü  immer  der  eine  dem  nächstfolgenden  den  Nährboden 
Vorbereitet.  In  diesem  Sinne  wflrden  sich  die  Bakterien  ? erhalten,  welche 
weiter  oben  als  proteqlVtische  Nitrit-  und  Nitratbildner  bezeichnet  worden. 

Im  großen  erf&nrt  der  Boden,  durch  aie  Vegetation,  eine  Verar- 
mung an  Stickstoff  und  es  stellt  sich  daher  die  Notwendigkeit  ein,  jenen 
fflr  die  Landwirtschaft  unentbehrlichen  Grundstoff  wieder  zu  ersetzen,  so 
wie  ein  Ersatz  ?bn  Phosphor  oder  anderen  Nährstoffen  im  Boden  not- 
wendig wird.  Dies  geschieht  durch  die  Düngung.  Um  den  Stickstoff  dem 
Boden  wieder  zaznfflh^en,  kann  knan  entweder  zur  Mistdflngung  greifen, 
welche  aber  immer  nur  geringe  Stickstoffmengen  entwickelt,  oder  die 
Dfingung  mit  Kalisalpeter  foroehmen,  welche  aber  kostspielig  ist.  Für 
fiele  Pflankenkulturen  und  Bodenverhältnisse  ist  die  sogenannte  Grilo- 
dflngung  angezeigt,  welche  iih  Unterpflflgen  frischer  Lupinen-  oder  anderer 
Hüisengewächse  besteht  Aach  sind  Versuche  im  Gange,  die  Tätigkeit 
und  Vermehrung  der  im  Boden  schon  forbandenen  Bakterien  su  f&rdero. 
£;ine  fortgesetzte,  zielgerechte  ForEChang  seitens  des  Gelehrten  und  seiteni 
des  praktischen  tandwiites  wird  allmählich  zur  Losung  dieser  national- 
OkuQOmisch  so  wichtigen  Fragen  fQbren. 

Pola.  B.  Solla. 


t^ünfte  Abteilung. 

Verordnungen,  EHässe,  Pörson&lätatistik. 


Verordnungen,  Erl&sse. 

VerordDOttg  dM  HinisterB  fflr  Kolttii  und  ünterriebt  vom  11.  Jtt&i 
1908,  Z.  26.651,  betreffend  das  PrAfen  and  Klasaihsieten  ai^ 
Mittel  seh  Qlen  (GyninatieTi,  EealgjmDa^ien  und  Bealachilen).  In  der 
Absicht,  das  Prüfen  nnd  KUaiLÜii^reD  an  den  Mittel^ebuleo  la  T^reia 
fachen  and  ft&r  den  Unterricht  fmchtbater  tn  gü^i&lieu,  und«  ich  Hieb- 
iteheode  Yerffls^ngen  sn  tiefen  1.  Daä  gemeiDaame  ÄrbeUen  ton  Lebr«t 
nnd  ScbQlern  Sat  in  größerem  Aaimaß  za  pfit^geo  ab  biiber,  d&s  FrO^fen 
anssebließlich  znr  Benrteilnk^  der  ^<:holsrLeiettiDgeD  [Prüfen  mit  KlaA«i- 
flxiereto,  Elassiflkationiprnfung)  aaf  das  QDbedjtigt  Notwendige  xq  be- 
schränkiBn  nnd  soweit  als  mcg^licb  darcb  4ie  Erprobung  der  ^^cbfiler  bei 
der  gemeinsamen  Arbeit  (diireU  Orientierang^pr^rungon)  zq  erset2>-n. 
2.  Das  Prnfangsverfahren  sali  nach  der  Eigt^nart  der  LeDrß:egeDatät}iit', 
ganx  besonders  aber  nach  den  f erschiedenen  Alters-  aod  Bildungsstufen 
der  dehfller,  Terscbieden  eint;e richtet  werden.  3.  Yen  den  schnftliebeü 
Arbeiten  sind  in  Hinkunft  nur  die  lehrplantnli^lg  TorgeachnebeDen  St^bui- 
arbeiten  (Kompositionen  und  eltixelne  Diktate)  ydid  Lehrer  iq  k<»rrigiereQ 
und  tu  klaasifizieren.  Die  schririiicben  HaabarbeiUu  (BanBübnrjgen.,  diu 
Aufgaben  Ans  der  Unterrichts vpracbe  aoigenommenj  sind  nnter  T6rE^t4rkter 
Mitarbeit  der  Schüler  wie  Scbnlübonffen  xa  verbessem  nnd  im  allgemeinen 
nicht  sa  klassifizieren.  4.  Bei  stark  besuchten  Klassen  ist  es  lol&ssig, 
ans  Lehrgegeost&nden ,  für  die  schriftliche  Prüfungen  nicht  angeordnet 
sihd,  einmal  im  Halbjahre  im  Einternehmen  mit  dem  Direktor  eine 
schriftliche  Prüfung  im  Umfange  eines  mündlichen  Examens  vorzunehmen. 
Die  PrüfunfTsarbeiten  sind  Ton  dem  Fachlehrer  zu  terbessem  und  jede 
mit  einer  Note  versehen  dem  Schüler  zurQckzustellen.  Diese  Note  ist 
ihrem  Werte  nach  einer  mOndlichen  Leistung  gleichzustellen.  5.  Es  wird 
neaerüch  und  mit  allem  Nachdrucke  iti  Rrinneruag  gebra<:bt,  daß  In 
Lehrfftchern,  aus  denen  schriftliche  nnd  müiitiUcbe  PrQfungeQ  stattfitiden, 
eine  höhere  Bewertung  schriftlicher  PrüfungshistuDgen  gepnüber  tnüad- 
liehen  oder  gar  eine  aasschliei^liche  iierück^icbtigang  »cbrirtlicher  Lei- 
stungen unstatthaft  ist.  6.  Konferenzen  fiber  di«  Schülerleiituagen  (Zeusai- 
konferenzen)  sind  nur  gegen  Ende  eioe^  jeden  Semesterdnttelji  abiüb^vlten* 
Für  diese  Konferenzen  ist  in  jedem  G^genitande  eine  X^te  fe«itzu  st  eilen. 
Diese  Noten  sind  spitestens  einen  Tag  for  der  Kanferenf  in  Obersicbta^ 
bogen  (Katalog^)  einzutragen,  die  in  einer  beeocder^n  Enbfik  aucb  dts 
Wahrnehmungen  über  das  Betragen  and  den  Fbij^  derScbüier  t^nthalten 
soUen.    Die  bisher  übliche  Eintraguog   der  Noten   aller  Eluzeiprafangea 


i 


1032  VerordimiigeD,  Erlftste. 

kADD  fallen  gelMten  werden.  7.  Dm  Ergebnis  dar  ersten  nnd  tweitea 
Zensorkonferens  eines  jeden  Halbjalires  ist  den  Sehfllem  mituteHen; 
diese  Hitteilong  kann  sich  aach  nor  soweit  erstrecken,  als  Anlafi  in 
Tadel  Torbanden  ist  Das  Hans  wird  mitteb  besonderer  Ausweise,  in  der 
Regel  nur  von  dem  nngfinstlgen  Ergebnis,  schriftlich  verstindigt.  Den 
Eltern  (oder  deren  SteÜTertretem)  ist  es  freiiostellen,  anf  diese  Verstin- 
digang  la  Tersichten.  Bei  Scbfllern  der  swei  obersten  Klassen  findet  eine 
solche  schriftliche  Mitteilung  nur  aus  besonderen  Gründen  statt.  8.  Ober 
das  Ergebnis  der  Konferens  am  Schlasee  des  ersten  Semesters  erhält 
jeder  Sehttler  einen  Ausweis  (Semestralzeognis),  der  die  Noten  ans  allen 
LehrgegenstAnden  und  das  urteil  Aber  das  Betragen,  jedoch  kein  Urteil 
über  den  Gesamterfolg  su  enthalten  hat.  9.  Am  Ende  des  Schuljahres 
wird  den  Schülern  ein  Jahresseugnis  ausgefolgt,  das  außer  den  Noten  in 
den  eiu seinen  Gegenstflnden  und  dem  urteil  über  das  Betragen,  die  An- 
gabe der  Zahl  der  TersAumten  und  allenfalls  nicht  gerechtfertigten 
Stunden  und  schließlich  die  Feststellung  su  enthalten  hat,  inwieweit  der 
Schüler  lum  Aufsteigen  in  die  nftchste  Klasse  geeignet  ist.  Von  der  Auf- 
nahme einer  Fleißnote  ist  Umgang  in  nehmen.  10.  Als  Noten  für  die 
Leistungen  in  den  einielnen  GegenstAnden  haben  su  dienen:  sehr  gut, 
gut,  genügend,  nicht  genügend;  als  Noten  für  das  «Betragen*:  sehr  gut, 
^t,  entsprechend,  nicht  entsprechend.  Letstere  Note  ist  besonders  nnd 
in  bestimmter  Form  su  begründen.    Das  Urteil  über  den  Gesamterfolg 

hat  SU  lauten:  «Der  Schüler  ist  (Tonüglieh, ,  nicht)  geeignet,  in 

die  nächste  Klasse  aufsusteigen**.  Hat  ein  Schüler  wenigstens  in  der 
Hälfte  der  obligaten  Gegenstände  die  Note  nsehr  gut*  and  in  koinem 
dieser  Gegenstände  die  Note  „genügend*,  so  ist  er  bei  mindestens  ent- 
sprechendem Betragen  als  Mvonüglich*  geeignet  su  erklären.  Unbedeckte 
Noten  „gut*  aus  dem  ebugaten  Freihandseicbnen  und  dem  Schreiben 
bilden  an  Gymnasien  kein  Hindernis  gegen  die  Zuerkennung  dieses  Prä- 
dikates; an  Kealscholen  kann  es  jedoch  in  einem  solchen  Falle  nur  nach 
besonderem  Beschluß  der  Lehrerkonferens  zugesprochen  werden.  Dagegen 
besitst  die  Note  „sehr  gut**  in  diesen  Gegenständen  an  Realschulen  wie 
an  Gymnasien  das  gleiche  Gewicht  wie  in  den  übrigen  obligaten  Fächern. 
Hinsichtlich  der  Noten  aus  den  relati?  obligaten  Gegenständen  sind  die 
gegenwärtig  {geltenden  Bestimmungen  sinngemäß  aniuwenden.  Die  Note 
aus  dem  ooligaten  Turnen  wirkt  nur  nach  der  günstigen  Seite.  Weon 
ein  Schüler  nur  aus  einem  Gegenstande  nicht  entsprochen  hat,  so  ist  er 
nicht  unbedingt  für  nicht  geeignet  su  erklären.  Vielmehr  duf  auf  der 
Unterstufe  der  Gymnasien  nnd  Realgymnasien  ebenso  der  Realschulen, 
iu  soweit  die  Landesgesetse  für  letstere  nicht  etwa  anders  bestimmen,  ein 
Schüler,  der  in  einem  Spraohfacbe,  in  der  Mathematik  oder  in  der  Geo- 
metrie und  dem  geometrischen  Zeichnen  die  Note  „nicht  genügend*  er- 
halten hat.  aber  nach  Ansicht  der  Lehrerkonferens  die  geistige  Reife  Ar 
die  folgende  Klasse  besitst,  für  „im  allgemeinen*  lum  Aufsteigen  geeignet 
erklärt  werden,  jedoch  mit  dem  besonderen  Beifügen,  daß,  falls  er  in 
der  darauffolgenden  Klasse  in  dem  betreffenden  Gegenstande  die  Note 
„nicht  genügend"  erhalten  sollte,  er  diese  Klasse  unbedingt  su  wieder- 
holen haben  wird.  Aus  den  übrigen  Gegenständen,  die  gani  oder  teil- 
weise mit  dem  Jahrespensum  abscbließen,  ebenso  aus  den  oben  beseich- 
neten  Gegenständen  auf  der  Oberstufe  sind  Wiederholungsprüfungen 
anter  den  gleichen  Modalitäten  wie  bisher  su  gestatten,  ti'effen  die 
Voraussetiungen  für  das  bedingte  Aufsteigen  oder  für  eine  Wiederholnngi- 
Prüfung  nicht  zu,  so  ist  der  Schüler  auch  mit  einem  „nicht  genügend* 
für  nicht  geeignet  su  erklären.  Rücksichtlich  der  relatif  obligaten  Fächer, 
des  obligaten  Zeichnens,  des  Schreibens  und  des  Turnens  bleiben  die  für 
das  Aufsteigen  geltenden  Bestimmungen  aufrecht  Hat  ein  Schüler  au 
mehreren  Gegenständen  nicht  entsprochen,  so  wird  er  als  zum  Aufsteigen 
nicht  geeignet  erklärt  Im  einzelnen  wird  dazu  bemerkt:  Orientiemags- 
Prüfungen  sollen  im  allgemeinen  am  Anfang  der  Stunde  Torgenommen 


Verordnongen,  Erl&ste.  1033 

werden.  Sie  begleiten  die  Wiederholung  und  die  Vertiefong  dee  dorch- 
genommenen  Lehrstoffes,  die  Erprobong,  ob  er  richtig  AiifgeuJ^t  ond  Ter- 
arbeitet  wurde,  und  die  HerrorhebaDg  jener  Teile  des  frflher  eingeflbten 
Stoffes,  An  die  bei  der  neuen  Lektion  anzoknflpfen  ist  Dasn  sind  mOg- 
liehst  fiele  Sehfller  heranzoiiehen  und  es  sind  daher  an  die  einzelnen 
Sch&ler  nor  knrse,  knappe  Fragen  an  stellen.  Eine  Klassifikation  findet 
biebei  in  der  Regel  nicnt  statt,  doch  wird  der  Lehrer  ans  den  Leistungen 
der  Sehfller  Material  fflr  seine  Beurteilung  gewinnen.  Zur  ünterstfltiang 
seines  Gedftchtnisses  kann  der  Lehrer  einielne  Wahmehmangen  vormerken; 
die  Benfltzung  eines  Kataloges  in  der  Klasse  ist  tunlichst  lu  Termeiden. 
Gelegentlich  kann  auch  schriftlich  gearbeitet  werden,  i.  B.  bei  der  Ein- 
übung grammatischer  Regeln,  bei  mathematischen  Ableitungen  und 
Übungen,  bei  Konstruktionen  u.  dgl.  Die  Sehfller  arbeiten  dann  selb- 
stftndig  in  ihren  Heften  und  der  Lehrer  Terfelfft  und  leitet  den  Oaog 
der  Aroeit.  Bei  einzelnen  Fftchem,  insbesondere  bei  solchen,  wo  sich  das 
Urteil  nur  allmählich  durch  eine  unausgesetzte  Eiprobung  entwickelt,  wie 
etwa  in  den  Sprachen,  zum  Teil  auch  in  der  Mathematik,  ferner  bei 
solchen,  wo  es  sich  mehr  um  Sehen  und  Beobachten  handelt  sIs  nm  die 
Wiedergabe  einer  Partie  des  Lehrstoffes,  wie  etwa  bei  der  Naturgeschichte 
auf  der  Unterstufe,  wird  das  Orientierungsprflfen  die  Regel  bilden  und 
zur  Beurteilung  der  Sehfller  genflgend  Gelegenheit  bieten.  In  anderen 
F&chern,  namentlich  in  den  höheren  Klassen,  wird  man  die  Orientierungs- 
prflfungen  dort,  wo  Zussmmenfassnngen  erfolgen  werden,  surflcktreten 
lassen,  um  Zeit  zu  ersparen  und  die  Sehfller  an  die  selbständige  Verar- 
beitung grOi^erer  Abschnitte  zu  gewöhnen.  Wo  KlassifikationsprAfongen 
notwendig  erscheinen,  sind  sie  erst  nach  Abschluß  eines  wohldurchgear- 
beiteten Abschnittes  Torinnehmen.  Der  Omfang  dieser  Abschnitte  ist 
nach  der  Art  des  Gegenstandes  und  nach  der  Reife  der  Sehfller  abzustufen 
und  wird  demnach  in  den  höheren  Klassen  natorgem&fl  größer  werden. 
BeTor  Klassifikationsprflfungen  Torgenommen  werden,  soll  durch  die 
Orientierungsprflfungen  bereits  herrorgehoben  sein,  was  als  wesentlich  zu 
dauerndem  Besitz  einzuprigen  ist.  Damit  die  Sehfller  nicht  zu  umfang- 
reichen Vorbereitungen  in  Terschiedenen  F&chern  zu  gleicher  Zeit  genötigt 
sind^  wird  vor  Beginn  der  Klassifikationsprflfungen  flber  größere  Abschnitte 
das  Einvernehmen  mit  dem  Klassenvorstande  zu  pflegen  sein.  Ferner  ist 
zu  gestatten,  daß  Sehfller  sich  freiwillig  zur  Prflfang  melden.  In  stark- 
besuchten  Klassen  kann  von  der  Klassifikationsprflfung  solcher  Sehfller, 
flber  die  sich  der  Lehrer  bei  den  Orientierungsprflfungen  ein  gflnstiges 
Urteil  bilden  konnte,  abgesehen  werden;  dagegen  sind  Sehfller,  die  nicht 
während  der  ganzen  Partie  am  Unterrichte  teilgenommen  haben,  und 
solche,  flber  die  der  Lehrer  kein  bestimmtes,  insbesondere  kein  gflnstiges 
Urteil  zu  gewinnen  in  der  Lage  war,  unbedingt  zu  prflfen.  Um  dem 
Lehrer  eine  raschere  Entscheidung  flber  die  Leistungen  der  Sehfller  zu 
ermöglichen,  ist  die  Zahl  der  Abstufungen  in  den  Noten  Termindert 
worden,  und  es  ist  wohl  zu  erwarten,  daß  von  diesem  Mittel  zur  Abkflr- 
zung  der  ElassifikationsprOfung  entsprechender  Gebranch  seraacht  werden 
wird.  Hinsichtlich  aller  Prflfungen  ist  daran  festzuhalten,  daß  biebei  zwar 
die  etwa  torhan denen  Wissenslflcken  aufzudecken  sind,  um  deren  Aus- 
fflUong  zu  Teranlassen^  daß  aber  doch  in  erster  Linie  dem  Sehfller  Ge- 
legenheit zur  Erweisung  seiner  Kenntnisse  zu  bieten  ist,  um  sein  Selbst- 
Tartrauen  zu  beben  und  ihn  durch  die  Freude  am  Erreichten  zu  neuer 
Arbeit  aufzumuntern.  Auf  die  Leistungsfthigkeit  des  Schfllers  ist  gebflhrend 
Bedacht  zu  nehmen,  allerdings  mehr  in  der  Fragestellan»c,  als  durch  allzu 
große  Nachhilfe.  Sorgfältig  ist  auch  zu  beachten,  daß  es  sich  bei  den 
Prflfungen  um  eine  Erprobung  nicht  allein  des  Wissens  und  Könnens, 
sondern  auch  der  Urteilsfähigkeit  handelt.  Endlich  ist  die  Prflfung  so  zu 
fflhren,  daß  sie,  namentlich  in  den  höheren  Klassen,  immer  mehr  die 
Form  eines  freien  Gespräches  (eines  Kolloquiums!  zwischen  Lehrer  und 
8chfller  annimmt,  ohne  daß  jedoch  der  Sehfller  an  Selbstfindigkeit  einbflßt. 


1034  VerordnüDgen,  Erlässe. 

Was  deb  Prfifongsstoff  betrifft,  so  ist,  namfbtiicli  in  den  unteren  ElaiMeiif 
nor  solcher  ^Lehrstoff  in  fordern,  aer  in  den  eingeführten  Lehrbflehem 
enthalten  ist  In  den  seltenen  Flauen,  wo  der  Lehrer  genötigt  sein  wird, 
mit  Bt^eksicht  anf  die  Fortscbntte  der  WisseDsehalt  oder  der  Didaktik 
▼pn  dem  Lehrbache  absnweichen,  sind  die  SehQl^  ai)f  diese  Abweiehnngea 
besonders  aufmerksam  sn  machen.  Jede  Prllfang  ist  anf  das  Wesentliche 
äes  Lehratoffes,  d.  h.  aof  den  festen  Stamm. des  Wissens  za  besehrftnken, 
der  das^  bleibende  Ergebnii  der  Beteb&ftignng  n^it  den  Einselheiten  des 
betreffenden  Wissensgebietes  darstellt.  Da  die  im  Torstehenden  angeord- 
nete Verarbeitno^  des  Lehrstoffes  in  der  Sohnle  einen  beträchtlichen 
Zeitaufwand  bedinget,  wird  es  um  so  notwendiger  sep,  i)berhaapt  den 
Lehrstoff  sweckmAßig  aastuwählen  und  stets  auf  das  cum  rollkommenen 
Verständnis  des  weiteren  Unterrichtes  nnumgäu  glich  Kot  wendige  in  be- 
schränken. Die  Art.  und  Weise  der  Heranziehung  der  Schttler  tnt  Ver- 
besserung  der  schriftlichen  Übungen  wird  dem  Lehrer  anheimgegeben; 
es  ist  jedoch  einem  Verfahren  der  Vorsng,  sn  geben,  bei  dem  die  äcbfUer 
nicht  yeranlaßt  werden,  sich  allsuTiel  und  bloß  äußerlich  mit  den  Fehlem 
sn  befassen,  sondern  sich  Tor  allem  im  Gebrauch  d^es  Richtigen  fiban 
können.  Bei  diesen  Verbesserungen  nnd  bei  allen  Korrekturen  Überhaupt 
ist  jede  Vielschreiberei  zu  vermeiden.  Die  Zensurkonferenzen  sind  am 
Anfang  des  Schuljahres  durch  den  Direktor  derart  festzusetzen,  daß  die 
einzelnen  Konferenzperioden  annähernd  gleicbfiel  Scbultage  umfassen. 
Die  Konferenitage  sind  sogleich  dem  Lehrkörper  mitzuteilen  und  zugleich 
in  der  Anstalt  Öffentlich  bekanntzugeben.  Die  Konferenznoten  werden 
nach  sämtlichen  Leistungen  des  Schfilers  in  der  betreffenden  Periode  und 
mit  Berücksichtigung  der  Note  der  Torangegangenen  Konferenz  gebildet, 
so  daß  sie  Abscblußnoten  für  den  abgelaufenen  Teil  des  Schuljahres  dar- 
stellen. Bei  der  ersten  und  zweiten  Konferenz  ist  es  gestattet,  bei  den 
Noten  einen  allenfalls  ? orhandenen  Mangel  durch  einen  Znsatz  anzndeut^o, 
keineswegs  darf  aber  dieser  Zusatz  die  Bedeutung  der  Note  änfheben 
oder  sie  wesentlich  abändern.  Femer  ist  ein  auffallender  Bfickgang  dei 
Schülers  durch  eine  auch  zur  Verständigung  des  Hauses  bestimmte  Be- 
merkung hervorzuhebeo.  Auskünfte  sind  den  filtern  oder  deren  Stellrer- 
tretern  wie  bisher  im  Sinne  des  h.  o.  Erlasses  tom  1.  Mai  1899,  Z.  12.014, 
zu  erteilen.  Da  jedoch  eine  schriftliche  Verständiirung  des  Hauses  seltener 
erfolgen  wird  und  die  Noten  meist  erst  am  Schlüsse  des  Konferenz- 
abschnittes forliegen  werden,  sind  difs  üblichen  Sprechstunden  so  einzu- 
richten, daß  ein  reger  Verkehr  zwischen  Lebrern  und  Eltern  oder  deren 
StellTertretem  leicht  mOglich  wii'd.  Bei  der  dritten  Konferenz  des  ersten 
Semesters  werden  die  Noten  ebenso  bestimmt,  wie  bei  den  früheren ;  die 
Note  für  das  Betragen  wird  in  der  Konferenz  festgestellt.  Das  Semestral- 
Zeugnis  ist  als  Abschrift  des  Obersichtsbogens  (Eiitaloges)  vom  Klassen- 
Yorstande  auszustellen  und  von  diesem  sowie  vom  Direktor  zn  fertigen. 
Auf  Grund  dieses  Zeugnisses  erfolgt  die  Würdigung  der  Stipendisten  und 
der  Tom  Schulgeld  befreiten  Schüler.  Hinsichtlich  des  Vorganges  im 
Falle  einer  ungünstigen  Klassifikation  in  einem  Gegenstand,  der  im 
ersten  Semester  abschliießt,  bleiben  die  gegenwärtig  geltenden  Beitim- 
mungen  aufrecht.  Gegen  Ende  des  zweiten  Semesters,  und  zwar  noeh 
einige  Zeit  tor  der  endgültigen  Festsetzung  der  Noten  Ist  nnjber  ftea 
Vorsitz  des  Direktors  eine  Beratung  über  den  Wissehaatand  imi  Äa 
mutmaßliche  Klassifikationsergebnis  abzuhalten.  Ist  das  Urteil  dea  Fldb- 
lehrers  über  einen  Scbüler  nicht  entschieden  ungünstig,  aOB^M  to 
schwankend,  so  wl  eine  Versetsungsprüfung  in  Gegenwart  daa  .  ^ 
oder  bei  dessen  Verhinderung  in  Gegenwart  eines  Lehrers  dd^~ 
eines  verwandten  Faches  Turzunehmen.  Eine  scbriftlicbe  Va 
Prüfung  findet  nicht  statt.  In  gleicher  Weise  sind  zum  Seblllß  i 
Scholer  noch  einmal  zu  prQfen,  bei  welchen  nach  den 
Schuljabre  angenommen  werden  maß,  daß  sie  in  einem  0<. 
Lehrziel   nicht   erreichen,    somit   ▼oraussicbtlich   eina   üng 


Verordnangen,  Erlftsse.  1035 

erhalten  werden.  In  beiden  Fällen  ist  das  Urteil  dorch  den  prQfenden 
Lehrer  im  Einfernehmen  mit  dem  bei  der  Prftfaog  anwesenden  Direktor 
oder  Lehrer  festtnstellen.  Die  Noten  ffir  das  Jahreszengnis  sind  wie  die 
Konferenznoten  zu  bilden,  doch  iet  den  Leistoogen  im  letzten  Konferens- 
abschfiitt,  sofern  sie  Zielieistnogen  sind,  ein  grOi^eres  Gewicht  beizalegen.. 
Hat  Übrigens  ein  Schiller  in  diesem  Abschoitt  nachgewiesen,  daß  er 
frühere  Mängel  beseitige  hat,  so  ist  daraaf  bei  der  Klassifikation  BQckr 
sieht  zn  nehmett..  Wenn  änch  bei  der  Bildnng  der  Schlußnoten  ebenso 
wie  bei  der  Znerkennnng  der  Einzelnoten  ein  sorgsames  Abw&gen  nnd 
das  Streben  nach  Gerechtigkeit  fflr  jeden  Lehrer  die  Biohtschnor  biiden 
mflssen,  so  soll  doch  Wohlwollen  als  wichtigste  Bedingung  jeder  erzieh- 
lichen Tätigkeit  anch  hierin  snm  Ausdruck  kommen  nnd  dem  Schüler 
immer  erkennbar  werden.  Diesem  Grundsatz  entspricht  es,  daß  bei  guten 
Leistungen  mit  anerkennenden  Noten  nicht  gekargt  und  beim  Schwanken 
zwischen  zwei  günstigen  Noten  der  besseren  der  Vorzug  gegeben  werde. 
Die  Schlußnoten  sind  nach  der  Klassifikationskonferenz  von  den  Lehrern 
eigenhändig  in  den  Hauptkatalog  einzutragen.  Das  Zeugnis  ist  als  Ab- 
schrift des  Hauptkatalogs  vom  Klaeseuforstand  auszustell.en  und  ton 
diesem  sowie  wotn  Direktor  in  fertigen.  In  den  Hauptkätalog  nnd  in  das 
Zeugnis  sind  auch  die  Noten  aus  den  im  ersten  Semester  abgeschlossenen 
Fächern  mit  dem  Beisatz  «im  ersten  Semester <*  zu  übertragen.  Hat  ein 
Schüler  die  Klasae  wiederholt,  so  ist  dies  im  Zeugnis  nicht  zu  erwähoen. 
In  der  obersten  Klasse  hat  das  Urteil  über  den  Gesamterfolg  zu  lauten: 

„Der  Schüler  hat  somit  die  Klasse  mit  (Torzüglichem, ,  nicht 

genügendem)  Erfolg  beendet*.  Die  Übereinstimmung  der  Zeugnisse  mit 
dem  Hauptkatälog  hat  der  Klassenvorstand  unter  Mitwirkung  eines  zweiten 
Lehrers  der  Klasse  festzustellen.  Letzterer  hat  die  Obereinstimmung  durch 
seine  Unterschrift  im  Haaptkatalog  zu  bestätigen.  Wiederholungsprüfangen 
lind  iebenso  wie  die  VersetzungsprOfungen  in  Gegenwart  des  Direktors 
oder  eines  zweiten  Lehrers  vorzunehmen;  die  Nöte  ist  in  gleicher  Weise 
wie  bei  diesen  Prüfungen  festzustellen.  Der  bisher  übliche  Zusatz  zur 
Note  yinfolee  der  Wiederholungsprüfung**  ist  bloß  in  dem  Hauptkatalog, 
nicht  abeir  in  das  Zeugnis  einzutragen.  Zur  gleichmäßigen  Bewertung  der 
Schttlerleistungen  wira  folgendes  festgesetzt:  Die  Bezeichouni?  „sehr  gut** 
ist  fflr  Leistungen  bestimmt,  die  sich  Über  das  durchschnittliche  Maß  der 
Anforderungen  erheben,  ohne  deshalb  über  die  von  SchQlern  zu  erwartenden 
Leistungen  hinauszugehen.  Ober  dieses  Maß  beträchtlich  hervorragende 
Leistungen  können,  jedoch  nur  auf  begründeten  Antrag  des  Fachlehrers 
und  nach  Beschluß  des  Lehrkörpers  durch  einen  besonderen  Beisatz  zur 
Note  «sehr  gut**  hervorgehoben  werden.  Als  «gut**  ist  eine  Leistung  zu 
bezeichnen,  die  sich  als  durchaus  entsprechend,  gemäß  den  an  den 
Durchschnitt  der  SchQler  zu  stellenden  Forderungen  darstellt  Als  «j^e- 
nügend**  hat  eine  Leistung  zu  gelten,  wenn  das  Ziel  des  Unterrichtes 
noch  als  erreicht  angesehen  werden  kann,  der  Schüler  also  nicht  in  allem 
das  für  den  Durchschnitt  der  SchQler  Geforderte  geleistet  hat.  Leistungen, 
die  onter  diesem  Mini muni  We^^n^  siod  als  ,^ nicht  genügend ^  zi]  bezeichne n. 
Bei  der  Beurteilung^  des  ßetrugcDi  ist  das  VerhaLtt^i  in  der  Schale  gt:g«n 
Lehrer  und  Schüler,  dai  VertiaEuu  jiufl^rltaib  der  Schale  aber  nar  inso- 
weit, als  sich  die  DiazipllnarrorBchriften  auch  darauf  erstrecken!  %n  be- 
rücksichtigen. Auch  die  Bebandlut^g  der  Hefte,  Bücber  a*  ügl,  die  Pt^nkt* 
liebkeit  in  der  Lier^rang  der  ArheitfUt  der  Sehalbe^uch ,  sind  dabei  £tS 
beachten.  In  allem  i»t  auch  aiv  Eigenart  det  Schulen  enlapreebeiid 
anzuschlagen. 

Bei  sinngemfifitfr  Dürchfflhrting  der  Toi«t«b^odeii  IJ«iitir:rTTTif:''-n  fit 
wohl  zu  erwarten,  daü  die  eiugange  d^r  Vtrordtsoug  erw^^  i^iWi 

nicht  ausbleiben  werden ,  daß  insbeaotid«^?««  aotb  dhit  jr^"'  »^^r 

wieder  fon  den  Noten  m^g  &•»(  die  Ue^i^nfttlndr  r 
keit,   Selbständigkeit   nnd   ihr    Verantw^rü^^ 
ökonomische  Verwertung  dee  Arbeil  d^   ' 


^ 


1036  VerordnnngeD,  Erl&sse« 

angebahnt  wird.  Diese  Vorteile  können  sich  aber  nar  dann  einstellen, 
wenn  die  Lehrerschaft  sich  nicht  darauf  beschränkt,  die  Bestimmungen 
und  Batsehläf^e  bloß  pflichtgemflL  za  befolgen,  sondern  wenn  sie  anf  dem 
gewiesenen  Wege  fortschreitet  und  das  empfohlene  Verfahren  aas  eigenem 
Antriebe  weiter  xn  bilden  trachtet.  In  mancher  Hinsicht  wird  dadurch 
eine  höhere  Arbeitsleistang  der  Lehrer  bedingt  sein,  der  freilich  in  anderer 
Beziehnng  eine  nicht  nnbetrftchtliche  Entlastung  gegenüber  steht.  Aber 
selbst  abgesehen  Ton  dieser  Erleichterang  darf  gewiß  ¥on  dem  bewährten 
Pflichteifer  der  Lehrer  und  ihrem  stets  beknndeten  Streben  naeh  Fort- 
schritten in  der  Schale  erwartet  werden,  daß  diese  aach  fielen  W&nschen 
der  Lehrerschaft  entgegenkommende  Beform  zam  Wohl  der  Sehale  die 
freudige  Mitwirkung  der  Lehrer  finden  wird.  Diese  Verordnung  tritt  mit 
dem  Schuljahr  1908/1909  in  Wirksamkeit.  Hiedarch  werden  alle  den 
gleichen  Gegenstand  betreffenden  Vorschriften,  insoweit  sie  mit  den  Be- 
stimmungen dieser  Ministerialterordnung  nicht  im  Einklang  stehen,  außer 
Kraft  gesetzt 

Verordnung  des  Ministers  fßr  Kultas  und  Unterricht  tom  21.  Joni 
1908,  Z.  28.151,  an  sämtliche  LsndesschuibehOrden,  betreffend  die  Za- 
lasBung  der  Absoltenten  höherer  Oewerbeschulen  und  Ter* 
wandter  Anstalten  sur  Reifeprüfung  an  Bealschnlen.  Im  Zu- 
sammenhange mit  der  Neuregelung  der  Beifeprflfnngen  an  den  Bealschnlen 
(Ministeriaherordnung  fom  29.  Februar  1908,  Z.  10.051),  bezw.  an  den 
höheren  Gewerbeschulen  ond  an  den  diesen  gleichgestellten  höheren 
Fachschulen  (MinisteriaUerordnong  Tom  23.  April  1908,  Z.  18.954),  finde 
ich  die  Verordnung  vom  24.  Juni  1905,  Z.  10.966  (M.-V.-Bl.  Nr.  SD, 
betreffend  die  Zulassung  der  Absolventen  der  genannten  Anstalten  sur 
Ablesung  der  Maturitätsprflfung  an  Realschulen,  abzuändern,  wie  folgt: 
AbsolTenten  einer  höheren  Gewerbeschule,  der  höheren  Fachschule  fftr 
Textilindustrie  (höhere  Gewerbeschule  mechanisch  -  technischer  Bichtnng) 
in  BrOnn  und  der  höheren  Fachschule  für  Elektrotechnik  am  Technologi> 
sehen  Gewerberooseum  in  Wien,  welche  sich  mit  einem  Beifezeugnis 
dieser  Schulen  ausweisen,  sind  in  Hinkunft,  und  zwar  auf  die  Dauer  der 
gegenwärtigen  Organisation  der  bezeichneten  Anstalten,  bei  der  Beife- 
prflfung  an  Bealschnlen  in  nachstehender  Weise  zu  behandeln:  l.  Sie 
haben  sich  der  schriftlichen  Beifeprflfung  in  gleicher  Weise  nnd  ans  den- 
selben Gegenständen  zu  unterziehen,  wie  öffentliche  Schüler  der  Anstalt 
2.  Die  mündliche  Beifeprflfung  dieser  Kandidaten  erstreckt  sieh  anf  beide 
Sprachen,  die  außer  der  Unterrichtssprache  Gegenstände  des  lehrplan- 
mäßigen  obligaten  Unterrichtes  an  der  betreffenden  Bealschule  sind,  auf 
Geographie  und  Geschichte,  auf  Mathematik  sowie  auf  Physik.  Die  mfind- 
liche  Prüfung  aas  der  Unterrichtssprache  und  aus  der  darstellenden  Geo- 
metrie ist  nur  dann  forzunehmen,  wenn  das  Ergebnis  der  schriftliebeB 
Prüfung  nicht  genügend  war.  Die  Prüfung  aus  der  Geographie  und  Ge- 
schichte ist  wie  bei  öffentlichen  Schülern  auf  die  österreichische  Vate^ 
landskunde  zu  beschränken.  Ans  den  übrigen  obligaten  Gef^enständeo 
der  Oberrealschule  sind  die  Kandidaten  vor  der  Beifeprflfung,  jedoch  nur 
dann  zu  prüfen,  wenn  sie  nicht  in  diesen  Fächern  an  der  höheren  Ge- 
werbeschule, bezw.  an  der  höheren  Fachschule  Noten  erworben  haben. 
Demnach  hat  die  Prüfung  aus  der  Chemie  und  dem  Freihandzeichnen 
allgemein  zu  entfallen.  Bei  der  Beurteilung  des  Kandidaten  sind  die  he- 
sflglichen  Noten  des  Gewerbeschul-,  bezw.  Fachschulzeugnisses  entspre- 
chend zu  berücksichtigen.  Im  übrigen  haben  alle  die  externen  Abiturienten 
betreffenden  Bestimmungen  der  Beifeprüfangs?orschrift  für  Bealschuleo 
Anwendung  zu  finden.  Den  Absolventen  der  höheren  Fachschule  für 
Textilindustrie  (höhere  Gewerbeschule  technisch  •  kommerzieller  Bichtung) 
in  Asch,  der  in  dieser  Verordnung  nicht  genannten  höheren  Fachschnitn 
«les  Technologischen  Gewerbemusenms  in  Wien  und  anderer  in  demselben 
Bange  stehender  Fachschulen  können  bei  der  Ablegung  der  Bealschul- 


Penonal-  und  Schalnotizen.  1037 

reifeprttfong  ftllweiie  fom  Hiniaterinm  für  KaltOB  ond  Unterricht  Be- 
gttnstigangen  erteilt  werden.  Diese  Verordnung  tritt  sofort  in  Kraft. 

Verordnung  des  Hinisters  fflr  Enltns  nnd  Unterricht  tom  8.  Angnst 
1908,  Z.  84.180,  betreffend  die  Errichtung  ron  achtklassigen  fieal- 
gjmnasien  und  Reform-Bealgjmnasien.  Ich  finde  mich  bestimmt, 
DM  lum  Erlaaae  eines  Gjmnaeialgesetzes  prorisorisch  anzuordnen,  daA 
neben  den  bestehenden  Bealgjmnaiien  neu  organisierte  achtklaseige 
Anstalten  dieser  Art  nach  dem  nachstehenden  Lehrplane  (A)  Tom  Schul- 
jahre 1908/1909  angefangen  bei  Vorhandensein  der  erforderlichen  Lehr- 
kräfte errichtet  und  daß  flberdies  mit  Beform-Bealgymnasien  Versuche 
nach  dem  unten  folgenden  Lehrplane  (B)  angestellt  «erden.  We«ren  all- 
fUliger  Umwandlung  bestehender  Gymnasien  und  Realschulen  in  eine 

j  4.       1     X  li.  11    der  k.  k.  Landessehulrat      , ,     .... 

der  genannten  Anstalten  wolle  -j-. — .    ,    ^.^  .^^  .^ — r-  wohlmotiTierte 
^  die  k.  k.  ätatthalterei 

eingehende  Antrtee  anher  stellen. 

(Die  Lehrplftne  sind  im  Schulbficherrerlage  erhältlich.) 


Das  Recht  der  Öffentlichkeit  wurde  fftr  das  Schuljahr 
1907/1908  Terliehen:  dem  Mädehenlyieum  der  Eogenie  Schwanwald  in 
Wien  sowie  das  Recht,  Reifeprflfungen  abzuhalten  nnd  staatsgflltige 
Reifezeugnisse  auizustellen;  der  VI.  Klasse  des  Mädcbenljzenms  der 
Hietiinger  LjzeumsgeseÜschaft  und  für  das  gleiche  Sohu^ahr  das  Recht, 
Reifeprflfnngen  abzuhalten  nnd  staatsgftltige  Reifezeugnisse  auszustellen; 
dem  Mädehenljzeum  in  HOdling  sowie  das  Recht,  Reifeprfifhngen  ab- 
zuhalten und  staatsgültige  Reifezeugnisse  auszustellen;  der  L,  II.  und 
III.  Klasse  des  Prifat-Mädchenljseums  der  Klosterfrauen  Ton  Notre  Dame 
de  Sion  in  Wien;  der  I.  nnd  lil.  Klasse  des  PriTat-Mädehenljseums  der 
Dr.  Olga  Steindler  in  Wien;  der  L  und  IL  Klasse  des  Pri?at^Mädehen- 
iTzeums  der  Dr.  Rosa  Fliegelmann  im  IX.  Wiener  Glemeindebesirke; 
der  I.  Klasse  des  PriTat-Gymnasiums  in  Laiken t;  der  I.  nnd  III.  Klasse 
des  städtischen  Mädchenlyzeums  in  Znaim;  dem  Mädchenlyzeum  in 
Baden  sowie  das  Recht,  Reifeprüfungen  abzuhalten  und  staatsgttltige 
Reifezeugnisse  auszustellen;  der  I.,  IL,  III.,  IV.  und  V.  Klasse  des  vom 
Vereine  „Rnthenisches  Mädcheninstituf  in  Przemyäl  erhaltenen  Mäd- 
ebenlyzeums  mit  ruthen.  Untenichtssprache;  der  I.  Klasse  des  Pritat- 
Mädcbenlyzeums  der  Klothilde  Liste  in  Wien;  der  I.  und  IV.  Klasse  des 
städt  Mädchenlyzeums  in  KOniggräti;  der  I.  nnd  IV.  Klasse  des  städt. 
Mädchen lyzeums  in  Pilsen;  der  V.  und  VI.  Klasse  des  Mädehenlyzeums 
mit  deutscher  Unterrichtssprache  der  Fanni  ▼.  Dittner  in  Lemberg  und 
fflr  die  gleiche  Zeitdauer  das  Recht,  Reifeprflfnngen  abzuhalten  und  staats- 

g kitige  Reifezeugnisse  auszustellen;  der  IV.  und  V.  Klasse  des  Pritat- 
ädcnenlTzenms  der  Salka  Goldmann  im  XIX.  Wiener  Gemeindebezirke; 
dem  Mäochenlyseum  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Bndweis  sowie 
das  Recht,  Reifeprflfnngen  abzuhalten  nnd  staatsgflltige  Reifezeugnisse 
auszustellen,  auf  weitere  drei  Jahre;  der  II.  nnd  V.  Klasse  des  städt. 
Mädchenlyzeums  in  Chrudim. 


Personal-  und  Schalnotizen. 

Ernennungen  (Verleihungen): 

Zum  Direktor  der  Realsch.  im  XL  V^ener  Gemeindebezirke  der 
Prof.  an  der  I.  Realsch.  im  II.  Wiener  Gemeindebesirke  Hugo  Lanner. 


1039  Personal-  ond  ScfaoliioiiseD. 

Zam  Direktor  der  Bealich.  im  XV.  Wiener  Gemeindebeiirk«  der 
Prof.  ah  dieser  Anstatt  Eduard  SokoII. 

Zorn  Direktor  der  Bealsch.  in  Wrschowitz  der  Direktor  der  Bealecfa. 
io  Bakoniti  Wensel  Macboü. 

Zam  Direktor  der  ReaUch.  ip  Prag-Holleschowlti-BabDa  der  Direktor 
der  Bealsch.  in  Pardnbitz  Adalbert  Paalqs. 

Zam  Direktor  der  Bealsch.  in  Pardubiti  der  Prpf.  an  der  Bealach. 
mit  bObm.  ünterriehtspraehe  in  PragAH«tadt  Karl  Eotrö. 

Zorn  Plrektor  am  griecb.-oneDt.  Cymn.  in  Snaawa  der  Prof.  an 
dieser  Anstalt  Konstantin  Kossowict. 

Zum  Direktor  de^  Qjnin.  in  Frendenthal  der  Prof.  am  Ojmii.  mit 
dentscher  Unterrichtssprache  in  Troppan  Josef  Br&anl. 

Zum  Direktor  des  VIII.  Qymn.  in  Lemberg  der  Leiter  der  Filiale 
am  V.  Gjmn.  daselbst  Stanislaqs  Schneider. 

Zam  Direktor  des  II.  Oymn.  in  Nen-Sandei  der  Leiter  der  Filiale 
am  Ojmn.  daselbst  Dr.  Stanisians  Klemensiewics. 

Zam  Direktor  des  IL  poln.  6jmn.  io  Taroopol  der  Leiter  der 
Filiale  des  Gjmn.  mit  poln.  Unterrichtisprache  daseibat  Michael  Siwak. 

Der  mit  der  Leitoog  des  Ojmn.  in  Eimpolnog  betrante  Prof.  an 
der  griech.-orient.  Oberrealseh.  in  Csernowitz  Dr.  Daniel  Werenka  inm 
Direktor  des  Gjmn.  in  Kimpolnng. 

Zam  Direktor  des  Gymn.  mit  bohm.  Unterrichtespraehe  in  Olmfiti 
der  Direiitor  des  Gjmn.  in  Trebitsch  Karl  Kofinek. 

Znm  Direktor  des  Gjmn.  in  Trebiteoh  der  Prot  am  L  bOhm.  Qjma. 
in  Brunn  Dr.  Johann  Korec. 

Zum  Direktor  dee  II.  bohm.  Gjmn.  in  Brflnn  der  Prof.  an  diaasr 
Anstalt  Thomas  Silen^. 

Zam  Direktor  dee  Gjmn.  mit  bObm.  UnterricfatMpraohe  in  Kremner 
der  Prof.  an  dieser  Anstalt  Friedrich  Fialka. 

Zam  Direktor  des  nenen  Gjmn.  mit  bOhm.  ünterrichteiprache  in 
M&hriscb-Ostran  der  Direktor  des  ehemaligen  Privat-Gymn.  mit  bOhm. 
Unterrichtssprache  daselbst  Frans  Ötastn^. 

Zam  Direktor  des  Gjmn.  in  Wadowice  der  Prof.  am  Gjmn.  bei 
St.  Anna  in  Krakan  Jobann  Doroiiüski. 

Zam  Direktor  des  nanmehrigeo  Staate  Gjmn.  in  Hihriseh-Scbön- 
borg  der  Direktor  des  ehemaligen  Landes-Untel^  nnd  Kommanal-Ober- 
gjmn.  daselbst  Dr.  Karl  Zirngast. 

Zam  Direktor  der  Bealsch.  in  äniatjn  der  Prof.  an  der  I.  Bealsch. 
in  Krakau  Hilarion  Hotabowicz. 

Zam  Direktor  der  Handelsakademie  in  Kraken  der  Direktor  des 
Gjmn.  in  Bochnia  Josef  Kannenberg. 

Znm  Direktor  des  Gjmn.  in  üohenstadt  der  Prof.  am  II.  bOhm. 
Gjmn.  in  BrQnn  Badolf  Drofak. 

Zam  Direktor  des  Gjmn.  in  Gaja  der  Direktor  das  Kommanal- 
Gjmn.  daselbst  Josef  KUafta. 

Znm  Direktor  des  Gjmn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  ii 
Olmflti  der  Direktor  des  Landes-Unter-  ond  Kommanal  Obergjmn.  ia 
M&hrisch-Neasudt  Adolf  Dan  manu. 

Zam  Direktor  des  Gjmn.  in  Triest  der  Prof.  am  Gjmn.  in  Inns- 
bruck Josef  Alton. 

Zum  Direktor  am  Gjmn.  in  Bregeni  der  Direktor  der  Bealaeh.  in 
Görs  Josef  Gassner. 

Zum  Direktor  des  Gjmn.  in  Asch  der  Prof.  am  Gjmn.  mit  deoteehsr 
Unterrichtssprache  in  den  Königlichen  Weinbergen  Karl  jQtbner. 

Znm  Direktor  des  Oberrealgjmn.  in  Tetschen  a.  d.  Elbe  der  Direktor 
des  KommunalObergjmn.  daselbst  Dr.  Anton  Schlolser. 

Zam  Direktor  des  IV.  Gjqm.  in  Krakau  der  Direktor  des  I.  Gjmn. 
in  Tamöw  Boman  Zawiliüeki. 


Personal-  and  Sehnlnotiien.  1039 

Zam  Direktor  des  I.  Gymn.  in  Tarnöw  der  Prot  am  IV.  Gymn.  i^ 
Krakaa  Johann  Jaglari. 

Zorn  Direktor  des  Gymn.  in  Mydlenice  der  Prof.  am  Gjmn.  bei 
8t.  Anna  in  Krakaa  Stanitlaoa  Pardrak. 

Zam  Direktor  des  Gymn.  in  Zdlkiew  der  Prof.  am  Gymn.  in  Droho- 
byei  Kasimir  Eliasi. 

Zum   Direktor   des  Gymn.  im   III.  Wiener  Gemeindebeiirke  der 
Direktor  des  AlbreehtGymn.  in  Tesehen  Dr.  Frani  Spengler. 
^  Zam  Direktor  des  Prani  Joseph-Gymn.  in  Wien  der  Prof.  am  Gymn. 

im  XIX.  Wiener  Gemeindebeiirke  Dr.  Karl  Klement 

Zam  Direktor  des  Gymn.  im  VIII.  Wiener  Gemeindeboiirke  der 
Prof.  am  Akad.  Gymo.  in  Wien  Dr.  Josef  Jacob. 

Zam  Direktor  des  Gymn.  in  Freistadt  der  Prof.  am  Gymn.  in  Linz 
Frani  Lehn  er. 

Zam  Direktor  der  Lehrerbildongsanstalt  in  BoToreto  der  Prot  9^m 
Gymn.  in  Trient  der  Beiirkssebolinspektor  in  Cles  Josef  Dal  Bi. 

Der  Prot  am  Gymn.  im  XIII.  Wiener  Gemeindebeiirke  nnd  Doient 
an  der  ünitersit&t  Dr.  Bobert  Käner   der  Stattbalterei  in  Triest,  bezw. 
den  Landesscbalr&ten  fflr  Görs  nnd  Istrien  proTisorisch  znr  Dienstleistang 
'.,^  tagewiesen  and  mit  den  Agenden  einea  Landesschalinspektors  betraat 

Zam  ord.  Prot  der  bOhm.  Literatargeschichte  an  der  UniTersitit 
in  Prag  der  mit  dem  Titel  eines  aaßerord.  Prot  bekleidete  PriTatdozent 
ond  Bealscbnlprot  Dr.  Jarosla?  Vlöek. 

Zam  avGerord.  Prot  der  deatschen  Sprache  nnd  Literatar  an  der 
'^  bOhm.  Unifersit&t  in  Prag  der  PriTatdozent  and  Bealschalprot  Dr.  Josef 

Janko. 

Zam  aafterord.  Prot  fOr  Mathematik  an  der  bOhm.  Technischen 

Hochsehale  in  Prag   der  PriTatdozeot  an  der  bOhm.  Unifersltlt  in  P^ag 

J '  and  Prot  an  der  Bealscb.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Karolinenthal 

Dr.  Fraas  Mnfll. 
^  Als  PriTatdozent  fUr  Mineralogie  an  der  bOhm.  Teehnischen  Hoch- 

'  schale  in   Frag   der  PriTatdozent  an   der   bOhm*  UniTersitit  ia   Prag 

Gymnasialprot  Dr.  Fran«  SlaTik  sagelasssen. 

Als  PriTatdozent  fflr  Geographie  mit  rathen.  Vortragssprache  an 
der  Philosoph.  Fakolt&t  der  UniTersit&t  in  Lemberg  der  Prot  an  der 
II.  Bealsch.  in  Lemberg  Dr.  Stephan  Badnicki  zogelassen. 

Als  PriTatdozent  ffir  slawische  Philologie  mit  poln.  Vortragsaprache 
an  der  pbilosoph.  Fakalt&t  der  UnifersItAt  in  Lemberg  der  Prot  am 
VI.  Gymn.  in  Lemberg  Dr.  Franz  Kröek  zogelassen. 

Als  PriTatdozent  fOr  französische  Sprache  and  Literatur  mit  be- 
sonderer Berflcksichtigang  der  ftlteren  Zeit  an  der  bobm.  Unifersitftt  in 
Pra^  der  Prot  an  der  Bealsch.  in  Prag  Yll  Dr.  Hazimilian  Kfepinsky 
zogelassen. 

Als  PriTatdozent  fflr  französische  Literatar  an  der  bOhm.  UniTcr- 
^'  sit&t  in  Prag  der  Prot  an  der  Bealsch.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in 

KaroUnenthal  Dr.  Prokop  MiroslaT  HaSkoTee. 

Zam  Mitgliede  des  Laodesschalrates  fflr  Istrien  der  Direktor  der 
Bealsch.  in  Pola  Dr.  Bfldiger  Felix  So  Ha. 

Zo  Mitgliedern  nnd  Fachezaminatoren  der  Prflfongskommission  für 
du  Lehramt  an  Gymn.  and  Bealscb.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  io 
Prag,  nnd  zwar  der  aaßerord.  Prof.  an  der  bOhm.  UniTorsit&t  in  Prag 
Dr.  Josef  Janko  zam  Fachexaminator  fflr  Deutsch,  der  aaßerord.  Prot 
an  derselben  UniTersit&t  Dr.  Franz  Cäda  zam  Fachezaminator  fflr  Philo- 
sophie and  P&dagogik,  der  ord.  Prot  an  der  bObm.  Technischen  Hoch- 
schale ih  Prag  £mil  Votoaek  zom  Fachezaminator  fflr  Chemie,  der  ord. 
Prof.  au  derselben  Hochschule  Friedrich  Prohäzka  zum  zweiten  Fach- 
ezaminator fflr  darstellende  Geometrie  und  der  außerord.  Prot  an  der 
bohm.  UniTersit&t  in  Prag  Dr.  Bohumil  Kuöera  zum  zweiteo  Fach- 
ezaminator fflr  Physik;   im  flbrigen  wurde  diese  Prflfongskommission  in 


1040  Personal-  und  Schulnotizen. 

ihrer  dermftligen  ZosammeDsetzang  aaf  die  Dauer  dea  Stadienjahres 
1908/1909  bestfttigt. 

Zo  Mitgliedern  and  Faehezaminatoren  der  Prflfangskommission  fftr 
das  Lehramt  an  Mftdebenlmen  in  Innsbrack  flir  die  Stndienjafare 
1908/1909  und  1909/1910,  and  swar  der  ord.  üniTersit&tsproC  Dr.  Wilhelm 
Erben  nnd  der  anßerord.  üniTersit&tsprof.  Dr.  Michael  Mayr  au  Faeh- 
ezaminatoren fflr  Qesohichte  und  der  ord.  Offentl.  UniTorsititaprof.  Dr. 
Josef  G mein  er  inm  iweiten  Faehezaminator  fflr  Mathematik. 

Znm  Mitglieds  der  wissenschaftliehen  Frflfongskommission  fBr  daa 
Lehramt  an  Qymn.  nnd  Realsch.  in  Wien»  and  swar  sam  Faehezaminator 
ffir  engl  Sprache  der  ord.  Offentl.  ünifersit&tsprof.  Dr.  Karl  Laick. 

Zun  Mitgliede  der  wissenschaftlichen  Prftfongskommission  fftr  daa 
Lehramt  an  M&dcbenlyzeen  in  Lemberg  der  ord.  OffentL  Prof.  an  der 
ünifersitftt  daselbst  Dr.  Cjrill  Stadzi6ski. 

Zum  Mitgliede  des  Landeaschalrates  ffir  Salzburg  der  Direktor  des 
Gjmn.  in  Salzburg  Johann  Schmidt  ffir  dep  Best  der  laufenden  Funk- 
tionsperiode. 

Zu  Mitgliedern  des  galizischen  Landesschnlrates  der  Kuatoa  dea 
rOm.-kath.  Metropolitankapitels  in  Lemberg  Dr.  Sigismund  Lenkiewiei, 
der  Domherr  des  griech.-katb.  Metropolitankapitels  in  Lemberg  Emil 
Biliüski,  der  armen.-kath.  Erzbischof  in  Lemberg  Josef  Teodorowies, 
der  CTang.  Pfarrer  in  Brigidau  Senior  Paul  Kozdoü»  der  üniyersit&taprof. 
Dr.  Leo  Sternbach  in  Krakan,  der  ünifcrsititsprol  Hofrat  Dr.  Kasimir 
Bitter  t.  Morawski  in  Krakau,  der  Prof.  an  der  Technischen  Hochaehnle 
in  Lemberg  Thaddftus  Fiedler,  der  üniTcrsitfttsprof.  Dr.  Cyrill  Stod- 
si6ski  in  Lemberg,  der  Direktor  des  III.  Gymn.  in  Krakan  Thomaa 
Soltjsik,  der  Prof.  an  der  Lehrerbildnngsanstalt  in  Lemberg  Alezander 
Bitter  y.  Barwiüski  und  der  Direktor  der  Handelsakademie  in  Lemberg 
Anton  Pawtowski. 

Zum  wirkL  Lehrer  am  Gymn.  in  Bregens  der  Supplent  am  Gymn. 
mit  deutscher  Unterrichtssprache  in  Budweis  Dr.  Adalbert  DepinyL 

Zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Iglau  der  Supplent  am  Gymn.  in 
Villach  Ernst  Keller. 

Zum  wirkl.  Lehrer  am'  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  in 
Olmüts  der  Supplent  an  der  Bealsch.  im  VI.  Wiener  Gemeindebezi^e 
Dr.  Johann  Buchst&tter. 

Zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Trebitsch  der  pro?.  Lehrer  am 
PriTat*Gymn.  in  Wiscbau  Eduard  Skopal. 

Zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Sereth  der  Supplent  am  L  Gymn. 
in  Csernowits  Siegmund  Katz. 

Zum  wirkl.  Lehrer  am  griech.-orient.  Gymn.  in  Snciawa  der  Snpplent 
an  der  griech.- Orient.  Bealsch.  in  Csernowits  Christi  Allaci. 

Zum  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealsch.  in  BOhmiscb-Leipa  der  Snpplent 
am  Sophien-Gymn.  in  Wien  Josef  Ziegler. 

Zum  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealsch.  in  Jidin  der  pro?.  Lehrer  an 
der  Bealsch.  in  Eakonits  Jaroslaua  Soukonp. 

Zum  wirkl.  Beligionslehrer  am  griech.-orient.  Gymn.  in  Soezaws 
der  suppl.  Beligionslehrer  an  dieser  Anstalt  Dr.  Orest  Tarangnl. 

Zum  Hauptlehrer  an  der  Lehrerbildungsanstalt  in  Polnisch-Ostras 
der  Prof.  an  der  Bealsch.  in  KOniggrfttz  Alois  Li  flick/. 

Zum  wirkl.  Turnlehrer  an  der  Bealsch.  in  Klagenfurt  der  rappl. 
Turnlehrer  an  der  Lehrerbildungsanstalt  daselbst  Josef  Kofier. 

Zum  defin.  Turnlehrer  an  der  Bealsch.  in  Elbogen  der  defin.  Volks- 
sehuUebrer  nnd  Nebenlehrer  an  dieser  Anstalt  Wenzel  Tnrko. 

Zum  defin.  Tarnlehrer  am  Mazimilian-Gymn.  in  Wien  der  suppl. 
Turnlehrer  an  der  Bealsch.  in  Klagenfurt  Johann  Bergmann. 


Personal-  und  Sehnlnotixeii.  1041 

Zum  defin.  Turnlehrer  am  Gymn.  in  Villach  der  aoppL  Tnmldirer 
an  dieser  Anstalt  Georg  Franke. 

Zum  defin.  Turnlehrer  an  der  Realseh.  in  Lann  der  Sopplent  an  der 
Bealseh.  mit  bohm.  Unterrichtssprache  in  Karelinenthal  Bndoif  Lad  man. 

Zorn  defin.  Tamlehrer  an  der  I.  deotsehen  Bealsch.  in  Brflnn  der 
Sopplent  an  dieser  Anstalt  Dr.  Ednard  Böhm. 

Zum  defin.  Tnmlehrer  an  der  Unterrealsch.  in  Pola  der  Tnmassistent 
an  der  Frans  Joseph-Bealscb.  in  Wien  Karl  Marc 9. 

Zum  defin.  Tamlehrer  am  Mazimilian-Gymn.  in  Wien  der  Turn- 
lehrer  an  der  Lehrerbildangsanstalt  in  Elagenfort  Heinrich  G  Ottine  er. 

Zorn  defin.  Turnlehrer  am  Oberrealgymn.  in  Tetschen  a.  d.  Elbe 
der  defin.  Tamlehrer  am  Komm.-Oberrealgymn.  daselbst  Frani  Schick el. 

Znm  Tnmlehrer  an  der  Lehrerbildanpanstalt  in  Klagenfart  der 
Oberlentnant  in  der  BeserTC  Heinrich  Gottmger. 

Zam  Tomlehrer  an  der  Lehrerbildongsanstait  in  Bodweis  der  soppl. 
Tamlehrer  an  dieser  Anstalt  and  an  der  Bealsch.  mit  deotscher  Unter- 
richtssprache daselbst  Angost  Bichter. 

Zom  proT.  Lehrer  am  Gymn.  in  Linz  der  pro?.  Lehrer  am  Gjmn. 
mit  deotscher  Unterrichtssprache  in  KOnigl.  Weinberge  Dr.  Paid  Zincke. 

Zom  proT.  Lehrer  an  der  Bealsch.  in  Eibogen  der  gewesene  Sop- 
plent an  dieser  Anstalt  Gnstav  Gar  eis. 

Zom  proT.  Lehrer  am  Oberrealgymn.  in  Tetschen  a.  d.  Elbe  der 
proT.  Lehrer  am  Kommonal-Oberrealgymn.  daselbst  Oskar  Kreibich. 

Zom  proT.  Lehrer  am  Gjmn.  in  Capodistria  der  Sopplent  an  dieser 
Anstalt  Dr.  Engen  Sims  ig. 

Zom  proT.  Lehrer  an  der  Bealsch.  im  Y.  Wiener  Gemeindebeiirke 
der  Sopplent  an  dieser  Anstalt  Dr.  Karl  T6th. 

Zom  proT.  Lehrer  an  der  IL  deotschen  Bealsch.  in  Prag  der 
Sopplent  an  der  Bealsch.  im  IX.  Wiener  Gemeindebezirke  Viktor  Kerbler. 

Verliehen  worden  erledigte  Lehrstellen  an  Staats-Mittelscholen  (im 
Sommertermin):  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Sereth  Viktor  Barleon 
eine  Stelle  am  I.  Gymn.  in  Czeraowits,  dem  Beligionsprof.  am  Gymn.  in 
Pilgram  Simon  Bärta  eine  Stelle  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichts- 
sprache in  Bndweis»  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Bielitz  Dr.  Emil 
Bansen  wein  eine  Stelle  am  Gymn.  mit  deotscher  Unterrichtssprache  in 
Prag-Keostadt  (Stephansgasse^,  dem  wirkL  Lehrer  an  der  Bealsch.  in 
Kaehod  Bichard  Beringer  eme  Stelle  an  der  Bealsch.  in  Tabor,  dem 
wirkL  Lehrer  am  GTmn.  in  Hohenstadt  Frans  Biiy  eine  Stelle  am  Gymn. 
mit  bohm.  Unterrichtssprache  in  Püsen,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  M&hr.- 
WeilVkirchen  Dr.  Oskar  BrieA  eine  Stelle  am  I.  deotschen  Gymn.  in 
Brflnn,  dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Keostadtl  Josef  Broi  eine  Stelle 
an  der  II.  bOhm.  Bealsch.  in  Pilsen,  dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Pfi- 
bnun  Karl  Brnderhans  eine  Stelle  an  der  Bealsch.  mit  bOhm.  Unter- 
richtssprache in  Bodweis,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Pola  Friedrich  Bor- 
kert  eine  Stelle  am  Gymn.  im  XVII.  Wiener  Gemeindebeairke,  dem  Prof. 
am  Gymn.  mit  deotscher  Unterrichtssprache  in  Pilsen  Dr.  Theodor  Cha- 
lopa  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Feldkirch,  dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in 
Beichenberg  Dr.  Karl  D  eotsch  eine  Stelle  an  der  Bealsch.  im  XV.  Wiener 
Gemeindebesirke,  dem  Prof.  am  Beal-  ond  Obergymn.  in  Neobydiow 
Anton  Doleial  eine  Stelle  an  der  Bealsch.  in  den  Königlichen  Wein- 
bergen, dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Bakonits  Jaroslaos  Doleial  eine 
SteUe  an  der  Bealsch.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Prag-Hollescho- 
wits-Bnbna,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Weidenao  Wilhelm  DreOler  eine 
Stelle  an  der  Bealsch.  im  III.  Wiener  Gemeindebesirke,  dem  Prof.  an 
der  Bealsch.  in  Proßnits  Dr.  Wenzel  Dflrschmid  eine  Stelle  an  der 
Bealsch.  im  XVL  Wiener  Gemeindebesirke,  dem  wirkl.  Lehrer  am  Beal* 

ZdtMhrill  f.  d.  6sterr.  G7BU1.  1906.  XI.  Haft.  66 


1042  F^cMoal-  «ad  fidralaotiseii. 

«iid  Obeigymii.  in  GaUoos  a.  K.  Dr.  SaIbiboil  Ebreiifold  cne  Stelle 
am  Gymn.  mit  deatieher  ÜDtemchtMprMlio  in  den  KftnigiicbMi  Weis- 
bergen,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Kotunaa  Hiluiea  Fed«rowiei  eine 
Stelle  am  IL  Gjma.  in  Ciernowiti,  dem  Prot  am  Laadea-Beal-  «nd 
Obeigjmn.  in  Kloatemeiiborff  Adolf  Fiieher  eine  Stelle  am  Gymn.  im 
Xllirwiener  Gemeindebennce,  dem  Prot  am  Kosimnnal-ObergjBB.  in 
Londenborg  Dr.  Jobann  Fries  eine  Stelle  am  Gjma.  in  Kroman,  dem 
Prof.  am  Gymn.  in  Leoben  Dr.  Joeef  Gafiner  eine  Stelle  am  Gymn.  in 
Klagenfart,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Ober-Hollabnnn  Dr.  Jobann  Grippel 
eine  Stelle  am  Frana  Josepb-Gymn.  in  Wien,  dem  wirkl.  Lehrer  an  der 
Bealseh.  in  Teschea  Dr.  Böge  Grobmann  eine  Stelle  an  der  Realeeb. 
im  IX  Wiener  Gemeindebeiirke,  dem  wirkl.  Lehrer  am  etidt.  Ober-Real- 
gymn.  in  Tetiehen  Dr.  Friedrieh  Grflnwald  eine  Stelle  an  der  Bealeeh. 
mit  deetieher  ünterriehtatpraehe  in  KaroHsentd,  dem  Prof.  am  Gnnn. 
in  Friedek  Frau  Handl  eine  Stelle  am  Gymrn.  in  GHii,  dem  Pm.  an 
der  Kealeeb.  in  Naefaod  Dr.  Guido  Hodara  eine  SleUe  an  der  Bealeeh. 
in  2ittow,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Walaehieoh-Heteritaeh  Teit  HfiToa 
eine  Stelle  am  Gymn.  mit  bobm.  ünteiriehtsepraehe  in  Olnrilti,  dem  «irkl. 
Lehrer  am  Gymn.  in  Hiitek  Fraai  Hremddko  eine  Stelle  am  Benl-  und 
(ibergymn.  in  Klattai,  dem  BeUgionaprof.  an  der  Bealeeh.  in  Bsbeoili 
Ottekar  Hyneä  eme  Stelle  am  Gymn.  mit  böhm.  Unteiriditenraehe  in 
Pilsen,  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  WnlaeUeeh-Meeeritseh,  in  DieuAes- 
laweisnag  beim  Gymn.  in  Preraot  Dr.  Agidins  Jahn  eine  Stelle  an 
letiterer  Anstalt,  dem  wirkl.  Lehrer  am  ^yma.  in  ÜYebitaeh  Johann 
JankoTsky  eine  Stelle  am  Beal-  and  Obeigymn.  in  Chndim»  dem  wirkl. 
Lehrer  am  Gjmn.  in  Mihrisch-Weißkirchen  Badolf  Kampe  eine  Stelle 
am  Gymn.  mit  deatscher  Unterriehtssprnche  in  Prag-Neustadt  (Stephaas- 
gasse),  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Taas  weniel  Kohont  eine  Stelle  aa  der 
Bealseh.  mit  bOhm.  Unterrichtesprache  in  Prag -Lieben,  dem  Prof.  am 
Gymn.  in  Marburg  Jobann  Koäan  eine  Stelle  am  I.  G^mn.  in  Gras,  dem 
Prof.  am  II.  deatscben  Gymn.  in  Brfinn  Benno  Krichenbaner  eine 
Stelle  am  Elisabeth-Gymn.  im  V.  Wiener  Gemeindebetirke,  dem  Pntf.  an 
der  Bealsdi.  in  Lann  Alois  Kelhinek  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  mit 
bOhm.  Unterriebtsspraehe  in  Prag-HoUesehewits-Bobna,  dem  Prall  an  der 
Bealseh.  in  Kenstadtl  Wensei  Lande  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  in 
Tabor,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Mihrisch-Trüban  Dr.  Otto  Lebwobl  eine 
Stelle  am  Gpon.  mit  deotscher  ünterrichtnpradie  in  Olmflti,  dem  Frei 
am  Gymn.  in  Villach  Angnetin  Lehofer  eine  Stelle  am  Gymn.  im 
XVII.  Wiener  Gemeindebesirke,  dem  Prof.  am  Beal-  nnd  Obergymn.  ia 
Kaiin  Friedrieh  Mach  eine  Stelle  am  Akad.  Gynm.  in  Prag,  dem  wiikL 
Lehrer  an  der  Landes-Bealseh.  in  GroiS-Mesentsch  Dr.  Johaaa  Maeki 
eine  Stelle  am  Gymn.  in  Preran,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Badaute  Dafid 
Mader  eine  Stelle  am  III.  Gymn.  in  Giemowitii,  dem  Prof.  aa  der 
Bealseh.  ia  Matoeha  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Proftniti,  dem  Prot  am 
Gymn.  in  Weidenan  Dr.  Max  Mayer  eine  Stelle  am  Gymn.  im  XVU. 
^ieaer  Gemeindebetirke,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Eger  Joeef  Melter 
eine  Stelle  am  Gymn.  in  Böbmiseh-Leipa,  dem  Prof.  an  der  Bealeeh.  ia 
Kottenberg  Josef  Miknlik  eine  Stelle  an  der  II.  bOhm.  Bealseh.  in 
Pilsen,  dem  Prot  am  Gymn.  ia  Spalato  SUfias  Miloslayiö  eiae  Btelle 
am  Gymn.  in  Bagnsa,  dem  Prot  am  Gymn.  in  Marburg  Dr.  Hans  Moerti 
eiae  Stelle  am  III.  Gymn.  in  Gras,  dem  Beligionsprot  an  der  Beale^ 
mit  dentseher  Unterriehtesprache  in  Proftniti,  in  biensteesaweisoag  ae 
der  Bealseh.  mit  böhm.  ünterrichtsspraebe  in  Olmflti,  Frani  Nejeaehleba 
eine  Stelle  an  letiterer  Anstalt,  dem  Prof,  am  Gymn.  in  KOniggriti  Karl 
NoTäk  eine  Stelle  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterriebtsspraehe  in  Prag» 
Kleinseite,  dem  Prot  an  der  Bealeeh.  an  Jiöin  Frani  NoTeta/  eiae 
Stelle  an  der  Bealseh.  mit  bOhm.  Unterrichtsq^radie  in  fiadweis,  dem 
Prot  am  Gymn.  in  Klagenfart  Eduard  Nowotny  eine  Stelle  am  Gyma. 
im  UL  Wieaer  Gemeiadebeiirke,  dem  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealeeh.  in 


:  «ine  «uiw  wm  om  oomhil  miv  mmm. 
m,  dm  FwbL  «b  QftUL  in  GaÜMliM 
UM  Gvmn.  in  Fita,  dm  PMf.  un  €/■». 
» Stolle  ftm  iOnm.  att  dentoeher  Datov- 


PflEHNul-  md  ikkoinotiteii.  1048 

TmMi  Dr.  Smii  Oswald  eine  Stelle  tu  der  Frans  JfmephapBeaMi.  ia 

Wien,  dm  Prof,  m  Ofinn.  in  SOaiginlief  Fiiedridi  Pnli(ikn  eine  Btolle 

an  der  Bealeck.  in  Jong^noBlnn,  dem  Piot  9m  der  Bealeeh.  in  Bakonita 

ft  Rnbert  Paiek  eine  Steile  an  der  Aealseh.  mit  Mks.  Uaterriokteepraehe 

r.  in  Ftig-AHikadt»  dm  Pf«l  nm  Qjmm.  in  Kminbnrg  Aatnn  Peterlin 

IQ  eine  fiielle  am  iL  Qrmn.  in  Laihaeh,  dem  viffcl.  Lahrer  am  Midehenr 

(  lyeeim  in  Lm  De  Emmeneh  PslUvitaeff  me  Stelle  an  dar  SeaUL 

^,  in  Stefr,  dam  Prof.  an  der  Bealaek.  in  Adlarkeeteieti  Leo  Pisa  «ine 

Stall«  an  der  L  bttm.  Bealash.  in  Pilean,  dm  PiuL  am  Ojmn«  mit  bOhm. 

UntaniebtMpnMiie  in  Olmttts  Dr.  Jeaef  Podpöra  eine  Stall«  an  der 

i,  IL  bitei.  Bealeeh.  in  Brtnn,  dem  Pm£.  am  Cfymn.  in  Pradniti  Dr.  Anten 

,  P«lik  me  Stelle  aa  derfieakmh.  mit  bohm.  DntenMrtetpmebe  in  Bod* 

,  wm,  d0m  PreH  m  Qrmm.  in  Miatek  Johann  Prdfiek  «me  Stelle  m 

Oimn.  mit  b»hm.  OntarriebteaimAe  in  Qlmftti,  dm  wiiU.  Lehrer  m 

w  Gjmn.  in  PÜbrm  iJikm  Prehlik  «ine  Sfedle  aa  der  BeaMt  mit  b0hm. 

