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ZEITSCHRIFT
fOr die
ÖSTERREICHISCHEN
GVMNASIEN
VERANTWORTLICHE REDAKTEURE
J. HUEMER, E. HAÜLER. H. v. ARNIM.
NEUNUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG.
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ERLAG VON KARL GEROLDS SOHN
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ZEITSCHRIFT
FÜR DIE
ÖSTERREICHISCHEN
GYMNASIEN
VERANTWORTLICHE REDAKTEURE
J. HUEMER, E. HAÜLER, H. v. ARNIM.
NEUNUNDFÖNFZIGSTER JAHRGANG.
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WIEN.
VERLAG VON KARL GEROLDS SOHN
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Inhalt des neunundfünfzigsten Jahrganges
der
JLeliBehxitl fCir die österr. Gymnasien^.
(1908.)
Ente Abteilmig.
Abhandlmigen,
WineUmanns KnnsUheorio in Ooetbea Fortbildang. Von £. G»8tU 1
HoMta pwra. Von M. Nistler 17
Wm ist NeoMit? Von 0. Janker 97
Zar Thaoiie der Flachen zweiter Ordnnng, welche dnrch ein Polar-
tetnfider nnd den MittelpnnVt gegeben sind.YonDr. Zahradnik 105
Kritiaehe Beitrage in den Anfingen Ferdinande I. Von Q. Tnrba 19^
B. H. Brodces' Bethlehemitiecher landermord. Ton a Battisti 289
Johann Gabriel Seidl. Von A. Gnbo 385
Die nenen Brndietücko der Korinna. Von H. Jnrenka 390
Die iogeiiannte relative Verecbränkang nnd Terwandte Satsfügongen
in ihrem Verh<niBee lum dentBchen Satiban, Von K. Kanet 397
Kene Wege des Sprachnnterrichta. Von L. Wyplel 481
Zorn antiken Bibbotheks- nnd Baohweeen« Von W« Wein borg er 577
Fhilolo|^8dies ans Aagnstinns und Ambrosins. Von A. Engelbrecht 580
Über die £ntwicklang des Utesten griechischen Alphabets. Von F«
Wiedemann 673
Zu Charakteristik Phokions. Von G. Büger 679
Studien snr christlich-lateinischen Inschriitenpoesle. Von ۥ Wey-
mann 699
Bin Sites Kollegienheft Von A. Hnemer 706
Zar Odyssee « 1—81. Von F. Stürmer 865
Über den Ursprang nnd das Wesen der lyrischen Dichtnng. (Ein
Vortrag.) Von B. Findeis 961
Zorn Versban Francesco d'Ambras. (Metrisches nnd Syntaktisches.)
Von A. GaDner 966
Nodi einmal sn der Verbindnog 'patria etptiirmte$\ Von A. Kor-
nitser 976
Zn Aristophanes. Von L. Siegel 1057
Zar Frage der Definition nnd Entstehung ton Kompositis. Von H.
W-Pollak 1059
An Fnns Joeef L Zum eojahrigen Begiemngsjabil&nm Sr. Msjestät
dss Kaisers am 2. Desember 1908. Gedicht ton K. Ludwig
in Wien 961
IV
Seite
Zweite Abteilnni^.
Literarische Ameigen.
Abbott F. F^ The Acceot in Valsar and Pormal Latin. Beprinted
from Classial Philology. Vol. II, Nr. 4. Oct 1907, angex. ton J.
Golling 98S
AbeHnrThw, Dm KiMangoolied und teine Litantar. BineBildiö»
^ai^ie und tief Abhandlangen. («Teatonia*. Arbeiten zur ger- '
manischen Philologie, heraosg. Ton W. ühl. 7. Heft.) Leipzig,
Avenarias 1907, angez. yon A. Bernt 917
Abicbt K;. Herodotoa fQr. den SehaLgebnooh erklifft. I>ntfcer Bands
Buch y ond TL 4.*Terb. ArmT Leipzig nnd Berlin, Teubner
1907, anffez. ton £. Kaiinka 322
Abrahams H. s. Schreber K.
Ammon G. s. Bichter F.
Annibaldi C^ L*Agricola e la Germania di Comelio Tacito nel
ms. Lat. n. 8 della biblioteca del conte G. Balleani in JesL
Con prefazione del N. Fest a. Citta di Castello 1907, angez.
Ton L. Pschor 418
Apelt O.y Der deatsche AYifsatz in der Prima des Gjmnasinms.
Ein historisch-kritischer Versoch. 2.« yerb. Anfl. Leipzig nnd
Berlin, Tenbner 1907, angez. yon A. Uansenblas 990
Arndt P.« Dentsohlauds Stellung in dor Weltgeschichte. Aus,»Natar'-
nnd Geistesleben". Leipzig, Tenbner 1908, angez. tob fi. Imen-
dörffer 1115
Bahlsen L. s. Bomeoqtue IL-MüfalmA«
— — s. Fignier L.
Baldensperger F., Btudes d'histoife littöraire. Paris, Haohette
«ftCie. 1907, angez. ron W. A. Hammer 605
Balleani G. s. Annibaldi C.
Bar dt C, Die Sermonen des Q. Horatins Flaocns, deutsch. 3.^ Ter-
mehrte Anfl. Berlin^ Weidmann 1907, angez. Ton F. Hanna 915
-^ «^^ Bömische Komödien. Deutsch. II. Band. Plautus: DieGefan»
getien. Der Bramarbaa. Der Schiffbruch^ Terentius: Der Selbst- .
•qnftler. Berlin, Weidmann 1907, angez. Ton B. Kauer 120
Barone M.) Suiruso dell' aoristo nel m^ vijg d9tU6c§mg di Iso-
'crate oon nna introdnzione intorno al significato fondamentale
'•>dell* aoristo greco. Roma, Tipografia della r. accademia dei
Limseil907, aiges. top £. Kaiinka 414
Bartels A., Handbuch zur Geschichte der deutschen Literatur.
Leipzig, £. ATenarius 1906, angez. tou F. Ingriseh 508
Baumgarten F.-Poland F.- Wagner R., Die hellenische Kultur
dargestellt 2., stark Termehrte Auflage. Mit 7 farbigen Tafeln,
'2 Karten und Aber 400 Abbildungen im Text und auf zwei
Döppeltafeln. Leipzig und Berlin, Teubner 1908, angea. Ton
K. Prinz 902
Batscb K. 8. Steinmetz K.
Bedk J. W., Horazstudien. Haag, M. Nijhoff 1907, angez. Ton J.
Endt e07
Berg £• ■. Cbwolson 0. D.
Bergmann K., Die sprachliche Anschauung und Ausdrueksweise -
der Franzosen. Freiburg (Baden), J. Bielefeld 1906, angez. tou
F. Wawra 994
Bertanz E. s» Wiehert E.
Biok 1, Wiener Palimpseste. I. Teil. (159. Band der Sitzungs-
berichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien). Mit
6 Tafeln. Wien, Hdlder 1908, angez. Ton Edm. Hauler 1078
.y
MI«
Bieber. M^ Das Dresdener ßchanspielerreliaf. Ein Beiteagsar Ge-
schichte des tra|g:!8chen Kostihns und der griechischim KiiDst,
Hit 1 Tafel und 19 Abbildangen im Texte. Bonn, F. Cohen I$07,
angei. von J. Oehler 119
blanchat A*, Jies enoeintes romaines delaOasle. £tade sar IVi-
gine d'on grand nombre de Tilles fran^aisee. Paris, Leronx 1907,
anges.. Ten J. Qebler 982
Blennerhasset Ob., Die Jnogfraa Ton Orleans. Hit fftnf Knnst-
dmcken. Bielefeld and Leipzig, Velbagen&Klasing 1906, anges.
J. Frank 6SS
Bloch L^ Bömische Altertumskunde. 3., Terb. Aufl. Hit 8 YoIUmK
dem. (Sammliin^QOechenNr.i^) Lttpiig, Göschen 1906» aOgfs,
Ton J. Oehler 758
BöckelO,, Psychologie der Volksdichtnag. Upiig, TenbMr 1906,
anges. Yon L. Langer 764
Boehme O., Thnkjdides. Fftr den Sehnl^ebtaneh erklirt) toH der
Tiertea Andige an bearh. von 8. W i d « ann. Sechstes Bäadehon :
BnchVL 6«, ginilich mngearb. Aai. Leipiig n« Berlin, . Tenbier
1906, angfs. Yon £. Kaiinka 822
Böttieher G. - Kinsel E., Denkmller der ftlterea deutschen Lii«-
xatur. III. 8. Hartia Luther. Eine Auswahl aus seinen SchriJlea
mit EinleitangeB und Erläuterungen, nebst einem giammatischett
Anhange Ton R. Neubauer. 2. Teil. 3. Aufl. Halle a. 8., Waisen-
haos 1907. IV. 1. Die lifterator des XYIL Jahrhundorfs. Aus-
gswfthlt und erlintert Ton G. Böttieher. &, Terb. Anlage.
Daselbst 1907, anges. Ton B. F. Arnold 612
Bois%eq EL, DictionnairetfUmologiquede U langne Gtecoue 4tndide
dana ses impports stco les auties langnes Indoeuropeennes !«•
liTraisoo. Heidelberg-Paris, G. Winter, Librairie C JOiackneek
1907,. angei. Ton F* Stolz, 416
Boock J., Anschauuntre* nnd Gedächtnishilfen zur Kfiegsgeschichte.
4 Hefte. Berlin, F. Stahn, anges. Ton Ch« Wurf 1 443
, Zeichenscbule fOr den Unterri<^t in der Erdkunde. Berlin,
F. Stahn, anges. Ton B. Imendörffer .629
Bornecqae H. * Htthlan A., Les ProTanees Fnuraaises: Moors,
fiabitudes, Yie (56. Bändchen der L AbteiL der »SehulbiblioUiek
ftaai. und engl Prosaachriftea*, herausgeg. tob L. Bahlsen
und J.Hengesbaeh). Berlin, Weidmann 1907, anges» tod F.
Wawra 185
Brandl A. -Keller W., Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Ge- ^
selMiaft im Auftrage des Vorstandes herausgegeben. 48. Jahr-
gang. Hit Y Bildern. Beriin*8ch6nberg, G. Langenscbeidt 1907,
; angex. Ton J. Ellinger ' 618
Brandscheid F., NoTum Testamentum Graece et Latine. Textum
Graecum reeensuit, Latinum ex Tulgata Tersione Glementina
adiunxit, brcTos capitulornm inscriptiones et locos parallelos
liberiores addidit. Tertia editio cridca recognita. Cum appro-
batione Bot. Archiep. Friburgensis. Pars prior: &TangeHa. Pars
altera? Apostolicum. Fribnrgi Br., Herder 1906, 1907, anges.
Ton F. Weihrich 979
Brandt P., Oridii Nasonis Fasti, Tristia, Epp. ex Pento. Fijr den
Sehulgebrauch auswählt und mit knappen Eriäuternngen Ver-
sehen. Leipsig, 1906, anges. tou H. Jurenka 757
Bseiter Tb. s. Hanilii H.
Brunner A. s. Zettel K.
VI
BamftllerJ^ Die Entwicklangstheorie und der Mensch. Mit 7 Ab-
bildungen* HeranBgegeben Ton der Gesellaehaft fftr Naturwissen-
Schäften and Psychologie. München, Verlag der Zeitschrift »Natnr
nnd Kultur* 1907, angei. Ton M.HoerneB 157
Busse L.» Die Weltanschauungen der großen Philosophen -der Keu-
seit. 2. Anflaga (56. Bindchen der Sammlung »Aus Natur und
• Geisteswelt*.) Läpiig, Teubnerl90ß, angei. Ton A.T.Leclair 162
Butlor A. J. P. s. Kllinger J.
Capelle W. s. Fuchs.
OharHty B. s. Ktthn K.
Cbwolson 0. D., Lehrbuch der Physik. III. Bands Die Lehre von
der Wftrme. Übersetst Ton E. Berg. Mit 2&9 eingedruckten Ab-
bildungen. Braunsehweigy Vieweg it Sohn 190&, angei. Yon I.
G. Wallentin 245
ClarH. A.«^ThiergensO., Across theChanneL A Guide to Eng-
land and the English Language, with Plans of London and its
EnTizons, a Map of England and a Table of the Coinage of
GreatBritain. Leipiig, E. Haberiand 1907» ang. v.J. Ellinger 926
Coleridgo & T., The Anoient Mariner und Christabeh Mit lite-
rarhistorischer Einleitung und Kommentar, herausgeg. von A.
Eich 1er. Wien und Leipsig, W. Braumüller 1907, anges. Ton
J. Ellinger 1112
lln. L., Montaigne (1588--1595); La vie de Montaigne. —
Essais* — Extraits. — Jugements* Bibliotheque l^urousse.
Paris, Bne Montpamssse 1908, angez. von J. Frank 770
Curti Bull Q., Historiaruro Alexandri Magni Maeedonis libri qui
supersnnt. Für den Schulgebrauch erkl&rt «ron Tb. Vogel. Zweites
Bändchen: Buch VI— X. 3. Aufl.» besorgt Ton A. Wein ho Id.
Mit einer Karte. Leipzig und Berlin, Teubnsr 1906, angez. von
B. Bitsohofskj 420
Goqueilr
Les E
Danen eil E., Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika
(Aus «Natur u. Geisteswelt*. Sammlung wissenschaftlich-gemein-
verständlicher Darstellungen. 147. B&ndchen). Leipzig, Teubner
1907, angei. von J. Loserth 508
Der römische limes in Osterreich. Heft VIIL Mit 3 Tafeln und
85 Figuren im Text Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.
Wien, A. Holder 1907, angez. von A. Gaheis 907
Deuticke P. s. Ladewig Th.
Deutsche Prosa. Velhagen und Klasings Sammlang deutscher
Schulausgaben, 9. Bändchen. Bielefeld und Leipzig, Verlag von
Velhagen ä Klasing 1906, angez. von F. Ingrisch 1105
Di offen bache r J., Deutsches l^ben im XII. und XIIL Jahr-
hundert. BealkommAntar zu den Volks- und Kunstepen und
zum Minnesang. L öffentliches Leben. IL Privatleben. 1907.
(Sammlung Göschen Nr. 93 und 328), angez. von H. Steinacker 987
Dissertationes philologae Vindobonenses, Volumen octavum»
Vindobonae et Lipsiae. Sumptus fecit F. Deuticke MCMV, angez.
von F. Weihrich 741
Dorsch J, s. Hauler Johann.
Draeger A., Die Annalen des Tacitus für den Schulgebrauch erklärt
Erster Band. Erstes Heft Buch I und II. Siebente verbesserte
Auflage von W. Heraeus. Leipzig und Berlin, Teubner 1907,
angez. von B. Bitschofsky 609
vn
Ebeling M., Lehrbncb der Chemie und Miiienlogie. Fflr hölfere
Lehianstalteii. Zweiter Teil: «Organische Chemie*. Mit 68 Ah«
Udimgeii und einer fiurbigtn TafeL Berlin» Weidmann 1906^,
angei. Ton J. A. Kail 810
^ — 9 Lehrbneh der Chemie nnd Mineralogie fOr höhere Lehr-
anatalten. Erster Teil: Unorganische Chemie. Mit 376 Abbil-
dnngen. Zweite Auflage. Berlin, Weidmann 1906, angei. ton
J. A. Kail 157
Eggert 0., Einffthmng in die Geodäsie. Mit 237 Figuren im Text
Leipng, Tenbner 1907, angei. Ton L 6. Wallentin 996
Eichendorff J. Freiherr ton s. Gerlachs Jaffendbücherd.
Ellinffer J^^Bütler A. J. B., Lehrbuch der englischen Sprache. Aus-
fiDe B. Für Midchenljieen und andere höhere Töcnterschulen.
Teil: Elementarbuch. Mit 10 Abbildunffen und einer Mfins-
tafeL Wien, Tempsky 1907« angei. Ton Th. Beitterer 441
Elsisser W., Leitfaden der Stereometrie. Ein Hilfsbuch tum Ge-
brauch bdm Unterricht an höheren Lehranstalten. Stuttgart
und Berlin, F. Grub 1906, anges. Ton J. Jacob 862
Elster E. s. Heinemann K.
Endars K., Zeitfolge der Gedichte und Briefe Johann Christian
Günthers. Dortmund, F. W. Kuhfuft 1905^ angex. ton £• y.
Komorsjnski 503
Englische Lehrbücher anges. Ton J. Ellinger 926
Englische Textausgaben Ton J. Ellinger 788
Englische und fransösische Obungsbibliothek, angei. Ton Job.
Ellinger 45
Erdmann H., Lehrbuch der anorganischen Chemie. 4. Auflage
^. bis 12. Tausend). Mit 303 Abbildungen, 95 Tabellen, einer
Rechentafel und 7 farbigen Tafeln. Braunschweig» F. Vieweg
ft Sohn 1906, angez. yon I. G. Wallentin 57
Et ers M.« Schillers Glocke. Die deutschen Klassiker, erläutert nnd
gewürdigt für höhere Lehranstalten, sowie zum Selbststudium.
8. verb. Aufl. Leipsig, H. Bredt 1906» angei. Yon F. Holiner 768
s. Gereke P.
Fe cht K. s. Gitlbauer M.
Festa N. s. Annibaldi C.
Fignier L., Yie et MoDors des Insectes (Hym^nopt^s). Ausgewählt
und für den Sehulgebrauch erklärt von F. Strohmeyer. Mit
6 Abbildungen (55. Bändchen der I. Abteilung der «Schul-
bibliothek frans, und engL Prosaschriften*, herausgegeben Ton
L. Bahlsen nnd J. Hengesbaoh). Berlin, Weidmann 1906,
angex. Ton F. Wawra 135
Fischer H.-Geistbeck A.-GeistbeckM., Erdkunde für höhere
Schulen« Bnchauseabe mit 280 schwarsen Abbildungen nnd
12 Farbentafeln. München und Berlin, B. Oldenbourg 1907»
anges. Ton J. Müllner 509
Fischer M. s. Pokornys Naturgeschichte.
Fleekeisen A. b. Richter F.
Franc4 B. H., Mikrokosmos. Zeitschrift sur Förderung Wissenschaft*
licfaer Bildung, herausgegeben von der deutschen mikrologischen
Gesellschaft unter Leitung Yon B. H. Francd. Heft 3/4 und 5/6.
Stuttgart, Fxanck 1907, anges. von H. Vieltorf 1006
Fransösisehe Lesestoffe, anges. Ton F. Wawra 135
Franngruber H. s. Gkrlachs Jugendbücherei.
Frick G. s. GeiTcken J.
Yja
FrisA B., DtvtsdM K«liacv»rUUtaiiM i» dir AwUm^ng W« M.
Tbadnnjt. WIm und Lei|«ig, W. BraanUiar 1906 {WwMt
BtiMg» iiir eaeU PUlologii^ heftvigtg. top J. Scbippar)»
angei. Ton J. Eliinff er 1113
Fritteh A.. Horodotos BiMb 1^17. Teston^gabo für doa ficlmU
9«braM£h. Mit Titelbild; Leipng und Berlin, Tetbner IBM,
angeak Ton B. Kaiinka 882
Vritech J, s. Hanler Johann.
Fncha K., Snbenoff Karl. lOt 15 JllnstrAtioneo (lUnatrierte Goi*
BchiehtsbibUQtbek ft? Jmg and Alt), Qra^ Styri» 1907, fuigfi«.
Ton K. Qaeiii m
Fnehs. Bitterborgen nad ritterlicbee lieben ii^ penteebUod. Hit
16ulastratione|i (Sammlong belehrender Uoterbftltaogwchriften
tut die deutfche Jagend, in Verbindang mit WTCapelle
heraasgegeben Ton H. Vollmer, Bd* 83). Beriin, E Taetel
1907, angei, yon K. Sehiffm»nQ 989
G»f f iot F., Bodo! faerit ef narticalao in interrogando Latine naoe.
Dispntayit G. Paris, C. KlinckBieck 1904, apg. yon J. GoUing 31
Gandig H* e. Geffcken J.-Schnltz J.
Geffeken Jt, Das griecbisohe Drama: Aisohylos, Sophokles, Eori«
pidte« Bearbeitet. Mit einem Plan des Theaters des DionTsos
so Athen (Aas dentsehen Lesebüchern. VI. Band, 1. Abt.)«
Leipsig nnd Berlin, Th. Hohnann 1904, angei. ^n 8. M ekler 78B
Geffcken J.-Sehnlts J., Sophokles' Antigone. Übersetit In:
Deatscfae Sehnlansgaben, henasgegeben Ton H. Gandig nnd
G. Fripk.. Leipsig nnd Berlin, Teabner 1907, angei. Ton
H. Siess ■ 599
Geiger L., Jean Jacqnes Bonssean, sein Leben and seine Werke
(Wissenschaft nnd Bildung 2U Leipsig, Quelle & Mejer 190T,
anges. Ton Ph« A. Becker 289
Geistbeek A. s. Fischer H.
Geistbeck M. s. Fischer H.
Gereke P,, Heinrich Ton Kleists HennannschliMht. Die dentsehen
Klassiker erUntert nnd gewürdigt für höhere Lehranstalten
sowie zum Selbststadiam Ton E. Knenen nnd M. Eyers,
Leipzig, H. Bredt 1905, angez. Ton F. Holzner 34
Gering H., Beownlf nebst dem Finnsbarg-Bmchstück, übetsettt
and erJlotert. Heidelberg, C. Winter 1906, angez, yon Griei)-
berger 428
Gerlachs Jagendhücherei. Gedichte Ton J. Freiherrn y. Bächendorfll
Bilder yen Horst-Scbulse, Texte gesichtet yon H. Fraan-
graber. Wien, ohne Jahreszahl (1902), ang. yon B. F. Arnold 613
Gey^er E., Lehrbuch der darstellenden Geometrie für den Gebrauch
an technischen Hochschulen, mittleren gewerblichen und tech-
nischen Lehranstalten, Kunstgewerbeschulen, Fortbildungs-
schalen nsw. und für das Selbststudium. L Teil: Affinit&t und
Perspektiyität ebener Pieren, inyolutorische und harmonische
Grundgebilde. Kegelschnitte als Kreisnrojektionen. Die ortho-
gonale azonometrische nnd schiefe Projektion. Zjlinder, Kegel,
Kugel: ebene und Etaumkuryen. Schnitte und Abwicklungen«
Dnrchdringunffen. Mit zahlreichen angewandten Beispielen und
290 Figuren. Leipzig, J. G. Göschen 1906, angez« yon B. Snp-
pantschitsch 530
Gitlbauer M., Gomelii Nepotis ritae. Für den Schulgebrauch ein-
gerichtet Mit einem wörterrsrzeiehnis, wesentlich erweitert
yon K. Focht. 5. Auflage. Freibmrg i. Br., Herder 1907, angei.
yon B. Bitschofsky 979
Gooli«r H«, a Iidii OMMrii oommentuü de beUo.OaUioo. Nim*
valto MitioB pobli^ d'apris Im oMilleiin tnraoz de Im critiqu
»TW des notes ezplieatiTee portant, aar U laagae, l'liiatoire el
la giogmphia . . . Paria, Qamier Mm« Ubrabea Miteara ISO?«
angas. TOB B-Bitsehofskj 742
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Mit 31 Abbiidongen. Laipiig« Quelle k Mejer 1907» aages. Toa
H. Yieltorf ^ -^ ^ • • ^^^
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Gftnther B., Dentache Kulturgeschichte. 2- umgearbeitete Auflage.
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Hanstein B. t., Bau und Leben des Menschen und der Wirbel-
tiere. Für höhere Lehranstalten und sum Selbstunterricht.'
SeUngen nnd MOacheo, J. F. Schreiber 1907, aages. tob
H. Vieltorf 449
^ ^, Lehrbuch der Tierkunde mit besonderer Berficksiohtignng
der Bioloffie. Mit 873 farbigen nnd 196 schwarzen, in den Text
eingadrnditan Abbildungen, nebst einer Brdkarte. Eftlingan und
Mtachea, J. F. Schreiber 1907, angea. tou H. Vieltorf 448
Hartlich O. s. Zettel K.
Haaler Johann, Lateinische Stilfibungen ftr die oberen Klassep dar
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(Mejera Klassiker -Ausgaben, herausgegeben Ton £. Elster),
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giapbiachea Institut» aogea. Ton S. M. rrero 138
Helfinghaua 0., Goethes Werke für Schule und Haus. Mit Lebens-
besdireibuBg, Einleitungen und Anmerkungen. Drei B&nde (Bib-
liothek deutscher Klassiker für Schule und Haus, 4.^. Band).
Freibarg i Br., Herder 1906, angez. Ton 8. M. Prem 388
Heiaae B., Virgils epische Technik. Zweite Auflage. Leipcig und
Berlin 1906, Tenbner. angea. Ton EL Bitsohofsky 1074
Heimelt H. F^ Weltgeachichte. Neunter Band. Nachtiiige. Quellen-
knade. Generalregister. Mit 2 Karten und 2 schwanen Betlagen.
Leipsig und Wien, Bibliographisches Institut, ange:^ Ton
J. Loserth 622
HellwigP.^HirtP.-ZernialU., Deutsches Leaebnch f&r höhere
Sdittlen. Herausgegeben, unter Mitwirkung tob H. Spiefi und
C. H. A. Huth. Sechster Teil: Prosalesebuch f&r Ober-Sekunda.
Hsrauageg. Ton H. SpieD. 2. umgearbeitete Auflage. Leipaigt
Sttt«
Dresden-Berlin, L. Ehlennuin 1907. Siebenter Teil: Proealete-
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anges. von F. No0 812
Hengesbach J. s. Bomeoqne H.-Mfililan A.
— — » s. Fignier L.
Henk 1er P.. Der Lebrplan für den Unterrieht in Katnrknnde,
historisch nnd kritisch betrachtet Sammlung natnrwissenschaft-
lich^j^dagogiseher Abhandlungen, heransg[eg. von 0. Sc hm eil
nnd W. B. Schmidt Leipzig nnd Berlin, l^nbner 1907, angei.
von T. F. Hanausek 983
Henniger K. A., Vorbereitender Lehrgang der Chemie nnd Mine-
ralogie. Nach methodischen Gmndsitien fQr den Unterricht an
höheren Lehranstalten bearbeitet Mit 112 in den Text ge-
druckten' Fiffuren. Stuttgart und Berlin, Fr. Grub 1906, aogea,
von J. A. Kail 1003
Hensel P«, Bousseau (aus „Natur und Geistes weit* 180). Leiptig,
Teubner 1907, anges. von Ph. A. Becker 239
Heraeus W. s. Draeger A.
Hermann E. s. Niedermaun M.
Herre P. s. Machaöek F.
8. Pohlig H.
Heyck £., Maria Stuart, Königin von Schottland. Mit fftnf Kunst-
drucken. Bielefeld nnd Ceipsig, Velhagen ä Klasing 1905,
anges» von J. Frank 144
äeyek B.» Wilhelm von Oranien und die Entstehung der freien
Niederlande. Mit einem Faksimile und 106 Abbildungen (Band
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Leipzig, Velhagen ft klasing 1908, anges. von J. Frank 786
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von Ph. Hangen. Dresden, L« Ehlermann 1906, anges. von
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Hirt P. s. Hellwig P.
Hödl B. 8. Seibert A. E.
Höfler A.-Maift £.-Schillinff G., Naturlehre für die unteren
Klassen der Mittelschulen. Mit 290 Holzschnitten, 3 farbigen
Figuren, einer lithographierten Sterntafel nnd einem Anhanse
von 140 Denkaufgaben. 4. verbesserte Auflage. Wien, K. Gerolds
Sohn 1906, angez. von A. Lech thaler 999
E. T. A. Hoffmanns sämtliche Werke. Historisch-kritische Aus-
ffabe mit Einleitung, Anmerkungen und Lesearten von Karl
Georg von Maassen. I. Bd. München und Leipzig, G* Mtliler
1908, anges. von J. Cerny 1102
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Horst s. Gerlachs JugendbüchereL
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XI
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ftogei. Ton H« Pirchegger 244
Ite A«, Canti popolari Telletrani. Con illastraxioni e note mnsi-
cali» Publicazioiie iiieoraggiata dall* I. B. Ministero del Calto
e dell* Isinnone. Borna, Loescber ä Co. 1907, anges. yon
C. Battisti 1107
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Wien, F. Deaticke 1907, angez. von J. Arbes 801
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Wien. Band X, 2. Heft Wien» A. Holder 1907, angez. Ton
J. Jüthner 1065
Jan eil W., Ausgewählte Inschriften, griechisch und deutsch heraus-
gegeben. Mit einer TiteWignette und drei Abbildungen. Berlin,
Weidmann 1906, angei. Ton E. Kaiinka 977
Kaiinka E. s. Prammer L
Kappelmacher A. s. Prammer I.
Kanffmann F., Deutsche Grammatik. KursgefsBte Satz- und
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4. Auflage. Marburg, Elwert 1906, angez. von A. Hausenblas 238
Kajser H., Lehrbuch der Phjsik f&r Studierende. 4. Terb. Aufl.
Mit 344 in den Text gedruckten Abbildungen. Stuttgart, F. Enke
1908, angez. Ton L G. Wallentin 1117
Keller W. s. Brandl A.
Kiasel K. s. Bötticher G.
Klapperich J., Cbambers*s History of England 55 B. C. to the
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Mit 14 Abbildungen, 5 Nebenkarten und 1 Hauptkarte (Eng-
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Stjria 1908, angez. tou K. Fuchs 791
*- »• Geschichten, charakteristische Zöge und Sagen der deutschen
yolkastfmme. Nach den Quellen erzählt Nach dem Tode des
XU
Seite
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einer Karte der Umgebung von Paris und einer Karte von
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Kuenen £. a. Gereke P. «
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bildungen (Aus der Sammlung ^Aus Natur und GelBteswelt*^,..
112. Bändchen). Leipzig, Teubner 1906, angez. von T* F-
Hanausek .161
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291 in den Text gedruckten Abbildungen* Stuttgart;, F, Enke
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«
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Ladewig Th.-SchaperCtVergilB Gedichte. Erklärt. 1. Bändohen.
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Berlin, Weidmann 1907, angei. von J. Golling 498
Lag&rd» L. s. lA Tournttd M.
im
Stit«
LamVtrt&lL, Dm giieehiaeheB SklAYesDunen. SefMmtftbdrodk iul
dem LVn. md LTUI jabreibeneht dM k. k. Sti&tsgymBMiiim»
Ik Vin. Basirka Wient. Wien, im SelbsUarlag des Yerfossert
1W7, mmgn. von F. Stoli 1072
Lamyert S^ Qrofterhaietterliiige «ad Baapeo Mitteleuropas mit
bcnodortr Berflcküehügmip der bioloffiedien Verhältniete.
Liifeniiigai 7, 8» 9L Haaugegeheo. EOiingeii and Mttneheoi,
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Larfeld W^ flandbicb der ^riechisdifn Epigraphlk. Erster Band.
Einleitongs- and HilÜBdisziplinen. Die nichtattischen Inschriften.
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Berücksichtigung der Etymologie. Berlin, G. Langenscheidt 1907,
anges. von R. Bitschofsky 129
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dert Mit 86 Abbildungen, 2 Tafeln und 1 Karte. Zweite, nm-
rrbeitete Auflage. Gymnasialbibliothek, herausgegeben von
Hoff mann. Erstes Heft G&tersloh, C. Bertelsmann 1906,
anges. von E. Kaiinka 1067
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J. Pawel 1128
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Himmelskunde im elementaren Unterrichte an aer Yolks- und
an der Mittelschule. Ein Beitrag zur Methodik des Gegenstandes.
Mit einem Begleitworte von 0. Willmann. Wien nnd Leipzig,
F. Denticke 1907, anges. von B. Imendörffer KS
Mi ehe H., Die Erscheinungen des Lebens, Grundprobleme der
modernen Biologie (»Aus Natur und Geisteswelt*, 130. Bdch.).
Leipsig, Teubner 1907, anges. von T. F. Hanausek 59
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anges. von S. M. Prem 32
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IMcits*. Für das ganze deutsche Schulgebiet allein berechtigte
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Anmerkungen. II. Teil: Wörterbach« Nebst Bildnis des Dichters
mit seiner eigenhändigen Unterschrift und einem Kärtchen der
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— — , Souvenirs de Jennesse. Extraita de ses «Mteoires et Bddts*.
Fttr das ganse deutsche Sprachjrebiet allein berechtigte Schul-
ausgabe von A. Müh lau« I. Teil: Einleitung, Text und An-
merkungen. IL Teil: Wörterbuch. Nebst Bildnis des Dichters
mit seiner eigenhändigen Unterschrift und einem Kärtchen aus
Provence. Leipsig, Gernard (Französische Schulausgaben Nr. 22)
1907, anges. von J. Kall 136
XY
8«ii«
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MSller IL, Dia »bgekfinte Denmftlbraehrecbnang. Ein Beitrag.
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Nebet einem ScblüsaeL Wien, F. Denticke 1907, angea- Ton
J. Ellinger 992
Morabacb L^-Holtbansen F., Alt- and mittelenglische Texte
beransgegeben. Bd. 8 II: Beownlf nebet dem Finnsburg-Bnich-
atflck... herausgegeben Ton F. Holt hausen. II. Teil: Ein-
leitung, Gloasar und Anmerkungen* Heidelberg, C. Winter; New
York, G. £. Stechert 1906» angez. ron t» Grienberger 383
Mtblan A. s. Bomecqae H.
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MHUner J. s. Bichters Lehrbuch der Geographie.
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born, F. Schöningh 1907, angez. tou A. Bernt 917
Nagl J. W. i. Muth B. ▼•
Nanek A* s» Schneidewin F. W.
Nauaeater W., Denken, Sprechen und Lehren. I. Die Grammatik.
II. Das Kind und das SprachideaL Berlin, Weidmann 1901,
bezw. 1906, angez. ron B. Latake 60
HiedermannM.-fiermann E., Historische Lautlehre des Latei»
nlschett. Indogermanische Bibliothek. Zweite Abteilung. Sprach-
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Niedermann. L äand. Heidelberg 1907, angez. ron F. Stolz 417
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Kall 632
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Pahl F. B. Schulze E.
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Poland ¥. 8. Baumgarten F.
171
Pokornjs Natoreeachichte des Tierreicheat Für hdbef« Lebnn-
stalten bearbeitel ?on M. Flacher* Hit sahlreichea, sninTeil
. farbigen Abbildungen and 29 farbigen Tafeln. 27.Aafl. Leipaif ,
a Frejrtag 1907, aagei. von H. Vieltorf €34
Po r gar Q, a. Yalbagan.
P ramm er I.. C. lolii Caeearia eommentarii de bello Galfico, fUr
den Sehnlgebranch heranegegeben. 10., neu bearb. Auflage, ron
A. Kappelmacber. Mit einem Anhang: Dae rftmiaeha Kriege»
wesen in Cäsara gaUischen Kämpfen Ton E. Kaiinka. Mit 47 •
Textebbildanffen nnd 18 farbigen Karten und Tafeln. Leipatg,
G. Freytag; Wien, F. Tempsky 1908, ang. ton R. Bitschof tky 232
Prinz Ks, Aaawahl ans Xenophon, enthaltend Abschnitte ans der
Anabasisy den Hellenika, der Kjmpftdie und den Memorabilien.
Zwei Teile. L Teils Einleitung nnd Text mit 2 Karten nnd
1 Tafel in Farbendmck sowie 7 Abbildungen ; II. Teil: Erkl&rende
Anmerkungen und Wörterbuch mit 27 Abbildungen. Wien, F. *
Tempsky und G. Freytag 1908, anges. Ton B. Weishftnpl 729
Quiehl K.,Franz6ei8ohe Aussprache und Sprachfertigkeit. EinHilfs«
buch zur Einfahrunf in die Phonetik und Methodik des FranzÖ«
sischen. 4., umgearo. Aufl. Marburg, Elwert 1906, angez. Ton
F. Wawra 41
Badeawill M. s. Schmidt F. A.
BademannA., Vorlagen sn lateiaiichen Stilübnngen im Anschlnsse
an Ciceros Tusculanen Buch I, II und V. Berlin, Weidmann 1907,
angea. Ton J. Dorsch 381
Bader mach er L. s. Schneidewin F. W.
Bavdt H. a. Schenckendorff £. t.
Beik K., Der Optatir bei Polybina nnd Philo Ton Alezandria.
I^psigy G.Fock 1907, angea. von F. Stolz 23
Beye Th., Die Geometrie der Lage. Vortr&ge. Zweite Abteilung.
4., nmeearb. und renn. Aufl. Mit 58 Figuren im Text Stutt-
gart, A. Kröner 1907, angez. von A. Suppantschitsch 54
Bicharde H., Notes on Xenophon and othera. London, £. Grant
Bichards 1907, angez. von E. Kaiinka 728
Bichter F. -Fleckefsen A., Oiceroa Bede fftr Sex. Boecius. Fllr
den Schulgebrauch herausgegeben. 4. Aufl., bearbeitet Ton G.
Ammon. Leipzig nnd Berlin, Teubner 1907, angez. von A.
Kornitzer 909
Bichter B., Einfflhrung in die Philosophie. Sechs Vorträge. (155.
Bändchen der Sammlung „Aus Natur und Geisteswelt*'). Leipzig,
Teubner 1907, angez. von E. Gschwind 985
Bichters Lehrbuch der Geographie fbr diel., II. und III. Klasse
der Mittelschulen. Neu bearb. von J. Mftllner. Der Gesamt»
ausgäbe 8. Auflage. Zwei Bande. Wien, F. Tempsky 1907, beiw.
1908, aogez. von B. Imendörfer 794
Bogel F., Das Bechnen mit Vorteil. Eine gemeinfaßliche, durch
zahlreiche Beispiele erläuterte Darstellung empfehlenswerter Vor-
teile und abkürzender Verfahren. Leipzig, Teubner 1907, angez.
von J. Jacob 245
Bohrbach C, Vierstellige Logarithmisch-trigonometrische Tafeln.
4. Aufl. Gotha, £. F. Thieneman 1904, angez. von J. Ar b es 610
Bothang J. G«, Die Grundprinzipien der Wiener Schule in der
neueren Schnlkartographie. Wien» G. Freytag k Bemdt 1908»
angez. von J. Mflllner 688
rtt
xvu
Seit«
Buska J^ Geologische Streifzüge in Heidelbergs Umgebung, Leipzig,
£.Nagele 1^, angez. von H. Gommenda 813
Katherford £., Radioaktive Umwandlungen, übersetzt von M.
Levin. „Die Wissenschaft^'. Heft 21, angez. von N.Herz 807
Sahr J., Dentsche Literaturdenkmäler des XYL Jahrhunderts. IIL
Von Brant bis Rollenhagen. Ausgewählt und erläutert. Leipzig,
6. J. Göschen 1905, angez. von R. F. Arnold 612
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Sander J., Schülerkommentar zu Yergils Aneis in Auswahl. Für
den Schulgebrancb herausgegeben. 1. Aufl. (Zweiter Abdruck).
Leipzig, G. Frejtag; Wien, F. Tempsky 1906, angez. von J.
Gollinff 498
Sauer A.. Mineralkunde Yerlag: Kosmos, Gesellschaft der Natur-
fiennae (Geschäftsstelle: FrankscheYerlagsbuchhandlung, Stutt-
gart), angez. von F. No6 248
Scarron, Po^ies diverses. — La Mazarinade. — Yirgile Travesti.
Roman Comique. Choise, Notice biographique et biblio*
phique par A. S^che. Paris, L. Michand 1908, angez. von
«^rank 923
Sehaper C. s. Ladewig Th.
Sehariser R., Lehrbuch der Mineralogie und Geologie für die
oberen Klassen der Gymnasien. 6., durchgesehene Aufl« Wien,
P. Tempsky 1907, angez. von F. Noö 515
Scheid em an tel £. s. Woltze P.
Seh ein d 1er A., Des G. Sallustius Crispus bellum Catilinae, bellum
Insurthinum und Reden und Briefe aus den Historien. Zum
Scflulgebrauche herausgegeben. 3. Aufl. Wien, F. Tempsky 1907,
iDgez. von F. Perschinka 418
Sekenckendorff E. v.- Schmidt F. A., Jahrbuch für Yolks-
ond Jagendspiele. In Gemeinschaft mit den Yorsitzenden des
Zentralausschusses zur Förderung der Yolks- und Jueendspiele
in Deutschland. Herausgegeben von H. Ray dt. 16. Jahrgang.
Leipzig, Teubner 1907, ansez. von J. Pawel 163
Schiebe Th., M. TuUi Ciceronis Tusculanarum disputationum libri
qoinque. Für den Schnlgebranch herausgegeben. 2., verb. Aufl.
Leipzig, G. Freytag; Wien, F. Tempsky 1907, angez. von £.
Gschwind 330
Sehiffner F., Planimetrie. L Teil: Leitfaden für den Unterricht
in der Geometrie und dem geometrischen Zeichnen in der IL
Klasse an den österreichischen Realschulen und verwandten Lehr*
anstalten. Wien, F. Deuticke 1907, angez. von H. Wehr 930
s. Jacob J.
Schilling G. s. Höfler A.
:>chimmack R. s. Klein F.
ächissel v. Fieschenberg 0., Das Adjektiv als Epitheton im
Liebesliede des XIL Jahrhunderts (in: Teutonia. Arbeiten zur
gennaniaehen Philologie, heransgegeoen von W. ühl zu Königs-
berg inPreulSen, 11. Heft). Leipzig, £. Avenarius 1908» angez.
von S. M. Prem 761
Schlemmer K., Lehrbuch der Erdkunde für höhere Lehranstalten.
3., verb. Aufl. L Teil: Lehrstoff für Sexta und Quinta. II. Teil:
Lehrstoff für die mittleren Klassen. Berlin, Weidmann 1906,
angez. von Müllner 52
Seh m eil 0. a. Heokler F.
8. Landabeig B,
äehmid B. s. Landsberg 6.
XVIII
Seit«
Sch mid t F. A. -..Möller K.-Radcz will M., Schönheit und Gym-
nastik. Zur Ästhetik der Leibesübong. I^ipzig Teubner 1907,
angex. von J. Pawel 821
*- — 8. Schenckendorff £. Tx
Schmidt W. B. s. Henkler P.
Schmitz Mancj s. Schulz B.
Schneider F. J.» Jean Pauls Jugend und erstes Auftreten in der
Literatur. Ein Blatt aus der Bildungsgeschichte des deutschen
üeistes im XYIIL Jahrhundert. Berlin, Behr ISOS, angez. Ton
J. Cerny 234
Schneider B., Geschütze auf bandschriftlichen Bildern. Heraus*
gegeben und erläutert (Ergänzungsheft zum Jahrbuch der Ge-
sellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde. II).
Metz, Scriba 1907, angez. von J. Dehler 759
Schneidewin F. W.-Nauck A>, Sophokles erklärt Siebentes
Bändchen: Philoktetes. 10. Auflage besorgt von L. Bader-
macher. Berlin, Weidmann 1907, angez. Ton S. Mekler 732
Schneidewin M., Eine antike Instruktion an einen Verwaltungs-
chef. Mit einer Einleitung über römische Provinzialyerwaltung.
Berlin, K. Curtius 1907, angez. von £. Gschwind 606
Schöne H., Bepertorium griechischer Wörterverzeichnisse und
Speziallexika. Leipzig, Teubner 1907, angez. von F. Stolz 227
Schreber E.-Springmann P., Experimentierende Physik. Zugleich
vollständig umgearbeitete deutsche Ausgabe von H. Abrahams.
Becueil d*expänences ölämentaires de Physiqne. 11. Band. Mit
4Ö0 Abbildungen und einer Spektraltafel. Leipzig, J. A. Barth
1906, angez. von L G. Wallentin 55
Schröder J., Darstellende Geometrie. L Teil: Elemente der dar-
stellenden Geometrie. Mit 326 Figuren (Sammlung Schubert XII)*
Leipzig, G. J. Göschen 1901, angez. von B. Suppantschitsch 150
Schroeder 0., Sophoclis caatica digessit. Leipzig, Bibl. Teubner
1907, angez. von H. Jurenka 324
, Vorarbeiten zur griechischen Yersffeschichte. Leipzig und
Berlin, Teubner 1908, angez. von U. Jurenka 1068
Schubert F., Sophokles' Oidipus Tyrannos. Dritte, gänzlich um-
Esarbeitete Auflage von L. Hüter. Mit 11 Abbildungen.
eipzig-Wien, G. Freytag -F. Temptky 1907, angez. von
S. Melier 732
Schulz B., Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten. Nach
Maßgabe der Lehrpläne für die preußischen höheren Schulen
vom Jahre 1901, neu herausgegeben von Schmitz-Mancy,
Kost er und Wevel. Zweiter Band. Für die Mittelklassen.
12. umgearb. Auflage. Paderborn, F. Schöningh 1906, angez.
von A. Hausenblas 617
Schulze £.-Pahl F., Mathematische Aufgaben. I. Teil von E.
Schulze. Leipzig, Dürr 1905, angez. von J. Jacob 351
Schulze 8. Gerlachs Jueendbücherei.
Schultz J. s. Geffcken J.
Schwalbe B., Physikalische Freihandversuche. Unter Benutzung
des Nachlasses von B. Schwalbe. Zusammengestellt und bear-
beitet von H. Hahn. I. Teil: Nützliche Winke; Maß und Messen;
Mechanik der festen Körper. Mit 269 Figuren im Text Berlin,
O. Salle 1905, angez. von L G. Wallentin 353
Schwartz E., Bede auf Hermann Usener. Gehalten in der öffent-
lichen Sitzung der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in
Göttingen am 5. Mai 1906. Abdruck aus den geschäftlichen
Mitteilungen 1906, Heft 1. Berlin, Weidmann 1906, angez. von
£. Ealinka 713
XJX
8«it6
Schwering K., Handbuch der Elementannathematik für Lehrer.
Mit 193 Fignreii im Text. Leipzig und Berlin, Teabner 19U7,
angei. ron I. 6. Wallentin 630
Seche A. s. Scarron P.
Sedlmayer-Scheindlers Lateinisches Übungsbach für die oberen
Klassen der Gymnasien. 4. Aufl. Wien 1908, Tempeky, aneez.
Ton J. Eeyziar nnd J. Endt 1082, 1088
Seibert A. £., Lehrbuch der Geographie für österreichische Lehrer»
QDd Lehrerinnenbild nngsanstalten. Neu bearbeitet von B. Hödl.
II. Teil: Für den III. Jahrgang. 8. Auflage. Wien, F. Tempsky
1907, angez. Ton B. Imendörffer 796
Siebert 6. s. Lorentz H. A.
8. Whetham W. C. D.
Sieper EL, Shakespeare and seine Zeit. Mit 3 Tafeln nnd 3 Tezt-
bildem („Aus Natur und Geisteswelt* Nr. 185). Leipzig,
Teubner 1907, angez. von A. Elch 1er . 781
Si e? er s W., Allgemeine L&nderkunde. Kleine Ausgabe. Zwei Bände.
Leipzig nnd Wien, Bibliographisches Institut 1907, angez. yon
I J. Müllner 350
I Simroth H., Abriü der Biologie der Tiere. 2. Auflage. Leipzig,
G. J. Göechen 1907, angez. Ton H. Yieltorf 159
, Die Pendulationstheorie. Leiptig, K. Grethlein 1907, angea.
Ton T. F. Hanausek 354
Skutsch F., Gallus und Verffil. Aus Yergils Frühzeit. Zweiter Teil.
Leipzig nnd Berlin, Teubner 1906, anf^ez. von A. Zingerle 127
Snyder C.« Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft. Auto-
risierte deutsche Übersetzung Ton H. Kleinpeter. 2. Auflage,
anges. Ton N. Hers 447
SokollK-WyplelL., Lesebuch der französischen Sprache für
Bealsehnlen und verwandte I^hranstalten. Zweiter Teil (Drittes
Schuljahr). Wien, Deuticke 1907, angez. Ton F. Wawra 1111
Spieft H. 8. Hellwig P.
Springmann P. s. Schreber K.
Stanton F. E., Die tierischen Gifte. 9. Heft von «Die Wissen-
schaft*, Sammlung naturwissenschaftlicher und mathematischer
Monographien. Braunschweig, Vieweg ft Sohn 1906, angez. von
J. A. Kall 246
Stark J., Der latente Sprachschatz Homers. Eine Ergänzung zu
den Homer-Wörterbüchern und ein Beitrag zur griechischen
Lexikographie. München und Berlin, B. Oldenbourg 1908, angei.
von F. Stolz 900
Sie in mann G., Der Unterricht in Geologie und verwandten
Fächern auf Schule und Universität (aus ^m VI. Bd. der Zeit-
schrift: «Natur und Schule*). Leipzig, Teubner 1907, angez.
TonF. No« 635
Steinmetz K.» Yon der Adria zum schwarzen Drin (aus «Zur
Kunde der BalkanhalbinseL Beisen und Beobachtungen". Heraus-
gegeben von K Patsch. Heft 6). Mit 15 Abbildungen und
einer Karte. Sarajevo, D. A. Kajon 1908, angez. von J. Jung 792
Strnadt J., Historischer Schulatlas von Oberösterreich und Salz-
burg. Sieben Karten mit erläuterndem Text. Wien, £. Höliel,
angez. von B. Imendörffer 149
Stiohmeyer F. s. Figuier L.
8t rem ata in honorem Casimiri Morawski. Mit dem Bilde von,
Kasimir v. Morawski. Cracoviae 1908, angez. von Z. Dembitzer 7*22
b»
XX
Seit»
Struck A.« Makedonische Fahrten. II. Die makedonischen Nieder-
lande. Mit 26 Abbildungen und einer Bontenkarte. (Zar Kunde
der Balkanhalbinsel. Reisen und Beobachtungen. Herausgegeben
TOD K. Patsch. Heft 7). Sarajero, D* A. Kajon 1908, angez.
Toa J. Jung 1113
St&rmer F., Griechische Lautlehre auf etymologischer Grundlage.
Halle a. 8., Buchhandlung des Waisenhauses 1907, angez. von
F. Stolz 112
Terentius s. Bardt C.
Tesaf L., Elemente der Differential- und Integralrechnung. Hilfs-
buch für den mathematischen Unterricht zum Gebrauche an
höheren Lehranstalten. Mit 83 Figuren im Text Leipzig und
Berlin, Teubner 1906, angez. ron 1. G. Wallentin 997
Thiergen 0. s. Martin P.
Thiergens 0. s. Clay H. A.
Traube L. s. Lehmann P.
Uhl W. s. Abeling Th.
8. Schissel t. Fieschenberg 0.
Ule W., Lehrbuch der Erdkunde für höhere Schulen. Ausgabe A
in zwei Teilen. Erster Teil. 6. Auflage. Leipzig, G. Frey tag
1906, angez. von B. Imendörffer 445
Umlauft F., Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik.
Unter Mitwirkung Ton hervorragenden Fachm&nnern heraus-
gegeben. XXIX. Jahrgang. 10. Heft. Wien, A. Hartleben, angez.
von B. Imendörffer 149
, Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. Unter
Mitwirkung Ton hervorragenden Fachm&nnern herausgegeben.
XXX. Jahrgang 1908. 1. — 5. Heft. Wien, A. Hartleben, angez.
von B. Imendörffer 930
, Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. Unter
Mitwirkung von hervorragenden Fachmännern herausgegeben.
XXX. Jahrgang 1908. 6.~& Heft Wien, A. Hartleben, angez.
von B. Imendörffer 995
Usener H., Vortrage und Aufsätze. Leipzig und Berlin 1907, angez.
von £. Xalinka 713
Velhagen & Xlasings Sammlung deutscher Schulausgaben. Lief.
114. Märchen und Novellen von Goethe. Ausgewählt und heraus-
gegeben von E. V. Sallwürk. Bielefeld und Leipzig 1905. —
Lief. 113. Aus der silbernen Zeit unserer Literatur. Von G.
Heine. 1905. — Lief. 115. Moderne erzählende Prosa. Aus-
gewählt und herausgegeben von G. Porger. Achter Teil
(YL Bändchen). 1906, angez. von R. F. Arnold 613
Vietor W., Wie ist die Aussprache des Deutschen zu lehren? Ein
Vortrag. 4. Auflage. Marburg, Elwert 1906, angez. von A.
Hausenblas 504
Vogel Th. s. Curti Rnfi Q.
Virgil s. Heinze.
Volk K. G., Die Elemente der neueren Geometrie unter besonderer
Berücksichtigung des geometrischen Bewegungsprinzips für die
oberen Klassen höherer Lehranstalten und zum Sell»t8tndium
bearbeitet Mit 93 zum großen Teil zweifarbigen Figuren im
Teit Leipzig und Berlin, Teubner 1907, angez. von R. Sup-
pantschitsch 445
XXI
Seit«
Vollmer F., Q. HoratiFlacd canniBa. BaceiuQit Y. £ditio maioF.
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Vollmer H. s. Fachs.
Wagner B. s. BanBgarten F.
Wahrmann F., Prolegomena sa einer Gescliiebte der grieehischea
Dialekte im ZeiUlter des Hellenianma, Separatabdmek 1907,
angei. Ton F. Stolz 21
Wangerin A., Franz Neumann and sein Wirken als Forscher nnd
I^rer. Mit einer Textfi^ar and einem Bildnis Naumanns in
HeliograTore. Brannschweig, Yieweg ä Sohn 1907, angez. Ton
L 6. Wallentin 512
Weck lein N., Enripides* Helena. Mit erklärenden Anmerkungen.
Berlin und Leipzig, Teubner 1907, angez. von H. Jurenka 598
Weersma H., GoUection of Stories and Sketches hj Modem Anthors.
Seleeted and annotated for the use of the higher forme in
Secondaiy Sehools and Grammar Schools. Groningen, P. Nord-
hoff 1907, an^ez. von E. EUinger 782
Weil H., Aeschjli tragoediae, iterum edidit reyisas (Bibliotheca
Teabneriana). 1907, angez. von S. Mekler 732
Weinhold A. s. Carti Bafi 0.
Welleba F., Anleitung zur Mikroskopie und Mikrophotographie
fOr Anfänger. Wim 1907, angez. Ton N. Herz 152-
Wendland P., Die hellenistisch-römische Eultar in ihren Bezie-
hungen zu Judentum und Christentum. Mit 5 Abbildungen im
Text und 12 Tafeln. Tübingen, J. C. B. Mohr (P. Siebeck) 1907,
augez. von B. Meister 714
Wesselj B., Zur Geschichte der deutschen Literatur. Proben
literarhistorischer Darstellungen, ausgewählt und erläutert.
Leipzig, Teubner 1905, angez. von R. P. Arnold 613
Wettstein B. t. s. Eronfeld £. M.
Wf jel 8. Schulz B.
Wbetham W. C. D., Die Theorie der Expcrimental - Elektrizität.
Aus dem Englischen ftbersetit Ton G. Siebert. Mit 123 Ab-
bildungen im Text. Leipzig, J. A. Barth 1907, angez. von
L G. Wallentin 803
Wie her t £., Ein Schritt Tom Wege. Lustspiel in vier Aufzügen
(1870—1871). Zum Übersetzen aus dem Deutschen in das Fran-
zdaische bearbeitet von E. Bertaux. Dresden, L. Ehlermann
1906, angez. von J. Ellinger 45
Widmann S. s. Boehme G.
Wiesner J., Der deutsche Unterricht an unseren Gymnasien. Er-
fahrungen, Bekenntnisse, Vorschläge. Wien, A. Holder 1907,
angez. von A. Lichtenheld und A. Nathansky 429, 433
Willmann 0. s. Michalitscbke A.
Wolf M., Die Milchstraße. Vortrag, gehalten in der allgemeinen
Sitzung der 79. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte
in Dresden am 20. September 1907. Mit 53 Abbildungen im
Text und auf 10 Lichtdrucktafeln. Leipzig, J. A. Barth 1908,
angez. von I. G. Wallentin 932
Wolff M. J., Shakespeare. Der Dichter und sein Werk. In zwei
Bänden. Erster Band. München, C. H. Beck 1907, angez. von
A. Eichler 507
Weltmann L., Die Germanen in Frankreich. Eine Untersuchung
dber den Einfluß der germanischen Basse auf die Geschichte
und Kultur Frankreichs. Mit 60 Bildnissen berühmter Franzosen.
Jena, £. Diederichs 1907, angez. von J. Frank 49
XXII
Sei«
Woltse P^ Das Üassische Weimar. Nach Aquarellen. Mit erläu«
temdem Text von £• ScheidemanteU Weimar, J. Böhans
Nachfolger 1907, angez. von J. Minor 428
Wretechko M. t., Vorschule der Botanik für den Gebrauch an
höheren Klassen der Mittelschulen nnd verwandten Lehranstalten.
Vollständig umgearbeitet und neu herausgeg. von A. Heimer 1.
S, Aufl. Wien, &. Gerolds Sohn 1907, angez. von H. Vieltorf 9^1
Wjplel L. B. Sokoll £.
Zachftrias 0., Das Slißwasser-Plankton. Einführung in die frei-
lebende Organismen weit unserer Teiche, Flüsse und Seebecken.
Mit 49 Abbildungen. Aus «Natur- und Geisteswelt". 156. Bänd-
cben. Leipzig, Teubner 1907, angez. von T. F. Hanausek 159
Zaiita F. s. Hirsch.
Zanolli A., Osserrazioni suUa traduzione armena del „an^l ipvaaas
dvd'Qmnav* di Nemesio. Estratto dal „Giornale della Societä
Asiatica Italiana"*. Vol. XIX, angez. von E. Burkhard 495
Zernial U. s. Hellwie P.
Zettel K., Hellas und Born im Spiegel deutscher Dichtung. Eine
Anthologie. Mit einem erklärenden Namensverzeichnis von
0. Hart lieh. Herausgegeben von A. Brnnner. Zwei Bände.
LBd.: Mythen und Heroenzeit. Griechische Geschichte. II. Bd.:
Römische Geschichte. Stimmungsbilder. Erlangen, Palm A Enke,
angez. von B. Wölk an 985
Zingerle A., T. Livi ab urbe condita libri Liber XLV. Editio
maior. Vindobonae, F. Tempsky; Lipsiae, G. Freytag 1908,
angez. von A. M. A. Schmidt 501
Dritte AbteUiug.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Eine geschichtswissenschaftlicher Studienplan. Von H.Schmidkuns 68
Zur griechischen und lateinischen Lektüre an unseren Gymnasien.
Von F. Ladek 74, 166, 364, 452, 516
Cauer P., Siebzehn Jahre im Kampf um die Schulreform. Gesammelte
Aufsätze. Berlin, Weidmann 1906, angez. von A. Frank 83
Meyer £., Humanistische und geschichtliche Bildung. Berlin, Weid-
mann 1907, angez. von A.Bauer 87
Ein Naturforscher und das philologische Gymnasium. V. F. S pengle r 177
FoersterF. W., Schule und Charakter. Beiträge zur Pädagogik des
Gehorsams und zur Beform der Schuldisziplin. Zürich, Schult-
heß ft Comp. 1907, an^^. von J. Perkmann 180
Festgabe zum hundertjährigen Jubiläum des Schottengymnasinms.
Gewidmet von ehemaligen Schottenschülern. Wien, W. Brau-
müller 1907, angez. von E. G seh wind 182
Martinak E., Über Prüfen und Klassifizieren vom Standpunkte
der Praxis. Wien, Hölderl906, angez. von A. v. Leclair 184
Die Mittelschulenquete des Unterrichtsministeriums 21.^25. Jänner
1908. Von & Frankfurter 249, 824, 1007, 1125
Methodisches zum Geschichtsunterrichte. Von P. A. Trog er 274
Seibt K. H., der erste üniversitätsprofessor der deutschen Sprache
in Prag, ein Schüler Gelierte nnd Gottscheds. Ein Beitrag zor
Geschiente des Deutschunterrichts in Österreich von K. Wotke.
Wien, im Selbstverlag 1907, angez. von K. F. Kummer 276
XXIII
S«ite
Hindbibliothekeii ftr MittekchUer. Von H. Blnme 377
Über soäologiiehe Belehrungen in der Mittelschule. I. und II. Von
L. Fleischner 461, 528
Hinterberger A.« Znr Frage des Unterrichtes in Hyffiene an
Hittelachnlen. Wien nnd Leipzig» W. BranmIÜler 19^, angez.
von O. Hereel 539
Bericht ftber den lY. Internationalen Mathematiker-Kongreß in Born
Tom 6.— 11. April 1908. Von B. Snppantschitsch 637
Znm Lehrnlan ftlr die italienische Spradie an Mittelschulen mit
deutsdier oder kroatischer Unterrichtssprache. Von W. Freiherr
Ton Ljuhibratiö 648
Huemer E., Der Geist der altklassischen Studien und die Schrift-
Btellerwahl bei der Schullektüre. Wien und Leipzig, K. Fromme
1907, angez. von 6. Heidrich 657
Fachs J^ Die staatliche Bedeutung der Gymnasien. Ein Beitrag
zur Iteform. Wien, K. Konegen (£. StUlpnagd) 1907) angez.
Ton £. Martinak 664
Die in. Direktoren-Konferenz in Wien. Von Simon 842
JigerO., Erlehtes und Erstrebtes. Beden und Aufsätze. München,
C. H. Beck 1907, angez« von A. Frank 848
Bamberg A. t., Ideale. Ausgewählte Schalreden. Berlin, J. Springer
1906, angei. Ton Y. Thumser 852
Ziehen Th., Die Geisteskrankheiten des Kindesalters mit beson-
derer B^cksichtigung des schulpflichtigen Alters. 3. (SchlnO-)
Heffc. (Sammlung Ton Abhandlungen aus dem Gebiete der päda-
gogisch«! Psychologie und Physiologie, herausg. von Ziegler
und Ziehen. VIIL Bd., 7. Heft) Berlin, Beather A Beichard
1906, angez. Ton L. Burger st ein 853
über den Wert derDurchschnittsberechnung beim Klassifizieren inten-
sifer Leistungen« Von £. Martinak 987
Budde G., Zur Beform der fremdsprachlichen schrifkichen Arbeiten
in den höheren Knabenschulen. Halle a. S., Buchhandlung des
Waiaenhauses 1907, ange. Ton A. Würzner 945
Seiler F., Geschichte des deutschen ünterrichtswesens. (Sammlung
Gfiechen, 275. und 276. Bändchen). Leipzig, 1906, angez. Ton
A. T. Leclair 947
Fröbel F., Sein Leben und Wirken. Von A. ▼. Portugall. Mit
5 Tafehi. («Natur und Geistesleben*, Sammlung Wissenschaft«
lich-gemeinTerständlicher Darstellungen. 82. Bändchen.) Leipzig,
Teubner 1906, angez. yon K. F. Kummer 949
Veihandlangen der YL Jahresrersammlung des Allgemeinen Deut-
sehen Vereins IBir Schulgesundheitspflege am IC und 15. Juni
1906 in Stuttgart (Ergänzungsheft tu „Gesunde Jogend'S V.Bd.).
I^pzig und Berlin, Teubner 1905, angez. Ton L. Burger st ein 952
Lay W. A.9 Methodik des naturgeschichtlichen Unterrichts und
Kritik der Beformbestrebungen. Dritte, verm. Auflage. Leipzig,
E. Nägele 1907, angez. Ton T. F. Hanausek 1020
Butler N. M., Schulbildung in den Vereinigten Staaten. Ver-
deutscht von L. B. Klemm. (Sammlung pädagogischer Vor*
trage. Herausgegeben Ton W. Meyer-Markau. Zweimonatlich
eiBUeft) Minden LW., C Marschowsky, angez. Ton J. EUinger 1022
Ein Vorschlag beteefi'end den Unterricht aus der italienischen Sprache
in den oWen KUssen der dsterreichischen Gymnasien nut ita-
lienischer Unterrichtssprache. Von E. Tonini 1138
Weimer H., Der Weg zum Herzen des Schftlers. München, Becksche
Vezbgshandlttng 1907, angez. Ton £. Gschwind 1142
XXIV
8«it«
Vierte Abteflug.
Missellen,
Ein sanftmfitiger Literat Von F. Lentner 89
Die Allwissenheit der Enahler. Von J. Endt 469
Karl Christiaa Ernst Graf von Benzel-Stemao. Von F. Lentner 540
LUerarisehe Misfeüen.
Abott F. F., Notes lipon H8S. oontaining' Persins and Petras
Diaeonos. Beprinted from Classical Philologj, Vol. II, No. 3,
Jolj 1907, anges. Ton J. Golling 854
Abrens W., Mathematische Spiele. Mit einem Titelbilde und
69 Figuren im Text («Ans Katar and Geisteswelt*. Sammlong
wissensdiaftlich-ffemeinverstandlicher Darstellungen. 170. fiäod-
chen). Leipzig, Tenbner 1907, angex. Ton E. Grünfeld 957
Astron omiseher Kalender f&r 1907. Heransgegeben tob der
k. k. Sternwarte za Wien. Der ganzen Reihe 69. Jahrgang. Der
neaea Folge 26. Jahrgang. Wien, K. Gerolds Sohn, angez. Ton
Dr. Oppenheim 382
Becker A>-Majer J., Lernbach der Erdkunde. II. Teil. Zweite
gekürzte und verbesserte Auflage. Wien, F. Deuticke 1907,
angez. tou B. ImendOrffer 956
Berger K. s. Mayer F. M.
Boek P. s. Dubislav G.
Bruckmanns Wandbilder antiker Plastik. München, Bruckmann
1907, angez. Ton £. H. 93
Brunnemann A. s. Bofimann Ph.
Brunn J., Vierstellige Logarithmen. Münster i. W., Aschendorff
1902, angez. von J. Arbes 92
Christ A. Th. s. Müller J.
Curtiu8-v. Hartel, Kurzgefaßte Griechische Schulgrammatik.
Bearbeitet von F. WeigeL Wien, F. Tempsky; Leipzig, G.
Frey tag 1907, angez. von F. Stolz 279
Cybulski St., Das römische Haas. Erklärender Text zu Tafel 11«
Mit 15 Abbildungen im Texte. Dritte, verbesserte Auflage.
Leipzig, K. F. Köhler 1905, angez. von J. Oehler 91
, Tabulae, quibus antiquitates Graecae et Bomanae illostrantur.
Tab. XI: Domus Bomana. Editlo IIL auctior. Lipsiae, K. F.
Koehler 1905, angez. von J. Oehler 91
Dubislav G.-Boek P., Französisches Übungsbuch. Ausgabe A
und B. Für Sekunda und Prima der Gymnasien sowie für
Obertertia, Sekunda und Prima der Realgymnasien. Mit einer
Karte von Frankreich. Berlin, Weidmann, angez. von M. Bock 280
Dünger H., Zur Schärfung des Sprachgefühls 200 fehlerhafte Sätze
mit Verbesserungen und sprachlichen Bemerkungen, geprüft von
einem Ausschusse des Allgemeinen deutschen Sprachvereins mit
einer einleitenden Abhandlung: Was ist Sprachgefühl? Waram
soll es geschärft werden ? Berlin, Verlag des Allgem. deutschen
Sprachvereins (F. Berggold) 1906, angez. von F. Holzner 954
XXV
Seite
£dw«rdson H., Woher kam das Leben? Eine Abhandlung fiber
die Herkunft, Entstehung und das Vergehen des Lebens.
Leipzig, Bw Hof mann; MAhrisoh-Ostrau^ R. Papauschek, angez.
Ton T. F. Hanausek 190
£il der mann H. a Gansberg F.
Evert H., Schillers Wallenstein. Die deutschen Klassiker, erläutert
und frewftrdigt fAr höhere Lehranstalten sowie zum Selbststudium
Ton Kuenen und ETers. 23. und 28. Bändchen. lY. Heft,
erste und sweite Hälfte. Iieipsig, H. Bredt 1905, angez. Ton
F. Holzner 472
8. Kuenen E.
Kvers s. Peters B.
Filek £. ▼., Diktier- und Aufsatzbuch ffir den deutschen Unterricht.
Wien und Leipzig, F. Deuticke 1908, angez. Ton B. Löhner 955
Fleisehner L., Osterreichische Bürgerkunde. 3. neubearbeitete
und Termehrte Auflage. Wien, F. Tempskj 1907, anges. tou
LMüllner 472
Frank F., Kaiser Franz Josef L Eine Festschrift zur Feier des
sechsigjährigen Begierun^sjubiläums unseres Monarchen. Wien,
A. Pichlers Witwe & Sohn 1908, angez. von B. Löhn er 1024
Freytig G., Welt-Atlas. 58 Haupt- und 25 Nebenkarten nebst
«iDem alphabetischen Verzeichnis von mehr als 17.000 geogra-
phischen Namen und statistischen Notizen über alle Staaten
der Erde. 3. Termehrte Auflage. Wien und Leipzig, G. Frey tag
& fiemdt 1908, angez. von J. Müllner 857
Fr ick G.- Po lack P., Aus deutschen Lesebüchern. Vierter Band,
erste Abteilung: Epische Dichtungen. Vierte Auflage unter
Mitwirkung. Leipzig und Berlin, Th. Hofmann 1906, angez.
TOU A. Hausenblas 91
^jansberg F.-Eildermann H., Unsere Jungs. Geschichten aus
der Stadt Bremen. Mit Buchschmuck Ton Th. Herr mann.
Hersusgegeben Tom Bremer Jugendscbriftenausschuß. Leipzig-
Berlin, Teubner 1906, angez. von F. Kunz 283
Oeffcken J., Sokrates und das alte Christentum. Heidelberg,
Winter 1908, angez. von H. St Sedlmayer 1145
OoUing J., Erklftrang der Eigennamen zu P. Vergili Maronis
cirmina selecta. Herausgegeben. 3. Auflage. Wien, A. Holder
1906, angez. von B. Bitschofsky 1024
<jrimm H., Homers Ilias. Zweite Auflage. Stuttgart und Berlin,
Gottas Buchhandl. Nachf. 1907, angez. von S. M. Prem 471
HassertK., Landeskunde und Wirtschaftsgeographie des Festlandes
Australien. Mit 8 Abbildungen, 6 graphischen Tabellen und
einer Karte. Sammlung Göschen. Leipzig 1907, angez. von
J. Müllner 857
Hennings C, Tierkunde (142. Bändchen der Sammlung „Aus
Natur und Geisteswelt"). Mit 34 Abbildungen im Texte. Leipzig,
B. G. Teubner 1907, angez. von H. Viel torf 1148
Herr manu Th. s. Gansberg F.
Hoff mann H. s. Lange E.
Imenddrffer B., Lehrbuch der Erdkunde für Mädchenlyseen und
verwandte Lehranstalten. 2. verbesserte Auflage. L— III. Teil.
F. Tempsky 1907, angez. von H. P ircheg ger 92
xm
Seite
Kabellk J^ fiöhioischfls Lesebuch für die erste Klasse der Mittel
sehnlen (dechisch). BrOmi, E. Winiker 1908, angei. tob 0. Brieft 856
Knaner F., Zwieg^talt der Geschlechter in der Tierwelt (148.
Budcben der SammluDg .Ans Natur und Geisteswelt*). Mit
37 Abbildungen im Texte. Leipxig^ B. O. Teubner 1907, anges.
Ton H. Yieltorf 1U7
Kohlrausch F., Lehrbuch der praktischen Physik. 10. vermehrte
Auflage des Leitfadens der praktischen Phrsik. Mit xahlreichen
Figuren im Text. Leipzig und Berlin, Teubner 1905^ angez.
Ton I. G. Wallentin 858
Koschwitz £., Anleitung zum Studium der französischen Philo*
logie. Dritte, Termehrte und Terberaerte Auflage Ton G. Th urau.
Marburg i. H., Elwert 1907, angez. Ton A. Würzner 855
Kraepelin K^ Leitfaden f&r den biologischen Unterricht in den
oberen Klassen der höheren Schulen. Mit 303 Abbildungen.
Leipzig und Berlin, Teubner 1907, angez. Ton H. Vieltorf 669
Euenen £., Goethes Hermann und Dorothea, erläutert und ge-
wfirdig^ fl&r höhere Lehranstalten sowie zum Selbststudium.
6. verbesserte Auflage besorgt von M.Mertens (Die deutschen
Klassiker .... Ton F. Kuenen und M. Evers, 4. Bftndchen).
Leipzig, H. Bredt 1907, angez. von S. M. Prem 855
Kuenen s. ETsrs M. und Peters K
Lagarde L., La lutte pour la Tie. Atcc une appendice: Notes
explicatlTes. Stuttgart, W. Violett 1906, angez. tou A. Wftrzner 953
Lange E., Sokrates. 34. Heft der Gymnasialbibliothek. Heraus-
gegeben Ton H. Hoff mann. Gütersloh, C. Bertelsmann 1906,
angez. Ton J. Kohm 955
Letoschek £., Sammlung von Skizzen und Karten zur Wieder-
holung beim Studium der mathematischen, physikalischen und
politischen Geographie. Druck und Verlag der kartogr. Anstalt
Ton Freytag ft Berndt, angez. Ton J. Müllner 543
Lichtenecker H., Sechzig Jahre auf Habeburgs Herrscherstuhl
(Lichtbilderrortrag Nr. 18), angez. von B. Löhn er 1024
Lindemann H. s. Pahde A.
Lohmeyer J.-VTislicenusG., Auf weiter Fahrt Selbsterlebnisse
zur See und zu Lande. Deutsche Marine- und Kolonialbibliothek.
V. Band. Mit 28 Abbildungen und einer Karte. Leipzig,
W* Weicher 1907, angez. tou J. Mi klau 1146
Lowack A., Die Mundarten im hochdeutschen Drama bis gegen
das Ende des XVIIL Jahrhunderts (Breslauer Beiträge zur
Literaturgeschichte, Vll). Leipzig, M* Hesse, angez. tou E« t.
Komorzynski 91
Manilin A., Hat Dörpfeld die Enneakrunos-Episode bei Pauaanias
tatsächlich gelöst oder auf welchem Wege kann diese gelöst
werden? Einige Bemerkungen zu ludeichs „Topographie Ton
Athen". Wien, Holder 1906, angez. Ton J. Gehler 542
Matthias A., Goethes Gedankenlyrik. Für Schule und Hans
(Freytags Schulausgaben). Leipzig und Wien 1905, angez. Ton
S.M.Prem ^ ^ r ^ ^^
Mayer F. M.-Berger K., Geographie der österr.-ungar. Monarchie
für die IV. Klasse der Mittelschulen. Achte, berichtigte Auf-
lage. Wien, F. Tempsky 1907, angez. Ton B. Imendörffer 190
Mayer J. s. Becker A.
Mortons M. s. Kuenen £.
XXVII
Seit*
Mejer M. W., Tom Himmel und Ton der Erde. Stuttgart und
Leipsig 1908, anges. Ton N. Herz 1025
Michaelis G. b. Ostermann Ch.
Mignla W., PflaDzenbiolo|^ie. Mit 50 AbbildnDgen. Zweite, Ter-
besserte Auflage. Leipzig, Sammlung Göschen 1906, angez. tod
T. F. Hanausek 93
s. ThomÄ.
Maller J., Die Germania des P. Cornelius Tacitus. FQr den Schul-
gebrauch bearbeitet tou A. Th. Christ. 2. Auflage« Wien-
LeiMig (Tempsky-Frejtag) 1906, angez. tou F. Eunz 667
, P. Cornelii Taciti opera quae supersunt. Recensuit. Editio
minor : Volumen II. Historias et opera minora continens. Editio
altera emendata. Leipzig, G. Freytag; Wien, F. Tempsky
MDCCCCVI, angez. yon J. G ollin g 953
Mailer H. J. s. Ostermann Ch.
Napraynik F., Vollständig gelöste Haturit&tsauf gaben aus der
Mathematik für SchOler der obersten Klassen an Bealschulen
und Gymnasien sowie zum Selbststudium. Wien und Leipzig,
F. Deuticke 1907, angez. von £. Grünfeld 1025
Nissen Th., Lateinische Satzlehre f&r Beformanstalten. Leipzig,
G.FreyUg; Wien, F. Tempsky 1907, angez. Ton A. Scheindler 469
Nobl H., Ciceros Bede gegen Q. Caecilius und das vierte Buch der
Anklageschrift gegen C. Verrea. Ftlr den Schulgebrauch heraus-
gegeben. 8. Auflage. Leipzig, Wien (Freytag, Tempsky) 1907,
angez. von F. Eunz 542
Nover J.-Wftgner J., Unsere Vorzeit III. Germanische Volks-
sagen. Erzählt fftr Jugend und Hans. 2. vermehrte und ver-
bauerte Auflage. Leipzig, 0. Spamer 1907, angez. von A.
Hausenblas 283
Ostermann Ch., Lateinisches Übungsbach. Ausgabe für Beform-
schulen, bearbeitet von H. J. Müller und G. Michaelis.
L und IL Teil* Ausgabe B. Leipzig and Berlin, Teubner 1905,
aagea. von H. Bill 186
Onf edniöek £., Übungsbuch der deutschen Sprache für die I. und
II. Elasse der Mittelschulen (öechisch). 3. gänzlich umgearbeitete
Auflage mit einem Bilde. BrOnn, K. Winiker 1906, angez. von
F. Koväf 188
Pahde A., Leitfaden der Erdkunde für höhere Lehranstalten. Bear-
beitet von H. Lindemann. IIL Heft. Mittelstufe. 2. Stück.
Mit 6 Abbildungen im Text Berlin und Glogau, C. Flenuning
1907, angez. von J. Müllner 382
Peters B., Gudrun. Die deutschen Klassiker, erläutert und ge-
wflrdjfft für höhere Lehranstalten sowie zum Selbststudium
von f uenen und Evers. 26. Bändchen. Leipzig, H. Bredt,
angez. von F. Holzner 667
Philipp 8 on A.« Das Mittelmeergebiet, seine geographische und
kulturelle Eigenart 2. Auflage. Mit 9 Figuren im Text, 13 An-
sichten und 10 Karten auf 15 Tafeln, l^ipzig, Teubner 1907,
angez. von J. Müllner 473
Polack P. s. Frick G.
Probst H., Deutsche Bedelehre. Dritte, verbesserte Auflage. Samm-
lung Göaehen. Leipzig 1905, angez. von F. Holzner 189
XXVIII
8«ite
BaBi P., De positione debili, qnae vocator, seu de syllabae ancipitis
ante mutam cum liqnida usu apad Tiballam. fistratto dai
„Bendiconti* del B. lat. Lomb. di sc. e lett, Serie 11, Vol. XL»
1907, aogez« tob A. Haemer 187
Bicbter £., Xenophon in der römischen literatnr. Abdruck ans
dem Jahresberichte des KönigL Kaiserin Augnsta-Gymnasinm
zu Charlottenburg. Ostern 1905, angez. Ton F. Kunz 188
Bippel J.» Grundlinien der Chemie für Oberrealschulen. I. Teil:
Anorgranische Chemie. Mit 72 Abbildungen and einer Spektral-
tafel in Farbendruck. Mit Erlaß des hoben k. k. Ministeriums
für Kultus und Unterricht Tom 25. Anlast 1905, Z. 90.503,
allgemein zulassig erklärt Wien, F. Deuticke 1905, angez. Ton
J. A. Kall 281
, Grundlinien der Chemie für Oberrealschulen. II. Teil: An-
organische Chemie. Mit 39 Abbildungen. Mit Erlaß des hohen
k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht yom 29. April
1907, Z. 16.711, allgemein zulässig erklärt. Wien, F. Deuticke
1907, aneez. Ton J.A. KaiJ 670
Bosenberg K., Besultate der Übungsaufgaben aus dem Lehrbuch
der Physik für die oberen Klassen der Mittelschulen und ver-
wandter Lehranstalten. Wien, A. Holder 1906, angez. Ton
J. Jacob 190
Boß mann Ph., Handbuch für einen Studienaufenthalt im französi-
schen Sprachgebiet unter Mitwirkung von A. Brunnemann.
Dritte, umgearbeitete und bedeutend vermehrte Auflage von
„Ein Studienaufenthalt in Paris''. Marburg, N. G. Elwert 1907,
angez. von A. Seeger 855
Busch G., Lehrbuch der Geschichte für österr. Mädchenlyzeen.
III. Teil. Für die IV. Klasse. Wien, A. Holder 1907, angez.
von B. Imendörffer 1146
Schafheitlin P., Synthetische Geometrie der Kegelschnitte für
die Prima höherer Lehranstalten. Leipzig und Berlin 1907,
B. G. Teubner, angez. Ton E. Grün fei d 1147
Schill B., Maturitätsaufgaben aus der darstellenden Geometrie
nebst vollständigen Lösungen. Für die oberen Klassen der Real-
schulen und verwandter Anstalten sowie für das Selbststudium.
III. Teil. Wien und Leipzig, F. Deuticke 1908, angez. von
H. Wehr 859
Scott J. A., Prohibitives with IIPOS and the Genetive. Sonder-
abdruck aus Classical Philology, Vol. II, No. 3, July 1907,
angez. von F. Stolz 854
Sevin L., Goethes Dichtung und Wahrheit. Schulausgabe. 4. gänz-
lich umgearbeitete Auflage mit einem Anhang: Gedichte Goethes
von 1765—75 nebst einem Plan von Frankfurt (Literatur-
geschichtliches Lesebuch in einzelnen Bändchen von L. Sevin 1).
Karlsruhe, J. J. Beiff o. J., angez. von S. M. Prem 381
S p e r 1 i n g C. F., Eine Weltreise unter deutscher Flagge. 51.000 See-
meilen mit dem deutschen Kreuzergeschwader durch die Ozeane.
Mit zahlreichen Abbildungen. Leipzig, W. Weicher 1907, angez.
von J. Miklau 857
Stähelin F., Der Antisemitismus des Altertums in seiner Ent-
stehung und Entwicklung. Basel, C. F. Lendorff 1905, angez.
von D. E. Oppenheim 668
Strauß F., Naturgeschichtliches Skizzenbuch. 4. Heft: Die Vögel.
Wien, Verlag der Allg. österr. Lebrmittelanstalt 1907, angez.
von H. Vieltorf 1026
Swoboda H. s. Szanto £.
XXIX
Seite
Szanto £., Ansg^ew&hlte Abhandlungen. Heransgeg. von H. Swo-
boda. Mit einem Bildnis Ssantos in HeliograTÜre, einer Tafel
aod Abbildungen im Texte. T&bingen, J. C. B. Mobr 1906,
anget. Ton J. Oehler 470
Thom^ Dr., Flora Ton Dentsehland, Österreich und der Schweiz.
y.-~YIL Band: Krjptogamenflora (Mooee, Algen, Flechten and
Pill«) Ton W. Mignla. Gera, Zezschwitz, ang. von H. Yieltorf 957
Tbnraa 6. s. Xoschwitz £.
Trentlein P., Mathematische Aufgaben ans den Beifeprnfangea
der Akdischen Mittehchalen herausgegeben. I. Teil : Aufgaben.
Leipzig und Berlin, Tenbner 1907, angez. von E. Grünfeld 858
Yonderlin J., FaralldperapektiTe. Becht winkelige und schief-
winkelige Axonometrie. Leipzig, Sammlung Göschen 1905, angez.
TOB K. Suppantschitach 383
, Schattenionatruktionen. Mit 114 Figuren. Sammlung Göschen.
Leipzig 1904, angez« Ton B. Sappantschitsch 282
Wagner J. 8. NoTer J.
Walter M., Der französische Klassenunterricht auf der Unterstufe.
Zweite Auflage. Marburg i. U. 1906, Elwertsche Verlagsbuch-
handlung, angez. Ton A. Würzner 1145
Weigel F. 8. Curtius-T. HarteL
Wershoven F. J., Kriegsnovellen. Trier, J. Lintz 1907, angez.
von A. Würzner 1026
Wild J., Erklärender Text zu der Wandtafel zur Veranscbaulichung
geographischer Grundbegriffe in Schulen und als Beigabe zum
Anschauungäunterricht. Dritter verbesserter Neudruck. Eßlingen
und München, J. F. Schreiber 1907, ang. von B. Imendörffer 281
Wislieenus G. s. Luhmejer J.
Wolf H., Die Religion der alten Griechen (Gymnasialbibliothek,
41. Heft). Gütersloh, Bertelsmann 1906, angez. von J. Oehler 280
^offrammensehau.
Arbes J., Über Erfindung, Gestaltung und Wertschätzung der Lo-
garithmen. Progr. des deutschen Gjmn. in Smichow 1907, an-
gez. von K Wolletz 475
Bion M., Geographische Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn
und Nordamerika. I. Progr. des Gymn. im VI. Bezirke Wiens
1907, angez. von J. Müllner 960
Bubeniöek J., An der Schwelle Albaniens. Progr. des Gymn. in
Prag-Newtadt 1903/4, angez. Ton B. So IIa 1028
Daroetz M., Marlowes Edward IL und Shakespeares Richard II.
Ein literarhistorischer Vergleich. Progr. der Bealschule im
III. Bez. Wiens 1904, angez. von J. Ellin ger 190
Diener €. H., Lord Bjrons Pessimismus. Progr. des Kommunal-
Obergymn. in Bregenz 1905, angez. Ton J. Ell in ger 284
Darst &., Königin Elisabeth und ihre Beziehungen zu Osterreich
in den Jahren 14S9— 1442. Progr. des Gymn. in Böhm.-Leipa
1907, aogex. tou J. Loser th 861
XXX
Btitt
Frind £., Die eeistige Arbeit des Freihandzeichnens. Progr. der
II. Realschule im II. Bez. Wiens 1904, angez. Ton J.Langl 285
F ttr st St, Fastorom Gampililiensinm tom. IIL (1500—15801 Progr.
des n. ö. Landes-Beal- and Obergjmn. in Mödling 1907, angez.
▼on J. Loserth 958
Oranello L., II cnlto di Dioniso nelle Bacche dl Euripide. Progr.
des Kommnnal-Obergymn. in Triest 1907, angez. t. J.Jttthner 1149
Hassny J. B., De interrogationnm disiunctiTamm apnd Tacitnm
stmctara. Prog^. des Gymn. in Tamopol 1907, angez. Ton J.
Golling 860
Heck K., Über die Notwendigkeit der Schaffung einer neuen Mittei-
schulgattung (polnisch). Progr. des IIL Gymn. in Krakau 1907,
angez. Ton J. DemiaÄczuk 862
HetteggerG., Qua ratione M. Fabius QuintiHanus in institutione
oratoria laudarerit scriptores. Progr. des Fürsterzbischöflicben
Gymn. am Kollegium Borromäum zu Salzburg 1905, angez.
von P. J. Wöhrer 93
Hoffer M., Die Verteilung des bauerlichen Grundbesitzes in der
Umgebung von Marburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Progr.
des k. k. Staatsgymn. in Marburg a. D. 1901, angez. Ton J.
Loserth 1149
Hora E., Der Komparativ. Ein neuer Deutungsversuch. Progr. des
Gymn. in FreisUdt 1907, angez. von J. Golling 1026
Illing W., Mähren und seine Bevölkerung. Progr. der Landes-
Oberrealschule in Zwittau 1905, angez. von J. MttUner 546
Jäger P. y., Salzburfi^ und seine Umgebung als geographisches
Lehrmittel. II. Teil. Progr. des Gymn. am Kolleg. Borromäum
in Salzburg 1906/7, angez, von B. Imendörffer 959
Xrdmaf ik P., Die Erdbeben des Baikalgebietes. Progr. des Gymn.
in Nikolsburg 1905, angez. Ton J. Müllner 384
Kreiszle v. Hellborn B., Versuche einer deutschen Beichsreform
unter Ruprecht von der Pfalz nnd Sigismnnd. Progr. der Ober-
realschule in Tesohen 1907, angez. von J. Loserth 545
Kryczyüski L., Quonam die M. T(ulii) Giceronis oratio in Cati-
linam prima habita sit Progr. des Gymn. in Z^oczow 1907,
angez. von F. Kunz 859
Landwehr T. Prägen au M., Japan bis zur Mitte des XIX. Jahr-
hunderts. Progpr. des k. k. Erzherzog Bainer -Gymn. in Wien
1905, angez. von J. Mailner 383
Loebl A., Dr. Barthlmä Pezzen, ein österreichischer Staatsmann
unter Rudolf IL Von seinem Leben und Wirken. Progr. der
k. k. Staatsrealschnle im XVI. Bezirke Wiens 1907, angez. von
J. Loserth 1150
Mayer B., Rudolf IL und die Nachfolgefrage. Progr. des Ober-
gymn. in Brüx 1907, angez. von J. Loserth 861
Nathansky A., Bauernfeld und Schubert. Progr. des Gymn. in
Triest 1906, angez. von V. Po Hak 544
XXXI
Seite
Oehler J., Epimphisehe Beitrage xur Geschichte des Ärztestandes.
Progr. des MizimilianB-Gymn. in Wien 1906/7, angez. Ton H.
Lackenbacher 474
Pedrotti ü.« Geschichtliche Notiien über die Entwicklung des erd-
kundlichen Unterrichts (italienisch). Progr. della J. A. Scnola
fieale Snperiore Elisabettina di RoTereto 1904, angez. Ton J,
MtUner 383
PitaecoG., De mnliernm Bomanamm cnltn atqne ernditione. Progr.
des Gjmn. in G5rz 1907, angez. Ton H. Siess 473
Prem 8. M., Graz in den März- und Apriltagen 1848. Progr. des
xireiten Gymn. in Graz 1907« angez. Ton J. Loserth 861
P sc hör L., Bealerklamng nnd Anschannogs- Unterricht bei der
Lektflie Ton Ciceros Bede „Pro L. Mnrena**. Progr« des Gjrmn.
in Mahr.-Trflban 1907, angez. Ton F. Ennz 860
Beide 1 L., Goethes Anteil an Jung-Stillings »»Joeend^^ Progr. der
L deutschen Bealschnle in Prag 1906 und 1907, angez. Ton S.
M. Prem 957
Rief J. C, Beiträge znr Geschichte des ehemaligen Eartäaierklosters
Allerengelberg in Schmale. Progr. des önentl. Obergymn. der
Franziskaner zu Bozen 1907, angez. Ton J. Loserth 958
Bot hang B., Über die Verwendung der Spezialkarte 1 : 75.000 im
Unterrichte. Progr. der Bealschnle im X. Bez. Wiens 1906,
anges. Ton J. Mflllner 959
Bxehak A., Die „grusinische Militarstraße'*. Progr. der deutschen
Laudes-Oberrealschule in Brunn 1905, angez. von J. Mflllner 383
SchaehnerP. BL, Naturbilder und Naturbetrachtnng in den Dich-
tnnffen Friedrich t. Snee. Prog^. des Obergjmn. der Benediktiner
zu Kiemsmflnster 1906, angez. Ton V. Pollak 475
Sehmid £^ Beiträge zur Methodik des Zeichenunterrichtes an der
Mittelschule. Progr. der Bealschnle in Bozen 1904, angez. Ton
R. Boeck-Langl 94,96
Schmidt W., Zur Veranschanlichung der Zeitfolge in der Ge-
schichte. Progr. des Elisabeth-Gymn. in Wien 1907, angez. t.
J. Loserth 545
Schuh A., Eine Mittelmeerreise. Erster Teil. Mit einem Titel-
und 60 Textbildem, 2 Karten und einem Profil. Progr. der Beal-
schnle in Marburg 1906, angez. Ton J. Mflllner 959
S c h u s t e r M., De Apollodoris poetis comicis. Accedit cuiusdam Apol-
lodori interpretatio. Progr. des Obergymn. zu Wiener-Neustadt
1907, angez. Ton H. Haas 543
Seltenhammer L., Papst Cölestin Y. (Peter von Murreno). Progr.
der Bealschnle im IIL Bezirke Wiens 1907, angez. von J.
Loserth 545
Sigmund 0., Beitrage zur Kenntnis der Höhenregionen in den
Ostalpen. IL Teil. Progr. der Oberrealschnle in Görz 1905, ang.
von J. Mflllner 546
, HL Teil. Progr. der Oberrealschule in Görz 1906, angez. von
J. M&llner 960
Starek W., Beitrag zur Beformbestrebung im Zeichenunterrichte.
FroffT. des k. k. Karl Ludwig -Gymn. im XII. Bezirke Wiens
1906, angez. von J. Langl 1151
xxxu
8«itd
Stastny J., Die Thraker. Eine Probe ans der Schrift: Gesebichte
Makedoniens im Altertum. II. Teil: Ethnographische Probleme
(dechisch). Progr. des böhm. Gymn. in Prag 1905« angez. Ton
E. Peroutka 234
Stensl F., Einfluß der Erddrehnng anf Bewegungen an der Erd-
oberfläche in neuer Darstellung. Progr. der Luides-Oberrealschule
in Zwittan 1904, angez. Ton J. Müllner 547
Strelli B., Quaestiones Catnilianae. I. De prisca et genuina car-
roinum CatuUi editione. II. De ordine et temporibus carminum
Catulli. Progr. des k. k. Stifts-Gymn. in St. Paul (Kärnten)
1906/7, angez. Ton J. Fritsch 114^
Thetter F., Die Buhe in Natur und Kunst. Progr. des n.-ö.
Landes- Bealgymn. in Waidhof en a. d. Tbaya 1905^ ang. Ton J.
Langl 1151
Vetter E., Kleine Beiträge zur hiteinischen Wortforschung. Progr.
des Gymn. in Prachatitz 1906/7, angez. von F. Stolz 670
Vierhapper F» Der Kreislauf des Stickstoffes im Pflanzenreich.
Progr. des Erzherzog liainer-Gymn. im II. Bezirke Wiens 1904,
angez. Ton B. So Ha 1026
Werenka D., Kritische Bemerkungen über die Gefechte der The-
baner tou der Schlacht bei Hahartus bis zur Schlacht bei Man-
tinea. Progr. der griech.- Orient. Oberrealschnle in Czemowitz
1907, angez. Ton A. Bauer 544
Wurm P. S., Kaphamaum. Progr. des Franz Joseph-Gymn. der
Franziskaner zu Hall 1906/7, angez. Ton £. Janak 546
Z u ck J., Th. Moores „The Lores of the Angels" und Byrons „Ueayen
and Earth*'. Eine Parallele. Progr. des Kommunal-Obergymn. in
Bregenz 1905, angei. Ton J. Ellinger 191
Fünfte Abteilnni^.
Verordnungen, Erlässe, Personalstatistik,
Verordnungeti und Erlässe.
Gesetz vom 15. Februar 1907, wirksam für das Königreich GaL'sien
und Lodomerien samt dem Grofiherzogtume Krakau, womit der
Artikel V, al. d) des Gesetzes Tom 22. Juni 1867, L.-G.-B1. Nr. 13,
in der Fassung des Gesetzes Tom 8. September 1880, L.-G.-B1.
Nr. 34, abgeändert wird 54S
Verordnung des Min. für K. und U. vom 29. Februar 1906, Z. 10.051,
womit eine neue Vorschrift für die Abhaltung der
Beifeprüfungen an Gymnasien and Bealschnlen er-
lassen wird 54b
Verordnung des Min. für K. und U. vom 81. März 1908, Z. 15.667, womit
eine neue Vorschrift für die Abhaltung Ton Beifeprü*
fungen an Mädchenlyzeen erlassen wird 548
xxxm
8«ifte
Erlift des Min. ftr £. ood ü. Tom 31. Dezember 1907, Z. 49.639,
womit die Bedinffnngen für die Erlangung des freien
Eintrittes in die königlich italienischen Samm-
langen (Mnseen, Galerien nsw.) kundgemacht werden 548
ErUß des Min. f&r £. und ü. Tom 30.Deiember 1907, ad Z. 14/277
ex 1907, an sämtliche LandesschnlbehÖrden , betreffend die
Erhöhung der Remuneration an den staatlichen
Mittelschulen 550
8xla& des Min. fttr E. und U. Tom 29. Februar 1906, Z. 10.053,
betreffend den Unterricht aus der Physik in der VIII.
Klasse der Gymnasien 550
ErUa des Min. für K. und ü. Tom 29. Februar 1908, Z. 10.052,
betreffend Wiederholungen aus der Physik in der YIL
Klasse der Realschulen 550
Verordnung des Min. für K. und U. vom 11. Juni 1908, Z. 26.651,
betreffend das Prflfen und Klassifizieren an Mittel-
schulen (Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen) 1031
Verordnung des Min. für K. und ü. Tom 21. Juni 1908, Z. 23.151,
an samtliche LandesschnlbehÖrden, betreffend die Zulassung
der AbsolTenten höherer Gewerbeschulen und ver-
wandter Anstalten zur Reifeprüfung an Realschulen 1086
Verordnung des Min. für K. und U. vom 8. August 1908, Z. 34.180,
betre&nd dieErrichtung von achtklassigen Realgym-
nasien und Reform-Realgymnasien 1037
FerMhung des öffentlichkeitsrechtes und Anerkennung des Rezi-
prositatsTerhaltnisses 551, 1037
Personal' und SehutnottMen,
Ernennungen 552, 1037
Auszeichnungen 559, 1054
Nekrologie 660. 1055
Zeitschrifkenschau Nr. 11 I— XIV
Fünfzehnter Jahresbericht der Deutschen Gesellschaft für Altertums-
kunde in Prag 191
Eingesendet. Von G. Niemann 192
Bemerkung. Von R. 8uppantschitsch 286
Erwiderung. Von J. Arbes 287
Ehrung des Landesschulinspektors Eduard Kuöera in Brunn 288
Berichtigung 288
Bericht über das sechste Vereinsjahr des «Wohlfahrtsvereines für
Hinterbliebene von Angehörigen des Mittelschnllehramtes in
Wien* 384
Entgegnung. Von A. Grimm 476
Erwiderung. Von A. Hausenblas 477
Frans Bücheier. Von Edm. Hauler 478
Erwiderung. Von W. Bauer 560
Entgegnung. Von G. Turba 564
Zu Alkmans Partheneion. Von R. G. Kukula 566
Erwiderung. Von H. Jurenka 567
Entffegnung. Von J. Strnadt 568
Erwiderung. Von B. Imendörffer 569
XXXIV
Seite
Professor Dr. Friedrich Bauer f. Nachraf. VonK. F. J^rnold 570
Fortbildungskurs für Mittel schullefarer an der böhmischen Uniyer-
sit&t in Prag 671
Fortbildungskurs für Hittelschullehrsr &n der k. k. Unirersität in
Gra» 671
Eingesendet 672
Zeitschriftenschan Nn 12 I-XIV
Berichtigung 864
Entgegnung. Von J. Arbes lO&ö
Erwiderung. Von K. Wo Hetz 1056
Berichtigung 1056
Entgegnung. Von H. Kleinpeter 1151
Erwiderung. Von Dr. N. Herz 1152
'.<"./
Erste Abteilung.
Abhandlungen.
Winekelmanns Eansttheorie in Goethes Fort-'
bildung.
In drei Epochen seines tiebens — in Leipzigs, in Italien, in
der Zelt der Yerbindoog mit Schiller — hat sich Goethe ,mit
Winckelmsnn beschäftigt, „das Verdienst nnd die Einwirkung
diasM wickern Mannes im einzelnen sich deutlich zu machen ge-
sneht"^); nnd ein imposantes Doppel denkmal sollte auch uns noch
anfmimtem zu Studium und Wertschätzung des ^außerordentlichen,
herrlicheo, längst Termißten Mannes"'): die selbst wieder zum
hdcbitan Kunstwerk erhobene Charakteristik des Menschen < durch
Ooethe, sowie die wertvolle Dresdener Ausgabe seiner Werke ^ auf
Goethes Antrieb und Anteil hin besorgt durch die bewährten Kunst-
beirftte FemoWt Meyer und Schulze.
Wie bedeutend die Einwirkung Winekelmanns auf Goethe sei,
wird nurgend bestritten ; aber ihr im einzelnen nachzugehen, ist — r-
•0 Tiel ich weiß — won keiner Seite unternommen worden, und wer
lieh daran wagt, erkennt alsbald die entgegenstehenden, kaum uber^
wiadlicfaen Schwierigkeiten: wie alle Philosophie blieb auch WinckeK
Banns Kunstiehre fflr Goethe wesenlos, so lange sie ihm. nicht Er-
kbnia geworden war; dann aber wurde sie für ihn der Kristalli«*
ntionspunkt, um den eigene nnd fremde Ideen zu fester Gestalt,
n bestimmtester Form kamen.
Wer daher unser Problem dogmatisch lösen wollte, käme nie
um Ziele. Es muß geschichtlich-entwickelnd behandelt werden und
wird uns von der Anschauung flberleiten zum Begriff und d^m Be-
triff wieder anschauliche' Erscheinung geben.
>) An SchiUer 21. Angust 1799 (Briefe 14» IfiO). AUe Zitate
te Weimarer Auagabe.
•) Aanalen 1805 (W. 35, 19S).
SiÜMkiifl 1 4. «fttir. Oyaui. I90e. L Heft.
XXXIV
Seite
Professor Dr. Friedrich Bsuer f. Nachruf. Von- K. F. Jlrnold 570
Fortbildungskurs für Hittslschu Hehrer an der böhmischen Univer-
sit&t in Prag 671
Fortbildungskurs für Mittelschullehi^er an der k. k. Unirersitat in
Gras 671
Eingesendet 672
Zeitschriftenschan Nr. 12 I—XIV
Berichtigung 864
Entgegnung. Von J. Arbes lO&ö
Erwiderung. Von K. Wollets 1056
Berichtigung 1056
Entgegnung. Von H. Eleinpeter 1151
Erwiderung. Von Dr. N. Herz 1152
Erste Abteilung.
Abhandlungen.
Winekelmanns Eansttheorie in Goethes Fort-'
bildung.
In drei Epochen seines Lebens — in Leipzigs, in Italien, in
der Zeit der Yerbindong mit Schiller — hat sich Goethe mit
Wiockelmsnn beschäftigt» „das Verdienst nnd die Einwirkung
diasM wsckem Mannes im einzelnen sich deutlich zn machen ge-
sucht" '); nnd ein imposantes Doppel denkmal sollte anch nns noch
safmimtem zu Stndinm nnd Wertschätzung des ^außerordentlichen,
herrlicheD, längst rermißten Mannes"'): die selbst wieder zum
hdcbstan Kunstwerk erhobene Charakteristik des Menschen • durch
Goethe, sowie die wertvolle Dresdener Ausgabe seiner Werke ^ auf
Goethes Antrieb nnd Anteil hin besorgt durch die bewährten Eunst-
beirlte Femow, Meyer und Schulze.
Wie bedeutend die Einwirkung Winekelmanns auf Goethe sei,
wird nirgend bestritten ; aber ihr im einzelnen nachzugehen, ist —
ao Tiel ich weiß — von keiner Seite unternommen worden, und wer
lieh dsran wagt, erkennt alsbald die entgegenstehenden, kaum ubert
windlidien Schwierigkeiten: wie alle Philosophie blieb anch Winckel^
Bsnns Kunstiehre fflr Goethe wesenlos, so lange sie ihm. nicht Er*
khois geworden war; dann aber wurde sie für ihn der Kristalli*'
lationspunkt, um den eigene nnd fremde Ideen zu fester Gestalt,
IS bestimmtester Form kamen.
Wer daher unser Problem dogmatisch lösen wollte, käme nie
xnm Ziele. Es muß geschichtlich-entwickelnd behandelt werden und
vird nns von der Anschauung flberleiten zum Begriff und d^m Be-
griff wieder anschauliche' Erscheinung geben.
'} An SchiUer 21. August 1799 (Briefe H 160). Alle ZiUte naeh
t Weimarer Antgabe.
*) Aanalen 1805 (W. 35, 198).
SMIiAiin t 4. «fttir. Oyaui. 190S. L Heft. 1
2 Winokelmanns Kanstthaorie in Goethes Fortbildang. Von E, OasUe,
Denn „BJd zweierlei Weise kann der Geist böchlicb erfreat
werden, dnrcb Anscbanong nnd Begriff. Aber jenes erfordert einen
wftrdigen Gegenstand, der nicht immer bereit, nnd eine Terh<nis-
m&ßige Bildung, za der man nicht gerade gelangt ist. Der Begriff
hingegen will nnr Empfänglichkeit, er bringt den Inhalt mit nnd
ist selbst das Werkzeug der Bildung** *).
Da Goethe in Leipzig Winckelmann kennen lernte, fehlte
fast jegliche Anschannng. Bei allen Ton öser angeregten Bemü-
hungen» welche sich anf Eonst nnd Altertam bezogen, hatten
Goethe und seine Jagendgenossen zwar stets Winckelmann vor
Augen, dessen Töchtigkeit im Vaterlande mit Enthusiasmus aner-
kannt wurde, zu dessen Bnhm alle Zeitschriften übereinstimmten,
dessen neue Ansichten sich über Wissenschaft und Leben yerbrei-
teten; man nahm seine ersten Schriften mit Andacht in die H&nde,
las sie fleißig, suchte sich die Umstände bekannt zu machen,
unter welchen diese merkwürdigen und doch mitunter so rfttsel-
haften Erzeugnisse entstanden waren, nahm es aber dabei nicht
sehr genau: denn die Jugend will lieber angeregt als unterrichtet
sein'). Sie staunte als Meteore an, wer zeichnen und Griechisch
konnte, kramte viel Wissens aus, Ton Battenx bis zu Wood, von
De Files zu Winckelmann, las Sulzers Theorie durch, verschaffte
sich etwa noch ein Manuskript von Heyne über das Studium der
Antike und — ließ es im übrigen gut sein*), wogegen Lessings
„Laokoon* auf die jugendlichen Gemüter eine unendliche Wirksam-
keit ausübte, indem „dieses Werk aus der Region eines kümmer-
lichen Anschauens in die freien Gefilde des Gedankens hinriß"^).
Trotzdem Goethe manche Antiken gesehen, gesammelt und
selbst besessen hatte, blieben seine Augen auf diese Gegenstände
nicht geübt; vieles sprach ihn gar nicht an, ohne daß er sagen
konnte, warum ^): es fehlte Anschauung und Begriff.
Winokelmanns wird in den Weimarer Jahren vor der Italie-
nischen Reise kaum mehr gedacht und die Schriften seines Geistes«
verwandten, des Malers Menge hinterlassen das halbpeinliche Ot-
fühl: f^Dh lernt man sich bescheiden, daß eigentlich niemand als
ein solcher Künstler über die Kunst reden sollte^'). Erst in Rom
verdankt Goethe ihren Ideen glückliche Erleuchtungen, „weil er
jetzt die sinnlichen Begriffe besitzt, die notwendig vorausgehen
müssen, um nur eine Zeile des Werks recht zu verstehen'*^).
Aber die Selbsterziebung, die Goethe in dieser Zeit energisch
betreibt, bringt ihn einem Winckelmannschen Ideal, und damit dem
n Dichtang und Wahrheit 8. Booh (W. 27, 164).
*) Ebenda (27, 182. 161. 183^
*) Die Leiden des jangen Werthers (W. 19, IS).
«) Dichtung nnd Wahrheit 8 Bach (W. 27, 164).
•) Ital Bdiie, 6 Sept. 1786 (W SO, 10).
•) Goethe an G. t. Knebel, 26. Febraar 1782 (Er. 5, 272).
*) IUI. Reise, 1. Mürs 1788 (W. 82, 289).
l^MkalmaBDa KoDiitiioona in Goethes Foribildongr. Von E. Ca9ik. 3
Ventindnia WinckehBaimseben OeisUe fiborbanpt, n&ber: GooUm
ringt nach Stille.
«Die 8iille wnrde naeb dem Plato als der Znstand betracbtet,
weleber das Mittel ist zwiscben dem Scbmene nnd der FrOblieh-
keit; und eben deswegen ist die Stille derjenige Zastand, welcher
der Schönheit» ao wie dem Meere, der eigentlichste ist, nnd die
Srfabning leiget, dafi die schönsten Menschen Ton stillem, gesit-
tetem Wesen sind. Eben die Fassung wird in dieser Absicht in
dem Bilde sowohl als in dem, der es entwirft, erfordert: denn es
kann der Begriff einer hohen Schönheit anch nicht andern erienget
werden als in einer stillen nnd von allen einzelnen Bildungen ab-
gemfeaen Betrachtung der Seele. AnAerdem ist die Stille nnd die
Enhe im Menschen nnd bei Tieren der Zastand, welcher nns f&hig
■achet, die wahre Beschaffenheit und Eigenschaften derselben zn
aatersncben nod zn erkennen, so wie man den Qrnnd der Flflsse
ud des Meeres nur entdeckt, wenn das Wasser still nnd unbewegt
ist; und folglich kann auch die Kunst nur in der Stille dag eigent-
liche Wesen derselben ausdrücken ** ^).
„In allen Stellungen, die tou dem Stande der Buhe zu sehr
abweichen, befindet sich die Seele nicht in dem Znstande, der ihr
der eigentlichste ist, sondern in einem gewaltsamen und erzwun-
genen Znstande. Kenntlicher nnd bezeichnender wird die Seele in
heftigen Leidenschaften ; groß aber und edel ist sie in dem Stande
der Einheit, in dem Stande der Bähe"*').
Es ist der Geist der vorgeahnten echten Winckelmannscben
Antike, der in nlpbifir^nio'' d^o ruhigen Gang, diese fast g&nz-
üche Entäußerung der Leidenschart bildet, so daß sie einem Opfer
gleicht, dessen Bauch, von einem sanften Luftdruck niedergehalten,
an der Erde hinzieht, indessen die Flamme freier nach der Höhe
zn gewinnen sucht').
Und noch von zwei anderen Seiten her, in Weimar, wurde
Goethe reif gemacht für die reine Anschauung der Antike: durch
Shaftesbury und Spinoza.
Der geistbelebende nnd geistdurchflntete Mystizismus Plotins*
erneut eich gleicherweise in Shaftesbury wie in Winckelmann.
Winckelmann lAßt eich zwar nicht ein auf die Plotin entnommene,
fftr ihn unfruchtbare Scheidung Shaftesburys von drei Klassen der
SebOnbeit: toter Formen ohne Geist und Tätigkeit (im Natur- und
Knnstgegenstand), bildender Formen mit Geist und Tätigkeit (im
Meoachen), endlich der Geist nnd Tätigkeit hervorbringenden Form
alkrbOchster, unvergleichbarer originaler Schönheit in Gott — er
gebrancht auch nicht den Plotin wie Shaftesbury geläufigen Ana-
>) Winckelmanns Werke (Dresdener Aotgabe) IV 187 f.
") Diese aaf eaitesianijcbo Ideen lorOekgebeBde Polemik gegen
Dnboa und die von ihm abhäogigen Aatbeliker is. B. Meier) ebenda 1 88.
*) ItaL Beise 10. Jaannr 1797 (W. 39> 949).
t WiDckelmaons Emitttheoria in Goethes Fortbildnng. Von E, OaHU.
zu haben'), und so wurde denn auch WiDckelmanDs Geecbichie
der Knnst ein treuer, in seinem Werte immer mehr gewürdigter
Fibrer*), ein danerbafter Faden durch die labyrintbieehen Ginge
der TerBcbiedenen Knnatepoehen ').
Hier, an dem Terscbiedenen Stil, dessen sich die Yölker be-
dienten, den sie in Folge der Zeiten nach nnd nach ansgebildet
nnd znletzt wieder rerbildet hatten^), konnte Goethe den Begriff
gesetzmäßiger Entwicklung wieder erkennen, den ihn die Natar-
betrachtong schon gelehrt, den er aber ffir die Konst doch nicht
frflher fest/ansetzen sich getränt hatte, bevor er nicht ffir ihn
zugleich den Charakter des Erlebten gewonnen hatte. Das ist aber
das unvergängliche Verdienst Winckelmanns um die gesamte Kultur
der Menschheit, daß er zuerst lehrte, „die Werke der Kunst nach
der Weise und den Gesetzen ewiger Naturwerke zu betrachten, da
Tor und nach ihm alles andere Menschliche als Werk gesetzloser
Willkür angesehen und demgemäß bebandelt wurde* ^).
Der Tollständige Parallelismus von Kunst und Natur, mag
er auch schon früher unter dem Einfluß Shaftesburjs geahnt
worden sein, ist in der Tat die erste große Erkenntnis, die aus
Winckelmanns Lebenswerk geschöpft wird: „Außer den Gegen*
ständen der Natur, die in allen ihren Teilen wahr und konsequent
ist, spricht doch nichts so laut als die Spur eines guten verstän-
digen Mannes, als die echte Kunst, die ebenso folgerecht ist als
jene"«).
Kaum war eine etwas tiefere Einsicht erlangt, als sich eine
zweite Betrachtung über die griechische Kunst im besonderen auf-
drängte und zu erforschen suchte, wie jene unvergleichlichen
Kfinstler verfuhren, um aus der menschlichen Gestalt den Kreis
göttlicher Bildung zu entwickeln, welcher vollkommen abgeschlossen
ist und worin kein Hanptcharakter so wenig als die Übergänge
und Yermittlnngen fehlen^). Nach Winckelmann hatten sich die
Kfinstler dabei der eklektischen Methode bedient, einen Auszug der
schönsten Formen gleichsam zusammengeschmolzen und aus diesem
Inbegriffe war wie durch eine neue geistige Zeugung eine edlere
Geburt entstanden«); sie hatten, mit Lessing zureden, geschaffen,
wie sich die plastische Natnr das Bild dachte: ohne den Abfall,
welchen der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne das
') Verzeichnis der geschDittenen Steine im Berl. Mas. (W. 49, 116).
*} Goethe an Karl Aof^ost, 20. Januar 1787 (Br. 8, 137).
») Ital. Reise, 8. Mai 1787 (W. 81, 187).
«) Ital. Reise, 28. Januar 1787 (W. 80, 264).
') Scbelling, Ober das VerhältDis der bildenden Kfinste zu der
Natur. Sämtliche Werke. I.Abteil. VII 298.
•) Ital. Reise, 18. Dezember 1786 (W. 80, 2S5).
') liHl. Reise, 28. Januar 1787 (W. 80, 264 f.).
^) Wineki*lmanD8 Werke IV 71; vgl. Cicero fiber den Zeus des
Phidias Or. 8, 10.
Wiacktlmuiaa KoostthMri« in Goethes Fortbildnog. Von E* (hutlA, 7
Verderb» mit welchem die Zeit dagegen ank&mpft'). Diese Anf-
Cuemig ist Goethe nicht ganz fremd geblieben (s* unten); aber
anch ihm sind die Bedenken Berninis anfgestiegen^ wie aas solchen
lebOnsten Teilen sich ein schönes Ganzes zasammensetzen ließe,
aad ob denn nicht fdr die Operation des Genies, indem es sich
der Erfahmngselemente bedient, der Aosdmck „znsamtnensetzen"
va niedrig sei?') «leb habe eine Vermntnng'', schreibt er'), ,,daß
die griechischen Känstler nach eben den Gesetzen verfahren, nach
welchen die Natnr Terffthrt nnd denen ich anf der Spnr bin. Nor
ist doch etwas anders dabei, das ich nicht anszusprechen wflßte.^
Voll Eifer sacht Goethe in Sizilien die Bobriken des V^inckel-
■snnschen Schemas der Tier griechischen Stilarten mit bestimmten
Kaastwerken aoszofflUen. Aber sein urteil ist aasicher and greift
noch fehl.
Ad der liegenden Statae der heiligen Bosalie Ton demi Flo-
mtiner Gregorio Tedeschi in deren Grotte aaf dem. Monte Pelle-
grino findet er „Kopf and Hände von weifiem Marmor, ich darf
nicht sagen, in einem hohen Stil, aber doch so. natftrlich and ge-
flUtg gearbeitet, dsft man glaubt, sie müßte Atem holen and sich
bewegen. Ein kleiner Engel steht neben ihr und scheint ihr mit
emem Liltenstengel Eühlnng zazawehen" ^). Es ist ein sfißliches,
gezierte« Machwerk ans dem 17« Jahrhundert, nicht ^lu ,Tergleiehen
■it semsD Termutlichen römischen Vorbildern , Mademas l^eiliger
Cicilia oder Menghinos heiliger Martina» Goethes Urteil, ist an-
begreiflieb : wenn fdr eine Heilige, so w&re gerade fflr diese nach
Wiackelmanns Andeatung^) als Modell der Typus der Amazone,
des Doberflbrten sieghaften Heldenmftdchens, za w&blen gewesetn -^
and Goethe hatte doch auch schon damals gute Beiepiele forden
heben Stil, die Juno Ludovisi, die Medusa Bondanini, kennen
gtlent
Bester gelang die Bestimmung des Hippolytsarkophages zu
Girgenti : „Mich dfinkt ton halberhabener Arbeit nichts Herrlicheres
gesehen zu haben; zugleich ToUkommen erhalten. Es soll mir
einstweilen als ein Beispiel der anmutigsten Zeit griechischer Kunst
geheD** ^ In der Tat Ist es eine römische Kopie nach einem guten
griechischen Original Tom Anfang des IV. Jahrhunderts.
Aber Sizilien ist flberbanpt nicht der geeignete Boden, am
Stadiea fiber Plastik anzustellen. Das Interessanteste und SchOnste
<) »Emilia Galottl* 14.^ Der Begriff einer plattisehen Natur,
laf Arietotelee zurückweisend, von Gadwortb wieder aufgenommen, fuhrt
sehoo Harris, den Lessing und Herder kannten, zu aatiteleolegisehea
Felgemageu.
*) Goethe an Schiller, 28. Febr. 1798 (Br. 18, 82).
•) Ital. Reise, 28. Jinner 1787 (W. 80, 265).
«) ItaL Beiee, 6. April 1787 (W. 81, 104).
" Wiackelmanns Werke IV 180.
ItaL Reise, 24. April 1787 (W. 81, 159).
'i
8 wWclJelmairiis KmiitllheoriÄ in OoeÜiM FortbildoDg. Von JB?. ÖaiHe.
sehVifii Öoetbb auch gar nicht gesehen zu haben. Einen nnan»-
löBchluheren Eindruck als alle Architekturreste, Münz- nnd Me-
daillenkiinde machte die wnndersamBte Anmut dee Landes, machte
der Beiz wagemutig bestandener Abenteuer, bei denen mehr als
einmal O'dysseus der Patron angerufen und seine Vorspräche bei
PallÄs^thene erbeten werden mußte*). '
Der Gewinn der siziliscben Monate ist ein anderer: hier
ward fiomer ergriffen, der Unterschied zwischen den Alten und
Modernen erfaßt, in der Urpflanze ein Modell und Schlfissel ent-
deckt, mit dem man Pflanzen ins Unendliche erfinden kann, die
konsequent sein müssen, d. h. die, wenn sie auch nicht ezistierent
doch existieren könnten, innerliche Wahrheit und Notwendigkeit
baben,ein Ghesetz, von dem Goethe hoffte, daß es sich auf alles
übrige Lebendige werde anwenden lassen'}; nun glaubte er auch
den Eapitalscblüssel gefunden tu haben, die Kunstwerke zu er-
klären und das auf einmal aufzuschließen, woran Künstler und
Eennilr sieh schon seit der Wiederherstellung der Kunst sersuchen
und zerstudieren: ,;bo viel, meint er*), ist gewiß, die alten Künstler
habeb ebenso große Kenntnis der Natur und einen ebenso sichern
Begriff von dem, was sich yorstellen Iftßt und wie es Torgestellt
werden muß, gehabt als Homer. Leider ist die Anzahl der Kunst-
werke der ersten Klasse gar zu klein ^). Wenn man aber auch
diese sieht, so hat msn nichts zu wünschen, als sie recht zu er*
kennen und dann in Friede hinzufahren. Diese hohen Kunstwerki
sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach
wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht worden. Alles
WiSkürliche, Eingebildete fiUt zusammen, da ist die Notwendig-
keit, da ist Gott**. Oder wie sich Goethe später in den Anmer-
kungen zu „Diderots Versuch über die Malerei'' erkl&rt*): „Die
Künstler bilden durch Beispiel und Lehre, nachdem die Kunst
sich lange empirisch fortgeholfen hat, endlich die Segeln der
Kunst. Aus ihrem Geiste und ihrer Hand entstehen Proportionen^
Formen, Gestalten, wozu ihnen die bildende Natur den 8toff dar-
reichte; sie kon?enieren nicht über dies und jenes, das aber
anders sein könnte, sie reden nicht miteinander ab, etwas Un-
geschicktes für das Bechte gelten zu lassen, sondern sie bilden
zuletzt die Segeln aus sich selbst, nach Kunstgesetzen, die ebenso
wahr in der Natur des bildenden Genias liegen, als die große all-
gemeine Natur die organischen Gesetze ewig tätig bewahrt''.
VfBün Hirt, die alte platonisch-aristotelische Streitfrage wieder
anfwerfend, gegenüber Winckelmann behauptete, das Cbarak-
teristisehe und Individuelle sei Grundlage des Kunstschönen» b*-
1) Ebenda, 18. Mai 1787 (W. 81, 212).
*) Ebenda, 17. Mai 1787 (W. 81, 240).
*) Ital. Seise, 6. Sept. 1787, (W. 81, 77 f.).
*) Ein MengSBcher bedanke, TgL Jasti, Winckelmann* II $0.
•) W. 45, 267 f.
Kmatttieoile in GiraUiat Foribiidmig. ¥#& £. OasUi. k 9
Mb M die ideale Daratellaag der Oötter and Heroen oder jeden
Inderm gemeinen oder niedrigen Oegenstand« so mußte nun
Oeikhe folgerecht entwickeln , .daß freilich der Charakter jedem
Kanstwerk anm Grande liegen mösae,. die Behandlang aber dem
Schönheitasinne nnd dem Geschmack anemprohlen sei, welche einen
jedsn Charakter in seiner AngemesBenheit sowohl als in seiner An-
mot darxastellen haben**^), oder wie es im „Sammler und den
Seinigen** heißt: „Das Charakteristische liegt zum Grande, aaf
ihm ndien Einfalt and Wflrde^ das höchste Ziel der Kanst ist die
Schönheit and ihre letzte Wirkung Gefühl der Anmnt** >).
Far die Aasbildang nnd Abrnndang von Goethes Kaostlehre
werden noch Herders .„Gott** and der dritte Teil der „Ideen", die
aller schlechten Teleoiogie den Garaas machten, and darein mfln-
dead Moritz^ Gedanken „über die bildende Nachahmung des Schönen**
•ntscheidendy die jenes früher als unaussprechlich Empfnndene aus-
zusprechen sachten: das Kunstwerk faßt wie in einen Brennpunkt
die vollkommensten Verhältnisse des großen Ganzen der Nator,
ebenso wahr und so richtig wie sie selbst« in seinen kleinen Um?
fang als ein für sich selbst bestehendes Ganzes; \ß diesem Sinn
ist ee in eich selbst vollendet nnd Selbstzweck, e^ will hervor-
gebracht nnd empfunden, nicht aber erkannt nnd genossen werden*)«
Ton hier ans schlug sich, wenn wir um ein paar Jahre vorgreifen
dürfen, wie von selbst die Brücke zu Kaut und Schiller« die
Kenst und Natur nebeneinander stellten, sie wohl für einander,
aber nicht absichtlich wegen einander besteben ließen und beiden
das Reeht sagestanden, aus großen Prinzipien zwecklos zu handeln ^).
Gleichsam um die Summe des Erlernten und Erlebten zu zieheui
besachte Goethe vor der Abreise die französische Akademie, wo die
Abgüsse der besten Statueo des Altertums beisammeo stehen. „Wie
könnt* ich ausdrücken, was ich hier, wie zum Abschied, empfand?
Is solcher Gegenwart wird man mehr, als man ist; man fühlte
das Würdigste, womit man sich beschäftigen sollte, sei die mensch*
liehe €kstalt, die man hier in aller mannigfaltigen Herrlichkeit
gewahr wird. Doch wer fühlt bei einem solchen Anblick nicht also-
bald, wie unzulänglich er sei; selbst vorbereitet steht man wie
vernichtet. Hatte ich doch Proportion, Anatomie, Begelmäßigkeit
der Bewegung mir einigermaßen zu verdeutlichen gesucht < hier
aber fiel mir nur zu sehr auf, daß die Form zuletzt alles ein-
ichliefie, der Glieder Zweckmäßigkeit, Verhältnis, Charakter und
fichönhect** *). „Eine vollkommene Nachahmung der Natur ist in
keinem Smne möglich, der Künstler ist nur zur Darstellung der
>) Ital. Beiie, November 1787 (W. 82, 152).
•) W. 47, 168.
•) IUI. Beiee, März 1788 (W. 82, 802 f.).
') Emwirkong der neaeren Philosophie. — Goethe an Zelter, den
».Jaaoar 1880.
•) ItaL Beise, 11. Aprtt 1788 (W. 82, 317).
10 Winckelmaniu Knntttbeori« in GotUiM Fortbildimg. Ten S. OaiOe,
Oberfläche einer ErsebeiDiiiig berafen. Du Äußere des Oef&ßee,
das lebendige Ganze, das tu allen ansem geistigen und sinnlichen
Kräften spricht, unser Verlangen reizt, nnsem Geist erhebt, desseo
Besitz ans glöcklich mscht, das Lebenvolie, Kräftige, Ausgebildete,
Schöne, dahin ist der Kfinstler angewiesen*' ^).
Wieder ist Goethe zaräckgefflbrt, dem höchsten Gedanken
nachzudenken, zu dem die Natur schaffend sich aufschwang:
«Die heiliffs Mwe
Bringt harmonisch ihn dir, mit sanftem Zwange belehreBd.
Keinen hohem Begriff erringt der sittliche Denker,
Keinen der tätige Mann, der dichtende Kflnatler; der Herrscher,
Der Terdient, es so e«'iD, eifrent Dor dnr« b ibn sich der Krone.
' Freoe dich, höchstes Geschöpf, der Nator!
Dieser scbCne Begriff Yon Maclit ond Schranken, von Willkflr
Und Gesetz, von Freiheit and Maß, von beweglicher Ordnung,
Vorzog und Mangtl eifreue dich hocbl**
(Metamorphose der Tiere.)
So stehen wir denn am Ende aller Kunstanscbauung wieder
beim reinen Begpriff, ein Weg, den in gleicher Art Sokrates, Ari«
Btoteles, Plato, Winckelmann zurückgelegt haben. Es fand Goethes
▼oUen Beifall, da ibn diesen Weisen Wilhelm von Schütz an-
reihte'): MG^ro^^^rt Winckelmann das Geffibl, mit welchem uns
Plato ergreift, daß er sich noch nicht vollkommen ausgesprochen
habe, daß er sich aucb nie vollkommen aussprechen könne und
werde; so ist Goethe der dritte Gei^t, den dasselbe charakterisiert»
als Dichter, als Weltbeobachter, als Natorkundiger. Betrachte man,
wie wenig er mystisch ist in seiner Poesie, wie er das Geheimnis
nie in den Stoff legt, wie dieser vielmehr als ruhige, klare, durch-
aus verständliche und begreifliche Naturnotwendigkeit dem Leser
nahe tritt; aber man bedenke zugleich, wie wir, wenn das Gedicht
geschlossen, uns zunächst an der Pforte fahlen, jenseit welcher
das große Allgeheimnis schlummert, aus dem sein Werk hervor-
getreten."
Hatte Goethe in seiner Jugend WeltschOpfung, Kunstscböpfung
und physische Zeugung so oft als ähnliche Vorgänge betrachtet, so
gewann das alte Bild jetzt för ihn neoe Bedeutung: der Künstler
hatte in der Tat die Natur nachzobilden , mit ihr zu wetteifern,
etwas, das ihren Erscheinungen ähnlich ist, etwas Geistig -Orga-
nisches hervorzubringen').
„Das letzte Produkt der sich immer steigernden Natur ist
der sch6ne Mensch. Zwar kann sie ihn nur selten hervorbringen,
weil ihren Ideen gar viele Bedingungen widerstreben, und selbst
ihrer Allmacht ist es unmöglich, lange im Vollkommenen zu ver-
weilen und dem hervorgebrachten Schönen eine Dauer zu geben;
>) Diderots Versacb .fiber die Malerei (W. 45, S54 f.).
*) Zcr Morphologie (W. 2. Abt. 6, 211 f.).
') Einleitoug in die Propyläen (W. 47, 11 &).
ITOBckalaianBt Kuwithaoiie in Goethes Fortbildvog. Yon JBL OaaÜe. 11
teo gena« peooDiiDen kann man sagpen, es eei nur ein Augen-
blick» in welchem der schöne Mensch schön sei.
Dagegen tritt nnn die Kunst ein; denn indem der Mensch
asf den Oipfel der Natnr gestellt ist, so sieht er sich wieder als
eine ganze Natnr an, die in sich abermals einen Oiprel herrorzn-
briagea hat. Dazu steigert er sich, indem er sich mit allen Voll«
kemmenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl, Ordnung, Har-
BODie und Bedeutung aufruft und sich endlich bis zur Produktion
des Kunstwerkes erhebt, das neben seinen übrigen Taten und
Werken einen glänzenden Platz einnimmt.
Ist es einmal hervorgebracht, steht es in seiner idealen Wirk-
lichkeit vor der Welt, so bringt es eine dauernde Wirkung, es
bringt die hOehste h»r?or: denn indem es aus den gesamten Kräften
lieh geistig entwickelt, so nimmt es alles Herrliche, Yerehrungs-
aod Liebenswfirdige in sich auf und erhebt, indem es die mensch-
liche Gestalt beseelt, den Menschen über sich selbstt schließt
leioen Lebens- und Tateukreis ab und vergöttert ihn für die
Gegenwart, in der das Vergangene und Künftige begriffen ist. Von
tolchen Gefühlen wurden die ergriffen, die den olympischen Jupiter
•rblickten: der Gott war zum Menschen geworden, um den Men-
icben zum Gott zu erheben. Man erblickte die höchste Würde und
wird für die höchste Schönheit begeisterf ^).
Dies ist der höchste Grad, welchen die Kunst je erreicht
hat und je erreichen kann; diesen Grad auch nur erkennen, ist
BcboD eine groGe Glückseligkeit, und davon sich mit Verständigen
onterbalten, ein edles Vergnügen; dahin zu gelangen, darf sich
den höchsten menschlichen Bemühungen gleichstellen: ihn allein
will Goethe als Stil bezeichnet wissen.
Insofern Stil auf Nachahmung der Natur beruht, auf der
Bemühung sich eine allgemeine Sprache zu machai, auf genauem
Bod tiefem Studium der Gegenstände selbst, ist er an Dasein,
Sinnlichkeit, Endlichkeit geknüpft; indem er die Eigenschaften der
Dinge nnd die Art, wie sie bestehen, genau und immer genauer
keoaeD lernt, die Beihe der Gestalten übersieht, die verschiedenen
charakteristischen Formen nebeneinander zn stellen und naohzn-
ahmen weifi, beruht er auf den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis,
snf dem Wesen der Dinge, insofern nns erlaubt ist, es in sicht-
baren und greifliehen Gestalten zu erkennen, und leitet so ins
Obeiainnliehe, in ahndevoile Onendlichkeit').
So ist das Kunstwerk wahr und doch nicht wirklich, natür-
lich zugleich und übernatürlich, Einzelfall und doch von allge-
■eiaer Bedeutung, es verkörpert das Sinnlich «Höchste und läßt
das Sittlich -Höchste ahnen.
D WiDckelmann und sein Jahrhundert (W. 46, 29 f.).
') Emfaehe Nschahmung der Natur, Manier, Stilt W. 47, V
12 WundnUnannil Kunattheori« in Gpeihet Foribildiug. Von EJCasOe.
Da WiDckelmaon nach Born kam ond die Statuen des rali-
kaniscben BeWedere sah, »faßte er mit dem Sinn onanseprech-
liche Werke, und doch fählte er den nnwiderstehlicben Drang, mit
Worten und Bachetaben ihnen beizakommeo. Das Toilendete Herr-
liche, die Idee, worans diese Gestalt enteprang« das Geföhl, das
in ihm beim Schanen erregt ward, sollte dem Hörer, dem Leeer
mitgeteilt werden, nnd indem er nnn die ganze Bnstkammer seiner
Fähigkeiten mustert, siebt er sich genötigt, nach dem Er&ftigeteii
und Würdigsten zu greifen, was ihm zugebote steht. Er muß Poet
sein, er mag daran denken, er mag wollen oder nicht** ^). Im
Apollo verkündet er religiös -verzückt das Wunder der Erscheinung
der Gottheit; der Torso ist ihm ein Bild des vergötterten Her-
kulek, welcher auf dem Berge Ota von den Schlacken der Mensch*
heit gereinigt worden, eine Zusammenfassung der tatenreichen Ge-
schiente des Helden; es ist das plastische Kunstwerk, welches
Schiller vorschwebte bei der Charakteristik der sentimentalisehea
Idylle. Diese Betracbtungsart weiter verfolgend will Goethe auch
Laokoon bloß als Namen bei dieser Gruppe gelten lassen: es ist
eine tragische IdjUe; ein Vater schlief neben seinen beiden Söhnen;
sie wurden von Schlangen umwunden und streben nun, erwachend,
sich aus dem lebendigen Netze loszureißen').
Ein jedes dieser Bildwerke ist ein Symbol: die Erscheinung
verwandelt sich in Idee, die Idee in ein Bild und so, daß die
Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt
und, selbst in allen Sprachen auegesprochen, doch unaussprechlich
bliebe'). „Die Bildhauerkunst wird mit Becht so hoch gehalten,
weil eie die Darstellung auf ihren höchsten Gipfel bringen kann
und muß, weil sie den Menschen von allem, was ihm nicht wesent-
lich ist, entblößt** ^). Dasselbe liegt aber auch in der Natur der
Poeäe: „Sie spricht ein Besonderes aus, ohne ans Allgemeine an
denken oder darauf hinzuweisen. Wer nun dieses Besondere
lebendig faßt, erhält zugleich das Allgemeine mit, ohne es gewahr
zn werden, oder erst spät**'). ,,Der Geist vernünftig denkender
Wesen**, erklärt Winckelmann'), „hat eine eingepflanzte Neigung
und Begierde, sich über die Materie in die geistige Sphäre der
Begriffe zu erheben, und dessen wahre Zufriedenheit ist die Her-
vorbringnng neuer und verfeinerter Ideen.**
Ob nun die Normalformen der bildenden Natur oder die G«-
genstände heiliger Verehrung aus der Hand des Künstlers horvor-
gehen sollen, immer wieder führt ihn die Kunst hinaus über die
Natur, hinab zu den Urmüttern, hinauf zu den Urbildern alles
, 1) Winckelmaon nnd sein Jahrhundert (W. 46, 56 f.)
>) Ober Laokoon (W. 47, 106 f.).
*) Sprüche 743.
«) Über Laokoon (W. 47, 106).
*} Sprüche 363. .
Vf) WinckefmaDQs Werkq IV 71
IjVlickalmuum Koatttheorle in Ooetbet Fortbildiing. Von E, CasÜei 13
Sains: ,,bi«riii ist die KvDBtwabrheit bescblossen, nach welcher der
t^to geaetzgebeDde Künstler strebt; nar der gesetzlose« der einem
blinden Triebe folgt, strebt nach Natnrwirklicbkeit; durch jenen
wird die Kanst znm höchsten Gipfel, durch diesen auf ihre nie-
derste Stnfe gebracht**^). „Die Alten, weit entfernt von dem mo-
dernen Wahne, daß ein Kunstwerk dem Seheine nach wieder ein
Katorwerk werden mflsse, bezeichneten ihre Kunstwerke als solche
durch gewählte Ordnung der Teile; sie erleichterten dem Auge die
Einsieht in die Verhältnisse durch Symmetrie; und so ward ein
fsrwiekeltes Werk faßlich**»).
«Die Klarheit der Ansicht, die Heiterkeit der Aufnahme, die
Leichtigkeit der Mitteilung, das ist es, was uns entzöckt; und
wion wir nun behaupten, dieses alles finden wir in den echt grie«
ehischen Werken, und zwar geleistet am edelsten Stoff, am wftr-
digsten Gehalt, mit sicherer und Tollendeter Ausfäbrung, so wird
■an uns rerstehen, wenn wir immer von dort ausgehen und immer
dort hinweisen. Jeder sei auf seine Art ein Grieche ! Aber er sei's** %
Der alte Goethe sagte zu Eckermann ^): „Das Klassische
nenne ich daa Gesunde und daa Romantische das Kranke. Das
Dsiste Kenere ist nicht romantisch, weil es neu, sondern weil es
schwach, kränklich und krank ist; und das Alte ist nicht klassisch,
weil ea au, sondern weil es stark, frisch, froh und gesund ist.**
Diese Anffaasang begegnet schon in «Winckelmann und sein Jahr-
hundert^, wo Goethe Antikes und Heidnisches*) zu charakterisieren
sucht Daa glfickliche Los der Alten, besonders der Griechen in
ihrer besten Zeit, war es, daß sich die sämtlichen Eigenschaften
gleichsam im Menschen vereinigten, wodurch er in den Stand ge-
setzt war, daa Einzige, ganz Unerwartete zu leisten. Ohne weitem
Umweg fählten die Alten sogleich ihre einzige Behaglichkeit inner-
halb der lieblichen Grenzen der schönen Welt Hierher waren sie
gesetzt, hiezu berufen, hier fand ihre Tätigkeit Baum, ihre Leiden-
schaft Gegenstand und Nahrung. Jenes Vertrauen auf sich selbst
jeaea Wirken in der Gegenwart, die reine Verehrung der Götter als
AhnherreD, die Bewunderung derselben gleichsam nur als Kunst-
werke, die Ergebenheit in ein übermächtiges Schicksal, die in dem
hohen Werte des Nachruhms selbst wieder auf diese Welt ange-
vieeene Zukunft gehören so notwendig zusammen, machen solch
ein aozertrennlichee Ganze, bilden sich zu einem von der Natur
•elbet beabsichtigten Zustand des menschlichen Wesens, daß wir
hl dem höchsten Augenblicke des Genusses wie in dem tiefsten
der Anfopferung, ja des Untergangs, eine unTerwfistliche Gesund-
k«t gewahr werden. Aber nicht allein das Glfick zu genießen.
I) Blaleitung in die Propyläen.
*) Über Laokoon (W. AT, 104).
•) Antik nnd modern (W. 491, 155 f.).
' 2. April 1829 (Qeepr. 1122).
- 4«, 21 Jf. '
*) 2.A
*) W.
14 Winekelmaans Kouttheerie In Qoethes Fertbildnng. Yen E. OasOe.
BODdeni ancb das Unglück zu ertrageD^ waren {ene Natoren hOeh-
Uch gesebickt; denn wie die gesande Faser dem Obel widerstrebt
nnd bei jedem krankbaften Anfall sieb eilig wieder berstelU, so
vermag der jenen eigene gesunde Sinn sieb gegen inneren und
&nßeren Unfall gescbwind nnd leicbt wieder berznstellen. — Naeb
einerlei Weise lebte der Dichter in seiner Einbildungskraft« der
Gesebichtscbreiber in der politiseben, der Forseber in der natQr-
licben Welt. Alle bielten sieb am Nächsten , Wabren, Wirklicbea
fest, und selbst ihre Pbantasiebilder haben Koocben nnd Mark.
Der Mensch nnd das Menschliche worden am wertesten geachtet
nnd alle seine inneren , seine äußeren Verhältnisse zur Weit mit
so grpßem Sinne dargestellt als angeschaut. Wogegen sieh der
Neuere fast bei jeder Betrachtung ins Unendliche wirft « nm zu-
letzt, wenn es ihm glückt, auf einen beschränkten Punkt wieder
zurückzukehren. Nur dasjenige, was gedacht oder empfunden worden,
scheint für ihn einigen Wert zu gewinnen; das Gefühl, die Be-
trachtung sind zerstückelt, in der gesunden Menschenkraft ist eine
kaum beilbare Trennung vorgegangen.
Das Idealgemälde des Griechentums, welches hier entworfen
wird, geht unmittelbar auf jene Zage zurück, die Winckelmann
zur Begründung des Vorzugs der griechischen Kunst ^) geliefert
hatte und die ebenso für Schiller, Wilh. v. Humboldt, F. Schlegel
volles kanonisches Ansehen besaßen.
Goethe übernimmt und teilt Winckelmanns Auffassung wie
seinen Grund- und Uanptiritum: „im Hinblick auf die vorwiegend
plastische Oberlieferung der antiken Kunst identifizierte man Kunst
nnd Plastik; im Hinblick auf die Vollkommenheit der hellenischen
Plastik, Plastik mit hellenischer Plastik; da man endlich nur einen
geringen Teil der hellenischen Plastik kannte» diesen zufällig he*
kannten Teil mit der Kunst überhaupt.*'
So hatte schon Winckelmann der Enthusiast, von der An*
Bebauung der griechischen Bildkunst überwältigt, das Malerische
in der neueren Kunst befehdet; so war Lessing, als Gesetzgeber
ein frostiges BegrifTsschema handhabend, zu engherziger Begrenzung
der Malerei gekommen ; so forderten nun die Weimariscben Kunst-
freunde, daß sich die Malerei den Gesetzen der Skulptur unter-
werfe, ohne dem Umgekehrten stattgeben zu wollen. Totheit, Un-
lebendlgkeit, charakterlose Obeifläcblichkeit waren, wie Schelling
und Hegel feststellten, die beklagenswerten Folgen dieser Sucht
nach vermeintlich idealischer Darstellung in den bildenden Künsten.
Ganz anders in der Poesie. Bei dem Versuche, „ans der
wässerigen, weitschweifigen, nullen Epoche sich berausznretten'*'),
war man, dem Zeitsinn folgend, zuerst auf das Malerische ge-
kommen, um damit nichts zu erlassen als „ein Gastgebot auf
0 Winckelmanna Werke IV 8 iL
*) DiebtUDg und Wahrheit, 7. Buch (W. 27, 88>
WiMkalmaont KuBtttbMrie in Goethes Fortbildnag. Vm JS*. CkutU. 15
kstor BrflheB''^). Indem Klopstock die wiedergeborene Musik anf
deb wirken lieft.^war er wohl zn Form nod Gebalt gelangt, anpb
ins Soblime nnd Ätherische geraten« aber gerade dadurch ins Ver-
fifiebtigendo, eich aelbst Auflösende « Stofflose. Erst als ein pla-
stisches Element in nneere Dichtang zurückgeführt wurde, gewann
sie Tollends, was ihr not tat, bestimmte und für die Anschauung
bsstimmte Formen').
Gleich jenen unTergftnglichen Bildwerken, bei deren Anschau-
nag wir staunend, festgebannt, zu unmittelbarer Erkenntnis des
YergsngB gelangen, den wir uns fortan gar nicht anders mehr
Toratellen können, ergreifen uns in Goethes Dichtungen did
Kitorformen des Menschenlebens'): Geburt und Tod, die Lebens-
alter und ihre Eigenheiten, der Ahnherr mit spärlichem, bleichem
Haar und das zu seinen Fußen spielende Kind, die ans der Fa-
niiie werdende Familie, der Zug der Geschlechter zu einander,
Vater und Mntter, der Jdngling und das Mädchen, Werbung und
die sich knüpfende Ehe, die Flamme des Herdes und der stein-
gefaßte Brunnen, die Urbeschäftigung auf der Weide und dem
Ader, auch mit Spindel und Nadel, die begleitenden Tiere, Bind
ood Schaf, Hund und Roß, Bnder und Schaufel und Pflng, auf
der Wiese die Sense, im Walde die Axt, das Netz am Ufer, Arbeit
and MnAe, Gesang und Tanz, Zorn und Streit und Begier, War-
nung und weiser Bat, wurzelnd in Sitte und Stammesgefnbl, Weih-
geechenk und Spende, Mot und List der Helden, Taten der Vor-
fahren, Sagen und alte Sprüche: durchaus Besonderes, das doch
das Gepräge des Allgemeinen trägt^), in dem Intellekt des Schöpfers
▼orgezeicbnet und doch dem unmittelbaren Leben entnommen.
So yerfährt der plastische Künstler bei der Schaffang seiner
Menschen, und „der Dichter schildert einen ganzen Charakter, wie
er ihm in seiner Seele erschienen ist; einen eolchen Charakter be-
sitzt aber ein einzelner Mensch nicht allein : er nimmt Z&ge von
Beinen Freunden, ?on den Lebenden um sich her; dadurch werden
seine Menschen wahr, ohne daß sie eben ein ganzer Charakter
labsDd sein können oder dürfen*"^).
Diese Gestalten erscheinen, soweit es die Poesie gestattet,
in jeoer stillen Größe und edlen Einfalt, die den Aufruhr der Lei-
deoschaiten niederringt, von den Vorgängen des Inneren nur einen
bisen Wink gibt, zartere Laote und Anklänge in den Ondulationen
ihrer Harmonien leise tönen läßt und dem endlichen Menschen auf
lolche Weise ein Mitgefühl des Ewigen und Unendlichen gönnt*).
DieAfliakta werden gedämpft, auf bloße Andeutungen herabgesetzt
*) LeesiDg, Laokoon XVIL
*) VgL Schiller, Ober naive und ientimentaÜMhe Dichtung.
■l Hehn, Gedanken über Goethe, & 190 t
^ Sprüche 899.
S Gespräche Kr. 8S.
•) Goethe an Friu Stelbeig, 2. Fehrnaf 1789 (Br. 9, 79).
16 WiDokelmanii»Kiiii8ttheorie in GMthes FortbildoDg. Von E. Oastiei
oder gänzlich ausgeschlossen : denn eine weit hObere Aufgab^ ;i8fe
es, dareh das Sittliche als darcbs Leidenschaftliche zu wirken.
Der Mensch ist der höchste. Ja der eigentliche Gegenstand der
Kunst 1^) Auch das Höchste erscheint uns nnr in seiner Gestalt,
und wir Terehren
Die Unsterblicb«o,
AU w&ren sie Menschen,
Täten im irroßen,
Was der Beete im kleinen
Tot oder möchte.
Mythos nnd Symbol wirkt der Dichter wie der Plastiker aas in
menschlicher Gestalt, unter menschlichem Namen.
Und das poetische wie das plastische Kunstwerk umkleidet
derselbe schöne Linienfluß, zwischen dessen Kur?en sich keine
Grenzen angeben lassen. Gleichwie die Gruppe des Laokoon „ein
Muster von Symmetrie und Mannigfaltigkeit, von Buhe und Be-
wegung, von Gegensätzen und Stufengängen ist, die sich zu-
sammen, teils sinnlich, teils geistig, dem Beschauer darbieten, bei
dem hohen Pathos der Vorstellung eine angenehme Empfindung er-
regen und den Sturm der Leiden und Leidenschaft durch Anmut
und Schönheit mildern*''), wird eine solche „aussöhnende Abrun-
dung eigentlich von allem Drama, ja sogar von allen poetischen
Werken gefordert**').
Ln großen wie im kleinen, im einzelnen wie im ganzen —
in letzter Linie ist alle Kunst Problem der Form und Formung;
denn ^den Stoff gibt die Welt dem Künstler nur allzu freigebig;
der Gehalt entspringt freiwillig aus der Fälle seines Innern; be-
wußtlos begegnen beide einander, und zuletzt weiß man nicht,
wem eigentlich der Reichtum angehöre. Aber die Form, ob sie
schon Yorznglich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht sein
und hier wird Besonnenheit gefordert, daß Form, Stoff und Gehalt
sich zu einander schicken, sich ineinander fugen, sich einander
durchdringen*'^).
Zahlreiche Fälle aus dem Schaffen Goethes zeigen, wie es
oft Jahrzehnte, ja des Losringens neuer Kunstrichtungen bedurfte,
bis der Dichter för einen Stoff die ihm gemäße Form fand, zu-
weilen wohl auch die Ausfuhrung aufgab, weil er sich in der
Form vergriffen hatte.
Nie aber ist Goethe in Formalismus verfallen. Mochte eine
aus den Zeitläuften geborene und zu verstehende revolutionäre
Literatur wieder einseitig auf das Charakteristische in der Kunst
losdringen, mochte die lohaltsästhetik Goethes Alterswerke, Form,
Stoff und Gehalt in gleicher Weise verkennend, der Manier be-
^) Einleitung in die Propyläen (W. 47, 12).
*) Über Laokoon- (W. 47, 105).
*) Nachlese tu Aristoteles' Poetik (W. 41nr 248.
^) Noten mm Diwan: Eingeschaltetes (W. 7, 100).
HaaU pora. Von M. Nütler. 17
•eboldifiren« so haben tiefere Einsicht, ein vornrteilsfreierer Bliok
HOS auch in diesen SchOpfangen den großen Stilisten bewundern
gelehrt.
Aach die moderne Kunst ringt nach Größe, ringt nach Stil
nnd bleibt so vielfach nnr in Manier stecken. Warum das? Weil
sie nicht hinter das Wesen der Dinge gekommen ist; denn unsere
Zeit hat zwar viele Schlagworte, aber nur wenig Wahrworte, ein
paar Modephilosophen , aber keine einheitliche Weltanschauung.
Nicht eher wird jedoch der neue Stil sich finden, als bis wir jene
wieder errungen haben.
Wien. Prof. Dr. Ed. Castle.
Hasta pura.
In dem Franz Bficheler zugeeigneten Band der Bonner Jahr-
[114/115 (1906)] hat Paul Steiner eine längere Unter-
suebang den dona milUaria gewidmet^) und darin auch eine Br*
Uining zu geben gesucht Aber das Aussehen und die Konstruktion
der Aojto jmra, einer militftrischen Auszeichnung, die uns weniger
bei Sebriftstellem, als vielmehr in den inschriftliohen Denkmälern
öfters begegnet
In der Einleitung hat Steiner höchst wahrscheinlieb gemacht,
daß unprflnglieh dem Soldaten ffir eine hervorragende Waffentat
unmittelbar aoa der dem Feinde abgenommenen Beute ein Stdck
als Aosteiebnnng verliehen ward; dabei mag sich auch eine ge-
wisse Wertabstufung der einzelnen Stficke im Verhältnis zur ge-
leisteten Tat entwickelt haben. Diese, einem früheren Kulturzustande
entsprechende Übung muß dann abgelöst worden sein durch die
Terleifauog von stellvertretenden Zeichen, indem sich die Sitte
aasbildete, dem Soldaten ffir besonders tapfere Taten vor dem
Feinde ein äußeres Anerkennnngszeicben zu geben, das einen Teil
der Waffenrfistnng bildete, doch nicht mehr dem Feinde abgenom-
men war.
Ea ist ffir uns ein großer Vorteil, daß der älteste Berieht
fiber dieee römische Sitte auf einen Gewährsmann zurückgeht, der
vermöge seiner Stellung und Beziehung zu den vornehmen römischen
Familien und seiner klugen Einsicht in die römischen Verhältnisse
uae die besten Aufschlfisse geben konnte, nämlich auf Polybius').
<) Die dana müitario von Paul Steiner, a. 0. S. 1—98.
*) Polvb. VI 89: KvXAg dh xal rovg viovg hxaXo^wat n^^g t6
9ti99vP9vti9. huMcv ykQ yiptjtnd ug %Qsia xaC ttveg cc^Av dvdQayadiawak,
mtwafuvw 6 ütQtm^g hodwaUof tov axQofonidov* xal lueQaaxtjcifUPog
tvvg doimrtis v^ 999Q€i%haL iutip^Qov, nff&tov fikv hyx&iuov ^xsq haatov
ÜT» miq£ x9 x%g dvdgaya^lagf i&v ti xatä tov ßiov a^otg &XXo avv-
vtük^XS *9^ ^* dya4^9 fit^fft^ff ä^iov^ ftcr« 8h tavtm tf fiip tffActtrcL
aiÜMlflll t A. Mtn, GjM. 1908. L Htfl. 2
18 flaaU pnra. Von M. NüUer.
Er bezeichnet anff allen derweise die AuBzeicbnuDg, die wir im An-
sehlnsse an die Antoren und Inschriften fiaata pura nennen, als
ycUöog nnd der yataog war nach ihm die arsprAogllehe and ein-
zige Form der Ordenedekoration. Es scheint nun, wie schon oben
bemerkt, nicht wahrscheinlich, daß diese Art von Anszeichnnng in
eigens dazu geschaffener Form der frühesten rOmischen Zeit angehOrt
hat, in der sie vielmehr durch die weiter oben erwähnte Beschenkung
aus der feindlichen Beute erfolgte. Steiner ist anf einem anderen
Wege zu demselben Resultate, zur späteren Ansetzung der haata
pura gekommen und ruckt die Schaffung der hasta putxt in das
dritte yorchristliche Jahrhundert. Der Ausdruck yatöog ist weder
griechischen noch rOmischen Ursprungs^), sondern ein keltisches
Fremdwort').
Aus Hesych') und Pollux^) wissen wir, daß yalöog eine
Lanze war, deren Schaft und Spitze aus Eisen bestand. Nun gibt
es unter den zahlreichen Votivgegenständen aus der gewaltigen
Sehlacht bei Telamon in einem daselbst gemachten Depotfunde')
auch' keltische Lanzen, die vollständig aus Eisen hergestellt sind.
Es scheint daher die Vermutung Steiners (a. 0. S. 7) ganz zutreffend,
daß anfänglich die hoBta donatica^) ein aus der Beute auserlesenes
QoMum gallieum war und der historische Anlaß zur Verleihung
gallischer Beotelanzen am besten sich erklären ließe durch die
Kämpfe des Jahres 225 ▼. Chr.
nolifuop yatöop Srngstteu,, tf dh lunußedovri x€tL (nmXevaopti x^ ah «e£^
iptaXvv^ x^ d' innBi vpalaq!*^ h^ ^W^fi oh yalaov (iovow %vyx&vn de xovvmp
oiit iicv h naQatdt^n xig ^ nol^mg xonahljipBi xqAou xiväg i} axvitvirg
x&v noleiUoiVf &W kav h dxQofiokiüfiolg ij xiüiv &kloig xotovvoig xatQolg,
h olg iifjSsfuäg dviy^iig oiftnjg xar' Sv^pa xivdwBvnv a^oC xiveg ixov-
4fCmg *ai xaxie nQoaiQtffiv auvohg tlg xovxo didoaatv.
>) Im Griechiichen wird hasta mit ^ö^v wiederiregeben. Vgl. bes.
die lD8chnft«o, I. B. Athen. Mitt. XXII, p. 89 i[no] x&v Ztßaozap
xsx8ifiijiiiv[ov\d6Qetxt xa^a^ig»; Athen. Mitt. Ia, p. 262 övitpdvw nv^arcK
Tial d6QaxL *at ßij[li]aia; Ball. corr. bell. V 1I88I), p. 478 xifi$»49xa
üu[qfU\pmi] xQVöi»t xal dÖQaxi; CIL IIl 18648 (14187» = 6984 =r 454]
(Die rtbius Crol^uff-Inscbrift) xsxH(iiffii[va] .... 009[a9i] ttad^uifolg.
') Vgl. Holder, Altceltischer Spracbschati s. ?. Gaison.
*) 8. X, yalöog * kufiöltov 6Xoöid7fQOv ^ onXov ditvpxijifiov,
*) VII 156 Soffv oiocidijifov xaUtxat ih yedcog,
*) Die f^roße Zahl der in diesem Depotfunde aufgebrachten Stfleke
befindet sieb jetzt in Florenz; vgl. darQber Milaoi» Fireoie Museo areh.:
„Dtte ripostigli telamofiefisi dt armi e d^ altri oggetti votivi'^ in den
Studi e materiali I (1899/01), p. 125 ff.
') Die Beieichnong hasta pura können wir in der Literatur nicht
Aber Varro binaoi verfolgen und auch bis zu diesem Autor nur durch
SerTius ad Aeo. VI 760. Ob die von Gato [bei Festus p. 204 (M) Optio-
natus, ut decurionatus , pontificatus dicitur, ut Cato in ea, quam
Jkabuü apud equites: ^Maiores seorsum atque diüersum pretium para-
vere bonis atque strefwis decurionatus, optionatus, hastas danaticas
aliosque honores] erwftbnten hcatae donaticae mit den hastae purae
identisch sind, ist nicht sicher; doch ist die Entscheidung ?on keinem
weittragenden Einfluß auf vorliegende Frage.
Haita pon. Yod M. Hisüer. 19
Daft mmn gerade galliecbe WaffeDstflcke znr Aasteiehnnng
Tflnreodete, das, glaube ich, bat seinen guten Grand in der Be*
dentang der KAmpfe gegen diesen Feind, der ja bis zum zweiten
pnniseben Kriege Borns gefihrlicbster Gegner war.
Wenn die AnszeicbnoDg nrsprflngiicb selbstTerst&ndlieh in
•iosr echten gaUieehen Lanze bestand, so ist es doch nor natfirlich
lod leicht begreiflich« daA man allm&hlich von der Verleihung
wirklich erbenteter gallischer Waffen abkam« ja abkommen mnßte»
sobald die K&mpfe gegen diesen Feind ihr Ende gefanden hatten ;
ebenso rerst&ndlich aber bleibt es, wenn die einmal angenommene
Form der Anezeichnnng ancb dann weiter beetand« wenn die Form
dieses Bilststdckee mit der Bewaffnung dea bekimpften Feindes
kemsn Zusammenhang zeigte« wenn also nun wirklich ungebrauchte«
bfsw. nachgemachte gallische Lanzen Terlieben wurden. Diesen
fiscbichtlichen Zusammenhang in der Entwicklung jenes militäri-
schen Ordens hat Paul Steiner ferkannt« wie sich aus seiner
Definition der hatia pura ergibt. Er wurde zu dieser irrigen An-
sicht Terleitet durch eine eigenldmliche Wortinterpretation. Ffir ihn
bedeutet das Epitheton ^pura* eine Wandlung im Charakter des
dmums nnd er h< auf Grund der möglichen Bedeutungen des
Wortes pura es für wahrscheinlich« daß das Beiwort eine „un-
gebrauchte Lanze**, ein noch „unentweihtes**« „nicht besudeltes**
Stick« im Gegensatz zu der urani&nglich aus der Beute entnom-
meoen hasta dantUica, also einer gewissermaßen j^impura haata*
charakterisieren soll, und daß nach einer Beform« vielleicht des
Marias, an Stelle jener nunmehr eigens für diesen Zweck angefer-
tigte hasiae, somit nun wirkliche „Ehrenzeichen** in unserem Sinne
unter dem seitdem typischen Namen hastaepurae Terliehen wurden^).
Gegen diesen Erkl&rungs?ersuch spricht ?or allem die sprach-
liche Schwierigkeit« da es nicht belegoar- ist« daß haaia pura
identisch ist mit hasia aanguine pura. Es bliebe ferner anffftUig,
daß nur bei der haata pura das Merkmal der noch nicht erfolgten
Verwendnng als BäststQck sprachlichen Ausdruck gefanden haben
sollte« wfthrend bei den ftbrigen Zeichen militärischer Anerkennung«
die Epitheta haben (earona muralis, vallaris, obsidionalis, dtnoa),
die äußere Erscheinung und der Verleibungsgrund oder letzterer
allein (corona eiviea) ihre sprachliche Wiedergabe erhalten. Schließ-
lich bliebe dem römischen Wesep fremd und uns unverständlich«
daß gerade das Moment des Unbeflecktseins von feindlichem Blute
das Ehrende der Gabe bedeutete; haben die militärischen Aus-
leichaangen ihren Ursprung in der Belohnung außerordentlicher
soldatiecher Leistungen durch dem Feinde abgenommene Beute-
itßcke« so wäre ja nach Steiners Erklärung dieses urspiöngliche
and natfirliehe Motiv völlig verschwunden, ohne daß wir erfinden
könnten« welches an seine Stelle trat.
>) a. O. 8. 10.
2*
20
Hasta puTL Von 3f Nistkr^
Fura bedentöt aber nicht bloß „reiD, TOti Flecken frti**^
iODdern aocb „reio, einfach« frei ?od ßeigabsn (Zierateii)« tm^
heiUicb''^).
Wenn inaii db hmia pura ihren Ursprung io den Kämpf eil
gegen die Eeltfii tind in der ihnen ahgenoiDtneDen Beate bat,
PolybioB ferner die hasta pura yaiaop nennt, also mit dem Namen
einer keltiachen Waffe bezeichnet, wenn wir ferner dnrcb den
Depotfund bei Telamon wiaeen, daß ein solcbes keltisch es yccitrow
eine Lanze irar, bei der Spitze nnd Schaft ans Eieen beetand* eOf
glaabe icb^ müssen wir eben nnter hasta pura eine gleiche Lanz«
verstehen^ die ebenfalls bloß aas Eisen besteht , ohne Beifuguni^
irgend eines Holzteiles. Onter dieser Ännabme sehen wir ancb,
waroEO zu hasta noch die nähere Bestimmnng pura binzn^efdgl
werden mnßte. Der rOmiscbeii Sprache, d. b. der rOmischen WaffnD«
terminologie war ein adäqaater Ansdmck für die keltische Waffe
fremd f da in der Edstnng des rj^miichen Soldaten eine gleiche
Waffe fehlte ; es mußte abo die Bezeicbnnng doreh eine Umsebrei«
bnng erfolgen, wollte tnan nicht, wie Polybios es tat« ein Fremd-
wort nehmeD *).
Wien.
Dr. M, HiBtUr.
J
*) Vffl^ PHn. Ep, III 1, 9 üdpQnüuT cena tmn nimi» %\üida i
fru^i in ar^tnto puro et antiquo-^ VitrUT VlI 3« S coronarum auteni
sunt aliae puraet aliae caelatae; Püd. H. b. IXIVl 8 [14) cecidera$
cum (iC. öbdüeum) NHhebis rex purum (der in tiegeDiaii geBteilt wir<|
tn den mit BlMuerkeu tiod SchnftieicheD Tereehfinen)^ Dig. VI 1^ f
(PauiuB Hbro ntxto ad tdiHum): quamU^ in vasis cccurrat difficuita^g
utrum lancem dumtaxat dici opurUat an eiiam quadrata vel rotundm
vd pura an caelata Mint; Dig* XI 11 7» 43 (&:aeiyola tu libro quinta
Digestorum) Locutn purum pignüri creäüori obHqat>it eique instrumen-
tum empti&nis tradiäit: et cum rum iücum inaeäifkare vellet . . . pei^
a creättore^ ui inHrumentum a se traditum aucioriiaiis €3:hibereL
^] In der in den Intchrifteu sich findeDd^n grieehischeti Bezeichoan^
#d^t? Tta^agQv (TgK S. 13» Anm. 1} hat xn&agop dietelbe Bedeotang wie
pura^ VgL i. B. Herod, II 40 Tauter dh notiiatxvtBg to &lXo aübfta tod
Xißapmtov tat GfivQp^^ %ai t^^ äHmtf &vmftäzmv; Eunp, Ion 67S£ELj
im&dteor yoep ^ xig il« nohff niat^ I^J^Otf,
i^v TO^ v6(iOtiftv äatbg i, t6 ys <ftof*a
Sovloi^ nifUitai xü^ i%H xui^^oüxv.
Theokf, XV 36 t^^ (iv^ov^t Fo^yw* «jU'ov dgyvQtm Madof^^ fipSv
Zweite Abteilung.
Literarisclie Anzeigen.
Dr. PfÄola) WahrmaoD, Prolegomena zu einer Geschichte
dar griechisehen Dialekte im ZettaUer des HeUeoidmas.
8e|>ar&tatidruck 1907, 23 SS.
Wmn i'i% Verfasserin der vorUegeiideD, i»it sehr guter Sa^b-
kiDDtiiii gencbriebeneti Abhandlofig 3, 2 bi^merkt, dalä bißiicbtlich
4«r EnUUhci]^ der gnechieebeo Koloe alcb zwei Ansichten BcbrofiT
r^mübinteben, ale deren Vertreter anf der einen Seite kurzweg
TliQial), auf der anderen ntir Kret^chmer alleiQ genannt werden
Im, la ftcbeint mir das dem tatsäc blichen Verbal in ie nicht genau
18 i«ti|)reeben. Denn, wie schon aud der eben gemachten Bemer-
iQii? ^eicbloeseQ werden kann, hat Kretecbmer mit seinen Ane-
ßliriF^fn nnr geringen Anfang geinnden, w&hrend fast samt liebe
linefaroricber» die der Frage näher getreten sind, eich dahin
iHfeilFrochen haben, daH die eigentliche Grundlage der Keine die
ittiiche Schriftsprache gebildet habe, allerdings, wie immer stärker
^toBt wird, idU starkem ionischen Einschlag. In diesem Sinne
^ lieb der Hauptsache nach neuestene anch E. Hei hing,
flrifljiöiiik der Septnaginta, Göttingen 1907, ansgesprochen, der
S> Vill eich dahin änßert^ daß der Zneamnieühang der Koine mit
^•m Auiscben dnreh die Sprache der attischen Eom5die bewiesen
^i^nle. Kurz, eoviel scheint mir eicher zu stehen, da& man die
VetiQicht der Athener im fnnften Jahrbnndt*rt nnd den damit in
aiiitiiibarem Znsammenhang stehenden Einfloß anf die Verkehrs-
•pricbi iß den der attischen Herrschafl nnter steh enden Städten
VD^ T«rritorisn als die erste nnd fornehmlichste Orsache der Ent-
italiQog ejuer grleehiechen Gemeinsprache tn betrachten bat Und
«• tit »eitar fdlkommen klar, daU diese anf attischer und ioDischer
tandlige entetandene Gemein spräche dnrch die Kriegszäge Aie*
nodiri des Grollen nnd die damit im Znsammenbang stehende
Ambrsilnng heileniscben Wesens über den ganzen Orient bin berr-
icbfod geworden ist. Anderseits let ebenso klar, da& die labl-
rntbeo bkalta Mundarten des Grle^biicben , die nns seit Beginn
22 P. Wahrmann, Prolegomen» la einer Geichichte mw., ang. ▼. F. 8Me,
der historischen ÜberliefeniDg entgegen treten und deren jede ihr
eigenes Schrifttom gehabt hat, nicht mit einem Schlage ausgetilgt
werden konnten. Wann die alten Yolksidiome erloschen sind, sagt
die Verf. 8. 2 der Torliegenden Abhandlung, und wie ihr Bück-
gang, bezw. ihr Absterben sich vollzogen hat, ist noch keineswegs
endgiltig festgestellt, obwohl von mehreren Seiten, insbesondere
von Thnmb und Schweizer, eine eingehendere Behandlung der
Frage vorliegt, die freilich nicht zn einem fibereinstimmendea
Ergebnisse geführt hat, da der an ersterer Stelle genannte For-
scher den Untergang der alten Dialekte möglichst früh ansetzt,
der zweite viel längeren Fortbestand derselben anzunehmen geneigt
ist. Die Quellen, ans denen wir unsere Kenntnis der alten Dialekte
in hellenistischer Zeit schOpfen, sind schriftliche Aufzeichnungen
im Dialekt, wobei neben verh&Itnismftßig spärlichen literarischen
Denkmälern insbesondere die zahlreichen Inschriften in Betracht
kommen. Diesen Quellen, welche die Verf. unserer Abhandlung mit
Recht als „direkt^** bozeichnet, stehen in zweiter Linie zur Seite
„die äußeren Zeugnisse der hellenistischen 'Autoren, die gelegenV
lieh den einen oder anderen Dialekt erwähnen**. Außerdem kommt
«her auch noch die „Qrammatikertradition" in Betracht, der eine
Art Mittelstellung zwischen den beiden zuerst genannten Quellen
eingeräumt wird. Die Feststellung des Wertverhältnisses der oben
genannten Quellen und der Art ihrer Verwendung zu Schlüssen
über die Fortdauer der alten Lokaldialekte bildet den eigentlichen
Gegenstand der auf S. 8—28 durchgeführten Untersuchung, welche
als eine wertvolle Revision der bislang auf dem fraglichen Gebiete
herrschenden Ansichten nnd zusammenfassende Ergänzung der zahl-
reichen, im Laufe der letzten beiden Dezennien auf dem Gebiete
der Koine-Forscbung erschienenen Arbeiten bezeichnet werden kann.
Die Gedrungenheit nnd Knappheit der Darstellung gestattet es
kaum, einen Auszug des Inhalts der Abhandlung vorzuführen. Ich
begnüge mich mit dem Hinweis anf einige hervorragende Leitsätze.
Eine identische Gleichung zwischen achriftlichen Aufzeichnungen
und lebendiger Sprache ist unstatthaft. Das Vorkommen überein-
stimmender Mißbildungen in Inschriften und Schriftwerken ist ein
Auefluß der Grammatikertheorie. Die griechischen Dialektstadien
standen ganz im Dienste der Literatur in der Blütezeit der ale-
xandrinischen Gelehrsamkeit nicht minder als in der Zeit ihres
Verfalles. Zweifelhaft bleibt dies nur hinsichtlich der Glossographie.
Infolge der Verschiedenheit der mündlichen und schriftlichen Ver-
kehrssprache in Hellaa haben wir bereits für die spätgriechiache
Zeit anzunehmen, daß die noch heutzutage fortlebende Digloasie
in gewissem Sinne schon damals herrschte. Besonders beachtens-
wert scheinen mir die statistischen Ergebnisse über das Vorkommen
von Dialektizismen in den Inschriften des I. und IL nachchrist-
lichen Jahrhunderts (S. 21 f.), welche dartnn, daß der Dialekt
gerade in den privaten Inschriften am frühesten zurücktritt,
K. Seik, Der OpUti? bei Poljbiai ood Philo aiw., aag. t. F. StoUf. 83
dagegen in den Offentlicben eich bedentend länger erhielt., Die
Verf. Doeerer AbhandloDg zieht hieraus den ScbloQ, daG der Ge-
braneh tod Dialektformen nicht in erster Linie auf die Einwirkung
der lebenden Sprache, sondern Tielmehr darauf zurückzuführen sei,
dafi in den einzelnen Stadtgemeinden die ans älterer Zeit über-
kommene, staik mit Dialektizismen gefärbte Gemeindesprache -r:
uissre Verf. nennt sie Kanzleisprache — noch festgehalten
werden sei, während Privatpersonen sich der in der Schule erlernten
Literator- nnd Schriftsprache bedienten. Es ist einleuchtend» daß
durch diese Klarstellung der Sachlage der Wert der Inschriften
als Quelle der Dialekte nicht unwesentlich verm'indert wird. Über-
haupt muß man der Verfasserin darin unbedingt Recht geben, daß
such noch ferschiedene andere, mitunter recht schwer einzuschätzende
Momente bei Beurteilung der Verwertbarkeit einer Inschrift für die
Dialektkunde in Betracht kommen.
Dr. Karl Keik, Der Optatiy bei Polybias und Pbilo Yon
Alexandria. Leipzig, G. Fock 1907. XI and 197 SS.
Der Verf. dieses mit großer Sorgfalt und Genauigkeit ab-
gefaßten Beitrags zur historischen Grammatik der griechischen
Sprache rechtfertigt in der Einleitung zunächst die engere Be-
schränknng des Themas auf den Gebrauch des Optativs durch die
festetehende Tatsache, daß bereits im IV. Jahrhundert ein Zurück-
gehen des Optativs zu bemerken ist, der bekanntermaßen im Neu-
grischisehen überhaupt fehlt, und speziell bei Poljbios und PbÜo
▼on Alexandria durch den Hinweis auf die große Verschiedenheit
dieser* beiden Prosaiker, welche aus der Perlode vor dem Sieg des
Atticismos stammen, endlich durch den mehr äußerlichen Umstand,
daß für diese beidsn Autoren vortreffliche teztkritische Ausgaben
vorhanden sind, die von Hnltscb für Polybius, die von Cobn-
Wendland für einen Teil von Philos Werken. Auch dürfte kaum
ein ernstlicher Einwand dagegen erhoben werden, daß der Verf.
sieh bei der Sammlung des Materials einerseits auf die fänf ersten
Bücher des Polybiue, die ja bekanntlich die einzigen uns voll-
ständiir erhaltenen sind, beschiänkt und anderseite nur die zwei
ersten Bände der teitkritischen Ausgabe des Pbilo von Cohn-
Wendland nnd die Schrift De aetemitaie mundi in der Ausgabe
von CuDDOnt dazu herangezogen hat. Denn der Verf. iet wohl im
Sechte» wenn er die Oberzeugung ausspricht, „daß eine Stoff-
sammloog in dem angedeuteten Umfang vollständig genügt, um
bestimmte, allgemeine Schlüsse in Betreff des Sprachgebrauchs
•inee jeden der beiden Scbrifteteller zu ermöglichen, die auch durch
eine Untersuchung des vollständigen vorhandenen Materials nicht
alterisrt werden künnten^.
In zwei gesonderten Teilen wird nun „Der Optativ bei
Polybias** (8. 6 — 92) und „Der Optativ bei Philo von Alexandria**
24 H, Kleingünther, Qaaeitionei »d Astronomicon libros, »ng. ▼. K. Prins.
{Sp 98—193) bebandelt, worauf S. 194 — 197 eine „Znsammen-
fassende Gegenüberstellung des Optativgebrancbs bei Polybias nnd
Philo" folgt. Jeder der beiden Hanptteile zerfällt in die zwei
Abschnitte „Formenlehre" nnd „Syntax des Optativs". Der letztere
ist nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert: A. Gebrauch des
Optativs nach der rein modalen Seite. I. Im selbständigen Satz.
1. Der wfinschende Optativ. 2. Der potentiale Optativ. II. Im
abhängigen Satz. 1. Optativ in ideell abhängigen Sätzen. 2. Optativ
in Final- und Beffirchtungssätzen. 8. Optativ in Temporalsätzen.
4. Optativ in Relativsätzen. 5. Optativ im hypothetischen Satz-
gefflge. B. Zeitformen des Optativs. In zwei tabellarischen Über-
sichten (S. 88/89 nnd 190/191) wird eine Statistik des Optatir-
gebranches bei beiden Schriftstellern gegeben nnd in je einem
„Bfickblick" werden die wichtigsten Ergebnisse ans der vorana-
gegangenen allseitigen Behandlung abgeleitet und fibersichtlich
dargestellt, und zwar, soweit Bef. zu sehen vermag, in einer den
Tatsachen durchaus entsprechenden Weise. Da eine vollständige
Aufzählung dieser Ergebnisse für jeden der beiden Schriftsteller
den Rahmen dieser Anzeige weit überschreiten würde, beschränke
ich mich darauf, das S. 196 verzeichnete Schlußergebnis der ganzen
vergleichenden Untersuchung vollinhaltlich mitzuteilen. „Der Optativ
erscheint bei Polybius im Rückgang begriffen, besonders stark der
oblique Optativ; sein Gebrauch ist jedoch durchweg ein natürlicher
und entspricht den Prinzipien des guten attischen Sprachgebrauchs.
Bei Philo dagegen befindet er sich wieder im Vordringen, alleii
dieses Vordringen ist nur ein scheinbares: es beruht lediglich auf
künstlicher Wiedereinführung dieses Modus, die wir als nichts
anderes, denn als eine Nachahmung attischen Gebrauchs deuten
müssen. In Wirklichkeit liegt diesem künstlichen Vordringen des
Optativs ein wirklicher Rückgang desselben (erg. in der gesprochenen
Sprache des täglichen Lebens) zugrunde, der gegenüber dem schon
bei Polybius bemerkbaren Schwinden des Optativs als eine Weiter-
entwicklung seines Rflckgangsprozesses angesehen werden muß*".
Innsbruck. Fr. Stolz.
1. EleingQnther Hermann, Quaestiones ad Astronomicon
libros, qui sab Manila nomine feruntur, pertinentes. Diss.
inaag. leneDsis. Lipaiae, Q. Fock 1905. Preis Mk. l-öO.
2. EleingQnther Hermann Dr., Textkritische und exegetische
Beitrl^e zum astrologischen Lehrgedicht des sogenannten
ManiliUB. Leipzig, G. Poek 1007. Preis Mk. 2.
3. M. Manilii Astronomien. EdiditTheodonis Breiter. I. Carmina.
Lipsiae, Dieterioh (Th. Weicher) 1907. Preis Mk. 8*80.
1. Eleingünthers fleißige, mit Sachkenntnis und urteil
geschriebene Dissertation behandelt im ersten Kapitel die Hand-
K KUUigüiiUhert Qaaeitionei ad Astroiiomfcoii libros, ang. ? . K. Prine, 25
•diriftenfrige. Er lengnet, daß der Matritenais (M) dem Oembla-^
eenm (0) gleichwertig sei (HoQsman hatte in seioer Auegabe dea
•rBten Baches« erechieoen 190S in London, zn beweiaen geancht,
daß die reinere Quelle der M. nnd ein VoBsianuB 890 sei, der bei
Jacob die Signatar F 2 trftgt) nnd hält jene Kritik für ricbtigrf
wricbe eklektisch Terfflhrt nnd bald ans M, bald ans O das anf-
Bimot, was dem Sinne der Stelle nnd dem Sprachgebrauch des
Dichters am meisten gemäß ist. Freilich Iftßt sich diese schwierige
Frage nicht mit ein paar Zeilen abtun ; was Kl. achreibt, ist kein
Oegenbeweia gegen Honsmans Aufstellungen, sondern nur eine
Oegenbehanptong. Auch die daran angeschlossene Erörterung fiber
lie Zeit des Manilius ist keine strenge Untersuchung; der Verf.
begafigt sich vielmehr, nach einem kurzen Referate über die Tor
ihm anfgeatellten Ansichten seine eigene zu präzisieren. Er meint,
des ganze Werk (auch der erste Teil des 5. Buches; über deo
Schluß lasse sich mangels jeden Anhaltspunktes kein Urteil fällen)
sei zu Lebzeiten Octavians geschrieben nnd polemisiert hier mit
guten Orfinden gegen die Aufstellungen Honsmans. Es folgt ein
Abschnitt De fotUibus Asironamieon auctoris; doch bringt auch
dieser keine Untersuchung, sondern bloß die Mitteilung der An-
sichten des Verf.
Diesem ersten Teil der Dissertation darf man also nur den
Wert einer Einleitung zum zweiten, dem Hanptteile, zuerkennen;
dieser allein macht die Arbeit wertvoll. Er bringt die kritisch -
exegetische Behandlung von 18 schwierigen Stellen der Astronomica
(aus Hoch I: ?. 10; 896 ff., 412 ff., 765 ff., 795, 807 ff., 884 ff.;
aus n: 1 ff., 226, 252 ff., 804, 881; ans III: 4, 87 ff., 608 ff.;
SOS lY: 279 ff.; aus T: 207, 515). Hier zeigt der Verf., daß er
nicht bloß seinen Autor kennt und sorgfältige Vorstudien getrieben
hat, sondern auch mit Geschick schwierige Stellen textkritisch zu
behandeln versteht, wenn auch gleich ansgesprocben werden muß,
isß es ihm trotz der aafgewandten Mühe nach meinem Urteil
vielfach nicht gelungen ist, durch seine Vorschläge eine wirklich
vorhandene Verderbnis der Oberliefernng zu heilen.
Zum Beweis dafür sei hier die schwierige Stelle I 896 ff.
besprochen. Ich hatte anläßlich des Referates über Honsmans Buch
(in dieser Zeitschr. LVI 126 ff.) anfgezeigt, daß in diesen Versen
auch die Lesung und Erklärung Housmans fiber die Schwierig-
keiten nicht hinweghelfe und daß wir nach wie vor bekennen
mSßten: non liquet. El. ist mit mir darüber einig, daß die Hone-
mansche Erklärung zu verwerfen sei, bedanert aber, daß ich selbst
nieeri exstirpando operam dare aiä noluisse aut nequivisse. Ich
gestehe, daß ich wirklich eine befriedigende Lösung nicht gefunden
hebe, und bedaure dies gewiß nicht minder als El. ; aber das eine
darf ich getrost aussprechen, daß wir durch Kl s Vorschlag dieser
Losung auch nicht um einen Schritt näher gekommen sind. Mit
Keojektnien wie der von ihm hier veröffentlichten: namque (mit
26 J?. Klewüiniher, QnMitioBefl ad Aitronomicon libroe, uig. ?. K iVtiu .
SalmMint ; n^ die codd.) herrida frigore saevü (so G; die flbiigen
mrgit) eaßrula cum (die codd.: haee vacuum; M: ne tfaeuum)
$oli» fulgefUem diserit orbem ist der WiseeDScbaft nicht gedient;
denn daß sie lerfebli ist, liegt auf der Hand. Der Dicbter hatte
▼oranegeechickt: qua (canicula) nuUum terris violetUiua advenU
asirum nee graviua eedü nnd schließt mit dem Vers: sie in utrum-
que movei mundum et contraria reddü. Akzeptieren wir die
Konjektur K1.8, so würde in den dazwischen liegenden anderthalb
Versen bloß die eine Wirkung ans^reführt, das frigare saevire dee
Gestirns, nicht aber auch die gewöhnlich ihm zugeschriebene, auf
die schon Homer hinweist in den Versen xaxbv di ts öfjiuf
titvxtai ical ts q>iQSi noklbv xvgstbv dsiloiaL ßgotoiac
(II. XXII 30 ff.). Dann könnte aber unmöglich im folgenden Verse
zusammenfassend betont werden, daß das Gestirn in utrumque
mavet nnd contraria reddit. El. mag das wohl selbst getnblt
haben; denn seine Obersetznng schmuggelt in V. 397 die „Hitze**
hinein: „kein Stern verursacht auf der Erde solche Hitze". Aber
davon steht nichts im Original.
Auch die Verse II 1 ff.» von denen Scaliger in seinem
Kommentar mit Recht sagte: non est locus contaminatior in totq
Manilio, hat Kl. durch eigene Besserungsvorschl&ge zu heilen ver-
sucbty mit nicht mehr Glück wie an der eben besprochenen Stelle.
Irarumque faees, wie er für das überlieferte Heetoreumque /acU
zu lesen vorfchlftgt, entfernt sich weit von der Oberlieferung und
steht entschieden an Wahrscheinlichkeit dem geistreichen Einfalle
Housmans nach, der pectoraque Aeaeii vermutet. Die Umstellung
von cuiusque .... posteritas nach ore sacro ceeinit wird wohl auch
schwerlich jemandes Beifall finden; statt daß sie die von El. er-
wartete Wirkung hätte ut oratio coneinna fieret, stört sie vielmehr
empfindlich den Fluß der Bede. Statt patriae quae iura petendo,
dum dahat, eripuit, wie er lesen will, wird richtiger mit alten
und neueren Herausgebern (so Bechert und Breiter) zu schreiben
sein: patriae cui iura peienti usw. Der Einwand El.s, daß non
Homerus ipse, sed posteritas iura patriae Homeri petere putanda
est, ist nicht stichh<ig; der Heimatlose bittet um ein Hei-
matsrecht; nur das kann iura patriae petere hier heißen, nicht,
wie Kl. übersetzt, ^Anspruch machen auf das Becht, das Vater-
land zu sein", auch kann nicht der posteritas gleichzeitig ein iura
petere und ein iura dare beigelegt werden. Die dichterische Frei-
heit aber, sieh Homer in Unkenntnis über seine Vaterstadt und
als Bewerber um ein Heimatsrecbt zu denken, um so auszudrücken,
was in nüchterner Prosa hieße: .man kannte Homers Vaterstadt
nicht und so kam es, daß ihm viele Städte das Heimatsrecbt geben
wollten**, die darf man m. E. Manilius wohl zubilligen. Instantem
kann gebalten werden {instantis will Kl. schreiben, wie schon Jacob
vorgeschlagen hatte); der error selbst^ hat mit dem Meer zu
kämpfen. Richtig aber wird wohl die Änderung Kl.s ponti (für
JEL Kkm^ümiker, Teztknt aad ezoget Beitrftge ntw.« aog. t. JT. Fnng. 27
^onA)) Min und aneb darin stimme ieb ibm bei, daß geminaia
bitber noeb von niemandem befriedigend erkl&rt wurde; ob aber
du von Kl. Torgeecblagene glomeraia wirlLÜcb das Ursprünglicbe.
wiedergibt, ist mir xweifelhatt
Es wdrde den Babmen einer Anzeige entscbieden sprengen/
wsDD ieb bier alle Stellen erörtern wollte, an denen ieb Kl. nicbt
beizBStimmen Termag. leb begnüge micb daher, jene Bessernngs-
Terscbiftge berrorinbeben , die ieb für gelungen oder wenigstens
für Dicbt nnwabrscbeintiob balte. Es sind dies: I 414 $fneruä,.,
Umptaia (für das überlieferte emerüum ... t€n€t acta); I 762 et
te CIttudi (für ei Claudi); I 8U7 mieet (für nüet), m. B. aacb
ism ForsQblage Breiters ubi niUat ? orzazieben ; III 4 eonabor dignos
ä earmine dieere eantus (für conwr ei dignoe \Q: ei indigno9\ ear-
Mtfw [oder earmind] dueere caniua der Handscbriften), obgleicb
ieb denke, dafi selbst Kl. fühlen wird, was diese Vermutung doch
liebt recht glaublieb macht: die gezwungene Wortstellung; IV 290
atf potUum caeio vineirei. Noverii (für ei ,.,. vineii noverü der
Übiflieferang).
Angeschlossen sind dem Scbriftchen noch zwei ganz miz-
liehe Exkurse, Ton denen der erste De quibuadam vüiorum generibus
in eodieibus Manüianis oceurreniibus, der zweite De verauum clau-
eulie a Manilio üeratia bandelt. Den Schluß bildet ein brauchbares
LitsraturTerzeichnis zu Manilius.
2. Kleingfintbers MTextkritiscbe und exegetiscbe
Beitrftge*' bebandeln auf 47 Selten in 6 Kapiteln Nachstehendes:
Kap. I bringt einige kritische Beferate über Schriften und Anfsfttze
IS Manilius 9 dis in letzter Zeit erschienen sind. Hervorgehoben
eei daraus, daß er II 258 zu lesen Torscblftgt: contra tu, Cancer
(die codd.: contra iaeei Cancer; G bat eonirai iac<t). Das über-
lieferte foee^ bftlt er für eine Marginalnote« auch wirke es wegen
iaesnieB in V. 255 anstößig; dagegen scheint ibm der O. noch
iu i von tu erbalten zu haben« Wahrscheinlich ist mir diese
KoDjektnr nicht; denn gerade an dieser Stelle erwartet man nach
^er Toraosgeh enden Unterscheidung der Sternbilder in currentia
(245), siantia (247), eedentia (249) das bezeichnende Wort iacere.
Ao seiner Wiederholung in Y. 255 braucht man sieb gar nicht
n stoßen ; auch das sedeni TOn V. 249 erscheint in conaidens des
Verses 251 wieder und eine Beihe anderer Wiederholungen des-
idben Wortes bat ja Kl. selbst S. 15, Anm. 1 zusammengestellt
Da aber contra sonst bei Manilius regelm&ßig mit langer Endsilbe
gebraucht wird (statt V 595 soll es bei Kl. S. 5 beißen V 596),
•0 steckt der Fehler wohl in diesem Wort. Dem Sinne nach richtig
•ncheint mir quaeve iacent, wie Breiter schreibt, obKleich ich mir
die Verderbnis in den Handschriften dann nicht zu erklftren Ter-
Bsg. Andere EmendationsTsrsncbe sehe man in Kl.s Diss. S. 82,
38y wo er, an iacent festhaltend, vorgeschlagen hatte: eurva iaceni.
— Kap. II bringt eine Untersuchung über die Dmstellnng des
28 JET. Kleingüniherf Teztkrit nad ezegot. Beitrftge usw., «ag. t. K Prim.
W5rtcbeD8 que bei Manilias, in deren Verlanf eich der ?erf.
wiederholt veranlaßt siebt, einzelne Stellen teztkritisob zn prfifen;
dieser Teil der Arbeit ist wertvoll. — In Kap. III wird die Kon-
jektur von Honsman zn I 84 abgelehnt, mit Becbt, wie ich glaube;
anfgefallen ist mir nnr, daß hier El. meine Bebandlnng der Stelle
(a. 0. 8. 120 ff), die ihm bekannt ist (vgl. seine Dies. 8. 8, 5
nnd 19), mit keinem Worte erw&hnt, obwohl er sieh ihr doch
anznscbließen scheint. Dagegen billigt El. Honsmans Eonjektnren
zn I 146 (pugna ingeniis für genua in pugna) nnd V 45 (Viim-
tem ffir trementem); die erste ist wohl bestechend, die zwetto aber
gewiß verfehlt. Honsman selbst sagt (Ansgabe, 8. 68 der Ein-
leitnng): „trementem in eautes** hos no aense nnd El., der auf
diese sprachliche Schwierigkeit nicht eingeht, wendet sich besonders
gegen die Bemerkung Scaligers (8. 387 der Ansgabe von 1600)
tremens in cautes bona gubematari accommodum. Er sagt: Ät
equidem eantrarium de bono, utfuU Tiphye, gubematare dieendum
eese eenseo: bonus t. e. impavidus pericukrumque Mi conBcin»
nauta semper id apectabit, ut eautee ecopulosque erntet, Ceterum
quie diacemat, utrum Tiphys in canapectu eautium Sympiegadum
tremutarit necna? El. billigt also Honsmans Vorschlag nnd wiU
die Stelle so äbersetzen:
nin übertreffen TiphTs, der so mutig losfahr
Auf joDe Felsen, die dem ächiffer Unheil drohten*.
Zunächst ist gegen diese Erkl&mng einzuwenden, daß uns Tipbjs
überall, sowohl in den Argonautica des Apollonius Ehodius wie dee
Yalerius Flaccns, als ein wetter kundiger, mit dem Lauf der Gestirne
wohl vertrauter, pflicbtgetrener und vorsichtiger Steuermann ge-
schildert wird, nirgends als ein „Drauflosgeher'', wozu ihn Hons-
man und EI. machen wollen ; das ruere in cautea wfire auch wahr-
haftig keine sonderliche Empfehlung für einen Steuermann. Aber
auch wenn man cautea auf die Symplegaden deutet, was die un-
mittelbar vorhergehende Erwähnung des Pbasis nahelegt, so sieht
man nicht ab, warum dann die Worte nicht am Platze sein sollen.
Dann liegt eine Anspielung auf die berühmte Durchfahrt durch
jene gefürchteten Felsen vor; wie sehr da die Dichter das tretnert
der Durchfahrenden betonen, möge man aus Apoll. Ehod. II 552 ff.
und Val. Fl. IV 689 ff. ersehen (bei jenem : V. 552 q)6ßaf ; 561
6i)v di 6q>Lv %ijro d^vfiög; 575 rgöfiog; 577 diog; bei diesem:
V. 689 mein; 646 gelida formidine), Tiphys selbst wird auch
bei dieser gef&hrlicheo Durchfahrt von Apollonius als vorsichtiger,
geistesgegenwartiger Lenker der Argo geschildert, keineswegs als
tollkühner Wagehals. Ähnlich finde ich Tiphys auch in der Toten-
klage auf ihn bei Val. Fl. charakterisiert (V 45 ff.) ; ich will die
Verse hersetzen:
Nee summa spectUantem puppe videbo
Pleiadumque glohoa et agentes noctibua Aretoa?
Cui Minyaa caramque ratem, eui aidera tradis?
H. KlemgikUhert Teztkrit nnd ezeget. Beiträge qsw., aog. ▼. K» Ptins, 29
Carpere $eewra$ quia tarn iuhet Aesona noetes?
Boc labor, hoc dulci totiens fraudata sopore
Lumina et admotis nimium mens anxia Colehis
Ptofmi?
leb glaube also, daß das überlieferte Tiphym in eatUes tremeniem
gar Dicht so widersinnig ist, wie El. nns glauben machen will;
M fragt sich nur, ob es sprachlich möglich ist. Ich gestehe nun
freilich, daß ich dem kühnen Ausdruck kein yöUig gleiches Bei-
spiel an die Seite stellen kann; trotzdem halte ich ihn für mög-
lieb, Tollends in dem Gedichte unseres Dichters, der sich manch
aodere sprachliche Kühnheit erlaubt hat. Nach meiner Ansicht gibt
ineauies das Ziel an, welchem das Bangen des Steuermannes gilt;
Tergleichen kann man trepidare in usum aevi .sich aufregen hin-
sichtlich des Genusses des Lebens** bei Horaz Od. II 11, 4, wozu
man die Erkl&rer sehe, nnd im Griechischen Soph. Oed. B. 980
ilg ti fitiXQbg [iti ipoßod vv(jLg>6viiata.
Kap. IV und V werden einige BesserungSTorschlftge zu ver-
tobten (oder wenigstens naeh des Verf. Ansicht Terderbten) Stellen
der Aäronomiea gemacht, nnd zwar behandelt Kap. IV ausschließ-
lich solche, an denen ihm metrische Verstöße oder Lizenzen vor-
inliegen scheinen, die er dem im Bau seiner Verse peinlich genauen
Dichter nicht zutrauen möchte. Es sind dies I 876 candena fuU
fir $xtanduUß II 822 ter trieena quadri für ter triginta quadrum
der Haodsobriften (wodurch aber eine sehr geschraubte, schwer
TenUndliche Ansdmcksweise entstünde; auch geht es nicht an,
qwadri partes als quadri latera aufzufassen); III 877 exstiUrant
fv exHiierini der maßgebenden Handschriften (doch ist das Plus-
quamperf. hier unerträglich, w&hrend die metrische Lizenz exsti-
ßrunt dem Dichter nach dem Vorgange von Lucrez, Vergil, Ovid
a. a. mbig zugemutet werden darf, auch wenn dies hier die ein-
zige Stelle in den Asiranamica sein sollte); IV 677 aequara,
putremoque für aequora et extremum der Handschriften. — Das
F. Kapitel bringt folgende Vermutungen : I 852 eui latnpas tertia
fir quod tertia lampada (lampade: L) der Handschriften (diese
Verbesserang wird wohl richtig sein; quoi schon Scaliger, lampas
tertia Torrnntangsweise schon Housman und jetzt Breiter im Text);
n 987 asseruit templum titulum für das überlieferte aaperum erat
lewipue (templum: M) titulus (ansprechend, nur setzt Manilius in
lieaer Bedeutung sonst eiln hinzu); IV 690 Raetie für ripis (nach
im Vtrf. Mitteilung hat diese Konjektur auch schon Job. Schrader
ia dMi Notizen gemacht, die jetzt in der Berl. Königl. Bibliothek
mi Ma. Dies. B. Sant. 95 aufbewahrt werden). — In Kapitel VI
brin^ achließlich der Verf. ausgewählte Lesearten ans den drei
llteat« Anagaben des Manilius nnd untersucht, in welchem Ver-
häitnis sie aneinander, ferner zu dem eod. Fhr. Laur. plut. 80,
15 (bei Bechert F) stehen.
30 r^. Breuer, M. Maoilii ABtronomiea, aog. t. JT. Frins.
Aas dem Gesagten ergibt sich, daß, wer sich mit Hanilins
beschäftigt, auch dieses Scbriftcben EI.8 Dicht ohne Nutzen lesen
wird; freilich mnß er dafür einige Geschmacklosigkeiten mit in
den Eaaf nehmen, wozn ich zan&cbst das buntscheckige Gewand
rechne (Kap. I nnd Y sind deatsch« die fibrigen lateinisch ge-
schrieben, ohne daG man ffir diese Variation einen plausiblen
Grand finden könnte), dann Anmerkungen wie die auf S. 7 und 12.
8. Die neue Ausgabe der Astronomica von Breiter
wird gewiG vielen Freunden der klassischen Altertumswissenschaft
erwünscht kommen. Ich hatte schon in den einleitenden Worten
meiner Anzeige von Housmans Ausgabe des ersten Buches darauf
hingewiesen, daß nach der Enttäuschung, die uns die lange
erwartete Ausgabe von IL Bechert bereitet hatte, eine neue Ana-
gäbe des Dichters mit erklftrendem Kommentar nach wie vor zu
den frommen Wünschen der Philologen gehöre. Nun liegt der erste
Band der Breiterschen Ausgabe vor, welcher den Text mit der
adnotatio critiea enthftit; der zweite Band soll den Eommentar
bringen. Freilich ist es noch immer ungewiß, ob dies ein exegeti-
scher Eommentar in dem uns geläufigen Sinne sein wird — nnd
daß wir gerade eines solchen dringend bedürfen, wird jeder, der
das schwierige Gedicht zu lesen wünscht, bald fühlen; denn die
Worte der Einleitung zum L Band: ceterum in altero huiu$
editionia volumine, quod cammentarium continehit, lecticnis reeepiae
rationea reddeniur lassen auch die Auffassung zu, daß der Kom-
mentar in erster Linie ein kritischer sein werde.
Breiter hat sich seit mehr als fünfzig Jahren mit den
Astronomica des Manilius besch&ftigt und eine ganze Beihe von
Beitrügen zur Kritik und Erklärung derselben veröffentlicht; wenn
er sie uns jetzt in neuer Ausgabe schenkt, so dürfen wir von
vornherein erwarten, in ihr die Besultate seiner langjährigen Studien
niedergelegt zu finden. Da aber ein so wesentlicher Bestandteil
seiner Ausgabe, wie der Tersprochene Kommentar sein muß, noch
aussteht, so halte ich es für geboten, mit einem Urteile über seine
Textgestaltong noch zurückzuhalten; es soll erst ausgesprochen
werden, wenn man auch die Rechtfertigung seines textkritischen
Verfahrens kennt. Darum begnüge ich mich, über den vorliegenden
Band zu referieren.
In der adnotatio critiea unter dem Text bringt Br. nnr die
Lesarten von den vier wichtigsten Handschriften: dem OemNaeeneis,
Lipsiensis, Cusanue nnd Matritenaia. Konjekturen sind in ihr nicht
verzeichnet, doch wurde dafür gesorgt, daß der Leser dort, wo im
Text eine Konjektur steht, darüber nicht im Unklaren bleibe, was
die Handschriften bieten. In der Einleitung (sie umfaßt 11 Seiten)
werden die Handschriften kurz beschrieben und ihr Verhältnis zu-
einander charakterisiert. Bis auf den M. hat sie Br. alle selbst
verglichen, den G. sogar zweimal (1858 und 1892). Außerdem
zog er für die Verse 1 — 82 des ersten Buches« für die der M.
F. Gaffiot, Eeqd faerit st partienlae usw., aog. ▼. J. OoUing. 31
fehlt, xwei TJrbinaUs (667 und 668, beide ans dem XV. Jabr-
boDdert) herao, die ane ihm abgetcbrieben sind. Von den genannten
Handtehr. stebt nach Br. der G. für sich allein, iia tä solus auam
familiam facere videatur; er darf bei der Textgestaltnng weder
mit Jacob ala interpoliert gänzlich ignoriert werden (vgl. dagegen
Tbitlscber im Pbilol. LXI nnd im Rhein. Mns. LXII, der zn be-
leiseo sncht, daß der O. ein inUrpolaium interpolati Lipnenaia
apographttm, also ganz wertlos sei) noch darf man mit Scaliger,
Bentley nnd Bechert ihn überschätzen. Der Heransgeber ist viel-
mehr zn der Ansicht gekommen: hodi$ inier amnes eanvenU (?),
GmHaeensem, licet saepe vel metri vel senientiae cauea prieeas
käUmee carrexerit, toiidem tarnen loeie quot Matritenaem et Lip'
siefuem genuinam lectUmem aervasee, atque, ubi ab hie libris die*
crepet, utros sequamur, pro loci natura accurate eese pcnderandum.
Nach diesem Grundsätze hat denn anch Br. tatsächlich bei der
Geetaltnng seines Textes die handschriftliche Überliefemng eklek-
tiicb Terwertek
Ich schließe diese Anzeige mit dem Wnnsche, daß der rer-
•procbene zweite Band nns recht bald beschert werden möge.
Wien. Dr. Karl Prinz.
Ecqni fnerit si partienlae in interrogando Latine nsns. Diepn-
Ufit Felix Oaffiot Paris, G. KÜDCkeieck 1904. 50 SS. Gr. -8*.
Preis Fr. 8*50.
Wenn wir bei Terenz Hant. 618 lesen: üla ei iam laverit,
mihi nuntia, so ist man geneigt, den mit st eingeleiteten Satz
als Fragesatz zn fassen nnd st dorch *ob^ wiederzugeben. In der
Tat haben einzelne Erklärer bei Plantns nnd Terenz eine ganze
Reibe solcher Stellen finden wollen, wo angeblich st als Frage-
ptrtikel fungiert, während bei näherer Prüfung sich ergibt, daß
man es durchwegs mit der gewöhnlichen Konditionalpartikel zn
tun hat. Außerdem aber sollen nach der Versicherung des Verf.
vorliegender Arbeit anch noch Stellen bei Cicero, Vergil, Horaz,
LiTius, Lygdamus nnd Properz die erwähnte falsche Interpretation
•rfabren haben. Bef. würde dieser Behauptung nicht entgegentreten,
wenn der Verf. den bezeichneten Irrtam als vereinzeltes Vorkommnis
biastellte. Wenn er aber tou einer opinio eaneeneu doctiesimorum
fere cmniHm hominum iamdiu probaia eonfirmataque spri(:ht, so
ist dies eine Obertreibnng: wenigstens sei es zn Ehren der dealBchen
Philologen gesagt, daß sie in der Mehrzahl der von G. Torgerübnea
Fälle die richtige Erklärung gegeben haben.
6. findet innerhalb der bezeichneten Schriftsteller nur setbs
Stellen, wo ei als Fragepartikel dient. Es sind zunächst h\^'^
in\ ana Livins: XXIX 25, 8 primum ab iie quaesivit, si a
^minibue iumentieque . . impoeuieeent. — XXXIX 50, 7 qua
*t
^
32 /. Minor, Goethes Mfthomet, »og. f. Ä M. Prem.
9i itieolumia Lycortas . . e^iUsque evasiasent — XL 49, 6 quae-
sipit üerutn, $i cum Ramanü milüare Itcerei, Dazu kommen eben-
soviele uns Properz, n&mlich II 3, 5: quaerebam, sicca st passet
piseis arena Nee soLUus ponto vivere torvus aper. — II 84, 53 ff . :
Hamm nuUa soUt raiumem quaerere mundi, Nee cur fraUrnts
Luna labaret equis, Nee st post Stygias aliquid restabimt^ Lindas,
Nee si cansulio ftdmina missa tanetU. — III 5, 40 ff.: Tum
mihi naturae libeat perdiscere mores..., Sub Urris sint iura
deum et tormenta nocentum, Tisiphones atro si furit angue eaput.
Wiewohl G. in der Wendung quaero si vollkommen zutreffend eine
natürliehe Weiterentwicklung der Konstruktion exspedo (tenio) si
erblickt, möchte er doch die neue Konstruktion am liebsten auf
Becbnung der Livianischen PatavinitÄt setzen und für die Stellen
aus Properz, der noch fiber Livius hinausgeht und sogar den
Indikativ mit dem fragenden si verbindet, hat G. nur den Tadel
einer spracblicben Verirrung.
Zum Schluß sei G.s Interpretation noch eine von Ihm über-
sehene Stelle aus Livius, die ein fragendes si zu enthalten scheint,
empfohlen; es ist HI 46, 6: in eo verti puellae saltäem, si posUro
die vindex iniuriae ad tempus praesto esset.
Wien. J- Golling.
J. Minor, Goethes Mahomet Ein Vortrag. Jena, E. Diederfehs
Verlag 1907. 117 SS. 8» (samt Register). Preis 2 K 40 h = 2Mk.
Der Hauptinhalt dieses Buches bildete den Gegenstand des
heurigen Festvortrages bei der Jahresversammlung der Goethe-
Gesellschaft in Weimar; wegen des bedeutenden Umfanges aber
konnte Minors Vortrag, wie L. Geiger mit breiter Umständlichkeit
an zwei Stellen des. Goethe- Jahrbuches für 1907 erz&hlt, hier nicht
untergebracht, sondern mußte als Buch besonders ausgegeben werden.
Es ist Hofrat v. Kelle in Prag gewidmet und bietet im 1. Kapitel
die „Vorgeschichte** des Goetheschen „Mahomet**. Minor hat ganz
neu aufgegraben und den literarischen Grund durchwühlt, um zn
zeigen, wie Goethe zu dem orientalischen Stoffe kam, der ihn so
vielfach im Leben besch&ftigte. Als der „Stürmer und Dr&nger"*
Goethe 1773 denselben aufnahm, begann sich eben erat das Urteil
über Mahomet zu kl&ren, den man bisher als einen Betrüger an-
gesehen und für eine Art Antichrist gehalten hatte , sowie man
seit den Kreuzzngen und seit den Türkenk&mpfen die Mohame-
daner als „wilde Heiden** bezeichnete. Das Aufhören der ""* *
gefahr und die Zeit der Aufkl&rung führten jedoch im X^
hundert einen Umschwung herbei , der schon bei Leibni
und dem Wolfenbütteler „Ungenannten** hervortritt Mai
in Mahomet nun den großen Mann, das ursprüngliche '
imor, üoetbei MÄboioat, Mg, j, S, M. Frem,
30
^Mti An atich dtr jüng e Goethe. Minor hat in kurzer Zeit eiod
Lfatiltifi Literatur am mebrereo Spracbeo bewältigt and, wie die
dti Afitnerknngea beweiBto, yiel NensB errafft uod eine feste,
CJDlerlafe fir deö OegeoataDd geschaffen. Yoo S* 26 ab
1 daiia Goethes Frankfortei- Mahometfragmeate bebaadelt,
tarOD zweifellos der ,,GeiaDg^ Älia iind Fatemas daa fröbeete ist.
Er meheinl im Anhange (nach dem ersten Drack im Leneren-
ilmiaach für 1774^ wo aueb Goethes ^Waudrer" stand) abge-
dfielt und wird meiat als Ersatz fnr den vierten Akt dee Goetbe-
tdi«D Mahometdramas belracbtet, daran schließt der lyriecbe Moao-
iof Mibomete nnd die Prosaszene i die sich sacot Geelhes Koraü*
merplen im Nacblaese der Frau t. Stein fandeiip Das „König-
iich Oebet^ aber lehnt Minor als Mabometgediebt ans äußeren und
umirtD Granden ab» obwohl es ans der ersten Weimarer Zeit band-
»thnftlieh trhalten ist (S, SO, Note 73). Eine Ode Ist es aller-
,JiD|i nicht (S. 81) nach dem Arlbegriff, allein m< E* könnte es
liiehwebl als eine Mahnung dea „dänngestekten Propheten'* an
Großen gelten. Als Goethe das Schema zu ^^Diehtnng nnd
lihrbiit'' entwarf, war ihm wohl aneh dieses Gedicht nicht
~ff^«Qvärtig. Über die Gründe, die Goethe bestimmten, den dra-
Qiitificben Plao fallen zn lassen, wissen wir so gnt wie nichts.
^Biotzir behauptete, Merck habe ihm denselben zu Gnneten des
^KOiltiz'* ausgeredet Die Bache ist nicht belegt, steht aber nahe^
^^B Mirck der Druck oblag nnd gewiß der fertige ^Göti*" (der im
^Blii 1778 ancb erschien) lieber war, als der erst in Gestaltung
^lipffine ^Uahomet''. Es bleibt zn bedauern» daß Duntzer für
Mifil Mirek'Biographie keinen Verleger finden konnte. Eingebend
Npiieht MJaor das dramatische Fragment, ¥on dem Goethe selbst
10 „Dichtung und Wahrheit'' nur aus der Erinnerung berichtet.
Didureh, daß Minor endlich die Geecbichte Mahomela äum Ver-
ihkku mll Goethes Arbeit heranzieht, kommt er zu neuen^
^kmh, nahezu restlosen Ergebnissen und kann den Fabulisten
hilf and dort auf die Finger klopfen. Im 3. Kapitel wird die Be-
«llttaiig des Mahomet von Voltaire (1799) besprochen. Das Iran-
tMMhe Siück, das den Fanatismus geiieln sollte und den Pro-
flitlB als einen Verbrecher hineteUte, war eine schw&chlicbe Arbeit.
Olilbs bearbaitete es auf Wunach dea Herzogs für die Weimarer
BIhsi uod milderte die Sache mit großer Gewandtheit in wenigen
StiJihaQ reebl bedeutsam. Ihn zog eigentlich mehr die Form das
tlviltifltischen Dramas an und er betrachtete die Aufführung des-
ülNa als ein Exerzitium für Dichter, Schauspieler nnd Zuschauer,
die lieh wieder an Verse gewöhnen mußten* So ist denn auch die
%iul bezügliche Stelle im ^Maskenzng" von 1818 völlig ver-
^Jttudlkb* [n der nun folgenden Kritik der Angaben Qoetbei über
^■a ^Mabomei** io der Autobiographie fftUt manches Licht auch
^H( andere Dichtungen Goethes und werden interessante Parallelen
^PugiD^ kleine Irrtümer mit leichter Hand beseitigt. Wegen des
; i; «. ««(«IT. 0JV«. lees* U ll«a d
34 P. Oerehe, H«iBri«b tob Klotl» H«nBM]itNUaebtp Mig. ? . F. Hokner
58. fenetiaDkehMi Epigramms liüte auf H. FvDck» Gotibe aad
Lavater (Sebrifton der Goetlie-CtoMnaobaft 16, 871) «ad aUgemiiD
auf die LaTater-Denksekrift (Zflrieli 1902, 8. 888 ff.) hiagtiriMeD
werden kÖDDen. Is „Dichtmig nsd Wahrheit'' hat Ooetiie tod eiBW
andeiii Hahomet erzählt, als er vor 50 Jahren hatte daretailiD
wollen, QBd sich einfach an die Biographen des Propheten ange-
lehnt (8. 58). Bohr klar and aufschließend wird endlieh 8. 58 (g.
Goethes abermalige Besch&ftignng mit Eeran und Hohamedanisiims
dargelegt, die dnrch einen Äußeren Anlaß hwTorgemfen war and
den „Weetdetliehen Divan^ erzeagte, während er ans das Drama
schaldig^ geblieben ist Die leitende Idee des Hohamedaaismas
aber hat er als „Islam" (= entsagende Hingabe an G«tt) aeeh
im Alter oft aasgesprochen and an sich selbst «rfahrea. Idi
möchte za Minors Stellen 8. 64 noeh die scbmerzlioheB Srlebnisse
in der Liebe za Ulrike t. Leretzow nach 1828 lllgeii, die in der
bekannten Werther-Elegie ergreifead aasklingeB. 8o ist Goethe ein
Hekkanns in höherem Sinne geworden, als Herzog Karl Aagast es
einst gemeint hat.
Graz. 8. M. Prem.
Dr. P. Oereke, Heinrich 7on Kleists Hermannsschlacht Die
dentschen Klaesiker erläutert and gewürdigt fttr höhere LehriMtiUso
sowie som Salbststadiam von E. Kaenen «ad M. Ef ers. Leipzig
1905, Verlag fon Heinrich Bredt.
Gweke geht den sichersten Weg, der im Unterrichte ein*
geschlagen werden kann, indem er tächtige Arbeiten über H. ▼•
Kleist seinen allseitigen Erlänterangen zagrande gelegt hat. Er
gibt zuerst den Inhalt nach Szenen oder Szenengmppen an and
erörtert nach jedem Abschnitte deren Bedeutangr ftr den Gang der
Handlung. Abgössen davon, daß dies zu Wiederholungen fähit,
überhebt die so Torbereitete Inhaltsangabe den Schüler nar za
seinem Schaden der Mühe, den Stoff des Dramas seibat anfznfassen
und durchzudenken. Gut ist begründet, warum der Stoff der Her-
mannsschlacht mehr für ein Epos als für ein Drama geeignet ist,
doch ist die Skizze zum Aufbau der Handlung Torfehlt. Denn die
treibenden Motive bauen die dramatische Handlung, nicht der
beobachtende Zuschauen Dazu ist die Gliederungr^ die Gereke ver-
sucht, noch in sich verfehlt. Im 8. Akte ist „Hermann an te
Arbeit**. „Sz. 1 — 2 Hermann reizt die Cherusker zum Hasse gegen
die Bömer auf. 8z. 4 — 6 Hermann täuscht den Oberfeldherrn Yarns
über seine wirklichen Absiebten''. Im IV. Akte ist „Hermann am
Ziel seiner Pläne'': „8z. 8 — 6 Hermann setzt alle germanischen
Stämme durch Übersendung der zerstückelten Leiche Hallys in
Flammen des Hasses. Sz. 7 — 8 Hermann verbietet jeden Verkehr
zwischen Teatobarg und seinem Heer, 8z. 10 Hermann gibt Astelf
J. J. ÜTwnea, Ghr«ft»Baiya arehaiea» ang. t. A. Gafln0r. 95
Wtitimi^B'' B8W. Ist da Hermaiuit der „am Ziel aeiaar Pliaa^
MiB loU« üebt ebanao noch ^an dar Arbeit^? Der Aufbau der
Nebeabandlnng leidet aa dem Grandfebler, daft Tliaaoelda,. dia im
Mitteipiiiikta dea Intereaaea an der Nebeobandliing %Uhi^ zu Onnaiaii
HimaBDa beiaeite geadiebea wird. Wer ffihrt denn die Kataalrepbe
der Nebanhandlang aa berbei, wie sie erfolget? Doch nur Tbnsaalda.
Hermann aber fiillt nnr die Solle zn, daß er Thoaneld» ia ent-
MdMidende Lagren yeraetzt, dnreh die aie eich ihrem Charakter
genia haranantwiekeln mnß. Dar 8. Abeehnitt beattmmt recht
Mflftlhrlich die Zeitfolge« der Ereignisee, eie macht Scbfllern immer
Seliwieri^keiten. Dia Pereoaen werden kurz nod recht gut charak-
terieiert» die hietoriecha Gmndlag^e des Dramas ist geachiekt nach
Mofflmaaa auch znr Benfitznng fflr den Lebrer znaammengeeteilt,
der aaa dem Abachnitta: y^Verhiltnia dea Dramas znr Oeaebiebta^
wehl nnr daa Wicbtigate bei der Sefanlbebandlnag Tarwenden wird.
Der Abschnitt »Entstehang nnd Tendenz des Dramas' wtrdigt
vell das Dichter nnd sein Werk. Den SehlnA bilden etwaa zu
reiche Sacberklärnngen nnd Anmerkungen nnd eine gnte DarsteUang
der Biganheiten der Kleistsehen Sprache. Die Gedanken werden
klar aaageeproehen, nnr einmal eine Oewitterachildenng ebne jede
Besiehnnir (S. 47)« ein kleinea Scbaastückt nichts mehr. Die
Syraehe ist rein bia anf die mnndartliebe Wendung: Die Beispiele
i'md übarana zahlrekh, daß sich eine Znaammenstellttng erübrigt
(8. 117). Dmckfehler: 8. 85 Tagenbnnd, 8. 79 Affee, S. 87 Dos.
Wien. Ferdinand Holzner.
Jos^ Joaqnim NaneSy Chreatomatfaia archaica. Ezcerptoe da
lUterAtora portogoesa deade o qae de mala antigo se oonheee nM ao
seealo XVL acempanhados de introdncäo grammatkaU notas e glos-
sario. Ferreira k OU? eira, Lisboa 1906. GLX und 498 SS.
Ea Iftga wohl kein Gmnd vor, dieses hdbach ansgeatattate
Bach nnaerer Anfmerksamkeit teilhaftig werden zn laaaen, wäre es
nicht mabr ala ein für die YII. Klasse der portngiesisefaeo I^zeen
beatimmtea Lehr- nnd Leeebndi. Zn seinam großen Vorteil nnd
zn dea Verf. Ehre fiberachraitet ea aber dies bescheidene Ziel so
weit, daft die gesamte Bomaniatik aein Erscheinen mit lebhafter
Genngtwnag zn begrüßen alle Ursache bat.
Dia litarariacheo Erzengnisae Altlnsitaniens sind nfimlich teils
ia Anagaben erschienen, die in den wenigsten nnaerer Bibliotheken
•athalten aiad, teile Anßerst kostspielig nnd volnminta nnd dabei
zaweilan nnr diplomatiache Abdrücke, mit denen der weniger Ge-
übte j» nicht viel anzufangen weiß. Wir freuen nns zwar, den
Cmumkn pariogkue ddla BMMeea taikana, me$$o a ttan^M
db Smaato Monaci nnd den ihn erginzenden Canzoniere porto-
fke$9 Ccloeci'Brancuti, pubblicaio neue parti che eampletano il
36 J. V* Nunes, Ghrestomathia arebaio»» aag. t. A. Gafiner,
Codice vatteano 4803, da Enrico Molteni zn besitzen nnd schätzen
uns glficklicb über die Tortreffliche Ausgabe des Canctaneiro da
Jjuda, die nns die gelehrte Carolina Michaelis de Vasconcelloa
bescherte, empfanden bisher aber schmerzlich den Mangel kleiner,
handlicher Ausgaben altportngieeischer Dichter. Wohl TerGffent-
lichte Henry B. Lang im Jahre 1894 „Das Liederbach des EOnigs
Denis von Portugal^ in einer sehr dankenswerten, weil im all-
gemeinen trefflich gelungenen kritischen Ausgabe, allein dasselbe
enthält, wie schon der Titel anzeigt, nur die Werke eines wenn
anch bedeutenden Dichters.
Gleichwie das auf eigene Lektüre gegrflndete Studium der
altportugiesischen Literatur war bisher auch das der historischen
Grammatik der mittelalterlichen Sprache Portugals mit ziemlicher
Mühe verbunden. Comus fiber jedes Lob erhabene Grammatik der
portugiesischen Sprache in GrObers Grundriß wie Meyer -Lftbkes
nicht minder Torzfigliche Grammatik der romanischen Sprachen
behandeln das Altportugiesische eben nur so nebenbei. Auch des
Bef. Abhandlung Aber „Die Sprache des EOnigs Denis von Por-
tugal", die unlängst in VolImOllers „Romanische Forschungen^
gedruckt wurde, vermag den Anforderungen, die an eine historische
Grammatik zu stellen sind, naturgemäß nur sehr unvollkommen zu
genügen, da sie ja nur die Sprache einer sehr kurzen Zeitspanne
und eines einzigen, dazu gelehrten Dichters behandelt.
Es hat also nicht nur der Literarhistoriker, sondern auch
der Linguist der Gründe mehr als genug, das Erscheinen des neuen
Buches mit Freuden aufzunehmen. Die Seiten XXII bis CLIV sind
der Grammatik gewidmet und auf S. 449 — 484 finden wir ein
Olosaario, das nur WOrter und Bedensarten enthält, die heutzutage
nicht mehr oder in veränderter Bedeutung üblich sind.
Den Hauptteil des Buches umfassen, wie nach seinem Titel
nicht anders zu erwarten ist, Texte in Prosa und in Versen, meist
in tadelloser Form, da sich der Verf. gewissenhaft an die schon
vorliegenden Ausgaben von Carolina Michaälis und Lang hielt und
außerdem in vielen Fällen den bewährten Bat und die nie ver-
weigerte Hilfe der Frau Miehaölis anrief. Der der Lektüre zuge-
wiesene Teil des Werkes enthält Schenkungsurkunden, Inventare,
Testamente aus den Jahren 874—1898, Stücke lehrhaften Inhalts,
eine lange Beihe von Legenden und Erzählungen z. T. historischen
Lohalts, wie über den Britannenkönig Artur oder den ägyptischen
Josef, und einzelne Fabeln aus dem von Leite de Vasconcellos herans-
gegebenen Livro de Esopo, dessen aus dem XV. Jahrb. stammende
Handschrift in der Wiener Hofbibliothek aufbewahrt wird. Der
poetische Teil umfaßt Gedichte epischer, lyrischer und dramatischer
Art, hauptsächlich eine größere Zahl von Cantigaa d'escamio e
maldizer (Satiren), Cantigaa d*anior und Cantigas d'amigo (Liebes-
liedern), Cantigas d$ ramaria (Pilgerliedem) und Pastoreias
(Schäferliedern) in schönster Abwechslung.
J. J. Nmtest Chreitoiniftbift arehaioa, ang. t. ä, Oaßner. 37
Da das traffliehe Bneh hoffentUeh in kflrzester Zeit nieht
oar in alle Lyieen Portagale, eondem*. anch in eine große Anzahl
romaniitiaeher üniTersitfttaaeminare Eingang finden nnd deshalb
weitere Auflagen erleben wird« gestattet sich der Bef. eine Beihe
TOB TerbessernngaTorsehlftgen, die ansschließlieh den grrammatischen
Tsil des Werkes betreffen. Es sei Jedoch ansdrfleklich bemerkt,
dsft sieh der Bef. stets die Tatsache vor Angen hielt, daß das
Bach in erster Linie für Mittelschüler, nicht aber für gelehrte
Romanisten bestimmt ist, was in einigen Füllen den Maßstab seiner
Kritik rechtfertigen möge.
S. XXV, § 14 5. Einzelne der Wörter mit Schwund dea an-
laatenden Vokals würen in demselben Kapitel anter Obs. III an-
zuführen gewesen, da das Volk in ihrer vollen Form yermntlich
Artikel und Sahst, erblickte: hatarda neben abetarda: avi tarda,
hibe neben abibe^ ani ibe, bcdsga: apciheea, gume : aeumine, eajan
D«ben aeaijan : aeeaaiane für oec. — 8. XXVIII, § 16. Einige der
dort angeführten WOrter wie viride, damina waren nach Meyer-
Lfibke I, 8 825, schon im Vlat. paroxyton geworden, wie Nones
in der Obs. I. für andere selbst annimmt. — S. XXXI, § 18 nnd
S. rXXIV, § 28. Zn dem Wandel Ton ai : ei möchte ich, was ich
leider auch in meinem Denis anzuführen unterlassen habe, bemerken,
daß ee sich nur um Assimilation handle, die aber nur bei ursprüng-
lichem oder durch frühe Metathese entstandenem ai eintritt: a^
: ii, 'ariu .* -eiro, bei jüngerem ai aber unterbleibt : eapia : sabha
: Mtba. Ebenso ist in ai« : ou nur Assimilation zu erkennen. —
8. IXXn, § 20. Unorganisches, anlautendes a bei weibl. Substantiven
erkllrt sich wohl in Tielen Füllen als mißverstündlich einbezogener
Artikel : abenteema, avmtuma oder abanteema, abespa neben bespa,
Mspa, ametade neben metade^ adaga, awiara. — 8. XXXIII, § 22.
Npg. fame, altpg. fatne, das schon von Denis (V. 2741) mit ame
QDd come gebunden wird, ist ein schlechter Beweis für die 6e*
Wahrung des lat. d. — Ibid. u. a. v. a. 0. Cabo : caput und alt
caboOy npg. eaho : eapulum müssen strenge auseinander gehalten
werden. — 8. XXXV, § 26. Wenn altpg. cadea^ eheo, i$a, elo usw.
io der modernen Sprache auch eadeia, cheio, teia, eeio gegenüber-
stehen, so dürfen wir trotzdem nicht von Diphthongierung des
alten e sprechen; die Sprache strebte einfach nach Tilgung des
l&stigen Hiatue und schob daher y zwischen dem betonten und
dea tonloeen Vokal ein. — 8. XXXVIII, § 82, Obs. I. U, eunho,
agulha, ehuva, ruivo, mureho, matiru^: übt, euneu, *acüela, plüvia,
riAeu, ^mürdu, naOürtiu verdanken ihr u statt 6 wohl nicht
•iner grundlosen Lüngung des betonten Vokals, sondern dem Ein-
flasse dee folgenden «-Elementes (Umlaut), den Nunes betreffs
dmrmo, almufiha usw. richtig selbst annimmt — 8. XLV, § 42,
Obs. Daa Tortonige • von milhar, pidir, vistir, firir uew. dem
Einflüsse des anlautenden Labiale zuzuschreiben, ist schlechterdings
umüglich. — 8. XLVI, § 45 wird unter den Beispielen, in welchen
38 J. /. Nwtes, GhrwtMiuitliift aniuika, aeg. ? . A Baßner.
flieh lat. ö, ö oder ü alt 6 oder 6 mit «-ftbnlicliMr Klaogfarbe er-
baUes habe, aveb euspir : eoBpuere aogeffihrt. — Ibid. Obs. II.
M$9ir§ wird ale Fremdwort bezeiebnet, da eich eein aoelanteDdee
-tf zu -^ gewaoddt habe. Nanee aeheiiit eben zu ftberaehen, da6
dae Wort Dicht von magMru, eondem rom Nom. magisUr abm-
leiten iet — S. XLVm, § 46. Auf altee fermoBo mag nicht bloß
DiBsimilatioD, eondem auch ein anderea AdjektiT deeeelben Anlants,
z. B. fgrmo, eingewirkt haben ; valertmo, iemerveo entetanden wohl
nach dem Verbilde der Inftn. vaUr, temer and in retUmdo, reiojo^
redar oder redol erblicke ich den Einfloß dee Prftfixee r»-. —
Ibid. 8 47, Obe. L Ourina neben urina iit rielleicht weniger
dialektisch ale, wegen der Ähnlidikeit der Farbe, dnrch (mro her-
▼orgemfen. — S. L — LI, § 51 nnd § 51, Obe. IL Aach Nnnee
vertritt noch die Ansicht, daß sowohl betontes wie Tortonigee au
:au werde. In den §S 8 nnd 29' meines Denis Terenchte ich jedoch
die Behanptnng zn vertreten, daß vortonigee au nicht zu om, son*
dem za einfachem o werde. Es sei hiemit festgestellt, daß alle
▼Ott Nnnes angeführten Beispiele fftr mein Geeetz sprechen oder
ei^ wenigstens nach ihm erklären lassen. Ich fflhre nur diejenigen
Beispiele an, die ich in meiner Arbeit zn besprechen keine Gelegen«
beit hatte. Ouear, <mvir, gauvir bezogen den Diphthong ans ihren
stammbetonten Formen, oti^ofio steht nnter dem Einfloß von outo^
loureiro, Louredo nnter dem Ton lauro. Damit erledigt eich auch
alles, was Nones aber loar nnd air rorbringen zo mflssen meint.
Orelka stimmt za meiner Annahme ; eoa neben gel. cauda nnd fas
gehen anf vlat eoda, foces (Meyer-Lflbke, B. 6r. I, § 27) zoröck.
Endlich pcbre : paupere erklärt sich schon nach Mejer-Lfibke, B.
Gr. § 282, aos der folgenden Konsonantengroppe. Schwierigkeiten
bereitet also nor ehosira, doch bleiben diee die nämlichen, welcher
Ansicht man aach holdige. — 8. LVUI, § 57, 1^ Hier und a.
a. 0. so ohne weiteres dicSre zn schreiben, geht nicht an. Man
vgl. dazo § 121 meines Denü. — 8. LXK, § 75, Obs. II. Neben
apg. meeemo:me8mo ans ^metipsimu (fflr wohl verdrocktes «me-
tip8$imu) wäre das apg. medie zu erwähnen. — 8. LXXni,
§ 85, Obe. nnd 8. GXXXIV. Abzolehnen ist die Annahme eines
Jbfin. *valuere ^ormado par anaicgia com o pret. ealui: arch.
valvi**. Die Bewahrang des interTok. t in vaier erklärt sich ein-
fach dnrch den Einfloß der anendlich bäofigen HL P. 8g. val mit
korrektem l. — 8. LXXIV, § 88, Obs. I. Mit Bficksicht aof das
Apg. wäre am Ende zo Terbeesera: evdueiomm para nh, quando
0 n ae aehava em coniaeto com ae vogaee i a u, da wenigstens
Denis ancb die Formen unha, algunha neben na, aigua, nenhua
kennt. — 8. LXXYI, § 89, Obs. I. Lies *eo9uetumine statt des
onm6glicben *con»uetumine ; desgl. 8. LXXIX, § 96 a: cob^
eoepuere statt eans. . ; ebenso 8. CXXXn presi statt *prenst
8. LXXVI, § 89, Obs. IL An die von Nonee angraommene
wicklnng von -on Aber -an za -ao vermag ich nicht zo glao
X J. JVt0Mif Cbfivioiiiatbtil arcbtieSf i^Df . t> A, G&ßner,
39
fUf tatoehtiiüiehif ist md bleibt die Erkifrrnng Meyer -Läbk«fi»
^1. Gf. I, § 400: ~e/m.^b nikd dieses dmrcb Dissimilation über
:m. — B. LXIVUl, § 94, Obs. n. Wem Kiiiies msiüsr Äa-
li iit (Demis^ § 40) titid den Ausfall des 6 im Imperfekt der
L— IV. K«ijiifmtt0ii od4 in ibi:i für eine selbitändige, teilweise
m Tlat angibdrige Erscbelnnng aosiebt, mnß der Scblnß-
Ni Äbicbnittet : ^No demparecim^nto do b em tibi € aihi
^tiftimfimm sem duvida mi: mihi'* entsprecbtnd abgescbwäebt
dir Ausdruck ^zweifellos' tnmindest dnreb ^vielteiebt aticb'
iTütfl werden. IgL dain auch die Beiipiele des § 96 b^ 3, welche
Mise ^iiebl beatAtigen. — 8. LIXX« § 90, Obs. L [n uehe-
mKii9:fmm»^ erbUcke ich eher Einflai^ des si du verwandten
A^jtfct /ütU als eine Folgeerscbeinnng der EoDtraklion. — Ibid.
firtM BBd i#w eind keine Anenahinen, sondern provenz* Lehnwörter.
^ S, LXXXIII, g 101 a* Die Bebatiptong, ss «ei bald erhalten
riblitb^D, baldf hanptsäcbUcb in Verbindang mit t^ zu 3t geworden,
in iD ftngtDiii. Wenn wir im Pg. ^ erhalten, baben wir es eben
^\ Ulli m^ sondern mit s^t zu tun und ^unes selbst fnbrt als
Srttdiige fon pai^m, rai^o oder rdi^ : passionff ruaset* an. Für
ki» 9^ basco und gr^ia^o oder graa^ü müssen wir mit Mejer-
Ubli, K. Gr. I, § 546 basseu^ *^raa6eUf fnr cai^a oder caxa
tiy nicht ^ssii^ sondern tapsa^ worans durch eine Art von Assi-
tJAitiim *mcaa entstanden wäre, als Groodtage ans«t^el]« —
8.IiX£XTI, § 105, In der Überschrift ist FL durch PL zu ersetzen.
^L LXXXVII, § 105, Obs. Daß iuxoso oder /i^osö lOxosu ist
«f«lar eiD Drucklthler) nicht wohl ton *lutHo$H kommen k5nne*
libf ich bereite in meinem Dmii$^ § 32, 2 bemerkt. Seine Grnnd^
h%% d«rfte eher ^UTiom sein. — S. LXXXIX» § 107, Obs. Fal&r
ilt Qscb Comns Fg* Gr., § 1B7 offenbar eine Anbildung an das
IpAmm% mltir. — Ibid* § 108. Für pübre ein schon vlat popr§
r pmtperw) anzusetzen and dies mit einem Stern zu bezeichnen,
weil ebenso ncstattbaft als überflüssig. — S. XCII, § 112
d nar Bachstaben-, nicht Iiautgroppen bebandelt, so daß wir
itilt Qod gutturale Laute kunterbunt gemengt finden. Unter
Qnipp« nc finden wir z. B. rancidu : ranv;a neben rancore ^*
'^^eoTf ^tter rc ^ mercedß : merce^ neben mercan .- msrcar uaw.
TiNöift. -- S. CXVLI, § 139, Obs. I. Der Schwund der ersten
^Ät im pruklit. Demonstrat. iU* ist nach Meyer- Lübke, E- Gr. I,
HU, schon vlat., nicht aber pg. — S, CXK, g 148* Lat. oder
*Nlf. starke Partiz. wie coimntQ^ coihtiio, beeiio o. a« als un regele
^i^ ta beteicbnen, geht in einer Grammatik, die aoi wissenschaft-
'<*•» Wirt Aniprucb erhebt, nicht an. Vgl. auch 8, CXXV, § 153,
"RCXXI7, § 15L Die Tatsache, daß die Verba der E- nnd /-
Hiisa in IL R Sg. des Imperativs das t oder a der „vorletzten
^»hili^sjlbe*' im Alip^. sehr h&ufig io t, bezw. u verwandelten,
m. E. nicht bloß erwähnt, sondern auch erklärt werden.
eben bab«« wir nattriich von den Verben der iat. IV. Konj.t
40 J. J. Nune$, Chmtomathia arehueat ug. ▼. A, Gaßner^
deren anslanteodee •! betonte« e oder p des Stammes nrnznlanten
Tormag. Dann werden sich ihnen die Verba der Z- Klasse mit
stammhaftem f oder o nnd endlieh auch die Verba der ^-Klasse
analogisch angeschlossen haben» — 8. GTSV, § 154. *Tr(unU
:trouxe kann nicht so ohne weiteres zu den Verben mit sigmati-
schem Perf. gerechnet werden, da ironxe nach allgemeiner Ansieht
eine Verschrinkang von traxi + iraeui darstellt, also ebenso gut
znr *!<•• Klasse gehOrt. — 8. GXXVI. Das Perf. *p€li (für peUi
^ petim) als sehwache Form kann nicht nnwidersprochen zwischen
den beiden starken Formen ^^[uesirquis und ^poii:p68 stehen. —
8. CXXVII nnd ff. Wie schon bei früherer Oelegenheitt mnß hier
neuerdings gegen die Annahme schon Ylat. Formen wie benedieSn,
eognaaeSre, eredSre, dktre, erigSre, faeire, perdSre, permaneteSre,
ptmire, ^prendire, ^querire Einsprach erhoben werden, da sowohl
die ital. (bsnedire, conÖBeeref crSders, dire, irgere, f^^p pSrdere,
parre, prSndere) wie anch die franz. Formen (Umr, eonnaUr», afr.
cofioiff^, eraire, dire^ afr. aerdr$, faire, perdre, pondre, prrnidn)
das Gegenteil beweisen. — S. CXXVm, Z. 7 ▼. o. *C(mquar9re
ist Druckfehler fflr ^cmfuaerere, — 8. CXXIX. Als Grundlage
ffir starkes erat kann man wohl unmöglich ein lat. *ire8i für erexi
ansetzen. — 8. CXXXEI — IIL Die Schreibung sdbia, sirvia im
Konj. Pris. wirkt einigermaßen stOrend, da sie, zumal in einem
für Mittelschüler bestimmten Buche, zu Verwechslungen mit dem
Indik. Imperf. : aabia, 8$mia Anlaß geben künnte. Ich würde daher
der Yon Lang in seinem „Liederbuch des Königs Denis von Por-
tugal*' durchgeführten und von K. MichaSlis in ihren 'Bemerkungen'
zu demselben, 8. 48, als hübsch bezeichneten Schreibung aahha,
servha den Vorzug geben. — 8. GXXXIII. Ein vlat. *trag$re für
frohere ist wegen ital. trarre, frz., prov. traire, span. iraer nicht
anzunehmen. Das Wort wird vielmehr nach dem Vorbilde einsi,
cindum : eingo zuerst zu iraxi, iractum ein Präs. irago nnd dann
dazu III. 8g. trage und den Infin. trager gebildet haben. —
8. GXXXVI, § 156. Die Behauptung, das betonte • Yon inUr sei
auf dem Wege ins Pg. tonlos geworden, ist abzuweisen: ein Wort
kann wohl einmal vom Ton getroffen, ein andermal proklit. ver-
wendet werden, nicht aber den Tonvokal in einen tonlosen ver-
wandeln. — 8. GXXXVII, § 157. TwU ist nicht unsicherer Her-
kunft; seine Grundlage ist das lat. Partiz. tastutn und sein Aus-
laut hat sich dem des Gegenwortes tarde angeglichen. — Ibid.
Aid neben aed:eeeuhae ist nicht ad + iliäc, sondern einfaches
illäe, das seinen Anlaut dem von aed, aqui anglich. — 8. CXXXVIQ,
Z. 12 ▼. u. fehlt nach tantu ein wesentlicher Beistrich. — Ibid.
§ 158, Obs. Dem schon im Lat. Torhandenen Adr. per, das zur
Verstürkung von Adjekt. und Verben dient, pejoratiren Sinn zuzu-
schreiben, geht mit Bücksicht auf die schon klassischen Wörter
peraeutua, perbeatua, perhonue, percder, permagnua, permuUue,
percurare, perdomare, permavere, permunire, pereanare o. r. a.
nicht an.
£ Qui^, PrftBi. Auspraehe imd Spraohfeztigkeit, sng. f. F. Wawra» 41
Ferner sei an Prof. Nnnea die dringende Bitte gerichtet, bei
dir ZQ erwartenden Neuauflage dee Werkes den Korrekturen größere
Sorgfalt zu widmen: das Yier Seiten umfassende i aber trotzdem
QDfoUstftndige DruekfehlerTerzeichnis fordert zu dieser Bitte ge-
ndezu heraus. Endlich noch eine Bemerkung über die auf dem
(steifen) umschlage befindlichen Ankündigungen der Verlagsbuch-
bandlung. Auf einem Schuibuche ein Werk über Ä vida sexual
anzupreisen, wftre wenigstens bei uns in Österreich unmöglich.
Innsbruck. Armin Oaßner.
Französische Aussprache und Sprachfertigkeit. Ein Hilftboeh
lor EinfQhrnng in die Phonetik and Methodik des FrantOiischen
▼on Dr. K. Qniehl, IHrektor der OberreaUehnle in Gassei. Vierte,
amgearbeitete Auflage. Marburg, Elwertsche Verlagsbachhandlane
1906. 332 SS.
Wie schon in der 2. und 8. Auflage (vgl. unsere Bespre-
ebuig in dieser Zeitschrift, Jahrg. 1896, S. 248 f. und Jahrg.
1899, 8. 889) hat der Verf. auch in dieser sein Buch möglichst
branehbar zu machen und auf der Höhe zu erhalten gesucht
durch zahlreiche Erweiterungen und Umarbeitungen sowohl der
phooetiscben wie der methodischen Abschnitte. Es hat auch an
ümfsng erheblich zugenommen: aus den 184 Seiten der dritten
Auflage (ohne InhaltsTerzeichnis) sind Jetzt 825 geworden. Vieles
TOD dem, was hier vorgebracht wird, ist freilich bereils Gemein-
§rut der Lehrenden geworden und wirkt heute nicht mehr durch
seme Neuheit wie zur Zeit seines ersten Erscheinens. Unter den
umgearbeiteten Kapiteln heben wir das Aber die Bindung (und
„Mitbindung sonst stummer Endkonsonanten") hervor, das größten-
teils in neuer Gestalt auftritt, da der Verf. diesmal zur Grundlage
seiner Beobachtungen hauptsächlich die Parlera Paristena von
Eoschwitz genommen hat. Das hatte den großen Vorteil, daß
sieht mehr wie frflher die Aussprache eines einzigen Franzosen
(P. Passjs) als Begel und Richtschnur in allen Punkten ange-
nommen werden mußte, sondern daß neben ihm noch die Sprech-
weise anderer, nicht geringer Autoritäten zum Vergleiche heran-
gezogen werden konnte. Neu ist auch die Behandlung des Drei-
konsonantengesetzes, von dem noch weiter unten die Bede sein
vird. Auch sonst zeigen sich Verbesserongen in kleinen Zusätzen
sad geänderten Formulierungen. In der phonetischen Literatur
(8. 28) ist auf die Experimentalphonetik Bflcksicht genommen
worden; doch sind dort merkwürdigerweise gerade die ersten und
frandleg«nden Arbeiten und der in praktischer Hinsicht so wich-
tige Prids de Pnmoficiatum frangatse von Bousselot nicht ge-
Bsnnt. Im flbrigen läßt der Verf. eine Einwirkung der von ihm
doD Neusprachlern anempfohlenen Experimentalphonetik jenes Qe-
48 JT. ^uteM, Fran. AosspiMlie und SparacbfotigWt, ang. ?. Jl ITovra.
lehrten bei sieh selbet TenDisBeii; eonit liUle Biandiee in seinem
Bnehe anders ausfallen müssen. 80 wirde er sieber (S. 128)
eh^val nicht (wie Njrop, Manuel' phon^tiqne 8. 122) als drful
transkribieren. Auch Passy (rgh die 5. Anfl. der /Sone, 8. 128)
gibt in le chevtU (beachte aneh die Hinznitgnng des ArtiMs,
welcher den Ansfall des dampfen e ven ehecal erst möglich macht)
den labiodentalen Beibelant nnr als stimmlose Media (^) an, was
doch wohl Ten / Tersefaieden ist. Überhaupt ist Passj jetzt hin-
sichtlich der Assimilation viel konservativer geworden (vgl. die
transkribierten Texte der letzten Ansgabe der Sans mit denen der
ersten Auflage des Elementarbaches). Dies würde sich nmso-
mehr für Anfänger empfehlen; denn mit Becht sagt Bousselot
(PridSf 8. 84): Une (unmilatian vo/iUue dSpasse taujoura la
mesure. H&tte sich der Verf. mit des letzteren System vertraat
gemacht, so würde er (8. 38, Anm.) anter den Phonetikern, welche
die beiden a- Laute in einer Passy entgegengesetzten Weise be-
zeichnen, neben Thudichum statt Zünd-Burguet und Th.
Boss et doch zun&chst den nennen, weicher für diese beiden Vor-
bild gewesen war, nämlich ihren Lehrer Bousselot, welcher wieder
sein Transkriptions-System der Revue des Pateie OaUo-Bamane ent-
lehnt hat. Auch nimmt nicht Bosset allein drei a-Laute an, sondern
er sowohl wie Zünd-Bcrgnet gleichfalls wieder nach dem Vorgänge
Bousselots. Vgl. darüber sowie überhaupt über das Verhältnis der
phonetischen Systeme Bousselts und Passys des Bef. darauf be«
zügliches Schriftchen (bei Fromme, Wien und Leipzig 1904 und
1906). Auch wäre bei dem genannten Experimuitalphonetiker
noch manche Bemerkung über die Bindung, wo ja der Verf. nach
möglichster Vollständigkeit strebt, sowie über die Aussprache oder
das Verstummen des dumpfen e zu finden gewesen.
An sonstigen Einzelheiten erwähnen wir noch folgende:
Aus früheren Auflagen herübergenommen ist der Widerspruch
zwischen 8. 51: „Die stimmhaften Laute setzen sich, mathema-
tisch ausgedrückt, zusammen aus den entsprechenden stimmlosen
Lauten + dem Stimmton'' und 8. 56: „Man weist den Schüler ao,
die stimmlosen Laute kräftiger als die stimmhaften herTorzubringen'*.
In der Tat bemerkt schon Passy, Sons (8. Aufl., S. 88; 5. Aufl.,
S. 92, § 174), daß sich stimmlose und stimmhafte Konsonanten
auch in der Stärke, mit welcher sie herrorgebracht werden, unter-
scheiden, demzufolge sieh auch die Bezeichnung „hart" und „scharf
(durea au fartea) und ^weich*' oder „sanft" (faiblea au dauoes)
findet. Vgl. dazu auch Prieia, 8. 51 f. — S. 88 wird die richtige
Bemerkung gemacht, daß geschlossenes e in offenen, offenes e in
geschlossenen Silben steht, wozu eine „scheinbare Ausnahme''
Wörter wie Uever mit geschlossenem e vor h bilden sollen, was
künstlich so erklärt wird, daß Iv (bei ausgefallenem dumpfen e}
zur zweiten Silbe gehüren soll, wie ja auch lever = Ivi gesprochen
werde. Dem gegenüber ist zu bemerken, daß in isoliertem lever,
X QmMf fiwm. Avapraehe ud B|irailif«rlif MI, ug. ▼. F. Wawra, 43
um in dieml (wonaf sehon oben bisgewieMD wurde) n. ft. dM
dinpfo ß gtsprodien wird (so aaeb richtig 8. 118; TgL auch
fwmj, ^ofw^ 8. 125). Es kau in dieser 8iell«ig nnr ausfallen,
wna sieh dsr YorbeiigeheDde Konsonant an einen vorhergehenden
Tskal anlehnen kann und so Ysrteilen sieh denn auch die beidsa
KMsmanten in natArlieher Weise anf die beiden 8ilb«i: ü-ver^
we dann das erste # in geschlossener Silbe steht nnd, entsprechoid
friosasieeben Lantgewohnheiten, anch offen gesprochen wird, bezw.
da die Silbe unbetont ist, halb offen. So bezeichnen denn auch
Isnsselet und alle seine Schüler jedes unbetonte e sowohl in
oinen wie umsomehr in phonetisch geschlossenen Silb« als ein
.■itOsies'' (inoywi = halboflen). Vgl. Bousselot, PrieiB 8. 148 f.;
8adre» P§Ui Manuel de Prananeiatim /rangai$e, 1er Fase. (Paris
1903, 8. 26); so auch durchaus in ihren Transkriptionen: ZAnd«
Bvgust, Prakiiaehs Ühungm zur Aussprache des Französischen^
sad Boeset, Bxereices pratiques d'ariicukUum et de dicHon. Vgl.
X. B. die Umschrift von Uevi(e) bei Bonsselot a. 0. 8. 98 und
198 und Bosset, 6. 82 f. Der Verf. selbst gibt ja jetzt (8. 109)
n, daA in sefawach betonten Silben der Vokal mit ,,etwas schlafferer
Ziaginhmltung'' geeprochen werde. Ist dies aber der Fall, so ist
auch die geschlossene Aussprache geschwunden und hat einer mehr
iftnen Plntt gemacht. — 8. 92 und 109 wird noch immer in
Aalehnung an Paasy adroii(e), SiraU(e), froid(e) usw. mit tiefem
a gegeben. Doch ist dies nicht die gewöhnliche Aussprache wenig-
ittts nicht in Paris. Vgl. dazu des Bef. Bemerkungen a. 0. II
2S. Dagegen ist jetzt richtig der Eonjunkti? f utile unter den
Wertem mit tiefem a gestrichen (8. 98).
Die eehon erwihnte Behandlung des Dreikonsonantengesetzes
bUbt» was Klarheit der Darstellung betrifft, hinter der bei Nyrop
m Man. phon. zurflck. Da auch diese und noch mehr jene bei
Psssy, Sans *, 8. 125 unzureichend ist, so sei hier auf die in
^setsehen Philologenkreisen, wie es scheint, noch wenig bekannte
Itotellung dieiee Gesetzes von Maurice Grammont Terwiesen,
vMe ala Bxkurs (^la loi des trais cansonnes*^) seiner Untersuchung
te i^Blow dz la Franche Montagne in den Mimoires de la SoeiSiS
ie LimfuizUgue de Paris, VIII (1894), 8. 52 erschienen ist. Sie
iit bis anf Einzelheiten TollstAndig und macht auch alle deutschen
Arbeiten Aber dieeen Gegenstand überflüssig. Nach diesem Gesetze
v^ia ü me da (B.120 unseres Buches), falls das / ron il ge-
ipiechen wird, auch daa e von me zu sprechen. Dagegen hat
(ibwda, 1. Zeile) das £ndungs-# ron demande, das in der Um-
Nhrift des Satzes Je ne te le redemande pas erscheint, wie aucb
(8. 121) daa End-e you redingde, dessen Aussprache ausdrücklich
viflaagt wird, in um redingoie grise wegzufallen, da die Anfangs-
fippe gr in dieser Stellung den Wert eines Konsonanten hat.
Vgl. Grammont a. a. 0., 8. 69. Im Anschluß hieran sei die 8. 169
litierte Stelle der Pariere Parisiens bS, 17 Stendent
44 K, QuiMf Frani. AoBapnehe nnd Spriehfeitigkeit» ang. t. F. Wawra,
uns besprochen. Hier erwartet der Verf. bei Bindung des t
zQ une auch Aussprache des e der Endung ent. Aber nach der
Pariser Aussprache ist gerade hier kein Platz für ein $. Auch
kann es sich um kein i, Verhören'' von Seiten Koschwitz' handeln;
denn dieser gab in der ersten Auflage das auch Ton unserem Verf.
gewünschte etd.d und imAppendice und dann auch in den darauf-
folgenden Auflagen das von Q. Parcis selbst Tcrlangte, dem Verf.
unseres Buches als „unwahrscheinlich** erscheinende etä:dt. S.
darüber Kosehwitz a. a. 0., 1. Aufl. App. S. 148. — Ebenso ist
S. 247, 1. Z. das # der ersten Silbe von demande im VerhUtnis
zur Aussprechweise der andern Wörter in der Umschrift einzusetzen,
wie auch in femme de ehambre (S. 127), das e der Pr&position
de zu sprechen ist. Vgl. auch Nyrop a. 0. 8. 68, wo femme dt
chambre deshalb dem vaht de ehambre entgegengestellt wird.
Ebenso würde der Bef. 8. 248 das e von de sprechen lassen in
je n'ai pas eu le courage de les hur refvser. In derselben Zeil«
istf entsprechend der Änderung des Textes in der neuen Anfltg«
(▼gl. 8. 245), ä (leur goüt) statt de (leur g.) einzusetzen. Sonst
ist der Druck sehr sorgf<ig und fällt an bemerkenswerten, unter
den 9 Berichtigungen** nicht Yerzeichneten Druckfehlem nur la statt
le (eeigneur) 8. 248 und vaiem st. voisin 8. 96 auf.
Sehr trügt diesmal zur Deutlichkeit der Umstand bei, daß
das Französische durchaus in Eursivdruck erscheint. Auch ist
manches, was früher Haupttext war, in die Anmerkungen Terwiesen,
wodurch die Hauptsache mehr in den Vordergrund tritt. Es wäre
zu wünschen, daß in dieser Hinsicht noch mehr geschehen wäre.
Viele Kapitel sind durch die Erweiterungen allzu lang geworden
und haben an Übersichtlichkeit verloren. Es fehlt dem Buche an
Plastik. Man vergleiche dagegen die Bücher von P. Passy und
Njrop. Überhaupt kann sich Bef. des Gedankens nicht erwehren,
daß das V^erk für seinen Zweck bereits zu umfangreich geworden
ist. Man bedenke nur, in welcher Progression es zugenommen hat.
Aus den 49 Seiten der ersten Auflage sind in der zweiten 150, in
der dritten 184, in der vierten 825 geworden. Ein solches ouvrage
de iongue haieine dürfte manchen Lehramtskandidaten eher ab-
schrecken als anlocken, noch dazu bei dem Gedanken, daß es sieh
ja darin in der Hauptsache doch nur um französischen Anfangs-
unterricht handelt. Sorge des Verf.s muß es demnach sein, in den
nächsten Auflagen sein Werk zu kondensieren durch kürzere Fas-
sungen und durch Weglassung von Entbehrlichem, so o. a. der
Wiederholungen. Dies kann umso leichter geschehen, als ja immer
neue Generationen heranwachsen, die nach der „Neuen Methode **
unterrichtet worden sind. Wird das Buch dann noch durch den
Druck eine plastischere Form erhalten, so dürfte es noch lange
ein beliebter Führer in der Hand von Lehramtskandidaten bleiben.
Wr.-Neustadt. Dr. F. Wawra.
Bagtiaebe und fruiOrisohe Übnogibibliothak, ang. ▼• J, EUinger, 45
Englische nnd französische Obnngsbibliothek.
Paul Heyse, Im Bande der Dritte. Charakterbild Id einem Akt
(1888). Zorn Obertetten aoe dem Deotschen in das Engliiche bear-
beitet Ton Dr. Pb. Ha d gen, ord. Professor an der Tecbnisehen
Hoehscbnle in Darmstadt. Dresden, L. Ehlermann 1906. VIII nnd
72 88. Preia 80 Pf.
Ernst Wiehert, Ein Schritt vom Wege. Lastspiel in vier Anf-
tflgen (1870 — 1871). Znm Übersetzen ans dem Deotschen in das
FimuOoisehe bearbeitet von Prof. Engine B er tanz» Lektor ffir frao-
lOeisehe Sprache nnd Literatur an der UniTcrsit&t Innsbrnck. Dresden,
L. Ehlermann 1906. IX nnd 175 88.
Paul Hey 808 ,,Im Bande der Dritte** ist ein gemflt- und
hvmorrolles Charakterbild mit folgendem Inhalts: Zwei Freonde,
AasesBor Heinrich Haller nnd Bittergntsbeaitzer Andreas y. Werder,
die sin und dasselbe Mädchen lieben, geloben einander, wer anob
immer die Brant gew&nne, trene Freunde zu bleiben; Helene gibt
dem Assessor dsn Vorzug nnd der Bittergntsbesitzer flberreicbt ihr
am Hoehxeitstage ein Yerscblossenes Kurort, mit der Bitte, es zu
Oftaen, bis er nicht mehr im Bunde der Dritte sein werde. Als
Werder nach einem Streite mit Haller sich schriftlich Ton Helene
Terabsehiedet und erklärt, Ton nun an darauf rerzichten zu mflssen,
im Bunde der Dritte zu sein, Cffnet Helene das Kuvert und findet
zu ihrer Überraschung das Testament Werders, worin er ihr sein
Itittergul Tennacht. Helene, die schon langst eine tiefe Neigung
zwischen Werder und ihrer Freundin Komelie bemerkt hat, schreibt
zu diesem Testament ein Kodizill, dahin lautend, daß sie das ihr
Termaehte Bittergut ihrer Freundin am Tage ihrer Verlobung mit
Herrn Werder zediere. Dieser letztere ist znsrst unwillig über die
Torzeitige Eröffnung des KuYsrts, ffigt sich aber dann gern in
sein Schicksal. — Der Text ist dem im Jahre 1889 in Berlin
srsebienenen 21. BAndchen der dramatischen Dichtungen: „Kleine
Dramen Yon Paul Heyse — Erste Folge^ entnommen. Um die
Lernenden bei der Übersetzung des deutschen Textes ins Englische
za unterstAtzen, hat der Verf. erklärende Fußnoten und ein alpha-
betisch geordnetes Werterbuch zusammengestellt. Beide Hilfen Ter-
dienen unser uneingeschränktes Lob; nirgends wird der Schfller
irgend eine Schwierigkeit unerklärt finden. Nur in Bezug auf die
snTollendeten Sätze (8. 18 Erlauben Sie, daß ich in die Kinder-
stube — , 8. 20 um auf seinem eigenen Herde — , S. 25 Ich will
jetzt nur einen Augenblick — uew.) hätte doch bemerkt werden
eoUen, daß im Englischen in solchen Sätzen das Verbum nicht
Uüen darf. Unrichtig ist die Redensart „zum Lachen ähnlich sein^
(8. 21) mit „to bear a ludicrous (ridicuhus) reaetMance to ihe
originaW* fibersetzt Wenn ich von dem Bildnis zweier Kinder
sage „Die beiden Kindsköpfe sind zum Lachen ähnlich'', so meine
ich nicht: „eis sind so ähnlich, daß man darfiber lachen muß^,
sondern: „sie sind so ähnlich» daß man jeden Augenblick glaubt.
46 EDgliMhe and fnAiAsiiehe ÜbnngibibUothek, ug. t. J. EOmgm'.
sie werdeD, wie die wirklichen Kinder, den Mnnd zom LacheD ▼er-
ziehen*'. Im Wörterbuch fehlen die WOrter „einreißen" (S. 29 bei
der Entfremdong, die zwischen ench eingeriesen ist) nod
„GOnnerin« (8. 14).
Der Dmck ist sorgfältig; ich habe nnr einen Druckfehler
bemerkt: S. 49 to throw meself into a persan's arm (st. arma).
Der im Jahre 1902 Terstorbene Gkheimrat Ernst Wiehert
war ein fruchtbarer Schriftsteller« der mebr als 80 Theaterstficke,
18 Romane und 60 NoToUen verfaß te. Dm flott geschriebene Lust-
spiel „Ein Schritt vom Wege" gibt ein treffliches Bild deutscher
Engherzigkeit und Kleinstaaterei, wie sie vor 1870 in DeutndilaDd
herrschte. Der preußische Gutsbesitzer Artnr toq Schmettwitz und
seine junge Frau Ella kommen eben von der Hochzeitsreise« die
sie in die Schweiz unternommen haben, zurflck; nur noeb eine
Nacht Sisenbahnfahrt trennt sie von ihrer Heimat« Da bekommt
Ella eine unwiderstehliche Sehnsucht nach irgend einem romanti-
schen Abenteuer. Darauf sagt Artur: „Ein Schritt vom Wege und
wir sind in der allerromantischeetMi Romantik mitten darin**. Er
wirft Brieftasche und BOrse weg und das junge Paar sehlftgt Ter-
gnngt den Weg in den Wald ein. Sie werden im Walde vom
Gewitter überrascht und kommen ganz durcknifit in dem Bade
Kiefertal an. Die Abenteuer, die sie hier erleben« da sie ohne Geld
dastehen und fflr wandernde Sänger gehalten werden, sind se
mannigfaltig und fflhren schließlich zu so ärgerlichen Verwick-
lungen, daß Ella die Romantik nach drei Tagen herzlich satt be-
kommt und sich auf das ruhige Leben in der Heimat freut.
Die Übersetzung des Stackes in ein richtiges Französisch ist
nicht leicht; ganz besondere Schwierigkeiten bereitet die schwulstige,
pedantische und geschraubte Redeweise in den Reden der Vor-
steherin eines Damenpensionate Rosette Hasenklein und des Bade-
kommissarius und PolizeiYorwalters Busch. Alle diese Schwierig-
keiten hat der Herausgeber geschickt überwunden ; mit Hilfe seiner
Fußnoten und des von ihm zusammengestellten ansfnhiiichen Würler-
bttches (S. 127 — 175) wird es dem Torgeschrittenen Lernenden bei
einigem guten Willen gelingen, den ziemlich sprOden Text in ein
elegantes Französisch zu übertragen. Unnötig war es, in die Fuß-
noten Wortbedeutungen aufzunehmen, die ohnehin im Wörterbuch
stehen, wie z. B. S. 4 junges Ehepaar de nouveaux maHSa, sidi
aufzwingen ^imposer d, S. 7 im Gegenteil au eontraire^ 8. dO
meine Herrschaften Memieura et damea, 8. 111 so zu sagen pmr
ainsi dire. Unrichtig ist die Bemerkung zu der Stelle 8. 21 JM
ich doch .... geblieben wäre"* : ^Aht ei (imparfaü)''. Statt „mi-
parfaU*' lies „plusqueparfaü*' \ Ein ÜbersetznngSTorschlag fehlt
zu den Stellen 8. 89 zu meinem engeren Vaterlande und 8. 102
„Vorsichtig und fein, das ist die Hauptsache — ganz fein".
Wenn „Torsichtig und fein** mit den Substantiven „prudenee ei
habileU*^ wiedergegeben wird, wie soll dann „ganz fein" tbersetat
Ä. awmUtk, Qiiindri& der Shtoilebr», aog. t, G. Jwrü$dk, 47
wwdenf — Im ^WörtirbQch« üUm foigeode WMer: Ärger
(8. 89). dekooTTierai (8. 89). entsprechend (8. 111), Kire (8. 22),
Ubewehl (& 57), PretekUon (8. 76), nmkebren, träne. (8. 74),
Tüiem (8. 58). »Enrte*« (= 8pMeekarte) ist mit „mmW' nnd
„^isskarte'' mit n^He** flbereettt! Eine kleine Unrichtigkeit ist
„Liebehen ckM, mm chkri"^ statt ^xMrU^ ma ehSne"*, da doch
Blla Ten Artnr mit „Liebehen'' angeredet wird.
Der Droek ist sorgfältig dberwaeht worden; mir sind nur
ftlgMide Dmckfehler anfgefaUeii: X as (st. se), 8. 24 abim$r,
8. 170: 89 st 98.
Beide Bftndehen eignen eich beeteoe sowohl znm 8eh«l- als
soeb ram MTalnaterricbte.
Wien. Dr. Job. Ellinger.
Dr. A« Gamlich, Grundriß der Sittenlehre. Leiptia. W.Enaei-
190e. 64 SS. gf.80.
Bei aller Anerkennnng, welebe man dem iniwischen Yorstor-
besflo Verf. wegen seines Strebens nach Tagend and VerroUkem-
ning sollen maß, wird ea kaam möglich sein, den gegebenen
Anregwgen größere Bedeatnng znmmessen. Was als Sittenlehre
gebeten wird, ist nftmlich dem Inhalte nach eine siemlicb getrene
Kopie der clurislliehen , wobei in beiden Systemen nur die Motive
▼sradiieden sind. Während diese bekanntlich aaf religiöser
Ortadlage faßt nad die göttliche Antorit&t Jesu Christi betont,
Btibt jene anf dem Standponkte der Negation der Voraassetznng.
Nech der Anifassang G.s wird nnsere Einbildangekraft von frftbei
Kindheit an durch M&rehen, Vorstellnngen von einem Paradiese
und der kAnftigeB Seligkeit sowie doreh Wondereri&hlangen irre-
geleiteC (8. 27). Die Beligionsdiener rerwirren die Gewissen (8. 87).
Aieh wird einbekamit, daß der Troet, der in dem Glanben an das
•teUTertreteode and s&hnende Tan and Leiden eines Erlösers dem
iladigoB Menechen geboten wird, fftr alle, welche i^gelftaterte Be-
grifle'* TOB Gott and eeiner Gerechtigkeit and ?on der sittlichen
PwBönliohkeit des Meneehen haben, seine Kraft Terloren habe (S.88).
Die SittoBlekre G.e wird aho za den Beligionsformen der Gegenwart
in keine Besiehnng gebradit, da sich alle anf die mit Wandern
aisgeachadckte Geechichte angeblich geoffenbarter Lehren stätzen.
Die Bniatehang and Verbrettnng dieser Beligionen war nnr in den
Zeit« des Aberglaabena möglich. Aach dae Christentam hat aaf
4eiiselb«B Wege den Geist seines Stifters entstellt and za Aber-
glsaben nnd Fanatismas Toranstaltet (S* 51). Die Verhoißang
•iasr hinmliaehen Glftckeeligkeit Yon Seiten der Beligionen ist
siebte anderse als ein Gankelepiel (8. 60).
Ave diesen Proben dMte der Leser die Oberzengang ge-
D, daß der Verf. ein Anh&nger des im XYIL Jahrhandert in
ftO L. WoUwMnny Die OemaaeB ia Fmkrmdi, mag. v. /. Frwßk,
Bohilehteni iMgMprocbweo VarmiloiigMi werden bei den, der m
aaesprieht, a«r vol leicht dvrdi Aiteeiggeetionraeeb zv Qewiiheltvd
avC dieeeai Ratediterraia werdeo dann aeoe Hypeth^sea eafgHiMit,
bis der gaoie Aftfbaa beim eretea Stoft in siob naamineibiMI.
Bei der Baaaentbeerie komnt fainza, dae dieeelbe der BigeiriUbe
und den Mnkel eiaer groftea Menge eebmeiciielt and es bewttit
ai«b da wieder der Aneepracb : Dh que Vkomme s^ffniU tm prk^
inp$ ^tti q¥^ü pmrsuU an ihUrÜ. Der Vater dieeer peeodowiae«-
aebaftiichen Hypothese ist bekaantlieh Ctobinean, deaaen einer aid-
fraDiltoisehea Htiwmpfwiikerfamilie eatepioaaeoe Vorfahm im KaopCi
gegen di« Albigenaer ond Waldenaer den Adel ind grOftersB Gi«id*
beaiti erwariMn. Oehiaeaa empfand nun daa Bedirlkis, aeiasa
jnngen Adel wm( einen alten Stamm tn eMieren nnd er atrilte m
diesem Zwecke die nieht nnbedenkliehe Behanptong anf, 4er ftaa-
Bdsiaehe Adel sei ein Abkönunling der germaniaehen Broboretrasssi
die während der V^lkerwanderang sieh als Oberaehiohte über die
keltische Mhere berGlkermg gelegt habe. Br Mgte ein« buchst
phantastische Oenedegte seiner Familie hintn, die er auf
an der bretonischen Küste ein selbetftndiges Pintentom
Yari nad auf die Herleitnng des Namens OMnmu ve« Ahmm
oder GoiPim zurückführte (eine Etymologie, die man mit Beeht der
Kombination yon Cicero nnd — Eierknchen Torglichen hat).
Wie es einstens mit Vorliebe ans der Konstellation der Oestin«
nnd spftter ans den Faktoren des Miliens geschah, so wollen Gobineta
nnd seine Adepten (wortter beaonders Bonsten Stnart CbiUBbiriaiB
zn nennen ist) allee in der (Jeachichte aoa der BaaaenmiactaBg er-
klären. Auch Woltmann folgt ihren Spnren nnd man mvß es nnr
bedanern, daß er soTiei ernste nnd ehrliche Arbeit nnd Mühe ao
eine Teriorene Sache verschwendet bat Es fehlt hier eben überall
der feste Boden unter den Füßen nnd man wandelt anf ae laftigsB
Steigen, dafi jeden Angenblick ein jäher Abttnn droht. Oad so
begegnen wir anch bei W. Verstiegenheiten nnd nnbewieaenso
Behanptnngen, die nns eher Torblüffen als überzeagen, oo dai er
sich nicht wandern darf, wenn ,,Yiele gelehrte Leute über eeioe
Behaaptaagen den Kopf geschüttelt nnd italianiache Kritiker sieh
belustigt haben"*. Wir künnen hier selbstrerständUch seinen Ans-
fühmngen nicht im einzelnen folgen und wellen nur den ohigeD
allgemeinen Bemerkungen einige Worte hinznfägen. Wenn W.
behauptet, die ükonomische und soziale Auüasanng dar Geeohi^te,
die dem Milieu und der Masse eine entscheideDde Bolle «aachieibt,
sei „im hächsten Grade eineeitig und willkürlich^, ae gilt dies
zumindest nicht weniger tou der These, die Geachiefate werde nv
^Ton Rasse und Genius erzeugt". — Ist es beute wiridieh so
«gewiß'', „daß die germanischen nnd griechiadien BeldenaelMnB
ans Europa stammten und im Gegenteil jene paaaif e UibevOilDenmg
aus Asien herrührt? — Ebensowenig wird man mit W. ei
„wahrscheinlich*' finden müssen, daß die „Sumerier im Zweietrsm-
L. Wokmiam. Di«. GofpiAio in FmOaraioh. a|ig. %. J. Fr€^. 51
Uid, di» TMentMi io AfWkMO. di« An^ariter in BalMlAftf 4P9
P«l%«9«r lad Slfustar, dift Bioiieii a^d TBrui«r'' i^ra l^iimb«
ud Kiütv dw Umtaoda tu lerdMke« Miev, di|ß «M di^
littsUo WMdtfsAg» dv 4ri»r mit d«r •uig^bivwtQ £l«i|AUierpM
waiacbftMi. — I>ie ^Var^cbnidKavg f<m Sftd- iui4 KwdlfioknMipb*'
var lieh nach dem Aibigoiww-kmgf« «o winiig „b^sinielt^» d»A
nocii viel «pittr der Sid&anzQM mit dun Nwntn „J^rayc«** ycüb
dtf 6^«nd am Ghine and Loiro wie tqq «dnem frtmdtp limi^
sprach and ^n Bmaender noch im Jakre 1680 frz&Wty dar ]?)ro-
Ttnala YaracUa dap „Fxaoxoaan*' and Yarböbne i)m aU d«n
«Ffioxmaiia''. — Bei Bichar iet niebt za ibfKfaban, dafi er tin
bittarer Faiid dar Oantocban var und dat «ain 6aacbtebtM#rk
r«B rahmradiger Saibattloaehaag w^i iiei iat — Dai tUKgon-
dUche Baieb wnEda 582 (niabt &8d) darob Pblotar nnd CbUdaliart
trobart; 534 wotde as scbon zwiacbao Cblatar, (^Idabart nnd
Tb^adebefl geteilt; Bndolf grflndata Haobbnrgnnd niobt 889, eon-
dtrn »cbon 888. — Daß die zablraiabste mindere Be^öl^aiige-
Uiiee in Frankraicb (nach den Untaranebangto J^ de GaadaUae)
die wenigaten Talente beryorgebracht, wftbrend die eebr nanig
zablrtifibe Klaaea »dea Adele and Pa^iaiata^ aehr viele» ja im
VerbUtnia die maiaten Talente dar franzdaiecben Nation gesobirnkt
to, btngt «obl nicbt nor „zom Teil'' fon aasialm Qröiiden abt
aad die anlbropolagiacben Uraneben dftrfUn dabei nnr wenig in
Frage kämmen, -r Die Cbrenik daa aogtanannten Fredag^r cflbrt
aebi nieU ton einem «Fojtaetzar", aondeni ton mebreran Ter«
faaaern her, aber deren Paraönliabkeit wir niobta viaaan* — Dia
Abatamijiaiig dar Karolinger von einem eingewanderten Sachsen
Witiehin tat doch wohl nnr eine Sage. — Die atotistiacbe Angabe,
dali ,Ton den 250 franzOsiachen Oeniea .... etwa 60 adeligen
ürspninga aind, alao 24^, während der Adel aelbat nnr mit
0055^ an der Znaammenaetzong dar BeTGlkerong teilnüpimt,
tcheiat ona eine noch onverlftftliobere Baals zu weiteren Kanklu-
sienen als die obige Anfatellnng über die Talente nnd zeigt Ton
Menem, ana der aeachiebte nnd der Statiatik laaae eich alles be-
waiaan. — Die Bebaaptaag» daß faat «alle gmßen AnatMe and
Handlnngan (dar franzßaiachen Geaehicbte) vom Daten nnd Nord-
osten dea Laiidea anagagangen aind**, eracbeint nna acbon im Hin-
blick aof die Albiganaer, Waidenaar nnd Girondiaten aehr anfeobt-
bar. — Ton der Herkonft Larocbafoncaalda iat nnr bekannt, daß
sein Hana daa oiit einem Beizeicben rermahrte Wappen dea Lnaig'
nana annahm nnd daß aeine Familie in Poiton nnd TAngonpiaia
asbr begAtart war and es dtrfte zn gewagt aein, lediglich aaa
daat Namen dea Stammvaters ,,Foacanld = Falkwald*' deaaen frftn*
kiacbe Herkunft za folgern. — Die Angabe, „Bonaparte" sei nor
«eine abgaiiiderte Form dea langobardiachen Bonipert" , wird ebenso
aaf Zweifel ataßen wie die Identifizierong von „Gadotlingi'' (ao
baißen die Vorfahren der Bonapartes in Florenz) mit dem deataeben
52 K. SMemmer, Lehrbaeh der BrdkvDde, aog. t. /. JfAlfcier.
„Kadeling". — Daß W. nfiT^fiT^n tanseDd B&nd« LebeDsbeschni-
boDgen darehsaebt" babe, mn sieb Aber die BasMoabstammiing
der fraozOsisebeD Oenies Elarbeit zn sebaffen,' glauben wir ihm
anfa Wort, kOoDen aber docb nicht umbin, zu bedauern, daft er
seinen immensen, ans seinem Bache ersicfatHcben Fleiß nicht einer
besseren Sache gewidmet habe. — Montaigne hatte eine jfidiscbe
Matter and so wird schon daraas der Umstand, daß er einen
kastanienbrannen and nicht einen blonden Bart hatte, erklftrlicb
sein. — Das Zarückweichen der LangkOpfe Yor den KnrzkOpfen
in Frankreich Teranlaßt W. zn dem Scblnsse, „daß die französische
Nation eine anthropologisch and biologisch im Niedergange be-
griffene Basse'' ist, trotzdem er zngibt, daß die Abwicklung der
Dreyfoß-Aff&re gezeigt hat, „daß die Nation noch großer sittlicher
Begeisternng fähig ist and der Kampf gegen die Kirche and ihre
Trennung vom Staat ein Unternehmen ist, um das Frankreich be-
neidet werden muß''. — Daß Buy Dlaz, „der Cid'', „auf deutsch
Boderich Dietrich Leinitz heißen wfirde", weil dessen Familien-
name Lainez dem germanischen Lan entspricht, wird Tielen Lesern
jedenfalls neu sein.
Doch wir wollten nur auf das Buch einige historische Streif-
lichter fallen lassen und es den Leuten Tom Fache fiberlassen, das-
selbe von rein anthropologischen und philologischen Oesicbtspunkten
aus zu beurteilen. Sicher ist, daß dasselbe ebenso anregend wirkt,
als es eine Menge von Illusionen enthält. Unbedingtes Lob ver-
dient die geradezu splendide Ausstattang, die der ausgezeichnete
Verlag dem Buche bat zuteil werden lassen.
Wien. Josef Frank.
Jh. TL Schlemmer, Lehrbuch der Erdkunde für hoheie Lehr-
anstalten. 3. fcrb. Aufl. L Teils Lehrstoff fflr SexU and Qsinta,
IL Teil: Lehrstoff fSr die mittleren Klassen. Berlin, Weidmann 1906.
Der erste Teil zieht im Sinne der preußischen Lehrpläne
von 1900 auch Mitteleuropa in den Kreis seiner Betrachtung. Er
Yersteht darunter außer dem Deutschen Belebe, den Niederlanden,
Belgien und der Schweiz die alpinen und sudetischen Gebiete
unserer Monarchie. Abbildungen enthält das Buch nur drei. Die
länderkundliche Darstellung folgt dem Schema: Grenzen, Grßße,
Gliedernng, Bodengestaltung, Fldsse und Seen, Klima und Pflanzen-
welt, Tierwelt, Bewohner. Der zweite Teil ist mit 84, fast durch-
wegs typischen Abbildungen geschmflckt. Der Einzelbetrachtong
gehen Angaben aber geographische Lage, Größe und Einwohner-
zahl Toraus. Vergleichende Bemerkungen dienen zu ihrer Erläute*
rnng. Mehrfach wurde versucht, den ursächlichen Zusammenhang
der erdkundlichen Faktoren an psssender Stelle nachzuweisen.
Nichtsdestoweniger ist der Übergang von einem Stoffgebiete zum
i JficA^iUeM«, Die niatli. Geogtaphie ntv«» &og. r. £. Imendörfftr. 5S
aQiiirt& ri«lt&eh aifi gezmixigeoer. Auf «^tatctODleche Erf^rteniiigaii
tadtra gf^logiaebe Hin weise" warda grundiAtdich Teritehtat
liü damit begraodet, dal^ die VorbjIdaDg der ScbHlar und
r Mmfel au Zeit derartige Ert^rternngan nicht gestatte. Schättena-
find die Erklimngen d«r geographi sehen NamaD und die
Dgeti, dia der Verf. tber die BehaDdicDg der Namen im
ilttfriebto gibt. Der Teit zeichnet aicli im allge meinen durch
iliebe Eicbiigkait atia. AnfgefaHeD ist dem Eef., dali anf 8. 72
itm ^ Grindel waMgietscber in den Bernar Alpen 2 wischen
rborn nnd Brienzer See** gesprochen wird. Gemeint iat
QQter der nntare Grindel waldgletgeh er , der in 1100 m H5be
laineawega „inmitten bebauter Felder" endet* Ebensowenig
ui wie die Lagabestimmnng dieses Gletschers ist die ßemerkang
SO» da0 die den Südabbäpgen der Oitalpen entströmenden
ina adrJatiicbe Meer münden. Van einer banmlasen Hoch-
da« Earatea itn Sinne dee darunter Teratandenen Gebietes
gafamrirtig nicht mehr die Bede sein, Böhmen ist irrtüm-
Ji Stnfenland bezeichnet. AU Beispiel eines zwangsweisen
^aogae sei znis Scblasse S. 71 herTorgebobeD, auf der es
^So bilden die Alpen die Waaserscbeide swiecben Mittel*
Nordaae nnd Schwane m Meer. — Besonders die Schweizer
sind reich an schönen Seen**. Einer netten Aafiage bleiben
ser Hinaicbt naanche Verbesfiernngen vorbehalten*
Wiei
J. Mölln er«
1^1 mathematische Geographie und die Bimmelskunde im
elementareD Unterrichte an der Volks- und an der Mittel-
schule. Vqd Prot Anton Micb&li tscbke, k. k. Bestrk« ■ ^chnl*
lUf^ktor. EtD Beitrag lur Metliodik dei Gegen atandee. Mit einetD
Begleitworte roo Hofrat Dr. 0. Willmaan, Wien und Leipiig, Fr.
Deaticke 1907. 24 8S. 8».
Empfehlende Begltitwort« von Berähmtheiten erwecken leicht
[in Slndmck, als ob derVert die deckende Antoritftt nötig hätte,
4^ aia ob diese jeden Widerepmch ton vomberein mnndtot
sieben aoJll«. Anch hier erscheint mir Willroanna Einbegleitnng
ivKklca, Waa das Bdchlein enthalt * ist ja ehnehin fast dnrcb-
it|e richtig nnd gnt, wird aber dnrch Willmanna ßegleitwort
Ditbt baaaer. Etwas darchans Nenea and Bahnbrechendes liegt
I Uioüviigg ?er. Dnmerbin wird mancher Lehrer in dem Heftchen
ikoen oder andern hranchbaren Wink finden kennen.
B. Imendörf fer.
j_3_
54 th. Reffe, Die 6«wietrf#'der Lfl^, Mg. ▼. SitpptutUdiiUeh,
«BT M«»iiAiiiMk M der UnififteStit Mläyb«»g. Zweite A^leOAüg.
Yieite, tiiiig«arbeitete und rermebrie Anflure. Mit 58 Figoren im
Text. Stuttgart, Alfred KrOnert Verlag 1'907. dS5 SS.
Viereig Jithre arbeitet der gelebrte Verf. aa der Ansbildttog
sviDer VdrMge fber die Oeoteetrie der LAg6, die jeden modeitteD
Malitoimtiker bei den eriten Sebrilien i)i die synthetiscben Teile
dir Wibseniriimft fttren, ibn snf teinem Werdegang begleiten und
die aaeb der rtife Portcher nnr selten aat dbr Hand legt, wenn er
Teila der Mathematik behandelt, die dem Inhalt des Bnebes Ter-
watfdt sind. Bei der Ausgabe der vierten Anflage bat dem Verf. Herr
Jo'Mes in Charloltenbnrg besonders dnreh kritische Bemerknnges»
nene Beseiebnnngen nnd Eeweise wertvolle Dienste gieleistet.
Der imgezeigte Teil handelt in nunmehr 81 VortrftgMi haapt-
Bitohhch „ton der KoUineation nnd der Korrelation der Qnmd-
gfelbilde zweiter nnd dritter Btnfe, von den Fliehen zweiten Grades,
dib dtocb kom^lative, nnd den Stnihrenkongmenzen nnd knbiseben
Btfiimknrven, die dnroh kollineare zentriiche BUndel nnd ebene
Felder erzengt werdbn. Er amfafit aafierdem die pblai^n Blane
nnä die NblMnme wegen ihres nahen Zbsammsnhanges mit den
PAchen zirelter nlld den Banftihirvsn dHtker Ordnnng, nnd weil
sie von kon^ativen Bftnmen gebildet werden. Dia drei IForMge
über symbolisches Rechnen mit geometrischen Terwandtschafton,
Aber zyklische Eollineationen und aber harmonische Verwandtschaften
werden jetzt in den dritten Teil des Werkes verlegt; dagegen wnrde
der 81. Vortrag Aber homotbetiscbe koaxiale Flftchen zweiten Grades
ans jenem Teile in diesen herfiber genommen. Der 25. Vortrag
Aber die Nnllknrven eines Nnllranmes entstammt einem Abschnitte
des Anhanges der 8. Anflagb. Die drei Vorträge A^r den Achsen-
kcfmpibx des polaren Bamnes, den „Beyeschen Xomplex**, seine
Fobalfelder nnd die konfokaden Piftchen zWeiten Grades halian den
ihter Schwierigkeit entsprechenden Platz am Ende des Bandes ge-
fnndiBn. Aach der Anhang ist vermehrt: dnrdi Absdhnitte dber
fokale Eigenschaften kollinearer ebener Felder nnd kollinearer
Bitittie ... usw., besonders aber darch die von Jolles stammende
Ff/krithteorie der Ifnearen Strahlenkongmenz. Die Mittelebensn einer
soidfsn Eongtnenz K omhQllen ein gleichseitiges hyperiioliscbes
Pttrsboloidy das mit ihr in enger Beziehnng sti^t. fis ist dnrch
die KongfQenz K sich selbst, seine BeyfihmngMyeiMy Pniftte nnd
Strählen paarweise einander zugeordnet. Die «ngeordnetmi Strahlen
bflilen in jeder seiner Begelsdharen eine inYolntion, die Jolles ^Pekal-
involttttön" der Kongmenz Kn^tmi. Ober diesen Gegenständ werden
schöne Eigenschaften entwickelt, df e tmroilflers die Beriehangen des
Parabdoides zn dem'Zylindroid dritter Ordnnng der linearen Kongmenz
erOrtem. Interessant ist die historische Bemerkung znr Geschichte
des „Beyeschen Ach8enkomlire»$B''.Der7erf. glanbte in den früheren
Anfingen die Theorie dieses Gegenstandes als sein geistiges Eigen-
gi>»ilir Bprmpmtmf EipMkieBl Pljnk, ufir. ▼• L G. WmBmUm. bb
m MfiM. äMh jflsi Moo« er, d4ft dit Arbeitsa
BiMt 1811 nU CkmOm 1887 mt irrMmliek mit dieatai
BtsMivif gebrathl wnvdtD, dag^en weist er mit
YonehmMI naeh, d«A in der Abhmidliyif Amp^i ea über
ienaiclweii (Mte. de TAeed. B^j. dee Btieaees de
TfiMt de FiWMe, Autfee 1821 et 1822, Teme V, Pvie 182«)
wichtige Eigensehaften dee AeheeDkemplexes begrfindet wurden. Be
\ai klar, dai diese Arbeit, aof di# der Verf. erat dareh £. Köttera
»Bie Batwiekelaog der ayathetiaehen Geometrie von Moage bla
V. Staadi*" (Leipzig 1901) aafiaerkaam gemacht wnrde, keiaeewega
miaa Yerdiesate am die gräadliehe Untersacbaag dieeer interesaanten
Eneheiamig aehm&lert.
Mit groOer Freude begrdßt der Bef. die moderaere Faasnag
■Mäher Theoream (Tranafanaatioaa'* and InTariaateabegriff) oad
die maaaigfachen Verbeaaemagen der Form, wodurch die altbekanate
Sehdaheit aad Klarheit dee Werkea noch erh(^ht wird. Faat ia
jeder Zelle bemerkt man die kundige Hand dee geeetamackTollea
Meiateia der Daratellang, der, wie in allem y so auch in Becht-
echreibnag uad Stil mit seiner Zeit fortschreitet. Er gebraucht u. a.
die Formen tou ^derselbe* nur mehr dort, wo der Franzose die
mtspreehenden ?on ^le mhne** setzt. Ein Beispiel. In der 8. Aufl.
kettt ea auf 8. 9: „Seien i} und q^ zwei keDineare ebene Felder,
P and P^ irgend zwei einaader entapreehende Funkte derBeiben*".
Me 4. Aufl. eraetzt „derselben^ durch „in ihnen''. H-andie Ver-
iadeiBagep im Ausdrucke eind glflcklich fiberaommen oder neu
gewiUt worden. Der Yerf. schreibt fflr Halbierungspunkt . . .
Hittelpunkt, IBr koigaktiT ... kollokal, ftr Nultüyatem . . .
HuUraum ... uaw. und die achOnen Bezeidinungen »nuilinTa-
riant" fttr Komplexe, die sidi „stfltzen* und „Komplexwald*
iir das lineare Komxlexgewebe. Man orientiert sich darüber in
tai neaen, gut gearbeiteten Sachregiater am Schlüsse des Bandee.
— 8. 90, Z. 7 ▼. u. lies G statt E.
Beyea Buch war ak ein Meisleratiok aaah dem Iniialte und
all «arhiM aaeh der Form in jeAsm Btafium seiaar Batwickiaag
sia Kaaatwerk. Wir bewaadlMm dea ¥erf. med dankea ihm, dafi
gataagea iet^ ia der neaen A^^lage eiae noeh MHiere VoH-
Wien. Suppantschitsch.
la^enmaiitieranda Pbyaik. Vea Dr. K. Schreb^r aad Dr. P. Spriag-
aaiin. Zogleich ToilttAndig omgesrbeitete deutsche Auisabe von
BiSBri Abrahams*. Beeaeil d*exp4rienc68 ^^mentaires de Pbysique.
II BsBd. mt 4M AbbfldoDfen oad einer SpektraitafeL Leipti^,
i. A. Barth lue. Freis geb. llk. 8-80.
Bs wird immer mehr die Forderung laut, daß den Schülern
^r höheren Leihnmstslien Aelegenbeft geboten werde, selbst&Ddig
56 Sekrdb0r'Sprinymant%, Experiment. Pbjiik, Mng, t* I. G. WaMentm.
tn eiperimentltreD und physikaliscbe Beobacbttinget] atn^usUllAQ.
Die jetzt sebon vielfacb eiagirieht^tet) phjaikali&eheD ScbQkräbüogdn
erGcbeinen geeignet, dieser sicher berechtigten FordeniDg Vorecbab
tu leisten. Der Schüler soll Auch anfpeleitet werden, die ?on ihm
bttreffa einer NainrerecbeiDung gern achten Beobachtangen geistig
tu erfassen nnd dai diesen zngmnde liegende Naturgesetz zu «ot-
wickelo*
In dem ersten Teile des irortlegenden Bnches^ der den Titel
^Sehreibtisch arbeiten" trägt, haben die Verfasser gezeigt, was der
Scbnler mit dem gesammelten Beobachtongsmaterial in tan habe,
nm das Naturgesetz, das diese Beobachtungen beherracbt, aiifstel1«D
tu können. Sie sind natnrgemM anf den Begriff der Funktion
Ton einer und mehreren Veränderlichen des niheren eingegangen
und haben anch die Nützlichkeit der graphischen Darstellung be-
sonders hervorgehoben. Wie das Etechnen mit den durch die Beob-
achtung gefundenen Zahlen am zireckmäßigsteu veraustattet werden
kann, zeigeu die Verff. in diesem Abschnitte, wobei u. a. aoeb der
Theorie und dem Gebrauche des Becheu Schiebers gedacht wird.
Im zweiten Abscbnitte werden jene Experimente zusammen'
gestellt f die sich auf die Licbtiebre beliehen. Ee ist durchwegs
der induktive Vorgang eingehalten^ d* h. es wird der Schüler au-
geb alten» aus dem entweder Ton ihm oder dem Lehrer an gestellten
Experimente die entsprechenden FoEgerungeo zu ziehen. Wie man
sich überzeugen wird, sind die vorgeführten Versuche meistens
mit sehr einfachen Hilfsmitteln angzuführen, wie etwa der Abschnitt
über Reäexion und Brechung des Lichtes zeigen wird. Auch die
Erscheinungen der Interferenz, Beugung, Polarisation und Doppel-
brechung des Lichtes sind durch relativ sehr einlache Versuche
zur Darstellung gebracht worden. Besonderes Interesse wird mm
der Zusammenstellung jener Versuche entgegeubringeu, die auf die
physiologische Optik Bezug nehmen.
Der dritte Abschnitt ist den Versuchen aus der Lehre vom
Magnetismus und der Elektrizität gewidmet. Eecht intensiv werden
die Begriffe ..magnetischea und elektrisches Feld"", ^^EralltlinJea"
in Verwendung gezogen. Beaonders eingebend sind die messenden
Versuche aus der Lehre vom Gatvaniamus zor Erörterung gelangt.
Bemerkenswert erseheiueo auch jene Versuche, durch welche die
Niveau- und Stromlinien^ deren Abhängigkeit von der Leitfähigkeit
und die Strömungen tu körperlichen Leibern dargetan werden
können. In kurzer Weise ist das Gebiet der elektrischen Schwin-
gungen und Strahlungen sowie Jenes der hochgespannten Ströme
(Teslasche Versuche) bebandelt worden. Der Bestimmung der cha-
rakteristischen Kurven von Djuamomaschtnen ist besonders Auf-
merksam keit gewidmet worden , wie denn überhaupt dieser elektro-
technieche Absehaitt zu den bestgearbeiteten des Buches gehört*
Den Scbluß des Buches bilden einige matbeuiatiscbe Tafeln, sodann
I
I
9S H.FMi§f Eiueit and Urgwehraht« des MeMshen, ug. ▼. Jf. Eotmm,
kODgen ftber die BigeB8eb«fieo der Bienente nad deren VerWii-
doDgen enthält und in dem manche originelle Anffasenag dem Ref.
heecbtenswert erseheineii»
Die AneitatlDog des Bmchee ist eine geradem prAchtife, aie
kann wohl nicht mehr Abertroffen werden ; der- Preis des Bnchea
(gebnnden 17 Mk.) ist ein relativ geringer.
Wir empfeUen die 4. Anflage des Lehrbaches der Chemie
▼en Dr. H. Brdmana namentlich den Studierenden, aber aneh am
Lehrern der Chemie anfs wArmste und wAoschen dem Boche an
den vielen alten Frennden neue*
Wien. Dr. I. G. Wallentin.
Eiszeit und Urgeechichte d«8 Menschen. Von Bu« Pohlig. Prof.
an der Uoifersitat Bonn. Nach seinen Vorlesanffen (ans: Wissen-
schaft and Bildang, Einzeldarstellangen ans allea Gebieten des
Wissens, heraasgeg. von Privat dezent Dr. Peel flerre. 8). Verlag
ton Quelle ft Meyer, Leipsig 1907. 141 88. 8*.
Die geegraphisch-geologisebe Seite des EiszeitphAnomens ist
S. 8 — 91 ziemlich ansfAhrlich, wenn anch nicht einwandfrei, die
zo^alAontdogische 8. 114 — 182 körzer nnd besser, znm Teil anf
Gnnti eigener Spezialstndien, die den Namen des Verf. Torteilhaft
bekannt gemacht haben, die antbropolegisch-nrgeschichtliche 8. 92
— 118, ld8-**139 dagegen stiefmfitteriich, n. zw. teilweise recht
mangelhaft, teilweise schlecht behandelt. Irren ist menschlich und
es mag schwer sein, die glazialen Erscheiniuigen allen recht zu
schildern nnd zn deuten. Aber durch eigene ni<^t nnfrachtbare
TAtigkeit auf irgend einem wissenschaftiicben Gebiete sollte man
immer davor bewahrt bleiben, anf einem Nachbargebiete mit einem
ganz onznlAnglichen Maße von Kenntnissen literarisch anfzotreten»
wie es P. hier in der menschlichen Urgeschichte tnt. Der hentige
Gelehrte ist zwar meist Spezialist; aber das ist doch anch eine
der guten Seiten echter Gelehrsamkeit, daß sie, wenigstens in der
Begel, die Grenzen des eigenen Wissene kennen nnd das anderer
achten lehrt. P. kennt die prAhislorische ArchAolegie nicht. Pfir
thft sind die Pfahlbanten der Schweiz Alter ale die ^jAUEcnmAddinger
DAaemarks. Er glanbt, daß die VerhAttnng des reinen Eiaens ana
seinen Erzen erst in „der Alteren Eisenzeit von La T^e** begMinen
habe. FrAher, in der HaUstattperiede, habe man nnr „hier nnd
dort Bisenerze in rohem Zostande za. Werkzeugen verarbeitei**.
Nephrit and Jadeit sollen am Ostasien nach Bnrcpa gelangt sein.
Bew. Usw. Anch auf S. 96—108 wimmelt es von Onriehligireilan,
im ganzen BAchlein sft>er von LAssigkeiten dea Ansdracks, so daA
man ans verschiedenen Gftnden diesM* DarstsUung die wehe Ver-
breitong, welche sie anstrebt, nicht wnsnchen möchte.
Wien. M. Beernes.
H. MUke^ Die SiMh«iaing«i «es Lebens eew., «ng. ▼. T. F. Hanaunk. M
He EftekekiiuigtfB des LebeM, Orandprebleine der modernen
BMbgiei Veii H. Miehe, PrifUtdeieiit in LeiMig. (.Ane Nator-
Md OetotetveR.' 180. Bdeli.) Leipsig, B. G. Teebner 1907.
Wlsseneebiftlicb vnd doeb jedem Oebildeten terst&ndlicb nnd
Mtribd zilgleitb ZQ scbteiben, ist, nicbt so leicht, als mmn ge-
«tkdldi denkt. Ein Mbister dieser Knnit war 8 eb leiten, dessen
,%lbdn der Pfbnze'' ntfd das nmfangreidie „tfeet** Süeb liente
iiMib xn den beeten LeisttingbA in der Verallg^enieinening des
IfhMne zti ziblett sind. Ol&nzetode Vorbilder dieser Art sind aücb
— m nur auf bnianisebem Gebiete zn bleiben — Kerner(Pllanzen-
fiben) niid Wiesner (Biologie der Pflainzen, Bobstoffe des Pllanzen-
rtlebee), densn Werke mit Forioi nnd Stil ftebide gemaebt beben.
Äißb M. bemdbt sieb in dem Torliegenden Buche, das, ans Vor-
trtgii berrorgejfangsn, die bedentongstollsten physiologiscben nnd
bielegisehen Tetsachen ans dem Pflanzenleben enthtUt, die mitunter
ifftit bomplisieiten Themen Mar zn entwiek^ , ^eine Totalansicht
*r eqrtnieehsn Nnlnr zn erOShen*', ohne „das Biü in jener sen-
■Üueelltii effektt^en Belenehtvng z« zeigen, die manche pofmilr
«IWMiettisfttiehe Sdiritatoller lieben**. Und ee ist in d%r Tat ge-
Mi|%n, dleeee Bild, ee let eine Tortreffiiehe Arbeit, logiecb anf-
giftaal, reMhftllig, mit geietfollen Ausblicken in die Nacbbar-
gWMs, in du Tierreich^ nnd nnr auf rsnlen Tatsaeken inftend.
ai begiMK mit einer kurzen BetTMbtiing der beidbn gegverischea
dMdainehMnngen iber die Kansalitftt der Lebensprobleme, die nie
leti««iemns tmd Yitalismtis bezeichnet weiden. Dem ersteren
gm dir Teif. nnr deshalb nnd tom rein melhodieeben Standpankte
üi ?iBmg, Weü er in TOniehftigem Zaeammenbange mit nnserer
StteMteBBteis bleibt nnd die Bncbeimmgen des Lebens ais Wir-
kmgen aRjgemein g9liger Iffetnrgesetze aiffiasst. Dabei ist aber
MM xn bWMIktsn, den der Me^ha^niemns der Wi-esenscbaft
Mfwa« gnuz Mderes i«t, eis der Materialismns der
Ptfleeof^ie, dem nnr die Bedentnng einer metnpbysiscben Hypo-
Mke mkMnil.