\  Ontainefateepiaflhe  in  Piaf-Ueben» 

Di^  Karl  Pradiafor  eine  Stelle  am  4 

in  LandakNn  Dr.  Karl  Baah  eine  Stolle  am^Oymn. 

riehteemehe  in  Prag-Altatadt,  dem  wirkL  Lehrer  am  Ojmn.  mit  deatieher 

Untoriletafteepeaehe  in  Ungariieb-Bradieeh  Dr.  Bichard  Baithel  eine 

Steile  an  der  Bealeeh.  im  VIL  Wiener  Qmiindebeiirke,  dm  Prot  aa 

an  der  Bealeeh.  im  Y.  Wieaar  Oemeiadebeiiike  Dr.  Budolf  Biehter  ake 

Stelle  an  der  Bealseh.  im  L  Wiener  Qemeiadeberirke,  dem  Pnrfl  am 

Gyma.  ia  Onmadea  Karl  Bndlof  eine  Stelle  am  Gjma.  mit  dentedier 

Unterriehtitpraehe  in  den  Kdniglieben  WeiabeigeBt  dem  Prot  aa  der 

Laadee-Beabeh.  in  Mihiieeh-Oetraa  F^wn  Bjfiinek  eine  SteUe  an  dar 

Bealeeh.  in  Zttkow,  dem  Piol  am  Otm.  m  Cilli  Joeef  Sehlemmar 

eine  Stelle  an  der  Bealich.  im  VIII.  Wiener  Gemeiadeiifke,  dem  Prot 

am  Gjam.  in  Znaim  Bodeif  Sehneeweifl  eine  Stelle  am  Qjmn.  im 

^  X¥IL  Wiener  Qemeindebeiiiket  dem  Prof.  an  der  Bealeeh.  in  PiaAaiti 

^  Prani  Sehnbert  eine  Stolle  an  der  Baaladi.  im  XVIII.  Wiener  Ge- 

meindebeiirfce«  dem  Prof.  aa  der  Bealwh.  in  Masbarg  Adam  Schab  eine 

SteUe  aa  der  Bealaofa.  im  VIIL  Wiener  Gemeindeheaiike,  dm  ?n£  aa 

^  der  Bealeeh.  mit  denteeher  UnterriebtBe|Mraehe  in  Barolinenthal  Dr.  Aatoa 

^  Seibt  eiae  Stolle  aa  der  Bealeeh.  im  XYOI.  Wiener  GaaMindebaiirke, 

^  dm  Prof.  an  der  Bealeeh.  mit  denteeher  Unterriehtemraohe  in  Karolinonthal 

Jniine  Seifert  eine  StoUe  an  der  I.  dentaphen  Bealeeh.  in  Prag,  dem 

•  wiikL  Lehrer  am  Gjmn.  in  SiraiDito  Frani  Simek  eine  St^e  am  Gymn. 
^  in  Beneechaa,  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gjma.  mit  bObm.  Dntofricbteepnehe 
<^                in  Mihrieeh-Oetsaa  Joeef  Sindeidf  eiae  Stelle  am  Gymn.  w  WaUchieeb- 

•  ^  Meeeiiteeh,  dem  wirkl  Lelver  am  Prirat-Gymn.  mit  bohm.  Untorriehto- 
i'  Miaehe  in  Wiechaa  Joeef  Siaie  eiae  Stolie  am  Gyma.  in  Taae,  dem 

Prof.  aa  der  Laadee-Bealaeh.  in  Gewiteeh  Frana  Slavlk  ehie  Stelle  aa 
i  der  IL  bobm.  Bealeeh.  in  BrOna,  dem  wirkl.  Lebrar  am  Gymn.  in  Mdhr.- 

SehOnberg  Emil  Sparrer  eine  Stolie  am  III.  Gymn.  in  Gaernowiti,  dem 

Prol  an  der  Bealeeh.  in  2iikow  Dr.  Jaroaiana  ätaetn;^  eine  Stolle  am 
i  Gymn.  mit  bflhm.  Untorriebteepraebe  in  Prag  (Tieehlergaeae)»  dem  whrkL 

^  Lehrer  an  der  Bealeeh.  in  Teaehen  Aognetin  Steiner  eine  ätoUe  an  der 

^  Bealaeh.  m  Teplita-SebOnaa,  dem  Prof.  am  Gymn.  mit  bobm.  Unteniebto- 

epraehe  in  Mdbriech-Oetran  Heinrich  Steinmann  eine  Stelle  an  der 
I  Bealeeh.  mit  bohm.  ünterriebtosprache  in  Olmftti,  dem  Prof.  am  Gymn. 

i*  in  Hohenetadt  Joeef  Straka  eine  Stolle  am  Gymn.  in  Tabor,  dem  Prof. 

'^  an  der  Bealeeh.  in  Jdgerndorf  Dr.  Frani  Stranfi  eine  Stelle  an  der 

Bealeeh.  in  Lim,  dem  Prof.  an  der  II.  denteeben  Bealeeh.  in  Brflnn  Dr. 

Stephan  S  tri  gl  eine  Stolie  an  der  Bealeeh.  im  XV.  Wiener  Gemeinde- 
f^  beurke,  dem  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealeeh.  in  Trantonan  Dr.  Leo  Stncblik 

eine  StoUe  an  der  III.  denteeben  BeaUcb.  in  Prag,  dem  Prof.  am  Qmn. 

mit  bChm.  Uaterriehtsspraebe  in  Pileen,  in  Dieneteeiaweienng  am  Baal- 

und  Gbergymn.  in  Smiefaow,  Dr.  Emaanel  Tama  eine  Stolle  an  letalerar 

'  66* 


1044  Penonal-  ond  Sehnlnotisaii. 

ADstali»  dem  Prof.  an  der  fiealseh.  in  Jan|rbnniUv  BohnikT  Trnhiif 
eine  Stelle  an  der  Bealwh.  mit  b<^hm.  Untemehtiepraehe  in  KaroUntnthal, 
dem  Prof.  am  Qrmn.  mit  böhm.  ünterriobteepraehe  in  Piken  Dr.  Ernannt 
Yebr  eine  Steife  am  Gymn.  mit  böhm.  Unteiriehtttpraehe  in  Pracr-KleiB- 
leite,  dem  Prof.  am  Gjmn.  mit  itaL  ünterrichtteprache  in  Zara  Agidine 
Violin  eine  Stelle  am  Qjmn.  in  GOn,  dem  Prof.  am  Gtuul  in  BadoUn 
wertb  Aloia  Yirbnik  eine  Stelle  am  II.  Gymn.  in  Laibaeh,  dem  Prof. 
am  GjmD.  in  Taue  Alois  Yldek  eine  Stelle  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unter- 
richtaipraohe  in  Prag-Kleinidte,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Nenbaoa  Zdenko 
Yyeok^  eine  Stelle  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichtespraehe  in  Zükow, 
dem  Prof.  an  der  Bealaeh.  in  Marburg  Engen  Weber  eine  Stelle  an  der 
II.  Bealieh.  in  Grai,  dem  Prof.  am  Gymn.  mit  dentaeher  ünttmehu- 
■praehe  in  Troppan  Dr,  Angntt  Werkmann  eine  Stelle  am  Karl  Lndwig- 
Gymn.  in  Wien»  dem  Prof.  an  der  Bealieh.  in  Jigemdorf  Adolf  Wol> 
enowe  eine  Stelle  an  der  Bealieh.  in  Kofitein,  dem  Prof.  am  Gymn.  in 
Pilgram,  in  Dieniteiinweirang  an  der  Boalieh,  mit  bOhm.  Untontehfei- 
■praehe  in  Prag-Kleinieiti,  Dr.  Josef  Woldfieh  eino  Stolle  an  dieaor 
Anitalt,  dem  FroL  am  Gymn.  in  Mihriieh«TrflbaQ  Frans  Zimmermann 
eine  Stelle  am  Gymn.  in  Gi)n,  dem  wirkl.  Lehrer  an  der  II.  destMhen 
Bealieh.  in  Prag  Dr.  Joief  Znek  eine  Stelle  an  der  Bealieh.  im  IX.  Wtenor 
Gemeindebesirke,  dem  Prof.  an  der  Landes- Oberroalioh.  mit  dontsoher 
Unterriobtsspraehe  in  QOding  Johann  Zupanee  eine  Stolle  an  dar 
II.  dentsehen  Bealieh.  in  Brflnn,  dem  Prof.  an  der  Landes -Bealseh.  in 
Batsehowiti  Frans  Zvöfina  eino  Stelle  an  der  Bealsch.  mit  bOfam. 
Unterriehtsipraohe  in  Olmikts. 

Ernannt:  A.  Zn  wirkl.  Lehrern  an  Staats-Mitteliehnlon:  a)  die  pro?. 
Lehrer:  Badolf  Baoer  Tom  Gymn.  mit  dentieher  Unternohtupraehe  in 
Troppan  fOr  diese  Anstalt,  Dr.  Ernst  Bloch  ?om  M&dehenlyionm  in  Mihr.- 
Ostran  fflr  die  Bealaeh.  in  Proßnits,  Dr.  Paal  Blam  Ton  der  Bealaeh.  in 
Teschen  für  diese  Anstalt,  Dr.  Karl  Bobleter  Tom  Landea-Beai-  ud 
Obergymn.  in  Hom  flir  das  Gymn.  in  Feldkiroh,  Zaeharias  Bornstein 
Ton  der  Bealsch.  in  Tesehen  fttr  diese  Anstalt,  Georg  BoüdoTiö  ?on 
der  Bealsch.  in  Spalato  tfkt  diese  Anstalt,  Frans  Dissertori  Ton  der 
Bealsch.  in  Dombirn  f&r  diese  Anstalt,  Dr.  Budolf  Egger  Tom  Gymn. 
in  Pola  VU  das  Gran,  in  Klagenfort,  Josef  Hergoth  Tom  GrmB.  mit 
dentscher  Unterricntssprache  in  Smichow  fttr  diese  Anstalt,  Dr.  Ernst 
Hladny  Tom  Gymn.  in  Sakbürg  fttr  das  Gymn.  in  Leoben,  Wensel 
Hromädka  Ton  der  Bealsch.  in  Pardnbiti  fflr  die  Bealsch.  in  Adler- 
kostdets,  Dr.  Artnr  Hrnby  rom  Gymn.  in  Triest  fflr  diese  Anstalt, 
Jolins  JaroBch  Ton  der  Bealsch.  im  T.  Wiener  Gemolndeboiirke  fflr 
dieie  Anitalt,  Zdenko  Kamper  Ton  der  Bealieh.  in  Jongbunslan  fttr  dai 
dortiffe  Gymn.,  Alfred  Kaaaelka  Tom  Gymn.  im  TL  Wiener  Gemolnde- 
besirle  fflr  diese  Anitalt,  Josef  KaTka  Tom  Gymn.  in  KOniggrits  fflr 
die  Bealieh.  in  Pardnbits,  Friedrich  Keller  Ton  der  Bealsch.  im 
YL  Wiener  Gemeindebesirke  fttr  diese  Anstalt,  Dr.  Angnst  Bitter  Ton 
Kleemann  Tom  Akad.  Gymn.  in  Wien  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Ernst 
König  er  Ton  der  Bealsch.  in  Jägemdorf  fflr  diese  Anstalt,  Alois 
Kreissei  Tom  Gymn.  in  Mies  fttr  diese  Anstalt,  Jaroilaos  Kronpa  Ton 
der  Bealsch.  mit  bOhm.  Unterrichtssprache  in  Bodweis  fOr  die  Bealsch. 
in  Lann,  Frans  Kflhnl  Tom  Gymn.  in  Beichenberg  fflr  diese  Anatalt, 
Dr.  Bicbard  Lederer  Ton  der  Bealsch.  in  Troppan  fBr  diese  Anstalt, 
Josef  Lipburger  Ton  der  Bealsch.  mit  deutscher  Unterrichtsspraohe  in 
Pilsen  fflr  das  Gymn.  mit  deutscher  Unterrtehtiipraehe  in  ungarisch- 
Hradiich,  Joief  Lncska  Ton  der  landwirtichaftlichen  Landeo-Mittelseh. 
in  Csemowits  flkr  die  griech.-orient.  Bealieh.  daselbst,  Dr.  Johann  Mfl hl- 
b  ach  er  Tom  Gymn.  in  Weidenan  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Mazimiliaa 
Nistler  Tom  Sophien-Gymn.  in  Wien  fflr  das  Gymn.  im  VU.  Wiener 
Gemeindebesirke,  Anton  NoTäk  Tom  Gymn.  in  Strainiti  fttr  dieeo  AnstaM^ 
Dr.  Jobann  Pa? In  Tom  Karl  Ladwig-Oymn.  in  Wien  fflr  daa  Qjmn.  in 


Penonal-  und  Seholnotixen.  1045 

Znaim»  Joief  Rain  er  Tom  Gymn.  in  Mies  fflr  diese  AdsUII,  Dr.  Friedrieh 
Rolf  ▼OD  der  Landet-Oberreiütch.  in  Brflnn  fAr  die  Franz  Joseph-Realsch. 
in  Wien,  Dr.  Joief  Stall  er  ▼om  ü.  Grmn.  in  Gras  flr  diese  Anstalt, 
Dr.  Max  Samee  Ton  der  Realseh.  im  YII.  Wiener  Gemeindebeiirke  fOr 
diese  Anstalt,  Weniel  Schüler  Ton  der  L  bOhm.  Realsch.  in  Pilsen  f&r 
diese  Anstalt,  Dr.  Anton  Siegmnnd  vom  Gymn.  in  BOhmiseh-Leipa  für 
diese  Anstalt,  Weniel  Spaöek  Tom  Gjrmn.  in  Randniti  für  diese  Anstalt, 
GnstsT  Tögel  Tom  Gymn.  in  Aussig  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Bfetislav 
Vjskodil  Tom  Gymn.  in  Dentsehbrod  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Adolf 
Watske  vom  Gymn.  mit  deatseher  Unterrichtssprache  in  Troppan  fflr 
diese  Anstalt,  GnstaT  Wiesner  Tom  Grmn.  in  Gottichee  für  das  Gymn. 
in  Bflhmisch-Leipa;  b)  die  Sapplenten:  Ferdinand  Bachl  von  der  Realsch. 
im  X.  VHener  uemeindebesirke  fflr  das  Gymn.  in  Yiliaeh,  Trajan  Bar- 
gan an  von  der  griech.-orient.  Realsch.  in  Ciemowits  fflr  diese  Anstalt, 
Engelbert  Bartel  Tom  Karl  Lndwig-Gymn.  in  Wien  fflr  das  Gymn.  in 
Karlsbad,  Wladimir  Batha  Yom  Gymn.  in  Schlan  fflr  diese  Anstalt,  Dr. 
Joaef  Bandid  Tom  Akad.  Gynm.  in  Prag  fflr  die  Realsch.  in  Jongbnnilaii, 
Ottokar  Bednar  Ton  der  Realsch.  im  XYIIL  Wiener  Gemeindebesirke 
fflr  die  Realseh.  in  Brock  a.  d.  Mnr,  Dr.  Karl  Beer  Tom  Gymn.  im 
III.  Wiener  Gemeindebeiirke  fflr  die  Realsch.  mit  deutscher  Unterrichts* 

Sprache  in  Karolinen thal ,  Josef  Brad45  Tom  GTmn.  in  Pilgram  fflr  das 
ymn.  in  Tans,  Karl  Bf  esina  Tom  Gymn.  mit  bohm.  Unterrichtssprache 
in  Pilsen  fflr  das  Gymn.  in  ReichecMi,  Dr.  Hugo  Bure  seh  Ton  der 
Realsch.  ijm  •XVIII.  Wiener  Gemeindebeiirke  fflr  das  Gymn.  in  Bxelits, 
Adalbert  Gern^  Tom  Gymn.  in  Leitomischi  fflr  das  Gymn.  in  Pilgram, 
Johann  Cisai  Ton  der  Realsch.  in  Klagenfurt  fflr  die  Realsch.  in 
Bflhmisch-Leipa,  Karl  Ghotek  tou  der  Realsch.  in  den  Königlichen 
Weinbergen  llkr  das  Real-  und  Obergymn.  in  Nenbydiow,  Adolf  Cierny 
Tom  IL  Gymn.  in  Csemowitz  fflr  diese  Anstalt,  Anton  Dan^CTiö  Tom 
Gymn.  in  Spalato  fflr  diese  Anstalt,  Josef  Deissinger  Ton  der  Realsch. 
im  I.  Wiener  Gemeindebeiirke  fflr  die  II.  Realsch.  in  Grai,  Dr.  Alois 
Dejaco  Tom  Gymn.  in  Innsbruck  fflr  das  Gymn.  in  Gottschee,  Ladislaus 
Demkow  tou  der  Realsch.  mit  bflhm.  Unterrichtssprache  in  Prag-Klein- 
seite fflr  die  Realsch.  in  Rakonitz,  Dr.  Richard  Dobner  Tom  Gymn.  in 
3aas  fflr  diese  Anstalt,  Arkadius  Dngan  Tom  griech.-orient.  Gymn.  in 
Suciawa  fflr  diese  Anstalt,  Jarosiaus  Duiek  Tom  Gymn.  mit  bOhm. 
Unterrichtssprache  in  Prag  (Komgasse)  fflr  das  Gymn.  in  Rokyean,  Alfons 
Bisenberg  Ton  der  Realsch.  in  Klagenfurt  fflr  die  Realsch.  in  Laibach, 
Mendel  Fei  1er  Tom  III.  Gjmn.  in  Csemowiti  fflr  das  Gymn.  in  Radauti, 
Josef  Fessi,  Lehramtskandidaten,  fflr  das  Gymn.  in  Gottschee,  Ladislaus 
GardaTsk^  Ton  der  I.  bOhm.  Realsch.  in  Pilsen  fflr  die  Realsch.  in 
Rakoniti,  Marin  GaTraniö  Tom  Gymn.  in  Ragusa  fflr  das  Gymn.  in 
Cattaro,  Josef  Gflßl  Ton  der  I.  deutschen  Realsch.  in  Prag  fflr  die 
Realsch.  in  Trautenau,  Simon  Gstaltmayr  Tom  Landes-Real-  und  Ober- 
i;ymn.  in  Baden  fflr  das  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  in 
Mährisch-Ostrau,  Dr.  Josef  HanuS  Ton  der  Realsch.  in  den  Königlichen 
Weinbergen  fflr  das  Real-  und  Obergymn.  in  Kolin,  Dr.  Richard  Haß- 
fnrther  Ton  der  Realseh.  in  Triest  fflr  diese  Anstalt,  Rudolf  Hein  Ton 
der  Realsch.  in  Steyr  fflr  die  Realsch.  in  Lim,  Dr.  Alfred  Hertska  tou 
der  Realsch.  im  I.  Wiener  Gemeindebeiirke  fflr  die  Realsch.  in  Reichen- 
berg, Friedrich  Hirsch  Tom  Albrechts-Gymn.  in  Teschen  fflr  das  Gymn. 
in  Gottschee,  Dr.  Ewald  Hof  er  Tom  II.  Gymn.  in  Gras  fflr  das  Gymn. 
in  Mährisch*  Weiflkirehen,  Adolf  Hof  mann  tou  der  Realsch.  in  Elbogen 
fflr  die  Realsch.  io  Bergreicbenstein,  Frans  fioleöek  Ton  der  Realsch. 
in  den  Königlichen  Weinbergen  fflr  die  Realsch.  in  Pisek,  Dr.  Leo  Hor- 
nung  Tom  Gymn.  mit  deutscher  Unterrichtssprache  in  den  Königlichen 
Weinbergen  fflr  das  Gymn.  in  GOrs,  Johann  Hosiowski  Tom  Gymn.  in 
Kottman  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Jarosiaus  Hrubant  Ton  der  Realsch.  in 
den  Königlichen  Weinbergen  fflr  die  Realsch.  in  Kuttenberg,   Zdenko 


1046  Penenal-  «nd  fiMralnoOseiL 

Hajer  tom  Qrmt.  ia  Prac  (KongiiM)  flir  dat  Gymn.  nit  bdtai.  UbIv- 
ridilifpnMhe  n  FSImd,  Ateaiider  Jasaii  Tom  ^aek-Mfiant.  Gynift.  ia 
SaeKMTft  ftr  diaaa  Anatalt,  Karl  Jan  fam  Orm».  in  Pilgnui  fOr  diaaa 
Anstalt,  Karl  Kap^art  Tom  Gjwn.  mit  bOb».  Uatawiclrtaapniaha  in 
ÜDgariaeli.Hndiaab  f8r  daa  Qjmn,  is  MIatak,  Alfrad  Klvjr  vooi  L  Qywsm. 
in  CiaiBOwHi  ftkr  daa  III.  Gtodb.  daaalbat,  MilaaUT  Kopal  von  dar 
Baakah.  in  Jnngbanslan  fttr  dia  Baalaeh.  in  Pffbram,  Joaef  K^paaky 
▼am  Erabanog  Batear-Oynn.  in  Wian  fBr  dia  Baalaeb.  in  Taaaban, 
Biduurd  Kam  r^m  Gymn.  mit  dantadiar  UntarriofatMpnaba  in  Prag- 
Klainaeita  fflr  daa  Saal-  nnd  Obargymn.  in  Onblom  a.  i.  N.,  ¥iktor 
Kornfaind  vom  Gymn.  mit  daataebar  Untarriatattapraebe  ia  Gfantti  tU 
dia  üatarraalaab.  in  Pola,  Karl  Kramäf  Tom  Gjmn.  in  Jidin  ftr  die 
Bealacb.  in  SobMtanhafan,  Ednard  Kronpa  vom  Gyaui.  im  XÜL  Wianar 
Garaaindabaiirka  fflr  daa  Gymn.  in  Waidenaa,  Dr.  Joaef  Lacknar  van 
dar  Baalaeb.  im  IX.  Wianar  Gamaindabaiirka  fflr  die  II.  daataaba  Baalaeb. 
in  Brflnn,  Jalini  Landig  tod  dar  Baalaeb.  im  KT.  Wianar  Gemaiiida- 
batirka  Äf  dia  Baalaeb.  in  Baicbanberg,  Brieb  Laablaitnar  Tan  dar 
Baalaeb.  ia  Triaat  fttr  das  Gymn.  in  Cilli,  Dr.  Bmil  Labmann  t«b  dar 
L  Baalaeb.  in  Grai  flIr  daa  Gymn.  in  Landakron,  Frans  Laxa  «»n  dar 
BaaUeh.  in  Bakoniti  fttr  dieaa  Anatalt»  Amnlioa  Li  tw  in  ine  vam 
III.  Gymn.  in  Ciamowiti  fflr  diaae  Anatalt,  Dr.  Alfrad  La  kack  ?aa  dar 
Baalseb.  in  Tronpan  fflr  diaaa  Anstalt,  Josaf  Haeb  ?am  (^mn.  in 
Kflniginbof  fflr  aas  Gymn.  in  Bokyean,  Josef  Marini  mm  Gyan.  in 
Gflrx  für  dia  Baalaeb.  in  Hosen,  Wantel  Hartinek  Ton  dar  Baalaeh.  in 
Tabor  fttr  daa  Gymn.  in  Leitomiaebl,  Dr.  Wilbalm  M  atbeaiva  tob  dar 
Bealseb.  mit  bflhm.  Untarriebtaspraeba  in  Prag-Altatadt  fflr  dia  I.  b«bm. 
Baalaeb.  in  Pilsen,  Joaef  Matonft  von  dar  Bealacb.  in  Jidin  fttr  dir 
Baalaeb.  in  Naebod,  Leopold  Mogan  vom  Gymn.  in  Klaganfart  fflr  die 
Baalaeb.  ia  Brack  a.  d.  H.,  Viktor  Morarin  vom  grieeb.HMrient.  Gymn. 
in  Snesawa  fflr  dieaa  Anstalt,  Joaef  Hots  von  der  Handele*  nnd  nanti- 
sebeo  Akademie  in  Triest  fflr  daa  Gymn.  in  Bovarato,  Emil  Mneka  vam 
Sopbien-Gymn.  in  Wien  fflr  das  Gymn.  in  Friedek,  Lndwig  Nimae  vaa 
dar  Kommnnal- Baalaeb.  in  Nimbarg  fflr  die  Bealaeb.  in  Sebflttenhefan, 
Miloalav  NeaUdek  vom  Gymn.  in  Kflniggriti  fflr  die  Baalaeb.  in  Naebad, 
Jobann  Nevole  von  der  Bealseb.  im  vi.  Wiener  Gemeindabasirka  fir 
dia  Bealaeb.  in  Knittalfaid,  Lodwig  Nicolini  vom  Gymn.  in  TiiaBt  i 
(ital.  Abtaitong)  fflr  diaaa  Anstalt,  Bmat  Nitscba  an  der  Bealaeb.  ia  | 
£gar  ftr  die  Baalaeb.  in  Bergreäebenstein,  Dr.  Wladimir  Noväk  von  d« 
Bealseb.  mit  bOtam.  Ünterriehtsapraebe  in  Prag-Menatadt  fflr  daa  Beal> 
und  Obargymn.  in  Kolin,  Dr.  Lndwig  Panek  von  dar  Baalach,  im 
KVIII.  Wiener  GemMndebezirke  fflr  die  Bealseb.  mit  dentaehar  Uater> 
ricfataspracbe  in  Olmfltt,  Dr.  Friedrieb  Petermann  von  dar  I.  Baatscb 
in  Grat  fflr  die  Bealacb.  in  Bmck  a.  d.  Mar,  Jaaef  Petr  von  dar  Bealaeb. 
in  den  KGniglieben  Weinbergen  fflr  die  Bealseb.  in  Pardnbiti,  Dr.  H«a- 
ricb  Ploy  von  der  Bealseb.  im  V.  Wiener  Gemeindebeairka  fflr  die 
Bealseb.  in  Bieliti,  Isidor  Poebmarsky  von  der  griech.'Orient.  Bealaeb. 
in  Ciernowits  fflr  das  Gymn.  in  Seretb,  Bndolf  Pregelj  vom  Gynsa.  ia 
Mitterbnrg  fflr  diese  Anstalt,  Anton  Baban  von  der  Bealseb.  in  des 
Kflnigüeben  Weinbergen  fflr  die  Bealseb.  in  Jiain,  Ferdinand  Bemp  raa 
der  I.  Bealaeb.  im  II.  Wiener  Gemeindebeiirke  fflr  die  Beabcfa.  i£ 
Knittelfeld,  Jesef  Bnpert  von  der  Bealaeb.  in  Leitmariti  fflr  daa  Gyma. 
in  Bomborg,  Tbeopbil  San  eine  vom  L  Gymn.  in  Ciemowiti  fftr  dae 
lU.  Gymn.  daselbst,  Pias  Sebatser  vom  Gymn.  in  Feldkircb  Ar  das 
Gymn.  ia  Gmnnden,  Mattbflna  Sebwarsenbrannar  vom  Gymn.  ia 
Leoben  fflr  die  Bealacb.  in  Knittelfeld,  Arnold  Sebwafal  von  dar 
L  dentaeban  Bealaeb.  in  Brflnn  fflr  die  Bealacb.  mit  dantacber  üntaniehta- 

Sraeba  in  Proftniti,  Dr.  Leopold  Seltenbammer  von  der  Bealseb.  ioi 
L  Wiener  Gemeindebesrrke  fBr  die  Bealseb.  in  Taschen,  Joaef  Simioa 
von  der  Bealseb.  in  Bovereto  fflr  diese  Anstalt,  Jnlina  Singer  von  im 


Personal-  atd  SdmlMtiseii.  1M7 

^.  IL  denltcheii  Bealadi.  in  Brttnn  für  die  IL  dentaebe  Bealieh.  in  Praf» 

i^  Karl  Sitte  Ton  der  Bealaeh.  in  Beichenberg  ftr  diese  Ansialt,  Jaroalav 

2^  SUdek  Tom  Gymn.  in  Walaebiseb-lieseritieh  für  die  Bealscb.  in  Nea- 

ga  stadtl,  Weniel  Slosar  Ton  der  Bealscb.  in  Pfibram  Ar  diese  Anstalt, 

Dr.  Johann  80 leb  Tom  Gjmn.  im  VL  Wiener  Gemeindebesirke  fftr  das 
III.  Gtsui.  in  Grat»  Karl  Bommeregger  von  dar  Bealseh.  in  Salsbnrg 
für  dieae  Anstalt,  Lodwig  äteiner  Ton  dmr  Bealsch.  mit  dentseber 
Untefrichtsspraehe  in  Olmflts  für  die  Bealseb.  in  BOhmiseh-Leipat  Dominik 
Stff  brny  Yon  der  Bealseb.  in  Tabor  f&r  die  Beaiseb.  in  Kladno,  JobaaB 
dabert  vom  Gjmn.  in  Boskowits  fflr  diese  Anstalt,  Dr.  Heiniich  Svo- 
boda  von  der  Bealseh.  in  Laibaeh  fftr  diese  AnsUlt  Dr.  Albert  Thal- 
hammer ?om  I.  Gymn.  in  Gras  fikr  das  Gmn.  in  Gotfcsehee,  Dr.  Kad 
Tool  Tom  Gjmn.  mit  bohm.  Ünterriehtsspraene  in  Bndweis  für  das  Gjaut 
in  Pfibram,  Johann  Trtfnf  Tom  Beal-  nnd  Obeigjmn.  in  Kolin  für  das 
Gjmn.  in  Tans,  Adalbert  Tneek  ?on  der  grieeh.-orieni  Bealsch.  in 
Giemowits  ftr  diese  Anstalt,  Dr.  Hermaan  üllmann  Tom  Gjmn.  in 
Lini  fOr  das  Gjnm.  in  Mfthriseh-Trflbaa,  Dr.  Baimnnd  Ullrieh  vom 
Ojmn.  im  III.  WiMier  Gemeindebesirke  fOr  das  Gjmn.  in  Yillaeh,  Frans 
Uznn  vom  Gjmn.  mit  serbokroat.  Unteiriefatsspraehe  in  Zara  fftr  dsa 
Gjmn.  in  Spaiato,  Frans  Vafenka  von  der  Bealseh.  in  Pübram  fflr 
diese  Anstalt,  Demeter  Vasiiovici  vom  IIL  G^jmn.  in  Csemowits  fftr 
die  ffriseh.-orient.  Bealsch.  daselbst,  Bichard  Yojidek  fon  der  Bealseh. 
mit  bohm.  Unterrichtssprache  in  Prag- Kleinseite  fflr  die  Bealseh.  in  Adler- 
kostelets,  Weniel  Yoska  vom  Gjmn.  mit  bOhm.  Unterrichtsspraehe  in 
den  Königlichen  Weinbergen  fflr  das  Gjmn.  in  Wittingao,  Bobnfl  Vrsala 
von  der  Bealsch.  mit  böhm.  Unterrichtsspraehe  in  Olmflts  fflr  das  Gjmn. 
"^  mit  bohm.  Unterrichtssprache  in  M&hriseh-Ostran,  Dr.  Leo  Walter  von 

der  Bealseh.  in  Ber|reichenstMn  fflr  die  Bealsch.   in  Marborg,  Paai 
i^'  Wanie  vom  Gjmn.  in  Bofamiseh-Lsipa  fBr  das  Gjmn.  in  Eger,  Adolf 

•^  Wirth  vom  Gjmn.  in  Mfthrisch-SchOnborg  fflr  diese  Anstalt,  Biehard 

f-  Wolf  vom  Gjmn.  in  Boskowits  fflr  diese  Anstalt,  Maximilian  Wnnder- 

J''  lieb  v^n  der  Bealsch.  in  Knittelfeld  fBr  das  Gjmn.  in  Pola,  Theodor 

tV  Wnrm  von  der  Bealseh.  mit  dentscher  Unterrichtssprashe  in  Pilsen  fflr 

y!^  dieee  Anstalt,  Wonsel  2Ubek  vom  Gjmn.  in  Wittingan  fflr  das  Gjmn. 

dl  in  KOniginbof,  Anton  Zo  gl  mann  vom  Beal-  nnd  Obergjmn.  in  Cbrndim 

it^  fflr   das  Gjmn.  in  Bokjcan,   Frans   Znnd61ek  fon  der  Bealsch.  mit 

:ii  bOhm.  Untezrichtssprache  in  Prag-HoUosehowits-Babna  fflr  die  Bealseh. 

e'^  in  Bakonits. 

„i  B,  Zn  prov.  Lehrern  an  Btaats-Mittolsebnlen :  die  Snpplenten:  Dr. 

;v>  Emil  Allgaeaer  vom   G^n.   in   Salsbnrg  fflr  diese  Anstalt,   Frans 

r  >  Aroeker  vom  Gjmn.  in  Leitmerits  fflr  die  Bealseh.  mit  dentscher  Unter- 

.;^  riditssprache  in  Pilsen,  Josef  Bochar  vom  Beal-  nnd  Obergjmn.  in  Praj 

j^;*  (Kiemeneegasse)  fflr  die  Bealsch.  in  Jongbnnslan,  Seveiin  Co  Im  an  o  vom 

^if  Gjmn.  in  Bregens  fflr  diese  Anstalt,   Alois  Diehtl  von  der  I.  bOhm. 

^:  Bealseh.  in  Brflnn  fflr  das  Gvmn.  in  Proftaits,  Zvonimir  ven  Doroghj 

,^^:  vom  Beal-Untergjmn.  in  Krapma  fflr  das  Gjmn.  in  Mitterbnrg,  Dr.  Jobann 

^  Ei  hl  vom  Karl  Lndwig-Gjmn.  in  Wien  fflr  das  Akad.  Gjmn.  daselbst. 


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Dr.  Marios  Filsi  von  der  Bealseb.  in  Bösen  fflr  die  Bealsch.  in  Kafstetn, 
^^  Dr.  Emil  Gaar,  Lehramtskandidaten,  fflr  das  Gvmn.  in  Ober^HoUabmnn, 

'.^  David  Gelin  er  von   der  Bealseh.  mit  dentscher  Unterrichtssprache  in 

^'^  Earolinenthal  fflr  diese  Anstalt,  Alfred  Grimm  fom  Gjmn.  mit  dentseher 


^ 


Unterrichtsspraohe  in  Prag-Nenstadt  (Stephansgasse)  fflr  das  Gjmn.  mit 
^  dentscher  Unterrichtssprache  in  Mährisch- Ostran,  Josef  H  arl  aß  vom  Gjmn. 

'•.'  in  Mies  fflr  diese  Anstalt,   Georg  Heidler  vom  Gjmn.  in  Kmman  fflr 


i:^^ 


daa  Gjmn.  mit  dentscher  Unterrichtssprache  in  Mftbriseb-Ostrao,  Gottfried 


^  Hilber,  Lehramtskandidaten,  fflr  das  Gjmn.  in  Triest,  Frani  Hasäk 

^ '^  von  der  Bealsch.  mit  bobm.  Unterrichtssprache  in  Karolinenthal  fflr  die 

^/.  Bealseh.  mit  bobm.  Unterrichtssprache  in  Bndweis,  Vinsens  Levldnik, 

^  .  Assistenten  an  der  Landes-Bealsob.  in  Brflnn,  fflr  die  Bealseh.  in  Spaiato, 


1048  Penonal-  und  Schnlnotiieit 

Dr.  Robert  Loh  an  ?om  Gjmn.  im  XIII.  Wiener  QemtindebMirk  fftr  die 
Oymii.  iD  Klagenfort,  Karl  Mack,  Konetraktear  an  der  TacbBiiehen 
Hoofaschnle  in  Wien,  fflr  die  Realsch.  im  XIII.  Wiener  Gemeindebeiirke, 
Ferdinand  Meier  Tom  Gymn.  in  Kiagenfort  ffir  die  Bealaeb.  in  Triett, 
Franz  Beiniach  tod  der  I.  Bealsch.  im  II.  Wiener  Gemeindebeairke  Ar 
die  II.  Bealsch.  in  diesem  Beiirke,  Itrael  Schleyer  Tom  III.  Gjmn.  in 
Ciemowiti  fflr  dieee  Anstalt,  Med.  Dr.  Lotbar  Skalla  Tom  Gymn.  im 
XVUL  Wiener  Gemeindebesirke  für  diese  Anstalt,  Dr.  Karl  Stranaky 
Ton  der  BeaUcb.  in  Troppan  für  die  Bealsch.  mit  deotscher  Unterrichts- 
sprache in  Pilsen,  Josef  iStarm,  Probekandidaten  am  Gymn.  mit  deotoeher 
Unterrichtssprache  in  Prag -Altstadt,  für  das  Gymn.  in  Mahriseh-WeilS- 
kirchen,  Josef  Voit  Tom  Gymn.  mit  deotscher  Unterrichtssprache  in 
Pilsen  für  das  Gymn.  in  Karlsbad,  Dr.  Heinrieh  Win  sauer,  Probe- 
kandidaten, für  das  Gymn.  in  Mibrisch-Weißkirehen,  Friedrieh  W ei- 
se gger  von  der  Bealsch.  in  Lins  für  diese  Anstalt,  Zdenko  Z&hof  von 
der  Bealsch.  mit  bObm.  Unterrichtssprache  in  Karolinenthal  für  die  Bealsch. 
in  Pardobits,  Badolf  Zdenek  fon  der  Bealsch.  im  VII.  Wiener  Gemeinde- 
besirke für  diese  Anstalt,  Adalbert  Zyeh  ?om  Gymn.  mit  poln.  Unter- 
richtssprache in  Tesehen  für  diese  Anstalt. 

Zum  Beiigionsiehrer  an  Staats- Mittelschnlen  Viktor  Schimanek, 
soppl.  Beiigionsiehrer  an  der  Bealsch.  im  VIII.  Wiener  Gemeindebeiirke, 
für  diese  Anstalt. 

Verliehen  worden  erledigte  Lehrstellen  an  Staats-Mittelschnlen  (im 
Herbsttermine):  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Friedek  Dr.  Erwin 
Barta  eine  Stelle  an  der  II.  Bealsch.  im  IL  Wiener  Gemeindebeiirke, 
dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichusprache  in  Badweis 
Frans  BartoYsk^  eine  ätelle  am  Gymn.  mit  bOhm.  Unterrichtasprache 
in  Pilsen,  dem  ehemaligen  Lehrer  an  der  Infanterie-Kadettenschole  ia 
Prag  k.  nnd  k.  Hauptmann  Dr.  Bodolf  Binder  eine  Stelle  an  der  Bealsch. 
in  Gürz,  dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Beichenberg  Dr.  Simon  Binder 
eine  Steile  an  der  Bealsch.  im  XYIII.  Wiener  Gemeindebeiirke,  d«ii 
Prof.  am  Gymn.  im  XXI.  Wiener  Gemeindebeiirke  Dr.  Ignai  Brommer 
eine  Stelle  am  Gymn.  im  III.  Wiener  Gemeindebeiirke,  dem  Prof.  am 
PriTat-Gymn.  in  Hohenstadt  Sererin  Oejna  eine  Stelle  am  Gymn.  daselbst, 
dem  Prof.  an  der  Bealsch.  mit  bObm.  Unterrichtssprache  in  Oimüti  Habeit 
Doleiil  eine  Stelle  am  IL  bühm.  Gymn.  in  Brunn,  dem  wirkl.  Lehrer 
am  Gymn.  in  Boskowitz  Frans  Doncha  eine  Stelle  am  Gymn.  in  KOiug- 
gr&ti,  dem  Prof.  am  Privat-Gymn.  in  Hohenstadt  Karl  Fad  ms  eine 
Stelle  am  Gymn.  daselbst,  dem  Prof.  am  I.  dentschen  Gymn.  in  Brunn 
Dr.  Ernst  Fasolt  eine  Stelle  am  Akad.  Gymn.  in  Wien,  dem  Prot  am 
PriTat-Gymn.  in  Hohenstadt  Dr.  Josef  FiSer  eine  Stelle  am  Gymn.  da- 
selbst, dem  Prof.  am  Gymn.  in  Gürs  Dr.  Gasta?  Hemetsberger  eine 
Stelle  am  Gymn.  im  Xlll.  Wiener  Gemeinde  bezirke,  dem  Prof.  am  Gynu. 
in  Krainborg  Engen  Jarc  eine  Stelle  am  I.  Gymn.  in  Laibaeh,  dem  Prof. 
am  Gymn.  in  Saas  Dr.  Hermann  Kl  aaser  eine  Stelle  am  Gymn.  in 
Oberhollabrunn,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Walachisch-Meseritsch  Wensei 
Kmlnek  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Hohenstadt,  dem  Prof.  am  Gymn.  in 
Kaaden  Erwin  Korkisch  eine  Stelle  am  Gymn.  im  XVIII.  Wiener  Ge- 
meindebesirke, dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Kaaden  Dr.  Josef  Kr  am  er 
eine  Stelle  am  Gymn.  in  Krems,  dem  Prof.  am  Prifat-Gymn.  in  Hohen- 
stadt Anton  Mälek  eine  Stelle  am  Gymn.  daselbst,  dem  wirkl.  Lehrer 
am  Prifat-Gymn.  in  Hohenstadt  Josef  Mali f  eine  Stelle  am  Gymn.  da- 
selbst, dem  Prof.  am  Gymn.  in  Aman  Dr.  Frans  Moadry  eine  Stelle 
an  der  II.  dentschen  Bealsch.  in  Brunn,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Mihr.- 
Ostraa  Alfred  Mühlhaaser  eine  Stelle  am  Gymn.  im  XVIII.  Wiener 
Qemeindebesirke,  dem  Prof.  an  der  Bealsch.  in  Görs  Adolf  Müller  eine 
Stelle  am  Erzherzog  Bainer-Gymn.  in  Wien,  dem  Prof.  am  Kommanal- 
Bealgymn.  in  Kornea bnrg  Frans  Kengebaaer  eine  Stelle  an  der  Bealsch. 
im  IX.  Wiener  Gemeindebezirke,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  ProAnits  Josef 


PexBonal-  und  SehBlnotixen.  1049 

NoT^k  eine  Stelle  am  IL  bohm.  Oymn.  in  Brtnn,  dem  Prof.  un  Grmn. 
in  KOniggrftti  Eduard  Proch^ika  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Kenbaas, 
dem  wirkL  Lehrer  am  Gymn.  in  Iglan  Dr.  Johann  Badnitsky  eine 
Stelle  am  Akad.  Gymn.  in  Wien,  dem  Prof.  am  Landei-Gnnn.  in  rettan 
Dr.  Agid  Bais  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Lini,  dem  Prof.  am  Albreeht- 
Gymn.  in  Tesehen  Dr.  Otto  Bommel  eine  Stelle  am  Akad.  Gymn.  in 
Wien,  dem  Prof.  am  PriTat-Gymn.  in  Hohenttadt  Badolf  Sehonk  eine 
Stelle  am  G^n.  daaelbst,  dem  wirkl.  Lehrer  an  der  Bealech.  in  Troppaa 
Dr.  Maximilian  Sehleeer  eine  Stelle  an  der  Bealach.  im  IIL  Wiener 
Gemeindebesirke,  dem  Prof.  an  der  Landea-Bealach.  mit  dentseher  Unter- 
riebtstpraehe  in  Leipnik  Dr.  David  Schmid  eine  Stelle  an  der  Bealieh. 
in  Teeehen,  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Aman  Karl  Sehnee  eine  Stelle  am 
L  dentschen  Gymn.  in  Brunn,  dem  Prof.  an  der  Bealteh.  in  Wamadorf 
Ferdinand  Sehern  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  in  Trautenao,  dem  Prof. 
am  Gymn.  in  Bregens  Frani  Sehrempf  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  in 
Salibnrg,  dem  Prof.  am  Albreeht-Gymn.  in  Tesehen  Dr.  Lvdwig  Sehwein- 
berger  eine  Stelle  am  Gvmn.  im  XXL  Wiener  Gemeindebesirke,  dem 
Prof.  an  der  Bealeeh.  in  Machod  Heinrieh  Spal  eine  Stelle  am  Beal- 
and  Obergymn.  in  Klattan,  dem  wirkl.  Lehrer  am  Pritat-Gymn.  in 
Wischan  Engelbert  Sabert  eine  Stelle  am  Gymn.  in  Hohenitadt,  dem 
Prof.  an  der  Bealeeh.  mit  dentecher  Unterriehtaaroraehe  in  Olmflts  Lndwig 
Tesaf  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  im  XIIL  Wiener  Gemeindebesirke, 
dem  Prof.  am  Beal-  nnd  Ohergpan.  in  Gabions  Dr.  Friedrieh  Tits  eine 
Stelle  an  der  Bealeeh.  im  AY.  Wiener  Gemeindebesirke,  dem  wirkl. 
Lehrer  am  PriTat-Gymn.  in  Hohenstadt  Jotef  Tom ä Sek  eine  Stelle  am 
Gymn.  daaelbst,  dem  Prof.  am  Gymn.  mit  denteeher  Unterriehtsspraehe 
in  Prag-Kleinseite  Dr.  Otto  Trantmann  eine  Stelle  am  Gymn.  im 
VL  Wiener  Gemeindebesirke,  dem  Prof.  an  der  Bealeeh.  mit  bOhm. 
Unterriehtsipraehe  in  Bodweis  Joeef  Vau  eine  Stelle  an  der  Bealeeh.  in 
Prag-Altitadt,  dem  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Proßnits  Josef  Ylöek 
eine  Stelle  am  L  bobm.  Gymn.  in  Brflnn. 

Ernannt:  Jl  Zu  wirkL  Lehrern  an  8taate-Mittelsehiilen :  a)  die  pro?. 
Lehrer:  Dr.  Karl  Oserwenka  Ton  der  L  Bealaeh.  im  IL  Wiener  Gemeinde- 
besirke Ar  daa  Albreeht-Gymn.  in  Tesehen,  Dr.  Josef  Dinkbanser  Ton  der 
Bealeeh.  in  Lins  für  das  Gymn.  in  Innibraek,  Dr.  Siegfried  Federmann 
Ton  der  Landes«Bealseh.  mit  dentseher  unterriehtsspraehe  in  Goding  f&r 
die  Bealsch.  mit  dentseher  Unterriehtsspraehe  in  Pilsen,  Heinrieb  Hai  dl 
Tom  Gymn.  in  OberhoUabmnn  fflr  diese  Anstalt,  Frans  Keilwerth  Ton 
der  Landee-Bealich.  in  BOmerstadt  für  die  Bealeeh.  in  Eger,  Dr.  Paal 
Krdm6fik  Tom  Gjmn,  in  Saas  fflr  das  Gymn.  in  Aman,  Frans  Lorens 
Ton  der  Bealeeh.  im  XV.  Wiener  Gemeindebesirke  fflr  das  I.  dentsche 
Gymn.  in  Brfinn,  Dr.  Anton  Majiär  Tom  Gymn.  in  Mitterbnrg  fOr  diese 
Anstalt,  Dr.  Biebard  Meister  vom  Gymn.  in  Znaim  fOr  diese  Anstalt, 
Josef  Mener  Tom  Gymn.  in  Bnmborg  fOr  diese  Anstalt,  Ferdinand 
Kiedermayr  vom  Gymn.  in  Salzbarg  fflr  die  Bealseb.  in  Innsbraek, 
Ueinrieh  Qnaresima  fon  der  Bealseb.  in  Bofereto  fflr  die  Bealseb.  in 
Klagenfnrt,  Dr.  Badolf  Büiiöka  vom  Gymn.  mit  bObm.  Unterriehts- 
spraehe in  Prag  (Tisehlergasse)  fflr  das  Gymn.  mit  bOhm.  Unterriehts- 
spraehe in  Badweis,  Alezander  äantel  Tom  Gymn.  in  Mitterbnrg  fflr 
diese  Anstalt,  Ambros  Sodka  Tom  Gymn.  mit  bOhm.  Unterriehtsspraehe 
in  Ungarisch-Hradiseh  fflr  das  Gymn.  in  Proftnits,  Georg  Widmer  fon 
der  Bealeeh.  in  Leitmerits  fflr  die  IL  deatsehe  Bealseb.  in  Prag;  b)  die 
Snppienten:  Georg  Are  hieb  Ton  der  Bealseb.  in  Pardabits  fflr  die 
Bealieh.  mit  bOhm.  Unterriehtsspraehe  in  Bndweis,  Dr.  GoataT  Axt  mann 
Ton  der  Bealecb.  in  fiieliti  fflr  das  Gymn.  in  Friedek,  Karl  Berger, 
Beligionslebior  an  der  Knaben-Bflrgersehvle  in  Teeehen,  fflr  die  Bealseb. 
in  Bielits,  Emil  Bandil  Tom  Gymn.  in  Proßnitz  fflr  die  Bealseb.  in 
Keastadtl,  Anton  Derb  eck  Tom  Gymn.  mit  dentscber  Unterriebtsspraebe 
in  Prag-Nenstadt  (Stepbansgasse)  fflr  das  IL  deatsehe  Gymn.  in  Brflnn, 


lOöO  Fenonal-  mid  SdivinotiieB« 

Dr.  SioMB  Dolar  ▼om  I.  Gjmn.  in  Laibaeh  flix  das  Otbiii.  in  ] 
Dr.  Hombert  Dnsatti  Tom  GjDm.  in  Foia  fir  diasa  Aiütaltr  Dr.  Bada 
Kngel  Tom  Gjibd.  in  Karlibad  fti  daa  Gyno.  Id  %laa,  Karl  Fichtar 
i«B  der  Bealaeh.  in  Elagenfnrt  ftr  die  Realaafa.  in  Baieheoberg^  Aafeen 
Friedrich  von  der  Bealacb.  im  XV.  Wieser  Oameindebesiika  lir  die 
Sealialt.  in  Leümeiiti,  Dr.  Qeaig  Grab  er  Tom  Gjmn.  in  KkKeaftut  IBr 
daa  Gyn»,  in  Tillach,  Dr.  Otta  Goagl  ?wn  Gynin.  in  Salsbivg  ftr  die 
Bealaefa.  in  Wanadorf,  Frans  Gflnzl  vam  Gyma.  in  Bieliti  ftr  daa  Gtbo. 
in  Frevdanthal,  GneU?  Gath  iwi  der  Bealaeh.  mit  devtoehar  Uateniahli- 
•praahe  in  Bndweia  ftr  die  Bealaeh.  in  Troppan,  Bdaard  Beislar  van 
der  Bealaeh.  mit  bAhm.  Unteriiehteipraehe  in  Olmtts  ftr  die  Baaliah-  in 
Nenitadtl,  Jabann  Hille  Ton  dar  denteehan  Filialaaatah  dea  L  Gyna. 
in  Laibaeh  ftr  daa  Gyma.  mit  deotMher  üntefriefatMpradie  daaalbat»  Dt. 
Jaaef  HoateTek;^  Yen  der  Bealedk  mit  bohm.  Unterriehteepracha  ia 
EacoBnanthal  fflr  das  Gymn.  in  KOniggiiti,  Dr.  Johann  flrnby  Tan  dar 
Bealaeh.  in  ProAnits  ftr  daa  Gymn.  in  Weidenao,  Karl  laerle,  Bttifer- 
eehnlkateeheten  in  Taboi,  fflr  daa  Gymn.  in  Pil^am,  Bmanael  iaopeacal 
▼om  griech^-orient  Gjmn.  in  Svcsawa  ftr  dieae  Anatalt,  Dr.  Bobart 
Janeaehits  von  der  Bealaeh.  im  XIIL  Wiener  Gemeindebadrfca  ftr  die 
Baalach.  in  Marbargv  Johann  Jelinek  von  der  Bealaeh.  in  Salabvig  ftr 
daa  Gymn.  in  Bregens,  Johann  Kamen äf  ton  der  Landee-Bealaeh.  mik 
b<^hm.  Unterriehtaaprache  in  Kremaier  ftr  daa  ^mn.  in  Proteiti,  Dr. 
Bndolf  Klein  ron  der  Bealaeh.  im  XV.  Wiener  Gemaindebesirka  ftr  die 
IL  dentaebe  Bealaeh.  in  Prag,  Dr.  Karl  Klog  rom  III.  Gymn.  in  Qiai 
fflr  daa  Gymn.  in  Feldkirch,  Dr.  Hermann  Knoll  vom  Gymn.  in  Baicban 
borg  ftr  die  Bealech.  in  JAgemdoif,  Frans  Koreöek  ron  dar  Beaiach 
in  Prag-Altatadt  ftr  die  Bealadi.  in  Neoatadtl,  Wilhelm  Kropataehek 
Ton  der  griech.- Orient.  Bealaeh.  in  Gsemowits  ftr  die  Bealaeh.  in  Marbnig, 
Bmil  Kabiöek  Tom  Gymn.  in  Walaehiaeh-Heaeritach  ftr  diese  Anstsit, 
Ferdinand  Lang  Ton  der  L  Baalech.  in  Gras  fflr  die  Bealaeh.  in  Marbaig, 
Ludwig  Lang  vom  I.  deatacben  Gymn.  in  Brttnn  ftr  daa  Gymn.  in  Mar- 
barg,  Alfred  Laß  mann  Ton  der  III.  deatacben  Bealaeh.  in  Prag  ftr  dieae 
Anatalt,  Wensal  Lerchl  von  der  Bealaeh.  in  Leitmerits  ftr  die  Baalach. 
in  Jigemdorf,  Frans  Lipka  Toa  der  Bealaeh.  im  XV.  Wiener  Gemeinde- 
besirke  ftlr  daa  Gymn.  mit  dentacher  ünterriohtaapracha  in  Mlhnaeb- 
Oatran,  Johann  Li  et  von  der  Bealaeh.  im  XV.  Wiener  GemeiBdebesiika 
fflr  daa  Gymn.  in  Wiener-Neaatadt,  Dr.  Angaat  Hader  fom  L  dentaehaa 
Gymn.  in  Brflnn  fflr  daa  Gymn.  mit  dentacher  Uaterriehtaapraehe  ia 
Kremaier,  Ludwig  Marens  vom  Kommanal-Gymn.  in  Limdenbarg  fflr  dai 
Gymn.  in  Weidenan,  Anton  Mayer  Tom  Gymn.  in  Spidato  fflr  daa  Oyma. 
ia  Gattaro^  Bobert  Metelka,  ehemaligen  Sopplenten  am  Akad.  Gymn.  in 
Wien,  fflr  daa  Gymn.  in  Oberbollabrann ,  Bndolf  Nachtigal  Ton  der 
Handelaakademie  in  Trieat  fflr  die  Bealaeh.  in  Göts,  H«nrieh  Nofik 
von  der  Bealaeh.  mit  bObm.  Unterricbteaprache  in  Olmftts  fflr  daa  Gyn», 
in  Trebitacb,  Walter  Obriat  Ton  der  Bealaeh.  ia  Laibaeh  fflr  die  Baalach. 
in  Proflnits,  Hngo  Pellia  rem  Gymn.  in  Canodiatria  ftr  dieae  Aaatait, 
Anton  Pinkawa  von  der  Bealaeh.  im  IX.  Wiener  Gemeindebesirfca  fOr 
daa  Gymn.  in  Amao^  Johann  Pobnek^  rem  Gymn.  in  Hohenstadt  fir 
daa  Gymn.  in  Proßmts,  Stefan  Podboj  vom  I.  Gymn.  in  Laibaeh  ftr 
daa  Gymn.  in  Klagenfort,  Dr.  Otto  Pollitser.  Lehramtakandidaten,  fflr 
die  Bealaeh.  in  BOfamiach-Leipa,  Karl  Banacher  van  der  Beahrh.  iai 
XVIII.  Wiener  Gemeindebesirke  fflr  die  Bealaeh.  in  Proflnits,  Jaroala» 
Beinii  vom  Gymn.  mit  bflhm.  Unterricbtaapraeha  in  Olmflts  fflr  dai 
Gymn.  mit  bObm.  Unterriebtaapraehe  in  Kremaier,  Samuel  Binger  von  der 
Bealaeh.  in  Bielits  fflr  die  Bealaeh.  in  Teeeben,  Goatav  Schindler  voa 
der  Bealaeh.  in  Leitmerits  ftr  daa  Beal-  and  Obergrmn.  in  Gabions,  Abb 
Seibold  von  der  Bealaeh.  mit  dentacher  üntemohtaapraeha  in  Oiaflta 
fflr  die  Bealaeh.  mit  dentacher  Untarrichtiaprache  in  Karolinenthal,  Dr. 
Angelo  Seligmann  vom  Gynm.  in  Lins  fflr  daa  Gymn.  mit  daatacbir 


PanoBal-  ud  Sehvlaslinii.  1051 

Uiit6RiclitHpraeh«  in  Troppm,  Max  SeTer  vom  I.  Qymm.  im  LaiWeli  Itkr 
dM  Qjmn.  in  Badolisfwart,  Dr.  kngutim  StftBel  foa  der  Baaltch»  m 
Frttalts  ftr  diaso  AntUlt,  Anton  Sninik  Tom  Ojnn.  in  Kminborg  ittr 
c  ditfo  AntUlt,  Dr.  Ihnil  Thnm  Yon  der  Baalsch.  in  Beiehonberg  fflt  dna 

^:  G^fmn.  in  loch»  Ihraiii  Josef  UmUnft  rom  OjniB.  mit  doslieher  Unlof* 

IS  ricktMpradio  in  Png-Hooitndt  (Stophan^Moe)  fftr  dm  Albretht-Gyan. 

r  ia  Toiohen,  Fnas  Vojk^wakj  vom  Qjran.  in  WaidenM  ffir  diaae  Anatalt» 

f  Joaaf  Yolf  von  der  Baalaeb.  in  Naehod  fflr  dieae  Anatalt»  Bartold  Woia 

3  vom  Qymn.  mit  denlaeker  Unlarriehtaapmelie  in  den  KOnifUehon  Woin- 

baigen  fBr  dna  Gjmn.  in  Sani« 

a:  B.  Zä  inov.  Lehiom  nn  Stnata-lfittdaehnlen:  die  Bnvplenften: 

Lndwig  Aieh^lder  von  der  I.  Boalaoh.  im  IL  Wiener  Gemaindebeiirke 

fc5.  fBr  die  Senlacb.  im  XTI.  Wiener  GomeftndebeiiriEe,  Dr.  Johann  Arneis, 

E3.  ehemaligen  Sopplenten  am  Oymn.  in  Leoben«  ftr  daa  Gyn»,  in  Marbnrg, 

Biehard  Bozhorn  von  der  Bealaeh.  im  VIIL  Wiener  eemeindebeairke 

für  die  BeaUeh.  in  Klagenfnrt,  Johann  Bfeiinn  von  4m  Bealaeh.  lait 

bobm.  Unterriehtaaprache  in  Olmüti  ftr  daa  Gvmn.  in  PreraQ*  Joaef 

Borket  vom  Gymn.  mit  bohm.  ünterriditaamfllie  in  den  KOnigltehen 

p:  Weinbergen  ftr  dieae  Anstalt,  Dr*  Anton  Derganc  vom  Gjma.  im 

XIII.  Wiener  Gemeindebeiirke  ftr  daa  Sophien-Gyan.  in  Wien,  Dr.  M ofita 

Bibl  von   der  Landea-Bealaeh.  in  Sternberg  ftr  die  H.  Bealaeh.  im 

II.  Wiener  Gemeindebeiirke,  Dr.  Anton  Jarollmek  von  der  Bealaeh.  in 

Prag-Altatadt  fflr  daa  Gymn.  mit  bobm.  Unterriehtaapraeho  in  Ungariaeh- 

Hradiaeh,  Anton  Xinaei  von  der  Laadea-Beabeb.  in  Stembeig  ftr  die 

Bealaeh.  im  XIII.  Wiener  Gemeindebeiirke,  Dr.  Alfred  Kleinberg  vom 

Brthenog  Bainer-Gymn.  in  Wien  ftr  daa  Gymn.  In  Kaadon,  Johann 

Kolli  habe  von  der  Bealaeh.  im  V.  Wiener  Gemeindebeairke  ftr  die 

Bealaeh.  in  Bergreiebenatein,  Oawald  Kr  ei  aal  vom  Gymn.  in  Yillach  ffir 

daa  Gymn.  in  GOn,  Dr.  Artnr  Praetorina  von  der  Bealaeh.  im  IV.  Wiener 

^  Gemeindebeiirke  Ar  dieae  Anatait,  Dr.  Jakob  Bitter  von  der  Bealaeh. 

im  XVIII.  Wiener  Gemeindebeiirke  für  die  Bealaeh.  in  Waraadorf,  Johmm 

i  8ehaff  er  vom  Gymn.  mit  dentaeher  Untaniehtaapraehe  in  Pilsen  fttr  daa 

"  Oymn.  in  Baas,  Dr.  Bobert  Sehloegl  von  der  Bealaeh.  im  XYIIL  Wiener 

Oemeindebesirko  ftr  daa  Gymn.  mit  dentaeher  Untentehtaapraehe  in  Prag- 

^  Kleinaeite,  Karl  Schmidt  vom  Gymn.  mit  deotaeher  Unterrichtaapra^o 

,  ia  Troppan  fikr  dieae  Anatait,  Hermann  Sehnpp  vom  Gymn.  im  XIX 

Wiener  Gemeindebeairke  fftr  daa  Gymn.  in  Kaaaen,  Hngo  Sehwarser 

^  vwn  Gymn.  in  Pola  fflr  daa  Gymn.  in  Saai,  Goatav  Siegmnnd  von  der 

^  Bealaeh.  mit  dentaeher  Unternehtaapraehe  in  Olmttti  ftr  die  I.  Boalach. 

im  U.  Wiener  Gemeindebeiirke,   Dr.  Joaef  Uro  vom  Btifta-Gymn.   in 

'  St.  Paol  ftr  die  Bealaeh.  in  Leitmeriti,  Dr.  Joaef  Villgrattner  von  der 

*  Bealaeh.  in  Steyr  fflr  daa  Gymn.  in  Salabnrg,  Dr.  Biehard  Wein  ort  von 
''-  der  Bealaeh.  im  VIIL  Wiener  Gemeindebeairke  fftr  dieae  Anatait,  Joaef 

Wohanka  vom  Gymn.  in  Freiatadt  fflr  dieae  Anatait. 

£ine  Lehratelle  an  der  ikalach.  in  Wrsehowita  dem  wirkl.  Lehrer 
^  aa  der  Bealt^.  in  Jiöin  Peter  Simek. 

^  Den  Profeaaoren,  beiw.  wirkl.  Lehrom  am  ehemaligen  Privat-Gymn. 

^  mit  bohm.  Unterriehtaaprache  in  MIhriaeh-Oatran  fieimmi  Steinmnnn, 

'  Dr.  Kndolf  Nejeiehleba.  Johann  Petr,  Method  Nedaa,  Anton  MeJ- 

i  atHk,  Joaef  Lelek,  Joaef  gindelaf,  Johann  gvab  und  Kaiimir  Piterka 

je  eine  Lehratelle  am  Gymn.  mit  bObm.  Unterrichtaapraehe  daaelbat. 

Eine  Lehnteile  am  Akad.  Gymn.  in  Wien  dem  Prof.  am  Gymn. 

*  mit  dentaeher  Unterriebtaspraehe  in  Olmflti  Angnat  Met  in  er,  eine  Lehr- 
aOello  am  Gymn.  im  VIII.  Wiener  Gemeindebeiirke  dem  wirkL  Lehror  nn 
der  Bealaeh.  in  BohmiKh-Leipa  Bndolf  Brannaehweig,  eine  Lehnteile 
am  Karl  Lndwig-Gymn.  in  Wien  dem  Prof.  an  der  Bealaeh»  mit  dentaeher 

^  Unterriehtaaprache  in  Olmflti  Bndolf  Demmer,  eine  Lehratelle  am  Gymn. 

^  in  Innsbmek  dem  Prof.  am  Gymn.  in  Bregeni  Frani  Nieaner,  eine 

Lehratelle  am  Gymn.  mit  dentaeher  Unterrichtaapneho  in  den  KOnigUchen 


Peifonat-  und  ScbnlDotiseo. 

Weinberge^D  dem  Prof.  am  Gjmü'  ia  BregeM  Dr,  Jobttm  Mviitti 
«ine  LehnteUe  ftm  Öberrealgjmß.  in  Tetedieii  w.  d,  Eibe  d€n  Frofei 
beiw.  wirk!.  Lehrern  mm  EommttDal  Oberrealgjmn.  daadbit  Dr.  Rl 
ScbUglt  Josef  Seils,  ViiiEtnz  Lübne,  KeH  Barbier,  FerdiD 
Wüuecb,  FranK  Sebioktanz,  Max  Malier,  BndolF  Eichi  Lmiir«Qi 
Sobindlerr  JohanQ  Schwab,  Fr.  Frani  PatEiier,  Paol  Harnmlh  luid 
Jabann  Pacbmann,  eine  Leb  rateile  am  L  dentecbeo  Gjmsi^  in  Brftnn 
dem  Prof.  am  Gjmn.  in  I^laa  Dr.  WillieLm  Weinberg^f,  je  ein«  L«hf^ 
stelle  am  GjmQ,  in  Gaja  den  Professöreo^  betw,  wirkL  Lebrera 
KommaDal-GjmD.  dsielbi^t  Fraus  Hladilc,  V&lantin  Stanek,  Fi 
T&nchmannt  Weoiel  Stafitn]f%  Jobann  Endera,  Ladialana  Fial 
Josef  Jilek,  Heiniicb  Macenftner,  Joeef  Felix  und  Earl  Teiel  j%  ä 
LehTätelle  am  BeafgjmD,  ia  Gnrabamora  dem  Prof.  am  11,  G^n 
Caemowiu  Frant  üUxewflki. 

In  die  VL  Baogsklaue  wurde  befördert  der  Direktor  det  i£.  BcaJ- 
Bcbule  in  Kfakau  Job&Dn  Bidiiäiki. 

Der  Mioistt^r  fi^r  Knltni  und  Ontern^bt  bat  in  die  VIIL  Bangt- 
klaue  befördert  die  Profetioreü:  Karl  Antt  am  Gjmn,  im  XIX.  Wiener 
Qimeinde bezirke,  Igoai  Babaki  am  L  GjmB.  in  Eietiow,  Josef  Bei- 
didek  am  h  böhm,  Gjmn.  in  Bröniif  Josef  ßielski  am  G^mii-  in  Jaalo^ 
Karl  BobrEjiißkJ  am  GyiuD.  in  Podgörse,  Dr,  Andreas  Brandititter 
an  der  L  bObm.  Eealscb.  in  Brunn,  Alexander  Baga  am  IIL  Gjmn,  b 
Üxernoiritz,  Jobann  Bjstrzycki  an  der  IL  Bealscb.  in  Krakan,  Frani 
Öern  j"  an  der  L  böbm.  Bealacb.  in  BrQon,  Ladislans  Cerrenka  an  der 
Eealscb.  in  Pra^-HoUeacfaowita-Bübna,  Dr.  Josef  Chlnmaky  an  4sm 
Beal'  nnd  Obergymn.  in  Prag  (Efemeneci^afiae),  P.  Jobano  Ciemoiewiki 
an  der  Filiale  de«  V.  Gjrnin.  in  Lemberg,  Emil  Ciginek  an  der  Esalicb. 
in  Nenstadtl,  Dr.  Maiimilian  Dameti  ad  der  EeaUcb.  im  IIL  Wiener 
Gemeindebetirke^  Franc  Deisinger  am  Gjmn.  in  Gmnndea,  Ani 
Ookler  am  Gjmn^  in  Krainbnrg,  Dr.  Norbert  Endiscb  am  Gjtan 
Gmnnden,  Maximilian  Engstier  an  der  EeaUcb.  in  Linx»  Dr.  SÜTti 
Pally  am  Gjmn.  mit  deatseber  ünterricbtsipracbe  in  Troppan,  Dr.  FeÜi 
Faeebingbauer  am  Gjmn.  in  Krnmaa*  Emanuel  Fiseber  am  Ojmn. 
in  ämicbow,  Dr.  Josef  Flacb  an  der  L  Kealscb.  in  Krakan,  Adolf  Geri^b 
an  der  Bealscb.  im  XVIIL  Wiener  üemeindebexirkef  Gustav  Wilbtbn 
QU6ner  am  Gjmn.  in  Kger,  Mjebael  Gonet  an  der  Bealich.  in  Jaroabyi. 
Jobann  GrOmer  am  Gjmn.  in  äalibnig,  Dr.  Alfred  H aekel  am  ELisabetb* 
Gjrmn*  in  Wien,  Dr.  Heinncb  Hackel  am  Grmn.  in  Bali  borg,  Ftav 
Haatdk  an  der  BeaLach.  in  Tabor,  Oakar  Hantaobel  am  Gpasu  m 
Lim,  Angost  Haoptmann  an  der  Bealscb.  in  Eger,  Karl  Hajer  aa 
der  Bealscb.  im  Xlll.  Wiener  Gemeindebeiirket  Dr.  Horitt  Her  trieb  an 
der  Bealscb  in  Teichen,  Abrabam  Heomann  am  I.  Gymn.  in  Ciarno* 
will,  Dr.  Albin  Hopfgartner  am  Gymn.  in  Leoben,  Ernst  Höra  am 
Gjmn.  in  Freistadti  Josef  Hoo  dek  an  der  Boalsck  mit  bObm.  Unterriebta- 
spräche  in  Prag-KletDseite»  Michael  Hrjcak  am  IV.  Gjmn.  in  Letnbeff. 
Or.  Edoard  Hnemer  an  der  Eeaiscb.  in  Litit,  Oltokar  ttynei  an  der 
Bealscb.  in  Hakonit£,  Dr.  MicbaelJanik  ari  der  IL  Realsch.  in  Ltmberg. 
P.  Gerhard  Je  in  dl  am  Gymn.  in  Wiener-Keustadt,  Gottlieb  Jirsik  um 
der  Bealaeb.  mit  bdbm.  Unterricbtsspracbe  in  Prag-Kleinseite»  Geotf 
Jixba  an  der  Bealscb.  in  Pardnbiti,  Dr.  Spindion  Karchnt  am  Akaa 
Gjmn.  in  Lemherg,  Dr.  Karl  Kern  am  Gjmn.  in  Aussig,  Bermann  Klein 
an  der  Eealacb.  im  V.  Wieoer  Gemeindebeiirke,  Friedneb  Knorre  an 
der  Bealseh*  io  Eöniggr&tSr  Josef  Knher  an  der  Realseb.  in  L«idnerita, 
Arnn  Konek  an  der  Bealscb.  im  I.  Wieser  Gameindebeiirke,  Tbomat 
Koreo  am  IL  bdhm.  Gjmn.  in  Brflnn,  Dr.  Nikolaus  Krai snig  aa  dar 
ßealseb.  im  X.  Wiener  Gemcindebexirke,  Jobann  Kreear  am  Gynm.  ia 
KOniginbof,  Dr.  Job  an  n  Kregler  an  der  Eealsch.  in  äaliborg,  Ladiilast 
Krnkowski  am  Gymn.  ia  Jaroilan,  Dr.  ^dislans  Kiygoirski  an  dar 
U«  Beilteb.  m  L^nib^if^  I^hanu  Kakacz  am  11.  Gymn.   in  Eieitov« 


iener      . 


Personal-  and  Scbulnotizen. 


1063 


Peter  Kumanowsk]  mm  IL  Qymn.  in  Csernowttx,  Franz  Küs  am 
IIL    Qjmn*    ]Q    iCrakan,    Dr.    Albert    LunEeodCrfer    am    GjmD.    mit 

deoiscber  UnlerrkbtBBpraclio  in  Königliche  Weinberge,  P.  Joaef  Lehm&nn 
an  der  EealscL  in  Tarnopojr  JarosUui  LomntGki  an  der  IL  Realsch.  in 
Lember^,  Deminib  Loiaet  an  der  Eealseb.  in  Klagenftirt,  Btidelf  Lfiasl 
am  Gjjun.  in  £arlsbad|  Dr»  Frans  Lukarsky  atn  Gjmn»  in  Pilafn, 
Sjeirrannd  LQ«Ecijiiski  an  der  [,  Beabeb.  In  Lemberg,  Franz  Mac baA 
am  Gjmn.  in  KOniginhof,  P,  Ladiilana  Macheta  am  Gjmn.  in  Wadomce, 
Dr.  PhiL  et  J.  ü.  Friedrich  Marek  an  der  Beaiach,  mit  bOhm.  Unter- 
riehtsspracbe  in  Frag-Nenttadt,  Johann  Matkorid  am  Gjmn^  in  Cattaro, 
Joiel  Mainr  am  Gjmn.  in  Bnczaci,  Jogef  Melzer  am  Gjmn.  in  Egert 
Emil  MeiieDa  am  Gjmn.  in  Eovereto,  Joaef  Micijüaki  am  G|inn.  in 
N«Q-3andef,  Aleiaoder  Mikali(^  am  G^mn.  in  Cattaro,  Lndwig  MHnek 
an  der  Eealsch,  in  TarDgir,  Dr.  Aloi«  BlÜller  an  der  E^alecb.  im 
IIL  Wiener  Gemeindebetirke,  Dr.  rer*  tecbn.  Ignai  Elt^meäek  an  der 
Realscb.  mit  h^bm.  Unterrichtsspraebe  in  Frag-Kenatadt,  Rudolf  Nen- 
böfer  am  I  böbm.  Gjmn,  in  Erünn,  Vinieni  Nenwirth  an  der  Eealsch. 
mit  deutscher  Untern cbUBpracbe  in  Olmütx,  Dr.  Kaaimtr  Mitach  am 
Gjmn.  bei  St  Anna  in  Krakan,  Johann  KoTäk  an  der  Eeahcb.  in  Nacbod, 
Josef  Nofäk  am  (ijmn.  in  ProQnitz,  Fraoz  Norotn/  an  der  Healecb* 
in  Jigist  Josef  Nowak  am  Gjmn.  in  Radantx«  Dr  Theodor  OdHtrdii 
am  Albrechl-GjfnD,  in  Teichen,  Dr^  Jobann  Opletal  am  Gymn.  in  T^~ 
bitecb,  Frani  Pal  ata  am  Gjmn.  in  Prol^nitK,  Dr^  Emerieb  Pantl  am 
Gjmn.  in  Innabrncki  Tbaddäns  Patdanowaki  an  der  II.  Eealseh,  in 
ErakaOt  AJoia  Pedotb  an  der  Etalsch.  im  XV.  VViener  Gemeindebezirke, 
Dr.  Artar  Fetak  am  Gjmn.  in  Iglan^  Johann  Prijma  am  IL  Gymn.  in 
Czernowitz,  Emanuel  Pdlak  am  Gjmn^  in  Rokjtian,  Bf,  Leopold  Fol- 
janec  am  Gjmn.  in  Marburg,  Dr.  Talentin  FoLIak  am  Gjmn.  im 
£1L  Wiener  Gtimeindebetirke^  Johann  Poor  an  der  Bealicb.  im  VIL  Wiener 
Gemeindebeiirke,  Frani  Eada  am  Gjmn,  in  Proi^nitx,  Emet  Kaffeia- 
t erger  am  Gjmn.  in  Saaz,  B ermann  Eaachke  an  der  Frans  Joaepfa- 
Bealach.  in  Wien,  Dr.  Heinricb  Eediach  am  IL  dentichen  Gjmn.  in 
Brtnn,  Jobann  Reinl  an  der  IIL  deatacb^n  EeaJacb.  in  Prag,  Jakob 
Reiß  am  Sopbien-Gjmn,  in  Wien^  Friedrich  Eetnik  am  Gymu.  in  Ken- 
baua,  Dr*  Endolf  Richter  an  der  Eealscb.  im  L  Wiener  Gemeindebexirke, 
Johann  Roiibal  an  der  Realacb,  in  Pardabitx,  Karl  Enpart  am  EeaL 
and  Obergymn,  in  Klattan,  Michael  Eybacsek  an  der  Filiale  dea  Akad. 
Gjmn.  in  Lemberg,  Jobann  Sandera  am  Gjmn.  in  Reichenan,  Josef 
Scheine r  am  Gjmn,  im  IIL  W^ienfsr  Gemeindebezirke»  Joaef  iscbinil 
am  Gjmn,  mit  dentscher  Unterdcht«  spräche  in  Kremsier»  Joaef  Schmidt 
am  Ojmn.  in  Miea^  Hugo  Schubert  am  Gjmn.  mit  deatecher  Ünterrichti- 
epracbe  in  U&briacb-Ostrai:],  Alfred  Schuberth  an  der  Eealech.  im 
XY*  Wiener  Gemeindebetirke^  Eugen  Ritter  Ton  Semaka  am  IL  Gjmn. 
m  Ciernowitx,  Valerian  Siczjüiki  am  Qymn.  in  Drohobjcz,  Nikolani 
Sinai arittk  an  der  griech.^ Orient.  Realach.  in  Oiemowitz,  Franz  Smj^ka 
am  Gjmn.  in  Prol^nitir  Stantalana  Sobif^aki  an  der  IL  Eeaiack  in 
Krakan,  Karl  Stach  am  IV.  Gjmn.  in  Krakan,  Dr.  Joaef  Stecin^er  an 
der  Eealicb.  mit  b{ybm.  Unterricbtaapracbe  in  Prag-Kleinaeite,  Emil  tan 
Terlecki  an  der  Eealsch.  in  Tarnopol,  Alois  Thaler  an  dar  Eealach.  in 
ßoxen,  Simon  Urlic  am  Gjmn.  mit  eerbokroat.  Unterriebta spräche  in 
Zara,  Frans  Vacek  an  der  Eealsch.  in  Adlerkoateleli,  Franx  Vadnjal 
am  Gjmn.  in  Rudolf» werti  Dr.  Karl  VeratoT^ek  am  Gjmn,  in  Marbnrg, 
Joaef  V^Foda  am  Gjmn.  mit  höhm.  önterrichUspracbe  in  Olmütz,  Joaef 
Vinä  an  der  Eealach.  in  Kdnigliobe  Weinberge,  Anton  Vjikoail  an  der 
Eealach.  in  Jiöiu,  Dr*  Oktarian  Wagner  an  der  Realich.  in  Kladno, 
Paul  Wahn  an  der  Realach  in  Troppan,  Michael  Waaxkiewic^i  *m 
L  Gjmn.  mit  poln.  Unterrichieaprache  in  Stanialao.  Karl  Werner  an  der 
Eealacb.  in  Laibacb,  Aloia  Gaffel  am  L  böhm.  G^ymn.  in  BrünSf  Franz 
Zeebner  an  dar  EeaUeh.  in  Troppan,  Joaef  Ztlib  an  der  R«%U^^.  v^ 


1054  Penonal-  lad  Sefanlaotiitn. 

QOrt,  Dr.  FiMrieh  Zinaer  am  I.  d«teehen  Gyvn.  ia  Briva  «nd  Ittff 
Zivot«kt  mn  4er  Bealseh.  in  IV.  WiMier  GemeiadebeiiriM. 