IJbdk' die Betrachtung des Proloplasma» der MIe und der
•Mbe lihffi nnk dae Bneh in tes Beieb der einfeoheten Lebe^
Wmt, ztiT BMibfuig nnd Atmnng, zmn Sinneeleben der Orga-
üWmb^ tnr AMMng der Individnen nnd der Art nsw. Mit der
iWiUM'iilfc dik EntwiekkmgsgsecMcbt» nnd der Beslebvngen der
LJkkWftwn eBlUoinnnder scMiefil M. seine ArbeH, der warme An-
MsnMbg bi^ ^nvgi bleiben wird.
Krems. Dr. T. F. Hanansek«
60 W, Nausesier, Denkeni Spreehen und Lehren, ang. ▼. B, Laiäke.
Dr. Walter Naasester, Denken, Sprechen und Lehren.
. I. Die Grammatik. 198 88. 8*. Preii 4 Mk. — U. Dae Kind nnd
das Spraehideal. 246 88. S9. Prell 5 Mk. Berlin, Weldmanneehe
Baehhandlong 1901, betw. 1906.
Im L Bande stellt der Verf. die Frage: „Dient die Abwandlong
ihrem eigentlicbtten 8inne und Zwecke nach dem GedankenansdmckP
Hat aie einen dem Wort, dem Begriff gleichen oder auch nur Ter-
gleichbaren Wert ffir die Sprache?'' — Seine Antwort ist nein.
Nach N. ist die Abwandlang ffir die lebendige Sprache kein Mittel
des GMankenansdmckes; die Flexionsendungen, jeder eigentlichen
Bedentang bar, vermögen nur solche Bezlehongen zwischen Be-
griffen, die jedem Temflnftigen Redenden nnd HOrenden ans der
Lage der Sache ohnedies klar sind, zam Überfloß aach noch ftafter-
lieh anzadenten; lediglich ein Schmuck der Sprache, verhalten sie
sich znm Worte selbst wie die Uniform zum Soldaten.
Um beispielsweise den Gegensatz zwischen Singular und
Plural auszudrücken, genfige nicht die Pluralendung; es mfisse ein
Wortstamm (mehrere o. a.) dazutreten. Die Casus in einem ans
„Baner — Acker — pflfigen''oderaas„Sch windler— Reicher — betrfigen*'
gebildeten Satze seien aus dem naturgemäßen Zusammenhange obDe
weiteres klar und wenn der Fibelsatz Caiua Lueium inter/eeü dem
zu widersprechen scheine, so verschwinde der Widerspruch soforti
wenn wir uns den Satz in der lebendigen Sprache, die Zusammen-
hange, Verhältnisse des Lebens mitteile, gesprochen denken. Und
daß in .Frauen -Liebe und Leben" eine Frau spreche, werde nir-
gends durch eine Genusendung angedeutet. Eine Ffille anderer
Beispiele soll die Bedeutungslosigkeit der Komparationsendungen,
der Tempora und Modi von Verbalstammen ffir den Ausdruck der
Steigerung, der Zeitgebung usw. erkennen lassen. Scharfe Gegen-
fiberstellungen von Partizipien, wie Sallust. lug. 20 mehien$ magi$
quam metuendus oder Livius XXV 11 oUideniea qwim cbsessif, oder
Webers Dreizehnlinden S. 272 „vergessend wie vergessen" sind
für N. Redeblumen, Wortspiele, wirksame Zusammenüassungen Ton
(bedanken, die durch Wortstamme schon genflgrad klar gemacht
worden. Zweifellos ist diese Argumentation wiUkfirlich. Stimmt ein
Beispiel nicht, ist ffir das Verständnis eines Gedankens lediglich
die Flexionsendung maßgebend, so wird der Ausdruck als nieht
einwandfrei bezeichnet. Wenn im West-Ostliehen Divan VI : „Wer
geboren in bOs*sten Tagen, dem werden selbst die bOsen behagen*",
in Zahme Xenien VI: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat
auch Religion ; Wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion*',
in Platen „Tod des Carus*': „Ach, und Rom in seiner Schande
flehte nur um einen Mann; aber Mfinner sind erstanden . .**
die Gegensatze zwischen den verschiedenen Graden einer Eigen-
schaft, zwischen Behauptung und Aufforderung, zwischen Singular
und Plural lediglich durch die Abwandlung ausgedrfickt werden,
80 ist „das keine scbOne Art, einen Gegensatz auszudrficken". Wie
W. Nam$€sUrf D«ik«i, Spreehan ond Lehren» tag, i. E. LaUke, 61
wenig sieh ftberbavpt N. tod grammatieeben Erwftgnogen leiten
iJUIty xeigt die „im Vorbeigehen** gemaebte Bemerkung, daß er
bei der Bildung der dentacben Tempora die Hilfszeitwörter als
oeae Wortatftmme empfindet, wobei er aber an der Frage ganz
fortbergebt, in>riefem gewissen Suffixen die Bedeutung yon Wort-
ftiamen innewohnt
Mutig zieht N. aas seinen Behauptungen die notwendige
KoDsequenz. Die Schulforderung „Konstruiere, wenn Du den Satz
vMiteben willst'' wird als unbegründet abgelehnt. Die Abwand-
IsDgBsjstsme auch der alten Sprachen seien zu lückenhaft» die
Abwaadlnngsfoimeu zu tieldeutig, als daß sie einem aus dem 6e-
wirre der Worte heraaszufilhren imstande wftren. Wer bloß Ab^
wsadlungsschemen im Kopfe habe, ohne die Worte des Schriftstellers
zs Terstehen, werde nie konstruieren kOnnen. Und so kommt er
zs folgenden Ausführungen : „Das KonstruierMi ist nichts anderes
ab das Tom Bekannten zum Unbekannten weitergehende Tasten,
bei dem sich der Leser den Stoff so zurecht legt, daß ein Satz
4abei herauskommt. Das richtige, genaue Verstehen der Wortbedeu-
tsBgen spielt hierbei eine so wichtige Bolle« daß das ganze Werk
liockt, wenn hier irgendwie das Rechte Terfeblt wird. Sind aber
die richtigen, ?om Schriftsteller gewollten Bedeutungen getroffen,
10 finden wir uns durch das Wirrsal dicht nebeneinander stehender,
aber nicht zu einander gehßrender gleicher Kasus mit Leichtigkeit
biadnich« Das wahre Licht des BinverstAndnissss zwischen Dichter
und Leeer stammt eben nicht ti« den Formen der Abwandlung her,
.... die in Wirklichkeit ffir das Konstruieren nur eines leistet:
sie eruAgllcht eine Gegenprobe. Das Verstßndnis wird je nach
dm Grade der Einsicht des Lesenden aus den Wortbedeutungen
iigeadwie gewonnen: wenn die Deutung richtig ist, muß sie sich
all brauchbar dadurch ausweisen, daß der Satz, das Satzgefüge
aa^ebaat werden kann." Jede LelEtürestunde am Gymnasium wird
fis Uahaltbarkeit dieser Ansichten erweisen. N. scheint andere
Oatemchtserfahrungen zu haben. Denn er entnimmt ihnen
«iiteres Beweismaterial. Bei Übersetzungsarbeiten aus dem Latei-
siaehen oder Griechischen ins Deutsche ergibt sich nach seinen
Wabnehmungen die Hehrzahl aller Übersetzungsfehler aus dem
Mißfersteben der jeweiligen Wortbedeutung, das dann freilich seiner-
•iits wieder sog. grammatische Fehler erzeuge. Der Schüler lasse
die einmal erfaßte Wortbedeutung nicht gern wieder fahren und
nietzt schiebt und dreht er die Maschen des Abwandlnngsnetzes
bin und her und sucht es, so gut es gebt, dem Leib der einmal
^undenen Anschauung anzupassen''. Kenntnis der Formen und
ijBtaktischer Regeln nützen dem nichts, der beim Übersetzen die
Labeasferhiltnisse nicht Torstehe, die geistigen Zusammenh&nge
sidit ahne, in die die Worte hineingeboren.
Wenn man sich auch verwundert fragt, warum N. für seine
Behauptung, daß die Flexionsendungen in der lebendigen Sprache
%% W, Nau^ester, D«DkeB, Spraeben OEd Lebren, uig. ▼. M, Xatete.
bedratangslos seien, Beweise aas dem i^ilolegisehen BnUrütktB
belt, so wird sich doch gegen eine gewisse bedingte QatigNst
dieser ErfabmngssAtze nieht viel einwenden lassen. Besser fipeilM
gefallen ans die Aneichten, za denen er bei 9etraeiitang der Febter
in deatscben Arbeiten gelangt. Der hamor&stisch wirkende üsaian,
der da manchmal zatage gefördert wird, berabinaeh N. aof nieiite
anderem als aaf der Verweehslong len fiomonymen, Ton ^fileieh-
worten', d. b. anf dem Umstände, daß der Hörende (LeseQ4a> mit
einem Worte oft ganz andere NebenvorsteUnngen Terbindei, als
der Bedende (Schreibende) gemeint bat. Werden die dofeh diaae
Nebenvorstellangen geschaffenen Schranken, vermittelst deren 4it
dem Ohre gleich kiingenden Schälle von einander gesimdert, hin-
sichtlich ihres Sinnes anf bestimmte Gebiete eingeengt and so
erst wahrhaft verständlich gemacht werden, niedergerissen« so gibt
es kein gegenseitiges Verstehen mehr. Da aber jeder Wortatanun
Tieldentig ist, so kann nnr der Anadraok als gnt bezeichnet werdan,
der den Strom von NebenvorsteUnngen^ die dem Hörer oder Laaer
kommen, immer in das gewollte Bett leitet.
Ans dem Gesagten folgert nnn N. zweierlei: 1. „Jeder Sprach-
nnterricht ist als nnnatäriicb za verwerfen, der von der AnfTasaiuig
aasgeht, daß die Wortformen an sich etwas bedeaten« oder dar
dem Lernenden diese Vorstelinng nach nnr nahelegt*' Also bef^nne
man mit dem Unterricht in der fremden Sprache erst dann, bis das
Kind jene geistige Beife hat, die es befähigt, fremde Lebenssosam-
menbänge za ahnen. Man lese nnr Texte, in denen sich aas dam
Verbinden der Begriffe die gewollten Vorsteliangen von selbst er-
geben , niemals sei die Form als Ffifarerin zam Verständnis anan-
sehen. 2. ,yJeder Spraohanterricht hat sein wichtigstes Ziel darin
zü sehen, daß er den Lernenden znr richtigen Brfasaang des Qlaioh-
wortes anleitet.*'
Damm lasse man das Obersetzen in fremde Sprachen bleiben.
Das sei im sehnlmäßigen Betriebe etwas Unnat&rliehes nnd drfieke
die Beschäftigang mit jenen za einem bloßen Zosammensetzeapiel
herab. Jede Sprache habe kraft des Schwankenden, UnbeatiBim-
baren der Nebenvorstellangen ihre eigenen Unbestimmtheiten. .Wer
nnn aas der eigenen Sprache in eine fremde flbersetza, beaehte
diese Nebenvorstellangen nicht, nagle das fremde Wort gewisser-
maßen fest, mache es za einer anbeseelten Vokabel.
Wer wird diesen Schlaßfolg«rangen nicht gern zastimmenP
Aber konnte N. za diesen methodischen Leitsätzen nicht anders
gelangen als aaf dem Wege der Beantwortnng der — in der Form,
wie sie gestellt würde — doch recht überflfissigen Frage, ob die
Abwandlong eine dem Wort, dem Begriff gleichen oder nor ver-
gleichbaren Wert für die Sprache habe? Der Beweis, daß dies
nicht der Fall ist, ist N. nicht geglückt nnd warde nach ziemlich
einmütig abgelehnt. (Vgl. Caaer in der Ztschr. f. d. Gymnasislw.
1902, S. 551 ff.; Martinak in der Dentschen Literatnrzeit. 1M4,
W. Nnuester, Owiken, 8prt«lieii nd Lehras, «ig. ▼. JB. LaUke. W
Kr. 14; Ktlkr n 4«r Mmod phil. BiiDdaehaa 1M2, 997.) N.
kit Mine TkeM MOaglteb nur fiftr die lebMidig«, gea|MroolMiM
Sprache gelln lassM; er sdiweifto rtw sehr bald io das GebM
i« iltklaaaiaoben UnlerrielitM ab und mnfi hub tmi Koller die
Otgiftfrafe hinnebmeii, ob denn seiae Sebfller «irklich emea aMen,
tif die Worletinne redaxierten Teit*) bftMen Abersetzen kfonen.
Pnktieeh iai also nicht Tiel damit aDzafangeii, und theoretisch?
Satweder stellt naa sich aaf den Standpunkt der bistoriscbea
Offanmalik, also hier der Stammbildangslebre, nnd dann mnfte die
BtdMlniig der Fleilons- nnd Ableltnngssilben als TerblaAter Wort-
iliBBa nnteinnobt werden; oder man stellt sich (mit Martinak)
wirklich auf den Standpunkt der lebendigen, gesprochenen Sprache,
sitbt von jedem selbstindigen Bedeatnngswert der Flezionsendong
foa vornherein ab nnd nimmt nnr einen Fnnktionswert fOr sie in
Aispnidi, dann durften die Argumente nicht ans dem philologiechen
Merricbte gehoh, die Felgemngen nicht aaf ihn belogen werden.
Für N. war die Frage aber Ton vornherein ledigli^ eine
isthetisehe ; freilich wnrde er sich darAber erst sp&ter Mar nnd
•e ksm «a« daß er, wie er Bd. n, 195 selbst zngibt, seine An-
licht im L Bd. mit schlechten Grdnden Tcrfocht.
N. kennt — so beginnen die Ansfftbmngen des II. Bandes
— drei YoUkommenheitsgrade der Sprache : Die Oelehrten-(Biicher-)
spräche, die Dicbtersprache nnd die schOnste, die Sprache des
Sprichwortea (des Kindes). Je ToUkommener die Sprache, desto
mehr arbeitet sie lediglich mit Wortst&mmen, desto weniger mit
Flcxioosendnngen. Um dies zn beweisen, hat N. das Material,
das die ttber 18.000 Nnmmem enthaltende Simrocksche Sprich-
wCrtersammlnng bietet, zn nmfftnglichen statistischen Zasammen-
stcllingen ansgenfitzt So hat er alle Sprichwörter ausgezogen,
die einen (und zwar nur einen) Komparativ oder Superlativ
esthalten, hat dabei gefunden, daß die Zahl der Sprichwörter
mit unreg^elmftßigen, d. b. suppletivischen oder defektivischen
Stfigerangsformen (in denen also Wortstimme die Steigerungs-
fernen ausmachen) sich zu der mit regelm&ßigen wie 8 : 1 ver-
blit nnd kommt zu dem Schluß, daß „dem Sprichworte das
Oeltendmachen der bloß suffixalen Komparationsformen zuwider ist.
Ist dieser Schluß berechtigt? Die Statistik zeigt z. B. 15 Kom-
parative, 16 Superlative von groß, je 10 Komp. und Sup. von
laog, 12 Sup. von scbOn, 21 Komp. von leicht, also Zahlen,
die zwar von den 289 besser und 184 mehr, aber von d«ien
der anderen nnregelmftßigen Steigerungsformen durchaus nicht ab-
stechen. Daß die Formen besser und mehr so hohe Zahlen auf-
weisen, ist wohl mehr in der Natur des Sprichwortes als in semer
Abaeigung gcfcn die regelmßßige Komparation begrflndet. Die
Kenstatierung von Qaalitftts- nnd Quantitfttsverhftltoissen gehßrt
') Man redusiere etwa ^a auf den Wortstamm!
64 W. Neuseiter, Deoken, Sprechen and Lehren, aag. ▼• JL LaUke,
eben som FnndamMit praktiecher Lebensweisheit; namentlich im
ersten Falle wird sieh die Form des gnten Bates einstellen nnd das
Oberwiegen der Form Mbesser** ist gegeben. Aber warum ist
dann, wendet N. ein, bei den entspreehenden Positivformen das
ZahlenverhAltnis ein ganz anderes, wanim stehen beispielsweise in
den ersten 800 Nnmmem der Sammlung 55 alt nnr 17 gut
gegenfiber? Wohl nicht aus formal«! Gründen» sondern nur, weil
der Begriff alt leistungsfähiger fflr die Spruch Weisheit ist als dsr
Begriff gut ohne Vergleich, weil man beim Begriff alt das Ab-
solute, beim Begriff gut das BelatiTe, praktisch Wertvollere he*
Torzugt. — OewiA ist richtig» daß das Sprichwort die Gegenfiber-
stellung yon Positiv und Komparativ meidet und dafflr lieber Wort-
stftmme gebraucht, überhaupt gern die Steigerung durch Substan-
tiva (Kupfer — Gold) oder durch Verba (trOpfeln — regnen) voll-
zieht» aber auch hier wird man den Grund lieber positiv aas-
drücfcra, indem man sagt, das Sprichwort nützt die Kraft der An-
schauung aus, die der Tropus enthilt, als mit N* negativ, das
Sprichwort bevorzuge defektivische oder komparativische Formen
deshalb, weil bei diesen die Formelemente belanglos seien and
allein die St&mme der Worte in den Vordergrund treten.
Ebenso findet N.» dafi in der Sprache des Sprichwortes die
Motion (Darstellung des Geschlechtes) in regelm&ßiger Form aabr
stark zurücktritt gegen den Suppletivismus und Defektivismus,
worunter die Verwendung von Wortstftmmen zu verstehen ist, die
nur einem der beiden Geschlechter eigen: Weib, er, Maria asw.
Von regelmäßigen Femininen sei nur das Wort Wirtin zweimal
vertreten. Sehr wenig gebrftuehlich sei Gegenüberstellung regel-
mäßig gebildeter Gesohlecbtsformen (14 Fülle), wftbreud Oegen-
überstellung defektivischer oder suppletivischer Formen nicht aelten
(71 FiUe) sei.
Audi Deklinatione- und Koiyngaticmsformen lasse das Sprich-
wort nie hervortreten. Gegenüberstellung von Verbalformen finde
sich nie» von Deklinationsformen einmal in „Freiheit ist von Qoti,
Freiheiten vom Teufel*', also noch dazu in einem Beispiel, das
seiner Sprache nach in eine Sprichwürtersammlung nicht gehüre.
Die formelle Kennzeichnung von Subjekt und Objekt vermeide das
Sprichwort nach Möglichkeit, bei 4000 Nummern komme sie nur
in ungefähr 250 vor. Die den Deklinationskasus so scharf her-
vorhebende Apposition komme überhaupt nicht vor. Da Hervor-
hebung einer Form immer da stattfinde, wo zusammengehörende
Teile auseinandergerissen werden, so verwende das Sprichwort
einfachen Satzbau, wo die Wortstellung stets genau das Zusammen-
gehörige verbinde. Eine Ausdrucksweise, in der nur genaues Er-
fassen der Abwandlungsformen vor Mißverständnissen schütze —
man sieht, wie der rigorose Standpunkt des I. Bandes bereits auf-
gegeben wurde — sei für die Sprache des Sprichwortes unmög-
lich. Überhaupt: „Formen dürfen nicht in den Vordergrund treten,
daher muß das Sprichwort kurz sein"* (S. 105).
W, Ifeuaesier, Denken» Spreebeo osd Lehren, nng. t. E. LaUke. 65
Beruht diese ganze ArgnmenUtion nicht anf einem bedenk-
lieben vöXB(^ ng&tSQov^ Ist der Sachverhalt nicht yielmehr
dsr: Weil das Sprichwort seinem Zwecke gemäß kürz sein muß,
deshalb dflrfen Formen nicht in den Vordergrund treten? Doch
bleiben wir einstweilen auf N.s Gedankenbahn 1 In der Sprache
des Sprichwortes findet er seine das Ideal alles sprachlichen Ans-
dnickea bestimmende Fordemng: Der Gedanke soll seinen Ansdmck
findtn durch Stämme« nicht durch Endungen — annähernd erfällt.
Diise Fordemng ist zweifellos berechtigt. Die Plastik deo Aos-
dnckea liegt Tomehmlich in der geschickten Verwendung yon Wort-
itlmmoD, in dem möglichsten Verzicht anf die Funktionen der Ab-
leitanga- und Flexionsendungen. Das lehrt vor allem die so wunder-
bsr anschauliche Sprache der Mundarten — ein Beweismittel , auf
das N. merkwflrdigerweise nicht Terfiel. Aber wir meinen nicht,
dift die Schönheit der Sprache nnr von diesem Gesichtspunkte ans
btorteilt werden soll. Die Sprache ist ja nicht nur Material ffir
d« Kfinstler» sie ist auch Material fär den Techniker, den Gelehrten.
So wird denn ganz allgemein der Satz gelten: schon ist, was
iweckm&ßig ist. Wenn also N. im folgenden die Sprache eines ge-
lahrten Werkes — des Lehrbuches der alten Geographie von Kiepert,
Berlin 1878 — untersucht, dort einen Ausdruck und Satzbau findet,
dar ffir das Sprichwort unmöglich ist, weil der Schlfissel zum rich-
tigen Verständnis in den stark hervortretenden AbwandlungsformMi
hagt und weil die Zahl der regelmäßigen Steigemngs- und Mo-
tiensformen, der Wortabkflrzungen vor allem, so unverhältnismäßig
hoher ist als im Sprichwort oder etwa in 0. Ludwigs „ErbfOrster**
— aach dieser wird ffir den vorliegenden Zweck ausgebeutet —
oad wenn er nun die Federsprache des gelehrten Werkes als
»notorisch schlecht'' hart tadelt — so wird man diese Konse-
qnanzen eines an sich richtigen Satzes eben ablehnen mfissen.
Wir wollen Kieperts Deutsch vom sprachästhetischen Standpunkte
sss nicht in Schutz nehmen — aber es kann nimmermehr an der
Sprache des Sprichwortes gemessen werden* Eines schickt sich
licht ffir alle und ffir die Erbauung einer Lokomotive gilt nur
ias<tfsni dieselbe Ästhetik wie ffir die Erbauung einer Dorfkirche,
als beide eben dann schOn sind, wenn sie in jeglicher Hinsicht
ihrem Zwecke entsprechen.
Was wfirde etwa Johann Gottfried Herder dem Verf., der
mit seinem absoluten Sprachideal unheimlich an die „Nachahmer*
in XVnL Jahrhundert erinnert, gesagt haben? Die Sprache des
Schwertes ist schOn, weil sie sich dem Zwecke des Sprichwortes
upaftt. Ebenso vollkommen entspreche die Sprache eines gelehrten
Warfces seinem Zwecke. — Wir werden die Sprache Leasings,
HttdarSy Schillers, Schopenhauers nicht an der des Sprichwortes
Baasen; nnd wir werden die im prächtigsten, anschaulichsten
SpricfawOrterdeutsch geschriebenen Belehrungen eines Johann Peter
ZtiiMdkiiffl f. 4. lüOTT. OysB. 1808. L Heft. 5
66 Jt. Koch, Die Tölki- und Jogendspfale niw., 4ng. t. /. Päwd.
Hebel oder Beater oder Bosegger nicht ale Mneter aufstellen dArfen
für die Sprache der Wissenschaft.
Immerhin hat K. sehr recht, wenn er das typische Gelehrten-
deutsch bemftngelt, wenn er mehr Anschaulichkeit verlangt und auf
den plastischen Aosdmck des Sprichwortes hinweist. Aber er hfttte
sieh mit diesem Hinweis begnügen nnd ihn nicht durch eine ver-
gleichende Flexionssilbenstatistik fibertreiben und damit unwirksam
machen sollen.
In einem weiteren Kapitel , Orammatische Betrachtun^n"
kehrt der Verf. — indem er die Sprache des Eindes belauscht, das
sich die Lebenszusammenh&nge erst selber schafft, daher alle Mit-
teilungen durch Wortst&mme macht, dessen Sprache sich demnach
mit der des Sprichwortes und des Dichters dem Ideale der Sprache
n&hert — zu seiner ursprfinglichen These zurflck, daß die Formeu
nur das Oewußte widerspiegeln, daß sich in ihnen nur „der Drang
offenbart, die inhaltlich als bestehend empfundenen Analogien dem
Gehöre wahrnehmbar zu machen, also jenem Sinne, durch den allein
die Sprache aufgefaßt wird. Schon hier, noch mehr aber im Schluß-
kapitel „Das Sprachideal* begibt er sich auf den schwanken Boden
einer auf der Kindespsychologie basierenden Sprachphilosophie. Di«
Grundbestandteile unserer Bede, Nomen und Verbum, seien dadurch
gegeben, daß in dem Kinde die Vorstellung lebe, alle Dinge dieser
Welt sind entweder fest oder beweglich, und daß es die Grund-
eigenschaften aller Dinge in der Sprache nachbilde. „Wer richtig
tasten und fflhien kann, der gewinnt durch die Wahrnehmung des
Pesten und Beweglichen den Ausgangspunkt der flektierenden
Sprachen." Wie der Tastsinn auf die Sprache, so wirke Geschmacks-
und Geruchsinn auf die Stimme. Weil man mit dieeen Sinnen Er-
freuliches und Abscheuerweckendes wahrzunehmen vermöge, so
bilde man mit der Stimme Klänge, die diesen Empfindungen ent-
sprfichen. — Und so beruhe aller Gesang, alle tfusik auf einer
metaphorischen Verwendung des Geschmacks- und Geruchssinnes.
— Weiter wollen wir dem Verf. auf diesem Wege nicht folgen.
Tiefgrfindige Gedanken, g^stvoUe Darlegungen, die anregend, aber
nicht recht überzeugend wirken. Ond das gilt, so dankenswert auch
die Forderung nach Anschaulichkeit in der Sprache, im Unterrichte
ist, doch eigentlich von dem ganzen zweibändigen Werke.
Wien. Dr. Budolf Latske.
Die Volks- and Jugendspiele nach den Gmnds&tzen des
Zentralausschusses. Anlaßlieh der 2öjfthri£en Erinnerongsfeier fflr
den Goßlertehen Spielerlaß vom Jahre 1882 bearb. von Prof. Dr. K.
Koch in Braunsehweig. Druck von J. Schmidt & Co., Hofbuehdmckerei.
Friedriehtroda 1907.
Der vorliegende, von dem bekannten Braunschweiger Pro-
fessor Dr. Konrad Koch verfaßte Bericht fiber die Tätigkeit des
EL jEoeft, Die Yolka- und Jngendtpiele usw.» uig. ▼. /. Fawü, 67
Z€BtnUiisicfaa8M8 für Volks- nnd JogendspUle in DeatachUnd
•atroUt uns ein Bild kaltargreschichtlicher Arbeit, wie sie wohl
keine uidere Nation der Welt in diesem Ausmaße zn veneichnen
Ttmag. Der Yerf. erOrtert zanftehst die Ziele der Spielbewegong,
g^bt dann einen trefflichen Überblick über die Entwicklung des
Spieles und schildert hierauf die Tätigkeit des Zentralansschasses
TOD seiner Grfindnng an bis znm letzten in diesem Jahre zn Straß -
barg abgehaltenen Kongreß.
Überblicken wir nnn diese ganze TAtigkeit des Zentralaos-
sdiQsses an der Hand des Torliegenden Berichtes« so müssen wir
oBomwiindMi der Bewnnderang Aasdmck geben, mit welcher Opfer-
Willigkeit nnd Ansdanar d«r Zeatnüansscbnß seinen so hohen Zielen
wahrer Jagend- und Volksbildung zustrebte. Unbestritten wird ihm
das Verdienst zugesprochen werden mfissen, daß er durch seine
fflUevolle uud rastlose TAtigkeit als einer der ersten Vaterlands-
freande ein Wesentliches zu Deutschlands neuer Macht und Größe
beigetragen hat.
Ein großes Verdienst gebfihrt dem bekannten Hitglied des
preußischen Landtages t. Schenckendorff.
Bitten guten Teil dieses Verdienstes wird aber auch der rührige
y«f. des Berichtes ffir sich in Anspruch nehmen dürfen.
Wien. J. Pawel.
5»
Dritte Abteilnn^.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Ein geBehiehtswisBensehaftlieher Stadienplan.
Wm Tor mehreren Jahren nur erat in Streiteehriften o. dgl. ge-
fordert wurde, liegt jetit wenigstens so einem kleinen Teile Terwirküefat
▼or: Stndienplftne oder Lehrpline oder Lernplftne ffir die Stodierenden
einer Wissenschaft oder Wissenschaftsgrappe. Es würde bereits eine nidit
geringe Anfgabe sein, diese neueste Literatur umfassend wiedenngeben.
Wir besehr&nken uns anf die Vorfflhmng eines Stückes daraus, das uns
gani besonders Terdienstlich su sein scheint Es stammt von dem Pro-
fessor der Geschichte Dr. Ernst Bernheim an der Uni?ersitit Grei&-
wald. Im Jahre 1901 hatte er die Schrift herausgegeben: „Entwurf eines
Stndienplans ffir das Fach der Geschichte und die damit TerbundeneD
Nebenfftcher, nebst Beilage: Beispiele Ton Anfängerftbungen** (Greifswald,
I. Abel). Nun liegt die s weite, in beträchtlicher und bedeutender Weise
erweiterte Auflage Tor, unter dem Titel: «Das akademische Studivm
der Geschichtswissenschaft'*, mit Beispielen Ton AnAngerflbongen
und einem Studienplan (ebenda 1907).
Der Verf. ist in weiteren und namentlich in engeren Kreisen wohl-
angesehen durch sein ^Lehrbuch der historischen Methode und der Ge-
schichtsphilosophie«*, das seit 1908 in 3. und 4. Auflage mit betriebt-
liehen, namentlich geschichtsphilosophischen, Erweiterungen Torliegt (LoifH
sig, Duncker ft Humblot). Dieses Buch dürfte wohl das Hauptwerk der
historischen Methodik sein und ist unseres Wissens beinahe nneingeschriiikt
anerkannt und als Nachschlagewerk benfltst worden (n&her auf seinen
hohen Wert und auf einige Ansichtsferschledenbeiten geht der Anfisats
des Beferenten ein: ^ Geschichtswissenschaft und Philosophie", in «Nord
und Sfld'', Jahrgang 29, Heft 887, April 1905). Das Buch Tortritt be-
greiflicher- und erfreulicherweise das Allgemeingültige der Geschichts-
wissenschaft, allerdings einschließlich des BahmeDS, in welchem sich
Sondergültiges entfalten kann. Wie sehr es auch dort anerkannt und
benütit wird, wo dies mancher aus Terschiedenen Gründen nicht sofort
erwarten mOohte, seigt der Umstand, daß es in dem wertroUen .Kompaß'
Bio gateUehtiwiMauohafllieher Btadieaplan. 69
▼•B Oeradaui mehimals (baMmdcn 8. 186) angeffthrt wird, und daß
B. Dihri ,J«rait6Dfiibeiii^ Öfter darauf iwfiekkommen (Augabe 1904,
batMdttB & 471, 474, 785 und polemiMh 8DIX Aoeh L. Foncks eben
«WiMMMehaftliebei Arbdien. Beitrige iw Methodik des
i Stndiiimi* (Innebraek 1908) Terwertet Bemheimiohe Gnmd-
lagn io beeoaders anerkennender und aasfAbrlieher Weise.
AUerdlnga gebt das »Lehrbneb" nur auf die Methode der Syste-
matik seiner Wissensebafl ein, nicht auf die Methode ihrer Didaktik.
Aach die kone popnüre Fassung, die der Aitor dem Inhalte seines
graAea Werkee gegeben hat, ond iwar in der, die M8*nunl<uig GOsehen*
nsrenden, »Einleitung in die Gesebiehtswissensehaft'* (1905), greift nieht
ia OBser Thema liinflber. Doeh sei dieses popol&re Bachlein hier wenig-
itsas einiger Hinweise gewürdigt. Namentlich weift es sehr feinsinnig
ftber das melirerwihate SondergHltige sa sprechen. Wir bekommen (8. 18 if.)
fOB ft&nf gegenwärtig herrsehenden Geecbiehtsanschannngen so hOren. Als
die letite von ihnen ond als die, aaf welche sich nach der Übeneogoag
des Autors «am besten eine allseitige, tod keinen sjstematisehen 8onder-
isteressen eingeengte Geseliiehtsaiiffassang und -methode begrftnden lißt,
lanen wir, ob nun mit oder ohne Glanben an diese ObjektiTitit, die
.Hvmaaititsphilosophie* kennen. An erster Stelle war die ^dnalistiseb-
tbsokratisebe Geschichtsanscbainng* anfgefUhrt, wobei namentlich die
Ansrkennnng bemerkenswert ist, welche der Autor der heutigen orthodoz-
katbolischen und orthodox -protestantischen Geschicfatsanschaonng su-
kemmen lAftt. Im übrigen tritt besonders Bemheims Festhalten an dem
^siifiscben der GeschichtswiBsensehaft gegenflber dem Andersartigen der
Nsturwissanschaften henror; und die Schwierigkeiten, ToUe Objektifitit
so erreichen, werden namentlich in § 5, .Auffassung des Znsammen-
ksBges*, offen dargelegt, mit besonderem Hinweis auf unsere ,»Wert-
srteile«.
Indessen sind llkrunsdiesesjstematiscb-methodologisehen Leistungen
Bernbeime diesmab nur sekundir, am anregendsten Tielleicht dadurch,
daft wir hoffen, der Autor werde dereinst die Didaktik seiner Wissenschaft
•cUeditweg ebenso grtindlich und umfassend su behandeln TermOgen, wie
ihre Sjstematik. Kehren wir jetit su dem snrflck, was er Torerst als
Attliofe su einer Ton uns soweit gesteckten Aufgabe Torgelegt hat, so
sind wir gleich wieder geswungen, Aber diese Speiialitit nach einer
inderen Seite hinaustugreifen. Professor Bemheim ist nimlich wohl der
«aeigiscbeete aktiT-akademische Vertreter dessen, was als Hauptteil einer
Hechechulpidagogik den Namen einer ȟniTersit&tsp&dagogik''
(Ihren mag. Bereits 1898 hat er in seiner Schrift ,,Der üni?ersitits-
entsnicht und die Erfordernisse der Gegenwart* das nach seiner Ober-
uagnng Mangelhafte in der akademischen Didaktik scharf gekennseiehnet;
und seine Bektoratsiede fon 1899: »Die gefihrdete Stellung unserer
dsatschen CniTcrsitlten*, ist eine Tielleicht noch dringender rufende
Riglnaung data, mit aasdrttcklichem Hinweis auf das auch theoretisch
Netweadige and auf die Auflage eiaer Bearbeituag der daraus erwach-
seadea Aa^abea.
70 Ein gMehichtswiMttiMluiffUieher BladieipUn.
In der jettiges Schrift werden geradem Übungen im hieteiiMhen
Lebrrertrege gefordert Dies gebt iwar vielleicbt fflr mnneben imdidAk-
tiieh Denkenden etwu wdt, scheint nne aber geradesn nnentbehflieb
in sein, snmai fflr künftige Didaktiker selbit. Und swar iit ee dem
Anter mit Beeht nicht nm eine Beschränkung anf kflnftige BchnUehrer
sn tnn; Tielmehr denkt er dabei anch an den kfinftigen Hochscholiehrer,
anerkMint aleo die (dem Beferenten manchmal fibelgenommene) Möglich-
küt oder sogar Notwendigkeit einer p&dagogischen Bildung der Hoch-
sehaUehrer. DaA dabei noch nicht in die Verschiedenheiten iwischen
pidagogischer Lehramtskandidatenbildnng und pidagogiseher Dosenten-
bildnng eingegangen werden kann, liegt nahe: «denn die Grundbedingungen
einee guten Vortrages sind formell und sachlich fflr beide Kategorien
dieselben*'. Es erfordert «die Ausarbeitung eines guten Vortrages sowohl
in der Schule wie auf höherer Unterrichustufe dieselbe kritieche Ver-
wertung der Literatur und der QuelleD, dieselbe Technik der Komposition
und Veranschaulichung*; Torschieden sei nur der Grad der Vertief sog
und Ausfflhrlichkeit.
Damit stehen wir, nachdem die Darlegungen über die historischen
LehryortrSge mit trefflichen Bemerkungen abgeschlossen sind, in Bero-
heims «Studienplan''. Entscheidend ist hier vor allem das Verlangen
nach praktischen Übungen vom ersten Semester an. Mit diesem Wider-
spruche gegen die geläufige Praxis und Theorie hat der Autor unseres
Erachtens so Tollstftndig Becbt, daß uns jegliche Versäumnis dagegen tu
den gefährlichsten Hemmungen des akademischen Lehrens und Lemeas
sn geboren scheint. Selbstferständlich darf man sich nicht «zu frflh
spezialisieren*; aber man darf sich anch nicht, wie wir sagen mochten,
«SU spät generalisieren'*, und die auf Selbsttätigkeit gegründete Einfflhrang
in das Allgemeine und Allgemeingültige des Faches ist eben unentbehrlich.
Bernheim macht auch noch spesiell auf die Vorteile seines Vor-
gehens und anf die Gefahren eines gegensätslichen aufmerksam. Dort
lernt der Studierende sofort, «was wissenschaftlich arbeiten heilet und
welche Kenntnisse dazu nOtig sind*. Namentlich die Hilfswissenschaflen
stehen ihm ohne dieses Verfahren als tote Wissenslast entgegen; «eine
Einsicht, die ihm viel zu spät kommt, wenn er erst in forgerfickten
Semestern an Übungen teilnimmt, zu einer Zeit, wo er gar nicht mehr
imstande ist, die gewonnene Einsicht entsprechend zu ▼erwerten*'. Paza
dann noch die zeitige Erprobung, ob die erwählte Studienbahn paßt, oder
ob sie mit einer anderen Tertauscht werden mol^. Für den Lehramts-
kandidaten kommt noch dies hinzu, daß er die Wahl seiner «Nebenfftcher**
umso eher und bestimmter treffen kann, je früher er im «Laufe der
Studien dorch praktische Übungen auf Tertchiedenen Gebieten Gelegen-
heit genommen hat, seine Neigungen und Fähigkeiten kennen zu lernen
und zu erproben*. Selbst solche nicht unwichtige Bestandteile der ge-
samten akademischen Studientätigkeit, wie die Ferienarbeiten, machen
sich umso leichter, je früher er in das selbsttätige Arbeiten eingefflhrt wird.
Natflrlich warnt Bernheim mit Becht vor der Ycrfrflhten Teilnahme an
SiB fMcUehtmataaMhAftUcher StadioopUn. 71
koharaa Stmiamta, wl^eod er oagekahrt die Teilnahme tos Fort-
gMchritteaeo «a AnllBgerflboqgeii lebhaft empfiehlt
Des ^HietoriaebeB HilfewiaienecbafteD*' engeres SinaeB und den
»SUCH and Nebenftehera der Geeehichte* widmet der Aator noch be-
leadera Anweiiaagea» mit ipeiieUem Henrorkehrea der Philosophie. Doch
•cheiat aae hier der Aator etwat id fiel aof dae blofte Gelegenheits-
phileeophieres sn gaben, wean er t. B. pejehologiiehe and istbetisehe
Oeakweiae ia arehiologiaehea, pal&ograpbiaehen, knaithistoriichen Obangen
gewiaaea lassea ivilL JedeafaUe aber wird Bemheim mit ans einig sein,
wsaa wir in seiaem Sinae, ja im Biaa einer Hoehsehnlp&dagogih ttber-
hupt» das haopteiehliehe Faehitadinm des Stadentea sam s^genanatea
KeaieatratioBsgsgegeastaBde seiaer gesamten akademischen Arbeit ge-
■aebt sehen wallen. Vvt kann diee eben aaeh mit eiaem antoaomea
Betriebe der Philosophie erledigt werden. — Über die PAdagogik hOren
wir Ahaliefaes; doch Yerdieat der noch allenthalben herrschende Mangel
la siaer wirkliehea aad sjitematisch geschlossenen Vertretaag der Pftda-
|sgik im akademischen Kreis einen abermaligea Protest
Wir habea bereits angedeatet» nach welchen Bichtangen wir die
Asfistellnngen Bemheims f5r nicht so einiig richtig halten mochten, wie
Bssh den ftbrigen Bachtongen. Pie Yorlesaagen sind nan einmal eia
sksdemiaehes Gat» das swar darch Beechaeidang seiaer Üppigkeiten ge-
«naea soll, dessea kaostroUe Aasgestaltnag jedoch nicht TersAamt
wenUa darf. Zn den gegen sie gestellten Beforsngangen des Seminar^
wsssas aaw. kommt nun noch eine, wenigstens in der tatsächlichen Praxis
fsOhrliehe, Sache. Weite Kreise ignorieren oder hassen geraden den
Übaagaanterricht, da seia »Drill'* nsw. mit der akademischen Freiheit
safsniabar sei. Es scheiat aas nan wahrlich nicht bald etwas leichter,
js sogar tiefer in der Natnr der Sache liegend, tn sein, als eiae — kars
geosgt — freiheitliche Pflege der Obangen. Deshalb scheint ans aach
fienheims Neigung sa einem Zwange bierin wenigstene nicht nOtig sa
leia. (Die diesbeillgliche SUlle der 1. Aaf läge, S. 6, ist in der 2. Aof-
l^e, 8. 69, anfcriadert beibehalten.)
Allerdings spielt hier aach die Staatsprüfang mit hinein, die ja
ihrem Wesen nach Ober die eigentlich akademische Welt hinausgeht.
BeiaheinD Tcrteidigt die bei ihm tn findenden Sporen Yon Zwang dnrch
fiaeB Hiaweis aaf Zwaagsmfiftiges ia den Examina (2. Auflage, S. 19
•ad 28). Mit allem Becht bedaaert er, daA die »ZwaagsmaAregelS als
vekha die Examiaa sn beseichaen seien, „in der Tat sa anfreier and ia
gioftem umfange sa höchst aDwisseaschaftlicher Arbeit feranlaOt**. Dies
ist sa richtig, daA wir Aber diesea, auf absehbare Zeit schwer Tcrmeid-
bsrea, EiagrüF ia die akademische Freiheit einerseits traaera dürfen und
sademaaita aber aaeh hia wider alles aufbieten mflssen, am eiaea solchea
sthidlkhen Einfinft möglichst sa Terriagem aad nicht etwa noch von
skadamischer Seite selbst aas su begflnstigen.
Wie sehr Bemheim das Wesea der akademischen Freiheit Yenteht
•ad darehsafahrea beetrebt ist, erkeanen wir aach an manchen Nuancen
im den Ton ihm gegebenen Übungsbeispielen. Die »Auffassung", hiemit
72 Etil getdiichtswiiseBBChaftlicher Stndieoplan.
adso ein freiheitliebet Moment, wird in dieien, noch liemlieh elementaren,
Obnngen ebenfalls betont (s. B. 8. 61 nnd 68). Ein ganx eigenee Anf-
gabenpaar (8. 64-—66) beschftftigt eich mit der Tersehiedeaen Anfraerang
der Geiehichte Gregors VII. bei einem antikatholisehen nnd einem katho-
liiehen Sehriftsteller. Dasn gehört aneh eine «BrOrtermig, ob nnd wie-
weit es möglich scheint, sieh Ton den Gegensfttien der Anschannng un-
abhängig IQ machen, was doch der Forscher wie der Lehrar mQ5, da er
ans Werken Ton erentnell so Tenehiedener Auffassung su lernen und su
lehren hat: Tendens, Unparteilichkeit, Objektifität«.
Eine der wichtigsten und Tielleicht wenigst beachteten Schwierig-
keiten, etwa als ein «hochschulpftdagogisches Paradozon* su beieiebnen,
wird auch Ton Bemheim mit Entschiedenheit behandelt Frtge: Wie
lehrt und lernt man in sehr beschränkter Zeit das nnermeOliehe Gebiet
einer Wissenschaft? Bemheim antwortet mit seinem didaktischen Metho-
dismus : Beschränkung auf Kollegien über besonders wichtige, lentrale
Steife und weiterer Kenntniserwerb von da aus durch susammenfasacBd
orientierende Vorlesungen und durch Lektüre (S. 76). Der Kern dietee
Gedankenganges ist der, daß Torbildliche Beispiele wissenschaftlicher
Darbietungen die weitere Eigentätigkeit bestimmen. Dies ist so richtig,
daA es aufs lebhafteste sur Befolgung empfohlen werden muß. Immerhin
aber dflrfte doch wieder eine Gefahr darin bestehen, daß der Studierende
schließlich wichtige Teile seines Gebietes nicht lu fassen bekommt. Dem
Referenten seheint hier nur das Ton ihm mehrmals empfohlene Doppel-
mittel möglich nnd notwendig su sein: erstens eine ensyklopädiadie
Übersicht fiber das Gänse des Gebietes, und sweitens erst die mnater-
gebenden Spezialitäten („Torbildliche Kreisausschnitte^).
Nun wird jene ensyklopädische Durchnahme des Ganzen kaum in
einer Disziplin so schwierig sein, wie eben in der Geschichtswissenschaft
In dieser handelt es sich zunächst, genauer gesagt: luletst, um die so
flberans weite Masse von Tatsachen, als den Ergebnissen der wissen-
schaftlichen Forsehongen. Der Gedanke, all dies in einer enzyklopädischen
Übersicht zusammenzufassen, kann geradezu schwindlig machen; man
denke nur einmal an das, was ^Orient* heißt, zumal bei dem jetzt an-
wachsenden Interesse für dessen älteste und neueste Zeiten! Sodann
aber, oder Tielmehr: vorher, bandelt es sieh in der Geschichtswissensohafk
um die erst recht weite Masse der Medien, durch welche hindurch zu den
Tatsachen Torgedmngen wird: also um die Quellen im weitesten Sinne,
kurz um die historischen Materialien, und endlich oder erstens handelt
es sich, gegenüber all diesen Einzeldingen, um das Allgemeine, das fttr
die Quellen und die Tatsachen in Betracht kommt, also ungefUir um das,
was den Inhalt Ton Bernheims Lehrbuch ausmacht.
Nun denkt unser Autor jedenfalls an eine Enzyldopädie des All-
gemeinen, indem er (8. 78) auf Vorlesungen hinweist, die da als „Historisdie
Propädeutik, Methodologie, Einf&hrung in die Geschichtswisaenachafl»
allgemeine Quellenkunde'* usw. gehalten werden. Indessen bleibt immer
noch die Orientierung über jene beide Massen fraglieh. Darauf finden
wir eine Antwort dort, wo Bemheim auseinandersetzt, wie nach seiner
EiB |t«<c^l<^^ttwbieiiBötiftÄJtcher StadieaplAii,
73
Bg dl« tmoöligeD gt^terett YorEeiQngea enetst werdan «olleii. gr
«blt dftfttr, »bgeitoken too praktiiebea ÜbQD^«D und toq KombJQfttiGii
atiieber DArattUiQ^ mit lolcheo ÜboDgeo, haapteAeblieh ^kurte
ilifrUgiTorleitiitgen'*^ «worin eine g^drun^ne Übereicbt Aber die
ll«ntt d«a Stoffe« unter ir«ient]icbem HerTorhebdu dar Auffaßt ang^
gebcD wird und die HOrer durcb KftCbwei» der kliBsiacheD Haaptwerke
ii&DdbQeb«j- angeleilet werden» ticb die ÜetaitkeDntnUse aelbuttätipc
■«B* (erftt in 2. Anftftge, S. 10). D&durcb icbeint nna aber doeh
der fbr LebruntBkandidateii wicbtige Teil der Welt^escb lebte
m teti]. Wie d&nn die Forde mag ejoes ensjklopftditcbeti Durch-
Weltgeichicbte icblecbiveg'r sQVobl die TateaGben wie auch
» ^tulleiiiimterial nmfaiieodt Terwirklicbt werden ki>niitef mäHsen wir
ffttdfii «li eine offene Frage weiteren ErOrtenmgen überUsBen^
Hau «ber h&odell ei sieb — and mar bereite in der ersten Ab-
lüiuif dee B&cbleiBs ^ am die sogeoannten Obangakollegien oder Seminar-
iloftn^ Ibnen gilt Bernbeimn besondere« Interesse. Er bespricbt aneb
4tf Mannte Übel der ÜberfOllong ton Beminarienf bei wetcbem das ,,Ideai
in ifnilaftriit] Beben Lehrrerfabreni im Sinne der mDgli^^bit intenaifen
InQitiiing der Zeit la anmitlelbarer GeiBlesarbeit der Beteiligten** nicht
Mfar irrejebt werden kann, well datn ^eder in jedem Augenblicke an
Itr i^rgetegten Untersnchnng p Interpretation oder waB an sei ^ wirklich
iKUtbeiten mnG (S* 15). Die Abhilfe faiid Bernbeitn In dem Verfahrenr
itlreiid der Seminar standen selbet Bcbriftlicbe Ei gen arbeiten
Mde» tu taiien, .tu kleincD ünteranchnngen im unmittelbiiren Verfolg
dir (letuntniiterflBehnng*. Eine merkwürdige , wenn auch nicht enge»
iul<9^r tn den didaktjscben EOnaten, die in eiDklaBBigen Volkaacbulen
ui|tDoten werden mSa«eD, nnd iChliellUcb ein Entgegenkommen gegen
da Drai»; der Jn^end nach eigenem Hau dun legen!
Da# won Bern heim angegebene Mittel ist fon verhl äffender Ein-
ta^^it nnd Talkraft; nnd der Erfolg iit f^r manche Dozenten» die d&
klifei», i%& lie ihre Lente la keiner rechten Mitarbeit bringen kOnnen,
mi recht Terblflffend. Kein einxiger ^emiDariatt berichtet der Antor
*tVe liai «.etwa aU einen nnliebeamen Zwang, ab eine aebnlmfi&ige Er-
i4«4li|ting empfanden; rialmehr erregte die intenaive Anapannong der
üfietD Titigkeit nnr daa lebhafteste Intereue nnd alle gingen mit Eifer
«f daa nicht gewtybnliebe Verfahren ein*".
Wie non dieaea Verfahren im ein seinen gerechtfertigt nnd dann
^ircbv'e?Qtlirt wird^ kann hier nicht nacfageteicbnet werden. Nur aei noch
dtfiof aafnierkaam gemacht, daD et nach Bernbeimi Worten (S. 19)
tsstttfieh im Anfange des SemeBters nn gemein dato dienen kannte.
»^Fflblmig des Lloienten mit den Teilnehmern nnd daa lebendige
iMiTtise derselben ttr die i^ache aehnell und inteneif herznatellen. Dlei
seoerdingB nmto empfeblenawerter, da ja die Abitarienten aller
I SchnlgaHnngen mit ihrer ao Terachiedenen spraeh lieben Vorbildung
3ta4i«a tagelaftten sind nnd es reebt zweckmäßig ist, wenn
r0Mi«l0«ltfenhelt findet, ünsnlinglichkeiten bei dem Einzelnen bln-
_M-
74 Zur griech. und UtoiD. Lektflre aa «Dserain GymoMiaiii. VII.
nehüich der SprtehkeimtDiBte, besonders im Lateiniseben, sa bemerken
nnd nnf reebtseitige Kaehbolnng Unsoweisen*.
um die Snebe gleieb pmktiseh so teigen, bat unser Antor in der
nenen Auflage (S. 50—^) noeb ein weiteres Beispiel von Anfibgetüboiigen
eingescbaitet: «Übungen Aber das Wormser Konkordat mit sebriftti^hen
Arbeiten in den Seminarstnnden selbst^. Das Beispiel gebt aneb anf die
Biaselbeiten ein and f&brt namentlieb merkwürdige tjpisebe Obersetinngs-
febler Tor. — Es ist sehr sn wfinseben, daA von anderen Doienten des
nimlieben sowie sonstiger Ffteber analoge Beispiele gegeben würden.
Voranssiehtlieh wird dann die Übersiebt Aber ein mehrfaebes deraitigts
Material seigen» wie Tiel doch Aber den jeweiligen Versebiedenheiten
Gemeinsames bleibt, das sieb sebli^lieh sn einer engeren oder wetteten
akademlsehsn Didaktik Tordiehten kann.
Berlin-Halensee. Dr. Hans Sehmidknns.
Zur griechischen and. lateinischen Lektüre an
unserem Gymnasium.
VII.
Aach die Platolektflre bespricht H. Scbenkl. Er fordert, daft
Ton Piaton etwas gelesen werde, worin seine wahre Bedentnng nnver-
kflrat zur Geltung komme, rit Mheren Stafen schon sng&ngliche StQcka,
wie die biographische Einkleidang des Pbftdon in der Y., den Kriton in der
VIT. Kl. tu lesen, bedauert, daO bei nns der Hanptanteil der PlatonlektOre
anf Apologie, Kriton nnd die paar Phftdonkapitel falle, wo der echte Platon
wenig sn Worte komme, nnd daß Yom wissenschaftlichen Dialoge dabei
kein ? oUgiltigea Master geboten werde. Endlich konstatiert er mit Recht,
da es kaum mOglieh sei, eine stets befriedigende Vorschrift für Platon aof-
znsteilen, solle, wenn irgendwo, hier «der Entncheidang des Lehrers mög-
lichst freier Baam* gelassen werden. Statt aber hier abaabrechen, empfiehlt
er die 52 Teabnerseiten der Gesprftehe mit Polos and Gorgias aas dem
Gorgias, bezeichnet den Protagoras trotz der bekannten Vorsikge, darunter des
ümfanges Ton 6ß Teabnerseiten, die ihm h&nflg genug die Wahl sicherten,
als unklar und unflbersichtlich (fgl. Instrokt. S. 104), will das Symposien
der PriYatlektflre ttberlassen, wfthrend er sich tou den übrigen größeren
Dialogen keinen hinreichenden Erfolg verspricht. Dann wird der EuthTphron
als zu wenig ertragreich, Laches als zwar ftnßerlich leicht, für das innere
Verständnis aber schwer, Lysis und Charmides (mit 25 und SO Teubner-
Seiten) als gut geeignet bezeichnet. «So bilden", schlieftt er, „Apologie,
Lysis, Charmides, Gorgias (bezw. der erste Teil) nnd Protagoras einen
hinreichend großen Umkreis, ans dem der Lehrer ein... Programm ao-
sammensetsen kann", und sein Lehrplan lautet: „Apologie oder ein
kleinerer Dialog; dann ein grOüerer, bezw, ein abgesohlosseaes Stück aas
einem solchen*. Das Teabnerseitenminimnm wird nieht bestimmt. Daneben
wmd lalifa. Ukttf* m Bisenn GTUiMiiiB. YU. 75
4nokt ar den j«M güligen Lduplan ab: »Die Apologie als Binleitmif,
lüi im UeiaeroD oder eiser der bedeoteoderoD Dialoge*. Sein Lehrplaa
UM ne aleo die Wahl iwieebea der Apologie und einem der kleineren
Dialage md iviagt um, einen der größeren in leeen. Darin aehe iefa
km9 beeondeio Freilieit. Seine DeUilTOfechlftge uehen aber den Kreie
«gar ale naeer Lebrplan; er nimmi ana Laehee and Entbjphron nnd
«■pfieblt ona nnr Oorgiaa oder Frotagorae» die noeer Lehrplan bei-
•piabweiae anftbrtt D«r jetaige Zoatand iit mir da lieber. £a wire beaaar
faneaan m leigoa» daA irir fftr die Platonlekttkre nnbedingt mehr Zeit
biMchen, atait nna eolehe Inatroktionen so bieten.
Vor allem fehlt die genaoere Darlegung dea Standpnnktee fftr die
Aiavahl; daa vom .echten Piaton'* iat in wenig. Man kann bei der
AmvaU den 2week ▼erfolgen, der Jogend nur ein Bild dea Sokratei vor
Aafea la atellen oder aie mit philoaophiaehen Bntwioklnngen Tertraat in
man kann haaptaiehlieh aaf den ethiaehen Gehalt Bflelnieht
oder endlieh mehrere Zwecke sogleieh Teifolgen. Sin Moater
wiiaenaehaftlichen Dialogea la leaen, kann nnr Nebeniweek eein,
lavia die Zahl der Teobneraeiten nicht die Hauptrolle an apielen hat.
Waa Sehenkl rit, kann allea nach nnaerem Leiirplane geleaen weiden
■ad glflcklieherweiae noch Tiel mehr — ich meine natttrüch nicht Tenbner-
Müaa; denn in dieear Hineicht aind wir leider in aehr eingeachrinirt.
Wann bei nna anitar der Apologie oft nnr noch der Kriton and die
PkUoakapttel geleaen werden, ao liegen die Qrflnde banptaichlieh in
dam StnndenanamaA; man lieat aber doch aneh aaderea, wie i. fi. Oorgiaa
adar Fratagoraa.
Die Phidonkapitel nnd den Kriton kann man eich nach H. Sahenkl
vm aiaten Semeeter der V., betw. VII. (neben Diona Saboikoa» besw.
D«naatiienee' Fiiedenerede) anasnehen. Waa denn hindere, fragt H. SchenU,
daa n tan, nftmlich daa eng ZaaammengehOrige anaeinander in reißen.
Dia Antwort iat nicht achwer an geben.
Qerade die neaeate Zeit hat nna ftbrigena beiflgUch der Aaawahl der
Flalanlektflre eine Reihe anageieichneter Darlegungen gebraeht Dnaece
liitraktionen atehen im gansen noch auf dem Bonitsaeben Standpunkte;
aniaha Lehrer werden ihre eigenen Wege gehen oder aich auch aolchen
aaiahliaßen» die einen von den Inatruktionen abweichenden Standpankt
jedenfalla lAßt ona der Lehrplan Freiheit. Boniti befand aich
I Verhiltniaaen gegenftber in einer achwierigen SitaatioD, diea
taigan aeiae Worte in dom bekannten Aufaatie in dieaer Zeitachr. 1855,
8. 790C Nach aeinen Gnmda&tien iat aaßer dem Theaetet, Sophietea,
Pelttihea, Pannenidea, Phileboa, dem Staat, Timioa, den Geaetien auch
Maaen, Bnthjdom, Phidioa, Sympodon und Phidon wie der Jon, Hippiaa,
Alkibladee aoatnachlieflen, Laehee wird ala wohl geeignet beteicbnet» der
BrfUg der LektAre dea Bnthyphron bei weifeit, Gharmidaa, Lyaia aad Haue-
maae nicht geiaten. Empfohlen werden Apologie, Kriton, Protagoraa und
Soigiaa. Waa H. Sahenkl forachligt, bedeutet keinen Fortachritt gegen
BaiilL Wir braadien die Freiheit nicht, auf die Apologie Tcnichten
n kanaea, die nach dem Obereinatimmenden Urteile £aat aller Schol-
76 Zar grieeh. imd latain. Lektüre an nneerem OymiiMiiim. VII.
m&BDer und Gelehrten jeder Abiturient einee GyniDMiiime gdesen haben
•oU; ich nenne nnr aoe der letiten Zeit 0. Altenbnrg, A. t. Bamberg,
Kam. Hnemer, 0. Jiger, W. Jeniealem, 0. Kehl, L. Martene, G. Sehneider,
K. Seeliger» Y. Thnmier, 0. Weiflenfels ond bringe die Werte Theodor
Gompen' in Erinnerung (Grieeh. Denker II, S. 88): «All daa hat die
Apologie sa einem LaienbroTier etarker nnd freier Geister gemacht, dac
noch hente nach drdnndiwanrig Jahrhunderten die Seelen ergreift nnd
die Herten entiflndet Sie ist eines der mftnnlichsten Blleher der Wolt-
literatnr, wie kaom ein anderes geeignet, die Mannestngend der Faasmg
in die Gemflter sn pflanien.*
Die Vorsfige des Gorgias sind auch in allerletster Zeit wiederiiolt
gerühmt worden. Wenn wir aber nnr einen Teil lesen können, werden
wir nicht den von Seh. empfohlenen ersten, sondern trots der grOfteren
Zahl der Teabnerseiten den sweiten Teil lesen, den onter anderen noch
E. Sigall in seinem gehaltrollen Vortrage Aber die Platonlektflre (Österr.
Mittelflch. 1902, 8. 21 ff.) als fttr den ersiohenden Unterricht frachtbarer
beseichnete, da er die wahre Lebensaufgabe som Gegenstande hat Hier
wird der Schfiler s. B. flbsr die Modetorheit des Nietischeschen Ober-
menschentums anfgekUrt (Tgl. besonders G. Schneider in der Zeitsehr.
f. d. Gwes. 1908, S. 119, nnd Härtens, Die Platolektflre, 8. 87), hier lernt
er durch den Mythos vom Totengericht Torsichtig sein im Urteile Aber
Lebende und Tote. Vom Sjmposion wird msa womöglich die Bede des
AUdbiades in der Schule lesen, die ja auch schon snsammen mit
Apologie, Kriton und den Pbftdonkapiteln herausgegeben worden ist.
Auch die Tollatändige LektOre des Symposion wie des Phaedros nnd
Menon wird empfohlen (Max Hoffknann). Ober den Ertrag des Euthy-
phron ist so oft ausreichend gehandelt worden, dalS man heute trots
Bonits keinen Zweifel mehr hegen kann, daß diese Lektfire sieh lohnt.
Der kleine Dialog lehrt die Methode der Begrüfsbildnng, seigt also »in
Plato einen Begründer der wissenschaftlicben Methode* (G. Schneider)
und führt SU einer Definition der Frömmigkeit, über die kein Zweifel
besteht (vgL Martens, S. 58), so daß diese Lektüre nicht genug empfohlen
werden kann (K. Seeliger). Ebenso ist der Laches sehr geeignet (vgl.
Jak. Mayer, Lehrpr. n. L. 64 [1900], 8. 50 ff.) und wird daher auch s. B.
▼on 0. Altenburg, Fr. Lohr und L. Martens angeraten. Lysis und diar-
mides hingegen eignen sich Ton den kleineren Dialogen gerade weniger
(YgL auch E. Sigall, 8. 87), außer man llU&t gewisse Stellen aus; sie wer-
den auch You den Schulmftnnern fast nicht empfohlen, geschweige denn,
daß man einen dieser beiden statt der Apologie lesen lassen wollte*
Mit Hecht betont wie Seh. auch K. Eromayer (N. Jahrb. 1902,^ II,
8. 278), daß gerade aaf dem Gebiete der Platolektflre Verordnungen von Übel
seien, daß die Fähigkeit und Neigung des Lehrers das allein Entscheideside
sein müssen, und in diesem Sinne sagt Wilamowiti (Gutacht. S. 200) :
,, Apologie und Kriton reichen nicht aus, so scbOn sie sind, wir branelMn
einen Dialog, der das Hers packt und ernstes Denken fordert, Fbidon,
Gorgias, das erste Buch des Staates, aber ein guter Lehrer mag jeden
tiefen und künstlerisch schOnen wühlen, den er bewältigen ksan.^ Der
Zu grieeh. imd lateiD. Lektflre an miMrom OjarnuiniD. VII. 77
Km, in dem wir heute wählen kOnoes, ist so weit, dafi wir nur sehn-
liekt wflBicbeii, mehr Zeit Ar die grleehiiehe Lektflre in der YII. vnd
?ni.ni bekommen; wire et mftglieh, Apologie ond Kriton mm Ende der
TIL n leeen, so könnte Tielleieht auch bei nne ein hoher gestecktee
&1 «reicht werden, während wir nns forlftufig meist mit dem be-
tthsiden, wae man snletit aneh in Deutschland wieder als Ziel der Plato-
liktln am Gjrmnasiom beseiehnet hat: Ein Bild der Persftnliehkeit des
Sskrates tu gewinnen (L. Härtens, 8. 6). In unserem Lehrplan aber
biMshte eigentlich nichts anderes sn stehen, ab was der preofiische
Lahrplan enthilt: Piaton.
Zom Ersatte der beseitigten Demostheneslektflre sieht sich H. Schenk!
Mt^preehend seinen Gmnds&tten nach Formen des literarischen Knnst-
mkss vm, die in dem bisher gesogenen Kreise nicht Tortreten sind und
koBot tonftehst auf die — Beredsamkeit Da er ein Semester der VL
frai hat, ist die Wahl nicht eehwer, sie ftllt auf Lysias sowohl wegen
MDSs mnstergflltigen Attisch ind der leieht Terstindliohen Darstellung
all anch wegen der geringen Zahl Ton Tenhnerseiten eintelner Beden.
Dsft es nicht angeht, einen Schriftsteller nur tu lesen, weil man leicht
riii lesen kann, ist klar« Wie kann man aber Demosthenes anch wegen
Mses Charakters Terwerfen und Lysias empfehlen ? Bei Lysias ist ea
deefa fftUig ausgemacht, daft die Qestalt des ansUndigen Menschen
nr durch Verschweigen ? on Tatsachen tu retten ist, schOne Seiten kann
Dil kaum hervorheben. Sagt doch Wilamowits, der tod Lysias nichts
lessB li5t, Aber diesen (Kultur, S. 62): »Sein Gewissen gestattete ihm
ebflOMgut, die diametral entgegengesetsteu Tendenten tu Tertreten, wenn
iia Angeklagter dieser Partei klug genug war, seine geschiekte Feder
IS gewinnen... Er weilV den Ton der gekränkten Dnschuid, des harm-
Isssa Biedermanns ebensogut tu treffen, wie den des Ehrabschneiders
lad des Wiitee einer eleganten Spielholle... Nur wahres Ethos, wie
Antiphon oder Demosthenes, hat ein Mensch von solcher
Moral solbstTerständlich nicht: wie wfirde er Aber die
biederen Schulmeister lachen, die seine gepfefferten Heden
sIs geennde Knabenkost ins Harmlose umgedeutet haben...
Man hat ibn als echtesten Attiker angesprochen, mit Un*
reeht: da ist syrakusisches Wesen, gerade in dem Gelungensten dem
8ephn» Terwandt.* Anfter der .gesinnungslosen Babnlistik" führt man
gegen Lysias anch noch an, daß er „die Kehrseite des Volkscharakters
in den Vordergrund stellt* (P. DOrwald) nnd daA der Stoff seiner Reden
den Schfllem fernliege (H. Schiller), während ihn andere als sehr be-
lehrenden Schriftsteller (O. Schrader) gelten lassen, „dessen Oerichtsreden
■it den feingeieichneten Charakterbildern einen besonderen Typus bilden,
der neben den politischen Beden des Demosthenes seinen Platt Yerdiene**
(ft. Meister). Daä uns aber Lysias den Demosthenes sollte ersetten können,
dafsn kann keine Bede sein*). H. Schenkl verweist flbrigens den Lysias
vis den Demosthenes in seine .tnr Aaswahl gestatteten Ergänsongen".
1) Wenn bei uns jemand in der VII. Kl. Lysias vor Demosthenes
Isssn will mit der Begründung, daß so die Demostheneslektflre Yorbereitet
78 Znr gmtik. und Utoin. LektOre m uiiaram QymttMimn. VII.
HiDgegen wliDiebt H. Sehenkl aofii dringendste die Anfeahnie efiner
bis jetst nnter den grieehiBehen GymoMialMtoren nioht tertretenen KiHMt-
form, die anf jogendliehe Oemflier eine starke Aniiehongsknift nastafibett
geeignet sei: der Biognpbie; also Lektflre Plntnrohs, der twnr kein
Klassiker, aber ein aehtenswertor Sehriftateiler sei, dessen Grieebiieh
keinen Schaden anriebten kOnne nnd dessen etbiseber Gehslt nnbeswelfelt
•eL Es sei geraden nnbegreif Hcb^ daft der Lebrplan sieh ihn habe ent-
gehen lassen; offenbar habe ihm die Überseh&tsnng des Begriffes ^Attfeeh*
gani nngereehtfertigtarweise geschadet. Da Offne sich ein weites Feld
ersprießlicher, bildender, den Schfller nicht ermüdender Lektttre. Der
durch die XenophonlektOre gesehnlte Sextaner lese Plotarch mit so
spielender Leichtigkeit, daß in einem Semester bequem 200Teabner-
seiton erledigt werden kOnntan. Er sihlt anch eine Antahl Biographien
anf und warnt dann noch den Lehrer, sich in allta kleinliche Wort- nnd
Saeherklftmng einsolassen — wieder ohne Angst for dem Vorwarf der
Leichtfertigkeit—; so sei es möglich, den Schillern Charakterbilder (darunter
jedenfalls ein Biographienpaar) ans der griechischen Geechicirte des V.
nnd IV. Jahrhnndertat ans der Zeit des Hellenismas, ans der Geschichte
Borns ▼onoftlhren nnd noch Zeit f&r andere Ergftnsnng der Prosalektllre
in erflbrigen.
Plntarch, der Freund der Jugend nicht bloß, sondern auch der besten
(Geister frflherer Zeiten, „wftre der ideale Schriftsteller fflr die reifere
Jagend, wenn ausreichende Zeit Yorhanden wftre, die Schüler an sein
S
werden soll, muß man sagen, daß in der VII. auf Demostfaenes eben Demo-
sthenes selbst am besten vorbereitet, weil man ja snnichst iwei einander
fthnlicbe Beden Yomehmen kann; die Zeit in der VII. ist in kortt als da6
man neben Demoathenes einen anderen Aator lesen könnte, ohne daß die
Lektflre des ersteren gefUirdet wftre. Eine andere Frage ist die» ob
man in der VI. an Stelle der Memorabilien Xenophons Lysias lesen soll,
was schon 0. Schrader (Zeitschr. f. d. Gwes. 1892, 8. 541) gewünscht hn,t
vgl Verhandl. der Berl. Konf. ▼. 1890, S. 216) nnd O. Jftger (Lehrk. a. L.»
}. 419) für möglich bftlt, Terwerfen doch auch Fr.Aljr, P. Caaer, Bi^
Bichter die Lyiiaslektüre nicht im Gegensatse zu P. Dettweiler, 0. Kphl,
0. Macke. In Baden und Württemberg wird Lysias gelesen, in Preußen
ist er nicht ausgeschlossen und eine preußische Zirkularferfügung Tom
18. Mai 1897 gestattete ausdrücklich statt der Memorabilien eine geeignete
Bede des Lysias. Manche wird £. Bosenbergs Aufsats (Zeitschr. U d.
Gwes. 1903, 6. 225 ff.) übeneugen, daß unser Lehrplan auch hier das
Bessere aufgenommen hat, und ▼ielleicht sagen sie mit ihm (8. 227): «Man
konnte ja Lyaias leeen. Gewiß! Zum Buhme seiner Sprache, seiner
Stoffe, selbst seiner Gewandtheit Iftßt sieh manches sagen und auch als
Einführung in die Schriften des Demosthenes Iftßt seine Lektüre aioh
geltend machen, aber ob eine Lysiaslektüre auch das Hers ergreifen,
das Altertum in seinem innerlichen Denken und Fühlen dem Schüler
nfther bringen kann, ob der Gewinn an Kenntnissen des GeriebteweeeiM
und der politisch-kulturhistorischen Geschichte Athens sich Teri^ekliesi
l&ßt mit dem geistigen Gewinn, den ein geeigneter Untenioht aus diesen
einfachen, oft hausbackenen, immer aber wahren und das Denken wek-
kenden Darstellungen und Gesprftchen des Xenopbon enielen kann —
das beiweifle ich."«
Zv giMCiL ud Utflin. Lektflre an iiiiiarem OymnMiuii. VII. 79
GiiMkiMh n gowOhiiM« tagt 0. Woßenfelt (ZdHehr. f. d. Gwü. 1908,
& 788) f&r die prenftiiclMB Vecli<niMe, un wie Ti«l mehr gilt das tob
te UMrai. Ich finde leiebt begreif lieb« wwnm Plntoieb nieht in nnieren
Lebiylaa nn^nnommen wurde. Sfslene Tertrigt sich die Pinterehlektttre
■il dem Leiiniele niebt; denn dae «Bedentendite" gilt für Inhalt und
Foni; sweiteni istPlitareh wegen eeiner Spraehe vnd seiner Behwierig-
keit niebt geeignet, Xenophon im ersten Semeeter der VL xn eveetieo.
Der dizeh die Xenophon- nnd Homerlektflre noch in wenig geachalte
Sextaner wlirde Plntareb aneh mit solcher Schwierigkeit lesen,
daft in einem Semester in 4 wOchentL LektOrestnnden kanm 70 Teabner-
Miten bewiltigt werden konnten. Was die Schwierigkeit betrifft, po
kCanen wir in Österreich ans nur auf die Erfahmngen berufen, die man
mit der Privatlektflre Plutarcbs macht (? gl. s. B. Kam. Huemer a. a. 0.,
3. 28); man empfiehlt ihn ja natürlich auch erst Ton der VII. an (Tgl.
E SefaickiBger in dieser Zeitschr. 1908, 8. 942). Mit Plutareh in der
Sdide aber hat man im Beiche die Erfahrungen gemacht, die tur Ab-
ichaffong dieser Lektftre gefOhrt haben. «Mit gutem Grunde* (A. ▼. Bam-
berg) haben die preuiSischen Lehrplftne von 1891 die Schullelctare Pln-
ttrebs ausgeschloesen, auch in den neuesten ist nicht auf ihn hingewiesen
(nur in Bayern ist er noch aufgenommen). Das geschah deswegen, weil
er eben fOr die Stufe, auf der man bei der größeren Stundensabl
«iaige Zeit bitte, ihn su lesen, fflr OII, zu schwer ist, wie s. B.
0. Jiger (Lehrk., 8. 419) nnd W. Gemoll (ZeiUchr. f. d. Gwes. 1899, S. 665 f.)
erfkhren haben, und weil er in I., wo ihn P. Dettweiler statt Thukjdides
leica wlirde, Wichtigeres Terdringte^). Ich glaube also nicht, daß diesem
Schriftsteller bei unseren Oiganisatoren die Überschfttsnng des Begriffes
•Attisch*" so sehr geschadet hat Wir würden aber heute einen niemandem
begreiflichen Dehler begehen, wenn wir die Lektflre Plutarcbs in die
VLKL aufnehmen und so su einer früheren Praxis snrflckkehren wollten
ud dabei noch die Homerlekttlre in der V. nnd YI. auseinanderrissen.
Fttr die PriTatlektOre kann man ja diesen Autor trotz .seiner oft
icbweren Konstruktionen, die dem Schüler m schaffen machen, und seiner
Oinreriiseigkeit' (B. Foft, Monatsschr. f. h. Seh. I [1902], & 265 f.) empfehlen
«cgen seinee interessanten Inhaltes, wegen seiner Wirkung als Muster
fir die biegxaphisehe Literatur (W. Christ, Gesch. d. gr. L.S S. 680), wenn
nan aneh wie 0. Weifienfels (Wochentcbr. f. kl. Ph. 1898, 8. 215) das
Gcfthl haben wird, daß kaum bei einem anderen griechischen Autor
IS leicht statt des Originaltextes Übersetiungen gelesen werden können;
MS ÜbersettUBgen Plutarcbs haben ja bekanntlich grofie Geister Anregung
mfUagtm. Welche Biographien empfohlen werden sollen, beeprieht außer
Faß aneh 0. Kehl („Plutarcbs Biographien am Gymnasium", Monatsschr.
t h. 8ih. 1003, 8. 678 L). Die H. Scbenklsebe Besümmnng der Lektüre
m snleB Semester der YI.: „Mindestens drei kflnere (iwei umfangreichere)
BisgiaphieB Plotafebs«' müssen wir also leider wieder ablehnen.
') Vgl Eckstein, Unterr., S. 435: ^Ytx Sekunda ist er su schwer,
tir Prima nahen wir Besseres."
80 Zur grieeh. ood )at«in. Lektttre an aDserem GymDMiam. VII.
Daft wir Thnkydidet gern am Gjmnasram lesen vttrdoi, bedarf
wohl keiner Vertieherong. Bin paar rein hietorieeh enihlende Partien
aber, wie H. Sehenkl tie empfiehlt, weil tie nicht lehwieriger sein sollen
als fieles im Herodot, ohne Zosammenhang mit dem übrigen ünterrichti-
stoife in der VI. in lesen, geht nicht an. Was H. Sehenkl sonst noch inr
Aaswahl stellt, Dions Jftger nnd des Äschjlos Sehildernng der Schlacht
bei Salamis, lifit man jetst gern privat lesen.
Zum Schluß macht unser Beformer noch swei Vorschlftge. Er
empfiehlt sonftchst fflr die Torgeschlagenen ESrgftnsnngen statt einer dick-
leibigen Chrestomathie, die sich fortschleppe, eine Beihe einselner kleiner,
billiger Heftohen mit knappen fortlaufenden Erklärungen nach Art der
„Prftparationen'*, aber ohne den Ballast ansffihrlicher Einleitungen, die
beliebig suBammengestellt und eingeschoben werden konnten. Auch wenn
man Schenkls Vorschlag, die LektHre der Hanptklassiker durch kleinere
Stficke KU ergftnsen, annähme, konnte man, glaube ich, solche Heftehen
nicht Terwenden. Wenn diese Erginsungen eine Wirkung haben sollen,
müssen sie doch auch dem Schüler in einem bestimmten Zusammenhange
vor Augen treten. Die Heftchen würden von den Schülern verworfen,
weggegeben oder von der Schülerlade, die ja vielfach Texte verleiht, statt
sie so verschenken, abgenommen. Sollen s. B. die Einkleidnngskapitel
des Phftdon, der Kriton, die Apologie, die H. Sehenkl verschiedenen
Klassen inweist, getrennt sein? Sollen auch die Stücke der Kransrede,
die wir in der V., VI. und VII. durchsunehmen hfttten, nicht beisammen
sein? Dann müssen wir Erklftrongen nach Art der «Prftparationen*' für
das in der Schule Gelesene ablehnen, außer die Prftparation ist getrennt,
die Einleitung aber wftro oft nOtig für neu hinsugekommene Schüler. Ich
denke gerade, wer Schenkls Ansicht billigt, müßte sur Chrestomathie
greifen, welche, wenn sie nur die von ihm vorgeschlagenen Texte ent-
hielte und etwa auf Dünnpapier gedruckt würde, gant dünnleibig sein
konnte; Erklärungen und vielleicht auch untereinander zusammenhftngende
Einleitungen konnten doch in einem Ergftnsungsband beisammen sein,
den der Schüler su Hause benotsen würde, wie das eben beim Lesebuch
Wilamowits* der Fall ist. Die Chrestomathie würde auch die von Mar-
tinak gewünschte Anregung bieten, wenn es der Lehrer daran fehlen
lassen sollte; denn daß eine solche Chrestomathie für die Privatiektüre
besonderen Wert hat, läßt sich gewiß nicht leugnen.
Der sweite Vorschlag H. Schenkls besieht sich auf die Privatiektüre.
Zunftchst gibt er uns den Bat, die F&higkeiten der Schüler in Anschlag
su bringen, dem Begabten und Vorgeschrittenen alles tu erOffhen, für
den Durchschnitt Ergftnsung der Haoptautoren aninstreben. «Soll aber*,
ffthrterfort, .die Privatlektüre überhaupt Aussicht haben, sieh als
eine Institution im Unterrichte einsubürgem, so muß sie auf eine andere
Grundlage gestellt werden.* Er veriangt regelrechte Prüfung der Privat-
iektüre am Ende jedes Semesters (oder Schuljshres) am besten aus beiden
Sprachen gleichzeitig vor den Fachlehrern beider Sprachen im Beisein
der gansen Klasse und Einrechnung der dabei enielten Ergebnisse in die
Zur gxieoh. und Itteis. LektOre «n iiDterem Gjmnadiim. VIL 81
SoneitrAlseagiiiniotau Nor wenn dem Schiller die Mflhe lieheren Erfolg
TOiliredie, werde er rie auf sich nehmen.
Die Prifatlehtflre hat sich doch l&nget als eine dauernde» dem
Aoalaade Aehtong gebietende Institntion bei uns eingebürgert; sie wird
fiele Jahre eehon in einem mitonter itannenswerten Umfang betrieben
Ober dieeen Gegenstand besteht bei ans eine gante Literatar, so haben
s.fi. J. Haemer, Sfalatsehek, Malfertheiner» Maresch, Nathansky, Pera-
theaer, Primoii^ Schiekingert Setnnek/, 8IUV» Tominiek darüber geschrieben,
M manche andere haben in Debatten bei VereinsTorsammlnngen ') und auf
dem Uittelsehiiltage darüber gesprochen. Die philologischen Lebreri die
imObergjmnasinm beechftftigt sind, Torwenden j&brlich Yiele, tiele Standen
uAer der Sehnlseit aaf die Pri?atlektflre. Da ist es m. E. nnangemeisen,
betCgtich der PriTatlektflre Ton .Aassicht haben, sich einsabürgem** sn
reden oder Batschlftge sn geben, die selbstverstindlich oder anfechtbar
lisd. SelbstTcrstindlich ist natürlich die Einrecbnung der Prüfangsnote,
•bwohl es am besten ist, Ton Noten da nicht viel xa sprecben ; antweck-
Dißig wftre es, ansschlieaiich nar in den lotsten Standen des Semesters oder
gtr Jahres prüfen sa wollen. In den allerletsten Wochen YOr der Klassi-
fikitionskonferent — es handelt sich ja bei Seh. am einrechenbare Noten
— hat man an solchen Prüfungen in der Schule fast gar keine Zeit. Man
würde ja anch in manchen Klassen, wo die Schüler Yielerlei lesen,
Wochen braachen oder man müAte nor ein paar bestimmte Stücke lesen
Isnen; das wire aber wohl eine diese Einrichtung sehr sohftdigende „Stabi-
liiisrang«. Doch auch die Schüler bitten Yielfach am Schluß keine Zeit, ihre
Piifatlektflre für die Prüfung noch durchsngehen, and eine solche .Privat-
lektüre mit öirentlichkeitsrecht" würde oft ein trauriges Besultat ergebeu,
Nlhst wenn noch Direktor, Inspektor und Eltern eingeladen und Prftmien
asigeteilt würden. Natürlich, wenn sehr Tiele Schüler dasselbe Stück gelesen
^ben, wie mitunter in der Y. und VL, pfiegt man besonders Leichteres in
der Schule durehsugehen, falls man Zeit hat, aber sur Begel kann das
sie werden. Überdies arbeiten wir anch im üifentliehen Unterricht mit
allen Mitteln darauf hin, daß die Schüler die Lektüre nicht um der Note
willen betreiben, sondern daß sie Frende finden lernen an eigener Arbeit
SB dieser selbst willen. Man lasse also die PriYatlektüre die Schüler
Beglichst nach ihrem Gutdünken (auch in Being auf die Zeiteinteilnng)
treiben und die Lehrer sie nach Belieben kontrollieren.
Seine wichtigeren Vorschlige faßt H. Schenkl in acht Thesen su-
•smmen. In der ersten wünscht er, daß es dem Lehrer fiberlassen bleibe,
die im Mindestmaß festsostellende (von wem, wird nicht gesagt) Hanpt-
lektüre doreh eine Auswahl kleinerer Stücke aus einem für jedes Jahr
festgesetsten Umkreis Ton Texten nach Bedarf tu erginsen. Was seine
Asswshl umfassen soll, ist früher gesagt worden. In den lotsten pren-
fibehen Lehrplinen bedeuten die Zaefttse bei Angabe des griechiecheD
<) Über dieeci Thema ist s. B. auch am 28. Jftnner und 27. Febraar
1907 im Verein Mittelschule gesprochen worden (Österr. Mittelsch. 1897,
8. laeiT).
ZtüKkrifl f i. «rttrr. Ojwai. 1906. L Heft. 6
82 Zur griadi. imd Uttfai. LoMre aa aaitraiii Gjniauiiiin. ?II.
LaMfioffes («weiten Antwahl ?oii Proben mb grieehiicheii Sehrfflstelleni*,
«aDdere geeignete Prosa**» .aadero inhaltlich wertToUe Prooa, aoeh ge-
eignete Piobon aoi der grieebiaehon Lyrik*) banpteiebUeh eine Konieuion
an den Wilamowitüohen Standpunkt, dem Standpunkt H. Sebenkla Kon-
leeiionen so machen, wftrde wohl einen Bflekichritt bedenten, wenn et
llborbanpt bei oneeren fttnfiehn Stunden mOglioh w&re. Gibt ee doch
anch in Deitsobland SehahDlnner genag, welche ihre warnende Stimme
erhoben haben, ee konnte dem Schiller das peinliche Ctaffthl nicht orepart
bleiben« dae eich in den Worten ansdrfieken lieAe: .Überall in Oaate,
aber nirgends sn Haise« (Fr. Lehr, Zeitschr. f. d. Gwes. liK)l, 8. 5M).
«Wir wollen' den griechiachen Geist anf die Seelen mserer Schiller wirken
lassen', sagt F. Homcmann (N. Jahrb. 19iNI, II, S. 866), «das ist ofFenbar
nicht m erreichen, indem sie fftn^ sechs, sieben oder noch mehr bedeotende
Schriftsteller anlesen, sondern nor indem sie in wenige der herror-
ragendsten sich wirklidi einlesen, so daA ihnen deren Art in Sprache nnd
Gedaakenffthmng gel&nflg wird nnd sie dem Gehalt ihrer Werice, unbeirrt
dnrch die Schwierigkeit der Form, Hen und Geist Offoen können.
Darnm mnft sich die griechische Lektüre anf die dnrohaas
notwendigen Schriftsteller beschr&nken nnd alle anderen,
ancb wenn sie an sich lesenswert w&ren, lorfiekstelien.* Das
gilt besonders anch für uns. Bitten wir sehr fiel mehr Zeit snr Verfliguig;
dann konnte man Tielleicht daran denken sn erOrtem, ob wir nicht die
prenAischen Lehrpline in dieeem Punkte nachahmen aollten. Natftrlich mfiAte
dann die ergftniende Auswahl nicht bloft danach erfolgen, ob irgend «in
StQckchen snflilig sprachlieh noch anf der enteprechenden Stufe in be-
wältigen wire, sondern nach einem einheitUchon höheren Gesichtspunkte.
Und dann wflöte ich wahrlich nicht, wie wir uns den Gedanken, die
Wilamowiti ausgesprochen hat, entliehen könnten. Aber neben Homer,
Herodot, Demoethenes, Sophokles und Piaton noch eine Aniahl Schrift*
steiler mit den Schfilem, wie sie jetrt sind, nnd der Stnndeniahl, wie
sie jettt ist, bebandeln, das gönnen und wollen wir nicht (nach H. F.
Möller, Zeitschr. f. d. Gwes. 1903, & 16Ö, vgl. auch E. Sewera, ÖstMr.
Mittelsch. 1894, S. 8ö5f.).
Die Thesen 2^6, die sich auf die Änderungen der Hauptiektflre
beliehen, sind ans den angegebenen Grflnden nicht annehmbar, die Thosa 7,
die in der YII. und VIII. griechiech-dentsche Scbularbeiteo Ycrlangt, iat
augenblicklich gegenstandslos, die These 8, in welcher BiarechnuDg der
Prüfungen aus der Pri? atlektüre in die Zengnisnote Tcrlangt wird, über-
flflssig. Wir wollen die Biume, in denen wir jetit hanaen, dadurch
erweitern, daö wir, wo es ohne GeAhrdung möglich ist, eine oder die
andere Hauer durchbrechen, um noch mehr Licht und Laft lu habon,
nicht aber darch Aufführung Ton Qaermauem Yerkleinem, mn in engen
Kammern schlechter in sehen und schwerer sn atmen. Unseren Unterricht
im Griechischen modernisiert man nicht, wenn man nach Yeralteten Ge-
sichtspunkten wieder eine Aniahl minder bedeutender Schriftsteller in
den Lektürkanon aufnimmt, sondern wenn man darauf dringt, da& Werke
einiger der bedeutendsten Autoren, die als für die Jngendbildnng beeon-
JP. ebner, Siebi«lin Jahr» im Kampf usw., ang. ▼. A. Drank 88
den vOTtfoll aaeriABBt iiad, mit allMi Hilfemlttdn mod«ner Wiaaaa-
Mkafl vntar atotor Bttagnahma aof dan tontlif en Uatarriobt oad mÜ
Blckiiaht aaf dia haoligao VarfailtalMa to iatavpraiiart wardao, daA das
latvMM dar Sehtlar itets wacbariialtan wird. (f otiattnag folgt.)
Wien. Dr. Priedricb LadeL
Dr. Pinl Ganer, SiebEehn Jahre im Kampf um die Sehul*
reform. Gesammelte Anfsitze. Berlin, Weidmannsehe Bnehbandlnng
1908. XIY und 283 88. Prds 4 Mk.
Der Kampf verneint, nm zu scbafFen ; das Alte nnd Abgestorbene
bringt er aas dem Wege, damit das Keimkriftige und Bessere Baum
fisd» znr Emenemng des Lebens. Wo aber der Kampf sieb nm Mei-
nitogen nnd Übenengnngen dreht nnd in Grtnden nnd Gegengrftnden
ansgefoehten wird, liegt die Gefahr nahe, daß er in nnfmehtbares Wort-
sMten ausartet. Die Erfahrung des Lebens, die anf den Boden des
Streites herflbergenommen nnd von hier, dnrehgedaoht nnd durchgesiebt,
wieder in den ergiebigen Boden der Erfahrung gelegt wird, kann der
Gefkhr begegnen. Paul Cauer kennt die Schule als ein Ganzes in den
Teilen, er hat auf dem wichtigen Gebiete des Spraehunterrichtes Über-
legung und Ansfahrung Tereinigt und in selbständigen Schriften dar-
gelegt> Wer s«in Hilfsbueh für den lateinischen und grieehisehen ünter-
ri^t .Die Kunst des Übersetzens« (8. Aufl. Berlin 1908), die Er-
fahrungen und Wünsche auf dem Gebiete des altklassiseheu Unterrichtes
m seiner ^Chrammaiiea imlitani' (2. Aufl. Berlin 1908), die Darstellung
des Altertums als Quelle praktischer Geistesbildung in der ^Pälaestra
eitee* (2. Aufl. Berlin 1907) und die Gedanken und Anregungen „Von
deutscher Spraeherziebung'' (Berlin 1906) kennt, dem werden aueh
«Die gesammelten Aufs&tze* znr Sebulreform manche Aufschlftsse Aber
Zweck und Entstehun^i: dieser Schriften bieten, zur Geschichte des höheren
Schulwesens in PreulSen bilden sie einen wertvollen Beitrag, der uns in
den frischen Kampf der Schulreform hineinführt .Das stete Wechsel-
spiel ron Angriff und Abwehr, die Ftlle von Wünschen und Forderungen,
PUaen und Yersuchen, Irrt&mem und Erfahrungen, die miteinander ge-
rungen haben, werde zu voller Anschauung gebracht.* In diesem Kampfe
steht der Verf. in den vorderen Reihen. Er hat, wie er es selbst be-
kennt, «in schweren Zeiten den Mut nicht verloren, sondern immer wieder
TersQcht, konservativen Sinn und den Trieb zum Fortsehritt, die beiden
groften Krifte, ohne deren ZasammeuBpiel im Staatsleben kein Gedeihen
möglich ist, wenigtitens auf dem Gebiete der Scbalpolitik in ein rechtes
VerhUtnis za bringen*. Caner hält sn dem Glauben fest, daß der philo-
logische Unterricht wegen seines Bildangswertes alle Zweifel und Anfein-
dungen ttberdauem werde. Daher begrüßt er es auch, daß durch Aller-
hachsten Erlaß (Kiel, 26. No\ ember 1900) die Gleichberechtigung der ver-
adiiedenen Formen der höheren Schule feierlich verkündigt worden ist,
hatte er doch bereits swOlf Jahre vorher in dem Aufsatze „I. Die Gefahr
6*
84 P. Cauer, Siebzehn Jahre im Kampf usw., ang. v. Ä* Frank*
der Einheitflsohnle*' die Forderimg, zu der er gelangte, kurz zusammen-
gefaAt: «die drei Schalen (Gynmaeiam, Bealgymnasiam, Bealschule)
rnftssen ftußerlich in ihren Rechten einander gleichgestellt werden, damit
innerlich eine jede ihrer Eigenart gemäß sich ausbilden kann, um dann
in freiem Wetteifer mit den beiden anderen den Wert der geistigen
Elemente, von denen sie getragen ist, zu bewähren" (S. XII, 15). ,Die
Gymnasien sollen nicht mehr in ihrem äußeren Bestände begünstigt und
die gymnasiale Bildung niemandem aufgedrängt werden ; durch ehrlichen
und vollen Verzicht auf jeden äußerlichen Vorzug sollen sie das Becht
erkaufen, ihren inneren Charakter rein zu erhalten. Es gehört zu den
„Kommenden Aufgaben" (XVI. Aufsatz 1901), daß „die erzieherische
Mission der klassischen Philologie sich gerade für die kommende Zeit
zwar nicht ausgedehnter, aber größer und unentbehrlicher sich erweise
als fllr die eben vergangene'' (S. 183, 195, 264). Im Zusammenhange
damit weist Caner das „Phantom einer allgemeinen, d. h. alles WisseDs-
werte umfassenden und in jedem gleichmäßig vorhandenen Bildung* ab.
Darin besteht recht eigentlich der Fehler, den die Männer des deutschen
Einheitsschulvereins begehen: sie wollen die geistigen Nahrungsmittel
60 präparieren, daß aus jedem ein Extrakt gemacht wird, der nur den
reinen Nährstoff enthält, und wollen dann bloß diesen Extrakt den Schalem
zu genießen und zu verdauen geben. — Oberflächlichkeit und Überbür-
dung, beide in fester Wechselwirkung mit einander verbunden, bezdchnen
den Zustand, zu dem wir gelangen würden* (S. 6, 8, 122).
Wir wollen hier nicht näher anf die einzelnen Aufsätze zur Schul*
reform eingehen, es sei jedoch Cauers Urteil über das Beformymnasiutn
angemerkt, dessen Lehrplan er in „Yl, Die Frankfurter Lehrpläne. 1893'-
— nXVII. Der Plan des Beformgymnasiums. Was verspricht er? — und
was droht er? 1902" einer eingehenden Kritik unterzieht. Auch die Auf-
sätze nXIX. Die Kasseler Versammlung der Reformschulmänner, und was
ans ihr zu lernen ist. 1903* und „XXII. Die Art der Verbreitung des
Beformgymnasiums. 1905* werfen weitere Streiflichter auf den Gegen-
stand. «Mit einem stärkeren Aufwände von Kraft erzielt das Beform-
gymnasium doch im ganzen eine etwas geringere Leistung, weil es —
im Bilde zu reden — den kürzeren Hebelarm anwendet und infolgedessen
auch sonst genötigt ist, die Lasten in unpraktischer Weise zu verschieben".
— «Kenntnisse, die den Niederschlag einer längeren Arbeit bilden, sitzen
viel fester. — Es mag möglich sein, im philologischen Unterricht die
Paragraphen und Paradigmen durchzujagen ; aber daß dabei irgend etwas
wie sichere Gewöhnung erzielt werde, irgend ein fester Bestand von
Kenntnissen sich bilde, der eine selbständige Lektüre in den folgenden
Klassen ermögliche, ist undenkbar." — Wenn nicht Begabung der Schüler
und Tüchtigkeit der Lehrer zusammen wirken, wohin soll der Lehr plan
des Beformgymnasiums, wenn er unter gewöhnlichen Verhältnissen die
allgemeine Schulform wird, führen? .Erst wird auf Kosten der alten
Sprachen, indem man sie bei dem lateinlosen Unterbau in den mittleren
und oberen Klassen zusammendrängt, eine Überbürdung hergestellt, und
dann wird die Überbürdung auf Kosten derselben alten Sprachen wieder
P. G(Hf«r, Siebtehn Jahre im Kampf naw^ ang. y. A. Frank. 85
beieitigi Denn wenn die Leiatangen geringer werden, ao darf das kein
Grand eein, den Yeraoch an korrigieren nnd daa Lateiniache wieder in
einer frftheren Klaaae zu beginnen, aondern dann mftaaen die Anaprftche
in dar Beifeprüfong ermftAigt» daa üriechiache maß fakultativ werden
oder wu eonat tweckmäflig und auf Koaten der alten Sprachen geachehen
kann, nm die Überbftrdung zu vermeideo. — So kann daa Beformgym-
nuinm nur eine Etappe werden auf dem Wege zum Ziel einea von den
hiBtorieehen Grundlagen unaerer Kultur losgelösten Erziehnngawesena*^.
— .Von dem Wettatreit realistischer Bildungsanstalten droht dem
Gymnasium keine Gefahr; ea wird auf beiden Seiten daa Können ateigern,
sehlnmmemde Kriffce weeken. Die Gefahr liegt in dem Zwittergebilde,
in dem trotz aller früheren Mißerfolge unter etwaa rer&nderter Geatalt
eneaten Versuch, altüberlieferte und moderne Bildungselemente in dem
Lehrplan einer einzigen Schule zum Gleichgewicht zu bringen, wobei
uiTermeidlich die alten Sprachen immer mehr zurückgedrängt werden,
isstatt jenes Gleichgewicht dadurch herzuatellen, daß man die verschie-
denartigen Stoffe auf getrennte, miteinander konkurrierende Schulen
Tertnlf (S. 82, 192, 194, 266).
Eine von den Schulmännern Preußena vielfach erörterte Frage be-
ithren die beiden Aufsätze .XX. Die äußere und die innere Abhängig*
kdt des höheren Lehrerstandes* und «XIIL Lehrerberuf nnd Beamten-
tarn*. Sie umfaßt daa Verhältnis dea Dienstes und die Einordnung in
dss GefÜge des Staatea, kann diea zu einer Gefahr für den Beruf des
Lehiera werden? Gau er beantwortet die Frage aus dem Gedanken: «Das
gern gemiflbrauchte Wort, daß den Erziehern der Jugend die Zukunft
gehöre, ist freilich nicht so zu verstehen, daß die Zukunft eine Zeit sei,
in der unser Ruhm glänzen werde; wohl aber iat aie daa Gebiet, ans
dea wir die Ziele nnd Maßatäbe unseres Schaffena holen. Auch aus
diesem Grunde iat der Lehrer etwaa anderes als ein Beamter des Staates;
denn die tiefsten Fragen der Erziehung und Bildung führen über den
fiatwiekluDgazustand hinaua, den der Staat, von Natur ein Hüter des
Bestehenden, mit aeinen Anordnungen zu beherrschen vermag*. ^ „Die
Wirfcaamkeit dea Lehrers iat von Natur eine so persönliche und deahalb
freie, daß aie der Einspannung in ein streng dienstliches Verhältnis
widecitrebt. Wir sind aber auf dem Wege, dies zu vergessen. Es gibt
▼iele Lehrer, die in erster Linie ala Beamte zu gelten wünschen, weil
sie dadnreh in Staat nnd Gesellschaft ein höheres Ansehen zu genießen
boHen. Dabei müssen wir immer wieder erleben, daß Staat und Gesell-
«chalt die VoUgiltigkeit unseres Beamtencharakters doch nicht anerkennen**.
»Die Hauptelemente dea Staatea sind Macht und Recht. Deshalb
«erdan die Träger und Verwalter von beiden, Ofüziere und Juristen, im
titaate, mindeatens im preußischen Staate, immer die ersten Plätze ein-
nehmen. Ea liegt nicht an der Bosheit oder Kurzsichtigkeit irgend
weldier Menschen, sondern ist in der Natur der Dinge begründet, daß
innerhalb des staatlichen Gefäges wir Lehrer zurückstehen. Aber führt
der Staat den Stempel, dessen Gepräge erst für die Menschen wie für
ihre Werke und Gedanken die Geltung bestimmt, die ihnen zukommen
86 P. Ckmer, Sitbiehn Jahre im Kampf atw., ang. ▼. A. SVanM.
soll? Ist es reeht manneswftrdig» die Anerkennmig des ^geoen Wertes
Ton dorther n enrarteo, la erbitten?* — ^Die selbständigere Stellung,
die, im Vergleich sa den eigentlichen Beamten, die Lehrer höherer
Schalen dem Staate gegenflber einnehmen, beruht auf dem Zusammen-
hange iwisehen Wissenschaft und Schulet ^uad es ist Qrund, daran au
erinnern. Die gute Sitte, daß der Lehrer lugleioh Gelehrter ist, hat in
neuerer Zeit bedenklich nachgelassen." »Während durch das Auf-
blähen der realistischen Anstalten sich der Kreis der Wissenschaften, an
deren Arbeit die Lehrer teilnehmen können, erfreulich erweiterte, konnte
die schnelle Vermehrung der Schulen wie der Schfllersahl an jeder ein-
seinen kaum ander« als das Element des Handwerksmäftigen im Unter-
richte rerstärken. Auf diesem Wege ist jener Kultus der Methode, wo
nicht entstanden, doch lur Macht gelangt, der seit etwa zwantig Jahren
den wissenschaftlichen Charakter der Lehrtätigkeit mehr und mehr tu-
rflckgedrängt hat. Von selten der Begierung ist diese Bewegung durch
das System der Verordnungen und der Instruktionen gefördert worden.
— Einschränkung und Starrheit auf diesem Gebiete würden noch erheb-
lich stärker sein, wenn die Behörden den Vorschlägen nachgeben wollten,
die gelegentlich aus der Mitte des liChrerstandes selbst gemacht werden.
Das ist ja überhaupt eine seltsame Erscheinang, daß das Verlangen nach
genauer Regelung unserer geeamten Tätigkeit bei Tielen Lehrern drin-
gender ist, als an leitender Stellung sogar gewünscht wird.* — Die
Werthaltung des Standes ist mit einem entschlossenen Eintreten fär die
Stundesinteressen wohl vereinbar, Ja erfordert es geradem; denn eine
reichlichere Ausstattung des äuAeren Daseins kommt mittelbar auch
der Freiheit der geistigen Entwicklung, dem Umfang der Weltbetrach-
tung und Weltkenntnis zugute. „Den Gedanken aber sollte man auf-
geben, daß es gelingen könnte, zwischen dem inneren Wert unserer Be-
rufstätigkeit und der äuäeren Ehre, die ihr von Amts wegen zuteil wird«
ein Gleichgewicht herzustellen. Hier handelt es sich wirklich um unver-
gleichbare Größen. Je mehr der Staat uns zu Beamten werden ließen
desto mehr müßte er verlangen, dsß wir in seinem Namen und in seinem
Sinne den Unterricht gäben; damit würde aus dem fireiea, persänlMiMi
Wirken des Lehrers und Erziehers die Seele herausgetrieben werden. Sa
wird ja auch unter uns Le«ite geben, die für das Ansehen bei ihrer Uu-
gebuDg und die eigene Zufriedenheit auf das Maß dessen angewieeeB
sind, was Staat und Gresellschaft ihnen zugestehen und verbriefen. Aber
das ist doch wahrlich nicht die Sinnesart, die den Ton angeben «oUte.
Möchte dagegen immer mehr die Zahl der Lehrer wachsen, die zu vor-
nehm sind, den Stolz ihres Lebens ia Dingen lu suchen, die in einem
militärisch und jurietiech organisiertoi Staate notwendig andere vor und
voraus haben, ihn vielmehr da finden, wo unsere Stärke li^ oder lisigvn
kann: in der Frische geistigen Lebens und im selbständigen Anteil au
den Gedanken, welche die Entwicklung der Menschheit bestimmen.*
Pr»g- Dr. Anton Frank.
B. M0yer» Humanist nn« gaNhaohtL fiiMang, auf. r. A. Bmuer. 87
& Meyer, Himaniititclie and gefehiehHiche Bildoog. Berlin,
W«idnuMB 1907. 41 88. &. Fwb Mk. 0-60.
Du BflthkiB entliilt die dMikensweite Wiedergab« eines in der
?ereiaif«ng der Fmadm des httDuniitisehra Qymnasinins iu Berlin nnd
in der Prsfint Bnadesbuf gekaltenen V#itrag«s.
Darin greift der Verf., nm Eigenart nnd Zweck des modernen
Q^mnasiiims n bestimmen, anf die Zeiten znrtkek, da in Athen im
V. Jahrb. t. Chr. nm die Eniebnngsfragen der erste lebhafte Streit ge-
fthrt mnde: er teigt, daß damals schon dieselben Gegensätze aufeinander
stiaflen wie hente. Anf der einen Seite steht die Forderung nach all-
gflmdner Bildung, nach der Yermittlnng einer Snmme feststehender, fUr
das praktische Leben rerwertbarer Kenntnisse nnd Fertigkeiten — auf
der snderen die Forderung nach wissenschaftticher Ausbildung, nach
immer wieder erneuter Prüfung aller Erkenntnis auf ihren Wahrheits-
gebalt E. H. seigt dann, su welcher geistigen Öde am Ausgange des
Altertums die Alleinherrschaft der allgemeinen Bildung gefBbrt hat und
folgert daraus, daft das Qjmnasium sich nicht die Vermittlung dieser,
sondern auf dnigen begrensten Gebieten die erste Einf&hrung in die
WisMnschalt xur Aufgabe lu stellen hat Zu dieser Aufgabe ist es des-
halb in weit höherem Maße als alle anderen Schulen bef&higt, weü es
in den antiken Schriftstellern ein unftbertreffliches Mittel besitst, um
•eine Schiller mit einem Teil der Quellen wissenschaftlicher Erkenntnis
des Altertnma Tertmat su machen.
Zar selben Zelt, ab in Atiien die 8(4)higten und Isokiataa das
Ideal der allgemeinen Bildung Terfochten und Sokrates die Forderung
Bseh wissenschaftlicher Forschung stellte, erhob Thukydides die Geschichte
zum Bange einer Wissenschaft Wahrend aber jene Anregungen fort-
wirkten und mit dem Sieg der allgemeinen Bildung endeten, sind Ge-
Mhiehte und Naturwissenschaften im Altertum niemals ein Bestandteil
der Bildung der jungen Leute geworden. Von j,histori8cher Bildung*
kaon man vielmehr erst seit dem Anfang des XIX. Jahrb. sprechen.
Im Anschluß an einen früher erschienenen Aufsats: Zur Theorie
sad Methodik der Gesehichte 1902 erörtert der Verf. hierauf scharf und
ratreffend die Verschiedenheit der Geschichtswissenschaft nnd der Gesetzes-
winsnschaften, Torbreitet sich dann über die verschiedenen Arten ge-
icbiditlicher Betrachtung und seigt den erzieherischen Nutzen der histo-
riiefaen Bildung, als deren wichtigste Wirkung er die Überwindung des
in die Sophisten des V. Jahrh. erinnernden fessellosen Individualismus
F. Nietzsches und seiner Nachfolger bezeichnet Die geschichtliche Bil-
dung weist im Gegensatz zu solchen Lehren den modernen Menschen in
jenen Kreis und in jenes Pfiichtgebiet, in denen er allein ein Becht auf
individuelle Betätigung hat: in die Gesellschaft seiner Mitmenschen.
Die in den beiden genannten Schriften entwickelten Gedanken-
reiben werden in gewissem Sinne durch einen dritten Aufsatz des Verf.s :
Über die Anfinge des Staates und sein Verh<nis zu den Geschlechts-
verbiadeo und zum Volkstum (Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wissensch.
88 E. Meyer, Homanist. und geschichtl. Bildang, ang. y. A, Bauer,
1907y S. 608 ff.) ergänzt^). In diesem yertiitt £. M« die Ansicht, daß eine
fQr die Allgemeinheit Terbindliche Ordnung nnd eine Maoht, die diese
handhabt, daß also der Staat in seiner Urgestalt nicht eine Schöpfung
des Menschen, sondern <er als dieser ist, daß sich das Menschen-
geschlecht ans dem Staat entwickelt hat, daß die GeschlechtsTerbände
und die Familie nicht Vorstufen des Staates, sondern Ton diesem ge.
schaffene Institutionen sind. Für die historische Forachung ist also der
Staat ebenso etwas Gegebenes und Ursprüngliches, wie der Zufall und
der freie Wille des Menschen, mit denen sie ebenfalls als mit gegebenen
Tatsachen zu rechnen hat
Es ist lebhaft su wünschen, daß die Abhandlung K Meyers über
humanistische und historische Bildung in den Kreisen der Mittel- und
Hochschullehrer die Terdiente Beachtung finde; sie wird an ihrem Teil
dazu beitragen, damit Unirersität und Gymnasium sich wieder auf ihre
eigentlichen Aufgaben besinnen: die Unirersität auf den wissenschaft-
lichen Betrieb der Torgetragenen Disziplinen, das Gymnasium darauf, daß
es seine Schüler auf ein wissenschaftliches Universitatsstudium Torsu-
bereiten habe, denn der wissenschaftliche Charakter beider Lehranstalten
ist durch die auf .allgemeine Bildung* gerichteten Bestrebungen der
Gegenwart ernstlich bedroht.
Gras. Adolf Bauer.
') ^S!- J^tzt die 2. Aufl. von £. Meyer, Geschichte des Altertums.
I. Bd., 1. Hälfte. J. G. Gottas Nachfolger, Stuttgart und Berlin 1907.
Vierte Abteilung.
HiszelleiL.
Ein Banftmfitiger Literat.
Du gerade GegeDieQ des Behrallenhaften, nnzaglDgliehen Julias
ten VoA war der gute, sanfte Frani Hörn. Er war im ersten Jahnehnt
das vorigen Jahrhnnderts nach Berlin gekommen , stand anf Seite der
dsmals anfstrebenden Schale der Romantiker gleich Tieck, Achim von
Aimm 0. a^ obwohl die literarischen Kreise, in denen Geschmack» Be-
geistemng nnd Kritik nach dem Master ?on Nicolai and Bamler herrschten,
4D Zihl and Einflaß noch obenauf waren. Als jonger Mann hatte er darch
teine ersten kritischen nnd historischen Scliriften große Erwartungen rege
gcmscht; es war eine frische Anschanang der YerhUtnisse nnd Dinge,
4ie begeistemde Liebe fflr das Große and Edle namentlich fflr Shakespeare,
welche ihn als nicht gewöhnliches Talent erscheinen ließen. Seine meister-
bsfkoi Yoriesnngen Aber den britischen Dichter ?erarsachten den Nicolaiten
flicht geringes Unbehagen, weil, wie sie meinten, das rohe Genie des
Briten nicht soTiel Aufhebens wert sei. Den Anhängern Tiecks und den
echten Romantikem schien Frani Homs Behandlang, die Art, wie er an
Shakespeare modelte und feilte, sich bemfthend, in schmeidigen oder
iunmenen, was damds dem Geschmacke und SittlichkeitsgefUhle wider-
strebte, ein unnötiges, törichtes Unternehmen. Seine historischen Schriften,
L B. die Lebensbeschreibung des Großen Karffirsten, sind wertfolle
Arbeiten, seine Poesien, Romane and Novellen haben nie bedeatend ge-
wi^ Der Gmnd hieven lag zum Teile in seinem langen, schweren Siech*
toa, welches die schöpferische Kraft lähmte. Doch ist Frans Hörn nicht
sie Dichter und Schriftsteller allein unter das Richtmaß su stellen, man
iBoft auch an seine Persönlichkeit den richtigen, seiner Zeit entnommenen
MsAstab anlegen. Seine Teeabende waren damals eine HerkwQrdigkeit.
Wilhelm HaiäT hat in seinen .Memoiren des Satans" eine der Frans
Homschen Teegesellschaften so anschaulich nnd laanig geschildert, daß
«BS Zeitlang in ganz Deutschland davon gesprochen wurde. Der bmst-
kranke Dichter führte in der Gesellschaft natOrlich das Wort, denn man
w ja gekommen, um ihn zu hOren, die größere Hälfte der Anwesenden,
OD ihn su bewundern. Es waren immer woblabgerundete Sätze und sorg-
ftltig dufchdachte Sentenzen, die er zum Besten gab, und die sofort
bitten nachgeschrieben und gedruckt werden können, obgleich er doch
siebt anf alles vorbereitet sein konnte, denn er ließ meist seine Jfinger
vnd Bewunderer zuerst ihre eigene Meinung aussprechen, um sie lavierend
90 Miszellen.
und koiri^erend zu seiner eigenen, wenn anch gani entg:egengeeetiten
Ansicht hmflber zu führen. Diese Knnst konnte man an ihm sehitien;
in Tollkommenster Hnmanität sachte er das Gegenteilige, Widerstrebende
mOgUehst in christliche Liebe nnd Hilde nminwandeln. Er liebelte niebt
nar ttber Wilhelm Haoffs Satire, sondern lud den Verfasser, als er in
Berlin weilte, frenndlich sn sich ein and belobte die feine Darstellnng,
die präehtige Laone seiner Kunst der Gesellsehaftdoitik. Er hätte
auch dem leibhaftigen Teufel sein Kompliment gemacht and ihm mit
Büßen Sentenzen aafgewartet Teegesellschaften, wie sie damals in Berlin
Mode waren, geboren längst der Geschichte an. Politik war selbstver-
ständlich ^nsgetchlossen, das Theater hatte eine eanz andere Bedentang,
auch die Ästhetik war damals eine ganz andere als jetzt. Das Teezimmer
in Franz Horns Haase war auch ein Tempel des Euftas der Fraaen, aber
aoch der eines solchen von Seite der Frauen. Die Literatorgeeehichte
hat tauende von Beispielen, wie der Enthosiasmos, den Fraoen einem
begabten Manne entgegenbringen, diesen verwohnen, eitel, fOr den Selbat-
koltas empfänglich machen nnd seinen philosophischen Tiefblick trflben.
Was war naheliegender, als daft der kranke Dichter sich abends in diesem
Kreise wohl fühlte, gern vor Bewonderem sprach, die so aufmerksam
zuhörten, und auch gern sich selbst hOrte, wenn sie seiner Worte lansehten.
Das geschah in ganz anderen, bedeutenderen Kreisen, and weit größere
Geister warden ron diesem Weihrauch, dieser Yerhimmelung derart be-
einflaßt, daß sie anf den Beifall ?on Dilettanten lieber horten als auf
das Urteil nnd die besonnenen Einwürfe ron fachkundigen Freunden und
Niehtfreunden.
Goethe galt diesen Kreisen allerdingt als der erste deutsehe
Dichter, aber zanächst ihm, und nicht allzu fern, stellten sie Franz Hörn.
Er selbst lehnte diesen Vergleich bescheiden ab, aber eine Annäherung
an den Meister war sein sehnlichster Wunsch. Da eine Einladung zum
Besuche in Weimar Tergeblich auf sich warten ließ, machte sich eine
Verehrerin Horns aaf den Weg zu Goethe, eine damals beschwerliehe
Reise für eine einzelne Dame. In feurigen Worten schilderte sie ihre
und ihres Lehrers Begeisterung für den Altmeister von Weimar und
erflehte Ton ihm eine große Gunst als Geburtstaggeschenk fBr den kranken
Dichter in Berlin — eine Locke ron Goethes Haupte. Dieser, wenn auch
überrascht, gewährte lächelnd die Bitte, reichte dem Fräulein eine Schere,
und mit einer Silberlocke ?on Goethes Scheitel kam die Überglückliche
nach Berlin und zum Geburtsfeste. Ein rührendes und im romantischen
Geiste jener Zeit sinniges Zeichen der FreundMhaft Die es spendete,
war nicht die einzige begeisterte Freundin Franz Horns. Bs gab eine,
die mehr noch und ihr ganzes Leben hindurch dem geliebten und Tor-
ehrten Manne sich weihte, seine Gattin Bosa Hom. Sie war die Tochter
des berühmten Kenners der klasnschen Philologie and ausgezeiehneten
Schulmannes Friedrich Gedike, welcher mit Meierotto das Mittelsebul-
wesen in Preußen auf eine beträchtlich höhere Stufe gehoben hat Des
Dichters Stütze, Pflegerin und TrOsterin im Leben, hat sie sein Andenken
insbesondere dadnrch geehrt, daß sie in ihrem Testamente — sie Über-
lebte ihren Gemahl um ein paar Dezennien und starb 1859 einige Wochen
vor Bettina Brentano, verwitwete von Arnim — einen ansefanlicheB Teil
ihres mäßigen Vermögens zam immerwährenden Andenken an den Ver-
ewigten zu einer Stiftung für würdige und dürftige Studierende an der
Berliner Universität bestimmte. Man mußte damals erst naebsehen, wer
Franz Hom eigentlich gewesen sei, so schnell loschen Namen aus und
schwinden geträumte Ewigkeiten.
Innsbrack. Dr. F. Lentner.
MisMlleii. Ol
Literarisohe Missellen.
StephEDQB Cybülski, Tabalae, qoibns antiquitates Oraecae
et Bomanae illastrantur. Tab. XI: DomoB Bomana. Editlo III.
aaetior. Lipaiae, K. F. Koehler 1905.
Stephan Cybulski, Das rOmische Hans. Erklärender Text ta
Tafel 11. Mit 15 Abbildongen im Texte. Dritte Terbeaserte Auflage.
Leipiig, K. F. Koehler 1905. 27 SS.
Daft Torliegende Tafel aamt erläotemdem Texte bereits in 8. Anf-
lige eracheint» beweiat ibre Verbreitung, die sie rollaof verdient. Sie
fttftrt in den betten der ganien bekannten Sammlon^ Volle Anerkennung
Tifdient der erklärende T«rt» der das rOmiache Bana auf Omnd der
QaiUen in seiner geaehiehtlicben Entwicklang darstellt Freilieh eracheint
der Titel tn eng: ea wird nicht bloß daa rOmiaohe, aondern auch daa
poiDpcianiaehe Hane, daa ana der Verbindung dea altitaliaehen Hanaea
ndt dem grieehiaefaen entatand, behandelt. Außerdem finden wir Anf*
idiliift aber Landhftnaer und Wirtachaftagebände, Villen, B&der, Ober die
Wandmalerei nnd ihre Technik, aber Mosaik, Heisnng nnd Belenchtnng,
Mftbel nnd SehlOaeer und Ober den Sänlenatil. Die Erianterangen aind
klar, laicht teratändlich und genan. fiesfkglich der Tafel wire m erwägen,
ob aie nicht tnTiel enthält; tieUeieht wftrde aich eine Verteilung auf zwei
Tafehi empfehlen, wodnrch die Oberaichtliehkeit gewänne. Doch iat mit
ditaen Bemerkungen kein Tadel gemeint: mOgen alle Anatalten die red>
liebe Arbeit dea Herauagebera wUrdigen nnd Tafel nebst Text anschaffen !
Wiea. t)r. Johann Oehler.
A. Lowaek, Die Mandarten im hochdeatschen Drama bis
gegen daa Ende des XVIII. Jahrhunderts (Breslaner Beiträge
rar Literaturgeschichte, VII). Leiptig, Max Heasea Verlag.
Der literarhiatoriach und philologiach anacheinend aehr gut tor-
gebüdete Verf. hat aich sein Thema gut begrenst, glficklich eingeteilt
wA man Arbeit gdiefert, die aeiaem Können daa beate Zeugnia anaatellt.
Im eiueliieB wäre Tielleleht nanehea an ergänten, wie in dem Kapitel
iber Henoc Hoinrieh Juliua t. Braunachweig (40—59); dech liegt auch
famde in Sinelheiten Tiei SchOnee und Tflchtiges; namentlich sind in
diaosr Beiiehang die Abschnitte Ober die sprachlichen HilDunittel tur
KRMduug baetiaunler Wirkunsea im Drama tor der Verwendung der
Mundart (97^29) und Ober die Oper an der Wende dea XVIL und
XVUL Jatekubdeita (141--.143) in erwähnen.
Wien. E. ?. Eomorsynski.
ins deutschen Lesebflchem. Vierter Band, erste Abteilung: Epische
Dichtuiffen. Vierte Auflage unter Mitwirkung ron Dr. 0. Fries nnd
Dr. P. Po lack. Leipzig und Berlin 1906. Theodor Hofmann. XII
■nd 508 aa Preis 4 Mk.
Der Torliegende Tierte Band (1. Abteilung) des allbekannton Er-
liatemngswerkei hat durch die neue Auflage keine wesentlichen Ver-
inderungen erfahren. Zu dem bisherigen Inhalt «Das Nibelungenlied*,
•Gudrun«, .Panifal«» .Der arme Heinrich*, «Das glfickhafte Schiff yon
92 Miszellen.
ZSrich*, „Der MaMias**» «Der Heliand"» ^Hermann und Dorothea*, »Der
eiebiigite Geburtstag*, «Reineke Facht" ist MOriket gemfitvolle IdjUe
„Der alte Tormhahn" nev hiDsogekommeii (was auf dem Umsehlagboffen
so vermerken gewesen wäre). Die immer mehr tanehmende Zahl der Ver-
ehrer YOD MOrikes Dichtangen wird diesen Zuwachs mit Fronden begrflßen.
Behandelt ist die Idylle nach den bekannten Gmndsätten des genannten
Erläatemngswerkee.
Mies i. B. Adolf Hantenblaa.
ImendOrffer B., Lehrbaoh der Erdkunde fftr iflidchenljieen
nnd verwandte Lehranstalten. 2. verbesserte Anflage. I. — IIL Teil.
F. Tempsky 1907.
Der Bef. kann sich bei der Besprechnng dieses Lehrbnches Inirs
halten. Das Erseheinen der bereits approbierten zweiten Auflage sowie
der Umstand, daß diese Erdkunde in den meisten Lyseen eingeAhrt ist,
beiengen die Verwendbarkeit znr Genfige. Da Mftdchenlyseen — soviel
wenigstens dem Bef. bekannt ist — meist in LandesbaoptstAdten sieh
denät befinden, nnd das Sehfilermaterial doch bedentend besser ist als
das an Darchsehnitts-Gymnasien and -Bealschnlen befindliche, so darf
der Verfasser eines Lehrbnches größere Anforderongen an den Fleiß und
die Intelligenz stellen. Vielleicht hat hier ImendOrffer des Gnten etwas
inviel getan, wenn man die Zahl der dem GedAchtnisse einsapr&genden
Namen heranzieht Handlich sind die drei Bflchlein außerordentlich, sie
scheinen dem Bef. darin bald das Äußerste darznstellen : 58 4- 80 -{- 64
SS.$ ob da nicht ein Band genflgt hätte? Der Preis ist mißig.
Graz. H. Pirehegger.
Dr. J. Brunn, Vierstellige Logarithmen. Monster i.W., Aschen-
dörfische Boohhandlang 1902. 18 SS. 8^
Die Tafeln enthalten 1. ffinfstellige Logarithmen der Zahlen von
1000 bis 1109 zum Teil mit P. P., 2. vierstellige Logarithmen der Zahlen
von 100 bis 1009 mit P. P. und Logarithmen einiger konstanter Qrdften,
3. Hilfstabellen zur Berechnang kleiner Winkel zwischen 0* und 8%
4. Logarithmen der trigonometrischen Fonktionen von Q^ bis 4b^ im
Intervalle von 0'1<^ mit P. P., 5. Gaaßsche Logarithmen (ftberfiftssig Iftr
MiUelscholen) mit P. P., 6. eine Tafel fflr die Qnadrate und Quadrat-
wurzeln der Zahlen, 7. Werte der trigonometrischen Funktionen fftr
ganze Grade.
Bronns Tafeln sind jedenfalls empfehlenswert. Obwohl die Ziffern
ziemlich klein gedruckt sind, so sind sie doch noch fttr Augen mittlerer
Gfite ziemlich deutlich. Die Tafeln sab 6 sind dadurch interessant, daIV
man mit dreistelliger Basis and entsprechenden Partes proportionalee das
Qoadrat auf ffinf geltende Ziffern ziemlich genau erhilt, wAhrend man
umgekehrt von einem Radikand mit vier geltenden Ziffern (z. B. bestehend
aas Einem and drei Dezimalen) mittelst der P. P. auf die Wurzel mit
fftnf geltenden Ziffern kommt. Die Tafeln gew&hren somit, falls es Zeit
und Umstände erlauben, eine weitere Übung im Gebrauche der Partes
proportionales.
Prag-Smichow. Joh. Arbea.
ProgrammeiiBehaii. 93
W. Migala, Pflanzenbiologie. Mit 50 Abbildungen. Zweite Ter-
beeserte Auflage. Sammlang OOseben, Leipzig 1906. 119 SS. 12*.
In sehr anaprecbender Darstellnng bringt diese Arbeit des bekannten
berrorragendan Bakteriologen die wichtigsten Erscheinungen aoB dem
Geeeblecbtsleben der Pflanzen, beschreibt ihre Verbreitnngs-, Schuti' nnd
Anpaseangseinricbtangen nnd erOrtert schließlich die bedeatangsfoUen
Woehselbeziehnagen der Organismen zueinander (Sapropbytismas, Para-
litismns, Symbiose nsw.). Das Büchlein ist für Laien geschrieben nnd
bietet das, was der Gebildeta Aber die äußeren LebenserscheinaDgen der
FfliDsea wissen soll. Auf S. 25 nnd 89 sind anrichtige Zeileneinstellungen
la korrigiaren.
Krems. Dr. T. F. Hanansek.
Brack mann 8 Wandbilder antiker Plastik. Photographische
Originalaufnahmen im Format Ton etwa 98 X ^^ ^^ BildgrOße. Als
Schalwandtafeln aufgesogen, mit Band etwa 125 X 84 ein groß, je
10 Mk.» nnaafgezogen, olme Band 7 Mk. Brackmanns Verlagsanstalt»
Mflnehan 1907.
Das k. archftologische Institut in Berlin Teranlaßte und fßrderte
die Heittellang der ersten drei dieser Wandbilder (der Qrabstele der
Hegtso, des sogenannten Alexandersarkopbages und der Augustnsstatue
fOB Prima Porta). Da die großen und trotz mäßigen Preises trefflich
toigefllhrten Tafeln follen Anklang fanden, hat die Verlagsanstalt die
Ssnunlung fortgesetzt und neuerdings um folgende heryorragende Anf-
Bshmen fermehrt: 4. Statue des Prsxitelisohen Hermes im Museum zu
Olympia. 5. Den heiligen Georg, Marmorstatne von Donatello im National-
maseom zu Florenz. 6. Statue des ruhenden Ares im Thermenmusenm zu
Rom. 7. Orpheus und Eorydike, Marmorrelief im Musenm zu Neapel.
8. Statue des Demosthenes im Biaccio nuoTo des Vatikanischen Museums
n Bom, nach dem richtig ergänzten Abguß des Mfinchener Gipsmuseums.
9. Moses, Marmorstatoe MichelangeloB ?om Grabmal des Papstes JoUns II.
in S. Pietro in Vioeoli zu Bom.
Diese Beprodoktionen beruhen, wie wir aus den ans vorliegenden
iwei Bildern 6 und 8 ersehen, auf sehr gelungenen Originalaufnahmen.
Doreb ihre GrOße wie durch ihre vorzügliche Ausführung scheinen sie
dnrebans gaeignet, eine klare and deutliche Vorstellung von den originellen
plsitischen Meisterwerken zu vermitteln. Sie eignen sich daher nicht nur
gut fllr Schnlräame, sondern auch fBr das Privatzimmer des Kunstfreundes.
Wien. £. H.
Programmen 8ch au.
L Dr. Oregorins He tt egg er, Qua ratione M. Fabins
Quintilianas in institutione oratoria. laudaverit scriptoree.
Progr. das FflrstenbischOf liehen Gymnasiums am KoUegiom Borro-
miam zu Salzburg 1905. 59 SS.
Ohne auf Qaellenfragen einzugehen ^ behandelt der Verf. die Zitate
sss erhaltenen Schiiftstellern bei Qointilian (vgl. 8. 1). Im Kapitel 1 legt
er das MaUrial vor, gibt in einer Tabelle eine Übersicht über die Zahl
dsr Stellen aoi den einzelnen Autoren and kommt S. 21 zu folgendem
94
SchloMe: vere € Inmia (auatanbus) &pHmo8 ^kgii; im ex9mpli$ mttem,
quüms docirinam »nam expUearet, praecipm Eamania U8^s est Aique
palfnam Oiceroni dedü. Die Zitate werden dann im Kapital 2 je naeh
ihrer EinfflhraDg in Orappen eingeteili Hier wire wohl aaeh das, waa
BebOD Torher Aber die Stellen aas den griechiieheo Sehriftetellem gesagt
wird, einiQordnen gewesen. Sicherlich hfttte die Übertiehtliebkeit aataz
gewonnen, wenn im Abschnitt 1 nur das Material Torgeffthrt werden wire,
alles aber, was Ober die Art des Zitiereni so tagen war, hier eeinen Plati
gefunden hätte. Am meisten Interesse dürfte ans dem 8. Teile: De lo-
corum laudaiarum conaüio et uau wohl der 8. Punkt beaotpraeheB,
worin die MiiSverstindnisse Qaintilians erläntert werden (8. 88 IT.), femer
das ganse 4. Kapitel : De locorum vcirietatibua earumque caueia. Hier
nun macht sich der Umstand, daß der Verf. den Qaelleofragen ganz aoa
dem Wege geht, teilweise ang&nstig geltend. Denn nicht so sehr anf das
Zitieren ans dem Gedächtnis ist eine große Menge ron MißTerständniasen
and Varianten larücksnfflhreo, sondern vielmehr darauf, daß Fabioe sehr
häofig die Stellen ans Handbüchern der RhetorilK ohne weitere Prflfnng
Hbernommen hat. Daß bei einem solchen Verfahren schiefe Anffaeenagen
vnd abweichende Lesearten, besonders bei Zitaten, die in den Text Ter-
arbeitet waren, leicht entstehen konnten, ist sofort klar. Wie Tieie Stellen
mag Qaintilian aas der Bhetorik des Celans allein ansgesohrieben haben,
wenn er diese Öfter in so ansgiebiger Weise benfittt hat, wie es fttr ein-
zelne Partien schon nachgewiesen werden konnte oder doch sehr wahr-
scheinlich gemacht wurde (fgU & Beitsenstein, PhUoL LVII 54 S^ and
des Bef. Arbeit in den DUeertationee phU. Vmdab. VII 2)1
Die anrichtigen Zahlen, die da und dort begegnen, sind wohl anf
Drnckfersehen tarflckiafflhren, von denen auch sonst manche stehen ge-
blieben sind.
Wilhering. Dr. P. Jnstinas WOhrer.
2. Proi Karl Schmid, Beiträge zar Methodik des Zeiehen-
Unterrichtes an der Mittelschale. Progr* der L k. Staatsreal-
schale in Boxen 1904. 40 SS.
Sowie kürslich in den Aasfftbrangen Prof. Falbrechts ein hOchat
erfrenlicher Beitrag eines Nichtfachmannes zam modernen Problem der
Kansterziehnng begrüßt werden konnte, so sind wir heute in derselben
angenehmen Lage der Arbeit eines berafenen Fachmannes gegenfiber.
Wir bedaaern lebhaft, daß dieser Auf sati nicht schon, wie geplant war,
1902 TerOffentlicht wurde; wir glauben nämlich nach einer eingehenden
Lektflre desselben, daß er schon damals viel zur Klärung der Verhält-
nisse beigetragen hätte. Das tut er allerdings auch heute. Es scheint
uns aber sicher zu sein, daß manches Unerquickliche ?ermieden worden
wäre, wenn diese so konkreten AusffibruDgen schon vor drei Jahren zur
Verfügung gestanden wären. Bedingungslos mochten wir diese Beiträge
zu den besten rechnen, welche in den letzten Jahren zur LOsung der
Frage des modernen Zeichenunterrichts an der Mittelschule geliefert
wurden. Der Verf. betrachtet den gesammelten Stoff des uns so sehr in-
teressierenden und ?on jeder Epoche immer wieder anders zn losenden
Problems ?on mehreren Gesichtspunkten aus, die er in sechs Abschnitten
präsisiert. Der erste heißt: „Ist die Forderung nach unbedingter Frei-
bändigkeit im Zeichnen der ersten Mittelschnikiassen gerechtfertigt?" Er
kommt dabei zu dem Fazit «Nein* und fei weist wie Oberall in so rieh-
tif^er Weise auf Erfahrungen und Obungen in der Präzis. Der ausftbende
Kfiostler wird Gerade oder Kreislinien jederzeit mit Lineal and Zirkel
mindestens vorreißen, wenn er sie dann auch aus irgend welchen Gründen
96
frfibisdfe BMbsMht» «Ol üiB«B «iBeii fewiuM Bais der ZoflUigkatt in
wak«, dM- fewOhalieh kflaalleriMher wirkt all die atreofe, geometriedia
Siftimiaigkttt. Hotoftie motasdie wäre diese Art dee Vorgangs aoek in
4ii Untemeht aofiaaehmen. Der Titel des tweiten Absohnittes laatet:
^emerknngeii inm Zeichnen nach dem körperlichen Qegenstande.<* Der
Verfl tritt hier für eine nicht sn weit gehende Korrektur am Beginne des
penpektiviachen Zeichnens ein, er will anch den perspektiTischen Erklä-
nagen keinen in großen Baam zugewiesen wissen nnd glaubt, daß den
SckAlem der vierten Klasse anaführliche perepektiTische Unterweisungen
▼ertttndlicher nnd wert?oller sein dürften als den vielfach sn wenig vor-
gehildeten Sekundanern. Er will s wischen Schlenderhaftigkeit und Obe^
JUchlifhkeit einerseits und pedantischer Qenauigkeit anderseits die gol-
dene Mifttelatraße gebalten wissen. Das dritte Kapitel behandelt das
«nasMatele Zeiebnen. Darin sehlieftt er sich dem Eife an: «Zurflek aar
Hitv^, und liebt das moderne Ornament als weit Terbreitet, lebendig
aigtwendet nnd daher ancb allgem^ verstindlieb den Mneteru ans der
Antike «ad Renaissance vor. Aoeh das «Ornament an etcb" perboresiiert
er and epricbt dem angewandten Ornamente daa Wert Der vierte Ab-
iskaili beCaAl akh mit einem biaher allsu aehr, viellach gani nad gar
fcnacblleaigtes Gebiet. Die Anlachrift «Zur Mttbodik der rarbengebuog**
sagt aUee. Der Verf. beklagt den biaherigen Mangel einer ajstematiaDben
lad kenseqnenten Behandlong nnd tritt flr eine weitgehende Berflck-
acbtagnag dieeea mehr oder minder vemacblAseigt gewesenen Details des
ZcicbennDierriebtea ein. Da6 er dabei besonders die so aebr differenzierten
ladifidnalititen bertckaichtigt wissen will, lenebtet ein. Er macht wie
ia allen anderen Kapiteln anch konkrete Vorachlige, hier apeiiell über die
Gssebmackebildnng hinsichtlich der Farben Wirkung nnd über den lu all dem
cfferdeflicbeB Lehrmittelapparat Im vorletiten fünften Abschnitte be>
sebütigt aieb Sebmid mit aem «Zeichnen aue dem Oedicbtniaae nnd nach
Angabe dee Lehrers*, sowie n»it dem Skissenbuoh. Auch die hier ge-
macbtsn VoreeblAge dürften die Billigong aller Einsiebtigea und mit den
diesbesügliebea schwierigen Yerbiltnissender Hittelscbnle Vertrauten finden.
DasSeblnAwmt im sechsten Abschnitte beschäftigt sich mit den Fragen:
»Wie stellen wir uns su den Unterweisungen aus den Hilfafftchern ? Kunst-
gesebicbte oder Kunstlehre?" Er plädiert für den gänsliohen Versieht auf
tmatgeachiehte sn Gunaten anderer Disziplinen (der historischen nnd
philolegiecben), tritt aber wärmstens dafür ein, der Ersithnng zur äathe-
üaebea Qennßfäbigkeit durch eine elementare Knnstlehre za helfen. Dieae
BÜäte die Baoknnat, Bildnerei und die vervielfältigenden Künste in den
Bereich ihrer Ausführungen ziehen.
Der Verf. gibt mit Scblagworten aieh hier beatimmte Anhaltspunkte.
Doch mochte er diesem Gegenstande in den obersten Klassen der Mittel-
scbale eine eigene Wocbenstunde, nicht etwa aof Kosten des Zeichnens
gegeben wiaaen , ohne damit, da dieaer Unterricht hauptsächlich auf An-
aebaaung aad Erklärung beruht, irgendwelche Belastung durch häusliche
Arbeiten bervorzorufen. Endlieh spricht er noch für eine neue Benennung
unserer Disziplin, die dem derzeitigen Wesen derselben h«sier entspreche,
ind meint, daß die richtige Benennung „Zeichnen Jivd Kuni^tLebre*'
beißen sollte. Wir glauben, daß dabei der heute lo intensiv betriebeoe
lialanterri<^t verffeasen ist und daß der Titel für „Zeictmeb und AUko in
verschiedenen Techniken** einfach mit dem Worte ^KyoKUntt^rricbt'^ aas-
xudrücken wäre. Dann scheint uns die Disziplin durcb üie Btiieicbaung
•Knnstnnterricht und Knnstlehre*' sowohl nach dtr prakib^han wie
theoretischen Seite hin zotreffender charakterisiert.
Sowie wir kürzlich an Prof. Falbrecbt den Appi^ll rieht'
AnsdiauQugen Ober dieses so moderne und die Oeiater bewege
auf dem nächsten Mittelschnltage seinen und unseren Fuch^^uoi
allen Knnatfreunden unter den MittelschuUebrern durch 4ai
und belebende Wort vorzubringen, so mochten wir auch Pi
96 Prognnuneniehwi.
bitten, dasselbe Ton seinein Standponkte ant vor einer einflaßreichen Ver-
aammlang sa ton» die dadurch gewiß auf das InteDsiTste angeregt wftrde.
— Wir sind fibenengt, daß jedes Mitglied der Tagung dann in eeioem
eigenen Kreise krftftig im Sinne des Verf.s ffir die gnte Sache weiter
wirken wird.
WicD. Bodolf Boeck.
Über diesen Programm- Anfsati ist uns ?on anderer Seite folgende
Anzeige zugegangen:
Der Aufsatz kommt etwas ?erspätet. Er wurde für das Programm
1902 geschrieben; da aber die Anstalt bis 1904 keinen Jahresberieht her-
aasgab, kam er eist sp&ter zum Abdruck. Zwei Jahre sind wohl ein
kurier Zeitraum, fttr den Zeichenunterricht aber, der heute mit Sieben-
meilenstiefeln Torwftrts schreitet, ist das Gestrige schon fast ?eraltet
Der Verf. hat mit Tiel Fleiß und Gründlichkeit bestimmte Frin-
zipienfragen des Gegenstandes in Erörterung gesogen und seine Ansichten
Ober zeitgemäße Korrekturen an den bestehenden LehrplAnen dargelegt
Er behandelt zunächst die Frage, ob die absolute Freihändigkeit im ele-
mentaren Unterricht gerechtfertigt sei und ob nicht hier achon fftr die
geometrische Form Hilfsmittel in Anwendung treten sollen. DagegsD
wäre einzuwenden, daß diese Übungen heute auf das Minimuro beschränkt
und nur Mittel zum Zweck sind, die Hand an das Gesetzmäßige, leicht
Korrigierbare zu gewöhnen.
Bezfiglich der PerspektiTe ist es ganz richtig, daß dieselbe nicht,
wie die „Modernen*' meinen , bloß auf dem Wege der „Impression* fer-
mittelt werden kann, sondern mit Begrfindung der Erscheinungen gelehrt
werden maß, u. zw. weni|^er durch Massen- als Einzel- Korrektur. Der
Vorschlag, die perspektivischen Grundsätze erst zum Schlüsse der IIL
Klasse in mehr wissenschaftlichen Erörterungen zusammenzufassen, ist
eine neue Idee, die gewiß dem weiteren Zeichnen nützen konnte — * aber,
woher die Zeit nehmen?
Bezüglich des ornamentalen Zeichnens hält der Verf. sich noch Tor-
wiegend an die älteren Ansichten und die besfiglichen Lebrpläne. Lassen
wir das Ornament den Gewerbeschfllern und Terwenden wir unsere karg
bemessene Zeit lieber ffir das Zeichnen und Malen nach der Natur! --
Die Kapitel fiber Farbenlehre, Gedächtniszeiehnen, Skizzen bücher usw.
enthalten viele gute Vorschläge, dieselben können aber bei unserer ge-
ringen Stundenzahl nur als fromme Wfinsche genommen werden.
Viel zu weit in den Forderungen geht jedoch der Verf., wenn er
in den Oberklassen „Kunstlehre* eingeschoben wissen will mit je einer
Wochenstunde. Dazu fehlt unseren Schfilern denn doch die nötige Beife,
abgesehen da?on, daß ein Gegenstand mit so kompliziertem Stoffgebiet
sich kaum den bestehenden Disziplinen noch zureihen ließe. Lernen wir
den Schfilern zeichnen und die Natur anschauen, die Mittelschule hat
damit ffir die kftnstlerische Bildung genug getan.
Wien. J. Langl.
Erste Abteilung*.
Abhaidlungen,
Was iBt Neuzeit?
011 herlc^mmlichft EinWIlniig der Weltgescbicbte iQ drei Ab-
Pldioitt« «oteprADf^ züQächgt dem Bedärfaigge« in die verwirrende,
liOfi £aihe geacbtcbtUcbtr Tatsacbeo etDen Oberblick zu briiigeD.
liilangiD, die aacb eineio beglimmteD Datum erfolge Qh, sind atler-
D^i nnbeBtimmi und wUlkarlicb. Natürlicb baben die Zeii-
^ttc^ien der EnldeckiingBf ehrten des Celumbis ebenso wenig did
npEiiidQiig gehabt: jet7.t gebt es iß die Neuzeit ! aU die Leute,
4911 HaoeDstarm erlebten, Tom Ende des ÄltertniDs ecfamerdieb
ihn waren. Aber im Lanfe der Zeit kam doch dae VerstÄodniB
btD»f deutlicher znm Dnrchbnicbe^ daß Bich die Gegenwart darcb
'nicbieidaDde und wichtige Ereignieee tod der VergangBübeil
iid«rt«, daß man in einer „Neuheit" lebe. So w&ren also nicht
loilllififtD , sondirn Übergangezonen ein zusetzen » in denen eich
«Cberlebgel'' (Tjler) der alten Zeit mit den ersten kräftigen
im einer nenen 211 einem Bilde kraftvoller Peradnlichkeit, wild
kwigter Eimpf«, tiefgreifender ümwälzangen znaammenietzen.
Mit dem Hnntneinfall endet das Altertum so wenig, als
hi Mittelalter beginnt; die ganze „Völkerwanderungszeit" ist
*m «eiche Obergan gfizone« in der sieb die Bilder langsam
'•ffäiiehen , mm Völker auftreten , an Stelle des eiDbeitlichen
B5i&intiches nene Staatggebilde entstehen, das abeolnte Kaieertam
^irii NÄtionalstaaten mit Feadalverfaesung ersetzt wird* Deutlich
^mehmbar ist dieser Übergang von der Mitte dea V* bis zum
BcfinQ« dea IX. Jahrhunderts. Doch lassen eich die Spureu der
fiT^ Uraw&izung noch viel weiter zurückrerfolgen ; es ist dies
^t Heransbildnng des ,, Volkere haos*") aui' der einen Seite ^ die
^tttenngifi der germauiscbeo Volker (Alamannen, öotbeo, Marko-
': H Vgl Chambeflain: Die Grundlagen des XIX. Jabrbimderti. I
98 Wm iat Neuzeit? Von 0. Jauker.
mannen, ja der Cimbern) anf der andern Seite. Dagegen setzt
Ghamberlain ^) das „Erwachen der Germanen zn ihrer welthisto-
rischen Bestimmung als Begründer einer durchaus neuen Zivilisa-
tion^ erst um das Jahr 1200 an.
Vom Mittelalter zur Neuzeit ist diese Zone noch deut-
licher erkennbar. Schon daß diese Epoche mit einer alle Schichten
der Bevölkerung ergreifenden religiösen Frage einsetzt, weist auf
das durchaus von religiösen Interessen getragene Mittelalter zurfick.
Daneben stehen jedoch Entdeckungen von Kolonien, Weltreisen,
Postwesen, Handelsinteressen, soziale E&mpfe: kurz lauter uns
heute wohl vertraute Erscheinungen. Ist also mit dem Hauptab-
schnitte der Entdeckungen, mit dem Beligionsfrieden in Frankreich,
England, Deutschland (in der Mitte des XVI. Jahrhunderts) diese
Zone richtig begrenzt? Wenn eine der wesentlichsten Bestim-
mungen im Augsburger Beligionsfrieden die ist, daß sich nur
Fürsten und Edle den Aufwand einer religiösen Oberzeugung leisten
dürfen, die übrige Menschheit sich aber eine solche anbefehlen
lassen müsse, so stehen wir doch offenbar damit noch ganz auf
dem Boden der Feudalanschauungen des Mittelalters. Noch der
dreißigjährige Krieg, der aus einem Aufstände gegen den Landes-
fSrsten ein Parteikampf in Deutschland und schließlich ein euro-
päischer Krieg wird, beginnt mit Beibungen auf religiösem Qebiet
und wird im Anfange bis zum Tode Gustav Adolfs auch in diesem
Sinne geführt. Allein schon in der zweiten H&lfte des Krieges
und noch mehr im Friedensschlüsse wird es klar, daß Besitzver-
schiebungen, Lauderwerbungen, politische Bechte die eigentlichen
Kampfpreise sind. Mitten durch den dreißigjährigen Krieg geht
demnach der Schnitt: aus einem Beligionskrieg ist er ein Banb-
krieg geworden, und Baubkriege heißen mit Becht die nun fol<
genden Unternehmungen Ludwigs XIV., Baubkriege sind auch die
anderen Verwicklungen, ob sie nun Nordischer Krieg, Erbfolge-
kriege (4), Polnische Teilung oder sonst wie heißen; das zieht
sich bis in die Zeit Napoleons fort. Das ist kein Mittelalter mehr,
denn selbst Unternehmungen wie die Kreuzzüge waren keine Baub-
kriege: das ist ein Zeichen einer „Neuen Zeit**.
Auch auf dem Gebiete der kulturellen Zustände und
des geistigenLebens haben wir große Veränderungen zu ver-
zeichnen. Die Entdeckungsfahrten und deren tiefgehende Folgen
für Handel und Städtewesen, der Niedergang der durch die Kreuz-
züge mächtig gewordenen italischen Handelsstädte und das Empor-
kommen von Spanien, Frankreich, England und Holland, kurz
aller nach dem Westen schauenden Mächte treten scharf hervor.
Die Städte werden ein immer mächtigerer Faktor'). Sozialfragen
*) Ebenda I 8.
*) Vgl. Chamberlain über Nationalismus und Universalismas. 11
S. 654 ff.
Wu iBt Neoseit? Von 0. Jauker, 99
(Agnrfragen, Oeldwirtscbaft und Natural Wirtschaft) , die seit dem
Altertum stark in den Hintergrund getreten waren, drängen sich
Tor, die Bnrg weicht der befestigten Stadt, das Bitterheer dem
Söldnerheere mit der Feuerwaffe. Die Entdeckungen und Erfin-
doflgen bringen den Empirismus zur Blüte, die Altertumsforschung,
die Ausgrabungen haben nicht eine sklavische Nachahmung des
Altertums zur Folge, sondern, wie Ghamberlain überzeugend nach-
weist^), die Befreiung des Menschen, die Eröffnung neuer For-
schungsgebiete über die Scholastik des Mittelalters hinaus. An
Stelle der Autorit&t tritt das revolutionäre Vertrauen auf die eigene
Kraft, auf die eigenen Augen, die eigene Forschung.
Wie weit reichen demnach die Spuren des Mittelalters herein ?
Wann beginnt die Neuzeit? Hermann Schiller teilt seine
Weltgeschichte in vier Abschnitte: den dritten benennt er Ge-
schichte des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit und weist
ihm die Zeit vom Beginne der Reformation bis zum Ende des
IVEL Jahrhunderts zu. Ist dieser Zeitraum von 800 Jahren wirk-
lieh nur ein Obergang? Allerdings dauert die Obergangszeit vom
Altertum zum Mittelalter auch 300 Jahre; allein gleich lange
Zeiten sind in der Geschichte nicht auch gleichwertig. Die Ge-
schichte des Altertums 9 die, wenn man die neueren Forschungen
über Assyrien, Ägypten und Griechenland heranzieht, über das
tweite Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurückreicht und sich
bis in das fünfte nachchristliche Jahrhundert erstreckt, ist doch
an Zuständen und Ereignissen, wenigstens für den Schulgebraucb,
so beschränkt, daß es als gleichwertig neben die 1000 Jahre
treten kann, die wir für das Mittelalter zur Verfügung haben.
Dann bleiben noch 400 Jahre der Neuzeit« Eine kurze Spanne
zwar, aber so voll unerläßlicher Fragen für das Verständnis der
Gegenwart, so reich an Stoff, daß dieser Abschnitt an umfang und
Inhalt die beiden anderen weit überragt. Da drängt sich denn
dsr Gedanke auf, noch einen vierten Abschnitt loszutrennen.
Wodurch unterscheiden sich eigentlich die Weltalter? Welche
Veränderungen sehen wir sich vom Altertum zum Mittelalter
ond zur Neuzeit vollziehen? Zunächst einen Wechsel des Schau-
platzes und damit eine Erweiterung des geschichtlichen
Horizontes. Man hat das Altertum die Geschichte der Mittel-
meervOlker genannt Das ist gewiß richtig, wenn man den Begriff
in seinem weitesten Sinne faßt. Von Indien , Assyrien und dem
Wendekreise schreitet die Geschichte nach Griechenland und Italien»
aber auch Spanien, Frankreich, die Bhein- und Donaugebietf
treten langsam in den Kreis der Betrachtung ein. Wie das Mittel-
alter mit der Wanderung der bis dabin nur wenig hervortr '
Germanen bezeichnend einsetzt, beginnt die Neuzeit mit
deekung von Ländern außerhalb Europas. Das Schwi
4
1) Ebenda. II S. 801.
>
100 Wai ist Nenzeit? Von 0. Jauker.
wird im Mittelalter Tom Mittelmeere nach Mitteleuropa yerlegt.
Freilich treten auch England nnd Frankreich hinzu, freilich be-
schäftigen uns noch Bömerzüge und geschichtliche Ereignisse Ita-
liens: aber es sind hauptsächlich religiGse Fragen, die hier ver-
handelt werden. Ein Zug nach Oebieten des Altertums, wie die
Kreuzzftge, hat schon fast etwas Wunderbares. Die Neuzeit zieht
langsam ganz Europa in den Kreis geschichtlicher Wirksamkeit,
ja gelegentlich kommt ganz schüchtern ein Ton aus den Kolonien,
der aber fast nur durch seine Bück Wirkung auf das Mutterland
Bedeutung erhält.
Ein Wandel geschieht auch in den führenden Völkern.
Das Altertum beschäftigt sich zum größten Teile mit den semi-
tischen und romanischen Völkern : semitisch sind die Wurzeln, ro-
manisch der Stamm des Baumes. Das Mittelalter beginnt mit der
Wanderung germanischer Völker und mit ihren Staatengründungen,
und germanisch ist die Geschichte des Mittelalters. Die deutsche
Kaieergeschichte bildet für die geschichtlichen Ereignisse den Ein-
teilungsgrund. Schon in der zweiten Hälfte des Mittelalters tritt
eine Änderung ein , an der Schwelle der Neuzeit hat die Kaiser-
macht bereits abgewirtschaftet, der dreißigjährige Krieg gibt ihr
den Todesstoß. Aber noch dauert die Agonie bis 1806. Die Neu-
zeit, die mit dem Kampf zwischen Karl V. und Franz I. einsetzt,
sieht im dreißigjährigen Kriege das Bingen Deutschlands, Frank-
reichs, Englands und Schwedens und erhält ihren Herold in dem
Oranier, der das Schlagwort vom europäischen Gleichgewicht bildet
Das setzt sich auch langsam durch, bis Napoleon nochmals diese
Gebilde in Fluß bringt und durcheinander wirrt.
Vom Altertum zu Mittelalter und Neuzeit wandeln sich auch
die Staats- und Gesellschaftsformen. Das Altertum hebt
mit dem orientalisch- despotischen Königtum an und endet mit dem
Despotismus der römischen Cäsaren ; in seiner Mitte hält es die
Polisverfassung Griechenlands und die soziale Bepublik Boms.
Überhaupt treten soziale Fragen : Agrarreform, Kolonialfragen, ge-
sellschaftliche Kämpfe, VolksTertretang ^) so sehr in den Vorder-
grund, daß uns diese Zeit yiel moderner erscheint, als das Mittel-
alter, das in diesem Sinne sozusagen ein Zwischenspiel yorstellt.
Der Feudalstaat, der bald zeigt ^ wie das Königtum, nur auf die
Treue der Vasallen gegründet, in der Luft zu hängen scheint,
löst sich nach und nach auf, indem er seine Macht an die Land-
stände und Beichsfürsten abgibt oder, wie in Frankreich und Eng-
land, zum Absolutismus führt. Das ganze geistige, gesellschaft-
liche und staatliche Leben ist durchaus von religiösen Fragen be-
herrscht. Die Neuzeit kehrt insoferne wieder zum Altertum zurück,
als neuerdings die sozialen Fragen, u. zw. Agrarfragen, in den
') Vgl. L. Bloch, Die ständiflchen nnd sozialen Kämpfe in der
römischen Bepnblik. „Aas Natar und GeiateBwelt*'. 22. Bd.
Was ist Neozeit? Von 0. Jauker. 101
Yordergnind treten und die politische Gestaltung immer mehr dem
Absolntismus zndr&ngt. Das idealistische Kaisertum macht der
realeren Hansmachtspolitik Platz. Auf religiösem Gebiete
nimmt im Altertum der Polytheismus den größten Baum ein , das
Mittelalter ist die eigentlich christliche Zeit, der monotheistische
Islam tritt daneben auf und im Wendepunkt der Neuzeit erscheint
das Yierte monotheistische Bekenntnis. In der Neuzeit treten die
religiösen Fragen zu Gunsten der oben geschilderten politischen
stark zurück, machen sich aber als Unterströmung im Pietismus,
der Mystik, dem Deismus und der Naturreligion der Aufkl&rnngs-
seit noch bemerkbar.
Mit diesem Maßstabe gemessen, yerdient die Neuzeit mit
Tollem Becht ihre eigene Stellung. Bei den Namen Wallenstein,
Elisabeth IL, Maria Theresia, Josef II., Friedrich IL hören wir
keinen Nebenton aus dem Mittelalter: da ist wirkliche Neuzeit.
Oder sollen wir die Zeit eines Herder, der mit Fragen einer fer-
neren Zukunft arbeitet, eines Schiller und Goethe, als Schöpfer
einer neuen Weltanschauungsgrundlage , eines Galilei und Newton
eine Obergangszeit aus dem Mittelalter nennen? Und doch! Wenn
wir die ersten bedeutenden Straßenbauten seit der Bömerherrschaft
in der Zsit Karls VI. mit unseren modernen Weltverkehrsmitteln,
die Kriegführung Friedrichs des Großen mit einem modernen Kriege,
die Baubkriege mit unserer heutigen Weltlage yergleichen, so
müssen wir sagen: da klafft ein weiterer Biß als zwischen der
Zeit eines Ottokar von Böhmen und Karls V., da haben sich Um-
bildungen YoUzogen, die tiefer gehen, als der Unterschied Ton
drei Jahrhunderten. Hier ließe sich ein vierter Abschnitt
der „modernen Zeit** abgliedern« der mit dem Anfange
des XIK. Jahrhunderts beginnt.
Betrachten wir nochmals kurz die Verftnderungen der Welt-
alter; gleich der erste Punkt : der Wechsel des Schauplatzes
und die Erweiterung des geschichtlichen Horizontes
tritt scharf hervor. Alles, was bis zum Anfange des XIX. Jahr-
honderts sich ereignete, steht, wie schon erwähnt, unter dem
Sehlagworte der Baubkriege, der Erweiterung der Hausmacht, der
Territorialkampfe. Wenn in England schon zur Zeit des spanischen
Erbfolgekrieges, ja schon unter Elisabeth die Kolon ialpolitik wichtig
wird, so handelt es sich bei diesem durchaus moderneD Staate
nm ein Vorgreifen gegenüber dem langsamereu Gant^e der Ver-
hältnisse auf dem Kontinente, wie denn auch der ParlameBtariBmtiB
hier sozusagen „yerfrüht*' emporgekommen isU Im Beginne des
IVHL Jahrhunderts tritt der ausgedehnte Osteii Europas m Fab-
lang mit dem Westen und spricht gleich bedeutsam mit. Es Ist
kein Zufall, daß mit dem Frieden von Sistowa (1791) die groß«"
Türkenkriege Österreichs ein Ende finden und mit den Türke
kriegen Bufllands die orientalische Frage eine neneWendaBg '
kommt Gegen die Wende des XVIII. und XII. Jahrbunderta
102 Was iflt Neuzeit? Von 0. Jauker,
zieht sich ein Scbaaspiel, das ich als vorbildlicb ansehen möchte.
ZüiD ersten Male erleidet ein europäischer Staat außerhalb Europas
einen empfindlichen Schlage im nordamerikanischen Freiheitskrieg
nnd von da an drängt sich die Eolonialfrage immer gebieterischer
hervor. Die Unternehmnngen Napoleons, der mit scharfem Blicke
seinen grimmigsten Feind in England sah, gehen in der Kon-
tinentalsperre nnd in dem Zage nach Ägypten deatlich anf die Ver-
nichtung der englischen Eolonialstellnng ^). Das Jahrhundert von
1715 — 1815 ist mit kurzen Unterbrechungen eine Zeit des Kampfes
zwischen England und Frankreich um das Übergewicht in Asien
und Amerika'). Der Nord- und Südstaatenkrieg, der Zug Napo-
leons IIl. gegen Mexiko, die Verhältnisse in Ägypten und am Suez-
kanal richten sofort die Blicke der europäischen Staaten nach dem
„Auslände*. Seit den großen Entscheidungen von 1870 ist ftber
ein Menschenalter in Buhe verflossen, wenn wir die Karlistenaof-
stände, den russisch • türkischen, den serbisch - bulgarischen Krieg,
die Besetzung Bosniens nicht zu den großen politischen Ereig-
nissen rechnen wollen. Dagegen gehen in den ersten Jahrzehnten
des XIK. Jahrhunderts viele Kolonien des ehemals mächtigen Spa-
nien und Portugal verloren. Die Wende des XIX. und XX. Jahr-
hunderts sieht den spanisch-amerikanischen Krieg, die Kämpfe in
Südafrika, China, Venezuela, Mandschurei, Südwestafrika, Marokko,
und große Erfolge haben die Kulturvölker Europas nicht aufzu-
weisen. Erst seit dieser Zeit haben wir demnach eine
wirklich umfassende Geschichte, die, wenn sie schon
nicht Weltgeschichte heißen darf, doch politische Staaten-
geschichte der ganzen Erde zu werden beginnt. Das ist
doch gewiß einen eigenen Abschnitt wert. Im Altertum war die
„Welt^'geschichte die Geschichte einiger Kulturvölker des Mittel-
meeres, im Mittelalter wurde sie zur Geschichte der Christenheit,
in der neueren Zeit zur politischen Staatengeschichte von Europa,
nun ist ihr Horizont über die ganze Erde gebreitet.
Von führenden Völkern kann kaum gesprochen werden,
da das europäische Gleichgewicht, wenn man überhaupt von Gleich-
gewicht sprechen kann, eine Anzahl von Großstaaten geschaffen
hat, die eine Vorherrschaft nicht dulden. Immerhin ist auch hier
ein Wandel eingetreten. Das Kaisertum deutscher Nation , das im
Mittelalter neben dem Papsttum am meisten maßgebend war, ist
wie dieses kein politischer Machtfaktor mehr. Gerade um die Wende
des XIX. Jahrhunderts stirbt es ab und macht den Kaiserreichen
Frankreich, Österreich, Bußland Platz; die Jahre 1866 — 1870
bringen das neue Deutsche Kaiserreich, das geeinigte Italien ; die
Balkanstaaten bilden sich. Die bedeutendsten Staaten im Beginne
*) Vgl. Schwemer, Bestanration nnd Bevolntion. „AaB Natur und
Geisteswelt-. 37. Bd. S. 70.
*) Zeehe, Lehrbuch. III 196.
Wu ist Nemeit? Von 0. Jauker, 108
der Nenxeit: Spanien , Portugal, sp&ter Holland und Schweden
treten stark znrück; Boßiand and England, Nordamerika and Japan
steigen rasch in die HOhe^). Im Hinblick anf das soziale and
stattliche Leben steht gerade aach an der Wende des XVJLU.
nnd IIX. Jahrhunderts die französische Bevolntion mit ihren neaen
Ideen. Ist es ein Znfall, daß die Zeit wilder Eftmpfe, in denen
»das Band der Länder gehoben ist** nnd „die alten Formen ein-
stürzen^, aach zagleich der Zeitraam ist, in dem der Jesniten-
ordeo mit seinen internationalen Yerbindongen der Ffirstenhöfe aaf-
geboben ist? (1773 — 1814). Der Absolntismas, der sich in Frank-
nich schon lange, in England Torübergehend (Heinrich VÜL, Crom-
well), in Deatschlaod yon Maximilian I. bis Leopold I. entwickelt
hat, war zwar durch die Aofklärangsbewegang nach der sozialen
Seite hin gemildert worden , hatte sich aber als Absolntismas wo
mdglicb noch Terschärft. (Josef U.'), Friedridi E.'). In Frank*
reich wurde die Gelegenheit zu zeitgemäßen Änderungen yersäumt
und weil die notwendige Beform nicht kam, so kam und mußte
die soziale BeTolution kommen^), die zunächst die Konstitution
srreichte. und der Gedanke der Yolkeyertretung schlief Yon da an
Dicht mehr ein und setzte sich langsam in den Staaten Europas
durch (1880 — 1848). Der Parlamentarismus ist gerade für diesen
IV. Abschnitt charakteristisch , wie der Absolutismus für den IE.
Abschnitt. Daher hat Freih. y. Wieser ganz recht ^), wenn er
erklärt, die Mißstände in unserem Parlamentarismus seien nicht
Zeichen yon Altersschwäche, sondern im Gegenteile Einderkrank-
heiten. So greift er jugendfriech sogar nach Bußland, Monte-
negro, Persien über.
Auf dem wirtschaftlichen Gebiete sind die Dinge
beherrscht Ton dem erweiterten Gesichtskreis in Handel und Wandel.
Auch da bildet das XIX. Jahrhundert einen Markstein. Da sehen
wir bis 1840 die Einführung der Nähmaschinen, der mechanischen
Webstühle, der Photographie, der Gasbeleuchtung, des Telegraphen,
der Stearinkene, der Stahlfeder, der Schiffsschraube, der Phosphor-
itreicbhülzer , der Anilinfarben usw.*). Schon in den Vierziger-
jibren treffen wir, dank der Bemühungen Lists und Harkorts eine
Beihe Ton Eisenbahnen, die eine ungeahnte Ausgestaltung er-
fahren'). Die Durchquerung mit Schienenwegen ist in Amerika
') Vgl. E. Bothert, Die Großmächte in ihrer räumlichen Entwiek-
lesg Mit 1750. Dfiiseldorf 1906.
*) Der Staat and Menschen „umschaffen« wilL H. Bahr: Wien.
Stattgart 1907.
*) Friedrieus rez. Antsprüche und Gedanken Fried, y. Preußen.
Uiptig 1907.
«) Jauker, Histor. Leitlinien. Wien 1905. S. 58.
, *) Ober Vergangenheit und Zukunft der OBterreiehisehen Verfassung.
Orterr. Bondschau 1904, S. 67.
*} 0. Weber, 1848. »Aus Natur und GeiBtesleben". 58. Bd., S. 3 f.
') Sehwemer a. a. 0., S. 76. Bothert: Karten und Skizien. IV.
Kirte 15.
104 Wm ist Neuzeit? Von 0. Jauker.
und Asien gelangen, in Afrika nnd Anstralien arbeitet man an
ihrer Vollendung. Die entlegensten Gebiete sind nunmehr so nahe
aneinander gerückt, daß eine Automobilfahrt Yon Peking nach Paris
schon in das Kapitel Sport gehört. Wie sehr die Erleichterung
des Verkehrs, der Mitteilungen (Telegraph, Zeitungen) auf Handel,
Gewerbe, Industrie, Weltmarkt — denn einen solchen haben wir
erst Jetzt — eingewirkt haben , braucht nicht gesagt zu werden.
Mit dem Emporkommen zahlreicher Fabriken sind neue soziale
Probleme entstanden, die Auswanderungsfrage, die sozialen K&mpfe
werden wichtiger. Wie 1789 der dritte Stand seine Geltung durch-
zusetzen Yersuchte, so wendet sich nun der yierte Stand gegen
die Bourgeoisie und yerlangt soziale Stellung und politische Rechte
(Patrizier und Plebeier!). — Auch hier ist unsere Zeit allen
frfiheren Jahrhunderten überlegen: sie ist uniYerseller. Welt-
sprachyereine, internationale Beziehungen (Genfer Konvention), inter-
nationale Kongresse usw. , das ist die Signatur der Moderne. —
Auch Wissenschaft und Kunst haben eine neue Renaissance (im
Sinne Ghamberlains) erfahren: in Medizin und Naturwiesenschaft,
in Technik und Chemie, in Malerei und Dichtkunst, sind neue
Wege erschlossen, neue Arbeitsmittel entdeckt, neue Ziele und
Methoden gefunden worden.
Daher glaube ich einen IV. Abschnitt «Moderne Zeit*' ge-
rechtfertigt. Zun&chst nur für den praktischen Schulgebrauch.
Dabei müßte allerdings das Hauptgewicht auf die Betrachtung der
kulturellen Zust&nde gelegt werden. Da w&re es möglich zu zeigen,
wie die scheinbar entferntesten Dinge Einfluß . auf das geschicht-
liche Leben bekommen, daß die geschichtlichen Ereignisse nicht
als losgelöste, aufeinander folgende Szenen abrollen, sondern mit
hundert Beziehungen in dem ganzen kulturellen Leben der Zeit
wurzeln. Das läßt sich dann bei Gelegenheit (Wiederholung Yor
der Matura) an einzelnen Beispielen aus dem Altertum yerwerien.
Das führt allerdings aus dem Bahmen des Geschichtsunterrichtes
auf das Gebiet der „allgemeinen Bildung **. Manches, was lange
schon wünschenswert ist (Wirtschaftsgeschichte, Soziologie) könnte
herangezogen werden («Kulturunterricht'').
Es fragt sich nur noch: wann beginnt überhaupt die Ge-
schichte? Auch diese Frage ist strittig geworden, seitdem wir
mit Hammurabis Gesetzbuch bis in das dritte yorcbristliche Jahr-
tausend, mit den mykenischen Funden Griechenlands und der Inseln
bis über das zweite Jahrtausend yorgedrungen sind. Wenn ans
auch einzelne geschichtliche Vorkommnisse aus so früher Zeit
dadurch bekannt geworden sind, so haben wir es doch, wie in der
ülteeten Geschichte Ägyptens, meist nur mit Kulturzust&nden zu
tun. Die gleichmäßige Reibe geschichtlicher Ereignisse setzt erst
später ein. Es empfiehlt sich also, auch einen Abschnitt der
frühgeschichtlichen Zeit (etwa bis 500 y. Chr.) anzusetzen.
Es heißt immer, „unser Leben ist rascher**, d. h. es ist reicher
Zur Theorie der Flftehen xweiter Ordnang usw. Von Zahradnik. 105
in Beziehungen nnd Ereignissen geworden. Der Umfang (zeitlich)
wird kleiner, der Inhalt größer. Daraus ergibt sich nn gefähr fol-
gendes ZeitBchema:
L Frühgeschichtliche Zeit bis 1000 v. Cbr ?
Übergangszeit Ton 1000—500 v. Chr 500 Jahre
n. Altertum : 1000 y. Chr. bis Mitte des Y. Jahrb. n. Chr.
1500 Jahre,
Obergangszeit : Mitte des V. bis Mitte d. IX. Jahrb. 400 „
m. Mittelalter: Mitte des V. Jahrb. bis 1500 1000 Jahre,
Obergangszeit: Ende des KV. Jahrb. bis Mitte des
XVn. Jahrb. 150 „
IV. Nenzeit: Ende des XV. Jahrb. bis 1800 200 Jahre,
Übergangszeit: 1800 — 1848 (1870) 50 „
y. Moderne Zeit seit 1848 ?
Laibach. Prof. Dr. Otto Janker.
Zur Theorie der Flächen zweiter Ordnung, welche
durch ein Polartetraeder und den Mittelpunkt ge-
geben sind.
1. Es seien a?|, x^^ x^, x^ homogene Parallelkoordinaten eines
beliebigen Punktes im Baume. Die Flächen zweiter Ordnung sind
dann analytisch definiert durch die Qleichung zweiten Grades
1..4
wobei die konstanten Koeffizienten der Relation
Aij = Aji
genägen. Aus der Form der Torigen Gleichung geht hervor, daß
Beon Koeffizienten von einander unabbanglg srnd, daß also dte
Fläche zweiter Ordnung durch neun von einander unabhängige
Bedingungen gegeben ist.
Im folgenden wollen wir nne näher mit Betraeb-
tong einer Fläche zweiter Ordnung beacbäftigenp ?ofl
der ein Polartetraeder und Mittelpunkt gegeben eind.
Ein Polartetraeder ist, wie bekannt, ein Tetraeder, bei
dem jeder Eckpunkt den Pol der gegenüberliegenden T«traader-
•bene in Bezug auf die gegebene Fläche bildet* Ein Eckpunkt des
Tetraeders — Pol 1 — ist beliebig im Baume wählbar — dae
lind CO* Punkte — ihm entspricht die Polarebene L Anf d>^**
viblen wir den zweiten Eckpunkt — Fol 2 (cx>- Pankt«);;
•ntipricht die Polarebene IL Den dritten Eckpunkt wäbl#
»af der Dnrchschnittslinie (I, II) (co^ Pnnkte); ihm entapriA
Polarebene IIL Der Tierte Eckpunkt — Pol 4 — Ist dann ^
i
106 Zar Theorie der Flächen zweiter Ordnung aew. Von ZahradnüL
bwtimiiit aJs DorohsduiUspniilrt dar Polarebenen I, II, III und
die zugehörige Polarebene IV als Ebene, welche durch die Punkte
1, 2, 8 geht.
In Bezug auf die gegebene Fl&che zweiter Ordnung existiert
also eine Mannigfaltigkeit von co® Polartetraedern; ist amgekehrt
ein Polartetraeder gegeben, so sind damit sechs Bedingungen zur
Definition der Fl&che zweiter Ordnung bekannt. Weitere drei Be-
dingungen sind durch Angabe der Mittelpunkte gegeben. Wir sind
also in der Lage, die Gleichung der Fl&che aufzuschreiben, eventnell
die Fl&che zu konstruieren, wenn eines ihrer Polartetraeder und
ihr Mittelpunkt gegeben sind.
Sind die Koordinaten des Poles x^^ x^\ x^', xj gegeben,
dann hat, wie bekannt, die zugehörige Polarebene in Bezug auf
die Fl&che
1..4
2] Äij Xi Xj = 0
•»>
die Gleichung
1..4
27 Aij Xi Xj = 0.
Diese Gleichung wenden wir auf die einander konjugierten Eckpunkte
des Polartetraeders (], 2, 8, 4) an; wir erhalten somit sechs
Gleichungen für die Koeffizienten Aij. Weitere drei Gleichungen
erhalten wir aus den Gleichungen für den Mittelpunkt
lil-0 -1^-0 -^L-o
wenn wir in dieselben für Xi die gegebenen Koordinaten des Mittel-
punktes einsetzen.
2. Wenden wir uns jetzt zur Lösung folgender Auf-
gabe: Es sind fünf Punkte im Baume gegeben; beliebige yier
von denselben bilden die Eckpunkte eines Polartetraeders nnd der
fünfte den Mittelpunkt der Fläche zweiter Ordnung — es sind die
auf diese Weise definierten Flächen zu erforschen.
um die Aufgabe etwas einfacher zu machen, wählen wir ein
neues Koordinatensystem y^, y,, ^3, y^ und zwar so, daß die neuen
Achsen durch drei gegebene Punkte gehen und der vierte Punkt
den Mittelpunkt des neuen Koordinatensystems bildet. Durch ein-
fache Koordinatentransformation
^i = cn tn + cn y% + c^ y^ + cuVa » = 1» 2, 8, 4
bekommt die Gleichung der Fläche
1..4
2j Äij Xi Xj = 0
«./
folgende Gestalt:
1..4
^ hj Vi Vj = 0.
i.J
Zar Theorie der Fliehen iweiter Ordnang aew. Von Zahradnik. 107
Die Lage der fflnf gegebenen Punkte im neuen Systeme ist dann
folgende :
1 (y,<'), 0, 0, y.W),
2 (0. y,(»), 0, y/»)),
3 (0, 0. y,<»). y^W),
4 (0, 0, 0, y^W),
5 (yi<^ y/>, y/>, y/>).
dit Bedingung för das Eoiyagiertsein zweier Punkte ist:
'sVy\y"> = 0.
'. >
8. Es seien erstens die Punkte
2, 8, 4 5
die Eckpunkte des Polartetraeders und der Punkt
1
d«r Mittelpunkt der FIftcbe Z^; fflr die konjugierten Paare der
Paukte gelten dann die Gleichungen
(2. 3) *„ y,w y,w + *„ y,w y/»> + *.t y.^ y*'») +
(2, 4) bu y,(*) y4<*> + J44 y4<*> y/*> = o.
(2, 5) d„ y^w y,(») + bu y,«« y4<*> + *„ y,<*> y,<»> +
+ *,. y.«"» y/« + *« (y;»> y*'*^ + y,^*' y/>) +
+ bu y;*^ y/) H- *44 y;*> y/*' = o,
(8, 4) J„ y,(») y/*) + b^ y/« y,W = 0.
(3, 5) i„ yjW y,W + Ji* y/"' y/' + b„ y,W y,W +
+ bu y,<« y/« + *.. y.<*) y.<»> + *« (y.^ y*«*' +
,«y.'«y/*' + *My.'»^y/*' +
+ i44y/>y/*> = o.
ud ffir den Mittelpunkt 5 gilt:
*ny/'> + *uy4<'> = 0,
*i,yi<*> + *My/'' = o,
*i.yi« + i.4y4<» = o.
Dttans folgen ffir die Koeffizienten 5^- die Werte:
(4. 5) *u y.<*' y4<*>
«•«~y.wy,w'
y/l) t« _
y.(«)' b„ — "
64« ~ y.wy.(*>'
*-~ y.wy.wy.w
(y,(6)y(S)y^(t) + y,Wy,Wy;ä)_^
+ y,<'> ya<'' v.n
h. _ y«W (y,(») y,W y^
,(6) _ y,(i) y,(5) y^W) .
y,(»)y,(«)y,(»)y,(6)
-y»'
,W
108 Zor Theorie der Flftehen zweiter Ordnung nur. Von Zahradnik.
b« _ y,w (yi<>> y.w y/'> - y»« y.« y/» -
6*4 ~ y,(i)y.wy,wy4W — y/'^ yj^»^ y/'O.
6,. _ y«(») (y/« y,w y/> - y/*> y,«»> y/»' -
b« - y,(i)y.(«)y,(»)y,W — y,W y,« y*«).
4. Eine zweite Fläche /, definieren wir dnrch das Polar-
tetraeder
8, 4, 5, 1
nnd den Hittelpnnkt
2.
Analog wie im rorigen Falle bekommen wir anch bei der Fl&ch«
/, nenn Gleichungen ffir die Koeffizienten der Fl&cbengleiebon;.
Eigentlich sollten wir diese Koeffizienten von den vorigen nnter-
scbeiden, wir sehreiben aber der Einfachheit wegen wieder nar bij
nnd so anch in den dbrigen F&llen. Die Gleicbnngen sind dann:
(3, 4) Jm y;»' y*<*^ + ^44 y*<»' y/*' = o.
(8. 5) *„ y/») y,w + J,* yi<'> y«^'> + *m y.'« y;*> +
+ bu y,w y/») + i„ y,»> y,<»> + J« (y.^ y*« +
+ y.<« y/>) + bu y/« y*«« = o,
(3, 1) *„ y,0) y.W + 6„ y,W y,(») + 6„ y,(«) y^d) +
+ bu y*<« y/»> = 0,
(4. 5) \, y/») y/*) + J„ y,(« y,W ^ J„ y,(6) y^W 4.
(4. 1) *u yi<'> y4<*> + *44 y*« y*«*' = o,
(5, 1) *„ y,(») y,W + J„ y,(») y.W + J„ y,(») y,W +
+ K (yi<« y*«« + yi<« y/'O + ^,4 y»<« y4<'> +
+ *84y/>y/»> + i44y4<''y4<*> = 0
nnd fQr den Mittelpunkt 2:
*»y,« + *i4y/»' = o,
*„y,^*> + *.4y4w = o,
*2.y.<*^ + *My4w = o.
Diese Gleichungen aufgelöst geben die Koeifizienten der Flftebe /j
und zwar
tu _ _ y4('i ^»« — _ s'»'**
644 ~ y.'»)' 64. "~ y.w'
»i. _ y4Wy4W by _ .v«t^) y.(=) &.. _ y.t'Ly«!!»
644 ~ y.W y,(»)' 6« — y.aTy,«)' \^ — y.iny,(»>'
6.4 _ 1 (yi<'> y,'*' yi^" + y/*' y.<*' yV'» -
644" y,0)«,(«)y,(6) - y/'^ y/»' y*"'' j
6.. _ y4<'> (y,<*' yi'^' y4<*' - y»*" yi
644 ~ y,<»y.(«)y,wy.w — y»'*> yi''' y*'*
6« _ y4w (yi<'' y»''' y«<*' - yi'*' *•
644 ~ y.(i)y.wy,wy,w — y,'*' " "'
*^%,.
i
1
ift Theorie der Fliehen iweiter Ordnang aam. Ton Zahradnik. 109
¥^
(y^w y»"' y/'» — yi'" y,™ yi™ —
-y/''y.'='y4<'^)-
"y>P'ytWy,t»»y,w
Eebon idb diesen ReEnlUten erkeaneii wir, daJI für die FUcben
/, ud /, dia EoefBzienten
irt i, k=l, 2, 3
lliicb lind. ÜDd daaselba ^ilt, wie man sich leicht überzeugen
Yan, ßr di» übrigen Fiächea /,, /j, /^, welche durch die Hittel-
8, bezw. 4, 5
Dl Folutetraeder
(4, 5, 1, 2), biiw. (5, 1, 2, 8), (1, 2, 3, i)
Miieri lind. In den Oleichangen dieaer fouf FlSchen zweiter
Ortouig kommt dieselbe Form
i..»
^ *tf y. y/
*,j
w. Dil ^metrische Interpretation daron ist leicbt: Alle diese
>« JdioieTteD fänf FlAcben zweiter Ordnung haben
>it dir anendlicb fernen Ebene
^is ttd dieselbe Scboittkarve and zwar die EurTe
ilt) ein Eegelsebnitt ist, braacben wir nicht zn erwibnen.
öliicliang des Eegetecbnittes bat die Eoefßzienten
W"
tV«y,"'y/^>-y,<*>y3'*'y/«-
»!• =
jr,t»)y,(»y,(»)jr.{ft>
>.t"yit»>y,%,(«
-y5''*y.<*>y,<*').
— y,«" yj<*> y**'>),
(y,(.) y,(.) y,(« _ y,t« y,(« y.W _
j,(i)y,(«)y,f»)y,(S)
- W y,'« y4<"J.
*M — y.(»)y.W"
A,. - y«'" y,<" ä _ y/^i y«""
^ y,('' y,™» ' " ~ yi<" y.<»> '
^> Aaf die Spezialieierong der Lage der gegebenen Ponkte
'^ Folgen wollen wir nicht eingeben. Wir erwähnen nor
dii sDkloge Anfgabe in der Ebene. Sie Isntet: Es sind
^i([ Punkte gegeben
1 Uf^'\ 0. y/>).
2 (Ol y,<*>. Ss<").
8 (0, 0, yjOj,
* (y.
(*\
y."
.(«.
y,'«).
**iiiiddii £6g«]scbii]tU £Q uü tsrancheo, welch« drei
^^Miiieii PnnkUn zum PoUrdreuek und dan TUrten
ß^ Mjttilpiiäkt« baboDe
HO Zor Theorie der Flfteben sweiter Ordnung qbw. Von Zahrcidnik.
Ffir alle diese Tier Kegelschnitte erh< man dieselben Glei-
chnngskoeffizienten
"~ y.a)y,(»)'
Zur Theorie der Fliehen zweiter Ordnang qbw. Von Zahradnik, 111
also dieselhen (in y^^ y^ quadratischen Glieder
^i Vi^ 4- 2 5,2 y, y, + *M y»*.
Anders aosgesproeben : Die so definierten Kegelschnitte
hiben mit der unendlich fernen Geraden
ys = o
dieselben Dnrchschnittspnnkte
hl Vx + 2 *i, yi y, + h^ yf = 0,
D&mlieh
( jt) = ^ ^- *» =^ l/V-*nJ«).
6. Was die Konstruktion der Fl&che zweiter Ordnung im
gegebenen Falle anbelangt, so können wir die Konstruktion, welche
MilinoTski in seiner elementarsjnthetischen Geometrie
der Kegelschnitte 1882 p. 228 anführt, auf den Baum übertragen.
Es ist nämlich (Fig. 1):
(P, P,' Ä, A,') = - 1
ud dabei
Der Punkt Pj' ist Durchschnitt von P, 8 und der Ebene P, Pg P4.
Aus Torigem gebt hervor
and daraus ist die Konstruktion von J| und A^ sichtbar.
Wien. Dr. Zahradnik.
Zweite Abteilung.
Literarische Anzeigen.
Franz Stürmer, Griechische Lautlehre auf etymologiaeher
Grundlage. Halle a. S., Verlag der Baehhandlimg des Waisen*
hansea 1907. 80 SS.
Der Verf. dieser kleinen Schrift bat bereits früher in einer
anderen Schrift „Die Etymologie im Spracbnnterricbt der höheren
Schalen*' (Halle 1906), zn deren Heraasgabe er offenbar dorch
das Werk Yon Hemme, „Das lateinische Sprachmaterial im Wort-
schatze der deutschen, französischen und englischen Sprache" (es
wird etwas stark übertreibend „epochemachend** genannt!)» zwar
nicht angeregt, aber wenigstens darin best&rkt worden ist, in
methodischer Ausführung gezeigt, wie man die Etymologie schon
Yon der untersten Stufe an als ein stehendes Unterrichtsmittel ver-
werten und so den Sprachunterricht nicht nur nutzbringend, sondern
auch anregend für den Schüler gestalten könne. In der jetzt vor-
liegenden Schrift ist der Abriß einer auf strengwissenschaftlicher
Basis beruhenden Darstellung der griechischen Lautlehre gegeben.
Zu diesem Zwecke wird zun&chst eine Übersicht der Laute der
indogermanischen Qrundsprache Dnd deren EnUprechungen tm
Griechischen, Lateinischen nnd NBnbachdeatBcfaea gegeben. Dana
folgt die griechische Lautlehre , timfaseeud EonsciDanttsmas iiD<i
Yokalismus. Die Darstellung des erstereD zerfällt itt folgende Onier-
abteilungen: Lautgesetze dea Anlanta und InlantSf Einwjrkting
nicht unmittelbar benachbarter Konsonanteo BUftinander (DUelmi-
lation der Aspiraten, Umspringen der Aspiration, DiisimiUtioti d«r
Liquida, Silbenausfall), Lau tj^e setze des Aus laute. Der 'zweite Ab-
schnitt enthält die Kapitel: Ablaut, Debonng, Kürzung, KtmtraklioQ,
Sonstige Veränderungen der Vokale^ Protbetiiche Vokält^ Yokal-
entfallung.
Gegen die Anordnung und Ansfähning fm *^
sich nicht viel Besonderes einwenden Usst
sind in letzter Instanz docb die vorband«
Darstellungen des Gegenatandes gewesen.
tStiimer, Qrieeb, Lavtlebfe ftaf dtjmoL Gmiidlafe, ang. ?, F. St<, 113
m fol^di BimerkßQgea^ bezw, ÄneftellüDgen notw endig. S, 4
bit bii der Ang^abe ober die Vertretunf vou id^. s im Anlant zu
«Man tiH der Btgel". S* 7 (§ 3} werden poena, punio, P^in
ilf OTTinrai^dt mit gr. ^oa'ij verEeichnet, während bekanntermaßen
jji lit«iat8cbeG VVorte Lebnworte ans dem Griecbischeii Binil ond
du diatiebe Wc^rt ans dem LateiniBchen entlehnt ist. 3, 10 (§ 7)
will / ^iachlicb aU Vertreter vun inlantendem idg. f^, dh im
LitiiDlicbeii bneicbnet Das angefnbrt« ru/m ist Dicbt ecbt
kdtQiicb* Bondern nur ruber. S. 10 (§ 8) stebt infolge einea
Dmclfeblvfi % statt M. S. 11 (§ 9) wird irrigerweise neben qu
ud {p^ ale Vertreter Ton idg. ^*''' suri^efQbrt: das angeführte
kpm ist tin Lehnwort ans dem Embrigcb^asklsoheii (sabiniseben)
Spri%ebi#t (fgl. Hiat 0ramin, I 269), 8, 12 werden äfKVQa,
Mttmtf Anker eowie äfy§kog nnd Engei als urverwandt angesetzt
CQii doeb ferhilt es eich mit ibnen genan eo, wie oben mit poena
ndMfi. S. 12 (§ 12) stebt infolge eines Dmckfehlers ijJtsvdo für
mMm^ S. 13 (§ 14) wird die alte Erklämng von ßX^öKfs ..ans
pl&* durdi Metathesii ans Stamm ^ol-'' nenerditigs vorgebracht,
o^iokl oacb S. 25 (§ 81) die ricbtige Erklärung gegeben werden
kmnU. S. IS (g 15) ist die Annahme einer doppelten Vertretung
Tüa ei~ (ipir. aaper oder ö-) nicht zn billtgen. 3> 13 (g 20)
tini die nnbaltbar« Zusammen stellang ron gr. t^TtaQ und lat, teeur
uit (itntecbem Ltb^r wieder anfgetischt; vgL Walde ^ Lat etjm<
WOrterhudi S. 294. B. 14 (onten) ecbeint mir der Ansdrtick
ZwmmmirUrwten statt Zmammentrefftn (tdd zwei oder mehr Eon-
•Haofeefi Im Inlaut) nicht gnt gewählt S. 15 (g 35) ist die falsche
lib4|»liing BufgeateUt , daü ein Dental d, t, # TOr fi entweder
ra € werde oder d^ r, 9 erhalten bleibe. Nur das Letztere ist
ridbtif » TgL bom, ISfx&t^^ während Cö^ibv Analogiebildung nach
yfi iatufi ist nnd ebenso die übrigen Formen mit <f iit'iv&fiai,
^4ftui^ win^Kf^ai) als Analogiebildungen zu betrachten sind,
S. 16 (ä SS) wird ebenso nnrlebtig gelehrt, daß r^ ent weder zn
fu oder ptfi werdt: lantgesetzlicb ist nnr das Letüere; wo ü^
«ichtiDi, wie in nitpaüimt^ mtß eine andere Erklärung gesucht
nnba. S* 16 (§ 42) bedarf die Hege! über -ev- einer Über-
pUug, ebenso S. 17 (§ 47) die ober -^tf-. S. 19 (§ 61): die
hoMH ^tLlvm nnd XG^igm ddrfen nicht mit den ährigen hier anf*
fiAlrteo anX eine Stnfe geetellt werden, da sie ihren Diphthong
Hütbese dea i zn verdanken haben« während in den übrigen
■ -^^^.. Ereats der Foeitionslänge durch die Natarlänge vorliegt
«•4 dif Diphthong u in xtBivm ij^Bigm nnr ein unechter ist* Die
Mfi rom Vokalablaot (S. 22 ff.) let zn wenig präzis gefaßt,
Mine niebt eine genaue Darstelinng der einzelnen Ablantstüfeu
ßtett modernstem Muster geboten ist: mit der KlassiQj^Jerung
NorailfltQrt, Titfstnfe findet man sein Aaslangen nicht mehr, anch
^m binttrher bei der b*o Hiihe noch eine o- Stufe und eine
^tkottaf« aDftietzt ist S. 24 (§ 78) werden ä^x^^^^ ^"^
f. d. tettrr. Qfma, iSÜi. II. mtu
8
1 14 0. Krcmi, Neae Stadien nr arisioteliicbeii Bhetoiik, aag. t. J, Zyeha,
dffxioiuu etymologisch nisamiDeogogtoUt: offenbar liegt eine Ver-
wechtlnng mit ÖQiafiog Tor, mit dem aber ÖQxioiuu nichts n
tos hat (Tgl. PrellwiU' s. t. ^ÖQxio/). S. 27 (§ 87, 4) lies tsliti
für XBi%dfi. S. 28 (§ 89) werden %xBlvm and öx^igm wieder falsch
erklirt (TgL meine Bemerkung zn § 61). 8. 29 (§ 94) muß Tor
der Wendnng „nach p, i. a** notwendigerweise „im Attischen**
eingeschaltet werden« § 97 fehlt orgr. -170-, welches die gleiche
Behandlung wie das ans nrgr. -äo- entstandene ionisch • attische
-i}0- erfahren hat, wie man ans hom. ßcufiliiagj att ßa6ÜLiG>g
ersehen kann.
Die im Torstehenden gegebene Lese Ton nngenanen oder
irrigen Angaben nnd Annahmen, die sich bei sehr genauem Zusehen
Tielleicht noch Termehren ließe, liefert den unumstößlichen Beweis,
daß die rorliegende „Griechische Lautlehre auf etymologischer
Grundlage*' noch einer sorgfältigen Überprüfung und Überarbeitang
bedarf, wenn sie ein Tollständig einwandfreies Unterrichtsmittel
werden solL
Innsbruck. Fr. Stolz.
Nene Stadien znr aristotelischea Rhetorik, iusbesoudere über
das yivog inidsixtixöv. Von Oskar Kraus. Halle a. 8^ Verltg
Ton Max Niemejer 1907. 117 SS.
Der Verf. veröffentlichte 1905 als Parergon seiner kritischen
Studie über die „Lehre tou Lob, Lohn, Tadel und Strafe bei
Aristoteles*' (Max Niemeyer, Halle a. S.) die Abhandlung: „Über
eine altüberlieferte Mißdeutung der epideiktischen Bedegattung bei
Aristoteles**. Dort suchte er nachzuweisen, daß die bisherige Auf-
fassung, die epideiktische Gattung habe zum Zwecke, dem rein
künstlerisch interessierten Publikum die Virtuosität des Redners m
zeigen, nicht nur dem aristotelischen Geiste, der das reine Virtuosen-
tum in jeder Kunst Terabscheue, sondern auch direkt den Stellen
widerspreche, auf die sie sich beziehe. Er leugnet nicht, daß der-
artige Prunkreden zu derartigen Zwecken faktisch gehalten wurden;
auch das gibt er zu, daß die Lobredner Torzugsweise bei festlichen
Gelegenheiten auftraten nml hitrt liira Kui]st aula bücl^stc sp^^tKnc^
Anlaß nafam^G, zn brilliereD tiDd bewundert tu wordeiu AÜe^it
Aristoteles, der hioter dem äDBereo Scbetn das wabro Wesen ^
Dinge zu rochen gewobut war, konDto in diesen Dingen iiidit d^t
Kern der Sache erblicken, nicht das, wau iolehen Beden dtf elhi^nii
Sanktion verleiht. Ihm iat die «pideiktifche Bedt um ici^aa
stellerische liede nur in dem SloDe, diß dtrr Uodiier in iki n\
Schau stellt dla Größe der Togtnd. ' 2ur^c\wHi9^
seiner Ansicht dnrcb P, Weiii^la-'^ - .cq LiUnrtrt^«
Zeitung 190G. Nr. 9 mä Vi
Prüfung der Frag« and ^^' ^^^^^ .. :^4
J
ilfdia, Neaf Stadjeo Earariitotallscben Bhetonkf ang. t. J.Zycha. 115
Sebfift QJiter öt»if«iii Titel der 6ffeDtlicb«n Disktteslon. Dtn
iilitU diteer Stodie fai^t Kraus in 11 Kapitel znsammeD: L Ein-
^^itöDf, IL Der Systematiker Aristoteles, IIL Der Piaton iker Äri-
^HMtltg, IV. Dtrr tieformator Aristoteles^ Y* Wendland als Text-
PVKtibr, VL Die arietotelische Defioitton der epideiktiechen Bede,
' VIL Die ariitotelieclie Oeüoition der Tagende VIIL Wendland als
L^Bfeirpret, IX. Et Dt angebliche schlechtere Lesart {iTtiÖBinvvvxBq
H^ll Im^antnj^kmfot]^ X> Znr Geschichte der Worte mi6Biiitix6g
^SA i%i6Et%iq^ XL SchInQ. Im Anhang fügt er noch fünf Aoiner-
^viifeii bmi8 ond dann folgen noch zwei Eiknr&e nnd zwar L über
\^mn BjrmoBi an dte Tugend, 2. über die Hhetorik an Aleianden
^^ Wtil es «kb \m Grunde genommen bei dem ganr.en Problem
^^b die richtige Erklärnn^ ?0Q nar zwei Stellen bandelt, will ich
^Bdi ftof die Beg|»f&chnng dieser beschränken und nur eine &1I^
fniilliie BemerküDg' streifen. Er ans sagt S. S: „lob unterbreite
> €ti Fmefat dieier doppelten Prüfang htemit dem interessierten
LMtrkrtJi; ?or allem den Kennern ari s tot tli scher Philosophie* leb
Haristotelischer Philosophie^ ; denn es handelt eich bei der
orik tun einen iotegnerenden Bestandteil des arietoielischen
ffflb&ndes« Nun vermag aber die gründlichste Kenntnis der
lebiicbea Sprache und der ipracblicben Eigentnmlichkeiten der
iristoteliscb überlieferten Schriften die Vertrautheit mit den
m Eigentnmlicbkeiten des Philosophen nicht zu ersetzen.
die unerlißiichgte der nnerläüliciien Vorbedingungen zur
pbiaebeu Interpretation und Kritik^. Kr ühersiebt, daß zu
ilMDMtCim Versiändnifi der Bhetorik neben den von ihm auf-
f«ilillteD Forderungen auch Kenntnis der Entwicklung der Bered-
«lakitt gebort-
W«ndeD wir uns nun der Stelle tu, die für Kr. Deutong die
lli|4l&€hlichste Stütze bUdei:* Sie lautet I 3 (1358, B7 CT.) iüti
ffg ^j^ro^^x^^ BlSt} tgia tbv dgid'iiüv* toüovnn yhQ xal
fir^Ottful föjv luymv vndgx^'^^^^^ wug- uvyHuvm fäv
im t^^P o Xoyo^j fx n tov liyopto^ xul ntgi ov XiyH
h^ota^, uväynti 6k tt>i/ SL%goax^v ^ %Empbv ilvui i) ngitriv^
1 tiju ^Bll6vTmif H^ivmi/ olov ixxljjöiaötijg^ 6 öi ^i^l
'iUfil^vmp olop ü dixaörijs, i öh [ytegi] ztlg dvväfismg
ÄiifT* i| ivdyxtig &v bIij tgia yivri t€bv Ivyop
€^^ 0viißotd£vtty.6p^ 6iKaifix6p^ imdBifcuxop. Dazu
fei : A et qui arikulum om. rdiqui aädideruni ä€^/,
mH d0pm¥itni €m perbv XQivwt\ huius enim gemris audüor
i^ ftf jp^nfg, €U &£a>pü^% S€d ex uoe* &no:ig6g^ quare Gregor ium
^ Aic rf itipra anie dix^öttlg articulum rede om, puiö. Anders
Di« Fr&positioti 3t$gl jedoch wegzulassen, batte und habe
troU Spengej keine Yeranlaaaung. Ich beatreite entschieden,
dir dJCP^d^ kein Kgitijg (xgipmp) ist und da£^ mgl nicht
8*
116 0. KrauSt Neae Stadien sar aristotelischen Rhetorik, ang. t. J. Zycha,
▼OD xfflvcyv abhänge (S. 81)''. Nach seiner Aoffassnng nrteilt
der %B(OQ6g ober die Macht, Gewalt der Tngend, indem er igexilg
ergänzt. „Die Darstellung des Tugendhaften nnd Lasterhaften soll
als die eigentfimliche Aufgabe der epideiktischen Bedegattung rer-
etanden werden. Das Durchsetzen eines konkret praktischen politi-
schen Zweckes ist nicht Ziel des epideiktischen Redners. Es gilt
nicht den Hörer unmittelbar zu einer praktischen Entscheidung
(xglöiq) zu bringen; wohl soll er auch zu einem Urteil, einer
Überzeugung über den Gegenstand der Lob- oder Tadelrede ge-
langen, er ist also auch, allgemein gesprochen, ein Richter, aber
zu keinem politischen oder gerichtlichen Schritt hat er sieh zu
entschließen, sondern die ethischen Wirkungen sollen sich zunftchst
in seinem Gemute vollziehen, um erst bei entsprechender Gelegen-
heit auch nach außen hin praktisch belangreich zu werden''.
Aus den Worten des Aristoteles geht unzweideutig herror,
daß er, da sich der Zweck der Rede nach dem Zuhörer bestimme,
die drei Klassen tou Zuhörern zum Einteilungsgrund der drei Bede-
gattungen macht. Ob dieses Prinzip konsequent durchgeführt und
festgehalten werden konnte, diese Frage lassen wir beiseite. Nor
darauf sei hingewiesen, daß Aristoteles im dritten Buche tatsäch-
lich Reden symbuleutischen Charakters von G^rgias und Isokrates
unter die epideiktischen einreihte. Die Zuhörer von zwei Gattungen
sind zur XQlöig berufen als ixxX'^öiaötaC und dLxaötaly den
Zuhörern der dritten Gattung kommt das xqLvbiv nicht zu; es
heißt ja ausdrücklich ^ ^sogbv slvai ^ XQitrjv, Und diesem
Gedanken entspricht vollkommen die Überlieferung: 6 dk zrjg
Swdfi€G}g ^soQÖg. Der Ausdruck ^e(OQ6g in diesem Zusammen-
hange läßt keinen Zweifel, daß Aristoteles die inideliBig im Ange
hatte, die den Agonen angegliedert, später eingegliedert waren.
Damit ist auch schon die richtige Bedeutung des Wortes rijg
dvväfiecog gegeben. Sowie die einen bei den Wettk&mpfen ihre
körperliche Tüchtigkeit, die anderen die Geschicklichkeit im Wagen-
lenken bewundern ließen, so traten Verfasser von epideiktischen
Reden in den Wettkampf, um ihr Können {dvva[iLg)^ ihre Kunst-
fertigkeit zur Schau zu atfeUan , um durch deren Vortrag Prei&e
oder den Beifall der Festversämmlüng zq erwerbsD, an d%m ibDtn,
da sie zumeist Schulh&opter waren ^ schon ans Eonkürrenzrücksicbt?n
außerordentlich viel gelegen eem muGle. Tn^fTend bestätigt diet
der Meister der epideiktischen Eedo leokrates Ep. I 6 mit deo
Worten: TCQÖg Si tovtotg yccxetvo näm <fccPBQ6Pj 6ti toig fikv
inLÖsl^ecag deo^ivoig al ^avriyvpHg {KO(i6troviJi%ff inH yÄ^ dr
ttg iv nlslözoig ri]v aurcO dvvapnv öiaenB/^Bi^v, Von dio&«r
gleichsam ursprunglichen Art des i7ttSHXvv<ii^m wurde dje Be-
zeichnung auch auf andere sogenanDta epldiiktiflche Eedtn fttMr-^
tragen, wenn sie unter der Fiktion einer TeraatE"
diese auch nur für Leser bestimmt waren.
\
IKroMf Keoe Stadien tut arittoteliecben Rbetorik, &iig^ t. J. Zycha, 117
6«gen 4ie6s AiiXlasstujg ma€bt Kr. den EiDwaDd geltend,
&C AHibtaleSf der die dritte Bed«gattDDg als solche erst atatuierte
nid daher er erßl ihr Wegen bestimmen konnte, nnmOglicb das
tn^ der rednemcbiQ Fertigkeit als Aufgabe der epideiktiscben
Bill bibe betrachten k^iiDeis , weil ihm das YirtQusentnm Über^
upi ftrhaGt geweäen sei. Wob er weiA denn Krans^ daJ!^ ÄriatDteleB
trster die Gattnng dBT epideiktiscben Rede festsetzte? Es wird
bebaiptet, aber damit ist es noch nicht bewiesen* Aber aneb
inj) fafttti ArietoteleSi wie er sonst t* ß. ia der Poetik tutp ihr
Dür auf Grund der hislonsch überlieferten Eoden l>eBttmniea
die eben dem von Krans ^araDsgesetzten Zweck wider-
Anderaeiti moLl eDtgegnet werden, daß Aristoteles nur
die Answäehse, gegen das Übermaß der ecbausptelenscben
lüititioaeD and des auf die Spitze getriebenen rednerischen Vir-
tüoieotame seiner Zeit sieb wendet. Denn die Agone selbst waren
fMtgiwaraelt im griecbiscben Nationalcbarakter und standen aü*
fiffiiiii IQ hohem Ansehen. Ich onterla&se es, gerade diese PoIemilE
>k 0»ge&&rgQment gegen Kraus zu verwenden^ weil er selbst S. 61
iii Tirhllinias# entsprecbecd charakterisiert
EigenttmUcb berührt Kraus' Behanptnng anf S. 26: „DaJl
iriitot«1eB den Fmnk gerade bei der Lob- nnd Tadelrede gebilligt
Htk hi mit keiner Zeile nnd mit keinem Worte seiner Bcbriften
n bewelien oder auch nnr wahrscheinlich zn machen". Es kann
in QegenteU gezeigt werden, daß Aristoteles hier ganz anf dem
Bodia dir rhetoriseben Tradition steht. So sagt er I 9, 1366, 26
i (dp üv^fimg intzridiLöTdzTi rot^ imdHKrtxoi^. Was ist im
^raodi fenommen jede avhj^tg? Der Übertreibende legt einem
%<{iitand§ Attribute bei, die ihm eigentHcb nicht zukommen.
Iqi dieteiD Gmnde bftU Piato das avlitv ethisch nicht für erlaubt.
Bil Afialoteles sncht es Kr. zu entschnldigen. „Die Erlaubnis,
»tlphrt Parbt» aufzutragen**, scb reibt er S* 38p „das ünecbein-
^« XII Tergr^ßern, das Anffälüge zu verkleinern, findet in dem
WB Afiatoteles angegebenen Zweck der Gattnng, dem naXov nnd
*^Iq6p, seine ethische Rechtfertigung^. Wenn ferner Aristoteles
19 dffielben Stelle zur Begröndnng der Anwendong der av^ri6is
es bkibe dem epideiktiscben Eedner nichts übrig als did
itanden öbernommenen Taten nnd Handlangen mit Gri^ße
dnbeit in nmkleiden, so ist das gewiß ein Prnnk nnd ent^
f ollkommen dem iTZidimnx^g im Paneg. § 11. Dieselbe
ilbong enthält auch die Definition der Lobrede.
Difie führt nns zur Besprechung der zweiten Stelle, auf die
dti nene Interpretation beruft. Kr. übersetzt J 9, 1367 Z», 27:
i Lob ist eine Bade, welche die Oröi3e der Tngend anscbaulicb
ht Der Lobredner mnß also binweigen auf die Handlangen als
^'Wip^ d, bp als ingendhafte''. Letztere Übersetznng setit den
J^mliit i(iq}ümimp i^stijp Toraas^ während es beißt: ix4y£^og
118 0. Krauä, Krae Stadien snr aristoieliiehen Rhetorik, ang. t. J. Zycha,
igsT^g. Qtgen Wendlandy der an dem Ansdracke y,der Tugend'^
Anstoß nahm nnd igetils im weiteren Sinne gefaßt wissen wollte,
sncbt Er. in dieser zweiten Abbandlnng seine Dentnng aufrecht
zn halten. Betrachten wir ohne Voreingenommenheit die Definition
in ihren Beziehungen, wobei Ton Marx' Einwand gegen die Zweck-
mäßigkeit der Definition abgesehen wird, aber zugleich betont sein
mag, daß 1867 6, 22 — 28 eine Periode bilden. Diese Bemerkung
ist notwendig, weil Spengel zu 1867 6, 26, 27 anmerkt: Ceterum
neseio an praestet: l&ti yig ixaivog und weil mancher Übersetzer
hier einen neuen Abschnitt ansetzt. Ej'aus y,i8t nichts gewisser,
als daß nach Aristoteles die Lobrede dem Tugendhaften gilt; nur
größte Unwissenheit oder Unehrlichkeit kann das Gegenteil be-
haupten*' (S. 47). Er zitiert auch LOhning, der in seiner Zurech-
nungslehre des Aristoteles schreibt: Gegenstand des Lobes und
des Tadels sind zun&chst die Tugend und das Laster selbst als
innere seelische Zust&nde, weiter deren Tr&ger, der gute, tugend-
hafte und der schlechte, lasterhafte Mensch. Diese Behauptungen
stehen im Widerspruch mit Aristoteles 1 9, 1366, 29: ix3l dk
evfißaCvsL xal xwQlg öJtovdrjg xal (lerdc exovdfjg inacveiv
nolkdxig ov [i6vov äv^Q(07iov rj ^sbv dXlic xal ätlfvxa xal
x&v äXkcyv ^ipfDv tb %v%bv, xbv avxbv tgönov Tcal xsqI zovxmv
Xrixxiov xicg ngoxäCBig, — Hier macht Aristoteles erstens noch
andere Gegenst&nde des Lobes namhaft; dann darf man vom
Systematiker Aristoteles wohl yoraussetzen , daß seine Definition
fär alle Torgesehenen F&lle passe. Das trifft aber nach Kr. Fassung
für die zwei letzten Begriffe nicht zq. Auch die der Definition
unmittelbar Yoraasgehenden GedaDkec lasfieor ^lo mir scheint» Ai%
Deutung des Wortes uQBxq im engereD Sinne nicht za, wohl aber
in dem Sinoe, wie Isokrates Hei* 15 eagt; inaiVBiv Si tovg in'
dya/^p xivi öiatpiQovTag, Aristoteles gibt 1 %, 1S67 d, 23 — 26
folgende Vorschriftea: xqii\(3i^qv Öi tb Ttolkdxig tpüiv^ß&ai
nB7CQa%6xa^ öib xal xh ßv^uxibfiatu xccl th d^b xvpjg txig iv
XQÖcuQiöBi. kriTiTiop' &if yäg Jiokkä xal ofiot^ Tt^üffi^fitia^
örifislov d^^rf^g elrca Ö6^u xal ngoai^itrsrng. Ms goleh«^ Glückt'
fälle führt er i 5, 1362, 7—12 folgende vier an: iüti öl %ixi
XG)v nagh 7L6yov dya^iov altia xv%r}^ olov d ot älloi aie^^i^l
ddeXfpoi^ & Öi xaXög, tj oi äkltu ^ii ddov xbv ^i^Gav^iVf i
d' €VQBVy ij et Tof nXr^^iöv Ixvjfs zb ßiXoQj zovtQV 3^ |t4f §
bI fiTj JiXd^B ^oi^og dsl q>oit€bP, ol 6h Httci^ ik^ovti^ 6u^9d-
Qflöav. — Nehmen ivir an, daß eiDem Menschen alle Ui«r xitisflfiii
Glücksfälle ÄUteil wurden, so igt er gewiß von b^tvxJ^ begflnitigt
und ein geschickter Epideiktiker koa&te diejf*^
stellen, daß der Leaer darin ©in M&rköja'
im Sinne Aristoteles* erblickte
ebensowenig wie jene Poppaea,
heißt: laudatitqMe ipse apuä \
infantis parens fuiBset aimfk
%
[ Bitbert Ha» Dresdener BcbAnspfelcrreH&f^ ang. r. J. Oekler. 110
Ki£li iQtiner Übarxeogung ist dit ^altüberltefertd MiBdautüDg^
Si nefacijer& Detitnn^, die mue ümdeutiiztg Id Kr. ÄbhaBdlnn^en
in d«r Tat eine Mlßdentcng. Trotzdem enthalten Kr. Arbeiten
Bi&onigfaehe AJiregaDgen nnä, wenn eia Atilaß geben, mancbe noch
mifiMe Fragre der arietoteli sehen Ebetorlk in Angrif in nehmen^
ünn litt er der Wiesensebaft eiBen Dieitst erwiesen.
WieB.
Jos. Zjcha«
t Mirgar^te B iah er. Das Dresdener Schauspielerreliöf.
Efn BeitTft^ tor Geicbicbte des tragiBcbeQ Kovtümi und der grie-
chiiehffi ^ufft. Hii 1 T&fel und 1£} Äbbildaogeo im Texte. Bonn,
ff CelieQ 1007. 91 S^.
Di» Verfäseerln des forliegenden, vornehm ausgestatteten, G.
tngeeigDetei] Boches bebandelt das Dresdener Soban-
ilief, wel€bes nach dem Originale ani^ der dem Bncbe bei»
|l|Aiiiii Tai'el reproduziert ist, nnd bietet anschließend wichtige
Mlanuigeii über das Gewand and die Fußbekleidung des tra-
lachen Scb anspielers. Die Arbeit zeigt feine Beobachtung, Be-*
' 'r >^hQig des Materials nnd der Lit«rattir and bietet reiche Be-
: and Amegung nicht bloß den Fachgenossen, sondern
jfdm Lehrer der Geschichte nnd der klassischen Sprachen sowie
!*äeiD Preandfl der Literatur. Eap* I behandelt die Überliefernng
Q ErbaltnngBznstand, Kap* 11 gibt die Bescbreibang nnd
<ng des Reliefs: die Mittel%nr wird als Schauspieler in
-t'ber Bolle, die weiblicbe Fignr ais Vertreterin der Per-
'vG:iiuueii der Stadt oder einer Pbyle erklärt. Kap. III bescbäftigt
Utk mit dem Bühnenge wände des tragischen Schauspielers und
^ s&f Grund der beobachteten chronologischen Abfolge daa Eelief
^ bfDsnivliacbe Zeit. Besonders interessant sind die Ansfuhrnngen
*» IV. EipileU aber die Entwicklung des Kotbnrns: derselbe war
EQBkhat tin eobltoloeer, weicher, hoher Schaftstiefel; Aiscbylos
Affti ejnt Sahk hinza; im 11. nnd I. Jahrhundert t, Ohr. erhielt
tr irnt Hohsoble ia der Stärke ron etwa vier Lederscbichteu, erst
tcill. Jäbrhandert n* Chr. wurde unter den Schub mit dicker Sohle
Heil ii»e hobei aiehtbare Stelze binzngefagt (S. 68), Das Dres*
tev Etliet ist nach der frühhellenis tischen Form des Schnhes in
in UL Jalirbaiidert r. Chr. zn setzen. Das V. Eapitel behandelt
^ knw^j^McMchtliche Stellung des Reliefs, das Robert in die
Ut h§ Angnatna setzt nnd als Originalkomposition betracbtet.
l*iTtrf; ab^r sieht darin eine zur Zeit des Angaetus gefertigte
MMUeag eines Originals in Bronze aus dem III. Jahrhundert
*' Oir., das in Kleinasitn entstanden sei. Überzeugend ist die
^AOptnog S. 89 r daß iüt einen angesehenen Leiter einer Enlt-
ftttiBsehafl die eelbstbewußte Haltung des Scbauspielers passe,
^i der Sdilnfi : ^Aue dem Kreis der kleiuasiatischen di^nysiscbeo
120 C Bar dt, Römische EomOdieo, ang. ?. jB. Kauer,
Kflnstler wird die Erfindung des Dresdener Schanspielerreliefs her-
vorgegangen sein''. Bef. wünscht, daß recht viele Kollegen Be-
lehrung ans dem Buche schöpfen, das in keiner Lehrerbibliothek
fehlen soll und das zeigt, welche Erkenntnis aus der Betrachtung
der Denkm&ler gewonnen werden kann zur Ergänzung der litera-
rischen Nachrichten.
Wien. Dr. Johann 0 eh 1er.
ROniische Komödien, deutsch von G. Bardt. II. Band. Plantos:
Die GefangeneD, Der Bramaibas, Der Schiffbruch; Terentins: Der
Selbstqniler. Berlin, Weidmannsche Bnchhandlong 1907.
Am Schlüsse des Yorwertes zum I. Band (enthaltend Plautns :
Der Schatz, Die Zwillinge; Terentins: Das Mädchen Ton Andres,
Die Brüder; erschienen 1908) schrieb G. Bardt: „Daß die Ser-
monen des Horatius hier und da auch Ton Philologen gelesen und
gern gelesen werden, ist mir eine große Freude; möchten auch
die Komödien unter ihnen hier und da einen Freund finden ! Frei-
lich, sie werden es nur dann, wenn man ihnen die lange und
ernste Arbeit nicht anmerkt, durch die sie zustande gekommen
sind--
Da die Komödien somit in erster Linie für Nichtphilologen
Tordeutscht sind, ergibt sich für die Beurteilung durch den Philo-
logen eine große Schwierigkeit; dieser ist nftmlich doch in erster
Linie geneigt, eine Prüfung anzustellen, ob wirklich der deutsche
Text dem entspricht, was der römische Dichter sagen wollte; der
Absicht des Bearbeiters entsprechend sollte er aber die Verdeutschung
allein auf sich wirken lassen. Ich suchte dieser Schwierigkeit
wenigstens einigermaßen dadurch auszuweichen, daß ich das Buch
einerseits einem Nichtphilologen zum Durchlesen gab, anderseits
es selbst zuerst durchlas, ohne im mindesten den lateinischen Text
heranzuziehen. Wir kamen in dem Urteile überein, daß die Komö-
dien in dieser verdeutsch teti Gestalt sehr gut zu lesen öiii<i, daß
sie fast nirgends den Eindrnck dee öe^wüngeneo machen, ja nur
sehr selten die Meinung aulkommän laeseo, man habe es mit einer
„Übersetzung" zu tun, souderD ^ie eine OrigiiiaMicbtußg a&muteD.
Aus diesen Umständen erklärt sich auch dag überleb wengliclie
Lob, das diesen YerdeutscbtiDiereB vod der Kritik eoast ausechließ*
lieh gezollt wurde. Daß dabei über daa Ziel gi^ficbOBBeD wutde^
ist mir nicht zweifelhaft ^J. Ja ich kann nicht umhin« hier die
Bemerkung machen, daß bei dem BemDhet], eine recht flotte Ter*
deutschung herzustellen, manchmal eq weit vom OrigiDil abgefangH]
^) Ich kann s. B. durchAiii cleht de
Drabeim namentlich der ObersettnDi; toh (
der Mühe wert, die beiden feite nefaeneimh
C, Bmdi, EOmbehe ^omOdien, ang, ?. B. Kauer,
121
vnräi, dj|0 biedureb hi«r und da ein« klaiD^ Unklarheit eBtstaad.
U km fti wobl, d^ü hk mir beim ersten Dorcblesen an maDcliea
Sttliin Pr&ge^tichen machte QDd dana bei der Vergleich uti^ mit
dfis Original fand, d&ß eben die alha grolle Freiheit daran Bctxuld
itL Eid oebme sich die Mähe i, B, für den Endens die Stellen
ticbtoieheDt die folgenden Versen dee Originale entiprecben sollen :
h L (iwmtlg Miceo sind für ein Handgeld zu hoch, im Original
Bükt tripnta minis sibi pnellam äestmatf daique armbonem nßw.),
ISOi 841, S54 r. (namentlich die Frage ,, Ward's dir nicht ange*
itgt?'' bleibt EQTersl&ndllcb]; nach S62 entepricbt der Zusatz
m(£E) Quid trat ei nomen?
KiJb) yiiMl erat et mmenf 28S. Heg. Der Eltern Namen gib
bekannt !
UIL, ThemauTüchr^sorUcQ' PblL Erjtbraipi« ist mii
ehrymle^ Vater benanolp
EA) ViddicH propter diviticts Dat beiüt Ter dolmetscht „rot e r
inditum id ni^ffi^i quasist iSchild",
Seine Mutter war eine f|Van
der Bjlt^
817 (PEIL) Immo edepol propter ^86. Das dentet aaf Tolle Bente! hin.
afttriHnm ipsius atqut au- 2B7. Auf Geiz vielmehr und kargen
dticiam. Sina.
Kl Jfttm üle qutdem Iheodoromedes 288.
fuü g^rmajio nomine.
I dlfiB fnecbiichen Hamen Thfnäauroehrtjgmnc&chrifSides, aue dem
flBi oportlitt nnd uudacia erklärlich eiud, %u entaprechePr führt alao
FJt den Aj^acbroniamni fom Vater Eot^child und der (gans Über-
i^f BniDgeietateti) Mutter Vanderbilt (auch deswegen ni. E. nicht
VB retlitfcrtif ecTf «eil sieb reitbe AmenkanennneEi in Europa wobl bohe
Adflige, ftber keine Banquien tu Gatten ancben), wodurch der Vere:
»ion}«j| vielmehr und kargen ^inn'' {auducia m^^ie tu ipso entfallen)
iidierftlndlieh wird ; denn durch dleie Eigenschaften teicbnen eich weder
Bolichfld noch Vauderbilt aue. Was aber mir bedenklich erscheltit
P^^and^ daß Bardt, um dem griecbiecben Namen des Originale
uen, ein neues griecbiscbea Wort erfindeti mit dem der
igloge ebenaowenig anfangen kann, daa ficböüe Wurt Erijthraspu.
t w4ra ee doch beaeer gewesen, dem acher^haft geblldi;teu ^piu-
rhemiauröchrj/9oni€ochry8ides ÄdfiqUB.tee in finden und damit
I, den wabran Namen und den Sinn der Stelle £U retten. In
r Weite icheint mir auch Capt 888 Boius €9t toiam ierü nicht
eklich nnd knapp wiedergegeben zu sein mit
^AuB Ohrjiopolls war er im Sikulerland»
CbaliopoUs bei&t'a jetzt jedenfalls (! I),
Denn eherne Hinge trägt sein Bals'^.
^imro aoli, weil 3talagmtis eine Eette uro den Bali trägt, das angeb-
kkt Chr^iopolis jetit jedenfalls Chalkopolk benannt werden?
V^ite n;an icbon dem etwas anitODigen Wits b&iam terü aus dem Wege
tll«i, der in V. 880 (der natürlich dann auägelaesen werden muDle)
hfitelst wird, io wäre« doch nicht nyjtig, wieder griechiicbe Wörter
"^ ~ ^ nm einen keltiechen Namen zu Termeiden, Aber ee wäre
gegangen mit ^Ein Ei^en Städter ist er jedenfaltst denn
II« tiingt ihm an dem Ha ja"*, woran auch V. B89 HbfTorum
wm eauäa et crtdo uxor dataai ohne Mühe angetcbloßsen
122 C, Baratt Römische EomOdieD, ang. ?. B, Kauer.
Dicht der Situation; 874 f. ist in das Gegenteil Terkehrt; 528 f.,
585 f., 570, 626, 659, 764. „Nix Feuer'', das glaubt doch kein
Leser, daß der Sklave ein „60hm**' war; 778 (nur mit dem latein.
Text verständlich); 787; 820 „schleunig" ist unrichtig, sie sollen
ja Posto fassen und stehen bleiben; 988 f. bes. „und nennt mich
erst das Zeitungsblatt" ; 1004; 1011; 1072; 1098; 1108; 1126;
1164 (was soll „auf der untersten Zeile" auf einem Beile!); 1178
„0 Tochter im Alter mein Stecken und Stab!" 1805 „Zettelmann
— ^Bettelmann?" Das Wortspiel (es soll dem medieus — mendieus
entsprechen) blieb mir unverständlich. Ich glaube daher trotz des
Lobes, das ich der guten Verdeutschung im allgemeinen zollen
muß, und trotzdem ich mich dankbar des bedeutenden Eindrucks
erinnere, den die Men&chmi in Bardts Wiedergabe bei der Hallenser
Versammlung auf mich machten, mich doch der Meinung anschließen
zu sollen, die Skntsch gelegentlich der Besprechung des L Bandes
geäußert hat, daß nämlich jedem, der das Original halbwegs zu
lesen imstande sei, zu raten sei, sich an dieses zu halten.
Und damit bin ich bei dem Standpunkte angelangt, den der
Philologe dieser Übersetzung gegenüber einzunehmen hat. Dieser
hat die Pflicht, die Vergleichung mit dem Originale vorzunehmen.
Selbstverständlich wird er dies nicht in der Weise tun, daß ihm
der Vorwurf gemacht werden kann, er solle sich erst vom Wort-
dienste befreien. Auch als Philologe kann ich Übersetzungen, wie
sie Capt. 810—15, 401—10, 660—706, 911—921, Haut. 818 ff.
gegeben werden, nur auf das freudigste begrüßen, bin z. B. mit
der Wiedergabe von Capt. 594 fii opus durch „Stricke her" voll-
kommen einverstanden, glaube aber doch, daß man „der Wahrheit
treuer Dolmetsch '^ sein kann, ohne so viel zu ändern. Und dies
tut Bardt.
An vielen Stellen scheint mir nämlich der Sinn, beileibe
nicht der Wortlaut des Originals nicht scharf genug hervorzutreten :
Man vergleiche z. B. in den GelangeaeQ 126 capCM ^ SblartH'
schar unverständlich, 145 quünii, 181 fundum, 206 a metuU,
216 obnoxii, 228 nicht ant die Treae, eoudem auf die Geschick*
lichkeit kommt es an, 240—244, 269, 271, 279, 282, 283, 284
(läßt sich den Hieb auf die Philosophie entgehen), 301 die Pointe
verdorben, 808, 809, 823, 828, B36p 350 benicalus soll ergaben
sein, Tynd. spielt sich ja aaf d^u Herrn binsnfi, 302 f., 876 (dem;
es gehört mein), 897, 447 et Uta H Uta = unser! 464 dk^ uod
octdi paßten doch so gut zusammen, 469, 473 „wled^r^' ist utiViT'
ständlich, 474 einzuholen ::= obsonant, 475 Pointe ?erfebll, dit In
der Antithese ad lenones eunt — condemnant r«w *****
Pointe exitium — exitiost verwischt, 550 im
ebenso 558, 555; s. Brix-Niemeyer zu dies
an die „brennenden Fackeln'' xn deDken^ 6^
wird auf das Haupt getränfeit, 616 adil
um das Nähergehen handelt es sich,
C* Borcii, Bflmisehe Komödien, aüg* ?♦ R. Kauer.
123
darf flicht ,,Freaod" gesagt werden, sondern ^Herr" j
kt es ja 707t daher aDcb 720 nicht vom Freond meiner
hsgoA geredet werden darf, so dick hielten es Herr und Diener
siebt 7S5 f. doppäldentig« 775 ob sich der Lesar nnter lasten-
lik* nimu dem sim saeris Eotsprecbendes denkt? 793, 704, 808,
BS4(I), MO, 942, 948 f,, 956, 1014 (mm mit ,,drOTn"l), 1035,
Kl ift twiileü^e, daJ& nicht jede Pointe ond jeder Witz im DeotscbeD
tiidirf«g«b«i! werden kaQDi immerhin bedauerte ich es Oapt, 70 t,
HS, 1S2 (wAre so gut mit Grand nnd Abgrund gegangen), 281
(«rpiiu« dipiii4H — s€htfm txcoquBre etwa „hat dick er es wohl ^
am FettanslasseD im Kaeaerol), 428 (anf fnimei mihi kommt
m iD), 475, 726, 788, 796 f., 860 wnrde nach der gewöhnUcheti
DkUHtonog mit Märker — merkst gegeben ; smtketum bedeutet aber
ftiu ünangtntbmes nnd es entspricht der Situation, daß
Irrtiiliis eben erklirt, Hegio befiade sich in keiner eo nnan-
fttflibmen Lage, die ihn znm sentire nOtigt.
E$ ist eelbstveritiodUch , daß dirch die freie Bearbeitnng
lad ifi (l«r Frende des Schaffens — die merkt man überall — fiel dazn
liloeuDeo ist, was im Original nicht steht, dafür allerdings auch
M^ii ansgelaesen wnrde, was sich dort findet. Gar manche
f«ciiltett iil damit hineingeraten , die der nnbefangene Leser dem
iüUm Dichter und nicht dem modertien Bearbeiter znznechrelben
fiuigt sein dürfte. Ich glanbe aber doch, daß hiebet nach beiden
BMügeD maBChmal dee Gnten zQTiel getan wnrde, namentlich
nkmtn mir manche Erlinlernngen entbehrlich lu sein ; man kann
Um Lüer schon zn tränen, daß er die knappe Dar&tellnng ebenso
mtibl wie der römische Znscbauer. Man vergleiche darauf hin
Cipt.S8, 90, 124, 158, 173, 179, 190, 210, 232 f,, 237 (sina-
H HO, 2S7, 250, 254, 292, 302, 317, B24, 341, 861, 366 f,,
!:&, 889, S90, 892, 423, 424, 446. 461, 466, 479 (halb grob?),
iÄS, 492, 493, 494, 522, 528, 536, 562, 563, 589, 598, 605,
«10, 617, 623, 626, 639, 652, 653, 729, 743, 747, 750, 759
IriTfibeni in wenig), 762, 764, 769, 775, 799, 822, 829, 835,
837, g39, 844, 846, 853, 855, 856, 861, 871, 886, 890, 903,
ni 988—940, 954, 963. 969, 977, 980, 985, 987 (mit dem
Vüif i^aaseoden „nrngetanft"*), 993 t Der Lateiner tat beseer, dai^ er
mhmmisir erkUrte, 994, 999, 1012, 1028 qmi peculi nil est,
mkfmris dnrch 4 Zeilen, Tor 1029 4 Zeilen, 1081, 1035, 1036,
An fast ebensoviel Stellen wnrden dafür Feree oder Verstelle
>ti|elasa«|], an ron den Captivi znnftchst der ganze Prolog 1—68,
^ nm Terstftndnii der Anfangsszenen nnerJäßlkh ist, was mir
te doeb sehr bedenklich erscheint; anch über die planUnischen
^lofe haben wir seit den letzten Jahren nnd jetzt gar nach dem
Situ Mfoanderbqcb anders zn denken; dann 76 f., 82, 84, 92, 125,
m, Ul(umcm), 169—171, 174, 186. 221 f., 288. 303, 319,
'^,ZU, S7ö— 380, ^96, 411, 429—445 in 4 Zeilen abgetan,
4W, 486, 490 L, 494, 508 f., 544, 558, 565 (I), 582,
124 C. Bardt, BOmiscbe KomOdien, ang. t. B. Kauer.
595, 680—682, 641 f., 644, 657, 698, 710, 776 f., 789, 800,
801, 802, 811, 881, 887, 889, 857, 889, 910, 985 f., 947,
964, 969, 988, 1022—1024. Daza kommen noch die Stellen,
wo die Personenverteilnng ohne Grand ge&ndert wnrde (Tgl. 287,
249, 421, 611 f.) oder wo durch Anslaesen von Gegenreden die
Lebhaftigkeit des Dialoge vermindert wurde: so u. a. Gapt. 210,
427, 570, 881, 888, 885, 889, 910, 935 f., 958, 978, 1015.
Gewiß mag hier die Yersnot oft der Grund gewesen sein; wer
aber die Sprache so beherrscht wie 0. Bardt, könnte rielleicht
doch einen Ausweg finden. Vielleicht könnte da bei einer folgenden
Auflage, die sich zweifellos bald nötig erweisen wird, manches
geändert werden, was offenbar nur wegen des Beimes in einer
nicht ganz einwandfreien Form gegeben wurde; z. B. Gapt. 289
pcUer praxumus Tftterlich Stecken und Stab, 885 adhue schon
vorhin, 888 gebührt statt geziemt, 459 eequis hune aduleBcnUem
naverU „Ob dieser dort Bekannte gefunden''! (als ob Philokrates
so hinspazieren konnte), 628 istic wird durch „freche Fileu^ (!)
fibersetzt, dagegen wird mo^^io« 659 nicht flbersetzt, 626, 633,
752, 760, 802 Bauch— Gauch (steht gar nicht da und paßt nicht
auf den Parasiten), 942, 998. Des Beimes wegen spricht sogar
der Bramarbas (Mil. 1047) von den Jungen und alten**, die er
geliebt, und wird 735 „heuer** unrichtig für heute gesetzt.
Es sei mir gestattet, hier noch auf einige Versehen hinzu-
weisen, die ebenfalls in einer Neuauflage berichtigt werden könnten.
Capt. 541: Quid istuc eit quod nieos te dieam fugiiare oeulo$
Tyndare, wird mit: „Was meiden deine Augen mich** fibersetzt,
ohne den Namen zu nennen, auf den es ja hier vor allem ankommt,
da hiedurch die Verwechslung sofort aufgedeckt wird; trotzdem
heißt es dann in der Übersetzung von V. 546 „Und Tyndans
doch statt Philokrates nennst** und von V. 559 „Da er dich Tyn-
darus genannt**, obwohl Aristophontes in seiner Bede (bei C. Bardt)
den Namen gar nicht ausspricht. Ebenfalls durch Unterdrfickvog
eines Namens (ich verkenne nicht, daß sie schwer in deo EBittel*
vers gehen) ist eine andere Ungenauigkeit entstanden: Capt V. 288
mit dem wirklichen Namen des Vaters des Philokrates, aimlich
Theodaromedes, wurde (S. Anm. auf S. 121) ausgelassen; trotidem
fftUt merkwürdigerweise dem Hegio (V. 974), als Stalagmu diesen
Namen (978) nennt, ein, daß dies der Name des Vaters des Philo-
krates „sein müsse** ^). Bud. 306 ff. treten nicht Schiffer, aondem
Fischer auf, es heißt auch einige Zeilen weiter gleich Fiscfaerleute.
Die szenische Bemerkung zu Bud. IV 3 (Trachalie) «koumt mit
einem Koffer und l&ßt Stricke hinter sich hersehleppen** (ac) hat
^) Störend für den Hörer (denn auch an dieieo ist n denksa) ist
an manchen Stellen der UmBtand, daß in der VerdeutsdiiiBg die Mama
der auftretenden Personen (wohl ans Verenot), die der Bdoier an diesem
eelbstverstindliehen Grande in den Dialog einsetste, ansieleBi: vcL «. a.
HiL 596, 610, 1897; Haat 241 new.
O. Bardt, BOmifcbe KomOdien, ang. ?. B. Kauer. 125
u und für sich nod aoch hier keinen Sinn, weil sie eben an den
knüng der Torhergebenden Szene gehOrt; Gripns läßt ein Seil
(989 rudentem) nachschleifen, an dem ihm Trachalio nachkommt ^).
Hint 285 sitzt Antiphila am Web stahl, 805 sinkt ihr die
Stickerei in den Schoß, 294 f. heißt es Ton der Magd, daß sie
webend (sie) in Sack nnd Asche lag {sie). Mil. 1179 wird die
rotbraune Haut als Bestandteil des Schifferkleides aufgezählt. Bad.
708 spricht Trachalio zweimal, das zweitemal maß es Daem. statt
Trieb, beißen. Eigentümlich ist es, daß Mil. 1808 due adiutares
Ueum ad navim qui ferant zweimal übersetzt wird: einmal mit
„Zwei Knechte lass' mit ihren Sachen Sogleich sieh auf die Sohlen
machen*' Tor 1804 and dann noch einmal mit: „Zwei Knechte
mögen meinetwegen Das Gepäck zn tragen Hand anlegen**. Pa-
liMtrio aber, dem dieser Auftrag zweimal erteilt wird, geht schon
xwei Verse früher ab! Aach diese moderne Interpolation dürfte
besser beseitigt werden.
Ich maße mir nicht an, an der außerordentlichen sprachlichen
Oeschicklicbkeit Bardts Kritik zu üben. Einiges liegt mir doch
am Herzen. Vielleicht irre ich mich, wenn ich Haut. 115 :
«Mflrb* ward mein Junge nach and nach
Und tchließlich so ihm selber sprach*,
für ungewöhnlich halte oder auch folgende Übersetzungen nicht
ganz einwandfrei finde (Haut. 264):
.Du sprichst f on Weibertrog und List,
Denkt anders dein Mädchen, denn sie ist**,
oder Capt. 891 :
•Ich sei als Knecht in eines Hut,
Der freundlich an mir tat und tot",
Capt. 166: Heerchef, Heer ist doch kein Fremdwort, das in der
Zssammensetzung unverändert bleibt, oder Capt. 817:
«Deiner Worte Gewicht kann ich ermeBaea
Und werde gewiß der keines ▼ergeeeeti".
Eioig» Aasdrücke finden sich, mit denen mancher nicht fiel
wird aaiaDgen können: Capt. 611 plinken ^^ abnutar^^ 908
Schweder, Mil. 1181 verliebt wie ein Stint, Hud. 1302 (der Brat-
spieß) hotzelt ein(f); auch befremdende Wortverbindutigen und
Wortbildungen wie: Haut 845 sich zu Gemüt ziehen, Mil. 1096
') Die Bseniicben Bemerkungen : „kommt, tritt aaf", aiad la kaapi
M tollte immer dasu gesetzt werden, wober aie Personen kommea^ 7
Capt 657 konnte data gesetzt werden: „raft im Ha^«", in 765; ^w^
18 sein Hans*, su 767 : «wird weggefahrt**; zn MiU 1427 fr&r tu bemericei
daft die Diener des miie» vom Hafen safückkoiumeQ. C&iit S37 (j
Autults aosgelassen) wird nicht beiseite gesprochen. Mil. 10&&^ *^
Pslaeitrio nicht leise, 1218 maß Acroteleutium noch leite »pr >'
948 wird ausgelassen, daß der Miles erw&hnt, seineii Patäiiten ■
IS haben, was doch fSr die Ökonomie des Stückes von Bedeü
126
C. Botrdt, BAmttehe KomOdien, a
aaf dM Trab briogen, Capt. 793 crdreuttuij
nsw. Haut 88 und 91 toll es Hark«,
diese braucht mao sieht beim „graben ^.
Nor «nige Bemerinrngen Aber di^
mich als Philologe gedrängt fühle. Wa
mit dem Zitat auf S. VI: „Fleckeisen 11
Nieh^hilologen die absprechende A^?:i
Komposition des Bramarbas, zumal nciair-
tnües durchaus nicht so schlecht und stätrp^
wohnlich und auch hier behauptet wird? War
philologischen Leser auf S. XII der bloi^e H:r
wenn die Yerszahlen im Buche nicht beieicLr
Vers in der Übersetzung fiberhaupt ausgelasser
Leser femer tou der Behauptung halten, dii
nicht kontaminiert ist, wenn er als Grund
hOren bekommt (S. XII unten): „wenn ich ein« !^
richtig ▼erstehe*', ohne zu erfahren , welche
noch wie sie Bardt versteht?
Auch mit dem Tadel, den G. Bardt S. VI im
Lessing über den Dichter der Gaptivi vorbringt:
Motivierung bat es sich der Dichter so leicht goL
eben die Komödie zu tun pflegte; wenn Hegio ein*
auf den weisen Gedanken käme, sich einmal zu er
denn keiner seiner flbrigen Gefangenen den Philok
(V. 459, hier also richtig, im Texte falsch), w&re die ^
Entwicklung unmöglich geworden", scheint es mir nicb
zu stehen. Im Gegenteile. Der Dichter sab, daß es pb
vollkommen selbstverständlich sei, daß Hegio in se.
Schmerze darüber, daß sein Sohn noch immer in Gefa
schmachte, aun&chst die Gelegenheit, seinen Sohn zd
freudig erfaßt und alles daran setzt, sie so rasch als mö^
znnätzen (460 ei rei primutn praevarti volo), um nur ..
Augenblick zu verlieren, der die GefangeDscbaft seinei
verlängern könnte. An die Möglichkeit eiuer Tän&chucg
gar nicht, da ja beide G^I'an^eDe einen guten und glaube ^
Eindruck machen. Daß dies mch bei Tjndams, dem vartatli ,^
Sklaven, begründet ist, erprobt eich ja später« da er ai*^
leiblicher Sohn des Hegio heransstellt« Die Erkondignog.
Hegio später ausgeht, hat ja nur den Zweck« über d«n Jd^
an dem sein Hoffen hängt, K&beres zu erfahr""« Uni
Aristophontes mitnimmt, geecbieht nicht,
bei ihm Gebliebene wirklich Philokrates i
Aristophontes selbst exUmph orat obset
liceai videre 514 f. und er setzt hinzu imB\
^) Die Einleitung kann nnr ftir diesen besHx
braacbt nie nicht.
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•'"«ahme
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i' a r f-
ieo"
128 F. SkuUcK GaUnt und Yergil, aog. t. A. ZimgerU.
kl&rnng des Gedichtes Ciris bis in kleinere Einzelheiten in den
letzten fünf Jahren yiel mehr gefördert worden ist» als früher seit
langer Zeit, indem man znletzt banptsftchlich anf die Nachahmnngs-
yerh<nisse besondere Bücksiebt nahm, nnd daß in manchen Ponkten
wieder anf eigene Schönheiten des Gedichtes nnd anf gerechtere
Würdigung desselben aufmerksam gemacht wnrde. Eine ganz be-
sondere Frende würde es bereiten, wenn ans dem Ganzen nnn ein
scbüner, dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft allseitig ent-
sprechender Kommentar zn Ciris erwachsen nnd derselbe nns dnrch
Skntsch, den neuen Anreger dieser Forschungen, geboten würde.
Indem Ref. hiemit die Verdienste des Gelehrten auch auf
diesem Gebiete ebenso, wie in der einstigen Besprechung des ersten
Teiles, gebührend hervorgehoben zu haben glaubt, kann er frei-
lich nicht leugnen, daG er von der Ansicht, daß gerade Cornelius
Qaüus der Verf. des genannten Gedichtes sein müsse, trotzdem
mit anderen auch jetzt noch nicht überzeugt ist Es sei ihm er-
laubt, auf seine diesbezüglichen Beiträge zur Gegenansicht in dieser
Zeitschrift 1902, S. 498 ff. kurz zu verweisen (vgl. darüber auch
P. Jahn im Jahresbericht Bursian-Jwan v. Müller 180 [1906],
S. 47 f.) , wo unter anderem namentlich die mit Sorgfalt nachge-
wiesenen Allitterationsverh<nisse doch wohl nicht ganz zu dem
jetzt S. 6 sicher ausgesprochenen Urteile stimmen, „daß die Ciris
nun einmal ausgesprochen den Charakter vorvergilischer Zeit habe" .
Doch, um Wiederholungen zu vermeiden, möchte Bef. nur noch-
mals die von ihm zuerst eingehender nachgewiesenen Berührungen
von Cirisstellen auch mit Ovidischen (Phil. Abhandlungen III 25 ff.
[1882]) hervorheben nnd die für das Ganze gewiß nicht unbedeu-
tende Frage, welche in einem Beferate wohlwollend, aber nicht ganz
genau, wiedergegeben wurde, pr&zis wiederholen : Ist es wahrschein«
lieh, daß Ovid, der selbst die Scyllafabel aufgriff, im Falle, daß
Cornelius Gaüus denselben Stoff früher in einem überall be-
kannten Epyllion behandelt und ihm Anlaß zu formellen Ankl&ngen
auf ausgedehnteren Gebieten gegeben hätte, in seinen bekannten
„Eatalogpartien^ , wo er auch auf Gallus wiederholt zu sprechen
kommt und auf dessen Lycoris • Elegien namentlich anspielt, ein
anderes von ihm sichtlich benutztes Gedicht des Yorg&ngers gegen
seine sonstige Manier nicht einmal mit einer Andeutung berührt
h&tte?
Den Schluß des Buches bilden ein von W. Kroll beige-
steuerter interessanter Anhang über „Die Locke des Nisos** und
dankenswerte Indices (a. Sprachliches; h. Stellenverzeichnis).
Innsbruck. Anton Zingerle.
i, Lit0is,*4«iitsetieB Bchaliii^rterbtuta, ang, r. B. BiUchof&hy. ISO
LiMiiisoh^detitdcheg Schulwörterbuch mit beBomderdr Berücliich-
ItfBDf ^et EtjTnobgi« ferfa&t roü Dr. Uarminn M«ii^e, kOnigL
IjifUttAiiftldirektQf a. D. BerLlii 1907, Laii^«ntchfri4t8cbo Ferii^t-
bicIkhAiidltiiij? (Fiat 0. Laagenaelieldtj. XVI and SIS E^. Gr.-LaxikxMi'
Fomat. Preis 6 Mk.
[d Terblliaiimlßig kurzer Zelt nach dem Erscheinan dM
piiijiiieh < dtntflcbtn SchaJwdrtarbucheB bat d«r Verf. Min nieh
tfiei«lb«Q Ortindiits^iii bearbsiteUg lateiniBches WörUrbncli er-
linisto laB««D. D«r Titel ^Scbnlwörterbtich'' soll iicb , wi« in
fülül bemerkt Ut, nicbt auf den Sinn roo ,fScbftlerwOrterbiieh'
tMiebriiiktii , «ODdero daraaf bioweisen, da(S es den BedirfDiaeeii
dir b&betiii Schiiliii dberbanpt zu dienin betbisiehtig^t In «raier
Liiu« ioiit« d«r £ijmol«fi« zu der ibf gebdtareDd«!! Slftlliog
ittlilfea virdea, da keinei der bieber TerftffeDtlichteci Bcbalw^iter*
Mir dieaer Äof^abe to gendgeoder Weise EecbnuDg fetragtii
MHi imeh dme tog 8iowaaser Dicbt. Der Etjmokgie eollt« im
Qtffuiüli SU diteed «ine gleicbmÄBiger« und objektivere Bebtiid-
IA| md «ina iQvarl&iiigere wlaiesacbaftliclie Grundlage gegebee
ürte. ßtiiBUt wtirdeü die, wie der Verf. aagt, darcb die n#iieit»ii
tiiieoitbanJicbeD Fori cbün gen bestätigten etymologlafben Angibeo
iü friedüieb-deütucbed ScbnlwQrterbicheB Qod Waldes lateioiiebe«
ityiaebfiiebei WOrterbucb (Heidelberg 1906], von dessen Annabme
nr in iuflerst «enigen Fällen, meistene von nntergeordneteEo
W«rtt, abgffvicben wurde, Alfi eme eolcbe Abweicbai^ mall as
1.6. aücb beieicbnet werden, wtnn Menge ammtum (Wurf-,
Bebwaogriemen) entweder ans ^afjmmtum oder ans ^apmentum
ütitaDdia gein lißt, während Walde zmhthm amtmntmm „^ ütt-
Niffltn, EiemeDsebleife , such andere Kiemen zum E'mim*^
{ha 9pere} nnd ametitum „Zünglein an der Wage^ (ron
ipwt) ttDiefscbeideli CMlsr wenn Menge bei fretum voo dar
Biteliiog ^Meerenge'* auf die BedeQtnng „Plnt*' kmcat,
tibrtod Walde nmgekebri als OrnodbedeittiDg „Strfymnog''
isfibl und erst in letzter Linie ,, Ms erenge''; wenn ferner Menge
bi iaüitö Yon dec BedeQt«ng ,«erfretit'' ausgebt, wobei der Be-
taluiftwaiidel bis zu don heta flumina und armenta nnr g«-^
liia|ill tr klärt werdin kann, wäbrend bei Walde die Stüfenfalg«
tw „fiU'* nach „beiter"* führt. Bei prats und probm bat sieb
dir V^i* jedesmal für die erste der Ton Menge angegebensn Mög-
ikkbiian aoiscbtedent praedium ist d#saeü Ansicht «ntgsgen von
pm§ abgaltitfl. Die etymologische Erkl&rnDg ist gewöbnlicb an
W Ende dar alDi^eljien Artikel ?eHegt nnd dnrcb ein fett gedrucktes
t aiarkierl, TtelXacli aber aocb gleich an das fragücbe Wort an-
t^ttcbloftien^ ?gL £. ß> gUäum, gradipm\ griwia u« a. Der Verf.
^ m iicb öberall ungelegen ieiD lasaen, uar solcbi Erklärnagen,
^a bicbtigkeit semer Üherieagnng nach nicht angefacbteci
Vttiao kann, in der Form positiver Angaben ohne jeden weiteran
liUli tu g#biii, dagegen in allen Fällent in denen ihm die Ao-
130 H. 3fenge, LateiD.-deQtiehe8 ScholwOrterbneb, ang. t. B. Bitsehofsky.
ffthrnng einer der BerflckBichiigang würdigen Hypothese ans irgend
einem Grande wünscfaenswert oder notwendig erschien, anf die
Unsicherheit derselben dnrch Hinzafügnng yon Fragezeichen oder
durch den Znsatz eines „wohl, rielleicht, möglicherweise, wahr-
scheinlich^ aufmerksam zn machen. Inwieferne die Etymologie für
die Anordnung der yerschiedenen Bedeutungen gewisser Wörter
einen Anhaltspunkt zn geben rermag, dürfte aus den eben ange*
führten Beispielen ersichtlich sein, denen sich noch etwa eauaa
anreihen ließe. Aber ganz abgesehen yon dieser speziellen Ver-
wertung gibt die Etymologie auch höchst interessante Aufschlüsse,
wenn sie uns bei gf^wissen Wörtern die zugrundeliegenden all-
gemeinen Begriffe ermitteln l&ßt, wie bei aecipiter (Schnellflügler),
argentum (weiß sein, gl&nzen), eancer (hart sein), spemo (mit dem
Fuß stoßen), suavia (gut schmecken), aus (viel geb&rend?), tauruB
(der Dicke, Fette), mnum (Rankengewächs) u. a. In anderen F&llen
müssen wir uns begnügen, durch Beibringen yon yerwandten
Wörtern wenigstens die Zugehörigkeit zum indogermanischen Sprach*
stamme zu erweisen, wie bei equus, frater, g<Uea, mI, aulpur u. a.,
oder ein Wort als Fremd-, bezw. Lehnwort zu erkl&ren. Wenn zu
rideo anf skr. vrldate .er wird yerlegen, sch&mt sich** yerwiesen
wird, so bedarf dies der Ergänzung durch den Zusatz = „er
l&chelt yerlegen^. Die Auflösung yon Zusammensetzungen in
ihre Bestandteile wie coepi (aus *60-ip«), copia (aus co-opia), d^eo
(aus de und Ao^o), dego (aus de und o^o), exta (aus ex-aeeta)^
induatriua (aus indu und struo) u. a. ist eigentlich nur eine Vor-
stufe der etymologischen Erklärung. Wider Erwarten zahlreich
sind die Wörter, und darunter gehören gerade die allergeläufigsten,
die einer allgemein befriedigenden Erklärung spotten. Ich führe an :
abdamen, acerra, aequus, eremo, gero, lepua, metus, pravus, premo,
quaero, BamneSf aepelio, severus, talua^ tardua, temo, umbra, uva,
vagina^ variua, vaa *Gefäß\ vena, vepres, votner, vtdgus, vuUua,
Die auf diesem Gebiete herrschende Unsicherheit offenbart sich
auch darin, daß man Etymologien, die bisher für ausgemacht galten,
jetzt fallen gelassen hat. Ich denke an calamitae (nicht zu ealamua,
trotz des yergleichbaren emolumentum [yon e-indo\)^ camena (mit
Carmen und eano nicht yerwandt), diacipulus (nicht zu disco, son-
dern zu *di8'-cipere geistig aufnehmen, Gegensatz praecipere lehren
= etwas mit den Schülern yomehmen), fcUlo (nicht zu griech.
öipdXXca)^ fnilea (nicht zu müle, sondern zu griech. cf-|iaAo^), nubo
(sehr fraglich, ob zu nubea gehörig), oro (nicht zu oa), parvua
(nicht zu griech. n:ai>Qog), patiar (nicht zu griech. ndöxca), perdo
(nicht zu griech. niQ%^(o)^ aermo (wahrscheinlicher [als zu aerö]
zu \/^au>er sprechen), ailva (sehr fraglich, ob zu griech. vAij). Bei
dem offenbaren Bemühen des Verf., die Etymologie in möglichst
großem Umfange zu verwerten, wundert es mich, daß er dies bei
einer beträchtlichen Anzahl yon Wörtern, deren Deutung sich ja
mit derselben Beserye geben ließ wie die vieler anderer, unter*
E, Mengej Lit6iii.-d6iittehM SehnlwOrterbneli» ang. t. B. Bitsehofaky, 181
lamn bit Ich Btello eine Beihe solcher mit ent8prech«nden Zu-
litieD xDBammen : aduUer (dUer), amoenus (nicht zu amo, sondern
ins *ad-^Mimi$ ^^n den Stadtmauern befindlich **), hc^lux (span. W.),
tainlMB (mhd. hat^, nhd.- Schweiz, haue «Ziege**, nrsprünglich
wohl „Tieijonges tod Haustieren"), causa (nicht zu eaveo)^ eoeles
(wobl aus xiixXatlfj Verbindung mit oculus unmöglich), ebriua
(Ma =r vas vinarium), ßagüium (Öffentliche Ausscheltung : flagUo)^
giiieo (nicht zu griech. xUm ^hin warm'' und nhd. „glimmen*'),
keema (nicht zu lacer, lacinia\ lama (nicht zu laeua)^ lamtnina
(nicht zu griech. ilavpa, weder als ur?erwandt noch als Lehn-
wort aus ilaoiiivfjjy lignum (wohl zu griech. Xiyvvg „Bauch,
Qoalm", deutsch also „Feuerungsmaterial**; nicht zu lego), luseua
(wobl zu lueeo: eigentlich „dftmmemd**, yem Auge „halbsichtig**),
maniica (wohl aus dem Keltischen), merUula (wohl zu eminere,
mons)^ nepa (afrikan. W.), perüua (periculum)^ püentum (wohl
keltisch), planta (kaum „die sich ausbreitende**, sondern wohl
Bfiekbildung aus ^plantare „den Boden ebnen als Vorstufe des
Pflanzens, Sftens**), propago (kaum zu pango)^ aimia (griech. 6i(i6g
«stompfnftaig**), aincerus {sine *cera: Tgl. griech. (bcij^oro^,
jniifaivm „Torderbe**), eponte (ahd. apanet ^Antrieb, Beiz, Lockung**,
nhd. widersp&nstig), talea {xfiXs^dfo, ^äXXm), teeiie (zu teeta:
Tgl. tae, im Flur. = „Hoden**), Uro (?ielleicht aus griech. xeiQoivi
ut^Oj xQißfo = übe), tandeo (griech. xivdcD „benage, nasche**),
tragtüa (wohl kelt W.), triehila (Abkürzung von trielinium?),
iurpie (wohl zu trepü „vertU'*^ ein ptc. necess« „wovon man sich
abwenden muß**), turtur (redupl. Schallwort), täeiseor (wohl zu
ykue, also ursprünglich „schw&ren. gegen jemanden Eiter, Oroll
snsammelD''), veto (wohl zu griech. oix itög „nicht ohne Grund**,
hA^iog [bei Homer ^st,] „Yergeblich, ohne Erfolg, unnütz**).
Die Transkription des Altindischen wurde nach Uhlen-
beck gegeben. Für Schüler, denen Schreibungen wie <irnäti, drdhde,
rnjoH r&tBelhaft erseheinen müssen, w&re eine erkl&rende Tabelle
lehr erwünscht gewesen. Daß in einem SchulwOrterbuche von der
Bsrücksicbtigung des Altpersischen, SlaTischen, Litauischen, Preu-
ßischen, Altnordischen u. a. abgestanden wurde, bedarf keiner
weiteren Bechtfertigung.
Bei der lexikalischen Behandlung der Wörter ist you
einem systematischen Verfahren nach historischen Oesiohtspunkten
and nach semasiologischen Prinzipien, über die noch keine Einigung
•ireiebt Ist, abgesehen und des Verf. Streben lediglich darauf ge-
richtet gewesen, die Yerschiedenen Bedeutungen jedes Wortes in
Bdgliehst übersichtlicher (bezw. logischer) Weise zur Darstellung
zu bringen, und zwar a) unter strenger Scheidung des klassischen
Bod onklassischen Gebrauches, h) unter weitgehender Berücksich-
tigung der Phraseologie und Synonymik, c) unter sorgf<iger
Angabe der Konstruktionen. Besonders bei umfangreicheren Artikeln
wurde die Gliederung durch abgestufte fette Zahlen und Buch-
9»
188 H, Mmgej Latein.-dMtMkM SchvlwOrterbtieh, «ng. t. B. BUsthafBby.
Stäben auch &«fterlich znr Aoschaüing gebracht, intenderhait ab«
warden die BedentiiDgen telbet in der lorgf<igsten Weiee bis int
einzelnste dieponiert. Die vorhandenen Hilfsmittel (aligeneine nnd
Speziallezika, Orammatiken, Stilistiken, Formenlehren) wnrden in
weitesten Umfange benntzt. Die vom Verf. als synkopiert bezeich-
neten Formen aradum, peridum, vinelum waren als die ftlteran
vor die mit u zn stellen. Da praesto in der Bedetttang „sich ver*
bfirgen** als Zusammensetzung von prae9 und tto erkl&rt wird =
«idi stehe als Bftrge'', so hfttte es von praesU^ = prae -f- «^
getrennt werden sollen. Bei inconditus fehlt der Bindestrich. Be.
rflcksiehtigung fanden folgende Autoren: Cicero, Cisar, Ballast,
Nepos, Livius, Curtius, Quintilian (10. Buch), Tacitus (auch lustio,
Aurelius Victor und Eutrop), Horaz, Vergil, Catull, TibuU, Properz,
Ovid, Phädrus. Ausgeschlossen wurden, was man von vielen Ssitea
bedauern wird, Plautus, Terenz, die Briefe des jüngeren Plinivs
und die Biographien Suetons, weil dieselben höchstens ausnahms*
weise in einzelnen Gymnasien gelesen werden. Bine besondere
Eigentümlichkeit liegt in der Anwendung bestimmter Zsichan,
die einerseits stilistischen Zwecken dienen sollen, anderseits wohl
auch als Ersatz der fehlenden Autorenzitate zu betrachten sind.
Aue solche Würter nftmlich, die bei Cicero und C&sar vorkommen,
sind am Kopfe unbezeichnet geblieben. Solche, die sich zwar nicht
bei Cicero und C&sar, wohl aber bei Sallust, Nepos, Livius (Cor-
niflcius und in den Briefen an Cicero) finden, sind besonders be*
zeichnet und zwar anders, wenn sie heutzutage beim Lateinsehreibea
als entbehrlich zu meiden sind, anders, wenn ihre Benutzung heut-
zutage für notwendig oder wenigstens für zul&ssig zu erachten iei.
Solche Wörter, die sich bei keinem der genannten Autoren finden,
erhalten wieder besondere Zeichen in den zwei eben erw&bnten
Bücksichten. Unklassische Konstruktionen oder Phrasen and solche
Zitate, die nicht den Schriften jener fünf Prosaiker entnonuaen
sind, sondern den Dichtern, oder der vor-, bezw. nachklassischeo
Zeit angehören, sind mit einem Sternchen bezeichnet. Übrigens
sind Zitate nicht durchaus verpönt. Sie finden sich, wo es eich
um eine Quantit&tsfrage, um die Synizeee zweier Silben, um die
Synkopierung einer kurzen Silbe, um eine seltene Flexionsfi»ia,
Bedeutung oder Anwendung eines Wortes n. &. handelt. Die
Qnantit&t der einzelnen Silben jedes Wortes ist genau angegeben
und zwar in der Weise, daß die durch Position langen, aber von
Natur kurzen Vokale durch ein eigenes Zeichen kenntlich gemaeht
sind. Benutzt wurden die maßgebenden Schriften von Marx nnd
Körting. In zweifelhaften Fftllen wurde die Quantit&tsbezeichnaog
nnterlassen, was natürlich h&ufig bei Eigennamen geboten war.
Irrtümlich ist die Quantitätsbezeicbnung unterblieben in expolitio,
manua e. v. mäne, von pugna bis inkl. pugnua (anf der Anfangs-
silbe). Zu verbessern ist tnfeliXf instäbilU, magnöpere nnd
tnaximöpere (s. v. magnöpere)^ permäture$co, pröctdo. Sine
Kulm-CharlHy, La France Litt^raire, ang. ?. F. Wawa. 138
weMDftlicbe Vareinfacbiuig wftre es gewesen, wenn naeb toostigem
6«braiicbe dU kurzen Silben ganz nnbezeicbnet geblieben und das
Könezeieben ^ zur Markierung der positionslangen Kurzen ?er-
wMdet worden w&re. Die yerhftltnism&ftig wenigen nnsicberen
Fftlle b&tten dnrch einen knrzen Beisatz, etwa ,»Q.?'S bervor-
febobeo werden kOnnen.
Was die Eigennamen betrifft, so wurden nnr solcbe anl-
gaoommen, die nach des Verf. Ansicht Anspruch auf erklärende
Angaben in einem Schullexikon erheben kOnnen. Er glaubt übrigens,
io diesem Punkte eher des Guten zuviel als zuwenig geten zu
hiben. Vorausgeschickt sind Bemerkungen über die Deklination
dtr griechischen und der (besonders lateinischen) Nomina, ein Ver-
liidinia der Abkürzungen und eine Zeichenerklümng.
Der Druck ist korrekt Ziemlich oft sind die am Schlüsse
Tiiler Artikel zur Einleitung der etymologischett oder der die
FonD(en) betreffenden Angaben angewendeten Buchstaben E und F
ferwechselt Ich yerweise auf atfi, delicatuSf ßdo, fragor, laar,
Mir, obUrOf p€U>, petuiana, plango, panti/ex, rudo. Weiter ist mir
lafgefallen s. t. adelphi: ääBk(pov st iösX(pol^ iniernluaio et.
inkrelusio, s. t. migro (E): F statt des Wurzelzeichens, s. ▼.
mma: Mine st. Mine, s. t. nugax: nngae st. nugue^ s. y. plnü:
lebwimmen st. schwimmend, s. ▼. poeco ist zu ergänzen (got)
fraiknan^ s. ?t. radix und ree (E) fehlt der Wurzelvokal.
Das BorgHUtig gearbeitete, bequem zu handhabende Buch
wird bei Lehrern und Schülern voraussichtlich groäen Anklang
finden. Der Preis ist müßig.
Wien. B. Bitschofskj.
La France LlttAraire. Eztraits et Hiatolre. Zorn SehQlgebrauch heraus-
iregeben von Dr. K. Kühn und 8. Gharl^ty. Mit eloem Plan von
Paris, einer Karte der Umsebung von Paris and einer Karte von
Frankreich. Bielefeld und Leipzig 1906, Verlag von Velhagen k
Kissing. Vm und 376 SS.
Wie schon der Titel anzeigt, zerf&llt diese Chrestomathie,
welche znn&cbsi als Fortsetzung zu Kuhns Lesebuch La Francs
ä kt Fran§a%e (s. diese Zeitschrift, Jahrgang 1905, S. 845) ge-
dacht ist, aber auch selbstündig gebraucht werden kann, in zwei
Hauptteile: L Lektüreproben (ExtraUs)^ H. Literaturgeschichte
(Hietoire). Sin Anhang (Appendice) gibt erkl&rende Anmerknagen
a den beiden Teilen (Notee explicativee) und biographische und
IHsrarische Bemerkungen zu den vorgeführten Schriftsteilem (Notiees
hiographtquee et liitiraireM). Den Schluß bildet eine kurze Vers-
lehre (ProBodie franfaiae).
Was nun den L Teil betrifft, so überwiegt dem Umfange
»ach das XU. Jahrhundert (mit 162 SS.) bedeutend die beiden
134 Kühn-CharUty, La Franc« Litt^raire, ang. t. F. Watora.
TorhergehendeD (mit 48, bezw. 49 SS.). Oew&hlt wurden yorzags*
weise solche Schriflsteller, welche noch nicht in Schalansgaben
und anderen Lesebüchern vorlagen« Daher finden wir nnter denen
des XIX. Jahrh. nebst anderen vertreten : O. Sand, Balzac, Flau-
hert, MaupasMfU, Zola, P. Lati, A. France, Lecante de LisU,
Richepin, HSridta, Rostand. So macht denn das Bnch dnrchaas
den Eindruck des Nenen and Modernen. Daß die beiden Heraus-
geber ihr Augenmerk auch noch darauf richteten, vor allem Proben
zu geben, die ffir die Beurteilung der Schriftsteller und ihrer Zeit
von Bedeutung sind, braucht wohl bei ihnen nicht besonders her-
vorgehoben zu werden.
Der n. Teil gibt nicht einen einheitlich geschriebenen literar-
geschichtlichen Überblick, sondern es kommen darin ffir die einzelnen
Literaturperioden und die hervorragendsten Vertreter derselben ver-
schiedene neuere Literarhistoriker {Paul Albert, AUngny, Doumk
u. a.) zu Worte. Hier tritt das Persönlich - Biographische meist
hinter das allgemein Kultur- und Literargeschichtliche zurfick. Auf
diese Weise erlangt die Gesamtdarstellung eine größere Gedrängt-
heit und Übersichtlichkeit. Nur das Leben der ersten Heroen der
Literatur (ComeiUe, Racine, Molüre, Lafontaine, Voltaire, Bouseeau
und F. Hugo) wird kurz skizziert. Auch wird an die Darstellung
von Corneilles und Bacines Leben und literarischem Wirken die
Analyse von je drei ihrer Dramen (Cid, Cinna, Pclyeude; Andro-
tnaque, Phidre, Äthalie) angefügt. Doch konnte nicht ausbleiben,
daß sich in die etwas mosaikartige Zusammenstellung trotz aller
Vorsicht der Herausgeber Widersprüche einschlichen und darin
Ansichten vorgetragen werden, welche nicht immer denen der
letzteren entsprechen. Deshalb finden sich auch Öfter in den
Erkl&rnngen des Anhangs Bemerkungen entgegenstehenden Inhalts.
Es w&re zu wünschen gewesen, daß h&ufiger das im Text Vor-
gebrachte richtig gestellt worden w&re. So enth< namentlich die
diesen IL Teil eröffnende Betrachtung über die Entstehungs-
geschichte des Französischen nach CUdat mehrfach unrichtiges,
bezw. Ungenaues. Auch in den literar-geschichtlichen Partien gibt
es wohl mehr als einen Punkt, der zur Kritik herausfordert. Davon
abgesehen, ist die Lektüre dieses Teiles höchst anziehend, dank
dem Geschmack und Urteil, mit welchem die Herausgeber in der
Auswahl und Zusammenstellung geeigneter Abschnitte aus fran-
zösischen Literarhistorikern vorgegangen sind.
Die an erster Stelle im Anhang stehenden erklärenden An-
merkungen (Notee explicatites) könnten etwas reichhaltiger sein,
namentlich im Anfang. Dem Gebrauch des Artikels in au Mazarin
S. 265, 4 (schon S. 9, 27 steht le Maearin) liegt nichts Herab-
setzendes zugrunde; er erklärt sich vielmehr wie in le Tasse, le
Titien und anderen italienischen Eigennamen.
Die darauf folgenden alphabetisch geordneten biographischen
und literarischen Bemerkungen (Notices biographiques et liUiraires)
Fmoidiitcbe Lesestoffe, aog^ r. F. Wawra.
1115
difl iricbti^iteD Daten aber jene Schriftsteller^, deren Leben
Mi liter&riächft Tttigkeit in II keine besondere Darfitellimg ge>
Mm bat. Immerhin bftttan wir auch diese lieber in die eigent-
licjti yteratnrgeiehicbte verwoben geBehen. Hier iit S. 371 vor
Jtem^ alt Vürntme statt Eughm Edmond einzusetzen.
DiB Ganze wird abgeBchlosstn durch eine Verslebre von zwei
^^StitBQ (Pros&diS /rangaiM), welche sich auf das ÄHernotweDdi^ete
^B D&» ß^ch bietet vom Anfange bis inm Ende eine gennB*
^Biiek Uktöre. Der Triacbe» kr&l'tige Zug^ der darin webt, kann
^^icbt f«rf«bten, anf bildungsfähige Jünglinge fördernd nnd anregend
I lioiQviiken, nnd damit dürften die Beranigeber das Ziel ihrer
I Bttfllionifen fAr eneicbt halten.
Franzdsisehe Lesestoffe-
Mcecirs dea lUBectes (Hym^napthei). Per loaie Figaler.
igewiblt und fQr den Bcbckigebrftaeb erkliit von Dr Fritx Strob-
niejer, ObeHebrcr an der itfidt liealiebnk in Cbarlottenbarg. Mit
S Äbbiiduiji^en (55. Bändeben der f. Abteilang der ^^ebulbibliotbek
fruit, nnd en^L ProiaschnfteD^» heranafc^ebeD tod L. ßabUen und
J. Eiengeebacbu BerliQ 1906, VVeidmannecbe Bocbbandlnng^ X and
m 8s.
DieBer dem größeren Werke Les Insectes des rühmlichst he-
iminn franiöaificben Natnrforscbers Louis Fignier entnommeBe
ibichoitt beschreibt mit wissenschaftlicher Genauigkeit, aber in
miftliinder Form das Leben nnd Treiben der den „Hantflnglern
(ijiiDepteren)* angehörenden Arten der Bienen, Hnmmebi Wespen
ni Amtisen. Die von greller Sorgfalt zeugenden Anmerkungen
^M HiTansgehers erläutern den Teit in sprachlicher und sachlicher
Biiiicbt Der Stoff läßt sich recht gut bereits anf der ersten oder
ittiitMi Lektfirestafe y er wenden.
L«S Provinces Franyaiseß: Mmra, Habitudes, Vie. Par Henri Bor>
Dccqne« prefeiseer a FuDiverBite de Lille, et A. Müh! an, doctear
ei-|#lir«g, profesBeur au Ijcde foyal de Glatt (56. Blodchen der
[ l AbUÜnng der ^8Ghulbibliotb3k franz, und eogL Proiascbriften",
l ktisaegegeben tod L. Bahtien ond J. H<«ngeflbacb). Berlin 1306,
I W^dnkanntobe Buchbandlcng, VI 11 und 156 8S.
f Wahrend in älteren Schriftcben wie Brunos Le tour de ia
mnce nnd dessen Nachahmungen die franko tische Jugend mit
kfin Heimatlande in geographischer , landwirlscbafUicber und
iBduatrielkr Hinsicht bekannt gemacht wird, die Sitten der Be-
muf jedoch nnr ieUen mit einer Bemerkung gestreift werden,
ktUn in dem oben erwähnten Werkchen letztere in den Vorder-
Pud, indem der franzl^sische Verf. den Dentschen — denn diese
^ er mnäebat im Auge — ntebt nnr das äußere Leben der
im mUgemeinen^ sondern auch die Besonderheiten, nament-
136 Mistr^d^Mühtan^ Bonwtmn de Jeutetat, «ttg. 7» J. E&ü.
lieb die AHB älteref Zeit staiDDitndeB Sitteu und Gebr&ucht ?or«
ftfart und lii eiDen Blick toii läßt io deo Volkae bar akter, wie ir
Mfa in den «inzeben ProriozeD wiederspIegdU, Et kommt ihm
dabei ror allem daranf aD, dae jedesmal Cbaraktenetisehe find
Fittor&fike herTorznbebep. Daher v&hlt er sieb zum Yorwnrf hAii|»t^
üeliUeh eolebe Landesteile, welcbe noch ein gut Ttil ihrer alieo
Ulfiehtungon uod Lebens^ftwobDbeiten id dla modems Zeit hiniber»
gerettai baben wie Flandern, die BretagDef die Freigraftebailt
finrffiiiid n. a* Ancb das Leben in einem Dorfe und in elser Land«
ttadt (bizteres in Briefform) lernen wir kennen. Das Bäofaltio,
welcbes noch mit dan Text begleiienden (französiecb gescbriehtoeii)
Anm erklingen yerAeben ist, därlte Btcb in knrzer Zeit bei Lehrende»
wie Lernenden gleich großer Beliebtheit erfrenen und eignvt tieb
besonders fnr die Priratlektäre.
Wr.'Nenstadl
üu F. Wawra.
F. MiatraU Sau?enirB de Jennesse. Eitralti de tee „ildmoiKi
et R^oiti'*. Ftr dai g&ote deutsche Spracbgebiet all ein bereofatigti
Sehukiisgabe TOti Dr/ A. Müblan. 1. Teth EinleittiDg, Tust nod
Anmerkanfen. Preis geb. Mk. 1 60. — IL Teih WOrterbncb. Freii
Mk^ 0*30, Neb fit Bikinis des Dtebters mit Beiß er eigenbändigen XJnUt-
ichrift Qod einem Eiitcben der Provence. Leiptigj Gerbard (Fi'aDl&-
■itche SchuliuegAben Nr. 22) 1907 i).
Kistral Terdient wegen der liervorragenden Stellung, die er
miter den nenproveoii^aliscbeD Dicbtern einnimmtr in ncBeren Scbnlen
gelesen zu werden. Wenn auch von seinen im Patoia geacbm*
benen Werken, denen er gerade seinen Enhm verdankt, abgesehen
werden ma£, so können doch ganz git die .^Mdmoires et Eöcita**
herangezogen werden, ans denen Möhlan hier eine Auswahl bietet
Der Dichter schildert nns darin in anziehender Weise iiln Leben
bis znr Yeröffentlichnng seinea berühmten ländlichen Epoa Mirölo,
nber dessen Entstehnngsgeacbichte wir manche interessante Mit-
teilnng erfahren. Da Mistral der Sohn eines wohlhabenden pnp-
Tenzalischen Landwirtea ist ond seine Eniebnng anf dem täter-
ücben Gnte erhielt, ist ee kaum anders m6gltch, als daß er in die
ünihlnng seiner Lebensgescbiclite manches anmutige Gemälde ton
den Sitten der Landbefölkernng seiner tonn igen Heimat mit «tnflieht.
Mistrals ^Memoires'' werden von der Jngend nnaerer höheren
Schalen wohl nicht minder gero gelesen worden als Le petit Chosi,
Tartarin und die Lettres de man MohHd seines engereD Lands
mannet Ä. Dandat Besonders unsere Französisch lernendtn Gjm-
nasiaateD werden darans neben Untarhaltnng ancb macnigfiche
BelehrnEig ecbOpfen. Für manche Namen« die ihnen ans der Qe4>-
grapbie gel&a£g sind, werden sie hier Wort- nnd Sacbsrklirnngen
'} Wir behaltet] nns ¥0r, auf diese interessatite Änigabe demaiebst
iflfllekiukoninieD. Dia Bedaktioo.
MHitul'Mühlani SouTentri dt JeanesB^^r mg, ? . J, Kail 137
idifl, dit «tif difi römisch 8 AUeriotn zurückweisen. Äncb eine
laubl Vök&b«ls, die in der Sprache des Nordens »elteu oder gar
lieht b«gegiieQf sowit «inige sjutaktischeEigentäimUchlEeiteD werden
Sehwierigkeit mit dem Lateioischen in Znsammenbang
und richtig übersetzen.
ie der Anigabe MüblanH voraiiageEcbiekten Bemerkungen
Miitrals Leben und Werke sowie die Änmerktingen zn ein-
ülEtm SteDea des Teites sind gut und für Scbnlzwecke 7oll-
kamio tiinreicbend. Der Drnck des Textes nnd der Anmerkungen
km Im f&n%on mh sorgfältig bezeichnet werden, nnr bie nnd da
Mit man anf kleine Irrtümer: 3, 26 dSsig-natU st, dM-gnant;
8i 25 m B%. ä\ 46, 8 inwr^ st. enivri§; 68, 6 Z^f/f/rr st
Uto^ 89, 10 ist wohl bester te statt la in lesen; 112 /n 100,
10 ipFH§ st. 4pr€iL Dagegen wirken im W&rterbnche di^ zahl-
»icbtQ Ttrsfthen des Setzers nnd des Heransgebera recht störend :
ihrmn st. harrau^ 7 öUnir st hUttir^ 8 candeiabre st. cündUühr^^
IM eÄar^ Fähre et Fnhre, 13 di&vHir at. dMtir, 11 farand
Ki f^trawit 80 ra^ocAa^r^ et* ral^ächage, 37 evrro» st i?errou, 38
b0L foTi/ aaiöbnia st. Gelöbnis-, Sttßi (Teit 46, 22) fehlt im
^OrtftrbQclie gäntlicb. Bei einigen anderen Wörtern lat gerade
m ^dentnogt in der sie im Teile erscheinen, nicht angegeben.
Bft biüet -fm hmqttti das Wörterbuch nur'Stränüchen'; 37, & be-
^t le ^Gruppe'; eannß ist bloß durch 'Rohr, Schalmei' über*
Miitt 35, 21 weist der Zusammenhang uu?erketmbar auf die Be-
tetiitf 'Kanne, Krug hin, für welche in der Sehrifteipractae alter*
fafl nur die Verkleinerungsform caneite gebräncblich ist; bei
ftfifr itiht 'tragen, bringen, richten'; 97, 29 heilet es "mit^
oibM«*; ^aiUard kommt 88, 29 auch als Snbstanti? ^Eerl,
Baiitbi" ?nr; für saigmr paßt weder 38, 25 noch 45, 6 'hinten,
mk4m lassen', sondern 'umbringen, erwur^^en'; smger kann 11,
1 lad 81« 4t 5 nur durch 'träumen \ nicht durch 'denken' wieder-
lifft^ia werden; geradezu belustigend würde «s wirken, wollte
Mo aaeh dem Wörterbuche etre blanchi 36, 21 mit 'gewaschen
furiin ibersetien; ^. bL et nmtrri beißt dert natürlich 'freie
JV'liche und lost bekommen'; tirer an derselben Stelle ist durch
iniitreiebenf einzteben^ zu Terdeutscben; compagnie wäre 89, 21
ui 90, 2 lieber durch 'Gesellen, GehiltW ais durch 'Qesellschaftf,
^^(irimr 18, 4 besser durch 'Beim' als durch 'Inneres' zu geben,
fias 4«a Wöfttrböch die Obersetzung von iout ä eoup, faire
iÜMitei fnifn maurir bringt, würde man auch die vun mup de
fmt$ *Bili (SSt 10), ä €i coup dieamar (67, 12), faire damer
"ttitTi»Ä aufspielen^ (41, 21} u* a. erwarten. Von einigen Wörtern
iM iDTicfalige Bedeutungen angegeben: btmdir nicht Soll sein',
Woil oiaflbeu, fülltn* (83, 27); dSvoyir nicht 'auf Abwege
sondern a. Ä. fuhren (34, 10) ; fair$ mvie nicht "neidisch
, ioodtrs *Lust, Verlangen erregen ^ gelüsten*. Bei den
^^■tullfiti hmrkgij hn^f Iwre, meukj ms ist das Qtscfalecfat
138 K. EeinoMmn, Goethei Werke, ang. v. 8. M, Frem,
falsch angegeben. Die alpbabetiBcbe Ordnung ist nicht immer ein-
gehalten: hrasier^ biasphSmer, hrassie; ehai, ehalan, ehäUau;
fauieur, faux, fauveUe; merveiUe, meiure, messager.
Prag. J. Eail.
Ooefhes Werke, unter Mitwirkong mehrerer Fachgelehrter heraus-
gegeben Ton Prof. Dr. Karl Heinemann. Kritisch darchgeeehene
Ausgabe (Mejers Elassiker-Aasffaben , heraosg. tob Prof. Dr. Ernst
Elster). Leipsig und Wien, Bibliographisches Institot. 28., 18 — 21.,
25., 27. imd 28. Band.
In unmittelbarem Anschlnsse an meine letzte Anzeige dieser
Ausgabe mag zun&chst erw&bnt werden, daß die zweite Hftlfte des
23. Bandes einzelne Aufs&tze Ooetbes entb<, die einer ftußeren
Veranlassung oder einer augenblicklichen Regung des historischen
Interesses ihre Entstehung Terdanken; es sind zumeist kunstge-
scbichtliche Abhandlungen : fiber griechische Skulpturen, über Vincis
Abendmaly den Triumphzug C&sars von Mantegna und das Bochas-
bild (Bingen) u. a., wozu 0. Hamaks Anmerkungen eine kurze
Orientierung geben. Diese Aufs&tze bezeugen nicht allein Goethes
?ielseitiges Interesse, sondern auch die Tatsache, daß er die Heimat
der Antike in Griechenland zu suchen begann und von 1818 ab
eine frische kunstgeschichtlicbe Tätigkeit entfaltete. Der 25. Band
(bearbeitet ?on Georg EUinger) bringt Goethes Änfsäts^e obar
Theater und Literatur, Ton denen als bssondera ivicbtig die Be*
richte über die Erstauf fühmn^ vod Scbillera „WaUeiisUiD'^ in
Weimar und die (1808 entworfen eo) ^Hegeln für Scbanspieler" ge<
nannt werden mögen* Im zweiten Teile des Bandes begegnen ans
außer einigen Rezensionen Goethee (z. 6. des ^Eegolni'' von Callin,
Hebel) ein Auszug aus der Hackert-Biographief eine Voranzeige Ten
„Des Epimenides* Erwachen'' n. a. Ein tficbttges GeBamtregister
am Schlüsse dieser im ganzen treffJ leben Ausgabe wird vor aUem
nötig sein, um das Zusammengehörige obne großen Zeitverlust inf*
finden zu können.
Der 27. Band enthält den ßeiTennto Cellini mit einer draog
sachlichen Einleitung von E. Yossfer, wO£q der „Anhang'* und die
Anmerkungen des Herausgebers im 28. Bande folgen. Hier babed
auch die Übersetzungen „Bameanä Nefe" und Diderot« «Versniih
über Malerei*' Platz gefunden sowie Goetbee Beden (cur ErOfluDfif
des Bergbaues in Ilmenau 1784, die Trauerreden anf die H«nof tu
Anna Amalia 1807 und auf Wieland 181S uiw.). Durch Rinbc-
Ziehung der Lesarten der Weimarer Ausgabe wird der We
bekannten Schriften Goethes in wiageneebafUi''^^- ^
deutend erhöht; die Anmerkungen halten sich
einer weisen Beschränkung auf das N<>tige.
Der 18. Band enthält Goethea ^FastnE
Frankfurter 1772 — 1774 und den Weimarer »
Es HnnHnmm, Qo^ihm Werk«, ^ng. v. S* M. Prem,
139
£0 dii B^Tolationidranien, Prologe Goethes und Verwaodtea mit
' Ciulflitongen und Erllüternngen tod Th* MatthiaB, die ßaehlicb dag
irfardtriiche wiBseDScbafUiche Material bieten, mancbmal jedoch
Dü^tDiQ lind und sprachlich Dicht immer attf der H6he ateheD,
S<i bifit »8 gleich S. 7 - „ScboD in der eraten Geatalt, m der da^
8eä^hartepjeP) im letsteo Drittel des Märi 177B aU Gabe für
Füiod Mtreke beTorB tobenden Geburtstag to Darm ata dl eiDtraf,
nm dsrm miB&Jgfaebe EriDDeroDgen , AnregoDgeo und Stndiea
itfainaieDgeflaiaffi*** In den ÄninerkungeD zjn den „Aufgeregten"
Hdbt S. 459 fotgendta: „Die Angabe Preme, Goethe, S. 506.
Aid. 144 (8. Anft, , Leipzig 1900), Ton einer tateächlichen Anf-
Uhraof ') am 16. Jänner 1898 am Berliner Hoftheater flcheint
itf Irrmm zu beruhen^'* Da ich diese Notiz ntcbt ans der Lnft
ftgriffüi tu haben glaubte, wandte ich mieh (dircb die Vermttt-
ittf ßtinhold Steiga) an die Berliner Generalintendanz nnd zngleich
«0 Pdta T, Stenglin nnd erhielt TOn beiden Seiten die BeBtätignng
T^ü der Adflnbrnng dea Stackes im kg!, Scbanapieibause am 17,
JltM>r 1898 (nnd einir Wiederbolnng). Yon dieser Auffnlirüng ist
4lfjg«D8 damslB in Berliner Blättern viel dte Bede gewesen. Doch
gtavg difonl Im 19. Bande bringt der Eanptberansgeber Karl
HtisimaoD Goethes Singepiele, die Feßtapiele ttnd „Die Wetta".
2g dun nörgelnden Bemerknngen S. ^9S möchte ich folgen das
tt|i&; n^^^ Kaiserin hat jedenralls den Stoff exponiert , Goethe
ilur mit m^^giiebgt getreuer Anlehnnug daran das Stück gemacht.
iifdjfse Weise fällt es dann nicht anf, wenn er das Stück selbst
«umatig* nennt. So meinl es wobl auch Saner in den Goethe-
•chriften 17, XXI?.
Den 20, Band besorgte abermals Th. Matthias, der hier die
4rimatiieheD Fragmente nnd Einzelheiten, anch „Belsaiar" nnd
^«1 jTngendspiegeP sowie die Opern fragmente und Goethes Über-
HUangen (S. 293 fg*) bietet Den «Mahomet^ hat instwiecheu
Mim mit eingehenden Ontersnchnngen ins rechte Licht gerückt.
B«r 21* Band dieser Ausgabe, der von E. Heinemann bearbeitet
iit, enthilt Goethes Eezensionen in den „Frankfurter gelehrten An-
»igin*' (1772 — 1773), kleinere JagendechriftoD (darunter die
JudeDpredigt^) und Dramen in ursprüDglicher Gestalt; hier findet
lith inch der „Urfanst" und die erste Bearbeitung der „Iphigenie"
laoProii). Zum ^^Götz*" 3. 246 nnd Anm. S. 476 m5chte ich des
teffttaeg wegen erwähnen ^ daß Margarete t, Edibeim ^ Tochter
Itiaer Maximilians I. und zweite Frau des Helfenstelners, den die
hum durcb die Spieüe jagten, in einem Bilde erbalten sein
ttrfte^ fOD d#m M. Hecbfellper im Progr> dea Gymnasiums zu
*^ ,Dafl Jafarmarktifeit tu Flunden weilern." Die Stellen
worIwOrthch » ohne das Geringste iu Indero , aaesulassen oder
*> D«r St«ngliniCb«ii Ergfeutuog des Dnuna» (1897).
140 Graesers ScbnlAOs^ban klait. Werke, iBg. ▼. F. Poüak.
Innsbniek 1901 , 8. 88 spricht. lo deo ÄDmorkiingeo zu „Erwii
und Elmire*", S. 476 werden ans der Opempartitnr der Henogin
Anna Amalia (Weimarer Sophien- Aasgab«, 88. Bd.) aneh die im
Texte Ooelbee fehlenden Lieder abgedrückt Desgleichen sind überall
in dankenswerter Art die Paralipomena zn Goetheseben DiehtangeB
Terzeichnet, znm „Fanst*' endlich anch noch die Weimarer loazs-
niemngsversnche ?on 1812, die Szenen rem Badziwillschen ,,Faost''
nnd die Verse znm Monodrama „Fansf, die an Stelle der Vine
680—685 der Bearbeitung von 1808 treten sollten.
Graz. S. M- Prem.
Graesers Schulausgaben klassischer Werke.
Im Jahre 1883 erschienen die erstMi Heftehen der Oraaser-
sehen Klassikeraasgaben , so daß die Firma ein kleines JobilftSD
zu verzeichnen hat. Seither hat sich die Sammlnng ans bescheidanM
Anf&ogen stattlich entwickelt; fast 800.000 Exemplare sind —
nach der Angabe des Firm ain habere — verbreitet. Sie hat aich
anch innerlich nicht nnbedentend ver&ndert, nnr der Preis — das
sei rühmend erw&hnt — ist dnrch 28 Jahre nnferiadert geblieb« ;
erst in der neaesten Zeit wurde er etwas erhöbt. Das Programn,
das der Firma ursprüDglicfa yorgeschwebt bat» ist jetzt yoUaUadig
aaagefflbrt, ja sie ist schon darüber hinaasgeschritten. Die Werke,
die man mit dem schwer faßbaren Beiwort „klassisch^ allgtmain
zu bezeichnen pflegt nnd die für die Schule bislang in Batracbt
kamen, sind fast alle in der Sammlnng vertreten, die meisten tod
ihnen in Neubearbeitung. Wenn noch immer neue Hefte in Vor-
bereitung sind, so deutet das auf die überall bemerkbare Eracbainaog
hin, daß der Schule der alte Bahmen zu enge geworden ist, daß
sie Neues in ihren Bereich ziehen will; die Einsicht der Firma
ist zu loben, die diesem Verlangen entgegenkommt.
70 Nummern sind derzeit im Umlauf; eine kleine Statlstiic
zeigt eofort, welcher Art iJtBBr& SchuUektäre ist, 44 Namiuiri^
gelten dem Drama, 9 dem Epos, ebeüsovide <ler Ljrilt, ttntif
dleBeo eine Antholügie ^ Österreich tscbe Dicbttr d«t XIS. I«hr^
bonderts" ; von den 8 übrigen Numm^ru sind & kntiscb^IalbvÜit^iO
Inhalts, 1 hiatoritch'politiscb^r Art« ein Heft ^ibt Piitt^D »^
DicbLnng und AVahrbeit, ein auderes Proben der dmUtbm H^Uiia-
sage. Das AnfUlligsie bei dieser Auswahl iti «4illif*ad»
Prosa* DichiUDg ganz vernachlftsaifjt er«r*Tp -ji^^i ^ uiDwa^t^J
LebrplaB nod unseren Instruk''
Abneigung gegen Dlchlnn^n^-i
am KGäcbtigsteii ani il<i^
kanm eiistteren« eutäpri
lieb erleben wir ea^ 4
Ofm^en SflbttliOigibes kUis. Werke« äog. ?. F. I^Uak^ 141
4ir t^ilbelm MtiaUr doch einmal ODter di« obligatorisch zu
l«HO(l«o Werke aüfgenomtDon werden, daß SchiilaaB^ab«a das
.StQipliiiiftiiDtii" erBcbeiDeu, dal^ Wielandei da£^ Schillers eri'.ÄhleDde
Fna4iiii 8cböler bekannt werden. Welch weites Feld sieb eröffnet,
wm «inmal das XIX. jahrb ändert ^ebübreod berückeicbtigt wird^
dii kfftocbt QJcht ersi gesagt iq werden. Mancher treffliche Pro-
fite l6ouie durch 4ie Scbule io lebendiger Erinnerung erhalten
Hfimi leb oeone nnr Sealsfield, dessen Werke bente schon selten
fifordtn Bind. Dafnr werde die Sebnie noachwer eine EinscbräD-
^lof der kritischefl und Astheliecben Schriften vertragen, Übrigeas
riraiiU niao in dieser Gruppe bei Gr&eser eint Herdtr -Nummer;
aifa die ^Ideen'' könnten herangezogen werden. Zu ^,Dicbtnng
Ui Wahrbeit*' wäre als Qagenstock Orillpar^ers Selbdtbiograpbie
intocbt. Wenig bedeuten die IjriscLen Nnmmem der Sammlnng ;
ik Leiihicher bieten ja aacb im allgemeinen genug Lyrisches nad
dii iQsacnmenhängende Lektor« eines Ljrikers Ist in der Schule
kkum anKuempfablen ; sie iteileo mehr eine respektvolle Verheugnng
wm diu Aatorsn dar, als daß sie nntnittelhar praktischen Zwecken
0mm. Bae Epos ist hinreichend vertreten, sogar stirkefi als die
Sdialpruii fordert.
Diritit und in Zukunft wird die SchaUektöre das Drama
v^orxQgiweis« püegen, hierin eine gute Auswahl zu treffen ist
du Hiiiptanfgabe. Bei Graeser entspricht sie dem gegen»
^irtigtu Schul gebrauch; für djs Znkanfi bleiben wohl einige
Wintebt. Sebilier ist eo gut wie vollständig vertreten, von Goethe
Mm die Singspiele, Stella, Natürliche Tochter, Faust 11* dann
^« kleio«rea Dramen nnd die Eerolatignistücks, lauter Werke,
«liehe die Schale enthebren kann oder muß; auch bei Leeeiog
«tliehisii wir keine Erglnznng. Anders bei Grillparzer: boffontlich
t^omiatö wir noch „Web dem» der lügt*", den f,Treuen Diener**,
,IJii Mesfes und der Liebe Wellen" — auf die „Judin von Toledo"
kfiait mall allenfalls verzichten. Überängstliche Bedenken wegen
du laliaUa der drei let^enannteB Dramen eind doch wohl bei
Uturer Lebrtnehaft nicht vorangz;nset£on. Außer den Dramen dieser
IUI gebnlklifisiker im engsten Sinne des Wortes haben noch Kaum
fifaiiien „Juliue von Tarent*'^ „Zrinj"> „Eögulus'S „Ludwig
lir BiLier'', tanter recht matte Dramen, die vermutlich nirgends
MialiviAtg gelesen werden , nud drei Dramen Elei&ta. Das ist
MintnngBfolJ, hier lenkt die Schul iektüre in neue Bahnen ein.
tdiit ielbst muß vervollständigt werden, mindestens durch den
•Zirkfoe^eaen £rug^; an ihn schließt sich dann Hebbel, dessen
•libiittiigtii'' bereits in Vorbereitung sind. An diese sollten sich
Aocb «Maria Magdalena", eventaeU der ,,Gyges*' oder die „Ms-
ifeni** rtthtn. und neben Hebbel gab6rt Otto Ludwig, neben
^ebdrt Eaimund, fielleicbt Bauernfeld — es ist noch
füiiif tut die Zukunft da, seihst wenn man von „ modernen*'
Im engeren Sinns absieht.
142 Graesers SehalaaagabeD klaM. Werke, ang. ▼. F. PoUak,
Einige Werke ans fremden Sprachen schließen sich den
deutschen Schnlaaioren an, vor allem Shakespeare, der bisher mit
sechs Dramen vertreten ist. „Richard Ul.^ nnd „Othello**, deren
Kenntnis doch dringendst erwünscht w&re, fehlen, anch alle Lnst-
spiele, Yon denen „Was ihr wollt*' leicht ffir die Schale einzu-
richten w&re. Nnr ffir die Bealschnle ist ein etwas mageres „Dias**-
Heft bestimmt ; auch Moliöres „Geiziger** findet sich in der Samm-
lung, man sieht nicht recht ein, zu welchem Zweck, da im Gym-
nasium ffir dieses Stfick kaum Zeit bleibt. Wollte man diese
Gruppe über Shakespeare und Homer hinaus erweitem, so wößte
der Bef. keinen fremden Dramatiker zu nennen, dessen Lektflre
wünschenswerter als die Ibsens, an dem der Schüler Yerst&ndnis
für die neuere Dramatik gewinnen könnte. Vom rein literar-
historischen Standpunkte aus ließe sich allenfalls noch für irgend
welche Proben aus der Tragidie cktsaique plaidieren — Schillers
„Ph&dra^'-Übersetzung würde genügen.
Bei der Graeserschen Sammlung ist es dem einzelnen Heraus-
geber fiberlassen, wie er sich mit seiner Aufgabe abfindet. Nur
rein äußerlich ist die Einrichtung durchaus einheitlich: zuerst
die Einleitung, dann der Text, in einem eigenen Teil die Anmer-
kungen. Dennoch kann man auch in der Behandlung eine gewisse
Übereinstimmung bemerken, besonders in der Torzugsweisen Berück-
sichtigung sachlicher Momente Tor dem rein formellen. Die Ein-
leitungen geben im allgemeinen die Entstehungsgeschichte des
Werkes, sie legen das Verhältnis zwischen Stoff und Dichtwerk dar,
gehen auf die Beziehungen zwischen Werk und Autor, auf die
literarhistorische Bedeutung ein; erst in zweiter Linie analysieren
sie das Werk selbst nach technischen und ästhetischen Gesichts-
punkten ; die Anmerkungen sind, was sie sollen, Behelfe zum Ver-
ständnis schwieriger Stellen. Das ist gar nicht so selbstverständ-
lich, wie es scheint ; wir dirfeu diese SacbBchkeit aach okht aus-
schließlich als ein Ytirdlenst der einzelnen Äntoren anfieheUi aond^rn
sie ist dem Geiste der 5BterreicbLechei] MitteUobnU zu danlcen.