Dar  fre^MiBeitigB  piMMtpofttntBStewdi  4m  ToniabreBi  «b 


Uhrerbil4«DgMMUlt  in  KlaireBfert  Hdorieh  GAttiflger,  üm&r  der 
Ttmlebnr  «in   Masiniiliao'GjpaiB.  in  Wieo,  beiw.  an  4«  Beab 


KlagenfQft  Mhu»  Bergmann  ond  Jofflf  Kofier  geaebinifft. 

Der  fegeneeitife  DienilpoitenamtaBsch  dee  Pral  an  Gyn»,  k 
MihriMh-tBoMnbeig  Badolf  Prohaaka  «ad  des  Pral  an  Gjnm.  latt 
deoteeher  ünteniehtitiiimAe  in  Olmiti  Dr.  Otto  L«bwohl  fenelnnigt 


Ansieiehnnngeu  erhielten: 

Den  Titel  einet  Beperangmiet:  der  ProL  aa  Ojnin.  der  Tben- 
•ianiseben  Akademie  in  Wien  Sehnlrat  Fnun  ZOehbaotor  aae  AnlaA  der 
von  ikm  erbetenen  Veraetraog  in  den  bleibenden  Bokeotaad»  der  Direkter 
dee  Qjmn.  mit  itaL  Uotetrichteepraohe  in  Zara  Strahan  Skareia  am 
AnlaA  der  ¥on  ihm  erbetenen  Venetinng  in  den  bleabenden  Babeetaadt 
der  Prof.  am  U.  Gjmn.  in  Leniberg  Dr.  Albert  Zipper,  der  Direkter 
dee  Gjmn.  in  IMeet  Dr.  GnitoT  Heiffl  aai  Anlaß  der  Ton  demeelben 
erbeteaea  Venetinng  in  den  bleibenden  Baheetand»  der  Direktor  dee 
Gymn.  in  Oilli  Kiemeni  Proft,  der  Direktor  der  Landee-Oberrealacb.  in 
Znaim  BmM  Baimaan,  der  Direktor  dee  Gymn.  ia  Gottechee  Peter 
Woleeggor  anlftßlieh  der  von  ikm  erbeteaea  Vereetiang  in  den  blei- 
benden Btiheetandf  der  Direktor  der  Untenrealeck.  in  Zara  Scbolrat  Antoa 
Nieeteo  aoi  AnlaA  eeinee  Obertrittee  in  den  daaemden  Bnbeetaad.  ^ 
Prof.  am  GjmD.  in  Klagenfaii  Johann  Seheinigg  aalAülich  aetnee  Ober 
trittoB  in  den  bleibenden  BobeaUnd. 

Den  Titel  eines  Sehnlrates:  die  Profetserea  an  der  Beale^  im 
XVIII.  Wiener  Gemeindebetirke  Heinrieh  Krampbell  and  Alois  Seeger, 
der  Prof.  am  Gymn.  im  KVIII.  Wiener  Gemeindebeeirke  Jakob  Mayer, 
der  Prof.  am  Gymn.  in  Feldkirch  Josef  Kieehl  ans  Anlaß  aeiner  Ver> 
setsnng  in  den  bleibenden  Bnhestand.  der  Prof.  am  Gyma.  ia  Botorele 
Silfins  Battelli  ans  Anlaß  seiaes  Obertrittes  in  den  daneiaden  Bnhe- 
stand, der  Direktor  der  Landes-Bealseh.  mit  bobm.  ünterriehtsepnche  ia 
Leipntk  Frans  Jansa,  der  Prof.  an  der  I.  bohm.  Bealsoh.  in  BrUnn 
Hnbert  Fiala. 

Den  Titel  eines  aoßerord.  Ünirersitätsprofessors:  der  PriTatdotent 
fflr  Geschichte  der  deatscben  Literatur  an  der  bOhm.  üniTenitit  in  Prsg 
Gymnasialprof.  Dr.  Johann  Krejdi,  der  Bealscholprof.  Frans  Hemmet 
mayr  Edler  Ton  Angastenfeld. 

Den  Professortitel:  der  Tnrnlebrer  am  Gymn.  der  Thereeianiseheo 
Akademie  in  Wien  Anton  Landsied  1. 

Don  Orden  der  eisernen  Krone  III.  Klasse:  der  Landeeseholiaspektor 
Begiemagsrat  Dr.  Ignas  Walle ntin  in  Wien,  der  Direktor  am  Fraoi 
Josenh-GTmn.  in  Wien  Dr.  Frans  Weih  rieh  ans  Anlaß  aeinee  Obertrittes 
in  den  bleibenden  Bnhestand,  der  Landesschnlinspektor  Dr.  Theodor 
Bell  ig  in  Wien  ans  Anlaß  der  von  demselben  erbetenen  Versetzong  in 
den  bleibenden  Bnhestand,  die  Landesscbnlinspektoren  Leopold  Lampel 
und  Peter  Kondnik  in  Gras,  der  Direktor  des  Gymn.  mit  dentccher 
Unterrichissprache  in  Olmflts  Begiemngerat  Emil  Seyß-Inanart  aniiß- 
lieh  der  von  ihm  erbetenen  Versetsong  in  den  bleibenden  Boheetand. 

Das  Bitterkrens  des  Frani  Joseph-Ordens:  der  Prof.  an  der  Bealeeh. 
ia  Boten  Frans  Leittinger  ans  Anlaß  aeiner  Versetrang  in  den  daa- 
emden Bnhestand. 


Nekrologie.  10&5 

SeiDe  k.  und  k.  Apottoliiebe  Hsjattt  haben  mit  Allerhöchster 
Entsehließong  Tom  8.  September  d.  J.  a.  g.  sa  gestatten  geiaht,  dafi  dem 
si  I>irektDr  dee  Gjain.  im  III.  Wiener  Oemeindebeiirke  Begierannrat  Josef 

rt  Zyeha  and  dem  Difdctor  des  O^mn.  im  ¥111.  Wiener  GemeindeiMsirke 

■ji  Begieningirai  Pint  Kndll  anliAheh  der  ¥on  ihnen  erbetenen  Yeraeitsong 

in  den  bleibenden  Rnheetand  die  AllerhOebite  Anerkennang  ffli  flire  Tiel- 
-r  jttrige,  ?«is&gliehe  Dienttleiatnng  bekannt  gegeben  werde. 


Nekrolog!  e. 

Gestorben  sind*);  Hofrat  Chriitian  Schneller,  pens.  Landesscbnl- 
inspektor  in  Innsbruck,  76  J.  alt;  Alois  Hof  mann,  Oymnasialprof.  (LG) 
in  Leoben,  47  J.  alt;  Di.  Johann  Dnts,  fiealachnlpiof.  (F£)  in  Marbnif, 

c  41  J.  alt;  Dr  Emerich  Pnntl,  Gymnarialprof.  (Dlg)  in  lansbrack,  34  J. 

ö  nlt;  Josef  Fr  ei  sieben,  Gymnasialprof.  i.  B.  in  Aman,  65  J.  alt;  Eber- 

hard Fugger,  Bealscholprof.  (Chmnl)  in  Marbuiff,  82  J.  alt;  Heinrich 

]s  Anker,  lUalschnlprof.  (MKl)  in  Elbogen,  82  J.  alt;  Schnlrat  Hermann 

>  Lukas,  Bealscholprof.  (Z)  nnd  Fachinspektor  in  Salibnig,  60  J.  alt. 


^'  Entgegnung. 

0 

I  Herr  KoUega  Karl  WoUeti  hat  in  der  Zeit,  in  welcher  der  sweite 

Teil  meines  Programmanfsatses  „Über  Erfindung,  Gestaltung  und  Wert- 

I  schAtsuDg  der  Logarithmen**  im  Erscheinen  begriffen  war,  WflnMhe  be- 

sflglich  des  Inhaltes  dieses  Teiles  im  V.  Hefte  der  Zeitschr.  f.  d.  Osterr. 

i  Gymn.  1908,  S.  475/6  geftol^ert.  Es  ist  natflrlich  sehr  schade,  diese  Wflntche 

po8t  festutn  sn  hören;  sonst  hfttte  ich  sie  berücksichtigen  können.    Ich 

,  muß  flbrigens  gleich  gestehen,  daß  ich  mich  bei  Abfassung  meines  Anf- 

>  sattes  im  allgemeinen  mit  der  reichen  Sammlung  der  Prager  UniTersitftts- 

I  bibliothek  begnügte.  Wire  mir  die  Wiener  UniTersitßtsbibliothek  bequemer 

^  zur  Verfügung  gestanden,  so  hfttte  ich  gern  noch  eine  gewisse  Zeit  der 

Sache  geopfert  Wenn  ich  auch  eine  Fülle  interessanter  Dinge  dem  Leser 

vermittelt  in  haben  glaube,  so  ist  es  nur  natürlich,  nicht  allen  Wünschen 

und  Meinungen  gerecht  geworden  su  sein.  Es  steht  aber  nach  dem  Prin- 

lipe  der  Arbeitsteilung  nichts  im  Wege,   selber  Hand   ansulegen  und 

weitere  anregende  Dinge  herforsuheben.    Übrigens  will  ich  die  Hftnde 

nicht  in  den  Schoß  legen;  eine  neue  Arbeit  besflglich  der  Logarithmen 

liegt  meinerseits  schon  teilweise  fertig  im  Manuskripte  f  or. 

Warum  man  das  Konversationslezikon  als  Quelle  nicht  anführen 
soll,  Tcrstehe  ich  nicht;  tatsftehlich  gewinnt  man  an  der  Hand  solcher 
Bücher  stets  eine  raschere  Orientierung. 

Prag-Smichow.  Job.  Arbes. 


')  um  in  diesen  Angaben  Vollstftndigkeit  su  enielen,  werden  die 
Lehrkörper  (Direktionen)  ersucht,  die  eintretenden  TodesflUle  der  Bedaktion 
gefftlligst  bekannt  lu  geben. 


1056  Beriohtigiuig. 

Erwiderung. 

Troti  der  EDtgegnuDg  des  Hern  Prof.  Arbee  kann  ieh  meine  ge- 
ftaßerten  Wflnsche  nieht  ala  nnbescheiden  ansehen;  die  weientlicheten 
der  Ton  mir  Torgebiaebten  Anregungen  finden  sieh  aneh  in  dem  weit 
Terbreiteten  Werke:  Weber- Wellstein,  „Ensyklopftdie  der  elementaren 
Mathematik,  ein  Handbneh  fflr  Lehrer  nnd  Studierende'.  Leiptig  1906, 
Tenbner,  einem  Bache,  fon  dem  ich  glaubte  annehmen  zu  mftisen,  daß 
ee  jedem  Mathematiklehrer  bekannt  sei,  und  das  sich  Tielieieht  aneh  in 
Prag  wird  finden  lassen. 

Wien.  Prof.  K.  Wolleti. 


Berichtigung. 

S.  785,  Z.  10  T.  Q.  soll  es  heißen:  Blase'  neuernde  Hand;  S.  736, 
Z.  15  T.  u.  Klytftmestra;  8.  787,  Z.  18  t.  o.  odm. 


Erste  Abteilung. 

AbhaBdlüngen. 


Zu  Aristophanes. 

In  ▼.  1826  QDd  1686  d«r  Vögel  bat  die  eiaitiminige  Über- 
lieferung der  Handscbriftea  die  ionisebe  Form  aitig  (▼gl.  für 
y.  1636  den  Appendix  der  neuen  CJarendon-Anegabe).  Dagegen, 
daß  man  an  diesen  Stellen  mit  den  Herausgebern  die  attisebe 
Form  ai^tg  bersteile,  spricht  nicht  nur  jedesmal  der  Zusammen- 
hang, sonderp  auch  der  Umstand,  daß  sonst,  wo  die  attisebe  Form 
berzuetellen  ist,  nur  ein  Teil  der  Handschriften  (besonders  £;  vgl. 
Blaydes*  Ausgabe  zu  Ach.  454,  Wölk.  550  und  557)  die  ionische 
bat.  Den  unmittelbaren  Anlaß  aber,  an  diesen  Stellen  eine  andere 
Heilung  zu  yersueben,  gab  mir  y.  422  der  Wespen,  wo  die  Über* 
lieferung  zwischen  aittg  (RBC)  und  avtfjgiVtS)  schwankt  und 
an  ein  cd^ig  nicht  zu  denken  ist.  Ancb  avvijg  gibt  hier  keinen 
Sinn ,  bildet  aber  die  Brücke  zu  einer  vierten  angeheilten  Stelle 
(y.  605  des  Friedens),  wo  airsfig  gegen  Sinn  und  Metrum  in 
idlen  Handschriften  steht. 

Aus  der  Stelle  der  Wespen  nun,  an  der  weder  aitig^  noch 
avtijgf  obwohl  beides  überliefert  ist,  in  den  Zusammenhang  paßt, 
geht  heryor,  daß  eine  dritte  Form  zu  suchen  ist,  aus  der  sowohl 
aitig  wie  airt^^g  erklftrt  werden  kann.  Diese  Form  scheint  mir 
aizCx^  zu  sein  und  dies  möchte  ich  an  allen  yier  Stellen  in  den 
Text  setzen. 

Die  einfache  Erklärung  der  Verderbnis  dev  Handschriften  ist, 
wie  ich  glaube,  eine  graphische.  Wurden  nftmlich  die  beiden  Quer- 
•triehe  des  K  in  einem  Zuge  gemacht,  so  konnten  sie  leicht  das 
Aussehen  eines  C  (Sigma)  erbalten.  War  außerdem  die  Vertikale 
desselben  K  etw^s  abget»ennt  und  sp&ter  yerblaßt,  so  konnte  man 
sie  leicht  in  dem  einen  Falla  zum  yorausgebenden  i  ziehen  und 
JVTHC  schreiben»  im  anderen  Falle  sie  flbersehea  und  AVTK 
lesen.  Ich  glaube,  da^  auf  diese  Weise  sich  ungezwungen  esklftrt, 
daß  an  einer  Stelle  die  Überlieferung  zwischen  beiden  fehlerhaften 

Zdtoehrifl  f.  d.  öiUrr.  Oymn.  1908.  XII.  Haft.  67 


1058  Zu  Aristopbanes.  Von  L,  Siegd, 

FormeD  geteilt  ist  (7gl.  den  fthnlichen,  nur  umgekehrten  Fehler  in 
der  pseadozenophontischen  'At.  stoL :  KTAQSAl  fOr  KTAC9AI, 
Kalinka,  S.  4). 

Nachdem  ich  so  die  Furm  avtix'  als  Fehlerquelle  ffir  alle 
vier  Stellen  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  bleibt  mir  noch  lu 
zeigen,  daß  dieses  Wort  sich  an  jeder  einzelnen  Stelle  besser  in 
den  Zusammenhang  fugt  als  das,  was  bisher  zur  Heilung  rer- 
sucht  wurde. 

Zugestandenermaßen  ist  aid-cg  an  der  ersten  Stelle  der  Vögel 
(v.  1826)  sinnlos,  wie  die  Konjekturen,  durch  die  man  es  zu  be- 
seitigen suchte,  lehren  (Tgl.  Blaydes'  Ausgabe).  Hingegen  findet 
aizlxaf  wie  immer  die  Verse  verteilt  werden,  seine  Begpründung 
durch  V.  1828:  ndw  ykg  ßgadvg  iöxC  xiq  &6X€q  Svog. 
Auch  von  Seite  des  Versmaßes  ist  kein  Anstand  avxlx*  zu  schreiben, 
wenn  man  in  der  Strophe  der  besten  Überlieferung  (RVAST)  folgt 

An  der  zweiten  Stelle  der  Vögel  (v.  1686)  hat  man  bisher 
avd'ig  ohne  Bedenken  in  den  Text  gesetzt.  Ein  Bedenken  mußte 
aber  aufsteigen,  seit  durch  Hall  und  Geldart  festgestellt  ist,  daß 
die  Überlieferung  aller  Handschriften  aitig  ist  (s.  oben).  Tat- 
sächlich findet  auch  hier  avtixa  eine  Erklärung  durch  die  Frage 
des  Herakles  in  v.  1688,  die  zeigt,  daß  Poseidon  sofort  mit  soiner 
Drohung  Ernst  gemacht  hat. 

An  der  Stelle  der  Wespen  (t.  422)  schreiben  jetzt  die  Her- 
ausgeber avTOig  und  erklären  den  Fehler  der  Überlieferung  {ait^s 
und  aizig)  wohl  durch  Itazismus.  Dagegen  sehe  ich  nicht  «in, 
wie  das  Pronomen  6i  durch  ys  hervorgehoben  werden  kann,  wenn 
die  Wespen  mit  den  Stacheln  den  Philipp  umbrachten  (▼.  421) 
und  mit  den  Stacheln  jetzt  auch  den  Bdelykleon  umzubringen 
drohen.  Anders  wenn  man  aitCx'  schreibt.  Von  Xanthias  auf  die 
Stacheln  der  Wespen  aufmerksam  gemacht,  sagt  Bdelykleon,  nichts 
Böses  ahnend:  „Wirklich,  mit  denen  sie  eben  Philipp  umbrachten.*' 
Darauf  mit  plötzlicher  Wendung  die  Wespen:  „Und  dich  (mit 
Betonung!)  sofort  umbringen  werden^',  d.  h.  und  mit  4enen  wir 
dich  sofort  umbringen  werden.  Dazu  fordern  sie  tatsächlich  sofort 
auf:  'Alka  %&g  i%i6xQBq>e  xtL  A\>xlx  ist  hier  eine  alte  Kod- 
jektur  Meinekes;  ich  glaube,  daß  sie  im  Zusammenhang  mit  den 
anderen  Stellen  mehr  als  Konjekturwert  gewonnen  hat. 

An  der  vierten  Stelle  endlich  (v.  605  des  Friedens)  hat  man 
Verschiedenes  versucht,  um  Vers  und  Sinn  zu  hsilen.  Ich  glaube, 
daß  mein  Versuch  aizix'  zu  schreiben,  sich  schon  durch  die  Ein* 
fachheit  empfiehlt,  mit  der  sofort  der  Vers  hergestellt  ist.  Aber 
auch  gegen  das  Wort  selbst  ist  nichts  einzuwenden,  wenn  man  i§ 
in  der  richtigen,  allerdings  selteneren  Bedeutung  faßt.  An  die 
Spitze  des  Satzes  gestellt,  hat  nämlich  das  Wort  bei  Ariatopbanee 
oft  die  Bedeutung,  daß  jemand  einen  Beweis  oder  ein  Beispiel  fir 
eine  Behauptung  bereit  habe,  das  er  auch  gleich  Twbringen  will 
(Tgl.  Vög.  166  mit  der  Anm.  Koeks).    Wie  airtüuji  zu  dieser  fast 


Zar  Frage  der  Defin.  und  Entet.  tob  Kompoaiti«.  Von  H,  W,  PöUdk,  1059 

koi^anktionaleo  Bedentnog  kam,  erhellt  am  besten  aus  ▼•  1204 
der  Frösche,  we  aitixa  mit  dsl^io  yerbanden  ist«  « 

An  unserer  Stelle  nun  will  Hermes  den  Landlenten  zeigen, 
wie  es  gekommen  ist,  daß  ihnen  die  Friedensgöttin  entfremdet 
wurde  (y.  608  nnd  604),  Er  beginnt  damit,  wie  zuerst  gleich 
Fhidias  Tcgä^ag  xax&g  Ursache  wurde,  daß  Perikles  das  ifiqg)i.6fia 
MeyuQiKÖv  einbrachte  und  dadurch  den  peloponnesischen  Krieg 
entzündete. 

Daß  hier  ainixa  nicht  an  die  Spitze  des  Satzes  gerückt  er- 
scheint, ist  bei  dem  Partikelkomplez  iCQ&xa  (tiv  ydg  nicht  zn  yer- 
wundem,  wie  in  einem  Ähnlichen  Falle:  y.  1286  der  Vögel,  wo 
Bi^vg  in  gleicher  Bedeutung  wie  hier  ainUa  hinter  ng&tav  (liv 
zurückstehen  muß. 

Seitenstetten.  Leonhard  Siegel. 


Zur  Frage  der  Definition  und  Entstehung  von 
Eompositis. 

Wenige  Erscheinungen,  deren  Untersuchung  der  yergleichenden 
Sprachwissenschaft  obliegt,  bieten  eine  solche  Fülle  yon  Problemen 
dar  wie  die  Komposition.  Schon  die  Definition  dieses  Wortes  be- 
reitet Schwierigkeiten.  Daß  wir  den  Begriff  der  Wortzusammen- 
setzung welter  fassen  müssen,  als  dies  z.  B.  Wilmanns  (Deutsche 
Gramm.  II  2)  tut,  der  die  Ansicht  yertritt,  Komposita  entstünden, 
wenn  mehrere  sinnhafte  Sprachelemente  zur  Worteinheit  yerbunden 
würden,  scheint  mir  durch  Brugmanns  Schrift  „Ober  das  Wesen 
der  sogenannten  Wortzusammensetzung **  (Ber.  d.  k.  s&chs.  Ges.  d. 
Wiss.  1900,  859  ff.)  endgültig  bewiesen  zu  sein.  Auf  Wundt  ge- 
stützt, zeigt  Brugmann,  daß  wir  in  einem  Satze  wie  „er  kauft 
mir  das  ab**  die  Worte  n^Hß""  Qod  „ab**  als  ein  Kompositum 
betrachten  müssen.  Den  schlagendsten  Beweis  scheint  mir  Brug- 
mann durch  Beispiele  wie  got.  ga^u-htea-sehwi  'ob  er  etwas  s&he', 
altir.  fo-m-chain  ^auceinit  tnihi'f  lit.  pa-mi'9akyk  'sag  mir*  u.  ft. 
(a.  0.  883  ff.)  erbracht  zu  haben.  Für  eine  Zusammensetzung 
dieser  Art  schl&gt  derselbe  Gelehrte  den  Terminus  Distanzkom- 
positum  yor,  während  er  bei  Kontaktstellung  der  Glieder  yon 
Kontaktkomposition  spricht.  Auf  Grund  dieser  Erwftgungen 
ließe  sich  eine  Definition  etwa  folgendermaßen  fassen:  Unter 
Kompositum  yersteht  man  einen  (kontinuierlichen  oder  durch 
dazwischen  tretende  Worte  geteilten)  Lautkomplex,  der  einen 
Begriff  bezeichnet  und  sich  in  zwei  oder  mehrere 
Glieder  zerlegen  laßt,  die  selbst  wieder  Symbole  yon 
Begriffen  sind  oder  waren.  Unter  diese  Definition  fallen 
freilich  auch  alle  Ableitungen;  denn  es  ist  nicht  möglich,  eine 
scharfe  Grenze  zwischen,  diesen  pnd  den  Kompositis  im  engeren 

67* 


1060  Zur  Frage  der  Defin.  und  litotit.  vonKimipositiB.  Von  JEI.  TF.  F6Ußk. 

Sinne  zu  ziehen.  „Ein  mü  einem  aogenannlea  a4amm8ii£b  ge- 
bildetes sogenanntes  Sim{>lez  i^  in  seinem  Bildnngsprintip  mit 
einem  sogenannten  Kompoaitnm  abselnft  identifHih.  Der.  ganze  Unter- 
schied ist  nnr  ein  relatiyer,  enUricklnngBgeschiehtlidier*'  (&oz- 
wadawskiy  Wortbildong  n.  Woctbadeatang,  8«  9). 

Die  ftlterea  Theorien,  die  unsere  we^ieie  Fragen  wie^  Kom- 
posita entstehen,  zn  lösea  snohen»  indem  sie  von  einem  ^ngenn 
Anschlaß  in  der  Aussprache,  von  dem  Eintreten  eines  gemeinaamen 
Heoptakzentes  nnd  Ähnlieliem  sprechen,  volkea  wir  als  veraltet 
und  unrichtig  beiseite  lass^  nn4  nne  zonftchsi  einer  Tfaeode  zn- 
wenden,  die  große  Anerkennung  gefimden  hat  (vgl.  z.  B.  Storch. 
Angele.  Nominalcomp.  S.  2),  Panle  Isolieninge' Theorie:  „Es 
kommt  darauf  an,  daß  das  Ganze  den  Elementen  geg«inber,  ans 
den^n  es  znaammengesetzt  ist,  in  irgend  welcher  Weise  isoliert 
wird.  Welcher  Grad  Ton  Isolierong  dazu  gehört,  damit  die  Ver- 
Schmelzung  zum  Kompositum  Toilendet  erscheine,  das  l&ßt  sich 
nicht  in  eine  allgemein  gftltige  Definition  fassen.*' 

Nicht  ganz  äbereinstimmend  mit  Paul  ist  die  Ansicht  Brug- 
manns.  Dieser  Gelehrte  meint  (il  0.  862  f.):  „Der  wirkliche 
Anfang  des  Vorgangs,  den  wir  Kompositionsbildung  nennen,  ist 
(yielmebr)  immer  eine  Modifikation  der  Bedeutunif  des  syn- 
taktischen Wortyerbands.  Dieser  wird  kouTentioneller  Aus- 
dcuok  ffir  die  irgendwie  einheitliche  Gesamtverstel- 
Inng.**  Zum  zweiten  SatsL  bemerkt  Paul  (Das  Wesen  d«  Wort- 
zusammensetzung JF  XIV  2^2):  »Das  sebeint  mir  etwas  unbestimmt 
ausgedruckt  und  könnte  zu  Irrtümern  Teranlassen,  4ie  Bmgmann 
schwerlich  teiltb  Eine  Wortverbindung  erb&lt  jedesfalls  nicht  da- 
durch ohne  weiteres  etwaa  von  dem  Charakter  einer  Znsammen- 
setzung, daß  die  dnrch  sie  ansgedräckte  Vorstellung  als  einheit- 
liche gefaßt  werden  kann.t  Zur  Bekrftftignni^  dieser  Worte  Pauls 
möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  daß  eine  einheitliche  Vorstel- 
lung i^ueh  durch  Sßtze  ausgedrückt  wer4en  kann,  z.  B.:  Es  rtgfMl, 
Es  Ufird  Tag.  Die  Nacht  bHM  hsrein^  usw.  Paul  fftbrt  dann 
fori:  „Maßgebend  ist  n&mltch  auch  nicht,  daß  dieselbe  Vorstellung 
auch  durch  ein  einfaches  Wort  wiedergegeben  werden  kann.*"  Er 
ecwAhnt,  am  dies  zu  beweisen,  begriffliche  Gleichungen  wie  'ich 
freue  mich  über  ihn,  erinnere  mich  an  ihn  =  ich  freue  mich 
seiner,  ich  erinnere  mich  seines'  und  andere.  Aber  nach  die  Anf- 
fasßungL  Brugmanns,  daß  der  Anfang  der  Kompoeitionebildung 
immer  eine  Modiflhüion  der.  Bedeutung  des  syntaktischen  Wort- 
▼erbandee  sei,  wird  durch  Panl  fiberzeugend  widerlegt  dnrQh  den 
Hinweis  auf  die  idg.  Verbalfoxmen,  auf  ein  bair.-dialekl  es  gifs 
z=L  es  gU  es  (also  W  geht  ihr'),   auf  die  Distanskemposita  u.  a. 

Mit  d^  oben  erwfthnten  Erkl&runge?ersuchen  stimmt  auch 
die  SrklAcnng  Wundts  (Völkerpsychologie  IIS.  602  ffv)  in  einem 
Hauptpunkte  überein,  in  dem  Ausgehen  fom  eyntaktisoheuGenzen: 
„Jede  Wortzueammeneetzung  entspringt  aae  Motiven,  die  der  Zu- 


Zor  Frage  dar  Defin«  und  Biitft  Ton  Kompotitie.  Von  H.  TT.  B)Uak.  1061 

BamnraDfantg  der  Rede  mft  eich  führt.  Ans  der  änAereD  Berühmog 
der  Wörter  ün  Satz  kftim  jedoeh  eine  entere  Terbindnog  nur  dann 
bervorgebeD«  IreiAi  zogleidi  eine  innere  Affinität  die  Wörter  zü- 
eammenffibrt  Demliaüb  dnrehkrenKen  tficb  bei  der  Bildnng  einet 
Kompositums  ein  analytiscber  und  ein  syntbetischer  Vorgang. 
Analytisch  entsteht  "ein  tnsammengesetttes  Wort,  indem  es  als 
syntaktisebes  Oefuge  aab  dem  Gänsen  eines  Satzes  sieb  aussondert. 
Synthetisch  bildet  es  alcb,  indem  seine  Bestandteile  eine  festere 
Verbindnnf  miteinander  eingehen  nnd  dadurch  von  den  flbrigen 
Wörtern  des  Satzes  als  ein  lenee  Wortganzes  sich  edieiden.  Diese 
Verb&ltDiese  machen  es  begreiflich,  daß  man  bald  das  analytische^ 
bald  das  bynthetiscbe  Moment  in  den  Vordergrund  stellte,  je 
nachdem  entweder  der  Satz  oder  das  Wort  als  das  ursprünglichere 
sprachliche  Gebilde  betrachtet  wurde.  Da  die  Sprachwissenachaft 
in  der  Regel  dem  Wort  den  Vorrang  einräumte,  so  war  aber  der 
syntfaetieche  Geeichtapunkt  yier  ▼orherrschende.'* 

Nadi  den  Darlegungen  Pauls,  BrugmaniiSv  Wandte  undJacobis 
(Kompositum  und  Nebensatz,  Bonn  1897)  scheint  es  mir  unabweis- 
licb,  daft  Komposita  jederzeit  aus  syntaktischen  Gebilden  entstehen. 
Mts-sen  sie  aber  auf  diese  Weise  entstehen?  Ist  zur  Bildung 
jedes  Kompositums  ehi  analytisch-synthetischer  Prozeß  im 
Shme  Wundts  nötig  oder  gibt  es  auch  Komposita,  die  rein  syn* 
tbetischer  Herkunft  sind? 

Da  Wandt  seine  Theorie  offenbar  nicht  auf  das  Indogerma- 
nische beschrankt»  irodlen  wir  zunächst  von  anderen  Sprachen  aus* 
gehen.  Ähnlich  dem  Indog.  drücken  auch  die  Sprachen  schHoht- 
haariger  Rassen  Zahlbegriffe  vielfach  durch  Kopulativ-Komposita 
aus  {tg\.  Fr.  Malier,  Grundr.  d.  I^achw.  II,  I.  Abt  8.  28,  81 
und  B7  f.).  In  der  Wlradurei-^raohe  lauten  die  Zahlwörter  1-^«: 
nuftibai,  bula^  bula^numbai.  In  ^er  Kamilaroi-Sprache  finden 
wir:  mal  =  1,  holär  =  2,  güliba  =  8,  bülär^lnUär  =  4, 
bülär  -  güliba  =  5,  güliba  -  güliba  =  6.  Ähnlich  liegen  die 
Verhaltnisse  in  der  Turrubal-Spracbe:  kunar  ^=  1,  büdäa  =  2, 
mudän  =  8,  büdela  -  büdela  =  4,  mudän  -  büdela  =  6.  la 
diesen  Fallen  handelt  es  steh  offenbar  um  nichts  anderes  als  Ap- 
poaition.  Ebenso  unmöglich  erscheint  es  mir  die  Komposita  der 
polynesiatbea  Sprachen  durch  Ausscheidung  aus  ayntaktisufaen  Ge* 
ffigen  zu  erklaren.  Vgl  %.  B.  Maori:  tamariki  ('Sohn%  eigL 
*junger  Prinz*,  dann  'Kind'  überhaupt)  =  iama  ('Kind*)  +  arihi 
('Häuptling,  Edelmann'),  tamakine  ("Tochter*,  eigl.  'Kind-Weib') 
=  toma  CKind')  +  ioahine  fWeib*)  oder  Tahit.:  uri-iaata 
('Affe*,  eigl.  'flund  -  Mensch')  =  uri  ('Hund*)  -f  toato  CMenech*). 
Auf  ahnliche  Weise  scheinen  mir  hebr&ische  Komposita  wie  l^d^ 
Ifh'äm  ("Dsgott,  UuTolk*,  wörtl.  'Nicht-Gott,  Nidit-Volk')  u.  a.  ont- 
atanden  zu  eeiu  (fgl.  Gesenius-Kautscb,  Hebr.  Gr.'^  4S6 
nnd  Gtaenttts,  Hebr.  u.  aram.  Haadwörterb.  sub  ig).  Man  Ter- 
gleiche  folgende  Belegstelle  <Dt.  82,  21)  für  die  zwei  erwähnten 


1062  Zur  Frage  der  Defiik  ond  Botst.  Ton-Kompositit.  Von  A  W.  BMak. 

Beisp.   und    beachte    die   Stellung  der  Praep.  d'i    Hern  quinünt 

t'lp-'el,    ki  *a8üni  t'hatlehetn,    uaant  aqntem  Wo-'äm 

(*Sie  machen  mich  eifersüchtig  dorcb  einen  Nicht-Gott,  sie  er- 
zftmen  mich  dorch  ihre  Nichtigkeiten,  so  will  ich  sie  denn  eifer- 
fiöcbtig  machen  durch  ein  Nicht- Volk '). 

Viel  zahlreichere  Beispiele  für  die  Entstehung  von  Kompo- 
sitis  durch  Apposition  finden  wir  innerhalb  der  indogermanischen 
Sprachen.  Zun&chst  betrachte  man  die  Zahlwörter,  z.  B.  11 — 19. 
Dann  werfe  man  einen  Blick  auf  die  Komposita  im  Sanskrit.  Der 
Inder  denkt  förmlich  in  Kompositis.  Das  Symbol  für  Lotes  ist  ihm 
utpala,  für  blauen  Lotos  ergibt  sich  ihm  hUötpaia  {=  nila  -f-  ^f- 
pala)  auf  rein  synthetischem  V7ege.  Ebenso  mag  es  sich  mit  Zu- 
sammensetzungen wie  maharsi,  räjadania  und  den  meisten  anderen 
verhalten  haben.  Aber  auch  der  deutschen  Sprache  sind  derartige 
Komposita  nicht  fremd.  Man  denke  an  ein  Wort  wie  Mann-Weib 
oder  an  Lftndernamen  wie  Österreieh-Üngam,  SehUswig-Holstein, 
an  Lokalnamen  und  Stationsbezeicbnungen  wie  Basel-Land,  Basel- 
Stadt,  Lim-Urfahr,  Buda-Pest,  Stainach-Irdning,  Bruek-Fuseh, 
Payerbaeh'Reichenau,  Ebensee-Landungsplatz,  Traunkirehen-Per- 
sonenhaUestelU  u.  a.  m.  Man  vergleiche  femer  Bezeichnungen  von 
Erfindungen  und  Erzeugnissen  nach  den  Erfindern  oder  Erzeugern 
wie  RSaumur-Thermometer,  Biüroth-Battist,  Qörz-Linse  u.  a.  oder 
(oft  humoristische)  Bezeichnungen  von  Gesch&ftsleuten  nach  ihren 
Waren.  Diesen  Bildungen  der  deutschen  Sprache  stellen  sich  z.  B. 
im  Altnordischen  Namen  wie  Hcensna-pirir,  Hölmgangu-Skeggi  o.  ft. 
an  die  Seite.  Dazu  kommen  alle  jene  Komposita,  die  t&glieh  auf 
dem  Gebiete  der  Technik  und  Wissenschaft  als  Bezeichnungen 
neuer  Dinge  und  Erscheinungen  auftauchen,  z.  B.  Kraft-Wagen, 
Sehicefel-Wasserstoff,  Bernd-Ring  usw.  Die  Terminologie  der  Natur- 
wissenschaften würde  eine  Menge  von  Beispielen  bieten,  soweit  es 
«ich  da  um  Komposita  handelt.  Auf  ähnliche  Weise  dürften  auch 
schon  in  verhftltnism&ßig  frühen  Sprachstadien  Zusammenseuungen 
entstanden  sein.  Eine  Menge  willkürlicher  Bildungen  enthält  die 
Dichtersprache.  Wo  1fr  am  sehen  Kompositis  wie  ougestheiz  Pari. 
8,  9,  hellehirU  816,  24,  igelnuBzig  521,  12  u.  a.  sind  Bildungen 
moderner  deutscher  Dichter  an  die  Seite  zu  stellen,  z.  B.  Neiä- 
bereit,  Wonne-hehr,  Liebe-heilig  (Bich.  Wagner),  tanzlaumelnd, 
Dunstdunkel,  Leichenwüstenei  (Bich.  Dehmel)  u.  a. 

Man  könnte  mir  nun  den  Einwand  machen,  in  vielen  dieser 
Fälle  sei  Analogie  im  Spiele.  Wie  steht  es  aber  mit  den  ana- 
logisch gebildeten  Kompositis?  Sie  wurden  bis  heute  als  Stiefkinder 
behandelt  und  mit  dem  Schlagworte  , Analogie"  beiseite  ge- 
schoben (z.  B.  von  Brugmann  a.  0.  382),  durch  welches  nur  ge- 
sagt wird,  daß  sie  nach  vorhandenen  Mustern  entstanden  seien, 
nicht  aber,  wie  der  ganze  Entstehungsakt  zu  denken  sei.  Ich 
glaube  nun,  daß  es  sich  hier  um  lauter  synthetische  Bildungen 
nach  dem  Vorbilde  anderer  gebräuchlicher  Komposita  handelt.  Dabei 


Zur  Frage  der  Defin.  und  Entst  ? od  KomposiÜB.  Von  H.  W.  FoUak.  1063 

braucht  das  Vorbild  natflrlich  nicht  klar  vor  Angen  zn  stehen,  es 
kann  yielmebr  nnterbewaßt  einwirken.  Oft  scheint  bei  der  Ent- 
stehung Ton  Zusammensetzungen  überhaupt  nur  ein  dunkles  Gef&hl 
vom  Eompositionsvermögen  der  Sprache  vorbanden  gewesen  zu  sein. 
Auf  diese  Art  liefien  sich  Worte  wie  Dunstdunkel  erklären.  Sie 
sind  ganz  intuitiv  entstanden,  vom  Dichter  gleichsam  erschaut. 

Nun  hat  Dittrich  (Ober  Wortzusammensetzung,  Zs.  f. 
Boman.  Phil.  XXII  805  ff.)  eine  Deutung  der  Komposita  versucht, 
die  er  freilich  heute  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  kann  (vgl.  Zs.  f. 
Boman.  Phil.  XXIX  129  ff.),  die  aber  in  offenkundigem  Gegensatz 
zu  den  bisher  von  mir  diskutierten  Theorien  steht.  Dieser  Gelehrte 
wendet  sich  (a.  0.  XXII  812  f.)  entschieden  gegen  eine  Ableitung 
der  Komposita  aus  der  Syntax;  er  geht  vielmehr  von  der  Be« 
nennnng  aus.  Im  folgenden  sei  Dittriehs  Erklärung  angeführt; 
man  achte  jedoch  darauf,  dafi  die  Worte  „synthetisch **  und  „ana- 
lytisch^ hier  etwas  anderes  bedeuten  als  bei  Wundt.  „Die  Com- 
Position  ist  weder  eine  analytische  noch  eine  synthetische,  sondern 
eine  analytisch-synthetische  Function.  Ein  Compositum  entsteht  da- 
durch, daß  aus  einer  gegebenen  Gesammtvorstellnng  mehrere  (in 
der  Begel  zwei)  Elemente  appercipiert  und  die  sich  auf  diese  Weise 
successive  ergebenden  Wortvorstellungen  agglutiniert  werden,  so 
daß  das  Besultat  eine  der  gegebenen  Gesammtvorstellnng  ent> 
sprechende  Gesammt- Wortvorstellung  ist.  Die  Existenz  des  Oom- 
positums  datiert  also  von  dem  Momente^  wo  die  Agglutination  ein- 
getreten ist;  das  Wort  bleibt  so  lange  für  das  Sprachgefühl  als 
Compositum  bestehen,  als  es  möglich  ist,  wenigstens  6ine  der  Theil- 
vorstellungen  noch  innerhalb  der  Gesammtvorstellnng  zu  apper- 
cipieren;  ist  dies  nicht  mehr  möglich,  so  wird  es  zum  Simplex, 
d.  h.  die  Agglutination  ist  zur  Synthese  geworden."  Der  Haupt- 
fehler dieser,  von  Dittrich  bereits  zurückgenommenen,  Erklärung 
scheint  mir  darin  zu  liegen,  daß  sie  in  einseitiger  Weise  nur  vom 
Benennungsakte  ausgeht,  d.  h.  daß  sie  ausschließlich  jene  Kom- 
posita berücksichtigt,  die  ich,  bis  nun  an  Wundts  Terminologie 
festhaltend,  als  rein  synthetische  bezeichnet  habe.  Von  den  Kom- 
positis  analythiscb-synthetischen  Ursprungs  können  wir  nicht  mit 
Dittrich  sagen,  daß  sie  von  dem  Momente  an  datieren,  wo  die 
Agglutination  eingetreten  ist;  wir  müssen  vielmehr  für  diese  Kom- 
posita die  Annahme  eines  schrittweisen  Zustandekommens  aus  syn- 
taktischen Gebilden  festhalten. 

Die  Dittrichsche  Erklärung  scheitert  einfach  an  dem  Charakter 
der  Sprache  als  einem  völkerpsychologischen  Phänomen;  denn  die 
Agglutination  braucht  nicht  in  der  ganzen  Sprachgemeinschaft 
gleichzeitig  einzutreten.  Was  der  Sprecher  als  Kompositum  fühlt, 
kann  beim  Angesprochenen  noch  als  syntaktisches  Gebilde  fun- 
gieren. So  mag  es  sich  z.  B.  in  früheren  Stadien  der  französischen 
Sprache  mit  Worten  wie  pomme  de  terre,  cerf-volant  usw.  ver- 
halten haben.  Auch  darauf  muß  man  Bäcksicht  nehmen,  daß  durch 


1064  Zar  Frftgd  der  DeAn.  and  fintei.  Ton  Kompotitis.  Von  H.  W.  P^Ooft. 

hftoftf  •  Ywbmdang  tob  Lamlkomptoxes  in  ZoBammwitiaiig  d«r  IM« 
auch  di^  entspfrvebeflddn  Begrift  «IfM  eog«re  YerbiDdiiiif  eiiig«k%i 

Ifet  'ftlBO  für  df«  ElitstetniBg  aller  Komposita  ein  «iflheitlieh«! 
Prinzip  aBsmehm«fBt 

Dleee  Frag^  glaob«  icfh  nnbedtngrt  Terneinefi  tn  aififlien. 
Komposita  können  iw^ifachsr  Herkunft  sein;  dMI  einen 
Weg  haben  Paal«  Brngmann,  Wandt  n.  a.  gezeigt^  aif  den 
anderen  wnrde  vor  allvm  von  Dittricb  hingewiesen.  Da  aber  das 
Wort  „synthstisoh^^i  ^as  tob  Diltrlch  In  rein  psychologisohem, 
▼cn  Wandt  in  m^hr  syntaktisebem  Shsne  verwendet  wurde,  gerade 
in  der  Lebrd  von  der  Komposition  Bobb  eine  dritte,  gant  be- 
sondere BedentüBg  hat,  nrilBson  Wh*  ans  jetzt  wohl  am  neos  Ter- 
miBi  amseben.  Wir  könnten  die  eine  trappe  als  Appositions- 
oder Benennangskomposita,  die  andere  als  syntaktische 
Komposita  bezdichnen.  Dis  ersteren  sind  simnltan  ent- 
standsn^),  die  letzteren  nach  n'Bd  nach.  Dies«  umfassen 
alle  ans  syntaktischen  TerbiBdUBgen  hervorgegangenen 
WortzBsammeBsetzBngen^  jsne  alle  anmittelbaren  Be- 
neBBnBgen  nnd  all«  Analogisbildnngen. 

Wien.  Dr.  Hans  W.  PoUak. 


')  Doch  floU  damit  nicht  gesagt  sein,  daft  die  eirtipreehende  Vor- 
Btellnng  mit  einem  Schlage  eotstandeo  sei. 


Zweite  Abteilung. 

Liter&riscke  Anzeigei. 


Jahreshefte  des  Österreichischen  arcb&ologiscben  Instilates 
in  Wien.   Band  X  2.  Heft.  Wien,  A.  Holder  ld07. 

In  diesem  Jahre  der  Jabilften  feiert  auch  das  esierreiohische 
archäologische  Institut  in  aller  Btilie  ein  intimes,  aber  bedeotsames 
Fest:  am  81.  Januar  1908  erscbien  das  tweite  Heft  des  sehnten 
Bandes  seiner  Jahreshefte,  das  in  wirdiger  Weise  den  Abschlaß 
des  ersten  Dezenniums  seines  Bestandes  bezeichnet^).  Durch  Otto 
Benndorfs  zielbewufite  Energie  und  das  TerstandnisyoUe  Entgegen- 
kommen der  UnterrichtsbehOrde  geschaffen,  bat  das  Institut  in  der 
kurzen  Zeit  seines  Bestandes  einen  Aufsohwung  genommen,  durch 
den  es  sich  den  alteren  Schwesteranstalten  der  anderen  Nationen 
Tollwertig  an  die  Seite  stellt.  Getreu  dem  im  proyisorlsohen  Statuts 
yom  80.  Dezember  1907  aufgestellten  Programm  bat  es  in  einer 
Beibe  von  Kampagnen  die  so  erfolgreichen  Grabungen  in  Ephesos 
durchgeführt,  die  archäologische  Erforschung  der  Heimat  (Car* 
nuntnm,  Viranum,  Aqnil^a,  Pola,  Salona,  Spalato,  Brioni  grande, 
Grado  u.  a.)  und  im  Zusammenhange  damit  die  Einrichtung,  Ord- 
nung und  Katalogisierung  der  staatlidiea  Antikensammlungen  ge- 
fördert, die  epigraphische  Erforschung  Kleinasiens  und  die  Vor- 
bereitung der  TiMi  AUae  minwri»  ftberwacht  und  überhaupt  die 
Archäologie  in  Österreich  gewissermaßen  zentralisiert.  Bin  ge- 
treues Spiegelbild  dieser  weitausgreifenden  Wirksamkeit  bietei,  ab- 
gesehen ?on  den  Sondersdiriften ,  insbesondere  die  HauptpubUka« 
tiMi  des  Institutes,  die  Jahreshefte,  die  als  Fortsetzung  der  archäo- 
logisch-epigraphiscben  Mitteilungen  aus  Österreich-Ungarn  gedacht, 
sofort  in  ungleich  rornehmerer  Gestalt  auftreten  und  seitdem  in 
stetig  aufsteigender  Entwicklung  begriffen  sind.  Wie  die  olym- 
pischen Spiele  in  ihren  Anfangen  nur  Kampen  aus  dem  Peloponnes 


^)  Intwteehen  i^t  im  Juli  Band  XI  1  erechienen. 


1066  Jahreflhefte  des  Osterr.  archftol.  Inatitates  in  Wien,  ang.  ▼.  J,  Jüthner. 

anlockten,  einige  Olympiaden  sp&ter  Nennangen  ans  Attika  nod  Jo- 
nien  erfolgten  and  so  allm&hlich  in  immer  weiterer  Ansdehnnng  des 
iDteressentenkreiees  die  gesamte  grieebische  Welt  hinzukam,  so 
treffen  wir  im  ersten  Bande  fast  nnr  Mitarbeiter  ans  Österreich  an, 
denen  sich  aber  alsbald  Gelehrte  ans  Deutschland  und  der  ge- 
samten wissenschaftlichen  Welt  zugesellten.  Gerade  im  letzten  Bande 
bezeugen  zweiAufsfttze  in  italienischer,  einer  in  französischer  Sprache, 
daß  die  Wissenschaft  international  ist.  Sehr  bew&hrt  hat  sich  die 
Teilung  in  ein  Haupblatt,  in  welchem  Aufs&tze  und  Untersuchungen 
Aufnahme  finden,  und  in  ein  Beiblatt  fflr  Berichte  über  Grabungen, 
Beisen,  Sitzungen,  sowie  Miszellen  aller  Art,  die  alle  fünf  Jahre 
beigegebenen  Indizes  erleichtern  den  Überblick.  Durch  die  Reich- 
haltigkeit  ihres  Inhaltes  und  die  gl&nzende  Ausstattung  stehen  die 
Jabreshefte  von  allem  Anbeginn  im  In-  und  Auslande  in  hohem 
Ansehen  und  es  ist  weder  möglich,  noch  auch  hier  beabsichtigt, 
die  ganze  Fülle  der  während  des  yerflossenen  Zeitabschnittes  im 
Rahmen  dieser  Zeitschrift  geleisteten  wissenschaftlichen  Arbeit  ent- 
sprechend zu  würdigen.  Aber  wenigstens  erinnert  sei  an  Bedeuten- 
deres, wie  Benndorfs  feinsinnige  Untersuchung  über  die  GroD- 
bronzen  von  Neapel,  Bormanns  Aufs&tze  über  Miiit&rdiplome,  Riegel 
über  Vafiobecher,  Hausers  Tettiz,  Beisch'  Kalamis  u.  a.  und  darauf 
hingewiesen,  daß  brennende  Streitfragen  wie  die  über  AdamkUssi 
und  die  Ära  Pacis  zum  Teil  vor  diesem  Forum  zur  Verhandlang 
kamen.  Leider  sind  die  beiden  Lustra  an  der  Mitarbeiterschar  nicht 
spurlos  vorübergegangen:  Karl  Schenkl,  Reichel,  Hula,  Riegel, 
Mommsen,  Szanto,  U.  Köhler  weilen  nicht  mehr  in  unserer  Mitte, 
und  vor  allem  hat  das  Institut  seit  bald  zwei  Jahren  den  Verlast 
seines  Begründers  und  unermüdlichen  ersten  Leiters  Otto  Beno- 
dorf  zu  beklagen.  Was  er  mit  dem  Einsatz  seiner  ganzen  Persön- 
lichkeit geschaffen  und  gemehrt,  ist  aber  nicht  verwaist,  sondern 
in  bewfthrte  Hunde  übergegangen.  Hofrat  Robert  von  Schneider, 
der  ihm  seit  der  Gründung  als  Vizedirektor  zur  Seite  gestanden, 
hat  als  sein  Nachfolger  mit  kr&ftiger  Hand  das  Steuer  ergriffen 
und  zielsicher  setzt  das  Schiff  seinen  Kurs  nach  vorw&rts  fort. 
Und  wie  sich  in  allen  Unternehmungen  des  Instituts  ein  ener- 
gischer Zug  und  neues  Leben  bemerkbar  macht,  so  beweisen  auch 
die  letzten  Bünde  der  Jahreshefte,  daß  die  aufsteigende  Linie  un- 
entwegt eingehalten  wird.  Die  Redaktion  wacht  darüber,  daß  die 
Darbietungen  nicht  bloß  an  Mannigfaltigkeit,  sondern  auch  Ge- 
diegenheit den  hohen  Anforderungen  entsprechen,  die  an  eine  so 
vornehme  Zeitschrift  gestellt  werden,  und  daß  anderseits  auch  du 
Äußere  sich  dem  angestrebten  Ideale  immer  mehr  n&hert.  Nach 
versdiiedenen  Versuchen  ist  für  den  Text  ein  Papier  gefunden,  das 
ohne  die  unangenehmen  Eigenschaften  des  Kreidepapiers  für  die 
eingestreuten  Klischees  die  nötige  Glfttte  bietet,  und  insbesondere 
zeigen  die  Tafeln  eine  Vollkommenheit  der  Ausführung,  die  mit 
den  zu  Gebote  stehenden  technischen  Mitteln  wohl  kaum  zu  Aber- 


.  B.  Menge,  Troja  nnd  die  Troai,  ang.  t.  E.  Kdliuka.  1067 

bieten  ist.  Durch  ihren  »rchftologischen  nnd  k&nstlerisehen  Wert 
eignen  sie  sich  in  hohem  Grade  anch  fär  den  Ansehanangsonter- 
richt  nnd  schon  ans  diesem  Ornnde  sollten  die  Jahreshefte  in 
keiner  Lehrerbibliothek  fehlen.  Insbesondere  aber  scheinen  sie  mir 
fnr  die  Lehranstalten  jener  Gebiete,  deren  Geschichte  bis  in  die 
Bömerzeit  znrückznverfolgen  ist,  ein  nnerlftßlicher  Lehrbehelf,  da 
sie  die  Vertreter  der  Geschichte  und  Philologie  mit  den  neuesten 
Ergebnissen  der  Erforschung  des  historischen  Bodens  der  Heimat 
bekannt  machen  und  darch  die  Berichte  über  den  Anteil  heimischer 
Gelehrter  an  dem  Ausban  der  arch&ologischen  Wissenschaft  den 
patriotischen  Sinn  von  Lehrer  nnd  Schiller  zn  heben  geeignet  sind. 
Dem  wissenschaftlichen  Brennpunkt  dieser  Bestrebungen  aber,  dem 
Institut  und  seinen  Veröffentlichungen,  wünschen  seine  Freunde  auf- 
richtig ein  kräftiges  Blühen  und  Gedeihen  in  alle  Zukunft. 

Czernowitz.  Julius  Jüthner. 


Troja  und  die  Troas ,  nach  eigener  Anscbaaang  geschildert  ? on  Bod. 
Menge.  Mit  86  Abbildongen,  2  Tafeln  and  1  Karte.  Zweite,  am- 
gearbeitete  Aoflage.  Gymnasial- Bibliothek,  heraasgegeben  von  Hogo 
Hoff  mann.  Erstes  Heft  Gflterqloh,  Druck  and  Verlag  von  C.Bertels- 
mann 1905.  VIII  und  98  SS.  8«.   Preis  lMk.50Pf. 

Der  Zusatz  im  Titel  'nach  eigener  Anschauung  geschildert* 
will  beachtet  sein;  denn  darin  liegt  die  Eigenart  des  Buches,  die 
Inhalt  und  Form  ganzer  Abschnitte  bestimmt.  Die  Lebendigkeit  der 
Darstellung  gewinnt  natürlich  dadurch  ungemein,  daß  der  Bericht 
im  Gewände  der  Erz&hlung  eigener  Erlebnisse  auftritt:  so  1.  Die 
Fahrt  nach  Dardanellia,  2.  Im  Lande  des  Dardanos  (Reise  nach 
Troja),  8.  Troja  (Gesamteindruck  der  Trümmerstfttte  und  ihre  Ge- 
schichte), 4.  Bundgang  um  Troja,  5.  Ein  Gang  über  das  Schlacht- 
feld, 6.  Ein  Eitt  nach  der  oberen  Troas,  ja  teilweise  sogar  7.  Das 
„homerische  Troja^;  nur  die  beiden  letzten  Abschnitte  (8.  Über 
die  Funde,  9.  Dr.  Heinrich  Schliemann)  beschr&nken  sich  darauf, 
den  Tatbestand  wiederzugeben. 

Da  zwischen  die  erste  und  die  zweite  Auflage  des  Büchleins 
jene  Umdeutung  der  trojanischen  Besiedlungsschichten  fftilt,  die 
statt  der  zweiten  erst  die  sechste  Torgriechische  Stadt  in  die 
nmykenische''  Zeit  verlegte  und  dadurch  in  den  Vordergrund  des 
Interesses  der  Homerleser  rückte,  so  ist  nunmehr  die  Schilderung 
des  .homerischen'*  Troja  auf  eine  ganz  neue  Grundlage  gestellt.  Es 
bedarf  kaum  einer  Erw&hnung,  daß  Menge  diese  wie  überhaupt 
fast  alle  wissenschaftlichen  Angaben  aus  dem  großen  Werke  Dörp- 
felds  ^Troja  und  Uion*"  geschöpft  hat,  dem  auch  zwei  Karten 
(Ebene  von  Troja  und  Plan  von  Troja  VI)  und  12  Abbildungen 
entnommen  sind.  Meinen  im  Jahrgang  1904  dieser  Zeitschrift  ge- 
druckten Vortrag  über  Troja  scheint  er  dagegen  nicht  zu  kennen ; 


1068  0.  SehroeäeTj  Vonrb.  nur  griacli.  Veng«8ebidite,  §m^  t.  H>  Jurekka. 

er  ward«  eoDSt  TiBlldtdit  8.  20  tbw  die  Bewcrfnnr  der  siebentes 
Niederlaesong,  S.  21  iber  die  üteohe  Athene  eich  etwM  anders 
ge&Qfisrt  haben.  In  einer  dritten  Auflage  irerdsn  wohl  anch  ^e  Anf- 
sfttze  Boberts  über  den  Lauf  des  Skamandros  und  die  Stadilore 
(Hermee  1907,  S.  78  ff.)  nnd  Busses  ftbsr  den  Sdiaaplats  der  tro- 
janischen Kämpfe  (Nene  Jahrbücher  f€r  das  klassische  AHsitini 
1907,  XIX  8.457  ff/)  eine  Wirknng  Oben. 

Schief  zum  mindesten  ist  dsr  Ansdrnck  B,  52:  ,,dis  ^sfiiii- 
denen  Tonschsrben  weisen  keinesfalls  über  dasEL  Jahrhondert  T.Ohr, 
zurück.  Sie  sind  nftmlieh  alle  Bmchstfti^s  Ton  Gsfiften,  dis  «sf 
der  Töpferscheibs  gedreht  shid.''  Das  klingt  so,  als  ob  dis  Töpfer- 
scheibe erst  im  IX.  Jahrhundert  v.  Chr.  srfonden  worden  wir».  — 
Das  Wesen  der  Toranlagen  der  sechstai  Stadt  würde  durch  sinss 
Vergleich  mit  denen  der  tweiteh  noch  klarer  hsrrortreten.  —  Dem 
Homerischen  Dichter,  der  Ton  einem  Tempel  ApoUons  und  sinem 
der  Athene  spricht,  kann  man  nicht  deshalb  Kenntnis  des  »^7^^ 
nischen^  Troja  absprechen,  weil  sich  in  der  sechsten  Schicht,  von 
der  doch  nur  ein  ganz  kleiner  Teil  erhalten  ist,  diese  Qsbftude 
nicht  gefunden  haben;  vgl.  übrigens  S.  69:  .der  Grundriß  des 
Geb&udes  weicht  von  dem  der  anderen  ab.  Man  hat  wohl  gafragt, 
ob  "dies  die  Überreste  eines  Tempels  ssien.  Es  wftre  dies  dann  der 
einzige  aus  vorfaellenischsr  Zeit**.  Ein  jüngerer  Dichtsr,  der  Beste 
solcher  Gebftude  sah,  konnte  sie  sehr  wohl  vom  Standpunkts  seiner 
Zeit  aus  als  Tempel  deuten.  Freilich  bsStretlet  das  Menge  gar 
nicht,  sonderti  „daß  Homer  das  mykeniscfas  Ilion  Tor  ssinem 
FaHs<!)  gekannt  habe**  (S.78).  Aber  irer  müchta  so  etwas  wrast- 
lieh  in  Erwftgung  ziriran? 

Das  sind  Kleinigkeiten.  Jedenfalls  ist  das  Haft  TollkoinmsB 
geeignet,  seinem  niefasten  Zwecke  zu  dienen  und  auch  in  weheren 
Kreisen  das  Interesse  an  deir  sagsnumspennenen^Stütte  zu  TertiefeB. 

Innsbruck.  Ernst  Kaiinka. 


Otto  Schroeder,  Vorarbeiten  zur  griechischen  Verageschichte. 
Leipzig  und  Berlin  1908,  B.  G.  Teabuer.   166  SS. 

DSs  Buch  wiederholt  neun  Abhandlungen  des  Verf.s  ans  des 
Jahren  1908—1907,  teils  unveründert,  teils  ^ergftnzt  und  korngieit*. 
Es  wendet  sich  yorlftufig  an  eine  handvoü  Leser,  die  %s  bisher  uwege 
gebracht  haben,  sich  durch  dis  sattsam  bekannte  manieriert  nuTsr 
stündliche  Darstellung  Schroeders  zum  VsrStindnisss  seiner  überan 
schwierigen  metrischen  Theoreme  durchzuarbeiten.  Und  selbst  disesi 
wird  manches  imverstindlich  bleiben;  denn  nur  wenigen  ward  be- 
Bchiedhn,  was  Sehr,  zum  Verstftndnis  sshier  Lehre  fördert:  «eis 
„Sinn  für  vorgeschicbtHche  Verwandtochaft  mannigfach  vaiiierter 
Glieder**   und   sein  „Organ  für  den  syntaktischen  ZusammsnbsBf 


O.  Sduroeder,  Vortrb.  lor  grieeh.  Vengeschiehta,  ang.  t.  R,  Jurenka.  1W9 

eisM  rhythmischen  Satzes*"  (&  72/78).  Aber  BücksichteD  kennt 
Sehr,  nicht:  ^Wem  das  zu  bnnt  isf*,  sagt  er  S.  69,  „den  wird 
ea  schwerlich  trösten,  wenn  ich  ihm  sage:  es  kommt  noch  bunter*'. 
Dab«  sieht  seine  Metrik  stolz  herab  anf  alles  Dagewesene:  haben 
doch  die  bisherigen  Metriker,  ein  Boßbacb  nnd  ▼.  Ohrist,  nur 
dämm  beim  Hexameter  nnd  iambiecben  Trimeter  den  Anfang  ge- 
macht^ weil  „die  ersten  antiken  Verse,  die  nnser  Ohr  treffen,  keine 
anderen  sind  als  Äurea  prima  8ata  est  nnd  i  g>^iy(i^  H^avas** 
(S.  74,  Anm.)- 

Im  Interesse  eines  leichteren  Verständnisses  baltMi  wir  es 
daher  fflr  nnerlftßlich,  den  wesentlichen  Inhalt  des  Baches  in  der 
richtigen  Anordnung  nnd  gemeinverständlich  zn  skizzieren. 

In  den  „LoeaOden**  (jetzt  ^Äoliker'  genannt)  nnd  den  „Daktyl- 
epitriten**  (jetzt  ionisierte  Enoplier')  setzt  Sehr,  die  Lehre  seiner 
Vorläufer  fort  und  erweitert  sie^):  so  enthält  S.  121  ff.  eine  neue 
Deutung  der  asklepiadischen  Verse  (der  128ilbige  besteht  aus  zwei 
Dreiviertelglykoneen).  Ferner,  da  die  häufigste  Form  des  Doch- 
mius  bei  Aischylos  diese  ist:  '^^-^-,  so  erblickt  Scbr.  im 
Dochmius  ein  Amalgam  aus  den  beiden  Hälften  des  kleinen  Askle- 
piadQers').  Den  Kern  von  Schr.s  Lehre  aber,  zugleich  ihr  Alpha 
nnd  Omega,  bildet  jener  Enoplios,  den  zuerst  Th.  Bergk  (Kl. 
Schriften  II  892),  dann  Blaß  und  y.  Wilamowitz  aus  der  Bumpel- 
kammer  der  metrischen  Tradition,  wo  er  bis  dahin  ein  wenig  be- 
achtet,es  Dasein  verschlummerte,  ans  Licht  gezogen  und  zu  neuem 
Leben  erweckt  haben.  Dieser  Vers  verbilft  nun  Schroeder  zunächst 
zn  einem  neuen  Einteilungsprinzips  der  griechischen  Metrik, 
die  nunmehr  auf  der  Grundlage  zweier  Urmaße  sich 
aafbaut,  dem  hebungszählenden  enoplischen  und  dem 
silbenzäblenden  äolischen.  Man  versteht  aber  unter  dem 
Enoplios  einen  Vier-  (oder  Drei-)  Heber,  zunächst  steigend,  dann 
aber  auch  mit  *  aufgesogener'  Vorsilbe,  mit  und  ohne  Eatalexe, 
männlich,  später  weiblich  auslautend,  mit  je  einer  oder  zwei  Kürzen 
nach  den  Hebungen: 

(^)^x^x^(xr)^(-). 

Es  ist  offenbar,  daß  dieses  vielgestaltige  Gebilde  allein  schon  för 
die  Erklärung  der  mannigfaltigstsn  metrischen  Erscheinungen  aus- 
reicht: sind  doch  die  drei  strittigsten  Probleme  der  bisherigen 
Metrik,   die  Anakrusis,   die  Uyperkataleze  und  die   Taktgleichheit 


>)  S.  diese  Zeitachr.  1901,  S.  1  ff. 

')  Wir  setsen  Schr.8  Erklärung  wOrtlieh  her,  weil  sie,  wie  uns 
dflakt»  sich  selbst  ihr  Ucteii  sppeht:  »..  .dadurch  entstanden,  daß  jemand 
die  beiden  Kflnen  des  'Abstiegt'  (— ^  — ^  w—)  mit  den  gans  andere 
gearteten  des  *Aaitiega*  (—w-w^)  bei  Verachiebaag  und  Auflösung 
der  ersten  Hebnng  xnsammenwarf:  c?"^—  w  —  und  bei  der  nun  folgenden 
Verschmeliung  der  Abstieg  seine  indifferente  Anfangssilbe,  der  Anstiei^ 
seinen  festen  kretischen'  Schluß  und  beide  die  Acbtxeitigkeit  erhielten ". 


1070  0.  Schroeder,  Vorarb.  xnr  grieeb.  Vengescbichte,  aag.  y.  H.  Jwenkß. 

der  drei-  nnd  vierzeitigen  Versfüße  kurzerhand  ans  dem  Wege 
geräumt.  Auf  diese  Weise  wird  dann  der  anapftütisehe  Dimeter  zur 
'dorischen'  Form  des  Enoplios.  Dnrch  'ümlegang'  des  letzten  FaGes 
(lambns  statt  Trochäas)  eines  nnvorsilbigen«  weiblieh  ansl[lingendeD 
Enopliers  (-^w-^s^-^-^,  der  alkäische  Zehner)  entsteht  der 
^alkmaniscbe'  Enoplios  (-v^-^  |  -^^-),  da  bekanntlich  im 
alkmanischen  Partheneion  -  w  w  -  wiederholt  mit  ~  ^  . ::!  strophisch 
respondiert.  Nnn  bekommt  aber  weiter  der  Enoplier  einen  vier- 
silbigen „ftolischen^  Vorspann,  die  verbesserte  äolische  Basii 
G.  Hermanns,  ^ — -,  -^-o»  o — ^,  ^w-w  usw.*),  und 
so  finden  zuletzt  in  dem  Rahmen  dieses  Gebildes  von  fünf  oder 
sechs  Qebungen  fast  alle  übrigen  Versgattangen  ihre  einfache 
Erklärung.  Denn  die  sogenannten  äolischen  Daktylen  bestehen  ans 
dem  viersilbigen  'Vortritt'  und  dem  drei-  oder  vierhebigen  Enoplier: 
igog  dairi  (i  6  Ivöifiskrig  dovsi  ^  —  ^  \  v^— »^— w— ,  ^QdfKxv 
(liv  iyä)  6id'€Vf  'Atd^L,  ndlai  nord  -^-^  \  w-^-*^-w-, 
endlich,  nachdem  die  Vorsilbe  des  Enopliers  in  den  ^Vortritt*  'hinein- 
gewachsen'  war  und  der  Vers  männlichen  Ausgang  erhalten  hatte, 
^]Qoq  ivt€(i66vxog  indiov  iQxo(ievoLO  -w  —  ^^|— ^-^-w«-,,. 
Aus  diesen  ^Äolenopliern '  erwächst  der  heroische  Hexameter:  die 
Übergänge  liegen  in  den  dreizeitigen  Anfängen  homerischer  Hexa- 
meter vor,  z.  B.  r  857,  ^  112,  •&  452,  ^  2.  Der  sapphisehe 
Elfer   ist   ein  äolischer  (=  glykoneischer)  Dimeter   mit  Enoplier- 

katalexe: o,  -  w  w  -  |  ,^  -  .  i^  ^),  das  Adoneion  ein  fallender 

enoplischer  Dreiheber  (alter  Befrain:  &^l€  xai)Q8,  li^is  Ilaidv), 
Die  ersten  drei  Verse  der  alkäischen  Strophe  setzen  sich  zuflammeo 
aus  einer  festen  viersilbigen  äolischen  Baals  und  einem  enopliscfaeo 

Dreiheber :    c7-^-|o~ww und  ^-^-  |  o-w— .-. 

der  alkäische  Zehner  ist  ein  fallender  und  weiblich  verklingender 
enoplischer  Vierheber :   -^>^-ww-^--«). 

Werden  die  Senkungen  des  Enopliers  einzeitig  (^)^^jl^± 
(^)x,  so  führen  sie  zur  Erklärung  der  iambischen  und  troch&iscbeo 
Verse.  Sie  entstehen  aus  dem  „Lekythion*'  oder  dessen  kataleküscher 
Form,  dem  Ithyphallicus  (.-^^-  |  '-'-(^)-),  und  zwar  d« 
iambische  Trimeter  durch  iambischen  Vortritt  vor  ein  rorsilbif 
gewordenes  Lekytbion,  der  trochäische  Dimeter  aus  dem  nnvor- 
silbigen  Lekytbien  mit  Zuwachs  (!)  einer  Schlußsenknng,  endlich 
ohne  diesen  Zuwachs  bildet  sich  die  Katalexe  des  trocb&iaches 
Tetrameters:  -^_^  |  ^^^. 

Wir  wollen  nun  an  Beispielen  zeigen,  wie  Sehr,  bei  dar  Be- 
weisführung seiner  Thesen  zu  Werke  geht.  Das  eleg^che  Distichoa 


M  Aas  aolchen  vienilbigen  Äolikem   erstehen  auch  die  loniker, 
S.  93  f. 

')  Warum  nieht  äol.  Vortritt  -f-  unvorsilbiger  vierbebiger  Enopliw: 

—  w   —  O     I    — *>s>—  w  —    •    —  ? 

')  Warum  nicht  äol.  Basis  -f-  enoplischer  Dreiheber:   -.  ^  w  - 


0.  Schroeder,  Vorarb.  inr  grieeh.  Vengescbicbte,  ang.  ▼.  H.  Jurenka.  1071 

bestebt  für  ibn  ans  einem  daktyliscben  Trimeter  and  einem  Doppel- 
dimeter: 

Xttiva),  Nnn  ist  ein  Fragment  des  Kritias,  des  bekannten  Dicbter- 
Tyrannen,  erbalten,  das  lantet: 

xal  vüv  KXetvlev  vlbv  'Atr^valov  öretpavmöm, 
Ifikmßidöriv  vioiöLV  i(ivi^6ag  tgoTCOts' 

oi  ydg  X(og  f^v  ro^t/oft*  ivaQiiö^iv  iksyeCo)' 
vöi/  d'  iv  la^ßsla  xsCöstaL  oix  i(iitQ<og. 
Wenn  Kritias  den  iambiscben  Trimeter  die  Stelle  eines  Pentameters 
vertreten  läßt,  so  kann  dieser  kein  Doppeldimeter  sein,  sonst  bfttte 
er  den  Vers  so  bilden  müssen:  w  -  w  - 1  <^ -*-t--^ | w  -  s^  - 1  v> -'''':"^ . 
Über  diese  Scbwierigkeit  setzt  sieb  nnn  Scbr.  kübn  binweg,  indem 
er  die  Epigramrodicbtnng  des  Kritias  als  ein  der  Lyrik  „balb  oder 
ganz*'  entwacbsenes  Genre  brandmarkt  —  Ein  zweites  Beispiel. 
Die  Dnrcbfübrnng  der  Scbroederscben  Daktylepitriten-Tbeorie  stößt 
bisweilen  anf  die  Schwierigkeit  einer  überscbießenden  Länge.  Eine 
solche  Hyperkatalexe  darf  es  aber  ebensowenig  geben  als  eine 
Anakmsis.  Wie  soll  man  nnn  Versscblnsse  wie  |  -  w  v^  —  in  den 
Rahmen  eines  lonikers  zwingen?  Sehr,  erklärt:  ^vor  dem  Hochton 
des  Scblnßionikers  können,  eben  nnter  dem  Einflnsse  dieses  Hoch- 
tons,  die  zwischen  ihm  nnd  den  Hebangen  des  vorletzten  lonikers 
erklingenden  vier  Moren  in  bescblennigter  Gangart  sich  anf 
das  Gewicht  von  zweien  reduziert  haben,  .  ^  ^  jl  _  ** !  Aber  am 
Schlüsse  von  größeren  musikalischen  Taktkomplexen  ist  doch  nimmer 
Beschleunigung,  sondern  nnr  Verlangsamnog  des  Tempo  zulässig, 
weshalb  ich  denn  auch  nie  glauben  werde,  daß  der  Vers  Sopb. 
Ant.  784  'Egag,  og  iv  TCfqyLaiSi  nlxxsLg  so   in   zwei  Takte   zu 

zerf&llen  ist:   y^-  y^-  |  -w .    —   Aber   auch  die  ^mehrdak- 

tyligen'  Reihen  (z.  B.  Avteöiv  iav&äv  dvadi^öaiisvog  XBtpdkdv) 
zeigen  sich  unbotmäßig.  Hier  nun  löst  Sehr,  das  Problem  mittelst 
eines  neuen  Problems,  indem  er  nämlich  zeigt,  daß  seine  Zer- 
legung dieser  Reihen  (- «^ — ,  — w-  I  ww-,  w — )  in  seine 
*Stollen-Theorie'  besser  hineinpasse. 

Leichter  wird  man  sich  entschließen,  Schr.s  Darlegungen 
darüber  beizupflichten,  wie  aus  dem  Protaplasma  der  Inteijektion 
auf  dem  Wege  über  die  arcbilocbischen  (von  Horaz  nachgeahmten) 
Zweizeiler  und  die  kleinen  Drei-  und  Vierzeiler  der  Sappho,  des 
Alkman,  des  Volksliedes  sich  größere  Stropbengebilde  entwickelt 
haben,  indem,  was  früher  Strophe  war,  zur  xsQCoÖog  und  in 
weiterer  Entfaltung  zur  dithyrambischen  dvaßoki^  wurde.  Wie  dann 
Scbroeder  sowohl  die  tragische  als  auch  die  dithyrambische  Strophe 
in  Stollen,  Gegenstollen  und  Abgesang  zerlegt  und  innerhalb  dieser 
Teile  'Bianenresponsion'  aufdeckt,  darüber  habe  ich  mich  ausfuhr- 


1072      Mu  Lambert»,  Die  grleob.  SklaTeQBamen,  ang.  v.  F.  SUiU. 

lieh  ge&nßert  in  meinen  Anzeigen  seiner  ÄCMchyli  catUiea  mnd 
Sophoclis  cantica  in  dieser  Zeitschrift  1907,  S.  986  ff.  nnd  1908, 
S.  824  ff. 

Alles  in  allem  glaube  ich,  daß  die  wisaenscbaftliche  Kritik 
Schr.s  neue  ^Versgeschichte'  —  er  ist  schon  an  die  Ansarbeitong 
geschritten  —  mit  starker  Skepsis  aafnehmen  and  daß,  wer  sich 
ihr  mit  Haut  and  Haaren  verschreibt,  dies  nar  deshalb  tan  wird, 
weil  er  sich  der  Aatoritftt  beagt  nnd  weil  das  Westphal-Boßbach- 
sehe  System  in  seinen  Qraodfesten  erschöttert  ist  and  ein  anderes 
nicht  za  Qebote  steht.  Trotzdem  sehen  wir  dem  Bache  mit  ge- 
spannter Erwartung  entgegen,  wobei  wir  der  Hoffnong  Baam  geben, 
daß  ihr  Verf.  in  der  Darstellnng  jene  Bäcksichten  üben  wird,  die 
er  einem  Leserkreise  schaldet,  der  sich  nicht  bloß  aas  Spezialisten 
zusammensetzt. 

Nnr  anf  eines  möchte  ich  noch  easdrücklich  hinweisen«  zara 
Tröste  aller  derjenigen»  die  bei  der  herrschenden  Unsicherheit  auf 
unserem  Qebiete  an  der  Möglichkeit  der  Lösung  metrischer  Pro- 
bleme völlig  verzweifeln  wollen,  solange  nicht  die  antike  Musik 
ans  die  Augen  öffne.  Far  durchaus  wahr  und  wichtig  halte  ich, 
was  Schroeder  8.  148  sagt:  „Gs  ist  nicht  wahr,  ist  weder 
überliefert  noch  irgend  wahrscheinlich  zu  machen,  daß 
jemals  ein  altgriechischer  Dichter,  wie  unsere  Musiker, 
das  Recht  gehabt  oder  sich  angemaßt  h&tte,  mit  seiner 
dem  Text  im  wesentlichen  untergeordneten  Musik  das 
Metrum  zu  sprengen,  und  daß,  wie  bei  unseren  Sing- 
versen zuweilen,  dort  jemals  die  Musik  erst  die  Strophe 
konstituiert  hätte**.  Wir  werden  daher  wohl  am  sichersten 
gehen,  wenn  wir  uns  das  Verhältnis  zwischen  Text  und  Musik  so 
vorstellen,  wie  es  die  neuesten  deutschen  Beformatoren  des  Liedes, 
Schumann,  Robert  Franz  und  vor  allem  Richard  Wagner  in  großem 
Gegensätze  zum  hei  cantp  festgelegt  haben.  Die  Hletrik  aber  bleibt 
ein  Problem  für  sich. 

An  störenden  Versehen  habe  ich  mir  notiert:  S.  27,  Z.  13 
schreibe  statt  ^zweite  und  dritte  Silbe'  vielmehr  'dritte  und  vierte 
Silbe';  S.  156  in  dem  Zitat  aus  Eur.  Kyklops  ist  das  Wort  Mtpog 
unrichtig  gemessen. 

Wien.  Hugo  Jurenka. 


Dr.  Max  Lamberts,  Die  griechisohen  SklavoDuamen.  Separsi- 
abdruck  aqs  dem  LVII.  und  LVIIL  Jahresbeiiohta  des  k.  k.  Stasti- 
gvinnasiams  im  YlII.  Besirke  Wiens.  Wien,  iji^  SelbetverUge  dei 
VerfaSBera  1907.   88  SS. 

Der  Verf.  dieser  beiden  dankenswerten  Programmaufsitse  hat 
sich  die  Aufgabe  gestallt,  die  griechischen  Sklavennuien  aas  Qrie- 
ohenland  —  mit  Ausschluß  der  sehr  zahlreichen  grienbiscben  Sklaven- 


M,  Lamberts,  Die  griaeb.  SklaTennameD,  ang.  ?.  F,  StoU.      1073 

oamen  ans  Born  nnd  den  yersehiedenen  Teilen  des  römischen  Welt- 
reiches —  ans  den  Inschrifteni  den  Denkmälern  der  Literatur  nnd 
den  Papymsnrknnken  zn  sammeln  und  nach  bestimmten  Gesiebts- 
pnnkten  zn  gruppieren,  indem  er  mit  Recht  her?orhebt,  daß  sich 
die  eigenartige  Stellung  der  Sklaven  in  der  griechischen  Welt  in 
ihren  Namen  spiegelt,  wenn  auch  wohl  kaum,  wie  wir  uns  beizu- 
fügen erlauben,  in  ihrem  ganzen  Umfange  und  in  allen  ihren 
Einzelheiten.  Aus  dem  Kreise  der  römischen  Literatur  sind  mit 
vollem  Bechte  die  Sklavennamen  der  römischen  Palliata  herange- 
zogen, „da  sie,  wenn  auch  manchmal  in  veränderter  Form,  den 
grriechischen  Originalen  entnommen  sind**  (S.  6).  Der  Yerf.  hat 
sämtliche  Sklavennamen  in  fflnfzebn  Bnbriken  eingeteilt,  die  ich 
hier  auffahren  will,  da  nur  dadurch  ein  Einblick  in  die  Qiiederung 
des  Stoffes  ermöglicht  wird :  L  Der  Sklave  trägt  den  Namen  seines 
Herrn,  II.  Der  Sklave  ist  nach  seiner  Heimat  benannt.  IIL  Der 
lokale  Name  selbst  als  Sklaveuname.  IV.  Namen  nach  historischen 
Persönlichkeiten.  V.  Der  Sklave  fährt  den  Namen  eines  Heros. 
VI.  Göttemamen  als  Sklavennamen,  VII.  Widmungsnamen  als 
Sklavennamen,  wie  z.  B.  [ä&r^valogj  jifpQodiölUj  Bdxiiog  u.  a. 
VIIL  Vollnamen,  welche  als  ersten  Bestandteil  den  Namen  eines 
Gottes  haben,  als  Sklavennamen.  Kurzformen  zu  diesen  Namen. 
IX.  a)  Bezeichnungen  abstrakter  Begriffe  als  Sklavennamen ;  b)  die 
Stellung  des  Sklaven  im  Hause  kommt  in  seinem  Namen  zum  Aus- 
drucke. X.  Adjektiva  als  Sklavennamen.  XI.  Spitznamen  (Namen 
aus  dem  Tier-,  Pflanzen-,  Mineralreich,  Benennungen  nach  Gegen- 
ständen u.  a.)  als  Sklavennamen.  XIL  Kalendemamen  als  Sklaven- 
Damen.  XIII.  Wunschnamen  als  Sklavennamen.  XIV.  Yolinamen  mit 
ihren  Kurzformen  als  Sklavennamen.  XV.  Der  Sklave  behält  seinen 
Dichtgriechischen  Namen  bei  oder  trägt  einen  Lallnamen.  Bedenken 
gegen  diese  Gruppierung  macht  Thumb  in  seiner  kurzen  Anzeige 
nnserer  Schrift  im  Indog.  Forsch.- Anzeiger  22,  18  f.  geltend.  Am 
Schlüsse  der  Abhandlung  werden  die  Ergebnisse,  die  fflr  das  Ver- 
hältnis der  Sklavennomenklatur  zu  der  der  Freien  in  den  einzelnen 
griechischen  Landschaften  aus  der  ganzen  Betrachtung  heraus- 
wachsen, in  die  folgenden  flbersichtlichen  Worte  zusammengefaßt: 
^Nur  Lakonien  nimmt  nicht  Anteil  an  der  in  den  fibrigen  grie- 
chischen Gegenden  fflr  Sklaven  Ablieben  Namengebong.  In  Sparta 
hießen  die  Sklaven  wie  die  Freien,  Die  Ursache  hievon  glaubten 
wir  in  der  abweichenden  Auffassung  des  Spartaners  vom  Sklaven 
zu  erkennen,  die  ihm  infolge  der  Einrichtung  des  Helotentums 
eigen  war.  In  allen  anderen  Teilen  Griechen  laiida  stieeen  wir 
immer  auf  dieselben  Benennungen  für  Sklaven  mit  geriogeu  lokalen 
Besonderheiten,  die  sich  durch  die  örtliche  VerscbiedeDheit  von 
selbst  erklären.  Die  Verschiedenheit  des  VerbäUBiBsea  der  Sklaven- 
zur  Bfirgemomenklatur  wird  also  in  diesen  Landscbaltan  nicht  durch 
die  Verschiedenheit  der  Sklavennamen,  sondern  our  durch  däs  un- 
gleiche Verhalten  der  Bürgernamen  zu  diesen  bestimmt.  Dnd  zw 

ZtStMhrifl  f.  d.  teterr.  0711111.  1906.  XIL  Heft.  gg 


1074    B.  Heinee,  Virgila  episch«  Technik,  ang.  t.  B.  BiUehofsky, 

waren  es  da  die  doriBchtn  Landschaften  Delphi,  Bhodos,  Tbera,  in 
denen  wir  strengere  Zarflckhaltnng  der  bflrgerlicben  Kreise  gegen 
alle  jene  Namensgmppen,  die  nicht  von  altersher  ▼omehm  waren, 
beobachteten.  In  jenen  Gegenden  gebranchen  in  Torchristlieber  Zeit 
die  Freigebornen  fast  ansschließlich  die  althergebrachten  Voll-  nnd 
Widmnngsnamen,  alle  anderen  sind  der  unfreien  nnd  fremden  Be- 
völkerung überlassen.  In  Athen  dagegen  konnten  wir  dnrch  Tier 
Jahrhunderte  das  allmähliche  Eindringen  der  nrspränglieh  fnr 
nnromehm  geltenden  Namensgmppen  in  die  Bfirgerscbaift  und 
umgekehrt  das  Herabsteigen  der  bürgerlichen,  anfangs  den  un- 
freien strenge  rerwehrten  Namen  in  die  Reihen  der  Skleren  Ter- 
folgen.  Wir  sahen  dadurch  einen  Ausgleich  sich  rollziehen,  wie 
er  in  Böotien  trotz  der  Strenge,  mit  der  die  yornehme  Bürger- 
schaft auf  die  Wahrung  ihres  alten  NamensTorrates  bedicht  war, 
infolge  der  zahlreichen  Freilassungen  und  des  damit  rerbnndenen 
Eindringens  der  Sklavennamen  in  die  unteren  Schichten  der  freien 
Bevölkerung  schon  im  dritten  und  zweiten  vorchristlichen  Jahr- 
hunderte, wenigstens  in  der  Kleinbürgerschaft,  deutlich  erkennbar 
beginnt,  und  wie  er  in  Athen  und  schließlich  auch  in  allen  anderen 
griechischen  Landschaften  in  den  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  zu 
einem  völligen  Aufhören  jedes  Unterschiedes  zwischen  vornehmen 
und  unvornehmen  Namen  führt**. 

Nachdem  ich  durch  die  vorstehenden  größtenteils  mit  den 
Worten  des  Verf.s  gegebenen  Ausführungen  Plan  und  Inhalt  unserer 
Schrift  hinl&nglich  genau  geschildert  habe,  erlaube  ich  mir  noch 
in  eigener  Sache  darauf  hinzuweisen,  daß  die  S.  7  (Fußnote)  ge- 
gebene Verweisung  auf  meine  Bemerkungen  über  Zimmermanns  An- 
sicht von  der  Entstehung  der  römischen  Sklavennamen  auf  -por 
insoweit  irrig  ist,  als  es  heißen  muß  „IF.  18,  IIP  f.**  statt 
„8,  112''.  Auch  sollte  mit  Bestimmtheit  hervorgehoben  sein,  daß 
Zimmermanns  Ansicht  sicher  unrichtig  ist,  wie  auch  Ahlberg  und 
Skutsch  zugegeben  haben. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


Virglls  epische  Technik  von  Richard  Hei  nie.  Zweite  Auflage.  190& 
Leipsig  und  Berlin,   Druck  und  Verlag  von  B.  Q.  Teubner.  X  oad 

498  S. 

Wenn  man  unter  einem  Kommentar  nicht  in  herkömmlichem 
Sinne  eine  mehr  oder  minder  lose  Beihe  von  Einzelbemerkungen 
in  stetem  Anschlüsse  an  die  Teztesworte  versteht,  sondern  eine 
sachlich  gegliederte  Zusammenfassung  alles  dessen,  was  uns  das 
Werden  eines  literarischen  Werkes  begreifen  l&ßt,  soweit  dies 
Werden  als  dasBesultat  bewußter  und  durch  bestimmte 
Tendenzen  geleiteter  künstlerischer  T&tigkeit  seines 
Schöpfers  zu  begreifen  ist  (vgl.  Vorw.  V),  so  darf  auch  dieeie. 


B.  Hemee,  Virgils  epische  Technik,  ang.  y.  JS.  Bitaehofsky.    1075 

dem  AodeDken  Qeorg  Eaibels  gewidmete  Buch,  dessen  zweite  Auf- 
lage der  ersten  nach  wenigen  Jahren  gefolgt  ist,  mit  jenem  Namen 
bezeichnet  werden.  Sein  Verdienst  ist  es,  Virgils  in  so  mancher 
Beziehnng  latente  Ennst  darch  sorgfältigste  Analyse  in  allen 
Einzelheiten  aufgedeckt  und  übersichtlich  dargestellt  zu  haben.  Bs 
gliedert  sich  in  zwei  Hauptteile.  Der  erste  (8.  8 — 284)  ist  eine 
dem  Fortschritte  der  Erz&hlung  (1.  Uions  Fall,  2.  Die  Irrfahrten 
des  Aeneas,  8.  Dido,  4.  Wettspiele,  5.  Aeneas  in  Latium)  folgende 
Erörterung  über  die  Art  und  Weise,  wie  der  Dichter  den  über- 
kommenen Sagenstoff  für  seine  dichterischen  Zwecke  gestaltete. 
Der  zweite  (S.  236 — 489),  ebenfalls  in  fünf  Kapiteln  die  Methode 
des  Schaffens,  Erfindung,  Darstellung,  Komposition,  die  Ziele  be- 
handelnde Teil  faßt  die  im  ersten  gewonnenen  Resultate  zusammen 
und  sucht  sie  (Vorw.  VI)  zu  einem  systematisch  angelegten 
Bilde  der  epischen  Technik  zu  Ter?ollst&ndigen.  Der 
Ausdruck  Technik  ist  in  weiterem  Sinne  zu  Terstehen,  nicht  etwa 
Yon  der  formalen  Kunst,  denn  Sprache  und  Vers  sind  yOllig  bei- 
seite gelassen,  es  handelt  sich  dem  Verfasser  nur  um  das  Ver- 
ständnis des  Qedichtes  als  epischen  Kunstwerkes.  Jene  Art  der 
Darstellung  bietet  den  eminenten  Vorteil,  daß  Qleichartiges  zu 
gegenseitiger  Ergänzung  und  Brl&uterung  vereinigt  werden  kann, 
dem  gegenüber  das  vom  kflnstlerischen  Standpunkte  aus  fühlbare 
Bedenken,  daß  ein  nnd  dasselbe  Motiv  der  Handlung,  um  von  vor- 
«chiedenen  Seiten  betrachtet  und  beleuchtet  zu  werden,  wiederholt 
zur  Sprache  kommen  oder  wenigstens  durch  Verweisung  berührt 
werden  muß,  zurücktreten  mag. 

Für  die  Neuauflage  wurden  die  in  den  Besprechungen  ge- 
brachten Berichtigungen  und  Ergänzungen  verwertet  und  auf  die 
eonstige  inzwischen  erschienene  Virgilliteratur  zustimmend  oder  ab- 
lehnend Bezug  genommen,  insbesondere  wurde  häufig  zur  Ergänzung 
oder  Bestätigung  der  Ausführungen  auf  Nordens  Kommentar 
zum  VI.  Buch  der  Aeneis  verwiesen.  Ich  zähle  über  hundertzwanzig 
Namen  von  Verfassern  einschlägiger  Aufsätze  oder  Werke,  welche 
in  den  Anmerkungen,  da  und  dort  mit  kurzer  Kritik  oder  Polemik, 
zitiert  werden.  In  einem  ausführlichen  Exkurs  (S.  64 — 81)  werden 
gegen  die  herrschende  Annahme,  wonach  Quintus  und  Tryphiodor 
von  Virgil  abhängig  wären,  triftige  Gründe  dafür  beigebracht,  daß 
beide  neben  Virgil  als  selbständige  Vertreter  der  Überlieferung  von 
Ilions  Fall  zu  betrachten  seien,  wie  schon  Kroll  und  Norden  unter 
summarischer  Anführung  der  entscheidenden  Argumente  behaupteten. 
Von  dem  reichen,  in  kurzen  Andentungen  nicht  zu  erschöpfenden 
Inhalte  des  interessanten  Buches,  in  dem  auch  Streiflichter  auf  die 
Persönlichkeit  des  Dichters,  seine  Weltanschauung,  die  geistigen 
Strömungen  seiner  Zeit  fallen,  mag  die  kurze  Übersicht  (VIII — X) 
und  das  Register,  dessen  zweiter  Teil  die  besprochenen  Stellen 
aufzählt,  ungefähr  einen  Begriff  geben.  Irgend  welche  Partien  als 
besonders  anziehend   hervorzuheben,   unterlasse  ich,   so  nahe  die 

68* 


1076    R  Heime,  Vifgili  epieeh«  TadmilE,  aag.  t.  R,  BiUdkoftk^. 

Yenncbong  Iftge,  uid  besehrftok«  mich  darauf,  zn  «ioigflii  dar  Tor- 
getragenen  Anffaeenngen  Stellong  zn  nehmen. 

Der  Verfaeeer   betrachtet  Aeneaa  nicht  ala  ein  Ton  Anfang 
an  fertigea  Ideal,    sondern  als  einen  in  der  Schule  des  Schicksals 
werdenden  Heiden  (8.  271  (f.),  der  so«  wie  er  XII  435  zn  Ascanins 
spricht,  in  II  nicht  hfttte  sprechen  können  (8.  275,  1).    Wie  ihm 
der  Tollkommene  Held  Aeneas  das  Abbild  des  ^Weisen*  ist,  so  der 
werdende  der  Typus  des  ^Fortschreitenden*,    wie  ihn  die  Stoa  ge- 
prägt hat.  Virgil  soll  im  Bilde  des  Aeneas  daa  typische  Schicksal 
der  emporstrebenden  Menschenseele  verkörpern.     Znr  n&heren  Br- 
l&nternng  werden  einige  Sftize  Senecas  angeführt  (8.  276,  2).  Ich 
habe  von  dem  echten  Dichterbemfe  Virgils  eine  zu  hohe  Meinung 
nnd  glanbe,  daß  die  nnbegrenzte  Verehmng,  die  er  namentlich  im 
Mittelalter  genoß,    von  allen  anderen  Orfinden  abgesehen,  nnr  bei 
einem  wirklich  gottbegeisterten  Sftnger  erklftrlich  bleibt.   Aber  ge- 
rade darom  regen  sich  in  mir  gewisse  Bedenken.     Der  Verf.  ver- 
kennt selbst  nicht  (8.  275,  1),    daß   nach    unseren  Begriffen   ein 
deutlicheres  Hervortreten    der  Absicht  Virgils  zu  wünschen  w&re, 
meint  aber,  deshalb,  weil  dieser  nirgends  als  Erz&hier  mit  unzwei- 
deutigen Worten    seine  Absicht   kund   tue,    dürfe  man   sie   nicht 
leugnen,  denn  solche  Hinweise  vermeide  er  überhaupt;   er  en&hle 
einfach  und  überlasse  die  Beurteilung  dem  Leser.  Ein  selches  Ver- 
schleiern der  künstlerischen  Intention  könnte  aber  in  diesem  Falle 
als  dichterischer  Mangel  empfunden  werden.  Wie  mochte  denn  dem 
Leser   oder  richtiger  dem    Hürer   die   Absicht  des   Dichters   zum 
Bewußtsein  kommen?  Die  Aeneis  sollte  ja  nach  der  vom  Verf.  ge- 
billigten wahrscheinlichen  Annahme  (8.  261)  nicht,    wie  ein  heu- 
tiger Boman,  im  Zusammenhang  gelesen,  sondern  in  einzelnen  Ab- 
schnitten rezitiert  werden.     Dabei  w&re  dem  Hörer  etwas,    worauf 
der  Dichter   großen  Wert  legte,    die   fortschreitende  Entwicklang 
des  Helden,    mehr  oder  weniger  verborgen  geblieben.     Zieht  man 
weiter  die  aus  Suetons  Bericht    bekannte  Arbeitsweise  Virgils  in 
Betracht,   wonach  dieser  die  Aeneis  zunftchst  in  Prosa  konzipierte 
nnd  den  Stoff  auf   zwölf  Bücher  verteilte,    bei    der  Ausarbeitung 
sich  aber  nicht  an  die  Beihenfolge  der  Bücher  hielt,  sondern  ein- 
zelne Stücke,   je  nachdem  es  ihm  paßte,    herausgriff  und  für  sich 
ausführte:   so  dringt  sich  der  Gkdanke  auf,  wie  andere  Ungleich- 
m&ßigkeiten  auch  die  in  Frage  stehende,  als  Entwicklung  gedeutete» 
dadurch  zu  erklären,    daß  die  einzelnen  BOcher  in  einer  gewisses 
Unabhängigkeit    voneinander    gedichtet    wurden,    wobei    dann   die 
Charakteristik  des  Aeneas  im  Geiste  des  Dichters  selbst  unter  dem 
Einfluß    der  Ereignisse    unbemerkt  ein   anderes  Gepräge    erhalten 
konnte.  Bezüglich  der  eben  berührten  Frage  der  alimählichen  Ent- 
stehung des  Gedichtes  heißt  es  8.  87:  „Als  Virgil  I,  II,  IV— VE 
schrieb,    bat   ihm    also   die  Vorstellung    vorgeschwebt,    daß    dem 
Aeneas   der  Name   dee  Landes  wie    seines  Stromes    während  der 
Fahrt  bekannt  ist.*     Eine  Diskrepanz  entsteht  nun  dadurch,    daß 


B,  Heitufet  Virgils  epische  Teehnik,  ang.  t.  E,  Bitaehofsky.    1077 

aaeh  in  ni  (V«  500)»  ffir  welches  Bach  (S.  81  £f.)  ein  anderer 
Ornndgedanke  der  Komposition  statuiert  wird,  Aeneas  vom  Thybris 
als  dem  Ziel  seiner  Fahrt  spricht.  Wenn  wir  in  der  Nennnng  des 
Namens  nnr  ein  Versehen  des  Dichters  erblicken  sollen  (8«  87,  1), 
so  ist  dieses  Ansknnftsmittel  allerdings  nicht  TöUig  befriedigend. 
—  Eine  der  Tielen  feinsinnigen  Beobachtungen  des  Verf.  ist  die 
(S.  278  ff.),  daß  bei  Virgil  mit  sehr  Tiel  größerer  Entschiedenheit 
als  bei  Homer  das  Schwergewicht  von  den  Anßeren  anf  die  inneren 
Vorgänge  verlegt  ist  nnd  den  Dichter  nicht  eigentlich  die  Hand- 
lungen beschäftigen,  sondern  ihre  psychologische  Motivierung  oder 
die  psychischen  Begleiterscheinungen,  daß  das  Schicksal  des  ein- 
zelnen in  Leben  und  Schlacht  häufig  durch  innere  Mängel  und 
Vorzüge  herbeigeführt  wird.  Es  beruht  diese  auch  sonst  in  vielen 
Erscheinungen  ber?ortretende  und  zur  Erürterung  gelangende  Ver- 
innerlichung,  was  zu  betonen  wäre,  wohl  überhaupt  auf  den  wesent- 
lich anderen  Voraussetzungen  des  sogenannten  Kunstepos  im  Unter- 
schiede vom  Volksepos  und  es  soll  natürlich  nicht  im  entferntesten 
«inen  Tadel  des  Dichters  involvieren,  wenn  ich  die  banale  Wen- 
dung gebrauche,  daß  bei  jenem  Verfahren  gewissermaßen  aus  der 
Not  eine  Tugend  gemacht  ist.  Die  Bilder,  die  der  homerische 
Dichter  nur  der  Wirklichkeit  zu  entnehmen  brauchte,  mußte  Virgils 
Phantasie  frei  aus  sich  schaffen:  kein  Wunder,  wenn  das  Äußer- 
liche mehr  zurücktritt.  So  erklärt  es  sich  auch»  wenn  Virgil  an 
dem  Ausgange  des  Kampfes  kein  Interesse  nimmt  (S.  207).  Es 
handelt  sich  ihm  nicht  wie  dem  homerischen  Dichter  um  ein  natur- 
getreues Abbild  und  so  bricht  er  ab,  sobald  er  seinen  Zweck  er- 
reicht hat.  Damit  soll  selbstverständlich  eine  bewußte  Anwendung 
der  dichterischen  Technik  durch  Virgil  nicht  in  Abrede  gestellt 
werden,  um  so  weniger,  als  darin  ein  echt  dramatischer  Zug  steckt, 
wie  deren  die  Aeneis  gar  manchen  aufweist,  worüber  ich  auf  das 
Register  unter  dem  Schlagworte  „Dramatisches*'  verweise.  — 
S.  850  f.  ist  vom  troischen  Lager  am  Tiber  IX  468  die  Bede. 
Der  Verf.  meint,  sicher  habe  ja  der  Dichter  mit  pars  sinisira  und 
dexUra  selbst  eine  bestimmte  Vorstellung  verbunden  und  beabsich- 
tigt, sie  dem  Leser  zu  suggerieren :  gelungen  sei  ihm  das  nnr  sehr 
unvollkommen.  Vielleicht  ist  dieser  Vorwurf  nicht  ganz  gerecht- 
fertigt. Ich  glaube»  Virgil  konnte  recht  wohl  von  einer  linken  und 
rechten  Seite  sprechen,  indem  er  allerdings  das  römische  Lager 
vor  Augen  hatte.  Auch  dieses  suchte  man  womöglich  an  einen 
Fluß  zu  lehnen,  wie  es  (nach  V.  815)  beim  troischen  der  Fall 
war.  Und  wie  vieles  ist  überhaupt  im  Kriegswesen  bei  Virgil  alt- 
römisch 1  Ich  erwähne  das  von  Turnus  auf  der  Burg  aufgesteckte 
vexiüum^  die  Reiterei  überhaupt  (die  Homer  fremd  ist),  die  Be- 
waffnung, die  den  römischen  veHtes  entsprechenden  Leichtbewaff- 
neten, das  Poplitea  auccidere  als  besonders  gefürchteten  Hieb  des 
römischen  Legionars,  die  den  feindlichen  Feldherren  abgenommenen 
apolia  opitna  u.  dgl.  (vgl.  S.  194  ff.).     Die  Vorstellung,   daß  die 


1078  J.  Biek,  WieDer  Palimpiesta,  ang.  t.  E.  Hatder. 

Maner  eioeo  flachen  Bogen  beschrieben  habe,  dessen  beide  End- 
punkte an  den  FInß  stießen,  so  daß  das  Lager  flberbanpt  nnr 
zwei  Seiten  gehabt  b&tte,  möchte  ich  anch  einem  Laien  in  solchen 
Fragen  nicht  znmnten.  Schließlich  ist  es  naheliegend,  murorum 
in  parte  ainisira  von  der  linken  Seite  des  Lagers  tu  Terstehen, 
indem  tnurtis^  vom  Lagerwall  gebrancht,  das  an  frftherer  Stelle 
(Vn  158  f.): 

primaeque  in  litar$  sedes 
eastrorum  in  moretn  pinnis  aique  aggere  eingii 
von  dem  Walle  des  nämlichen  Lagers  gebrauchte  agger  ersetzt 
(nach  Yarro  B.  r.  I  14,  8:  aggeres  quidam  vocant  murt»),  —  Die 
'Berichtigungen*  S.  489  sind  nn?ollst&ndig.  Bei  den  Eigennamen 
sollte  der  stete  Wechsel  zwischen  griechischer  nnd  lateinischer 
Namensform  beseitigt  werden,  z.  B.  864,  2  Apollonios  nnd  drei 
Zeilen  danach  Apollonins. 

Ich  scheide  von  dem  Bache  mit  dem  Eindrucke,  daß  darin 
ein  großer  Dichter  in  kongenialer  Weise  gewürdigt  ist.  Wem  ein 
tieferes  Verständnis  der  Dichtung  aufgehen  soll,  der  darf  es  nicht 
unbeachtet  lassen.  Um  die  Jugend  aber  täte  es  einem  angesichts 
so  heller  Beleuchtung  dichterischer  Yorzflge  doppelt  leid,  wenn  sie 
zufolge  einer  von  akademischen  Kreisen  ausgegangenen  Anregung 
in  Hinkunft  tou  dem  unvergänglichen  Werke  in  der  Ursprache 
nur  nippen  sollte. 

Wien.  B.  Bitschofsky. 


Josef  Bick,  YfTiener  Palimpseste.  l  Teil:  Cod.  Palat  Yindo- 
boDeniie  16,  olim  BobbiensiB:  LocaDUS,  FelagODius,  Acta  ApoBtoIonun, 
Epittalae  lacobi  et  Fetri,  Epiatula  apocrypba  Ap<ystoloram ,  Dioi- 
carides,  FraKmentam  medicam.  Mit  sechs  Tafeln.  Wien,  in  Korn- 
misaioD  bei  Alfred  Holder  (SitiUDgeberichte  der  kaia.  Akademie  der 
WisienachafteD  in  Wien.  Fhiloa.-hi8tor.  Klaaae.  159.  Band,  T.Abhaad- 
lang)  1908.   IIB  SS. 

Diese  Publikation  des  durch  seine  „Horazkritik  seit  1880** 
(Teubner  1906)  philologischen  Kreisen  schon  bekannten  Yerf.s  soll 
den  Anfang  bilden  für  die  Herausgabe  aller  Palimpseste  der  k.  k. 
Wiener  Hofbibliothek.  Als  Beamter  au  deren  kostbarer  Hand- 
schriftensammlung ist  B.  für  diese  schwierige  und  mühevolle,  aber, 
wie  bereits  diese  erste  Probe  zeigt,  ergebnisreiche  und  interessante 
Arbeit  besonders  geeignet. 

Das  Programm  für  die  geplante  Sammlung  entwickelt  der 
Yerf.  im  Yorwort.  Darnach  sowie  nach  dem  Inhalt  dieses  Teiles 
sollen  die  schon  bekannten  und  teilweise  reröffentlichten  Wiener 
Palimpseste  auf  Grund  einer  abermaligen  Kollation  neu  und  mehrere 
„bisher  selbst  den  Fachkreisen  TÖllig  unbekannt  gebliebene"  zun 
eretenmal  herausgegeben,  die  Beschreibung  und  Geschichte  jeder 
Handschrift  dem  Texte  yorangeschickt,  ferner  die  paläographiscfaen 


J.  Sich,  Wiener  Palimpaette,  ang.  ?.  E.  Hauler.  1079 

EigentfliDlichkeiten  nnd  das  philologisch  Wichtige  an  jedem  einzeloen 
Stficke  karz  gewördigi  werden.  Die  Transkription  der  Texte  erfolgt 
nach  der  handschriftlichen  Anordnung;  allen  werden  Faksimiles  bei- 
gegeben. Diesen  ersten  Teil  zieren  gelungene  pbototypische  Nach- 
bildungen Yon  sechs  Seiten  der  besprochenen  Handschrift  (zu  Lncan 
T  182—189,  Pelagonius  §  898—396,  Acta  Apost.  XXVI  29— XXVU 
4,  Epist.  apocr.  Apost.  fol.  67^*  mit  transparenter  Aufnahme,  Dioscur. 
III  82,  2,  3  nnd  Fragm.  medic).  Die  Lesung  selbst  wird  und  wurde 
nicht  durch  Anwendung  von  eigentlichen  Beagentien,  sondern  durch 
Bestreichen  schwieriger  Stellen  mit  Äther,  durch  ?erschiedene  Belich- 
tung und  Benutzung  farbiger  Unterlagen  gefördert. 

Im  Sinne  seiner  programmatischen  Einleitung  bietet  der  Terf. 
im  I.  Abschnitte  allgemeine  Bemerkungen  über  den  Cod.  16,  der 
aus  zwei  Hauptteilen  mit  je  zwei  Teilhandschriften  besteht.  Der 
erste  reskribierte  Hauptteil  stammt  sicher  aus  Bobbio,  wohin  er 
wohl  als  Geschenk  des  Mutterklosters  aus  Irland  gekommen  war. 
Ton  Bobbio  gelangte  das  Manuskript,  wie  dessen  weitere  dankens- 
wert genau  dargestellte  Geschichte  lehrt,  in  den  Besitz  des  Parr- 
hasius  und  A.  Seripando,  dann  ins  Neapler  Augustinerkloster  San 
Oiavanni  a  Carbonara^  endlich  trotz  heftigen  Widerstandes  der 
Augustiner  auf  Wunsch  Kaiser  Karls  VI.  in  die  Wiener  Hofbibliothek. 

Der  IL  Abschnitt  gilt  dem  Lncan palimpsest  mit  240  Versen 
aus  dem  V.  und  VI.  Buche  De  hello  civili.  Zun&chst  werden  die 
palftographischen  Eigentümlichkeiten  dieser  wohl  dem  V.  Jahrhundert 
angehörigen  Kapitale,  die  Entdeckung  der  Fragmente  und  ihre  bis- 
herigen Kollationen,  besonders  durch  Detlefsen  knapp  besprochen. 
In  der  Bewertung  des  Textes  und  in  der  Feststellung  seines  Ver- 
hältnisses zu  der  übrigen  Lucaüüberlieferung  folgt  B.  den  Ausgaben 
von  Hosius,  Lejay,  Franken  und  den  sorgfältigen  Untersuchungen 
Friedr.  Becks.  Doch  hätte  ich  diesen  philologischen  Teil  etwas 
gründlicher  ausgeführt  gewünscht.  So  werden  die  Sonderlesarten  des 
Palimpsestes  nicht  ?ollständig  angeführt  und  alle  bis  auf  eine  (V  197 
obstrinzü)  mit  Steinhart  gebilligte  in  Bausch  und  Bogen  Terworfen. 
Es  hätte  u.  a.  die  Variante  zu  V  80  virum  (prägnant)  statt  ducem 
und  zu  VI  287  eine  kurze  Würdigung  Terdient.  Auch  der  beachtens- 
werte Versuch  des  Verf.s,  die  Rezension  Lucans  durch  Paulus, 
den  man  zwischen  875 — 550  setzt,  deshalb  um  75 — 100  Jahre 
hin  aufzurücken,  weil  der  Palimpsest  in  Lesarten  mit  dieser  Rezen- 
sion übereinstimmt,  sollte  eingehender  begründet  sein.  Mit  Recht 
wird  aber  die  Wichtigkeit  der  Bruchstücke  in  orthographischer  Be- 
ziehung hervorgehoben  und  die  Zusammengehörigkeit  mit  den 
Neapler  Blättern  außer  jeden  Zweifel  gerückt.  Darauf  folgt  in  extenso 
der  Text  der  240  Verse,  indem  unsichere  und  verstümmelte  Buch- 
staben suppungiert,  verlorene  oder  unerkennbare  Zeichen  durch 
eckige  Klammern^)  gekennzeichnet  werden  und  zur  besseren  Les- 

^)  DaO  das  gleiche  Zeichen  sowohl  verlorene  als  anch  ganz  na- 
deutliche  Buchstaben  bezeichnet,  seheint  mir  besonders  für  die  Herstellung 


1080  J.  Bickt  Wiener  Palimpsette,  ang.  t.  E.  Haukr. 

barkeit  die  Worttrennnng  durchgeführt  ist.  Anf  die  Leeong  hat  B. 
großen  Fleiß  nod  anerkenneDswerte  Sorgfalt  verwendet;  der  Ver- 
gleich mit  der  Probekollation  des  Bef.  yom  Jahre  1892  nnd  neuer- 
liche Einsicht  mehrerer  Stellen  haben  in  allem  Wesentlichen  die 
Zaverl&seigkeit  der  Angaben  des  Verf.s  erwiesen').  In  den  An- 
merkungen gibt  er  Einzelberichtigungen  zu  Detlefsen  nnd  Hosius; 
insbesondere  stellt  er  manche  bei  diesen  schwankende  Lesarten  fest 
und  füllt  Lücken  in  den  bisherigen  Entzifferungen  aus. 

Im  III.  Abschnitt  behandelt  der  VerL  in  ähnlicher  Weise  die 
Bruchstücke  zu  Pelagonius*  Tierarzneikunde.  Zuerst  bespricht  er 
ihre  Bedeutung  und  die  Vergleicbuogen  durch  Josef  von  Bichen- 
feld,  Karl  Schenkl  nnd  Max  Ihm;  er  geht  dann  auf  die  äußeren 
Eigentümlichkeiten  dieser  Fragmente,  ihr  Alter,  das  er  mit  Wahr- 
scheinlichkeit in  das  sechste  Jahrhundert  verlegt,  ihren  Wert  für 
die  Textkritik  ein  und  gibt  dann  wieder  ihren  vollen  Wortlaut  mit 
Berichtigung  bisheriger  Lesungen.  Er  ergänzt  diese  durch  die 
ziemlich  lückenlose  Entzifferung  des  Blattes  41''-  (zu  §  867  und  373). 
Aufgefallen  ist  mir  aber,  daß  B.  das  zu  §  897  neu  ersehene  Kom- 
positum in  Buxi  folia^caque  ex  aqua  (mit  W.)»  ecolatum  bene 
potionabis  als  Verschreibnng  aus  et  eolatum  betrachtet,  während  er 
es  wegen  des  passenden  Asyndetons  und  der  verstärkten  Bedeutung 
(das  Aus-,  Durchgeseihte)  als  m.  W.  sonst  nicht  belegte  Dublette 
zu  excolare  (Pallad.  VIII  8,  1,  Vulg.,  franz.  Scauler;  vgl.  de-,  per-, 
recolare)  hätte  festhalten  sollen. 

In  dem  IV.  Abschnitt  untersucht  6.  ebenso  die  zwanzig 
Pallmpsestblätter  (wohl  des  V. — VI.  Jahrhunderts)  mit  den  latei- 
nischen Bruchstücken  der  Apostelgeschichte  und  der  Briefe 
des  lacobus  und  Petrus.  Seine  Abweichungen  von  der  sehr  genauen 
letzten  Publikation  durch  White  bestehen  zum  Teil  darin,  daß 
Lesungen,  die  bei  diesem  als  feststehend  bezeichnet  sind,  als  nicht 
mehr  sicher  erkennbar  verzeichnet  werden.  In  der  Beurteilung  des 
Textes  zu  der  Apostelgeschichte  folgt  B.  Westcott  und  Hort,  zu 
den  katholischen  Briefen  nicht  völlig  8.  Berger  und  P.  Corssen. 

Um  die  zwei  letzten  Abschnitte  vorauszunehmen,  so  sei  gleich 
erwähnt,  daß  der  VI,  einige  besser  lesbare  und  für  die  Kritik  wert- 
volle Bruchstücke  (wahrscheinlich  noch  des  VL  Jahrb.)  aus  sechs 

sonst  nicht  erhaltener  Texte  minder  praktisch  sa  sein.  Ich  pflege  ausge» 
fallene  Zeichen  dorch  Spittklaminern ,  sehr  undeatliche  durch  Setiang 
doppelter  Ponkte  unterhalb  der  Zeile  aaszudrflcken. 

')  In  der  Bezeichnung  ansicherer  Buchstaben  ist  B.  allerdinge  mehr- 
mals (so  sa  V  280—283  und  VI  280—245)  sorftckbaltender  als  ich  ■einersdi 
es  war.  Aber  in  solchen  Dingen  ist  dem  Einzelnen  natfirlich  eine  gewisse 
Freiheit  suzubilligen  and  jeder  Erfahrene  weiß,  wie  sehr  die  Ergebnisse 
einmaliger  Einsicht  von  Pälimpsesten  von  denen  wiederholter  Vergleichung 
sich  unterscheiden.  Jedoch  raten  die  im  V.  Kapitel  zu  berichtigenden 
Lesungen  sa  noch  größerer  Behatsamkeit  im  Ansetzen  von  fiacbstaben,  die 
als  wirklich  gesichert  gelten  sollen;  aach  empfiehlt  sich  die  Hinsafflgeng 
der  nächst  wahrscheinlichen  Zeichen  za  ansicheren  Elementen  oder  Silben, 
wie  dies  W.  ätndemond  in  seinen  vorbildlichen  Arbeiten  stets  getan  hat 


J.  Bidß,  Wiener  PalimpeeBte,  »Dg»  y.  E.  Haüler.  1081 

Kapiteln  des  III.  Bnches  Ton  Diosknrides  IJegl  {ilrig  IcctQixfjg 
entb&lt.  Die  Nacbprüfang  des  schon  tob  Eicbeofeld  nnd  weit  besser 
von  M.  Wellmann  Gelesenen  sowie  die  Neaentziffemng  Ton  Teilen 
des  Kapitels  108  nnd  109  dieses  Bocbes  anf  dem  Blatt  63^*  bat 
den  Wert  unseres  Palimpsestes  nocb  etwas  gesteigert.  Der  YII.  Ab- 
schnitt bietet  nur  einzelne  (anf  vier  Doppelblftttem)  lesbare  grie- 
chische Wörter  medizinischen  Charakters,  ans  denen  sich  aber 
bisher  weder  der  Autor  noch  die  Schrift  selbst  bestimmen  ließ. 

Es  erübrigt  noch,  über  das  im  fünften  Kapitel  besprochene 
Doppelblatt  60  und  67  kurz  zu  berichten.  W&brend  ?.  Eichenfeld 
darauf  nur  einige  unzusammenhftngende  Wörter  und  Silben  hatte 
lesen  können,  ist  es  dem  Terf.  geglückt,  soviel  zu  entziffern,  daß 
er  die  Znsammengehörigkeit  wenigstens  des  Blattes  67  mit  einem 
apokryphen  koptischen  Schriftstücke  feststellen  konnte,  dessen  Fund 
in  einer  zu  Kairo  befindlichen  Papyrushandschrift  Prof.  Karl  Schmidt 
(Sitzungsberichte  der  kgl.  preuß.  Akademie  1895,  S.  705)  angekün- 
digt hatte.  Dieser  bestätigte  befragt  nicht  nur  die  Identit&t  des  noch 
nicht  veröffentlichten  Textes,  sondern  hat  auch  im  Anschluß  an 
Bicks  Publikation  soeben  in  den  genannten  Sitzungsberichten  (1908» 
S.  1047  ff.)  unter  dem  Titel  ^Eine  Epistola  apostolorum  in  kop- 
tischer und  lateinischer  Überlieferung'  einzelne  Lesungen  Bicks 
nach  seinem  Texte  verbessert  und  eine  Beihe  theologisch  sowie 
literarhistorisch  interessanter  Fragen  kurz  erörtert  und  dabei  An- 
sichten des  Verf.s  berichtigt.  Das  andere  von  dem  ersten  ursprüng- 
lich wohl  durch  drei  Doppelblfttter  getrennte  Folio  (60),  das  B.  und 
Schmidt  demselben  apostolischen  Sendschreiben  zuteileita  wollen, 
ist  mit  einer  in  zwei  Handschriften  des  IX.  Jahrhunderts  Epiattda 
domini  naatri  lesu  Christi  adThomam  diaeipulum  suum  betitelten 
Schrift  nächst  verwandt,  deren  Text  teilweise  mit  60'*,  weit  mehr, 
wie  ich  demnächst  in  den  Wiener  Studien  (1908,  2.  Heft)  nach- 
weisen werde,  mit  dem  bisher  noch  sehr  lückenhaft  gelesenen  Wort- 
laote der  Bückseite  des  Palimpsestblattes  Obereinstimmt.  Den  Text 
dieses  eine  Thomasapokalypse  bietenden  Schreibens  hat  der  Straßburger 
Professor  v.  Dobscbütz  vor  neun  Jahren  gefunden  und  festgestellt 
(Theol.  Lit.-Ztg.  1908,  S.  488  f.)«  aber  noch  nicht  drucken  lassen. 
Durch  das  Entgegenkommen  des  Genannten  ist  es  möglich,  das 
von  B.  zuerst  Entzifferte  zu  berichtigen  und  nicht  unerheblich  zu 
ergänzen.  B.  gebührt  aber  das  Verdienst,  durch  seine  gerade  auf 
diesen  Blättern  recht  mühevollen  Lesungen  die  altchristliche  lateinische 
Übersetzungsliteratur  um  zwei  interessante  Bruchstücke  erweitert 
und  eine  Beihe  wichtiger  Probleme  angeregt  zu  haben. 

Im  ganzen  macht  die  Publikation  den  Eindruck,  daß  der  Verf. 
mehr  auf  die  eigentliche  Lesung  und  auf  die  geschichtliche  sowie 
paläographische  als  auf  die  philologische  Behandlung  des  Textes 
Nachdruck  legen  wollte.  Da  seine  Entzifferungen  auf  mehrere  ver- 
schiedenartige Texte  sich  erstrecken,  die  er  in  verhältnismäßig 
kurzer  Zeit  gefördert  hat,   kann  diese  erste  Probe  der  Veröffent- 


1082  W.  M,  Lindnayt  Contr.  in  Latin  min.  Mu.,  ang.  t.  TT.  Weinberger, 

lichang  von  Wiener  Palimpseiten  als  anerkennenswerte  Leistong 
begrüßt  werden.  Der  Verf.  wird  bei  seinem  großen  Eifer  gewiß  die 
FortBetznngen»  mit  denen  er  schon  begonnen  hat,  nicht  nur  philo- 
logisch,  sondern  znm  Teil  anch  pal&ographisch ^)  vollkommener 
gestalten.  Wir  wflnschen  zugleich  aufrichtig,  daß  ihm  sein  Finder- 
glück anch  weiter  treu  bleibe. 

Wien.  Edm.  Haaler. 


W.  M.  Lindsay,  ContractioDS  in  early  Latin  minuscole  Mas. 
8t.  Andrewt  ÜoiTersity  PnbUcationB  No.  V.   Oxford  1908.    54  88. 

L.  legt  die  Ergebnisse  seiner  yerdienstlichen  Samminngen  in 
zwei  Ornppen  vor,  je  nachdem  die  von  ihm  nntersnchten  alteren 
Minnskelhandschriften  irisch  oder  l[ontinental  sind,  scheidet  aber, 
wie  ich  schon  N.  phil.  Bnndsch.  1908,  8.  806  bei  einer  kurzen 
Besprechung  im  Anschluß  an  Traubes  Nomina  saera  bemerkt  habe, 
nicht  zwischen  Kontraktion,  z.  B.  d(eu)s,  und  Suspension,  z.  B. 
/(rater).  Qeht  man  nun  der  Kontraktion  nach,  so  zeigt  sich,  daß 
zwar  die  Zahl  der  Belege  vielfach  größer  ist,  z«  B.  bei  numerus; 
für  gr(atia)m  hat  L.  wenigstens  ein  irisches  Beispiel,  der  Kreis 
der  in  dieser  Weise  gekürzten  Worte  aber  sich  kaum  erweitert. 
Außer  den  bei  Traube  (8.  252 — 266)  verzeichneten  finden  sich 
(meist  in  vereinzelten  F&llen) :  ad(e)o,  f(a)€(t)a,  /(ar)ma  (in  einer 
späteren  Handschrift),  id(e)o,  imp(er€Uo)r,  m(aU)r  (vgl.  Traube 
8.  120  über  fti}ri^p),  m(odu)B  in  der  teils  in  Neapel,  teils  in 
Wien  liegenden  Qrammatikerhandschrift  aus  Bobbio,  die  auch  bei 
nomen  eine  Besonderheit  zeigt;  vgl.  übrigens  q(uo)m(od)o  und 
q(uo)m(o)do,  fq(ua)rej,  q(uip)pe,  s(ui)8;  vgl.  ms  für  fneiim,  r* 
für  tua,  ferner  die  besonderen  Kürzungsformen :  a(n)i(m)a,  g(enti)s, 
g(en)t(e)m,  h(un)c,  q(uand)o. 

Brunn.  Wilh.  Weinberger. 

Sedlmayer-Scheindlers  Lateinisches  Obangsbuch  für  die 
oberen  Klassen  der  Gymnaeien.  Vierte  Auflage  heraasgegeben  von 
Dr.  H.  8t  8edlmayer.  Wien,  F.  Tempskj  1908.  263  öS.  gr.-8*.  Pien 
geb.  2  K  64  h,  geb.  3  K  20  h. 

Schon  die  1.  Auflage  dos  Buches,  welche  im  Jahre  1895 
erschien,  wurde  von  berufener  Kritik  sehr  günstig  beurteilt  und 
die  Anlage  des  Buches  sehr  zweckm&ßig  genannt,  vgl.  diese  Zeit- 
sehr.  XL VII  (1896),  S.  29  ff.  In  der  2.  verbesserten  Auflage  (1900) 
wurden  folgende  Änderungen  vorgenommen : 

1.  Die  Anmerkungen  wurden  als  Fußnoten  unter  den  Text 
der  Übungsstücke   gesetzt.     2.  Die   grammatischen  Zitate  wurden 

*)  Es  f&Ilt  anf,  daß  W.  Traobes  Arbeiten,  die  früheren  sowie  die 
Aber  die  Nomina  sacrOf  nicht  verwertet  worden  sind.  —  Der  Druck  iit 
gat  überwacht;   doch  toll  es  8.  1,  Z.  7  Upistulae  und  Epietula  heiftes. 


Sedlmayer-Seheindkr,  LateiD.  Übangsbaeb,  aog.  ?.  J.  Eeyzlar,  1083 

ancb  auf  die  latein.  Scbulgrammatiken  ?od  Sebmidt  nnd  Schultz 
anagedehnt.  8.  Der  Text  der  ÜberaetzuDgestücke  wurde  Yielfach 
hiDBicbtlich  dea  dentachen  Anadnicka  gebeaaert.  4.  Daa  WOrter- 
Yerzeichnia  wnrde  darch  Anfnabine  von  etwa  70  nenen  Vokabeln 
erweitert.  5.  Einer  gründlichen  Beviaion  wnrde  endlich  die  Syno- 
Djmik  unterzogen  nnd  vielfach  eine  prftziaere  nnd  klarere  Scheidung 
der  Bedeutungen  der  Wörter  bergeatellt.  Neue  Stücke  wurden  nicht 
aufgenommen;  daa  minder  geeignete  Stück  1  B  58  (Die  griechiachen 
Bhapaoden)  wurde  auageschieden. 

Seither  ist  im  J.  1906  die  8.  dnrchgeaehene  nnd  im  J.  1908 
die  4.  Auflage,  die  einen  unverAnderten  Abdruck  der  8.  Auflage 
daratellt,  erachienen  —  Beweia  genug  für  die  große  Brauchbarkeit 
dea  Bnchea. 

Waa  nun  die  vorliegende  Auflage  betrifft,  ao  aei  bemerkt, 
daß  von  den  197  Stücken  dea  Buchea  über  ein  Drittel  an  die 
jeweilige  Klaaaikerlektüre  aoscbließt,  also  Variationen  zu  Liviua, 
Salluat,  Cicero  und  Taeitua  nnd  außerdem  Stücke  allgemeinen 
Inhalte  enth&It,  lauter  ethiach  wertTolle,  Qeist  nnd  Qemüt  anregende 
Stücke  in  klarer,  dem  Dentachen  nicht  widersprechenden  Daratellung. 
Die  Stücke  aind  nach  der  Erklärung  der  Ver£f.  zum  Teil  aelbst&ndig 
▼erfaßt,  zum  Teil  dentachen  Schriftstellern  entlehnt;  nur  ganz 
wenige  sind  anderen  Übungsbüchern  entnommen,  jedoch  umgear- 
beitet. Einen  Quellennachweis  bietet  wenigetena  für  einzelne  Dbunga- 
atücke  QoUing  a.  0.  S.  80. 

Die  Anmerkungen  unter  dem  Text  führen  den  Schüler 
wohl  in  jedem  einzelnen  Falle  auf  den  richtigen  latein.  Ausdruck. 
Daa  alphabetische  Wörterverzeichnis  schließt  nach  der  An- 
nicht  des  Bef.,  trotz  der  Vermehrung  der  Wörter  der  ap&teren 
Auflagen,  den  Gebrauch  einea  deutach-Iateiniachen  Wörterbuches 
in  einzelnen  Füllen  nicht  ans. 

Der  stilistische  Anhang  zeigt  bekanntlich  den  aystema- 
tiachen  Aufbau  und  die  Einübung  der  wichtigaten  atiliatisohen 
Eigentümlichkeiten  in  konzentrischen  Kreisen,  derart  auf  die 
vier  Oberklassen  verteilt,  daß  in  der  V.  Elaaae  hauptaächlich  die 
Eigentümlichkeiten  im  Qebrauche  der  Bedeteile,  in  der  VI.  Klasse 
daa  Wichtigste  über  Wort-  nnd  Satzstellung,  in  der  VII.  und  VIII. 
Klasse  die  Lehre  von  den  Tropen  und  Figuren  sowie  vom  Perioden- 
ban  vorgenommen  wird. 

Waa  achließlich  die  Eiementar-Synonymik  betrifft,  so 
enthält  diese  158  Nummern,  welche  über  daa  Wichtigate  auf  dieeem 
Gebiete  dem  Schüler  entsprechende  Aufklärung  bieten. 

Die  äußere  Auastattung  dea  Buches  ist  gefällig,  der  Druck 
korrekt.  Eine  Verbesserung  in  genealogischer  Hinsicht  möchte  der 
Bef.  empfehlen  S.  17  in  Nummer  II  in  dem  ersten  Satze  „Als 
Bomnlua  und  Bemua  auf  Befehl  ihres  grausamen  Großvatera  Amu- 
lina  auf  dem  Tiber  ausgesetzt  worden  waren  ..."*,  wo  ea  heißen 
ioll  „dea  gransamen  Bruders  ihres  Großvaters,  A.**,  da  ihr  Groß- 


1084       Ä.  Eomitter,  Latein.  Obiugibodi,  aog.  t.  J.  Keytlar. 

▼ater  nach  der  Sage  Nnmitor  war,  tind  8.  129  in  Nummer  7,  1, 
wo  Tigranes  der  Schwiegervater  des  Mithridates  statt  „Schwieger- 
sohn*' genannt  wird. 

Das  Gesamtnrteil  lautet:  Das  treffliche  Bnch  ist  allen  Fach- 
genossen sehr  zn  empfehlen. 


Lateinisches  Übungsbnch  flkr  Obergymnasien  Ton  Alois  Koroitier. 
Wien,  F.  Tempikj  1907.  252  88.  gr.-8<^.  Preis  geh.  8  K,  geb.  8  K 
50  h. 

Das  Bnch  des  rühmlich  bekannten  Heransgebers  der  Gerold- 
sehen  Klassikertexte  schließt  sich  den  genannten  älteren  bew&hrteo 
stilistischen  Büchern  von  Hanler  nnd  Sedlmajer  -  Scheindler  als 
jüngstes  würdig  an. 

Der  Gmndstock  des  Bnches  ist  im  Anschloß  an  die  jeweilige 
Klassikerlektüre  aus  dem  Lateinischen  abgefaßt.  Die  Obnngsstücke 
(117  an  Zahl)  wollen  den  Eindruck  des  Gelesenen  vertiefen,  in 
manchen  F&llen  aber  auch  berichtigen,  und  zwar  schreitet  du 
Buch  Ton  den  einfacher  gehaltenen  Stücken,  die  sich  an  den  Text 
des  Autors  (Livius)  anlehnen ,  zu  den  immer  schwereren  Stücken 
der  sp&teren  Autoren  fort,  die  mit  stets  zunehmender  Freiheit  ge- 
staltet sind.  Auf  diese  wird  stets  unter  der  Überschrift  hingewiesen. 
Daneben  wurden  noch  andere  Stücke  aufgenommen,  die  den  Ge- 
dankenkreis der  Schüler  erweitern,  ihr  Urteil  bilden  und  unrichtige 
Vorstellungen  beseitigen  sollen.  Diesem  Zwecke  dient  auch  die 
Charakteristik  einzelner  rOmischer  Schriftsteller ,  inebesondere  die 
Ciceros. 

Die  Anmerkungen  unter  dem  Texte  bieten  dort  Hilfe,  wo 
der  Schüler  der  Hilfe  bedürftig  ist,  um  eine  in  Auedmck  und 
Satzbau  dem  deutschen  Sprachgeist  gem&ß  gestaltete  Überseizungs- 
▼orlage  in  eine  durchaus  lateinische  Form  zu  kleiden,  im  Anfange 
ausführlicher,  spftter  seltener,  und  zwar  mehr  durch  Vorführung 
von  Beiepielen  aus  der  den  Schülern  bekannten  Lektüre  mis  durch 
theoretische  Anweisung. 

Das  Wörterverzeichnis  dürfte  wohl  auch  bei  Eomitzer 
den  Gebrauch  eines  deutsch-lateinischen  Wörterbuches  von  Fall  zb 
Fall  nicht  überflüssig  machen. 

Der  Stilistische  Anhang,  der  natürlich  durch  die  xahl- 
reichen  sprachlichen  und  stilistischen  Beobachtungen,  welche  in 
die  Anmerkungen  aufgenommen  wurden,  stark  entlastet  ist,  bietet 
nur  solche  stilistische  Eigentümlichkeiten,  die  sich  gruppenweist 
zusammenfassen  ließen.  Das  Hauptaugenmerk  hat  der  Verf.  daraaf 
gerichtet,  zu  einem  wirklich  latein.  Satzbau  anzuleiten,  und  zwar 
hat  auch  hier  der  Verf.  an  zahlreichen  Beispielen  die  ehank- 
teristische  Eigenart  beider  Sprachen  anschaulich  zu  machen  ge- 
sucht, besonders  die  verschiedeneu  Subordinationsverh&ltnisae  dsr 
latein.  Sprache  gegenüber  der  schlichten   deutschen  KoordinatioBt 


Borseh'Fritgehf  J.  Eftoleri  Lfit.  SlllILbttDgaii,  %ng*  f.  J.  Keytlar.  1085 

dann  die  Obeftragtin^  gewleeer  deniecfaer  EelatWiltie  ine  LaUiniicb&, 
die  BstiaDdliiDg  des  für  den  cohr  Latinum  so  wi einigen  Gebleiea 
der  lataiQ,  Wort-  und  SatzBtellüDg,  Damentlicb  die  bietorische 
Perjodd  n»  a.  m. 

Der  Drnck  let  feblerfrei,  nur  mOcbte  der  Bef.  eine  überslcbt* 
liebere  InhatUangab^  S«  250  ff*  im  iDteresBe  scbnelleren  Zürecbt- 
findena  nod  Nacfascbla^ens  der  belreffenden  Stücke  wild  sehen«  Die 
äüBere  ÄnsstatlDog  ist  aorgfältig  QDd  gefftüig«  Das  Bncb  eelbati 
daa  einem  so  wicbtigen  Teile  noaeres  LatemUDterricbtes  dienen 
solU  ist  recbt  zu  empfebleo* 

r      Dr.  Jobann  H auler s    Lateinische  Stilübungen  rar  die  oberea 
1  El&iien   der  G/mDaaiee.    d.  Aoö^gts,   neu   bearbeitet  too   Dr.  Joaef 

I  Dofacb  in  Prai?  ued   Dr.  Jaiaf  Friticb   in  Wieo.    Wien,    Verlag 

^^       TOD  A.  Holder  1007.  300  SS.  8V  Prm  geh.  2K  70  b,  geb,  SK20b. 

^B^  Das  ebenso  alte  als  bswAbrte  Haderscbe  Bneb  liegt  hier 
in  einer  npiLen  nnd,  es  sei  gleicb  gesagt,  verjängtan  Änflage 
vor,  Wäbrend  die  frabere  Auflage  aus  zwei  getrennten  Teilen  mit 
rueammen  502  Seiten  baatand,  erBcbeiaen  jetzt  beide  Teile  zn 
einam  Bande  —  nicht  zum  Nachteil  dea  Baches  —  mit  300  Seiten 
verein igtp  Der  Untarechied  in  dar  Seitenzahl  betrifft  mehr  den 
atilistiechen  als  den  teitiicban  Teilf  der  eher  bereichert  als  re- 
stringiert wurde.  Neu  aofgeuemmeti  wurden  Stücka  über  die  3>  De- 
kade des  Lifina,  ober  Cäeare  Büri^erkrieg,  über  einige  bänüg  ge- 
lesene Eadan  und  pbilosopbiecbe  Schriften  Oiceros  und  über  sp&tert 
Bücher  aus  Tacitus'  Annalen  sowie  Stücke  ans  den  Historien, 
Auch  die  Dichter lektüre  wurde  in  einzelnen  F&Ilan  zu  verwerten 
gaBücht.  Dagegen  wardan  an  dem  alten  Texte  zahlreiche  Kür^ 
Zungen  gemacht.  Inhaltlich  weist  der  Teit  der  jtdeamaligeD 
Stufe,  für  die  er  baatimmt  istp  entsprechend  die  nötige  Zahl  von 
Ühnngsslöckan  auf,  teils  im  Änschluli  an  die  Elassikerlektüret  teils 
freieren  Inhalts.  Die  gesamten  Stücks  1 — 94  lehnen  sich  gram- 
matisch au  ainzeint  Abschnitte  der  ganzen  Syntai  an,  wobei  die 
Stücke  28—36  nnd  68  —  74  der  Wiederholung  einer  größeren 
grammatischen  Partie  dienen.  Die  bezüglichen  Paragraphen  der 
Grammatik  sind  partienweise  ausgewiesen  und  auüer  den  beiden 
Sprachlehren  von  Scbeindler- Kauer  und  Schmidt- Thumser  auch 
noch  die  Sprach  buch  er  ?on  Seh  ultz-Feicb  tinger  und  ?on  Strigl  In 
den  Kreia  dar  Verweisung  mit  einbezogen «  eine  Erweiterung  j  die 
für  die  weitere  Verbreitung  dea  Buches  f  on  Vorteil  ist.  Diese  auch 
schon  in  der  früheren  Aaflaga  bestebenda  Einrichtnug  dar  Hanler* 
sehen  Bücher,  daß  nämlich  auch  dar  Stoff  des  Obergymnasiums 
znnächit  eich  baoptsachlich  nur  an  gewisse  Abschnitte  der  Gram* 
matik  anlehnt  nnd  damit  eine  sehr  wünscbens werte  Wiederholung 
der  Grammatik  begrüüdet,  ist  sehr  zo  biliigen.  Auf  der  höchsten 
Stufe  dann,    d.  i.   in  der  Oktana,    sind  Übungsstücke   am  Platze^ 


1086  Dorsch-Fritsch,  J.  Hanlen  Lat  8tilfibiiiig«D,  ang.  r.  J,  Keffdar. 

welche  die  EeontDis  des  ganzes  g^ammatiBchen  Lehratoffee  xnr 
VoraQssetzQDg  haben,  wie  es  eben  aach  in  dem  vorliegenden 
Buche  der  Fall  ist.  Die  Stflcke  von  95  bis  117  (Scblaß)  sind 
nftmlich  far  die  Wiederholung  des  ganzen  syntaktischen  LehrstolEM 
nnd  der  stilistischen  Hanptregeln  bestimmt.  —  Was  nnn  die  Ans- 
drnckeweise  betriflft,  so  weist  die  neue  Auflage  gegen  die 
frühere  einen  entschiedenen  Fortschritt  auf.  Die  AnsdrncksweiN 
ist  durchaus  eine  gute  und  keineswegs  etwa  der  lateinlaeheB 
sklavisch  folgende  zu  nennen.  Gerade  hier  haben  die  Bearbeiter 
viel  geändert  oder,  richtiger  gesagt,  ver«bessert:  von  Seite  zs 
Seite,  ja  von  Zeile  zu  Zeile  kann  man  da  die  fleißige  und  gründ- 
liche Bearbeitung  verfolgen.  Die  lange  Periodisierung  und  Ein- 
schachtelung  der  Sfttze  nach  lateinischem  Muster  ist  beseitigt,  die 
Nebensätze  sind,  der  einfachem  Stilart  im  Deutschen  entsprechend, 
vielfach  durch  Hauptsätze  ersetzt,  die  Wortstellung  ist  richtig- 
gestellt, der  Gebrauch  der  Zeiten  und  der  Arten  (Modi)  verbeseert, 
die  leidende  Form,  zu  der  das  Lateinische  hinneigt,  durch  die 
tätige  Form  (besonders  durch  ,man')  ersetzt  Die  vielen  Daß-Sätze 
des  früheren  Textes  sind  in  anderer  Weise  (besonders  durch  den 
bloßen  Inflnitiv)  wiedergegeben ;  der  Artikel  der  Eigennamen  ist 
meist  abgeschafft  usw.  Der  Ausdruck  selbst  wurde  vielfach  durch 
einen  treffenderen  ersetzt,  der  bildliche  Ausdruck  mit  Geschick  Ter- 
wendet  —  Eine  durchgreifende  Änderung  wurde  nach  dem  Mneter 
der  neueren  Auflagen  der  Kasus-  und  Moduslehre  in  der  Ein- 
richtung der  „Vorübungen*  vorgenommen,  u.  zw.  in  der  Weise, 
daß  die  dort  aufgespeicherten  Hilfen  dem  Schüler  geboten  werden 
1.  in  Form  von  Fußnoten  unter  dem  deutschen  Texte,  2.  duck 
ein  alphabetisch  geordnetes  Wörterverzeichnis  und  8.  durch 
einen  Anhang  mit  stilistischen  und  synonymisch-phraseologischeo 
Bemerkungen.  Die  Faßnoten  unter  dem  deutschen  Texte  auf  jeder 
Seite  ermöglichen  dem  Schüler  ein  rascheres  Übersetzen,  als  ee  bei 
dem  Gebrauch  der  älteren  Auflage  mOglich  war.  Was  nun  das 
Wörterverzeichnis,  das  mit  großem  Fleiße  gearbeitet  ist  anlangt 
so  ist  schon  die  Aufnahme  eines  solchen  in  das  Buch  (in  d« 
alten  Auflage  fehlt  es  bekanntlich)  an  und  für  sich  ein  nicht  zu 
unterschätzender  Vorteil.  Es  ist  bei  seinen  65  Seiten  natArlich 
nicht  ausreichend,  will  es  auch  nicht  sein,  „damit  der  Schüler 
der  obersten  Klassen  nicht  des  Zwanges  überhoben  werde,  über 
die  Übersetzung  einzelner  WOrter  und  Wendungen  etwas  nachzu- 
denken'' (s.  das  Begleitwort),  dürfte  aber  den  Schüler  sieht  eß 
im  Stiche  lassen.  Was  endlich  den  Anhang  betrifft,  so  beetekt 
dieser  aus  zwei  Teilen:  I.  den  stilistischen  nnd  n.  den  synonj- 
mischen  und  phraseologischen  Bemerkungen.  Daß  man  diese  jetxt 
geordnet  vorfindet,  während  sie  in  der  früheren  Auflage  an  t«- 
schiedenen  Stellen  verstreut  waren,  erscheint  natürlich  als  eiB 
großer  Gewinn.  Da  diese  Bemerkungen  nur  eine  mäßige  Erweite- 
rung des  Anhanges   in  J.  Haulers  ^Aufgaben   zur  Einübung  der 


Dorsch-Fritschf  J.  Haoleri  Lat  StilttboDgen,  ang.  v.  J.  Keyzlar,  1087 

lateiniBcben  Syntax^  darstelleo,  so  mag  der  Satz  in  dem  Begleit- 
worte, „daß  der  Schäler,  der  die  Hanlerschen  Bacher   bereite  im 
Untergymnasiam    benfitzt  hat,    sich   in   dem  vorliegeoden    sofort 
beimisch    fflhlen    wird*',    seine  Btchtigkeit    haben.     Aas   diesem 
Grande,    eben   weil  die  Bem^rkangen   in  gleicher  oder  nar  wenig 
erweiterter  Form   sich  in  den  bekannten  Hanlerschen  Bachern   fflr 
das  Untergymnasiam  vorfinden,  ist  der  Ref.  der  Aafgabe  fiberhoben, 
hier  darüber  eigens  za  referieren.    Doch  mOgen  ihm  einige  Worte 
gestattet  sein.  Was  zanächst  den  Umfang  des  Anhanges  betrifft, 
80   sind  viele  Bemerkangen   der  alten  Aaflage    weggefallen.     Mit 
Bechtl     Denn  die  Zeit  fflr  die  stilistischen  Übangen    ist  so  knrz 
bemessen,  daß  die  Notwendigkeit,  die  lateinischen  S&tze  der  „Vor- 
übongen^   darchznarbeiten ,    als   ein  Hemmnis  empfanden  werden 
maßte   and   das  am  so  mehr,    als   diese  Sfttze  absichtlich  nicht, 
dem  betreffenden  Texte  entsprechend,  geordnet  mit  diesem  gleichen 
Schritt  hielten,  sondern  ein  Darcheinander  bildeten,  darch  das  sich 
der  Schfiler   erst  darcharbeiten  maßte.    Es  ist  also   nar    als  ein 
glücklicher  Griff  zo  begrüßen,  daß  die  Bearbeiter  mit  dieser  Ein- 
richtang  der  alten  Auflage  gebrochen  and  die  dort  aafgespeicherten 
Hilfen  in  anderer  Form  geboten  haben.  Es  lag  nan  natürlich  nahe, 
daß  sie,  am  den  Charakter  des  Hanlerschen  Baches  aach  in  dieser 
Beziehang  za  wahren,  die  Stilöbangen  für  das  Obergymnasiam  in 
ihrer  Anlage  Hanlers  Lehrbüchern   fflr  das  Untergymnasiam   ange- 
paßt haben.    Bieten  ja  letztere   für  diese  Stafe  stilistisches  Mate- 
rial fast  za  viel  and  reicht  es,   znmal  in  der  erwähnten  Erweite- 
rasg,  aach  für  das  Obergymnasiam  vollkommen  aas.    Da  infolge- 
dessen   eine  Anzahl   von  Sfttzen   des  alten  Anhanges  wegfiel   and 
Tiele  bei  der  alten  Auflage  notwendige  Wiederholongen  vermieden 
wurden,  wofür  dann  die  Fußnoten  anter  dem  deutschen  Texte,  das 
Wörterverzeichnis  und  der  verhältnismäßig  kurze  neue  Anhang  ein- 
traten,   erklärt  sich  die  auffallende  Differenz  in  quantitativer  Be- 
ziehang zwischen  den  „Vorübongen"   der  alten  Auflage  (208  SS.) 
und  dem  Anhange  der  neuen  (61  SS.).   Die  Zeit  verlangt  eben  ihr 
Becht  und  war  auch  für  die  frühere  Epoche  das  Buch  in  der  frü- 
heren Auflage  am  Platz,  für  die  jetzige  Zeit  taugt  diese  gewiß  sehr 
schön  gedachte  Anlage  nicht  mehr.     Was  nun  die  Methode  des 
Anhanges  betrifft,    so  zerfällt  letzterer   in   zwei  Abschnitte.     Im 
I.  Abschnitte  Nr.  1 — 118  behandelt  das  Haulersche  Lehrboch  1.  die 
Nomina,  2.  Verba,  8.  Adverbia  und  Präpositionen,  4.  koord.  Eon- 
janktionen  und  Negationen  nach  der  stilistischen  Seite  hin,  woran 
sich  dann  5.  die  Wortstellung  und  der  Satzban  ond  endlich  6.  die 
Figuren  und  die  Tropen  anschließen.  Im  II.  Abschnitt  Nr.  114  bis 
198  wird  eine  Anzahl  von  Ausdrücken  an  der  Hand  von  Beispielen 
nach  der  synonym.-phraseologischen  Seite  hin  besprochen.  Die  bei- 
gefügte  Quantitätsbezeichnung   nnd   die  Verweisung  auf  das  Grie- 
chische sind   im  Interesse  der  richtigen  Aussprache   nnd  des  bes- 
seren Verständnisses   nur  zu  loben.     Die  äußere  Ausstattung  des 
Buches  ist  sehr  geschmackvoll,    der  Druck  korrekt  und  fehlerfrei. 