Klar wird dies^ wt^nn m&n unaere Samiulnng einerseits mit andeiss
österreichischen vergleicht, die im weseatlieben denselben Charakt
tragen, anderseits mit solchen reicbedentscher Herkanft, z. B. mK
Teubners „üeatachen Scbnlane gaben**, die Gandig and Tricl
herausgeben. Bei dieeen febU die Einleltang ganz, die AnmerkQn^i
sind äußerst spärlich, dafür yerbreitet sich ein .^Anhang"^ m lüi
möglichen „Dnrcbblickea^ und ,^BückMicken** über im Gliednun
und die Charaktere des Dramas. Dte Schule c'*»**^"*^ -^"^
das bei der Lektüre in betonen, was
raschesten dem Scbnler seine Dicbt
Die GraeserEcben Ausgaben sin
wertig. Man könnte nnter ihnen ^wei C
die eine mehr nach wisgenecbaftlicbe
keit, die andere mebr nach scbulmilß
«
Qfm^er§ SckalaoBgabeo kJati. Werke, an^. t* K Pöllak, 14:^
fliof mahr zum Lehrer epricbt, deco sie Materia! bieter) will, die
lOfUri unmittelbar auf dea Schüler wirken soll, Natörlich läl^t
itCQ liioe scbarfe Greo^e ziehen ; i mm erb in katio rnsiu kotiBtatiereiit
M der ergUn Grupp» im allgem einen jÜQ^ere> der zweiten ältere
Aatonti angehdrsn. Die entBChiedenste Eigenart weisen zwei von
Ciitif heranegegebene Hefte &af, nnter diesen wieder TOrznga weise
dir^TaiiO^. Bas h% keine Schulanegabe mehr, eoDdem eine ernste
Mtitt die iieb an Fachmänner wendet. In echarfer, mitanter
iknckarfer Analjae des inneren Gehaltes der Dichtnng Bncht
Uli ilire Eigenart klar za machen, er gebt allen Beziebongen
n &^be0 Perinn nicb, zieht zahllose ParallelBtetlen berbei, er
ifitirtiiebt in feiueter Weise die Metrik des Taiso — allee
J)iD;i, di« telhat ?otn Lehrer ein anfmerkaamea Studium ver-
hifiOf tiiDsomehr, als die beiiehnogsreiche Darstellongeweiee nicht
Iwmm gleich erkennen läßt, was AnBpielnng auf Goetbesche Änt^e-
nofta jitf der Schüler wird mit dem Heft eelbetändig wenig
Alfia^iQ kdanen. Nicht ganz so tief greift desselben Äntore
i^WilliiiAielD*' -Aasgabe« aber noch immer tief genng. In der Ein-
UitOLf z, B. nimmt hier den breitesten Eanm die Er5rternng der
^isDtren Farm^ ein, wobei Castle zn zeigen bemüht ist, wie die
GhankttrgestaUüQg im Wallenetein ans Schillers ästhetischen nnd
^OaiOphiacben Grundsätzen entspringt So selbständig — in jedem
8isift — gebalten ist keine Ton den übrigen Ausgäben; wobl
aber xeigen die meisten Heransgeber Fleiß nnd Oewissenbaftigkeii
iü dtf Eenntznag des gegebeneu Materials, Besonnenheit im Urteil,
Qitttnigkeit in den tatsäcbllchen Angaben; es sind ganz treffliche
BrilA darunter, die meisten entsprechen dem heutigen Stande der
fmctiaiig, selbst die schwächeren reichen im Scbulnnterricht ans*
br Astg&b« des „Fanat'' möchte der EeL bemerken^ daß in der
KbWlBlf und in den Anmerkungen vieles veraltet ist; es ist
Mik «iitiDil der ürfanst herangezogen. Auch der „GOtz t. Ber-
itdiisgeD" wäre einer Beviston bedürftig.
Darf man dae erl&nternde Beiwerk der Ausgaben im all-
fiBiiiea loben^ so gilt leider nicht das Gleiche vom Teit. Eine
^|Uigogik, die dem Schüler eine ad usum Deiphini moralisch
irte Welt vorführen will, macht sich da mitunter bedenklich
Mi Gewisse „Verbeesernngen^ im Tezt der „Iphigente" haben
lehi^j] Berühmtheit erlangt; ähnliche Sünden sind im „Fanst^
fangen wordtöt wo z, B. in der letzten Kede Valentins der Vers
Jbchst deine Bachen scbleebt"^ ohne Beim bleibt, weil sonst das
W^ffrt „Bnr**" nicht zn vermeiden gewesen wäre. Es ist ganz seit-
it&: die zynischesten Beden Mephistos sind abgedruckt — das
Wm ^Hnre'* aber darf nirgends stehen* Auch dort nicht, wo es
'1^ ootvindig wftre^ wie etwa in der Szene in „Kabale nnd Liebe",
«0 lieh Ferdinand wegen der nngebenerlicben Bescbimpfnng seiner
Mühten durch eben dieses Wort vom Vater lossagt. Eine andere.
Tilitlicht ooeb trisera Versündigung am Dichter ist ee» wenn in der
144 J?.Ja^dk,MftrUSturtKtaisiBV.8eMIUBdtM^v.J.i^afilL
PAast-Szent, wo Mephisto von dam SekiAt«! dm entei SciiiniAk*
kftstcbeo« boricbUi, dor Goiitlidio gwjii weggditüi kt Und dadi
dnieki dor Heransgebor die KaUcbisaiionanMie ab aad ialarpreliiti
aia unbefangen genng. Ancb in den „BinberB** nnd im „Fiaaka''
lassen sich nicht alle Weglassnngen reebitotigen: die zjuachen
Änßenmgeo Franx Moors x. B. geh(Mren onbediagt tn seinem
Cbarakler, sie geben sun Teil den Schlüssel dexa, die achmotzige
Intrigoe des Mobren im Fieske, durch welche er in den Beettx
Ton Oianettinos Liste kommt, darf nicht weggeiasaea werden. Eine
Revision der Texte nach dieser Seite hin wire dringead netwendig.
Anderseits sind einzelne Ansgaben — ao x. B. die von Streiax -^
philologisch sehr genau gearbeitet
Die &nßere Ausstattung der Hefte ist vollkommen entsprechend^
besonders mit Bficksicht auf den sshr geringen Preis; ee bleibt nur
zu wünschen, daß einzelne stark begehrte Nummern, besonders dit
von größerem ümfaog, auch in festem Einband zu haben wären. Dana
wfirde mancber Mittelschüler sie seiner Bücherei einreihen künnen,
indes die alUrdings bequemen Heftchen docb meist zugrunde gehen.
Wien. Dr. Valentin PolUk*
Prof. Dr. Eduard Heyck, Maria Stuart Königin von Schott-
land. Mit fünf Kunstdrucken. Bielefeld and Leipiig, Velbagen A
Klaeing 1905. 210 83. Kl-S".
Das Problem der Frage nach der Bchuld Maria Stuarta wird«
trotzdem es bei dem gegenwärtigen Stande des QusllenmaierialB
beinahe unlösbar erscheint, doch fflr neue Lösungsversuche immer
wieder eine m&chtige Anziehung ausflben« geradeso wie die Frage
nach der Schuld Wallensteins. Die Quellenschriften sind ja ancb
in anderen F&llen nicbt so lackenlos, als daß sie den Geschieht-
Schreiber nicht öfter zum Versucbe nötigten, den leeren Baum
neutralen Gebiets zwischen dem Mitgeteilten und Obergangeaea
mit Gldck und ^^i^^üick uur^h vmw ^«wii^Bo Divißatiuijügaüi» ut34
kombinierende Pb anlag ie zu bebauen und den QueUeo auch da
etwas abzugewinnen nnd eie zum Eedeti zq brm^^en , wo lie m
nicht willig hergf^ben wollen« Abgest^hen davon ^ daß viele zeU*
genÖBsische Aufzeicbnangen der Nachwelt Terloreii giogeiif uui je]
über das Gewflrm und Öe wirre Ton Gedank«» und L«idenseha£i<»i!iJ
die die agierenden biBtonscben Htlden »rfdllUn^ »uch soimI fctttiej
Akten aufgelaufen und wir baben auch kein MÜM — ■"■*^
Inneres blicken zn kennen, wie Hwa durch ''
deckel versehenen Apparat auf das t»-*'*»- ■■'
Die ÜberzeugUDir ^on der Bedji>~^
liehen Handlungen ^ibt uoe ^
die sie aualöseitdms FstkUre
K E$^k^ M&rift Stu&rt Ednigin r . Sch<»tbkadr «&g» ?* J, Frank, 145
ftviidenbaftt Gtaehichtsechreibdr Biets Oefabr laofeni dal^ mil
inrfiudtuii^ mnes oeaen ecbrlfUich^n Dokaments eaine müh^ToU
gifoirMDftti Ergebe isHfl wieder über den Haufen geworfen werden.
It omS sieh onr böt^s, das^ was bei der einstweiligea Flaktttaiioii
dir faebgen fies beben Ansicbteti daa vürbereiteDde St&dtnm noch
ticbt äberwüßdeci hat, als fiber dem Hader der EoDtroverie iu
rU»i|«f Sieberbeit tbroneod hjneteUen zu wollen. Der YerL des
mlitgttidcii Bacbea bat, wie uns acbeint, alles «lies ni^bt nut
irtDgiüf sondem alle Vorgänge mit großer Kunst der Menecben-
ifitildinDg ond 9rfillt vm apr&beBdem Leben dargeeteltt, so daß
fii rar dem Änge eines Dicbtera lebendig geworden ist, wai die
ForKbiifig gefunden hat. Er hat den Znaammenbang der Ereignisse
stiii der dnrcha ich tilgen Klarheit und dam fernen Sinn für das Aue-
darbalten und Verknupfto der einzelnen Fiden bloßgelegt,
die Spracbe tat vornehm» nur bte und da in Ziererei oder
pretentiöae Gespreiztbeit verfallend. Alles in allem kann das
Back ali eine ebecao lehrreicbe als fesselnde Lektäre bezeietanet
ftfid in jenen Schriften gezühlt werden, die nlnbt nur beeprocbani
üodlin auch gelesen wenden wollen»
Alf einzelnes sei noch besonders b ingewiesen. Mit Eaoht
•io4 jtoi swel geheimen Urknnden b er vor geh ob en^ die Maria 1558
aFmokriicb nntirzei ebnete, obwohl dieselben sowohl ihren recbt-
iii£[pn Macbtbefngniseen als auch den feierlichen VerbriefnngeQ«
4» lie ihren acbottischen Untertanen gab, schnarstracks zuwider-
liiiü. In der einen ?ermacbte sie die Herrschaft über Bchottlandf
k 4ir zweiten ihre Erbrachte auf England und Irland für dea
M der iünderlosigkeit ihrer Ehe an die Krone tod Frankreich.
Ditiir Omatand wird im allgemeinen ebenso zuwenig beachtet wi«
4ii rateache, daß Franz U. und seine Gemahlin Maria im Wider*
ifniebe mit dem knrz vorher abgeacblossenen Frieden den Königs-
tM fou England und Irland annahmen und in ihrem Wappen
fihitfn. Ebenso zuwenig gewürdigt in der Geschichte Marias wird
% daß ti« den Edinburger Vertrag vom Jahre 156Q nicht ratifi-
üid« und diesen in all er diplomatischen Form abgeschlossenen
Tnktai ancb dautt als nicht bestehend betrachtete, nachdem
Inni U. schon gestorben war. — ßeaondere hingewiesen sai auch
m ik Liebesepisoden Marias mit Chastelard und Damevtlle«
D« iftt^e wurde sogar zweimal in näcbtlicber Stande in ihrem
SAUgtmaolie ertappt und, da er darüber zum Tode terurteill
nrim war, trillerte er, während er die Stufen zum Schafott
ttpontifgi den Eefrain seiner letztverfa&ten Liebeeelegie. — Wi»
«tif nad cbarakteristiscb ist die Aoekdote von der Begegnung
k Eänigin Etisabetb mit dem schottiBcben Gesandten Mehille,
M dar dieser, obgleich von Elisabeth in die Enge getriaben, nicht
Ofeben will, ata sei schöner als seine Herrin. Als Elisabeth
icbbsfilieh brüsk hervorstieß: „Zum mindesten ist Euere KAnigm
ikmu gewachsen als icbl'' konnte er nicht umhiD, auch dem in
EcÜiaHII f. C «»1«^. üjram. 1S08. H. Hört. 10
.m^
150 J, Sehröder, Dantellende Gaomatrie, ang. ?. SuppawUehitseh,
▼on Dr. J. Lanz-Liebenfels gibt ein gates Bild yoo der bieber
geleiBteten dentschen Ealtnrarbeit, oamenüich in der braailianiscben
Provinz Bio grande do Snl. Oskar Ganstatt in Wiesbaden gibt
interessante Aofschlfisse über „Die Lavaf eider der Eifel".
Prof. Jfittner letzt seine dankenswerte Jahresrevne über die «Fort-
scbritte der geographischen Forschungen nnd Beieen
im Jahre 1906'' fort nnd berichtet über Asien. Endlich enthftlt
das Heft an größeren Anfs&tzen noch den Schluß der Darlegungen
des russischen „Milit&rarchivs" über „Die milit&rische
Bedeutung der Wasserstraßen des europ&ischen Büß-
lands". Der Anhang bringt, wie stets, eine Fülle kleinerer, wert-
voller Mitteilungen aus allen Gebieten erdkundlicher Arbeit.
Wien. B. Imendörffer.
Darstellende Geometrie. Von Dr. J. Schröder, Oberlehrer au der
Oberrealsehale vor dem Holitentor in Hamburg. I. Teil: Elemente
der darstellenden Geometrie. Mit 826 Figuren. Leipzig, G. J. 60-
icheuiche VerlagshandluDg 1901. (Sammlung Schubert XII.) Preis
geb. Mk. 12.
Lehrbuch der darstellenden Geometrie fttr den Gebrauch an teeh-
nischen Hochicbnlen , mittleren gewerblichen und technischen Lehr-
anstalten, Eanstgewerbesehulen, Fortbildangsschulen usw. nnd fflr
das Selbststadiam. Von Prof. Erich Geyger, Oberlehrer an der kgi.
Baagewerbeschule in Kassel. I. Teil: Affinitftt und Perspektifitit
ebener Figuren, iu?oIatorische nnd harmonische Grandgebilde. Kegel-
schnitte als Kreisprojektionen. Die orthogonale azonometrische nnd
schiefe Projektion. Zylinder, Kegel, Kugel; ebene nnd Ranrnkorren.
Schnitte und Abwicklangen. Dnrchdringnngen. Mit sahireichen in-
gewandten Beispielen und 290 Figuren. Leipzig, J. G. QOschenscfae
Verlagshandlung 1906. S2I SS.
Das erste der angezeigten Bficher tr> von Abschnitt II bis
VI die Elemente der orthogonalen Projektion bis zu den
Durchdringungen von Yielflachen Yerstftndlich und gut vor. Der
I. Abschnitt schickt dem Grund- und Aufrißyerfahren eine knne
Erörterung der schiefen Projektion Yoraus. So ist es nnn
einmal Mode in Dentschland und man kann ja diesen Abschnitt Aber-
schlagen. Der Schluß (YII. Abschnitt) handelt tou den elemen-
taren Konstruktionen an Kegelschnitten. Die Figuren
sind klar, doch könnten sie netter sein. Dire Bezeichnung trägt
manches Fremdartige an sich , sie ist aber gut gew&hlt und kon-
sequent. Das Buch sei jedermann empfohlen.
Sein zweiter Teil ist leider nicht erschienen. Die Fort-
setzung soll vielmehr durch das zweite der angezeigten Werke
gebildet werden. Dieses enth< die am Titelblatte nach den
Worten: L Teil (siehe oben) angeffthrten Gegenst&nde. Der Verf.
hat sie mit großem Fleiße aus der neueren und neuesten Literatur
zusammengetragen, dabei aber nicht immer die besten Methoden
Jf. Mäüeff Die abgekftrite DeiimalbrachreehnaDg, ang. t. J, Jacob. 151
heraugasaeht; aneh hat er es unterlassen, die 214 Seiten über
projektive Geometrie in eine einheitliche Form zu gießen.
Er macht sich oft an Anfgaben« die den Bahmen seines Baches über^
tchreiten, die er daher nnr nmst&ndlich nnd weitl&afig behandeln
kann. Man vgl. z. B. S. 145 : Die LGsnng der dort behandelten
Frage nach Durchmessern, Achsen nsw. eines durch ffinf Tangenten
gegebenen Xegelschnittes kann vereinfacht werden durch den be-
kannten Satz über die Mittelpunkte der Kegelschnitte einer Schar.
Der Satz selbst steht zwar im Buche, S. 168, doch ohne Anwen-
dongen. Die Erörterungen über die Arten der Xegelschnitte im
Büschel und andere Feinheiten, z. B. über DeveloppabU
8. 280 ff., die zudem manchmal unklar dargestellt werden, gehören
nicht in ein Lehrbuch, das, aus der Art seiner Bezeichnungen ge-
schlossen, beim Leser im allgemeinen die Kenntnis des griechischen
Alphabetes nicht voraussetzt.
Li Lehrbüchern von der Gattung des angezeigten pflegt man
keine hohen Ansprüche an die logische Durcharbeitung des Textes
zustellen. Dennoch überraschen auch hier Behauptungen, wie:
»Wir erzeugen sie [seil. : die Kurven] entweder durch die Ermitt-
long einer genügenden Anzahl von Punkten oder durch die Kon-
struktion einer größeren Zahl von Tangenten.** Ganz unpassend
ist die Erklärung des Wendepunktes durch zwei aneinander-
stoßende Halbkreise (Fig. 241, Text S. 272), die bei dem Anfänger
falsche Vorstellungen über Kurven überhaupt erwecken muß. Der
noglückliche Ausdruck: „Axonometrische Projektion** richtet
zwar, wenn er von der Mittelschule mitgenommen wird, sogar an
technischen fiochschulen Unheil an, doch als altehrwürdig wird er
neck lange leben. Stolz und neu ist aber die Schöpfung der „me-
deren Mathematik** (S. 268) als Gegensatz zur höheren*
Die Figuren sind fast durchaus gut, nur häuflg mit Linien
überladen. An Druckfehlern ist kein Mangel. Sie sind meistens
störend, manchmal erheiternd, z. B. S. 280, Z. 1 von oben.
Das Buch schließt sich nur lose, fast nur durch die kurze
Bemerkung S* 263 an das eben besprochene Werk von Dr. Schröde-r
sa. Es wendet sich an einen großen Kreis von Lesern, aber es
bringt dem einen zu viel, dem anderen zu wenig und muß jeden
ermüden. Der Bef. ist in Verlegenheit zu entscheiden, wem die
große Mühe nützen soll, die der Verf. auf sein Werk verwendet hat.
Wien. Suppantschitsoh.
Die sbgekflrzte Dezimalbrnchrechnang. Ein Beitrag von Dr. Max
Möller. Wien, A. Holder 1906.
Mit vielem Fleiße und großer Sorgfalt wird in dieser Sehrift
der Einfluß der dritten Korrekturstelle auf das Bechnungsresultat
bei der abgekürzten Multiplikation und Division untersucht. Da
152 F. WeUdMh inleifamg zur M!kroiko|ne usw., ang. ?. N. Herz.
d»m Yeif. tod berufener Seite bedeutet wnrde, daß dieses Thema
^ T^jg HDfrnchtbares sei und der Ansspmch zitiert wnrde: „Ab-
gektrstes Bedmeo ist etwas, was jeder kanHf aber niemand tat,
WEB jedernumn in der Bchnle gelernt hat, keiner aasdbt", so hätte
er diese Worte wohl beherzigen sollen.
TBtsftchlich spielt das abgekfirzte Bechnen weder in der Theorie,
noch in der Praxis eine bedeutende Bolle nnd ein schon verstorbener
Wiener Astronom gab seiner Yerwandemng nnverholen Aasdmek,
daJS Schlier im nnmerischen Bechnen mit Dingen geplagt würden,
die er selbst niemals brauche. Damit ist auch die Stellung des
abgekürzten Bechnens in der Mittelschule pr&zislert: da ohne Lo-
garithmen viele numerischen Bechnungen, besonders in der Stereo-
metrie, kaum zu bew<igen sind, muß der Schüler zwar mit dem
abgekürzten Bechnen vertraut gemacht werden, jedoch ist dieses
nur als ein Notbehelf zu betrachten und daher auf ein Minimum
zu beschrünken.
Wj-en. Dr. J. Jaceb.
Fr. W«lleba, Anleitiuig zur Mikroskopie und Mikrophoto-
graphie fax Anf&nger. Wien 1907. Preis biosch. 2 E 50 h.
Mikroskope in ihrer heutigen Vollendung sind derart kompli-
ziert gebaut, teß nicht jeder mit denselben umgehen kann; nm
dieses dem Anf&nger zu ermüglichen, ist eine Anleitung unbedingt
nötig. Eine hiezu dienende Beschreibung des Mikroskopes und An-
leitung zur Behandlung desselben, ohne theoretische Erörterungen
gibt der Verf. in gedrängter Kürze nnd recht gelungener Form.
Einige geringfügige M&ngel, auf welche Bef. hinweisen zu
müssen glaubt, konnten leicht in einer sp&teren Auflage vermieden
werden.
IHe in Pig. 10 gew&hlte Anordnung des Belenchtungsprismas
ist eehr ungünstig ; denn sowohl Bildintensit&t wie Bitdgüte müesen
notwendig durch die seitliche Verdeckung des halben Objektires
leiden und ist die zweite, nur vorübergehend erwähnte Form wohl
die bessere.
l>te filteren Konstruktionen des Objekttisches (6. 13/4) hitlan
wohl, als derzeit überhaupt nicht mehr verwendet, übergangen
werden kOnnen. Zu S. 27 wäre zu bemerken, daß die erste Methode
der scharfen Einstellung besser nicht angegeben wird. Die scharfe
Einstellung soll nie durch Hinabschrauben des Tubus erfolgen;
namentlich bei starken Objektiven wird der Tubus erst bis fast
zur Berührung (aus freier Hand, oder mit Zahn und Trieb, ohne
Druck) genähert, dann durch Entfernen scharf eingestellt; denn
der nach der Berührung (welche der Anfänger oft übersieht) baim
ffinabscfarauben auftretende Druck ist vOliig unkontrollierbar. 8. 88
J. Kung, Tiwor. Pbytik auf me«li. Gnmdlagfe, ang. ▼. J. G. WäUentin. 153
*Dd 85 tot dem FftrlMD, Trocknen nnd Aufhellen der Schnitte etwas
zu wtnif Phrtz Mngerftmnt. S. 69 wird das Pftrben der Schnitte
ilfl eine Arbeit besei^net, die „in vielen Fällen große Übung und
Erfahrung Toraussetzt*'. Es ist dieses Tielleicht die einzige nicht
b«grtedele Äußerung in dem Werke. Bei Oelegenheit der Anferti-
fnmg von Schnitten mit dem Mikrotom (?on welchem ja auch zwei
Typen durch Zeichnung dargestellt sind) h&tten die Hftrtungs-
mtthoden (Alkohol, Hayems Flfissigkeit), die Einbettungsart (Cel-
loidin, Paraffin) und die doch so leichten, einfachsten Färbungs-
nttboden (ffimatoxylin, Eoein, Alaunkarmin), endlich die Aufhellung
iBittels N^ken- oder BergamottenOl (statt Terpentinöl) erw&hnt
werden sollen. Endlich w&re es notwendig gewesen, der Entkalkung
dtr Knochen zu gedenken, da auf S. 84 ausdrucklich auf die
Knecheasdinitte hingewiesen ist, und beim Schneiden nicht entkalkter
Knochen der eiste Schnitt das Messer unbrauchbar machen kann.
Im ganzen ist besonders rühmend hervorzuheben die gute
Auswahl und Anordnung des Stoffes, wodurch sich jeder leicht
inredit finden wird. Unterstützt wird die Darstellung durch eine
niche Auewahl reu Illustrationen, welche Mikroskope der verschie-
densten Typen (es sind im ganzen acht der berfihmtesten Firmen
vertreten) zur Anschauung bringen. In einzelnen Fällen (z. B. auf
6. 10) wire durch größere Ausnfitzung der den Figuren beigesetzten
Buchstaben die Deutlichkeit der Beschreibung noch etwas erhöht
worden.
Wien. N. Herz.
Theoretisehe Physik auf mechanischer Grandlage. Von Dr. Jakob
Kuns, Pzivatdozent fflr Fhyiik am eidgenOssiecben Polytechnikam
in ZUiich. Mit 291 in den Text gedruckten Abbildungen. Stattgart,
Ferdinand Enke 1907.
Der Verf. hat bei der Bearbeitung des vorliegenden Buches
den Zweek verfolgt, die s&mtlichen physikalischen Erscheinungen
aaf Bewegungen turückzuffihren, welche den dynamischen Grund-
iltsen entsprechen. Namentlich ist es das Prinzip der kleinsten
Wirkung, das bei der Ableitung der Gesetze der Thermodynamik
imd der Elektrodynamik mit Vorteil verwendet wird und dem auch
der Verf. besondere Aufmerksamkeit zuwendet.
Der Verf. hat in dem Buche nur die Dynamik, die Thermo-
dynamik in ihrer Zurückffibrung auf die dynamischen Prinzipien^
die kinetische Gastheorie, die empirischen Gesetze der Elektro-
dynamik und die Zurückffibrung der letzteren auf die Prinzipien
der Dynamik, endlich die theoretischen Grundlagen der Wirme^
Strahlung behandelt.
Das Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, welche di
Virf. am Mdgenössischen Polytechnikum in Zfirich gtibalten bs
I
A
154 /. Runs, Tbeor. Physik auf mech. Grondlage, ADg. t. I. G, WaUaUin,
Die Darstellmig ist durchwegs ftbersichüich and klar und dori — •
wo der mathematische Kalkül eingreift — einfach gehalten. Ans
dem reichen Inhalte des Bnches sei Nachstehendes hervorgehoben:
In jenem Abschnitte, der Ton den Grandbegriffen handelt« werden
anter anderem die drei Integrationsmethoden der Mechanik erörtert
and die Ableitung der Newtonschen Bewegongsgleichangen ans
dem Prinzipe von der Erhaltung der Energie gegeben. In der
Dynamik eines Massensystemes ist den Botatlonsmomenten und
den Flftchens&tzen ein breiter Baum gewidmet worden; ebenso ist
der Erörterung der kinetischen und potentiellen Energie besondere
Aufmerksamkeit geschenkt. Im Anschlüsse daran wurden in natur-
gemäßer Weise Potential, Kraftlinien und Niveaufl&chen behandelt.
Ganz besonders wichtig erscheint dem Bef. der Abschnitt, in dem
die Prinzipien der Dynamik in zusammenfassender Weise zur Dar-
Stellung gelangen. Es sind dies in erster Linie das Prinzip der
virtuellen Verschiebungen, dann das von d'Alemberty das Prinzip
des kleinsten Zwanges von Gauss, das Hamiltonsche Prinzip« das
Prinzip der kleinsten Wirkung von Euler. Diese Prinzipe werden
durch entsprechende Beispiele erl&utert. Die Bewegungsgleichungen
werden in jenen Formen dargestellt, die ihnen von Lagrange und
Hamilton gegeben worden sind und dann wird auf die Ausdehnung
des Geltungsbereiches der dynamischen Prinzipien des Näheren
eingegangen. An Anwendungen der theoretischen Erörterungen fehlt
es in diesem Abschnitte nicht; besonders seien diesbezüglich die
Theorie der Kreiselbewegung und die Ableitung der Grundgesetze
der Elastizität hervorgehoben.
Ganz zweckentsprechend ist in dem vorliegendem Buche du
Thermodynamik behandelt; namentlich ist der zweite Hauptsatz
und dessen physikalische Bedeutung gewürdigt worden. Die Zurück-
führung der Thermodynamik auf die Prinzipien der Dynamik hat
der Verf. mit besonderer Berücksichtigung der Forschungen Max-
wells und Boltzmanns zur Sprache gebracht. In der kinetischen
Gastheorie werden zunächst die Gasgesetze bei Vernachlässigung
der Zusammenstoße abgeleitet, dann wird das Maxwelleche Ge-
schwindigkeitsverteilungsgesetz deduziert und auf die Studien Boltz«
manne in steter Weise Bezug genommen.
Der folgende Abschnitt handelt von der Elektrostatik, deren
Grundgesetze in sehr ansprechender Weise zur Darstellung ge-
langen, dann werden die Grundgesetze der fließenden Elektrizität
erörtert, wobei die Unterschiede zwischen den Leitungs- and den
VerscbiebungsstrOmen betont werden. Die weiteren Abschnitte sind
der Theorie des Magnetismus, der Elektrodynamik und der Induktion
gewidmet. Im folgenden hat der Verf. die Ableitung der Grund-
gleichungen des elektromagnetischen Feldes nach dem Vorgangs
von Maxwell gegeben, wobei auch nach Poynting die Energie-
wanderung im elektromagnetischen Felde in Erwägung gezogen wird.
C. GuiOuird, Tnutd de Mdeaniqae, ang. ▼. J. Q. WaUentin. 155
Besonderea InteresBe birgt der Abschnitt, der von der Znrück-
(fihniDg der Elektrodynamik auf die Prinzipien der Dynamik handelt.
Dir Verf. hat es verstanden, die schwierigen , hierher gehörigen
Betraebtongen dnrch klare Daretellnng leichter zu gestalten.
Die mechanische Theorie des Äthers leitet den Verf. zu einer
iDderen Ableitung der Mazwellschen Omndgleichangen. Ans den
•lastischen Eigenschaften des den Betrachtungen zngrnnde gelegten
Äthers wird dann weiter deduziert, daß ein Lichtstrahl auf eine
absorbierende Fläche einen Druck ausübt, welcher gleich ist der
in der Volumseinheit enthaltenen Energie.
In der Theorie der Wärmestrahlung werden zunächst die
•mpirischen Gesetze aufgestellt, dann wird die Ableitung der Gesetze
der Wärmestrahlung Torgenommen. Aus der elektromagnetischen
Theorie des Lichtes wird die Folgerung gezogen, daß der Druck
eines parallelen Strahlenbüschels auf eine yoUkemmen schwarze
Flieheneinheit gleich der in einem Kubikzentimeter enthaltenen
Soergie der Strahlung ist. Es war so möglich, dem Stefanschen
Gesetze, dem Prinzipe von Doppler und dem Gesetze von Wien
eine mechanisehe Grundlage zu geben.
Das vorliegende Buch erscheint zur Einfuhrung in das Studium
der theoretischen Physik sehr geeignet.
Trait£ de Mieaniqao* Par C. Guicbard, membre correipondant de
rinstitut, profeeeear ä rÜDiversit^ de Clermont. Premiere Partie:
GiDdmatiqDe. Deozi^me Partie: Cin^matiqoe, Statiqae, Dynamiqae.
4. et 2. Edition. Paris, Velbert et Nony 1906.
In dem vorliegenden Buche, das zum größten Teile elementar
gesehrieben ist, wird in erster Linie die Theorie der Vektoren und
zwar in rein geometrischer Weise auseinandergesetzt. Naturgemäß
echloß sich daran die Theorie der Momente von Vektoren bezfiglich
eines Punktes und einer Achse. Die beiden wichtigen Theoreme
Ton Varigoon: Das Moment der Besultierenden zweier Vektoren
bezüglich eines Punktes ist die geometrische Summe der Momente
dieser Vektoren bezfiglich desselben Punktes und das Moment der
Besultierenden mehrerer Vektoren, die zusammenlaufen, bezfiglich
eines Punktes ist die geometrische Summe der Momente aller dieser
Vektoren bezfiglich desselben Punktes werden in sehr einfacher
Weise deduziert Zum Schlüsse dieses Abschnittes betrachtet der
Verf. noch Vektorssysteme. Im zweiten Abschnitte finden wir all-
gemeine Betrachtungen, welche in die Kinematik einleiten; diese
teilt der Verf. in die Kinematik des Punktes, die Kinematik Yon
Systemen, die Zusanunensetzung yon Bewegungen. Bei der Ablei-
tung des Begriffes der Beschleunigung bedient sich der Verf. des
Hodographen. Als Beispiele werden einstweilen die gleichförmige
Bewegung auf einer Geraden und im Kreise, die gleichförmig be-
schleunigte Bewegung und die einfache geradlinige Schwingung^
156 0. Ouiehard, Traltä de Mdcaniqae, ang. ?. I. 6^. WaUentm.
bewegnng betrachtet. In der Kinematik von Syalemeii ist es die
Tranelatioiis- nnd die Botationsbewegang, die aasfAhrlick xar
Sprache gelangen. Ein besonderer Abschnitt ist der Sdiranben-
bewegnng gewidmet. Wie diese Bewegung in der Praxis realisiert
wird, wird im folgenden gezeigt. Znm Schlüsse des 1. Bandes
wird die Zasammensetznng von Bewegungen besprechen, nnd zwar
jene von translatorischen Bewegongen* Jedem Abschnitte sind recht
gut anegewfthlte Übnngsaofgaben angeschlossen.
Im zweiten Bande wird die Kinematik fortgesetzt und an-
gewendet anf das Bollen nnd Gleiten einer ebenen Knrre anf einer
anderen ebenen Kurve (besondere Berdcksichtignng der zykloidalen
Bewegungen), anf die ineinandergreifende Bewegung tob BAdera.
Im weiteren finden wir wesentliche Bemerkungen Aber aiiiknlierie
Systeme nebst wichtigen Erörterungen über den Pantograpben, das
auch in der Mechanik belangreiche Problem der luTersian (InTeFser
von Peaucelliw).
Nun wendet sich der Verf. zur Erörterung des Kraftbegiilbs,
des Massenbegriffes. In ftußerst klarer Weiss sind die Einheiten
der Mechanik ausein ander gesstzt. In der nun folgenden Statik ist
die vollkommen freie Bewegung eines Massenpunktes, fsmer jene
eines Massenpunktes mit Reibung auf einer Kurve und anf einer
Fl&che, dann die reibungslose Bewegung eines solchen Punktes in
Erörterung gezogen worden. Die Statik von Massensystemen (festen
Körpern) wird im folgenden behandelt; besonders eingehend kommt
die Theorie der parallelen und gleichgerichteten Kräfte und deren
Anwendung auf das Problem des Schwerpunktes zur Sprache. Es
wurden in diesem Abschnitte recht instruktive Beispiele und Theo*
reme gegeben, die nicht nur mathematisches, sondern anch physi-
kalisches Interesse haben. Der feigende Abschnitt ist der Betrach-
tung der einfachen Maschinen gewidmet.
Im Abschnitte, der von der Dynamik des Punktes handelt,
wird mittelst der Differentialgleichungen der Bewegung der freie
Fall, der schiefe Wurf, femer die geradlinige Bewegung eines
Punktes, der von einem fixen Zentrum angezogen wird nnd awar
mit einer Kraft, die der Entfernung des Punktes vom Attraktione-
Zentrum proportional ist, in erster Linie bebandelt. Von dem letzteren
Falle ausgehend, bespricht der Verf. die Theorie des mathsMati-
schen Pendels unter der Voraussetzung kleiner Schwingungeu.
Mit großer Eleganz ist der Abschnitt über Arbeit nnd lebendige
Kraft bearbeitet. In großer Genauigkeit lehrt der Verf. die gra-
phische Bestimmung der gesamten Arbeit und wendet die erhaltenen
Theoreme auf Maschinen an. — Das vorliegende Buch eignet sich
zur Einführung in die analytische Mechanik in ganz vorzüglicher
Weise.
Wien. Dr. L 0. Wallentin.
M.Ebdmg^ Lehrbuch der Chemie und Mineralogie, angf. ▼. J. A. Kail. 157
Dr. Max Ebeling, Lehrbuch der Chemie and Mineralogie
Ar höhere LehraoetalteD. Erster Teil: Unorganisohe Chemie. Mit
876 Abbildungen. Zweite Auflage. Berlin, Weidmannscbe Bacbband-
long 1906. 845 SS. 8*.
Die erste Auflage des Torliegeoden Werkes ist am 2. Juni
1902 als eine für Bealgymnasien und Oberrealschalen bestimmte
Enreitemng des „Leitfadens der Chemie fflr Bealschalen*' erschienen.
Di« Torliegende zweite Anflage, die also nach ca. vier Jahren not-
weodig geworden ist, zeigt einen am 61 Seiten größeren Umfang,
aoeh die Zahl der Abbildnngen ist darin etwas vermehrt worden. Der
Preis ist am Mk. 0'40 gestiegen. — Die Stoffvermehrang betrifft:
„Könstliche Don gemittel*' (S. 97), ansfährlichere Mitteilangen fiber
^Gesteine** ond fiber „die Zeitalter der Erde and ihre Formationen"
(8.148 — 152), „Elektrolyse"' (S. 180 — 186), „BadioktivitAt*'
(g. 320 — 324)t endlich eine „Übersicht aber Bergwerks- and
Häitenprodnktion des Deatschen Beiches im Jahre 1908".
Die Denen Abbiidangen stellen dar: eine Dewarscbe Flasche
(S. 49), eine ebensolche mit Abföllvorrichtnng im Filzkorb (S. 49),
eis ebensolches ohne Silberspiegel (S. 50), eine Zelle für elektro-
Ijtische Blaichnng (S. 70), Bildnng von Schwefeltriozyd (S. 90),
eisen „Platinkontakti^parat der badischen Anilin- ond Sodafabrik"
(S. 94), einen Dialysator (S. 147), ein Kapfervoltameter (S. 180),
dii Wandening der Jonen (S. 181), ein Enallgasvoltameter von
Kohlraoscb (S. 184), einen elektrischen Schmelzofen (S. 218), den
.Tagebaa in Stockwerken anf Magneteisenstein am Eirana-Berg in
Norbotton" (S. 241), einen Apparat ffir galvanische Vernickelang
(S. 271), eine Einrichtnng für Galvanostegie (S. 271). Dafür sind
eisige graphische Darstellnngen über Metallproduktion als veraltet
wtggelassen worden.
Alles in allem: Die nene Auflage kann nicht nur als eine
Tsniehrte, sondern zugleich anch als eine verbesserte bezeichnet
warden, aas der mancher Lehrer der Chemie beim Zurechtlegen
isioes Unterriehtspensums gelegentlich recht brauchbare Angaben
finden wird.
Wien. Joh. A. Kail.
Dr. Job. Bamüller, Die Entwicklungstheorie and der Mensch.
Mit 7 Abbildnngen. Heraasgegeben von der üe^ellscbaft ff^r Nator-
wiMeoichaften aad Psychologie. München, Verlag der Zeiticbrift
.Natur and Kaltnr« 1907. 79 SS.
Man möchte auf diese lesenswerte kleine Schrift in gewiisem
Sinne höheren Wert legen, als anf eine Darstelluog dasaelben
StoiTea von der Gegenseite. Denn es scheint doch tod nictit ge
nager kritischer Bedentong, wenn ein mit anthrüpob^iBcher '
tehung veriraater, kirchlich gesinnter Mann mit FieiE und Ga
1
■>
158 /. Bmm&t. Die ErtwkkJiinitiwiM aiv^ aa^ v. Jt OoiMf .
aÜM zanascstrift wm sach mIbv Amt kkt fir daa Wito mehr
mai Mir imMkethiagiB AwMMmmng rmm CiapiM^ te Itaich-
Mt ffricki. DcrTcfft, rai Seiler JiIiwm SaakH nnd be-
kaast iirdk leiDeüatomdiiaflr ibv ■wachli^a aml Aieafemon,
ftoki nck bw ^an aaf des Bodm im Wif irhift Et geht
aber aaa aaiscr Aiteü — g^aaz ^a^ea imm Abckkt — dMtiich
barfor, 4a6 aki ^a^rea die moaogwmMüwtk^ Lehre Tea der Her-
kaad der argaciscbea Welt and im beaeaderca ^agea die ent-
epredMade Lebre tob der AbetaoiaiaD^ dee M aiscbea weaig Ton
eatecbeideadeai Gevicbt eiaweadeo liftt. Er pUdiert atagehead fir
eine poljpb^eliecbe Aaachaaiing binsicbtücb der Katetebimg der
Stiaime dee Iteracbee; aDeia eiae mMm wirda, weaa sie unter
den Eaibfyologaa and PalAoBtolofea aacb aabr Anbinger hätte,
ali gegeDwirtif, dea Meaeebeo doeb acbwerlidi so aaßerhalb die
Siagetierwrit etellea, wie ee der Yerf. mikhte. Dieeer aoerkennt
zwar die analomiecbe ZugehArigkeit dee Meoseben zn der ge-
aanotea Gruppe, fiodet aber, ee gebe im gaazea Tierreich keine
zweite Ordnaag, welcbe einer anderen gegenüber ao Tide imd bo
wichtige ünterecbeidangemerkmaie aafweieen könne, wie der Mensch
gegenüber den Primaten. BeecbeidentUcb nennt er die Anffasanng
dea Meneeben ale einer aelbetindig^en Gnippe (worin ihm Bänke
mit seiner Unterscheidung zwischen „Hirn-* und „Darmwesen''
nicht allzn gificklicfa Yorangegangen iet) eine „berechtigte Hypo-
these'' (8. 78). Allein seine Beweisffihmng, daß der Mensch in
die systematische Reihenfolge der Affen nicht passe, ist insofeme
ganz fiberfldssig, als die einsichtigsten Vertreter der Abstammongs-
lehre in dem System der rezenten Primaten obnediee keine gerade
Linie aufsteigender Entwicklung sehen, sondern eine Anordnung,
die in mancher Beziehung erweislich von der Entwicklungsbahn
des Menschen binwegfnhrt. Am weitesten ist hierin bekanntlich
Klaatsch gegangen, der im Menschen eine hochaltertümliche Pri-
matenform erblickt, deren Abstammungslinie von der aller übrigen
Primaten getrennt werden müsse, w&hrend Schwalbe eine primitive
Antbropoidenform als Ausgang der zum Menschen führenden Einzel-
babn ansieht.
Großes Gewicht legt B. natürlich auch auf die geistige Potenz
der MeiJöebeü DDd der«n pby&ischeB Kf^rrelat: Schädel Qud Gebircif
Femdr« leb enden eeieu dteae RekapitQlatmn^n empfohlen; in dem
Pnnkte, aaf welchen es dem Verf. ankomml, sagen sie aber nicht
viel mehr aus, als was echon Karl Yogi in semen YorlesuDgeii nber
den MHiichen lehrt», Da£^ der Menicb ungefihr dreimal eo vi»!
Hirn half als die begahtest^n Anthropoiden, igt nie beiwiirtll ^
worden. Man mag jedoch den geiBÜgeD DnterBchied zwiBcbei di
Menschen nnd der übrigen Tierwelt noch eo borb eiDSCbätotit
faGcnen doch Intelligenz and deren Belftti^ang an der Statttto
eines Wesens im zoolof^isohen Sjeteoi nidit« Andi^rn; ja wir iMä
hinzufügen, daß jener Üb*"
A
H. Simroih, Abrift der Biologie, ang. ▼. H. Vieltarf. 159
leibliche, wenngleich die volle Übereinstimmnng zwischen Gehirn-
biQ und Intelligenz weder bewiesen ist, noch vielleicht jemals be-
wi«6D werden kann.
Gleichzeitig ist desselben Verf. Bnch „Ans der Urzeit des
MMidien*< (1. Aufl. 1900) in 2. Anfl. mit 84 Elnstrationen (Köln
J. P. Bachern 195 SS.) erschienen. Eine dorchgreifende ümarbei-
toog: fimd der Antor nötig nach dem Erscheinen des Penck-Brückner-
scben EiszeitwerkeSy des Boches des Bef. fiber den diluvialen Men-
Bcheo in Enropa, der Urgeschichte Earopas von Sophns Müller nnd
d0r anatomischen Abhandinngen Schwalbes fiber qnartftre Fossil-
foode vom Mensehen. Tertiär nnd Dilnvinm sind S. 1 — 136 ziem-
lieb ansfflhrlich , jöngere Stein-, Bronze- nnd Eisenzeit viel kürzer
btbandelt Die „Eolithen* nehmen einen zn breiten Banm ein nnd
Abbildungen wie Fig. 1—5 sagen überhaupt gar nichts. Auch die
Bilder auf S. 89 (zum Teil keine „Werkzeuge**) hätten wegbleiben
können. Im übrigen hält sich die Darstellung an die besten Quellen
und ist dabei schlicht und vorsichtig, also für weitere Kreise wohl
tu empfehlen.
Wien. M. Hoernes.
Prof. Dr. H. Simroth, Abriß der Biologie der Tiere. 2. Aafl.
Leipzig, G. J. GöBchensche Verlagthandlong 1907.
Auf 150 Seiten findet der Naturforscher hier alles zusammen-
gedrängt, was mit der Zoobiologie, d. h. mit den Lebenserschei-
onngen der Tiere, insofeme sie von der Außenwelt abhängig sind,
nsammenhängt. Simroth geht von der Ansicht aus, daß das erste
«ofache Leben ein Produkt der Erde darstelle in Anpassung an
Bedingungen, die wir nur in allgemeinen Vermutungen erschließen
kOonen. Der nähere Vorgang der ersten organischen Schöpfung
bleibe uns vorläufig verborgen. Es gibt wohl kaum ein Kapitel
ftQS dem umfangreichen Gebiete der Biologie, das in dem Büchlein
nicht erörtert würde. Die vielen Details, welche das Bändchen
enthält, dürften es dem großen Publikum leicht zugänglich machen.
Wieo. H. Vieltorf.
0. Zaabftrias, Das Süßwasser-Plankton. E^iDfabrnn^ in die frei-
lebffid# Or^BDiiiDeDwelt unserer Teiche, Flösse und Seebeeken. Mit
li 4bllll4iitig#ii. Am ^K&tar- und GeiEitäawdt", 156. Bändchen.
" fif, B. O. T«abüM 1907, l^Q Sa Doodei.
Bar B9|fr6iid«r der wissenechaftlicbeo SaeDknode Prof. F. A.
^rtl M (ii«btt Ä^»- ''■ ""*ö Zoologen P. E. Müller) der erste,
^"^der Tiefenfauua, zunächst des
160 0. Zacharias, Dai SOßwMier-Plankton, ang. ? . T. F, HatMtuieh.
Genfer Sees, yorgeDommen and dio Natnrgescbiehle des PlaoUoBBi
der „Schwebe-Lebewesen'' geschaffen hat. In Dentsehland hat Dr.
Zacbarias, Direktor der biologischen Station zn Plön in Holstein,
sich bernfsm&ßig nnd w&hrend vieler Jahre mit biologiachen See-
stndien beschäftigt. Er erzfthlt in dem historischen Bfickblick
seines Werkchens darüber folgendes: „Ich begann damit 1884 im
Biesen* nnd Isergebirge, wo ich die dortigen Moorgewftsser and
Hochseen nniersnchte. Später begab ich micb an die Salaseen bei
Bisleben nnd die Kraterseen (Maare) der Eifel. Weiterhiu ezploierte
ich die Dilnvialbeeken Holsteins, Mecklenburgs, Pommerns nnd
Westprenßens, sowie nenerdings (1904 nnd 1905) die lombardischen
großen Seen nnd verschiedene Binnengewässer Mittelttaliens. Im
Jahre 1890 begründete ich am Ufer des großen Plöner Sees eine
besondere Anstalt für Süßwasserbiologie, welche bis xnr Stunde
nnansgesetzt in Betrieb geblieben ist''. Dieses Beispiel des dentschen
Forschers fand lebhaften Anklang nnd wir finden in Finnland, in
Bnßland» Frankreich, Nordamerika» Italien, England solche Stationen.
Anch in Osterreich, nnd zwar im Prater zu Wien nnd zn Lnnz-
Seehof sind biologische Laboratorien errichtet nnd die oberöster-
reicbischen Seen werden planmäßig durchforscht.
In den ersten Kapiteln behandelt der Verf. den Fang nnd
die Konserviernng des Planktons, die laknstrische KrnstazeenfanDi,
die Botatorien, Flagellaten, Bhizopoden nnd Infnserien, also die
wichtigsten Formen der planktenischen Faana. Bin sehr inlereesanter
Absatz schließt an die Yariations- nnd Matationstheorie an, um
die Entstehung neuer Arten und Varietäten durch
Isolierung zu erklären. Nach moderner Auffassung sind Varie-
täten nichts anderes als beginnende Arten, solche Varie-
täten aber entstehen zufolge der Abtrennung der Individuen von
der Stammform in passiver Wanderung, durch Versetzung in ein
neues Milieu und Anpassung an dieses und darin kann man ein
Mittel erblicken, „welches — natürlich nur innerhalb langer Zeit-
räume — zur Entwicklung wirklich neuer Spezies Anstoß gibt**.
Die planktonischen Pflanzenformen, Diatomeen, Orün- und
Blaualgen bilden den Inhalt des nächstep Kapitels; hiebei werden
verschiedene, schon seit langem bekannte Erscheinungen an und
in den stagnierenden Gewässern erörtert, so das „Blühen" des
Wassers (grüne Algenhaut an der Wasseroberfläche), der Stinksee
in der Nähe von Berlin (von einer übelriechenden Blaualge Clatro-
cystis iieruginosa) 9 das „Burgunderblut" (Botfärben des Mar-
tener und Baldegger Sees durch Oscüaiaria rubeseenßf zugleich
eine historische Anspielung) usw.
Von allgemeinem Interesse sind die Kapitel iber die Be-
ziehungen der planktonischen Tiere und Pflanzen zu einander, die
Bemerkungen über das Heleo- und Potamoplankton und das Ver-
hältnis der Hydrobiologie zum Fisohereiwesen. Als Gegenstand eines
zeitgemäßen biologischen Schulunterrichtes wird das Plankton wohl
E, KüiUTf YBimetning ud S«xa«liat oiw., ang. v. T. JFl Hanauseh. 161
BQr in Sptualsehaleo » Tielleieht auch in Lehrerseminarien auf-
giBommtn werden kOnnan.
Dia forinfflicbe Arbeit verdient in weiten Ereiaen bekannt
ZD werden.
Termehrang und Sexnalitftt der Pflanzen. Von £roit Kftater.
Privatdoient ftr BoUnik an der Uni? ertitAt Halle a. S. Hit 88 Ab-
bildangen (aas der Sammlung »Ani Natnr und Geistetwelt*). 112.
Bindehen. Leipsig, B. G. Teabner 1906. Y nnd 120 88. 12*.
Daa Bneh gibt eine knrze nnd eorgflUtig bearbeitete Übereicht
ftber die Tielgeataltigen Erecheinnngen, die eich im Pflanzenreiche
bti den fdr die Erhaltung der Art nötigen Prozeaaen abspielen;
eine Toraiebtig durchgeführte Einschränkung der umfangreichen
Matoie erwiea sieh sehen deshalb angezeigt, da eine erschöpfende
OarsteUnng unserer Kenntniese über die Vermehrung und Sexua-
litlt weit Aber den Bahmen dessen hinausgehen wflrde, was ffir
diD Gebildeten und überhaupt für den» der eich für die Sache in-
tenesiert, ohne Fachmann zu sein, als netwendig erscheint. Das
Werkchen umfaßt nebst der Einleitung nur zwei Abschnitte: der
•ntere weit kürzere behandelt die vegetative Vermehrung höherer
ood niederer Pflanzen» der zweite in guter Gliederung die sexuelle.
Der zweite Abschnitt wird mit einigen historischen Angaben ein-
geleitet, die allgemeines Interesse beanspruchen ; sie beginnen mit
dem groflen Naturforscher des Altertums, Aristoteles, der den
Pflanzen und allen festsitzenden Tieren die Sexualitit abgesprochen
bit. Daß sein Schüler Theophrast» wie auch die sp&teren Autoren,
z.B. der Vielschreiber Plinius, gegen die Anschauung des Stagi-
rtten nicht auftraten , obwohl schon damals die popul&re Auffas-
nog vom Geschlecht der Pflanzen existierte (man vgl. Herodot
1198, wo es heißt, daß die Babylonier die Frucht deijenigen
Dattelb&nme, zovg iQöavag^ElkrivBg xakiova^j an die frucht-
biren Exemplare anbinden) , ist einerseits in dem Ungeheuern An-
sehen begründet, das Aristoteles genoß, anderseits auch als Folge
linzlieh mangelnder Forschungsarbeit leicht erklärlich. Noch die
Kr&uterbücher des XVI. Jahrhunderts weisen die Sexualitftt der
Pflanzen zurück und erst der Tübinger Botaniker Jakob Camerer
(Camerariue), der die Frage auf dem Wege des Experiments in
Angriff nahm, und KOlreuter haben sie endgiltig und bejahend
estschieden. Eigentümlich ist der Wechsel der Anschauungen bei
Oeetbe, der die Lehre von der Sexaalitftt der Pflanze ursprünglich
»genommen hatte, 1820 sie aber wieder ablehnte.
Ale den zweiten Markstein der Geschichte dieser Lehre be*
leiefanet Küeter die 1856 erfolgte Entdeckung Pringsheims von der
Vereinigung des Spermatozoons mit dem Eiplasma (in der Alge
Oedögmhm); dann folgen Hertwigs berühmte Forschungsarbeiten
ui Seetgehi 1876, die die Verschmelzung der Kerne beider Sexual-
Z«ilKktift f. 4. e«t«T. Oymn. 1906. n. H«fl. H
162 L. Busse, Die WeltaotchaaiiDgen usw., ang. ▼. A. o. Ledair.
zelloD ergaben ; Bcbließlich werden die neneeten Arbeiten Ton Stras-
bnrger, Hftcker, Moore n. a. entoprecbend Terwertet Den Hanpt-
teil der Arbeit maebt die Darlegung der eesnellen Vermebning bei
den Terscbiedenen Gmppen des Pflanzenreicbes nnd die Behand-
lang besonderer Fälle ans, wie Chemo-, Zyto-, Earyo-, Cbromo-
tazis, Polyspermie, Partbenogenese , Parthenokarpie, Apogamie,
Aposporie, Merogonie, MonOcie nsw. In den Schlnßbetracbtiingen
▼erbreitet sieb der Verf. über die Terscbiedenen Theorien der Be-
fruchtung und der Sexualit&t.
Krems. Dr. T. F. Hanauaek,
Ludwig Busse, Die Weltanschauungen der großen Philosophen
der Neuzeit. 2. Aufl. Leipiig, Tenbner 1905. 164 S& (56.BindcheD
der Sammlang «Aoi Nator and Oeiitaswelt*.)
Der TerdienstTolIe Verf. der schönen Monographie „Geist und
EOrper"* (1908) hielt im Winter 1902 über das obige Thema
vor einem größeren Publikum Vorträge ; daß diese hierauf in Buch-
form weiteren Kreisen Interessierter zugänglich gemacht wurden,
kann nur freudig begrüßt werden. Die Vorträge verfolgten den
Zweck, die Zuhörer in gemeinverständlicher Form mit den bedeu-
tendsten Erscheinungen der neueren Philosophie bekannt zu machen
und dadurch für Philosophie überhaupt und ihre Probleme Interesse
zu erwecken. Daß sich B. bei dem so knapp bemessenen Baume
begnügt, die metaphysischen, erkenntnistheoretischen und ethischen
Grundanschauungen der größten Meister des Faches zu berücksich-
tigen, kann nur gebilligt werden. Der Verf. ging auch darauf aus,
durch allgemeine Charakterisierung ganzer Epochen, durch orien-
tierende Überblicke und durch Verweisungen innerhalb der Systeme
selbst deren sachlichen Zusammenhang, sowie den Fortschritt der
philosophischen Gesamtentwicklung erkennbar zu machen, und gerade
diese Abschnitte scheinen mir ganz besonders instruktiv.
Mit Schärfe tritt B. der Ansicht entgegen, daß Philosophie
in Erkenntnistheorie oder Wissenscbaftslehre aufzugehen habe. „Die
Erkenntnistheorie stellt nur einen Teil der Philosophie dar, sie hat
nicht über Möglichkeit oder Unmöglichkeit philosophischer Welt-
erkenntnis vorab kritisch zu befinden, sondern kann selbst nur in
Zusammenhang mit und auf Grund einer philosophischen Gesamt-
anschanung bearbeitet werden. Es gibt keine unverrückbare, von
vornherein feststellbare Grenze der Erkenntnis und es gibt kein
schlechthin und an sich Unerkennbares, dem gegenüber die Grund-
sätze unserer Vernunft ihre Berechtigung und Anwendbarkeit ver-
lören; vielmehr ist die Grenze unserer Erkenntnis immer nur das
noch nicht Erkannte, diese Grenze aber ist beweglich und wird
sozusagen mit jedem Tage weiter in das Gebiet des Unbekannten
E. Raydi u. a., Jahrbach f. Volks- n. Jngendipiele, aog. ▼. /. Bowel. 168
▼orgaMhoben.*' Ich sitiere diese Behanpinng nur als Charakteristik
des Standpunktes nnseree Verf.8; meine dagegen aufsteigenden Be-
denken kann ich hier nicht nfther ausfuhren. Vor allem käme es
da auf eine Einigung fiber die Bedentnng der Worte 'Grense' und
'Gebiet' an; kein besonnener 'Agnostixismns' wird von Tomherein
eise Erkenntniserwelternng ablehnen, die sich prinzipiell etwa mit
des Röntgenstrahlen oder 4er Erforschung der Marsoberflftche in
Parallele stellen» Hefte.
Eine kurze Einleitung erOrtert Wesen und Aufgabe der Philo-
sophie. Fflr die Unterscheidung der zwei Hauptabschnitte des Stoffes
bildet selbstTerstftndlicb Kants Kritizismus den Wendepunkt. Im
einzelnen scheint mir die Darstellung Ton Francis Bacon, Locke,
Berkeley, Hnme und endlich Kant selbst ganz Torzüglich ge-
lungen. Der Kundige weiß, was dazu gehört, um Kants erkenntnis-
kritische Bieeenleistung auf 25 Seiten bescheidenen Formats zu skiz-
cieren. Der innere, entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang der
«ten genannten Systeme ergibt sich mit der größten Deutlichkeit.
Mit den Bestrebungen der Gegenwart stehen eigentlich nur die
Denkergebnisse von Fr. Alb. Lange, Comte, John St Mi 11 und
Spencer in engerem Zusammenhang und auch diesen Männern
sind nicht mehr als 77} Seiten gewidmet. . Vielleicht bat es sein
Ostes, daß die noch Mitlebenden und Mitstrebenden aus diesem
Znsammenhang ausgeschaltet blieben ; übrigens kommen diese inner-
halb derselben Terdienstlichen Sammlung „wissenschaftlich-gemein-
Terst&ndlicher Darstellungen*' in Kfllpes Büchlein zu ihrem Bedite.
- 8. 118, 15. Z. ▼. u. lies Identität' st. 'Idealität' und 6. Z.
▼. 1. *noch' st. 'nach'; S. 82, 14. Z. v. u. gehört die Klammer
in die folgende Zeile vor *das Wort Vorstellung'.
Wien. Ant. v. Leclair.
Jabrbueh tdr Volks- nnd Jagendspiele, in Gemeinschaft mit dem
?orsitsenden des Zentralansschosses zur Förderang der Volks- und
Jngendspiele in Deutschland E. von Schenekendorff und Prof.
Dr. med. F. A. Schmidt; heransg. Ton Hofirat Prof. H. Baydt.
XVL Jahrgang. Leipzig, B. G. Teobner 1907.
Das in dieser Zeitschrift wiederholt besprochene und emp-
fohlene y Jahrbuch fdr Volks- und Jugendspiele ** liegt uns gegen-
m^riig m 16. Jahrgänge Tor. Der Herauj^g^ber ist dieemal der
8ladiendir#ktor der Haüdelsbochfichnle in Leipiig, Hof rat Prof. H,
Kajdt, der eich durch Schrift und Tat um die EntwicklüD^ des
Jegeodtpielnesens in Deatscbland bleibende Verdi eniie erworben
bit, die nun durch die Ausgabe des Torliegenden Jabrbuchee eine
weitere Vermehrung erfahren. Anlage und Stoff des Bacbii itebeo
m Gediegenbett den früheren Jahrgängen gleich; neo M die midi-
bebe Beigabe gmt fortrefflicher SCeicbnang en , dj< * 'H lur
164 M* Müf^dt n. a., Jatubucb f, Volki- n. Jagen dipieUi «iig. t. J. J^
BilebUDg des iDtereseee und zur ErleicbteniDg des Vtretändjii
beitrag&D. SchoD der erste, dit AbbaDdlna^ea, Yorecbläg«
Bericbtt umfaBflendt Teil bietet eine FaUe theoretiscbeD a&d p
tiscbeD SpielEnateri&les , deBseti Beachtnog aacb tiDsertn Erai
tuDgea iihr zugute kommea därfte. IniareaBaDt und zeitgem&0
die Abbandlnng ,,Züt Erziebang aer weiblichen Jugead^ rm
neraiarzt &, D. Dr. Meisoer m Berlin, nm&oiDehr beacht^nsi
da DQcb ao bo tnancbeD MftdcbenBcbnlen die Pflege der leiblii
Übungen recht im argen liegt. Gleiche Aurmerksamkeit terc
der zweite Anfsatz über die FOrdernng der LeibesöbiiDgen in
deütecben Stndentenachaft von Dr^ Knhr in Leipzig, dessen
cterknngen ancb von noseren bOberen Lebran stalten gelten kOn
Praktiecbe Vorschläge bringt die dritte und fierte Abbandlnog
die Hotweodigkeit, in Banordnungen und BebaEtingspl&Den i
die Kinderspielplätze m berücksichtigen, ron Baninapsktor B«<
iti Königsberg nnd über den Fortecbritt und die Eäckstftndig
der dffentlichen Spielplätze von Prof. Dr. Koch In Braunscbi
wo ancb fnr unsere Verbältnigae so manches köstliche Wort
sprocben wird. Sehr beacbtenBwert ist der Beitrag des Bo;
Sanitätsrates Prof* Dr. F. A, Scbmldt über die amerikaiü
Spielplatz^ Vereinignng, der ans an einer Menge s tat i et i sehen
teriales anschaulich vor Augen führt, wie weit wir noch auf dli
Gebiete zurück sind. Unseren Spiel Vereinigungen, Ettern-
Kinderhorten wird diese alle Spiel-, Erholnngs- und BsBcb&ftigQj
statten der amerikaniichen Jugend mit seltener Gründlichkeit
handelnde Schrift auf das angelegentlichste empfohlen. Erwähn
Terdient das Schreiben, das diese Vereinigung au den Vorsitzei
des ZentralausBcbusses^ Abgeordneten ?. Scbenckendorff, gerk
bat, den sie mit Eecht als den eigentlichen Begründer der nui
weit ?erbreiteten Bewegung zur Forderung der Volks* und Jug
spiele preist und ihn zur ersten Jahresversammlung nach Chi^
ladet. Noch wären zu nennen die Abhandlungen „Der Tnrnlei:
Terein der Mark Brandenburg uud seine Mitarbeit bei der FO
rung der Volks- nnd Jngend&piele'' vom städtischen Obertnm'
Dr. Luckow in Berlin» „Die körperücbe Auebildung der Pflicht
biidungscbuJer'' von Karl t. Ziegler, „Volks- und Jugeudspiel
England" von J. F. Stoy in Jeua — eine sehr instruktive Ein
rnng in die bedeutendsten Spiele Englands — und übor Sc
hjgiene von Baurat Blankenburg in Berlin. In der zweiten AI
lung des Jahrbuches » Aue dem Geistesleben*^ wird vom Eiberff
Oberlehrer Dr. Burgast in knapper, aber trefflicher Weise die ]
ratur des Spieles und der verwandten Übungen im Jabre 1906
sprochen. An diese Anzeige reiht sieh ein Auszog aus einer j
des preußischen Ministers des Innern über die Bedeutnug der
Gesundheit fördernden Sports. Aus dem dritten Teil führen
an die Aufsätze: ^Zur Frage der körperlichen Ertöchtignng
deutschen Jugend*" vom VoTsil^eaden des Zeutralausschnase
a,^^t u, Qt Jabrboeh f. Yolki- n, Jugend ipiek, tog. t* J. Püwd. 165
iifickdBdorff, „Die EinrtcbtiiDg altgemBiD TerbindHcher Scbtilsptdle*'
m Prof. Dr. Eocb Iq Brannscbwei^, wo ods neben der gescbrcbt*
acbin EDtwickloDg des Jageodspiels ancb eine Beibe spielpraktiacb^r
f|ficbl|g» gemaeht wird, ferDer aber die Einrieb taug des obliga-
iditD SpIetQ&chmittagB an d«n böberen ScbQleD id Württeoi^
roo Prof. KtÜler« Voritand der kgl, wfirttembergiecbeit Torti*
irtryidaiigBäDstalt in Stattgart, nDd mehrere andere du Spiel-
iicbntittage betreffende Anfe&tze, Aqb dem vierten , ^VerAcbiedene
SpiiJi cßd vervtaDdie Lfibeaöbno^en'' öberfiebnebenen AbBcbniU
DicIfeD wir aaf die treffücbeti AbhaDdlcitigeD aber das Wanderii
ufmkiAin« so iDsbesocdere anf die ansfftbrltcbe Schrift „Über
^JckUtTreisen** fom Dresden er Obertarn lebrer Fritz Eckardt, ferner
^Kf die Arbeiten über ScbwjmmeD, EiBlanfen, Krtegespiele «nf
HbdeD nnd T&Bze im Freien. Der fünfte Teil bringt Beriebte
Hitt liOtelaeD Gaaen und Orten Deolicbtands ; der secbate handelt
^uir dji Spi#]knrge ond der siebente aber die inneren Angelegen -
liiten des Zentralausscbneses.
' Sehoo atis der MannigfaUigkeit nnd dem Beicbtnm des an-
fißkiteD MsUriales wird der Leser ersehen , dai> das Jahrbuch aacb
li liiner diesjibrigen Ausgabe eine der bedentfindsten Erscbei-
icigio anf dem Gebiete der Laibe serziebnng genannt werden kann
Bad iit eokbe aoeb bei nnseren Behörden nnd Scbiilen die ge-
Mkrtnd« BeacfatiiDg nnd Verbreitnng erfahren wird*
Wien,
J. Pawel.
Dritte Abteilung.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Zur griechiBchen und lateinischen Lektüre an
UDserem Gymnasium.
VIII.
Ober den „ Kanon d«a Uteiniusben lAht- uaä Liieitoffts'* bindelt
E, C, EakuU Im II L Teüo der Reform ichnft N«eb kuii^laag itt
IftUiniichen Antoreo onsere» GjmQAaiDiDs erkl&rt ett Da durch du
InetroktioDen die für die Oberstaf« gewit eriprifl^Uehe, fftr dit
Utiteritafe iweifeHoA ter fehlte Tendern gegeben lei, die SchlUer
jeden emielnea Autor «all Ganzes effaKaen^ zu Uiseni lei der Gebrantb
Ton GhrefltoniitbieD^) und QNrbaapt eine Lektflre atta Anderen S«brift*
itellern im Öffentlichen Unterrichte auegeec blossen. Geaetzt die Tendeni,
Nepoa eder Cäsar oder ÖTid aeien «als Gan£es^ £U erfasaeni w&re frirklieh flr
die Ünteritnfe gegeben, lo w&re de es nicht dnrcb die Inatrnkti^oetb;
denn deren Aafgabe ist es nieht^ loleb grandlegende Tendenzen in g ebsoi
sondern nar Eatscbl&ge in erteilen, die man» wie schon oft genug geeaeri
wurde« gar nicht iti befolgen braochtr wenn man Beaaeres weiü. Der
Lehr plan ist ea, der a neb im U.*G. icbon Antiaren Lefctttre TorscbreiU»
and daa kommt auch im Lebmei des Latein Unterrichtes am U.-G. zum
Ausdrucke, in dem ron Fertigkeit im Obetsetsen eine« lelehteo iatsln.
Sebriftfttelleri — einei antiken n&mlich — die Eede itt. Wer nnn dieet
Vorichrift all für die Unterstufe „zweifellos rerfeblt' beseichnel, bezeichnet
eben auch den Lebrptan in diesem Teile als lerfeblt und nimmt einen
3tein aus dem darcb diesen gelegten Fundamente. Das iat aber durchaus
niebt Tadels, londern nnr Lobes wert, wenn das „iweifeUos TerfebJt* zu
') M> Fetiehar t.^ur Reform be weg ung im altkl. unten.*' Pmgr,
dea G|mn. fon Stotkerau 1901/Q2) will auch im O.-Q, in reichem Mi4i
kuiBonecbe LektQre nach einer Uhreatomathie mit der Einriebt ung tinserer
deatsdisn I^esehüchei betrieben haben; so kOnne das antike GeisteilebiO
dem ScbQler alt ein in sieb abgescbloesenes Game nfihergebracht werden.
Der Attsdmck ^als Games erfassen " besiebt sich in anaeren Inttmktioneo
(3. 69) natürlich nur auf ein einzeln et Werk, auf TergiJa Aenels.
fri^k cmd Utein, LektQre an tmierem OjniQaftiiiiB. VIIL 167
beiUbt^ Aena ein PoDdimeot kann nur an Festigkeit gewiöneai
itsQ QiAQ emeo brtcbigoi) alten Stein da rcb einen soliden neaen tnettt.
Di$ hM« Betiftoptung alJerdiiigip da5 etwM Terf^hlt iei^ in»g mao mit
^ikr ttocb io imseh fertig tein, mag sie dem, der sie aniapHcht, noch so
^kitviireUo»" riehtig scheioeD, geDOgi nicbt. Dia wtnigen« die aleh bis j^ttt
^■Vit letier Teodeos siebt einTeritanden erktlrteo, babeni lOFiel icb weil^,
y^jeh 10 lUTeniGbiUeh geaprochen. Aber nicfat daran liegt ea* wenn sie
tiebt gfböft worden lind, sondern daran, da£ «ie durcb ibre Gründe andere
aithi dafön in überzeagen terEnoehten» ei Bei beuer in der 11 L und
IV. wieder m dem ror 1849 geliebten ^jitem von Cbrestomatbien <»der
Leübttdieill aorückiDkebren i dia in der K und IL feitgebalten werden
Blfii «l>tr Werl dei Organiiations-EDtwarfea^, tagt B. ßonits in dieser
1853^ 8l 627 in einer Anmerkung in F. EiapN Anfaats „Ober
gegen wirtigen Gjmnasialanterriciil'*, fliegt niebt in irgend
«dclin nenen Entdecktingen ober das Ziel oder die Mittel dea Qjro naaiat*
ilteßicbtet, ■ondern banptalc blieb darin, dal^ die gro£^e Mannigfaltigkeit
diMi, «ai als Bedarfnis hier scbon längst anerkannt nod beantragt
ffu, waa die Errahmng bereite liier oder ander vlrts bestätigt hatte, la
it&em in lieh TolUcommen tnjtamtnenb&ngenden Gassen verarbeitet ist, in
fekbein joder Teil in allen übrigen in beatimnit abgemeieenem Verbllt-
ito it«llfe* Wo man an einem solchen gogiiederten Sjsteme von Ein-
liebtoGiftn. in der Oberieagung Ton der ZweckmADigkelt des Ganzen
od ia der Absiebt, den Charakter nnd Zweck dee Ganzen TaUatftndiger
m fintwicklniig lo bringen » Modifikationen im eint einen Tornimmt,
irt uuaer nmfkbtig iq aberlegen, wie weit lieb die mittelbare Wirkung
wkiff Modifikationen erstreckt; denn «s kann leiebt gescbeheDf dal^
iaäirnjigen, welebe klein nnd onerbeblieb echeinen, Andernngen, welche
k der aofricbtigiten Beittimmung in der gesamten Hiebtang des ürgant-
lllba»^Ei)twnrr«s rorge»chUgen werden, dennocb denselben in leinem
ttienten Grunde in gefihrden ond nmmatanen geeigDet aind". Haeh
4ititQ Anifthmngen werden wir anfmerkeam darauf acbtes, ob unser
fiitlfnief xn beweisen imstande sein wird, daß nanmebr gegen die Ton
Btaiti emthnten Erfahrungen und gegen die in den Jahren 1849—1906
fffVineni Einiicbt die im Lebrplaae ftir den lateiniichen Unterriebt im
1^'4> fietffehaltene Tendenz reifehlt ist.
McBe Praxis, für die Wabl der Schullektüie eine unrerrflckbare
^^Korm ta sanktioniereo, Ueße »ich nach rQckwftrta bta auf die Grammatiker
^■Anitophanea ron Bjxant nnd Ariatarch Terfolgenf heilet et bei K,
^*veitff, nnd habe einerseiti „allenthalben" das Stadinm der würdig Be*
fiiDdvDco gefordert und die minder begünstigten Schriftsteller in den
Hiftterpind gedrängt oder ans der allgemeinen Bildung auiges ehaltet,
^^MffteHl habe rieb begreiflicberweiie der Gescbmaek dee Literatentumi
^^M dct Gebildeten überhaopt nicht Immer ton den .Grammatikern^ in
^BbMls legen iaeeen, sondern aeinen Widerspruch ^in Theorie nnd Praxis
^■•Utiftdj^ und habe seblie^lich sogar bei manchem Frommglänbigen
^^itlaag gtfnndin, dem , nach gerade die Weite des einen oder anderen
m den Mnitergilligea »o peinigend wie etwa ans die abgedroschene
168 Zur griach. und laMo. LektOra an natiram QymBMiiim. VIII.
Melodie einer Straftenorgel in den Ohren klingen moehte^/'. Ähnlieh ginge
es heute vielen V&tem, die ihren Jangen «beim Nepoe helfen* wollten,
und manchem freiheitedontigen SehnlmAnne, der wieder einmal Ciceroi
Laelioi tradieren solle, vom munteren Quartaner gans su eehweigeB,
dem sich troti seiner kriegerischen Anlagen das Veiwt&ndnis fflr Oiean
Bdlum OaUieumf diesen „militirischen Rapport des demokratiaehen
Generals an sein') Volk* (Mommsen, B. Q. III 615) noch immer nicht
so gans ersehließen wolle. Kokula httte schon aus Marftinaks «flflchtigem
Bück in die Oeschichte des LektOrkanons* lernen können, worin Ände-
rungen im Kanon ihren Grund hatten und worin sie bestanden. Die heute
in unseren Kanon aufgenommenen Autoren sind so liemlieh alle oeit jeher
gelesen worden, wenn auch nicht allein, so planmftßig und in demselben
Umfange. Der Vater, dem es heute so, wie K. sich's Torstellt, beim Nepos
geht, ist gewift tu bedauern, wenn er allen seinen Jungen — denn
mehrere mftssen es ja doch sein » schon bei diesem Schriftsteller helfen
muß. Die Viter flbrigeni, die ich bis jetit als Helfer ihrer Söhne kennen
gelernt habe, waren gerade in dieser Eigenschaft mit Nepos am sufrie-
densten und es lAßt sich eogar eine öffentliche Vaterstimme von nicht lu
unterschitaender Bedeutung gerade fflr den armen Nepoe anfflhren. L. t.
Sjbel lobt in den «Gedanken eines Vaters lur Gjmnasialsaehe* den
Nepos wie Cicero, welchen er auch durch Nachsprechen gewisser Urteile
heimbsusetien warnt. Fflr die mit Tiden Buben gesegneten Viter aber
einen raschen Autorenwechsel eintreten tu lassen empfiehlt sieh doch nicht,
weil es fielleicht wieder diese Viter in große Verlegenheit bridite. leh
glaube also, wir werden hierin kein «Beformmoti?* in erkennen, dieser
„Haaptrichtlinie* nicht tu folgen brauchen. Dem freiheitsdurstigen Schul-
mannOi dem der Laelius lu langwellig ist, rate ich dringend, ihn in der
Schule nicht lu lesen, und wenn er glaubt, daß er das »soll*, rate ich
ihm weiter, den Lehrplan, wie wir ihn jetit noch haben, einiusehen, da
wird sein Freiheitsdurst hoffentlich einigermaßen gestillt werden.
Nicht ans bloßem Mitleid mit sich selbst und mit der Jugend bat
sich Enknla der oben angernfcDen Schul- und Literaturgewaltigen — er
kann nur Aristophanes von Byiani und Aristarcb meinen — eilnnam
mfissen, welche drei ttk$9ie von Sehulschriftstellem bitten gelten lassen.
Ich wflßte wie P. Wendland (in der erwibnten Anieige) gerne etwas
Niberes Aber die %ding dieser beiden und dann wUßte ich audi gerne,
was außer jenem Mitleid die Erinsening Knkulas an diese beiden wach-
gemfen hat Wiederholt sei er, setit E. fort, in diesem historisch-loyalen
^) Ob dieses Satses ruft Wenger (Verb, der IIL n.-ö. Dir.-Konf^
S. 145): , Bitte doch der Graser diese Kraftworte nicht drucken lassen!*
K. weist hier auf Plinias fip. VI 21, 1 hin: ium ex ii$ qui miraniur
antiquoB, non tarnen ut guidam temporum naeirorum imgenia detpieio.
Was soll der hier gemachte Unterschied? Wir sind Verehrer der Größten
unter den Antiken, nicht auch der Mittelmißigen.
'; Moromsen hat selbstTerstindlich geschrieben «an das Volk*; das
ist doch etwas anderes. Ed. Norden sitiert (Knnstprosa, S. 210} die Worte
richtig.
Zur g^eeb. niid latmo. LektOre aa unterem Ojmiiatiam. VIII. 169
SiBoe onter Hinweit anf das Beitpiel preofiiteher Lehrpline (1891 nnd
]901) aneh bei nns ftr eine Erweiterong dee Kanont nnd eine Bebeidnng
ii gebotene, empfoblene nnd nliieige Antoren eingetreten. Damm dflrfe
er wobl dieemal die Enreiternngsfrage mehr oder weniger (I) anteehalten
nd den miftigen Banm der Unterencbnng der Frage widmen, ob alle in
UMrem traditionellen Leeekanon yertretenen lateiniieben Antoren hente
Bodi flfar*einen enprießlichen Betrieb altepraehliehen Unterrichtet alt
geeignete Omndlage angeteben werden kOnnen. Er bejaht diete Frage
fftr Lifint mit Aateeblnß dee I. Bncbet, Sallnit, Tadtttt, Ofid nnd Horai
nd geht dann an teine eigentliche Aufgabe.
Um taine Berechtigung, in der Kanonfrage mittprechen in dürfen,
n erweiten nnd nm in leigen, daß er von der Erweitemngifrage hier
abieben kOnne, fflhrt C in einer Note alle Stellen beeonden an, wo er
fir eine Brweitemng det Kanone eingetreten tei. In dieter Zeittchr. 1896,
& S2 f. hat er bei Betprechnng der .Antgewihlten Briefe det jQngeren
Pliniu* Ton A. Kreoter betont, daft die Brieftammlnngen det Cicero
lad Plinittt ineinand« ihre harmonitche Ergtoinng finden nnd hat dee-
wcgen, weil der Korretpondeni Gicerot ndanernd nnd allgemein" im
piceftitdien Lehrplan Platt getchaffen tei, gewflntcht, anch der Plin*
Saannlong eolle in Prenüen Einla5 gewährt werden» nnd weiter anchi
mscre oberen Satten mögen etwa fftr die Torgetohriebene Antwabl ant
den wenig ergiebigen Eclogae nnd Bncolica det VergU nnd den ermfldenden
Dialogen Gicerot recht bald die bedentendtten Stücke am den brieflichen
Ntehllcien dee Plinint nnd det Cicero eintantchen. Im Begleitworte
der Sammlung yMeiiterwerke der Oriechen nnd BOmer* (1901) hat er
dtu den Wnntch geinftert, et mOge eich dietet vor allem fttr Privat-
liktAre beetimmte Unternehmen auch fftr eine Beform det Kanont der
•fftitlieheD Lektüre nütslich erweiten, da doch die alljährlich ohne Ab-
wechflttog wiederkehrende Lektüre der nämlichen ant den einttigen
Klettenehnlen 1) übernommenen Antoren eine dem modernen Rufe nach
Mchlichar, nicht bloA formaler Bildung enttprechende Fortentwicklung
dit alte|Kranhliehen Lehrbetriebet empfindlich beeinträchtige. Alt dann
Ktknla in jener Sammlung eine Autwahl der Briefe det jüngeren Plinint
') Dieee Behanptnne erinnert an eine Stelle in der Eingabe, welch«
die ttändigo Delegation det IV. Otterr. Ingenieur- und Architektentaget
dem MiaiSlerprättdenten nnd dem damaligen Leiter dee Unterrichtt-
miaiiterinine übeneichte, in der et u. a. heißt: «Die latein. nnd griecb.
Sprache wnrde in Anfang det XIX, Jahrb. aat den alten Klottertcbnlen
übemommoB*. Vgl. t. Amimt Vortrag über den Bildnogewert det griecb.
DDtcrrichtee, gehalten in der gründenden Venammlung det oben erwähnten
VerciBee (Vereintniitt., I. Heft, 8. 27 if.). Unpaetend iat die Beieichnnng
enteret Kanont alt einet traurig fcralteten im Vorworte einer hauptsäch-
lich für Schüler bettimmten Autgabe, abgetehen da?on, daß tie auch, wie
wir tehen werden, im wetenüichen unbegründet itt Solche leicht bin-
gcwetfene Urteile eetien die bettehende Organisation bei Schülern nnd
Eltern nntsloe herab nnd itellen andere Lehrer alt armtelige Duckmänter
hin, die ekh nicht in tagen getrauen, was tie doch tehen^mütten. Man
rufe, to laot man will nnd kann, in die Ohren der Facbgenotten und
Behürden» die Schüler Tertchone man mit derartigem.
170 Zur griech. und latein. Lektlire an noterem QjmDaiiom. VIII.
heraaigab (1904), tprseb er in •einem Vorworte abermali den Wnnseb
am, es mOge diese Arbeit alt Beitrag in einer Eanonreform empfanden
werden; denn, meinte er 8. V» »ein unbefangener Vennch und ein ehr-
lieber (!) Vergleicb mit Vergilt Bneolica oder Qeorgica, mit Cieeroe Laeline
oder Cato, mit Ciears Beüum eivilct Werken, die im tranrig Teral-
teten Kanon unterer alttprachlichen Lektftre noch immer bartnftekig (!)
ihren Plats behaupten, konnte ... nur in Quntten der Pünianitchen
Episteln enteohieden (!) werden**. Von Ciceros Briefen, ohne die es wohl
noch nie Jemandem einfiel, Briefe des Plinios tu lesen, war also keine
Bede mehr. Im Sommer 1905 las Knkula in der VII. des Wiener
Sophien-Qjmnasiums statt einer philosophischen, besw. rhetorischen Schrift
Ciceros mit behardlicher Bewilligung eine Ansahl Plinianischer Briefe
und TerOffentlichte einen Beriebt hierflber in dieser Zeitschr. 1905, S. 818 ff.
An allen den erwfthnten Stellen hat aber K. stete nur die Briefe
des Pliniut empfohlen, unseren Kanon einfach als traurig Teraltet, gewisse
Stflcke als wenig ergiebig beseichnet Ein Beweis ffir diese Bebauptongen
wurde nicht einmal ? ersucht, geschweige erbracht Damit, daft man erklärt»
der Kanon bedürfe der oder jener Änderung, flberseugt man noch nicht tou
der Notwendigkeit einer solchen. Auf die Empfehlung der Plinius-Briefe
als Klassenlektftre komme ich spftter, da jener Bericht im weaentlichen in
die Torliegende Schrift Aufnahme gefunden hat. Die Bftcksicht auf die
preuAischen LehrpUne aber bitte K. Ton allen seinen Vorsohligen nur
lurfickhalten sollen, wie sich im einselaen seigen wird; hier sei nur im
allgemeinen hervorgehoben, daß die preußischen Lehrplftne gegenAber
unterem im Lateinischen keine Lockerung oder Erweiterung leigen, man
müßte denn darin eine Erweiterung des Kanons sehen, daß von Halb-
jahren nur selten die Bede ist, daß neben Nepos auch ein Lesebuch, das
Lebensbeschreibungen hervonagender griechisoher und römischer Helden
umfaßt, sugelatsen ist, daß von Cicero noch die Briefe empfohlen sind
und daß von Cisar, Livius und Ciceros Beden wie philosophischen
oder rhetorischen Schriften bei der größeren Stundeniahl bedeutend
mehr verlangt und durch genauere Angaben auf verschiedene Klassen verteilt
ist. Natflrlich enthalten auch jene LehrpUne keine Scheidung lateinischer
Autoren — von den griechischen spricht ja K. nicht — in gebotene,
empfohlene und lul&ssige.
Im ersten Abschnitte handelt K. Aber Nepos und Cisar.
Gegen Nepos werden die lingst bekannten Vorwürfe erhoben, als
gilte es wieder die These tu erweisen, die Hanow im J. 1850 beweisen
tu können glaubte: C N, arcendus erit tamquam pesiia a pueris.
H. Ziemer eagt von einem in gleicher Absicht geschriebenen Zeitungs-
artikel Ober „C. N. in der Schule«« (Jahresb. 1898, VI 57), alles, was da
aU allerneueste Weisheit ausgekramt werde, sei schon hundertmal aus-
gesprochen und ebenso oft widorlegt; es sei nicht der Mflhe wert, auf
diese Auslassungen einiugehen. Eigentlich gilt das auch hier. Wenn ich
mich trotsdem mit dem beschiftige, was K. anfflhrt, so geschieht dies,
weil er sich von denen, die bis jetit seit dem Ende des XVUL Jahrb.
gegen Nepos aufgetreten sind, darin tu unterscheiden scheint, daß er nicht
Zv grieeh. «ad latein. Lektftre an nnteremi Oyamaiiom. YIII. 171
Toa KepM Mlbst aaageht» sondern Ton neueren Urteilen aber Nepos, wodnreh
neh dae Alte neu aii%opatsl darstellt Der erste Teil seiner Aasfflhrangen
]«hit sieh an M. Sehani, der iweite an Ed. Norden an. Es ist Oberhaupt
fib Kuknlaa Darstellang gegenflber der H. Sehenkls cbarakteristisehy daß
er in der Regel an Urteile bedeutender Forseher der neuesten Zeit an-
kalplt, sie omtohreibt und erweitert und aneh SdilOsse liebt, an
welche jene Gelehrten selbst gar nie gedaebt haben; mitunter kommt
4ss Qegentoil ?on dem heraus» was sie gewollt. Wo aber E. Ober jene
urteile hinausgeht, ist die Saehe meist bedenklieh. Dies leigt sich gleieh
bei Kepot.
Der Freund des Cieero und Atticus, dem der grOßte rOmiiche
Lyriker »durch die Widmung seiner (Gedichte ein unvergingliehes Denk-
flul setste* (Schani), den die EUimer selbst gern gelesen haben, wie wohl
der Umstand leigt, daft sein Werk De viris iUfUtribua in iweiter Auf-
lege erschien, den natfirlich Plutarch nicht lU benOtien Terschmfthte, was
lUerdings nicht fiel bedeutet, den Mftnner wie Muret und Buhnken be-
wnnderten, dessen Anmut im Stil und Naivetit kein anderer als
Goethe*) rflhmt, der Autor, an den die meisten mit den Gefühlen denken,
weiehe die Erinnerung an Liebes aus der Enabenieit begleiten, er wird
kanw^ als unertrigUcher Stilpfuscher beieicbnet; wo er nicht aus
eifener Anschauung schreibe, leiste er an Entstellung und Verdrehung
Uoftbeitreiniches. Und doch seigt gerade die moderne historisch -philo-
logisehe Wiasenscbaft, wie ungerecht es ist, ihn als Historiker und Stilisten
n echelten.
Sehen den Aufbau des Werkes, den man bekanntlich nur ? ermutungs-
wsiee feetgestellt hat, findet K. tadelnswert und weicht da in so merk-
wfttdiger Weise Ton der Darstellung in der Literaturgeschichte des
M. Schani ab, den er darum auch keinen Grund hat hier lu nennen, daß
aaa sieb nicht genug wundem kann. Der Einfachheit wegen stelle ich
beide Darsiellangen nebeneinander.
1) Warum Goethe sagt (Dicht, und Wahrb., Bedam, S. 20): „Der
dir jonge Leute so starre Cornelius Nepos, das alltu leichte . . . neue
Tcetament usw. kennten uns kein Interesse geben**, begreift man, wenn
naa von ihm hört, daß man in der Begel nicht den Nepos, sondein die
ferschiedeoen eunh ablaiivo$ abaolutos usw. lernte. Er redet (S. 19) Ton
öer Pedanterie und TrObeinnigkeit der an öffentlichen Schulen angestellten
Lehrer wie Ton dem Schlendrian derer, die ihm und den Nachbars-
kmdern Prifatunterricht gaben. Goethe kam der formiriliche Zustand
der (Chrestomathien natfirlich als hedeutender Fortschritt vor; aber was
der Zeit ?on 1755 gegenfiber einen Fortschritt ausmachte, wurde bei uns
1849 beseitigt und kann nicht fflr uns jetst wieder ein Fortschritt sein.
I)s8 Urteil Goethes Ober den Stil des Nepos kann wohl auch ffir uns
beschteaswert sein, nicht aber etwa seine Äußerung (Dicht, und Wahrh.,
S.20): «Chrestomathien, wodurch die Belehrung heiter und mannigfaltig
wird, waren noch nicht bis lu uns gekommen". Man darf also nicht
etwa, waa allerdings, sofiel ich wenigstens weü^, bis jetit nicht geschah,
Oeetiw f&r die Chrestomathien ins 'Aeffen führen , inmal wir ja im ele-
BMotarsten Unterricht — und von dem spricht eben Goethe — ohnedies
QuettoBathisn Ähnliche Elementarbficher ferwenden.
172 Zor grieeh. und lateio. Lektüre an nnierem Oymnanam. YIII.
Sehani (I>, S. 228):
Dai erste, was der Wfirdignng
OBterstellt werden mnO, ist der Auf-
bau (des biographischen Werkes) nach
Kategorien. Zu diesem Zweck war
es notwendig, einmal diese Kategorien
richtig aasiQwihlen nnd dieselben
passend in ordnen, dann fflr jede
die herTorragendsten Persön-
lichkeiten ansznsnehen nnd die
ansgesachten in eine natür-
liche Reihenfolge sn bringen.
Wie hat Nepos diese doppelte Auf-
gabe gelost? Die erste anlangend,
können wir nnr ein bedingtes Urteil
abgeben, da hier die Überlieferung
uns lu wenig Daten an die Hand
gibt. Wenn aber Nipperdeys Auf-
stellung das Bichtige getroffen hat,
so dürfte unser Autor keinem
erheblichen Tadel begegnen.
Nur einmal seigt es sich, daO ihm
sein Fachwerk Schwierigkeiten be-
reitet. Der Aufbau desselben beruht
nftmlich darauf, daft den Königen
die NichtkOnige gegenübergestellt
werden, nach den FAchern des
Wissens und Könnens geschie-
den. Allein trotzdem kommt er in
dem Feldherrenbuehe auf die Könige
lu sprechen. Nur mangelhaft hat
Nepos die zweite Aufgabe gelost. . .
Nachdem einmal der Autor be-
schlossen hatte, seine Biographien
nach F ichern anzuordnen, so
m u 5 1 e bei der Ausführung seine erste
Aufgabesein, in jeder Biographie
die Seite in den Vordergrund
zu stellen, welche auf das be-
treffende Fach hinweist. Auch
dies ist nicht beachtet worden.
Man sieht, das Faehwerk ist nur
ein ftnßerer Rahmen, dasselbe hat
nicht bestimmend auf die Kompo-
sition eingewirkt. Aber auch ab-
gesehen davon sind die Biographien
keine Meisterwerke. Nepos ist nicht
Kuknla (S. 09):
In alter Sophistenmanier baut
er sein Werk nach Kategorien
auf, klaubt mit geringem Scharf-
blick für jede Kategorie einen
typischen Vertreter aus und
plagt sich endlieh mit sehr frag-
lichem Erfolge, diegewthlten
Typen nach den F&chern dsi
Wissens und KOnnens in eine
natürliche Reihenfolge so
bringen.
Denn da er sich einmal
für die Einteilung seines Boches
nach Fftchern entschieden hat,
muß (!) er in jeder Biographie
um jeglichen Preis diejenigeo
Seiten in den Brennpunkt
stellen, dieanf daobotreffende
Fach hinweisen. Nicht mioder
unzuTorlftssigist er in geographiscbeo
Daten....
Dieses ganz äußerlich schema-
tische Verfahren setzt ihn begreif-
licherweise außerstand, ein wahres
Zar griMh. und UttiB. Lektflre an onterem GyrnnMiiUD. YIII. 173
imaUade, «in adiqnatei Le- Lebensbild leichnen in kannen.
b»»bild in seiefanen, er Ter- (Dieter Snti geht dem hier darüber
ftbrt nicht pejehoiogiseh, eondem eUhenden bei K. Toran.)
inßerlieh - sehematiseh. Das
Anekdotenhafte tritt stark hervor. . .
Ich betone» daß ich es dorchaas nicht tadle, daft K. sich an eine
Astedtit wie Sehans angeschlossen liat, ich tadle es, dafi er sich in einigem
nicht anges^ossen hat; denn die Abweichnngen sind höchst sonderbar.
Jn alter Sophistenmanier* sagt K.; es unterliegt doch keinem Zweifel
mehr, daG Nepos da Yarro gefolgt ist. „Einen typischen Vertreter fflr
jede Kategorie!'' Ja, wie sah denn das Werk des G. N. ans? Wie sieht
dsBB das Feldherrnbaeh ans? Bestand oder besteht es ans den Biographien
eioes Königs, eines Feldherrn, eines Staatsmannes nsw.? Bei Sehani
Heht nat&rlich der Plnral »Persönlichkeiten«*. Vielleicht ist Ed. Norden
SD der Sache sehnld, der (Konstpr., S. 206) schreibt: «Da er (0. N.) den
Betreffenden jedesmal als eins ig in seiner Art hinstellt, kommt es
fdcgentlieh Tor, daß er in iwei Viten genaa das Gegenteil eri&hlt, s. B.
wild in der vUa des Timotheos 1, 3 dieser gerOhmt, dafi er nicht wie
Agesilaos vom Perser Geld genommen habe, w&hrend in der vüa des
Agesüaos 7, 2 dieser gepriesen wird, daß er sich tom Perser habe be-
icheaken lassen and dadurch das Vaterland gerettet habe''. K. hat
linlieh dasselbe, was Norden ?on „i. B.* ab sagt, in einer Note
hemerkt, nur daß die swei Zitate, mit den Nummern der Biographien
f ersehen, in umgekehrter Reihenfolge erscheinen, daß es einmal statt
,daß« »weil* und jedesmal statt »von dem Perser* heifit »von den
Pmem*!). Und endlich gar jenes Schanische »mußte" (debebat) und
') Es ist das eine ebenso ungenau wie das andere. Wie gut es
tbrigens iat, die Zitate immer selbst Dachsueeheni zeigt sich hier. Von
Timothens beißt et: Ariobarsani aimul cum Agesüao atucüio profectus
est; a quo cum Laco pecuniam numeratam accepisset, iUe dvis 8uo$
•jro oüue urbihus augeri maluit quam id aumere, euiua pariem domum
tuam ferre passet, Itaque aceepit Crithoten et Sestum; von Agenilaoe:
. . numquam Agesikios destitit, quibuscumque rebus posset, patriam
mvare. Nam cum praecipue Lacedäemonii indigerent pecimia, ille
mmbus, gw» a rege defecerant, praesidio fuit; a q^üms magna douatus
feeumia patriam sublevavit. Aifue in hoc iUud in primis fuit admi-
fäbile, cum maxima munera ei ... canferrenturt quod nihü unquam
domum suam eantulit. Nepos enfthlt gar nicht „genau das Gegenteil*",
Mifter was den Tatsachen entsprach, daß Timotheus statt Geld lieber
Lsad nahm, Agesilaos aber, weil Lakedimon Geld brauchte, Geld. Warum
ÜBOtheus kein Geld nahm, stand in der Quelle des Nepos wohl noch
dsatiicher, als der Belativsats cuias . . . posset besagt Timotheus kennt
•siae Athener (man denke an Demosthenes!), bei Land konnte ihm
Biemand vorwerfen, daß er etwas eingesteckt habe. Mein Koll. Filipsk^
mscbte micb da aufmerksam auf Xenoph. Anab. IV 6, 16 Ülila fiivTOt,
ffn 6 Xsiifi^o^og (auf den schlechten Wits Xenophons, daß ja die Lak.
neh schon von klein auf im Stehlen flbten), *dym ifutg tovg lä&ijvaiovs
dioi(» Siußovg »Iweu itXhnew sa difftoaia (öffentliche Gelder), xal ftdltt
^og 6u9q9 »urdvpov rf vXemoptij xairohg xQutiarovg fiipvoi fMcXccnra,
t^f ^fUw oi Mifdtiütot &QX9i9 d£&o€fyraft* &n9 Aqu xal aol kni^sU-
^veda» T^ umÖHap. Agesilaos hat eben einen derartigen Vorwurf nicht
174 Zur griMh. nod Uteio. Lektflre an unterem Gymnasiom. YIII.
dM «moft* und das hflbsehe «nm jeglichen (!) Prtia'' bei E. Ja, wenn
man bei Benfltsnng einet wittentehaftliehen Werket avt Imperfekien
Praetentia macht and dann einen oder den anderen 8ati flberaieht, wie
hier den Sati «tncb diet iit nicht beachtet worden*, dann atellt man
sich auf einen „prlteritalen*' Standpanlit nnd mitunter anch anf den
gegenteiligen, den falschen. Nepot hat eben die gewiaten Seiten nicht
nm jeden Preit in den Vordergrund geatellt, wie die Lektflre so mancher
Biographie leigt. Schani macht Nepot gerade darant einen Vorwarft K.
wendet die Sache int Gegenteil, nm anch wieder dem „kranken Mann«
(Reinhardt) einen Vorwarf sa machen i).
Und da werden an Nepot Mi ATerttindnisie, banale Gemeinplfttie
and Widertprfiche gerfigt. Schani tagt enttprechend den Tatsachen
(S. 224): «Nar in leicht lißt er (N.) sich gerade fon der PertOnliebkdt,
die er behandelt, sa einer Übertchltinng der Bedentang dertelben hin-
reißen; im Zniammenhang damit tteht, daft er lieber dat Bfthmliche alt
dat Tadelnswerte an teinen Helden henrorhebt, wat ftr ein lieberollet
Gemüt, aber nicht fflr einen tcharfen Geitt spricht*. K. li&t Nepos „unter
bewaßter MiOachtung der Wahrheit* das BOhmliche geschmacklos über-
treiben, das Tadelswerte abschwftchen. Das „bewui^ter*' sollte doch erat
bewiesen werden, und wenn es bewiesen wäre, wäre es eben nur das
Zeichen eines guten Menschen eigentflmlicben Bestrebens, das wohl nie
ans der Welt schwinden wird. Denn «des Menschenfreundes Lüge* scheint
manchen besser als „des Menschenhassers Wahrheit*. Und dann: Nepos hat
eben nicht GcMhichte, sondern ßloi schreiben wollen, also die Gesetie des
kyx6fuovy von dem E. selbst spricht, befolgt und als Quelle «die massenhafte
Literatur negl Mo^mv dvSQ&v benutit, in der es Geseti war, nur weiü oder
schwan in malen* (Norden). Eben den richtigen Standpunkt, d. h. den
moderner histor.-phllolog. Wissenschaft, gibt das, was E. aus Ed. Norden
anführt (Eunstpr., S. 205): „In unserm Jahrhundert ist es. . .Mode geworden,
ihn als Historiker und Stilisten lu schelten; aber das ist ungerecht:
denn auf den Namen eines Historikers hat er selbst keinen Ansproch
erhoben und als Stilist hat er das in leisten sich bemüht, was der pnerile
Stoff erheischte*. Wenn Norden unmittelbar Torher sagt, daß N. nirgends
das Niveau auch nur der Mittelmäßigkeit erreichte'), was E. gesperrt
gefürchtet und Lakedftmon brauchte Geld. Obrigens handelt es sieh bei
Tiroothens am Entgelt für Unters tütiung des Ariobananes, der sich gegen
Artazerzes empört hatte, an der sweiten Stelle nur um Gelder Tonseiten
derer, gut a rege defeeerant. Ich denke, man braucht die Stellen nur
genau ansusehen, um das Bichtige lu finden. So ainflltig war denn
0. Nepos doch nicht and auch seine romischen Leser nicht Also Norden
ist da SU weit gegangen, E. aber nennt das gleich „das berüchtigteste
Beispiel* Ton Widerspruch.
^) Oder sollte E. am Ende nicht gemerkt haben, daß b«i den
Worten Schans' „Auch dies ist nicht beachtet worden* su ergftnsen ist
„Ton Nepos?*
*) Norden erklärt, G. N. habe sich im Dunstkreis der Grüßten seiner
Zeit bewegt, nirgends das Niveau der Mittelmäßigkeit erreicht, Schani
lählt ihn den Transpadanern bei, die sur Zeit Giceros in dei römischen
Literatur eine hervorragende Stellang einnahmen.
Zur griech. und latdn. Lektflre ao unterem Gjmnaiinm. YIII. 175
dradrty eo kann daa deeh fBr ihn nieht gar so Tiel antmaehen, der ipftter
(S. 82) den Gnndtati anfetellt, daß Ar die Mittelschnle, die nur eine
Mittelitofe nnterer intellektnellen Entwieklnng dantelle, unbedenklich
dif weniger «Große* heraninrieben lei ; da steigt doch Nepos eebr im
Km. Ebenso finde ich aofTallend, daß K. anf die Worte Nordens
»obwobl sein (des Nepos) Spracbgebraneb gans nnklassiseh ist* Gewicht
legt, er» der doch 8. 90 f. erklirt, daß „der frfther etwa gehegten
BefBrchtong, daß dnrch die Lektflre von Sehriftstellem des silbernen
Zeitalters* (die den Klaistkem doch nieht so nahe stehen als Nepos) „die
Korrektheit des lateinischen Aasdmckes beeintrftchtigt werden konnte,
dsreh das Verklingen des Lateinischen als Umgangs- oder Schriftsprache
je^ieher (!) Gmnd und Boden entxogen ist*.
Aber K. schilt Nepos auch als Stilisten troti Norden nnd Schans,
der aosdrfleklieh sagt (S. 224): „Der Stil ist der schlichte, der sich
frei hilt Ton großer Periodologie und sich in einem sehr beschrftnkten
Wortsehati bewegl Derselbe ist aber durch das rhetorisch Zugespitste
osd Zierliche gehoben* und (8. 248) „daß auch der Stil Gisars und Corn.
Hepos* (hier verweist Schani auf Nordens Konstprosa) „mit dem attischen
verwandt war, kann fflglich nicht besweifelt werden*. Und trotidem
nseht es gerade die Qualität seines Stiles unserem Beformer recht
sorerstindlich, daß sich das Buch so hartnäckig als Grundlage der ersten
Lsteinlektftre am Gymnasium zu erhalten vermochte; denn just fflr die
SBterete Stufe dflrfte nur ein möglichst leichter und wenn nicht inhalt-
lich bedeutender, so doch wenigstens im Satsbau vorbildlicher Text
is detraebt kommen. Die Geepreistheit des Ausdruckes seige sich bei
Nepos auiii nachteiligste, wenn man zu der fflr die Unterstufe wiehtigsteD
Aufgabe gelange: seine Worte in ein verstlndliches und korrektes Deutsch
II Abersetien. Und er fflhrt (ans Norden) swei Beispiele von „abgeschmackten
Wortspielen und aosgeklflgelten Antithesen* an, die die Fassongskraft
dieier Altersstufe flbersteigen sollen; auch starke Verkehrungen der
sstflriiehen Wortfolge, namentlich in den Klauseln, sollen die Erkenntnis
des logisch Zusammengehörigen erschweren. Und endlich hebt K. wieder
mit Korden hervor, „daß die Sitze meist aus kurzen Teilchen bestehen,
die nur durch adversative oder kopulative Partikeln in den Fugen ge-
iialten werden, daß größere Sfttse fast immer entweder roh sind (langer
Vordersati, kleiner Nachsatz) oder infolge der Einschiebung von Paren-
thesen elendiglich in die Brflche gehen*, setzt aber Nordens weitere
Worte nicht hinzu: »Wir beobachten also schon hier den Prozeß der
AsflOsung der Periode, worflber wir bei den Autoren der Eaiserzeit
engehender werden handeln mflssen*.
Der Satz mit dem „hartnäckig sich erhalten* seigt Unkenntnis
der Geschidite der Neposlektflre bei uns und anderswo, das flbrige ist
Qozotrcffend. Gerade der Stil macht es eben verständlich, daß dieser
Autor fflr die erste Lateinlektflre immer wieder verwendet wurde.
Denn erstens ist er nach der Meinung vieler Kenner an und fOr sich
sieht so schlecht, wie er dem scheinen mag, der Aber die antike Kunst-
ptssa schrieb und seinen „Sinn fflr die großartige FormsehOnheit der
176 Zur gxiech. und latein. Lektflre m aDterem OymnMiiim. VIII.
lateiniicben Spraehe* an Cie«ro gebildet hat Zweitens sind die kunen
8&tse des Nepos mit ihren einfachen Verbindongen Tortrefflieb fOr den
ISjfthrigen Tertianer» der erst anfingt, eich lelbet&ndig im Satsbaa an
versQchen und dessen größeren Sitten die, die jahrein jahraus Deotseh
in der III. nnd IV. haben» die Roheit der Sfttie des Nepos — natQrlieb
Tergleiehtweise gesprochen — wftnsehen mochten. Drittens sehreiten wir
eben von der aafgelOiten Periode sar einfachen Cftsars, dann lor kom-
plizierten des LiTios nnd endlich lar ToUendeten des Cicero sjstematiBch
fort Daß weiters die Übertragung der Sfttie des Nepos in ein korrektes
Deatsch bald auch dem normalen Tertianer keine Schwierigkeit bereitet,
ist eine allgemein anerkannte Tatsache; C Nepos ist eben ein möglichst
leichter und doch inhaltlich bedeutender Schriftsteller. Ist die Fassungs-
kraft der Schfller fflr das Wortspiel habebat in matrimonio sororem
germanam suam non magia amore quam mare d%KStu8 oder für die
Antithese sie vetere instituto vitae effugit nova pericula wirklieh sn
gering, so wird man auf diese Dinge nicht eingehen nnd der Verlust wird sieh
Terschmenen lassen. Einen im lateinischen Satiban Torbildlichen Schrift-
steller darf höchstens der verlangen, der auf stilistisehen Unterricht das
Hauptgewicht legt Fflr den Tertianer sind die im lateinischen Satsban
wirklich vorbildlichen Schriftsteller noch lu schwer; ändert man aber an
ihnen, dann sind sie keine vorbildlichen lateinischen Schriftsteller mohr.
Die Verkehrungen in der natflrlichen Wortfolge, die Nepos vo^enommen
hat, weil er den rhythmischen Satuchlnß beobachtet oder «weil er Ober
hanpt salopp schreibt** (Norden), was aber nach Norden noch genauer
untersucht werden muß, erschweren die Erkenntnis des logischen Zusam-
menhanges nicht im mindesten; denn es macht fflr das Verständnis gar
nichts aus, ob es heißt esset adductus, fuisse cammunia, sunt secuti
oder adductus esset usw. Wenn endlich K. in Nepos den Tfpns des
Aristotelischen ij^svdoyQdtpog findet kann ich Nepos diesen Ehrentitel erst
dann geben, wenn man beweist, daß er, um nur jemanden su belasten,
was er in seinen Quellen fand, absichtlich ins Gegenteil verkehrt hat.
Niemand beiweifelt daß Nepos weder sachlich noch spraehlich ein
mostergiltiger Schriftsteller ist, wie K. S. 72 resümiert, nftmllch ein
für die Menschheit, nicht fflr Tertianer mustergiltiger; darum hat man
aber noch nicht das Recht den, dessen Werk die ROmer selbst geschfttst
haben, einen stflmperhaften Schriftsteller su nennen. Davon, daß Nepos
auf Geist und Geschmack der Schfller nur abschreckend und verderblich
wirke, mflßten doch andere Leute auch irgend etwas gemerkt haben.
Daß alles das, was man an Nepos zu tadeln hat, weniger bedeutet als
das, was ihn fflr die Lektflre auf dieser Stufe besonders geeignet erscheinen
läßt, ist Ungst vortrefflich, wie mir scheint, und erschöpfend gezeigt
worden. Man vgl. besonders die Auseinandersetzungen L. Vielhabers in
dieser Zeitschr. 1860, S. 4^2 £ i), die hente geradeso lesenswert sind wie
>) Auch W. Eergel in dieser Zeitschr. 1858, S. 58—56 verdient
noch Berflcksichtigung; flber die Geschichte der Neposlektflre im all-
gemeinen orientiert natflrlich Eckstein (L. o. Gr. U., S. 207 ff.) am besten.
Die Bedeutung des Nepos fflr den Unterricht ist in neuerer Zeit besonders
Ein NatarforMher nnd dis philologiicb« OymnMinm. 177
doft Dftft mAii des Nepot ▼•rbeMerU» «neb Terachiede&e Sonogate ein*
fthrta, ist allbekannt Ebenso bekannt ist, daß auch in neuester Zeit
bsdsvtende Sehnlninner der Ansicht sind, daß aof dieser Stufe Nepos
m der ona Torliegenden Form noch am besten ist Genannt seien
0. Jiger, H. ZieBMTt 0. Weifienfels. Der letitere gibt den heutigen Stand
4a Frage (Handb., 8. 270) mit folgenden Worten: .Hente stimmen so
asnlish alle darin flberein >), daß C. N. gerade so^ wie er ist, wenn man
tisigss nngeleeen lißt, ein allen Anforderungen genOgemder Schriftsteller
Ar den Anfang ist^. Die Anafflhrangen Koknlas sind nichts weniger als
feeigael, das Gegenteil glaablich tu maeheo. (Fortsetsnng folgt)
Wien. Dr. Friedrich Ladek.
Ein Naturforscher nnd das pbilologisehe
Gymnasinm.
Es ist kMn Geringerer als Karl Ernst von Baar, anf dessen
Selbstbiographie, ein schwer erreichbares nnd deshalb wenig bekanntes
Bodi, aber ein beachtenswertes seholgeschichtllohes Dokument, ich durch
disM Zeilen die Aufmerksamkeit hinlenken möchte: Nachrichten Aber
Leben und Schriften des Herrn Geheimrates Dr. Karl Ernst
tOB Baar, mitgeteilt von ihm selbst St Petersburg, 1865.
Der berflhmte Verf. will durch die Darstellung seines Bildungs-
Ssages das Schulwesen seiner Heimat» insbesondere den Betrieb des
Bstorwissensehaftlichen Unterrichtes fordern. Man kann daraus entnehmen,
wie alt die Fragen sind, die heute wieder die Öffentlichkeit besch&ftigeD,
vie klare und bflndige Antworten schon Tor Jahnehnten darauf erteilt
gewürdigt worden von G. Daichendt, Progr. des evang. O.-G. A. B. su
Bisferits in Siebenbürgen (D. Lekt d. C. Nep. mit Besug auf die Charakter-
bildung der Schaler, vgl. H. Ziemer in B. Jahresb. 1890, lY, S. 42 f.) und
J. WeU^enboni, Progr. Ascbaffenbarg, 1892. Mit diesen Ausfflhrungen hat
lieh jeder, der Aber die Neposlektftre schreibt, auseinandersusetsen. Im
tbiigen Tgl. man 0. Jigers Äußerung auf der BerL Konf. 1890 (Verb.,
S. 136) und Kflblers Gutachten fflr die Konf. Ton 19G0 (Verb., S. 292).
Asch Fr. Alj spricht sich in der allgemein gehaltenen trefflichen Wider-
iegoog Kokulas fflr die Lektflre des Nepos aus.
•) Vgl. P. Cauer, Palaeitra Vitae, S. 78 f.: »Wenn ich recht sehe,
■0 mehren sieh neuerdings wieder die Orte, an denen in Quarta der un-
Terk&nte Com. Nepos guesen wird. Die Jungen selbst haben ein Gefahl
dee Stolxes, daß sie nun schon anstatt eines zorecht gemachten Textes
eisen wirklichen alten Schriftsteller lu lesen bekommen und einen, dessen
Werk lu den Qoellen eben der Geschichte, die sie gleichieitig lernen,
gehört AuAerdem ist er fflr unsere Jugend der isinfige Vertreter seiner
Osttang; denn daß Ton Plutarch auch nur eine Biographie Ton Schfllern
roUsttn^g gelesen wird, kommt wohl nirgends Tor. Bei Comel erhalten
lie in jedem Lebensbild ein Games , das auch sie flberblicken kOnnen ;
tmd wenn sie die Anmut und das Gerundete der Darstellung
»ehr unbewuAt empfinden als klar erkennen, so tut das der innerlichen
Wirkung kaum Abbruch".
Z«tMkriA f. d. Qtterr. QjmxL 1906. n. Heft. 12
178 Ein NataiforBcher and das philologische Gymnasium.
worden und wie elegant man in der guten alten Zeit im Kampfe der
Meinungen die Klinge lu f&hren yerstand,
Baar hat die Knabenjahre auf dem Lande fugebracfat, der Unter-
richt wurde durch Hauslehrer, gute und schlechte, besorgt. Mit 15 Jahren
wurde er in die Prima der Bitter- und Domschule su Beral aufgenommen,
in der er drei Jahre (1807—1810) verweilte; fflr die griechische Spradie
durfte er gleichseitig die Tertia besuchen, wo man diese Sprache anfingi
und rflckte aus dieser Klasse spftter nach Sekunda Tor, immer lugleich
in Prima yerbleibend. Er gesteht an seinem Lebensabende, daß er mit
dieser Zeit am meisten tofrieden oder gegen sie am meisten dankbar
in sein Ursache habe.
Er glaubt nie yerkannt su haben, daß unsere Bildung ans der
griechischen heryorgesprossen ist Aber er weiß, daß die Hnmanitftt fort-
geschritten ist und wir nicht nOtig haben^ sie immer nur ans den
griechischen Quellen xu schöpfen. Auch mflßten diese Quellen ja gar
nicht befruchtend wirken, wenn sie nicht schon lange und flberall Frflchte
getragen hfttten in allen europftischen Literaturen. Er ist vielmehr davon
ttbeneugt, daß auf uns&hligen Wegen die Bildung des Altertums in allen
Sprachen und Literaturen auf uns eingewirkt hat und einwirkt, uns
gleichsam umgibt. Diese Erwftgnngen fflhren su dem Gest&ndnis, daß
er den Wert des Studiums der alten Sprachen anderswo suche als im
stofflichen Inhalte der Klassiker.
Er sucht sich vor allem klar zu machen, was das allgemeine
Ziel der Schulbildung sein solle, und gelangt nach sehr interessanten
Erörterungen Aber die Urteilsf&higkeit der Menschen, die er in swei
Weltteilen, Europa und Asien, kennen gelernt hat, su dem Ergebnis, daß
die wahre Aufgabe der Schule in der Eintibung eines konsequenten
und kritischen Denkens zu suchen sei. Diese Arbeit, wir wollen sie
Geistesgymnastik nennen, ist die wahre Aufgabe der Gymnasien und
verwandten Schulen. Es kommt nur darauf an, durch welche Mittel diese
Geistesgynmastik geübt werden kann. Als vorzügliche Mittel haben in
den höheren Schulen seit längerer Zeit die Mathematik und die alten
Sprachen gegolten. Bei der Mathematik springt es in die Augen, daß
sie ganz besonders die kritische und konsequente Methode befolgen
kann, und es ist deshalb ganz besonders ihre konsequente Methodik,
das Fortschreiten von den einfachsten, von selbst einleuchtenden Prin-
zipien zu immer weiter geführten Folgerungen, bearbeitet worden. Eine
60 konsequente Methodik kann auf die alten Sprachen zwar nicht an-
gewandt werden, da es bei ihnen nicht darauf ankommt, aus einfachen
Prinzipien ein Geb&ude des Wissens zu erbauen, sondern fremde Ge-
danken in unsere Sprache und Ausdrucksweise umzusetzen. Darin &ber
liegt eine große Gymnastik. Der ganze Bau der alten Sprachen weicht
von dem der neuen und namentlich auch von unserer deutschen so ab,
daß es keineswegs genügt, die Bedeutung der einzelnen Wörter xn
kennen, sondern daß wir einen Satz erst im Geiste der alten Sprache
klar denken müssen, um ihn dann, im Geiste unserer Sprache gedacht,
ausdrücken zu können. Das, was wir «übersetzen" nennen, scheint ihm.
Eid Natmfoneher und du philolo^tcbe GyrnnMiom. 179
weoD Ton alten Sprachen die Bede iit, immer in dieaer doppelten
Denkftbnng m beetehen nnd das langsame Dorehffibren dareh die
Qnmmatik beim üoterricht ist nichts als die dnreh Erfahrung gewonnene
Methodik, snm ToUen Verständnis za führen. Die neueren Sprachen (der
Terf. hat schon in frfiher Jugend sich in mehreren Sprachen bewegen
gttlent) sind Ton unserer Muttersprache in ihrem Ban viel weniger Ter-
ichiedea als die alten. Deswegen iat Tiel weniger Geistesgjmnastik beim
Obezsetien ans denselben als beim Übersetsen aas den alten SprachcD,
so nütilich auch jene durch ihre Anwendbarkeit auf das Leben sein
mögen. Ist es anraerkennen, daft das Übersetsen ans einer alten Sprache
in snsere Hottersprache in einer fortgesetiten Denkühnng besteht, so
wird man ancb sugeben, daß die Klage: „Ich habe mein Latein nnd
Qriechiseh Tcrgessen; schade um die auf der Schule verlorene Zeit!** un-
begründet ist. Man hat eben die Übung im Denken gewonnen, wenn
man auch nur einige leichte Schriftsteller gelesen hat; hat man mehr
gelesen, so muß man mehr dabei gewonnen haben.
Andrerseits kann er nicht damit fibereinstimmen, wenn man jede
Vergleichung anderer Unterrichtsgegenstinde mit den alten Sprachen als
eisea Angriff auf das Allerheiligste betrachtet. Auch fühlt er sich immer
oBaogenehm berührt, wenn er gegen das Verlangen, daß die Schule
luf die künftige Lebensbestimmung ihrer Zöglinge Bücksicht su nehmen
habe, die hergebrachte Bedensart hOrt: die Schule muß nicht bloß ab-
hefaten wollen. Die Ausstattung für das Leben ist doch sicher
eise Aufgabe der Schule. Es kommt nur darauf an, das richtigste
Teihiltnis der allgemeinen Ausbildang durch Geistesgymnastik und der
Aosstattung mit Stoffen lu finden, die im spftteren Leben sich Terwerten
lissen. Diese und ähnliche Erwägungen führen ihn lo der Forderung
eines gründlicheren Betriebes jener Zweige der Natorwissenschaften, die
infolge ihrer konsequenten Methodik ohne Geistesgymnastik und folge-
richtiges Denken nicht betrieben werden können, die ferner zugleich
doreh ihren stofflichen Inhalt fördernd für die Lebensberufe sind. Er
•düießt seinen Vorschlag, dem immer dringender werdenden Bedürfnisse
TOD allgemeiner Terbreitenden Kenntnissen und Fertigkeiten in den
exakten Naturwissenschaften in entsprechen, ohne deshalb die bisherige
Gestaltang der Schulen umsuändem und namentlich die philologischen
Stadien an Terdrängen, mit den Worten: „Vielleicht werden diese
Stadien im Laufe der Jahrhunderte den Naturwissen-
schaften gani weichen müssen, aber beschleunigen wollen
vir ihren Fall nicht. **
Wie ein Protest gegen die Einheitsmittelschule klingt es, wenn
er erklärt: Einem Volke, das fast noch an dem Scheidewege der Bichtung
•eines Schnlweaens steht, möchte ich raten, beide Wege sogleich su
gehen, sowohl Schulanstalten für gründliche klassische Bildung als auch
aadere für ebenso gründliche in den exakten Naturwissenschaften su
errichten und besonders. in den großen Städten beide sogleich bestehen
» lassen. Es ist ohnehin kein Qrnnd elntusehen, warum alle
Henschen nur dieselbe Sphäre des Wissens Terfolgen sollten.
12»
180 W. Foerster, Schule nnd Obarakter, ang. y. J. Perkmann.
Das Bach ist reich an Bemerkangen, die aach heate Doch Intereiie
beansprachen : ^ Ich fühle ein wahres Bedürfnis in sagen, daß ich es f&r
eine anTerantwortlicbe Grausamkeit halte, die WeiterhüdoDg eines jungen
Menschen aofsohalten, wenn er in einem Zweige nieht Torwirts kann
oder auch nicht mag.* Linnä wäre wegen seiner Abneigung gegen das
Hebräische Schahmacher geworden, wenn nicht ein weitersehender Mann
sich seiner angenommen hätte.
Teschen. Dr. Fr. Spengler.
Fr. W. Foerster, Schule und Charakter. Beiträge xor Pädagogik
des Gehorsame nnd snr Reform der Schnldissiplin. Zürich 1S07,
Sohnlthei^ & Comp. 218 SS. 8».
Ausgehend von dem Grundsätze, daß die Charakterbildung im
Mittelpunkte des Unterrichts stehen müsse, sieht der Yerfasaer das
wichtigste Ziel in der Herrschaft des Menschen über die Naturgewalten
in seinem Innern. Schon in der Einleitung weist er auf die Gefahren
bloßer Verstandesbildung hin und zeigt die ethischen Bedingungen der
intellektuellen Kultur: wahrhaft logisches Denken setit Charakter Toraus,
weil nur Charakter unsere Gedanken Tor der Bestimmbarkeit durch
äußere Einflüsse, durch Interessen nnd Vorurteile schfltst. Weiterhin
▼emehmen wir wichtige Aufschlüsse über die Bedeutung der Charakter-
bildung für den Beruf, über den engen Zusammenhang einer hOher auf-
gefaßten ästhetifchen Bildung mit der Läuterung des Charakters, über
den günstigen Einfluß strammer Willenstucbt auf körperliche Gesundheit
nnd Kraft. Trotz aller Lebenserleichterung, die Ton der techniseheo
Kultur ausgeht, leiden wir heute mehr von den Stoßen nnd Wider-
wärtigkeiten des Lebens, weil uns die Innenkraft Terloren gegangen,
. weil uns die großen und starken Ideale fehlen, die alles Heroische im
Menschen aufrufen. Auch im Verkehr der Menschen unter einander fallen
wir uns „auf die Nerven*, weil Liebe und Geduld nicht mebr lebendige
und gebietende Mächte sind. Die Lehre vom Sicbgehenlassen wirkt aufs
tiefste Gesundheit zerstörend, weil sie die schlaffe Widerstandslosigkeit
des Menschen gegenüber allen Zuständen, Affekten und Trieben fordert
Nach dieser Einleitung werden unter der Überschrift „Vorbeugung*
ausführlich behandelt: die ethische Seelsorge und Schuldisziplin, Schol-
lüge, sexuelle Frage in der Schule, gemeinsame Erziehung der Ge-
schlechter, von Boskos PräfentiTdisziplin, das Brownlee-System und
anderes. Im nächsten Abschnitt wird „das Problem der Disziplin"
erörtert, dabei die stramme deutsche Heeresdisziplin im Gegensätze zur
französischen nach ihrem Werte geschätzt, wobei aber Foerster Gewicht
darauf legt, daß starke Anforderungen an Gehorsam und Präzision mit
respektvollster Behandlung des Mensehen verbunden werden. Gerade bei
indi?i dualistisch angelegten Bässen yerlangt die soziale Korrektur des
Selbständigkeitsdranges ganz besonders nach takt?ollen Erziehern, die
inmitten des S^rstems der Subordination aach die Selbständigkeit nnd
W. Foerster, Schule und Charakter, ang. ▼. J, PerJcmann. 181
Würde dei eioielnen za ehren wiMen. Be gilt eben in der Disziplin
zvei diametral entgegengesetzte Bedfirfnisse des Menschenlebens mit
eiaaoder in Einklang sn bringen: das Bedürfnis der sozialen Ordnang
cod Arbeit nach exaktenn Gehorsam und das Bedürfnis der menschliehen
PmOolichkeit nach Freiheit and Selbständigkeit. Das Freiheitsbedflrfnis
nod das persönliche Ehrgefühl soll dem Gehorsam nicht anf dessen
eigenem Gebiete entgegentreten, sondern anf eine tiefere und innerliehe
Art befriedigt werden, n&mlich in den Motiyen nnd Inspirationen des
Geborsamsy sowie in der Tonart des Befehls. Darnm ist anch eine Schul-
diiiiplin Terkehrt» wenn sie Ton dem Geiste des bloßen äußerlichen
Zwanges getragen, die Selbst?erantwortlichkeit unentwickelt läßt und
das Ehrgefühl abstumpft Man wird mit Bedauern F. zugeben, daß die
Fragen der Schuldissiplin nicht wahrhaft gründlich und konkret diskutiert
«erdeo. HOchte doch, fügen wir hinzu, dieses wertvolle Buch Försters,
recht TieJoD Lehrerbibliotheken einverleibt, bei Konferenzen Anlaß und
Gniodlage zu sachlichen Erörterungen dieses wichtigen Gegenstandes
bieten!
Der folgende Abschnitt „Zur Pädagogik des Gehorsams" bebandelt
angebend die Bedeutnng des Gehorsams für die Freiheit, tadelt die
Unklarheit der modernen Freiheitspädagogik, unterscheidet strenge
Indifidnalität und Persönlichkeit, sinnliches und geistiges Ich und rügt
dabei, daß jene fundamentale Verwechslung zwischen der bloßen natür-
lichen Indifidualität und der geistigen Persönlichkeit auch in den
äckriften yon Ellen Key, sowie in Gnrlitts Vortrag „Eriiehnng zur
PeisOnlichkeit« hervortrete; persönlich werden wir gerade dadurch^ daß
wir dem bloßen Ansleben unserer Indi?idualität entgegentreten. Im
iwsiten Teil dieses Abschnittes wird die Bedeutung der Freiheit für
den Gehorsam, der Begriff eines beseelten Gehorsams, die Versöhnung
vsB Gehorsam nnd Freiheit im Christentum, die pädagogische Bedeutung
des Eleinaten n. a. dargelegt.
Der letzte Abschnitt enthält Weisungen zur „Reform der Scbnl-
diaziplin*, ein Schlußwort bespricht „Religion und Schule* und ein An-
hang bietet „Winke für die ethische Durchdringung des gesamten Lehr
Stoffes* — zum Teil im Anschlüsse an des Verfassers „Jugendlehre" —
snd hebt besonders rühmend herror, daß „Tor einiger Zeit ein erfahrener
Oiterreichischer Pädagoge, Zeller (in der Zeitsch. f. d. österr. Volkssehal^
Wesen, XVI, 1903) eine Reihe sehr wertvoller Vorschläge für die mor&l-
pldagogisehe Verwertung des Elementarunterrichts* geboten habe.
Der reiche Inhalt dieser Schrift, deren Verfasser Pri?atdozeiit fOr
Philosophie und Moralpädagogik io Zürich ist, bestimmt mich, jeden)«
der im Erziehungsamte wirkt, zuzurufen: Nimm, lies, beherzige!
Wien. Jos. PerkmauD.
I
182 Festgabe nm lOOjähr. Jabil. d« Sebotteogymn., aog. ▼. E, Gschwind.
Festgabe zum hundertjährigen Jubiläum des Schotten-
gymnasiums. Gewidmet too ebemaligen Sehottenecbülerii. Wien
1907, Verlag Ton Wilh. BraomOUer, Hof- und Unl?eniatsbiieh-
handlang. 406 SS. 6r.-8o.
Lehrer und Schüler des Schottengymnasinms in Wien haben am
9. Nofember 1907 den handertjfthrigen Bestand dieser Anstalt in wahr-
haft erhebender Weise gefeiert Die Knndgebnngen, die bei diesem Jubel-
feste Ton ehemaligen Schfllem der Anstalt, Ton denen die meisten in hohen,
ja herTorragenden Stellungen wirken oder gewirkt haben, lant worden,
bilden wirklich ein monumentum aere perenntus-, sie bezeugen, daß die
Flacht der Jahre die innige Zaneigang and Hebeyolle, geradeia rfihrende
Anh&Dglichkeit der Schüler an ihre einstigen Lehrer and an das Schotten-
stifk überhaupt nicht ausiutilgen yermoehte. Gegenüber den immer
lauter und ungestümer in die Öffentlichkeit geschlenderten Vorwürfen
über die Gebrechen und Mängel des Gymnasiums und der altklasaiaehen
Bildung sticht diese Kundgebung doppelt wohltuend ab.
Der Benediktinerorden nahm innerhalb des Borgfiiedens Ton
Wien^ dessen Schicksale er Jahrhunderte hindurch teilte^), aus dessen
Beiirk er seinen Machwuchs bezog, die WeUenbewegung des stftdtiachen
Eultarlebens in sich auf und pflegte den Geist der Wissenschaft» «mit
Heiterkeit durchdrungen**, wie Goethe es will. Die Gymnasialbildnng
beruht eben nicht bloß in der Vermittlung positiver Eenntnisse homa-
nistischer und realistischer Richtung, in der Schulung des Verstandes
der in der Entwickelang begriffenen jungen Leute, sondern auch in der
Ersiehung, in der Weckung und Förderung des Charakters. Das ganze
Geheimnis der Erziehung aber ist nach Schleiermacher eingeschlossen in
Liebe und Wahrheit. Der Unterricht erfordert also neben der ToUen
Beherrschung des Lehrstoffes jene starke sittliche Kraft, die oft un-
bequemen und widerstrebenden Jünglinge mit ihren Launen, ihrer Un-
zulftnglichkeit zu ertragen und zu zügeln. Der Lehrer muß aus sich
heraustreten, muß seine herzliche Teilnahme allen Schülern gegenüber
walten lassen, er muß, wie Bitter ?. Wittek in der Vorrede zur Fest-
gabe sagt, es Tcrstehen, die Schale zum zweiten Eltemhause zu machen.
Groß ist der sittliche Einfluß der Persönlichkeit des Lehrers, mftehtig
wirkt sein Vorbild, wenn er sich selbstlos seinem Berufe hingibt Solche
Ekkehardpoesie umgibt die alten Benediktinerklöster; dazu kommt das
kerndeutsche und österreichische Wesen jener M&nner, die, wie Pemes-
torfer (S. 224) bekennt, den Lehrberuf in sich hatten, für die der
Unterricht junger Menschen eine Herzens- und Lebenssache war.
Die Festgabe selbst enthält nicht weniger als 44 wertTolle Bei-
träge aus dem Gebiete der Literatur, Wissenschafb und Kunst, ist mit
einem prächtigen Bilderschmuck ausgestattet, den der Kunstmaler Maxi-
milian Liebenwein, gleichfalls ein Schottenschüler, besorgte, der zugleich
in einem gelungenen Aufsätze über seine Jugend sich als Meister in der
1) Vgl. Mayer, Aus dem geistigen Leben lliederOsterreichs im
15. Jahrhundert, 8. 187—201.
PMtgabe lom lOOjihr. Jabil. d. Sebottangjmn., ang. ?. B. 08chw%nd, 183
Flkiug der Feder Torttelli So yenehieden der Inhalt der einielnen
gfluMehea Eisaji iat> so omaehließt sie doch alle als innigstes Band die
SehilbilduBg» die diese herrorragenden Männer am Sebottengymnasinm
genossen. Es dllifte von Interesse sein, so erfahren, daß auch Prini
Alois Ueebtenstein, der gewOhnlieh als JesniteniOgling beieiohnet wird,
lUe seine Prttfongen am Sobottengymnasium abgelegt bat.
Wollte man eine sobirfere logische Einteilang am Inhalte der
Festgabe Tomebmen, so wUrde der Referent folgende Gmppen anf-
itsDen; a) theologisebe Anfsitie; b) philosophisobo (Psjoho-
logie, Ethik, Eechtspbilosophie and Pädagogik omfassend);
e) bistorisehe Ornppe (einsebließlieb: Knltargesehiebte
osd Antiqnititen); d) Spraebforsehnng; e) Geographie (Topo-
fraphie nnd Beisebescbreitnng mit inbegriffen).
Leider ist ons wegen der Knappheit des tngemessenen Banmes
teissgt, aneh nnr die Einreihnng der einielnen Beiträge in die oben
ugsAhrten Gmppen dwehranebmen; wir mflssen nns auf die Erwähnung
jtstr Anfiätse beschränken, die sich anf das Schottenstift, aof die
Srimemg an die Scbnlieit und anf bestimmte Lehrer belieben. — Es ist
gwidesa rflhrend, mit welch lieberoller Innigkeit eintelne Lehrer, deren
Nsmen immer wieder anftanchen, erwähnt werden; sie werden oft, als
ob sie mit ihren Schalem eine Familie gebildet hätten, bloß mit dem
Ordeasnamen genannt (s. B. Bigismnnd Gsebwandner, Hogo Mareta,
der temperamentroUe Erklärer des Nibelnngenliedes, der tflchtige
PUtolege Clemens Kickh n. a.). In diese Grappe gehören folgende Ab-
hsndlongen: Hofirat Chiari, Eine Erinnerung an Sigismnnd Gsebwandner
(S. S6 ff.). — Wilh. Freiherr ▼. Berger, Grflne Jagend (8. 24 ff.). —
Alfred Freiherr t. Berger, Ans der Jagendzeit (S. 21 ff.). — Maximilian
UebsBwein, Ein Stflck EntwicUangsgesehichte (8. 881 ff.). — B. A.
Esgelbert Pemerstorfer, Ein Blatt dankbarer Erinnerang (S. 222ff.). —
Freibeir y. Wieser, Anna Timmqae cano (8. 822 ff.). — Prof. Jakob
Ztidler, Aas dem schottischen literatarwinkel (8. 855 ff.). — Prof.
Bsbenleefaner, Hamerling als Schottengymnasiast (S. 242 ff.).
Die Oifanisation des Gymnasiums im allgemeinen wird in drei
bSebst bedeateamen Beiträgen bebandelt: 1. Sektionschef Freih. ▼. Nie-
bsaer, Daa Gymnasinm im Yormärs (8. 209 ff.). — 2. Min. B. PoppoTiö,
Schale, Amt and Leben. Die Kritik, die der (seither yerstorbene) Verf.
in dem heatigen Gymnasinm flbt, klingt leider in den Worten ans: „Man
werfe die altklassiseben Sprachen, oder wenigstens das Griechische, Aber
Berd« (8. S88 ff.). -- 8. L. 8. J. Dr. Aug. Scbeindler, Pro Gymnasio.
Ein Beitrag t nr Kenntnis des gegenwärtigen Znstandes des Osterr. Gym-
sssinms (S. 261 ff). Anf Grand statistischer Tabellen werden die
Mstangen der Schaler in den altklassischen Sprachen nach ihrem wahren
Werte abgeechätit, ohne daft dieser erfahrene Schalmann die Schäden,
an denen das hentige Gymnasinm kmnkt, ferschweigt.
Zorn Schlosse spricht der Bef. den lebhaften Wunsch ans, die
kSstttche Festgabe möge in die weitesten Kreise dringen, da die
llttmgfaltigkeit des Inhaltes die mannigfaltigsten Ansprache sa befriedigen
184 ^. Martindk, Über PrQfen o. ElMtififieren uw., ug. ?. jI. v. Ledair.
geeignet ist. Diee wird Tiel dam beitragen, die Anflehten Aber den
Zoitand nnd die LeietongsfEhigkeit dee hentigen Gymnasinma m kUren
and den nogetttlnien Stormianf gegen die altUaüiiohen Sprachen in hemmai.
Prag. Emil Oeehwind.
Üniy.-Prof. Dr. Eduard Martin ak. Ober Prüfen und Klassi-
fizieren vom Standpunkte der Praxis. Wien, Holder 1906.
29 88.
Dem Yeif. dieses nach vielen Biehtnngen anregenden Sehiiftchens
fillt das Verdienst za, ein besonders wichtiges Mittel der Unterrichts-
technik schon Tor Jahren inr Diskossion gestellt la haben. Nicht nnr
der 7., 8. nnd 9. dentsch-Osterreichisehe Mittelschnltag hat dem Problem
des Prflfeos nnd Klassifisierens seine Anfmerksamkeit angewendet» auch
eine lange Reihe Ton Anfsitien nnd selbetindigen Publikationen au
dem E[reise der Fachmänner beschäftigt sich mit Theorie nnd Fniis
des genannten Themas. Es ist ein besonderes Verdienst Martinaks, diß
er im ersten Teil seiner Arbeit über diese reiche literatnr knrsen, mit-
unter aber auch kritisch eingehenderen Bericht erstattet. Schon 1900 hst
H. iweierlei festgestellt: erstens handle es sich beim Klassifizieren om
psychische Leistungen nnd für solche gebe es keinen exakten, Tollkommen
▼erl&l^lichen MaOatab. Sodann seien Ar Zeugnisnoten nicht die einseloen
Leistungen maftgebend, sondern die yorhandene Leistungsfähigkeit;
dieser Schluß aber Ton der Einielleistung auf die Leistungsfähigkeit
unterliege mancherlei FehlermOglichkeiten. Zu diesen Orundthesen will
nun das Torliegende Heft einige weitere Beitrage liefern. Fttr die Art
und Weise des Prttfens und Elassifliierens komme die Verschiedenhdt
der LebrgegenstAnde in Betracht, ja selbst innerhalb des einseloen
Lehrfaches seien die Verschiedenheiten in diesem Punkte noch groß genug.
Von diesen Differensen werde aber auch die Qewinnnng der Semestral-
note aus den Einzelnoten stark beeinflußt Endlich komme auch noch
die Gewinnung der allgemeinen Fertgangsklasse aus den Noten der
Einself&cher in Betracht. Zum ersten dieser Punkte fflhrt H. ans» daß
aller geistige Erwerb nichts anderes bedeute als Bildung oder Steigerong
einer Disposition. Von der Dlspositions Steigerung für ein ganz be-
stimmtes Tun und Können, bei der die Übung die Hauptrolle spielt, sei
dieDispositionssummierang zu nnterscheiden, die sich in jedem Lebr-
fache dadurch ergibt, daß Ton einander unabh&ngige Einzeldispositionen
nebeneinander erworben werden sollen. Im ersten Falle nennt M. die
Zielforderung intensiT, im zweiten eztensir. In den einzelnen Lehzfftchem
ist die Kombination yon Dispositions-Steigerungnn und •Snmmiemngen
verschieden und darnach differenziere sich notwendig der Wert der
Einzelnoten für das Schlußergebnis des Semesters. Auf die interessante
Durchfflhmng im einzelnen kann hier nicht eingegangen werden. Et
liegt auf der Hand, daß in allen F&llen einer reinen Disp.- Steigerung
die letzten Noten allein der richtige Ausdruck fflr das im Semester
E, Mariinak, Über Prüfen n. KlAniflrieren usw.» ang. ▼. Ä. v. Leclair. 185
Erreichte sein kODnen, also die BerechDong einer DarehtehnittBleiBtaDg
videnioDig ist Hiemit f&Ut aber schon der der offiziellen Praxis der
aKkssenkatalege** ingrande liegende Gedanke, sofern er Schablonen-
mlAig dorehgefBhrt werden soll» als vOlIig haltlos in sich zusammen.
M. ist besonnen genug, am herrorznheben, daß die Unmöglichkeit einer
IhirehMhnittsbereehnang and somit die entscheidende Bedeatang der
xdtlich leisten Noten allerdings nar dann zutrifft, wenn die Einzel-
leistongen ?om Schlechteren zum Besseren fortschreiten, keineswegs aber
im omgekehrten Falle, der einer besonderen, ziemlich naheliegenden
Erwigong bedarf.
Theoretisch hat M. YoUkommen Beeht, nachdrücklich fflr zeit-
wtfligea Prüfen ohne Klassifikation einzatreten; das „freie^ Arbeiten,
d. h. das Arbeiten ohne die drohende „Peitsche* der Leistangsnoten
mochte er aach aof die schriftlichen Schalarbeiten aasgedehnt wissen,
N daß nur ein Brachteil der lehrplanm&Digen Arbeiten za klassifizieren
wire, — ein Vorschlag, der viel für sich hat, aber bei der für st&rkere
Daesen ohnehin geringen Zahl solcher Arbeiten nar dann darchgefflhrt
werden konnte, wenn diese Zahl erhobt würde. Sehr beachtenswert sind
die Aosffihrangen über die sogenannten Affektnoten and darchaas zu
billigen ist die Forderang, daß die Wiedergabe ästhetischer oder ethischer
Eindrücke aas der Lektüre einer Klassifikation gänzlich entrückt bleibe.
Bei Besprechang der Feststellang der Zeugnisnoten redet M. dem
Prinzip der Kompensation das Wort; meine darauf bezügliche Meinung
habe ich in dem Artikel „Kompensation** des «Enzykl. Handbuchs der
Eniehangskonde** von J. Loos ausgesprochen.
So interessant und wertvoll das Ton H. gebotene Stück an-
gewandter Psychologie ist^ mOchte ich doch einerseits da?or warnen, die
Unbefangenheit des gewissenhaften und berufsfreudigen Lehrers ja nicht
tu beeinträchtigen, indem in das Geschäft des Prüfens und Klassifiiierens
allzuTiel Theoretisches hineingetragen wird; bei der großen Mannig-
faltigkeit der Einzelfälle wird der Takt und die Treffsicherheit des
eifalixenen und menschenkundigen Lehrers jeder Theorie überlegen
bleiben. Hoch wichtiger aber erscheint mir der Einwand, daß bei unserem
öffentlichen Massenunterrichte, wo in einer Klasse auch 50 bis 60 Schüler
xosammengepfercht sind, die «Peitsche" des Prüfens mit Notenkalkfll
Biemata wird entbehrt werden kOnnen; dieses Prüfen ist doch wohl etwas
mehr alt ein notwendiges Übel, wenn man bedenkt, daß nach den
jetzigen sozialen Verhältnissen in jeder Mittelschulklasse ein beträcht-
licher Bmchteil der Knaben den für ein erfolgreiches «freies'* Arbeiten
BOtwendigan Fond von Intelligenzi Interesse und Willenskraft yermissen
läßt und doeb hat die Offentliehe Schule die Pflicht, mit allen
mOgliehen Mitteln ihre Schüler bis ans Ziel zu steuern. So zerstört auch
hier die raohe Wirklichkeit das lockende Ideal und für alle ähnlichen
Vonehläge, wie die an sich so dankenswerten Martinaks, gilt das
Weit: Com grano salis!
Wien. Ant. v. Leclair.
Vierte Abteilung.
Miszellen.
Literarisehe Miszellen.
Christian Ostermanns Lateinisches ObuDgsbuch. Am gäbe fftr
BeformschaleD, bearbeitet tod Prof. Dr. H. J. Httller, Direktor des
LaieeQit&dtiseben Gjmnasinme io Berlin und Dr. O. Miebaelis,
Direktor des BeformrealgTmnasiami in Bannen. I. und II. Teil. Aai<
gäbe B. Leipsig und Berlin 1905, Druck und Verlag von B. G. Teabner.
Mit der waehBenden Zabl der Beformgyznnaaien halten die Herans-
geber ?on Lese- nnd Übangebflchem fttr deren Elementarklasse gleichen
Sehritt. Mit regem Eifer sacben sie neae Mittel und Wege aotfindig lo
machen, nm den Schfllem, die vor die harte Arbeit gestellt sind, den
▼ordern fflr zwei Jahre berechneten Lehrstoff nunmehr in einem Jah^e zu
bewältigen, diese Aufgabe tunlichst in erleichtern.
Nach dem Erscheinen des Übangsbaches von Reinhardt- Wolif,
welches nach der Perthesschen Methode aasgearbeitet war, nntemahm es
Dr. H. Lattmann, ein solches anf Grundlage der indaktiTen Methode, wie
sie dessen Vater in seinen Übangsbücbera verwertet hatte, bersostellen,
wobei sogleich die Anknflpfnng des lateinischen Unterrichtes an den
französischen dnrcbgefflhrt wurde. Von dieser Verwertung des Französischen
ffir den Lateinunterricht machen auch die Verff. des TorliegendeD Baches
Gebraaefa, indem in der Wortknnde in jenen Fftllen, in denen die Kenntnis
der entsprechenden französischen Bedeatangen nnd syntaktischen Erschei-
nungen bei den Schfllem voransgesetzt werden kann, diese in Klammern
beigefflgt sind, verfolgen aber im flbrigen einen von der Methode Latt-
manns Terscbiedenen Gang. Während dieser, wie im LVL Jahrgang dieser
Zeitschrift gezeigt wurde, der Induktion einen so weiten Spielraum läßt,
daß mittels ihrer auch Formen und Vokabeln aas der Lektflre gewonnen
werden, dient sie bei jenen ausschließlich zur Erwerbung syntaktischer
Kenntnisse. Infolgedessen sind auch im großen undganzendie einzelnen
Lektionen auf den gerade behandelten Lehrstoff beschxlnkt; Torwegge-
nommene Einzelheiten dagegen finden sieh, wie es in den meisten
Übnngsbflchern zu Zwecken der Apperzeption geschieht, auch in unserem
Buche nicht allzu selten. Sonach liegt in der im Vorworte S. V ent-
haltenen Forderung: „Damm ist.... eine ängstliche Vermeidung alles
dessen, was irgend verwirren konnte, dringend nOtig; darum soll der
Schfller möglichst gar nichts nnverstanden und auf Treu und Glauben
hinnehmen. Es ließ sich nicht vermeiden, Einselausdrflcke wie Caesar
und pater vor der Zeit zu gebrauchen, diese aber lernt der Schfller ein-
fach als Vokabeln" nur eine versteckte Anspielung auf ein flbermäßiges
Heranziehen von Unbekanntem und Unverstandenem, welches allerdings
Miszellen. 187
eisam sicheren inethodipchen Gange abtriglich ist. Aach hier gilt das
Wort ^Medio tutüsimus t&is*.
Der Übnngittoff ist troti seiner anefa nach Aosscheidnng manches
ÜBweientlichen noch reichen Ffllle in erschöpfender Weise in Einiel-
litien rar Anachaanng gebracht, w&hrend die snsammenhftngenden Stücke
— auf 25 von 95 Seiten im lateinischen, auf S4 Ton 107 Seiten im
deotseben Teile — Wiederholnngen bieten, die nicht nnr, wie es im Vor-
worte heißt, ohne Sehaden aasgelassen werden können, sondern Tielmehr
der großen Menge des Dbrigen Stoffes wegen werden aasgelassen werden
mflssen.
Der Lehrstoff ist in iweckmäßiger Weise so TOrteilt, daß mit der
eisten Konjagation, ond zwar savßrderst mit den Imperatiyen begonnen
OBd mit dieser Konjagation sugleich die 1., 2., 4. and 5. Deklination
behandelt wird« Diese Anordnang gibt nicht nar einer gründlichen Ein-
ftboig dieaer grandlegenden Konjagation Baom, sie ermöglicht es aaeh
den Yerf,, den Übnngsstoff reichhaltiger sa gestalten.
Die Einsels&tse sind sameist historiscben Inhaltes, in den spftteren
Partien Tielfach aas Nepos, Cftsar and Li?ias entnommen nnd stellen
dsreh die beigefügten Jahressahlen eine innigere Besiehang snr Geschichte
her. Stets bilden sie, ob größeren oder kleineren Umfanges, ein abgeron-
detes, keiner Erklftrong bedürftiges Gansee. Zar Belebung des Interesses
dienen ancb swei Karten: «Griechenland im Altertom" nnd i^Die Be-
Bitlangen der BOmer and Karthager im Zeitalter der panischen Kriege**.
Aoeh die Sitse anderen Inhaltes sind anregend, dem Gedankenkreise der
Schüler aaf dieser Stafe angemessen and wirken darch die Abwechslang
nicht ermüdend.
Die Wortknnde ist lediglieh mit Bücksicht anf praktische Benots-
barkeit durch die Schüler angelegt; demnach stehen die Wörter in der
Abfolge, in der sie in den Übangsstücken vorkommen nnd ohne Angabe
der Ginndbedentang. Hinsichtlich des im Vorworte 8. X betonten Grand*
•atses, daß solche Wörter, welche Gegenstand der grammatischen Be-
lehrmig sind, s. B. FürwOrter, in der Wortknnde überhaapt nicht ver-
leichnet werden, seheint eine Yerwechslang der Aasdrücke „Wortkon de*
sod «WOrterTerseichnis* Torsaliegen. In dem letsteren sind sie, wie
es selbstTerstftndlich ist, nicht mehr angegeben, in der Wortknnde
dsgsgen findet man die Mehnahl derselben übersetst, und swar nicht
um Nachteile dieses Elementarbaches, in welchem die Pronomina knapp
an das Ende der Formenlehre gerückt sind.
Dem ersten Teile ist die Formenlehre Ton Dr. H. J. Müllers
Lateinischer Sehnlgrammatik, Ansgabe B (3. Aofl. 1904), beigegeben. Den
Schloß des Baches bilden Sprichwörter and sprichwörtliche Bedensarten.
Die Aosführang seigt bis ins kleinste die grOßte Sorgfalt Der
•prachliche Ansdmek ist im lateinisohen nnd deutschen Teile eeschmack-
fott ond ohne TadeL Die Aosstattnng nnd der Drack ist allen Anfor-
derongen entsprechend. Es ist sohin gewiß, daß dieses treffliche Bach,
wie es anf den Lerneifer der Schüler einwirken, so aaeh Ton den Lehrern
als FOrdemngsmittel des Unterrichtes willkommen geheißen werden wird.
Tesehen. Hermann Bill.
Basi Pietro, De positione debili, quae vocatar, sea de syllabae
aneipitis ante mutam com liquida nsn apad Tiballum.
Estratto dai «Bendiconti" del B. Ist. Lomb. di sc. e lett., Serie II,
VeL XL, 1907, p. 658—678.
Die Untersnchnng kommt nach Anfsählnng and Gruppierang allei
Fllle sa folgendem Besaltate: nTünUlum non aliter aique ceteros poetm
188 Miszellen.
optimoa syüabam natura brevem ante mutam cum liquida arhitrio suo
modo brevem retinuisse'modo longam effecisse prout ad versus condendos
et numerosam verborum conelusionum assequetidam id suo commodo
fiebat; hanc vero syllabam saepius aut brevem in thesi aut Umgarn in
arsi ^am longam in thesi usurpasse nüüamque rationem, ne in
adiectivo quidem vel substantivo a litteris sacr ineipiente excepto,
syUabae subsefuentis habuisset quam vel praeeunte syüdba longa in
positione debüt satis mtUtis exemplis efficitur mensura longa sive in arsi
oive in thesi sine ullo discrimine ac promiscue notatam esse a Tibüth".
EremBmÜDBter. Dr. Adslbero Hii«n]er.
Dr. Ernst Bichter, XeDophon in der römischen Literatnr.
Abdraek aus dem Jahresberichte des Königlichen Kaiserin AngnsU-
Gjmnasinms sa Gharlottenbarg. Oitern 1905. 24 SS.
Der Verf. will feststellen, wie weit Xenophon and seine Schriften
in der lateinischen Literatur gekannt sind, jedoch nicht etwa einen Ein-
fla(S Xenophontischer Schriftstellerei in römischen Literatnrwerken naeb-
weisen, sondern nnr die Stellen zasammen tragen, wo lateinische Antoren
nominatim Ton Xenophon reden oder ans seinen Werken berichten. Ali
ersten Römer, der eine Kenntnis Xenophontischer Schriften besaß, nenot
der Verf. den ftlteren M, Porcius Cato. Besser soll es wohl heißen, daß
ihm diese Kenntnis Ton Cicero in der Schrift Aber das Greieenalter in
den Mnnd gelegt wird. Die meisten Stellen Aber Xenophons Schriften
nnd die Benrteiiang seines Stils finden sich bei Cicero, Aber die Penon
Xenophons berichtet er aber fast nichts (S. 4 — 10). Die lateinische lite-
ratur ist in der angegebenen Richtang bis auf den Bischof Ton Serilia.
Isidorus, von dem Verf., soweit ein Urteil möglich ist, in erschöpfender
Weise dorchforscht worden. Nene Beiträge fflr die Benrteiiang Xenophooi
und seiner Werke ergeben sich aas dieser Znsammenetellang, die als eine
Vorarbeit gelten soll (S. 3), allerdings noch nicht.
Wien. Franx Kam.
Cviöebnice jazyka n^meck^ho pro prvnf a dmhou tfida skol
stfednfch (Obungsbuch der deutschen Sprache für die
I. nnd II. Klasse der Mittelschulen). Verfant Ton Edssrd
Onf ednidek. 8. gänslich nmgearbeitete Auflage mit einem Bilde.
Brflnn 1906, Dmck nnd Verlag der k. nnd k. Hofbnchhandlong Karl
Winiker in Brflnn. Gr.-8«, IV.
Die Torliegende 8. Auflage bedeutet im Vergleich su der 1. (deren
Anzeige ich in dieser Zeitschrift Jahrg. 1890, S. 584 ff. und 1891, 8.458<r.
gebraäit habe) einen merklichen Fortschritt. Erfahrung macht klug! So
kam es denn, daß der erste Versach des nnnmehr auf dem Gebiete des
deutseben Sprachunterrichtes an böhmischen Mittelschulen erprobten Verf.
erhebliche, Inhalt und Form, ja in gewisser Hinsicht sogar die Methode
betreffende Änderungen und Umgestaltungen mußte ttber eich ergeben Issesb.
Inhaltlich bewegt sich nun der Übungsstoff auf durchaus prsk-
tischem, dem Schiller wohlbekanntem Boden. Altertflmelnde Lesestfteke
der 1. sowie der ein wenig modifizierten 2. Auflage maßten jetst modeneo
Gestalten und Erscheinungen aus dem alltftglicben, anschaulichen Uttn
Platz machen. Schule und Kirche, Haus und Hof, Speisen und Getrinke
Miszellen. 189
geben einen ebeoso dankbaren Lese- und Spreehstoff ab wie Post, Tele-
gfipb 0. a. m. Mit einem Worte ist sowohl die Auiwahl als aaeb die
Aofeioanderfolge diesmal gani danach angetan, das allseitigste Interesse,
des lernenden wie aaeh des lehrenden Teiles su erreeen, zamal da gegen
Erlabmong desselben, bezw. Ermattung beim Unterrichte durch mancherlei
{oten Witi, fesselnde Anekdoten, spannende Bätsei und last not Ucut
durch das dem Bache als Veranschanliehnngsmittel fflr eine stattliche
fieibe von Lesesttlcken beigegebene, in Farbendruck ansgefQhrte Bild
«Der Frahling** reichlich ?orgesorgt wurde. Soviel Aber den Inhalt der
6täeke und den daraus sich ergebenden Unterriehtsgang.
Es wäre nur noch, sei es in logiseher oder ästhetischer Hinsicht,
IQ indem oder fallen su lassen : 8. 9 Ich bin alt (si^ ein Primaner).
Ziemlich wässerig ist Njr. 82, 8. 16 nnd lOl/XIY. S. 20, St. 87 dürfte '
eine Fassung, wie: ^Über diesen langen Weg geht ein schmuckes
Hidehen. Es nähert sich dem Ufer. Unweit des Ufers sieht man einen
großen Hund nnd ein kleines Kind" Torsaiiehen sein. Der sprachliche
Ausdruck des Dbungsstoffes sowie der Stilisierung der daraus induktiv
erfiießenden grammatischen Begeln ist mit wenigen Ausnahmen (S. 5, 10 ;
6. 11; 7, 12 d; 9, 15; 17, 88; 22, 42; 28, 58a; 78, 155a) korrekt. Aus-
nmersen sind die Sätse: 8. 24, 446: einige Ketten — Angen nnd Ohren;
8. 25, 49 c Anfregnngen und Leidenschaften — unbekannt.
Indes find die hier berQbrten Mängel nicht der Art, daß sie den
positiTen Wert des bereits approbierten nnd nett ausgestatteten Buches
irgendwie beeinträchtigen konnten. Wir empfehlen es daher tum Unter-
ricbtsgeb rauche aufs wärmste.
Olmftti Dr. Fr. Ko?äf.
Deatsche Bedelehre yon Hans Probst. Dritte, Terbesserte Auflage.
Leipsig 1905. Sammlung Göschen.
Das BAehlein ist klar disponiert. Es beginnt mit der Lehre Tom
Aosdrack, erledigt rasch, was die Beinheit der Sprache stOrt (der kon-
krete Ansdmck wird als der wirksamste empfohlen), durchleuchtet die
Tropen nnd Figuren, hilft den einfachen Sati, die SatsTerbindung, das
SatigefBge (besonders instruktiT wird im § 18 der Gnmdban des Hanpt-
ssd llebenaatses Torgeffthrt) und die Periode richtig bauen, Oberall der
Knft des Mnsterbeispiels ? ertranend. Der II. Teil, die Lehre Tom Inhalte,
lehrt in treffender K!flne, wie der Wahmehmungsstoff in Erzählung, Be-
•ehreibnng, Charakteristik und Schilderung su sichten und anzuordnen
ist Der § 88 lehrt einfach nnd anschaulich den Unterschied zwischen
der sprachlichen Darstellung und der Darstellung in Stein oder Farbe.
Wie dem Begriffsstoffe beiznkommen ist, erarbeitet sich das Bflchlein
dsreh geschickte, leicht faftliche Darstellung des Begriffs, des Urteils,
des BeweisTorfahrens. Damit ist der Weg su einsichtigen Batschlägen
gebahnt, wie der Stoff zn Themen gesammelt, gegliedert und in der Aus-
arbeitung gerundet werden soll. Ein Überblick Ober den Einfluß der be-
deutendsten Schriftsteller auf die Entwicklung der deutschen Prosa be-
sehlieftt das Büchlein.
Der ruhige, gemessene Lehrton, die reine, deutliche Sprache werden
es dem Laien leicht machen, sich eine sichere Kenntnis der Bedelehre
aozaeignen. Der Lehrer kann sich aus dem Handbuche manchen Wink
f&r den Aufsatsnnterricht zunutze machen.
Wien. Ferdinand Holiner.
192 fiiageseodet.
Anton Auanpergt. BealMhalprof. Dr. A. Stein: Aot dem Archiv eines
rOmifleben Kommandanten in Agjpten. — 22. Jannar 1907: UniT.Prof.
Dr. S. Stein her i: Die lateiniechen Handschriften der Prager ÜniTersitits-
bibiiothek. Hofrat Uniy.-Prof. Dr. A. Biach: Nachruf auf Wilhelm von
HarteL Univ.-Prof. Dr. H. Swoboda: Nachruf auf Otto Benndorf und
Wilhelm Dittenberger. — 19. Februar: Gjmn.-Prof. Dr. J. £ndt: Die
Persönlichkeit Homers. Doi. Dr. D. Hersog: Kachruf auf Morits Stein-
achneider. — 12. M&n: Dos. Dr. J. Eeisenmeier: Gibt es eine
Kontiniuit&t der philosophischen Forschung? ^ 28. April: Dos. Dr. H.
Sohm erb er: Empire und die moderne Kunst. >- 7. Mai: Uniy.-Prof. Dr.
O. Weber: Über Friedjungs letstes Buch. — 11. Juni: Doz. Dr. J.
PoUak: Geschichte der Keilschriftentsifferung. ^ 9. Juni: Hofrat Dr. A.
Bsach: Baalbek-Heliopolis.
An die Yortr&ge pflegten sich Besprechungen und gemfltliche
Zusammenkünfte ansaschbeßen.
Eingesendet
Im Verlage der k. k. Hof- und Staatsdruckerei ist Tor kursem
eine farbige Original-Lithographie erschienen: „Der Parthenon''.
Wir wissen, daß das Problem, ein Bild des in der Umgebung sahl-
loser Statuen und anderer Weihgeschenke strahlend anfragenden Parthenon
unseren Sinnen zu erschließen, der arch&oloeischen Forschung, welehe
das Unerwiesene verwirft, nicht gelingen kann. Sollen wir deshalb
darauf verzichten, dem Traumbilde Gestalt zu geben, welches der Anblick
der Baine vor dem inneren Auge des Wissenden erstehen Ußt? Sollen
wir uns begnflgen, der Jugend von der Herrlichkeit der g^echischea Kunst
durch ungeschickte kleine Buchdrücke oder Photographien, welche die
Bauwerke als dunkle Masse auf hellem Grunde erscheinen lassen, falsche
Begriffe zu geben?
Dr. arch. Oskar Strnad hat den Versach gemacht, den Parthenon
inmitten seiner einstigen Umgebung farbig darzustellen. In dichterischer
Inapiration bat er, von eminentem Können begflnstigt, twar ohne jade
Pedanterie, welche die Sache von Tomherein unmöglich gemacht bitte,
aber unter sorefältiger Beobachtung und Benutzung der Torhandenen
Qaellen ein Bild geschaffen, welches dienen soll, zunächst der Jn^end
der Mittelschulen die farbenfreudige Herrlichkeit der griechischen Kunst
?or Augen zu f Ohren. Wie eine schöne Vision steht Aber dem Gewflbi
▼on Statuen und dazwischen wandelnden Menschen der Wonderbau des
Tempels; licht auf dem blauen Grunde der Luft, die starken Farben
darch das alles umfließende Licht gemildert.
Gewiß, das Untemebmen ist kflbn und mancher, besonders unter
den Nichtkünstlern, wird sagen: Das habe ich mir anders gedacht? Das
soll uns aber nicht abhalten, uns dieses wunder?ollen Blattes zu freuen
und durch dasselbe die Phantasie der Jugend anzuregen.
Wien. G. Niemann.
Erste Abteilung.
Abhandinngen.
Kritische Beitr&ge zu den ADf&ngen Ferdinands I.^).
Unter dem Titel: „Die Anfänge Ferdinands I.** ist im Yer*
la^e Ton Branmüller 1907 in Wien nnd Leipzig eine Habilitations-
schrift von Wilb. 6 an er erschienen, deren Besprechung nnd Er-
gftomng die folgenden Zeilen gewidmet sind. Der Umfang meiner
Darbietung wird wohl dnrcb das Interesse gerechtfertigt sein,
welches das Thema, besonders in Österreich, beanspmchen darf,
daoo aber anch dnrcb die Arbeitsweise des Antors.
Erzherzog Ferdinand ist zweifellos eine bedeutende historische
Figror. Aber die Sympathien des Antors fnr ihn hatten manchmal
üiteile znr Folge, die man zwar psychologisch yerstehen kann, die
aber objektiver Prüfung schwerlich standhalten können. Es gilt
^ies Dftmlich für die Frage der Landausstattung des Erz*
berxogs.
Die Landausstattung hat eine seltsame Vorgeschichte, über
^ie ich mich früher^) in folgender Weise ausgesprochen hatte:
9E1 scheint, daß Karl, Tielleieht mehr überredet als aus
eigenem Antriebe, einer Regelung der Erbfolge mit Absiebt aus-
vicb.^ Ale teils eingestandene, teils mögliche MotiTe dieser Zö-
f«rung Karls ffthrte ich für 1518 an: 1. Die noch nicht erreichte
Velljabrigkeh Ferdinands, ohne welche Karl keine, Dauer verspre-
chenden Yereinbamngen treffen zu können erkl&rte ; 2. den etwaigen
Wanseh Karls, das ganze Maximilianische Erbe allein anzutreten,
Ferdinand dann anderswo zu entschädigen; 8. die bisher absicht-
lieh genftbrte Hoffnung der Ungarn, schließlich doch noch Karl
>titt Ferdinands zum Gemahl ihrer Prinzessin Anna zu bekommen.
Ich fSgte femer hinzu: „Wichtiger war aber die Erwägung, ob
der Kaiser seinem Bruder überhaupt gestatten sollte zu beiraten.
*) «Oetehiehte dea ThroBfolgerechtea io allen hababorgiachen Lan-
dtm 1156-1782«, Wien, Fromme 1908, 8. 155 ff.
Zrilnkiin f. a. tetVT. OyBn. 190e. IIL H«A. 18
194 Krititehe Beitrige in den Anfängeii Ferdinands I. Von G, Twrba.
Denn die Heirat bedeutete, da man Ferdinand schwerlieh ohne
Landanestattnng lassen konnte, aller Wahrscheinlichkeit nach eine
danemde Teilung innerhalb der gesamten Lftndermasse, welche
Karl ererbt hatte . . . Jetzt schien eine Verheiratang eine Gefahr
ffir die Einheit des Uanses und des Besitzes zn sein. 8 ich er lieh
zögerte der Kaiser. Eine Zeitlang war es also sehr ungewiß,
ob das Vorrecht des Ältesten, wie es das Mains formuliert hatte,
über Ferdinands Gleichberechtigung den Sieg davontragen würde.
Aber politische und religiöse Rücksichten nötigten dem zwanzig-
jährigen Kaiser einen folgenreichen Entschluß ab, ohne den Ferdinand
in österreichischen Lftndem nie Landesherr, sondern höchstens
Regent freworden würe**. Zum Worte ^religiösen'' fügte ich als
Anmerkung hinzu: „»^1^ undatierter, aber sieher SlJahre sp&ter
geschriebener Brief des Herrn Logos an einen ungenannten gibt
an : „Der Beichtvater Karls V. meinte : ^Wollte man Ferdinand zur
Ehelosigkeit zwingen, so könnte dies Gottes Strafe und den Verlust
alier Staaten zur Folge haben ...*'' Die Gewinnung des Beichtvaters
sei das Werk des Spaniers Salamanca gewesen; dessen fabelhaft
rasche Bereicherung und großer Einfluß auf Ferdinand sei davon
abzuleiten.''*'
Dazu bemerkt nun Bauer S. 141: „Wenn Turba auf Grund
einer mindestens 81 Jahre sp&ter hingeworfenen Bemerkung wirk-
lich annimmt, daß Karl die Absiebt hatte, seinen Bruder unver-
heiratet zu lassen, um nicht in eine Teilung willigen zu müssen, so
ist dem entgegenzuhalten, daß gleichzeitige Quellen davon nichts
wissen", und B. führt dann aus, derartiges w&re sch&dlich, un-
gerecht und unklug gewesen. „Es mag ja vielleicht der eine oder
andere Ratgeber Karls solch' unnatürlichem Plane das Wort ge-
redet haben." Aus meinen angeführten Worten ist aber zu ersehen,
daß ich nicht behauptet hatte, Karl habe persönlich jene Ab-
sicht verfolgt oder ausgesprochen, ja ich habe, gerade weil ich
dies für unsicher hielt, femer weil darauf einzugehen dem Zwecke
meiner Darlegungen damals ferne lag, dem Leser folgenden Satz
in jenem Briefe erspart: „Havendo egli preseniüo [Salamanca]
che Panitno deW Imperatare era dt far per8uader$ Sua Maestä
[Ferdinand, damals nur Erzherzog] ä tum prender mogliß, aocioehk
li statt non ai diauniaaero, fece officio con ü con/uacr** ^). Grund
zu einer Polemik lag demnach keiner vor.
Aber so ganz unwahrscheinlich ist es dennoch nicht, daß
wenigstens eine Zeitlang in der Umgebung Karls der aller-
dings sehr sp&t bezeugte Plan, Ferdinand die Heirat mit Anna
oder das Heiraten überhaupt auszureden, tats&chlicb bestanden hat.
Ich weise hiebei nur auf die Angaben B.s hin, welcher es wieder-
1) Weiß, Papiera cCitat du cardiwil de GranveUe. Paris 184S,
IV (nicht V, was ein Draokfehler in meiner Geschichte des Thronfolge-
rechtes war) S. 384.
KriÜMhe Beitrige sn den Anfängen Ferdinands I. Von G. Twrha. 195
holt selbst ausgesprochen hat, daß die Bäte Karls, besonders, wie
«r sagt, .der Nimmersatt*' GbiÖTres, den er als das Hanpthin-
dsrnis ffir die Erfüllung von Ferdinands Wflnschen bezeichnet
(8. 28, 114, 184, 185), „am liebsten anch Osterreich allein ver-
schlongen h&tten" und dem Infanten nnr eine magere Abfindung
gewfthren wollten (8. 72, 108, 110, 166), bis „die Macht der Ver-
hältnisse*', „äußere umstände*' (8. 184, 185), besonders aber das
driogiiche Verlangen der Ungarn nach Ausstattung Ferdinands
mit Osterreich, dann auch der vom Verf. fast gar nicht in Bech«
Dung gezogene spanische Aufstand dem Erzherzoge zuhilfe kamen
(8. 112 f., 116). Diese Landausstattung war schon in einem
Vertrage Maximilians L mit KOnig Wladislav November 1507 be-
stimmt, 1515 allerdings nicht wiederholt worden. Landausstattung
ond Verheiratung Ferdinands hingen eben aufs innigste zusammen,
M daß, wenn die Heirat unaufschiebbar wurde, dasselbe auch für
die Landausstattung galt. Eine gewisse Mitwirkung des kai-
lerlichen Beichtvaters und Salamancas in den Verband-
luigen Yon 1520/21 und 1521/22 fiber die beiden Brbteilungen
•eheint mir ferner durchaus nicht bloß legendenhaft oder gar un-
möglich (8.134 f.) Diese Mitwirkung ist fflr die zum zweiten,
dem Brüsseler Teilungsyertrag vom 7.Febniar 1522 ffihren-
den Verhandlungen sogar unbestreitbar sicher. Dafür liegen
ngar zwei ziemlich gleichzeitige Zeugnisse Erzherzog Ferdinands
TOT, von denen aber Bauer nur das Salamanca betreffende ver-
wertete, wobei er selbst anerkannte, daß die Grdße des Erfolges
FerdiaandB dar ,pgeriebenen Kaufinannsschlauheit' (8. 168) Sala-
mancas zu danken war^). Aber auch das den Beichtvater Jean
Qlapion betreffende Zeugnis hätte B. hervorheben mfissen. No-
rember 1522 ließ nämlich Ferdinand den Kaiser daran erinnern,
daß dieser ihm bei Beginn der zweiten Verhandlungen schon in
Oent (Mitte Dezember 1521) ursprfinglich auch die elsässischen
Gebiete vererblich zugestanden habe, erst später durch andere
davon wieder abgebracht worden sei, und Ferdinand fflgte hinzu:
„wie dies Gimpion, Beichtvater des Kaisers, wenn er noch lebte,
bezeugen kOnnte, und wie der Kaiser selbst weiß**'). Warum wird
nur Olapion als Zeuge hiefür genannt? Wohl deshalb, weil nie-
mand Anderer so sehr das Intimste von diesen Verhandlungen er-
fahren hatte und zugleich dem Erzherzog so wohlgesinnt gewesen
war. Daß femer der Einfluß Glapions schon frflher groß war,
kann man aus Bauers eigenen Angaben schließen (8. 35, Anm. 2,
^) Am Kalserbofe wUnsehte man 1524 sogar, ihn von Ferdinands
Hefe SU entfernen (B. 209).
*) Oamwu sofs eanfessewr eut pm teatnoingner ///, si fust
mtie et arnui Sadite Majuti U $eaü. Ms. 684. l fol. 2. des Wiener
Stiatsarchivs (auch von Baoer benCtst, hier aber nicht zitiert). Jean
Glapion starb gegen Ende Aognst oder Anfang September 1522. Collec-
tnm de9 voffogu d€$ souverainB de$ Pays-Baa. Brnzelles 1874, II, p. 67.
18»
196 Krititche Bfiträge la des Anflogen Ferdinands I. Von G. Turha.
146). Nach Chiöyres' Tod, womit die Gegenwirkungen in der Brb-
teiinngefrage anfbOrten, war wohl Qlapions Einfloß noch größer
geworden. Salamanca dürfte Bauers Angaben (S. 167) gem&ß anch
während der ersten Erbteilnngsverhandlongen in Ferdinands Nähe
geweilt haben; freilich, ob er damals ähnlich große Dienste wie
bei den zweiten ErbteilnngsTerhandlnngen geleistet hat, ist in Fer-
dinands Zeugnis nicht gesagt.
B. glaubt ferner (S.135) Grund zu einer Polemik gegen mich
in anderer Sichtung zu besitzen. Er sagt nämlich: „„Wenn Inrba
behauptet, „eine Zeitlang war es also ungewiß, ob das Vorrecht
des Ältesten, wie es das Mains formuliert hatte, ftber Ferdinands
Gleichberechtigung den Sieg davontragen würde'', so fiele es wohl
schwer, hiefär einen Beweis zu erbringen Daß man je das
Hains zur Grundlage der Verhandlungen machte, wird sich kaum
erweisen lassen. <*'* Derartiges zu behaupten, ist mir, wie sich der
Leser durch den früher (s. oben 8. 194) angeführten Wortlaut meiner
Äußerung überzeugen kann, nie eingefallen. Wie sich aus diesem
Wortlaute und aus dem ganzen Zusammenhange ergibt, wollte ich
vielmehr bloß vom Standpunkte des historischen Verlaufes der Thron-
folgeentwicklung die Tatsache feststellen, daß es wegen der Zö-
ge rung Karls eine Zeitlang ungewiß war, ob die Sukzession des
Ältesten im Sinne des Mains in den österreichischen Ländern
eintreten werde, oder ob der zuletzt im XV. Jahrhundert verfochiene
Anspruch auf Gleichberechtigung aller Männer dee Hauses Öster-
reich, wie er in Maximilians Testament durch Erbeinsetzung zu-
gleich Karls und Ferdinands und auch von Karl V. aufs neue an-
erkannt worden war (B. 141), wenigstens in Bezug auf Teilung
der Erträgnisse der österreichischen Länder zum Siege gelangen
werde. Dies letztere war im ersten Er bteilungs vertrage von 1521
in der Tat einer der leitenden Gedanken.
Konnte sich dieser Vertrag und der zweite von 1522 auch
auf das nicht österreichische Erbe Karls beziehen?
Entsprechend der ley II, tit. XV, part. II aus der Zeit des
Königs Alfons X. des Weisen von Kastilien hatte Königin Isabella
von Kastilien in ihrem Testamente von 1504 den Wunsch ausge-
drückt, daß für Ferdinand in der Weise gesorgt werde, wie es in
Kastilien für nichtregierende Prinzen üblich sei. Oberdies konnte
an eine Teilung der spanischen Königreiche schon wegen der feier-
lichen Eide nicht gedacht werden, die Ferdinand der Katholische
von Arragonien vor und nach der Hochzeit mit dieser Isabella zu
Gunsten der üntrennbarkeit der spanischen Königreiche geleistet
hatte, und so sicherte er Karls Alleinsukzession auch 1510 in
Kastilien. Man darf ferner behaupten, daß auch in dem nieder-
ländisch-burgundischen Erbe, den eigenen Thronfolgegesetzen dieser
Länder gemäß, ohne besondere Verzichte Karls an eine Ländertei-
lung zu Gunsten Ferdinands nicht zu denken war. Trotz der außer-
ordentlichen Liebe, mit der der spanische Großvater seinem gißich-
Krititche Beitrftge tu den Anfftngeo Ferdinands I. Von G. Turba. 197
Dimif^tn Enkel zugetan war, bewegten sich darum seine auf dessen
kioltige VereorgQng bezöglichen Verhandlungen immer nur in der
RiebtDOg, daß dem Erzherzog nnd Infanten ein teils oberitalie«
iiJMhaiy teile mittelitalienisches Beich als dentsches Beicbsleben mit
9iw ohne Tirol verliehen werde, aber nnr gegen ausdrückliche Ver-
zicbte Erzherzog Ferdinands auf alle Österreichischen Linder, be-
liehnogsweiee auf die meisten derselben (B. 16, 19, 20). Ähnlich
plioUn Karl und Kaiser Maximilian noch 1517 die Errichtung
eines „Königreichs Italien*, das vom Nordwesten der Adria bis tief
Dieb Toskana hinein reichen, ebenfalls ein erbliches deutsches
fisiehsIehM sein und, wenn nicht Karl selbst, seinem Bruder Fer-
dioaod zufallen sollte i). Daneben scheint, wenigstens 1515, Fer-
dioaads Ausstattung mit dem Königreich Neapel als päpstlichem
Lehsn mindestens ernstlich erwogen, wenn nicht vielleicht schon
durch ein pftpstliches Belehnncgsverspreohen für die Zeit nach dem
T(Mie Ferdinands des Katholischen in die Wege geleitet worden zu
sein. Schon früher konnte ich auf ein allerdings viel zu sp&tes,
aber sehr bestimmtes Zeugnis aufmerksam machen (B. 69), nach
welchem Ferdinand von Maximilian I. 1515 als künftiger König
Nespels bezeichnet worden war. Bei allem Vorbehalte, welchen ich
wegen Unzulänglichkeit der Zeugnisse machen muft, möchte ich doch
dsriof hinweisen, daß die Oründung einer eigenen Dynastie im pftpst-
lieben Lehen Neapel durch Erzherzog Ferdinand und seine Nach-
kommen, wenigstens eine Zeitlang, dem Papst minder gefähr-
lich und aooehmbsrer erscheinen mußte als die, alten Gedanken ent-
•prechend, in Born aufs neue für inkompatibel erklärte Verbindung
vni römisch -deutschem Kaisertum und neapolitanischem Königtum.
Ab dieeer Inkompatibilität hat man in Bom mindestens vor Karls V.
römischer Königswahl festgehalten'). Mit Becht macht B., wenn
auch nicht hl solchem Zusammenhange, darauf aufmerksam (8. 71,
74, 80, Anm. 1), daß Erzherzog Ferdinand mindestens überall in
allen österreichischen Ländern König genannt wurde, so viel ich
derzeit seheD kann, auch nach Maximilians Tod im Jahre 1519.
Bioe Erklärung dafür hat B. nicht gegeben. Ich wage noch nicht
ZQ entscheiden, ob sich dieser Königstitel auf den Plan einer nur
Dich Karls deutscher Königswahl auszuführenden Ausstattung Fer-
dinands mit Neapel oder auf ein zu schaffendes österreichi-
iches Königreich oder am Ende gar nur auf eine Verleihung Ma-
M Manum, Hahgburgiea, KorreepoodeDS Kaiser Karls V., Wien
18^ IL Abt. I. Band, 8. 87.
^ Noch 1527 erinnerte Papet Klemens VII. in einer (undatierteo)
Denlnehrift für den zum Kaiser beetimmten Kardinal Famese, daß er «elbat,
damili Kardinal, es gewesen sei, der dem Papste Leo X. nach der K^dIj^s-
wähl geraten babe, diese Wahl zu bestätigen nnd den Kaiser la absol-
vieren ^daUa stwonia, dal ptrffiwro, che ncn poUva^ esaendo JU di
A apoli, Beeondo la eanBtitutüme di Papa . . . procurare di esserr Im-
peratore et reinvestirlo et donarli di novo ü regno di Napoli.* ^-^^'^
Papiere tPHat 1 282. Vgl. Pattor, Päpete, 1906/7, IV /2 299.
f
1
198 Kritüche Beiträge n den Anfftngen Ferdinands I. Von G. Turha.
zimilians adperaanam bezog. Sicher ist, daß Karl (V.) noch 1517
die Möglichkeit eines nord- nnd mittelitalieniBchen MKöDig-
reichs Italien* für Ferdinand erwog und daß er 1520, jenem Ge-
danken Maximilians L folgend, ein österreichisches Königtam
bloß Yon Ferdinands Belieben abh&ngig machte. Anff&llig ist aber,
daß Ferdinand der Katholische in seinem letzten Testamente TOm
Jftnner 1516 den Erzherzog Ferdinand nicht König nannte, ihn
jedoch mit süd italienischen Hafenpl&tzen, darunter Tarent, lU
königlich • neapolitanischen Lehen, überdies mit 50.000 Dukaten
Jahresrente ans Neapel, alles yererblich, bedachte.
Wenn schließlich der so Bedachte im zweiten Teilongsvertrag
vom Februar 1522 mit Ausnahme els&ssischer Gebiete alle anderen
Mazimilianiscben L&nder mit Württemberg erhielt, allerdings einen
Teil der Zugabe zu den L&ndem des 1521er Vertrages yorl&nfig
nur geheim (Württemberg, Tirol, Vorlande), wenn er außerdem
(gegen Verzicht auf jene Landzuwendungen in Süditalien) eine Er-
höhung des neapolitanischen Legates auf 60.000 Dukaten jährlich
empfing, so hat er schließlich sicher mehr bekommen, als er nach
der Rechtslage fordern durfte, und er verdient kaum die Klage, er
habe „das Schicksal, das dem Jüngeren, dem Zweitgebomen eignet,
bis zur Neige auskosten" müssen (B. 100). Es soll damit nicht
geleugnet werden, daß politische Motive die reichlichere Landaus-
stattuDg dem Kaiser rätlich erscheinen ließen. Solchen Motiven ent-
sprang auch Ferdinands Bestellung zum Statthalter des abwesen-
den Kaisers im Beichsregiment und es wurde ihm (was der Verf.
allerdings anführt, aber an unpassender Stelle: S. 212) auch
mündlich versprochen, daß diese Stellvertretung des Kaisers
künftig durch die Wahl Ferdinands zum römischen König zu einer
dauernden und würdevolleren werde ausgestaltet werden. Freilich,
vorausgehen sollten dieser Königswahl (wie die auf dem Wormser
Reichstag von 1521 im Namen des Kaisers abgegebenen Erklä-
rungen und spätere Äußerungen Ferdinands erkennen lassen) zu-
nächst die Ordnung der spanischen Angelegenheiten während eines
Aufenthaltes Karls V. daselbst und dann die römische Kaiserkrö-
nung Karls durch den Papst. Von der Rechtslage abgesehen, hatte
Ferdinand — eine statthalterliche Regierung in den Niederlanden
abgerechnet — fast mehr erreicht als sein, von so viel Liebe für
ihn erfüllter spanischer Qroßvater für ihn erhofift und geplant
hatte ^). Darum hatte der Erzherzog alle Ursache zufrieden zu sein
und tatsächlich versprach er, künftig nichts mehr von Karl fordern
zu wellen. Ja, er leistete sogar wie auch sein Bruder auf die
Einhaltung des Vertrages vom 7. Februar 1522 einen feierlichen
Eid, was B. nicht erwähnt.
Trotzdem drang der Erzherzog nur wenige Monate später in
den Bruder, dieser möge sich durch eine päpstliche Bulle die
*) Siehe oben S. 196 f.
Krititdie Beitrige in den Anflogen Ferdinands I. Von O, Turha. 199
Kaiflerkrose erteilen lassen, wie Maximilian solches schon für sich
nigeeagt erhalten habe'), nm so die Bahn für die nene römische
Königswahl früher frei zn machen. Schon 1521 flatterten nach B.
(8. 128) Gerüchte von Ferdinands künftigem rOmisch - dentschen
Köoigtnm anf ; Tielleieht hatte ihm Karl V. schon in Worms 1521
selbst daranf Hoftanngen eröShety als die ersten Teilangsverhand-
Ivogen stattfanden. Der Verf. sagt freilich, an diesen Gerüchten
lei „kaum etwas Wahres" gewesen nnd es sei „müssig zn nnter-
nchen, ob es sieh hier nm ein MilSverstAndnis handle oder nm
•ine Böswilligkeit". Noch mehr: entgegen den getroffenen Verein-
barangen beider: bis snr Kaiserkrünnng warten zn wollen, wandte
lieh Erzherzog Ferdinand an den einen oder anderen Kurfürsten,
bisonders an seinen Schwager KOnig Ludwig von Böhmen nnd
Ungarn, mit Anfragen über seine künftige Wahl. Der Verf. gibt
nur zu» er habe «höchstens yorsiehtig angeklopft" (8. 216 ff., 282).
Sehen November 1522 tmg femer Ferdinand Bevollm&chtigten
beim Kaiser anf, noch ganz anderes zn verlangen: erblichen Besitz
elsissischer Gebiete « erblichen Besitz der damit zn vereinigenden
GrafKhaft Bnrgnnd, Zession der Ansprüche Karls V. anf Bonrgogne
ond Dazugehöriges. 1524 kamen wieder nene Bitten hinzn: nm
4ie Statthalterschaft in Mailand, das dem römisch-dentschei Reiche
wieder einzuverleiben sei, ja nm die Statthalterschaft in den Nie-
derlanden» 1525 schließlich sogar nm eine Statthalterschaft in
Italien (8. 191, 210, 216, 282). In seltsamem Kontrast standen
•olche Fordemngen zn den beeideten Erklftmngen des Vertrages
▼em 7. Febmar 1522. Daß dämm der Kaiser solche Fordemngen
sieht einmal anhören wollte» ist nnr begreiflich (S. 280). Wie sehr
bat andi Maximilian n. an den nnrohigen Ehrgeiz seines Vaters
Ferdinand sp&ter erinnert I Ferdinands Forderungen beweisen nach
B. allerdings nnr immer „eine unstillbare Herrscherfreudigkeit**,
den „noch ungereiften Trieb, sich als Landesherr auszuleben"
(8. 216) nnd „Tatendrang" (S. 237). Aber ähnliche Forderungen
Ferdinands an den Kaiser begegnen nns auch in dessen gereiftem
Mannesalter. Als 1526 die Vakanz des böhmischen und des un-
garischen Thrones eintrat und sich dem „Tatendrang" Ferdinands
im Osten ein neues Feld zu eröffiaen schien, da mochte der Kaiser
trotz der neuen Sorgen doch auch ein Gefühl der Erleichterung
empfunden haben. Denn nun durfte er hofifen, wenigstens für
*) (krwmer par re$cript ou hMea, eamme VEmpereur
[liazimiliaa] .... avoit resolu faire et ausai desia impeiri a
aoM faire Boy des Bomains, eamtne il [Karl V.} U nous a protniB:
Hm. 684. 1 des Wiener Staatearehivs ond Bauer 191, 212, 218. fii kommt
is Besag auf die genannten geheimen Verhandlnnffcn Hazimilians I. mit
Bern auch der sebon benutzte Berieht dee Bischofs von Ploök an Maxi-
ouBan de dato: Born, 27. Dezember 1518, in Betracht, wo aber noeh
eicht Ton der Erlangung, sondern höchstens ?on Hoffnang auf Erlanganr
die Bede ist. Wien, StaatsarchiT, „Bom, Berichte". Pastor IV/1 181.
200 Kritische Beiträge la den Anfiogen FardiiuuidB L Von Cr. Turha.
einige Zeit von den fortwährenden Landforderoogen Ferdinands
befreit zu sein.
In einer anderen Frage maß ich B.8 Daratellnng gegen
ühlirz^) Yerteidigen. Zwar sollte eine Bemerkung des Letz-
teren nnr mich treffen, sie trifft aber ancb B. , weil dloBer ein
Besoltat meiner Arbeiten wiederholt und besUtig^. Ich hatte o&m-
lieh darauf hingewiesen'), daß die bisher ernst genommene Ur-
kunde Yom 30. Jänner 1522, wonach dem Kaiser Tom Maximi-
lianischon Erbe noch Verlande, Wflrttemberg and Tirol verblieben
wären, ein nar zar Täascbnng der Öffentlichkeit aasgestellter
Scheinakt gewesen sei. Zam Beweise dieser Behaaptang mnfite
selbstyerständlich ein nntrfigliches Zengnia angefahrt werden» and
ich konnte aaf einen Ton mir anfgefandonen geheimen Bevers Fer-
dinands Yom 8. Febroar 1522 yerweisen, den ich in einem Anhango*)
hatte abdracken lassen. Dort ist nämlich die Täoscbang klar ein-
gestanden and aasdrflcklich die alleinige Giltigkeit der am
7. Febrnar 1522 abgeschlossenen Vereinbaningen zwischen KarlV.
and Ferdinand bezeagt. Nach diesem allein giltigen Vertrage
hatte Ferdinand aaob jene genannten Gebiete (nar Hagenaa
and Pfirt worden anagenommen) nicht als Gabernator im Namen
des EjiiserSy sondern za eigenem and za erblichem Besitze erhalten.
Der fingierte Vertrag sprach trotzdem nar Ton Begiening derselben
darcb Ferdinand im Namen des Kaisers. Ich konnte daram die zwei
Urkanden vom 30. Jänner 1522, Vertrag and Patent, «Scheinakte"
nennen. Daza bemerkt nnn ühlirz: „Den za Brüssel am 80. Jänner
1522 zwischen Karl V. and Ferdinand I. geschlossenen Vertrag
and den ihm entsprechenden Erlaß Karls V. kann man ebenso
wenig als Seheinakte wie die im Jahre 1708^) getroffenen ge-
heimen Abmachangen als ,8chein and Trag' bezeichnen^.
') Hiitor. Zeitschrift, 99. Band, S. 620.
*) Geschichte des Threnfolgereehtes 1908, 165 and Anm. 3, As-
hang 401.
'} Daselbst
i Diese Abmachangen Ton 1708 selbst so la bezeichnen , ist mir
efalleo. Denn als solche waren sie beschworen and giltig.
Jedoch hatte ich behauptet: Kaiser Karl VL habe noch 1712 «gat^
Gnmd' gehabt, .mit Bdcksieht auf seine Verbündeten , samal noch nicht
Friede geschlossen war, den Sehleier von dem Geheimnis and IVng Ton
1708 nicht weffzaiiehen**. (Die pragmatische Sanktion, Wien, Biani 1906,
8. 122 oder 76 der Separataasgabe), um diesen Satz za verstehen, maßte
man freilich aaoh S. 6 nnd 9 bis 12 (ebendas.) gelesen haben, wo ans-
gefahrt war, daß die Seemftchte als Verbfindete Kaiser Leopolds I. tod
den geheimen Bedingangen, anter denen Spaniens Monarchie Ton der Öst-
lichen Monarchie getrennt warde , nichts erfahren sollten, and daß vor
84 Zeagen nar eme harmlose ErUärang £rihersog Karls am 12. Sep-
tember 1708 feieriich Terlesen warde, während eine gleichseitige andere,
nar fflr elf nütwissende Zeagen bestimmte Erklirang Karls, worin das
S actum mutiMe auccessümis inseriert war, geheim blieb. Man ersiebt
arans, wie anrichtig Uhliri zitiert. Da ich hier aaf andere Einzelheiten
Yon Uhlirz' Kritik nur insoweit, als B.s Aaßerangen heransasiehen sind,
Kritisehe Beitrige ta den Anfingen Ferdinands I. Von O. Turha. 201
Aach B. (8. 149, 151) sagt yon dem angeblichen Vertrage
fom 80. J&nner 1522, daß man darin „mit Absiebt den wahren
Inhalt jener Abmacfanngen, die das Datum vom 7. Februar 1522
tngen, der öffentnchkeif yorenthalten habe and spricht darum
auch von »falschem Schein **. B. und ich sind daher in Uhliirz'
Augen gleich schuldig. Ich berufe mich aber auf eine höhere
loitanz: auf die geheimen Erklärungen der vertragschließenden
MoDsrchen : denn beide sprechen ihre Abeichten ganz uoffeniert im
geheimen Bevers vom 8. Februar aus. Damit niemand den Arg-
wohn schöpfe («usptoart)« heißt es darin, der Kaiser h&tte seinen
•igenen Anteil am Maximilianiseben Erbe schon abgetreten» femer
damit Ferdinand die Binkflnfte auch aus diesem Anteil schon
jetzt für sich beziehen und verwenden könne, h&tten sie beide zwei
uderoy vor datierte» ostensible Urkunden vom 30. Jänner 1522 aus-
fertigen lassen, welche zur Verschleierung und Verheim-
lichung des erfolgten Abschlusses und seines Inhaltes verOfifent-
lieht werden» aber der Oiltigkeit der Urkunde yem 7. Februar in
knoer Weise Eintrag tun sollten ^). Wird Uhlirz auch jetzt noch
gli&ben, »»der Vertrag** vom 30. J&nner habe „neben der am
eiogehen kann, will ich lar Charakterisierung nar Felgendes anführen.
Unter den „wichtigeren Einzelheiten'', welche Uhliri frCheren Kri-
tiken gegen mich hinzafCgen will, befindet sich auch (S. 620) die fol-
gende: «Die Zession vom 20. Mftn 1617 hat Ferdinand natCrlieh nicht
als Kaiser (S. 206), sondern als Sraheriog unterzeichnet." Es sollte doch
nicht der Bindraek ersengt werden, all ob ich nicht wftßte, daß Ferdi-
Bsad 1617 noch nicht äiser war? Denn gegen eine solche Annahme
«ebfltst mich allerdings der Wortlaut meiner Angaben gerade an der von
ühlirz litierten Stelle. Ich sehrieb: „Kaiser Ferdinand unterzeichnete und
nagelte diesen geheimen Vertrag in Prag am 20. Mftrz 1617 gani allein.
Ais er am 29. Juni 1617 zum König von Böhmen gekrönt war, erneuerte
snd ratifizierte er ihn als gekrönter König von Böhmen in Prag am
29. Juli 1617. Weder der Kaiser Mathias, noch Kardinal Khlesl er-
^en davon.«' 8. 407 hatte ich diesen Vertrug Überdies unter folgender
Überschrift mitgeteilt: «Geheime Zusagen Ferdinands (IL) an KOnig
Philipp lU.* Femer schrieb ich eine halbe Seite nach jenem ersten Zitat,
S.207 »1681 . . . wurde dieser Vertrag . . . erneuert und best&tigt, diesmal
von Ferdinand IL als erwihltem römischen Kaiser.*" Das möge vorläufig
renSgen. Derselbe Kritiker spricht fCr 1522 von Karl V. und Ferdinand I.""
Wie kleinlich wäre es, wollte ich dies zu „wichtigeren Einzelheiton''
recboen.
0 mldMe fieri posaet aHio iuato colore fierent, prout
faet^ Hmt, iu^ aJ/i^ hUer^ anteriortB dat^, mdelicet de pentUHma
fiMxi metuis Januarii, qu§ dictis litteria communibus inte gram par-
tionem nobis aeeignatam eantinentüfua nequaquam preiudicari
poeeitU sine preiuditio sübsequejUium deheant dum-
taxtU ad eolorandum negotium et rem »ecretius agendam
pMieari.'* Das Patent Karls vom 15. Februar 1525 sagt, was Karl in
Tirol, Wfirttembeig und in den Vorlanden als Gnbernator des Kaisers
getan habe, solle Ferdinands schon am 7. Februar 1522 erlangten Rechten
ab Laadeeherr daselbst keineswegs abträglich gewesen sein {neqiMguam
utribue ipaiua fratrie noHri praeiudieium atUdiase censeatur).
Bauer 2tt.
Krititohe Beitrig« la den Anfibigeii Ferdinands I. Von O, Turha.
7. Febrntr bearkondeten Hanpterbabteilnng (I) durcbans
wirkliehe Geltung" gehabt?
Sowie der Vertrag vom 7. Febrnar 1522 mußte ein auch
Bauer unbekannt gebliebener Zneatzvertrag {^convetUa €t pro-
missa*) geheim gehalten werden, dieser wie jener aber nur inso-
weit, als er sich anf das Maß der Zngabe an Land zn den 1521
abgetretenen fünf Österreichischen Herzogtfimem (Österreich ob xmd
nnter der Enns, Steiermark, E&rnten, Erain) bezog. Der Zusatz-
vertrag trug das Datum Brüssel, 21. Februar 1522 und
wurde, wie Konzepte zu sp&teren Vollmachten der beiden Kon-
trahenten vom 29. M&rz 1522 klar aussprechen, zwischen Karl
und Ferdinand abgeschlossen, mit den Siegeln beider verseheo,
▼en beiden eigenhftndig unterzeichnet, von deren Sekretftren gegen-
gezeichnet und regelrecht, wahrscheinlich wieder in lateinischer
Sprache, ausgefertigt {expeditis). Da der Znsatzvertrag trotz eifriger,
von mir erbetener Nachforschung in den Archiven von Wien, Brüssel,
Lille und Simancas^) verschollen blieb, so können wir davon nur
so viel erfahren, als die erw&hnten Vollmachten daraus wiederholen.
Sicher waren in dem geheimen Zusatzvertrag ausdrückliche
Verzichte enthalten, und zwar Ferdinands auf Karls Länder und
Karls auf Ferdinands L&nder. Wahrscheinlich sind femerauch
Erbvorbehalte gemacht worden , kaum aber , soweit sich hier
eine Vermutung aufstellen läßt, anderen Inhaltes als nach Maß-
gabe der thronfolgerechtlich in Betracht kommenden und nach
Lftndern verchiedenen Anfallsrechte. Über die Benuntiationen sollten
im Namen beider Monarchen Erklftrungen abgegeben und je nach
Herkommen „ einregistriert ** werden, wie solches die sp&teren Voll-
machten für dazu Beauftragte feststellen. Diese Vollmachten sind,
wie schon erw&hnt wurde, aus Brüssel vom 29. März 1522
datiert. Darin ist aber das Maß der Zugabe an Land zn den fünf
Osterreichischen Herzogtümern durchaus nicht verraten, sondern es
wird nur auf den Znsatzvertrag vom 21. Februar verwiesen, dessen
Inhalt „unpr&judizierllch'' giltig und maßgebend bleiben solle, was
an ähnliche Werte in Ferdinands Bevers vom 8. Febrnar bezüglich
des tags zuvor abgeschlossenen Vertrages erinnert. Vorsichtig
und nur für die Eingeweihten vollkommen verständlich steht darum
in der Vollmacht für die Proknratoren statt einer namentlichen Auf-
zählung der außer den fünf österreichischen Herzogtfimem neu
überlassenen Länder nur folgendes: „aliisque Dominus et bonis
Nabis proportione Nostra iissignatia*^ , was Ferdinand sagt; oder:
„et in singuiis aliia dominiie fratri Nostro per didas
litteras communes assignatie^, was Karl sagt').
^) Fflr diese Bemfibungen sei den Verwaltungen der genannten
Archive biemit auch öflfentlich aufs Beste gedankt.
') „Stib quälitatibus, modis, formiSj renuntiationilmSt reservatio-
nibus ac condicionibus latius expressis et contentis in Uteri 8 c om-
ni unibu 8 inter No8 super huiusmodi divisione kincinde expe-
Kritiaehe B«itrige tu den Anftngen FerdiDUida I. Von O, Twrba,
Dies« Fasenng ermögliebte es, ohne Preisgabe des Geheim*
nisses, mit der Erlassnng der Karl auf Grand des Teilnngsver-
trages Ton 1521 geleisteten üntertaneneide nnn zn Gunsten Ferdi-
nands in einem Teile ^) der diesem nea überlassenen Gebiete schon
1522 za beginnen'), nnd im Beste dieser ^alia daminia**^ d. i.
lA Württemberg, Tirol nnd Vorlandeni die Verftndemng erst 1525,
ditis ae utriuaqm Nostrum manihus Bignatis, Nostrisque
sigilli» sigillati» ae pernoatros seu euiuslibei Nostrum secre-
tario» »ubgeriptis, Vatis Bruxellis die vigesima prima
pr(terüi [irrig: ^.pntis** =^ presentis] mensis Februarii ad qufas] in-
preiuditialis häbeatur relatio et int er cetera ibidem eonventa
et hmeinde promissa actwn fuerity quod uterque Nostrum cansti-
tueret procuratores, per guos in singülis reptiis et dominus alter
alteri renuntiare et gf/netare deberet quiequid juris habere poterit in
aivis bonis alteri assignatis ante dictam conventionem et concor-
diam (genannt sind Eaatilien, Arragonien, beide Siiilien, Brabant, Luxem-
biDg, Flandern, Borgnnd, Henoegan, Holland, Namar qbw. ; die Namen
der Frokoiatores lind nicht eingesetst) renuntiationem et
qmetationem omnium bonorum patemorumt matemorum et avitorum
in dietis litteris dedaratam et expressam iuxta ipsarum Ute-
rarum formam et quatenus expediat ibidem defiuo Nostro [Ferdinand]
nomine quietandum, cedendum et remunerandum pro Nobis Nos-
trisque heredibus et successoribus quibuscumque, omni
jurt, aetümi seu querelf, quod vd quam TuUmimus seu habere potuimus
out in posierum habituri fuissemus (!) dumtcueat iüis quinque
DucatAus aliisque Dominus et bonis Nobis pro portione
Nostra assignatis et reservatis et in dietis litteris eommunibus
expressis ae deelaratis, qu^ a<2 Nos pleno iure ae iuxta ipsarum
litterarum formam pertinere dignoseuntur Nostram quieta-
tionem et renuntiationem cum qualitatibus et reservationibus
antedictis ac cum tenore presentis mandati inscribi ae registrari
fadendum et eonsentiendum in libris ac registris cuiuslibet curie, in
qua ipsius renuntiationis actum fieri seu eelebrari continget et de his
instrumenta ac acta publica Ferdinands Qeneralmandat
flkr noch nicht beseichnete „Proknratoren", Brüssel, 29. Man 1522; Wien,
StaatsArehlT ,Familienakten'* Kopie. — y^Sub qualitatibus.-. wie in der
Toranstehenden Yollmaeht Des Kaisers Proknratoren sollen erscheinen:
in den fünf Hersogtflmern „ei quolibet predictorum et in sin-
aulis aliis dominus eidem dMrissimo fratri Nostro per didas
iiteras communes [21. Februar 1522] assignatis ...Nostro
nomine owunia d singtda contenta in dietis nostris litteris
pro Nobis Nostrisque heredibus et successoribus quibuscumque omni
jurif tictioni (analog der Yorigen Anmerkung) renuntiationem
cum fualitatibus d reservationibus " Karls Y. Generalvoll-
macht fttr nicht genannte Prokuratoren Tom 29. MSra 1522. Kopie des
Konsepts. Ebendaselbst.
*) In Teilen Kimtens, Krains, Istriens, Frianls; ferner in Cilli,
QCn, Gradiska, Triest, Fiume.
*) ^Eidem [Ferdinando] fidelitatis iuramentum prestent
quoniom Nos ipsos ab omni iuramento Nobis prestito
liberamus omneque ius nostrum hereditarium ac omnem
aetionem abdicamusr ScheiuTertrag Yom 80. Jftnner 1522,
Bauer S. 246.
204 Kritische Beiträge m deo Anfängen Ferdinand« I. Ton G. Turha.
nftmlich naeh Pablikation des Inhaltes des Gebeimyertrages Tom
7. Februar 1522, eintreten zn lassen^).
In diesem Zusammenhang sei aneh darauf aufmerksam ge-
macht, daß B. (S. 127) eine unrichtige Vorstellung erwecken kann,
wenn er schreibt: „Man fand es [im Wormser Vertrage ton 1521]
schließlich auch nötig festzusetzen, daß Karl die Untertanen in
den fünf Herzogtümern aus der Eidespflicht, die sie ihm ge-
1 ei stet y entlasse und sein Bruder ähnlich mit denen der ober-
Österreichischen Länder Terfahre.** Denn daraus ist nicht deutlich
zu ersehen, daß die Eidespflioht in allen Österreichischen Ländern
beiden Brüdern ursprünglich gemeinsam geleistet worden war.
Im geheimen Zusatzvertrag vom 21. Februar 1522
war, wie schon erwähnt, mehr enthalten, als die genannten Voll-
machten für die Prokuratoren zitieren, was schon aus den Worten
„inUr cetera ibidem conventa et hineinde promisea** hervorgeht.
Was alles unter „cetera canvenia^ gewesen sei, kann nur ver-
mutungs* und nur teilweise gesagt werden. Es dürfte indes kein
bloßer Zufall sein, daß fast in derselben Zeit, aus der die Voll-
machten für die Prokuratoren stammen, n&mlich am 28. M&rz 1522,
Karl V. seinem Bruder als künftigem Lehensträger aller österrei-
chischen Länder samt Württemberg und Teck die Frist zum
Empfang dieser Beichslehen und zum Empfang der von anderen
Fürsten zu erteilenden dortigen Lehen in zwei Urkunden auf je
sechs Jahre erstreckte ')• Höchstens so lange sollte ja auch der
Teilungsvertrag vom 7. Februar 1522 geheim bleiben. Von dem-
selben Datum des 28. März sind auch zwei deutsch abgefaßte
Beichsbestätigungen über die österreichischen Privilegien: ein
Exemplar bietet eine vollständige Aufzählung derselben, das zweite
bestimmt den Sitz der österreichischen Erzherzoge auf Reichs-
tagen. Vermutlich entsprach es den im geheimen Zusatzvertrag
vom 21. Februar enthaltenen „reservatianibus*' ^ daß schon damals
wie später 1580 die Österreichischen Beichsprivilegien Karl und
Ferdinand und deren Erben zu gesamter Hand erteilt wurden
und daß dann 1580 die Beichsbelehnung beider ebenso vollzogen
wurde. In denselben Tagen, da die Vollmachten abgefaßt wurden,
ist tatsächlich auch den versammelten Ständen der Niederlande
Mitteilung von Ferdinands definitivem Verzicht auf die Niederlande,
bezw. Mitteilung von demjenigen gemacht worden, was sonst im
ostensiblen Scheinvertrag vom 80. Januar 1522 enthalten war^).
') BelaxantcB annullantesque ittramentum, Karl V., Madrid,
15. Februar 1525, bei Bauer S. 263.
*) Nar diejenige bezüglich der Beichslehen bei Bauer S. 155,
Anm. 2 zitiert
') Leider Bind die Mitteilungen Oachards {Charles - Qutnt in der
Biogr. nationale ... de Belgique, Brnzelles 18y2) 540 und Hennefs
(Histoire du regne de Charles-Quint en Belgique, Braxelles et Leipzig
1858) III 248 unbrauchbar,
Entliehe Beiträge in den Anfingen Ferdinuide I. Von O. Twrha. 205
l>it aoidrückliche Anerkennung der Alleinsakxeesion Karls in den
Niederlanden nnd Borgnnd dnrcb eine besondere Urkunde Ferdinande
fand auch 14. Dezember 1550 statt, als Ferdinand der landes-
gegetslichen Garantie von Unteilbarkeit des niederlAndiscb-bnrgon-
diieben Oebietes und von Bepräsentationsrecbt fär Kinder yorTer*
atorbener Thronerben seine ausdrflckliehe Zustimmung erteilte ^).
Abschluß nnd Inhalt des geheimen Zusatzyertrages vom 21.
Febrnar 1522 sind B. entgangen. Er zitiert zwar 8. 83 eine
„Urkunde" vom 21. Februar 1522 und später S. 157, Anm, 8
»Xonzepte" mit dem Datum des 29. März 1522, beide Male mit
dem Beisatze: « Familienarchiv ". — Da mir aber aufgefallen war,
daä B. ans der ^Urkunde" vom 21, Februar 1522 nichts anderes
mitgeteilt hatte, als daß dort einige Sätze aus dem letzten Testa«
fflente Ferdinands des Katholischen inseriert seien, ließ ich mir das
Stock ausheben und konstatierte, daß es undatiert war und nur
SpezialVereinbarungen Aber Sicherstellung und Auszahlung von
Ferdinands neapolitanischer Beute enthielt. Am linken Bande der
ersten Seite stand allerdings „21. Februar 1522*', aber nur mit
Bleistift und von moderner Archivhand. Ursache für diesen wahr-
scheinlich auch irrigen Zeitansatz gab die Zitierung des Vertrages
vom 21. Februar in den beiden Vollmachten für Prokuratoren Karls
aod Ferdinands. Diese Vollmachten vom 29. März hat B. nicht
genau geprüft, weswegen ihm der Zusatzvertrag entging.
Wenn B. femer meinte, durch das Testament Karls vom
Mai 1522 und durch ein wahrscheinlich auch von Ferdinand damals
errichtetes Testament ') entfielen bereits meine „Bedenken tber die
Notwendigkeit eines gegenseitigen Beerbungsvertrages'* , so
hatte er eben von der Existenz des Zusatzvertrages vom 21. Februar
1522 keine Kenntnis. Überdies zitiert er (S. 159, Anm. 1) gerade
das Gegenteil von dem, was ich geschrieben hatte. Denn ich hatte
nur von der Möglichkeit eines gegenseitigen Beerbungs Vertrages
gesprochen, aber hinzugefögt: „Nötig wäre er nicht gewesen^',
wenn man die spanischen und die österreichischen Länder in Be-
tracht ziehe; denn die gegenseitigen Erbanwartschaften seien dort
durch Thronfolgegesetze, hier durch Belehnung zu gesamter Hand
ohnediea gesichert gewesen. Wenn ich auch damals gemeint hatte,
ein gegenseitiger Beerbnngsvertrag wäre nicht nötig gewesen, so
neige ich jetzt, wo ich von der Existenz eines Znsatz Vertrages
durch die Vollmachten vom 29. März belehrt bin, eher der Ansicht
zu, daß gerade dieser Znsatzvertrag Bestimmungen dber die Fälle
gegeoaeitiger Beerbung enthalten habe.
<) Nach Gachard a. a. 0. in den ^Flacardi de BrdboMt'' , IV
p. 431 enthalten (abgedrackt?), die ich nicht benutzen konnte.
*) Diese VenDQtaog kann ich nan durch folgende Angabe eines om
1565 (?) abgefaßten Bepertoriome Aber Ferdinands I. Haosarkanden be-
stUigen: .König Ferdinands venecretiert Testament. Dc^um Wien anno
162!t*. Hofkammerarchiv Wien, Faas. 100 a.
206 Kritisehe Beiträge zn den Anfängen Ferdinands I. Von G, Turba.
Im Urteil ober Behauptnngen anderer läßt es
Bauer gelegentlieh an Voreicht and Prüfnng fehlen.
So bezeichnet es B. als einen „Irrtum" Ulmanns anzunehmen,
des Prinzen Karl Mindeijährigkeit hätte mit zwanzig zurückge-
legten Leben^abren geendet, wenn Königin Johanna, seine Mutter,
fräher gestorben wäre. Was fflhrt nun B. (S. 18, Anm. 8) zn
Gunsten seiner Behauptung an? Zuerst den Vertrag von Blois
vom Dezember 1509 und dessen Ratifikation durch Kaiser Maxi-
milian in Bozen vom 1. Januar 1510, dann die Huldigung der
kastilischen Cortes für König Ferdinand von Arragonien als den
Gubemator im Namen seiner geisteskranken Tochter, der Königin
Johanna von Kastilien, Oktober 1510. Alle Male sei Ferdinand
bis zu Karls Fflnfundzwanzigjäbrigkeit als Oubernater Kastiliens
anerkannt, das zweite Mal mit den Worten: „bis der genannte Herr
Prinz Don Carlos 25 Jahre Tollendet habe, was gemäß den Ge-
setzen des Königreiches ist** ^). Daß der „sonst so gut unterrichtete
Zurita** Zwanzigjährigkeit für Karls Mindeijährigkeit angebe, findet
B. immerhin auffällig. Hätte sich aber B. im Wiener Staatsarchiv
die Testamente der beiden katholischen Könige oder wenigstens
den beliannten Auszug bei Lafuente') angesehen'), so h&tie er
über Ulmann anders geurteilt. Königin Isabella von Kastilien er-
klärte nämlich in ihrem Testamente vom 12. Olitober und 28. No-
vember 1504, daß für Johanna, ihre Tochter und rechtm&ßige
Nachfolgerin als Königin von Kastilien, wenn diese abwesend sei
oder nicht selbst regieren wolle oder könne (wegen Geisteskrank-
heit), König Ferdinand von Arragonien so lange als „Administrator
und Gubemator*' zu regieren habe, bis der Prinz Carlos das gesetz-
mäßige Alter von wenigstens^) zwanzig zurfickgelegten Lebens-
jahren erreicht habe. Dann erst sollte Karl Gubemator (nicht König)
für seine Mutter sein. Da die Königin Isabella über ausdrück-
lichen Wunsch der kastilischen Cortes von 1502 und 1503 für die
Zeit nach ihrem Tode verfügt hatte und da die Cortes im vorans
Befolgung dessen, was sie anordnen würde, versprochen hatten,
glaubte sie, sich nicht strikte an den Wortlaut von ley III, tit. XV.
^) Aach zitiert Bauer ungenau: „vemte 6 eineo (uios cumplido
eonforme d las leyee del reino** (8. 14, Anm.) statt: „v. e, c. aSios cum--
plidoM gues f= que es] c" usw.
') Histaria generdl de Espafia, Madrid 1858, X 252. Die dort
zitierten gedruckten Texte konnte ich nicht benutzen.
') Das erste in authentischer, vielleicht für die habsburgisehen
BrQder bestimmter Kopie, das zweite in Mss. 85 dee Wiener Staataarddva.
Den bei Sehirrmacher, Gesch. Spaniens, Gotha 1902 (Heeren* Uckerteche
Europäische Staatengescbichte) YII 688 f. litierten Abdruck in Donner,
Varwa discursos, konnte wohl auch B. nicht benütxen: Bauer sitiert
S. 88, Anm. 1 nur einen auf Ferdinands Apanagierone und Aosstattang
mit sfiditalienischen Gebieten besSglichen Ansiug aus mesem Testamente.
^) Nicht wie bei Schinmacfaer VII 851: ,,oder mindestens". Denn
der Text lautet: nSea de edad legiiima a lo menos de veinte
anos cumpUdos** (nicht: u a lo metwa d, v. a. c).
Eriti0ehe Beitrige sa dtn AnAngen Ftrdinands I. Von G, Turha. 207
paitidall'), d. i. der OeBetee ans König Alphoos^ X. von Eastilien
Zftit^ haiiMi sn müssen, wo als Mindeij&brigkeitsgrenzen Zwanzig-
jährigkeit ffir kasftiliscbe Thronerben nnd die Zeit der Heirat ffir
kastiliseba Kremerbinnen festgesetzt waren; Isabella meinte yiel-
mehr mit den Werten „von wenigstens zwanzig zurückgelegten
Lebensjahren^ ihrem Gemahl Ferdinand von Arragonien die Mög-
lichkeit anch lungeren Gubernatorentams ofifen halten, die Stell-
▼ertretong dnreb den erfahrenen Gemahl derjenigen dnrcb den un-
erfahrenen Enkel vorziehen zn sollen. Weil aber ein anderes Gesetz
derPartidas (II, tit XIX, partida VI) ganz allgemein gesagt hatte:
„Minor es Uamado aquel que tum ha aun veynte e cinco ano8
cumpluhs^ (mindeij&hrig ist deijenige, welcher noch nicht 25
Lebenqabre vollendet hat), so scheint der katholische König Fer-
dinand diese Bestimmung als Handhabe benutzt zu haben, um
seine eigene Begierung bis zu Karls Fünfundzwanzigj&hrigkeit zu
siehera, wenn Jobanna früher stürbe, und um hiezu zuerst
die Zustimmung Kaiser Maximilians, dann diejenige der kastili-
Kben Cortee zu erlangen. Ja, beide Zustimmungserkl&rungen waren
fär Ferdinand den Katholischen noch günstiger als das Testament
der Königin Isabella. Denn für die ganze übrige Lebenszeit
der Geisteskranken sollte Ferdinand auch in Kastilien regieren. So
lange diessr lebte, konnte Karl darum niemals Gnbernator
oder König in Spanien sein; dafür garantierten die kastilischen
Cortes Karl schon damals durch Huldigung die Nachfolge un-
fflittelbar nach Ferdinands Ableben. Jene Mündigkeitsgrenze von
20 Jahren ist übrigens in Kastilien selten eingehalten worden.
Wie Kaiser Maximilian I. seinem Enkel Karl vor Erreichung des
fflofzehnten Lebenqahres die i>enia aetatia erteilte, so tat Ähnliches
neb Ferdinand von Arragonien in seinem Testamente vom Januar
1516. Es geschah (was mit Bücksicht auf die Bechtslage nicht
inrelevant war) sowohl für die königliche Machtübung in der
Sicht kastilischen L&ndergrnppe, als auch für die stellvertretende
Beg^erung^ in den kastilischen Beleben, beides im Namen der
alles erbenden Königin Johanna. Die Altersnachsicht erteilte Fer-
dinand dem Prinzen Karl für beide L&ndergruppen für den Fall
noch Sicht erreichter Mündigkeit „kraft königlicher Gewalt*".
Nach all dem Gesagten kann man ermessen, wie wenig
brauchbar die Bemerkung Bauers (89) ist, Erzherzog Ferdinand
(geb. 1508) habe 1519 noch nicht das „gesetzliche Alter'' erreicht
^abt Denn welche Gesetze kamen für dieses Mitglied dreier
Herrsdierhftuser in Betracht?
In einer anderen Frage muß ich mich gegen die Uogenauig-
keit, mit der meine Behauptungen zitiert werden, und gegen die
Art ihrer Widerlegung wenden.
') Marcelo Martinez AlenbiUa, Codigoa owImtuos de Eipaüay
Madrid 1885^ I 8. 815 f.
208 Kritische B«itrlge xa den Anf&ngen Ferdinands I. Von G. Twrha,
B. sag^t (8. 158, Anm. 3): „Der Anschanong Turbas, daß
trotz des Brfisseler Vertrages die Einheit des habsbnrgischen Haases
weiter bestanden habe, kann ich ebenso wenig wie Kogler bei-
pflichten. Aach die Folgemngen, die Tnrba aas Terschiedenen Be-
legstellen zieht, die er nenerlich in seinem Buche ,Die pra^nna-
tische Sanktion', 8. 4, Anm. 5 zusammenfaßt, sind meines Er-
achtens nicht yöllig stiehh<ig. Wenn da und dort in Ur-
kunden die beiden von Karl V. und Ferdinand I. herrührenden Linien
als eine Einheit betrachtet und als das Haus Osterreich bezeichnet
werden, so mag solcher Ausdrucksweise der Niederschlag haas-
geeetzlicher Anschauungen zu Grunde liegen , ohne daß ihnen des-
halb staatsrechtliche Bedeutung zukomme^.
Diese Inhaltsangabe ist ebensowenig zutreffend wie diejenige
Eoglers^), der geschrieben hatte: „Abzulehnen ist Turbas Be-
hauptung, daß bei allen Beichsbelebnungen der österreichischen
Fürsten mit den Österreichischen Ländern von 1580 — 1728 auch
stets die spanischen Habsburger mitbelehnt gewesen sind*'. Un-
mittelbar darauf sprach er von einer durch mich „erfundenen
Mitbelehnung der spanischen Habsburger mit den österreichischen
L&ndem". Am Ende bin ich auch noch für den aus einem solchen
Zitate deduziblen Glauben an die Weiterexistenz spanischer Habs-
burger über das Jahr 1700 hinaus verantwortlich. Bauer ist id
dieser Frage doch etwas vorsichtiger als zuerst Kogler, dann dessen
Lehrer Wretschko') und zuletzt Uhlirz'). Er fühlte, was seine
Worte „nicht völlig stichb<ig'' zu zeigen scheinen, daß zur
Kritik noch anderes als Energie im Behaupten und Ablehnen ge-
hört, wenn auch diese Energie häufig wirkungsvoll zu sein pflegt,
weil aus ihr Schlüsse auf besondere Gründlichkeit der Erwägung
oder auf überlegenes Besserwissen des Kritikers gezogen werden.
Wenn ich bloß von „bisher nicht beachteten Momenten
der Einheit des Hauses*' ^) sprach, noch dazu nur bei Besprechung
der österreichischen Erbländer, so konnte ich die Einheit nicht in
demselben Umfange meinen, wie die Leser auf Grund des Zitates
anzunehmen geneigt sein könnten. Bloß reichslehensrecht-
liche, nur auf die österreichischen Beichsbelebnungen bezügliche
Einheit und hauptsächlich damit zusammenhängende Erbfolgever-
fügungen Ferdinands und Benuntiationen deutscher, heiratender
Erzherzoginnen hatte ich gemeint. Die Bichtigkeit der Behauptung
') Monatsblätter des Vereins für Landeskunde von Niederösierreich,
1903, 8. 10 des Separatabdrackes.
*) Ohne Angabe von Gründen sagt dieser: ich „operiere*' nicht
glücklich, wenn ich „die spaniecbe Linie in den vom Deatsehen Beiche
für die österreichische Linie ausgestellten Lehensinstrameoten mitinbe-
griffen wissen" wolle. Beilage inr »Allgemeinen Zeitang* 1903, Nr. 149»
Seite 13.
*) Histor. ZeiUehrift, 99. Band 620.
«) Geschichte des Thronfolgerrechtes. 169; vgl. 162, 164, 171/8.
Kritifdie Beitrige la den Anfängen Ferdinande I. Von O. Turbo, 209
Ton einer reichilehenereehtlichen, anf die öeterreichiechen L&nder
beechrinkten Einheit des Haneee Österreich hftngt von der Beant-
wortnog der Frage ab, ob bei den Beichsbelehnnngen mit diesen
Lindem nnd bei den PriTilegienbestAtignngen für dieses Hans
ueb die spanischon Erzherzoge eingeschlossen waren. Znerst
leien die Beichsbelehnnngen erörtert nnd nnr den Urknnden
darüber sei das Wort erteilt.
In dem Beichslehensbriefe von 1580» nach welchom die
Oiterreichisehen Länder samt Württemberg nnd Tech nnter einem
ferliehen wnrden, sagte Kaiser Karl Y., er habe die Belohnung
erteilt dem Erzherzog Ferdinand: „an unser'', d. i. des Kaisers,
«all Erzherzogen zu Österreich etat nnd als Lehentrager fnr sich
M]bst% ain aller Unser nnd Seiner Lieb Erben namen*, d.h.
vohl nnr: für die Erben sowohl Karls als Ferdinands. Was selt-
sam erscheinen mag« ist in derselben Urknnde anch begründet.
Als Gmnd des künftigen Oesamth&ndertnms wird in d^ms^lben
Baiehslehensbrief gleich im Eingang angegeben: „die weil** nach
tei Tode Kaiser Maximilians dessen Länder an siebeide, an
Karl nnd Ferdinand, „erblich gefallen'' seien, dazu anch Württem-
berg nnd Teck erworben worden sei, so habe Ferdinand gebeten,
der Kaiser mOge belehnen: „Sein Lieb als Lehentrager an unser
itat nnd für sieh selbe als Ertzhertsogen zn Österreich und
regiernnden Landtsfnrsten nnd alle unsere nnd Seiner
Lieb Erben". Anch von den Begalien, die mitverliehen werden,
ist betont: „Die wir nnd Sein Lieb als Ertzhertzogen zn öster-
reich nnd Herren aller Torgeschriebner landt" ererbt. Ich machte
femer schon 1903 daranf anfmerksam, daß 1599 in dem Vertrage
tviscben Württemberg nnd Kaiser Bndolf IL im Namen dee ganzen
Hauses Österreich ansdrücklich nnd wOrtlich: „Dem ganzen
löblichen Hans Österreich, das ist denen yon beeden
Herren gebrfldern weiland Kaiser Karl V. nnd Kaiser
Ferdinanden herrierenden Linien" die „Anwartschaft nnd
Sukzession" in Württemberg nnd Teck für den Fall des Ans-
Sterbens des Mannsstammea Herzog Friedrichs von Württemberg
gewahrt wnrde. Es geschah dies, wie derselbe Vertrag bestimmte,
überdies in der Weise, daß bei der jedesmaligen Belohnung des
Hanses Österreich mit den Osterreichiechen Ländern anch
Württemberg eingeschlossen sein sollte. Die österreichi-
ichen Länder nnd Württemberg sollten künftig immer nnr wie
bisher zusammen dnrch einen einzigen Belehnnngsakt dem
Hanse Österreich rerliehen werden. Indem ich 1906^) dies aber-
mals herf erhob, tat ich es mit der Schlnßfolgemng, daß damit
die Bechteeinheit des Hanses Österreich dem Beiche gegenüber für
diese Länder festgehalten erscheine. Jetzt mnß ich gegenüber B.
bemerken, daß dieser Vertrag staatsrechtlichen Inhaltes ist,
*) Die piagmatiiche Sanktion, S. 5.
ZiÜMkrift f. a. tetoir. GywB« 1908. m. H«fl. 14
210 Eritischd Beitrflge iq den AnflDgeo Ferdinands I. Von G. Turha.
daß daher sicher nicht, wie er sagt« bloß hansgesetzliche
AnschannDgen vorliegen. Die staatsrechtliche Natnr wird besonders
durch die knrfflrstlichen Eonsenserklftrangen nnd die Eonsens-
erkl&mng der württembergisohen St&nde^) anfs neue bestätigt.
Vielleicht 9 konnte man einwenden, liegt doch keine Becbts-
kontinait&t vor? Dagegen spreche nun folgendes: In den
testamentarischen Verfügungen Ferdinands von 1554
wird gefordert, daß an dem Bechtsverhältnis gegenüber Württem-
berg festzuhalten sei. Auch künftig, so rerlangt Ferdinand, solle
die Belehnung von Beichs wegen erfolgen wie 1680: „wie auch
wir als Lehentrager in namen und anstatt der Bümisch-
kayserlichen Majestät, unsere lieben Bruders und Herrn, und
für uns selbe als Erzherzogen zu Österreich und regierenden
Landtsfürsten nnd alle Seiner Lieb und Eay. May. und
Unsere Erben solch* Fürstenthumb Wirtemberg und Teckh von
dem • • • . Beich zu Lehen empfangen [haben] und noch tragen",
und zwar wie er ausdrücklich sagt: „neben und mit anderen
Unsem und unsere Hauß österreichischen* Ländern. Ferdinand
beruft sich in dieser testamentarischen Verfügung von 1554 auf
Verträge von Eaaden und Passau ron 1584 und 1552, in welchen
dieses Bechtsverhältnis des Hauses Osterreich zum Beiche best&tigt,
zugleich aber doch bestimmt worden sei, daß das Haus Österreich
seinerseits Württemberg und Teck als Afterlehen den Mannsstämmen
Christophs und Georgs von Württemberg zu erteilen habe und daß
darum yon diesen wieder dem Hans Österreich der Vasalleneid zu
leisten sei. Auch diese Verträge wurden, wie die Lehensakte yom
6. August 1585, vom 2. Januar 1555 und vom 81. März 1578
beweisen'), gegenüber Württemberg ausgeführt; aber auch
gegenüber dem Beiche. Immer ist in die Beichsbelehnungen
des Hauses Österreich Württemberg und Teck eingeschlossen: so
am 5. September 1572, am 8. Jänner 1578 und am 21. Oktober
1597'). Immer ist femer ein Erzherzog Lehensträger oder -Empfänger
entsprechend den Worten der Belehnung von 1580 im Namen auch
„aller Erben am Haus Österreich nach besag desselben lOblicfaen
Hauses habenden Brief[en] und Freyhalten ** oder: „und also
ingemein des gantzen hochlOblichisten Haus Österreich'*, wie
die Instruktion zum Lehensempfang vom 16. August 1572 aagL
^) Gerade darüber und teilweise entgegen Pfister, Qesehichte der
Verfassong des wflrttemhergiBchen Hasses nnd Landes, bearbeitet von
Jäger, Heilbronn am Neckar 1888, 8. 830, 382, wäre das Material im
Wiener StaatserchiT la vergleichen nnd swar die Mbs. 86, 62, 181, 596, 946,
damnter PoBohmanns, des geheimen HAOBarchifars, aasfDhrliche Abhand-
lang Ton 1789; ebenso im Arehi? des Ministeriums des Innern in Wien I.
A 1, 8007, 3008; Protokolle, MajeetAtssachen IX, fol. 70 nnd I Bl, 886.
*) Beichsregifitrator III. fol. 59, V. fol. 157, XX. foL 843 nnd ür-
knndenrepertoriam I, Wien, StaatsarchiT.
') Pergamentoriginalien mit beiOglichen anderen Schriften im
Wiener StaatsarchiT, ürknndenrepertorinm I nnter den angegebenen Daten.
Krititehe Beitrige xq den AnfftDgen Ferdioands I. Von G. Turha. 211
Wu nnn unter dem „allgemeinen bochl. Hans OBterreieh** nach
derselben Ihitraktion tn Tersiefaen ist, sagt, abgesehen von jener
gsDi dentliehen Stelle im Vertrage Ton 1599 derselbe Ver-
trag anch an anderer Stelle. Als diesem Vertrage gem&G das
AilerlebensYerbältnis Ton Wflrttemberg anfhOrte nnd die Herzoge
wieder selbst Keichsyasallen wurden, wnrde sowohl der Linie
Karls V. als derjenigen Ferdinands außer „Anwartschaft
und Sukzession*' — nach dem Aussterben des württembergischen
Mauisstammes — auch „wie bisher** Titel nnd Wappen von
Württemberg Torbehalten, von jetzt an aber „eimg und allein zu
Aozeig künftiger Sukzession**. Die Worte, daß sowohl Karls V.
Linie als diejenige Ferdinands diese Anwartschaft besitzen
sollten, wiederholt ausdrucklich auch der 18. April 1600 aus-
gestellte Lehensbrief über die neue Beichsbelebnung mit Wflrt*
temberg ^). Unbeschadet dieser Beichsbelebnung und aller folgenden
mit Württemberg sollte auch das Haus Osterreich im angegebeneu
Umfange: Karls V. und Ferdinands Linien, bei seinen eigenen
Reichsbelehnungen Württemberg trotzdem auch künftig wieder zu-
iimmen mit den anderen, den Österreichischen, Lehen empfangen,
«wie solches seithero 1580 allweg üblich [und] also
hergebracht worden**, von nun an aber bloß „zu Beweisung
Untltiger unverzügener [=:nichtTerzichteter] Anwartschaft**.
Deutlidier kann wohl die auch auf die Oesamtheit beider Linien,
der deutschen wie der spanischen, bezügliche Bechtskontinuit&t
Hiebt ausgesprochen werden. Ich diof darum mit Becht gegenüber
Biaer, Kogler, Wretschko und ühlirz aufs neue behaupten, daß
seit 1580 eine reichslehensrechtliche Einheit des spanisch-deutschen
Oesamthauaes Österreich für die altüsterreichischen Länder bestand
Qod unverftudert aufrecht erhalten wurde« Nicht um bloß haus-
^esetzliche Bestimmungen handelt es sich, wenn dem spanischen
Msonsstamm in den Benuntiationen heiratender deutscher Erz-
herzoginnen und in Ferdinands Erbfolgererfügungen Nachfolgerecht
in den altüsterreichischen L&ndem eingeräumt ist, überdies Vorzug
vor deutschen Erzherzoginnen; es handelt sich Tielmehr auch um
eine Befolgung dee in reichslehensrechtlichen Akten fixierten
Sechtszustandes. Eine Einsichtnahme in die ja zum Teile ge-
dmekten'), auch sonst leicht zugänglichen Akten hätte Bauer und
Uhlirz Tor bloßer Wiederholung der f oreiligen Behauptung Keglers
and Wretschkos bewahrt.
Nun gelange ich zur Bestätigung der Prif ilegien des
Hauses Österreich — nnn im Sinne von Dynastie und von
deren Ländergebiet genommen') — im Namen von Kaiser und
Reich. Auch hier will ich nur die Urkunden selbst sprechen lassen.
>) & oben S. 210, Anm. 2.
*) Lünig, Denteches Beiehsarchi?, pars specialis, Abteil. IV, p. 741,
*id pars spee, eaniinuatio I, tom. 11, p. 66 and 78; Ferd. SehrOtter,
II. Abb. aae dem Osterr. StaaUrecht, Wien 1762, 845 f.
*) S. ästen 8. 212 und 219.
14*
212 EriÜMhe Beitrftge ra deD Anfftogen Ferdinands I. Von G, Turba.
Sowohl die yorlftnf ige PriTilegienbeBt&tigang Tom 28. März
1522 als die definiÜTe Tom 8. September 1530 aageo in
wörtlicher Übereinstimmong, Ferdinand habe gebeten, Karl Y. möge
,al8 rOmiacher Kayser ime an nnnser and sein selbe etat mid
unserm löblichen Hanß Österreich** alle Freiheiten, Gnaden aaw.
best&tigen« und beide Urkunden sagen wieder gleichlantend, Fer-
dinand habe seine Bitte am Best&tigang für sie beide folgender-
maßen begründet: „Dieweil nach Absterben weilennt dea aller-
darchleachtigistea Farsten Herr[n] Maximilian das Haaß^)
Österreich mit allen seinen verlassen Farstenthamben
landen and gepietten an Uns and sein lieb erblich kommen
and gefallen weren**. Kaiser Karl V. erkl&rt in beiden Urkanden,
dieser Bitte entsprechendi die Best&tigang erteilt za haben: „ünaerm
lieben Brader Don Ertzhertzog Ferdinanden ') von anser and sein
selbs wegen, aach aller anser beiden Erben and nach-
kommen, Forsten') des Haaß Österreich, gemainlich^) ond
sonnderlich, zu ewigen Zeiten **. Gegen Ende der Urkande Ton
1530 heißt es, diese Freiheiten sollen gebraachen: „all onser
baider als Ertzhertzogen za Österreich Erbea and Nachkommen*'.
Aach die Pri?ilegienbest&tigaDg, die Badolf II. im Namen von
Kaiser and Reich 31. Jali 1599 erteilte^), galt für die Gesamt-
heit „aller Brader and Vettern der darchleachtigsten Fürsten, Erz-
herzogen za Österreich gemeinglich and sonderlich**, „sampt dero
Erben**, was schon dewegen, weil die Konfirmation Ton
1530 wörtlich inseriert ist and weil sie in allen Pankten
bestätigt ist, nicht anders als 1522 and 1530 and nicht anders
als im Prager Vertrag von 1599 and im Lehensbrief von 1600
gemeint sein kann. Also haben aach die Beichskonfirmationen ge-
rade so wie die Beichslehensbriefe das bisherige Gesamthftndertam:
nan der spanischen and der deatschen Linie des Haases Österreich
aofrechterhalten and wollten es aach lür die Zakanft aafrechthalten.
Nach der lehensrechtlichen Entwicklang für große Beichslehen galt
bei Gesamtb&ndern der Grandsatz, daß der aasgestorbene Mannea-
stunm vom überlebenden za beerben sei; Fraaenfolge kam wohl
erst beim Aassterben aller Männer and aach dann nar selten in
Frage. So hatte man es aach im Hanse Österreich gehalten, be-
sonders deatlich 1379 in einem der damaligen L&nderteilnngs ver-
trage and hatte es so aach in den Benantiationen heiratender
Prinzessinnen des Haases Österreich immer aasgesprochen. Wenn
^) 1530: ^I>aB Enhersogthnmb nnd Hanß*. Wiener Staattaiehiv»
mit GoldbaUe wie die Urkonde tod 1599.
') 1530: «König Ferdinuiden als regieronden Ertiherttogen ond
Landtsfarsten in Österreich".
') 1530: «Forsten ond Ertshertzogen'*.
*) 1580: gemaiDigclich.
*) Aach gedroekt bei Lflnig, Deotsches Reichiarchir, patrs $peeiaU$,
cantinuatio I, tom. II, p. 66 ond 73;
Kritiiehe Beitrige m den Anfängen Ferdinande I. Von (?. Turha, 213
derselbe Grundsatz 1522 und 1530, wo am reichslehensrechtlicben
Oeeamthftndertam festgefaalten wurde, gleichzeitig Ton Beicbs wegen
wiederbolt ist, so ist nnr konsequent gebandelt worden. Daß dieser
Grundsatz 1522 nnd 1530 tats&cblicb festgehalten warde, wird
oun ausgeführt werden.
Die beiden Privilegienbest&tigungen Ton 1522 und 1580
enthalten eine gleichlautende*) Vererbungsregel , die aus dem
Pririlegium Mains übernommen wurde, aber doch nicht eine bloße
Übersetzung desselben darstellt, wie die Gegenüberstellung beider
Texte erkennen l&ßt.
Mains: 1522 und 1530:
Et si Dux Auatri^ sine Der eltiet onnder den Hertiogen
herede ßio decederet, idem ducatus soll die Herrichafft des Landts haben
adieniorem filiam, quam rdiquerit, ond nach Ime sein eltister Sun erb-
devolvatwr. Inter Duces Austri^, lieh, deeh also, das es Ton dem
911t semor fuerü, dominium habe- Stammen des ploete Bit l^omflke nnd
ant diet^ terr^, ad euius eciam das diti Hertiogtbomb [Österreich]
MNiorem fUium dominium iure he- nvmer mer geteilt soll werden. Wo
reditario dedueatur, ita tarnen, aber bemelt Fürsten on Erbsun ab-
^uod ab eiusdem sanguinis sti- gienngen, so soll das Hercogthnmb
fite non reeedai, nnd die Lannd an sein dtiste
verlassne Tochter fallen.
Im lateinischen Texte ist Tochterfolge nicht an die ausdrückliehe
Bedingung geknüpft» daß gar keine Minner mehr rorbanden
seien, wohl aber im deutschen Texte, Hier ist ' gegenüber dem
lateinischen Texte eine Umstellung der Sätze vorgenommon* Was
im lateinischen der Anfang ist, bildet im deutschen T«xte den
Schluß, 80 daß in Anlehnung an das hinter Duces^ von „bemelt
Fnrsten ••.... abgienngen", also in der Mehrzahl, die Bede sein
kann statt tou „Duo; Austrie ....*... deeediret'*. Nach dieser
ümstellnng nnd Wortveründernng ist die Sukzession der Tochter
eines söhnelosen Herzogs, wenn andere Mftnner des Herrscherhauses
noch in Betracht kommen, ausgeschlossen nnd Primogeniturfoige
ist für Töchter nur subsidi&rr anwendbar, wenn nämlich vom
UBiBterbrochenen Mannesstamme, auch der Seitenverwandten des
zuletzt regierenden Fürsten, kein männlicher Brbe mehr vorhanden
ist Der reichslehensrechtlich für Gesamtbänder ohnedied gütige
MiBuervorzng ist demnach auch hier wiederholt, Frauenfolge nur
für den Fall des Erlöschenn dea ganzen Maunesstämmes gestattet.
Wenn dann auch in Benuntiationen deutscher Erzherzogannen und
in Testamenten Ferdinands dem spanischefi Mannesstamm in 4en
altösterreichischen Beichsgebieten Vorzug eingeräumt wurde, so
geschah dies in Befolgung dieser für die spanisch*deutschen Ge-
samthänder nun reichslehensrechtlich fixierten Vererbungsregel. Frei-
lieb hatte auf diese Fixierung frühere, schon haufigesetzliche Übung
mit eingewirkt
') Nor kleine orthographische Verschiedenheiten twiechen beiden
Texten kommen in Betracht
214 Eriti8ch0 Beitrftge la den AnfftDgen Ferdinands I* Von G, Twrba.
Daß mit der ümstellnng der Sätze nnd der Ver&ndemng der
Worte, scheinbar bloß interpretatir, Karl V. seinen Nachkommen
^ein Erbrecht aof die [Reichs] L&nder der österreichischen Linie
vor den Töchtern derselben*' sichern wollte , M^cheint" Bauer
(S. 158) „nicht haltbar zn seln*^ nnd er kann sich dieser Anf-
fassnng »ebensowenig anschließen wie Eogler** nnd in allerjongster
Zeit Uhlirz« Da aber Uhllrz ohne eigene Argumente Eogler bloß
zustimmt« erübrigt nur, zuerst die von Bauer gutgeheißenen Argu-
mente Keglers und dann Bauers eigene zu prüfen. Nun ist das
Hanptargument Koglers, ich hätte die Mitbelehnung der spanischen
Linie „erfunden". In der Tat, wären die spanischen Erzherzoge
ausgeschlossen, so hätte es keinen Sinn, sie in die PriTÜegien-
konfirmation einznbeziehen. Da nun aber Beichslehensbriefe und
Priyilegienbestätigungen sie ausdrücklich und wiederholt, wie ge-
zeigt wurde, einbeziehen» fällt diesea Argument £oglers weg. Viel-
leicht sind aber seine anderen Argumente stichhältig. Ein Bolehee
ist femer, das Literpretationskunststüek Karls V. an der Vererbungs-
regel sei „in einige Buchstaben einer versteckten Stelle hinein-
gelegt, während man derlei Dinge recht umständlich und deutlich
zu fixieren pflegte**. Besteht aber die Veränderung an der Ver-
erbungsregel wirklich nur „in einigen Buchstaben einer rersteekten
Stelle?*' Ist nicht auch ein zweiter interpretatiyer Znsatz, nämlich
der zu „Hertzogtbnmb** (am Schlüsse) gemacht worden? Eb sind
dies die Worte: tt^xn^ die land"^). Konsequenterweise hätte dieser
Zusatz freilich auch einige Zeilen vorher bei demselben Worte ge-
macht werden sollen. Bauer spricht doch schon Torsiehtiger als
Kogler Ton „textlichen Veränderungen**. Sie kommen übrigens
nicht bloß an den zitierten Stellen vor. Ist ja auch in der PriTilegien-
konflrmatioD ron 15S0 der Ausdruck „Ertzhertzogthum** neu ge-
braucht, von anderen Stellen gar nicht zu reden. Beansprucht
denn femer die Beichskonfirmation von 1580 bloß eine Über-
setzung von Privilegien oder ein Auszug aus Freiheitsbriefen
zu sein? Sagt sie nicht selbst, daß Karl V. die „Privilegien,
gnaden» Freyhaiten, Oereehtigkeiten und gute alte Oewonhaiten**
„konfirmirt, bestättiget, erläutert und gebessert** habe, ^^on-
derlich** die Freiheiten „der edlen Markgrafschaft und Ertzhertiog-
thnmb Osterreich*? Also auch dieses Argument Koglers ist nicht
stringent« Kann man ferner ernst bleiben, wenn Kogler gegen mich
anführt, jene Interpretation des Mains habe auch den Schriftstelltfn
vor mir ferngelegen und meine Folgerung wäre « geradezu auf-
sehenerregend** ?
^) Man hielt ihn fflr so wichtig, daß man ihn ins Original von
1530 nachträglich mit anderer Hand und Tinte einsetzte, als man bemerkt
hatte; daß der Schreiber diese Worte schon des Textes von 1522, wo sie
unbedenklich in fortlaufender Zeile stehen, ausgelassen hatte. Dieselbe
Feder and Tinte tilgte im Original von 1580 nur noch ein einsiges, irriger-
weise zweimal geschriebenes Wort.
Erititct^e Beitrige la d«n Anf&ogen Ferdinand! L Von (?. Tarda. 215
Nun zn Bauers eigenen Argumenten (153). Ich hatte 1906^)
gogonilber Kogler nnter anderem die „an Hinterlist grenzende
Sehianbeit der damaligen Diplomaten Spaniens nnd Frankreichs^
betont» Baner meint, ich schlage sie zu hoch an. Mir schwebte
damals anßer anderem anch die in einer Belehnnngsnrlronde ge-
heim zwischen Karl V. nnd Ferdinand rerabredete Verändemng
der Erbfolge im Beichslehen Mailand vor. Denn in dieser Beleb-
nnogsnrknnde vom 12. Dezember 1549') ist genan dieselbe Erb-
folge wie in der Ton mir behaupteten Interpretation für die i^ster-
reiehischeo Beichslehen enthalten: zuerst regieren nacheinander
Mannsst&mme, diesmal nur der spanischen Linie Prinz Philipps (IL) ;
ent nach Erlöschen äw ganzen Mannesstammes Töchter nach
Primogeniturf orzug, wie er für Männer gilt. Als die deutschen
Ffirsten 1552 in ihren öffentlichen Beschwerden gegen Karl V. ihn
der „Verftiiderung der Natur der Beichslehen*' beschuldigten» bezog
dies Karl Y. nicht auf die Veränderungen von 1522 und 1580«
aber wohl nur deswegeta nicht, weil damit der ohnedies giltige
Yanng der MannesstAmme in den großen Beichsfürstentümem
fixiert war. Er bezog aber den genannten Vorwurf sofort auf jene
geheime Abmachung von 1549 bezüglich Mailands, wo Weiberfolge
früher politisch angefochten war, und scheint Ferdinand im Ver-
dtehte gehabt zu haben, daß er das versprochene Geheimnis nicht
gewahrt habe'). Nur ungern dürfte Ferdinand, welcher Absichten
auf Mailand selbst und lange gehegt hatte, im Jahre. 1549 darein
gewilligt haben, den eigenen Mannesstamm Ton der Anwartschaft
daselbst auszuschließen; lieber w&re ihm wohl wenigstens ein
ipanisch-deutsches GesamthAndertum wie 1522 und 1530 gewesen.
Auf eine Veränderung der Vererbungsregel wie die 1522 und
1530 festgesetzte läßt sich auch nicht anwenden, was ferner B.
dagegen anführt. Er sagt nämlich: ffWtLB hätte ein augenblick-
licher diplomatischer Erfolg, ein fein ersonnenes Interpre-
tationskunststück, das nicht in den Teilungsf ertrag, sondern in
eine PriTileginmsbestätigung eingeschmuggelt würde, nützen sollen?
Der Vorteil, der daraus erwachsen wäre, hätte Tielleicht mit blutigen
Kriegen erkauft werden müssen und auch noch die ideelle Einheit
des babsburgischen Hauses zerstört**. Es kann sich hier doch um
keinen „diplomatischen Erfolg", stwa Ferdinand oder dem Beiche
gegenüber bandeln» weil nur das bisherige reichslehensrechtliche
Qeaamthändertum festgehalten wurde, ebensowenig um eine Gefahr,
wie sie Bauer schildert, da Ja Ferdinand gemäß dem Wortlaute
der Lehens- und Eonfirmationsbriefe Ton 1522 und 1580 dieses
') Pragmatieehe Sanktion, 15, Anro.
*) Schrötter, Zweite Abhandlung aus dem öeterr. Staatereeht 388 f.
Vgl. dasn meine .Pragmat. Sanktion** S. 8, Aam. 14*
■) »Ich kann mir nicht denken*', schrieb Karl V., «wie sie das
erfahten haben können*', ^a^äant traicte avec U secret, avec leauel je
l€ Vou8 eammuniequay''. Weiß, Papiers d^itat du card. de Or. III 635.
216 Kritische Beiträge sn den Anfftogen Ferdinands I. Von G, Turha.
Gesamtbftndertom selbst rerlangt nnd in elg^enen Testamenten wie
in Bennntiationen deutscher Erzherzoginnen selbst wieder anerkannt
hat. Wamm aber diese Vererbnngsregel nicht anch in den Teilnngs-
▼ertrag Tom 7. Februar 1522 aufgenommen wurde? Weil dies im
zweiten geheimen Zusatzvertrag vom 21. Februar 1522, Ton dem
oben die Bede war, geschehen sein konnte und Tormutlich ge-
schehen ist.
Daß Karl V. mit jener Interpretation der Vererbangsregel in
den Beichskoofirmationen von 1522 und 1580 seinem spanischen
Mannesstamm vor deutschen Erzherzoginnen auch vonBeichs
wegen einen Vorzug in den altGsterreichischen Ländern habe
sichern wollen, bestreitet Bauer (S. 158, Anm. 4) auch noch ans
einem anderen Orunde. Er sagt nämlich, die genannte Auslegung
werde durch „die Thronfolgeordnung Kaiser Karls V. Ton 1554
und durch die anderer spanischen KGnige „.»Lfigen gestraft"".
Lieber keine Begründung als eine solche! Denn, genau besehen,
bestimmen nicht die spanischen Könige eine Thronfolgeordnung,
sondern sie alle befolgen nur dasjenige, was die „Leyes de las
[sietej patiidas** Kastiliens festgesetzt hatten, die zur Zeit des
österreichischen und des Beichsinterregnums im XIII. Jahrhundert
entstanden waren und gegen 1850 Oesetzeskraft erlangt hatten.
Immer wieder sagen die spanischen Könige in ihren Testamenten,
daß ihre Bestimmungen Aber Thronerbenfolge alle konform den
Leifes de las partidas und anderen Gesetzen Spaniens seien, und
sie sagen dies im besonderen vom Tochtervorzug vor einem über-
lebenden Bruder des Erblassers beim Mangel von Söhnen und vom
Bepräsentationsrecht, wonach Geburtsvorrecht eines vor dem Vater
▼erstorbenen Thronfolgers (Thronfolgerin) Nachkommen dieses Vor-
Torstorbenen nicht verloren gehen darf. So äußerte sich Isabella
Ton Kastilien 1504, so ihr Gemahl Ferdinand von Arragonien 1516,
ebenso Karl Y., Philipp IL und die späteren spanischen Könige
in allen ihren Testamenten. Da nun die spanischen Könige Tbron-
erbenfolge nicht beliebig festsetzen, sondern schon gesetzlich be-
stehende nur befolgen konnten, so ist österreichische Thronerben-
folge prinzipiell für spanische ToUkommen irrelevant. Es ist dafür
auch irrelevant, ob die von mir behauptete Auslegung Kaiser
Karls V. in den Beichskonflrmationsbriefen von 1522 und 1580
richtig oder unrichtig ist. Ein Schließen vom einen auf das andere,
ein „UgensiTzfen** des einen durch das andere ist vollkommen
ausgeschlossen.
Bedenklicher als dieser Fehlschluß sind die vielen Fehler
und üngenauigkeiten, die B. bei der Wiedergabe von Texten
passieren, wobei zu bemerken ist, daß diese Texte fast durchweg
leicht leserlich waren, wenn auch etwas Übung im Lesen und ein
Minimum von Sprachkenntnissen unentbehrlich waren. Ich will nun
einiges anführen.
i
ünUicbe Bettri^e za den lo fingen Ferdrn&ndB I. Ton G. Turha. 217
$. 12« Anm 1 muß g«leieQ werden: nüto itfttt niete iZ, 9) und
icrm a i$q%i€U0t qut it(r(}ra tt. fl^rati qu€ agora (frgen Scbloß), Femer
ii m, Anm. 1, Z. 4 : ^ ^ 'fdme; Z ö, 7 und IQ ßle wnic-
f^und plui^rurt [iU: 'U^ ptuitettrSr patrimon; 5, 110p
iMLt ^ 2 nnnees stmn fji*^ tt. anrurs qite; S. 193^ Anm. 2* Z* 5 in-
tfüiiriciif fM« .«• |90iirrmefif »ourdre «t. ......,- ;)oiirrü»«»f somdrc;
ibi.Lt flibt at u6/i'|jrali£m «t. en robUgntion, Noch feblerbafti;r ut
iltVtHi itf S- 2t8| Atitn, '2, Blitte* geleeeü warde |>ü^f qutUfS it. po«e
fafßüt mk*tUe$ und (mit Dicht angegebener AuflUfisnng logar eioer
Zdi«) »1 r»"» M^* recon formen it. ifi F" M^ leur a obsirve lf%
jmrtt a V^* eUcHim et dtpuis par Vred{ite] Majetite recon-
fmm und iwei ^ilen ipiter forme des meaires it. forme dt piüaires.
IHl 4k iQttrponkti Ollitetehen dei Teilet blieben ntiberüekaicbtigt Nicht
filt b«iier lieiut et tnf 8, 225, Antn* It Z. 2 enffopc le $f Alonso Meneses
fi m90^ icy h f A. de M. und ebd. Z. ö t in pourront it. tfen p.;
ftcMT fmm§ . , t . envö^e it venu . . * . atr«we ici^ ; chmes que st» choses
fii; cwpojre« i.^ . * cAecaweti]^ payew en orare et. etipo^^r . . , . chevauix
pffmü 9$ Unir en ordre; endlich S. 2^5, Adth. 2, SchloQ ne faiddra
AMrt metmimnnt m*en retourner it. me fauldrajf tout iHCOntment Wen
r — ttltiniicfai> Texte erleiden ähnliche MiBhandlnof^eDf ohne dm^
ikhmmng tthwtmig geneieB wire, B. 19^ Aoin^ 1 tat toll von FehlerD-
tmm ai aetwiium in partim it. r, et a. mearum \Z. 3); esse, est it.
rm,ut {t^$\; delibi^ratum velle it* detiberatum^ [iic] velte (Z. ä); tt «i
«iM lt. ef iil «* (Z. IS); r^ r€^em it. ei ipmm regem {Z. 14); Tirolis
prmrHone ei rata ßua sit etiam bhub l^co totius hereäitutis parte et
me bitr %\» CbilEretkfttifiaittng §1, T, i>ro portiotte et r, «. «. e, i. loea
IMwt ^rrdifciiii paierne et aintq. Hier bitte der Editor Über dem
liit^ irbeiteodeii DefbifTreQr iu Msiimiliana L Kaotlei itehen nnd nie
wapwie lufrieden leio seUea. Dann wfire aach nicht überiettt worden:
.(iflJSieliafl Tirol in ihrem M&&e und Verh<nie an Stelle des
Urjf«n ErhBchaftsanteilea^ (S. 18^ In demielben Teit anf 3.20,
hm. mall es heiiyen domimi Vcfutorum nnd „mit dem großen Signtun''
mitfi im> si^no) st. domim Ven^iorum ond ^mit dem Signum*. S. 3(j,
Im. I iisd in nur drei Zeilen folgende NAchl&ssi ^ketten: 19. Fehrnaj
IS1$ ft ©. Febniar 1516; ferner mortem de qua licet exiHtmefn. , p ,
t m . . . , de qua re licet ejcisiirnem , ♦ * - ai* hmc mofutam satis eBie
H"^ V ' ohne die letzten Worte itt der Sati uQ?erftftndljch. is 41,
Ja& tanium « . .. . durare mtle .... qtmd * . » . priuceps i?adat
jm it, f. ^ . . . if. t^, . i . , quoad . * . . ji. c. in H. aut quoad
prrmiierit. Anf S. 43^ Anm. sind ferner in nur Tier Zeilen
It V«ri«atingeiit morbissimQ easu quam . , . , eiusdem , * . , nunctiiS
it acerhiAsimo ca$u datig q. . . > eiugdemque . • , nuntii » . .
Anf 8. 50« Aura., Z. 1 tind 5 lit tn Ueen jc^ralicabanf und
ttL pra<:f ica^uHl and practica»; Z. 4 &(ftte/iCM> e^ aliis. Et ideo
Jl Irrip heneficiit et ideo nnd jlituftfijwM et. -rl5lHnce»i«ti, Ähnlich
'<4tclaft tifid die 67, Zeilen wf 8. 80, Anm. 1 wiedergegebeo. Statt
n«ito6»i imsuper uo^tro nomine «ere»!*"«"' principem , . . Ferdtnan-
2J AkUera« • „ . j?rMeH^a»ifiö atque ei reverentiam < * * . offer et et exhi-
Wt olfiM eundem gtatit not > . . ^ co>7imenc^a^i£ e^c * . . . eum Sert* Sue
m4 biq5 m richtig^ heilen Vüitahit insuper idem D[ommf^ -^ nicht
^«trei, londern} Paiäm [de Laude] n. n. sercn^*^** infant (dieies
" Wl fcftilfl) principem • • . * J'erdiwawr?!*»* öf gt*e littera9 . • , . |JTc^eii-
Jjjis et r. , , , . off^ei et exh. atque eiüadem §ratic no§ eommen-
•*w nt,.., cum Ser^* S. Knr die Lesang Ton eiu^dtmf fÄr sich allein
MiOBteD, konnte paliagraphiich iweifelbaft ietn; naeh dem Sinne aber
*•*«. Ftmtr erfand der Autor anf S. 118» Anm,, Z. 4, linkt, for com-
"■••••riifin tOTum, knt S. 124, Anm.» linki* laa er fernt>r ohliijatum ..,
^ *»•»•„, tt eompitnd^ it. oblipati >..,et usttm >,.. ad e. iZ. 11, 7|
L-^ ^-.i. ^i^^i ^1^ Unmöglichkeit Ton coröu^no ipsius
218 KritiBche Beitrftge ta den Anfftngen Ferdinands I. Von 6p. Turbo.
regia Hungari^ (Mitte), wo tehon in der ortprtlngliehen Fassang am
Bande die Verbeeseraog in Regio e Marie steht. Qiii, gtMm. quod in
Abkttrsangen bereiteten ihm Schwierigkeiten auf S. 241 and 242, obwohl
die Vorlage sehr deutlich geschrieben war. S. 241 maß es Torletite Zeile
heißen de hiis [!] iwribus gut, nicht gwim, 8. 242« Z. 22 ▼. o. eowom-
tum, quod üla pluria valefUiOf nicht aber conventum quam iüa plurU
valentick. Drei Zeilen weiter anten maß es heißen ut in asaignatUme,
nicht ut in aaaignatiouem. Aof derselben 8. 242, Z. 12 ▼. a. dann ito,
quod st. itaque; Z. 7 y. u. medieUUem st. mediedatem. Aof 8. 248, Z. 5
▼. 0. wurde nach Maximiliani aasgelassen Ceaaria; Z. 7 ▼. o. aof der-
selben 8eite maß gelesen werden requiaitione Ceaare^ majeatati, nicht
r. C majeatatia and auf 8. 244, Z. 4 t. o. nach quatenua erginat werden
quenUibet. Die Unmöglichkeit von iuribua .... nobia a noatria .... auc-
ceaaaribua dehitia (3. 246, Z. 6 t. a.) wurde auch durch den Wortlaut
des Originals bestätigt, wo ac, nicht a steht. Auf S. 258 muß es gegen
Ende heißen aignatarum st. aignatorum. Unangenehm empfindet der
Leser endlicb den Mangel einer Übersicht gewflhrenden Interpunktion im
Texte des Anhanges; manchmal hfttte man hierin nur dem Original
folgen sollen.
Dies alles sind nnr Stichproben gewesen, die ich anf Texte,
die in Wien zng&nglich waren, beschr&nken mußte. Denn nur
dort, wo mir bei erster Durchsicht Bedenken anfgeatiegen waren»
habe ich die Texte einer Nachprüfung unterzogen, sonst nicht.
Hoffentlich sind die Texte nicht auch an anderen Stellen anrichtig
gelesen worden.
Mehr als einmal hat aber der Autor den Sinn der
Texte, die er benützte, mißTorstanden, auch dort, wo er
richtig gelesen hat.
8. 18/19 wird auf Grund eines Gespr&ehes zwischen einem
kaiserlichen und einem spanischen Diplomaten dem Kaiser be-
richtet: ^Preterea ipae Rex CcUholicua resolvit ae etiam in
hoe, quod, poatquam prineepa Carolua ekctua ait in regem Borna'
norum, quod deinde, quando placebit Majeaiati Veatrae, ipae
aetnel vadat in Hiapaniam propter infinitaa neeeaaitatea et cauaaa
et eo abaente, ei preaertim ai Va Mtaa eaaet implieiia alieui
expißditioni contra infidelea, et etiam poat mortem Vf^ Majeatatia
(quod Deua longiua amoveat), ipae Don Ferdinandus »U gene'
ralia locumtenena et vicarius principia Caroli in tota domo
Äuatrie, Burgundie et imperio tato per Germaniam. . ,*^ Diesen
Gedankengang glaubt der Verf. mit den Worten erfaßt za haben:
„Don Ferdinand, meinte der katholische König, solle Generalstatt-
halter und Stellvertreter Karls in ganzOsterreioh und Bnigund
und in Deutschland werden, wenn Karl zum rßmischen König
gewählt werden würde, oder wenn es Maximilian g^ele, selbst
einmal nach Spanien zn gehen wegen der unzfthligen, dringenden
Nöte (!) dortselbst. Auch könnte der Infant den Kaiser vertreten,
wenn dieser einen Zug wider die Ungläubigen unternehme oder
gar stürbe^.
Von Maximilians I. etwaiger Heise steht aber im lateinischen
Texte nichts. Ein „Besolvit*' vom katholischen König gegenüber
KritiMhe Beitrige la den Anf&Dgea Ferdinands I. Von G. Twrha, 219
dem ihm doch mindAstens gleichstehenden Kaiser h&tte wohl selt-
eim geklnngen. Überdies kann nach dem ganzen Wortlaute doch
aar gemeint sein» daß Karl nach Spanien reisen mflsse, schon
deswegen» weil er künftiger Erbe auch der dortigen Königreiche
und gerade dort seine Anwesenheit sehr dringend nOtig sei. Die
Beise nach Spanien sollte aber Karl erst dann (deindt) antreten,
Diehdem er znm römischen König gewählt sei. Von Maximilian I.
tollte Karls Beichsnachfolge vorerst erwirkt werden. Man erinnere
•ich hiebeiy daß Maximilian I. selber noch bei Lebzeiten seines
Yorg&ngers, des Kaisers Friedrich III.» znm römischen König
and als solcher znm StelWertreter seinea Vaters im Beiche
ond zu dessen künftigem Nachfolger daselbst und im Kaisertum
gewählt worden war. Da aber Karl» einmal in Spanien angelangt,
vom deutschen Seiche und von Maximilians I. Erblanden, Ja von
den eigenen Landen abwesend (eo abaente) w&re und den Kaiser
dann nicht vertreten und unterstfltzen könnte, besonders wenn
Mixifflilian L mit einer Unternehmung gegen die Tflrken beschäftigt
wäre» und da Karl auch nach dem Tode des Kaisers jene Gebiete
von Spanien aus nicht selbst regieren könnte» so sollte Erzherzog
Ferdinand Oeneralstatthalter und Vertreter seines Bruders Karl im
ganzen Berrschaftsbereich der Häuser Österreich und
Bargund und in der Beichsregierung nur Deutschlands werden.
Entsprechend dem Ausdruck „tok$ Domua Auatrie** im angegebenen
Sinne, sprach auch Erzherzog Ferdinand November 1522 von dem
Lande Österreich ob und unter der Enns, nach welchem das Haus
Österreich Titel und Wappen führe» als von einem »»Teil'' des
«Hauses Österreich** ^), und warnte vor dem großen moralischen
Sehaden, der gerade deswegen mit dem Verluste dieses Landes an
die Türken verbunden wäre. Das war eben patrimoniale Staats-
ufiassung. „Haus Österreich" erscheint als Name der Dynastie
ond als Name von deren Herrschaftsgebiet.
Auch an anderer Stelle verfehlt B. den Sinn des von ihm
benAtzten Textes. 8. 49 stellt er die Behauptung auf» man habe
— nach dem Tode Ferdinands des Katholischen — Karl V. «ge-
ndezn als blödsinnig und deshalb regierungsunffthig* . bezeichnet,
om so dem Infanten Ferdinand die Begiernng in Spanien zu vor-
') nCest la maisoUf dotU ü est party et parte son nom et ses
orma* Msi. 684» 1. Fol. 2 Kopialbacb, Wiener Staatsarchif. Vgl. damit
die häufig angewendeten Ansdrfleke in Urkunden: „Fflr Uns and üneero
Nachkommen am Beich* and analog: »Fflr Uns, Uneere Erben und Nach-
keomen an UuMrem darehlenchtieieten Erzhaus Österreich* oder «alle
&ben am Haue Österreich''; aach bei Bauer S. 187: «Vorfahren am Haue
Ötteneich'. Die i'rivilegienbestätiganpr von Beiche wegen fQr dai Haus
Österreich und seine Länder vom ^. März 1522 sagt daram, an Karl und
f erdhuad seien «erblich [gelkomtnen und gefallen" : «Das Haos Österreich
■it allen seinen verlassen Furstenthomben, Pbalttsgraffechafften** (!) usw.
Wien, Staatsarchiv, Original aaf Pergament. Uikundenrepertorium L
220 Eritisebe Beitrftge tu den Anfingen Ferdinand! I. Von G. Twrha.
schaffen. Die Stelle, anf die er seine Behanptang stftizt, lautet
korrigiert (s. oben 8. 217) folgendermaßen: „lam erant magnates
Hispanie in opinume vera vel falsa aut ficta polius^ quod Rex Catho-
licus esset faiuus et ideo praiieahant facere Ferdinandum [...?]
et vokbant mittere oratores in Flandriam, ui Bern Catholieus con-
seniiret, guod fuisset gubernatcr et quod Rex Catholieus haheret
potestatem providendi de ofßeiis et beneßeiis et aliis et ideo episeopus
Asturiensis /actus est exul, licet dieüur prqpter pratieas cum
Gallis**. Dies berichtete Andrea da Bargo (der kaiserliche Diplomat)
vertraulich auf einem Zettel dem Bischof Ton Trient; wann und
von wo, auch nur ungefähr, erfahren wir von Bauer nicht. Er
sagt nur: „Wenn auch sp&t, so drang doch auch nach Deutsch-
land die Kunde von den Vorgängen in Spanien'*. Ich mußte daher
selbst nachsehen und konstatieren, daß es eine Abschrift von
anderer Hand aus Nachrichten war, die Andreas da Bürge ans
Spanien unter dem Datum Aguillar, 27. Okt. [1517], von einer
Persönlichkeit empfangen hatte, die er spätestens während seines
letzten Aufenthaltes am Hofe Karls in den Niederlanden kennen
gelernt hatte, wo er Januar 1516 eingetroffen war. Die genannte
Nachricht aus Spanien traf unseren Andrea da Burgo wohl in
Innsbruck an, wie andere Briefe Tom No?. 1517 an den Biicbof
von Trient vermuten lassen. Die Hand, die in seinem Anftrag den
Auszug auf jenen Zettel schrieb, ließ nach facere Ferdinandum*"
wohl ein Wort aus, etwa „gubematorem** oder „regentetn**. Daß
unter „Rex Catholieus^ nur Karl gemeint sei, scheint dem Verf.
festzustehen. Wie, Karl sollte also für blGdsinnig gehalten worden
sein und dennoch Ernennungen und Verleihungen kfinftig vollziehen?
Der ffir blödsinnig Gehaltene sollte nur einwilligen, daß sein Bruder
für andere Oeschäfte Gubemator werde; in Kastilien natürlich ffir
die geisteskranke Königin Johanna? Das kann ich nicht glauben.
Da nehme ich lieber an, unter ^Rex Catholieus'* sei das erste
Mal der sicher körperlieh kranke alte König Ferdinand von Arra-
gonien gemeint, welcher in Kastilien ^Gubemator'' statt der geistes-
kranken Königin, seiner Tochter Johanna, war; alle folgende Male
sei aber „Rex Catholieus** auf den im Zeitpunkt des Berichtes
regierenden König, den neuen König, zu beziehen, der seinem
kranken Großvater Ferdinand gefolgt war (f 28. Januar 1516).
Erzählt uns doch B. selbst, daß man von Frankreich, ja beinahe
schon von den Niederlanden aus, sieh kurz vor dem Tode des
alten Königs anschickte , die Elemente des Widerstandes gegen
diesen König, zunächst in Kastilien, in Bewegung zu setzen
(S. 27, 87). B. erzählt uns femer selbst von Praktiken Alvaro
Osorios, des Bischofs von Astorga, zu Gunsten des Infanten Fer-
dinand, der sein Zögling war. Diese Praktiken hätten nach dem
Tode des alten Königs das Ziel verfolgt, Ferdinand wenigstens
zum Statthalter für die Zeit von Karls Abwesenheit tu erheben
(49 f.), demnach dasselbe Ziel, welches ja ohnedies schon das
Eritiieha Beitrige za den Anftogen Ferdinands L Von G» Twrha. 221
ente Testament des alten Könige Ton 1512 ansgesprochen hatte
(26). Ein Onbernatorentam Erzherzog Ferdinande war anch der
lobilt der „schlimmen Umtriebe*' (51), wie nns Karls Briefe
flieh Spanien vom 7. September 1517^) TOr seiner eigenen Beise
dabin beweisen. Dort erfahren wir anch die Verfügung znr Ent-
fernuig des Bischofs von Astorga. Die Worte anf jenem Zettel
Andrea da Bürgers sind demnach einfacher und plausibler, als B.
will, erkl&rt.
Wiederholt sind B. im erzählenden Text chronologische
Irrtümer unterlaufen: S. 18 1514 st. 1518, S. 88 1520 J&nner
15/16 st. 1516 Jänner 23. In diesen Fällen handelt es sich
wahrscheinlich um bloße Schreibflüehtigkeit. Anders steht es aber
in folgenden zwei Fällen. S. 122 spricht B. von den am 20. April
1521 erfolgten Heiratsverabredungen für Erzherzog Ferdinand.
Darnach sollte sich Ferdinand zum Beilager mit der ungarisch -
böhmischen Prinzessin Anna nach Linz begeben „adfeaium PenU-
dujttei proxime futurum**. Diese Worte, die B. nicht zitiert, über-
utit er mit „zu Pfingsten des nächsten Jahres**. Tatsächlich
lind Pfingsten 1521 gemeint. Femer ist auf 8. 254, Beilage IV
io der Titelaufschrift „23. Februar 1522'' datiert, während die
darin gleich im Eingange enthaltene Weisung an die Kommissäre
Kaiser Karls, sich nach Deutschland zu Erzherzog Ferdinand zu
begeben und ihm in Karls Namen brüderliche Empfehlungen zu
Iberbringen, allein hätte genügen sollen, 1522 für unmöglich zu
halten. Der Verf. mußte sich erinnern, daß sich Ferdinand damals
ifld in den folgenden Wochen ohnedies am Kaiserbofe befand und
daä die niederländischen Kanzleien zum Unterschied von der kaiser-
lieben das neue Jahr erst Ton Ostern an rechneten. Unbegründet
iat darum auch der Vorwurf des Verf. (S. 195), die kaiserlichen
Eomfflissärs hätten ein ganzes Jahr auf sich warten lassen.
Gar mancher unter all den oben angeführten Fehlem dieser
Habilitationsschrift hätte bei sachkundiger Überprüfung vor der
I^cklegnng dem Autor erspart werden können, besonders was
Wiedergabe und Erfassung benutzter Texte betrifft. Möge gerade
in letzterer Sichtung der Autor, dem ja die Herausgabe der Korre-
ipoDdenz Ferdinands I. anvertraut ist, künftig glücklicher als dieses
Hai sein.
I) Weift, Pttwer$ d^itat du eardinal de Granveüe. Paris 1841—
IM. Tom. I, p. 89 st.
Wien» 18. Dezember 1907. Dr. G. Turba.
224 TT. Larfeld, Handbaeh d/griech. Epigraphik, aog. y. F. Wiedtmann.
Anf S. 881 werden die Nameki der phOnikisch-grieehifcben
Bachstaben anfgez&hlt. Wir ▼ermiisen hier die Ergebniiee der
Arbeit Theodor NGldekes (,Die lemitiicheD BochBtabeDnamen, Bei-
träge zur semitischen Sprach wissenschaftS Strasburg 1904« 8.124
bis 136)» welcher anf Omnd syrisch-arabiscb-ftthiopischer QaelleD
die ältesten Bachstabennamen berznstellen Tersacht hat.
Auf S. 882 werden die betreffenden Namen erklärt Es iet
schade, daß dabei die Ergebnisse» zu denen M. Lidzbarski (,Die
Namen der Alphabetbuchstaben, Ephemeris für semitische EpigraphikS
II 2, Giessen 1906, S. 125 — 189) gekommen ist, gar nicht in
Betracht gezogen werden.
Auf S. 850, 856—857 wird die Inschrift mit der korin-
thischen Alphabetreihe erwähnt, wobei das i als fflnfstrichig be-
zeichnet ist. M. Fränkel hat diese Inschrift des Berliner Maseams
im IV. Bande der ,Inscriptione8 Graecae' (1902) anter Nr. 8S3
herausgegeben: wir finden daselbst die ausdrückliche Bemerkung,
daß das & vier-, nicht fünfstrichig zn lesen sei, so daß dieser
Fehler jetzt in allen betreffenden Publikationen verbessert werden muß.
Auf S. 856 sind bei der Übersicht der Zischlaute des nörd-
lichen Peloponnes die epidaurischen Formen "Ava^ig, ^Ava^ago
(= ^j4va^id(OQov)n welche P. Cavadias (Foailles d^Epidaare I,
Äthanes 1893, S. 38, Nr. 15) veröffentlicht hat, gar nicht in
Betracht gezogen worden. Die von F. Hiller von Gaertringen anf
Thera entdeckte und in Bnrsians Jahresberichten (XXXI 1903,
,Neue Forschungen über die Inseln des Agäischen MeeresS S. 156;
vgl. IG. Xn 3, suppL, Nr. 1818) veröffentlichte Form j^t;$ hätte
auf derselben Seite gelegentlich des theräisch-korinthischen S^vg
erwähnt werden können.
Anf 8. 858 oder wenigstens im Exkurs dazu wäre es nötig
gewesen, anf die ältesten Spuren des T, welche anf einer von D.
G. Hogart in der ältesten Schicht des Artemisinms unter dem Tempel
des Crösus zn Ephesns gefundenen und in die zweite EEälfte des
VII. Jahrhunderts hinauf zu datierenden Silberplatte in den Worten
tsTagsg und xsTand9ovta enthalten sind, zu weisen. (Tgl. F.
W. G. Foat, Fresh evidence for T, JHS. XXVI, 1906, S. 286—7,
als Ergänzung zum Artikel „äsade and Sampi**, JHS. XXV, 1905,
S. 888—365).
Anf S. 868 — 4 fehlt unter den Formen, welche die Schreib-
weise Ss bieten, das gewiß bemerkenswerte linkslinfige 96Qci^
(CIG. IV 7879; E. Wilisch, Altkorinth. Thonind., Tafel VH; E.
Pottier, Vases antiques du Louvre, S. 57).
Auf S. 878 — 4 werden die Zeichen 9, Xi ^ ^^^ ^^' ^9 ^' ^
entstanden erklärt (vgl. auch S. 899 unten , wo + = x «üifach
als Variante des T angegeben wird). Da bei all solchen Herlei*
tnngen unwillkürlich auch der Phantasie eine gewisse Bolle ein-
geräumt werden muß, wäre es vielleicht am Platz gewesen, auch
die Vermutung in Betracht zu ziehen, daß wir in den Supplementär-
W.Larfiid, Hftodbndt d. grieeb. Epigraphik, »Hg. ▼. F. Wiedemann. 225
seielieii Tielleieht Beete der kretisch - mykenisehen Sehrifl zn er-
kennen hätten (Tgl. darüber Jetzt Franz Bell, Nene Jahrbücher für
das klassische Altertum, Geschichte nnd dentsche Literatur nnd
fir Pftdagogik 1908, 8. 126). In der Tat wäre es sonderbar, auf
dem Wege mannigfaltiger Kombinationen schließlich zn solchen
Fonnen zn gelangen, welche im Bereiche desselben Äg&ischen
Meeres schon so wie so yorhanden waren (Tgl. F. Dümmler, Jahrb.
d. K. D. Arch. Inst. VI, 1891, S. 270: „Mykenisehe Keramik (hat)
m Argolis bis gegen 800 ▼. C9ir. geherrscht''}.
Anf 8. 876 nnd 419 ff. spricht der Verf. vom Anfkommen
des milesischen Zahlenalphabets nnd erwähnt das Jahr 700 r. Chr.
tb termmna anU fitem der Einffihmng desselben — hanptsleh-
liflk wegen des /, welches in keinem der nns bekannten llletteo
ionischen Denkmälw des VII. Jahrhimderts nachgewiesen worden
ist Schon in Bezng anf die erste Ausgabe der Epigraphik be*
merkt A. Oercke (^nr Oeechichte des ältesten griechisehMi Alpha-
bete', Hermes XLI, 1906, 8. 559), dafi der vom Verf. angegebene
Zeitpunkt („spätestens nm 800"* heißt es anf 8. 544 des P Bandes
bei Iw. T. Müller) nicht stichhaltig ist, da die 8chriftzei^benf wie
US z. B. die delische Form iMi anf Naxos (lOA. 409) zeigt,
iseh weiter gebraucht werden, wenn ihre Ansspraeho sogar schon
TerUsit ist: folglich hätten wir das Recht, die Entstehung des
Zahlenalphabeta noch hüher hinanfzndstieren. Da aber der Verf.
ttf 8. 421 seibat zngibt , dafi es im Interesse des Schwibetriebes
Bit emer Homerlektüre liegen mnßte , wenigstens s» lange als
n^^flieb das nmi einmal im Alphabet Torhandene Zeichen festsn«
btken, gibt er selbst den Anlass, den Zeitpnnkl de» AnfkommeBS
te milesischen Zahlenalphabets noeh weiter herabtirücken.
Anf 8. 878 werden die Orte, wo daa M = ^ im Sebraaeh
nr(im Text ist ans Tersehen das Zeichen ^ gedrwkt)^ anfgnzäblt;
U^i erwähnt der Terf. die Insel Sikines nicht, we wir wahr-
Nkeinlicb ancb ein M in der Form hcoltiifav zn leeen haben
{fgl IG. Xn 5, 25).
Anf 8. 880 werden die Inschriften Ten Ahn-Simbel lOA. 482 c
[i- i f. i.q einfach als Denkmäler rhediaoher Schrift beseichnet.
Ändert nrteilt darüber F. Dümmler (Jahrbtch d. K. D. Arch. Intt.
n, 18S1, 8. 968 fll), WM der Terf. stiUsehweigend nmgeht, ob-
Nth er etwas weiter die betreffende Stelle selbst angibt md
teAnaiehtiB Diflamlsrs beianstinsmeA scheint.
Alf 8. 881 wird Q= | als ein Zeichen^ daa nnr aof ita-
^iMhem Bodaii anantreffsn ist» erwähnt nnd als geometrische Er-
weitamng des X erklärt. Wir finden aber dasselbe Zeichen aneh
ia eian losehrift aaa Arkeaine (Aaorgos) im Lantwerta m (MDAI.
IXk 1896, 8. 199), anf der Insel Thara (LGk XH 8^ 540) nnd
iä BMiM CLOA. 146) in dar Bedentnng d«. anf der Insel Ka-
httia natsr den Steinmatzzoiehen in den Überresten daa Poseidan-
timiela «ea TL JahshniiderU (MDAL XX, 1895» 8. 287]^ in west-
Ziüickrifl r. d. «et«?. Ojbb. 1906. m. Htfl. 15
226 TT. Larfdd, Handbaeh d. grieeh. Bpigraphik, ang. ?. F. Wiedenwnn.
lieben Lokris in der Bedentang der Ziifer 8 zwiscben g nnd d —
folglicb ri (IQA. 321; vgl. Monnm. dei Lincei IV, 1894, S. 322).
Was die geometriscbe Erweiterung ans X betrifft, so vertritt C.
Pauli (Altital. Forscbnngen III, Leipzig 1891, 8. 161 und 167)
gerade die entgegengesetzte Meinung.
Auf 8. 382 wird die Form A^-H-iiriro^ aus Lebadeia in
BOotien mit dem Hinweise auf die Bedeutung + = E erw&hnt.
Wenn wir das bucbst&blicb auffassen wollten, müßten wir ^ auch
lesen. Das wäre scbwerlich möglieb. Der Verf. bfttte unserer An-
sicht nach dieser Form mebr Aufmerksamkeit schenken müssen
(vgl. dieselbe Form auf S. 391 und ebendaselbst die lokriscb-
ozoliscbe Form i|idq)i++iv; ähnlicbe Formen » wie tbessalisehes
d++avaKdb€V — MDAI. XXI, 1896, 8. 249, Zeile 9 und S. 251
— und argivisches A^MMiXXo^ — IQ. IV 515 — sind gftnz-
lieh übergangen worden).
Auf 8. 392 werden ursprüngliche Alphabetreihen angegeben,
wobei an die 18. 8telle das Zeichen T gesetzt ist, als wäre es
eine unleugbare Tatsache, dieses Zeichen mit dem phönikischen
Ssade zu identifizieren. Das ist nun kaum möglich. A. Gereke
(a. 0. 542) hat vielleicht Becht, wenn er dieses Zeichen mit
ähnlichen karischen Zeichen gleicher Bedeutung zusammenstellt
(s. die Tafel Ton A. H. 8ayce in den ^Transactions of the Society
of Biblical Archaeology' IX, 1893, 8. 138). Demnach könnten wir
in dem betreffenden Buchstaben ein Zeichen sehen, womit anfangs
ein eigenartiger Zischlaut, und zwar hauptsächlich in Fremdwörten
(Tgl. IGA. 500), später der Laut 06 ausgedrückt wurde. Dieses
Zeichen scheint der barbarischen kleinasiatischen (nach F. W. G.
Foat, JH8. XXVI, 1906, 8. 287 — fielleicht der thrakischen)
Schrift entnommen und beim Zusammenstellen des Zahlenalphabets
zur Bezeichnung des scharfen 06 hinzugefügt worden zu aein,
weshalb es in diesem Lautwert auch in rein griechischen Wörtern
angewandt wurde. Es mit dem 18. Zeichen zu identifizieren, wäre
vielleicht etwas gewagt.
Auf 8. 394 wird die Inschrift IGA. 466 erwähnt, wobei der
Verf. mit H. Bohl vsa(Q}riß[ä]i/ liest und dem Zeichen P die Be-
deutung ß zuschreibt. Aber IG. XII 3, 449 wird dieselbe Inschrift
von F. Hiller in verbesserter Form vorgeführt, woraus wir deutlich
erkennen, daß das betreffende Zeichen einfach ein x sein muß.
Auf derselben Seite will der Verf. in der Form 3 eine „geo-
metrische Weiterbildung** des ß A erkennen. Wäre der umgekehrte
Schluß nicht einfacher? Jedenfalls ist die erstere Form der phöni«
kischen näher.
In dem Verzeichnis der Inschriften, welche als Quelle für
epigraphische Erörterungen dienen sollen, sind auf S. 402—404
leider die neueren Ausgaben (IG. IV, 1902; IG. IX 1, 1897; IG.
XII 5, 1, 1903) unberücksichtigt geblieben. Auf diese Weise maß
das betreffende Verzeichnis als unvollständig angesehen werden.
E Schönet Repeit grieeh. WOrtarTeneiehniise uw», tag. ?. F, Stolz, 227
In der Schrifttafel der griecbiscben Lokalalpbabete finden
wir haapts&eblicb typisebe Formen. Ein Tollst&ndiges Gesamtbild
der TerBcbiedeDen Schriftzeicben in einzelnen Lokalalpbabeten bietet
ii« nicht
Von Korrektnrfehlem sind nicht viele zu vermerken. Auf
S. 880 (Z. 18 V. 0.) ist irrtfimlicb das Jahr 1894 sUtt 1898
gedruckt. Anf 8. 852 lesen wir Siwvlog statt des richtigen
livwloq (bei Tb. Bergk, Grieeh. Literatnrgescb. 1 189, Anm. 9,
fiodsn wir die Form ZAwvios; s. aber W. Papes Wörterbuch
der grieeh. Eigennamen). Auf 8. 860 (Z. 10 v. n.) findet sich
eine Lücke. Auf 8. 862 wird vierstrichiges 6 in der Fonrmontscben
Kopie der Inschrift IGA. 85 angegeben: in Wirklichkeit lesen wir
dl ein dreistrichiges Zeichen. Auf 8. 868 in der Mitte ist „Api-
ntien" statt ^Aspiration** gedrackt. Auf 8. 878 finden wir, wie
Kb<m bemerkt, das Zeichen ^ statt M. Auf S. 899 unten ist
tweimal der Reihe nach Y = V gedruckt. Unverstftndlich muß
uf den ersten Blick für den Leser folgender 8atz sein, der sich
in dar Mitte der 8. 861 befindet: «Allein die Herleitung des ^
IUI ilterem M muß so lange den Vorzug vor einer solchen aus M
Tirdienen, als die schon auf den ersten Blick natürlichere erstere
Aanahme nicht in bündigster Weise widerlegt ist**. Das erstere
Zeichen soll wohl umgekehrtes schin sein, das zweite — ssade.
Alles das sind aber nur Kleinigkeiten im Vergleich zu dem
großen Verdienste, welches sich der Verf. durch seine Leistung
QiD die Wissenschaft erworben hat. MOge uns daher die Schärfe des
Ausdrucks, die wegen der Kürze stellenweise scheinbar hervortritt,
Sicht übel genommen werden. Jedenfalls wünschen wir dem geehrten
y«rt von Herzen aufrichtig Zeit und Kraft, damit die Aufgaben,
welche im Vorwort angedeutet sind, auch wirklich in Erfüllung gehen.
8t. Petereburg. F. Wiedemann.
H. SehOne, Bepertorium griechiseher Wörterverzeichnisse and
Speziallexika. Leipzig 1907, B. G. Teubner. IV und 28 88.
Diese in hohem Grade dankenswerte Schrift bietet in alpha-
bftischer Anordnung ^eine Zusammenstellung der brauchbarsten
i;riochiechen Wörterverzeichnisse, Konkordanzen ' und Speziallexika''
und in einem zweiten auf 27$ Seiten beschrftnkten Teile ein Ver-
uiehnis .Ähnlicher lexikalischer Hilfsmittel^. Ausdrücklich hervor*
haben möchte ich, daß außer den griechischen Schriftstellern bis
io spfttgriecbische Zeit herab (vgl. 8. 25 , Weiberspiegel, vulg&r«
griMhischer ed. Krumbacber**) auch die Inschriften, Papyri und
du alte und neue Teetament Berücksichtigung gefunden haben.
Den in einigen Besprechungen (Literarisches Zentralblatt usw.)
mitgeteilten Ergünzungeo wüßte ich nichts Wesentliches hinzuzufügen.
Innsbruck. Fr. Stolz.
15*
228 F, Voümery Q. Horaii FImcI eumhia, ang. t. JT. FriM.
Q. Borati Flacci carmina. Beeengsit Friderieiis Vollmer. Editio
naior. Lipaiaa, id aedibos 6. G. Teabneri 1907. YlII und 892 88.
Preis 2 lAk,, gab. 2 M k. 40 Pf.
Yollmer hatte im X. Sopplementbande des Fbilologoa «in»
für die Textkritik des Horaz sehr wichtige Abhandlniig nntar dem
Titel TerMfentHcbt : „Die ÜberliefeniBgsgeschichte des Horaz*^ ; dio
damals vorsprochene kritische Ausgabe, derei^ Erscheinen dnrch
des Yerf. Bemiting als Ordinarius an die ünifersitat Münehen
etwas TerzOgert wurde, liegt nun vor» Da sie die in der genannte!»
Untersuchung gewonnenen Resultate in die Praxis umsetzt, so wird
es sich empfehlen, den Leser zunächst Aber die dort vorgetrageoen
Ansichten zu unterrichten; kennt er diese, so l&ßt sieb das Referat
über die neue Ausgabe sehr kurz gestalten.
y. hat also zunächst durch die ZusammensteUung der in
allsB unseren Handschriften sich fodenden Fehler im Text des
Horas erwiesen, daß unsere ganze direkte Überlieferung' des Diehtere
auf ein einziges antikes Exemplar zurückgeht. Das Überrascheodst
ja^ ÜAwahrsoheinliche, dafi Heraz, der beliebteste römische Lyriker«
uns. in einem einzigen Exemplare des Altertums Oberkommen sei,
will er dadurch glaublich machen, daß er behauptet, Horaz sei
fast zwei Jahrhunderte (VII. und VIII.) ganz ungelesen geblieben,
d. h.y cum grano «Uis verstanden, es habe dem Dichter in dieeer
Zeit an wirksamer Verbreitung und allgemeiner Beachtung gefehlt.
Erst im IX. Jahrhundert werde er dann wieder durch die Karolinger
weiter Torbreitet. Diese Behauptung rerdient m. E. eine genaue
Nachprüfung; denn Ton Tomherein ist sie nicht wahrscheinlich.
Diese eine alte Handschrift, welche aus Italien her den Horaz der
fränkisch - germanischen Bildung yermittelt habe, sei zwei na al
selbst abgeschrieben werden und dann Tcrloren gegangen. Ana
den zwei Apog;rapha, die selbst Tsrloren zu sein scheinen, stammten
alle unsere alteren Handschriften. V. berücksichtigt aus der Masse
der Eellerschen Handschr. nur Ä (= Pariainus 7900^), B (= Ber-
n$fms 8«%), Z> (^ Argtnim^lmm» 0^ TU 7, im J. 1870 rer-
brennt), C +, S {— Uatmmsi» LaL 14.68^), e (zsp Ambrofianus
0. 186 sup.), den Bkmd. (= Blandiniantu vetuatisaimus CruquU)^
B (;= Vatiearma Beg. 1708), F (= qp^; tp = Pariainua 7974,
^ == Parisinuß 7971), * (= Hßrleianw 2725), X (= PariHnus
7972), l {=Leidm^iß Lot. 28), n {= ParMnua 10.810) und
selten den Octh., (=^ Qothan^ duc. B. 61); hievon werden die
Handschr* Fd llst^ die zusammengehören, mit O bezeichnet. fToch
mehr Exemplare d^r jüngeren Miscl^haQ48Chi:. heranzuziehen, h<
V, für wertV>s.
Diese zwei Aj^ograpba seien untereinai^der verschieden ge-
ii:efteq. durch die Anordnung der Bücher, sodaiiQ durch eine Reihe
von i|))8chreibefehle];o. und, durch den Schollen- und Glossenbestand.
Die Zusammenstellung der Textfarianten dieser zwei Klassen zeig:t
klar einmal, daß diese Varianten nicht Ausgaben, sondern Ab-
F, Voünur, Q. Horati Flacci oanoina, ang. t. K Bring.
lebriAen bodeotan, dann, daß die bessere, getreuere Kopie Apo-
grrapboD (T) war. Aus diesem stammeD die Handscbr. Ä, B, C,
E, D, die rnndereo ans Apograpbon (o); nur sind II und 0 im
«nten Teile (Carm., Epod.) oft Ton Klasse I her interpoliert, hin-
gega E bisweilen, seltener D von Klasse II her beeinflußt, wfth-
rand der Ütere C rein die L Klasse wiederspiegelt. Während im
ganxen die B^onstraktion Ton Apograpbon (i) V. keine sonder-
liehen Schwierigkeiten macht, ist diese Aufgabe l'fir Apogr^bon (S)
dnrch verschiedene Umstftnde erschwert. In der Gruppe 0 erblickt
«r eine Art Ton reeensio, freilich keine des Altertums, sondern
•ine des IX. Jahrhunderts und eine, in der die kfihnsten Inter-
polationen neben den törichtesten Schreibfehlern stehen. Zu ihr
treten für die Bekonstmktion Ton Apograpbon @ noch R und
d«r Bland.
Aucb der Bland, ist nach V. aus Apograpbon (5) geflossen,
« stellt nicht fflr sich ein drittes Apograpbon dar. V. bat nach
meiner Ansicht als sicher erwiesen, daß der Bland, aus dem Arche-
typoa aller unserer Handscbr. stammt. Aber auch die Ableitung
au Apographon (5) halte ich für richtig; V. beweist sie zun&cbst
doreb die gemeinsamen Fehler, zeigt dann, daß die Stellen, wo
Bland, in Falschem oder Wahrem gegen ® zu (1} stimmt, der
Beweiskraft ermangeln. Schwieriger ist es, sich mit jenen Stellen
abzofioden, an denen der Bland, allein von allen Handscbr. das
Bicbtige bietet. Man erinnere sich nur, was man bisher in so
gamgbaren Lehrbüchern wie der Literaturgeschichte von Schanz zu
leeeo gewohnt war: ^die Kritik des Horaz beruht auf dem codex
anti^i89imus Blandinius'* ^ und bedenke, daß V. denselben Kodex
ZQ einer Abschrift des hinter ^ zurückstehenden Apograpbon @
degradiert; ist man da nicht besonders gespannt darauf, zu sehen,
wie eich der Verf. mit jenen Stellen, auf denen des Bland, älter
Böhm beruht, abfinden wird?
Er packt denn auch wirklich den Stier an den Hörnern und
bwpriebt zunächst Serm. I 6, 126. Es sei kein Zweifel, hier
babe der Bland, mit campum lusumque trigonem allein das Bicb-
tige erbalten und rabiosi tempara aigni in den anderen sei krasse
Interpolation. Ich hoffe, jeder Einsichtige wird hierin V. zustimmen,
ond es ist mir ganz unbegreiflich, wie Keller noch in allerjüngster
Zeit (Ehein. Mus. LXI 1906) gerade das Entgegengesetzte zu ver-
teidigen Termochte. Aber V. schwächt die Beweiskraft dieser Stelle
doch stark dadurch ab, daß er sagt, nur ein Zufall babe uns im
Bland, das Richtige erhalten; denn schon sei es expungiert ge-
weeen und die leetio vulgata war beigefügt. Statt der Expnngierung
Kasur — und das Echte wäre unwiderbringlich verloren gewesen.
Auch würde sicherlich nicht der Bland, mit dieser Lesung allein
ttebeo, hätten wir nur die alten Zeugen ABC; leider fehlen sie
io diesem Teile der Satiren. Somit sei durch nichts erwiesen, daß
^hioii Umpora 8igni im Apograpbon (T) gestanden habe. An
230 F. VoUmer, Q. Horati Flacci earmina, tag. ▼. JT. Print.
anderen Stellen leugnet Y., daß die Lesnng des Bland, allein das
£i cht ige erbalten habe; dies stehe vielmehr in den anderen
Handschr. So soll Serm. I 7, 17 (diaeedat) pulcriar einer der
niedlichsten Witze des Horaz sein, w&hrend pigrior im Bland, Y.
bloß als nfichterne Glosse gilt; doch bezweifle ich sehr, ob ihm
hierin viele beistimmen werden. Für richtig halte ich dagegen,
daß Carm. IV 6, 21 vietus das Ursprüngliche, ßexus des Bland.
eine Glosse ist, ebenso, daß Serm. I 8, 60 versetur richtig nnd
anstandslos ist nnd der Lesnng des Bland, versemur nicht Tor-
gezogen werden sollte; ich stimme ihm bei, daß Serm. II 8, 803
demens verteidigt werden kann nnd daß zn beachten ist, wib
Crnqnius für den Bland, bezeugt: manibut portavit; das zeigt,
daß der Gelehrte offenbar ein Glossem mit dem Texte verwechselt
hat. „Dagegen beweist nichts*', sagt V., „der Gothanus mit
manibus cum portat, im Gegenteil, er zeigt, daß im Bland, aacb
andere Leser als Cruquius zwischen Glosse und Text nicht mehr
zn unterscheiden vermochten **. Endlich Serm. II, 108 h< V. qui
nemo ai nicht für Überlieferung, sondern für eine aus Serm. 1 1, 1
leicht zu machende Konjektur (sei es eines Karolingers im Bland,
oder seiner Vorlage, sei es des Cruquius). Ich bin auch ganz Y.s
Ansicht, daß diese Konjektur nicht einmal richtig ist. Als Ober-
lieferung hat also nur zu gelten nemon ut.
Überblickt man diese Beweisführung, so wird man V. za-
gestehen müssen, daß uns nichts zwingt, den Bland, als m. selb-
ständiges Apograpbon oder gar als Vertreter eines II. Archetypen
anzusetzen. R und Bland, zeigen uns, daß Apograpbon @ noch
lange nicht so korrupt war als die Gruppe O es erscheinen lassen
würde, wäre sie allein erhalten. Auf die Erörterung der Porphyrio-
frage, der V. ein eigenes Kapitel widmet, gehe ich nicht ein. Ich
begnüge mich hervorzuheben, daß er der Ansicht ist, die Handschr.
des Horaz, welche in die Karolingerzeit übertrat, sei ein Exemplar
der Ausgabe des Porph jrio gewesen ; und zwar glaubt er, es sogar
noch genauer bestimmen zu kOnnen: es sei nach der bekannten
Subskription dasjenige Exemplar dieser Ausgabe gewesen, das nach
dem Jahre 527 Vettius Agarius Basiliits Mavortiua besessen nnd
emendiert hatte. Dieses Exemplar habe wohl einer der von Kaiser
Karl mit der Suche nach einem Horaz beauftragten Gelehrten ge-
funden und so sei uns der Dichter erhalten worden. Zum Schlnsse
unternimmt er es, die Geschichte des Horaztextes durch ein Stemme
anschaulich zn machen; ich setze es her:
Horatius
I
editio Ttohi
I
ediiio Porphyrionis cum commento
I
F. Voamer^ Q. Hdnti Flaed eanniiia, ang. t. K Print.
codex liavortianuB cum eommento Porphyrionis
a neseio 9110 doeio Carolino inventua et prapagatus
231
apographan Q cum aehol A apograpJion ® cum *Forph'
AB
ED
Bland
* cum 'Porph.*
FdUn *Farph:
Die Basnltate dieser üntereachnog V.b haben abgelehnt Kroll
in der Deutschen Literatnrzeitnng 1906, S. 1058 if. nnd Keller
a. 0. 8. 78 — 90, doch bekenne ich, daß sie mich nicht überzeugten ;
Tielmehr halte ich die Ergebnisse der Vollmerschen üntersnchnng
im großen nnd ganzen fftr gesichert. Wer sie ablehnt, mnß anch
die Torliegende Ausgabe ablehnen, fiber die ich nun in Kurze
referieren kann; denn sie ist ganz und gar nach den in jener
Untersuchung gewonnenen Grundsätzen geschaffen worden. Heran-
gezogen sind auch hier nur die oben angeführten Handschriften;
unter dem Text wird Seite für Seite angegeben, aus welchen Hand-
schriften für die betreffende Partie des Textes Apographon (T)
nnd @ hergestellt wird. Die adnoUUio crUiea operiert nur mit
diesem Zeichen; doch hat sich der Benutzer vor der Meinung zu
btten, als ob damit gesagt sei, die angegebene Leseart finde sich
iD allen Handschr. der einen oder der anderen Klasse; es soll
damit nur besagt werden, daß man mit großer Wahrscheinlichkeit
annehmen kann, sie habe in einem jener alten Apographa gestanden.