1088         Ä.  Komitger,  Lttetn.  ÜboDgibaefa,  «ig.  t.  J.  Endi. 

Da  das  Buch  seine  alten  Vorzfige  bewahrt  hat  nnd  dnrcb  die 
Angleichnng  an  die  Bändehen  ffirs  Untergymnasinm  sowie  durch 
eine  hOchst  grfindliche  nnd  sorgfältige  Feile  gewonnen  bat,  so 
steht  zn  erwarten,  daß  es  sich  anch  in  seiner  neuen  Gestalt  zur 
Lösung  der  Aufgaben  des  Lateinnnterrichtes  forderlich  erweisen  wird. 

Wien.  J.  Eeyzlar. 


Von  anderer  Seite  werden  die  lateinischen  Übungabfieher 
Eornitzers  und  Sedlmayer-Scheindlers  folgendermafien  be- 
gutachtet: 

I.  Obwohl  7on  vielen  gegen  das  Lateinische  am  Gymnasium 
gekämpft  wird  und  die  Beform  vor  der  Tflr  steht,  erscheinen  doch 
immer  wieder  neue  Übungsbficber  zum  Übersetzen  ins  Lateinisefae 
für  das  Obergymnasium.  In  Österreich  TerOfföntlichte  Strauch  1894 
sein  Buch  „Der  lateinische  Stil**,  1895  gaben  Hintner  und  Neu- 
bauer ihre  Sammlung  von  Obungsstflcken  heraus,  dasselbe  Jahr 
brachte  das  lateinische  Übungsbuch  von  Sedlmayer  und  Scheindler. 
1907  erschien  das  Übungsbuch  von  Komitzer.  Wenn  man  diese 
Bächer  mit  denen  im  Deutschen  Reich,  z.  B.  mit  der  neuen  Be- 
arbeitung der  Ostermannschen  Übungsbücher  von  Müller  Tergleicht, 
so  ergibt  sich  ein  Unterschied :  unsere  neuen  Übungsbücher  werden 
immer  schwerer,  stellen  immer  grOßere  Anforderungen. 

Das  Übungsbuch  von  Komitzer  hat  dieselbe  Einrichtung  wie  das 
von  Sedlmayer-Scheindler.  Schon  darin  zeigt  sich  die  Ähnlichkeit» 
daß  man  vergebens  nach  einer  Angabe  sucht,  an  welche  gram- 
matische Partien  der  fünften  und  sechsten  Klasse  die  Stücke  an- 
gelehnt sind,  es  ist  auch  kein  Unterschied  zwischen  solchen  und 
freien  Aufgaben  gemacht.  Und  doch  verlangen  die  Instruktionen, 
daß  „in  der  Begel  wöchentlich  einmal  im  Anschluß  an  jene 
Partie  der  Syntax,  welche  unmittelbar  vorher  wiederholt  und  er- 
weitert wurde,  ein  Stück  aus  dem  eingeführten  lateinisch- 
deutschen  Übungsbuch  zur  schriftlichen  Präparation**  aufgegeben 
werde. 

K.  zeigt  das  Streben,  den  Schüler  in  das  Lateinschreiben 
einzuführen,  ihn  zu  einem  guten  Stil  anzuleiten.  Viele  Anmerkungen 
und  der  Anhang  beweisen  dies.  Er  macht  fleißig  auf  den  Unter- 
schied des  Lateinischen  und  Deutschen  aufmerksam.  Aber  hier 
geht  er  meines  Erachtens  bisweilen  zu  weit  Denn  er  hat  sich 
eine  Reihe  von  Erscheinungen  der  Grammatik  und  Stilistik  aas- 
gesucht,  wo  er  den  Unterschied  hineinlegt,  wo  aber  das  Dentsehe 
mit  dem  Lateinischen  sonst  übereingestimmt  werden  kann;  oder 
er  legt  auf  Dinge  Nachdruck,  die  nicht  sonderlich  nütig  sind. 
Dabei  gerät  K.  in  die  Gefahr,  in  Manier  zu  verfallen.  Dahin  ge- 
boren 1.  phraseologische  Ausdrücke,  2.  deutsche  Belaüvsätze,  die 
im  Lateinischen   durch   eine   andere  Art   der  Nebensätze   wieder- 


Ä.  Komitger,  Latein.  ÜbnngBbncb,  tng.  v.  «7.  ündt         108b 

zngebeB  slDd,  8.  im .  Lateinischen  ein  Folgesatz  ffir  eine  andere 
deutsche  Wendung.  Einige  Beispiele  hieffir:  Zu  1.  Stück  5  8) 
mniSten  heimkehren,  7  II  4)  mußten  sehen,  18  mußte  nehmen, 
15  I  mußte  sterben,  7  II  dem  Horazier  nun  mußte  vor  allem 
daran  gelegen  sein,  8)  mir  muß  daran  gelegen  sein  mea  inierest, 
10  I  2)  mfissen  flächten,  115)  beizumischen  weiß,  12)  und  sie 
wußte  auch  wirklieh  zu  fiberreden,  10  I  wußte  zu  fiberreden,  15 
n  wußte  zu  fiberreden  usw.  Fast  sieht  es  aus,  als  ob  man  „fiber- 
reden *"  ohne  „wissen  **  nicht  gebrauchen  könnte. 

Gern  verwendet  E.  das  Wort  „wirklich*'  als  phraseologische 
Beigabe:  8  II  17),  5  8),  18,  17  H  (zweimal),  22  II,  60  I,  61 
n,  68  (zweimal).  Dieses  Lieblingswort  ist  vielfach  doch  nichts 
anderes  als  ein  Flickwort,  wie  auch  nun,  denn  auch,  eben. 
Doch,  erst.  Hieher  mOchte  ich  auch  die  phraseologischen  £e- 
latlvsfttze  ziehen,  so  22  n  Der  Aufenthalt  also  (war  es,  den)  ^') 
Hannibal  fürchtete,  nicht  der  Kampf;  A.  12:  fibs.  ^den  Aufent- 
h(alt),  nicht  den  E(ampf)  ffirchtete  H^anniba))'.  Ja,  warum  steht 
das  nicht  gleich  im  Texte?  44  III  der  Konsul  Cicero  selbst  (war 
•8,  der)  ihn  verteidigte.  Hier  ist  doch  das  einfachere  .der  Konsul 
Cicero  selbst  verteidigte  ihn**  zugleich  schöner.  67  E  Und  nicht 
durch  Kampf  wurde  dieser  Feind  zurfickgewiesen,  sondern  Gold 
(war  es,  das)  ihn  zum  Abzug  bewog.  107  U  Und  nicht  eben 
lange  (währte  es,  da)  *)  traten  ....  Mißhelligkeiten  ein ;  A.  8 : 
übe.  'nicht  gar  lange  danach  (it^  ita  muUö  post)  traten  . . .  ein'. 
Diese  Anmerkung  hätte  erspart  werden  können,  wenn  der  Text 
einfach  w&re.  Und  non  iia  muUo  post  sollten  Oktavaner  denn  doch 
kennen  I 

Zu  2  vgL:   2  II  bei  Latinus,  der  ^*)  aus  der  Unterredung 

erfuhr:    ^*)  Temporalsatz Hier   könnte   es    im    Deutschen 

heißen:  Jedenfalls  aber  sei  bei  Latinus  plötzlich  eine  vollständige 
Sinnesänderung  eingetreten,  als  er  aus  der  Unterredung  erfuhr. 
3  I  der  8)  cum.  7  U  7  (§  16,  2).  8  n  2),  10  I  7),  14  U  11), 
15  II  11),  15  III  5)  usw.  Doch  alle  diese  Anmerkungen  und 
den  §  16,  2  im  Anhang  hätte  K.  ruhig  weglassen  können,  wenn 
er  die  fehlerhaften  Belativsätze  nicht  geschrieben  hätte.  K.  hat 
in  den  angeführten  Fällen  einen  Belativsat^  statt  eines  anderen 
Nebensatzes  öder  eines  Hauptsatzes  gebraucht  Sein  §  16,  2  ge- 
hört^ in  die  deutsche  Stilistik,  dort  ist  vor.solcl^en  Beiativsätzen 
zn  warnen.  Vgl.  6.  Wustmann,  Allerhand  Sprachdummheiten*, 
S.  129  f.  . 

Zu  8  ^.:  1  11.16),  8  II  15),  5  I  2),  wo  auch  noch  eine 
andere  Art  des  Satzbaues  vorgeschlagen  wird.  6  II  10),  8  I  16), 
8  n  18).  10  n  8),  12  17). 

Eine  tiig^ntfimlichkeii  des  Übungsbuches  yon  K.  bilden  die 
Anmerkungen  ober  Finalsätze.  15  II  Di^  ruchlose  Tnllia.. .. 
trieb  ihren  Oatten  an,  sich  ...  des.  Thrqnes  zu  bemächtigen; 
sonst  ^')  wfirden  die  frfiher   verfibten  Verbrechen   völlig  zweck- 

Z^tMkiifl  f.  d.  teterr.  Otbb.  1S08.  XU.  Htft  69 


1090  Ä.  KomiUer,  Latein.  Übnogsbaeh,  ang.  v.  J.  Endt 

ld8  sein;  A.  12  übs.  ^damit  nicht  ...\  vgl.  g  14,  2  c;  ähnlich 
36  II  7),  53  n  6).  Ferner  8  II  er  wollte  nämlich,  daß  «) 
auch  die  Feinde  es  hören  sollten;  A.  6:  *er  wollte  n&mlich,  daä' 
einfach  dnrch  tU  finale;  vgl.  %  14,  2  c.  In  diesen  Dingen  weicht 
E.  vom  allgemeinen  Brauch  stark  ab. 

Es  sieht  wohl  sehr  schOn  ans,  wenn  die  Qymnasiasten  Ans. 
drücke  fibersetzen  kOnnen  wie:  der  historische  Cato  88  A.  15, 
antike  Naivität  75   HL  A.   6,    der  phantastische  Schwärmer    100 

I  A.  1,  intellektueller  Urheber  14  I  A.  1,  republikanisches  Begi- 
ment  100  I  A.  12.  Aber  die  Sache  verliert  sehr  viel  von  ihrem 
Glanz,  wenn  man  bemerkt,  daß  fiberall  Anmerkungen  notwendig 
sind,  die  die  Übersetzungen  geben.  Ebenso  steht  es  mit  dto 
meisten  Fremdwörtern,  die  E.  in  großer  Zahl  gebraucht:  81  m 
Eonsequenz,  81  IV  Energie,  106  I  Ideal,  95  III  Interesse,  45  I 
Skrupel,  45  II  Bankerott,  70  I  protestierte  energisch,  72  m  Tort 
72  m  Eorrektur,  108  I  parodox,  87  n  Eommission,  109  n 
Eorruption,  87  I  korrupt,  109  II  Situation,  80  II  Individuen, 
30  I  Sympathie,  7  I  Patriotismus,  45  I,  moralische,  45  II 
Elemente,  109  n  Detail.  Sicher  wären  bei  gutem  Willen 
viele  dieser  Fremdlinge  durch  gute  deutsche  Wörter  zu  ersetzen 
gewesen.  Was  gewinnt  der  Schfiler  davon,  wenn  er  die  meieten 
dieser  Fremdwörter  in  den  Anmerkungen  fibersetzt  findet?    Zu  45 

II  „Bankerott  seines  Vermögens''  mag  dem  Verf.  wohl  „Zusammen- 
bruch, Verlust  seines  Vermögens''  vorgeschwebt  haben,  da  bloßes 
„Bankerott**  genflgt.  „Wundern  muß  man  sich**,  sagt  Wastmann  in 
seinem  genannten  Buch  S.  410,  ^^a&  die  Männer  der  Wissen- 
schaft, bei  denen  man  doch  die  größte  Einsicht  voraussetzen  sollte, 
fast  alle  noch  in  dem  Wahne  befangen  sind,  daß  sie  durch  Fremd- 
wörter ihrer  Sache  Glanz  und  Bedeutung  geben  können**.  Femer 
muß  noch  gesagt  werden,  daß  E.  mit  seinen  Fremdwörtern  dem 
Lehrer  der  deutschen  Sprache  entgegenarbeitet.  Denn  dieser  ist  be- 
strebt, unnötige  Fremdwörter  fernzuhalten. 

Für  die  Übersetzung  aus  dem  Lateinischen  ins  Deutsche 
gilt  heute  noch  der  Satz:  „Übersetze  wörtlich,  soweit  es  möglich 
ist,  übersetze  frei,  soweit  es  nötig  ist"*.  Dieser  Satz  läßt  steh 
auch  für  die  Übersetzung  ins  Lateinische  aufstellen.  Sehen  wir 
uns  15  in  (Schluß)  an:  „die  den  griechischen  Tragikern  so  oft 
als  Stoff  ffir  ihre  Tragödien  gedient  hatten  i^)**.  A.  17  beißt  ee: 
„Obs.  'die'  (beachte  die  EongrnenzI)  die  griech^ischen^  Tragiker 
(poetae  iragici  oder  tragoediärum  scriptores)  so  oft  (Superlat)  als 
Stoff  ffir  ihre  Tragödien  benutzt  hatten'  (fäbulärum  argüme$tiö 
üit)^.  Dieser  Grundsatz  ist  also  hier  unnötig  außer  acht  gelassen 
worden.  Man  setze  den  deutschen  Satz  der  Anmerkung  (mit  der 
Änderung  „Stficko**  statt  „Tragödien**)  in  den  Text  und  die  An- 
merkung uba.  fällt  weg.  Beispiele  dieser  Art  ließen  sich  sehr  viele 
bringen,  doch  sehe  ich  davon  ab.  Eine  Bemerkung  will  ich  indes 


Ä.  Kamiieer,  Latein.  Übangibnoh,  ang.  t.  Jl  Endi.  1091 

aoschließen.  Wenn  die  Schftler  sehen,  daß  das  Obnogsbnch  es  mit 
seinem  Text  nicht  vOUig  ernst  nimmt,  dann  werden  sie  auf  diese 
Weise  leicht  zur  Meinung  veranlaßt,  daß  man  alles  fibersetzen 
kann,  wie  man  will. 

E.  stellt  durch  seinen  Stil  und  sein  Streben,  den  deutschen 
Text  von  der  latein.  Übersetzung,  die  er  selbst  wünscht,  weit  zu 
entfernen,  große  Anforderungen,  die  er  freilich  durch  Anmerkungen 
beseitiget.  Dadurch  ist  in  vielen  Fällen  dem  Schaler  das  Nach- 
denken erspart.  Daneben  werden  in  den  Anmerkungen  Hilfen  ge- 
boten, die  meines  Erachtens  einfache  Sachen  sind,  daher  dem 
Schüler  bekannt  sein  sollen.  1  I  in  *)  der  Front  und  im  *) 
fificken:  A.  *)  a,  ebenso  in  8  II  ^*);  1  II  jenem  früheren  Rufe  näm- 
lich von  ^*)  einer  ganz  außerordentlichen  Tapferkeit:  ^^)  Qenetiv. 
Der  Genetivus  obieetivus  ist  doch  einem  Quintaner  oftmals  vor- 
gekommen ;  er  lernt  zugleich,  daß  er  im  Deutschen  durch  einen  Prä- 
positionalausdruck  gegeben  wird.  Freilich  versucht  jetzt  die  Papier- 
sprache auch  den  subjektiven  Genetiv  so  auszudrücken  unter  Be- 
nützung des  schonen  Wortes  „seitens*',  das  man  auch  bei  E. 
liest :  49  II  Angriffe  seitens  der  Volkspartei.  —  5  Sie  kehrten  daher 
nach  Hanse  ^*)  zurück:  '')  Plural.  6  I  Von  (ihrem)  glühenden 
Verlangen.  2  I  (auf)  den  Schultern  . .  retten.  1  I  (Nur)  vereinzelt. 
7  II  (nur)  einer,  7  II  (nur  mehr)  einer,  10  I  der  reiche  ^) 
Lucumo;  ^)  Snperl.,  füge  hämo  bei.  10  1  mit  der  vornehmen  ^)  Tana- 
quil:  ^)  füge  femina  bei.  15  II  mit  dem  sanften  ^)  Arruns :  *)  füge 
iuvenia  ein.  15  II  die  ruchlose  ^®)  Tullia:  ^®)  füge  mulier  ein. 
16  I  Das  benachbarte  ^)  Gabii:  ^)  füge  urba  ein.  37  II  unter  *) 
vielen  Tränen:  *)  cum;  doch  vgl.  Caes  b.  0.  I  20,  1  muUis 
cum  laerimia.  22  II  zwei  Drittel  *•) :  *•)  duae  partes;  vgl. 
Oaes.  b.  Q.  I  12,  2  tres  partes.  Ebenso  in  späteren  Stücken: 
62  jener  Teil  der  Bosciana,  (in)  welchem  Cicero  den  Nachweis 
führt.  63  wie  Cicero  . . .  (an)  einem  schlagenden  Beispiel  zeigt. 
Septimaner  sollten  doch  den  instrumentalen  Ablativ  kennen. 

Hie  und  da  stellt  E.  die  Schüler  stark  auf  die  Probe;  doch 
gibt  er  schnell  eine  Anmerkung,  um  sie  zu  der  Übersetzung  an- 
zuleiten, die  er  wünscht.  Dabei  dürfte  m.  E.  nur  erzielt  werden, 
daß  sie  schwankend  werden.  S.  62  wird  Caes.  B.  0.  I  26  zitiert: 
diu  cum  esset  pugnatum,  castris  nastri  patiti  sunt;  die  Übersetzung 
wird  dazu  gegeben:  „lang  währte  der  Eampf,  bis  endlich*.  So 
umgeht  E.  das  cum  dem  „bis  endlich'*  zuliebe.  Aber  es  heißt 
doch  einfach :  nach  einem  langen  Eampfe  bemächtigten  sich  die 
ünsrigen  des  Lagers.  Somit  ist  auch  im  Deutschen  die  Einnahme 
des  Lagers  Hauptsache  und  als  Hauptsatz  ausgedrückt.  In  dem 
Übungsstoff  für  die  sechste  Elasse  finde  ich  noch  41  ^*)  und 
49  I  *)  das  Wort  „bis"'  in  Stücken  im  Anschluß  an  die  Lektüre 
der  Elasse,  aber  beidemale  ist  auf  S.  62,  40  II,  A.  7  verwiesen. 
Es  findet  sich  also  bei  E.  keine  Gelegenheit,  dum  =  bis  zu  ver- 

69* 


1092  Ä.  Komitzer,  Ltteio«  ÜboDgsbneb,  ang.  v.  J.  ündL 

werten^).  Und  doch  ist  dum  in  seinen  Bedeutungen  und  Eon- 
stroktionen  in  der  sechsten  Klasse  zu  wiederholen  nnd,  nebenbei 
bemerkt,  schwierig.  E.  läßt  hier  die  Eonzentration  des  Unter* 
richte  mit  Unrecht  bei  Seite.  Und  so  sncbt  man  anch  für  andere 
grammatische  Gesetze  bei  E.  umsonst  nach  Beispielen. 

Im  deutschen  Ausdruck  ist  manches  verbesserungsbedürftig, 
80  die  schleppenden  Ausdrücke,  wie:  den  gegen  sein  Leben  ge- 
richteten tückischen  Anschlag  (45  I)  statt:  den  tückischen  An- 
schlag gegen  sein  Leben.  45  I  den  von  altem  Adel  stammenden 
Mann,  st. :  den  Mann  von  altem  Adel.  42  IV  mit  einer  aus  Reitern 
und  Fußvolk  (bestehenden)  Bedeckung:  mit  einer  Bedeckung  von 
Beitern  und  Fußvolk.  106  I  bis  zu  seinem  im  Jahre  23  nach 
Chr.  erfolgtem  Tode:  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  28  nach  Chr. 
60  I  die  Verteidigung  des  unter  falscher  Anklage  des  Vatermordes 
stehenden  jungen  Boscius  u.  a. 

Dann  erwähne  ich  noch  das  berührte  Modewort  i,  seitens'*, 
so  beim  Zeitwort  „drohen''  6  I  und  17  I  *),  jedesmal  durch 
aß)  fibersetzt  In  einem  Schulbuch  sollte  femer  der  Ausdruck  der 
Eanzleisprache  „beziehungsweise''  nicht  gebraucht  werden.  E.  ver- 
wendet meist  die  Abkürzung  bezw.  (S.  8)  oder  bzw.   (S.  9,   81). 

In  den  Anmerkungen  wird  gelegentlich  in  sp&teren  Stücken 
die  Übersetzung  eines  Ausdruckes  kurz  gegeben,  w&hrend  in 
früheren  dies  nicht  geschieht:  9  A.  2:  nicht  s«/  19  IV  A.  1: 
nicht  8i;  Venu'  hier  =  Vas  das  betrifft,  daß*,  vgl.  quod  Affa- 
ntemnonem  me  aemtdari  putaa,  faUeria  (Nep.  Epam.  5).  80  n 
A.  2:  quod.  Warum  hat  es  der  Sextaner  bequemer  als  der 
Quintaner? 

Manche  Anmerkung  könnte  einfacher  sein,  so  64  II  der  . . 
Wunder  der  Tapferkeit  verrichtete  [und]  ^^);  Anm.  10:  übs. 
^nachdem  er  W(under)  d^er)  Tapf^erkeit)  verrichtet  hatte'  (= 
eine  unglaubl(iche)  Tapf(erkeit)  bewiesen  blatte),  vgl.  §  14,  1. 
Hier  hätte  genügt  ^eine  unglaubliche  Tapferkeit  beweisen*.  Denn 
die  Bedeutung  der  eckigen  Elammer  ist  in  den  , Vorbemerkungen* 
(Punkt  2)  S.  3  erklärt;  ebenso  ist  es  überflüssig  auf  §  14,  1  zu 
verweisen.  88  Anm.  15  übs.  ^als  C^ato),  wie  geschichtl^ich^  be- 
glaubigt ist,  hi8tariae  ßde  camprobari,  (wird  verb,  reg.)  '(wirklich) 
besessen';  Virkliph*  durch  Tonstellung  das  Präd.  (esss  in)  auszu- 
drücken; vgl.  g  10*.  Hier  muß  sich  der  Schüler  erst  durcharbeiten; 
das  kommt  daher»  weil  E.  den  Text  ohne  Not  zu  wejt  vom 
Lateinischen  entfernt  und  noch  verschiedene  Hilfen  gibt  Ähnlich 
80  II  Auch  anderen  römischen  Schriftstellern  sind  derartige  Ur- 
teile nicht  fremd  ^);  Anm.  1:  übs.  *auch  bei  and(eren) 
r(ümischen)  Schr^iftstellem)   findet  man  d^erartlge)   Drt(eile)'. 


>)  Die  InstraktioneD',  S.  66  verlangen:  ^In  der  V.  and  VI.  EIsm« 
soll  die  Easoa-,  Modus-  und  Tempoilehre  auf  diese  (angegebeae)  Art 
wiederholt,  erweitert,  vertieft  und  praktisch  eingeflbt  werden". 


C.  f>.  Erau9,  Der  hl.  Georg  Beiobots  Ton  Dorne,  ang.  t.  A.  WaXlner.  1093 

44  m  daß  TOD  einem  Becbte  des  Eoneiils  . .  gar  nicht  die  Bede 
sein  kann  ^%  Anm.  16:  übe.:  Maß  es  keineswegs  dem  Konsul 
gesetzlich  {per  leges)  erlaubt  gew(e8en)  B(ei)\ 

Das  Streben  K.s,  ein  gefUlliges  Deutsch  zu  schreiben  und 
den  Schäler  in  den  lateinischen  Stil  einzuführen,  erkenne  ich  toU- 
kommen  an.  Doch  hat  er  m.  E.  einen  unrichtigen  Weg  einge- 
schlagen, um  sein  Ziel  zu  erreichen.  Sein  Buch  w&re  gut,  wenn  er 
mehr  mit  der  Wirklichkeit  gerechnet  hätte,  daß  in  der  Quinta  und 
Sexta  fünfzehn-  und  sechzehnjährige  Schaler  sitzen,  die  sein  Buch 
benutzen  sollen,  nicht  aber  Mitglieder  eines  lateinischen  Proseminars 
der  Universität,  denen  man  beliebige  Aasdrdcke  zum  Übersetzen 
vorlegen  kann. 

Der  Druck  ist  deutlich  und  gut  flberwacht.  Druckfehler  sind 
selten.  Nur  die  Abkürzungen  in  den  Anmerkungen  sollten  nicht 
in  solchem  Umfange  angewendet  werden.  Sie  sehen  häßlich  aus 
und  erschweren  das  rasche  Erfassen,  was  beim  Übersetzen  aus  dem 
Stegreif  mißlich  ist. 

II.  Über  Sedlmayer-Scheindlers  Übungsbuch  kann  ich 
mich  deshalb  kürzer  fassen,  weil  die  erste  Auflage  in  dieser  Zeitschrift 
im  Jahrgange  1896,  S.  29  ff.  von  Golling  besprochen  wurde,  die 
zweite  von  Gschwind  (1901,  S.  404  ff.).  Die  vierte  unterscheidet 
sich  äußerlich  wie  die  dritte  dadurch  von  den  früheren,  daß  das 
Buch  einheitlich  und  nicht  mehr  in  zwei  getrennten  Teilen  ge- 
bunden ist.  Im  Text  ist  hie  und  da  gegenüber  der  dritten  Auf- 
lage geändert,  S.  10,  11  in  Bom  eingingen  (früher:  nach  Bom 
gebracht  wurden).  Die  Anmerkungen  sind  bisweilen  vermehrt,  so 
S.  10,  7),  11,  10),  69,  2),  98,  7);  manche  erhielten  eine  andere 
Fassung  und  wurden  erweitert,  z.  B.  17,  3),  115,  4).  Im  Wörter- 
buch kamen  neue  Vokabeln  hinzu;  sie  füllen  gerade  eine  Seite 
mehr  als  in  der  dritten  Auflage.  Endlich  sind  manche  Wörter  um 
neue  Übersetzungen  bereichert  worden. 

Smichow.  Johann  Endt. 


Der  heilige  Georg  Reinbots  von  Durne.  Nach  sämtlichen  Hand- 
schriften  herausgegeben  von  Carl  ▼.  Kraus  (Germanische  Bibliothek. 
Dritte  Abteilung :  Altdeoticbe  Texte,  heraosi^egeben  von  C.  ▼.  Kraus 
nnd  K.  Zwiersina*.  Heidelberg  1907,  Carl  Winters  Univeraitäts-Bach- 
handlnng.  LXXIIY  nnd  808  SS.  Preis  10  Mk. 

Beinbots  Legende  gehOrt  der  Epigonendichtung  des  XIII.  Jahr- 
hunderts an.  Sein  n&chstes  Vorbild  ist  Wolfram,  den  er  —  zuweilen 
geschickt,  meist  aber  ungeschickt  —  in  Äußerlichkeiten  nachahmt; 
denn  seines  Geistes  hat  er  keinen  Hauch  verspürt.  Seine  Quelle 
erhielt  Beinbot  von  Herzog  Otto  von  Baiern.  Die  Parallele  mit 
dem  Willebalm  (34  if.)  ließe  an  eine  französische  Georgsdichtung 
denken;   auch   der  Name   von   Georgs  Schreiber  Ritschart  (3274), 


1094  C,  V.  Kraus,  Der  fal.  Georg  Bemboti  von  Dorne,  ang.  v.  A.  Waüner 

die  französische  Herkunft  der  Kaiserin  Alexandrina  (1824,  2512) 
legen  dies  nahe'),  w&hrend  gegen  eine  lateinische  Vorlage  der 
Vokativ  Erculetn  (1965)  und  der  Nominativ  Satumd  (4492)  sprechen. 
Dennoch  lehnt  v.  Kraus  die  Annahme  einer  französischen  Vorlage 
ab  (Einleit.  LXXHV). 

Herausgegeben  wurde  das  Gedicht  1808  von  F.  H.  von  der 
Hagen  (nach  einer  einzigen  Handschrift),  1896  von  Vetter  (in 
recht  unkritischer  Weise).  Die  vorliegende  Ausgabe  wird  schon 
durch  den  Prospekt  der  German.  Bibliothek,  deren  dritte  Abteilung 
sie  eröffnet,  als  'kritische  Bearbeitung  nach  sämtlichen  Handschriften, 
mit  Interpunktion  nach  Lachmann'  angekflndigt  und  der  Heraus- 
geber bezeichnet  im  Vorwort  als  sein  Ziel:  *  alles  aus  den  Hand- 
schriften herauszuholen,  was  sich  bei  Anwendung  der  philologiechen 
Hilfsmittel  von  Wort  zu  Wort  als  ursprfinglich  erweisen  Iftßt,  und 
nichts  im  Text  zu  dulden,  was  gegen  die  Sprache  und  Art  des 
Dichters,  soweit  sie  mit  Sicherheit  oder  hoher  Wahrscheinlichkeit 
zu  erkennen  sind,  verstößt*.  Es  soll  gleich  hier  erklftrt  werden» 
daß  das  Buch  die  hochgespannten  Erwartungen,  die  man  an  einen 
Editor  wie  Carl  v.  Kraus  stellen  darf,  in  keiner  Weise  entt&uscht : 
fast  in  jeder  Hinsicht  ist  die  Ausgabe  vorbildlich. 

Der  hl.  Georg  (6134  Verse)  ist  in  drei  vollständigen  Hand- 
schriften fiberliefert:  der  Wiener  (W)  vom  J.  1376,  der  Berliner 
(B)  vom  J.  1446,  der  Züricher  (Z)  aus  dem  XIV.  Jahrhundert 
Dazu  kommen  fünf  Bruchstäcke  (w,  b,  tn,  f,  m^),  von  denen  das 
Wiener  (w)  mit  V.  5586  abbricht,  also  bloß  548  Verse  vermissen 
Iftßt,  w&hrend  die  anderen  nur  je  ein  paar  hundert  Verse  retten. 
Ein  Bruchstück,  zu  b  gehörigi  ist  verschollen.  Endlich  sind  zwei 
Prosaauflösungen  aus  dem  XV.  Jahrhundert  zu  nennen.  Die  Schreib- 
weise von  W  läßt  Niederösterreich  als  Heimat  des  Schreibers  ver- 
muten, die  von  B  weist  nach  Alsfeld,  die  von  Z  nach  der  Nord- 
ostsehweiz.  Auf  bair.-österr.  Gebiet  weist  auch  die  Orthographie 
von  w,  tn  und  m^  auf  mitteldeutsches,  bezw.  rheinfrftnkisches  die 
von  b  und  /.  Eingehende  Darstellung  erfährt  die  Schreibweise  ven 
W  (unter  zahlreichen  Verweisen  auf  moderne  Entsprechungen)  und 
die  von  B;  für  Z  genügt  der  Hinweis  auf  die  Liederhandschrift  C). 


M  Vielleicht  steckt  in  dem  Leine  {Leyne  W)  1558  der  Name  Ljoni 
(vgl.  Bol.  6647  ze  Leune  in  ihere  stat)? 

')  Fflr  grundlos  halt  ich  die  Vermotong  einer  mitteldeatachen 
Vorlage  fflr  Z.  Die  Handschrift  entb&lt  vor  dem  Georg  einen  Mjrstikei- 
traktat,  an  dessen  Schlüsse  ein  Anagramm  angebracht  ist:  Grenchae 
BedUichtran  Anhansan  Ni<Uui8.  Dies  Anagramm  kehrt  am  Schiasee  des 
Georg  (nur  mit  Umstellang  der  beiden  letiten  Wörter)  wieder,  in  Geeell- 
Schaft  iweier  leonioiscben  Hexameter,  v.  Eraos  liest  die  B&tselworte  als; 
Oeorgius  Beimbot  Dom  Datian  Johannes,  indem  er  die  Bncbstaben  so: 
Genrghus  Behlantdom  dMhaninhannes  aneinander  reiht  nod  Dan  flir 
einielne  Zeichen  die  im  Alphabet  folgenden  einsetst.  Gegen  diese  Löanog 
ist  einsnwenden,  daß  der  RAtselaprnch  sich  kaum  auf  den  Geerg  beuent, 
da  er  auch  hinter  dem  Mjstikertraktat  steht,  daß  der  Name  Dacians 


C  V.  Kraus,  Der  hL  Geoig  Beinbots  von  üvm^^  uig.  t.  A.  Waßner,  1095 

Das  zweite  Kapitel  behandelt  das  Verhältnis  der  Handschriften 
und  charakterisiert  die  einzelnen  Schreiber.  Hit  überans  fein  aas- 
gebildeter Methode  werden  die  Massen  ron  Details  bew&ltigt  nnd 
folgende  Ergebnisse  gewonnen :  WBw  bilden  gegenüber  von  Z  eine 
Gmppe,  zu  der  auch  die  Fragmente  h,  f,  m*  nnd  die  beiden  Prosa- 
anflOsnngen  gehören.  Innerhalb  dieser  Gmppe  sind  wieder  Ww 
enger  verwandt.  Am  wenigsten  Terlftßlich  ist  B,  welches  die  ober- 
deutsche Vorlage  Tnlgarisiert  nnd  in  den  Wortschatz  des  Schreibers 
umsetzt  Die  Schreiber  von  Ww  sind  flöchtig,  aber  ehrlich,  der 
von  Z  entstellt  eine  zn  Verflachnng  des  Ansdmcks  neigende  Vor- 
lage noch  durch  eigene  Flüchtigkeit.  Diese  isolierte  Überlieferung 
ist  also  kein  vollwichtiges  Gegenstück  zu  der  Gmppe  WtoB. 

Für  die  Textgestaltung  wird  auf  die  ^Metrischen  Unter- 
suchungen über  Beinbots  Georg'  (Abhandlungen  der  Göttinger 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  1902)  verwiesen,  in  denen  zum 
erstenmal  in  wirksamer  Weise  das  deklamatorische  Element  des 
altdeutschen  Verses  zur  Geltung  gebracht  wurde.  Indessen  ist 
V.  Kraus  von  den  dort  gewonnenen  Ergebnissen  für  Beinbots 
Sprache  seither  in  wichtigen  Punkten  abgekommen.  Dort  galt  die 
Zweisilbigkeit  der  Formwörter  uh^,  soUe,  uhetb,  tnohte  für  ge- 
sichert, hier  gelten  sie  als  einsilbig.  Die  zweisilbige  Senkung 
wurde  dort  zugegeben,  hier  wird  sie  verworfen.  Diese  Ansichten 
werden  wohl  dem  Herausgeber  selbst  noch  für  kontrovers  gelten 
und  er  hätte  m.  E.  besser  getan,  den  Text  nicht  von  ihnen  ab- 
hängig zu  machen,  sondern  ihn  so  darzustellen,  wie  er  aus  der 
Überlieferung  gewonnen  wurde.  Nun  kommt  sie  bei  dem  Bestreben, 
alles  nach  Lachmanns  Begeln  herzurichten,  nicht  selten  zu  kurz: 
628  an  der  margräf  von  Palastin  (die  Hss. :  den  margraven).  820 


nicht  in  diesen  Titel  hineinpaßt,  daß  die  Worte  nur  durch  Annahme  von 
vier  Schreibfehlern  saatande  kommen  und  daß  echließlich  die  Formen 
Beimbot  (st.  JSetn&ot),  Dom  (st.  Dum,  Turne),  Datian  ^st.  Dctcian) 
dem  Schreiber  von  Z  fremd  sind.  Dnrch  die  Schreibfehler  wird  v.  Kraus 
SU  der  Annahme  einer  Vorlage  geswongen  und  die  Namensformen  Beitnboi 
und  Dom  weisen  aaf  mitteldeutsche  Oberliefe  rang:  *Z  gebt  also  auf  eine 
mitteldeutsche  Vorlage  snrflck  (?gl.  e  die  gift  8027,  was  auf  voraift  der 
Vorlage  deatet)'.  Da  die  Handschrift  sonst  keine  Spar  von  md.  Einflnsse 
zeigt,  ist  dieser  Schluß  gewiß  voreilig,  smnal  die  Leeart  8027  leicht  aas 
Verlesung  des  vergift  sa  vorgift  entstanden  sein  kann.  Was  das  Ana- 
gramm betrifft,  so  ist  alle  Deutangsmfih  verloren,  wenn  es  einen  Eigen- 
namen enthält;  anf  einen  Sprach  lAAt  die  Nachbarschaft  des  lateinischen 
Verspaares  schließen.  Leichte  Permatationen  der  ersten  Wörter  ergeben: 
Lach,  red  gern  tomsach  oder  Lcich  gern  der  tomsach;  auch  Lou  gret 
nach  der  schar  *Je  nach  der  Arbeit  fallt  der  Lohn  ans*  wäre  möglich, 
oder:  Nach  der  schar  gert  Um,  mit  folgendem  Schreibern  amen.  Wäre 
die  Annahme  einer  Vorlage  wahrscheinlich,  so  dürfte  man  sanftchst  an 
einen  bairi sehen  Schreiber  denken  und  lesen:  Torenredi  chranchglas; 
hans  an  nid  an  has,  'Krankes  Glas'  meinte  zersprungenes  Glas  oder 
schlechtes,  wertloses  Spiegelglas,  das  Zerrbilder  liefert  (vgl.  das  man  sieh 
dar  inne  mohte  ersehen  alsam  in  eime  werden  glase  Troj.  19985). 
Wahrscheinlichkeit  beansprucht  keine  dieser  Deutungen. 


1096  C.  V.  Kraus,  Der  hl.  Georg  Beinbots  TOn  Dame,  ang.  v.  A.  Waüner, 

wcere  ez  groz  als  mons  Olvet  (die  Hss. :  wcRrt  ez  als  gr6z  als  nums 
Olivet).  929  pardts  (die  Hss. :  paradis).  4567  mahdschaiz  (die 
Hss.:  gemdhehchaiz).  2987  und  iuwer  opfer  bringen  (die  Hes.: 
und  im  [in]).  8825  denn  daz  ich  toorden  hin  gesuni  (die  Hss.: 
hin  worden),  4091  hlOete  :  mUeU  (die  Hss.:  geblüeU  :  gemüeU). 
4869  und  sin  gesell  Maximian  (die  Hss.:  hum  und  sin  g,).  516, 
1322  dann  (die  Hss.:  dannen).  908  dann  ieman  sagen  künns. 
Das  ieman  weist  auf  gesagen  BZ,  911  un(i  <2tf«  ^o^  t^  trauwen. 
Das  getrouwen  BwZ  gehört  nacii  dem  in  der  Einleitung  (XXXin) 
ausgesprochenen  Grundsätze  in  den  Text;  ebenso  5284  gebeine  BwZ 
st.  peine  W.  Die  unschönen  Kurzformen  muotr  rümn,  gschieht  usw. 
sollen  die  Verschleifung  beim  mündlichen  Vortrag  andeuten.  Das 
fährt  zu  phonetischen  Unmöglichkeiten  wie  guU,  gzoc,  ghar,  ghüre, 
ghürte,  gdranc,  bgunde.  Diesen  Formen  (vgl.  Metr.  Unters.  S.  150) 
weicht  V.  Kraus  im  Text  allerdings  aus,  wenn  sich  der  Vers  durch 
andere  Mittel  gl&tten  l&ßt.  Ist  aber  dies  nicht  möglich,  so  setzt 
er  die  Unform  ein:  ghürte  (4394).  Zugeben  kann  man  derlei  Ver- 
schleifungen  doch  überhaupt  nur,  wenn  sie  den  Sinn  nicht  ver- 
dunkeln.  Wer  soll  aber  beim  Vortrag  einen  Vers  rerstehen  wie 
2867  wer  sazt  die  künegin  ^nglouben?  Ein  Mißverständnis  ist  gar 
nicht  zu  vermeiden  bei  V.  19  si  minnent  in  allen  wis  got,  wo 
(nach  S.  149  der  Metr.  Unters.)  minnent  zu  lesen  ist;  vgl.  auch 
982.  *An  die  Kürzungen  Galili  Apoll  ist  wohl  kaum  zu  denken*, 
hieß  es  in  den  Metr.  Unters.  S.  148;  jetzt  wird  überall  die  Kürzung 
dieser  Namen  durchgeführt,  w&hrend  Ereulem  1959,  OamureU 
1558,  Änastasius  5715,  Jachanaem  5995  unverkürzt  bleiben 
müssen.  Die  Synkope  heiigen  (3174,  4288,  4855,  4413)  verstößt 
gegen  Lachmanns  Begel  {freilegen)  und  ist  der  bair.  Mundart  noch 
heute  fremd  (Ae»7»q).  Mißlich  ist  es  auch,  daß  bei  diesen  Kürzungen 
der  Apparat  meist  versagt,  so  daß  man  selten  erfährt,  ob  sie  in 
der  Überlieferung  eine  Stütze  haben.  Trotz  aller  aufgewandten 
Mühe  bleiben  noch  immer  Verse  stehen,  die  sich  der  Eegel  nicht 
fügen:  4991  mtdet  si,  her,  daz  ist  min  rät.  8125  dd  si  ir  kint 
ligende  vant.  3285  gie  nach  des  margrdven  geboC  u.  a.  Solche 
Fälle  gelten  dann  als  Ausnahmen.  Natürlich  müssen  bei  einem 
Text  von  6000  Versen  auch  'fehlerhafte'  unterlaufen.  Wo  ist  aber 
die  Gewähr  dafür,  daß  dem  Dichter  ein  solches  Versehen  nicht 
weit  öfter  passierte  oder  daß  er  einmal  'die  Bestie*  —  mit  Goethe 
zu  reden  —  nicht  absichtlich  stehen  ließ?  Ein  kritischer  Text 
hat  ja  nicht  zu  zeigen,  wie  es  der  Dichter  hätte  machen  sollen 
oder  machen  können,  sondern  wie  er  es  —  nach  der  Oberlieferong 
—  wirklich  gemacht  hat.  Abgesehen  von  diesen  metrischen  Vor* 
aussetzungen,  ist  der  Text  sehr  konservativ  behandelt  Der  Heraus- 
geber hat  tatsächlich  für  jede  Silbe  von  sichBechenschaft  gefor- 
dert und  hat  auf  manche  Änderung,  die  er  früher  (Anz.  f.  d.  A. 
25,  38  ff.)  vorgeschlagen  hatte,  jetzt  verzichtet. 


O.  V,  JTratM,  Der  hl.  Georg  Beinbots  von  Dame,  ang.  7.  A.  WaUner,  1097 

Gehaltvolle  Anmerkangen  begrfinden  die  im  Texte  gewählten 
Spracbformen  und  zeigen  den  Einfloß  Heinrichs  von  Veldeke,  Hart- 
manns nnd  Wolframs  anf  Beinbots  Stil.  Nebenher  wird  eine  weit 
aasgedehnte  Belesenheit  in  den  Dienst  der  Interpretation  gestellt. 
Eine  Tabelle  von  Antoreminiszenzen  (S.  294,  Z.  12  v.  n.  lies  4552 
8t.  5552)  und  ein  Namen-  nnd  Sachverzeichnis  sind  willkommene 
Hilfen  fär  das  Stndiam  der  trefflichen  Ausgabe.  Ich  wende  mich 
Dun  znr  Erörterung  von  Einzelheiten  im  Texte. 

18  Bi  lebent  in  solchem  tcerde  daz  die  hoehsten  üf  der  erde 
mit  triuton  ir  beider  rät  geUhent  und  ir  kint  ir  kinden  gebent, 
Anf  Ebebändnisse  und  Verlobungen  möchte  ich  das  nicht  beziehen, 
sondern  verstehe  (mit  w:  und  in  mit  iren  kindern  gebent):  *und 
deren  Kinder  den  Bat  wieder  ihren  Kindern  weitergeben*.  Mit 
ir  tugent  bildcer  (V.  17)  wird  S.  Georg  gemeint  sein,  weshalb  der 
Doppelpunkt  besser  nach  Y.  18  anzusetzen  wäre.  —  258  (wie 
sHeze  tocer  diu  stunde  da  stn  von  irste  wart  geddht)  und  diu 
liebe  zesamen  brdht,  'Unklar.*  Das  Verständnis  des  Verses  ver- 
mittelt der  nächste:  do  gesät  wart  sin  säme;  es  ist  also  ze  sämen 
zn  schreiben.  Vgl.  auch  4793,  wo  gleichfalls  von  Georgs  Er- 
zeugung die  Bede  ist:  da  brUet  (1.  brOetet)  der  säme  inne  von  ir 
zweier  minne.  —  265  (ich  hdnz  dd  für  daz  do  wät  der  sOeze 
unnt  Westen  und  künden  unde  gesten)  mit  frouden  wasr  gebette, 
'Ein  sanfter  Zephyr  war  den  Schläfern  in  der  Nacht,  in  der  Georg 
gezeugt  wurde,  ein  freudenbringender  Bettgenosse'.  Ich  verstehe: 
daz  der  süeze  wint  westen  gebette  künden  unde  gesten  mit  frouden 
wer  {wer  'Gewährung*,  Lexer  IE  767).  Lesarten :  mer  W.  wer  Z. 
ward  w.  were  B.  Keiner  der  Schreiber  hat  übrigens  den  Vers 
verstanden.  —  268  und  daz  üf  der  heide  sich  fröuien  die  rösen, 
und  stolzen  unde  lösen  begunnen  riter  undfrouwen,  und  daz  man 
in  den  ouwen  die  bluomen  scehe  lachen  und  sich  ze  frouden 
machen.  Zu  dieser  Schilderung  notiert  v.  Kraus:  *Die  Freude  der 
Natur  bei  Georgs  Geburt  wird  wohl  in  letzter  Linie  aus  der  Ale- 
xandersage stammen*.  Das  geschlechtliche  Entzücken  der  Natur 
über  Georgs  Empfängnis  ist  vielmehr  ein  in  die  Georgslegende  ge- 
ratenes Märchenmotiv.  Zum  Verständnis  der  Stelle  war  auf  das 
rumänische  Volkslied  bei  Vesselovskij  zu  verweisen :  Georgs  Matter, 
die  sich  nach  einem  Sohne  sehnt,  träumt,  wie  sie  anf  einer  Wiese 
geht;  *da  neigten  sich  alle  Stengel  und  Gräser  paarweise  zusammen, 
als  ob  sie  sich  küssen  wollten,  sogar  die  Schmetterlinge  flogen 
gepaart  Darauf  bringt  die  Königin  einen  Sohn  zur  Welt,  Georg*. 
(Heinzel,  Anz.  f.  d.  A.  IX  260).  Vgl.  auch  Vetter  CII  f.  Eine 
Parallele  bietet  Der  borte  (Ges.  Ab.  XX  345): 

Die  houm  begunden  krachen,  Von  der  rehten  minne  gruoz 

die  rösen  sere  lachefi,  wart  dem  ritter  sorgen  huoe. 

Diu  vogtxn  von  den  sacken  Vil  rösen  üz  dem  grase  gienc, 

befunden  dane  machen,  do  liep  mit  armen  liep  empfienc, 

Do  diu  vrouwe  nider  seic  Do  daz  spü  ergangen  was, 

und  der  ritter  nach  neic;  do  lachten  hluomen  unde  gras. 


1098  C.  V.  Kraus,  Der  hl.  Georg  Beinbots  von  Donie,  ang.  v.  A,  Waüner. 

343  wan  daz  in  was  ir  enget  hi,  si  wehren  anders  niht 
genesen :  bi  in  tone  boese  der  vinde  toesen.  Die  Huidschriften  bieton : 
bi  in  tctis  poz  der  veint  gewesen  W;  bi  in  was  der  poss  veind 
gewesen  w;  Der  böse  vint  hatte  by  en  kein  wesen  B.  Allen  Hs8. 
gemeiDsam  ist  also:  bi  in  der  boese  vint  wesen.  Da  B  ein  vor- 
gefundenes getoesen  nicbt  geändert  bätte,  so  wird  die  Leeart 
kein  wesen  ursprünglich  sein  (vgl.  3992.  4106.  6116).  Wir  er- 
balten somit:  bt  in  der  boese  vint  kein  wesen.  Alle  Hss.  haben 
vint  (=  vindet,  vgl.  1084,  2665)  als  vint  verstanden  und  daher 
ein  Pr&dikat  {t€as,  hatte)  ergänzt.  Za  dem  Sinn  vgl.  5348  wunder 
da  geschach  van  strtte:  der  was  also  starc  daz  sieh  manie  tiuvel 
bare.  —  507  diu  (=  himelfröud)  laufet  äne  siege  hin  nnd  5882 
{stn  lop)  laufet  sunder  siege.  Die  vom  Herausgeber  nicht  bean- 
ständete Erkläraug  Vetters  Cslac  =  Unglück,  Unfall')  ist  ebenso 
anrichtig  wie  Lexers  Erklärung  von  Cbron.  8.  130,  22  sus  ergieng 
die  anderunge  6ne  siege  und  stoesse  'ohne  Unfall*.  Beide  Bedens- 
arten  denken  an  die  Glücksscbeibe  (vgl.  2860)  und  das  sdMen 
sieben:  dd  van  ir  lobes  schtben  iemer  laufent  Hart  166,  10;  do 
ez  also  nach  gelücke  gie  und  sich  diu  schibe  triben  lie  etwie 
lange  zH  Ges.  Ab.  I  295,  588;  schtben  bözen  Benn.  6641.  — 
1228  diz  riterspil  galt  niht  wan  den  tot.  Ein  unmöglicher  Vers; 
es  ist  nitspil  zu  schreiben  wie  1206;  vgl.  Hart.  186,  81  des 
tödes  nitspil.  Parz.  706,  4.  —  1248  die  beide  (die  Engel  nnd 
die  Teufel)  wider  strtt  zugen  die  sele  her  unde  wider,  die  eine  üf^ 
die  ander  nider.  Es  ist  mit  w  Z  silen  zu  lesen;  denn  nicht  um 
die  einzelne  Seele  kämpfen  die  Engel  und  Teufel,  wie  v.  Kraus 
versteht  (s.  Anm.),  sondern  Engel  und  Teufel  entführen  wett- 
eifernd (wider  strit  vgl.  3763  u.  0.)  die  Seelen,  Jene  der  erschla- 
genen Christen,  diese  der  Heiden.  —  1268  daz  tuot  mir  wi  unde 
wd:  daz  ein  daz  ich  den  sie  gewan,  daz  ander  daz  s6  manie  man 
in  stnem  dienst  den  Itp  verlos.  Wieder  ein  Fehler  des  Archetypus, 
an  dem  nur  B  sich  stieß;  es  soll  beißen  minem.  —  1397  (daz 
sin  reine  hantgetdt)  durch  in  durch  ire  Ute  die  not  (Bw).  'Das 
Echte  bleibt  zu  finden*.  Z  hat  Durch  sin  ere  litte  d.  n.\  W  Durch 
in  erlite  die  not.  Diese  Lesart,  aus  der  eich  die  Varianten  leicht 
erklären  (er-  wurde  als  Ir  verstanden),  wird  das  Ursprüngliche 
bieten,  wenn  sie  auch  metrisch  anstößig  ist.  —  1461  ff.  sekac 
ritter  wurden  bereit,  iedichem  drier  hande  kleit.  Das  Komma  ist 
zu  tilgen:  sehzic  ritter  iedichem  wurdeti  drier  hande  kleit  bereu. 

—  auch  hiez  der  helt  im  machen  ein  brün  scharlachen.  Da  vorher 
und  nachher  (ie  dem  ritter  1469)  nur  von  den  60  Gefährten  die 
Bede  ist,  so  muß  1465  das  überlieferte  im  zu  in  verbessert 
werden.  —  1517  niht  zogt  ze  samft  und  niht  ze  streben.  Streben 
ist  wohl  Adverb;    Lexer  vergleicht  zu  straf:  streb,  stref,  streve. 

—  1674  der  schilt  der  was  tiuwer:  von  zwein  varwen  niuwer 
was  er,  röt  unde  wiz.  Das  als  Epitheton  bei  Schildfarben  häufige 
niuwer    will   v.  Kraus    als   'nur'   erklären;    aber    mehr    als   zwei 


C  9.  Kraus,  Der  hl.  Georg  Beinbota  f od  Darne,  ang.  f.  A,  WaUner,  1099 

Farben  8o]l  doch  kein  Schild  haben.  —  1906  {einem  ganzen  here 
fünf  bröt:)  die  Hbertcunden  da  ir  ndi,  daz  man  in  allen  gap 
genuoe,  und  doch  mit  korben  von  in  truoe.  In  den  Zasammen- 
hang  paßt  besser  diu.  —  1971  da  vor  er  Mrlteher  haz  in  einer 
houptetete  saz.  Der  LückenbnlSer  baz  ist  Konjektur  Vetters  für  was 
ZWw,  8<i8B.  Vielleicht  läßt  sich  die  Überliefemng  retten,  indem 
man  waz  adverbial  auffaßt:  'etwas,  d.  i.  viel  herrlicher';  die- 
selbe Litotes  erscheint  1531  daz  er  da  heim  hU  eteswaz,  d.  h. 
'großen  Beichtnm'.    Vgl.  etuntz  fröltchere  Genes.    Fnndgr.  48,  40. 

—  2848f.  an  ir  herze  kom  ein  schrie^  daz  ai  dd  vor  küm  geeaz. 
Wenn  der  Heransgeber  Iw.  8672  anzieht  (und  selbe  küme  gesaz, 
nämlich  im  Sattel,  als  das  Boß  stranchelte),  so  versteht  er  wohl: 
'sie  wäre  beinahe  vom  Sitz  gefallen*.  Gemeint  ist  vielmehr:  ^daß 
sie  fast  aafgespmngen  wäre,  sich  „entsetzt"^  hätte*;  vgl.  Der 
rede  nü  di  frouum  entsaz  H.  Elis.  4815.  —  2961  {sU  er  der 
9unne  häl  gewalt . . . )  anir  hoehe  von  ir  Uen  in  vier  und  zweinzee 
teilen  Oberloufel  ai  geliche  wäge  und  ertrtche  di  maz  ze  kurz  noch 
ze  lanc.  ez  enreicht  niht  menschen  gedane.  Dem  letzten  Verbnm 
fehlt  die  notwendige  Ergänzung;  ▼.  Kraas  zitiert  selbst  znr  Stelle: 
80  kund  ich  ir  doch  niht  gereichen  anz  ende  (Lampr.  Franz. 
4808).  Ich  lese:  an  ir  hoehe,  an  (Z)  ir  Uen...  ez  enreicht  niht 
menschen  gedanc.  Die  Verse  2962 — 2965  sind  ein  parenthetischer 
Ansrnf.  Zn  ez  vgl.  5687.  —  2970  er  uftst  si  an  ir  äbents  zil. 
WZ  haben  a^nd  ^i7;  wozu  also  die  onanssprechliche  Eonsonanten- 
bänfnng  bei  einem  so  häufig  —  aber  nie  genetivisch  —  kompo- 
nierten Wort  wie  äbent?  Auch  wenn  der  Schreibfehler  im  Arche- 
typus stand,  gehört  er  nicht  in  den  Text.  —  8148  der  sich  ze 
dienst  hat  üz  erhaben,  an  der  selben  stunde...  Der  Punkt  nach 
3148  ist  zu  tilgen  und  8149  anzusetzen;  denn  die  Initiale  von 
W.  ist  ja  belanglos  (Einleitung  LXXIV).  Dadurch  wird  die  Tauto- 
logie vermieden:  an  der  selben  stunde  sin  hemde  sich  begunde 
verwandeln  in  der  selben  zit.  —  8814  nu  opfert  im  durch 
min  gebot  und  dar  zuo  durch  mtne  bet,  den  der  starke  Mahmet 
hat  für  ire  unde  pris.  Zu  der  Lesart  von  Z :  Daz  iu  der  starke 
Mahmet  Füege  ire  unde  pris  vgl.  8510  und  leiste  ein  jär  min 
gebot:  ich  füeg  dir  höhe  minne  und  8515  ich  füeg  dir 
iren  also  vil  als  du  selbe  wünschen  wil.  opfer  mir,  ritter  klär. 

—  8860  Überminne  unde  Git  ist  zu  schreiben,  denn  es  sind  Per- 
sonifikationen wie  Superbiä;  desgleichen  in  8862  Nit  unde  Haz. 
Vgl.  5751  ff.  —  8875  ff.  ich  füeg  den  Hüten  zaller  zit  daz 
maniger  jdmerliche  lit  dd  er  den  lip  verliuset,  und  Jieum 
verkiuset:  sd  wirt  er  min  geselle,  und  füier  in  ze  der  helle,  die 
rede  ich  üf  si  werbe,  daz  si  von  minem  erbe  immer  sint 
gescheiden.  Apollo  rühmt  sich  also,  daß  er  Ghristenleute  in  die 
Gewalt  heidnischer  Machthaber  bringe,  wo  nur  die  Verleugnung 
Christi  sie  vor  der  Hinrichtung  retten  kOnne.  Daher  lese  ich  den 
Vers  die  red  ich  üf  si  werbe  mit  W  B  die  rede  ich  üf  in  werbe 


1100  C,  V,  Kraus,  Der  hl.  Georg  Belnbots  Ton  Dame,  ang.  t.  A,  Wallner. 

*die  Bede  ich  auf  (gegen  Gott)  an  der  Gericht86t&tte\  Dadurch 
wird  der  Beim  u^rbe :  erbe  beseitigt.  —  8565  eö  ist  ez  niht  vom 
zouber.  Der  Zneammenbang  fordert  und  statt  so;  dies  Wort  dürfte 
schon  die  ürhandscbrift  ans  dem  n&cbsten  Vers  vorweggenommen 
haben.  —  8953  htm  der  gdt  also  unser  liU,  leb  würde  dir  Ww 
▼erziehen;  vgl.  dasselbe  Umschlagen  in  die  2.  Person  2589  ff., 
2549  ff.  —  4208  der  einen  smeekt^  den  andern  sihi,  der  en- 
weders  mae  genesen  niht.  Die  Konjektur  enweders  für  handschrift- 
liches entceder  ist  nicht  zu  billigen.  Den  tötlichen  Hanch  des  Ba- 
silisken nnd  den  tötlichen  Anblick  des  Aspis  (zn  der  Verwechslang 
vgl.  4975.  4993)  kann  doch  nicht  einer  erproben;  es  ist  von 
zweien  die  Bede.  Daher:  der  (Gen.)  enweder  (vgl.  4554)  ^keiner 
von  den  zweien  kann  am  Leben  bleiben*.  —  4285  (den  sterbenden 
Mahmet  fragt  man,  -wiez  geschaffen  iccere  umb  Juden  kristen  heiden). 
swie  ez  uxBr  des  Huf  eis  mort,  also  was  ain  jüngsUz  wart  'mit 
wazzer  muaz  man  genesen.^  Die  Hss.  bieten:  ez]  er  WBw;  mort 
fehlt  W ;  swie  ez  des  tiufels  w<Br  mort  Z.  Die  Lesart  von  Z  gibt 
keinen  Sinn,  wohl  aber  die  der  andern  Hss.,  wenn  man  mort  als 
'Schandganl'  (Lexer  I  2204)  versteht:  ez  was  ein  vil  alier 
mort  Krone  19828.  Dies  mort  als  Schmähung  Mahmets  ist  ein 
genaues  Seitenstnck  zu  der  Schmähung  des  Götzen  Apollo  8530: 
du  verschämter  güU  —  4322  ja  beginnet  man  dtn  kunter 
sagen ...  als  von  der  künigin  Helena.  Zu  dieser  Konstruktion 
stimmt  die  Konjektur  kunter  schlecht.  Das  überlieferte  Ja  beginnet 
man  dtn  wunder  (WBw)  sagen  ist  doch  nicht  so  anstößig«  daß 
geändert  werden  müßte.  —  4518  tuo  und  lä  durch  sin  gebot: 
der  maget  kint,  Jisum,  der  mae  dir  niht  wesen  frum.  Wenn  auch 
Beinbot  einen  Nomin.  Saiurnö,  einen  Vocat.  Erculem  nnd  einen 
Dativ  Jisum  (4717.  5558)  hat,  so  ist  doch  ein  Nomin.  Jisum 
unglaublich.  Daher  ist  4519  als  Obj.  zu  Id  aufzufassen  und  dies 
Verbum  steht  inö  xott/oi).  Was  den  Herausgeber  abhält,  so  n 
interpungieren,  verstehe  ich  nicht;  im  Munde  Dacians  ist  ein  der- 
artiges Gebot  Apolls,  seines  höchsten  Gottes  (4517),  ganz  selbst- 
verständlich. —  4527  daz  si  nie  kriatiure  gescehen  ungeMure. 
Ich  würde  vorziehen,  mit  BwZ  so  ungehiure  zu  schreiben,  als 
mit  Berufung  auf  8968  ungehiure  als  ungehiurre  zu  erklären, 
denn  dort  ist  gehiur  und  ungehiure  wohl  Anakoluth;  vgl.  4661. 
4782.  —  4552  ein  lamp,  daz  kriuz  Mt  in  den  kldn,  daz  sach 
ich.  Das  erste  Komma  ist  hierund  2890  überflüssig.  Man  könnte 
an  beiden  Stellen  auch  dd'z  lesen.  —  4760  er  mUeste  iedoek 
mänlich  sin.  Nämlich  im  Gegensatz  zu  den  neutralen  Engeln 
(Zu  Vetters  Anm.).  —  4793  dd  brüet  der  säme  inne.  So  zitierte 
J.  Grimm  in  Frau  Aventiure  den  Vers,  weil  er  die  Lesarten  nicht 
kannte,  und  das  Mhd.  Wb.  stellte  Grimms  Zitat  natürlich  unter 
brUejen.  Sinn  und  Lesarten  verlangen  aber  brüetet  {pruotet  W, 
prüott  B,  bruorte  Z,  bluete  F),  während  in  dem  von  Kraus  an- 
gezogenen Verse  Libid   stcete  von   hitze  brüet    (Ulr.  Alex.    9789) 


C.  V,  Kraus,  Der  hl.  Georg  Beinbots  vod  bome,  ang.  t.  ä,  WMner.  1101 

hrüejen  vorliegt  —  4889  des  Mi  er  sine  sicherheU.  Lesarten: 
het  W  w  Bf  bot  Zf;  het  yersteh  icb  nicht,  denn  er  kann  hier  nnr 
Georg  sein,  nicht  Daeian.  —  4960  (si  künnen  tauben  noch  daz 
veU),  dd  die  bluomen  eint  entreit;  die  mUezen  sieh  eer  erde  legen. 
^entreÜ  bleibt  zu  erkl&ren\  Die  Hss.  haben :  entveliW,  zertrailtir, 
entreit  Z,  ir  gelt  B.  Vielleicht  ist  zu  schreiben  entweit;  vgl.  der 
riffe  entweit  ez  ninder  Gen.  D  9,  1  =der  riffe  iz  ne  frtret  Pdgr. 
2.  16,  21  (Leier  I  595  s.  t.  eniweln).  ->  5176  drtzehen  und  zwei 
hundert  hiez  er  unser  legen  her.  Der  schoene  sare  (5082.  5094) 
kann  doch  nicht  die  Gebeine  von  218  Menschen  enthalten  haben;  die 
andern  Überliefernngen  reden  von  18,  17,  18  Menschen  oder  bloß 
Ton  einem.  Es  ist  zu  lesen  hiez  uns  er  (Z)  legen  her.  Also: 
im  Jahre  218  waren  die  Anferweckten  begraben  worden.  Aber  die 
Zahl  selbst  dürfte  nicht  richtig  sein,  denn  ans  5166  f.  nnd  5198 
geht  hervor,  daß  diese  Märtyrer  vor  dreihnndertdreizehn  (WB  5198: 
driuzehen  und  zwei  hundert)  Jahren  getötet  wurden,  nnd  die 
gleiche  Zahl  hatte  wohl  Beinbot  im  Sinne,  als  er  die  konfuse  An- 
gabe (5176)  fliederschrieb.  —  5685  er  tet  die  dürren  siule 
hlüen.  Ob  hier  W  recht  hat  gegenüber  B  Z  (stiüe)^  ist  zweifelhaft, 
wenn  anch  der  bedenkliche  Ace.  siule  anch  einmal  (8267)  im 
Beime  steht.  Beinbot  hat  sonst  (meist  anch  im  Obliqans)  sül  nnd 
das  Wunder  mit  der  Säule  kann  schon  5628  erwähnt  sein:  er 
tuot  die  boume  gruonen.  —  5751  Ein  wunderburc,  der  Tugent 
pflac:  dar  inne  manie  katner  lac  usw.  Wenn  auch  späterhin  die 
Tugend  als  Herrin  der  Burg  genannt  wird,  so  möcht  ich  doch 
hier,  um  die  unwahrscheinliche  Ellipse  zu  beseitigen,  lesen:  Ein 
wunderburc  der  tugende  pßac:  dar  inne  usw.  Wie  der  Dichter 
mit  diesen  PersoDifikationen  wüstet,  zeigt  ja  5761  der  pinsel  der 
hiez  £re.  Warum  wird  übrigens  dem  Baier  Beinbot  die  md.  Form 
pinsel  (W  pemsel,  Z  bensei)  zugeschoben?  —  5797  t  9*^9^ 
diu  kamer  in  Endiän,  der  selbe  mUest  dd  üze  stdn.  Als  ^ver- 
zweifelten Notbehelf  merkt  v.  Kraus  an:  'gienge  selbst  Indien 
(das  volkreiche  und  entfernte)  in  die  Kammer*.  Offenbar  liegt 
wieder  ein  Fehler  der  Urhandschrift  vor  (vgl.  noch  691.  1888. 
1887.  2638.  8488.  5867.  5884.  5957);  ihr  bleibt  W,  wie  so 
oft,  auch  hier  am  nächsten  (gienge  diu  kamer  Endian),  denn  ich 
vermute:  gevienge  diu  kamer  Endidn  'umschlösse  die  Kammer 
auch  das  reiche  Indien'.  Vgl.  het  ich  gehebt  den  Nobling  hört  vnd 
allen  schätz  van  Indian  Murin  bl.  5a  (DHS  128). 

Die  ungemeine  Sorgfalt,   die  äem  Buche  zugewendet  wurde, 
zeigt  sich  auch  darin,  daß  es  gänzlich  dmckfehlerfrei  ist. 

Graz.  Anton  Wallner. 


1102  C.  G,  V.  Maassen^  Hoffmanns  simtl.  Werke,  ang.  t.  J.  Cemy. 

E.  T.  A.  Hoffmanns  sämtliche  Werke.  Hinioriedi-kritiidie 
Aa8f?abe  mit  EinleitangfeD,  AamerlraDfren  und  Leseaiten  tob  Cvl 
Qeorg  Ton  Ma aasen.  I.  Bd.  Fantaaiettaeke  in  Callots  Manier.  Mit 
sehn  fiildbeigaben  and  einem  Faksimile.  Mflnehen  und  Leipsig  bei 
Georg  Mailer  1908.  XXVIII  nnd  507  88.  Preis  geb.  7  Mk. 

Es  wftre  eine  dankbare  Anfgabe,  die  Schwankungen«  die 
E.  T.  A.  Hoffmanns  Schriften  in  der  Wertsch&tznng  seiner  Zeit- 
genossen  and  der  Nachwelt  erfahren  haben,  n&her  zn  Terfolgeo. 
Er  ist  wohl  von  den  Bomantikern  der  am  meisten  nmstrittene  nnd 
das  Urteil  über  ihn  bewegt  sich  zwischen  übertriebener  Be- 
wnnderong  nnd  geringschätziger  Ablehnang,  eine  Erscheinung,  die 
für  die  Benrteiler  ebenso  charakteristisch  ist  wie  für  den  Beor- 
teilten.  Lange  Zeit  behandelten  ihn  die  zünftigen  Literarhistoriker 
nnr  als  den  gruseligen  Spakgeschichtenschreiber  nnd  noch  Schtrer 
übernahm  von  seinem  Lehrer  Genrinns  dieses  Fehlurteil.  Dabei  ist 
es  merkwürdig,  daß  es  Hoffmann  trotzdem  zu  keiner  Zeit  unter 
den  Dichtem  an  warmen  Verehrern  gefehlt  hat.  Schon  EUioger 
hat  in  seiner  Hoffmann-Biographie  auf  den  großen  Einfloß  hin- 
gewiesen, den  dieser  geniale  Erz&hler  auf  die  deutsche  Literatur 
des  19.  Jahrhunderts  geübt  hat  und  seine  Nachweise  ließen  sich 
leicht  vermehren.  Interessant  ist  besonders,  daß  die  Franzosen  die 
Mißachtung,  mit  der  man  so  lange  in  Deutschland  auf  Hoffmann 
herabblickte,  niemals  geteilt  haben.  Nicht  nur  die  französische 
Neuromantik  steht  zum  guten  Teil  auf  seinen  Füßen,  auch  Balzac, 
Tb.  Gautier,  Musset,  Baudelaire  und  andere  haben  ihm  gehuldigt 
und  auch  in  der  modernsten  französischen  Literatur  ist  seine  Ein- 
wirkung zu  spüren. 

Die  tiefere  historische  Einsicht,  die  ein  gründlicheres  Studium 
der  Bomantik  brachte,  hat  indes  Hoffmann  in  den  letzten  Dezen- 
nien auch  in  Deutschland  wieder  zu  Ehren  gebracht.  Davon  zeugen 
schon  die  verschiedenen  Ausgaben  seiner  Werke,  die  sich  nun 
häufen.  Die  erste  wirkliche  Gesamtausgabe  lieferte  1900,  so  gut 
dies  damals  mOglich  war,  für  den  ruhrigen  Hesseseben  Verlag 
Eduard  Grisebach  und  schon  nach  7  Jahren  vrurde  eine  zweite 
Auflage  notwendig,  die  wiederum  eine  starke  Vermehrung  und 
mannigfache  Verbesserungen  erfahren  hat.  Nun  liegt  der  erste 
Band  einer  monumentalen  Luxusausgabe  vor,  die  mit  den  Sup- 
plementen 15  B&nde  umfassen  soll  und,  falls  die  folgenden  Bände 
das  halten,  was  der  erste  verspricht,  in  jeder  Hinsicht  eine  aus- 
gezeichnete Leistung  sein  wird.  Keinem  anderen  Bomantiker  ist 
noch  eine  gleich  gediegene  und  vornehm  ausgestattete  Ausgabe 
zuteil  geworden.  Dem  Publikum  wird  nach  wie  vor  Grisebachs 
Ausgabe  genügen,  der  Forscher  wird  sich  nunmehr  an  die  voo 
G.  G.  von  Maassen  zu  halten  haben,  die  ihm  in  jeder  Eichtang 
ein  zuverlässiges  Material  bietet.  Sie  soll  trotz  des  ihrer  Ausstat- 
tung entsprechenden  hohen  Preises  an  tausend  Abnehmer  gefunden 
haben  -^  ein  deutlicher  Beweis,  daß  Hoffmann  auch  heute  noch 
zahlreiche  Liebhaber  hat. 


C,  6r.  V.  Maaasen,  Hoffmanns  simtl.  Werke,  ang.  v.  «7.  Ceniy,  1103 

Die  Grandsätze,  deDen  der  sacbkandige  Herausgeber  bei  der 
HerstelliiDg  des  Textes  gefolgt  ist,  kOoneD  im  allgemeinen  ge- 
billigt werden.  Überall  soll  anf  Originaldrucke  und  in  dem  Falle, 
daß  mebrere  Tom  Verfasser  dnrcbgesebene  Auflagen  vorliegen,  auf 
die  Ansgabe  letzter  Hand  zurückgegangen  werden.  Ebenso  selbst- 
verständlich ist  eSy  daß  die  beute  gebrftnchlicbe  Orthographie 
durchgeführt  wnrde,  ja  Bef.  hätte  das  gleiche  anch  von  der  Inter- 
punktion gewünscht,  in  der  sich  der  Heraasgeber  etwas  inkonse- 
quent verhält.  Warum  ist  übrigens  gegen  den  Grundsatz  die 
Schreibung  „Fantasiestücke^  beibehalten?  Der  kritische  Charakter 
der  Ausgabe  tritt  in  den  „Lesearten''  zutage.  Hier  tut  der  Heraus- 
geber des  Guten  entschieden  zu  viel,  wenn  er  alle,  auch  die 
kleinsten  und  unscheinbarsten  Abweichungen  der  verschiedenen 
Auflagen  bucht.  Es  ist  dies  ein  Ideal  der  Vollständigkeit  und  Ge- 
nauigkeit« das  zu  öder  Kleinkrämerei  und  langweiliger  Silben- 
stecherei  führen  muß.  B.  M.  Meyer  hat  jüngst  im  „Euphorien  *" 
sehr  gewichtige  Bedenken  gegen  dieses  heute  so  unerläßliche 
Streben  nach  „Vollständigkeit*  ausgesprochen  und  es  ist  in  der 
Tat  hoch  an  der  Zeit,  daß  mit  der  Variantenjägerei  und  Haar- 
spalterei aufgeräumt  werde,  wenn  unsre  noch  jugendfriscbe  Wissen- 
schaft ernstlichen  Gefahren  entgehen  soll.  In  der  vorliegenden 
Ausgabe  wird  z.  B.  den  GOtzen  „Vollständigkeit"  und  „Genauig- 
keit" dadurch  geopfert,  daß  der  Herausgeber  jedes  fehlende  e  der 
Infinitivendung,  jedes  Komma  und  jede  Abweichung  in  der 
Schreibung  der  WOrter  verzeichnet  und  so  mit  Bienenfleiß  einen 
Wust  von  »Lesearten"  sammelt,  der  wohl  auch  den  Fachmann 
kalt  lassen  wird.  Ich  glaube,  daß  der  Herausgeber  und  der  Be- 
nutzer besser  daran  wären,  wenn  sie  einander  gegenseitig  diesen 
aberflüssigen  Ballast  schenkten.  Wenn  dem  klassischen  Philologen 
im  „kritischen  Apparat"  jede  Kleinigkeit,  wenn  auch  nicht  wichtig, 
80  doch  beachtenswert  sein  muß,  so  ist  doch  diese  Vollständigkeit 
für  die  Herstellung  des  Textes  unumgänglich.  Der  Herausgeber  eines 
modernen  Dichters  hat  jedoch  bereits  den  „richtigen"  Text  in  der 
letzten  von  dem  Dichter  selbst  besorgten  Ausgabe  (die  Druckfehler 
fallen  meist  wenig  ins  Gewicht)  und  die  Varianten  künnen  ja  nur 
da  ein  Interesse  beanspruchen,  wo  sie  wirklich  einen  Einblick  in 
die  Werkstatt  des  Dichters  eröffnen.  Man  denke  etwa  an  Goethes 
„Faust",  dessen  einzelne  Fassungen  ganz  verschiedenen  Entwick- 
Ipngs-Epochen  des  Dichters  angehören  I  E.  T.  A.  Hoffmanns 
Änderungen  im  einzelnen  sind  dagegen  meist  ganz  belanglos  und 
der  Herausgeber  konnte  es  bei  der  Herstellung  eines  reinen  Textes 
and  einem  Verzeichnis  der  verhältnismäßig  wenigen  größeren  Ab- 
weichungen der  Ausgaben,  die  wirklich  wichtig  und  charskteris tisch 
sind,  bewenden  lassen. 

Solche  Nachträge  aus  früheren  Auflagen  bringt  der  I.  Bd. 
mehrere.  Hieher  gehört  aus  dem  „Berganza"  das  hübsche  „Sonett 
4in  Zäzilia"   und  eine  längere  Partie  des  Textes  in  der  Ursprung- 


1104  C  G.  V.  Maassen,  Hoffmanns  sftmtl.  Werke,  ang.  f.  J.  Öemy. 

liehen  FassQDg.  Aus  dem  Vergleich  der  beiden  Texte  ergibt  Bieb, 
daß  Hoffmann  in  der  endgültigen  Fasenng,  wie  sie  in  den 
„Phantasiestücken''  erschien,  dnrch  eingeschobene  allgemeine  Be- 
merkungen ausführlicher  wird;  dafür  hat  er  die  auf  C&cilia  be- 
züglichen Stellen  —  ihr  Urbild  ist  bekanntlich  Hoffmanns  Bam- 
berger Schülerin  Julia  Marc  nnd  der  Dichter  erzfthlt  hier  sehr 
deutlich  eigene  Erlebnisse  —  zusammengestrichen  und  sich»  be- 
sonders in  der  Charakteristik  des  ekelhaften  Wollüstlings,  dem 
Gäcilia  geopfert  wird,  kürzer  gefaßt.  Es  scheint  danach»  daß  die 
Nachricht,  er  habe  bei  der  Umarbeitung  des  „Berganza**  allzu 
deutliche  Bezüge  auf  die  Bamberger  Verhältnisse  getilgt  oder  ge- 
mildert,  auf  Wahrheit  beruht.  Dem  „Magnetiseur*'  ist  aus  der 
1.  Aufl.  eine  sp&ter  weggelassene»  in  Jean  Pauls  Manier  gehaltene 
satirische  Schilderung  des  Pfarrers  zugute  gekommen,  den  bei 
seiner  zierlich  gedrechselten  Leichenrede  auf  den  Maler  Bickert  ein 
böser  Zufall  Iftcherlich  macht.  Ferner  stand  am  Schluß  dieser  Er- 
zählung in  der  1.  Aufl.  das  ironische  „Billet  an  den  Justizrit 
Nikomedes*',  dem  der  Herausgeber  der  »Phantasiestücke"  für  die 
Mitteilung  der  Begebenheiten  und  Aufzeichnungen  dankt.  Indem 
Hoffmann  dieses  Billet  später  wegließ»  Tereinfachte  er  die  ?er- 
wickelten  Voraussetzungen  für  die  Entstehung  seiner  Novelle.  Er 
selbst  (genauer  gesagt,  der  „reisende  Enthusiast'',  als  dessen 
Papiere  die  „Phantasiestücke"  erscheinen)  ist  der  gerichtliche  Be- 
vollmächtigte, der  auf  dem  Schlosse  erscheint  und  von  den  Auf- 
zeichnungen des  alten  Malers  Kenntnis  erhält.  Interessant  ist 
ferner,  daß  hier  Hoffmann  für  die  Fortsetzung  der  „Phantasie- 
stücke"  „Franz  Bickerts  allegorische  Mahlereien  im  gotischen  Styl" 
ankündigt  —  ein  Plan»  der  bekanntlich  nicht  zur  Ausführung 
kam.  Aus  den  „Abenteuern  der  Silvesternacht*  in  der  1.  Aufl.  ist 
ein  unbedeutendes  Qespritch  zwischen  dem  Eellerwirt  und  seiner 
Frau  und  zu  „Johannes  Ereislers  Lehrbrief  aus  der  ersten  Fassung 
des  Aufsatzes  im  „Morgenblatt"  der  hier  viel  ausführlichere  und 
für  Hoffmanns  musikalisches  Fühlen  und  Betrachten  sehr  charak- 
teristische Schluß  nachgetragen.  Im  ganzen  ist  also  die  Aus- 
beute dieses  Bandes  nicht  unbeträchtlich. 

In  den  den  Lesearten  folgenden  „Anmerkungen",  die  zwischen 
dem  Zuwenig  und  dem  Zuviel  die  richtige  Mitte  halten,  zeigt  der 
Herausgeber  eine  ausgebreitetete  Gelehrsamkeit.  Bei  der  großen 
Menge  von  Anspielungen  und  Bezügen,  die  sieh  in  Hoffmanns 
Schriften  finden  und  dem  heutigen  Leser  zum  großen  Teil  unver- 
ständlich sind,  ist  dieser  fortlaufende  Kommentar  sehr  verdienst- 
lich und  wir  wollen  mit  dem  Herausgeber  über  Einzelheiten  nicht 
rechten.  Quellennachweise  und  Festlegungen  literarischer  Vorbilder 
sind  hier  nur  in  wenigen  Fällen  gegeben  und  auch  die  den  ein- 
zelnen Bänden  der  Ausgabe  vorangehenden  „Einleitungen"  soUeo 
sich  nur  mit  der  äußeren  Entstehungsgeschichte  der  Werke  be- 
fassen.    Der  Herausgeber  bereitet  eine  eingehende  Untersuchung 


Dentflcbi  Prota.,  mg*  t.  F,  Inffrttch. 


1105 


k 


äm%T  MaterJe  för  eiue  spitere  Poblikation  ?of.  Obwohl  man 
freilich  von  mnu  Ansj^abe  nicht  vertansren  Katin,  iia5  »ich  darin 
daa  Material  aticb  literarhistorisch  t erarbeitet  6nde,  so  werden 
doch  vt&le  Käufer  der  vorliegenden  Aoa^abe  die  Beeetiränking  des 
Herausgebers  beklagen,  Sie  hätte  för  den  Liebhaber»  der  nicht 
strenger  Fachmann  jet,  aber  aacb  für  den  Literarhiitoriker  viel 
an  Äutlebnnggkraft  gewonnen»  wenn  ete  anßer  dem  Text,  den 
Letearleii  und  Anmerkan^en  anch  eine  historische  Betraohtiin^' 
mnd  ietbetiicbe  Wnrdt^nng  von  Hoffmanna  Werken  böte.  Diese 
hAlte  recht  gnt  teile  in  dei}  Einleitungen  erfolgen,  teils  den  An- 
[nerknugen  vorbehalten  bleiben  können.  Hoffen  wir,  daü  die  vom 
H**raGsgeber  Tersprocbene  Biographie,  die  den  Werken  folgen  soll, 
das  Yersäoninie,  wenigstens  ^nm  Teilf  wettmacht.  An  Eii^nnüg  dazu 
und  gründlichen  Kenntnissen  scheint  es  ihm  nicbt  zn  fehlen.  Die 
änüere  Anestattnng  der  Ausgabe  verdient  das  grSite  Lob*  Sie 
stielt  anf  die  Fiktion  ab«  als  könnte  sie  schon  in  Hoflfmanns 
Todefgahre  erechienen  sein;  im  Drnc^  (Schwabacfaer  Lettern),  detn 
blassen  Papier,  den  Originalvignetten  nnd  der  Beigab»  di?r  bisher 
erreichbaren  Originahejchnnngen  Hoffmanns  fowie  auch  im  Ein- 
band ^  der  dem  der  ersten  Ans  gäbe  der  ,,Seraptonsbrüder''  nach- 
gebildet ist,  zeigt  sich  dieses  Bt^streben.  Da&  Drnck  nnd  Papier 
dern  Ange  nicht  eben  wohltoend  mud,  kann  dabei  nicht  nnerwähnt 
bleiben*  Von  den  Zeichnungen  Hoffmanna,  die  der  K  Bd.  bringt, 
ist  nnr  die  letzte  nen,  die  Karrikatnr  eines  wütenden  Sologeigers, 
den  ein  Klavierlrio  mit  gleicher  Begöisternng  be^' leitet.  Wönschen 
wir  der  neuen  Hoffmannaosgabe  ein  rnt^tiges  Fortschreiten !  Der 
Herausgeber  (München,  Ädalbertatfaße  88)  bittet  im  Vorwort  um 
Fördernrjs  st^inee  möglichste  Vollstlndigkeit  erstrebenden  Unter- 
nehmens. M4ge  ihm  diesd  reiehllch  zuteil  werden  I 

Mies.  Dr.  Johann  Ceroj. 


Deutsche  Prosa*  Velhagen  und  KUaintja  Sammlung  deutscher  Schul- 
aaigaben.  9  Bandehen.  Bielefelil  ond  Leipzig,  Verlag  von  Velbagen 
und  kla»iEig  ime.  Freie  der  einiduea  B&ndcheD  90  Pf.  bis  Mk*  P^* 

Die  vorliegende  Sammlnng  ist  geeignet,  den  Schölern  der 
Mittelschnlen  ein  Oebiet  unserer  Literatur  zu  erschließen,  dem  der 
Unterricht  selbst  keine  Zeit  widmen  kann,  obwohl  die  Schüler  frei- 
williges Interesse  för  dasselbe  empfinden  und  auch  sein  innerer 
Wert  nach  Beröckaicbtignng  verlangt-  Aber  einmal  wäre  kein  Ende 
abansehen,  wollte  man  die  Schule  mit  allem  beladen,  was  gut  und 
schön  ist,  und  anderseits  erbeben  die  reichen  Wissensquellen  der 
Gegenwart  den  Anspruch,  daS  auch  schon  der  Jon  gl  in  g  ans  eigenem 
Antriebe  aus  ihnen  schöpfe.  Die  Scbnle  erfült  ihre  Pflicht,  wenn 
sie  anf  ErBchomungen  hinweist,  deren  niberft  Bekanntschaft  dem 
Stndierenden  nützlich  nnd  angenehm  ist,  nnd  wenn  sie  keine  Mittel 

Sklieektiri  t  i.  «starr.  Qrnu.  lioe.  XIL  Rift.  IQ 


1106  Deutsche  Prota,  ang.  v.  F,  Ingrisch, 

scheut,  ihren  Schillern  diese  Bekanntschaft  za  erleichtem.  Ans 
diesen  Gründen  darf  den  Schülern  nahegelegt  werden,  bei  ihren 
Bücbereinkänfen  neben  den  bereits  bekannten  billigen  Vermittlem 
moderner  deutscher  Erz&hlnngskanst  auch  der  vorliegenden  Samm- 
lung Anfmerksamkeit  zu  schenken,  und  ebenso  darf  sie  auch  für 
die  Schfllerbibliotheken  anfs  wärmste  empfohlen  werden. 

Die  Sammlung  ^Deutsche  Prosa*'  enthält  in  dem  ersten 
Bändchen  rednerische  Prosa,  ausgewählt  yon  Dr.  J.  Wychgram, 
das  zweite  Bändchen  ist  der  patriotischen  Prosa  gewidmet, 
die  Dr.  H.  Windel  zum  Herausgeber  hat.  Die  folgenden  sieben 
Bändchen  bilden  ein  selbständiges  Ganze  unter  dem  Titel  ^Moderne 
erzählende  Prosa**;   der  üerausgeber   ist  Dr.   Gustav  Porger. 

Die  Herausgeber  der  rednerischen  und  der  patriotischen  Prosa 
dachten  vor  allem  an  reicbsdeutsche  Schüler,  denn  die  gebotenen 
Beden  und  die  patriotischen  Aufsätze  sind  sämtlich  aus  Ereig- 
nissen  der  Geschichte  Deutschlands  hervorgegangen.  Aber  ihr 
formell  bildender  Wert,  der  Inhalt  an  allgemeinen  schönen  und 
erhebenden  Gedanken  und  der  Nutzen  für  eine  tiefere  Erkenntnis 
der  deutschen  Geschichte  gestatten,  daß  diese  zwei  Sammlungen 
auch  unseren  Schülern  zugänglich  gemacht  werden  können,  ohne 
daß  eine  unmittelbare  Beziehung  zu  unserem  Vaterlande  in  ihnen 
waltet.  Die  patriotische  Prosa  ist  überhaupt  auf  einen  Zeitraum 
zugeschnitten,  der  für  Österreich  und  für  Deutschland  von  gleich 
hoher  Bedeutung  ist,  nämlich  auf  das  Zeitalter  der  Befreiungs- 
kriege. Es  sind  nicht  starre,  sondern  fließende  Grenzen,  die  damalig 
die  Interessen  der  beiden  Staaten  schieden,  so  daß  eine  Vertieinnir 
in  die  Geschicke  Deutschlands  auch  die  vaterländischen  Gefühle  des 
österreichischen  Studierenden  fördert. 

Für  die  Bändchen,  welche  die  ^Moderne  erzählende  Prosa** 
einschließen,  kommen  keinerlei  Bedenken  auf.  Österreich  spielt  in 
der  Gegenwart  auf  dem  Gebiete  der  erzählenden  Dichtung  eine 
führende  Bolle,  der  der  Herausgeber  völlig  gerecht  wird. 

Die  Grundsätze,  die  ihn  bei  der  Auswahl  leiteten,  verbürgten 
von  vornherein  eine  gediegene  Schöpfung:  Es  kommen  nur  Meister 
der  erzählenden  Prosa  zu  Worte,  die  mitgeteilten  Proben  sind  voll- 
ständige, ungekürzte  Erzählungen,  damit  der  Leser  einen  unge- 
störten Gesamteindruck  erhalte.  Die  Proben  sind  femer  charak- 
teristisch für  den  Verf.  und  der  Herausgeber  war  endlich  darauf 
bedacht,  „einen  Lesestoff  zu  wählen,  der  im  stände  ist,  das  In- 
teresse jugendlicher  Leser  zu  erregen  und  festzuhalten**.  Da  die 
Sammlung  auch  der  Erweiterung  des  literargeschichtlichen  Wissens 
der  Jugend  dienen  will,  sind  den  Erzählungen  biogri4>hi8che  Ein- 
leitungen vorausgeschickt  und  dem  Streben  nach  eingehenderer 
Kenntnis  des  Lebens  und  Schaffens  der  Schriftsteller  kommt  die 
Angabe  von  Quellenschriften  entgegen. 

Das  Autorenverzeichnis  enthält  alle  die  hervorragenden  Names 
unter  den  neuen  Erzählern,  die  für  die  Schule  in  Betracht  kommen 


A.  Ive,  Caotari  popolari  Telletrani,  ang.  7.  C.  Battisti,         1107 

können.  Und  es  gibt  derzeit  kein  zweites  Unternehmen,  das  bei 
gleichen  Absichten  eine  solche  Fülle  des  Schönen  auf  einem 
Banme  darböte  wie  die  vorliegende  Sammlang.  Peter  Rosegger 
begrüßt  ans  zuerst,  dann  zeigt  Marie  vonEbner-Eschenbach 
ihre  Erz&hlnngskanst  and  die  Österreicher  sind  weiter  darch 
Ladwig  Anzengraber,  Adolf  Pichler  und  Ferdinand  v.  Saar 
würdig  vertreten.  Detlef  von  Liliencron  steaert  eine  seiner 
prächtigen  Kriegsnovellen  bei,  ein  B&ndchen  vereinigt  die  großen 
Meister  Theodor  Storm,  Conrad  Ferdinand  Meyer,  Wilhelm 
Baabe  and  Adolf  Stern.  Ernst  von  Wilden  brach,  Ernst 
Maellenbach,  Ladwig  Ganghofer,  Hermann  Heiberg, 
EarlSoehle,  Bichard  von  Volkmann,  Adolf  Schmitthenner, 
Fritz  Lienhard,  Ernst  Wiehert,  Hans  Hoffmann  and  end- 
lich Theodor  Hermann  Pantenias,  der  innige  Vertraate  seiner 
geliebten  korl&ndischen  Heimat,  stellen  sich  mit  reizenden  Qaben 
ein.  Die  bedeatendsten  Schriftstellerinnen  der  Gegenwart  vervoll- 
st&ndigen  die  vortreffliche  Sammlang:  Neben  der  schon  genannten 
Marie  von  Ebner-Eschenbach  haben  Hermine  Villinger, 
Margarete  and  Frida  v.  Bülow,  Ilse  Frapan,  Isolde  Earz 
and  Helene  BOhlaa  viel  Gates  gespendet. 

Wer  die  Mühe  za  ermessen  weiß,  die  aas  bachhändlerischen 
Gründen  mit  dem  Zastandebringen  einer  Sammlang  wie  der  vor- 
liegenden verbanden  ist,  kann  dem  Heraasgeber  der  ^Modernen  er- 
zählenden Prosa**,  ganz  abgesehen  von  dem  bildenden  Werte  seiner 
Arbeit,  nar  den  besten  Dank  wissen.  Mögen  Schale  and  Haas  dem 
Unternehmen  freandlich  sich  nähern,  damit  der  Heraasgeber  sein 
Ziel  erreicht  sehe:  „za  bewirken,  daß  die  Namen  anserer  bedea> 
tendsten  modernen  Erzähler  dem  ins  Leben  tretenden  Schüler  kein 
fremder  Klang  mehr  seien,  sondern  in  ihm  das  Verlangen  geweckt 
werde,  aaf  Grandlage  dessen,  was  die  Schale  ihm  geboten,  sich 
selbständig  an  ihren  Schöpfnngen  weiterzabilden  and  mit  einem 
fflr  Wert  and  Unwert  geschärften  Aage  einen  lebendigen  and  ver- 
ständnisvollen Anteil  an  dem  literarischen  Leben  der  Gegenwart 
und  dessen  fortwährender  Entwicklang  za  nehmen**. 

Olmütz.  Franz  Ingrisch. 


Cantari  popolari  velletrani,  raccolti  ed  annotati  da  Antonio  Ive, 
Profesfore  dell'  oniversitä  di  Gras.  Con  illnstrasioni  e  note  moiicali. 
Pnbblieaxione  incoraggiata  dali'  I.  B.  Ministero  del  Colto  e  dell'  Ittm- 
sione.  Borna,  Loescher  &  Co.  1907.  XXXIl  (II)  and  389  (IV)  S8. 
gr.-8»,  8  Tafeln. 

Herr  Prof.  Ive,  der  sich  bereits  darch  frühere  Liedersamm- 
lungen ans  Dignano,  Bovigno  and  Veglia  am  die  Kenntnis  des 
Volksliedes  große  Verdienste  erworben  hat,  tritt  jetzt  mit  diesem 
groß  angelegten  Werke,  welches  nicht  weniger  als  852  Volkslieder 

70* 


1108        A.  Ive,  Cantari  popoUri  velletrani,  uig.  t.  C.  Battiiti. 

ans  Yelletri  mit  einem  nmfaDgreiehen  EommeDiar  enibftlt,  Tor  die 
öffeotlichkeit.  Die  reizenden,  sehr  melodieeben  and  meistens  bocb- 
poetischen  Bitornelle«  welche  der  Verf.  an  Ort  nnd  Stelle  einhei- 
mischen Volkssftngern  abgelauscht  hat,  bringen  einen  neuen  Beweis 
für  die  Lebendigkeit  nnd  bodenständige  Entwicklang  des  mittel- 
italienischen Volksliedes;  denn  beinahe  850  Lieder«  also  Vs  ^^^ 
ganzen  Sammlnng,  zeigen  eine  überaas  weitgebende  Aspassmg 
bekannter,  allgemeiner  MotiTe  an  einheimische  Verhftltnisse  and 
einheimische  Sprache,  in  vereinzelten  Fällen  sogar  eine,  nach  dem 
heutigen  Stande  der  Forschung  zu  urteilen,  originelle  Entwicklang 
eines  poetischen  Gedankens,  den  man  bis  jetzt  nur  auf  geographisch 
vollkommen  getrennten  Gebieten  im  Keime  nachweisen  konnte.  Das 
Thema  des  Volksliedes  ist  auch  hier,  wie  es  zu  erwarten  war,  bei- 
nahe ausnahmslos  die  Liebe,  wenig  vertreten  sind  die  Spottlieder, 
die  in  norditalienischen  Gegenden  in  größerem  Umfange  auftreten, 
noch  spärlicher  die  politischen,  religiösen  und  Kriegslieder.  Der 
Form  nach  sind  die  hier  mitgeteilten  V.  L.  bis  auf  zwei  Aus- 
nahmen lauter  Bitornelle:  die  zwei  vereinzelten  Bispetti  Nr.  584 
und  568  mit  Beim-,  bezw.  Assonanzkreuzung  {abab,  t»baß)  sind 
schon  dem  Stoffe  nach  nicht  bodenständig  und  sie  lassen  sieb 
wegen  ihrer  Beimstellung  wahrscheinlich  in  Süditalien  lokalisieren^). 
Zum  ersteren  gibt  übrigens  der  Verf.  eine  Variation  in  der  Form 
eines  regelrechten  Bitornelle,  welches  die  bodenständige  Bearbeitang 
dieses  Bispetto  darstellt 

Ich  möchte  der  unbestrittenen  Herrschaft  der  dreizeiligen 
Form  der  velletraner  V.  L.  eine  gewisse  Bedeutung  zuschreiben. 
Die  aus  drei  Zehnsilbern  bestehende  Terzine,  die  nach  Schuchardt') 
die  älteste  Form  dieser  Dichtung  ist,  überwiegt  (Vs  der  Samm- 
lung), während  die  aus  einem  Kurzvers  (beinahe  ausnahmslos 
ein  Fnnfsilber)  und  zwei  Zehnsilbern  bestehenden  Bitornelie 
den  gewöhnlichen  Typus  zeigen,  indem  der  Kurzvers  regel- 
mäßig die  Gestolt  einee  Befrains  annimmt  oder  mindestens  die 
Beobachtung  irgend  einer  Tatsache  enthält,  welche  in  sehr  vielen 
Fällen  für  das  Folgende  nicht  als  Bild  dient  und  somit  zur 
stehenden  Formel  hinneigt.  Meistens  wird  der  Name  einer  Blume 
herausgegriffen'),  wobei  j^fiar'^n  ziemlich  oft  in  sehr  übertragener 
Bedeutung,  seltener  „ Blatt,  Zweig,  Baum"  mit  der  näheren  Be- 
stimmong  im  Genitiv  {fiore  cTatetto,  /.  de  dUtemo^  /.  de  mda, 
dann  /.  de  l'oro*),  f.  de  grane,  /.  de  poi,  /.  de  pepe,  /.  de  eaie 


>)  im  Kommentar  des  Liedes  534  ist  Schnohardt  73  ein  Drock- 
fehler  statt  Sobachardt  23.  Wegen  des  Bildes,  womit  beide  Ueder 
anfangeD,  zeigen  sich  die  V.  L.  534  nnd  568  mit  den  von  Schachardc 
80,  31  gebrachten  Beispielen  verwandt. 

*)  H.  Schnehardt,  Bitomell  nnd  Terzine.  Halle  1874,  I  €. 

*>  Vea  den  348  mit  Kanters  beginnenden  Bitomelien  gehören  oi^ 
weniger  als  261,  alio  */st  so  dieser  Gattung. 

*)  Wohl  mißveritanden  ans  fior  de  läro  =  Lorbeerblume.  Nr.  130, 
138,  140. 


Ä.  Ivtf  Cantari  popolari  velletraDi,  aag.  t.  C.  Battisii.        1109 

n.  &.,  erba  acetoaa  usw.)  genaDiii  wird.  Nicht  so  üblich  ist  dagegen 
die  BODst  iD  den  mittelitalieniecben  Ritornellen  h&nfige  Form  des 
KnrzTorses,  die  neben  dem  Namen  einer  Blnme  oder  Pflanze  (ohne 
das  Appeliatif  »Blame**)  ein  folgendes  Adjektiv  umfaßt,  %.  B. 
aareio  pangente  246,  melo  granato  58,  517,  lävoro  leggio  742, 
748,  sagrato  pisto  520,  parma  fiorita  118,  rosa  addorosa  172, 
noch  seltener  ist  der  Xnrzyers  ein  Anruf,  in  welchem  Falle  sich 
die  Tendenz  zeigt,  das  Bitornell  mit  einem  M&dchennamen  zu  be- 
ginnen, der  gleichzeitig  Blnmenname  ist  (Viola,  Bosa).  Sehr  selten 
sind  ferner  jene  Fälle,  in  welchen  der  Knrzvers  inhaltlich  mit  den 
zwei  Zehnsilbem  verbanden  ist  nnd  seine  Abstammung  aus  einem 
verkfirzten  Zehnsilber  deutlich  zeigt  (z.  B.  Nr.  7,  8»  41,  112  u.  a.): 
der  Tortreffliche  Kommentar  gestattet  uns  in  diesen  Fftllen  ziemlich 
oft  engverwandte  V.  L.  zu  entdecken,  welche  die  ursprflngliche 
Form  einer  aus  drei  Zehnsilbern  bestehenden  Terzine  bewahrt  haben. 
Nicht  häufig  kommt  die  emphatische  Wiederholung  eines  Wortes 
▼or,  dann  aber  meistens  in  der  Anredeform,  welche  im  lebendigeren 
Eingang  besonders  der  toskanischen  V.  L.  außerordentlich  bevor- 
zugt wird  (z.  B.  Nr.  210). 

Was  Beim  und  Assonanz  betrifft,  so  ist  hier  der  Vorzug  des 
ersieren  zu  konstatieren,  denn  die  Assonanz  beschränkt  sich  auf 
zirka  Vio  ^^^  ^-  ^'  (2^^)  —  l^i^r  <^fters  in  den  Bitomellen  mit 
XurzTers  als  in  den  anderen,  in  welchen  der  Beim  nach  dem 
Schema  aha,  seltener  aah  verwendet  wird.  Beachtenswert  ist  in 
allen  Fällen  die  Konsonanz^)  des  Binnenverses  mit  dem  ersten, 
eventuell  auch  mit  dem  dritten  oder  umgekehrt  (a*xa'  oder  a*9^a 

oder  ax'a%  so  z.  B.  (4)  mele  \  male  \  bene,  (26)  noUe  \  parte  \porte, 
(35)  eanto  \  quellp  \  cavaUp,  (40)  sospiro  \  ariparo  \  mio,  oder  (8) 


araghUo  |  manato  \  tradito,  (5)  eantane  \  canierine  \  inparane,  (9) 


cafUi,  eenti,  amai^.    Es  kann   auch  ein  Konsonant  einer  Konso- 


uantengruppe  konsonieren:    (17)  bbrocca   \  fresca   \   apposta,  (21) 


piseUo   I   carUo   \   mantengo,   (25)  valio   \   arüomo   |  fanno,   (58) 


eallo  I  fomo  \  petanno  u.  ä. 

Diese  Verbindung  durch  Assonanz  (bezw.  Beim)  und  Kon- 
sonanz scheint  mit  einer  gewissen  Strenge  durchgefflhrt  zu  sein, 
und  die  verhältnismäßig  wenigen  Fälle,  in  welchen  das  gleich- 
zeitige Vorkommen  eines  dieser  zwei  Elemente  unterbleibt,  scheinen 
meistens  auf  Mundartsverschiedenheiten  oder  schlechte  Anpassung 
fremder   Lieder   zu   deuten;    das   Unterbleiben    dieses    metrischen 


1)  Schuchardt  a.  a.  0.  8.  8. 


1110        A,  Ive,  Cantari  popolari  Telletrani,  ang.  t.  C.  BattistL 

Faktors  kann  deshalb  mit  Vorsicht  angewendet  als  Kennzeichen 
ffir  die  Einfflbmng  des  betreffenden  Liedes  gelten.  Eine  gründliche 
Untersnchnng  in  metrischer  Hinsicht  wird  bei  voller  Berncksichti- 
gnng  der  inneren  Verwandschaft  einzelner  V.  L.  ans  Tsrschiedenen 
Gegenden  nach  meiner  Ansicht  viel  nenes  Licht  anf  die  Geschichte 
des  V.  L.  werfen. 

Die  Mandart  des  V.  L.  ist  auch  hier  verblaßt;  in  einigen 
F&Ilen  könnte  man  nach  derselben  die  Sammlung  kaum  lokaüsiereo, 
denn  das  Volk  bedient  sich  hier  wie  überall  im  V.  L.  einer  reineren, 
feineren  Sprache,  welche  die  spezifischen  Kennzeichen  einer  ein- 
zelnen Mandart  abwirft  und  über  einen  beinahe  konventionellen, 
armen  Wortschatz  verfugt.  Der  Verf.  hat  verstanden,  eine  richtige 
Mittellinie  zwischen  gewöhnlicher  nnd  diakritischer  Schreibart  za 
wählen,  welche  es  ermöglicht,  die  V.  L.  genan  nnd  leicht  zn  lesen. 
Das  Wortregister  ist  knapp,  aber  hinreichend  genug,  um  über  die 
vom  Toskanischen  zu  stark  abweichenden  Wörter  genügend  Aus- 
kunft zu  erteilen. 

Dem  umfangreichen  Kommentar,  mit  dem  der  Verf.  seine  Samm- 
lung begleitet,  kommt  eine  sehr  große  Bedeutung  zu.  Er  stellt 
die  Frucht  langjähriger,  tiefgehender,  liebevoller  Untersuchung  der 
verschiedensten  Liedersammlungen  dar,  welche  Prof.  Ive  in  ver- 
ständnisvollster Weise  exzerpiert  hat  und  die  es  ihm  ermöglicht, 
alle  Motive  des  V.  L.  im  ausgedehntesten  Maße  in-  und  außerhalb 
Italiens  zu  verfolgen.  Wenn  wir  uns  nicht  irren,  hat  der  Verf.  in 
der  Zusammenstellung  dieses  Kommentars  einen  doppelten  Zweck 
angestrebt:  einerseits  die  Ausdehnung  bestimmter  Variationen 
eines  allgemein  verbreiteten  Gedanken  in  jedem  einzelnen  Falle  in 
großen  Zügen  festzustellen,  anderseits  aber  die  Materialien  zu  einer 
Untersuchung  der  partiellen  Unterschiede  in  der  volks- 
tümlichen Bearbeitung  einzelner  Motive  für  spätere  For- 
schungen vorzubereiten.  Den  ersten  Zweck  hat  Prof.  Ive  ganz 
bestimmt  in  ausgedehntestem  Maße  erreicht;  der  Nachschlagende 
wird  bei  der  Lektüre  des  Kommentars  gleich  und  leicht  darüber 
orientiert«  Typographische  Schwierigkeiten  haben  dagegen  den  Verf. 
gehindert,  sein  zweites  Ziel  in  der  in  praktischer  Hinsicht  wirk- 
samsten Weise  zu  erreichen,  denn  der  Kommentar  besteht,  mit  ein- 
zelnen Ausnahmen,  in  welchen  die  verglichenen  fremden  Volkslieder 
—  in  diesem  Falle  sind  die  Abweichungen  zu  groß,  als  daß  man 
einen  direkten  Vergleich  machen  könnte  —  mitgeteilt  werden,  nur 
aus  literarischen  Angaben,  welche  der  Leser  sich  zusammenstellen 
muß,  falls  er  sich  in  der  glflcklichen  Lage  befindet,  den  enormen 
bibliographischen  Apparat,  worüber  Herr  Prof.  Ive  verfügt,  benützen 
zu  können.  Allerdings  hätte  dadurch  das  beinahe  850  SS.  starke 
Buch  einen  viel  größeren  Umfang  erhalten. 

Der  Sammlung  schickte  Herr  Prof.  Ive  in  einer  schönen  Ein- 
leitung eine  objektive  Prüfung  der  wichtigsten  Theorien  über  die 
Entstehung  des  Volksliedes  voran.  Der  Verf.  verspricht  (S.  XXIII, 


Sokoll-Wyplel,  Lehrbuch  der  frans.  Sprache,  ang.  ▼.  F.  Wawra.  1111 

Anm.  1)  eine  weitere  üntersncboDg  des  beDachbarten  mlttelitalieDi- 
Bcbeo  Gebietes  und  wir  wüDschen  dem  bewährten  Meister  bei  der 
neuen  Arbeit  einen  ebenso  schftnen  Erfolg  wie  bei  der  hier  be- 
sprochenen, dnrch  welche  er  sich  die  vollste  Dankbarkeit  und  An- 
erkennung aller  Freunde  des  Volksliedes  verdient  hat. 

Wien.  Dr.  C.  Battisti. 


Lehrbuch  der  französischen  Sprache  für  Bealschalen  und  ver- 
wandte Lehranstalten  von  Eduard  Sek  oll  und  Ludwig  Wyplel, 
k.  k.  Professoren  an  der  Staatsrealschule  Wien  XV.  Zweiter  Teil. 
(Drittes  Schuljahr.)  Wien,  Franz  Deuticke  1907.  187  SS.  8».  Pieis 
geh.  2K40h,  geb.  2K80h. 

Schon  eine  kurze  Einsichtnahme  in  dieses  für  den  dritten 
Jahrgang  unserer  Realschulen  bestimmte  Lehrbuch  zeigt,  daß  man 
es  hier  mit  einer  grundlichen  und  gewissenhaften  Arbeit  zu  tun 
bat.  Das  ihnen  vorschwebende  Ziel  drückten  die  Verff.  durch  den 
dem  ganzen  Buche  gegebenen  Untertitel  aus :  A  travers  la  France, 
Dem  zufolge  fuhrt  uns  der  fesselnde  Inhalt  der  in  einfacher, 
durchaus  moderner  Sprache  gehaltenen  Lesestücke  mehr  oder  weniger 
dnrch  alle  Teile  Frankreichs,  namentlich  Nord f ran kreich s ,  und 
macht  uns  mit  deren  geographischen  und  kulturellen  Verhältnissen 
bekannt.  Der  französischen  Jugend  ist  naturgemäß  in  diesen  Lese- 
stücken eine  hervorragende  Rolle  zugeteilt.  Die  Kenntnis  von  Land 
und  Leuten  von  Frankreich  wird  so  unseren  Schülern  auf  eine 
höchst  anziehende  Weise  vermittelt.  Aber  diese  französischen  Texte 
(A)  werden  dann  noch  weiter  sachlich  erläutert  oder  erweitert  als 
Legons  de  ehoses  (B),  und  zwar  in  geographischer,  industrieller 
oder  sonstwie  kultureller  Hinsiebt.  Zugleich  wird  dieser  Teil  auch 
sprachlichen  Zwecken,  besonders  der  Bereicherung  des  Wortschatzes, 
dienstbar  gemacht,  worauf  dann  unter  „Orammaire^  die  eigent- 
liche sprachliche  Verarbeitung  durch  zahlreiche  und  mannigfaltige 
Obungen,  auch  stilistischer  Natur,  die  auf  den  freien  mündlichen 
und  schriftlichen  Gebranch  der  Sprache  hinzielen,  erfolgt.  Für  die 
Erweiterung  des  Wortschatzes  wird  gleichfalls  in  systematischer 
Weise  Sorge  getragen ;  wie  denn  überhaupt  dieser  Teil  mit  großer 
Umsicht  und  vielem  Geschick  gearbeitet  ist.  Den  Abschluß  der 
Lektion  bildet  meist  das  Thhne,  welches  eine  Variation  des  fran- 
zösischen Textes  darstellt. 

Nur  eine  Seite  des  sprachlichen  Betriebes  scheint  uns  in 
diesem  Buche  nicht  ganz  zu  ihrem  Rechte  zu  kommen :  es  ist  die 
Aussprache.  Wenn  diese  auch  hie  und  da  im  „Voeabulaire**  und 
im  „Lezique**  berücksichtigt  wird,  so  geschieht  das  doch  nicht  in 
ausreichendem  Maße.  So  hätten  wir  z.  B.  eine  Bemerkung  gewünscht 
zu  le  hdvre  (S.  116  und  155)  und  bas,  hasse  (S.  142)  betreffs 
der  Qualität  des  a;  zu  hatelier  (8.  127  und  142),   orphelin  (S.  162) 


1112  Coleridge- Eichler,  The  Ancieot  Mariner  usw.,  ang.  ▼.  J.  EUinger. 

und  porie/euilU  (S.  127  und  164)  betreffs  des  e;  zu  aiguilk 
(Qsw.,  S.  140)  betreffs  des  u;  in  ii^siMe  (S.  182  and  140)  be- 
treffs des  8  and  noch  in  anderen  F&Uen.  Wird  der  Sch&ler  dem 
in  den  Umschriften  von  orchestre  (S.  134)  und  baptime  (8.  142) 
ohne  Bezeichnong  bleibenden  e  die  richtige  Qaalit&t  geben?  Wir 
bezweifeln  es.  Die  fär  gara  gegebene  Anssprache  g  r  (S.  115  nnd 
154)  ist,  als  völlig  nngebräncblich,  ohneweiters  zn  streichen.  Filr 
Aniüles  (S.  126  nnd  140)  wird  die  Endung  mit  ^W  umschrieben. 
Soll  damit  der  Laut  des  J  mauilUe*^  angedeutet  werden?  Das 
wäre  wohl  gegen  alle  phonetischen  Prinzipien.  Sonst  sind  die  Wörter- 
verzeichnisse mit  der  das  ganze  Buch  zierenden  Sorgfalt  angelegt 
(nur  fehlt  die  Bedeutung  zu  taülandier  S.  99,  B,  Z.  2);  ähnliches 
gilt  von  der  Überwachung  des  Druckes  (nur  ist  8.  30,  Z.  4  dem 
Worte  Ouillaume  ein  unberechtigtes  t  angefügt  worden).  So  stehen 
wir  denn  nicht  an,  dieses  auf  Grund  einer  ausgereiften  Methode 
angelegte  Buch  als  einen  gelungenen  Unterrichtsbeheif  zu  bezeichnen. 

Wr.-Neustadt.  Dr.  P.  Wawra. 


Sam.  Taylor  Coleridge,  The  Ancient  Mariner  und  Christabel. 
Mit  literarhittorischer  £uii«itiiDg  nnd  Kommentar  herausgegeben  von 
Albert  Eichler.  Wien  und  Leipzig,  Wilbelm  Braaroaiier  1907.  XI 
und  188  SS.  (Band  XXVI.) 

Deutsche   EulturyorhUtnisse    in    der  Auffassung    Will    M. 

Thackeraya.  Von  Dr.  Heinrich  Frisa  (Wien).  Wien  nnd  Leipiig, 
Wilhelm  Braomflller  1908.  IX  nnd  78  SS.  (Wiener  Beitr&ge  inr 
englischen  Philologie,  herausgegeben  von  J.  Schipper.) 

Auf  die  beiden  Dichtungen  The  Ancient  Mariner  nnd  ChriMaM 
von  Goleridge  wird  von  dem  Herausgeber  dieselbe  kritisch -philo- 
logische Methode  angewandt,  wie  sie  sonst  alteren  Denkmälern 
zuteil  wird.  Den  leiten  geht  eine  „Einleitung''  voran,  in  weicher 
wir  über  Entstehung  und  Aufnahme,  Metrum,  Sprache  und  Stil 
beider  Balladen  eingehend  belehrt  werden.  In  dem  Abschnitte 
„Nachfolge  der  beiden  Balladen  in  der  Literatur**  wird  der  Einfluß 
derselben  auf  Scott,  Byron  und  Keats  nachgewiesen.  Nun  folgt 
ein  vollständiger  Abdruck  der  ersten  Ausgabe  des  Aneient  Marimr 
von  1798  und  der  Ausgabe  von  1817.  In  den  Fußnoten  werden 
die  Abweichungen  der  beiden  besprochen  und  auch  die  Lesarten 
anderer  Ausgaben  znm  Vergleiche  herangezogen.  Der  Text  der 
Christabel  ist  nur  nach  der  Ausgabe  von  1829  abgedruckt,  wahrend 
alle  Abweichungen  in  den  Fußnoten  zusammengestellt  und  be- 
sprechen  werden.  Den  Schluß  bildet  ein  Kommentar  mit  ausfähr* 
liehen  Wort-  und  Sacherklarungen. 

Zu  dem  Verse  25  des  Christabel  JV^^  makea  her  in  tk$ 
toood  80  lote"*  bemerkt  der  Herausgeber  S.  124:  ^what  makee  her 
zu  erganzen:  (iojbe;  sonst  wüürde  man  vielleicht  *what  mahee  shi' 


A.  Struck  MakedooiKhe  Fahrten,  aog.  t.  J.  Jung.  11 13 

erwarteD«*.  Der  zweite  Teil  dieser  Bemerkung  ist  nnoötig,  weil 
niemand,  der  den  englischen  Sprachgebranch  des  XIX.  Jahrhunderts 
kennt,  eine  Konstruktion  wie  'whai  mahes  ehe  erwarten  wird.  — 
S.  126.  ^Fraise  tce  Eonjnnktl?.*'  Es  ist  Tielmehr  der  alte  Im- 
perativ statt  des  prosaischen  'let  us  praise  I —  S.  132.  „I  repetU 
me,  selten  mit  pron.  reflex.  (Tgl.  Measnre  for  Measure,  IL  III.  85)**. 
Ich  habe  in  den  Engl.  Stnd.,  Bd.  24,  p.  79  ein  Beispiel  für  to 
rep$/U  aneself  ans  TroUope  beigebracht. 

Die  Ansstattnng  des  Buches  ist  sehr  gef&llig,  der  Druck 
korrekt;  mir  sind  nur  zwei  Versehen  aufgefallen:  8.  112  aeemt 
so  (st.  /o)  mistake,  S.  121  die  (st.  denen)  er  begegnet. 

Die  schöne  Ausgabe  ist  so  eingerichtet,  daß  sie  wegen  ihres 
textkritischen  Apparates  zu  Seminarubungen  dienen  und  wegen 
ihres  Kommentars  auch  zur  Lektftre  an  höheren  Schulen  verwendet 
werden  kann. 

Von  Tbackerays  Aufenthalt  in  Deutschland  in  den  Jahren 
1830/81  ausgehend,  bespricht  Dr.  Frisa  auf  Grund  eines  grund- 
lichen Studiums  von  Thackerays  Worken  sein  Verhftltnis  zur  deut- 
schen Literatur  und  Kunst,  sowie  zur  deutschen  Geschichte  und 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  daß  Thackeray  kein  Bahnbrecher  fflr 
deutsche  Kultur  in  England  gewesen  sei  wie  Wordsworth,  Co- 
leridge  und  Carlyle.  Von  einem  Einfluß  der  deutschen  Lite- 
ratur auf  ihn  kann  kaum  gesprochen  werden,  über  deutsche  Kunst 
weiß  er  seinen  Landsleuten  wenig  oder  gar  nichts  zu  sagen  und 
seine  Betrachtung  deutscher  Geschichte,  namentlich  Friedrichs  des 
Großen,  steckt  ganz  in  den  Vorurteilen  seiner  Zeit.  Wo  er  zeit- 
genössische Zust&nde  schildert,  bilden  diese  immer  nur  den  Hinter- 
grund für  seine  persönlichen  Erlebnisse  (vgl.  Pumpern  ickel  und 
K.'ilbsbraten,  aus  dem  deutschen  Kleinstaat  und  der  deutschen 
Kleinstadt).  Doch  wenn  auch  Thackeray  keine  zusammenhängende 
Arbeit  über  das  deutsche  Geistesleben  für  seine  Landsleute  ge- 
schrieben hat,  so  kann  man  doch  nicht  verkennen,  daß  er  zur  Ver- 
breitung und  zum  Verst&ndnis  deutschen  Geistes  und  deutscher  Zu- 
st&nde in  England  nicht  wenig  beigetragen  hat. 

Die  auf  Grund  einer  umfassenden  Kenntnis  der  Fachliteratur 
ausgearbeitete  Schrift  kann  allen  Anglisten  und  Freunden  der  eng- 
lischen Literatur  bestens  empfohlen  werden.  Einige  stehen  geblie- 
bene Druckfehler  wird  jeder  Leser  selbst  verbessern. 

Wien.  Dr.  Joh.  Ellinger. 


Adolf  Struck,  Makedonische  Fahrten,  n.  Die  makedonitebeD 
Niederlande.  Mit  26  AbbildoDgen  uod  einer  BooteDkarte.  (Zar  Knode 
der  Balkanhalbintel.  Beisen  und  Beobacbtuogeo.  Herausgegeben  von 
Dr.  Karl  Patsch,  Leiter  des  Boin.-Hersegow.  Inatitoti  fAr  Balkao- 
forfcbUDg.  Heft  7.)  Sarajewo,  Dtnckund  Verlsg  von  Daniel  A.Kajon 
1908.   III  und  d9  ^8.  8<>.  Preis  S  K. 


1114  Ä.  Struck,  MakedoniBcbe  Fahrten,  aog.  ▼.  J.  Jwig. 

Dieses  Heft  der  vod  Patsch  geleiteten  Sammlnog  ist  för  die 
Topographie  nnd  Geschichte  des  alten  Makedoniens  von  grofter 
BedeatDDg.  Die  Hauptstadt  des  Landes  war  in  froherer  Zeit 
Aigai  oder  Edessa  (beides  die  „ Wasserstadt **  bezeichnend), 
beim  hentigen  Wodena.  Hier  vollzog  sich  noch  in  der  Zeit«  da 
die  Besideoz  schon  nach  Pella  verlegt  war,  der  jeweilige  Regie- 
rnngsantritt,  so  im  Jahre  859  der  König  Philipps,  wobei  ihm  der 
Prätendent  Argaios  die  Krone  entreißen  wollte;  hier  wurde  er 
28  Jahre  später  bei  der  Hochzeitfeier  seiner  Tochter  Kleopatra  er- 
mordet. In  Aigai  befanden  sich  auch  die  Qräber  der  Könige.  Es 
haben  sich  ferner  ans  römischer  Zeit,  da  die  via  Egnaiia  vorbei- 
ging, Banreste,  Sarkophage  und  Inschriften  (darnnter  lateinische) 
erhalten.  Die  Stadt  lag  einst  im  innersten  Winkel  des  ägeischen 
Meeres.  Pella  war  der  antike  Vorort  der  nördlichen  Kampania, 
wie  das  makedonische  Niederland  genannt  wird,  beim  hentigeo 
Alaklisse  in  der  Nähe  von  Jenidsche.  S.  88  ist  eine  Kartenskizze 
beigegeben  and  die  Darstellung  des  Polybios  (bei  Liv.  XXXXIV  86), 
wo  die  Einnahme  der  Stadt  durch  Aemilius  Paulus  im  Jahre  168 
V.  Chr.  beschrieben  wird,  mit  einem  Kommentar  versehen.  „Darnach 
bestand  Pella  aus  zwei  getrennten  Teilen :  aus  der  auf  einem  nach 
SW.  abfallenden  Hügel  gelegenen  und  von  tiefen  Sumpfen  um- 
gebenen befestigten  Stadt  und  der  königlichen  Burg,  die  sich«  mit 
der  Stadt  durch  eine  Brücke  verbunden,  im  Sumpf  auf  einer  mäch- 
tigen Steinschüttung  und  Mauerung  erhob.  Die  Burg«  Phakos 
genannt,  enthielt  auch  die  königliche  Schatzkammer **.  Der  Sumpf 
bieß  Borbaros  —  die  gegenwärtige  (slavische)  Bezeichnung  ist 
Blato,  d.i.  Sumpf.  —  Hier  an  jetzt  ziemlich  verwahrloster  Stelle, 
unfern  der  Station  Jenidsche  der  makedonischen  Eisenbahn,  lag  die 
Vaterstadt  Philipps  und  Alexanders  d.  Gr. ,  die  Wiege  einer  Welt- 
herrschaft —  Eine  dritte  alte  Kulturstätte  Makedoniens  war  Beroea 
(Beroia),  gegründet  von  Pberon,  d.  i.  makedon.  Beron;  es  heißt 
jetzt,  indem  der  alte  Name  an  einem  stattlichen  Orte  sich  erhalten 
bat,  griechisch  Weria,  slav.  Ber,  türkisch  Karaferia.  Die 
Stadt  ist  bei  Liv.  XXXXIV  29  nnd  45  erwähnt;  im  Jahre  49 
V.  Chr.  befand  sich  hier  das  Hauptquartier  des  Pompeius.  In  der 
Kaiserzeit  hatte  das  coneilium  (der  Landtag)  von  Makedonien  zu 
Beroea  seinen  Sitz.  Die  Residenz  des  römischen  Statthalters  hin- 
gegen war  die  Freistadt  Thessalonike.  Infolge  der  hydrogra- 
phischen Veränderangen ,  die  von  den  in  den  thermäiscben  Meer- 
busen einströmenden  Flüssen  Axios,  Haliacmon,  Lndias  verursacht 
wurden,  kamen  die  älteren  Orte  um  ihre  Bedeutung,  während 
Thessalonike  an  der  geschützten  Seite  des  Golfes  sich  zu  einer  der 
ansehnlichsten  Metropolen  des  römischen  Reiches  herauswuchs.  Es 
ist  das  besondere  Verdienst  der  Herren  Struck  und  Patsch, 
diese  hydrographischen  Verhältnisse  aus  der  Literatur  und  der 
Gegenwart  eingehend  studiert  nnd  durch  einige  Croquis  anscban- 
lieb  zur  Darstellung   gebracht   zu  haben.    —  Nebenbei  wird  auch 


F.  Arndt f  DeotecbUiids  Stellimg  niw««  am  f.  w,  B.  ImenäÖfffer.  1115 

der  Jetztzeit  Hecbnim^  getragen  durch  ein^estreQtd  Notizen  über 
HaiideL  und  Verkehr,  über  die  itatioDalen  nud  koof^eg] Quellen  Bei' 
biDgen  7,wlscbeEi  Türken,  Bulgaren,  Albanesen,  Griechen,  Wlacben, 
endlich  dnrch  die  eingeBtrenten  IJlaatrationen,  die  Land  und  Leiitt\ 
8tädte,  Bracken^  den  Verkehr  durch  die  Sampfe  nsw,  in  gelnngener 
Weise  vorf obren. 


Praff. 


Jul  Jung* 


Prüf,  Dr*  Paul  Arndt,  Deutschlands  Stellung  in  der  Welt- 
wirtschaft, Aü9  ^Natnr  und  G«ifte»Uheii^  Leipiig,  Veriag  tod 
B.  G.  TtfübBer  190b. 

Das  vorlieg'ende  Bändeben  der  bekannten  Sammlung  populär'' 
wiesenscbaf (lieber  Schriflen  bietet  wieder  eine  Falte  dee  Goten 
nnd  WisäenBwerten.  Insbeaendere  der  Lehrer  der  Erdkunde,  der 
aneh  dem  bisber  in  den  Miitekchnien  etwas  rernocblässigten  Ge- 
biete der  Wirtschaftsgeographie  gerne  Beachtung  schenkt,  findet 
hier  eine  handliche  nnd  verläßliche  Znsammen  Stellung  der  wich- 
tigsten wirtficbaftHcben  Tatsachen,  die  hei  der  Darstellnng  des 
Oentschen  Reiches  in  der  Seh  nie  verwertet  werden  können.  Daß 
die  gebotenen  et atisti sehen  Daten  stets  der  nachtragenden  Kontrolle 
bedürfen  werden,  ergibt  eich  ans  der  Natur  der  Sache;  sie  sind 
hier  ftber  eine  weeentÜcbe  Beigabe^  die  man  nicht  missen  mächte, 
wenn  man  tsich  anch  vor  Angen  hält,  daß  die  fortschreitende  Zeit 
sio  sehr  bald  überholen   wird, 

Prof.  Arndt  gliedert  dm  riichen,  auf  so  kleinem  Eanme  ge- 
gebenen Stoff  in  ungemein  übersichtlicher  Weise  p  so  dal^  ein 
rasches  Nachschlagen,  das  ja  gerade  in  diesem  Falle  oft  genug 
notiun  wird,  dadnrch  sehr  erleichtert  ist  Daß  der  Verf.  bei  aller 
Begeisterung  für  seinen  Gegenstand  nicht  blind  ist  im  dieScbwIchen 
der  rapiden  wirtschaftlichen  Entwicklnng  des  Deutsch en  Beiches,  be- 
weist das  ziemlich  aosführlicbe  Kapitel  IV  ,,Gefahreu  der  TeÜnahme 
DeutBchlands  an  der  Weltwirtschaft**-  Freilich  hätten  wir  gerne 
anch  einen  deutlichen  Hinweis  auf  die  ethischen,  nicht  bloß  die 
wrrticbnltlichen  Gefahren  gefanden.  Denn  es  ist  wohl  kein  Zweifel, 
daß  der  moderne  Wtrtschaftsbetrieb  nur  allzusehr  geeignet  ist, 
einige  der  sittlich  wertvollsten  Eigenarten  des  deutschen  Volks- 
cliarakters  stark  in  den  Hintergrund  zu  drängen  und  daß  ein  Tiet- 
facb  in  unaugeoehmer  Weise  auftretender  Ämerikanismue  im  Deut- 
sehen  Ueiche  immer  mehr  überhand  nimmt. 

Im  ganzen  konn  das  hübsch  ausgestattete  Bdchletn  jedem 
Fachkollageß  bestens  enrpfoblen  werden. 


Wien. 


B.  Imeoddrffer. 


1116      Hirach-ZafUa,  Heimatkoode  usw.,  aog.  ▼.  H.  Pirchegger. 

Hirsch,  Heimatkunde  des  Herzogtums  Steiermark.  ümire«rbeiut 
und  iD  dritter  Anf läge  herausgegeben  von  Ferd.  Zafita.  Wien  1907, 
A.  Holder. 

Bis  Yor  Jahresfrist  stand  die  gleichfalls  yod  F.  Zafita  be- 
sorgte zweite  Auflage  dieses  fiuches  an  Mittelschulen  allgemein  in 
Verwendung,  obwohl  sie  die  ministerielle  Approbation  nur  für 
Lehrer-  und  Lehrerinnenbildungsanstalten  anf  dem  Titelblatte  trug. 
Auch  die  dritte  Auflage,  die  elf  Jahre  nach  der  zweiten  erschien, 
ist  in  erster  Linie  für  Lehrer-  und  Lehrerinnenbildungsanstalten 
sowie  für  Volksschullehrer  bestimmt,  ist  aber  auch  zum  ünterrichts- 
gebrauche  an  Mittelschulen  zugelassen. 

Den  Stoff  hat  der  Bearbeiter  wie  früher  in  einen  geographischen 
und  einen  historischen  Teil  gegliedert,  ersteren  wieder  in  drei 
Abschnitte  zerlegt:  Physikalische  Geographie  —  Statistik  —  Topo- 
graphie. Durch  die  Verwendung  von  BCbms  „Einteilung  der  Ost- 
alpen "*  hat  das  Lehrbuch  wesentlich  gewonnen.  Statistik  und  Topo- 
graphie sind  nach  dem  neuesten  (1900 — 1907)  Stande  entsprechend 
geändert.  Der  Bearbeiter  hat  hier  Tiel  Sorgfalt  aufgewendet  Der 
Umfang  —  um  zwei  Seiten  grCiSer  als  der  der  zweiten  Auflage  — 
ist  zweifellos  für  den  Unterricht  an  Mittelschulen,  der  ja  nur  eine 
Vorbereitung  für  die  Preisprüfung  sein  soll,  viel  zu  groß,  nament- 
lich der  statistische  Teil  enth&lt  zuviel  Einzelheiten.  Anders  ist 
es  natürlich,  wenn  das  Buch  als  Hilfsmittel  für  den  Volksscbui- 
lehrer  gedacht  ist,  für  den  es  sich  ja  durch  seinen  billigen  Preis 
(geb.  2  K  50  h)  sowie  durch  die  Vereinigung  von  Geschichte  und 
Geographie  besonders  empfiehlt;  der  Bef.  kommt  nocbmala  darauf 
zu  sprechen.  Das  K&rtchen  mit  der  Einteilung  des  Landes  nach 
Bezirkshauptmannschaften  ist  weggelassen  worden,  es  konnte  auch 
ohne  Schaden  wegbleiben. 

Der  geschichtliche  Teil  ist  gleich  gegliedert  wie  in  der 
früheren  Auflage,  wurde  aber  etwas  vergrößert,  so  daß  das  ganze 
Buch  jetzt  um  10  Seiten  mehr  hat.  Eine  Umarbeitung  einiger 
Abschnitte  war  durch  die  Benützung  der  1898  erschienenen  steier* 
m&riüschen  Geschichte  von  F.  M.  Mayer  bedingt.  Eine  vierte  Auf> 
läge  wird  jedenfalls  in  den  ersten  12  Paragraphen  und  im  §  50 
gar  manches  andern  müssen.  Auch  die  kleinen  Ortschroniken  des 
Anhanges,  die,  wenn  der  Bef.  nicht  irrt,  dem  Ortslezikon  von 
Janisch  entnommen  sind  und  unverändert  in  die  neue  Auflage 
hinüber  wanderten,  werden  gründlich  durchgesehen  und  geändert 
werden  müssen.  Gerne  sei  festgestellt,  daß  gerade  diese  Orts- 
chroniken —  natürlich  richtig  gestellt  —  einen  großen  Wert  für 
den  Volksschullehrer  besitzen,  der  auf  dem  Lande  sich  Sinn  für  die 
Heimatkunde  bewahrt  hat;  sie  kCnnen  ihm  Anlaß  bieten,  Lokal- 
geschichte  zu  betreiben. 

Graz.  H.  Pirchegger. 


B.  Heger,  Analjtisehe  Geometrie  aof  der  Ka^el,  ang.  ?.  E.  Orünfeld,  1 117 

Analytasehe  Geometrie  anf  der  Engel.  Von  Prof.  Dr.  B.  Heger. 
SammlQog  Schubert  LIV. 

Vorwiegend  fraozOsische  Mathematiker:  Lezell,  Lhnilier, 
OergODne  n.  a.  haben  sich  vor  nngefftbr  haodert  Jahren  zuerst 
mit  der  Geometrie  anf  der  Engelfläche  beschäftigt  nnd  den  damals 
schon  bekannten  Gmndeigenecbaften  der  sphärischen  Dreiecke 
wesentlich  neue  hinzugefügt.  Gleichzeitig  war  das  Bestreben 
darauf  gerichtet,  andere  Gebilde  auf  der  Sphäre  in  den  Bereich 
der  Betrachtungen  zu  ziehen.  Die  sphärische  Ellipse,  definiert 
durch  die  beständige  Summe  der  Brennstrahlen,  bot  sich  wie  von 
selbst  zu  allererst  den  Untersuchungen  dar.  Im  Verlauf  von  80  bis 
40  Jahren  bildete  sich  die  analytische  Geometrie  auf  der  Engel- 
fläche aus,  ganz  nach  dem  Vorbilde  derjenigen  in  der  Ebene,  diese 
jedoch  durch  die  Mannigfaltigkeit  und  Schwierigkeit  der  zur  An- 
wendung gelangenden  Methoden  weit  überholend.  Die  hierauf  be- 
züglichen Arbeiten  der  großen  Geometer:  Plücker,  MObius,  Steiner 
XL  a.  gehören  zu  den  bedeutendsten  nnd  wertvollsten  Entdeckungen 
im  Gebiete  der  ganzen  Mathematik  während  des  abgelaufenen  Jahr- 
hunderts. In  den  yerschiedensten  Zeitschriften,  Abhandlungen,  Vor- 
trägen usw.  zerstreut,  sind  dieselben  immer  nur  schwer  zugänglich 
gewesen.  Auch  die  wenigen  bis  nun  ▼orhandenen  Lehrbücher  über 
Baumgeometrie  haben  in  diesem  Belange  nur  uuTollständig  abge- 
holfen. Da  greift  das  Torliegende  Buch  sehr  wohltätig  ein:  In 
seinen  152  Seiten  bringt  es  eine  vollständige  Geometrie  der  Eegel- 
schnitte  auf  der  Eugel,  wie  sie  bisher  nirgends  so  systematisch 
und  alles  Wesentliche  berücksichtigend  auf  den  Plan  getreten  ist. 

Den  in  der  Geometrie  hüher  Strebenden  wird  dasselbe  sehr 
willkommen  sein. 

Wien.  Dr.  E.  Grünfeld. 


Lehrbuch  der  Physik  für  Studierende.  Von  Dr.  H.  Eayser,  Pro- 
feseor  an  der  UniTersität  Bonn.  4.,  Terbesserte  Auflage.  Mit  844  in  den 
Text  gedrackteo  Abbildungen.  Stuttgart,  Verlag  von  Ferdinand  Enke 
1908.  Preis  geh.  10  ML 

Seit  dem  Erscheinen  der  8.  Auflage  des  Lehrbuches  der 
Physik  von  Prof.  Eayser  sind  acht  Jahre  yerflossen,  in  welchem 
Zeiträume  auf  dem  Gebiete  der  physikalischen  Forschung  —  es 
seien  nur  die  Studien  über  Strablungsenergie,  radioaktive  Erschei- 
nungen und  über  die  Elektronen  erwähnt  —  namhafte  Neuerungen 
sieh  vollzogen  haben  und  auch  in  methodisch-didaktischer  Hinsicht 
dem  physikalischen  Unterrichte  manche  schätzenswerte  Bereiche- 
rung zuteil  wurde.  Der  Verf.  war  in  der  vorliegenden  Auflage 
seines  Buches  bestrebt,  kleine  Änderungen  anzubringen,  welche  die 
Schaffung  größerer  Elarheit  und  Präzision  bezwecken,  anderseits 
aber  auch  den  Besultaten  der  neueren  Forschung,    soweit  sie  in 


1118  R.  Kayser,  Lebrb.  d.  Physik  f.  Studierende,  ang.  ▼.  J.  G,  Waüeniim. 

deD  Bahmen  des  Baches  passen,  in  entspreehender  Weise  Rechnnog 
zn  tragen. 

Im  einzelnen  mögen  die  nachstehenden  Bemerkungen  gemacht 
werden:  Die  ungleichförmige  Bewegung  hätte  schärfer  definiert 
und  namentlich  der  Ausdruck  för  die  Beschleunigung  oder  allge- 
meiner für  die  Geschwindigkeitsänderung  bei  dieser  Bewegxug  in 
präziser  Weise  aufgestellt  werden  sollen.  —  Das  Prinzip  der  Er- 
haltung der  Energie  hätte  schon  an  früherer  Stelle,  nicht  erst  zu 
Ende  der  Geomechanik  gegeben  werden  sollen,  um  von  demselben 
schon  in  der  Mechanik  fester  Körper  entsprechend  Gebrauch  machen 
zu  können.  —  Der  Abschnitt  über  Potential,  Niveau,  Flächen  und 
Kraftlinien  hätte  einer  namhaften  Erweiterung  bedurft.  —  8.  78 
wären  die  Begriffe  ^absolute  Dichte"*,  „relative  Dichte**  und  ^spezi- 
fisches Gewicht''  scharf  voneinander  zu  trennen  gewesen.  —  Für 
den  Nachweis  des  archimedischen  Prinzipes  hätte  sich  die  Be- 
trachtungsweise Stevins  als  allgemein  geltend  sehr  empfohlen.  Die 
Forschungen  über  den  osmotischen  Druck  hätten  am  besten  im 
Anschlüsse  an  die  Gaslehre  erwähnt  werden  können.  Allzu  karg 
ist  der  Abschnitt,  der  von  der  mechanischen  Wärmetheorie  handelt, 
bedacht.  Es  hätten  aus  den  Grundanschauungen  derselben  die  ent- 
sprechenden Folgerungen  für  die  Wärmeerscheinungen  gezogen 
werden  sollen.  Auch  hätte  der  zweite  Hauptsatz  der  mechanischen 
Wärmetheorie  und  dessen  Bedeutung  dargelegt  werden  sollen. 

Von  dem  Potentialbegriffe  hätte  in  der  Elektrizitätslehre  ein 
ausgiebigerer  Gebrauch  gemacht  werden  sollen,  als  es  tatsächlich 
geschehen  ist.  Statt  der  Holtzschen  Infiuenzelektrisiermaachine 
hätte  jene  von  Wimshurst,  die  heutzutage  mehr  im  Gebrauche  als 
erstere  steht,  beschrieben  und  erklärt  werden  sollen.  Die  Anschau- 
ungen von  Faraday  und  Maxwell  über  die  elektrischen  Erscheinungen 
werden  kurz  auseinander  gesetzt.  Die  Paragraphe  287  und  288  hätten 
erst  im  Anschlüsse  an  die  Betrachtungen  über  die  elektrolytiscben 
Erscheinungen  behandelt  werden  sollen.  Als  Elektron  wird  die  von 
einem  Wasserstoffion  und  daher  auch  von  jedem  anderen  einwer- 
tigen Jon  transportierte  Elektrizitätsmenge  bezeichnet.  Die  Gruppe 
von  Galvanometern ,  für  welche  jenes  von  d*Arsonval  typisch  ist, 
hätte  durch  eine  Figur  dargestellt  werden  sollen.  In  der  gesamten 
Lehre  vom  Elektromagnetismus,  der  Elektrodynamik  und  Induktion, 
namentlich  in  letzterer,  hätte  der  Begriff  der  Kraftlinien  in  aus* 
giebigster  Weise  verwertet  werden  sollen. 

Becht  klar  und  übersichtlich  ist  die  Lehre  von  der  elek* 
trischen  Strahlung  erörtert  worden.  Besonders  eingehend  werden 
die  Kathodenstrahlen  im  Anschlüsse  an  die  Arbeiten  von  J.  J. 
Thomson  besprochen  und  gezeigt,  daß  die  Kathodenteilchen  über- 
haupt keine  Materie  enthalten,  sondern  sogenannte  Elektronen  sind. 
Ferner  werden  die  BOntgenstrahlen,  die  Eanalstrahlen»  die  Becqnerel- 
strahlen  besprochen  und  es  wird  auf  die  radioaktiven  Stoffe  und  die 
Transmutation  der  Elemente,  welche  von  dem  berühmten  Chemiker 


G.  Jäger^  TbeoretiBche  PbyBik,  ang.  ▼.  H.  Vieltorf,  1119 

Ramsay  znm  Gegenstände  eingehenden  Stndinms  gemacht  warde,  des 
Oftheren  eingegangen.  Daran  schließend  finden  wir  einen  knappen, 
aber  klar  verfaßten  Abriß  über  die  Elektronentheorie.  —  Becht  gut 
und  nbersicbtlich  ist  auch  die  am  Schiasse  der  Elektrizit&tslehre 
vorgenommene  Znsammen  stellang  der  elektrischen  Maßeinheiten. 

In  der  Lehre  vom  Lichte  sind  besonders  hervorznheben :  Die 
sehr  gelangene  Darstellang  des  Abschnittes,  der  von  der  Emission 
des  Lichtes  handelt,  die  Entwicklangen  im  Abschnitte  von  der  Ab- 
sorption des  Lichtes,  ferner  die  in  jeder  Beziehnng  sehr  gelangene 
Darlegung  der  Erscheinnngen  der  physikalischen  Optik.  Von  Belang 
sind  aach  die  Schlnßerörterangen  über  die  Beziebnngen  zwischen 
Licht,  Elektrizität  nnd  Magnetismns.  Allerdings  hätten  die  For- 
Bcbangen  über  elektrische  Wellen  and  Strahlen,  sowie  über  die  An- 
wendungen derselben  in  der  Praxis  eingehender  znr  Sprache  ge- 
bracht werden  sollen. 

Die  Ansstattung  des  Buches  ist  eine  vorzügliche. 

Wien.  Dr.  L  G.  Wallentin. 


Dr.  0.  Jäger,  Theoretische  Physik.  ly.  ElektromagDetiscbe 
Lichttheorie  und  Elektronik.  Mit  21  Figuren.  Leipzig,  Verlag  von 
G.  J.  Goschen  1908. 

Nachdem  in  der  Sammlang  „GOscben*'  von  Prof.  Dr.  G. 
Jäger  bereits  drei  Bändchen  über  Mechanik  nnd  Akustik,  Licht 
und  Wärme,  Elektrizität  nnd  Magnetismus  erschienen  sind,  be- 
spricht der  rühmlich  bekannte  Verf.  in  dem  vorliegenden  Bändchen 
(Nr.  874  der  Sammlung  GOschen)  die  elektromagnetische  Licht- 
theorie nnd  Elektronik  in  klarer  und  leicht  verständlicher  Weise. 
Auf  streng  wissenschaftlicher  Grundlage  bearbeitet  und  die  neuesten 
Forschungen  berücksichtigend  wird  auch  der  4.  Teil  der  theore- 
tischen Physik  die  Leser  vollauf  befriedigen. 

Dr.  J.  Meisenheimer,  Entwicklungsgeschichte  der  Tiere. 
Zwei  Bändchen.    Leipzig,  Verlag  von  G.  J.  GOecben  1908. 

In  den  vorliegenden  zwei  Bändchen  gibt  der  Verf.  einen 
Überblick  über  die  ontogenetischen  Tatsachen  der  tierischen  Ent- 
wicklung, ohne  auf  die  inneren  Ursachen  der  einzelnen  Vorgänge 
einzugehen.  Das  1.  Bändchen  enthält  die  Kapitel  über  Fnrchung, 
Bildung  der  Primitivanlagen,  Ausbildung  der  äußeren  Gestalt  und 
Embryonalhüllen.  Besonders  berücksichtigt  sind  die  Larvenformen 
der  verschiedenen  Tierklassen.  Im  2.  Bändchen  werden  Integument, 
Nervensystem,  Sinnesorgane,  Darmkanal,  Atmungsorgane,  Musku- 
latur und  Gewebe,  Blutgefäßsystem,  Exkretions-  und  Geschlechts- 
organe besprochen.  Die  einschlägige  Literatur  wird  in  jedem 
Bändchen   vorausgesch  ickt. 


1120  ^.  M,  Kronfeldj  Ant.  Kenier  ?on  Marilaon,  ang.  ▼.  T,  F.  Hanatutk. 

Da  instniktiTe  Zeicbnnngen  in  großer  Zahl  das  Vorst&iidiiif 
erleichtern  and  die  nenesteD  Forechongen  gewissenhafl  bnfitit 
sind,  wird  diese  Entwicklnngsgeschichte  sicherlich  das  Interesse 
aller  Fachmänner  erregen. 

Wien.  H.  Vieltorf. 


Dr.  E.  M.  KroDfeld,  Anton  Kerner  von  Marilaun.  Leben 
und  Arbeit  eines  deutschen  Naturforschers.  Mit  einem  Ge- 
leitwort Ton  Prof.  Dr.  R.  ▼.  Wettitein.  Mit  25  Abbildangen  im 
Text  und  anf  Tafeln,  sowie  3  Faksimile- Beilagen.  Leipiifr,  Chr.  Herrn. 
Taochoits  1908.  XX  nnd  492  SS.  Lez.-80.  Preis  geh.  12  Mark,  geb. 
Mark  18-50. 

Gerade  zehn  Jahre,  nachdem  der  Professor  der  systematischen 
Botanik  an  der  Wiener  Universität  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  Hofrat  Anton  Kern  er  von  ans  für  immer  geschieden  ist, 
erscheint  zum  Gedenken  und  Preise  seines  Namens  eine  Schilde- 
rung seines  Lebenslaufes,  die  wir  dem  bekannten  botanischen 
Historiographen  E.  M.  Eronfeld  verdanken.  Wie  das  äußerliche 
Kleid  dieses  Buches  ein  dem  Manne,  dem  es  gewidmet,  überaus 
würdiges  ist  in  seiner  glänzenden  Ausstattung,  so  ist  auch  der 
Inhalt  in  seinem  Sach-  und  Gedankenreichtum  und  in  der  form- 
vollendeten Sprache  auf  jener  Höhe,  die  der  Mann  verdiente,  der 
ein  genialer  und  origineller  Forscher,  ein  modemer  Künstler  in 
Stift  und  Wort  und  ein  feinsinniger  Poet,  ein  Sänger  der  Schön- 
heit der  Natur  zugleich  gewesen.  „Ein  Denkmal  und  Dankmal 
zugleich  will  auch  dieses  Buch  sein'',  sagt  der  Verf.  im  Vorwort, 
„errichtet  von  einem  Schüler  dem  Andenken  Anton  v.  Kerners, 
der  Pfadfinder  war  in  botanischer  Biologie,  Ökologie,  Pflanzen- 
geographie, Pflanzengeschichte,  Deszendenzlehre  und  Pflanzen- 
systematik und  der  mit  seinem  goldenen  Buch  vom  „Pflanzenleben" 
die  Botanik  wieder  zur  „liebenswürdigen  Wissenschaft"  gemacht 
hat,  für  Tausende  und  Abertausende,  die  bei  den  stillreizenden 
Naturkindern  belehrende  Unterhaltung  und  unterhaltende  Belehrung 
suchen. " 

Das  Buch  wird  von  Professor  Dr.  E.  v.  Wettstein,  dem 
Schwiegersohne  Kerners,  mit  Worten  der  Erinnerung  an  A.  Kemer 
eingeleitet,  die  seiner  am  14.  Jänner  1908  anläßlich  der  Ent- 
hüllung des  Denkmals  an  der  Wiener  Universität  gehaltenen  Fest- 
rede entnommen  sind.  Sie  geben  ein  allgemeines  Bild  von  der 
Person  des  Gefeierten,  von  seiner  Arbeit  und  deren  Be- 
deutung für  die  Wissenschaft;  sie  zeigen,  wie  Kemer  von 
der  Erkennung  zweier  Tatsachen,  nämlich  des  Zusammenhanges  der 
Verbreitung  der  Organismen  mit  der  Verbreitung  klimatischer  und 
geologischer  Paktoren  und  von  der  Rückwirkung  der  Verbreitung  der 
letzteren  auf  den  Vorgang  der  Formenbildung  in  der  organischen 


E,  M.  KrtmfM,  Ant.  Keiner  tod  Harilaun»  ang.  ▼.  T.  F.  Hanausek.  1121 

Welt,  ZOT  Pflanzengeographie  und  zur  Deszendenzlehre  geführt,  wie  er 
durch  seine  Vielseitigkeit,  dnrch  seine  Yertrantheit  mit  geologischer, 
meteorologischer,  zoologischer  und  chemischer  Wissenschaft  beson- 
ders auf  pflanzengeographiscbem  Oebiete  eine  wesentliche  Förde- 
rung erhielt  Und  so  war  A.  Eerner  in  der  Lage,  „anf  vier 
großen  botanischen  Gebieten,  anf  dem  der  Systematik,  der  Pflanzen- 
geographie, der  Deszendenzlehre  nnd  der  Blütenbiologie''  Hervor- 
ragendes zu  leisten,  anf  aUen  diesen  (Gebieten  neue  Forschnngs- 
richtnngen  za  begrtbiden  nnd  selbst  znm  Teile  aosznbanen. 