Wie man sieht, will T.s Ausgabe die große, mit uns&glicher Mühe
ond Sorgfalt gearbeitete kritische Ausgabe von Keller-Holder nicht
ftberfiüssig machen ; auf S. 8 wird dies auch ausdrücklich hervor-
gfshoben. Praktisch ist diese Einrichtung der Ausgabe für den
Benutzer gewiß, vorausgesetzt, daß er iutxU in verba Vollmeri;
vill er auf eigenes urteil nicht Terzichten, so kann er damit nichts
anfangen. Großen Wert hat V. darauf gelegt, genau anzugeben,
vo gewisse Worte oder Verse durch alte Zeugen beglaubigt werden ;
dieser indirekten Überlieferung hat er ja in seiner Abhandlung ein
ganzes großes Kapitel gewidmet, das sehr lehrreich ist. Seine
Textkritik geht zunächst darauf aus, eine sichere recensio zu liefern ;
fir die etnendatio stellt er den Grundsatz auf: melius erit in muHia
prudenier dubOare quam nimis animoae caniectare, etenim facilius
nt pitia edüionie nobis traditae detegere quam üUra Porphyrumem
uper«. In diesen bescheidenen Worten steckt viel Wahres; wirk-
lich siebt man, daß zu Konjekturen verh<nism&ßig selten gegriffen
wird. Eigene Konjekturen V.s findet man nur ganz wenige, alle
nur in der adnd. erit. erwähnt; ich habe mir notiert: Carm. I
20,. 1 potavi (für potabis; wie man aber potabis und bibes neben-
332 Prammer-Kappelmadier, C. lalii Cftetaris nsw., an;, t. Bitschofsky,
einander im Texte belassen kann« Terstebe icb nicbt); m 14| 11
(tarn virum expeetamt) als Parenthese; IV 2, 49 tetua dum pro-
cedü (für te^^ dum procedü; proeedit B C)\ Epod. 9, 17 abhinc
(fflr ad hunc)\ ibid. 19 ponto (ffir portu). Hervorheben will icb
noch die Konjektur Ton Sndhans, der mit Y. Mum Horativm
perlegU, plagulas emaeulavU, utütBaima admonuii et notavU, zu
Carm. I 82, 15 ^uale hnimen mihi cunque (für dulce Unimen
mihicumque).
Beigefügt sind der Ausgabe: 1. Das oben abgedruckte Hand-
schriften-Stemma, 2. Suetons Horazvita, 8. Indices u. zw. : a) ein
yerzeichnis der Gedichtanfftnge, b) eine Zeittafel der Gedichte,
c) eine Übersicht über die Horazischen Metra, d) eine Zusammen-
stellung der metrischen und prosodischen sowie e) der grammatischen
Eigentümlichkeiten des Dichtersi von welchen besonders die letztere
sehr lehrreiche Aufschlüsse gibt und des besonderen Dankes aller
Benutzer der Ausgabe sicher sein kann; den Beschluß macht/)
ein Index naminum. Der Druck ist korrekt, die Ausstattung gut.
Wien. Dr. Karl Prinz.
G. lulii Caesaris commentarii de hello Gallico, fsr den Schal-
gebrauch herausgegeben von Ignas Prammer. Zehnte, nea bear-
beitete Auflage TOD Alfred Eappelmacher. Mit einem Anhaag:
Das römische Kriegswesen in Cftsars galliechen Kftmpfen tou Erait
Ealinka. Mit 47 Textabbildangen nnd 18 farbigen Karten und Tafeln.
Leipzig, 0. Freytag; Wien, F.Tempeky 1908.
Bei der Gestaltung des Textes, wie er noch in der im J. 1906
erschienenen 9. Auflage der genannten Ausgabe Torlag, waren die
Ergebnisse der neueeien Kritik nicht in wünschenswerter Weise
berücksichtigt. Der frühere Herausgeber pflegte in dieser Beziehung
seine eigenen Wege zu gehen. Es war ihm in erster Linie dsrum
zu tun, einen glatten, ohne Anstand leebaren Text für die Bedürf-
nisse der Schule herzustellen, wobei die Eigenart des Wortlaotse
mitunter zu Schaden kam. So wurde an gewissen Stellen die Ton
der unserigen abweichende Auffassung verkannt und demnach vili-
kürlich geändert, einzelnes infolge Mißverständnisses gestrichen.
Singularitäten des Sprachgebrauches, Eigenheiten der Wortstellung
durften nicht aufkommen, alles mußte sich der strengen Segel
fügen. Es darf daher nicht überraschen, daß in der neuen, nor
ein Jahr später erschienenen Auflage die Zahl der Abweichongen
vom früheren Texte sich als eine ziemlich beträchtliche darstellt.
Ihre Zusammenstellung füllt acht Kolumnen und legt beredtes
Zeugnis ab für den Fleiß und die Gewissenhaftigkeit, womit der
neue Bearbeiter in anderthalbjähriger Arbeit die einschlägige
Literatur bewältigt hat. Bei der Beschaffenheit der Überliefenug
der cammerUarii ist die Entscheidung in jedem einzehnen Falle
nicht immer einfach und von vorneherein gegeben. Sprachliche
Prammtr-Kappämaeher^ C. loUi GaesAris luw^ ang. t. BUadiofBky, 233
«od ttohliebe Momente der yersehiedensien Art müesen In Erw&gnng
gtiegen werden. Der Bearbeiter bat nun einerseits die Überliefemng
dort, wo sie mit Unrecht verdrAngt war, wiederhergestellt, ander-
8Mto woblbegrfindeten Änderungen die Aufnahme nicht Terweigert
ind bierin, wie ich glanbe, die richtige Mitte zwischen iwei
Sxtiemen eingebalten, so dafi der neu gewonnene, anf Mensels
Apparat bembende, aber nicht einseitig die Gruppe ß berfloksich-
tigeode Text als ein sehr zuTorlftssiger gelton kann, bei dem die
Anforderungen der Schule mit denen der Wissenschaft in keinen
Konflikt geraten sind. Es kann ja nur unbedingte Zustimmung
finden, wenn im Torwort das Terfahren, M&Qch dort, wo die hand-
lehriftliebe Oberlieferung festeteht, zu ändern oder gar zu streichen,
nm sogenannte Erleichterungen zu gewinnen**, mißbilligt wird. Die
Inhaltsangaben am Bande der Kapitel wurden fallen gelassen,
80 daß der eigenen Gedankenarbeit der Schfiler nun nicht Tor-
|[igriffen wird, und dafftr nach dem Torbilde von Fries und
Fngser Sperrdruck angewendet, wodurch der Inhalt auch rasch
geloiener Abschnitte yergegenw&rtigt werden soll. Die Gliederung
des Textes in kleinere Partien erleichtert die Übersicht über den
Inhalt, was besonders bei lAngeren Kapitebi seinen Wert bat. Auf
dit Interpunktion ist alle gebührende Sorgfalt verwendet.
Strenge Konsequenz bei der Durchführung ist in gewissen Fällen,
vi« BelatiT- und indirekten Fragesätzen, bei weitem schwieriger
als im Dentecben und eigentlich, wie mich die Erfahrung gelehrt
hat, nur bei Torgleichender Zusammenstellung des gesamten
Materiales erreichbar. Tgl. S. 82, 29 f. mit 80, 18; 94, 19 f.
mit 99, 12 f.; 148, 86 mit 144, 81.
Das Namenverzeichnis entepricht in seiner berichtigten
und erweiterten Form noch mehr dem Zwecke, dem es dienen soll.
Gleich die kurze Anmerkung S. 196 über die Bedeutung von bri^
uw. trägt zur Erklärung einer Reihe keltischer Städtenamen bei.
Es begegnen veränderte Schreibungen wie Atuatuca und Atuatuei,
DMeiaeuM, Oarunna, LiOeeia, einige Namen mit berichtigter
<)nantität der Antepaenultima wie CalBtea, Carnütes, Ceu-
trönes^ Convietolitävia, Lemönum, Namnites. Neu auf-
gcoonmen wurden confluens und ulterior (superior) portus,
gestrichen Afrieanum und Alexandrinum bellum. Ein glück-
licher Gedanke, eingegeben von richtiger Erkenntnis der Schwächen
unserer Schüler, war es, bei einzelnen PerBÖnlichkeiten die spär-
lichen Notizen zu einem kurzen curriculum vitae zu erweitem,
bei anderen wenigstens deren endliches Schicksal anzugeben, wofür
ich auf Crü88u», Tater und SOhne, Curio, C. Fabiua, Labienua,
Ro$ciu$, Seriorius, Trebonius^ Vatiniua, Vereingetorix verweise,
oder, wie bei QutuaUr (Till 88 Accus. Oulruaium), ein Miß-
Ttrständnis des Hirtius zu berichtigen, und auch bei TOlker- und
Städtenamen mancherlei das Terständnis fördernde oder das Interesse
vsckende Bemerkungen einzuflechten, wie bei den AUobrcgea (ihre
234 F. i7. SehumdeTy Jetn PaqU Jagend usw.» ang. ▼. «71 Cefny.
Dnterwerfimg und Bedrüekaog dnreh die Bömer), Atuatuci (ihr
oppidum nnd dessen Lage), Camutes {Cenabum heute Orleans),
CeÜae (ihre Wohnsitze und Wanderungen), Oenava (Bedentong
des Namens) > Haedui (die aspirierte Namensform, die politische
Haltung des Volkes), locus Lemannus (Mündung in den Bhodanua),
NarUuates (ein Irrtum Cftsars). Da I 40 nicht gesagt ist, wann
und wo die Cimbem und Teutonen von Marius besieget wurden,
wfirde es sich empfehlen, die Angaben hierüber s. tt. Cimbri und
Teutani zwischen Klammern zu setzen. Auf die angedeutete W^ise
wird also die Aufmerksamkeit der Schüler, die gerne mit einer
gewissen Flüchtigkeit über Eigennamen hinwegsetzen, festgehalten
und ihnen ein deutlicheres Bild der verschiedenen vorgeführten
Persönlichkeiten und Völkerschaften vermittelt.
Die historische Einleitung wurde sprachlich und sachlich
überarbeitet und schärfer gegliedert, die zeitliche Abfolge der Er-
eignisse durch Beifügung der Jahreszahlen auch am Bande augen-
fälliger gemacht. Dankenswert ist die Zusammenstellung der römi-
schen Vornamen mit ihren Abkürzungen. Der das Kriegswesen
bei Cäsar behandelnde Anhang ist unverändert geblieben. Letst,
notleast erwähne ich die beigegebenen Karten und Tafeln, auf
denen die Krieg führenden Parteien farbig (rot und blau) markiert
sind, was zur schnellen und klaren Erfassung der Situation wesent-
lich beiträgt. Ihre Zahl ist um sechs vermehrt, einige sind nach
anderen Vorlagen ausgeführt: 8 (Ariovisti clades) nach C. Winkler,
5 (ad Äxonampugna) nach Napoleon und Dittenberger, 15 (Alesia)
nach Bheinhard- Herzog. Die Niederlage der Nervier (früher auf
einem Blatte nach Napoleon) ist jetzt auf T. 6 — 8 in drei b. G.
II 19, 28, 26 geschilderten Gefechtsmomenten nach K. Lang dar-
gestellt. T. 4, 11, 16 sind Skizzen der Feldzüge gegen die Hei-
vetier und gegen Ariovist, gegen die Eburonen und gegen Vercin-
getorix nach Veith. T. 14 (nach Bheinhard -Herzog) illustriert die
Beiterschlacht an der Vinganne.
Der Druck ist mit großer Sorgfalt überwacht. Die wenigen
Fehler und Inkorrektheiten bei der Silbentrennung sind nicht störend.
Das Buch wird sich in seiner neuen, in jeder Hinsicht ver-
besserten Gestalt sicherlich noch mehr als sichere Grundlage und
als vorzügliches Hilfsmittel bei der Lektüre Gäsars bewähren und
bei Lehrenden und Lernenden großen Anklang finden.
Wien. B. Bitschofsky.
Dr. Ferdinand Josef Schneider, Jean Pauls Jagend und
erstes Auftreten in der Literatur. Ein Blatt aus der Bildnnes-
geachichte des deatichen Geistes im XV III. Jahrhondert Berlin 1S05,
Bebrt Verlag. IX und S69 SS. Preis 8 Mk.
Es muß als sehr merkwürdig bezeichnet werden, daß sich
die deutsche Literaturforschung, die sich heute infolge Erschöpfung
F. J. Sehneider, Jean Pads Jugend otw., ang. t. J. (^my. 235
dankbarerer Aufgaben immer mebr aneh anf Schriftsteller Tierten
nnd fänften Banges wirft, gBgBu einen der gefeiertesten nnd ein-
fluAreichsten Dichter an der Qrenze zwischen der klassischen Richtung
nnd der Bomantik ganz stiefmütterlich verh<. Wohl ist Jean Paul
nicht mehr lebendig , sondern unserer Zeit kaum mehr als eine
bistoriscfae Oröße, aber das sind auch gar viele andere, mit denen
sich heute dickleibige Bücher befassen. Ist nun diese historische
Bedeutung dem Philologen zunächst das Wichtigste, so muß die
lange Temachl&ssigung Jean Pauls doppelt auffällig erscheinen.
Denn in dieser Hinsicht wird er nur von wenigen deutschen Dichtern
nbertroffen ; er ist ein Januskopf, der rückwärts und vorwärts weist,
•ine für seine Zeit überaus charakteristische Erscheinung und* auch
an nnd für sich betrachtet, ein höchst interessantes Problem.
Freilieh ein Problem von außerordentlicher Schwierigkeit! Nicht
nur der große Umfang und die ganze Art seiner Schriftstellerei,
seine oft bodenlose Sentimentalität, seine uns ungenießbare Satire,
sein überladener, bilder- und beziehungsreicher Stil — all das
hält wohl unsere jungen Philologen in so respektvoller Entfernung
von ihm. Dazu kommt noch seine unklare literarische Stellung und
seine Persönlichkeit selbst, die eine solche Fülle von Bätsein zu
lösen gibt, daß man es bei dem Mangel an tüchtiger Torarbeit
begreiflich finden kann, waram wir von der klassischen Jean Paul-
Biographie noch sehr weit entfernt sind. Auch Spezialarbeiten auf
diesem Gebiete erfordern eine gründliche literarische Schulung und
eine große Belesenheit nicht minder als einen feinen psychologischen
Spürsinn und so ist Jean Paul ein Kapitel, das eines Spezialisten
bedarf wie das Gebiet der Goethe-Philologie. Schon vor mehr als
50 Jahren, als noch Jean Paul ein gelesener Autor war, klagte
Gottschall: .Die Intentionen Jean Pauls zu kommentieren, haben
unsere Kritiker und Literarhistoriker nicht der Mühe wert gehalten,
während man oft die verlorensten Anspielungen Goethes weitläufig
erläutert bat". Zwar sind seither umfangreiche Werke über den
großen deutschen Humoristen erschienen, so vor allem die beiden
Bücher Nerrlichs und die Schriften Josef Müllers, doch bezeichnen
sie^ die Persönlichkeit des Dichters von entgegengesetztem Stand-
punkt beleuchtend, kaum biographisch und ästhetisch, geschweige
dann philologisch einen wesentlichen Fortschritt. Über die Quellen
von Jean Pauls Schriftstellerei, über seine wichtigen Beziehungen
zur Literatur seiner Zeit, über den starken und nachhaltigen Ein-
fluß, den er auf die deutsche und fremdländische Dichtung des
UX. Jahrhunderts geübt — auf die Bomantiker, besonders aber
auf die ganz auf seinen Schultern stehenden Dichter des „Jungen
Deutflchlandfl*, femer auf Stifter, Freytag, Baabe, Keller, Th. Vischer,
auf Dickens und Multatuli — von all dem erfahren wir fast gar
uichta. Torderhand fehlt es freilich auch noch an den primitivsten
Voraussetzungen dafür, vor allem an einer würdigen Ausgabe; denn
die letzte» die Hempelsche, ist vor gut 50 Jahren erschienen
•236 F. J. Sdhndder, Jean Patüt Jogend ni w., «ng. t. J. dsnuy.
HDd harrt driogender Verbeasenrngen und der YervollBtftodigaif .
Auch, die zum Teil sehr interesaantan Brief wechael Bind acblaobt
Q&d Jean Paula ongehenerer Nachlaß nur zum geringen Teil und
sehr nnzQYerlftaaig beranagegeben.
Bei diesem Stande der Dinge maß daa Toriiegende W«fk
ala eine bOobst dankenswerte Leiatong begrüßt werden. Sein 7arf.
bat sieh yor nnnmehr 7 Jahren mit einer Monographie Aber den
MFibel** nnd den „Komet^, die seinerzeit auch in diesen Blttom
(von Minor) besprochen warda, als Jean Panl-Pbilolog eingeführt.
Seitdem iat der jange öaterreiebisohe Gelehrte, wie sein nenea Buch
beweist, bedeutend gewachsen und bat eich in seinen Autor ao
vertieft, daß man ihn nnbedeokliob als erste AiltoritAt anf dieaem
Gebiete bezeiehnen kann.
Schneider stellt sich nicht nur die Aufgabe, eine Art unter-
bau ffir eine abaohließende Jean Paul-Biographie zu liefern, aondeni
sucht Tor allem nachzuweisen, wie der Dichter, der zeitlebeoe Auto-
didakt war, das merkwürdige „komplizierte" Wesen wurde» daa Goethe
trotz aller Ablehnung dea „Tragelaphen* („Hesperus*') anzog, wie
sich schon in seiner frühen Jugend die Grundzflge seines literari-
schen Charakters feststellen, wie ihm vor allem aeine massenhafte
und dabei ungeordnete Lektüre den Weg wies. Daa also, was die
frühere Jean Paul -Forschung rersftumt hat, will Schneider som
Teil nachholen. In der Tat war besonders diese Arbeit notwendig;
denn ein Dichter, der, wie Jean Paul, so tief und unferkennbar
in seinen eigenen Erlebnissen, namentlich den Jngenderlebniaaen,
wurzelt, l&ßt sich nur aus diesen Voraussetzangen richtig ver-
stehen. Ana diesem Bestreben, die Gedanken- und Gefühlswelt des
werdenden Dichters möglichst vollstindig zu umspannen, erkl&rt
sich auch der große Umfang dea Buches. Mit Recht weist der
Verf. darauf hin, daß una für die Erkenntnia des Jean Paulaehen
Bildungsganges ein so reiches Material zur Verfügung ateht wie
kaum bei einem anderen unserer bedeutenden Dichter, und die
sorgfältige und gründliche Verarbeitung dieser Quellen erforderte
einen Baum, der auf den ersten Blick befremden wird. Da indes
Schneider seine Arbeit selbst als eine Spezialuntersuchung bezeiehaet,
iat dagegen kaum etwas einzuwenden. Er hat vor allem mit wahrem
Bienenfleiß ein überreichlichea Material zusammengetragen. Nicht
nur, daß er lötoQirjg elvexa^ den Spuren des Dichters folgend,
Oberfranken und das Fichtelgebirge nach allen Seiten durchstrich,
bei den Nachkommen der Familie Jean Pauls und seiner Freunde
und Bekannten Erkundigungen einzog, überall in die Akten und
Urkunden selbst Einblick nahm, es sind auch überall unmittelbar
die Handschriften zurate gezogen und zum Studium der Briefe
Jean Pauls an Vogel pilgerte der gewissenhafte Verf. nach London.
So hat er es an peinlicher Sorgfalt in keinem Punkte fehlen lassen,
und wenn uns manche seiner Mitteilungen und Exzerpte zu breit
und weitschweifig oder entbehrlich erscheinen, so hat Schneider
F. J. SAiteiäir, Jeaa Pult Jugend asw., ang. t. J. 6em^. 287
jitaifaUs sein Thema erschöpft und für alle weitere Jean PanU
Fonehnog eine yerlAßliche und nirgends versagende Qrnndlage
gMChaffen.
Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daß wir es hier
Bv mit einem hloften Exzerptenwerfc, einer fleißigen nnd geschickten
Malirialienaammlnng tu tan haben. Vielmehr steht doch immer
du psychologische Interesse im Vordergninde; Schneider schwebt
offiibar als Ideal literargeschichtlicher Betrachtungsweise die Me<
tbode TOr, wie sie etwa Dilthey in seinem prächtigen Bache ^Br-
Iibftis nnd Dichtnng^ flbt, nnd es maß anerkannt werden, daß^
}%äm Baustein seines Werkes in diesem Sinne am richtigen Orte
▼«wendet ist. Wir folgen Schneider mit Interesse» wie er vor
noseren Angen das Charakterbild des „Titan*' -Dichters erstehen läßt,,
wi« er ihn ans der Natnr seiner Heimat, der ihn umgebenden
Yerhftltnisse nnd Tor allem der literarischen Atmosphäre seiner
Zsit berans erklärt. Weeentlich nnterstfttzt wird dabei der Verf.
durch die Gabe der warmherzigen, lebendigen nnd zaweilen schwang-
▼oUio DarsteUnnf , die dem Tielfaoh trockenen Stoff Leben verleiht
— litt bei einem Jean Panl-Biographen nicht za nnterschätzMider
Vorzvg. Besonders angenehm berührt, daß sich Schneider nicht
mit manchem seiner Vorgänger verpflichtet fflhlt, die Sprache
Niies Helden nachznahmea nnd anf diese Weise, wie es dieser
hinlg tat, das Naheliegende mit einem großen Aufgebot kflhner
BiMir nnd geistreicher Weadunfen zu omschreiben, sondern klar
QSd präzis« oft mit sddag^Qden Pointen seine Gedanken in
Wüte laßt.
Bei der reichen PäUe des Inhalts ist es nnmäglich, s» dieser
StiOe alle Sinselbeiten herverznhebea. Manchen glncklichen Fond
hsbeil wir Schneider zn verdanken nnd namentlich dnrch die ans-
xifsweisa Verftffeiitliebnng einer Beihe von kleineren Anfsätzsn
i«a jijentiUchen Dichters erliährt unsere Kenntnis eine wülkosMneiie
Bwiichennv. Im dem rein biographischen Teil verdient namentlich
TVieiciuiet' zn werden» daß Schneider endlich die Frair* OBch dem
StsmmbaHi Jean Panb und den Verhältnissen seiner Familie^ 8<m-
veü aick dies feststellen läßt, endgiltig gelOst hat Beanideres
Interesse erregt aber der literarhistorische Teil des Bnchee, der
bis znr VerOftratlMinng der „arßnlAndischen Prozessa'' (1788).
TiiehlL Hiei aeigt dar VerL ein* große Belesenheit in der Literatur
des XVnL Jahrhunderts nnd eine glfickliche Beobachtungsgabe.
NamsalÜoh hei er bei deoi Nachweis der mannigfaltigen EinflAsse,
dia4in Satiiiket Jean Päd gezeitigt haben, der späteren Forschung
ksH» etwa» Qbrig gelaseen. Daß dabei der ven allen Seiten an*
gimcäe nnd eaina Mnstei anm Teil wärtlieh ausschreibende junge-
Disbter niibi gnt wegkommt, ist naläriich^ Doch erhalten wir
trels dieser Haehwaiae den Eindruck, daß sehen ans diesen, nnsr-
fiüliciisn Satirea- einoi starke Individnalität hesverlencktel, die nnr
aehr flennt brancht» um. bessere Frftchte zn geben. Mit einer*
238 F, Kaufftnann, DevUcbe Qrammatik, ang. t. A. Hauaenblaa.
fichOnen Parallele Jean Pauls and Swifts ond einem Aosblick auf
die Schöpfung des „Titan" schließt das Bncb. Vor dem inter-
essanten Wendepunkte in dem Schicksal des hungernden Poetea
bricht die Darstellung ab. Und das ist zu beklagen; denn dieser
Abschluß ist weder äußerlich noch innerlich begründet. Indes fallen
in dem ßuche h&ufig genug Schlaglichter auch auf die sp&tere
Entwicklung Jean Pauls und wir ffihlen, daß der Verf. über das
Büstzeug verfügt I mit dem er sich getrost an die LOsung des
ganzen Jean Paul-Problems heranwagen kann. Vorderhand kündigt
er nur eine Monographie des „Titan** und eine eingehende Dar-
stellung von Jean Pauls Beziehungen zur Romantik an. Bef. ver-
spricht sich namentlich Ton dieser Arbeit interessante Aufschlüsse.
Mies i. B. Dr. Johann Cerny.
Deutsche Grammatik. Kurzgefaßte Laut- uud Formenlehre dee
Gotificheu, Alt-, Mittel- and Nenhochdentsehen. Von Friedrich
E auf f mann. 4. Aoflage. Marburg, Elwertsche Verlagtbuchhand-
luDg 1906. VI and 114 SS.
An Handbüchern, die bestimmt sind, in die Torschiedenen
Disziplinen der Germanistik einzuführen, besteht gegenwärtig kein
Mangel mehr. Aber in den meisten F&llen mag der Anfänger
bei ihrer Benützung seufzen Miya ßtßUovj fiiya %a%6v — und
mit Becht. Denn dem Anfllnger ist es zunächst darum zu tnn,
die Hauptwege, besser gesagt, den Hauptweg in der jeweiligen
Disziplin kennen zu lernen, um erst nachher die fielen Seiten-
wege und Fußpfade mit Sicherheit und ohne Gefahr des Irre-
gehens betreten zu können. Ton diesem Standpunkte ans be-
trachtet, sollen solche Leitfäden die wissenschaftliche Materie in
ganz knapper und herrorragend übersichtlicher Darstellung bieten,
sie sollen natürlich auch stets auf der Höbe der Forschnng
stehen und — darauf ist ein besonderes Gewicht zu legen — in
guter Auswahl und guter Anordnung die einschlägige Literatur
enthalten.
Diesen Forderungen entspricht Fr. EaulFmanns Deutsche
Grammatik (ursprünglich eine Neubearbeitung von A. F. C. Vilmars
Deutscher Grammatik I) in ToUem Maße. Nach den Worten des
Verfassers (S. VI) ist die Arbeit „in erster Linie für die Kandi-
daten des höheren Lehramts berechnet, welche Vorlesungen Aber
deutsche Grammatik oder einzelne Sprachperioden gehört haben
und als eine Art Eepetitorium das Hauptsächlichste in Stich-
wörtern hier beisammen finden *'. Das Büchlein ist demnach rem
Haus aus nur für einen sehr engen Interessentenkreis bestimmt.
Wenn es nun trotzdem und zwar in Yerbältnismäflig kurzer Zeit
in Tier Auflagen erscheinen konnte, so liegt schon darin ein nn-
^ T, Hmsel, Eontsei^, ang. t- I%, A. BeeJfc^r,
S39
tri^Iicber Beweis fär eeine Verwendbarkeit und für seine Daseioe-
Ein so ktLodiger Pährer, wie KanffmatiQ einer ist, findet
ibin leicht Gefolgscbaft und tataäcblieb bewährt sich seine Ter-
lyiichkeit ebenso in der ßebandlnng der Fschliteratnr wie in der
ktuen, streng einbtiUiehen Darstellung des reichen Staffss.
Mtes i. 6. Adolf Hansenbl&s«
RonsSf an. Von Paml H en i e l» Prof, in Erlangen. Leipiif i B. G* Tenbner
1907 (Aas Natnr und Geistetwelt 180j. 122 SS. B^ Preis geh.
Mk. 1, geh. ML 1^25.
JesD JicqaeB RousBeau, sein Leben und seine Werke.
Yon Ltidwiir Geiirer, Prof. »n der ÜniveriitAt Berlin. Leipzig,
QiieUe & Meyet 1907 (Wiitenachaft und Bildutig 21), 131 SS, E^.
PreU geh. Uk. 1, geb. Mk. P25,
Dentschland schuldet Eonssean aebr ?iel nad hat es ihm
iQch redlich i^edankt Kant und Herder, Goethe nnd Schiller,
di» dentsehe Eotn antik und der dentscbe Idealismns knüpfen an
Scofisean an nnd erkennen ihn als ihren Lehrer. Und noch heote
i%Unn die Gedanken nnd Schriften des Genfers, gehört aneh
»ine einzigartige Indiyidnalität znm geistigen Besitztum des
4ei]iE€ben Volks. Besitzen heiJ!^t aber, steta ?on nenem erwerben,
vti [Dan sein Eigen nennen will« In diesem Sinn entsprechen die
«iMi angefahrten Bücher nicht nnr einem bleibenden Bedörfnisi
foodsm sie erfäilen ancb eioe Ehrenpflicht, — ein jedes in seiner
Wtiie nnd mit mehr oder weniger Glück.
Geradezu glänzend hatHenaeL seine Aufgabe gelOst* Seine
Ablicht war^ *,nnr eine Daratellung von Ronsseans Gedanken m
fiimi, nnd auch hierbei nur diejenigen zu berncksicbtigen, die
fir die mit Bonssean einsetzende Bewegung wertfoll gewesen sind".
Über EouBseans äuDere Lebensumstände und die Entstehungszeit
iiiner Werke orientiert knapp nnd zweckdienlich eine ejn-
cbfonifi tische Tabelle im Anbang. Dadurch entlastet, zerfÄilt die
Diritellung sachgemäß in sechs Eapiteh Der Mensch (eine
tos nnd zoire^ende Analyse yon Eonsseans Gemdtsrerfassnng
mi seiner eigen tämlicben Stellungnahme zn den Lebenswerten),
die Geschicbtspbiloeophie (d, i, die negative EinichÄt^ung
du Eolturfortscbritti in den Preisschriften von 1749 und 1754),
41» Bichtspbilosophie (d. i. der im Contrat social geraachte
?«ilieb, eine kritische Norm für die Eechtsordnnng im Staate zn
piw innen), die Erziehnngslehre (jene bahnbrechenden Ge*
dinken ther die Notwendigkeit, die pädagogische Leitatig der na-
tftriiebin Entwickelnng des kindlichen Wesens anzupassen und
iettrzQordnen), die Noupelie Hilöise{d&B Problem der Leiden-
lehift im Konftikt mit den ewigen sittlichen Ordnungen nnd den
240 L. Geiger, Jetn Jtcqaee Bousmm usw., mg. t. Fh. A, Becker.
lMniT«ntione]leD Vororteilen) nnd die Belig-ioosphilosophi«^
(Bonsseaas leideDscbaftliche Verfechtung einer höheren moralischen
Weltordnnng, unabhängig Ton jedem OfTenbarnng^glaaben). Die
mit keinem besonderen Kapitel bedachten Canfesaums kommen im
ersten Abschnitt und im Schlußwort za ihrem Recht — An
Hensels ebenso gediegenem als fesselndem Essay mOehte ich am
liebsten alles ohne Einschränkung loben von der prächtigen ein-
leitenden Unterscheidung zwischen den großen Vollendern, die wie
Voltaire den Geist ihrer Zeit abschließend zasammenfassen, nnd
den großen Beginnem, die gleich Bonssean eine andere Welt im
Basen tragen nnd tastend nach ihrem Wege sndien» bis zu dem
dankbaren Bückblick auf den Einfluß, den „der große Heimat-
lose an der Qrenze zweier Zeitalter*' auf die ganze Oedankenbe-
wegnng des dentsohen Idealiamns gehabt bat Wer Bonsaeans
merkwürdige Eigenart, wer den tieferen Oehalt seiner Werke nnd
den nur zn oft durch paradozale Übertreibungen Tersehleiarten
bleibenden Wert seiner Gedanken und den Grund ihrer weit-
tragenden Wirkung Torstefaen will, dem sei dieses handliche, mit
Liebe und Verständnis geschriebene, sachliche, gemein£aßliehe
und gründliche Büchlein, das inhaltlich wie formell eine Meister-
leistung ist, angelegentlichst empfohlen.
Verlegener fühle ich mich L. Geigers Darstellnog gef^en-
über, der ich keinen Geschmack abzugewinnen ?enna§r« indem ich
des alten Spruchs gedenke: de gustilms non est diajnUandmm.
Ich begreife nicht recht, wie mir diese neueste Leietuug einee
durch Tiele ansehnliche kultur- und literarhistorische Arbeiten
bekannten Verfassers, so „ledem** vorkommen kann, und das
macht mich bestürzt. Gleich zu Anfang sucht der Verf. die
heutige allgemeine Teilnahmslosigkeit für Bonssean an erklären«
während doch seine Zeitgenossen Diderot und Vdtaire nicht aar
in Frankreich, sondern auch in Deutschland heute noch dunefaene
lebendig sind: Voltaire, ein FürstendieDer ind Speiehelleeker,
hinterhältig, ehrgeizig bis zum Wahnsiim» als Spekulani gswiseeo-
los, ein Virtuose der Unwahrheit; Diderot, sieht mnatastbar in
moraliKber und geschlechtlicher Beziehung, z«m mlndesteB sieht
erbaulich, wie er sein ehrbares, wenn auch ungebildetes Weih
yemachlässigt, im anderes Frauen naobzujagen uod in Geaell-
schaften zu glänzen ; beide zu Tomehm, um ein Amt zu b^eidsn,
denen es aber nicht Tcrschlug usw.; indesses Voltairee hsdceke
Gesänge über die Joagfrau tob Orleans erregen selbst in Deoteeh»
land noch beute manefa begierigee Sehmunzeki und seine Bomaae
dienen fortwährend als eise gefällige Lektüre durch ihre Liebes»
Szenen und seltsaaien Abenteuer, ihre eatirischss Gemälde ss4
iresischen Wesdnnges ; anob Diderots große Bemase werden eifrig
gelesen, zsm Teil gewiß Dank der ObscOnitätss ed«r misdeetsss
dee heiklen' Stoffes, der für fiele so ungeuMiB aaiiehesA ist, oiw.
Aber Bouseeas9 -— „Das eigentlieh BeUetristiscbe — uni das ist
L, Geiger, Jean Jacqnet BousaeaQ usw., ang. ▼. i%. A, Becker. 241
•8 doch znnftehst, was den großen Hänfen anzieht — war
SoDtseans Stftrke nicht." Um Himmels willen! gelten solche
Plattheiten hentzntage in Berlin als ernste knltnrhistorische Be-
tncbtnngen? — Aber die Ungunst, die Bonssean zn Teil wnrde,
lebeint nicht nnr begründet dnrch seine Schriften, sondern aneh
dveb sein Leben. Vor allem konnte man ihm nicht verzeihen,
daß er der bfirgerlichen Moral ins Gesicht sehlng, dadurch, daß
er sich eine Maitresse nahm, sie nicht verstieß, nachdem er sie
geflossen hatte, nnd daß er sie, wenn er nnn schon einmal mit
ihr lebte, nicht ordnungsmäßig heiratete (wörtlich so, p. 8). In
oeuester Zeit, d. h. seit etwa 20 Jahren, ist zu diesen Momenten,
DBi Bonsseau unbeliebt zu machen, noch die Auffassung getreten,
•r sei Terrfiekt gewesen, und seine geistige Verirrung habe
gerade in den Jahren um 1761, da er seine größten unsterblichen
Werke schrieb oder vollendete, ihren Höhepunkt erreicht (p. 8, 9).
Welcher ernst zu nehmende Schriftsteller hat je solchen Unsinn
behauptet? — Der durch diese Auszfige charakterisierte falsche
Ton zieht sich durch die ganze Schrift, die durch eine eigentüm-
liebe Disproportion auif&Ut: von der 124 Seiten umfassenden Dar-
etellung fallen sieben auf Therese Levasseur, sieben andere auf
die Frauen aus Bousseans Kreis; Bousseaus absolut wertlose
dramatische Yersucbe erhalten auch die Ehre, auf sieben Seiten
besprochen zu werden. Offenbar ist dem Verf. nicht klar ge-
vorden, worin denn eigentlieb Bousseaus welthistorisehe Bedeutung
besteht Und daß ihm auch im einzelnen der Sinn seiner Schriften
ein Bitsei geblieben ist, möchte ich nnr dnrch den einen Satz be-
leuchten, in welebem der Grundgedanke des EmiU zusammen-
gefaßt wird : „Nun bandelt es sich aber nicht darum, den Menschen
10 zu belassen, wie er von Natur aus ist, sondern darum, seine
Kgenart su benutzen, um ihn fflr die Oesellschaft brauchbar zu
aacheii^ (p. 94). — leb mag auf die vielen unriehtigen Einzel-
heiten nicht eingehen, und bemerke nur zu der eigenartigen Szene von
Mon^in, wo Bonsseau eines Tages Therese vor zwei Zeugen
ab seine Ehefrau erklArte, daß sie viel von ihrer Absonderlichkeit
verliert, wenn man bedenkt, daß es in Frankreich weder Zivilehe
loch Miachehen gab; von Bonsseau veriangen, er hfttte Therese
itaDdosamtlich heiraten sollen, heißt ihm zumuten, Frankreich fftr
ifluner zu Terlasccn oder wieder zum Katholizismus fiberzutreten. —
Aaf ein tusammenüasaendes Endarteil will ich lieber verzichten ;
fir den Tom pbilisteriiaften Charakter dieser Boussean-Biographie
loch nicht flbcneiigtcn Leser genflge noch dieser kleine Blfiten-
stnuß ms der Besprechung der Neuen Heloise: „Demgegenflber
wird mao an dem Satze festhalten mflssen, daß dasjenige Buch
•itilich genannt werden muß, das, wenn es auch Yerg&nge
HhiMert, die der sogenannten guten Sitte widerstreiten, die Brae
folgen lißt, die der Mensdi innerlich empfindet, oder die Strafe,
die er von anderw erleidet. . . " (p. 66). „Die fremme Julie hat
Z«ilMlvifl 1 d. liftnr. Opu. IMS. m. Heft 16
242 K, Fuch8, Enhenog Karl, ang. t. K Queisa,
an ihrem Liebhaber und ihrem Gatten anezasetzen, daß beide dem
Atheismns zugeneigt sind, und bekämpft dieee Gesinnang, die ihr
ffir das Diesseits and Jenseits gef&hriich erscheint, mit großer
Entschiedenheit*' (p. 87). «Das bedeutende Nene, das bei ihm
iSich zeigt, besteht erstens darin, daß er ..die Schilderung der
örtliohkeiten , besonders Paris und der Städtchen am Genfer
See, den von ihm geschilderten Menschen anpaßte, besondere
aber darin, daß er . . [Bichardson gegenflber] . . der Sinnlichkeit
ihr Becht gibt . . *' (p. 89 f.). — Hätte Bousseau in dem Tone
geschrieben, hätte man sich gewiß sein Buch nicht «beinahe^ ans
den Händen gerissen, und 12 Sous Leihgebühr für die Stande
bezahlt ; Frauen hätten nicht darüber geweint, „bis sie krank nod
häßlich wurden,'' und eine Gräfin hätte nicht erklärt, „tm
empfindsame Dame würde diesem Autor nichts verweigern*' (p. 91).
Dixi et scUvavi animam meam.
Wien. Ph. Aug. Becker.
Erzherzog EarL Von Prof. Dr. Karl Fache. Mit 15 IllustratiooeD.
Gras 1907, VerlagsbaehhaDdlong Styria (lllastrierte GescMehti-
bibliothek für Jung und Alt).
Das geschichtliche Interesse knüpft sich, insbesondere das
der Jugend, mit Vorliebe an einzelne geschichtliche Pereön-
lichkeiten. In der Tat bietet auch das Leben der meisten henror-
ragenden Männer viel des Anziehenden und Belehrenden, so daß
es kaum eine fesselndere Lektüre geben kann, als die Geschichte
ihres Lebens, aus der man fast immer zugleich die Geschichte
ihrer Zeit erkennen kann. Ganz besonders gilt dies tou dem
glorreichen Schlachtenmeister und Staatsmann: Erzherzog Karl,
der in dem Momente, wo die Grundfesten der europäischen Beiche
und Throne, insbesondere aber die des Deutschen Beiches um die
Wende des 18. und 19. Jahrhunderts durch Napoleons Gewalt^
streiche erschüttert wurden, der Erniedrigung Deutschlands und
ganz Europas Einhalt gebot. Die hohe Bedeutung dieses Mannes
wird umsomehr in den Vordergrund gedrängt, als sich der
hundertjährige Gedenktag der glorreichen Schlacht you Aspwn,
durch die der Glaube an die Unüberwindlichkeit Napoleons ge-
brochen wurde, nähert. Aus diesem Grunde wird es gewiß aller-
seits, ganz besonders aber in den Kreisen unseres Vaterlandes,
mit Befriedigung begrüßt werden, daß eine neue volkstümliche
Bearbeitung des Lebens und der Taten des Erzherzogs Karl er^
schienen ist, und zwar aus der Feder des Prof. Dr. Karl Fachs,
der sich bereits bestens bekannt gemacht hat durch die vor drei
Jahren erfolgte Herausgabe der Biographie und einer Sammlaog
der ausgewählten Dichtungen Johann Gabriel Seidls anläßlich des
K Fwihs, Enhenog Karl, ang. ▼. K, Qwiss. 243
bonderaten Oebnrtotages dieses Dichters. So sncbt ancb Jetzt
derselbe Verfasser, knrz voraneileod dem hnndertj&hrigen Gedenk-
tage der Schlacht von Aspeni, anfs Dene insbesondere die Herzen
der Österreicher zu entflammen für jenen Mann, der stets ein
Beispiel der edelsten Vaterlandsliebe nnd Hochherzigkeit bleiben
wird. In diesem Sinne ist diese nene Biographie Aber Erzherzog
Karl erschienen, ein Büchlein, das nns in ebenso volkstfimlicher als
grfiodlieher Weise das Leben nnd die Taten des Erzherzogs Karl vor
Augen fflhrt, nnd zwar, was besonders hervorgehoben werden mnß,
auf Grand der neuesten nnd vorzüglichsten Qaellenforschnngen.
Erst seitdem über Auftrag der Erzherzoge Albrecht nnd Wilhelm,
später der Erzherzoge Friedrich nnd Engen, der SOhne, beziehnngs-
weise Enkel des großen Schlachtenmeisters nnd Staatsmannes, die
reiche Fülle archivalischen Materials der historischen Forschung
lor Verfügung gestellt wurde, konnte ein klares Bild der Groß-
taten desselben hergestellt werden. Die Früchte dieser Be-
etrebungen waren die Werke von H. v. Zeissberg, M. v. Angeli
imd vor allem die sorgf<ig gesichtete Ausgabe der „Aus-
gew&blten Schriften** von Franz Xaver Malcher. Dieser war von
Erzherzog Albrecht zum unterrichte der Neffen desselben, der
Erzherzoge Friedrich, Stephan und Eugen berufen worden. Nach
Vollendung dieses Erziehungszweckes machte ihn Erzherzog
Älbrecht zum Archivar der Albertina und später (wahrscheinlich
auf Veranlassung des Prof. Zeissberg) zum Bibliothekar. Auf
Bein Ansuchen gestattete ihm der Erzherzog Albrecht die Bear-
beitung und Veröffentlichung der im obgenannten Archiv befind-
liehen Originalschriften seines Vaters, des Erzherzogs Karl. Dieses
Werk F. H. Malchers, aus den Originalbriefen und anderen Auf-
zeichnungen des Erzherzogs Earl bestehend, besitzt zweifellos die
Tollste Glaubwürdigkeit und ist eine Hauptquelle für das Wirken
des Erzherzogs Karl. Mit sorgfältiger Benützung aller dieser
Werke gelang es dem Verfasser, die fast unübersehbaren Einzel-
heiten eines reichen Lebens, das bestimmend für Österreichs
Schicksale und im besonderen für die Neubegründung und Ent-
wicklung seiner Wehrverfassnng eingriff, in eine gedrängte, all-
gemein verständliche Fassung zu bringen, und zwar auf dem
breiten, dabei streng wissenschaftliehen Grunde jener dem großen
Pnblikum selten zugänglichen Werke. Klar tritt der Charakter
dee Helden, der von frühester Jugend an zielbewußt seine ge-
waltige Aufgabe in einem Zeitalter beispielloser Umwälzungen
anfaßte, aus der Wucht der Ereignisse, in denen ihm eine
rührende Bolle zuteil wurde, hervor. Die Schlachtenschilderungen,
besonders die von Aspem und Wagram, sind auf den neuesten
Forschungen aufgebaut; nicht minder scharf tritt auch die rastlose
Tätigkeit im Frieden hervor. In klaren Umrissen sind auch die
Cbarakterzfige des Helden, insbesondere sein tiefreligiöses Empfinden
und seine durch nichts und in keiner Lebenslage zu beugende
16*
244 B, Imendörffer, Lehrbach der Erdkande, aog. v. H. Pirchegger,
WabrbeÜBliebe gezeiebnet. Fünfzebn treffliebe Abbildnngen oaeb
antbentiseben Originalen nnteretützen die Anscbanung.
Das Werkeben, das der Verfasser Sr. k. und k. Hobelt dem
Erzberzoge Friedricb ebrfarebtSYoIl gewidmet bat, sehließt mit dem
sebönen Weibelied, das Jobann Gabriel Seidl ans Anlaß des
Festes der Entbfillnng des Denkmals des Brzberzogs Karl anf
dem ftußeren Bargplatze am 22. Mai 1860 verfaßt hat. Das
Bneb kann naeb jeder Biebtnng bestens empfohlen werden.
Wien. Karl Qneiss.
ImendOrffer B., Lehrbuch der Erdkunde far osterr. Mittel-
schulen. IV. Teil (Lehrstoff der vierten Klaase). A. Holder 1907.
Preis geb. 1 E 46 b.
Der Lehrstoff der vierten Klasse ist in diesem Lehrbneb,
moderneren Anfordemngen entsprechend, nicht mehr wie es Mher
geeehab, in die zwei Hauptabschnitte: «Physikalischer" und
„politischer" Teil gegliedert, sondern letzterer ist geschickt io
ersteren hineinverwoben, und die Gliederung erfolgte naturgemftß
nach den vier Hauptlandschaften. Dem Abschnitte über die
Alpen sind acht Kartenskizzen beigegeben, die dem Schüler das
Lernen, insbesondere das Wiederholen, recht erleichtem, da sie
nicht zu viel und nicht zu wenig bieten. Schade, daß der Ver-
fasser sonst auf sie verzichtete. Auch Bilder fehlen ganz, viel-
leicht ein Nachteil gegen andere Lehrbücher, insbeaonders Bichtcr-
Mflller; freilich kann man über den Wert von Bildern in Lehr-
büchern verschiedener Anschauung sein.
Der Umfang ist der Stundenzahl angepaßt und der Stoff
zweckm&ßig auf die 101 Seiten verteilt, von denen etwa 18 Seiten
zusammenfassenden Wiederholungen gewidmet sind. Eine Be-
lastung der Schüler durch mehr oder minder überflüssige Namen
ist durchaus vermieden, ein nicht zu unterschätzender Vorteil
dieses Bündchens gegen die früher erschienenen und gegen andeie
Lehrbücher. Wesentliche Ausstellungen kann der Beferent nicht
machen; eine zweite Auflage wird einige FremdwCrter (z. B.
S. 10, 11 „Oraz ist ein von Bentnem und Pensioniaten bevor*
zugtes AsyP, 28, 27 u. a.) beseitigen, die sich ebenso leicht
und schön durdi deutsche Ausdrücke ersetzen lassen. Auch das
heute gern gebrauchte, aber uuschCne Wort „Hauptelubruchstation
der Fremden" müge verschwinden (S. 18 und 21). Ist (8. 9)
Boseruck wirklich ein slowenischer Name und nicht der „Boeks-
rücken*'? Haben die mittleren Züge der Alpen tateüchlich ein
feuchteres Klima (S. 29)? Als erster Liduetrieort der Untersttter-
mark ist wohl Harburg anzuführen und nicht Oonobitz (8 82).
Statt „Lassinger Alpen** w&re vielleicht die Bezeichnung „Maria
Zelier Alpen" vorzuziehen, und die Erwähnung dieses grüßten
F. Bogd, Daa Baebnen mit Vortdl, ang. ▼. •/. Jacoh. 245
(starr. WaUfmbrt8«rt«8 geboten. Auch den Obdacher Sattel mit
dar Bahn Zeltweg — Cilli hat der Ref. yermißt. Doch das sind
KltinigkeiteDv die den Wert des Bnchea nicht verringern. Das
gtlUlige Äußere vnd der mäßige Preis empfehlen es ebenfalls.
Grat. Dr. Hans Pirchegger.
Bogel F., Das Bechnen mit Vorteil. Eine eemdnfaßUehe, durch
saUrdehe Beispiele erliaterte Dantellang etnpfehlenswerter Vorteile
vnd abkftrsender Verfahren. Leipsig, B. 0. Teobner.
Das Torliegende Schriftehen enthält eine Sammlnng Ton
79 Beehenvorteilen in leichtfaßlicher Darstellnng ; nm einen großen
Teil derselben anch jenen sngftnglioh zn machen, die mit der all-
gsneinen Arithmetik nicht vertrant sind, sind algebraische Formeln
Bv in den seUenstea Fällen angewendet. „Der Zweck der Vor-
Mle'' ^ sagt der Verfasser — „Banm and Zeit zn erspareui
vird aber nnr dann erreicht, wenn sie vollständig beherrscht
Qod mit solcher Gewandtheit gehandhabt werdeni daß das
RMbaen fast mechaniech vor sich gebt.'' Aber ein Bechnen geht
Dv dann mechanisch vor sich, wenn die Zahl der in Verwendong
kommenden Lehrsätze eine geringe ist, so daß weder das Ge-
tichtnis mit einer großen Menge von Begeln belastet wird» noch
die Einreihnng eines besonderen Falles unter einen allgemeinen
irireod welche größere Anstrengung erfordert. Demnach ist es
einlenehteiid, daß das Schriftchea diesen Zweck nicht erreicht;
deeh wäre es ungerecht, sich der Arbeit des Verfassers gegen-
ibsr imbedingt ablehnend zu Tcrhalten: ist das Bftchlein auch
^ die Mittelschule nicht yerwendbar, so ist es doch allen jenen
ismempfehlen, denen die Ausführung einer Zahlenanfgabe durch
KsDitgriffe Vergnflgen macht. Und auch jene, die an der
liutorischen Entwicklang des Zifferrechnens Interesse finden,
Verden in dem Schriftchen manche lehrreiche Bemerkung finden.
Wien. Dr. J. Jacob.
Lehrbaoh der Physik. Von O. D. Chwolson, ord. Professor an der
kais. Universität an St Petersbmg. IIL Band: Die Lehre von der
Wanne. Übertetit von E. Berg, Abteilcngsschef am physikalischen
ZeDtralobserratoriom in St. Petersburg. Hit 259 eingedrockten Ab-
bildongen. Braonscbweig, Vieweg ft Sohn 1905. Preis 18 Mk.
Im dritten Bande des Lehrbuches der Physik von Prof.
Chwolson, dessen beide ersten Teile in dieser Zeitschrift be-
eprochen wurden, kommt die Lehre von der Wärme zur Behand-
iuig. Es soll gleich an erster Stelle hervorgehoben werden, da'
die neosaten Forschungen auf dem theoretischen und experimentell«
246 ChwoUon-Berg, Lehrbcch der Pbynk, ang. v. L O, WaUetUin,
Gebiete dieser Wissenschaft genan berficksicbtigt worden und daß
der Verf. eine eingebende Literatnrangabe jedem Abscbnitte bei-
ffigte, die dem Studierenden dieses Bncbes die MOglicbkeit schafft,
weitere Studien Yorznnebmen.
In der Einleitung werden anter anderem die Begriffe der
Wärmeenergie nnd der Temperatur ins klare Licht gesetzt ond
die Bedeutung der Temperaturkoeffizienten dargelegt.
In großer Ausführlichkeit wird im folgenden die Thermo-
metrie besprochen und auf die Korrekturen eingegangen, welche
man bei der Bestimmung der Temperaturen zu berücksichtigen hat;
so wurde der Einfluß der Eigenschaften des Glases und des Qaeck-
Silbers sowie äußerer physikalischen Ursachen auf die Angabeo
der Quecksilberthermometer in Erwägung gezogen. Die MessuDg
hoher Temperaturen mittelst der Pyrometer, unter denen auch die
optischen und thermoelektrischen betrachtet werden, sowie die Be-
stimmung sehr niederer Temperaturen mittelst Gasthermometer and
thermoelektrlscher Elemente, wird am Schlüsse dieses Abschnittes
gelehrt.
In den folgenden Auseinandersetzungen finden wir die Be-
sprechung der Abhängigkeit der Dimensionen und des Druckes der
Körper Yon der Temperatur, femer die Bestimmung der Wänse-
kapazität ?on festen, fifissigen und gasförmigen Körpern, wobei
auch der Beziehung zwischen der Wärmekapazität der Körper ood
dem Molekular- oder Atomgewicht derselben gedacht wird.
Im Abschnitte, der von dem Übergange verschiedener Formeo
von Energie in Wärmeenergie handelt, werden in sehr klarer Weise
die Grundlagen der Thermochemie aufgestellt und auf die tbermo-
chemischen üntersuchnngsmethoden des näheren eingegangen. Unter
den Ergebnissen der thermochemischen Untersuchungen werden die
Sätze bezüglich der Bildung von Salzen (Gesetz der Tbermo-
neutralität der Salzlösungen), bezüglich der Hydratisierung der
Salze, der Legierungen, der Mischung von Schwefelsäure mit
Wasser, der endothermischen Beaktionen usw. hervorgehoben. Zorn
Schlüsse dieser Erörterungen wird das Theorem von Bertbelot
besprochen, demzufolge jede chemische Beaktion in der Richtung
verläuft, in welcher die größte Wärmeabgabe erfolgt.
Von großer theoretischer und experimenteller Bedeutung sind
die Darlegungen im folgenden Abschnitte, welcher von der Erkaltung
der Körper handelt. Das Stefan sehe Gesetz, daß die von der
Oberfläcbeneinheit eines Körpers in der Zeiteinheit ausgestrahlte
Wärmemenge der Differenz der vierten Potenzen der absolnten
Temperaturen des Körpers und der Hülle proportional ist, wird in
den Mittelpunkt der in diesem Abscbnitte enthaltenen Erörterungen
gestellt. In vollendeter Klarheit sind die Elemente der mathemati-
schen Theorie der Wärmeleitung in dem vorliegenden Buche gegeben
worden. Im Anschlüsse daran werden einige einfache Aufgaben
gelöst, die sich auf die Wärmeleitung beziehen; dann werden die
F. E. StanUm, Die tieritehen Oifte, aag. ▼. J. Ä. Kail 247
€xp€riinentelleD Methoden zur BestimmaDg der Wftrmeleitniigs-
(Ihigkeit Ton KOrpern aller drei AggregatzustäDde angegeben. Von
geophysikalischer Wichtigkeit ist das Problem des Eindringens von
harmonischen Wftrmewellen in einen einseitig begrenzten homogenen
Körper.
Mit großer Ansfflbrlichkeit sind im folgenden Abschnitte die
Gmodlagen der Thermodynamik dargestellt worden. Nach Anf-
stellnng des ersten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie
wird das Prinzip von Le Chatelier- Braun besprochen, daß
D&mlicb jede^ äußere Einwirkung in einem Körper oder in einem
System eine Änderung in solcher Bichtung her?orruft, daß infolge
dieser Änderung der Widerstand des Körpers oder des Systems
gegen die äußere Einwirkung vergrößert wird. Dann gebt der
Verf. zum Studium des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
ein und bespricht eingehend die Arbeiten Yon Carnot, Clausius,
Thomson, Boltzmann auf diesem Gebiete. Aus den beiden
Hauptsätzen werden einige fflr den späteren Gebrauch wesentliche
Formeln entwickelt. Wichtig sind die Betrachtungen über die
Entropie und deren Eigenschaften, über freie Energie und das
ihermodynamische Potential. Die Grundsätze der Thermodynamik
werden auf die kalorischen Erscheinungen in Anwendung gebracht.
Besonderes Interesse bietet in dieser Hinsicht der Abschnitt, in
dem der Übergang aus dem festen Zustande in den flüssigen und
umgekehrt, ganz allgemein die Anwendung der Thermodynamik
auf den allgemeinen Fall des Überganges einer Substanz aus einem
Zustande in den anderen besprochen wird. Die beiden nun folgenden
Abechnitte sind der Lehre Yon den Dämpfen gewidmet (Eigen-
icbaften gesättigter Dämpfe, Hygrometrie; ungesättigte Dämpfe,
kritischer Zustand, korrespondierende Zustände).
Der letzte Abschnitt ist dem Studium des Gleichgewichtes
sich berührender Körper eingeräumt. Die PhasenregelvonGibbs
gestattet eine einheitliche Darstellung der Erscheinungen. Die Theorie
<ier Lösungen ist recht klar und übersichtlich aufgestellt worden.
Wir begrüßen den dritten Band des Lehrbuches der Physik,
der den Jüngern der Wissenschaft, aber auch den Vorgeschrittenen
manche wertvolle Anregung bietet, aufs wärmste und hoffen, daß
den deutschen Physikern recht bald auch der vierte abschließende
Band des Buches als willkommene Gabe geboten wird.
Wien. Dr. I. G. Wallentin-
Dr. Faust Edwin Stauten, Die tieriscben Gifte, g. Heft toh
«Die Wiisenscbaft, Sammlung n&turwiisensc haftlieh er und matha^
matiteher Monographien **. Brannscbweiif, Viebw«g & Sohn Ld
248 88.80.
Verf. bat es unternommen, io der Torliegeni
möglichst knapp gehaltene ZusammenatellnDg unar
l
248 Ä. Sauer, Minezalkande, ang. ▼• F. Noi.
E«nDtni8Be über tierische Oifte za geben, die für einen ungemein
großen Leserkreis von großem wissenschaftlichen und praktischen
Interesse sind. Die Behandlang des Stoffes geschah yom pharma-
kologisch-toxikologischen Standpunkte ans. Die Qnellen, ans denen
Verf. geschöpft, sind aufs gewissenhafteste angegeben worden.
Nachdem in der Einleitung Zweck und Nntten einer zu-
sammenfassenden Behandlung der tierlschon Oifte klargelegt und be-
stimmt worden, was zu den tierischen Giften gehört, „Bkiii*^ und
.passiv^ giftige Tiere unterschieden worden sind, wird gehandelt
von eigentlichen Giften und gelegentlich die Gesundheit scb&di-
genden tierischen Produkten, von der historischen Entwickelang
unserer betreffenden Kenntnisse, Yon der Bedeutung der Gifte für
die sie produzierenden Tiere und für den Menschen, endlich von
der Systematik. Die Znsammenstellung der eigentlichen Matsrie
geschieht ohne Bficksicht auf die Wirkungen und die chemische
Zusammensetzung der Gifte nach zoologischem Gesichtspunkte,
d. h. nach der Herkunft der Giftstoffe.
Von Wirbeltieren kommen zuerst die Säugetiere an die Seihe,
daran schließen sich die Eidechsen, Amphibien und Fische. Bei
den wirbellosen Tieren machen die Muscheltiere den Anfang, worauf
die Gliederfüßer, Würmer, Stachelhäuter und Coelenteratea folgen.
Wo man das Buch auch aufschlagen mag, überall ist es in-
teressant Der Zoolog, der Physiolog, der Pharmakolog und der
Patholog Ton Fach, ebenso der praktische Arzt und der Kliniker
und endlich der naturwissenschaftlich Gebildete überhaupt, alle
finden sie in dem Werke etwas Brauchbares.
Wien. Job. A. Kail.
Mineralkunde yon Dr. A. Sauer. Mit 240 Seiten Text Großqnart
und 26 farbigen Tafeln. Im Leinenband Mk. 18-60. Verlag:
Kosmos, GeselTsehaft der Natarfreonde (GeBchifteetelie : Franek'sche
Verlagsboehhandlang, Stattgart).
Über dieses Werk wurde bereits an dieser Stelle ausführlich
und anerkennend berichtet. Es liegt nunmehr auch die siebente
Abteilung, der Schloß des Werkes vor. Was beim Erscheinen
der ersten Abteilung yersprochen wurde, ist getreulich gehalten
worden. Die Mineralbilder auf den farbigen Tafeln entsprechen
selbst hohen Anforderungen hinsichtlich der Sauberkeit und
Naturtreue. Sehr beachtenswert ist auch der Text, welcher sich,
wie angekündigt, nicht nur auf die Beschreibung der Mineralien
beschränkt, sondern eine Fülle mineralgenetischer, petrographiscber,
chemischer, geologischer und montanistischer Belehrungen, durch-
wegs auf modernstem Standpunkte, bietet. Das schöne Werk ge-
hört in die Bibliothek jedes Freundes der mineralogischen
Wissenschaft.
Wien. Dr. Franz NoS.
Dritte Abteilung,
Zur Didaktik und Pädagogik.
Die Mittelschalenqnete des nnterriehts-
ministeriiims 21. — ^25. Jftnner 1908.
VdB dar BadaktioB dieser Zätschiiffc anfgefoidert, Aber den Verlauf
nd die BrgebaiMe der in der Oeeohiehte dee Oiteneiehieehen Mittel-
tdiQlweieDi dpoelieiuGheiideiiy im greifen Empfum^isaal dee hohen k. k.
MmiitariuBB fttr Knltoa nad Ualerrieht in den Tagen Tom 21. — ^25. Jftaner
i J. abgehaltenen and in allen Kreisen der BevOlkening unseres groften
Tstsrlaadesy aber aneh im Aaslande mit großer Spannung erwarteten
Ssqaete einen Torlftofigen Berieht sa erstatten» halte ieh es fftr angemessen,
wenigstens in karsen Striehen ein Bild der gesteigerten Bewegung auf
dem Gebiete des Mittelsehuhresens, die sie einleitete, su entwerfen. Ton
eiser eingehenden, alle Phasen berftcksicbtigenden Schilderung kann
f%Ueh keine Bede sein. Dasu reicht weder der sur Yerfflgung stehende
Basm, noch scheint es an der Zeit so sein, mit der objektiven Bähe des
Hiiterikers alle Einselheiten danulegen.
Die Erkenntnis, daß Beformen in der Organisation, im Lebrplan
ond in der Methode unserer Mittelichnlen notwendig seien, ist nicht so
JBBgen Datums, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Den Lesern
dieser Zeitsehrift braucht dies kaum erst in Erinnerung gebracht su
weiden. Ist doch auch hier eine Ffllle von Aufsitsen und Besprechungen
enchienen, die einselne Fragen erörterten, und in den Verhandlungen
der Kittelschollehrerrereine, der deutsch-esterreichischen Mittelschultage,
des BeichsTerbandes der Mittelschullehrervereine, der Direktoren -Eon-
ferenten standen gerade sie im Mittelpunkte des Interesses. Und die
•cUer unabsehbar werdende Literatur Aber Fragen der Schulreform hat
ksom ein Detail des großen Komplexes unbesprochen gelassen. Dasu
kemmt» daß Bewegungen auf diesem Gebiete im Auslande, vor allem in
Deutschland, deesen höheres Schulwesen in den lotsten swei Deiennien
im Zeichen der Beform stand, nicht ohne Bßcksohlag auf unsere Verh<-
Bisse bleiben konnten.
250 Die Mittelfchnlenquete dei UnterriehtsmioisteriaiDs.
Aber aocb der Gedanke einer Enquete, d. h. des Yemchei, doreh
eine zusammenfaesende Beratung and Verhandlang aller in Betracht
kommenden Fragen deren Losung herbeiiufflhren, drängte sich schon
lange auf. Allein die Losung: quieta non movere^ die an sich berechtigt
auf die Dauer als ein sn starres Prinitp sich erwies, beherrschte aUiosehr
unser Mittelschnlwesen in den leisten zwanzig Jahren und gestattete nor
Änderungen im einzelnen, die die immer stärker werdende Bewegung, die
grOndliche Beformen Terlangte, nicht aufhalten konnten.
Demjenigen, der den Werde- und Entwicklungsgang unseres Mittel-
scbul-, Tor allem unseres Gymnasialwesens zu fiberblicken Termag, drängt
sich zunächst die Erwägung auf, dal^ es seit seiner Neuordnung im
Jahre 1849 eigentlich nicht recht zur Rohe kommen kann. Unter großen
Schwierigkeiten, yon denen man nor aus dem Studium der Akten eine
Vorstellung gewinnt und die ein Aufgebot yon adoiinistratiTer Arbeit
▼erlangte, deren Erledigong in erstaunlich kurzer Zeit nur durch die
Begeisterung und die beispiellose Hingebung der am Werke befindlichen
Männer möglich war, geschaffen, hatte die Neuorganisation bereits im
ersten Dezennium grofte Kämpfe zu bestehen und es ist nicht ohne
Interesse, daß dieselben Angriffe , die jetzt gegen sie» als yeraltet nnd
für unsere Zeit ungeeignet, unternommen werden, bereits in jener Frfih-
zeit begegnen. Mit der kais. Sanktion im Jahre 1854 war eine BeTision
ffir 1858 in Aussicht genommen, doch gelang es — es ist das mit ein
Verdienst des Ministers Leo Thun — sie auf einige unwesentliche Ände-
rungen im Lehrplan, die bereits 1855 eingetreten waren, zu beschränken.
Aber nur wenige Jahre darauf, während des ersten, erweiterten Beicfas-
rates, 1861, beginnt der Sturmlauf auf die neue Organisation, diesmal tod
nationaler Seite, durch den bekannten Antrag Cuprs. Wie im Jahre
1858 war es wieder Hermann Bonitz, der in den Blättern dieser Zeit-
schrift in Artikelo, die heute noch lesenswert sind, den Kampf ffir sein
und Franz Ezners Werk mit Frische und Lebendigkeit, aber auch mit
glücklichem Erfolge führte. Gleichwohl wurde durch die gesteigerte
nationale Bewegung die Einheitlichkeit der Bildung immer mehr er-
schüttert. Aber auch die Bestrebungen, die Ändernngen in der Organi-
sation und im Lehrplan bezweckten, zogen weitere Kreise und bereits
1870, also schon 20 Jahre nach der Schaffung des Organisationsentwnrfeit
fand eine Gymnasialenquete statt Zum Zwecke der „Besprechung
mehrerer meritorischer — auf eine Erweiterung des Gymnasiallehrkreises
bezüglicher — Fragen** sowie um der „endlichen gesetzlichen Formulierung
der fOr das Gymnasialwesen maßgebenden, teils im Organisationsentwarfe
für die Österreichischen Gymnasien und den beigegebenen Instroktionea,
teils in späteren Verordnungen enthaltenen Normen Vorschub zu leisten",
berief nämlich Minister Dr. ▼. Stremayr für Ende September 1870 eine
Gymnasialenquete -Kommission, bestehend aus Vertrauensmännern der
Landesschulräte und einer Anzahl Tom Ministerium selbst delegierter
Fachmänner. Die Enqoete beriet eingehend über eine Anzahl Fragen Ton
grundlegender Bedeutung. Es waren dieselben Fragen, die immer wieder
erörtert werden und die zum Teil auch die jetzige Enquete beschäftigten:
Die Mitialaehnlenquete des UDierriehtsminiaterioms. 251
die EiDfBhmDg des FreihandseichDens , der iDodemen Enltnrapracheii in
den Lehrplan des QTmnaaiams, AnordniiDg der naturwissenschaftlichen
Lehntoife in den Unter-, Einffihrnng des Unterrichts in der allgemeinen
Naturkunde is die Oberklassen nnd seine Yerbindnng mit der Mataritftts-
prtfottg» Einriehtnng der MaturititsprUfang selbst, Religionsanterricht in
den oberen Klassen, Verbiltnis der Unter- nnd Oberklassen nach der
Dsrchf&hrang der angedeuteten Beform. Nach der Tendenz des Ministeriams
nllten diese Fragen eine Aasbildang des Gjmnasiallehrplanes im Sinne
des Niherrfiekens an die Bealsehnle anbahnen. Die Enqaete sprach sich
jedoch einstimmig sn Gonsten des bestehenden Systems ans nnd bean-
tragte nur einige unwesentliche Modifikationen sur Herstellung der Fort-
eotvicklnng der Grnndsitse des Organisationsentwurfes. Auch das in
Aussiebt genommene Gesets, für das ein die Ergebnisse der Kommission
Terwertender Entwurf ausgearbeitet worden war, kam nicht anstände.
Es sei hier nicht untersucht, ob nicht die eine oder die andere
Forderung den Intentionen des Unterrichtsministeriums entsprechend hätte
erfUlt werden können und sollen. Es sei festgestellt, daß der konserTative
Zng, der die Enquete Ton 1870 beherrschte, auch in der Folgeieit auf-
recht blieb, so daß die Organisation des Gymnasiums unTcrindert
erhalten und nur im einielnen Tieles gebessert wurde. Die Organisation
des Mittel schul Wesens jedoch erfuhr in sweifacher Hinsicht eine
Erweiterung, einmal durch das im J. 1864 geschaffene Bealgymnasium,
tis gemeinsame Unterstufe fflr Gymnasium und Bealschule, das im Sinne
des Tom Ministerium angestrebten Näherrfickens der beiden Schulgattungen
in den 70er Jahren immer mehr yerbreitet, allerdings später wieder yiel-
fseh aufgehoben wurde. Es konnte sich auf die Dauer eben nicht halten ;
Dan empfand es als Halbheit und auch die Vorteile, die es bieten sollte,
die Entscheidung für die Berufswahl hinauszuschieben, konnten nicht ins
Gewicht fallen, da ja doch in der III. Klasse die Scheidung eintreten
noDto. Seine Entstehung yerdankt das Bealgymnasium den Einheitsschul-
bestrebungen, die zunächst das Ziel yerfolgten, den Bealschulen in den
unteren Klassen den Lateinunterricht einzufügen (man sieht, Bestrebungen,
die fielen als ganz neu erscheinen, während sie bereits ein ehrwürdiges
Alter haben). Da das nicht erreicht werden konnte, wählte man den
Assweg, das Untergymnasium durch Einfflhrung des Freihandzeichnens
ud des Französischen als stelhertretendes Fach ffir das Griechische zum
geneinsamen Unterbau fttr Gymnasial- und Bealschulbildung auszugestalten.
Eine andere, bedeutsamere Fortentwicklung der Organisation der Mittel-
schulen stellte die allmähliche Ausgestaltung der Bealschulen dar, die
Hit 1868 siebenjährig sind. Allein der an sich berechtigte und aus vielen
Gründen begreifliehe Unterschied, daß die Gesetzgebung Aber die Beal-
Khulen nach dem Grundgesetz Aber die Beicbsvertretung vom 21. Dezember
1867 den Landtagen Torbehalten blieb, während jene Ober die Gymnasien
dem Beiehsrat zusteht, schuf doch in der Folge eine Schwierigkeit, die
sich heute mehr denn je f&hlbar macht. Denn von Haus aus als Vor-
bereitungsanstalt für mehr praktische Berofe, dann der technischen Hoch-
Khole gedacht und organisiert, ist die Bealschule durch stärkere Berfick-
252 Die HittdgobQle&qaete des Unterrichtimimeteiiami.
•lehtignDg der modern-hamaDiitischeD BildangselemeDte gleichfalls eine
Schale allgemeiner Bildung geworden, wodurch allm&hlieh immer mehr
Aspirationen fflr die prinsipielle Zulassung der ReaUchulabsoW enten sum
UniTeriitätastndium geweckt wurden — Aspirationen, die, solange die
Ungleichheit der Studiendauer besteht, nicht erftUlt werden können« Fflr
die Ausgleichung der Studiendauer d. h. fflr die auch aus inneren Gründen»
da die siebenklassige Bealichule alliusehr mit Wissensstoff belastet ist,
notwendige und Ton vielen Bealscbulm&nnem längst erstrebte Ausdehnmig
auf acht Jahrgänge bildet die Abhängigkeit der Bealschulgesetsgebung
von den Landtagen wenn nicht ein Hindernis, so doch eine erhebiiebe
Schwierigkeit.
Diese beiden Momente, die Ungleichheit der Studiendauer der beiden
Schulgattungen, und das Fehlen der in Deutschland vorhandenen dritten
Schulgattung, des Bealgymnasiums als Vollanstalt, Momente, die von
deutschen Schulmännern als Vorsflge der österreichischen Oganisation
beieichnet wurden, sind nachgerade, es läftt sieh das nicht leugnen,
doch die Ursachen mancher Unsnfriedenheit und der Hemmschuh weiterer
Entwicklung geworden. Und als drittes, die beiden anderen an einschnei-
dender Bedeutung weit Qbertreffendes trathinsu die Berechtigungsfrage,
und swar in doppelter Hinsicht : in Besug auf das Recht des einjährigen
Präsensdienstes und in Hinsicht auf die Erlangung auch niederer Beamten-
stellen, sowohl im Staatsdienst als in dem Dienste kommunaler und anderer
autonomer Behörden, ja auch privater Institute. Auf die Sache braucht
hier nicht näher eingegangen su werden, aber es ist klar, daß dadurch
die Mittelichulen im allgemeinen und mit Bficksicht darauf, daß unmittel-
bar das Becht zum Besuche der Universität die Gymnasien allein erteilen,
diese im besonderen überflutet und die Zahl der Mittelschulen, lumal
der Gymnasien, eine ungesunde Vermehrung erfuhr, die ihrerseits in swei-
facher Hinsicht die Quelle großer Übelstände wurde. Den Mittelschulen
und namentlich den Gymnasien wurde ein Schfllermateriai sugefflhrt, das
sum nicht geringen Teil fflr die ihm hier gebotenen Bildungsmittel und
die ihm hier auferlegte Arbeit die nötige Eignung und Neigung vermissen
ließ; der Widerwille und das Unvermögen der Scbfller erseugte oder ver-
stärkte die nicht selten aus eigener Erfahrung bereits vorhandene Ab-
neigung des Elternhauses. Schon dieser Umstand mußte die Wirkung des
Mittelschulunterrichtes und insbesondere des Gymnasialunterrichtes unheil-
voll beeinflussen. Dasu kam aber noch, was viel bedeutender ist, daß fftr
die Fülle der Lehranstalten nicht immer ein entsprechend ausgebildetes
Lehrermaterial sur Verfügung stand. Es liegt nun in der menschliehen
Natur begründet, daß gemeinhin die Obelstände als solche erkannt und
bekämpft werden, ohne daß den Ursachen nachgegangen wird, und daß
die Heilung dadurch versucht wird, daß die Einrichtungen selbst als Übel
beseichnet werden, die beseitigt werden müssen. Die Übelstände selbst
erkannte nun die Unterricbtsverwaltung such, allerdings war sie sich
über die wirkenden Ursachen nie im unklaren, allein es muß doch fest-
gestellt werden, daß sie es an energischen und erfolgreichen Versuchen,
diese Ursachen su beseitigen, fehlen ließ.
Die MitieliehQleDqnete des ünterriefatsmiiiiateriams. 25$
Die bestehende Bewegang gegen die Mitteltchnle, inibesonders
gegen du hamanistiiche Gjmnafliam, TeranlalSte den gegenirftrtigen
(Joteiriebtsminiiter Dr. Marchet die Frage der Mittelschnlreform amt-
lich aofinrollen and zunächst eine weite Kreise der Bevölkerung om-
ipannende Enqnete einsobemfen. Die Schwierigkeit des Unternehmens
eiDsr großen, nicht lediglich aaf die Fachm&nner beschränkten Enquete,
dis Feststellnng der sor Verhandlang gelangenden Fragen, die Aaswahl
der n berofenden Persönlichkeiten, die ja sa den schwierigsten Problemen
geborte, denn es maßten die Terschiedensten Bicbtnngen, ja, in Österreich
ist dies selbstTerstindlicb, aber auch besonders heikel^ die Terschiedenen
Nstionalit&teo berfieksichtigt, es maßte jedoch aach darauf Bedacht ge-
nommen werden, daß der Zweck der Enqnete, eine ernste and gehaltvolle
Aosiprache Aber die Frage der Schalreform sa eriielen, erreicht werde —
ksn die Schwierigkeit des großen Werkes macht es erklärlich , daß der
Termin der Enqnete mehrfach verschoben werden maßte. Ende des vorigen
Jahres waren die Yorbereitangen so weit gediehen, die Referate and
Korreferate verteilt and zam Teil erstattet and in Druck gelegt, so daß^
die Abhaltong der Enqnete für den Monat Jänner d. J. als gesichert
gsit: es wurde dann der 21. für den Beginn bestimmt aod die Dauer
TOD 4 — 5 Tagen in Aussicht genommen.
Auf Grond eingehender Beratungen im Schöße des Ministeriums
leihst und nach Entscheidang des Ministers Dr. Marchet wurden folgende
Fngepvnkte den Referenten vorgelegt, deren in Druck gelegte Referate
dsBB die Gnmdlage der mfindlichen Enquete bildeten :
I.
Thema 1; Inwiefern sind unsere Mittelschulen (Gymnasien nnd
Bealschulen) einer YerbeBserung bedflrftig? (Allgemeine Erörterung).
Beferent: Dr. E. Martinak, Professor der Pädagogik an der Universität
in Gras. Korreferent: Frau Emilie Einer in Wien.
IL
Thema 2: Empfiehlt es sich, daß ein neuer Mittelscbnltypus ge-
•dudFen werde, entweder a) duch Um- und Aasgeetaltang des in Öster-
tsieh beitebefiden Bealgymnasioma sa einer aehtklassigen YoUanstalt»
oder h) dnrch Angliedernng einea Oberrealg jmnasiuma an eine Usterreal-
sebuk? Im Zosanrnienhange damit: Yom Übergänge der BeaMiidahaol-
veatoi in den UniversiMtsstudien. Referenten: Dr. J. Haemer, Hofrat
in Wien; Hofrat Dr. Kasimir v. Morawski, UniversiMtoprolsssor in
Krakao, Mitglied des Herrenhanses. Korreferent: Karl Morawits, Prä-
lident der Anglo-Österreicbischen Bank in Wien.
lU.
Thema 8: Soll die bestehende Zweistnfigkeit im Unteiriehte einiger
DWpHnen fallen gelaesen oder in W&rdignng der pädagogischen Momente
heibshalten, aber in einer von der bishetigen abweichenden Art dnroh-
(sflhit weiden? Referent: Hofrat £m. Canher, Profsaaor an der teeh-
254 Die MittelicholenqQete des Unterricbtsminiateriaini.
niBchen Hochschale in Wien. Korreferent: Dr. A. Hofier, Profesior der
F&dagogik an der Universität in Wien.
IV.
Thema 4: Eracheint die jetzige MatQritfttBprfifnngBordnuDg ond
ihre DorchfAhruDg einer Ändernng bedflrftig? Referent: Dr. Joief Loos,
LandesBcholinepektor in Lim. Korreferent: Prof. Dr. F. Hofmann ?.
W e 11 e n b 0 f , Beichsratsabgeordneter.
V.
Thema 5: Wie könnte dem bedenklichen Zndrange za den Hittel-
schulen gestenert werden? Ist eine seitgem&ße Revision des Berechtigongs-
Wesens wünschenswert? Referent: Sektionschef Dr. Frans v. Jaraschek,
Fr&sident der statistischen Zentralkommission in Wien. Korreferent: Dr.
E. Ehrlich, Professor an der jor. Fakultät der Universität in Csemowiti.
VI.
Thema 6: Vom Übergange von der Volksschnle sor Mittelschole,
von der Mittelschnle znr Hochschule. Im Zusammenbange damit: Ist du
bestehende Prflfungs- und Klassiflkations verfahren sowie die in den
Dissiplinarvorschriften festgelegte Erziebungsprazis einer Änderung be-
dürftig? In welcher Richtung? Referent: Dr. Karl Tumlirs, Landet-
scbnlinspektor in Gras. Korreferent: Hofrat Dr. Vinsens Strouhal, Pro-
fessor an der bobmischen Universität in Prag.
VII.
Thema 7: Ist eine Vermehrung der körperlichen Obungen not-
wendig? Wie konnte für diese ohne wesentliche Beeinträchtigung der
Bzientifischen Ausbildung der Schüler mehr Raum geschaffen werden?
Referent: Dr. Ferd. Hueppe, Professor der Hygiene an der dentseheo
Universität in Prag. Koneferent: Regierungsrat Dr. Viktor Thnmser,
Gjmnasialdirektor in Wien.
Als VIIL Punkt waren auch freie Anträge in Aussicht genommen.
Die über die vorstehenden Fragen erstatteten pReferate und Kor-
referate** wurden „als Mannskript gedruckt** den zur Enqnete Eingeladenen
mit dem Einladungssehreiben übermittelt, um durch deren Studium den
mündlichen Verhandinngen das nötige Substrat zu liefern. Sie füllen ein
stattliches Heft von 147 Druckseiten und enthalten als Anhang die im
Verordnungsblatt des Ministeriums für Kultus und Unterricht alljährlich
erscheinende Statistik der Gymnasien und Realschulen für das Schn^sfar
1907/08.
Ans Rsumrficksichten kann auf den Inhalt dieser im ganzen 15
Elaborate nicht näher eingegangen werden und noch weniger kann es die
Aufgabe dieses Berichtes sein, an ihnen oder an einseinen Ausführungen
hier Kritik zu üben. DalS bei einer so großen Anzahl von Arbeiten, deren
Behandlung dem subjektiven Ermessen überlassen blieb, — zudem war js
aus guten Gründen die volle Selbständigkeit und Unabhängigkeit jeder
Di« Mittelsehalenqaete des Unterrichtsministeriams. 255
Arbeit gewahrt worden ^ eine gewisse üngleichmftßigkeit und Wieder-
bolongen onTermeidiieb waren, liegt ebenso aaf der Hand, wie daß gegen
einieines sich manches einwenden ließe. Allein, soyiel darf hier erfreu-
Ijcherweise festgestellt werden, daß im ganten genommen jene Gründlich-
keit ond Gewissenhaftigkeit, jene Sachkenntnis and Sorgfalt sich bemerkbar
machen, die das große Werk, dem sie dienen sollten, verlangt nnd die
bewihrteA Namen der Urheber erwarten ließen, so daß das Stodinm
dieser in nelfaeher Hinsicht anfschlaßreichen Operate Aber die Gelegen-
heit hinans, die sie ?eranlaßten, von Interesse sein wird. Gans besonders
verdient aber schon hier das ansgeseichnete, tiefgründige und allo In
Betracht kommenden Gesichtspunkte berüeksichtigeude nnd eine über-
reiche Falle von Material bietende Referat des PrAsidenten der statisti-
sebea Zentralkommission, Sektionschef Dr. v. Jnraschek, hervorgehoben
IQ werden.
Ans dem oben angegebenen Gmnde beschränke ich mich auf knrso
Asssfige ans den Beferaten nnd Korreferaten mit besonderer Berfleksich-
tignng der Ergebnisse und Leitsfttie, nnd swar in der Reihenfolge der
VerhaadlnngBgegenstftnde. Zunächst einiges Aber die mündlichen Yer-
hssdlungen der Enquete selbst.
Sie begannen am Dienstag den 21. Jänner vormittags nm 10 Uhr
«ter Vorsiti des Ministers Dr. Mar che t und währten in Vor- nnd
Nschmittagnitinngen von 3—4 stündiger Dauer bis Samstag den 25. Jänner
mittagt. Das rege persönliche Interesse, das der Unterrichtsminister ihnen
eatgegenbrachte, kam darin inm Ausdruck, daß er den Vorsiti meist
selbst führte nnd nur, wenn dringende Amtsgeschäfte ihn abriefen, die
Lcitaag an seinen Stellvertreter, Sektionschef Bitter v. Eanöra, abgab.
Aber auch die Beteiligung an der Enquete war fortwährend überaus tege^
10 daß anch diese Äußerlichkeiten ein Zeichen des ernsten Eifers waren,
mit dem das große Werk unternommen und durchgeführt wurde.
Von den eingeladenen Teilnehmern waren erschienen: Präsident
des Obersten Bechnungshofes, Ministerpräsident a. D. und gewesener
Munster für Kultus und Unterrieht Dr. Freiherr v. Gautsch, die Mit-
glieder de« Herrenhauses: Fabrikant Brass, Freiherr v. Csedik, Abt
Hslmer, Hofrat Universitäts-Professor Dr. Bitter v. Morawski (Philo-
logie) und Graf Stürgkh, die Beichsratsabgeordneten : Hofrat Universi-
tIts-Profesaor Dr. Bachmann (Geschichte), Geheimrat Universitäts-Pro-
feisor Dr. BobriytlskiCStaaUrecht), Bealschul-Professor Erb (Katurwiss.),
Betlscfaul-ProfeeBor Dr. Hofmann-Wellenhof (Deutsch), Dr. v. Ober-
leutbner, Landeeanssohuß Dt, Pattai, Pernerstorf er, Bealschul*
Direktor Dr. Petelens und Gymnasial* Professor Dr. Stein wender
(Philologie), femer Universitäts- Professor Dr. v. Arnim (Philologie),
Oberbaorat nnd Stadtbandirektor Dr. Berger, Bealschul-Direktor Bil^,
Holtat Professor der technischen Hochschule Wien Ciuber (Mathematik),
Bsgierungsrat Gjmnasial-Professor Def ant (mod. Philologie), Universitäts-
Professor Drtina-Prag (Philosophie und Pädagogik), Universitäts-Pro-
fester Dr. Ehrlich- Ctemowitz (Bechts Wissenschaft), Kustos der Wiener
Universiats- Bibliothek Dr. Frankfurter, Landesschulinspektor Ger-
256 Die Mittelscbalenqaete des ünterricfatraiinisteriiiini.
maoi Yiseprfttident der Wiener Äntekammer Dr. Gruß, Fna Marianiie
Uainisch, die UniTersitftts-Professoren Dr. Hau 1er (Philologie) und Dr.
Höfler (Pftdagogik)i die PrfUidentin des Wiener Frauen-Erwerbfereine
Priika Freiin y. Hohenbrnck, Bargenchnllebrer Hohensinner, Uni-
yenit&te-Profeeior Dr. Haeppe- Prag (Hygiene), Begiernngnat Jefabek,
Prfteident der statiitiscben Zentralkommiuion Sektionecbef Dr. Bitter y.
Jnratcfaek, Land eeecbolintpektor K a • t n e r, Oymnasial-ProfeBsor E n S a r-
Zara, Landeggchnliotpektor Dr. Loos, Hofrat Professor an der deateehen
techniecben Hochschole in Prag i. B. Lorber, Uniyersit&te- Professor Dr.
Martin ak- Graz (Pftdagogik), Generalrat der Anglo-Osterr. Bank Mora-
witz, Eommenialrat Gnst«? y. Pa ober als Delegierter des Bandes Oateir.
Indnstrieller , Sektionscbef Dr. Freiherr y. P i d o 1 1 , Gymnasial - Professor
Beichelt-Teplitz (Philologie), als Obmann des Beichsyerbandes der HitUl-
schnWereioe, Eommenialrat Biedl yon der Wiener Handels- ond Gewerbe-
kammer, Landesscbnlinspektor Dr. Scheindler, Prftsident der knltnr-
politiBchen Gesellschaft Dr. Sehen, Hofrat Professor Dr. Schipper
(Anglistik), Begiemogsrat Professor Dr. Schwiedland (Nationalökono-
mie), Direktor Stary, Hofrat Professor Stronhal (Physik), Gymnasial-
Direkter Begiernngsrat Dr. Thamser (Philologie), die Landessehnl-
inspektoren Dr. Tnmliri und Dr. W allen tin, UniTorsitäts-Professor Dr.
Wähle- Ciemowits (Philosophie ond Pftdagogik), Gymnasial - Direktor
Begiernngsrat Dr. Waniek (Deutsch und Geschichte), Uniyersitftts-Pro-
fessor Dr. Wegscheider (Chemie) nnd Hofrat Ziwsa, Direktor des
Gymnasinms nnd Leiter der Theresianischen Akademie (Philologie). Als
Vertreter der Ministerien waren anwesend: Generalmajor Meizner, die
Majore Bardorf nnd Bipper, Hauptmann Mitlacher Yom Beid&s-
Kriegsministerinm, Sektionschef y. Thallocxy des gemeinsamen Finaat-
ministeriums, Ministerialrat Dr. Munk und Sektionsrat Schiller vom
Finanzministeriums, Dr. Bichter fem Handelsministerium, Miniateiisl-
sekret&r Dr. y. Younga Yom Eisenbahnministerium, Oberst Piskadek
und Hauptmann Moser yom Ministerium Ar Landesyerteidignng. Das
Unterrichtsministerium war vertreten durch die Sektionsehefs Bitter t.
Eanöra, Dr. Cwikliüski, Dr. Graf Wiekenburg, Dr. Bitter y.
Hussarek, y. Fesch, die Ministerialrftte Dr. y. Eelle, Dr. y. Hamps,
Heidlmayr, Erappel, Sektionsrat Dr. Pollak, Hofrat Dr. Hnemer
als Beferent^ Landessdiulinspektor Begierungsrat Pr imoiid, Begiemngsnt
Setunsky, Begierungsrat Schilling, Professor Opussi]&ski.
AuDer dem Beferenten Hofrat Dr. Huemer beteiligten sieh nur
je ein Vertreter des Eriegs- und Landesyerteidigungsministeriums aktiy
an den Verhandlungen. Minister Dr. Goß mann, Uniyersitita-Profeasor
Dr. Twardowski-Lemberg, Frau Emilie Ezner, Direktor Charkie-
wics, Direktor Sayieki, die Beichsratsabgeordneten Professor Dr.
Sommer und Hofrat äuklje waren durch Unwohlsein oder durch aadere
Abhaltungen am Erseheinen yerhindert, zeitweilig durch UnwofalseiB fem-
gehalten Hofrat Pntfessor Dr. Einer, Sektionschef Dr. Zschokke und
Profesor Dr. Martinak.
Die HiitateefaQleoqQete des Unterriehtsminitteriams. 257
Wie man sieht, waren Qoter den akÜTen Teilnehmern an der
Enquete 6 hohe Staatsbeamte, darunter 1 ehemaliger Unterrichtsminister,
5 Mitglieder des Herrenhauses, 11 Beichsratsabgeordnete, 14 Vertreter
der Hoehschnlen, 1 Arst, 4 Vertreter fcommeriieller nnd teebnischer Berufe,
der Ftlddent der kaltnrpolitischen Gesellsehaft, 1 Bibliothekakostos,
S Fhuien, 7 Landessehnlinspektoren, 10 Vertreter der Mittelsehnlen and
1 der Bfiigersehnle. Durch ihre Stellang kOnnen 11 als Vertreter der
hsnaBisttschen Stadien beieichnet werden.
Die Verfaaadlnngen worden yon Kammerstenographen des reichs-
ridiehen Bnreans aofgenommen; es war jedooh dorch das Prftsidiom des
ÜBterriebtnninisteriiims dafBr Sorge getragen worden, daß den Zeitnngen
•chott während der Enquete karte Berichte, die ein getreues Bild der
TeihaiidlnDgeii boten, flbermittelt worden. Ei wurde dies dorch den
Miaiiter selbst in der ersten Sitsong mitgeteilt. So anerkennenswert der
Eifer ond die Gewissenhaftigkeit sind, die die Herren des Präsidiums
ud des Mittelscholdepartements in dieser Hinsicht an den Tag legten,
bitte der umstand, daß nicht einer mit dem Zeitongsdienst Tcrtrauten
Korrespondeni — etwa der Beichsratskorrespondeni ^ diese Aufgabe
fibertrtgen war, zur Folge, daß den Zeitungen tendeniiOse und unrichtige
Berichte zugingen. Einerseits das unleugbar grofte Interesse, das die
Zeitoogen der Mittelscholenqoete entgegenbrachten, anderseits die nun
«amal im modernen Zeitungsbetrieb bestehende Gepflogenheit, so rasch
als möglich in berichten, brachten es mit sich, daß die Zeitungen, da sie
lofort Aber den Gang der Verhandlungen keine authentischen Nachrichten
erhslten konnten, sich sie unterhand zu rerschsffen suchten und so konnte
der joomalistische Dienst, der mit einer unleugbaren Tendens hinter den
Esliesen eiagerichtet wurde, — es kann nicht anders gesagt werden —
NiB Unwesen treiben. Dadurch kamen, worflber auch in der Enquete
leHMt Klage geführt wurde, zunächst in die Wiener Blätter und durch
ne sQcfa in die Pro? inzzeitungen und in die auswärtige Presse der Wahr-
luit widersprechende Nachrichten Aber die Enquete und insbesondere
tber die Hitglieder, die nicht ins radikal reformatorische Hörn stießen.
So iatereesant und bezeichnend fQr gewisse UnterstrOmungen es wäre,
dieee Dinge eingehender zu kennzeichnen, muß ich mich doch begütigen,
aof sie nach dem Grundsati sapienti sat hinzuweisen. Aber ganz flber-
fiagsn konnten sie nicht werden. Deshalb soll es Aufgabe dieses Berichtes
nOt ein möglichst getreues Bild Tom Gang der Verhandlungen zu ent-
werfen.
BrOffoet wurde die Enquete durch die folgende groß angelegte
pwgraMBiatische
Bede 8r. Ezsellenz des Herrn Ministers Dr. Marchet:
•Hochgeehrte Versammlung! Indem ich Sie auf das ergebenste
begitte, spreche ich Ihnen allen meinen wärmsten Dank aus dafür, daß
Sie meiner Einladung zu der heute beginnenden Enquete, welche sich
BdteiaigeB beeonders wichtigen Fragen des Mittelscholwesens beschäftigen
•«Qf bersitwillig gefolgt sind. Ich sehe hierin den Beweis Ihres lebhaften
UbtAOn t i. tattrr. Qjmn, 19C6. Ol. Hell. 17
258 Die MittelMhalenqaete des ÜDteniohUmixiiBteriaiiii.
Iniereiset an den znr Beratung gestellten Fragen, eines Interenet, du
•ieli anch in der Öffentliebkeit mit einer ungewöhnlichen, immer tteigendea
Energie kundgibt Es ist, als ob dorch die bloüe AnkUndignng onserer
Beratwgen der Zentralpnnkt eines Ner?engeflechtes getroffen und dadareh
nnsihlige Wirkungen und Befleze ausgelost worden w&renu Eine FlUle
Yon Sorgen kam sntage, eine Ftlle Ton Krftften machte sich geltend,
eine Fftlle von Vorschl&gen wurde geseitigt und Kämpfe entfesselt Sie
alle streben ein Ziel an: das beabsichtigte Beformwerk möglichst raich
SU einem guten Ende zu bringen. All dies beweist, wie richtig, ja not-
wendig es war, die Möglichkeit su schaffen, daß noch einmal Aber diese
Angelegenheiten ernst, eindringlich und insammenfassend beraten werde,
daß aber dann dem Diskutieren die Tat nachfolge.
Ich fllhle die GrOße des Augenblickes und gewiß Sie alle, hoch-
geehrte Anwesende, fühlen dieselbe mit mir. Soll doch der Abschloß
eines bedeutsamen Beformwerkes heute ernstlich begonnen werden —
eines Forderwerkes, welches die Heranbildung der Jugend bezweckt, tief
in die Familie eingreift und fflr den Staat yon größter Bedeutung iit.
Es drängt mich, in diesem für das Schulwesen Österreichs wich-
tigen Augenblicke meiner Vorgänger, von denen mancher nicht mehr
unter den Lebenden weilt, welche insgesamt wertTolle Vorarbeiten xnr
Erreichung des Zieles, das wir anstreben, geleistet haben, in schuldiger
Dankbarkeit zu gedenken.
Unser Mitt^schulwesen, ich meine die Gymnasien und BealscbolSD,
konnte sich, ruhend auf dem gefestigten Unterbau unseres im In- and
Auslande als Meisterwerk anerkannten «Organisations- Entwurfes*, Aber
ein halbes Jahrhundert einer rahigen Fortentwicklung erfreuen und dsi
noch in einer Zeit, in der in anderen Staaten der Schulstreit schon heftig
entbrannt war. Die im Organisations-Entwurfe niedergelegten Frinsipien
blieben aufrecht und bestehen auch heute Yor jeder grundsätzlichen Prfl-
fung, wenngleich die Lehrpläne den Forderungen der Zeit entsprechend
im einzelnen manche Veränderungen und die Gesamtorganbation Ergän-
zungen erfahren hat
Um nun einige wichtigere uud neuere Bestimmungen besfiglich der
Gjmnasien henrorzuheben und um zu beweisen, daß die UntelTiebtire^
waltung in der uns heute abermals beschäftigenden Frage nicht mäl>ig
war, erinnere ich an die Änderungen im Lebrplane der Gymnasien im
Jahre 1884, an die Verordnungen Ober den Unterricht in den klassischen
Sprachen und Ober Deutsch als Unterrichtasprache, Ober Geographie ond
Geschichte, M/itbematik, Naturgeschichte und Physik an den Unter- und
Obergymnasien, Ober Zeichnen und Turnen ; ich erinnere an die neuestens
vollzogene Abschaffung der Übersetzung aus der Unterrichtssprache ins
Griechische in der siebenten und achten Klasse, an die Vermehrung der
Lehrstunden fflr Physik und Chemie in der siebenten Klasse. Nebenher
ging die Forderung des Unterrichtes in den modernen Sprachen, die Ein-
fdhrung der Landessprache in verschiedenen Formen sowie die Entwiek*
lung dieses Unterrichtes durch neue LebrpIäne und moderne Methoden.
Die MitttlsehBleaqaete des Unterrichtsministerioms. 259
OrOßeren UmwiltnngeD war die Bealsehnle aaigesetit Vom Jahre
1868 an warde in ▼enefaiedeDeD Landtagen eine Bealschalreform fer-
hiadelt» deren Wesen in der Eliminierang des praktiicfaen Lehrstoffes, in
der Anfhahme der modernen Sprachen in den Lefarplan nnd in der Ver-
Dflhmng der Jahrginge Ton seehs anf sieben bestand. 1879 erschien ein
Nonoaliehrplan, der 1898 revidiert wurde und dem 1899 eine nene In-
itniktion ffir den Unterricht an den Bealschnlen gefolgt war. Anch des
Umitandes, daß die Jogend, an welche die Schnle namhafte Anfordernngen
hl geistiger Beziehung stellen maß, anch leiblich gekräftigt werden mfisse,
am den gansen Menschen in stfltsen and in schatten, warde nicht ver-
gesMD. Insbesondere in den 1890er Jahren wurde die Pflege der körper-
lichen Übungen mit Energie gefördert und sind mannigfache hygienische
Mißnabmen getroffen worden. Ich freue mich aufrichtig, denjenigen Mann,
welchem das HauptTcrdienst auf diesem Gebiete gebflhrt, heute in unserer
Hitte begrflßen su kOnnen.
Wie aus diesem Oberblicke tu entnehmen ist, sind die bestehenden
Lehiplftne fQr Mittelschulen weder seitlich noch inhaltlich als yeraltet
n beseichnen. Oleichwohl lassen die inswischen gemachten Erfahrungen
•owie die raschen Fortschritte der Wissenschaft eine neuerliche RcTision,
>od xwar im Sinne einer Erleichterung und Modernisierung, als wfinschens-
wert erscheinen. Eine solche Bevision wird aber mehr als wünschenswert
lowie notwendig dann, wenn die hochgeehrte VerBammloug im Einklänge
mit der ünterrichtsferwaltung sich dahin entscheiden sollte, daß der
Maonigfaltigkeit des Lebens dadurch Bechnung su tragen wftre, daß mehr
Sebnltjpen, als bisher bestehen, zu schaffen wären.
Ich habe bezüglich der Änderung der Lehrplftne bereits mehrfache
Vorkehrungen getroffen. Um nur einige derselben hier su bezeichnen, so
•ollen die Lehrplftne Yon allem entbehrlichen Ballast an Wissensstoff ent-
lutet und das sogenannte Arbeitsprinzip mehr zur Geltung gebracht
werden. Im Unterricht in den klassischen Sprachen am Gymnasium soll
der grammatikalische Unterricht noch mehr eingeschränkt und fOr eine
erweiterte Lektfire, bei deren Auswahl noch mehr Freiheit notwendig
erscheint, Vorsorge getroffen werden; der Lehrplan im Deutechen als
Unterrichtssprache wird mehrfache Verftnderungen erfahren mflssen, ins-
besondere auch in der Hinsicht, daß in den oberen Klassen die Literatur
Dach Ooethe bis gegen Ende des ZIX. Jahrhunderts, mindestens aber
bis 1880 eine entsprechende Würdigung erfahre. Der Unterricht in 6e-
•cUchte ist in dem Sinne zu modernisieren, daß neben der politischen
mehr als bisher die Wirtschafts- und Kulturgeschichte berficksichtigt und
daß auch der Geographie in den oberen Klassen die ihr gebührende
Stellung eingerftnmt werde. Durch eine geänderte Ordnung in d«r Zwei-
itnfigkeit würde es möglich sein, die Vaterlandskonde in der anreiterten
Form der Soziologie in der letzten Klasse als besonderen, deo G^scbtebt»-
soterricht abschließenden Gegenstand einzuführen. In der M&tbematik
ood Geometrie soll die neue Richtung, die, yon Frankreich &ui<^e^EiDgen,
auch schon die deutechen Lftnder erfaßt bat, alle Beachtung iiudea. Uk^
babe Fachleute nach Deutschland und Frankreich sum Stodiiin der ^^^
17»
260 Die Müteltehalenquete des UnterrichtBiniiiisteriiime.
dachten neuen Biebtnng beim unterrichte entsendet nnd in etnielnen
Scholen Versoche mit der nenen Methode bereits nigelaseen.
Die UnterrichtsTenrnltnng wird aneh nicht sftnmen, die Yersnche,
welche mit der faknltntiTen Einfflhrnng der darstellenden Geometrie an
mehreren Qjrmnasien bereits mit günstigem Erfolge gemacht werden« anch
weiterhin entsprechend la fordern.
Dem Unterrichte in der Naturgeschichte, der in methodischer Hin-
sicht bereite allgemein anf biologischer Gmodlage erteilt wird, ist anch
den Lehrstonden nach eine allgemeine Brweitemng logedacht, nnd es
scheint mir wünschenswert, daß in der letiten Klasse ein abschließender
Unterricht in der Form einer allgemeinen Natorknnde wieder eingeführt
werde. Anch bezflglich des Unterrichtes im Zeichnen und der noch übrigen
Disiiplinen liegen mir yerbesserte Lehrplftne yor, nnd gedenke ich den
natnrgeschichtlichen, physikalischen nnd chemischen Schülerübnngen, die
schon in letiter Zeit Tielfach eingeführt worden, alle Forderung snteil
werden in lassen. Wegen allgemein obligater Einfühning des Zeidien-
nnterrichtes an den Gjrmnasien liegen mir gleichfalls die Anträge der
LandesschnlbehOrden Tor.
Ich habe mir hier gestattet, die hochgeehrte Versammlnng über
diese Fragen in aasfflhrlicher Weise sn informieren, am die Biebtnng vi
leigen, in welcher auf diesem Gebiete seitens der Unterrichtsyerwaltnog
▼orgegangen werden soll, knüpfe aber die Bemerkung daran, daß eine
ins einselne gehende Debatte oder Beschloßfassnng über die Lehrplftne
außerhalb der Grenzen liegen würde, welche der Enquete nach meiner
Auffassung gesogen sind, und zwar deshalb, weil eine wirklich wertyolle
und forderliche Beratung gerade hier in Tiele Details sich einlassen
müßte und darum weit mehr Zeit und Kraft erfordern würde, als einer
aus zahlreichen Persönlichkeiten bestehenden Versanunlung zur Verfügung
steht. Überdies werde ich yor endgültiger Feststellung der Umgestaltung
der Lehrplftne Fachmftnner und fachliche Korporationen um ihren Bat
und ihre Beihilfe angehen, so daß die Interessenten jedenfalls noch Ge-
legenheit haben werden, der UnterrichtsTcrwaltung in dieser wichtigen
Frage beizustehen.
Hochgeehrte Anwesende! Es scheint mir, daß neben den hier be-
rührten Angelegenheiten ein Punkt, nftmlieh die Gesamtoiganisation
unserer Mittelschule, nicht nur nicht übersehen werden dürfe, londem
daß derselbe der weitaus wichtigste, im Mittelpunkte des Denkens nnd
Empfindens aller mittelbar und unmittelbar Beteiligten stehende Punkt
ist. Unterstützend fflr diese Ansicht ist der Umstand, daß eine Anzahl
Ton wichtigen Fragen zu einer LOsnng drftngt: der Übertritt der Beal-
schulabsolyenten zum UniTersitfttsstndium, die immer notwendiger werdende
Berision des Berechtigungswesens wegen der yon manchem Geeichtspunkte
ans zu beklagenden Oberfüllung unserer Mittelsehnlen. Wir yeneiehnen
jetzt an Gymnasien 89.861 Schüler und Schülerinnen nnd 45.565 Beal-
Schüler, zusammen (zu Anfang des Schuljahres 1907/8) 184.946 Mittel-
schüler. Hiemit in Verbindung steht eine OberfÜllnng unserer Hochschulen.
Die Mitteltcbiileiiqaete des ünterrichtsmiDiiteriami. 261
Wenn man diesen ond anderen derartigen Fragen aof den Gmnd
a«ht und wenn man in die Öffentlichkeit gedrungene ÄnOerongen genauer
prflft, so seigt sieh, daß bei fielen bewnßt, bei manchen nnbewaßt die
Ansicht lebt, daft alle diese Klagen doch nichts anderes seien als das
Symptom eines tief liegenden Mangels, and daß Tiele Wünsche nur
daan befriedigt werden kOnnen, wenn an der Wnnel angesetit and die
Organisation des Mittelschalunterrichtes einer ernsten BoTision anter-
sogen wird.
Wenn man hente genau in die Öffentlichkeit horcht» so ist der
Kampf gegen das Oymnasiam allmfthlich in Abnahme nnd scheint ins-
besondere, seit man infolge der Ankflndignng unserer Enqnete annimmt,
dal» an eine Nenorganisiernng der Mittelschole ernstlich geschritten werden
wird, die Diskussion in ein anderes Qeleise gebracht lo sein, n&mlich
dahin, daß den Tielgestaltigen Itebensverhftltnissen dadurch entgegenzu-
kommen wftre, daß das allerdings nmiugestaltende humanistische Gym-
oadum und die in manchen Punkten ebenfalls zu modifilierende Beal-
Kbole aufrecht zu belassen, daß aber daneben ein neuer Typus oder deren
mehrere zu schaffen sind als Abarten des Gymnasiums.
Mit dieser Frage hat sich die UnterrichtsTerwaltung schon seit
ÜDgerer Zeit beschftftigt und gelangte hiedurch bei Aufstellung des
Fragebogens für die Enquete im Herbste Torigen Jahres zu dem diese
Frage betreffenden zweiten Thema. Sie erwartet mit Spannung das Votum
der terehrlieben Enquete- Versammlung und wftre glücklich, wenn die in
der Fragestellung seitens der UnterrichtsTerwaltung angezeigte Richtung
Billigang fände. Ich gestehe offen, daß die ünterricbtsverwaltung nicht
den Mut hat, einzureißen oder niederzureißen, beyor sie nicht die sichere
Überzeugung gewonnen, etwas unbedingt Besseres an die Stelle setzen
ZQ können.
Welches Ergebnis immer die Beratungen der hohen Enquete zutage
fordern werden, jedenfalls wird es möglich sein^ in kürzester Frist eine
Anzahl yon Änderungen auf den hier behandelten Gebieten einzufahren.
Falls ein neuer Mittelschultypus geschaffen werden soll, so muß den
Abiturienten desselben der Weg zur Üniyersitftt durch denselben gebahnt
werden, obwohl in diesem Typus das Griechische keinen Platz mehr fände.
Aof diese Weise würde sonach auch jenen Mittehcbülern, welche Grie-
chisch nicht studiert haben, der Weg zur UDirenität erMoet werden.
Meint man doch mit dem Verlangen, i^das Griecbiscbe ab xuich äffen ^^^
vielfach wenigstens nicht, daß Griechisch überhaupt nicht mehr gelehrt
«erden soll, sondern man meint wohl, daß nicht nlLe, welche emts Boeh-
•clralbildnng anstreben, auch das Studium des Griechiichen iliircbzomaclj«<Fi
baben. Alle Änderungen bleiben aber wirkungaloB, wenn nicht aüeh ^U
Lehrerschaft yoU nnd ganz auf der Höhe ihrer Aufgabe steht. Di« Üntitf
ricktsrerwaltung befaßt sich daher auch icbon jetit mit der Prägt
Wissenschaltlieb nnd pädagogisch Tortieften HeraBbildong der Lehr effchi
Ea sei mir ivm Schlosse gestattet, ein karxes Wr>r^ ^^ ^i^ ^ia
saomenittnng der Enquete zu sprechen. Vor ^Item m^
iicht Ausdruck Torleihen, daß dieselbe mit Politik ia
26S Die Mitteltohnlenqaete das UnierriehtaiiiiiiiitafiiuDa.
iD toD hat loh habe geglaubt, PenOBlichkeiten der Tenehiedensien
polititchen Anffaseong bitten so ddrfen, ihr WiMen und ihre Eifafaraog
diesen die Jugend ond ihre Heranbildong betreffenden Angdegenhettet
ZOT YerfOgong la stellen, ond bin ttbenengt» daß dieser Standpunkt tod
der geehrten Versammlung ▼ollkommen geteilt werden wird. Leider konote
eine groüe Anzahl laehkundiger Personen zur Teilnahme an der Enquete
nioht eingeladen werden, sollte nicht die GrOße der Versammlung eis
Hindernis fflr die Erreichung des angestrebten Zieles werden. Die Öffent-
lichkeit wird gewiß noch Gelegenheit nehmen, sich mit der Schulreform
zu befassen, und insbesondere die Presse wird fielen die Möglichkeit
bieten, ihre Ansichten kundzuton.
Mit Bücksicht auf die Kflrze der zu Gebote stehenden Zeit sowie
die Zahl und Schwierigkeit der yorgelegten Fragen erlaube ich mir an
die hochgeehrte Versammlung die ergeb^ene und dringende Bitte zu richten,
sich bei den Ausführungen möglichst kurz zu fassen, schon deshalb,
damit möglichst fielen der geehrten Anweeenden Gelegenheit geboteo
sei, der Unterrichtsyerwaltung ihre Ansichten darzulegen. Ich bemerke
hiebei, daß die Verhandlungen der Enquete nicht Öffentlich, sondern nr
Belehrung der unterrichtsyerwaltung bestimmt sind, sowie daß eigentlich
bindende Beschlösse nicht gefaßt werden, wenn auch in manchen Fftlleo
zur Konstatierung der Ansicht der geehrten Versammlung eine Abstimmang
Torgenommen werden kann. Es wird daffir gesorgt werden, daß in den
Tagesblättern kurze Mitteilungen Ober den Verlauf der Enquete-BerataDgen
erscheinen.
Nachdem die Gutachten der Herren Referenten und Korreferenten,
denen ich auf das w&rmste fOr ihre überaus wertfoUen Darlegungen danke,
bereits gedruckt in den H&nden der Teilnehmer an der Enquete sich
befinden und angenommen werden darf, daß der Inhalt derselben xor
Kenntnis genommen wurde, so glaube ich es dem Ermessen des Herren
Referenten überlassen zu sollen, ob dieselben die zur Verhandlung kom-
menden Fragen Tor der Debatte über dieselben noch kurz einznleiten
beabsichtigen oder ob sie während oder am Schlüsse der Verhandlang
das Wort ergreifen wollen. Ich erlaube mir ferner die Mitteilung zu
machen, daß, falls ich an der Führung des Vorsitzes in der Versammlung
gehindert wäre, in meiner Vertretung Herr Sektionschef t. KanSra den
Vorsitz übernehmen wird, und erlaube mir denselben sowie den Herrn
Referenten für Mittelschulen Henn Hofrat Huemer der Versammlong
vorzustellen.
Ich bin zu Ende. Die Wichtigkeit der Fragen, welche uns be-
schäftigen, ist eine überaus hohe. Handelt es sich doch um das wichtigste
Kapital des Staates, die heranwachsende Jugend. Ich habe die feste
Überzeugung, daß die hochgeehrte Versammlung das Unterrichtaministeriom
bei der LOsung der seiner harrenden Aufgaben mit wertfollen Anr^ongen
unterstützen wird und gebe gerne die ernste Versicherung, daß wir Ihrem
Rate den größten Wert beimessen und ihre Anregungen nach besten
Kräften Terwirklichen werden.**
Die MittelsehalenqQete des ÜBterriebtsminUteriQma. 263
Kaeh der mit lebhaftem Beifall anfgenommeiieD Rede des Misialen
wrde sofort in die Yerhandlang eingetreten. Der Minister schlug Tor,
die Fragen I and II gemeinsam in beraten ; wegen des engen Zusammen-
banges wurde Tom Giafea Stfirgkh beantragt, aaeh Frage V eininbesiehen ;
CS wurde somit beschlossen, die drei Fragen (I, II und V) als ersten und
fvneiBsamen Beratmigsgegenstand so behandeln. Als Sprechxeit wnrde
im allgemeinen eine Viertelstonde angesetzt, doch mit Bflcksicbt darauf,
dsft es sich «m drei Fragen handle , die Frist auf eine halbe Stande
entreekt. Aber gleich der ente Redner, Baron Fi doli, sprach Vf^ Standen;
diimt war ein Priiedenxfall geschaffen and auch sonst Tielfach die Zeit
eibebhch flberschritten. Es sei hier der ttberaas entgegenkommenden Art
gtdacbt, mit der rom Vorsitienden mit der gewinnenden Liebenswttrdig-
keit des vornehmen Mannes and der Gewandtheit des erfahrenen Paria-
meotsriers die Verhandlungen geleitet worden; sie gestaltete die Enquete
u äaer befriedigenden freien Aussprache und erhöhte und belebte das
Isteresse der Teilnehmer.
Die Debatte Aber die drei Fragen füllte die ersten drei Sitsungs*
tige gani aus. Sie war, da es sieh hier um die allgemeinsten und grund-
legmsten Fragen handelte, besonders reich an interessanten und packenden
Momenten.
Als Grundlage dienten die Referate und Korreferate. Der Referent
nr Frage I, Prof. Dr. Marti nak, sucht sunftchst die Haupttendenzen
ia den mannigfachen Äußerungen der Üniufriedenheit in systematischer
Darlegung festsustellen, nimmt data kritisch Stellung und leigt dann,
wss seiner Ansicht nach besserungsbedflrftig sei. Er scbl> Änderungen
iB der inneren und ftuOeren Organisation der Mittelschulen und in der
Lshierrorhildung vor. Die Realschule soll durch Aufnahme der philo-
•ophischen Propftdentik und des relativ -obligaten Latein in den Ober-
kiassen auf acht Jahre erweitert und mit der Berechtigung für das
Mediünstudium, xunftchst yersuchsweise, ausgestaltet werden; ob auch
Ar das joristioche Studium, mügen die Fakultäten erwftgen. Schulen nach
im Tetsehener Tjrpus mOgen empfohlen werden. An den Gymnasien sei
in erweitertem Umfange der relatiT-obligate franiOsische oder englische
Usterricht einiuftthren. Die Errichtung yon Landeniebungsheimen sei lu
finden; der Andrang su den Mittelschulen durch Schaffung einer höheren
Bildungssehole für das praktische Leben su bekftmpfen. Für die Lehrer-
forbfldung empfiehlt er insbesondere eine Errichtung nach Art des erwei-
terten Probejahres an einem Gymnasium in jeder ÜniTersitfttsstadt. Die
Leitung dieses Probejahres obliege dem Professor der Pädagogik gemein-
nm mit dem Direktor der Anstalt.
Sehr behenigenswerte Worte findet die Eorreferentin Frau Emilie
Einer, die yerschiedene Mftngel in der Erziehung und im Unterricht
«rtftert Dabei spricht sie sich mit groAer Wftrme für den klassischen
üstemdit ans. Die Mitwirkung der Familie sei bei der Ersiehung su
eniOglieben, weil die Schule allein dieser Aufgabe nicht gewachsen sei.
Hofrat Huemer erörtert in seinem Referat sur Frage 11 die Lage
te jstiigen Gesamtorganisation der Mittelschule, bespricht ihre Mftngel
264 Die Mittelschalenqaete des ÜDterricbtiniiiiiBteriams.
and die Torgeschlagene Neaorgani«ation. Er lehnt die EinheitsBchaie ent-
schieden ab nnd gelangt mit eingehender Begründang za folgenden Vor-
Bchlftgen :
,1. Das bestehende Bealgjmnasiam ist in eine acfatklassige Voll-
anstalt am- nnd anszngestalten and seine Verbreitnng la fordern. —
2. Ks sind versachsweise mit Unterrealschalen Oberrealgymnasien la Ter-
binden nnd als Beform-Bealgymnasien nen einzofflhren. — 8. Die Absol-
venten der beiden beseichneten Schalarten sind rücksichtlich der Inskription
als ordentliche Hörer an einer UniTersitftt, beiw. an den anderen, iholich
organisierten Hocbschnlen den AbsolTonten der bestehenden Qymnasien
gleichsastellen. Die Zalassong der oben beieichneten Absohenten la den
Berafsstadien ist eventoell im besonderen sn regeln. — 4. Die Annahme
der Antrftge 1 bis 8 Toraosgesetst, ist die MinisterialTerordnong Tom
14. Joli 1904 betreffend die Zalassnng der BealschalabsoWenten xa den
UniTonitätsstadien in der Art absaftndern, daß die Matnritftts-Ergftniangs-
prüfang fflr Universitfttsstadien der Bealschnlabsohenten aaf Latein nod
philosophische Propädentik beschränkt wird.*^
Dasa ist sa bemerken, daß die Vorschlftge wohl nicht als offiiielle
der Unterrichtsverwaltang, sondern als Ansichten des Referenten bezeichnet
warden. Allein es konnte kein Zweifel darüber bestehen, nnd die nntefi
folgende Schlaßrede des Ministers bestätigte es, daß hier die Ansicht
der UnterrichtsTerwaltang znm Aasdruck gebracht wnrde, namentlich den
Anstarm auf das Gymnasium durch Schsüffung neuer Typen abzuwehren.
Hofrat Huemer, als gewiegter Kenner der öBtecreichischen und reiehs-
deatschen Schalorganisation, verhehlte nicht, daß ihn nicht Begeistemog
für die zwar für Österreich neuen, in Deutschland jedoch heimischen
Typen eintreten lassen. In der Debatte trat der als Alternative empfohlene
Typus eines Beform-Bealgymnasiums eigentlich zarflck. Ferner sei noch
bemerkt, daß ein Lehrplan des empfohlenen dritten Typns von Hofrat
Haemer vorläufig nicht vorgelegt wurde.
Auch im zweiten Referat des Hofrates Professor Morawski werden
die Errichtung neuer Typen von Realgymnasien, aber aoch die Erweiterang
der Realschulen auf acht Jahrgänge, mit fakultativem Unterricht in den
klassischen Sprachen für die obersten Klassen, and die Gewährung der
vollen Gleichberechtigung für die Absolventen aller drei liittelsebnl-
gattangen empfohlen.
Der Korreferent, Präsident der Anglo-Osterreicbischen Bank Mors-
witz, hebt die Übelstände hervor, die in der jetzigen Organisation liegen:
die Entscheidung über den künftigen Beruf müsse zu früh erfolgen, das
Gymnasium rufe aber durch seine Einrichtung einen Andrang zur Hoch-
schule hervor und entziehe den produktiven, den eigentlichen Kährständen
fast alle intelligenten Elemente. Er erwartet von der Errichtung eines
neuen Mittelscbnltypus mit stärker betontem Realienunterricht ohne 6ri^
chisch und mit der Berechtigung für sämtliche Hochschulen ohne Vor-
prüfungen die Behebnng dieser Mängel.
In dem Referat zur Frage V behandelt Sektionschef Dr. v. Jara-
schek auf Grund einer, wie oben bemerkt, eingehenden Statistik die
Die Mittelscholenquete dee UnterriehtsminiiteriQiDB. 1^65
Sebfllerbew^gang an den Oeterreichiiehen Mitteltehnlen seit 1851/2 nnd
laeht den Einfloß der den Sehülern inerkannten Berechtigungen anf die
Fteqnens sn ermitteln. Tatsftctilieh bestehe ein großer, besonders in der
lauten Zeit rasch anwachsender Andrang sa den Mittelschnlen. Seine
Uiisehe sei sonftehst das fermehrte Bedflrfnis nach höherer Bildung,
teflweite aber anch die nniweckmftßige Organisation des Berechtignngs-
wessDi. Daa Bedürfnis nach höherer Bildung dfirfe nicht eingedftmmt
werden. Wohl aber kOnne ein Bfickgang des Andranges, der anoh auf
die Hochschulen Obergreife, nur doreh Eingreifen der ünterrichtsverwaltung
erreicfat werden. Er faßt seine Ausfflhrnngen nnd Vorschläge in folgende
S&txe sQsammen:
»1. Der tatsftchlieh bestehende, besonders in letster Zeit rasch
anwachsende große Andrang an den Mittelschulen ist nicht bloß auf die
VenDehrong der gleichalterigen jugendlichen Bevölkerung, sondern haupt-
liehlich auf ein Yermehrtes Bedflrfnis nach höherer Bildung und eine
teilweise nnsweekmSAige Organisation des Berechtignngswesens surflck-
nfthren. -« 2. Ein beträchtlicher Bflckgang des bereits auf die Hocb-
•ehslen flbergreifenden Andranges ist ohne Eingreifen der Unterrichts-
Terw&itnng nicht sn erwarten; manche Umstände lassen vielmehr ver-
msteo, daß ein weiteres Anwachsen stattfinden wird. — 8. Ein Zurflck-
dringen des Verlangens nach höherer Bildung kann und darf der Staat
nicht in Aussieht nehmen; er kann daher nur den Andrang su Mittel-
MliQlen entsprechend leiten nnd die kflnstliche Steigerung desselben, die
doreh ein unzweckmäßiges Berechtigungswesen herTorgerufen wird, ver-
biadern. — 4. Da der Andrang bei den Gymnasien beträchtlich stärker
uftritt als bei den Bealsehnlen, wo er auch einen mehr schwankenden
Charakter besitit, sind Haßregeln tu ergreifen, wodurch der Andrang
tsm Teil von den Gymnasien su den Bealsehnlen hinflbergeleitet werden
kann. — 5. Von diesem Gesichtspunkt aus nnd in Berflcksichtigung des
VerlsBgeDS weiterer Kreise, der Jugend eine bessere Allgemeinbildung
n gewähren, wäre der Lehrplan der Unterrealschale einer Bevision im
Siiae der Annäherung an jenen des Untergymnasinms (unter Weglassnng
des Unterriehtei in den klassischen Sprachen) zu nnteniehen. — 6. Der
Hiberige Charakter der Mittelschule ist ihr auch fernerhin zu bewahren,
iubosondere dem Gjrmnasium, das in noch höherem Maße als bisher
dtto bestimmt sein soll, die Vorbildung fflr die akademischen Berufe zu
Toraiitteln. — 7. Beim Obertritt auf die Oberstufe der Mittelschule hat
eine strenge Auslese stattzufinden, so daß nur solche Schfller dahin ge-
langen, welche voraussichtlich das Lehrziel der Oberstufe erreichen können.
Zu diesem Zweck empfiehlt sich die Einfflhmng eines besonderen Beife«
leugnisses. — 8. Es ist neben dem Gymnasium und der Realschule ein
seaer Tfpos der Oberstufe einer Mittelschule, das Lyzeum, einzurichten,
welches in einer allgemeinen Abteilung eine höhere Allgemeinbildung, in
besonderen Faehabteilungen die Fachbildung fflr besondere Berufe nnd
Dienste, insbesondere solche staatlicher Natur zu vermitteln hat. In das
Ljseun, das 8—4 Jahrgänge umfassen soll, ist der Eintritt erst nach
Absolvierung des Untergymnasiums oder der Unterrealschule zulässig. ^
2M Die MittelBchnlenquete des Unterriohtiministeriomi.
9. Dm BeraebtignngsweBeD, und zwar nicht bloß das staaülehe, ist einer
Reform la onteniehen, und zwar in der Art, daft die Eomalierang tod
Bereohtigangen za Gonsten der absolvierten Gymnasial- nnd ReaUehfller
möglichst beseitigt wird nnd der Charakter der Oberstafe dieser Hitkel-
sehnlen nor für akademisehe, das Hoehsebnlstadinm voranssatsende Berufs
die Yorbildang sa yermitteln, nicht beeintrftehtigt wird. «^ 10. Der Über-
tritt in Fachscbalen ist in der Art einsariehten, daß er, wenn sieht früher,
regelmAßig nach AbsolTiernng der Tierten Klasse der Mittelsehnle nnd
nnr ganz ausnahmsweise nach Absolvierang einer höheren Klasse erfolgt.
— 11. Die Berechtignng zom Einjfthrig-Freiwilligendienst ist anBsndehnen
auf die oberste Klasse des neuen Mittelschultypus (Lyzeum) und auf die
Schüler der Gymnasien und Realschulen, welohe die sechste Klasse absei-
viert haben.**
Mit großer Wftrme, das sei noch im besonderen berTorgehoben,
spricht sich Juraschek dafQr aus, „daß, unbeschadet gewisser Eonsessionen
an die Forderung der Gegenwart, der humanistische Charakter
des Gymnasiums erhalten bleibe und die Anschauung ab-
gelehnt werde, es sei der Hauptzweck des Gymnasiums oder
der Realschule, nur Kenntnisse oder gar nur praktisch ver-
wertbare Kenntnisse zu vermitteln. Jedes Einzelwiseen ist ja
doch vergftnglich und das Entscheidende für die Fortbildung des Mensches
ist der Habitus des Geistes, der sieh als bleibende Wirkung einet
rationellen Unterrichtes im Sinne des bestehenden Lehrplanes bermusbildei
Von dieser gemeinsamen Wirkung ist kein einzelner Gegenstand sus-
geschlossen, vielmehr soll der Bildungswert jedes Gegenstandes voll lor
Geltung gebracht werden. Damit erledigt sich allerdings auch die viel
erörterte Frage der formalen Bildung, denn im Vordergrund steht dse
„Denkenlemen*' und erst in zweiter Linie kommt das „Erlernen tob
Kenntnissen'' und das „konkrete Wissen** in Betracht Damit soll selbst-
verstAndlich keineswegs das Recht des Gefühls und der Phantasie sof
entsprechende Entwicklung verkümmert, die Empfänglichkeit für Poesie
und Kunst erdrückt worden.** Soll aber das Gymnasium auf seiner Hohe
erhalten, vielleicht noch gehoben werden, so ergebe sioh um so mehr die
Notwendigkeit, den Zudrang zu den Gymnasien einzudAmmen, denn osr
mit einer feineren Auslese vermOge das Gymnasium das vorgesteckte Ziel
zu erreichen.
Im Korreferat empfiehlt Professor Dr. Ehrlich als Büttel des
Andrang zu den Mittelschulen abzuwehren, eine Umgestaltung der Bürger-
schule in eine Schule, welche zweckmäßig für Handels- und Gewerbe-
schulen vorbereitet und auch sonst geeignet ist, den Jüngling zum Oeot-
leman zu erziehen. Diese Schule soll vier- oder besser fünfklassig sein,
eine moderne Sprache pflegen und eine vertiefte Kenntnis der Literator
nicht bloß des eigenen Volksstammes, sondern auch fremder Volker ver-
mitteln. Die Lehrkräfte müßten den Mittelschullehrern gleieliwertig sein.
Die Gymnasien und Realschulen sollen ausschließlich für die Hochscholen
vorbereiten. Die entsprechende Auslese der Schüler soll nicht bei der
Aufnahme in die erste Klasse, sondern allmählich, hauptsächlich durch
Dm MittaltflMÜfeiiqQ«te des Untoriebtiiiiiiiitteriam«. 267
«oe AQftiAhmiprflfiiiig fflr die Obentnfe ToigeDommen werden. Von den
GjaiiMien and Sealiehnleo soll dev Sehfller etete in die entspreefaende
XlMie der BOrgertchole übertreten können, anOerdem soll der Obertritt
TOB der Onterrealeebnle ins Obergjmnasinm nnd ans dem UnteigyrnnMinm
ii die ObenealtehBle onnOgliebt werden. Die Anstalten, die an die
Bttigenehnle anknflpfen, haben nach Möglichkeit dieselben Berechtignngea
a fsrleihen wie gegenwärtig die Mittelschnlen. Erwähnt sei noeh, daß
ProL Ehrlieh die Einbeittsehnle aasdrfleküeh ablehnt nnd bemerkt,
m sei ihm uibegreiflieb, wamm man anf diese Art der Uniformierong
du Qeistee so groflen Wert lege. Daft die Nsignng, Begabung nnd
Oeistesrichtong der Menschen nicht gleichartig sei, daß sie auch im
Lsbea keineswegs dieselbe Sichtung einschlagen» werde kanm bestritten
werden können; wie man von diesen Erwägungen dain gelangte, ftr die
gtaie Menschheit dieselbe Vorbildung sn Tcrlangen, sei nicht ganx klar.
«FiilBehr konnte man die Frage anfweifen, ob die bestehenden l^en
sieht noch um mehrere vermehrt werden sollten, oder in mindestens ob
sieht die verschiedenen Obergjmnasien und OberreaUehnlen im Lehrplan
geviise Verschiedenheiten aufweisen sollten, die den Bedflrfoisseo gerade
ihres Schflkrmateriales Bechnung tragen wflrden."
Als iweiter Beratongsgegenstand gelangten am vierten Sittungs*
tsge wegen ihrer inneren Zusammengehörigkeit die Themen 111 nnd VI
gemeinsam inr Verhandlung.
Sowohl der Referent als der Korreferent zum III. Thema sprechen
neh fftr die Beibehaltung der Zweistufigkeit ans und empfehlen Modifi-
kationen. Der Beferent Hofrat Gsuber faät sein Mittel in folgenden
SitMn sntammen:
»Die Zweistnfigkeit des Unterrichtes in einselnen Gegenständen
st als eine wertvolle nnd bewährte Einrichtung unserer Mittelschulen
aufrecht sn erhalten; es spricht daffir nicht allein die Rücksicht anf die
Tersehiadenen Zwecke, die die Mittelschule so erfollen hat, sondern auch
Boch vielmehr der Umstand, daß der Entwicklungsgang des Intellekts
(iisss Einzichtang geradezu fordert. — Zu erwägen wäre die Frage, ob
neh nkht in der Anordnung der Gegenstände solche Änderungen vor-
Bshmen ließen, durch die für den Unterricht anf der Oberstufe eine aua-
gisbigeff« sachliche Grundlage gewonnen werden konnte. Zu wOnschen wäre,
4sft ftr eine iweckmäOigere Vorbereitung der Lehrer in den demonstrativen
Fichem anf ihren kOnftigen Beruf Vorsorge getroffen werde.
Der Korreferent Prot Dr. Hof 1er beantragt im einieluen Ande-
mgea in Geechichte, Mathematik, Naturgeschichte und Physik.
Der Referent aber das VI. Thema, Landesschnliospektor Dr. Tum-
Urs, stellt in seinem eingebenden, Ton durchaus modernen Anschauungen
gsksgenen nnd auf eine reiche Erfahrung gegründeten AusfOhrnngen ein«
pääere Auakl von Leitsätien auf. Es seien her?orgehoben:
Fftr die Aufnahmsprafnng: „1. Der Landesschnlrat kann das
Beeht nr Abhaltung von Aufnahmsprflfungen fflr die Mittelschule einseinen
Volksschulen» an denen die Bedingungen dafOr gegeben sind, fallweise
bis anf Widerruf flbertragen. .— 2. Eine solche Prflfnng ist
268 Die MitteUchülenqüete des ünterriehtsmiDisieriams.
anter dem Vortitze eines hieso yom Landetschalrat delegierten Direkten
oder Professors einer Mittelsebnle von dem Klassenlehrer der IV. Klasie
im [Beisein des Oberlehrers (Direktors) in den leisten 14 Tagen des
Schuljahres vorzonehmen. — 3. Die Prüfung ist schriftlich and mündlich
abznhalten. — 4. Die schriftliehe Prüfong besteht: a) ans einem Diktate
in der Mottersprache inr Feststellnng der Fertigkeit im Bechtschrdbeii
nnd eyentnell der lateinischen Schrift, h) ans einer Arbeit im Bechnen.
— 5. Die mündliche Prüfung hat festinstellen a) in der ünterriehti-
sprache: Laat- nnd sinnrichtiges, fließendes Lesen (anch in lateinischer
Schrift); Verständnis des einfachen (erweiterten) Satzes; sicheres Erkennen
der Wortarten, der Formen des Hanpt-, Eigenschafts- nnd Zeitwortes in
snsammenhftngender Bede, h) im Bechnen: Gelftnfigkeit in den ?ier
Grnndrechnnngsoperationen mit ganten Zahlen.^ — Von Prüfnngeo
unterscheidet er Orientiernngsprüfungen, die in jeder Stunde,
Klassifikationsprflfungen, die nach Abschluß einer wohl durch-
gearbeiteten und dnrchgeübten Partie Torznnehmen seien; die Ve^
Setzung sprüfnng endlich sei yor einer Kommission von eogeren
Fachgenossen abzuhalten. — Die Disziplinarordnung solle auf dem
Grundsatz aufgebaut sein, daß der Schüler der Mittelsebnle stufenweise
zur Selbstftndigkeit nnd Selbstverantwortnng zu erziehen sei, demgem&fi
sollen die Vorschriften für die drei in der Mittelschale vertretenen Alters-
stufen yerschieden sein; danach seien auch die Strafen zu ordnen.
Korreferent Hofrat Dr. Streu hal vertritt die Ansicht, daß in der
Volksschule der Stoff anders zu yerteilen sei, um den Übei^ang zur
Mittelschule sogar ohne Aufnahmeprüfung zu ermöglichen. Der Übergang
von der Mittelschule zur Hochschule sei nicht genügend yorbereitet,
weder in disziplinarer Hinsicht noch darin, daß die Schüler zur Beherr-
schung größerer Stoffpartien angeleitet würden. Die Mataritfttsprüfung
wäre nach Erfüllung dieser Bedingung überflüssig nnd durch eine münd-
liche Aufnahmsprüfung in die Oberklassen zu ersetzen, um Unfähige
zurückzuhalten.
Es folgte die Beratung über Thema IV (Maturitätsprüfung), das
einzige, über das am Schluß abgestimmt wurde. Beferent Landesschui-
inspektor Dr. Loqs ist der Meinung, an eine endgiltige Losung der
Frage kOnne solange nicht gedacht werden, als nicht folgende zwei Vor-
aussetzungen gegeben seien: 1. Müßte zuyor der ganze Komplex der
Berechtigungsfragen gelöst sein, 2. müßte eine gründliche Änderung
nnseres ganzen ünterrichtsyerfahrens im Sinne der Konzentration eintreten.
Er legte eingehend die Momente dar, die für die Beibehaltnng der Prfl-
fung sprechen, macht eine Beihe yon Vorschlägen zu ihrer Erleichterung
und stellt die Ergebnisse in folgenden Thesen zusammen:
»1. Die Maturitätsprüfung ist an unseren höheren Schulen sowohl
nach ihrem schriftlichen als nach ihrem mündlichen Teil beizubehalten.
— 2. Die bisherigen Maturitätsprüfnngsordnungen bedürfen jedoch durch-
greifenderer Änderungen. — S. In der schriftlichen Prüfung hat am
Gymnasium die Übersetzung aus der Unterrichtssprache in das Lateinische,
an der Bealschule aus der Unterrichtssprache in das Französische so
Di« MittalsehiileBqMte des ünterriehtimioiateriiuns. 269
«ntfalleo, — 4. Die Arbeitsseit fOr die am Gymnasiom im bisherigen
Ammifie ra liefernde Übereetznng aoe dem Lateinischen in die Unter-
netospraehe ist von swei anf drei Standen in erhöhen. — 5. Den Beal-
MhokbitQrienten ist bei der Obersetsnng ans dem Englischen in die
Osterricbtsspraehe die Benfltsang eines WOrterbnehes sa gestatten. —
6. Bei der mündlichen Prflfong haben die obligaten Dispensen ans 6e*
Nhichte nad Phjsik so entfallen. — 7. Dafür tritt die Möglichkeit der
Diipensen Ton der gansen oder von Teilen der mündlichen Prüfung ein,
aber nnr bei üffentlichen Schulen über den besonderen Beschlni^ der
Pittfongskommission. Ein gesetsliohes Recht anf Befreinng hat kein
Sdiftler; sie kann verweigert werden, auch wenn die für die Befreinng
Botwendigen Bedingungen vorhanden sind. — 8. Befreinng von der ganten
mftndlichen Prüfnng kann eintreten, wenn der Abiturient bei tadellosem
fietragen in keinem Fache, welches Qegenstand der schriftliehen Prüfnng
iik, in den beiden Semestralsongnissen der obersten Klassen ein Prftdikat
Bster «genügend", in allen P&chem aber, welche nnr Gegenstand der
fflindlichen Prüfnng sind, in beiden Semestraliengnissen der obersten
ksia Prüdikat unter „befriedigend" und außerdem in sftmtlichen schrift-
hchsn MatoriUtsprüfongsarbeiten kein Prädikat unter „genügend" er-
kalten hat«
Die weiteren Leitsfttse beliehen sich auf Befreiungen von Teilen
4sr mündlichen Prüfung, Beprobationen und Wiederholungsprüfungen.
Horvorgehoben sei noch i^lO. Kompensation bei der mündlichen Prüfnng
m Sinne einer Ansgleichnng nicht genügender Noten durch mindestens
befriedigende in anderen gleichwertigen Prüfnngsgegenstünden hat nicht
OBsutreten. Zu einer billigen Ausgleichung reicht die Einrichtung der
Wiederholungsprüfung und das ohnehin bisher bei der Beurteilung der
Baife der Eiaminanden in Übung stehende Verfahren der Prüfungskom-
Korreferent Professor Dr. Hofmann v. Wellenhof fai&t seine
Ansicht in den einen Sati lusammen, den er begründet: nDie Haturitftts-
prflfang ist überflüssig, wie so vieles Überflüssige schftdlich und daher
XU beseitigen*. Solange es aber nicht gelingen sollte, machte er den
Verschlag, sie auf den freien Auftats in der Muttersprache su beschr&nken,
jedoch unter der Voraussetsung, daft die Themen wirklich nur dem An-
sehaanngs- und Gedankenkreise des jungen Menschen von 18 Jahren ent-
aoBfflen werden. Dasu konnte sich eine Art KoUoquinm, eine freie Wechsel-
rede über einselne, wichtigere, im Unterricht behandelte Fragen des
Kaltnrlebens gesellen, worin der Prüfling Gelegenheit hfttte lu zeigen,
ds6 er sich ein gewisses Maß allgemeiner Bildung, von Urteils- und ins-
bssonden auch AnadmcksflUügkeit in der Schule angeeignet habe. Darauf
BOehte er sogar ein starkes Gewicht legen; denn msn sollte wirklich
von einem Menschen, der nach vier Jahren Volksschule und acht Jahren
Mittelsehnle an die Universitftt gehe oder einen praktischen Beruf ergreife,
veianssetsen, daft er richtig und sinngemiß sprechen (und lesen !) gelernt
babe, was beides, wie die Erfahrung seige, durchaus nicht immer der
FattseL
270 Die MittelaehnloDqaeta des Untemehtsministeriiuiie.
Die eingebende und sehr lebhafte Dieknisioii Aber dieses Thenui
endigte erst am Yonnittag des leisten Verbandlmigstages mit der an-
stimmigen Beantwortong der Frage, da5 die Prflfong dnrcb wesentliehe
Erleiehtemngen einschneidend geändert werden solle, and mit der bei-
fälligst aufgenommenen Erklftning des Ministers, daß noch fftr die heorige
Prfifang die entsprechenden Yorkebningen getroffen werden wtkrden; eine
Zosage, die in der Zwisehenieit dnrch die im Verordnungsblatt des
Ministeriums für Eultos und Unterricht, Jahrgang 1908, Stttck V, Nr. 18
—21, kundgemachten Verordnungen vom 29. Februar d. J., Z. 10.051—
10.058, erfallt worden ist Es folgte die kurie, aber eindmcksvolle De-
batte ftber Thema VII.
Referent Professor Dr. Hueppe stellt und begrflndet folgende
Anträge: 1. Das wöchentliche, zweistOndige Turnen ist an allen Mittel-
schulen obligatorisch einiufBhren, Torndispensen sind nicht so reichlich
SU gewähren wie gegenwärtig. — 2. An iwei Nachmittag ist obligatei
Schulspiel, jedoch ohne Eingreifen der Lehrer, anzusetaen. — 8. Die
Tumhallett sind gemäß den Forderungen der Hygiene einzurichten, bei
jeder Schule ist ein Platz zur Benutzung durch die Kinder in den Pausea
erforderlich. — 4. Schttlerausflüge, freiwilliges Spiel und Sport sind ti
fördern. — 5. Den Schülern ist mehr Buhe zu gOnnen; ftber die Sonn-
und Feiertage sind ihnen keine Hausaufgaben zu stellen. — Richtige and
ausreichende körperliche Ausbildung kOnne niemals die wissenschaftliehe
Ausbildung beeinträchtigen, weder wesentlich noch unwesentlich, sonders
die körperliche Ausbildung sei für die Mehrzahl der Menschen die Vor-
aussetzung einer richtigen geistigen Ausbildung. Der Schulswang legs
auch im Sinne des bürgerlichen Gesetzbuches der Schule eine Haftpflicht
fOr die körperliche Gesundheit auf. Praktisch werde die grOßte Schwierig-
keit dadurch zu überwinden sein, daß der ungeteilte wissenschaftliche
Vormittagsunterricht eingeführt werde, so daß für die mehr k5rp«iiehe
Tätigkeit, Tomen, Spiel, Sport, Handfertigkeit und Zeichnen die Nach-
mittage zur Verfügung stehen.
Korreferent Begierungsrat Direktor Dr. T hu ms er fast seine haopt-
sächlich auf Grund eigener Erfahrung geschöpften Ausführungen in die
beiden Leitsätze zusammen:
„1. Die bisherigen Vorschriften betreffs der körperlichen Ausbiidosg
der Mittelschuljogend genügen Tollständig; nur muß die Schule in die
Möglichkeit versetzt werden, sie vollkommen durchzuführen. — 2. Jede
weitere Verminderung der für die geistige Arbeit der Jugend festgesetzten
Zeit gefährdet das Ziel der Mittelschule. <<
Punkt VIII: „Freie Anträge betreffend Maßnahmen, die sonst im
Interesse der Mittelschulen für erforderlich erachtet werden**, war nicht
mehr Gegenstand mündlicher Verhandlungen. Die eingebrachten Antrftge
sollen im Protokoll der Verhandlungen, dessen Veröffentlichung auf Antrsg
des Sektionscbefs Dr. v. Ju rasch ek und mit Zustimmung aller Teil-
nehmer beschlossen worden ist, mitgeteilt werden.
Da die Veröffentlichung dieser 45 Druckbogen fassenden Protokolle
nahe bevorsteht, soll das Beferat über die mündlichen Beratungen bis
Die MittelsehiüenqQeta des UntemehttmiBisteriiimi. 271
aaeb dem Sncheinen Tenpart bleiben und in einem späteren Hefte ge-
geben werden.
Die bedeitoame Sehlnßrede dee Herrn Unterricbtsminiatera bot ein
fibenichtliebea Besmntf der Yerbandlongen ; deebalb sei sie hier mitgeteilt
ond im Anachlnfi darui die im Namen der Tmlnehmer erfolgte Dankrede
Sr. Enelleni des Freihenn t. Gant seh.
Sehlaßrede des Unterrichtsministers Dr. Marebet:
«Die Beratungen der Enqaete sind beendet. Wenn ich in meinem
Begrfl&ongsworte die Übenengang aassprach, da5 die Unterriehtster-
waltaag wertToUe Bereichemngen empfangen werde, so sind diese hoch-
gespannten Erwartangen weit ftbertroffen worden. Wir haben eine Debatte,
nach Inhalt and Form in seltenem Maße bedeatend, gehört. Die person-
liehen Opfer, welche allen Teilnehmern aaferlegt waren, traten inrflck
gagenfkber dem ron Stande la Stande sieh steigernden Interesse. Kein
Mißton, kein Mißverst&ndnis stOrte die Verhandlangen, wflrdig der in ihrer
Bedeotong fttr Gesellschaft and Staat nicht hoch genug sn sehfttienden
Asfgabe, die die Enqaete sich gestellt hat. Wenn je jemand daran ge-
iweifelt hAtte, so ist es darch die abgefflhrten Verhandlangen in weit-
tau leachtender Weise erwiesen, daß diese Enqaete eine Notwendig-
keit war.
Em obliegt mir die Pflicht, in kanen Worten la leigen, wie die
CnterriehtsTerwaltang den Standpunkt der Enqaete in einigen besonders
wichtigen Fragen aoflfaßt. Zwei Fragen waren es neben einer Aniabl
TOD anderen für den Schalbetrieb wichtigen Themen, welche das Interesse
der Enqaete im hOchiten Grade gefangen nahmen: die Mataritftts-
prtfong and die Organisation der Mittelschalen. Die Mataritfttsprttfang
wurde von einem Teile als ttberflflssig and daher rerfehlt beieichnet,
TOD anderen wiederom als das Mittel, Rechenschaft Aber die erlangte
geistige Beife zn gewähren, festgehalten. Allen aber war die Über-
levgug innewohnend, daß die jetiige Ordnung dieser Pr&fung nicht
liager bestehen dflrfe. Werde die Prflfang aofreoht erhalten, so mflsse
lie einschneidende Ver&nderungen im Sinne Ton Erleichterungen erfahren.
Weitaofl am tiefsten erregte — ich kann kein anderes Wort
finden — die auch von mir als der Kernpunkt der Enquete beieiehnete
Organisationi-Frage der Mittelschulen. Alle Teilnehmer waren dnrch-
glfibt TOB dem edlen Bemühen, das Beste, was ihr Geist lu ersinnen
rermochte, beiiusteuem, um der Jagend allseitige Entfaltung lu bieten.
Ei war ein edler Wettstreit edler Geister. Die Schwierigkeit der Auf-
gabe, die Möglichkeit, dieeelbe in mehrfacher Weise zu lOsen, brachte
es mit sich, daß eine große Zahl ron Auffassungen und Vorschlägen zo-
tage traten. Darin, daß unsere Mittelschulen Terbesserungsbedflrftig
nad, waren alle einig.
Nor wenige Bedner wQnsohten die sofortige EinfQhrung der Ein-
beitescbole, neben welcher ein anderer Schultypus nicht zu bestehen
bitte. Die BinheitsschQle ist, ich bekenne es offen, ein Ideal. Ob es
caa Unterichiede f on anderen Idealen erreichbar sein wird^ wer kann
272 Die MittelBehQleDqnetfl des UnterriehtimiiuBteriams.
das beute iagen ? Ob es eine Einbeitsscbole wird geben können, welebe
weder an der Scylla der Überbflrdang nocb an der Cbarybdii der
Lflekenbaftigkeit lereebellt, wer mochte es Toranasehen? Aoeb die Ein-
heitsschnle als Unterbau mit mebrfacber Gabelong flUr die bamanistisebe
nnd realistische Richtung wurde empfohlen.
Aus einer Wecbselrede, welebe in die Tiefen des menschlichen
Geistes und in die Seele der Jugend sich rersenkte, ergab sich fBr die
Organisation zunftchst ein Resultat: Die bestehenden Schultypen, du
achtklassige humanietische Gymnasium und die siebenklassige Bealscbnle
als solche sollen bestehen bleiben, der Lehrplan aber für beide allerdings
einer eingreifenden Beform untenogen werden. Die Frage der Acht-
klassigkeit der Bealscbnle worde teils gefordert, teils bek&mpft, aber
gleichseitig allseitig festgestellt, daß die achtklassige Bealscbnle den
Zugang lu allen Hochschulen, also auch lur Unirersit&t, m bieten hätte.
Mit dieser Auffassung ist jedenfalls fflr die nächste Zeit der heftig ge-
führte Streit um das humanistische Gymnasium in der Weise entschieden,
daß dasselbe nicht Terschwinden soll. Ob dieser Streit wieder auflodert,
wird auf die Philologen selbst ankommen. Hat man doch eigentlich
niemals den echten Klassisismas bekämpft, sondern dessen Zufiel und
die Schale, in welcher er oft dargeboten wurde. Wenn man heute in
dieser Versammlung eine namentliche Abstimmung Teranstalten würde
über die kulturelle Bedeutung des Klassiiismus, das Besultat würde sicher
nicht ungünstig ausfallen.
Und die Antwort auf die von der UnterrichtsTerwaltung gestellte
Frage bexüglich der Organisation der Mittelschule?
Es sei mir gestattet, mit swei Worten den Standpunkt der Unter-
ricbtsferwaltong und die Entstehungsgeschichte desselben darsulegen.
Aus den yielen Beratungen, welche ich mit meinen beiden sachkundiges
und treuen Beratern über diese Frage, Sektionschef Bitter Ton Kanto
und Hofrat Dr. Hoemer, im Sommer Torigen Jahres gepflogen habe, ei^
gab sich für uns die Oberieugung, daß die Vielgestaltigkeit des Lebeni
und pädagogische Erwägungen neben den beiden Mittelsehultypen,
welche wir dermalen in Österreich besitsen, einen neuen Typus oder
vielleicht deren mehrere fordern. Sie werden es gewiß nicht Übel deuten,
wenn die UnterrichtsTerwaltung bemüht war, bevor sie den verant-
wortungsvollen Schritt einer Mittelschalreform su tun sich anschickte,
in sich eine Antwort auf diese Kernfrage su finden, und wenn die
Unterriehtsverwaltung glaubt, nicht nur ein Amt lu haben, eondem
auch eine Meinung besitien lu müssen. Welche diese Meinung ist, er-
gibt sich für jeden, welcher den Funkt II des Fragebogens genau ansiebt,
und xwar dabin, daß es der Unterrichtsverwaltung richtig erscheint,
wenigstens einen neuen Mittelschultypos einiuführen. Dieser Typus
hätte kein Griechisch su enthalten, dafür aber eine moderne Sprache,
beiiebungsweise eine Landessprache, das Latein wäre lu pflegen and die
realistischen Wissenschaften wären kräftig sa betonen; er muß den
Abiturienten sämtliche Hochschulen einschließlich der Universität er-
schließen. Es ist für die Unterrichtsverwaltung eine große Freude und
Die Mittelschal enqnete des UnterrichtsiDinisteriiuni. 273
eine große Berohigirngf, daß gleiche oder ftholiche Ideen, insbesondere
seitdem die Schnlreformfrage in die Öffentlichkeit gedrungen, mit immer
iteigender Intensit&t «nftanchten nnd diskutiert worden.
Ich darf konstatieren, daß gegenflber diesem Realgymnasium —
sieht sn Terwechseln mit den aof die Cnterstnfe beschränkten der-
rnaßgen Osterreichischen Bealgymnasien — sich die weitaus ftber-
wiegeode Majorität der Versammlung in der Weise ausgesprochen hat,
diß es erwünscht sei — einige haben gesagt, unerläßlich sei — , daß
ohne Druck nnd ohne Zwang seitens der ünterrichtsverwaltung solche
Schulen ine Leben gerufen werden. Die ÜnterrichtsTerwaltong hat sich,
durchdrangen von der Übeneugung, daß in Schulorganisationen jede
Cberstfinung bedenklich und gefährlich sei, die Entwickeinng der Dinge
nie anders vorgestellt. Nicht durch offixiellen Druck, sondern durch den
ioseren Gehalt muß sich jede neue Organisation erproben und durch-
»etxen. Tnmultuarisch wird sich die Beform schon aus dem Grunde
Dicht gestalten können, weil die ffir die modernen Sprachen erforderlichen
Lehrkräfte dermalen nicht in genflgender Zahl Torhanden nnd. Ent-
scheiden wird auch hier der einzige wirklich kompetente Richter: die
große Gesamtheit
Es erfibrigt mir noch eine, die wichtigste Pflicht: Dank lu sagen
fftr all das Wertvolle nnd Bedeutende, was wir hier gehört nnd gelernt
haben. Ich ffthle mich außerstande, in Worten in danken. Ich kann
meben Dunk nnr auf einem Wege abstatten : mit jenem heiligen Ernste,
welchen die Fragen der Bildung der Jugend erheischen, gebe ich die
Veniehervng» daß die ünterrichtsverwaltung, soweit ihre Kraft über-
haopt reicht, alles das, was sie selbst schon lange plant, geläutert, ver-
bessert nnd geschützt durch die Erf ah rangen aus dieser Enquete, rasch
uid energisch in die Tat umsetzen wird. Lassen Sie mich mit den uns
alleo heiligen Worten schließen: ,,Salu8 juventutis summa lex esto.*^
Anhaltender Beifall nnd Händeklatschen.)
Hierauf ergreift der Präsident des Obersten Rechnungshofes Frei-
herr von GftntBch das Wort zu folgender Ansprache:
.Eure Exzellenz! Es ist fflr mich eine flberans ehrenvolle nnd er-
fresliche Pflicht, wenn ich mir gestatte, namens derjenigen Persönlich-
keiten, welchen die Ehre znteil wurde, zur Mittelsdiul-Enqaete eingeladen
worden zu sein, Eurer Exzellenz den wärmsten und aufrichtigsten Dank
<ier Versammlung fOr diese Veranstaltung zu sagen. (Beifall nnd Hände-
Uatsehen. Die Versammelten erheben sich.) Ebenso wollen wir den
sasgezeMmeten Fonktionären des Hinisteriume f&r Kultus und Unter-
richt, die sieh mn die Veranstaltong dieser Enqnete bemflht haben, unter
ihaea iisbetoadere dem Herra Referenten fOr das Mittefscfaulwesen Hof-
rat Dr. Hiemer, unseren warmen Dank aussprechen. Wür danken aber
neb denjenigen Minnern, welche durch die Erstattung der Referate und
Koireferate, die gedruckt in unsere Hände gelegt worden sind, die ht-
beitea der Baquete wesentlich gefordert haben.
Ette Bxi^enz wollen sidi fiberzeugt halten, daß jeder eir-^^^-
m nt bemflht war, nadi bestem Wissen und Gewissen dasjeoif
ZätKkiiA f. d. tetttr. G71U. 1906. III. Htft. 18
1
274 Mtthodisches lom Geiohichtsiuitarriehte.
inbiingen, was er an Erfahrangen in TorBehiedenen Lebenutellongen, im
Verkehre mit der Jagend ond in der Schule lelbit gesammelt hat Wir
alle glauben dadorch redlieh an der Sache mitgewirkt lu haben, ond
sind nach den Worten Eurer Exielleni in der Hoffnung ermuntert, daß
unser MitteUchulweeen im Interetse unserer Jagend ▼orausiichtlich in
nächster Zeit eine Beihe tou wesentlichen Verbesserungen erfahren wird.
Wir mochten es aber auch aussprechen, dai^ gewiQ jeder einselne Teil-
nehmer aus den Verhandlungen dieser Enquete selbst Tiel gelernt hat
Nach einer fünftägigen, mitunter recht angestrengten Arbeit
scheiden wir, insbesondere nach den anerkennenden Worten Enrer
Ezsellens, in freudiger Erwartung und mit der Zu? ersieht, daß diese
Enquete mittitig war bei der Forderung unserer Schule und der heran-
wachsenden Generation im Interesse des Staates. Mit dieser Zuversicht
verlassen wir diesen Baum und wiederholen Enrer Ezsellens unseren er-
gebensten Dank!*'
Der Ansprache folgt allgemeiner, lebhaftester Beifall.
Unterrichtsminister Dr. M ar eh e t spricht hierauf seinen herslichsten
Dank aus und betont, daß er es als den schönsten Erfolg seines Lebesi
betrachten wflrde, wenn die Ergebnisse dieser Enquete der Jugend reiche
Frftchte bringen würden. (Ein weiterer Bericht folgt)
Wien. Dr. S. Frankfurter.
Methodisches zam Geschichtsunterrichte.
Der Ministerial-Erlaß vom 2. Mai 1887, Z. 8752, erlaubt ausnahmi-
weise und nur mit Genehmigung des Direktors die Vornabme
einer schriftlichen Prüfung im Aosmaße eines mündlichen Examens aoch
in jenen Gegenständen des Gymnasiums, aus denen schriftliche Prüfungeo
nicht stattfinden. Einen solchen Gegenstand bildet Geographie nnd Ge-
schichte. Der XU behandelnde Lehrstoff ist besonders in den oberen Klassen
sehr inhaltsreich und es maß mit der gestatteten Unterrichtsieit sehr
haoshälterisch vorgegangen worden, will man das vorgesteckte Lehniei
erreichen. Die Vorschrift verlangt, jeder Schüler einer Klasse komme in
der Begel einmal im Monate oder doch vier bis fünfmal im Semeiter
zur mündlichen Prüfung, also wenigstens einmal in jeder Konferensperiode.
Je sahlreicher eine Klasse ist und je weniger Unterrichtsstunden einem
Gegenstande per Woche xugemessen sind, desto schwerer wird diese Frü-
fongsvorschrift zq erfQllen sein. Soll eine Prüfang diesen Namen verdienenf
so wird man in einer Unterrichtsstunde — jetxt durch die vorgeschriebenen
Pausen um je 10 Minuten verkürxt — höchstens vier bis fünf Schüler
abzufragen vermögen. Bei einer Ansahl von etwa SO Schülern beaniprocht
dieses Examinieren in jeder Konferenzperiode volle sechs Unterrichts-
stnnden, also mindestens swei kostbare Wochen! Wie kann man, die
Konferensperiode lu vier bis sechs Wochen berechnet, im Semester mit
dem vorgeschriebenen Lehrstoff fertig werden, wenn das Examinieren
MethodiiohM snm GesehiobtsQiiterriehte. 275
eise 10 gwauma Zeit in Ansprach nimmt? Ist ein Sdifller in einer Kon-
feranspeiiode einmal lom Examen gekommen, so wird er in der Begel,
besonders bei wenig Unterrichtsstunden und in einer sahlreicberen Klasse,
nicht mehr gemfen werden; ma(^ er nicht während der PrOfang der
anderen Mitschfller Ton Langweile belallen werden? Wie Tiel vergißt
er? Ein strebsamer ZOgling wird im Stndienlanf aufgehalten, gehemmt.
Die bisher noeh nicht £zaminierten, gewöhnlich die schwächeren, sitien
indes auf einer Art Folterbank, bis endlich das gesamte Examen beendet
ist Während der Zeit seines Zawartens kann ein solcher anderen Gegen-
itlnden nicht die volle Aofmerksamkeit snwenden. Hiednrch leidet mehr
minder der ganze Stndienlanf eines solchen Schfllers.
Gibt et ein Mittel, nm all dem in etwas Tortnbengen ? Das Gesets
geitattet die Vornahme einer schriftlichen PrOfhng; in der Zeit von V4~Vs
Stande ist alles abgetan. Hiednrch ist fflr den mflndlichen Unterricht eine
gerume kostbare Zeit gewonnen ; die Schiller mflssen liemlich gleichmäßig
nd gleichxeitig studieren. Gerade der schriftliche Ausdruck nOtigt, den
Text, die Schreibweise sieh tief einxuprägen, und er wird das richtige Denken
befördern. Um auch das richtige Sprechen au Oben, maß das schriftliche
Eximen nicht in jeder Konfereniperiode vorgenommen werden. Der Natsen
der mündlichen PrOfong ist nie so groß , daß er als vollwertiger Ersati
Ar den Entgang der kostbaren Zeit, die das Prüfen beanspracht, angesehen
werden kann. Fragt der Fachlehrer beim Direktor um die Erlaubnis eines
KhriftUehen Examens an, so wird diese in BOcksicht auf die bestehende
Torsebrift entweder gar nicht oder nur sehr ungern gewährt Das gleiche
Schicksal teilt eine Berufung an den Landesschulinspektor. Ein solches
Vorgehen bedeutet eine unnatürliche Einschnürung des Fachlehrers, ein
betrübendes Hißtrauen gegen ihn, hemmt die Freiheit und die Arbeits-
freudigkeit desselben. Der Fachmann wird doch am besten wissen, was
im gegebenen Falle lum Ilutsen des Lehrgegenstandes, sum Wohle der
Schüler ist Man gewähre ihm daher vom Qesetse aus eine freiere Bewe-
gung, eine größere ^Selbständigkeit und lähme seine Arbeitslust nicht
dueh tote Paragraphe. Die Empfehlung einer Mhriftlichen Arbeit für eine
Dflndlicbe Prüfung bedeutet hier nicht einen Bückschritt, sondern einen
Fortaehiitt
Vom Jahre 1871 bis xum Jahre 1892 bestand die Yorsobrift, in
der IV. Klasse des Gymnasiums luerst die Geschichte der Nenseit in je
vier Unterrichtsstunden per Woche bis lu ihrem Abschlüsse in behandeln.
Duan schloß sieh der Unterricht in der Österreichischen Vaterlandsknnde^
Die Jahr 1892 brachte den Auftrag: lY. Klasse, wöchentlich vier Stunden,
a) Geographie: wöchentlich iwei Stunden, h) Geschichte: wöchentlich
iwei Stunden. Nach dieser Bestimmung ist auch beute vonugehen. In
der Yaterlandakunde schließt sich an die Behandlung der Oro- und Hydro-
graphie des Kaisarstaates gewöhnlich jene der einielnen Kronländer an.
Der Zeit nach dürfte diese beiläufig in die Mitte des Schuljahres fallen.
Iniwischen ist der Unterricht in der Neuieit bis aum Beginne des
iVm. Jahrhunderts vorgeschritten. Bei den einseinen Kronländera pflegt
«in kmer Überblick über die geschichtliche Entwicklung derselben ein-
18*
276 K, Wotke, Karl Heinrich Seibt, ang. ▼. K. F. Kummer.
geflochten la sein, also auch geschichtliche Ereignisse des ZVIIL ond
XIX. Jahrhunderts. In der Behandlang der Geschichte der Neuzeit ist man
aber noch nicht soweit gekommen. Was nun tno? Der Fachlehrer mu^
entweder diese Punkte iweimal bebandeln, was einen Zeitverlast xnr Folge
hat ; oder er wird diese Angaben bei der Vaterlandskande vorderhand über-
gehen, waa eine Lflcke erzeagt, eine Halbheit, eine Unklarheit bedeutet.
Um dies zu vermeiden, hält sich vielleicht ein Fachlehrer, der doch den
vorgesteckten Lehrstoff im Laofe des Jahres erschöpft and dieselben
Schfller vor sich hat, an die alte Vorschrift. Es kann aber eintreten, daß
ein Schüler etwa im Falle der Obersiedlang seiner Eitern an eine andere
Anstalt versetzt wird, wo man nicht so vorgeht, so ist derselbe genötigt,
den fehlenden Lehrstoff allein nachzaholen. Die alte Vorschrift erscheint
demnach als zweckentsprechender, denn nach derselben ei^&nzt der
Unterricht in der Vaterlandskande jenen der Neazeit and eilt diesem
nicht voraas. Es gewftbrt die jetzt bestehende Eiorichtang wohl eine
Abwechslang, aber aach eine Zerstreanng.
Hall (Tirol). P. Adjat Troger.
Earl Heinrich Seibt, der erste Universitätsprofessor der deatschen
Sprache in Prag, ein ScbQler Gelierte and Gottscheds. Ein Beitrag
zur Geschichte des Deotschanterricbts in Österreich von Prof. Dr.
Earl Wotke. Wien 1907. Im Selbstverlag. 174 SS.
Die vorliegende Schrift ist ein Sonderabdrack aas dem IX. Heft
der „Beiträge aar Osterr. Erziehangs- and Schalgeschichte **, heraasgeg.
von der Osterr. Gruppe der Gesellschaft fftr. deotsche Erziehangs- nod
Scholgeschiehte. Der gelehrte Verf. der Geschichte des Osterr. Gjmnasioms
onter Maria Theresia (Berlin 1905) hat sieh mit K. H. Seibt als Direktor
der Gymnasien Böhmens (1775— 1801) bereits im VL Hefte der genannten
Beiträge S. 198--240 beschäftigt Dort steht aach das Urteil aas den
Analeeta historica de scholis Pragae (Prag 1830), das Seibts Bedeatang
als Lehrer des Deatschen and der Philosophie ebenso bündig als treffend
würdigt: „Debet Uli Bohemia nofi sermonis tantum theodisei et
stylt maturiarem cultum, sed progressus guoque mtilto acceleratiores
in sensu humanitatis et sapientiae verae exeolendo^ nw
paucos praeterea viros ad munia publica rite obeunda praedare
if^stitutos''.
Der Darstellung dieser dreifachen Wirksamkeit Seibts, Pflege des
deatschen Ansdrocks and Stils, Hebung des Studiums der Philosophie
und insbesondere der Moral und dadurch Ausrüstung der Anwärter auf
Öffentliche Ämter mit der nötigen philosophischen und rhetorischen Bil*
dang, ist die vorliegende Schrift Wotket gewidmet. IMese pädagogisch-
didaktische Tätigkeit Seibts liegt vor jener mehr überwachenden ond
verwaltenden; sie fällt in die Jahre 1764<-17e5 nnd spielt sich an der
Prager Universität ab.
K, WotJce, Karl Heinrich Seibt, aog. y. K, F, Kummer. 277
Karl Heinridi Seibt ans Schlesien (1785—1805), ein Schüler Gelierte,
wurde von Maria Theresia im J. 1763 lam ordentlichen Professor der
KhOnen Wissenschaften und gelehrten Historie in Prag ernannt nnd
begtDD 1764 daselbst seine Lehrtätigkeit; 1775 mnftte er seine Vor-
lenmgen fiber Moral einstellen; ftber Ästhetik las er noch bis 1785, in
welchem Jahre er won Kaiser Josef IL in Anerkennnng seiner Verdienste
um Ansbreitnng der deutschen Sprache in den gebildeten Kreisen des
deutschen Volkes in den Bitterstand erhoben wnrde nnd seine Lehrkaniel
aa Ang. Qottl. Meißner abtrat; Tgl. Nagl-Zeidler, Dentseh-Osterr. Lit.-
Gesch. U 358— S61.
Seibt begann seine LehrtAtigkeit 1764 mit einer Antrittsrede „Von
dem Einflösse der schönen Wissenschaften anf die Aasbildnng des
Verstandes nsw.* nnd verband damit einen „Qmndriß in seinen aka-
denisehen Vorlesungen, in wier EoUegia abgeteilt", der eigentlich achon
dis ganse Gebiet umfaßt, ttber das er sich werbreiten wollte. Es ist ein
weites Qebiet, in dessen Bearbeitung sich heute mehrere Ordinarii und
ExtraordinarJiy wohl auch Doienten teilen würden; es umfaßt: allgemeine
Ästhetik, Poetik, allgemeine nnd deutsche Literatorgeschichte, allgemeine
and Gelehrtengeschiehte, Rhetorik nnd Stilistik, praktische Sittenlehre.
Das Hanptkolleg, in dem die Theorie mit der Praxis rerbunden werden
loIJte, war das iweite, daa die Redekunst und Tortflglich die deutsehe
Beredsamkeit mm Qegenstande hatte. Die Abhandlung 'Von dem Nutzen
der Moral in der Beredsamkeit usw.' leitet die im J. 1767 begonnenen
Vorlesungen ftber Moral ein, nach obigem Programm das vierte Kolleg. Der
»chlechte Erfolg der praktischen Übungen in den Tomehmsten Arten der
Beredsamkeit (Grundriß, zweiter Abschnitt d) rechtfertigte Seibts Idee,
darch das Studium der Moral den HOrern sunftchst richtige Gedanken
beisabrittgen. Mit der Abhandlung „Von dem Unterschiede des sier-
liehen, des Hof- und Gurialstyls** lud Seibt 1878 lu seinem Prak-
tikum über deutsche Schreibart ein. Namentlich durch die hier ?eran-
Btalteten Übungen hat er sich jenes Lob des sich hinter den Bochstaben
C. K. Yerbergenden Verfassers der Analecta historica de seholis Pragae
verdient, er habe nicht wenige junge Leute Torxüglich darauf Torbereitet,
^entliehe Stellen in gehöriger Weise zu bekleiden.
Diese drei Abhandlungen hat Dr. Wotke im ersten Teile seiner
Schrift nicht bloß wollst&ndig abgedruckt, sondern auch mit wertwoUen
Ehilsitongen wersehen, in denen namentlich Seibts Abhängigkeit von
•eisern Meister Geliert, aber aach wen Gottsched, ferner sein Verhiltnis
IS BoUin, zu Battenz, zu den älteren (J. A. und J. E.) Schlegel zur Er-
örterung kommt und mit so manchen feinen Bemerkungen begleitet wird.
Ich erinnere beispielsweise an den Exkurs zu III ftber die 'zierliche
Schreibart' nnd damit im Zusammenhange ftber die aus archiTalischen
Qsellen des k. k. Ministeriums fftr Kultus und Unterricht geschöpfte
Oesebichle des Deutechunterrichti in Österreich (S. 76—85 und 8. 168—
174). Über Gelierte Bedeutung ffir die methodische Ausbildung des
^stoehen Stils in Österreich werden wir erst durch diese Schrift Wotkes
naddieSeibtschen Abhandlungen vOUig aofgekl&rt und wird daraus Matthias,
278 K. Wotke, Km\ Heiorich Seibt, «ng. ?. Jf. 2^^. Kummer.
'Gesehicbte dei deaUchen UnterrichU' (MQucheii 1907} in den G0II4
geiridmatetr Partien^ fDibetonder« S. 155 f., teinameit %u er^inxen tij
Von den drd AbhftQdlangan dQrfte nAmeQtUcb die Ilt dir 1]
gfenieioee iBteresie be&OfpTQcben wegen de? treffliebeu CbanLkteriitilfd
BOgeDaniiteit lierlicben Bcbreibart, dei DatQrlicbeD Bnefstili tjodVd^ilfia
und Karialetili^ der zwar auf jenem bernbt, aber nach den TerseblidtDi
VerhÄltninien der PerBooen * die uebreibeu und an die geicbrieb^o tir
nach «ei Dem Inhalt und meiner Abaiebt bestimmt ifird. Die ßeiipie
{Lndnde teilt einer Freundin den Tod ihres Man nee in der Scblaelit m
and richtet an die Kaieerin ein Gnadfin^etucb; Fabndci an ttn\
PjrrbtlBi PJinine an K, Trajan; ein Geencb um KacblaÖ too Erbiehilt
t^axen) eolten zeigen, daß aaeb im Geichäftü^til eine natarticbe Scbnil
weiie angewendet Verden könnet zeigen aber ancb ungleich, dat, vi
jenem Meister des StiU im XVIII, Jahrhundert einfach und natürlü
erschien, nni immer noch den Eindrock einet gewiiien SchvalBtet mich
Während die drei er wäbnten Abband! oiigen f oll etänd ig ab^edfiid
dndi begnügt sieb der Verf.^ im aireiten Teile aemer ächrift, 'Seiht ali pml
tiseher 8tillebrer', drei Bacher Seibti die Proben seiner akademischee^ wi
würden eagen eeminanitiecben Obongen, entbalten^ nur zu cbarakteiiiifnn
ynd Seibts Lehrgang darsnlegen. Es iind dies die'AkademiBcben VorUbunffl
^lT69Ji 'Von den i^ülfsmitteln einer guten denüichen Schreihart* i\l*^
und 'Akademiacbe Blnmenleie* (1734)^ drei bente schon aelten gewotdm
BQcber, die ebenso wie die S. 169 erwähnten ältesten dentscbei Utt'
büeber Österreichs ven Mich^ Denis nnd Gratian Marx rerdienteti* in ^^l
Monum. paed, einmal in ihrem ganten Umfang abged rockt kq v«H«l
Nur die Einleitung der s weiten Schrift 'Von den Hülfsmitteln M
iruten deutseben Schieibart' ist follst&ndig wiedergegeben (S. 14$— 15^1
Seibt bat steh in den prakti sehen Übungen nicht auf Briefe bescbrifiki
sondern dieselben Stil gattnn gen . die beate an der MitttUebtiie |f^
werden, also ancb den Tergleicb, den Dialoge die EriählDOg, die Si^
dernngt die Cbarakteristikt die Übersettang, die Abbandlung mit i^^
UniTersitfitfibdrern bearbeitet Er ist von Verbesserungen febiirhlft«
Ansirbeitungen ausgegangen 1 er hat an Scbüleratbeiten Kritik gefittt viK
wechselseitige Kritik feranlaßt, er hat in der Art des Fort seh reltifil ^
atrenger Gebundenheit an das Tfaema bis la f t^Uig freier Wahl dfi^
einwandfreien mathodiicben We^ eingeschlagen. Indem er in jeder ^4
drei iachriften Aösarbeitnngen seiner Schüler, und xwar so, wie sie »'
ihren Händen bervorgegangen waren ^ veröffentlichte , bat er sDi fOt*
Gründen, die er iii der Einleitung zu III (S* 158 t) entwickelt« ein ^^
fahren befolgt* das mehrfach^ mietet hei Gejer, 'Der deutsche luS»^
(München I90€i im Anhang 'Neun AbitnrientenaufsätEe über dmi Tbfflii
«Da£ Gesets nnr kann n&a Freiheit gehen*^ (Goethe/ KachaluniiBf l<
fanden bat.
Der rübrige Sekretär der Osterr Gruppe de? Gesellschaft für dedtK^
ErEiebungt^ und Schulgescbicbte bat aicb durch die hier knrt gewürdifl
Schrift ein neuerliches Verdienst nm die Geschiobte de« fateriliidii«^<
Unterrlehtsweiens erworben.
Dr, K. F. Enml
Vierte Abteilung,
MiszeUen.
Literarische MiszelleQ.
^gefaßte Qnecbische Schulgrammatik Dach Curtius-
Hart eis Scbulgrammatik bearbeitet foo Dr. Florian WeigeL
Vieo, F. Tetopaky; Leipiig, G. Freytaif 1907. 162 SS-
Di« vorliege ade «Earxgefaüte Griecbische Sebttl gram m all k*^ ist eine
"ige der von mit m Jabrg. 1906, S, 427 L Engeseigt«» „Eara-
I Ausgabe" der Grammatik von CuFtms-f, Bartd« Ton der m
E^ la^Ufteblich dorcb nach größere BescbräokaD^ des Stofi^ei (162 S3.
%tM 1 16) nüterscbeidel Dieae EiDaebrAnkang ist teils dureh Weglasseiig
litlc«r Puagrapbe, teils durch Kürsaag der fraheran Fassung erzielt.
^^^OAndj^ vagg&U«B@ii iit das Vd. Kapitel * welchem die Wortbildang^
Ifif^ft^liatidcll (§§ 185^140), die g§ 152—155, 1^7, welche inr Lehre
'^oiioiiilti& gehOfen, 204, der eine Tabelle inr f,ÜbersLcbt über
^ «ktion der Hauptsätze** enthält^ Die Paragrapbe, welche in
^ F&if üDg encheinen, einselti aofzaiähleu, schtiüt mir Dicht not-
B|f. our eofiel sei hemerkt, daß dieie Kür^augen, wenn man Ton
indpnnkte ansj^eht, nar „liie wicbtigEiten grammatacben Tatsachen
itr und btiodiger Fonn ohne betGiiderej wisfienacbartlicbea Beiwerk"
lleiU itu aligeiDeineD li^ebilligt werden können. GelegeDtlich eracbei-
Zuaitie Terdienen gleichfalls unaere Billigaijg (TgK z. B* g 127,
fij, 10 wie ancb suerkeDnend beTvorgehobeu werden mnfii daß an
i wsnigeci Steilen durch tlberstlcbtlicbere Grappierung und namentlich
nk k^maeqnente Anwendting fetter Lettern ein aicbtlicber Fortschritt
Hell wordcirii iet. Die Anordnnng des Stoffes bat nnr dadurch einep
^r^feni iw^ckentspreehende Abauderung erfahren^ daß jet£t auf die
jgioa der etrba non em^tracta in d^n Formen dei PrasensstammeB"
B) idmittelbar die der ^verba cmitructa^ folgt,
V Za wHiticben int nar^ daß künftige Neoanflagen keine durchgreifenden
niadiraDgeD erfahren, damit ältere Auflagen daneben obne Anataud
bt wtrdeu kdnneo.
280 Miszellen.
Dr. Heinrich Wolf, Die Beligion der alten Griechen. GüUn-
loh, Bertelsmann 1906 (Gymnasial -Bibliothek, 41. Heft> 108 SS.
Preis l Mk. 50 Pf.
Verf. behandelt die mftchtigste nnd bedeatnngsYollste Tatsache des
griechischen Geisteslebens, soweit sie im Rahmen der Gymoasiallektflre
liegt. In der Einleitung „Die lentrale Bedeutung der Beligion" wird der
äatz aosgefflhrt: «Die Beligion ist die Wurzel, ans der sieh alle Zweige
des griechischen Kultur- und Geisteslebens entwickelt haben**. Abschnitt
A Die Gotter behandelt im Anschlüsse an üseners Buch «GötterDameD" :
Augen blicksgOtter, SondergOtter, persönliche Götter, LichtgOtter ond Zeni-
religion. Abschnitt B: Beligion nnd Mythus, Sage, Dichtung stellt d&s
Verhältnis der Sage, der Dichter: Homer, Hesiod, der attischen Tragiker
lar Beligion dar. „Alle Helden der alten Sage sind ursprftnglich Götter
gewesen", heißt es richtig 8. 20. Ein Anhang 8. 58 f. ist der Stellaog
des Herodot und Thukydides lur Beligion gewidmet. Im Abschnitt C:
Beligion, Koltos und Theologie erfahren wir Nftheres Aber: Opfer, Gebet,
Tempel, Feste, über die eleusinischen Mysterien usw. Es wird geieigt.
daß der Gottesdienst der Griechen ein durchaus heiterer war. Sehr be-
lehrend ist der Abschnitt D „Beligion und Philosophie**, in dem die
Ältesten Philosophen, Pythagoras, Plato, dessen Philosophie als BeUgion
beseichnet wird, der Materialismus und die Stoiker besprochen werden.
Es verdient alle Anerkennung, daß der Verf. nicht nach alther-
gebrachter Weise bloß eine Beiha von GOtternamen aufzählte und diese
behandelte, sondern die Beligion als etwas fortwährend Werdendes tod
der untersten Stufe bis xur Hohe des religiösen Denkens dannsteUen
▼ersuchte. Wert?oll ist dieser Versuch auch deshalb, weil er im Anschloß
an den Unterricht entstanden ist. MOge kein Lehrer des Griechischen es
▼erabs&umen, selbst das Buch zu lesen und den Schfllem der obersten
Klassen angelegentlich zu empfehlen.
Wien. Dr. Johann Oehler.
Prof. Dr. Georg Dabislav und Paul Book, Französisehes
Übungsbuch. Ausgabe A und B. FAr Sekunda nnd Prima der
Gymnasien sowie ffir Obertertia, Sekunda und Prima der Bealgym-
nasien. Mit einer Karte von Frankreich. Berlin, Weidmannsefae
Buchhandlung. Preis 2 Mk., 60 Pfg.
Der äußerst reichhaltige, 182 Seiten umfassende Obnngsstoff des
vorliegenden Buches ist so gegliedert, daß die einseinen Lektionen fsst
alle in 4 Teile (A, B, C, D) zerfallen. A enthält gewöhnlich ein
französisches Lesestfick, das die zu erlernenden Begeln zu mOghchst
reicher Anschaaung bringt, während in B Exercices, d. h. französische
Übungen Ober den in A Termittelten Stoff geboten werden. Unter
G folgen deutsche, zom Hin übersetzen bestimmte Einseisätze und unter
D ein demselben Zwecke gewidmetes zusammenhängende« StOck. Am
Schlüsse der größeren Abschnitte folgen zusammenfassende Einzels&tse
und wiederum mehrere zusammenhängende Stücke. — Die Auswahl der
syntaktischen Kapitel ist der Stufe entsprechend und erstreckt sich des-
halb hauptsächlich auf die Bildung der zusammengesetzten Zeiten mit
avoir und etre, die Bektion der Verba, den Gebrauch des tubjondiU
des infinitiff der participeSf des Artikels, der pronomSf auf die Stellsng
und Steigerung der Adjektiva und auf den Gebrauch der Negatios.
Lobend sei hervorgehoben, daß der deutsche Wortschatz sich oft wieder-
holt, so daß auch schwächere Schfller aus dem Buche Nutzen ziehen
können. — Die Sprache ist nach den Stichproben, die der Beferent ge-
macht hat, korrekt. Bei einer Neuzuflage werden wohl auch Wendungen
Miszellen. 281
wie j,av€c un tempa 8% admirable'^ (S. 45) statt ^par un iempa si ad-
mirAle' oder Jemptreur allemand OuiUaume ir* (S. 99) statt
Jempereur d*AUemagne G II* richtig gestellt werden. — Den Sehlaß
des Baches bilden Stoffe za Sprechfibongen and einige Gedichte, die
msDcben Lehrern willkommen sein dfirften, sowie aasfAhrliche Wörter-
TOieichniflse. Drack und Aasstattang lasaen nichts la wflnschen flbrig.
Der Preis ist mißig.
Wien. M. Bock.
Josef Wild, Erklärender Text zu der Wandtafel zur Ver-
aDSchaulicbung geographischer Grundbegriffe in Schulen
und als Beigabe zum Anschauungsunterricht. Dritter ver-
besserter Nendrack. J. F. Schreiber, Eßlingen nnd Mflnchen 1907.
Die Schreibersche Wandtafel, deren verkleinerte Nachbildang dem
Hefteben beiliegt, verfolgt fibnliehe Absichten, wie die bei ans mehr
reibreitete HOlzelsche Tafel „Haoptformen der Erdoberfl&cbe*. Sie ist
ebenso wie jene ? on jedem Lehrer leicht xh gebraachen ; für den Lehrer
iat daher der Wildsche Text überflflssig. Den Schalern aber würde ich
üiD nicht in die Hftnde geben. Einige Beispiele werden mich jeder
weiteren Begründung flberheben. Es heißt aaf S. 5. ,,Nennet Gegen-
stiode im Sehnliimmer, welche eben sind? Antw.: Die Treppe (!), die
Tacbplatte. Ebenda: n^^me Gegend, die flberall gleich hoch ist**« ---
ä 6. «Eine solch' Ode, nnbebaate ebene (1) Gegend nennt man kol-
tarlose Ebene oder Steppe." Ebenda: „Es eibt Ebenen ? on angehearer
Ansdehnong, welche nar nackte Sandflächen sind, solche Ebenen
beißen WOsten." S. 7. ^Breitet sich über dem stehenden Wasser ein
iDKheinend festes mit Pflanzen bedecktes Erdreich ans, so heißt es
Moor. Den Boden nennt man Moorboden." S. 9. „Sind zwei Land-
massen dareh einen schmalen Landstreifen ?erbaoden, so ist es (!) eine
LtDdenge." S. 18. „Je nach ihrer Ansdehnnng and der Anzahl
der Einwohner nnterscheidet man Großstädte und Provinsstfidte*'.
Ebenda: „Der einfachste nnd kürzeste Verkehr ist der mündliche Aos-
UQBch gegenseitiger Ansichten". S. 14. ,Eine solche nnter-
irdiscbe, dnreh den Berg führende Eisenbahn heißt dann Tunnel (!)".
Deraitige Beispiele ließen sich aof jeder der 16 Seiten fast jeder Zeile
entaehmea; indessen aapUnii sat*. Das Werkehen ist f&r Volks- und
Bfirgersohnlen approbiert.
Wien. B. ImendOrffer.
Job. Rippel, Grundlinien der Chemie für Oberrealschulen.
I. Teil: Anorganische Chemie. Mit 72 Abbildungen nnd einer
Spektraltafel in Farbendruck. Wien, Franz Deoticke 1905. 266 SS. 8^.
Preis geh. 8 E, geb. 3 K 50 h. — Mit Erlaß des hohen k. k. Mini-
steriams für Kaltas und Unterriebt vom 25. Angust 1905, Z. 30.503,
allgemein talässig erklärt.
Das Bach repräsentiert sich in darchans mnstergiltiger Ansstattnng,
unlaßt 259 Textseiten mit einer stattlichen Anzahl von Abbildongen (72);
das gat gearbeitete alphabetische Inhaltsverzeichnis fQllt 7 Seiten. Die
b^gegebene ^pektraltttfel in Farbendruck ist als recht sorgfältig aas-
^efQhirt sn bezeichnen.
Binleitangsweise wird in knappen Zügen eine geschichtliche Skizze
gegeben, die anf Grand des in der IV. Klasse erworbenen Tatsachen-
282 Hiiielleii.
materiales f&r den Schiller gani gnt Tent&ndlicb eneheint. Daran reiht
sieh die anf dae Experiment gegrflndete Festlegung der chemiBchen Onind-
begriffe. In diesem sowie anch im epeiiellen Teile des Bnehes tritt dem
Leser die modernste Anffassang des so schonen Wissensgebietes entgegen.
Dementsprechend finden anch die so nngemein wichtigen Fortschritte
der Elektrochemie sowie die ein allgemeines Interesse beansprochenden
Neuerungen auf den wichtigsten Gebieten der chemischen Großindustrie
eine den SchulYerh<nissen angepaßte Würdigung. In dieser Richtung
sowie auch in Bezug anf die eingestreuten historischen und statistischen
Angaben sind die Österreichischen Yerh<nisse in erster Linie berfiek-
sichtigt worden. Die genannten wie anch biographische Ausführungen
wflnen den eigentlichen Lernstoff und sind doch zugleich auch eine weit-
volle Beigabe n&r die Sache an sich. Der gedftchtnismftßig festsuhaltende
Unterrichtsstoff ist auf jenes Maß beschränkt, das in der lugemesseoen
Unterrichtszeit ganz wohl zu bewältigen ist.
Die Abbildungen sind nicht nur zahlreich, sondern auch durchwegs
gut und sachgem&ß. Die Art der Darstellung des Stoffes ist sehr kUr
und schon zugleich, aber nicht gar so knapp, wie dies in manchen du
nach geringem Umfang strebenden SchulbQchem beliebt wird. Das Ganze
gemahnt an vielen Stellen an einen lebhaften, guten mQndlicben Vortrag
und ist nebenbei recht geeignet, dem durch Krankheit zeitweilig am
Schulbesuch verhinderten Schüler das Nachholen des Versäumten so gnt
als nur immer mOglich zu erleichtem.
Diese Art der Darstellung, die zahlreichen guten Illustrationen
sowie die oftmalige Anwendung ausladender Strukturformeln bewirken
den etwas größeren Umfang des Lehrbuches, keineswegs aber hat daran
schuld die eigentliche Lernstoffmenge, die über das im Noimallehrplane
und in den dazu gehörigen Instruktionen Geforderte nirgends hinausgeht.
Bef. steht nicht an, die vorliegenden «Grundlinien" zu den besten
Lehrbehelfen zu zählen, über die die heimische Schulbücherliterator der-
malen verfügt.
Wien. Job. A. Kall
ScbattenkODStruktionen. Von J. Vonderlin, Professor in Breilaa.
Mit 114 Figuren. 118 SS. Leipzig 1904, Sammlung GOscben.
Preis 80 Pf.
Mit großem Geschicke führt der Verfasser den Leser von den ein-
fachsten Fällen der Beleuchtung der Punkte und Geraden über die be-
treffenden Probleme an ebenen Figuren, an Polyedern, Prismen, Pyramiden
und an den elementaren krummen Oberflächen bis zur Beleuchtung der
Rotationsflächen, der Schrauben-Linien und -Flächen und einer BOhren-
fläche. Als Projektionsart dient zumeist das Grund- und Aufrißver*
fahren mit Bildachse. Schon die Tatsache, daß es dem Verl gelang,
diesen riesigen Stoff auf 118 kleinen Seiten fast durchaus sehr verstind-
lieh zu erledigen, verdient unsere Anerkennung und läßt uns hinwegsehen
über manche sprachliche und sachliche Härte.
Von zwei aufeinander normal stehenden Ebenen sagt man nicht,
daß sie „in einem rechten Winkel geneigt** seien (S. 5). In der Figur
54, S. 55, geht die Gerade a 6 selbst schon durch den Scheitel 7 der
kleinen Achse. Durch den Bogen 5 a, der 60^ spannt, wird der Pankt a
einfach gefunden. Der Beweis für diese Konstruktion kann hier nicht
erbracht werden.
Die Bezeichnung der Figuren ist konsequent, wenn anch etwas
überraschend. Das Büchlein sei empfohlen.
Wien. B. Snppantschitsch.
Miszellen. 283
Unsere Vorzeit III. Germanische Volkssagen. Erzfthlt ffir Jagend
Qiid Hans von Dn J. Not er und J. Wftgner a. a. 2. fermehrte
und ferbeeeerte Auflage. Mit 48 AbbildangeD. Leipzig, 0. Spanier
1907. 524 S8.
Die vorliegende zweite Auflage des dritten Bandes der bekannten
Sagensammlnng onterecheidet eich nicbt nnwesentlich von der ersten,
nniehst schon hinsichtlich des Inhaltes. Ansgesebieden ist die Sage ? on
Beiseke Fachs, dagegen sind nea aufgenommen worden die Sagen «Ritter
Samson*, .Wilhelm Ton Orange**, «Biobin Hood**, „Die Märe vom Peik",
«Der Bflbensagel** (warum nicht lieber die schon einmal ein^ebttrgerte,
venu auch anfechtbare Namensform «Rabezahl **?), , Heinrich der Vogler**.
Diese nea hinzugekommenen Sagen zeigen im allgemeinen eine
recht ansiehende, schlichte und Tolkstfimlich- verständliche Darstellung,
■nd in dieser Besiehung haben auch die Nummern, welche bereits zum
Bwtande der früheren Auflage gehörten, Verbesserungen erfahren. Ins-
besondere gilt dies auch fflr die eingestreuten sagengeschichtlich-kritischen
£xkiine, <Üe vielfach in sehArferer Fassung als frflher entgegentreten.
Auch haben manche Sagen recht erwdnschte Ergänzungen und damit die
nötige Abruodung erhalten.
Schliel^lich mag nicht onerw&bnt bleiben, daß Aasstattang und
Bilderschmack des Buches gleichfalls einen erheblichen Fortschritt gegen-
über der ersten Auflage erkennen lassen.
Mies L B. Adolf Hausenblas.
unsere Jungs« Geschichten aus der Stadt Bremen von F. Gansberg
and H. Eildermann. Mit Buchschmuck von Tb. Herrmann.
Herausgegeben vom Bremer Jogendschriftenaasschuß. Leipzig-Berlin,
Teubner 1906. 109 SS. Preis geb. 1 Mk. 50 Pf.
Das Bach soll mit seinen dem Leben abgelauschten Geschichten
ftlle zarten Saiten der kindlichen Seele anklingen lassen und so dazu
beitrsgen, der Jugend ihre Welt lieb und wert zu machen. Ohne Zweifel
iit mit dem Bnche dieses Ziel voll erreicht worden ; denn inhaltlich be-
f&isen lieh diese Geschichten, die auf Markt und Straße, im Wohnhans,
Magazin und Eontor sich abspielen, nicht mit Qbertriebenen , losen
ätrdeben, die übermQtige Jangen anderen antan, sondern mit bald
beiteren, bald ernsteren Vorfällen, die im Leben der Jagend vorkommen
kfinsen, daher ihr F&blen und Denken umsomehr beschäftigen sollen. In
<ier ersten £rzählung durfte an der etwas stOrmiscben Neigung des
kleinen Heini sum Zirkusmädchen Lore kaum ernstlicher Anstoß zu
ncbmen sein. — Ist auch das ganze Kolorit des Buches mehr fflr die
alte Weserstadt berechnet, so werden die Erzählungen doch auch die
J^end anderer deutscher Städte fesseln. Lokalausdrflcke wie Babbler,
ScUiekerei, ein Stflek Klaben, es kiOterte, die schrubbende Reinmache-
fru Qsw. werden auch die Kinder anderer Gegenden, wo diese Ausdrucke
misder gelänfig sind, sich aus dem flbrigen Inhalte beiläufig zurechtlegen.
Im Interesse der Stilbildang wäre es aber geraten und ohne ärgere Ver-
ietxong der lokalen Redeweise auch mOglich gewesen, Fügungen wie: Du
wüst noch einen Weg aasgehen (S. 20), ich hatte mich erschrocken (S. 21),
wie kommt ihr dabei? (st. dazu, S. 33), wenn er vor Angst nur nicht
icboB tot gegangen ist (S. 26), er faßte seinem Vater um (S. 37) usw.
is korrektem Deutsch wiederzugeben.
Wien. Franz Kunz.
284 ProgrammenscbaD.
Program mensch au.
5. G. H. Diener, Lord Byrons Pessimismas. Progr. dea Kom-
manal-Obergymn. in Bregenz 1905. 14 SS.
Der Verf. geht von der Behauptung ans, daß der PesaimisniDs
Bjrona nicht erst ?on der Zerttörang seines ehelichen Glückes datiert,
sondern daß er sich schon vorher entwickelt hat. Es gelingt ihm, über-
zengend nachzuweisen, daß die bitteren Erfahrungen seiner Kindheit nnd
seiner Jogend den Dichterlord za der pessimistischen Anschanan^r ge-
trieben haben, die alle seine Werke, insbesondere aber seinen „Don Juan-
erfflUt. Nicht zastimmen kann ich dem Verf. , wenn er sagt, daß Byron
sogar Momente habe, wo er an der Existenz der Seele zweifle. Er ffihrt,
um dies za erhftrten, folgendes Zitat aas Don Jaan, VI 22, an: „Es ist
mirnnklar, was, wo nnd wie Geist ist und Seele,— hol* sie der Teufel!'
Die Stelle heißt im Original:
Änd I can give my whole soul up to mind;
Though what is soid or mind, their birth or growth,
Is more than I knoto — the deuce iake them hoth.
In diesem Zusammenhange ist es klar, daß Don Jnan, hinter dem
sich nat&rlich Bjron verbirgt, seine Unwissenheit in Bezug auf das Wesen
von Seele nnd Geist, aber durchaus nicht einen Zweifel an der Existens
der Seele ausspricht Sagt doch der Verf. selbst S. 12 : „Innerlidi war er
vom Vorhandensein eines Jenseits jederzeit überzeugt.*^ Aach nimmt er
den Dichter gegen den Vorwarf des Atheismus in Schati, indem er sagt,
daß Byron zwar im Lanfe der Jahre aus einem arglosen Glftubigeu ein
starker Skeptiker geworden sei, daß aber sein Skeptizismus mehr io
seinen Werken zum Ausdruck komme, als in seiner Oberzeagung wusle.
Diese Arbeit wird auch weitere Kreise veranlassen , den auf der
einen Seite vergötterten, auf der anderen viel geschmähten Dichter Bjron
gerecht zo beurteilen.
Wien. Dr. Joh. Ellinger.
6. Dr. Jaroslav gtastny, Thrakov6. (Die Thraker. Eine
Probe aus der Schrift : Geschichte Makedoniens im Alter-
tum. II. Teil: Ethnographische Probleme. Progr. desk. k.
böbm. Gymnasiums in Prag (2itnä ulice). 1905. 18 SS.
In dieser kurzen Abhandlung (6 SS.) sucht der Verf. festzustellen,
was man in der homerischen Zeit über die Sitze und Verbreitung der
Thraker wußte. Seine Ergebnisse faßt er in folgenden vier Sfttzen in-
sammen: 1. Es ist wahrscheinlich, daß die homerischen Sftnger bereits
die Thraker in dem apftteren Bithynien kennen. 2. Die Inseln Samothiake,
Lemnos, Thasos sind zur Zeit Homers teils von Thrakern, teils von deo
erst sp&ter eingewanderten Tyrsenern bewohnt. 8. Der Name Thraker
bezeichnet bei Homer ursprünglich nur den aaf der Gheraones wohnenden
Stamm. 4. Anderseits dient schon bei Homer dieselbe Benennung sor
Bezeichnung der nördlichen Stämme des späteren Thrakiens.
Die Arbeit ist, wie schon angedeutet, eine Probe ans einer Sehrift,
die der Verf. später herauszugeben beabsichtigt. Deshalb verwies der
Verf. die nähere Begründung seiner Ansichten, sowie die Kritik der be-
treflfeoden Literatur erst dorthin — gewiß nicht ganz mit Recht. Das
nähere Eingehen auf die vom Verf. vorgetragenen Losungen wäre also
vorzeitig.
ProgrammeDBchan. 28&
Zofolge der gleich anfangs, 8. 3, gegebenen Dispoeition glaubt
jedoch der Bef. bemerken la mflssen, daß ihm der vom Verf. eingetcUa-
gese Weg nicht der richtige la sein scheint. FQr die LOiang euinogra-
gnphiseher Probleme dürfen wir nns heate nicht mehr auf die litera-
mchen Qaellenangaben beschr&uken. Die Alten wußten von der Voneit
weniger als wir ond konnten dieselbe nicht richtig beurteilen, weil ihnen
Biebt dasjenige Material ragebote stand, ftber das wir heutintage Ter-
fBfen. Heotsatage darf niemand die letzten Ergebnisse der prfthisto-
riKhen Archäologie and der vergleichenden Sprachforschung straflos nn-
betebtet lassen. Das Resultat, xu dem Ed. Meyer in Betreff der Pelasger-
fnge gelangte, konnte nur deshalb auf die Dauer nicht standhalten, weil
er das Problem ffir ein ausschließlich literarhistorisches ansah.
Den Ausgangspunkt bei derartigen Fragen mflssen heute die letzten
lotgrabungen , die Resultate der prähistorischen Archäologie, wie sie
nieist in Sophue Mftllers Urgeschichte Europas (1905) lusammengefaßt
lisd, sowie P. Kretschmers Ergebnisse bilden. Nur von diesem Stand-
{Nukte ans kann man sowohl die Nachrichten der Alten richtig beurteilen,
all aoch die Forschung wirklich fördern.
Kgl. Weinberge. Em. Peroutka.
7. E. Frind, Die geistige Arbeit des Freihandzeichnens.
Progr. der IL k. k. Staats-Realscbule im II. Bez. Wiens 1904. 14 SS.
Die Abhandlung kulminiert in dem Satze, daß beim Zeichnen fol-
gende Tätigkeiten zu erfttilen sind: „Erwerben der Scheineindrflcke, Fort-
l^teo derselben zu den form- und farbenempfänglichen Nerven im 6e-
bine, Verknöpfen der Eindrücke mit den ?orhandenen Vorstelluagsreihen,
Leiten der zeichnerischen Absicht an die ausfahrende Hand, Erfassen der
GiAften-, Form- und Farbenverhältnisse, Verknflpfen der Erscheinungs-
TasteUongen mit Ideen, Berflcksichtignngen der in Betracht kommenden
Gesetze.«
Daß anch das Zeichnen, oder greifen wir weiter aus, die bildende
KoBst eine geistige Tätigkeit inYolviert, wird niemand bestreiten, nur
ist das Absorbieren der Erscheinungen durch das Auge erst der halbe
Proidl, wie das Notenlesen in der Musik. Der weit kompliziertere Teil
iit die Rflckaendung der Eindrflcke durch die zeichnende Hand auf die
Ridie. Der Verf. bespricht in sehr eingehender und grflndlicher Weise
disse «Arbeit* , geht dann auf das Gedächtniszeichnen und seine Bedeu-
hag fflr die künttlerische Komposition Aber, erörtert die Terschiedenen
Heounungen, durch die Lust- und Unlustgefuhle, Fleiß und Trägheit usw.,
wekhe das Gelingen beeinflussen. Fflr die Stärkung des Formengedächt'
■issss f&hrt der Yert (als Bollerschüler) die Gepflogenheiten dieses Kunst-
lers mit dem „Schejnzeichnen* und „ümdieeckezeichneu** an der Kunst-
g^werbeeehnle des Osterr. Museums an. Diese Methoden können freilich
air fftr das Allgemeine der Erscheinung angewandt werden, nicht aber,
vom es sieb um ein tiefergehendes Naturstudium, um die YoUendete
teitleriaehe Darstellung handelt, wo das unmittelbare Vergleichen der
Kitar mit dem Bilde, die rasche Übertragung des Auges zur Bedingung
viri. Das Pkücat allein darf nicht das Endziel des Kunstunterrichtes sein.
Der Yert kommt des weiteren auf die Beschränkung der Ausdrucks-
■ittel der modernen Kunst lu sprechen und preist diese mit ihren breiten,
gochlosseneD Tonmasaen als das eigentliche Ideal der Darstellung in Hin-
Mht dea Großes, Monumentalen. Dem Verf. dürfte bierin Rodler Tor-
geschwebl haben.
286 Bemerkang.
Er gibt wohl so, daft dem Anflnger daa Wiedergeben der Enchei-
nang in einfacher Weise nicht Bjmpathiich iit, weil er die Ertcheinong
nicht so sieht; das unterordnen der Detaiifonnen muß er erst allmih-
lieh lernen. Damit iat wohl eingestanden» daß der Schüler denn doch
TOD der naiven Natnranschanang erst allmfthlich lam künstlerischen „Weg-
lassen** enogen werden mnß und der elementare Zeichenanterricht nicht
mit den Thesen der großen Knut beginnen darf.
Wien. Jos. LangL
Bemerkung.
Zu dem Anfsatie Professors Arbes: Methodisches snr wissenschaftlicheD
Begrflndang der Additions- und hanptsftchlicb der Snbtraktionsgesetie is
der y. El. des Obergymnasiums, beiw. in der lY. £1. der Beuschale^).
Herr Job. Arbes tritt entschieden für die Anschanlichkeit in der
Begründang der Arithmetik ein. Deshalb verdient sein Artikel Be-
achtung und Anerkennnng. Leider unterlief Seite 862 ein logiicber
Mißgriff, der durch keine didaktische Bücksicht gerechtfertigt werden kiDs.
Die Begründang des Satses a ss (a ± &) =F & gestfitst auf des
Ansatz a ±:b^=(a ±:b) ist mißlangen. Sie benOtigt entweder implicite
die Sätxe über die Sabtraktion einer Zahl von einer Summe, beaw. die
Addition einer Zahl in einer Differenz und beide Male die Einfthns^
der Nnll oder den Satz, daß die Verminderung einer Summe zweier
Zahlen um eine davon die andere zum Best gibt, und einen entsprechenden
über die Differenz, zwei Sätze, die mit dem gesuchten Theorem identisch
sind und deren zweiter außerdem die Subtraktion definiert. Im ersten
Falle entsteht ein dartgov n^oxBffovy im zweiten ein drculuB vüiotoi.
Der Ansatz a — h^ia — h) ist überhaupt gleich der Tautologie: die
Differenz ist das Besultat der Subtraktion.
Die bekannte Sache*) verb< sieh so.
Die Subtraktion ist formal definiert durch die Gleichung 5 -f a; = Oi
wo a und h gegeben sind, x zu suchen ist. Es muß zunächst gezeigt
werden, daß für a > 6 eine und nur eine solche Zahl x existiert Wir
nennen sie (a — &). Also ist:
6 + (a - 6) = a (1)
und wegen der Kommutativität der Addition:
(a — 6) + d = a, . . (2)
der zweite Teil des Satzes.
Man weiß femer, daß aus
o-j-d=»a + V . . . . 5 = 6' folgt (3)
Dies wird indirekt aus der Beziehung a = a» hz>V', a + ^>
^ + 5' . . . . etc. erkannt. Die Zahl 3/ = (a + fr) ~ & ist jetzt oaeh
der Definition (1) jene Zahl, die zu h addiert a + ^ zum Besultate gibt
Aber aus:
o + 6 = y + h
folgt nach (8)
der erste Teil des Satses.
Die einwandfreie Begründung der Elemente ist so schwierig, diß
sie erst bei sehr hoher mathematischer Bildung und nur von wenigen
Köpfen richtig erfaßt werden kann. Jeder Versuch, diese Begründungen
mit der didaktischen Schere für unsere Stufe zuzuschneiden, erzeugt not-
1) Diese Zeitschrift, 58. Jahrg., S. 859.
*) Vergl. etwa: Stolz und Gmeiner, Theoretische Arithmetik«
Leipzig 1900.
Entgegnung. 287
w0Ddig MiogeL Wo aber ist der Sehnitt in fUhren, daft er erlmabte
Mlogä TOD oneilaabien trenne? Ich meine: nnser Gebäade darf
Lflekon haben, aber keine Fehler, denn jene decken wir darch die
ÄBiehanang in. Der Herr Verf. wird mir gewiß gestatten, daft ich, wie
er et ulbit in anderen Fftllen mit großem Geschicke tnt, ancb fftr den
Flu (a :t b) =F b s a anf die Zahlenlinie Terweise.
Wien. B. Suppantsehitseh.
Erwiderung.
Der Herr Kollega spricht Ton einem «logiscbem Mißgriff, der
durch keine didaktische Bflcksicbt gerechtfertigt werden kann*. Er be-
denkt aber nicht, daß es menschlich ist, sich in den Gedanken anderer
nicht immer snrecht so finden, was ihm auch begegnet ist. Dann finde
ich es sehr bedauerlich, daß Beferenten, Tor allem solche, welche im
Dienite der Wissenschaft arbeiten, nach Schlagworten fahnden, um etwa
im Schutse dieser Deckungen instinktiT empfundene eigene Schwftchen
ufbauschend umiuformen in scheinbar feste Stfltien.
Zur Aufhellung des nicht Terstandenen Teiles meines frflheren Ar-
tikels muß ich schon etwas ausfOhrlicher sein, sonst konnten wieder
neue onverstindlicbe Stellen auftauchen: hat man die Addition natfir-
lieher Zahlen im Unterrichte in genttgender Weise erOrtert, so beginnt
mto mit der luTersion der Angabe des Addierens. Beim Addieren
racht man die Summe, die Summanden sind gegeben; was fttr eine
Beehnnng taueht aber auf, wenn die Summe (lanftebst) sweier Zahlen und
einer der Summanden gegeben ist? Die FrM[e und die betreffende
Antwort entspricht folgenden Gleichungen: Wenn a + b = c, so ist
a SS c — b (besw. b =s c •— a). Wegen des kommutatiTen Prinsips der
Addition fttbrt diese luTersion nur auf eine und nicht auf iwei Ter-
lehiedene Bechnungsweisen. Im Anschlüsse daran folgt der Begriff
des Subtrahierens und der Sats M = S-^D und andere swei Va-
riationen nach den Grundsfttien der Gleichungen. Schreibe ich nun
s -f b s= (a 4- b) ' mit (a + b) beseicbnet man die frflhere Größe c —
M ist nach obigen Definitionsgieiehungen der Subtraktion a als Summand
gleich (a + b) als Summe — - b d. h. a s= (a 4- b) — b . . (1). Analog
folgt aus a^b^ia — b), daß a als Minuend = b (als Subtrahend)
-i-{a — b) oder a = (a — b) -f b ... (2). Ich meine, die Ableitung
dieser Sfttxe 1) und 2) ist so wunderbar einfach und natflrlich, daß sie
•ich für unsere Schfller sehr empfiehlt, wie dies auch meine Erfahrung
bestittgt Infolgedessen sind die AusfQbrungen des Herrn Kollegen im
2. Abs. seines Artikels wertlos.
Anderseita ist die Begründung beider Sfttse durch den Herrn
Kollegen recht schwerfUlig. Die Stilisierang „Wir nennen sie (a — b>
AUo ist"* klingt recht despotitch und weniger flherzengend. Die Schüler
werden sich allerdings bald beruhigen, weil sie einiges aus der Tertia
wissen; sonst w&rden sie etwa fragen: warum nennen wir X nicht
anders, s. B. 2a — b ? Der andere Teil wird in künstlicher Art
fflittebt der Gleichungen a + b^^a + b' und y = (a 4- b) — b, besw.
^'¥l{f'^+h)^b]=: a ^bso umstftndlich bewiesen, daß jeder Lehrer
diese Beweiaart xur Freude der Schüler gern ablehnen wird.
Auf 8. 362 meines Artikels steht: Die Begründung an der Zahlen-
linie wird jedenfalls viele (soll heißen „diese*") Sätze als selbstver-
ittndlich erscheinen lassen (die Geroldsche Buebdruckerei konnte diesen
Fehler nicht mehr Terbessem, obwohl ich darum ersuchte); damit ent-
fUlt die Schlußbemerkung des Herrn Kollegen.
Prag-Smiehow. Job. Arbes.
288 Ehrung des Landesschulinspektora Eduard Kodera in Brflnn.
EhruDg des Landessehulinspektors Eduard Kucera
in Brunn.
Anlftßlich des 60. Gebnrtstagea worde dem k. k. Landeuchnl-
Inspektor Eduard Euöera seitens der deatachen Gymnasien M&hreni eine
besondere Ehrung zuteil. Die Anregung su einer Kandgebnng war Tom
Direktor Begiernngarat Seysa-Inquart aasgegangen and anter allieiti^er
Zastimmang die Überreichung düBS AlfoamrbescbloBsen worden. Direktor
Bitter ▼. Reich enb ach wurde mit der Besorgang der erforderliehen Vor-
bereitangen betraut. Das Überaas vornehm and kanstvoU ausgestattete
Album, das die Bilder aller deutschen Gymnasial-LehrkOrper Mährens ent-
h<, worde am 15. März 1. J. dem Jubilar im Sitzungssaale der mähiiMhen
Statthalterei feierlich Qberreicht. Diesem Akte wohnten sämtliche Direktorea
sowie zahlreiche Vertreter der Lehrkörper bei. Der Sprecher der DeputatioD,
BegiemngBrat Seyss-Inquart, gab, tiefbewegt, zunächst der Freude Ausdruck,
daß es ihm, dem einstigen Direktor des Jabilars, vergönnt sei, die Glflck-
wflasche der deutschen Mittelschulen Mährens zu flberbringen. In treffendeB
Worten rühmte der Bedner, wie zielbewußt der Gefeierte seines nament-
lich darch die heißen Schalkämpfe schwer gewordenen Amtes walte, mit
welchem Wohlwollen er die Interessen der ihm nntergebenen Schulminner
fördere, welch warmer Freand der studierenden Jugend er sei. Schließlich
bat Direktor Seyss-Jnquart, als kleines Zeichen der Verehrung das Album
entgegenzunehmen. Sichtlich gerührt, dankte der Jubilar in längerer,
alle tief ergreifenden Bede. Er zollte allen seinen bewährten Mitarbeitern
wärmste Anerkennung, nnd versicherte, daß es ihm ein Hersensbedürfaia
sei, jeden der ihm unterstehenden Lehrer nach Kräften zu unterstätsen.
Die sinnige Ehrengabe erfülle ihn mit besonderer Befriedigung; er
werde dieses Zeichen von Anhänglichkeit stets hochhalten nnd fflhie
sich allen, auch den abwesenden Professoren, zu innigstem Danke ver-
pflichtet. Den beutigen Ehrentag werde er immer su seinen erhebendsten
Erinnerungen zählen.
Die eigentliche Feier fand eine gemütliche Fortsetzung bei eioem
gemeinsamen Mittagsessen, in dessen Verlaufe noch manches schöne
Wort zu Ehren des Uerm Landessehulinspektors sowie zum Lobe des oft
bewährten, gemeinsamen Znsammen wirkens gesprochen wurde.
Berichtigung.
S. 205, Z. 8 und 6 v. o. lies: ^fand indirekt auch seine loi-
drücklicfae Zastimmang als römischer König erteilte. ^)'* statt: «fand auch
seine ausdrückliche Zustimmung erteilte* i). Die Anm. 1 daselbst
hat nun zu lauten : ^Pkuseaerten, ardonnantien ,...hy de Ptinem ron
dese Nederlanden uyfgegeven, Brüssel 1724, lY.Teil, S. 481 fg. Nstional-
bibliothek Brüssel. — S. 177, Z. 14 und 19 v. o. lies Baer st. Baar.
Erste Abteilung.
Abhandlnngen.
B. H. Broekes' Bethlebemltischer Eindermord.
MariDOS relip58«t Heldengedicht La sirage degli innoeenti,
welehea Broekee nngefftbr ein Jahrhundert nach seinem Erscheinen
(1632) ana dem Italienischen ins Denteche übersetzt hat (1724),
gehört zn den weniger bekannten Dichtungen des berfibmten
Itiiters. Die literarischen Fehden, die besonders nach Marines
Tod befug entbrannten^), konzentrierten die allgemeine Anfmerk-
Mokeit aaf sein nach anderen Knnstkriterien geschaffenes Hanpt-
«PM AdeniSy und außerhalb Italiens machte Heinsins* Hercdes in*
fanticida der Strage eine sehr gefährliche Eonknrrenz. Die ver-
bältoismäftig wenigen Übersetzungen, welche das letzte Viertel des
IVn. Jahrhunderts bringt, sowie die Ton Borzelli') gesammelten
Terlagsdaten beweisen, daß später, zn Brockes* Zeit, dieses Epos
•in knmmerliehee Dasein fristete, nnd J. U. König hat Becbt,
vesn er bedanert, daß man sich in Deutschland eine italienische
Ausgabe der Strage schwer beschaffen konnte. Man wird des-
h$\h einer in der Erseh-Oruberschen allgemeinen Enzyklopädie
(IVI. 1884) enthaltenen Notiz Glauben schenken dürfen, daß der
Afliaft zur Brockesschen Übersetzung anf einen bloßen Zufall zu-
röekzuführen sei. Ein Hamburger Freund des Dichters, der
spltere Syndikus J. G. Surland, dessen Lobgedicht auf die Über-
letzung der ersten Auflage des Eindermordes Torangestellt ist,
liatte em Exemplar der Sirage bei einer Versteigerung als Zugabe
«btlten und nachte es Brockes zum Geschenke. Da dieser sich
Mbon Torher mit Übersetzungen aus Marines Adonis beschäftigt
katte, eotechlofl er sich sofort, das Epos ins Deutsche zu über-
tragen. Ein an der Elbe gelegenes Landgut war die Stätte, an
^) VcL besonders Crocos Appunti sulle poletniche suseitate
daSAäM^. CagliAri 1898.
*) BibUografia deUe opere del Cav. Marino^ Borna 1888.
ZtitKkrift f. d. öftoiT. Gtbii. INS. IT. Heft. 19
290 B. H. Brockes' BethlehemiÜBcher Kindermord. Von C. Battiati,
der er seinan Plan znm größten Teile verwirklichte. Ale König
nm 1711 mit Brockes in Hamburg zusammentraf, lernte er den
Anfang des Gedichtes kennen and versftnmte es nicht, Brockes in
PriTatgespr&chen sowie in der Zueignung seiner „Theatralischen
Geschichten** eindringlich zur Fortsetzung aufzumuntern. Aus den
Akten der „teutschübenden Gesellschaft** bringt Prof. BrandP)
folgende Daten aus dem weiteren Verlaufe: am 2. Mftrz 1715 las
Brockes den Schluß der Übersetzung Tor; am 8. April war sie bereits
druckfertig, am 15. September hatte der Obersetzer die Widmung
an den Kaiser gedichtet und am 8. NoTember erschien das in
Deutschland mit großer Spannung schon erwartete Werk im Bach-
handel. Schon am 18. November brachten die , Neuen Zeitungen
Ton gelehrten Sachen** des J. G. Grusins die erste Anzeige und Be-
sprechung.
Kann man auch über Brockes* Werk kein allzu günstiges
Urteil fallen, so muß man doch billigerweise anerinnnen, daß der
Übersetzer nach einem wohldurchdachten Plan, mit großem Ernst
und ausgezeichneter philologischer Vorbereitung an die Arbeit ge-
gangen war. Seine Verdienste in dieser Hinsicht ruckt der Vor*
bericht Königs in ein gOnstiges Licht. Schon die Herstellung
des guten italienischen Textes, den er der Übersetzung beigegeben
hatte, war keine leichte Aufgabe ; ihre Lösung jedoch zeugt ?on
Brockes* Scharfsinn und kritischer Begabung. Er hielt sich dabei
hauptsftchlich an eine der spftteren Ausgaben des Scaglia (Venedig
1688 und 1668) und in einigen Tereinzelten Lesarten an die
römische Tom Jahre 1745 in 12^ die man in der Bibliographie
Borzellis vermißt» w&hrend er die ihm bekannte römische des
Manelfi 1688 nicht berficksichtigt. Blne literarische Tendenz
zeigt sich in der Absicht Brockes*, Ton der König berichtet: „wo-
durch zugleich der Herr Übersetzer die von den Frantzosen eine
Zeit her hefftig angefochtene Dicht-Kunst der Welschen etlicber-
maßen zu vertheidigen gesucht: um ihren Wehrt und ob sie nicht
der andern weit vorzuzieheut unsem Teutsohen zu einem nnpar-
thejischen Urtheil vor Augen zu legen*. Denn die praktische
Bettung des italienischen Marinismus, der in Frankreich von Mai-
herbe bis Bonhours, Perault und Sorbier eine herbe Kritik gefanden
hatte, galt auch als Bettung für die deutsche SchwulstdichtuDg,
welcher damals der Hamburger Dichter huldigte.
Warum Brockes die Strage dem Ädonis vorzog, wird im
„Vorberichte** genau begründet. Die angegebenen Gründe beweisen
eine genaue Kenntnis der literarischen Tätigkeit Marines und zeigen»
wie der Verfasser des Oratoriums „Der für die Sünden der Welt
gemarterte und sterbende Jesus** mehr an diesem religiösen Epos
als am Hauptwerke Marines Gefallen fand. Denn unter den Werl^en
Marines nimmt die Strage eine besondere Stellung ein. In der
>) A. Brandl, B. H. Brockes. Innibzuck 1882, S. 19.
E H. Brocket' Bethlehemititeher Kindermord. Von C. BattiBti. 291
Stnge ist der Dichter ein echter Epigone Taesoe: kein romantieohes,
«mdera ein dnrchane episches Heldengedicht brachte er hier hervor,
itrsDg nach den Vorschriften Matteo Pellegrinis, daß nftmlich die
epische Dichtung an schlichte Einheit der Handlung, an Erhaben-
heit der Darstellung nnd an Wflrde des Stoffes gebunden sei.
D«m bunten Gowirre der Episoden, welches im Adonis die schwache
Hanptbandlung teilweise ganz verschlingt und dem Dichter die
?adi«Dten Vorwürfe seiner Kritiker eintrug, stellte Marino hier
no« trockene Fabel entgegen; den Umfang des Werkes suchte er
dnreh lange Reden und breite Darstellungen zu vergrößern. Des-
balb findet man in diesem Qedichte die stereotypen Kennzeichen
dir biblischen Heldendichtungen der Spfttrenaissance, die schon bei
SaaoazaroB De pariu Virginia auftauchen und die in allen religiösen
Spw des Seicento anzutreffen sind^), innig verbunden mit den
Merkmalen der Nachahmungen des „Befreiten Jerusalems'*«
Aber der Form nach steht die Strage nicht auf jener Höhe
der Vollendung, die der Dichter im Adania erreicht hat; schon
Mengbini hat ganz richtig diese Inferiorität betont, die wahr-
Kheinlich auf den Umstand zurückzuführen ist, daß Marino an
Min Werk die letzte Hand nicht legen konnte. Stilistisch zeigen
neb schwere seicentistische Gebrechen : lange, auf alle möglichen
Eioxelheiten eingehende Beschreibungen, Vorliebe für Antithesen
md sinnwidrige Vereinigung von widersprechenden Begriffen, mehr
abetoAende als erschütternde Situationen, schreiende Farben,
Hltfimgen übertriebener Epitheta, die den Mangel des Dichters
aa echtem religiösen Gefühl maskieren. Hier besonders herrschte
tviieben Dichter und Übersetzer eine gewisse, wenn auch entfernte
Wibherwandtschaft, die möglicherweise Brockes bestimmt hat, die
begonnoDe Übersetzung des Adonis aufzugeben, um sich der ihm
Biber liegenden Strage zuzuwenden.
Was Brockes mit dieser Übersetzung geleistet hat, dürften
vir am besten dadurch beurteilen können, wenn wir einen Blick
ttf die zugleich mit der ersten Ausgabe erschienenen Gedichte
Brockes* werfen, weil dort die Keime zu finden sind, aus welchen
Stil nnd Form der Übersetzung sich entwickelten. Denn Mißver-
ttlodnisse aus Unkenntnis der Sprache des Originals sind bei der
Spracbbeherrschnng Brockee\ der selbst ganz korrekte italienische
Madrigale dichtete, nicht anzunehmen und kommen auch nicht vor.
Abweichungen im Stile und Metrum sind somit nur auf genetischem
Wege, in der poetischen Anlage und in der dichterischen Vor-
bereitung zu suchen.
In den meisten Produkten der ersten Periode von Brockes*
dichterischer Entwickelung findet man Hftufungen von rhetorischen
*) V^ darüber Belloni ^Gli Epigoni deUa Qerusakmme liberaia''.
PadoTs, Draghi, 1898.
19*
2d2 B. H. Blockes* BethlelMDiUiefacc Kindermord. Von 0. BmttUH,
Knnvigrifliuiy die ihre Ursaebe oft in einer irraüoaellen Betennng
des GefflblM habeo, and die meieteoe mit der UngezwBDgenbeit and
der eogv mnodartlicheo YernaeblisBigiuig der Sprache disbar-
monieren. Mit dieser nnpassenden AnsdraGkaweise paart aicb die
Breite der DarsteUimg. Und wie der Stil, so der poetisebe Ge-
danke. Bald schwelgt Brockea in einer Fülle ¥<m erbabeoen, ein-
ander drängenden VorsteUangen, die ihn in den merkwürdigsteo
Goncetti xwingen; der Dichter Twmag sie nicht TftUig zn erfassen
nnd er erblickt nnr die Beiiehnngen der ÜbereinstiBunang, des
Ckgensatzee oder der Kansalitftt nach einem ftnßerlichen Zosammen-
hang seiner Begriffe; bald fehlen ihm die Anschannngen dsrEin-
bildnngskraft, wodarch sich das Wssen der Poeeie Ton jenem der
Prosa nnterscheidet
Dort, wo Brockes sich Tom SchOnen znm Erhabenen dnrch
die grOfite Erregung der Phantasie zu erheben Tersncfat nnd durch
ein Blendwerk von Anschannngen den berechnenden Verstand über-
rnnpelt» gelingt ea ihm nicht, jene Tiefe der poetisch«! Bilder in
erzielen, die den Leser mitreißen, denn die Terstandeamäßige Be-
nrteilnng wird durch die disparate Häufung der zueinander be-
zogenen Gegenstände künstlich erweckt nnd der unvermittelte
Widerstreit zwischen Torstellung und Objekt ruft daa Komische
hervor. Leider nur das Komische in direktem Gegensätze inr
poetischen Absicht des Marinismns, der durch diese vom Konflikte
zwischen Einbildung und Verstand bewirkte Lösung aus der
Subjektivität des Dichters zur Objektivität des Beurteilers eben
die Bewunderung für die verwendeten poetischen Mittel erzielen
will. Daa Hüchste in diesem Barockstile leistete Brockes, verleitet
durch die mjrstische Begeisterung und traditionelle Oberlieferong
der Hamburger Oper, in den Arien der Oratorien und in deo
Kantaten. Hier lasse ich einige Beispiele „aus dem für die Sünden
der Welt gemarterten und sterbenden Jesu*' folgen:
leb sehe an einen Stein gebanden
Den Eckstein, der ein Fener- Stein
Der ew*gen Liebe seheint zu sein.
Denn aas den Bitsen leiner Wanden
Weil er die Glaht im Basen trägt
Sehe ich, ao oft man aaf ihn schlägt
So oft mit Strick und Stahl die Schergen auf ihn diingen
Aas jedem Tropfen Blut der Liebe Funken springen.
Oder:
Dem Himmel gleicht sein bant-gestrienter Böcken
Den Regenbogen ohne Zahl
Ale laater Gnade -Zeichen ecbmfleken:
Die (da die Öflndflnt nns'rer Schuld versehet)
Der holden Liebe Sonnen - Strahl
In seinee Blatee Wolken zeiget.
Oder:
Die Bösen crOnen sonst der raahen Dornen «Spitzen
Wie kOmmts, daß hier ein Dorn die Aarons Böse crOn't?
B. H. Broek«' Bethlehemiüscher Kindennord. Von C BatHsii. 293
Da auf die Boten aonst Aaron Ferien tfarint;
FIb^ hier die Bom eelbit Bnhinen an xa echwhzen.
Odtr:
Schaut Seele, aeban
Wie TOD der ffOtÜiehen- schönen Stime
Gleich einem Farpnr-farb'nen Tbaa
Der rom gestirnten Himmel sieh ergießet
Ein lauer Baeh von blat*gem Porpor fließet
Mit solchen CoDcetti gehen Wortspiele Hand in Hand, die
eine gleiche psychische Voranssetzung zeigen:
... Sprichst da denn ...
Ewigs Wort, kein einige Wort?
... Will ein ewigs Leben
Mir in geben
SeUwt (Us Leben sterben.
Auch ao Oxymoron, die in der Tat nichts anderes als
Concaiti ohne tertium camparationia sind, ist Brockes sehr reich.
Mit Recht nennt ihn F. Wehl den „Yirtnosen des AdjektiTes**.
Mao braneht nur an sein erb&rmlicb-BchOn zu erinnern, eine Vor-
bintaig, die in der deutschen Kritik des XVni. Jahrhunderts eine
bedeatende Bolle spielte. Hieher gehOren die hange Lust, das
fröhliche Entsetzen, das frostige Feaer nnd die lichte Dankelheit
im Gedichte anf die Oebnrt des Erzherzogs Leopold und die
lahlreicfaen Belege aus sp&terer Zeit, die Brandl anführt. An
Lolienstein erinnem die in großer Menge zerstreuten Kraftwörter:
dffSftttder ist ein Teufels -Werk -Zeug, ein Schaum der Menschen-
kinder oder ein Schaum der Welt, ein wilder Sündenknecht, eine
•rgrimmte Hatter-brut, eine Zucht-brut der Drachen, ein Hund, ein
Trafel. Fögt man noch die H&ufungen, die Variationen, die
kmaktiTon Einschrftnkungen, die Methaphem hinzu, ffir welche
Brockes eine entschiedene Vorliebe hatte (Beispiele zu bringen ist
sieht notwendig), so ergibt sich Yon selbst, daß er in der Periode,
in welcher die Übersetzung des Marino entstanden ist, mit vielen
Hauptkunstgriffen ton Hofmanswaldau und Lohenstein vertraut
wir, daß es ihm aber an kflnstlerischer Kritik und an Maß in
iler Verwendung derselben fehlte. Erst durch einen langsamen
Linterungsprozeß, bei welchem die Übersetzung der Strage eine
•ntscbeidende Wirkung ausfibte, gelang es Brockes, diese ge-
könstelte Ausdrucksweise zu vermeiden und sich einen eigenen
originellen Stil zu bilden.
Eine andere Schw&che der Brockesschen Schreibweise be-
itebt in der maßlosen Brette der Darstellung. Auch hier zeigt
sich wiederum die Unvollkommenheit des Anfängers. Denn der
Dichter ist nicht imstande, durch die H&nfung ähnlicher Vor-
Btellangen die Anschaulichkeit zu fördern. Seine Weitläufigkeit
▼erlisrt sich in beinahe vollkommen gleichen Bildern, welche die
Pbaolasie ermüden nnd die Besehreibung nicht ergänzen, oder er
beeinträchtigt die notwendige Anschaulichkeit des Gesamten, in-
294 B. H. Brocket' Betblehomituober Eindermord. Von G. BattisH,
dem er bei den EiDzeldarstellnngen das Sinnliche durch das Über-
sinnliche» das Natfirlicbe durch das Künstliche in veranschaulichen
sucht, weil dadurch eine Rekonstruktion der psychisch verschieden
gestalteten Details erschwert, wenn nicht überhaupt unmöglich
gemacht wird. Diese malerische Manier, welche sowohl eine Folge
der Anlage, als auch eine Folge der künstlerischen Erziehung unseres
Dichters ist und sich langsam aber stetig zu einer stiiistiscbeD
Eigenart entfaltet, kommt nicht allein bei längeren Stellen Tor,
sie bekundet sich in den ununterbrochenen Versuchen Brockee' die
größte Volletftndigkeit der r¨ichen Vorstellungen, in welche
ein poetisches Bild zerlegbar ist, zu erreichen. Dadurch, daß die
Anzahl der anschaulichen, nacheinander gegebenen Vorstellungen
die Anzahl der von unserem Bewußtsein als übersehbares Neben-
einander aufgefaßten übersteigt, verliert sich endlich die Klarheit
des phantastisch aufgenommenen Bildes^). So beschaffen ist zun
Beispiel die Darstellung des gequälten Heilandes'), wo jeder
krampfhafte Zug des Mundes mit der Schilderung der entsprechenden
akustischen Vorstellung in der zeitlichen Reihe des NacheinanderB
verbunden wird, ähnlich die Klage des Petrus^), wo die Effekte
des Schmerzes auf das Innere des Betroffenen nach drei Richtungen
hin geschildert werden. Und in die gleiche Qruppe scheinen mir
jene kurzen Zusätze zu gehören, die eine von zwei miteinander
verbundenen Vorstellungen mehr als episodisch ausdrücken: z. B.
Speit dein Basilisken-Bachen, Brut der Drachen, Dem
der alle Ding' erhält, Schleim und Geifer ins Gesicht
Wir können im Stile dieser Periode ein Bestreben des jungen
Dichters konstatieren, kräftige Eindrücke hervorzurufen. Er greift
aber, um die größte Wirkung zu erreichen, einerseits zu einem
potenzierten Stile, welcher die Wirklichkeit in der Richtung des
Ungeschlachten und Kolossalen erhöht, andererseits zu einem indi-
vidualisierenden Stile, welcher die Plastik des Bildes durch Dar-
stellung der nebensächlichen, zufälligen Merkmale anstrebt^).
Diese zweite Stilart sollte ein Gegengewicht sein zu den Ver-
schrobenheiten und Gestaltlosigkeiten der ersten Stilart, indessen
hat die Detaillierung, welche durch die zweite eingeführt wurde,
1) Vgl Roetteken, Hubert: Poetik I. Bd., München 1902.
S) Brich mein Herti, zetüieß in Thränen
Jesa Leib zerfließt in B(at!
Hör' sein jämmerliches Achsen!
Schau, wie Zang* und Lippen lechzen I
Hör' sein Wimmern, Seufzen, Sehnen,
Schau, wie ängstiglioh er thati
*) Die wilde Glut der dunklen Marter -Hole
Entzündet schon meio zischendes Geblüt
Mein Eingeweide kreischt aaf glinunen Kohlen
Wer löscht diesen Brand? Wo soll ich Bettung finden?
«) Vgl. Volkelt, Johannes. Ästhetische Zeitfragen, München 1895»
Vierter Vortrag : Die Stile der Kunst
B. H. Brocket' B«Uildiemiiiiehar Kindennord. Von C. BaitisH. 295
•io noch fprelltreB Liebt »nf die Mafilotigkoit d«r «rsten ge*
werfen. Und der linge, zielbewußte» stiliBtiBehe Forteebritt
Brockes^ bestand eben darin» daß er eicb anf eine rein indiTidoa-
liaierende Kanier beeebrinkte nnd sieh Tom potenzierten Stile zn
dem seiner Anlage mebr angemessenen Talsaebenstil bekehrte.
Ancb die Einwirkung der Metrik anf den Stil des Dichters ist
TerbingnisToll, besonders dort» wo er sich» wie in der Über-
setinng, des Alexandriners bedient. Denn dnrcb die Beobaehtnng
der Clsnr, die den Vers in zwei Hemistiche teilt, war natiirlich
eine Zweigliedrigkeit des Gedankens gegeben» die eine Neigung
znr SstzTorteilnng anf die Vershftlfken mitbrachte. Ist aber der
Qedanke zn kurz» nm den ganzen Vers aaszafdllen» da bleibt dem
Dichter nichts anderes übrig» als in Antithese oder Steigemng»
Taatologie nnd Parallelismns Ersatz zn suchen. Denn ein so langer
Vers, wie der Alexandriner mit einem starken Abscblnsse am Ende»
kenn in den meisten Fftllen nur als metrische Einheit» kanm als
Glied einer solchen gelten. Diese Beschaffenheit des epischen
Venbanes gewährt aberBrockes einen leider zu großen Banm für
eine breite Darstellnngsart. So finden wir gleich in der Zneignnngs-
Schrift an Karl YI. beispielsweise:
Zn einer solchen Beis und himmelhohen Fing.
Das Haopt der Erden Karl, so rühmen; zo beeinfren.
Der Stürme frecher Sehwarm, die Furien der Lüffce.
Die Donner grollten stark nnd brflllten gransamlich.
Kein Schrecken» keine Furcht in Karle Gemttth zu erwecken.
Sein Witz ist nnbegranst und kennet keine Schranken.
So eilt ihr Tage denn» befiedert euch ihr Zeiten.
Dasjenige also» was Brockes' Produktion in dieser Periode
charakterisiert» ist nicht so sehr die eigentliche stilistische
Richtung des Schwulstes, sondern ein tastendes Hemmsnchen nach
kriftigen Ausdrücken oder detaillierten Beschreibungen, welche die
Anschaulichkeit fördern sollen. Der durch Uofmannswaldan
sjstemisierte Schwulst, der sich auf die ganze zweite scblesische
Schule mit Abschatz» Corrinus» Hnnoldt» Lohenstein, Mencke»
Keukirch, Ziegler n. a. ausbreitete und den wahren deutschen
Mtfinismns darstellt» ist bei den Metaphern, die wir bei Brockes
merken» nicht stehen geblieben; Ettlingers^) und Jellineks') ünter-
Bucbnngen haben reichlich bewiesen» daß die eine qualitative
Steigemng des Ausdruckes bezweckenden Gleichnisse» Antithesen,
Hyperbeln nnd Concetti der Scblesier nicht allein dem Grade,
sondern anch der Art nach'), von den bei Brockes angeführten ver-
') Christian Hofmann v. Hofmannswaldan, Ein Beitrag znr Lite-
ratvgeoehiehte des 17. Jahrhunderts von Dr. J. Ettlinger» Halle» 1891.
*) Hofinannewaldan, Heldenbriefe in der Vierteljabreeechrift für
Literatufgeschichte, 4. Band, 1891.
*) Eine Eigentümlichkeit der Scblesier waren die etark einnlichen,
knltsanschen Vergleiche, wovon bei Brockes keine Spur zu finden ist.
2M B. H. Bioekei' Bethlahtmititeher Kintomord. Yob C, BaUutu
schieden sind. Dieae letzten zeigen ime ?ielmehr jenes Yontadiam
des Schwulstes, welches A. Gryphins, D. Sdiinner, J. Schwieger,
B. Feind eigen wir nnd das sieh im französischen Preziosismiis
im grofien ganzen bekundet. Es ist kein GewohnheitsmariniBmns,
sondern ein Übergreifen anf die jedem Dichter jener Zeit zur Yer-
fflgong stehenden literarischen Mittel, nm den Ansdmck zn beben.
Die strage degli innoomti war schon deshalb fflr Brockes das am
nächsten liegende Werk Marinos, viel näher als das Epos Admis,
▼on dem Brockes eine Übersetzung zn geben, offenbar nicht ver-
mochte. In der Stra^ fonden sich Marino nnd Brockes in der
Vorliebe für das Dflstere, Ungfeschlachte nnd für die «bintigen,
schweren Gsntnsr^Metaphem''. Aber Ton der 8trag$ konnte Brockes
anch nicht oder mindestens nicht in gleichem Matte den eigent-
lichen Seicentismns Marines lernen, wie Hofmannswaldan ans dessen
Lira. Die Folge war, daß, während Hofmannswaldan dnrcb das
Studium und die Nachahmung der lyrischen Gedichte Marines der
Fahnenträger des deutschen Schwuletes wurde, die Übersetzung
der Slrage Brockes sogar Yon seinen allzu düsteren Farben ab-
brachte, eo daß sich in der nächsten Zeit bei ihm eine Ge-
schmacksbesserung zeigte. Schwankungen gab es dabei natürlich
durch etliche Jahre; in der Lyrik der folgenden Periode bis zorn
„irdischen Vergnügen*', welche als unreif in den ersten Band
dieser umfangreichen Sammlung nicht aufgenommen, aber mit der
Tierten Auflage des betlehemitisehen Kindermordes gedruckt wurde,
zeigt sich noch ein gewisser Mißbrauch von Metaphern, die im
MarinismuB wurzeln; die Farben jedoch sind nicht mehr so auf-
dringlich wie früher und der Stil bat etwas Flotteree und Eleganteres
bekommen, was wir bei der Übersetzung leider noch immer ver-
missen.
Ale Versemacher zeigt sich Brockes besondere in dieser Periode
schwach. In der Auswahl der Reime und der Metren verrät er
eine Nachlässigkeit und Bequemlichkeit, die den Forderungen einer
disziplinierten Eurythmie und einee musikalischen Wohlklanges nicht
gebührend Bechnung tragen.
Was das Beimtechnikwesen snlangt, so hat Brockes seine
Ansichten über die Beinheit der Beime in einer üntersnebang
in Weicbmanns Poesie der Niedersachsen L 1 — 82 veröffentlicht
(Hamburg, J. Ch. Hissner, 1725). Wir braueben ihn nur nsch
seinem eigenen Maßstabe zu beurteilen. Gleich am Anftng seiner
Untersuchung betont er, „daß die Teutsche Sprache in ihren
Beimen vor allen anderen sich einer sonderbaren Beinigkeit zu
rühmen hat und weder die Italienische, Spanische noch eine von
denen, die ihre Verse mit Beimen schließen, ihr auf einige Abrt
was die Bichtigkeit des Beime so wol, als der Scaneion angebt,
zu vergleichen ist."* „Die wenigen Freiheiten'', sagt Brockes
ganz richtig, „beruhen auf dem Unterscbiede der Mundarten nnd
der Aussprache** und er gibt ein Verzeichnie der unreinen Beime
B. H. BroekM* BethlebemitiMher Kiadonnord. Ton C. Satiüiu 297
der oiadviftehBiioheD Mandart« die er btaeitigen mOehtai nm
^die Tentiehe Sprache von aller Hftrte QDd ünreinigkeii geeftnbert
ud anf dem Oipfel der YollkommeDheit zu sehen.*'
Man miüS aieh allerdinge fer Augen halten, dafi Brockes
diraee strenge poetische Oesetzbach 10 Jahre spftter als die Über«
Mtnmg der S^yt^e diktierte; aber dieses löbliche Streben nach
Beinbeit bekundet sich in der ersten Periode seiner Dichtung
nicht; er reimt sorglos • and ü^)f eu nnd äu mit ei^)^ ä mit ö
ood e') wie die Obersachsen, deren Sprache er in seinen ersten
poetischen Yersnchen als Mnster betrachtet. Charakteristisch ist
es indessen, daß Brockes sich von dem für seine Mnndart un-
passenden, in der schlesischen Schale nicht zn selten auftretenden
fisime 0 — u und ö — i mindestens ftußerlich fem hielt <) und
die niedersftehsischen Beime k g auf cb als Sölöcismus sorgsam
Tennied. Für unseren Fall ist dabei ein weiterer Umstand von
Ifrößter Bedeutung, daß sich nftmlich hinter der Unreinheit der
Beime eine große Armut verbirgi Die gleichen Worte lassen sich
in Beimstellung sehr oft nachweisen.
Ein zweites beachtenswertes Moment ist der Mangel an
regehnäßiger Beim- und Strophenverbindung. Fast die gesamte
dichterische Produktion dieser Periode bewegt sich in der freien
Fonn der Cantate (meist mit musikalischer Begleitung) und der
Reim wird zwar ausnahmslos durchgeführt, aber ohne ein be-
itimmtes Prinzip Tsrwendet. Die Verbindung der Tersscblüsse ge-
schieht zwanglos dorch Beimpaare, gekreuzte und verschlungene
Beime. Auch überschlagende Beime abc abc kommen Tor, sie ge-
h6ren aber zu den Seltenheiten. Im Gebrauche der stumpfen und
klingenden Beime (gleitende kommen überhaupt nicht Tor) zeigt
sich ebenfalla die grüßte Willkür; dann und wann besonders in
den Arien unter Einfluß der Musik und in den Gedichten auf Erz-
herzog Leopdds Ctoburt (1716), auf das „Erz-Haus von Österreich*"
*) Sünden : binden 299, 807; betrüben : geschrieben 800; Bflhnen:
dienen 802 ; wissen : küssen 808; Terlieren : führen 804; Binder : Sflnder
306; erkühnt : Terdient 807; Ungestflm : ihm 816; Gemüt : yerschied 818 ;
BUtz : Gesehüts 822; Brüder : GUeder 322; Stime : Turne 824; hinge-
riaien : müssen 807; Stricke : TOcke 808; Bücken : Stricken 310; drücken:
erqoicken 814; gerissen : müssen 815; spricht : Gerücht; Himmel : Ge-
tSmmel 829 ; Spiegel : Hügel 829; snrück : Augenblick 829; Glücke : Ge-
schicke 888.
*) Benlen : heilen 299; Leuten : Seiten 805; sengen : schweigen 807;
each : zugleich 809; schreyen : scheuen 818; teilet ; heulet; versftumet :
keimet 809; faüuft : reift 809'; Gerftusch : Fleisch 818; Eingeweide : Ge-
binde 880; gleich : Gesträuch 880.
<) Fallen : HoUen 800, 808; Seele : Hohle 805, 814, 829; Höhle :
qoile 808; Cometen : tOdten 809; wer : GehOr 809; krOnt : trfint 312;
utertiaig : KOnig 318; Elbe : GewOlbe 828.
*) Um den den Schlesiem yorgeworfenen Beimfehler (o — u) zn
Termeiden, mußte Brockes einmal zu einer Verbalform greifen, die er
mit Ausnahme dieser Stelle sieht Terwendet; knnt (könnt') : Mnnd 800
298 B. H. Broekes Bethlebemitiieber Kindermord. Von C. BatüaH.
(1721), anf die Ankunft des Herzogs Anton Ulrich von Braun-
schweig in Hamburg (1712), anf den Herzog Ang^st Wilhelm
von Brannscbweig, auf den Tod Lucas' Ton Bostel (171€), aaf
ein Abel geratenes Fenerwerk nnd „die wol eingerichtete Bepnblik"
kommt das Bestreben nach einer Abwechslung von stampfen mid
klingenden Beimen znr Qeltnng; aber anf die Dauer macht sieb
der Dichter auch von diesem Zwange frei nnd geht gegen Ende
der erwähnten Gedichte znr größten Freiheit über. Was du
Verhältnis der zwei Gattungen zueinander betrifft, so dftrften
sich die klingenden Beime auf beinahe 40 v. H. belaufen. Mit
der Willkür in der Beimverwendung paart sich der Mangel an
strophischen Formen. Solche finden sich nur in den Arien, aber
ein bestimmter Typus l&ßt sich auch da nicht nachweisen. Nor
die Arien, welche die gleiche Gesangsbegleitung haben, sind gleich
gebaut und zeigen ein konsequent festgehaltenes Beimsystem.
Durchgeführt ist beinahe ausnahmslos die isometrische Zwei-
teilung^); bei vierzeiligen Strophen dominieren die Kreuzreime
(abba), bei den sechszeiligen ist das Schema aab aab, abb abb
sehr h&ufig. In strophischer Form sind nur die „entzündete
Minerva**, die sp&ter als die Übersetzung gedichtet wurde, die
Zueignung an Karl VI., das »Hochzeitsgedicht** und einige So-
nette abgefaßt: hier ist also die Arbeit an der Strage wirksam
gewesen. Die erste, die auch der Form nach exotische Einflfisee
verr&t, besteht aus vier Alexandrinern (a* bb a*) und zwei Acht-
silbern (c* c*, vierffißige Jamben). Sie zeigt auch im Wechsel
der Bythmen, in der Ablösung des Alexandriners durch doppelte
jambische Sechssilber einen feinen Wohlklang, der auch bei den
lyrischen Gedichten des reiferen Broekes* unerreicht bleibt.
In den zwei Sonetten (in Alexandrinern) «auf die be-
rühmtesten Komponisten** und MPortrfttschilderer dieser Zeit** ist
nach französischem Muster der Wechsel der stumpfen und
klingenden Beime durchgeführt und das strenge System der um-
armenden Beime in den zwei Quartetten (a* bb a% a* bb a*)
beibehalten. Dies galt seit Opitz auch in Deutschland als BegeP).
Das Hochzeitsgedicht bewegt sich einfach und schlicht in
Quartetten (a* b a* b) von jambischen Achtsilbern, die Zu-
eignung dagegen in der seltenen Form der italienischen sesta rima
(a* b, a* b, c* c*) mit Alexandrinern, wobei die Auflösung der
Kreuzreime durch das abschließende Beimpaar sich dem epischen
Gange der ottava rima schon bedeutend n&hert.
Die Wahl der Verse zeigt, wie sehr Broekes in dieser
Periode unter dem Einflüsse der jambischen Metren steht. Nnr
*) Dabei darf man aber nicht außeracht lassen, daß es lahlreiehe
Arien, beacnders im Oratorium gibt, die keinen aoageaprochenen
strophischen Charakter aafireisen.
>) Minor, Neubochdeatsche Metrik. 2. Aafl. Id02. S. 487.
B. H« Brockes' Bethlehemitueher Kindermord. Von C. Battisti, 299
in wenigen Arien sind troch&iscfae Verse zn finden, für welche die
ErklAning in der Mnsik za suchen sein wird. In den Sonetten,
in der Zueignung, in den Oratorien und Gantaten dominiert der
Alexandriner, in den zwei letzten ganz wilikfirlich abwechselnd
mit Sechsailbern, Hemistichien und Achtsilbern, beziehungsweise
füDffflßigen Jamben („Und dieses Unsterns Quell" ist einzig nur. —
Mein Schutz- Qeetim, den Atlas meiner Krone. — Der über mir mit
starken Flügeln schwebt usw.* im Gedichte auf die Geburt des
Enberzogs Leopold). Zu beachten ist, daß die ton Opitz ver-
langte Übereinstimmung des Wort* und Versaccentes streng durch-
geführt wird and beinahe keine Ausnahme findet. Weil der reine
jimbisohe Charakter nicht verletzt wird, ist die SilbenzAhlung
(13 silbig weiblich, 12 silbig männlich) auch streng aufrecht
erhalten. Hemistichia, die auf Proparoxjtona ausgehen (diese
bilden vielleicht 7 v. H. der Alexandriner) und in denen die
uhwach betonte Endsilbe einen Hauptictus empfängt, zeigen am
Versende meist Abstracta auf -keit oder Adjektiva auf -lieh,
•ig, -isch^) (also nicht geschwächte Silben, ca. 41/2 v. H.),
während nebentonige Silben auf geschwächtes e in dieser Stellung
oar dann gebraucht werden, wenn sie einen konsonantischen
Ausgang haben. Die Cäsur fällt ausnahmios hinter die sechste,
betonte Silbe. Brockes hat sie mit einer natürlichen Pause des Satzes
derart in Einklang gebracht, daß durch diesen rythmischen Ein-
icbnitt eng zusammengehörige Satzteile nur selten getrennt werden.
Eine Verstümmelung oder Verlängerung der Worte des Bythmus
w^en ist in den gebührenden Schranken gehalten; in der Begel
werden nur die zwischentonigen schwachen e unterdrückt oder es
wird in der Verbalfiexion die Endung -et auch in jenen Fällen
eingeführt, wo das Neuhochdeutsche bloß ein t verlangt. Wir werden
leider sehen, daß der Dichter in seiner Übersetzung zu oft von
dieser hier bewahrten strengen Gesetzmäßigkeit abgewichen ist und
eich zu schweren metrischen Freiheiten verleiten ließ.
Nach dem nicht besonders freundlichen Eindrucke der ersten
Periode der Brockesschen Dichtung darf man nicht zu viel von der
Obersetzung erwarten. Brockes* Stil ist wässerig, gemütlich, der
Ton Marino hochtrabend aber geschmeidig, Brockes' Seicentismus ist
bloße Nachahmung des Äußerlichen in dieser Kunstrichtung, deren
ästhetische Bedeutung er weder mit seinem Gefühle, noch mit
seinem Verstände erfaßt hatte, im o£fenen Gegensatze zu dem
planmäßigen Seicentismus Marinos, der mit äußerem Prunk und
virtuosem Künsteln die Leere der Gefühle ersetzt und bestimmte
Effekte zu erzielen weiß. Brockes' Verstechnik entspricht schließlich
*) Diese aber nur, wenn sie Proparozjtona sind, Fälle wie: bei-
•pieliweise menechlich, Bchrecklich, tOdtlicbi gütig etc., die
eich bei Dietrich von dem Werder nachweisen lassen (vgl. Carlo Fasola,
D. V. d. Werder-Obertragong des Ariost in Ztoeh. f. vgl. Litgeeeh. N. F. 7,
8. 189 ff.) kommen bei Brockes nicht vor.
300 B. H. Broekei' BethlehemitiBeher Eindennord. Von C. BattUH.
nicht den AnfordenmgeD, die eine UangrTolIe in ttetig auf- nod
absteigenden Wellen eich bewegende Oktave an einen Übersetzer
stellt. Und in der Tat scheint Brockes die Kunst Marinos bei
seiner Übersetzung arg mißTerstanden zn haben; bei den Stellen,
an welchen der italienische Dichter die Grenzen des Eünstm&ßi§^en
zu überschreiten scheint, versnebt er es mit Kraftwörtern and,
wo solche ihm nicht zn Gebote stehen, mit Anhftnfnng von
niedrigen, manchmal pöbelhaften Adjektiven; nm das Erhabene in
Marino wiederzugeben, tr> er die düstersten Farben auf, welche
die Anmut einzelner italienischer Verse zerstören ; die mehr geistig
gehaltene Darstellung Marinos wird in die sinnlichsten, rohesten
Worte umgesetzt, wodurch die teilweise verborgenen Fehler des
Schwulstes natürlich um so kr&ftiger zum Vorschein kommen, und
zuletzt die metrische Seite: der musikalisch einheitliche, an
Wechsel der Accente reiche, stetig anschwellende oder allm&blich
abnehmende Zehnsilber wird durch den zweigliedrigen, monotonen
Alexandriner wiedergegeben; die oUava ritnOf welche durch die
gebundenen Beime (ab ab ab cc) eine langsame aber stetige Ent-
wicklung des melodischen Satzes bis zum vierten Verspaar bezweckt,
wo die ritna baciata die musikalische Periode in einem Grundakkord
auflöst, wird in 6 — 11 nicht durch ein festes Beimsystem zusammen-
gehaltene Alexandriner umgemodelt. Hiezu kommt noch die Wahr-
nebmung, wie regellos Brockes Vers und Reim handhabte und das
abstoßende Gefühl, welch große Mühe die metrische Anpassung der
Worte dem Übersetzer kostet.
Im folgenden wird die stilistische und metrische Stellnng
des Übersetzers gegenüber dem Originale untersucht werden; es
wäre aber ein arger Fehler, über Brockes* Leistung nach bloßen
ftsthetischen Prinzipien zu urteilen und von ihm eine vollendete
künstlerische Übersetzung zu verlangen. Seine Übersetzung ist
bloß eines der ersten Glieder einer langen Reihe und an manchen
seiner Fehler ist seine Zeit schuld. Das Wort Weichmauns im
Vorberichte „daß wir bisher in unserer Muttersprache nichts oder
nur was sehr unvollkommenes von dergleichen Übersetzungen vor-
zeigen können** ist für die damalige Zeit nicht übertrieben.
Das einzige Vorbild einer Übersetzung von italienischen Helden-
gedichten in 8a rima war in Dietrich von dem Werder mit seinem
„Erlösten Jerusalem** 1626 und seinem „Rasender Roland"
1682 gegeben, aber die Kühnheit, mit welcher sich Werder in
der Übersetzung von Ariosto gegen die Vorschriften Opitz* ver-
halten hatte, ließ seine gesamte T&tigkeit nicht gedeihen nnd
zur Zeit des bethlehemitischen Eindermordes konnte Weichmann
aufrichtig sagen „Werder ist auch nunmehr bey uns selbst in so
schlechter Hochachtung, daß sie (die Übersetzung der Oemsalemme
liberata) den allerwenigsten bekannt ist**. Harsdörffers Über-
tragung der Dianea 1634, die des Petrarca von Ludwig v. An-
halt und die des Pastor Fido von Hofmannswaldau, um bloß die
E H. BrockM' Bethlehamititeher Kiadennord. Von C. Battüti, 301
allerbMteo za nenneD, bodentoo nnr sehr laogsame FortBchritte
in der Obersetziiogskiiiist ans dem Italienischen nnd konnten der
Form nach wegen des Terschiedenen Versmaßes Brockes nicht als
Muster dienen. Anch die Seckendorffsche Übertragung des Lncan,
die im Stile nnd in geistreicher Treoe nnbestreitbare Vorzüge
gegenüber den Übersetzungen ans dem Italienischen zeigt, war
wegen des reimlosen Verses nicht nberall mit gleicher Begeisterung
aufgenommen worden nnd konnte schon deshalb als Ideal einer
metrischen Übersetzung nicht gelten. Alle diese Vorarbeiten
Brockes' zeigen ohne Ausnahme eine mechanische, kleiuliche
Technik, die zwar den Wortlaut, aber lange nicht die sprachliche
Anmut und Geschmeidigkeit oder den stilistischen und melodischen
Beiz des Originals wiedergibt. Und was die große Frage nach
der Wiedergabe der italienischen ottava rima betrifft, so befand
man sich damals noch in einem Versuchsstadium, das sich erst
mit Heinse (1774) seiner Lösung n&herte. Werder hatte zur
Wiedergabe des endecasillabo den Alexandriner verwendet, was
der gewöhnlichen Anwendung des Alexandriners im deutschen
Sonette entsprach. Die strophische Form hatte er im befreiten
Jerusalem auch in der zweiten Auflege 1651 beibehalten (ab*
ab* ab* cc); im Basenden Boland war er von der beschwer-
liclien cttava rima abgegangen und hatte den paarweise gereimten
Alexandriner mit regelmäßiger Abwechslung der weiblichen und
männlichen Beime vorgezogen (a* a* bb c* c* dd), wodurch der
innere Zusammenhang des Strophenbaues verloren gegangen war.
I. Kapitel.
Schon die hamburgische Zunft, die nichts als Lobaprüche
für die Brockeesche Übersetzung hatte, hob hervor, daß der deutsche
Dichter im €kbrauche der grellsten Farben seine Vorlage überbot.
Dieaer äußere Schwulst, den uns die anderen Gedichte Brockes' aus
dieser Zeit zeigen, fällt auch unwillkürlich achon bei der ersten
Lektüre auf. J. Suiland meint:
Denn obwohl die Gedanken Marino dir eratlich gab,
So schließt sich doch sein Geist
In gleiche Worte zwar, doch nicht in gleiche Schranken.
Bicbey geht noch weiter:
Brockes trifft nur mit ihm (Marino) an Geist nnd Worten ein
Hier moß das Urbild selbst dem achOnen Abdrack welchen
Marino wird dnrch Brockes mehr ala Marino sein.
ond in gleichem Sinne änßern eich J. Hübner und G. J. Hofft
im Namen der tentschübenden Gesellschaft An Beispielen dafür
fehlt es nicht, nnr einige der krassesten mögen hier angeführt
Verden» Bei der peychologischen Unteisuchung des geistigen Vo^
gangss von Brockes bei der Übersetzung lassen sich drei Art*
uiteracheiden: die Überaetzung eines sinnlich - bildlichen Wor
303 B. H. Brockea' B^thleheiaitücher Eiodermord. Von C. Battitti^
dnreb wm verschrobenes, abtr gl eich artiges; die etnes &bitrtlti
intnitiven dnrcb ein homogODes aber kräftigeres, und tebtieBfk
die eines der zweiten GatttiD^ dnrch eines der ersten^),
Psycbotogjsch bedentet dieser Yorgang, wenn auch in tai
ficbiedeneEi Graden, die Sucht nach dem Beizendsten und &
regenditeo, nach einer DarätöUtxng mittelst Bildlichkeit, die lii
intiitti?e PerzeptioQ bezweckt» Der Dichter will dem Leser dan
die nneig entliehen Ausdrücke das UrteilsTerxn&gen Bebmenf m
lediglich atif seine Einbildang und auf sein Geföhl zn wirka
üetbetiseb umgedeutet iit dieses Verfahren voq Brockea ein mb
waßter Versuch, die Scb ranken der dichtenden nnd bOdead^
Ennst zn durchbrechen und die dieser zakomEuenden Bewegangi
emp&Ddnngen dnrcb die gesteigerte Erregung der Pbantai«
t&tigkeit beim Leser zu ersetzen ; dadi^rcb soll eine ebenso lebütd:^
Oesichtswabrnebmnng erreicht werden, wie dies sonst aar dit
bildende Kanat Termag. Man darf aber nicht vergesseß^ M
Brocket i^ der Malerei ausgingt) nnd daß seine Schrethkmut
der verscbtedenen Perloden sieb immer in der Eicbtong lOl
Malerei bewegt. Dieser Fehler kommt besonders in jenen luUeo
zum Vorscheine, wo Marino eine Wirknng dtircb StimmtingsTerliib-
lichnngeo beabsichtigt^), welche im Leser dnrch Bewegnngiemplfi*
dnugen hervorgerufen werden* Wenn nnn ein nnbildliches W^rt
mitten in einer Keibe von Wörtern, die eine ganze BewefDBj^i-
empfindnng bilden, mit einem aBscbanangsgesättigten äbersitit
wird, 80 ruft dieses Wort unmittelbar eine Pbantasieanacb&QSflie
berror^ die stärker ist, als die der ßewegnngsempfiiidnng eot-
sprechende Stimmnogsverleiblicbnng* Dadurch wird die mQh«]c»»
Anfassnng der Vorstellung zerstört und die Unlust des hnm
erregt. Man vergleiche beispielsweise folgende Stellen Dir
Fürst der Hölle liest in den Gestirnen das Schicksal der Er»
lösnng: I, 15
^) leb lasse bi&r Beispiele %m den ereteQ 40 Strapheu des
Gesanges falgenr L KoDkreU; gioghi aiptm, die ranbeD Spitti
Vatrs caverne^ die graiiRe Hölle 15; in tpieste eüs«, in dieser "
Graft; tormentator^ Benker 23; c(isa piü tetribüe^ kein iig're <
kluft 35^ teitQf Scbrecketibaai; vQcit Geschrei 12; I!. AbstraHar f^
Uagiückistorcn 0; r« dt piantOi König alier Pein 2; sospeitu, übciiiQ^'
f olles Grauen 7; avide hramef dem scharfen Honger B8; llL Wiedelftf«
eines Abstraktem« mit einem Konkretam: kijamh Cetten 1; maivrA
eorporea, irdische Kreatur 24; sguardü^ Strahl 3; o miei sö$U^i ^
saufen meines Eeiebes, Diese Anschwellung des Auidmckes teigt «^>
besoaderd aof dem Gebiete de« Adjektirums, wo der Übenetitf tei^i
VorlBge planmäöig öberbretet: cas^o 29, Terworfen; terreHre 24« ^
scblacliten; intriso S7, beichmuttt; mensa äetestabiU 3a» Mördeftii^
amdo 28, scharf.
'] Allgemdne fIncTklop&die der Wiise&icbafiea and KfiniM v44
Erach^Graber XllL
>j Vgl darf^ber Volkeltp JohanneB; Sjitem der Ästhetik Mßncb«B
1905. L Bandp IIL Abicbnitt, V, Kspitd,
BL H. Bro^ee^ Betbleb^mittseher Kiodermord. Von C BattiBti. 303
I
W«tj iQi der Falsre dqs «o vieler fremden S&cben
StJD Geist den tiefsten SehlnB der hohen Schiekuog Kclilot
Utii de«8ei] In halt ibis recht tnniglich verdroß »
Vtrdfeht« er feein Äo^, das bl&Q von Gift der DrAchen,
Dil wie em b^lliicb Feaer glöbt ond vom Blute klebt,
BedeeJite «dße Stirn e mit seinen großen KUuen
Die |;i.r abiebealich lehwartz und gräulich anzuichaueni
tTad brflilt io graasim it&rkt daQ Erd und HöUe hebt
Ja bet^t ans Riferey und tollen Eiffera HiUe
Voo »einem krummen Scbitanti die Skorpiooen-SpitB«,
BiHcM dii hasii effetti egli raccoUe
L*Mo tenor delh cngion $up€rne
Tintt äi sangue e di venm traiiohe
\hi«i#» brugia infemah Vcmpie lußemej
6*a§cQfie if tfim nUro U brutiehe^ e sciolse
M»gmio che mtrono ratre canenie
E di la coäUj onäe Bi Unm ait^rte
La €%ma per furor tutta u morse.
!L Man wird zugeben mtsseti, daü die Strophe Marines kmnte-
P foilkommea igt. Eines ist aber sicher, daß es dem
itnrscbeu Dicbter gelaug, in der ersten , eben&o wie in der
•iit«n Hilft» dieser oUana rima oine Stimmaßg des mächtigen,
u«no Sichern porr ecken B berToriarafen ; die Bewegangsem pgadnng
Liift IQ regetmäüiger Stufenfolge anlwfirts; anechauliche Worte
libtti iti letztes Glied der den BewegnngaempündungOQ ent-
pn«b«odeo Wortreihen, an einer Stelle alao, wo die YerkOr-
imtg ääi Slimmong sieb schon Tolhiebt. Sie verstärken darch
iri lininittelhare Wirkung die gewonnene Phantasieaaschanung.
mhüh ist die sahitantiviecbe Metapher htcerna für occhh^ obwobl
it tum verrafentten Handwerkszenge des Seicentismns gehört,
idi nnr Dicht stdrend, gondern vielmehr effektvoll Ebenfalls
rirbiin wird in den letiten vier Versen der Übergang vom Macht*
»Igkeits- zum Eacbe* ond Zorngefdble dargestellt. Was macbt
kr der Übersetzer? Durch Änfnabme der im erregten Stile von
iirme glacklich weggelassenen tertia comparatmnu (blau vom
iiß der Draeben) oder erkürenden Adjektiva nnd Znsätze (und
Imtii Inb< ihn recht innigllcb verdroß, bedeckte seine Stirne
dt setnen großen Klanen, die gar abfichenlieb schwarz and
piQlleb ininschaneD, von seinem kmmmen Schweif die Scorpionen-
Sfitte) interbricbt er die anfäteigende Welle der phantastiGoben
bscbaailiigeD, dnreh Einüechten von voritellnngsreicben Wörtern
oittio in der Serie (das Ang ist blau vom Gift nnd glüht wie
UUiieb Fener; die Klanen sind abschenllchf achwartz^ grinlicb}
ptipiirt nnd entstellt er die Schill Belekte.
^ Einen ähnlichen Vorgang erkennen wir an den Stellen, wo
Bniclie etwa» dem Original Fremdes bringt, sei es, im die An-
idiAtillebktit zn fördern, sei es nm den Eindruck zu verstärken*
Didnrch gebt das Stimmnngsbildf das Marino hervorruft, meist in
(TOttikt Karrikaturen über. Kennzeichnend für dieae Art des Vor*
jii die Übersetzung der Strophe 1« 5:
304 B. H. Brocket* Bethlehemiiiicber Kindermord. Von C. Battiiti.
Et stehn' drey Forien bar diesem HOlltyraiinen
Um auf der Folterbank iho ewig aoiiiepanDeB
und ihn ebne Unterlaß in terr'n nnd m lertpomen
Dnrch Peiteeben, angetchftrft mit Nattern und mit Domen.
Die Locken ibies Haare liad kmmme, magre Scblangen
Jbr falber Schatten echwftnt die abgetebrten Wangen.
Sein Zepter ist fon Stahl, et merkt wer ihn betcbaot,
Daß ihm toi teinem Reich, ja for tieh telber graut.
Tre rigorose Verpini vicine
Stanno assiatefUt alT infernal Tiranno
E con aferze di vipere e di spine
Intente sempre a siimvlar lo 8tanno.
Crespi han di aerpi in aneüato ü erine
CKhorrida iniwnio dl voUo ombra lor fanno.
Scettro ei sostiefi di ferro, e mentre regna
II 8U0 regno e sestesso abhorre e sdegna.
Das innere Bild, das loh dnrcb die italienische oUava rima
bekomme ist folgendes. In der Mitte eines nicht näher bestimmten
Hintergmndes sitzt Lnzifer aaf einem Thron mit dem stählernen
Scepter in der Hand, finster nnd ergrimmt; ihn umstehen die
schlangenhaarigen Furien, die ihn mit Nattemgeißeln stacheln.
Durch Oedankenassociation ruft mir dieses innere Bild die
klassische Darstellung des Hadeskönigs henror und ich empfinde,
daß darin nichts Heterogenes vorhanden ist, was eine Einordnung
der Vorstellungsmassen hindert '). Bei der deutschen Übersetzung
ist aber das Bild, das sieh der Phantasie darbietet, zunächst
ein ganz anderes. Ich gewinne den Eindruck einer Folter-
szene, in welcher die drei Furien den auf die Folterbank ge-
spannten Lnzifer (die Apperzeption, daß dieser der „HOllen-Tjrann''
ist, stellt sich natfirlich nicht ein) durch Peitschenschläge martern,
ein Bild, welches mir aus der mittelalterlichen Dämonologie be-
kannt ist und das ich in zahlreichen Gemälden der Frfihrenaissance
wieder erkenne. Hier hat uns Broekea ein Tom OrigFDal gruBi-
verschiedenes Stimmungsbild gegeben, welches dem aus den
Strophen 1—5 gewonnenen widerspricbt Mao Termißt dabei jfi]!*
innere Verwandtschaft, die zwischen Vorläge nnd Überaet^uüg
walten muß. Aber noch ärger ist es um die Verbindung die^^
Bildes mit dem in den letzten zwei Versen der oitava rima mi-
haltenen bestellt, wo Lnzifer als ein König mit dem Szepter in
der Hand, wie im italienischen Urtexte geschildert wird. FM
derartiges Hin- und Herpendeln zwigcben iwm logisch utivefahh
baren, ja widersprechenden Bildern ist natürlich der Tod mr
kfinstlerisch -ästhetischen Genusses. Dieser Vorgang, der ^-^^^
durch die Einffihrung des Versee: ^Um attf der Folter]
ewig snzuspannen*' entsteht, kenn zeichnet het^* ^»^— -
größte Unverständnis ffir die Kunst nnd '^
*) Die Terminologie itt nach ßottekei
I
6. H. Broeket' Betiüebfimiiseher Kiodermerd. Yen C. BattisU, 305 '^
Das Streben nach Breite des Ausdruckes zeigt sieb in aus-
giebigerem Maße bei kdrzeren Stellen. Per stilistische Vorgang ;
ist in den einzelnen Fällen verschieden. Sehr oft wird ein Wort
des italienischen Textes durch einen aeuen» sinnverwandten Aus- 'j
druck gegeben, welcher die Bedeutung des ersten erweitert, teil-
weise abändert oder einschränkt:
lY 28 rtMseUitor ehe d'inprovviso arriva (den Wfltrich) der sie ^
guis nnverhoirt und plOtilieh tberratchte. I 2 horribil (regio, einen :
«chreckliehen ond graasen Zierrat machea, I 40 Vaer foeeoy bei treber ]
Loh und nimmer heitrem Himmel. I 40 porta egli ü mel neüa fa^ ^
ve/io, sein Mand hegt Honigseim, sein Wort Set ZaekerteO. II 65 c?ie ^
((nellar nan nuote, daß er vor Eifer kaum die e chwere ^nage lOet If 70 |
oedki . . . ov* I presente strtisio e «oh vi muave? daß ihr den blatgen i
Tod und wildes Morden verwehrt. III 14 tinti dPira, bleich vor Grimm j
und Wnt. IV 6 ma di Signor st rigido e protervo non deve piü pie- \
Uno essere ü servo, Wie dann bei solehem Herrn nad Feind von allem J
Gaten ja wohl kein besser Eoeeht und Diener su vermoten. IV 00 jl
immortal fornace^ einen Heerd nnd lebenden Kamin. IV 66 ü regnator '
de tenti, der Winde Herrn und Meister. IV 77 sieno . . . t pianti miei,
li& meiner Meng als Tochter meiner Pein. IV 77 dato . . . Vhavesei di
mia mam morteU velemo, dir . . gleich hätte tödtUeh Gifft nnd Schlangen-
MiMsm gegeben.
Gleich geartet sind die Fälle, wo ein ganzer Satz durch einen
Den hinzugefügten ergänzt wird:
IV Vuve sperate ü vülanel sospira, Wodurch der Landmann den
onTenneidlichen Yerlaet der schönen Tranben Darauf er gehofft, besenfst
«ad sllen Mnth verliert. IV 22 Vvmo in lavaero tiepich ei bagnch der
ente machte sieh im lauen Wasser naß Und fand im Bade bloß ein
Idndiiebes Vergnfigea. IV 65 cereando pur la Vergine emarrita che fu
m punto col vista e rapita, nnd ihre Tochter sncht, die, eh sie es ver-
spfbret Und fast sasehends ihr geraubt war und entfahret. IV 5 stan
. . . qnaei cuetodi ai fimnehi murei leoni, awei von Gold gegossnen Lenen,
4ie jedem, der sieh nahte. Mit trottigem Gesicht als freche fiater
ditoen. III 135 E del corpo semü V<miico inearco std nodoso baston
incurva in arcot Ein knotenreicher Stock, den seine Linke faßt, T^ng
Kines alten Leibs schon ganz gekrümmte Last
Auf einem fibüMcheu Gruodaatze beruben die ^ahllosüQ Bel-
ipiele, in denen der Übersetzer eiDem ecboti vorhandenen Worte
odsr Satze keine gleichartige Brgäuiung hinznfAgtt soadem diui
im Urtexte einfach ausgedrückten Bp^ri^ dnrdi Acweiaduiig ?ot}
^ammatisch verBcbiedenen Zaisitzeü brait^r aHi^MrW
1. Mittel-at einet Adjelcti'
77. 111 85) miS «der «Ut^eu Bnut" üh..
9^}do^ als ihr soD«t Uubei Ohr Bum lli.
9|e . . . a rioeder qucUe malnate a£k*^.
dieten Henkerinnen lUil befUger h&gi¥t \
cfce ü di Wapportctj woraur derjra^e '
11 2 oe'ei po$a le pianU, wori
lY 72 futst* unicQ im, dn^ "'-■ '
Zu dieser GaiinijfC ' '
iimmengesetzten Bauptwfi
WtKkrifl f. d. öttm. Or
iptwBr
306 B. H. Brockes' Bethlehemitiseher EindenDorcL Von C. BaittstL
usw., welchen in der Vorlage keine entsprechende VerhinduD^
(z. B. micidial apada, del camefiee servi), sondern das einfache
Snbstantiynm {spada^ aervi) gegenübersteht Weitere Beispiele für
diese Erscheinung folgen weiter unten.
2. Mittelst eines Adverbs: IV 15 quindi m altra magiwi
s'apre Ventrata, drauf bricht er freventlich an andren Orten ein. lY 66
quand^apre Vuscio, wenn er ergrimmt entschiei^t der Stftrme donkles
Nest. IV 92 vede aprir Vuaeio a triplicato soU, Er siebet gantzt 6r-
stannt am aufgeklfirtem Himmel drei Tolle Sonnen dort im frühen Osten
stehen.
8. Mittelst syntaktischer VerToUst&ndigaDg: IV 7
A librar Vaniio o hmAatrea ritomi, Astr&a kommt und wiegt das
Jahr in ihrer V7age. IV 12 e 2o sveglia dal B<mnOf Erweckt es ans dem
Schlaf mit fürchterlichem Drfiaen. iV 26 giunse^ Drauf kommt er . . .
Mit Mordbegiergen Fuß, roll Wuth und Grimm gelaaffen. IV 4
imma/ntinenU ü fier tiranno (ucese. Drauf stieg den Augenblick . . .
Mit frechem Faß und Sinn der wütenden Tyrann.
Am ärgsten hat aber Brockes seiner Weitschweifigkeit an
jenen Stellen die Zügel schießen lassen, in denen Marino zwei
sinnverwandte Ausdrücke gebraucht, um einen breiteren AssoziatioDs-
Zusammenhang zu gewinnen. In solchen F&llen hat Brockes seine
Vorlage planm&ßig überboten, indem er an Stelle der zwei durch
weite Ähnlichkeitsassoziation verbundene Worte des Urtextes immer
neue Zwischenstufen einschob, um einen sanfteren Übergang her-
zustellen. Die unbewußte ästhetische Tendenz des Übersetzers ist
also auch in diesem Falle darauf gerichtet, die freie Willkür der
aufnehmenden Phantasie zu beschränken und durch Herstellung
von verbindenden Fäden einen möglichst bestimmten assoziativen
Faktor hervorzurufen. Dabei stellt sich oft heraus, daß Brockes
durch diesen Vorgang die Breite der Assoziationsmasse reduziert;
ein Beleg dafür wäre z. B.: II 140 Piü di apavetUo e di Stupor
ripieno voll Schrecken, Angst und Furcht. Beispiele für derartige
Erweiterungen:
III 89 steso al suol tutto pesto e tutto tritto, Die tersplittert
und sermalmti zertrümmert und serbrochen. III 25 quei rugge e laira
e questa lanque e gerne, Er knirschte, brüllt und bellt, sie weinet» heult
und schreit, lll 11 Piü conpiace . . . Ferro e sangue il erudde havere
intorno Che di porpora e d^or vedersi adomo, Fand der barbarische
Tyrann nicht soviel Lust, Mit Purpur, Seid' und Gold geschmückt eio-
hereugehen, Als sich mit Schwerdteren, Stahl nnd Blot umringt zu sehen.
III 69 Senea meto senz' alma e senea vita, Ganti ohne Wiim' und
Stimm' und ohne Seel' und Leben. IV 87 Fuor che strida e $aspir,
pianti e ainghioezi, Altro non si sentia per ogni partt, Man konnte
nunmehr nichts an allen Orten spflren, Als healen, schluehsen, schreyn,
beklagen, weinen, wimmern.
Eng verwandt damit und gleichzeitig mit einem früher be-
sprochenen Vorgang sind schließlich Stellen wie die folgenden:
III 24 Sciolse eUa gli occhi, egli le «ens, sie Offnet Ang' und
Herts, er Adern, Fleisch und Sehnen. III 49 Di soißo ceffo e di spa-
ruta cera, . . . und Bücke, die man schier Nicht sehen knnnt' ohn Angst,
ohn Eckel, Forcht und Grauen. III 54 (Jon quetVaffetto, che dal ptxtrio
B. H. Broekes' BethlehemitiBcher Eindermord. Von 0, BatHsti. 307
regno VälU flamme fuggendo II buon Troiano II vecchio genitare e '2
jNCCtoZ peano Begaea col tergg» a im punto e con la mano. Mit wie-
Tiel Zftrtlichkeit Draeh der Anaeas dort Anchisen lud den Jnl, sein
kleiDes Liebei Pfand, Dareh Sehott» durch Asche, Graaes ond Flammen
beide fort, Deo einen aof dem Hals, den andern bej der Hand.
Znletzt bleibt noch das sprachliche Material zu besprechen,
dessen sich der Übersetzer bedient hat. Jedoch kommt für nns
die Frage über die poetische Sprache BrockesS worüber auch
Brandt einige Andeutungen macht, nnr insoweit in Betracht,
ils sie eine ästhetische Bedeutung hat. Das erste, was dabei
anffällt und dem Übersetzer zur Ehre gereicht, ist die sorgfältige
Vermeidung der Fremdwörter., ein Umstand, der den „Bethlemi-
tiscben Kindermord'' viel höher stellt als den „Basenden Boland**
und auch als die zweite Ausgabe des „Befreiten Jerusalem'^ von
Werder. Mit diesem Zuge geht eine andere Erscheinung Hand in
Hand, deren Besprechung allerdings nicht bisher gehört, die aber
mit der Umgehung der Fremdwörter psychologisch und ästhetisch
zu innig Terbunden ist, als daß sie hier getrennt behandelt werden
könnte: die Wiedergabe gelehrter Anspielungen und mytholo-
gischer Stellen durch solche, die dem ?eränderten Lesepublikum
gelftofiger waren. Auch darin bekundet sich immer die ästhetische
Tendenz Brocke8% nach Möglichkeit immer die psychische An-
itrenguDg des Lesers bei der Assoziationsarbeit zu Terringem.
Geradezo typisch ist die Stelle am Anfang des dritten Gesanges,
wo Marino sich die Darstellungskraft eines italienischen Malers
wünscht^ der das Eindergemetzel mit düsteren Farben geschildert
hatte: Brockes stellt an den Platz des Arpino den in Deutsch-
land bekannteren Picard, dessen Kupferstiche er der Übersetzung
beilegt^). Einen ähnlichen Vorgang sieht man in der oben er-
wähnten Stelle in 54, wo il huon Trojano mit Äneas, ü vechio
genüore $ il pieeiol pegno mit Anchise und dem Jul^ sein kleines
Liebespfand, oder IV 45, wo licar dt Bacco mit Beben-Naß, IV 41,
vo il Libano mit die Berge Libanons, I 87, wo i/ pdo mit
ADgel-Steme, IV 0, wo il limbo mit Limbus-Thal, IV 18, wo
Giano mit Janus-Kopff, IV 92, wo elisia magion mit heiligen
Hflgeln übersetzt werden. Weitere Beispiele wären:
I 80 Xe apavefUose Eumenidi soreUe, die Furien. IV 8 (a'odon
tonar) in aueUa guisa Che suol da gli Austri il cambattuto Egeo,
HOrt man so wie Tom Sturm das Meer pfle^^t sa ertönen. IV 80 Et
eeeo aiä t^hamai ei leva e eeee VAlha dalVIndo, Und nunmehr zeigte
•ich der Morien allbereit IV 88 Vedeanei . . . Trumfar Morte horri-
hüimetUe e Marie, Man sähe hin and her Den Kriegsgott und den Tod
tbieheulieb triumphieren. IV 48 Celar voi da queste ingorde Arpie,
dich ferberg Tor diesen wilden Bären. IV 57 üaito havrai del Tauro
d^Ägrigento, Quando dal rame suo concavo e pregno Ne^ muggiti non
*) Der ffldehe Fall wiederholt sich III 59, wo anstatt Arpins der
bolllndiiehe Maler Willem Tan Mieris, der ebenfalls ein Gemälde,
dem Inhalte dieser Strophe entipricbt, abgebildet hatte, genannt
20»
908 B. H. Broekes' Bethlehemitiacfaer EiDdermord. Von C. Bütii%ti,
9Uöi sparse Ü latnento Del fiero suo fahbricatare ingegno, Gleich wie
Perillas Ochs aos seines Bancfaei HOhle Des kOnsÜich gnoiamen Er-
flnders bange Seele Mit dnmpfichten Geschrej and fremden brflllen haneht.
Gelingt ea i%m Oberietz«r nicht immer, die mythologischen
Bilder ana seiner Vorlage durch solche» die den Lesern bekannter
sind, zn ersetzen, so hat er wenigstens in zahlreichen Fußnoten
sein Publikum mit diesen fremdartigen Begriffen fertraut ge-
macht^). Ebenfalls in der Absicht, klar zu sein, hat Broekes die-
jenigen Tropen der Strage gemieden, die einem deutschen Leser
schwer verständlich gewesen w&ren.
Sogar alle Variationen für „Augen^, die durch die zweite
sdilesische Schule eine Zeitlang Mode geworden, fallen ab: 17,
U luciy sein gräßlich Aug*, I 15 Vempie lueeme, sein Aug% 11 40,
i lumi, den frechen Blick und IV 77, Äugelchen, III 48, tor-
cendo al cel le lacrimose stelle, und sahen in die Luft. Weitere
Beispiele: I 0 la perpetua notte, der Hölle schwarze Klüfte, n lU
veochierel k bianche lane^ des Alten graues Haar, II 131 P um&r
noUumo, den kalten Nacht-Thau, IV 84 iepidi torrenti, laue
Thränen, IV 89 dei begli occhi il sol der Augen Heiterkeit usw.
Bei der Besprechung des Wortschatzes sind besonders zwei
F&lle von großer ästhetischer Bedeutung : Der Gebrauch eines
Wortes in einer ihm grammatisch nicht zukommenden Funktion
und die teilweise Veränderung der Bedeutung des Stammwortes
durch Zusammensetzung. Ein Fall, welchen Broekes in seiner
Vorlage fand und oft genug verwendete, ist der Gebrauch des
substantivierten Infinitivs, eine Erscheinung, die sich an deo
eigenen Gedichten Broekes' vor 1715 nicht zu oft nachweisen
läßt, die aber nach dem b. E. besonders in den ersten Büchern
des „Irdischen Vergnügens'' auffallend oft auftritt. Den Zweck
dieses Kunstgriffes, nämlich jene Verminderung der Anschaulichkeit
und Herabsetzung der Lebhaftigkeit der Vorstellnng, wie Ellopstock
in seinem Fragmente über Sprache und Dichtkunst *) meint, hat
der Übersetzer nicht immer vor Augen gehabt: vielmehr scheint
es mir, daß er durch die Verwendung des Infinitivs an Stelle des
entsprechenden Substantives in den meisten Fällen eine Umsetzung
der Beschreibung in Handlung geplant habe. Beispiele hiefür
wären: IV 81 dem EOnig folgendes im Niederknien entdeckt, Äl
r^ s'inehiina e poi comincia oder II 77 hör mein sehnliches ver-
langen, volgüi a questi miei verdidi preghi^ IV 64 im nieder-
fallen sterben, cadere esHtUo, III 81 Er wird noch mehr er*
grimmt Und immer rasender durch Lechzen, Winseln, Thränen, pi^
la steaea pietä V infellonisce , IV 9 und rief so stark zu Gott
Mit ängsügliehem Sehnen, E al aUe mandd U vod a Dio uw.
>) Beispiele hiefflr: I 2, 1% 38, 41, 42. II 11, 64, 125, 126,
138,142.
') Klopitocks sämtliche sprachwissenschafUiohe und ästhetische
SchrifteUi hg. v. Book und Spindler, I 152.
B. H. BrockoB* Bethlehemitiseher Eindermord. Von C. Battisii. 309
Eine beliebte Tendenz Brockes' ist die, ein Substantiv mit
einem eobstantivieften Verbam zu yerbinden:
lY 57 Mit dnmpfiehteiD Geschrei nnd fremdem BrflUen. II 184 Daß
ibn, indem er firi, GehOr nnd Sehn vergiengen. II 57 Ja bey des
Biomels Lauf nnd nimmer etillem drehen. II 81 Der weder von Geburt
noch sterben etwas weiß. II 70 Solch unerhörte Tat, solch greulich unter-
fangen. III 39 So freches Basen wohnt nnd solche Mörderinst. IV 8
Dar Jebntiter nun, ersengt bej Blot und Morden. IV 6 Zu soleher
Greneltbat «nd Blnt-fergießen. IV 81 Der Knechte Klag-geschrey, der
Higde Hinden-ringen usw.
Daß bei einer solchen Vorliebe für die snbttantivitehe An-
wendung des InfinitiTs Broekes die embstantivierten Infinitive
seiner Vorlage ebenfalls mit Verben übersetzte» z. B.:
II 84 fl ttio pregar ardente, dein heißes Flehen. III SS ü iuo
foler, dein wollen. III 66 eol propric v€tgir, durch sein Winunem
ist zu erwarten und bedarf keiner weiteren Belege. Sehr selten
trifft man dagegen ein substantiviertes Adjektivum» einen Kunst-
griff der auch von Marino selten gebraucht wird; aufgefallen ist
mir nur
IV 16 mit dem weißen Naß, ü candido Humor, I 45 besprengt
er Stirn und Schiäff mit Lethens feachtem Naß, sparse U tempie altrui
d'a^ letcth. lY 16 seines Blutes Both, als Übersetzung von ü ver-
wiglio. III 2 dein geistreich Schwarte, IV 48 das gefällte Beben-Naß,
Qod IV 52 ihr Schftffgen ohne Falsch.
Viel häufiger dagegen tritt die Verwendung des Perfekt-
partizips als Adjektiv auf. Von der großen Anzahl der Partizipien
einfacher nnd zusammengesetzter Verba abgesehen, die den
Maogel eines Adjektivnms verdecken, findet man Fälle genug, in
denen der Dichter entsprechende Adjektivs zur Verfügung gehabt
bitte, welche aber durch das Partizipium passend ersetzt werden,
damit mit dem Eindrucke einer bloßen Eigenschaft derjenige der
vor sich gegangenen Entwicklung verbanden werde. Diese Absicht
des Obersetzers geht nebr oder weniger deutlich aus allen folgen-
den Stellen hervor:
I 22 «ändert des Gestirns so lane gewohnten Lanff*, wo ein „se-
wohnlich* bei weitem nicht so ausdrucksvoll gewesen wäre, oder
U 13e, «daß sein gesteiffter Fnä die schweren Glieder stützt". I 12 er
tiehet gaox erstaunt am aufgeklärten Bimmel. 11 28 su sehr beschimpfter
Thron, vü scettro indegno, II 20 ein beliebter Schall erthOnet, wann
er spricht I 89 als aus verdorrtem Stil ein' unverhoffte Frucht. II 24
begltteket in regieren. I 41 der blotbesprititei Feb U 9.> die Scbultern
Bind entblOAty porta gli omeri igniAdi. II 97 die ^rot^ und bunt gefärbt
waren. II 190 auf snmpfichtem verwelktem Grase U V27 in den ver-
wilderten nnd Sumpf erfflUten W&ldern. III 3 Ui^ ia der Nacbt ge-
Khwintem Kleide. III 5 der ongezfthlte Schaar, caUrve inntimerevolL
111 0 schwingt den eescbftrften Stahl. III 14 hier schrei'n die Sterbe öden
trblaSt nnd sonder Blnt
In anderen Fällen, wie z. B. I 37 ^beschmutzt'',
vom Marino verwendete Partizipium {intrist} dem Oberaetzer"^
floßt haben.
i
310 B. SL Broekes' Bethlehemiüscher EiDdermord. Von C. BattutL
Von der ZnaammensetzuDg mit bestimmten Pr&fixen, die bei
den Gedrehten der sp&teren Periode ein beliebtes nnd h&nfig ver-
wendetes Mittel ist, nm neue, sehr anschanliche Yerba ans Haupt-
wörtern zu bilden (beblflhmen, bebnschen, bethrftnken, entwOlkeo,
enteisen nsw.) wird in der Übersetzung in geringerem Maße Qe-
branch gemacht, jedenfalls aber öfter als in den frübereD Dich-
tungen. In den meisten F&Uen findet diese Tendenz ihren Qmnd
in dem Bedflrfnis, italienische Zeitwörter mit ähnlichen deutschen
zn abersetzen ; mit diesem Streben verbindet eich, wie der h&nfige
Gebranch derartiger Partizipia als Adjektiva zeigt, die oben nnter-
snchte Neigung der adjektivischen Verwendung des Perfektpartizips.
I 10 Die Wftsten LybicDs, der Scythen rauhe Spitzen Sieht er im
Augenblick begrflnet und oelaubt I 11 Er sieht den fchwartseu Dafft
der 80 beglflckten Nacht I 25 Von reicher Beute reich, mit Palm und
Böhm bekrönt. II 27 ... von den bebltthmten Haaren. III 20 im be-
blflbmten Mai. I 58 . . . durch ihre Macht bekriegt. II 102 In weich
bemooetem Schoß der dickverwachenen Hollen. II 102 Ein Mohn-Eranti
... Beschattet ihm die Stirn; die linke Hand belaubt der Zweig. II
108 Benebelt HOhl und Luft III 61 . . . war mit Ernst befliessen In
einem kleinen Buch die Lettern zu studiren. I 0 Um . . . behertzt la
widerstehen. I 27 Uns muß man nun beherzt ... IV 66 und Überall
benetzt von bittern Thränen war. IV 10 ... von den beschwitsten
Schnittern. II 95 ... des Mondes versilbert Korn. II 23 meines
Vaterlands dadurch Yerwaiste Pracht
Auch ähnliche Substantivbildungen werden zur Bezeichnnog
von Eollektivbegriffen, wenn auch oft, doch nicht so zahlreich ver-
wendet wie im „Irdischen Vergnügen^; Zweck derselben ist auch
hier die Erhöhung des sinnlichen Eindruckes durch Verwendung
von selteneren Formen. So findet man:
IV 74 nicht ans menschlichem Geblfit erzeugt, ne d^human seme
nato. IV 74 Gerberus Gebrflth, o Cerhero spietato. II 94 das Geetiro.
I 58 sehr wflrdiges Gespiel, siiora hen degna. U 26 kein GewOlk. III
18 ein donnerndes GetümrodL IV 19 dieß Gesehrej, questi lammti.
III 28 mit änntlichem GeblOck und brüllendem Geheule, d^oTigoseiosi
tnuggiti, III SO Ob diesem unverhofft, und schleunigen Gewitter, ai
repentino inusitato instUto. III 50 kein Gelaut, voce, III 80 ... ein
Gekreisch von Pein, Und ein Gekninch von Wuth, t;ocf di dolor, stre-
piti d'ira, IV 18 mit grftßlichem Geheul, donneschi tUulatu IV 3 von
plötzlichem Gekreisch, alti atrepiti. IV 88 Ein gar zu j&mmerlich Ge-
schick, coBO etnpio, inaudito usw.
Unter den Substantivbildungen mit Ableitungssuffixen hebe
ich nur die h&ufige Deminutivbildung ') mit dem Suffixe -eben nnd
mit der Nebenform -gen') hervor, die Broekes nicht allein als Über-
*) H&ufig nur in Betracht der wenigen Stellen, wo die Anwendung
des Deminut. am Platze war. Der ftethetische Gebrauch dieses stUistiscben
Kunstgriffes ist im Betfalehemitischen Kindermord verschieden von jenem,
den wir im Irdischen VergnOgen finden: in diesem letzten ist es die
Kleinmalerei und die Vertiefung in die geringfügigen Einzelheiten, die
Broekes zur Deminutiv bildung fährte.
*) Die Verteilung der zwei Formen -eben und -gen hftngt, wie
auch aus den gegebenen Beispielen hervorgeht, tou der Qualität des
B. H. Broekes' Bethlehemitiieher Kindennord. Von C. Battisti. 311
Mtzuig TOD italieniBcben DemiontiveD, sondern baupts&cblicb, um
eine ZArtlicbkeitsstimmnng berTorznrnfenv verwendet. Wie Petri^)
ricbiig benrorbebt, liegt eine der Ursachen fflr die Häufigkeit dieser
Bildung im starken Gebrancbe solcher Ableitungen in der nieder-
dentseben Volkssprache. Dem b&ofigen Vorkommen dieses SufiTizes
steht die Deminntivbildnng mit -lein nach:
IV 77 Äagelcben. IV 70 ein scharfes Messerchen. III 36, IV 92,
IV 98 WflrmcheD. IV 105 Engelehen. III 22 ArmcbeD. III 57, 26, 77,
lY 100 KOpffgen. IV 104 8cb&ff|;eD, T&abgeo. III 10, 88 Fflßgen.
IV 78 Cörperlein (im Beim auf sein, aber COrperchen II 29). III 51, 67
Kindfren und III 54 die beiden Kinderchen. III 76 bei ibren Kinderchen.
III 67 Knftbken. III 65 Brüderchen. III 75 Giiederchen. III 68, 80
Kflchlein. III 61 Bdeblein osw.
Ungemein oft kommt aach, wie im Passionsoratorinm, die
SobstanÜTbildung mittelst Znsammensetzang Yor, wodurch das
Eansalferb<nis zweier Vorstellungen prägnanter und kräftiger
anigedruckt wird als durch Verbindung des Hauptwortes mit dem
daiu gehörigen Adjektir« ein Mittel, dessen sich Werder noch
mißig bediente, welches aber besonders bei der ersten und zweiten
scfalesiscben Schule und, nachdem Opitz es als besonderes Verdienst
hlDgestelli hatte, von den Scbwulstdichtem in übertriebenem Maße
Terwendet wurde. Da eine solche Zusammensetzung einem Sub-
stantiv mit Adjektiv oder Substantiv entsprach, welches eine be-
stimmte Eigenschaft des ersteren hervorhob und sich als unver-
änderlicher Zusatz kristallisierte, so beruhen die meisten solcher
Snbstantivbildungen auf bestimmten traditionellen Begriffen und
erscheinen öfter wiederholt in wenig veränderter Gestalt. Brockes
ist dabei mehr der literarischen Überlieferung als seiner Vorlage
gefolgt, indem er sehr oft von dem italienischen Beiworte abge-
wichen ist oder zu ähnlichen Zusammensetzungen auch dort ge-
griflen hat, wo der Urtext ihn dazu nicht berechtigte. Die meisten
Beispiele sind schon ans der zweiten scblesischen Schule oder aus
Lohenstein bekannt:
Thrlnen-Bach IV 80 II 186, 118: -Plutb II 75, IV 83, 100;
•Oflne IV 118; -Langen IV 70; -See III 87. Todes-Farcht II 62;
Kerker IV 97; -Wanden TL 41. MOrder-Nest III 18; -Schwerdt III 17,
IV 100; Berts III 20, III 46; -Faust I 25; .Tisch I 87; -Höhl III 60;
-Stich III 78; -Schaar IV 6, I 88. II 112; -Hauffen IV 7,2; -Wuth III
64; -Klnft I 84; -Sacht IV 27; Hand III 88, I 41; -Stich III 78; -Fuß
III 82; .Nacht II 68. MordTnmult III 80; -Lust II 0, III 88, I 33;
•Befehl IV 0; -Geschrev IV 9; -Begier IV 58; -Geheul IV 54; Schwerdt
IV W. Liebee-Gott III 84; -Pfand III 47. 54; -Fracht IV 24; -Engel
I 21; -Altar I 41, I 188; Gestirn III 56. Kriegs-Knecht III 37. 65;
•Pesaon I 62; .Gerlnscb II 18. MatterLieb III 40, 74; -Milch UI 46,
IV 16; -Bmst III 55; -Leib II 44, 19; -Schoß IV 16. Hencker-
Toraagehenden Konsonanten ab: bei Stämmen auf Liquida -eben, auf
VenebloAlaate -gen, während -lein grandsätslich nor nach dem palatalen
BeibeUate verwendet wird.
') Kritische Beiträge S. 57.
312 B. H. Brockes' Bethlefaemftiseher Eindenuord. Von 0, Sattisti,
Sohwerdt III 68; -Kneeht III 10, IV \% 62; -Baom I 41. Lebens-Sirft
II 86, IV 85; -Draht II 91, IV 86, 90; -Faden IV 76. Silber-Schanm
I 10. Wandet- Fracht I 9; -Stern I 18; -Thier I 44; -Kind I 51; -Zier
II 4. Bttrger-Blot IV 10, II 122; -Scbaar II 128. Bach- Geschenk IV
89; -Schwerdt II 74. Stern (en)- Barg IV 110; -Fflret II 51; -Bfihne II
109; -GerflBte III 70; -Zelt I 8. Schlangen. Haar I 84; Kopf I 38;
•Heer I 2; -Seele IV 70; -Schaam IV 77; Schrecken- Gritft I 85; -HaoM
I 40; -Klaft I 28; -Bild I 48; -Gespenst II 8.
Wenn aneh nicht so reich an Beispielen, kommt die entspre-
chende Adjektivbildong darch Zusammensetzung mit Sabstantifen
nnd Adjektiven doch sehr oft vor: wie die Adjektiva werden selbst-
verstftndlich anch die Partizipien Praet in attributiver Fnnktiofl
behandelt. Selten werden solche Bildungen als Prädikat verwendet.
a) Znsammenselzangen mit einem Substantiv:
II 70 Beiserfüllte Blicke, i languidetti giri; II 135 Knotenreicber
Stock, nodose haston-, U 129 Wollen — weiche Kttesen; II 128 Die bettel-
arme Zeit, la atagion menätca', IT 26; III 80 mit mordbegierigem
Fa&; I 45 Schattenrei^e Höhlen, anibrose eave-, III 12 Banbbegierig;
III 20 Blotbegierig Aug'; I SO Sein Blick, der trächtig ist von blatgemiMbter
Pest, con la vista peatifera e sanguigna; II 127 Saropferfüllte Wüste,
contrada inospita-^ II 95 ThaugefÜllter Schleier, rugiadoso velo; II 98
Pfeilgeschwind.
Weitere Beispiele drücken sehr gut FarbenabtOnungen ans:
III 8 purporrote Böse; II 95 das rosenlichte Feuer; II 56 mein
rabenschwarzes Haar; II 49 der schwanverbrannte Leib; IV 112 die
silberweiße Pracht, ü bei candore.
Die Adjektivbildung von abstrakten Hauptwörtern mit voll
ist ebenfalls sehr beliebt: dadurch gewann Brockes ein bequemes
Mittel, um sehr ausdrucksvolle Adjektiva einzufahren:
II 17 andaehtsvoUee Flehen, forza di prece\ I 18 der alloiaebts-
volle Gott, Vonnipotente NtMne; 1 7 ein argwohnvolles Grausen, il sosMttO',
I 48 die schreckenvollen Grflfte, la tremenda corte; l 57 das angläcks-
volle Bette, ü Uto infau8to\ 1 59 der bosheitsvolle Sinn, i pensier
crudi e malvaggi; l 109 sein Aag' Verwanderangevoll erblickt; II US
mitleidsvoll, compiangendo, Koch plastischer sind solche Ableitungen von
Konkreten wie: 14 schappen volle Glieder, le 8quame\ l 89 die eiterrolie
Hand, la mano,
ß) Zusammensetzungen mit einem Adjektiv:
II 41 tötlich-tiefen Wonden, sanguinoae piaghe di morte\ IV 74
die fressig räuberische Harpyen, Arpia vorace ; II 76 das so starke Bood
der festverbandenen Welt, i cardini fermissimi dd mondo; Ul 25 die
tie^eschlagene Wunde, dd saugue Vonda; IV 84 der scbwirreoden
Trompet eescbwätiig-beller Schall, la tromba garrula e oanora; IV 57
des kflnstlich-grausamen Erfinders, dd fiero suo fabbricator; II 102 im
weichbemosten Schoß der dicht verwachsnen Höhlen, dentro Vopaco sen
de Vantro herboso; II 120 auf reichgewirckten Decken, gli ornamenti
ülustri; I 3 donkelrotes Licht, luce vemiglia', II 104 mit dankelbramieii
Flflgeln, con brwwi vanni.
Was die Verwendung solcher Wortbildungen zum Zwecke der
Übersetzung betrifft, so sieht man aus dem hier mitgeteilteo
E H. Bioeket' BeUÜAhemiiiibher Kindermord. Tod C. Battisti, 813
iUücDiseheii Terie *), daß dadurch Brocke» imatande war, entweder
«len prftgnaateB Anadrack seiner Torlage mit einem ebenaolcben
dentachen wiedemgeben oder eine loee Verbindnng des italienischen
Teites mit einer prignanten kflrzeren Bildung zu übersetzen; zn
diesem glücklicheas Kunstgriffe, der in der Dicbtersprache Klopetocks
•iae so gro0e Bolle spielt, gelangte aber Brockes mehr dnrch die
tetscbo literarische Tradition als darch ein Bedflrfnis, mit ihm
•ioe bestimmle Wendung seiner Vorlage zn verdentachen.
n. Kapitel.
„Dabs man aber der Italiäner sogenannte ottave rime oder acht-
teilige Strophen, darinn sich der erste, dritte nnd fünffte, der zweyte,
Tierte nnd sechste sodann der siebende nnd achte Vers zusammen-
reimen, hier nicht niichgemacht ; sondern eine freye und vermischte
Beimart erwehlet, ist nicht deswegen unterlassen worden, als ob
es im Teutschen unmöglich nachzuahmen wäre, sondern darum weil
min in der Terdeutschung sonsten unhintertreiblich würde genOtigt
seyn des Beimes halber bald etwas wegzulassen, bald wider den
S'uB des Marino etwas einzuflicken; oder widrigenfalls das ganze
Gedicht von Wort zu Wort allzu ängstlich und gezwungen zu
übersetzen''. So Tersuchte J. U. EGnig im Vorberichte das Ver-
fihren Brockes* zu entschuldigen. Historisch betrachtet ist die
Anwendung einer solchen zwanglosen rhythmischen Form die erweiterte
Folge jenes Befreiungsprozesses von der italienischen Stanze, der
sich in der Übersetzung des „Basenden Boland* von Dietrich von
dem Werder gegenüber dem „Befreiten Jerusalem "^ bekundet; erst
nach Brockes tritt die entgegengesetze StrOmung durch Wieland
und Heinse auf, metrisch das italienische Torbild zu erreichen.
Eotwicklungsgeschichtlich ist sie die zu erwartende Folge des Sich-
gehenlassens Brockes*« der auch in viel kleineren Gedichten aus
dieser Zeit außerstande war, einen strophischen Bau regelmäßig
dnrcbsusetzen. Seine lose Wiedergabe der ottava rima hat aber
der Übersetzer selbst nicht als etwas Vollkommenes oder ganz Ent-
sprechendes aufgefaßt: er hat zu ihr bloß aus Utilitätsgründen
gegriffen: so zeigt z. B. die Stanze der Zueignung (a* b, a* b,
c* c*) eine grOßere Strenge und ihr fehlt nur der dritte Satz
(ft* b) zur Erreichung der gleichen Regelmäßigkeit der Strophen,
die das „Befreite Jerusalem" von Werder (ab* ab* ab* cc) mit
ungekehrter Abwechslung der stumpfen und klingenden Beime
bietet. Daß weiter Brockes zur Übersetzung des Hendekasyllabus
den Alexandriner verwendete, das liegt, wie schon oben bemerkt,
im Modegeschmack seiner Zeit und der Hamburger Dichter war
Die ein Neuerer. Die Form, der sich Brockes bei seiner Über-
') Der Mangel des ItalieDischen Textes bei einigeD Stellen bedeutet,
daß Brockes hier gani selbständig fibersetzte and nur den Gedanken,
aicht aber dem Wortlaut Marines wiedeigab.
314 B. H. Broekes' Bethlehemitiicher Kindennord. Von C. Batiisti.
setzaog bedient, ist die denkbar freieste nnd b< keine regel-
mäßige Abwecbslnng von stumpfen nnd klingenden, fon ge-
paarten nnd gekreuzten Beimen ein. Die ottaca rima wird mit
secbs-» sieben-, nenn-, zehn-, elfzeiligen Strophen wiedergegeben:
Broekes' Ideal war aber eine Strophe Ton acht Versen mit ab-
wechselnd stumpfen und klingenden Beimen und er entfernt sich
von dieser Form nur dort, wo es ihm sonst nicht gelingt, eine
treue Übersetzung zu bieten. Eine regelmäßige Beimverbindung
(z. B. ab ab cd cd oder aa bb cc dd) oder sogar die Aufrecbt-
erhaltung des italienischen Beimsystemes hat aber Broekes nicht
geplant Mindestens lassen sich keine Spuren aufweisen, die eineo
Schluß darauf zuließen.
Von den 415 ottave ritne der Strage werden 353 mit acht-,
28 mit sechs-, 6 mit sieben-, 11 mit neun-, 21 mit zehn-, 1 mit
elfzeiligen Strophen übersetzt. Der Prozentsatz der sechszeiligeD
beträgt zirka 5*5, der zehnzeiligen 5, während die Strophen mit
ungerader Verszahl zusammen kaum 4 '5^ übersteigen. Daß Broekes
den italienischen Text (8320 Verse) mit ebensovielen deotachen
Versen übertragen habe, stimmt auch für die erste Auflage des
bethlehemitischen Kindermordes nicht ganz genau, indem die Über-
setzung um Tier Verse länger geraten ist als das Original. Be-
achtenswert ist, daß der Prozentsatz der Abweichungen tou der
achtzolligen Strophe im ersten Buche bedeutend größer ist als in
den drei folgenden Gesängen, in denen er ziemlich konstant bleibt
(I 205^, II 13J^, in 15J^, IV 14J^): dieser umstand dürfte
vielleicht nicht so sehr auf den Einfluß der Korrektur von J. ü.
KOnig als vielmehr auf die geringe Boutine des Übersetzers
zurückzuführen sein, denn der erste Gesang bleibt metrisch aod
stilistisch hinter den folgenden zurück. Die Abwechslung von
männlichen und weiblichen Beimen wird natürlich dadurch erschwert,
daß gepaarte und gekreuzte, ja sogar umschließende Beime in einer
Stanze in buntem Durcheinander verwendet werden. Immerhin be-
kundet sich aber das Streben nach einer großen Begelmäßigkeit
darin, daß die ottave ritne mit zwei weiblichen oder zwei männ-
lichen Beimen etwas mehr als 60^ betragen. Nur 1^ der Strophen
zeigt durchaus stumpfe, 0*5^ nur klingende Beime. Die ent-
schiedene Vorliebe, Strophen auf weiblichen Beim ausgehen zu
lassen (70^1^), paart sich mit dem Versuche, die zwei letzten Verse
in einem Beimpaare zu verbinden. Da der Übersetzer an dem Beime
festhält, so sind in den Strophen mit ungerader Versanzahl regel-
mäßig drei a- Verse durch den Beim gebunden (schematisch a* a*
b a* b c* c*).
Die Freiheiten in der Beimtechnik sind größer als die,
welche man in Broekes' eigenen Gedichten aus dieser Zeit trifft:
Beime zwischen offenem und geschlossenem e^) machen beinahe
') Hiebei sehe ich eelbetverständlich von joder graphischen Ver-
schiedenheit ab : fflr die Aaesprache der Vokale, da vom XVI. Jahrbandert
B. H. Broekea* Bethlehemiiisoher Eindermord. Von C. Battisti. 315
2051^ der tf- Keime ans; ei, äu, eu werden ganz nnteracbiedslos
dveh den Beim gebunden nnd der Beim zwischen i nnd ü ist
{^ftnfiger als der reine t-Beim (65^). Anch auf die L&nge nnd
Küne des Vokals wird nicht streng geachtet. Beime wie: an —
Zahn I 4, Bnh — zn I 50, gen&hrt — Schwerdt II 15,
Flnht — Blut n 16, schließen — befließen II 42 sind
nicht selten ^). Gegenüber den eigenen Gedichten Brockes' kommt
im Bethlehemitischen Kindermord eine andere, aber nnr scheinbare
Freiheit Tor: sie besteht in den Beimen zwischen WOrtern mit
vollkommen gleichem Vokale, deren Endkonsonanten aber Tennis
nnd Media sind. Daß Brockes Wörter wie Feuchtigkeit — S[leid
n 102, sieht — Augenlid m 12 oder scheint — Feind I 7 als
nine Beime betrachtet, geht schon daraus henror, daß er, der in
Betoer Untersuchung über die Beimendongen ^ die Beime mit der
fQttnralen Tennis auf eine Media oder auch auf den entsprechenden
Baibelaut als s&chsischen Provinzialismus tadelt, den Fall voe t
iwed als korrekt gelten l&ßt, was mit der heutigen Aussprache,
die in dieser Beziehung seit Jordan (S. 114) und Kolroß (S. 74)
futiteht, durchaus übereinstimmt'). Und schließlich hat sich Brockes
manche Tonverletzung des Beimes wegen erlaubt, die an Werders Vor-
bild^) ermnera; auch hat er zu mancher willkürlichen Zusammen-
ziefaong der Wörter oder zu mancher ungewöhnlicher Form greifen
müsen, um einen Beim zu gewinnen. Was die Formverletzungen
betrifft, so handelt es sich meistens um Proparazjtona mit voller
Endsilbe -is, -ich, -k6it, welche natürlich vor einer Pause (Vers-
ende) einen Nebenton auf die Auslautsilbe erhalten (-<^^c); diese
wird zu Beimzwecken in eine Hauptbetonung geändert (^ ^ ^), ein
Vorgang, der auch im XTIU. Jahrhundert oft genügt) angewendet
wurde und besonders im gereimten Epos am Ende des XYII. und
un Anfange des XVIII. Jahrhunderts gang nnd g&be ist. Posteis
tt dialektische und etymologiaehe VeraehiedeDbeitan sieh durchkreuien
*Bd Schwankungen im Sprachgebrauch hervorrufen (vgL aohon daa ^vl-
labierbfichlein von Heller, 1593, heranagegeben von BOthe, Freibnrg 1882),
liebte ich mich nach dem erwähnten Aofaatse Brockea': wo dieser im
Stiche ließ, habe ich mich an Grabow (Herriga Archiv für neuere
Sprühen IX 1875, S. 878 ff., und an YiStor, Elemente der Phonetik,
Uipsig 1905, § 52) gehalten.
>) Gefonden habe ich zirka zehn Fälle s. B. in I 24, II 7, III 12,
Iv 100, wo der Längennnterachied der gereimten Vokale besonders empfind-
heb iit: Beime von überlangen auf lange Vokale darf man als regelmäßig
«geben
') a. T. 0.; vgl. beaonders S. 11 ff.
,Afi /) ^ ''» !<>• 17, 48; II 87, 89, 51, 52, 68, 72, 75, 80, 91, 96. 102,
58,114, 142, 144; m 6, 9, 12, 18, 24, 50, 52, 57, 63, 67, 80; IV 8, 10
Wi 25, 85, 52, 72.
.. ^ *) Vgl. Zeitschrift f. vergl. Lit.-Ge8ch. N. P. 7, S. 189; Beispiele
M«ftr: 17, 11, 19, 3S, 48, 49, 59; U 74, 81, 114, 128, 136. 145; III 80,
H 4«, 47. 52, 58, 64, 79, 88, 90; IV 7, 10, 15, 46, 65, 70, 78, 78, 84, 90.
*) VgL Minor, Neuhochdeutsche Metrik. StraObnrg 1902, S. 896.
316 B. H. Broekea' Bothlahemitiacher Kindemord. Yon C. Battisii.
Einfinfi kann sieb in dieser Beziehung anf Brockes besoaders gii-
tend gemacht haben. Bedenklicher sind Fälle wie j^ zu : anthc
III 46 oder Göttinnen : Henckerinnen 133, wo die natärlich
betonte Silbe als Senkung geschwächt nnd unbetont wird: solche
sind aber sehr selten. Zneammenziehnngen kommen nur bei Verbal*
formen vor durch Abstoßnng des stummen e zwischen zwei bom-
Organen Koneonanteni z. B.: Terwnndt HI 22, 25; entzindt
III 25; zngerichtt III 71; schadte IV 56; zerschneidt II
91; von dieser Freiheit machte Brockes nur selten Gebraacb^).
Die außerhalb der Beimstellungen nicht verwendeten Formen teilen
sich in verschiedene Gruppen : am häufigsten kommt die AnhänguDg
der schwachen Endungen an starke Präterita vor: funde lü 85,
43; lüde III 48 oder der Vokalausgleich zwischen Präseos und
Perfektum: b rannt (praes.) II 182, III 57; sehr selten ist ein un-
organischer Umlaut (Bahnen : Tränen II 91; Altären : Meeren
II 118), etwas häufiger die Anwendung des veralteten um (II 65;
m 21, 38, 47; IV 17, 68), während für statt vor (Maiec
marschieret uns als Haupt und Fuhrer für IV 33) meines Wissens
nur an eben dieser Stelle zu belegen ist^). Solche Freibeiteo,
die Brockes im ersten Gesang äußerst sorgfältig vermieden hatte,
die er sich aber im Laufe seiner Übersetzung gestatten mußte,
sind Beste aus der Übergangszeit, die nach Opitz nicht einmal
aus der höheren Dichtung vollständig verschwanden: sie machen
erfreulicherweise bei unserem Dichter einen sehr geringen Proieot-
satz aus. Auch daß bestimmte Wörter in Beimstellung sehr oft
wiederkehren'), dürfte Brockes bei der Länge des Gedichtes nicht
vorgeworfen werden können: das erste Beispiel gab ihm der
italienische Text.
Gegen Brockes* Versbau ist manches einzuwenden. Die
strengen Accentgesetze von Opitz sind nur im großen ginxen
gewahrt, obwohl unser Dichter hier wie in den eigenen Dich-
tungen aus dieser Zeit nach Brandls^) richtiger Bemerkung
auf einer höheren Stufe der Beinheit steht als in den sp&tsres
Lehrgedichten, wo er von argen Skansionsfehlem nicht zurück-
schreckte. Der Alexandriner bewahrt natürlich den Bau, den wir
früher bei den eigenen Gedichten Brockes* kennen gelernt haben:
ausgesprochen iambiscben Charakter und streng gehaltene Zlsu.
Proparoxytona eignen sich zu einem solchen Versbau natürlich
nicht sonderlich, indem sie notwendigerweise einen Nebenton aaf
^) Im ganzen 17mal.
*} Za dieser Klasse gehören wohl auch spat III 91 und anitit
IV 86.
') Zu solchen Beimen gehören: sehr, leer, Meer, Wehr; weifi, (ser)-
reiß; Schmerz, Herz; -kelt, Zeit; Eid, seid; Mienen, dienen, Enbinen,
erkühnen, Bühnen; Sohn, Lohn; Haopt, belaubt, glaubt; Treue, Beoe»
freue usw.
*) a. 0. 8. 126.
B. H. Brotkes* BetbMemitiseher KindenMrd. Von C. Battisti. 317
die Endsilbo bekommen. Brockes erlaubte sieb, Proparoxytona,
deren Endsilbe eiDen Nebenton vertrag , die also entweder vollen
Vokal oder mindestens reduziertes e mit koneonantiscbem Ausgang
hatten, za verwenden, erklärte sich aber prinzipiell gegen die Anf-
oehme von solchen mit ganz reduzierter Endsilbe. Derartige ver-
pönte Fftlie betragen nicht einmal S^ der verwendeten Proparo-
xytooa. Schwieriger und bedenklicher sind solche Wörter am Ende
der ersten Vershälfte, weil die nebenbetonte (j.^^) Endsilbe den
IktQs des Alexandriners (6. nnd 12. Silbe) empfängt nnd deshalb
eisen starken Accent tragen muß : dadarch» daß sie metrisch stärker
als die erste Wortsilbe betont wird, enteteht eine empfindliche
Terletzimg des natärlicben Accentes. Bei einer so langen Über-
Mtzong war Brockes nicht imstande, anf die Terwendnng der
Proparoxytona in Zäsurstellnng zn verzichten: es macht sich aber
im Laufe des Gedichtes die Tendenz wahrnehmbar, die Anzahl
derselben nach Kräften zu vermindern: dem Verhältnis 12 v. H.
des ersten Gesanges entspricht die Durchschnittszahl 5 v. H. der
lederen drei Bücher, welche dem Prozentsätze solcher Fälle in
Brockes* eigenen Gedichten sehr nahe kommt. Die Skansion hat
il)ef den Übersetzer zn einigen Freiheiten geführt: für alle konnte
liek Brockee jedoch aaf zahlreiche Beispiele aus der zeitgenössischen
Dichtung berufen. Bezieht sich ein oxyteniartes Adjektiv auf ein
Substantiv, bei welchem die Betonung anf die erste Silbe fällt
(beispielsweise blutig — Schwort) und soll dabei das erste stark
oder schwach flektiert werden, eo entsteht ein Daktylus (blutige,
blutiges), weil eine Nebenbetonung der Atislauteilbe (-^ v^ c) wegw
der folgenden stark betonten Silbe des Hauptwortes unstatthaft ist.
Da gibt es nur einen vierfachen Ausweg : entweder tritt, was nicht
immer möglich ist, Synkope ein, oder das Adjektiv wird unfiektieit
lor das Snbstantivnm gesetzt (sein blutig Schwert) oder unflektiert
diesem nachgeateUt (smu Kind unschuldig), was nur dann möglich
itt, wenn das Adjektiv eine unbetonte Anlautsilfoe hat oder wenn
das Substantiv ein Oxytonon ist, oder endlich es wird, was wieder
nr bei starker Flexion eontreten kann, die Flexionesilbe reduziert
(lein hlutigs Schwert). Die Nachstellniig der Apposition kam bei
da Obersetanngen Werders nicht selten vor^), war aber mit dem
Stiebeo nach Bicfatigkeit und Beinbeit der Sprache am Anfange
des XVIII. Jahrhunderte unvereinbar : die Reduktion der Flexions-
Bilbe ist überhaupt nur bei der Endung ea möglich und auch in
diesem Falle manchmal aus euphonischen Gründen unzulässig: es
bleibt somit nur die erste Möglichkeit, an welche sich Brockes
&Qr bei neutralen Substantiven in derartigen Verbindungen immer
bielt. So finden wir im ersten Gesänge:
sein verdreht Gesicht 8, ein steinern Messer 20, ein schlafend Herz
49, ein bäarisch Dach 62, ein blosses blatig Schwerdt 86, sein gemacht
Getehöpf 24; — im zweiten: sein langsam Auge 20, eb ernsthaft Wesen 21,
*) VgÜ WftkewAi, Die^ch v. d. Werder, S. 77.
318 B. H. Brocket* Bethlehemitücher Eindermord. Von C. Battistu
ein königlich Gemflht 46, ein mnthig Pferd 28, sein unschnldig Volk 60;
im dritten: sein grftsslich Angenlied 46, ihr eigen üngelück 30, sein
göttlich Ang* 81, ein wild Schwein 83, ein farchtsam Beb' 57-, im Tierten:
ein mOrdriech Schwert 24, ihr zitternd Hertx 25.
Solche Beispiele kOnnte man nm ein bedentendes Termebren, aber
diese Flexionslosigkeit des attribntiyen Adjektivs bei Neniren fand
Brockes in der literarischen Tradition and volksmäßigen Sprache
vor. Sie ist auch bei den meisten Dichtem der ersten Hälfte des
XVn. Jahrhunderts in ansgiebigem Maße zn belegen^).
Die Anpassung der Wörter an die metrischen Bedarfnisse
stellt Brockes mit allen möglichen Mitteln her: in dieser Beziebnog
geht Brockes, der Übersetzer, immer allznfrei vor und nnterscbeidet
sich dadurch zn seinem Nachteile von dem sparsamen Gebrauche
solcher Mittel von Brockes, dem Originaldichter. Die Synkope
l&ßt er bestehen:
iwischen homorganen Konsonanten (dentalen) : I 8 gemeldt, IV 58
eingebUdte, I 82 empfindt, IV 71 zagericht; iwischen und nach Liquiden:
IV 26 mordbegiergen, IV 10, 14 nnglOckselge, IV 23 armeeige, IV 72
hircansche, IV 88 hollsche (aneh vortonig: genug n 142, gnngsam 11 81,
'kommeg I 57 part. paas.) und nach Verschlnßlaat: gegen w&rtge II 29,
blutges IV 20, 52, 67, grosam&chtger IV 81, kOnfftge lY 73, Qbermfltge
IV 36, selbge IV 77, lanbrisch IV 77, echrnntzge IV 73, weithenge I? 58,
irrdsehe I 24. Aach Zasammeniiehang von zwei Silben ohne konaonantisebe
Trennung ist eine nicht tu seltene Erscheinnng: Fear I 19, 54, IV 56
nsw., gehaanem IV 20, üngefaear IV 90, Ebrftsche IV 14, gerena II 22,
Seel IV 79, 84.
Die Apokope ist ebenfalls in Zftsnrstellnng im Notfalle darch-
geffihrt; z. B. im zweiten Bncbe finden wir:
nnd ihre Tochter sacht', die, eh' sie es verspftrt 68; Do, Blmne
meiner Seel', die allsa frflb geroei't 84; Und seine vieh'sche Seel' saaioar
Leidenschaft 79; Mose gegenwart*ge Straf von dir, Barbar, empfangen
73 ; Und wie ans einer Qaell' das Wasser abw&rts rinnt 82 ; Zween weiss«
Marmor-Stein' nnd Klippen schienen nieder 88 ; Fflr blat'ge Bach- Geschenk'
dein irmster Vater reichen 89; So sang er nnd es kennt' den lieblieben
Gesang 113; Sie tollten wechselweie' bald lane Thrftnen-Gfisse 45; Zu
anser Forstes Stimm' la seinem Pochen 46.
Sehr streng nnd ansnahmslos wird der Hiatns gemieden. Brockes
hat sogar die Elision, welche flbrigens Opitz gestattet, ancb vor
anlautendem h, wo es metrische Bedürfnisse erheischten, benutzt:
ein holde Frau^) III 59, viel' helle Lieder II 183, ein hoch erhab'ne
Krone I 2, welch' Anschl&g' hat er I 52; ancb iwischen Satsteilen, die
durch Flexion zusammengehalten werden, elidiert Brockes: I 35 kein'
firg're MOrder-Kluft, IV 72 dein' eig'ne Frucht nsw.
Und gleichwie die Wortverkürznng verwendet der Übersetzer frei-
giebig die Wortverl&ngerung. Die ansgestoßene Vorsilbe ^ wird
in Genade in 76 nnd üngelflcke 14, 22, IV 65 usw. hergestellt,
') Zu dieser Gattung gehOrt auch die Flezionslosiekeit des erstsn
von zwei attributiven Adjektiven: s. B. bei viel und großen Stücken.
*) Die Beispiele mit ein bei Fem. haben einen historischen Hinter-
grund im mhd. Gebrauche des unflektierten ein und poss. Fron, im fem-
B. H. Brockes' Betblehemitischer Kindermord. Von C. Battisti. 319
desgleichen die im Fräbneahocbdeatschen reduzierte Verbalendnog
ft'. gebeilet lY 15, kebret IV 17, getbeilet IV 18, länffet IV 24,
sterbet IV 25, boret IV 81, atraffete IV 28, 62 usw. Aacb zur
Anwendung eines paragogiscben e greift Brockes ebne Bedenken:
das € des Nominativs der neutralen yo*Deklination wird in einigen
Fällen bergestellt: mein Scbmertze IV 91, des Königes Geschlecbte
lY 62, ein Gescbencke IV 55, dein Yaterbertze 11 72 usw., des-
gleichen das analogisebe e bei den starken Präteriten : IV 8 liesse,
lY 13, 29 dränge, II 141 sebwnnde^) usw. Um eine Silbe mehr
za gewinnen oder den Hiatus zu vermeiden, verwendet er Formen,
die sonst von ibm nicht gebraucht werden : so die volle Form des
Artikels: II 79, 87 denen Fischen, III 97 nach denen heiligen
Hageln 92; das mbd. en für die casus obllqui der Einzahl der
schwach flektierten Femn. : der Sonnen IV 77, bey einer Frauen
lY 11, in der Wiegen IV 11, meiner Seelen IV 16; die von der
nhd. Nominativform zwh^e abgeleitete zwhien : bei zwenen Knaben
lY 22, in zweenen Körpern IV 18; die attributivische mask. Flexion
eines in prädikativer Stellung durch ein Substantivum determiniertes
voü: voller Furcht und Angst II 46, voller Wutb II 64 ; die volle
Form des Adverbiums zurücke IE 142; die analogische Form etwan:
wo etwan einigen Trost II 74, hat etwan euch IV 52.
Trotz der häufigen Verwendung derlei Wortanpassungen bat
der Alexandriner des Bethlehemitiscben Kindermordes keineswegs
immer einen melodischen Fluß. Die Ursachen sind dreierlei : erstens
es bekommen wegen des Satzaccentes schwach- und unbetonte Ein-
silber durch die Skansion einen Hauptton, z. B.:
IV 80 und die entimte Hand, IV 8 das Mder pflegt lü ertönen,
lY 10 stflrit und wird abgemeit, IV 10 In ein klein Hiasgen lief, IV 22
vor ihr selbst an in graten, IV 50 wo und an welchem Ort, IV 10 etOizt
ofld wird abgemeit, II 189 and sich pflegt zu verlaufen, II 189 ihm in
die Aftgen scheint;
zweitens : es tritt eine Abweichung von der gewöhnlichen Betonung
eines mehrsilbigen Wortes ein, z. B. :
IV 14 ein Idbend^es Grab, II 74 und aus Israels Blat, II 75 an
i^in huldreiches HerU, IV 50 Boshaftes Wefbebfld, IV 44 und nicht im
Pillsst fanden,
drittens: das natflrlicbe Verhältnis der YVort- zu den Versfflflen
wird durch die Aufeinanderfolge gleicher Wortffiße verlegt; das
iit dann besonders bei den Einsilbern auch aus Betonungsrflck-
sichten metrisch widrig, z. B. :
IV 66 Mit Luft, Glath, Brd' und Flnth; IV 94 Wie öder auch als
wann; IV 55 YYie? Oder dich, der du | ins Grab fast wirst getragen; IV
85 Sohn, Cron' und Thron zugleich ; IV 86 Doch brauchst nicht wo das
') Oesen die Verwendung dieser paragogiseben e richtet sieh ein
Epigrunm des zweiten Bnches Nr. 28 der n^^smmlung von Sinn-
gedichten" ScbOnaicbs (1755): Die dentschen Dichter sind gelerte | So
wie der Dichter Schnitzer schöne; Ja! war auch gleich ein e saviel j So
nenne ich das ein DichterspieL
820 B. H. Brockes* Bethlehemitiflcher KiDd«nDord. Yon C. Batiiiti.
Wecck spricht dass man Tiel era&hle; III 1 Zwiogt, klemmt andhftitüui
fort. — Bei Zweisilbern: III 8 des wilden Donners Krachen; II 76 firCffioe
deinen Schos» voll sflsser Qnaden- Gaben; III 82 Ein schOnee janges Weib,
das dorten neben sich; III 68 den kleinen Beater liegen; III 81 durch
Leebien, Winieln, Thränen; III 81 das metiein, stechen, faanen; III 88
lerqaetsebte Schedein fliessein; III 88 vor senfcen, ecblnofasen, aehneo;
III 88 in lauter salsen Thränen; IV 4 ans ihren Schatten stfirzt eio
starker Begen her; IV 6 Der seines bOsen Herren gleicher Diener war;
lY 84 es worden also bald Ton nnsem besten Lenten; IV 87 Als henleD,
schlachtzen, sehreyn, beklagen, weinen, wimmern.
Der starke Gebrauch der Alliteration, wofür sich Beispiole genvg
in den letztangefährten Stellen finden, yerleiht dem Vers einen
bombastischen Charakter, der anf die Daner nnertriglich wird.
Und auch mit der Zäsur ist es schließlich manchmal tbel bestellt.
Die Nachlässigkeit nimmt in dieser Beziehung (eng zusammsD-
gehörende Satzteile werden durch sie gewaltig getrennt) gegen
Ende der Übersetzung stetig zu:
IV 22 Ein Vater sengte Ton | zwoo Hflttem dieses Paar; IV 26
Braut, Wittwe, Mutter und | zugleich auch sonder Erben; 1 1 Viel Wusder,
die sein Leyd | yemeoerten su schauen ; I 20 Dass er dnxchaus sich nicht |
könnt' ans dem Zweifel finden; I 24 Weit mehr als sein zuerst | gemacht
Geschöpf erheben; I 51 Du weist gar wohl, dai^ ans | Israels EOn ig Stamm;
IV 63 Und fast zusehends ihr | geraubt war und entführet; IV 69 Dem
ArgQS sähe die | so oft durchbohrte Leiche; III 81 Dasa sie sich noUr
die I gesfickten Schwerdter warf; II 184 Er sieht eniaunend an | der
Pyramiden Spitzen.
Im Yersbau zeigt sich also der Übersetzer nicht auf der gleichen
Hohe, die wir nach seinen frfiberen Dichtungen erwarten sollten:
wir finden hier vielmehr den Obergang zu seiner späteren, aUtn
freien Manier, welche die bitteren Vorwürfe Gottscheds ^ redlich
verdiente.
Der Bethlehemitische Kindermord fand im allgemeinen eine
freundliche Aufnahme. Die deutsch - fibende Gesellschaft und die
übrigen Hamburger Freunde Brockes' hatten für den ersten Druck
Lobgedichte, in welchen die Überbietung der düsteren Farben des
Originals als besonderes Verdienst hervorgehoben wurde. Die
lateinischen Acta Eruditorum Lipsiensium A. 1716» p. 385—386
stimmten in den Beifall ein und betonten besonders die Treee der
Übereetzung» desgleichen die deutschen Acta Eruditorum Lipum-
Blum (1716), S. 491—500 und die HallensischeB , weiche das
Buch als „ein Meisterstück einer poetischen Überaetzung" begrüMsD,
aber besonders auf die Vernachlässigung in der Betonung und in
der Sprache aufmerksam machten. Fünf Jahre später schrieb C. H.
Heraus in der Vorrede zu seinen „Gedichten und lateinischen b-
Schriften", Nürnberg 1721, S. 17: „Des Herrn Lic. Brocke«'
genaue und künstliche üebersetzung einer bisherigen Welschen
Schreibart kann gleichfalls ein Beweistum sein, wie fftfaig die
^) Deutsche Sprachkanst 1757, S. 646.
B. H. Brockes* Bethlehemitischer Kindermord. Von C. Battisti. 321
Teatecha Sprache sey, allerley Arten nachzureden''. Aber diese
SümmuDg dauerte nicht lang. Hagedorn, der in einem Briefe auf
Welcbmann 8. Juli 1726 noch kein Urteil über die neu erschienene
mite Auflage (Ende 1725) wagte ^), beurteilte 1739 (1. Dezember)
die Übersetzung ziemlich streng : „Herr Brockes hat sich viele
Mühe gegeben seine Übersetzung^) dogmatisch zumachen und hat
sie daher mit grOfierer Freiheit bewerkstelligt als die von Marino,
in welcher eine jede Zeile der anderen des Originals gleichsam
aogemeflsen war, und 3320 Zeilen nur 3820 hervorbrachten : der-
gleichen BichtigkeU ^vm mit einigem jtechte v^ dem berühmten
Footenelle im Ehge de Corneille eine pridsion flamande genannt
wird. Ich finde sie ebenso ftberfldssij^ und 4em Originale nach-
teilig als wenn man einen prosaischen Bficherschreiber in ebensoviel
Zeilen übersetzen wollte. Das gebundene in der Poesie geht, allem
Aneehen nach, so weit nicht**. Viel trefflicher als das rein ftußer-
liche Urteil Hagedoms ist daijjenige, welches Gottsched 17ßO iu
uiofa FefMch« eiosr kritiaeheB Pichtung fftUt: „Brockes* hat
des Kindennprd in echt Mariais^em Geiste übersetzt**. Der „Bilder-
Saal heutiges 'Tages lebender und durch Gelahrtbeit bM^bmter
Schriftsteller** von J. Brncker, war der letzte, der mit Anerkennung
6ber die Übersetzung sprach: „Brockes* erhabener Geist, der
fraehtbare Wjt« und eine {glückselige Geschicklichkeit ip BeywOrtern
eine Sache lebendig auszudrücken, gaben ihm bey atkn Kennern
TOB Marino den Vorrang und selbst Meiner, die in 4er jDiebl^st
fefibt war^n, bewunderten diese Arbeit** (J. Bd., 2. Deoadfi Biogr.
419). Die wiederholt verbess^rtMi Aui^Aben vermochten aber das
Isterease iör die Obaraetiupg auf die Daaer nicht aufrecht zu
halten und die Kritik, welche die apftteren Werke Brockes* in
ünioer koni^^rem Tone besprach, hielt über den Kindermord
lange Mt ununterbrecbenes Stilleebweigen. Srat 1768, faei zwanzig
Jahre oMk 4e0 Tode dee Dicbttrs, erschien im Hannöv. Magazin
S. 94 bei d^r Bßsprechopg der vergaofonen Literatur vpn Ha»'.
borg eine v«cQicbt#nde Beaenaion über den schon lange ganz
rergesseniB B^Uehamitiaohen Kiodennord. — Mit dem Untergang
4er Schwnlatdicbtung aohwiAd anob das Yerstündnis für diese
otfinistisehe NacbbÜte : man vergafi, wie daa Abrigens schon bei
Bodmer im „GhArakt^r der denteeben Gedichte** (Beiträge aur
Utiieh«n Historie d^r deutQCben Sprache, Poesie nnd Beredsamkeit,
Jahrgang 1737, S, 649^650) der Fall war, die erste literarische
Sicbtaiig des eiaat ao gefeieiieii Bambnrgera und man machte «ich
a leiser JUonie ftbf^r #oiiie veraltete, religiftse Naturdichtung kistig.
Wien. Dr. Carlo Battisti.
') sich habe einige Übessetsongep und einige Gedichte liegen, die
nur aoa Hamburg mit heutiger Poet verechreibe nnd ihrer Beurteilung
tberluse". Fr. v. Hagedorn, Poetische Werke, herausg. von Eechemborg,
^. AqU, Y. Tffil, S. 5. Ob sich aber diese Stelle wirklich auf Brockes
beiieht, Uftt eich mit Sicherheit nicht sntseheiden.
*) Beiieht sieh aof die Übersetsung des J^ssay of Man von Pope.
Ziitwhiift f. 4. totarr. GymB. 1908. IV. H«ft. 21
Zweite Abteilung^.
Literarisclie Anzeigen.
Herodotus Buch I— IV. Textaauabe fflr den Schnlgebraoch Ton Prof.
Dr. Adolf F ritsch. Mit Titelbild. Leipzig and Berlin 1906, Druck
und Verla? tod B. G. Tenbner. XLII and 426 SS. 8^ Preis geb.
2 Mk. 40 Pf.
Herodotos fOr den Schnlgebranch erklftrt von Dr. E. Abieht Dritter
Band: Bach V and VI. Vierte, yerbesserte Auflage. Leiptig nnd
Berlin 1906, Druck and Verlag von B. 6. Teabner. 234 SS. 8*. Preis
geh. 1 Mk. 80 Pf.
Thukydides für den Schnlgebraoch erkl&rt fon Gottfried Boehme; von
der yierten Auflage an bearbeitet Ton Simon Widmann. Sechstes
B&ndchen : Bach VI. Sechste, g&nilich arogearbeitete Auflage. Leipzig
und Berlin 1906, Druck und Verlag von B. G. Teubner. IV osd
108 SS. 80. Preis geh. 1 Mk. 20 Pf.
Sieben Jahre nach der zweiten ist die Buch I — ^IV enthaltende
Hälfte der vortrefflichen Schnlanegabe Herodots von Fritseh
erschienen. Sie zeichnet sich dnrch streng wissenschaftliche Be-
handlung des Dialektes ans, zn der ein Vortrag des Herausgebers
selbst in der Bremer Philologenversammlung des Jahres 1899 den
Grund gelegt hatte; vgl. Verhandlungen der 45. Versammloog
deutscher Philologen und Schulm&nner 158 fif. Am meisten stiebt
der Wegfall des Spiritus asper in die Augen ; doch versichert Fr.«
daß eigene nnd fremde Erfahrungen die Besorgnis, die Schäler
seien hiefQr nicht reif, zerstreut haben. Die Zusammenstellung der
wichtigsten Eigentümlichkeiten des Herodoteischen Dialektes (IVII
— ^XXVUI) ist fast unverändert aus dem zweiten B&ndehen beräber-
genommen^); nur ist S, XXIX ein alphabetisches „Verzeichnis einiger
Formen mit Hinweisen meist auf das Attische'' angehängt. Dagegen
erscheint die Beschreibung des Lebens und Werkes Herodots jetzt
in viel weiterer Ansfährung (12 gegen 5 SS.). In beiden Bändcben
*) S. XVIII jetzt ÖQä verdruckt statt 6q^; S. XIX onter ooiov
war h v^ nicht als Beispiel aniuftlhren.
± FrUseh and K. Äbichtt Herodotoa, ang. ▼• E. Kälinka. 323
gebt dem Texte, der sieh anf Eallenbergs Ausgabe und Jahres»
berichte stützt, noch eine Inbaltsdbersicht nebst einer Zeittafel voran«
wftbrend ein erkl&rendes Namen- nnd Sachverzeichnis nachfolgt.
Ein kritischer Anhang füllt die letzten Seiten.
In der Einleitung über Leben nnd Geschichtswerk Herodots
Türde Abschnitt 5 (Qnellen) sich besser zwischen 12 (Reisen) nnd
13 (Geschichtswerk) einfügen. — Becht gebe ich der Bemerkung
des Heraasgebers, daß das Werk nicht zam Abschluß gediehen
Mi (im) ; aber eine getrennte VerOffentlichang der einzelnen k&yot
ist doch zuwenig wahrscheinlich, als daß ihrer in einer Schulaus-
gabe Erwähnung getan werden durfte (XII). Anderseite bin ich
Dicht wie Fr. von der ünglaubwurdigkeit der Erzählung, daß
Tbnkjdides einer Vorlesung Herodots beigewohnt habe, überzeugt;
s. meinen Beitrag zur Festschrift für Gomperz. Überhaupt sollte
IS siner passenden Stelle (z. B. XVI) darauf hingewiesen werden,
daß im Zeitalter Herodots die Literatur vorzugsweise noch durch
öffentliche Vorträge Verbreitung üand, weil es ein Lesepublikum
noch nicht gab, femer daß auch Herodots Stil wie der der sogenannten
Logographen im Grunde ein epischer, daß ein kunstmäßiger Prosa-
stil damals noch nicht ausgebildet war. — Die Nachricht des
Markellinos, daß Herodots Grab in Athen neben dem des Thukj-
dides gezeigt worden sei (niQt ist mehr als zweifelhaft; vermut-
licb liegt ein Fehler der Überlieferung vor. — Ungern vermisse
icb in dem Distichon (VIP)
'Slidi^v Hgodötfi tsii^ 2k)q>oxkilg itimv Bw
xivz* ixl xswi^xovt'
die ansprechende Ergänzung, die Th. Gomperz in den M^langes
Weil begründete: s^ixig httaixBt. — Eines erläuternden Zusatzes
bedarf wohl das Wort 'Grammatiker' auf S. XVI ('Die Einteilung
in neun Bücher und deren Benennung nach den Musen erfolgte
erst durch die Grammatiker'). — Doch all das sind vereinzelte
nnd kleine Mängel, die sich in einer neuen Auflage leicht bebeben
lassen. Die Ausgabe kann schon jetzt bestens empfohlen werden,
dz sie wissenschaftlichen Anforderungen nicht minder als den Be-
dorfnissen der Schule gerecht wird.
Nur wenig ist über die neue Ausgabe Abi cht s zu sagen.
Obwohl das Titelblatt sie als verbesserte Auflage bezeichnet, hat
sie ihr Aussehen seit der vorletzten, vor 88 Jahren erschienenen,
die allein mir zum Vergleiche vorliegt, nicht wesentlich geändert.
Der Text scheint in beiden Büchern V und VI der des Jahres 1878
geblieben za sein bis auf die eine, übrigens schon alte Verbesserung
k avToiig (VI 2 gegen Schluß) für früheres [ig iarotovg]. Dazu
kommen noch leise Änderungen dialektischer Art; aber von einer
durchgreifenden Umgestaltung der Sprachform nach den von Fritsch
sofgestellten und durchgeführten Grundsätzen ist keine Spur. Weit
mehr Zusätze und Berichtigungen haben die erklärenden Anmer-
kuigen erfahren, vgl. Broschmann, Berliner philologische Wooban-
21»
324 0. Schroeder, Sophodia eanticA, ang. ▼. H. Jwenka.
»cbrift 1908, 8p. 385; trotzdem ist der ümfaDg snr von 224 Seitao
der zweiten Auflage auf 2S3 in der vierteB gestiegen. JedeefaUi
wird das bew&brte Scbulbnch immer noch gute Dienste leisten können.
Volle Anerkennung verdient es, daß sieh Widmann ent-
schlossen bat, den Ton Boebme gegrflndeten nnd noch jetzt nach
jbm benannten Kommentar der Thnhydideischen ivyyQa^ einer
gitndlidien Umarbeitung zu unterziehen. Soviel idi ans Stichproben
eotiiebme, ist keine Seite ohne einschneidende Änderungen nnd
amtgiebige Stofttze geblieben; sie haben den Umfang des Bfindchens
um 19 Seiten, d. i. last oin Viertel vermehrt. Die ältere Fassnag
und Auswahl der Erklärungen war in der Tat zu ddrfl^g, nm
Anf&ng«rn eni tieferes Verstftndnis zu vermitteln. Jetzt erat erMt
dieser Kommentar zurerlAssig eine Aufgabe, die ihm neben den
mit Geleinamkeit schwer bepackten Bänden Classen-Steups eigene
Daseiiisbcarochtigang veilMht. Daß der jetzige Herausgeber aUe
neuere Literatur, soweit es geboten schien, verwertet hat, branche
ich an dem Verfasser des Buraiansdien JabTesberiohtes über Thaky-
dides siebt erst eigens zu rfthmen.
Innsbruck. Ernst Ealinka.
Sopboclis cantica digesrit Otto Schroeder Leipzig 1907, BtbUoth.
Tenbner. 86 SS. Preis E 1-68.
Paul Maas hatte in seiner Bezension von 0. Schroeders
^Äeschyli cantiea B. ph. W. 1907, 8p. 710 dem Verf. vorgehalten,
daß er bei der Feststellung der „Stollen*' auf die Interpunktion
zu wenig geachtet habe. Ich stimmte ihm (in dieser Zeitsdir. 1907,
S. 969) zu, in folgender Brw&gung. Da den Sinnesabscbnitten der
gesprochenen Bede in der Musik die sogenannten Phrasen — in
der Partitur sind sie durch die großen, oft mehrere Takte nm-
spannenden Bögen kenntlich gemacht — entsprechen, so mtseiD
in der gesungenen Bede beide zusammenfallen. Umsomehr mneflen
die größeren Abschnitte der Melodie (also die Stollen) mit denen
der Bede sich decken. Zweitens hatte Maas den Wunsch aas-
gesprochen, daß neben dem Texte der Strophe jedesmal der der
Oegenstropbe abgedruckt sein sollte. Auch hierin hatte er Recht.
Denn die Identität der Melodie in Strophe und Gkgenstrophe bat
zur Voraussetzung, daß in beiden die Sinnesabschnitte, die kleinen
und noch mehr die größeren und größten, im wesentlichen kon-
gruieren, so daß, um bei der Scbroederschen Aufteilung sicher tn
geben, die Oegenstnophe zur Eontrolle herangezogen werden muß.
Dies zu tun, scheint aber Sehr, auch im vorliegenden Buche nicht
Zeit gefunden zu haben. Wenn seine Diagramme trotzdem in sehr
vielen Fallen vollkommen etimmen, so erklfirt sich dies daraus,
daß die Sache eben sehr häufig zu klar zutage liegt, um nidit
getrofEiBn zu werden.
0. Schroeder^ Sopboelis caoticft, ang. v. R. Jwekka, 326
Ich will nnn am Philektet die oben auf^stellten Sfttze dar-
Ifgw, die Irrtümer Schr.e anfzeigen und damit togleieh, wie ich
hoffe, einea nieht nnwiehtigen Beitrag zw richtig^ Aoffindnng
dw Stollengraizeii liefern.
lS5ff.cx)150flL Schr.e Anfteilnng 6.6.4.4 iet nioht riciitig,
weil sie in der Strophe die Sätze nag' oztp zb ^itov | ^169
ex^rpov ivdc^sxat und eh d\ i xhtvov^ x6S^ iXi^kvdsv | xäif
xoitog dyyvywv an den bezeichneten Stellen mitten entzweireißt.
Dies wbrd vermieden, wenn man abteilt 7.7. | 6, was auch das
Metrom r&t: beide Stollen beginnen wie der Abgesang mit einem
Büunb. Denn das mnß man wissen — und weder Sehr. (z. B. Trach.
955 ex> 966) noch Maas stoßen sich daran — , daß es nicht gegen
dl« Kichtigkeit der Anfieilong spricht, wenn ein Stollen mit einer
uDiigen Silbe oder einem kurzen Worte (besonders einer Konjunktion,
Ntgstiea n. dgl.) in den folgenden flbergreift. Hier also entsprechen
lick die StoUenachlOsse 187 tpQdifi fnor | tixva nnd 151 vöp ii
/loi I Xiy\ Etwas ähnliches kennt anch die moderne Musik: der
Komponist (B. Schumann) trennt gleich dem Dichter in den Versen :
.Ü6 Lotosblume ftngstigt ^ sieh vor der Sonne Prachf eng Zu-
iaomengehdriges: der erste Vers bildet in der Vertonung eine
Phrase, nach der — in einer Vr^^^*^! — ^^^ geholt werden
nifi. — 169 ff. cx> 180 ff. stimme ich Schroeder zu, ebenso 706 ff.
v718 ff. — 201 ff. cv> 210 ff. sind so zu gliedern: 8.8.T
I -S^V 1 1^^ I ^' ^^® ^'"^ ^*^ '^•^•* *^*' ^^®I**^^ 2^^'
4aiu der Terschr&nkte lambus (•-•-) 209 an. Das letzte
Drittel hebt sich auch durch den verwandten Gedanken wirksam
ab: did07iiuz yicQ tgosl f\i Tcgoßo^ xi yicg dei,v6v. — 391 ff.
V 507 ff. Die einzig richtige Gliederung ist hier diese: 7. | 10. | 7.
Die Stollen werden beide durch einen Diiamb (801 ögsöxiga o^
507 obmo" ävai und 400 li» fubcatga 00 515 in' bv^xoIov)
j^innzeichnet, während der Ab«, hier Zwischengesang, sich durch
j« ein Dochmienpaar am Anfang und Ende ganz greifbar abhebt.
Endlich fallen so die stärksten Interpunktionen in Strophe und
Oegtnstropfae zusammen , was bei Sehr, durchaus nicht der Fall
in » 676 ff. cx> 691 ff. Hier ist Schr.s Schema so zu berichtigen :
21. 1 24. 24, wodurch wieder Koinzidenz der starken Interpunk-
tieoeu erzielt wird. V. 682 (cv 697) ist - ^ w kein Dimeter
(i^x I . ^ . j.), sondern ein Dreiheber jl^x-x, wie 718
(^ 725) & luXait iyv%d (wo die Bemerkung im Kommentar auf
Einbildung beruht), nnd bildet, wie die Gegenstropfae lehrt» die Sehr.
;owiß nicht eingesehen hat» mit dem Vorhergehenden ein Ganzes,
-e.x^|x_Ir —
827 ff no 848 ff. Diese Strophen geboren zu denjenigen, die wegen
der Dnsicherhelt der Überlieferung besondere Schwierigkeiten be-
reiten. Sehr, bat sie hier sicherlich nicht verglichen: hätte efs
326 0. Sehroeder, Sophoelis cantica, ang. ▼. H. Jurenka,
getan, so wftre er bei Beacbtnng der iDterpmiktion auf das Schema
11. I 14. 14. I 11 gekommen; Es entsprechen sich ntolich 827 ff.
bis znm ersten Bia£(0Vj dann vom zweiten bis 882 xaidtv einer-
seits nnd 848 ff. bis zn ßavdv ftot^ sowie Tom zweiten ßatdv
bis 848 Isiiöösiv anderseits. Dieselbe Zahl der Eebnngen (14 +
11) ergibt der Best, wenn man znr Ansgleichnng mit der Anti-
Strophe 884 mit Wecklein schreibt: xot 8i xiv^ivÖB ßdöi}
(jL^x . -L^JL_) nnd 888 die Überlieferung leoli) xagh x66a
XQdtog ä(fWTat beibehält, dagegen im Qegenverse mit G. H. Müller
schreibt: ndla toi änogd y* Ä' IöbIv xd9ij i^^d^j wi^^-2■w-1
<i. i. er -f d). Nach dem zweiten Stollen in Strophe nnd Gegen-
Strophe starke Interpunktion. — 855 ff. (Epode) ist die richtigo
Aufteilung folgende: 12 (theses). 12. | 11. V. 862 ist die Ober-
lieferung zu halten 5pa, ßlhc* sl xalgia fp^iy^ | -yij { — ^^ ~ |
-^' II -), dagegen der sinnlose V. 858 mit B. Hunziker (Ana*
gäbe der Bibl. Goth. 1908) wohl zu streichen. Die Stollenscheide
ist durch den daktylischen Anhub 860 gekennzeichnet. ^— 1081 ff.
ro 1102 ff. Schroeders Schema ist unrichtig, das richtige hsDd-
greiflich folgendes: 20. 20. | 11. Die Ausrufe 1086 Sftoi pol
fioi cv 1107 alat alaij die die Stollen Toneinander trennen, sind
▼om metrischen Diagramm auszuschließen. Den Beginn des Ab-
gesanges markiert der Dochmius 1092 rv 1118. Dann decken sich
die starken Interpunktionen. 1091/2 lehren bloß den engen Za-
sammenschluß von Stollen und Abgesang, s. oben zu V. 135 ff.
— Die folgende Ghorpartie trenne ich ab und teile sie so auf:
4. 8. 8? I 8. 4. II 8; 1097 äkko&Bv ixBi z^xa \ xaS* iach ft«-
iovog c\j 1119 iö^sv vnb xstgbg &" \ (läg . öxvysgicv 1%B^ wie
überliefert. — 1128 ff. oo 1146 ff. Auch hier ist die Chorpartie
abgesondert zu behandeln. Zuerst also 14. j 7. 2. 2. | 9; dann
7. 7, nach inl tfol st&rkere Interpunktion, da iaxlv f es steht bei
dir') zu erg&nzen; nach äxofpB'öyBiv im folgenden Vers genügt
ein Beistrich. — 1170 ff. (Epode). Man kann sich wohl mit Scbr.6
Zerlegung des Ganzen in drei inhaltlich abgeschlossene Teile ein-
verstanden erklären. Indes glaube ich — und dies gilt yon allen
ähnlichen großen Komplexen *— , daß Gruppen von so ungeheuerem
Umfange mit dem, was man als Stollen nnd Abgesang aufzufassen
gewohnt war, nur sehr wenig Verwandtschaft besaßen. Dagegen
hat Sehr, sicherlich Becht, wenn er hier an den Dithyrambus
erinnert, dessen Aufbau in seiner kühnen Entfaltung alles Dagewesene
weitaus hinter sich ließ.
Hier sei noch bemerkt, daß Sehr, im vorliegenden Buche
ein neues Mittel angewendet hat, um Widerspänstiges zum Gehorsam
zu zwingen, nämlich außer dem Schaltvers noch den Schaltfaß:
Ant. 841 ([1 -f ]2), 591, Phil. 209 (nicht 289). Auch will mich
bedflnken, als ob der verfänglichste Ausweg, der der einschneidenden
0. Sehroederf Sophoielis cantiea, ug. t. J7. Jurenka, 327
TaxtesftBdening, darcb die ein Yers gleich um eine Hebung an-
wicbstt zu bftufig beBcbritten würde. Solche Dinge sowie die auch
hier wieder begegnenden Streckungen und Zerrungen des Versmaßes
legen den Gedanken nahe, ob denn die Stollen wirklich haargenau
an Zahl der Hebungen gleich sein müssen, ob die Rechnung nicht
aneh dann stimmt, wenn der eine Stollen den anderen um eine
oder zwei Hebungen übertrifft. In der modernen Musik kommt dies
ja blnfig vor. Freilich die schönen Ziffern , mit denen w&re es
Torbei. Aber stehen denn Ziffern überhaupt einem Dichter, einem
Masiker wohl zu Gesichte? Wird aber diese Freiheit nicht zu-
geatanden, so sind obige Ercheinungen imstande, auf die ganze
Tbaorie starke Schatten des Zweifels zu werfen, die mir, offen
geaagt, bei der Durcharbeitung dieses Bnches wiederholt auf-
gefti^n sind.
Ich Terzeichne zum Schlüsse wichtigere Versehen und Druck-
fahler: 1.) im 'metrorum conspeeHts^i S. 77, Z. 10 t. u.: st.
sp ck ha sehr, sp eh ia; S. 77, Z. 4 v. u. ist ^dacU et un-
richtig, es gehen lamben voraus; S. 78, Z. 1 bessere Ai. 199«
200; das. Z. 17 bessere Tr. 497; der Abschnitt ' Ithyphallica.
Lecjthia* ist an eine fremde Stelle vorgeschoben; S* 79, Z. 2
baaaere El. 186; Z. 5 v. u.: dieser Vers ist S. 82 als iambadoneus
baaeicbnet; 8. 81, Z. 16 ist ^ditnm aeoU clausulae* falsch, es
gaheu lamben voraus; Z. 7 st. aeolicae sehr, -ca; S. 88, Z. 1, 2:
daa Zitat Phil. 677 ist unrichtig, ebenso das folgende; Z. 4 bessere
Ast. 787; Z. 12 bessere ^^^^s^^; S. 84, Z. 18: st. Ai. sehr.
Aot; S. 86, Z. 9 ist das Zitat Phil. 497 irrig. — 2.) In den
metrischen Diagrammen: Ant. 184 schiebe die '3* vom Bande
weitar nach links vor; 582 ff. fehlen am rechten Bande die Ziffer-
summen 9. | 7. 7., ebenso 863 ff. (10. 10.), 1204 ff. (11. 11.),
Traeb. 181 (8. 8.), 638 (6. 6.), 821 (10. 10.) u. 6.; 604 st.
^ sehr. "^ ; 882: ist nicht statt - -w | -w— 3-
lu messen - - w - ( ^ - . —?; 0. B. 471 : daß - ~ ^ ^ - - ein
Eooplioe ArehiL sei (S. 77, letzte Z.), ist schwer zu glauben,
ebanao unglaablieh sind die Ithyphallici El. 186 — w — und
514--- ; El. 850 verbessere |; Trach. 211 sehr.
- — I ; Phil. 205 bessere | - v^ w - ; daselbst 208
^^^^; 710b "ww— . -. Bichtigstellung der Schemata emp-
fähle ich Trach. 181 ff. (5. 5. | 9.), 497 ff. (8. | 4. 5. 4. 5.),
517 (5. I 12. 12.). — 8.) Im Kommentar: 8. 2 teilt Sehr, aus
Alcm. partb. 76 den Namen ^ufuuTOta mit: die Betreffende heißt
aber JttftMQixa. Daselbst ist das Zitat I 5 etwas unklar, sehr.
Hom. IL IX 5. — S. 14, Z. 3 v. u. st. brevia sehr, breves. —
8* 19, Z. 10 st exeeptus sehr. -um. — S. 85, Z. 6 streiche das
<i. — 8. 56, Z* 6 V. u. begegnet ein grammatischer Fehler,
<ueipiamu8 st aeeiperetnus. — Was die Latinität betrifft, so bleibt
sie an vielen Stollen beim ersten Lesen unverst&ndlieh, besonders
da Sehr, mit Interpunktionen so sparsam umgeht, vgl. z. B. S. 46,
328 P. Lehmann, Franeitcui Modiu ntw., aog. t. TF* TF^nöer^^.
oben Satz 2: weDigeteos Z. 8 Dach emsociantur mkd Z. 4 vor
Hroehaici' bWe ein Belstrieh gesetzt werden sollen« Nicht eben
sebön klifigt folgende Wendung (S. 58): periodi$ aeoiieis enopliis
cum dactylicia iatnbkia aeoliois eonsociatis.
Wien. Hago Jnrenka.
Paul Lehmann, Franciscas Modins als Handschriftenforscber
(QaeUen and Unterflochnngen snr lateinisehen Philologie des Mitte!-
alteni, heransg. von L. Traobe» IIL Band, 1. Heft). MflncbeD, Beck
1908. XIII a. 151 SS. gr. 8».
Das vorliegende Heft der Quellen und Untersnchnngen (die
im Geiste ihres Begründers fortgeführt werden sollen) ist dem An-
denken Ludwig Tranbes gewidmet. Die Arbeit, sagt der Verf., sei
diesem eigen, nicht so sehr deshalbi weil die Anregung von ihm aas-
gegangen sei, weil darin nicht wenige Tatsachen behandelt werdeD,
auf die er aufmerksam gemacht habe, und weil manches Stück in
seinem gastlichen Hanse, in seiner reichen Bibliothek entstanden
sei; das Buch gehöre ihm in einem höheren Sinne, weil es in
Liebe nnd Yerehmng ffir ihn geschrieben worden, weil es in einer
glücklichen Zeit innigster Gemeinschaft yon Lehrer und Schüler er-
wachsen sei. DaA diese Gemeinschaft die Sohnler besonders befüiigt,
die Weg^ zu wandeln, die der Lehrer gewiesen hat, ist kein ge-
ringer Trost bei dem Hinscheiden großer Meister.
M. wurde 1556 als Sohn vornehmer und begüterter Eltern
bei Brügge geboren^ kam 1578, nachdem er juridische und philo-
logische Studien betrieben und durch die Unruhen sein Vermögea
verloren hatte, nach £0ln, wurde dann nacheinander Sekretftr bei
dem hessischen Erbmarschall Grafen Biedesel, Sekretftr nnd Biblio-
thekar Neustetters in Eomburg und Würzburg, Korrektor bei Feyer-
abend in Frankfurt, endlich 1590 Kanonikus in Aire (nahe bei
S. Bertiu), wo er 1597 starb. Er gab CuHius (1579), Ivstinus
(1582, bisher übersehene Ausgabe, deren getreuer Abdruck die von
1586 ist; für die Überlieferungsgescbichte vgl. S. 71 ff.), Lifi^
(1588) nnd Vegetius (1580) heraus und besch&ftigte sich ferner
(vgl. seine Tffovaniiquae Leetümes. Frankfurt 1578 nnd das Schrift-
Stellerverzeichnis S. 148 f.) mit Ambrosius, Apuleius, ÄrnobiuSf
AuguHinus, Calpurnius, Cen8orinu9, Cicero, CdumeUa (für die
handsehr. Yerh<nisse vgl. S. 68), Ennodius, FronHnus^ Ful-
gentius (S. 106 f.; Helm hat den in Stuttgart erhaltenen Cosi^''*
getiaie nicht nachgewiesen), Gratiue, Hygin, Isidor, Lucan, Luem
(vgl. 8. 185 über die Frage, ob die von M. benutzte Hs. verloren
oder mit dem Quadraitis identisch ist), Ifaero^tMS, Martial, Mar-
tianus Capella, Nemesianus, Ovidiue, PaUadius. Panegyrki, PH'
nius, Proper z, Salluat, Seneca, ServiuB, Siliue^ Staiiui, Sytn'
machus, Tacitus, TertuUian und Valerius Maximus,
P. Lehmann, FnneiMos Modttii oaw.i aiigr. f. W. Weifiberger. 229
L.« der fiber Modiim* Leben liod Wirken genaaer als Beine
YorgiAger berichtet (S. 29—86: Ana M.a Brief weebsel), hebt
benror (8« 54 if.)> daß M» die he. AntorStftt nnd ihre Erforschnsg
über die Eonjekturalkritik stellte, daß seine Angaben zn?erl&8Sig
nsd Terhältnism&ßig bestimmt sind. Volle Klarheit kann man nicht
TOD einer Zeit erwarten, in der gedinckte Bächer als Codices, Pa-
pierbandscbriften als tnembranae bezeichnet und Sigel nnr ver-
einzelt gebraucht werden (L. weist S. 62 Sigel noch Tor M. in
PoUnanns Ansoninaansgabe, Antwerpen 1586, nach). Doch verhehlt
sich L. kmneswegs (8. XI), daß M. in den Männern gehi^re, deren
Bedentnng fiber ihre Zeit hinausgeht; er gebe Gelegenheit, eine
gr»6e Zahl alter Bibliotheken in durchwandern nnd ihre Hand-
KhriftenbMtinda zu mnstem*
Und in der Tat biatet L. wertvolU Bemerkungen über Ge«
ichichte nnd Beständoi namentlich der (im Inhaltaverzeichniaa« her*
Torgehobenen) Bibliotheken von S. Bertin, Brfigge, Fulda,
Eöln und Komburg, für die Sammlungen von Modius, Nan«-
lins und Scriverius. Fftr dioHss. Budolf Agricoias (die doroh
Dietrich von Plieningen, Halder und Eck an Neustetter in Kern-
barg kamen), Daibergo und Sichardts wird eine besondere unter-
nehnng angekflndigt. Yon M.8 eigenen Hss., die nach seinem
Tode an Eicbard de Pan kamen nnd 1605 in S. Omer verzeichnet
wardon, sind bisher nur wenige in Brüssel, Gießen, 8. Omer
ond vielleicht in Leiden nachzuweisen. Die Identifizierung einer
Ozforder Ha. wird (8. 142) mit Becht zurückgewiesen. — Eine
Si^bnrger und eine Würzburger Hs. konnten dem Katalog der
Miniatarenauaatellung der Wiener Hofbibliothek entnommen werden;
fir 8. Terweiae ich bei diesem Anlasse auf F. W. E. Both , Hss.
in Darmatadt aas Köln und der alten Erzdiözese Köln. Annalen
dei histor. Yereina für den Niederrhein LXII 177 ff., nach dessen
Aadeutongen Hss. von 8iegbnrg in Darmstadt zu vermuten sind.
^ Ana 8. Bertin stammt auch Gheltenham 1115.
Die Begister helfen allerdings bei der Verwertung der Angaben
aber Hss. und Bibliotheken nicht immer in der erwünschten Weise.
W&hrend im 3. Peraonenverzeichnis z. B. Enoch von Ascoli erscheint,
TOft deaaeo Beisen 8. 48 ganz im allgemeinen gesprochen wird,
Mbeint das 1. Handschriftenverzeichnis grundsätzlich auf den Auf«
bewafaruagsort beschränkt zu sein; übrigens ist bei Breslau das
Yorhandensein von Hs«. ans 8. Martin in Köln (8. 92, A. S), bei
Haag daa von Tongrenses (8. 50, A. 5) nicht erwähnt. Daß eine
He. von Gent nach Stuttgart verschlagen wurde (8. 106, A. 4),
fiadflt man nur unter 8t. verzeichnet. Wer vollends auf einen 0O(2sa?
ThonnuB stößt, wird durch die Indizes nicht auf die Aufklärung
geführt, daß die Hss. des Klosters Ter Do est, mit denen des
Klosters Tor Duyn vermischt, nach Brügge gelangten. Auf weitere
ibnliche Fälle hoffe ich an anderem Orte zurückzukommen. Vielleicht
Uefte sieb den folgenden Heften (ähnlich wie es z. B. Graux bei
330 Th, Schiehe, M. Talli CiceroDis Tasenl., ang. ▼. E, Geehwind.
seinen Unterenchnngen Aber den Eecorial getan hat) ein einheit-
liches Register beigeben, in dem Heimstätten nnd AnfbewahnmgB-
orte der Hss., Besitzer nnd Schriftsteller dnrch verschiedenen Dnick
gekennzeichnet wnrden.
Iglan. Wilh. Weinberger.
M. Talli Giceronis Tascnlanarnm diBpatationnm libri quinqae.
Für den Schnlgebraach heraus^?, von Th. Schlehe. Zweite» terb.
Auflage. Leipzig, 6. Freytag, Wien, F. Tempskjr 1907.
Die Ausgabe ist nun mit einer Einleitnng in deutscher Sprache
ausgestattet, was dem Unterrichte nur förderlich sein kann, da der
Schüler für die einleitenden Erörterungen des Lehrers dann ein
Substrat in der Hand haben wird. Der erste und zweite Absehnitt
dieser Einleitung (Cicero als philosophischer Schriftsteller nod
Gioeros Eklektizismus) sollte aber etwas klarer in der Darstellung
und auch übersichtlicher gehalten sein. Wir begreifen das Be-
streben des Verf.s, recht viel über seinen Lieblingsschriftsteller
mitzuteilen und in gedrängter Kürze vorzubringen, aber es kommen
dann Verbindungen heraus, wie z. B. S. 9: „Neben der unserer
Erkenntnis allein zugänglichen Welt der für sich bestehenden, ewigen
und unveränderlichen Ideen ist von der unseren Sinnen zugänglieben
Erscheinungswelt wegen ihrer Vergänglichkeit und Veränderlichkeit
nach Plato kein Wissen, sondern nur ein Meinen möglich, nnd so
ist es auch nach Eameades für uns unmöglich ... * usw. — Bei
der Ableitung des Wortes „Eklektizismus** konnte auf ixkiym, bei
„Ungestörtheit** auf äxagaxla hingewiesen werden. — Die Inhalts-
angabe der fünf Bücher der Tuskulanen ist für eine Schulausgabe
viel zu weitläufig. — Das Verzeichnis der Eigennamen enthält nun
nebst der Angabe der Fundstellen kurze erklärende Bemerkungen,
was sehr zu billigen ist; überdies sind einzelne Ungenauigkeiten
der ersten Anfiage richtig gestellt; so Ae(a)eta (für Aeaetus der
ersten Auflage), Gaelus (für Caelum), Democritei u^ a.
Im Texte selbst wurden an etwa SO Stellen Änderungen vor-
genommen. So wurde I 25, 60 das handschriftliche anima ein-
gesetzt, das sich ganz gut erklären läßt; I 25, 62: instüutumes
nach der Handschrift statt des von Manitius an in die Texte über-
gegangenen institUiones f das bloß für diese Stelle angenommen
werden mußte. Allerdings findet sich auch instütUio (sMarum)
hier in der in klassischer Prosa fremden Bedeutung „Stellung*',
die sich aber durch das Verbum insiitusre belegen läßt. — I 88,
91: quam aensurus tum sis st.: sit; dadurch wird eine Überein-
stimmung mit dem folgenden: eiiamai tu id non agas erzielt —
II 2, 6 : Quod — si haec studia traducta erunt ad nostras in An-
lehnung an das folgende ne biUiotheeis quidetn Graecis egehimus — ;
die frühere Leseart ad nostros verdient wohl wegen des Verbnms
Ä. Bademann, Yorlagen sa lat. StilfiboDgen, aDg. t. «T. Dorsch, 331
tradueere den Vorzug. — 11 11, 26 nnd III 6, 12 ist die Zu-
weitnng des Dialogs an Ä und M (mag es Atiicus und Marcus
oder Auditor und MaguUr bedenten) ebne Grand aufgegeben. —
II 14y SS: iacel in tecto umido nacb Bonbier und den meisten
Ausgaben; früher brachte Schiebe seine Konjektur: in saofo
Lemnio; aber selbst die Lesart Ton GBB: in lecfo umido ist an-
nehmbar. — II 26, 62: amnes lahores dolore contempto fiunt to*
krahUee trifft wohl das Bichtige ; denn cod. G bat das sinnlose
amtempno und daneben einen freien Baum. — III 6, 12: ei,
inquit, fuero et eeneus adsU der ersten Auflage wurde geändert
io: Wh quid fuerit, 8. a. — ; inquit (nacb Seyffert) ist jedenfalls
Dicht baltbar. Der Bef. meint, eine Lesart: ei quid fuero wäre
der entsprechendste Ausweg. — IH 19, 46: demus hedychrum,
ineendamus seutellatn — nacb dem cod. G, der datnue hedychrum
bietet; denn die gewöhnliche Schreibung: hedychri ineendamus
feuiellam: ^zünden wir eine Schale mit Parfüm an*", l&Qt sich
Dicht annehmen. — IV 6, 14: stultorum aegritudo est, eaque ad-
fieiuntur; die handscbriitliche Lesart der ersten Auflage konnte
gaox gut beibehalten werden. — IV 36, 77: Quo igitur haee ruit
mdes? — ruit (st. erumpit) liegt jedenfalls dem y erderbten erunt
der Handschrift näher; dasselbe gilt von V 9, 27: tarn expoliari
potes.
Schiches neue Ausgabe der Tuskulanen ist für den Schul-
gebrauch ToUkommen geeignet, sowohl wegen des trefflichen
Textes als auch wegen der willkommenen Einleitung. Das anfangs
bezQglich der Abschnitte 1 und 2 der Einleitung Vorgebrachte wird
der Erwägung des Herausgebers bei ein^r yermutlicb bald erfol-
ge&den dritten Auflage empfohlen.
Prag. * Emil G seh wind.
A. Bademann, Vorlagen zu lateinischen Stilübungen im An-
sehlmie an Giceros TnsculaneD, Bach I, II und V. BerliD, WeidmaDn
1907. 68 SS. PrelB Mk. 1-20.
Das Torliegende Büchlein hat vor den Bd. LVII 518 an-
gezeigten „Übungen zum Übersetzen im Anschluß an Ciceros
Tosculanen**- ron Deiter mancherlei voraus. Einmal berücksichtigt
ti außer den dort Terarbeiteten Teilen der Ciceronianischen Schrift
loch das nach Stoff und Form wertvolle 2. Buch; fernerhin ist
die Diktion durchaus einwandfrei und drittens hat der Verfasser
diranf gesehen, daß sein Übungsbuch die Einsicht in den Inhalt
der Tusculanen möglichst vertiefe. Denn mag auch sonst manchmal
die bloße Wiedergabe des Inhaltes für Übungsstücke zum Über-
setzen aus dem Deutschen nur als Notbebelf zu betrachten sein,
«s gibt gewiß auch Fälle, wo derartige Paraphrasen, wie sie Bade-
832 0. HdlinghoM8, Goethes Werke f. Schale iL Haas, ang. ▼. 8. M.Prem.
rnanns Vorlagen bieten, geeignet sind, daa inbaltliebe Veratftadnia
des Gelesenen in wirksamer Weise zn nnterstätzen; und bisher
gehören yor allem philosophische Schriften.
Prag. Dr. Josef Dorsch.
Qoethes Werke fflr Schale und Hans. Mit LebeDsbeschreibuDg,
EinleitUDgen nnd Anmerkungen yon Dr. Otto Hell! ngb aas, Gym-
nasialdirektor. Drei Bfinde (Bibliothek dentieber Klassiker ffix Sehale
and Haas, 4.~-6. Band). Freibarg i^ B.» Herdersehe Verlagsbachhand-
lang 1906.
In zwnter, yGUig neu bearbeiteter Auflage erscheinen hier
die wichtigeren Werke Goethes in besonderer Widmung für Schule
nnd Haus. Der 1. Band, geschmflckt mit dem Bildnis Goethes
yon May (1779), enthftlt die Biographie Goethes, die ^Gedichte"
in sorgsamer Auswahl sowie Teile aus dem „Westöstlichen Dlyan^.
Die Biographie umfaiU allein 105 Oktayseiten und liest sich an-
genehm, da der Stil einfach und die Darstellung fortlaufend Goethes
eigene Worte yerwendet. Auch Bielschowsky wird oft angezogen.
Sachlich wäre allerdings manches auszustellen. So darf die Stellung
des Grafen Thoranc nicht mit der eines Stadtkommandanten yer-
glichen und Friedrike Brlon als Modell für das Gretchen im zweiten
Teile des „Faust"' aufgestellt werden. Sicher unrichtig ist die Be-
hauptung, Goethe sei 1790 in Italien wegen des schlechten Wetters
und seiner „wenig befriedigenden Häuslichkeit zu Weimar*' in Mil>*
Stimmung geraten. Verstöße und Druckfehler finden aicb da und
dort: Goethes Großmutter starb 1754, S. 97 heiüt ee Ulrike yon
Pogwitsch. Die Gedichte werden in Goethes eigener Einteilung
nach der Ausgabe letzter Hand geboten ; einzelne wurden aus dem
^Nachlasse'' eingefügt, dafür andere weggelassen, darunter „Blinde
Eub'S das mit den Versen „Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg*'
und „Bettung'' (S. 128) eine besondere Gruppe bildet. Nach Auf-
zeichnungen yon J. Chr. Ehrmann soll ihnen ein Straßbnrger Er-
lebnis yon 1771 zugrunde liegen, das Martin Greif in seiner no-
vellistischen Jugendarbeit „Goethe und Therese" aasgesponnen hat
Der 2. Band, dessen Titel mit der Goethebüste yon Trippel
(1787) versehen ist, enth< den „Beineke Fuchs", „Hermann und
Dorothea", die «Achillels*', „Wertbers Leiden* und den „Götz von
Berlicbingen" mit entsprechenden Einleitungen und kurzen Anmer-
kungen am Schlüsse des Bandes, die hinreichend sind, um bei der
Lektüre fortzuhelfen. Der 3. Band, mit Stielers Goethebild (1828)
geschmückt, enth< die klassischen Dramen „Egmont", „Iphigenie"
und „Tasso" sowie den „Faust".
Graz. S. M. Prem.
F, SoUkauseth Alt- ond mHteleDgl. Texte, ang. t. v. Grienberger, 333
Alt- und mittelenglisehe Texte hennsgegeben tod L. Morsbach
nnd F. fiolthaaeen. Bd. 3 II: Beownlf nebit dem Finnsbarg-
Bnichetfick . . . hemugegeben fon F. HoltbaoeeD. II. Teil: Ein-
leitung, Glossar und Anmerkangen. Heidelberg, Carl Winters UniTer-
git&tsbachhandliuig; New Tork, 6. £. Stechert 1906. XX, 113 und
272 SS.
Der erste Teil der Beownlfausgabe HoltbanseDB enthielt ein
Torlänfiges Vorwort des Heransgebers, den Text des Gedichtes« dem
die Faksimile -Aasgabe von Znpitza zugrunde gelegt wurde, im
Anhang dazu den interessanten Versuch einer Umschrift der Verse
1—52 in das anglische Original, das Finnsburg -Bruchstück und
•in Verzeichnis der im Liede vorkommenden Personen- nnd Orts-
namen.
Im zweiten Teile bringt Holthansen nftchst einem Inhalte-
verzeichniase über die ganze Ausgabe, in das eine gedr&ngte
SkizziaruniT der Handlungen des Liedes aufgenommen ist, eine
trefOiche Slinleitnng mit Nachrichten über die Handschrift, ihre
BMchafiianiieit nnd ihre Schickaale, mit chronologischen Verzeich-
niisen der Ausgaben nnd der Erlftaternngsschriften zur Textkritik,
znr Sprache, zum Stil, mit orientierenden Angaben über Entstehung,
Verfasser, Lihalt, Quellen des Liedes und einer ▼ollstAndigeo Auf-
zihhing dar Obersetzungen in acht Sprachen, von denen selbet«
Terstftndlich die deutschen und englischen Übertragungen am zahl-
reichsten aind; doch fehlt auch nicht eine lateinische von Thorkelin,
EopenhageD 1815.
Nach juudegea Mitteilungen znm FiDuaburgfragmente folfi^t
du ftlaeeftr S. IIB — ^200, hierauf die mit Begiater versehenen
AnmerkBoireB B. 201—268, dann fönf Seiten Verbesserungen und
ükhtrige, zwei Seiten Stammtafeln der im Liede auftretenden
Dynastenfamilien und ein Nachwort, in dem sich das bedeutnngs-
▼eile BekenntBis fiachet: ^die lange Bescfaftftignng mit dem Oedichte
Qod das aiogebende fitndhun der demselben gewidmeten Arbeiten
hat mich in Tiefen FAll«i wieder zur handschriftlichen Überlieferung
urnokfcebren lassen, wo ich früher «ine Emendation ffir nOtig hielt\
Die SchlQftw«rte empfishlen diese neue Ausgabe dem Wohlwollen
der akademiachen Lehrer und der Studierenden.
Dieser Empfehlung wird der von ihr gewünschte Erfolg nicht
eutgehen, 4a die Auegabe, der sie gilt, tatsächlich in so reichem
Ma0e mit zweckdienlichen Bebelfen versehen und so sehr praktisch
emgericbtet ist, daß sie sich ffir den Lehrgebrauch vor allen
eoderen eignet. Es ist zu erwarten, daiS sie, überall wo Beownlf
gelesen wird, der Lektüre zugrunde gelegt werde und daß sie in
kommenden Auflagen sich zu einem immer mehr gesteigerten Orade
der Vollkommenheit entwickeln werde.
Ich habe nicht die Aufgabe, zum ersten Teile mich zu &ußern,
der mir zur Besprechung nicht zugegangen ist, und will auch in
dieseai Falls Ton einer Durcharbeitung der zur Textauffassung und
334 F. Holthauseth Alt- and mittelengl. Texte, aog. t. v. Grienberger.
Teztgestaltang gehörigen AnmerkongeD absehen, doch finde leh
mich angeregt, über das Glossar einiges zu sagen, das der eine
Hauptabschnitt des zweiten Teiles und dem Leser des Textes die
unentbehrliche Wechselstelle ist, an der er die Münze des ae. Textes
in nhd. Werte umsetzt.
Das Glossar Holthansens ist zweifellos eine Torzügliche
Leistung lexikalischer Darstellung, deren Leitpnnkte etymologische
Verknüpfung des Wortmaterials, VoUst&ndigkeit der Belegstellen
im Beowulf und gedrängte Fassung sind. Die orthographische
Darstellung yerzichtet auf die ags. Type ^ , bedient sich des p im
Anlaute, des d im In- und Auslaute, bezeichnet das Umlauts -e
mit e, den Wechsel yon ä und Ö Tor Nasalis mit ä: lAmer, Matd,
hSingian, macht bei einfachen Vokalen die Länge durch Querstrich
ä, €B, e, 1, ö, ü, y: gär, gcest, leg, eäm 'Oheim' (zweisilbig), bei
Diphthongen die Kürze äa, Bo, to: KMf, r^ord gegen heah, leas,
leoma, tarn 'Oheim' (einsilbig) ersichtlich und setzt die in den
gedeckten Kasus mit der einfachen Konsonanz der ungedeckten
wechselnden Geminaten im Lemma zur Hälfte in Klammem : 8ib(b),
hUm(fn), h%l(l), heor(r), h^al(l), hü(i). Das vor dunklen Vokalen
die Palatalis c anzeigende e wird unterpungiert: Bc0p, seeöd.
Die Nietstellen yon Präfixen und Kompositionen werden durch
Verbindungsstriche angezeigt: ge-nög^ n-efne, n-Me, hrogäen-mcH,
htoy-lc, ttoi'lff öT'et, was bei Proklisen und zweiten Kompositions-
teilen Terdunkelter Natur dem Verständnisse der Wortform ins-
besondere forderlich ist, ebenso wird das gotische und nordische
Nominativzeichen 8 und r behandelt: andei-s, haidu-a, haft-s,
auHi-leik-s, JUü-l, giir-r und dadurch der Unterschied der got und
nord. Nominativformation von der ae. gekennzeichnet sowie das,
was an diesen Belegen dem westgermanischen Wortkürper entspricht,
wirksam herausgehoben.
Aus Kompositionen des Beowulfwortschatzes gezogene Wörter
sind besonders angeführt, doch folgt in diesen Artikeln keine Vers-
zahl, sondern ein Verweis mit ^in* oder *b/ auf das Kompositum
wie hctd mnu Halde, in: ^^stopa..,, 3. hat na. Verheißung,
Forderung in beot, ör-et, oder ?iata mk. Hasser, s. däd ^^, oder
selbst -gen Suff. ... in htoir — . Besonders nachgewiesen sind
auch Wortformen, deren paradigmatische Zugehörigkeit nicht so
ohneweiters klar ist wie log s. lean 2, lyhd s. lean, hogode s.
hycgan, hrödr- s. hred-, toöc s. uxßcnan, ^art bist • • . , eode prt.
[zu wadan] ging, schritt..., sowie fakultative Lautgestaltungen
innerhalb bestimmter Anlautgruppen wie dio- s. deo-, fio- s. fto*
und fakultative Schreibungen wie ge-mofu s. ge-wtf oder die mit
unfestem y: wie gyn s. gin, gyd s. gid oder mit einfachem Vokal
an Stelle der diphthongischen Brechung haU s. kt^ak.
Der Normalartikel enthält: erstens die ae. Wortform — das
Nomen wie herkömmlich im Nom. sing., das Verbum als Infinitiv
— y dann eine grammatische Sigle, dann die nhd. Bedeutung mit
F, EdÜhausen, Alt- and mittelengl. Texte, ang. t. v, Oriehberger» 335
den Stellenzahlen und zwar in einer Partie, wenn die Bedentang
wie bei hcele(d) mk. *Held, Krieger, Mann' eine wesentlich ein-
heitliche ist, in mehreren Beihen, wenn sie» wie bei Mtan red.
1. heilSeD, nennen.., 2. heißen, befehlen... semasiologisch yer-
schieden ist, oder wenn unter ein- nnd derselben Form zwei ver-
Bcbiedene Wortqnalit&ten subsumiert sind, wie bei hceäen..,.
1. heidnisch ... 2. Heide . . .
Außerdem enthalten die Artikel an schwankenden Bestand-
teilen die fakultativen Wortformen des Beowulfteztes wie hafela,
hiafcla, Ton denen die erste Form zehnmal y die zweite dreimal
vorkommt, während die Form hafdla ?on 446 yermutlich durch
den Verweis hafda s. hafda getroffen werden soll, ferner in eckiger
Klammer knappe etymologische Verweise intern ae. Natur inner-
halb des Beowulfglossares wie tUs fjö. [zzztldB zu /ad^]..., loca
mk. [zu lücan\ ..., cempa mkj. [cäinp] ... oder außerhalb des-
Bslben wie herian sw. I [tor].,., gemtnian... [unte],,.^ Ver-
weise auf andere germ. Dialekte : Got., AisL, As., Ahd. usw. oder
bei Lehnwörtern auf latein. Vorlagen: cS^el fö. [lat. oandela], . .<,
ernster fo. [lat. ca8ira...'\ ..., 1 orc ma. [von lat. urceua]..,^
oder auf ne. Entsprechungen : be-lang, swath, oder auf erschlossene
Torags. Formen: täcan sw. I [*/ft«A^'an] . • ., rede l^röpi]...f
dann in Gänsefüßchen geschlossen nhd. formelle Wortentsprechungen
oder Nachbildungen, d. i. Übersetzungen mit nhd. Mitteln.
8o ist in dem Artikel toid(d) nja. [g. widi] *Wette' Unter-
pfand 2998 das gotische Wort etymologische und semasiologische
Gleichung, nhd. ^Wette* die formelle, Unterpfand die begriffsmäßige
Dhd. Entsprechung; in hceg-steald ma. [haga\ ^Hagestolz', Jflngling,
Lehnsmann 1889. F. 42 ist ae. haga interne Beziehung zum
Beownlfglossar, * Hagestolz' die etymologische, Jftngling, Lehns-
mann die semasiologische Gleichung zum Lemma, in ge-unn(n) na.
'Gewinn": 1. Kampf..., 2. Mühsal.., das vorangestellte Wort
etymologische Gleichsetzung, die anderen die Begriffswerte im Sinne
des Nhd.; bei häd-stapa mk. ist 'Haidegänger' nhd. Nachbildung,
aber Hirsch die Bedeutung des ae. Kompositums, bei wind ma.
Wind ..., oder winter mu. 1. Winter... ist das nhd. Wort so-
wohl formelle als semasiologische Entsprechung. Die grammatischen
Siglen geben bei Substantiven das Genus und den Themacharakter
wie ma. generis masculini und a- Stamm, fi. generis feminini und
t-Stamm, nja. generis neutrius und^a-Stamm, nwa. generis neutrius
nnd wa-Stamm, mk. generis masculini und konsonantischer Stamm
(»-Stämme nicht besonders ausgeschieden 1), mni. generis masculini
nnd neutrius und t -Stamm, mfkj. generis communis und konso-
oantischer (n) Stamm mit j im Suffixe. Die starken Verba werden
durch die Slgle, abL mehr der Klassenzahl in latein. Ziffern,
ebenso die Praeteritopraesentia durch Prt. prs. mehr der Kkssen-
zabl, die reduplizierenden durch red., die ^ Verba durch sw. mehr
der Elassenzahl I, II, III gekennzeichnet.
336 F. BoUhauseii, Alt- oiid mitteleDgl Texte, Mg, ?. ti. Grienberger.
Das Adjektiv, das Pronomen» das Zahlwort bleiben nnbe-
zeiefanet, aber Adyerbinm, Pr&position, Konjacktion bei den ein-
zelnen Wörtern, die in mehr als eine Kategorie fallen, werden ge-
schieden, die Interjektion mit Int. charakterisiert. Die Konstitntioa
der grammatischen Siglen, die sicherlich den sonst gebrftnehlichen
gegenftber große Vorteile aufweist, dient in ihrer gedrängten Kürze
gleichfalls den Zwecken knappester und pr&gnaniester Fassnng, die
das ganze Glossar anszeiobnet.
Eine weitere Ersparnis an Banm wird dadaroh erzielt, daß
dem Änßeren nach identische W((rter, wie die 4 w^ard, TOm
zweiten an nicht mehr ausgedruckt, sondern darch eine Welle —
hemnter genommen und mit Ordnungszahlen (hier 1 bis 4) am
Beginne unterschieden werden. Der gleiche Vorgang wird bei
identischen Wortstrecken unmittelbar aufeinander felgender Lemmata
eingehalten, und zwar nicht blaß bei Kompositis wie moräor na.
. . . Mord ... I — bed(d) nja. Totenbett. . . ; myndgian, . .erinnern
an. . . \ ge ^-^ dass. . . ., sondern auch bei Ableitungen wie mUt
ma. Nebel, in | ~ hlid na. nebliger Abhang. . . \ -^ig neblig. . .
Insbesondere aber muß hier noch als in hohem 0rade raumsparend
der Behandlung der Verszafalen als Belege gedacht werden, die in
arithmetischer Folge geordnet die identischen Zehner, Hunderter
und Tausender nur bei der ersten Zahl des bezüglichen Zahlen-
abschnittes in Ziffern zeigen, während sie bei den folgenden dnrch
Torgesetzte Strichelchen )[enntlich gemacht sind, so daß z. B. 50.
80 '8. 109 '19 als 50, 80, 88, 109, 119 oder 8010 "29 "58
'"B als 8010, 8029, 80S8, 8058 zu interpretieren ist
Ich habe in diesem sorgfältig gearbeiteten Glossar an ündeat*
lichkeiten, Inkonsequenzen, Übersehen nur wenig bemerkt.
Höchstens, daß bei hläfwdkan Wiederholung des Yollwortes
Uafwd wünschenswert wäre, weil man — Uo» : hläßeas zu lesen
▼ersucht ist, ebenso bei estum miclum, ^as sich aus — midum
nicht sogleich ergibt, oder daß der Artikel spora s. 178 einer
anderen Fassung bedarf, wenn an Stelle des fasl. handsporu yiel-
mehr ^handsperu gelesen wird und diese Konj. im Glossar S. 145
als Lemma erscheint. Der Artikel hom- s. h&m- wäre, da keinerlei
Komposita mit Aäm- im ersten Teile da sind, besser als -hom s.
-AäfN -zu fassen, der Artikel «^^ na. . . . vni ed — , in -^, da das
einfache Wort aus Kompositis abgetrennt ist, vielmehr als -tcJt
na. . . . new. darzustellen.
Bei hringan vermißt man die nhd. Bedeutung ; unkorrigierter
Druckfehler ist 'Scheide' statt ^Schneide' unter h^rdicg, eine un-
mögliche Letter hat erpr.
Es ist dem Glossare HoHhausens gegenüber , das so aus-
gesprochen praktische Ziele verfolgt, nicht leicht, weitergehende
Wttttsehe hinsichtlich der etymologischen Beziehungen zu äußern,
da der Verf., dem nur das Notwendigste anliegend sein dürfte,
derartige Ansinnen ohneweiters als überflüssige Belastung seiner
JP. HoUhamien, Alt^ md mitteleogL Ttet#| tag. t. v. GWMi^ef^er. 887
Artikel abraweiBen yermag* Abtr das «tjrmologiaeb« yergtoiehs*
mitorial, das er bietet , ist doch ein filomeilt, dnroh dat leine
Arbeit nngemein belebt and der ZoBammenbang des ae* Wort-
sdiatzei mit dem der gleichseitigen germ. Dialekte veranscbanlicbt
wird» 80 dafl, wenn aeine Abaicht anch nur die w&re, die ae.
Wertformen« inabeeondete die mehr oder weniger terdnnkelten«
wortgesohiclitlich dnrchaiehtig sn machen, die Wirknng eine weitens
inteosivere ist.
Ich habe mir bei der Lesvng des Glossares eine Anzahl von
atjmologischen Oleiehnngen nnd Bexlehnngen angemerkt, die daselbst
fehlen. Ich lasse sie hier folgen, ohne den Anspmob zn erbeben,
den Vert erst anf sie aolinerksam- machen zn wollen, ohne die
Perdening tu stellen, daß sie in einer kOmsMnden Auflage berftck*
liehtigt werden sollen* Sie sctalieften sich an eine vom Verf. des
QioBcars getroffene, nitsliohe ond lehrreiche Etnrichtnng an, yer^
ToUftindigen dieee nnd mögen fOr sich selbst sprschen, insbsson-
dire dann, wenn er der Meinung sein sollte, daß sie sämtlich
ibeeits seiner Anfgabe nnd seiner Ziele Iftgen.
Das Verbnm b(B)aldian 'sieh tapfer zeigen"« nv 2177 in
Yerbittdnng mit gödum dmdum bat Gering sehr ansprechend Aber-
letzt 'sich durch wArdige Taten her?orttin'; abd. 0« entspricht
irhaldm 'praeenmere, nntemehmen, wagen\ Praei. er irbaidöia,
Nebenform ist abd. Mnsp. balden. Zu bft)aidar ma. 'Forst, Hen'
iit anch abd« Mers. balder zn halten, welchem anf Phol zn be*
uebenden Worte aicberlicb gleichfalls die appellati?ische Bedeatnng
*dsr Herr' zakommt Abd. Badu-, Pattt*^, zum fw&. biado, -u er*
•cheiiit, soweit ich sehe, nnr als erster Teil Ton 23^idMif doch
dArfte das Adj. unpata 'lentns' Graff 8, 49 mbso Beleg für appel-
iitiTische Lebendigkeit des Wortes ancb im Abd. darbieten. Ae.
beßru mwa. ist als abd. Ortsname Para vnd als zweiter Teil in
derartigen Kompositis -j>ar0, sowie ala Basis des NMnen agentis
pturaumri 'amspee' Greif nachweisbar. Das ablaotende Yerbnm
o-M^me ^ennmen' ist ancb as.: 8 s. praes. biigit, Praet« baig,
Pari praet gtbolgtm, aowie abd. arbelfftm, Part« praet. ar-, er*
heigam Tcrtreten. — Zn bean 'sein, werdeft' ktante mao as. Hei.
bium, abd« jmm 'ich bin ' Tergleicben« Dat ma. b^Sam 'Mann»
&i^«r' gehört mit litt^ bimae m. 'Eneeht' znsammen. — beran
'tragen' ist anch as« nnd abd. sowie got bairan, ebenso bldan
warten, wetlenr bleiben' anch as., got. beidan. — bU(l) na« 'Schwert'
ist anch aa. Hei. nnd abd« Hild. bezeugt; as. W.^) hü wiri mit
'paxillns' glossiert ^ bkee 'ecbwarz' erscheint ae« bei W. ds Sab*
itsatiTnra bktc 'atramentsm' nnd bildet den ersten Teil den ahd.
Kompoa. biah-mäl V^Avinm', mhd. Lexer Uaehmäl n. 'Niello-
reiziemng*. ~ hßed ma. 'Kraft, Snhn» mnß nach Aisweie des Per*
lonennamena Bleda bei Jerdanee anch get. gewesen smu und iarf
>) Wsdstete, KlehMse as. Bprachdeakmiler. Horden« I8M.
ZiitKkxift t d. tettfT. Gtu. 1906. IT. Haft. 22
338 F, RM%amm^ Alt- and mittelengl. Texte, ang. t. «. (7rt«n5«f jrer.
mit ahd. zapläm ^aafblasen*, nhd. blähen in Beziehung geseilt
werden. Das in hl&nden-fiax 'grauhaarig* gelegene red. Verbnm
Ukndan 'mischen' bat anch im got. hlandan aik 'sich yermischen'
entsprechende Bedeutung; metaphorisoh, etwa wie nhd. 'anrühren
jemandem etwas', ist ahd. blantan ^anstiften' entwickelt. — a-
hredtoian 'töten* entspricht dem ahd. Hild. breim 'niederstrecken',
breffdan 'schwingen, knfipfen, flechten' dem gleichen as. Hei., ahd.
brUian; abgeleitet hievon ist ahd. brutUn trans. 'erschrecken*.
breoian 'töten' ist gleich dem an. briäta 'zerbrechen', wozu das
8ubstantivum as. W. uuitUes brüt 'uertigo' gehört. — -bümid mk.
'Bewohner' Terhftlt sich mit Außerachtlassung der flexirischen Er-
weiterungen wie an. 'bÜGfide, -bönde 'Bauer', ahd. larUpuanier 'in-
quiline' GrafF, mnd. bunde. Zum Simplex yon a-eigan 'henromifen'
l&Ot sich vielleicht nnd. köge f. 'der Husten* halten. — cirran 'kehren'
ist auch ahd. kerren sowie as. W. kerrent 'uerrunt' belegt. Zn
elSan(m) ma. ^Klammer, Griff* gehört mnd. klam 'enge, fest zn-
haltend' und klamme f. ^Haft, Klammer* sowie mod. bsir. die
Klamm 'Bachenge'. Das Part, praet. in coUenferhd 'erregt', bei
Heyne-Socin yermutlich besser 'beherzt, tapfer', stellt sich zu as. W.
quellan ablaut. ▼. 'scaturire' ; cringan abl. JU 'fallen* scheint formell
gleich afries. Bichth. hringa 'erhalten, bekommen' Praet. Fl. 8
krungen, komp. bikringa Erreichen, zuwege bringen'. — cumbol
na. hat gleich dem ahd. Worte in khunpalporun 'cohortes' Oraff
die Bedeutung yon 'Banner, Feldzeichen', as. Hei. kumbal ist als
Himmelszeichen yon dem den Weisen aus dem Morgenlande yoran*
leuchtenden Sterne gebraucht. — euticcan sw. I findet sich in as.
W. queküik ^uibrabilem' (gladium) wieder; eymlice erfährt aller-
dings aus nhd. kaum, ahd. kümo ady. 'mit Mühe', küme Meng.
Schwerlich* etymologische Aufklärung, aber ich glaube nicht, daß
die Übersetzung zu Beow. 38 *fejn, herrlich' zutreffe; ich über-
setze das Komparatiyadyerbium cymttcar daselbst 'mit größerem
Aufwände yon Bemühung', den ganzen Passus also 'ich habe niclit
gehört, daß man [jemals] mit größerem Aufwand yon Bemühung
einen Kiel ausgestattet habe, mit Streitwaffen und Kampfgewftndem,
mit Schwertern und Brünnen*. — darod ma. * Speer* entsprielit
dem an. masc. darradr; diarc 'dunkel, düster* könnte als ^dir-ka-
gefaßt zu ahd. iar-ni, as. der-ni 'yerborgen' im AblautverhUtDisae
stehen. — Bei dream ma. 'Jubel, fröhliches Treiben' fehlt dag
semasiologisch nahe yerwandte as. masc. dröm. — diyemian sw.
II 'sich yerdunkeln' und -dryene in kn-dryene 'furchtbar, schreck-
lich* gehören wohl beide zu dreosan, as. drioean, got. drituan
'xücTsiv, cadere*, drue as. *m&6iqf casus, ruina* und beruhen
bedeutungsmäßig auf 'fallen* gleich 'untergehen' yon der Sonne
gesagt und auf 'niederfallen' infolge eines Schreckens; Saidrgeiu
scheint 'niederwerfend, überwältigend* zu sein. — dynnan sw. I
'ertönen' ist auch as. Hei. dunian. ^aldargedäl ist besser Trennung
vom Leben* als *Lebensteilung*. ^axlguUaUa mk. yerhält sich wie
F. Holihausenj Ali- und mittelengl. Texte, ang. v. v. Ortenberger. 339
abd. notgisiaUo, Lndw. ndtstaUo ^Gef&brte in Nöten' ; die Bedeatong
das Eompos. Wertranter Oef&hrte* scheint eigentlich *Gef&hrte
TOD Jngend anf ' zn sein, denn die Bezeichnung bernht wohl nicht
aof dem Schalter an Schulter stehen im Kampfe» im Bäte oder
sonst irgendwo, sondern anf der identischen SeholterhOhe der
heranwachsenden Altersgenossen. — Bei eee Wig' Termisse ich
got ajuk-düps; bei entüe ^riesisch' fehlt andd. entisc ^antiqans'»
Dieses Adj. anch ahd. antisc nnd antrisc, antriaee ^antiqni*, nm-
(filaatet entrise priscns', mit g statt ik im Suffixe entrig *alt\
ist sicherlich eine Umbildung aus an^s^ui^s mit Suffixersatz ^8ka
fftr -^ifo und bezüglich der Formen mit innerem r von anterior
beeinflußt, wAin nicht antrisee überhaupt eine selbständige Umbil-
dang aus anteriores sind. Die Entwicklung des Begriffes 'riesisoh*
ans 'alt' findet sich auch im Altbairischen, wie die Glossierung
ssgtis ad giganteam uiam (antisken uuek) in einer Urkunde vom
Jahre ca. 1146 UOE 1, 686 beweist, ist also sicherlich schon
westgermanisch; es liegt nahe anzunehmen, daß die ae. ente
'Riesen', Beow. nur Gen. pL in enta ärgetoHorc, enta gew^orc, eald
iiUa geiciore gar kein german. Wort, sondern Tielmehr ein Bück-
echlnß aus dem Adjektiv ente : entiac = Engle : engliec sind und
dieser Bflckschluß könnte, wenn wir den Slavennamen Aniee bei
Jordanes als germanische Bezeichnung ansehen, schon im Gotischen :
^Anteis aus ^antiake und auf der Bedeutungsstufe 'alt\ also Antes
'die Alten' erfolgt sein. Das Fehlen der Verschiebung ^ zu « im
abl antiae bedarf dabei allerdings noch besonderer Aufklärung. —
Za ßeringa ^plötzlich' ist as. Hei. färungo \mversehens' zu halten ;
mit ßätgM na. 'Goldblech' muß ahd. fedelgM *Plattgold, bractea'
irgendwie zusammenhangen. — fiorh mna. 'Leben, Seele' ist auch
as., ahd. ferh, ferah und mit got. fairhwua m. *Welt' zu ver-
binden. — Zu fiorm f5. 'Nahrung' gehört ahd. äfermi 'squalor
Graff 1, 1S4 um so sicherer, als im ae. Verbum fiormian, afeor-
mian ^reinigen, putzen, mundare' und gefeormian 'schmausen' die
Bedeutungen beider Substantiva sich wiederfinden. — fetian sw. II
Wbeibringen' vereinigt sich durch 'herbeitragen' mit got. ßian
abl 'gebären' eigentlich 'tragen*. — folde fk. 'Erde, Boden' und
forma 'der Erste' sind auch as. Hei. folda fök., formo; /dm fo.
Hand' ist sowohl ahd. folma fo. 'palma' als as. Hei. folmoa ma.
PI., fidfl) na. 'Becher' ist as. Hei. ful n. und longob. lat.
follea 'nasa' bezeugt. — fundian sw. U 'streben, beabsichtigen,
wönschen' entspricht dem aa. Hei. fundon 'streben'.
Oaian abl. 'anstimmen, erschallen lassen', an. gala 'singen',
hat andd. und ahd. Merseb. biguol die Bedeutung 'incantare'. —
oaiga mk. ist auch as. und ahd. galgOy an. edd. galge. — gSanal
alt' ist an. gamall und Grundlage des as. Hei. Partizipiums
gigamalod. — Eine alte Entsprechung zu g¬ ma. 'Wasserhuhn,
Tancher* ist germ. lat. ganta bei Plinius. — Ob einer der Belege
von ahd. gaakafi f. 'fatum*, ^ tlh 'fatalis' bei GrafT 6, 450, etwa
22*
840 F. RMkwMmy Ali- ond milteleDgl» Teite» aog. ▼. «. OrieMberger.
eätcaßf die sonst nsbsb Form«ti lAii Tortoniii^tn PrMfix kiseaft
stehsn« auf dsm si^steii Teile in beto&en sei» ist Dicht ersieht-
lieh» doch spricht das bei Heytte^Sohio nach Kivge aas Notker
ailierte pdaeaß immet-hin dafür , daft die Komposition mit ahd.
gähi 'sebnell, riech» eilig'» die in mhd. ffdeh^ehep/e ewf. "Schick-
salsgöttin* vorliegt» schon ahd. sei. In diesem Falle ist oatirlich
g&'Sü&fi das plötzlich hereinbrechende Schicksal and von der An-
nahme «lUe^ betonten PrfteAies ^a«- dnröhaas nbzasehen^ FAr dAs
ae. geoie^ß Aec. BeoW. 1234 and geaaeäaß-güsta Gen« pl. ebenda
1266 ist Weder das spetifisch dentsche Adjektiv gähi noch das
Pfaefit ga»-, he. gi" herentoziehen , sondern doch wohl, wie bei
Heytie-Socin vermutet ist, das Adv. gd^ ^ einst» vordem' mit der
BedentBDg des von hltersher bestehenden. Es schiene mir anßer-
dein nicht nttttiöglieh, daß gM9^aß auf eigentlichem ^geo-fesoeafl
beruhe. ^^ geoe f5. 'llilfe, Unterstfittung' möchte man greme mit
^Ot. aukan red., ahd. äuhhön 'angfere'« aukhttngä fi). ^angmentatio\
äs. Hei. ökän in yerbindnng bringen, wenn eich zum ae. Diph-
thongen eine Brflcke schlagen liefie« < — ^eo^or 'böse, schlimm' anö
got. jiuka ^vftrfg, rixa, animositAs' «n erlAütern, scheint mir
ühbedenfclich. --^ gittl ma» 'Zapn»n' ist anch as. W. ihUia 'süria ;
tu ^giftgan abh 'gehen', Praet. g^^ l&flt sich ahd. giv^gen *ver-
folgen, wt)näch streben' vergleichen. ^ g^f f5. 'Tasche' hingt ja
ih^hl ttkit got. laßt, an. Uß mk. 'pftlma' fcnsämmen. arlma tok.
'Viiier' ist anch As. W. gni/M 'mhscus', k 'maecns', Zn gHidan
abl. 'mahlen' in ß^^^ gehört der erste Teil des goi. Kempos.
gtinda-frapji^ 'öAt^ö^D^ö^'» wozA es ein Nentf. *grinia^frapi
'Eleinttiat* gegeben haben wird. — gt^Um *grfifien^ ist anch as. Hei.
gtdiian und g^öwan red. 'wachsen^ anch ahd. ^rteom; grdit 'nirescit*.
•^ Der s^Sthmm HM nk., an. hetU 'HeiU GldCk* ist anch as. W.
helf ds. hHe 'omine' mit der zu ^04 'gfinstige Vorzeichen* itim-
mebden Bedeutung 'omeh' nachweisbar. --^ JaafiMe^ fo. 'Bhnpt-
berge' ist synonym mit 'Helm'. Ahd. Httdu- kommt nur in Namen
tor; für fte. h^ado4iämde mk. Ist die Obersetttng 'Seefhhrer' zu
schwach, genauer müßte man das Kompositum mit 'auf Eriegs-
oder Beutezug begriffene Seefahrer^ wiedergeben. In diesem Sinne
Mi sieheflieh ahch der Volksname Häadoböai^dan M verstehen als
Abteilting des Volkes der Barden, die die Heimet zum Behuie
kriegerischer ünterttehtnungen verlassen hat, dagegen möchte ich
hH^fft na. jetzt nicht tnehr als 'Eampffeuer^, eondem als Yelnd-
liebes Feuer' auffassen. <^ h^olf^ na. 'geronnenes Blut' ist eine
^-lose Doublette zu a%. scUfaV' iflavue' vom Gold gesagt, also eine
alte Farbbeteichnung. -^ Moihddtync mi. ist materiell alisrdings
'Blntstrom', aber gewiß nicht 'Kampftrunk*, sondern 'Schwerttraak* ;
dae Schwert trinkt Blut, nicht der Kampf. <— Ans dem adj. sctrüfim,
das sich zu JAina verfa< wie bttdheart zu htMi^, kann man auf
einfaches ae. Aäm ma. 'Gewatad' nicht schließen» wenn auch an.
hämr mi. Und ae. anderweitig auch Pietfonen vokiüiecher Dekli-
F. HdlihauieHy Alt- Hnd nüteUBgl. Teite, ang. v. v. Oriekberger, 841
nation ta dtm Worte betettg^t aiad; m wAh also sioberar gewteea
statt M«i Tiolmebr nur -hSana ins Beownlf-OIotiar anfKVBabmoQ,
odtr dem Artikel eine andere Fasenng eq geben. -^ hinfüa ^bin-
wegttrebend' bat eine formell genane Parallele in abd. 0. Ätna. . .
fum. — hlear na. ^ Wange ^ ist ancb as. Hei. hiemr nnd mndd.
ler Bit der gleichen Bedeutung 'W«nge, Baeke' bezeugt; das Wort
got ^Uiu§ gebArt ersicbtlieb in abd. hhsen *hAren\ got. Uiu-ma
'(raäür, Ohr' und muß demnaeb nrsprAnglieb die ^Obrgegend' be«
niebnen. — DaA htiflan bw. II Emporragen* mit got. hUüjam
«eh jemandes annehmen\ an. hlija sw. *6ebfltzen', Part, öhlifmm
Verwegen', d. i. 'sieh keines Bebntses bedienend*, abd. MHan abl.
'schonen' tn Terbinden sei, habe ich schon Oot. Wertk. erkannt
Die semasiolegisehe Entwicklang ist aber Termntlieh vielmehr die
von ^schatten, schirmen' zn ^sicb sobUttend erheben', wenn Aber*
haopt fAr eine der vier Beownlfstellen 81 s$le htifade, 1799 rde$4
htivadi, 1898 mmH hlifade, 2804—5 se (der GrabbAgel) seel . .
AmA Ah/Ia« die an gemischte Bedentang des ^Emporragens' an«
Eui^men ist. Das BekandArferbnm geht ja sicherlich Ten einem
Nomen wie an. httffo. ^Sehnte' ans und mit 'schAtien, schirmen'
findet man in Beow. 81, 1799, 2805 das Ansiangen. — Za Mid
aa. ^Bergabbang' Tcrgleicht sich abd. hlita, nbd. die UU$. ^- hnttan
abl 'stoßen, bauen' ist ancb an. hntta 'stoAen' und as. W. in
*of-]m%tan 'wegreißen', Beleg 2 sip. dfnü *carpe'. — Zn onhoKa*
num 194A ist fragend die Bedentong 'schelten' angesetzt Ist die
ttymologiscbe Znsammenstellang mit as. Hei. hoA n. 'Spott, Hohn'
ricbtig, so gebAhrt dem ae. Yerfonm o: on-höhmian ebenso wie
dem as. Worte höse, W. ns. ftöae 'acroma' (festivam), ds. hdata
'earillo*, denn das letztere kann von akd. At^A m. 'Spott, Hohn',
pihvahoi 'inlnsit', as. W. auer-höi ns. ^contemptor' nicht getrennt
werden. Bei Aolm ma. 'Meer, Woge^ wird as. Mm 'HAgel^ yermißt.
— ^Aop na. in finhop and mörhap ist wohl die Omndlage des ae.
Verboms hopian, nbd. hoffen, eigentlich 'Znflncbt nehmen' and,
wie ich denke, mit lat. euba nr?erwandt. — Das Adjekti? hreo(h),
hnow 1. ^wUd, ranh, stfirmisch, wAtend'; 2. 'betrAbt' iet doch
Böglicherweise ein etymologisch einheitliches \ dentliob ist das dem
zweiten Werte en^prechende Wort germ. ^Atvuuio-, Beew. 1307 0»
Areon mode, als Basis des d-Abstraktnms ae. hreaw 'Leid, Kammer',
shd. hriuuua 'poenitentla, dolor^, mhd. riuwe stswf., swm. 'Be*
trihnis, Beae\ 2a Areosaii abl. ^fallen, stArzen* ist an. AWdio abl.
'sehaadem' zn halten. — Arvnan abl. 'anrAbren, berAhren' ist
•aeh as. and abd. Eine Ablantform ä : ö wie in abd. rätoa and
rwiwa, beidee ^qniee', kAnnte fAr hröf ma. 'Dach' in abd. räfo
'tigaara, trabe, laqaear' geboten sein, r— Zn hrüse fk. 'Erde,
Beden' stellt sich abd. rosa 'glacies, crasta', za 2 hwcU 'scharf,
kAhn': got gaktta^fan 'anreitzen', ahd. htcegeen 'acaere\ -* hyse mi.
|JADgling* ist in deminutiver Form as. W. s. 176 als huaieko
'posie' nachweisbar. — Zu in(n) na. *Haas, Gemach' konnte ne.
342 F. Holihausm, Alt- and miitelengl. Texte, ang. t. v. Grienberger,
inn yerglichen» die Steigerang mit tn- .* infröd 'sehr erfabren' ans
got. in-winds, ahd. 0. in-giriuno, mbd. in-grüene erl&ntert werden.
— Die InteijektioD lä ist anch ahd. 0. ^ neben les nnd lewe$,
as. W. dh. Ua 'pro pndor', läf fo. ^Hinterlasaenscbaft' auch lange-
bard. laib und as. leba, das Lebnwort gelafian sw. II ^laben', anch
ahd. Tat. Idbon nnd as. W. *gilauon *recreare', güäuod 'refectas'.
— lagu mn. 'See, Meer* begegnet anch as. Hei. in Eompp. lagu- und
an. als Iggr. — Za Iknggestreon na. 'alter Schatz' stellt sich as.
Hei. das Nentr. gisiriuni. Das temporale Acyekti? dieses EompositumB
klärt vielleicht den Namen der Langobarden anf , insofeme man
darunter ^Altbarden', determiniert wie 'Altsachsen', verstehen kann.
: — läodo8yree fkj. 'Kettenpanzer' kann nach as. lido-bendi, -kosp
beurteilt nnd im ersten Teile anf die Glieder des Leibes, nicht
die eines Ringpanzers bezogen werden, wonach sich das ae. Kom-
positnm von llcsyrce 'Panzer' nicht unterschiede. — lida mt,
wozu aisl. lidi *a sailor, traveller\ ist wohl kaum an sich '8cbiff\
sondern nur in Eompos. mit sund- und yd-, — limpan abl. 'er
ffehen* ist auch ahd. Tat. gilimphan 'oportere*. — linnan abl.
verlustig gehen* ist sowohl got. aflinnan als ahd. büinnan
^weichen, nachlassen". — löcian sw. II 'lugen* findet sich auch as.
W. 3 spi. umbilocod 'herumblickt\ — gelöme adv. *oft' findet sich ahd.
als kilömo gl. E. mit der gleichen Bedeutung 'frequenter', wohl
ablautend zu dem gleichwertigen kilamo (a?) Ba., Graff ^, 212,
außerdem aber auch noch als Adjektiv mbd. lüeme, md. lüme
'matt, sanft, milde' und in ahd. und as. Eompositis wie as. W.
gasluome p. 'hospitale8\ — Zn Igt 'wenig' stellt sich as. Hei. lut,
vielleicht gleichfalls mit Langvokal 1 782 uuerodea lüt, sowie ahd.
Is. liuzil mit Diphthong eu statt a. — meagol 'eindringlich, herz-
lich' Beow. nur einmal 1980 in der Bindung meaalum tcordumf
von Gering sehr ansprechend 'mit gew&hlten Worten übersetzt, ist
vermutlich mit dem ahd. Elemente tnagel- in den P. n. Magel-ädw
und 'potus Libri confr. identisch, gehört somit eher zu tnagan
'können' als zu aisl. mügr 'Haufe*. — meareian sw. II ist auch
as. W. gimarcoda 3 spti. 'destituit, decrevit'. — myntan gehört zu
ae. as. got. munan und ist eine Bildung wie as. W. eigentlicb
ahd. üfuuänizenti : ahd. uuänen. — (hjncegan sw. I zu 1818»
hier wie sonst zumeist in Bindung mit wordum 'anreden', scheint
sich mit Bfiqksicht auf gencägan 'bedr&ngen* ganz wie ahd. gruaestn
'anreden' und in feindlicher Absicht ^angreifen' zu verhalten. Ety-
mologisch kann das ae. Verbum mit got. neiwan abl. cum dat,
Beleg 8 s. praet. naiw ^ivatyBVj insidiabatur', zusammenhingen.
Die Gleichung ae. gehnwgan demfitigen, f&Uen* zu got. hnaiwjan
^erniedrigen' wie ae. ncegan : got. *naito;an ist formell befriedigend,
die semasiologiscbe Entwicklung aber -allerdings durch sie noch
nicht gegeben. — nlpan abl. 'umddstem' und genip na. 'Dunkel*
stellen sich zu got. ganipnan 'betrübt werden*. — urhettun Hild.
ist Verbum, nicht Nomen, daher die Gleichung ahd. *urheizo ZQ
JP. HoUhauient Alt- und mittelongl. Texte, ang. t. v. Ofienherger. 343
öntta siebt anfreeht. — räsian sw. 11 ist formell mit ahd. reisön
'lortlBteD, TOfbereiten' identisch. — rape in 724 und mit hr ge-
schrieben aber zu reinem r allitterierend in 1890 nnd 1975, in
allen drei Fällen, wie ich glanbe, mit der Bedentnng 'sogleich^
[gebort wohl mit got. rapizo ^ sixoscdnsQOVf faeilins* znsammen,
wfthrend hraäe ^schnell, rasch, bnrtig^ mit an. hrapr, ahd. hrad,
rady redt ^scbneir verwandt ist« — Das Verbnm in 434 wÖBpna
ne neeed ist mit Holthansen sieherlieh dem as« Hei. rMan gleich-
znsetzen, dann aber aneh mit Länge e : ree(c)an im Glossar, reeeed
im Texte zn führen. Konstmktion mit dem Genit. der Sache wie
beim abd. ruohhen. Andd. entspricht ruokan I 'bedacht se'm', ne
fuokU 'nolite*. — rign^ in rignkiard 'sehr fest* heißt nicht eigent-
lieb 'gewaltig', sondern 'nnabftnderlich' wie as. reginblind 'unheil-
bar blind', reginthiof 'Dieb dnrch nnd dnrch*; die nmdas reffn^
hearde in 826 sind demnach 'nnversehrbar feste Schilde'. — Za
hereofan abl. 'beranbsn* ist an. riüfa 'zerbrechen' zn halten. , —
Bei Tim na. *Beihe, Zahl' yermisse ich ahd. rim m. 'Beihe, Beihen-
folge', nhd. reim; ebenso bei ritte ma. 'Mann, Krieger*: as. rink
ond heri — . Zn röwan red. 'mdem, schwimmen* bietet das Ahd.
Bor eine Ableitung madar n. 'Buder'. — Das dem ae. -aceia mlg.
eBtiprechende ahd. '8äz(i)o ist gleichfalls nur im zweiten Eompo-
sitionstoile bezeugt. — acaean abl. 'schießen, enteilen* ist auch as.
ikakan. — 8ein(n) 'Platte*, Beleg 1694 on äiöhn acinnum möchte
man mit mnl. eehene, mnd. und md. sehene f. "Schienbein, Schiene',
Dbd. 9chin(€) stswf. 'lamina' in Beziehung setzen, aber das Um-
lante-e weist eher auf die Deminutivbildung *8kan-ko in ae. eeancan
*tibiae\ eeeanean 'crura'. — ae^orp na. 'Kleid* in here — und Hilde —
ist ItDgobard. als eeherpha 'mobiles res*, im Testament yon Ber-
gamo a. 774 als 'Gold, Silber, Kleider, Pferde' spezifiziert, erhalten.
^u in h&nd — ist auch as. ekola iö. 'Scbaar . — serüd na. 'Klei-
doDg' ist auch an. Arüd n. 'kostbart tei'. Die Bedeutung Ton
scM» mk., ahd. ecuwo 'Schatten* l&ßt sich mit der von got. skuggwa
*ipecnlum' durch 'Spiegelbild im Wasser* Termitteln. — ecucca 'böser
Geilt* stelle ich mit as. W. eeocga 'oscilla' (a)p. stf. zusammen
ond finde in dem ae. Worte eine alte Bezeichnung ffir den 'Bitten*.
— eeyndan sw. I 'eilen' zeigt im ahd. acunden, eeunten 'antreiben*
imd as. W. *9kundian 'suggerere' transitiven Wert. — sScdo 'dunkel*
iit auch ahd. eaio 'dunkelfarbig, schmutzig'. — 1 84cg mja., eigent-
lich 'Gefolgsmann*, lat. söeiue, ist auch as. Hei. 678 PL nom.
9eggi, Ebenso erfa mk. 'Sinn': as. eebo. — einminga 'alsbald, plötz-
lich*, gebildet wie das got Adv. unweniggo 'unverhofft, plötzlich',
iit von dem Ady. ahd. eaman 'simul', andd. eamen 'zusammen*
ud temporal 'gleichzeitig', ae. in (Bt- und iö-eomne abgeleitet und
Bteht begrifflich dem nhd. 'mit einem Male, auf einmal' nahe. —
ieomtan sw. n 'weilen' kl&rt das ahd. aiehnan auf, das in der
SteUe 0. lY 20, 6 tnU rHnidu gisSmotin bleiben*, nicht 'sich sam-
Hieto*, bedeutet. — ald 'weit, breit* muß doch mit an. Hdr 'long.
844 F. BölihtmBen, Alt« und mittelengl. Ttita, ang. ?. «. Ornnbergcr,
buigiDg, demiBSUB* gleich sein ; äig^n abl. 'ziehen« eich legen* ist
ae, and ahd. »igan 'sinken*, ainc na. 'Sohata^ aneh aa. $mk. •**- sUae,
hat mit ndd. elük niohts tn tnn -^ aa. W. »lük ist 'die abgewor-
fene 8chlangenhant\ etymologisch gleich nbd. sehlauA — sondern
ist mit ae. alak 'stampf, feige'« ahd. N. »iaeh, $lah 'schlaff identisch.
-^ Die r^lose Form des Yerbnms ^p^ean abl. 'sprechen' ist auch
ahd, : $p9ehan. *^ sporn in kandaporu 986 kann anch Nom. pl. eines
d-Nentrams aeio, wo» sich ahd. mbd. spar n. ^Paßstapfen, Ffthrte,
Spar' halten l&fit Dar Bfdentnng nach ist 'Sporn' als Bewaffnnng der
Finger Grendels mehr zn empfehlen als ' Speer 't daher die koaiaierte
Lesung ^-^speru zweifelhaft. Man vgl. nbd. hahn^H^^am: die
doni^ oder krallenartige Bewaffnnng des HahnenfnAes. — 9prm4
ma. 'Spieß' in (oforsprwi erscheint snch in nbd. €h$ bugsprüi,
entlehnt ans ndl. bqegapHgt, bair. demin. spftetesj. Das abU Yerbnm
ist as. W. als üi 9prüian 'heryorspriei^en' belegt; ahd. t^rim^uu
BW. 'fnlcire' ist seknndftr. Dem ae. Kompos. entspricht as« W.
euyrapiat n. p. 'nenabnla, lance^'. -^ 9tarian sw. II' ist auch an.
stem sw. 'stanen'; iteap 'steiU hoch* anch ahd. in gtaima eten/s
'hohe Felsen' gl. E. Oraff 6, 660. Die ahd. Sntsprechnng in
sUppan abl. 'schreiten' ist *8t$phenf die as. ^ft&ppian, $Uip an^ n-
setzen. -^ mto fö. 'Ort, Stelle' findet sich anch an. M f. 'a slove
in a firestove, hearth' nnd im Kompos. ildsiö, Fl. $(6ar, — Zn
^tatreon na. 'Sch&tze, Kleinode* auch das as. Yerbom uirUmkm
mit Kostbarkeiten Tersehen*. Die Basis von atgman sw. I: ae.
steam ist nnl. als aioom m. 'Dampf, Danst, Schwaden' bezengt
Zn ntkUrge-fatäeran gebort as. YT. gimUrithii zn atM^/ na. ^helle
Laft, Himmer as. swigli ^strahlend', ahd. stfi^gokt t 'Flöte» Pfeife'.
suielgan abl. Werschlingen' ist anch abd. $w$l^, swelhan; 9weiian
abl. 'sterben' anob got swiltan nnd aa. sweltan. — «o^Erweitsning
zn Bweor ma. 'Schwfther' in ädum *^ ist as. 9wiri m. 'Qescbwister-
kind'. --* suüean abl. 'entschlüpfen' ist anch aa. Hei, sunkan 'im
Stiebe lassen' nnd W. 6t-, gi-swJkan, sowie abd. $t^han 'nntar-
lassen, verlassen*. — awinsian II 'tönen' ist eine verbale isön-Ablei-
tong ans 8win(n) m. 'sonnd, melody* nnd mit lat* 8öMar€ arver-
wandt. -* oferawidan 'flberw<igen ist offenbar ans 9mä *etark*,
as. 9und(i) abzaleiten nnd demnach mit L&oge ofertun^an aiun-
setzen, wie ja Holtbaasen an beiden Teztstellen ti^tstchlich bat. —
Genaae Entsprechnng zn swögan red. 'prasseln' mag as. Bei.
ataögan 'raoacben' sein, wogegen get. ofatoägjan nnd die IteraÜT-
bildnng auOgatjan schwache Verba sind. — ayrwan aw. l 'nachstellan,
insidiari' ist Ton der zweiten Bedentnng des SabstantiTnins ss»ro
bei Heyne-Socin 'insidiae* ans zn yersteben. — tmkeU ^antadalig'
verbindet Holthansen mit ahd. Bädal 'pennria'; die L4nge des
Stammvokales ist ans der ahd. Glosse zaadhnk 'egantes' ersi^t-
lieh. -^eUona in ladgakona 'der Leid vernrsaohende^ ist allerdings
Nomen agentis zq 3 tarn, ga-^ 'machen, zufügen', ahd. ii^^ön
Veficere, instaarare, resarcire, tingere', aber as. Hei. 1810 gUiunmn
J*. EoUhamteth AiV ud mitUtogL T«it«, tog. ▼. «. CM^n^tfr^/ef . 345
hiißt bloA *«twaB antun, anhaben-, iümcn frummiun Bd. 783
'dM [Üb«l]tat (yg). lat. /(Mtnua/) anafühnn', so daiS wir dem
udfienninierlen -feteaiia die Bedeutung *Knmnierbringer^ nicht
nbilligen können. — torlU *gl&nzend' iat auch as. und ahd.
mki, florsAl. geiiMfan aw. I ^trennen Ton« hindern an, beravben^
«lie man ▼eraieht mit ahd. »iwtibm * zerteilen, zeretreven,
unttren* znaammen zn bringen. -^ -peodig in dpeoäig as.
Eil. üUhmdig *fremd* iat ja wohl nnr Abstraktion ans dem Eom-
poutun, das seinerseits anf einem Sabetantivnm *$ipe€d beruht.
Sine Nebenform hiezn mit ü ffir ^u e oh eint and. •ihüd^
io tmäir-ihadig ^snbleetns, snbditaa* zn sein, die aber eher fer-
balM Ursprunges — ae. underpffdan 'snbdere* 1 — ist. — > ficlian
6w. II Mulden, ausharren' ist aueb as. W. thoUm 'pati* und Hei.
•<M, -oian sowie ahd. iMUin. -^ g$prQen ^geschmiedet* setzt nach
gtkAm zn hüan einen Infinitiv ^prüan Toraus, wozu vermutlich
dii as. W. stf. thrühf ^Fessel, oompes' dp. druhin, in Komp. dp.
hdUikfwm ^bojis', handruMn 'manlcis' gehört. Zu punian sw. II
'deaBsm, dröhnen' könnte man ae. pun&r m. erlftutemd hinzusetzen.
— >«• W ist auch M. Hei. und W. ihu$. — umbor-iceaende
'als Neugeborener', zusammengesetzt wie miht^toetinde *als Knabe',
tothllt ein auch unkomp. forkommendes ae. Neutrum umbor, toh
dMi es fon vornherein nicht klar ist, ob es als ««Stamm oder als
r-Stamm angesehen werden soll. Etymologisch ist es sicherlich als
Titfstufe zu got ivamka f5. auch ahd. f5. und fk., annd. uuaihba
tmt *uterus, uenter', as. W. *amhö in ämUn 'abdomina' zu be-
trachten und es ist nicht unwahrscheinlich, daß umbar zu teamba
sieh hinsichtlich des Auslautes wie westgerm. watar zu got. wato,
SB. fo^ii verhalte, also den flexivischen Wechsel von r zu n in
grieeh. MoQj t^<}avo^ zeige. — onuacnig^an stimmt zu got. ^a-
%nkmn 'erwachen* Luc 9, 82, dessen Praeteritum ^gauxiknoda
lauten mufl, das Kausativum n^eoait ^aufwecken' zu got. uHotUcjan,
die zugrunde liegende Intransitivum wcseeam sw. I zu ahd. wdhken,
wMin *uigilare\ d. h. die ae. und ahd. Form dieses Verbums
ist gegenflber dem got. stv. Ufc^can, took 'wachen* eine Neubildung,
die möglicherweiae auf eine ablautende Form mit j im Praesens,
also weetgerm. ^wdcjan wie westgerm. abl. Vigian gegenüber got.
ligtm, zuvückgeht — iocBd n. ^Flut* ist auch ahd. wMt *uadum*.
IMF/n 'unruhig, hurtig, tAtig* verbinde ich mit ahd. weibön ^flui-
Ure, agitari* GrafF 1, 650. — wäg ma. 'Wand* ist auch as. Hei.
Ufeg m. 'Bauwerk*, 1809 Acc. pl. tvegoa und ist für beide Dialekte
als *wai-iU' zu konstmieren. — waru f5. in lind — 'Einwohner-
Bchaft* ist auch as. tcara fd. *Hut, Acht. . .', ursprönglich viel-
leicht 'Besatzung' und bekanntlich Grundlage der röm. germ. Volks-
namen auf -nartt. — wea mk. *Weh usw.* ist auch ahd. ivewo m.
'dolor, malum'; f^ifialc na. 'W&lzen, Wogen* gehört zu ahd. walJcan
red. 'uoluere*, waücäri m. 'fullo*. — Die Bedeutung 'Wolf* zu ae.
^otarg ma. ist ffir die Belege im Beow. h^oruwearg und fem.
3i6 F, Holthausm, Alt- und mitteleDgi. Texte, ang. t. v, Grieuherger.
grunäwyrgen Dicht berechtigt: Die Orandbedentnng d^s Wortes ist
sicherlich *Mörder% woran die historischen Bedentangen des Wortes
germ. lat. wirgus ^ezpnlsns*« d. i* Vertriebener Verbrecher» Übel-
täter', ahd. ufarg Hyrannns, diabolas\ *farwergen 'maledicere', ss.
wirag 'Geächteter* nnmittelbar anknüpfen. Wenn got. launawarffi
deijenige ist, der sich gegen die dnrch empfangenen Lohn über-
nommenen Pflichten Terfehlt, so ist ae. fr^^dowearg deijenige, der
sich gegen den Frieden versündigt nnd für den hiS&row^rh heUtie
von 1267 ist die bei Heyne -Socin angegebene Bedentnng "dem
Schwerte verfallener (Übeltäter)* wahrscheinlicher, als die bei Holi-
hansen *kampfgieriger Wolf, grundtayrgen is allerdings lokal be-
stimmt, doch nicht *Gmndwölfin% sondern Mie Geächtete, die Übel-
täterin* oder meinetwegen 'die Mörderin am Grnnde der See*. —
Wenn ae. wel mit Länge angesetzt werden muß, so ist für got
icaüa das ai gleich germ. m von saian anzunehmen nnd für die
ahd., andd. Entsprechung mit a gleichfalls Länge uuala, uucdanu
in Erwägnng zn ziehen. — -u?ela mk. 'Beichtam* in Eompp. ist
anch as. Hei. welo, W. gp. vu^Umo *opnm*. — toic na. ist gleichfalls
as. unk m. ^Wohnstätte, Dorf, ebenso mg mna. as. Hei. mg m.,
ahd. Hild. nnd andd. «me 'bellnm, proelinm*, — Ufine mi* *FreiiDd'
ist anch as. Hei. unni^ mhd. wine. — winnan abl. 'kämpfen, streiten*
ist formell ebenso got. wie as. HeU nnd ahd. mit der Qniiid-
bedentnng laborare*. — mr ma. 'Metalldraht nnd Schmnck daraus'
findet sich anch im ahd* wiara f. 'feines Gold*, mhd. mert ^ge*
läntertes feinstes Gold nnd Schmnck ans solchem', femer in as.
W. vuieron 'striatamm' nnd uuirebrün 'myrtens*. Bei wUianf
toeotian 'bestimmen, anordnen* vermißt man got. tcUop 'Qeseti,
Gebot*. — fvliMc 'stattlich, stolz' ist anch as. Hei. wlank, ebenso
wöh 'verdreht* anch as. wäh n. 'das Abschenliche*. — u^oUenUar
ist allerdings mit 'tränenüberstrOmt' vorzüglich übersetzt, aber das
Part, icollen heißt keineswegs 'gequollen', sondern nach Ausweis Ton
ahd. 0. IV 20, 5 biuuoUan: 'befleckt', gehört also zu ahd. httoeüany
andd. as. W. hewellan 'beflecken, inflcere*, ahd. biwellida 'Be-
fleckung*. Das Komp. kann demnach auch: 'mit Tränen bedeckt'
wiedergegeben werden. — iorcet(t) fjö. (?) 'Kunstwerk, Schmnck,
Kleinod* scheint vom Praeteritalablaut des Verbnms wrUan aos
gebildet und dürfte wohl 'opus insculptum' sein. Zu -wradu fo.
'Schutz' in lif^^ halte man as. Hei. m'edian sw. 'scbützes,
sichern', zu wridan abl. 'binden': ahd. rldan abl. 'drehen* in
touldor na. das got. Neutrum *mäpr von Gal. 2, 6 cod. B. —
mmian sw. II ist auch as. und andd. wunon, mmon, ahd. uuonen,
tvyrd fi. 'Schicksal* anch as. Hei. 761 umrih, ahd. umrt, an. Vr^r.
Das Adjektiv in ydan sw. I 'veröden*: ahd. ödhi, ödi 'vastns'
erfordert eine got. Entsprechung ^aupeia.
Gzernowitz. v. Grienberger.
L« Monde Moderne, tng. t. J. Miklau, 347
Le Monde Moderne. Bevae Mensnelle illQBtrde de la FamUle. Pa-
ratssant le 10 ehaqae mois. F. JnTen, 122 rne Bäanmnr, Paria 1907.
Es war ein sehr glücklicher Gedanke nnserer Unterrichts*
Terwaltong, durch Einfdbrnng des bedingt obligaten Unterrichts
in einer modernen Sprache (Französisch, Englisch) an einzelnen
Obergymnasien nnserem Gymnasinm einen modernen Aufbau zu
geben. Der Versnch kann — soweit meine Erfahrung reicht —
als gelungen bezeichnet werden und es w&re eine Verallgemeinerung
schon jetzt ins Auge zu fassen. Der Gymnasiast, der Tier Jahre
sein Latein, zwei Jahre sein Griechisch redlich durchgearbeitet hat,
vird an das Studium einer modernen Sprache, schon wegen seiner
spracblichen Vorbildung, mit großem Eifer herantreten und wird
— einen halbwegs ▼emfinftigen Unterrichtsbetrieb Yorausgesetzt —
Außerordentliches leisten und erreichen. SelbstTerständlich muß
ihm der notwendige Lehrstoff aus allen Wissensgebieten zug&nglich
gemacht werden in der heutigen, nicht bloß in der Sprache (wenn
aneb mustergiltig ffir immer) vergangener Zeiten. Sehr dienlich
üir einen solchen Zweck scheint mir eine regelmäßig erscheinende
Zeitschrift, wie sie mir in der hier angezeigten vorliegt. ^Le Monde
moderne** erscheint am 10. jedes Monats. Mir sind zwei ältere
(aus den 90er Jahren) und die Jahrg&nge 1906 und 1907 genau
bekannt Ich muß vorausschicken, daß ich in diesen vier Jabr-
gingen auch nicht das Geringste gefunden habe, was in sitt-
licher, religiöser oder patriotischer Hinsicht bei uns Anstoß er-
regen konnte. Der Inhalt weist die größte Mannigfaltigkeit und
Vielseitigkeit auf. Deshalb will ich den letzten Jahrgang 1907
genauer und eingehender besprechen. — Zunächst sei auf die vor-
zügliche Bomanbeilage hingewiesen, die nur hervorragende Werke
bringt. Unser Jahrgang bringt zunächst den Schluß eines histo-
rischen Bomans aus der Zeit Karl Alberts von Sardinien - Piemont
Qsd Badetzkys. „Uaube libiratrice** von San Giusto, französisch
bearbeitet von J. H. Desmarest. Dann folgt eine reizende Erzählung
ans dem Bussischen ^ Antipode** (P. Gnieditcb), französisch be-
arbeitet von Marie Petite. Der Boman ^La greffe** von Jean
Boavier ist ungemein fesselnd und sittlich erhebend. Dieselbe sitt-
lich läuternde Wirkung hat der aus dem Englischen (E. W. Hor-
Dusg) von Henri Evie fibersetzte Boman „Peceavi**. In den zwei
letzten Heften folgen noch die Bomane: „La maieon du diable**
von Paul de Garros und der Anfang von „La MariSe d'Jena** von
Louis Sonolet. Außerdem enthält jedes Heft mindestens eine kleine
Novelle oder Erzählung, von denen besondere Erwähnung verdienen:
nLes troie rMrenees** von G. de Lys, „Honor** von Mathias de
8t. Vidal, „Cranebas** von Emile Solari, „La tenture** von F.
Mazade, „Suzamel** aus dem Norwegischen (Jonas Lie), „I^^ Sire
de Karak** von August Lepage usw. — Von geschichtlich - geo-
graphischen Aufsätzen seien erwähnt: „Le Forum au tempa des
Chors** von Boyer d*Agen (mit wunderschönen Abbildungen),
848 L« Monda Modorae, ang. t. J. Müdau.
^Le roi Dwn Carka I.*^ , „L'jßgjfpte incpnnu" von Jehan iTfiny,
„Les quatre Uu de Napoleon** , „Äntour d*Eylau*^, y,La queetion
UMqu^*" ▼QD SrDest Gay (allerdings so gehalten« als ob es in
Böhmen und M&bren keine Deutschen g&be), „La vie ä 3000
wHrßs d'aUüud^** (Vöbeervatoire du Pic du midi), „Le gSnSral San-
terre, braeseur, sana-culoUe et chdtelain**, nLa coiffure fSminim
ä Mßdagascar'* , „Paria -ancien** , „Lee Ciaare parlemenlairea",
„Lß langue aacrie** ^ „Lea troia Bihamin** , „Äu paya de Nav-
sicoa** , n^ iravera la brouaae Squatoriale** , „Le patrioiiame ja-
ponaia*^, „he ediake*" (h Rome), „La rue de Paria**, „4utour du
banditiame** , „La vie en Chine** , „Dana la hauie Albanie*" , Jjt
demier aSjour de Napoleon ä la Malmaiaon" , „Lea qeuvrea de
jeuneaae de J, P, Marat**, „Sir Henry Campbell Bannermafm^'f
„La mannaie ä trapera lea iigea**, „üne Arcadie anUricaine**, »Le
iraiU franco-Japonaia ai la Chine**, „Lea confrSriea musulmanu
ei le Maroc**, „SSgovie**, „Munich et VOetoberfeat**, „Le euUe des
morta chez lea Oaulois** , „Terre d'Spouvante** (Martinique), „Le
portage en Äfrique** nsw. Eine weitere AnfzUblnng w&re über-
flfissig. Ein breiter Banm ist der Ennst gewidpuet, erläutert darcb
die denkbar besten Abbildungen, Die Literaturgeschichte Frank-
reichs (und auch anderer Länder), Sozialpolitik« NaturwissenBcbafti
Musik« Milltftrwesen — alles ist reichlich Tertreten, St&odi^
Bubriken sind gewidmet dem Theater (ohne SchauspielerkultasI),
„Mouvement liUSraire** (sehr wertvoll« da die wichtigsten Ereebei-
nungen monatlich besprochen werden), „Cßuaeriea acientifijiiea'*
(meist neueste technische Erfindungen usw,) -^ Dem Texte stshss
Abbildungen zur Seite« die in jeder Hinsicht als musterhaft be-
zeichnet werden müssen , so die Bilder des Forums in Eomi die
der Aufführung des Sbakespearescheo «Julius C&sar' in seiner fran-
zösischen Neubearbeitung und viele andere.
Aus 9iuer derartigen Zeitschrift« die alle Wissensgebiet
gleichmäßig behandelt, kann nicht nur sachlich, sondern bei sni
namentlich sprachlich außerordentlich Tiel gelernt werden. Nur lo
ist es möglich, sich die vielen technischen Ausdrücke anzueigoeo.
— Von allen mir bekannten französischen Zeitschriften sei sIm
„Le monde moderne** zur Anschaffung für upsere Schülerbüehenieo
ganz besondere empfohlen» Die Verlagebuchhi^ndlung Juven in
Paris, 122 rue B^aumur gewährt übrigens jedem Abnehmer (jttr*
liches Abonnement kaum 20 Kronen) Prämien in Bücbecn aup deiP'
selbep Verlage lum Ladenwerte von 18 Frs., die mit der Zeit eise
schöne und wertvoll» frauRösiscbe Bücherei bilden können.
Graz. Juliuß Mlklaa*
F, Matraifej La GoDqftöte Tandale •& A£dqM luw.» ftlig. ▼. J. LoBerth, 349
F. Mitroye, La GonqnSte vandale en Afriqaa at la da^
stractiOD de TEmpire d'Ooeident Paris» Libndrie HaDhetie
k Oia. 1007. VU o. 892 SS. 8«.
Si fehlt im D^ntichen Baicha nieht ao gtttan Büchern, dia
in atiBfAhtlitliar Oder gadf&agtar Darstelltmi; die Oesehicbte dea
TuialeurBiehaa und damit auch den degetistand behandeln, mit
dem das yorliegeüde Bach sich besth&ftij^t. Es genfigt hier, an
Dihns E5nige, an seine Urgeschichte der germanischen nnd fo-
fflanisehen Völker (Bd. 1) oder an das neueste Buch von Ludwig
Schmidt zn erinnerta; anders in Frankreich, wenn man Ton eini^n
reralteten Versnchen absieht. Da nun das Land, um das es eich
hudelt, beute gant zn Frankreich gehört oder wenigstens in die
fnnzösiscbe Interessensphäre einbezogen ist, wird das Torliegende
Buch daseibat willkommen sein. Ohne gerade Wesentlich Nenes in
bringen, behandelt ea aflf Qrtind eines grflndlicheti Stndinma der
Quellen den Oegetastand in entsprechender Form nfid bringt an
ftlehnem Apparat fco viel bei, daß der Lehrer in die Lage kommt,
^n Qegenataad eigrefier Prftfhng tu nnterziehen. Am dankenswer-
testen mag yielan die Einleitung scheinen , trotzdem aie im Yer-
hUtniB zu dam aigentlieben Gegenstände etwas zn breit geraten
iit. Sie schildert — nicht bloß geographisch — den Boden, auf
dem sich nachhar die vandalischa Inrasion abspielte, d. h. die
tttrehisehen Zttatftnde, dia sich im römischen Afrika seit dem Be-
ginne des IT. Jahrhunderts vorgefnnden habeti Und deren Genesis
in den dogmatiathen Streitigkeiten, tor allem mit den Donatisten,
ttt Bachen iat -^ ein Gegenstand, ftber den derselbe Verf. Jüngst
noch an andarar Stelle gehandelt hat. Vielleicht hUtta anch noch
anf die Vamachl&saignng dieser Provinz eeitens der Herrscher im
Westrom, auf d^ beispiellöseii flskaliechen Druck aaw. atwaa mehr
Gewicht gelagt Werden können. Gant flbersehefi ist ja die Bache
nicht. Dm nun zUm Geaamtinhalt dee Bnchea zu kommen : ea ar-
zihlt in ffinf größeren Kapiteln die Eroberung des Landes darch
die Vandalen, die Politik und die Allianzen Gknsericha (far diese
Namensform entscheidet sich der Verf., ohne sich fiber die anderen
tn inßem, wiewohl er sie beilänflg erwähnt), den Krieg gegen
du Kaiserreich, die Organisierungen in dem eroberten Lande and
die Regierung des Königs.
Dia eigentlitha Darstellung hebt mit dem Tode des Honoriue
u. Der Verf. stellt die Nachrichten Über den Statthalter Bonifazius,
der hier in recht eigentfimlicher Beleuchtung erscheint, zusammen,
Ribt dann aina im Vttrh&Unie zur Einleitung etwaa knapp gefaßte
DarBlelling dar tandaliachen Wanderungen und der Plftnderungen
tOD Gallien und ihrea Einbrucha in Spanien. Das Portfit Gen-
Mriehi ist nach Jordanea gazeichnet. Dia Motiva der vandalis^hen
Kfoberang der Provinz Afrika werden nicht ohne sorgsame Prdfung
der Ton Prokopfoe überlieferten Nachrichten dargestellt. In der
Fnge, ob Genserich das ganze Vandalentirik gleich ton Anfang an
350 TT. Sievers, Allgemeine Linderkande, taig, t /. Müüner,
nach Afrika fährte oder nur die militäriscbdii Kräfte seioes Volkes
in Ansprach nahm, weicht der Verü von Dahn nnd Schmidt ab, die
sieh fär Ersteres ausgesprochen haben. Ffir die tranervoUen Ereig-
nisse w&hrend der Invasion selbst werden yoraehmlich die Nach-
richten des Victor Vitensis und des hl. Angnstinns siyate gezogen;
gut aber wird bemerkt » daß nicht alles, was da an Or&neltaten
geschah , anf die Bechnnng der Vandalen zu setzen ist , daß die
Erhebung der Maaren and vor allem die dogmatischen Gegner-
schaften in gleicher Weise mitspielten. Der VerL geht anf die ver-
spftteten Maßregeln der Begierang zar Bettang des Landes ein nnd
schildert die Invasion und was damit zasammenh&ngt bis znm
Frieden von 442. In gleich sachgemäßer Weise werden aach du
zweite and dritte Kapitel abgehandelt, in denen aaßer dem Ende
Genserichs besonders die Ansfahrangen über die Ziele seiner Po-
litik and die Plflndernng Boms interessieren dürften. In beiden
letztgenannten F&llen h&tte man ein sch&rferes Eingehen der Eritilc
erwarten dfirfen. Das vierte Kapitel gilt einer genanen Schilderong
der von den Vandalen getroffenen Verwaltnngsmaßregeln and Ein*
richtangen, ihrer ganzen Verwaltnngsapparates and vornehmlich
aach ihrer militftrischen Organisation. Von besonderem Interesse
sind die Einzelheiten, die der Verf. S. 808 f. über den Gebranch
der vandalischen Sprache beibringt, von der er im allgemeinen
bemerkt: Elle resta en asage parmi eox sor le sol de TAfriqne,
et mdme les personnages les plus importants de leur nation
semblent avoir - d^daign^ d'apprendre le latin oa feignaient de
Tignorer . . . Das letzte Kapitel gibt eine allgemeine Charakte-
ristik der Herrschaft der Vandalen , ihres Verhältnisses zn den
Eingebornen, zar Kirche and schildert die Motive ihrer eigen-
artigen Kirchenpolitik and vornehmlich nochmals das ganze poli-
tische System des großen Königs. Mit Becht wird bemerkt, daß
Theoderich der Große im wesentlichen dieselbe Politik verfolgte,
die sich viele Jahre früher anter Genserich bew&hrt hatte.
Graz. J. Loserth.
Dr. Wilhelm Sievers, Allgemeine Länderkunde. Kleine An-
gabe. Zwei Bände. Leipzig und Wien, Bibliographisches Inititat
1907. Preis 20 Mk.
Gelegentlich der Anzeige des ersten Heftes (vgl. diese Zeit-
schrift 1907, S. 852/8) warde bereits daraaf hingewiesen, daß der
Schwerpunkt der zweibändigen Aasgabe der Länderkonde in der
Einheitlichkeit der Teztierong liegt, die dem Werke trotz mancher
Anklänge an seine Vorlage den Stempel der Selbständigkeit auf-
drfickt. Den Anspruch der Neuheit kann das Bach umsomehr er-
heben, als es den gegebenen Stoff vielfach von neuen Gesichts-
'StkUUe-PM, Mathematitehe Anfgaben, ang. t. J. Jacob, 351
poDkteD ans Ydrarbeiiet nnd dem neuen Stande des Wissens aller-
orts Rechnung trägt. Es ergftnit somit in willkommener Weise die
AssfAbrangen der seehsbftndigen Ausgabe. In der Anordnung der
Darstellung hat manche schätzenswerte Veränderung Platz gegriffen.
Die Oruppierung und Begrenzung der geographischen Einheiten
ist in den Fluß- und Oebirgskarten der Erdteile auch karto-
gnphisch zum Ausdrucke gebracht. Auf der Karte Europas fehlen
zwir diese Angaben, doch enthält eine selbständige Karte Ton
Mitteleuropa die Eintragung der natürlichen Landschaften. Das
Ksrtenmaterial erfuhr überhaupt eine ansehnliche Bereicherung.
Wir finden nicht bloß eine übersichtliche Veranschaulichung der
Urstromtäler des deutschen Schollenlandes mit Angabe der End-
moräoenzüge der nordischen Vereisung, der zweite Band bringt
im Schlüsse sogar einen Atlas Ton 11 Karten, der die gesamte
Erde nach ihren geologischen, mineralogischeui klimatischen, pflanz-
liehen, tierischen y ethnogp'aphischen und wirtschaftlichen Verhält-
Bisse zum Qegenstande hat. Die Zahl der Abbildungen, welche
durch die Vereinigung von je vieren auf einer Olanzpapiertafel an
Schönheit und Klarheit entschieden gewonnen haben, ist eine ziem-
lieh große. Das Werk besitzt nicht nur als kurze und doch Ter-
blltoismäßig erschöpfende Gesamtdarstellung an und für sich einen
hohen Wert; es ist auch für denjenigen unentbehrlich, der die
sechsbändige Ausgabe zurate zieht. Der in Anbetracht der glän-
linden Ausstattung niedere Preis sichert den beiden Bänden die
weiteste Verbreitung , die sie als durchaus modernes Werk Tollauf
ferdienen.
Wien. J, Müllner.
Dr. E. Schulze und F. Pahl, Mathematische Aufgaben.
I.Teil von Prof. Dr. E. Scholl e. Leipzig, Därrache Baehhandlnng
1905.
Vorliegende Sammlung, welche Aufgaben aus der Plani-
metrie sowie aus der Arithmetik, u. zw. aus letzterer noch qua-
dratische Gleichungen mit einer Unbekannten enthält, ist von drei
■ehr anerkennenswerten Gesichtspunkten abgefaßt. Erstens sind
Aufgaben, deren Lösung von einem glücklichen Zufalle oder von
einer besonderen Erfindungsgabe abhängt, ausgeschlossen. Femer
sind bei arithmetischen Aufgaben, insbesondere bei jenen, die zur
Einübung der Eeebengesetze dienen, im wohltuenden Gegensatze
tu den meisten Aufgabensammlungen solche, die übermäßige
Bechnungen erfordern und überdies niemals Anwendung finden,
grundsätzlich vermieden. Drittens wird verlangt, daß das Rechnen
niemals ein mechanisches sei, sondern daß der Schüler bei jedem
Sehritte der Lösung sich der Lehrsätze bewußt ist, die ihn zu
diesem Schritte berechtigen: gewiß ein auegezeichnetes Mittel
852 W. Eh^seff Leitfadta der Stereometrie^ an^. ▼. J. J«m6.
einerseita» am geistifi^e Zucht zu erziehen, and anderseits die Be-
dentoDg der Theorie ins das richtige Licht za setzen«
Im arithmetischen Teile sind Aufgaben, deren LOsnng den-
selben Gedanken voraussetzt, konsequent in einer Gruppe zusammen-
gefaßt; abgesehen Ton der Bequemlichkeit, die dieser Umstand
jedem Lehrer bei der Zusammenstellung Ton Aufgabm bietet,
kommt der jftngere Lehrer nicht in die Gefahr, eine Gruppe von
Aufgaben zu fibersehen, und weiß der Schüler etwaige Lücken
durch häuslichen Fleiß auszufüllen. Im planimetrischen Teile
will der Verfasser gem&ß der Vorrede jede Aufgabe so stilisieren,
daß der Schüler mühelos den Lehrsatz erkennt, auf dessen An-
wendung die Lösung der Aufgabe vorzugsweise beruht: doch ist
eine derartige Ausdrucksweise nicht immer möglich und auch
gar nicht wünschenswert. Vielmehr sollten auch hier Aufgaben,
deren Lösung auf denselben Gedanken beruhen, in einer Gruppe
zusammengefaßt seiUi und dieses Prinzip ist im planimetrischen
Teile nicht ebenso konsequent durchgeführt wie in der Arithmetik :
denn der Einteilung von geometrischen Aufgaben in Eonstmklions-
und Bechenaufgaben sowie in Beweise von Lehrsfttzen gebührt
nicht die erste Stelle. Im Hinblicke auf die zahlreichen sonstigen
Vorzuge verdient aber die vorliegende Sammlung mathematischer
Aufgaben bestens empfohlen zu werden.
Dr. W. Elsässer, Leitfaden der Stereometrie« Ein HUftbieb
zam Gebraach beim Unterricht an höheren Lehranstalten. Stattsut
and Berlin, Fr. Grab. 1906.
Zu den reformbedürftigsten Kapiteln des geometrischen
Unterrichtes, wenn er im Sinne unserer Instruktionen betrieben
wirdf gehört die Stereometrie aus dem Grunde« weil selbst im
Untergymnasium einerseits die Deduktion viel zu viel bervor-
und anderseits die Anschauung viel zu viel zurücktritt Das vor-
liegende Hilfsbucb, vom Standpunkt der preußischen Lehrpline
gearbeitet^ versteht es besonders im ersten» propAdeuttschen Teile,
diese MAngel in folgender Weise zu bebeben. Bratens wird tof
alle Lehrifttze über die Lagen von Geraden und Sbenen» welebs
als unmittelbar evident eines Beweises nicht bedürfen, verzichtet
und neue mit den Begriffen : Neigungswinkel zweier Ebenol «ad
Neigungswinkel einer Geraden zu einer EbMie gearbeitet, osd
zweitens — worin ein besonderer Vorteil der Behandlung liegt —
werden die Körper «abgebildetes d. h« die Elemente der perspek-
tivischen Geometrie eingeführt; tatsAchlich genügen die beiden
Lehrsätze: „Strecken und Winkel, die in einer zur Bildfl&ebe
parallelen Ebene liegeui bilden sich psrallel und gleich ab"* mid
„Streckeui die auf der Bildfl&che senkrecht stehen, bilden sich je
nach der Bicbtung der Projektionsstridilen in verschiedener Lftogs
und unter verschiedenem Winkel gegen die in der Biidflüche liegssd«
8dttDaXb€-SfAn, FbyiikaL fteihMidvienMhe, «og. v. L Q. WMenün. 35S
flörizoDtiü« ab** nr Lötang von «iner gamtn BeÜM koatftrak*
tjrer Anfgabeoi, die im kddistiii Grad« gedgiMt sind, das An*
BchanugafmiiOgaB si bildan. NatArlich wird is diaBam propft"
deatiseheB Teila» ganz ao wia bai una« aach dia Oberfliehe imd
du VolnneB dar atafacbaten EOrpar beatinmt.
Im saraHan Teila wird dia DaduktiOQ aMhr betont, aber
keioMwega der bei ans fibliche wiasenschaftliehe Staiidpaakt feat*
(IftbalteD« nach waldiem aaa mOgUdiat wenig an Axiacaan alle Lebr-
sltra jibar iaa Lagttt ▼«! Oeratai od Sbeaan abgeleitet werden :
Titimehr wird anah hm maMbar iinsiiltalbar andanta Lebreatz nicbt
bevieeaD« mik anderea Woiieas die Zahl dar AxioBe wird er*
b5hi Dm BcUal^ biMan dia Obetf&cbe». nnd FoiraebaitiBi'
mtDgBD jener ESrper, die iai andettendan Uatafiohte oiebt ge-
DflmmiB xa werdaa piagaa; PyraBidea- «ad Kegebtaaq^f, Teile
dir Kngai, wiaisa akii dia anldiaeeha Bagai aeUiaAt.
Aaft aaefa dam flaaagtaa daa BMilaiD jedem Labrer baaieot
«apfoUia aretdao nmA, iat seibatveratfiidlidi.
Wien. Dr. J. Jacob.
PbjsikallBChe Freibanidveraiicbau üater Benatnag det Hadriaaeet
TOB Prof. Dr. Benbard Bcbwalbe, weil Geb. ^gievu^wui aad
Direktor des Dorotheenat&dt Realgymnafiams sn BerUn. Zuammen-
gaitellt und bearb. TOn Hermann Hab n, Oberlehrer am Dorotheen-
itldt BealgymDaaiQm la Berlin. I.Teil: Nfltsliehe Winke; Maß und
Hessen; Mechanik der festen KOrper. Mit 269 Fignren im Text.
Berlin, Otto Salle 1905.
Die maieten der im Torliegenden Bache enthaltenen Frei-
kiodveiaaabe aiad auf Gmnd von Vortrigen and Experimentier-
kamen eafealandan, dia Sdiwalbe dnrcb lange Zeit im Berliner
Lebrerrereia gehaltea hat. Als Mnster in dieser Bichtnng haben
dn Aaftar diaaaa Bacbaa dia Arbeiten der Fiaasoeea , Engländer
ead Amerikaner aaf diaaam Gebiete gadievt Tom Heranagaber des
Baebes wanden die im Nacblaaea Schwalbea dber diasea Gagen-
8ind varbandenan An&aiehanngen mehrfach argänst lad es wardea
die Freibandvannifiba gagan die aigeatCehan ScbnWersncbe , die
6eh41eifibaagaa lad dia Spiele abgegrenzt. Dia meisten der im
Bache angagabaDan Varaaabe aind in der Schale verwendbar.
Zaarat arird gazaigt , welche Haadfertigkaiten dem Physiker
DOtwendig aind, dana werden einige Teraaehe vorgeffthrt» die sich
zaf die flaatalt und dea Banm , aof die Masse nnd Dichte der
Urper baziahen. la der Mechanik dea Masaaateilchens werden
VersBcba aaa dar Kiaematik and Dynamik, in der Mechanik der
itarr« Urpar sokba tbar Schwerpankt nnd Gleichgewicht der
KOrper daai Jdaaar dargeboten.
Im Mgeaian finden wir sehr sinnreich zasammengestellte
Versadia^ dia aaf dia Bigenschaftan der festen KOrper (Ban der-
ZtitKkxift f. d. IMtir. Oymii. 1908. IT. Heft. 28
354 M. Simroth, Pie PendolatioDttheorio, ang. t. 7. F. HoiiatMei;.
selben, Gestalts&nderangen , Adh&sion) bezugnehmen , veiters aber
Bewegangsbindernisse, über Übertragung einer Zagkraft darch das
Seil, über den Stoß, die Bewegung eines festen Körpers um eine
feste Achse (mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenes
Hebelarten und der Wagen), wobei auch — allerdings in sehr koner
Weise — der Lehre Tom Trägheitsmomente und vom physischen
Pendel gedacht wird.
Zum Schlüsse der beachtenswerten Erörterungen finden wir
noch einige Vorrichtungen angegeben , die zur Demonstration der
Schwungkraft und der erzwungenen Bewegungen auf KurTen and
Flächen dienen, endlich Versuche « die auf die Bewegung eineg
EOrpers um einen Punkt (Ereiselbewegung) Bezug nehmen.
Freihandversuche der angegebenen Art, wie wir sie in der
vorliegenden Schrift finden, sind in hohem Grade geeignet, den
Schüler zum experimentellen Studium der Naturerscheinungen an-
zuregen. Hierbei ist jedoch nachdrücklichst hervorzuheben, daß
die Freihandversache im wesentlichen nur zum Ersatz und als ror-
läufiger Notbehelf für die üblichen physikalischen Schulversache
dienen können.
Der Hauptzweck der vorliegenden Sammlung, deren Fort-
setzung die Lehifr der Physik sicher mit großem Interesse ent-
gegensehen werden, ist, den Lehrer auch an den kleinsten and
mindest dotierten Schulen in den Stand zu setzen, den Unterricht
i'nMler Naturlebre auf Versuche zu gründen.
Wien. Dr. L 6. Wallentin.
Die Pendulationstheorie. Von Dr. Heinrich Simroth, Profeeur an
der ÜDiversitftt Leipzig. Leipzig, Verlag von Konrad Grethleio 1907.
XII und 564 SS. Lez.-80. Preis br. 12 Mk., geb. 14 Mk.
Polverscbiebnngen der Erde sind schon lange bekannte Er-
scheinungen. Das Schwanken der Erdachse oder die Nutation
wurde im Jahre 1747 von dem englischen Astronomen Bradlej
entdeckt und als eine Störung der sogenannten Pr&zession (Vor-
rücken der Nachtgleichen) erkannt. Beide, Prfczession und Nota-
tion, sind bedingt durch die Anziehungskraft des Mondes und der
Sonne auf das Geoid. Vermöge der ersteren beschreibt der Fol
eine kreisförmige Linie (mit dem Pol der Ekliptik als Mittelponkt),
wird aber durch die Nutation in dieser Bewegung derart beeio-
flui^t, daß er bald nach der inneren, bald nach der äußeren Seile
dieser kreisförmigen Bahn abweicht, also eine wellenförmige Lioie
durchläuft. Träte noch eine dritte Art des Schwankens hinzu > so
müßte sich auch diese mit den schon genannten kombinieren afl<l
die Bahn des Poles wird zu einer sehr komplizierten Linie.
Eine solche dritte Art der Polverschiebung wird nun von dam
Ingenieur Paul Beibiscb angenommen, der im Jahre 1901 die aof
K 8»>mroihf Die Penduiatiooithaorie, ang. t. T. F, Hanausi^ 355
allgemuDe Qrflnde ans der Geologie geetfttzte Theorie aufstellte,
daü die Erdachse eine regelmäßig ▼erlaufende Pendelbewegnng
dorcbfübre. Diese Pendnlationstheorie veranlaßte den Zoologen
Simrotb, naehzoforscheny ob sie imstande vftre, zahlreiche, bisher
nuTerst&ndliche Fragen der Biologie, insbesondere der Biogeo-
graphie, in befriedigender Weise za beantworten. Mit wenigen Ans-
nahmen gelang es nnn dem Leipziger Forscher, mit Hilfe der Pen-
dalatiodstheorie über diese Fragen Aufschluß zu erhalten und überall
„sebien sie Stich zu halten, zum mindesten zur Entwirrung des
Scböpfnngsplanes mehr zu leisten, als irgend eine der bisher gang-
baren Hypothesen. Sie war aber allen diesen, welche mit alten
LaodTerbindnngen und Verschiebungen, Verschleppungen durch
Strömungen, durch Tiere, Pflanzen und den Menschen, mit den
NiederschlagsTerhftltnissen, mit Gebirgsbildungen u. dgl., vereinzelt
sogar mit PolTerschiebungen und ühnlichen Ankl&ngen an die Pen-
dalation rechnen, insofern weit überlegen, als sie alle dieso unter
einen einheitlichen Oesichtspunkt zu bringen erlaubte und dabei in
jeder Hinsicht mehr zu bieten schien , als sie alle zusammen-
genommen'*.
Ich will nun versuchen, in folgendem eine kurze Darlegung
der Theorie selbst und eine Zusammenfassung der in hohem Grade
tbenaschenden Ergebnisse der Simrothschen Forschungen zu bringen,
wobei Ich mich aber eines definitiven Urteils über Wert oder Un-
wert der Theorie als einer verhältnism&ßig noch wenig spruch-
reifen Sache enthalte, jedoch nicht leugnen will, daß sie auf mich
den Eindruck hoher Wahrscheinlichkeit gemacht hat.
Im Gegensatz zu vielen anderen Naturforschem bejaht
Simroth die Frage : „ob das Land mehr Einfluß gehabt hat auf die
Umbildung der Lebewesen oder das Wasser^ für das Land, indem
er meint, „daß zwar der Wechsel beider Medien unausgesetzt an-
regend wirkt und für den Beiehtum der Schüpfung verantwortlich
IQ machen ist, daß aber dem Einfluß des Landes für den Fort-
Kbritt vom Niederen zum Höheren unbedingt der Vorzug gebührt**,
hl Beziehung auf die Pflanzenwelt scheint dies wohl seine Bichtig-
keit zu haben, denn das Wasser hat nichts zustande gebracht als
die Algen, Thallophyten, von denen einige, man möchte sagen mit
höchster Anstrengung, wie die Laminarien, es nur zu einer schein-
baren Differenzierung, zu einer Vort&uschung von Wurzel, Stamm
nnd Blatt brachten, während die unendliche Mannigfaltigkeit der
Bldtenpflanzen erst das Land zuwege bringen konnte. Aber auch für
die Tierwelt mag das Land der maßgebende Gestaltungsfaktor sein,
denn „mit seinen Gegensfttzen von grellem Licht und tiefem Schatten,
Ton Trocknis und N&sse, von Frost und Hitze, von Windstille
nnd Stnrm, von nacktem Fels, treibendem Sand und locker festem
Hnmus, von solider Unterlage nnd überaus leichter Atmosphäre, mit
seiner reich gegliederten Vegetation birgt es eine unvergleichlich
böhere Fülle schöpferischer Auregungen." Diese Gegensätze und
23»
dö6 JL Simrcth, Die BenMMÜtmMkeom, Mag. v. T. F. Ha$umaA.
im doith «M rerunacirte Energetik, die apezifisdieo Arbeiteein-
iielten edieSBO die DifferaizieniBgieD des Kiirpers, soliafien die Ao-
pMaufseleifieDte^ schaffen die nach aafwftrtB forechreite&dn, eidi
iiUBor WMi^ rerfollkf mneBdcn Formen; dani die oft so bixarren
GestatfaBTorftndening«! , die wir an MeereBOifanismen, FonwbBilieh
der Tiefe, beobachten, bedeaien keinen Forteeliritt, sondexa mir
ein maftloeee AaswacbMU tqd Oigaaen^ die mf dem Lande er-
vorben wurden. Die Flucht Ina Waeaar, fir die wir an dm
MeereeeAmg«ra ein Beiapieil babee, bat nur den Wert, den ^^nUen
Goganaftteen das Landes anaznweiebe» nad nimmt dabar oacfa des
PqUd tm; nach dem Äquator zu dagegen wird die Anawandaraag
der Seetiere ins süfte Wasser and der Wasaertiere aaÜB Land be-
gönstigt. AJie Oeeetze, die sich aas der Bedaataag dae Waas«
nad des Landes für die crganiscbe SehOpfang ergeben, aoUan io
beetimmter Abbftogigfeeit stehen v^m der Pendmlation.
Nach Baibiacb besitzt die Srde außer den beiden fiotatieDfi-
polea (dem Nord- und SAdpol) noch awei Scbwingnngrspole*
Ecaador und Sumatra , zwiachen denen sie hin- und barpendeit.
Der durch die Rotations- und Schwingungspole gehende Maridiui
— Eulniaatioaakreis genannt — teilt ^% firde in eine pau-
fiacba und in eine atlastiach-i&diacbe Hemiapbftre. Der Meridian
▼on 10^ OatL L. t. ^. ist jener Kreis, auf dem der Nord* und
Südpol bin- und herschwanken, der Auaachlag soll SO — 40^ edw
aacb nur 10^ betragen; die Bchwingpolgebiete unterliegen keiner
Verechiebuag (selbstverstindiich tou der Drehung um die Botaüoni-
acbse abgesehen), der genannte Meridian von 10* beifit d«r
Seh w in gungs kreis und geht durch die Beringstraße. Der
KnlminalieDskreis heißt deshalb so, weil jeder Punkt sMne grüßt«
Polböhe erreicht, wenn er diesen Kreis schneidet. Die Oescbwindig-
keit der Schwingungen ist nach unaeren Maßen gemessen eine sehr
geringe und die Frage, wie Tiele Pendelbewegungea die Erde seit
der Zeit, von welcher uns Spuren in den Versteinerungen gebüebeo
sind, durchgemacht bat, wird einfach dahin beantwortet, dsß es
ihrer so viele waren, als die Geologie große Perioden unterscheidet.
Wir Europ&er befinden uns also wfthrend des Pal&otoicums is
polarer, während des Mesozoicnms in äquatorialer,
wAhrend der Tertiftrzeit in polarer Schwingungapbase aod
jetzt im Quartär schwanken wir wieder dem Äquator zu. Die
Eiszeit, die wir zweimal, im Perm und am Ende des Tertiin,
bezw. am Anfange des Quartärs durchgemacht haben, hat ibre
Erscheinnngsursache in der polaren Schwingungsphaae. Eine Vtf-
schiebung unseres Gebietes schon um 10" nach Norden erUirt
Tollkemmen die bedeutende Verändemag des Klimas, den Obergang
vom tropischen Eocäa in die Glazialzeit. Damit ist auch die ein-
Jachste Erklärung des Bätseis der Eiszeit gegeben. Alle Niresn-
Schwankungen, das Auf- und untertauchen dea Landes, wofär die
Form des Geoids verantwortlich ist, erklären sich aus der Pendn-
K Smrüäi, Dia PendnUtkoatiMorM, aog. ▼. T. F. HammudL 85?
laftios. n^D^ dtt Mmt als FlflBiigkMt bal jader Lag« dar Botatioat«
icha» die abgaplatteta QaaidfonL aanuMat, dia Erdkraata aber sn«
Bklni alarr bleibt^ so ergibt ea aicfa ▼ob aalbsi, dafi jeder Paakt
bfti pelarer Sebwingiuigtpbaaa^ vann er atdi dem Pela aikart; ana
d«a Wataar baraoagekobaD wird« Unkgakekrt wM ar bei ftqnafta-
rialer nntartaaebeo.^ Daher haben aich dia im aavdpaiiAwhao
QnadmitaD baflndlichan Insda, wia dia Hawaiinaete (in darjetaigeD
pohHreD SehwuigmigBpbaBa) ana dam Waaaar harana, w&hraftd dia
die sidpazifiachaa votartauahea. Florida wird gerada roae Kilmi-
BatiooBkraia gaechniiteo , die Weathilfla ataigt in polarer Pbaaa»
die Octbftlfta in Äquatorialer rnnfi aiaken. Wenden wir mia dar
gMgrapbiachan Anaehannag la, ao findan wir aina bakannte Dia«
banaeaia in dar ParaUelantwicklaag dar Kontiaanta darch die Lage
Toa Afiika» Dia Pandalkewagnng will dia Iiandmaaean glaichmftßig
am dia Pole gmppiaiin, so daß dar Oetan daaaalba Bild zoigt,
wie der Weataa. Aaf dw pazifieeban Saite hat dar Ozean aaina
Grenzen mitgeachaffen, anl naaerar atlantiacb-indiecban Seita atebt
lim der alte Klots Afrika im Wege» doch hat er z. B. an Baropa
80 rial zaratflckalty da6 aa jana raiehgan^aderta form arkialt, „dia
ikffl ia der Gaac^ichta der MeDachheit das markwüidiga Über«
giwicht TaraefaaffU". um dieae Dieharmania za lAaen, wird maa
Afrika aina SandentaUnng anweiaen (die apftter anfgakiftrt wird)
vod aar Südamerika and Anatralian in Parallele ziehen, nn znr
sjmiaatriacshaB Lagemag zn gelangen. Übrigena zeigt aioh dieae
lieh in Bnropa, dar Schwingakreia zariegt dia Alpen in eine Oat-
liehe nad waatUeba Hftlfte nnd ea kann doch ala eiwaa b6ehat
Merkwflrdigaa angaaahan werden , da& diaaer Heridiaa dia Bhain-
Haie mit dar Babringatrafio verbindet nad dia Erde in swai HAlftea
xarleg^, deren Mittelpankte, Ecnador nnd Sumatra zugleich
die Endpunkte der Iftngaten Erdachae daratellon.
Indam ick die Besprechung der frftberan Varftndamngen in
der Koafignratiaa dea Faatlandea» dar von der Geologie angenom«
menen alten Landbräckan (dia nAtlantia'^eage betrifft Verbtn-
dmigeD TOD Spaaian nnd Nordafrika, deren Abbruch noch in die
Erioaamngan der Menachen f&Ut) übargeha, wende ich mich dem
fiaaptlaila der Simrotbachen Arbeit zu.
Jeder Organiamna aaf ainem Punkte unaarar Erda wird bei
weilerer Yarmabmng daa Beatreben haben, aich auazubreiten, aaweit
die gleichen kliaiatiachen Yerhfcltnieaa hwraohan; durch dia Pen-
dnlatian aber wird er rein mecbaniacfa aua der ihm znaaganden
klimatiachan Lage entführt, wenn er nicht auf aeinem Breitagrade
fiuh rechte und linka anawieh ; iat diea aber tataftchlich geaehehen,
10 bewohnt ar jetzt zwei getrannta Gebiete, die zu beiden Seiten
dea Scbwingvttgakiaiaaa in aymmetriecher Lage aich befinden und
symmetriacha Paukte heißen, wie Japan und Ealifomiaa, Ost-
kieta von Nordamerika und ren Aaien in daraalben geograpbiaohen
Breite. Solche Punkta etellen die tranaveraale Symmetrie
358 JEf. SimrotJh Die PendulatioDstheorie, aog. t. T. F. Hanausek.
dar. Bei äquatorialer Pbaee können die Organismen die Yerschie-
bnng nach Sfiden mitmactien, werden aber, da dae Klima zn warm
wirdt anf die Gebirge hinanfwandern , wenn sie den Aqnator ge-
kreuzt baben, jenseits desselben wieder zurfick zur Ebene gelangen
und somit symmetrische Punkte in meridialer Symmetrie eio«
nehmen. Dabei ist aber zu beachten, daß das Ausweichen nach
Osten und Westen am Kulminationskreis aufhOren muß, da jenseits
desselben die entgegengesetzte Bewegung eintritt und es kommt
an diesem Kreis zur Stauung oder Relikt enbildung, die am
höchsten an den Schwingpolgebieten sein muß. Die meridiale
Ausdehnung der Organismen wird selbstrerstAndlich am größten
unter dem Schwingungskreis sein müssen. Aus dieser Darstellnng
ergibt sich, daß schließlich Lebewesen an Punkten erhalten bleiben,
die zu den Schwingpolen gleiche Lage und gleichen Abstand habeSi
also identische Punkte sind. Dafür zwei höchst charakteri-
stische Beispiele. Im Oberlauf des Yantsekiang lebt die einzige
Alligatorart, die Asien besitzt. Die Arten des Mississippi stehen
der chinesischen am nächsten; an der Karte kann man zeigen,
daß es sich um zwei identische Punkte handelt und die Erklärung
dieser diskontinuierlichen Wohngebiete war früher nur durch die
kühnsten und unwahrscheinlichsten Hypothesen (Überwandem über
die Erde usw.) möglich, Jetzt zeigt die Penddationstheorle, daß
wir vom Schwingungskreise auszugehen haben und daß sich die
Form an identischen Punkten unter gleicher Sonnenstellung er-
halten hat*". Das zweite Beispiel bilden die Lurch- oder Lungen-
fische Lepidoairen und CetxUodus; ersterer hat seine Heimat in
Uruguay, das zum Westpol genau die gleiche Himmelsrichtung hat,
wie die Heimat des CercUodus Queensland zum Ostpol.
Was nun die Umbildung der Arten, die Entstehang
neuer Typen betrifft» so weist die Pendulationstheorie anf den
Schwingungskreis als den eigentlichen Herd der organischen Um-
gestaltung hin, wo die Lebewesen den stärksten klimatischen
Schwankungen ausgesetzt sind und alles, was sich unter dem
Schwingungskreise vollzieht, trifft für jeden Punkt der Erde zo,
nur mit dem Unterschiede, daß die Vorgänge unter dem Kreie ihr
Maximum erreichen und gleichmäßig nach beiden Seiten abnehmen,
bis sie an den Schwingpolen auf Null herabsinken*'. Da die Scböpfnng
allezeit ihren Höhepunkt auf dem Lande erreicht, so wird der Nord-
quadrant, d. h. vorzugsweise Europa und Nordafrika der
Herd sein, von dem sie ausgeht und wo sie ihre Yollendang
erreicht.
Im systematischen Teile werden jene Tier-Typen, die ein ge-
nügendes Urteil zulassen, eingehender behandelt, von den übrigen
das Bekannte und Beweiskräftige zur Sprache gebracht. Zsm
Schlüsse werden auch noch der Mensch, die Pflanzenwelt in einigen
charakteristischen Gruppen und geologische Tatsachen, die mit der
Theorie im Einklänge sind, zu ihrer Bekräftigung herangezogen.
jS. Simrofh, DLb Pendolationstfaeoriei ang. ▼. T. F. Hanausek. 359
YoD den Holinsken sind es insbeaondere die Vorderkiemer , die
die stärksten Beweise für die Theorie bringen. Das markanteste
Beispiel ist Trüan, dessen Arten im Indic, wie Ton den Antillen
die höchste Symmetrie zeigen. Simroth leitet aas seinen ünter-
snchnngen allgemeine Oesetze über die Verbreitung dieser Gmppe
ab, anf die wir hier nnr hinweisen können« Ans den Beziehungen
der rezenten zn den fossilen Vorderkiemern ergibt sich, daß nach
der Pendnlationslehre alle stenothermen Formen von uns ansge-
gegaogen sind, von nns aber bei polarer Phase verdrängt wurden
und sieh dann nach dem Orada ihres Wftrmebedfirfnisses sym-
metrisch eingestellt haben. Die Arthropoden zeigen in der Klasse
der Crustaeeen außerordentlich klare Beweise für die Bichtigkeit
der Theorie; beispielsweise liegen alle Dekapoden unter dem Schwin-
gnngskreise, ihre Wiege war das Süßwasser, d\9 AsUiciden fehlen
io den Tropen und sind nord- und südw&rts kräftig entwickelt;
vielleicht gibt es noch einen Best auf einem malayischen oder
tropisch- amerikanischen Hochgebirge. Die Klasse der Insekten»
vor allem die Hymenopteren, Käfer und wohl auch die Schmetter-
linge sprechen scharf und deutlich für die Pendulation. Die Tene»
hrio' und die Btfpre^ts- Arten bewohnen deutlich durch den Schwin-
gungskreis geschiedene Areale (Westpol: Buprestis giganUa in
Soriaam ; Ostpol : Buprestis bicolor usw. auf Java). — Viel Über-
raschendes bieten die Vertebraten. Die Fische sind nach Sim-
roth rückgewanderte Landtiere, ihre Vorfahren sind auf dem Lande
tu soeben, Ton denen aber keine Beste erhalten geblieben sind.
Die CydosUmaia {Petromyzon und Myxine) sind ein klassisches
Beispiel für die Pendulation, sie sind im Norden unter dem
Schwingungskreise entstanden und haben sich über die Schwing-
pole hinweg an ihre jetzigen Wohnorte begeben. Ebenso klare Be-
weise liefern die Selachier^ so die zwei Arten der Dornhaie;
Äeanthias vulgaris hat das Auge der Flachseetiere, Ä, Blainvilki
du der Tiefseetiere (V^ bezw. ^/^^ der Körperlänge entspricht
dem Linsendurchmesser); letztere Art ist an die Tiefe angepaßt
nnd in der Tiefe durch die Tropen geschobeu, lebt auf der süd-
liehen Halbkugel, während Ä. vulgaris an der Küste Ton Com wall
in ungeheurer Menge vorkommt, dort, wo eben der Herd der Gat-
tung ist.
Wir müssen es uns versagen, die ganze Beihe der Verte-
braten -Klassen und -Ordnungen vorzuführen, die auch in der
höchsten Abteilung, der der Säuger, vorzügliche Beispiele für die
Pendulation liefern, denn dies hieße einen umfangreichen Auszug
des Werkes zu bieten ; wir wollen nur noch einiges über die Ver-
breitung des Pflanzenreiches und über den Menschen berichten.
DieConiferen sind scharf nach der Pendulation eingestellt, alle
foisilen gehen von uns aus, sie haben die Steinkohlenpflanzen ab-
gelöst. Magnolia bewohnt das östliche Asien und die atlantische
Hälfte Nordamerikas, die Bot buche hat das Zentrum in Deutsch-
S60 E. Simrath, Die PendalatioiMlheMie, mg. v. 7. J, Hwinwtefc
land, ist für dM Otbiei cbr OstMe efaaraktengtis^ nad reiebt in
Symmetrittateliniig ym den Pyreiiftdn bb xum Eankasos. Die Gam-
pftBalaceen bieten in ibren dni UntBrlamiUen admife Beispiele
fdr die Pendalation. Hier ist ancb ier Oii« det alten adria-
tieeben WiokeU zn gedenbes, der eowebl lllr die Tierwelt, ale
aneb fftr die YegetaAion ein reiches Baliktaogebiei Ten Lebeweeeo
darstellt, die aber jetzt über die Erde zerstrent sind. Die brannte
Wul/mia earinthiaea^ snr in Kirnten einbeimisdi, bat ibre nächsten
Verwandten anf dem Libanea (W. orierUaUs) and anC den Hiaialtja
(TF. amhentiamt)^ edne vierte Art ist nenerlich in MenAenegro ge-
fanden worden. Fi^rsyMa viriäitHma (nnd 9U9pmM)9 der früh-
blühende Strancb anserer O&rten ist in China nnd Japas zsbaoee;
jüngst erst ist an der Adria Fara^ia eurt^Hua entdeckt werden.
Für weitere Kreise bat ohne Zweifel daa Kapitel über dea
Med sehen den größten Beiz und es war zn erwarteOf daA Sim-
roth mit seineo nmfassenden Kenntnissen und Erfahmngen die Be*
ziefanngen dea Menschen zur Pendnlation in prftcbtiger nnd über-
zengcnder Weise beransgearbeitet haben wird. Das ist denn aaeb
tatsächlich der Fall. Mit seinem gl&azenden Stil zwiagt er uns
förmlich in den Bannkreis seiner Anschannngen nnd wir mflss«
ihm in seinen meisten F(^gemngen sageben, daß das Geschehen
wahrlieb so gewesen sein kann, wie er es feststellt Schon der
erste Abaatz diesea Kapitels ist so beweiskräftige, daß ich mir nicht
versagen kann, ibn hieber zn setzen: „Die Pendnlatienstheerie
zwingt mit aller Schürfe dw Tatsachen ^ die jetzt ebne deren lei«
tende Kraft die Terschiedensten Speknlatioaeo über den Herd die
Menscbengeschlecbtes ermöglichen, so zn gruppieren, daß daraas
nicht nnr das Scböpfnngszentmm, sondern selbst die ganze Heraai*
bildnng der Kultur unter den Sdiwingnngskreis in unserem Qua-
dranten verlegt wird. Wo sich die Qeschichte abgespieit bat in
ihrem wichtigsten Zusammenhaage^ wo sie zur höchsten Inteiligm
geführt bat, d. h. in unserem Europa stand die Wiege des Meo-
scbengescblecbtes. Es gibt keinen Meridian auf unserem Erdball,
auf dem die Bässen audi nur annfthemd in ähnlichem Wechsel
und ähnlicher Vollständigkeit übereinander gelagert wären» als d«n
Schwingungskreis. Eskimos, Lappen , Finnen, (Germanen, Slawen,
Italiker und Griechen, Semiten, Hamiten, die verschiedenen Zweige
der Neger, zwischen ihnen die altertümlichen Zwergvölker, endlicb
Hottentotten und Buschmänner; und dabei meist aisgezeiehnet
unter diesem Kreise gebliebeD, wie in den Mittelme«rländera, tod
Vorderasien bis Marokko.*'
Der Annahme, daß die Schöpfung des Menseben miter den
Schwingungakreis in unserem Quadranten verlegt wird, entsprscbes
folgende zwei Tatsachen der Urgeschichte:
1. Alle fossilen Menschenaffen finden sich bei
uns in Schwingungskreislage, zwischen Wien nnd
Sudfrankreicb.
JB. Simrü&r Die PtndBktioMttaMne, ng. ▼. T. F. Hanausek, 36 1
2. Mit dtrselbeik Pr&zisioD, ja noch eng^erer Bt*
lekriDkang auf den Sekwing^angskrtii tritt äer Homo
primi^ßnius auf, die Rassen rom Neandertal bei
Diffieldorf and ron Krapina in den Südoatalpeu, im
idriatiiclieD WiakeL
Alle antbrepoiden Affen sind an den Uiwald fsbfmden,
(IhtiB ein Banmbben, baten Nester in den Zweigen^ können aber
iifreehi geben, in der polaren Scbwiagnngafpbase« in «bar sie
iiie ucb Norden gehoben werden, weichen die einen nach der
altflo Stttte ans — Gotilla, Scbimpanae — oder zum Oatpol, wie
dtr Orang-Utang t der Bjlebatea — oder eadüeb sie paSten aicb
im Bioen Lebensbedingungen an, geben nnr mehr aufrecht nsd
virdao zn Menscben. Ancb der Tielbemfene Püheean^rapus $rBctus
derjoDgen SehiehtMi Javaa ist nicht dort entatanden, sondern
sMlt eine der nach dem Ostpol aisgewicbenen Arten ror. Die alte
Wohnang, der Banm« weicht je weiter Tom Urwald weg immer
iMhr einer anderen, der Höhle, dann tritt das Zelt aas Tier-
fiüea and ana Fik nnd endlich der Bao ana Stein, H<^z, Ziegeln,
in börsten Norden ans Schneeqiadem anf. Die arischen Völker,
als die höchatta Knltnrträger, stammen ana dem Norden, die Hin*
wtiie in der Veda nnd AToata anf Bis nnd Schnee sind Er-
iiuwruigen an einstige polare Terbiltniaae, nnter denen die Vor-
litoa lebten. Das Jnlfeat, daa wir mit dem Weibnachtafest
rauameogelegt haben, die Feier der Wintersonnenwende, konnte
BOT im Norden pi&iis bestimmt werden, die mehrtägige Winter-
nacht, ^B Mittemachteseane im Sommer ergaben die nötigen astro-
Bomischeo Termine. Der Entwicklungsgang der Kalter, der nach
der Qeacbicbte anf den Osten (Indien, Peraien, Mesopotamien) hin-
vtttt, nicht nach Norden, findet wieder aeine Erkl&rang in der
Pmdnlation. „Vntar dem Schwingangekreis entstand der Mensch
lad biir wnrde er, bei der Yerscbiebnng nacfa Norden nnd wieder
nrick, mngewandeit; die körpwlicbe Umwandlang erfolgrte wohl
in erster Linie bei der ersten Bewegung, entaprecfaend der hohen
Slagtrschöpfnng im Tertiär. Die geistige Kultur geht weiter . . .^
— Bei der polaren Phase werden die Menachen nach Norden vor-
gMcfaoben, um sich in neue Baasen umzuwandeln oder sie weidien
Mite&rts nach Westen und Osten aua; in der darauf folgenden
iqaatorialen Schwingungsphase fluten die uach Osten ^lusgewi-
chentn Elemente wieder zuröck -^ fläcbtig uur, wie die alten
Reiterscharen, dauernd und bleibend, wie Fbdnizier und Griecb^ti*
Von besonderem Interesse sind die Id^an Simrotbs über
Dosiestikation der Hanstiere, d\% Entwicklung
Wohnungen, des Ackerbaues, der Karren und Mä
Natienaltracbten usw., wobei freilich auch der Phaatiiie <
Syiehaam gegönnt wird. Phantastisch erscbftiiit der ¥'
Verhaltena des sAdafrikaniachen Parians (der der ^
ttellt. Dm sie zn zerreißen nnd die g^ronnese J
362 JET. Simroth, Die PandaUtioDitheorie, aog. ?. T. F. Hanauük.
aU Leckerbissen zn g^enießen) mit der Erfindang des Schweizerk&ses.
In Bezug anf die Entwicklung der Wohnung ist es gewiß merkwürdig,
wie die sardinischen ürbanten, die Nuraghen, in den aligriechiscben
Enppelgr&bern, den Talayots von den Balearen, den Trojabargen,
den Stonehenge wiederkehren. Vielleicht haben auch die ägyp-
tischen Pyramiden in ihm ihre Wurzel; ihre Bedeutung als KOnigs-
gr&ber ist eine sekund&re, dynastische Anpassung. Die Oheops-
pyramide ist das genialste und großartigste Werk der astro-
nomisch-mathematischen Pr&zisionsmechanik. „Der sog. Sarkophag
ist ein Hohlmaß, das Pyramidenmeter. Und die Proportionen znm
unteren Pyramidenumfange sind so wunderbar, daß dieser so Tiele
Meter lang ist, als das Durchschnittsjahr Tage hat, bis auf mehrere
Dezimalen. In den PyramidenTerhftltnissen steckt ebenso die La-
dolfische Zahl bis auf mehrere Dezimalen. Diese Maße stehen aber
in einem bestimmten Zahlen Verhältnisse zur Erdachse, sowie zur
Entfernung von der Sonne. Die Verhältnisse sind für den Einge-
weihten an besonderen Merkmalen im Inneren abzulesen. Ja du
spezifische Gewicht der Erde kommt zum Ausdruck. Die Lage der
Pyramide hat eine feste Orientierung nach der Himmelsricbtimg,
und ein Kanal, der schräg den Steinkoloß durchsetzt, ist so ge-
richtet, daß zur Zeit der Erbauung mittags um 12 Uhr durch dieseB
Biesenfemrohr, welches auch bei Tage die Sterne scharf zu sehen
erlaubt, der Polarstern nebst einem anderen Fixstern« der damals
kulminierte, zur Beobachtung kam.^ Simroth hält die Pyramide
für den Nuraghen, wobei der Bundbau in die gerade Linie über-
setzt, der unbehauene Stein durch die Quader ersetzt wird.
Charakteristisch ist die Expansion der einzelnen Men-
schenrassen und Stämme. Die Mongolen dürften ?on Nord-
europa stammen T7nd nach Osten, die Indianer nach Westen aus-
gewichen sein, letztere über eine damals noch vorhandene nord-
atlantische Brücke. Die Born an en expandieren über Europa hinans
nach Süden, Südost und Südwest; Mittel- und Südamerika sind
ihre wichtigste Domäne. „Wunderlich genug aber ist das gleich-
zeitige Erliegen der spanischen Herrschaft an iden-
tischen Punkten, anf Cuba und den Philippinen." Die
Expansion der Germanen richtete sich vornehmlich nach Westen
(Nordamerika) und nach dem symmetrischen südlichen Gürtel, Afrika
und Australien.
In den Bemerkungen zur Geologie kommt der Verf. auf den
Einfluß der Pendulation auf die Gebirgsbildung, auf das Zn-
standekommen des Vulkanismus, auf die Eiszeiten und auf den
wahren Verlauf der Pendulation zu sprechen, die ja mit den anderen
Schwankungen der Erdachse in Kombination treten muß, wie wir
das eingangs unseres Beferates angedeutet haben. Die Kombination
dieser Bewegungen ergibt eine Schraubenlinie, deren Achse der
Scbwingungskreis ist. Eine wichtige Frage erheischt ihre Lösung:
Was ist die Ursache der Pendulation? Auch dafür hat der
H. Simrotlh Die Peodalationstheorie^ ang. t. T, F. Hanausek. 363
Verf. eine allerdings Terblüffende Antwort , die übrigens aber nach
neuesten astronomischen Arbeiten im Bereiche der Möglichkeit liegt.
Ich will zuerst roraasschicken, daß eine Art der Erklärung aaf der
Eotstehnng der WeltkOrper ans Spiralnebeln fnßt; der znr Erde
werdende Spiralnebel stellte sich in unser Planetensystem ein und
die Achse schwankt noch zufolge des Ausgleiches zwischen der frü-
heren Richtung und der ihr jetzt Ton der Sonne aufgedrungenen.
Die Losung der obigen Frage wird aber besser durch eine andere
ADDthme gegeben, da diese auch das Erdbild erklärt. Die Erde
hatte zwei Monde; der eine funktioniert noch als solcher, der
andere ist durch Aufnahme kosmischer Masse (es können auch
mehrere Monde gewesen sein) gewachsen, in seiner Bewegung lang-
samer geworden und schließlich in die Erde hineingestürzt, er hat
sich wieder mit dem Hauptkörper vereinigt. Dieser große Fremd-
körper ist Afrika, zum mindesten Südafrika, tauchte in die
dünne Erdkruste und wurde daselbst festgehalten; durch seine
Schwere lenkte er die Botationsachse aus ihrer Bahn, die sich
wieder aufzurichten sucht und daher noch öfters, aber mit immer
kleinerem Ausschlage hin- und herpendelt.
Auch wenn man won der Pendulationstheorie absieht, so sind
die Ergebnisse der Simrothschen Forschungen für die Biogeographie
TOQ hohem Werte und sichern dem Werke in unserer naturwissen-
schaftlichen Literatur einen Ehrenplatz.
Krems. Dr. T. F. Hanausek.
Dritte Abteilung.
Zur Didaktik nnd Pädagogik.
Zur griechischen and lateinischen Lektüre an
unserem Gymnasinm.
IX.
Bai Cäsar wird von Knkala die Tsddlongkeit der Form betont,
aber mit Bücksicht aaf die BeschafFenheit nod Umgrensiing des Inhaltes Tor
einer so ausgiebigen Lektttre, wie sie bei ans in der IV. Torgeschrieben
sei, gewarnt. Es geborten, sagt E. sogar, Cftsars Schriften, beaonders dii
Bellum Gaükum, dank der flbertriebenen Wichtigkeit nnd Aosdehnon^t
die man seiner Lektflre einrinme, so den nnglflcklichsten Lesetexten
unseres Gjmnasiams. Arme Kandidaten, die man durch 0. Jiger irre
führen ließ! Sagte doch dieser Verblendete in seinen SeminarTortrft|^n
(Lehrk. 3. 182) za einer Zeit, wo auch Schani' Literatorgeschichte schon
erschienen war: ,,Einen nnTergleichlichen Schriftsteller, recht
eigentlich einen Klassiker für diese Stufe haben wir bekanntlich
an C&sars Buch vom gall. Kriegt, ja. er preist denjenigen glücklich, der
C&sar mit Tertianern lesen dürfe. Es wird uns aber nicht genügen, wenn
K. das etwa als sonderbare Schwärmerei beseichnet Er Tersncht aller-
dings eine Begründung zu geben. Der Zweck des Werkes sei ein rein
politischer, der Stoff des ausgesprochenen Fachwerkes auf die Nieder-
werfung der Gallier in den Jahrea 58 — 52 und aof d&B AktenmaUintl
Ton Cäsars OperatioDäkantltfi Lf «cbräakt} daher rerdiene die Frage wot«^
endlich ernste Beherzigung und Büigfältigste Prüfuo^, ob dienet Lektft^^
ein Tolles Jahr gewidmet werden in ü^se. Die sorf^fälcigite PrÜfiiiif lM«HAl
darin, daß gefragt wird, ob Friedricha dei Groüen Geschichte dei lie^'
jfthrigen Krieges aach einmal gleicbeo Zwecken werde dienen mfieftin oxi
ob man meine, solche Werke bildeten eine geei|e[n«te GrtmdlHgeT Vit dtf
man kaum 14j&hrigen KoabeD Sach- tind Sprachunterricht er ml es «ftU^
Er antwortet einfach dariinf mh e Intim „ freimütigen " Kein «nA litJT'^
Schans* Worte (S. 215): ^Cäsär rettete dicb^) dq-' '
I
') Aus dem Zusriminenhiia^e genommenf mi
ders in seinen ersten Worten eigentfiinlieb an; et
in dem die Erhaltnni,' dnrcb die Handschriften bei
Zar griech. utd lattin. LekiOre an unterem GymDMxam. IX. 365
n üe NtniMt beriber. Diese «eilt ihn relebe BewmideniDg; sie fa&t
aber ueb die unsterbKcheB Produkte den Kimben als Scbalbnch, an dem
fit die grammatisehfln Regeln des Latein lernen, in die Hand gedr&ckt
od dadaicih sieh sebirer an dm großen Oenios Tenftodigt; denn die
Werke Oisan versiebt nad wtrdift nnr der reife Hann*. Dieses kofmpetente
Orteily das jader Sebahaann mid joder absolflerle QTmnaeiast bestätigen
vflfde, reebtiarkiga wohl dea Woasch, Cisaio ?o11ektare ans dem obligaten
LiMiteff des üntar- nod aaeb des Obfrg3fnnasinm8 — in dem es gar keine
^Ciftr-^oU-Lektftro* gibt — entfernt so sehen; denn an der sebUebten
fldiOohait und dosn bistariseben Werte gebe der Scbtkler «nahezn'* fttbllos
Krtei, am bleibe nur die Qnal, einen seinen Qeist ermüdenden Autor
leei Seaseater lang ftberaetien in masson, dessen Darstelhmgen bei Kindern
leder gareckte Wftrdignag noeh abariengten Beüall aaslasen können.
Hat S. das ütteil, dasfiebaai mefarere Seiten forher (S. 206) fiUt,
sitbt geiesan: ^HioBais ezmMet dar Leser, soodem stets folgt er mit
SpsanoBf dar Snihkmg?'' Darf an fiade hier unter »Leser* der BcbtUer
licht TeEstiftden werden? Oder ist dieses Uiteii nicht kompetent? E.
Mkeiit aber aa graben, daß erat er jene Frage anfwerfe and daß erst
Sehini jeDSi «komperente* Urteil aosgesprocben habe, fir maßte sieb
dscfa aaderaraaita daifibar «aadem, waram bis jetrt aiemaad in Deatseb-
ksd stts jeoem Uitail Scban' jene Konaeqaens gesogen bat? Uro
tis JPr. Aog. Walf abaosaban, der, wie Ecketein hervorbebt, in der
ivaabl der ßobriftsteUer taa den easjrklopidiecben VenrniBgen seiner
Zeit liefat kn war, haben scboa l&agat KAMj and Bttstow eitiftrt, daß
Clisia JLoinaiieDtarien eigantlieh iior «ina Leii:tfire fftr den fan affent-
liflhca Laben darcfagaarbeiteten Maaa, fftr den denkenden Politiker, fftr
4aL gebadeten Mflüir aeiea, nnd Oetendorf bat aasf&brlieh die These
bogrftadat, 4i9 Lektfln Cisars in Tert» sei Tom pßdagogiseben and
didaküicbao wie vom aatioaalen Staadpnakte aas in fot werfen. Da hörte
■sa, daß Ik die Feraflge der Ponn der Tertianer keia Verstdadnis habe,
diß ein wahrca Interesse aas Inhalt sber eist liAmier haben kOnnen.
Aber dieaan aichtigea Behaaptangea hat H. Perthes (sar Bef. des lat.
Daten., 8. 7BS.) eine sa ansfihiliche and ?allig Überseogende Wider-
kfaag sataii werden lassen, daß diese Sache als abgetan betrachtet
vesden maß. £r hat aar allem betont^ daß der Voriag der Schrift-
itsUar dea klassisehen JUteitBBis ahea dada bestelle, daß sie die
is|«nd and la^^leicb dat gereifte Alter lu fesseln T^rrnö^en
tiftd daß ebenso andere Autorea nicht tum voUen Ver^t&tidnb gebracht
»«rdxn kanten, worauf &Dct) Fr. Alf U der erwihDten BetpreclmnjEr
4^ 90) biti«iefl* Jlit Eechi bciii«rkt ja d)ster« aach dem ttrnDdfB.t£e
hlkbe oas dberbiapt eigen tt ich nJeht4jH|m[d^ph Cbz. llnffs iLa^-
riiDg über «Herrn acn und Dorotbea" fB^^^^B fQ* di« Berl, KmU
im (Vtrb^ B. 234). AMet,
Mknebfi haben, würdij^t cKe^
fg«»€bliebto wird» wBrdigifi
laiiehtB sw«l Obeln 4«e
Ciiati, 10 dem wb leiis Wmk
Wmk
"^
366 Zur giiecb. ud Utcm. Lektftre u i
indem wir ilir diesen Autor Tortethattfii. Übrifea« dicat Cittr lehoB
laage nicht mehr blol» dAsa, die grammatiichen Beteln n Icnen.
DaA die Comm. d. b. GmlL fftr eine Jagendlekfelre n lehr be-
Khrinkt seien, kann doeh im Ernste niemand behanpten. Es sind eben
die Comm. d. b. GslL, nor daß darin anlSer von der Niederwfaag der
Gallier noeh Ton manch anderem die Bede isL Bei DettweOer (S. 125 f.)
findet man sogar eine Ans wähl ffir eine gansjihrige LektAre Ton 4 Wochen-
staoden in III B, in der die Kimpfe mit Galliern nicht berflcksichtigt
sind. Oberall gibt es da eine FlUle von Episoden, Ersihlangen, Sehildenmgen»
die gerade den Quartaner in fesseln TermOgen, wenn sie ihm nicht dnreh
grammatiscba Exerzitien gftnsUch Tcrleidet werden '). Wenn endlich segsr
darin eine Beschrftnknng erblickt wird, daA der Stoff ans dem Akteamateriii
der OperatioDSkanslei geflossen sei, wie man Termotet, so darf nicbt yer-
gessen werden, daß die Hauptqnelle eben Cäsar selbst ist. Danim ist j»
«ttber die Schrift fom gallischen Krieg, dieses Stttck Geschichte, eine belle
Heitericeit ond einfache Anmat ansgegossen, welche nicht minder einng
in der Literatur dastehen wie Cäsar in der Geschichte* (MömnueD, B.
G. IIL 616 f.)- Von einer Qoal oder Ermadong der Schiller kann slso,
wenn der SchrifUteller richtig behandelt wird (Tgl. 0. Jftger, Lehrte
8. 165 f.; P. Caner, Palaestra, S. 79 f.), wie dann jeder Schnlmann aod
jeder absolfierte Gymnasiast bestätigen maß, keine Bede sein. Und seboD
gar nicht bei ans in Österreich. Wir lesen ja '/^ Jahre wOchentÜeb
3 Standen (mit 2 Grammatikttanden kommt niemand ans), V4 ^^
wöchentlich 1 Stande das Beü, GäU., d. i. also 2V, Wochenstonden eis
Jahr lang; diesen stehen in Preaßen s. B. mehr als 6 Wochenstonden,
also mehr als das Doppelte fdr dieselbe Schrift gegenflber. Kor gegen
diese so aasgedehnte Lektfire sind in nenester Zeit wieder Bedenken Ton
einer Seite erhoben worden, welche bei der Lektfire größere Bficksicbt
aof die philosophische Darchbildang der Jagend genommen wissen
will, Tgl. 0. Weißenfels im Handb., S. 271 ff. In geringerem umfinge^
als jetit bei ans, kann das Bell, GaU. nicht gelesen werden; denn daß
wir in ihm eine darch nichts in ersetsende Jagendschrift haben,
kann nach allen Erfahrungen heate nicht besweifelt werden. Dabei wird
natflrlich nicht Terkannt, daß C&sar aas politischen Grflnden für die
BOmer geschrieben hat. Treffend bemerkt E. Haemer (S. 60^ es müßte
jemand ein Master Ton Ungeschicklichkeit sein, wenn er es sostinde
brichte, diese Lektfire langweilig za gestalten. Selbstverständlich maß
Cäsar bei aos in Aaswahl nach bestimmten Gesicbtspankten gelesen werden
(Tgl. Dettweiler S. 126, Anm. 1). Ganz Vereinzeltes aber aas Cäsar mitten
■Awhch^u deo StQcken andi^rer Antureji TOrDtihm«D in wolleD, «äie Bicbt
cur värkäbrt, Boadern geiadesn ein» \ ersündigiiag nm Genins CAüis *^* <
IQ atiierer Jugend.
K* trägt B§m|icii gar kein L^^d^uken» an MüU di^» v^s
Nepoi nnd des eb^ngo ictiwiefJg^J|^^|MU|^Cä«arelii'
') Ich habe iweiji^" '^^^^^^^Ähfc **äß«*»^'
Partifit] atieh BchOhTlofT _^^^^|[irid#li«r '
du miQ Mal tuittd. 1
Zu grieclL und latein. Laktüre an unserem Gymnasium. IX 367
Bod Quarta ansreiehende Chreitomathie ?onnichlagen mit einer «mOg-
lichit großen varietas rerum'^- Diese mflsse das Interesse der SchtUer wach
erhalten, der Knabe mflsse znm Bewußtsein gebracht werden kOnnen^ daß
uch die alten BOmer Menschen wie wir gewesen seien, daß ihre sozialen
Znttlnde, ihre Kunst, die Entwicklung ihrer Literatur, ihr Qef&hlsleben
flbertll Analogien und Zusammenhftnge mit unseren Zeiten zeige, daß
■ich ihr Dasein fielseitig abspielte. Da sollen wechseln milit&rische
Themen, Darstellungen aus dem Friedensleben, Stoffe aus dem Öffentlichen
Getriobe, auch Schilderungen aus der hftnslichen Sphftre des antiken
Lebens, neben biographischen LesestQeken auch Beschreibungen und Fabeln.
Aber beileibe nicht etwa in systematischer Gruppierung, welche im großen
Sache des Obergymnasiums sei, sondern ohne stoffliche Anordnung und
chronologischen Zusammenhang. Es mflßten bunt wechseln C&sar, Liyius,
Seneca, Yelleius, Floms, Curtius, Val. Maximus, Plinius der Altere, Am-
misDus Marcellinus u. a. — Plinius der Jfingere, ist dem Obergymnasium
Yorbehalten, weil er dort eine LQcke ausfflilen muß. Natürlich mflssen die
Beiträge adaptiert, gekürzt, die Behandlung eines und desselben
Gegenstandes oderiusammen hängen der Dinge geteilt werden
und ganz so wie in deutschen (!) und anderen neusprachlicben
Lesebflchern fflr Unterklassen dazwischen Andersartiges
geschoben werden; denn diese Lesestflcke mflßten in ihrer kunst-
Yoilen „Unordnung" wie farbige Steine wirken: spielend mit seiner regen
Phantasie stelle sie das Kind (!) tu bunten Mosaiken zusammen, die
bleibende Eindrücke hinterlassen werden.
Gewöhnlich pflegt man das Fehlen eines Systems, eines engeren
geistigen Bandes als Fehler anzusehen, hier wird das als Prinzip auf-
gestellt. Ein solches Meisterstück einer Chrestomathie fehlt uns noch.
Allerdings bemerkt Fr. Aly, daß kein erprobter Schulmann dieser Phan-
taiie auch nur einen Augenblick ernsthaft nachdenken wird. Eine der-
artige Chrestomathie konnte nicht einmal dann ?erwendet werden, wenn
wir im Untergymnasiom nicht Sprach-, sondern Sachunterricht, und zwar
wie sich K. um vorstellt, zu treiben hätten. Aber solch ein Sachunterricht
darf, so lange wir noch Autoren im Originale lesen, nicht getrieben
werden. Daß die alten BOmer Menschen wie wir waren, bezweifelt auch
kein Schüler; daß aber ihre sozialen Zustände, Kunst, Literatur usw.
Analogien mit uns zeigen, ist für ihn leerer Schall, solange er unsere
sozialen Zustände, Kunst, Literatur usw. nicht kennt Doch wozu hier
n^h weiter reden? Es geoügt %jx kanatatieren^ da& dieser Vorschlag
liot VtrktnnuDg QQserf^fi Unterricbtaiitildä im Utittrr^jiLiu^t^iiim bedeutet.
CbeiflÜillg ist ea aucbi Nepos aU SliliHt<^ü mit einiget! der oben erwähnten
AfiAi^feii zu rergi«icheD.
üodi «iütge Betn^lkufigen über dia Lektüre in der IIL, weil man
» lUliiff Z«U wi«der mehr darüber hört. Düt Lubrplan ferlangt einige
lAss Mi K»i'ci? '"'^^^ -1 ^ü?r%lil aus Curtiui. Über diesen redet K.
\l 4 »f bätte eB doch auch tun müssen, da
^ > ejiardi&gs läßt «;r aicb nicht so leicht
Oiihi sAgeD, dafj dieser geschickte
3S8 2ar giieeb. wi latdB. Lektflre «b «ntereiB QjmxxuamoL VL
Naabafamer des lifto^ 4er cboMOWonif Bistoriker wie SIepM i»d nw
fiMtor ist, sick doek «di Cftr Tertimaer eifi«!, «em «ie dorth Bepoi
ia die IsMaieeke Lektfl» eingeftkrt «nd. Ali betoadert ^fumwoA eoMen er
meaclwB iBr deo Ükergaag vea Cii« ib hbrim (Bekelcia, Let. ÜBterr^
& 2051h 0. Weißenfeil erMftrte iha «deiit <H«Bdb.» 6. 274) eb ia
hcrromgendem Grade ftr ScMler jedee Altera geeigaet, aolMld «k dk
ersten SdiwierigfceiteB des Lateinlemens abereraBdea htttea. Vielfaek
werden alao bei ona nebat Viten det Nepoi ancb BfcftelEe mm dem eigiaaiee
Cortiaa geleian, esgeailieh tdkon eine Chreatommthie, daneben bMUBiaa
aoab bei ans die 6«rogale dee Nepoi tot.
Der Vortcblag, in der III. Hberitaopt eine Chreatomatfaie an leien,
ist ja nacb 1849 wiedetbolt gemacht, 1855 im Lefarplan beradniehtigt
and erst 1864 wieder fallen gehMsen worden. Wae die neaerten prenAitchen
Leiirplftne ToraehTeibeD, iat eben bemerkt Alle diete Cbreatomathien aber
haben natflriic/h mit der Ca nichts aa tan. Mag man nnn in der
in. Klasse des Ünterg3nnna8iams den C. Nepos in Aaswahl, mag nsn
eine Ghreatomathie leaen, jedenfans kann es sieh in dieser Klasse nur
am HisCorieeh-Biograpfaisches ans der Antike handeln. Dies hebt fMt ndt
denselben Worten schon Bonita herror in dieser Zeitschr. 1858, 8. ^.
Er beipiioht da einen Vorschlag P. Biepla, in der ÜI. Klasse des too
diesem ffir zweckmftDig erachteten dreiklassigen Üntergymnasiams eine
Ghrestomathia dceroniana (wie die Ton Friedmann) ta lesen, welche
„ BrsfihlvBgen Ton bertthmten i^nriscben nnd griechischen Mftonem esd
Völkern, Beschreibungen nnd Betracbtnngen über W^ nnd Katar, Über
•Geiat nnd Körper des Menschen, Ober Tagend nnd Laster, Gott and Uo-
sterblichkeit, Briefe asw. enthielte. «8prach- nnd Sachkenntnis* hatte
damals schon Biepl geechrieben „würde angleich aaf eine ebenso angeaehme
und abwecfaselBde als lehrreiche Welse Termehrt". Natürlich liandelt ei
sich hier am einen dreistofigen ünterbaa nnd am etwas Geordnetes sus
dem einen Cicero, also nm ein Eiern entarlmeh für die HI. Nichts anderes
als ein solches Elementarbacfa ans Kepos, Gortins asw. aar Einübang der
Kasns- and 8atslehre will nan nach mdir als 50 Jahren wieder Ant. Mtl-
fertheiBer (Gedanken and Vorschlftge sa einer leitgemlßen Beform des
han. Gymn., BrQnn 1906; rgl Pftdag. Zeit ?om S8. NoTember 1906) fb
d<e letate Klasse seines dreistofigen ünterbaaes des Lateiaanterrichtei;
4enB die eigentliche Lektlire soll erst in der IV. beginnen i), weil sie is
der ni. dnreh granmmtieche ErOrterangen ao beeintrftchtigt werde, dafi
sie nicht za ihrem Rechte kommen künne. Ich kann mich mit dieseo
Verschlügen ebensowenig einverstanden erkitren wie K. M(endl), der diese
Schrift in anseren „Mitteilongen der Vereine deatscher Mittelscfaallebrer*
IV 1, 8. 12 f. kara and gnt besprochen hat. Erstens wissen die Schfiler
'ven der I. nnd II. her aoriel aas der Bjntax, daß die Lektüre des Nepos
ohne besoBdere Dnochnahme derselben mOglicb ist (Mendl), aweitens kun
') Aach C. Wanderlieh (Progr. des Gymn. Teplits-SchOnaa 1901/2)
wiH die grammatische Vorbildnog der Schüler im Lateinischen mit der
lU. ahscbliei^en.
Zv giieoh. QBd ktain. LeMre an muenni Gjmnftiioiiu Uu 809
bd ditiar Loktfln das Spraehlicfae» das anf dieser Stufe fAr die fieblUer
ndi iatwinint iit» eben die giofie Bolle spielen, die es da spielen mni^,
drittens ist Nepoe inhaltlich so leicht, daß man von einem Verloste des
ZsMBnienhanges höchstens so viel nnd so wenig spftrt wie bei jeder
indem LeklAre. Weiter bedenteft anf dieeer 8tnfe die Unterbrechung durch
Bwhrers^Qrammstikstnnden im wesentlichen nicht viel mehr als die dercb
ose, dann ist der Nepoe, dieoee ,|Wahre Knabenbach* (Thiersch), ffir den
SeMkr anflehend (Mendl), endlidi wftrde man die Schwierigkeiten der
«n(M nsammonhingenden Lektftre, die man jetst bei Nepos Tcrhlltnis*
nIAig leicht überwindet, bei CAsar schwerer überwinden nnd die aiemlich
belsststs IIL würde dnreh den grammatischen Stoff, den Malfertheiner
ihr soweiat» nicht entlastet, wie er es wftaseht, sondern schwer belastet
(Mendl); da er nimlich dem Lateinnaterriehte in der L nnd IL je awei
atonden entueht, müAten dann, wenn die Cisarlaht&re ftberhaapt mOglieh
um sollte, die 6 Standen in der IIL dasselbe leisten, wie jetit die
4 Standen mdorLandlLanddied + S Standen in der IIX. nnd I?.
Nach dem Gesagten ist ee klar, daft ich aach den anf der lotsten
a-0. Dirsktoien-Konfeiona gemachten Vorschlag, an Stelle des Nepos
ttsf Chrestomathie ans Verschiedenen so leeen als Bdcl^ebr anf einen
gwade ?on ans Otterreichem flberwandenen Standpnnkt ansehen mnJ^
Doch maü bemerkt werdeo, da0 da eine Chrestomathie aas wirklieh guten
Isieiaisehen Stilisten Terlangt, Cicero allerdings als Schriftsteller tod
iveifelhaftem Bildongswerte beieichaet wird. Man mochte gern die Aatoren
kenocD, die anßer CAsar and Sallast, wenn der Gnade finden sollte, in
Betracht kimen; denn Lifias, der beibehalten wird, trotidem er ein
Yerehrer Ciceros war, soll erst in der VIL verstanden werden kOnnen. Die
Eriooerang an die Geschichte der Nepoalektflre in anserem Vaterlande hfttte
mische dieser Äaßerangen sorfickhalten kOnnen. Fr. Novotn/ sagt in
dieser Zeitschr. 1881, S. 211 ff.: «Es lassen sich wfthrend der Tcrflossenen
90 Jshre, die Bei teils als Schfller teils als Lehrer miterlebt hat, im
gsosen drei Abschnitte in Hinsicht auf die LateinlektOre in der lU.
vshmehmen . . . , . die Zeit des eigentlichen Nepoi, dann die Zeit der
Suicgate . . . nnd endlich die Zeit des „Tcrbeseerten* Nepos. Der eigent-
liche Grand dieser Sehwankangen nnd Versache liegt . . darin, daß man
etwa 1855 bei one die hie dahin allgemein gebranchten and im
Organisations-Entwarfe empfohlenen Vitae des C. Nepoe aU anpassend
ssd onsweckmiAig beseichnen sa mflssen glaabte, so daß hiefflr anfangs
die Hisioriae antiquae, spftter aber gegen die Mitte der 60er Jahre die
MemarMlia Alex. 3f. als Ersati fast allgemein in Gebranch kamen. . .
Die Neoxeit sOhnt sich allmJUilich mit Nepos wieder ans ond fflhrt ihn
uf den althergebrachten Sita sarüek. und daran tat man wahrlich nnr
Bedit; denn die Erfahrnng hat wohl nnn sattsam gelehrt, daß man eine
Ar den beieichneten Zweck entsprechendere Lel[tflre nnn einmal nicht
fladet*. So war man 1881 beim Tcrbesserten Nepos angelangt, bei dem
vir heote noch stehen. Jetst hat man die Erfahrangen, Ton denen Nof otn/
Hhiieb, f ergessen nnd sehnt sich, sie mit fthnlichen Sanogaten wie man
MlMkitft f. d. Srtvr. Ojau. ISSS» lY. Htfl. 24
870 Zar griech. und laieiii. Lektflre an uiseram GjnmuiiiiiL UL
feie seit 1655 ^) benfttite, wiedtr la machen; da« waren nimlich entweder
„Sammlangen ?on allerlei historiaelieD, mytliologieehen, moraliechen, bie-
graphiMhen Stacken, oft ans den mannigfachsten SchrlffesteUem mter
dem Namen ton Chrestomathien nsammeogelesen oder Saramlnngea voa
Ueineren Ganten ans ?«rschiedeiien SdiTiffcstellem besondeis mytho-
logischen oder historischen Inhaltes oder man ? ersnehte es endHeh au
Nepoi, lostitttts, Eatrop, Valer. Mazimas, Gisar, Lifins, Floras einen knnen
Abrifi der alten Geschichte xnsammensnstellen* (Vielhaber). Damsls schon
<1860) war man sa dem Besaltat gekommen: „Yergleieht man» was bisher
statt des Nepea geboten worde, mit Nepos selbst, so wird man imaer
wieder sagen mflssen, ftr die Bedürfnisse der Schale sei er immer nodi
besser als das, was ihn ersetsen soll** nnd diese Worte Yiolhabeis treffen
weU aneh die wi iUiMtreg, die Lhomond for mehr als 100 Jshres
lasanmengestellt nnd Holter 18S5 für devtache Schalen bearbeitst bat
(vgL O. Jiger, Lehrfc., S. iM)). Allerdings, da auch bei ans ein Teil der
Lehrer die Surrogate dem Nepos vonasiehen geneigt scheint» win ei
im Interesse der Freihsit wttnschenswert, wenn nnser Lehiplan (wie die
pveafiisehen Lebrpliae) nnr Hi8toriscfa*Biogr^>bisdies sa lesen vorsehii6b&
Im sweiten Abschnitte seiner Darlegungen spricht K. tiber Cicero
and Vergil. Der Standpunkt, den er in der Benrteilang Ciceroi ein-
nimmt, ist aber nicht mehr modern. Seit mehr als 15 Jahren UM lieh,
wie schon Oben bemerkt, „eine einmütige StrOmang in der neoeren
Forschang Ciceros Ehrenrettang angelegen sein* (H. Ziemer), man lieht
jetzt Cicero wieder mit gani anderen Aagen an als ein Heneehen-
alter Torher. Vergebens hat Friedr. Caaer (Ciceros politisches Denken,
1903) dieser Bewegung in der Wissenschaft Einhalt tun wollen. Von
den modernen Literarhistorikern ist es M. Scham, der noch einseitig
schlecht aber Cicero urteilt und „der gant offenbar Ton der Farcht be-
herrscht wird, durch ein Plus Ton Anerkennung unkritisch lu erscheinen,
und es daher lieber auf ein Minus ankommen Iftßt" (Zielineki, N. Jshrb.,
1906, I, S. 538). Aber man sieht bei Schani, welche MQhe er hat, lein
urteil aufrecht su erhalten. Nachdem er den Einfluß Drumanns ond
Mommsens auf die Beurteilang Ciceros konstatiert bat (S. 548), meint
er, man habe allen Grund diesen großen Kennern des Altertums die
Befähigung suzutrauen, fiber Cicero das rechte Wort lu finden, ds sie
UnTergftngliche Meisterwerke geschaffen h&tten, und es ist ihm ein be-
deutsamss Moment, daß Drumann und Mommsen tibereinstimmten. Dem
kann man aber jetzt ebenfalls die Übereinstimmung der Urteile großer
Kenner entgegengehalten. Die neueren Darstellungen, behauptet Scbaoi
ganz einfach, seien panegyrisch und enthielten Übertreibungen. Nqd
wissen wir aber nicht erst fon Cicero her^ daß bei Mommsen nnd
^) In dieser Zeitschr. 1855, S. 195 bemerkt L. Jnsit: »Daß C. Nepos
fflr die III. Klasse ganz passend sei, wird wohl niemand in Abrede stelleo.
damit aber einem möglichen Überdrosse .... Torgebeui?t werde, bat die
hohe ScfaulbehOrde in einem jftngsten Erlasse eine passende Chrestomathie
aus leichteren Historikern zur Sebenlektflre empfshleo"«
»In M. T. C gipfelt die Ent«
wieklaagdetrOmiicheiiKanetp
p r 0 ■ a, obwohl wir Bclion onter Minen
ZeitgenoMon gante Sehriftateller-
Uaseen kennen, die deh mehr oder
weniger (!) bewufit, wie i. B. aoeh
C&iar, Ton ihm abgekehrt, ja
■eine literarische Bedentang effen
bekämpft haben.
Zar grieeh. und latcin. Lekt&re an oneerem Q/mnaeiam. XZ. 371
üniDian einseitige Urteile in finden find» and in jenen neueren Dar*
itdlaogen über Cicero ist der Beweis erbracht, dafi heate ton ihm nicht
nefar das gelten kann, wodurch jene groiton Gelehrten solange die Meinaog
bshenschten. Die Wissenschaft schreitet eben fort and wollten wir onseren
Uhrplan mit dem Fortschritte der philologischen Wissenschaft in diesem
Punkts TOllig in Einklang bringen, so mtlfitsn wir die Cicerolektflre an
oBserem Gymnasiom erweitern.
um so sonderbarer ist es, daß sich Eaknla heate noch in der Be-
■tdlng Cioetos an Scham hilt and die Danteilnngen Ed. Nordens and
Lsoi Bsr besfttit» wb eine der Absicht dieser Forseher gerade entgegen-
IsMtste Wizknng in eiaifllen. VeigleidieB wir lanlchst mit dem Eingange
üt fiterar^histoijscbsn Wirdigong Ciceros bei Leo (Koltor 1 8, S. 382 f.)
4ie Wofte» mit denen K. Aber Cicero in reden beginnt:
Leo: E.:
.Während ..., gipfelt in M.
T. Cicero die Entwicklang, die
der römische Geist aaf literari-
Bcben Wegen and in der knnetp
■JUtigen GesUltnng seiner Sprache
tmenmien hat Cäsar selbst
nannte ihn in seinem Bache Aber
die Isteiaische Sprache den Führer
lad Entdecker anf diesem Gebiet;
ditZeitgenoisen sahen in ihm
ifsr nicht» wie er gewflnscht hätte,
iär poUtischas, aber ihr geistiges
Oberhanpt nnd nmgaben ihn
mit einer Yerehrnng» die den
getebeiterten Staatsmann in der
letsten Katastrophe der Bepablik an
die Spitse des Senates rief. In den
nkbsten eeneratfoneii war seine
litecarische Bedentang bettritten,
tber et wirkt« nnmiltelbar fort
Bad rangnieh durch; etwaandert-
bslb Jahrhonderte nach seinem Tode
begann er dio Schale in beherr>
sehen and wnr von da an das Hanpt
der lAmiKheo Bildnng nnd ihrer
Piepagnnda. Duck die Benaissance
vnrde er wieder eine Macht and
blieb es aof allen Gebieten der
eorepäisehen Enitar von der
BehalebiesadenParlamenten.
Kein Zeitalter hat seine Schwächen
Terkannt, so wenig es sein eigenes
Zeltalter tat ; am schärfsten erkannten
24*
Trotsdem wirkte er fort and
rang sich alsbald sar Herrschaft
Aber die Sehale nnd damit za
einer diktatorischen Macht hin-
dnrch (!), die wir dnrchs gante
Mittelalter nnd dnrch die Keaseit
aaf allen Gebieten enropäi-
scher Kaitor, ?on der Scholz
bank bis in die Parlamente and
anf die Kanseln der Kirche sa Tcr-
folgen imstande sind.
372 Znt griaeh. o&d latein. Lektflie «n noMrem OTmaMiom. IX.
lie einige von denen, die ihn am
enteehiedenifeen rar Geltung bnehten
wie Petimre». Aber eoiange man die
Alten Im, nm ein peraOnliehee Ver*
hiltsii ra ihnen la gewinnen und
in pflegen, ..hob der Eindrnek
des GeBamtbildei ... über An-
itol^ nnd Bedenken fort
Erst im XIX. Jahrhandert,
ala die hiitoritohe Foriohnng
die Teilnng der philologiachea
Arbeit herbeiftfarte, wurde f&r den
eintelnen dai einielne mm
bloßen MateriaL Nun iah der
Hiatorikor der poUtliehen Geeehiehte
nur den Staatemann Gieero und fand
es nnertrAglieh, daft ein politieoher
Sehwiehling die Wege Ciean
kreuste: der Hiitoriker der Philo-
•ophie nor den Philoeophen, der
seine Vorlagen miAveratand;
der Interpret nur den Advokaten,
der es mit der Wahrheit nieht
genau nahm; und die vertrauten
Briefe an den Freund bewiesen die
Haltlosigkeit einer sehwan-
kenden Seele. Seitdem hat die
V e r wu n d e n d e, wie es in derWissen-
schaft die Regel ist, b e gönn e n sich
an ihr Geschäft der Heilung su
machen and das Bild des Ganiea
wieder hersustellen. Wir haben ge-
lernt, was wenigstens die Engländer
nie beiweifelt haben, da0 auch der
Staatsmann paktieren darf; wir sehen,
da& Drumann mit Giceros
intimer Eorrespondeni einen
sohnOdenMißbrauchgetrieben
hat Wir feistehen, daä die philo«
Bophischen und rhetorischen Schriften
Erst das XIX Jahrhundert
ftellte dcfa Gioero kfthler gegeaflber:
dank nnaenr gelehrten Fondmig
finden wir in Um nieht mehr des
Idealbild männlioher Wflrde, eonden
erkannten ihn aus seinen Staatstedas
als Schwächling,
aus seinen philoeophiadMn Sdnifkae
ala Kompilator*^) (?gL SAbbs,
8. 848)
«aus seinen Plaidoyen ala AdTO-
katen« (vgl. Schani, 8. 884), «der
es mit Wahr heit nnd KonseqoeBi
nicht genau nahm, aus isiieB
Briefen als einen Mann mit
wankelmütiger Saale* (TgL
Schani, S. 804).
»Wir haben freilich nicht minder
gelernt, mit Urins bei Sen. nsi.
6, 22 ^virtuiibui viHa petwmUi'
Ton diesen irdischen Schwächea sb-
susehen, dem unglfieklichen, reiek
begabten Menschen, der sich sekvl-
eher erwies als sein polit. Wollen «sd
Können (!) >) unser rolles histor., lite-
rarisches, psychologisches IntsrsNe
*) „Wer Cicero hier (in den philosophischen Schriften) nnselbstisdig
schilt, wiederholt entweder Terständnisfos eine von auäen sageflogene
Phrase oder er Tcrkennt den Unterschied swischen der bloäen Selbständig-
keit und der schöpferischen Kraft** (Zielinski, Gieero i. Wandel d. J., a21).
■) Soll das etwa dasselbe besagen wie Leos Worte (a SSS): »Ds^
er seine Taten aberscbätite und an seiner Kraft meist ▼enweifelte, eh«
er sie erprobt hatte"?
Zu grieeb. md lateiiu Lektttrt an iiiiiamii GjmnaaiQtD. IX. 373
fdemtikeoPnMa» ratQwoideB, und je mehr feine
knit alt Kinelwerke Tentaaden, ethieehe Wertmig lank, desto
dift die liteimrieehe Bedevtang der objektifer leine Beden und Sehriften
Bede gewürdigt werden mnft; wir naeh ihrer formellen Seite als
Twstohen, was es bedeutet» der Voll* Knnstwerke von gaat beispielloser
esder der Spiaeke seines Volkes in Wirkung in würdigen :* wir ferstdien,
MB, ainsa Volkes, das mit seiner was es bedentet .... knltiTiert hat'
Spnche die westliehe Welt knltifieit (Leo, E. I 8, 8. 883)».
kaf . (Alle diese Stellen sehUeften nnmit-
telbar aneinander an.)
Bei Leo also der Standpunkt, den die moderne phüologisch-histo-
riiche Wissenichafl einnimmt, bei K. ein Zerrbild der Worte Leos; denn
WM sieht stimmt, ist nicht in billigen. Wenn das eine Polemik gegen
Leo lein soll, der ja am Schiasse wOrtlich angeführt wird, dann ist sie
Ulglieh ausgefallen. Wie C&sar über den Schriftsteller Cicero georteilt
hit, seigt anch die fon Norden (Knnstpr., 8. 209) angefahrte Stelle aas
Pünios Eist nat VII 117: *8älve primus omnium parens patriae
appeUate (Cicero), primus in toga triumphum linguaeque lauream
merite et faeundiae Latiarumque litterarum parens atque, ut dictator
(kesar hosiis quandam tuus de te scripsit, omnium triumphorum laurea
maior. quanto plus est ingenii Somani terminos in tantum promovisse
qmm imperii^. Da0 C&sar die Art Gieeros ansympathisch war, mag
Bia ?ermaten (Norden, S. 209), Wie sich die Zeitgenossen gegen
lletro verhielten, steht bei Leo. Was bedeatete aber die Abkehr oder
B«kimpfang der ,»ganien Schriffcstellerklassen'* (das sollen wohl die
rhetores latini and die Attikisten sein) anter den Zeitgenossen? Von
dieMB sagt doch aach Ed. Norden (Ennstpr., S. 213) mit Becht, nar
veaige bitten ihn, der als «KOnig in den Gerichten" gepriesen wurde,
in tesdeniiOser Weise tn Terkleinem gewagt. Darchs ganse Hittelalter
können wir die diktatorische Macht Ciceros nicht ▼erfolgen, erst darch
die Benaissance wurde er eben wieder eine Macht; denn im Mittelalter
vnrde er .mehr gepriesen als gelesen, die Lektttre seiner Werke schrampfte
eia* (Sehajis), wenn er auch in der Zeit selbst die „inkarnierte Bered-
simkeit* blieb, «als man seine Beden kaom mehr las nnd einen Stil schrieb,
den der Oefeierte selbst nicht mehr verstanden hfttte" (Norden). Dann
jenes: «Dank unserer gelehrten Forschung finden wir", wo „wir" wegen
des Torausgehenden «unser" soviel wie «man" bedeuten mnl^! Wir, d. h.
man findet beute, was eben bei Leo steht Ciceros ethische Wertung
i«l nicht gesnakea, sondern gestiegen, weil man doch «den schnöden
ICftbiaash" Oramanns erkannt hat Daß man endlieh Ciceros Sehriften
^) Wie Norden die Stelle litiert, soll C&sar den Cicero apostrophiert
biben mit den Worten: omnium tr. lauream adept%u es maiorem^ guanto
plfu est..,. imperU; darin findet Norden eine leise Ironie. Die Worte
9MHito . . . unperü gehören aber doch dem Plinios und in der Apostrophe
omhimi tr. lamrea wuUar hat der Alters Plinius wenigstens keine Ironie
gefanden.
374 Zar grieeb. and UteiD. Lekt&re an «oserem GTamanom. IX.
Biebt nor oMh ihrer formellen Seite ftli Knnetweike n iHbdigeo
gelernt bat, seigt wieder Leo durch dae, was er tos den Werken
«Aber den Bedner^ «über den Staat** oder von dem L Bneh der Tnskn-
laviscben Oeepriebe (S. 335 f.) sagt. K. encht nni einen Teralteten Stand-
punkt all modern anfsoreden nnd will Ton dem heutigen niehti winen;
denn Leoe Daretellnng kennt er, wenn ei ihm anck entgangen sein
loUte, daß Wilamowiti eben Cicero im Mittelponkte dee Latein-
nnterricbtet in sehen wfinacht Birt bemerkt in einer BeBpnchanK
des ansgeseiebneten Vortrages Zielinskis »Cicero im Wandel der Jahr-
handerte*' (Tgl. Lehrpr. a. L. 75 [1903], 8. 84), längst abgebranchte
Phrasen über Cicero seien dnrcb Zielinski außer Kars gesetit. Hier bei
K. begegnen sie leider wieder, und nun gar, was über Cicero in der
Schale an das urteil Leos angeschlossen wird ! „Wir sollten doch", ssgt
K., „die Ffthigkeit sa so abgeklärter Distinktion and so reifem urteile
nicht schon bei unseren Sextanern nnd Septimanem Toranssetzen" —
daram sollen sie ihn nach seinem später su würdigenden Vorachltg um
6 Wochen weniger genießen — „und heutzutage, da der Kaltas der
lateinischen Bede als solcher mit Tollem Rechte gegenüber der Pflege
der Mattersprache und eigenen i) Nationalliteratar in den Hintergrund
getreten ist, Cicero überhaupt dem Bereiche unreifer Septimaner-
urteile tunlichst entrücken. Sein nachdrückliches Stadium
gehört in die philologischen Hürsäle und Seminarien der
TJniTersität, nicht mehr in die Mittelschule.*' Soll am Ende das
urteil gewisser Schüler über Cicero su fürchten sein? „Das Sekundaner-
urteil sollte in der Diskussion über den Schatten Ciceros minder hOrbar
sein**, sagt allerdings Leo (S. 389). Wenn aber K. etwa darauf anspielen
wollte, so müßte man sagen, daß er mißTerstanden bat, wss Leo mit
dem Sekundanerarteil meint „Der Name Cicero ist in aller Munde; und
so klein das Häuflein derer ist, die ihn ans eigener Anschanang kennen.
so sahireich sind jene, die ihn zu kennen vermeinen. Dieses Termeintlicbe
Wissen aber ist weit ftrger als TOUige Unwissenheit' (Zielinski, Cicero
i. W., S. 3). Wir brauchen nicht zu fürchten, daß die Schüler Cicero
falsch beurteilen, wenn wir uns nur selbst bemühen, ihn richtig zn be-
urteilen, d. h. ihn kennen zu lernen. Daß wir aber Cicero dem Bereicbe
unreifer Urteile aus dem Grande „tanlichBt<* entrücken sollten, weil der
Koitus der lateinischen Bede als solcher in den Hintergrund getreten
sei, will mir schon gar nicht einleuchten. Vor unreifen Urteilen ist Cicero
nirgends sicher.
Gegen Cicero in der iScbule spricht nach K., abgesehen foa der
Schwierigkeit, ihn ganz zu feistehen und auf Grund dieses Verstäadnissei
zu genießen, noch Tiel dringender ein anderer Umstand, nämlich «die
Wortfülle , von der sich Cicero nie losmachen konnte** (Schanz, S. 285).
*) Aufklärung für diese Ausdmcksweite gibt Schanz, bei dem (8.848)
za lesen ist : „Heutsutage, wo der Koitus der lateinischen Bede gegcatiber
den entwickelten Nationalliteraturen in den Hintergrund getreten
ist, muß Cicero als eine gefallene GrOße angesehen werden**.
Zur grieeh. und latein. Lektflr« an imserem QjmnMiaBi. IX. 37&
£Btwed6r bftlt man sieh aa Leo und Norden oder an Sohani, am beetes
aUerdingf an Cieero. Wer naeh den Darlegingen Nordeni and Leoi in
Gieefo den Vollender der lateiniedien Sprache sieht nnd in seinen Beden
Bod Sehriften Knnftwerke von heiipielloser Wirkung naeh ihrer formellen
Sstte anerkennt, der darf Cioero nicht wieder mit Scham den von Norden
(S. 218 ff.) gründlich lurflckgewieaenen Vormirf des Aeianismos machen^
Wer wollte nicht ngoben, daß „in den Beden, die Cicero anf der
Höhe dos KOnneae Migen, eine itarke rednerische Ansachmflcknng eines
Sattes nie einem hanalen Gedanken gilt, daß sich fielmehr nach darin
Mine Ennst loigt, wenn er Lieht nnd Schatten in so meisterhafter Weise
M Terteiktt weift, daß das Game sich sn einem farbenprichtigen Gemilde
gestaltet« (Norden, 8. 216). Cieero hat eben gerade die Wortf&Ue, die
ika den BOmem als größten KOnstler erscheinen ließ, welcher die Mitte
hielt iwischen allen Eitremen. Wer Ciceros Stil vom deutschen Sprach-
geiite ans benrteilt, mit dem kann man ▼emftnftigerweise nicht reden.
Cieero, erklärt K., sei durch Nachahmer wie Wieland und Lessing unser
StUbildner geworden, „mit seinen überladenen Perioden aber, in denen
mehr auf den Glani als anf den Sinn gesehen wird und die Worte oft
ovr Äußerlicher Abrundung dienen, mit seiner H&ufuDg Ton Figuren,
leneD Sata^rhythmus, der allm&hlich sum wichtigsten Kriterium guten
8kili erhoben wurde, und all dem echt romanischen Prunk seiner Bede
mde er logleich unser Stilferderber*, fährt er dann fort Er hat iwar
behauptet, wir hätten, also auch er hätte gelernt „objektiv lu wttrdigen'',
tr yerttehe mit Leo, was es bedeute usw., aber aus dem, was er da sagt,
geht herfor, daß er das nicht gelernt hat und nicht Tersteht
Die Auswüchse, in denen ein schlecht geübter Ciceronianismua
geführt habe, künne der deutsche Stil B. G. Niebnhrs zeigen. Und K.
ftkrt einen Sati aus dem »Brief an einen jungen Philologen* an^ so dem
tise Periode aus pro lege Man, I 2 das lateinische (Gegenstück bilde.
Aach Stnrra mßge man bei dieser Gelegenheit den Schülern nennen, der
die Kunst des lateinischen Periodenbaues in seine Muttersprache über*
tngen in sehen wümchte. Er, K., kOnne schließlich das Geatändnis nicht
ODterdrücken, daß diejenigen Beden und philosophischen Schriften Ciceros,
die mit Vorliebe am Gymnaeium gelesen würden {de imp. Cn. Pomp., in
Catü. — eine dieser Beden empfiehlt er selbst — , pro Ärchia; Cato
Motor, Laelku), für unsere Jugendbildnng wenig Wert beiitsen nnd als
Produkte eines um Tüllig entfremdeten, mit Becht perhorrestSorten Stil-
ond Kunstgeschmackes ihre Berechtigung im öffentlichen Unterrichte der
Mittelschule inm grüßten Teile eingebüßt haben. „Kumt, nicht Kün-
stelei", ruft er hier wieder wie in dieser Zeitschr. 1905, S. 820, ^ifft uTtters
Ptrole, Tatsachen verlangen wir, nicht Phrasen nnd in der Scha\& wie
im Leben dürsten wir nach solider, glaubhafter Natürlichkeit, naeb form-
▼oUeadeten Beichtum des Inhaltes, nicht bloß nach gleißendem Prook
dei Gewaados". Auch wir. Und darum lesen wir Cicero eben wegen
des leiehen Inhaltes, der in Tollendeter Form geboten wird. T
Cieero «entwickelte sich sum soureränen Künstler, der eine
hOchiten Anforderungen aller Kunst, Licht und Schatten riebt
g76 Zur griaeb. und Ifttoin. LekMra aa anterem GTiiuatioin. IX.
r^USltn und gemde die grellen, auf die Geftfalnierreii beaondfln ttuk
wirkenden Farben nur spart am aaiowendeii, mit foUendeter Meiiter-
icbafk erfttUt", er bat ferner «sein Naturell gebindigt . . . nidit, indem er
lieh dem lebentlosen, •obolaetiiehen Attidemnt in die Arne «arf» lendem
indem er die genialen Kfthnbeiten seines feurigen Tempexnmentee dnch
die strenge FormensebOnheit, die er Tor allen an Demoetbenes studierte
ned durch die unit erselle hellenieehe Bildung Teredelte und alles fu einem
banDoniscben Qanien terband. Gerade durch dieee Mbetraebt ist er
der Bedner geworden, der besser als die anderen gebracht hat nicht
bloß, was seine eigene Zeit sncbte, sondern aach, was bei den strengea
Eunstriditem der folgenden Generationen Begeistening herronrief; und
was die Probe auf die Ewigkeit so gewift bestehen wird« als der nach*
empfindende Sinn für großartige Formenschßnbeit der Sprache nie ans-
sterben wird —'^ (Nbrdeu, S. 288 f.). Daß die Perioden des Redners nsch
lateinischem Sprachgeiste überladen sind, hat K. gegen Norden eiil
SU beweisen. Hag aber einst Cicero ron einigen so gekannt worden sho,
daß er Einfluß nahm auf ihr Deutsch und so ihren Stil Terdarb, wer
spricht heute Ton diesen Zeiten, die Ißngst Tergangen sind? If^e ksan
Cicero bei der insbesondere an unserem Gymnasium so beeehrlakteD
LektOre eines Scbfilers Stil Terderben? Mag also der Stil Niebubis and
anderer unter dem Ciceronianismus gelitten haben i), mag die Ton K. ab
Beispiel angefflhrte Periode dieses Gelehrten schlecht sdn, ist dsmit am
Ende gar etwas gegen die Periode in der Fcnnpeiana gesagt? Das wire
allerdings ein gUaiendee Zeichen tiefen Eindiingens in den Geist der
lateinischen Sprache, wenn wir Ciceros Perioden Terbesserungsbedflrftig
fftnden, weil sie sich Ton unseren unterscheiden!
Die Ton K. angeffthrten Schriften, welche besonders hinfig tob
den Lehrern vorgeschlagen werden» scheinen diesen eben beeonderea Werk
zu besitsen. Welchen Wert sie haben, ist oft genug geseigt worden; war
aber diesen Wert leugnet, muß Gründe für dieses absprechende üitifl
anführen, denn auch andere Terlangen Tatsachen, nidit Phrasen. ObiigiBi
ist es doch ein Irrtum su glauben, Ciceros Wert fttr die JugendbUdos^
liege bloß in der Form. Selbstrerst&ndlicb richtet sich die Auswahl aaeh
dem Inhalte. «Wir kennen alle noch die Zeit", sagt H. Ziemer (Jabrb.
1888, VI 80), „wo es lum guten Ton gehörte, Cicero als Charakter wie
als Schriftsteller herabsusctsen, ihn als eitlen Menschen, übeipathetiscbea
Rhetor sn beieichnen. Die Schriften Ton Aly (Denerling), Schneidewin,
O. Weißenfels und Zielinski lassen es unsweifelhalt, daß Cicero einer der
▼ielseitigsten und wirksamsten Schxiffesteller ist, dessen Gedanken
0 Erscheint er wirklich Tiel schlechter als der Stil mancher in der
Gegenwart mit dem immer wiederkehrenden, gewöhnlich noch scblacbt
angewendeten »gans and ?oll, mehr oder weniger, im einseinen und im
gansen, außen und innen, kann und soll, darf und muß, entbehrlieh ssd
ttberflOssig usw.*, Wörtern wie „allenthalben, nachgerade, tielbewoßtr
henhaft, treffsicher usw.'*, die durch fortwfthrende Wiederholung so liiüg
werden, mit den geschmacklosen Bildern und Übertreibungen, mit den
sablreicben Fremdwörtern, uoi ?on Periodenbildung and logischem Zo-
sammenhange su echwcigen.
Huidbibliotheken fflr Mittelacliftler. 377
«■es Kftt«ebisfli«t der «ntiken Hauftnitit dAntellen. und wenn
ff tMh die SelniUateia niekt mehr als aoüehlieftUehee Vorbild bebenreebti
van MMb aein Stil niebt mebr wie Mber in Komposition and Imitation
mltet, 10 dxingt man nm so mebr auf Bffbfinnir ^o* Inbaltei der
Sehriftoi dieeee Typne antiker Bildnng''. Inibeeondera der Vortrag Fr.
Alj! .Über die Bedentong Cieeroe fflr dae bnmaniitiBdie Gymnaeinm*,
d«MB Erwibanng bei K. mit Beebt Ton AJty rermiftt wird, nnd die daran
KUi«ft6nde Debatte in Marbnrg am 84. Mai 1904 (Hnm. Gymn. 1904,
8. 189 ir.) haben die Bedentnng der Schriften Cieeroe für die Sehnle eben
eigen ibree Inbaltee ine bellete Lieht geeetit. Hier wnrde ron allen
Sdtea betont, daft Giceio anter allen lateinieeben Antoren die Sebfller
im Tieleeitigeten m beeeh&ftigen rermOge nnd die bette Qelegenbeit
gebe, sie mit dem rOmiseben Leben nnd einem ansebnlieben Teile des
gDeebiteben Altertnme bekannt an maebeni ja, daft er Tonttglieb geeignet
iii, in dae geschiebtliehe nnd pelitisebe Veretindnii flberbanpt einsnfllbren.
«Dm gaase rOmieohe Leben seiner Zeit*, heiftt ee treffend aneh in dem
Bsehe der Homeffer (Dae klass. Ideal, 8. 96), «geht an den Angen des
Lesen (Cieeroe) rorllber, Krieg Frieden, Haaptetadt Profinsen, Ganner
ekrliehe Lente, Charaktere Schicksale, b&asliehes Öffentliches, Beise-
Beamtenleben, allee scharf charakterisiert, lenchtend dargestellt*. Daft
bd Cicero hente «dae sachliche Interesse obenan steht* (Kflbler), ist
uMtalich nnd jeder, der dae Latein um des «wirklich Realen* willen
getrieben haben will, wie s. B. aneh K., mnft gerade diesen Autor pflegen.
(Fortsetiang folgt.)
Wien. Dr. Friedrieb Ladek.
Handbibliotheken für Mittelschüler.
Die Seblklerbibliotheken bieten oneerer Jogend reichliche Gelegen*
keil, ihr Wiesen in Tcrtiefen and ihren geietigen Horisont an erweitem.
Wir all% sieht am wenigsten die Lehrer des Dentochen, wünschen eine
nebt fleiftige und TeretAndlge Lektflre gerade der in diese Bibliothek
aiiigsnemmenen Bücher nnd ee iet dalttr geeoigt, daft jeder Schüler das
gevlhlte Bach entspreehend lang benfltsen kann.
Hnn eind aber doch aneh Bftcher eingestellt, die der Schiller in
der Zeit, die ihm snr Verfflgnng steht, sweifdlos nicht lesen kann, ja
aoeh solche, die man (Iberliaapt nicht liest, sondern je nach Bedtlrfnis
nr Hand nimmt. Ich denke bei dem Qeeagten an grOftere Literatnr-
gsecbiehteB nnd etwa Bflchmanne «Qeflflgelte Worte*. Wae hat der
SefaUsr daTon, wenn er sieh eine literatorgescbichte anf Tienehn Tage
oder selbst anf ein Monat nach Hanse trägt? Ich will nicht sagen, daft
ein Darehlesen anf der obersten Stnfe gans ohne jeden Wert ist, denn
geseabhen Ton der Wiederholnng mag s. B. dieeee oder jenee poetische
Werk in einer anderen Beleaehtnng erscheinen, als diee im Unterrichte
der Fall wsr. Der Schaler greift snr Literatnrgeeehichfce aber anmeiet
378 Haidbibliotheken für Mittelseh«ler.
doch nur» um lieh Aber «ibmi einselnen Diehtar» eine Gnipp« oder
Periode genauer in nnteniebten» lei et im ABtcbloate an den Untorriebt
oder die bätsliehe LektAre. Hat er das getan, dann trigter m» inrAek,
um lie bei nichster Gelegenheit wieder in holen, wenn sie nicht dann
gerade ein anderer entlehnt hat, der ihr Tielleieht nnr eine knne Notii
fttr einen AnÜBats oder eine Bedeflbnng entnehmen wilL Oder das andere
BeitpieL Der Sehfller will in seiner Haasarbeit ein Zitat bringen; er
weifi die enrten Worte, aber nidbt das Gänse, er weiA sieh nicht so er-
innern, woher es stammt, oder wenn er es weiß, er betitit den ]>iebter
nicht — er bittet bei der Bücherrerteilang am den Bttchmann and er-
hftlt die Aaskanft, daft er aasgeliehen ist. Es ist nnn jedenfalls kein
Unglflck, wenn das Zitat den Anfsats nicht Bchmflckt, aber dem jongen
Manne bitte es doch eine Frende gemacht. Diese rerdorbene Freude
ist es, die mich bedaaem ließe, daß er seinen Bdcbmann nicht eiDsehen
konnte. Und so geht es denn aaeh noch mit anderem. Bs ist gewiß
nfltslieb, wenn die Sehfller Gasta? Froytags «Tedinik des Draati''
dareharbeiten. Ich nehme an, es seien in einer Klasse Tiersig Sdiflier
und in der Bibliothek fflnf Exemplare dieses Werkes (eine Zahl, die in
Wirklichkeit nicht Torhanden sein dflifte). Unter dieser Annahme kßnute
jeder Freytags „Technik" f&nf Wochen lang benfltsen. Man wird mir
sageben, daß diese Zeit nicht aasreichend ist Und weiter muß auch
derjenige, der das Bach einmal mit Muße darchgearbeitet hat, ßftan
etwas darin wieder nachlesen. Bedenken wir, daß die Sehfller allerlei
lesen, so ergeben sich noch andere Bedflrfnisse. Da stößt einer auf ein
Fremdwort, das ihm nicht geläufig ist, oder aach ein deutsches Wort,
das er noch nie gehört hat« Soll er einfach darflber weglesen? E<
mag wohl oft geschehen, ja sehr oft; erfreulich ist das nicht, aber be-
greiflich. Denn wenn die Eltern oder andere dem Sehfller Nahesteheode
keine Auskunft geben kOnnen and weder ein FremdwOrterbneh noek ein
deatsches Wörterbuch im Haase ist, was bleibt schließlich anderes flbrig!
Wie schon wäre es da, wenn irgendwo ein größeres deutsches Wörterboeh
and ein Fremdwörterbach, etwa Heyne and Heyse, die Aber die Bedentaag
des Wortes und sugleich auch flber seine Herkunft, Verwandtschaft o. t.
unterrichten, bequem sug&nglieh wftre. Wollen wir schließlieh ancfa noch
die schriftlichen Arbeiten in Betracht sieben. Da es dem Lehrer einfseh
unmöglich ist, bei der Bflekgabe der Aufsätse jeden einseinen su be-
sprechen, so Tcrbessern die Sehfller stiliftische Fehler häufig anfi Gertte-
wobl. Sie selbst lernen dabei natflriich nichts und der Lehrer hat mit
der Durchsieht der »Verbesserungen^ die doppelte Arbeit Wäre den
Schfllern z. B. der „Deutsche Sprachbort" tou Heintse ingänglicfa, »
wäre Tielfach beides ?ermieden. Ein Lehrbuch der Stilistik wflrde glaieb^
falls gute Dienste tun, da wir diesen Gegenstand ohn^in nicht
matisch durchnehmen, und endlich könnten Wustmanns »Sprach
heiten'' Nutsen bringen, wenn auch darflber ein paar welcher
▼erleren gingen. Das wäre su Terschmersen.
Das Gesagte l&aft darauf hinaus, daß der Sehfller
wenn auch nicht immer, so doch möglichst oft?erw
Haadbibliolheken fttr Mittelichttler. 379
md ich hmbe hier einige genannt, die den Betrieb dee devtsefaen ünter-
richtei fordern lowie den SchlUern die Arbeit anf eine durehane tn-
linige Weise erleiehtem konnten. Elasiiiche nnd moderne Philologen,
Historiker, Natnrhiatoiiker nsw. wflßten auch ihrerseits Bfleher sn nennen,
die die Kenntniaee der Sdifller in ihren Fächern sn erweitem geeignet
wiren. £in KonrersationBlexikon, nn diea nebenbei so bemerken, habe
ich mit gntem Grande nicht genannt. Die Ansehaffong der Bfleher, die
i«b for Angen habe, wftre meiner Heinong nach anch im Laufe der Jahre
Dv sehr wenigen mOglieh. Einselnes wird man ja gewiß in manchen
Hiosem finden können, aber ebenso gewü^ in vielen gar nichts. Wie
aber, wenn die Schale sie allen als eine kleine Handbibliothek in gieidier
Weise sn beqnemer Bentltsnng snr Verfflgnng stellte?
Der hier ansgesproehene Gedanke ist — woranf mich Herr Hof-
rst Dr. J. Hnemer anfmerksam machte — an dem der Ldtnng des
Herrn Direktor Dr. Alex. Bosoll ontentehenden n.-5. Landes-Real- nnd
Obergymnasinm ^) in St Polten im großen nnd gansen bereits realieiert,
wie lieh ans dem folgenden ergeben wird. Während ich den Schülern
die Erweitemng ihrer Kenntnisse darch beqaemes Zogftnglichmachen Tor-
Khiedener Bfleher ermöglicht sehen möchte, sind die dortigen Ein-
richtaagen ihrer Erholnng, Unterhaltung nnd ihrem Vergnflgen ge-
widmet. Beides Iftßt sich jedoch ?erbinden.
Den gfltigen Hitteilnngen des Herrn Prof. Dr. A. Schmidt ent-
lebme ich, daß an der genannten Anstalt ein eigenes Lese- nnd Spiel-
nmmer eingerichtet ist fflr die Großen and die Kleinen. In diesem
Zimmer stehen lange, breite Tische in xwei Beihen mit Stflhlen.
Die Winde sind mit Bildern geschmflckt. Gespielt wird Schach, Salta,
Hslma, Domino n. a., also Spiele, wodurch die Lesenden darch Klopfen,
Unten o. dgL nicht gestört werden. Wo es möglich ist, wäre alier-
diBfs die Einriehtnng eines eigenen Spielsimroers und eines damit rer-
bnndenen Lesesimmers so empfehlen. Die Bibliothek enthftlt Pracht-
werke, namentlich patriotischen nnd kflnstieriscben Inhalts, so Kaiser
Praoi Josef, ötterr. Fflrstenbooh, Österr.-ongar. Monarchie, Alpine 3fa-
jeiUton, belletnttische Zeitschriften mit Illostrationen, kleine Norellen
ud Bnihlangen, die sich in knrzer Zeit lesen lassen. Es branchten also
BOT die Ton mir oben genannten Bfleher eingestellt sn werden. Einiges,
wie Literatorge^chiebtefTf ßüchmannj Frejtags «Techoik"« iil da und
wechselt nnr leiü^o Plati^ and er es ksoDt da es sieh nFeht nm groö«
Semmen handelt, aoi den HUHtelu der SchQIerbibliotbek f(ürin]^5sidc
Mit der Zeit konnte »cb daui] aber sQcb ^ xtm
ni sprechen — darch ÄDicba^ang Fon Werken ^U^
fttlas lor Geschiebte der deotscben Ki^t
BahestAtten nnd Denkmiter nnserer dentsclKL .
Eise Biographie in Bildnistei], JSebiUer. £i»«_
B* dgl. das AngenehiBe mit dem NfltaUthto
') Von LebrerAenjipar«!! oiAfir
wegen ganz abeelien
4
880 Handbibliotheken fti M ittdaehfller.
Dm Lese* nnd 8|deliiinniflr in 8t. P5lton ist wihrend der nuihen
Jfthreeieit an Sonn- nnd Feiertagen Ittr die Sebfller des üntergymnaiiiuDi
Ton 8-^ übr nnd naeh einer Panee (imn Lüften) fon 5-*7 ühr fttr die
dee Obergfjmnaiianii geOibet. Die SehlUer haben aieh am Vortage in
der DixeMonakanilei an melden. Berflekiiehtigt werden in enter Linie
die aoBwiitigen Sehfller, die in Koithinaem an wohnen getwnngen eind,
nnd Ton den OrtaangehOrigen wie billig die SOhne ans inneren Fa-
milien. Über jede AbteUnng fahrt ein Mitglied dea Lefaridtrpen die
Aofneht nnd tlberwaoht die Ana- nnd Btekgabe der Bfleher nnd Spiele.
Da dieae Einriehtnngen daan da aind« am den Sehfilem nnter der
Anfrieht der Lehrer ein anm Teil gemeinaamee Tergnflgen gewfthrai,
also gewiBsermaßen während dea Wintere die Jngendapiele an ereetsea,
lassen de nichts sn wUnschen flbrig. Naeh meinen obigen Ansfflhrnngen
würden natirlieh einige Änderungen notwendig werden. Erstens rnüAte
daa Leeeaimmer wfthrend dea ganaen Sehnljahree nnd nieht bloA im
Winter snginglieh eein. Ala Benfltser kirnen da nnr die Obeigjm-
naaiaaten (OberrealsehlUer), die eieh über dieses oder jenes nnterrichtea
wollen« in Betraehl und aweitene mflftte die Benfltsnng allen ohne
Ansnahme naeh Maßgabe dee Banmes gestattet aein. leb denke also,
man stellt den Obeigymnaaiaaten die Bibliothek des Leaenmmsis» lo
weit sie dem Stndiam dient, daa ganse Sehnljahr hindoreh wöchentlich
einmal aar Verfflgang nnd bietet — wenn man aneh diaa tun will —
die Gelegenheit aar ünterhaltang (Lektüre nnd Spiel) nnr in den
Wintermonaten, so daO dann beides tosammenfillt. Wem ea eraatKcfa
dämm sa tan ist, über irgend einen Qegenatand Belehmng an findes,
dem kann es gleichgiltig sein, ob sich andere neben ihm Bilder anseheo
oder Schach spielen.
Zwei Stunden Zeit halte ich fiOr ToUkommen genügend. All«
anderen Fragen kftnnen nnr den Yerhiitnissen entsprechend beantwortet
werden. So a. B. ist es fraglich, ob jeder Lehrkörper geneigt ist, Soao-
nnd Feiertage sn wihlen. Man könnte die Sache etwa ao «inriefaten,
daß man ftr die Großen einen Wochentag festaetat nnd für die Ktetaea
den Sonntag. Die Stimmung soll ja auch berücksichtigt werden aod
ein kleines Opfer müßten die Lehrer auf jeden Fall bringen. Die Eia-
richtnng eines Spielsimmers wire namentlich in kleineren Orten, die dea
Schülern im Winter, sobald es dinunert, wenig oder nidbta Uetea
können, eine Wohltat; eine Handbibliothek nnd die Einrichtnng ein«
Lesesimmera halte ich aber aneh im Interesse der Sehale für höefaft
wünschenswert. Daa angelegte kleine Kapital an Geld nnd Zeit wflrde»
daton bin ich fest Qbeneugt» reichliche Zinaen tragen.
Freiatadt (Ob.-Öst). Dr. Heinr. Blune.
Vierte Abteilung.
Miszelleii.
Literarische Miszellen.
Goethes OedaDkenlyrik. Für Behnle und Hess TOD Dr. A. Matthias,
Geh. Obemgiernngirat (Frejtagi SehnUutgaben). L«ipsi|^ and Wien
1905. Preii 1 K.
Ntch einer knrseii Einleitang Qber Lyrik und deren Unterarten
folgen in cbrosoloffiacher Beihe 44 Stfleke ans Qoethea Oedankenljrik
(ud Gnomik), eo daß man leicht ein riehtiees Bild fon dieser Art des
groften Dichten erlangt. Durch 80 Seiten Oktar laufen dann sweckent-
n^reebende ^Anmerkongen", die das Veretandnii der voraofgehenden
Dichtungen f6rdem and namentlich beim Selbstonterrichte die Leie-
iundamiste beqaem beseitigen. Doreta Heransiehong fon anderen Dich-
taugen zom Vergleiche mit den Yorliegenden wird manch frachtbare
inregong geboten. Da and dort konnte allerdin^ n einmal eine biogra-
J bische Ansdentang bestritten oder (wie 8. 88| die Art des anregenden
[etifB bei Goethe besweifelt 'werden, aber doch mehr sabjektiv als
lieher objekti?. Ähnlich söge ich S. 10, V. 40 die Form seigen s tor-
weiNn der gewählten sengen =s bexeagen ?or. Unrichtiges habe ich jedoch
Birgcnds gefanden. Ich mOchte daher diese sehr ffcdiegene Aaswahl
Goetbeseher Lyrik ftr Schale and Hans angelegentlich empfehlen.
GoetiieB Dichtung and Wahrheit. Schalaasffabe fon Ladwig SoTin»
4. gSnslich omgearbeitete Aaflage mit Mnem Anhang: Gedichte
Goethes Ton I7d5— 75 nebst einem Plan ton Frankfurt (Literatox-
geschichtliches Lesebach in einseinen Bindchen fon L. Sefin 1).
Karlsmhe, J. J. Reiff o. J. 152 sa kl.-8«.
Eid Anssng ans den Tier Teilen der Goetheschen Aatobiographie,
Ar Sehalen bereämtt and mit einem Anhange Tersehen, der hiesa ge-
hörige Diebtoagen Goethee enthalt; das Gedicht & 129 mit der willkflr-
lieh gewihlten Aufschrift ,In SaarbrScken* stammt aber sicher nicht Ton
Ooetfie, sondern Ton Lern, der eo der damals in SaarbrScken weilenden
Friederike Brioa widmete. Wenig empfehlend ist es ferner, daß sich schon
hl der aeirten Zeile des Textes (S. 8) ein Dmckfehler befindet, dagegen
■isd die beigefagten Illnstrationen gans gat
Gras. Dr. S. M. Prem.
384 Berieht über das eeehste YereiBtjahr dei »Wohlfthrts? ereinet«.
11. Dr. P. Erömafik, Die Erdbeben des Baikalgebietes.
Progr. dea k. k. Staategymiueiiimi in NikoUbnig 1905. U S8.
Die Arbeit iit am se Terdienttlieher als sie mit den in matiaeher
Spraehe niedergelegten Unteranehnngen der maaiaehen Mehrten, vor
allem Moaehketowa Tertravt maehl Ba seigt aieh, daft ,in einer Zone,
die Ton der Gegend ron Irkntak aber daa aadw eatliehe Drittel dea Baikal-
aeei bis gegen die ehineaisehe Ghrenie bei Kjaehta-Troiikoaaawaek reieht,
die £rdbM>Mihftaflgkeit am gröftten iaf. Der StoAponkt wandert in dieeer
Zone. Die Beben lelbat gehOran aar Qattnng der Dialokationabeben. Diei
b&ngt mit der Tektonik Tranabaikaliena znaammen» daa in eine Bcihe
paralleler Horate vnd Qrftben aeillUt. Deren Entatebnng iat aof Spannaag
oder Zerreißang lorflckinfflbren. Die Grftben itreiehen Oatlieb and iftd-
Oatlieh Tom Baikalaee in baikaliseber Biehtong. Wo dieae mit der laja-
niichen inaammentriffk, treten nordafldlich ?erlaafende Qaerbrflehe auf.
In dieeer Gegend findet nach beate noch ein Einsinken gro&er Scboliea
der Erde atatt Es ist daher dort ein Erdbebenherd.
Wien. J. Müllner.
Bericht über das sechste Yereinsjahr des «Wohl-
fahrtsvereines fQr Hinterbliebene ?on Angehörigen
des Mittelschallehramtes in Wien*.
Der Verein sahlte Ende 1907 das aeebste Jahr aeinea Beataadei.
Die Mitgliederiatal, die Ton JAr an Jahr stetig annimmt, atieg im letitta
Vereinijahr an der ansehnlichen Höhe Ton 541 Mitgliedern, ein Beweti,
wie sich die Überaeogong Von der Notwendigkeit nnd aegenaiaicktB
Wirksamkeit dieaer VereinapündoDg in immer weiteren Kreiaen dtr
Wiener Mittelschnllehrerschaft Bahn bricht.
In sieben Fftllen, daronter fünf wfthrend der Ferienseit, fand der
Verein Gelep^enheit, den Hinterbliebenen ?eratorbener Mitglieder die
lalcnngsmiAigen Unterstfitaangasommen ananwenden. Dieae Iatrogen im
leisten VereinBiahre snsammen 7886 K, während in den früheren ftof
Jahren in 25 TodesfftUen 17.698 K anageaahlt worden waren, wu eine
Gesamtanterstütanngsaamme Ton 25.084 K in seeha Jahren ergibt
Das VereinsTermOgen, dem aoAer den Eintrittsgebühren nir noch
daa Beinertrignis des al^ihrlich Yeranstalfceten Vortragaabendea aaflisftt
nnd das im J. 1907 om beilftnfig 1000 K wache, beirtgt gegenviitig
K, so dai^ die Anasahlang auch mehrere Todeaf&ue anmittelbar
nacheinander schnell and ohne StOrang erfolgen kann.
Der VereinsaQsschoG hält an dem Gmndsatse nnerachütterlieh ftiti
jedesmal die Aassahlang der ünterstfltiangsBamme sofort nach den
Bekanntwerden des Ablebens des betreffenden Mitgliedes erfolgen ss
lassen, wodnrch die besagsberechtigten Hinterbliebenen gerade in den
achwereten Standen einer bangen and oft buchst drückenden Sorge über-
hoben werden.
In Anbetracht dieses erspneßliehen und höchst wohltätigem
Wirkens und mit Bücksicht auf die geolante, noch weitere Äusaestal'
tung dieser Wohlfahrtseinrichtung erlaubt sieh die Vereinwitung
diesen Verein der Förderung und Unterstüteung seitens der WitsMT
Amtsgenossen w&rmstens tu empfehlen und su recht sählreidiem
Beitritt eineuladen.
Erste Abteilung.
Abhandlnngen.
Johann Gabriel Seidl.
I.
Im Besitze des Bncbb&ndlon Fritz Rasch in Gilli befindet
sieh das ans rier Qnartblattem bestebende Mannskript einer echt
Seidischen Ballade« die weder in den ^Gesammelten Schriften' des
Dichters enthalten ist, noch sonst yerOffentlicbt wurde« betitelt
Jintterlisf*. Sie gehOrt der Handschrift nach in die letzte Zeit
Miaes dichterischen Schaffens. Am Schlüsse steht Seidls ToUe
UoterschrifL
Wie lieblich raht es sieh auf weichem FUam,
Wenn wir ersehepft Tom Wirken and Oeoießen,
Die Angeolieder sanft bewSltifft sehliefteD,
Entgegenbarrend iflAem Schlaf und Tramn.
Wer aber denkt auf selehem DaanenpfOhle,
Weher, dnrcb wen ihm eolches Labsal kam;
Wer fragt, so wohl sieh fehlend, was der fOble,
Der sieh die Hflh', ihm so zu betten, nahm?
Habt Ihr 70m ktUinen Jäger nie gehört,
Der ans der Buh' den Eiderrogel stOrt,
Sein Nest beraubt, ihm seine Brat entfiedert,
und, WO kein Baf der Menschenstimm* erwidert,
Selbst wie ein Vogel, hangt am Elippeneaam,
Damit Ihr ichlammem könnt auf weichem Flaam?!
Entsetzlieh Handwerk, granenTolle Jagd!
Auf leichtem Kahne idiifft er, eh es tagt
Yom sichren Strande fort mit Weib und Kind,
Die Helfer ihm und einz'ge Zeugen sind.
Wo fem Tom nngestttmen Meer nmzflrnt.
Einsam ein Biff emporra^, felsgestimt.
Da zwingt er keck sein Fahrzeug durch die Brandung,
Der YOgd Pflif verspottet seine Landung,
Sein Aug* eirSt die Stellen für den Tritt,
Dort klimmt er an and zerrt die Seinen mit.
Zum Lagerplätze dient die platte Zinne,
Wo Weib und Kind der teuren Beute harrt.
MiMkrifl f. d. tetcrr. Otbui. 1908. Y. Haft. 25
386 Johann Gabriel Seidl. Von A, Gnbo,
Ein kon Qebet noch ipricbt er renn Beginne,
Dann gebt es rOstig an die Niederfahrt
Ein micbtig Seil gewnnden nm die Lenden,
Mit Korb and Meieer, lAOt er deh hinab.
Hoch aber ihm dae lEÜff mit Bchwanen Winden,
Tief nnter ihm daa graae Wellengrab;
Rings am ihn her der Vögel wilder &eieel.
Der wirr omkreiBebt den onwillkommnen Gaet, —
Det kalten Zagwinde ichaarigei Geeftasel,
Der höhnend spielt mit seiner iaft'gen Last.
So sehwebt er, fflhllos fttr Gefahr nnd Sehwindel,
Gleich weit entfernt von Wog' nnd Wölk', aaf tcfalanker Spindel,
Und schencht ans ihrer danklen Höhlen Baom
Die Eiderrögel mit dem lichten Flanm,
Von welchem Ihr, so sanft Ihr oft draaf rnht,
Auffahren würdet mit erstarrtem Blnt,
Schien't Ihr im Tranm Eoeh nnr aaf karte Zeit,
Was jener ist in graoser Wirklichkeit. —
Solch eines J&gers Weib, im Ann ihr Kind,
Dem kaam swölf Monden noch entschwanden rind,
Folgt ihrem Gatten einst aar Insel Weight,
Wo reicher Fang den Wagenden erfreut.
Bei solchem Werke Gattin — Matter sein —
Wftr eines nicht fOr uns schon Höllenpein?
Sie ist daran gewöhnt, — mit flinker Hand,
Indes am Seil ihr Gatte niedergleitet.
Hat sie den Wettermantel aasgebreitet,
und draaf gebettet ihrer Liebe Pfand.
Das hier, wiewohl ambraost Ton Wind nnd Fiat,
Doch sichrer als in leerer Hütte raht.
Der Sftngling drflckt die Aof^lein liebelnd sa.
Und scheint geborgen jetst in sfll^er Bah'.
Getrost nan geht die Matter an ihr Werk,
Gerichtet nnr aafs Seil ihr Aaj^nmerk,
Das telegraphisch ihr durch seine Begung
Verrit des Gatten leiseste Bewegung.
So sammelt sie, gar emsig Torgebflckt,
Was er im Korb ihr ans der Tiefe schickt.
Die Beut' ist reich, die Hand ermödet fast —
Drom hält sie ein und gönnt eich kurie Bast: -*
Bast? — eine Mutter Bast? — willkommne Pause,
Um nach dem Kind, dem schlummernden lu spih^n.
Das, eingelullt ?om fernen Meergebrause,
Wohl lingst schon triumt, lieb Engelein su seh'n. —
Sie wendet sich — ein Blick ^ hilf Gott! — ihr Kind—
Ihr Kind, — ab warf es seine Schlummerdecke,
Und rflckte Torwftrts eine weite Strecke;
Am Band, am iußersten, umspielt Tom Wind,
Da sitit es tindelnd, ahnend nicht die Klauen,
Womit der Schwindel schon sein Kleidehen fa&t,
Und unten — hu! schon der Gedank' ist Grauen —
Das Meer, aufgihnend nach so teurer Last —
Wohl hundert Klafter — neinl wohl Klingen,
Die kalt sugleich in's Hen der Mutter dringen ! .
Was hier lu tun? — Ein Buf? — Nein, Mutter, bssdI
Erschrickt dein Siugling — muß sein Tod es sein.
Hin eilen, um ihn sacht surücksusieh'n?
0 weh zu spät, — xwei Augenblick' entflieh'n.
Und in der Tiefe liegt er schon begraben. —
Johann Gabriel Seidl. Von A, Gvbo. 387
Nicht Hast, nieht Zöf^ern frommt sn dieser Frist,
Den Scharfblick einer Matter ma6 man haben :
Denn die Venweiflnne hat anch ihre List.
Wahnwitsig lichelnd kniet das Weib m Erde,
Und stimmt mit scheinbar schmeichelnder Geberde
Ein Liedchen an, dem SIngling wohlbekannt,
Das er nie flberhOrt* mid stets verstand:
«Kindlein fromm,
, Horch nnd komm!
«Weißt da mir schOnen Dank,
«Geh ich dir sflßen Trank.
«Wenn da genng hast, so wieg ich dich ein,
„Am Bnsen der Matter, da ist gnt sein!*
Das Kindlein horcht — and horcht — and rftckt entlang.
Gleichwie sarflckgesogen ?om Gesang,
Blickt schelmisch lächelnd anterm Arm herror,
Und hebt, vom Band schon femer, sich empor.
Und priift den Schritt — and schwankt — and h< sich doch,—
Und steht and langt — and sacht onschlüssig noch, —
Ein j&her Schafi aar Matter kann et retten.
Ein jiber Prall xarück — im Meer es betten.
Da streift die Matter sacht ihr Tach larück,
Damit der Sftogling aaf den ersten BUck
Die sAfieste der Locknngep erschaae,
Den Wanderbom, erfflUt mit Himmelstaae.
Woraus dem Kinde qaillt sein erstes Glflck; —
Die warme Wiege, die so wonnig wiegt.
Daß niemand je aaf reichrem Sassen liegt;
D i e Stelle, — wo im lartesten Gehftaae
So laat, wenn aach fflrs Menschenohr so leise
Ein Uhrwerk hftmmert, das in Last and Schmerz
Nar Liebe seigt and schlftgt, — das Menschen hers !
Welch Kind kann solcher Lockang widersteh'n? —
Der SAagling sieht's — sein Wanken wird sam Geh'n,
Sein Geh n inm Laof, — and wie das Beh im Wald
Zaepringt dem Qaell, der oft den Darst ihm kflhlte;
Und wie die Schwalbe sacht den Anfenthalt,
Wo sie sich gastlich stets empfangen fohlte;
Und wie der Pilger wiederkehrt xam Bild,
Das seiner frommen Sehnsacht Drang gestillt:
So kehrt das Kindlein aach sarttck xar Bnist,
Vom Grabesrand snrQck zar Lebenslast
Wie drückt die Matter es mit Wenn* ans Herz,
Wie blickt sie stammen Lobpreis himmelwärts.
Wie zittert sie, die erst ?or Schreck gezittert,
Vom seligsten Entsftcken nan darchscbfittert.
Dem Vater, der so nahe selbst dem Tod,
Den Tod nicht ahnte, der sein Kind bedroht.
Hält sie's wie einen neageschenkten Segen
Mit Trftnenlast beim Wiederseh'n entgegen,
Und IftiSt, was staeamelnd ihre Lippe spricht,
Erraten ihn ans ihrem Angesicht.
Doch als der Leidenschaften bange Schwüle
Sich aufgelöst in sflße Wehmatskflhle,
Da hoben beide Herz nnd Aug' empor.
Da brach ihr Dankgebet Tereint herror ^
Za dem, der, wenn des Schiffers Sinn amschlmert, ^^
Fflr ans hier fest aaf sichere Wege steaert;
Der, wo der Mensch die schwarze Kloft nar schaat,
25*
1
\
888 Johann Gabriel Seidl. Von A, Gubo,
Ihm gnftdig drflber Behnell die Brfleke baut;
Der, wenn der Blinde seinen Stab Terliert,
Die Hand ihm reicht nnd doreh die Nacht ihn fahrt;
Der, wenn das Heri im Starme sich ? ergifit,
Und wenn die Fagenng ihren Bat ?erweigert,
uns Allberater, AilbeschQtyer iit,
und wie die Ohnmacht er mr Kflhnbeit steigert,
Der Hntterlieb' anch leiht — die MatterUet.
n.
Anf dem anfgelaasenen Friedhofe bei St. MazimiliaD in Gilli
befinden eich zwei Steindenkmale, die Grabgedichte Ton J. 6. Seidl
enthalten. Da diese in den ^Gesammelten Schriften' des Dichten
nicht vorkommen, überdies der Vernichtnng durch die Atmosphftra
preisgegeben sind, so sollen sie an dieser Stelle im Anschlnsse an
die VerOffentlichnngen des Jubiläumsjahres 1904 erhalten werden.
Das eine Denkmal betrifft Balbina Steinmetz , die Tochter
eines sehr reichen Gillier Bargers und Gutsbesitzers, in dessen
Familie Seidl w&hrend seines zwOl(j&hrigen Aufenthaltes in der
Stadt viel verkehrte. Balbina, eine berühmte Schönheit, heiratete
im Jahre 1882 den k. k. Oberlieutenant Grafen Eamillo Bfidiger
von Starhemberg, starb aber schon nach einem Jahre bei der Geburt
eines Sohnes, des nachmaligen Fürsten und Majoratsherrn Eamillo
von Starhemberg, der „rote Prinz** zubenannt (f 1900).
Das vergessene Denkmal wurde sp&ter am Eingange der
Maxmilianskirche eingemauert; das Wappen der Starhemberg ist
jedoch verschwunden. Das nur mehr schwer leserliche Grab-
gedieht lautet:
Der Gatte weiht der Gattin diese Zeilen.
Schon war eein Traam vom Glück, doch bald verweht
Einst wird ein Kind hier seine Schmerzen teilen,
Das jetzt des Vaters Gram noch nicht versteht.
Die Arme gab der Welt ein janget Leben
Und bflßt' ihr junges Leben drüber ein.
Warum so früh? Wer kann den Schleier heben?
Gott gab den Schmerz, Gott mag der TrOster sein!
Es flötet flüsternd ans dem Bosenbeete,
Gleich ihrem Laut, zum Trauernden empor:
Je flüchtiger mein Frühling hier verwehte,
Ein desto schOn'rer steht mir dort bevor.
Das andere Denkmal betrifft den Hauptschullehrer, Orgt-
nisten und Ghorregenten Karl EOppel. Er war am 10. November
1785 in Gilli geboren und wirkte daselbst von 1808 bis zu seioem
Tode 1850. Am 27. Dezember 1849 wurde er vom Eaiser Fnnx
Joseph 1. mit der goldenen Verdienstmedaille ausgezeichnet and die
Stadtgemeinde verlieh ihm das Ehrenbürgertum. Die dankbsres
Mitbürger, Freunde und Schaler errichteten dem Verstorbenen dieMO
Stein, für den J. G. Seidl, der mit ihm gut befreundet war, zu
Wien folgende Inschrift sandte:
Johann Gabriel Seidl. Von A, Chtbo. 389
Der Tantenden der Bildung erste Keime
Mit treuer Sorgfalt in das Hen gelegt.
Der im Bereich der heirgen Kirchenrftiime
Doreh OrgeUdang inr Andacht angeregt,
Der, was er hieß, so ?Ollig stets gewesen,
Daß selbst des Kaisers Dank ihm nicht entging:
Er mht nnn hier, ?om Erdenleid genesen,
Nichst denen, die sein Hen mit Lieb* omfing.
Die Treuen, die ihn trauernd fiberleben,
Weih*n ihm dies Denkmal hier sn stillem Böhm;
Denn mehr als ein Geschlecht kann Zengnis geben:
Die Schar and Kirche war sein Heiligtam. —
Als biographischer Beitrag sei beigeffigt das Schreiben,
welches J. G. Seidl an die Stadtgemeinde Cilli richtete, als sie
ihm 1874 znm siebenzigaten Gebartatago ihre Gifickwünsche dar-
brachte. Es wurde im Sommer 1907 bei der Skartierong der
Cillier Magistrataakten anfgefonden nnd lautet wie folgt:
«Lfibliehe Stadtgemeinde!
Die henliche Beglflckwönschnnj?, welche die Terehrliche Beprt-
sentans der landesffirstliehen Stadt Cilli an mich, als ihren iltesten
Ehrenbftrger, anl&ßlich meines 70. Gebortstages in richten so gfitig
war, bat mich anf's tiefste nnd innigste gerfihrt. Bleibt mir doch
die liebliche, gastfrenndliche Sannstadt bis sam Ende meines Lebens
Qn?ergeßUcb; in ihr habe ich die schönsten nnd glficklichsten Jahre
meines Lebens ingebracht, in ihr die Anregung su meinen besten
dichterischen Leistungen gefunden, in ihr meiner Lebensneigung, dem
Lehrfache, am wirksamsten folgen können.
Die Erinnerung an so riele Wohltftter und Freunde, die ieh
dort beim Beginne meiner Beamten-Laufbahn gefunden, wie mein
aoTergeßlicher Gönner, der biedere Kreishauptmann Balthasar Edler
▼on ZiemfeldJ^, die eben erst im Min d. J. ffir die unilhligen Akte
ihrer echten Hnmanitlt ?on Sr. Majestät unserem Kaiser selbst am-
geieichnete Frau Anna Baumbaeh '), mein wohlwollender erster Vor-
geeetiter, der hoehw. Prftfekt Hartnid Dorfmann *), so fiele waekere
Eflrger, so fiele liebenswfirdige Frauen, so fiele holfnungSTolle Jflng-
linge, die jetit in den ferschiedensten Berufsgeschäften tätig sind,
werden in meinem Gedächtnisse nie f erlöschen.
Ich bitte daher den hochgeehrten Herrn Bürgermeister Dr.
Neekermann, in dem ich ebenfalls den Sohn eines werten Freundes*)
ferehren xu dfirfen glaube, der Löblichen Stadtgemeinde den Ans-
dmck meines wärmsten, herslichsten Dankes mitsuteilen nnd meine
lieben Mitbflrger in meinem Namen su ersuchen, daß sie die Erinne-
rung an mich fielleicht noch fiber mein Leben hinaus freundlich
bewahren mögen.
Wien, am L Juli 1874.
Johann Gabriel Seidl,
Ehrenbfirger der landesfflrstl Stadt
Cilli, k. k. Hofrat.^
Cilli. A. Gubo.
«) 1817—1886.
') Gemahlin des Apothekers Frans Baumbach.
•) Admonter Benediktiner, Präfekt des sechsklassigen GjmDasiu™-
▼on 1828—1849, 1850 prof. Direktor.
*) Rudolf Neckermann, Wundarit nnd Kreischirurg.
i
!
390 Dia neaejn Bnicbrtflcke dar Koriima. Von H. Jurenka,
Die neaoD Braohstfleke der Eorinna^).
Das letzte Heft der 'Berliner Elaesikertezte' (V 2) bringt
eine hochwillkommene Gabe, Bniehstüeke der bOotisehen Diebterin
Korinna, der Zeitgenoesin nnd, wie es heißt, LehrmeiBterin des
großen Pindar. Wir besaßen Yon ihr 26 Fragmente, nur eines
Ton 4, eine ?on 3, alle flbrigen von nnr 1 oder 2 eebr knnen
Versen, durchwegs Zitieningon ans grammatischen oder metrischen
Bäcksichten. Der Berliner Papyrus (Nr. 284) besteht aus vier
Kolumnen von je 51 — 52 Zeilen, wir gew&nnen also mehr als
200 Verse, doppelt soviel als das alkmanische Parthensionfragment
faßt — wenn alle lesbar wftren. Leider müssen wir uns auch hier
wieder bescheiden: nur 60 lassen sich mit ziemlicher Sicherheit
herstellen, alles übrige ist bis auf einzelne WOrter als terloren zn
betrachten. Aber es sind doch 11 Tollständige Strophen, eine sehr
ansehnliche Vermehrung des bisherigen Korinnabestandos.
Die Sprache der Diebterin mutet uns fremdartig an, obwohl
wir darauf durch die Yorhandenen Brocken einigermaßen Torbereitet
waren: ihre sprachliche EonformitAt war — nebenbei bemerkt —
der nächste Beweggrund die neuen BruchstAcke der Korinna zuzu-
weisen. Haupts&chlich trägt daran die sogenannte phonetisehe
Orthographie Schuld, die die mundartliche AbtOnung des Klanges
der Sprachlaute durch die Schrift zum Ausdruck bringen will. lo
Wahrheit sahen die originalen Gedichte der Korinna wohl sicher-
lich anders aus, was schon daraus herrorgeht, daß die Torliegende
Form Inkonsequenzen aufweist, die nur ein wenig achtsamer Redaktor
(oder deren mehrere) yerschuldet haben kann. Mit Recht hatte
▼. Wilamowitz, dem wir die wissenschaftliche Verarbeitong des
Fundes zu danken haben, ^Textgescbichte der griechischen Lyriker'^)
S. 22 betont, daß Korinna und Pindar, die beide f&r ein bOotisches
Publikum dichteten, unmöglich so ganz yerschieden gesprochen
haben können. Aber der böotische Dialekt trat bei Korinna dennoch
mehr in sein Recht als bei Pindar'). Dieser wandte sich bewoAt
an ganz Hellas (Ol. I 120 nQ6g>avros ^o(pl(f [= Dichtkunst] xo^'
"Eilavag i&ma icavx^) und bediente sich daher, ich möchte sagen,
der patthellenischen Schriftsprache der griechischen Lyrik, während
Korinna zu ihren Tanagräerinnen rodete (fr. 20 xaUt yi^C
(* Geschichten alter Leute*) diöofiiva \ TavayQtdBööL kevwjixh'
kvQ' I fiiya d' ^ft^s yiya^a nökig \ kcyovQox(oxCkrig ivoxfig)
und daher den Dialekt in viel größerem Maße wahren durfte,
geradeso wie Sappho, als sie fflr ihre lesbischen Mädchen sang.
*) Der Aufsatz war längst einfirereicht, als W. CrOnerta Abhaod-
Inng "Corinnae quae supersunt' (Rhein. Mas. LXIII 2, 8. 161—189)
erschien. Doch konnte ich sie während des Druckes bonUtsea.
*} Abb. d. kgl. Gesellsch. d. Wise. zu GCUingen, N. F. IV, Nr. 3.
') Ein unwiderlegbarer Beweis daf&r ist die bOotische Fonn o^mr
II 80 (Meister, Dial. I 274), die Korinna gebraucht haben maß» da me-
trische Grflnde die Form Tcmov, die Pindar anwendet, aasscUießen.
Die ntaen Bniebstfleke der Koriiuia. Von H. Jurenka, dl9t
Die Nachricht des PansiniM (IX 22, 8), dafi Eorinna ihr
Dtifanal SU Tanagra einem Siege Terdanke, den sie über Pindar
daTentrng, ist naltrlich falsch: sie warf ja ihrer Berofsgenassin
Mjrtis Yor, Sti fiavk (= ywii) fpoM^ ifia Uivöägoi sror' Iqiv
(fr. 21). Wenn er hinzufügt. Tilg i^«^ii^ov Svexa, so ist das
•benfalls sinnlos: wir haben daraas bloß zu entnehmen, dafi dem
Pansanias die Sprachform, in der ihm die Korinna Yorlag, stark
in die Augen stach. Aber wegen des bloßen Dialektes wird kein
Dichter berühmt, auch deswegen nicht, weil seine Stoffe lokalen
Charakter besitzen. Wenn Eorinnas schwacher Stern in der N&he
des pindarischen nicht verlosch, so hat sie es dem zn verdanken,
daß es eben doch ein Stern war, d. h. daß sie wirklich eine echte
ud anerkannte Dichterin war.
Es wire übrigens Tergebliehe Mühe, wollten wir, wie dies
Otto Schroeder (Berl. philol. Wocbenschr. 1907, 1448) tut, die
BMien Fragmente in die ursprüngliche Form zurückredigieren. Dazu
nicben unsere Eenntnisse vom Büotischen des V. Jahrhunderts
sieht hin. Wir müssen uns daher mit der yorliegenden, einen
ipitnen Znstand der Sprache darstellenden Gestalt zufrieden geben,
in die sie in Anpassung an die lebendige Sprache schon in den
heimatlichen Abschriften verülscht waren. Als dann Aristophanes
▼OD Byzanz das dialektologische Interesse geweckt hatte, wurde
diese Gestalt, je absonderlicher sie schien, umsomehr für ursprüng-
lich gehalten und daher in die edüio princepa des Altertums
(IL Jahrh. t. Chr.) übernommen.
Das erste Gedicht erzfthlte von einem musischen Agon der
beiden sangreichen Berge Helikon und Eith&ron. Es sei erinnert
an Ofid Metam. XI 156 ff., wo der Berggott Tmolus als Schieds-
richter waltet im musischen Wettstreite zwischen Pan und Apollo.
Der zweite S&nger, offenbar der Sieger Eithftron, hatte zuletzt die
Kindheit des Zeus behandelt (Hesiod. Theog. 458 ff.). Hierauf
ordnen die Musen die Abstimmung an — die Siebter sind die
Olympier — und Eithiron erhält den Preis. Spuren dieser Sage
finden sich nur noch beim Schol. zu Hom. r267 und bei Tzetzes
Prolegg. zu Hes. 'Egya p. SO Gaisf.
Das Versmaß sind die folkstümlichen steigenden loniker.
Jedes Eolon besteht ans zweien, nur das letzte jeder Strophe aus
dreien, einem Tollst&ndigen und zwei unYollst&ndigen in der Form:
-w — , ww^, . w — . Da es Eola sind, so ist weder TsXsla
Ulis gefordert noch syUaba anceps gestattet. Die erste Silbe von
fwlxa Y. 8 gehört metrisch zum yorhergehenden, umgekehrt die
letzte Yon sigiös V. 20 zum folgenden Verse.
392
Die neuen Braehstflcke der Korinna. Von H, Jurenka.
Xu&Qc^da]v iy^-
Exo]vX[o]iu£Tao Kgöva
t]av£xa vlv xkitlfs [iS^nfiJfia
'Ria.
[li6]ydXav x* [i]^avdt(ov 2tf-
5 {g)BX6 tiiidv. zdd' ifukits^.
jAdxaQag d' a[i\tlxa MAöti
(p\BQiyi^v ^[ajcpoi/ «[rjarrov
XQ6\vq>Lav xdlxidag iv iqov-
eo\(palg* zh d' afuz xdvti[g]
10 nUovag d' bIXs Ki^qAv*
xd%a d' *EQ(iclg ivstpa [fia-]
xgb]v dovöagj iQ\at]icv &g
'^Is vixav [6]tB[(pa\irütfiv
di] i xat' ßgav (dv)sx6'
15 [(idxa]Qsg^ -rö dh vö<o>g
yiya^t.
6 dk Xo]vxr}öL xd\z]6xzog
ööigvs] kizzdda [njizgav
20
dvBBlJlKBV d' Ä[()]og' VXZQ&g
dk ß6]&v ov[xl}o\d'Bv stgiöi
viv «]ft fAoi;[pAa]d£<y<y[t]
kavg'
M . . . Da inagebaim vor dem Ter-
sohlagenen Kronos ihn gestohlen
hatte die selige Bhea.
Und hohe Wfirde empfing er tod
den Unsterblichen''. Solches sang
er. Den Seligen aber geboten sofort
die Musen, geheimen StimmsteiD
abzugeben in goldschimmemde
Urnen. Die aber zugleich erhoben
sich alle.
Der Steine mehr erhielt Kitbairon.
Und schnell yerkündeie Hennes,
laut rufend, daß er den holdes
Sieg errungen. Und mit Krftnzes
schmfickten sie ihn zu gnter
Stunde; sein Sinn aber freste
sich dessen.