Während  also  dnrch  v.  Wettstein  ein  allgemeines  Bild  E.8 
von  der  wissenschaftlichen  Seite  gezeichnet  wird,  bietet  nns  Kron- 
feld eine  ans  zahlreichen  Einzelheiten  lebensvoll  zusammengefaßte 
Entwicklnngsgeschichte,  die  eben  dadurch  besonders  wertvoll  wird, 
daß  sie  sich  nicht  nnr  anf  die  Person  Kemers  beschränkt,  sondern 
auch  die  Geschichte  des  Milieus  gibt,  in  das  Eerner  hineingesetzt 
wurde,  um  seine  Stellung  und  die  ihm  daraus  erwachsenden  Auf- 
gaben zu  erklären,  und  um  zu  zeigen,  wie  er  entweder  die  vor- 
gefundene Situation  als  seinem  Sinne  entsprechend  auffaßte  und 
weiterf&hrte  oder  vom  Grunde  aus  umgestaltete.  Kfd.  bietet  also 
viel  mehr,  als  der  Titel  des  schOnen  Werkes  besagt,  er  liefert 
kurze  geschichtliche  Abrisse  des  Standes  der  bota- 
nischen Forschung,  die  den  betreffenden  Phasen  in 
Kerners  Leben  und  Wirken  entsprechen.  Er  ist  bei  aller 
warmen  Liebe  und  höchster  Verehrung,  die  er  dem  Meister  ent-* 
gegenbringt,  aber  auch  der  objektive  Historiograph,  der  Kemers 
Eigentümlichkeiten,  seine  Selbständigkeit  und  Gegensätzlichkeit 
gegenüber  Kollegen,  seine  splendid  isciatum^  die  auch  wieder 
manche  Einseitigkeit  zeitigte,  ebenso  freimütig  verzeichnet,  wie 
seine  glänzenden  Eigenschaften  als  Forscher  und  Lehrer.  Schon 
die  Gruppierung  des  reichen  Materials  zeigt,  wie  geistvoll  und  ein- 
gehend und,  man  kann  aufrichtig  sagen,  wiö  überaus  glücklich  der 
Verf.  seine  sohöneAufgabe  gelöst  hat:  .Heimatsjahre;  Der  Mediziner; 
Erste  botanische  Arbeiten;  Die  ungarische  Zeit;  Kemers  Tirol; 
Wien;  Kemers  .Pflanzenleben" ;  Gelehrtes  Schaffen;  Die  Persönlich- 
keit; Der  botanische  Poet;  Aus  Kemers  populären  Aufsätzen;  Slron- 
prinz  und  Gelehrter;  Aus  Kerners  Briefwechsel*'  lauten  die  Auf- 
schriften der  13  Kapitel^)  und  daraus  vermag  man  schon  zu  ersehen, 
wie  der  Vert  alles  berücksichtigt  hat,  was  die  Person  Kemers  und 
seine  Arbeit  ins  klare  Licht  der  Erkenntnis  bringen  kann.  Wie 
leicht  erklärlich  ist  das  Kapitel  „Gelehrtes  Schaffen*'  am  ausführ- 
lichsten gehalten  und  zeigt  uns  die  ganze  gewaltige  Summe  der 
Forschungstätigkeit  des  Meisters,  aber  auch  das  Besumj,  das  der 


1}  Das  14.  und  15.  Kapitel  bringen  das  Verzeichnis  der  Schriften 
Kernen  und  den  NomenklatorKemerianus;  die  sehr  ausfabrlichen,  Zitate, 
Zusätze  und  Erläuternngen  enthaltenden  Noten  bilden  den  Schluß  des 
Werkes. 

ZdtMkrUt  f.  d.  tetwr.  OynB.  1908.  XIL  Heft.  71 


1122  E.  M.  Kronfeld,  Aot.  Kerner  von  Marilaan,  ang.  ▼.  T.  F.  HonatMefc. 

Forscher  aas  den  Ergebnissen  seiner  Arbeit  zieht,  sein  wissen- 
schaftliches Glanbensbekenntnis.  Die  Persönlichkeit  des  geliebttti 
Lehrers  ist  mit  wahrer  Innigkeit  gezeichnet;  ich  fftge  hier  einen 
Satz  ans  diesem  Kapitel  an:  nSiebenondsechzig  Jahre  ist  er  alt 
geworden  nnd  war  Botaniker  eigentlich  schon  von  Knabenbeinen 
an.  Er  hat  150  wissenschaftlich  wertvolle,  znm  Teil  gmndlegende 
nnd  richtunggebende  Arbeiten  znrflckgelassen.  Ein  großes  Zimmer 
faßte  kaum  die  von  ihm  entworfenen  botanischen  Zeichnungen  nnd 
Notizen.  Er  ist  Heros  der  Pflanzengeographie,  der  Pflanzenbe- 
schreibnng  und  der  Biologie.  Gleichwohl  war  er  nicht  Natur- 
forscher allein  und  niemand  darf  ihm  vorwerfen,  daß  er  .nur  Bo- 
taniker"*  gewesen.  Stark  und  stämmig  stand  er  da  wie  eine  Eiche 
der  niederösterreichischen  Wachau,  der  er  entsprossen,  auf  die 
Halms  Verse  passen  konnten: 

Im  dunklen  Wald  hebt  eine  alte  Eiche 
Zum  Himmel  stolz  ihr  Haupt,  das  blätterreiche, 
Und  reiches  Gras  sprießt  unter  ihrem  Schatten, 
Und  ringsnm  sehweift  der  Bliek  auf  grfluen  Hatten. 

Und  wie  die  Eiche  wurde  er  vom  Sturme  ins  Lebensmark  getroffen 
und  starb  dahin. .  .*'. 

Das  auf  Anregung  und  unter  Hitwirkung  des  Kronprinzen 
Erzherzog  Rudolf  herausgegebene  große  Werk  .Die  österreichisch- 
ungarische Honarchie  in  Wort  und  Bild**  verzeichnet  auch  Kerner 
als  Hitarbeiter.  So  kam  der  Gelehrte  auch  mit  dem  unvergeßlichen 
Prinzen  in  Berührung  und  ein  in  Faksimile  ^)  mitgeteilter  Brief 
Budolfs  an  den  „lieben  Hofrat**  zeigt  die  Wertschätzung,  die 
Kerner  beim  Kronprinzen  fand.  Die  Beweise  der  Huld,  die  Kaiser 
Franz  Joseph  dem  hochverdienten  Gelehrten  zuteil  werden  ließ,  sind 
von  Kronfeld  getreulich  verzeichnet.  Dabei  ist  auch  des  regen 
Interesses  unseres  Kaisers  für  gärtnerische  Interessen  gedacht  und 
folgende  Episode  erzählt:  ....  der  Kaiser  besichtigte  auch  die 
Universität  (Innsbruck).  Kerner  studierte  damals  gerade  die  Alpen- 
rosen und  es  lagen  mehrere  Arten  derselben  als  Herbar-Ezemplare 
aufgebreitet.  Kaiser  Franz  Joseph  blickte  hin  und  .sagte:  .Das 
sind  ja  Bhododendren,  und  nicht  wahr,  sie  kommen  besonders 
schön  im  Himalaya  vor?"  Der  Gelehrte  bejahte,  nicht  ohne  Über- 
raschung, die  kaiserliche  Frage.  Es  sei  hier  erwähnt,  daß  noch 
die  Werkzeuge  verwahrt  werden,  mit  denen  Kaiser  Franz  Joseph 
als  Kind  in  Schönbrunn  die  vieledle  Gartenkunst  betrieb,  und  daß 
er  öfters  bei  den  Galatafeln  seine  Gäste  durch  Anführung  der  latei- 
nischen Namen  für  die  zu  den  prachtvollen  Tafelaufsätzen  verwen- 
deten Blumen,  insbesondere  die  Orchideen,  in  Erstaunen  setzte. 


*)  Auf  einen  Druckfehler  sei  hier  aufmerksam  gemacht.  Der  (fak- 
similierte) Brief  schließt:  »Hit  herzlichsten  Grüßen..."  Die  Wieder- 
gabe im  Drucke  (S.  249)  lautet  aber:  .Hit  herxlichen  Grüßen'  . .. 


G.  Meyer,  Tansspiele  nnd  SiDgr^nie,  ang.  ▼.  J.  Fawel        1123 

Das  prachtvoll  ausgestattete  Bnch  Eronfelds  ehrt  nicht  nnr 
den  Mann,  dem  sein  Inhalt  gewidmet,  es  lobt  auch  uneingeschränkt 
den  Verf.;  und  „gerade  so,  wie  das  Marmordenkmal,  welches  eine 
feine  KOnstlerhand  für  den  Arkadenhof  der  Wiener  Universität  schuf, 
wird  das  literarische  Denkmal,  das  ein  dankbarer  Schüler  und 
Freund  Eemer  setzte,  dazu  beitragen,  daß  die  Erinnerung  an  diese 
bedeutende  Persönlichkeit  wacherhalten  bleibt"^). 

Krems.  Dr.  T.  F.  Hanausek. 


Tanzspiele  und  Singtänze.    Gesammelt  von  Gertrud  Meyer.  Druck 
und  Verlag  von  B.  G.  Tenbner  1907.  Preis  geb.  1  Mk. 

Ein  seltenes  Büchlein  mit  seltener  Absicht  und  Prägung. 
Becht  eigen  und  selten  ist  schon  der  Inhalt  Das  Büchlein  bringt 
eine  Sammlung  von  Tanzspielen  und  Singtänzen»  meist  aus  dem 
älteren  Leben  verschiedener  Stämme  unseres  Volkes.  Eine  ganze 
Anzahl  ist  aus  dem  Schwedischen  übertragen,  einige  sind  Erinne- 
rungen oder  Nachbildungen  der  Tänze  auf  den  Farüem,  auf  Island 
und  aus  dem  Volksleben  des  nördlichen  Europas;  andere  sind 
mehr  oder  weniger  bekannte  deutsche  Tänze  und  Singspiele.  Vor- 
bildlich wirkte  für  die  Verfasserin  des  Büchleins  die  norwegische 
Schriftstellerin  Hulda  Garbog  mit  ihren  die  norwegischen  Volks- 
liedertänze  neu  belebenden  Arbeiten.  Anregung  bot  auch  das  be- 
kannte Buch  des  zur  Zeit  in  Berlin  wirkenden  Musikhistorikers 
Franz  Magnus  Böhme,  „Geschichte  des  Tanzes  in  Deutschland*' 
(Leipzig  1886).  Gar  viele  Tänze  aber  verdanken  ihre  Veröffent- 
lichung bloß  mündlicher  Überlieferung,  erscheinen  daselbst  zum 
erstenmale  und  geben  von  dem  Ernst  und  dem  Biesenfleiße,  mit 
dem  die  so  rührige  Herausgeberin  ihre  dem  deutschen  Volksleben 
abgelauschte  Sammlung  besorgte ,  ein  glänzendee  Zeugnis.  Wir 
werden  unwillkürlich  an  Herders  Auszug  aus  einem  Briefwechsel 
über  Ossian  und  die  Lieder  alter  Völker  gemahnt,  wo  der  Samm- 
lung yaterländischer  Lieder  und  Singtänze  ein  so  beredtes  Wort 
gesprochen  wird. 

Im  ganzen  werden  uns  89  Tanzproben  vorgeführt,  zu  denen 
da  nnd  dort  recht  wirksame  deutsche  Melodien  in  geschickter  Weise 
benutzt  werden. 

Becht  eigen  und  selten  ist  auch  die  Absicht  der  Sammlerin. 
Ble  will  nicht  nur  manche  hübsche  Tanzweise  des  deutschen  Volkes 
wieder  aufleben  und  so  vor  dem  Vergessenwerden  bewahrt  wissen ; 
sie  sollen  mit  der  ihnen  eigenen  Anmut  und  Grazie  die  Bewegung 
manchen  gedankenlosen  Beigens  unseres  Schul-  und  Volkslebens  er- 
aetzen ,  auch  manches  weniger  harmlose  und  weniger  gesunde  Spiel 


^)  Wettitein,  Einleitende  Worte  uiw.  S.XX. 

71* 


UM        (?.  Meyer,  Taoupiele  and  Singiinie,  ang.  ▼.  J,  PstpeL 

▼erdrftngaB,  was  iimen  amso  leichter  gelingeD  mag,  da  sie  in  der 
frischen,  gesunden  Lnfi,  im  Wald  and  anf  der  Wiese  geübt  werden 
können.  Ansschlaggebend  ist  anch  der  yolkliehe  Zng,  der  dnreb 
die  ganze  Sammlang  weht  and  das  handliche  Bfichlein  zu  einem 
der  köstlichsten  Beiträge  anf  dem  Gebiete  des  Knltnrlebens  nnseres 
Volkes  macht 

Die  Ansstattnng  ist  geradezu  gl&zend  zn  nennen  nnd  Ter- 
dlent  nneingeschrftnktes  Lob.  Die  schönen  Zeichnnngen  des  um* 
Schlages  sind  dem  bekannten  Reinickschen  Märchenbnche  ent- 
nommen nnd  bilden  eine  nicht  wesentliche  Zierde  des  in  jeder 
Hinsicht  yortrefflichen  Bnches. 

Baden-Wien.  J.  PaweL 


Dritte  Abteilnng. 

Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 


Die  Mittelsehnlenqnete  des  ÜDterriehts- 
ministerinms  21. — 25.  Jänner  1908. 

(Fortsetiong.) 

Prof.  ▼.  Arnim  erklärt,  dtß  er  hier  sieht  ab  Philologe  tpreefae, 
sondern  als  Freund  unseres  HittelBefaiiliresens.  «Wer  die  Interessen,  sei 
es  einzelner  Btftnde,  sei  es  einselner  Seholarten,  hier  mr  GeHnng  tn 
bringen  beabsichtigt,  wer  nicht  von  Tomherein  sich  auf  den  Standpunkt 
stellt,  das  Wohl  des  Gänsen  ins  Ange  sn  fassen,  tondem  etwa  nnr  sos- 
scbließlieh  das  Gedeihen  der  Bealscfanle,  wie  de  jetst  besteht,  oder  die 
Interessen  des  Ingenienrstandes  oder  irgend  eines  Indnstrieiweiges  dabei 
im  Ange  hat,  der  nimmt  eben  einen  einseitigen  Standpunkt  ein  und  hat 
flberhaapt  nicht  das  Becht,  in  der  Sache  mitsnsprechen.  Die  erste  Tor- 
bedingnng  ist,  da6  man  die  Fragen  Tom  Standpunkte  des  Gänsen  mos 
betrachtet  und  ich  werde  mich  auch  bemtkhen,  das  su  ton,  soweit  die 
menseUicbe  Schwiche  das  gestattet*  Zu  Frage  5  bemerkt  er,  es  sei 
dringend  notwendig,  dem  bedenklichen  Andrang  sa  den  Hittrisdralen, 
sowohl  den  Gymnasien  als  auch  den  Sealschulen,  doreh  Ausgestaltung  des 
Faehscholwesens  su  steuern.    Was  Frage  9  betreffe,  so  stelle  sowohl  der 

•  Ton  Hofrat  Dr.  Huemer  als  der  von  Minister  Dr.  Geftmann  Torgeschlagene 
neue  Tjpns  die  mittlere  Linie  swiscfaen  den  beiden  bestehenden  T^en 
dar  und  habe  die  VorsQge  und  die  Nachteile  dieser  mittleren  lÄnie;  er 
werde  weder  die  Humanisten,  wegen  Eliminiemng  des  Griechischen,  und 
nodi  weniger  die  Beafisten,  befriedigen,  diese  nicht  wegen  tu  geringer 
Berflcksichtigung  der  Mathematik  und  der  Natorwissenschaffeen.  Sollte  ein 
solcher  ^pus  nur  in  einseinen  Exemplaren  neben  den  humanistischen  Gym- 
nasien und  den  Bealscholen  bestehen,  so  würde  er  darin  keinen  Übelstand 
sehen,  obwohl  er  sich  nicht  für  ihn  begeistem  kOnne.  Sollte  er  aber  sur 

'  Einheitsschule  werden,  so  mtsse  man  swei  Meglichkeiten  unterscheiden: 
entweder  hoffen  seine  Freunde,  er  werde  gaos  Ton  selbst  sich  ausbreiten 
und  die  anderen  verdringen,  diese  Hoibiung  halte  er  fttr  irrig,  oder  dieser 
Schultjpus  werde  durch  energisches  InitiatiTTorgehen   der  Unterrichts- 


1 126  Die  HittelBchnlenqaete  des  ünterriehtiminifteriiiiiifl. 

behOrde  too  obenher  ale  Einheitesebnle  darohgeftthrt  werden.  Gegen  eine 
derartige  Anibreitnng  diesee  Typos  mflßten  die  Verteidiger  der  Unid- 
sehen  Bildang  eieh  auf  das  entaoliiedenste  erklären.  Der  nene  Tjpns  sei 
ja  nichts  Neues,  abgesehen  von  kleinen  Differenien  der  Lehrplanarith- 
metik habe  man  es  mit  dem  in  Dentsehland  längst  Torhandenen  Beil- 
gymnasiom  xa  tun.  Die  Erfahrungen  in  Deutschland,  wo  man  diesen 
Tjpus  ebenso  wie  Bedner  beurteilt  habe,  sprechen  Ar  diese  Anffaisong. 
Er  habe  bei  aufmerksamem  Lauschen  in  den  bisherigen  Beden  nirgends 
eine  Begründung  fflr  das  Priniip  der  Einheitsschule  gehört,  sondern  nur, 
dafi  gewisse  Standesgruppen  und  Vertreter  sie  in  ihrem  Interesse  haben, 
das  sei  jedoch  nicht  der  richtige,  sondern  ein  einseitiger  Standpunkt 

In  gewissem  Sinne  wäre  ja  bisher  unser  humanistisdies  Gym- 
nasium eine  Einheitsschule  gewesen,  insofern  es  allein  die  Berechtigung 
hatte,  seine  AbsoWenten  an  alle  Hochschulen  sn  entlassen.  Daraus  ent- 
sprang die  üniufriedenheit  Deshalb  seien  die  Freunde  des  humanistischen 
Gymnasiums  Gegner  des  Einheitssohnlgedankens  und  w&nschen  das  Gym- 
nasium Ton  diesem  Privilegium  su  befreien.  Es  bliebe  die  Möglichkeit, 
eine  ausschließlich  realistische  als  Einheitsschule  dnrohiufUiren.  Und  es 
seheinen  manche  dieses  Streben  xu  haben.  Der  tiefer  liegende  Grund 
scheine  ihm  der  mangelnde  Einblick  in  die  Bedeutung  der  Geisteswissen- 
schaften für  das  gesamte  Leben  des  Volkes  xn  sein.  .Wir  hOren  hier  oft 
von  unseren  Gegnern  den  Gegensats  iwischen  Naturwissenschaft  und 
Geisteswissenschaft  als  Gegensati  realer  und  nicht  realer  Wissenschaft 
aufgefaßt  Meine  Herrenl  Die  Schulen  heißen  swar  Bealschnlen  und  wir 
sprechen  TOn  realistischer  Bildung!  Aber  wenn  fftr  manche  Herren  das 
schon  SU  beweisen  scheint,  daß  es  sich  in  der  Geisteswissenschaft  nicht 
um  Bealitäten  handelt,  so  mflssen  wir  dagegen  auf  das  entschiedenste 
protestieren.  Nicht  nur  das,  was  man  mit  seinen  Augen  sehen  und  mit 
Händen  greifen  kann,  ist  real,  sondern  die  Tatsachen  unseres  Bewußt- 
seins und  unseres  Innenlebens  sind  ebenfalls  Bealitäten  und  sn  einer 
selbständigen  Beherrschung  der  Innenwelt  des  Menschen,  aller  de^enigen 
Gedanken,  Gefühle,  Einsichten,  welche  das  Zusammenleben  der  Mensehen 
im  Hause,  in  der  Gemeinde,  im  Staate  regeln,  sn  einer  Beherrschung 
dieses  gans  unendlich  ausgedehnten  Netses  von  Problemen  kann  man 
niemanden  durch  dogmatische  Belehrung  bringen.  Vielleicht  meinen  Sis^ 
daß  es  ja  theoretische  Wissenschaften  ?on  diesen  Dingen  gibt,  die  man 
dogmatisch  in  den  Schulen  lehren  konntet  0  nein,  meine  Herren!  im 
Wesen  dieser  Gegenstände  liegt  es,  daß  jeder  einielne  Mensch  in  ihren 
Problemen  sieh  selbst  eine  Stellung  erringen  muß.  Diee  kann  er  anr 
durch  eine  wissenschaftliche  Beschäftigung  mit  dem  Menschenleben.  Sie 
aber  ist  enthalten  in  der  Geisteswissenschaft,  das  heißt  in  der  Geschichte 
und  Philologie.'*  Philologie  und  Geschichte  seien  voneinander  nicht  su 
trennen.  Wenn  s.  B.  jemand  für  Gompen'  „Griechische  Denker*  sich  be- 
geistere und  xugleich  Verachtung  der  klassischen  Philologie  predige,  so 
habe  ein  solcher  dayon  keine  Ahnung,  wie  Gompen'  Buch  snstande  g»> 
kommen  sei,  daß  es  ohne  die  feinste  Behemchung  der  philologischen 
Methode  nicht  xustande  kommen  hätte  können. 


Die  HitieliehiileDqaete  dee  ünterrichtsmimsteriiiiiM.  1127 

Zu  einer  TolktändigeB  allgemeinen  Bildang  könne  niemals  die 
eine  der  beiden  Hanptarten  menechlieher  Wiuensehaften,  etwa  bloß  Natur- 
wissensehaft  und  Mathematik  oder  blefi  die  GeisteiwiBsenicbafty  genflgen, 
flondem  data  geboren  immer  beide  ond  deshalb  wflrde  Bedner  eich  nie 
daia  Terstehen  können  als  gleieb-  nnd  ▼oUbereehtigt  einen  Sehnltypne 
ansnerkennen»  in  dem  nicht  beide  in  genögendem  Mafie  vertreten  sind. 
Was  er  hmnanistische  Bildung  nenne,  d.  h.  jene  Geistessehalnng,  die 
mm  Nachdenken  tkber  alle  Grandprobleme  des  menschlichen  Lebens  an- 
leite, könnte  man  aoch  darcb  die  neueren  Sprachen  nnd  Literataren  er- 
reidien,  werde  er  so  gestaltet,  daß  er  in  diesem  Sinne  ein  bamanistischer 
Unterricht  werde,  wolle  er  ihn  gern  als  gleichberechtigt  anerkennen. 
Dem  neaen  Scholtjpas  wir«  die  Aasgestaltang  der  Bealschale  ?orsasieho&. 
Vor  allem  mflsse  man  sich  gegen  das  dem  Einheitssehaigedanken  in- 
gründe  liegende  Bestreben  aosspreehen,  möglichst  viel  Gegenstftnde  in 
den  Lehxplan  hereinsapropfen.  «Wir  wollen  nicht  „von  allem  etwas*,  wir 
glaaben  Tielmehr,  daß  derjenige  Mensch  besser  gebildet  ist»  der  auf  wenigen 
Gebieten  etwas  gelernt  hat,  aber  so,  daß  es  ihm  tief  in  seine  Seele  hinein- 
gewaebsen  ist,  ond  das  ist  nar  dann  möglieb,  wenn  er  aaf  diesen  Ge- 
bieten rar  Selbsttätigkeit  ersogen  worden  ist*  Bedner  sei  kein  Feind 
des  gedichtnismftßigen  Wissens,  ohne  das  es  tkberhaapt  keine  Wiesen- 
schaft gebe,  aber  dieses  Wissen  mflsse  in  Fanktion  gesetst  werden.  Die 
Zeit  fflr  eine  wirkliche  Yerarbeitang  des  Stoffes,  der  einer  solchen  Ver- 
arbeitang  bedflrfe,  dflrfe  nicht  ▼erkflrst  werden,  so  sei  aacb  ein  klassi- 
sdier  Unterricht  möglich:  der  Lektflreonterricht  gebe  reichliche  Gelegen- 
heit, den  Schfller  geistig  arbeiten  sa  lassen,  nnd  swar  in  außerordentlich 
mannigfacher  and  Tielseitiger  Weise. 

Sein  Haaptargament  gegen  die  Einheitsschale  sei,  daß  der  Betrieb 
der  Geisteswissenschaften  im  gansen  leiden  wflrde,  wenn,  wie  das  von 
einigen  Seiten  empfohlen  werde,  der  Gymnasialtypas  darch  Aassehaltang 
des  Griechischen  Tollstindig  Ternichtet  wflrde.  Das  Gymnasiam  habe 
seinen  natfirlichen  Wirkungskreis  flberschritten,  man  schränke  es  daher 
aof  ihn  wieder  ein,  indem  man  ihm  nar  jene  Schfller  lofflhrt,  die  sich 
dafür  eignen.  Wenn  es  aber  an  Uni?ersititshörern  fehle,  die  die  klassi- 
schen Sprachen  genflgend  beherrschen,  nm  die  antiken  Quellen  im  Original 
lesen  sa  können,  werde  dies  auf  die  ?ersehiedensten  Wissenschaften  Tor- 
derblich  wirken.  Man  könne  wohl  lugeben,  daß  für  Tiele  Aufgaben  in 
den  Geisteswissenschaften  diese  Fertigkeit  nicht  erforderlich  sei,  wenn  es 
aber  flberhaupt  keine  Leate  mehr  gebe,  die  sie  besitsen,  dann  können 
die  Aufgaben  der  betreffenden  Wissenschaften  nicht  mehr  in  Angriff  ge- 
nommen werden.  Wenigstens  in  ihrer  Mehrheit  werden  auch  kflnftighin 
die  ffistoriker  Latein  and  Griechisch  können  mflssen.  Bedner  weist  im 
besonderen  auf  die  Bedeutung  des  Griechischen  hin,  auf  die  Bolle,  die 
es  in  der  Entincklung  der  deutschen  Sprache  und  Literatur  gespielt,  wie 
wenig  man  wissensdiaftlich  etwa  Baoine  Torstehen  könne,  »der  seinen 
Eurit>ides  im  Original  las  und  die  feinsten  Stellen  daraus  in  seinen  Tra- 
gödien nachahmte,  wie  er  in  seinen  Vorreden  bekennt",  ohne  selbst 
Griechisch  ra  können.   Bedner  tritt  auf  Grund  seiner  eigenen  Erfahraog 


1 1 28  Die  llittelBchnkoqaete  des  ünterrichtemimffceriiiae. 

alB  Schiller,  ale  Vater  and  als  firOherer  GynmasiaUebrer  aaek  eatschieden 
der  Behauptang  entgegen,  dafi  es  fflr  die  kleinen  Jungen  etwas  Uanatar- 
liekes  wäre,  eine  tete  Spraobe  in  erkmen«  and  sddieflt  seine  von  imenr 
Begeisterung  getragenen  nnd  gleiehieitig  klaren  imd  Ten  gxoften  GeskUi- 
ponkten  bebemehten  Aiufükmngen  oater  Beifsli  mit  den  Weiten:  «Aai 
diesen  Erfahmagen  sehOpfe  iek  die  Obenengong,  da0  der  Unterrielit  in 
einer  lebendigen  and  bildenden  Weise  gegeben  weiden  kaan  nnd  keine 
rein  tbeoretisehen  Dedaktienen  können  mich  vom  Gegenteil  flbeiaeageB." 
In  anregender  and  ftbersengender  Weise  widerlegt  der  feigende 
Redner,  Pzofesser  Dr.  Wegscheidsr,  eine  Bethe  tob  Vecrednem  ver- 
tretener Auslebten.  Er  betont,  die  Schale  kOnne  nar  in  verbÜtnisBißig 
genngem  MaOe  eriieliend  wirken,  die  firäekong  sei  in  erster  Linie  immer 
Sache  des  Eltembaoses;  wenn  das  Eltemhaos  beotsatage  so  sehr  naeh 
Ersiehong  darch  die  Sehole  rafe,  so  komme  es  som  gro&en  Teil  daher, 
daß  die  Eltern  teils  dnreh  Geschäfte,  teils  d«eh  die  Form,  welche  die 
Geselligkeit  honte  angenommen  habe,  gerade  in  den  Standen  iftr  das 
Kind  wenig  Zeit  haben,  in  denen  das.  Kind  die  filtern  blanche.  Man  dftrfe 
aber  von  der  Schals  Torlangen,  dafi  die  Schule  nicht  dem  Kinde  eine  Iftr 
das  spätere  Leben  answeekmäßige  Bichtong  gebe.  Bedner  hält  die  all- 
gemeine  Kritik  der  Metheden  nicht  filr  richtig:  die  Methoden,  die  man 
anwende^  seien  nicht  so  schlecht,  wie  sie  TieUach  geediildwt  werden; 
nsitflrlich  sei  f&r  Vorbessemng  inuner  Banm,  daher  werde  eine  Cschü^e 
Detsilbeiatang  gates  stiften.  Aach  In  der  Oberbttrdnngsfrage  ist  er  nh- 
weichender  Meinnng.  An  den  österreichischen  .Gymnasien  habe  man  fiui- 
wfthrend  erleichtert,  die  Osterreichischen  Gymnasien  haben  weniger  Standen 
als  die  deutschen  und  die  oberen  Klassen  der  Bealachalen  Torlangen  «- 
heblich  mehr  als  die  Gymnasien,  trotidem  werde  hier  mehr  als  dort  über 
die  Cberbfirdung  geklagt.  Soweit  diese  Klsgen  satreffen,  trage  das  Hans 
mehr  die  Schuld  als  die  Schale  (Obertriebener  Ehrgeii  der  filt«n,  die 
namentlich  in  der  Großstadt  höchst  unsweckmäftigon  Yergnflgongen  der 
Kinder,  der  Musikanterricht,  mit  dem  man  die  Kinder  qaäle^  die  gar 
keine  Begabung  dafflr  haben).  Man  hOre  so  Tisl  too  Überbirdong;  er 
mOotate  aber  aasdrftcklich  betonen,  es  sei  falsch,  deshalb  su  glauben,  daß 
die  große  Majorität  der  Väter  anch  die  Berechtigung  der  Oberbflrdangs- 
klagen  anerkenne.  «Diejenigen,  die  uniofrieden  sind,  melden  sich»  die- 
jenigen, die  sufrieden  sind,  bleiben  still  und  man  weiß  nichts  Ton  ihrsr 
Ezistens.  Gehen  Sie  in  eine  Gesellschaft»  wo  tflchtige  Männer  änd,  and 
fragen  Sie:  „Wie  denken  Sie  Ober  diess  Frage?"  Dann  werden  Sie  fther 
die  Sache  ein  gans  anderes  Bild  bekommen,  als  wenn  Sie  bloß  die 
Ztttangen  lesen.  Ich  warne  daTor,  sich  in  irgend  einer  Fruge  aaf  den 
Standpunkt  su  stellen:  es  wird  in  der  Öffentlichkeit  Tiel  geklagt,  also 
muß  etwas  geschehen.  Man  macht  das  in  Österreich  sehr  häofig.  Es  ge- 
schieht dann  etwas,  was  die  Sachlage  entweder  nicht  wesentlich  ändeit 
oder  sie  nach  irgend  einer  Bichtnng  ?erschlechtert.  Der  ganie  Vorteil 
dabei  ist,  daß  diejenigen,  die  geklagt  haben,  jetst  sagen  können:  wir 
haben  etwas  erreicht  So  macht  man  keine  ernsten  Beformen.''  Das 
Prfifangswesen  könne  Torbessert,   aber  nicht  beseitigt  werden.    Die  Be- 


Die  HitteliehQleiiqQet«  des  Unterrichtamimiteriiims.  1 1 29 

haoptong,  daß  gerade  gnte  Schfller  lieh  im  Leben  nicht  bewfthren,  sei 
im  allgemeinen  nnrichtig  nnd  beweise  nichts  gegen  die  Schale  und  gegen 
die  Prfifongen.  ,Es  gibt  iweifellos  sehr  einseitige  Begabungen.  Daß 
solche  Schüler  in  einer  Schnle,  die  allgemeine  Bildung  anstrebt»  nicht 
die  besten  Schfller  sein  können,  ist  Idar,  es  wire  aber  falsch,  daraus  den 
Schluß  EU  sieben,  daß  man  nicht  auch  bei  einseitig  begabten  Menschen 
etwas  allseitige  Bildung  anstreben  soll**  Das  Fortkommen  im  Leben 
hinge  aber  nicht  bloß  von  der  Bildung,  sondern  auch  von  einer  Menge 
Ton  Charaktereigenschaften  ab.  Die  Überfflllnng  der  Mittelschulen  kOnne 
in  der  Hauptsache  nur  durch  Änderung  der  gesellschaftlichen  Auffassungen 
bekämpft  werden.  Änderung  des  Freiwilligenrecbts,  höhere  Bürgerschulen 
Bur  Vorbereitung  fflr  niedere  Beamtenstellen  seien  gleichwohl  bu  empfehlen. 
Fflr  alle  Berufe,  die  nicht  hohe  wissenschaftliehe  Bildung  verlangen,  sei 
frflhseitiger  Eintritt,  etwa  mit  15—18  Jahren,  wünschenswert.  Die  Lehr- 
pUne  müssen  wesentlioh  umgestaltet  werden.  Die  Forderungen  seien  nur 
dadurch  bu  begrenien,  daß  es  einer  dem  Bedürfnisse  genflgenden  Ansahl 
Ton  bchfllem  möglich  sei,  sie  bu  erfüllen.  Das  Ziel  der  Mittelschule  sei 
allgemeine  Bildung,  wosu  allerdings  auch  positire  Kenntnisse  gehören. 
Für  das  Gjmnasium  sei  bu  fordern:  bessere  Pflege  der  Geographie,  Ein- 
führung der  Differential-  und  Integralrechnung,  größere  Pflege  der  Natur- 
wissenschaften, insbesondere  der  Chemie,  FraniOsisch  nnd  Englisch 
(Lehrziels  bloß  Fühigkeit  sum  Übersetsen  in  die  Muttersprache),  Zeichnen, 
die  Elemente  der  Bechtswissenschaft,  Stenographie  —  alle  diese  Gegen- 
stände obligatorisch  —  und  er  halte  es  nicht  für  unberechtigt  von  der 
Buchhaltung  am  Gymnasium  su  reden  (hier  yeneichnet  der  Berieht  aller- 
dings .Heiterkeit*'),  Die  Erfüllung  dieser  Forderung  setse  eine  erhebliche 
Beschränkung  anderer  Fächer  voraus,  für  diese  kämen  außer  Beligion  in 
Betracht  die  Idassischen  Sprachen,  hier,  indem  die  nötige  Stnndeniahl 
durch  Auflassung  des  Griechischen  gewonnen  werde,  —  Die  Realschule 
leiste  gegenwärtig  für  die  allgemeine  Bildung  erheblich  weniger  als  das 
Gjmnasium.  Eine  Besserung  sei  nur  durch  Einführung  eines  gründlichen 
Lateinuntenichts  möglich.  Im  Gymnasium  müßte  der  Lateinunterricht 
mit  mäßiger  Einschränkung  der  Lektüre  (so  sehr  er  selbst  Orid  und 
Horas  schätse,  so  müsse  er  doch  sogeben,  daß  es  unwesentlich  sei,  wenn 
man  gerade  die  alten  Liebesgedichte  im  Originaltext  lese,  wohl  aber 
müsse  man  auf  die  Lektflre  der  lateinischen  Historiker  Gewicht  legen. 
Das  ist  denn  doch  etwas  zu  subjektiv  geurteilt  Eine  Umfrage  bei  ge- 
wesenen Schülern  würde  ihn  davon  überzeugen,  daß  die  poetische  Lektüre 
viel  anregender  und  wertvoller  ist). 

Aus  der  mit  viel  Temperament  gehaltenen  Bede,  die  durchweg  den 
Sinn  für  die  praktischen  Aufgaben  des  Lebens  bekundet,  seien  noch  im 
besonderen  die  Ansichten  über  Wert  und  Bedeutung  des  Sprachunterrichts 
hervorgehoben.  Wie  die  beiden  Mittelschulen  heute  sind,  meint  er,  liehe 
er  das  Gjmnasium  vor,  weil  die  Bealsehule  für  die  formale  Bildung  su 
wenig  leiste.  Er  habe  den  Eindruck,  daß  durch  die  modernen  Spracheu 
die  formale  Bildung  nicht  so  gefordert  werden  kOnne,  wie  durch  das 
Lateinische.    Er  halte  sich  an  den  Umstand,  daß  es  Behörden  gebe,  in 


1 130  Die  Mittelflcbolenqaete  des  ünterrichtemiiiiBterioms. 

denen  junge  Techniker,  nnd  iwar  solehe,  die  das  Oyiniiasiiim,  und  solche, 
die  die  Bealschole  absolTiert  habeD,  nebeneinaDder  arbeiten.  Man  be- 
merke fiberall,  daß  derjenige,  der  Tom  Ojmnasiam  komme,  in  der  Dar- 
stellang  seiner  Gedanken  demjenigen,  der  von  der  Realschule  komme, 
weitaus  im  Vorteil  sei.  Am  Lateinisehen  sebitse  er  gerade  das,  was  man 
das  formale  Bildnngsmoment  nenne,  nimlieb  insbesondere  die  logiaefae 
Sehnlnng  des  Geistes,  die  im  Übersetxen  liege,  nnd  den  Umstand,  daß 
es  nr  besseren  Aufmerksamkeit  auf  die  Eigentflmlichkeiten  der  Hatter- 
spraehe,  die  man  eigentlieh  Oberhaupt  nor  aaf  dem  Umwege  Aber  eine 
fremde  Sprache  erlernen  kOnne,  anleite.  Er  mflsse  sich  auch  dagegen  ans- 
sprechen,  daß  der  grammatische  Unterricht  eingesehrinkt  werde.  Danmter 
▼erstehe  er  wohl  nicht  die  Beherrsehnng  der  sahireichen  Aosnahmen, 
aber  das  grammatische  Gerippe  mflsse  immer  anfs  eifrigste  gepflegt 
werden.  Ans  diesem  Gmnde  mflsse  er  sich  anch  entschieden  dagegen  ans- 
sprechen,  daß  der  Lateinonterrieht  in  einer  höheren  als  der  ersten  Gym- 
nasialklasse  beginne.  Bin  genflgender  Einfloß  anf  das  logisdie  Denken 
nnd  aaf  das  Stndinm  der  eigenen  Sprache  kOnne  nor  gewahrt  werden, 
wenn  der  Lateinonterrieht  frflh  einsetse. 

Angesichts  der  wie  eine  flxe  Idee  die  verschiedenen  nSehnbreformer' 
beherrschenden  nnd  ton  ihnen  stets  wiederholten,  wenn  anch  falschen 
Behaoptong,  daß  nnr  klassische  Philologen,  nnd  iwar  obendrein  aas 
Standes-  nnd  Priratinteressen  solche  Ansichten  Tertreten,  sei*  ansdxflek- 
lieh  bemerkt,  daß  Professor  Wegschelder  Chemiker  ist  Seine  gaaxe 
Bede  ist  dorchans  im  reformfrenndlichen  Sinne  gehalten,  am  so  mehr 
mflssen  die  Torstehenden  SItse  ins  Gewicht  fallen. 

Weitergehende  Aassichten  so  Gonsten  der  klassischen  Sprachen 
kOnne  er,  f&hrt  er  fort,  nicht  gelten  lassen,  insbesondere  nicht,  daß 
onsere  Bildung  auf  dem  klassischen  Altertum  beruhe.  Er  verweist  n.  a. 
auf  die  großen  Verinderungen,  die  im  letsten  Jahrhundert  bei  uns  vor 
sich  gegangen.  Das  klassische  Wesen  sei  auch  ans  der  Literatur  ge- 
schwunden; daher  kOnne  man  heute  auf  die  klassischen  Sprachen  nicht 
das  gleiche  Gewicht  legen  wie  f^flber.  Die  Forderung,  man  mflsse  So- 
phokles im  Original  gelesen  haben,  sei  ebenso  unbillig,  wie  jene,  man 
mflsse  Yoltaire  und  Byron,  die  doch  beide  auf  unsere  Literatur  großen 
Einfloß  genommen,  im  Original  lesen.  So  sehr  er  das  Griechische  schitse 
nnd  am  Gymnasium  mit  Vergnflgen  gelernt  habe,  stehe  er  doch  auf  dem 
Standpunkt,  daß  man  vorerst  die  modernen  Bedflrfnisse  befriedigen  und 
jene  Kenntnisse  verschaffen  mflsse,  die  durch  die  moderne  Entwicklung 
notwendig  geworden  seien.  Auch  die  Fremdworterfrage  sei  dagegen  kein 
Argument;  selbst  das  Studium  der  klassischen  Philologie  kOnne  durch  Be- 
seitigung des  Griechischen  nicht  gesebidigt  werden:  wer  es  fflr  seinen 
Beruf  brauche,  kOone  es  auf  der  Universitftt  lernen.  Verlange  man  am 
Gymnasium  die  Berflcksichtigung  der  Naturwissenschaften,  des  Zeichnens 
ond  Beseitigung  des  Griechischen,  anderseits  an  der  Realschule  die  Ein- 
fflhrung  des  Lateins,  so  bestehe  zwisehen  diesen  Schultypen  kein  solcher 
Unterschied,  daß  es  rationell  wftre,  den  geringen  Unterschied  anfirecht 
ZQ  erbalten.    Daher  kOnne  er  sich  nor  für  eine  einheitliche  Hittelschule 


I 


Die  Mittel Bchnlenquete  des  (JDterricbtfliiimiaterimmB.  IISI 

aiiiflpreohfiDt  fQr  die  ftueh  dte  UnBei^haftigkeit  der  B«v01keriiDg  geltend 
gemaebt  ««rdcn  kOone.  Desli&lb  würde  er  &Qeh  dagegen  sein,  d&I^  dne 
?i«Ui«it  der  Typen  geachaffea  werde.  Die  Vielheit  der  Tjpen  id  ein 
Mmgett  der  rermieden  werdeu  solle.  Auch  für  die  Hochsebule  sei  es 
nicht  angeuehnj,  weco  HOrer  ?oq  !rei schied eo artigen  Mittelschulet]  hin- 
kominea«  Die  EinheitstDittelichnlei  die  er  Torschlftgei  «ei  binnichtUcb  der 
Per*ODa{fr&ge  leicht  dtirchfohrbar  (die  am  GjnmasiQm  eotb ehrlichen  Philo- 
Logen  klmeti  an  der  EeiplBcbQle  ia  Yerwendnog),  ftoch  die  Eotnpeteni  be* 
treffend  die  Eealschnle  kOnne  keio  HJDdemis  sein  (die  Etnbeitsmittel- 
&cbnle  habe  ftttch  in  den  Landtagen  viele  Anhfinger  und  der  Staat  habe 
iD  der  Bere cht ignnga frage  ein  Mittel,  einen  aanften  ^wang  auitnüben). 
Er  ferliehle  licb  jedacb  nicht,  daß  sein  Vorschlag  nicbt  »ekr  viel  Ans- 
■icbt  anf  Erfolg  habe^  deshalb  sei  er  schon  dankbar  für  jede  Yerbease- 
rang  des  jetzigen  ZnstandeB,  sei  es,  daß  diese  darin  besteht,  daß  ein 
dem  Ton  ihm  behandelten  ifandcber  Scbaltjpnt  geecb äffen  werdei  oder 
tei  es,  daß  sie  eine  wesentliche  VeibeiBernng  des  natnrwiesenBcbaftlichen 
Ifnterricbts  £uni  Gegenstände  babe^  Man  brancbe  in  ÖiterreJcb  lor  einer 
wenn  aneh  einschn eidenden  Beform  nicbt  surüekin schrecken.  „Die  Oiter* 
reiekische  ^cbaireform  Tom  Jahre  1&49  bedentete  ein  Nenichaffen  Ton 
Grond  am»  sie  war  eine  rerolntioDäre  Tat  and  hat  atisgezeichnete  £r^ 
folge  geseitigt.  Da&  wir  bente  wieder  Klagen  bOren,  steht  damit  nicht 
im  Widersprach,  Denn  eine  Schule,  die  äO  Jahre  alt  iat  nnd  so  viel  £r^ 
folge  anfin weinen  hatte,  bietet  an  eicb  den  Beweis,  daQ  sie  mich  aneh 
wirklich  bewihrt  bat,  nnd  es  let  nichts  gegen  die  damalige  Reform  be- 
wiesen, daß  jetztf  wo  sich  mittlerweile  die  VerbAUnisse  so  gewaltig  ge- 
ändert haben»  Klagen  gegen  nnsere  Sebnlen  lant  werden.  So  wie  es  nnn 
damab  möglich  war,  etwas  Gutes  in  schaffen,  so  wird  es  anch  hente 
möglich  sein.  Ich  würde  wünschen,  daß  man  ^ielbewtißt  nnd  konsequent 
die  Einheitsschale  darcbiufübren  traobte.'' 

Abgeaeben  TOn  dem  grpJ^en  MißTerhältnis  zwischen  dem,  was  Bedner 
als  die  einzig  befriedigende  Lösung  bezeichnet  -^  die  Sehaffang  der  ron 
ihm  gewünschten  MitteUcbnle  als  einsigen  T|pas  —  nnd  dem,  womit 
er  sieh  scblie&lich  safrieden  gibt,  sei  docb  noch  die  Frage  gestellt;  warnm 
mnß  das  GjmnaBitim,  das  doch  nach  Ansiebt  des  Bedners  fem  Stand- 
l>ijnkt  der  Unifersitiitf  als  Schale  der  allgemeinen  Bildnog,  entspricht 
eine  so  wesentliche  Änderungt  wie  die  Beseitigung  des  Griechischen  — 
davon ,  daß  alle  TOm  Eedner  empfohlenen  nenen  Disxiplinen  eingeführt 
werden  sollen,  kann  doch  keine  Bede  sein  nnd  die  berechtigten  Forde- 
rnngen  {Zeichnen,  modurne  Fremdsprache,  ja  anch  stirkere  BerÜcksioh- 
tigang  der  Hatnrwtssenschaft)  lassen  sich  ohne  so  ein  schnei  den  de  Ände- 
rung erfüllen  —  erfahren,  weil  ^  die  ßeaischnle  nicht  dasselbe  leistet? 
Und  warnm  soll  die  Eealscbnle^  die  doch  als  Vorbereitangsanatalt  für 
die  tecbniscben  nud  anderen  Bocbschnlen  genügt^  so  wesentlich  in  ihrem 
Charakter  geändert  oder  eigentlich  »  denn  dar  anf  llnft  ja  die  Ansicht 
Wegscheiders  hmans —  beseitigt  werden?  Übrigens  sehätxt  er  aach  den 
ßildnngBwert  des  Griechischen  Tiel  in  gering  ein.  Wenn  es  richtig  ist, 
daJß  die  tom  Gjmnatiam  kommenden  Techniker  manebo  YontÜge  vor  den 


^m    üMB  aie 


11 32  Die  Hittelichnlaoqiieta  d«  UntcRiebtaminiiieriiims. 

in  der  BeaUcfanle  Voigebiideten  aufweisen,  ao  ist  et  eretene  niclit  i 
daß  lie  du  nur  dem  Latein  ond  nicht  auch  dem  Griechieehea  verdaDken, 
und  sweitens  nicht  einxns^en,  warnm  diese  Vorteile  ^ans  beaeitigt 
werden  sollen,  die  den  technischen  Wissenschsiten  nnd  Berufen  gewiß 
nicht  snm  Schaden  gereichen. 

Hofrat  Professor  Dr.  Schipper  teilt  hinsichtlich  der  Organisatisn 
des  Unterrichts  die  früher  ausgesprochenen  Bedenken  fiber  die  Stelhmg 
der  Lehrer  und  namentlich  der  Schiler  in  den  oberen  Klaaaea.  Dia  Me- 
thode des  Unterrichts  sei  Tiel  su  sehr  hureankratiBch  geregelt,  das  PM- 
fangswesen  weise  Mißstände  auf  und  die  Unterrichtsmethode  sei  ent* 
schieden  der  Verbesserung  bedOrftig.  Hingegen  kOnne  er  in  die  Klage 
wegen  der  Überbikrdung  nicht  einstimmen,  denn  die  Üborbttrdmsg  hinge 
wesentlich  mit  den  erwähnten  Mißständen  susamraen.  Bei  der  Befoim  der 
Mittelschule  mflsse  man  auf  jene  großen  Klassen  der  BerOlkermg  Rück- 
sicht nehmen,  die  fttr  ihre  Kinder  vom  Staate  eine  solch«  Ansbildang 
▼erlangen,  die  der  Bildung  der  besser  gestellten  Kla«en  eotspredia  «nd 
▼or  allem  das  Kind  befähigen,  eowohl  wissenschaftliche  Berafe  n  er- 
greifen, als  auch  in  praktische  Berufe  ftbersutreten,  die  höhere  Kennt- 
nisse oder  höhere  Intelligent  erfordern.  Zweck  nnd  Ziel  der  Gymnasien 
haben  sich  durch  das  Berechtigungswesen  verschoben,  die  Gymnaslcii 
seien  ftberflutet  worden  von  einer  Ansahl  von  SohOlem,  die  gani  nnd  gar 
nicht  dahin  gehören  nnd  von  denen  nur  etwa  20  Prosent  das  Badsiel 
eneiohen,  nach  denen  sich  die  ganse  Oiganisation  des  Gymnasirnns,  der 
Untsrrichtsbetrieb,  die  Methode  richte,  fflr  die  große  Mehrheit  ui  nicht 
entsprechend  gesorgt,  daher  die  Unsnfriedenheit.  In  Deutschland  habe 
man  dies  schon  vor  iwei  oder  drei  Jahrsehnten  erkannt  nnd  da  habe  die 
Bewegung  der  Beformscholen  eingesetit,  der  Beformgymaasien  and  der 
BeformreaUchulen,  deren  Einrichtung  er  kun  darlegt.  Dsa  Wesentliche 
sei,  daß  der  •praehliche  Unterricht  mit  einer  lebenden  Sprache  bagimie. 
Das  habe  den  Vorteil,  daß  ein  gemeinsamer  Unterbau  mit  einer  lebenden 
Sprache  fflr  Gymnasien  und  Bealscbule  geschaffen  werde,  ea  antqprsche 
dies  der  natflrlichen  fintwicklung  nnd  die  Erlennng  der  ktassissbsn 
äpcaehen,  die  er  am  Gymnasium  nicht  missen  wolle,  werde  «rleichtsrt 
durch  Verlegung  auf  die  oberen  Klassen.  Redner  habe  selbst  disson 
Bildungsgang  durchgemacht  und  später  solche  Beformscfaulen  können  ge- 
lernt Die  Erfolge  kOnnen  durchaus  als  gflnstig  besoichnat  werden.  Bedner 
tritt  dafür  eia,  daß  auf  der  Oberstufe  auch  eine  Gabelung  nach  dm  Be- 
dttrfnissen  nnd  nach  der  Wahl  des  späteren  Studiums  eintraten.  Die* 
jenigen,  die  sich  der  philologisch-historischen  Seite  des  Stadiums  auweaden 
wollen»  brauchen  nach  seiner  Oberaeugung  nicht  bis  su  dem  Grade  in 
mathematischen  Dingen  unterrichtet  zu  werden,  wie  die  anda 
haben  gewiß  nicht  die  Differential-  nnd  Integralreehnnng  nOtig, 
seits  haben  jene,  die  später  Mediiiner  werden  oder  irgend  eine  üslar- 
wissenschaft  betreiben  wollen,  auch  aicht  die  Kenntnis  des  GriedüschoD 
nOtig,  während  sie  allerdings,  insofern  sie  Univeraititsstudien  tretboi, 
die  Kenntnis  des  Latein  nicht  entbehren  kOnnen.  Der  forgeadüagsae 
neue  Typus  ähnle  dem  Tom  Bedner  erwähnten  Beformrealgymaasfim, 


Dm  Wtlciicfaidmqiieto  dM  UBtenichtniusteriiims.  1133 

Qnt«neheid6  sich  von  ihm  jedoch  dftdveh,  wm  er  nicht  biUi|^  kdane» 
daft  dar  ipnchliche  ünteiricht  mü  Latm  begiBDC  Was  die  Bmchtug 
der  neocB  Type  betoeffe»  to  kOnatca  solche  Anstalten  sofort  dort  f»- 
Mhaffan  weiden«  wo  eine  nene  Mittels^nle  ^owfiascht  werde,  man  konnte 
aber  anch  die  ümwandlmg  der  beatmenden  Gymnasien  in  Befonngym- 
nasien  so  bewetksteÜigeB,  daft  an  einem  Gymnasinm  (am  besten  an 
einem  Landgymnasiam,  denn  dort  seien  die  BedQxfhisse  am  dringendsten), 
mit  einem  beliebigen  neoen  Jahrgang  der  Anfang  der  Umwandhing  — 
indem  der  fremdspraehHcbe  Unterricht  mit  einer  lebenden  Sprache  be- 
ginne —  erfdge.  An  der  Spitie  einer  solchen  müßte  ein  Direktor  stehen» 
der  ein  Hon  Ar  dieeo  nene  Institntion  hnbe.  Wenn  das  nicht  der  Fall 
sei,  so  müsse  man  izgond  eine  Anstalt  wiblen,  an  der  sieh  tnflUiger- 
weise  eine  Vakans  in  der  Leitang  ergeben  habe  nnd  eine  geeignete  Per- 
sönlichkeit, etwa  einen  Geimanisten,  der  sogleich  nene  Philologie  als 
Lehifack  betreibt,  an  die  Spitse  steüen. 

Landesschnlinspektor  Dr.  Loos  meint,  der  nene  T^ns  sei  jetzt 
ausreichend  behandelt,  Tom  Bealgymnasiom  in  seiner  etwaigen  Aasgestal- 
tang  jedoch  eigentlich  yerhiltnismifiig  wenig  die  Bede  gewesen.  Hofrat 
Hnemer  sage  mit  Becht,  die  jetat  voihandenen  Bealgymnasxen  konnten 
nicht  leben  und  nicht  sterben.  Es  mflsse  «daher  an  den  Anstalten  etwas 
dann  sein,,  sie  mflssen  Fehler  haben,  weshalb  sie  nicht  ordentlieh  leben, 
blOhen  nnd  gedeihen  kOnnen*.  Er  sei  selbst  Lehrer  an  einer  solchen 
Anstalt  gewesen  nnd  habe  darflber  nachgedacht  nnd  sei  in  dem  Besnltat 
gekomman,  «eine  Hanptnrsache  liegt  darin,  daft  die  Bemfswahl  sn  seitig 
erfolgt ....  Bin  anderer  Fehler  scheint  mir  darin  so  liegen,  daß,  kanm 
daft  die  lateinische  Grammatik  nach  den  ersten  iwei  Jahren  in  den 
Gmndregeln  der  Flexionslehre  nnd  der  Sjntax  abgetan  ist,  anf  einmal 
schon  wieder  das  Griechische  kommt  nnd  daß  das  Griechische  in  all 
diesen  Kategorien,  all  den  Arten  der  Übnngen,  wie  sie  bisher  im  Latei- 
niscfaen  getrieben  wnrden,  nunmehr  Ton  nenem  angefangen  wird.  Die  Art 
nnd  Weise  nnd  die  Akribie,  mit  welcher  die  Sache  an  den  Gymnasien 
gemacht  wird,  geht  noch  weiter  ale  bam  lateinischen  Unterricht  nnd 
hat  dem  Griechischen  die  grOßte  Gegnerschaft  und  Feindschaft  rerschafft, 
nicht  so  sehr  in  dsn  oberen  Klassen,  wo  die  Schüler  schon  snm  Gennsse 
der  Sache  gekommen  sind,  sondern  weil  in  den  niedrigen  Stufen  diese 
Grammatik  mit  allen  Feinheiten  vorgenommen  worden  ist  Ich  mochte 
daa  Griechische  ans  der  dritten  und  rierten  Klasse  beseitigt  nnd  in  die 
fünfte  Klasse  hinanfgeschoben  wissen.  Der  Vorteil,  den  ich  mir  daron 
Tcnpreche,  wire  der,  daß  wir  anf  diese  Weise  eine  Einheitsschale 
bekAmen,  einen  einheitliehen  Unterbau  mit  Latein  von  unten  anf  —  und 
da  stehe  ich  allerdings  in  einem  liemlich  starken  Gegensatz  sn  meinem 
Herrn  Vorredner  —  und  an  Stelle  des  Griechischen,  in  der  dritten  Klasse 
einsetsend,  das  FransOsisehe**.  In  diesen  Ausführungen  muß,  abgesehen  Ton 
der  Yerkennung  der  wirklichen  M&ngel  des  bisherigen  Ost.  Bealgymnasinn», 
mehreren  Befremden  erregen :  1.  Was  Loos  als  .anderen  Fehler"  des  bisherigen 
Oaterreicbischen  Bealgymnasiums  erklArt,  „daß,  kaum  daß  die  lateinische 
Grammatik abgetan  ist,  auf  einmal  schon  wieder  das  Griechische 


1134  Die  Hitteisebalenqaeto  det  UDteniehtnniiiiiteriiiinB. 

kommt'',  trifft  doch  oiebt  das  Bealgymnatiam,  sondern  das  Qjmnaaiam; 
2.  daß  man  Schfilem,  die  bereits  nrei  Jahre  Latein  hatten,  im  griechischen 
ElemeDtamnterrieht  mehr  somoten  kano,  ist  gewiß  richtig,  daß  aber  «die 
Akribie  soweit  geht,  daß  in  den  niedrigen  Stufen  diese  Grammatik  mit 
allen  ihren  Feinheiten  rorgenommen  wird",  ist  doch  nicht  nnr  eine  starke 
Übeitreibaog,  sondern  Tollkommen  onriehtig;  8.  keineswegs  ist  es  nach 
meiner  Erfahrung  richtig,   daß   dieser  umstand    (daß    die   grieehisdio 
Grammatik  in  den  unteren  Klassen  gelehrt  wird)  „dem  Griechiechen  die 
größte  Gegnerschaft  und  Feindschaft  sngeiogen  hüat,  nicht  so  sehr  in  den 
oberen  Klassen,  wo  die  Schiller  schon  sam  Gennsse  gekommen  sind,  son- 
dern weil . .  .*    Soweit  eine  Gegnerschaft  gegen  das  Griechische  besteht 
(es  mnß  natOriich  von  j^nen  prinxipiellen  Gegnern,  die  statt  des  Grie- 
chischen dberhaapt  eine  moderne  Sprache  nnd  anderen  modernen  Wisaens- 
Stoff  verlangen,  abgesehen  werden),  wird  sie  damit  begründet»  daß  die 
Schiller  in  den  oberen  Klassen  dnrch  den  grammatistischen  Unt«rricht 
nicht  snm  Gen  aß  der  Sache  kommen  können.   Deshalb  wird,  soweit 
eben  nicht  der  griechische  Unterricht  priniipiell  nnd  lefalechtweg  abgelehnt 
wird,  Terlangt,  daß  der  grammatisÜKhe  Betrieb  in  den  oberen  Klaaen 
aufhöre;  der  grammatische  Unterricht  wire  Aufgabe  der  unteren  Klaaaen. 
Auch  was  Loos  im  weiteren  Verlauf  fiber  die  Frage,  ob  Lateinisch 
oder  FransOsiseh  die  Priorität  haben  solle,  sagt,  ist  nicht  richtig.  Nnchdem 
er  den  in  Deotschland  darflber  geführten  Streit  kun  skissiert  bat»  flhit 
er  fort:  .Ich  habe  oft  darflber  nachgedacht,  warum  denn  doch  daa  Fran- 
lOsiBche  Aber  das  Lateinische  gesiegt  hat?  Ich  glaube,  es  sind  dies  noch 
die  Nachwirkungen  des  Feldxuges  ron  1870/71  gewesen,  denn  es  ist  be- 
kannt, welch  außerordeotlichen  Nutxen  jene  Offisiere  der  Armee  gebracht 
haben,  die  4m  FransOsisehe  sprechen  konnten.    Es  ist  daa  darana  so 
schließen,  daß  der  deutsche  Kaiser  damals  dem  Direktor  des  franiGsiacben 
Gymnasiums  in  Berlin  den  besonderen  Dank  daffir  ausgesprochen  hat, 
daß  Offiziere  da  waren,  welche  der  fransOsischen  Sprache  mehr  mftehtig 
waren  als  die  Absolrenten  einer  Bealschule  oder  eines  Gymnasiums.  Daiu 
kam  (!)  die  Nachbarscha^ft  Frankreichs  sowie  auch  der  Umstand,  daß  in 
mehr  Familien  Deutschlands  das  FransOsisehe  gesprochen  wird  nie  bei 
uns.  Daß  aber  der  Umstand  dasu  beigetragen  habe,  daß  die  frantOaiache 
^raehe  als  leichter  angesehen  wurde  als  die  lateinische,  das  ist  nnr  in 
einer  geringen  Aniahl  von  F&llen  bestätigt  worden*.    Dagegen  iat  fol- 
gendes SU  bemerken:   1.  kann  von  einem  Sieg  des  FransOsischen  Qber 
das  Lateinische  flberhaupt  nicht  gesprochen  werden,  weil  noch  heute  an 
der  bedeutend  Qberwiegenden  Aniahl  ton  Gymnasien  in  Deutachland  der 
fremdsprachliche  Unterricht  mit  dem  Lateinischen  beginnt.  Zahlen  mOgen 
das  beweisen:  von  den  789  Gymnasien,  Progymnasien  und  Bealgymnnaien, 
die  es  in  Deutschland  1907/08  gab  (491  in  Preußen,  298  im  fibrigen 
Deutschland),  waren  nur  115  nach  dem  Frankfurter,  12  nach  dem  Altonner 
System  eingerichtet;  wie  man  da  ton  einem  Sieg  des  FransOsischen  über 
das  Lateiniache  sprechen  kann,  ist  mir  rOUig  unerfindlich.    2.  hat  die 
Umkehrung  des  Sprachunterrichts  mit  dem  Feldtug  ton  1870/71   nicht 
das  geringste  tu  ton.    Daß  in  Deutschland. eine  große  Antahl  Offiiiere 


Die  Mittelsehalenqnete  des  UntenichtsminiBterimni.  1135 

FransOtiich  epreehen  konote,  erklftrt  sieb,  soweit  du  Gymnasinm  hier  Aber- 
baapt  in  Betraebt  kommt»  wu  der  Tatsaebe,  daß  der  franiOsiscbe  Sprach- 
nnterricbt  eben  dort  seit  jeber  obligat  ist.  8.  Darans,  «daß  der  dentsehe 
Kaiser  damals  dem  Direktor  des  frantOsischen  Gymnasiums  in  Berlin  den 
besonderen  Dank  ausgesprochen  bat**,  ist  nicht  so  scblieOen,  diM^  ,Jene 
Offiiiere,  die  das  FransOsisehe  sprechen  konnten,  außerordentlichen  Nntsen 
der  Armee  gebracht  haben*"  —  das  TOrstebt  sich  ja  von  selbst.  Aber  das 
ist  richtig,  daß  die  ans  dem  fransOsischen  Gymnasium  Herroigegangeaen 
der  frans<ysischen  Sprache  mehr  mJLchtig  waren  als  die  Absolrenten  ein^r 
Bealscbnle  oder  eines  Gymnasiums.  Allein  das  erklärt  sich  darans,  daß  am 
frantOsischen  Gymnasium,  das  seinen  Namen  daton  hat,  daß  es  nrsprflng- 
lioh  für  die  Familien  der  Befagi^s  bestimmt  war,  noch  heute  die  fran- 
sOsische  Sprache  tum  grOßtee  Teil  Unterrichtssprache  ist  Dadurch 
gewinnen  seine  Absolrenten  eine  besondere  Fertigkeit  im  mftndlichen  Ge- 
branch des  FransOsischen.  Auch  die  Nachbarschaft  Frankreichs  und  der 
letste  Ton  Loos  angefflhrte  Grund  haben  mit  der  Frage  der  PrioritAt  des 
FransOsischen  Tor  dem  Lateinischen  nichts  su  tun.  Der  letste  etwas  unklar 
ausgedrückte  Sats  deutet  allerdings  einen  der  GrOnde  an;  der  wesentliche 
liegt  aber,  wie  ja  Khon  Hofrat  Schipper  bemerkt  hat,  in  den  Einheits- 
sehttlbestrebungen,  su  dem  Grtknde  didaktischer  Art  kamen.  Man 
muß  sich  aber  die  diese  Frage  betreffenden  Ansfflhrungen  des  Bedners  um 
so  mehr  wundem,  als  er  in  dem  ton  ibm  herausgegebenen  trefflichen 
„Handbuch  der  Ersiebungskunde*'  awei  vorsOglich  orientierende  Artikel 
«Einheitsschule«  (Bd.  I,  S.  292  ff.)  und  besonders  «Beformschulen"  (Bd.  II, 
S.  450  ff.)  ron  dem  besten  Kenner  aller  dieser  Fragen,  Geh.  Hofrat  Prof. 
Dr.  ühlig,  TerOffentlicht  hat,  aus  denen  er  sich  aufs  beste  Ober  die 
ganse  Frage  hfttte  informieren  können. 

Es  ist  ftbrigens  kein  Grund  rorhanden,  darauf  hier  nfther  einsugehen, 
da  ja  Loos  daran  festhftlt,  daß  das  Lateinische  von  unten  auf  gelehrt 
werde.  Er  meint  nun:  „Wenn  wir  einen  solchen  Unterbau  mit  Latein 
hfttten,  welcher  dann  das  FransOsisehe  in  der  dritten  Klasse  beg&nne, 
ließe  sich  ein  gegabelter  Oberbau  sehr  leicht  konstruieren.  Ich  denke  an 
eine  Bifurkation  in  eine  realistische  und  eine  humanistische. Seite.  Es 
würde  das  Griechische  oben  mit  einer  größeren  Stnndensabl  einsetien, 
das  Lateinische  würde  etwas  Terringert  werden  und  so  kirne  auch  ich 
beilinflg  su  dem  Besnltate,  das  uns  heute  Se.  Eztellens  Baron  Gantscb 
Torgetragen  hat".  Es  ist  gut,  daß  der  Bedner  nbeilinfig«  hinsugesetst 
bat,  denn  tatsJLcblich  ist  sein  Besnltat  von  dem  von  Baron  Gautsch  vor- 
getragenen so  ferschieden,  daß  sie  nur  das  gemeinsam  haben,  daß  der 
Lateinunterricbt  unten  etwas  verringert  werde.  Baron  Gautsch  denkt 
nicht  im  entferntesten  an  eine  Yermengung  der  beiden  Typen,  Gymnasium 
und  Bealscbnle,  er  spricht  mit  keinem  Wort  ton  einem  gemeinsamen 
Unterbau  mit  Latein  und  Bifurkation  oben,  er  lehnt  entschieden  eine 
Beschränkung  des  Griechischen  ab  und  er  betont  ausdrücklich,  daß  dem 
Oymnasiallehrplan  keine  neuen  Gegenst&nde  sugefügt  werden. 

Bedner  meint  weiter,  es  würde  durch  die  Verringerung  der  Latein- 
atunden  »für  andere  Gegenstftnde  Plats  geschaffen  werden  und  sudem 


1136  Die  HitteUchnlenqaete  des  UnterriebtemiiiMteriams. 

die  Möglichkeit,  daß  die  Scbttler  des  hnmanistischen  Astes  io  der  dritIeD 
und  Tierten  Klasse  FraniMsch  gelernt  bfttten*.  Wie  das  erstere  mOgtich 
sdn  soll,  wenn  wirklieh  das  Lateinisehe  nnr  etwas  Terrisgert  wird,  und 
swar,  wie  Baron  Gaatsch  wollte,  in  der  ersten  und  zweiten  nm  je  swei 
Stunden,  ist  kann  abinsehen.  Das  FraniOsisefae  in  der  dritten  and  vierten 
wQrde  freilieh  doreh  Hinanfschieben  des  Qriechisehen  in  die  fftnfte  ennOg- 
lieht.  Wenn  man  aber  bedenkt,  daß  oben  im  gymnasialen  Ast  dieser 
Gegenstand  nicht  fortgesetst  irird,  so  maß  man  ffiglich  bezweifeln,  ob 
der  umstand,  daß  anten  in  Hl  and  IV  FraniOsiseh  obligat  war,  wirklich 
die  von  Loot  erwartete  Folge  für  das  moderne  Spraehstadiam  der  Gjrm- 
nasiasten  haben  werde.  Vom  franiOsischen  Sprachanterricht  im  Ober- 
gjmnasiam  oder,  am  mit  Redner  so  sprechen,  im  hamanistischen  Ast  der 
Oberstafe,  spricht  er  nicht.  Er  nimmt  wohl  an,  daß  er  oben  fakaltatiT 
fortgesetst  werden  kann,  wie  er  ttberhanpt  mit  dem  fakaitatiren  Unter- 
rieht in  sehr  operiert  (fakaltatiT  sollen  im  realen  Ast  die  Sehfller,  welche 
Neigong  nnd  F&higkeit  data  besitzen,  den  in  der  ünterstofe  doreh  rier 
Jahre  erhaltenen  Lateinanterricht  fortsetzen  können,  andererseits  soll  im 
homanistisehen  Ast  das  geometrische  Zeichnen  fakaltatiT  gelehrt  werden 
können).  Allein  iBr  die  Gestaltang  der  Schale  ist  nnr  maßgebend  der 
obligate  Unterricht  —  fakaltatiT  kann  schließlich  alles  gelehrt  werden, 
weil  hier  der  freie  Wille  des  Schfllers  aod  ihrer  Vertreter  entscheidet 
Und  fakoltativer  Unterricht  kann  anch  bei  der  jetzigen  Organisation  ein- 
gerichtet werden.  Das  beweist  Loes  selbst,  der  als  Landesaehalinspektor 
„den  Anregaogen,  welche  ans  Eremsmfinster,  Wels  and  anderen  Anstaltea 
gekommen  sind,  die  darstellende  Geometrie  in  faknltatiTer  Welse  im 
Gymnasium  einzafllhren,  immer  mit  grOßter  Bereitwilligkeit  entgegen- 
gekommen'^ ist  Ich  meine  sogar,  daß  doreh  die  Ton  Dr.  Loos  befftr- 
wortete  Hinaofschiebong  des  Griechischen  in  die  Oberstafe  der  ftkkoltatiTe 
Unterricht  in  der  darstellenden  Geometrie,  für  den  er  wegen  seiner  großen 
Wertschfttzang  dieses  Gegenstandes,  der  ihm  „immer  wie  eine  Art  Philo- 
sophie der  Mathematik  Torgekommen  ist",  gefihrdet  wird.  Während 
nimlieh  jetzt  in  den  Tier  Oberklassen  zasammen  aar  19  Standen  Grie- 
chisch sind,  soll  ja  nach  ihm  «das  Griechische  oben  mit  einer  größeren 
Stondensahl  einsetzen **  (was  ja  notwendig  ist,  wenn  es  fiberhaapt  erst 
oben  beginnt,  wie  man  später  erfährt,  sollen  es  insgesamt  24  Standen  eein). 
Die  Bealsehalen  wfirden  nach  seinem  Vorschlag  wohl  ein  Jahr  FranzOiiseh 
einbflßen,  dafOr  aber  doreh  den  rieijährigen  Lateinanterricht  (der,  wie 
erwähnt,  oben  fakaltatiT  fortgesetst  werden  konnte)  and  doreh  Einf&gnng 
der  philosophischen  Propädeutik,  doreh  Aosdehnong  der  Oberstafe  (des 
realen  Astes)  aaf  Tier  Jahre  (also  die  achtklassige  Bealschole),  die  jedoeh 
nicht  der  ErhOhong,  sondern  der  Vertiefong  des  Lehrstoffes  dienen 
müßten,  an  sich  ond  an  Wertschätznng  gewinnen. 

Mit  seinem  Typos,  meint  er  weiter,  wolle  er  nichts  anderes,  ala 
was  der  Organisationsentwarf  schon  im  Jahre  1849  gewollt  habe.  Aber 
die  Stelle,  die  Loos  zitiert,  beweist  gerade,  daß  ein  soleher,  d.  h.  m 
einheitlicher  Typas  nicht  mOglich  ist  ond  daß  die  dort  aasgesprochene 
Ansicht  aach  heote  noch  richtig  ist,  beweist  Loos  dadorch,  daß  er  ja  daa 


Die  HiUelflchnleDqaet«  des  üntexrichtsmiDisteriiims.  1137 

Latein  von  anteii  auf  beibehalten  will.  Bleibt  alio  nar  die  Frage,  ob 
das  Hinanftehieben  des  Griechischen  möglich  ist  Diese  Frage  kann  gewiß 
diskutiert  werden,  aber  Voraassetsnng  moß  deeh  sein,  daft  das  Lehniel 
des  griechischen  Unterrichts  nicht  beaehrftnkt  werde.  Und  nnn  lese  man» 
was  Loos  darflber  sagt.  Er  meint»  bei  Anwendong  der  indnktiTen»  ana- 
lytischen Methode  sei  das  Hinanfschieben  möglich»  nnd  fihrt  dann  fort: 
«Ich  halte  es  nicht  fflr  ansgesehlossen»  daG  man  im  griechischen  Unter- 
richt durch  Tier  Jahre  mit  einer  größeren  Stnndeosahl  von  sechs  Stunden 
wöchentlich  noch  ein  gans  entsprechendes  Besnltat  ersielen  konnte.  Wenn 
man  dabei  rielleicht  anf  einen  Autor  Tenichten  mflßte»  meinetwegen  1  Ich 
wtirde  mich  i.  B.  gar  nicht  so  sonderlich  krinken»  wenn  man  Sophokles 
nicht  im  Urtext  lesen  wflrde  (Widerspruch).  Also  lassen  wir  einen  anderen 
weg.  Es  kommt  doch  wirklich  nicht  daraof  an.  Um  sn  rechtfertigen, 
wanim  ich  gerade  anf  Sophokles  gekommen  bin»  so  habe  ich  mir  gedacht, 
daß  namentlich  Homer  nnd  die  Historiker  den  Schfllem  so  nahe  Hegenl 
daß  sie  dabei  wirklich  bald  in  einem  Genosse  kommen.  Bei  Sophokles 
ist  die  Sache  Terhftltnismißig  schwieriger.  Anch  ich  habe  Sophokles  in 
der  achten  Klasse  gelehrt  nnd  Sie  kOnnen  mir  glanben»  ich  habe  nicht 
so  schlecht  gelehrt»  daß  die  SchfUer  nichts  profitiert  hätten»  aber  im  all- 
gemeinen sind  sie  da?on  nie  entiflckt  gewesen''.  Diese  Worte  haben  nicht 
nur»  wie  bereits  angedeutet»  sofort  starken  Widersprach  geweckt,  sondern 
fanden»  wie  mehreres  in  seiner  Bede»  entschiedene  Mißbilligung.  Auch 
Professor  Uhlig  war  im  hohen  Grade  erstaunt  darOber,  wie  ich  direkt 
Ton  ihm  weiß.  Über  persönliche  Erfahrungen  eines  Lehrers  lAßt  sich 
nicht  rechten  (auf  den  merkwürdigen  Widersprach:  »ich  habe  nicht  so 
schlecht  gelehrt,  daß  die  Schfller  nichts  profitiert  hatten,  aber  im  all- 
gemeinen sind  sie  davon  nie  entsOckt  gewesen**  muß  doch  noch  besonders 
aufmerksam  gemacht  werden),  aber  aus  solchen  personlichen  Einiel- 
erfshrungen  dürfen  doch  keine  allgemein  gültigen  Schlüsse  gesogen 
werden.  Andere  Lehrer,  und  das  ist  die  große  Mehnahl,  rersichern,  daß 
sie  die  Schüler  nie  so  warm  werden  sahen»  als  gerade  bei  Sophokles 
(oder  Euripides)  und  damit  stimmen  anch  die  Bchülerurteile,  die  gern 
auf  die  Historiker  su  Gunsten  der  Dichter,  sumal  eines  Sophokles,  Ter- 
lichten.  Und  man  darf  wohl  sagen,  einem  griechischen  Unterricht»  der 
auf  die  Tragödie  gans  Terdchtet»  fehlt  die  Blüte.  Die  ganie  Art»  wie 
Loos  den  griechischen  Unterricht  behandelt,  mußte  gerechtes  Befremden 
erregen. 