Der andere aber, von schwerem
Leid ergriffen, Helikon, rißhersm
einen glatten Felsen : der Berg
aber gab ihn frei. Und jftmmer-
lieh schreiend schleuderte er ihn
hoch herab auf die unzählbaren
Völker
4 lla{g) (Tgl. II 23) J. 9 Sfca: Wilam. &va 14 wtml
Seder r, y, 9)01^ : %a%' &Qav J., xcrr' &if€iv Sitsler (N. pbilol. Bondsebiv
,908, 147), Tiax&fivg 0. Sohroeder, xor' &utv Wilam. Ap&noafuw aoeh
Schroeder 15 xadsvogi täi dh poog J., deseleichen Schroeder und
Cruaias (Lit. Zentralbl. 1907, 1309): toi de Jutg Wilam. 16 natmos
J., ndd'eKxog Wilam., sa 14 17/18 i-caS^i J., nach dem Silbea-
abteilangaf^eaets (I 849, unten 5); k-asifve WUam. 19 dvitoav h
kvidmxsv Wilam. 20 yoäv Sitsler
1 lu^qddäv neben -ridov wie Id^Qu (hymn. Cer. 240) neben Xa^
xa 9 %Qovq>otddv 4 Hag = l|, kg = hi Kabner-Blass I 297, A. 4 6 Man
:= Moüoaiy der Accent dorisch (I 324, 3) 8 iv = hf elg: II 247, S
9 TV =s Toi : I 603 unten 10 nUovug = itl&iwag^ BtMt ft
wird i geschrieben, doch gleich bIXb (im Pap. aaa «^Ic korr.) nnd 3 'P»a
Scorr. aoB *P^a) 12 dovaug = iSaagy jedea v, das lange wie das Iranei
orch ov ge^reben 13 cxstpavoiaivi fflr 01 wird v geachr., doch II21
nffdroiy 22 E'öatvvfioi 15 tc5 =s tov : fflr ov o» ytfa9't> ^= yv)/^h
zu 10 16 Xvntiai (zu 12) 17/18 h^iqvs (zu 4) 19 hfkiiu9\
statt 1} 91 olxtQ&g (la 13) 20 tfipod'sv (zu 12) iJQfiae (la 19
und 10) 21 Ittotg (zu 13)
Die neoen Broehstfleke der Korion*. Yoi H* Jurenka. 393
Kommentar. — i. ka^gadtev tu xlii^s gehörig: Hom.
i2 71 f. — 4. Nach Hes. Theog. 881—885. Sitzler macht znm
Sabjekte tod Hs die Bhea. — 9. Hom. A 588 toi d' äfia ndvtsg
iviazav, T. Wilamowitz ändert &yM ganz grandios in ävai es
ni nicht wahrscheinlieb , daß slle Qötter zugleich anfstehen
MllUn, dagegen milssen alle Biehter abstimmen. 0. Schroeder
Tirteidigft &^^ es bedeute 'allzumal'« Aber offia bezieht sich
auf haztov und bezeichnet die Schnelligkeit der Ausfdhmng,
Tgl. die Bedewendung &ii' Sxog — £ft' ioyov und Hom. T 242
fffUK fi^do^ ifiv, zstiXs^xo dk iifyoVf Xenoph. an. HI 3, 47 äfia
xttOt' Blxhv iviötri, — 14. t. Wilamowitz* ötsqxiwöiv d{i) i
xffT* 6iav ix66fuov 'sie schmückten ihn am Schafpelz (oder
ichmflckten ihm den Schafpelz) mit Kränzen' ist widersinnig, auch
nitrisch unzulftssig, da äia (auch ^a, c5a, öaund ota) kurzes
( bat, Schroeders TunAgvg (= xcnlbQOig) gar nur eine proble-
oiitische Form {^ndtaQog Nbf. ▼. xataQig 'Band'). Aber sehr
anaprechend Torgleicht bt iva Tioöfiia mit ivadia und ivcatkixa
bei Pindar (P. H 6 ividriasv Vgtvytav örstpdvoig [vgl. noch
I 40, Is. I 28, Nem. XI 20] und OL II 74 oQ(ioiöi tö^ (sc.
iv^ifimv) ivcaiXixopti %iQag tuA XQOtdtpavg). Auch ivdtpri^i
bier Y. 9 ist ein neues Kompositum und dva^ von derselben Be-
dfotuig. naz" Agav (das h ohne Einfluß auf xor* wie H 11
xox* BlgduDV nnd fr. 2, 2 ibr' sot)^*, fr. 18 xevtslxovt' oinlfißlag;
daber 16 xdrsxtogj H 29 Tielleieht Tcä zu schreiben) heißt in
tempore 'zu rechter Zeit, zu guter Stunde' (Theoer. XVIII 12 und
sonat) und ist gleichbedeutend mit xaxic xacQiv (Pind. fr. 128,
1; 127, 1). Vielleicht hat &Qa pr&gnante Bedeutung (* festliche
Stande, Feierstunde') und dann heißt xaxic *gemAß, entsprechend*
(pro tempore). Sitzlers xect* ägav^ Ton äga Sorge, will mir nicht
^fallen, weil dieses Wort nur in ganz festen Verbindungen {ägav
ilHv oder noieiö^ai u. ft.) nachweisbar ist. — 15, t& di v6og
yiyti^i ist evidente Verbesserung (Grönert entdeckte zwischen v
and o Spuren eines zweiten o). Der NominatiT (sonst yi^dioi
9P^a, xi^Qj xcctic dviUnß und dv^i/^) Hom. iV494 AlvsUf dt;fi5ff
ivX Ov/fiBC^y YBYjfftsi, VI 269 yi^dijtfs di (lOc tplkov ^rop; v6og
(aoßer an den von Schroeder angeführten Pindarstellen Ol. X 87,
P. n 89) Hom. d 78 'Aya^fivii)v xaZps vöp^ hymn. 19, 41
Za^cy di v6^ . . . dcUfuav. — 19. Die Form &vi€iX6v bei Hes.
Tb. 495. — 21. Diese Bedeutung und Konstruktion tou igsidm
{igildei^ xi iv tivi) sonst nicht nachweisbar. Am nftchsten kommt
Soph. Ant. 1286 IJQSiös xlsvQatg ^6<sov iy%og. — 22. pLVQuig
adjektivisch auch (Enr.) Bhes. 913 (cho.) ^vQiddag xs xöXsig . . .
ixiviocw. Die Völker bildeten die ecrona der Zuhörer.
Auch dem zweiten Gedichte liegt eine lokal-böotische Er-
zählung zugrunde. Der Flußgott Asopos') kommt zum Apollonorakel
M Der bOotisehe, nicht der von Sikroo, der er bei Pindar und
BakchyUdes ist Er spielte bekanntlich in der Schlacht bei Platii eine Bolle.
394
Die neoen Braebttfieke d«r Eoriniift. Von H. Jurenka.
Bftehst der Stadt Akraiphia am PtooDgebirg>e im nördlieben Böotien
(Herod. Vni 185, Paus. IX 28, 6, Strabo IX 418), om sich dort
nach dem Schicksale seiner ans dem Hanse yerschwnndenen Töchter
sn erkundigen. Der Eponymos des Orakels» Akraipben» Sohn d«s
Orion , kftndei ihm den Verbleib von nenn soiner Töchter nod
tröstet ihn, da die Entffibrer Qötter soien: sie würden Halbgötter
gebären nnd ewigen Bnhm erwerben. (Ebenso kommt bei Pindir
Ol. VI 87 ff. König Aipytos von häuslichem Kummer bedrfickt —
die seiner Obsorge anvertrante Enadne wird gnier Hoffisung —
zum Orakel nach Pytho. Es wird ihm der Bescheid, Apolloo Mi
der Vater und der Sohn würde als Seher berühmt werden, oiii
aox^ iXXilifstv yiveäv.) Dann zählt Akraiphen die früheren Vor-
Steher seiner Orakelstätte seit dem ersten, ApoUon, auf, gerade lo
wie die Pythia zu Beginn der Enmeniden des Aiscbylos tit. End-
lich rät er dem Asopos, den Unsterblichen sich zu fügen und des
Zornes sich zu entschlagen. — Die ganze Sage war uns bisher
unbekannt.
Das Metrum ist auch hier ein altes, Tolkstümliches, die
sogenannten choriambischen Dimeter, in mannigfachen, dnrehans
verständlichen Variationen, und zwar
V. 5 ^cr -^-
Auch hier keine sylldba anceps, die xeXela Xi^ig nicht Terbindlich
(8. V. 18/19 und 26/27).
xäv dh m^[(ov XQlg filiv ^jrt
^Bij[g] X€cts([qj ndvxm\v ßa-
xQtg di %6vx\p yäiis\ p.id(ov
{noxiddovy [xä]v dh dovlv
5 0i>ßog Ux[xQa] xQoxovvij
xicv d' tav Mri\aQ\ dya^bg
n^g*EQiiäg' ov[x]a>yicQ''EQ{og
xi} Kovngtg nthixceVj xiag
iv d6fiC3g ßävxag XQOvtpddav
10 Tubgag iwC ikiöitti.
„Von den Töchtern besitzt drei
Vater Zeus, König des Alle.
Drei nahm zu Frauen des Meeres
Beherrscher Poseidon ; es waltet
des Lagers von zweien Phoiboe
und eine nahm Maias wackrer
Sohn Hermes. Denn so fiber-
redeten Eros und Kypris Jen«,
in dein Haus zu gehen nod
heimlich der Töchter neun sieb
zu rauben.
4 IIoTiddmv J., deigl. Crönert man erwartet 6ovi)9
1 Ttaidmv ixH 4 dvolv 5 XQOtvvii 6 Mtdug 7 wi
8 xal xEovg (= aovg) : I 601, § 170 und 394, 1 9 i(
donovg »Qv^adäP neben -ndov wie x(fvg)ä neben x^v9^, in 1 1
10 xov(^g hvia kXia&at
Dk ■eotii Bniefaitfleke ddr Koriui*. Von H, Jurenka-
15 i[(fiM]idog ö[t£ «ixovtffti}].
tids yigag J^axi^xov Ujv]
ig nsvtslxo[vra x]QarsQ[&]if
6fi^fiGn/, x^dovols ngotpä^
tag ö$iiv&v [ido\vr(oVj Xa^hv
20 hlfsvdiav *A9^^]q)elv.
ngitoi [fikv] Yic[(f Afnjotdag
ddx' E{i]ai[v]ov(ioi tgixödoDV
iög l&v [x^l^f^S ivijtiv*
T&y d^ ig yäg ßalän/ OÜQisi^g
25 rifi[iv d6]vT$(fog l(f%SPj
xiig [noT]cdd(ovog, ixi--
t^ läjf[p/](DV, &^6g yspermg,
yflc^ fl^ ixxaödfuvog.
ld> fiiv (bQav[b]v diiq>sxij
SO Tifft^f/ [d* ^iUla%o]v ovxav.
xAvBx Uif X fyya}]v ivixe^
ro* */, \f^ü!\ Ini [r' c^Jd-a-
xii lov[6ov iiivsog] fpgivag
t5 dfifi6^€66^ ixov]fieii(ov*
Sie nun werden dereinst ein
Oeechleeht von Heroen geb&ren,
Ton Halbgöttem, nnd werden
weitTerbreitet sein nnd nie al-
ternd, wie ich ans dem weis-
sagenden Dreifnß erkundet.
Solche Ehre erhielt ich vor
fünfzig mächtigen Brüdern, ich,
der Mitinhaber des ehrwürdigen
Heiligtums, Akraiphen, dem
üntrüglichkeit zuteil ward.
Denn zuerst verlieh Letos Sohn
dem Euonymos die Qabe, ans
seinen Dreifüßen die Orakel zu
künden. Den aber warf aus dem
Lande Hyriens und erhielt als
zweiter die Ehre, der Sohn des
Poseidon; dann wieder Orion,
mein Erzeuger, als er sein Land
wieder erworben hatte. Und der
nun versieht den Himmelsdienst,
seiner Würde Erbe aber ward ich.
Daher erkannt^ ich gar wohl
und künde reine Wahrheit mit
Prophetenmunde. Du aber,
Freund, weiche den Unsterb-
lichen und banne den Unmut
aus dem Herzen, da du doch
Himmlischen Schw&her bist.''
13 mmn erwartet x^oo ... 14 mix[s: &te J.; &az8 Wilam.
15 M^MOffüfi/ii Wilam.; &irv* IdidAxf^Bw GrOnert 25 fiel], üaiw
97 ^SUtffimw: Schroeder *OolqUov 29 man erwartet x<& und fr. 10
, yit9mp 81 9h %* iyvmv J,\ iyvmv ravp Wilam., iyvmv 9vv
Schroeder, k^M99V9^iw GrOnert 84 /»^eoff J.; $ dilnv GrOnert,
nmrf^af Wilam.
11 TOi ^Q&nw 12 ixyerraffof^t: -v^i bOot Endung d. 3. plur^
dor. -irr» (U 48, 9); attisch hvfivvi^oinfCi rnii^Btov 18 nßooowai
(=s xai ldd.)t -*<^i bOot. lt. -rzai (II 61, 7) noXvaniQhg 14 dyilQta
i^dH^aoiy Find. fr. 148, 1), über das fehlende t subser. I 188, 5 hc
15 nknafuu 16 toHr a kfmvi I 580 und Bergk PLGr« so
fr. 21 17 Ix 18 6iuilfimp 20 inbivdiuxv !änoaupiiv
21 wQStqf : 1 127 unten und 894, 1 22 Eimvvii(p 28 i\ iAv
(«/4v) X9V^I^^ hhtttr 24 ht 'TQUvg 2b tlcxBv ss faxiv :
I 140 (#Ninu«tv st ^Ms . . .) 26 näCg 26/7 huixa 27 äftog
^^Vf^tugof: 1602 28yaJav dvoMäoAfUVitg: Schohon dpctxniadfupog;
*««ir n^aig Hesjch. 29 äiupinti 80 o^op ss tavrijp: l 607, 3
81 tavwna 82 dtQ^uLV XQV^f^^^^Y^^ 88 crv slxs
d^ttpdttotg 84 xtti Xvaop {Xvaop) dor. Accent, sn I 7
85 daiß6p»99$ iitvffsvnv
396 Die neuen Bniebitftcke der KoriDna. Von JET. Jurenka.
&g i(pa [fiivtig «sjo&ysCg. So sprach der hochheilige Seher.
rbp a 'J[6ambg iö^aötcog Ihn aber faßte Asopos freundlich
dsii&g [iq>atd(i]^o\s bei der Hechten and indes die
ddxQov X* [dxvdXyidov ngo- Trftne ans seinen Angen fiel,
paläyif antwortete also seine Stimme.
40 &d' ifiltt^ato <]pai]t^* ....
40 man erwartet (pcMfä
36 nSQayiJG 89 duxQV 40 dfuii^axo <pm9^ : in 14
Kommentar. — 1. Ober die Töchter des Asopos s. die
Hanptstelle Diod. IV 72. — tglg b%i, ^avg (böot., anch Aristoph.
Ach. 911: I 458): alle drei sind uns bekannt, nnd zwar Tfaeba
nnd Aigina aus Pindar (Nem. Vn 50, Vin 6) nnd sonst (Enrip.
I. A. 697 nnd 699), Aniiope, Mntter des Zethos nnd Amphioo,
ans Hom. A 260 ff. — 3. %6vxm iiid(ov : Tgl. Hom. a 72 96(h
xwog &vydtriQ &3ibg . . . iiidovrog, bei Pindar (Ol. VI 108) imd
Sp. Tcovxofiidcav. Anch sie sind alle bekannt: Eorkyra, Mutter
des Phaiax (Diod. nnd Pans. V 22, 6), Prono«, Matter des Phokes
(Schol. Hom. B 517), nnd Salamis piod. nnd ApoUod. 8 12 7 1).
— 4. täv dk dovOv : eine daTon ist Sinope (Diod. and Apoll. Bb.
n 948 ff.). — 5. Wahrscheinlich die Tanagra, da Hermes Schntz-
gott dieser Stadt ist. Boscher l 2849. — 13. noXvöxsQtsg bei
Hes. Theog. 865 von den Okeaniden ccZ ^a itokv6xsfisg yalw
oucl ßiv&aa UiLvqg xdvtfi Siiag iq>ixov6ij sonst nnr &p^qozoi
(Hom. B 804, A 868). — 17. ig 'yqt\ prae: Kühner 11 1,
899 i; vgl. Pind. Ol. VI 25 xslvai. ii ilkav ... 6dbv &yino'
v$i>6aL inlötavtai. — xevxBlxovta: es sind die fünfzig SObni
des Orion (anch fr. 18 xj^ fuvtsljtovt^ o^ißiag...), Akraipheo
inbegriffen, s. 27. — 18. Da die Form ofiaLfiog nnr bei den
Tragikern vorkommt, dagegen bei Pindar (Nem. VI 18) öiialiuog,
so hat Tielleicht Korinna öftqfUon; (vgl. I 14 ixAöiuoy) gs-
schrieben. — 24, Oi^isig ist der Eponymos des za ^anagn
gehörigen Dorfes Hyriai am Asopos, nach Pindar (fr. 78, ans Strsbo
IX 404) Vater des Orion. — 27 f. Orion ist nach Schol. Nik.
Ther. 15 nnd Schol. Hom. 27 486 za Tanagra geboren, wo anch
sein Grab gezeigt wnrde (Pans. IX 20, 8). Aach er warde, wii
Enonymos (V* 22), ans dem Lande vertrieben, das er sieh erst wieder
erobern maßte {ixxa6d(Uvog). Seine Wiederkehr behandelte Korinoa
im KaxojtXovg (fr. 2). KÖQiwa siesßiötatav aitiw Uysi lud
insXtdvta xolXoijg tiicovg '^(iBQ&öai xtd xa^agCöoi ixb
difiQtcjv (Schol. Nik. Ther. a. a. 0.), er war also Böotiens Herakles.
— 31 f. Vgl. Pind. Ol. VI 65 iv&u foi Axaös ^6av(fbv
dCdvfLOP (locvtoövvagy x6xa (liv gxovicv ixo'ÖBiv ipevdimv äy
vaörov (hier also ii iyvcav dtgixBiav), r&t* ai x^^^9^^
d'iö&ac xiUvöBv. — 35. Sxovgeijmv liefert das Scholion (6 tfls
ya(i7i9slctig nccriiQ ^ roO yT^^artog). — 36. xsQ&yalg ans XBQh
Die fogeiuuint« reUtive VenchrftnkaDg oiw. Von K. Kwist. 397
das bei Piodar wie im Lesbischen das i elidiert (diese Zeitschr.
1902, 8. 294), nnd itfy^g (= &yv6g)^ also mit srippoxo? Sappbo
fr. 92 (=: Sbo%og, Find. Ol. VI 61) zn Tergleiehen. — 39. dxtdUiaw
(mate.) als böot. Wort bezengt durch Arkad. 54, 4.
Gehen wir nun an die ästhetische Wertong der Torste-
heDden poetischen Beste, so ist das erste, was ihnen den Stempel
echter Dichiknnst aufdrückt, die edle Einfachheit der Sprache.
Diesen einfachen Ton zu treffen, wird ja dem Dichterling unendlich
eehwerer als hochtrabendes Pathos nachzuäffen. Es ist die größte
Dichterin Griechenlands, die hierin der Eorinna am nächsten steht,
Sippho. Korinna wußte wohl, warum sie so dichtete: ihr Publikum,
lideheo und Frauen aus dem Volke, hätten für pindarischen
Schwung und Dunkelheit der Sprache weder Sinn noch Verständnis
aofgebracht, während sie durch unmittelbare Verständlichkeit und
die heimische Mundart ihnen entgegenkam. Aber diese Einfachheit
•Dtbehrt doch nicht ihres Schmuckes* Ihn bietet Tor allem Homer
dar, der, frei benätzt, überall durchschimmert. Einen intimen Beiz
verleiht das lokale Kolorit der behandelten Stoffe. Und aoch das
warme Blut echter Empfindung vermißt man nicht, das am stärksten
am Schlüsse des zweiten Gedichtes pulsiert, wo der verlassene
Vater für die traurige Kunde, die ihm geworden, bewegten Herzens
«Dd mit Tränen im Auge Dank sagt.
Man kann wohl sagen, daß die neuen Bruchstücke den Namen
Korinnss in unseren Augen gehoben haben. Auch v. Wilamowitz,
der über sie fräher sehr kühl geurteilt hatte, schlägt jetzt wärmere
Töne an. Und so haben wir Ursache, dem Schicksal dankbar zu
lein. Aber auch dem großen Gelehrten, der die Aufgabe der Ent-
xiffenmg und Ergänzung des Papjrus sowie der Interpretation gleich
uf den ersten Wurf in glänzender Weise gelöst hat.
Wien. Hugo Jurenka.
Die sogenannte relative Verschränkung und ver-
wandte Satzfügnngen in ihrem Verhältnis zum
deatschen Satzban.
Die Lehre vom Satsban ist der-
jenige Teil der Grammatik, dessen
bisherige Pflege und Ansgeetaltang
im ungekehrten Verhältnis steht sn
der Bedeutong, die ihm innerhalb der
Geeamtgrammatik sokonunt
Herrn. Wunderlieh, Der deutsche
Satib., Stnttg. 1892, Vorw.
Im feigenden bietet der Verfasser eine Fortsetzung und
Brglazimg dessen, was er unter demselben Titel in der
398 Die ■ogeoftonte relative Versehrinkang ntw. Von K, KwkA,
ProgrammabhEDdlimg des k. k. Staaisgymnatiiimt des X£L BairkM
in Wien 1908 auseinandersetzt. Die dort niedergelegten Betneh-
tongen Torfolgen einen doppelten Zweck : znnftehst werden die Ter-
schiedenen Arten der in dem Titel genannten den antiken Sprachen
eigentümlichen Satzstmktnr festgestellt nnd miteinander Tergliehen;
dabei wird der Versncb gemacht, das eigentliche Wesen dieser in
den g^mmatisch -stilistischen Werken tielfacb nnricbtig definierten
Eonstmktion zu bestimmen. In dem zweiten Teile werden die
Möglichkeiten der dentschen Wiedergabe 'yerscbr&nkter* Belatif-
sätze erörtert nnd systematisch geordnet. In der hier folgenden
Ergänzung nun nntemimmt es der Yerf., die GrAnde» wsrnm
der in den klassischen Sprachen dnrcbans nicht selten«
Gebranch der genannten Konstruktion im Deutsch»
keine Entwicklung gefunden hat, aufzudecken und im
Zusammenhange damit auch andere von dem Wesen
antiker Darstellung abweichende Eigentümlichkeit»
des deutschen Satzbaues zu erörtern.
Schon der Umstand, daß sich griechische und lateinische
Satzgefüge mit der gewöhnlich als 'relative Yerachr&nkung* bezeich-
neten Konstruktion im Deutschen überhaupt nicht wörtlich wieder-
geben lassen, läßt die Vermutung aufkommen, daß diese Abweichung
der deutschen Sprache von den antiken auf einem ihren Satzban
streng beherrschenden, den antiken Sprachen jedoch völlig fremden
Grundgesetze beruhen mag. In den meisten Darstellungen der
'relativen Verschränkung^ auch in den ausführlicheren wie bei
G. T. A. Krüger (Untersuch, auf dem Gebiete der lat. Sprache,
Brannschweig 1820—27, § 94—101, S. 285—250) und Bapb.
Kühner (Ausfübrl. Gramm, der lat Sprache H, § 196, 8. 897 i,
Hannover 1879) findet diese Frage keine Erörterung, bei Nägeli-
bach-Müller, Lat. Stilistik, wird sie § 164, 2, S (S. 670 ff. der
9. Aufl., Nürnberg 1905) nur gestreift >). Da aber Franz Devantier
(^Über das latein. sogenannte Belativum in der Yerschränkung oder
Konkurrenz', Bell, des Gymnasialprogr. von Friedeberg i. d. Nen-
mark 1886) auf eine Erörterung der Ursachen für die genannte
Venchiedenheit antiker und deutscher Satzfügung eingeht, so wird
es sich empfehlen, hier an Devantiers Ausführungen anzuknüpfen.
Auf S. 14 der genannten Abhandlung werden drei Gründe für die
Unzulässigkeit der 'relativen Yerschränkung* im Deutschen namhaft
gemacht. Es heißt dort: „Yon fundamentaler Bedeutung ist hier
zunächst, daß im Deutschen ein Nebensatz zweiten Grades (a)
nur vermittelst eines Nebensatzes ersten Grades (a) oder einee
Teiles desselben mit dem Hauptsatze [A) verbunden wird, nicht
unmittelbar auf den Hauptsatz folgen kann Yon Wichtigkeit
*) Zar Übereicht über die verichiedenen Darstellongen der 'reUtiTSD
VerechränkuDg', insbesondere in den neaeren grammatiseh-ttiliititcheB
Lehrhebelfen, vgl. meine obgenannte Programmahhandlung S. 8 — 13.
Die fOgeaaBBta reiatiTe VexBehrinkiuig vsw. Von K. Kunst. 399
für unser« Eonstrnktian ist ferner die im Lateiniechen Torbandene
Freiheit der WortateUnng innerhalb eines Satzes, woranf namentlieb
N&gekbadi § 164 binweist Im Dentacben verlangt nftmlicb sowobi
du BelatiTiim als anch die Konjunktion gebieterisch die erste Stelle
in Satze, n«r eine Präposition kann noch Ter das BelatiTom treten.
In Lateinischen kann nun zwar das satzTsrbindende BelatiTüm
auch keinen anderen Platz erhalten^), aber die Konjonktion kann
recht wohl durch andere Wörter, besonders wenn sie betont sind,
TOD dem Satzanfang vordringt werden . . • • Schließlich ist anch
der Umstand in Betracht zn ziehen, daß im Lateinischen ein Nomen,
welches bei einem ans voranstebendem nntergeordneten und folgen-
dem fibergeordneten Satze bestehenden Satzgefüge vor der Eon-
jnsktion an der ^itze des Oanzen steht, nicht notwendig in dem-
selben Kasns zn beiden Sfttzen zn gehören brancht, soadsm allein
nich dem voranstehenden Nebensatze konstruiert werden kann**.
£ine genanere Analyse dieser drei von Devantier aogeffthrten
Gründe zeigt nun, daß sie ihrem Wesen nach durchaus nicht von-
emander so verschieden sind, als man auf den ersten Blick glauben
•oUte, daß sie vielmehr auf ein und dasselbe Prinzip des deutschen
Satzbanes zurdckzufäbren sind und daß denmach zwischen ihnen
ein Kausalnezns besteht, zu dessen Erkenntnis Devantier offenbar
Dicht durchgedrungen ist.
Beginnen wir nun mit der Eigentfimlicfakeit der deutschen
Satziorm, auf die sich der zweite unter den von Dev. angeführten
Grfinden bezieht: Im Deutschen verlangt sowohl das Belativum als
aoch die Eonjnnktion gebieterisch die erste Stelle im Satze. Diese
Erscheinung hat ihren Grund in einer Eigentfimlichkeit des
Deutschen, die weiter reicht, als sich aus Devantiers Worten ent-
oehmen läßt ; sie betrifft nicht nur die relativen und konjunktionalen
Nebensätze, sondern sämtliche mit einem Fügewort ver-
sehenen Nebensätze, also auch fragende, sowohl Ergänzungs-
(Begriffs-) Fragen, in denen Fragepronomina und Frageadverbia
als Fügewörter fungieren, als auch Satzfragen mit dem Fügeworte
'ob*. Ja, bei den Fragesätzen erstreckt sich diese Eigentümlichkeit
sogar auf einen Teil der selbständigen Sätze (Hauptsätze), nämlich
auf diejenigen, in denen die erste Stelle stets dem Frageworte
vorbehalten bleibt, also zunächst auf die Ergänzungs- oder Begriffs-
fragen. So kann der Deutsche, ohne zu einem Pleonasmus zu
greifen, einen lateinischen Satz wie Cic. p. Mil. 10 inaidiatori
vtro et latroni quae potest inferri iniusta nex? nur in der
Weise wiedergeben, daß er mit dem Frageworte beginnt: ^Wie
kann nun gar ein Wegelagerer und Straßenräuber unrechtmäßig
getötet werden?' In den antiken Sprachen hingegen wird durch
die Freiheit der Wortfolge die Möglichkeit geboten, denjenigen
M Daß hier ein Irrtum Devantiers vorliegt, werden wir ipiter
■ehea; vgl. S. 401 f.
400 Die logenaaiite relative Venchrinkoog new. Von JT. Kunti.
Satzteil an die Spitze der Frage zu stellen, der vermOge des Zu-
sammenbangee den Hanptton trägt oder der Verbindung mit dem
Vorhergehenden dienen soll. Vgl. in diesem Sinne Sali. lug. 81« 20
nam aervitutem quidem quis vestrum recusare audebai? ibid.
23 nam fidei quidem aut eoneordiae quae spe» est? fibenio
im Orieeb.: PI. Prot. p. 818 c zgifpatai 6h ^ ilfv%ri ^^^^^
futdi^fia^t di^xov (wo die tgotpii der Seele den Hanptbegriif bildet)
oder Xen. Mem. I 6, 9 iftgatsvoito dk ndxsQoq iv päovj
6 (lif dvvdfisvog &V€v 7Cokvt8loi>g dtaltrig ^fjv, ij £ tb lULqbv
i^xolri; ixnokcoQXfi^eifj dk nötSQog &v ^ävtov ». r. L
Eine ganze Seihe so geformter Fragen findet sieb Gie. p.'Qninctio
84. Daß dabei der Fragesatz aneh abh&ngig (indirekt) sein kaoD,
zeigen Beispiele wie Nep. Tbem. 2, 7 id responsum quo i»-
leret, cum intelUgeret nemop Themistodea persuatü,.,^). Der vor-
geschobene Satzteil kann ferner dnrch einen ganzen Satz gebildit
oder Ton einem solchen n&her bestimmt sein: Gic. p. Arch. 13
illa quidem, quae »umma sunt, ex quo fönte hauriam, eeio*).
— Will man im Dentschen einen Satzteil wegen der besondaren Be-
tonung oder der Verbindung mit dem Vorhergehenden einem Frage-
worte ▼oransschicken, so läßt sich dies« wenn wir tou der schlep-
penden Umschreibung mit *was anlangt, betrifft' absebeo,
nur durch die Anwendung des sogenannten Otfridischen Pleo-
nasmus erreichen (?gl. Blatz, Neuhochd. Gramm. U, § 64, 4),
') Über die VoraDstellang einei Fragepronomene oder FrageadTer-
biams Tor ein anderei, das nicht nach dem gleichen Satsteil fri^, vgl-
unten 8. 411, Anm. 1.
*) Auch in der Sati- (Entecheidungs-) Frage und den dieser Sati-
form sich anichließenden Aosmfiitien hat der Deutsche gewöhnlich eine
beitimmte Wortfolge; in ihrer regolftren Form beffinnen diese SiUe
mit dem Verhorn &iit., bei suiammengeBetzten Verbalformen mit dem
flniten Teile derselben, i. B. Trftgt dieser Baum auch Frttehte? Wird
dieser Baum auch Früchte tragen? Trftgt dieser Baom herrliche Frfichte!
Doch ist es bekanntlich auch mOglich, solchen Sfttsen die Form der Aos-
sage in geben und bloß dnrch den Ton, dem in der Schrift das Frage-,
besw. das Ansrafangsseiehen entspricht, ihr wahres Wesen su kennzeichseo,
also: Dieser Baum trftgt auch FrUchte? Dieser Banm wird auch Frflebte
tragen? Dieser Baum trftgt herrliche Frflchte! In den klassischen Sprachen
herrscht hingegen aoch besflglich der Stellung der die Satsfrageo eio-
leitenden Fragepartikeln Tollkommene Freiheit, so daß auch hier der-
jenige Satzteil an die Spitze treten kann, der den Anschluß an das Vor-
hergehende am besten Termittelt: Gic. De nat. d. I 88 deum ipsum
numne vidisti? in Gat. I 14 nuper, cum vaeuefeeiisetf
nonne eiiam cumulasti? Xen. Mem. III 6, 16 ot (paipovtat sai
XiyopxsSf a fiij teaaiy %al nQdttovtag, uoxiQa ooi 6onovöt9
knaivov [iSXXov ij ipöyov xvyxavHv; So wird bekanntlich regelmftßig nach
dem satsTerbindenden 'quidT nicht die Fragepartikel, sondern der betonte
Begriff an die Spitze gerUckt, s. B. Gic. Tusc. I 56 quid? illa tandem
wum leviora cenaes? oder p. Mil. 64, wo dem Frageworte ein ganier
Sats samt seinem Nebensätze Torgeschoben wird: quid? quae posU^i
aunt in eum congeata, quae quemvia etiam medioerium de-
lictorum conacientia perculiaaent^ ut auatinuit, diimwutrtaiUt!
Die aogenaiuite reUtive yerscbriiikoDg oiw. Von K, KwMt 401
wobei der yonngeitellte Satzteil in dem Fragesatze selbst durch
MB Prooomen (AdTerb) wieder aufgenomiDen wird. Dadareh gewinnt
der Fragesatz wieder seine gewöhnliche Form. Ygl. Goethe,
Gi^tx ?. Berl. IV2MeineLente,wo sind die? Der herforgehobene
Sitztsil kann dabei dnrch einen ganzen Satz vertreten sein, so in
d«D (fon 0. Weise, Dentsehe Sprach- und Stillehre, 1901, S. 180
ao^eftthrten) Satze ans Lessing 'Die einen so infamen Titel
fihri, wie heißt diese Scharteke?* Anf diese Weise ergeben sieh
fir die obgenannten Baispiele folgende Obersetznngen : Oic« p. Mil.
10 'üod vollends ein Wegrolftgsrer und Straßenrftnber, kann der nn-
rMhtmißig getötet werden?' Sali. log. 31, 20 *Denn Knechtschaft,
war Ton euch wag^ es, gegen die sich anfznlehnen?* ibid. 28 Denn
gsf^seitiges Vertranen und Eintracht, wie lißt sich auf dieses
Varb<nis hoffen?' nsw. Daß jedoch diese pleonastische, von dem
•bn n&her charakterisierten Sprachgebranch der antiken Sprachen
dtmoach Torschiedene Ansdmcksweise mit ihrer stark rhetorischen
Firbmig auch hinsichtlich der H&nfigkeit ihrer Anwendung an
jenen Spracbgebranch keineswegs hinanreicht , braucht nicht erst
bisoodtfs herrorgehoben zn werden.
W&hrend bei selbständigen Frage- and Ansmfs&tzen min-
dMtens anf diese Weise auch im Dentschen die Vorschiebnng eines
Satzgliedes Tor das Fragewort ermöglicht wird, erscheint hier die
Möglichkeit, einen Satzteil vor das Fflgewort einer abhängigen
Frage, eines koigonktionalen oder relativen Nebensatzes zu stellen,
^anz aasgeschlossen; in den antiken Sprachen hingegen herrscht
aocb in allen diesen Satzkategorien vollkommene Freiheit der
Wertetellong, vgl. Cic. Tasc I 16 tameny mors ui malum wm
tit, e/ficiss; id. Lael. 94 multi Gnathonum simiUs cum
nnt loeo superiares, horum est adsentatio moUaia; ibid. 54
illa Buperbia et importunitate si quetnquam amicum habere
poluit; Thok. I 144, 8 sldivac di %i^, £x %s xdiv i/lb^
Yiörav xivSvvav Sri tucI nölai xccl Idicotn ^eyiörtn tiiial
xiQiyiyvopxai, ibid. I 142, 4 q>QOVQiov d^ sl xoiiiöovxaif. . .
Vgl. Kfihner za Cic. Tasc. I 8, 16 and Sejffert-Mailer za Cic.
Lael. 16, S. 97. Devantier will zwar a. 0. S. 15 diese Eigen-
tfimllchkelt nnr von den Konjnnktionalsfttzen der klassischen
Sprachen gelten lassen and meint, Mas satzverbindeode Eelatirutn
könne auch im Lateinischen keinen anderen Platz erhalten aJs
den tfsten*; es ist jedoch dagegen za bemerk»Dt dail auch in
Selativsitsen, mag ihr Beziebangswort voraasgeh^n oder folgtnt
andere Satzglieder an die Spitze treten können. Y^!. Caei. TII_11,
8 Urtio die arma conferri .... iusait. Ea qui conficBret^ C
^iiiffi Uffotum relinquit^ ipse ut . , , , faceret; ebenso SalUv
98, 8 praesidio qui farent; Cic. Lael. 19 ui ii futrunt, m
^Koe naminavi; Varro B. B. I 2, 9 quod effodiebat^ eircm
ZiÜNkrUt f. d. toterr. Otbui. 1908. V. Htft. 26
402 Die logeiiannie relaiife Venehrftnkuig; niw. Von K. ftmit.
horeB e radieibus quae nascertntur e 9olo n. ▼. a.^). Au
dem Griechischen TgL Plat. Phaedr. pg. 288 a xal tovrov
lÖB&v ixTtQsxiis ^ &v rvxv y^o^ivri, Thnk. IV 80 »qobI-
%oVj aixAv 0601 i]iioi>6iv iv xois noksfiloig ysyBvilö^u
Cfplöiv ägiatoij xgCvs^^ai.
Ebeoso wie in allen diesen Sfttzen solche Begr^iffs der Eonjonktion
nnd dem Belati?Qm Torangestellt werden» die dem Nebensatze allein
angehören nnd demnach in der durch das v$rbumfin, dieses Satzes
geforderten Form erscheinen, so terhält es sich auch mit den Sitzes,
auf die De?antier den dritten der Gründe für die Möglichkeit der
'relati?en Verschrftnkung* im Lateinischen stützt, wie Caes. B. 6.
IV 11, 1 Caesar cum ab hosU non amplius paasuum XII fiii-
libus abesset, ad eum Ugaii revertutUur oder Li?. V 1, 8
Bomanis eist quietae res nuntiabantur, tarnen .... ita munie-
bant. . Daß demnach der Ton Devantier an dritter Stelle angefahrt«
Grund auf derselben Freiheit der Wortfolge beruht wie der lo
zweiter Stelle genannte, ist einleuchtend.
Diese Möglichkeit, einen den Anschluß an das Vorasi-
gehende Termittelnden Satzteil Tor das Fügewort eine« NebeneatzM
zu stellen, reicht auch vollkommen aus, die als ^Verschrlnkasg*
bezeichnete relative Verbindung von Sfttzen zn erklftren. Denhn
wir uns n&mlich in Sfttzen wie Caes. B. G. Vn 11, 3 ea pi
conßeeret, C. Trebonium leg. reliquü oder Nep. Them. 11 7 id
responsum quo valeret nsw. die an der Spitze stehenden Demos*
strativa durch Belativa ersetzt, so gewinnen wir sofort die Form
der ^relativen Verschrftnkung*. Vgl. meine obgenannte Programm-
abhandlung S. 14 f. Wie in diesen Sfttzen das den Anschluß an
den früheren Teil der Bede vermittelnde Demonstrativ dem Ffige«
wort seines eigenen Satzes (des das Satzgefüge einleitenden Kebtt-
Satzes) vorgeschoben ist, ebenso verhftlt es sich mit dem BelatiTam
in Satzgefügen wie Nep. Thras. IV 1 Thrasybulo corona a pop>
d. est, quam quod am. civ. et n, v, expr,, nuUam habuit invid,
=: A: a:a. Hier geht das die Verbindung des Satzkomplexcfl
a:a mit A herstellende Belativ (quam) dem Fügeworte (quod)
des eigenen Satzes (a) voraus').
Welche Bewandtnis hat es nun mit dem von Devantier u
erster Stelle genannten Grunde, nftnflich der dem deutschen Satibaa
M Diese sogenannte Anaitrophe der Eonjonktion und desBeUttV.
beiw. FragepronomenB findet sich besondere bei Varro; vgl. . Krambiegeli
De Varroniano serib. genere, Lipt. 1892, § 61; Heidriel^ Der Stil des
Varro, 42. Jahres ber. des k. k. Stiftsgjmn. von Melk, & 18 f.
') Die hier angewandte, aoeh sonst in Werken stilistischen lahsltei
übliche bildliche Darstellang von Periodenformeo bemht darauf, daß die
Haantsfttie mit großen Bachstaben A^ B, 0 a. s. f., die Nebensfttze ertttn
Graues mit a, b, c osw., die iweiten Grades mit a, /?, y, die der nftdisteD
Ordnong mit a , ^, y nsw. bezeichnet werden, wie es schon J. A. Lab*
mann in seinem » Allgemeinen Mechanismas des Periodenbanes*. Danxig
1838, getan hat.
Die logeoaiiBte reUti? e VenehriiikaBg niw. Yen K, Kunst. 403
DrirndtD, in den antiken Sprachen hingegen oft yorkommenden Satx-
folge a:a:A oder Ä:a:a, bezw. A(a:a)Ä? Es handelt sich
io dieMn Fällen nm Periodenformen, in denen ein Nebensatz zweiten
Gndes an der Spitze steht oder sich nnmittelbar an den Hanptsatz
auebliefit, z. 6. Cie. Phil. V 6 quid autem agatur (a)j cum
vfvrufTo (a)j faciU erU 9tatuer$ (Ä), quam senietUiam dkatis;
angleichen p. Mil. 57 manu vero dur miaerit (a), ei id potius
gvwm (a) , nesei» inimiei factum reprehendere (A); oder
fflit Yoranstellnng des Hanptsatzea: id. de orat. I 284 veritua es (A),
niii tarn artnn oraiume exaggerasHS (a), ne operam perdidisses
(a) oder Caes. B. Q. I 21, 1 eodem die .... certior /actus • . • .
(A), qualis esset natura montis (a), qui eognoscsrent (a),
mitU (A). Anch einen Nebensatz höherer Ordnung kann der Lateiner
u die Spitze eines Satzgefflges stellen, wenn es die besondere
BitoBUig eines darin enthaltenen Begriffes oder der Anschloß an
das Yorhergesag^ erheischt, so Nep. Arist III 1 quos quofacilius
npükrent (a), ...ad dassis aedißeandas exerdtusque camparandos
quanium peeuniae quaeque civHas daret (a), Aristides delectus est
(A), qui eanstüueret (a). Woher es kommen mag, daß sich gegen
dttlei Satzfflgnngen, die in den antiken Sprachen in hohem Maße
dazu beitragen, der Darstellnng ihr besonderes Qeprftge zn Torleihen,
dir dentsche Satzban strftnbt, dar&ber bemerkt De?antier nichts;
zQch bei Nägolsbach-Müller, Lat. Stilist., wird § 152 nnr anf die
Uofflöglichkeit einer Yoranstellnng Ton a vor a hingewiesen ohne
jide ErklAmng dieser Erscheinung« — Geht man nnn daran, eine
solche an snchen, so wird man dnrch das Wesen der Nebensätze,
die doch stets Satzgliedern Ton Sätzen der nächst höheren Kate-
gorie gleichkommen, anf die Stellung der Satzglieder innerhalb
eines einfachen Satzes geffihrt. Ebenso wie es sich im Dentschen
als nnstatthaft erwiesen hat, vor das Fügewort eines Nebensatzes
•in Satzglied zn stellen, erscheint es anch nnstatthaft, einen
diesaa Satzglied Tertretenden Nebensatz zweiten Grades
(c) dam Fflgeworte des Nebensatzes ersten Grades (a)
roranznstellen^). Eine natflrliche Folge dieser Eigentümlichkeit
*) Ab nnd zu kommt diese Satsitruktor allerdingt auch im Dentschen
Tor, beeonden in der älteren Sprache; sie gehört aber immer zn deo
Siagolaritäten nnd wird alt Härte empfunden. Zu der Satzform a:a: A
eriBBere ich an Nib. Str. 974, 8 f. (Lachm.): Dir mir in (Sifrit) Mt he-
n(men^ «rtrd te^ des l^ewtstt (= werde ich detsen lieber), es muos im
sehedliehen kamen; so A:a:a an Nib. Str. 803, 8 f.: Ich wü iueh
ledee Idn, des iuch min swister sihet, daz ir dis niht habet getan;
Leea. Hamb. Dramat. 81. St. «Ich will bloß tagen, wat die Franioien
gar wohl haben konnten, daß sie das noch nicht haben: die wahre Tra-
gödie". Etwas weniger hart erieheint der Ausdruck in Fällen wie Nib.
Str. 843, 1 ff.: Jedoch bin idi in sargen, awenne er (Sifrit) in strite
etat umd , daß ich da Verliese den mtnen lieben man; ähnlich
ScfailL Wilh. Teil I ^ff.: »Den MOrtel angefahren, wenn der Herr
LaadTOft kommt, daß er das Werk gewachsen sieht''. Zu der Form
26*
404 Die logenAnnta rdatif e Yenehriiibing ntw. Von K. KwMt,
ist 68» daß man bei der dentechen Wiedergabe Ton laieiuechen
und griechiscben Satzgeffigen, in denen eich a T<Nr a .geetiUk
findet» die in dieser Sats^olge gelegene Schwierigkeit zu beseitigen
bat Bei der Satiform a:a: Ä wird man demnach, falls der Satt-
inhalt nicht die Voranstellnng des Hanptsatx^t geraten erseheiaen
läßt, darauf zu achten haben, daß im Deatschen mit dem Nebea-
sats erster Ordnung angefangen wird» eine Segel, die
dem ungeübten Obersetzer die Arbeit wesentiich zu erieiditern
geeignet ist.
Daß die Unmöglichkeit, die antike Satzform a:a:Ä uod
die erwähnten damit verwandten Formen nachzubilden i auf dar
ünstatthaftigkeit der Voranstellung des Nebensatzes a vor das
Fl&gewort des Nebensatzes a beruht» daß also in diesen F&Uod
speziell dem Ffigeworte des Nebensatzes a eine wichtige BoU«
zofftllt, ersieht man daraus» daß sich eine solche Yorschiebaog
eines Nebensatzes zweiter Ordnung (a) vor einen Nebensatz erstsr
Ordnung (a) auch im Deutschen sofort als möglioh erweist, sobald
a sein Fflgewort verliert» d. h. sobald an Stelle des ToUstindigen
Nebensatzes a eine Satzbestimmung mit Satzwert tritt. Haben wir
z. B. den Satz *quid factum esset (a), ut comperiretn (a), servwn
ad te misi (Af ins Deutsche zu ftbertragen» so ist die Beibehal-
tung dieser Satzfolge unstatthaft, falls wir 'ut eomperirem* dnreb
einen Tollständigen Nebensatz mit einem eigenen Fdgewtrt Mamit
(auf daß, daß) ich erfahre' wiedergeben wollen. Bestehen wir
auf dieser Übersetzung» so mdssen wir mit diesem Satze ak dem
Nebensatze ersten Grsdes beginnen oder der Hauptsatz muß an
die Spitze rücken. Die Sache ändert sich, sobald an Stelle tob e
eine fdgewortlose Satzbestimmung mit Satzwert, in unserem Falle
eine InfinitiTkonstruktion, tritt: was geschehen war (a), zv
erkunden (a), sandte ich einen Diener zu dir (A). Bbenso kann
man bei dieser Art der Übersetzung die sonst im Deutschen ebenve-
wenig flbliche Satzfolge A : a:a=z servum ad te misi (A), p^id
factum esset (a)^ ut camperirem (a) oder A (a : a) Äz= serrum
ad te (A), quid factum esset (a), ut comperirem (a), misi (A)
zur Anwendung bringen : 'ich sandte einen Diener zu dir (il)» was
geschehen war (a)» zu erkunden (a)' oder 'ich sandte (A), ^^
geschehen war (a)» zu erkunden (a)» einen Diener zu dir (A)'. Der
Ausdruck 'zu erkunden^ nähert sich eben seiner Geltung nach
einem Satzteil, der mit seinem sekundären Satzglied (dem Nebsn-
satze a) als eine inhaltliche Einheit gefühlt wird. — • Ganz äbnlicb
?erhält es sich mit einer Partizipialkonstruktion an Stell»
des Nebensatzes a. Bei der Übersetzung des Satzgefüges ^m^
factum esset (a), cum ignorarem (a) servum ad te misi (A) odsr
A(a:a) A Tgl. das Ten Nfigelibach-Mfiller in der Anm. zu § 152, S
beigebrachte Beispiele ans Clandina (Werke I, p. 61): «Denn (A), was man
wfittichet (a), wenn man's hat (aj, so ist man darum noch nieht aalt (A)^-
Dk MginAnDte relative VenehriDkimg usw. Von K. Kunst, 405
timim ad U tnisi (A), quid factum esset (a), cum ignorarem
(a), bezw. servum ad te (A), quid factum esset (a), cum igno-
rarem (a), misi (A) kann man ohne weiteres die fieihenfolge der
Sitze beibehalten, falls der Nebensatz cum ignorarem (a) in der
Twkfirzten Form eines Partizipiamt wiedergegeben wird, also 'was
^ebehon war (a), nicht wissend (a), sandte ich einen Diener
zu dir {A^ oder *ich sandte einen Diener zn dir (A)y was gesdiehen
wir («), nicht wissend', bezw. 'ich sandte (A)^ was geschehen war
(a\ nicht wissend (a), einen Diener zn dir M)*').
Die gleiche Wirkung wie mit einer Satzbestimmnng- mit Satz-
wert an Stelle des Nebensatzes a läßt sich darch eine solche Form
dieselben Nebensatzes erzielen, bei der der Satz unter Verlust
des Fftgewortos sein Verb, finitum behält Es ist dies
die Satzform, die dem Obergange eines Satzes Tom Haupt- zum
Nebensatze entspricht. Sätze dieser Art besitzen noch nicht alle
Merkmale eines Tollkommenen Nebensatzes, auch nicht Tolletändig
dessen Geltung, es sind sogenannte unechte Nebensätze, wie
sie insbesondere in der Oratio obl. zur Anwendung kommen.
Hindelt es sich beispielsweise um die deutsche Wiedergabe des
Satzgefttges num quis seeuturus se esset (a), quaesivisse regem
(a) dicu9U Isgaii (A), so ist es nicht ausgeschlossen, unter Bei*
bebaltnng derselben Satzfolge den Satz also zu formen 'ob jemand
ilim folgen wolle (tt), habe der König gefragt (a), sagen die Oes.
(ly. Der Satz a steht in diesem Falle einem vollgültigen Hanpt-
tttio noch so nahe, daß sich die Verbindung von a und A von
einer Koordination nicht weit entfernt und a beinahe wie Mn
HiuptBatz, a aber dementsprechend wie ein Nebensatz ersten
Oradet fofthlt wird. Von den beiden anderen im Lateinischen
ooch möglichen Formen desselben Satzgefüges legati (A), num
quis se seeuturus esset (a), regem quaesivisse (a) dicunt (A) =
A (a : a) A und dicunt legati (A), num quis se seeuturus esset
(a), regem quaesieisss (a) ^=i A : a : a ist zwar die erstere im
Dsutachen nicht mOglith, weil hier das Verb. fin. des Hauptsatzes
BOtwendigerweise die zweite Stelle in dem ganzen Satzgefüge
einnehmen muß — ein umstand, der uns im folgenden noch be-
schäftigen wird — also gleich auf das Subjekt 'die Gesandten' zu
folgen hat; hingegen ist die zweite Form bei besonderer Betonung
Ton a nieht gerade unmöglich : die Ges. sagen {A\ ob ihm jemand
folgen wolle (a), habe der König gefiragt (a). Der Grund fttr die
Zoläsaigkait dieser Anordnung der Sätze liegt wieder in der höheren
Geltung des unechten Nebensatzes a. Ganz ausgeschlossen wäre
diese Salifolge, wenn a eine einleitende Konjunktion hätte ('daß
') Auf der hier besprochenen Eigenschaft der deutschen Satz-
beitimmungea mit Satswert im Gegensatz zu TolUtändigen, fllgewörtlicben
Nebeneätsen beruht die in meiner obgenannten Frogrammabhandlnnff
8. 29 f. unter II 1 näher gekennzeichnete Übersetsungeart 'Terechränkter
Bdalifsätse.
408 Die sogenannte relati? e Yenehr&nlrang niw. Von K, Kwm\,
Nicht ohne Interesse ist es, auch bei den Satzfonnen mit
dem Qmndtypas a:{f>:A)^ bezw. a:{b:\c: Jl^ den Ursachen
nachzugehen, wamm sie, die doch in den antiken Sprachen allgemein
üblich sind, sich im Dentschen nicht einbürgern konnten, wanim
sie der dentschen Satzfügung widerstreiten. Job. Aag. Lehmann
spricht a. 0. wiederholt von diesen Satzformen, am ansffihr-
lichaten in dem zweiten Teile seines oben genannten Werkes
§ 58, S. 885 ff., ohne sich ober dio erwähnten Grande n&her
aasznsprechen. Aber aach bei Nägelsbaeh-Mnller, wo a. 0. § 149
diese Periedeoformen znr Sprache kommen, und bei Blatz, der
in seiner Nenhochd. Gramm. II § 245^ darüber handelt, wird
nur die bloße Tatsache ohne jegliche Andentung der Grand«
konstatiert. In Erdmanns Gmndzügen der dentschen Syntax, Statt-
gart 1886, werden die Formen der deatschen Perioden und dem-
nach auch die hier behandelte Art nicht näher besprochen aod
ebensowenig in neueren Werken über deatschen Satzbaa: D. Sanderi,
Satzbaa and Wortfolge in der deatschen Sprache, 2. Aufl., Weimar
1895; Wunderlich, Der deutsche Satzbaa, Stuttgart 1892; Olbricfa,
Goethes Sprache und die Antike, Leipzig 1891.
Mit Büoksicht auf meine obigen Ausführungen über die üo-
zuläesigkeit von Satzformen im Deutschen, in denen ein Nebensatt
zweiten Grades an die Spitze gestellt oder an den Hauptsatz
unmittelbar angeschlossen wird, liegt es nicht fem, auch bei den
hier behandelten Satzgefügen die Gebundenheit der Satz-
stellung mit der Gebundenheit der Wortfolge des ein«
fachen Satzes in Verbindung zu bringen. Zwar yerwirll Wod-
derlich a. 0. 8. 104 die auf Grund ähnlicher Erwägungen ge-
wonnene Ansicht Erdmanns (Grundz. usw. § 207, S. 184), da£
die Anfangsstellung des Verbnms im Nachsatze (Hauptsätze) eines
Satzgefüges mit einem vorangehenden Nebensatze auf die SteUvog
des Yerbnms im einfachen Satze zurückzufahren sei, und will si«
ans 'inneren Gründen* des Hauptsatzes erklären. Ich halte jedocii
Erdmanna Darlegungen für vollkommen berechtiget und glaube, daß
auch die Ünzulässigkeit von Satzformen mit dem Grundtypns
a / (fr .* A) im Dentschen im Zusammenhange steht mit der Wort-
folge im einfachen Satze. Zunächst ist hier nicht zu übersehen,
daß die Yoranstellnng zweier oder gar mehrerer Neben-
sätze ersten Grades vor den gemeinsamen Hauptsatz auch
im Deutschen nicht in allen Fällen unstatthaft ist DIm
zeigen jene oft sehr kunstvollen Perioden, in denen mehrere Neben-
sätze erster Ordnung, zumeist mit derselben Eoiyunktion eingeleitet,
dem in der Begel kurz ausgedrückten Hauptgedanken voraus-
geschickt werden; so heißt es z. B. bei Herder: *Wie Nationeo
Umstellang der Sätze nicht unbedingt nOtig; der denteehe Sats kaan aaeb
heißen 'sogleich bereitet T. alles (A), was zur Heilung der Wände aot-
wendig ist (o)^ als ob noch Hoffnung voAanden wäre Q>)^ eifrig vor {A)\
Di« MgaiiADBte relaÜTe Vencbrftnkimg obw. Von IL Kunst 409
waodeni« wie sich die Sprachen mischen nnd Terändern, wie neae
Gs^st&nde die Menschen rühren, wie ihre Neigungen eine andere
fiiehtimg nehmen, wie in der Zosammensetznng der Bilder neue
Vorbilder anf sie wirken« selbst wie die Zunge sich anders bewegt
nad das Ohr sich an andere Töne gewGhnt: so verändert sich
die Dlchtknnst nicht nur bei verschiedenen Nationen, sondern aach
bei demselben Volke'. Dabei können diese Nebensätze dnrch andere
bOberer Ordnung näher bestimmt sein; vgl. z. B. nachfolgende
Periode aus der Bede, die Justizrat 0. Gassei in der Sitzung des
presß. Abgeordnetenhauses vom 15. April 1907 gehalten hat:
*Wenn man auch betonen kann, daß unser altes Oymnasium
niebt unfähig gewesen ist, diejenigen Pioniere zu entsenden,
welche auch in Mathematik und Naturwissenschaften die groß*
artigsten Leistungen aufzuweisen haben, wenn es auch richtig
ist, daß das Gymnasium die Kultur unseres Volkes und seine
Entwi^ung in Technik und Industrie nicht hat zurückgehen lassen,
wenn es auch wahr ist, daß Männer wie Helmholtz und Virchow
Zdglinge des alten Gymnasiums gewesen sind, und zwar solche
Schüler, die bis zu ihrem letzten Atemzug — von Virchow weiß
ich es bis in seine letzte Zeit hinein — mit Freude, Anhänglich-
keit und Dankbarkeit an diese Schule zurückgedacht haben, wenn
es auch richtig ist, daß das Gymnasium sie zu ihren Leistungen
nicbt unfähig gemacht, sondern ihnen die Grundlagen hiezu ge-
währt hat: 8 0 will ich doch zugeben, daß es auch Bevölkerungs-
kreiso gibt, die für ihre Kinder eine mehr ins Praktische gehende
Aotbildung mit Becht wünschen*. Nicht also die bloße Zahl
der dem Hauptsatze vorausgeschickten Nebensätze erster Ord-
niug ist hier maßgebend, sondern auch ihre Qualität.
In den beiden angeführten Perioden sind sie jedesmal sämtlich
gleichartig, d. h. sie vertreten alle jedesmal Satzglieder derselben
Art. In den obgenannten lateinischen Perioden hingegen ist das
logische Verhältnis, in dem die Nebensätze zu ihrem gemeinsamen
Huptsatze stehen, jedesmal ein anderes: jeder von ihnen vertritt
m Satzglied anderer Art.
Wie verhält es sich nun mit der Voranstellung mehrerer
Satzteile vor das Verbumfin. im einfachen Satze ? Hierläßt
sieh im Deutschen das allgemeine Gesetz beobachten, daß mit Aus-
Dsbme von Satzfragen und Begehrungssätzen in der zweiten Person
die Hauptsätze das finita Verbum (bei zusammengesetzten
Verbalfermen das Hilfsverbum) an der zweiten Stelle haben. An
die Spitze des Satzes tritt im allgemeinen derjenige Satzteil, der dem
Bedenden den passendsten Ausgangspunkt für die Darstellung des
Satiinhaltea zu bieten scheint, z. B. *Der Spieler hofft immer auf
OewioB* oder 'Immer hofft der Spieler auf Gewinn* oder 'Auf Ge*
winn hofft immer der Spieler'. Nur wenn sich die Darstellung von
^tt gewöhnlichen Form der Bede abheben soll, wird der Bedende
«twa zu der Endstellung des Verbums greifen : Immer auf Gewinn
410 Die logenannte relatire VertehrAnkimg luw. Von JT. EitmL
der Spieler hofft* ^). Doch Ton dieser hanpteäehlich in der Diehter-
spräche vorkommenden Wortfolge kann man hier fftglich absehen;
desgleichen von den ebenso seltenen, dnrch besondere umstände
bedingten Fällen, wo ein aussagender Hauptsatz mit dem Verbnm
fln. beginnt wie Ooethe, HeidenrOsl. V. 1 f.: «Sah ein Enab' ein
BOslein stehn" '). — Daß aber einem solchen dem Varbam flnitom
vorangestellten Satzglied eines einfachen Satzes in einem Satx-
gefftge ein dem Hauptsatz vorangestellter Nebensatz entspricht, ist
klar. Ebenso wie sieh demnach auf einen vorgeschobenen Satzteil
unmittelbar das finite Zeitwort des einfachen Satzes anschließt, so
schließt sich in einem Satzgefüge an einen an die
Spitze gestellten Nebensatz, der eben jenem Satzteil an
Oeltnng fflr den Hauptsatz gleichkommt, unmittelbar das Verb,
fin. des Hauptsatzes an: *Wer spielt, hofft immer auf Gewinn'.
Es wurde vorhin dargetan, daß in einem deutschen Satz-
gefüge auch mehrere Nebensätze ersten Orades ihrem gemeinsamen
Hauptsätze vorangehen kOnnen, daß sie aber dann in demselben
logischen Verhältnis zu der Aussage des Hauptsatzes stehen, d. h.
gleichartig sein müssen ; ebenso verhält es sich mit den dem finitsn
Verbum eines einfachen Satzes vorangestellten Satzgliedern: aneh
ihrer kOnnen mehrere sein, doch müssen sie der gleichen Kategorie
angehören; vgl. z. B. Oellerts Osterlied V. 87 ff.
Mit Engeln and mit Seraphim,
Mit Thronen nnd mit Cherobim,
Mit allen Frommen aller Zeit
Soll ich mich freua in Ewigkeit?
Nicht ganz gleichartige Bestimmungen werden nur dann zu einar
solchen Einheit, die dem Verbum fin. vorgeschoben werden kann,
^) VgL Nib. Str. 1648, 1: mit küsse mitmecHehm dir wirt do
damnm sehtet; ans dem Nhd. vgl. etwa Schill. Taucher 3. Str. 5: «Und
der EOnig inm drittenmal wieder fraget* n. a. ro. Auch das Streben nach
Parallelismnt kann die Endstellnng des Verbnmt in einem aussagenden
Satze snr Fol^e haben, so in Martin Millers 'Zufriedenheit', Str. 2, 5 »Je
mehr er hat, je mehr er will".
*) Die gleiche Wortfolge bieten in diesem Gedicht« aneh die nach-
folgenden Verse; die ganze Strophe lautet bekanntlieh: „Sah ein Knab'
ein BOslein stehn, | BOtlein anf der Heiden, | War so jong nnd morg«n-
sehOn, I Lief er scbnell, et nah zu sehn, | sah's mit vielen Frenden".
Der ptjchologieehe Gmnd dafOr, warum der Bedende in einem soleben
Falle von der gewohnliehen Wortfolge abweicht, kann nur darin an meban
•ein, daß eich nnter den Vorstellnngsmaßen, die den ganzen Satsinhalt
bilden, die Vorstellang dee in dem Verbnm liegenden Begriffes der Hand-
lung vordrängt und eich lo in der iprachliehen Darstellung dem sonstigen
Spracbgebraneh snm Trotz die erste Stelle erringt In gewOhnUeher Prosa-
rede wird in diesem Falle der in der regulären Wortfolge gelegenen For-
derung, dem Verbnm die zweite Stelle anzuweisen, dadurch Rechnnog
getragen, daß die erste Stelle einem farblosen Präparativ des Subjektes,
dem Pronomen 'es*, nberlassen wird, s. B. Es beult der Stnrm. Ki
rauschen die Wälder.
Die togenaiiiite relaüTa Venehrftnkmig usw. Vod K, Kunst. 411
ziiBimmeog«faßt, wenn sie etwa der Aaemaliug einer nod derselben
Situation dienen, wie bei Yoß, Der eiebz. Oebnrtst. 1 f. :
Auf die Poftille gebflekt, nr Seite des wAnnenden Ofeni
SaiS der redliche Tamm.
Vgl. Erdmann a. 0. § 206, Anm. Desgleichen kann das dem
Verbnm des Hauptsatzes ▼orgesehobene primäre {vgl. Blatz a. 0.
§ 8, 8. 7 ff.) Satzglied durch andere sekundäre Satzteile in der-
selben Weise näher bestimmt sein wie ein gleichgestellter Neben-
»tz erster Ordnung durch Nebensätze zweiten und dritten Grades;
T^l. z. 6. Hauff, Liechtenstein I, 8. Kap. (Edrschner S. 29):
„Diese wenigen Worte aus dem Munde eines darch Tapferkeit und
Kriegskunst unter seinen Zeitgenossen hochberühmten Mannes fibten
80 besänftigende Gewalt über Georg, daß er" usw. oder Schillers
Glocke V. 62 ff.:
und herrlich, in der Jogend Prangen,
Wie ein Gebild aus HiromelshOhn,
Mit lüehtigen, versehämten Waogen
Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
ÜBzulässig wäre es aber, auch nur zwei einfache Satz*
glieder Tor das Verbum finitum zustellen, falls sie Ter-
icbiedenerArtsind.8o widerstrebt es TöUig dem Geiste deutscher
Sstzfügung in dem einfachen Satze *Bei ruhiger Überlegung wirst
ta dein Unrecht einsehen* die adverbiale Bestimmung 'bei ruhiger
Überlegung' samt dem Objekt *dein Unrecht* vor das finite Zeit-
wort (bezw. das Hilfszeitwort) zu stellen >). Ersetzen wir diese
0 Auf der hier besprochenen Eigentümlichkeit des deotechen Sats-
bines beruht aoch die Eneheinongy daß der Deutsche mehrere Ergän-
nogifragen (Beniffefragen) nor dann mit einem ond demselben Prädikats«
ferb verbinden kann, wenn sie gleichartig sind, d. h. wenn mit allen
nach Si^liedem derselben Kategorie gefragt wird, s. B. 'Wann, wo ond
mit wem hast do den Bruder geeehen?' Alle drei Fragen gelten hier
idverbialen Beetimmongen. Der Lateiner ond der Grieehe können hio-
(egen gans heterogene Fragen in dieier Art Terbinden. Ich verweise auf
die bekannten Beispiele: Verg. Aen. lY 871 quae quihus anteferam?
(Frsge nach dem Dativ- ond dem Akknsativobjekt), desgleichen im
Nebensaise wie Cic p. Mil. 31 num quid igitur aliud in iudicium venit,
mti uter uiri imÜioB fecerit? (Frage nach dem Subjekt ond dem
Dativobjekt); ans dem Grieehitehen vgl. Xen. Mem. II 2, 8 tlvag ohp
ise xiwmw f0poi|ier (St9 fuitova §it^ytTiiiu90vs ^ nutSug ^Jto yov^ir;
(Frage naebdemSubjektsakkussativ ond dem Adverbiale d. Gr.).
Vgl hieM das 8. 899 1 über die Stellong der Fragepronomina ond -adverbia
Gesagte. — Sonst finden sich im Deotseheo iwei oder ffu mehr Sats-
glieder venehiedener Art in Haopteätsen nur hie und da m der Diehter-
•prache den Verhorn finitom veraogeetellt Aoßer den schon oben (8. 410)
«wählten Fällen mit Endstellong des beetimmten Zeitwortes vgl s. B.
Nib. Str. 803» 1 Sifrit dir vü hüene um eide bot die hawt\ desgleichen
Heine» Belsaa. Str. 3 ,,Dort oben in dem KOnigtaaal | Beliaser hielt sein
KSaimahl*. Andere Beiipiele für diese Art von Wortfolge, den Werken
Goetbee entnommen, dessen antUdsierende Dichtongen häofiger eine
kehnere Wortstelloog aofweisen (vgl. Lehmann, Goethes Sprache und ihr
412 Die Bogenannte rolatWe Venchrftokimg niw. Von £. KuhH.
beiden Satzglieder durch Nebensätze, wodoreh sieb das Satzgeftkge
ergibt 'Wenn da mbig Oberlegst (a), wirst du finden (Ä), dafi da
unrecht hast (b)\ so w&re es ebenso unstatthaft, in diesem Satz-
geffige beide Nebensätze ersten Grades Yor den Hauptsatz, bezw.
vor dessen bestimmtes Zeitwort zu stellen. In den klass. Sprachen
hingegen, wo mehrere disparate Satzglieder dem Verbum fin. is
einem einfachen Satze Torangehen können, wird durch diese Frei-
heit auch die Yoranstellung zweier oder auch mehrerer ungleich-
artigen Nebensätze Tor das Verb. fin. des Hauptsatzes, also Tor
den Hauptsatz, ermöglicht. Der Umstand, da(S sich ab und zu anch
bei deutschen Autoren derartige fremdklingende Satzfugungen finden,
beweist nichts gegen den regulären Sprachgebrauch; ja, ihr be-
sonders in Prosa seltenes Vorkommen zeigt eben, daß sie mit dem
den Bau deutscher Satzgeffige bestimmenden Gefühl nicht im Ein-
klang stehen^).
So bietet uns denn die Wortfolge des einfachen
Satzes mit der Stellung des finiten Verbums an zweiter Stelle den
Schlüssel für die Erklärung der im Deutschen im all-
gemeinen seltenen, in der neueren Prosa geradezu unzulässiges
Geist S. 64 f., § 18 f.) bringt Olbrich a. 0. S. 21 ff. bei. Niefat hieher n
rechnen lind aber die Beiipiele, in denen ein an die Spitse dee gaoseo
Sattes geetellter Satzteil nach dem Verb. fin. dorch ein Detenninatifion
wieder aufgenommen wird, wie sie Olbrich 8. 47 anfflhrt, so Pandora,
1. Anfi. Anf. ^Kindheit und Jngend, alliu glücklieh preis' ich sie*, .Doeb
Menichenpfade, zu erhellen sind sie nicht", »Des Jünglinge Pfade, n
erraten sind sie leicht". Allerdiogs gehen anch hier immer je iwei fer-
schiedenartige Satzglieder (Snbjekt, beiw. Objekt nnd der Prädikatibeghffj
dem bestimmten Zeitwort vorans; doch die Wiederaufnahme der an der
Spitze stehenden Satzteile dnreh ein Pronomen naoh dem Verb. fin. bewirkt,
daß der mit dem Pr&dikatsbegriff beginnende Teil dei Sattes eine gau
gewohnliehe Wortstellnng aufweist; das den ganten Satz einleitende Sats-
glied aber erseheint der Herrorhebnng wegen nach Art des S. 400 f. be-
sprochenen Otfridischen Pleonasmua roigeschoben.
^) Beispiele tn der Periodenform aiß : A) aus dem Deutsehen rieh
S. 407. Die nicht nnintereseanten SatzfÜgongen aber, auf die Lehmann
a. 0. § 58, S. 835 f. aufmerksam macht, wie t. B. *Weil ich etwas krank
gewesen war nnd meine Arbeiten doch fertiggestellt hatte, lobte mich
mein Lehrer* sind anders geartet als die Sätie der hier besprocbeneo
Gattung. Die beiden Tor dem Hanptsatse stehenden Nebeniätte haben
diesem gegenflber nicht den gleichen logischen Wert: nnr der tweite fon
ihnen enthält eine Begründung für die Aussage des Hanptsatses, während
in dem ersten Nebeneatie eine konzesiiTe Bestimmung tu dem sweiten
liegt, die besser in Form eines Nebensattes twdter Ordnung tum Ane-
druck gebracht werden könnte: *Weil ich meine Arbeiten, obwohl ich
krank gewesen war, doeh fertiggestellt hatte, lobte mich mein Lehrer'
ssBü (cc) a: A, Es bildet demnach auch der tweite von den beiden koor-
dinierten Nebensätten nicht allein die Begrflndung für den Inhalt dee
Hanptsatses, sondern nur im Verein mit dem ersten: beide Nebeniltse
bilden eine Einheit und werden als ein eintiger Satt gefühlt, auf den
sich dann in gewöhnlicher Weise das Verbum des Hanptsattes aasehiieOt
Das Schema eines solchen Sattgefflgee iet nicht a:b:Ai noch anch
ai{h:A)i sondern (a + h) : A,
Die •ogtnannte relative VenehrftBkaiig oiw. Von K, Kunst, 413
AnweDdang von Periodenformen mit zwei oder mehreren
ungleichartigen Nebensätzen ersten Grades vor dem
Hauptsätze. Mit dieser Eigentftmliefakeit des Deutschen hingt
•ins zweite bekannte nnd für den Übersetzer antiker Texte wichtige
Begel (Tgl. S. 404) zusammen, nämlich unmittelbar nach dem ersten
primiran Satzglied, bezw. nach dem ersten ein solches Satzglied
▼ertretenden Nebensatze das Yerbum finit. des Hauptsatzes folgen
n lassen. Daß aber der im Deutschen an die erste Stelle gestellte
Nebensatz nur ein Nebensatz ersten Grades sein kann, haben wir
nebst den Gründen hiefür oben gesehen.
Wien. Dr. Karl Kunst.
Zweite Abteilung.
Literarische Anzeigen.
Mario Barone, SuU^ uso deir aoristo nel nsgl tilg iy^i-
döösag di Isocrate eon nna introdaziooe intorno al ugniflctto
foDdamentale deU'aoritto ^eco. Borna, Tipografia d«lla r. aceadcnu
dei Lineei 1907. 108 88. d^.
In klarer Sprache nnd mit eindringendem Yeratändnieae Ugt
der Verf. S. 7 — 82 die heutigen Anffaasongen des Aorists dar nnd
bekennt sich als Anhänger Delbrücks, der mit glftcklicher Hand
die punktuelle Bedeutung des Aorists aufgegriffen hat. Die meisten
Forscher stimmen mit Mutzbauer und Delbrück auch darin überein,
daß der Punkt, den der Aorist bezeichnet, entweder der Anfangi-
oder Schlußpunkt ist oder daß die ganze Aussage im Auge des
Sprechenden zu einem Punkt zusammenfließt Diese Scheidnng
genügt für alle Fälle und ich kann dem Verf. bei seinen weiteren
Ableitungen nicht folgen. Er unterscheidet noch aoristi indkofUi
un faiio particolare speciale itnmediaio o un fatto isolaio che
aeeade solo una voUa o un fatto eventuaU und aoristi indieanti
un aspetto parziale di un fatto piü generale. Die Beziehung anf
eine einmalige Tatsache (un fatto isciato) ist überhaupt untrennbar
mit der punktuellen Natur des Aorists Terbunden, gilt also ane*
nahmslos für alle Aoriste. Umgekehrt ist es unerfindlich, wie dem
Aorist als solchem die Andeutung der ETentualität zukommen soll.
Ebenso willkürlich ist, was B. an anderen Begriffen hineinlegt
Er selbst muß zugeben (S. 78), daß viele Beispiele von dul^tiv,
die er seinen aoristi indieanti un* azurne immediata e partieolart
zuteilt, auch Ingressiv yerstanden werden können; andere wieder
sind ebenso kompleziv, wie das eine duMstv^ das er 8. 96
aufführt. Er hätte nicht die Unterscheidung des Grammatikers
Apollonios zwischen Imperativ des Präsens und des Aorists sl>
Beweis dafür, daß der Aorist eine sofortige Handlung bezeichne,
ansehen sollen, da vielmehr der Wortlaut fi^ ififiivsiv rg xaga-
xdöSi auf kompleziven Sinn weist.
Jf. Sanme, Soll' nao dell' aoristo asw., aog. t. £*. Kdlinka, 415
Im gaazen also bezeichnet der allgemeine Teil dieser Ab-
hindlong keinen Portsehritt. Das kann man von einer Erstlings-
arbeit billigerweise nicht verlangen ; aber anch Ton einer solchen
mizß man erwarten, daß sie eine so eng begrenzte üntersnchnng wie
die angekfindigte SulT uso delT aoristo nü neQl xf\q ivtidöösmg
di ItocraU mit erschöpfender Vollständigkeit, mit Beachtung aller
für die Gestaltung der einzebien Stellen maßgebenden umstände
ond mit steter Bücksicht anf die Zuverlässigkeit des Wortlautes
dnrehfl&hre. Diese Erwartung wird nur teilweise erfüllt. Orund-
litxlich ausgeschlossen sind die Indikative des Aorists, deren Yer-
giaieh mit den Imperfekten besonders lehrreich wäre, femer alle
Fälle, in eui per apera di $peciali eondiziani l'aoristo assume
un ngnißetUo di afUeriorOä e in eui quindi raarisio $ ü presente
nm ii pdrebbero aasolutamenU scambiare (S. 82), als ob nicht
gerade die Bedingungen, unter denen die Punktualität in Vorzeitig-
keit übergeht, eine viel schärfere Beobachtung verdienten, als sie
ihoin z. B. der Verf. S. 27 und 48 £. widmete. Sogar von den
Abrigen Erscheinungen werden nur ausgewählte Beispiele vorge-
bracht, an denen die allgemeinen Sätze der Einleitung nachge-
wiesen werden. Es ist gewiß anerkennenswert, daß nicht wenige
Stellen dadurch schärfere Beleuchtung erfahren; aber es herrscht
unleugbar das Streben nach Schematisierung vor gegenüber dem
Interesse an induktiver Erforschung und die UnvoUständigkeit der
Beiipielsammlung schließt einen tieferen Einblick in das Häufig-
keitsverhftltnis der einzelnen Yerwendungsarten umsomehr aus, als
die Andeutungen S. 81 ganz unzureichend sind. Gerade darin aber
liegt ein Hauptgewinn solcher Spezialuntersuchungen, daß sie den
6nmd legen zur Yergleichung mit anderen Werken , die einen ge-
wissen Entwicklungsgang erkennen lehrt. Dazu finden sich in
dieser Abhandlung ebensowenig Ansätze wie zu Erwägungen über
die Textgestalt, die gleichfalls ein Becht hat, von Arbeiten dieser
Art Nutzen zu ziehen. Auch die Bedingtheit der gewählten Form
doreh rhythmische Gebilde ist nur im Prinzip anerkannt (S. 81);
Srsr keine Sede ist von einer Scheidung zwischen Haupt- und
Nebensatz: friedlich stehen Optativ mit äv und Optativ im Final-
satz nebeneinander.
Immerhin hat die Studie ihren Wert, der nicht bloß in den
schon angedeuteten Vorzügen liegt, sondern auch in einzelnen
Sitzen wie dem folgenden (S. 22): Le forme derivaie dal tema
ää presenie deecriwmo l'aziane; l'aoristo inveee Venuncia eoUanto
e pereid laseia tuUo in una indeterminaiezza moito maggiore di
q^ ehe non faecia il presenie. L'aoristo esprime il puro faUo
9enea nmanees. £ prcidbile che avessero intuito cid quei gram-
matiei atUichi ehe lo chiamarano iögi^Tog = indeterminato.
Innsbruck. Ernst Ealinka.
416 E. Boieacq, Diciioonaire ^tjmologiqne ntw.^ uig. t. F. StdU.
£. Boisacq, Dicüonnaire äiymologiqae de la langae Greeqne
6tadi^e dans ses rapports avec les aatres langaes Indo-
earop^eDDes. l«r< linaiBon. Heidelbtrg.Parii, C. Wintert ÜBtrer-
ait&tibocbbaiidliuig, Librairie C. KliDckiieck 1907. 80 SS.
Scbon Tor mebreren Jabren war dieses stymologiscbe Wörter-
baeh der griecbiseben Sprache aogekftndigt worden , so daß ich
in der Bespreehnng der zweiten Auflage von Prellwitzens Etymo-
logischem WOrterbnch (Nene philologische Bnndsehan 1906, 124
bis 127) die Bemerkung machen konnte, daß das zuletzt genannte
Buch jetzt nicht mehr als alleiniges Hilfsmittel neuesten GeprSgei
auf dem Gebiete der griechischen Etymologie dastehe, sondern in
der Arbeit des belgischen Sprachforschers Boisacq einen gewich-
tigen Konkurrenten erhalten habe, wie man aus den seinerzeit zn-
geschickten Probebiftttem zu sehließen berechtigt sei. Aus weichen
Gründen das endliche Erscheinen der ersten Lieferung des schon Tor
ziemlich langer Zeit angekündigten Buches, welche von i- bis iQÖa
reicht, erst jetzt erml^glicht worden ist, ist dem Bef. nicht bekannt
geworden, übrigens auch Yollkommen gleichgültig, nachdem sie nnn
wirklich erschienen ist. Die schwierige Aufgabe des yerf.s oinn
etymologischen Werterbuches habe ich in dieser Zeitschr. Jahrg. 1906,
S. 130 f. ziemlich eingehend gewürdigt, als ich das damals bis zur
7. Lieferung gediehene Lateinische etymologische Wörterbuch von
A* Walde einer orientierenden Besprechung untertog. DieselbeD
Gesichtspunkte, die damals für das Lateinische geltend geDseht
worden sind, gelten natürlich auch für das Griechische : auch hier soll
ein etymologisches Wörterbuch ein Gesamtbild, möchte ich sagen,
der Geschichte jedes Wortes, soweit sie unter den Chsicbtspunkt
der Etymologie füllt, yor dem Leser aufrollen und die Terschi«-
denen über seine etymologischen Zusammenhänge aufgestellten An-
sichten einer kurzen und wenn möglich abschließenden Wert-
schätzung unterziehen. Dieser Aufgabe ist der Verf. dieses neuen
etymologischen Wörterbuches, soweit man aus dieser ersten Lie-
ferung ersehen kann, im großen und ganzen ziemlich geredit ge-
worden : jedoch wäre kürzere und präzisere Fassung manches Artikels
dem Werke nur zum Vorteil gewesen und dankbar würden wir ee
begrüßen, wenn der Verf. etwas freier und kühner aus seiner banpt-
Bächlich referierenden Bolle herausgetreten wäre und sich, wenn
es gestattet ist, dieses Bild zu gebrauchen, selbst eifriger und
unmittelbarer an der allerdings nur referierenden Debatte beteiligt
und uns manchmal einen Blick in die Tiefen seines eigenen etymo-
logischen Inneren gegönnt hätte. Indessen muß man mit dem Ge-
botenen wohl zufrieden sein, zumal die Literaturnachweise, soweit
der Unterzeichnete zu urteilen rermag, in reichlichem, die Voll-
ständigkeit wenigstens anstrebenden Maße gegeben zu sein scheinen.
Allerdings sind beispielsweise im Artikel *afia|a' die Ausföh-
rungen tou Heringer und Schenkl in Kuhns Zeitschrift XL 217 ff.,
bei 'äiitpC die von Solmsen im Bhein. Museum XLI 502, bei
NieäermanH'Hermann, Histor. Laatlehra usw.» ang. ▼. F. SMt. 417
^halvopMi meioe eigenen in den Wiener Stadien XXV 188 ff.
nicht angeführt und gewiß wird, wer über systematie^be Samm-
ioDgen Yerfügty nocb gar mancbe Stelle naebtragen können, die in
den Literatnmacbweieen nicbt aufgefnbrt iet. Seblimmer scheint
M mir« daß von Prellwitx nnr die erste Auflage benützt ist, wie
mitt ans vielen Artikeln, z. B. al^via^ dfU&vötogj fdvaxsßt
havQog (dieses Wort erseheint In der zweiten Auflage gar nicht
mehr), &PBa, Svxfov n. a. ersieht £s ist dies nmsomehr zn be*
dssern , da Prellwitz in der zweiten Auflage wesentliche Yerbes-
NrDBgen aufzuweisen hat Erklüren kann ich mir diese Tatsache
BOT so , daß der Verf. diesen Teil noch vor dem Erscheinen der
zweiten Auflage des etymologischen Wörterbuches von Prellwitz be-
arbeitet und sp&ter vor der Drucklegung vergessen hat, seine An-
gaben nach der inzwiachen erschienenen zweiten Auflage richtig zu
itellen« Hoffentlich whrd diesem Obelstande in den folgenden Lie-
firangeD schon vor ihrem Erschoinen abgeholfen smu. Im übrigen
kaon man das Erscheinen dieses neuen etymologischen Hilfsmittels
Mf dem Gebiete der griechischen Sprache gewiß nur lebhaft be-
^en und ihm die weiteste Verbreitung wünschen.
M. Niedermann und Ed. Hermann, Historische Lautlehre
des Lateinischen. Indogennanische Bibliothek. Zweite Abteilaog.
Sprachwissensebafftlicbe Gymnasialbibliothek. Heraoigegeban von H.
Niedermana. L Band. Heidalberg 1907. XVI und 115 SS.
Nachdem ich das im Jahre 1806 erschienene französische
Original im Jahrgang 1906, S. 600 ff. einer ausführlichen Be-
iprechung unterzogen und diese höchst erfreuliche Erscheinung
auf dem Gebiete der Sprachwissenschaft, die nicbt nnr für den
Unterricht in den Gymnasien, sondern, wie ich auch in jener Be-
sprechung ausdrücklich hervorgehoben habe, auch für die Studie-
renden der Philologie von hervorragendem Werte ist» mit gebühren-
din Worten gewürdigt habe, genügt es, auf jene Anzeige des Ori-
ginals zu verweisen, zumal nicht eben sehr viele Veränderungen
▼ergenommen worden sind, die sich meist auf Einzelheiten beziehen.
Besonders zweckentsprechend ist die Hinzufügung von § 1,
welcher einen kurzen historischen Überblick der lateinischen Sprache,
bexw. eine Skizze ihrer gechichtlichen Entwicklung bis in die neueste
Zeit enthftlt (S. 1 — 8), die des schematiscben Medianschnittes durch
Nase, Mund und Kehlkopf (S. 6), des Verzeichnisses der zitierten
lateinischen Autoren (S. 108 — 104) und des Wortverzeichnisses
(S. 105—115). Eingeführt ist diese deutsche Bearbeitung, für
deren treffliche Herstellung E. Hermann den besten Dank verdient»
durch ein Vorwort aus der Feder J. Wackemagels, in welchem mit
Becht, wie idi dies auch schon früher ansgesprochen habe, als ein
besonderer Vorzug dieser historischen Lautlehre die Beschränkung
auf du Latein bezeichnet wird.
Innsbruck. Fr. Stolz.
ZiitMkrift f. d. ötterr. Qjmn, 1908. 7. Heft. 27
418 Ä, Sdiemdler, Dm C. SaUnstiot b. Gaul, naw^ ang. t. F. PersthMa.
Des G. Sallustins Crispas bellum Gatilinae, bellmn Ingorthinam
und Beden und Briefe ans den Historien. Zmn Schalgebnnehe
beranigegeben Ton Aog. Sebeindler. 8. Auflage. Wien, F. Temptkj
1907.
Wenn sebon der Heraasgeber seinen nrsprfinglicben Plan,
für diese Auflage den Text vollständig nen zn konstitnieren, dies-
mal noch niebt dnrcbfflbren konnte, so ist doch der Text durch-
wegs gewissenhaft durchgearbeitet und yon Versehen gereinigt
worden. Ganz besonders begrflßen wir es, daß Seh. nunmehr aneh
unter diejenigen Herausgeber gegangen ist, welche in der „lugurtbi'
Iflcke" die interessanten Resultate der Forschungen eines Wirz und
Maurenbrecher als wirkliche Verbesserungen in den Text aufge-
nommen haben.
Nicht ebenso Lobenswertes ist von den übrigen Teilen der
Ausgabe zu sagen. In dem neuen Vorworte findet sich gegen E&de
ein bOses Versehen (wohl des Manuskriptes), welches den dort aus-
gesprochenen methodischen Grundsatz in sein Gegenteil Torkehrt!
In der Einleitung zeigte der Setzer zu große Vorliebe fdr den Bocb-
Stäben m und so lesen wir „Semptembres* und „Gambinischen
Gesetze". Was endlich das Verzeichnis der Eigennamen
anlangt, das wir als einen elementaren Bealienkommentar am
liebsten für alle Schulausgaben (b^soi^ders Dichter) fdr obligat er-
klären möchten, so sind trotz der konstatierten „höheren^ Durch-
sicht drei gröbere Versehen der 2. Auflage stehengeblieben: Der
Fluß in Spanien Ep. Pomp. 6 heißt noch immer Düris statt
Düriua, das sinnloser Lemma — weil man den Namen ▼ergebene
sucht — Piso sieh Calpumius und Pupius flndet sich wieder
und endlich : Bacchtis ist auch in der 3. Auflage noch der Schwieger-
söhn des lugurtha, mit der danebenstehenden Belegstelle bell.
lug. 80, 6 et tarn arUea lugurthae filia Bocchi nupserat. Nor
anmerken wollen wir, daß man, wenn man durch neu aufgenom-
mene Lesarten neue Eigennamen (Tucca) in den Text gebriebt
hat, diese dann auch ins Verzeichnis der Eigennamen aufnehmen
muß.
Das neu hinzugekommene (zweite) Kärtchen ist wohl etwas
dürftig ausgefallen; umsomehr ist die gefällige Ausstattung des
ganzen Buchleins zu loben.
Triest. F. Perschinka.
Cesare Annibaldi, L'Agricola e la Germania di Cornelio
Tacito nel ms. Lat. n. 8 della biblioteca del eonte G. Balleaoi
in Jesi. Gon prefazione del Prof. Nicola Festa. Gitta di CastelJo,
1907 S. Lapi. ^I nnd 176 SS. Mit 5 Tafeln. Preis 16 Mark.
Der Verf., Gymnasialprofessor in Jesi bei Ancona, yeröffeot-
licht hier endlich ausführliche Nachrichten Aber eine neugefondeoe
C. Ätmibaläi, L'AgiicoU e la Gennania di C Tadto, aag. ▼. L. P^char. 419
iitoisisebe Handachrift, von dar schon der Floraotiner üniTersitftts-
profeMor Fei. Bamorino auf dem Internationalen Historikerkongreß
Ostern 1908 einige Angaben machte; sie enthält an erster Stelle
(fol. 1 — 51) des Dictys CreUnHs bellum Traianum, an zweiter
(fol. 52—65) nnd dritter (fol. 66—75) die Taciteischen (Tacitns
wird ausdrücklich wie oben Dictys als Terf. genannt) Eleinscbriften
'Agricola* nnd ^Germania' (deshalb Ditti-Tacito nach dem Inbalti
Dach dem Fundort, Jesi, auch codex Äeeinus (Eeino) genannt nnd
mit E bezeichnet). Sie gehört znm Bestände der Familienbibliotbek
ias Conto A. G. Balleani in Jesi, dem A. sein Buch widmet. Der
Grundstock dieser Bibliothek wurde durch Angehörige des bis ins
m. Jahrhundert zurückgehenden Geschlechtes der Guarnieri di
Osimo, namentlich die Brüder Stefano und Francesco« zwei ge-
lehrte Humanisten des XV. Jahrhunderts, gelegt. Nach dem Aus-
sterben der G. di Osimo zu Ende des XYIÜ. Jahrhunderts mit dem
Grafen Aurelio gingen ihre Bücherschfttze und damit wohl unser
Kodex in den Besitz der Balleani über, da Aurelios Schwester
Sperandia mit einem Conte Nicola Balleani vermählt war. Nach
^er Beschreibung (S. 10/11) ist es ein Membrankodez tou 76
Buttern (daa letzte Blatt ist frei), meist in Quatemionen geheftet.
Wichtig ist, was aber zugleich große Schwierigkeiten mit sich
fährt, daß die zwei ersten Werke der Schrift nach im Hauptteil
d«n Charakter etwa des X. Jahrhunderts (die karoling^sche Minuskel)
ooj nur teilweise des XV. Jahrhunderts (Dictys* bellum zudem Yon
vmehiedenen Händen) zeigen. Die Germania schrieb dieselbe eine
Hsnd des XV. Jahrhunderte (wie den Ägrieola) in der Gänze; foL 69
daren ist rescribiert, auch 76 trägt Spuren von Rasur (die beiden
Butter hingen wohl ursprünglich zusammen). Der Hauptwert der
HiDdschrift (fürDietys hatten wir schon früher eine alte Hand-
schrift, den S. Gallensis s. IX/X) liegt auf Taciteiischem Gebiete,
wo bis jetzt nur jnnge Handschriften zugebote standen ; namentlich
ffir den Ägrieola liegt bei A. (S. 79—106) eine Yollständige Kol-
lation Ton E Tor. Indem er andere Handschriften derselben Pro-
venienz, namentlich einen ziemlich ähnlichen Columella-Koäex
(S. 4/5) heranzieht, kommt A. zu dem einleuchtenden Schlüsse,
daß Stefano von den oben genannten Brüdern der Schreiber des
jQogeren Teiles des Ägrieola und der ganzen Germania war. Welches
war nun die Vorlage Stefanos? Die naheliegende Vermutung, daß
schon sie (für den Ägrieola) gleich viele Blätter, nämlich 14, zählte
Qod die Verwertung einer Notiz über Decembrio (vgl. S. 76)
würden so schön zum Hersfelder Kodex führen, der durch Euoch
▼. Ascoli nach Italien kam, doch diese Gründe führen, auf die Ger-
fiania angewendet, nach der Gegenseite, so daß wir selbst ron
dem Kunstmitte], eine frühere Abtrennung des Ägrieola aus der
Gesamthandschrift zu statuieren, abseben und lieber sagen werden
^huc eub iudice lia est. Ober die Bichtigkeit der von A. (S. 184
21*
420 Vogd'WHHhold, Q. Cnrti Bnfi Hillorianim oawn uig. ▼. Bit$(^f $ly.
nnd 8. 170) anfgcstellteD Stemmata^) wird frailicb erst spüere,
gründliche Prüfnog entscbeiden ; jedenfalls ist sein Buch ein recht
beachtenswertes d&Qov, das ffinf angehängte Tafeln mit Proben des
Kodex nach photograpbiscben Beprodnktionen in erfreulicher Weis»
begleiten.
Mähr. -Trfiban. Dr. L. Pschor.
Q. Curti Bnfi Historiamm Alexandri Magni Macedonis libri
qai supersunt ftlr den Seholi^ebraaeh erklärt Ton Theodor Vof?«l.
Zweites Bändehen: Bach VI— X. Dritte Auflage, besorgt von Alfred
Wein hold. Mit einer Karte. Leipiig und Berlin 1906, Verlag Ton
B. G. Tenbner.
Der Historiker Gnrtins erfährt nnter den am Ojmnaeinm
gelesenen Autoren eine eigentflmliche Behandlang. Da sein blähender
Stil dem Verständnisse des Anfängers noch erhebliche Schwierig-
keiten bietet» liest man ihn entweder in einem dnrchgesiebten Ans-
znge oder man zerpflflckt die zusammenhängende Oeschichte» die
man ohnehin nnr als 'historischen Roman* gelten lassen will, in
einzelne Geschichten, die bei den jagendlichen Lesern erfahmags-
gemäß lebhaftes Interesse erregen. Für unsere Tertianer ist nno
Vogels Ausgabe nicht berechnet Sie setzt ihrer ganzen Anlage
nach ein reiferes Alter und sine viel innigere Vertrautheit mit der
lateinischen Sprache Torausi als sie auf jener Stufe Yorhanden ist.
Nach einer Bemerkung Weinholds im Vorworte zur vierten, 1908
erschienenen Auflage des ersten Bändehens ') 'möchte das Gebetese
für einen Sekundaner (an 'deutschen' Gymnasien) zum Verständois
des Schriftstellers genügen \ Bei der Bearbeitung des zweiten
Bändchens wurden dieselben Grundsätze befolgt wie bei der des
ersten. Der Charakter des Buches wurde tunlichst gewahrt, nor
wurden die meisten teztkritischen Bemerkungen unterdrückt, dagegen
die Übersetzungen etwas vermehrt. Bei der Feststellung des
Textes wurde tunlichst Anschluß an den Parisinus gesucht, be-
treffs der Ausmerzung eingeschobener Worte u. dgl. hsrrscht im
Prinzip Obereinstimmung mit Stangl. Vor dem Texte sind die
Abweichungen von dem Vogelschen Text vom J. 1889 zusammen-
gestellt, den Abschluß bildet ein Begister zu den Anmerkungen,
1) Der Vindobonensie F(49s der Wiener Hof bibliothek ; er iit 1466
ebenfalls in Born geechrieben, Tgl. Zeitschr. f. Ost G. XXIX, 8. 801 ff).
der neben Tacitot' Dialogus und Snetons Traktat De grammatiei» et rhet.
die GermsDia Ton schöner Hand des XV. Jahrhunderts zeigt, bietet mir
nach vorläaflger Vergleichang grOßte Annähernng an die Handechrifteo-
klasse CD, wohl auch den Vaticanus A (bei Annibaldi); von £ iit er
jedenfallB nicht direkt abhängig.
*) Die Verlaeshandlang hat mir auf mein Ananchen mit aelteDer
Bereitwilligkeit aaen das erste Bändchen, das mir nicht vorlag, lar Ver-
fflgoDg gestellt, wofQr ich auch bei dieser Gelegenheit Terbindlichst danke.
Vogd-Wiikhoid, Q. Goiti Baft Hiitorianim uw^ ang. ▼. SU8ehof$ky, 421
baig«geb«n ist aioe Karte: imperia Persarum et Macedanum
{anetore H. Laoga Baroiinenai). Der Sohlaß Ton YIII 8 ist nach
Froban, e. 4 nacli Freinsheim ergäazt. An folgandan Stellen
wsrdeo durch Klammern Worte aoBgeechaltet : VI 2, 8. 18. 11,
15. 82. 85. VII 3, 8 (21 wird zn den Worten Eyreaniam et
bemerkt: ^Wohl zn streichen*). 4, 29. 5» 14. 28. 6, 22. 7, 9.
10, 5. Vin 2, 82. 8, 8. 10, 14, 11, 24. IX 5, 4. 19. 9, 13.
11, 19. 5, 12. Der Kommentar, der namentlich anf die sprach-
lichen BigantAffllichkeiten nnd die Abweichongen Yom klassischen
Oebrsache eingeht nnd anch sonst alles Wesentliche berfihrt, for-
det Bor selten znm Widerspruche . heraus. Einige UngleichmftAig*
kaiton werden sich noch beseitigen lassen. Die folgenden Bemer-
knogas mögen das Gesagte n&her erläntem: VI 2, 1 ^exoepere
tuiHf doch wohl re^em, nicht animum\ Diese Auffassung (eum =:
ngm) wird durch den zu IV 11, 4 und X 8, 1 erw&hntea Oe«
brauch (ofiiiiiiis Tertranlich für Jumo) erleichtert. ^ 5, 15 würde
«ich der Hinweis empfehlen, daß M$pe Sahst, ist. — 6» 2 scheint
du Ausbleiben des Sahst, an erster Stella der sprachlichen
Symmetrie an dienen: 2 gegen 2 {PerticM regiae und deorum
foUntiae). — 6, 25 hätte zu ipse die Bemerkung: 'Spr. 27' (m
badaotet die kurze Übersicht Aber den Sprachgebrauch des Q. Curtius,
1. Bladchan, S. 171~227) gemacht werden aollen. — 7, 29:
adTarsatiYea ae findet sich kurz Torher in 8 21. -* 7, 88 veritum,
m ... non Mim ritu aliarum detulinet erfordert eine Erkl&rung,
etwa: «# alii riderent, $i detuii99et. — 8, 10 'ntst auetar sc.
t9$ä\ Doch wohl 6p, wie auch 11, 89 nnd IX 10, 27 nur das
Pirtizip snppliert worden kann. — 8, 25 BegrAndung des coni.f
ItoratiT nach Spr. 110. — 9, 2: die Verbindung eimilia atUmito
vir zu 7, 8 erklärt worden, wovon hier keine Notiz genommen
iit, wie es auch sonst mit erttbaeo c. inf., ßdem do und aecipio,
äim, speeto Yon örtlichkeiten, subindey hdud sane, eins = ipaiaa,
at enim, «1 fere fit, opprimo, ins uiurpo, humanae r€$, linquit
animMBy Bupervenio, linquar animo, elido, Parßpamisadae, profecto,
tt-qucque, hottoi, quam ai fuisset, non Muitineo ^kann es nicht
Qbar mich bringen', torpeo, eubit animum, morialitae, quandoque,
regia eohara, eanttematio ^milit. Aufruhr' u. dgl. m. (ich folge
beim Aufzählen der Beihe dea Vorkommens der betreffenden Aus-
drücke) der Fall iat — 9, 8 *dekaum, scharf betont und daher
Tor dss Substantiv gestellt*. Die Begründung erscheint zweifelhaft,
wasD man VIII 1, 20 nudo capite regem dimieantem und 88 Par-
mtnioni$ cum hanore mmUio inkUa berücksichtigt. — 10, 5 und
VII 8, 17 ist einzuschalten: ^so wisse, so sage ich dir', worfiber
^ Tgl. z. III 2, 15. — 11, 8 ist für eorum = ipeorum der Hin-
«ais auf 6, 20. VII 8, 16. X 1, 15 unterblieben, wo jedesmal
danalbe Gebrauch konstatiert wird. Ein Gleiches gilt Ton latro
VIII 8, 2 (vgl. 2, 9); u^ aus ne zu entnehmen: 14, 85 (vgl. VQ
h 88. IX 4, 27); at enim IX 2, 22 (vgl. VI 8, 18); locus 2,
422 Vogel- Weinhold, Q. Cnrti Biifi Hiftoriwiim naw., ang. v. BiU(hof$ky.
84 (vgl. Vin 14, 24); regnavit 5, 21 (vgl. ?ni 1, 14); ErgftQ.
znDg Ton fuisse: X 1, 7 (vgl. VI 9, 28); propriu$ 8, 8 (vgl.
YII 4, 9); omnia 5, 7 (vgl. 8, 9); ius gentium 7, 2 (vgl. VI 11,
15); que, et, ae 'beziehentlich': 7, 10 (vgl. VIII 2, 7). — 11,
10: quidem — autem = (liv — di^ vgl. 6, 20 quidem eeterum. —
VII 1, 1 liegt in quem odisaent kein iterativer Konj. vor (wie
z. B. Vin 14, 19. 27), da es eich nur am die Dauer, nicht um
die Wiederholung handeln kann. Analog scheint mir der Kooj. im
Belativsatze 11» 10 Experiendo, quae ceteri desperaverint, Äeiam
hahemus in potestate. — 1, 9 ist die Notiz über obleetari, wi«
schon das Zitat lehrt, verspätet. So verhält es sich auch mit den
Bemerkungen über vulgua (2^ 88), alioqui (4, 8), Sogdiana (5, \\
denuntio (7, 25), seriba (VÜI 11, 5), corana (IX 1, 18), atqui
(2, 17), videbaniur mit zu ergänzendem 8ibi {9, 10: vgl. VII 11,
18). — 8, 27 verdiente feeerunt periculum virium eine erlänterode
Bemerkung 9 femer obterebat laudes eius (VIII 1, 81) auch hio-
sichtlich des Pronomens; der Subjektswechsel 5, 22; süperbe
habiii als hypothet. Partizip (8, 11); modo (IX 2, 15), in ripa
omne periculum est (2, 18), magna vi sanguinis emioanU (5, 10):
Tgl. VIII 2, 26; quiequam (10, 80); quem vosdubitetis paratum
esse vel subdere (X 6, 22). — Zu 10, 6 wird für nunc = vvv
de: m 4, 5 zitiert Viel näher lag 5, 85. Ein gleiches Ober-
springen des Nächstliegenden begegnet bezüglich üiialis eoior YIU
4, 8: vgl. Vn 8, 15; Aonos IX 1, 6: vgl. VIU 12, 8; lymphatis
simiUs IX 7, 8: vgl. VI 2, 16; sulest X 2, 20: vgl. VI 9, 11.
— Vm 2, 25 Oxarten misit nationis eiusdem und 10, 14 for-
tuitorum seminum fruges handelt es sich nach meiner Meinnog
nicht um genetivi qualitatis, sondern um genetivi possessoris. —
Sollte 2, 86 die Wahl des Perf. comOatus est nicht durch die
Bücksichtnahme auf das Obj. vedum veranlaßt sein? — 6, 16:
über attonitus zu 4, 4. — Die Bemerkungen zu 9, 11 und H d,
18 stimmen nicht zum Texte. — 11, 18 bedeutet pereulsi wobi
'getroffen'. — 12, 10 wird bemerkt: Uli, 'einem Helden'. Warom
aber nicht = r^^t (Älexandro)?; vgl. zu 2, 88 ^illi = Alexan-
dro% zu IX 8, 18 %7/c= Alexander'. — IX 1, 12 war quo^
zu erklären: vgl. VI 4, 18. — Zu 2, 17 heißt es: 'stagnare im
Sinne von lente fluere, labi wie VIU 13, 9\ Dort wird aber
erklärt: 'stagnantium hyperbolisch für effusarum. Vgl. 1X2, 17'-
— 4, 6 liegt ein Irrtum vor, wenn seque et liberos zitiert und
auf Spr. 148 verwiesen wird. Im Texte steht nicht et, soDdero
ac, und que verbindet subiecere mit cremant, — 4, 12: 'anceps
periculum, von beiden Seiten drohend. Vgl. VIII 14, 16*. Dort
wird auf § 7 verwiesen: anceps 'gefährlich, prekär, mißlich'.
— 4, 13: ^poterat sc. admoverV, eine Ergänzung, die ganz ans*
geschlossen ist, da esse ausdrücklich dabeisteht. — 5, 19: fibcr
adiium moliri zu VI 6, 28. — 9, 8 und 27 wird evecti = vehendo
assecuti erklärt. Die Analogie mit egredi, exeedere führt auf die
JEL. Gerimg^ Beowoif niw.» ug. t. v. Orimihirger, 423
Btdtataag 'darfiber hinanafahran'. — X 4, 8: 'Nie, 8pr. 151*.
Es haadalt sieh aber um iMe • • fuidem, wortber VI 10, 10 za
Tirgltiehao ist
Bai den ans aodsran Antoren angeführten Stellen ist
« iMrend» wenn hie nnd- da ein nieht von selbst sieh ergebendes
Wort nnr mit dem AnfangsbachstabeD bezeichnet ist. In den anf
Cartias verweisenden Zitaten zn VIII 4» 25. 8, 8. K 7» 15.
X 2, 29 seheinen sich Fehler eingeschlichen zn haben. Einige
Anmerknngen sind umzustellen. Die Orthographie ist nicht
rtreog einheitlicb durchgeführt Es begegnet Alexßndrea und -ta,
txmnguii und exanguis, impedimefOa und inpedimmUa, FtoUmatm
jokd Ftolamaeus, uhicumque und uhicun^i. Die Interpunktions-
xeichen sind an ziemlich yielen Stellen abgesprungen« H. 4, 17
ist das Komma vor non tarnen zu beseitigen, da Partizipialkon-
stroktion vorliegt.
Zn verbessern ist in der Note zu VI 1, 10 iy6v in
dyov; zu 2, 8 maia in mala; 4, 11 fuiaset in fuissmt; zu 9,
28 redUumm; zu 10, 27 facere mfecere; zu YU 1, 20 diHimus
in duinemus; YJH 6, 2 minitterii in miniaUrüs; zn IX 8, 24
knU in lernte; zu X 2, 28 rubiginaei in rubigmoeoi; S. 226
Mitte: Conpertum et sibi in Canpertum id aibi.
Wien. B. Bitschofsky.
Beowoif nebst dem Finnsbarg-BnichstQck, flbersatrtund eriiutert
TOD Hugo Gering. Heidelberg, Carl Winters ünivenitStsboehhand-
lung 1906. XII und 121 SS.
Zur gleichen Zeit mit dem zweiten Teile der Beowulfausgabe
Holtbausens und in demselben Verlage ist die neue Übersetzung
d« Deokmals von Gering erschienen.
Auch sie ist mit einer interessanten, die historischen und
geographischen Grundlagen des Gedichtes und den geistlichen Stand
d« nordenglischen Verf.s berührenden Einleitung (S. V — XII) und
mit einer Zeittafel versehen, in der die Personaldaten der Ange-
hörigen von Beowulfs Familie mütterlicher Seite und die Zeitpunkte
der sie betreffenden kriegerischen Ereignisse vom Jahre 518 aus,
eis dem mit annähernder Sicherheit zn ermittelnden Termin der
Niederlage Hygelacs gegen den Frankenkönig Theudebert, be-
rechnet sind. Diese Daten umfassen von dem Jahr der Geburt
Bredels, des mütterlichen Großvaters Beowulfs, bis zu des Titel-
helden Tod einen Zeitraum von 141 Jahren: 480—571.
In Betreff der Nationalität Beowulfs und der Geaten stellt
sich Gering ganz auf den Standpunkt Fahlbecks und Bugges,
welch letzterer in PBB 12, 1 ff. alle sachlichen Gründe zusammen-
gistellt hat, die dafür zn sprechen scheinen, daß die Geaten des
4 24 H. Gering, 6«owaif osw., ang. t. v. Grimberger,
BeownlftpoB nicht den skaodinavisehen Oantar, sradeni dM Jtten
gleiehznsetzen seien. Während aber Bngge den Oeatennamen in
nneerem Falle als eine besondere, mit der der nordischen Ostttar
etymologisch gleiche Benennung der Jflten anzusehen geneigt war
(ebenda 8. 6), ist Oerlng der Meinung,- daß die Form des Volks*
namens im Beowulf Oeatas eine in der westsichsischen Umsehrift
stehengebliebene nordenglische Form mit sa fftr eigentliches eo sei,
und zieht daraas die praktische Konsequenz, den Namen in seiner
Übersetzung überall mit 'Juten' wiederzugeben, wogegen man nach
Bugges Auffassung ja allerdings Vüten' Torstehen, aber trotzdem
^Oeaten' übersetzen müßte.
Die Beweisführung Fahlbecks und nach diesem Bugges war
so bestechend, daß man sich darüber nicht zu verwundem braucht,
Geringe Auffassung durch sie bestimmt zu sehen ; doch bestsht sie
heute nicht mehr zu recht, da H. Schuck in einer scharfsinnigen,
durch überlegene Beurteilung des Zeugrniswertes der Quellen snd
jene feine Kenntnis des alten Namenmaterials gleicherweise aos*
gezeichneten Schrift^), in der sich unverkennbar die Schule Noreens
offenbart, ihre Argumente zerfasert und die Frage, ob unter den
Otatas des Beowulf die Juten zu yerstehen seien, endgiltig von
der Tagesordnung abgesetzt hat. Auf die OOten paßt die poli-
tische Oeographie des Beowulfepos, das als Nachbarn der OSaka:
Schweden, Dünen und Nordleute (Baumar) kennt, aber nicht SschisD,
deren im ganzen Liede überhaupt nicht gedacht wird, auf die West-
kante Schwedens von Halland, WestgOÜand und Bohuslftn paßt die
landschaftliche Schilderung einer felsigen, klippenreichen Kfiete,
nicht auf Jütland, dessen Strand nur im nördlichen Yendsjseel
einige Kalkklippen besitzt, sich im übrigen aber nur ein paar Fuß
über den Meeresspiegel erbebt; an der schwedischen Westküste sind
außerdem noch heute die Väderöar nachweisbar, nach denen die
QSatas des ae. Gedichtes auch WecUras heißen.
Es ist ja richtig, daß die ae. Beda- Übersetzung Buch I,
Kap. 15') den Passus des latein. Originals adueneratU auUm d$.,.
Saxanibus, Anglis, lutis. De lutarum origine sunt Cantuarii d
Victuarii . . . wiedergibt : C6man hi of ... Seaxum and of Anglf
cnd of Geatum (var. Geätum); of Geata fruman syndan Cantwart
and WihtscBtan . . . und den folgenden de Anglis hoc est de üla
pairia quae Angulus dicUur et . . , usque hodie manere desertus
inter provincias lutarum et Saxonum perhibetur mit bäwyh (tv.
bttwyx) Geatum ond Seaxum, aber dieselbe Übersetzung kennt
Buch 4, Kap. 16 für die brittanischen Juten als Entsprechung der
latein. Vorlage lutarum prauincia die korrekten, zu germ. lat.
') Folknamnet Geatas i den fornengelska dikten Beowolf af flesrik
Schuck, üppaala 1907 45 SS.
') KOnig Alfreds Übenetzang von Bedae Kirchengeichichte, beraos-
gegeben von Jakob Schipper. Leipzig 1899.
H. Gering, Beownlf usw., äug. t. v. Orienherger. 425
EuthiOf EitUo, drrisilbig ^ ^ ^ im HexanMUr bei Vettantins For-
tvoatoe IX 1, Vera 78, atimmenden Formen Eotaland, yar. Ytena-
land, TOD denen die nmgelantete auch Widaid 26 and Ytum
[ictM] Qtfujulf bezeugt ist ; d. i. dentlicb eine Form der einbei-
miieben, lokalen Überliefening des Yolksnameoe, dessen Tr&ger
dbrigens, wie Schuck S. 6 nach Erdmann und Steensimp anefftbrt,
Dicht direkt Ton Jfltland, sondern Ton einem sekundären Sitze
vestlieh der ElbemAndnng nach Brittanien gekommen sind.
Ss ist also in der Tat fAr dieses Denkmal die Frage za
stoUtn, ob die Giaku des ersten Baches, anter welchem Namen
materiell sieher die Juten in Jütland gemeint sind, eine zweite
Baeichnang für diese oder eine zweite Form des einheitliehen
Namens oder aber ein Irrtam and ein Mißgriff seien. Diese Frage
bat Schuck, wie ich denke tlberieagend, im Sinne der dritten E?en-
taaliUt beantwortet
Was insbesondere Oerings Aneicht betrifft, müßte man an-
nehmen, daß nordengl. Oeatas auf Mterem ^Qeotaa berohe nnd
•daß in diesem Falle der schwebende Diphthong tu des Anlantes,
den wir yermatlich für die lutae des Beda za beansprachen haben,
sich wie im Nordischen zam steigenden Diphthongen iö gewandelt
habe, oder daß der Name in seiner angenommenen älteren Diph-
tbongiernng geö eine Entlehnnng ans dem Nord, sei, denn mit
dem fallenden Sa, So des nortbambr. bSctda, ws. bSodon, ließe sich
das g des Anlantes nicht tereinen. Dem widerspricht aber min-
destens — eine sp&tere Entlehnung des Namens aas dem Nord, in
dem ae. Nationalepos ist überhaupt nicht wahrscheinlich — die
Stammbildnng desselben, die sich nach dem fast TollstAndgen Para-
digma: Sing. Nom. Geat 1785, 1792, Gen. Oeates 640, Dat.
<kttie 1801, PI. Oen. Geata 89mal, Dat. Geatum 5mal, Acc.
Oeaias 1178 als Tokalisches a-Thema erweist, w&brend der Jüten-
name «-Stamm: EiOio Venant., ItUa Beda, Jatna eyn Sachsen-
chronik oder I- Stamm Tiena Bedaübersetznng, Ytum Widsid ist.
Als n- Stamm glanbe ich auch die nord. Jötar^ Jütar sowie den
ersten Teil des ae« Eotaland Bedaübersetznng beansprachen za
dürfen, da Eota- entweder die entlehnte Genitivflexion der a-Dekli-
oation besitzeni oder aas ^Eotna- synkopiert sein kann.
Aber eine nordengl. Form scheint in der Tat im Beowalfepos
stehen geblieben za seia, nor bat man sie nicht in dem tadellos
darchdeklinierten Paradigma Geat, sondern in dem einen Oen. pl.
^toUna 448 in saehen and für das Nordenglische also nicht m
Mis eo ans germ. eu, sondern Tielmehr aso aas germ. au za po-
stalieren, das sieh z. B. aach in dem Worte deoihdaege in Bedas
Sterbegesang nachweisen l&ßt. Die is-Flezion bei einem a-Thema
ist aber gerade etwas für die nordengl. Yermisehang der Deklinations-
klassen Charakteristisehes.
426 H, Gering, Beownlf of w.» ang. t. v. Grienberger.
Dia Sache ateht alao unweigerlich so, daß man die gantische
Nationalität der Oeataa Tom sprachlichen Standpunkte ans nicht
yerdftchtigen kann, wenn man nicht gezwangen ist, sie ana dem
Inhalte des Liedes in Frage zn stellen. Das aber ist keineswegs
der Fall nnd das gezeigt zn haben, ist Schucks Verdienst, der
Abrigens, nebenher bemerkt, wieder andere Zeitdaten als Gering
nnd zwar Hygelacs Niederlage znm Jahre 516, Beownlf s Tod nm
580 angibt.
Die Yerdeatschnng Gerings, die wir genaner als Nachdichtnng
bezeichnen werden, bildet das Epos in modernen nhd. Alliterations-
yersen, wobei an Stelle des vorwiegend trochäisch - daktylischen
Flnsses des Originales sich iambisch - anapAstiseher Bhythmns
geltend macht.
Sie ist im wesentlichen auf Gmnd der Holthansensehen Ans-
gäbe angefertigt nnd erstrebt getrene Wiedergabe des Sinnes, ohne
sich an das Wort zn binden, was, wie man leicht einsieht, mit
der Beibehaltnng der Allitteration nnd sagen wir der Nachbildnng
in Versen nberhanpt nicht wohl tereinbar ist.
Die Übersetznng ist mit reichen Mitteln des sprachlichen
Ansdmckes ins Werk gesetzt, von poetischem Schwnnge getragen
nnd gewährt für sich gelesen einen schönen nnd reinen Genoß,
sicherlich geeignet mit Geringe Worten 'empfängliche Gemnter zn
fesseln nnd zn erwärmen'.
Besondere Sorgfalt hat Gering daranf verwandt, der Fülle
der ae. Synonymen z. B. für 'Mann* nnd 'Waffen* eine entsprechende
Zahl von nhd. Ansdrücken gegenüberznstellen ; z. B. 'Hieber, Klinge,
Schneide, Waffe, Wehr' neben 'Schwert', 'Brünne, Harnisch, Streit-
hemd, Büstzeng" neben 'Panzer\ wobei er oft tief in die Tasche
des nhd. Wortschatzes greifen mnßte, oder ältere deutsche Wörter
'Drost, Markwart, Degenkind' einzuführen, oder die ae. ümscbrei-
bnngen wie swanräd 'Schwanen8traße\ d. i. 'Meer' nachzubilden,
wogegen andere Eenninge wie hronräd *Weg des Wales, ßla läj
'Nachlaß der Feilen', d. i. 'Schwert', einfach übersetzt sind. Eine
treffende Nachbildnng bietet Gering in 'WalfischhOft' (ür HronesncBs;
aber beaga hryita ist mit 'Brecher der Ringe' unzureichend wieder-
gegeben, da uns im nhd. Worte 'Brecher' der Begriffsflbergang zu
'Spender' nicht gegeben ist. Der Ausdruck br^tta hat ja wobi
vermutlich im Brechen und Verteilen des Brotes seine kultur-
historische Begründung.
Daß ich für meinen Teil eine treue prosaische und obendrein
kommentierte Übersetzung der poetischen nicht nur Geringe, sondern
auch jeder anderen vorzöge, daraus brauche ich kein Geheimnis
KU machen und darf dies aussprechen, ohne dem Werte der dich-
terischen Nachbildungen fremder Literaturerzeugnisse, die ja gar
nicht die Aufgabe haben, philologische Exegese zu vermitteln, nabe-
zutreten. Diese ist aber dem Beownlf an manchen Stellen noch
gar sehr von Nöten.
H. Gering, Beownlf usw., »Dg. y. v. Grienberger. 427
80 Torzeicbnet Qering nach Vers 1067 genan die Lücke,
die hier Holthansen im Texte angegeben hatte, nm sie in den
Asmerkongen zu 1064 ff. 'nach 1066 (richtig 1067) ist keine
Lacke nötig' sowie in den Verbessernngen 8. 264: *1067 setze
Komma nach seolde, 1. eaferan . . . nnd str. die Lücke' wieder
nirückzanehmen.
Die Übersetzung Geringe 'Als Finne Geschlecht das Furcht-
bire traf läßt den Vers als nachgestellten Temporalsatz erscheinen,
zu dem der Torhergehende Hauptsatz fehlt, während nach Holt-
bansens erster Anüassung Ton diesem Hauptsätze noch das Stück
Finnes eoferum dastünde. Heyne-Socin hielten den Vers für den
Titel des yom Hofdichter Hro)>gar8 Torgetragenen Stückes und
ergänzten hinter Baferum die Präposition fram Won' ; damit ist
die letzterhand nach Trautmann gegebene Erklärung Holthansens,
Anmerkung zu 1064 ff., S. 223: *ia/eran statt -um als Apposition
zu h^aigamen und Objekt, ton mcenan abhängig, materiell gleich,
doch möchte es mir scheinen, daß, wenn man sie festhält, die
Ergänzung einer Präposition, sagen wir of vor Finnes^ der Ab-
änderung Ton eaferum Torzuziehen wäre. Andersfalls, d. h. wenn
der Text des yorgetragenen Stückes mi( Finnea begänne, müßte
man nach aeolde Doppelpunkt setzen, nach beg^t Eomma und den
DatiT Baferum etwa wie in nhd. *er ist mir gestorben, er ist mir
zugrunde gegangen, sie (die Tochter) ist ihnen (den Eltern) ge-
storben' erklären, den ganzen Passus also übersetzen: 'den An-
gehörigen des Fihn, als sie das Verderben überraschte, sollte ein
Mann der Halbdänen, Hnief der Scylding, auf dem Freswal zu
Falle kommen*.
Den in Vers 1072 — 4 auf die Gattin Finns nnd Schwester
Httffifs bezüglichen Satz unagnnum wBard hehren leofum . . .
bBamum ond brödrum übersetzt Gering, da hier Holthausens Text
die Besserung unsynnfyjum bietet, die also ein auf leofum usw.
bezügliches Adjektit ^schuldlos' herstellt, mit 'denn frei Ton Schuld
waren beide teuren, Bruder und Sohn'. Aber unajfnnum haben
HoTue-Socin, wie mir scheint befriedigend, als Adverbium im Instr.
plnralis 'ohne Schuld* erklärt, so daß ich zweifeln muß, ob die
Übersefeznng Geringe richtig sei und die Verse mit Beziehung des
Ad?, auf Hildebnrh nicht tielmehr heißen müssen 'ohne es durch
Schuld yerdient zu haben, ward sie ... . der Lieben, des Sohnes
und des Bruders, beraubt'.
Vergleichen wir den Passus Vers 1068—67, in wörtlicher
Obertragung 'da war zugleich Gesang und Musik Tor dem Feld-
herm des Healfdene, [da ward] das Spielholz (Harfe) geschlagen,
maoches Lied gesungen, worauf der Dichter des Hro^gar über die
Metbank hin eine (die) Saalunterhaltung vortragen sollte' mit
Qerings Verdeutschung 'Gesang erechoU nun nnd Saitenspiel vor
Healfdenes Sohn, dem Heeresfürsten; die Harfe ertönte zum Helden-
lieds, das Hrodgars Sänger den Hörern zur Lust auf des Macht-
428 WcHtze-Seheidemantii, Du klMiiiehe Weimar, ang. t. J. Minor.
habere Waneefa an der Metbank Tortrnef, eo eehen wir allerdings
die Überlegenheit der Naehdiehtnng tor der .elnfaehen Übertragnng,
die sieh gestatten kann, Nachrichten, [welobe die Stelle gar nicht
enthält, wie die, daß Hro])gar der Sohn Healfdenea ist, oder daß
der Vortrag des Liedes durch den Dichter *anf des Machthabers'
Wnnsch erfolgt, einzaflechten oder den technischen Äosdrack
hMlgamm hier *vor der Menge im Saale torgetragenes, zar Unter-
haltnng dienendes Gedicht' durch seine psychologische MotiTlerang
Men Hörern zur Lust' zn umschreiben oder das die Torhergesungeneo
Lieder begleitende Harfenspiel auf den Vortrag des Dichters za
beziehen, und die durch diese freiere Behandlung des Stoffes eint
Wirkung erzielt, die Tielleicht der des originalen Textes auf die
gleichzeitigen Hörer analog ist und der wörtlichen Übertragung
allerdings yersagt bleiben muß.
Czernowitz. ?. Grienberger.
Das klassische Weimar. Nach Aquarellen fon Peter Woltse. Mit
erliuterndem Text fon Eduard Scheid em ante 1. Weimar, Her-
mann BOhlauB Nachfolger 1907. 19 SS. Folio und 12 Tafein. Pieii
10 Mark.
Keine Mittelschule sollte es Tersftumen, diese schOn« Blittsr
anzuschaffen und zur Ausschmückung eines Schulzimmers zu Ter-
wenden ; was bei dem niedrig angesetzten Preise keine Unmöglieh-
keit ist. Der Künstler hat Tersucbt, was mit dem Frankfurt der
Goethezeit l&ngst geschehen ist: das klassische Weimar wieder-
herzustellen. Eine in jeder Einzelheit zuferlftssige BekonstruktioD
liegt natürlich außer dem Bereich des Möglichen; aber den Ge-
samteindruck der Goethezeit bat er wohl auf jedem Bilde erreicht
und es auch in Bezug auf die Einzelheiten nicht an den nötiges
Studien fehlen lassen, um die Vergangenheit an die Stelle der
Gegenwart zu setzen. Er gibt uns Bilder der gansen Stadt, die
freilich bei Goethes Ankunft noch mehr einem Dorf glich: dse
Schloß mit der Bastille, den Marktplatz, das alte Theater und das
Wittumspalais der Herzogin-Muttor Amalia. Er stellt uns die beides
Wohnhäuser Goethes, das Schillerhaus und Herders Pfarrbaus sicht-
bar Yor Augen. An Karl August erinnert das römische Haus im
Park, sein liebster Aufenthalt. Auch das Haus der Frau von Stein
fehlt nicht. Zu den Bildern hat der sach- und ortskundige Qym*
nasialprofessor Scheidemantel, durch seine Tassostudien rühmliebst
bekannt, einen lehrreichen Text geschrieben, der nur nicht geosg
auf die Bilder selbst bezugnimmt und nicht immer deutlich er-
kennen l&ßt, ob die von ihm angeführten örtlichkeiten auch ssf
dem Bilde sichtbar sind oder nicht und wo man das Beschriebeoe
auf dem Bilde zu suchen bat. Daß in dem Briefe Goethes an
Frau T. Stein fom 21. April 1776: „Zum erstenmal im Garten
J, Wiesner, Der denitohe Untarrieht mir., ang. ▼. A. Lichttnheld. 43^
l^eteblafeD und nnn Erdtal in fär ewig" das einnlose ^Erdtnlin''
ein Lesefehler fir ^Erd kühlein" ist, haben schon Gödeke (Grund-
riß IV 2, 450) and Martin (Jahrbach XIX, 297 ff.) erkannt. Über
das M&rchen, aas dem Ooethe den Vergleich genommen hat, handelt
fiolte in seiner Aasgabe des Montanas (Literarischer Verein) S. 267
und S. 591 L
Wien. J. Minor.
Der dentBche Unterricht an unseren Gymnasien. ErfahnuffeD»
Bekenntnitie, Vortcfalftge von Johann Wies n er. Wien, A. HoTder
1907. 140 SS. nnd 24 SS. Anmerkungen.
,»Da8 ganze Oebiet des heatigen Deatschanterriehtes an
MitteUichaleB in seinen Anforderangen (!) za darchstreifen, den
gaaxen Komplex von Einzelfragen, die noch immer der Erledigang
btiren*^ (and Tolle Erledigang wohl nie finden werden) „knrz aaf-
znrellen" ist die Aafgabe, die dem gehaltfollen and zagieieh höchst
aktoellen Bnehe gestellt ist Denn da die endlosen Erörternngen
in Wort oad Schrift, die in den letzten Monaten nnsere Mittel-
lebnlen nmtobten and an dem Qefftge ihrer Organisation bis in
die Grandfesten hinab rüttelten, doch allerlei Ändernngen bringen
Verden, eo ist es wahrscheinlich, dafi ancb die Organisation dea
Dsatschanterriehtes der längst vorbereiteten and geforderten Bevi-
sion nntersegen wird. Und da kann es nar Ton Vorteil sein, anch
•inen Manii za h6ren, der gestfttzt anf lange Brfahrnng, aaf Be-^
berrschoog der in Betracht kommenden Literatnr, aaf yielfache
Beobachtang im In- and Ausland, dasn erfflUt Tom schensten Eifer
fftr die Sache die Ergebnisse seiner nmsichtigen Erwftgnngen zar
Verfftgong stellt.
Der Schwerpunkt des Baches liegt — wegen ihrer Tragweite
~ wohl nach ffir dea Verf. in den positiven Vorschlägen fflr Stoff-
wahl and Verteilang, wie der Unterricht im Obergymnasiam nea
sa gestalten sei. Der Schlnß der vier Abschnitte: Grammatik,
Lektare, Dbnngea im mündlichen Anfsatz, bringt jedesmal eine
Zosammeniastnng. Aber der Beiz, der den Leser festhält, liegt
doch viel mehr in den von temperamentvoll geführter Polemik be-
gleiteten Erörternngen and Vorschlägen über eine Menge von
inderen Fragen, wo Umgestaltnng ihm notwendig erscheint leb
nenne da für das Untergymnasinm: das Lesen, das Sprechen and
Erzählen, die Satzanalyse, der sich die Interpnoktionslehre an-
•ehlieät, die „sprachlichen Beobachtangen** (S. 17), die nar maß-
voll and gelegentlich za behandelnde Formenlehre, die Orthographie^
die Scbreibübangen nnd der Anfsatz a. a. Was da vorgeschlagen
wird, rüttelt nicht sehr an nnserer jetzigen Verteilang — nnr den
LMebüchem würde die Darchführang ziemlich znleibe gehen — t
ist aber darchweg so annehmbar and lehrreich , daß jeder Eollege^
430 J*. Wiesner, Der deattehe Unterricht aiw.» ang. t. A. LiehUmMd.
dtrans gewinneD wird. Nur den Anfängern mOchte ich den Bat
geben, die Einleitung niebt za lesen. Die terwirrende FfiUe dw
widerstreitenden Ansiebten, dnrcb die sieb der Terf. durchzuarbeiten
hatte, mögen ihn manchmal daran haben verzweifeln lassen, stets
auf den richtigen Weg zn gelangen, nnd die daraas sich ergebende
pessimistische Stimmung (ihm bleibt nichts flbrig, sagt er, als
yorlftofig grau in grau za malen) findet in der Einleitung za starken
Ansdrnck. Sie ist der Freudigkeit gefährlich , die die Berafsaas-
Übung vor allem ersprießlich macht.
Die Verständigkeit, die die Bebandlang der oben aufgezählten
Gegenstände dnrchzieht, macht den Leser geneigt, sich Ton W.
nun auch bei dem leiten und fiberzeugen zu lassen, was ffir das
Obergymnasium vorgebracht wird. Aber diese Geneigtheit gerät
doch bald ins Wanken, weniger weil die geforderten Änderangen
zu radikal sind (unsere jetzigen Lesebficher mftfiten gänzlich neu
eingerichteten platzmachen), als weil die Begründungen zu an*
fechtbar sind, ja einander widerholt widersprechen.
Der Hauptgrandsatz, nach dem bis jetzt fQr die drei obersten
Klassen der Lesestoff bestimmt wurde, war der literarhistorische
Fortgang, womit trotz so mancher Stellen der Instruktionen der
Literaturgeschichte selbst breit die Tore geöffnet wurden. An Stelle
•dessen soll ein anderer treten, die Anpassung an die mit den
Klassen aufsteigende Beife der Scbfiler. Das klingt sehr ansprechend;
aber die Beifeabstände zwischen je zwei, ja drei Klassen sind nicht
mehr so groß wie im Ontergymnasium, sie sind Tiel geringer als
die zwiscben den Schülern derselben Klassen und zwischen den
entsprechenden Stufen in großstädtischen und yielen Prerinzgym-
nasien. Zweitens aber ist es an sich überaus schwer, innerhalb
eines so engen Spielraums für jedes Stück die Ansprüche abzu-
messen, die es an die Fassungskraft stellt; wie leicht täuscht
epracbliche Flüssigkeit über inhaltliche Tiefe. Man fergleiche in
dieser Hinsicht den Widerstreit bei Klopstock, der doch nichts
weniger als gedankentief ist, so widerspänstig er sich gegen das
Verständnis sprachlich und in der Aneinanderreihung der Gedanken
geberdet. Sodann ist bei der Auswahl neben jener Stufe doch aneb
stets das literarhistorische Moment insofern zu berücksichtigen als
unsere Klassiker möglichst oft zu Worte kommen sollen und da ist
der Kreis der Auswahl — für die Prosa — nicht gar groß. Die
eigentliche Literaturgeschichte soll bei diesem Vorgange dadurch
zu ihrem Bechte kommen, daß bei jedem yertretenen Autor das
Nötige beigebracht wird, also Biographisches, die wichtigsten
Schriften, einiges zu ihrer Charakterisierung und Wertbemessnng
u. a. Nun aber gilt es in unserer Zeit, schon seit dem XVIIL
Jahrhundert, fast als ein Axiom für das Streben nach Erkenntnis,
bis zur Bildung hinab, daß das Wesen der Objekte erst toU erfaßt
wird, wenn man sich zu eigen macht, wie sie geworden, ans
welchem Boden sie erwachsen sind, welche Einflüsse auf ihre Ge-
/. Wieiner, Der deatiebe Unterricht asw., aog. t. ä, Licktenheld. 431
•taltaog gewirkt haben, korz, wenn man ihre historischen Voraus-
•itziisgen kennen lernt. Und diesem Zuge kann sich eine Schule
wie das Oymnasinm nicht entziehen, sie tnt es anch nicht, tollende
Bieht bei der Behandlung und Würdigung der Literaturwerke
nnserer Vergangenheit. Also kann nur eine fortschreitende Lite-
raturgeschichte, die die Wandlungen und Strömungen des Ge-
schmackes, der Theorie und Kritik, jener Einflüsse Ton außen und
innen mit beachtet, die Tolle Würdigung der Werke schaffen. Der
Ersatz, den die achte Klasse in einer beschränkten Zahl Ton Stun-
den durch „Zusammenfassung^, d. h. doch wohl chronologisch fort-
schreitend, dann geben soll, wenn so viele Lesestücke und was
ihnen angefügt wurde, nur noch in nebelhafter Erinnerung sind,
ennangelt des festen Bodens und l&uft mehr auf ein Memorieren
hinaus. Lassen wir also den jetzigen Vorgang auch weiter be-
stehen 1
Damit habe ich meinen Standpunkt jener Hauptfrage gegen-
über gekennzeichnet. Eine Auseinandersetzung mit all den ge-
gebenen Anregungen und Vorschlügen würde wieder ein Buch er-
geben und darum sei nur noch einiges herausgegriffen.
Dem anch Ton anderen Seiten ge&nßerten Vorschlage, den
Beginn der Literaturgeschichte in die Quinta (das zweite Semester)
in verlegen, ist zuzustimmen. Aber nicht, weil der Lehrer „dem
bisherigen Pensum dieser Klasse keine fruchtbare Seite abge-
winnen kann^, sondern weil dadurch die nächsten Klassen etwas
•ntlutet werden. Für Eingehen in die Poetik (die dann bis zum
Schhiß im Auge zu behalten ist) und Lektüre von Stücken der
Oreßepik bleibt immer noch Baum genug. Daß hier die Literatur-
geschichte doch zugelassen wird, ist dadurch begründet, daß der
entsprechende Lesestoff, hauptsächlich das Volksepos, Quintanern
wohl angemessen ist. Batsam ist wohl, daß die in den Lese-
bächem enthaltenen „Definitionen" der Dichtungsarten und -6at-
tnngen gestrichen werden und an deren Stelle induktiv zu ge-
winnende Zusammenstellungen der Hauptmerkmale treten.
W. will das Mhd. wieder preisgeben, und zwar weil mit der
geringen Stundenzahl (er rechnet 16 aus), die ihm gewidmet
werden künnen, Erfolge nicht zu erzielen seien. Hier kann ich
mich ihm anch nicht anschließen; nicht, weil ich mich seinerzeit
mit um die Wiedereinführung bemühte, sondern weil ich die Be-
gründung nicht anerkenne. Ich wußte stets etwa 24 Stunden zu er-
fibrigoi, denen sich fortan bei der eben besprochenen Verschiebung
noch einige werden zufügen lassen, und war mit dem Erfolg zu-
frieden. Die Geläufigkeit, die die Schüler in unmittelbarer, des
Übersetzens entratender Aufnahme des Inhalts des Gelesenen er-
reichen, fibertrifft doch bei weitem diejenige, die in den alten
Sprachen zu erreichen ist. Sodann hält W. selbst es für angezeigt,
daß das Gymnasium irgendwo einmal in das Werden unserer Mutter-
sprache den Schülern Einblick gewährt, und welche Gelegenheit
432 X WiesHer, Der dentoehe üntanielit nsir., ang. t. ä. LidUenhdd.
wäre da günstiger als die, welche die Anregung dazu tod selbst und
auch so zahlreiche Belege ffir die tu besprechenden ErscheinoDgeo
bringt? Der Widersprach, in dem W.s Beseh werde, daß man dem
Mittelhochdeutschen bei der Maturit&tsprdfung nicht Baum ge-
währen will, mit jener Ausscheidung steht, scheint ihm entgangen
zu sein. Die daran liegende Forderung selbst zu erfüllen, wider-
rate ich; der Gegenstand liegt schon zu weit zurück. Die For-
derung, dafi die Lesebücher die 500 Jahre der Übergangszeit Ton
der ersten zur zweiten Blüteperiode etwas mehr berficksichtigeD, ist
zu unterstützen. Indessen enthalten die Lesebücher doch mindestens
einiges ton Hans Sachs und Hallers „Alpen*" bringen nicht nur
sehr schöne Beispiele für die „sinnreichen Beiwörter** der Schlesier,
sondern tragen auch sonst durchaus das Gepräge eines yorklss-
sischen Zeitalters. Kleists „Frühling** mag fallen, aber die „Alpen*"
möchte ich darum nicht missen. Daß die Herderlektüre bedeutend
eingeschränkt werde, ist berechtigt und geschieht wohl auch all-
gemein; der „Cid** ist ein guter Ersatz; ?om „Oheron** aber bringen
die Lesebücher gerade genug.
Aber nun Lesaing. Der kommt gar übel weg. Seine Gegner
hören wir reichlich. Der Dichter wird nur mit „Minna Ton B/
belassen, aber auch nur, weil es das einzige Lustspiel ist, das
gelesen wird. An die bis. auf den heutigen Tag reichende Bühnen-
Wirksamkeit des Stückes, des ältesten deutschen, das noch Bepertoir-
stfick ist, hat W. wohl nicht gedacht. Der Laokoon aber wird
ganz gestrichen, ton der Dramaturgie nur das erste und das
Schlußstück gelassen. Von den. Literaturbriefen iat nicht die Bede.
Sie können starke Streichungen tertragen; die Selbstanzeige der
Abhandlungen über die Fabel und der 17. Brief sind aber nicht tn
missen« Doch reichen die literaturgeschichtlichen Voraussetzungen
für diesen wieder sehr weit. Nun ist es wahr, daß Laokoon und
auch die Dramaturgie voll Ton Aufstellungen sind , die teils als
Irrtümer erwiesen sind, teils angefochten werden, ein Schicksal,
das sie mit allen ästhetischen Schriften teilen; man denke nur an
den Ästhetiker Schiller. Um den Laokoon aber wäre es mehr tls
schade. Ersetzen läßt sich schließlich alles, er aber nur sehr
schwer. Er bleibt immer ein Meisterstück geist- und wissene-
reichster Dialektik, gehört bis auf den heutigen Tag zu den Grund-
büchern der epischen Technik, bietet unter entsprechender Führung
stete Anregung zu Diskussionen, denen Oktavaner sehr wohl ge-
wachsen sind, und gibt ihnen Gelegenheit, was sie Ton antiker
Kunst auf den verschiedenen Stufen gehört haben, einmal zu ver-
werten. Was S. 55 hinsichtlich seiner Sprache eingewendet wird,
kann doch für Oktavaner nicht in Betracht kommen.
Auch der Dramaturgie ist das Wort zu reden. Gilt es, Zelt
zu sparen, dann mögen lieber das erste und letzte Stück falles.
Aber die Stücke über die historische Tragödie, die Hegeln, über
Furcht und Mitleid und die Katharsis sind wie kaum etwas anderes
J. Wieiner^ Der denttche Untarriobt asw., aog. t. ä. Nathansky, 488
^i^et, die theoretischen Fragen der hohen Dramatik allseitig
10 b^ltaebten. In den bereits gelesenen Stücken stehen Beispiele
lor Geofige znr Verfftgnng und an den noch zu lesenden kann das
Gevoonene weiter erörtert nnd befestigt werden.
Wie weit W. in diesen Fragen den Unterricht tertieft wissen
Tül, siebt man allerdings nicht klar. Es scheint, daß er selbst
uf die Behandlung der Schnldfrage wenig Gewicht legt, was
sieb allerdings mit der Aufnahme der Stücke über Fnrcht and Mit-
l«id Dicht Torträgt. Allen Anweisungen über die Behandlang aber
Böehte ich die Forderung Toranstellen : Das erklärende Verweilen
km Einzelwort und bei Einzelstellen ist durchweg zu vermeiden
md die Betrachtung stets auf die Erfassung des Werkes als
GaozeSy auf die Handlung uud ihre Zusammenhänge und Fort-
schritte von Szene zu Szene, auf das Problem, auf die Charakteristik
nd ihre Wechselbeziehung zu Handlung und Problem und auf den
Abschluß zu richten. Für die Wort- und Sacherklärungen mögen
di« Kommentare sorgen , die in den Schulausgaben zur billigsten
Verfügung stehen. Gelegenheit zur Betätigung der Akribie in der
Analyse von Einzelstellen bieten die antiken Klassiker und auch
die Ljrik in Fülle. Auch für die Darlegung einer bis ins Ein-
zehiite gehenden Architektur genügt ein Beispiel (etwa die Jung-
fna von Orleans), der Freytagsche Aufbau ist dagegen stets zu
berücksichtigen.
Doch ich breche ab. So viel Gelegenheit zur Polemik und
zu Zustimmung das Buch auch noch bietet. Ich kenne kein
anderes, das in so gedrängter Fülle alle unsere Streitfragen wirk-
lieh „aufroUf und empfehle es darum dringend allen Kollegen.
Wien. Ad. Lichtenheld.
Von anderer Seite ging uns folgendes Gutachten zu:
Vber den deutschen Unterricht, wie er sein soll, gibt es
«oen ganzen Berg Literatur; hier wäre einmal ein Buch über den
<ieatschen Unterricht, wie er ist, wenigstens an den österrei-
chischen Gymnasien ist. Und wenn man viel graue Thsofle und
nicht wenig rosige Schönfärberei gelesen bat« so tut eint B^Mft
vohU die von beiden gleich weit enlfernt ist und sich r^aoliit auf
den Boden der Tatsachen stellt, selbst wenn oder geridt w#il
Äiar die Erfahrungen nicht selten tu Bekeontniasen werö*?» ^■
M^echer, mannhafter Ton, der sich nirgenda ßch»^.
^un rechten Namen zu nei^Den , macht das Buch iS
^•r nicht überall unbedingt zastiEHüjeD knun* I
Ton dem Kaiierwort ausgebend, das das DentscM^
*^e des Mitteechnlanterrichtfls beietebnete» riiUBt WU
™»t diesem ScbUgworte auf nnd zeigt, wH ' ^ ' ■^»*«^dL
«towowenig die Hioptrolle spid^n kann, f * - »^k
*•*•■«*»"* f. d. «tttrr. Ormn. iftw v »^ M »
A
434 /. TFMfiMT, Der.d«ateebe ünUnrifllil usw., aag. ▼. A. Nathamtkp,
Tordioity mit der er sieh lange Jahre begnügen mnßtt vnd Ten der
er sieht wenigitene im Untorgymnaainm« noch nicht emaaupiwt
hat. Die Abneigung der Lehrer der klaeaiaehen Philologie gegea
den Dentsehnnterrloht in Tertia nnd Qoarta, die sich daran« er-
gebende Erteilung dieeea so schwierigen Unterrichts durch die
jüngsten Lehrer ^ die Art« wie diese Stunden ohne BAcksicht tof
Neigung, Bef&higung, Prüfnngszengnis zur Erg&nznng der Lehr-
Terpfliehtung aufgehalst werden, „die allseitige laxe Auffassung"
dieses Unterrichts : all diese ton W. offen einbehannten Übelst&adt
bringen ihn zu der Überzeugung, „dafi in keinem Unterrichtsgebiet,
wie jetzt die Dinge liegen, mehr kostbare Zeit Tollkommen nutzlos
Terscbwendet wird als im Deutschen" (S. 8). Freilich darf man
diesem herben Wort gegenftber sich und dem Verf. znm Troite
sagen: So war es freilich noch in junger Vergangenheit, ist ei
fielleicht da und dort noch, aber an nicht zu wenigen Orten bat
sich doch in den letzten Jahren bei Behörde nnd Lehrern eine
ganz andere Auffassung dieses Unterrichtes durchgesetzt, viel-
leicht nicht gaus unabh&ngig ?on der Stimme der öffentlicbkeitp
wie sie sich etwa auf dem ton W. so hart mitgenommenen Wei-
marer Eunsterziehungtag Temehmlich machte. Aber gerade weil
es mit dem Deutschunterricht aufw&rts geht, tun BAcher wie dsi
Wieenersche gut, die den Pinger auf die Wunden legen und naeii
dem Arzt rufen.
W. beginnt mit der Grammatik und Terlangt mit ZiwBt
(nied.-österr. Direktorenkonferenz) Umwandlung der Diktate in Anf-
satzAbungen. Der orthographische Ertrag stellt sich auch bei
diesen ein, der Schaler schreibt keine Worte, die er nicht Torstebk,
was bei Diktaten häufig der Fall ist, und der so notwendigen
Übung im selbstftndigen Gkdankenausdruck wird das BetAtigun^-
feld erweitert. Tom mittelhochdeutschen Unterricht hält W. nichts;
er nennt ihn unfruchtbar wegen der KArze der zur YerfAgung ste-
henden Zeit und terlangt statt der Urtexte „gute" Übersetzungen.
Hier muß ich widersprechen. Oute Übersetzungen aus dem Mittel-
hochdeutschen gibt es nicht; ja, aus dem Mittelhochdeutschen Iftfit
sich eigentlich ins Neuhochdeutsche Aberhaupt nicht Abersetzen, die
Worte sind dieselben und doch wieder nicht dieselben Bedeutnngs-
nuancen kAnnen erklärt, aber nur in den seltensten Fällen in der
Übersetzung wiedergegeben werden. DaA dem mbd. Unterricht nnr
16 Stunden zur YerfAgung stehen, ist wohl auch ein bißchen Aber-
trieben nnd wenn der homerische Dialekt dem Quintaner keine no-
überwindlichen HiDderuisse bereitet, so wird wohl auch der Sex-
taner mit dem viel leichteren Mittelhochdeutschen fertig werden,
wenn man es ihm nicht durch Abergroße GrAndlichkeit yerekelt.
Damit wären wir bereits bei der LektAre nud was hier W.
Aber Textreinigungen in uaum delphinif Lesen mit verteilten
Bollen, häusliche (kontrollierte) LektAre sagt, verdient volle BUli-
gUDg. Wenn er aber die genaue LektAre der Eüassiker durch
J, Wumtr, D«r d«ol9tbe Unteikki ww.» ing. t. A, NaUum$kff, 435
^Einalfngai speiieUiiar STatw'' emriagcn will (8. 40), nuß ich
fl«int Bttapiel« ablehnen. Er fragt beim „GOtz**: We ist ton
Triomen die Bede? Bei welcher Oelegenfaeit wird das Gaetbane
Zorn Hiracben in Heidelberg erwAfant nod wae bat sieb dort er-
eignet? Wer war Konrad Schott? Dae beißt Mücken selben. Sehr
leienswert ist die Benrteilnng ton Freytage „Technik des Dramas"
(S. 41 ff.) bezüglich der Verwendbarkeit in der Schule. Glücklich
polemisiert W. anch gegen die historische Abfolge des Lektüre-
kaooiis, die die Dichter der Befreiungskriege und den „letzten
Ritter'' der Oktana znweist, w&hrend Elopstock der Qointa und
Sexta, Schillers und Goethes philosophische Lyrik der Septima zn-
{^etrant werden; die Ausmerzong der „Alpen**, des „Frühlings**,
der „Künstler**, die Einschränkung der Herderlektüre, die W. Ter*
lingt, sind schon wiederholt von Scheich, Herzog und mir in der
^öeterreichischen Mittelschule** empfohlen worden. Dagegen fordert
W.s Stellungnahme g^gva Lessing, wie er selbst recht gut weiß,
znm Widerspruch heraus. Den ganzen „Laokoon** liest ohnehin
Diemaod in der Schule; aber daß die Jugend den „Nathan** lang-
weilig finde (S. 67), ist trotz der Berufung auf Wiese eine sehr
käboe Behauptung und die Beurteilung der „Minna** (S. 67 und
154) ist ToUends seltsam. Da spricht W. Ton der „geschraubten
Biederderbigkeit {sie/) der Charaktere** und dem „verliebten Ge-
tindel ältlicher Leute**! Und doch sind Minna und Franziska
Dich n 2 noch nicht einundzwanzig Jahre alt, der Major, der nach
ni 5 alle Finger ToUer Yerlobungsringe hätte haben können, und
eeia Wachtmeister sicherlich im siebenjährigen Kriege rascher
iraocierty als es heute geschähe. Nein, Lessing wollen wir uns
doch lieber nicht rauben lassen und dem mißbilligenden Seiten-
blick auf den „Goethe-Kultus** (S. 66 mit Nietzsche susammen-
geetellt!) werden sich hoffenllich nicht Yiele ansehließen. Eigen-
tämlich erscheint, daß W. eine Abneigung gegen die zeitgenossische
Literatur rundweg in Abrede stellt (S. 72), S. 154 aber als „manie
rierte Vertreter der Moderne** in einem Atem Ibsen, Nietzsche,
Hofmannsthal, Scheerbart, Maeterlinck nennt. Ist es Zufall oder
Geringschätzung, wenn er selbst die Namen moderner Autoren so
b&nfig falsch schreibt (S. 89 Bielschofski, S. 66 Nitsche, S. 124
Kancke [soll Klaucke heißen], S. 154 Nietsche, Scberbart, Mäterlink)?
Mit Becbt bekämpft W. die übliche Art der Bedeübungen,
die AnfsatzbQcher, die „originellen** Aufsatzthemen, wie er über-
haupt gegen jede Scheinarbeit eine scharfe Klinge führt. Wer
weiß, wie Paradeerfolge gelegentlich gezüchtet werden, kann ihm
da nur yollständig beistimmen.
Alles in allem: Ein kräftig anregendes Buch, das kein Gkr-
maniit an der Mittelschule ungelesen lassen sollte; stolpert er
dabei ein paarmal, so macht das nichts, angefangen und unbe-
endet legt es gewiß niemand beiseite.
Tri est. Alfred Natbansky.
436 MistraUMiihlan, Sonfenin de JenoeMe, ang. t. A. Oajiner.
Fr^däric Mistral, SouTenirs de Jeanesse. Extraits de ses
«M^moires et Bäcits*. Far da« ganze deaUebe Scbolgebiet tllein
berechtigte Schalanegabe von Dr. A. MQhlan, Prof. am Ornmasiom
in Glats. I. Teil: Binleitaug, Text ond Anmerkangen. Preis geb.
IMk.eOPf. II. Teil: Worterbacb. Preis 30 Pf. Nebst Bildoii des
Dxcbters mit seiner eigenhändigen Unterschrift nnd einem Klrtcben
der ProTenoe. Leipsig, Verlag von Baimand Gerbard 1907. VIII
and 112 S8.')
Das XIX. und der bisher yerflossene Teil des XX. Jabr-
hnndertB war fflr das literarische Frankreich zwar eine Zeit der
Fiat, die uns eine große Zahl herTorragender Kunstwerke darbot.
Aber seit Alexander Dnmas seine Eameliendame geschaffen, bildet
die Demi-mondainey die Demi-vi^rge, der elegante Lebemann, die
trenlese Gattin nnd der abentenerlflsterne Ehemann den Mittel-
punkt fast der gesamten Dichtang, die ans diesem Grande der
Eignung zum Schalgebrauche fast durchaus verlustig geht. Unter
diesen umständen muß uns Schulmenschen, die wir in unserem
amtlichen Wirkungskreise jedes schöngeistige Werk zuerst nnd ror
allem auf seine ,Zulftssigkeit*' und erst zuletzt auf seinen Ennst-
wert zu prAfen haben, das Erscheinen eines Werkes, das nicht nur
allen Anforderungen der Sittlichkeit gerecht wird, sondern aacb
allen AnsprAchen genAgt, die die Kunst zu stellen berechtigt ist,
mit lebhafter Freude erfAllen.
Ein solches Buch hat uns unl&ngst F. Mistral, das ebr-
wArdige und gefeierte Haupt und die Seele des provenzaliBcben
F^libertums In seinen französisch geschriebenen ^MStnoires ei BkUs""
beschert. Prof. Dr. A. MAhlan entnahm demselben einige der fes-
selndsten Stellen, um sie in glAcklichster Weise zu einer „Schal-
ausgabe'' zu Tereinigen, die der Jugend nicht nur einen klaren
Einblick in des Dichters Knaben- und JAnglingsjahre , in seine
Entwicklung zum Dichter gibt, sondern auch in angenehmster
Weise Vertrautheit mit dem Volkstum der Provenzalen yermittelt.
Da der Dichter ferner bis ins Mark der Seele durchbebt und durcb-
glAbt wird von wahrer, aufrichtiger Liebe zu seinem engeren
Heimatslande und von echt kindlicher Pietät fAr seine Eltern, ist
das Buch doppelt und dreifach wertvoll. Da das Werk endlich in
einer sehr klaren, leicht verständlichen, trotzdem aber anmatlg
hinfließenden Sprache geschrieben ist, eignet es sich ganz be-
sonders zur Lektüre in der VI. oder VH. Klasse unserer Beal-
schulen. und da ich seiner Einführung eindringlichst das Wort
reden mOchte, gebe ich seinen Inhalt wieder, um im einzelnen zn
zeigen, in wie mannigfacher Weise es den Schüler anzuziehen nnd
zu interessieren und wie wohltätig es die Entwicklung seines Cba-
rakters und vor allem seines GemAtes zu beeinflussen vermag.
Mistrals Heimat ist ein altes Landhaus in Maillane, öas
sich inmitten wogender Getreidefelder, blumenbesäeter Wiesea«
*) Vgl. S. 186 ff. dieses Jahrganges.
MUtrai'MMUm, SoaTenifi de JeuiMte, aag. t. ä. Gaßner, 437
fniehtbartr Weinberg« und doppelfarbiger ölpflanziingeii erhebt.
Dort hauste sein Vater Fran^oie als alternder Witwer « bie er
•ioN Taget beim Äbrenlesen unter seinen Gehilflnen ein schOnes
Mldchen, Dfiaide Pool inet» des Bflrgermeieters Töehterlein, er-
bliekte nnd bald hernach freite. Am 8. September 1830 beschenkte
lii den Gatten mit Fritz, dem Stolz und der Zier der ProTence.
Unter der Obhut seiner Eltern wuchs dieser heran. Sein
Vfttor war ein kluger Mann Ton fomehmer Gesinnung » würdevoll
und fest» Toller Wohlwollen gegen andere« dabei Ton eiserner
Strenge gegen sieh selbst. Ewige Zufriedenheit, die er mit der
Xanst paarte, jedem Ding eine nfltzliche Seite abzugewinnen,
machte ihn, obgleich sehr wohlhabend, zu einem sehr sparsamen
und mftfiigen Mann, dessen Hand jedoch für jeden Bedflrftigen weit
gidffnet war. Dabei war er nicht nur selbst sehr tätig und arbeit-
BUD, sondern auch ein so aufrichtiger Schätzer der Arbeitslust bei
aoderen, dafi er jeden tüchtigen Arbeiter fflr einen wackeren Mann
QQd seiner Freundschaft fflr wfirdig hielt und daher auch zu seinem
Oeiinde in einem wahrhaft patriarchalischen Verhältnis stand.
Kein Wunder also, daß auch Fritz an dem ruhigen und doch ab-
weehslnngsreichen Leben des Landmannes Wohlgefallen fand nnd
den Umgang mit den Landarbeitern, den Schnittern und Hirten
jtdtm anderen torzog und lieber dem Grofiknecht bei seinen länd-
lieben Verrichtungen hilfreich beistand, als Tomehme Fremde im
fianse begrüßte.
Als er in sein achtes Lebensjahr eingetreten war, mußte er
die Schule besuchen. Da sich aber seine Eltern bald flberzeugt
liatten , daß seine Neigung zum Spielen seinen Lerneifer um Tieles
obertreffe, ward er zuerst in das Pensionat Saint Michel de Fri-
jToIet gesteckt, bald aber in dem des Herrn Millet in Avignon unter-
gfebracbt« Vermochte das Leben und Getriebe der ehemaligen päpst-
lichen Residenz den DorQungen zwar mächtig zu fesseln, so schlich
lieh doch in kurzer Zeit das Heimweh in sein jugendliches Herz;
seine frfiher blflhende Gesichtsfarbe schwand und wiederholte Fieber-
anfalle schwächten seinen Körper. So kehrte er in den Ferien ins
Vaterhaus znrfick. Erschrocken unternahm seine fromme Mutter
mit ihm eine Wallfahrt zur Einsiedelei des hh Gent vom Bausset
und der felsenfeste Glaube des Kindes ward belohnt, denn fieber«
frei kehrte Fritz in sein Institut znrfick. Nun besuchte er das
Gjmnasium, wo er seine Studien in fünf Jahren mit so günstigem
Erfolge beendigte, daß er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet wurde
nnd sogar den Lorbeer erhielt. Wohl das wichtigste Ereignis aus
eeiner Gymnasialzeit ist sein Verkehr mit seinem Lehrer Josef Bou-
fflssille, der seinerzeit französische Verse gedichtet und seiner
Matter Torgelesen hatte. Die aber tergoß Tränen, da sie des Sohnes
Worte nicht yerstand. Gerührt schwär er, künftig nicht mehr in
siner seinem Mütterchen unterständlichen Sprache zu dichten und
wurde so der Begründer der ernsten neuproTsnzalischen Dichtkunst«
438 Mistrdl'MühUm, SonTanin de Jcaneiie, mg. w. A. Gaßner,
Qleiohzeittg mit SoDmanill« lernto er ceineo MitsehAler Anselme
Matthien kennen nnd so hatte sieh die Trias gefunden, die spitor
das F^libertsm tn begrftndan berufen war. Nnn steht Fritt ?or
dar Beifeprnfang. Seine Habseligkeiten in ein kartiertes Sacktach
eingebunden, macht er sieh anf den Weg nach Ntmes« wo er in-
mitten zahlreiehOT geschniegelter Stadtberrchen vor der Fakultät
Ton Montpellier seine Prftfnng mit Ehren besteht. Glftekstrahlend
kehrte er ins Yaterhans zurück, wo ihm ein heiteres, den BränebeD
und Sitten des Landes angepaßtes Leben winkte. Der abend-
liche Heimgarten, der im Enh- oder Sdiafstall abgehalten wnrde,
brachte ihn mit fröhlichen Altersgenossen ansammea; Aafföh-
rnngen ?on Trauer- und Lustspielen, an denen er sich mit d«r
vollen Begeisterung seiner Jugend beteiligte, fibten unendlichen
Beiz aus auf den künftigen Dichter; der Verk^r mit den Gehilfen
seines Vaters, unverfälschten Naturkindem, die noch alle Verrich-
tungen im Seh weiße ihres Angesichts besorgten, legte den Grand
zu seinem dichterischen Schaffen, denn in ihnen hatte er seine
Modelle und die Lehrmeister seiner Kunst gefunden. Dies heitere,
ruhige Leben wurde aber durch den Ausbruch der Bevolution des
Jahres 1848 jih unterbrochen. Obwohl ihm sein Vater die Schrecken
und Greuel der großen Bevolution eindringlichst vor Augen hielt,
wurde Fritz dennoch von den Schlagwörtern : Freiheit und Mensch-
lichkeit einen Augenblick hingerissen , durch die Betrachtung der
Pracht seiner Heimat, der Buhe und Ordnung des Landlebens aber
bald wieder in ruhigere Bahnen gelenkt. Ais M. sodann im Alter
von 21 Jahren den zweiten akademischen Grad, die Licence, er-
langt hatte, erhielt er vom Vater die Erlaubnis, sich selbst einen
Lebenslauf zu wählen. Augenblicklich faßte er einen dreifachen
Entschluß: in der Provence das Volksbewußtsein neu zu beleben,
diese Wiedererstehung durch die Neuerweckung der alten, histo-
rischen Landessprache, gegen welche die Schulen einen erbitterten
Krieg ffthrten, hervorzurufen und das Provenzalische durch den
Einfluß und das Feuer der göttlichen Dichtkunst zu verbreiten.
Erfüllt von diesem Drange, aber frei von jedem literarischen Ein-
floß und im Bewußtsein seiner Unabhängigkeit, die ihm Adlen-
fittiche verlieh, begann er eines Abends, zur Zeit der Aussaat, den
ersten Gesang von Mireio, jener Liebesidylle, die seinen Weltruhm
begründete. Vorerst war sein Plan nur der, zwei sehüne Kinder
des sonnigen Südens von verschiedenem Stande in heißer Liebe zn
einander entbrennen zu lassen. Die Lösung des Knotens beabsichtigte
er dann dem Zufall anheim zu stellen, der ja se oft Menschen*
Schicksale lenkt und leitet. Da aber Friedrich gerade zu jener Zeit
die Oberaufsicht über die Güter Übernamen mußte, die sein Vater,
der an der Schwelle des Patriarcbenalters erblindet war, nicht mehr
allein zu führen im stände war, gedieh das Gedicht nur langsam.
Dieser umstand berührte jedoch den Dichter kehDeswegs schmerz-
lieh, da er nur vn seinem eigenen und einiger Jugendfrsunde Ver-
MigtratrMiihUm, Sovveirin de Jeimene, tag. ?. Ä. Gaßner. 486
gniigeii i«r Miiae holdigte und al8 h5ehst«8 Ziel Beinas Bbrgeixes
dM vor Augen hatte, gelegentlich bis Arles bekannt zn werden.
Dm Schicksal hatte aber anderes bestimmt. Nach dem im Jahre
1847 erfolgten Erscheinen der „Pro?eniallnttett^, einer Blfitenlese^
m welcher die zeitgenössischen Dichter Beiträge geliefert hatten,
begannen einige derselben, nnd nnter ihnen anch M., einen leb-
haften Briefwechsel über ihre Sprache nnd Werke. Dabei entstand
bild der Gedanke an einen Kongreß aller provenzalischen Dichter,
der auf Bonmanilles Anregung denn anch am 29. Angnst 1852 in
Arles stattfand nnd im folgenden Jahre in Alz vor der großen
Öffentlichkeit wiederholt wnrde, wobei der Vortrag einzelner Ge-
diehte stfirmischen Beifall entfesselte. Da diese beiden Kongresse,
aber keinen Erfolg in der Bichtnng anfznweisen hatten, daß eine
Sinignng über die Nenbelebnng des Provenzalischen, erzielt worden
wäre, dieses Tielmehr nach wie vor Ton den tonangebenden Klassen
als eine Art Bauern- nnd Dienstbotensprache betrachtet wurde,
trafen sich am 21. Mai 1854 sieben Dichter — unter ihnen Bon-
msnille nnd M. — anf Schloß Font-Segugne und beschlossen dort,
zur Erreichung ihres Zieles einen Bund zn gründen und einen jähr-
lich erscheinenden Almanach herauszugeben. Noch in demselben
Jahre erschien der erste Band desselben. Er wurde ?on den Land-
bewohnern mit Freuden aufgenommen, von den literatunrerst&ndigen
Pstrioten gesch&tzt, von den Künstlern gesucht und erwarb sich
in kurzer Zeit ein derartiges Ansehen beim großen Publikum, daß
•r heutzutage an 50000 Leser zählt.
Kurze Zeit hernach fiel durch seines Vaters Tod der erste
Blitzstrahl in Friedrichs sonnige Jugend. In seinem tiefen Schmerz
nchte nnd fand Fritz Trost in der großartigen Schönheit seiner
Heimat. Da das Vaterhans nicht ihm zugefallen war, mußte er es
mit seiner Mutter Terlassen. Ein guter Stern waltete über seinem
neuen Ansitz. Denn im Jahre 1856 kam Adolphe Dumas im Auf-
tnge des französischen Unterrichtsministeriums in die Provence, um
ihre Volkslieder zu sammeln, und besnchte M., um sich seiner Bei-
hilfe ZQ tersichem. Friedrich sang ihm Magalis St&ndchen aus
Mireio Tor, das er nach einer Volksmelodie gedichtet hatte, die
ihm Ton einem seiner Viehtreiber vorgesungen worden war , und
begeisterte damit seinen Gast dermaßen, daß er ihm ein ganzes
Stück ans Mireille Torlosen mußte. Als er einige Zeit nachher
mit einem Freunde seine Erstlingsfahrt nach Paris unternahm, be-
lachte er dort Dumas nnd mußte ihm das ganze, inzwischen voll-
endete Gedicht vorlesen. Noch am selben Tage schrieb Dumas
an den Direktor der „Gazette de France*" einen Brief, in dem er
diesen nnd der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf den jungen M.,
den Virgil der Provence, und eeine Dichtung lenkte. Er machte
Fritz anch mit Lamartine bekannt, dem er einige lyrische Verse
versprach, die wohl seine Befriedigung, keineswegs aber seine Be-
Ceistening hervorriefen, da M.s St&rke eben in der Epik zu finde»
440 Miatral'MÜkUm, SoaTtniii d« JeuiaiM, ang. t. ä. Ouflner.
ist. Als Lamirtine absr Mireio gsisssn hatU, sehrieb er, er sei
dayoD in Herz und Verstand so betroffen gewesen 9 daß er sieh
daran maeboi über das Werk nnd den proTonzalischen Homer eine
Abbandlang zu schreiben.
Damit bricht IL seine Autobiographie ab, da sie in ihrer
Fortsetznng als Geschichte seiner Werke ohnehin der Offentliehkeit
angehöre.
Es mflßte wahrlich Befremden erregen, h&tte es der meister-
hafte Schilderer seines Volkes unterlassen, uns auch ein Gemilde
des Milien zn bieten, das er als wetterfeste 8&nle hoch Aberragt.
80 macht er nns vor allem mit dem Kastengeist der Gntsbesitzer
jener Gegend bekannt, die sich fflr eine Art Ton Aristokratie halten
und Yom entsprechenden Ahnenstolz beseelt werden. Ihre allgemeine
Bildung freilich liegt im argen. Selbst M.s Vater hat Zeit seinei
Lebens nur drei Bücher: ,Da8 Neue Testaments ,Die Nachfolge
Christi von Thomas a Eempis' und ,Don Quijote^ gelesen und be-
trachtete das Schreiben fast wie eine religiöse Handlung, so daß
er in Augenblicken , wo Fritz eben damit beschäftigt war, lieber
auf seine wenn auch noch so notwendige Hilfe verzichtete, als daß
er ihn darin h&tte stören mögen. Unter diesen Umst&nden war den
Leuten die Arbeit der Gelehrten yielfach unverständlich : das Sta-
dium der älteren Geschichte ist ihnen unbegreiflich; den Sali-
gehalt des Meeres erklären sie aus dem zeitweiligen Scheitern
salzbeladener Schiffe; den Ausgangspunkt des Mistral, des eisigen
Nordwestwindes, suchen sie in einer Felsenspalte und meinen, durch
deren Schließung seinem Wehen Halt gebieten zu können; die
Gelehrten, welche die Größenverhältnisse der Gestirne berechnen,
halten nach ihrer Ansicht das Volk zum besten, denn dessen Astro-
nomie besteht in der Auswahl des richtigen Mondviertels, wenn ee
gilt, die Sellerie zu säen oder die Schweinepest zu bekämpfen.
Daß solche Ansichten der Väter auch nicht darnach angetan waren,
die lebenslustige Jugend zu regem Schulbesuch anzueifem, versteht
sich von selbst. Das „Schulschwänzen'' oder das Durchbrennen
ans dem Vaterhause stand daher an der Tagesordnung und war
das Ziel des Ehrgeizes der gesamten Schuljugend. Auch unser
Fritz erlag gelegentlich den Verführungskflnsten seiner Kameraden
nnd ging gelegentlich „hinter die Schule". Eines Tages war ein
derartiger Ausreißer die Ursache zu Abenteuern, die uns wie ein
Märchen anmuten. — Wie allen enropäischen Südländern ist aaeb
den Provenzalen eine ausgesprochene Vorliebe für religiösen Prook
nnd kirchliche Zeremonien angeboren und gerne verbinden sie damit
weltliche Festlichkeiten. Schon die Jugend zieht ans, um die
Könige aus dem Morgenlande und ihren Troß zu empfangen und
ins Dorf zu geleiten, und in ihrem stürmischen Glauben, ihrer
feurigen Phantasie vermeint sie in verschiedenen von der nnter-
gehenden Sonne magisch beleuchteten Wolkengebilden die Gestalten
der Orientalen zu erkennen. Anziehend geschildert wird auch die
EUmger-Builer, L«hrb. der «Dgl. Sprachei ug. y. Th. BeiUerer. 441
ffltrkwflrdige Art, wie das Fest des hl. Eligins , des Patrons der
Liodleate, gefeiert wird.
Die Beechftftigiing mit dem neuen Werke Blistrals ist also
nicht nur von Anfang bis sn Ende fesselnd nnd unterhaltend, sie
iit auch lehrreich in mehr als einer Beziehung. Aus voller Ober-
MOgoog ersuche ich daher die Herren FaehkoUegen , den Versuch
za machen und es zur Schullektüre zu benützen oder wenigstens
xnr häuslichen Lektüre zu empfehlen und zu diesem Zwecke die
Schülerbibliotheken damit zu yersehen.
Innsbruck. Armin Gaßner.
Job. Ellinger nnd A. J. Percival Butler, Lehrbuch der
englischen Sprache. Ausgabe B. Für M&dcheDlTseen und andere
höhere TOchtencholen. L Teil. Elementarbneh. Mit 10 Abbildungen
vnd einer MflnstafeL Wien, Tempskj 1907. 171 SS.
In dem vorliegenden Elementarbuch der englischen Sprache
ist zwischen dem Lesestoff und der Grammatik eine Mr^lo^iche
Scheidung** durchgeführt. Es enthält nämlich auf S. 92 — 140 eine
«yitematische, aus 9S Paragraphen bestehende, zusammenhängende
Dirttellung der Laut- und Formenlehre und die auf 26 Lektionen
ferteilten 40 Sprachstücke sind nur mit kurzen Hinweisen auf die
gleichzeitig durchzunehmenden Paragraphe der Grammatik versehen.
Dieeer Vorgang, zu dem sich die Verff. unter Berufung auf
Olaonings „Bidaktik und Methodik des englischen Unterrichts" aus
Oründen der Übersichtlichkeit entschlossen haben, hat sicherlich
miDches für sich. Vor allem ergab sich daraus der Gewinn, daß
die Formenlehre, die in systematischer Darstellung schon in diesem
L Teile des Lehrganges enthalten ist, in das für die V. Klasse
der Mädchenlyzeen bestimmte gramnlatiscbe Lehrbuch nicht mehr
aufgenommen zu werden brauchte, so daß der IL Teil des Lehr-
gaogee, die Grammatik, auf die Syntax beschränkt werden konnte ^).
Dem Einwände, den man allenfalls machen könnte, daß
durch eine derartige räumliche Trennung des Lesestoffes und des
SQB ihm zu gewinnenden grammatischen Lehrstoffes der Zusammen-
biog zwischen den beiden ^'«lockert cmd die induktive Methode
dadurch aufgegeben erscheine, ilBl sich mit dem Hinweise darauf
begegnen, daß es Sache daH kund igen Lefarera sei« die Beib^
bmgen zwischen den beiden äQüerlich getrennten Ttit^ de
bnehes herzustellen und aui recht zu erb alten, _
Eine Schwäche des System g scheiiit mir «^ ~ ^'
diß die Verff. dieser Anordnang znliebe atti ^
lieh verzichtet haben. Denn &aQer etntm S« >
WortsUllung (Lektion 12) und der Etgsl flhc
*) Ä Short Englüh Sifnt^si m\
442 Eümger-Butler, Labrb. der «ngl. Spnehe, ang. v. Th, Beiiierer,
(Lektion 17) enthält das Lehrbuch keinerlei syntaktiBehe Befiehl.
Man vermißt daher die schon anf der Elementarstnfe unentbehr-
lichen Angaben aber die Stelhng der Objekte nnd Adverbien, Aber
den Dativ mit nnd ohne to, über die NacbstellnDg der Präposi-
tionen nnd die Anslassnng der Relativpronomina. Aneh fehlen kane
Bemerkungen über das englische Passivnm, den Infinitiv nnd dss
Gemndinm. Der Platz für derlei Belehmngen wäre z. B. nach dea
Lesestflcken 7, 19, 24 nnd 25 gewesen, da der Lehrer bei den
dort gestellten Aufgaben ohnedies — nod zwar nach der Absiebt
der Terff. — anf einige dieser im Bache nicht ausdrücklich an-
geführten syntaktischen Regeln aufmerksam machen muß^).
Ton dieser vielleicht bei der Herstellung einer Neuauflage
zu berücksichtigenden Bemerkung abgesehen, kann ich dem Butler-
EUingerschen Elementarbnche nur Anerkennung zollen. Die Dar-
bietung des auf der Elementarstufe zu absolvierenden Lehrstoffes
erfolgt an der Hand von 40 sorgfältig ausgewählten Lesestückeo,
welche den Schülerinnen zunächst den Wortschatz zuführen, der
sich anf ihre nächste Umgebung, die Schule, bezieht. Von da wird
zu Körper nnd Kleidung, zu Haus und Natur, zu den Jahreszeiten,
zu Spiel und Handwerk und schließlich zu spezifisch englischen
Lebensverhältnissen übergegangen. Die Lesestücke sind zum Teil
mit Bildern versehen. Man mag ja über die Wiederholung der ans
dem französischen Unterrichte her schon bekannten Hölzelschen
Bilder (Jahreszeiten) verschiedener Meinung sein: Die bildlidie
Darstellung englischer Wohnhäuser und ihrer Innenräume aber ist
jedenfalls sehr geeignet, das Interesse der Schülerinnen zu er-
wecken und den Unterricht zu beleben. Auch unterstützen sie das
Gedächtnis und leiten zur Vomahnse freierer Gesprächsübungen
hinüber. Unmittelbar an die einzelnen Lesestücke schließen sieb
die Hinweise auf die entsprechenden Paragraphe der Grammatik.
Außerdem sind jeder Lektion kleine Aufgaben und Gesprächs-
übungen beigegeben.
Auf den Lese- nnd Übungsstoff folgen (S. 61) Schulredens-
arten und Sprichwörter, dann eine Obersicht über das englische
Geldwesen (hiezu auch die Münztafel) und schließlich Erklärnngin
zu den einzelnen Sprachstücken (8. 66 — 84). Darauf werden ^
für diejenigen Lehrer, die mit Lantachrifttexten beginnen wolieo,
— die ersten 10 Lesestücke in Lautschrift dargestellt (S. 85—91).
Die Grammatik gliedert sich in eine Aussprachelehre und io
eine Formenlehre. Die erstere bringt nach einer kurzen, allgemein
phonetischen Einleitung schematische Übersichten der engliscbsD
Laute und 2teicben, wobei sich die Verff. einer einfachen, leicht
verständlichen Transkription bedienen. Die Verbindung zwiscbeB
Lesestoff und Ausspracbelehre ist durch kleine, den Lektionen bei-
gegebene Aufgaben über Aussprache und Sehreibung hergestellt.
') Siehe Begleitwort
J. B$ock AnschaDnvgi- oad Q^dftehtnkhilfen uw^ Mg. ▼. Oh. Würfl. 44S
Die Varff. bfttta auf diestm mit Beeilt eingeschlagenen Wege noch
weiteii^ehen und die Aasepnoheregeln überhaupt ans den Texten
io indaktiTer Weiae ableiten kOnnen.
In den übrigen 65 Paragraphen der Orammatik ist die Fonoen-
l«hre Oberaiehtlioh nnd erschöpfend behandelt Die Beispiele sind
glfieklich gew&hlt, die Begehi klar nnd pr&zise gefaßt
Den SehlniS bildet ein Vokabnlar, ein Anhang enth< deotsche
Übangsstücke znm Bnckflbersetzen ins Englische.
Ich kann das handliche nnd typographisch sehr hübsch aus-
gestattete Elementarbnch Yon Butler -EUinger den Fachgenossen
bestens empfehlen.
Wien. Dr. Theodor Beitterer.
Dr. Johannes Booek, Anschaunngs- nnd Gedächtnishilfen zur
EriegSgeschichte. 4 Hefte. Berlin, bei Friedrich Staho. Preis
jedes Heftee 50 Pf.
Vorliegende vier Hefte bilden eine ganz interessante nnd eigen-
artige Erscheinung auf dem Gebiete geschichtlicher Anschauungs-
mitteL Die großen Kriegsereignisse eines nahezu hundertjährigen
Zeitraumes, in erster Linie solche, welche die Geschichte Preußens
st&rker berührten, von dem Kriege Frankreichs gegen die erste
Koalition im J. 1792 an bis zur Einschließung und Kapitulation
der Bieeenstadt an der Seine 1870/1 werden in ihrem wesentlichen
Vsrlaufe graphisch dargestellt in ihren Höhepunkten in Schlachten-
Skizzen Yorgefflhrt und dadurch dem Yerständnisse auch des mit
keinem umfangreicheren kriegswissenschaftlichen Bfistzeug aus-
gestatteten Laien näher gerückt Und dafür kann man dem Verf.
nur dankbar sein. Denn wenn man auch einer zuweit gehenden
Berflckaiebtignng des kriegsgeschichtlichen Materials im Geschichts-
unterriehte kaum wird das Wort reden wollen, so wird man doch
nicht leicht in die andere Einseitigkeit yerfalien, an geeigneten
Stellen kriegerischer Großtaten nicht in entsprechender Ausführ-
lichkeit zu gedenken nnd dies nmsomehr, als die Jngend für den
Heroismus auf dem Felde der Ehre stets einen regen Sinn hat.
Au den zahhreichen Kärtchen der yorliegenden Sammlung kann
aun der Lehrer manche Anregung entnehmen, wie er seinen Worten
Bit einigen auf die Tafel hingeworfenen Strichen ein kräftiges
Belief geben kann» durch das sich sein Vortrag erst zur plastischen
Klarheit erbebt nnd dem Gedächtnisse fester einprägt
Das Heft 1 berücksichtigt die „Einigungskriege'' (1864—
1871) and umfaßt 10 Karten mit folgendem Inhalte: Blatt 1.
Diaischer Kri^g. BL 2. KOniggrätz. Bl. 8. Französischer Krieg,
Asfmarsch und erste Kämpfe. Bl. 4. Golombey^Nouillj. Bl. 5.
Mais la Tour-VionTille. Bl. 6. St. PriYat-Orayelotte. Bl. 7. Der
Anaurseh nach Sedan. BL 8. Sedan. Bl. 9. Kriegsschauplätte im
444 /. Booek, Antehaniuigs- und GadlehtniihilftfD niw., wag. ▼. Ch, Würfi,
Nm W., 0. 6L 10. BelagernDg Ton Paris. Das Heft 2 fihrt uns
«nf 10 Karten die Befreinngekrieget d.i. die Zeit too 1818
— 1860 Tor, das Heft 8 behandelt in acht Karten die Eroberungs-
kriege des ersten Kaiserreiches (1805—1812) nnd das letzte Heft
hat anf acht Karten die Erobemngskriege der ersten Bepnblik
(1792—1797) znm Gegenstände. Wie diese Beihenfolge der Hefte
zeigt, hat der Verf. dem Mhistorisehen Krebsgange'' seine Beyerenz
gemacht; doch verschlägt dies nichts weiter, da die einzelnen
Hefte inhaltlich voneinander unabhängig sind nnd bei jeder Karten-
serie die chronologische Abfolge gewahrt erscheint.
Zar leichteren Orientiemng in dem zeichnerischen Stoffe ist
jedem Hefte ein kurzer Text beigegeben, der lediglich das Wich-
tigste zusammenfaßt. Karten nnd Beigaben wollen eben bloß die
Hauptsachen berücksichtigen und halten sich von allem verwirrenden
Detail frei. Darin kann man dem Verf. ohne weiteres beistimmen,
nur ist er in seiner stofflichen Enthaltsamkeit hie nnd da zuwait
gegangen. So hätte z. B. in der Beilage zum 1. Hefte (S. 1) beim
Dänischen Kriege neben den drei Korpskommandanten Prinzen
Friedrich Karl, Oablenz und v. d. Mülbe doch auch der Ober-
befehlshaber Feldmarschall Wrangel einen Platz finden sollen.
Ebenso sieht man in diesem Kriege das ruhmvolle Oefecht bei
Helgoland (Tegettboff) ungern flbergangen. Aaffallen muß es femer,
daß wir in dem Kriege Preußens mit Österreich im J. 1866 nnd
ebenso in dem deutsch -französischen Kriege von 1870/1 zwar die
einzelnen HeerfQhrer kennen lernen, daß aber der König Wilhelm L,
der doch den Oberbefehl führte, und sein Generalstabscbef MoUke
ungenannt bleiben. Die Mainarmee wird bei den kriegerischen
Ereignissen des J. 1866 gar nicht erwähnt.
Auf einem Versehen beruht es wohl, wenn der Verf. in der
Beigabe zu Heft 2 (S. 12) in der Schlacht bei Belle AUiance am
18. Juni Blüchers rechten Flügel gegen Napoleon selbst vor-
gehen und wenn er Osterreich in dem Schönbmnner Frieden „Salz-
brunn*' abtreten läßt (Beig. zu Heft 8, S. 8).
In sprachlicher Hinsicht hätte die Arbeit allerdings noch
eine letzte Feile vertragen, hauptsächlich schon deswegen, um die
Schreibweisen in den Karten mit denen in den Beilagen in besseren
Einklang zu bringen. 1. H., BI. 9 Amien (Amiens); 2. H., BL 4
und 6 Oyulai, dagegen im Texte S. 5 Gyulay; Molk st. Melk
(H. 8, S. 2 und 8); Yorck (ebenda S. 2, 4, 9); Coburg (H. 8,
Bl. 8); Coblenz (H. 4, Bl. 5 und 6), hingegen Koblenz (H. 4,
Bl. 1 und 8); Erhzg. Karl (H. 4, Bl. 5). Bei Wörtern wie Vor-
stoß, Straßburg, Oroßb(erzog), Preaß. Gebiet, Preuß. Eylau wurde
es mit der Orthographie in den Karten nicht aonderlich genau
genommen. In der Inhaltsübersicht zu dem H. 4 findet sich der
Druckfehler Morengo (st. Marengo). Ob das Wort „Unterführer*"
(H. 2, S. 2) eine gute Prägung ist, mag dahingestellt bleiben.
TT. ÜUy Lahrbneh der Erdkunde, tag. t. B. Immdärffer. 445
Diese kleinen Mängel TermOgen jedoeh den Wert der ver-
dieostvollen Arbeit nicht stärker zn beeinträchtigen nnd können
bei der nächsten Auflage, die sie voranssichtlich bald erleben wird,
leicht beseitigt werden.
Linz. Chr. Wflrfl.
Prof. Dr. Willi üle, Lehrbuch der Erdkunde for höhere Schalen.
Ausgabe A in zwei Teilen. Erster TeiL 6. Auflage. Leipzig, G. Frey-
tag 1906.
Was an Yorliegendem Werchken unangenehm auffällt, sind
die beigegebenen Abbildungen, die, zum großen Teile wenigstens,
selbst bescheidenen Anforderungen nicht zu genügen TermOgen.
Der Text ist den Lehrplänen reichsdeutscher Mittelschulen ange*
paßt, denen das Buch offenbar — die sechste Auflage spricht
dafür — angemessen ist. Nicht befreunden konnte ich mich mit
der gebotenen Behandlung der astronomischen und mathematischen
Oeographie und der „Darstellung des Landes auf der Earte** , die
▼iel zu gedrängt ist, um wirklich verständlich zu sein. Weit mehr
sagt mir der zweite Teil „Omndzäge der Länderkunde'' zu, der
im ganzen einfach gehalten, der Altersstufe der Schfiler gerecht
wird. Einige Ungenauigkeiten wären richtig zu stellen. So heißt
M 8. 88 „Wien hat jetzt V/^ Biillionen Einwohner'' statt besser
„fast zwei". Unklar ist S. 48 die Wendung: „die Alpen gliedert
man auf Grund ihres Baues in die West- und Ostalpen". Ohne
Zuhilfenahme der primitiYsten geologischen Unterscheidungen bleibt
die Stelle unverständlich. Die statistischen Tabellen 8. 61, 69 ff.
usw. geben sonderbarerweise sogar für das Deutsche Reich (!)
durchaua veraltetes Zahlenmaterial. Die Schreibung Her^^egotrina
(8. 65) ist nicht die bei uns amtlich gebrauchte.
Wien. B, ImendOrffer.
Die Elemente der Neueren Geometrie unter besonderer Be-
rflcksichtigung des geometrischen Bewegungsprinzips fsr
die oberen Klassen höherer Lehranstalten und zum Selbststadium
bearbeitet von Prof. Dr. E. G. Volk. Mit 93 zum groften Teil zwei-
farbigen Figuren im Text Leipzig nnd Berlin, B. G. Teobner 1907.
77 S. Preis kart. 2 Hk.
Der neue Zug im Unterrichte der Geometrie hat dieses gute
Bflchlein schaffen helfen, das mit starker Anlehnung an Beyer
mit nützlicher Klarheit und Deutlichkeit die Elemente der „Neueren
Geometrie** behandelt, der eigentlich andere Namen besser stehen.
Auf die Erörterung der Grnndgebilde, die viel den harmonischen
Wurf benfitzt, folgt die der Kurven zweiter Ordnung, betrachtet ala
448 JB. V, Hamtein, Lflhrb. d«r Tierkunde usw., Mg. ▼. B. VieUorf,
Beizmiltel erweisen nsw., als Entdedcongen Loebs hinstellte
(8. 177). Offenbar waren ihm anch die Versuche Yon Stannim
Ynlpiani Bemak, Bidder, Goltz, Heidephain, Leyden,
Mnnk, Ludwig u. a. aber die Herzbewegung nicht bekannt.
Auch die in der NerTenphysiologie grundlegenden Arbeiten
Yon Bitter» Bellet, Du Bois-Beymond, Brenner, Duchenne«
Erb, V. Ziemssen, y. Helmholtz n. a. sind dem Verf.
g&nzlich unbekannt, und so schreibt er Mathews das ZuckungB-
gesetz, den Einfluß der Kathode, das Myographium u. a. m. zn
(S. 191).
Ich mochte diese Besprechung nicht schließen, ohne zwei
Aussprüche des Verf. zu zitieren, die einer aktuellen Bedentong:
nicht ermangeln. Berthelot, jedenfalls einer der bedeutendsten
Chemiker unserer Zeit, wie dieses der Verfasser auch zugibt, hat
außer den wissenschaftlichen Arbeiten aus seinem engeren
Forschungsgebiete auch „griechische, arabische und lateinisefae
Texte übersetzt*' (S. 158). Fehlte ihm da nicht, nach der An-
sicht gewisser Apostel der Jetztzeit, die für den wirklich genialen
Mann so notwendige — Einseitigkeit?
Dnd femer wird Yon den Ansichten des Aristoteles, .der
lange Zeit fflr den weisesten Mann des Altertums gehalten warde**,
gesagt: „Ein solcher Quark diente dem menschlichen Oeiste als
Nahrung durch mehr als zwei Jahrtausende'' (S. 66). Soll dieses
Yielieicht eine geistreiche Bemerkung sein? Muß in einem
populären Werke unserer Zeit ein solcher Ausfall auf die Kennt-
nisse des griechischen Altertums Yorkommen, damit Eleinpeter
dasselbe für würdig h<, um übersetzt zu werden, wenngleich
dasselbe „keine philosophischen oder erkenntnistheoretischen
Auseinandersetzungen enth<, wie etwa andere Übertragungen and
eigene Arbeiten des Übersetzers" (!) (8. V der Vorrede).
Wien. N. Herz.
Dr. B. Y. H an stein, Lehrbuch der Tierkunde mit beson-
derer Berücksichtigung der Biologie. Mit 272 farbigen mi
195 tchwanen, in den Text eingedruckten Abbildongen , nebst einer
Erdkarte. Eßlingen und München, Verlag Yon J. F. Schreiber 1907.
Preis geb. 5 Mk.
Das durch schönen Druck und prachtYoU ausgeführte farbige
Textbilder ausgezeichnete Buch ist kein methodisches Lehrbncb.
Die für eine ganze Klasse, Ordnung und Familie giltigen Be-
merkungen haben ihren Platz in den einleitenden Abschnitten ge-
funden; die für einzelne Arten charakteristischen Merkmale und
Eigenschaften werden bei der Aufz&hlung derselben erwibnt
Dadurch ist die Auswahl des Vertreters dem Ermessen des Lehrers
If* Smmttin^ BftQ ti. Lebtn des Mens eben oiw., aog. v. H. Tidtorf. 449
asbeiffl^t^lt. Der Hinwais anf b i od o mische Bezieh äugen ist nicht
n YtnnifiseD, da die bionomUcbe ßetracbtimgeweiae das ititende
Primi p für des Scbnlimterricbt bieten mnü. Der Verf, igt jedoch
m MMixchm lolcber BeziebongeD sehr Torsicbtig, weil seiner
Auitht naeb tod manchen Lehrbüchern das zulässige Ma0 bereits
ibifichriUea wnrde, indem nicht allei auf Appaesang bembe^ nnd
nicht jede am Schrei htiecb eraonnene Theorie der Bfiobachlimg in
tfiiir Natur standhalte. Eina besondere Anfiraerkeamkeit widmet
dtr Ter(. d^r Entwicklang der Tiere nnd erörtert dieeelba wenigsttHB
an fiiem Vertreter jeder gr&ßeren Tiergrxtppe^ denn er siebt nicht
aia, vamm man eicb in dieser ßeiiehnDg immer nur auf Insekten
■ad Amphibien beschränken solle.
^1 Ein Abicbnttt ober allgemeine Zoologie, der Gelegenheit bietet,
WRtige morphologisch« nnd bionomieebe Fragen im Zosammen-
Imfi tu erörtern, ist der spesieHen Zoologie angefügt. Dr. v. Han-
uUm (*rbUckt darin den Lehrstoff eines in den oberen Elaesen an>
xattrebendeci zoologischeD Dnterrtcbtes. Bei dem Abecbnitte über
4ie geographiscbe Verbreitung der Tiert hat ancb die palÄonto-
KiChft Eotwicklnng Beräckeicbtignng gefonden.
Daa Buch macht einen sehr gnten Eindruck. Die Cbarak-
iernng der gr50ereD nnd kleineren Tiergrnppen ist klar nnd
imiii, weshalb es sich aach vorzüglich für jene eignen dürfte^
bliebe ihren natnr geschieh Hieben ÖesiCbtskreis durch PnTatstndium
iirweitern trachten.
R. ?. H an stein, Bau und Leben des Menschen nnd
ier Wirbeltiere. Fir höhere Lehranstalten nnd lum Selbstanter-
richt, Eßlinf en tind MtEchcD, Verlag von J. F, Schreiber 1907. Preis
! Mark
^m In der Yorl leg enden Somatologie ist der vergleich enden Be-
^Btong des Banee der Wirbeltiere eiQ größerer Eanm gewährt
Via anderen Lehrbüchern dieser Art» indem jedem größeren Ab-
•cÄuitte ein Hinweis anf die ÄnsbildiiDg der entsprechenden Organe
bti den Wirbeltieren beigefagt ist Der Zneammenbang zwtachen
Bia nnd Yerrichtnog, sowie die Entwicklungsgescbicbte der Organe
i*t4«i Berücksichtigung. Ebensowenig fehlt es an Anweianngen
Jjm Erhaltung der Gesundheit.
^LCii Buch ist eines der besten kleinen Lehrbücher über den
^^^H das Lehen des Menschen.
rtail.
H. Vieltorf*
L d. ^trr. afna. 1008. T. fiifl*
29
450 Meimang, Ober die Stelliing d. Gkgenetanditheoxie, eng. t. Osekwmd.
M. MeinoDg, Ober die StelluDg der OegenstaDdstheorie
im System der WissenscbafteD. Leipiig 1907, B. Yoigtiiiideii
Vexlig. 159 SS.
Der Verf. ferOffentlieht hiermit drei in der Zeitschrift f.
Philosophie und philoe. Kritik (Band 129 f.) erschienene Artikel
in Bachform. Man kann den Inhalt der Schrift am kflneetsD
als eine Apologie der Oegenstandstheorie, wie Meisong
sie in den üntersnchnngen znr Oegenstandstheorie» Leipzig 1904»
geboten, bexeichnen. In sechs Abschnitten behandelt der Terf.
1. Heimatslose Gegenstftnde, 2. Die eigenartige Erkenntnisweiie
der Oegenstandstheorie, 3. Näheres fiber Daseinsfreiheit, 4. NfthersB
dber Apriorit&t, 5. (oegenstandstheorie nnd Legik, 6. Znr Becht-
fertignng des Desiderates einer Oegenstandstheorie.
Oegenstandstheorie ist nach Meinong Wissenschaft Tom
Nichtwirklichen, wie sie z. B. in der Mathematik Yon jeher be-
trieben wird. Den Einwarf B. Bossells (Bilnd, B. XIV, 1905,
8. 582 f.), die Anfstellong einer Wissenschaft Yom Nichtwirk-
lichen verstoße gegen das Prinzip des Widerspmches, kaoo
Meinong allerdings leicht entkräften, da der Satz des zn yw-
meidenden Widerspmchs sich bloß anf Wirkliches oder Mög-
liches bezieht. — Zn den „heimatslosen'' Gegenständen, d. h.
solchen, die bisher aoßer dem Bereich wissenschaftlicher Behend-
lang stehen and die M. eben in der Oegenstandstheorie onter-
bringen will, rechnet er folgende: a) die dnrch Empfindangen er-
faßbaren Oegenstände, abgesehen Ton ihren Beziehnngen zn nnserem
psychophysischen Leben. Die Physik hat mit ihnen nichts zn
tan, weil es Farben, Töne asw. nicht gibt, b) Die sog. nnmOglicb«
Oegenstände (z. B. ein rnndes Viereck, immaterielle Materie, Drei-
ecke mit mehr oder weniger als 180^ Winkelsamme).
Einen besonderen Abschnitt widmet der Verf. dem apriorischio
(rationalen) Erkennen, das er dem empirischen gegenflberstellt
Es gibt nämlich Erkenntnisse, die weder Erfahrnog sind, noch
anf Erfahrung zarnckgehen; daß z. B. schwarz nicht weiß iit,
daß 5 weniger ist als 6 n. a. Der Nachweis der UnmOglichkiit
des Oegenteils ist bei Tatsach eo, die jeder an sich selbst er-
leben kann, nicht erforderlich; die Eyidenz and Oewißheit haben
solche Urteile mit der inneren Wahrnehmnng gemein; die „Da-
seinsfreiheit* ist geradezu ihr wesentliches Merkmal.
Der Annahme des Objektiys, als eines Oegenstandes, der
nicht nur wie das Objekt gfiostigen Falles Sein hat, sondern ror
allem selbst Sein ist, stellt der Bef. des Oött. 0. A. die Dia-
jnnktion gegenfiber: „Die Objektive sind entweder Urteile oder
nicht** — worauf Meinong mit Becbt anf die sonderbare Auf-
fassung aufmerksam macht, als ob ein Objektiv, also ein Sein,
ein Urteil sein könnte. Schließlich gibt der Verf. noch — den
Bef. derselben 0. 0. Anz. gegenfiber — in einer Polemik den
Unterschied zwischen Oegenstandstheorie und Erkenntnistheorie
Umnmg^ Über die Stellanf d. Oegenitandttheorie, ug. ▼. Gnchwind, 451
nod Legik an (S. 108 — 127), so wie er bei einer anderen Ge-
lignheit (üniennebnngen Aber Oegenstandstbeorie nnd Psychologie,
Mpxig 1904) den Unterschied zwischen Metaphysik nnd Psychologie
oiieneits nnd Oegenstandstbeorie andererseits nachgewiesen hat.
Fjfar Erkenntnistheorie sowohl als ffir Logik gilt die Fordemngy
dafi eine Theorie des Erfassens anf das zn Erfassende Bftcksicht
oibmen mnß, da es mit der Natur des zn Erfassenden« also des
Oi^enstandet im weitesten Sinne, rerbnnden ist; es kann daher
kerne Logik nnd keine Erkenntnistheorie geben, in der nicht anch
Gtflftttstandstheorie getrieben wird; sie ist also eher Yoranssetznng
ili wirklicher Bestandteil des betreffenden Wissens. So bant
denn der arbeitsfrendige Verf. unentwegt am Gebftnde seiner
oeaen philosophischen Wissenschaft weiter; selbst dort, wo man
ibm nicht beistimmen kann, mnO man die scharfe kritische Anf-
fasnug nnd die Feinheit seiner Distinktionen anerkennen. Von
seinen herrorragendsten beiden Schfiiem, B. Ameseder nnd E.
Milly, wird demnftchst im Dflrrschen Verlage in Leipzig eine
oene Schrift mit dem Titel „Elemente der Gegenstandstheorie**
•ncheinen.
Prag. Emil Gschwind.
29*
Dritte Abteilung.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Zur griechischen und lateinischen Lelctflre an
unserem Gymnasium.
X.
Nach Kaknla soll dds aaeh der umstand Teranlassen, Cicero in
den Bann sa ton, daß wir nicht imstande sind, die SchQIer in die rhyth-
mischen Feinheiten der Eonst Ciceros einiofflhren. £. Norden wtoseht
n&mlich, daß wir unsere Sch&ler „etwas von dem Zanber empfinden lehren,
durch den die HOrer des Mannes und lahllose Generationen nach ihm
gebannt wurden". Das ist unerfüllbar, sagt K., auch deshalb muß Cicero
eingeschränkt werden. Korden wird gewiß Aber diese Folgerung sehr e^
staunt sein , wenn er je Ton ihr erfährt K. sweifelt n&mlich , ob jeder
Lehrer solcher Vortragskunst gewachsen sei und ob die Mehrtahl der
Schüler aolchen Exenisien «Geschmack und Verst&ndnis* entgegenbringen
würden. Er vergißt su erwähnen, daß Norden seine Bemerkung deshslb
macht (Kunstpr. S. 774, Anm. 2), weil ihm vorgekommen ist, daß Lehrer
den Cicero flbersetsen ließen, ohne vorher die lateinischen Worte über-
haupt nur SU lesen, „auf deren Stellung und Zusanunenfügung doch eben
der hauptsächliche, oft alleinige') Beii beruht". Ob die Lehrer das
Bbythmische lur Geltung bringen kOnnen, muß man ihnen eben über-
lassen. Versucht werden viele das auch ohne Norden haben, lumal unseie
Schüler von unten auf angehalten werden, die Quantität n beachten.
Mit Becht verspricht sich Norden von der Berücksichtigung des rhyth-
mischen Elementes, daß dann mehr als heute die Bewunderung Ciceros
als Bedner und Stilisten mit sich ins Leben nehmen werden. Aber wir
brauchen Cicero nicht lu beseitigen, wenn das nicht erreicht wird, weil
Bewunderung für den Bedner und Stilisten nicht Ziel der Cicerolektttre
ME. druckt »a 11 einig** gesperrt. Beit ist nicht dasselbe wie
Wert Übrigens glaube ich, Norden meint, daß sunächit der Lehrer Ohren
und Zunge schulen soll.
Zar griecb. und Uteio. Lektflr« an inserem Gjnmasiam. X. 453
iit Wir l6s«n eben Cicero, weil er beionden geeignet ist, die Jngend mit
antiker Enltor bekannt in maeben. Wenn aber E. den Gnind, wamm die
Jegend dieee Bewnndernng Cieeros nicbt mit ine Leben nebme, darin
fiadet, dal^ die Qaalitit Ciceronianiieber Stoffe, naroentlicb der pbiloeopbi-
seken, ihr innerlich fremd encheinen, nnd dann auch darin, daß ein veiter
Abftaad nnaer modemee^ beeonden aber das dentscbe Stiiempfinden Tom
Cieeronianiachen Knnetgeicbmaek trenne, scheint er mir wenigstens
in einem Irrtmne be&ngon in sein. Die Cicerooianischen Stoffe sind der
Jugend nicht fremder als aÜe anderen Stoffe der altklassiscben LektQre
md ancfa die Stoffe der philosophischen Schriften liegen der Jugend nicht
to; gende fflr ethische Probleme i. B. hat sie Sinn. Das dentscbe
Stiiempfinden der Septimaner aber dflrfte sich gegen Cicero wohl kaum
jestriUiben, wenn nur die deotsche Übersetinng des Antors ans dem
dentschen Stiiempfinden erwichst. Daß der bildende Wert des
Ubersetaans ans der fremden Sprache umso größer ist, je mehr sich die
fremde S|pnche Ton der eigenen nnterscheidet, ist sweifellos. Die
Behanptnng, hente kOnne der beste Lehrer selbst mit all seiner über-
Mogtea oder Yenweifelten(!) Begeisterang fOr Cicero nnd Cicerqnianismos
unserer Jngend kanm mehr andersartige Empfindungen „einimpfen oder
suggerieren*, als Lessing gehabt habe, der an der Philosophie Cieeros
wsnig Geaehmack fand, oder Hebbel, dem Cicero von jeher inwider nnd
Cttüina iaieretsanter geweeon sei, klingt etwas gewagt Ich kenne jenen
besten Lehrer mit jener Begdsternng nicht; ich glanbe aber, daß ein
Lehrer mit normalem »Kennen nnd Können" ans der Lektflre Ciceroe in
doD einen Semester sfhon etwas anderes wird machen kOnnen, als sich
K. einbildet Seine Meinnng, daß Cicero die dominierende Bolle an der
Mittelechnle wenigstens in dentschen Landen endgiltig antgespielt
^be^ Migt, daß er i. B. die allerletiten preußischen LehrpUne nicht gegen*
wirtig hat, nach welchen Cicero in jedem der vier letiten Jahre (in ver-
hittmmlßig bedentendem Umfange) gelesen werden mnß, wie anchUartinak
(8. Ib) herrorhebt. Oder will K. nnr den Wnnech aoseprechen, die Bolle
aiQge anegespielt sein? Da wird man ihn Tielleicht in Dentschland
trots Th. Ziegler noch warten laesen. Bei nne hat aber Cicero eeine
dominierende Bolle echon seit 1849 anegeepielt nnd daher mnß die
Ferdenug, daß die .Lektfire dietee Antors aof ein beecheidenes Haß ein-
geschrinkt werde*, ali lingst erfillt beieicbnet werden. «Mommeens ver-
nicktendee Urteil** also »kann nnd eoll" niemanden mehr in «ner über-
flüssig en Forderang MStirken" nnd unsere Zeit, die angeblich „keine Kraft
mehr ans Cicero liehen kann, darf nnd muß** die Schuld daran denen
rasehreiben, welche die Ton diesem Antor gebotenen Bildnngeelemente
Bleht nr Geltnng in bringen Torstehen. K. bitte in eeiner «Wflrdignng
easeree heutigen Yerhiltnisses tnr Antike* , die wohl wenige außer ihm
selbst Boeh als »unbefangen'* ansehen werden, nicht so sehr «alle Be-
f eistenag ciceronieeher «od^uixot wie Th. Zielinskis oder der beiden Hör*
Mffer*9 •ondem das wankend machen sollen, was jene nnd andere ans-
gstddmete Kenner der Antike, wie i. B. auch Wilamowits, in letster 7
gaschrieben und gesagt haben.
454 Zur griech. nnd latein. Lektikre an nnterem GjmnasiaiD. X.
Mm tollte gUabeD» E. wftrde aoi seinen Primiieen den enlipre-
cheaden Schlaft liehen nnd nnf Beieitignng gerade des Bednere Cieero
dringen, statt deseen verlangt er eine Einscbrinkang dieses Anton md
— will etwas mehr foni Bedner gelesen haben, als jetit gewöhnlich bei
uns gelesen wird. Ich habe hier wiederholt Ton dem überaas gefisgen
Aasmaße nnserer GicerolektOre gesprochen; alle die, welche in Dentoehltnd
eine Beschrftnknng der Cieerolektfkre verlangten, schlogen immer noch
mehr tn lesen Tor, als bei ans gelesen wird. Es ist also komisch, we&n
die Cicerolektüre an nnserer Mittelschale als «nachdrückliches Stadiom*
beteicbnet nnd erklärt wird, was kein Mensch je besweifelt hat, dsß
dieses .in die philologischen HOrsile nnd Seminarien der Unitersittt*
gehöre. K. will nan ohne Angst vor dem Septimanerarteil, vielleicht weil
er nicht recht weiß, was sonst gelesen werden sollte, nnd wohl andi, am
den Qrands&tien H. Schenkls Bechnang in tragen, eine der CaülinarisdieB
Beden nnd die IV. gegen Yerres gelesen haben, damit «die Bekanntschaft
nnserer Jagend mit dem größten Stilisten des Altertnms aofrecht oibalteD*
werde. Die IV. Verrine ist gewiß aneh geeignet gelesen in werden dsi
Inhaltes wie der Form wegen; aber abgesehen davon, daß gerade hier dii
Gefahr verliegti daß etwas inr Hanptsache gemacht wird, was nicht Haopt-
Sache ist» and abgesehen davon, daß man liier mit größerem Beehte als b«
den Beden des Demosthenes hervorheben konnte, daß schon «die Fiktios,
aof der diese Bede berahe, einen reinen Genaß nicht aafkommen laite«
(Scham), die Bede ist so lang ^) and der Inhalt so reich, daß wir nnr schwer
imstande sind, sie in dem ans lar Verffignng stehenden Semeeter mit den
vier Lektlirestanden in Ende in lesen. Etwas mehr von einer philesopliiMhsB
oder rhetoriMhen Schrift Ciceros wflrde jetit meist ebensowenig wie etwa
eine größere Aniahl von Briefen des Piinias neben dieeer Bede gelesss
werden können, nnd ans dieser einen Bede nnr aasgewfthlte Abschnitte so
nehmen, hat selbst K. nicht vofgescblagen. Er ist begreiflicherweise beeoigti
daß bei dieser LektOre am Ende doch der Stil der SchOler leiden kOnnts^
nnd empfiehlt, «darch gelegentliche, rflckhaltlose Belenchtang des Unter
schiedes iwischen modemer nnd antiker, romanischer nnd germanisch«
Stilkonst nnd dnreh nachdrflckliche Warnnog vor imitatio im dentechsa
Aosdraek, namentlich vor dem nndentschen Übermaß der Hjpotaiie dem
anter Laien nnd Sehfllem vielfach verbreiteten, nicht gani nnbegrftndetss
Vorarteile entgegeninarbeiten, als beruhte die Wertsch&tiang Ciesiea
anf arteilsloB übernommener nnd blindlings propagierter Schnltraditien*.
1) Diese Bede hat, am aach das sa erwJUinen, allein 64 Tenbner
Seiten; was gewöhnlich von Ciceros Beden in der VII. Kl. gelesen wird,
die Pompeiana und pro ArchiOt macht 87 Teabnerseiten ans; es ist siai
besondere Leistang, wenn die Boaciana nnd die Bede pro Arthia mit
insammen 60 Teabnerseiten bewIÜtigt werden. Gewöhnlich idrd neben der
Pompeiana and pro Archia der Cato mit 80 oder Laelins mit 87 Teabner-
seiten, insammen also ca. 75 Seiten, gelesen. Natürlich wird man mit
guten Klassen aach die IV. in Verrem vollstindig lesen können» eine
iweite Bede daneben in lesen ist aber wohl nnmOguch nnd die Wirkung
jener einen «oft überschfttiten** (Dettweiler) Bede der ersten Periode
Ciceronischer Beredsamkeit einseitig. Daher liest man nur Abschnitte daraus.
Zur gri^eb. imd Utein. LektQre ui QDsertfm Gymnasiam. X. 455
Abo bei dieser Bede bat man ein Mittel gegen den ferderblichen Einfluß
dwStilittan! Unsere Septimaner wflrden sieb übrigens nnr wandern, wenn
vir de erat bei Gieero Tor etwas warnen wollten, was sie sebon Itngst
n meiden gewohnt sein mftssen. Das Wesen des Lateiannterriebtes
im gansen Untergymnasiaxn bestebt darin, daß den Sebfllem die Yer-
lehisdenbeit des Lateinischen nnd Dentichen fortwthrend mm Bewnßt-
•eio gebracht wird, nnd dies ist aaeb eine der Aufgaben der Lektflre.
Digsgen hielt ich es immer fftr nOtig, die Sextaner nnd Septimaner
ssimerksam ra machen, daß absprechende Urteile gerade über Cicero,
die sie etwa lesen konnten, Tielfacb anf dem nrteililosen Nachreden
TOD loßernngen bemhen, die bente als abgetan betrachtet werden. K.
bitte sieb nnd anderen alles, was er über den Bedner Cicero vor-
gebracht hat, schenken nnd begnügen können, nni Lehrern sniarofen:
,Wu Ihr von Beden Ciceros gewöhnlich leset, scheint mir ga langweilig
mi IQ wenig ergiebig, ich empfehle Ench aaßer einer eaiilinarischen
Bede die IV. gegen Verres'*. Daß er in seinen Lebrplan an Stelle der
jitst fttr die VIL Klasse geltenden Bestimmnng «Ton Cicero mindeitens
iwei Beden* geeetst hat „Cicero in Yenem IV«*, seigt, in welcher Weise
er den Frmheitsdnrit der Lehrer befriedigen will.
Anch Vergil verdankt nach K. vor allem der konstvollen SchOn-
bdt der Form seine Vonngsstellang nnter den römischen Dichtem am
Gymnaiiam. Doch Vergil verdankt diese Stellnng vor allem seiner Be-
deetong für Geist nnd Gemüt der Schüler, seiner Wirkung anf die Welt-
literator, seinem anter den römischen Dichtem gani einsig dastehenden
Werte Ar die Erkenntnis romischen Wesens, dann erst seiner Bedentnng
ftr die Erkenntnis der lateinischen Sprache überhaupt und der dichterischen
Sprache nnd Form im besonderen. K will nicht von allen jenen Vonügen
■prechen, welche Vergiis „Erforschung ffir den gereiften Verstand
n einer ebenso liebenswürdigen wie frachtbaren Arbeit prftdettinieren«,
er könne nur die Frage anfwerfen, „ob unsere gymnasiale Jagend mit
dem ganzen Aufwände unserer didaktischen Kunst auch wirklich zu einem
eiaigeimaflen befriedigenden Verttindnisse nnd Genüsse dieser Vonüge
biageleitet werden kOnne, und ob sich aus einer durch drei Semester
fortgesetzten Lektüre des Dichters für das reale Wissen und die
ftsthetiicbe Urteilskraft des Schülers • • • eine Stärkung und Bereicherung
ergebe, die im adtquaten Verh<nisse zu den an seine Aufnahmsflhigkeit
geeteUten Anforderungen steht".
K. hat Mhon die Frage ungenau gestellt. Z» fragt sich nicht» ob
die Jugend zum Verstftndnis oder Genuß jener Vorzüge bingeleitet
werden kann, welche die Erforschung Vergiis für den gereiften Ver-
stand zu einer fmchtbarea Arbeit bestimmen. Stellt man aber die Frage,
ob die durch höchstens ein und zwei Drittel Semester') fortge-
*) Wir lesen in der VL Kl. zwei Drittel des zweiten Semesters,
in der VIL kaum das zweite Semester Vergil, da am Begione des zweiten
Semesters oder während dieses Semesters noch etwas Cicero gelesen zu
werden pflegt. Allerdings beginnt die Lektfire Vergiis im zweiten Semester
der VL Kl. und endet im zweiten Semester der VIL, aber im ersten
Semester dieser Klasse wird Vergil nicht gelesen.
456 Zur gxkch. and lateia. Lektür« an unterem GjmnAdoB. X
• ettte Ldctfire fftr Geift nnd Hers des Sehülere einen entepreehente
Gewinn ergibt, besw. ergeben kann, bo mnß man diese Frage b^thsa.
leb braoflbe das im einielnen nieht in seigen, jedem, der in der 8cbak
Vergil liest, kommen hief&r die Belege anter. Aofierdem ist ds«
selion lingst dargetan worden. Nor am fielleicht sehen YergesseaM
wieder ins Gediehtnia sa rafen, verweise ioh aaf den ersehO|Kfcnd«B,
aehenen Aofsati des J. N. Fischer 8. J. in dieser Zeitsehr. 1882, & 878 ff.
imd 987 if., wo eine Ffllle von Beispielen geboten wird; neoerdings hst
Kam. Hnemer Tortrefflieh die Vergillektttre verteidigt. K. verneint seine
Frage .rnndweg*; denn das foxmal-technisehe Elonent der Poesie Yergüi
and die sachHehe £zegese nnd die Übersetsongsarbeit Mete selbst as
der üniversitftt ffir Lehrer vnd Lernende solehe Schwierigkeiten, daß
!• B. ein dreistHndiges Kolleg eines Wintersemesters an VorbereitoBg,
Mitarbeit nnd Ansdaaer aof beidea Selten die höchsten Anfbrdenagen
stelle nnd beim Zasammentreffen aller dieser Bedingnngen nor bei ud-
sichtiger Ökonomie an einigermaten geschlossener Interpretation eiaei
Gesanges ansreiGhe. Der Kenner werde das bestAtigen, der Femsteheod«
nach E. Nordena Kommentar lom VL Gesänge begreifen. Über die
Schwierigkeit eines YergilkoUegs Ar einen Univerdtfttslehrer maAe ich
mir selbstventOndlich kein Urteil an; fflr ein Kolleg Aber den VL Gesang,
■Minte ich bisher, bete der Kommentar Nordens einige Erieichterang.
„Man wird aich hoffentiich*', sagt K. weiter, «den Einwand enpares,
daft man eben die Grftndliehkeit der Erklinmg an der Mittelschale niefat
tbertreiben dflrfe nnd daß ••• ein flotter Fortschritt der Lektüre bei
Vergil nicht nnmOglieh sein kOnne. DaA das Knnetepos Yergils is
metrischer, dann in rein sprachlicher nnd besonders in sachlicher Be-
siebang anf viel komplitiertenn Grandlagen anfgebaat sei als das natar-
wflchiige Epos Hemers, sollte jeder Sextaner wissen ond ein sogenanntei
rasches „Hintberlesen*' Aber verhfllltere Schwierigkeiten, wie es ii
nneerem Mittelschnlnnterrichte leider praktitiert wird, vecatft^
nicht bloß gegen pädagogisch-didaktische Grnndsitie, die man nicht lelebt'
fertig überreiten sollte, sondern fahrt gerade bei Yergil nicht selten n
etner fftt Dichter, Lehrer and Unterricht verhängnisvollen Entgieianag. Jeac
viel verspottete philologische „Gründlichkeit" acheint mir aneh im Mittel-
schalinterrichte nicht immer entbehrlich in sein.*' In dieser Begründong
befremdet vor allem der Sats von dem bei ans leider praktisiertss
Hinüberlesen nnd — reiten. Woher K. den Stoff für eine der-
artige Behanptong hat, weiiS ich nicht Über „nnaeren" Mittelscfaalante^
rieht könnte dodi erst jemand sprechen, der den Unterricht an dea
meisten Anstalten kennen gelernt hat; das aber, was man etwa ale
Piobekandidat and bei seinem eigenen Unterricbte erlebt hat, darf mas
doch nicht ohne weiteres verallgemeinern. Was jedoch das Tatsäohliebe
hier betrifft, so ist gewiß richtig, daß Gründlichkeit anch im MitteL
soholanterricbte nicht immer entbehrlich ist, ja, ich gehe sogar ohne
Ironie viel weiter als K. and behaupte, sie ist in jedem Unterrichte
an entbehrlich. Die Jagend maß schon ans dem Grande daran gewohnt
werden, damit sie nicht in seichtes Geschwäts verfällt, wotn ja gerade
Zv fiiteh. Qod latein. LtktQre an onserem Gymnasiam. X. 457
iif diastf Stale die Nei|^g Torhanden ist. Nar kommt alles darauf
u, wae man nnier GrflDdlichkeit ventebt. H. Schenkl hat (S. 44)
Ton «vmnefatiKer Erkiixnng^') gesprochen, die «ftber manches hinweg*
gebsn* mflise; was aber K. mit «GrOndlichkeif* meint, das seigt er
Mlbst an seinem einiigen .drastisdien'' Beispiele.
Im VL Gesang, in dem mir die Schwierigkeiten der Exegese am Gymn .
dvth £d. Norden jetst gemindert erscheinen, schildert Yeigil bekannt-
lieh fOn y. 77 ab in Form der Allegorie, wie die Sibylle in prophetische
Vaniekong gerät ^Sibyüam quaai equum, ApoUinem quasi equitem
tnducil el sf» ca pemumet iramUUiom'* sagt Serrins. »Die Sibylle wird
mit einem widerspenstigen Bo6, Apollo mit dem Reiter ferglichen, der
M slfamt, «nd ans dieser Sphäre sind alle Ansdrfieke gewählt*',
btsierkt £. Norden (Veigil, VL Bnch, S. 143). Dieser hatte aber (im
Haimes 1898* S. 506 ff.) tn leigen tersncht, daß die Partie einmal eine
ladsie Faasnng gehabt habe, welche in der AngnsteiKhen Zeit doreh
Bantationen ?or der Edition bekannt ond besonders berflhmt gewesen
Mi. Unpraaglich sei nimlieh an der Stelle von sinnlicher Yergewaltigong
die Bede gewesen. «Das mnO man im Ange behalten,** sagt Norden
(Kemm. 8. 145), »om einselne Aosdrflcke an onserer Stelle an terstehen:
77 FhoM paüems, 80 domofe^ premere. Da ist die Sibylle swar sn-
siehst als nngeberdiges Bo0 gedacht, das den Beit er nicht doldeo
viU, aber die Amphibolie dieser AnsdrOcke ist durchsichtig nnd man
glaubt SQ erkesnent daft ?on der ans Beiitationen bekannten Fassang
dkser Stelle in der ans forliegenden deutliche Fäden laufen." Daraus
wird bei £.: «Die Sibylle wird mit einer rasenden Stute, Apoll
mit ihrem Beiteri betw. mit einem Hengste ?erglichen, den sie nicht
dolden will: aber das bedeutende Bild wirkt selbst im Zusammenhange
der Lektitre für unser Empfinden doch nur wie eine Karikatur, ge-
sehBasklos und fast possenhaft» wenn der Erklärer die kompliaierte
AaphiboUe der Auadrfleke . . . nicht frei und offen aufdecken . . . kann."
Data sei das Auditorium einer Septima nicht geeignet; wosu dann diese
Lektäre eines Stoffes, der bei rückhältiger, d. h. mangelhafter nnd
nanreichender oder bei absichtlich unrichtiger Deutung nur dis-
hsoneaisebe Empfindung wecken kOnne nnd achlieäiich lur Zote proTosiere,
wenn einem nnreiten Jungen troti eifrigen «Hinftberleeens*' doch das
«ToUe« Yerständttis «anfgehe". K. hat sich förmlich in Erregung hinein-
^) AIt beraerict in der Besprechung S. 92: „Es gibt eine ^GrQnd-
lichksit*» die gelegentlich angebracht, oft aber die Mutter der hirn?ef-
wflstenden Langeweile ist, und eine Schulstunde ist keine Vorlesung, auch
keins Seminarfibung." Über dasselbe äai^erte sich 0. Weii^enfels (Kerafr.
1901, S. 59) in seiner klassischen Weise: «»Man darf wohl behaupten,
daä die l^kanischen und griechischen ^Schriftsteller an manchen Gymnasien
Dil einer alles Interesse ertötenden Langsamkeit gelesen werden. Nament-
lich die Jflngerenf die eben erst ?on der Universität kommeui glauben
im Pnsseen dar Worte und im Wittern von Schwierigkeiten gar nicht
weit genug gehen lo können. Gleichwohl wird in diesen Fällen nur ein
an sieh wicfatiffee Prinsip einseitig gebandhabt und auf die Spitse ge-
trieben.*" YgL 0. Jäger, Lehrkunst, S. 894.
458 Zur grieeh. und Utein. Lektttrt an noterem GjmQMiuiL X
getcbriebeD gegen jene «rSckhiltigen** IntMpx^ten nnd doeh glnnbta
wir, daß es aneh dem «grftndlicheten'* Lehrer am Gymnashmi kaina ein*
fallen wird, eeinen Sehfilern die Vermntang Nordens TomführeB.
Erstens handelt es sieh eben nm die Vermatong eines Gelehzten,
bei der nicht einmal ?on Wahrscbeinliehkeit die Bede sein kann. Zweitens
hat Vergili wenn man Norden Reeht gibt, selbst die Änderang ?or-
genommen, weil er das Sinnliche beseitigen wollte. «Vergfl wird*, sagt
Norden noch im Hermes 1898, 8. 510, „darauf anfmerkiam genadit,
daß der Ansdnick fflr die jangfränliche Sibylle unpassend sei, die Stelle
geändert haben • . . ; Yarios aber handelte im Sinne des Dichters, wenn
er den betieffenden Vers nicht anfnahm.** Demnach hätte Vergii die
Stelle ferbessert, nicht terschlechtert, wie K. wohl haben mochte, der
Dichter hätte die Änderang so Torgenommen, daß man eben snr anderen
Anffaunng nicht kommen sollte; denn er war gewiß nicht rflckbältig.
Es wäre also nach jeder Richtung — philologisch wie pädagogisch —
verfehlt, wenn man dem Gymnasiasten mit jener Amphibolie der Aus-
drflcke käme. Das Bild aber, das Vergii gebraucht hat, ist weder ge-
schmacklos, noch posssnbaft und auch deshalb interessant, weil es is
der Schule Anlaß gibt, eine allgemeine Bemerkung ftber jenen Zustand
prophetischer Versttckung su machen. Ich habe es auch passend gefunden,
bei Besprechung der Autosuggestion im Psychologieunterrichte auf diese
Stelle, die ich wiederholt mit Scbfllern gelesen habe, lurflckiukommeiL Voa
„absichtlich unrichtiger** Deutung konnte höchstens bei dem die Bede sein,
der die Stelle im Sinne der Tormuteten ersten Fassung durchnähme^).
Aber auch wenn die Yeree Vergils in jener Fassung wirklith dastflndea,
würde ich mich in der YII. nicht su dem Mittel entschließen, das man
ja gans ruhig anwenden konnte und oft auch, durch die Zeit gedrängt,
anwenden muß, wenn man nicht schon die gekftrite Ausgabe in der Haa4
hat, ich meine, die Partie so Qbergehen. Ich halte mich in eolchea
Fällen an den Bat, den 0. Jäger (Lehrk., S. 264) gibt: Ein Septimaasr
ist kein Knabe mehr und man darf nicht ohne weiteres Gemeinheit der
Gesinnung bei den Sehfilern Toraossetien. Auch im I. Gesang gibt et
Stellen, bei denen man dann Ton Sorgen gequält werden mflßte.
Mag also diese Verwendung der geietrollen Vermutung E. Nordeui
originell sein, sie kann niemanden ?eranlassen, den YI. Gesang gam ati
dem Gymnasium su weisen. E. hat selbst treffend dieses Bdipiel als
drastisch beseichnet* Wenn nun E. auf Grund dieses Beispielee der voo
den Instruktionen mit Nachdrack terlangten Forderung, den YL Gesang
su lesen, mit doppeltem Nachdrucke entgegen tritt, habe ich jetit wohl
das Recht, dieser Art Ton Argumentation noch nachdriicklieher entgeges
>) Man wird natfirlich nichts dagegen haben, wenn etwa jemand
bei dieser Stelle die Schfiler aufmerksam macht, daß ein Gelehrter am
einem Zitate auf eine andere Fassung der Stelle geschlouen habe. Aber
es ist ftberflfissig, wenn man das nicht gerade als Beispiel fBr YergOi
Zartsinn anführen wollte. Die Sache selbst ist mir nicht so glanblid
wie E. Vergii sollte erst später daraufgekommen sein, daß sich seine Ats-
drücke mit der Jungfräulichkeit der Sibylle nicht Tortrügen?
Zur frieeh. und kteio. Lektttre ab noierem GynuiMiom. Z. 459
n tratan. Dtr Satt Lmi (Kultur^ S. 849), in dem er Yergil als fAr die
Sehole in schwer, aber nnersettlieb beseichnet, wird ?on K. als
pdatieite Antithese erklärt, hinter der sieb jener schwer begreifliche
tnditioBelle Enthviiatnias tenate, der noch immer mit an sich richtigen
pliilolegischeB Wertarteilen ntafasehe Fordemngen an die Mittalecbnle
«begründen* wolle nnd nachgerade der Bepfntatioa dea altspracfalkhen
Ufitsnichtes nnd seiner bemfenen Vertreter die schwersten Wanden
gewhlsgen habe. Xir scheint E. .nachgerade" der Bepntation des alttprach-
liehen Unterrichtes nnd dessen Vertreter schwerere Wunden sa schlagen
oder — natHrlich unabsichtlich — in schlagen im Begriffe in sein als Leo.
Des Vorwurf eines traditionellen Entbneiasmns, also der Unselbständig»
leit, kann man doch einem Vertreter der Wissenschaft wie Leo nicht
mtehen; jedenfalls geht es nicht an, ihn ffir das „in schwer*^ als Autorität
tmoerkennen, fttr das „unersetilich" aber tu ?erwerfen, da ist es besser,
ihn Uberhanpt nidit heraniuiiehen ^).
Unbegreiflich aber ist es, daß E. aussprechen konnte: «»Wenn
«iiklich «aUC großen Eneugniase der römisehsn Literatur fttr die Mittel-
lehole lu schwer sein sollten (in gewissem Sinne wird man das
ftb«rhaupt ?on den großen Schöpfungen aller Literaturen
aonebmen dfirfen), so wird man eben nach jenem Ersatse nnbedenk-
lieh bei den weniger »Großen"* in suchen haben. Den Entschluß biesn
Big uns die Erwägung erleichtern, daß die Mittelschule troti
iJirer hohen Aufgabe doch nur eine Mittelstufe unserer in-
tellektuoUon Entwicklung darstellt Zu welchen Folgen wQrde
et fähren, wenn die großen Schöpfungen der Literatur in der Schale beseitigt
werden und das Mittelmäßige an ihro Stelle treten sollte! (VgLK.Huemer,
& 16 f.) Für die Mittelschule soll, ihrem Namen entsprechend, das Mittel-
nißige daa Passende sein und doch litiort K. selbst an anderer Stelle
sater den Worten eines anderen den Sati vom Besten, das fflr die Schale
gemde gnt genug sei. Und aof diese Prämissen gründet E. seinen Schloß:
Asch das grflndliche Stadium Vergils gehört somit an die Universität,
licht ans Gymnasiom. Ich stinune ihm ttbrigene bis aof das .somit^ bei,
iir setie ich hinsu : Die grflndliche L ek tfir e Vergils gehOrt ins Gymnasium ;
denn sonst wQrde auch das jetst angeblich mit solchen Schwierigkeiten
Tsrbnndena grflndliche Stadium Vergils an der Unireraität gar nicht mehr
möglich aein. Ich erwähne das nur, weil K. ton jenen Schwierigkeiten
gflsprochoa hat ; ich stehe ja auf dem Standpunkte, daß sich die Mittel-
schule am daa speiielle Fachstudium der klassischen Philologie nicht su
kämmera hat. Hier sieht man ingleich, daß die von Martinak angedeutete
HoShnng» dio geplante Kanonreform konnte eine gflnstige Bflckwirkong
auf das Hochaeholstadium äußern, soweit ee sich durch die Forderungen
der Lehmmtaprflfnng beeinflußt seige, durch die ton dem EoUegen ge-
machten Tomchläge etwas verringert wird. Wer es aber mit E. als lu
^) Selbatändig ist dagegen J. Bott in seiner Verurteilung Giceros
und Vergils (Mitt. der deutschen Mittelschnlver., Jahrg. 1905—1907,
»Gedanken Aber Hellas und Born"). Er gebt auch nicht von den Beform-
ideen Wilamowiti' aus, sondern bekämpft sie.
460 Zar griech. und lateio. Lektftre «n OQserem GymiiMiam. X.
Tiel d«8 Goten beieiehnet, neben der Lektftre Homere, dem Yergil iotuI
verdanke» in verlangen» daft ein betrftchtlicher Teil der Äneis in extemot
der Beet in anegiebigea Partien gelesen werde» der wftrdigt eben nicht,
waa Yergil eelbet geleistet bat und was er bedentet £e w&re flberfi&iiift
das bier darinlegen, man braucht nnr anf B. Heiniea epochemacbendei
Werk .Yergils epische Technik*' hininweisen.
Dem Bedflrfnisse allgemeiner Bildung genflgt nach K. die LektAre
eines Gesanges, etwa des 1.» mit Inhaltsangabe des gesamten Werket
vollanf and die Yerkftrsnng würde wett gemacht, wenn der Lehrer dei
Deatschen die weitere Wflrdigong Yergiis ftbemfthme ond die YeigUlekttre
mit Schillers Übersetiongen des II. and lY. Gesanges forteetste. Ja, iit
denn der erste Gesang nicht noch «in schwer**? Wosa soll ftberhaapt der
Urtext gelesen werden, wenn man dem Sebfller jene gewissen Yonflge
Yergiis gar nicht klar machen kann? Oder soll der eine Gesang nv
dämm gelesen werden, dal^ man sagen kann, man habe ihn gelesen?
Die Germanisten werden aich ftbrigena fftr die neue Anfgabe bestesi
bedanken, die haben mit den deatschen Originaiwerken genug ta tos.
Yergil ist schwierig — das ist ebenfalle ein besonderes Bildongi-
element (?gi. 0. Jftger» Lehrk., S. 883) — , aber nicht su schwierig, weno
man sein Augenmerk auf das richtet, was eben der Sebfller erfasMO
kann. Aach 0. WeiAenfels sagt i. B. nur (Handbach, & 284), Yergil lei
fftr Sekunda eigentlich lu schwer» in Prima habe man keine Zeit Ar
ihn fibrig; bei uns wird aber in der YI. die Lektftre nur begonnen, der
Schwerpunkt liegt im zweiten Semester der YH, wo die normalen Sdifller
fftr diese Lektftre reif sind. Katftrlich ist es so wie etwa bei Plate nsd
Sophokles, die Schule mui^ sich damit begnftgen, das Yerstftndnis geweckt
sum Genuß der Schönheiten angeleitet zu haben» und diese Au^e,
meine ich, kann sie erfftll«n und kann auch Schftler soweit bringen, da&
sie ihr Yerstftndnis des Dichters in einer Übersetzung zeigen, die sekos
einigen Anforderungen genftgt. Das Geschmacksurteil der Schftler kans
doch gerade an der Übersetzung dieses Dichten betonden geftbt werden.
Die Bealerklftrung endlich hat eben der Lehrer nach sorgfilttger Vor-
bezeitang su geben.
Durchaus nicht ausgemacht ist es femer, dal» Yergil den Sehelen
langweilig sein muß» wie man mitunter hOrt, weil er einem Lehrer lieg-
weilij^ erscheint^ der Yergil die Palme nicht reichen will. Je ftfker ou
die Aneis liest» umsomehr ftberzeugt man sich ?on der Bichtigkeit der
Worte dee Terewigten 0. Weiftenfels (Handb. S.285): „Wert und Sehta-
heit der Äneis offenbart sich auch darin, daß sie nicht schnell UVö^
sondern bei näherer Yertrautheit gewinnt*'. Mögen seit Markland, Fr«
Aug. Wolf» Hegel und Gftthling so manche dem Yergil fremd gegenflber
gestanden sein (Lehrpr. 79 [1904], S. 117), durch B Heinse und £. Nerdez
konnten sie bekeiurt sein; denn diese haben eine gerechtere Beurteilnzf
Yergiis angebahnt Der Lehrer freilich, den Yergil völlig kalt Ußt» seil
ihn mit Schftlem nicht lesen. Daß man bei dieser Lektftre vor allen
neben dem I. Gesänge die schönsten Partien des besonders gelungenes
IL, des interessanten lY. und des fflr die ganze Dichtung wicbtigstea
über sonologische Belehrungen in der Mittelschale. I. 461
VI. Getangee mit der Heldentchao und den grofiartigen Verten:
excndent din , «der historischen Bechtfertigong des Kaiseneiehas*
(Treitschke), sowie die Nisns nnd Earyalns-Bpisode berüoksiehtigea wird^
iit klar. Hätte E. recht, so wftre die Yergillektflre flberhanpt in streichen.
Du Urteil schlecht unterrichteter oder unreifer Schiller, aitf das mitunter
tor Dnterstfttznng derartiger Ansichten hingewiesen wird, hat nichts in
bedeuten. (Fortietsnng folgt)
Wien. Dr. Friedrieh Ladek.
Über soziologisehe Belehrungen in der Mittel-
schule.
L
unter den Anklagen, die seit einigen Jahren mit einer in Zeiten
recht anschwellenden Heftigkeit gegen das Gjmnasiam erhoben werden,
nehmen jene fast die bedeutsamste Stelle ein, die dieser ünterrichtanstalt
vorwerfen, sie berücksichtige zu wenig die Zeit- und Kulturbedftrfinsse
der Gegenwart, sie nehme insbesondere Ton den gewaltigen Umwälzungen
auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiete keine Kenntnis. Daß hiebei
ftben Ziel geschossen wird, darf nicht wundernehmen, zumal wenn man
bedenkt, wie Tielerlei Ton der Schule verlangt wird; immerhin aber Ist
es richtig, daß die Schule sich nach den Eulturzuständen und Bildungen
t)edfirfhissen der Zeit richten müsse und daß „die Bekanntschaft mit den
wichtigsten Tatsachen und Gesetzen, namentlich des wirtschaftlichen
Lebens, heutzutage einen wesentlichen Bestandteil der allgemeinen Bildung
ansmacht'*). Es kommen eben Zeitperioden, in welchen das Leben sich
liegen die Schule wendet, und wenn es auf Bildungsstoffe stößt, von welchen
es keinen Gebrauch mehr macht, trachtet es, sie abzustoßen und durch
andere zu ersetzen. So finden, wie G. Friedrich sagt*), von Zeit zu Zeit
AeTisionen statt, alte Bildungsstoffe fallen, neue, den Bedürfhissen der
Gegenwart entsprechende, werden eingeführt, vor aUem : einzelne Fächer
werden in ihrem Betrieb unter andere Gesichtspunkte gestellt.
In einer solchen Zeitepoche befinden wir uns auch jetzt. Dem
aUgemeineii Empfinden, daß Lehrmethoden und Lehrstoffe einer Umwertung
bedürfen, kam die Mittelschulenquete entgegen, in der Ton vielen
Seiten anerkannt wurde, daß fast im Mittelpunkte unseres Denkens die
') £. Moormeister, «Über yolkswirtscbaftliche Belehrungen im
Unterricht der höheren Schulen'', 8. 5 ff. (Beil. zum Jahresbericht über
das Gymnasium zu Schlettstadt 1888/89). Vgl. auch B. Sehmidt-Warnecke,
•Die llotwendigkeit einer sozialpolitischen Propädeutik** (Berlin 1886).
*) »Die höheren Schulen und die Gegenwart*, S. 4 (Leipzig 1896).
Er bricht auch über die Philosophie den Stab, „ihre InsolTenzerklämng
ist eine Tollständige und die Menschheit sieht sich nach einem Ersatz
un*-, ein solcher sei in der Soaialwissenschaft gefunden, denn die
sozialen Probleme sind ein Gegenstand allgemeinsten, ja leidenschaftlichen
luteressei.
462 Über loziologUche Belehrungen in der Mittelschale. I.
politiaehen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme stehen nnd da6 es
daher Pflicht der Schule sei, sich mit diesen Fragen mehr zu befassen.
Und in der Tat: je mehr Anteilnahme das öffentliche Leben Ton jedem
einielnen Staatsbtirger fordert nnd je grOßer die Y^rantwortnng ist, die
infolge der Yerallgemeinening des Wahlrechtes anf jedem lastet, der in
gesetigebenden Körperschaften oder autonomen Verbänden zur Entschei-
dung tber wichtige Fragen des öffentlichen Wohles mitbemfen ist,
desto mehr wendet sich das Interesse der Pädagogen und Soxialpolitiker
der Frage der Behandlung gesellschaftlicher nnd wirtschaft-
licher Angelegenheiten schon in der Schule zu. Uad so kündigte denn
auch der ünterrichtsminister in der Enquete an, dsA der Geschieht«-
Unterricht in der obersten Klasse eine derartige Ausgestaltung erfahran
werde, daß die Yaterlandskunde in der erweiterten Form der Soziologie
als besonderer, den Geschichtsunterricht abschließender Gegenstand wird
eingeführt werden; es sollen demnach in den historischen Unterrieht,
mehr als dies bislang geschehen ist, die rechtlichen, sozialen und ökono-
mischen Momente einbezogen werden.
Mit der Durchführung dieser Maßnahmen — wenn anders man
unter dem Sammelbegriff »Soziologie* die Elemente der gesamten sozialen
Disziplinen zu yerstehen hat — werden nun wohl alle jene zufrieden-
gestellt werden, welche der Schule die Aufgabe zuweisen, sich auch mit
jenen Fragen zu befassen, an deren Lösung heute fast jederman beteiligt
ist, damit sie ihren Schillern einen Einblick in das Wesen der menschlicheo
Gesellschaft und eine zum mindesten elementare Kenntnis des modernen
Staates und seiner Einrichtungen gewähre, denn ^ wichtiger als die Kenntnis
des Staatslebens der alten Yölker ist die Bekanntschaft nnserer Jngeod
mit den Yerhältnissen unseres eigenen Staats- nnd Gemeindelebens* ^) oder
in minder schroffer Form ausgedrückt: «Das Studium der Yergangenbeit
ist wertvoll, aber noch wertroller ist es, wenn der deutsche Staatsbürger
die Formen des öffentlichen Lebens seiner eigenen Zeit gründlich kennt . . .
Es gibt nichts, was geeigneter wäre, die jungen Leute zu scharfem
sozialem Denken zu schulen, sie von selbst zum Respekt vor den histoiiscfa
gewordenen Zuständen zu führen, als die Beschäftigung mit dem Staats-
leben unserer eigenen Zeit**').
Es wird sich nun zunächst um eine genaue Abgrenzung der neuen
Disziplin handeln, um die Festlegung des Notwendigsten, was jeder ans
dem Gebiete der Staats- und Gesellschaftskunde, wie Dörpfeld") die
Zusammenfassung dieser Kenntnisse genannt hat, wissen soll, um auf-
tauchenden Fragen, die sich mit diesen Yerhältnissen befassen, nicht
") M. Griep, «Bürgerkunde«, Yorwort (Leipzig 1901).
') G. Hoffmann und E. Groth, .Deutsche Bürgerkunde', Yorrede
(5. Aufl. Leipzig 1908).
") YgL F. W. Dörpfeld, „Grundlinien einer Theorie des Lehrplanes'
(Gütersloh 1908); £. Oppermann, „F. W. Dörpfeld'' (Männer der Wissen-
schaft, heransgeg. von J. Ziehen; Berlin, Heft 3, Leipzig 1905) und Tb.
Franke, „Aufnbe, Umfang, Stellung und Unterrichtsbetrieb der (jssell-
Schafts- oder Sürgerkunde** (Bepertonum der Pädagogik, 50. Bd., 10. Heft;
Ulm 1896).
über souologiBcbe Belebrungen in der Mittelscbule. I. 463
giDi Tentindnislos gegenüberzustehen. Doch sei, ebe wir an eine Elar-
stelluog dieser Frage schreiten, ein kurzer geschichtlicher Abri0 der
wnalpoiitscheDy auf die Schale übergreifenden Bewegung vorausgeschickt.
Schon die großen Pädagogen des XYIIL Jahrhunderts, wie Comenius,
LockSi Felbiger, Basedow und Diesterweg verlangten ebenso wie spater
Fichte eine staatsbürgerliche Erziehung der Jugend; es erschienen auch
Schriften zu diesem Zwecke, doch waren sie zumeist in parteimäßigem
Sinnt abgefaßt Als aber in den Siebtigerjahren des yorigen Jahrhunderts
in Deotsehland die staatsfeindlichen Parteien auftauchten, befaßte man
lidi wieder mit der Frage, wie die Jugend in richtiger Weise über
stutsrechtliche und volkswirtschaftliche Fragen unterwiesen werden
kdnnteb um spftter nicht auf politische Abwege zu geraten. In rascher
Folge erschienen die Schriften von Ddrpfeld^), Pache*), Patuschka*),
Mittenzw^^), Mahraun^) u, a. Auch die Deutsche Adelsgenossenschaft
und die Qesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Berlin griffen
in die Bewegung ein*); dem erstgenannten Vereine gab Minister v. Goßler
schon im Jahre 1887 auf eine Eingabe die Antwort, daß eine dem Ver-
itindnisse der Jugend angemessene Belehrung über die Grundsätze des
stutlichen und bürgerliehen Lebens und über die volkswirtschaftlichen
Verhaltnisse sehr wohl schon die Aufgabe der Volksschule sein könne ^.
>) «Gesammelte Schriften«* (Gütersloh 1903); X. Band: „Sozial-
psdAFogiscfaes und Vermischtes**. Über Dörpfelds bahnbrechende Tätigkeit
auf dem Gebiete der SozialDldagogik ist eine reiche Literatur vorhanden,
die sich vornehmlich an aen Namen J. Trüpers knüpft, dessen Mono-
gnphie JF. W. Dürpfelds soziale Erziehung in Theorie und Praxis*
(Gfttefsloh 1901) große Beachtung fand. 1^1. P. Natorp, «Dörpfelds
wnale Eraiehung** (Deutsche Schule, VL Jahrg., Februar 1902). ^ Ober
Begriff und Umfang der Sozialpädagogik herrschen bekanntlich die ver-
idtiedensten Anschauungen (vgl. u. a. ^Zur Orientierung über den Begriff
Sonalpädagoeik**, Die deutsche Schule, IV. Jahrg., 5. Heft, S. 805 ff.,
ferner J. Edelheim, .Beitrage zur Geschichte der Sozialpädagogik**, Berlin
1902 und P. Natorp, «Sozialpädagogik**, Stuttgart 1898, sowie „Sozial-
padsgcfik**, Dokumente des Fortschritts; L J^rg., 5. Heft, 1908).
') «Gesetzeskunde und Volkswirtschaftskunde'' (Wittenberg 1886).
^ «Volkswirtschaft und Schule** ((}otbal888); „Volkswirtschaftliches
iMebneh für Jedermann** (Gotha 1889).
*) «Geeetseskunde in Verbindung mit Volkswirtschaftslehre als
ünterrichtsdisziplin** (Gotha 1889); «Vierzig Lektionen über die vereinigte
6«setseskunde und Volkswirtschaftslehre** (Gotha 1894).
') «Volkswirtschaftliches Lesebuch zum ünterrichtsgebrauch **
(Berlin 1898).
J) Den Anregungen dieser beiden Körperschaften hat man das
vortreffliche Büchlein von P. Jende. „Über aie Einfahrung der Volks-
wirtschaftslehre in den üffentlichen Yolksschulunterricht** (Deutsche Zeit.
Qnd Streitfragen. Neue Folge. IV. Jahrg., Heft 57) zu verdanken, das
sich an desselben Verfassers Broschüre „Schule und Volkswirtschaft*^
(Berlin 1886) anschließt
*) Eine vrertvolle Anregung zur Behandlung politischer und volks-
wirtschaftlicher Fragen an höheren Schulen hat J. Jannasch 1882 im
Berliner Bealschulmännerverein gegeben ; dann haben H. Schiller (Zeitschr.
f. Gvmnasialwesen, 1888), Moldenhauer (Kölnische Zeitung, 1888, Nr. 246
bis 248), Nachtigall (Progr. der Remscheider Gewerbeschule, 1888) un^
464 Über sosiologische Belehrangen in der Hittelflehnle. I.
Im Jahre 1889 erschien dftnn die bekannte KaMneteordre dei
dentsehen Kaisers, worin es hieß, es sei der Jagend schon in der Schule
die Übenengung za Yerschalfen, daß die Leluren der Sodaldeniokratie
nicht nnr den göttlichen Geboten nnd der christlichen Sittenlehre wider-
sprechen, sondern in Wirklichkeit nnansführbar und in ihren Konse-
quenzen dem Ganzen wie dem Einzelnen gleich yerderblieh seien. Die neaen
Lehrpläne von 1891 sehrieben daher schon soiialpolitiscbe Belehnrngeo
fUr die höheren Schulen yer. In deA Erläuterungen zn dieeen Lehiplinen
hieß es unter anderem : »Namentlich wird den Schülern Anleitung za
geben sein, daß sie solche Erscheinungen des geistigen und Wirtschaft
liehen Lebens, die von wesentlichem Einflüsse auf die Yolksentwicklrag
gewesen sind, genügend würdigen lernen • • . Die wirtsehaftliehen Be-
strebungen werden sich überall da in den Gang der Geachiehte eta-
flechten lassen, wo die Lösung sozialer Aufgaben und wirtschafUieber
Probleme yersucht worden ist. Wo die Gesohichte der leMen Jshr-
hunderte Anlaß bietet, die sozialpolitischen Maßnahmen der eoropäiidien
Kulturstaaten vor Augen za führen, ist der Übergang zur Daretellun;
der Verdienste unseres Herrscherhauses um die Förderung des Yolkt-
wohles bis in die neueste Zeit hinein von selbst gegeben.*
Damit war förmlich der Weg gewiesen, der beschritten werden
sollte, um Sozialpolitik, nach der staatlichen Seite hin gelenkt, in dM
Schule zu treiben; es wurde dabei jede Erörterung der sonalistischai
Theorien ausgeschlossen, sondern gegenüber diesen Bestrebungen sollte
lediglich eine geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses der Stände
untereinander und der Lage der arbeitenden Klassen insbesondere in objek-
tiver Darstellung gegeben werden. In einem späteren ErhUS wurde neck
verfügt, daß im unterrichte dabin gewirkt werden solle, das Verständnis
für die Arbeiterschutx- und Versicherungsgesetze bei der Jugend n
wecken; als geeignete Unterrichtsfacher, bei welchen solche Belehrungen
angebracht werden können, wurden der Geschiehts*- und der Beohenunter^
rieht bezeichnet.
Es entstanden nunmehr viele Bücher für den einschlägigen
Unterricht, deren Verfasser sich bestrebten, den in der KabinetM>rdre
geäui^erten Wünschen nachzukommen. Überdies beschäftigten sieh die
Direktorenversammlungen ^) und zahlreiche Schulprogramme inabesonders
Oelsner (Progr. der Wöhlerschule, 1885) über Art und Methode dieses
Unterrichtes gehandelt. Nähere Literatarangaben aas der älteren Zeit
findet man bei C. Endemann «Staatslehre und Volkswirtschaft auf höheren
Schulen'' (Bonn 1895), S. 5 ff. Dort wird besonders auf K. Fischer,
^Staats-, Wirtschafts- und Sozialpolitik auf höheren Lehranstelten* (Ptogr.
des Realgymnasiums zu Wiesbaden 1892) und auf desselben Verfsssers
größeres Werk „Grundzüge einer Soziaipädagogik und Sozialpolitik'
(Eisenach 1895) verwiesen, dessen Abschnitt „Die sozialpolitische Arbeit
in der Schule'' (S. 307^370) ungemein wertvolle Winke für die Methodik
dieses Unterrichtes gibt
') Ganz besonders die V. Direktorenversammlunff der Rheinproms
(1893), die eine Reihe grundlegender Leitsätze (abgedruckt bei Schenk,
„Hilfsbuch zu den Belehrungen über wirtschaftliche und gesellsehaft-
liche Fragen im Unterricht auf der Oberstufe", Leipzig 1896) über diese
Frage aufstellte.
Ober soziologisehd BelebruDgen in der Mittelschule. I. 465
mit der Frage» wie der Gescbichtsanterricbt für die sozialpolitische
Eniehang der Jugend nutzbar gemacht werden könnte. Fast allgemein
trat man für eine sozialpolitische Propädeutik ein, die politische und
wirtschaftliche Kenntnisse zu übermitteln hätte, aber ebenso allgemein
war die Anachauung, daß hiezu kein besonderer ünterrichtsgegenstand
nötig 'sei^ sondern daß man in den Geschichtsunterricht derartige Be-
lehmngen einschalten könnte, zum Teil auch in den DeutBcbunterricbt *).
Der letzte £rlalS der preußischen ünterrichtsverwaltung über sozial-
politische Belehrungen stammt aus dem Jahre 1902; es heißt in demselben,
daß die Sozialpolitik bei passender Gelegenheit in der Schule zu pflegen
und den Schülern Verständnis für dieselbe beizubringen sei, indem auf
den Vorteil hingewiesen wird, der dem Staat aus der sozialen Gesetz-
gebong erwächst
In Österreich reicht die Bewegung für Einführung einer Staats-
bfirgerlicfaen Unterweisung auch schon sehr weit zurück. In Prag erschien
bereits im Jahre 1793 ein „Lehrbuch für Landschulen" mit einem Anhang
»Pflichten der Untertanen gegen ihren Monarchen*; im Jahre 1826
erschien daselbst ein „Lesebuch für Wiederholungsschulen, oder Inbegriff
des Notwendigsten, was ein jeder als Mitglied der bürgerlichen Gesell-
schaft wissen soll*'. In den folgenden Jahrzehnten erschienen größere
lud kleinere Werke, die sieh mit yolkswirtschaftlichen, rechtskundlichen
und Terfassnngsknndlichen Fragen befaßten; hieher gehören besonders
die Schriften des „Deutschen Vereines lur Verbreitung gemeinnütziger
Kenntnisse in Prag**), eine „Populäre Bechtskunde** von Brockhausen und
Bmhns (Wien 1883), die sehr interessante Monographien von £. Stein-
bach: „Die Eechtskenntnisse des Publikums« (Wien 1878) und C. Seefeld:
»Zar Verbreitung der Bechtskenntnis** (Hamburg 1890), der „Leitfaden
der Verfassungskunde der österr.-ungar. Monarchie** von Dr. M. Burckhard
(Wien 1895), femer „Österreichische Bechtskunde für jedermann'' von Dr.
A. Seidl (Wien 1904), „Bechtskunde für jedermann* von Dr. W. Eowarz
(Linz 1903), „Leitfaden der österr. Bechtskunde" von Dr. J. y. Baechle
(Innsbrnck 1905)» „Verkehrs- und politische Geographie sowie österr.
Verfassung und Verwaltung" von Dr. F. Bachmann (Wien 1908) u. a. m.
Einen neuen Impuls erhielt die Bewegung durch die Bektoratsrede
Ton A. Exnar (Wien 1891) über „Politische Bildung^', in welcher der Tief-
^) In eingehender Weise erörtern dies U. Gaede: „Zur Behandlung
iresellsehaftlicher und wirtschaftlicher Fragen im Geschichtsunterricht
der höheren Schulen« (Lehrproben und Lehrgänge, 4. Heft; 1901, S. 47
—62), ferner Edm. Ulbricht: „Über die Verwertung des Geschichtsunter-
richts auf Gymnasien zur politischen Erziehung unseres Volkes« (Progr.
des kgL OTmnasiams zu Dresden-N. 1893), ferner A. Bär: „Ober die
Staat»- und Gesellschaftskunde als Teil des Geschichtsunterrichts* (Gotha
1898). Von demselben Verf. besitzen wir auch eine „Wirtschaftsgeschichte
Qod Wirtschaftslehre in der Schule« (Gotha 1902), die als brauchbarer
Ijshrbehelf angesehen werden kann, da sie Stoffe und Betrachtungen zur
Ergänsfing dee Geschichtsunterrichts enthält.
•) »Katechismus der Volkswirtschaftslehre« (Prag 1878) ; „Populäre
Qe8etsesknnde«(Praff 1884); „Katechismus d. Staatsverfassung Österreichs«,
a. Aufl. (Piag 190^.
Ztitickrift f. d. tot«rr. Oyan. 1908. T. Heft. 80
466 Über sosiologisehe Belehrangen in der Mittelschule. I.
8Umd dieser Bildung selbst bei den fahrenden Standen der Gegenwart
beklagt wurde. »Unsere Zeit**, sagte Einer/) »faUt in ein Jahrhimdert
blfthender naturwissenschaftlicher, sehr abgeschwächter ästhetischer, aber
kfimmerlicher und zurftckgebliebener politischer Bildung** und er propheieit :
«Das XJL Jahrhundert wird ein politisches sein, wer ihm gewachsen
sein will, wird politischer Bildung bedürfen.* *) Er stellte deshalb die
Notwendigkeit ausreichender politischer Bildung fest, weil nur auf dieae
Art eine erhöhte Pflege des patriotischen Geistes in der studierenden
Jugend erxielt werden könne. Ihm erwiderte F. Tesner in seiner Schrift
politische Bildung und Patriotismus** (Wien 1897); er untersog die These
Einers: durch politische Bildung zum Patriotismus, einer gr&ndlichen
Prüfung und fand, daü Einer die Wirkungen der ersteren für die Heboog
des Patriotismus überschätze; allein trotzdem sei ein staatsbürgerlicher
Unterricht notwendig» doch nicht erst auf den Universitäten» sondern
schon früher, denn politische Bildung ist «das einzige Mittel, um das
Verständnis des Yolkes für seine öffentlichen Einrichtungen und sein
gesamtes öffentliches Wesen zu heben und dAS einzige, menschlichtr
Macht zugängliche» wenn auch uuTollkommene Mittel, um brauchbare
Arbeiter im Dienste der staatlichen Gemeinschaft heranzubilden*
(ibid. & 73)8).
Seither hat die Angelegenheit nicht geruht, indem sowohl f&r
Volks- und Bürgerschulen, als auch für Mittelschulen derartige Unter-
weisungen in der Fachpresse und auf Kongressen gefordert worden sind.
>) ibid. S. 22.
^) Schenk («Hilfsbuch zu den Belehrungen Über wirtschaftliche
und gesellschaftliche Fragen im Unterricht auf der Oberstufe*) drückt
dies mit den Worten aus: „Das kommende Jahrhundert bedarf ganser
Männer, voller Einsicht in die wirtschaftlichen und politischen Verhält-
nisse des Zeitalters, Männer von politischer Durchbildung und geschicht-
licher Schulung** (8. IV), und Asbach machte in der V. rheinischen
Direktorenversammlung (1893) darauf aufmerksam, daA „am Anfang
unseres Jahrhunderts Ästhetik und Literatur die Brennpunkte des geistigen
Lebens waren, daß dann die Bildungsinteressen sich philosophis^en
Problemen zuwendeten, bis sich dann wieder der Geist der gesamten
europäischen Gesellschaft mehr und mehr einseitig mit naturwissenschaft-
licher Bildung erfüllte, endlich aber seit den Secbzigerjahren unter dem
Einflasse der gewaltigen politischen Begebenheiten die Aufmerksamkeit
der Menschen auf das politische Leben in den Verfassungsstaaten and
auf die wirtschaftlichen Verhältnisse richtete.*
^) Vorher schon hatte F. Stoerk in seiner Schrift „Der staatsbürger-
liche Unterricht** (Freiburg i. B. 1893) den Gedanken, den Kaiser Wü-
heim bei der Berliner Schalkonferenz ausgesprochen, daß das deutsche
Volk zur Erkenntnis der wesentlichsten Begriffe des modernen Staatslebens
geführt werden müsse, methodisch ausgeführt und den Einfluß gezeigt, den
eine staatsbürgerliche Propädeutik auf die Entwicklung des Staats- und
Rechtsgefüfals im Volke und damit auch auf die Bechtswissensdttfk
selbst nehmen würde; dann fährt er fort: ^Die Schule kann und mnft
unserem Eulturstaaate hilfreiche Hand bieten» um jene Millionen ver-
blendeter Volksgenossen wieder zu gewinnen, die jetzt, in traumhaften
Vorstellungen üoer die Leistungskrut des Staates» sein physisches Ün-
▼ormögen bloß seinem bösen Willen zuschreiben und duier das GUtek
der Zukunft in einer staatenlosen Welt zu finden hoffen* (ibid. S. 21).
über soxiologische Belehrnngen in der Mittelsehnle. I. 467
Ffir Bttrgerscbnlen ist durch die neuen Normallehrpläne vom 15. Juli 1907
für einen solchen Unterricht, der auch Yolkswirtschaftliche Belehrungen
nicht ausschließt, yorgesorgt worden i). Doch ist es nur natürlich, daß
solche Unterweisungen auch an den Lehrerbildungsanstalten, an Fach-
und Portbildungsschulen, wie überhaupt an allen Schulen, die ihre
Zöglinge sofort ins praktische Leben entlassen, eingeführt werden*).
Was die Mittelschule anbelangt, so sei in erster Linie auf die
Yerhandlungen des YI. Deutsch-österreichischen Mittelschultages (1897)
renriesen; Prof. Dr. L. Singer erstattete daselbst ein Referat fiber »Poli*
tische und wirtschaftliche Bildung durch die Mittelschulen", in welchem
er lebhaft fttr eine staatsbürgerliche Erziehung der Jagend eintrat, der
ioeh die Instruktionen für Gymnasien nicht entgegenstehen, so daß deren
Einfügung auch schon im Bahmen des gegenwartigen Lehrplanes möglich
sei Ks wurde damals eine Kommission eingesetsi, die sich eingehender
mit der Frage befassen sollte; doch hat man von deren T&tigkeit nichts
weiter gehört, wiewohl die Versammlung sich fast einstimmig für eine
solche Unterweisung aussprach«
Im zweiten Jahresberichte der Staatsrealschule im 10. Bezirke in
Wien (1904) hat Prof. G. Mayer in einem Aufsätze „Yolkswirtschafts-
lehre in der Mittelschule'* ebenfalls den Nachweis geführt, daß eine Ein-
beziehung der Nationalökonomie in den Unterricht keine Überbürdung
der Jugend bedeutet, daß im Gegenteile ein Interesse für diesen Unter-
richt, wo es noch nicht yorhanden sein sollte, wachgerufen wird; er legte
sodann eingehend dar, wie solche Belehrungen in die sich beim Unter-
richt in Geschichte, Geographie und im Deutschen ergebenden Lücken
eingeschoben werden könnten; besser stünde es jedoch freilich, wenn
dieser Disziplin im zweiten Semester der obersten Klasse ein eigener
Teil des Unterrichtes gewidmet wäre.
Wie die Demostheneslektüre für einen bürgerkundlichen Unterricht
natibar gemacht werden könnte, hat Prof. J. Mayer im 79. Heft der
Lehiproben und Lehrgänge') gezeigt; er will Belehrungen über Yer-
1) Für diese Schulkategorie hat insbesondere die „Wiener päda-
gogische Gesellschaff* oft und eindringlich den Ruf nach solchen Be-
lehrungen erhoben (?gl. „Pädagogisches Jahrbuch^ 1882: A. Bruhns,
nWie ist die Jugend für das politische Leben Torzubereiten?*; 1887:
L. Fleischner, „Pflichten und Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft —
»U ünterrichtsffegenstand**; 1895: F. Frank, „Über staatsbürgerliche
Erriehnng*; 1901: A. Bruhns, „Wie kann die Volks- und Bürgerschule
ihre ZögUnge für die spätere Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte
und Pflichten yorbereiten ?*
*) Vgl hiezu: J. M. Hinterwaldner: „Zur Frage der Einführung
einer Bürgerknnde an den österr. Volks- und Büreerschulen** (Zeitschr.
fOr das österr. Volksschulwesen, VII. Jahrgang, UL/IV. Heft), femer
L. Fleischner: „Der Unterricht in der Bürgerkunde'' und „Staatsbürger-
liche Erziehung- (ibid. VII. Jahrg., 8./9. Heft und XVIIL Jahrp., 8./9.
Heft) sowie desselben Autors „Der Unterricht in der Bürgerkunde'' und
^Znr Frage des Unterrichts in der Bürgerknnde" (Beil. zur Allgemeinen
Zeitung, München 1896, Nr. 281 und 1900, Nr. 203).
*) „Über staatsbürgerliche Erziehung durch die Demosthenes-
lektüre« (Halle a. S. 1904).
ao*
468 Über soziologische Belehnmgen in der Mittelschnle. I.
fassongs- und Gesetzeskonde sowie über Yolkswirtschaftslehre an passenden
Stellen dieser Lektüre einschalten, da gerade diese Beden ersichtlich
der Vorbildung für das Staatsbürgertum dienen, wie man dies auch tob
Bismarcks Beden gesagt hat^). Auf die Bedeutung des klassischen Alter-
tums für die politische Erziehung des modernen Staatsbürgers hat nbrigeos
schon B. Pöhlmann*) aufmerksam gemacht und darauf hingewieaeD,
daß das humanistiBche Gymnasium die zu maßgebendem Einfloß auf das
Volksleben berufenen Kreise nicht in der Weise yorbilden, wie es im
Interesse der Erhaltung des modernen Staates und der Durchführung
seiner sozialen Aufgaben erwünscht wäre*). (Schluß folgt)
Budweis. Ludwig Fleiscbner.
^) Vgl. A. Baumeister: „Die Beden des Fürsten Bismarck als
Lektüre für die obersten Klassen höheren Schulen* (Lehrproben imd
Lehr^ee 19(^ 2. Heft). Auch Otto Liermann hat in einem Vortnge:
„Politische und soziale Vorbildung durch das klassische Altertum' (Heidel-
berg 1901) in dieser Hinsicht auf die Beden des Demosthenes Terwieaeo.
?Beil. zur Allgem. Zeitung, München 1891, Nr. 31 und 32.
Wie eine solcne Aufgabe besonders durch den Bechtsunterricht
an den landwirtschaftlichen Lehranstalten der mittleren Kategorie gdöet
werden könnte, hat A. Seidl in einem vortrefflichen Aufsätze, der auch
Literaturangaben über die für diese Schulkategorie bestimmten Bacher
und einen Lehrplan enthält, in der „Land- und Forstwirtschaftlichen
ünterrichtszeitnng*' (IX. Jahrg., 2./3. Heft) gezeigt.
Vierte Abteilung.
Miszellen.
Die Allwissenheit der Erzähler.
Mdne Darlegungen In den Wiener Stadien XXVIII (1906), 8. 209
mSebte ieh hier doreh einige Bemerkungen ans der neueren Literatw
ergioxen. Tbakeraj rUhmt sieh der Allwiuenheit des Bomaniehreibers.
AUwiaieod xn sein hinsichtlieh der Personen ihrer Werke behaupten anch
deutsche Schriftsteller. Fr. Beater, De meckelnbOrgMben Montecchi and
Capalotti, Kap. 16, beriditet von dem Briefe, den der alte Jahn an seinen
Sohn sehreibt, and bemerkt daia: „Keiner kreg dat tau weiten; twer
vat wi Sdiriwwtstellers an Bedigörs von de Zeitangen an Beriehterstatters
tAnd, dringen ans in jedweder Geheimnis in, an as de oll Jahn siek taom
Sehriwen henset'te, keck ick denn, ahn dat hei 't ahnte, äwer de Schaller
OD las siaen Breiw*. Ähnlich wie sich Tbakeraj den Besitier der Ge-
beimsisse Bebekkas nennt, dringt sich nach Baater jeder Schriftsteller
ia die Geheimniue aller ein. Laani^ fBgt er die Bedakteare der Zeitangen
ond die Berichterstatter hinsa, da sie idles wissen wollen. Beater sdiaat
dem Schreibenden Aber die Schaltern in den Brief. Nicht viel ?erschieden
iit es, wenn Blamaaer behauptet, er allein habe der Jano lagehört In
der 40. Strophe des siebenten Baches der Äneide liest man:
(Praa Jono) hielt, in ihr Boadoir Tersperrt,
Worin nur ich ihr sagehOrt,
Dies Selbstgesprich darüber.
Smichow. Dr. Job. Endt.
Literarische Miszellen.
Lateinische Satzlehre für Beformanstalten. Von Theodor Ntiien,
Oberlehrer am Beform-Bealgymnasiam in Kiel. Preis geb. ) Mk. 80 Pf.
Leipsig, G. Freitag; Wien, F. Tempsky 1907. 133 SS.
Auf nicht gans 120 Seiten wird die lateinische Satslehre beha^"^ **
«▼eigleiehsweise f&hre ich an, daß in meiner Schalgramm&tik dU
116 Seiten geschieht). Der Stoff ist wie bei Schmali- Wagen er cncl
teilen geerdnet, doch so, daß das ZasammengehOrige nicht lerritsei
Originelle Gedanken sacht man natflrlich in einem aokbea
bocke nicht, wflrde es auch yergebens. Die Darstellung ist mcl
470 liineUeiu
und bündig; wiederholt fftllt la gto&e Kfirae auf, i. B. § 29, Appositioo
mid PrädikatseabBtanti? richten tich nach ihrem Beiiehnngewort, bsw.
Snbjekt im Genas, wenn es die Form erlaubt, im Nameras nor, wenn
es der Sinn erlaubt. Das letitere werden die SchfUer nicht leicht
Terstehen. Wosa gehört ferner »bsw. Sabjekt"; offenbar lu Pridikata-
sabstanti? ; das ist aber falsch, denn dieses kann in jedem Kasos stebes.
Unrichtig steht § 53: Dasselbe gilt fftr nomen (coanomen) alicui dare
(indere): dasselbe soll heißen, daß der Name im Nominati? oder Dati?
steht! Im § 152 sind die Ansd^cke „reales Urteil** nnd „bedingt*^ falsch,
mindestens irreffihrend. Aach § 158 ist sa beanständen, der den com.
potentialia erklärt; dieser stellt den Inhalt einer Behaaptang nicht aar
als möglicherweise richtiff hin. Im § 168 wird das Wesen der
deliberatiyen Frage za eng gefaßt: quo me vertam? entspricht keinem
Aafforderangssats, indem er seine Anfforderang sa einem Bntschluae
herTorrafen will. Die Zasammenstellang im § 145 ?on iubeo te venire
and impero tibi ut venias mit sequi te and succedere tibi ist jedenfslli
sehr bedenklich. Den Unterschied swischen dem pr&sentischen and dem
konstatierenden Perfekt (§ 172) wird man Schfllem kaam leicht bei-
bringen können.
Am wanderUehsten nehmen sich die fielen falschen Tempora,
Imperfekta and Plasqoamperfekta, in den lateioiachen Beispielen aos; im
1 178 ist die Bedevtong des Ui. Imperfekts siemlich richtig dargestellt ;
darnach ist i, B. im Satze ExercUus non minorem laudem quam ipu
imperator meritu$ videbatur (§ 17) falsch; es kann weder bedenteo:
•pflegte so scheinen**, noch „war im Scheinen*" be^priffen» noch ist tod
einer Schilderang die Bede — das ist ja in einem einfachen Satte nich»
möglich — asw. Ich weiß, der Sati ist aas Caesar de b. Gall. I 40;
dort steht aber das Imperfekt im Zasammenhang ganz richtig; es heii»t
dort: factum eius hostia periculum pcttrum nostrorum memoria^ cu»
Cimbria et Teutonis a C, Mario puUis non minorem UnuLem exereitut
quam ipae imperator meritua viddmtwr; ans dem Zasammen bange ge-
nommen, kann es im einfachen Satze nar heißen Exereittu . . . otsus est.
Qanz so falsch ist das Imperfekt im folgenden Satze: Bar$ iaferior
pontis integra remattebat: ans dem Zosammenhange gerissen, kann es
im einfachen Satze nar heißen remansit. Ebenso: P. Cossidius rei rnüi-
tarie peritisaimus luibebaiur; pflegte gehalten za werden ist ja sinnlos.
Ebenso falsch ist im einfachen Satze das Plasqaamperfekt, z. B. § SS:
Nervii altiaaimaa ripaa aacenderart, es kann nar heißen aaeend^Ht.
Und so begegnen eine ^oße Zahl falscher Imperfekte and Plasqnam-
perfekta. Im § 45 erscheint plötzlich der Terminas „Akkasati? des Ssch-
inbalts"* ohne jede Erkl&rong. Woza die §§ 1—11 dienen sollen, ist mir
nicht Terst&ndlich; diese Sachen mUssen doch im propftdentischen dentschen
Gramm atikonterricht erledigt sein; dasselbe gilt ?om § 165, der?onder
Einteilang der Fragen handelt. JSinen Drackfehler bemerkte ich S. 19,
de calamitate. Ober den Erfolg.
Wien. Aagast Scheindler.
Emil Szanto, Ausgewählte Abhandlungen, ueraime^e
Heinrich Swoboda. Mit einem Bildnis Ssantos in HehograTflre,
einer Tafel and Abbildongen im Texte. Tübingen, J. C. B. Mobr
1906. XXIV and 419 SS. Preis geh. 9 Mk.
Jeder, der sich mit griechischen Altertümern beschftfiigt, wird dem
Heraasgeber dankbar sein fflr die Torliegende YerOffentliehnng, die qsi
die geistigen ZOge, die Vielseitigkeit der Begabung, die Sch&rfe des
Denkens zeigt, die dem so früh ?erstorbenen Sz. eigen war. Die Abhaod-
Miszellen. 471
Inogen sind in vier Gruppen geteilt und in jeder Oroppe cbronologiseh
geordnet Des Heraosgebers Tfttiffkeit zeigt sich darin, daß die Zitate
revidiert nnd erg&nst worden und besonders in den Hinweisen, wie die
TOD Ss. behandelte Frage wisBenBchaftlieb weitergeführt wnrde. Gerade
diese Nachweise finden sich zahlreich nnd geben eine wertvolle Erg&nzang,
die nor ein Mann geben konnte, der auf dem Gebiete der griechischen
Altertfimer heimisch ist. Einbegleitet ist der Band dnrch ein knappes
Lebensbild, das Siantos Jogendfrennd, Emannel LOwj, gesehrieben hat,
das die wesentlichen Zflge richtig herrorfaebt nnd seine Tfttigkeit als
Mensch, Lehrer nnd Gelehrter wtlrdigt. Die I. Gmppe nmfaßt 10 großen-
teils toerst in den „Wiener Studien" veröffentlichte Abhandlungen zum
griechischen Recht Diese zeigen uns das Streben, ein Staatsrecht der
alten Griechen hennstellen. Die U. Gmppe: Zar griechischen Geschichte
eathilt 11 Abhandlnogen, darunter Nr. 10: Die griechischen Phylen, die
Tielleicht besser in die I. Gmppe einzureihen w&re. Die Aufnahme dieser
wichtigen Abhandlung wird ganz besonders willkommen sein, da sie da-
dureh leichter zug&nglich gemacht ist. Die III. Gmppe, „Zu Aristoteles*^
omfaßt fünf Abhandlungen; die IV. Gmppe, „Allgemeines'', mit yier
Aufsitzen beweist, daA Sz. rieh nicht auf sein engeres Arbeitsgebiet
beschränkte. Weitere Kreise interessieren zwei Aufsitze: Über klassische
Bildsog, in dem Sz. warm für das Studium der klassischen Sprachen
eintritt, und Theodor Mommsen, eine klare Charakteristik Mommsens
und seiner Werke enthaltend. Auf S. 895 — 400 ist ein chronologisches
Veraeichnis der Schriften Sz. gegeben. Vier Indices, ein sachlicher, ein
StellenTerseichnis, ein epigraphitcher Index nnd ein Ortsverzeichnis
(401->405) erleichtern die Benützung des Buches, das allen Freunden
der Altertumswissenschaft bestens empfohlen sei. Besonderen Dank rer-
diest der Verleger für die schöne Ausstattung nnd den Bilderschmnck ;
der Preis ist mit Büeksicht auf das Gebotene mißig.
Wien. Dr. Jobann Dehler.
Homers Ilias von Hermann Grimm. Zweite Auflage. Stuttgart und
Beriin, Gottas Bnchhandl. Nachf. 1907. 491 SS. Gr.-S». Preis geh.
7 Mk.
Mit der Homerforschung stehen diese Obersichten und Ausführungen
aaßer Zusammenhang, sie stellen einfach das Bettreben eines universal
gebildeten Gelehrten dar, sich mit dem großen Epos der Griechen abzu-
finden nnd die Idee zu begründen, daß Homers Werke „das in mühsamer
Lebensarbeit hergestellte Uefüge eines einheitlichen Kunstwerkes** seien
ond wie eine moderne Dichtung beurteilt werden kOnnen (S. 477). Grimms
Buch erschien 1890 und 1895 in xwei BindeD, di& naa fieinhold Steii^
in genauer Durchsicht neu gedruckt und in einem ß^nd vereinigt bat-
Grimm nimmt seiner Ansicht gamä& auf das NibeluDgeQÜed and auch
auf neuere Werke, besonders auf (iaethes Helena im j^Fatiit-^ ntid auf
die n Achilleis*, sowie auf Vossens CbeisatiQDg Rück^ficht* Dabei iit
natürlich Kritik nicht ausgeschloigeor &ber eia wird mehr im poftta^ben
als im philologischen Sinne g^Hbti dmn die Haupt ga che war für d*^
geistTollen Verfasser, die Dichtung ta g^DieJ^eu und .die ffatur dM
Genusses zu beschreiben** (S. 1T5K Mehrfach «erden auch bildn^li
Gegenstände zum Vergleiche heraogetogen, daher das gasse ei och
konsthistorischen Sinne interessanter nod vichtifer ericbeint. D^r lieuti
Literarhistoriker findet endlich im Sthlal^irorte das Verhiitiü»^
XU Homer anregend beleuchtet.
Graz.
472 Miszellen.
M. Evers, Schillers Wallenstein. Die deutschen Klassiker, erliatert
und gewürdigt für höhere LehraDstalteD sowie zum Selbststndiom
Ton KneDen und Eyers. 28. und 28. BftndcheD. 4. Hef^ erste nnd
zweite Hälfte. Leipzig 1905, HeiDrich Bredt
In einem ausführlichen Vorworte gliedert Evers den IV. Band
seinen in der Sammlang erschienenen drei B&ndchen an, die der Erlftateniog
des Scbillerschen Wallenstein dienen. Dieser yierte Band bringt die
Gesamtwürdignng des Dramas so eingebend nnd aasfflhrlicb, wie sie eben
nar liebeTolle Versenkang erzengen kann. Die Handlang des Dramis
wird in allen ibren Zweigen Terflochten nnd aufgebaut, der organiMfae
Zosammenhang der Max und Tbeklahandlong mit der WaUensteinluadlang
wird nachgewiesen. Die Übersiebt über die zeitlichen VeHaftltnisse dei
Dramas ist gut, wenig Wert bat die Zosammenstellung der Ortlicbkeiteo,
an denen die einzelnen Szenen spielen, kurz und gut ist die Entstehongs-
geschlchte und die Bedeotnng des Dramas herausgearbeitet. Eine ein-
gebende Untersucbung, wie sich Bealismiit und Idealismus in simtiicben
Personen entfalten und mischen — ibr liegt eine für den Unterricht
berechnete und ans ihm beryorgewachsene Begriffsentwicklung des Bealisteo
und Idealisten zugrunde — gibt den Grundton an, auf den die aos-
führliche Charakteristik der Personen gestimmt ist. Eyers lehnt die An-
sicht ab, daß Wallenstein allzusehr yon Mftchten abhänge, die außer ihm
stünden nnd seine Willensfreiheit aufhoben; Schillers Wallenstein sei
sonach keine SchicksalstragOdie, sondern eine CharaktertragOdie; und so
wird auch Wallenstein als der allbelebende, allscbOpfende, alle beherr-
schende Mittelpunkt der yielgestaltigen Handlang, als Bealist und als
Idealist in seiner Enge und Weite umfassend geschildert Da «die Ennst
der Darstellung*' schon in früheren Abschnitten mitbehandelt ist, maß
sich das Kapitel, das ihr eigentlich gewidmet ist, mit Bflckyerweisongen
begnügen ; auch die summarische Auf stellang der Selbstgespräche, Boten-
berichte bringt kein Leben hinein. Weitaus frischer spricht Eyers Ober
Schillers Sprache nnd kennzeichnet mit treffenden Beispielen die indiyi-
dnalisierende, anschauliche Sprache im Wallenstein. Da Eyers immer die
Bedürfnisse des lebendigen Unterrichtes im Aoge hat, zasammenfassende
Übersichten geradezu für Scholzwecke einstellt, Aufsatsthemata skizziert,
auch breiter aasarbeitet, werden die beiden Bftndchen den Deutschlehrern
gute Dienste leisten. Die Art, wie Eyers den tragischen Gehalt dei
Dramas auslöst, das Wesen des Tragischen entfaltet, hebt über manche
Schwierigkeit im Unterrichte hinweg.
Wien. Ferdinand Holzner.
Fleischner L., Ö gterreic bische Bürgarktinde. 3. neobeaibsitik
und yermehrte Auriag», Vyii>Dr F. Temp^kj 19DT. Preis geh* 2 K SO^
Der Verf. betweckt, den LehramtskandidateD einen Einblick Ifi
die wichtigsten staatlicbeD EluriebttiQ^^'n, in die O^dingiiageD de« wirt*
sehaftlichen Lebens and in das VYeien der sotialpoliU^cben Oetetlf^^^r
zu gewähren, um sie in den Stand tu setEeni diese Kenntnisie b?'
BrziehuDg der Schiller m Staatubflrgern xn ?er«^ ^
Gesetzesknnde und Volk» Wirtschaft alehre ijod
fflbrlicber Weise erOrteii und hh in ihrem neue
In zweiter Linie will das Bncb eine Art Vt
seio, die ins praktiscbe Leben eltitreten, obn^
Aufklfirung über die fraglich E^n Punkte gegeben \
besonderer Unterricht in BGr^GrkQode in der %t>
P rogran] men E cbiifi .
473
ide Buch dstn benifefi« die Lücke ausEufüllen, Es kann nar der
f eioilfrt ««rdaßr leime LekKtre aoeh den Abitarieüten der Mittel
«yi IQ empfehlen.
A. PbilippsoB, Das Mittelmeergebiat, aema gtoirr&pbiich« und
ketttirelle Eigeiiaft 2. Auflage Mit 9 Fipren im Text, 13 ÄDBichten
Dod 10 Kirten ti^f Ib Tafeln. Leipzig* B. a Tetibner 1907. X nod
361 m. Freit geb, 7 Mk.
Die sueite Auflage dieies trefflicben Bnebes untersebeidet sieb
iti d«r enUn (tgl. deren Beiprechting in dieser ZdUcbr. 1905) nur
4iTtb fimg« Ideioefo YerbeifternDgen.
Wiifl.
J. Müliner*
"Dr.(
Program menschall*
Dr. Georg Pitacco, De mulierum Bomanarum cultu atque
imditJone, Progr. des k. k. SuatJgyniDafiinma in Gfirs 1907. 49 BS.
tDie Abbandlang macht iicb im Aufgäbet die literariiehen L«i*
Ol dir rj^miicben Fraien Ton den älte&ten Zelten bia in» III. Jabr^
ift Q. Chr. herab iniammeuhfingend darsnstellen ; die chrittUclien
artssen irerden anter Binweie auf einen in einer italieniBcben Zelt-
t cncbienenen Ätife&ts dea Verf. ausgeacbloasen. Voraa^getchlekt
^rd d» Dberblick 4b«r Leben eTerbältnisse und i^itten der Hämerinneni
M tticttem tnit Beebt betont wird, da& der seit den poniichen Kriegen
ittukbare Verfall nicht au eebr anf daa Eindriuf^en griechiacher Sitte,
H^liflntebr äuf den ateig^enden Reichtum nnd Luxus zurück Euftlhren iet,
Htr ü&d die Nachrichten über das Frauen leben dieatsr und der apfiteran
IM lieh aniichlieMich auf die Tornäbmen Kreise belieben nnd lait ihrer
iBtlttif«! HeoTorbebiing der Obelat&nde und dem atereotjpen Kückbiick
^lii •gQl*, alte Zeit" kma richtigst Bild der wirklicbe'n Verhältnisee
Uteo. ßd dem Verflekb det römischen FraoenlebeD» mit dem griecbi-
>«k«s bat der Verf. den gewaltigen Unterechied twiachen der Stellung
|HFfai} in d«r bcmeriachen und der ioniich - attiicben Welt zn wenig
^^PtkitcbUgt
^^ fn der eiirentliebeQ Abhandlung werden nicht nur die dureb
iittftrisebe TÄligkeit bekannten Frauen* sondern aoch jeoö hebandelt,
4t düicb dufewObn liehe Bildung hervorragten und an dem geiatigen
^bffti ihrer Zeit regen Anteil nahmen, wie Catnlla Lesbia, Ciceros kluge
Ti^ r.Hi». Cofreliia B_ a. m. Der Verf* hllt sich dabei atreng an die
-n der Quellen nnd erblickt mit Becht eine wichtige Aufgabe
Zar fjck Weisung der übertriebenen Darstellungen älterer, nicüt
^»»eBicbafllieher Werke, deren Verfasser den in Wirklicbkeit ja äußerst
f^Bffn Anteil der rO mischen Frauen an der Literatur ibree Volkes um
>d(n Preii auf ein anaebnlicherefi Ma5 m bringen trachteten. Dabei
J*H#is wohl auch einige offene Tttren eingerannt; in den rergilbten
^^naamnolnngen der Damen Eenneriile und d'Ahrantt^a am den
r und Ureiüigerjabren 4ea vorigen Jahrhunderts holt aicb heute
iiand mehr seine VVeiifaeitf und der bekannte Islandfora eher
^tioo liebelt jetit sicherlicb aelbgt über die Überach wenglichkeit
^i\ Verf. in heftig angegriffenen Jugend werke. Eine neue Ansicht
r V«rf, beittglicb der älteren ^ulpicia Ter» der er nicht nur die
^, . ^üttUch augeicbriebejj^fii knrien üe dichte Tib, IV 7 — 12, sondern
474 ProgrammeDschan.
aoch das dritte nnd fflofte des gleichen Buchet soweist, wihrend er die
fibrigen drei Gedichte des von Gruppe abgetrennten ersten ElegienkraaMi,
als dessen Aator gewöhnlich Tiboli betrachtet wird, einem nnbekanaten
Dichter znschreibt. Anf die für Tiballs Autorschaft vorgebrachten sprich-
lichen Argumente wird nicht näher eingegangen. Daß aber nur Sulpicia
selbst die effrenata et voluptuaria earmina IV 3 und 5 habe schreiben
können, ist wohl Meinungssache; die soracbliehen Hirten, die der Verf.
darin entdeckt, sind unbedeutend und die Ähnlichkeit swisehen lY 5 asd
6 erklftrt sich daraus, daß beide Gedichte denselben Gegenstand behio-
deln^ einmal vom Standpunkt des liebenden Mädchens aus, einmal tod
dem des mitwissenden Freundes. Die vom Verf. gegen die herrschende
Ansicht vorgebrachten Grfinde sind also jedenfalls nicht swingeod. —
BesOglich des der jQngeren Sulpicia beigelegten Gedichtet kommt der
Verf. lu dem Ergebnis, daß es als Werk eines Dichters des IV. oder Y.
Jahrhunderts ansusehen sei.
Die Abhandlung zeigt eine umfaisende Benutzung der einschlägigen^
und zwar keineswegs bloß der streng fachlichen Literatur; in den Angaben
darüber finden sich einige kleine Ungenauigkeiten. Das Latein ist freier
als gerade nötig, jedoch leicht verständlich und wohllautend.
Wien. Dr. Henr. Sieis.
13. Prof. Dr. Johann Oehler. Epigraphiache Beiträge mr
Oescbicbte des Ärztestandes. Pro^r des k. k. Haxintiliiii*-
Gymnasiums in Wien 1906/7. Ji^ SS.
In knapper, aber übersichtlicher Form Ut in dhmt AbbiadUu:
ein reiches Material — 280 Inscbritt^n — nach verschied gnen Gesiditi-
punkten zusammengestellt. Die AosbreitüDg d?r auf den Är^teitaDd ^^
lüglichen, in Stein erhaltenen Urkonden wird darcb eine alpbabetiidiv
Aufzählung der Fundorte veraDScbaaliciit. Der folgende Abschnitt b«baiideH
die verschiedenen Beieichnnngen für den 'Ar^t' and dessen Berat hä
den unter dem Schlagworte Gemeit^de&rtt« angefahrten Inichri^n faj'
der Verf. übersehen, daß der Aaidrack äij^oaifvitv licb in Koe mh^
Pat-H. S44 auch ebenda 5 findet in d«r von ihm aelbit S. 18
Stelle... Durch mehrere Inschriften erfahren wir, daß es lehon ii
tume Ärztinnen gab, durch IG. XII ^ 199 erhalten irir Kunde_TOii
liehen Geburtshelfern. Auch Tier- ^owie Feat^ Schul- und
);annten die (kriechen. Der folgende AbMtjnitt handelt über AstfbU'luBr
^rsteiehnlen und Arstevereine. Den unter '^teUang zum Kultus* ai}gifftlutr<
Ärzten, die auch priesterliche Stellen bekleiden « wäre C. SierU^*^
Xeftophon zuzuzählen, den die koiiche Inschrift Pat,>B. d45 ^^ Ditt »iir
368 als äffxUQia x&v d'B&v luu, U^-u Öih ßiop tBv ^$fittoy.Ap ««1 'Jfr^
nioü xcti 'Tyiag TLalTIxLovijg bezeichnet. Die Stellung der Ante ttn^ut^
und der Gesellschaft beleuchtet das folgeüde Kapitel Den das«J^ ><^
sprochenen Inschriften mOcbte ich noch die in der '£7. dfj* }^^% ^^ l^l ,
publizierte aus Gytheion hinzufügen > welche die Bchenlmig dif« A^^tiij
EutjcboB und seiner Familie anführt rlg uhv &f<o(it<rc ic&l u,-
ßaazäv evaißsiav Sjjvdgta (ivgiu itai ^?^ iXttayiQv Öf^rtigia ft^t :
Sogar von sdiriftstellerischer Tätigkeit von Anten T
Schriften und besonders interessant liad die inj
Urkunden, die von medizinischen Preiairbaiten I
letzten Abschnitte gibt der Yert eine Zasatiimei
bezeugnangen in alphabetischer Folge der Orte- 3
Kaljmna ein ' Ehren dekret für den ktii«erlieh«T* ^
Dittenberger Syll.« 870* an. Allein dieses *'
Program meiis cha u.
475
CilibArtWg. Wob] aber wtirde in K. ein Altar s;efqEideiii in dcBseo Aaf-
l^iift wir 'di« voll« ofiiidl« Formel dei Gebetes fftr XeDapbon* haben ;
Bcri<mi Koii&be ForKcbnogeitt 3. 108> Anfübren kOnüt« man bier aucbi
kM. AHrtlio» Ptötemaios Ariktodemos ai» Sidjma flieh «elbit
t^i ttt^iliti^iifog imü t^v I^sßctaviai^ itati f^g nctXQiöog atXttovgyüc
\ m der rom VeiL S* 8 efwAboten Jnaclirifti die sieb in den 'Eeii«ii*
(fiiebl 55| fiadel* Der xom Schiuete bdgegebeD« XameBindtz rer-
toM&ndift dit eofffältigü Arbeit
JH Wien* Han& Lackeii1>acb«r.
li P. Heinrich Sehachser, NaturbiJder and Katurbetrach-
iLtimg tn im Dichtungm Friedrichs 7. Spee. Pro^r. dei k. k.
^KOber^jmnatiutni der ßenedikliaer m Kr^msmänster 190G. 60 gä,
^M Em ertter Teil eammill fj&temaUäcb alle Stellen aai Speee Li »der-
^BtTD, die NatnTgegenst&Dde und Naturv^orgänge poetiBch rerwerten;
WVwciter ehatikleriiiert die Stellnnj^ Speas als Natnrdiebter. Für den
iint^a Teil bitte bei der Terwirrendeo Masie der angeführt an Stellen sieb
Mkiebt das nüehteTnet aber praktische Mittel einer Tabelle, mindeslens
^V kleine etatirtiacbe Übereit'bt empfohlen. Immerbifi ergibt schon der
^■itcheia, daß Spee das Freandllcbe und Anmutige be^Forzagt, meist
^■ttoer leichten Heigoog in m Spielerigen; in zweiter Linie atebt alles,
RS ivDti mentaler TriDeosdigkeit dienen kann, das Große^ Furchtbare
tfftt iurtick- Scbon darum seheint mir Scbachnere Behauptung , Spees
ibetracbtnng sei pim weientlichen eine bibllBcbe'** ein fundamentaler
b, wttiiigitens wenn er seiDen Attasprueb literar* historisch vtsratanden
L wilL iTbenfiO wenig erscheinen mir die angenommenen Aoalogien mit
ri^tlichen Hymnen efident, ja nicht einmal wahricbeinllch, nur die
«Fbilameiia**, angeblich des hL Bonaventura, sind Qbersengend,
1 «t&rker ist jedenfaUs der Einfluß der gleich zeitigen LThk, sowohl
ITolks^ wie des Eunitliedes. — Zu TermiBien bleibt eine Ontersucbung
bteriscben Methode von Spees Katorbildern« ^ch. betont mit Kecht
t Innigkeit, seine Gemütiitlefe und seine reine Naturliebe: dem gegen-
muß doch festgestellt werden, dh^ alle seine Bilder äußerlich,
f^wahfe AnBetaanlichkeit uud ohne 'Beseelung' im beutigen Sinnt* sind,
doch auch darin gans in seine Zeit Scb, verkt'nnt die« nicht;
ist er foii dem Hbemchwenglicben urteil der Koraantik beein-
)as Programm bringt außerdem noch eine Stifter- Bede P. Fried-
Is^yert mix einigen nenen Details zu Stifters KremamQnBterer Zeit,
Wien.
Dr Valentin Poilak.
Joh. Arbes, Cber ErüBdung, Gestaltung und Wert-
ItSUßg der Logarithmen, Progr. des L k, deutseben Staatt-
Ijmnaaiiiiia in Smichow 1907, 22 SS.
^L DieMr Aftfiati» dem dne Förtsetxung folgen lolJ, wendet eich in
^V tiJlia ao die MitteliichÜler ; Ton diesem Standpunkte au» mßge er
^MÜt w«Mi«ii. Nach einer ktirten Einteitnng wird eine Skizze aber den
^H 4Jtr llathecnatik and den mathematischen Unterricht im X\\ und
MTjaisfhntiidert gegeben und der Ton Chuqnet und Stifel angestellten
*«lncit«9geD gediÄhtt in denen eine aritbmeliache und eine geometrische
fite is BitiehaDg zueinander gesettt werden, wodarch man suerit den
476
Entgegunng«
fondBmetit&liii Eigen srbaften derLogarithuieti Bfthe k«iii^ Htdi
der bedeutendsten für astroiiomiach« Zwecke anefr^&rbdteUs ||
icbeü T&feln wird Bürgi »Is ertter Erfinder der Logaritlmii
dann die LeietUDgeD d«i N«per und Briggs beaprocbeij. Sdxl
eine ciemtich rekbb<ige Aoftäblung der (fa&QpiticbHcb In
and Oiterteicb) crichieDenen Logarithmentafeln. — In dein'
der benutzten Qaellen üadet sieb merkwürdif^erweiae &icb
tersationskiikoii.
Die wabrscbelnlicb älteate metbodisthe BetracbtuDgi dii
ifttx des logAntbmiicbeo Becbneoa in aicb schließt« und et
ftrcbimediBcheD Scbrift „^ufiptiT^s'^ find e» bfilte daa bler
Thema akis Eiert vrerden köDnen^ es bitte aocb darauf binge
iDlleCi daü das Problem der rnuaikaÜBCben Temperatar aof
menbegrl^ fflbrt, wie es Lagrange in sdnen immer notb
»Z/Äfotis iUmentaires'^ (1795) andentet; aneh ein Beispiel*
als Prostbapbairesis beieicbnete Metbode diircbgefflhrt wird» i
äcbQler gewii^ Ton Intereaae geweaat), Der m matbemalisdi
so überaus wertvolle Gedatike der Zuordnung zweier ßewegl
dtiTcb eine kurze EecbnüDg erläutert werden sollen, wobd sl«
des Nsperscben LogarithxueusjBtems sofort angeben lißt nfl
Einblick in das Wesen der natfirlicben Logarithmen sieb eni
alles siüd ja DingCf die gerade in einem an die Scbtller gedl
satze sehr scbün durcbgefflbrt und sar vollen Geltm^ gebll
können, und man darf wohl boffent d&^ dtt Vetf.j der d
Heranf^gabe seiner Tierstelligen Logarithmentafeln mit diesen ^{
genaa Tertrant gemacbt haben wird^ in der Fortsetzung sein ei
auf sattes die Aufmerksamkeit seiner Leser anf derartige, für dii
der Math ematik widitige Beziebongen lenken wird und dem |
EewnDtaein bringen kann^ welch bewundernswerter Entscbti]|
Adtoren Ton Logarithmentafeln es wafi ihre Lebentarbeit an so
Rechnungen zu setten. i
Wien, ProtK. j
Entgegnung,
Eine Betension soll dem Leser wenigstens in der Ha|
klares Bild des besprochenen Buches geben. In dieser Zäti
Qeft I2i ersebien die BesprechüDg eines Lehrbuches der Q
sehen Stenographie, IL Teil, in welcher das Cbarakteritl
Bncb&s g&m rerschwiegen wurde. Da nun dieses TersebwliC
teristikum den eigentlichen Wert des Bucbes begründet, lo
angefahrt: L Das erwähnte Bach leitet die kurxen Regeln
Sprachatücken und nicbt von schwer lesbaren, Kusammenbanti
üb, da nur znearnfnenhäcgende iSätza dem Geiste der SataU
iiprecben können, 2* Die gebräuchlichsten Redewendungen dl
Paragraph gebührend beräcksicbtigt.
Über diese angeführten Neuerungen in der Bebandlni
kQrzung iisbt die Monatsschrift des ateiermätkiacben Steii^
»jtne« in Orax I90G, Nr, S, pag. 22, zwischen meinem 1^1
denen mit sogenannten ^HuilerA&tzen*' folgende Parallel«: '
f, . , . Der historiscbe Wert der Musik einea Qlnek i
limdet hier eine Analogie. Man hört sie bente noch an m
finden die Musik noch ganz reisend, sebön und — was g§i
epochal; die anderen urteilen kurz und finden sie anliquitil
Die „an^erordentltcb knapp gehaltenen theoretiachen Aoi
nqr ein weiterer Vorteil för den Üntemcbt, köonein «tcb i
Krwideiung.