Yen  dem  Bestreben  geleitet»  durchaus  objektiT  die  einseinen  Beden 
tu  besprechen,  mußte  ich»  so  schwer  es  mir  wurde,  gerade  die  Ausflhrungen 
dieses  Bedners  troti  aller  persönlichen  Sympathie  eingehender  beleuchten. 
Denn  in  solchen  Dingen  muß  Klarheit  herrschen.  Uod  gerade  die  Stellung 
des  Bedners  legt  dem  Bei  um  so  mehr  die  Pflicht  auf,  wenn  anch  streng 
sachlich,  wie  es  stets  mein  Bestreben  ist,  so  doch  möglichst  dentlieh  die 
Mängel  aufraweisen.  Dasn  forden  diese  Ausführungen  um  so  mehr  heraus, 
als  de  gans  allgemein  gehalten  sind  und  das  Gymnasium  als  solches, 
eben  mit  Bflcksicht  auf  die  Stellung  des  BedneH,  schwer  in  sdiidigen 
geeignet  sind.  Allerdings,  der  Schluß  seigt,  daß  das,  begreiflicherweise,  nicht 

Z«itackrifl  f.  d.  Mint.  Oynn.  ISOS.  XU.  Heft.  72 


1138  Ein  Yorteblag  betreifend  den  ünterriefat  au  der  itaüen.  Sprach«  otw. 

«eine  Absicht  war,  denn  erat  am  Sehlnß  erfthrt  man,  daß  er  nur  neben 
dem  Tom  Hofrat  Hnemer  Torgeschlagenen  Tjrpos,  dem  Bealgymnaiinm 
ohne  Orieehxaeh,  auch  einen  Torschlagen  wollte,  der  ans  einer  üntentofe 
mt  Latein  nnd  FraniOaisch  und  einer  in  xwei  Äste  (einen  gymnasialen 
mit  Latein  nnd  Griechisch  nnd  einen  realen)  gegabelten  Oberstofe  be- 
stünde. Aber  anch  in  diesen  SchlnAiitxen  begegnet  ein  Wort,  das  des- 
eelbea  Gedanken,  die  priniipielle  also  allgemein  gfiltige  Ablehnung  des 
Chrieehiichon  in  den  unteren  Klassen,  enthftit.  Denn  er  lehnt  den  Tetschener 
TjpüB  ab,  weil  er  „auch  noch  den  Todeskeim  in  sich,  nimlich  den  frOhea 
Beginn  des  grieehischen  Unterrichtes*  habe.  Anch  Loos  empfiehlt  leiD«! 
l^ns  gerade  (wenn  auch  nicht  ansschließlieh)  an  Orten,  wo  nnr  eine 
Hitteischnle  besteht  —  Yom^mtich  nm  die  Entscheidnng  htnanssaschiebeD, 
bedenkt  aber  nicht  die  Schwierigkeiten,  die  gerade  dadoreh  entstekeo, 
wenn  die  Eltern  eines  solchen  Schfilers  in  eine  Stadt  flberaiedeln,  wo  es 
nnr  ein  Gymnasium  oder  nur  eine  Bealscbnle  gibt.  Ans  praktischen 
Grflndott  mflßte  man  gerade  den  Tetschener  TjpnM  fOr  kleine  Stidte, 
die  nur  eine  Mittelsehale  haben  können,  empfehlen,  weil  er  die  beiden 
Gmndtypen  rereint,  aber  rein  enthllt,  Behnlgattmigen  wie  die  von  Loci 
empfohlenen  hätten  m.  E.,  wenn  man  schon  damit  den  Vefsneh  machen 
wollte,  nnr  ihre  fierechtignng  in  größeren  Stidten,  neben  Schalen  der 
alten  Typen.  —  Die  Bede  bitte  mindestens  einer  sorgftltigen  Ober- 
arbeitang  bedurft.  (Fortietiung  folgt) 

Wien.  Dr.  S.  Frankfurter. 


Ein  Vorschlag  betreffend  den  Unterricht  ang  der 

italienischen  Sprache  in  den  oberen  Klassen  der 

Osterreichischen  Gymnasien  mit  italienischerünter- 

richtssprache. 

Das  gegenwftrtige  Programm,  betreffend  den  ünterriefat  im  Itaüeu- 
sehen  an  den  Mittelscholen  der  Monarchie  mit  italienisdier  ünteniekth 
tprache,  hat  sich  nach  langjihriger  Erfahrung  in  mehreren  BeneboBgeB 
als  mangelhaft  und  seinem  Zwecke  nicht  entsprechend  erwieoen. 

Sein  bauptsftchlichater  Fehler  ist,  da6  das  Studium  der  Litentar 
in  gant  annatürlicher  Reihenfolge  Tor  sich  geht:  Es  beginnt  nAmlidi  aiebt 
mit  den  ersten  Jahrhunderten  der  itaüenieehen  Literatmgoiohichte,  m 
dann  Schritt  fOr  Schritt  die  plaamißige  fintwickluog  tu  Terfolgei;  «■ 
gehl  Tielmehr  in  der  Weise  vor,  da6  man  snerst  die  lotsten  Jakrhonderte 
eialeroea  läßt  und  dann  langsam  bis  su  den  Anfingen  der  Litentv^ 
geschichte  fortschreitet,  so  daß  man  eigoatlich  die  Wirkugen  tot  in 
ürsa«hea  kennen  lernt  Das  ist  der  Grund  lu  oehweren,  sehon  oft  be- 
klagten Unannehmlichkeiten  geworden.  Vor  allem  ist  der  Lehrer  goBwaag« 
eine  kostbare  Zeit  damit  an  ? erlieren»  um  die  Ursachen  aatagobea,  welebr 
die  Literatur  des  im  Lehrplan  bestimmten  Jahrhuaderti  bedingen.  ^ 
kann  awar  im  Anlange  des  Schuljahres  geachehea,  aber   auch  ia  ie 


l 


Ein  Vorschlag  bctreffead  den  üntenieki  aus  der  italieii.  Spradie  vav.  1139 

Folg eiext  muß  der  Lehrer  fortwährend  dsrtn  «rinnem  and  treiideB  werden 
seine  Andentnngen  nie  befriedigen  kOnnen.  Der  Bofalller  ist  eben  fllr  den 
Stoff  nieht  schon  im  Vorjahre  genflgend  rorbereitet  worden,  i.  B. :  Man 
kann  von  der  Literatur  des  XVL  Jabrhonderts  nieht  gat  sprechen»  ohne 
daß  früher  das  XV.  Jahrhundert  ordentlich  eingelernt  worden  ist.  Ebenso 
kann  man  keinen  richtigen  Begriff  Yon  der  literarischea  Prodaktion  des 
XIX.  Jahrhonderts  gewinnen»  wenn  man  nicht  früher  mit  einer  gewissen 
Aosltthrlichkeit  das  XVIII.  Jahrhundert  durchgenommen  hat 

Gänilich  im  Widerspräche  damit  steht  es  also,  wenn  man  das 
Stodinm  der  Literatur  des  XIX.  Jahrhunderts  der  V.  Klasse  luweist, 
obwohl  der  Schüler  noch  gar  nicht  die  genügende  Vorbereitung  hat,  um 
die  Klassiker  und  Romantiker  in  ihrem  Wesen  und  in  ihren  Werken  lu 
Terstehen.  Außerdem  wird  der  Schüler  nie  imstande  sein,  die  literarischen 
Eneugnisse  eines  Jahrhunderts  su  reratehen,  dessen  politische  Geschichte 
er  erst  in  den  folgenden  Jahren  (VII.  und  VIII.  Klasse)  kennen  lernt. 
In  der  VI.  Klasse  beginnt  man  mit  der  Lektüre  der  .Dtvtna  Commedia*, 
das  eine  gehörige  Einleitung  über  das  Lesen  und  die  Werke  ihres  Ver- 
fassers und  eine  eingehende  Kenntnis  der  Literaturgeschichte  des  XIII. 
und  XrV.  Jahrhunderts  Toraussetst  Statt  dessen  muß  man  jene  des 
XVIII.  Jahrhunderts  einlernen,  das»  wenigstens  in  seiner  ersten  HUfke, 
in  literarischer  Hinsicht  rom  Zeitalter  der  göttlichen  Komödie  am  wei- 
testen absteht.  Dazu  kommt  noch  ein  wichtiger  umstand.  Der  Lehrer 
muß  von  Zeit  so  Zeit  die  Geschichte  der  Literatur  und  das  Studium  der 
Autoren  unterbrechen,  um  irgend  welche  Dichtnngsgattang  lU  erkllren. 
Das  bewirkt  bei  den  Schülern  Zerstreuung  und  der  Faden  der  hiitorisdien 
Entwicklung  der  Litoratvr  erleidet  dadurch  eine  unangenehme  Unter- 
breehung. 

Diesen  Mängeln  kann  man  meiner  Ansicht  nach  nicht  abheilen 

durch  Annahme  des  Vorschlages  des  Prof.  Dr.  Vidossich  ^),  indem  man 

nämlich  die  Literaturgeschichte  nach  Dichtungsgattungon  einlernen  läßt. 

Die  Ursachen  dafür  liegen  auf  der  Hand.    Vor  allem  sei  hervorgehoben, 

daß  ein  Literaturwerk  seine  Bedeutung  und  sein  Verständnis  aus  dam 

^ '  Jahrhunderte  gewinnt,  in  dem  es  geschrieben  wurde»  und  aui  der  Zeit,  in 

■^  der  der  Autor  lebte.  Weiters:  Indem  man  s.  6.  das  Epos  Terstehen  will, 

>^  müßte  man  ?on  dem  Leben  an  den  italienisdien  Höfen  des  XV.  und 

^  XVI.  Jahrhunderts  sprechen  und   eine  siemlich  genaue   Charakteristik 

i^-^  desselben  geben,   rerbunden  mit  den  Angaben  über   die   wichtigsten 

zC-'  Schriftsteller   der   betreffenden   Zeit.    Das   bedeutet   nun   ohnehin   ein 

f^  Studium  der  Literatur  jener  Jahrhunderte  und  nicht  mehr  einer  einseinen 

1^'  Dichtungsgattung.    Wir  wollen  hiebei  übergehen,  daß  riele  Werke,  die 

B  Jsf^  sa  ein-  und  derselben  Dichtnngsgattnng  gehören»  viel  besser  rerständlieh 

ic^  sind  in  ihrem  Zusammenhange  mit  den  anderen  literarischen  Erscheinungen 

^*  desselben  Jahrhunderts.    Nie  wird  man  femer  ein  richtiges  Verständnis 

^  der  großen  Schriftsteller  eriielen»  außer  durch  den  Vergleich  der  Werke 

^e^  jedes  einseinen  Dichters»  die  foisdiiedenen  Dichtungsgattungen  angehören. 

^^  >)  Vgl.  Zeitschr.  f.  d.  örterr.  Gymnasien  1007,  8.  941  ff. 


1140  Ein  Yorsehlag  betreffend  den  Unterrieht  ans  der  Italien.  Sprache  usw. 

Die  Oden  Parinis  mfiaaea  logleieh  mit  eeinem  Oiümo  gelesen  werden, 
die  tiinni  8acri*  Maronis  mgleich  mit  seinen  ^RromesH  8po9i**. 

Es  bleibt  also  nichts  anderes  flbrig,  als  bei  der  Behandlung  der 
Literatnrgeschiehte  die  natflrlicbe  Ordnung  einrahalten,  indem  man  den 
gegenwärtigen  Lehrplan  durch  einen  anderen  ersetst,  der  möglicherweise 
aller  oben  erw&hnten  Mftngel  entbehre.  Und  um  den  gedachten 
Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  su  gehen,  würden  wir  folgenden  Lehrplan 
▼orschlagen: 

In  der  IV.  und  Y.  Klasse  betreibe  man  das  Studium  der  Rhetorik 
als  Vorbereitung  auf  das  Studium  der  Literaturgeschichte,  und  zwar  nehme 
man  in  der  lY.  jenen  Teil  der  Grammatik,  welcher  Aber  den  Aufbau  des 
Satzes  und  der  Periode,  die  Qbertrageue  Bedeweise  und  die  Stilistik 
handelt,  und  dies  mit  Hilfe  einer  geeigneten  Anthologie.  In  der  V.  Klasse 
nehme  man  die  rerschiedenen  Gattungen  ton  Prosa  und  Poesie  durch 
und  bediene  sich  dazu  zahlreicher  Beispiele,  die  aus  einer  zu  diesem 
Zwecke  eigens  geschaffenen  Anthologie  su  schöpfen  sind.  Außerdem  lese 
man  im  ersten  Semester  die  ^Promes$i  S^oai**  und  im  zweiten  Semester 
die  ^GeruaäUmfne  Liberata^,  Von  der  YI.  Klasse  an  betreibe  man  das 
Studium  der  Literaturgeschichte  etwa  in  folgender  Weise:  YI.  Klasse: 
Yon  den  Anfängen  bis  zum  Zeitalter  der  Renaissance  (einschließlich). 

YIL  Klasse:  Das  XYI.,  XVU.  und  XVm.  Jahrhundert,  ausschließ- 
lich Parini,  Alfieri.  LektOre  des  ^Orlando  Fur%o$o^, 

VIII.  Klasse:  Parini,  Alfleri,  das  XIX.  Jahrhundert.  Wenn  in 
diesem  Lehrplane  das  Studium  der  Literatnigeschichte  erst  ein  Jahr 
später  begonnen  wird,  wäre  es  doch  beträchtlich  dadurch  erleichtert,  daß 
die  Schiller  darauf  schon  genügend  rorbereitet  sind.  Auch  entspräche  es 
genau  dem  Lehrplane  für  das  Studium  der  deutschen  Literatorgeschichte 
an  Gymnasien  mit  deutscher  Unterrichtasprache,  das  auch  erst  in  der 
VI.  Klasse  begonnen  wird. 

Gründliche  Yorbereitung  ist  eben  der  Zweck  der  Anthologien  für 
die  lY.  und  Y.  Klasse,  wenn  sie  gut  angelegt  sind.  Und  dies  wird  keine 
großen  Schwierigkeiten  bereiten,  um  so  mehr,  als  es  schon  gute  Antho- 
logien gibt,  die  bei  der  Herstellung  einer  etwaigen  neuen  Anthologie 
gute  Dienste  leisten  konnten.  Und  grftndliche  Yorbereitung  kann  man 
auf  leichte  Weise  erzielen.  In  der  Tat  hätte  man,  wenn  man  s.  B.  tou 
lyrischen  Produkten  spricht,  Gelegenheit,  auf  rieles  hinzuweisen,  was 
später  betreffs  der  Lyrik  und  der  Lyriker  der  einzelnen  Jahrhunderte  su 
sagen  wäre.  Die  Erklärung  der  Kanzone  wird  uns  zu  einem  Hinweis  auf 
die  prorcD^alische  Dichtung  fähren,  dann  zu  einer  kurzen  Erwähnung 
Petrarcas  und  auf  dessen  Nachahmungen  bei  Guidi  und  Leopardi.  Wenn 
wir  auf  das  Sonett  zu  sprechen  kommen,  werden  wir  einiges  voraus- 
schicken mtlssen  Aber  die  Lyrik  in  der  Zeit  vor  Dante,  auch  ftber  die 
humoristische  Dichtung  (Folgare  di  San  Gemignano),  Aber  Dante  als 
Lyriker,  dann  Aber  Petrarca  und  so  weiter  bis  auf  Garducci.  Die  Ode 
wird  uns  ein  noch  riel  weiteres  Feld  bieten  zu  kurzen  literarisdien  An- 
merkungen, die  in  kurzen  Umrissen  die  Entwicklung  derselben  Tom  kleinen 


Ein  Vorschlag  betreffend  den  Unierrieht  ans  der  Italien.  Sprache  usw.  1141 

Liede  des  XIV.  Jahrhunderts  bis  auf  Chiabrera,  die  Areadier,  Parini, 
Monti  Qiw.  seichnen  werden. 

Und  es  wird  sich  nicht  nnr  um  Andeutungen  handeln,  welche  doch 
in  ihrer  Gesamtheit  ein  gutes  Qanies  von  Eenntniisen  bilden  werden, 
80  daß  schon  daraus  eine  genügende  Kenntnis  der  wichtigsten  Erschei- 
nungen und  Tatsachen  der  italienischen  literaturgesehiehte  gewonnen 
werden  kann  —  aber  um  praktische  Beispiele  ans  der  Lektflre,  welche, 
die  auf  praktischem  Qmnde  aufgebauten  Eenntnisee  Terstirkend»  eine 
sehr  gute  Vorbereitung  auf  die  LektQre  der  folgenden  Jahre  sein  werden. 

Und  was  in  dieser  Hinsicht  über  die  Ljrik  gesagt  wurde,  konnte 
in  derselben  Weise  auch  fftr  das  Epos  und  andere  Dichtungsarten  erwiesen 
werden. 

Wenn  wir  z.  B.  einen  epischen  Dichter  su  lesen  haben,  wird  es 
am  Platte  sein,  die  Schfiler  ftber  die  Anfinge  des  Epos  su  unterrichten, 
alao  wird  man  von  den  Terschiedenen  mittelalterlichen  Zyklen  sprsehen, 
dann  auf  die  ersten  in  Italien  gemachten  Versuche  hinweisen,  um  davon 
auf  eine  knne  Darlegung  der  Entwicklung  des  Epos  von  Sulci  bis  Ariosto 
ttbersugehen. 

Auch  hier  muß  man  die  Terschiedenen  Andeutungen  mit  geeigneten 
Beispielen  aua  der  Anthologie  verbinden,  die,  wie  schon  bemerkt,  eigens 
EU  diesem  Zwecke  bearbeitet  werden  müßte.  Daraus  eraieht  man,  wie 
vieles  man  schon  in  der  V.  Klasse  durchnehmen  konnte,  worauf  man 
später  nur  hiniuweisen  hfttte,  je  nachdem  es  der  einselne  Fall  erfordert. 

Folgendes  wäre  also  das  Programm: 

IV.  Klasse:  Lektflre  von  Werken  in  Dichtung  und  Prosa.  Regeln 
und  geeignete  Übungen  sum  Einlernen  der  Stilistik  und  Bhetorik  (Periode 
—  Eigene  Wendungen  und  Beinheit  der  Sprache  —  Tropen  und  Figuren). 
Versmaß. 

V.  Klasse:  LektQre  von  Werken  aus  der  Dichtung  und  Prosa.  Vor- 
schriften und  geeignete  Beispiele  fflr  die  verschiedenen  Produkte  aus 
Poesie  und  Prosa.  Lektflre  der  i,]^ome$8i  Sposi*  (erstes  Semester)  und 
der  ^OeruaäUmme  Liberata'^  (iweites  Semester). 

VI.  Klasse:  Literaturgeschichte  bis  tum  Zeitalter  der  Benaissance 
(inklusive)  Lektflre  und  Erklirung  ven  Dantes  „Divina  Commedia*, 
I.  L'Infemo,  Fortsetinng  der  Lektflre  aus  den  ^PrameBsi  Sposi*  und  der 
^QerusciUmme  Liberata'^, 

VII.  Klasse:  Das  XVI.,  XVU.  und  XVIII.  Jahrhundert,  ausschließ- 
lieh Parini,  Alfieri.  Lektflre  und  Erklirung  von  Dantes  Divina  Qmmedia, 
IL  Purgatario.  Lektflre  von  Ariostos  ^Orkmdo  Furioso'^  (erstes  Semester). 

VIII.  Klasse:  Parini,  Alfieri,  das  XIX.  Jahrhundert.  Lektflre  und 
Erklirung  von  auaerwihlten  Partien  aus  Dantes  Divina  Commediat 
Faradiio.  Wiederholung  der  Literaturgeschichte.  Mit  diesem  Lehrplane 
hOrt  die  Inversion  des  Studiums  der  Literaturgeschichte  auf,  das  erst 
in  der  VI.  Klasse  nach  eingehender  Vorbereitung  beginnt  Wenn  so 
in  der  V.  Klasse  das  Studium  des  XIX  Jahrhunderts  ein  schweres  ist, 
wird  das  Studium  der  iwei  ersten  Jahrhunderte  der  italienischen  Literatur- 
geschichte in  der  VI.  Klasse,  welche  gewiß  nicht  größere  Schwierigkeiten 


1142  H,  Weimer^  Der  Weg  mm  Herten  des  SehlUers,  ang.  y.  B.  OwhwML 

bieten  als  das  XIX.  Jahrhundert,  eine  wtrdige  Torbereitiing  nnd  fir- 
g&nsong  fttr  die  Lektflre  der  Divina  Cammedia  bilden. 

Femer:  Das  Stadium  der  Literaturgeschichte  wird,  sobald  es  in 
dieser  Beihenfelge  vor  sich  gehen  wird,  aaeh  vom  Unterrichte  in  der 
Geschichte  gefordert  werden. 

Dagegen  kann  kein  stichhaltiger  Qnrnd  angefllhrt  werden  daftr, 
daß  die  Antorea  der  ersten  Jahrhanderte  der  italienischen  Natiionidliteratar 
Ton  ans  in  wrtt  abstehen  nnd  infolgedessen  deren  Werke  den  Sehilem 
der  YI.  Klasse  weniger  rerständlich  seien.  Die  in  den  Schalen  geleeeaen 
Werke  Petrarcas  nnd  Boccaccios  bieten  keineswegs  grOftere  Schwierig- 
keiten als  viele  Erteagnisse  des  XVIII.  nnd  XIX.  Jahrbonderts.  Hingegen 
ist  es  weit  angemessener,  mit  der  dramatischen  Poesie  sieh  in  der 
Yin.  Klasse  eingehend  in  beschiftigen.  In  der  V.  Klasse  wird  die 
Lektttre  der  „GeruadUmme  Liberata**  nicht  nor  fttr  das  Epos  im  all- 
gemeinen  als  Vorbild  dienen,  sondern  auch  insofern  von  Kntien  sein,  als 
im  sweiten  Semester  In  der  V.  Klasse  mit  der  Homerlektfire  begonnoi 
wird,  welche  in  der  VI.  fortgesetst  wird,  wo  anßerdem  noch  Vergib 
Aeneis  daiokommt.  In  dieser  Weise  wOrde  die  Lektflre  der  ^OeruuUiwmM 
Liberata*^  aach  nicht  mehr  den  LehrstoflT  der  Vn.  Klasse  vermehren. 
Endlieh  wflrde  dieses  Programm  anch  dem  Lehrer  die  Arbelt  erieiehtera, 
der  mit  der  Kflrie  der  Zeit,  der  Ansdehnang  des  Stoffes  nnd  dem  Ver- 
ständnis der  Schfller  sa  rechnen  hat,  die  leider  nicht  alle  das  Stadiam 
mit  derselben  Leichtigkeit  betreiben. 

Wir  schließen  mit  dem  innigen  Wnnsche,  daß  in  einigen  Klassen 
die  dem  Unterrichte  der  Hntteisprache  lagewiesene  Standensabl  vermehrt 
werde,  and  das  auch  mit  Bilcksicht  auf  die  nenen  Verordnnngen,  welche 
die  MatoritAtsprflfongen  an  den  Österreichischen  Gymnasien  betreffen. 

Trient.  £.  Tonini. 


Dr.  HennaBQ  Weimer,  Der  Weg  zum  Herzen  des  Schillers. 
Manchen  1907,  Becksohe  Veriagsbnohhandlang.   162  Sa  kL-8*. 

Während  sieh  die  Pädagogik  bis  vor  knnem  mehr  mit  der  Frage 
nach  dem  Lehrstoff  and  nach  der  Methode  befaßte,  herrscht  gegenwirtig 
aif  diesem  Gebiete  ein  starker  Zog  nach  Verinoeriichnng,  nach  Betiti- 
gang  des  persönlichen  Lebens.  Wir  begreifm  daher,  daß  ein  erfahrener 
Jagendersieher  sich  die  Frage  Yorlegt,  welches  das  liefatigste  Vediiltnis 
des  Lehrers  so  seinen  Schfilem  sei. 

Von  den  in  der  forliegenden  Schrift  behandelten  Punkten  dflrfkea 
den  Schalmann  am  meisten  interessieren:  IL  Das  Wirken  der  Per- 
sönlichkeit (S.  IS— 82). --IV.  Gedald  and  Vertranen  (S.  49— 67). 
—  VI.  Die  Strafgewalt  (S.  77—107).  —  IX.  Schale  nnd  Hans 
(S.  185—152).  —  Nicht  von  laßeren  Binrichtangen  h&ngt  das  Heil  der 
Schale  ab,  sondern  ?or  allem  Ton  der  Persönlichkeit  des  Lehrers.  Sein 
Ton  Liebe  lam  Schiller  erf&lltes  Hers  maß  doreh  seine  Worte  and  Hand- 


H,  Weimer^  Der  Weg  snm  Henen  dee  SehfUen»  ang.  y.  E,  Oßchwind,  1143 

langen  hindueUdiDgen  (peraanare);  denn  Alles,  wm  wachaen  nnd  ge- 
deihen ioll,  bedarf  der  Wirme.  Die  Jugend  gibt  sieh  ja  im  allgemeinen 
mit  ihrer  ganten  EmpOngliehkeit,  mit  Widentandeloiigkeit,  dem  Ein- 
dneke  hin,  der  von  der  PereOnliehkeit  des  Lehren  aovgeht.  Daram  iit 
die  moderne  Pädagogik  anf  paychologieeher  Grandlage  aofgebaat»  sie  be- 
rflekaichtigt  die  Qesetie  der  Entwiddong  des  menschliehen  Geistes. 

Die  größte  Schwierigkeit  des  «niehenden  Unterrichts  lisgt  in  der 
Versehiedenheit  des  Schfllermateriala  in  Besag  aaf  geistige  Yeranlagong. 
Die  Methode  gibt  dem  Lehrer  bloß  die  Bichtang  an,  den  Weg  moA  er 
sich  selbst  bahnen.  Den  Weg  nm  Hersen  der  Jagend  wird  er,  allen 
Hindernissen  sun  Trots,  am  sichersten  finden,  wenn  er  sich  seiner  eigenen 
Jagend  —  mit  ihrer  ganxen  Schwachheit  and  Hilflosigkeit  -*  erinnert 
Es  gilt  also  aach  hier  der  Sprach:  «Erkenne  dich  selbst I**  Die  Selbst- 
erkenntnis and  das  daraas  entspringende  HitgefBhl  mit  dem  Schüler  wird 
den  Lehrer  vor  Ungedald  and  Leidenschaftlichkeit  bewahren. 

Hiemit  bahnt  sich  der  Verf.  den  Übergang  sa  dem  Thema:  Die 
Strafgewalt  in  der  Schale,  Die  Schale  soll  eine  StAtte  gemeinsamer 
Arbeit,  aber  nicht  der  Foreht  vor  Strafe  and  ZQchtigang  sein.  Mit  Beeht 
bem&ngelt  Weimer  an  dieser  Stelle  den  Artikel  »Gehorsam**  in  Schmids 
Ena.  d.  ges.  Brs.  n.  ünt  -*  Dis  Fnrcht  ?or  der  Strafe  —  nicht  Tor  dem 
Lehrer,  wie  man  nach  dem  Artikel  Haaberts  meinen  kftnnte  —  tritt  erst 
als  Eriiehangsmittel  ein,  wo  die  natftrlichen  Grandlagen  des  Gehorsams 
Tsrsagen;  die  Strafe  ist  and  bleibt  ein  Notbehelf.  Wer  eine  Ehre  darein 
setet,  mit  dem  Einflasse  seiner  Persönlichkeit  sa  eniehen,  wird  lich 
immer  der  hohen  Yerantwortnng  bewaßt  sein,  die  ihm  darch  Verleihang 
der  Strafgewalt  saerkannt  warde;  er  wird  sich  httten,  sar  Strafe  der 
ZiLchtigang  sa  greifen,  der  Strafe,  die  sich  am  allerwenigsten  wieder  gnt 
machen  lißt,  falls  sie  einmal  in  anrichtiger  Weise  in  Anwendang  ge- 
bracht warde.  Daram  befürwortet  der  neaeste  Oesetsentwarf  über  Jagend 
strafrecht  anbedingten  and  bedingten  Strafnachlaß.  (Sitsang  des  Henen- 
haases  d.  0.  B.  B.  t.  20.  Deiember  1907 1).  Die  positire  Ersiehangsatig- 
keit  bleibt  das  eigentliehe  Gebiet  des  Lehrers.  Mit  besonderem  Nach- 
drucke  wendet  sich  Weimer  in  diesem  Kapitel  an  die  jüngeren  Lehrer 
Aach  das  Streben  der  Unterrichts-  and  ScbnlbehOrden,  allgemeine  Gleich 
fOrmigkeit  herbeisnführen,  wird  vom  Verl  einer  herben  Kritik  nntenogen. 
Die  Nachteile  eines  Unterrichtes,  der  an  starre  Sebablonen  gebanden  ist, 
sind  hinreichend  bekannt  Mit  Genagtoong  können  wir  betonen,  daß 
darch  das  ünterrichtewesen  deneit  ein  frischer  Zag  geht,  welcher  dem 
ünterrichtsbetriebe  nnr  forderlich  sein  kann.  -*  In  einem  Pankte  kann 
der  Berichterstatter  dem  Yerf.  nicht  beistimmen;  dieser  befürwortet  nftm- 
lich  mit  Paolsen  in  Beriin  EinfQhrnng  ton  Yortrigen  über  allgemein 
interessierende  Fragen  der  politischen  and  Kanstgeschiehte,  über.  Philo- 
sophie, über  Erfindangen  .  • .    Die  taerst  genannten  Fftoher  gehen  weit 

')  Inswiscfaen  ist  das  Gesets  über  die  JagendgeriehtshOfe  erflossen 
sowie  anch  der  E.  d.  M.  f.  K.  a.  U.  Tom  15.  No?.  1908,  Z.  22.961:  Ober 
die  Mitwirkang  der  Schale  beim  Kampfe  gegen  die  Verwahrlosang  der 
Jagend. 


1 144  H.  Weimer,  Der  Weg  inm  Henen  dei  Sehfilen»  ang.  t.  E,  Qidwfind. 

dber  die  Hittelsehale  hinaus  nnd  können  getroet  der  Hochsehnle  Aber- 
lauen  werden.  Wohin  selbit  dort  noch  die  Betonung  politiieher  Fragen 
fahrt,  haben  wir  in  neneiter  Zeit  genngeam  erfahren.  Fflr  Philosophie 
bietet  die  philosophische  Propftdentik,  mit  deren  EinfBhriing  man  leider 
in  Dentsehland  noeh  immer  lOgert,  die  geeignetste  Vorsehnle,  die  den 
jungen  Mann  einerseits  snr  Beseheidenheit  mahnt,  anderseits  ihm  die 
großen  Fragen  bloßlegt,  deren  L5snng  die  bedentendsten  Geister  aller 
Zeiten  besehiftigte.  Fflr  die  Ästhetik  kann  in  der  Psychologie  bei  der 
Besprechong  der  ftsthetisehen  Gefühle  manches  erörtert  werden,  nnd  wich- 
tige Erfindungen  werden  in  der  Physik  und  Chemie  an  richtiger  Stelle 
besprochen.  Dagegen  stimmt  der  Bef.  dem,  was  ttber  Schflleransflfige, 
Bewegnngs-  and  Jogendspiele  gesagt  wird,  ans  foUem  Hersen  bei;  das 
Tarnen  wurde  wohl  nor  aus  dem  Grunde  nicht  angefahrt,  weil  es  als 
selbstTerstindlieh  Torausgesetst  wird.  —  Interessant  ist  auch  das  Kapitel 
aber  die  Wechselbesiehung  s wischen  Schule  und  Haus.  Sogenannte 
Elternabende  werden  an  fielen  Anstalten  abgehalten.  Eines  besonderen 
Bofes  erfreuten  sich  die  Elternabende  des  Mariahilfer  Gymnasiuns  in 
Wien.  Daß  die  häusliche  Fttrsorge  ungemein  leidet,  wenn  die  Frauen- 
emansipation  auch  die  Matter  der  Schaler  ergreift  und  dieselben  dem 
Sport-  und  Vereinsweeen  huldigen,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Es  tritt 
dann  Jener  traurige  Zustand  ein,  den  Ellen  Key  die  moderne  Hstmats- 
losigkeit  nannte. 

Troti  des  geringen  Umfanges  streift  das  Buch  eine  ganse  Beihe 
hochwichtiger  pädagogischer  Fragen;  es  kann  daher  nicht  nur  praktischen 
Lehrern,  sondern  auch  weiteren  Bereisen,  die  sich  hiefOr  interessieren, 
bestens  empfohlen  werden. 

Prag.  Emil  Gschwind. 


Vierte  Abteilung. 

Miszellen. 


Literarische  Miszellen. 

J.  Geffcken,  Sokrates  und  das  alte  Christentum.  Heidelberg, 
Winter  1908.  45  SS.  8o. 

Troti  des  kleinen  Umfanget  der  Schrift  ist  die  Frage,  wie  das 
Bild  des  Sokrates  der  Nachwelt  erschien,  wohl  noch  nirgends  so  erschöpfend 
behandelt  worden.  Nnr  kors  skissiert  der  Verf.  die  Urteile  des  heidnischen 
Altertums  Ober  den  wunderlichen  Weisen,  wobei  er  besonders  herrorhebt, 
was  Sokrates  fflr  Seneca  gewesen,  denn  es  kommt  ihm  Tor  allem  auf  die 
Stimmen  der  Christen  an.  Er  fflhrt  uns  die  anerkennenden  Urteile  des 
lustinus,  Clemens  von  Alexandria  nnd  Origines  Tor,  hierauf  die  auf  Vor- 
eingenommenheit und  auf  MiaTerstandniisen  beruhenden  abftlligen  Urteile 
des  TertuUianus  und  des  Lactantins;  die  Stimmen  eines  Hieronymus, 
eines  Johannes  Chrysostomus,  eines  Isidoms  Ton  Pelnsium,  der  troti 
seiner  Abneigung  gegen  das  Heidentum  dem  großen  Weisen  eine  fast 
begeisterte  Verehrung  entgegenbringt.  Den  Schluß  bildet  in  passender 
Wäse  das  gewichtigste  Urteil  des  Altertums  über  Sokrates,  die  warmen 
Worte,  die  Augustinus  dem  heidnischen  M&rtyrer  gewidmet  hat  Auch  hier 
seigt  sich  die  Genialitat  des  großen  Kirchenlehrers:  seine  Charakteristik  von 
Sokrates'  Wesen  ist  bei  aUer  Kflne  so  treffend,  daß  auch  wir  Modernen 
kaum  etwas  hinsnfQgen  kOnnen. 

Wien.  H.  St.  Sedlmayer. 


Max  Walter,  Der  französische  Elassenunterrieht  auf  der 
Unterstufe.  Zweite  Auflage.  Marburg  i.  H.  1906,  Elwertsche  Verlags- 
buchhandlung. 75  SS. 

Die  sweite  Auflage  dieser  bekannten  Beforroschrift  ist  leider  nur 
ein  unTer&nderter  Abdruck  der  ersten.  Da  diese  aber  schon  vor  18  Jahren 
erschienen  ist,  so  ist  das  meiste,  was  der  Verfasser  dber  das  Sprechen, 
Schreiben  und  die  Grammatik  im  franiOtischen  Anfangiunterriobte  sagt, 
natttriieh  nicht  mehr  neu,  sondern  mehr  oder  weniger  l&ngst  in  den 
aligemein  ttblichen  Unterricht  flbergegangen.  Dadurch  wird  dai  Verdienst 
des  Verf.  nicht  geschmälert,  es  w&re  aber  doch  wOnschentwert,  daß  der 
yersprochene  Anhang,  der  eine  Oberticht  dber  die  Fortschritte  der  Me- 
thodik im  Anschluß  an  die  Terschiedenen  Kapitel  der  vorliegenden  Schrift 
bringen  soll,  bald  erschiene. 

Wien.  Dr.  A.  Wflrsner. 


1146  Misiellen. 

Dr.  Julius  Lohmeyer  und  Georg  Wislicenus,  Auf  weiter 
Fahrt.  Selbiterlebniue  inr  See  udcI  m  Lande.  Deattehe  Marine- 
and  Kolonialbibliothek.  V.  Band.  Mit  28  Abbildungen  nnd  einer 
Karte.  Leipzig,  W.  Weicher  1907. 

Das  Torliegende  ÜBtemebmen  soll  für  deatMhe  KolonisatioB  in 
allen  Erdteilen,  fflr  dentsehe  üntemehmangsloBt  nnd  dentschee  Seewesen 
Stimmung  machen.  Aber  nicht  alle  BeiMffe  des  Y.  Bandee  passen  in 
diesen  Rahmen  hinein,  da  tayiel  Kriegerisones  nnd  Jagdabentenerliches 
mit  nnterlftaft.  Dr.  von  Nenmayer  schildert  im  ersten  Stocke  snaftchst 
in  wirklich  fesselnder  Weise  die  Erschheßiing  der  Goldfelder  Anstraliens. 
Fran  M.  von  Eckenbrecher  geleitet  nns  durch  die  Steppen  nnd  EinOden 
Stidwestafrikas,  Viseadmiral  Kflhne  erz&hlt  dann  seine  Erlebnisse  aof  der 
ersten  preußischen  Seenntemehmnng  nach  Ostasien  (1859—62).  Sehr  an- 
regend schildert  Menft  die  Errichtung  des  deutschen  Denkmals  auf  Tai- 
pinsau  (eine  der  japanischen  Liu-Kin-Inseln).  Leßners  Kameruner  Briefe 
bieten  recht  unterhaltende  Schilderungen  ans  dem  deutschen  Kamerun- 
gebiete,  Schlinger  führt  uns  dann  nach  China  und  wir  nehmen  an  den 
Eftmpfen  gegen  die  Boxer  teil,  Helene  von  Falkenhausen  in  ein  Südwest- 
afrikanisches  Farmerheim  im  Hererolande.  Die  Schilderung  «Vom  Pudget- 
sound  nach  Alaska**  Ton  Johannes  Wilda  ist  entschieden  der  wert?eUste 
Beitrag,  der  uns  mit  wenig  bekannten  Qegenden  rertraut  macht.  Was 
deutsche  Soldaten  in  Sfldwestafrika  beim  letiten  Hereroaufstande  tu 
leiden  hatten  und  leisten  mußten,  enihlt  Stuhlmann.  Sehr  fesselnd 
schildert  dann  Frager  den  Ausbruch  eines  unterseeischen  Vulkans  im 
graben  Osean  und  Se  Insel  Nin-afu.  Sehr  gern  machen  wir  dann  einige 
«Jagdstreifereien  am  eberen  Mississippi"  mit  Dr,  Gerhard  mit  und  freuen 
uns  dann  im  Aufsatte  »Nach  Amscha**  ? on  Lene  der  gro&en  Fortsehiittei 
die  die  Besiedlung  und  das  Wirtschaftsleben  Deutsch-Ostafrikas  in  den 
lotsten  swei  Jahnehnten  gemacht  haben.  Nach  dem  reichen  und  Tiel- 
seitigen  Inhalte  yerdient  also  dieser  Band  die  weiteste  Yerbreitang  und 
wird  fSr  unsere  Schulbflchereien  eine  sehr  wertroUe  Bereicherung  sein. 

Grat.  Juiiia  Miklan. 


Prof.  Gustav  Busch,  Lehrbuch  der  Geschichte  für  Osten. 
Mädchenlyzeen,  in.  Teil.  Für  die  IV.  Klasse.  Wien,  A.  HMder 
1907.   Preis  geb.  2  K  60  h. 

Von  allen  mir  bekannten  Geschichtsbflchem  fUr  Lyteen  scheint  mir 
das  Torliegende  seiner  Aufgabe  am  besten  gerecht  tu  werden.  Die  hanpt- 
sftchlichsten  Vorsflge  dieses  Buches  sind:  Eine  flbersiehtliche  und  einfaehe 
Gliederung,  eine  Sprache,  die  swisehen  alltu  großer  Kindlichkeit  und  alltu 
hochtrabender  Wisseoschaftlichkeit  die  richtige  Mitte  h&lt,  und  giofte 
sachliche  Veriftßlichkeit.  Angenehm  berührt  femer  die  WArme  der  Dar- 
stellung, die  dennoch  nirgend  ins  Oberschwengliohe  yerAUt  und  die  im 
ffanten  den  Zwecken  der  Schale  glücklich  angepaßte  Auswahl  des  Ge- 
botenen. In  lettterer  Hinsicht  kann  allerdings  unser  Lob  kein  unbedingtee 
sein,  denn  in  twei  kürten  Wochenstunden  kann,  lamal  bei  starken  Klassen, 
der  hier  Tereinigte  Lehrstoff  wohl  nicht  ?Ollig  bewiltigt  werden.  Aber 
dieser  leise  Vorwurf  trifft  eigentlich  nicht  den  Verf.,  sondern  mehr  die 
▼orgeschriebene  Verteilung  des  Lehrstoffes  in  der  IV.  und  V.  Klasse 
der  Lyzeen,  die  eine  so  ungieichmAßige  ist,  daß  erfahnngsgemftß  in  der 
ersteren  Klasse  das  Lehniel  niemals  gant  erreicht  wird,  w&hrend  in  den 
beiden  letzten  Klassen  oft  noch  mehr  Zeit  übriff  bleibt  als  eigentlich 
nötig  wAre.    Immerhin  wird  der  Lehrer  gut  tun,  beim  Gebrauche  dieses 


Mit  wellen« 


1147 


Bacbes  zwUcbes  eigeDtlicb«m  LerDstaff  nnd  jenen  Teileo,  die  mehr  um 
iler  Belebung  des  ünternchtes  dienen  nnd  etwa  äla  Leieftoff  eq  benutteti 
wiren,  la  Qnterecheiden«  Unter  dte^er  Voraasiet^ung  wird  sicharlicb  d&i 
Lebrbncii  tQu   Bascb  im   pmktischen   Scbulbetriabe  rorxQgHcbe  DieiiBte 


Wien. 


B«  imenddrffer» 


Synthetische  Geometrie  der  Kegelecbiiitte  fgr  die  Prima  bQherer 

Lfibranatalten    bearbeitet    fon    V%^\    Sehafbeitlin.     Leipiig^   Qcd 
Berliö  1907,  B,  G.  T«abc©r. 

Di«  DnTcbnabme  der  ajntbetiflclieii  Geometrie  der  Kegelaebiiitte  in 
den  OberklAiBeii  der  Mittelicbulen  errolgt  im  w«aentlicb«ti  auf  iwalerlei 
Alt.  Entweder  man  gebt  ?öd  den  Br^nnpunkteeigä  ei  Schäften  der  einieloeii 
Eegelscbnitte  aai,  leitet  für  Gllipae,  Hyperbel  und  P&r&bel  fteioiidert  eine 
ÄDEabU  ^OD  Kigenacbaften  ab,  die  alsdann  Kor  Eof^atraktiOD  verwandet 
werden  und  erst  am  Scbloeae  der  Lehre  wtrd  am  der  Betprechnng  der 
aUgemetneD  Gleicbong  zweiten  Gradea  twiecbeu  iwei  Veränd^rlicben  der 
weiena wichtige  ZuBamme^^ban^  kwbcben  den  TerächiedenaD  Kegelschnitts* 
kur?en  abgeleitet,  Oder  man  benatzt  die  ne^eu  Metboden  der  Geometrie 
der  Lage»  geht  toq  den  projektifen  Eigeoscbafien  der  KlemeotargebiLde 
atii,  um  bieranf  zur  allgemeinen  Bebandlnng  der  Linien  Eweitei  Ordnung 
öbeuQgeben.  Jede  dieter  beiden  Hauptmethoden  bat  ibre  Vor-  nnd  ^aeb- 
teile.  Der  Verf.  Btblägt  in  dem  for liegenden,  96  Seiten  umfaaftenden 
Bücbiein  einen  Mittelweg  ein;  Der  Eiofaehheit  und  EJubdtUcbkeit  wegen 
werden  die  Gr^ndsiktte  ron  Pascal  nnd  Briancbon  an  dh  ^^pitse  der 
Kegeiicbnitts lehre  gei teilt,  lu  deren  BegrfinduQg  dm  projektifen  Eigen' 
ecbftften  der  Pnnktreiben  und  StrablenbüBehel  anter  beBÜndiger  BeniitKang 
fon  Maßbeiiebnngeri  herangeiogen  werden.  Ancb  bei  den  »piter  behan- 
delten lofolatic^neti  und  dun  polaren  EigenBcbaften  werden  immerfort 
Molibeiiehungen  tnr  Erkllrcing  ¥erwendet  D&i  sehr  klar  geBChriebene 
nnd  mit  vortrefÜcben  Zeicbnangen  anageMtattete  Sehiiftcben  wird  jedem 
Lehrer  der  Geometrie  gnte  Dienite  leisten. 


Wien. 


Dr.  R  GrQnfeld. 


Dr.  F*  Knauer,  Zwiegestält  der  Geschlechter  in  der  Tier- 
welt (148.  Bändchen  der  Sammlang  ^Ana  Natur  nnd  GeiateBwelt**), 
Mit  37  Abbildungen  im  Texte.  Leipxig,  Drnck  and  Verlag  ?on  B.  G. 
Teuboer  1807. 

Dr.  Knaner  verfolgt  in  diesem  Bindeben  den  Zweck,  den  Lee  er 
Qher  die  Frage  Tom  seiuellon  Dtmorphi^mue  in  der  Tierwelt  anireicbend 
SU  unterriebtec.  Daß  nur  die  anffällij^ereu  Beispiele  des  UimorphiBmai, 
der  Yergcbiedeneo  Lebena  weite  der  Mtnnchen  und  der  W  ei  beben»  die 
Anteilnabme  beider  Geschlechter  an  der  Brutpflege  Erwähn ong  gefunden 
haben,  erklärt  iich  aus  der  Fülle  des  Stoßes.  Von  den  Urtieren  atiegebend, 
hei  denen  steh  schon  Zwiegeitait  der  Geschlechter  findet,  werden  die 
Geicblechtaterhiltuiiie  der  einEelnen  Tierstamme  eingebend  behandelt. 
Besondere  Berücksichtigung  finden  eelbstTerständlieb  die  Wirbeltiere^  bei 
denen  die  lerschiedene  Lebensauf j;abe  hln%  tu  gani  auff&lliger  körper- 
lichen VerBchiedenbeit  fehrt.  Das  BQcblejn  ist  ichan  iUuttriert  ond  recht 
aiiLregend  geschrieben. 


1148  Programmenichaii. 

Dr.  G.  Hennings,  Tierkunde  (142.  Bandchen  der  Sammlang  «Au 
Natnr  nnd  Geisteiwelt").  Mit  84  Abbildangen  im  Teite.  Leipiig, 
Druck  nnd  Verlag  Ton  B.  O.  Tenbner  1907. 

Der  Verf.  stellte  eich  die  Aufgabe,  die  £inheitliehkeit  des  gesamten 
Tierreiches  znm  Anidmcke  sa  bringen;  denn  Bewegung  nnd  Empfindons, 
Stoffwechsel  nnd  Fortpflansung  sind  die  charakteristischen  Merkmale 
aller  Tiere,  yon  den  Urtieren  hinauf  bis  in  den  S&ugem.  Auch  der  Mensch, 
den  Dr.  Hennings  nur  als  die  höchste  Stufe  in  der  Beihe  der  Tiere  an- 
sieht, wird  mit  in  Betracht  gesogen.  Die  Tätigkeit  des  Tierleibes  sucht 
der  Verf.  aus  seinem  Bau  lu  erklären,  daher  legt  er  ein  besonderes  Ge- 
wicht auf  die  Lebensweise  und  berflcksichtigt  anatomische  Verhältnisse 
nur  insoweit,  als  sie  fflr  die  Biologie  Bedeutung  haben.  In  erster  Linie 
wird  auf  die  Tiere  der  Heimat  Bedacht  genommen. 

Die  beiden  ersten  Kapitel  handeln  Ober  die  Bestandteile  des 
tierischen  Körpers  (Zelle,  Gewebe)  und  die  FormenTerhältnisse  der  Tier- 
Btämme.  In  Tier  weiteren  Abschnitten  wird  über  Bewegung,  Bewegnngs- 
organe,  Aufenthaltsort,  NerTensjrstem  und  Sinnesorgane,  Stoffwechsel, 
Fortpflansung  nnd  Entwicklung  gesprochen. 

Das  Büchlein  ist  gemeinTerständlich  und  enthält  fttr  den  Laien 
eine  Fülle  recht  interessanter  Details. 

Wien.  H.  Vieltorfl 


Programmen  schau. 

44.  Dr.  Richard  Strelli,  Quaestiones  Gatnllianae.  i.  De  prisca 
et  genuina  carminum  Catulli  editione.  II.  De  ordine  et  temporibus 
carminum  Catulli.  Progr.  des  k.  k.  Stifts-Gymnasiums  in  St.  Faal 
(Kärnten)  1906/07.   31  SS. 

Zur  Beantwortung  der  ersten  Frage  geht  der  Verf.  obiger  Schiifl 
?on  der  Betrachtung  aus,  daß  die  f,carminum  7t&ri*  der  Alten  seit  ihrer 
Einteilung  durch  die  Alexandriner  meist  nur  700—1000  Verse  umfassen, 
das  stattliche  Corpus  der  Catnllianischen  Gedichte  also  aus  mehreren 
Bestandteilen  bestehen  müsse.  Aus  des  Dichters  eigenen  Beseiehnnngen 
(„lepidus  libeUtu*^,  ^nugtie'^)  folgert  nun  Strelli  mit  Becht,  daß  die  Mf 
Lesbia  bezüglichen  ^carmina  amatoria'^  von  den  übrigen  Gedichten  der 
Sammlung  su  scheiden  sind,  geradeso  wie  die  ^artificlosa  cartni$ia*  (61 
—68)  und  die  ^epigrammata'^  (69—116)  für  sich  je  ein  Games  aosmaohen. 
So  ergeben  sieh  drei  verschiedene  Gruppen  von  Gedichten ;  I.  Carmimim 
liber  ad  Nepotem  (c.  1—60;  858  Verse);  IL  Poematum  nupHalmm  et 
epicorum  liber  (c.  61—64;  802  Verse);  III.  Carminum  elegiaeorum  et 
epigrammatim  liher  (c.  55—116;  685  Verse).  Die  Berechtigung  dieser 
Scheidung  erhellt  ans  der  Tatsache,  daß  schon  Forseher  vor  Strelli,  i.  B. 
Seits  (De  CatMi  carminibus  in  tres  partes  distribuendie),  aus  sprach- 
lichen Gründen  su  derselben  Annahme  gelangt  sind. 

Die  iweite  Frage  sucht  St.  auf  folgende  Weise  su  lösen.  Als 
sicheren  Terminus  betrachtet  er  das  Jahr  57,  in  dem  Catull  bekanntlich 
nach  Bithjnien  gereist  ist,  um  das  Grab  seines  dort  Ternnglückten  Bmders 
lu  besuchen,  sugleich  auch,  um  die  seiner  unwürdige  Geliebte  sn  Ter- 
gessen.  Vor  dieses  Jahr  fallen  mithin  die  an  Lesbia  und  seine  BiTalsn 
gerichteten  Gedichte.  Der  Wandel  des  LiebesTcrhältnisses  aber,  das  nach 
8t.  Ton  61—57  währte,  drängt  snr  Absonderung  folgender  Abschnitte: 
I.  Carmina  confecta  primo  Leehiae  amarie  tempore  (2,  8,  6,  7,  8,  18, 
48,  51,  86);  II.  c.  c.  tempore  diseidii  (88,  92,  104);  III.  e.  e.  reconei- 
liatione  restituta  (86,  Iw,  109);   IV.  e.  e.  foedere  atnoria  rupto  tf» 


ProgrammeiiBehaa.  1149 

Lesbiam  et  aemulo8  (87,  89,  40.  56,  58,  59.  70—74,  76--80,  85.  87—91, 
116).  In  den  Jahren  59—57  eind  ferner  abgefaßt:  85,  60,  64,  65,  66,  68,  69, 
98,  101  nnd  iwar  65,  69,  101  nach  dem  (59  erfolgten)  Tode  dee  Bmdert, 
wie  ans  Anepielnngen  geechloeeen  wird;  durch  die  bitbynijiehe  Beise  herror- 
ffernfen  ist  c.  68.  Von  den  Gedichten  jedoch,  die  weder  mit  Leebia  noch  mit 
dem  Broder  etwas  gemein  haben,  sind  nach  Str.  die  meisten  in  der  Zeit  von 
56—55  oder  55— &  entstanden.  Als  älteste  Gedichte  werden  schließlich 
49,  61,  62,  9  und  12  (ans  den  Jahren  62—59)  angesehen.  Diese  Grappiernng 
onterscheidet  sich  nicht  wesentlich  Ton  denen,  welehe  frOher  aufgestellt 
wnrden,  doch  gelang  es  Str.,  in  mehreren  F&llen  ans  logisch-psychologischen 
Gründen  eine  plausiblere  Einteilung  einielner  carmina  in  die  genannten 
Abschnitte  sa  treffen.  Freilich  läßt  sich  ans  den  bisweilen  nur  gans 
flüchtigen  Andeutungen  des  Dichters  nicht  immer  Sicheres  gewinnen, 
weshalb  ja  der  nämliche  Ausdruck  ? on  Terschiedenen  Gelehrten  yersehieden 
interpretiert  wird.  So  kommt  es.  wobl  auch,  daß  eine  siemlich  große  Zahl 
Ton  Gedichten  (6,  18,  19,  20,  25,  27,  82,  88,  84,  88,  41,  42,  44,  46,  50, 
52,  58,  55,  67,  75,  88,  95,  96,  97,  98,  99, 102, 108,  106,  108,  112)  in  der 
▼on  Stoelli  am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  entworfenen  chronologischen 
Tabelle  nicht  su  finden  ist. 

Wien.  Dr.  Josef  Fritsch. 


45.  L.  Gran  eil  0,  II  calto  di  Dioniso  nelle  Bacche  dl  Earipide. 
Progr.  des  Kommunal-Obergymn.  in  Triest^l907.   15  SS. 

Den  Zweck  und  tieferen  Sinn  des  ergreifenden  Dramas  sucht  der 
Autor  durch  eine  Darstellnng  des  Mythos  und  Kultes  des  Dionysos,  wie 
er  uns  Tom  Dichter  geschildert  wird,  su  ergrttnden  und  kommt  su  dem 
Schlüsse,  daß  Euripides  uns  ein  Abbild  des  Dionysoskultes  liefert,  wie  er 
KU  seiner  Zeit  üblich  war,  und  dieses  in  die  mythische  Zeit  surflck- 
▼ersetzt.  Wenn  man  dieser  Ansicht  auch  nur  mit  ElnschränkusgeD  bei- 
pflichten wird,  so  ist  die  Zusammenstellung  an  der  Hand  des  Textes 
nicht  ohne  Wert. 

Czernowitz.  Julius  Jütboer. 


46.  Dr.  M.  Ho  ff  er,  Die  Verteilung  des  bäuerlichen  Grund- 
besitzes in  der  Umgebung  von  Marburg  zu  Begina  dos 
19.  Jahrhunderts.  Progr.  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Murbari^ 
a.  D.  1001.  27  SS.  und  zwei  Karten. 

Nach  einer  recht  ansprechend  geschriebenen  Einleitung,  wekb«  die 
politische  Geschichte,  so  weit  sie  an  Mittelschulen  gelehrt  wird,  gegt^n 
yereinzelnte  Angriffe  solcher  Leute  in  Schutz  nimmt,  die  von  ibr  nt^Ut 
wenig,  von  der  sog.  Kulturgeschichte  alles  hüren  wellen  (als  ob  man 
Kulturgeschichte,  ohne  die  politische  Toraussusetzen ,  vortragen  köontej» 
geht  der  Verf.  daran,  su  zeigen,  „daß  es  möglich  ist,  auch  die  eebr  xor- 
sj^litterten  BesitzTerhältnisse,  wie  sie  in  den  Österreichischen  Alpeol  ändern 
bis  ins  XIX.  Jahrhundert  herauf  bestanden,  kartographisch  danQ^taLlen. 
Zunächst  erörtert  er  die  ZusUnde  der  bäuerlichen  Bevölkerung  im  atel^ 
riechen  ünterlande  zur  Zeit  der  Besiedlung  durch  die  Deutschen,  dann 
die  Kolonisierung  des  DraufelJes  von  Marburg  und  Pettau  ans,  die  Ent- 
wicklung des  Untertanenstandes  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zuid  Jahr« 
1848/49;  aUes  sachlich  und  flbersichtlich.  Nur  8.  6  wäre,  da  diee^jr  Tdi 
der  Arbeit  vornehmlich  dem  Schiller  dienen  soU,  der  Ausdruck  Ge  warnt « 
zu  erläutern  gewesen.    Der  zweite  Teil  der  Arbdt  fflhrt  in  dankeni- 


1150  Programmeiitohan. 

wertester  Weiie  in  die  in  der  jflngateii  Zeit  —  bei  Qoi  Tonehmlicli  dneh 
Ediuurd  Richter  —  in  Anwendang  gekommene  Methode  ein,  die  forttehrei- 
tende  Besiedlung  eines  bestimmten  Gebietes,  jodisi^le  and  admiBistim- 
tife  Einteilungen  ftlterer  nnd  neuerer  Zeit,  Ton  dieser  tt  jener  fort- 
sehreitend,  im  harten  bilde  festsnbalten.  Der  Yerf.  der  Torliegendon  Ter* 
dienstlichen  Arbeit  hat  an  swei  Gemeinden  der  Marborger  Umgobmg, 
Ton  denen  die  eine  in  der  Ebene,  die  andere  im  Gebirge  liegt,  einen 
gleichen  Yersach  gemacht,  der  nnserem  Ermessen  naoh  recht  woU  go- 
Inngen  ist.  Die  beiden  beigegebenen  Karton  gowAhrsn  Ton  der  Sache  ein 
gutes  Bild. 


47.  Dr.  Alfred  Loebl,  Dr.  Barthlmä  Pezzen,  ein  taterrei- 
chischer  StaatsmaDn  unter  Budolf  IL  Von  seinem  Leben 
und  Wirken.  Progr.  der  k.  k.  Staatnrealechale  im  XVI.  Boairke 
Wiens  1907.   11  SS. 

Verschiedenen  irrigen  Annahmen  gegenflber  ist  der  Vert  in  der 
Lage,  den  Nachweis  za  führen,  daß  die  Familie  des  genannten  Staats- 
mannes Ton  Lukas  Pesten  ans  Brixen  stammt,  der  wegen  Teilnahme  an 
▼enesianischen  Kriegsdiensten  daheim  mit  Güterkonfiskation  bestraft 
wurde  nnd  sich  sp&ter  im  Trientinischen  eine  nene  Heimat  gründete. 
Dessen  Enkel  war  Bartholomäus.  Die  Familie  war  eine  adeliehe.  Penen 
trat  1574  in  die  Dienste  des  Enheraogs  Ernst  nnd  widmete  sieh  dem 
diplomatischen  Berufe,  dessen  einielne  Stadien  der  Verf.  anf  Grund  arohiTa- 
liscber  und  sonstiffer  Nachrichten  schildert.  Ausführlich  wird  Pesiens 
Stellung  als  Gesandter  in  Konstantinopel  behandelt.  Beachtenswert  sind 
die  Ansführangen  über  den  Veifall  des  osmaniscben  Staatsweser a  seit  dem 
Ende  des  XVl.  Jahrhunderts  und  die  Motive  dasu,  denen  sich  die  Schil- 
derung der  Tätigkeit  Peziens  in  Fragen  der  orientalischen  Politik  des 
Kaisers  anschließt.  Den  Schluß  bilden  Angaben  über  die  Familienver- 
h&ltnisse  Possens.  Die  Arbeit  kann  als  ein  dankenswerter  Beitrag  sur 
Geschichte  der  Besiehungen  nr  Türkei  in  der  Zeit  Rudolfs  II.  angesehen 
werden. 

Grai.  J.  Loserth. 


48.  Friedr.  Thetter,  Die  Buhe  in  Natur  und  Kunet  Progr. 
des  n.-5.  Landes -Realgymnasiums  in  Waidhofen  a,  d.  Thaja  1905. 
14  SS. 

Der  Verf.  behandelt  in  einem  kurxen,  aber  inhaltreichen  Anfsats 
die  Gesetze  der  Statik,  Harmonie  und  Proportionalit&t  in  Natur  und 
Kunst  und  weist  in  Beispielen  nach,  wie  überall  gleiche  Regeln  nnd  die- 
selbe Gesetimftßigkeit  waltet  Er  geht  von  der  Form  des  Blattes  ans 
und  erörtert  den  Zusammenhang  mit  den  Zweigen,  den  Ast  und  den 
Stamm  in  Hinsieht  der  würkeaden  Kräfte  für  die  Gesamtform  des  Batunas. 
Nach  denselben  Gesetsen  entwickelt  sich  der  Bau  der  Pflanse  mit  der 
Blüte  und  Frucht,  der  Aufbau  der  menschlichen  Gestalt  u.  s.  f.  Zu  Ver- 
gleichen in  der  bildenden  Kunst  werden  Lionardos  »Abendmahl*,  die 
„Laokoongrappe'',  Raffaels  „Siztina"  und  vor  allem  der  grieehische  Tempel 
herangesogen.  Der  Verf.  sagt  besüglich  der  letaterea:  «Lastend,  im 
teUurisehe  Element  gleichsam  wiederholend,  ist  der  Unterbau,  die  Basis; 
tragend,  kräftig  stütiend,  die  Anschwellung  und  die  Kanellnron  in  dieser 
Wirkoag  sur  Anschauung  gebracht,  erheben  sich  die  ÖAulea,  auf  dioMU 
wieder  auflastend  das  Geb&lk.  Der  Konflikt  iwischen  dem  Tragen  der 
SAnlen  nnd  dem  Lasten  des  GebAlkes  —  der  Konflikt  also  innerhalb  des 


Entgegnimg«  1151 

Mittelgliedes  dietet  proportionierten  Systems  —  wird  in  genialster  Weise 
in  der  Bildong  des  KapitAls  ansebaolkh  gemaeht  und  ingleich  gelOst 
Das  bekrönende»  dnrob  seine  Stataengmppen  reiebste  Glied  des  Banes, 
die  Dominante,  ist  das  Giebelfeld.  Diese  Glieder,  jedes  in  seiner  Bestim- 
mnng  in  so  goistreicbor  Weise  ansgebildet,  in  dem  sie  so  fein  empfinden 
das  ansspreeben,  was  ibr  inneres  Wesen,  die  stmktife  Bedeutung  aus- 
macht, sind  in  dieser  Eigenschaft  selbst  wieder  proportional  gebildet  äie 
erscheinen  wie  die  Organe  eines  lebenden  Organismus,  die  sich  fegen- 
■eitig  in  ihrer  Wirkung  nntenttttsen  und  sich  gloiobi eitig  dem  einheit- 
lichen Grundgedanken  des  Gänsen  unterordnen^* 

49.  Wenzel  Starek,  Beifarag  zur  Beformbestrebung  im  Zeiehen- 
unterrichte.  Progr.  des  k.  k.  Karl  Ludwig-Gymnasiums  im  ZU.  Be- 
tirke  Wiens  1905.  26  SS. 

In  dem  Aufsatie  wird  in  kunen  Zfigen  mit  reichem  Illostrstions- 
material  (Cliohds  nach  Schülerseicbnungen>  der  Lehrgang  des  modernen 
Zeichenunterrichtos  dargestellt,  wie  derselbe  in  den  leäten  Jahren  aus 
den  Erfahruogen  in  unseren  Mittelschulen  berrorgegangen  ist,  als  einiig 
richtiger  Weg  in  der  gebotenen  Zeit  und  mit  der  durchschnittlichen 
Scbfllersabl  die  rationellsten  Erfolge  im  Naturseicbnen  lu  ersielen.  Der 
Verf.  weist  mit  Recht  die  in  neueeter  Zeit  aufgetauchten  methodischen 
Auswfichse  im  elementaren  Unterricht  surflck  und  faßt  das  Zeichnen  nicht 
als  mechanischen  Drill,  wie  ee  Tielleicht  gewisse  Gewerbe  Tcrlangen,  auf, 
sondern  als  Gegenstand  der  allgemeinen  Bildung.  Der  Schfller  soll  lum 
klaren  Denken  für  das  B&umliche  enogen  werden  und  tum  korrekten 
Danteilen  der  Wirkliebkeit  in  Liebt  und  Schatten  und  Farbe.  Mit  im- 
pressionistischen Farbenfleeken  lA&t  sich  nichts  erreichen,  und  den  Sehaiem 
dflrfen  nicht  Aufgaben  sogemntet  werden,  die  sie  auf  dieser  Stufe  nicht 
SU  lösen  imstande  sind.  Auf  solchen  Wegen  wird  dar  Gegonatand  sur 
Spielerei  degradiert 

Die  dem  Texte  beigegebenen  Illustrationen  und  Farbentafeln  gobon 
ein  anschauliches  Bild  Ton  dem  stnfenmftAigen  Vorgang  des  Unterrichte, 
Ton  den  ersten  linearen  Übungen  an  bis  tum  farbig  durchgeführten  Stil- 
leben und  den  pflanxlichen  und  tieriseheo  Naturobjekten  aller  Art  Der 
Anfsats  ist  mit  Sorgfalt  und  Liebe  gearbeitet  und  sei  in  erster  Linie 
den  Fachkollegen  snm  Studium  empfohlen. 

Wien.  J.  Langl. 


fintgegnang. 

Auf  S.  447  des  V.  Heftes  dieser  Zeitschrift  findet  sich  eine  BessMion 
meiner  Übersetiung  von  Sayders  «Weltbild  der  modernen  Maturwissen* 
scbaft^  der  der  Besenseat  —  Herr  Prof.  Dr.  Norbert  Hers  —  angeblich 
, aktuelle*  Bemerkungen  anhingen  n  mflssen  geglaubt  hat,  die  mit  der 
bache  so  gut  wie  nichls  sa  tun  haben  und  aiäerdem  sachlich  unrichtig 
sind.  Da  wird  unichat  an  Berthelot  die  Vielseitigkeit  gerflhmt  und 
„gewissen  Aposteln  der  Jetitxeit«  ein  Hieb  Tersetxt.  Wei6  der  Besensent, 
daft  SU  diesen  Aposteln  u.  a.  die  Herren  Paalsen,  £.  Meyer,  Bauer,  Caaer 
sAhlen?  Muß  es  nicht  geradexu  komisch  wirken,  wenn  von  Snyder  an- 
geftthrt  wird,  er  gebe  es  „auch''  so,  daß  Berthelot  au  den  bedeutendsten 
Chemikern  lihlt,  wo  doch  sein  allsa  begeistertes  Einsetsen  fflr  den  fran- 
zösischen Chemiker  Ton  fast  allen  chemisdien  Kritikern  ihm  Übel  eenommen 
wird?  An  einer  Stelle  setst  Snyder  die  Lehre  von  den  vier  Elementen 
auseinander  und  Temrteilt  sie  als  ^fuddle-duddU*.    Hers  findet  diese 


1152 


Erwldefcmg. 


BamerkuDg  nicht  «.^#1  et  reich"  geong.  J&  »  flollte  aie  «s  denn  tein?  Qlaalit 
Tielificbt  Herz,  d&t^  jeder  3&t2  aemer  Ecxeixiios  ^geitireieh*'  tat,  riciletebi 
ieine  BewitieloDg  Oatwaldsi  die  in  dleeem  Falle  nm  bo  niiADgebrAcktier 
wti,  ftU  es  lieb  biei  tmi  emeit  BnndeigenoBieQ  in  der  Beurtoilnng  'Snfden 
handelt?  Die  Eedtrei  len  dem  ^AufifaU  auf  die  Eenntniito  4c«  gne^hi- 
flcbeti  Äitertams"  Ist  «irklieb  k&sUicb!  Der  Berr  Beienaeni  giiabt  alio, 
die  Grieeben  h&lteD  oie  gefehlt  adtr  ei  aei  wenigitefia  Vemecbeo,  10 
«jnem  populären  Werke  derlei  ErwähnQQg  in  tun!  Allein  er  irrt  &ocb 
itärker!  Snjder  hat  überhaupt  gar  keine  ichlecbte  Mein  nag  ron  dtn 
LeJHluDgen  dee  Altertama,  er  hat  aogar  in  dieaem  BQchä  «itie  Lobesbjtntie 
auf  die  AlexaDdrinis<^he  Sebnle  geanngen  —  nur  iat  dieies  Eapit«!  Ob«i 
Wqnacb  dea  Verlegers  aca  der  dtnlachex)  Überfettung  weggebÜebsn* 
Offenbar  war  d«r  Eezeoaent  lo  toq  einer  flien  Idee  beberractit,  da5  er 
darob  an  dem  nichtigen  Gebräuche  ttmti  Veratandea  gehindert  wurde^ 
Völlig  unTeretindlich  aind  mir  die  ÄQarnftuigBxeicben  d^r  letite»  Zeil«; 
Ich  habe  m  meinen  eigenen  Arbeiten  einen  anderen  pbiloaophiieben 
Standpunkt  eingenommen  nnd  die»  dem  Leaer  sn  seiner  Onentiemiig 
mitgeteilt.  Was  gibt  es  da  s&n  wandern?  ^chHeQtJeh  bemerke  ieh«  4aS 
die  CbereetEtiDg  aaf  Veranlasaang  des  Verlagei  geicbab. 


Gmnnden. 


Dr.  Hana  Kleinpet^f, 


Erwiderung. 

Wie  der  Übersetzer  von  Sojdera  Werken  licfa  Ti  eil  eicht  Hbofieiift 
haben  wird,  oder  leicht  Öberzengeo  kann»  l&iae  ich  mieb  in  meioeii  An- 
sprich en  nicht  dorch  die  Namen  der  Antoritäten^  aondern  nnr  dirtll 
flacbliehe  Moli?«  bestimmen,  und  10  ist  anch  das,  waa  ich  von  d«ii^«- 
wiiaen  Apoatein  der  JetEtzeit"  geaprochen  habe  —  icb  möcbtt  dat  ^it 
«Hieb'^  für  eine  lachlicher  kritiicbe  Bemerknng  flbenaowenig  geetgael 
halten,  wie  etwa  die  Worte  „Qnark*  nnd  „Eederei*  in  einer  Debatt«  — 
sn  TerBtehen.  Damit  erledigt  «ich  auch  die  tw^ite  Bemerkung  Kleinpet^r») 
denn  in  seiner  deaticben  Übereetxnng  kommt  nicht  daa  Wort  ^fuddi^ 
duddlc**,  $ond€rn  das  Wort  „Quark*"  for.  Obrigena  freut  ea  miebt  dmi 
der  Obersetz^r  mit  mir  in  der  AuffaHanng  flbereinstimmt,  daß  diese 
merkung  injfders  nicht  tu  den  geistreichen  zu  zählen  ist» 

Weiter  iat  zu  bemerken,  daJj  ich  doch  nicht  ein  Kapitel  Snyd 
berOckaicbtigen  konnte«  daa  in  der  Übersetzung  gar  nieht  TOfkomiat; 
baebitens  müßte  ich  nach  Kennt nisnabme  dteaea  Umstände«  awiacbei 
den  Ansiebten  des  Verf.  nnd  des  Überaetzera  einen  Untefachied  mmcbws» 
Waa  iat  alio  in  meinem  Referate  f^aachlkh  nnricbtig*"? 

Waa  aber  meine  Ansicbten  ^ber  die  Griechei]  betrift,  ao  lind  ilie* 
aelben  in  Ge lehrt enkreieen  augreiebend  bekannt,  nnd  würde  ich  Herrfi 
Kleinster  empfehlen,  meine  „Oeacbkhte  der  BabnbestimmuDg  von  PUselea 
nnd  Kometen^  L  Teil:  Die  Theorien  des  Altertums"  lU  lesen.  Allerdlog« 
—  seine  Meinnng  ani  Beichten  popalfiren  Scbriften  zu  aammeln  let  etVBa 
leichter,  als  den  Almageat  zn  lafien  oder  gar,  wie  diea  in  meineaa  fti»» 
gef ehrten  Werke  der  Fall  ist,  zu  interpretieren.  Damit  erledigt  aicb  aneli 
der  Schlnü  der  ^Entgegnung\  in  welcher  ich  den  famoaen  Ibtati  «dm(& 
er  darob  an  dem  richtigen  Gebrauch  seines  Verstandea  gebiodirl  Wttfia* 
am  keinen  Preia  miaaen  m&cbte* 


Wien, 


H.  Etrt.