477
tes Ldid^Ocbern wobi nicht binnselwalt eatferDen. das lieft
4b^ in der Natur d«r S&ebe^ darati« aber die BehaaptuDg: Dchroieden,
M dAt L«brt»utb to» Kramsall diu Grondlags fOr db Formxilierutig der
liggli bildetei iit lom mlndeiteu etwa» lehr gewa^.
Di^ Aasemanderbaitiuigr fOD Ableitaiiga- und Fleiiot^aiüben wird
iiekt Mo^ foo Kram I all uüd mir, lotidüro auch tod Schell er r8. 65 aod
& S8> LX. Attfl/) nkbt durehgerübrt, das ist für den Ste&ograpbeii aucb
Hiebt notwendig; ei f^enflgt Tollatindig die ßeteicbDimg KndnQg
t. »t elc. and NacbBtJbe ihr AbleitUQgi- und Flexionssilbe. Di^^iti
liebt tertr^ten alle ^epraften £>tanographen, die ich emnerzeit um
;^iiig. Dai^ dnrch das NicbtauBe in an derb alten ein „SaiiiineliTiriüin*^
kt elwft» g&ni Neues und dQrfta alte 8t6nograpbent dte nicht
_ IQ ttndf tebr intereuieren, Tm übrigen danke icb fQr die aoge-
W«rke ilber deatache Spmcbbbre nnd bofTe, daß icb nocb recbt
ioutA&de iein werde, mir notweüdi^e Nachsetilagebüeber »elbst
1l«B itt können. Wenn ich in der Neuauflage der Anagabe für
Mthidflii dtr Anieinanderbaltung di«aer Begriffe bereita Reebnung
f I ae ist du nur ein 2^ageatändnie gegen meine Überteogting, die ioh
Herni Beienaenten aus pereOnlieher Hochachtung machte.
Miet L 6.
Alfred Grimm.
ErwideruQg.
Pä£ der Verfaaaer eines Bncbea dnrcb eine Bespreehung deatelhen
genug gelobt fühlt, das gebOrt nicht in den Selteohelten.
Ikjeden nen ist ea aber, wenn er, wie der Herr Verfaesar dar vorans-
p, Entgegnung** ei int, das Versiumte naeb Kräften salbät na«h-
Ond eine «Entgegnung" aozatagen als Eeklamemittel für sein Bueli
ttItL Der Herr Verf. ba zeichnet es tiatin als „sehr gewagtS zu be-
», ^di£ das Lahrbueb fou Kramsall die Grundlage fQr die Fonnu-
der Hegeln bildete'^. Das Wagnis ist aber gar nicht groQ» wenn
die Terblftffende wörtliche Übereinstimmung der Segeln wahr-
imt TOD denen icb eine genflgaiide Äntahl angafQbrt habe, Übrigans
ji& dem Herrn Verf. frei, in seiner ^Entgegnung'' jdipp und klar,
tk ohne jede ausweichende Wendung in sagen: f,lth erklire
m% auf das Bestimmtest«, dae Eramsellacbe Bach nach keiner Kicbtnng
i ttim Vorbilde genommen ?i babau.'' Einem solchen vor der O^ant-
kstt abgegebenen Munnesworte würde kein rechtlich Denkender den
fersageo, am alJarwanigsten ich. Die auffallende Obarein&tim-
[ d«a Wortlautes der Regeinf abgesehen von fielen anderen Ahnlicb^
t btider Bücher, würde dann böchBteus als ein nngemein interesiiantee
M m bftraebten «ein. Aber auch das offene Sf^ugeständnia, die
Qg der Eegeln von Kramsall herübarganommen 2U haben, bitte
I auf sich. Denn es läge eben nur die Benütiung fon Einielheitan
fM mi eine solche Benützung mach« noch kein FJagiat aus. Der Herr
Verfun-r der „Entgegnung*' rennt Übrigans in seinem Kampfeseifer auch
«Alt offene Türen ein. ^o stellt er die Sachü in der Weise dar, als ob
i^ ihsD 4as Zusammenwerfen vnn ^Ableitungi^ und Flaxicnsailben" sum
tttif gemacht hätte. Ist mir gar aieht alogefallan; die bezügliche
Us lautet fielmehr: „Dadurch nun, da5 Kramsall und Grimm fälschlich
.Abldlungisilbe* ,Nacbsilhe' setzen, also »Nachsilbe^ and )Flexinns-
tr ifinander beiordnen, ist to beiden Lehrbüchern eine recht hadenklicbe
■ifrni^ herauf beschworen worden*** Der Herr Verf. hat ako deti Streit*
lH f «netto b«ii oder es ist ihm auch jetit noch nicht klar» nun was
«ig«Dtli€h handelt. (Der Einwand, dai^ der gerügte bedauerliche
47»
Tinnt BOcbeler.
Fehler aacb m dem Lehrbuch tqd Sehe]] er »kb ündet, Isdeft stüilii
an der ^aebe gaoz und gar DicliUO Mit unrecht ferQbaJt er mir uc
daß ieh Ibn auf die Darst^Uaisg deir 8ache in den gebr&aehlldi^Q Sebtf
grftmcrmtikeD TerwiaaeD bftbe, and hofft, „er werde nocb recht Imf» m
Stande eeiX ^i^b die notwendigen Nacbicbbfi^bücher sei bat ioCm'
XU kDimen**. Ich hoffe es aacb, Bit jetft beiaJi er diese Fihigkeit w«iiifi
hinsichtlieh der dentecben GrammattkeD leider nkbt^ ionst «ir«
die ftrgerliebe ?erwechilang jener epracb liebe i Begdlfe nicht w\
fahren* Da0 ei etenogrAphieche LehrbQcber mtfe gultm Eilolf
nach z QIC b lagen ins stände iit« daran zweifle ich kernen AnifenhlidL W^
leb nun gerade anf die gebr&nch lieben ä c b a t gramniatikeii
habe« was der Herr Verfasaer besoudera kränkend empfimdeii IQ
fcheint, ao ist der Ornnd in meiner ßeEprecbnne: anidrücklieh aafKl
Dat in der Schule benutzte itenographiache Lehrbneb darf tici
der Schnl^rammatik nicht in Widertpracb let^eD. Ich babe midi
bei der Eebandlang der Frage Ton streng sachlichen Getl-ehtafiaalli
leiten lassen. Wenn hqd dem gegen Ober der Berr Verf. in ««iner «M
gegnnng'' ganx nnTermittelt mit einer gewUien SelbitgefUUf ktit «I
pere6nlicben Auafall auf die Philologen sich gOnnen tu in(lai«n gUilb^
werden die Philologen den Angriff tod dieser Seite mindeateni tfiil 4t
leihen Q-eJasscnheit ertragen wie die anderen Anfechtangen ans lettterXi
Mies i. B.
Adolf Hante&bIaL
Franz BücheUr.
In dem grollen Bonner Philologen; der am 3, Mai
71. LebenBJabre infolge einei Her£»chlageB ?erachitd, belran«!!
diJction einen an ig ex ti ebneten Mitarbeiter der Zeitichnft i^t
beaondere XV 578 — &9S Th. Gotnperi' Philodemi Epicurei De irQ
in einer inbaltf^reicben Antoige) sowie einen hervorragenden akadetniteMl
Lehrer und Gelehrten. Der Unterzeichnete bat die Abrasanng dje*«^! Jil '
mfea nicht nnr pflicbtgemftß ah Redaktion amitglied und als Lalk
sondern auch ana Pietlt gerne libernommen. da er daa GIQck baUip i
Altmeister selbst tu hören, fticb an eeinen Übungen im Seminar ni
Fritatiasininfn aktiv tu beteiligen , in seinem ga<itfreandlichen Eani« P
Ter kehren und bis xnletit in anregender EorreipoudenE mii ihm in ftcj
Frani Bflcbelers Leben verlief liemlieb geradlinig. Er wsfd« I
In Bheinberg am Niederrhein geboren» beaucbte die Gjmnaai«» n B
und CleTe^ studierte in Bonn Tomehinlich unter Hiteehl und Jahli H
1856 Lehrer am dortigen Gymnasinm nnd habilitierte tich 18^7 dudf
Schon 1858 wnrde er auGerordentUcber und 1862 ordentlicher PkIii
an der Universität Freiburg im Breiegan, kam im Kriepjmhr IM l
Greifiwald und wurde 1870 auf Antitag seines Studiengeno^sen und F^fH
H^ Usener nach Bonn berufen, wo er anfangs nicht obue Eampft i
aber als allgemein verehrter akademiec her Lehrer und bewunderivrPoiX
bis inletit wirkte.
4Seine literarischen Leiatnugen vermag und wage ich nieht m <
seinen abxn^chätzen. Es lat nach annötig, da er als der bttte EeooiT
Altlateins und der verwandten ttal liehen Dialekte aowie al« svifili
neter Philologe und Konjektnralkritiker Qberall, wo klaasiich« Phüok,
betrieben wird, anerkannt ist. Nach dem Ersehe inen seiner trcffUchi
Dissertation De Ti. Claudio C€^Bar0 fframmatico (Bonn 165$) h««
er sieh cosanunen mit Usener nnd fünf anderen Bitichls^btteni ^
anageber des Gran%u$ Licinianu§ (Tenboer 185Ö >, den der jQnger? P«l
aus dem Londoner codex ter geriptus tarn erstenmal^ aber 4b«fM
mangelhaft veröffenUicht batt«. Anf Bücbeler entfiel bei der
1
Iligl[til die Haapttrbtit der Teitg^ataltüng, wie er letbat leb-*
mio^f kuriflUf »her in halt arti eben Gedftcbtmirede auf H. Üieoir
i «Hit fi«berb&fter Hait, 'TtLg und Nacht Arbeiteten wir im
BD Nosftt Nofcmber» jeUt alidn, jetzt in gemeiDeameti Konffi^
[f flilltf StndeDteDbude . . ^ eriät den Text feitsteLNod^ Tür den ich
v«ratitiiortlicb bin, dann das ToUitindige Wortreptter, der
Wtrk^ inletit die einleitende Vorrede, welche üaener verfaßt bäl.
icj dieter Arbeit hatten wir uns gfegeoseitig reretehen, Tertragen
Umb gstoriit und wohl in Erinnertiiig daran scheute Uten er keine
^ killitfi Efttnpff cm micb ale eeinen Küllef^en nach Bnnti tu
t Der Erfolg der tiefgründiges schriftatelleri»cben Wirkaamkeit
kftfierordentlichen Lehrtätigkeit Büchelera b&itiitigte baid Useoera
insfiid« Die Konat philolof^ischer Kritik und Eiegete, die Bd-
ihon in der Aufgabe tod Frontina Schriftchen De aquis urbii
L«i^£tg 1858) md bei der Erkl&rang des PsrmgiHum Veneris
$Stikgt hatte, wurde dnrch seine meisterbafie Anagabe von Petrona
UNl den Frtapea (Weidmann 1862 , die kleinere in vierter Anf>
\} in noch taellerea Liebt lEfeitellt. Daa gleiche Lob gebflbrt leinen
I dei homerifchen Hjmntai auf Demeter (1869) nnd dea Eeiondaa
Mr litefariicben Überreste dea ijuintus Ciüero und den Nenau*
0 Jabna Permi^ luiynahg^ SuJplctae saiurae. In aeinen Carmina
epiüretphiea (die den IL Band der Äntkohtjia Lntina^ Lipaiae
1897 bilden) und im ^Reefat van Gortja"* idaa er zufiamüieu mit
iten Zitelmano 1885 herausgab) hat er weitere glänzende Miister
lcb#r Kritik nnd ErUuttrnng geboten. Die von leinein Lehrer
egonneoen grammatmcben ArbeiteOt die überall daa epigraphi^che
genau Ter werteten, forderte Bücheler auf dem Gebiet der Formen*
i ttlen Latetna, deeOikiacben und ümbriacben in herro fragender
Kb br&Qche in dieier Beiiebun^ nnr aof seinen bekannten „Urnnd-
iliifiitebeD DeklinatioQ'' la rerwtiisenf der (inent Ltipiig 1866
m) ton L. Haret ins Frantöfliacbe ftheraetzt und Ton J. Windekilde
i lieranigegeben wurde, dann auf aeioe Frogranimabbaadlangen
IguiriDiachen Tafein (Bonn 1876, 1878, 18S0), aein Lexicon Ita-
d fein« r^m&rica{18S3u die fQr dieaea btudiengehiet bahnbrechend
L aind. Dazu kommen^ beaondera seitdem er (1877) suefet mit
daDü mit Useuer das Rbeiniicbe Mnii^unr redigierte, eine ganze
tlobgiaeher Kabioeltsittäckchen. scharfsinnige Yermutangen, Leae-
|d4 gelthrc« Miszellen aus dem weiten Gebiete der Philologie,
n wenigen Worten sebwiertge eprachiiclie oder literarhia torische
»en ttnd ne^e Anrei^nngen oder Anfkl§rnngen, besondere aber
i fulg&rei Latein bieten. Kocb dai jUngate Üeft des ^Ehein^
• enthÄh wertToUo I^QMQfograpkica und Bemerkungen znm
\i fon Baulia.
tebelera inriiaenach&ftliche T&tigkeit besehrtinkt sich aber nicht
1 anch dttrcb ihre «Dergische Kürze nnd FrAgnani aaagezeichneten
Poblikationen: er hat auch *n den fielen tüchtigen Bonner
Ionen der ietiten Detennien hanpti^äehUcb über PUntui nnd
lebt nur die Anregung gegeben, aondern anch oft dat Beate ans
beigeiteuert; dazci itammeu u, a. die siGbersten Yermutungen
eil lettter Auflage der Fragmente der lateinischen Szeniker und
^rt kriliseher Ausgabe tod Cäsars Üfirgerkrieg von Bücbeler,
i ml eist bat er auch die lateiniacbe Leiikographie anfa wirk-
d'ftriitft. Sebon 1868 atand aein Anaeben auf dietein Gebiete so
I Halm auf der eraten Wiener FliiloIogenTereammlnng daran
alt EittehJs und Fleckeisens Hilfe und unter BQchelen Etdaktion
Munt« in AngriiT nehmen zu können. Als aber dann nach fielen
m damali noch unreife Gedumke durch Wötffltnfi Vorarbeiten,
)m in den kritiacben Äußg&ben des Wiener Corpus scriptoruTH
ieomm Latinorum, der Monumcftia Germ. hüL (auct. antiq*)
480 Franz Bttcheler.
und des Corpus macriptianum Latinarum sowie dnreh Hertt', HartelB
und MommsaDB Anregangen feste Formen gewann, da warde in die
engere Kommission außer den Vertretern der das unternehmen nater-
stfttsenden Alcademien anch Blieheler berafen; er hat xor ersten LiefeniDg
das Juianpe, gehaltyoUe Vorwort f erfaAt and seit Harteis Tod die 6e-
sehftftsfflnrang mit der größten Umsieht, Sachkenntnis and Hingabe Ter-
sehen. Sein letites fürsorgliches Bandschreiben Tom 1. Mai an die Mit-
glieder der interakademischen Kommission gelangte eres mehrere Tage
spftter an den Unterseiehneten als die Traaerkande selbst. Er hat seinen
jihen Tod so wenig yorhergesehen, daß er in demselben Briefe noch des
Termin der Herbstkonferens festsetste.
Noch Größeres and Nachhaltigeres hat BOeheler geleistet in seinem
Wirken als akademischer Lehrer, in seinen anregenden Vorlesangen, seineo
methodischen Obnngen im Seminar and in den Pnyatissima. Seine Ansichteo
entwickelte er anch mflndiicb stets mit Taciteischer KOne, aber lebhift
and temperamentf oll. Besonders wenn er Gegenansichten inrfickwies, geriet
er ins Feoer ond, als er einmal anf gewisse ephemere Einf&lle and arge Ober-
eilnngen B&hrens' sa sprechen kam, wurde er so erregt, daß seine Notiien
ins Aaditoriam flogen. Im Seminar, noch mehr in dem bloß fOr Vorgerflckte
berechneten Priyatissimam stellte er hebe Anforderangen, war aber, wo
er eifriges Bemflhen sah, sehr entgegenkommend ond hilfreich. Man ging
ans solchen Standen immer mit dem Gef&hle weg, fiel gelernt sa haben ood
Tielfach angeregt worden sa sein; denn Bflcheler yerstand es wie kaum ein
sweiter, die kleinsten fiinselfragon anter den Gesichtswinkel des Gänsen n
stellen, die Verlocknngen der Phantasie and Willkür strenge absaweisoa ond
die entscheidenden Momente sprachlicher and gedanklicher Art yOllig Usr-
sastellen. Man fühlte, welche geistige Arbeit and Energie er vor dieaen
and während dieser Standen aafgewendet haben maßte, am das jeweilige
forderliche Ergebnis sa ersielen. Diese lehrreichen Standen seigten dssBüa
des ToUkommenen Kritikers, der nicht nnr über die philologische Technik
sondern anch über die lateinische and griechische Sprache sonyerftn gebot.
Dabei berührte die yoniehme Bescheidenheit des Gelehrten aaf das an-
genehmste. Er, der anerkannte philologische Führer, erklärte bei der Feier
seines goldenen DoktoijabiUams im Jahre 1906» als ihm Schüler, Freonde
and Verehrer eine Bronsebüste neben die des yor ihm im gleichen Lebens-
alter and ebenso sanft entschli^enen üsener stifteten, daß seine Lebeni-
leistang windg gewesen, aber kein Heiliger so klein sei, der nicht setae
eigene Kerse haben müise. Doch hob er sogleich mit BcNcht heryor, dsfi
sein ganzes Streben, sein großer Ehrgeis es gewesen sei, ein akademtecher
Lehrer sa sein, wie sich's gehört, wohl bewußt, mit Stols bewoßt, dsA
der März die Blomen mache, für die wir dem Mai za danken pflegten.
Das Verdienst an etwaigen Erfolgen gebühre seinem yortrefflichen Lehrer
Bitschi and seinem Frennde Usener, so dem er sich nar als Gegenstück,
wie der Schatten eret das Licht markiere, betrachtet wissen wolle, ond
dankend wies er aach auf die aaswArtigen Kollegen and Freande hin,
die (wie der nnyergeßliche y. Hartel) ihre Schüler nach Bonn gesandt
bitten, weil sie Vertranen gehabt sa seiner Lehrtätigkeit Durch diese
schlichte Bescheidenheit gewinnt das Bild des großen Mannes einen
schonen, lichten Zag mehr.
Das Verloschen einer solchen Lenchte trifft die Philologie gerade
jetzt sehr schwer, da sie durch andere Wissenszweige yerdunkelt wird.
Hoffen wir aber mit Bücheier, daß dies nnr yorüberiiehende Schatten sind
(Lichtpunkte sind n. a. das Aofblühen der klassischen Archäologie und
der ungeahnte Zuwachs an neuen kostbaren Texten), und wünschen wir,
daß nicht nnr über der Bonner Hocbschnle, dem bisher sicheren Vorwerk
der klaesischen Altertnmsforschang, der Geist der beiden Dioskurea,
Bflchelers und Useners, yorbildlich and schirmend schweben mOge.
Wien. Dr. Edmund Hanler.
Erste Abteilung.
Abhandlungen.
Neue Wege des Sprachunterrichta^}.
Bei der letzten MittelschnleDqadte, zumal bei den rieleQ vor-
bereiteDden Beden, ist der Sprachunterricht an Mittelschulen recht
sdileeht wefj^gekommeo , wohl am schlechtesten unter allen Diszi-
plinen. Diese Bewegung erreichte am 8. Dezember 1907 ihren
Hdbepnnkt in dem Vortrage Wilhelm Ostwalds, in dem er Sprach-
wissenschaft, Sprachonterricht und Sprache unerbittlich und, wie
OSO wohl hinzufügen darf, in ungerechtfertigter Weise herabsetzte,
js TsrbOhnte. Er hatte leichtes Spiel, die Menge der Unzufrie-
denen, der ürteilslosen und Schadenfrohen um sich zu scharen.
Trotz der augenftlligen BM0en, die sich Ostwald in sprachlichen
Diogen gibt» trotz glänzender Entgegnungen ron M&nnem tob
Bof, erscheint der Philologe noch heute in seinem Ansehen auf dav
fimpflndlicbste geschädigt.
Da müssen wir uns wohl fragen: Haben diese Gegner recht?
Sind es berechtigte Klagen, die sie gegen den Betrieb des Sprach -
QBterriehts erheben? Und wenn dies der Fall ist, wie ist den Übel-
ttand« abzuhelfen? Es geht nicht an, daß man alle Schuld auf die
Professoren abwä^lzt oder gar aus dem unzulänglichen Erfolg Febl-
•chlüsse auf das Bildungsniyeau des Lehrstandes zieht. Nein, das
Obel steckt riel tiefer, es steckt im tiefsten Kern des Unterricbts-
betriebes selbst.
Vor allem tut Klärung not, genaues Abwägen von Ziel und
Mittel, damit es fflrder nicht möglich sei, Ziele zu stecken, ohne
dsfi für die anzuwendenden Mittel Vorsorge getroffen wurde, oder
Mittel einzustellen, die nun und nimmer zum gewünschten Ziele
ffthren. Leben tut not! Dr. Vrba hat in einem lichtTollen Vor-
tngfe eine Übersicht der Mittel gegeben, die geeignet sind, dem
0 Vortrag, gehalten im Vereine Kealschnle am 15. Februai IlX)8h
ZätKhrift f. d. taten. Gymn. 1908. YI. Haft. 81
4S2 Nene Wege del Sprachnnterrichto. Von L. Wypld,
Strachnnterricht Leben zuzuführen. Ich greife heute beeonden
diejenigen heranSf die auf Handlung und Erlebnie beruhen.
Ich will aber diesen Oegenitand nicht ala Beiweit, ich will
ihn als Hauptsache und so behandeln, daß ich die ErruDgen-
sehaften der modemeu Sprachforschung auf ihn anwende. Dabei
schlage ich folgenden Weg Tor. Erst behandle ich die Sprache,
insbesondere den Satz. Dann gehe ich zu der Anwendung der sieh
ergebenden Erkenntnisse über, streife den Unterricht in der Muttor-
sprache, verweile beim Unterricht aus den Fremdsprachen. Da
werden sich vor allem zwei Fragen ergeben: Wie ist der Unter-
richt aus den Fremdsprachen beschaffen? Wie sollte er in Eiick-
sieht auf die gesteckten Ziele beschaffen sein?
Der erste Gegenstand meiner Betrachtung ist also die Sprache
und innerhalb der Sprache das Element, aus dem sich die zusam-
menhangende Bede aufbaut: der Satz. „Denn die erste eigeo-
lebige Einheit derSprache ist nicht das Wort, sondern
der Satz**^).
Ich wende mich zunächst dem Sorgenkind der Oranunatiker
und Philologen zu: dem eingliedrigen Satz. Wilhelm Wandt
in seiner Völkerpsychologie (I 2) macht wenig Federlesens mit ihm.
Er schaltet ihn einfach als Satzfragment oder Satz&qaiTalent —
übrigens eine glücklich gepr>e Bezeichnung — aus der Betraeh-
tang des Satzes aus. Ich glaube, die Sache l&ßt sich weniger
gewaltsam schlichten.
Wundts Gedankengang ist etwa folgender : Als Beispiele für
eingliedrige Sätze gibt er: 'EiP, *Karll\ 'Feuer!*, 'Diebef Nun
sei, meint er, ein Satz wie ''Karl T vieldeutig. Er könne bedentes:
'Karl, komm herf oder *Earl, nimm dich in acht!' oder
Ähnliches. Ist dem wirklich so? Ich glaube nicht.
Alle diese Beispiele — das übersieht Wundt — gehören der
Umgangssprache an und als Äußerungen der Umgangssprache
kommen ihnen Ton und begleitende Oebarde zu. *Earir
kurz und laut mit dem entsprechenden Wink ist nicht mehr zwei-
deutig: es bedeutet 'Karl, komm her!'. Desgleichen *£arlf
drohend, etwa mit erhobenem Finger, bedeutet: 'Karl, tu dai
nicht!' Und denken wir uns endlich ''Karl!' gesprochen —
seelenToU — sagen wir von einem weiblichen Wesen, das sich
seit Jahr und Tag nach diesem Karl gesehnt hat, dann bedeutet
es: 'Karl! Geliebter! bist Du es wirklich?'
Daß Wundt die Scheidung zwischen gesprochener und ge-
schriebener Sprache übersieht oder für anwesentlich hält, gebt soi
einer Stelle seines Baches deutlich hervor: „Wenn laßeruBgen
wie 'Eil' oder 'Karl!* als Satze interpretiert werden, so geschieht
*) Von der Gabeleni, Die Sprach wiesenschalt (Vgl. aadi K. Sflt-
terlin, Das Wesen der sprachlichen Gebilde. Kritische Bemerknogen n
Wandte Sprachpsychologie. Heidelberg, Winter 1902.)
Nem Wege des Sprachunterrichts. Yen Z. Wyplel. 483
dies in Wahrheit nicht deshalb , weil sie als ein abgeschlossenes
Otnzes erscheinen, sondern weil man sieh für berechtigt hftlt, zn
iboen das hinzaznfUgen , was der Redende dabei gedacht haben
kino, aber nicht ansgesprochen hat, z. B. bei dem Ansrnf ^^Earl'
etwa 'Karlf komm hieher^ oder 'Karl, nimm dich in acht* oder
Ibnliehes. Ist ein solcher Nebengedanke nicht rorhanden , dnrch
den dts gesprochene Wort stillschweigend zn einem Satze ergftnzt
wird, hat z. B. jemand anf einer Tafel das Wort "EarT gelesen,
ohne sich irgend etwas weiteres hinzuzudenken, so ist nicht ein-'
zniehen, wamm man sich nicht damit begnügen sollte, ein so ge-
lesenes Wort eben ein Wort zu nennen, ihm aber den Charakter
eines Satzes abzusprechen — .^ Oewiß, in der geschriebenen Sprache,
ins dem Zusammenhange gerissen — ohne Ton und Gebftrde —
schrumpft der Satz 'Earll' zu einem toten Wort zusammen. Diese
Scheidung ist aber so wesentlich, sie trifft 60 sehr den Kern der
Sache, daß ich auf sie nfther eingehen muß.
Bin Teil der Umgangssprache — ich möchte ihn die Um-*
gangssprache im eigentlichen Sinne nennen — knüpft unmittelbar
an das Oegenwftrtige, an das Hier und Jetzt an, sie hat das
tatsächliche Vorhandensein einer greifbaren Umgebung zur Voraus-
•etzung. Geffihlsreaktionen und Willensäußerungen sind ihre Lieb-'
liogskundgebungen. Doch der Mensch lebt nicht nur in der Oegen-
wart; er erinnert sich auch des Erlebten. Er hat das Bedürfnis,
aber Dinge zu sprechen, die nicht gegenwärtig sind, mitzuteilen,
was er erlebt hat. Diese Aufgabe fällt einem anderen Teile der
Ungangsspraehe zu, ich möchte sie die nachschaffende Sprache
nennen, denn hier wird die Sprache wahrhaft zur Schöpferin. Sie
schafft dai Nichtgegenwärtige nach, um es in unserer Phantasie
wiedererstehen zu lassen.
Es gehört zu den größten Triumphen des menschlichen
Geistes, daß er diese Aufgabe gelöst hat, daß er tatsächlich im-
stande ist, Tors Auge zu führen, was längst vergangen und yer-
geisen ist. Wir erleben dieses Wunder oft schon bei der schlichten
Erzählung eines einfachen Mannes, wir erleben es am vollkommensten,
wenn der Mund des Dichters zu uns spricht. Welche Kräfte müssen
in der Sprache aufgespeichert liegen, damit sie diese Arbeit leisten
kann. Es müßte sich lohnen, ihnen nachzuspüren. Aus dieser nach-
schaffenden Sprache Tornehmlich hat sich die geschriebene, die
Bucbspraehe entwickelt. Sie ist es, die für den SchuloDterricbt vor-
wiegend in Betracht kommt. Innerhalb der Buchsprache können
wir uns den Unterschied zwischen diesen beiden Sprachacbicbten
am deutlichsten veranschaulichen durch Boman und Bidtorie einer«
seits, durch Drama anderseits.
Im Boman und in der Geschichte herrscht Erzäblang nnd
Beschreibung vor; im Drama ist Beschreibung und Erzählung aat
die Bflhnenweisnngen beschränkt. Sie treten bei der kuüf^'
Ala Dekoration und Handlung vor das leibliche Auge de& Zuscf
81*
r
, ^
iU lIcR« We^f de% Spmk9^Afiricktt. VfB JL FsvW.
g^pjF9«beQ« Wort ebaiiso nttfrliifh «»koäpfoo kyia wi« im wirk-
Ii4sb40 Ltben. Ea wAre aU« aabr badankli^» mia 4iaa Iiaie« baattadi^
fbrd^, 4ia Spraeha nur diircb Spiaeban iabra« zu noUa«.
Ea ist ein Zu9 daif iqodafnea gprackforaobing» Aia gaapfochana
SpiraAbe ia dan Eiaii ibrer 9atiaiobteng an aiaben« Qiea aaigt aiek
aiAop in dar Dafinitton daa Sa^taa» Majar-Lftbk« da&Diart dai SaU
9)ß< »ai9 Wait odar aii^Griippf Ton WOrlara» dia in dar gaapro«
c^ianaA Spraoba ala QaP^^aa aiaabaioan, dia aicb ala aiaa Mit-
iailimg aipaa Spraobaadao ap ainan andara daralaUaD\
Ham. Panl: ala „daa Symbal. daftr, da0 aiek dia Yarbi^doBg
ipabrarar Yarat^allaiigaa ^m VaratoUaiigagFi^paQ m dar 8Mla d«t
äpracbaadan TQUzog^Pi bat, nad daa Mittal daaq, dia ntalioht
YarbiDdang d^r aaialiabaa YarataUaiigaD ia dar Saala daa H6rai*
dsan %n araaQgan''. Am aebOnataq ▼. d^aabalaat«: »lab kann ^m
Spracba , das beißt a^a^oa % iob varataha aia » wano ich aia htra
odar laaa, ^ xm/i awaitaqa: iob. waqda aia riabtig an» wain ich
ia üiv ra4l odar Hbraiba"*. Kr aabaide^ gaoa« awisaban dana Stand*
pqjlkta daa Bedaada« aad dam Staadpiiakta daa Hfiraadao, fordert
dia atrikta Wabraag diaaar Cfaaiabtapajikta aad waiat lor ihrer Yac-
napbl&aaigang^ „Kein Waadar daram -^ aagt ar -* daA faat aUa
lu^ybaadanan Grammatikaa awiaabaa dea beidaa Gaaiohtapaaktaa eiaa
aattaama ZwittarataUaqg ainaabman, FolgavidrigkeikaD aller Art er*
klAraa aicb darana.^
lob. k<M9Bia aa^mabr aim iwaigliadvigeq Sata: Zam Haapt*
tail mainer Betraobtaag. Der Teil dar YMkerpayobologia WaadU,
ißf ?om Satae baadatb iat ein Haiatarataek dar Dialektik. Waadt
gabt ao ^OF. Sv isy^t die DeQpitioaea daa Sataea» dia foa Phikn
logea aufgestellt worden aisd, Beyne pasaieraa. Br achaidat dabei
dia Definitionen der altea ärammatikar -r* daza . z&blt ar nnter
afidiBrea Fraaa Kam, deaaaa Biafiaß aaf den Spracbaatarriabt ea-
Tarb&agBiafoU gewordea iet — , dia DafinitioBan im Siana der
9#gatiTaa Syntai (Schale Mikloaiob), aadüob dia Dtfnition naeh
daa baglaitaadea Yoratellnngan (He^m. Paal)« daa w&ra vom pajalia-
logiacben Staadpankt; dieaa Bezaicbnaag aber behalt Wandt liob
aal bar vor. Er bek&mpft alle diaae Defiaitioaan, wie gaaagt, mit
glftosiender Dialektik, faßt dann allaa» waa aia Gamainaamea habae«
aqaamoMB aad bringt scbliaßlicb eeina aigaaa Definition. Da« fibr-
gabaia iit, wie zu erwarten ataqd, daß Wandt aar aeina Defioi-
tioa gelten l&(^t.
Wandt eagt (a. 0. S. 284): „So weit nach die DefiaitioonD
aaseiaandargebea mögen, in denen Grammatiker, Logiker oo<i
Psychologen die allgemeinen Eigenschaften dea Satzea feataaetelleo
bawnbt waren, so gibt es doch einen Pankt, in dem sie äbertto-
atimmen. Diea iat die Yoraaseetzang , daß dar Satz irgend eiee
Art von Yerb indang eei, die darqh eine Snacaaaion von WOftero
oder von Yoratellangen zaatajada komme. Gerada diaea gemaia-
bMtimmnDgeD kann ni^i aber einer genanen Prtfaflj^ taieht atattd-
baltiBv. . VIeliiiebr iat der 8ätt die Ketlegun^ «iUea im
Btwttfltaeiii yorbabdeneta Ganzen In aeikie Teile.* Cnd
tpitir: ^tn erster Linie ist die Satzblldiing ein anAl^tieeher
Torgang, dettn daa Qante des Satzee stebl zanftebet in allen eitt-
lelnen Teilen « wenn aiieb neob relatf t donkel bewnfit , als eine
^iMamtfonlellnng iror ttni, und diefte OesattUorBtelltn^ gliedert
lieh in ibre Teile« indem einer dieser Teile nacb dem andern ftpper-
lipiert wird.* Endlicb definiert Wnttdt den Satz als „den spracb-
liehen Ansdrnek fdr die willkflrliobe Qliedemng einer Oesamtror-
steUeng in ihre in logtsehe Beziehung^ tn einander gesetzten Be-
etandtoile**.
Wandt hat In der Darstellung dieser psychologischen Vot-
glBge fraglos recht» Wie aber steht es um die Definition der
Philologen? Da begibt Sieh nnn das Herkwdrdige, daß die Philo-
logen mit ihrer Art zn definieren nicht minder recht haben. tCh
will versuchen darznlegen, wie dies zn terstehen ist. Wie Sie sich
erinnern, scheidet Wnndt nicht sanber genug zwischen geschrie-
bener nnd gesprochener Sprache. Infolgedessen fibersieht er jetzt,
d*0 zwei psychelogische Vorginge zn beobachten sind, einer yoiti
Standpunkte des Bedenden, ein anderer vom Standpnhkte des
Hörenden. Die Wnndtsche Darstellnng nnn schildert die Vofgftbge
in der Seele des Bedenden oder Sehreibenden. Seine Definition ist
tom Standpunkte des Bedenden aae gefaßt.
Die Definition der Philologen hingegen faßt die psycho-
logieeben Vorgänge ins Auge, die sich in det Seele des Hörenden,
Lesenden TÖllziehen. Urteilen Sie selbst: begeben ist hier der ge-
prägte Satz, d. i. die Worte, ans denen er besteht, demnach die
den Worten entsprechenden Vorstellungen. Diese TeiWorstellüngen,
miteinander in Verbindung gebracht, ergeben die Oesamt-
▼eretellQlig. Diese endlich erschließt den Vorgang der Wirk-
Uehkeit. - Dieselben Wege, hur die Bichtnng verschieden. Det
Badende schreitet ton der Wirklichkeit zum sprachlichen Ausdruck
tor, der HOrende vom sprachlichen Ausdruck zur Wirklichkeit.
Bs iat also Tatsache, daß Wir seit Jahrzehnten, seit Jabr-
httttderlsB — denn diese Auffassung geht bis auf den alten Dio-
oysiua Thraz zurück ^^ in der Philologie mit einer Definition vom
Standpunkte des Hörenden, Lesenden arbeiten, ohne auch nttt die
Definition vom Standpunkte des Bedebd^n aufgestellt zu haben.
tob üble die Erkenntnis Wundts zu den wichtigstefi
Fund Ott, die auf dem Gebiete det Sprachforschung gemacht
werdeft aiad; sie ist elfte Erkentatnis, die berufen ist, auf deih
Oebitl# iei Bprathunterriebts bahnbfechend zu wirken. Kur hat
Wundl •**• iTenn uuch wir eiu wenig maliziOs werden wollet —
selbst nicht ganz die Tragweite seines Fundes erkannt, er fibersab,
daß er die Satzdtfinition vom Stabdpunkte des Bedond^n ge-
486 Nene Wege des Spraebnnterrichta. Von L. Wypld.
fanden hat, sonet hätte er die philolog^ische Schwesterdefinitioo
nicht Terwerfen können.
Die Wnndtsohft Art, die Sprache zn definieren, fdhri rar
genetischen Betrachtung der sprachlichen Vorginge. Wir
können nnnmehr sozusagen anf ezperimentalem Wege den sprach-
lichen Ausdruck aus der Wirklichkeit erzeugen. Hiemit Ist die Philo-
logie zur Experimentalwissenschaft geworden.
Wenden wir uns diesen Problemen zn. Die Oebnrtsst&tte der
Sprache liegt in dem, was die Psychologie Apperzeption, bezie-
hungsweise fundamentale Apperzeption nennt. Vornehmlich das
Wahrnehmungsurteil dient zur Erschließung der Wirklichkeit
Sprachschöpferisch war und ist derjenige, der durch eine funds-
mentale Apperzeption eine GesarntTorstellung gliedert und für die
Teilrorstellungen die sprachlichen Ausdrücke findet. „Er über-
setzt gleichsam die Sprache des Universums ins Menschliche'.
Der Vorgang der Wirklichkeit ist „gedeutet, aufgefaßt und geistig
erobert" »).
Nehmen wir das Beispiel, das Delbrück in den MGrundCrageo
der Sprachforschung'' anführt: „Das Fällen eines Baumes durch
einen Mann." Wer wahrnimmt, daß sich die angedeutete Verände-
rung in der Außenwelt vollzieht, kann sagen: „Der Baum fällt*'.
Wer außerdem erkennt, daß der Mann der Urheber dieser Ver-
änderung ist, kann denselben Vorgang in die Worte kleiden: „Der
Mann fällt den Baum". Beide haben den Vorgang erschlossen.
Der zweite Beobachter ist in der Erkenntnis erheblich weiter ge-
kommen.
Wie ist nun der anf diesem Wege gefundene sprachliche
Ausdruck beschaffen? Besteht er aus willkürlichen Zeichen, wie
z. B. Ostwald behauptet, oder hat er vielmehr eine Beziehung zu
dem Torgange der Wirklichkeit? Er steht nicht nur im innigen, er
steht im innigsten Zusammenhang mit der Gesamtvorstellung jeoee
Vorganges. Man wird vielleicht in der Namengebung schwanken,
ob man den sprachlichen Ausdruck ein Sprachbild oder eine Dar-
stellung des Vorganges in der Wirklichkeit nennen soll. Man kaon
ihn auch als Zeichensystem auffassen, als ein Zeichensystem aber,
das 80 beschaffen ist, daß man jederzeit wieder aus diesen Zeichen
den Vorgang der Wirklichkeit zurück erschließen kann; depn dai
steht doch zu vermuten: was aus der Wirklichkeit erschleseeo
wurde, muß naturgemäß der Schlüssel zur Wirklichkeit sein. —
Bleiben wir bei den Beispielen: „Der Baum fäUf" — „DerMano
fällt den Baum". Jedem konkreten Substantiv entspricht eine Person,
ein Lebewesen. Darauf gehe ich hier nicht ein; es ist selbetver-
ständlich. Es bleibt in beiden Fällen nur das Verbum, der »Zb-
standsbegriff" auszudeuten. In beiden Fällen geht er auf dieselbe
Veränderung in der Wirklichkeit zurück, die eben zur Satzbildsog
') Jerusalem, Lehrbuch der Psychologie. S. 108.
Nene Wege des Spraehmiterriobts. Von L. WypUL 487
Anlaß gab. In beiden FAllen wnrde diese Ter&ndemng an dem
Baome wahrgenommen*
Im ersten Satze steht das Intransiti?nm Mfallen**, MBanm**
alsNom. (Snbjekt); dadnrcb legt die Sprache genan fest, dafi sie
die wahrgenommene Verindemng einfach mit dem Banme als Träger
dieser Verindemng ?erbnnden wissen will. Im zweiten Falle er-
seheiot die wahrgenommene Verftndemng in der ?erbalen Vorstellung
„allen** gepr>y d. i. ^zn Falle bringen^. Die faktiti?e Form des
Verbs sagt mir« daA der Mann als Urheber der Ver&ndemng gesetzt
ist. Die Ver&ndemng nehme ich hier am leidenden Objekt wahr»
d. b. der Banm hat jetzt die Verftndemng sozusagen gegen seinen
Willen erlitten. Was also besagt das Verbnm (wir könnten hinzn-
fügeo, das A^ektiy, das relati?e Snbstanti?)? Es ist der Ansdrack
fär die Verftndemng in der .Wirklichkeit, sowie Banm nnd Mann
derAnsdmck f&r die an dieser Verftndemng beteiligten Personen
und Sachen sind. Ein nnd dieselbe Verftndemng kann nnn auf die
Yerschiedensten Arten erschlossen werden; nicht nur am Objekt,
ebensogut an dem Urheber oder durch irgend ein charakteristisches
Beiwerk, z. B. das Werkzeug.
Ich kann den obigen Vorgang auch durch die Sfttze er-
Bchliefien: „Der Mann baut den Baum um^ (Betfttigung des
Subjekts), ,,Der Mann hackt oder sftgt den Banm um*' (Werkzeug:
Hacke, Sftge).
Besonders klar ist die Erschließung durch das Adjekti7. Hier
wird geradezu die beabsichtigte oder erfolgte Verftndemng, d. i. die
erteilte oder erworbene Eigenschaft als Eigenschaftswort heraus-
gestellt, z. B. „Ich weiße die Wand**. „Die Wand wird weiß**.
Im ersten Satz bindet sich das Element „weiß" mit dem
Objekt, im zweiten mit dem Subjekt. Ähnlich im Französischen:
Je rougis Ufer — Ltfer rougit. Je dureis lepoi — Le pat durcU,
und so in allen Sprachen.
Wir bringen uns ferner zum Bewußtsein : Jeder einzelne Vor-
gang kann Ton jedem einzelnen Eonkretum aus erschlossen werden,
das an dem Vorgang beteiligt ist. Im Beispiel „Der Mann f&llt
den Baum": Tom Mann aas, ?om Banm aus. Die Grammatik
bebt dies heraus : als Akti?um und Pa8si?um. „Der Mann f&llt den
Baum" — „Der Baum wird gefftllt". .,Dör Baum fällt" nnd „Der
Baum wird gefftllt" sind Begriffs&qaivaleDte; „D«r Bamm fällt"
eine Ersatzform des Passi?s, weil in beiden Fältett derselbe Vor^
gang ?om nftmlichen Konkretum ans erBchlossen wardt. Wir
werden also in Zukunft Sfttze wie: Jth leide", „ich bekomm^
Prtgel" nicht mehr als akti? analj^taren mäseeji.
Noch besser erkennen wir die Beweglichkeit der Sprac
wenn drei Konkreta ins Gesichtefeld treteD. Beispiel: Wi
Kranker — Decke. Wahrgenommene Vf^räDderang : ^
aufgedeckt, jetzt ist er zugedeckt Ürboberin die
sind zwei Beziebungsmöglichkeiteo. W&rterio : Er«]
\
4M NeiM Wege Am Spr«ebiiiit«nf ehto. Yen L. Wypid.
D^eke. Dm «rsto «rgibi dm Satz: Die Wirterü M«ekl im !
KraDken mit der Decke (der Vorgang ist ala ▼er&ndeniiif
gefaAt); die «weite: Die W&rterio legt die Decke aof den Erankra
(hier iflt er ale ZueemmeBsetzaBg anfgefafii). AttAerdem sind
Betftrlieh EnehließuBgen desselbeB VorgaBgeft vob jedem KmikietQm
aus mdglieb, also secb : Der Kranke iet ngedeckt*' (Verladerimg).
^Der Kranke liegt unter der Decke** (Zneammeneetzing). EBdlich
^Die Decke bedeckt den Kranken*". ^Die Decke liegt anf dem
Kranken** new. Und noch eins. Wir beben an der eachliehen Bt-
tracbtnng ein Mittel, inbaltliehe Differenziernngen genauest featzu-
etellen. Idi erinnere an die Formen „fUlt", JMt'* in dem obigeo
Satzpaar. Sie sind fonngleicb und bedeutungsTerscbieden; ^li*
«nd wbnngt zu Falle**^ Und das ist kein Zufall, da Ja anerkanntsr-
maßen die Satzbildung tflts&cblich begriifsbildend wird. Man Tsr*
gieicbe Delbrücks Grundfragen: „Eine Oesamtrorstellung, welelie
einer beziebenden Analjse unterworfen wird, . . . beißt ein Gedanke,
die Gliederung eines Gedankens in seine Bestandteile nennt man
ein Urteil, das Produkt einer solcben Gliederung einen Begriff*.
Wertvolle Einsiebten! Docb das Wert?ollste und Wichtigite
bleibt: Wir beben der Spraehbetracbtung und dem Spracbunter-
riebt die Wirklichkeit zurflckerobert. Es bedeutet Klarheit,
Sicberbeit, es bedeutet Können. Hier liegt der Weg zv
Spracbbeberrscbung, denn wer Sprache machen kann, der
ist gewiß Herr der Sprache.
Das Auftauchen der Wirklichkeit in dem Bereich der Sprach-
betrachtung» namentlich des Sprachunterrichts, legt uns aber auch
Pflichten auf, fordert die Lösung ernster, wichtiger Aufgaben, Vor-
arbeiten für die gedeihliche Führung des Sprachunterrichts: die
Erforschung des gesamten Bereiches jener Vorg&nge, die sprach-
schöpferisch gewirkt haben, femer die Erschließung und Einord-
nung dieser Vorg&nge. Doch brauchen wir nicht zu fürchten, daß
sich diese Aufgaben zu kompliziert gestalten werden. Im Gegen-
teil, sie föhren zu überraschend einfachen Ergebnissen. Die sich
ergebenden Satztypen lassen sich an den Fingern herzAblen; ja,
wenn man in der Abstraktion vorschreitet, gelangt man zu bloß
zwei letzten Gmnds&tzen : dem der Ver&nderung und dem der Za-
sammensetzung, beziehungsweise Trennung. Prinzipien, die Sie
bereits aus den obigen Beispielen kennen und die in den Sprachen
in Doppelerschließungen zum Ausdruck kommen, wie : Je U etmrt
du manUau — Je tmU le tnatUeau sur Ud.
Diese Beziehungen zur Wirklichkeit endlich werfen nicht osr
ein unsch&tzbares Licht auf den Spracbinbalt selbst, sondeni aoeh
auf die Sprach form, auf jene Spracherscheinungen, die dveh
die Grammatik, besonders die Syntax, denkökonomisch in Gesetie
gefaßt werden. Ich habe schon oben hiefür eine Probe gegebes,
als ich auf die Brsatzformen des Passifs zu sprechen kam.
Mmw Weg4 dM SffMhiiBtonrtelite. y<m £. Wt^pM. 48*
Jt, M Mki IQ Iraffen, daft wir in abs^btrtr Zeit «rhalteil
wirdM, WM mH luig«ai 4i« Behmnoht d«r fittthendea ist : Aufbau
hr Orammatik au dam Woitadiate. Das wird die OramiDatik das
B#deBdeB aaüil Diaa Ziel kann aar darob Harao^iabang: dar
Wirkllahkail erreicbt werden.
An dar Wirkliehkalt wird die Spraofae nea aratarkan, wird die
Phrase, das Papierdentscb in ihr Nidhta KaBammenaabminpfan. Dae
lind die Baal iea, die wir yor allem anzaetreben babea.
Und 80 atinden wir dean Tor dam Hanptteil nnaerer BrOrte-»
raa^: der Anwendani^ dar nenen Anetehten aaf den ünterriobt,
tonlcbst aaf den Dnterriebt ans der Matterapraebe. leb mnft mieb
hier aaf Andeatnngen beechrinken.
Aaf Ansebannng dringen alle Unterricbtacweige. Der Zeicben*-
anterricbt bat sieb die Natnr anrückerobert ; die Natarwissen*
lehaften, die daretaliende Geometrie sind Ton der Wirklicbkeit an-
treanbar. Anf Anaebanong mnft aneb der Unterriebt in der Mntler*
ipredie begründet werden. Doeb nicht anf Anacbantang sebleebt'^
weg, aaf experimentaie Eracbließnng des spraoblieben Anedmcks
ao8 der Wirklicbkeit. Dabei können Abbildangen gate Dienste
tan. Sie Termitteln das Nebeneinander, das Babende, eie führen
tar Bescbreibnng.
Hier rnftssen aber aneb ^^o^ii^'B^iIi^n^ eintreten, die ans
der angedeuteten Handlang, ans dem charakteristischen Angenblick,
deo der bildende Kftnstler beraasgegriffen bat, das Nacheinander
in der Zeit entwickeln. Dies ist der Weg tar Ert&hlnng (Tgl.
Lssflings Laokoon).
Dieae Erscbließnng der Wirklichkeit dnrch den sprachlichen
Aasdrack ist eine Denkflbnng sondergleichen. ^Fertig übemom*»
mens Urteile werden leicht an einem toten Wortwissen, wenn
wir keine Gelegenheit haben, die Giltigkeit dieser Urteile in nnserer
Erfahrang selbst an erleben. Ee gehört zn den wich-
tigsten Aafgaben des Unterrichtes» dnrch ein wohldnrch-
dtcbtes, abgekürztes Yerfabren den Schaler diejenigen Erfahmngen
Dseben zn lassen, ans welchen sich jene bereits l&ngst ge^
bildeten Urteile als leicht ersichtliche Folgemngen ergeben ** ^).
Die sachliche Sprachbetrachtang führt geradewegs znr Sti-
listik, zn einer Stilistik, die nicht nnr die untersten Schnörkel
QSd den feinsten Zierat im Ange hat, nein, die den Kern, die
Seele der Sache trifft, die bernfen ist, einen gesunden Betrieb der
Anfsatzübnngen anzubahnen.
Aaf dem Gebiete der Grammatik hat sie geradezu ein Er-
löserwerk zu foUbringen. Sie wird uns tou der Mechanisierung
der Analyse befreien. Sagen wir, ein Kind habe Schwierigkeiten
bei der Analjse eines ganz einfachen Satzes, wie „Der Herr gibt
dem Bettler ein Geldstück''. Er kann, sagen wir, das Dati?-
') Jerasalem, Lebrbach der Psjcbologie S. 119.
490 Nene Weg« dee Spraebmiterridito. Von L. WypM,
Objekt Dicht boatimmon« Wir ersehließen den Vorging tod niT^ben"
ans und erhalten die Voratellnngen: Geber, Oabe, Empfftnger
(Subjekt, AkknaatiTobjekt, Datiyobjekt). Wir fragen : „Wer ist der
Empf&nger? Wer kriegt etwaa?** Ich glaube nioht, daft ein Kind
die Antwort aehnldig bleiben wird. Freilich maß man aich auf den
Standpunkt dea Kindea atellen« um die Bedeutung einer aolchen
Hilfe voll würdigen zu können.
Der Hauptdienat» den una die Wirklichkeit leiaten kann, ist
noch zu erw&hnen. Sie iat der einzige, untrügliche Mafia t ab , an
dem wir jederzeit Ungenanigkeiten und »Erfimmen* der Sprache,
wenn aich aolche ergeben aoUten, richtig atellen können. Jeden-
falle ist diea der Weg, jene „klare Begriffabildung* herbeiznführen,
▼on der Oatwald in aeinem Artikel Tom 5. J&nner 1908 (Neue
Freie Prease) nur sehr andeutungaweiae apricht. Es acheint mir
aber von eminenter Bedeutung , daß sich diese Ei&rung Ton der
Muttersprache aua, an der Mutteraprache aelbet auf dem natOr-
licbaten Weg : durch die Anachauung der Wirklichkeit yollzieht
Dann wird man getroat an die Erlernung ?on Fremdapraohen
gehen können, an jene Operation, die Oatwald in die bitteren Worte
kleidet : „Den krummen Maßatab der Muttersprache dadurch rektifi-
zieren zu wollen, daß man einen anderen krummen Maßatab, den
einer fremden Sprache, unter uns&glichen Mflben daranh&lf*. Auch
hier werden sich die Probleme yertiefen. Wir werden nicht allein
die formelle Seite zum Vergleiche heranziehen, wir werden riel-
mehr feststellen können, wie Terschiedene Völker gleiche Vorginge
der Wirklichkeit nach ihrer Art erschließen.
Und nun zum Unterrichte in den Fremdsprachen! Welche
Kl&rung haben wir hier ron den gewonnenen Erkenntnisaeo zu
hoffen? Welch neues Licht werfen sie Insbesondere auf Ziele und
anzuwendende Mittel?
Sie erinnern sich, wir haben zwei Standpunkte streng ge-
schieden, den Standpunkt des Hörenden oder Lesenden, den Stand-
punkt des Bedenden oder Schreibenden. Diesen Gesichtspunkten
entsprechen selbstredend zwei Ziele: 1. Das Deuten, beziehnnga-
weise Verstehen der Sprache (beim Hören, beim Lesen); 2. An-
wendung der Fremdsprache, d. i. Sprachbeherrschung (beim Sprechen,
beim Schreiben, also beim Aufsatz).
Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Ziel nur erreicht
werden kann durch Übungen, die in sein Gebiet fallen, daß man
z. B. Sprachfertigkeit nur fördern kann durch Übungen vom Stand-
punkt des Bedenden, und umgekehrt. Wie stellen sieh nun die
Übungen, die in Schulen betrieben werden, zu diesen Doppelzielen?
Ich spreche zun&chst Tom Herüber- und Hinfibersetzen : Tom Über-
setzen in die Muttersprache, in die Fremdsprache.
Hier muß ich ein Wort über das Übersetzen im allgemeinen
▼orausscbicken. Übersetzen ist nicht ein Springen Ton Wort zu
Wort, aus Sprache zu Sprache, wie z.B. Ostwald glaubt, selbst
Nene Wege deg Sprachimterrielitf. Von L. Wypltl, 491
dann nicht, wenn dia Verfahren die YertiefoDg erfihrt, Ton der
Gompen in seinem Artikel in der „Neuen Freien Preeae'' sprioht
Die fperingste Fordernng« die wir an eine Übersetzung, bezw. an
dm Übersetzer stellen mfissen, ist: Übersetzung Ton Satz zu
Satz; denn „der Satz* — yergessen wir es nicht — ^ist die
inte eigenlebige Einheit der Sprache''. In der Schule ist diese
Art dar Übersetzung leider noch nicht eingebürgert Deshalb ge*
schiebt es ja so leicht« daß Schfller mit Hilfe dea Wörterbuches
wahre Mondk&lber Ton S&tzen geb&reut indem sie fremde Glied-
maßen an einen fremden Bnmpf flicken, dem werdenden Geschöpf
womöglich einen Kopf aus einem ganz anderen Schöpfungsgebiete
iDfsetzeo. Und kann man es ihnen verargen? Sind sie gewarnt?
lat ihnen zum Bewußtsein gebracht worden, daß eine Erschließung
der Wirklichkeit die Begriffe festlegt bis in die letzten Spitzen?
Wissen sie, daß der Satz ein lebender Organismus ist, der aus
Kopf und Gliedern besteht, ich meine, ans seinem Kopf und
seinen Gliedern? Deshalb auch wird hier der formalen Grammatik
•ine Aufgabe zugemutet, die sie ihrer Natur nach nan und nimmer
leisten kann.
Ich kehre zu meinem Gegenstand zurück. Die Obersetzung
in die Muttersprache ist ein ziemlich komplizierter Prozeß, der in
sieh schließt: 1. Deutung des Textes der Fremdsprache, d. i.
Vordringen bis zur GesamtTorstellnng und Erschließung der Vor-
glBge in der Wirklichkeit, also eine Übung vom Standpunkt
des Lesenden, bezw. Hörenden; 2. Ermittelung des
sprachlichen Aosdrncks für diese Vorgänge innerhalb der
Mattersprache, eine Aufgabe Tom Standpunkt des Redenden.
Diese Übung bietet keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, weil
man erwarten kann, daß sich der Schfller in der Muttersprache aus-
zadrflcken Termag.
Anders beim Gegenstflck: der Übersetzung in die Fremd-
sprache! Hier fällt die Ausdeutung in das Gebiet der Mutter-
sprache, die Ermittelung des sprachlichen Ausdrucks in das Gebiet
der Fremdsprache. Diese Aufgabe gehört zu den schwierigsten
Problemen, die überhaupt gestellt worden können. Es ist sozu-
sagen eine Bedeflbnng mit gebundener Marschroute. Kein
Wnnder, daß die Schfller hier Tersagen, daß sich die Einw&nde
am lautesten gerade gegen diese Art der Schnlflbungen wenden.
Ich bin nicht fflr Abschaffung der Übersetzungsübungen in die
Fremdsprache. Sie sind mir lieb, schon weil sie im Grunde
Sehreib- und Bedeflbungen sind. Ich bin grands&tzlich fflr
je4e Übung Tom Standpunkt des Bedenden. Nur muß man dem
Übersetzenden auch die Mittel an die Hand geben, daß er der
Aufgabe wirklich gewachsen sei. Versagt er in diesem Punkte, so
ist dies ein experimentaler Beweis, daß man diese Mittel einzu-
stellen Ters&umt hat.
498 Nest Weg« de« SpHiebniterrielitt. Ten L. Wfj^.
Nan tt anderen Obnegeo: tu NaeberaihUbgeo, n
Beprodnktienei mit oder ebne Saehfrligeii. Aoch eie — flberbAii|l
alle Oboogea -^ terfkllen In dieee swei SUfefi: in eiae Übta^
▼em 8tandpankt dee Hörenden oder Leeendeü» in eine tirefle nm
Standpunkt dee Badenden oder Sebreibendea, d. i. iai gegebea*
Falle 1. in die Darbietang öder in die Pr&)matien, 2. in die Naeb^
erzflbtang aelbet. Dieee kann natflrlieb tnebr anftere Naebabmaa^)
eie kann anch eelbetandigere Bedeibnng sein.
leb komme znm Besomg. Alle Übungen Tom Standpunkt defe
Hörenden — icb habe jetzt die Fremd apfaebe im Auge — be-
deuten Vermittelnng des Spracbetoffee; alle Übungen tom
Standpunkt dee Redenden: Anwendung dee Termittelten. Hmi
die Hauptfrage — eie gilt für alle Fremdsprachen — : Wie wird
beim jetzigen Sprachunterricht der Sprachstoff vermittelt t — Vsr-
mittelt aber muß er werden, man kann doch von niemand verlangen,
daA er etwas anwende, was er nie erhalten bat. —
Die Antwort auf die Frage liegt in der Sache eelbst: Fait
ausschließlich durch die Lektüre, gelegentlich vielleicht durch sr-
z&hlte Oeschichtchen, endlich etwa durch die Verwendung der
Fremdsprache beim Untericht, d. h. meine Herren, die Darbietung
ist dem Zufall überlaesM, wenn nieht bei Auewabi der Texli
oder durch Le^ans de ehoses eine eystematieche Übermittelung du
Sprachstoffee ine Auge gefaßt ist Kobold Zufall wirtschaftet aber
oft verhängnisvoll. Ich habe einmal nach einem Lebrbuoh unts^
richtet, in dem dae Wort »Mutter* nicht vorkam. Icb brauchi
kein Wort hinzuzufügen.
Aber w&re auch der gesamte Sprachschatz vermittelt, sr
bliebe für den Schüler tot, d. i. für das Sprechen, Schreiben,
anch für das Hinüberfibersetzen unverwendbar, so lange er nicht
auf das engste mit der Wirklichkeit verknüpft wird, und zwar anf
dem Wege der Erecbließung.
Ich könnte noch ein kräftig Würtlein über dett fbrmalea
Betrieb der Grammatik sagen. Icb beschranke mich darauf, fast*
zustellen, daß die formale Grammatik Sprachstoff Hiebt vir-
mittein kann.
Eines aber steht fest, auch sie kann durch die genetisebe
Sprachbetrachtung, dnrcb das Heranbringen der Wirklichkeit mit
neuem Leben erfüllt werden. Die meisten der gesetzmäßigen 8^
scheinungen, welche die Grammatik an der Spraobe hervorhebt,
sind in den Vorgangen der Wirklichkeit begründet, die spraehliel
erfaßt worden sind. Ein Blick zur Wirklichkeit ist oft mindestem
ebenso forderlich, als die säuberst geprägte Begel. Denken Sil
nur an Begriffsscheidungen wie transitiv, intransitiv und refietivt
Dae Ergebnis: Es ist sicher, daß zwei Gebiete des Sprach-
Unterrichts nicht zielbewußt genug, bezw. gar nicht angebaut werden:
die Vermittelnng des Sprachstoffes, die Verknüpfung des spracblicheB
}Si9%$ Wege d6f a^fMbanlAriiobU. \m X. WypM. 4ft3
Awducki m% dtv WirUiobMt» beiw. die AblMtniir detBelbes aw
te WifUiobkQit.
' Wit ioh mir «na dieae Tenaitteliuig denke f Ungef&hr ao:
BtobacklnagderVorgiUigaderWirkUelikeil, die an Spracb&iAeroBgeii
Aalet gegeben baben, AjH»dnaag dieaer Verg&nge, VerinitMiug
dieser Vorginge: der Torbereitenda Teil dei Spraebimterriebta; er
ifk lobM darah dea UpWrriobt ia dar Mnilereprache angebahil.
ftmer: Ableitang dea freaidepraGbUebeii Aaadmcka aaa dieaen Yer-
ffAügeat Verkpüpfnug deeAaedrooka mU der Wirklichkeil: der b»-
lebende nnd befraabteode Teil dea Dnterrieble. Badlich: Heraaa-
fteUea der ^raebtjpaii, Kl&nog der Qesanit?oreleUaBgen, Klftroog
der Begriffe: an der Wirklicbkeit, darch Vergleiche mit der Matter-
•pieebet ZoaaiaaieDiiaeMUig: def ajatamatiaebe Teil dea Sprmabniter
rich^a.
Pdf diaea Art dar SpraabfaraittalQBg ein BMapieU asa dem
Begriffsgebiete Baum, Ort, Lagaabeatimmang la eiaam
OegeoataDd: sur la iable^ saus la tabh, devant la table,
ditrihe^ ia tßöUt ä cöti de la idbU naw. LageDbeatimmiMg auf
einem Oegenatand. a) Erachließang der Linie: au baut de
la ligne (fibertragen : au eomtnencement de . . , ä la fin de la
phnue). — Spezielle F&lle: Strafte: dane la rue, au baut de. .,
au eoin, au taumant de la rue, Flnft: ä la souree, ä Vembau-
chure d'une rivüre^ au eof\fluetU des deux rivüres. b) EracblieGung
der Fläche: au bord de. .., au müieu, au cewtre d'un plan
(ä la marge de la page). Spezielle F&lle: Land: sur la fron-
türe..., au eud, au nard ete. d'un pays. Wald: eur la lieüre,
au fand d'un» forH. e) Eracbließnng dea Baumes: h la sur-
face de..., ä Vinihieur d'un carps. Spezielle F&lle: Zimmer:
d l'entrie, au fand de la ehambre. Berg: au pied, au bas d'une
montagne; au eammet, au haut . . . .; eur la cöte, sur la penie,
k pan, le penehant d'une eoUine (des profandeurs de la terre),
Tal: d l'entrie, ä la eortie, au dibouehi d'une vallie; au fand
de la V. naw. lat ao z. B. der französische Anadrnck mit der
Wirklichkeit Terknüpft, ao wird er anstandslos fflr das Sprechen
imd die Überaetznng Terwendet werden können. Jeder Überaetzang,
jeder Nacherz&hlnng aollte eine Vorflbnng Toraoagehen, darch welche
die noch unbekannten AuadruckatTpen Termittelt werden. Nament-
lich leiaten hier Oouinache Beihen (aucceaeione des actes) gute
Dienste.
Man kann über die Menge« alao Aber die AüBwahl des Qe-
botenen im Zweifel aein, gewiß nicht Aber die Notwendigkeit der
Sache seibat Besondere aind die Verben ron Wicbti^keit* denn
lie eracbließen die Ver&nderungen in der Wirklichkeit, die in
Sitzen zum Auadruck kommen. Jede aolche ErscbÜel^an^, die
irgendwann Ton einem aprachachöpferiachen Kopf gel ai stet wurde,
erscheint mir ala Kraftelement. Alle dieae Elemente T«r»'
xa einer Energie ?on unberechenbarer Leiatungaf&higkeit
^
494 Nene Wege dei Spraebonterriebtt. Von L. Wypld.
Kr&fte, die fflr den Unterricht nutzbar gemacht werden müisen.
Es schlnmmem aber auch Kr&fte in den SchQlem, die bei dem
rein formalen Betriebe des Sprachnnterricbts ungenutzt blieben. Ich
spüre bei meinen Schfllern eine wahre Sehnencht nach Spreeben-
lernen, nach Umgangssprache, nach wirklicher, d. i. Terwendbarer
Konyersation. Diese Kr&fte dürfen nicht brach liegen bleiben. Die
Schüler sind fflr jede Yeranschaalichnng, fflr jede Belebung dei
Sprachunterrichtes &ußerst dankbar. Sie lassen sich übrigens für
jede, auch für mühe?olle Arbeit gewinnen, wenn sie die Notwendig-
keit und Verwendbarkeit des Gebotenen einseben.
Alle diese Erkenntnisse sind in der Sache selbst begründet.
Es kann also gar nicht fraglich sein, ob wir die sich daraus er-
gebenden Änderungen im Unterrichtsverfahren Tomehmen sollen
oder nicht; es kann nur in Frage kommen, ob wir schon diese
Einsichten verwerten werden. Eines aber steht fest: Dies sind die
Wege, welche die Zukunft gehen wird.
Wien. Ludwig Wyplel.
Zweite Abteilung.
Literariflclie Anzeigen.
Zanolli Almo, Osservazioni suUa traduzione armena del
9XSQI gyööBog äv^Qdmov'^ di Nemesio. Estratto dal ^Oiornale
della Societä Asiatica ItaliaDa«*. Vol. XIX, par. 2». 89 SS. 80.
In mainer Anzeige der beiden Abbandlangen E. Tezaa über
Nemesins sprach ich (XLY 628 nnd XLVII 898 dieser Zeitschrift)
den Wnnsch ans, es möge der nm die Fördernng der Nemesius-
itadien verdiente Gelehrte nicht bei den gebotenen Proben stehen
bleiben, sondern bald eine rollst&ndige Vergleichnng der armenischen
Übersetzong mit dem griechischen Texte Mattb&is ▼ornehmen nnd
die sich daraus ergebenden griechischen Varianten Teröffentlicben.
Leider war Teza bisher nicht in der Lage, diesen Wunsch zu
erfüllen, doch hatte er die nicht hoch genug anzuschlagende Liebeus-
wflrdigkeit, auf meine briefliche Bitte wiederholt eine größere Zahl
Nemesiusstellen zu Tergleicben, wovon die Wiener Stud. XXVI 212 ff.
Zeugnis ablegen.
War nun dadurch die MOglichlceit gegeben,, das neue text-
bitische Hilfsmittel kennen zu lernen, es auf seinen Wert im
allgemeinen zu prüfen und für eine Beihe von Stellen nutzbar zu
machen, so eröffnet die Torliegende Terdienst?olle Arbeit Zanollis
einen tieferen Einblick in die Werkst&tte der armenischen Über-
setzer und bietet den Anfang einer fortlaufenden Vergleichnng des
armenischen Textes mit dem griechischen.
Bekanntlich übertrifft die armenische Übersetzung durch ihr
ehrwürdiges Alter (VIII. Jahrb.) nicht nur alle anderen Namesias- ^l
Übersetzungen, sondern sie ist auch etwa zwei Jahrhunderte älter
als die älteste griechische Handschrift. Da sie sieb überdies im
allgemeinen sklaTisch an ihren griechischen Text anscblief^t, wird
man in ihr ein kr&ftiges Hilfsmittel für die Textkritik in erbUcken
baben. Wenn dies auch Zanollis Überzeugung ist, ao mahnt «r gj
doch mit Becht zur Vorsicht Ibm scheint eine V<?rgIetcK ^k ^
Annenischen mit dem Griechischen nur dann für beide Tr
^
496 Ä. Zanoüi, OBgenrasioni lolla trad. annena qiw., ang. ▼. K. Burkhard.
bringend and geeignet , eine möglicbBt dentlicbe VorsteUnog von
der griecbiscben Vorlage, die von dem gewöbnlicben Texte ?er-
Bcbieden sei, zu geben, wenn man sieb Torber darflber klar ge-
worden sei, Ton weloben Gesicbtspnnkten aas die Übersetzung aas-
gefflbrt warde and womögiicb ancb darüber, weicben Zweck der
Übersetzer verfolgte. Daher stellt Z. zan&cbst in dieser Bichtang
seine Untersncbang an (S. 6 ff.).
Er beginnt mit den Bemerkungen, welcbe der armenische
Gelehrte Jakob Tasbean über die Übersetzang gemacht hat. Die
Hauptpunkte hatte scboii Tmu in «einer aweitea ijl)bandlang wieder-
gegeben und das strenge Urteil Tasbeans zu mildem gesacht
(Anzeige a. a. 0. 8. 800 f.). Auf ders^lbeii Bahn bewegt sich
Zanolli, wenn er den Bemerkungen Tasbeans einzeln nachgebt,
seine Beispiele prüft und seine Bebaaptangen berichtigt. Er hält
mit Teza den Verfasser nicht für einen Unwissenden, sondern for
einen Irregeleiteten, der in guter Absicht Torging. Er meint, am
mich kurz zu fassen, die Armenier h&iten sich bei ihrem wissen-
schaftlichen Sinn ein solches Handbuch der Philosophie, wie ei
das wertToUe Schriftchen des Nemesius sei, nicht entgehen lassen
und es recht bald für Scbulzweeke eiag^iditel. Diäten bitten
auch nach dem Vorgange der gelehrten Byzauthier aabMehe
erklAreade und etymologische Bemerkmfea swisoben den ZeUei
und am Bande gedient, di« Darid Hjpates gemacht hab«i müsse.
Darauf habe der berühmte Stephanos rm. Sflnikb formlot und
wahrscheinlich nicht ▼oHeadel das luftere der wahren Übenetnng
mit dem einzigen bescheidene» Anspruch gegeben, sich daait soicbea
armenischen Lesen nützMoh zu erweisen, weldie^ in dev griechtaeheB
Sprache nicht so bewandert seien, um ebne Sehwierigkeit ein Buch
der Philosophie lesen zu kOnnen*).
So erklftrt sich die Entstebungr der gerügten Biterlinearüber-
setzung, einer Übersetzungsform, wie sie übrigens auch noch in
neuerer Zeit zum leichteren Verständnis schwieriger Texte ') gewählt
wurde, mit ihren rielen Eigentümlichkeiten in Sprache und Stil
und so finden auch manche Schwierigkeiten im armenischen Texte
ihre Erklärung.
Wir kommen zu dem besonderen Teil, der Vergleichung
(S. 20—89), die den ersten Teil des ersten Kapitels S. 85, 1—
52, 3 (Matth.) umfaßt. Der Verf. benützte dazu für den griechischen
Text die Ausgabe Matthftis 1802 und für den armenischen die der
Mechitaristen in S. Lazzaro, Venedig 1889. Von griechischen
Handschriften werden vergleicbungsweise die beiden Ältesten Hand-
schriften herangezogen, die in der adnotatio critica Matth&is Ver*
') Eine MasterüberBetsong für die Schule so geben, konnte damals
wohl nicht beabsichtigt sein, sie hfttte auch nicht mm Ziele gefOhrt
*) Vgl. die lateloische Obersetsang anter Sanskrit- uad Kashmir-
texten.
A. Zümüij Oner? aiioni ralla trad. urmena usw., ang. t. K. Burkhard. 497
wendoBg gefunden haben, D&mlieh der Cod. Dresdenais (Z>. 1., von
mir mit D bezeichnet) und der Cod. Äugustanus, jetzt Monacenais.
Wie ane den Wiener Studien X 97 f. zn ersehen ist, gehört der
Text der Handschrift, die bei MatthAi das Zeichen A. 2. fflhrt,
xwei ▼erschiedenen H&nden an, Ton denen die ältere Termatlich
dem XL «Jahrhundert, die jüngere wahrscheinlich dem XVI. angehört.
Jene habe ich mit A^ diese mit a bezeichnet Da der Text beider
auch auf Terschiedene Handschriftengmppen zurückgeht, müssen
lie umsomehr auseinander gehalten werden, was Zanolli leider
nicht getan hat. In dem bisher Teröffentlict^ien Teil seiner Ver-
gleiehung ist also überall a f ür ii zu Terbessem. Von den latei-
nischen Übersetzungen erscheinen alle berücksichtigt, die tou Cono
(KoDOw) wohl über Gebühr. Wo sich n&mlich wie 35, 2; 44, 18
Mine Übersetzung mit der Burgundios {Bg.) deckt, w&re diese als
leioe Grundlage zu nennen gewesen. Über ihren Wert vgl. ebd.
S. 129 ff. und die Praefatio meiner Burgundio- Ausgabe. Erw&hnt
konnte sie beispielsweise auch 38, 5 werden, wo hoc dem Zusatz
Tot>TO, 18, wo aecundum haee der offenbar erklftrenden Variante
»avä raOTie (so las an beiden Stellen Arm) entspricht. Endlich
mOchte ich daran erinnern, daft der Verfasser der Ton Holzinger
bsrausgegebenen Übersetzung seit L. Dittmeyers Entdeckung (Tgl.
BUtt. f. d. bayr. Gymn. XXIV 454 f. und Wiener Stud. XI 262,
Anm.; Clemens Baeumker, Die Übersetzung des Alfanns von Ne-
mesius' xsgl (pvösatg ih/dpcoxov, Wochenschr. f. klass. Philol.
1896; auch Teza, Nemesiana n 11, Anm. 1) durchaus nicht
mehr unbekannt, sondern Bischof Alfanns (Alf) ist. Im einzelnen
iit folgendes zu berichtigen: 42, 4 sollte heißen ol 6og>ol tuUi
% eödd, studiati dal Matthäi tranne aa e D oder einfacher ol
öoipol tolamenU % codd. %M (= A.Z. Ml Matth.). 8. 27 lies
44, 1 für 44, 4; 44, 18 sUtt 44, 14, was für die folgende Zeile
stimmt; 50, 6 für 50, 7, im folgenden 6—7; 51, 15 für 51, 14
(forletzte SteUe).
Die Torliegende Vergleichung bestätigt neuerdings die Ver-
mutung, welche wir in dieser Zeitschrift XLV 628 ausgesprochen
haben, daft die Vorlage der armenischen Obersetzung am n&chsten
der Handschriften familie d verwandt ist. Zu dieser geboren u. a.
die Patmoshandschrift (77), die Handschrift a {A. 1 bei Matth.),
der erw&hnte jüngere Teil (a) im Augustanua und die Vorlage der
Istenischen Übersetzung des Alf, der die armenische, wie es scheint,
em nichsten steht. Der Umstand, daß diese Familie für die Kritik
sehr wichtig ist (vgl. auch Wiener Stud. XXVI 212 f.) erhöht den
Wert der armenischen Übersetzung, der schon in ihrem Alter und
in ihrer sklavischen Anlehnung an die griechische Vorlage liegt.
Doch dürfen wir, fürchte ich, für die Verbesserung des Griechischen
nicht sonderlich ?iel erwarten. Wenigstens fand ich in dem aller-
dinp kleinen Stücke kaum eine selbstftndige Lesart, die mit einiger
Wahrscheinlichkeit in den griechischen Text gesetzt werden könnte.
UtKkrifl f. a. 6iterr. OymB. 1908. TL H«ft 82
498 Ladewig-Schaper-Deutieke, Vergils Oediebte, ang. ▼. «T. GMmg.
Die meiston Abweiehaogen bttreffen erkl&rende iDterlioear- oder
MarginalglosseD» die io den Text eisgedroogen sind, kleinere oder
größere Lückeo, ferner Vertaoecbnogen des PaeeiTS mit dem Aktiv
nnd des Singnlars mit dem Plnral oder omgekebrt sowie kleiDere
erg&ozende ZQs&tze, AbweicboDgen, die wobl nicht alle anf acbleehte
Überlieferung oder falsches Lesen der Urschrift bemhen, sondern
teilweise wenigstens gewiß vom Übersetzer beabsichtigt waren, am
dem armenischen Leser entgegenzakommen. Dagegen ist die Über-
setzong ohne Zweifel eine erwünschte Beigabe ffir den Kritiker,
insofern sie ihn bei der Feststellung der Lesarten öfters unterstötzt.
So bietet sie z. B. 87, 18 pLSxadubxQiiuv mit iZP; 48, 11 de
mit nSF\ 47, 12 den Aorist mit 11 F Alf Bg. 49, SxalwiF
Bg Alf {nichi Z>, wo ij steht!); 50, 2 fniöciv mit IIF. Eb wird
daher die Fortsetzung der Vergleichung, die uns der YerL in
Aussicht stellt, eine ganz n&tzliche Sache sein und wir werden
uns besonders freuen, wenn sie bald erscheint. Sehr erwfinscbt
w&re freilich auch die Mitteilung wichtigerer Varianten aus den
armenischen Handschriften, Ton denen Teza Proben gegeben hat.
Doch wir wollen in Kenntnis der Schwierigkeiten, die sich einer
solchen Arbeit entgegenstellen, nicht den Schein der unbescheiden-
heit erwecken.
Ton Druckfehlern fiel mir nur auf 8. 21, 4 t. u. ticg fär
triv; S. 25, 12 y. u. [unaß. fflr ^etaß.; Anm. 2 öwixvGiv f.
övvdnrmvi S. 27, 12 ?. o. övvidijös f. öwidtiös; S. 80 alg.
f. alQ.i S. 88 quesivü f. quaesivit
Wien. Karl Burkhard.
1. Vergils Gedichte. Erklärt tou Th. Ladewig und C Schauer.
1. Bändehen. Bokolika and Georgika. 8. Auflage, bearbeitet ?oii Paul
Denticke. Berlin, Weidmann 1907. VII ond 292 SS. 8«. Preis 3 Mk.
2. Schülerkommentar zu Vergils Äneis in Answahl. Fflr den
Scbnlgebranch heransgegeben Ton Jolins Sander, Prof. am städtiscbtn
Gymnasium in Wittenberg. 1. Aaflage (zweiter Abdruck). Leiraig,
G. Freytag; Wien, F. Tempsky 1906. 171 SS. 8^ Preis geb. 1 E 80 h.
1. Wer wie Bef. seinerzeit Vergil unter Anleitung des Lade-
wigschen Kommentars gelesen hat und über die Unzulänglichkeit
der dortigen Erklärungen ärgerlich war, der kann es nur durch
äußerliche Grfinde gerechtfertigt finden, daß Ladewigs Name noch
auf Toriiegendem Bändchen erscheint. *Die rerdienstlichen Grund-
lagen Ladewigs ließen sich zum Glück meist beibehalten, nament-
lich für den Text' sind Worte der Pietät, die man dem Heraus-
geber zugute halten wird. Tatsache ist, daß dem, was ?on Lade
wigs Arbeit geblieben ist, nur geringe Originalität zukommt, und
was für dieselbe charakteristisch war, diesmal fallen mußte. Übrigeni
konnten auch Sohapers Änderungen nnd Zutaten nur zum geringen
Ladeioig^Sduiper-DeuHekey Vorgils Oedichte, ang. ▼. J. GoUing. 499
Teile belaeeen werden, so daft dts BAndebeD in seiner gegenw&rtigen
Gestalt 80 gut wie Dentiekes Arbeit ist. 'Das ganze B&ndeben ist
am ffinf Bogen gewachsen^ beißt es im Vorwort nnd weiterbin
erfabren wir, daß das Bedürfnis der Scbnle niebt weiter für die
neue Bearbeitung maßgebend geblieben ist Dieser Umstand ist
besondors dankenswert« weil dadnrcb die Oelegenbeit geboten war,
die einsebUgigen Forsobnngsergebnisse der letzten 25 Jabre (die
7. Auflage ist 1882 erscbienen) in der dem gelehrten Bedürfnisse
entsprecbenden Maße zu rerwerten, eine Gelegenbeit, die Denticke
Bseb Oabübr ansgenfltzt bat. Besonders der nnnmebr gftnzlicb
nmgearbeitete Anbang 8. 262 — 292, der übrigens mehr der Er-
klftrang als der Kritik dienen will, ist ein scb&tzenswertes Beper-
torinm literariscber Nachweise, namentlich aber aller bemerkens-
werten Kontroyersen jüngerer Zeit, zn denen D. regelm&ßig Stellung
nimmt. Genug, wir besitzen in D.s Torliegender Arbeit die einzige
Publikation, welche sich nach Text und Erkl&rung an die neueste
Literatur über Tergils ländliche Gedichte anschließt und über die«
selbe im einzelnen belehrt«
Was nun insbesondere die Textgestaltung betrifft, so zeigen
mehr als ein Dutzend Stellen Bückkehr zur handschriftlichen Über-
lieferung. Der Kommentar, der, wie gesagt, mit Ladewigs und
Sdiapera Anmerkungen stark aufger&umt hat, stellt sich nebst der
Erl&utemng des Torliegenden Textes — sachliche Kritik wird an
demselben nur selten geübt -— die Aufgabe, das Verhältnis des
Dichters zu seinen Quollen und Mustern möglichst deutlich zu
machen. Daß hingegen auf Nachahmung und Benützung Vergils
nur bei besonderer Gelegenheit hingewiesen wird, ist begreiflich.
Endlich sei bemerkt, daß auch die Einleitung über Vergils Leben
und Dichtung (8. 1 — 18) eine zeitgemäße Umarbeitung erfabren hat.
Bef. acbüeßt mit einigen Bemerkungen zum Kommentar. B.
V 5: 8ub ineertas zephyrU motantUms utnhras: ^matart zeigt die
häufige Wiederholung der Bewegung an*. Näher läge wegen ineertas
die Auffassung *hin- nnd herbewegen\ — Ebd. 15: iubelo, %4
certet Amyntas. Hier bringt D. zu iubeo ut je eine Stelle ans
Horaz und Lucan ohne weitere Bemerkung bei. Allein iubeo (ut)
e. coni. findet sich schon bei den Komikern. Brix sammelt zu
Plaut. Men« 955 die Belege und bezeichnet diese Konstruktion als
Eigentümlichkeit der Umgangssprache. Vgl. auch Lorenz zu Most
918. Bei Livius (s. Weissenbom zu 28, 86, 1) findet sie sieh
häufig bei obrigkeitlichen Befehlen, bei Cicero fast ausschließlich
von Volkabeschlüssen. Vgl. endlich noch Vogel zu Curtius 5, 13
(87), 19. — Ebd. 41 : mandatjleri sibi talia Daphnie. Daß mando
mit Acc. c. inf. sich nur noch bei Sueton (Tib. 65, Cal. 29) und
Martial (I 89, 10) findet, ist unrichtig. Vgl. nämlich lustin. 24,
2, 4 und Eutr. 5, 5. Bei Martial findet sich die Konstruktion
I 88, 10. — Vn 18: et certamen erat, Corydm cum Thyreide,
magnum^ Wenn hier Corydm cum Thyrside als freie Apposition
500 Ladetoig-^Schaper-Deuticke, Vergils Gtdicbte, ang. ▼. J. GnUimg.
betaiehnet wird, 80 eraofatint dn dentoehe Spracbgebraach, niebt
der latdioiscbe berücksichtigt.^ Bei Vergil selbst finden sich gast
ähnlich geartete Stellen. So An. I 456 fS. : vidH Jliaeas ex ardme
pugnas \ bellaque tarn fama Mum vulgaia' per orbem^ \ AtHdoB
Priamumque et aaevum ambobus AchiUem. Oebhardi ahnt das
Biehtige, wenn er bemerkt: 'Die für den trojanischen Krieg diink-
teristischen Figuren entdeckt das Ange des Beschauers susrst'.
Wie hier stehen Kampf und K&mpfer im appositioneilen VerfailtniB
Äo. Yni 675 f.: in medio daeeee aeratat, Aetia beUa \ cemere
erat. Vgl. auch LiT. I 85, 9: ludrieum fuU $qui pugUesque. Nach
solchen Stellen begreift sich, daß die Bezeichnung der Wettkftmpfer
für die betreffenden Wettk&mpfe, das Tier für seine Produktionen
gesetzt werden kann. So findet sich gladiatoree bei Cicero (Att.
II 1, 5) und insbesondere bei Tacitus (Hist n 95 gladiiUores
edere u. C.) für Gladiatorenspiele, nreua bei Horaz Ep. II I, 186
für B&rent&nze, pugüee ebd. für Fanstk&mpfe, ferae bei Tacitns
Eist. II 94 für Tierhetzen. Vgl. Hör. Od. I 28, 17 datU alios
Furiae torvo spectacula Marti. Analoges liest man vereinzelt
noch hie npd da. So bei Cicero De or. III 87 phüaaqpho (ss philo-
sophiae) operam dare und Tacitus An. III 28 paee et principe
(z=z principatu). Noch kühner verführt das Griechische, welches
XQaypöoi =: zQaypdlai, gebraucht (die Stellen sammelt Behdantz
im Index zu seiner Ausgabe des Demosthenes unter zgay^oQ.
Westennann vergleicht zu Demosth. 5, 7 passend das spanische
toroa 'Stiergefechte'. So viel über einen Sprachgebrauch, der
allerdings nicht unbekannt ist, aber, soweit Bef. sieht, noch nirgends
im Zusammenhange behandelt wurde. So dürfte auch der kleine
Exkurs Entschuldigung finden. — Zu G. I 169 — 175 heißt es in
Bezug auf 171 f. huie a stirpe pedee temo protentue in oetOy \
binae auree, duplici aptantur dentalia doreo gutz richtig: *An
dieses gekrümmte Unterstück des Ulmstammes (huic a eiirpe) wird
dann vorn die achtfüßige (doch wohl acht Fuß lange) Deichsel
gefügt*. Im Widerspruch hiemit liest man zu 172: ^Bei aptantur
ist aratro zu erg&nzen'. — Ebd. 823 f.: et foedam glomerant
tempeetatem imbribus atrie \ collectae ex alto nubee. Wenn D.
foedam glomerant tempeetatem imbr. atr. übersetzt: * ballen ein
grausiges Unwetter aus schwarzen Begenwolken zusammen', so
übersieht er, daß nubee Subjekt ist. Demnach ist imbribus 'Bflgeo*
guß', ^Begenschauer*. — Ebd. 884: nunc nemora i$%genii vetito,
nunc litora plangunt. Die Anmerkung ^plangunt intransitiv =:
plangorem edunt, brausen' gebt von plango ^schlagen' ans. Wahr-
scheinlicher ist von plango ^trauern" auszugehen und darnach za
übersetzen ^üchzen'. — Ebd. 416 wendet sich der Dichter gegen
die Auffassung, als ob beim Baben, der den Witterungswechsel
voraussieht, rerum fato prudentia maior vorhanden wäre. Aus der
Note, wo von ^einer ihnen vom Fatum mitgeteilten größeren Ennds
der Zukunft' die Bede ist, ersieht man, daß Forbigers Nachweis,
J. ZmgerU, T. Li?i ab vfoa condito Ubri, ang. f. A. M. A. Schmidt. 501
daß fato ▲blati?ii8 eomparationis ist, — mit Unraeht — abgelehnt
wild. --- m 665 f.: nee longo demäe wioranU \ tempore. ^Dar Abi.
Umge tempore ist mit moranti zu f erbindan aod antirortet auf die
Frage: imierhalb welcher Zeit?* Uomöglicb, da mit einem Begriffe
wie Morarf nnr eine ZeiibestimmiiDg anf die Frage wie lange?
rerbnnden werdoi kann. Man hat es offenbar mit dem Abiatir der
Zeitdaaer zn tan {=per c. acc), der bei Cäsar, Livins nnd den
Dichtem der angnsteiscfaen Zeit gar nicht selten ist. Vgl. P. Hau,
De easuum ueu Ovidiano p. 110, wo eine große Anzahl tob
Stellen wie longo tempore vulnue alo angeführt wird. *— ^Die nackten
Hinweise anf den Kommentar des Herausgebers znr Äneis mögen
küoftigbin wenigstens dnrch eine Andeutung des Inhalts der be-
treffenden Anmerkungen ersetzt werden. — In dem 8. 17 zitierten
Verse TUyrue et frugee Aeneiaque arma legentur (0?. Am. I 15,
25) ist eegeiee st. frugee tu lesen.
2. Zun&chst lese man im Titel: dritter Abdruck. Denn wie
Ref. auB Deuticke im Jahresber. des i>hiiol. Vereins zu Berl. XXXI
(1905), 8. 180 entnimmt, ist der zweite Abdruck bereits im J. 1903
erschienen. Das ist jedoch nicht die einzige Liederlichkeit an dem
Neudrucke: fast sämtliche am ersten Abdruck nachgewiesenen
Dniekfehler kehren im dritten wieder: ein etwas starkes Stflck!
Daß übrigens das Büchlein dort, wo Sanders Text im Gebrauche
steht — was in Osterreich nicht der Fall ist — trotz mancher
Ungel im Unterrichte yerwendbar ist, ersehe man aus Deuticke
s. 0. XXV (1899), 8. 184 ff.
Wien. J. Oolling.
T. Livi ab orbe COndita libri. fidldlt Aotonios Zingerle. Pars
VIL Fase. V. Liber XLV. Editio maior. Vindobonae, F. Tempskj;
Lipsiae, G. Frejtag 1908. Preis geh. 2 E » 1 Mi^. 80 Ff.
Oenan 21 Jahre (im Juni 1887) Tor dem Abschluß dee
letzten Buches entsandte der Verf. den L Teil seiner Liviusaus-
gabe (in der BMiotheea aeriptorum Graecorum et Romanorum
idUa eurafUe Carolo Sehenkl). Bescheiden trat das Büchlein mit
seiner knappen Aaswahl kritischer Noten in die Welt und nichts
weniger als ermutigend war so manche Beurteilung, die der homo
noeue namentlich in den Fachbl&ttern des Auslandes fand: doch
UMO eifriger und unermüdlicher Tertiefte sich der Gelehrte in den
Sprachgebrauch des Autors nnd in die pal&ographischen Eigentüm-
lichkeiten der maßgebenden Handschriften, alle neuen literarischen
Biseheinangen eorgfaitig und gewissenhaft prüfend und Terwendend,
10 daß schon beim Erscheinen der letzten Bücher der IV. Dekade
selbst solchen Kritikern, die sich ihm gegenüber, wenn schon
gerade nicht ablehnend, so doch kühl genug ?erhalten hatten,
klar wurde, man habe es mit einem toU wertigen, ernsten Forscher
502 Ä. ZingerU, T. Liri ab nrbe eondita libri, sag. y.A^M.A, SdimiäL
zn ton, desaen Anaffibmiigan siebt snr nnabweisbar, sondeni ganz
yartranenswftrdig aeian« Von welchar Fülle anatrengender und auf-
opfernder Arbeitt aber aneh Ton welch grfindliehem nnd tiefem
Eindringen in die Textkritik geben nicht alle dieae Bände Zeugnis I
Mit besonderer Oenngtnnng nnd Frende mnß ea aefaon bei der
Heransgabe der letzten Bücher den gewieaenhaften Foracher erföiit
habent daß eine Beibe von Gelehrten, voran der Neator der Lifins»
kritiker Dentacblande, ihm ihre wertjoUen Bemerkungen rar Verfü-
gung stellten nnd H. J. Müller in den Jabresb. d. pbil. Vereins
in Berlin 1908, S. 82 dem Abscblnase der Ausgabe mit den wärm-
sten Worten die gebührende Anerkennung zollte. Auch wir be-
grüßen das große Werk als einen Fortachritt unseres TaterUn-
diacben Oeisteslebens.
Über das neue Büchlein kann nur all das Gute gesagt
werden wie über seine VorgAnger. Daß trotz der neueaten, anf
photograpbischem Wege vermittelten Publikation der Wiener Hand-
schrift durch Karl Wesaely die Ergebnisse der neuen Kollation durch
Joaef Zingerle, der aich dadurch unbeetreitbare Verdienste erwarb,
in gleicher Ausführlichkeit mitgeteilt wurden, ist nur dankenswert;
denn nicht jedem wird es mOglich sein , die wünchenewerte Ein-
eicht in jenes kostspielige Werk (225 Mk.) nehmen zn können.
Von der Genauigkeit und Notwendigkeit dieser Vergleichung zeigen
die .XI Seiten der PrAfatio und so manche Note, z. B« zn 25, 18 ;
26, 8; 81, 8. Private Mitteilungen H. J. Müllers finden wir 4, 2;
10, 15; 12, 12 und 18, 17, 2 und 5; 19, 18; 81, 8; 87, 6
und 8; 89, 10; 41, 5. An mehr als 50 Stellen begründete der
Verf. seine Teztesgestaltung durch eingehende sprachliche und
palftographische Ausführungen , vgl. Sitzungsber. der kaia. Akad.
d. Wies, in Wien, phil.-hist. Klasse, Bd. 157, Abh. 8. Dabei
brachte er mit bescheidener Zurückhaltung nur an fünf 8tell«n
neue Vorschläge, so 2, 5 quo rex fugisset; 8, 2 tuppliea^umes
decrevU; Latinae edidae a consule; 5, 4 cur igüur . . homieida,
wnguine regia Eumenis violat (mit Benützung der Konjektar
Vahlens); 14, 5 ist die Lücke nach Sigoniua, Madvig und H. J.
Müller ausgefüllt abaea in loeum exigeretur, reapanaum eat, katd
aequum vidari, aenatum a Carthagianaibua obaidea arbUrio Maat'
niaaaa exigere; 22, 1 dona ferantea aaeendebamua, Vorschläge, mit
denen man sich nach genauer Prüfung gern einverstanden er-
klären wird.
Schließlich mOchte Bef. nur wünschen, daß das vaterlftn-
dische Werk, das nun abgeschlossen ist, auch an unaeren Lehr-
anstalten die verdiente praktiache Anerkennung finden möge; bu
der Stellung, welche Livius unter unseren Schulautoren einnimot,
sollte es in keiner Bibliothek fehlen.
St. polten. Dr. Adolf M. A. Schmidt.
K. Enden, Zeitfolge der Oediebte mw., ang. ▼. Eg, v, Komorzynski, 503
Karl Enders, Zeitfolge der Gedichte und Briefe Johann
ChriBtian Gfinthers. Dortmund, Fr. Wilb. Kuhfuß 1905.
Am besten setze ich an die Spitze dieser Benrteilnng die
Worte, mit denen der Verf. seine Arbeit selbst einleitet. Er sagt
da (S. 5): ,,Die forliegende Arbeit ist eine von denen, in die
man von selbst hineinkommt, weil sie ein Bedürfnis sind. Natflr-
lich znn&cbst nur fär den Literarbistoriker, der über Günther and
was damit verbunden ist, die deutsche Literaturgeschichte in den
ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts, irgendwie arbeiten will.
Bei dem Versnchy eine üntersnchnng über Natnrbeobachtung bei
Günther und deren Entwicklung anzustellen, erkannte ich bald, daß
das noch nicht anging, weil man gerade bei den wichtigsten, nicht
datierten Gedichten — d. h, so gut wie allen nicht zu Namens-
tagen, Leichenfeiern usw. gefertigten — über die Zeit der Ent-
stehung noch ganz im Unklaren war nnd tou der Entstehung einer
Entwicklung also noch gar nicht die Bede sein dürfte. Ohne diese
Erkenntnis aber konnte diese eigenartigste Persönlichkeit des neu-
dentschen Literaturfrüblings nie zu mehr Leben kommen als sie
bis jetzt besaß." — Abgesehen Ton dem gewaltigen Fleiß, der in
der Arbeit steckt, Ist es besonders anzuerkennen, daß der Verf.
sich auf eine bloße Vorarbeit, die doch nur die Grundlage für seine
sp&tere, eigentliche Arbeit werden sollte, zu beschranken yermochte.
Sicherer Blick und philologische Schulung zeigen sich hierin nnd
aneh sonst im einzelnen in dem Buche immer wieder. Die müh-
same Arbeit der Datumsbestimmung ist mit Feuereifer und mit Be-
harrlichkeit durchgeführt worden, und wenn man bedenkt, wie un-
dankbar eine derartige Arbeit ist im Hinblick auf richtige Wür-
digung in weiteren Kreisen, so muß dem Verf. für seine unjer-
rückbare, streng wissenschaftliche Methode eine um so höhere
Acbtang gezollt werden. Schön gesellt sich zu der philologischen
ObjektiTltat eine gewisse Herzlichkeit im Eingehen auf die Erleb-
nisse und die Lebensumstände des Dichters. Die Anmerkungen
und Exkurse enthalten Lehrreiches (S. 42 f. über die sogenannte
nLeipziger Leonore*', S. 184 ff. über die alten Leipziger Uni?er-
sitatagebrauche, 8. 188 f. über Günther und Menantes-Hunold usf.).
— Zwei sorgfaltig angelegte Register erleichtern die Benützbarkeit
des Buches, das für die künftige Günther-Forschung unentbehrlich
bleiben dürfte.
Wien. Dr. Egon y. Komorzynski.
Adolf Bartels, Handbuch zur Geschichte der deutschen
Literatur. Leipsig, Eduard Af eoarlui 1906. Preis br. 5Mk, geb. 6Mk.
Das Werk drangt tum Vergleiche mit dem „Ooedeke*'. Doch
es kann diesen nicht ersetzen und hat auch gar nicht die Absicht,
504 TT. Viitor, Wie ist die Aoetpraebe mw., ang. ▼. Ä. HauieMas.
mit ihm zu konknrrieren. Denn dem LiterAtnifoncber, der ein toU-
kommen genaaee Bild aber beatimmte Eracbeinongen uaem Dich-
tung gewinnen will, wird Ooedekes .Grundriß" immer nnantbehr-
lieb bleiben. Andere ateht ea aber mit dem Studierenden und dun
literatorfrenndlichen Laien: ihnen genögt ea, gerade daa Beste
kennen zn lernen, waa die Wiaaenacbaft fiber einen bestimmteo
Dichter und aein Schaffen za aagen weiß. Sie haben einen Ter-
I&ßlichen Führer nötig, der aie ohne Zeitverluat anf geradem Wege
zum Ziele ffihrt. Daa ist der Zweck dea y erliegenden Baches nnd
darin liegt aein großer Wert.
In der Einleitung hftlt Bartela kritische Musterung Aber die
Geachichtachreiber der deutacben Literatur. Der eigentliche Malt
dea Buchea bietet raach orientierende Übersichten Aber daa Leben
und Wirken unserer Dichter von den Ältesten Zeiten bia in die
jOngate Gegenwart, dazu ein Ton der Eigenart dea geachfttzteo
Forachera beatimmtes, aorgfftltig ausgewftbltea Material an Quellea*
Schriften zur Literatur, dem man aich ruhig an?ertrauen kann.
Wie der Strom der literarischen Entwickelung immer breiter
geworden ist, so gew&hrt auch Bartela in seinem Buche der auf-
steigenden Zeit einen immer größeren Baum und den größten dar
Dichtung in der Gegenwart. Die Vorteile dea Werkea kommen also
besonders jenen zugute, die einen tieferen Blick in daa literarische
Leben der neuesten Zeit werfen wollen. Goedeke nimmt darauf über-
haupt noch keine Bücksicht, Bartela dagegen bat gerade diesem
Zeiträume, dessen reiche dichteriache Ernte er in aeinem Buche
„Die deutsche Dichtung der Gegenwart'' zuerst Terläßlieb sichtete,
die größte Mühe und Sorgfalt zugewendet.
Das Handbuch dürfte nicht zuletzt allen Lehrern der deut-
schen Sprache eine willkommene Gabe aein. Für Privat- und Schul-
bibliotheken kann es bestens empfohlen werden.
Olmntz. Franz IngriscL
Wie ist die Aussprache des Deutschen zu lehren? EinVoitng
Ton Wilhelm Vietor. 4. Auflage. Marburg, Elwertache Verlagibscb-
handlang 1906. 88 SS.
Näher auf den Inhalt des Vortragea aelbat einzugehen, dain
liegt bei der Anzeige der vierten, nahezu unyer&nderten Auflage
der kleinen Broschüre keine Veranlassung vor. Nur eines sei er-
wähnt. Die große Zahl der Gebildeten, ganz beaondera aber aucb
die Schule, hegt unzweifelhaft den Wunach einer wenigatens in
den Hauptpunkten geregelten, allgemein gültigen Auaapraehe des
Deutacben, wie ja auch eine allgemein yerbindlicbe Becht-
scbreibung ein dringendes Bedürfnia war. Aber zur Erreichung
dieaea ao wünschenswerten Zieles müßten doch wohl xunftehst die
Phonetiker selbst zum mindesten in der Hauptaache einig aein.
F.Bakkmpergerj ^tadoa d'hbtoire litMrure, ang. t. W. A. Hammer. 505
Du ]8t iMkaBDtlieh siebt der Fall. Wendet sich doch Victor selbat
in dem Vorwort zu aeiner Broaehüre (S. 5) gegen Erbe nnd be-
haapftet Ton ihm, daß er einen entgegengesetzten, „partiknlaria-
üaeb«" Standpunkt einnehme, er iat femer in einer niebt nn-
wicbtigen Frage anderer Meinong als SioTers (S. 16, Anm. 1) nnd
findet die Bestinunnngen, welebe Graf Hoehberg seinerzeit als Ge-
neralintendant der kgl. Scbanspiele in Berlin betreffiB einer einheit-
lichen Ansspraehe auf der Bohne erließ, „znm Teil vOllig haltlos"
o.a. Und welche Ansspradie soll mustergültig sein nnd demnach
neh in der Schule gelehrt werden? Y. antwortet auf diese Frage
(S. 8): y,Die im emates Drama übliche, wesentlich norddeutsche
Bfihoensprache". Daß aber diese Bühnensprache selbst noch in
gar vielen Punkten der Begelnng bedarf, ergibt sich doch schon
aas Terschiedenen Stellen des ViStorschen Vortrages selbst. Also:
Man begründe erst eine wirklich homogene Büfanenauaaprache
— die bloße Veröffentlichung von Schriften wie „Deutsche Bübnen-
aoBsprache von Th. Siebs" hilft da wenig — , dann mag man sie
der Schule als Muster aufstellen und für ihre Verbreitung durch
YorUge oder Aufsätze sorgen. Dann dürfte es aber auch kein
Sehvanken mehr geben, keine „entweder — oder", wie sich dwen
noch genug bei Vi§tor selbst finden. Im Notfall müßte dekretiert
werden (siehe Orthographie!), denn jede Unsicherheit ist geeignet»
dem großen Laienpublikum daa Vertrauen zur Sache zu benehmen,
wie dies eben gegenwärtig durch die Zwiespältigkeit unserer her-
rorragendsten Phonetiker geschieht. Aber wer soll die homogene,
aUgenein yerständliche Bühnenaussprache schaffen, wer soll ihre
Geltung dekretieren? Bef. fürchtet, daß der deutsche Partikularismus
abermals triumphieren werde, und wird in seiner Befürchtung unter
inderiD auch durch Luicks sehr interessantes Buch „Deutsche Laut-
lehre. Leipzig und Wien 1904" bestärkt.
Es ist befremdend, daß die so kleine Broschüre eine Ter«
hältniamäßig große Anzahl manchmal recht stufender Druckfehler
iafweiet
Mies i. B. Adolf Hausenblas.
F. Baldensperger, Stades d'histoire litteraire. Paris, Li-
brairie Hachette & Cie. 1907. Preis 8 Pres 50 cte.
Die Literaturforschung, die auf deutschem Boden in den
Tagen der Bomantik ihren Anfang und bis heute einen so staunens-
werten Auüscbwung genommen hat, steckt in Frankreich sozusagen
oech in den Kinderschuhen. Es ist eben noch gar nicht lange her,
daß daa deutsche Oeisteeleben tou franzüsischer Seite mit chau-
viiistwcber Oeringscfaätzigkeit abgetan wurde. Ja, unmittelbar nach
den Kriege 1870/71 , wo alles, was mit den deutschen Nachbarn
in irgend einer Weise in Verbindung zu bringen war, vom natio-
506 i^. Baidetuperger, lätodes d*histoin litMndre, ang. ▼. W. Ä. Hammer.
nalen Stindpunkt geächtet war, hätte niemind erwartet, mit
weleher BewnndeniDg einst noch dentsehe Diehter auf franift-
eischem Boden geehrt würden. Und hente ist man in Frankreich
nicht nur so weit\ daß die deutsche Sprache eine her^orrageDde
Stellang im Lehrplane der Mittelschulen einnimmt, sondern daß
sich sogar Literaturhistoriker mit der Geschichte des deatsehen
Schrifttums aufs eifrigste beschäftigen. Eine stattliche Zahl bio-
graphischer Arbeiten über Goethe , Schiller , Grillparter , Laian n.
T. a. verdanken wir französischen Forschem und so dem Verf. des
vorliegenden Buches , Hrn. Prof. Baldensperger an der Universiat
in LyoUt zunächst zwei Werke : „OaU/Hed Keller, ea vie et m
oßuvres** nnd „Ooethe en France** , im Anschlüsse an das Isbt-
genannte auch eine „Bibliographie eriHque**. Als ein weiteras sicht-
bares Dokument der emsigsten Forscherarbeit kann aber das fDr-
liegende Bändchen „^tudes d'hietoire liUSraire** gelten.
Es enthält fünf für sich getrennte Aufsätze, Studien, wie lie
der Verf. wohl mit Becht nennt; denn sie liefern weniger ein For-
schungsergebnis, sie führen uns nur auf den Pfaden grfindliek«
und dankbarer Untersuchungen. Der erste Aufsatz „CommeiU U
XVIIP eikle expliquait VuniversalitS de la langue fran^m"^
verdient aber schon in Anbetracht der wertvollen Quellenangabu
hervorgehoben zu werden. Aus allem geht hervor, daß die ihn-
zOsische Sprache die Zunge des deutschen Nachbarn ganz bo-
sonders beeinflußt hat, und zwar umsomehr, als sie durch du
Wirken der Akademie und den Gebrauch der großen Dichter wie
Corneille, Moliöre nnd Bacine an Beinheit gewann. Die erste An-
regung zur Beantwortung der Frage, wie sich überhaupt die Doi-
versalität, also die Bedeutung des französischen Idioms als Welt-
sprache erklärt, wurde durch eine Preisausschreibung der Berliser
Akademie im Jahre 1784 gegeben. Es handelte sich um die Be-
antwortung folgender Fragen: Qu^eeL ce qui faü la langue f ran-
gaiae la langue universelle de PEurope? Par oü nUrUe-t-dU
cette prirogative? und Peut-on prieumer gu'elle la conserve? Zwei
prämierte Arbeiten mußten sich in den Preis teilen. Die eine
stammte aus der Feder eines Deutschen, namens Johann Christoph
Schwab, mit dem Motto: Gallie ingenium, Gallis dedii ore rolutide
Muea loqui, die andere hatte einen Franzosen, den Grafen Bivarol
(Paris), zum Verfasser und trug als Kennwort: „Tu regere elcquio
populos, 0 Galle, memento^. Von diesen beiden Abhandlungen aus-
gehend, zeigt Baldensperger auch an der Hand späterer Belege, diß
die französische Sprache ihre Stellung im Weltverkehr behauptet bat
Der zweite Aufsatz „Young et ees ^nuiW* en France** be-
schäftigt sich zwar hauptsächlich mit Beziehungen zwischen der
englischen und der französischen Literatur. Aber indem ToQDgi
Einfluß auf Dichter Frankreichs nachgewiesen wird, fehlt es soeh
nicht an Hinweisen auf die deutsche Poesie, in der sich das Vor-
bild des Engländers spiegelt. Dem «Genre Troubadour"! dss
M. J. Wolffi Shakespeare, eng. t. A. EickUr. 507
oamentlich znr Zeit der Romantik wieder auflebte, ist die dritte
Studie gewidmet; Dur b&tte da g^agt werden kennen, daß das
iDteresae fflr die 8&nger der mittelalterliehen Bitterzeit zonftchst
in Dentechland wieder lebendig wurde. Von unmittelbarem Wert
för die deatsebe Literatnrforaehnng dürfte hingegen die Arbeit „La
Lhiore de Burger dane la lüUrature fran^aise^ eein. Da fordert
dar Verf. wirklieh manch nnbehobenen Schatz zntage. So ist es
gewÜS Yon Intereflsey die Nachahmer Bürgers in Frankreich kennen
zn leinen, z. B. den Dichter Berqnin, der den Bürgerschen Stoff
— Bürgers Lenore entstand 1778 — schon in einem Po6m „Le
PreeefUimerW* im Jahre 1776 verwertete. Wie B. aasführt, hat
lieh des Themas die Bomantik mit Vorliebe bem&chtigt. Jos^phin
Soolary sagt in dem Gedicht „^e chetnin de fer'^ (1841):
Le voyet-vous eourir sur le ehemin sonore?
Moins rapide volait, en emporiant Linore,
L'affreux eourrier dee iripaaäes
Den Schluß des Bandes bildet eine Üstbetiscbe Studie zur
Definition des Humors , die ebenso wie die übrigen Arbeiten mehr
kompilatoriflchen Charakter trügt.
Ans dem hier bloß skizzierten Inhalt ist wohl zu entnehmen,
daß Hr. Prof. Baldensperger die yergleichende Literatur durch einen
wartfoUen Beitrag bereichert bat , aus dem jeder Fachmann reiche
Aoregung schöpfen kann.
Wiep. W. A. Hammer.
Shakespeare. Der Dichter und sein Werk. VonDr.MaxJ.Wolff.
In zwei Bänden. Erater Band. Mflnchen, C. H. Beck 1907. 477 SS.
Preis 6 Mk.
Der in der Shakespeare -Literatur durch einige gründliche
Arbeiten wohlbewanderte Verf. unternimmt es hier, eine auf durch-
vags wissenschaftlicher Grundlage aufgebaute und die ganze Zeit
das Dichters umschließende Biographie zu bieten, die, in flüssiger
Sprache abgefaßt, weitere gebildete Kreise, nicht zuletzt den der
Familie anzuziehen geeignet ist. Es ist eine formyoUendete, ge-
schlossene Darstellung, deren Qroßzügigkeit die reichlichen Anmer-
kungen zu einzelnen strittigen oder tieferen Fragen glücklich und
möglichst Tollst&ndig ergänzen. Ohne sich in Phantastereien zu
fariieren , schöpft der Verf. aus den Dramen im Vereine mit den
geringen dokumentarischen Nachrichten über Shakeapeare eine im
wesentlichen wohl richtige Anschauung vom Charakter des Menschen
wie des Dichters. Die Kapitel »I'änd und Volk**, „Abstammung und
CMurt*", „Slratford*" und „London'' sind treffliche Kultucbilder,
die den Anforderungen wissenschaftlicher und doch gemeinverständ-
iieber Darstellung yoUauf genügen. „Drama und Bühne'' ist ein
guter Ausschnitt aus dem reiehbewegten Theaterleben der Zeit, mit
508 E. DaeneU, Gatch. der Yeremigten StaftUn, ang. ▼. J. Lourih.
feiner HertorhebuDg Dod Unteracheidang des TraditioneUeo und
Individnellen, letzteres natargem&ß auf Shakespeare bezogen und
mit ihm Terglicben. Die nan in weiteren sieben Kapiteln bespro-
chenen Werke ans Shakespeares Jagend nnd erstem Manneaalter
sind im einzelnen historisch -kritisch mit großer Kanst analysiert
and nntereinander in einen organischen künstlerischen Zosammsa-
hang gebracht, so daß man die sich stets h6her and freier ent-
wickelnde Erscheinong dieser bedentenden Persönlichkeit mfiheloa
erkennt. Dabei sind die althergebrachten Zftge in Shakespeares
Dichtung sowie ihre Schwächen, vom historischen wie Tom bee-
tigen Standpunkte ans — wenigstens in diesem 1. Bande — ini-
parteiisch beienchtet, wie WoJff ee überhaupt verstanden hat, keine
Idealgestalt anwahrscheinlicher Pr&gung, sondern ein großes di^-
terisches Genie in seiner menschlichen Begrenzung lebenswahr n
zeichnen. Daß mancher Fachgelehrte in einigen Punkten von des
Verf.s stets deutlich vertretener Meinung abweichen wird, ist bei
dem vielfach dunkeln und heiß umstrittenen Forschungsgebiete un-
vermeidlich; dadurch kann aber der hohe Wert des würdig ani-
gestatteten Buches für die Allgemeinheit nicht verringert werden.
Wien. Dr. Albert EicbUr.
E. Daenell, Geschichte der Vereinigten Staaten Ton Amerika.
(AoB Natur und Geisteewelt. [Sammlang wifsenschaftlich-gemeinTer*
ständlicher Darstellangen. 147. Bftndchen.]) VI and 176 S3. Leipsig.
Druck nnd Verlag von B. G. Tenbner 1907.
Wir dürfen dieses Bändchen ohne Bedenken den besten d«
ganzen historischen Gruppe dieser Sammlung beizählen. In adit
knapp zugemessenen, aber inhaltlich sehr bedeutenden Kapiteln
wird zuerst eine geographische Ansicht der Vereinigten Staaten
geboten, dann werden die ersten Kolonisationen und ihre Weit«-
fübrung bis in des XVIU. Jahrhundert bebandelt, der ameriks-
nische Freiheitskrieg und die Gründung der Union bee^eb«,
dann die Schicksale des nenen Staates im ersten Vierteljahriiandirt
seines Bestehens geschildert. Eingehend wird die europäische Sin-
wanderung, zunächst die deutsche, und die Art ihrer Organisiennif
geschildert und die Unterschiede zwischen den Nord- und Std-
staaten in der Bevölkerungszunahme und ihrer wirtschaftlichen Ent-
wicklung hervorgehoben. Im sechsten und siebenten Kapitel wMdes
wir mit der Genesis und dem Verlauf des Sezeesionskriegee bekannt-
gemacht, das achte schildert endlich die großartige BotwicUnng
der Union seit 1865: Die Verleihung politischer Rechte an die
Neger, die Eisenbahnpolitik, die Einwanderung und Einwandemngs-
Politik, die Zusammensetzung der Einwanderer, die Negerfrage, die
Union als Weltmacht und ihre Entwicklung nach der imperialisti-
schen Bicbtung usw. Sehr beachtenswert ist, was über die SteUsnff
Fitdier-GMibeek, Erdbinde fflr hdhere Behnlen, ang. t. J. MüUner. 609
der Neger nnd im allgemeineD über die UnierBchiede von Nord und
Süd, Oet und Weat gesagt wird. Der Dene Westen, wird hier ans-
gefübrt, zeiclmet sich aas dnreh kühne, weitsefaanende Anffassongen
nnd bringt sie in der Politik der Union zur Geltung. . . Diese west-
liche BevOlkernng zeigt die st&rkste Miscbnng innerhalb der Union.
Neben den Besten der alten spanischen Herren nnd ihrer Misch-
linge ist die Zahl der Indianer nnd Chinesen nicht anerheblich;
die weiße BevOlkernng aber enthält weniger englisches Blnt als
indere Teile der Union, dagegen in starkem Maße irisches nnd
dentscbes ... Der Mann des Westens fühlt sich als der nationalste
Typus des Nordamerikaners und man kann sagen, daß hier die
gdosttgsten Vorbedingnngen ffir die Ansbildnng einer neuen Nation
auf großem fianme vorhanden sind. Überhaupt werden die enro-
püsehen nnd nenenglisehen Knltureinflüsse zurücktreten , je mehr
der Westen emporkommt, der nach Asien hin gravitiert und je mehr
auch der Süden wieder an Bedeutung gewinnt, dessen Front Süd-
md Mittelamerika zugewandt ist. In gleicher Weise wird die
wirtschaftliche Entwicklung der Union, die zunehmende Industriali-
lisning, die Trust- und Antitrustbewegnng usw. besprochen; mit
einem Wort: es wird uns ein wahres Bild des heutigen Zustandes
geboten. Vier Beilagen enthalten: 1. Die Präsidenten der Ver-
einigten Staaten, 2. Die Staaten und (Gebiete der Union, 8. Das
Waehatum der Bevölkerung und der Anteil der Neger an derselben
nach dem zehnjährigen Zensus und 4. ein Verzeichnis wichtigerer
Literatur über die Vereinigten Staaten.
Graz. J. Loserth.
H. Fischer, A. Oeistbeck und M. Geistbeck, Erd-
kunde l&r höhere Schalen. Buchausgabe mit 280 schwanen Ab-
bildungen und 12 Farbentafehn. Müneben und Berlin, B. Oldenbonrg
1907.
Der Orundgedanke des Buches ist die Zerlegung der Linder
in erdkundliche Einheiten und die innige Verknfipfung der geo-
^aphiacben Faktoren. Es will an die Stelle des Wissens von Einzel-
kalten geographische Bildung setzen, indem es die Einzeltatsachen
in Leitideen zusammenfaüt und diese als Merkstoff in fetten Lettern
ans dem Texte hervortreten lüfit, eine keineswegs neue Erscheinung.
Dia Yerff. beabsichtigen durch die Aufdeckung geographischer Ge-
ittxmftftigkeiten eine Schulung im induktiven Denken zu erzielen.
Sie gruppieren den Stoff um den Menschen und sein Walten auf
dar Erde und verlegen dadurch den Schwerpunkt des Unterrichts
anf die anthropogeographische Seite. Ihr Zweck ist ein Verst&ndnis
^ar wirtschaftlichen nnd politischen Zustünde der Gegenwart an-
510 B- Maaek, KflMtl. Heimatkande ▼. Hamburg, sag. t. B. Iwiendörfftr.
znbabnen. Aach historische BetracbtuDgen sind aiDgeflochteii. Ssine
Aufgabe soll das Buch in erster Linie bei der binsliehen Wiodsr-
holnng erfftilen. Die Ausstattung mit Bildern ist fiberans reich.
Wien. J. Müllner.
Dr. B. Maack, EQnstlerische Heimatkande von Hambnrg
und Umgebung. Leipsig, Quelle & Mejer 1907.
Der Verf., Oberlehrer an einer der höheren Schalen Hsm-
bargSy will an dem Beispiele dieser Stadt zeigen, wie in dm
Schülern Sinn and Verständnis ffir die künstlMiscben Beize dw
Vaterstadt geweckt werden kann. Wenn M. sieh dabei nicht auf
die Kunstwerke im eigentlichen Sinne beechrftnkt, sondern aach
kflnstlerisches Verständnis für die Schönheiten der Natnr erhaltsn
will, so ist dies dnrchans lobenswert. Es wäre erfreolich, wian
die frisch geschriebene Schrift dazn anregen wflrde, auch fftr
andere Städte ähnliche Fflhrer fflr die Jagend za schaffen; Wien
wäre z. B. des Schweißes der Edlen wert. Ob freilich eine prtk*
tische Verwertung bei gemeinsamen Spaziergängen oder Besuchen
bestimmter Punkte der Stadt so leicht möglich ist, wo die Zeit
Ton Lehrern und Schttlern so sehr besetzt ist, ist eine andere
Frage. Immerhin ist die Anregung zu begrüßen.
Wien. B. Imendörffer.
G. Bohrbach; Vierstellige, logarithmisch -trigonometrische
Tafeln, i. Auflage. Qotha, E. F. Thienemann 1904. 36 Sa 8^.
Die Tafeln enthalten: 1. Eine Einleitung (S. 2 — 5); 2. die
Logarithmen der Zahlen yon 1 — 2010 mit mittleren Differenzen,
auf die Zeile bezogen, und Partes proportionales für D = 22 bis 2
(S. 6 — 9); 8. goniometrische Funktionen, Sehnen und Bogenliogen
(S. 10); 4. die Logarithmen von vier goniometrischen Funktionen
nach flblicher Weise für Winkel Ton 00^45®, bezw. 90^--45^
im Interyall yon 6' mit Differenzen und Partes proportionales for
Z> = 178 bis 4 (S. 11—19); 5. die Logarithmen der Simiffie
(S. 20) und der Tangenten (S. 21) Ton hundertste! zu hnndeititel
Grad ffir Winkel yon 0^— 5<>; 6. die Logarithmen der Sinosie
(S. 22) und der Tangenten (S. 28) yon Minute zu Minute för
Winkel yon 0® bis S^'. Es folgen dann: natfirliche Logarithmen
der Zahlen 1—1000; die Quadrate der Zahlen 1—1000; 7stellige
Logarithmen der Zinsfaktoren; 8stellige Logarithmen; Potenzen und
Wurzeln der Zahlen 1—20; Fakultäten; Potenzen yon 2; Fook*
tionen yon n und einige andere Eonstante; MaßyergleicbuDgeo;
C. Schrbach, Vierstellige, log.-trig. Tafelo, ang. ▼. J. Arbes, 511
Erddimenaicnen ; physikalische, aatroDomlsebe nod geographische
Aogaben; graphische DarsteliQDg der geniometrisehen FaDktionen.
Bohrbaehs Tafeln haben sich zur Zeit ihres ErscheiDens
(1. Auflage 1894) jedenfalls Torteilbaft Ton anderen unterschieden,
infolge dessen sie an Tielen Schalen Dentschlands (mehr als 50)
EJDgang fanden. Die Hanpttafeln wie die der Logarithmen der
Zahlen nnd der Winkelfunktionen muß man auch wegen der prak-
tiBcben Einrichtung und der Übersichtlichkeit und des deutlichen
nod korrekten Druckes loben. Ähnliches Lob gilt auch anderen
Tafehi auf 8. 20 bis 27. Bei den Zahlenlogarithmen kommt eine
Neuerung vor, bestehend in einer Vertikalspalte mit der Überschrift
10, hingestellt in der Absicht der Erleichterung des Aufsucbens der
Differenz, deren mittlerer Wert auf die Zeile bezogen, übrigens
gleich daneben steht.
Um auch einige Mängel der Tafeln zu erwähnen, beginnen
wir gleich mit der Einleitung. Diese ist im allgemeinen fiberflflssig.
Denn sie enthält zunächst Belehrungen über die Art des logarith-
misdien Beehnens und weiterhin mathematische Formeln, Dinge
die als bekannt Torausgesetzt werden können; sie enthält auch
Hinweise auf die „Seiten*', wofür der .Inbalf* ausreicht; andere
Bemerkungen, wie über zweite Differenzen und entsprechende Diter-
polation sind ohne sachkundige Aufklärung zu kurz gehalten und
können in der Mittelschule auch nur fallweise besprochen werden
(r- ist dabei allgemein gehalten, dsgegen setzt die kleinere Tabelle
für n und p h gleich 10 Torans); bloß yler Formeln zur Bestim-
mung Ton log sin und log tg kleiner Winkel bis über 2®, bezw.
45' sind erwähnenswert, aber dem Schüler wäre es erwünschter,
wenn man in diesem Falle die äußerst kurze Ableitung dazu auf-
geDommen hätte.
Die natürlichen Maße der goniometrischen Funktionen sind
Ton Orad zu Orad angegeben; wenn das Winkelintervall etwas
kiemer wäre, würde der praktische Rechner dies nur freudig be-
grüß«!.
Die Tabellen für log sin und log tg im Interralle Ton 0*01<^
lind für üsterreichische Mittelschulen nicht nOtig.
Das Minuteninterrall (8. 22, 28) wurde bis zu dem Winkel
Ton 8^ ausgedehnt, wohl deswegen, um dadurch mit Bücksioht auf
Seitenflächen einen einheitlichen und gefälligen Eindruck zu er-
xielen. Letztere Bemerkung gilt auch von den Tafeln für die na-
tfirUchen Zahlen (8. 24, 25) und von den Tafeln für tfi (S. 26, 27).
Während die Angaben f ür n* sehr reichlich sind, beschränken sich
die für n\ Yn, Vn auf die Zahlen 1 bis 20, d. i. auf fünfzig-
mal weniger Zahlen.
Im allgemeinen hat Bohrbach zu viel Zugaben, sie umfassen
ugefähr M% (mit der Einleitung M%) des Inhaltes. Jeder Lehr-
512 ^. Wangeritty F. NenmAnn und flein Wirken^ Aug. ▼. i. G, WaUkniin,
behelf soll der Schale, bezw. dem Schfiler zugute kommeu ; auf den
Fachmann kommt es da nicht an, der benütze andere ffilfemittel,
wenn ihm etwa Tieretellige Tafeln zu wenig bieten. Zon&chst muß
der Schüler das Lehrziel möglichst gut erreichen; wenn dann der
Lehrer die Aufmerksamkeit des Schülers noch außerdem auf andere
interessante Dinge zu lenken tersteht, die der Schüler leicht auf-
fassen und behalten kann und sein Interesse an dem Oegenstand
bedeutend erhöhen, so wird der Schüler dem Lehrer nur Dsok
wissen. So z. B. sind die Berechnung der Logarithmen d«r Funk-
tionen kleiner Winkel , die Durchführung der einfachen und ge*
naueren Interpolation« die Ermittlung der natürlichen Logarithneo
usw. Dinge, die bei günstiger Gelegenheit und am richtigen Oite
vom Lehrer vorgebracht den Unterricht bedeutend beleben könnes.
Werden physikalische und astronomische oder geographische Rech-
nungen durchgeführt, so finden sich die nötigen Angaben schon in
den vorhandenen Übungsbüchern vor. Bobrbach hat bei diesen Kon-
stanten auf deren Logarithmen fast gänzlich yerzichtet und banpt-
s&chlich dem Physiker und Geographen Bechnung getragen.
Die Tafein zum Schulgebrauch mögen im allgemeinen snr
das enthalten, was nötig ist und bei der Praxis des ünterrichtaa
ausgenützt wird; anderes Interessante sollte höchstens in sehr
sorgfältiger, ausgleichender Auswahl auftreten, da es doch
nur gelegentlich oder mitunter gar nicht zur Verwendung kommt
Darnach ist die Tabelle der natürlichen Logarithmen zu sehr aus-
gedehnt, ebenso die der Fakultäten, da man in der Mittelsdinle
mit Billionen, Trillionen oder gar mit 26zifiFerigen Zahlen doch
nicht zu rechnen pflegt. Die dreistelligen Tafeln erscheinen eben-
falls unnötig, schließlich könnte sich dieselben jeder Schüler aas
vierstelligen verschaffen, und so läGt sich auch an anderen Orten
sichten.
Was den Druck betrifft, so erscheint bisweilen der Inhalt in
sehr zusammengedrängt, so daß die Ziffern zu klein erschaiDeB,
z. B. S. 10 im unteren Drittel, femer bei den P. p. auf 8. 11 bii
S. 18 und bei den physikalischen und astronomischen Eonstaaten
auf S. 81 und S. 32 in der unteren Hälfte.
Das Papier ist schön und stark, das Format jedoeh übertrifft
das der gewöhnlichen Lehrbücher.
Prag-Smichow. Job. Arbes.
Franz Nenmann und sein Wirken als Forscher and Lehrer.
Von Dr. A. W an g er in, Professor an der Universität Halle a. &
Mit einer Teztfigur und einem Bildnis Neumanne in HeliograTore.
Brannschweig, Vieweg & Sohn 1907.
Das vorliegende Buch ist als Heft 19 der „Wissenschaft',
also jener Sammlung naturwissenschaftlicher und mathematiecker
A Wangerin, F. Nenmaon und sein Wirken, ang. y. J. Q. Waüentin, 513
MoDographieo erschienen« die im Verlage Ton Friedrieh Vleweg seit
geraumer Zelt pabliziert wird.
Prof. Wangerin bat in dieser Schrift in pietfttTcUer Weite
d«o Lebentlanf , die wissenschafüicben Leietnngen F. Nenmanne
ansffibrlieh besprochen und dabei aacfa des berTorragenden Wirkens
dieses Mannes als Lehrer gedacht. Es konnten für diese Zwecke
Seminarberichte Nenmanns yon der EOnigsberger UnWersitit, ferner
die im physikalischen Laboratorinm zn Königsberg aufbewahrte
Sammlnng Ton Arbeiten ans Nenmanns Seminar benutzt werden.
Außerdem sind die Schriften von Voigt nnd Volkmann, welche
bei Nenmanns Tode erschienen sind, femer die .Erinnemngs-
blitter*, welche die Tochter Nenmanns, Frftnlein Lonise Nenmann,
ihrem Vater gewidmet hat, zurate gezogen.
Das Buch gliedert sich in drei Teile: 1. Franz Neumanns
Leben; 2. Nenmanns wissenschaftliche Arbeiten; 8. Vorlesungen,
Seminar, Laboratorium. Wangerin zeigt sich im ersten dieser Teile
als gewissenhafter und genauer Biograph, der todI edler Liebe zu
Semem einstigen Lehrer erfüllt ist; er zeigt, welche domenToUe
Wege Nenmann einschlagen mußte, um zum Ziele, das er erreichte,
zn gelangen. Die Persönlichkeit des großen Gelehrten und glühenden
Patrioten tritt uns in diesem Teile in den schönsten Zügen entgegen«
Unter den wissenschaftlichen Arbeiten Neumanns werden
nerst die kristallographiseh-mineraiogischen Arbeiten genannt; auf
diesem Gebiete hat Neumann sowohl in theoretischer als auch in
openmenteller Hinsicht gewirkt und wertvolle Beitrüge zur Eri-
itallograpfaie und Kristallonomie geliefert. Neumanns Arbeiten zur
Wirmelehre, die nun besprochen werden, sind wesentlich experi-
menteller Beschaffenheit (Bestimmung der spezifischen Wurme sowie
der ünßeren und inneren Wftrmeleitnngsffthigkeit). Neumann zeigt
aber in dieeen Arbeiten, die mit relativ bescheidenen Apparaten aus-
geführt sind, wie Experiment und Theorie zu vereinen ist.
Von großer Bedeutung sind die Arbeiten Neumanns aus der
Optik und der Elastizitütstheorie. Ld seiner Theorie der doppelten
Strahlenbrechung, abgeleitet aus den Gleichungen der Mechanik,
^d auch die Polarisationsebene definiert als die durch die Wellen-
oormale und die Richtung der Schwingungen gelegte Ebene im
Oegenaatze zur Fresnelschen Annahme, nach der die Polarisations-
ricbtung auf der Bichtung der Schwingungen senkrecht steht. —
Belangreich sind auch die Arbeiten „zur Theorie der elliptischen
Polarisation des Lichtes , welche durch Befiexion von Metailfiächen
eneugt wird" und „über die optischen Achsen und die Farben
zweiachsiger Kristalle im polarisierten Lichte", sowie die Abhand-
lung^ „ttber den Einfluß der Eristallfiüchen bei der Befiexion des
Liebtea und über die Intensitüt des gewöhnlichen und nngewOfan-
lieben Strahles", welcM Arbeit Nenmann in einen Priorititsstreit
mit Mac Cnllagh verwickelte. An diese große Arbeit über Kristall-
reflezion schlössen sich noch einige in dasselbe Gebiet gehörende
ZtÜKkrifl f. d. eitanr. 0 jmn. 190S. VL H«A. S8
514 £. Lampertt OroAiebmatteriiiige uw^ ang. v. J. G. WäOeiUm.
kleinere Arbeiten an. Im weiteren werden noch einige der Kristall-
phyaik angehörende Arbeiten, femer die Abhandlung über die Ge-
setze der Doppelbrechung des Lichtes in komprimierten oder oa-
gleichmftßig erwärmten nnkristaUinischen Körpern beeprocben.
Von besonderer Bedeutung erscheinen die Arbeiten Neumsnoi
ttber induzierte elektrische StrOme» welche ihn zur Aufstellung einM
allgemeinen Prinzipes der mathematischen Theorie der induzierten
elektrischen Ströme leiteten.
Nun werden noch die mathematischen Arbeiten des sosge-
zeichneten Gelehrten gewdrdigt, unter denen namentlich jene Aber
KugelfuDktionen hervorzuheben sind. Im weiteren finden wir einige
wissenschaftliche Untersuchungen Nenmanns skizziert, die nicht von
ihm selbst yeröifentlicht wurden.
Der letzte Teil des Buches ist vorzugsweise der Darstellnn^
der publizistischen T&tigkeit Neumanns, seines Wirkens im Semiur
und seiner Bestrebungen zur Errichtung eines physikalisdien Labo-
ratoriums, das erst im Jahre 1886 vollendet wurde, als Neumaon
fast 90 Jahre alt war, gewidmet.
Das vorliegende Buch erscheint vollster Beachtung wert.
Großsehmetterlinge und Baapen Mitteleuropas mit betoDdeitr
Berflckeichtigung der biologiieben Verbftitnisee. HeraoigeirebeB ?o&
Prof. Dr. Kurt L a m p e r t , Oberttadienrat, VoxstaDd des kgL NaIiailieD-
kabinete in Stuttgart Esslingen und Mönchen, J. F. Schreiber 1906.
Lieferangen 7, 8, 9.
In den vorliegenden Lieferungen wird die Besprechung der
zeitlichen und r¨ichen Verbreitung der Schmetterlinge fortfe-
setzt und auf die Phylogenie oder Stammesgeschichte derselben ein-
gegangen, wobei gezeigt wird, daß die Äderung des Flflgeb aii
ein in stammesgeschichtlicher Beziehung besonders wichtiges Merk-
mal zu gelten hat. Weiters wird die Nomenklatur der Schmetter-
linge erörtert, dann werden sehr wertvolle Winke, die auf den Fang
derselben und die Sammeltechnik bezugnehmen, gegeben.
In Lieferung 9 wird mit dem systematischen Teil begoooeo,
wobei dem Vorgänge von Staudinger und Bebel Bechnung ge-
tragen wird.
Auch die vorliegenden Lieferungen zeigen die Frische und
gewandte Darstellung des Textes, der — wenn auch popnlir ge-
halten — doch an keiner Stelle die strenge Wissenschaftliebkeit
vermissen Iftßt.
Die den einzelnen Lieferungen beigegebenen Figorentafeln,
auf denen die Baupen und die Schmetterlinge sowie die Fetter*
pflanze der ersteren dargestellt ist, sind meisterhaft angelegt und
durchgeführt und werden auch bei der Bestimmung der Falter dem
Anf&nger wertvolle Dienste erweisen.
Wien. Dr. I. G. Wallentin.
RSduaiter, Lehrbnoh der Mineralogie und Geologie, ang. ▼. F. Nai, 515
Lehrbuch der Mineralogie and Geologie für die oberen KUisen
der OjmaMien von Dr. Rudolf Sebariier, Profeteor an der Uni-
▼eniUt in Csemowiti. 6., dnrebgeiebene Auflage, Wien, F. Tempskj
1907.
Die sechste Auflage unterscheidet sich nur in nnwesentlicbea
Dingen Ton den vorhergehenden. Einige Textkorrektnren, z. B. beim
Qoan, einige nene Illnstrationen« Anordnung und Behandlung des
Stoffes sind die gleichen geblieben ; daher sind auch die Vorzflge
nod Nachteile des Buches die gleichen wie bisher ; darüber ist an
dieser Stelle wiederholt berichtet worden nnd deshalb nichts Nenes
hiozutufflgen.
Einige Abbildungen , so Fig. 15 nnd 16 (FingalshOhle und
Wfgotsch) und besonders das unmögliche Gletscherbild Fig. 82
konnten durch bessere ersetzt werden. Der Biliner Sauerbrunnen
iit kein Bitterwasser.
Wien. Dr. Franz NoS.
SS*
I
Dritte Abteilung^.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Zur griechischen and lateinischen Lektfire so
unserem Oymnasiam.
XL
«Die grOßta Gefahr droht nnserea höheren Schulen jetst fonieiteB
des Nebensächlichen, das fortwährend in breitem Strome henngeflstet
kommt and die Aufmerksamkeit Ton dem in erster Linie Wichtigen ab-
lenkt* sagt 0. WeiQenfels in der Vorrede seiner Kernfragen Toa 190S.
Diese Worte finden anch in dem Vorschlage ihre Bestätignngp den Koknli
nun (8. 83 f.) macht: Die paar Wochen, die wir anf die Lektfire einer phäo-
sophlschen oder rhetorischen Schrift Cieeros verwenden können, den Briefes
des jftngeren Plinins ^) in widmen. Von den Briefen Cieeros, die K. Crflher
^) Über die Lektfire der Plinins-Briefe in älterer Zeit TgL EekiteiB,
ünterr. S. 272. A. Krensers Bemflhnngen nm diese Lektfire (O7mn.-Prop^
Prfim, 1891 and die Aasgabe ?on 1894) blieben troti der Empfehlssg
H. Ziemen erfolsflos, während die Briefe Gioeros trots 0. Weiftenfels (K.
Jahrb. 1900, II 528 ff.; Kernfr. 1903, 8. 246 ff.) in den prenß. Lehrpläoes
festgehalten wurden. Ein paar Plinias-Briefe wollten Th. Vogel und Tliiale
(N. Jahrb. 1891, II 209 ff., 527 ff.) in der Schale lesen, K. Beinhsrdt
(Berl. £onf. Ton 1900) den Briefwechsel mit Trajan in ein lateiaisebei
Lesebuch lur ünterstfitzung des Oetchichtaunterrichtes anfgenonDca
wissen. Die ChroBtomathie von Opits- Weinhold enthält auf 30 88. Briefe
des jfiDgeren Plinios, natfirlich sind die fiber den Ausbruch des Vcsst
TOD M. C. P. Schmidt aufgenommen ; auch in der Ton W. Jung (Hoosti-
schr. 1903, S. 522 ff.) skiziierten Chrestomathie hat dieser PliniuB sein
Platschen. Interessant ist, daft L. Just in dieser ZeiUchr. 1855, 8. 19^
erklärt, schon für das sweite Semester der IV. Klasse wfinschten mssche
umsomehr, da Cicero im gansen suwenig berfieksichtigt erseheine, eioa
kleine Sammlung anslehender Briefe tod Cicero und Tielleicht auch PliniBs-
Von einigen Briefen Giceros war ja bei uns nur 1849 ffir die VI. KJsm
die Bede. Das Unterrichtsministerium hat fibrigens mit &laß fom
18. Oktober 1905 Terlaotbart^ Ober motiyieiten Antrag eines LehrkOipen
könne gestattet werden, dafi in der VII. Gymnasialklasse an Stelle der
obligaten Lektfire eines der philosophischen (oder rhetorischen) Werte
Cieeros die Lektfire einer Auswahl Ton Briefen des jfingeren J^linius be-
trieben werde. Ob ein solcher Antrag Öfter gestellt worden ist, ist ndr
nicht bekannt.
Zu grieeh. und Uteiiu Lektflre an ans«rem Oyinnasiiiiii. ZI. 517
•iBoud empfohlen hatte» tprieht er nieht mehr. Jetst hegreift man, wie
er den Gnmdtati hat aufstellen kOnnen, statt der sa schwierigen Oroften
leiei nnbedenkUeh die weniger GroAen heransnsiehen. Denn darüber
henseht Einigkeit, da(S wir an Plinins den l^ns flacher MittelmiOigkeit
hiben. K. wiederholt hier, was er in dem erwfthnten AnfiMtse sflber die
erfreulichen Eigebnisse dieser Versachslektflre* im Jahre 1905 berichtet
hit Es maß nur wieder betont werden, daft er nicht an Stelle des Laelios,
•oadem flberhanpt einer philosophischen oder rhetorischen Schrift Giceros
Pliiiiiis gelesen hat; denn selbst, wenn der Vorgänger im Lateinnnterricht
is der VI. Klasse den Laelios ftkr die VII. Torgescblagen hatte, branchte
er sich dnreh diesen Vorschlag nicht gebonden fflhlen. K. wird doch wohl
sieht daraos, daft niemand seinen AosfOhnrngen Oifentlich entgegentrat,
aaf sllgemeine Zastimmang geschlossen haben. Die Kollegen, mit denen
ich aber die Sache sprach, waren ähnlicher Ansicht, wie P. Wendland in
der erwähnten Besprechnng, daft es sich hier nm eine OeschmacksTcrirning
hsodle, die kaum jemand mitmachen wtlrde. Ich selbst habe mich seiner-
seit damit begnflgt, in der Lebrerkonferens, in der die Thesen fttr die
ietste n.-O. Direktoren -KoDferens sor Sprache kamen, anter Zostimmnng
der Fachkollegen sn beantragen, diese Konfereni mOge ersucht werden, der
Beseitigang jener Schriften Giceros ans dem Kanon eDtgegensairetcD.
Die Begrflndong, die K. hier wiederholt, scheint mir darchaas nicht
geeignet, irgend jemanden sa Plinins in Terlocken. Er beseichnet sonächst
diese Lektfire als beste Überleitang sa Tacitns. Plinins fahrt aber in
«ine Zeit, in der sich aach die Tacitas-Lektüre nicht bewegt. .Die £r-
ienntnis des gesellschaftlichen Lebens der Trajanischen Zeit* (Schans)
itt noch nicht Sache nnseres Scbnlonterrichtes. Pauend können die
psar Briefe des Plinins, die in Betracht kommen und fftr die Schale Wert
haben, an die Tacitns-LektOre angeschlossen oder vom Historiker nnd
Beligionslehrer herangeiogen werden. Wollte man aber die SchOler mit
dem antiken Brief bekannt machen, so mOAte man Giceros Original-
briefe lesen nnd konnte erst dann einen oder den anderen der liebens-
wOrdigen Knnstbriefe des Plinins Tomehmen, die schon deswegen von
den Schfllem — nach meinen Erfahnxngen mit der PriTatlektOre — denen
des Gicero nicht Torgesogen werden, weil sie fOr die VerOffentlichong
geschrieben sind. Bei der LektOre eines Briefes will die Jagend gewisser-
matten in das Briefgeheimnis mit eingeweiht sein. »Kanm ein sweiter
Schriftsteller*, sagt K. weiter, „kaum ein iweites Werk der BOmer dOrfte
den Schfller sn plastischer Vergegenwärtigong der Antike, la treifsicherer
Erkenntnis ihrer Zasammenbänge and Analogien mit nnseren Zeiten . . .
mit geringeren AniprOchen aaf Selbstentäatterang beraniabilden geeignet
sein*. Besser hat seinerteit L. Jnat seinen Vorschlag, fielleicht aneh
Briefe des Plinins im sweiten Semester der IV. Kl. sa lesen, be-
grOttdet mit den Worten (in dieser Zeitschr. 18^ S. 195 f.) : ,Zwar dttrfte
gegen Plinins eingewendet werden, sein Latein sei nicht gans rein, sein
maniriortos, gesachtes, ans moderne streifendes Wesen sei ein MÜSklang
gegenflber der klaren, objektifen Anschanangs- nnd Bedeweise der
518 Zur grieeb. vnd latein. Lektflre an vnteram Gymoaiism. XI.
KlMdker ertten Banget; aber anderseita gewähren aeine Briefe eiaen
Bliek in die aoiialen Verhiltnine dea Eaiierreieha vnd bieten ao maaeh«
Aniiebende and Lebrreiehe dar, daa man nngem ▼ermiAt Jeder von aai
wird aich des ungemeinen Vergnflgent erinnern, mit dem er s. B. eeiB«
Briefe an Taeitoa geleaen*. Idi bebaopte aber, daß die Werke, die wir
jetit am Gymnasinm leien kOnnen, ebenso geeignet aind, die Jagend
naeh nnd nach in jener «treifsidieren Erkenntnis^ heraninsieheB. Deaa
nicht allein auf die Kenntnisse der Realien kommt ea an, aondem haapt-
sftehlieh anf das Eindringen in das Wesen der Antike doroh deren gr&Ate
Geister.
K. meint, einen Maftstab für den Yergleioh Giceroa mit Pliaios in
der Sehale sa besitien. Gieeros Pampeiana war aeinen Sohfilem laogwdlig,
^e Briefe dee Pliniaa nicht, and iwar wegen ihrer inhaltlichen llaanig-
faltigkeit Wer hat ihn geiwangen, gerade die Pampeiama sn lesea?
Waram hat er nicht die ton ihm jedenfalls ffir interesaanter gehaltene
IV. in Verr, gelesen? Kann er aicher sagen, wie sich seine Sehftler n
Gieeros philosophischen oder rhetorischen Schriften gestellt bitten, wsbb
sie diese mit einem Lehrer gelesen hätten, der ffir sie dieselbe Ver-
liebe gehabt hätte, wie er für die Briefe des Plinias? Immer wieda
der Hinweis anf die varietM recdium, der data fahren kann, die
Lektflre der Griginale la beseitigen. Wenn ich das sage, Torkenne ich
darchaos nicht, daß Jeder Gedanken- and Wissensinhalt, den ich mir
selbst aaa der Quelle geschöpft habe, an eigenartigem Wert jeden anderen
weit fibertrifft«' (Dettweiler IIP, S. 120); aber ist dieser Wertonterschied
so groß and so bedentangsTolI, daß man Torsagaweise seinetwegen lo
yiel Kraft and Zeit anf die Erlernang der alten Sprachen Terwendea
sollte? „Was kann der Lehrer", rnft K., «bei Gieeros LaeUaa odar Gsto
aar Belebong and Vertiefang des Unterrichtes an Bealien und StolFea,
die nicht gerade rein „philosophischem«' Wissensgebiete angeboren, oa-
gezwungen herbeisiehen ?* Erstens handelt ee sich nicht am Laelios')
^) Kein Lehrer ist irgendwie gebnnden. Aach Stücke aas rheUoiachea
Schriften Gieeros werden, wie man hOrt, ietst bei ans mit Genaß seiteat
der Schaler gelesen. Daß aber doch auch die Lektfire des LtUliua sasaeen
kann, bat mir ein Fall geieigt, den ich mir hier ansafflhren erlanbe. Vor
korsem besacbte mich ein ehemaliger Schfller, den ich seit dem Zosam*
mensein in der VII. Gymnasialklasse nicht mehr gesehen hatte. Im Ge-
spräche aber gemeinsame Erlebnisse fiel mir der junge Mann plötslich
ins Woit nnd rief: „Wenn Sie wieder Latein in der VII. haben, lesea
Sie doch wieder den Laelius; er ist so hflbsch nnd enthält eine Menge
Sätse, die man gar wohl braachen kann**. Er wußte auch noch ein paar
ansuf&hren. Ich muß sagen, daß diese Worte auf mich Eindruck gemacht
haben. Der junge Mann ist aber nicht etwa Philologe, sondern aogea-
blicklich Assistent an der Lehrkansel fflr mediiinische Ghemie ao der
UniTcrsität Gras. K. hat bei H. Ziemer (Jahrb. 1905, VI 74) Zastimmnng
gefunden. „Diese Briefe", sagt dieser, „kOnnen selbst mit Gieeros Briefen
wohl den Vergleich aushalten, dem Cato m. und Laelius, dem bdl. cw.
wOrden auch wir sie Torsiehen". Wer aber den Standpunkt Ziemers kennt,
weiß, daß dieser kaum damit einTcrstanden sein wflrde, auf Kosten
sämtlicher philosophischen und rhetorischen Schriften Gieeros den
Plinius einsufflhren, und das will eben K. Daher ist es fflr die fVage,
Zor gridcb. und Utein. Lektfire an nDserem Ojinnasiam. ZI. 619
oder Cftto allain , 10006111 tkberhaapt vm philosophisehe uid rbetoriiehe
Sehrifken Cieerot vad iweitant Icmd wir ja aveh gar Bieht diese SehrifteD,
am die Jagend über irgend welebe andere Realien nnd Stoffe in nnterricbten.
Wir wollen gerade die Jagend ein paar Wocben mit „PbiloaopbiiebeDi''
baieblftigen, wir wollen lie ^lum Naebdenken Aber wichtige Lebenifragen,
n einem beeebeidenen Pbiloiopbieren hinleiten* (Dettweiler). Und diese
Fragen kOnnen aneb die Sehtkler dieie knno Zeit interessieren. Über den
BildoDgiwert der philosophischen nnd rhetorischen Schriften Cieeios fttr
die Jugend ist man doch im klaren. „Sie Termitteln uns die Kenntnis der
edelsten Gedanken griechischer Popalarpbilosophie* (Siebonrg). Wer darflber
kein eigenes urteil bat, wird diese Schriften mit allen Hilfsmitteln modemer
Wissenschaft itndieren nnd dann darflber lesen, was i. B. Weißenfels ans-
fefohrt hat Ist er nicht derselben Ansicht, so wird er abwarten, bis er
Gelegenheit hat, diese Schriften mit Schfllem nnter Verwertung seiner
Stadien in lesen, und wenn er dann die Erfahmng macht, daß normale
SektUer sich bei der secbawOcbentlicben Lektflre gelangweilt haben, wird er
ernstlich mit sich sorate gehen, ob er nicht doch am Ende selbst die Schuld
trigt, nnd erst wenn er dieselbe Erfahrung wiederholt mit Torsehiedenen
dieser Schriften gemacht hat, soll er Aber seine Erfahmng sehreiben nnd
Tsnochen, das sn wideriegen, was andere darflber gesagt haben. In der
Zeit, als das Schlagwort «KompUator" noch wirkte, bat man Aber diese
Schriften geringer gedacht, wie onser Lehrplan von 1849 seigt, aber bei
SOS hat man schon 1884 den Fehler eingesehen, den man in Preußen erst
1901 gut gemacht bat Auf diese neuesten preußischen Lehrpllne bfttte
also K. auch im allgemeinen nicht hinweisen sollen, die schreiben ja in
0 II auch Caio «i., in Ol eine Auswahl aus Giceros philosophischen und
rhetorischen Schriften Tor, die in dem Torhergebenden Lehrplane fehlt
•Welcher Lehrer*, ruft K., «kann sich und anderen einreden wollen, daß er
bei Giceros Fompeiana oder Rede pro Archia gegen die immer hoffnungs-
loser schwelende Oleichgiltigkeit seiner Klasse mit dem sieggewohnten,
dauernden Erfolge aniukimpfen wußte?* Diese rhetorische Frage erinnert
xwar an die «nun einmal nicht wegiuleugnende Öde und Unfreudigkeit,
die sich TorBUgsweise in die Gieerostunden eingeschlichen lu haben
eebeint* (Dettweiler), aber sie klingt doch gerade fflr diese swei Beden
(TgL Dettweiler, S. 185 f.) etwas gar saTersiebtlicb. Eigene Erfahmngen
in dieser Weise in generalisieren, geht nicht an. Außerdem ist diese
Frage hier AberflAssig. K. will die Briefe des Plinius nicht an die Stelle
der Beden gesetit haben, deren Auswahl uns Tollkommen frei gestellt
sm die es sich hier handelt, auch nicht von großsiii Gewicbt, wtsan D«tt-
veiler (S. 204) mit E. darin einig )it, daß die Lektflre der Plinmn ßHefe
«die des Ltulius, des Cato m. and njancber aodf^rtrii L&dijßbnur <ter
Itteinischen SchuÜektAre an did&ktiAcht^n VorsQgen flbi^rtrifft'' ^ du an
Dettweiler setit gleich hinsu: ^.Abur dh Werke, die to» uns emfrfbh&ftii
■iod* — dasu geboren besondeis pliiloeopbticbe gchrift«» üiv^t
.halten wir trotidem fAr eine einbeiiJkhe Monte Dtmtte LektQre
eDtbehrlicher. Auch wird der UatigeL »n Z«it m«tet ein U'- *
die DorchfAhmng jenes an sich truten GeaankiBs seJu*, V«
N. Jahrb. 1908, II 274 ff.
620 Zar grieeh. und Utein. LektQre an onBerem Gjmnaaiiim. XI.
iit, Bondern an die Stelle der philoeophiiebeii ond ihetoritcheD Schriften.
Was jene Öde anlangt, so muß bemerkt werden, daft eben in Dentieh-
land fiel, viel mehr Cicero gelesen wird. Öde kann aber alles werden,
natflrlich aneh die Lektflre Ton Giceros philosophischen Schriften;
man denke an die oben angefahrte Bemerknng Uhligs. Auch Fr. Alj
sagt mit Recht (Hom. Gymn. 1904, S. 148): »Gerade unter den Händen
nicht philosophisch orientierter ErkUlrer kann die Lektflre der philosophi-
schen Schriften eine Quelle Ödester Langweiligkeit anbohren*. Ich weifi
nicht, ob sich diese Öde auch gerade in das eine Semester bei ons ein-
geschlichen hat; wenn aber das der Fall ist, kann man doch nicht Cicero
und den Lehrplan dafflr Terantwortlich machen.
Beim jQngeren Plinias, erklärt E., ergebe sich leichter nnd Öfter
als selbst bei Tacitns nnd Horas die Möglichkeit, ja Notwendigkdt anf
geograpbiiches, natarwisseniehaftliches, historisches, jnridisehes, soiiales,
Gebiet einen befreienden Blick so werfen. WoTon will er sieh
denn eigentlich befreien? Wenn Tom lateinischen Text des Plinhis, miA
er beantragen, ihn deutsch sa lesen, wenn Tom Latein flberfaaopt, mnA er
den Antrag aof Beseitigung der OriginaHektflre stellen. »So wirkt in der
!ateinischen Lektflrestonde Pünias Tielseitig nnd anregend, nicht einseitig
oder geradem enchlaffend wie Cicero*. Der allgemeiBe 8chla5 stimmt
eben in den Pr&missen nicht Niemand hätte etwas einwenden können,
wenn E. geschlossen hätte: »So wirkt in mancher lat Lektflrestonde nsw.*
Wieder ruft er nun: „Nur im lateinischen Unterrichte sollen wir diesem
Cicero .... auch fernerhin ror allen anderen Schriftstellern eine abe^
ragende Bedentang einränmen .... Darnm mag man .... dem jflngeren
Plinias auch bei ans wieder ein Einlaßpförtchen Offnen nnd Cicero nnd
Vergil dem Fachstadinm... Torbehalten: amoveantur, ut promaveantur*.
Gerade Plinias stflnde mit seiner maßvollen Periodisierang usw. unseren
Anschauangen flber Schönheit des Stiles nnd Zacht des Gedankens näher
als Cicero. Seine Aosiebungskraft werde gestärkt und erhalten durch den
geringen Umfang der Briefe, deren Gliederung sich in der Regel Ton
selbst ergebe und Dispositionen und Wiederholungen des Inhaltes flber-
flflssig mache. Endlich sei Plinius als Schopfer des Feuilletons in Brief-
form auch heote noch eine literarische GrOße, deren EinflaO anf dsi
moderne Schrifttom dem Schfller leichter geneigt und deutlicher bewiesen
werden kOnne als Ciceros angeblich fortwirkende Mostergiltigkeit So
habe 0. J. Bierbaam den Plan, eine moderne Übersetsung der Pliniai-
briefe lu schaffen.
Die flberragende Bedeutung Ciceros in onserem Untemehte
leigt der Umstand, daß von den ca. 900 lateinischen Lektflrestunden im
Jahre kaum 90, also kaum ein Zehntel anf Cicero fallen, der, wie bemerkt,
kflreere Zeit gelesen wird als Nepos, Cäsar, Livins, Sallust, Ovid nsd
Vergil. Die Promotion aber wflrde Cicero nnter Umständen sehr sehsden;
denn er konnte an der Universität weniger GOnner finden als am Gysi-
nasiuro. Ich will auf »unsere Anschaaungen flber Stil nnd Zocfat des
Gedankens" nicht weiter eingeben, sondern nur konstatieren, daß die
Zur grieeh. and Utein. Lektflre ui onaerem OymnMinm. ZI. 621
grOtoe Leichtigkeit des Pliniot gegenftber Cicero nach meinen Ansehan-
oogen einen wesentlichen Nachteil bedentet und mir den Plinioa tüi
diese Stnfe nicht geeignet erscheinen läßt; ebenso halte ich die Dispo-
aitioDen nnd Wiederbolnngen des Inhaltes (besonders in lateinischer
Sprache) trotz des wegwerfenden Urteils E.s für wichtig, ja anentbehrlich,
damit die Jagend sich gewöhne, stets aaf den Zasammenhang in achten.
.Die Erarbeitang des Gedankenganges bei gleichseitiger Überwindnog der
spiachlicben Schwierigkeiten, das Überschanen größerer Abschnitte bildet
eine Schale des Geistes, wie sie aach durch die Mathematik oder Logik
oiebt besser enielt wird* (M. Sieboarg). Was E. sonst anfOhrt, ist schon
gar nicht von Belang. Daher kann ich mir, wo wir doch fflr die knrse
Zeit soTiel Beueres haben, als obligate Lektttre nicht eine größere Zahl
TOD Briefen denken, «die ihren wahren Charakter Terloren haben, ge-
kflnstelt nnd gefeilt sind* (Schans, 8. 276); denn nnsere Parole laatet:
Konst, nicht EftnsteleL
K. bat sich gegen seine Gewohnheit bei Plinias aaf keinen Ge-
«fthrsmann bernfen. Dafflr hat ihm Aly (a. 0. 8. 93) die Urteile der
oeoeren Literarhistoriker in Erinnerung gebracht, die den jflngeren Plinias
natOrlieh alle in gleicher Weise als einen ebenso liebenswtkrdigen wie
flachen nnd eitlen Biedermann beseichnen; an ihm tritt auch eine Milde
des Urteils herTor, die an Nepos erinnert Daß dieser Plinias sein Ideal
Cicero in keinem Punkte in erreichen ? ermocbte, mflßte gerade ? on dem
berforgehoben werden, der so Tiel von den Schwächen Ciceros la sagen
weiß. Es ist ein wahres Glflck, daß wir die Hendekasyllabi des Plinias
Dicht haben, deren Verlust nach den erhaltenen Proben so ruhig ertragen
vird (Schans, 8. 271), sonst konnte es noch jemandem einfallen, nach
jsnem Grandsatie «der Mittelmäßigkeit* anch sie aar Lektflre Torsuschlagen,
da ja die grOßte varietas in ihnen Torhanden gewesen sein soll; dann
vflrde Tielleicht sogar Catull inrflcktreten mflssen. Ob nicht noch jemand
daraofkommen wird, nach dem Beispiele Gesners statt der Beden des Cicero
deo Panegjricns des Plinins als besonderen Typus su empfehlen, ist nicht
absoaeben; allerdings sagt Bchans fon dieaem (S. 269): „Die Bede iat ein
höchst unerfrealiches Produkt ; der aufgedunsene, Qberladene 8til
ermfidet ans, die großen Schmeicheleien, die Traian gespendet werden,
vidern uns an, der unedle Haß gegen Domitian erbittert ans*, aber
•r fährt fort: .Doch dflrfen wir nicht flbersehen, daß wir fast lediglich
aos dem Panagyricus die Begierungsseit Traians bis aum Jahre 100
kennen lernen*. Es erübrigt mir nur ngch tar CbarakteridUk der FersOn-
lichkeit nnd des Stilisten Plinius, deD K, fär dl» Schale nebeo CkerQ iteHt,
du Urteil Ed. Nordens nacbsatragen, desa«ii Äußeronif ttber Nep^i IT
Dicht flbergangen hat. Bei Norden hsiU es von Plinina (i^amtpr.
«Phnius der Jflngere ist als PertOoltchkeit nnd Schriftilell«
meisten charakteristische Bepräsentant der ersten Kalieneit,
8eoeca nnd Tacitus, weil er nicht so eigeü&TÜg TcriLalagt wi
mehr das Dnrchsehnittsmaß anfweist, weun «r ao^-h m1-
flbeiseagt war, es weit au flbersch reiten. ÜeoD ^
deshalb milder beurteilen, weil er aid mU lo I
522 Zar griech. and latein. Lektftre ab imserem GymiiAthuik. II.
alt etwas Selbst? entft&dliohet hervorkehrt, iit der Grnndivg seioet Weeeos
vod all homo heUus et pusiUuB Terrftt er sieh auch in seinem Stil, mit
dem er kokettiert wie mit sieh selbst: alles ist geleckt vnd ge-
drechselt .... Es ist schwer, im einselnen sieh eio Bild seiner Stilist
Tendensen iq entwerfen, denn er ioftert sich selbst widersprechend, ein
typisches Beispiel ftkr das schwankende Tasten jener Zeit
nach dem Bichtigen .... Er ahmte gelegentlich einmal in einer nnd
derselben Schrift Demosthenes, Calms nnd Cicero nach; letstereo
nennt er sein Ideal, dem er nacheifere Aber ans seinen sich
widersprechenden Urteilen heben sich doch drei Punkte scharf heraoi.
Er liebte erstens das Volle» ja bis zum ÜbermaA Volle.... Er
liebte sweitens die sierlich gepotste Diktion ... Drittens hat er
Vergnügen an scharf zagespitsten Sentenzen*. Was will mao
noch mehr. Also ich habe nichts gegen einzelne Proben ans der Eoire-
spondenz des Plinins, in der das Beste die kaiserlichen Schreiben sind;
doch nach dem Angeführten wird man es begreifen, wenn ich sage: Ein
Vergleich mit Terschiedenen philosophischen nnd rhetori-
schen Schriften Ciceros l&ßt in mir jeden Qedanken an eine
ausgedehntere Schnllektüre der Plininsbriefe anf Kosten
einer dieser Schriften schwinden.
Statt Vergil will £. im zweiten Semester der VIL Klasse CatoII,
Tiboll nnd Properz lesen. Diese Lektftre ist, wie auch K. bemerkt,
wiederholt schon gewünscht worden nnd zwar ist der Wunsch so slt wie
unser Lebrplan. Man lese z. B. die Erwägung, die L. Just in dieser
Zeitschr. 1855, 8. 196 f. mit den Worten schließt: „Schwer entbehrt msn
freilich dieses fast ausschließliche und einzige naturwQchsige Produkt der
römischen Dichtung (die Elegie) , aber unsere Zeit ist zu ernst und be-
darf mehr des praktischen Verstandes als träumerischer Sehnsucht*. K.
führt aus A. Bieses Vorwort zur Auswahl der römischen Elegiker dl«
Stelle an, wo dieser unter Berufung auf Mommsen besonders Gatoii,
dann das Beste aus TibuU und Properz empfiehlt Er hätte noch des
unmittelbar folgenden Satz anführen kOnnen : „Besonderen Baum aber darf
der Tielleicht begabteste Dichter der Augnsteischen Epoche, Ofid, bean-
spruchen, Ton dessen Eigenart die Metamorphosen doch nur ein einsei-
tiges Bild geben*. Dies zeigt gerade, daß Biese Toraussetzt, tod
der romischen Elegie werde Oberhaupt nichts gelesen. Es entspricht dsi
auch den preußischen Lehrplänen; bei nns aber werden Elegien Oridi
gelesen, so daß der Schfller einen Begriff dieser Dichtungsgattung eihält;
die Auswahl trifft nur Tornehmlich die Metamorphosen und die Fssti.
Trotzdem in Preußen viel mehr Stunden zur Verfügung stehen, haben die
Ton E. eingangs angerufenen neuesten Lehrpläne wie die frttheren anf die
Elegiker keine Bflcksicht genommen. Was bei mehr Stunden schon schwer
möglich ist, ist bei wenigen eben noch schwerer möglich. Es ist gewiß richtig,
was H. Ziemer (Jahrb. 1904, VI 74) bei Besprechung der 2. Auflage dsr
Bieseschen Anthologie sagt: „Wer die Elegiker nicht kennt, hat nur ein
unvollständiges Bild der römischen Dichtkunst In der Elegie bietet sie
Eigenartiges und Vorzfiglicbes, ja das Beste und Unmittelbarste, was sie
Zur grieeb. und latein. Lektfira ui miMrem Qjmnaarom. XL 623
gMcbaffeii^; aber Ziemer hat frfther (Jahrb. 189i» VI 72) aaeh bemerkt,
ei kömie fon Vergil nnd Horai niehte abgegeben werden, um Zeit f&r
indere Dichter frei so maehen. K. erklärt, da5 man ein Unrecht begehe, die
Jugend mit dieeen Schöpfungen, in denen sie den Oenine dei Altertoms
TOB gani nenen nnd eigentflmlichen Seiten Tel itehen and eein Fortwirken
in der Weltliter atar viel mannigfaltiger all etwa bei Sopheklei nnd bei
Yergil erkennen würde, so nnxnlftnglich bekanntsomaehen. Was man an
Zeit nnd an mehr oder weniger (!) nnfrachtbarer If flhe Yergil entliehen
könne, solle man diesen Dichtem inwenden, die onserer Jogend niher
ligen als Vergil nnd ihr wegen des kleinen Urofanges ihrer Stflcke ge-
lingere Schwierigkeit nnd Tollkommeneren (jennß boten. Er empfiehlt der
frschtbaren Eonsentratien wegen H. Jorenkas Ansgabe (.Meisterwerke* III)
mit ihren griechischen VorbUdem. Wenn ich anch den Sats Tom Tiel
mannigfaltigeren Fortwirken im Hinblick auf die Äneis, die 0. Willmann
bekanntlich ein Weltbnch genannt hat, ans dem Generationen ohne Unter-
brechung ihre Bildung gesogen hätten, nicht nnterschrdben mag, stimme
ich doch gerne so, dafi man die Gymnasiasten auch mit einigen Dich-
tnngen von Catall, Tibnll nnd Properx bekannt machen soll, nicht ans
dem Grande, weil die Stücke leichter sind, sondern weil Perlen der Poesie
daronter sind; allerdings gehOrt wohl inm Genasse gerade der Ljrik
Behemchong der Spraehe. Vielleicht ist es daher besser, solche Proben,
wie K. Hoemer (S. 78) Torschlägt, erst in der VIIL Klasse sa lesen, wenn
ne auch s. B. in Sachsen schon fflr OII freigestellt sind (Dettweiler,
6.214). Zn den Oden des Horas, die wir mit besonderer Vorliebe lesen,
•eheint Vergil eine ebenso gate Überleitong sn bilden wie die Lyriker (Tgl.
Dettweiler 207 nnd 214). Monate hindurch aber mit den SchOlem an
Stelle der Äneis die römische Liebeslyrik sn lesen , halte ich nicht für
eotsprechend, weil die Jugend bei Vergil eben mehr lernt. Hat man das
Peasnm aas Vergil oder Boras, das man sich ja gewöhnlich selbst be-
itimmt, erledigt, so wfil^te ich nicht, was einen hindern sollte, einige
Proben aus jenen Dichtem sa lesen. Eine umfassendere Lektflre aas den
Elegikem aber wird wie bisher dem Privatfleiße derjenigen Schfller su
flberUssen sein, die sich ffir diesen Zweig der Literatur besonders interes-
neren, nnd ffir diesen Zweck haben wir eine Reihe ton Hilfsmitteln,
QBter denen gewiß die Ausgabe Jurenkas einen ehrenvollen Plats ein-
nimmt; meine Schftler haben sie fflr die Privatlektflre gerne benfltit
Bad idi habe sie auch im Öffentlichen Unterrichte neben den Eclogtie
poeL Lat. von S. Brandt gelegentlich der Lektflre tou Proben aus Gatull,
^boll and Propers mit Erfolg Torwendet
In einem III. Abschnitte handelt E. Ober di« PriratlektQre.
Zunächst ergeht er sich wieder in aligemeinen Wecduc^ea üb«r di« Od-
«olängliehkeit unseres Kanons, der die notwendig! tea Dienite Tertagen
■oU fir den Beweis, dafl die alte Kultur das unentbebrlicbe Fund&ixient
der modernen seL Diesen Dienst, meint er, werde er nicht mehr in dem
MiAe Tersagen , wenn Cicero nnd Vergil beschränkt und ' ~~ '"''
d.J. und die subjektiTc Lyrik eingesetst seien. leb deoke.
Dienst dann erst recht Tcrsagen, und begreife nicht.
524 Zar griaeh. und latein. Lektflre an ODterem Gjamatiom. XI.
FandamentoD moderner Koltnr apreehen und logleieh die Lektftre der
pbilosopbiechen Schriften Ciceroa beseitigen nnd ein Yeratindnia Vergilt
nnmOglieh machen kann, nnd ich begreife daa omaoweniger bei einem
Manne, der ja die neueaten Daratellnngen kennt, die Ton Cicero nad
Vergil handeln, und daa wirklich real la Nennende atirker betont haben
will. «Aber aach der Betrieb der pritaten Lektflro wird*, leaea wir
weiter, „darauf eininricbten aein, den Schüler beaaer ala biaher in einer
plaatiachen Yergegenwirtignng der Antike, an einem mehr oder weniger
aelbatAndigen und ongeiwongenen Auffinden , an einem treifaicheren aad
ftberxengten Erkennen ihrea Wertea hinsnleiten. Dioaem Zwecke wird
achlecbt gedient, wenn die Pritatlekttkre immer wieder in den Baankreia
der öffentlichen Lektflre gexwingt . . . wird.* Den Betrieb der Priratlek-
tflre richten aich, wie achou betont wnrde, Lehrer nnd Schfiler aelbat «a,
wie aie ea fflr gnt finden, nnd ao mnß ea bleiben. Nichte wflrde diese
unter ümatänden aegenareiche Einrichtang mehr achftdigen ala Regleniea-
tierong. Der „treffaicheren* Erkenntnia dea Wertea der Antike kann mit-
unter durch Lektflre der Schulklasaiker mehr gedient aein ala dorch eia
Heromleaen in allen möglichen Autoren. Wenn K. fortfährt: «Diese
allenthalben Tielbeliebte, beaondera auch Ton Landeaschnlinapektorea
favoriaierte Praxia, die Ober spontane Wflnsche der Jugend autontaÜT
hinwegaieht und weder den literarischen Intereaaen dea Lehrera noch der
indifiduellen Geschmacksrichtung des ächfllera gerecht werden will, atereo-
typiert auch noch den Charakter der «frei willigen* Lektflre und maeät
aua ihr eine geiatige Tretmflhle, in deren Joch (!) aich aelbat der Yonogs-
acbfller nur mehr in Begleitung Oaiandera oder Freunde hineinbegibt*,
so mu5 er da seine Erfahrungen haben. Miachen aich wirklich die
Landesschulinspektcren antoritati? in die Privatlektflre, dann acbidifsa
aie dieae Inatitution geradeso wie jeder, der uns gerade die Antorea
aufreden will, die seiner persönlichen Ansicht nach die allergeeigneUtea
sind. Ich selbst habe ton einer aolchen FaTorisierung nichts gemerkt,
auch in H&hren nicht Hingegen weiß ich, daß H. Schenkl jene .Praiii
favorisiert*; denn er sagt doch (S. 68): „Fflr den Dnrchachnitt acbeiat
ea mir iweckentsprechender, Erginsung der fflr die Hauptiektlre
bestimmten Autoren ansnatreben" und Aber den Durchschnitt gehea
nach meinen Erfahrungen etwa 15X ^«' Schfller hinaus, ea geltea
also diese Worte tou der Hauptmasse der Schfller. Weiter ist bekanat,
daß die ton Kukula angerufenen neueaten preußiachen Lehrpline jene
«Praxia faTorisieren* ; denn dort lesen wir im Lehrplane aelbat, nicht
etwa in den methodischen Bemerkungen (8. 27): „Zur Prifatlektflre,
namentlich auch aus den in den frflheren Klaaaen geleaeoea
Schriftatellern, iat anauregen*. Der Auaapruch O. Jigera (Lehit
3. ^04/^ daß er Ton der «weiee gerei^eUei»*, „mit Beräck«lcbtisuAf d^
Itidiviiiualil&t geregelten Pnyatl^ktQr^* nichu balt^t richtet m^ tf^
gegtu ^\t&e ßegelubg, wie aie eelbfltv€rfltäDdLich vcboti »ndere TQrgMeÜlfN
haben, Tgl. Oiterr Mittehcbalo 1903, S. 312 ff.
ÜberÜüfi&ig iit e» watter^ weoolL du Ch^ntti$^oi Atiadt^i ^^
die priraie lateioiacbe Lekiflre w«r ^ne wtttroU« nei aad
I
Zar grieelk and Utein. Lektflre an anserem GjmnMinm. ZI. 625
drtekliehe Erglnrang der Elafienlekttkre werden, wenn sie soweit nie
famlieh freigegeben werde, and iwar für eolehe Stoffe, mit denen die
Öffentliche Lektflre keine oder flttehtige Bekanntschaft Termitteln kOnne,
wie ue in der Sammlang „Meiiterwerke der Griechen and BOmer" in finden
Wien. Unsere PriTatlektttre ist gltkeklieherweise weiter, als vielleicht selbst
K. tinlieh erscheint, freigegeben ; man denke an die Worte des M.-Erl.
fem 80. September 1891 : «Was die Schale bietet, soll darch die Art,
«ie lie es tot, den Sinn ftkr die groOe Literatar der Griechen and BOmer
wecken and den Eifer reiien, die erworbene Kraft za Tersachen and nach
demMaft der Terfflgbaren Zeit einen weiteren Kreis des Lesestoffes
SS nmspaniien. Dabei findet der Sehfller, was der gebandene Unterricht
der Schale so selten sn gewfthren Termag, genügenden Spielraam fflr seine
eigene IndiTidnalitit, indem er lesen darfand soll, was ihm
bebagt, and er aotenieht sich, frei Ton dem Drnck, der aaferlegte Arbeit
begleitet, nicht angem dieser Anstrengang*. Wosa also bringt K. das
ror? Der Empfehlang der Sammlang «Meisterwerke** fflr die Zwecke
der Prifatlektflre kann ich mich anschließen, da ich selbst wiederholt
die Erfahmng gemacht habe, daft einseines daraas sich fftr reifere Sehfller
gar wohl eignet; doch haben wir aoßer den fon K. erwähnten Chresto-
mathien anch anderes Passende.
Damit die Priratlektflre den Lehrer nicht an sehr belaste and
licht wie bisher nar als Stiefkind der Öffentlichen Lektflre behandelt
«erde — das letitere müßte erst bewiesen werden — , wird wieder
der nicht mehr gana neue Vorschlag gemacht, der schon oben besprochen
worde, eine mißige Standenaahl des Öffentlichen Unterrichtes etwa am
Schlaise jedes Semesters fflr die Tor der Tersammelten Klasse absahaltende
Prflfang aos der PriTatlektflre einaoriomen. Aber bei der Privatlektflre
ist die Prflfang darchaos nicht so wichtig wie die Besprechang der Tom
•iaselnen nicht ? erstandenen Stellen. Einige Standen fflr ein etwa ton der
gansen Klasse oder der Mehraahl der Sehfller pritat gelesenes Werk au
verwenden, kann, wie oben bemerkt, niemandem Tcrwehrt werden; wer
wird aber darans eine Norm machen wollen? Ich s. B. mochte es mir nicht
nehmen lassen, von Schfllem privat Gelesenes auf Spasiergingen im Freien
mit den einseinen za besprechen, wie ich es wiederholt getan habe. Es
wäre wohl recht traarig bestellt, wenn wir in der Schale prflfen mflßten,
OD den „Ehrgeia der fflr selbst&ndiges Lesen taoglichen Sehfller anza-
tpornen and an befriedigen*. Fflr die Gesamtheit der Klasse sind die
Lektflrestanden, in denen alle in gleicher Weise besch&ftigt werden, ob
non die Lektflre Torbereitete oder anforbereitete ist, in der Begel die
gewinnbringendsten.
K. fai^t seine Vorschlige in Tier Thesen sosammen. Den Vorschlag
betreffs des Lesebaches in der III. and IV. Klasse maß ich ablehnen.
Dm L Bach Livios aas der Moßlektflre — wenn das „soll" des Lehr-
npt 80 an fassen ist — aasaoschalten, was K. selbst nicht
t^ge ich, weil ich dem Lehrer freie Wahl gelassen
darf es niemandem Terwehrt sein, jenes Bach
* "'nkang der Lektflre Ciceros nod Vergils in
526 Zur griech. und latein. Lektftre ab vosorem Ojmnasiiiiit XI.
der Art ond dem MaGe, wie eie tob K. beutragt wild, und gegen die
Anfnabaie der Briefe dei j. Plinios in den Lehrplan mnß ich mieh aoi
den angeführten Gründen aoieprechen; gegen die Bmpfehlong fOB Pioben
ane den Elegikem habe ich nichts einiowenden, da ich mir ohnediee echon
ielbst diete kleiBe Erwdtemng dei Lefarplanes gestattete. Das VeriangeB,
die PriTatlektttre in den drei oberen Klassen soweit als tBBlioh aach fBr
solche Schriftsteller nnd Stoffe freisngeben, mit denen die Öffentliche
Lektflre keine oder nur eine flttchtige Bekanntschaft Tormittelt, ist schon
erfiUlt worden.
Das wenige, was da annehmbar ist, haben andere längst Torge-
sehlagen nnd manche aach schon ansgeffibrt Wären die für die flbrigeo
Vorscblige ') beigebrachten Oründe stichhältig, dann wären das allerdingi
äaOerst gefährliche Waffen in den Händen der Gegner des altsprachliches
Unterrichtes. Wer Temimmt, daß Cäsar, Cicero nnd Vergil nach der An-
sicht selbst der Philologen nicht mehr für die Jogendbildong taogeo,
weil sie einseitig nnd ermüdend, pbrasenreich und inhaltsarm, nnBatflriich
QBd nnTcrstäBdllch seiea, der wird sich tob niemaBdem die Original-
lektftre eiaes j. Pliains als wert? oll anfredcB lassea. Auf die Axt, nsch
der K. Torgeht, kann man bald jeden Schriftsteller ans der Schalt
beseitigen nnd jeden aafhehmen.
Das Schlaßwort beginnt mit einem schon im Bericht ftber di«
Pliniuslektfire Torwendeten Satse Fr. Kietssches, von dem mit BeAt
gesagt wird, er sei fflr dea Uabefangenen selbstTerständlich, nnd schlieftt
mit den Schillerschen Versen : .Ewig wechselt...* Zwischen den beiden
Zitaten aber steht, das Gymaasiom solle Bicht anf dem Umwege aber
Hellas nnd Bom allgemeine Bildung Termitteln, sondern Tielmehr doreh
eine sichere Erkenntnis nnserer Kaltnr uns fähig machen, das Empib-
den, Denken, Handeln, Leben ferner Zeiten rftckschanend sn begreifeB
nnd wieder Torwärtsschaaend den inneren Zosammenhaag des klassiicheD
Altertums mit naserer Entwicklang sn wftrdigen. Zar Erlangung dieser
Fähigkeit habe der Unterricht in den modernen Untemcbtsgegenständeo
die Yorauflsetsungen und Grundlagen su schaffen: aller antiquariiche
Unterricht habe ihn bei dieser Aufgabe begleitend su unterstfltsen nnd
harmonisch sa ergänsen durch Einbesiehang solcher Stoffe, die Gegenwart
und Vergangenheit als Glieder eines geschlossenen EntwicklungsproiessM
deotlich erkennen ließen und Moderne und Antike vice versa erkliies
und Terstehen lehrten. Vornehmlich in dieser Absicht strebten die Ve^
schlage der drei Verfasser — so fasse ich das «unsere* bei .Vorschläge'
— eine Erneuerung, Lockerung und Erweiterung des altsprachlichen Lese-
stoffes am Gymnasium an. Mit Becht beieiohnet natürlich Fr. Aly dieie
Anschauung als das ngAtov ipeüdog. Wer sichere Erkenntnis unserer Koltor
besitst, braucht die Antike nicht mehr su seiner Ersiehnng, abgesebea
') Manches erinnert auch an das Ton Dr. GOring auf der Berliner
Eonfereni rem Jahre 1891 Vorgebrachte, um fon denen in schweigen,
die in ihren Scbloßfolgerongen soweit gegangen sind, als man anf diesem
Wege kommen maß.
Zur grieeh. und latein. Lekttkre ab anaerem Gymnanum. ZI. 527
daTOD, daD daa Ojmuiariiim nicht bloß die Aufgabe hat, allgemeine Bil-
dung in Tennitteln. Daß nater klauiecher Unterrieht anch den Zweck
bat» die Jngend dnrch die einfachen Verhlltniise der Antike aar Erkenntnis
der eigenen Knltar anioleiten, iit in letiter Zeit wieder aasftthrllch ton
0. Weiftenfeli (Kemfr. 1901, S. 80 ff.) dargelegt worden. Gewiß braochen
wir da Stoffe, die «Gegenwart and Vergangenheit als Glieder... erkennen
lassen*; aber solche Stoffe liegen eben gerade in den Autoren vor, welche
diese Beform einschränken will. Von den Gesichtspunkten möglichster
Erleichtening und Unterhaltung ausgehende Pläne einer Beform aber, welche
nngescheut das Mittelmäßige an die Stelle des Bedeutenden setit, weisen
den Weg sur Vernichtung des Gymnasiums und ich meine, die an einem
in diesem Sinne ausgestalteten Gymnasium Unterrichteten wttrden
•eben gar keine genflgende Vorbildung für das UniTcrsitätsstudium be-
litien, da sie vor allem nicht ordeutlich arbeiten gelernt hätten, nicht
IS wissenschaftlichem Denken enogen wären.
Konnte ich mich also schon mit dsn Grandlagen und Zielen der
vorgeschlagenen Befonn, die weder einheitlich noch klar sind, nicht ein-
Terstanden erklären, so mußte ich aaeh die einseinen Vorschläge größtenteils
abweisen, da lie mir dnrehans nicht geeignet erscheinen, eine Verbesserung
«aserss Unterrichtes in den klassischen Sprachen herbeiinfähren; aller-
dings hebt sich der dritte Teil der Kanonschrift Ton den beiden Toran-
gehenden da merklich ab. Ich bin natOrlich Tollkommen da? on tkbersengt,
daß die Beformer Ton den besten Absichten geleitet sind; da sie aber
tber den Eindruck ihrer Vorschläge auf diejenigen, deren Tätigkeit sie
Ngetai wollen, nicht TOUig im klaren tu sein scheinen, mußte dargelegt
werden, warum die Erhöhung der Lehrfreude Toranssichtlich keine all-
gemeine wäre, wenn derartige Vorschläge Torwirklicht wflrden. Soviel
Nnisen sieh die drei Verfasser von ihrer Beform Tersprechen, soviel
Schaden beftrchtet davon ein Teil derer, die sie durchsufübren hätten.
Noch einem Mißverständnisse gilt es lu begegnen. Ich habe mir
dorehaus nicht sur Aufgabe gemacht, den jetit geltenden Kanon um jeden
Freie sn Torteidigen; ich wollte nur die von Terschiedenen Kollegen ge-
teilte Überteugnng begründen, daß unser Kanon fast tkberall dort, wo
die drei Beformer ändern wollen, noch das Bessere bietet und daß sie
soiere Freiheit — ich meine die der klassischen Philolegen an den
QjBnasien — unbewußt, ja gegen ihre ausdrücklich ausgesprochene
Abeicht eher einsuschränken als lu erweitern im Begriffe stehen. Ich
telbst weiß gar wohl, daß unser Kanon einer Verbesserung fähig ist,
Qsd wflnsche, daß sie Torgenommen wird. Wenn auch meine Beformsucht
Qm so geringer wurde, je Öfter ich Latein oder Griechisch im Ober-
gTBussium unterrichtete, einige DetailTorschläge hätte ich natOrlich auch
n Dachen. Doch erstens ist wohl nur der berufen, solche vorzubringen,
der nicht bloß den gesamten in Betracht kommenden LektOrstoff völlig
beherrscht, die Geschichte der LektOre am Gymnasium sowie die ein-
*^kige Literatur genügend studiert hat und die Schnlverhältnisse
S^nas kennt, sondern auch Ober eine ausreichende Lehrerfahrung verfügt,
628 Über toiiologiiche Belehrungen in der Mitteliehole. II.
die sich liemlich gleiehmißig aof alle Klasien dee GymoMiiUDB entreckt ^).
Zweitens stehen wir jetit vor Reformen, welche die klaseiichen Spnchen
am Qymnasiom nicht gani nnberfthrt lassen werden ; die Anfstellong das
Le][türkanons hftngt aber doch wesentlich Tom Stondenaotmaß mid ton
der Formaliemng des Lehrsieles ab. Bleiben die Lehrsiele in den klass.
Sprachen dieselben und wird an der fftr die LektOre bestimmten Standen-
lahl nichts Wesentliebes geändert, dann wflrde es genügen, wenn der
Lehrplan nnr die Namen der jetst Torgeschriebenen Aotoreo, etwa un
die römischen Elegiker nnd Thnkjdides Termehrt, enthielte, aber so, daft
je iwei Klassen snsammengeDommen wftren, im Lateinischen la eiasr
unter- (IIL nnd IV.), MiUel- (V. nnd VI.) and Oberstofe (VIL and Vm.)
der LektOre, im Griechischen in einer unter- (V. nnd VL) nnd Oberstofe
(VIL nnd VUL). Cicero, LiTios*), Vergil, Homer wiren fOr die Mittel-,
besw. unter- ond anch fflr die Oberstofe ansnsetsen. Wflrde daa einsebie
(Umfaog und Reihenfolge der an lesenden Partien innerhalb der Stofeo)
die Konfereni der philologischen Lehrer fikr jede Anstalt feataetaen
und der Landesscholrat Torgescblagene Ersatischrift steiler ohne-
weiters bewilligen kOnnen (s. Verb, der III. n.-O. Direktoren- Konferem,
S. 164), so wäre wohl bei der flberwiegenden Mehnahl der klasaischsB
Philologen an den Gymnasien der Drang nach grOl^erer Bewegangsfreibeit
in der Aaawahl der Lektflre gestillt Die wahre Freiheit besteht ja nebt
in Tölliger Schraokeniosigkeit, sondern darin, daO man innerhalb der mm
Wohle des Gänsen — aber möglichst weit — gesogenen OreDBon auf
eigenem Wege einem bestimmten Ziele lostreben kann (s. Verb. i.
O.-E. am Schi). Diese Freiheit scheint mir allerdings nötig som Gedeiheo
nnseres Gymnasiums.
Wien. Dr. Friedrich Ladek.
Ober soziologische Belehrungen in der Mittel-
schule.
II.
Einen besonders wertvollen Beitrag zn der in Bede stehenden
Frage, namentlich was die soiialpolitischen Belebrangen anbelangt, hat
Prof. Dr. Bfetislaw Fonstka in seinem Programmaafsatse ,,Die Sosiologie
und die Mittel ach ulfl***) lareliefert, Er verlaa^'t die LirifüliruTig' der 8^»iiol^^3^*
als neue DiB£i|:iiiri an der Mittelscbule^ indem er namentlich euf Frank"
reich yerweiit, wu eim von der Reime internationale de S&nälo§u tet*
anstaltete Bnndfrtige, ob es Torteilbaft i&i, die ^oziologi« t» de
schallebrplan einzuführen, taetimmend beantivortat wurde i io
') AU das tnf[i, wi« mir weQtgflttDB_tch^r
Geist der aUtlasaiHcht^n Studien .^**
•) Schon im J. 1878 se»-^
schlagen Lifiati für die V. an/
scbnle« 187g/d^
*) Jahreshencht 1901 /C
über Miioloirucbe Btlabraagen ib der Mi^lelMlinle. IL ÖM
ßiiina bette ekii eoch eeboo dar VlIJ. Kongieft der deebischen Professoren
(1898) anei^piodbeii.
Die AusftthmiigeB Foostkae führen uns wieder lom Ansgengspniikt
uierer firMemngen, zu der Frage naeh dem AesmaC deesee, was der
seiiaipolitisdie Unterriebt in sieh sn begreifen bette, sorflck. fis worde
•dum gesagt, daft naob Fonstka die Gmndbegrife der Soiialwiseeneebaft
m der oberaten Klasse der Mittelsebnle gelebrt werden sollen, weil das
Bedftrfikis naeb einer derartigen Bildung jeden Tag offenbarer wird; es
loU daber ma jonger Maiin, der die fiebnle Terlifit, in die Grundbegriffe
der soliakB Wissensebaft wmigstens aacb ibrer dkonomisehen Seite ein-»
geweibt werden ^), und Fonstka gibt anob einen tob Fooillte aoigearbeiteten
Lehrplan an, der nnter anderem folgendes amlaftt: Die Bedentnng der
Senologie, die Oliedenmg der Gesellsobaft» der Sinxelne, die Familie, der
Staat, lolkawirtsebaftliebe Sosiolc^e; Eneagnng, Yertetlnng nndVerbraieh
der Güter; das Eigentum; die Sjsteme des Seztalismiis; Alkobolismns
and SitTölkeruig; politisehe Senologie; die Priniipien der Demokratie;
Rechte nnd PÜobten der Staatabftrger. ßine andere Biofatnng in Franko
leieb gebt allerdings dabin, Sonologie niebt als eigenen Gegenstand la
behandeln, aondem sie mit der Logik und Psfcbologie su Terbinden^
10 daA man Sonalpbilosopbie sebon im Babmen des jetaigen Lebrplanea
lehren könnte. DaA die 8osiologie noob eine sdiwankende Wissensebaft
ist, halt Fonstka nieht ab» fttr deren Einfttbrung in die Mittelsebnle ra
pbidieren: dieser Unterriobt mttsss niebt bloß das bieten, was felsenfset
dsiteht nnd Diskussionen anaseblielVt, er soll im Geganteil leigen, dafr
in Gedankenleben noeb niebt alles so festgefügt ist Aueb den Einwapd
bekimpft Fonstka, daft die Sosiologie die Fassungskraft der Sobftler
fibersteige, ebenso jenen, daß der soaiologiscbe ünterriebt lu gefabrlioben
Diikossionen in der Schule Anlaß geben könnte').
>) Von einer GesellBchaftskunde spricht auch P. Bergemann, ,, Soziale
Pldagogik* (Gera 1900, S. 479): „Die Staate- und rechtskundliehea nnd
wirtechaftlicben Belebrnuffen fasse ieb unter dem Ausdrucke Geeellscbafts-
knnde susemmen. Der Zweck dieses Unterriehtee besteht darin, die
Schüler in weit eingehenderer Weise mit der sozialen Entwicklung ihree
Volkes and überhaupt der Kulturwelt bekannt zu machen als dies bisher
im ^ßen und ffansen geschehen ist Und damit dies wirklich ftberall
i'tnn^ dürcLgfffönrt werde» varlange ich für diu get^üscbaftjakundlichen
i Betebruitfen die ^Stellung eines besondtireD Unterridit^tacbt*!«.''
I •i In rrftukreich gibt es vortreffUcbL- Lt-hrbocher für den da-
^^^llfigeu Unterricht; wir nenoeD mar J. Hutiiifl, ^Noiions sommaires
^■wem^fMm dvique- ; M- Block, „Fetit manuel d'^-cmtomie pratique'' ;
pmiolf, ^Neti&ns d'4(::Qnomie poUiique'' ; P; B^tt, ^JJin&tfuctioH civiquc* v
r 1>€ Lamarühe, ^No4 devoirs H nüs droiW n. a, m. Über den gegen-
f »irtiif«Ei 8l3fjd tiej* i*^*iiüIoifiiicbeu Unterrichts in FraDkreicb orieratiert
' .tx von W. Müllor, „Die Bechtswiäa^nschüft in
PraKi ll./llV Ht'ft I9*>Gk in welchen auch die
in andfiT^ ^ nJen. — kh
4p r P^'u*^ ^^'h* V©rhllt-
:. ■ ^^* (4. Aufl.,
lUg lur Ver-
>L^n Weg eiö^
580 Ober Bonologiscbe Belehraogen in dar Mittelichale. IL
Er Mt schlidAlieh seine Argumente dabin süSMumen» dA5 der
Soiiologie als Lebre Ton der Organisation und Entwicklung der Gaeell-
scbaft an der Mittelsebnle neben der Psjchologie ein Plati gebfthxe;
sie soll jedem einseinen leigen, weloben Fiats er in der OeselKechalt
einannebmen bat; doeb ebenso ist eine solcbe fielebmng im modernen
Staate ndtig, der Ton seinen Bflrgem die ErfBUnng gans anderer Auf-
gaben fordert als die antiken Staatswesen. Fttgt man die soiiologiaehen
Lebren nicht in den Lebrplan ein» so befindet sich der absolTierte Mitteln
sobftler auf einmal ohne Segel und Steuer mitten in der Strdmnng des
soiialen und politischen Lebens, inmitten Terschiedener Parteirichtiuigen,
Theorien nnd Oronds&tse nnd wird leicht eine Beute der Agitation; nur
mit Hilfe der soiialen Studien kann aber auch das NiTeau des geemmtwi
politischen Lebens gehoben werden, können die Ansichten geklärt^ kann
das Verständnis fftr die Bedftrf nisse und Aufgaben des Staates gefordert
werden. Von diesem Standpunkte aus muß es daher als im Interease des
Staates gelegen angesehen werden, daft er tfta eine höhere sotiale nnd
politische Bildung seiner Bürger Sorge trage. Es darf ferner nidit über-
sehen werden, welchen Vorteil das Studium der Sosiologie als Vorbe-
reitung für das rechte- und staatswissenscbaftlicbe Hochschulstadiam
haben würde; hört man doch mit Hecht über die geringe Vorbildung
klagen, welche die Juristen für ihr Fach mitbringen, und doch liat des
Hecht im gesellschaftlichen Leben seinen Ursprung; aber auch wer sich
technisch-ökonomischen Studien suwendet, wird der Soziologie als Vor-
studium nicht entraten können. Der Forderung nach Einfügung sozio-
logischer Beiehrungen in den Mittelschulunterricht stehen überdies die
Instruktionen für Bealscbulen und Oymnasien nicht entgegen, die adien
implicite die Soziologie als Lehrgegenstand anerkennen, wenn sie sagen,
datt bei der Kulturgeschichte auch die gesellschaftliche Entwicklung,
die internationalen Beziehungen und die Arbeiterfrage zu berücksichtigen
seien ^). Hinsichtlich der Einfügung in den gegenwärtigen Lebrplan
schlagt Foustka vor, einen der bisherigen Gegenstände um eine Stunde
zu kürzen und dafür Soziologie einzuführen oder zum mindesten im
Oesohichtsunterricht, namentlich bei der Vaterlandskunde, das Wesen nnd
die Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung zu erklären.
So weit Foustka. So sehr man nun auch seiner Auffassung Ton
der Einführung soziologischer Lehren in dem you ihm gewünscbtsn
Umfange in den Lehrplan der Mittelschulen aus den angeführten Gründen
') nlnsbesondere aber versäume man nicht, den Schülern eine klare
und richtige Vorstellung zu geben Ton der Umgestaltung aller unserer
gesellschaftlichen Verbältnisse und den Beziehungen der Völker dnrcli
die allgemeine Bewegung und die stetige Vervollkommnung der Dampf-
maschine, des Dampfschiffes, der Eisenbahnen und Telegraphen sowie
von der Umgestaltung der gesamten Industrie durch das Mascbinenweoen,
als dessen Folge sich das Arbeiterwesen dersrt entwickelte, dsß es in
das gesamte soziale Leben tief eingreift Diese Dinge wirken oft ent-
scheidender und weiter als manches politische Ereignis.* („Lehrplan und
Instruktionen für den Unterricht sn den Gymnasien in Osterreich*»
2. Aufl., Wien 1900.)
über Boziologuehe Belebrangen in der Mittelscbnle. II. 531
beipfliebten mag, so darf docb niebt Terscbwiegen werden, daß sieb
gegenw&rtig in dieier wicbtigen Bildnngsfrage zwei Strömungen bemerk-
bar maeben, die nacb Oeltnng ringen ; die Anhänger der einen schließen
lieb an Fonstka an nnd wQnseben Soziologie in dem Aasmaße, wie es
«twa ein Dnrcbschnittsgebildeter brancbt, nm öffentliche Fragen, die
mit Terfitfsnng, Verwaltung und Volkswirtschaft lusammenbängen, ver-
steben in können; die Anhänger der anderen Strömung hingegen legen
mehr Qewicht auf praktische Belehrungen, auf eine Ausrüstung des
Mittelscbulabitnrienten mit juridischen und Tolkswirtscbaftlichen Eennt-
BineDy die ihn im konkreten Falle selbst berühren können; sie sind
einem Überwiegen bloß soiiologiscber Lehren abgeneigt, weil sie das
geistige Niveau der Schüler selbst in den obersten Mittelscbulklassen
Dicht so hoch dnschitsen, um dauernd solche Lehren aufzunehmen und
in yeraibeiten; eher sind die Schüler für die auch schon vom gegen-
wärtigen Lehrplan geforderte Verfassungskunde neben Volkswirtschafts-
lehre und Recbtsknnde zu haben.
Man wird sich wohl billigerweise dieser letzteren Auffassung an-
schließen müssen, weil ja gerade eine Belehrung über die Elemente der
Nationalökonomie und Rechtslehre die Schule Ton dem Vorwurf in be-
freien imstande ist, daß sie sich vom Leben abwende und gerade das
flicht lehrt, was man täglich im Verkehr, im Staate, in der Gesellschaft
benötigt. Diese bürgerkundlichen Lehren, wie man die Zusammen-
fassung der genannten Disziplinen bezeichnen kann, werden dann den
richtigen Boden abgeben, auf dem soziologische Lebren leicht ersprießen.
Ei wUrde daher genügen, wenn die Mittelschule ihren AbsoWenten eine
übersichtliche Kenntnis der wichtigsten Bechtsnormen, eine Elarleg^ng
der Grundlehren der Volkswirtschaft und ein Verständnis für den Auf-
bau, das Werden und Wachsen des Staatsganzen Yormittelt; bleibt dann
noch Zeit, so können diese Unterweisungen durch Heranziehen eingehender
soziologischer Lehren vertieft und erweitert werden ; die Schüler werden
^0, so Torbereitety an das Erfassen dieser Lehren und Erörterungen
^el aufnahmsfiLhigery freudiger und mit viel mehr Verständnis herantreten.
Aber auch wenn man sich als Anhänger der anderen Strömung
bekennt, wird die Frage nach umfang und Ausmaß des zu übermittelnden
Wissens immer im Vordergrunde stehen, um sie zu beantworten, wird man
vielleicht nicht ohne Nutzen die wichtigsten der für den einschlägigen
Unterricht in Deutschland Torhandenen Bücher zurate ziehen. M. Griep*)
teilt seinen Stoff in zwei Teile, und zwar: Rechte und Pflichten der Minder-
jährigen und Rechte und Pflichten der Volljährigen, wobei Familienleben,
Beruf und Gemeinde, Staat und Gerichtswesen erörtert werden. A. Gieee')
teilt sein Buch in drei Teile: Allgemeine Staatslehre, besondere Staats-
lehre (das deutsche Reich, der preußische Staat, die außerpreußi^cheü
Staaten) und Elemente der Volkswirtschaftlehre ; J. Groner *) erörtert xu-
*) »Bürgerkunde« (Leipzig 1900).
') »DeutBcbe Bürgerkunde«' (4. Aufl., Leipzig 1907).
*) „Bürgerkunde" (BerUn 1907).
84«
54l2 "Übn Miiologiiche Befehrasgen in der MiU^lsehalB. IE.
aXehft »Ugtraeines ftber VerfiMiang and Yerwaltmig, sodran die «uebieii
Zweig« der Yerwaltong, ud swar: Landwirtscheffe, HaiMld nnd QeverH
Geld- und Kreditwesen, Patent-, Mnster- nnd Markenschats, Mfeaklidie
Verkehntattalten, eosiale Gesetsgebnnf , OenditsweeeD, Eireke nai
Schule, Heer und Marine, Kolonien; G. Hofimann and £. Giotli^) teilea
ihren Stoff in elf Kapitel, nnd zwar: Gemeinde, Staat nnd Baieh; Kaieer,
Bnndeeral nnd Beiehstag; Beiehelcaniler and Beiehsbehonka ; die GeMte;
die Geridite; Heer nnd Marine; Landwiriechaft, Handel und Gewerbe;
Teilcehnweeen nnd Kolonien; Finanaen, Steuern, Zölle; Kirchen- oai
ünierricbtewesen; eoiiale Geietsgebnng. L. ?iereck*) gibt eine Darlegna^
der wichtigsten staatlichen Kinnehtnngen (Staatsformen nnd WablfoiflMa,
Yerwaltnng nnd Bechtspflege^ Heer nnd Flotte) des Deutschen Beidis^
Freuftens, Bayerns nnd HMnbnrgs f&r höheie ünterri^tsanstaltea.
F. Marcinowskj nnd K Frommd") bieten ein Yolksbach des Staatswesen^
das sich in seinem sweiten Teile als eine Art Sittenlehre gibt
Allen diesen Bfichem ist aber gemeinsam, daß sie Yerfassuagt-
knnde» Becbtskunde nnd Yolkswirtobaftslehre nmfasseo, da5 sie an das
im Gesohichtsnnterridite der obersten Mittelsohulklasse vorgeechnebese
Pensum anknüpfen und in historischer Weise das Wesen des StaatsgsaMs
danulegea Tersnchen*). Alle diese Bücher berühren aber aneh das sosialt
Problem, und indem wir uns nunmehr diesem Stofl^ebiete mweata,
soll ein Bedenken aerstreut werden» das gerade dieser Materie gogeatber
immer auftaucht.
?:1
«Deutsche Bürgerkunde" (5. Aufl., Leipsig 1908).
.Bürgerkunde« (2. Aufl., HauDover 18M).
■) «BftrgerFccht und BOrgertugend«* (2. Aufl., Berlin 1896).
*> Ober die Methode, die bei dieeen Belehrungen zu befolgen idf
gibt C Endemann (a. 0.) recht gute Winke. Man hüte sich ror sUmi
vor unfruchtbaren, abstrakten Defüütionen; der Unterricht soll stets sa
S Taktische Beispiele anknüpfen, dann wird er auch das regste Interesse
er Schüler hervorrufen. Auch darf nicht su sehr auf ein gedicbtmi*
mWres Aneignen des vorgetragenen Stoffes p^eachtet werden, denn niebt
um aofragbara Eünxelkenntnisse handelt es sich, sondern um Yersttodois
der Gesamtheit des Yorgetragenen. An einer Beihe von Beispielen tos
Geographie und Geschiebte zeigt Endemann (S. 71 ff.), wie er diese Be-
lehrungen einfügt. — Über die Methode dieses Unterrichtes handelt ferner:
„Die Erziehung des Deutschen zum Staatsbürger, eine Denkschrift über
die seitgemäfte Aufgabe des Staates auf dem Gebiete der Yolksersiehang*»
von M. Laux und joh. Boock (Berlin 1902); die Broschüre mithält aoßb
Literaturangaben über staatsbürgerlichen Unterricht in Deutschland usd
Frankreich; fQr französische Verhältnisse wird besonders Beverdj: «X^
droit U9uel ä Vicole"^^ herrorgeboben. — Wertvolle Winke besftglich
der Yerteilung des Lehrstoffes findet man in einem AaCsatse yos
L. Mittenzwev : »Die Schule als Vermittlerin rechtsknndlicher und wirt-
schaftlicher Lebren •* (Pädajfoginm, XY. Jahrg. 1893; 7./8. Heft). — Auf
Anknüpfungspunkte, die sich beim Geschichtsunterricht für derartige
Belehrungen von selbst ergeben, ebenso auf sozialwissenschaftliche ße*
trachtuneen, die in den altsprachlichen Unterricht eingefügt werden
können, nat Chr. Würli in einer eingehenden Besprechung der ersten
Auflage meiner „Österreichischen Bürgerkunde* (4. Aufl., Wien
1908) in der „österreichischen Mittelschule'' (X Jahrg. 18%, S. 588-510^
in dankenswerter Weise aufmerksam gemacht.
über «onoltgiMhe Beleliniiigai in der IGfetebdiiile. IL §88
Weai iFW der firaeDgwg, dem ümkMif kind im VerieUiiaer ^»f
Gttir die Bei» eeia wird, duB duf der Lelmr Bioh «tcli nicht sclMnea»
TM dtr Uaglaichhttt der G4klerrerteihnig in efwecben und im ZniMMoe»-
kaag ail dies« Encbainnng an eine Ertiterasg det SeiialitHnn benn^
nMmL So iranig er ee nun wird ? eraMfaUeBigen dtUfen, die ünini*
fthrbftrkeit der kommnnistischen Lehren darzntnn, so iMnig wird er ee
indi metoi— len dBite, anf die groAe Bedevtniig dee Soiialiemns nnd
dir ilun uiliingenden Soiieldemokintie kiinnwdsen. Die Sehnie darf «i
dioni FkBgen «nd Sreebeinnagen aidit eebtlee Torftbergeben, detmeoiiet
kiuito ee Idebt geMfaeben, daft ibi« Aheolnenten bald nach dem Vev*
ksHB der Analalt fon anderer Seite nnd in einem anderen» Tieieiolii
iiciii TöIUg nach der ataatliebea Seite geleakten Sinne beehrt würden;
aaeh «ire ee Abel angebiacbti diese eeiialpolltiicben Beletunagen Uoft
deibalb von der Schaie fembalten n wollen» weil der eine odar andn»
i4bier in wenig taktvoller Weise vorgehen kannte*). Freilieb wobl wire
€• aefar ftbal angebracht» im Sinne eines miATerstandeoen Patriolaaaiaa
etaa bM GeainnniigBdriU treiben an wollen, dessen seblieftlkhes Ergehnis
garada daa Oegeatell des beabfiäehtigtea Zweckes sein wirde*); Takt and
Umsicht des Lehrers werden sich am besten darin inftem, daft er in daa
Schttkm sngleich mit dem sosialpolitiscben Interesse das Bewnl^teein
enrsekt, wie rUA fhaen noch zur ?ollett klaren Einsiebt ia das Wesen
dtr sotialen Ftage fehlt In Dentschland bat man xwar noch Ende de;
Acfatiige^abre des vorigen Jahrhunderts den Standpunkt vertreten,
Bi^erfcanda aar deshalb an kbren, am «den die sittlicben FViadaaiente
des Staatee «nterwtblenden ümstantendeaien «ntgegeaxntreten*. Bs Ist
klar, daO mit einer solchen Anscbannng der Sache der politischen Yolks-
bOdong ein schlechter Dienst erwiesen würde; der Lehrer hat die sosialen
Thesia aiebt darsnlegen, nai eie su widerlegen, sein Unteriiefat bat aadi
sieht auf die Bekimpfung bestiminter Partefariehtungen oder auf Erzietnng
beetimmter Parteiübeneugungen gerichtet zu sein, sondern er hat die
Bcbfiler lediglich vorzubereiten, sich spater ein selbständiges Urteil über
*) vin einaelnen Staaten Dentschlanda und der Schweiz maeht man
oeoerdings den Veritucb, die Kenntnisse der wirtschaftlichen und sozialen
Yerhiltntsse durch Einführung der sogenannten Bürgerkunde zu ver-
mitteb. Bei uns in Osterreich befürchten ängstliche Gemüter, daft damit
die Politik in die Schule getragen würde. Aber man kann nicht leugnen,
dd^ ein empfindlicher Mangel an politischer Bildung besteht" (A. Dopseh,
•Osterr. Bondscbau«, Band IX, Heft 2; 16. Dezember 1906). Es dürfte
Abrigens ^nügen, anf die «Instruktionen** in verweisen, wo es beiftt:
•Tsgespolitik ist von der Schule ausgeschlossen; aber erreicht muft werden,,
daft der G^naaiast, wenn er die Schule verliOt, für eine eröOere Verr
tiefang seiner Kenntnisse der Gegenwart eine sichere Grundlage und ein
lebhaflecea Interesse gewonnen bat^.
*) Alle una bekannt gewordenen Schriften, die sieb mit dieser
^age befaaaen, wehren sich energisch gerade gegen eine solche FlrbnuA
die man den sozialj^litiscben Belebrungen geben wollte; so sagt Schenk
(a. (X): .Die ffiatone wird nicht tendenziüs eatsteUt, durch Geiinnnnd^
drill entwürdigt werden; IQio bleibt die stolze Muse, die strenge Ffirderii^
d« Wahrheit«
584 Über soiioloi^ische fielehrangen in der Mittelscfanle. IL
diese Disge bilden sn können. Eines aber kann 'freilieh d«i SebUem
eingeprägt werden: daft nämlich eine Besserung der bestehenden Var-
hUtnisse nnr auf dem Wege friedlicher Ausgestaltung derbernli
Torbandenen Wohlfahrtseinrichtnngen mflglich sei, damit der 8inii fir
Gesets und Gesetsliehkeit auf diese Art bei der heianwachsendea GenentioD
kräftig entwickelt werde >).
Yen den für den bftrgerkundlichen Unterricht bestimmten Bttchem
war bereits die Bede; es sei aber noch auf die neueren Lesebücher
für Volks- und Bürgerschulen hingewiesen, die auch derartige Belehrungeu
enthalten*)« Außer den für Mittelschulen bestimmten Lehrbieheni der
VaterUndskunde tou A. Lang*), von A. Zeehe und F. Heiderich*), feiner
Ton F. Heiderich*), Ton welchen die beiden lettteren einen gedringten
▼olkswirtscbaftlichen Abrift enthalten, gibt es für diese Sehulkategorie in
Österreich, wenn man von meiner «Österreichischen Bürgerknnde", die nseb
Ansicht Weler Beferenten auch für diese Stufe viel brauchbares Materisl
enthält, abdefat, kein Lehr- und Hilüibuch, das den bürgerkundlichea
Lehrstoff systematisch Terarbeiteo würde, wiewohl es wünschenswtet wäre,
daft wenigstens recht viele Lesebücher mit solchen Stücken sosialpoliti-
scben Inhaltes dnrchsetit wären*).
*) £ine eingehendere Erörterung dieser Frage findet man a. a. bei
£. Stutier: «Die soziale Frage der neueren Zeit und ihre Behandlung in
Oberprima^ und «Ein Wort lur Verständigung über die Behandlung der
sosialen Frage" (Lehrproben und Lehrgänge, Heft 37 und 40), ferner bei
G. Völker: «Die Schule und die soziale frage" (Scbönebeck 1890) ond
bei W. Münch: «Schule und soziale Gesinnung* (LehrprobMi und Lehr-
gänge, Heft 59).
*) Es sei hier das Ton F. Wichtrei herausgegebene Lesebod
«Mattersprache'* (Wien 1907) genannt, das neben anderen ein Lsse-
stück enthält, in welchem eine Debatte in einem ländlichen Gemeiiide-
ausschusse behandelt wird, wobei es sich um einen Antrag behufs Or-
ganisierung der Feaerwehr handelt Ich Terweise femer auf das neue,
im L k. Schalbücherverlag erschienene «Lesebuch für Bürgerschaien*,
das Stücke über wirtschaftfiches Leben und Bechtskunde, über Hsodel
und Verkehr enthält, immer mit der Tendenz, den Unterricht in dir
Bürgerschale den Bedürfnissen des Lebeos anzupassen.
*) „Vaterlandskunde ftlr die VIII. Klasse der öeterr. GjmaasieB*
(Wien 1906).
*) «österreichische Vaterlandskunde für die VIII. Gjmnasialklssu**
(Laibacb, 2. Aufl. 1907).
*) «Geographische Vaterlandskunde für die VIL Klasse der Betl-
schalen* (Laibach 1908).
*) In Deutschland gibt es auch Bücher, die einen solchen Stoff isi
Anschlüsse an bestehende Unterrichtsfächer und an Lese- und iichrbficher
vorbringen. Hieher gehört L. Hochhuth: «Elemente der Volkswirtschafli-
lehre und Bürgerkunde im deatechen Unterricht* (Berlin 1894); du
Buch schließt sich an Chr. Muffs Keubearbeitung tou Hopf und Paoldeb
Lesebüchern für die Klassen Sexta bis Qaarta an. Der Autor wurde la
seiner Arbeit durch K. Fischers bereits erwähnte «Staatswirtschafts- nnd
Sozialpolitik auf höheren Lehranstalten* TcranlaAt. In der Vorrede d«
Baches findet man ausführliche Literaturnachweise über Lehr- und HUfr-
bücher der Bürj^erkunde. Es sei femer erwähnt: A. Köcher: «Die Beleh-
rungen über wirtschaftliche nnd gesellschaftliche Fragen im Ueschichti-
unterricht« (im Anschluß an die Lehrpläne tou 1892; Hannorer 18M),
über sosiologiiehe Belehrnngeii in der Mitteliohale. IL 535
Es ist TitUeieht nieht tlberfifissig, in erwftlinen, 4a6 derartige
Bdehnmgm auch an MidchenBcholen (Lyieen) Eingang, finden sollten;
indem man die Mädchen auf die Wichtigkeit gewisser bürgerlicher Bedits»
handlangen aufimerksam macht nnd ihnen die Konseqaensen Tor Augen
Ahrt, welche daraus erwachsen, schütst man sie da?or, im späteren
Leben durch Unkenntnis sa Schaden in kommen. Fftr die Frauen ist
die Beehtsbelehnmg sogar viel notwendiger als fttr- die Männer, denn
«die Fnu ist durch die veränderten soiialen Verhältnisse unmittelbar
aus der Kinderstube auf den Arbeitsmarkt entlassen worden, ohne das
Bflsteeug» das den Männern mitgegeben wird ; sie kennt den Bechtsboden
nicht, auf dem sie steht, weiß nicht, ob er sie trägt oder ob er unter
ihr Terschwindet" ^).
sodann K Claumitser: „Staats- und Volkswirtschaftslehre* (Halle a. S.
1907) und das bereits sitierte Werk tou Schenk (es enthält Abschnitte
aus geschichtlichen Werken, Aktenstücke, Edikte, Druckschriften, Bot^
sehanen usw., die im unterrichte den Belehrungen über wirtschaftliche
und gesellschaftliche Fragen sugrunde gelegt werden sollen; femer
Endemann a. a. 0.)« der auch auf andere Staaten verweist, wo äbnliche
Belehrungen Toreeschrieben sind und der über die Vorschriften hinsichtlich
der soiialpolitiscnen Belehrungen sagt: «Diese Vorschriften haben den Sinn,
daA der Ueschichtsunterricht, der ja alle Seiten des Volkslebens berück*
sichtigen muß, soweit sie sur Kenntnis eines bestimmten Volkes oder
einer bestimmten Zeit nötig sind, jetst entsprechend den Bedürfnissen
unserer Zeit sieh mehr als sonst unserer gesellschaftlichen und wirt-
schaftlichen Gestaltung anwenden soll", und der die Notwendigkeit eines
soldieQ Unterrichtes auch damit begründet, da& der Lehrer in dem
Schüler schon den künftigen Bürger des Staates sehen muß; der
ganse Unterricht soll Ton ethischem Geiste durchdrungen sein und die
Sdiüler mit früher im Unterrichte übersehenen Tatsachen bekannt
naehen. — Für Fortbildnngs- und Volksschulen gibt es eine große Zahl
Ton fliUsbüchem. Es seien nur einige hier genannt, und zwar: Chr. Boeses
«Gestllscbaftskunde. Das Wissenswerteste aus der Staaten- und Gesetses-
künde sowie der Volkswirtschaftslehre* (Hannover 1901); F. Schleicbert :
JOie Tolkswirtschaftlichen Elementarkenntnisse im Rahmen der jetsigen
Lehrpline der Volksschule« (Langensalza 1897); A. Bär: »Stoffe aus der
Volkswirtschaftslehre für Fortbildungsschulen <* (Gotha 1900) ; B. Fritssche:
«Die Verwertung der Bürgerkunde im Geschichtsunterricht der Volks-
schule* (Langensalza 1898); F. Bamberg: «Die Eingliederung der Volks-
wirtsehafslehre und Gesetseskunde in den Lehrplan der Volksschule*
(Broslan 1901); M. Schuster: ^Bürgerkunde für die Fortbildungsschule
sowie für jeden Angehörigen des Königreichs Württemberg* (Eßlingen
1896); J. Book: Ldrnroben zur Bürgerkunde* (Berlin 1902). — Für
österreichische Verhältnisse sei auf W. Srps KonferensTortra^: »Der
Unterricht in der Bürgerkunde* (Prag 1899) rerwiesen, der im An-
Bchlnnae an meine »Osterreichische Bümrkunde* einen Lehrplan für
die Eingliederung der bürgerkundliehen Lehren in den Deutschunterricht
an Volu- und Bürgerschulen enthält; femer auf N. Staberei: »Der Tolks-
wirtschaftliche Unterricht in der reformierten Bürgerschule* (Wien 1902),
Obentrants .österr. Verfassungskunde*, bearb. von J. Parsche (Wien 1908)
nnd auf die fieferate in den Wiener Bezirkslehrerkonferensen aus den
Jahren 1902 und 1907 über bürgerkundliehen Unterricht
«) Marie Baschke in der »Frauenrundschau* (VIII. Jahrg., Heft 8/9,
8.907).
II8<I Über ntiologiseho fi^lehraiiceA ili der IGttelMiiale. IL
^Ie4t ^ffflBtlkhe Sohnle im UMd^rim StftiA» mvß tlire Haapt-
anffftbe dadn ferbikksn^ diaiiehtige, wiikHsUrkt aad ftr die QeMmfteH
■Atelkihe Stefttibfttf er henuftbildeii.** Mit diesflai SatM Q.
•Mnehi, dea «frigca V^lecfaten eider staateUlrgerttckMi
lfori]lildiingt8ck«leii i)« desMii SefarifteD >) in dieMr Hinieht tehabi^eiiiBd
^woidea eUid4 rnoß skii eiawretaiDdeB eiklimi, wer die XUlft swiieheii
Scbile and Lebeü nicht Hech Uailnider gt^taltea vill. Bielng kst laaa
der Solimle in ikna irenchiedeBen Abstiifiuigen diese Avl^fabe noch nieht
iigewiewn und so hah^m nden InetitatieneB*) cieh bettrebt, hier
helfend eiuragreite« damit die g^oAe Masee der BerSlherug wenigsfeeM
eisigeniiaAeD dea Beebtesteat b^greüin lehrt, ytm den eie eo viel
erwartet, dem sie so Tiel in leisten hat und von dem sie so wenig weiS.
Insbesondere die mangelnden Bechtskenntnisse sind beklagenswert; sie
seitigen aach die Angriffe anf die Becbtspflege und sind oft aneh Sebnld
daran, Wenn so tiele, die sich in ihrem dunklen Drange des rechtsn
Weges nicht woblbewnAt sind, mit dem Strafgesetse, dessen Inhalt sie
nicht kennen, in Konflikt gesattti.
Bs gibt alltoditigs atieh tQegner einet solchen staatsbftrgetlieheB
Ünterweisting, wie wir eie hier vor Angen haben; als ein solcher bekennt
sich z. B. P. Cauer, der meint ^): »Man hat neuerdings Teranch^ die
Snatee dessen, was ein leifsrer Sehttler von den Einrichtengeft des
d^n^ Staates Wissen soll, in besonderen Darstellungen ^ etwa onter
dem Titel BBrgerknnde — zusamobensafassen. Einer ausgiebigeren
Benfttsung für ^ Schule stcSit aber im Wege, daO es keine Stelle gibt,
nn ihren Inlbsüt erganlsch In den Lelirplan eintuffigen und dsft eiw
*) Für dsterreichische Fortbüdui^sschuien hat dieselbe Fordemag
Dr. M. Baernreitber in der 58. -Sitzung des böhmischen Landtages voai
5. Oktober 1907. aufgestellt; vorher schon hatte auch der Abg. Adaaek
in einem dem böhmischen Landtag in der Sitaang vom 6. April 1899 unter-
breiteten Beliebt den Antrag bestellt, daß «die SchAler der hdhecea
Jahrgänge der mehrklHssigen Volke- und Bürfferechulen auch in dan
Grundzfigen der Voikswirtsehaftslehre und der v erwaltangsiehre «nter-
richtet werden selfoB.«
*> ^Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend" (3, Aufl.,
Erfurt 1906) und «Grundfiagen der Schnlorganisation* (Leipsitr 1907).
Die erstgenannte Schrift ist eine Antwort auf das von der kgl. Ahadecsie
gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt erlassene Preisau^echroiben :
«Wie ist unsere mannliche Jugend von der Entlassung ans der Vglksehule
bis zum Ittntritt in den Heeresdienst am zweckmälVigsten für die staate-
bürgerliche Gesellschaft zu erziehen?'* Die ausgezeiäneten DaiieffUBgea
EerschensteineFs bilden ein Seitenstüok zu dem bekannten WeAe Ten
Edk Pdtit, ^De Veeote au rigimmt*^. Die sozialpadagogischen Aneiobtsn
des Müochener Stadtschalrates sind aber nicht unwidersprochen geblieben
<TgL P. Zillig: „Darf der Altruismus zur GruDdl^ni<iS> <^^> Büdangs-
ideales and damit des Lehrplanes für die Volksschule genommen werden?*
Jahrb. d. Ver. f. wissenschaftL Pädagogik 1906 und Erlauterangea an
demselben S. 7—38).
') Unter diesen dnd besonders zu nennen die Arbeiterbildungi«
vereine, die Frauenvereine, die Yolksbildungsvereine, die yolkstümliohen
fioCbBchalkunie und die Presse.
^) ^Palaeatra vitae*" (Berlin 1902, 8. 66).
über lotietogiBdie Bdehnrngw in der Mitteltdi»!«. IL Stt
nkbe MMh sieht gnclmSwk wardtti krai, ohM das Mm Vieleiiei anfii
noe I» Termehran. AM denon bedarf ee ftQoh aiobt Wornnf ee an«
konmti ist doch hier wie anderwirte licbt die Heage der etnielBeir
KiuitadlM, aoodefn die AftfaerkBainiEeit des Siaiiee, die Beieitnüligkeit
oid FÜHgkeit» aaf petifieohe Yerhiltiiiflie m aohtea und daa Wesent-
Me darin anfiufaieeB.* £beoia bat rieh H. SehiUer in eeiner Abhand-^
lug: »Bedarf ee «nee beeondeven neuen Unterriehtogegenstandes, nm
dw Sebalem höherer Lehranstalten die Kenntnis der etaatliehen El«'
riehtongen ihres TaAerlandea in Stehern? >) gegen BinfBgang eines be^
tcnderen Faehes ansgesproehen.
AUefe die hmten Stimmen der Öifentliehkrit*) werden sieh nieht
nehr sam Schweigen bringen lassen nad eosielogisehe Belehrangen, die
sieh ans den Blementen der Verfassnngsknnde, Beehtsknnde and NattonaN
«kenoflrie ansammf setaen, wwden ihren Einmg in die Mittelsehnle
hallen massen; sie werden als staatsbttrgerliehe Propftdentik in einem
shatserhaltenden Mittel werden, dessen keine Staatsregiening, famal
im Zeitalter des aUgemeinea Wahlreehtes, wird mehr entmten können;
deaa je mehr solche Kenntaisse man sieh ansoeignen in der Lage sein
wird, omso vemanftiger wird sich spiter die Ansübnng der «taatsbürger-
Uebcn Bedite gestalten, nm so weniger werden die Borger in mißTer-
•taadener Anffassang der ihnen gewftbvten Freiheiten diese in einseitiger
Art Uo6 fftr ihre Zwecke ansntltien. Unsen Scbalgesettgebnng fordert
Ibrigcne förmlieh an einer solchen Unterweieang heraus; schon in dem
■inistsrieUsn fimtwnrfe der Grandsttge des öffentlichen Unterrichtes in
dsketnieh ans dem Jahre 1S49 heiOt es: »Wo des Volk snr Trilnshme
>) «Zeitschrift fOr Opttnashilwesen«, 1888, S. 401—430.
*) Bemeorkenswert sind hinsichtlich bfifgerknndlicher Belefamngen
die dem Verein Iftr Schalreform erstatteten »Vorachlige snr Mittel«
schttlreform' (Wien 1906); Ton den 70 Befragten sprach rieh die aber-
groAe Mehrxahl fQr EinfBhmng der Bürgerkande, bezw. der Elemente
der Staatswimensehafken, der Wirtschaftsffeschiehte, Gesetseeknnde, Volks-
wirischafts- und Gesellschaftslehre, Vermsnngs- aud Verwaltangsiehre,
Elemente der Sosiologie oder Wirtschattslehre ans. Ebenso mOssen als
(gmchtenawerte Knndgebang far einen bargerkandlitben Unterricht die
ÄaAemngen angesehen werden, die der »ZentralYcrband der Industriellen
Otterrmehs* anf seine Umfragen erhielt nnd die nanmehr in der Schrift
»Sehnlreform und Indostrie" (Wien 1908) Yorliegen. Es heiAt daselbst
(S. 87) sasaromenfasseadi »Die Brnftt^paff einer Art Bfirgerkunde in
den Lehrplan der Miitelschnlen wird siemlioh allgemeia gefordert Der
Uaterrieht hätte die wichti^ten Grunds&tse der Volkswirtschaftslehre im
wutestan Sinne, eiasdilie&iich der Sosiologie, des Verfassange- und Vor«
waktnagsrechtes sn umfassen*. Aach A. Peea: »Bemerkungen anr Mittet»
scbalreform" (Wien 1906) spricht rieh (S. 6) fftr den Unterricht in der
Volkswirtschaft aus. Man konnte femer in den der Einbemfnng der Mittel-
schnleaqnete ▼oiaagegattgenen VereinSTerBammlQBgen, Debatten nnd Aui^
rasten der Fach- und Tagespresse immer wieder den Hinweis anf den
Umstand Temehmea, daO unsere Mitteisohaler swar mit genauer Kenntnis
der Terhftltnisse im alten Athen und Born die Schule ▼erlassen, ober die
bei ana geltenden Bestimmungen aber im Unklaren bleiben ; eine Meiaaags-
Tenehiedeaheit bestand nur besttglich der Stelle des Lehrplanes, an
welchen solche Lehren Plata fiadea sollen.
538 Über sosiologisehe Belehrungen in der M ittelBchnle. IL
an der Gesetsgebung berechtigt iat» da darf keine Anetrengnng nnd kein
Opfer gescheat werden^ nm allen den Unterricht in geben« ohne velchea
dieses Becht ein Widersprach wäre.**
Die bereits erwähnte Erweitening des Wahlrechtes rftckt demnadi
die obligatorische Einftthrang bfirgerkandlicher Belehrangen immer niher,
denn bei den gegenwärtigen soiialen and wirtschafUichen yerhiltnisseD gibt
es in der Tat keinen besseren Weg snr Erweckang eines staatsbargerlichen
Sinnes« Denkens und Wollene als den der Belehrung; deshalb taaeht
die Fordemng nach solchen Unterweisungen immer wieder auf nnd «e
wird umso elier erf&Ut werden müssen, als sich sonst das erweiterte
Wahlrecht mangels der nötigen Voranssetsangen hinsichtlich der poli-
tischen Bildung der an die Wahlurne Berufenen leicht als unsweek-
mftßig oder Terfrftht erweisen könnte. In dieser Zeit des allgemeitten
Wahlrechtes ist die Beschäftigung mit diesen Disziplinen ra einer Bürger-
Pflicht geworden, sumal sie im Brennpunkt der öifentlichen Aufmerksam-
keit stehen. Neben die ästhetisch-stilistisehe wird daher Tomehmlich iu
Gymnasium »die wirtschaftlich-politische Bildung treten lassen, es wird
mehr als bisher die Eniehung sum Staatsbürger berücksichtigen müssen,
statt nur das Weltbürgertum im Auge su haben* '}.
Und so wird denn schon der Schule die Aufgabe su&llen, durch
eine entsprechende und sielbewußte Aufklärung auf dem Wege soiio-
logischer Belehrungen sur Förderung des sozialen Friedens beisutiagen,
einerseits um die Wucht der gesellschaftlichen K&mpfe durch die Er-
weiterung der sosialpolitlBchen Bildung lu mildem, anderseits aber, um
jeden einzelnen sur klaren Erkenntnis der ihm aus der Staatsangehörig-
keit erwachsenden Vorteile, aber auch der für ihn daraus erwachsenden
Pflichten su bringen und ihm die groi^, schaffende und organisatoris^e
Straft des Staates vor Augen zu führen. Die Elemente der Staats-, Gtechti-
und Wirtschaftslehre werden, als Soziologie zusammengefaßt, diesen
Zweck sicherlich erfüllen*).
Budweis. Ludwig Fleischner.
>) G. Friedrich (a. 0. S. 37> Ein begeisterter Fürsprecher ist der
staatsbürgerlichen Jugenderziehung jüngst in Ludwig Graf Bödern er-
standen, der in einer beachtenswerten Broschüre: «Nicht Ar dieSehnle,
sondern fürs Leben und fürs Vaterland!* (Freiburg i. Baden 1906) in
überzeugender Weise für eine solche Erziehung durch die Schule eintritt.
— In der «Cechischen ReTue** (Prag, MErzheft 1906) schreibt Prof. DtÜns
(Prag)s „Dem jetzigen Gymnasium fehlen eine moderne Welt^rsche,
Hygiene, Geologie und Geographie als selbst&ndige Lehrgegenstftnde,
Chemie, Bürgerkunde, Zeichnen; der jetzigen Bealschule fehlen Hygiene,
Philosophie, für manche Berufe das Latein, bie hat wenig Geographie,
wenig Statistik, es fehlt die Bürgerkunde, Technologie und die Grand-
Isge der Nationalökonomie".
*) Freilich wohl herrschen über Wesen nnd Inhalt der Soziologie
noch Terschiedene Anschauungen, wie man einer Umfrage (abgedmekt
in «Dokumente des Fortschritts*', IL Jahrg.. 3. Heft, 1906) entnehmen
kann, die Fölix Vdlyi (Paris) kürzlich bei den herTorragendsten Soziologen
(Simmel, Fouill^. Stammler, Breysig, Ward u. n.) üoer diese Dimiplin
▼eranstalteteu Vgl. auch ,J7eugestaltung des Geschichtsunterrichts' von
Otto Wendlandt („Die pädagogische Zeit«, 10. Juli 1907).
Ä. HmUrhergtr, Zur Fngt des üntorr. in Hygiene, äug. ▼. G. Eergd. 689
ßr. Alexander Hinterberger, Zar Frage des Unterrichtes
in Hygiene an Mittelschulen. Wien nnd Leipsig, W. BrnomSUer
1906. 28 8& Preis 80 h.
Der Yeif.» bekannt durch seine Schrift ,ylst unser Oymnsiinm eine
ivsdnniftige Institation in nennen?*» fordert in Mittelecbnlen ^einen
gesonderten Hygiene-Ünterrieht, der sasschlieAlich dnrch Ante
•rtiilt wird. Wiewohl ein anfirichtiger Freund der schnlbygienischen Be-
ikrebuigen, stehe ieli anf dem Btandponkte der Oleichwertigkeit iwischen
Ant nnd Lehrer. Wie der Artt behauptet, daß ein Laie, wenn er sich
Aach noch so sehr an medisinisehem Wissen bereiebert, auf dem Gebiete
der Medisin doch ein Kichtfachmann bleibt, so bleibt ein Ant jedeneit
•in Dilettant im unterrichten. Und die Knnst des ünterriehUns kann
ia der Sehnle der Heilknnst nicht nachgestellt werden. Übrigens ist
HjgieDe nicht Heilknnst, was in dieser Streitfrage in Gonsten der Ante
aeck fiel rawenig anseinander gehalten wird, sie ist eine Disziplin, die
Qcmsmgnt aller Binaiehtigen werden aolL Und inm Schinase noch
eiaes: Wie findet man sc mit den einfachsten hygienischen Gmndatsen
Tereiabar, daß ein Ant, der Ton Krankenbett la Krankenbett eilt, in
der Bchnle nnterrichtet, Ton welcher der Lehrer ansgeschloesen erseheint,
»bald ehi InfektionsfaU in seiner Familie konstatiexi ist? Oder soll da
dieeer Unterricht immer ansfaUen? Ich fOrchte, das gäbe wenig Unter-
richtsstunden in der Hygiene.
Avssig. Dr. 0. Hcrgel.
Vierte Abteilung.
Miszelleiu
Karl Christian Erast Graf tob Benxel-Steraaii.
Kamoi TerblMsen und loschen aott mochte ihnen aoch die IGtwelt
ein nie erlöschendes Andenken in Aassieht gestellt haben. Ein sddiet
Name ist ^r des Dichters nnd Staatimannes Kari CbrietiMi "
BenMl»9teman. 6eborao aa IfaiM am 9. Aprä 1767« war er in dsa
Jahren 1806—1812 Direktor des badiieben Miaisterinms den Innan ud
durch iwei weitere Jahre bis 1814 Staatsminister des Grofihenogs tos
Frankfurt. Man hatte damals den Omndsats anffestellt, die ÜidfmitIteB
in die Hanptstftdte sn Tcrlegen» wodurch anstreitig der Qesichtskreis der
Lehrer erweitert, kleinliehen Beibnngen anter denselben Torgebengt and
nnter den Stndierenden mancher tOrichte firaneh gemildert worden iit
Die Universiat sn Frankfurt a. d. 0. worde iwar auf Wunsch des Ministen
Stemau dorch ansehnliche Lehrer Terstärkt, dtkrfte aber wegen der ob-
waltenden Verhiltnisse sdiwerlich in bedeutender Blftte gelangt seis,
weshalb ihre Übertragung nach Breslau und Verbindung mit der dortigeD
Universitit beschlossen wurde. Als dann die Flamme der B^eisterug
während der Befreiungskriege wieder gedämpft wurde aus Besorgnis, die-
selbe wflrde das ganse Staatsgebftude gefährden, sog sich Graf Beniel-
Sternan von den Staatsgeschäften surflcl und nahm seinen Aufenthalt in
Zflricb, wo er sich fortan den gelehrten Studien und der Dichtkonst
widmete, ohne darum die politischen Wandlungen ans dem Auge sa ver-
lieren und mit seinem gedankenreichen, kräftigen, mitunter schanen Werte
IUI Verbreitung freisinniger Ansichten bis su seinem am 18. August 1849
SU Mariahalden am Zflricher See erfolgtem Ableben lu wirken« Froherr
Ton Biedenfeld, welcher 1609, damals mit dem Grafen Leopold Ton Hech-
hergf dem ältesten Sohne des Qrofihenogs Karl Friedrich Ton Baden ia
Heidelberg studierend, von der Universität nach Karlsruhe herttbergekommes
war, um Bestimmtes über das Schicksal seines Bruders in erfären, des
ein glflckiicherweise grandloses Geiflcht unter den in der glorretebes
Schlacht Ton Aspem Gefallenen genannt hatte, schildert den Grsfon
Benzel-Sternan, der damals an der Spitze der Verwaltung Badens stand,
in einer Tagebuchnotii als eine imponierende Erscheinung Ton mittlerer
Große, stämmig, breitschulterig, mit plastuch modelliertem Kopfe «nd
einem Antlits, welches der ansdrocksvoUstcn Mimik fähig war. Seiae
Stimme hatte Kraft und Klang und die Bede dieser Stimme lieft Geist,
Schiagfertigkeit und eindringende Vertrautheit mit dem jeweiligen Bebaod*
Inngsgegenstand erkennen. Seine Werke mit zumeist humoristlseh-cagn-
ichem Einschlag: ,Das goldene Kalb« (1804), die Pjgmäenbriefe (ISOgX
seine vier, soziale Probleme behandelnden Bomane hatten ihm daaule
5A1
Bidift mIUd Ml Spitifiadigkttion «ad
intitr Mjitib ttollMiviiM Mcb m uWhaglkW Üb«r]*diiof ud Weit-
wttdif Wt im Batihan Klanr «ad darebttchtig« aad BenMl-StemaBa
ylitMcha fkhriftaa ftlier dk Zakaaft das BonapartitnwM ia Fraokr«i«h>
«bar Unpnaf aad SatvieUoaf dtr ooeatalitebaa Frairt» flb«r dk frak-
tiseke Aawtadaair theoretiacli gawonaeaar politifcher Biatichtan a. a.
Ia baidaa Bichtaagaa laigaa aaiaa gaaektehtaphiloaopbiaahaB Ba-
tnektaagaa aiaaa vaitaa Bliek« aia AhnaagsTannOgaa» walehaa dareh
dea Schlaiar dar Zakaafl dai Varhioffais ▼orhanab, tob walaham iwai
Qeaantioaaa apiler die fraaiMacha Natioa araili wardaa sollte. Ea ad
wahfiahaialich, maiata Graf BaaBal-Staraan, da5 die Methode Napolaoa I.,
«aiehar aa TeiaUad, die rerelatieaire Bevagaag eheaao gawaadt aa«a-
Dfltiea wie die Zerfahraahait der übrigaa earopiiaehaB GroßataataBy ihre
Ftotaatiaag fiadaa, aber aefaüeftlieb doeb SchÜfbraeh erleidea werde. Deaa
aiebta wirle ao abediwi^ead and kraftUbaiead ala die EiteHieit aad
der EigeadHakel, der aich aelbet belUgt, aad ao werdea die Lebrea»
«alaba Fraakreiak erhalte« hat aad neeh «riialtaa werd% ihm aiebta ge-
Bfitil babea.
Aafteret ▼erferaat mit der Geataltaag der Diage in Orieat aad wie
•altaa aia Staatamaaa befthigt, die erieataliaehe Frage aaeh der MOg-
liflhkeit aad dea Mittala la beaiteilea» Friedeaaeteniagea bintaain-
balteab aiad Steraaaa diaebetflgiiehe Aaaiebtea aaeh beate aoeb bemer>
keaaweit geaag» am aaa Umea Belehraag «ad Nataea in aieboa. Obwohl
IT eia aiklirter Gagaer dea Kiiegea war» dea er ala ferderbliehee Ab-
pbiade der Meaaebheit betraahtete» koaate er aieh deaaoeh mit der
Idee» dea £rieg aaa dar Welt la iahaJBeai die damala aa dea Pbiloiopbea
Qotitlab Viehte eiaea flbenangtea Aawait hatte, aiebt befreaadea. Die
naabaMBde Sehwiahe eiaea Btaatai^ sagte er im Hiablick aaf die TOrkei,
•ai immer aooh eia starker Aareis Kkr die Naehbamtaatea gewjMea» sieh
saf deasea Eeaten aa ? «rgrOßei«» was aar bei dem ebrliebea Oaterreieb
siebt satreüSs» wibread bei soaehmeadar iaaerer StArke d«r Btaatea dieae
ssf LiaderaBwaebe bedaeht aeiaa, wae bei fiaglaad der Fall aal Sieher
vüde ea die aiodene Ladaelrie iaimer mehr sawege briagea» aaf kleiaem
Bsaaie groik Weite sa eraeagea, aber die BraaagBisae erbeisehea Ab-
sebaier» verlaagea Koaaameatea. aad da dieae haBptsiehlicb oater dea
Babaloffeiaeogera la saeboB siad, trete die Notweadigkeit erweitertes
Leadheeltsee bei dea lAdaatrieTOlkara immer driaglieber satage. Das sei
dar eiae Graad» weahalb ia eiaea immerwibreadea Friedea keia YerlaO
iflt Dia aadere Seite sei Tollgaaebriebea mit Vertrigea, Abkemmea aad
diplomatiaebea Notaa» lameiat aaerfailteB and aaanailbareB WftBtcheB,
beemidera dort, wo ea aieh am dea Islam haadell Uatar deasea Harricbaft
•ei das religiOae Momeat mit dar priratea aad OifeBUichea Beebtalage
und aaeh mit dam Jf^^niea wirtachiurtlicheB Lebe« anlOabar verkittet.
Alle Venaehe, die Tttikei aaeh earopAiaeham Master «a reformiere«,
dlrftea fraehtloe bleibea, solaBge die islamiiisebea Staate« aa dea
SsUaagen dea Koraa festhalten, «ad das werde eich trots alier AufklAraog
n bald aiebt iadera.
Graf BoDiel- Steraaaa an klarea, freisiaaigea Ansebaanngea and
Kistreichea Senteasea reiehea Sehriftea siad jetit so siemlieh Tergessea.
bat antar seiaea Zeitgeaossea Dichter gegeben, wekbe iba aa Fbaa-
tasie aad ? olkstflailieber DarstelloDirigabe weit überflftgelt babea, kaam
aber eiaea, dem eiae aolehe UabeiaBgenbeit das Bliekea, eiae so viel-
•eüige Kombioatioasgabe eigea war wie diesem StaatBmaaae.
Ffir Tirol besitst der Käme der aas Schwedea stammeadea Grafen
Beuel-Steraaa aaeh deshalb eiaea besoaderoB Klaag, weil Graf Albert,
der als Bittmeister dea Babeetandes laaabroek sa seiaem Aofeatbalte
w&blte aad hier am 6. Mai 1878 im 72. Lebeasjahre ▼ersehied, seia ganses
VeimOgea, etwa 50.000 Galdea, einer ieitent der Laadiebaft sa errieh-
542 llimlleD.
tonden BlindeoAiMtalt gewidmet nod teiii rMchhaltigee Heibaritm im
Gymnadam in Hall ▼ermaeht hat Das StiftaiigeTennOfreii wird top der
Laodichaffe Terwaltet und hat setther einen ansehnlieben Znwaehi erfihna.
Chraf Albert Aleiander war der ältere Sohn des Staatiminitten and dai
Haopt der jtkngeren Linie der Stemani, welche in Baiem 1818 bei der
Grafenl^laaie immatriknliert worden iit Er ttarb nnTermihlt.
Innsbrack. Dr. F. Lentaar.
Literarische MiBzellen.
Cieeros Bede gegen Q. Caecilins und das vierte Bach der
ADklageschrift gegen G. Verres. FOr den Sebalgebraneb beraot-
ffegeben Ton Hermann NobL 3. Auflage. Leipiig» Wien (Freytag,
Tempiky) 1007. 160 88. Preis 1 K 80li.
Der lateinische Text der neneiten Anflaga dieser Sehnlansgabe
stellt sich als nn?erinderter Abdruck der früheren Aoflage dar. Kv ia
der Bede gegen Verres finden sich an Tier Stellen Abweichnngen Ton dister.
So sind § 71 die in der iweiten Auflage mit Eberhard getilgten Worts:
Qw>d pr%v€Ui omari pastus est wieder aof|genommen worden. Im
Zinsammenhange damit steht die § 101 aufgenommene Lesart omamdi,
die mir aber su ad spoUandwm keinen richtigeren Oegensats su bildoi
scheint als die frtkhere Lesart orandi, § 54 wurde die Um&ndemng ron
iüigabat und indudehat in den Plural Torgenommen, § 188 ist an Italla
eines pordnum eaput ein aprinum c, getreten. — Im Anhange hilt dar
Heranseeber daran fest, daß die Verwertung der Bede m Iranatgeechisht-
lidier Belehrung sieh nicht auf dis in der Bede erwihnten Eflnstler ead
Kunstwerke bescbr&nken dürfe, sondern daß nach Bewiltigung der Bads
ein susammenhftugender Überblick Ober die Entwicklnns der grieehischeB
Plastik am Platse sei, wosn es bei dem größeren Umfange der Bads
allerdings oft an Zeit fehlen dürfte. Dieser Teil dea^ Anhangs hat sowohl
im Texte als auch in den Abbildungen etliche Änderungen erfabran,
w&hrend die an ihn sich schließenden Erklärungen der Eigennamen oad
sachlich schwierigen Stellen im ganien dieselben geblieben sind. Auch
an der Einleitung ist nichts geändert worden. Die Tom Lehrer geleitata
BentktsuDg des Anhangs ermöglicht dem Schüler auch ohne ipeneUaa
Kommentar schon bei der häuslichen Vorbereitung das Verständnis manchar
schwierigen Stelle, worin ein Vomg der bewährten Schulansgabe liagt
Wien. Frani Kuas.
Alexander Malin in, Hat DOrpfeld die Enneakranos-Episode
bei Pausanias tats&chlich geUst oder auf welchem W^
kann diese gelöst werden? Einige Bemerkungen an Judeichi
«Topographie Ton Athen". Wien, Holder 1906. 8683.
Verf. wendet sich gegen die Ansetinng der Enneakmnos dureh
DOrpfeld, indem er behauptet, der Spaten sei unsureichend fftr die Ent-
scheidvog dieser Frage, es müsse die literarische Tradition herangeMgeo
werden, die fttr DOrpfald durchaus nngflnstig sei. Er setit die Enoas-
kmnos am Ilissos an und erklärt die Enneakninos-Episode bei Pansanisf
als einen durch eine Blattvertauschnng entstandenen Tezteinschnb. Baf.
kann sich nicht damit einTerstanden erklären, sondern hält den ton
DOrpfeld ausgegrabenen Brunnen fftr die Enneakmnos.
Wien. Dr. Johann Oehlar.
543
E. Letosehek, Sammlonff yod Skizzen und Kurten zur
Wiederholung beim Studium der mathematischen, phyai-
kalischen und politiiehen Geographie. Droek «od YnhLg der
kirtogr. Anftalt von Frejtog k fienidt
Auf 18 Tafeln werden 245 Kartentkinen Torgeftthrt Neben einer
Beihe gvter Entwfirfe findet sieb aoeh manchee Unbranehbare, das mit
BOckriebt anf die lacbliehe Biohtigkeit der YonteUnngen nnd den Zweck
dae erdknadlichen Zeiehneni ftberbanpt Tom Unterricbte lieber fem ge-
bilten werden möge.
Wien. J. Mtlllnei.
Programmenschau.
16. Dr. Mauriz Schuster, De Apollodoris poetis comicis.
Aecedit emosdam Apollodori interpretatio. Progr. des k. k. Staate-
Obergymnaeiomi sn Wiener-KeniUdt 1907. 85 SS.
Im ersten Teile seines Anfsatses nntemimmt es der Verf., den
Nachweis in fahren, daft die drei Dichter der attischen KomOdie, die den
Namen Apollodor tragen and durch die Beinamen *AdjfP€aosy Ka^atvos
sad r9lt^ onterMhieden werden« eine nnd dieselbe Person seien. DaO
mit dem von dem einsigen Snidas angef&brten Athener Apollodor nnr
der Karjstier gemeint sein kann, nnterliegt wohl keinem Zweifel Es
himddt sich also nar noch nm den Geloer nnd den Karystier. DaO anch
dieie beiden nicht sn trennen sind, erweist der Aotor durch folgende
Qrttnde: 1. Die literarischen Notisen Aber die beiden ApoUodore bei
Ssidas ergSnaea einander. 2. Von den von Soidas s. y. IteoUdddvpog
Pümog diesem sngeschriebenen Stftcken tragen die drei ersten an anderen
Stellen (Said. s. ▼. anwddt», Athen. VII 280 D, VI 248) den Namen
des Karyitiers. Dasselbe gilt anoh von der bei Soidas nicht genannten
'AxoXtiMovaa, als deren Verfasser Ton Athenaeas III 125 a der Geloer,
bei Photias Bpist 156, p. 210 hingegen der Karyttier genannt wird. Die
ftbrigen ?on Soidas angefahrten KomOdientitel sind verd&chtig. 8. Ver-
lUUiche Aatoren wie der Anonymas xf^l nafiipdiaey Stobaeas, ferner
CIA. II 977 ond Etjm. M. 818, 8 wissen nichts von swei ApoUodoren.
4. Die sprachlichen and metrischen EigentOmlicbkeiten beider Dichter
•tinmen ttberein. Bei beiden finden wir eine etwas berabgekommene, seh wang-
lose, anf Neabildongen erpichte Sprache nnd Nachlässigkeit im Versbaa.
— Der heikelste Ponkt in der ßeweisffihrang ist jedenfalls die Zeitfrage.
Denn während Saidas in seiner biographischen Notis den Geloer einen
Zeitgenossen Menanders (c 842—892 n. Chr.) nennt, wftre der Karystier
nach Athen. UV 664 A and VI 241 f. nngefihr in die Zeit tod 290—240
t. Chr. sn setsen. Der Antor erkl&rt diesen Widerspruch durch d[& Ad-
nähme, die Notis bei Saidas sei nicht aU Zeitangabe aafzuraafi«!!^ sond^rD
soUs nm die ZogehOrigkeit des Dichters sor nenereo K«?m{idie, dereo
Haaptvertreter eben Menander ist« ansdrflcken. Jedenfslle ist auch Hef.
im Hinblicke auf die flbrigen beweiskriftigen Argom«Dte der Anaicht,
es dftrfe nm jener Angabe des ansaverlftssigen Soidas wiikQ die Hjpo-
theee nicht geopfert werden. — Der Grand, wamm dertelb« Apollodor
«SS bald als Karystier, bald als Geloer begegnet, i«t nach
Ansicht darin sn soeben, dsA der Dichter einmal nach aeitii
ort, ein anderee Mal nach der Stadt, in der er das BQrgei
snbenaant wnrde.
Der sweite Teil des Aafsaties bescbifUgt sieb mi
Athsaaeas YII 280 D fiberlieferten Fragmente aas dem F^app
i
y
5M
(^KftMdnCAbTlkaiit«). D»p FngiiH»! strOUl «Mb dei Aftw Aw^t k
iwei Teile. In y. 1—14 fflbrt ein frobem Leben^genOMe s^getoaer JUna
Klage darftber, daft die Menaeben nnr darauf amgeban, sieb m bekiauifcB
Dod n TeroichteB» und gibt die Sobald daran einem binriaeben GeeobidLe.
Kacb y. 14 iit eine knne Antwort der »geredeten Penon in denken,
woranf der Spreeber ▼. 15— Sebloli die Freuden aobilderi die em fried-
licbea Leben gestattete. Angeredet wird eine Franeneparaon. Daß dieie
keine Qottin aein kOnne — eine aolcbe vennntot Maineke <** mOebU ieh
aoa der Anrede yZtwvrdcv nicbt scblieAen. £• genOgt dteabasfigliGb vd
die Art in Terweiaen, in der i. B. Ariitopbanea nut GOttem nnd QOtdnaea
▼er&brt — Die saoblieben und apraoblieben Erklimogen aiod aorgfUtig
nnd erachOpfend, die konservatiTe Metbode der Textkritik, die aicb s. B.
in der Beibebaitnng des ftberüeferten TIq yit^ TSUip (t. 9—10)
seigty nnr lo billigen.
Melk. Dr. Hippolyt Haas.
17. Dr. Alfred Nathansky, Baneriifeld und Schubert. Progr.
dei k. k. Staatagjmnasinms in Triett 1906. 28 88.
Den F^nodsebaftabnad, d«r Sebnbert nnd Banemfeld f«n 1885
bis in den Eomponiiten Tode verband nnd d«r ein aniiebendea Bild der
kftniüeriacb ao boebttebenden Boböme dea vonnftnlieben Wien bietet, bat
N. bereiU im Ciemowitier Tagblafct 1908 (Nr. 44, 47, 48, 56) geeebfldert;
bier geht er baaondera anf die Diebtnngen Banemfelda ein, in denen dai
VerbUtnie Anlaß bot Ea aind reebt harmloae OelegenheitediebtuigeB:
eine Faree ana dem Jabre 1825, aebr entfernt mit Goetboeehen Jogend-
wetkan ftbnlioben Uraprange Torgleiebbar, niebt ebne Intereeae Ar die
Gbarakteriatik Sebnberto nnd aeinee Kreiaea, ein reebt aebwioblieber Ptotog
in «iner Sebnbertfeier ans dem Jabre 1851, endlieb ein Opemllt»etto
„Der Graf ▼. Gleieben«*. Dieaem gill der gr6Ate Teil der Arbeit; N. gibt
eine StofPgeaobiebte nnd eine eingebende Anakae dea nngedmekten Werket
aowie der bloA begonnenen Sebnbertiehen Eompoaition.
Wien. Dr. Valentin PolUk.
18. D. Werenka, Kritische Bemerko^gen Über die Gefechte
der Thebaner yod der Schlacht bei Haliarios bii rar
Schlacht bei Mantinea. Progr. der grieeb.-orient. Ober-Bealfebola
in Gseroowitz 1907. 80 SS.
Der Zweek dieaer Abbandlnng aobeint der Nacbweia in aein, daft
1. die Naebricbten Qber Epameinondae bii an aeinem Auftreten anf den
Friedenskongreß in Sparta keinen Glauben Tordienen, daß er bii n
dieaem Zeitpunkt Qberbanpt keine belangreiche Stellung eingenoramea
bat, daß 2. die Tbebaner aeit dem Ende dea peloponneaiaeben Kriccei
weder politiaeb noob militAriiob Torsandig, aondern lediglicb rftoksiehtaioi
und brutal vorgegangen aind und daß 8. die Sehlacbt am Nemeabacbe
bei Korintb geacfalagen wurde.
Ala Proben für Inbalt und Form dieaer Darlegnuiren mOge folgeudei
gentkgen. S. 4 «Dieee Einriebtung (die bl. Schar) durcbziebt den gaaiea
bOotiscben Staat .... in icbOner und erfolgreicber Weise .... Allerdingi
baben diese halqoL aucb eine Kebraeite gehabt*. 8. 11 Zenonbona Sats
«in seiner HelleDika*" und ebenda „die Stelle in der Hellenika*. S. 23
,Daa Liebt der Welt erblickte er (Kpameinondaa) mm eraten Male iv
r i i I MS
bei MutjBM 982 mmb IM. W<
bei MabUma tritt «r nt Leboa «
b6KblMflt «
aTtntiadtielMB nd f«
dicM (Atha) _
«■e Gäikr Aaria
Dtr Vüf. m
driagead m nin, daft er
Deotiefa la Bchreibaa wi
Graa. AMf Baaer
19. Dr. Leopold Seltenhammer, Papst CMostin V« (Peter
fon Mnrreno). Pn^. der k. k. Staala-Ewdicfcik im IIL BMiikt
Wieaa 1907. U 88.
Maa koaai dM GeMbkht» des Eianedkn aaf dem p&pttlkkaa
StoU, die eonderbare Ait, vie er dabia felaagte aad aich »einer all
lijtigen Bflrde wieder eatledigte. Da der Gefeattaad ia aU^neiaerea
Qod fpeuellen Schriften wiederiiolt aoeh aeaevtent behaadelt warde» darf
min in der Torliegeadea Schrift, die aaf eiaer fatea Eeaatais des ein-
Khligigen Qnelleaaiateriak beraht, aach keiae neeea Getichtapaakte
erwarten. Die Arbeit achildert sachgeinftA 1. Peter alt Eintiedler aad
Ordens^nder» 2. Seine Wahl mm Papat, 3. Das Poatifikat COleetiat V.,
4. äeine Abdanknnf aad 5. Seia Lebenaeade. Von Intereate wäre «a
gewesen, ana aaitgenOssisehen Quellen den Bindniek lu achildem, den die
Abdaoknng dea Papstes anf die abendündlache Christenheit machte.
20. B. Ereiszle y. Hellborn, Die Versuche einer deutschen
Seiehsreform unter Bnpreeht yon der Pfali und Sigismund.
Progr. der k. k. Staata-Oberrealschale in Teschen 1907. 22 83.
Aaf Omod umsichtiger Benfitsnng der ia den Beicbstagsakten
pablisierten Qaellenmaterials nnd der einschlägigen Literatur erörtert der
Verf. im ernten Abschnitt innichst die Versache Bnprechta yon der Pfals
xogansten dea Landfriedens, Versache, die bei seinem Mangel an den
mtsprechenden Mitteln nicht riel Erfolg hatten, und geht dann aof die
Beformbeatrebaogen Sigismund, welche die Aufrichtung eines allgemeinen
Undfriedens aum Ziele hatten, nfther ein. Die Gegensfttse swiicben
Königs- und Knrfflrstentum werden hiebei trefflich beleuchtet, die Land-
fnedensfrage bia 1487 besprochen.
Im iweiten Teil behaadelt der Verf. in gleicher Weise das Gerichts-
weiea aad die Versuche es su reformieren. Unter Ruprecht wurden derlei
Veraoche gar nicht, unter Sigismund erst am Ende seiner Regierung
sBternoauseii. Auch dieser Teil ist streng quellenmäßig ausgearbeitet.
21. Dr. W. Schmidt, Zur Veranschaulichuog der Zeitfolge
io der Geschichte. Piogr. des k. k. Elisabeth -Gymnasiums in
Wien 1907. 82 SS.
Diese gehaltvolle und gut geschriebene Arbeit Terdient die A
■crksamkcil aUer Fachkollegen, denn sie enthält eine Reihe trefflic
BfmeiliBgfB Aber die seitliche Gruppierung der Begebenheiten in
IctecMII C 4. teUrr. Qjwan. 1908. TL Heft. 85
646 ProgrammeDteban.
Oetefaiefate and den Wert einer richtigen seitliehen und anediaiilicheB
Erfaetong der Ereigniise. Sind lehon die allgemeinen Bemerkmigen recbt
lehrreich, lo gilt das namentlich anoh von epesiellen Aneffibningen Aber
die anBchanliebe Behandlung etwa der griechischen nnd römischen, dann
in gleicher Weise der deutschen Qeschichte usw. ErOrternngeo, wie sie
der Verf. vorbringt, machen den Unterricht belebt nnd wecken die Liebe
des Schülers sa dem Gegenstande, ohne daß ihm »viel an Unterrichtsstoff
logemntet wird. Bef. erinnert sich heate noch mit Dank einer ihnUchen
Unterrichtsmethode einer seiner Lehrer ^ die einen reichen Erfolg hatte.
Qras. J. Losertb.
21. P. Symmachns Warm, Eapharnaum. Progr. des k-k. Fraai
Josef-Uymnasinms der Franiiskaner la Hall 1906/1907. 85 8S.
Nach einer knrsen ErOrterong Ober den Namen nnd die Bedeatosg
der Stadt Kapharnanm stellt der Antor aof Grand einer nmfangreicben
Literatur in recht ftbersicbtlicher Weise die Gründe tnsammen, die ibm
daflBr sn sprechen scheinen, daß das biblische Kaphamaam an der Stella
des heutigen Tdl Hüm zn soeben ist Diese Argumente sind entnommea
der Bibel, Josephas Flavios, der arabischen, jttdischen nnd cbristUcben
Tradition, den Angaben alter Karten sowie der Betrachtung von Kaphar-
nanm als Zollstitte nnd Garnisonsort und endlich der Ardiiologie. Wie
schwach die meisten dieser Argumente sind, hat der Autor wohl selbst
geffiblt, da er nur den Torletsten Punkt als ansschlaggebend betrachtet
wissen will. Wenn man infolgedessen auch nicht der sa Beginn der
Abhandlung zitierten Ansicht van Kasterens beistimmen kann, daft die
Frage besfiglich der Lage Kapharnaums eine quaestio iudicata sei, se
kann man doch soviel sugeben, daß mit BQcksicbt auf die geographisches
Haltpunkte die Annahme Kapbarnaum = Teü Hüm weitaus mehr ftr
sich hat als die allerdings anch stark vertretene Ansicht Kapharnaum s=
Chan Minyeh, Unangenehm empfindet man das Fehlen einer, wenn aoek
nnr flflchtigen Skizse der besprochenen Gegend, obwohl eine solche ftr
die Würdigung mancher Argumente von nicht geringer Bedeutung wire.
Melk. Dr. Emmeran Janak.
22. Dr. W. Illing, Mähren und seine Beyölkernng. Piogr. der
LandesOberrealscbnle in Zwittan 1905. 21 SS.
Der Verf. bietet in dem vorliegenden ersten Teile seiner Arbeit
einen guten, kurzen Oberblick Ober die geographischen Eigenbeiten ood
die geschichtliche Entwicklang Mihrens bis zur Gegenwart.
23. Othmar Sigmund, Beitr&ge zur Kenntnis der Höhen-
regionen in den Ostalpen, ii. Teil. Progr. der k. k. Staata*
Oberrealschule in Görs 1905. 26 SS.
Die Arbeit setzt in anerkennenswerter Weise die im 44. Jahrei-
hericbte der Anstalt begonnene Besprechung der HOhengrenzen in des
Niederen Tanern fort. Sie bebandelt das Mnrgebiet. Dieses wird in drei
Abschnitte zerlegt: das Hurtal zwischen dem Eichsfeld und dem Longao,
das Folstal und das WOlzertal. Tabellen am Öehlusse jedes Abschnittei
PrognuDmanschaii. 547
geben einen Einblick in die Mittel- nnd MazimalhOlie des VoriLonimens
fon Winterweisen» Sommerweisen and Boggen. AnOerdem werden anch
die entapreebenden Werte fflr die Enltorgrense» die Alpwirtsehaftagrense
ond die Waldgrense mitgeteilt. Die letsteren itehen, soweit ein Vergleich
mOgiieh ist» in befriedigendem Einklänge mit den Yon Marek (Waldgrens-
Stadien in den Osten. Alpen, 1905) gefondenen Zablen. Der Schloß der
Arbeit ist dem nächsten Jahresberichte vorbehalten .
24. Fr. Stenzl, Einfluß der ErddrehuDg auf BewegUDgen an
der Erdoberfl&che in neuer Darstellung. Progr. der Landes-
Oberrealsobnle in Zwittan 1904. 20 88.
Der Verf. beabsichtigt durch seine Ansfflbrangen dem in Bede
stehenden 8toffe die Schwierigkeit tn nehmen, die ihm anf Grand der
bisherigen Darstellnngsweise unserer Lehrbflcher innewohnt. Er beschäftigt
sieh im ersten Teile der Arbeit mit dem Einfloß anf VerBchiebongen nach
jeder beliebigen Richtung. Er erOrtert an dem Beispiele der Änderang
der Gesehoßrichtnnff den Einflnß der Erddrehnng anf horitontale Ver-
ecbiebnngen am Pole and gebt dann anf Bewegungen beliebiger Bichtung
in Terschiedenen geographischen Breiten Aber, von den hieraus gesogenen
Folgerungen interessiert besonders die fflr „Wasserflflsse*' gewonnene. Der
Verl. gelangt su dem Ergebnisse, daß das im Bhein bei Mannheim «yon
der Eradrehung bewirkte Gefälle Ton rechts nach links nahesu dieselbe
GrOAenordnung erreichen kann wie das Gefälle des Flußbettes*. Im iweiten
Teile leitet der Verf. die Ablenkungsergebnisse aus dem d'Alembertschen
Prinsipe ab und liefert dadurch den Beweis ihrer Bichtigkeit.
Wien. J. Mftllner.
85*
Fünfte Abteilung.
yerordnnngen, Erlässe, Personalstatistik.
Verordnangen, Erl&sae.
Getett Yom 15. Februar 1907, wirksam fQr das Königreich Gtliiiso
and Lodomerien samt dem GrofthenogtQme KrakaVt womit der Artikel V,
alioea d) des Geseties Tom 22. Jani 1867, L.-G.'B1. Nr. 18, in der Fassso;
des Geseties ? om 8. September 1880, L.-G.-BI. Nr. S4, abgeftndert mti.
Hit ZQstinimnng des Landtages Meines Königreiches Galixien nnd Lodo-
merien samt dem Großhenogtnme Krakan finde ich aninordnen, wie folgt:
Artikel I. Das letste Alinea d) des Artikels V des Gasetsee ▼om
22. Jnni 1867 (L.G.-Bl. Nr. 13) Qber die Unterrichtssprache an VoUn-
nnd Mittelschnlen des Königreiches Galiiien nnd Lodomerien samt dem
Großhertogtnme Krakao, in der Fassong des Gesetzes Tom 8. September
1880 (L.G.Bl. Nr. 84), wird aoßer Kraft gesetit nnd hat nnnmebr iQ
lauten wie folgt: d) ^Solange das Landesgeseti nicht anders beetimmt,
bleibt die dentsche Sprache in dem bisherigen Urofanee die Unterrichts-
sprache am IL Staats- Gymnasinm in Lemberg. Artikel II. Nach dem
Inslebentreten dieses Gesetzes wird am Staats- Gymnasinm in Brody die
polnische Unterrichtssprache — ond zwar snkiessiTe binnen acht Jihreo
— f on dem anf das Inslebentreten dieses Gesetzes nächstfolgenden Schul-
jahre gerechnet, eingeführt werden. Artikel III. Mit dem Yolliuge dieiei
Geseties wird mein Minister ffir Kaitos nnd Unterricht betraut.
Verordnung des Ministers für Knltns nnd Unterricht ? om 29. Fe-
bruar 1908, Z. 10.051, womit eine neue Vorschrift für die Abhal-
tung der BeifeprOfungen an Gymnasien und Bealschulen er-
lassen wird. (Ist im Separatabdruck erhältlich.)
Verordnung des Ministers fftr Kultus und Unterricht Tom 81. Min
1908, Z. 15.667, womit eine neue Vorschrift fttr die Abhaltzig
Ton Beifeprflfongen an Midchenlyseen erlassen wird. (Als Sepsnt-
abdiuck erhiltlich.)
Erlaß des Ministers fQr Kultus und Unterricht vom 81. Dezember
1907, Z. 49.689, womit die Bedingungen ffir die ErlangUD^dei
freien Eintrittes in die königlich italienischen Sammlnngeo
(Museen, Galerien usw.) kundgemacht werden. Infolge alliu grofter
Ausdehnung von Bewerbnogen om den freien Eintritt in die kOaii^ch
italienischen Sammlungen (Museen, Galerien, Ausgrabungen, Denkmiler)
VerordnnngoD, Erlässe. 549
lovis infolge forgekommeDer MiAbrincbe bat das kODielieh italienische
UoterriebtsmiDisteriam die genaue Einhaltung des durch kOnigl. Dekret
Tom 18. April 1902 kundgemachten ^Begolamento per Vingreaao gratuito
nei musei, neue gaüerie, negli seavi e nei monumenii'^ gefordert. Die
Bedingungen, unter denen hienaeb Österreichische StaatsimgehOrige den
freien Bintritt in die beteiehneten Sammlungen Italiens erlangen kOnnen,
werden im nachstehenden sur allgemeinen Kenntnis gebracht Pflr die
ordentlidien und außerordentlichen Hitglieder des Istituto <»u8triaco di
itudii itoriei in Bom genftgt nach wie f or die auf dem Gesuche um
Oewihrang des freien Eintrittes abgegebene Erkl&rung des Instituts-
direktors, daß der betrefTende Gesuchs werber Hitglied des Institutes ist»
dtgegen haben im Sinne des durch königliches Dekret Tom 18. April 1902
kundgemachten ^Begolamento per Vinaresso gratuito nei muaei, neue
gaUme, negli scavi e nei manumenti* <ue dem Institut nicht angehOrigen
öiterreiehischen Staatsangehörigen folgende Dokumente beisnbringen, und
iwar: Die Professoren (Hoch- und Hittelschullehrer) archäologischer, ge-
•ehiebtlicher, literarischer und kunstgeschichtlicber Fächer ein akademisches
Dokument (besw. ein amtliches Zeugnis ihrer Eigenichaft als Lehrer),
beglaubigt vom diplomatischen Vertreter oder einem Konsul Italiens in
öiterreich oder Ton der k. und k. Botschaft am königlich italienischen
Hofe. Die Hitgiieder archäologischer und historiecher Institute, die Stu-
diereoden der philosophischen Fakultäten (für Altertumswissenschaft,
Archäologie, Kunstgeschichte, Geschichte) ein ebenso beglaubigtes offi-
lielles Ton dem betreffenden Dekanat ausgestelltes Zeugnis, aus dem
berforgebt, daß sie in dem Jahre, fOr das die Freikarte angesucht wird,
der Fakultät angeboren und dort Altertumswissenschaft, Archäologie,
Konstgeschichte, Geschichte studieren. Es dOrfte sich auch empfehlen,
daß diese Stadierenden ein amtliches Zengnis Qber den wissenscbutlicbeD
Zweck der Reise beibringen. Kunsthistoriker, welche nicht unter eine der
genannten Rubriken fallen, haben dem Gesuche eine ihrer Publikationen
beisolegen. Sinngemäß finden diese Bestimmungen Aber Vorlage eines
ikademischen Zeugnisses, eines Zeugnisses Ober den wissenschaftlichen
Zweck der Reise und eTentuell Publikationen auch auf noch nicht an-
gestellte geprüfte Lehramtskandidaten und Doktoren der Philosophie An-
wendung. Jedem Gesuche muß außerdem die unaufgetogene Photographie
des Bittstellers im Format f on höchstens fflnfroal 8 em beiliegen. Das
Gesuch muß (ffir jeden Bittsteller besonders) auf amtlichem italienischen
Stempelpapier tou 1 L 20 c geschrieben (besw. wenn auf anderem Papiere
geschrieben mit einem 1 L 20 c Stempel ? ersehen) sein und das ^Ministero
deUa publica ts^rtmon«, DiresiatU genet^erali le antiekita e le beüe
arti* gerichtet werden. Alle diese Bedingungen mOseen auch fon den
seitens des h. o. Hinisteriums mit Beisestipendien Tersehenen Hittelechul-
lehrem und sonstigen archäologischen und philologieehen Stipendiaten
erfallt werden, da dieselben Hitglieder des Istituto austriaco di studii
storiei sind. Das genannte Institut Ut ab«r bereit, aoch feroarhio den
eben genannten Stipendiaten und sonstigen tum fttitn ti^iutrUt berech>
tigten Österreichern die Freikarten lo veräcbaff^o, das boiDt, die Gesnell«
in italienischer Sprache absufassen, saf üftlieniflcbeiB ;8cempdpapfer m
Mbreiben, die Dokumente, wenn sie Dicbt ecbao io Öilerrm«h rote dir
italienischen Botschaft, besw. einem KoD^uiat b«L;]aabigt ^urc^-'^ ^ '
die k. und k. Botschaft am königlich italif^niK^ben HM? t<^^< <
lassen, das Gesuch mit den Beilagen brim italleuiichen e
minieterium einsureichen und die «rhultüaeti Premeisi d
tiellem sususenden, wenn das Instiiiu darum onler icMc
Sendung der erwähnten Zeugnisse und Pbotofrii^e inc^^i
Der Gesuchsteller hat aber ingleich inmtt i ^ ~
raun er die Freikarte wflnscht; der lings&f
solche Karte ferliehen werden kann, jäuft
tum SO. Juni des folgenden Jahres. Die ~
i
550 VerordDiingeD, Erlftsse.
20 c) und rekomroaDdierte Zasendong (nach Österreich 50 c, nach Italien
40 c) sind, wenn der G^sachstelier Born herflhrt, im Institate selbst si
entrichteni sonst ? od Italien ans in italienischen Briefmarken oder ducb
Postanweiiang an das Institut einsnsenden. Da femer die Erledigong
der Gesuche acht bis Tieraehn Tage erfordert, ist die Einsendung min-
destens drei Wochen Tor dem Antritt der Reise su bewerkstelligen; mit
Büeksieht auf die Institntsferien (1. Juli bis Ende September) können
▼om 15. Juni bis Ende September Qesuche nicht berücksichtigt werdeo,
vielmehr sind die Gesuche bis l&ngstens 15. Juni beim Institute, nach
diesem Termine bis 1. Oktober unmittelbar beim italienischen Unterrichts-
ministerium einiureichen. Der freie Eintritt in die Museen osw. einer
Stadt kann für die Dauer bis su einem Monat auf Grund der oben
genannten beglaubigten Zeugnisse, aber ohne Einreichung einer Photo-
graphie durch Gesuch auf Stempelbogen tod 60 c erlangt werden, waches
Gesuch bei der Direktion eines der Museen usw. der betreffenden Stadt
einzureichen ist
Erlaß des Ministers für Kultus und Unterricht Tom 80. Desember
1907, ad Z. 14.277 ex 1907, an sämtliche LandessebulbehOrden, betreffend
die Erhöhung der Remuneration an den staatlichen Mittel-
schulen. Ich finde mich bestimmt, jedem Assistenten an Staats- Mittel-
schulen, die fflr das Fach, in welchem sie assistieren, die Approbation
ffir Mittelschulen besitzen, vom 1. J&nner 1908 angefangen, an Stelle
der bisherigen Remuneration Ton 60 Kronen jährlich fflr jede Wochen-
stnnde, eine solche im erhöhten Betrage Ton siebzig (70) Kronen n
bewilligen.
Erlaß des Ministers für Kultus und Unterricht Tom 29. Febmsr
1908, Z. 10.058, betreffend den Unterricht aus der Physik in der
VIII. Klasse der Gymnasien. Da die Physik kflnftigbin an Gymnasien
nicht mehr ein eigener Gegenstand der Reifepröfang sein wird, eine Zu-
sammenfassang und Befestigung der Kenntnisse in diesem Fache jedoch
sehr wichtig erscheint, finde ich anzuordnen, daß bis auf weiteres während
des zweiten Semesters im Stundenplane der VIII. Klasse eine vierte
wöchentliche Stunde fOr Physik ausschließlich zur Wiederholung angesetzt
werde. Durch diese Wiederholung ist tunlichst auf eine sichere Kenntnis
der Grunderscbeinungen sowie der Grundgesetze — und im Rahmen des
Torgeschriebenen Lehrstoffes — auf die Einsicht in deren wichti^tt«
gegenseitige Besiehungen, ferner auf das Verständnis der in das Gebiet
der Physik fallenden Erscheinungen der uns umgebenden Natur und
namentlich jener des täglichen Lebens wie auch auf das Verständnis der
wichtigsten technischen Einrichtungen (mit Ausschluß konstrukti? er Einsel-
heitenj, endlich auf einige Obnng in der Lösung physikalischer Aufgaben
ohne besondere mathematische Schwierigkeiten hinzuwirken. Zu dieser
Wiederholung sind die Schfller planmäßig anzuleiten und schon im Tor-
hinein auf jene Punkte aufmerksam zn machen, auf die besonderes Gewicht
SU legen ist. In der Schule bat die Wiederholung hauptsächlich is
Übungen, in gemeinsamer Arbeit des Lehrers und der Schüler zu bestehen.
Wenn dabei auch ein eigentliches, zeitraubendes Prflfen Termieden werdeo
^ollf 60 eiod doch die LeiElungen der SobQkr zu beoba^chten uni bot ir-^
£laaäiükälion am Scblusa^j des ächulj&hres eDUprecheod zu &erÖckikllti|f£>
Diese Verfögung tritt sofori in Kraft.
ErlaJ^ des MiDiatsrg für EqUqs ond üntarrieht rotxi ^. l^ehrsaf
1908, *L 10.052» betreffend Wiederboiaoj^eD aui rt<f Ph?«]k in d<f
VIT. KUsae derBeaUehnUn. Zar EtJeidit^rung der Eei»ptAfiiny w
der Phjdk finde ich *iisuordn«ü, daß 1 ^' f*raMi bemmUi dm VlLk^Mm^
bis auf weiteres w^ßbcutüeli «in« ^'np»ilictQiidcn aaie^hlitiilotL sd
mntf loflammenfasienden Wt> rivudfi wanlft- tT^ *'
Verordniiiigen, Erlfttse. 551
WiederboloDg m «rmOgliebeD, ist der Lehratoff dieser Klasse naeh Bedarf
durch AuMcheidimg minder wichtiger EinielbeiteD entsprechend sa Ter-
mindem. Die Wiederhoinng hat unter Her?orbebang des Weaentliehen
ond namentlich im Hinblicke auf die in der bierortigen Verordnung ? om
29. Pebroar 1908, Z. 10.051, festgesetsten Anforderungen bei der Matnri-
titsprOfong ans diesem Gegenstande so erfolgen. Za dieser Wiederbolnng
nDd die Scbfller planm&Dig ansaleiten ond schon im Torhinein anf jene
Pankve anfmerksam m mMben, anf die besonderes Gewicht sa legen ist.
Iq der Schale hat die Wiederbolang baapts&chlicb in Übangen, in gemein-
lajner Arbeit des Lehrers and der Sch&ler sa bestehen. Wenn dabei ancb
ein eigeDtliehes, seitranbendes Prttfen ?ermieden werden soll, so sind doch
die Leiatnngen der Schfller la beobachten and bei der Klassifikation am
Sehlnase des äcbaljahres entsprechend sa berücksichtigen. Diese Ver-
ffignng tritt sofort in Kraft.
Der Minister fflr Knltaa nnd Unterricht hat das Recht der
Öffentlichkeit ferliehen: der 1. bis V. Klasse des Landes-Mftdchen-
lyaeiune mit italienischer Unterrichtssprache in Pola anter gleichseitiger
Anerkennnne des BesiprositAtsferb<nisses besflglich jener Lehrkräfte,
welche die Lebrbeffthignng fflr Mittelscholen besitsen, fflr das Schaljahr
1907/1908 aaf die VL Klasse aasgedehnt and fflr dieselbe Zeitdauer das
Recht TerlieheD, Reifeprflfnngen abznbalten and staatsgflltige Reifeseog-
niase anssostellen ; dem Prifat-M&dchenljsenm des Vereines «Towarzystwo
lieeam ieütkiego im. W. Kiedsialkowskiej*' in Lemberg fflr die Schal-
jiJire 1907/1908, 1908/1909 ond 1909/1910 sowie demselben das Recht
▼erliehen, Reifeprflfnngen absahalten and staatsgflltige Reifezengnisse
aoasnatellen; dem Prifat-Hidchenlysenm der Ursalinen in Kolomea fflr
das Schaljahr 1907/1908 sowie demselben das Recht Terliehen, Reife-
prtkfangen abznhalten nnd staatsgflltige Reifezengnisse ansznstellen ; dem
st&dtischen M&dchenljseam in Czernowitz aaf die Dauer der Brfflilong
der getetalichen Bedingongen sowie Reifeprflfnngen abzuhalten und staats-
gflltige Reifezengnisse anszustellen ; der L and II. Klasse des Prifat-
Mftdchengymnasiums der Kongregation der Schalschwestern Tom Orden
des heiligen Fransiskns in den Königlichen Weinbergen fflr das
Schuljahr 1907/1908 auf die III. Klasse ausgedehnt; dem Mädchenlyzeam
des Vereines «Vesna" in Brflnn sowie das Recht, Matorit&tsprflfnngen
absnbalten nnd staatsgflltige Reifesengnisse aussustellen, aaf die Dauer
der ErfflUang der gesetzlichen Bedingungen Terliehen; der I., II. und
III. Klasse des Pritat - Midchengymnasiams der Josefine Sprinse Gold-
blmtt-Kammerling in Lemberg fflr das Schiüjahr 1907/1908 Terliehen;
der I., III. nnd V. Klasse des deutschen rri?at-Hidchenljsenms in
Bndweis fflr das Schuljahr 1907/1908; dem Pritat- Mädchenlyzeum der
Marie Bild in PrsenaTsi fflr das Schuljahr 1907/1908 sowie demselben
das Recht ferliehen, Reifeprflfnngen abznhalten nnd staatsgflltige Reife-
sengnisse aussnstellen ; dem M&dchenlyseum des Wiener Franenerwerb-
Vereines das Recht zur Abhaltung ? on Reifeprflfnngen and zur Ausstellung
staiUegflltiger Reifesengnisse auf die Dauer der ErfflUung der gesetsUchen
Bedinfungen eutreekt; das der hoherea Mädchenschule in Eger fflr die
I. and li. EUsaa Terliebetie &Gch auf dw [j[. Klasse fflr das Schuljahr
7/190^ aQfg«debDt; das der i., 11. und III. Klasse der höheren
1ien Hidebe&acbuU in PiUeo vfjfUehene auf die Dauer des Schnl-
1 907 J 1908 aasge dehnt; das dem atüd tischen Mftdchenlyzeum in
VfifUebcD« Eecbt, Beifeprülupgtiu a isahalten und staatsgflltige
•lleseiiKaUie aQsiastellei], auf di« Dauer 4er Erfflllnng der gesetzlichen
" pitif en Mtgedebnt
l^vt Miaitier fftr Kaltui und UDterricbt hat der I. Klasse des
letAd!. lUdcbta^ftmi im Laibach für d^s Schaljahr 1907/1908 das
552 Peno&al- and Sehnlnotit».
Der Minister fflr Knltns nnd Unterricht hat der I. und IL' Kiene
des Prifat-MIdehengjmDasiamB dee EonTentes der Basiliuioiinnen in
Lember; das Redit der Öffentlichkeit fOr dae Scbnljahr 19a7/190B
TerUeben.
Der Minister fOr Knltns nnd Unterricht hat dem PriTat-Midcheo-
IjBenm der Kongregation der Schwestern der heil. Familie Ton Nasareth
in Lern borg fftr die Schuljahre 1907/1908, 1908/1909 nnd 1909/1910 dse
öffentlichkeitsrecht sowie demselben das Becht Terliehen, Beifeprflfangen
abinhalten nnd staatsgflltige Beifeieognisse aassnstellen.
Der Minister ftr Knltns und Unterriebt hat das dem Prirtt-
MAdchenlysenm in Salibnrg fDr die I.— IV. Klasse ?eriiehene Becht
der Öffentlichkeit anf die V. Klasse fflr das Schuljahr 1907/1908 ausgedehnt
Der Minister f&r Knltns nnd Unterricht hat das dem sUdtischea
MAdehenljzeum in Klagenfurt für die I. bis IV. Klasse Terlieheae Becht
der ÖffenUichkeit auf die V. Klasse fflr das Schuljahr 1907/1908 ausgedehnt
Der Minister fflr Kultus nnd Unterricht hat der I. bis V. Klssse
des Prifat-Mftdchenlysenms des Konrents der Ursulinerinnen in Taroöw
fflr das Schu^ahr 1907/1908 das Becht der Öffentlichkeit Teriiehen.
Der Minister fflr Kultus und Unterricht hat nachstehenden Mittel-
schulen das Becht der Öffentlichkeit ferliehen: derl. — VIII. Klaue
des PriTat-Mftdchengymnasinms der Helene StraijllBka in Krakau, der
1.— V. Klasse des Prifat- Gymnasiums des Gymnasialdirektors i. B. Schul-
rates Dt. Karl Petelenz in Lemberg, der I. — VI. Klasse des Prifst-
Midchengymnasinms des Vereines ,,Towariystwo prywatnego gimnai^om
ieöskiego* in Lern her g, der 1.^11 1. Klasse des fflrstbischofl. Prirtt-
Gymnasiums in St. Veit ob Laibach , der I.— VI. Klaese der Prirst-
Bealschule des Marieninstitutes in Grai, der V. Klasse der mit den
niederOsterr. Landes -Bealgymnasi ums Tcrbundenen Kommunal-0 beireal-
schule in Waidhofen an der Thaya, der I. und IL Klasse des Priftt-
Gymnasiums im XVI. Betirke in Wien, der I. Klasse der VereinsBesl-
schule im Xl£ Bezirke in Wien. IL Auf die Dauer des Scholjabrei
1907/1908 nnter gleichseitiger Anerkennung des Beiiproiitfttsrerhftltnistes
im Sinne des § 15 des Gesetses Toro 19. September 1898, B.'G.-B1>
Nr. 173: der L— VII. Klasse des Landes Beal und Obergymnasinms in
Klosternenbnrg, der L— V. Klasse der Kommunal-Bealscbnle in Nim-
bürg, der L— VII. Klasse des Kommunal-Gymnasinms in Wels. III. Auf
die Dauer des Schuljahres 1907/1908 mit dem Becbte, Maturit&tsprttfongeo
absuhalten und staatsgflltige Maturitfttsteugnisse ansinstellen : der L, IL
sowie der V.—VIII. Klasse des Königin Hedwig-Prirat-Midchengyninssioms
des Dr. Thaddius Browics, Johann Csubek und Dr. Josef Tretiak in
Krakan, der V.— VIII. Klasse des Pri?at-Mfidchen-Obergymnasinms des
Vereines «Towartystwo sskoly gimnazyaloej ieükiej*' in Krakau, der
I.--VI1I. Klasse des Pri?at-Midchengymnasioms der Sophie Strsalkowsks
in Lemberg, der L, II.» IV., VL und VI II. Klasse des Privat- Midebeo-
gymnasiums des Vereines nMinerTa" in Prag. IV. Auf die Dauer des
Schuljahres 1907/1908 mit dem Bechte, Matnrit&Uprflfungen absuhalten
nnd staatsgültige Maturitfttsseugnisse auszustellen, unter gleichseitiger
Anerkennung des Besiprozit&tSTerh<nisses im Sinne des § 15 des Qesetsei
Tom 19. September 1898, B.-G.-B1. Nr. 173: dem Kommunal -Oberretl-
gymnasinm in Tetschen an der Elbe.
Personal- und Schalnotizen.
Ernennungen (Verleihungen):
Zum Landesscbulinspektor in KiederOsterreich der Direktor der
I. Bealseh. im IL Wiener Geroeindebet. Begierungsrat- Johann Jannscbke.
Penonal- und Scbslnoiisec; 553
Zom LaodWBChQliDspektor in NiederOsterreieh der Prof. am En-
btnog Bainer-OjmD. in Wien Dr. Karl Vrba.
ZaiD LandesicbnliDspektor in Schlesien der Direktor der BeaUeh.
in Troppao BegieningBrat Dr. Friedrich Wrsal.
Zorn Landeischalinspektor im Eflstenlande der Prof. am Ojmn. im
XIII. Wiener Oemeindebetirke Dr. Franz Perschinka.
Zorn Direktor der Frans Joseph- Realsch. in Wien der Prof. an der
iietltcb. im YII. Wiener Gemeindebesirke Frans Ten gl er.
Zum Direktor der Bealsch. in den Königlichen Weinbergen der
Direktor der Bealicb. in Kladno Frans Netoka.
Zum Direktor der Bealsch. in Kladno der Prof. an der Bealtch.
mit bobm. Unterrichtssprache in Bad weis Josef Braniä.
Zum Direktor des Gjmn. in Wittingan der Prof. am Beal- and
Obergjmn. in Smichow Dr. Josef Pra24k.
Zorn Direktor des I. Gjmn. in Bzeszöw der Prof. am Gjmn. mit
ratben. Unterrichtssprache in Tarnopol Dr. Emil Kalitowskj.
Zorn Direktor der Lebrerbildaogsanttalt in äobdslaa der Prof. an
der I. bChm. Bealsch. in Pilsen Besirksscbalinspektor Peter Vejpfek.
Zorn Direktor des Gjmn. in Trembowla der Leiter des Gjmn. in
Trembowla Prof. Valerian Heck.
Zam Direktor des Gjmn. in Cattaro der pro?. Leiter des Gjmn.
io Cattaro Prof. Frans Katic.
Zam Direktor der I. böhm. Bealsch. in Brflon der Direktor der
Landes- Bealsch. in Ge witsch Adolf Erhart.
Zom Direktor des I. Gjmn. in Laibach der Prof. am II. Gjmn. in
Laibach Dr. Laarens Poiar.
Zam Direktor der Bealsch. in Böhmisch- Leipa der Prol an der
IL deutschen Bealsch. in Prag Anton Pechmann.
Zum Direktor des IL deutschen Gjmn. in BrQnn der Direktor des
Gjmn. iu Kikolsbarg Karl Schwertassek.
Zum Direktor des Gjmn. in Oaslau der Direktor des Gjmn. in
Pilgram Josef Fr 4 na.
Zum Direktor des Gjmo. in Beneschau der Prof. am Gjmn. mit
bobm. Unterrichtssprache in Prag (Tischlergasse) Badolf Jedlidka.
Zum Direktor des Gjmn. in Pilgram der Prof. am Gjmn. mit bOhm.
Untenichtsspracbe in Prag (Kleinseite) Josef Bubr.
Zum Direktor des Komm.-Gjmn. mit deutscher Unterrichtssprache
in Mihr.-Ostrau der gewesene Direktor daselbst Dr. Julias Kraßnig.
Zum Direktor des Gjmn. in Pola der Prof. am I. Gjmn. in Graz
Jotef Holter.
Zum Direktor des Gjmn. mit bOhm. Unterrichtssprache in Ungar.-
Hradisch der Prof. am Gjmn. mit bObm. Unterrichtssprache in Olmflti
Josef Bartocha.
Zum Direktor des Gjmn. mit bOhm. Untenichtisprache in den
Königlichen Weinbergen der Direktor des Beal- und Obergjmn. in Ghrn-
dim Frani Beiß.
Zum Direktor des akad. Gjmn. in Prag der Prof. am Gjmn. mit
bobm. Unterrichtssprache in Prag (Tiechlergasse), derzeit in Dieaatleiatung
beim Landesscholrate f&r Böhmen, Albert Dohnal.
Zum Direktor des Gjmn. in Leitoroischl der Prof. am Beul- und
Obergjmn. in Cbmdim Dr. Franz Dudänek.
Zom Direktor des Beal- und Obergjmn. in Keubjdiow der Prof,
am Gjmn. mit bOhm. Unterrichtssprache in Pilsen Frans Hladkv.
Zom Direktor des Beal- nnd Obergjmn. in Chrudim der Prof. am
Gjmn. in Baudnitz Josef Steinhauser.
Zum Direktor der Bealsch. in Troppau der Prof. an dieaer
Wladimir Demel.
Zum Yiseprisidenten des Landesichulrates für Galizien dt;
Dr. Ignaz Bitter ?. Dembowski.
l
554 Penonal- ond Schulnotixen.
Zum wirk]. Lehrer am L Qymn. in Orai der dieser Anitalt inr
Dienstleistung zogewiesene mM. Lehrer an der Bealteb. in Knitlelfeld
Dr. Ferdinand Kern.
Zum wir][l. Lehrer am Gjmn. in Sm)chow der Adjunkt an der
deutschen theol. FakoltAt in Prag Dr. Johann Melter, am Qjmn. mit
deutscher Unterrichtssprache in Ungar.-Hradisch der Sopplent an dieser
Anstalt Josef Schnb.
Zum wirkl. Lehrer am Gymn. mit serbokroat ünterriehtsspradie
in Zara der pro?. Lehrer an dieser Anstalt Peter Karliö.
Znm wirkl. Lehrer am (ijmn. in Mistek der proT. Lehrer an dieser
Anstalt Frans Lakom^, am Oymn. mit bohm. üoterrichtssprache in
Kremsier der Sopplent an dieser Anstalt Dr. Josef Zahradniöek.
Zom wirkl. Lehrer am Gymn. mit ital. Unterrichtssprache is Zsrs
der Sopplent an dieser Anstalt Iginio Zncali.
Zom wirkl. Lehrer am Gymn. in Ried der proT. Lehrer an dieser
Anstalt Karl Bausch.
Znm wirkl. Lehrer am Gymn. in Znaim der proT. Lehrer an dieser
Anstalt Dr. Hogo ▼. Kleinmayr.
Znm wirkl. Lehrer an der Bealsch. im IX. Wiener Gemeindebeiirke
der proT. Lehrer an dieser Anstalt Ernst Schmidt.
Zum wirkl. israel. Religionslehrer ad personam an der Fraoi
Joseph-Bealsch. in Wien der israel. Religionslehrer Dr. Lasar We seh 1er.
Zum wirkl. Religionslebrer am Gymn. im VIII. Wiener Gemeinde-
beiirke der soppl. Religionilebrer an dieser Anstalt Dr. Frani Zehet-
baner.
Zom wirkl. Religioniilehrer am Gymn. mit deutscher Unterrichts-
sprache in H&hr.-Ostrau der suppl. Religionslehrer an dem Kaiser Frau
Joseph-Komm.-Gymn. daselbst GostaT Klameth.
Znm wirkl. Religionslehrer am Gvmn. in Reicbenberg der ssppl.
Religionslebrer an dieser Anstalt Reinhold Ei seit.
Je eine Lehrstelle am Kaiser Franz Josepb-Komm.-Gymn. in Hlbr*
Ostran die ProiT. Hogo Schubert, Dr. Rodolf Prisching, Alfred M II hl-
hauser, Josef Kinsel, Dr. Adolf Bittersmann, Artnr Hahn, GssU?
Mflller und Anton Brentano.
Zum pro?. Lehrer an der Realsch. mit bOhm. Unterrichtssprsdw
in Prag (Kieinseite) der Sopplent am Gymn. mit bObm. Unterriehtssprscbe
in Prag (Korngasse) Franz Srajer.
Zom Mitgliede der Prüfungskommission fttr das Lehramt an Gjnn.
und Realsch. in Lemberg und zum Fachezaminator fflr Chemie fttr dsi
Studienjahr 1907/1908 der außerord. Unifersit&tsprof. Dr. Staniilsas
ToHoczko.
Zum Mitgliede der wissenschaftlichen Prttfungskommission fttr das
Lehramt an Gymn. und Realsch. in Graz und tum Fachexaminator fttr
Chemie der ord. Off. Prof. an der Unifersitftt daselbst Dr. Roland Scholl.
Zum Mitgliede der wissenschaftlichen Prflfuogskommission f&r dsi
Lehramt an Gymn. und Realsch. in Wien and sum Fachexaminator fttr
Mineralogie fflr die laufende Funktionsperiode der ord. Off. Prof. an der
Unifersitftt in Wien Dr. Komelius DOlter.
Zum Mitgliede der Prflfangskommission fflr das Lehramt der Hotik
an Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten in Wien und tum FMfa-
ezaminator fflr das Kla? ierspiel der Ausbildungslehrer fflr das Klafierspisl
am Wiener Konserfatorium Hugo Rein hold.
Zum Mitgliede des oberOsterr. Landesscbulrates fflr den Best der
laufenden Fnnktioosperiode der Senior ond eraogel. Pfarrer in Lisi
August Georg Koch.
Zom Mitgliede der wissenecbaftlicben Prflfungskommission fflr dss
Lehramt an Gymn. und Realach. in Wien und sum Fachexaminator fttr
Physik auf die restliche Dauer der laufenden Funktionsperiode, d. L bis
Personal- and Schnlnotiten. 555
Ende dei Schuljahres 1907/1908, der ord. Off. Prof. an der Unirertitit
daieibst Dr. Friedrich Hasenohr 1.
Znm Direktor der Prttfnngskomroiftsion f&r das Lehramt des Turnens
SD Mittelsehnlen nnd Lehrerhildongsanstalten in Krakau der aaßerord.
UnifersitAtsprof. Dr. Emil Godlewski.
Seine k. nnd k. Apostolische MajestAt haben mit Allerhöchster
Entschließong Tom 9. Febroar d. J. den Prof. an der Bealsch. in Tabor
ond Prifatdosenten an der bOhra. techn. Hocbschnle in Prag Matthias
Norbert Vanddek som ord. Prof. der Mathematik a. g. tn ernennen geruht.
Seine k. nnd k. Apostolische Majest&t haben mit Allerhöchster
Entichließang Tom 19. Deiember ? . J. den BeÜKionsprof. am Frans Joseph-
Gjmn. in Lemberg Prifatdozenten Dr. Adam Gerstmann sam anOerord.
Prof. der Pastoraltheologie mit poln. Yortragssprache an der Universität
io Lemberg a. g. su ernennen gernht.
Der Prof. am Beal- nnd Obergymn. mit bOhm. Unterrichtssprache
auf der Keostadt in Prag Dr. Karl Wenig als Priyatdosenten fOr klass.
Philologie an der philosophischen Fakoltit der bOhm. UniTersit&t in Prag
besUtigt
Der Prof. an der Bealsch. im X. Wiener Oemeindebesirke Albert
Eiehler alt PriTatdoienten för englische Sprache und Literatur an der
techn. Hochschule in Wien bestätigt.
Der Prof. am IV. Gjmn. in Lemberg Dr. Wilhelm Salomon Ton
Friedberg als PriTatdosent fflr das Gebiet der Geologie an der techn.
Uoehscbule in Lemberg bestätigt.
Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster
EotscbließoDg Tom 26. Februar d. J. den mit dem Titel nnd Charakter
eines Hofrates bekleideten Stattbaltereirat ond Beferenten fOr die admini-
•tratiren nnd Ökonomischen Angelegenheiten beim Landesschulrate fflr
Galisien Dr. Ignas Bitter Ton Dembowski sam Vizepräsidenten des
LandesBchalrates fflr Galizien a. g. tu ernennen nnd holdTolIet in be-
willigen geruht, daß derselbe ad personam in die IV. Bangsklasse der
ätiatsbeamten eingereiht werde.
In die VL Bangsklasse worden befordert die Direktoren: Johann
Biiiac am Gymn. in Capodistria, Josef Bio mer an der Bealsch. in Teplitz-
SchCnau, Thomas Brajkoviö am Gymn. mit serbokroat Unterrichtssprache
in Zara, Dr. Anton DanTsz am VL Gymn. in Lemberg, Anton Decker am
Gymn. in Neohaas, Laaislaos Dolansky an der I. Bealich. mit bOhm.
Unterrichtssprache in Pilsen, Johann Df of äk am Gymn. in Taus, Josef
Fachs am Gymn. in Mähr.-Weiflkirchen, Edmund Grz^gbski an der
Bealsch. in Sniatyn, Dr. Thomas Hanausek am Gymn. in Krems, Karl
Uaehnel am Gymn. in Landskron, Franz Hansl am Gymn. mit bOhro.
Unterrichtssprache in Prag- Kleinseite, Dr. Georg Jo ritsch an der Bealsch.
mit deutscher Unterrichtssprache in Pilsen, Johann Kos am Gymn. in
Mitterburg, Ignas Kranz am Gymn. in Podgörze, Dr. Isidor Ku kutsch,
am Gymn. im Xlll. Wiener Gemeindebesirke, Peter Maresch am £li-
labeth-Gymn. im V. Wiener Gemeindebesirke^ Sophron Niediietskj am
Gjmn. mit rotb. Unterrichtssprache in Kolomea, Schulrat Ptadi Pejveba
an der Bealsch. im IX. Wiener Gemeindebezirke, Dr. Joief Pose de I '
Gymn. in Bagusa, Anton BoUeder an der Eeal»(^h. in Steyr, 1
Bychlik am Gymn. in Jaroslao, kais. Bat Dr. Exaü Sawieki &m 6
mit mtb. Unterrichtssprache in Tamopol, Johatia St^pinek an
Bealsch. in Pfibram, Johann äalc am Gymn. mit bOhm, Uuteni
•prache in Pilsen, Franz Ullsperger am Gyma, mit detttscher ^
riehtssprache in Smichow, Franz Wann er am Uyro« ' '"'
Johann Wastl am Karl Ludwig-Gymn. in Wien« F
Bealsch. in Knittelfeld, Johann W immer am Gymn
I
556 Personal- und Sehnlnotiien.
In die YII. Bangsklatse wurden befördert: die Profesioren
am Gjrmn. in Karlsbad Dr. Viktor Aebtner, Siegrmnnd Biedl, Frau
Böhm, Dr. Karl Lndwig, Dr. Engelbert Hora nnd Wilhelm Eekl, der
Prof. an der BeaUcb. im XV. Wiener Gemeindebesirke Dr. Leopold Gold-
hammer, der Prof. an der Bealsch. in Steyr Leopold Erb, Nikolam
Baldemair am Gymn. in Iglan, Geonr Bayer am Gymn. in Saliborg,
Josef Benhart am Gyron. mit bOhm. Unterrichtssprache in den KOsig-
liehen Weinbergen, Karl Biasioli an der Bealsch. in lonsbmck, Batil
Bilecki am akad. Gymn. in Lemberg, Dr. Gerson Blatt am ILGyms.
in Lemberg, Josef Bogner am Gymn. (deotsche Abteilaog) in Trieot,
Georg Brnder am Gymn. in Aossig, Geraftim Bnliga am III. Gymn. in
Csernowits, Dr. Karl Burkhard am Karl Ludwig -Gymn. in Wies,
Johann äerm4k am Beai- nnd Obergymu. in Prag- Neustadt (Kfemenec-
gasse), Adalbert Oern^ am Beat- und Obergymn. in Kolin, Karl Ghar-
yät am Gymn. mit bOnm. Unterrichtssprache in Olroflts, Anton Derganc
an der Bealsch. im IX. Wiener Gemeindebesirke, Bronialaos DobriaAiki
am Franz Joseph-Gymn. in Lemberg, Jaroslans Dolenak^ au der Beaiicb.
in Jiöin, Dr. Josef Dorsch am Gymn. mit deutscher Unterricbtsspraebe
in Prag- Altstadt, Dr. Josef Drosd am Gymn. in äanok, Ignu DoJ^
bowski am Gymn. in Nen-Sandez, Josef Durych am Beal und Ober-
ffymn. in Smicbow, Dr. Franz Duä4nek am Beal- nnd Obergymo. ia
Ubrudim, Laurenz Du Sek am Gymn. mit bObm. Unterrichtssprsebe in
den Königlichen Weinbergen, Wenzel Dyofädek am Gymn. io Jaog-
bunzlan, Bndolf Drofäk am IL bOhm. Gymn. in Brflnn, Dr. Fraos
Faktor an der Bealsch. mit bOhm. Unterrichtssprache in Prag-Altstadt,
Heinrich Filippi am Beal- nnd Obergrmn. in Chrndiro, Dr. Brano
Fleiachanderlander Bealsch. im VIL Wiener Gemeindebezirke, Weoiel
Flodermann am Gymn. mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-
Altstadt, Johann Fun an den selbstAndigen Gymnasialklassen roitdeuticb*
slow. Unterrichtssprache in Gilli, Karl Franta am Gymn. in Hobenmaotb,
Andreas Gasiorowski am Gymn. bei 8t. Anna in Krakao« Jobann
G essler am Gymn. in Klagenfurt, Hilarion Gmitryk am Gymn. in
Sambor, Eduard Gollob am Sophien-Gymn. in Wien, Alois Grillitscb
am Gymn. in Klagenfurt, Ferdinand Gr üa am II. bOhm. Gymn. in Br&oD,
Dr. August Haberda am Franz Joseph -Gymn. in Wien, Adalbert
Hanaöik am Gymn. mit bObro. Unterrichtssprache in Bndweis, zugewiesen
dem Gymn. in Jidi'n, Johann Hanamann am Gymn. in 8cblan, Weniel
Haner am Gymn. mit bObm. Unterrichtssprache in Troppau, Alois Heiti-
berg am Gymn. im XUL Wiener Gemeindebezirke, Dr. Alois Heroot
am Gymn. mit bOhm. Unterrichtssprache in den Königlichen Weinbergen,
Artur Hesse an der Bealsch. in Marburg, Bomeo Hochhinsler am
Beal- und Obergymn. in Gablonz a. d. N., Leopold Hof mann an der
Bealsch. im L Wiener Gemeindebezirke, Wenzel Hof mann an aer
Bealsch. im I. Wiener Gemeindebezirke, Ignaz Urozek am Gymo. mit
bOhm. Unterrichtssprache in Ungar.-Hradisch, Peter Hrub^ am Gymn.
in Schlau, Alois Hubka am Gymn. in Jungbunzlan, Josef J ige r am
Gymn. in Wittingan, Johann Jahn am Gjrmn. mit deutscher Uoterrieätf-
spracbe in Kremsier, Bndolf Jedlidka am Gymn. mit bOhm. Oaterricbtf'
spracht! ir^ Pr»^ N«utitailt iTischlerga^flai^ .losef Jenko ^iu Gyn}i\. ^'^
Serett^ Franz Jtraj am il. Gjiiin. iü Laibacb* Franz J*ffr»l»k *•*
Qymu. in MsiTbar^r, Frani Jejdiask)' am Gymii. \n T *''
Jezdiö^ky am Real- umi Obergymn. in Pr»sf-l»«a*>*'^^ -
Anton Jurosaek aa iler Hcrabcb, in BlK^hii. J '
Gymn. in Wln'd, Eu^ü^f Kai^L an lier 1
Kaliroiia an dor Keahch. mit bOiuiL ' '*'
Seite, 8taTH>ilsii^ K&meui^kf' " «Mi U '^'*
an der Eeal&ch, in Troppao
richtisprachti in Troppau i
Katser au d«T h deuuci
i
Penonal- und SohnlnotiMn. 557
GjiDD. in Tans, Aarel Kiebel am Gymn. in Mies, Igoat Kislink am
GjmB. mit bObm. Unterricbtsspracbe in Üngar.-Hradiich» Dr. Karl Ria«
toTfky an der BeaUcb. in Teicben, sugewiesen dem Gymn. mit denteeher
UDiemcbtispracbe in Prag-Nenetadt (Graben), Johann Klnibensehedl
SA der Bealscli. in Bozen, Josef Kl? aäa am Gjmn. mit bOhm. Unter-
riehtMpracbe in Kremsier, Ulricb Kobrle am Keal- und Obergymn. in
Ohradim, Julian Eobylanski am II. Gymn. in Csernowiti, Jobann
Kobont am Gymn. in Leitomiaebl, Elias kokorodt am akad. Gymn.
in Lemberg, Weniel Eonh&aser am Gymn. mit dentscber Unterriebts-
spräche in Prag-Neustadt (Stephansgasse), Wensel EOnig am I. bObm.
Gjmn. in Brfinn, Johann Koran da am Gymn. im III. Wiener Gemeinde-
besirke, Josef KostliTy am Gymn. in Eger, Franz Kovär am Gymn.
mit bobm. Unterricbtsspracbe in Pilsen, Josef Kramäf am Gymn. in
Pisek, Jobann Kraus am Gymn. in Kiuman, Budolf Krenti an der
I. bOhm. Bealscb. in Brfinn, Franz Kuus am Gymn. im XYIII. Wiener
Gemeindebezirke, Marcell Kndar am Gymn. mit ital. Unterricbtsspracbe
in Zara, Jobann Lacinj^ an der Bealscd. in den Königlichen Weinbergen,
itQdwig Lederhas am I. Gymn. in Laibach, Jobann Leis am Gymn.
^ Qottschee, lächnlrat Tbaod&ns Lewicki am V. Gymn. in Lemberg,
^arl Linsbaner an der Bealscb. im I. Wiener Gemeindebezirke, Wenzel
I^okyenc am Gymn. mit böhm. Unterrichtssprache in Kremsier, Wilhelm
ijiibich am Gymn. in Böhmisch -Leipa, Karl Ludwig am Gymn. im
^^. Wiener Gemeindebezirke, Johann Maeher am II. Gymn. in Laibacb,
'«^^z Mader am Gymn. in Freistadt, Johann Mädr am Gymn. in
M^^* ^^^^^ Maletschek am L deutschen Gymn. in Bränn, Emanuel
^axkmtiiier am IL bOhm. Gjmn. in Brfinn, Alois Mayr am Gymn. in
^ntbiack, Franz Mazal an der Bealscb. in den KOniglicben Weinbergen,
If K V ^'^^^ '^^ ^^' deutschen Gymn. in Bifinn, Jakob Midanik am
Wi '^y°"'' ^° Brfinn, Franz Michalek am Karl Lndwig-Gymn. in
£lJA^k ^^* Mouöka am Gymn. in Hohenmauth, Hugo Muiik am
j™»at>eih.Gymn. in Wien, Hugo Navratil an der Bealscb. in Linz, Franz
io ^^^ Am Beai- und Obergymn. in Klattau, Jobann Nömec am Gymn.
•^«Jachigch-Meseritscb, Josef Kömec . ~ .
^ohan» V "^^"^®*®"^^*^'^» ^^^^^ Kömec am Gymn. in Deutsch- Broi
.Pr«xi2 j^^pQBtil am Gymn. in Pfibram, Emil Neugebauer an der
^^QieiTwf^^^'^^^^* in Wien, zugewiesen der Bealscb. im XIII. Wiener
*** Gjf^**>«"5ke. Franz Novak am L Gymn. in Laibacb, Franz Noväk
•*»! C»i?** "^^^ böhm. Unterricbtsspracbe m Troppau, Dr. Yinzenz Ohm
*'*iierord ;,''*^* böhm. Unterrichtssprache in Prag- Neustadt (Korngasse),
^«»t^die ^'*^^«""aisprof. Dr. Samuel Oppenheim an der Bealsch. mit
j^ J^^obdi. ^A^^^'^<^tssprache in Karolinenthal, Anton Pado am Gymn.
j^^^-^oiir»^ /^'^ Bobert Parma am Gymn. mit bOhm. Unterrichtssprache
ibek an der Bealscb. in Prag-HoUeschowits
to' ^-^i^Our» /*^*> xfcouert rar ms
^^^^A^ Ottokar Paroub
j? -^Ai ^'Ai Paszezyfiski am Gymn. io Brzezany, Thomas Pavlü an
^hS?***^^* '^ Kiitt^aberg, Martia P« "' ' ^
jg|Ji*i, .*'^träö^k am Ih böhm, Gjmn
. ik^eXi '^ Lot. j Jditl-Clkli T.'kjK^laiia Pir.v»,
p>^^i^j^^tjiJBicri^ti^ Laidi:*laus Pircuan am Gymo. in Pisek, Wenzel
4t^*«f|, *^ o^üfH^ iiijt üeQtflcber UoternebUBpraLhe in Smichow, Ignaz
^^»ttf ,^^ oj^ÄJD in AlÄfbur^, ÄJoIf Poküriij an der Franz Joseph-
4t ^^M ? Tfc^J«"^* ^^» Simon J^liiiian Prem um 11. li>'niu. in Graz, Karl
fa^**tt ^'^ ^- Gymn, in üraz^ Kart Procüäika am Gymn. in
%J^^UfiKflf ^Ohfinger am üymu. lu Krtmä, Karl Queiss an der
i*i:y"^tfi«fj»/»cli. in Wien, Peter Eada am Gymu^mit böhm. Unter-
.ji ^t^^sai^.fiipaKtadi (TiKthlergaaac), Ffanz Rehof am Gymn.
/lA^xi Hippel *ii ü-r l^,^aUcb. im XV. Wiener Gemeinde-
;! üo i tj^ii bührii. Unterrichtssprache in
it^ ai v^ltiügay, Dr. Matthias Bypl am
""*- -'^ —n mit böbni. Unterricbtsspracbe
«jmLiuSf Wladimir Sazyma
^e in Budweis, Dr. Anton
558 Penonal- und Sehnlnotiieii.
Scham 8 ed d«r Bealich. in Leitmeritz, Bodolf Sebantroch amLOrmn.
in Tarnowy Gostar Scbaaberger an der Bealscb. in Lini, Frani
Schindler am Gyron. mit bObm. Unterrichtupracbe in Kremsier, Johann
Schmidt am Gjmn. in Weidenao, Frani Schneider am Gyma. in
Leitmerits, Ednard Sehniicik an der Bealsch. im III. Wiener Gemeinde-
bexirke. Frans Schwenk am Gymn. in ViÜach, Frani Sebald an der
Bealscb. im 1. Wiener Gemeindebezirke, Karl äej^a am I. Gymn. io
Laibacb, Ferdinand Seidl an der Bealsch. in GOri, Dr. Lndwig Singer
an der I. Bealsch. im II. Wiener Gemeindebesirkei Johann Skikai am
Gymn. in 2iikow, Josef Skarbina am Gymn. in Villach, Joief Sloupsky
am Gymn. mit bObm. Unterrichtssprache in Kremsier, Wensel dole au
der Bealsch. in den Königlichen Weinbergen, Dr. Josef Öorn am I. Gttdo.
in Laibacb, Dr. Johann Spika am Ertbersog Bainer- Gymn. in Wien,
Wensel Starek am Karl Lndwig-Gymn. in Wien, Theodor Stegl am
Gymn. in Teplitz-SchOnao, Gereon Steinschneider an der I. dentKheo
Bealsch. in Prag, Johann ät^än am Gymn. in Trebitsch, Johann
Stitzen berger am Gymn. in Tepliti-SchOnan, Johann Strinskf am
Gyron. in Dentsch-Brod, Karl Strasser an der Bealsch. im XYIII. Wiener
Gemeindebezirke, Franz Stacbllk an der Bealsch. in Pardnbitz, Mattbint
Snebaa am Gymn. Cilli, Ednard 8 Tot am Gymn. in Bandniti, Karl
Tappeiner am Erzherzog Bainer-Gymn. in Wien, Alois Ta?öar an der
Bealsch. in Laibacb, Adolf Thannabanr an der Bealsch. in TUest,
Josef Tobiäfiek am Gymn. in Pilgram, Jobann Ton dl am Gymn. mit
bO hm. Unterrichtssprache in Kremsier, Anton Trnka am Gymn. inJida,
Josef Trnbl am Gymn. in Beichenan, Simon Trnsz am Gymn. in Zlocsdw,
Ferdinand Vaäek am Beal- ond Obergymn. in Klattan, Othmar Vaftorny
am Gymn. in Hohenmaath, Josef Vato?ac am Gymn. in Gapodistrit,
Wenzel Ve?erka am Gymn. mit bohm. Unterrichtssprache in Frag-Neo-
Stadt (Tiscblergasse), Alois Ylöek am Gymn. in Tans, Franz Vajtek an
der I. dentseben BesJich. in Prag, Franz Vykonkal am Gymn. mit
bOhm. Unterrichtssprache in Prag-Nenstadt (Tiscblergasse), Zdenko Vj*
soky am Gymn. in Keabana, Dr. Andreas Wasbietl am Ershenog
Bainer- Gymn. in Wien, Laurenz WaSkowski am Gymn. in Bochois,
Valentin Weinzettl am Gyron. in Bandnitz, Josef Wentsel an der
Bealsch. in Laibacb, Wenzel Wild am Gymn. im XIX. Wiener Gemeind^
bezirke, Leopold Winkler am Gymn. im XXI. Wiener Gemeindebezirke,
Josef Wrnbl an der Bealsch. in Bielitz, Dr. Johann Wytrsens am
Gymn. mit poln. Unterrichtssprache in Teschen, Ladislans Zagörski am
IV. Gymn. in Lemberg, Josef ZaanmQller am Gymn. in Freiatadt, Josef
Zehente r an der Bealsch in Innsbruck, Frans Zickero an der Bealsch.
im I. Wiener Gemeindebezirke nnd Karl 2iyotsk^ an der Bealsch. in
Pardnbitz.
In die VUL Bangski as sc worden befordert: die Proff. am Gymn.
in Gmnnden Ür. Jobann Kleinpeter, Dr H^idoir WeiS und Cirt
Badlof, der Prof. an der Bealscb. in Ti\eni Dr. Karl Tertoik, der Pr«t
an der Unterrealsch. in Pola Dr. Anton Guirg, 4er Tar&lebrer an d?f
Unterrealsch. in Pola Feodor Glaser, ^i«} Proff. am O^n. in Bf^feci
Dr. Jobann Meizner, Andreas Mock, Josef Blum rieb» Dr^ Bodol/
Ager, Franz Schrempf nnd Friedrich b«eber.
In die IX. Bangsklasse worden befördert: der I#ehre7 aa d^
Vorbereitan^rsklasse fOr die Mittelscbnleti io Hielits Jobuif ^ '
der defin. Tarnlebrer an der Bealscb. in Bietitt Bobeftt^
Lehrer an der Vorbereitnngsklasse am Gymn. in Cilli Jotj
Turnlehrer an der Bealsch. in Laibach Pfot Fraoi Briiii)|
1
)
I
Penonal- and Schalnotizen. 559
AoBzeichnnngeu erbielten:
Den Titel einet Hofratea ans Anlaß der Versetiang in den Bahe-
•tand: die Landeeschalinipektoren Stephan Kapp, Dr. Lndomil Germ an
nnd Dr. Franz Swida.
Den Titel einea Begieranesrates: der Landesachnlinspektor Johann
Lewieki in Lemberg, der Prof. an der I. Bealscb. im II. Wiener Ge-
meindebeiirke Dr. Gneta? Schilling, der Direktor des Gymn. der Bene-
diktiner so den Schotten in Wien Anton Saner, der Direktor des Gymn.
io Leitomiichl Emannel Seifert am Anlaß der Ton ihm erbetenen Ver-
•etxnng in den bleibenden Babettand, der pent. Gymnasial prof. Dr. Josef
Po mm er in Wien, der Direktor der BeaUch. in den KOniglicben Wein-
bergen Franf Warm aas Anlaß seiner Versetiang in den bleibenden
Bohestand, der Direktor des IV. Gyron. in Krakan Schahrat Anton Pas-
drowski ans Anlaß der Ton ibm erbetenen Versetsong in den bleibenden
Bohestand, der Direktor der Landes-BeaUeh. in Mihr.Ostraa Wladimir
Hanadek anlftßlich seines Übertrittes in den bleibenden Bohestand, der
Direktor des Gymn. mit dentscher Unterrichtssprache in Kremsier Johann
Stock], der Direktor des Gymn. in Strainits Alois Fischer.
Den Titel eines Schalrates: der Prof. am I. Gymn. in Laibaeh
Alfons Paalin, der Prof. am Gymn. mit deutscher Unterrichtssprache in
PragNeastadt Karl Schirek aas Anlaß der fon ihm erbetenen Ver-
setiang in den bleibenden Bahestand, der Prof. am Gymn. in Jongbans-
laa Frans Bared, der Prof. am I. Gymn. in Laibach Dr. Heinrich
Oartenaoer, der Prof. an der I. Bealscb. in Krakan Leo Piecard, der
Prof. am Gymn. in Preraa Frani Po 14k nnd dem Prof. am II. Gran,
in Lemberg Nikolaas Sy walak anlftßlich ihres Übertrittes in den blei-
benden Bahestand, der Prof. am Gymn. der Benediktiner so den
Schotten in Wien Ernest Spreitzenhofer, der Prof. am I. deatschen
Gymn. in Brunn Josef Zelenka, der Prof. am I. bobm. Gymn. in
Brunn Franz Bypädek; die Professoren: Vinzeni Bieber an der
Bealscb. in Marburg, Franz Bilek am Gymn. mit bObm. Unterrichts-
spräche in den Königlichen Weinbergen, P. Jalian Fednsiewics am
Gymn. in Stryj, Mattbftns Fradeliö am Gymn. mit ital. UnterrichU-
^ra^e in Zara, Matthias Hechfellner am Gymn. in Innsbrack, Josef
Beekel am Gymn. in Mies, Karl Himer am Gymn. mit bOhm. Unter-
nchtssprache in Prag-Kleinseite, Friedrich Freiherr ▼. Holzhansen an
^w L ße»l«ch. in Grai, Oswald Kaiser am Sophien-Gymn. in Wien,
Joisf KODig an der Bealscb. in Linz, Karl Kytka an der BeaUch. mit
deatseher Unterricbtssprache in Pilsen, Adalbert Miknliez am L Gymn.
w Ciernowiti, Emmerich Müller am Gymn. mit dentscher Unterrichts-
ÜviiT J.° P'»f-AlUtadt, Ferdinand Neidl an der Bealscb. im
Ui i' ^^^^^ Gemein de b eiirke , Johann Niederefrger am Gymn^ in
^oitratk, p, Franz Pilny am Gymn. mit b&bni. ünttrricbtspp räche in
h^T^* tf^^^^ SÄlifer Ätn Gymi». m Wei^ienau, (ieorg L'stöpan am
ÄijD * 1 ^**'^' and Koiomuöd-Obergjnnii* in MÄbriftcb Schönber^, Jakob
ffiej V ^"* Gjsjn, in Egfr, Jo»ef Slrökel am Gymn, iD Cattaro, Gou-
tadtr f^*^''^* am Qymn. in ViUach, P. Kolomno Wagner um Karl
O^g^ '^'%ina. in Wien* Fmni Wa^i*- -'- ^ -- v- ^-^^j^r- nnd Komtntinal-
Ud*-^*''*'- in 3JÄJ5ri»ch-Sehflnh<tr|f. n Gymn. mil böbn).r
B*4W ***F*cüö in ¥rmM^^ . ,^ .Hü^^Tifk ^n d*r
^' i^mu «.tilLlilf'^^^ ^^M|i|g^«xia«i) Kube«tand,
Adu» 1 ^ '^'^^'^ -IM #1 / ^^^^^Btr Qymna«ia[prci(,
"««1
^
560 Nekn^ogie.
Den Orden der eiBemen Krone IIL KUise der LftndesBchnluispektor
in Zara Michael Zaradlal.
Das Bitterkrens des Frans Josephs- Ordens der Prof. am skad.
Gjmn. in Prag Scbnlrat Dr. Siegmond Winter anilAlicb der Ton ihsi
erbetenen Versetsnng in den bleibenden Ruhestand.
Nekrologie.
Gestorben sind *) : Johann Ealberg, Gymnasialprof. (LG) in VUlaeh,
58 J. alt; Jaroslaos Veruer, Bealsehalprof. (BF) in Bodweis, 50 J. alt;
Johann Nofäk, BeaUebolprof. (M Nl) in Badweis, 50 J. alt; E. Doli
em. Bealscboldirektor in Wien, 71 J. alt; lierson Steinsehneider, Beal-
sehnlprof. (DF£) in Prag, 49 J. alt; Karl Bntte, Gymnasialprof. L B.
in Wien, 67 J. alt; Friedrich Baner, Gymnasialprof. (Dlg) in Wien, 40 J.
Alt; Dr. Karl Leiss, Bealscbnlprof. (DFb) in Pilsen, 41 J. alt; Be-
giemngsrat Dr. Anton Beibenschnh, Bealscboldirektor i. P. in Prag,
68 J. alt; Msgr. Frans Benckl, Beligionsprof. in Oberhollabninn, 64 J.
alt; Karl Schwarzer, Bealscbnlprof. (Gern) in GOrs, 57 J. alt; Gnsto?
Hiebl, Bealscbnlprof. (MGe) in Wien, 48 J. alt; Frans Kons, Gym-
nasialprof. (LG) in Wien, 50 J. alt; Angnst Meschkae, Tarnlehrer in
Wien, 51 J. alt; Schalrat Josef Nahrhaft, Gymnasialproi i. B. in Wien,
67 J. alt; Angastin Sebesta, Gymnasialprof. (LGB) in Pilgram, 47 J. alt
Erwiderang.
Torba bat in dem Aufsätze: „Kritische Beitrage sn den Anfingen
Ferdinands I.** (in dieser Zeitschrift S. 193 ff.) mein Bach «Die Anfange
Ferdinands I." einer Kritik nnterzogen, die es sich zur Aafgabe gemacht
hat, f&r seine von den verschiedenen Fachgelehrten*) abgelehnten staats-
rechtlichen nnd verfassongsgescbichtlichen Anschannngen (besonders Aber
die Bedeutung des BrQsseler Vertrages) nochmals eine Lanze zn brechen.
So erklärlich dieser Vorgang^ a is ppjcholog^i?chpTi Bewe^^'^rÖDilen erscbeiHr^i
mag, so wenig dflrften im iül^^i^meineii seine sachlichen Ausf&hranf^
überzeugend wirken. — Um es glHch yor wegzunehmen* T. bi^^hiittil
sich darauf, ohne Aber die pri:i)tivt>ii Ergeboisse meines Bache» DW «ifi
Wort zu verlieren, jene Momente he nrar^u heben ^ die seiner tnlijtktir^
Ansicht nach Grund zum Ta^U^l ttieteD. Und dr>rt, wo er mieh #0 Lff^lalt
in Schutz nimmt (S. 200), schimmert die eigi^ntUche Absfdhi dsf 7fft4
nur allzu deutlich hervor. In Atibetritcbt dessen, daü mir hior nnf iin
sehr beschrankter Kaum zur W'rfüj^UEig steht, und da ich mf gtffift«
Erörterungen in größerem Zu^^ammeDbange zuTnckkomtnen will, pti ich
es mir, wenigstens einstweilen^ vereagen, auf alle \ ■ '*' -r
ten £inwände mit der gewünächt^^n AuaJUhrUcbkeit ein .
*) Um in diesen Angaben Vdlitändigkeit zu CTzie
Lehrkörper (Direktionen) ersucht, die eintretenden Todesfall
gefälligst bekannt zu geben. ^
•) Kogler, Monatsblättor den Vereins ÜIt Lan
derösterreich 2, ß. 241 ff. Wretschko* E
meinen Zeitung 1904, Nr. 149. LeTeo
äp. 301. Uhlirz, HistoriacliL^ Zm^
d#««l
Erwiderung. 561
Gleich über den ersten Pnnkt wäre es für meinen Kritiker besser
Seewesen, mit Stillschweigen hinwegzugehen. T. schreibt in seiner (be-
schichte des Thronfolgerechtes S. 156: „Wichtiger aber war die Erwägung,
ob der Kaiser seinem Bruder überhaupt gestatten sollte, zu heiraten.*
Diese auch noch so verklausulierte Annahme, daß Karl seinen Bruder zum
Coelibat habe zwingen wollen oder doch ein darauf hinzielender Plan Yon
ihm vorübergehend erwogen worden sei, hat m. E. etwas so Unffehener-
liches an sich, daß idi glaubte, an einer solchen Behauptung nicht still-
schweigend vorübergehen zu sollen. Wenn nun aber derjeniee, der ein
solches Unternehmen nicht «so ganz unwahrscheinlich" hält^), sieh auf
eine einzige Belegstelle stützt, auf die mindestens 31 Jahre später ge-
fallene Äußerung eines Mannes , der sich über andere damit zusammen-
hängende Punkte keineswegs sehr gut unterrichtet zeigt, so kann man doch
nicht von einer kritisch fundierten Darstellung sprechen. Auch die Tat-
sache, daß der kaiserliche Beichtvater Glapion an den Brüsseler Verhand-
langen aktiven Anteil genommen hat, vermag die Wahrscheinlichkeit der
Behauptung T.s nicht zu erhöhen. Die Mitwirkung Glapions hervorzu-
heben, lag für mich kein Grund vor, obwohl ich die S. 195, A. 2 ange-
führte Stelle wohl kannte. Aber ich habe meine Notizen eben nur dann
verwertet, wenn sie mir von Belang schienen. Die von T. hier heran-
gezogene Bemerkung besag^ aber g«r nicht das, was er aus ihr heraus-
lesen will, daß sich nämlich der Beichtvater für Ferdinand besonders ein-
gesetzt habe. Sie beweist nur, daß Glapion der einzige Zeuge für be-
stimmte Verhandlungen war. Aber auch auf die Verdienste öalamancas
um die Teilungsache, für die ich eine urkundliche Äußerung anführen
konnte, legte ich in meiner Arbeit kein allzu großes Gewicht, weil es
mir schien, daß ein so folgereicher Entschluß, wie es die Erbteilnng
▼on 1522 war, mehr durch zwingende politische Ursachen bestimmt ward,
sIb durch Diplomatenkunststücke, die T. so gerne hinter großen Ereig-
nissen wittert — Daß die Worte T.s: ^Eine Zeitlang war es also sehr
ungewiß, ob das Vorrecht des Ältesten, wie es das Majus formuliert hatte,
ftbffir Ferdinands Gleichberechtigung den Sieg davontragen würde", min-
destens so aufgefaßt werden können, als ob T. meine, das Majus und
dessen Bestimmungen seien damals für die Teilung in Erwägung gezogen
worden, wird sieh kaum bestreiten lassen').
Daß mich T. einer gewissen Einseitigkeit in der Beurteilung der
Lage Ferdinands, besonders nach der Brüsseler Teilung zeiht, hat seinen
vrund in dem engen Gesichtskreis, von dem ans T. die ffanze Sachlage
»surteilt Meine Bemerkung, daß Ferdinand «das Schicksal, das dem
Jüngeren eignet, bis zur Neige auskosten sollte**, ist fürs erste in ganz
sndeiem Zusammenhange von mir gefUlen und bezieht sich, wie jeder-
k ^ Er schreibt S- 194 wörtlich; „Aber 80 gani iinwahrsch©itilic}i
T tst ea dennoch nicht, da& wenigstens eirn» '/.eltlan^ in der L*ni-
^ebufig Karls der allerditjgs seht spät f I'l&ö, Ferdinaod die
Heirat mit Anna oder das Meiraten Mifii fui^dt^n. tatsächlich
bertanden hat-. Warn aber 1^^?^™^^^^ :mtritt, als
er den Plan bloß in dieütp* ^^% ujin sich uij-
^Ilkürlich, w. ,a*^ ZHlBtaPf ^'^^^ brauchk^
lener aein E> ri|^^^^EM%t ^^^^
*} Aut !< I^^^^^Ku^rli des Ka*
llidliflchen, d>rL, L L|||^ ^^^^^^^B:i ich hu an-
«rem Oh& t^iüg^bcaTt
Inhal tüAngabe^ 4et** un«
meine Arbeit J^mm -^ *>
die DepescbfeT
dchl das RT-
dort
r* «
562 Erwiderung.
mann sehen kann, der mein Bach liest, keineswegs auf das Ergebnis der
Länderteilnng, wie es nach der Darstellang T.s den Anschein habet
könnte. Daß der Infant nach dem Tode seines m&tterlichen Groftraten
Tiele bittere Erfahrungen machen mußte, wird man kaum bestreiten
können. Doch davon steht eben nichts in den Urkunden und Ton diesen
allein aus beurteilt T. die ganse Angelegenheit. Er schildert die Stdlung
Ferdinands nach 1682 mit lebhaften Farben. «Darum hatte der Enhenog
alle Ursache lufrieden zu sein und tatsächlich yersprach er, k&nftig nichts
mehr von Karl fordern zu wollen. Ja, er leistete sogar wie auch seio
Bruder auf die Einhaltung des Vertrages Tom 7. Februar 1522 eines
feierlichen Eid, was B. nicht erwähnt" Ja, auf den Pergamenten lieft
sich die Sache wirklich grandios an. Leider laßt sich aber das Lebeo
und deshalb auch die Geschichte nicht nach Yertr&ffen allein beurteilen.
Ich selbst habe nicht angestanden (S. 159), die Vorteile der Brüsseler
Abmachungen fttr Ferdinand heryorzuheben — das Abergeht fretUoh T.
~ aber ich habe eben als Historiker auch jene Momente heranzieheB
müssen, die sich aus den Quellen als Beweise dafür ergeben, daß dsa
f linzende Bild des mit dem maximllianeischen Erbe ausgestatteten En-
erzogs eine minder leuchtende Kehrseite hat Die ffinzliche Verschul-
dung der österreichischen Landet, die darin zum Teil herrschenden anar-
chischen Zustände, die durch die teilweise Geheimhaltung der Verträge
bedingte reserrierte, ja ablehnende Haltung Tirols und der Vorlande be-
deuteten keine geringe Einbuße für den Wert der dem Infanten zuge-
fallenen Herrschaft. Selbst die Stellvertretung Karls am Beichsregiment
bedeutete nicht ,Tiei , wie jeder meinen Ausführungen entnehmen kann.
Ich habe auch gezeigt, wie Ferdinand zu einem seinen Landen schäd-
lichen Frieden mit Venedig einfach genötigt wurde , ich habe dargetaa,
wie ein kaiserlicher Beamter 1524 den Erzherzog schlechterdings alt
gwintiti nigligeable behandeln konnte, ohne daß T. meine Angaben be-
stritten hätte. Aber all dies Überschuß mein Kritiker, weil es ein&ch
nicht in seine Konstruktion paßt.
Und weiter. Die Bestrebungen Ferdinands nach der Würde eines
römischen Königs, nach Erweiterung seiner Erblande, sein Verlangen,
Statthalter in Mailand zu werden , sind in T.s Augen ebenso riele An-
klagepunkte wider den Infanten. „In seltsamem Kontrast standen solche
Forderungen zu den beeideten Erklärungen des Vertrages vom 7. Februar
1522** schreibt T. S. 199. Er betont zunächst die Tatsache, daß die Ver-
träge beeidet worden seien, denn er hält mir weiter oben Tor, daß ich
diesen Umstand nicht eigens angemerkt hätte. So sehr derlei moralische
Betrachtunp;en demjenigen alle Ehre machen, der sie anstellt so wenig
darf ein Historiker, der die Verhältnisse des ausgehenden XV. und be-
ginnenden XVL Jahrhunderts kennt, evuT di.'» ScUwui in |<v[i >
Schäften Gewicht legen. Die Einseitigkeit , mit der T. &mn& A
durchführt, hat ihn auch Terhindert. die Fi^ge auf^uwerr^n, - -
seinerseits allen beeidigten Vertragi^punkten in entiprecbentjer \Sr!"
nachgekommen ist. Ein Blick in mtUi^ Arbait Htt« ihn c^iaes BeiMTru
belehren können. Was aber z. B. di« «erbliche Oberlasauug Pfirta ttuil
Hagenaus betrifft, so hatte Ferdinaud diesa nicht aaf 6 rund 4^bt«ehi-
lieber Forderungen (nur solcher konnte er ei<?h £u Brüäcel ^nlSM^hll^c<M)
▼erlangt, sondern als Kompensation für etDeo Verzicht seiaerseiU (S^ttif
— Die Vollmacht Karls für seine Prokuratoren (I 202 f.) habe teil lln-
falls durchgesehen und für mich notiert [t^L B. 157, Anm^ S)« ^
habe nicht gewa^ die wichtigen Scbliisse daran i zu liehen^ die
Wie er selbst mitteilt, ist die UberlielVrun^ nicht g^ui surerU
Konzept, dessen endgiltige Form kein^;r?wegs feststeht Am i||
Reihe der übrigen Urkunden fehlt ton diesem die ßein*^»^"*" ^
direkte Beziehung auf einen Vertrag foni 2t. Febiiy
Die Korrektur, die ich an der Mitteilnv^
macht, muß ich trotz T. aufrecht erhalten, j-
Erwiderung, 663
sind geradem eine Verstärkung meiner Behaaptnng. Hatte T. die be-
treffende Stelle bei ülmann nachgelesen, er hätte gefanden, daß mir nnr
inaofem ein Versehen unterlaufen ist, als es hätte heißen sollen : „Es ist
ein Irrtum, wenn U«. . . annimmt, die alleinige Regentschaft Ferdinands
in Kastilien hätte, falls Johanna früher gestorben wäre, mit dem 20.
Lebensjahre Karls geendet.
Je mehr die Ausführungen T.s über seine bekannte These von dem
Weiterbestand der Einheit des habsburgischen Hauses nach dem Brüs-
seler Vertrag in die Breite geraten, umso kürzer kann ich mich fassen.
£b steht da Behauptung gegen Behauptung, und was er hier an Be-
weisen bringt, bewegt sich gani in der Linie seiner früheren Arbeiten.
Ich muß es den Fachgenosseu überlassen, die Entscheidung in treffen,
sie werden auch über die Art der Beweisführung^ T.s ihr Urteil HLllen,
wenn er z. B. die wichtige „Vererbungsreffel", die selbst die Literpreta-
tionsknnst T.s ans dem Vortrage vom 7. Februar 1522 nicht herauszu-
tüffeeln yermag, in den geheimen Zusatzvertrag Tom 21. Februar 1522,
der eben bis jetzt nicht anf^funden wurde, hineinversetzt (S. 216). —
Anf diese Weise läßt sich freilich vieles beweisen, ob sich aber auch viele
dadurch überzeugen lassen, bezweifle ich.
Eine Beihe von Ausstellungen in Bezug auf die Richtigkeit der
von mir in den Anmerkungen gebotenen Texte leitet T. mit der Bemer-
kung ein, «daß die Texte fast durch wesre leicht leserlich waren, wenn
anch etwas Übung im Lesen und ein Minimum von Sprachkenntnissen
unentbehrlich waren*. Er kreidet mir nun als Fehler an, wo stillschwei-
gende Verbesserungen meinerseits vorlagen (z. Ü.flusiewrs st. pluisewra)
und bezeichnet als Lesefehler, was jeder Einsichtige bereits aus der Form
als Druckfehler erkennt (z. B. niete st. nteto, venne st. vewue^ medie-
datem usw.). Und auch bei den anderen Unrichtigkeiten, von ganz ge-
ringen Ansnahmsfällen abgesehen, könnte ich dokumentarisch nachweisen
— selbst bei dem Satzansfall — daß ein Teil der Schuld auf den Setzer
fillt'l Diese bedauernswerte Häufung von Druckfehlern hat darin ihren
Grund, daß ich infolge kürperlicher Indisposition die Korrektur einer An-
zahl von Bogen gar nicht oder doch nnr ganz flüchtiff vorzunehmen in
der Lage war, anderseits eine anfängliche Unterbrechung des Druckes
sehließuch zu einer ungesunden Beschieunigung[ führte. Das konnte T.
allerdings nicht wissen, da ich zu spät auf diese Mängel aufmerksam
-wurde, um sie noch rechtzeitig zu vermerken. Die Strenge freilich, mit
der mir T. in paläographischen Fragen Zensuren erteilt, steht einiger-
maßen im Gegensatz zu der Ratlosigkeit, mit der er selbst hilfswissen-
schaftlichen ^Problemen* gegenübersteht, die kaum einem Anfänger
Kopfzerbrechen verursachen dürften. Aus Raummangel greife ich als
Beleg für meine Behauptung nur eines dieser Fakta heraus: die Abkür-
zung mwiMimie lüst T. in seinem Thron folgerecht S. 403 — und noch
dain in der Korroborationsformel einer Urkunde! — als munitissime
ftuf und illaetriert durcli WiedtT^^Lä d^ p^luu^'^rapbiscb^u Befuudea zu
allem Überßnnie seine Hiirtoaigkeit, Ein Minimum von Kenntnis äen ^us
der Schriftkunde und ürkandenlebre v '■ ;' u «ia mgtite gekümmen.
Das Füllhorn von Teilet« da« T u Buch ausachiHtet, uitiü
bei Ündo geweihten den Eindruc^j^A^- ■-' -w^^^ti ^ ^^^ '^ ^i^'^ ^^^i*
nm eine ganz wertlM« Arbeit brf > ^^Ti« treibt man
freilich keine Abhaiidlung. ^ ■ M|^^^_u^a t:in£ solche
kommt man mit ^<mpß ^^^KBj/^B/A doch
«twos, warum merkt T» <^ ^^^^^^^PHw Vec'
nrleüuiig und Ik«8efit1fi^f
Wien. ^ ^
'J T.aili«
f<shl«r (tri '^
564
Entgeguniig.
Entgegnung.
Da in den Diferenzpuiikten scbließlieli ät>th nur rl«r hr%
Lernt die Entficlieidan^ bat, so will ich nur Folgendes b?merk8iu
Erwiderung d«a Autors der „ Anfange Ferdinands L" hat dti«ii
grott^n Teil meiner „Kritificbeii Beiträge"* noer^rtert and UTiwi4fTl<
gela^seD, für Anderea entweder Widerlegaiig in An- --^"^ "Stellt, nAnj^n*.
^unglücilicbe istilisiemnir'* entscbttldigt, oderendli k'Q^Jf^ i^t^
über Argumenten d^e Aatoritäl ^d^r Terschiedeiisit :. . ..^,.^'e lehrten* t^
Borufen, die roeine „staatärecbtlicheo oder Terfassangflgesehichtlicb«! Av
scbaniingen, besonders über die BedeotuDg des lirüs&eler Vsn«^
scboQ abgelebut bätten*". Dies erspart Bauer eine objektive Prüf auf öi*
auch von ibm nicht wegzuleugnendsn Wortlantea antbeo lieber tJtkoiti
So bleiben denn nur wenige Punkte Sbrig, in denen er G«genafpiiD«ir
vorbringt^ selbst hier ist aber aein Ton ni&bt immer gani objfkiit.
Sollte trotz aller arknudeümäGigen Beweise doeb ncNjh ^i-
an dem Umfang des Begriffes „w^anzes Haus'^ Öiterreich nnd
belebnnng der snaniscben Eriberjeoge mit den ^ iHehto iI«tfi^
gebieten übrig bleiben können (oben S. 21Ü fg.), -*r «ch»tt4i^
sobald man gelesen bat, was Kaiser EudoIflL mn :::>, r^uguit 15c$ flo
württembergi sehen ünterbäudkrn erklären lieG, Dauiali äußerte er nit-
lich, die EVentualBukzession in Württemberg ^^solle lust^ben: .Ifcw
Kajiserli M[ajestillt und dero löblichen HauL Üst*>rrettb, d^niatsc vm
nicht allain aie van wtüandt EaiBer Ferdinando hirrrucrtnii Im
fsk!]^ sondernj toh es je vund allweg^ die maimiUif ffthabtf doifmiM
Haus Österreich mu versUheft^* ^).
Bauer «ebreibt mir dio in solcher Allgemeiulieit von mir itOrt
geleugnete „These von dem Weiterbestand der Einhtnt de* hal*fe*
g lachen Hau bei *' abermals zu» trotzdem ich gani ansd
•bM re icbskhens rech tli che n , nur auf die öat^rreiehi-
nun gen bezQ glichen Einheit des Hauses** gesprochen und aIh urlu&kr
mäJlig bewiesen hatte, Bescheiden klyjgt xwijr der Satx, er wollt »^l«
Fachgeno&sen überlassen» die Entscheidung lu treffen", aber 'i- ■
soll doch gegen mich eingenommen werden« wenn hintufei^t^t
FachgenoBsen würden auch «über die Art der Beweis T *
fällen**, wenn ich die wichtige Vererbungsregel, difise'i
pretationskunfit** Aaus dem Vertrage vom 7^Febniar i^j.« l3K'.l u. -
zntüfteln'* Termögei «in den geheimen Zusatzvertrag vom ^t. Yehtnn
lb22f der bis jeut nicht gefunden wurde, bineinversetite"« Baa«r hlß>
in einer Fra^e, wo Beweismaterial gewissenhaft vorgelegt weidll '^
iS. 213 ff, dieser Zeitschrift) liebet Gegengründe statt derartig« Wf^
üungen schreiben sollen. Nur derjenige Leier, der es sehr eilig bit, wi
sich aber durch die Komik einnehmen Issseüf die darin beatehen M, M
eine Vererbungsregel in einen noch nicht aufgefundenen Vertrag ,liiiii»*
versetzt* wird, Ist denn der Vertrag wirkUcb nur imaginät? Was
Kaiser Karl VL nnd sein Bruder Ferdinand, jeder betonders; amSSLMb*
1521^f gemäß zwei Konzepten von diesem Tage, über den Inhalt gM^
samer, in Brüssel am 2h Februar 1522 von ihnen selbst nnteneicM^
und tatsächlich schon ausgefertigter {expeditiB) Vereinbarungen epitctA
so ist eher mnglicb, au der tatsichlicben Ausfertigung der swii T«l^
machten als an der Ausfertigung des darin zitierten Vertrage» lu swiUliä^
An einer anderen Stelle seiner Erwiderung sagt B., die Überliefarunr *'-
hier niebt ganz zuverlässig, weil wir es bloß mit einem Kons^f
bitten. Er widerspricht sicn hiemit selbst, weil er in seinem Bnch^
den Inhalt gerade dieser Vollmachten für iO sicher hielt, daft a *^
Konzej^t
) Hofkammerarcbiv Wien, Beichsakten, WQrtteiDl»«rf ö»t I^*'
Entgegnung. 565
glaubte, die Prokoratoren, für welche die Vollmachten bestimmt waren,
seien sdion damals ernannt worden, während erst ich ihn darauf auf-
merksam machte, daß f&r deren Namen in beiden Texten ein Baum frei
gelassen wurde.
Die von mir (S. 195 dieser Zeitschrift) yerwerteten Worte Erz-
herzog Ferdinands über Glapions geheime Mitwirkung an den Yerhand-
longen mit dem Kaiser 1521/22 beweisen, wie 6. meint, noch nicht, daß
sich Gla[>ion besonders für Ferdinand beim Kaiser eingesetzt habe. Das
mag Ansichtssache sein. Wenn B. aber behauptet, ich bitte nunmehr
den «Bfickzug angetreten", indem ich jetzt den Plan, Ferdinand die
Heirat mit Anna oder das Heiraten überhaupt auszureden, in des Kaisers
Umgebung Terlege, so ist dies sicher eine unrichtige Wiedergabe meiner
Worte (S. 193 f. dieser Zeitschrift). Der Plan selbst wäre in der Ge-
schichte des Herrscherhausei nicht ohne Beispiel. Während B. in seinem
Boche (& 168) selbst von Salamanca gerühmt hatte, er habe bei
den Brüsseler Teilungsverhandlungen „so ganz seine |^ebene Kauf-
munsschlauheit" und für Ferdinand »alle Künste seiner Diplomatie
spiden" lassen, erhebt er jetzt in seiner «Erwiderung** , weil ich diese
Titsache heryorhob, gegen mich den Pauschalyorwurf, ich „witterte*
^hinter großen Ereignissen** „.90 gerne* „Diplomatenkunststücke**? Es
freut mich, daß Bauer seine Äußerung, Ferdinand „sollte das Schicksal,
du dem Jüngeren eignet , bis zur Neige auskosten* , für den Brüsseler
Vertrag nicht gelten läßt. Wenn Karl V. seinen Bruder eine Zeitlang
seltsam behandelte, so muß man die Verstimmung über die fortwähren-
den Neuforderungen, vielleicht auch über Salamancas Treiben mit be-
rücksichtigen. Daß ich zwischen dem, was Ferdinand nach der Bechts-
läge fordern durfte, und dem, was er schließlich erhielt, ganz im Sinne
beider Kontrahenten scharf unterschieden wissen wollte, ist in
Bauers Augen „einseitig*, „ein enger Gesichtskreis'', wenn ich ihn
nicht mißverstehe, auch „Konstruktion*. Aber er erinnert mich an die
zwingenden politischen Ursachen* und au den argen Zustand des maxi*
milianischen Erbes ohne Grund. Denn auch ich hatte, überdies mitten im
Zusammenhange mit den Ausführungen über die Bechtslage, gesagt : „Es
soll damit nicht geleugnet werden, daß politische Motive die reichlichere
Landausstattung dem Kaiser rätlich erscheinen ließen. Solchen Motiven
entsprach auch«...*
Besondere Beleuchtung verdient femer, was B. über meinen Hin-
weis auf die zahlreichen Fehler in den mitgeteilten Texten sagt. Bei
den zahlreichen Textfehlem fällt, nach ihm, „von ganz geringen
Aasnahmsfällen abgesehen*, „selbst bei dem Satzausfall^, „ein
Teil der Schuld auf den Setzer.*
Kun sind aber diese Textfehler noch zahlreicher als ich sie mit-
geteilt hatte, und ich bin jederzeit gerne bereit, dies im einzelnen nach-
zuweisen. So sind z. B. auf S, 23(5. Z. 16 der Anmtikuii^fii Aeine^ Bucbes
auf einmal vier für den Zuü^ammeuh^n^ dur^baui nicht gieichgiltige
Textzeilen ausgefiJlen, obwohl d^ „wie obao gezeigt* d«ti AVrt hätte
aufnieiksam machen müssen, da£ etwas fehlt««
Man verteidigt sich schlecht, indem mm tr bat
anderen nachweist. Sicher iiube ich trotz
graplue hei Prof. Mühlbacher gefehlt, n\$ icl
^tfie* las« Ich gab aber iu e^ii»r Anui^^^'^
fund an und ermöglichte iq alUn f^^ii^
▲uflösang. Das wäre ein •t'tilttiit]''.
spricht, so will ich doch tikLiLTfiit daik
1) Bauer konnte mir f^rair"^
-j: 1904 stau 1903 uti^
Bani Siehe oben S. V.
h
566 Zu Alkmans Partheneion.
ich habe bei der Edition Tersehiedener, manchmal auch paliogiaplnich
recht ichwieriger Texte sogar die Dmckboffen mit den Original«! muner
Terglichen, in den allermeisten Fällen anch dasjenige so reridiert, was
in Anmerkungen xitiert war. Anf keinen Fall wird mir der Yerf. eine so
große Anzahl Ton Textfehlem nachweisen, wie seine Worte yerrnnten lassso.
Baneri absprechende £rkUning Ton seiner Solidarit&t mit den ,?er-
schiedensten Fachgelehrten* nnd seine eeneralisierenden Yorwftrfe werden
die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß über meine selbständige
wissenschaftliche Tätigkeit, die nnnmehr schon 23 Jahr6 danert, keine
geringere Körperschaft als die kais. Akademie der Wissenschaften in Wien
schon im Dexember 1895 amtlich die Worte: „Torz&gliche LeistongeB'',
„Tolles Vertranen anf Ihre erprobte 8acbknnde nnd Umsicht** gebiancht
hat, während nnter den in meinen Händen befindlichen, mm Teil amt-
lichen Urteilen von vier älteren, herTorrasenden Vertretern gerade des
staatsrechtlichen nnd Terfassungsgeschichtlichen Gebietes das eine Mal
▼on allen meinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten behauptet wird, sie seien
«wichtig nnd wertToll** oder auch: „selten ffrftndlich^S „wertvoll**, tob
„Beherrschang des Stoffes und Qoellenmaterials*' zeugend; das andere Mal
aber von meiner »Pragmatischen Sanktion*, sie gehöre zu den «wertroUsteo
Bestandteilen unserer rechtsgeschichtlichen Literatur* ^).
Wien. Dr. G. Turba.
Zu Alkmans Partheneion.
Gegenüber H. Jurenkas Einwänden S. 1084 L dteser Jahrgangei A\
möchte ich folffenden Bemerkungen Baum geben:
I. Daß Y. 125 f. ilQ^vi^ nicht auf einen siegreich beendeten Krieg
Spartas gedeutet werden könne, zeigt das Subjekt 9Htvidt$ und der Znsats
li ^Ayfi9i%6oa9i Dank Agesieharai winkt un8 Mädchen der liebUdie
Friedifi. Mit Becht hat man daraus den Schluß gezogen, dafi hier tl^^9^
(wie sonst vUij) den Erfolg (Sieg) im Wettbewerb bedeute. Denn «d«r
Erfolg wird st^ijv^ genannt, nicht des Staates, sondern der Madien,
Ton denen yorher fidxtad^M und dfivrM stand* (Wilamowitz), und der
Ton Frisciau I 22 zitierte Vers Alkmans &(tkg d^ il^ctw xödt yag diro
M&ca Uyeux „zeigt jedenfalls ähnlichen Sinn und Zusammenhang* (Bhfil
Daraus ergibt sich von selbst, daß auch V. 123 f. nöpmv Uermg unmöglick
auf eine Erlösung aus Kriegsnöten bezogen werden kann. Weshalb hiebst
die rein äußerliche Nachbarschaft Ton lyiPto (in der Zwischenbemerkung
y. 124) und htißa9 (im Hauptgedanken Y. 126) hindern sollte, einer-
seits lysyro «= iatlv zu setzen, anderseits htißop im Sinne ron Kühner-
Gerth 11^ 166 f., 11 und 12 zu erklären, ist mir unerfindlich.
IL Kompliziert wird Alkman nnd seine Erklärung nur dann, wenn
man ihm mit dem Scholiasten orehestische Kunststücke zumutet, für die
sonstwo weder ein Zeugnis noch eine Analogie vorliegt. Auch die Kult-
Teigen, die Alkman stellte, mußten sich selbstverständlich in hergebrachtes
Formen bewegen. Gleiche Stärke der Hemicfaorien ist also a priori
wahrscheinlich, zumal die yermeintliche Diskrepanz zwischen SeM^ nnd
Ivdnut naldtg Y. 138 f. nach keiner Bichtung einer Prttfnng stand-
hält. Ich wiederhole: bloß der Unfähigkeit des Scholiasten, sich über die
Situation und die Yoraussetzungen des Gedichtes klar zu werden, ver-
dankt die Mär Tom &ifiüog dfft^ftog der konkurrierenden Halbchöre ihr
zähes Leben.
M Letzteres bei Tezner, Ansgleichsrecht und Ansgleichspolitik.
Wien, Manz 1907. S. 78.
Krwidenuig. 567
in. Daft Ainesimbrota der Agido entspreche, habe ich nirgend!
betont, wohl aber, daA Aineömbrota, wie schon Rhjthmns, Silbensahl
und Yokalismns der beiden Namen rerrate, der Geffenpart Agesichoras
sii. Man wird — ahnlich wie bei Stesichoros (Wilamowits) — an eigens
zn heilicem Zwecke Torgenommene Bildnn|f bedentangsToller Namen
denken dflrfen. Daß Nenprignngen oder ümbildongen von Namen gerade
im Kulte nicht selten rorgenommen worden seien, ist an und für sich
plausibel und erst jüngst von L. Weniger. N. Jahrb. f. d. klass. Altert
1907. 8. 106, an dem fieupiele von Alpheiaia und Elaphiaia dMgetan
worden.
lY. Meiner freieren Paraphrase von Y. 95 ff. ral TlBUMig yap
afup 9mna 9C d^ß^oalaw &tB aij(ftQ9 &a%Q09 a^^fOfuvatuAjprtat: denn
ein SUbengeepann fiießt ihm gteieh einem Unehtenden Sternbüd voran
in den Streik liegt nicht eine irrige Gleichung udxoptM ifuv = mqo-
luKgovei ii^kPf sondern der Alkmansehe Text äfuv a«e»^o/[ft«raft fucjprvtu
sugrunde. Aus ähnlicher Auffassung der Stelle ist audi bei Buchholti-
Sitsler ifum als dat. e&wnn. erklärt
Y. Zu Y. 93 habe ich unter Hinweis auf ähnliche Wortspiele nnd
Bufiiamen bemerkt, die Zweite an Sehänheit nach Agido {& Sewi^
«c^ ^JyiSnv To elSog) könnte ^yielleicht* geradezu Dentera geheißen
haben; Tgl. oben lu III und ^evvaQog als Name 161ns. III 858. Über
die Bichtigkeit dieser Yermutnng lu streiten ist ebenso aussichtslos wie
ftberflftssig: auch wenn die fragliche Sängerin nicht ^evri^a geheißen
haben sollte^ sondern nur die davvSifa des Halbchors, besw. des 1. ioyop,
gewesen ist, bleibt meine Erklärung aufrecht; denn der Zusammenhang
lehrt die Unmöglichkeit, diese «Zweite* mit Agesichora su identifisieren.
YI. Ans Menander fr. 165 K. läßt sich natftrlieh nur erweisen,
daß man sich im Notfalle f&r die letiten £17« der Chöre mit &(p«^vo^
dvo xwhg 9 *9*^ zufrieden gab. Obligatorisch war die Yerwendung
solcher Figurantinnen nicht, und daß vollends Alkman su diesem Aus-
knnffeamittel hätte greifen mttssen, um sein Hemichorion auf die Zebn-
labl in bringen, ist mir gans unwahrscheinlich. Aber die weniger schönen
und weniger geschulten oder stimmbegabten Sängerinnen hat gewiß auch
schon Alkman hinter die Sterne seines Chors, die u^ftaioi Iltlnadegf
in die leisten Glieder gestellt, nicht anders als sein verschollener
dputymwtcnjg^ der nur Ober fünf konkurrenzfähige xaXliativoveai, (die
Hyaden?) verfBgte. Daffir, nicht fttr mehr, spricht die Menander-Stelle.
YII. Daß Y. 100 &üt' äftvvai zu allen Satzgliedern von Y. 99
bis Y. 107 ZQ ziehen sei, ist selbstrerständlich : aber die Mädchen be-
haupten klärlieber Weise nicht von sich, sondern von ihren Gegnerinnen
im Wettstreit unzulängliche Ausstattung. Dies wird u. a. durch das
Aktivnm dißwnu bewiesen« das nur vom konkurrierenden Gegenchor ee-
daeht sein kann: bezöge sich das Yerb auf den Alkmanschen Halbchor
oder auch nur einen Teil desselben, so müßte das Medium stehen.
Graz. B. C. Kukula.
Erwiderang.
Da Herr Prof. Kukula schon Gesagtes nur mit schärferem Nach-
druck wiederholty sonst aber gar kein neues Argument vorbringt, so bin
ich nicht in der Lage, auch nur einen einzigen meiner Einwände zurftok-
sunehmen oder su modifizieren. So sei es denn auch mir gestattet — an
zwei Stellen — schon Gesagtes nachdrucksvoll zu wiederholen. Ich be-
merke also:
ad L Daß man in dem Satze Y. 128 ff. n6vnv yetg &fU9 latnQ
{y§9to •* l{ l^yifeixoifag dk viütvideg tl^vag kgavag knißav.^ dessen beide
568 EntgegnoDg.
Aoriste jeder unbefangene anf die Vergangenheit beliehen muft,
nicht den einen yon der Zuknnft, den anderen ron der Gegenwart
yerstehen darf, muß nachgerade jeder begreifen.
ad IV. Kukula Tersichert, daß er in dem Satze val ÜBUutSBg yojf
apunf ävst^liewai (liroptM den Dativ i(U9 mit a^iiifoiupai, nicht mit
ftuxoptah verbanden nahe, eeht hin und übersetzt: «denn die PL fliegen
uns voran in den Streit^. Ja, heißt denn das nicht kurz gesagt s. v. a.
„sie kAmpfen für uns**?
Wien. Hugo Jurenka.
Entgegnung.
Das Heft 2 dieser Zeitschrift brachte auf Seite 149 eine Bespre-
chung des „historischen Schulatlas von Oberösterreich und
SalzDurg**, welchen ich auf Grundlage des akademischen historischen
Atlassee der österreichischen Alpenlander zum Gebrauche an den Öster-
reichischen Mittelschulen und verwandten Lehranstalten zusammenge-
stellt habe.
Ich wftrde nach der sympathischen Aufnahme, welchen der Atlas
gerade in den Ländern, für welche er versuchsweise bestimmt ist, g^
Funden hat — ich verweise auf Dr. Karl Bitter von Gömers Artikel:
Wo liegt Linz? in der Linzer „Tagespost* und auf Professor Dr. Hans
Widmanns in Salzburg Besprechung in den „Mitteilungen für Salzbnrger
Landeskunde** 1907, S. 382 — mich mit dieser Bezension zu beschaftigoi,
nicht ftkr nötig erachten, würde sie nicht in dieser Zeitschrift erschienen
sein, welche vorzugsweise in den Händen der Mittelschullehrer, aiso
gerade des &chmänniscben Publikums ist, und wäre nicht die Verlags-
Irma Ed. Hölzel mit dem Ersuchen an mich herangetreten , dem Herrn
Bezensenten gegenüber meinen Standpunkt zu vertreten, da er nicht mit
Unrecht besorgt, an seinem ohnehin nicht auf Gewinn berechneten Ver-
lagsunternehmen Schaden zu leiden.
Diesem Wunsche komme ich hiermit um so mehr nach . als mein
Motivenbericht dem Atlas nicht beigegeben wurde, weil nach Ifitteilang
des Hrn. Verlegers die Beigabe von Vorworten zu den Lehrbehelfen vom
Ministerium ausdrücklich untersagt ist. Dieser Vorbericht, der mir nun
zu Gebote gestellt wurde, lautete:
„An mstorischen Atlanten für die Mittelschulen, aus welchen die
Studierenden eine genügende Übersicht sowohl der allgemeinen Staaten-
geschichte als auch der Geschichte unseres Eaiserstaates auf die Hoch-
schule oder in das praktische Leben mitzubringen vermögen, ist sicher-
lich kein Mangel. Dessenungeachtet besteht in dem Unterrichte eine em-
pfindliche Lücke: über das engere Vaterland, in welchem die Unterrichte
anstalt wirkt, fehlt der Jugend jede eingehende Kenntnis, nur trümmer-
haft und verspätet wird dieselbe erworben.
Deshalb ist in Lehrerkreisen wiederholt der Wunsch nach Herans-
gabe eines Schulatlas ausgeproohen worden, welcher den territorialen Auf-
bau des Heimatlandes nach den einzelnen Zeiträumen in klarer Vorstellung
vor Augen führt. Zu diesem Zwecke sind Karten mit der modernen Nomen-
klatur zugrunde zu legen, damit der Schüler sich rasch orientieren, die
Geffenwart mit der Vergangenheit verbinden und die erlangte Vorstellung
aueh dem Gedächtnisse einprägen kann. Dem Erfordernisse, daß die
Karten wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit stehen, kommt gerade
jetzt das Erscheinen der ersten Lieferung des historischen Atlasses der
österreichischen Alpenländer entgegen, für dessen Zustandekommen an
umfangreiches, häufig ganz neues Materiale aus den Archiven zutage ge-
fördert worden ist. Nach diesem Grundsatze hat der Verf., welchem die
Bearbeitung der Sektion Oberösterreich des akademischen historischeo
Erwiderung. 569
AÜu übertragen war, sieben Eartenblätter über die historische Entwick-
lang der Kronländer Oberösterreich nnd Salzbarg zasammengestellt Die
Zosammenfassang von Oberösterreich nnd Salzburg war durch praktische
Erwägungen geboten. Da beide Lander jedoch keine gemeinsamen Epochen-
uhre haben, mußten in dem steten Gange der historischeu Entwicklung
BahepunktA gefunden und diesen die kartographische Darstellung in den
einzelnen Blättern angepaßt werden. Um nicht durch Vielheit der Farben
sa ermüden und die Aufmerksamkeit von der Hauptsache abzulenken, wurde
Flächenkolorit (mattrot für Oberösterreich, grün für Salzburg) nur für
den Grundstock der beiden Länder und deren allmählichen Zuwachs ge-
wählt, im letzten Blatte dagegen bloßes Bandkolorit angewendet, um die
nach der Zeitgrenze desselben eingetretenen Territorialveränderungen
(bayrische Grenze der Jahre 1810 bis 1816 und die schließlichen Abtre-
tungen an Bayern) augenföllig machen zu können. Daß sämtliche Karten-
blätter auf eingehenden Detailstudien beruhen und mehrfach dem aka-
demischen Atlas und den Abhandlungen hierzu vorauseilen, wird dem
Fachmann auf den ersten Blick klar sein.
Die Erläuterungen zu jedem Blatte sollen in summarischer Voll-
ständigkeit geben, was dem Studierenden zur Erbringung einer ausreichen-
den Kenntnis der Entwicklung des Heimatlandes von Wert sein kann; dem
Ermessen des Lehrers bleibt vorbehalten auszuwählen, was er hievon zum
Vortrage für nötig hält, oder als nicht erforderlich beiseite zu lassen hat.*^
Mit diesen Ausführungen dürften die Bemängelungen des Herrn
Beferenten dem fachmännischen Publikum der Zeitschrift f. d. öst. Gymn.
erledig sein, wenn nicht außeracht gelassen wird, daß der Atlas zum
historischen und nicht zum geo^aphischen Unterrichte bestimmt ist;
übrigens hat das Unterrichtsministerium ausdrücklich erklärt, daß —
schon jetzt — gegen die gelegentliche Verwendung des Atlas beim Unter-
richte kein Anstand bestehe.
Zum Schlüsse muß ich bemerken, daß die von mir angestrebte
Herstellung der Karten durch das railitär-geographische Insiitut, welche
allerdings auch den strengen Geographen mit Befriedigung hätte erfüllen
können, nicht zu erreichen war; ich mußte der auf kartographischem Ge-
biete wohlbekannten Firma Ed. Hölzel dank wissen, daß sie für eine neue
Idee, noch bevor selbe zur Anerkennung sich durchgerungen hatte, das
Kisiko übernahm. Billigerweise kann ihr nicht zugemutet werden, die
eigenen Karten beiseite zu legen und eich in große Auslagen zu stürzen,
auf deren Ersatz sie bei dem beschränkten Absatzgebiete nimmer mehr
hoffen kann; aus dieser Erwägung habe ich auch gegen die Belassung
der Eisenbahnlinien keinen Anstand erhoben, weil selbe in unserem Zeit-
alter die maßgebenden Verbindungen darstellen und eben deshalb rasch
die Orientierung vermitteln.
Graz. Julius Struadt.
Erwiderung.
Die vorstehenden Ausführungen geben mir keinerlei Ankß, meine
seineneit in diesen Blättern gebrachte Besprechung des in Hede stehen*
den Atlas tu revidieren. Nur so viel sei gesagt , daß es mir natürlich
ferne \%e, die guten Absichten des Herausgebers und des Ytrh^^f^xi irgend-
wie in Zweifel lu ziehen. Daß mir die dabei angewandten l^Iittel unsu*
länglieh erscheinen, ist allerdings wahr; aber ich kann ntin einmal nur
meine persönliche Überzeugung vertreten. Die materiellen lotereesen des
Verlages kommen dabei freilich nicht in Betracht.
Wien. B. Imeudorf
j
Louise Kiiarit d&heito, dADQ iD der Volksicbol« iiDternebf
'bfaucbt^ ei das GjmtiasiQiD id Salzbari?, wo loebeiondere ]
aod der b^rObrnte Geograph Eduard Eiehter auf ibn ein
(ISST) bezog ar die UoiTeräit&t lunsbract ood ToHend«!
1S8S— 91 iu Wku, dort eio i?chflkr L V. Zingerlea, bi4
Minors. 18^2 erwarb er etcb das Doktorati iwei Jabre spl
LebramtsprOfati^ (fär Deutacb ah Haupt- Qid klastkichi
Käbenfa€bj ab. Yotd Eeibüt IBH bii JatiQar 1B95 war er
am Mailmilian&-Qjniiia&iQm, bia Herbst 1896 Sapplent
GyrnuasLums. Darauf wirkte er fflaf Jahre an d«m damalt l
Karlibader G jnm&sinm ^ bia er &d da» Bemalier G7TI11
wurde; 1905 k%m er in die VIII. Raeigeklaiie. So tcb«!
Leben gleichiani geradlinig kq ?er|aafea ; ati elDen DOrmaj
Bcblifiüt sich der normale cursus honorum des daterreit
•cbnllebrere. lfm erstö HAlfte sei nee Lehens bat Baner iq
Städten, die Eweite^ fon den ffiof Karlsbader Jahren abg«
Gt^bartsst&dt Wien ? erlebt Qod dje Ferien gettObBlich tfl
Mondiee, if^ er zwei Vülcn be«&&, zugebracbt; weitere
ibn naeb Frankreich nnd an die l^ordsee* Er war ron kieioi
WacbSf in kCirperlieben Übungen nicbt angewandt, aber j
naiiattr dann all Frofeiior (1903) heftigen AfTekttonen
gesettt und hat eine antweifeihafc forbandeoe kranktaa
dnicb angeitreDgte :^tnbenarbeit noeh gefordert. Am 2(
ist er emef Lungen* und Kippe □fellentEÜD düng erlegen.
Die schriftstellenicbe Tätigkeit Bauers setzt on
■einen Stndienjabren eio und dauert bis zu seinem Lebeni
TerOfientlichte er (Zeitichr. t ± Qiterr. Gjmn« XLV 704^
^Sieben Gedlcbte Goetbes') naeb ihren Gedankengängen
Arbeitt Ton welcher Wilhelm t, Hartel noch ein Jabri«
Entzücken zu sprecbeti pflegte. Nicht «0 bekannt, wie si« 1
leicbnet sie aicb dnrch eigentümlich feinsinnige* wann- ]
InterpretationakuDSt aus. Von biographiscbeii und lit
Einzelheiten wird nur daB schlecbthin Unerlli&Ucbe bägeli
Pedanterie dort, wo die EJohildungRkraft dei Diebtera i
la VorBtellang springt, die Igglache Bracke g««cbtig«iu
i\ /^.Ji.-ij
Profp Dt* Fntfdrich Bauer«
571
ehttlpraiif, r&rntkd Bauer seböD hier «owobl prosaische Parapbra-
1^ de» ^a&ien Gedicbui ali aucb iQBatBiiieobaQgloBei ErlänterD ein'
' StellerD. ,Deü fortlaufenden GedaDkeogang eiDCi Gedicbte» ao der
blt^ag telbit tu entwiekeln'^f Bcb webte ibm uia Ideal solcher Eie-
Ifor, und aus demielbea Geiit heraui urteilte er alliremeiner: ^Der
nda and fracbibare Botit^^ dea SehQier aus der Ltteraturstiiado
laeo, btitebt in dem feieb&rfteii VefitAndiiii ftr die 3cb0abtit
fiieber Kunttwerke sowie io der damit Hand in Haad ^ebacdea
|k«il aod Freude det GealcüeDs''.
[m lelbeo Jabre ffibrte Bauer (CbroDik dei Wiener Goetbe- Ter eins
X$S,i twiieb^D Haue ^acbiens eteifleiBenem GeaprSeb „Die neun Gab
[of* und «H&nä SachfleoH poetiaeber SendttQg" einen anztebenden Ver-
Idab doreb. 1895 beipracb er (Zeitacbr. f. d. Dtterr. Gjuid. XLY 76S—
Hl tifigebend daa erite Heft auierer Facbseitacbnft ^fEtipborlon''') und
bis an] Schillertage im Verein nGloeke' einen aebwungTOlIeD Vortrag
Du D/aiii&tliebe in Sebillera Balladen^« ^ier 1897 in Karlabad gedrackt;
Evü. FrQcbte der 1690/91 nnd 1891/92 im SeiniDar Minor« ani^eatellten
lucbungen Ober den weitreicbeDdeD nod tiefgebenden EiDflaü Law-
Stern«! aaf die deütacbe Uichtucig wareß Bauers Programme
iMcbar Hnnsor in Immermanns MQnchbaaten^ {Eliaabetta Gjmn.
Qsd ^Ober den tünflaü L, Sternea auf Cbr. M. Wieland*" {Karlsbad
1899, 1900)^ an Umfang und QuaHtät daa bedeutendste, waa aas
Seminar QbnDgeti herforgeg;an§;en ist. Klar diaponiertt fein nnter-
iend, srefai^r urteilend trägt die zweitgenanute Sebrift fiel lur Er-
nii ron Wienands BcbafTeneffeiae bei'L
1903 TerÖffeDÜichte die ^eitachr f. d. Ost Gjrmo, {XLV S53— 370,
r tineEü Vonrag in der ^MiitelBcbule**) Bauen p&dagogiaebe Stndie
[nenere deatsche Literalar im Lehrplan der Mittelschule'', welche nach
krlicber ErOrteruDg des Für and Wider w fc^lgenden Theaen gipfelte:
Uaterricbt tn der deutschen Literatori^eechicbte iat über Goetbea
btoaai bit anr Gegenwart lortsuführen, 2. Der literaturg escblchtliebe
gebt iat über alle «ier Klaaeen de* Obt^rf jinnasinmft in der Art zu
Qiö^ dai^ man in der V. Ktai^e Ton den älle&teD ZeLten bis tnr
if der nbd. dcbriftapraebef in der VI, Elaßse bis xtim juagen Goethe»
^r VU* Klaise bJi la Goetbei Tod, in dt^r VI iL Kiaase bia aar
ttwart galangen würde, 3. Zar UnteretHtzung dee dentscheo Unter-
In den oberen Klaaaen iat eine reicb liebere Eiuatellnng toü Dich-
jm dra 3t IX, Jahf hunderte in die äcbQlerbibliotheken wOitscbentwert.
^diDg«t »cbon Tor Bauer hatten vereinzelte GenDaaiaten, bierinlande
, tiell ^ehOnbaeb |£apb. i 9 ff,) and Minor Erweiterung dea deatachen
Ulr- und Leaeitof ee über den 5cb]agbaum dea Jabres 1832 her gefordert
lil ferteidigt; ea bleibt dennoch Bauers Verdienet, dteae Fordernngen
m der pidagogificben Öeite her anterttützt und zq praktiachen Darcb^
latoficbligen ausgewertet lu haben. Was in dieser Richtung biaber
.»nrde and noch erreicbt werden wird, gehilrt tum guten Teil
Konto,
and 1905 eracbien in zwei itattlichen Bänden «,Karl ScblUers
Ibutb der deutaehen Sprache in 2. g&nziicb umgearbeiteter und fer-
»r Attflage, heranagegeben ?on Friedrich Bauer nnd Franst Streini",
,2« Alf läge'* hatte mit der ersten ilSTl) hertlich weaig gemein,
1) Ebenda ferner (S. 234— 238) JuL Haths »Äu»führlicbei orthogr.
rbocii der den lachen Sprache" (1894) nnd [S^ 7t>>— 768) die „Deatsche
Inrkn^de'' (1689 f von P* Erfurth und H. Lindaer,
_ *\ Von einem am 9. Man 1898 im Karlsbader Knrhant gehaltenen
ertrag' «Ober dentsehe Namengebuing mit besonderer BerQeksichtigung
iff£arUb»der Familiennamen*' erschien der apeiielle Teil im Karlabader
lii 13. und 16. März 1898; das ganze Ma. iat in meinem Besitz.
572 Prof. Dr. Friedrich Bauer.
welche aus «deutschen Uoterriehtsbriefen in systematischem Stofennag*
nnd einem «WOrterbnch der dentschen Sprache and der gebrftQcuichcii
Fremdwörter* bestand. In der Nengestaltang macht das Wörterbuch ^
den I. Band ans: die Vokabeln erscheinen nun in nener Beehtschräbiiiie;
die etymoloeische Herkunft, der Begriffsinhalt, die formalen nnd syntak-
tischen Möglichkeiten der einxelnen WOrter werden durchgängig hsnrer-
gehoben, ein Yerseichnis der gebräuchlichsten Vornamen (?on £ul Badlof)
und eine Tabelle der starken nnd unregelmäßigen Zeitwörter beigeAgt
Im gansen ein sehr brauchbares, dabei TerhältnismäOig billiges Wörter-
buch fOr Schule und Haus, mag es gleich, was nicht ferschwiegen werden
soll, wissenschaftlicher Kritik manche BlOße bieten. — Der IL Band des
neuen „Handbuches^ ist von den Unterrichtsbriefen a la Langeoseheidt
der 1. Auflage gänzlich unabhängig und scUeohterdings ein neues W«k.
Hier bewiesen sich Bauer und Streins als gewandte Organisatoren wisses-
schaftlicher Arbeit, indem sie die Rechtschreibung durch Artnr Braadets,
Syntax, Stilistik und Poetik durch Artur Petak und die deutsche Literstsr-
Seschichte (leider nur bis lu dem fatalen Scblagbaum) von Valentin PoUsk
arstellen ließen ; in die Grammatik teilten sich die Herausgeber so, daß
Streinz die Lautlehre, dann die Formenlehre der Nomina und Verbs,
Bauer den Best der Formen- und die Wortbildungslehre llbernahm und
beide gemeinsam einen Abriß der Sprachgeschichte ausarbeiteten. So gaben
f&nf Österreichische Mittelschullehrer in bescheidener Form eine Ensj-
klopädie des germanistischen Wissens, soweit dasselbe fflr den mittlenD
Unterricht in Betracht kommt; leider ist das tQchtige Buch außerhalb
Österreichs yiel zu wenig und im Vaterlande lang nicht genug gewürdigt
Schon um des trefflichen Kompendiums der Literaturgeschichte willen
wäre es lebhafteren Anteils wOrdig.
Gipfel und Abschloß yon Bauers literarischer Laufbahn bildet dss
„Deutsche Lesebuch fflr Osterreichische Mittelschulen", das, tou dem
Dahingeschiedenen im Verein mit Streins und Franz Jelinek heraiisg[egeben,
seit Ende 1906 im k. k. Schulbflcherrerlag erscheint. Bisher sind »s-
gesamt (mit der Jahreszahl 1907) die Bände I, II, V^) nnd VI TeiOffeat-
licht; an den Vorarbeiten fflr Band III hat Bauer noch Anteil gehabt
Die Herausgeber des Lesebuches hatten keine scharf abgegrenzten Arbeits-
gebiete und so ist es nicht ganz leicht, den besonderen Anteil Basen
festzustellen: immerhin Terdankt man ihm allein mehrere literarhistorisebs
Abschnitte des VL Bandes, ferner den Eikurs flber das Drama (ebenda)
und die ebenso scbOnen wie tiefen Geleitworte zu den einzelnen Bänden;
als Stoffsammler betätigte er sich Tornehmlich auf dem Gebiete der Lyrik.
Im flbrigen fließt seine Arbeitsleistung mit der Ton Jelinek und Streini
zusammen. Gleich ihnen hat er auf Grund der behördlichen Instruktionen
bei steter Bflcksiehtnahme auf den sonstigen Lehrplan der betreffenden
Klasse und auf die Fassungskraft der Terschiedenen Altersstufen prosaische
und poetische Texte aus der gesamten Nationalliteratur zu Hanf getragen,
dann in der großen Masse engere und immer engere Wahlen getroffea,
endlich das definiti? Gewählte gruppiert und kommentiert, fiiebei fiel
der Löwenanteil der Arbeit den unermQdiichen Genossen zu; Bauers Sache
war es vielmehr, wenn ein Band im Mannskript Torlaff, als pädagogisch-
literarischer Feinschmecker das Ganze nochmals durchsugenießen, strei-
chend, einfflgend, umstellend, kflrzend, erweiternd, all dies mit gewissen-
hafter Sorgfalt und einer Umständlichkeit, die den Mitarbeitern nicht
immer willkommen war. Gerade heutzutage, angesichts der geistiosen
Anthologien-Fabrikation, wie sie Tiele Literaten betreiben, iet der Nickt-
Pädagoge nur allzu leicht geneigt, die an ein Schullesebuch gewendete
^) Vgl. Josef Janko, Zeitechr. f. d. Osterr. Gymn. LVI 420 ff.
*\ Vgl. diese Zeitschr. LVIII 605 ff. (Ad. Hausenblas und F. Spina);
..Zeit" 1. Aug. 1906 (Ludw. Singer) u. a. Tagesblätter.
Prot Dr. Friedrieh Bauer. 573
Arbeit xa nnterscfafttien ; wer je einen Blick in Baaen und leiner Kollegen
Werkstatt getan, blieb Tor eoleliem Irrtam bewahrt. Anf die p&dagogiscben
Verdienste diesee Werket, das den Verblichenen bis aar Todesstonde
beschäftigte nnd seinen Kamen am lingsten der Naehwelt erhalten wird,
kommen wir noch xnrftck.
Unser Überblick über Bauers literarische T&tigkeit lAßt dieselbe,
somal wenn man erwftgt, daß sie sich Aber Tiersehn Jahre erstreckt, nnd
wenn man fergißt, daß es sich am einen TielbeschAftigten Mittelschal-
lehrer handelt, als quantitativ gering erscheinen. Aber ans seiner Feder
floß nichts Minderwertiges, nichts Belang- und Gedankenloses. Sein Bestes
leistete er, wenn er sich mit den Fragen beschäftigen durfte, die ihn am
stirksten ansogen, Fragen nach dem Wesen der Poesie und ihren Gat-
tnngen. Zudem gebot er über ein nicht geringes Maß stilistischer Kunst ;
die Festrede Aber „Das Dramatische in Schillers Balladen", die Geleit-
worte des Lesebuchet bezeugen das.
Von der Verantwortlichkeit seines Berufes war Bauer tief durch-
drangen. Seine Vorträge pflegte er im Manuskript sorgfältig ausiuarbeiten,
nicht nur die literargesohichtlichen, auch die grammatikalischen. Doch
sprach er Tor seinen Schttlem selbst TßUig frei; er war der Meinung, daß
nur der freie Vortrag wirken kOnne. Zur Illustrierung rergangener Zu-
stfnde nnd Tatsachen zog er oft die Gegenwärt herbei. Die Korrektur
der sehriftliehen Arbeiten nahm er mit peinlichster Sorgfalt Tor, jede
Note an einem hochentwickelten Gerechtigkeitsgefflbl prOfend. Anfangs
griff er allerdings im mflndlichen Vortrag su hoch; später aber lernte er
Tortrefflich, sich auch den schwächeren Schülern Terständlich zu machen.
NsmenUich in stark besetzten Klassen begegnete es ihm bisweilen, daß
er den Torgeschriebenen Lehrstoff nicht fOlliyr bewältigte, aber dieser
Mangel floß aus einem Vorzog, seiner Gründlichkeit nnd Gewissenhaftig-
keit, die ihm nicht gestatten wollte, im Lehrgang fortzuschreiten, ehe er
nicht die absolute Gewißheit hatte, alUieits Terstanden worden zu sein.
Er liebte seinen Gegenstand nnd er liebte die Schüler; er wußte diese
für jenen zu erwärmen nnd brachte es dahin, daß die Arbeit des Lernens
grftßunteils in der Schule vor sich ging. £s war den ungebärdigsten
Jungen schwer, fast unmöglich, ihn in Zorn in bringen ; aber seine Freode
Aber gute, sein Kammer über schlechte Leistungen waren so un? erkennbar,
daß s, B. die Knaben in Karlsbad erklärten, sie lernten bei Prof. Bauer
nicht sowohl ans Furcht vor schlechten Noten, als vielmehr, damit er
lieh nicht so gräme, wenn sie nichts wüßten. Er hielt viel auf telbstän-
aes Denken nnd Sprechen der Schüler und wußte privaten Fleiß zu
ätzen; aber er wurde nicht müde, vor Oberanstrengung im Stodium
n wtraen.
Und doch ^ wenn der Sprecher dieses Nachrufes überhaupt in
derlei Dingen ein Urteil wagen darf — lag der Schwerponkt von Bauers
pädagogischen Verdiensten nicht im Schulunterricht. £s ist kaum zu
lengnen, daß seine zarte, tentitive, der Außenwelt abgekehrte PertOnlich-
keit ihn nicht inm Ideal des praktischen Schulmannes qualifizierte, so
eifrig er diesem Ideal sich zu nähern strebte. Sein Bestes gab er der
teteneichischen Mittelschule nicht vor der Front, sondern als Schrift-
iteller. Sein »Handbuch" erweist sich alt vortreffliches Hilfsmittel für
Mittel- und auch Bü^erschullehrer; das Niveau des Buches liegt wohl
nicht allzu hoch, niehtzdesto weniger bleibt es ein treffliches Besamö der
wichtigsten Erkenntnisse unserer Wissenschaft. Das „Lesebuch'' aber
koount Lehrern und Schülern in gleich hohem Maße zugute. Es unter-
Mheidet sich von seinen Vorgängern vor allem dadurch, daß es seinen
I<«sestoff unbefangen der gesamten Nationalliteratur einschließlich der
jüiwsten Periode entnimmt, also ganz im Sinne jenes programmatischen
Aufsaties von 1908, daß femer in den eigentlich literarhistorischen Ab-
ichnitten das entwicklungsgeschichtliche Moment sehr stark hervortritt.
574 Prof. Dr. Friedrich Baner.
da5 endlich in den Anmerkangen eine feinffthlige und takIfoUe Iote^
pretaUonBiranit geübt wird. Am anfflUigiten wirkte die GraBiTcnehiehviig
gegen die Jetstieit her; von ihr ist in den Kritiken nnd im PnbUkim
mmeist die Bede gewesen; ihr ferdankt das Lesebuch eine eigenttanlieba
Frische nnd Lebendigkeit, deren Beis auch auf den Niebtschfller wukt
„Die Heraosgeber*, schreibt Bauer im Begleitwort tnm L Bsndc,
^»lieAen sich ?on der AnsehaDang leiten, daß eine Haoptanfgabe dei
Unterrichtes im Deutschen in der Fflege der Phantasie und des Gemfttet
bestehe, die geeignet ist, die in anderen Unterrichtsflchem entrebte
Ausbildung des Verstandes und Obung des Uedichtnisies wohltitig ts
erginien; daft ein Deutsches Lesebuch fflr Hittelschulen nicht dasn be-
stimmt sei» sachliche Belehrung lu geben, sondern den Sinn fflr die Fora
sprachlicher Darstellung su wecken. . . Die ausgezeichneten Lehrbfleher der
Geschichte, der Geoffraphie und der Naturffeschichte« Aber die wir beste
Terfflgen, die ausgebildete Methode des Unterrichtes in jenen Flehen
und ihre mannigfaltigen Behelfe lassen es als flberflflssig erscheinen, dem
Lesebuchs fflr Mittelschulen einen enijklopftdischen Charakter la fw-
leiben und dem Lehrer des Deutschen die Behandlung ?on Lesestflekes
sniuweisen, fflr die ein besonderes Fachwissen wflnschenswert wire. Mebr
denn jemals vermag heute ein Lesebuch fflr Mittelschulen seiner cigat-
lichen Bestimmung treu zu bleiben nnd im Interesse einer allseitiffeD
Ausbildung dei Geistes der Poesie einen Platz im ersiehenden Unterriote
zu sichern. Genug, wenn die hier gebotene Lektflre das nach Botfaltan^
dr&ngende Innenleben des Knaben kräftigt und bereichert, klftrt und Tsr-
edelt; wenn es dem jungen Leser Gelegenheit bietet, die Welt mit dem
Auge and Herzen des Dichters su erfassen, dem sich der Sinn der J^eod
so nahe verwandt fflhlt. MOgen die flbrigen Unterricbtsstnnden Winen
und BilduDg reichlich Termitteln; das Lesebuch soll die Knab» vor der
Meinung bewahren, als mflsse immer und flberall etwas gelernt werden,
als sei die in gewissem Sinn zwecklose Betätigung der Kräfte in Spiel
und Kunst des Gebildeten nicht ganz wflrdig. Es soll die Schfller vor
Buchgelehrsamkeit und ähnlichen Sulturkrankbeiten bebttten nnd helfen,
unsere Juncren jnug zu erhalten. Scheinbar ein wenig außerhalb der flbrigen
Erziehungsbehelfe stehend, vervollitändige es so die auf eine harmoniseb«
Ausbildung des jungen Geistes gerichteten Bestrebungen."
Von höherem Standpunkt, mit größerer Einsicht und Saehkenntaii
läßt sich die Aufgabe, ein Schulbuch herzustellen, nicht auffassen, und
dieser Auffassung entsprach, was zustande kam. Jeder der bisher erschie-
nenen vier Jahrgänge fflr sich bietet eine trefflich abgerundete und
gewissermaßen zusammenhängende Lektflre auch fflr Erwachsene; nss
vollends dem Gymnasiasten ist hier ein Boch gegeben, das ^nicht des
Schulbuben quält, sondern den Jflngling apostrophiert*. Bd. VI ist weniger
Lese- als Lehrbuch oder beides zugleich, er enthalt einen Abriß der
Sprachgeschichte, dann eine reichlich mit Teztproben durchwirkte, teil-
weise ausgezeichnete Literaturgeschichte von den Anfingen bis auf Leesing
und Wieland mit besonderer Hervorhebung des Österreichischen Anteils,
dazu noch in einem Beiheft eine mhd. Grammatik nnd Metrik tu mtee
und ein mhd. Glossar*^. Sogar eine Poetik fehlt nicht, sie ist auf Bd. V
und VI verteilt. So bietet das Boch unzweifelhaft mehr, als der Dirch-
schnitt der Mittelschfller lernend aufnehmen kann; es will eben niebt
nur ein Lehrmeister, sondern auch ein unterhaltender und kenntnisreidier
Freund der Jugend sein und womöglich Aber die Matura hinaus bleiben.
Der Lehrerschaft selbst, meinen wir, mflßte ein auch den Gebildeten an-
ziehendes Lesebuch wie dies willkommen sein; nnd die fachliche Kritik
hat es denn auch freudig begrflßt. Wir Österreichischen Germanisten aber
*) Bd. y und VI sind auch, lehrplanmäßig verkflrzt, bezw. crweiteit,
fflr Realschulen ausgegeben worden.
Prof. Or*Frtodrloh Bi««r.
5TA
MiH
frfoan onf Btidlot eioar lo Iflehtiftn Ltlilonf ttiiivrfr Kull«|fi
übertreibt nicht, wenn mio der GleBenItoB, weUb« vetii I#h«IiH(||« de»
Triae doreh das ganie OjmBMiom geleltel wtrdtn wirdi bUlliiiHileH iU
vioB weiüagt, und in dem geltllfen BlnlbreUlittf iwImIüh Mmn) mniI
HechicIinU wird die Aoffrleebuf t weleht der mtlller« UnliMloNft inn
drei SeUIen HaiaMle nnd Minore ompfOBfon bMf mlilil Mt^U wle^«^
der XSwxwmrnOt sagvto komnon.
wardon dio MUimfffitMlien KI«fri«Mi« fkn
iWrvofon^ elokorlieb MOb Tofok« f^«b«r MtihnnHUBH
bo oetee» Loben ein io j/Uieo Kn^e ^mt^iMH »ttnu,
deabbif beoebeidonelo. f;ef Mihftt^h, ikhttf imm^j
btfo MnM fdUflo lo fr^^ofof 0«eo^M4W*
ünknd M e<»iroi#oo^ iro»o o^ o^f^^^u,
m4 In woMmomoo f'o^doo ^.f^ p^«l
«»o er^ny OMO foo^ fr«iH[r^ l^#o^4>#
"'""' ~^*o> er ISiM OM« ^/4»MWf4 #>M4M
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Mimrooto nw<r»t<, »4r»<iimi»#.^ «o
ftr /«US A ^-^««^ # «irfiMM» /^mtiM^
576 Prof. Dr. Friedrkh Baaer.
der Metaphysik, beugte er sieh in demfttiger Ehrfurcht ?or den Uner-
forscblichen.
Nan raht, was an Friedrich Bauer sterblich war, in der Side
Gmondens, dort, wo seine schOnheitsdurstigen Augen so sehnlich, was die
Wimper bftlt, Ton dem goldnen Überfluft der Welt tranken. Der TItsib-
stein, Ton Schleifers und Lenaus Poesie umflossen, blickt auf das Qrsb
def ScbwermfttigeD; der kühle Seewind streicht darflber hin. Viele und
echte Trauer heftet sich an dies Grab eines Osterreichischen Gjnmasiil-
lehrers. Seine Familie hat ihre Zierde verloren, seine Schflier einen treff-
lichen Lehrer, seine Lehrer einen trefflichen Schiller, seine Amtsgenosses
einen mosterhaffcen Kollegen, die Wissenschaft einen hingebenden und
begeisterten Jflnger. Und die kleine Schar der ihm naheatehenden Studien-
genossen vermag sich noch heut, nach Monatsfrist, mit der Taksaehe
seines Todes kanm abzufinden. Jene akademifohe Generation, die um die
Wende der 80er und 90er Jahre an dieser hohen Schule Germanistik
studierte und sich deutlich von frflheren, noch deutlicher von apitenn
Jahrgängen abhebt, hat in Bauer einen ihrer Besten eingebflftt Eis
klassischer Nekrolog, den das Lesebuch der Drei an das Ende des
V. Bandes stellt, rflhmt einem in treuer Ausflbung seines Beriifes saf
dem Felde wissenschaftlicher Ehre gefallenen österreichischen Fonebet
nach: „Noch ist es wie ein wilder, wfister Traum, daß der Freund uni
so plOtslieh entrissen ; noch glauben wir ihn leibhaftig vor uns tu sehen.
Schwer gewObnt sich die YorsteUung, das Gefühl an die klaffende Likke
der Wirklichkeit, nie aber wird er unserem Gedächtnisse entschwindeoi
nicht wird er gestaltlos im Reiche der Schatten schweben". Dieselben
Gefohle bewegen auch uns. Fahr wohl, Dn guter Kamerad ! Nie wirst
Du Deinen Freunden, solange sie selber leben and arbeiten, zom imriß-
loseu Schemen werden; Zug um Zug bleibt unserem Geiste Dein edJe«
Selbst eingeschrieben, und so oft wir es heraufbeschworen, wird es sni
fiber das Gemeine, das alle su bändigen droht, emporheben, wird es ani
anspornen, der Wissenschaft und der Schule so besonnen, so treu, to
selbstlos SU dienen wie Du.
Wien. Prof. Robert Frani Arnold.
Erste Abteilung.
Abhandlnngen.
Züin aotiken Bibliotheks- und Buchwesen.
Unsere Kenntnis antiker Bibliotheksanlagen beruhte bis vor
wenigen Jahren im wesentlichen anf den Ansgrabnngen zu Hercn-
laoom (vgl. D. Gomparetti nnd G. de Petra, La Tilla dei PisoDi.
Torin 1888) nnd Pergamnm (Sitznngsber. d. Berl. Akad. 1884 U
1286, Dziatzkos Sammlung bibliothekswiss. Arbeiten X 88). Seither
worden in Born Beste der biUiotheca Umpli divi Augu^i (BOm.
Mittel]. XVII 80), in Ephesns dnrch die Grabungen des Osterrei-
ebisehen archäologischen Instituts (s. Jahreshefte VIII, Beiblatt 61
ond Mittel], d. öst. Vereins f. Bibl. X 97) solche der biblioiheca Gel-
mna, endlich in Afrika durch die Tätigkeit von Franzosen solche
der Bibliothek von Timgad freigelegt; Tgl. die orientierenden Ab-
hindlnngen von B. Gagnat {Les biblioihiquea municipahs dans
l'mpire Romain. Sonderabdruck aus dem 88. Bande der MSmoirea
priseniSs ä VAead. d, Inacripi. 1906) und E. Jacobs (Zentral-
bUtt f. Bibliotheksw. XXIV [1907] 118), die auch ein fragUches
Oebftode in Pompeji erwahneu. Bei letzterem ist, was bei der Art
▼OD Cagnats Zitat (wohl einer Korrekturnotiz) begreiflich ist, über-
sehen, daß die Oberlicht-Theorie lär Ephesns nicht mehr aufrecht
erhalten wird. Heberdey stellt eine eingehende Untersuchung über
sntike Bibliotheksgebaude in Aussicht , wobei auch die Hadrianstoa
in Athen berücksichtigt werden soll. Aus der meist sekundären
Darstellung Ton J. W. Clark ^) mOchte ich nur für die sp&tere
Entwicklung der Bibliothekseinrichtungen hervorheben, daß die
j^tzt gewöhnliche Aufstellung der Bücherkasten erst bei der von
Philipp II. im Escurial gegründeten Bibliothek üblich wird; bis
dahin standen die Kasten normal anf die Wand.
>) The Gare of Booha. Cambridge 1901; die 2. 1902 erschienene
ioflage hat mir nicht vorgelegen.
Ztftiehiifl f. a. Mm. Qjmn. IMS. VII. H«ft. 37
578 Zam antiken Bibliotheki- and Bachwesen. Von W. WeMerger.
Die Bibliotheken von Ephesus nnd Timgad bieten im wesent-
lichen das gleiche Bild: einen Lesesaal, dessen in zwei Reihen
übereinander angeordnete« wie man annimmt mit Holz verkleidet«
Nischen^) znr Anfnahme der Handbibliothek dienten, nnd Depots,
die man namentlich in Ephesns gegen Fenchtigkeit (durch doppelte
Mauern) zu schützen suchte.
Wie für Bibliotheken der Spaten, so scheint für Fragen dea
Buchwesens Neues die Befolgung des Grundsatzes zu bieten, be-
stehende Meinungen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Theodor
Birt bringt unter dem TiteP): Die Bachrolle in der Knnst
Archäologisch-antiquarische Untersuchungen zum antiken Buchwesen
(Leipzig 1907) eine reiche, allerdings nicht einwandfreie*) Fülle
archäologischen Materials, kommt dabei auch auf verschiedene
Fragen zurück, die er in seinem Werke: Das antike Buchwesen
(Berlin 1882) behandelt hat, und h< noch immer für die ültere
Zeit am Groß rollen system, für die sp&tere an der Normal-
rolle fest; er glaubt also, es müsse z. B. Herodots Werk in
einer Bolle enthalten gewesen sein, weil die Bucheinteilung nicht
auf den Autor zurückgehe, und die Äußerung Galens, es ließe sieh
über einen bezeichneten Gegenstand ein ganzes Buch von mehr als
') TgL Plin. £p. II 17, 8 (armaria parieti tiuerta)^ Bemda Po-
chomii Migo. Patrol. Lat. XXIII 77 (fenestra in qua Codices coüocantur;
dasQ J. M. Besse, Les moines d^Orient antirieura au coficüe de (^tüd"
daine» . Paris 1900, 8. 392: . . armoire creueie ä cet effet dans Vepait-
seur du tnur, Les aolitaires igyptiens d^osaient hahitueUement Ut
manuscrits dans ces sortes aarmoires gu*ils appeüaient des fe-
netres). — Ein 1847 an weit vom matmaßlicnen Standort der alezsndri-
nischen Bibliothek gefundener Steinblock von rechteckiger Form mit der
Aufschrift ZilOCKOPI/iHC t TOMOI (vgl. Bevue archiol IT 2 [184S|
758; G. Botti, Plan de la vüle d^Alexandrie. 1898; 0. M. B. Blomfieid,
VempUkcement du musU et de la hihlioifUque des PtoUmies, Ball, de la
Soc. archdol. d'Alexandiie. N. S. I [1904] 15) kann nach seineu Dimeniionen
(488 X 894 mm; die AuehOhlong Jet 254mm lang, 208 mm breit nnd 76 mm
tief) nicht für die Bibliothek in Anepraeh genommen werden. Gardt-
hausen, der ihn (Berl. phil. Wochenech. 1907, 852) als Teil eines Denk-
mals erkl&rt, konnte für die Übung, solche scrinia als Stützen le ler*
wenden, auf A. Brinkmann, Ein verschollenes Belief ans Neamagen. Bonner
Jahrb. 114, 466 Terweisen. — Der gebohlte Stein einer koptiichea Kirebe,
in dem in gefahrvollen Zeiten ein Psalter geborgen wurde, kommt nicht
in Betracht, da er ja nicht sor Aofbewahrnng von Bachern bestinunt war;
vgl. The earliest knaum Coptic Psalter . . . edited from ihe umq}H
papyrus Codex Oriental 5000 in the British Museum hy E, A. VfaUis
Budge. London 1898, 8. YII, Wiener Sitiangsber. GLY 1 (1907), S. 2.
*) Vgl. anch seine Anfefttze: Schreibende Gottheiten. Nene Jsk^
bQcher XXII (1907) 700—721; Bachwesen and Bauwesen. Bhein. Mni
LXIU (1908) 39—57.
') Vgl. E. Pfahl, Zar Darstellang von Baehrollen auf Grabreliefi.
Jahrb. d. dentschen archftol. Inst. XXII (1907) 118—182. ^ Auf den
titulus der anter Nr. 156 abgebildeten Bolle lese ich Horatius; Mao
gibt (BOm. Mitteil. YIII [1898] 20) Borne ras an nnd Birt wandert nch
Über die lateinische Namensform, da doch an einen griechischen Text n
denken sei.
Zam antikeD Bibliothek»- tind Bachwesen. Von W. Weinberger. 579
1000 Zeilen schreiben, bezenge, daß eine gewisse nnterste Orenze
des Baebnmfanges mit Bewußtsein beobachtet warde^).
S. 285 kommt Birt anf die camua zu sprechen, worunter
man gewöhnlich Knöpfe an dem Stabe {umbilteue) versteht, um
den die Bolle gewickelt wurde. Solche Knöpfe weist tod den zahl-
reichen Bildwerken, die Birt — zumeist im Originale — herange-
zogen hat, kein einziges auf. Was man z. B. bei Heibig, Wand-
gemälde 1725 (Niccolini, Le ease ed i numumenti dt Pampei II,
LXXXVn 2') (tr camua (vgl. den Eingang der Tristien: Candida
nee nigra camua fronte gerae) erklärt hat, sind tUuli. Die feste
Verbindung des Stäbchens mit der Bolle war nach dem Befunde
der Papyri Ton Herculanum und nach Stellen von Autoren (Lukian,
TtQbs xhv ixaidßvtop 7 : 6^q>aloi)g ivxi^rig) keinesfalls die
Begel; vielmehr wurde der Stab nach Bedarf für Terschiedene
Bollen, die man eben benutzte, verwendet. Dabei wären solche
Knöpfe eher hinderlich gewesen. Auch der Gebrauch von zwei
Stäbchen ist vorauszusetzen, da Bollung von beiden Enden auf
Bildwerken nicht selten begegnet. So erklärt es sich, daß beide
Enden der Bolle in gleicher Weise verstärkt und gefärbt wurden.
Auf diese verstärkten Enden bezieht aber Birt den Ausdruck eomua^
wobei er auf den Parallelismus zwischen explioare aeiem und ex-
plieare vclumen hinweist. Man wird also den Schülern bei Be-
nützung des Hensellschen Modells wohl sagen müssen, daß die
Bolle nicht immer an das Stäbchen geklebt wurde, daß
dessen Knöpfe nicht sicher seien und daß unter eomua
auch die (mit Bflcksicht auf die stärkere Abnützung) verstärkten
und (im Hinblick auf die Verwendung als Außenseite) gefärbten
Ende der Bolle verstanden werden können.
Ein anderer Fall, in dem es für eine herkömliche Meinung
zum mindesten keinen Beweis gibt, ist der gemeinTerständlichen
(auch für Schülerbibliotheken geeigneten Darstellung) W.
Scbubarts*) zu entnehmen. Es handelt sich um die oft wieder-
holte Behauptung, daß die Herstellung einer größeren Auflage nach
Diktat erfolgte. Das ist gewiß möglich; es ist aber auch anderes
denkbar, z. B. daß derselbe Schreiber immer wieder die gleiche
Partie abschrieb. Birt sagt S. 197: „Gewiß mußten sehr viele
*) Die FastQDg ist fast wörtlich Bohdes Aufsatz (Bhein. Maienm
ILIII 476) entDommen. Galen erbietet lieh (VIII 698 K) über jedes be-
liebige Thema in bestimmtem Ausmaße sa sprechen nBlwmv . . . äQid'fiov
huiv glxetv h bnoem ßovXovtat fiitQa kxb'etv (fielleieht (U SteX&slv)
Qod fährt fort: lyxiDiftZ .... ^tuq Ixaoroi; t&9 ivoiuktmp ^v 6I09 noul-
eihu ßifiiiop' ietat Öi imtj itlsCm t&v %iUmv,
') Einige mir nicht lugängliche Abbildungen hat Hr. Prof. Mau
in Bom freundlichst für mieh eingesehen.
*) Handbücher der kgl. Museen XII (Berlin 1907): Das Buch bei
d«D Griechen und Bömem. — S. 143 werden aus dem bekannten Taefaj-
graphie-Lehrrertrsge (Ozjrhjnchos-Papyri IV 724) fälschlieh Schlüsse für
gewöhnliche Schreiber gesogen.
87*
580 Pbilobg. aas AaguBtiDi» und Ambrotins. Von Ä. Engdbreehi,
Schreiber gleichzeitig Dach Diktat tätig sein, nm eine Edition io
einer Auflage von nnr 500 Exemplaren herzustellen*' , maß aber
hinznfngen : „Ägyptische Beliefs zeigen uns Schreiber, die gleich-
zeitig angenscheinlich nach ^Diktat schreiben« Die griechisch -rö-
mische Ennst kennt nichts Ähnliches".
Durch Schnbart bin ich auch auf Inschriften Ton Priene^)
aufmerksam geworden, in denen ein Stadtschreiber belobt wird mit
der MotiTierong (Nr. 114, Z. 10): tj^i; niöziv xal qyvl[a%iiv\
x&v TCaQadod'ivtmv avx&i ygafiiithcav ixoi[ill€f]axo dötpali}
dixkfjv xiiv [ivtt'\yQaq>iiv aixwv xagadoifg iv degiiativoiq
xal ßvßXlvoig xsij{x]ii'Ot^]i ▼?!• Z. 80 stexolrixat f»Sv duvil^v
xifv x&v drjfioölcov ygafifiäxan/ dvaygatpijlv iv ßvßlQvoig
xal dsQ^axivoig xbvxböw^ 112, 28, 118, 17 xb\v xoivbv xal
xbv tdiov Sxdöxov ßlov &6tpaXi6diLevo[g d']üi xi^g iv xoiq
dcQiiaxlvoig ßv[ß]Uoig dvaygatpflg. Diese Inschriften, die
nach 84 y. Chr. fallen (Schnbart setzt sie nach Christi Qebnrt an),
sprechen jedenfalls dafür, daß zur Zeit des angeblichen Papyms-
Ansfnhrverbotes Ptolomaios' YIII. (146 — 117) der Gebrauch dei
Pergaments häufiger wurde; doch ist es keineswegs ausgemacht,
daß xBf>xog^) mit Schubart auf Eodexformat zu beziehen sei.
Sicher ist, daß es im ersten und zweiten nachchristlichen Jahr-
hundert an Pergamentkodizes nicht gefehlt hat; Tgl. auch
den Papyrus kodex mit Euripidesfragmenten (Kreter), der im
5. Bande der Berliner Elassikertexte ins I. Jahrhundert n. Chr.
gesetzt wird. Im 17. Jahrhundert kommt für Herausgabe litera-
rischer Werke wohl nur mehr der Kodex, nicht die Bolle in Betracht
Iglau. Wilh. Weinberger.
Philologisches aus Augustinus und Ambrosius.
I. Der heil. Augustinus als Volksdichter.
Das „älteste Denkmal der lateinischen rhythmischen Dichtung",
Augustins Psalmua contra partem Donati, wurde von Wilhelm Mejer
(Anfang und Ursprung der lateinischen und griechischen rbythmi-
*) 'Inschriften von Priene, herausgegeben von Hiller t. Gbtringen.
Berlin 1906, S. 112—114.
*) Tgl. Birt 8. 21 : ^Endlich heißt aach ts^jpg in der klASiiMben
Zeit Bolle und darf nicht etwa mit Kodex Qbersetst werden/ — Bei des
Codices Ubrariorum der Miloniana (Schnbart: Aktenb&ode) mOefate ich
an Wachstafeln denken; Birt 8. 20: „Der Ausdruck Kodex hat mit Perir»'
ment snn&chst nichts lu tun und bedeutet bis ins 11. Jahrhundert n. Chr.
die mit Wachs bedeckte Holztafel, besw. mehrere unter sich Tsrbooder'
solche Tafeln. •*
Philolog. aas AtigostiBtiB tind AmbroiinB. Von A, Engelbrecht. 581
sehen Dichtnnsr S. 284 — 288)^) eiogebend behandelt, doch koDOien
endgültige Besnltate nicht in allen Punkten erzielt werden, weil
Meyer trotz eifrigen Sncbens keine Handschrift des Psalmns fand
und demnach ganz auf dem von den Manrinern gebotenen Text
basieren mnßte. Dem Herausgeber des Psalmns in dem eben
erschienenen Angnstin-Band') der Wiener Kirchenv&teransgabe,
Michael Petschenig, ist es gelungen, sechs Handschriften der
Dichtung ausfindig zu machen, von denen zwar keine älter als
das XIL Jahrhundert ist, die es aber ermöglichen, an manchen
Stellen über die Bezension der Mauriner hinauszukommen, und auch
die zwei von diesen benützten, jetzt Terschollenen belgischen Hand-
scbriften, einen Cambranenaia und einen Endaviensis, entbehrlich
machen.
Unter diesen Umständen ist eine neuerliche Untersuchung der
auf die Überliefemngsgescbichte und die rhythmische Fassung des
Psalmes bezüglichen Fragen geboten und darf umsomehr als ge-
rechtfertigt erscheinen, als sie imstande ist, auch auf theoretischem
Wege hie und da das ihrige zur Verbesserung des Textes beizutragen.
Über Anlage und Zweck des sot-disani Oedicbtes, das, auch
nach den Intentionen des Verfassers, nur versifizierte Prosa ist,
erhalten wir bekanntlieh von Angustin selbst in einem Kapitel
seiner Retraetationss ausreichende Auskunft. Ich muß den Text
der Eetractatio hieher setzen, weil eine darin, wie mir scheint,
bisher mißverstandene Stelle für die Überlieferungsgeschicbte des
Psalmes von Wichtigkeit ist (Betract. 1 18 [20], pag. 96, 9 Knoell):
1. TJolens etiam causam Danatistarum ad ipsius humülimi
uulgi et <mnino inperitarum atque idiotarum notüiam peruentre
et earutn, quantum fieri per noa passet, inhaerere memoriae, psal-
mum, qui eis cantaretur, per Latinas lUteras feci, sed usque ad
ü liUeram, quales ahecedarias appellant. tres uero ultimas omisi,
sed pro eis nouissimum quasi epilogum adiunxi, tamquam eos
mater adloqueretur ecclesia. ypopsalma etiam, quod respondetur,
tt prooemium causae, quod ttoluimus ut cantaretur ^ non sunt in
ordine litterarum; earum qnippe ordo incipit poit prooemium,
ideo autem non aliquo carminis genere id fieri udui, ft« mn m-
cessitas metriea ad aliqua uerba, qtioe uuigo minus sunt usitaUif
conpeUerei.
2. Iste psalmus sie incipit: „ömn§$ qui ^#jidii|^l^
paee, modo uerum iudicate*", quod eius ^pop
Der Psalm ist also eme Art von in V^ •
diismoB der antidonatistischen Lehre der k-
gepaßt dem Fassongsvermdgen Atr großffi
V) Abhandlongen der bajr.
hift KLMse. XVII. Band, 2. Ak -
•) Corpus Script, eccle^. Lmi^^
Donatistas p. I, 8. 1—16.
■. Äkad«»!^'
582 Fhilolog. aus Angutinoi and Ambiotios. Yon A. Engdbreekt.
gaogbare rhythmische Textierang nnd eine leichtfaßllche Melodie
instand gesetzt werden sollte, den Wortlaut sich ohne viele Mühe
zu eigen zn machen. Gegliedert ist das Gedieht in Strophen, deren
Abfolge sich dem Gedftchtnisse leicht einprägt, da der erste Bneh-
stabe jeder Strophe in fortlaufender Beihenfolge den Buchstaben
des lateinischen Alphabetes (a — u) entspricht. Die ursprflnglicb
griechischen Buchstaben xi^z sind hiebei außeracht gelassen; all
Ersatz hiefür ist ein Epilog yon SO Zeilen an den Schluß gestellt.
Die einzelnen (20) Strophen werden voneinander durch einen Befrain-
yers getrennt, den Angustin (hjypopaalma nennt, also „Psslm-
schlußvers** oder „Besponsionsvers* (quod respondetur), der aber
nach dem ausdrücklichen Zeugnis der RetraäiUio zugleich auch im
Anfange des ganzen Gedichtes stand. Als letzterer wird er Ton
Augustin dem ypopaalma gegenüber mit prooemium causae, quod
uduimus ut cantaretur, bezeichnet, ein Ausdruck, der dem folgeodaa
iaU paalmuf sie ineipit vollkommen entspricht und von Augustia
offenbar deshalb gew&hlt wurde, weil ein mit dem ypopsalma kor-
respondierender Ausdruck (etwa propaalma) dem Sprachgebranch
fremd war. Ich kann deshalb nicht zugeben, daß Angustin unter
prooemium eausae einen dem epilogus entsprechenden Prolog ge-
meint habe, der, weil er sieh in unseren Handschriften nicht finde,
als verloren zu gelten habe. Auch eine andere Erwägung läßt die
Hinfälligkeit dieser namentlich seit dem Erscheinen der Benediktiner-
ausgabe zum Dogma gewordenen Ansicht erkennen. Ein Prolog
hätte zweifellos den Anfang des Gedichtes bilden müssen, sowie
der Epilog seinen Schluß bildet; es findet sich dementsprechend
nach dem Epilog jener Befrainvers nicht mehr. Da aber Augostin
selbst als ersten Vers des Gedichtes, der somit der erste Yers des
Prologes sein müßte, die Worte omnes qui gaudetia usw. bezeichnet,
so bilden eben diese — ein einziger Yers — das prooemium nnd
daraus ergibt sich, daß kein integrierender Bestandteil des Ge-
dichtes verloren gegangen ist. Da übrigens der Yers mnnee qui
qaudetis sowohl Anfangsvers als hypopealma ist, vermute ich, daß
Augustin am Schlüsse der Betractatio geschrieben habe quod (fi)
eius f^opealma est
Yon den 20 nach ihren Anfangsbuchstaben alphabetisch
geordneten Strophen bestehen 18 aus je 12 Yersen, die C-Stropbe
hat 11, die ^-Strophe 10 Yerse. Daß diese beiden Strophen ver-
stümmelt seien, ist müglich — Petschenig hat sachlich sehr an-
sprechende Ergänzungen versucht — , jedoch ist auch die Annahme
nicht kurzerhand abzuweisen, daß Augustin ausnahmsweise auch
kürzere Strophen gebildet habe, da die für jeden Yers sich gleich-
bleibende Melodie dies gestattete und ein eigentlicher Sinnesbiat
an beiden Stellen nicht zwingend zu konstatieren ist. Denn anch
zwischen Y. 85 nnd 86 finde ich keine unüberbrückbare Gedanken-
lücke, da Y. 85->37 tadellosen Sinn geben: „Die Donatisten be-
haupten, sie hätten ihren Yorfahren, welche die Katholiken als
Fbilolog. aat AügUitinüs und Ambro aias. Van A. En^dbreckt. 58^
fmiif^ret Uhrürum bezeichneieQ , Glaoben geacbiukt; ihre Vor-
Hm haben aber, bebaopte ich, gelogeB, da ancb wir nnsarto
%rabr«a Glauben ecboDkeD, die bobanpteten, daß die Donatisten
^diiores librontm waren* Ea alebt äleo Behauptung g^g^ü Be*
HpluQg, und da mäBsen unterlieg an, qui non sunt in unitaie'\
I Qebes wir unn aaf den rb^tbrnlachen Ban der Dichtnng
Kr, IQ ferdient die Bemerknn^ Aa^uatiüe Beaehiniigr daß er
Kl Vifse nun aliquo carminis genere t%tM% habe, um darcb
% mtissiias metrka nicht dem volkstämlichan Ton Abbruch za
ini. Er bftt also den Hegeln der lateinisch en quantitierenden Metrik
oicbt anlerliegeoda Zeilen gebildet; da dieie aber für den Gesang
butimmt wareD, maßten eie trotzdem einen beatttnmteo, durch den
Silbivakient geregelten Ehythrona, also wenigeiene eine Yersfonn
^lü, die ihnen eine Mittele tellnng zwischen qnantitierend gebauten
BiBD und eigentlicher Prosa anweist Faßt man den oben be-
Hidmen Zweck dea Gedichtes ins Auge ^ so muß a priori an*
Bofnmen werden, daß die rbjthmiacba GeataltUDg der Zeilen sich
V möglichst einfach und uniform erweist. Dies vor ausgeschickt,
bnpreehen wir die Verstecbnik.
L Beb (in längst wnrde erkannt, daß das Gedicht ans Lang«
kn faeiteht, die Sohlußreim haben, indem sie alle an f (langes
knriea) e oder ae ausgeben.
2. Ebenso leicht zu erkennen isti daß jede Langzeile dirch
Iriie in der Mitte in zwei Halb Zeilen zerlegt ist; an
fTrennnngssteüe tritt natürlich die sonst in den ujeisten Fällen
ödende Elision des schließenden vor dem anlautenden Vokal
1 Der größte Teil der Langzeilen besteht aus 16 Silben,
M Jede Halbzeile aas 8 Silben, nnd ans Versen wie
S cont^regaftti mnllos pisces omne genus hine et ind4
fU eich (aUeoder Ehytbmns, indem auf Jede der 4 (8)
iitaiertiQ Silben je eine tonlose folgt:
|x |x |x |x jl |x |x ix |x-
4. In den wettane meisten F&lleii findet Elision des ane-
Qüen Vokals oder einer mit m schließenden Silbe vor vokali-
An fang sowie Sjnizese hanptsäcblich ron i und e hei
fmdim Vokal, bezw, konsonantische Aussprache dieser Laute
die Formen $enva^ arjeie n. ft. bei Vergil) statt. Dadurch
in einer ganzen Bei he Ton Versen mit scheinbar mehr als
[Silben das Sllbenplns beseitigt
5. Am Scblnsie der Halbzeilen fällt stete der rbyth-
±}^Hh% AkEent mit dem Wortakzent zusammen, wftbrend
[ladifeo Versstellen dies nicht der Fall zn sein braucht, vgl.
Eiteite und siebente ToDsilbe in V. 9B
tum iudk€S trammarinos \\ psijii ah impSra(ar€.
584 Philolog. ans AogattinoB and Ambronot. Von Ä. EngdbreM.
Diese so formulierten Gesetze bedürfen einiger teils erU&render,
teils präzisierender Zasatzbemerknngen.
Zn Regel l. Mit Becht nennt W. Meyer den ^-Beim aller
Langzeilenscblüsse die merkwürdigste Eigentümlichkeit des
Gedichtes. Den Grand für diesen ebenso monotonen wie wlrknngs-
losen Yersschloß kann ich höchstens in einer Art von Reminiszenz
an ein Vorbild der antiken Metrik finden, indem vielleicht der nach
der Anzahl der Hebungen nnd Senkungen dem antiken troch&ischen
Septenar nahe kommenden, sich nur durch das Plus der Schluß-
silbe unterscheidenden Langzeile dadurch, daß diese letzte Silbe
stets den schwächsten und für eine mehr minder verschwommene
Aussprache geeignetsten Schlußvokal e aufwies, durch eine Art
von Verschlucken der letzten Silbe ein Anklang an das im Sp&t-
lateinischen volkstümlichste Versmaß des troch&ischen Septenars
gegeben werden sollte; man vergleiche
92 hönores uanös qui quaerit, n&n uuH cum Christo regnar(e)
etwa mit einem der von Sneton (Caesar 49) überlieferten Soldaten-
verse :
OdUias Caesar aubegiL Nicomedes Caisarem.
Ich bemerke noch, daß in der tJberlieferung der e(ae)'Sch\ji& der
Langzeilen ausnahmslos rein bewahrt ist. Bekanntlich geben auch
die 18 Hexameter des Commodian im Akrostichon Paenitentibw
(Instruct. II 8, S. 69 f. Dombart) sämtlich auf e oder ae aus, so
wie die 26 Verse des Akrostichon Commodianus mendicus ChrisU
(ibid. II 89, S. 110—112) auf o.
Zu Regel 2. Die BezitMionspause nach der vierten der
unbetonten Silben ist ebenfalls nirgends in der Überlieferung v«*-
wischt. Die beweiskräftige Nicbtbeachtan^ der Elision an diesif
Versstelle ist in 25 Fällen (z, B. 1 7 scissuram | €t^ 22 librorum \
excuaare, 40 no8tri\et, 162 €SM\exdudaniur dsw.) zq kopetattereo.
Zu Begel 4. Elision ist iunerbalb der Halb leLlen die Eegd
— sie ist sogar dreimal in einem Veree
24 modo quo pacta j^zcumtunt factum jaltär4 contra jtUiare
zu finden — , Unterlassung der Elision die Ausnahme; denn ITl
elidierten Schlußsilben stehe» nur folgende 12 nicht elidierte g'tgen-
über: 44 episcqpum ordinäre j 46 irati sunt quia tpsi^}« 61 indi
alias infamaruntj 79 gaudium magnum cßset nohiSf S6 qmmiti^
erat ferrent unum, 164 quod dixerunt cum honorem 197 quas per
totum orbem crescit, 216 qui nondum eramus nati, 217 acriphim
est peccata patrum, 225 quod praectsum est de uite^ 270 rt«tfl
me apastolus pra \ regibus mundi orare. Hie von ist mdglichirwAti»
V. 61 in Abzug zu bringen, da August in indejiljos infawmutntf^
geschrieben haben kann. Sehr anffällig i&t ^, 270« da hier to
einem Verse sich zwei EüBionaunterlasstiQgen fiiiden^ wodorcb
*) Dieser Vers ist lu kaeu! traft sunt quia ifsi \ n^ fr(^li«ni«i
ordinäre.
I
Philolog. aai AngaBtinas and Ambroiias. Ton Ä, EngMrecht 585
zwei Hiate der schwersten Art (in tontragenden Silben!) entstehen,
wie sie sonst im ganzen Gedichte nirgends vorkommen. Berfick-
eichtigt man ferner, daß nach dem äberlieferten Wortlaut die
Präposition pro Ton dem dazugehörigen Substantiv durch die
Diiresenpause getrennt wird und noch dazu als einsilbiges Wort
am Halbversschlnsse steht, so wird die Fehlerhaftigkeit der Über-
lieferung geradezu zur Gewißheit. Die Heilung des Verses ist ein-
fach genug : man ziehe pro zum zweiten Halbvers, so lautet dieser
einwandfrei pro regibus tnündijoräre ; dann weist die erste Hftlfte
eine Lücke auf, die unter gleichzeitiger Beseitigung des Hiatus
sich ungezwungen durch das Wort Paulus ergänzen l&ßt:
iuasit fnejapo8tolu8 {Paulus) pro regibus mundi orare^).
Somit kommen auf 122 Elisionen nur höchstens 10 Hiate, die
sämtlich der leichtesten Art sind; hiebei ist zu erwähnen, daß in
8 Fällen von 10 die Elisionsvemachlässigung bei aufm ausgehender
Schloßsilbe vor vokalischem Anlaut erfolgt. — Das Gesetz der
Elisionsanwendung im augustinischen Gedicht wird, wenn es noch
nötig wäre, durch das Gesetz 5 gestützt, indem 38 (fi)mta est,
100 (pro)batum est u. a. den letzten Halbzeilentakt ausmachen,
also unter Wahrung des Wortakzentes zweisilbig zu lesen sind.
Synizese (Vokalverschmelzung) ist ebenso wie die Elision
das Normale, Unterlassung derselben dagegen eine relative Selten-
heit. Dies gilt namentlich von der Verschmelzung des i mit fol-
gendem Vokal, die 95mal erfolgt, während sie nur 6maP) unter-
lassen ist (46 irati sunt quia ipsi, 69 sieterunt in quaestione,
82 a uestra eomtnunione, 151 non ut hämo moriatur [dagegen
\f>2 morjatur'], 152 iam cruciatus languore [dagegen 281 et crucjor
de uestra morte]^ 275 quod gentium reges magni). Im letzten
Beispiele ist es übrigens fraglich, ob nicht quod genti(lt)um (lies
gefUüjum) reges magni zu schreiben ist. — Verschmelzung von e
mit folgendem Vokal findet sich ISmal (78 uideamus; 160 gau-
deamus; 106, 110, 152 postea; 189, 180 patea(s); 189, 172,
188 ar'ü(m, s); 223 «ßo; 108 Sünde und — sehr auffällig —
185 (ßSs se dixit reliquisse) gegen 2 Fälle, wo sie unterlassen
ist (174 per quos area coUecta est, 251 paleas non sustinere).
Denn daß mei, meae, eis, reum (262, 272, 211, 255) zweisilbig
gsmesBeo werdeo, WQDdero wir uns ebeu so wenig, wie über das
zweisilbige detts 159, während vielmehr das emfillbig« dcua 185
nns ausnahmsweise verwendet trscbien« — ßei u mit jglfc^ndtm
Vokal [fit die einsilbige MesBQDg {i^^^ämf^Jjmm^iertdidLuef
46 non pofmrunt ordinan^ 277 ^^' ^^I^^H^) ^*^?f*ö'
über der zweieilbigen (45 kja . "^^bT2 quod
illos tamquamjirjam suamf ^ J^^^f^^t
pum, m, 233 cdthalica.
'} Oder lm%K w*ur
586 Pbilolog. Mf Angwtiiuii imd Ambtonm. Ycui A. EmgelbredU,
278 noluisiis, 266 dueruenmfj niebt b«Toniigt. — Aueh 41«
Synizeie wird durch das Gesetz 5 gtrsdoso wie die Elision eis in
nnserem Gedicht znrecht bestehend erwiesen, da z« B. 128, 188,
210 hodje, 286, 237, 289 nnefo n. ä. den letzten Halbzeilentakt
bilden, also zweisilbigr gebraucht sein müssen.
Zn Begel 5. Daß der Wortakzent am Schiasse der
Halbzeilen gewahrt ist, ohne daß aber zugleich die Quantität
beobachtet wäre, und daß der Akzent hiebe! stets auf der vorletzten
Silbe niht, hat W. Meyer zuerst gesagt. Gegen diese Begel Ter-
steßen diejenigen Halbzeilenschlflsse nicht, die durch Annahme tod
Elision oder Yokalsynizese zur troch&ischen Betonung kommen,
also am Schlüsse der zweiten Halbzeile 116 pestüefUjae; 127 seil-
tentjae; 128, 188, 210 hodje; 141 cotidje; 196, 275 tedetjae;
am Schlüsse der ersten Halbzeile 8 euangeljum; 150 gladjum; 9,
161, 261 eccUsja(m); 43 Numidja; 179 züanja; 238 uenjat;
47 Caeiestjus; 144, 181 Macarjus; 56 iudiejo; 96 petüjo; 137
macarjo; 236, 237, 239 nescjo; 173 qperarjoi; 38 finüa^est;
100 probatumjeal; 110 iudicatumjMt; 17^ collecUtjMt; 190 sa-
crißcatumj^8t; 204 datumjMt, Von den 288 Langzeilen oder
576 Halbzeilen des Gedichtes bleiben nach der neuesten Bezensioa
nur 5 übrig, die sich dem trochäischen mit dem Wortakzent zu-
sammenfallenden Schlnßrhytbmus scheinbar nicht fügen. Es lie^
nahe, diese 5 Stellen einer kritischen Revision zu unterziehen und
erst dann, wenn sie sich als kritisch einwandfrei erweisen, sie sls
seltene Ausnahmen von der Begel gelten zu lassen.
Die einzige Stelle am Ende der zweiten Halbzeile, also am
Ende des Langverses, in der der Wortakzent nicht gewahrt ist,
erweist sich auch sonst als unrichtig überliefert, V. 25
et pace Christi canacissa spem ponunt in homine.
Die zweite Halbzeile besteht nur aus 7 Silben und mutet die Be-
tonung homine am Versschlusse zu. Petschenig begnügte sich dem
ersten Übel abzuhelfen und schrieb {re^ponunt. Jedoch darf m. E.
an dem Simplex ponere nicht gerüttelt werden, weil Augustin hier
offenbar eine Prophetenstelle im Auge hat, die er in den Schrifteo
gegen die Donatisten oft genug verwendet, Hier. 17, 5 maUdiäia
qui 9pem ntam ponit in homine (vgl. Contra epist. Parm. II 4,
8; Contra Petil. I 8, 4; II 5, 11 usw.). Da somit das Verbum
ponere und die Wörter spem in homine gesichert sind, bleibt uns
nur übrig, an der Verbalform selbst den Hebel anzusetzen, und da
muß diese allerdings in der Konstruktion des Satzes als auffällig
bezeichnet werden:
modo qtio pacio excusabunt factum aUare contra aUart
et pace Christi conscissa spem ponunt in homine^
quod persecuiio non feeü, ipsi feecrunt in pace.
Denn ponunt kann doch nur mit quo pacto verbunden werden, vas
einen schiefen Sinn gibt, weil nicht gefragt wird, wie sie ihre
HoKhung auf einen Menschen setzen, sondern höchstens gep
Philolog. ans AogottiDnt and Ambrosint. Von A, Engdbreeht 587
werden kann, daß sie dies tun. Diesen letzteren Gedanken gewinnt
man, wenn man $p€m ponere von exeusabunt abhängig sein l&ßt
und $pempo8ui88e schreibt, so daß das et die zwei Infinitive /ac^tim
€88$ und poauisae verb&nde. Diese LOsnng gäbe auch einen tadel-
losen Vers:
et paee Christi conseisaa apem in hamine pasvisae.
Zu dem dreisilbigen paavisse vgl. das dreisilbige potverunt (46),
die Elisionsvernachlässigang sphn in findet ihre Parallele in 154
cum honore. Wer mit meinem Bessernngsvorschlag nicht einver-
standen ist, wird jedenfalls zngeben, daß nnser Vers korrnpt und
daher nicht geeignet ist, gegen das obige Klanselgesetz als einzige
Ausnahme, soweit wenigstens der Langversschlnß in Betracht kommt,
anigespielt zn werden.
Den Vers 113 ediert« Petschenig nach der besten Über-
liefenmg so:
et nunc et uos totum noscitia, sed fingitia uoa neacire.
Da aber die erste Halbzeile ans 9 Silben besteht, gab er in der
Mnataiio critica der Vermutung Baum, daß zu schreiben sei at
mrne uaa totum noacitia, wobei wir die Klausel noacitia mit in Kauf
nehmen müssen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Augnstin ganz
ohne jeden Grund gegen das von ihm sonst so streng beob-
achtete Betonungsgesetz verstoßen haben sollte, zumal da die allen
rhythmischen Anforderungen entsprechende Form nosiia den allein
ptuenden Sinn gibt: ^Ihr wißt es, stellt euch aber, als ob ihr
Dicht wflßtet" ; ähnliche Gegenüberstellung Contra epist Parm. II
1, 3 (p. 46, 15 P.): eoguntur miaeri in aehiamate auo ferre quoa
norunt, in arbe terrarum aceuaare quoa neaciunt. Der Vers
ist übrigens bereits in der Handschrift q> richtig und dadurch
zugleich rhythmisch korrekt gestaltet:
et nunc et uoa totum noetia, aed fingitia uoa neacire.
Nur scheinbar gesetzwidrig gebaut ist der V. 120
qui non tenetia cathedram, pro qua pugnetia iniuate.
Denn die hier nötige Betonung cathidram ist wohl die eigentlich
Tolkstümliche gewesen, die einerseits durch die griechische Form
xodfidpa beeinflußt wurde nnd anderseits aucti (\ui ü^^i^upütu kein
wrifcium intellectua auferlegte, deueu ßetotiungeu wie lmii>ra$
im Versschluß geläufig waren.
Den V, 184 hat bereite W, Meyer korrigitrt^
quibus ai et nos nmi credimuaf trit rjap^j
^ ist etident, daß creäemus zu schreib«ci '^'
bypothetischen Satze durch das trü dfti '
gsttellt wird.
Somit bleibt nur ßocb ein T«'
legite quomodo üduUnri j>l
Nichts berechtigt hier zu dem ^'
liefenmg vorliegt, als di^r
Verses aduUeri. Es ist mn c ^
bin kh mir bewnüt^ mich iid Gegensatz zn W* Hi
m befinden» der S, 288 den Tonfall ?ör dem troc
für Ydllig frei erklär t^ da er ala Gegner der sogen^
benden Betotinng'* den Sat^ nberall znr Geltung br
„dae Wesen alier rbjtbmiecber Dichtncig in der
gewÖbnHcberz Betonung nad Anssprache, welebe i
gewendet wird, bernbe'' (Ober lateinische Ebytboien i
gebe zn bedenket] f äaü nnaer Psalm eine Ansnabnisstl
den rbytbmiscben Gedichten einnimmt, indem er md
erete bekannte lateiniscbe rhjtbmisch« Gedicht ist« M
ansBcbließlich ale Geeangstext verfaßt wnrde. Dem Yai
ee weder aaf Scbönheit Docb anf Natnrlicbkeit der H
Form an nnd, da „man alles Bingen kann", nm einen to
dtierten Sati^ tu gebrauchen» nehme ich keinen An
trocbäiscbem Ebjtbmna der Zeilen zu eprecben, der i
der Halbzeilen mit dem Wortakzeut znaammenfälll, an i
Stellen aber von diesem eich aucb emanzipieren kann.
Zn Kegel 3. Erst nachdem wir nnt über daa
Halbzeilenecblüese nnd über die darcb die Elitinn in
bedingten Eigentümlichkeiten dee Gedichtes klar gen
können wir der Frage über die Bilbenzahl der snj
Verse im Detail näher treten. W. Mejers Besum^ lii
nach bleibt der Scblud, daß, obgleich tiele scheinbar n
oder etfeilbige Zeilen dorch Annahme YOn Elisionen ni
sehr barter Vokaherscbmehungeni nnd ziemlich viele i
dnrcfa Annahme von Hiatus oder Nichtannahme von Vokl
znng eieb als achtsilbige erklären lassen, dennoch nebei
Überzahl der acbtailbigen Halbzeüen manche nenneilbifi
siebensilbige Ton Äugustin selbst zngelaeeen eind."" Dil
nach dam heutigen Stande d&r Dincre nicht mekr
7gL fibfig-ens tifiteH S. 533.
Über die Veree 25, 113 und 2l
Stelleo gehandelt*
Somit können wir für die 20 Strophen nnd El
jetit ohne EinBchräDknng bebanpUD, daß die Silbeni
nicht in der Scbrirt, flo docb in der Äneeprache dlj
zn Bein echelnt« Damit harmoniert aber nichti daf» da
der Refrain Vera, 17 Silben aufweist:
omnes qul gaudetis de pacff modo uerum tu
Dieeer Vers wideratebt jeder Korrektur, obwohl Streij
nahe genug läge* Denn eowobl die Fealmhandechr^
die von dieser Überliefernng nnabh&ngigen zabtreich#D j
der Eetractatio bietec den Vers ohne jegUebe Vananl^
lieb will den Vers um jeden Preis znm Setbzebniil
indem er meint (Gescb. d. Ltt. d. MiU. P 251« Nol^
qui gaudetis (de) pace^ modo uertim itidimte. — de ml
ein späterer Zn&atZi zon&cbet in der Stelle der Eetri
diese Zeile sich zitiert ündet, erscheinen, tan wa ej
Handschrift des Psalm selbst äbergegangen, Oder iolj
SjDkope des i anznoehmen sein?^ Das sind beides j
erklärnngen, die kdiner weiteren Widerlegung bed
müssen wir nns mit der Tatsache abfinden , dai^ di
17 Silben bat. Non erwäge man folgendes: Ängnstil
Gedicht von 267 teilen (abgesehen ?om EelraioTeri) q
in jedem Verse die Zahl von 16 Sprach *(Sing-}Sill»i
non den Refrain vers den übrigen gleich b&ttt gti
hätte er dies leicht gekonnt, zamal da er den dar
GedaDken mit denselben Worten nnd io derselbao
einziger Weglassnng des de bieten konnte. Da er d|
at« eo ateckt in der ITeilbigea Form dea T4
pyjolog, »tii AQ^nstmua und Ambroainfl. Von A. Engelbrecht. 591
Hüg ifin, Petscbeni^a Emendatton tarn ~ das etiam ht per
^mmphiam eDtsUnden — befnedigt m jeder Beztehang.
^P()5 tt* quand^ non pcHmni exdudij solo separemnr eorde:
Dl Um\ sebrieb mit ZastiminODif Petacbenig» cum statt qtmndo,
(Änderung iet Dtcbl gerade wahrscheinlicfa, tcb tilge daher
ttJ und schreibe V* 204 f.:
Hd Mohis €3£emplum datüm est malm fratres tohrare:
quandö non possunt exelttdif solo ssparsmur corde,
Bcbreiber^ der den eelbgt&ndigeD Eonjanktiv separemur nicht
Tifiiind, icUob das ut eis, VgU übrigens unten S. 593,
244 et tamiu chriBtianum taiem audes rehüptizare:
KiCbeoig fügte tu nach uudes ein, das eich übrigens schon bei
Mn\ tindet. Man kann nicht lengnen, daß tu ein Verlegen-
leiQeehiebBel ist* Sehr ähnlicb mit nnseretn ist V. 257
H tarnen ekristianos fratres audelis rebapivsare,
|da8 Snbjektilpronomen tu atidetis ebeDso Cehlt wie V, 244. Die
r-Stropbe ist sjotaktisch als Änakalatb tu fassen, indem
kcginni talis si quis ad te ueniai et si eibi dicat^ woraul' die
iBedt dEfch 9 Zeilen folgt, nnd sc b ließt tt turnen Chri$tiQtmm
audes rebaptizare» Ich kann Fetaehenig nicht beistimmen,
er da« Anakolntb darin bestehen l&ßt, daß er unter Herao-
Qg tweier ParallelsteHen ans ÄngüBtlne antidonatietiechei]
Itiften nach den .?i-Sätten nnd der direkten Rede den Nachsatz
im nriterd rockt sein läßt tiiid deshalb am SchlUBse von V. 243
Ht pQDkt iet£t. Dieee Art von Anakoluth halte ich in einem
Wichte, das in nbersicbtUcbe Strophen gegliedert ist, Tir nn-
ilittbaft. Daa Anakointh besteht daher m. K. nnr darin^ daß
Afljiiitiö statt si tibi dieat^ audeas (edtr audehis) tarnen rebapti-
^i§rt unter Zerstdrang der Hjpotaxia die beiden Bfiti& darcb et
wXb eb kein Nebensatz der erste wäre. Somit aette ich
Uee der direkten Bede Y* 243 wohl den Gedankenstrich
'Anakolnth^eichen, ftbef keinen Punkt nnd schreibe im foK
i*ii Vers:
et tarnen christianum lahm aude(bi)s rebapiizartj
ich das Recht, audtbh zn emendieren, ans der Form des
beo V&rderfiatzeB si dimi herleite. Natürlich nbten die Dona*
die Wiedertaüfe damals nnd schon viel froher. Decb darf
ren diesem Standpunkte dem FntnrQm audtbis nicht an den
rücken, da es nnr mit Röcksicht anf das si dkat gebraucht ist
^H ein Vorwnrf, in die Form gekleidet: „Wenn ein Katholik dir
^«triftigsten Gegengrdnde Torbräcbte, wirst dn es selbst in diesem
btaemminen Fall wagen, ihn wie d er zn taufen**.
Bl fii»i non sunt falsa quue auditis^ pottsti» H cmmderare:
w rit, wenn nicht gescbrishen, so doch gesprochen worden etm^
Jjfrffrf infolge Tortonigftf Sjrnkope des e im Inlante^ woia wir
ein Stiteöitäck in aduUri V- 212 gefunden haben; außer-
Ttrgletche man ans Inecbrirteu der späteren Zeit die bekannte
594 Philolog. aoB Aagostinas und AmbroBiaB. Von X Engdbreekt.
quomodo honum ob actum simikUur angelis
perfectatnque propter uitam aequatur apontdis.
Beaia Christi custodit mandatn in omnibus^
cuiua opera refulgent elara inter homines
sanctumque euius aequuntur exemplum mirißcum,
unde et in caelia patretn magnificant dominum.
Wir haben es hier mit rhythmischen katalektischen trochiiicben
Tetrametem (Septenaren) zn ton, in denen sich sehr viele Hiatan
finden, ohne daß Elision einträte, dagegen keine YokalTerscbmelinog
(Synizese) vorkommt. Wie W. Meyer in seiner bahnbrechenden
Abhandlang über lateinische Rhythmen gezeigt hat, l&ßt sich Elision
in den Rhythmen der älteren Zeit, vom Psalm abgesehen, nicht
beweisen, doch findet sich Yokalverscbmelzang noch in der Earo-
lingerzeit h&nfig. Secondinns h< sieb demnach von der Elision
schon, von der Vokal?erschmelznng noch ferne. Anders steht es
bei Angnstin. Trotzdem er ein volkstflmlicbes Poem schaffen wollte
nnd Elision zn seiner Zeit sieber nnr mehr in gelehrten Gedichtes
Anwendung fand, mochte er von ihr sich nicht lossagen ; dagegen
machte er der Ansspracbe des gemeinen Mannes bereits die Eon-
zession der Vokalverscbmelznng. So kam ein Gedicht zustande,
das vielfach volkstfimlichen Einschlag hat, aber doch nicht den
gelehrten Verfasser verlengnen kann.
II. Lexikalisches ans Ambrosins.
Bei Georges^ liest man den Artikel: ^grumula, ae f.
(z=. ^glumula, Demin. v. gluma) die Hälse, Schale, agrestis uüis
grumulae, Ambros. de Elia 6, 18''. Es lohnt sich, diese Angaben
anf ihre Stichhaltigkeit zn prüfen.
Die angezogene Ambrosiasstelle lantet im Zasammenbange
nach Schenkis Teztkonstitnierang folgendermaßen (Corp. Script
eccl. lat. XXXn, pars II 421, 18 ff.): Hdisaeus uaiea, qui de
magistro didicerat paraimoniam, cum filios aleret prophetarum^
uitis agrestis grumulis menaas onerabat H ineptis siluestribus
hospitalis humanitatis implebat officium, quorum offensi amariiU'
dine cum manducare non posaent, leuia farinac aspersione omnem
illam amaritudinem temperauit propheticae munere oMiiMfOiaf
ueneni uires tuacuans* Die hier erz&hlte Geschichte stammt aas
der Bibel, wo es heißt (IV Reg. 4, 88—41): 38 xal'Ekiacui
iniftzQB^JBv dg rdkyaka' xal 6 hiibg iv ty yri^ xol vlol
t&v nQoq>7ix&v ixddi^ivto iv6nvov aixod' xcd slxsv ^EXiöeui
%^ Ttaidagioi aixoi>' inlöxr^cov xbv kißrjfca xbv (tiytcv xai
eifs etifsiia xotg vloig xäv TCQoqyrix&v. 39 xal ii^ld^ev elg xi^v
iygbv övkkil^ai dgitb^' xal aigav äfutsXov iv xm iyffm xal
Gvvikaisv ia^ aitf^g xokvKViv iyglav xkijgeg xb Iftdziov avxoi)
xal ivißaksv Big xbv kißriza toi) l^iyiaxog^ Sxi oix iyvm6ixv*
Philolog. aoi Aagastinas ond Ambrosia«. Von Ä. Engelbreeht. 595
40 xal ivi%Bv toig dvdgdat g>ayBlv* xal iyivsxo iv tp icd^Uvv
aixohg ix toO itlfifiatog, xal idoO ävsß&riöav xal dxav ^d-
vaxog iv tp ksßriUj äv^Qaxs zoi> ^€oi>^ xal ovx ridiivavro
ipayeiv. 41 xal alxs* Idßsrs &Xbvqov xal iiißdkers elg xbv
iißriza. xal sliesv ^Ekiffai^i ngbg ru^l tb xaiddQwv* iyxst roa
kaiß xal iö^iitaöav. xal ovx iysvi^d'rj ixsi in ^ijfia novriQbv
iv xm kißrixi. Dem Verst&ndDisse bereitet hier nur V. 89 Schwierig-
keiten; er ist in der lateinischen Vnlgata so übersetzt: ei egressus
tH unus in agrum ut eoUigeret herbas agresiea, inuenitque quasi
uitem siluestrem et coUegit ex ea eolocynthidca agri et impleuit
Pallium 9uum et reueraus concidit in ollam pulmenti; neaeiebat
enim quid esset. Es ist also hier äfiscskog durch uitis siluestris
wiedergegeben, sowie die Fracht dieses Gew&chses xokvscri dnrch
colocynthis; während aber im Griechischen es lakonisch heißt
^wils^ev xokvnriv dyglav xal ivißaXsv slg xbv lißrixa^ so
daß ans der Znbereitangsweise anf die Art der Fracht kein Schloß
gezogen werden kann, hat der lateinische Übersetzer dnrch das
concidit in oUam für größere Deatlicbkeit gesorgt Aber aoch der
griechische Text l&ßt kein Mißverständnis zn; denn daß man es
mit einem Bankengew&chs zn tnn hat, beweist äfutskogj daß seine
Fracht bitter war, lehrt der Znsammenhang, and daß die Früchte
and nicht etwa die Blüte oder sonst etwas davon gesammelt wnrde,
gebt aus der Etymologie des Wortes xoXvnri hervor, das eigent-
lich „En&nel*' bedentet, hier also etwas Knänelfthnliches an dem
Gewächse, was demnach, da an anter der Erde befindliche Pflanzen-
teile (Knollen, Zwiebel) nicht zu denken ist, nnr dessen Fracht
sein kann. Nun berichtet aber das Lexikon des Photins p. 594, 6,
daß xokvnvi eine wilde Kürbisart {dygioxoXoxvvxvi) bedeute, and
so trifft die lateinische determinierende Übersetzung colocynthis
wohl zweifellos das Richtige : die Früchte der im Orient heimischen
Eoloquintengurke {dtruUus colocynthis Schrad.) sind faastgroß,
kugelrund und besitzen ein äußerst bitteres Fleisch. Da sie nicht
groß sind, konnten sie recht gut, ohne erst zerschnitten zu werden,
in den Kochtopf getan werden, so daß also die lateinische Version
vielleicht mit ihrem concidit des Guten zuviel tut; die kugelrunde
Form der Frucht rechtfertigt die Bereich nung xolvTtr^ aafe beste,
und daß ihr Genuß die Leute tot krank machte, begreift man, wenn
man weiß, daß nur etwas größere Dosen der nameniliob
offizinell gebrauchten KobqniDte Brechdurchfall, hefUgea
grimmen und sogar YergiftuDgaerEcbeinuagen wie Schwill^
macht u. ä. hervorrufen könn^o.
Wir kommen nunmehr auf die Ämbrosiuis»UU*
ist klar, daß in ihr durch uitis agmsiin ^tumtäi^
dygia {xokvxri dfutilov üygiag) der
Somit ist die von Georges gebotene Di
unrichtig erwiesen. Das lateiDische Wi
Doch über die Etymologte Bpäter, A^
A
596 Philolog. ans Angnitiiiiii ond Ambroiioi. Von ^1. Jängdbredd,
ooch ^]D«r AnfklftiHDg bedarf. Was beißt ineptis tünestrUm
hospitalis hutnanitatis implebat officium? Wodvreb leistete EliUiu
der graetlicben MeoschenfrenndUcbkeit Qenfige? Die drei Htad-
scbriften des X. Jahrhunderts bieten ineptis ailmatribu» ß)oUrüm
nnd Sobenkl bemerkt hieznt „recU puio**; da aber hoUribm in
dem führenden Parisinns 1782 des VIII. Jahrhunderts sowie in
den übrigen Handschriften nicht steht, erweist es sich als bittige
Interpolation, die ancb durch die V^ortstellnng — man erwirtot
ineptis holeribus ailuestrtbus — sich Tsrd&cbtig macht. Allerdings
ist die beste Übcrllefemng anch nicht fehlerfrei» aber man schreibe
nnr ineptiis, so ist alles in Ordnung. Die eingesammelten Früchte
werden als ineptiae, als res ineptae, ad nullum H9um ap^ be-
zeichnet, ein Ausdruck, der sehr passend ist, da es dem Ambroeias
darauf ankam, die paraimania des Elis&us zu illustrieren, der
sonst von den Menschen nicht gegessene » also wertlose Früchte
zur Bereitung einer Speise verwendete. Das Wort ineptiae in der
Bedeutung ren ad nullum U9um apiae ist bisher, wie ich glaube,
nicht nachgewiesen, wie ja auch die entsprechende Bedeutung dw
Adjektivs ineptus „unpassend, untauglich** bei Georges nur dnreh
die bekannte Horazstelle (epist. 11 1, 270) quidquid ehartis amieUur
ineptis belegt ist.
Es scheint nicht überflüssig zu bemerken, daß Ambroaiu
ganz sicher das griechische V^ort toXvni^ durch sein gruwdit
wiedergeben wollte, da er für seine Schrift de Elia eine grie*
Chi sehe Quelle benützte, die 1. Homilie des h. Basilius de t^iimo
(XXXI 172 CD Migne), die er ihrer Disposition nach geradez«
fast paraphrasierte: ^EXi66atm dh notastbg 6 ßCog; n&g filv %a^k
t^ Uovva^Cudi tfjg isvCag ixilavöi] ncbg di avtbg xovg
itgotpi^tag idsiioi>ro; oixl Idcxava äygia xal dksi^^v ßgaji}
tijv (pilo^svlav inXi^QOv; Sts Tcal tffg tokvTtrig trvpseafaXfiip'
dslörig xivdwsvBiv i(isU,ov ol &ifdiiBVOi, tl fiii rg cO%g Tot>
vrj0tsvtoi> T^iiavQibtri rb dijAi^ri^ptov. Auch hier fand also
Ambrosius das Wort tol'öxti vor, das er, wenn er es nach seioir
Grundbedeutung wiedergeben wollte, durch glomus, -eris bitte
übersetzen müssen, und mit diesem Stamm muß wohl auch das
von ihm selbst vielleicht neugebildete Substantiv zusammenbingeDt
das sich als Deminutivum auf 'Ul(u8, -a, -um) erweist. Da die
von Georges gebotene Ableitung grumula = glumula von glum»
aus Bedeutungsrücksichten unmöglich ist, setze ich die Gleichung
grumulum = glumulum von glomus an. Eine Form glumulum bat
Paucker im Suppl. lex. lat. (Berlin 1885) aus Aldhelmus Isud.
uirg. 19 nachgewiesen: granigera spiearum glumuia germinanUs,
doch hat man es hier kl&rlich mit dem Deminutiv von gluma zn
tun. Wahrend hier die neutrale Deminutivform neben dem femiBinen
Grundwort sogar auffällt, ist diese fast geboten, wenn wir as
unserer Stelle das Stammwort ghmus annehmen ; allerdings ist ea
nicht ganz unmöglich, daß das der Bedeutung nach mit ghmu»
Philologe, aaa AagustiniiB and Ambrosim. Von A, Engelbreeht. 597
Terwandte globus die Bildung der Masknlinform grumulus begün-
stigte. Jedenfalls aber ist es ansgescblossen, daß Ambrosins das
feminine grumula gebranchte, weil er den folgenden Satz mit dem
fielatir guorum, das sich anf grumulis bezieht, einleitet. Was die
Eonsonantengmppe gr statt gl anbelangt, so genügt es auf die
Form fraglo neben fragro zu verweisen nnd daran zu erinnern,
daß in Probi App. 198, 9 E. das warnende ßagellum, non fragel-
lum beweist, daß ancb hier das anf einen Stnmmlaat folgende l
im Volksmnnde oft genng durch r ersetzt wnrde (vgl. ital. fragello).
Noch weniger bedarf das u statt o einer Beehtfertignng nnd so
mag nnr noch das altfranzOsiche gremissel (=peloi(m, „En&nel*')
als Eidesbelfer angeführt werden, dae anf mittellateinisches gru-
miseeüus (-um) zurückgebt nnd in dieser Mittelstufe sich zu dem
zugrundeliegenden glomieeUtu ebenso verh< wie grumulum zu
j^ulum (?gl. auch Ducange s. y. grumieeglus).
Somit glaube ich erwiesen zu haben, daß in dem eingangs
zitierten Artikel aus Georges Form, Ableitung und Bedeutung des
Lemma unrichtig angegeben sind nnd es vielmehr zu heißen habe:
^grumulum, -s n. (= *glumulum, Demin. von glamus) eig. das
EoAulchent von der kugelrunden, faustgroßen Frucht der Eoloquinte
gebraucht (vgl. rokiixtf IV Beg. 4, 89), agrestis uiiia grumula
(Piur.), Ambros. de Elia 6, IS**. Außerdem hat daa lateinische
Lexikon ineptiae in der bisher nicht nachgewiesenen Bedeutung
res nan apiai, res nullius usus, res inutiles zu registrieren.
Wien. August Engelbreeht.
Zweite Abteilung.
Literarische Anzeigen.
Euripides' Helena. Mit erkUrenden AnmerkQDgen von N. Weckleis.
Berlin and Leipsig, B. G. Teabner 1907. Preis 1-60 Mk.
Bef. machte bei der Dnrcharbeitnng dieser Anegabe dieselben
WahmebmuDgen wie bei früheren desselben Verf.s: einerseits dfirfte
der Kommentar selbst den Studierenden der klassischen Philologie
oft im Stiche lassen, anf der anderen Seite bietet er ihm viel Ent-
behrliches, besonders flberflflssige Konjektoren (zu den Versen 88,
145, 221, 457, 716, 725, 879, 1579 f., 1649, 1664), aber ancb
viel ganz Unverständiliches : oder wird er metrische Bemerkungen
(z. B. zu 471 nnd 1552) nnd Konjekturen, die *nm des Vere-
maßes willen' gemacht worden (367, 650, 654, 1115 f., 1349,
1528), Tersteben, da doch im ganzen Bache kein Wort über die
Metrik zn finden ist, ja sogar die üblichen metrischen Diagramme
fehlen ?
Znm Texte möchte ich folgendes bemerken: 45. Die Worte
*oi yicQ iinikriei fiov Zsvg würden besser in ( ) stehen. —
56. Statt dcoi) war Mancinis Konjektur ^säinf unbedenklich in
den Text zu setzen. — 72. Nicht g>ovCovi — 277. äyxvQuä*,
fj. — 897. Hier war der Text wenigstens lesbar zu gestalten,
ebenso 1584 ff. und 1671. — 586. Doch wohl fiij ebenso 806
kmafv ei und 807 ^ 0^, endlich 1616 6ol (au der Spitze eines
InfinitiTsatzes).
Zum Kommentar habe ich mir allerlei angemerkt, was mir
sowohl für ein leichteres und schnelleres, als auch ein volles und
richtiges Verst&ndnis nicht ohne Belang zu sein scheint. Alles
hier abzudrucken wäre raumspielig.
Wien. Hugo Jurenka.
Geffcken-Sehtdis, Sophokles' Antigone, ang. ▼. E. Sieas. 599
Sophokles^ Antigone. Übersetst yod Joh. Geffeken Qod Jal. Schnitz.
In: Deutsche Schalaasgaben , heraasgegeben von Direktor Dr. H.
Gaadig and Dr. 6. Fr ick. Verlag von B. G. Teabner in Leipzig
and Berlin 1907. Preis geb. Mk. — *60.
Die Verfasser, Ton welchen nach Angabe der Vorrede Geffeken
die Dialogstücke, Schnitz die Chöre übersetzt hat, yerweisen statt
einer ansführlichen Darlegung der ron ihnen bei der Arbeit be-
folgten Grnnds&tze aaf das Ergebnis dieser Arbeit selbst. Die
Dbersetznng läßt erkennen, daß die Verfasser bemüht waren, dem
griechischen Original nach Inhalt nnd Form möglichst gerecht zu
werden; das letztere mit Recht nicht dnrcb Übernahme der grie-
chischen Form, sondern indem sie dieselbe dorcb eine dem Wesen
der Tragödie angemessene, der deutschen Sprache aber vertrautere
ersetzten, wodurch größere inhaltliche Treue unter Vermeidung
sprachlicher Härten ermöglicht wurde. Der iambische Trimeter ist
durch unseren Fünf fuß 1er ersetzt, wobei aber die Anzahl der Verse
im Original möglichst beibehalten wurde, so daß keine Weit-
schweifigkeit entsteht; Sticbomytbien werden als solche wieder-
gegeben nnd auch die Wortspiele des griechischen Textes nach
Möglichkeit nachgebildet. Auf mehrfache Berührungen mit Wil-
brandts Übersetzung, wie sie ja bei der Wahl des gleichen Vers-
maßes im Deutschen manchmal unvermeidlich waren, macht Geffeken
selbst aufmerksam; im ganzen ist Geffckens Übersetzung wort-
getreuer als die Wilbrandtsche und ahmt die gedrungene Kürze
des Originals besser nach; dafür ist Geffckens Sprache allerdings
viel härter und unpoetiscber. Der Gedankeninhalt der Chorlieder
iit zwar sehr frei, aber zumeist glücklich wiedergegeben. Schwierig-
keiten, welche der Inhalt dem Verständnis bietet, wie z. B. An-
spielungen auf andere Sagen, werden durch kurze Anmerkungen
nnd soweit sie in den antiken BühneuTerhältnissen ihren Grund
haben, dnrch Verweise auf Geffckens Büchlein über das griechische
Drama (Aus deutschen Lesebüchern, VL Bd. Leipzig, bei Th. Hof-
mann 1905) erledigt. Ein guter, sehr konservativer Text liegt der
Obersetzung zugrunde; so sind die Absichten der Verf. sichtlich
in allem die besten gewesen.
Freilich sind diese löblichen Absichten nicht überall ver-
wirklicht worden. Zunächst in den Dialogpartien- Mit Eeebt bat
Geffeken, wie bereits bemerkt, eine möglichst wort^eu<«ae Über-
setzung gesucht, und eine solche ohne Vergewaltigniig der eigenen
Sprache zu erreichen ist für den Übersetzer gewiß eioe äußerst
schwierige Aufgabe, wenn er nicht auch die eigene Sprache mit
der Meisterschaft des Dichters zu gestalten vermag. So Ut e»
nicht zu verwundern, daß auch die vorliegende Ober*^
Härten enthält, darunter allerdings auch einige, di
hätten vermeiden lassen, z. B. v. 94 „es widmet 1
I
\
600 Qeffeken-SchüUg, Sophokles' Antigone, «ng. t. B. 8i€98*
dir mit Beobf*, y. 1092 f. (1098)^) „des Hauptes schwane Decke**,
▼. 1095 (1101) „mein Hanpt ist wüst'' n. a. m. Unnötige Wieder-
bolnngen, z. B. 894 (389) „vaid nun, nnii bin ich doch da", 435
(435) „und sie» sie leugnet nichts'' und Satzbrechungen, z. B.
162 (155) „starker Götterarm, er schuf uns Bettung** usw., 1010 f.
(1009 f.) ,,Yon des Fettes Hülle bloß, so lagen jetzt die Schenkel-
knochen da** müssen gelegentlich dem Vers auf die Beine helfen.
Fast komisch wirkt 308 f. (309 f.) „lebend werdet ihr gehenkt,
bis ihr gestanden, wer der Frevler sei"; das ^dh^sg KQSiiaötol
des Textes deutet für die Alten toII kommen verstAndlich den be-
kannten Vorgang bei der Züchtigung der Sklaven an; „gefoltert"
hätte bei dem modernen Leser etwa eine gleichwertige Vorstellung
erweckt. Auch der Sinn ist nicht immer ganz getroffen; so h«ßt
V. 19 i^insginov nicht „ich sandte dich hinaus", sondern .holte
dich heraus" (s. Bruhn, Antigone, Berlin, Weidmann 1904, z. d.
St.); ▼.213 (209) wird Kreon noch aufgefordert „uns allen gib
Gesetze", w&hrend im Original der Chor sich dem bereits erlassenen
Gebot nur widerstrebend beugt; ▼. 436 (436) wird i^ioiyB ganz
unnötig mit „uns" übersetzt; ▼. 635 ff. (681 ff.) wird nicht klar,
worauf es gerade ankommt, daß nämlich Haimon seinen Gehorsam
ausdräcklich von der „guten" Leitung des Vaters abhängig macht
u. dgl. m.
ungleich gewandter sind die lyrischen Partien übwsetzt; der
Bhythmus der Strophen klingt mehrfach an den des Originals an,
ist aber stets einfach und sangbar, und daß die Entsprechung
zwischen Strophe und Gegenstrophe nicht immer ängstlich gewahn
ist, nimmt man für ungezwungene, wohllautende Sprache gern in
den Kauf. Besonders gelungen sind die Parodos und die Stasima,
in deren langen Strophen auch die oft kunstvoll verschlungenen
Beime nicht störend wirken. In den Eommoi dagegen macht sieb
eine gewisse banale Sentimentalität unangenehm fühlbar, welcher
Eindruck durch den Beim noch verstärkt wird. Antigonea Eomaos
wirkt wie eine larmoyante Arie alten Stils, in welcher manche«
beinahe komisch klingt, z. B. 871 (866 f.) „so hast du Toter mir
den Leib (I) genommen" ; und in der Ezodos glaubt man den Text
zum Finale einer italienischen Oper zu lesen. An diesen Stellen
wäre eine reimlose Übersetzung dem wuchtigen Ernst des Originals
weit besser gerecht geworden.
Es läßt sich also nicht leugnen, daß die vorliegende Über-
setzung trotz des ehrlichen, von den besten Absichten geleiteten
Strebens ihrer Verfasser und trotz des vielen Guten, das sie
M Die BandzähloDg bei Geffcken ^bt die Verszahl der Übersetzang,
nicht die dea Originals, und ist aUo mm Zitieren nicht brauchbar; ich gebe
oben die Vernahlen des Originals, in Klammern beigeffigt die der Übtf-
•etSQDg.
/. Kral, fteökä « ffmskä rbjtmika a metrika, ang. t. J. Pavlu. 601
unstreitig eothftlit als Ganzes nicht imstande ist, ron der herben,
hoheitsToileo Schönheit ihres- griechischen Vorbilds eine befriedi-
gende Yorstellong zn geben.
Wien. Dr. Henr. Siess.
Dr. Josef Eräl. 6eckä a Hmskä rbytmika a metrika.
IL BöcU a fimskä metrika. V Praia 1906 (Griechisehe and rOmisehe
Bbjthmik und Metrik. II. Teil: Griechisehe und rOmische Metrik.
1. Band. Prag 1906). Preis 15 K.
Der durch seine Arbeiten über Rhythmik und Metrik best-
bekannte Verfasser hat in dem im Jahre 1890 erschienenen ersten
Teil dieses Werkes die allgemeinen Grundlagen der Rhythmik be-
handelt, der zweite Teil soll die einzehien metrischen Gebilde be-
schreiben and erkl&ren. Die rorliegende erste H&lfte dieses Teiles
enthalt die Behandlung der anfachen Metra, also I. der dakty-
lischen, IL der anapastiscben, III. der trochaischen, IV. der iam-
biscbsü, V. der ionischen und choriambischen und VI. der paio-
Dischen Reihen. Fast das halbe Buch beschäftigt sich mit der
Erklärung und Besprechung der daktylischen Reihen, wobei wie*
demm naturgem&ß der Hexameter am breitesten bebandelt er-
scheint Zuerst wird Bedeutung und Begriff der Casur besprochen.
Nachdem wir die Ansichten der alten and neuen Zeit darftber ?er-
nenmen, faßt Eräl seine Ansicht etwa folgendermaßen zusammen :
Die casur ist eine stets trennende, nie verbindende Pause im
Bedeflusse, der zwischen den einzelnen Wörtern kein Absetzen
kennt, zum Zweck des Atmens, einzig und allein durch den Sinn
bedingt; darum ist sie in zusammengesetzten und zwischen zu-
sammengehörigen Wörtern zu meiden; der Dichter kann sie auch
setzen, wo in der gesprochenen Rede eine Pause zwar nicht not-
wendig, aber doch möglich ist Ein richtiger Hexameter bedingt
eine Casur, nicht mehr, aber auch nicht weniger und diese muß
in der Mitte, im dritten oder vierten Takt stehen. Als richtige
Pausea sind anzusehen: 1. die nsv^rnuiu^g^ 2. die TOfii) xazic
XQitov tQO%atoPj 8. die iq^^i^u^g und 4. die nach Kr&ls
Ansieht am wenigsten häufige rofi^ ßovxoXiTcr^j die aber immer
dann sicher anzunehmen ist, wenn der Dichter durch anaphorische
Stellung eines Wortes die Pause verlangt. Unrichtig sind die, wie
es scheint, erst dsm sp&teren Altertum bekannten Pansen xetxk
tituQiTOv XQoxoliyif und die rpidi^fi^fißpi^^. Ein HexatnoUr ohne
casur ist falsch. Die Diärese ist flberall dort am Platze, wo ^
Dichter mit dem Ende eines Taktes eine Pause ansetzt; nicbt et
auch dort, wo mit dem Taktende auch das Wort eniigt: m
das Auge, sondern das Gehör ist ausschlaggebend« Deshalb K
Hexameter, in denen mit jedem Takt ein Wort endigt, an |
weder falsch noch unschön; denn der Strom der
602 J. Kral, fteökä « fimaki rhytinika « metrika, auf. ▼. /. FnU,
anterbrocbeo weiUr, z. B. Hom. IL I? 455: xöw di tc xifJU^s
doihcov iv aögeöiv IxXvb noifLtjv. Im folgvodca wtHfm alk
Regeln, die bezfiglicb des Wortrhjthmiis Yor und na^ der Cinr
oder in einzelnen Takten dee Verses, der Schlußworte «. i. asf-
gestellt worden sind, teils für unrichtig, teU« for ftb«rflt»if er-
klirt, solange man nieht das Warum keaot. EbeD«o iin^««LL üsA
nnznverl&ssig seien die Beobacbtangei], welche betrtflj des Ttr-
h<nieses vom Vers- zürn Wortaktent gemacht worden «in«.
W&hrend der mnsikallseh -melodisch eA(czei]t des kriech itchtn Hiu-
meters in den Zeiten vor Cbrieto mit dem Worttoo nieht imtammea^i^
fallen mnGte, läßt sich vom lateinUchen Hexameter. d«r ftr lie
Sprache eigentlich nicht paQt, nar sagen» dal> die Diieomjii beider
Akzente immer möglich war, daß aber die Dicbttr am Ende das
Verses wo möglich EoDsonacz btr^astelleo iracbtet&s. Nach eimr
kritischen Belenchtong der MeinnDgen ober die ftrteHifg de«
Hexameters formuliert Eräl seine ADsichi etwa
Es ist nicht Ton einem indo enropäiBCheo Veree anszuirehe
vom fertigen Hexameter, über deasen cbarakteristificbe Eigenn^aftei
1. die C&soren, 2. die yerscbiedene GeEtaltuDg der Takte AoftchlaG
geben müssen. Die urepröiiglicben Cäsnreo 6ind im 3. Takt, die
rofi^ itpdiJlUfUQiig und ßovxokixtj eind sejnes Eraebteos epiter
hinzugekommen. So folj^ert denn Kral in ADlehDimg an Bergk,
daß hier zwei ziemlich lange Verse iceiDander gefiossen sind oad
zwar eine tripodische k ata] ekti sehe (C^siir nach der 3. Hebnsf)
oder eine akatalektiscbe (xatä rgiiov r^oxaioi') fallende tiiid etne
tetrapodische katalektieche steigende Eeibe ( Parat miakos)> Der nr*
sprfingliche, noch gesQDgene Hexameter hatte eine freie Gestallt
wie die alten, einfachen Yerae eJDzelDer iDdo -etiropSi scher Vdlkw
auch nur Hebungen, aber freie SenkEiDgen haben, die eag ar niitrr*
drückt werden können. Der homerische Hexameter, welcher zam
Vortrag bestimmt war, hat acbon «eine feste Geetalt« Diesen Am*
führungen wird ein Exkurs Ober die Verwendang und Entwi^l^g
des Hexameters im Lauf der Zeiten, eowie eine Übersicht über die
große diesbezügliche Liloratnr, 8jBtematiscb geordnet, aügetchloteeii.
Dieselben Prinzipien wie für dea Heiameler stellt Kr&l imuMii
tnuiandia auch für den PeDtameter, der verdoppelten Penlhemi*
meres, auf. Sein ^^0$ ist 7.Qm UnEerschied TOm erüaiei}, gelrt-
genen Hexameter ziemlich unruhig nnd so hält KrUl deott
Schillers bekanntes Ept^'ramm fär nicht richtig. Darauf
die daktylischen Systeme and StrophfQ slegiscber and
Gedichte zur Sprache, die daktjliacben Chorlied^r bei dio Lyrikeii
und den Dramatikern und scfalie^lieb die daktyltieh«n
in der Tragödie.
Der II. Teil umfafSt die BeaprechTOg "*
Reihen, die nicht etwa* wie Christ — s*.'**^
Metrum entstanden sind, bod^*'^
st&ndig sich entwickelt haben
>/. Krtd^ iit&ki m f(inik^ rb3ftmika & metrik^, &Dg, f. J. Fmlu. BOB
imh. Am d«r Behandlotigf der eiDi£«)Deü anapästiechen Kolen
I Hftrtn iniereseiert uns beeouders d«i Yerf.a Ättgkht nber den
Enoplioa oder Prosodiakos, di& katakktieche oder akataiekllsche
lii)ilitJiebe Trtpodte, diren erster Takt anetaU eines voUsd Ana>
pifll Spotiä^Qa oder auch Jambns, der zweite , bezw. auch der
^ritt« Takt ein reiner Aoapflet ist. Hier neigt sich der Verf. im
t'iQiati zü antiker und podaroer AnfTaBeungi die ioiiiacb mlMn
Aoiictit ziif daß die MesBnng nach Anapäaten mehr Wabrecbein*
hit fär sich habe, üoter den drei dafür angeföbrten GrüDden
Kfaeiüt mir der letzte den Ausscblasr zu gabeD, der UmstaDd näm-
K, daß dieaer Vera \n Marsch- nod Prozegsionsliedern Verwen-
f fand, wodareh dem Metrum der anapäatiaebe Charakter anf-
tidrärkt let. Die Diäreie des akatalektiscben Dimeters (nach dem
ftiiten Takte, d. i. nach jedem y.weitec Schritt)« bezw. die dafür
Eitch hl ersten Araia dee dritten Taktes stehende, wehl erst später
fOtitiQd«ae Cisnr richten eich häufig nicbl nach dem Sinn, sondern
trinoiD ^naammeDgehdrige Teile. Dieae auffälliger s^iu^r sonstigen
ilfagiang Ton der Cäsnr ganz widersprechende Erscheinung aacbt
J«r Verf. damit zu erklären, daß diese Keibeu niemals wie der
Amiter bloß gesprochet]» sondern entweder gesungen oder doch
I ameikaliicber Begleitang vorgetragen wnrden. Bei der Be-
cliDng des Paroimiakoa werden anf Grnnd genauer Beobach*
fiti auiige Hegeln aafgestelltp während die Hegeln Hermanna
dii katalektische Oktapodte im besonderen tind Hilbergs dber
•iiiehe Beihen im allgemeinen teile ala äberün^sig, teils als
Bebtig hingestellt werden. Bei der Behandlung der einzelnen
päitticben Systeme and Strophen wird der TOn Hermann in die
(rik eingeführte Unterschied zwischen strengen nnd freien Sy-
bin beibehalten nnd beide Arten werden näher belenchtet nnd
kteriaiert.
n IlL Den Namen rgox^log leitet K. mittelbar von tgi^Bit^
■ftittelhar von tgoxog oder noch besser von ^^oj|;ij, d* h* Lanf,
Bin ab nnd schließt sich mit dieser Erklärung enger an Lentsch
fF>%Linfer*^) als an KirchhofT {T^o^og TOpferrad) an. Unter den
timlntn Eolen nnd Metren verdient der nralte troehäiscbe Tetra*
^«t«r Erwähnung, der^ nach seiner Zusammensetzung dem ana-
^liicben und 1 am biseben Tetrameter verwandt, naturgemäß durch
4ii Diärese in der Mitte in zwei Kolen zerlegt wird. Ancb hier
im die von Poraon nnd Qilberg aofgestellten Hegeln ala will-
Ud) ond Tehlerhaft bezeichnet*
IT* Die antiken nnd modernen Etymologien des Wortes !^apt.ßog
I. fnr verfehlt nnd begnügt eicb mit Alexandereon fesun-
ll«ii, daß wir die wirkliche Etymologie dea Wortes nicht kennen«
I hiaflgeten Versmaß, dem iambiscben Trimeterp wird ein eigener
^kitt gewidmet. Betont ist die zweite Hebung jeder Dipodie
ttar stnfeD eich die Akitente zum mindesten im gesungenen
^m mit Musik begleiteten Trimeter, der ein Eolon ansmacbt,
604 J. Kral, ftedkä « hmtka rbjtmUn a metrika. Mag. ▼. J. Finlm.
folgendtnnafien ab: w-w^| ^-w- | — ^.-2-, Beim gvtpnh
cbenaD gab froilicb der 8iD0 d«n Anaaclilag. D«r Ytn« 4m di«
aüa ObtriiafaniDg mit dam HaxamaUr giaickalUrig dankt, ist ii
Übereinatimmiuig mit Christ eine apUaror Zait angali^Mg« Asalagia-
bildoDg zum Hexameter, wofür aocb die zwei aiaiig m^glicbei
CftenreD, die x^vdirifLtiisgiig und i^p^fufu^iig t
dort, doreh den Sinn bedingt Dabei ist allerdinga n
dafi fon K. Terbftltniem&ßig h&nfig febierhafte CUireo zwiicbM
zwei dem Sinn nach untrennbaren Wörtern angeBommaB werdta
mfiseen, gleichwie aneb fehlerhafte Trimeter ohne C&av. Di»
Di&reee, welehe den Vers in zwei gleich grofta Teile zerlagt, aber
dessen dipodischen Bau Ttfletzl, wird gemieden. Betreib der later-
panktion gelten dieeelben Begeln wie beim Hexameter. Zorn Schlaft
werden die Besnltate ans einer großen Anzahl ?on atatiatisckea
Detailarbeiten fiber die Form des Trimeters, den Gebranch im
Spondens, des scheinbaren Daktjls, des AnapAsts, des Tribrachyi
nsw. Torgefdbrt nnd rielee daTon, damater anch die Porsonecheo
Geeetze, als nnzurerlAssig, fiberfldssig oder nnrichtig beiaidmet
Was den Senar des Phaedms betrifft, so sei betreffs der „Geeetze",
ans denen hervorgehe, daft Phaedms nach einer Sdiablese ge-
arbeitet habe , noch nicht das letzte Wert gesprochen (Draheim.
Langen), vielmehr erscbelne nc^^b eine n«ae Uatef^nchaog gebotiB'
In Anlehnung an Westphal, Eosebacb utid Crasim mmut £«« diA
die letzte Dipodie des ChoUambs so zu Wianen sei ^-^ — ^.
Babrios habe den Wortakzent aHerdiogs regeliDidig ußd absicht-
lich anf der vorletzten Silbe: w-^-' ^, Eine befriedigende £r-
kl&mng für diese Ersehe] nnug flei zwar noch nicbt gegeben« e^^f
eine gewisse Wahrscbeinlicbkeit habe die Verbicdoüg der Antidit^^Q
von Cmsins nnd Abrens : Babrios ahme römieche CholiambeD oaeii.
in denen rhythmischer und Wortak^eDt, — einsilbige Wörter aa
Schlnß seien verpönt — häufig auf der vorlBUtea Silbe znsaanneo-
fielen. Nnn werden die iatnbiscben SjAUme nsd Strophen infge*
zihlt nnd eine Anzahl metriscb zergliedert.
Der y. Teil behandelt die ioniscben und cborUmbisebefi
Reihen. Die Betonung der ionischeu Verse, deren Ben&DQüng vua
den Alexandrinern herstammt nüd die gleich dem Cboriamb or^
sprnnglich sicherlich wobl ßtxKi^im hießen, ist nicht -^«^,
bezw. w w-^ -^ , wie Christ meißt, soadern - - ^ ^ , bezw» « w-^,
^a für den fallenden lonikog auch ein Ditreehaaä - w^» ßr
den steigenden ein Doppel iaiDbos ^ - ^ -^ üblich lAi Ott ligte*
tflmliche Erscheinung der Anaklasii, wo bmm Zntammfiisiofi twm
ionischer Takte die Linge des einen Foßes mit^^*» »*— *.j
anderen scheinbar den Plat^ taaicbt, findel ^''
Erklärung dnrcb die mit der antiken Überli '
einstimmende Annahme ron Wilamowiti-'
daß die letzte Länge aufgelöst und von
standenen Kürzen die letzte mit der eri
J. Kral, fieakä « ffmtkä rfaytinika a »etrik», ang. ▼. J. Püvlu. 605
FoflM wieder In eine Liege zusammengezogen wird, also:
x/ s. - wTj-TTi s^ — , wodnreh allerdinge die Qrence beider Takte
Terwiecht wird. Ebenso einfach erscheint eine andere Erklärnng
Eräls: da in ionischen nnd daktylo-epitritiscben Reihen neben den
aeebszeitigen anch ftnfzeltige TiJrte Yorkommen, so wftre es nicht
iBBgeschlossen, daß solche Takte anch tob den alten Metrikern
nebeneinander zngelassen nnd nnr dnrch das Tempo miteinAnder
issgeglicben wurden. — Das am h&nfigsten vorkommende Meimm
ist der katalektische Tetrameter^ der Sotadins, der dnroh Anf*
ICiüDgen nnd Znsammenziehnngen, dnrch stellyertretenden wirk-
lichen nnd irrationalen Ditroch&ns die verschiedensten Formen an-
nehmen kann. Ja es finden sich sogar siebenzeitige Takte von der
Gestalt v^, ^^ — w, In denen Bossbach den Trochäus
zweizeitig messen möchte, was aber nicht angeht Anch Pod-
horekjs Annahme eines irrationalen Taktes ist unrichtig, da nie
die Hebung, sondern nur die Senkung irrational sein kann. E.
glanbt hier wirkliche Epitriten zu finden, die man wohl zwischen
andere Takte einschieben, nie aber unmittelbar hintereinander
folgen lassen durfte. Nach der Be^echung der einzelnen ionischen
Eolen und Strophen wird der Choriamb, der sich bei den Dra-
matikern sehr h&ufig findet, einer genaueren Betrachtung unter-
zogen: er ist nur eine Abart des lonikus. Die Stellvertretung
dnrch den Doppeliambus (ein sicheres Beispiel ffir einen stellver-
tretenden DitrochAns findet K. nicht) bezeugt den steigenden Takt:
^ \^ ^ "^,
Im letaten Kapitel dieses Bandes werden die paionischen
Beihen behandelt, deren Takt 8 : 2 oder 2 : 8 ist. Stichisch finden
sieh nur kretische Verse, von denen sich aber nicht bestimmen
lißt, ob sie steigend oder fallend zu messen sind.
Der Verf. hat in dem trefiTlichen Buch, das einen wertvollen
Überblick über den ganzen Stand der Frage bietet, mit Olfick und
Geschick die Klippe der Kompilation umschifft. Die Literatur, die
bis Ende 1905 vollständig verarbeitet erscheint, wird kritisch ge-
sichtet und geprüft und daraufhin vom Verf. ohne subjektive
Willkür die eigene Ansicht entwickelt. Fem von Originalitäts-
hascherei erkennt er bereits vorhandene richtige Erkl&mngen rück-
haltslos an. In dankenewerter Weise hat der Verf. in einem Anhang
tili Verzeichnis aller der Strophen dem Bach aofefügt, deren G\\&-
äerung bei Bsfipreohung der einzelirei] metft»cben Eeibeo gebotea
«arde.
An stC^r^rden Druck r dut eine KJetnigkeit auf;
Utk A. BM^^^^^^^HbI^ ^* VHL
606 E, SehHeidewitt^ Eine antike Intiinktioii usw.» ang. v. E. GtchwiMd,
ProL Dr. Max Schneidewin, Eine antike Instraktion an
einen YerwaltangSChef. Mit einer Einleitang Aber rOmisehe
ProTinsialTerwaltang. Berlin» Karl Gnrtiiu 1907. 125 SS.
Der rühmlich bekannte Verf. yerOffentlicht nnter diesem Titel
in einer besonderen Aasgabe (Text« Übersetsong, Disposition und
Kommentar) den ersten Brief ans der Sammlang der Briefe Cieerm
ad QuitUum fratretn — ein Prachtstfiek ans der gesamten Brief-
literatnr aller Zeiten. Der Bef. mOehte ihm, was Tiefe des Inhalts
anlangt, nnr noch ad fam. IV 5 (Trostbrief des Salp. Serrioi
nach dem Tode der Lieblingstochter Ciceros) an die Seite stellen.
— Es ist dies der längste Brief Ciceros» der aof ans gekommen:
quamquam in his liUeris Umgior fui^ quam aut vellem aut quam
me putavi fore, heißt es Xu 36 im Briefe selbst.
Wohl selten &aüert sich in einem Schriftwerke eine geradem
ideale Brnderliebe in so zartfflhlender Form. Die Batschlftge dea
besorgten Bruders erstrecken sich auf alle Verhältnisse in der
Stellang des Qaintns : gegenüber den dienstlich Untergebenen, des
romischen und griechischen ProYinzialen, gegenüber den SklsTen;
der Brief enthält anch Winke für die Abwickelang der finanaielltn
Schwierigkeiten in dieser Provinz. — Eine besonders wertToUe
Beigabe ist aber die Elnleitong Schneidewins: »Die römische
ProTinzialYerwaltang**, über die wir nnr verstrente Angaben
in den Handbüchern von J. Marquard nnd bei Th. Mommsen be-
sitzen. Der Verf. hebt genan den Unterschied zwischen onserar
modernen Beamtenschaft nnd der der Römer hervor ( — feste Be-
soldung, Pension, Tradition ehrenhafter Gesinnung); unsere Be-
amtenschaft ist eine berufliche und ist mit der entsprechenden
Vorbildung ausgestattet, ihre Verantwortlichkeit ist genau präzisiert
und in der Dienstespragmatik verzeichnet. Unsere höchsten Landes-
behörden stehen ferner in staatsbürgerlicher Beziehung mit ihren
Mitbürgern auf gleicher, verfassungsgemäß bestimmter Stufe, die
römischen Statthalter dagegen gehörten dem herrschenden Volke
an und standen national fremden Untertanen gegenüber; sie ver-
einigten in ihrer Person die höchste Militär- und Zivilgewalt und
die Jurisdiktion Ober Leben und Tod, gegen die nur römische
Bürger Berufung anmelden konnten. Der römische Statthalter er-
hielt allerdings vom Senate eine Instruktion, welche die Ab-
grenzung seiner Amtspflichten und -rechte enthielt, aber es febit
uns über derartige Instruktionen bisher jede Überlieferung. Das
vorliegende Dokument kann als Instruktion des Bruders an den
Bruder nicht allgemeine Geltung beanspruchen und wenn jemand
sich auf die Weisungen des Kaisers Trsyan an den j. Plinius bemfes
wollte, so müßte man einwenden, daß diese Instruktionen für den
Statthalter Bithyniens — denn dies war der j. Plinius — sich
nur auf konkrete Einzelfälle beziehen.
An diese Abhandlung schließen sich einzelne interessante
Bemerkungen über die Entwicklung der provincia Asia, der städte*
J. TT. Beck, HoraistadieD, ang. v. J. JE^^ 607
reicbstan Pro? inz der Römer, und dereo finanzielle Bedeatang, so-
wie ein Verzeichnia der Oerichtsat&dte an.
Als Text benützte der Herausgeber den der Müllerschen
kritischen Ausgabe, also den besten, den wir fiberhanpt besitzen.
Die Übersetzung ist, wie man es von einem Philologen Tom Bange
eines Schneidewin erwarten kann, angemein ansprechend, nähert
sich an vielen Stellen geradezu dem Fenilletonstil; denn der Ver-
fasser der „antiken Humanität*', der „Lebensweisheit des Horaz** . . .
ist zugleich ein geistreicher literarhistorischer Schriftsteller. Da
die Schrift femer fär ein weiteres Publikum bestimmt ist, wird
der Philologe von Fach manche Kraftworte und recht energische
Wendungen in der Übersetzung hierin begründet finden; so z. B.
kgaii = SUtthaltereiräte ; letUitudo, XIU 88 = Dickfelligkeit;
wlffarea Jumores, X 31 = die jedem Hinz und Kunz zuteil werden ;
S. 121 Milo ist doch nur ein Papierschnitzelchen am Drachen-
sehwanz der weltgeschichtlichen Zelebrität Ciceros u. a.
Der Kommentar entspricht auch höheren Anforderungen;
m 9 isia provineia abundat sollte die Beziehung auf de imp, Cn.
Pomp. IV 14 Aeiii tarn opima est ae fertilts, ut et ubertate
agromm et varietate fruetuum et tnultitudine earutn rerutn, quae
expartantur, facile omnibus terris anteceUat — nicht fehlen, sowie
Cicero in diesem Briefe fortwährend einerseits das musterhafte
Verhalten des Pompejus auf diesem Schauplatze, andererseits die
Mißwirtschaft des Verres in Sizilien vor Augen führt. — Einer
Erklärung hätte I 3 bedurft: ei te ipse ad omnes partes hene
audiendi excitas; dasselbe gilt von IX 26 (S. 64) gravi vectigali
aedilieio Asiatn liberaetif an welcher Stelle überdies aus Versehen
im Texte aedliicio (Übers, ädilienische Sp.) stehen geblieben ist;
(Tgl. auch VI 17 in eervis; VII 22 fehlt artium bei optimarutn;
8. 97 oleceniaeimi; S. 68 tomporis . . .).
Der Referent muß zum Schlüsse dem Verfasser Dank ab-
statten für den Genuß und die Erbauung bei der Durchsicht seines
Buches, das durch den fesselnden, rein menschlichen Gefühlen ent-
springenden Inhalt geeignet sein wird, dem klassischen Altertum
neue Freunde zu gewinnen und die moderne Zeit zur Bückschau
in dieses Gebiet einzuladen.
Prag. Emil OstihwiJid.
J. W. Beck, Horazstudien* Ha&g, U&rütfB«
Mehrere Dinge mdseen jedeD Lesur 'i
Der Verf. nimmt nämlich bto aod da Bä|i^
scheinungen der deutschet] Littjraiur^ ,J[pri^*
sieht, eine Stelle sei schlecht
lehrter so bezeichnet, Tidiaali h^ » •
1
608 J. W, Beck, HoraiitodieD, «Dg. t. /. EtM.
geführt oder wie P. Caner (Palaeatra tniae^f 8. 149, 28) tagt,
man habe den Dichter, nicht die Überliefenmg yerbessert. Damit
h&ngt Zusammen , daß er vor den viel geprieeeoeo Konjektaren
nnd Anfetellnngen vieler keine Ehrfarckt bat; ich nenne Lach-
mann (S. 27 tn c. m 24, 4), Bentley (8. 28 zn c m 25, 9,
ni 26, 7), Lambin (8. 80 zn c. m 27, 60), L. Möller (S. 81
zn c. IV 2, 49), Meineke (S. 85 kx Meinekiana zn c. IV 8, 15 ff.),
Hanpt (8. 59 zn AP 101). Ebenso weist er daranf hin, dafi der
moderne Geschmack kein Gmnd ist zn streichen, zn ftadem, nia-
znsteilen oder Lacken anzunehmen (8. 25, 81). B. frant sieb,
bei Horaz etwas Menschliches zn finden, daß dieser wie aaden
Autoren seine schwachen 8tündchen hatte (8. 25); schon QnintUias
(X 1, 24, 25) habe daranf hingewiesen. Aber jetzt lasse nun
das wohl bei 8hake8peare nnd Goethe gelten, bei Horaz nicht, flr
ihn wurden Normen und Segeln festgestellt, die Metriker sucbtoo
den Dichter ihren Begeln anzupassen (8. 42).
Daß B. durch Vollmers Arbeit angeregt wurde, gebt aas
seinen Worten 8. 1 hervor. 8ie ist ihm »ein warnender Wegweiser*,
fordert oft zum Widerspruch und zu scharfer Kritik auf.
Vollmer hatte (Philol. 8nppl.-Bd. X, 2. Heft) als Ausgangs-
punkt einer Becensio die „Fehler** s&mtlicher Handschriften an-
genommen. Diese Grundlage nennt B. (S. 7) schwach und g«*
ffthrlich; die Liste Vollmers S. 279 ff. bietet doch nur Fehler im
Sinne Vollmers, also sie ist subjektiv. Das zeigt B. an c I 8,
1. 2. Vollmer schl> hier die Zeugnisse der Metriker nicht bock
an (8. 272), behauptet aber trotzdem, sie gäben dem Ausschbig.
Nun stellt sich heraus, daß Marina Victorinus und Fortuna-
tius die Stelle mit preoor und quaeao paraphrasieren, was deutlich
auf aro zeigt. Und Caesius Bassus hat keine Beweiskraft, weil die
Stelle interpoliert ist. Somit lassen sich die Metriker nicht als
Hauptbeweise anfahren.
Im dritten Abschnitt zeigt B., daß die indirekte Überliefe-
rung des Horaz bei den Schriftstellern und Grammatikern einheit-
lich ist. Einzelne Varianten sind da, aber diese stimmen mit den
Handschriften. B. wendet sich dann der handschriftlichen Über-
lieferung zu. Er sagt darüber (8. 19): „Wir bringen es mit dem
größten Scharfsinn noch immer nicht weiter als Keller, der nos
aber auf den richtigen Weg geführt hat, den V[ollmer] verlassen
will.*' Er bespricht dann „die sogen, gemeinsamen Eormptelen
der Handschriften.*' Ich hebe hier einiges heraus. Zu c. IV 8,
15 ff. bemerkt B. (8. 88): „Horaz hat die beiden Scipionen nicht
verwechselt. Die Worte qui damita namen ab Afriea lueratus
abiit (vs. 18) erinnern uns nach vs. 17 {incendia C.) an den jün-
geren Scipio . • . . Die Worte ceieres fugae (v. 15) deuten die
Schlacht bei Zama und Scipio aaior nur ans der Feme an.*' Dem
Dichter war der ältere Scipio weniger sympathisch, mit Africanas
meint er nur den jüngeren Scipio (8. 86). Serm. I 6, 126 (8. 4i t)-
Draeger-Heraeus, Die Aooalen des Ttcitos, ang. ▼. B. Biisehofsky, 609
«Das Dogma der Antorit&t der Blandinii — ? on Bentley und sp&ter
▼00 der sogen. Berliner Schale gepredigt — ist eine Sache des
QUnbeDB, nicht des Wissens . . . B&tselhaft ist es mir immer ge-
wesen, daft der Blandininsspncic noch in der philologischen Welt
umherirrt"^). B. weist nach, daß es mthi fugio campum^ sondern
fi»gio e campo heißen mnß. Zu dem fugio eampum nnd luaumque
triqonem, das ja selbst den Bland in iianbetem nicht paßt, erkennt
B. die Hand des Versemachers einer sp&teren Zeit« dem das
ftioere Sprachgefühl fehlte (S, 48). Daß sich Vollmer mit Serm. I
6, 126 die Sache beqnem macht, indem er Bentley nnd Mewes
zitiert, ist fon B. (S. 77) mit Recht getadelt worden. Ein Siebter
dürfte es jedenfalls nicht so machen wie manche Philologen in der
Angelegenheit der Blandinii. Die ünxnyerl&ssigiceit des Crnquins
wird zugegeben, aber trotzdem oder yielleicht deswegen wird Cm-
qnins als ToUgültiger Zenge angesehen und nach seinen Angaben
das Urteil gesprochen.
Am ScÜnß seiner Horazstndien bemerkt B., daß er die
Arbeit yon Josef Bick, Horazkritik seit 1880, Ende 1906 erhielt,
als er seine Abhandlnog abschließen wollte. Er stimmt mit Bick
io den Hauptpunkten fiberein, besonders was die Teilung der
Horazhandscbriften in drei Klassen anlangt. Den Bflckschritt zu
Kellers Ansicht darfiber nennt B. einen großen Fortschritt, da „der
Ton Christ -Leo -Vollmer Torgezeichnete Weg uns in unbekanntes
Land ftthrt*".
Im ganzen und im einzelnen zeigt sich B. als bed&ehtigeu
and wohlflberlegenden Kritiker. Er glaubt den Handschriften mehr
als geistreichen Einflllen yieler Gelehrter. Außerdem hat er manche
Stelle neu erkl&rt und so ihre Echtheit nachgewiesen. Seine Arbeit
empfiehlt aich so Ton selbst.
Smiehow. Johann Endt.
Die Annalen des Tacitns fBr den Scbolgebranch erklärt TOD
A. Draeger. Enter Band. Erttet Heft. Bnch I nnd IL Siebente
yerbeeaerte Auflage ?on Wilhelm Heraens, Prof. am großh. Qjm-
nasiom sn Offenbaeh a. M. Leipzig nnd Berlin 1907, Druck nnd
Verlag ?on B. G. Tenbner.
Dia ffinfte Auflage toiu J* 1637 war di?c1] ft^n Draeger
selbst btaorgt worden, die eecbst« vom J. 1891 hat^A F Rnclter
fibemooiflBaD. Der oeoeste Bearbeiter bemerkt Im V ili «r
Ton tiefer einscboeideDden Äi)dernog«]i ^^ v
dann fori: *Se iit mshefiODdere ^'^
kungen grAndltch revidiert, wob«
1) VgL W«»tBer In der B«rÜa«»H.
8p« 482, Adhl: .Aber aaoh n||l'^ "
Zeitsehrill f d. *iieft, 0-™ T
610 Draeger-HeraeuSt Die Aonalen des Tacitat, ang. t. R. Biischoßly.
denn Draeger war in der Dachtaciteischen Literatar wenig heimisch.
Aber ancb manches dieser Art warde als überflassig gestricheiii
desgleichen yiel Ballast von Zitaten, nm Baam för sachliche Er-
klftrnngen zu gewinnen. Der Text geht yielfach wieder auf den
Medicens, die einzige fdr Bach I — VI erhaltene Handschrift, znrück,
meist in Obereinstimmnng mit Andresen, dessen Nachrergleicbiuig
bekanntlich nicht nnfrnchtbar gewesen ist'. Anf die Einleitung
fiber TacitQs* Leben nnd Schriften folgt eine Obersicht des Taci-
teischen Sprachgebrauches (S. 5 — 86), der kritische An-
hang gibt die Abweichungen vom Texte der 4. Ausgabe Halms
Tom J. 1888 an. II 55 cum orta tetnpestas raperel in ahrupta
poBsetque inUrüus inimici ad casum referri halte ich die Ein-
ffigung Ton Pisonem nach abrupta nicht für geboten. An der ancb
sonst vergleichbaren Stelle c. 23 postquam mutabat aesttts eodmqw
quo ventus ferebat usw. ist ferre, ein abgeschwächtes rapere, io
ähnlicher Weise ohne Objekt gebrancht.
Der Kommentar l&ßt an einigen nicht ohne weiteres ein-
lenchtenden Stellen im Stiche. Ich meine z. B. 17 tamquam teUrt
re publica, 10 m<ichinator doli Caesar, 85 faustis in Oermanicum
ominibus, 89 neque militum, sed deum tra resurgere, 46 eundemqw
severitatis et munificentiae summum, 47 omiUere caput reruMf
59 nie delectus Tiberius, 69 accendebat haec onerabatque Seianus^
75 veniam ordinis, 76 quod in vulgus formidolosum et pater
arguisse dicebatur; II 80 ius perorandi, 85 speeiem libertatis
Pisa praeceperat, 50 aduUerio teneretur, 85 exactum. Das sn
I 84, 12 erwähnte intransitive ^ctore findet sich bereits 18, 19;
turbidus = turbulentus, seditiosus (88, 10): 84, 15; placitum =
quod placuit (II 66, 5): I 80, 5 (auch dort in Verbindung mit
semel). Für inludo c. dat. (I 71, 4) konnte anf das näher liegende
Beispiel 61, 18 f. verwiesen werden, für super = (2^ (U 28, 14)
auf zwei Fälle in demselben Bach: 85, 2; 54, 15. Daß im ein-
zelnen noch manches zu berichtigen oder zu ergänzen ist, will ich
im folgenden näher ausführen. Die den beiden Bflchem voran-
geschickten Inhaltsangaben sind nicht immer zutreffend. Tcb
führe zwei Beispiele au: II bandelt es eich nicht nm 4ie Vr^r-
fasBUDg des lieicbes vor ÄngnsUs, eondern nm die Gründe, valw
Tacitns znr Wabl d«r vod ihm dargestellten Periode der rOmlichtr
Geschicbte bestimiDteD. D^r Inbali des 70, Kaß. wird in dit W^vU
zusamme[]gefa(^t ; ^Eäckkebr einer Abteil Qiig zu Wassec . Darere^t: '
wird, wie die 2. nnd 14, Legion bn einem heflii^ii Dfivtttex -^^
der KüaU zum Flnsee VisorgiG marschierten t Wfr si» fififüdüil
wurden . I 4, II 71 ßnU adfM das Lebiiiteii^ «r^f —
I 5; 11 36; 42 hat poiiri P»ffifctliWllUtiiQg, »^ ^
Fälle von Krenzstellung iM^^'^'^B^ r,
druck ^'der Indikativ par^l^
her?or' i&t irreföhresd« *^
— 85, 17 €laium (f$r
Draeger-Heraeus, Die Annalen dei Taeiins» ang. ?. B. Bitschofsky. 611
4 f. gnarus hostia 'der umstand, daß der Feind Eande hatte';
ZQ 19, 14. — 86, 7: ^pericuhsa eet. Hier ist est zu erg&nzeo.
Die Ansicht ist die des Tacitns, allgemein gdltig'. Ich glanbe,
die Stelle ist analog zu erkl&ren, wie 10, 19ff.y wo der Verf.
bemerkt, daß der accus, c. Inf. korreicter w&re. — 86, 9: über
ipistulae in singnlarer Bedentang zn 80, 12. — 89, 4 war die
Eonetraktion tnetua veniste der Erw&bnnng wert. — 40, 8: fiber
die Anslassang des Eonj. von esse zu 7, 8. — 48, 12 befriedigt
die Erklftmng: vo8 quoque *aach ihr' non solutn tnens Äugusii,
imago Drust etc. nicht. — 44, 19 ist das Obj. za edebai ans
dem Snbj. des Belati?satzes za entnehmen. Übrigens setzt Kipperdey
die Komma nach erant. — 46, 7 and 60, 2 f. ist der ablat.
^oal. attrihntiT. — 51, 8 gnarua = notus hier nicht konstatiert,
wobl aber zn. 5, 7 und 68, 8. — 52, 9: über exereUus im Plar. =
wpioi Nipperdey zu Com. Nep. Them. 2, 5. — 58, 16: über
den Ablati? znm Aasdracke der Aasdehnnng in der Zeit Mensel
zn Gaes. b c. I 46, 1. An der zitierten Stelle Nep. £p. 5, 6
iteht der Abi. anf die Frage: ^innerhalb welcher Zeit'. — 64, 4
lind die angeführten Beispiele insofeme nicht zatrefifend, als dort
das Adj. nicht attribati? za gradus gehört Eher war yergleichbar
43, 15 aiabüe ad paenüetUiam. — 66, 8: per ebenso Caes. b. 0.
II 10, 8; b. e. m 69, 8. — 72, 8 ist zn dem Satze sed alia
in iudkium veniebant das entsprechende Belati? aas dem voran-
gegangenen eui zn entnehmen. — 77, 2 occma non modo e plebe
(Lente) aas dem Volke. — 81, 5 braacht descripait nicht za
bedenten 'bezeichnen, anspielen anf'. Tiberins beschrieb ja
nicht die Kandidaten, sondern ihre Herknnft, Lebensweise nnd
Kriegsdienste darch Angabe der charakteristischen Merkmale, so
daß man nach dieser signißcatio wie bei einem B&tsel erraten
konnte, wer gemeint sei. — 11 2, 8 stehen die Partizipia truci-
dantium nnd exturbantium nicht für Snbstantiva, sondern ent-
sprechen griech. q)ovsv6ävt(ov , ixßaXövtav. — 5, 18; 6, 4:
über das adyersatiTe et zu l 18, 8. — 14, 1 quies ^Traam',
wofür zu I 65, 5 nnr Vell. II 70, 1 zitiert ist. — 14, 11 : warnm
soll nemus *Hanf* oder ^Draht' bedenten? — 14, 12: utcumque
nach Vogel zn Cnrt. VIII 2, 84 'wohl oder über. — 14, 16
tidverwj» nicht absolnter, sondern lokaler Ablati? = in rebus adversia
fgh Übera, § 85), eoteprechend dem folgeodon uU^r secunda. —
14, }7 Tizth ctipi&nt: (so geh^ er i hn^n ü je Ver&icherang^.
— i6f 8 f. fwpwrtiä eaUnis, sog. aoristiscfa^B Parti^ip wie I 77, 2.
^- 23^ fi t «ifd mch am eiafacbsteo erklären la^sea darch bellum
/fltfvurfii*»/, H^irifii^it^ ni dediiitm^m p>'^>f^^r'itns^enL — 27, 2 f.: über
'. 14,6. — M, 1 io einiger Entfer-
f wff /wjwrf dissimüi)
iimorfs nicht die
hnpes tt infauetoe
ist anders zn kon-
612 7. 8ahr^ Deatsebe Littraiurdeakmiler oiWi^ ang. ?. B. F. AmM,
stmieren. Von numuit b&Dgt insectandi ab (vgl. zu I 67, 2) nnd
da? OD aemukUione muliebri, -<- 44, 8 ff. aed Maroboduum regis
nomen inviaum apud populäres, Ärminium pro libertaU btUatiUm
favor habebat wird mit Nipperdey erkl&rt: ^den M. maebU...
yerhaßt, den A. machte die Liebe zu einem Eimpfer
für die Freiheit. Habebat zengmatiaeh im zweiten Qliede
= putabai\ Ich halte diese Erkl&mng nicht für richtig, eondera
übersetze: *aber den M. hatte der Eönigstitel bei seinen Volks-
genossen ferhaßt gemacht, den A., der für die Freiheit kämpfte,
nmfing die Gnnst'. In Gegensatz stehen einerseits r€gi$ nomen
nnd pro libertate pugnaniem, anderseits invieum nnd fawr, —
71, 3: die Verbindang naturae coneedere legt es nahe, anch in
fato (eoncedere) den Datiy zu erkennen. — 84, 7 f. aeheint mir
den Worten tamquam auctus liberis Drusus domum Oermaniä
magia urgeret nicht die Vorstellnng zngmnde za liegen, daß 'der
auetua liberia Druaua wie eine tnolea anf die domus Germania
drückt, sie gewissermaßen nnter sich begrftbt*. In dem angeführten
Beispiele Verg. Aen. III 579 ist die erw&hnte Anffaaanng dnrch
den Begriff tnolea Cmole hac) nahe gelegt. Anch ist auctua Dnuui
s. T. a. quod Druaua auctua eaaet, Mer Umstand, daß* naw., worüber
ich anf die Note zn I 19, 14 yerweise.
Zn yerbessern: I 24, 10 Comifiieiua; 31, 5 Caema;
83, 11 das Zitat 19, 1 in 19, 11; 35, 21 adüo in addito; 41,
5 deee, p did,; II 5, 5 iacaotaai^ in dxöataöig; 5, 12 promp-
tum in promptam; 6, 4 auguata in anguata; 12, 11 quo^e in
quoque; 29, 6 Llbo; 54, 3 auguatiaa in anguatiaa; 60, 2 0]^nd9
in oppido; 88, 1 aciptorea in acriptorea.
Wien. B. Bitschofsky.
Deutsche Literaturdenkmäler des XVT, Jährhuödertg. hl \^t^
Brant bis Bollenbagen. Aueji^ew^blt Gtid erllutert tod Peilt \^'
Julias Bahr. Leipzig, G. J. GGäcben \mb. Preis 80 Ff .
Denkm&ler der älteren deutschen Literatur. Hera^sgaf^bfa nn
Q. BOtti eher und K. Kin2el \\\. a. Martin Luther Ein« Ab*-
wähl ans seinen Schriften mit Einlertanfen titid ErlämeruugesD, iLfbn
eioem grammatischen Anhange tod Prot ht, Bichard Ni?4bft«e^
2. TeiL 8. Auflage. Halle a. S-, Waisenfasqa 1907. Prdt Mk. t -
Dieselben. IV. 1. Die Literatur ilea XVIL Jabthoudertu Aiumti^*
und erliutert ?on Gotthold ßotticber, S., rerb. Auflaga. Ilaetibv
1907. Preis 1 Mk. 20 Pf.
Velhagen & Klasings Samtulung deutscher Sp*-^^* ' j
Lief. 114. Mireben und Notelleo Tau Goethe. Ati
ausgegeben von Prof. Dr. Ednmnd t. Sali wfirk. I
1905. Preis 1 Mk. 20Pf. — Ltef. 113. Aa« d«r »Üb«
Literatur. Von Dr. Gerhard Heine. 1905. Pi^i* 8
Moderne ertihleode Prosa. Au $^e wählt und beraoi
Dr. Gustaf Porger. Aohter Teil (VL B&nd'^'
J. Sahr, Deatflche Liteiatordenknaftler usw., ang. ▼« B. F. Arnold, 613
Oerlaebs Jogendbacherei. Gedichte ?od Josef Freiberm ?. Eidhen-
dorff. Bilder ?on Horit-Behiilte, Texte n^esiehtet tod Hans
Fraongriiber. Wien, ohne Jahnahl (1902). Freit 1 Mk. 50 Pf.
Zar Geschichte der deutscben Literatur. Proben literarhittorischer
Daretellang, aaegewiblt nnd erlftutert ?on Oberlehrer Dr. Badolf
Weaielj. Leiptig, B. G. Teabner 1905. Preis 1 Mk. 20 Pf.
Diegen Bfichern und BfichleiD, über welche Bef., dnrch
andere Arbeit anfgehalten, seinen etwas yersp&teteD Bericht er-
statteD will, ist allen dies gemein , daft Ergebnisse sprach- oder
literargeschichtlicher Forschung oder wenigetens (wie in der an
forietzter Stelle genannten Schrift) iltere Texte der Schale, dem
Hans, flberhaapt den „weiteren Kreisen** zng&aglicb gemacht
werden aollen. Ein an and för sich schon lobens- and dankens-
wertes Beatreben» an welchem bekanntlich auch österreichische Ge-
lehrte, Schalmftnner, Verleger großen Anteil nehmen. Unter den
Torliegenden Werkchen ist heimische Arbeit znfftUig aar einmal
fertreten.
Bahr hat in der Sammlang GOschen schon früher sehr gut
ansgewfthlte and kommentierte Proben aas Hans Sachs und dem
deatschen Volkslied Teröffentlicht. Mit diesen Kammern (24 and
25) der Sammlang and der Nammer 7 (Martin Lntber, Thomas
Mamer nnd das Kirchenlied des XVI. Jahrhanderts, heraasgegeben
fon G. Berlitt) bildet die forliegende Kammer 86 ein Ganzes,
du dem großen Pnblikam der Sammlang GOschen einen guten
Oberblick über die deutsche Dichtung des XVI. Jahrhunderts ge-
währt und auch den Studierenden brauchbare und leicht zagftng-
liche Texte zur Verfflgang stellt. In dem zu besprechenden Bftnd-
chen sind die Didaktiker beisammen: Brant, Hatten, Fischart, dann
das Tierepos und die Fabel, vertreten darch „Etoinken den Vos**,
Waldis, Alberus und den Froschmenseler. In dieser Zusammen-
Stellung yarmisst man freilich auf den ersten Blick den streitbaren
Tbomaa Mumer, allein dieser bat als Widerpart Luthers bereits in
Kr. 7 der Sammlung Aufnahme gefunden, wo vielleicht Hatten
besser untergebracht worden w&re; sonst scheint wider die Aus-
wahl nur noch zu erinnern, daß seltsamerweise aus Fischarts
Prosa nichts mitgeteilt wird. Die Texte sind verlißlich, die An«»
merkungen ansiäbriich und einsicüiig» <}ie EiDltjUangen des Heraus^
gebers selbsUndi^ gedacht nnd iobwungToU i^eeoh rieben.
Keubauers AQgwabl itii dau Scb n^^ ^ • r-i «rfreut sich
mit Becht seit ihrem ersten EfauhiUitlt^ J . -1 d^t besten
Bofes. Der Hirauggeber, fpQ^""*''''*^^^^}^. < l^hilol^ff bnt
im ersten BaLde st iD4i£|*-^^
im zweiten die auf -*
IG daß beide Teil« «* ■
Reformators aem Qumij
dH zweiten Teäli bnt ^
von kleinen Kirxi?.'*''
614 ßöHicher-Kingel, Denkmftler usw., ang. t. R. F. AmM.
wesentlichen Ver&ndernngen erfahren. Sie gliedert sich nach wie
vor in: I. Vermischte Schriften weltlichen Inhalts, II. FabelD,
Gleichnisse, Sprüche und Reime, III. Dichtungen, IV. Briefe ond
V. „Sinnfolle Aossprflche und Betrachtungen", die tn allermeist aai
den Tischreden gezogen sind. Hieran schließt sich 8. 245 flf. eioe
verdienstliche Übersicht über Luthers Sprache und deren Haopt-
abweichungen von dem heutigen Sprachgebrauch. Die gramma-
tische, lexikalische und sachliche Eommentierung verwertet nieiit
nur die gesamte Luther-Literatur, sondern bringt auch viele Sa-
sultate eigener Arbeit bei und macht die Publikation zu einer der
besten» uns bekannten Schulausgaben : denn auf die Schulen, natör-
lieh die protestantischer Lftnder, ist diese Auswahl berechnet. Woo-
derlieh, daß die Kirchenlieder prinzipiell (8. 149) ausgeachlosseo
wurden. Oleichwohl hat der Herausgeber ihrer zwei in den drittw
Abschnitt aufgenommen, so daß eigentlich nicht recht einzusehen
ist, warum das Prinzip nicht ganz fallen gelassen wurde. Im
übrigen kann Bef. das Lob, welches der Arbeit Nenbaners ron
Fachmännern wie Eawerau, A. E. Berger, Bolte, ElUnger, Nerrlich
gespendet worden ist, seinerseits vollinhaltlich unteraehreibtn.
Nicht ganz so einverstanden ist er dagegen mit Böttichers
im gleichen Verlag, ebenfalls bereits in 8. Auflage erschienenen
Auswahl aus der Literatur des XVIL Jahrhunderts. Denn dieselbe
gibt ein sehr unvollständiges Bild des behandelten Zeitraums. Der
Herausgeber hat sein Hauptaugenmerk auf die Lyrik und inner-
halb derselben auf daa protestantische Kirchenlied gerichtet. Die
katholische religiöse Dichtung ist nur durch Scheffler vartreten,
w&hrend eine so starke dichterische Persönlichkeit wie dia Fried-
richs von Spee fehlt; anderseits bleibt auch die inhaltlich and
formell so charakteristische galante Lyrik des Jahrhunderte völhg
unberücksichtigt, wiewohl sich mit geringer Mühe Proban finden
ließen, die selbst vom pädagogischen Gesichtspunkt einwandfrei
wären. Die gesamte Tragödie ist unter den Tisch gefallen und
die dramatische Dichtung bloß durch Proben aus dem Horribili-
cribrifax vertreten: Proben übrigens, die durch böse Druckfehler
und eigentümliche Cngleichmäßigkeit der Eommentierung entstellt
sind. Der Herausgeber hat bei seiner Auswahl sichtlich solche Per-
sönlichkeiten und Bichtungen bevorzugt, die ihm von dar sitt-
lichen Seite sympathisch sind und von deren Dichtungen er sich
Günstiges für die Charakterbildung der Schuljugend verspricht:
ein Standpunkt, den wir voll zu würdigen wissen. Allein kaun
geringere Berechtigung hat die Forderung des Literarfaistoriken,
daß eine Anthologie wie die vorliegende ein auch innerhalb kleinen
Umfange richtiges und proportioniertes Bild der in Bede stehen-
den Periode gebe. Jene Tendenz und diese schließen einander
keineswegs aus, was wir dem Verf., einem namhaften Schulmann,
wohl kaum erst zu beweisen brauchen und es geht daher nicht
an, von Kaspar (sie! S. 4) von Lohenstein und Hoffmannswaldan
Saüwürk u, o., Velhagen & ElaBiogt Sammlang, ang. i. R. F, Arnold. 615
tu, sagen: „Diese haben für nnsere Zwecke keinerlei Bedeatang**.
Wie der Text, so gibt anch die Einleitung (8. 1 fif.) nur einige
willkärlieh herausgegriffene Grundlinien der literarhistorischen Ent-
wicklung und ist überhaupt allzu dürftig geraten. Endlieh möchte
Ref. für eine spitere Auflage auch eine kleine typographische Ver-
besserung Torschlagen, daft nftmlich in dem XXIX. Abschnitt (Grim-
melshausen) die dem eigentlichen Text eingefügten yerbindenden
Zwischens&tze des Herausgebers klein gesetzt werden mögen, wie
es ohnedies im III. Abschnitt (Gryphius) und im XXVIII. (Abraham
a S. Clara) der Fall ist.
Geschickt vereinigt t. Sallwürk aus den „ Unterhaltungen
deutscher Auogewanderter" , den „Wahlverwandtschaften", ^Dich-
tung und Wahrheit'' und den „Wanderjahren " sechs Proben
Goetheseher Er&hlungskunst und schließt sein B&ndchen mit der
^Kovelle" ab. Er reiht die Erzählungen nicht chronologisch,
sondern so aneinander, daß sich zuerst die Traum- und Fabelwelt
des „Neuen Paris", der „Neuen Melusine" und des wundersamen
Lilienm&rchens, dann das reale Leben, wie es sich in den Novellen
spiegelt, vor uns auftut. Zieht man den Zweck der Velhagenschen
Sammlung in Erw&gung, so wird man die vom Herausgeber ge-
troffene Auswahl gutheißen; auch der gedr&ngte Kommentar (S. 164
bis S. 177) paßt sieb durchaus den Bedürfnissen des Oberklassen
des Gymnasiums an und schöpft seine Erlftuterungen vornehmlich
aus Goethe selbst, ohne der Goetheliteratur viel nachzufragen.
Unter dem Titel „Aus der silbernen Zeit unserer Literatur"
stellt Gerhard Heine vier mit reichlichen Textproben ausgestattete
Aufsätze über Mörike, Ludwig, Hebbel und E. F. Meyer zusammen.
Die Bezeichnung „silbernes Zeitalter", irr* ich nicht, von Ad. Bartels
aufgebracht, wird aber in der Begel für den Zeitraum zwischen der
M&rzrevolution und dem deutsch-französischen Krieg verwendet und
als Vertreter dieser Periode sieht man gewöhnlich die sogenannte
Münchener Schule und die ihr Nahestehenden, die großen and
kleinen realistischen Erzftbler der Fünfziger- und Secbzigeijahre,
endlich die großen Isolierten: Hebbel, Wagner und Jordan an.
Mörike, dessen Gedichte schon 1838 erschienen, hat wfthrend des
silbernen Zeitalters, das er freilich durch- und überlebte, nur noch
den Epilog seines poetischen Lebenswerkes geschaffen und seine
klassizistisch abgetönte Bomantik bat weder mit Lndwlg »ocb oiit
Hebbel noch mit dem silbeiDeD Zeitalter andere ßertbrQD^sf unkte
als die der Zeitgenossenschaft. Dai^ K. F. Hejer, il^setn kton
zeichnende Dichtungen vod den Jahren 1B71 isa4
grenzt werden, hier fehl am Ort ist, bedarf wah> ^"'^^
Erörterung. An und für licb slad die vm ^
von einem gewissen Hang zir Phrase hkp >
instruktiv. ^
Im selben Vsrlag tind innerhalb dA >
beiden eben gewürdigten BäDdcheii ersebtiv^ ^
616 B, DraungriÄber, Oerlachs Jagen dbOcherei, ang. t. jB. F, ÄmM.
der Leitnog J. Wychgrams die B&Ddcbenfolge ^Deütsebe Proea".
Nr. 1 eDtb< ^BedoeriBche Prosa", Nr. 2 „Patriotisobe Prou ans
den JabreD 1806—1815", Nr. 8 ff. ^»ModerDe ersfthlende Prou*, in
der wir tu unserer Frende die besten österreichischen EnAhler, wie
Bosegger, Ebner-Eschenbachi Anzengrnber, Pichler, Saar vertreUn
finden. — Der Torliegende acbte Teil ist dem baltischen En&hler
Theodor Hermann Pantenias eingerftnmt, dmekt dessen in Kurland
spielende Erzfthlnng „um ein Ei" ab und fOgt die dorch den Stoff
geforderten Erlftntemngeii knrischer Dinge nnd Wörter bei.
In Gerlachs Jngendbücberei hat unser wacicerer Landsmann
Hans Franngrnber, Lehrer nnd Poet dazn, ans Eichendorffs Lyrik
heransgeboben , was ihm ffir jugendliche Laser geeignet erschien,
oder Termntlich nur einen Teil desselben; denn hier galt es, sieh
einer Verlegenheit des Überflusses zu entwinden. Das Buch ist
wunderhfibsch gedruckt und geistreich, aber keineswegs in Eichen-
dorffs Geist illustriert, unter unseren modenien Künstlern wäre
wohl Ernst Liebermann (nicht zu Torwechseln mit dem berAbm-
teren Max) am berufensten , Eichendorff durch den Stift zu inter-
pretieren. Dem Illnstrator der Fraungruberschen Sammlung fehlt
es Yor allem an der nötigen Naifetftt und Buhe.
Die Sammlung Wesselys beabsichtigt, ,,in die Wissenschaft
der Literaturgeschichte einzufahren und eine Erg&nzung zu der
Dichterlektfire, dem Vortrag des Lehrers und dem Lehrbuch zn
bilden". Sie möchte „zu weiterer Vertiefung in die Werke unserer
Dichter und zu eingehenderer Beschäftigung mit der Literatur-
geschichte anregen". Sie tut dies, indem sie eilf sorgfftltig aus*
gewfthlte Proben literarhistorischer Darstellung, nach der Chrono-
logie des (durchweg deutschen) Stoffes angeordnet, mitteilt, in
einem Vorwort die Biographien der eilf Darsteller in eine Skizze
des Werdeganges unserer Wissenschaft rerwebt und flbrigens die
mitgeteilten Teite diskret und yerl&ßlicb kommentiert. In die
Wissenschaft nun zwar, will sagen, in das wissenschaftliche Ar*
beiten wird der Gymnasiast natfirlioh noch nicht „eingeführt",
wenn er schöne Charakteristiken ans der Feder eines Uhland,
Gervinus, Hettner, Scherer klopfenden Herzens durchliest, aber
ohne Zweifel kann so in manchem begabten JOngling die Lust
wachgerufen werden, in die Werkstatt, der solche Kunstwerke ent-
stammen, zu blicken und wohl gar auch selbst Hand ans Werk zn
legen. — Was die von Wessely getroffene Auswahl betrifft, so
h&tte natürlich jeder andere die Sache ein wenig anders gemacht
Beferent seinerseits h&tte •— um nur Tote zu nennen — auch den
bideren alten Vilmar, Prntz, Beroays und B&ehtold zn Worte
kommen lassen; insgesamt Literarhistoriker von ausgeprigtester
Eigenart und hervorragender Sprachkunst«
Wien. Prof. Bobert F. Arnold.
B. SchulM w. a.t Deotsebet L«8ebacb, ang. ?. A, Hauaenblas. 617
Dr. Bernhard Seh alz, Deutsches Lesebacb for höhere Lehr-
ftüstalteii. Nach Maßgabe der Lehrpline fOr die preuAisohen heberen
Schulen vom Jahre 1901 nea berantgegeben von Prof. Dr. Schmitt-
Mancj, Prof. Kost er and Oberlehrer Dr. Wejel. Zweiter Band.
Fflr die Mittelklassen. 12., nmgearb. Aoflage. Paderborn, F. ScbOningh
1906, T und 694 SS.
Der erste, fdr die nnteren Klassen höherer Lehranstalten be-
stimmte Teil des genannten Lehrbuches ist bereits in dieser Zeit«
Schrift (58. Jahrg., 8. 288 ff.) ansfährlicher besprochen worden.
Der vorliegende zweite Teil, ein stattlicher Band von nahezu
700 Seiten, erscheint nach denselben gesunden Grundsätzen wie
der erste umgearbeitet. So ist es u. a. sehr zu loben, daß die
Herausgeber im Prosateile Stucke ausgeschieden haben , bei denen
,,der Gewinn Zeit und Mühe der Wort- oder Sacherklftrung nicht
lohnte oder der Inhalt überhaupt Erfahrung, Anschauungs- und
FassnngsyermOgen auch des guten Schülers überstieg*'. „Ein
Gleiches erfuhren Stücke, in denen erziehliche oder wissenschaft-
liche Tendenz sich aufdr&ngte, und — nach dem Grundsatze, daß
auf der Mittelstufe die Anschauung das vornehmlichste Unter-
richtsmittel bleibt — ebenfalls ein Teil der zahlreichen, vielfach
über einen Leisten geschlagenen abstrakten Anfsfttze" (S. IV).
Dafür sind — wie dies schon betreffs des ersten Bandes hervor-
gehoben werden konnte — in bemerkenswertem Umfange Proben
aus der Literatur der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart
herangezogen worden, doch „ohne die Rechte der Klassiker zu
schmälern**. Es erscheint in Vers und Prosa nicht nur die Zeit
von 1870 berücksichtigt, sondern auch Tatsachen der folgenden
Jahrzehnte finden in dem Lektüresteff Verwertung, wie die Thron-
besteigung Kaiser Wilhelms II. (S. 286), in einem Gedichte Wilden-
bruchs (8. 669) der 90. Geburtstag Moltkes (26. Oktober 1890)
u. a. Diese moderne Auffassung macht sich noch in einem anderen
Punkte bemerkbar: in der Verteilung des prosaischen und des poe-
tischen Lesestoffes. W&hrend auf die Gedichte rund 200 Seiten ent-
fallen, ist der Prosa ein Baum von rund 500 Seiten eingeräumt.
Und es ist gute, abwechslungsreiche Prosa, die hier geboten wird :
Fabeln, Parabeln, Allegorien und Paramythien; Erz&hlungen und
Legenden; nordisch-germanische GOtUr^a^^er}, cordiBch-^ernianiBcho
Heldensagen; zur deutschen Literatargeschicbte; Geschicbtlidies;
Beschreibungen, Schilderungen, Szenen ^ Bilder, GemäMe uuj
rakterzeichnungen ; Abhandlungen.
Mit einem Lesebuch, welches eiüe solche Fülle ¥ortr«
masDigfaeher Stilmuster bietet, werden sich auch leicht di«
stilistiachen Ziele des deutschen Uoterricbtes, wie iie fftri«
die Mittelstufe besonders in Betracht kommei
reichen lassen^ im Gegensatz zu anderen L^^f
in denen die Prosa allzu stiefmütterlich bed^
Mangel an guten Prosa-Mustern beeonders ■^ *
I
618 Brandl'Keüer, Jahrb. d. D. Sbaketpeare-GeiellKb., uig. ?. Eüinger,
OsterreichiBcheD Qjmnasieo herrscht» darfiber klagt Denerdings auch
Wiesner an mehreren Stellen seines sehr beachtenswerten BvchM
^Der deutsche Unterricht an nnseren Gymnasien, Wien 1907*".
Im poetischen Teile nberwiegen im Einklänge mit den nenen
prenBischen Lehrpl&nen die erzählenden Dichtungen nnd zwar mit
YoUem Recht : „Die Schüler dieser Klassenstnfe yerlangen starke,
erschütternde Töne, eine Poesie voUBewegong, Handlang und Leben;
für zarte Natnr- nnd Seelenstimmnngen sind sie in diesem Alter
noch wenig empfftnglich'* (8. IV). Deshalb haben sich die Herane-
geber der Lyrik gegenüber anch in diesem Bande einer gewiesen
Maßhaltnng beflissen, „bleibt doch diese zarteste Blüte mensch-
lichen Geistes in ihren feinsten nnd tiefsten Gebilden dem besten
Schüler der Mittelklasse verschlossen'' (8. IV). Die „Maßhaltang*"
könnte allerdings noch strenger sein, denn das Bncb weist an
„eigentlicher Lyrik** immerhin noch 78 Nnmmem auf.
Gegen die Answahl im einzelnen lassen sich wenig Einwen-
dungen machen. Anch sind die Begriffe „schwer" nnd gleicht",
„passend" nnd «nnpassend* gar zn schwanicend. Doch dürften die
Heransgeber vielleicht bei genauerem Znsehen selbst eingestehen,
daß die feinsinnige Betrachtung W. Wackemagels (Leseatück Nr. 43)
„Die Dichtkunst im Mittelalter** eher mit gereifteren Schülern zn
lesen wftre, ebenso Nr. 44 „Walter von der Vogelweide. Nach
Wilmar(!), Stöhn -Violat n. a.** — In den Gedichten Nr. 116, 117
und 118 bfttten die Herausgeber wohl daran getan, die hftßliche
Wortform „Zitherbubens** zn Andern, auch gegen den Autor.
Mies i. B. Adolf Hauaenblas.
Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft im Auftrege
des Vorstandet heraasgegeben ?on Alois B ran dl nnd WoUguig
Keller. 48. Jahrgang. Mit 2 Bildern. Berlin- 8€h0neberg, Lanfren-
scheidteche Verlagebuchhandlaog (Prof. G. Langenseheidt) 1907.
ZXXII and 492 SS.
Auf den Jahresbericht, d,er in der Generalversammlung vom
28. April 1906 durch den Pr&sidenten erstattet worden ist, folgt
ein Abdruck des in derselben Versammlung gehaltenen Festvortragee
„Shakespeares Lustspiele und die Gegenwart** von Ludwig Fulda.
Der Vortragende führt darin aus, daß Shakespeare, den nach-
einander die Stürmer und Drftnger, die Klassiker, Romantiker,
Naturalisten und Bealisten zn den Ihrigen gerechnet haben, von
der kommenden Generation vielleicht noch einmal neu entdeckt
werden könne. Es handelt sich n&mlich um Shakespearee tob
märchenhaftem Zauber und festlicher Heiterkeit erfüllten Lust-
spiele, die bisher kein Lustspieldichter nachzuahmen veraacht bat
und die gerade dem Bedürfnisse der modernen, durch die alige*
meine und gleichmäßige Aufklärung gesättigten Menschheit eut«
^
Brfindl-K€U0t, Jahrb. d. D. Shakeapeare-GeaeHscli.j mg. ?* EUinger. 6W
Ift^flnDkOfnmeti BcheinaiiH. Der BiMcn^Bwert ShakespeartB liegt
darjDf dal^ er üsb anleitet, a^f die Natur ^arückzügebeti , aber
tiicbti wie der NatnraliEmtig es f erlangte, anf die Natur am ans,
MOdirD aaf die Natnr in qds, und daG er üds ermutigt, das Ud-
biffQQte in ihr, weil es das eiuzig Schöpferische ist , gegen das
QttiLflte £n TerteidigQO. ^Er nimmt ana das Bleigewicht Qnaerer
Soperkingbeit fon den Scbtiltern und drückt uns den HirteDetab
in die Hand. lo solcher Verkindiichnag, in solcher neuen Men«cb-
verdnDg verheißt er uns die Wiedergeburt, ana der aHeto das nn-
eeWige nod nachwandleriscbe ScbaßTen einer zakönftigen Knnstt
m 81 Goethe verlangt, ersprießen kaQn^^
dm Eeigei) der Abbandlangen erOfnet der Abdruck eines
MonlipLeieB ans Shakespeares Jugendzeit, betitelt nThe Tide
Tuf^tk No Man"*, mit einer Einbitung von Ernst Etbl (S. 1
lbiiS*52). Sodann folgt der Schluß Ton Engen Kiliana Arbeit
liber «SchrejTogels Sbakespeare- Bearbeitungen" (S* 53 — 97), Der
|Virf. bespricht die deutschen ObersetzungeEi und Bearbeilnngeo
öo Sbakeepeares „Eanfmann Ton Venedig**, „Othello" nod ^Uamlet"
Dd konrmt in dem Seblnsse, daß Scbreyrogela Bearbeitungen
Ffif «Daher den ScbrSderi sehen in so fern einen Biesen fortecbritt be-
[iiaUttn, ale eich Schrejrogel znerat bemühte^ trotz der beson-
lliriQ Qeschnt a ck trieb tat) g des Wiener Publiknms und der drücken-
(ttEi Zeninrverbältnisge den echten Shakespeare auf die Bühne zn
IkriogiD« Hieran reiht sich ein äholicber Aufsatz von Alexander
k Weilen über „Laube und Shakespeare" (S. 98—137)- Nach
vkm eingehenden Betrathtung von Laubes Shakespeare -Bearbei-»
|lngin fiUt der VerL über sie das Urteil, daß es bnhntngerecbt
A|«sehnittene Theaterstücke seien« die aber, wie seinerzeit die
^Biirheitungen Schröders, gar keine Eücksicbt auf die lutentionen
' t Originals nahmen. Laube bat nur das Verdienstf vielen Werken
iktspeares zum eritenmai einen Plat^ im Kepartoire des Burg-
hnUn verschafft zu haben ; von seiueD Bearbeitungen bat sich
Mir die des ^Julius Cisar"* erbalten. Die zwei ietzien der län-
[firiu Abhandlungen sind: ^Znr Qnellenfrage von Shakespeares
LSturm** von Dt. Gustav Becker (die 1610 erscbiensna spa-
piseki NoTeÜensamminng ,Noehes de Jnpkrno' von Antonio de
lifaTa hat gemeinsame Züge sowohl mit Shakespeares f,Stnrm^,
kli lach mit Ajrers ^Comedia von der schönen Sldea'% aber alle
4r«i Werke scheinen auf eine unbekannte Urquelle znrückzngehen)
»ind ^FuechkiD und Shakespeare'* von Michael Pokrowski j (S. 16B
hi8.t09), worin nachgewiesen wird» daß der russische Drama-
^^f PuBcbkln in seinen Stücken nn verkenn bare Beeinöussung
dwth Shakespeare verrät, — Auch in diesem Bande wird die
^^ll^ria berübuiter Künstler als Darsteller Sbakespearescher Ge^
^Jiititi durch zwei neue vermehrt, nÄmlich pStella von flohenfeis
I 5» 0(*iielia^ von Heleui Richter (S. 138—146) und ^Eilen
kJ|D all Hertnione** von Ernst Leopold Stabi (S, 147<— 154).
620 Le Towmau'Lagarde, Abr^g^ d'hitioire mir., wag, r. F. Wawr:
Der zweite Teil des ,, Jahrbuches* hat folgenden Inhalt:
^Kleinere Mitteilnngen'' (8. 210—280), „Nekrologe** (Dr. Richard
Oamett, William James Craig, Richard Schröder, S. 281--286),
^BQcherschaa'' (8. 237— 291),\,Zeit8chriften8chaa«' (8. 202— o82),
„Theaterschan'' (8.388—882), ^Shakespeare-Bibliographie«' 1906
(8. 888—475), „Zuwachs der Bibliothek der Dentschen Shake*
speare-Gesellschaft seit April 1906«« (8. 476—480), „Mitglieder.
Verzeichnis«« (8. 481 — 187), „Namen- nnd Sachyerzeichnis«« (S. S88
bis 8. 492).
Das nene „Jahrbuch««, das dnrch die Reichhaltigkeit und
Gediegenheit seines Inhaltes sowie dnrch seine wirklich voniobme
Ausstattung nicht nur allen Mitgliedern der Deutschen Shakespeare-
Gesellschaft , sondern auch allen Freunden Shakespeares hob« Be-
friedigung bereiten wird, scheint mehr als alle Reklame duo be*
rufen zu sein, fflr die Deutsche Skakespeare-Gesellschaft nene Mit-
glieder zu werben.
Wien. Dr. Job. Ellinger.
Abr^£ d^bistoire de la Littöratore fran9aise ä rosage des ^1m
et de renteignement pri?^ par Marcel Le Toarnao et Lotus Li-
gar de. Berlin 1906, Weidmannsche Bachhandliing. VIII und 175 BS.
Dieser fflr Lehrerbildungsanstalten, höhere Töchterschiileo
und weiter dann auch fdr Universitfttsstudenten bestimmte Abriß
der französischen Literaturgeschichte besteht ans Tier Hauptteüen:
1. dem Mittelalter (S. 1—15) und dem XVL Jahrhundert
(8. 16—25); 2. dem XVH. Jahrhundert (S. 25—58); 8. dem
XVIII. Jahrhundert (8. 58—75) und schließlich dem XIX. Jahr-
hondert (8. 76—182). Es ist also you den frflheren JahrhunderUo
dem XVIL, und dies mit Recht, der größte Raum zugemesseo,
der Schwerpunkt der Darstellung jedoch in das XIX. yeriogt.
In das letztere sind auch bereits Schriftsteller aufgenommeo
worden, die sich bisher noch nicht in Kompendien finden wie
Rostand, P. Loti, Anatole France n. a. Außer diesem Vorzug bat
das Buch dann baupts&cblich den« oau eä unter Verraeidno^ \mn
Redensarten die literarischen Haupt&trC>müngrBn in korien, krifti^eb
Zflgen charakterisiert, die Einflflste. die bestimmend auf den ^asf
der Literatur einwirkten, aufzeigt und io der Behandlung der
Autoren neben dem unumgänglich notwendigen Äoßerljob Bu?
graphischen das Eflnstlerisch -Literarische scharf her^ortreiin "^^
Im XIX. Jahrbundertf dessen Darstellou^ nicht nur dem Umfiof^t
sondern auch dem inneren Werte nach die der TorhergeheD^
überragt, sind so die literarischen Uichtnugen des BetUir
des Katuralismus, der Pamassicns, der Svmboliiten und \^^
sionisten kurz, aber ausreichend gt^konn zeichnet. Hier lifli«^
eingebender behandelt Chateaubriand, V. Hugo, G^'^ —
Le Tournau-Lagarde, kht4g4 d'bistoire niw., ang. t. F. Watora, 621
Balzac, M^rim^, Zola, Alphoose Daudet, P. Loti, Aoatole France.
Andere sind trotx ihrer Eärze Tortrefflich dargestellt: Mme. de
Staä, Alfrtd de Vigny, Lamartine, Mnsset o. a. Unyerb<nis-
mftßig korz kommen dagegen weg Snlly Prndhomme, der den
Parnasiiens abgeeprocben wird, und Copp^e. Andere, die man doch
aaeb in einem ,,karzen Abriß" nicbt gerne missen mOcbte, sind
übergangen: im XVIU. Jabrhnndert der Abbö Prevost; im XIX.,
wo doch sonst nichts Bedeutenderes anßeracht gelaesen wird,
Ponsard, Mallarm6 und Hör^ia und sogar 6ny de Manpassant.
Die Aber die Antoren gef&Uten Urteile, offenbar anf ge-
diegener Kenntnis nicht nnr der literarischen Produkte, sondern
auch der literarischen Kritik beruhend, sind wohl begründet und
dürften selten auf Widerspruch stoßen. Destomebr f&Ut die noch
unter dem Einflüsse Boileaus stehende Beurteilung Bonsards auf,
dem es nach der Behauptung der beiden Verfasser an poetischer
Begabung gefehlt habe („rinspiration reelle manque & la po^sie
de Bonsard qui, pleine d'une savante mytbologie, est plutöt, t
quelques exceptions pr^s, Tourrage d'un adroit yersificateur que
d'nn homme qui chante ses joies et ses peines"), eine Ansicht,
die Ton der literarischen Kritik schon Iftngst überholt ist.
Den didaktischen Zwecken des Buches tragen Bechnung die
jedem Kapitel angefügten Zusammenfassungen („R^sumös**). Von
der eigentlichen Literaturgeschichte losgelöst und einem Anbang
(MAppendice**) einyerleibt sind die „Analysen" einiger der hervor-
ragendsten Literatnrwerke, deren Stoff („suJet"), Inhalt („rösumö")
und kritische Würdigung („critique**) gegeben wird. Vertreten sind
in diesen Analysen der erste Zeitraum durch das Bolandslied, das
XVIL Jahrhundert durch Corneille (Cid, Horace, Cinna, Polyencte),
Meliere (Lea Prdcieuses ridicules, le Misantbrope, TAvare, las Fem«
mea aayantes), Baeine (Britanniens, Iphig^nie en Aulide, Atbalie)
und F^nelon (TeUmaque); das XVIU. Jahrb. durch Voltaires
Zaire, Bouaseaus Emile, la Nourelle H^lolse und Contrat social;
daa XIX. Jahrb. durch eine große Anzahl von Autoren und Werken :
Mme. de Stadi (de TAUemagne), Chateaubriand (Q^ie du christi-
aniame und Atala), V. Hugo (Hernaoi), George Sand (la petite
Fadette)» M^rimee (Colomba), Octave Fenlllet (?e romaD d'uQ Jfüne
homme pauvre), Ant^ier (le Geadr« de M. FninerJ, Dandet (le
peiit Choae nnd TartariD d« TaratcDt])^ seblitülioh P. Loti (P4cbeur
d'Islande).
Abgeech lotsen wird das sich ait«^jatt|^^^^rl^cb darcb
seine aebOne AueitattaD^ empfebl»nd^ ^^^^^^^B^* chrono-
logiaeh geordneta Ob ersieh! ftbiPT^* ^^^^^^|towiirte
(Tablean biitariqüe et liUitf^ * ^^^^pill»)^
I>er VoUsUndigkeit hq
der Verf. an. 8, 24: „
6f6qiie, eoooQ d'ailttQrs
Panl doane son Intn^
622 B, F. Heimelt, Weltgeicbiohte, sag. t. J. Loatrih.
eine Verwechslang mit dem Heiliges Franz TonSales, Bliehof
TOD Genf, Tor; und S. 43: „ Martine qai, dans ki
PrScieuus ridieules, offenee Vangelae'*» wo es natürlich statt
PrMeuses ridieules Femmes savantes heißen muß.
Von den im Verzeichnis nicht namhaft gemachten, noch ein
gntes Dutzend betragenden Druckfehlern heben wir nur die fftr
Voiture (S. 81) gegebenen Jahreszahlen herror, für welche statt
1698—1548 einzusetzen ist 1598—1648.
Ohne Zweifel kann Le Toumau — Lagardes Abriß der fran-
zösischen Literaturgeschichte als eines der besten diesen Stoff
behandelnden Kompendien betrachtet werden.
Wr.-Neustadi. Dr. F. Wawra
Hans F. Helmolt, Weltgeschichte. Neanter Band. Nachtrftfl;e.
Quellenkande. Generalregifter. Mit 2 Karten und 2 schwanen Bei-
lagen. Leipiig und Wien, Bibliographisches Institat.
In den Nachträgen behandelt Alexander Tille, in Ergänzung
seiner früheren Darstellung „Großbritannien und Irland^ (Bd. VI),
jetzt die Geschichte Großbritanniens und Irlands seit dem Tode
Georgs HI. und zwar in Tier Kapitehi 1. Großbritannien als Agrar^'
und Industriestaat, 2. Seine Entwicklung zum Industriestaat,
8. Industriestaat und Weltwirtschaft und 4. Weltbritannien als
Wirtschaftsgebiet und Staatenbund. Die Darstellung ist bei aller
Knappheit streng sachlich und dabei übersichtlich und ansprechend.
Politische, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte werden gleich-
mäßig behandelt und die Kolonien entsprechend berücksichtigt
Eine Karte zeigt die Entwicklung der drei Länder England, Schott-
land und Irland seit der Angelsachsenzeit bis ins XV. Jahrbonderi
In gleich Torzüglicher Weise wie schon im VIII. Band
schildert Richard Mayr Westeuropas Wissenschaft, Kunst- und
Bildungswesen Tom XVI. Jahrhundert bis zur Gegenwart und zwar
zuerst die bildenden Künste, die Natur- und die Geisteswissen-
schaften — man wird gestehen, daß hier ein tüchtiges Stück
Arbeit zu leisten war. Der Verf. ist ihr nicht bloß in Punkt 1
und 8, sondern, wie mich ein Fachkollege belehrt, in Punkt 2
durchaus gerecht geworden. Zwei Bilder, die Porträts Ton sechi
Naturforschern (W. E. Weber, Gauß, Helmholtz, Siemens, Edisoo
und Böntgen) des XIX. und sechs deutsehen Philosophen (Kant,
Fichte, Hegel, W. r. Humboldt, Schelling und Schopenhaasr) des
XVUI. und XIX. Jahrhunderts enthalten, sind der Arbeit beigegeben.
Als Ergänzung erhalten wir einen trefflich geschriebenen
Aufsatz von Viktor Hantzsch „Die deutsche Auswanderung'* und
zwar (was manchem yerwunderlich sein dürfte) auch noch Tier
Abschnitte über vorchristliche Wanderungen deutscher Stämme, ^9
Völkerwanderung, die Bückwanderung nach dem Osten und mehrere
€h. BImnerfmMBeii Die Jun^frAti tüh OrkÄti»j atg» r, J. Frartfe, 623
[ire EiDzelwAnderiiiigeii, denen eich in weitereD vier Abfichnilteii
I diiit&cbe AuiwaDderüDg im XVL, XVIL, XVIIL QDd XIX. Jabr-
^dtrt anaebUeßt« Hieranf folgt em 'Metbolologigcher Bäckblick'
die ErgebDiflAe der Weltgeacbicbie (L Die Ergebniste und
I Kar Psjcbolögie der Weltgescbicbte) ?od Thomaä Achelie, der
Un giüi%n Werdegang ab erblickt und die emzelEeo Methoden
tiiiioaobaftlieher BehaDdloDg der GescbicbU beröbrL Zam ScblaBie
brinft Haufl F. Heimolt im V&reio mit den Miiarbeitero eine
QaillftjiküQde, d, b^ n^ln VerzeicbDis jener Scbriften, die eingebender
fOD den im Text erwäbnien Tatsachen bandeln". Fnr die Zwecke,
iiktiedie TorUegende Weltgeacbicbte verfolgt, ist der Inhalt retcblicb
laMDoeOt reicher ale man ibn in eonstigeo vielbändigen Weit>
^ichlebteo findet« Ich wftGte z. ß. nichts wae man ^ — immer
Zweck im Ange behaltend — in Bezng auf die Geschichte
bmeni an Literatur noch mehr anfügen sollte. Freilich nicht
all ist es so. In den ^nr englischen Geschichte geh 5r] gen
rtien vermißt man doch manches Bnch ^ das noch zn nennen
l^iHn wäre. Dankenswert ist das Qeneralregister zn BämtUcbeu
pi Bänden» dessen Ausarbeitnng sich Friedrich Bichter unter*
^n hat.
OraE.
J, Losertb.
idy Cbarlotte Blennerbasset, Die Jungtrau ?oq Orleans.
Üit fSnf Kunaldrucke». Bielefeld und Leipiig^ Velhagen & Kla«ing
IÖ06. 226 SÜ. kl. 8^
Wem es mit der Erforschung der geschichtlichen Wahrheit
kt ist, der wird sich stets dagegen str&nben, an die Überlie-
ag von VorgAngen zu glanben^ die der Analogie aller mensch -
Erfabmog nnd den Gesetzen des natnrlicbon Oeecbehens
lirfpreehen^ selbst wenn dieser Glanbe seinem persönlichen, poÜ*
D. nationalen oder religiösen Selbstbewnßtsein schmeicheln und
ieio«D eigenen Überzengnngen nnd Interessen sonst nberein-
ioien ioHte. Es geht aber darnm doch nicht an, jede, wenn
IBS goten Quellen üießende historische Nachricht, die nns
»Ulriich erscheint oder sich anch onr dem gemein faßlichen
jVirit&iidnisse der Alltftgllcbkeit nicht leicht einordnen will, sofort
Reich der Fabel nnd tendenziösen Erfindung zu verweisen
inf eine seichte, rationalistische Art denten nnd plattscb lagen
»ollen. Ein solches schwer zn bewältigendes Problem ist die
bichte der Jeanne Darc. Ancb die verwegenste Kritik konnte
Nebt lediglich als ein ans einem verworfenen Stein der Ge-
Vcbte zu einem Eckstem der Kunst (etwa in der Art Wilhelm
^*U$) gewordenes Gebilde hinstellen ! Anch der beliebte Ans-
^%, ibr außerordentliches Wirken dnrch Antosnggeetion , Extaaet
Bttnalionen nnd ähnliche bjsterische nnd kataleptische Zn-
esen 1
der iuessntig nna ZftbioDg enuieEittxiaeti «ogeDAnnt«
als m der 6esfihicbtg sehr wirkBame Faktoren Dicht'
An der HaDd der Lady Bl. kÖODan wir dieseD
Sptireo zieEDlich gut folgen. Wir werden daraof
hier wie anderswo im Volke eine vom Klerus nachaj
dete, innige Vermengnng nialter betdnlicbtr Sagtn ml
LegiDden, beidniscber Dämonologia mit cbristlitbem |
ineinander TersebwmiBende Heminiszenitn an ^au|
Bieseo und Gnomen einer* und an Heilige, Märtyrer, j
Eingiedler anderseits eebr stark fortgewirkt haben n^
die Jungfrän von Orleans von diesen Einwirkangen ergl
gel« obscbon sie die Meinnng des eigenen Bruders^ ^\
einer getieimnisvonen , als Schemel oder Damenbaii|
Bucbe angetan worden, beftig zurückwies und jede Bei
Mandrftgorawonel bestimmt leugnete. Dafi diese gl
man gen in jener Zeit soznasgeD in der Laft Iftgd
mehrere prodrome, Ter wandte Erecheinnngen: Die m
Merlin zngescb rieben« PropbezeinDg ; die Weissagnni
miten Jobann tod Gent; die Yisionäriti Mai-ia foQ J
An f treten des an Savonarola gemahnenden Kar m eilt ermfti
Conette md des für das Jahr 1430 unerhörte, wund^
nisse Terköndenden Franziskanerbrnders Bichard* ß«
weist die 30 Jahre vor Johannas Geburt gestorben e,
bei ihrer Sendang anf einen bestimmten gGtiltchen
Katharina ron Siena überrascbend ähnliche Züge mit
Was die Johanna am m&cbtigeten treibenden
nnd Stimmen betrifft, so IftGt sieh dae in nnseren
geteilte etwa in Folgendem zusammenfassen: Johaim
diese piophetiseben Inspirationen felsenfest, wen&
sobald man von ihr genanere Mitteiltiogen dbe
Qil^m^^m. .^^m.^fr^
■AaAlalLAl^.*dLJ ltL.>.«^L
Ch. Blennerhasset, Die JoDgfiraa toh Orleani , ang. y. J. Frank, 625
dessen Mißtrauen überwunden habe, obzwar diese hartnäckige Yer-
sebwiegenbeit anscheinend ihre Verarteilnng in Ronen herbeigreffthrt
bat. Im allgemeinen hOren wir Yon dem genauen Eintreffen der
Yorhersagnngen ihrer Stimmen, so z. B. deren Ankündigung, daß
Jobanna bei Orleans yerwnndet, aber nicht kampfunfähig werden
würde; daß sie „nur noch ein Jahr und nicht länger dauern
werde''; daß sie (so sprach sie in Melun) vor dem Johannestag
werde gefangen werden und daß sie (dies waren ihre Worte in Com-
piögne) „binnen kurzem dem Tode werde überliefert werden'^. Zu-
weilen jedoch ließen sie ihre Stimmen im Stiche. Sie wollte aber auch
dann ihnen niemals die Schuld geben; yielmehr schrieb sie selbst
die Mißerfolge lediglich ihrer eigenen falschen Deutung des Ver-
nommenen oder gar ihrem ungehorsam gegen die ausdrücklichen
höheren Weisungen zu. Ersteres z. B., da sie zu Beims den yer-
miglückten Zug nach Paris verlangt hatte; letzteres, als sie,
anstatt in St Denis auszuharren, den Angpriff auf Paris unter-
nahm, als sie die Bettung aus der Gefangenschaft durch einen
Sprung in die Tiefe versuchte, und als sie endlich in Ronen sich
zum Widerrufe einverstand. Nur kurz vor ihrem Tode scheint
Jobanna einen Augenblick schwankend geworden zu sein und es
ist gut beglaubigt, daß, als ihr Todfeind, der Bischof Gauchon
ihr mit höhnenden Worten ankündigte, sie müsse sterben, obwohl
sie gesagt habe, ihre Stimmen würden sie befreien, auch Johanna
zugab, daß „sie getäuscht worden sei**.
Als Wundertäterin hat sich Johanna nie ausgegeben und sie
▼erweigerte es schon in Poitiers zu ihrer Beglaubigung „Zeichen'^
zu tun; eine ihr nach ihrer Verwundung zur Stillung des Blutes
vorgeschlagene Zauberformel wies sie entschieden zurück und nie-
mals (so bezeugt ein Dominikaner) hat sie abergläubische Bräuche
oder eine abgöttische Verehrung ihrer Person auch nur gutgeheißen.
Eine übertriebene Vertrauensseligkeit zur Geistlichkeit oder auch
nur eine Anrufung derselben als Mittler ihres Verkehrs mit den
Stimmen war Johanna so wenig eigen, daß sie später einmal
sogar bekannte, sie habe zu Gott gefleht, sie vor den Kirchen-
leuten za bewahren. Bemabe einstimmig bezengt ist ihr« Keuscb-
beit und intakte Jungfräulichkeit (wie Dicbt nur dnrcb eine oacb
Domremj gesandte aus Franzi skaD^rn b«Bt«hendd Kommifisioo,
sondern anch durch die perBf^nlicbe ÜaUriuehUJDf tier Kdnigin Vio-
laute und ihrer Begleiterinaeo und später diLrch -^^"- ^' trotioD
im Auftrage der Herzogin vod Bedford f^-' " ylner
Würde, die selbst die ZnärmV^*'^' > i
Schranken zurückwies oder m^-
aufkommen ließ, obschon di^ J^ ^
getreuen Haushofmeisters d*Ai]!&*
Von den sonstigen una mü ->
Johannas entnehmen wir ^
herzinnigen Verkehr nii*
ZdtoehriA f. d. ««terr. t>j^—
626 Ch, j^etmerhoBsei, Die Jongfran ton Orleaiu» aag. ?. Jl IhtnL
gerne« wenn irgend mOglich, „über Nacht junge Hftddehin in
ihre Kammer nahm**, als sie es yermied „mit alten Weibern zn
schlafen*'. Auch wich sie, wenn sie konnte, der Berührung mit der
großen Menge ans. Ganz merkwürdig erscheint die Vorliebe Jo-
hannas für das Tragen von Mftnnerkleidem, wovon sie sich dnrchans
nicht lossagen wollte, so daß sie sogar, nachdem sie sieb dua
endlich nach 27 Monaten doch einverstanden hatte, wieder Fnnen-
kleider anzulegen, wieder rückfällig wurde; allerdings nicht ohne
daß man ihr eine Falle gestellt hatte. Den eigentlichen entsehal-
digenden Grund hatte wohl am besten der Erzbiscbof von Embnrn,
Jaques Gelu, für diese ihr znm todeswürdigen Verbrechen gemacht«
Handlungsweise schon in Cbinon angegeben, indem er erklftrte, ihr
sie zum fortw&hrenden Aufenthalte unter Mtanem zwingender Beruf
erheische es, sich deren Lebensweise anzupassen und es sei für tie
anstftndiger, ihre kriegerischen Leistungen unter M&nnem in Mftnner-
kleidem zu yerrichten. Wie sehr er darin recht hatte, wird am
besten durch die Mitteilung bestätigt, daß, als Johanna nach hef-
tigem Widerstände endlich die Männertracht ablegte, der ihr zum
Frauenkleid das Maß nehmende Schneider sich dabei so unziemlich
benahm, daß ihm Johanna einen Schlag versetzte. Indes scheint
diese unüberwindliche Abneigung der PuceUe gegen das Anlegen der
Franentracht doch noch einen besonderen, gebeimnisYoUen, fär uw
nicht mehr erkennbaren Grund gehabt zu haben , wenn man auch
nicht gerade Jean d^Aulons Angabe: „ Johanna sei den Gebrechen
ihres Geschlechtes nicht unterworfen gewesen*', unbedingten Qlanben
schenken wilL
Henrorhebenswert ist (wie das auch Lady Bl. tut) die Un-
dankbarkeit und Lieblosigkeit Karls gegenüber der Jungfrau, die
es bewirkte, daß darüber ihr kindlich yertrauender Glauben an sich
selbst bisweilen schwankend wurde, und daß sie, trotzdem sie in
ihrer Ehrfurcht und Hingebung an seine Interessen nicht einen
Augenblick wankte, doch gegen ihr Lebensende wehmütig be-
dauernd anläßlich ihres Verhöres die Äußerung tat: In me non
crediditl Obzwar er sie einmal bei einer Begegnung in Tours in
einer plötzlichen Anwandlung you Erkenntlichkeit sogar stürmisch
vom Pferde riß, „als wollte er sie küssen **, waren doch im all-
gemeinen die Yom Könige ergriffenen Maßregeln derart, daß ee
schien, er wünsche nichts sehnlicher als neue Erfolge der Jung-
frau zu Yerhüten. Sie mußte nicht nur den mißtrauischen König
öfter durch eigenmächtiges Vorgehen zum Handeln fortreißen, sondern
die Hauptleute entwarfen sogar Kriegspläne, die sie ihr zu verbeim-
liehen suchten. Besonders schimpflich erscheint es, daß Karl auch
nicht den kleinsten Schritt bei Papst Martin V. tat, um Johanna
zu retten, obzwar dies gewiß you Erfolg gewesen wäre, und auch
sonst nicht einmal einen Versuch zu ihren Gunsten wagte. Es
stimmt mit diesem Vorgehen des Königs überein, daß mit Aus-
nahme eines einzigen Berichtes nirgends erwähnt wird, Karl habe
die 80 empörende Hinrichtung der Jungfrau zn rächen unternommen.
Ch, BlehnerhoBsei, Die Jangfran ton Orleant, ang. t. J. Frank, 627
So etwa gestaltat sich das Bild der Pueelle naeh der Dar-
eUllimg des nos Yorliegenden Boches. Seitdem Lady Blennerhasset
dasselbe geschrieben hat« ist manche Publikation erfolgt, die nns
jMDoe Darc in einem wesentlich anderen Lichte erscheinen läßt.
Wir haben dabei zuFörderst den 1. Band des jflngst ?erOffentlichten
Werkes ,Vie de Jeanne cPÄrc'' Yon Anatole France im Ange.
Derselbe h< die VerhOrsprotokolle des Prosesses der Jnngfran nnd
die Akten des BehabilitiemngsFerfahrens , das Tagebnch der Be-
iigernng yon Orleans, das einer der Belagerten geführt, die zeit-
genessischen Chroniken von Cagny, Gilles le BouYier« Jean Char-
lier, das ^MysUre du Süge d^Orleans" s&mtlich ffir teils gefälscht,
teils irarteiisch gefärbt; Johanna selbst erscheint ihm als ein armes,
krsDkes, von der Geistlichkeit zu ihren eigensfichtigen Zwecken
fflißbranehtes Dorfmädchen nnd ihre kriegerischen Leistungen als
nichts weniger denn Heldentaten. Wie man sieht, wirft diese Anf-
/sssmig die bisherigen Meinungen YoUends über den Haufen. Wir
dürfen uns ein entscheidendes urteil Aber diese Unstimmigkeiten
umsoweniger anmaßen, als wir in A. Frances das Werk leider
nicht einmal Einsicht nehmen konnten und dessen Hauptinhalt nur
ans einem Beferate aus zweiter Hand kennen. Nicht flbersehen
kenn man auch einen in der Zeitschrift „Le Mayen Age* wieder-
gegebenen Bericht, den der Kapitän von Beims, Jean de Chätillon,
nach den Mitteilungen eines burgundischen ieuyer YerOfFentllohte.
Dieser bezeichnet die Jungfrau als ^la plus simple ehose'^, die er
je gesehen habe, nicht zu Tergleicben einer .s« vaillanie femme
^ Mme. d'Or.* Die letztere war nur eine zwerghaft kleine, aber
hflbsche Person, die als Hofhärrin am burgundischen Hofe sich
zugleich auch der Liebe und besonderen Gunst des Herzogs Philipp
dee Guten erfreute. Während die Mad. d'Or. nur eine lustige
Närrin wäre, sei (so meint der ieuyer in seiner schon an und fflr
eich frifolen Gegenüberstellung) Johanna dumm! Merkwürdiger-
weise begegnen wir auch bei anderen Gewährsmännern dieser ge-
ringen Einschätzung der geistigen Begabung der Jungfrau: Pierre
Migiet, der Prior Yon LongueYille, erklärt sie als sehr «simp^**,
Martin Ladyenu als ^bien ignoranW^^ so daß sie nicht einmal das
Vaterunser hersagen könne, der AdYokat des Pariser Parlaments,
Aiman Vlole, spricht Yon ihrer ^wunderbaren Dummheit^ und da£>
sie weder lesen noch schreiben könne. Wir hebeEi dieee Angaben
herror, weil Lady Bl. gerade das außerordentlich kluge nnd bt-
eennene Verhalten Johannas bei ibrem VerhOre und den von ihr
gegebenen Antworten nacbdräcklich betgnt. Dai^ es ta^ des rir-
echiedeneo Forschem auch eonat viele toq dtn Jir
enthaltenen abweichende MeiDtin^en gibt, Ui ilh>
hat Ddnifle die Johanna gegenüber so h\\
▼ersität za rechtfertigen versBcht; Äjndea
Karl YIL für die Befreiung der Jongfrau kfii
habe; Dunand behauptet, JohaoDa hab^
i
628 Bothaujf^ Di« Onmdpriniipian der Wi«ier 8di«l«p ug. t. J. Mmier.
Oaen nie ihre Mheren Angaben abgeschworen, sondern nnr einen
Zettel von eeche bis acht Linien nnterseichnet, der ihr nnterbriiUt
worden sei Ton Gnllanme Brard nnd Jean Massen. Ans dieser tit-
sichlieh nnbedentenden Handlung habe Canchon eine grofte Affaiie
gemacht, indem er dnrch eine Fftlschnng einen langen AbsehwA-
mngstext nntersoboben habe. — Bevor wir diese Anzeige scbltefioD,
mochten wir noch darauf aufmerksam machen , daß man xnr Er-
kl&mng der «Stimmen* Johannas wohl auf das Daimonion des 80-
krates und auf die Anrufungen Mohameds hingewiesen hst, dift
man aber u. E. zum Verständnisse ihrer ganzen Persönlichkeit
besser an die analoge Wirksamkeit der biblischen Debora „der
Mutter in Israel'' denken dürfe. Auch diese begeisterte die StAmme^
daß ihr still genfthrter Ingrimm zu todesmutigem Zorn aufloderte,
sie gewann Barak, die religiöse und nationale Sache zu Teifecht».
Die H&uptlinge weihten ihr in freudiger Aufopferung das Leben.
Unter Baraks Führung, geleitet von ihrem anfeuernden Lieäe
sammelte sich der Landsturm auf dem Berge Tabor und errang ta
Sieg Ton Thaanach. Durch ihre göttliche Begeisterung war Debon
die Retterin Israels geworden und hatte das Bewußtsein der Za-
sammengehOrigkeit untereinander und mit Jahve gewecLt und der
Bnthusiasmus, den sie entzündet hatte, wirkte wahrscheinlich neeb
lange nach. Allerdings hOren wir nicht, daß sich Debora un-
mittelbar am Kampfe beteiligte.
Es erübrigt uns nur noch, dem auch &ußerlich glftnzend im-
gestatteten, trefflichen Buche einen möglichst gproßen Leserkreii
zu wünschen.
Wien. Josef Frank.
Job. G. Bot hang. Die Grundprinzipien der Wiener Schule
in der neueren Schulkartographie. Wien 1908, 6. Frejtag k
Bemdt. 20 SS.
Der Aufsatz ist die Wiedergabe eines Vortrages, den d«
Verf. in der Wiener pftdagogischen Gesellschaft hielt. Im groften
und ganzen wird die von der Firma Freytag A Bemdt geübte AH
der kartographischen Darstellung, die für sich den Namen Wiener
Schule in Anspruch nimmt, Yerteidlgt und als allein richtig hin-
gestellt. Neues enth< die Schrift nicht. Einer langen Einleitasfr,
in der der Verf. unter anderem auch ausgiebigen Meßübungen in
der Schule das Wort redet, folgt eine Skizzierung der TerschiedeneB
Verfahren, die bei der Kennzeichnung der Bodenformen zur An-
wendung kommen. Lehmann wird als Begründer der Vertikal-
schraffenmanier hingestellt, obwohl er doch nur auf dem Systeoe
Ludwig Müllers weiter baute, das bereits Yon dem Qrundsatie
ausging, daß die Böschungen um so dunkler gefftrbt werden müssen,
je steiler sie seien. Daß Lehmann seine neun Stufen nur bis sa
J. Book, ZeioheaiehDlo fOr d. ünidfiiclit mw., uig. v. £. Imendßrfftr.
aiaatt NeigiisirswinM von 45 Ghradra ansddlinte» batta keineewegs
dn §nmd, dafi „er sieh dar Schwäche aaines SystamB gar wohl
bewußt war und erkannt hatte , daß eine größere Auswahl von
Stofeo die unterschied» derselben vollständig nnkenDtlich machen
missen", sondern darin, daß sr militärische Karten Tor Augen
faatte, in denen ans leicht ersichtlichen Granden ein Eenntlich-
machen Ton Böschnngen Aber 45 Grade Wertlos war. Daß die
Schraffen in den 8chulkartea keineswegs die Aufgabe haben» den
BöBchnngswinkel zn Yeransehanlichen, scheint Tom Verf. tbersehen
worden zn sein. Penckers geistTOlle üntersnohnngen über Schatten-
plastik nnd Farbeoplastik werden knrz abgefertigt nnd die zweck
entsprechende Verwendung vorspringender, ind zurücktretender
Farben als ein Verdienst der kartographischen Anstalt von Freytag
& Berndt hingestellt. Entgegen der Ansicht des Verf. wird nv
diejenige Karte der Schnle die besten Dienste leisten, die mit der
Dnfonrbelenchtnng die Schraffiemng nnd die Höhenschichtendar-
stellnng verbindet nnd den künstlerischen Grundsätzen nur soweit
Zutritt gewährt als sie der geometrischen Bicbtigkeit nicht zu
schaden vermögen. Eine gute Schulkarte hat nicht nur schOn,
sondern auch wahr zu sein.
Wien. J. Mflllner.
Zeichensehale i&r den Unterricht in der Erdkunde. Von Dr.
Johannes Book, Oberlehrer am Friedrich Wilhelms* Gymnasium im
Berlin. Berlin 8W., Friedrich Stahn.
Es liegen zunächst von dem geographischen Zeichenwerke
Boocks sechs Hefte Zeichnungen und ein Lebrerheft mit erläutern*
dem Texte vor, die das Deutsche Beich behandeln. Der ganze Stoff
ist zweimal: in Teil I.— IIL B. Oberstufe, und Teil L — III. A.
Unterstufe behandelt. Das so schwierige Problem des geogra-
phischen Zeichnens in der Schnle ist hier m. B. im ganzen recht
glücklich bearbeitet Angenehm fällt auf, daß weithergeholte nnd
den Hautpnnkt mehr verschleiernde Konstruktionen vermieden sind
und das verwirrende und zeitraubende Zeichnen von Hilfslinien
entfällt. Das Grundprinzip, bei der Zeichnung von den Flnßlänfen
auszugehen, halte ich für ganz richtig, da sie tatsächlich das am
deutlichsten ans der Karte hervortretende Element des Geländes
darstellen. Ebenso ist es lobenswert, daß nicht politische, sondern
geographische Einheiten den einzelnen Blättern zugrunde liegen.
Die Zeichnungen sind, was vor allem zu loben ist, klar und heben
geschickt das wirklich Wissenswerte heraus. Die Zweistnfigkeit des
erdkundlichen Unterrichts an preußischen Anstalten versetzt dort
den Lehrer in die angenehme Lage, auf der Unterstufe sich auch
bei Anfertigung von Faustskizzen auf die einfachste Wiedergabe
beschränken und diese auf der Oberstufe entsprechend ergänzen
630 K. Sehwenng, Handbmh d. EloiiieBtaniiatii.9 ADg. ▼. J. O. WäOmtm.
zn dflrfeD, w&hrend wir Bobon auf der ünterBtnfe kaum wenipr
leiBtoD dürfen 9 alB hier die Oberstufe fordert, was freiliA ssf
Kosten danemder Aneignung nnd wirklieh gründlichen Veritlsd-
nleees gebt. Nicht ganz einTeretanden bin ich mit der Beigibe
▼on Zeiehenblättem, die in Paukten die Hanptrichtongen der Fliifi-
l&nfe angeben nnd jeder fertigen Kartenskizze gegenübergeitollt
sind» offenbar zu dem Zwecke, damit diese darauf nachgezeichD«t
werden. Ich würde es Toniebeny die fertigen Skizzen nv dem
Lehrer in die Hand zn geben, der diese an der Wandtafel ia
großem Maßstabe Tor den Schülern entstehen zn lassen hitu,
während die Schüler mitzeichnen. Jedenfalls werden die geboteaiD
Kartenskizzen Lehrern, die nicht eben besonderes Geschick im
Zeichnen haben, sehr gnte Dienste leisten. Onte Zeichner freilich
werden es wohl znmeist Yorziehen, ihre eigenen Wege zn wsndein.
Wien. B. Imendörffer.
Handbuch der Elementarmathematik f&r Lehrer. Voo Prof. Dr.
K. Sehwering, Direktor des Ojinnasiiime an der Apostelkirehe id
Köln a. Bb. lut 193 Figuren im Text Leipzig nnd Berlin , & G.
Teubner 1907. Preis geb. 8 Mk.
Das Yorstehende Buch ist bestimmt, den Lehrer der Ele-
mentarmathematik an den Mittelschulen in seiner Stellungnahme
zu wissenschaftlichen Fragen des Gegenstandes zu unterstützen
und ihm ein Batgeber zu sein und auf diese Weise ihn auch zur
Fortbildung anzuregen. Bein wissenschaftliche Fragen, die zwar
der Schulmathematik entspringen, deren Beantwortung aber ans
der Scbulmathematik herausführt und auf diese keinen weitertD
Einfluß nehmen kann, sind aus dem Bahmen des Buches ausge-
schlossen worden. Das Buch ist nicht für Anfänger im Lehr-
amte, sondern für Geübtere geschrieben und es hat der Verf. au
diesem Grunde auch die allgemeinsten Grundlagen in seinen Dar-
legungen herangezogen.
Was den ersten Teil des Buches, die Arithmetik, betriff^
hat der Verf. in aller Strenge die Permanenz der formalen Ge-
setze als leitendes Gesetz durchgeführt, zugleich aber auch aii
die begleitenden Anschauungsbilder hingewiesen, durch die der
Unterricht namentlich auf unteren Klassen belebt werden kann.
Auf diese Weise ist es ihm gelungen, die Einführung in die ali-
gemeine Arithmetik einheitlich zu gestalten.
Die irrationalen Zahlen sind zuerst als solche dargestellt,
welche durch keinen Bruch ganzer Zahlen angegeben werden könneiit
in zweiter Linie sind diese Zahlen nach dem Vorgange Yon Dede-
kind in die Zahlenreihe eingeordnet worden. Im Anschlüsse sn das
Theorem you Moi?re wird gezeigt, in welcher Weise die L^^snng
K. 8(ikw€nng, HandbMh d. Elementarmath., aag. ?. X G. WäUmtin, 681
der Oleiebimgr o^ = 1 mit dem Probleme der Teilang der EreiB-
peripherie in n Teile znsammenb&ngt.
Sebr beaobtenswert siod die AasfAbniDgeii jener Abscboiüe»
in denen toA den Gleiebnngen geeproeben wird. Besondere sind
ee die binomiseben Oleiebongen, deren Lösung nacb versebiedenen
Metiiedeo dargelegt wird.
In der Theorie der aritbmetiscben Beiben werden aneb die
Reihen böberer Ordnung mittelst elementarer Metboden und zwar
onter Anwendung der Bexnoulliscben Zablen zur Lösung gebracht.
Von besonderem Literesse sind die in dem Bncbe gegebenen Unter-
soehnngen der Ezponentialreibe und der aus dieser zu ziebenden
Folgerungen, unter denen jene berTorgehoben werden sollen, welche
sidi auf die Berechnung der Ludolpbiscben Zahl beziehen.
Besonders eingehend sind die Oleicbungen dritten und vierten
Grades behandelt worden. Fflr den elementaren Unterricht sind frei-
lich manche der hier torgetragenen Lehren weniger geeignet, doch
werden diese Untersuchungen immerhin eine anregende Studie für
den Lehrer bilden. Im Anschlüsse an diese wendet sich der Verf.
zn einigen allgemeinen Aufgaben aus der Theorie der Gleichungen.
Yen N&herungsmetboden zur Lösung Yon Gleichungen werden die
▼on Oraeffe, Newton eingebender erörtert.
Im geometrischen Teile des Buches ist besonders der an-
fi^egebene Versuch, das Parallelenaxiom als eine Folge der flbrigen
Axiome herzuleiten» bemerkenswert, ferner der Abschnitt, der von
der anharmonischen Funktion, den harmonischen Punkten und
Strahlen, den Theoremen Yon Menelaus und Ceva und den Pro-
blemen der Abbildung, Yon denen die ähnliche und umgekehrte be-
eprochen wird, bandelt. Die allgemeine Abbildung wird durch die
Oleichnng Xi + y^^ = F {x — y«) charakterisiert, in der F eine
willkürliche reelle analytische Funktion bedeutet. Die Bedeutung
der Polaren, von welcher der Terf. mit Becht sagt, daß sie .eine
an geometrischen EigenschaftMi so ergiebige Linie ist, wird durch
die im Buche enthaltenen Untersuchungen in das rechte Licht ge-
rflckt. Die Frage, ob statt Zirkel und Lineal auch andere Werk-
zeuge angegeben werden können, um dieselben geometrischen Auf-
gaben zu lösen, welche auf quadratische Gleichungen führen, wird
nur gestreift. Daß man aus dem Theorem Yon Moivre die Formeln
fflr cos (2 ä) und sin (2 a) ableitet, ist ganz geistreich, scheint dem
Bef. aber denn doch allzu erzwungen. Jedenfalls ist aber durch
die Entwicklung in diesem Abschnitte, der von den goniometrischen
Punktionen handelt, dargetan, wie fruchtbar sich die Anwendung
des Theorems von MoiYre erweist. Die Trigonometrie des Drei-
eckes und des Viereckes, sowie die an diese sich anschließende
elementare Kreisberechnung ist in eleganter, Yielfacb origineller
Weise durchgeffthrt worden.
Die Lehre tou der dreiseitigen Edre und dem sphArischen
Dreieck ist sacbgem&ß behandelt Der Begriff der hyperbolischen
632 Nawicki-Mayer, Flflisige Loft, ang. ?. Jl Ä. Kaü.
Fnnktionen ist in diesem Absohniite selbstredend nur gestreift
worden. Belangreich erscheinen dem Bef. die in dem Bache Tor-
bandenen rechnerischen Betrachtangen über die orthogonale Pro-
jektion von geometrischen Gebilden. Namentlich ist es die ortho-
gonale Projektion jener Fignr, die aus drei gleichen, gegenseitig
anter rechten Winkeln aneinander gesetzten Strecken gebildet wird
and den Namen „Dreibein* fährt, welche za sehr bemerkenswert«!
metrischen Beziehungen fahrt.
Die Eabatar der EOrper wird in mehr arithmetischer Weis«
als dnrch geometrische Baisonnements ToUzogen.
Von Interesse ist das in dem Bache über Engelteilong Ge-
sagte. Darch diese wird der Übergang zam Stadiam der regel-
mäßigen Körper yermittelt. Die halbregelmftßigen Vielfl&ebner
werden in den Kreis der Betrachtangen einbezogen. Größtenteils
in analytischer Weise wird das Problem der stereometrischen Ab-
bildnngen behandelt. Die letzten Abschnitte enthalten die Lehre foo
den ebenen Schnitten der runden Körper, die wesentlichsten Me-
thoden znr Bestimmang der Schwerpunkte und die am meisten io
Anwendung kommenden Formeln der Trigonometrie.
Vielfach sind in dem Yorliegenden Buche VerweiN auf
Quellenwerke gegeben» so daß der weiter Strebende auch duch
diese eine Förderung erfährt.
Wien. Dr. I. G. Wallentin.
B. Nowicki und Hans Mayer, Flflssige Laft. Die Ver-
fiüssigungsmethoden der Gase und die neueren Experi-
mente auf dem Gebiete der flüssigen Luft. Mit48AbbfldaBgeiL
Zweite» Terbesserte and erweiterte Anlage. GemeinTerstäDdiich dar-
gestellt. Mfthr.-Ostran, B. Papaoechek; Leipzig» Bob. Hoffmaoa 1906.
60 SS.
Im August 1905 ist die erste, im Jänner 1906 die zweite
Auflage dieser interessanten Schrift Teröffentlicht worden» »»welch«
auf experimenteller Grundlage in allgemeiu Yerst&ndlicher Form
über dieses anregende Thema n&her orientiert^. »»Die maschinellen
Einrichtungen und die Arten des Verfahrens» welche zur Erzeugung
von flüssigen Gasen Anwendung fanden, . . . haben in dieser Aus-
gabe unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung der ein-
zelnen Methoden eine eingehendere Bearbeitung und ausführlidien
Darstellung erfahren • . . "*
Die zahlreichen Abbildungen sind» soweit sie technische Ein-
richtungen betreffen» meist gutzuheißen. Von den die Versnche
illustrierenden photographischen Beproduktionen ist wohl manche
etwas weniger gut ausgefallen. Zu bedauern ist, daß maacb«
Figuren weit weg vom zugehörigen Texte stehen ; es wird hiedurch
bei der Durcharbeitung des Aufsatzes ein lästiges Hin- und Her-
Nouficki'Mayer, Pi&uige Luft, ang. t. J. A. Kail 633
buttern Dotweodig. Nachdem die maschinellen Einrichtungen nnd
die Gaeverflässigangnsarten besprochen worden sind, werden be-
handelt: „SanerstofF- und Stickstoffgewinnnng aas fldssiger Laff*,
MVerwendnng der flüssigen Luft*' nnd Terschiadene MVersnche mit
flflssiger Lnft«'.
Im besonderen sollen hier, folgende Stellen her?orgehoben
werden: 0/1 „ist in Abersohwenglicher Weise der künftigen Be-
nützung der flüssigen Lnft eine Tragweite zugeschrieben, welche
weit über das natni^esetzlich erreichbare Maß hinansgeht*' (S. 22,
Anm. 2).
S. 23 nnd 24 wird der Verwendung der flüssigen Luft zur
Bereitung des Sprengstoffes „Ozyliquit*' Erw&hnung getan. Es
wird angegeben, ,,daß der so hergestellte Sprengstoff eine ezplo*^
slble Wirkung nur ungefähr 15 Minuten beibeh&It, nur insolange
die Verdampfung der den Stoff durchfeuchtenden flfiss. Luft vor sich
geht**. „Man ist daher genötigt, den Sprengstoff stets vor Ort zu
erzengen; doch hat dies anderseits den Vorteil, daß eine Aufbe-
wahrung nicht notwendig, und mithin ein Mißbrauch oder eine
unbefugte Verwendung ausgeschlossen ist*'. „Die erste praktische
Nutzbarmachung der flüssigen Luft hat Oberingenieur 0. Suess
in M&hr.-Ostrau in der Bettungstechnik in Anwendung gebracht**.
„Gegenstand der zum Patent angemeldeten Erfindung ist eine
AtmnngSTOrrichtung, welche ein Eindringen in mit Bauch oder
sch&dlichen Gasen erfüllte Bäume, sowie einen lungeren Aufenthalt
in solchen Bäumen ermöglichen soll**. Auch in der Stahlfabrika-
tioD, sowie zur Kühlung von Krankenzimmern und zu Heilzwecken
ist flüssige Luft verwendet worden. „De, wo der Kostenpunkt nicht
mitspielt, wie am reichbesetzten Tische, wird der Weinkühler ent-
behrlich : derselbe kann durch ein Dewarsches Gef&ß ersetzt werden,
ans welchem man sich nach Belieben flüssige Luft in den Wein
gießt Eisstückchen verdünnen den Wein durch das Schmelzwasser,
flüssige Luft hingegen verdünnt denselben nicht**.
Der Verf. bespricht nun die Konservierung von flüssiger Luft
nnier Atmosphftrendruck — Methode von D'Arsonval und Dewar —
gibt hierauf die Abbildungen der gewöhnlichen Formen der Vakuum-
g'eflUSe und beschreibt endlich die Art und Weise, wie diese ge-
fällten Gef&ße transportfähig gemacht werden«
In Bezug auf die Verwendung der flüssigeo Lnft eind Be-
rn erknngen wertvoll: „Ein 21 Gefäß von Ku^eHörm zeigt in 24
Standen za. 12' b^ Verlust** (S. 31) und „Die Versuche mit Büfa^v
ßig^T Luft gehören zu den glinzendsten und abarrascbendstf^Ut ^
wir kennen. Da die vollstündige Vergasung in De wargehen Geffti
Ton 2 1 Inhalt erst in za. 10 Tagen vor sich geht, so hat i
hinreichend Zeit, dieselben anzustellen** (S. 82). Ebenso wertvw
sind die „Vorsichtsmaßregeln beim Hantieren mit dnasj#Ar T^^i^
(S. 32). — Die im Büchlein besprochenen VcrgürS^
1. Flüssige Luft und Wasser (S. 33). 2. Veränderang ^ ^ >
634 üf. Füeher, Pokornyi Natnrgaseh. d. Tierreichet , ang. t. H. Vidtorf,
zoBtandes Yerscbiedeoer Körper (8. 84). 8. VerftndanuigeD der Farbi,
Härte and des Klanges yersehiedeaer Körper (8. 40). 4. Demon-
stration der schnelleren Verdampfong des 8iiekstoffes als des Sauer-
stoffes ans flflssiger Lnft. 5. Aufhebung der chemischen Affinititen.
6. Änderung des elektrischen Widerstandes. 7. Änderung pbyiiki-
liseber Eigenschaften der Körper. 8. Einfluß der niederen Tem-
peraturen auf die spezifische Wftrme bei Metallen. 9. Magnetismas.
10. Physiologische Wirkungen. [„Es ist ein Irrtum, wenn maa
glaubt, daß die bisherigen antiseptischen Mittel und Verfahren zur
Yemichtung der Mikroorganismen durch die niedrigen Tempert-
turen ersetzt werden können'* (8. 58)]. 11. EzplosionserscheinnngiD.
12. Phosphoreszenz nicht metallischer Stoffe. 18. Flilssige Luft and
Koblensiure. 14. Versuch von Prof. H. Lange. 15. Versuck tod
Dewar. 16. Das Kochen auf dem Eise. 17. Eine Zigarre entflaiuK
in fldssiger Luft*'.
Mit einer Zusammenstellung der auf das behandelte Tbemi
bezfiglichen Literatur schließt das lesenswerte Büchlein ab.
Wien. Joh. A. KaiL
Po körn ys Naturgeschichte des Tierreiches. FOr höhere Lflk^
aofltaUen bearbeitet Ton M. Fiicher. Mit zahlreichen, sQm Teil
farbigen Abbildangen und 29 farbigen Tafeln. 27. Auflage. Leipng,
Verlag fon G. Freytag 1907. Preis geb. 4 Mk.
Wie der Titel besagt, haben wir es in dieeem Buche mit
einer Bearbeitung des bekannten Lehrbuches von Pokoruy zu tun,
welches M. Fischer durch passende Erg&nzungen fAr höhere Lehr-
anstalten Deutschlands geeignet zu machen suchte. In der neuestsu
Auflage tr> der Verf. der biologischen Bichtung im weitesteo
umfange Rechnung. Die Beziehungen zwischen dem Bau der «s-
zelnen Organe und ihren Verrichtungen, zwischen Gestalt und
Färbung der Tiere und ihrer LebeDsweiee, zwischen dem Wohn
ort und dem NahrungsbedfirfDia werden bii den elnselneo Twrtn
herTOrgehoben. Die SomatoEogie ist in sehr knapper Fana b<^
handelt ; an sie reiht sich ein ÄbBchDÜt über QesuadbeiUpÖift ao.
Wie in allen Büchern, die in hiiUr Zelt in der bekanntao Vtr-
lagshandlung von Freytag erscbieneD, sind auch in dieeffm Uxaekt
die Dlustrationen mustergiitig. Namentlteh eei aitf die 29 tu^gm
Tafeln aufmerksam gemacht, welche dem ßneb« zur Zlertdt er-
reichen. Es sind dieselben Tafelo, die In den $a
Lehrbüchern derselben Verla^sbaDdlung sich fioden.
Wien H.k
Q^ StemmoMHj Der Unterriebt in Geologie uiw.» ang. ▼. F. Not. d3&
Der Unterricht in Geologie und y erwandten F&ehernaof Sehide nnd
ünifenitit von O. Steinmann in Bonn. (Ans dem VI. Bd. der
Zeiticbrift: «Nator nnd Schale**.) Bei 0. Teobner, Leipiig 1907.
Gestützt auf die BeformTorBchlftge der im Jahre 1904 Yon
der Gesellschaft deutscher Natnrforsoher und Ärzte gew&hlten
ünterrichtskonmiasion tritt der Verfasser sehr warm und sehr wirk-
sam für die Einführong eines znsamroenh&ngenden Unterrichtes
ans Ckologie an den Mittelschulen Deutschlands ein. Er betont
intbesonders die Wechselbeziehungen zwischen Geographie und
Geologie, welche Wissenschaften Hand in Hand gehen sollen. Er
Terlangt für die Kandidaten des Mittelsehullehramtes ein Pflicht-
kollegium aus Geologie, entwickelt seine Ansichten, wie er sich'
den geologischen Unterricht an den mittleren Schulen betrieben
denkty weist auf den großen Wert nnd die Unentbehrlichkeit von
geologischen Exkursionen hin und erörtert sehr gründlich und zu-
treffend die Stellang der Geologie zu den übrigen naturgeschicht-
liehen Disziplinen. Heute, wo die Erweiterung des naturgeschicht-
liehen Unterrichtes auch an den österreichischen Mittelschulent
namentlich an den Gymnasien, in den Vordergrund der Beform-
bestrebungen getreten ist, gewinnt Steinmanns Schrift auch für die
österreichischen Schulm&nner eine besondere Aktualität. Möge der
Erfolg nicht ausbleiben.
Wien. Dr. Franz Noö.
Dr. Walther v. Knebel, Höhlenkunde mit Berfleksichtiguig der
Kartt^änomene. Mit 42 Abbildnngen im Text nnd auf vier Tafeln.
(Die Wiesenichaft. Sammlang natarwisceniehaftlicher nnd mathe-
matiseher Monographien. Heft 15.) Braonschweig, Vieweg&Sohn 1906.
Bislang hat es in der gesamten fachwissenschaftlichen und
popnlArwissenschaftlichen Literatur an einem Buche gefehlt, das
den wissenschaftlichen Zwecken und Problemen der Höhlenkunde
gareeht wird. Der Verf. der Yorliegenden Schrift hat mit dem
Phinomen der Höhlenbildung in den Höhlengebieten Süddeutsch-
landa, des iräuKiaciieQ and schir&biacben Jara, der i^d^iolaade
and des öaterreicbiscben Kars tos eicb befaßt and aucb jene Be-
IfltiterecbeiDüDg'eQ etadiert, die als Karst phäeomene bezeichnet
werden köDoea» Ee wurde dai^Pigm|b 'ni> frn^rribDlogiscbeD,
geologiecben und rom phjsiltftr''*^^^T*^ ::iodpiinkte
aufgefaQt; daneben VAU^m i^^^_HMi<'beii nnd
biologiichen Terbfiltfii^s^ ^^^^^^■r^rltnuoir.
Der Y^rf, boft, El' l "i^^^^V^
ac^ertgi werde tu einer
kande. In den verscbiedefl
die HöbleDknnde ükT'
deiren Entwicklorr
rmud
1
im Gebirge verBankenen Flnaiss Terstandaii lüii, w^
Orte des Hervorbrecbens tou badenteodeii Wass«rED&8i
sich im ItiQerD des Gebirg^es siDgesamin«It haben
jener EieseDqaelle bervorstrdmeD.
Im weiteren wird die Grnndwasscrtbeorie zur
bjdrogmpbiicben Probleme des Karstes dargelegt, dieit
worfen ond auf die T&tsacbe des AQftreteDa tüo H(1|
die darcb enb marine Quellen nnd Meerefiscbwindea
sobeinen, auimerkaam gemacbt
Die folgenden Ab&cbnitte bandeln ton der Em
H^blenÜaesen, tod deo DoUnen nnd deren Bededtuiig |
etebung ?on Tälern , von den Poljen, toii den wicbtifi^
gebieten, deo Halbbdblea, den ureprängiicben HObten. j
Die meteorologiscben Verbältnisae in Höhlen, die I
und fannietiecben Erecbeiniingen in denselben werden üi
eicbtlicher und klarer Weise, ebenso wie die Bedentnng
ale W ebner iß der präbiatoriecihen Menscben ekiiiierU
^um Schlüsse gibt der Verf. noch ein recht aij
Bild der Knltnrarbeit in E5falengebieten nnd eine gelun
der GeschicbU der HObleDkande. |
Der Verf. bat ee yergtauden, die eifl&cblägigeB Er^
nicht nur in sehr lichtvoller Weise im beschreiben, ad
deren Entetehttng in s ach gemäßer Weiae ^ti begr&ndeq
ecbie denen Anschauungen werden gegeneiDander abgewd
vollkommen objektiver Weise bearteilt. ßesooderes Inten
verlie'genden Buche dem Karetphauomene entgegeogebn
nnd dies in Anbetracht der Wichtigkeit der Kenntnii
schein an g für die Bodenknitor mit ToUem Hechte. Es
die knitnrelle Verwertung Terkarsteter Länder die eul
drternngH
Dritte Abteilung'.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Berieht über den IV. Internationalen Mathematiker-
Kongreß in Born Tom 6. bis 11. April 1908.
I. Der Bericht Ober den Kongreß unterliegt eigenartigen Sehwierig-
keiten, die ▼onüglich in der Aaiwahl de^enigen liegen« wm hier gebracht
werden lolL Denn der beecbrinkte Baom geetatlet kein nnsfflhrlichee
Befemt; für dieiet sei auf die Atti dee Kongresses Terwiesen, deren
Encheioen sieh allerdings durch einen Streik in der Dmckerei des ^Oir^
eolo Maiematieo di PäUrmo" etwas Yerspiten werden. Aach die Zeit-
•cbrift: 'L'JSnseignemmt des Mathimatiques" hat einen sehr ansfllh^
liehen Bericht gebracht» nnterstütit durch kurse, Ton den betreffenden
iotoren selbst Terfaßte Mitteilungen Aber die gehaltenen Vortrige').
8oll die Auswahl auch nur ein beilinflges Bild geben, so ist
as unerllßlicb, gerade auf jene Dinge einsugehen, die heute umstritten
lind. Man kann aber dort, wo es gilt: guot eapita tot sensua billiger-
weise keineswegs von einem einseinen volle Objektivität Terlaugen. Der
Leser gewinnt dadurch den Vorteil» daß er seiner Meinung widersprechende
Bemerkungen als der subjektifen Verarbeitung entsprungen auffassen
kann, während er sich dort, wo seine Ansieht getroffen ist, Aber einen
neuen Anhinger freuen däit
U. Der äußere VerlAuf d€s Eongreises w&r tili«smU beiooder»
glinsend und durch starke Beteiligtiijg suiget«i<:l)net, die jed^tifalli auch
der Aniiehnngskraft Roms entipraog. H^tt SenalM
im Abende des 5. April (Sonata^) 4i« bereite m*-r^
in der Anln Magna der ÜQireriitfct. Der
10 Uhr Tormittags im borrikhen tSa« <
Kapitol in Gegenwart «einer Msjeii
eröffnet Es sprach fierr Ero«»to il|
Sindaeco von Born and der Senato
1) 10« Ann^e, mü,
Lerner UDd Fors^th.
Die wejtdreD VerbfindlnoKeD des KonfreiBe«
tfoDen statt: h ÄD&ljiitt IL Oeümetri«, III- Äug
(mit der ODtefteilung 1115 Verticberongitecboik), IV. Phili
fiidigo^iidia Frobleme. Die SektioDieitiaDgei» wurden vom i
von 0 Uhr bU 12 Ubr^ beiw« 1 Ohr Tormittagi ftbgeb«lte^
teran YoUveiMmmtan^eDf an den Nachmittagen dfi 7^ fl
Aprtl, bietteti einige Mitglieder de« KoDgiesseü lasanuneB
tr&ge IIb er Amgedebnte Zweige der WiftiexLicbaft- Ei tprsclj
Darboui, nDick, NewcQmb, Lorenti, Poincarä, Pi
4er Vortrag des Herrn Veronete wegen Erkrankung d«i
werden mui^te.
Der von der Stadt Rom am Abend de« 8. April im
Mine gegebeoe Empfaxig führte die Mathematiker iu die
dea antik VD Marmor«. Am Ö, April nacbmittagi word« I
-dei Herrn Ministers des Off'enllichoEi Unterrichtee der Pili
der Abend dieiea Tages brachte ein Eomert im Tbeat<j
10. April hielt Herr Stürmer um 9 Ubr abends im Saale
und ArebitektenvereiDes seinen Vortrag mit Projektios
4es Magnetismus.
In d^n einieloen Sektionen sind versehfedene Bi
und der lettten Vollversammlung lur Approbation vorgelif
dem Antrage des Herrn Qadamard entsprungene B
III. Sektion betrifft die Notwendigkeit einer EioigUDg in dl
der Vektoren und scfalAgt der Leitung dei Eongreises die
inter nationalen Komitees tum Btudiom dieser Frage vor. In d
irnrden Beiolationen über die Ausgabe der Werke Eulert^
von Herrn Kraser — und der Werke von Cavalieri —
Herrn Amadea — gefaßt Femer anf Antrag det Hemi ,
Besointion snr Schaffung eines mathematisch an Arebivs fn 1
fieriebt Aber dtn lY. iDteniatioDalaii Matbematiker-Eonffreß. 689
wtrdeo toll, mit der«» Arbeitiprogramm deb eine Ton der Leitung dee
IT. KoDgresMi lo bildende internationale Komininion in beieblfligen
bitte. Ancb dieeer Antrag, der beeondert dem Wontcbe der III. Sektion
naeb einer grOAeren Ann&benmg der Vertreter der reinen Fortcbong und
der Anwendungen enttpraeb, wurde angenonunen.
Herr Foriytb Itberbraebte in dieier Vollfenammlong die Einladong
der angliieben Matbematiker, den V. Kongreß inCambrige abiobalten,
oad Herr Mittag«Leffler epraeb den Wuueb ani, der VI. Kongreß
möge in Stoekbolm itattfinden. Beide Bedner ernteten Zoitimmong
und Beifall. Herr Hadamard gab noeb die Anregnng, ee mOge in ab-
iebbarer Zeit eine Vereinigong der Kongreeee der Matbematiker mit
jenen der PbTuker angeetrebt werden.
Hieran! wurde der Kongreß dunob den PdUidenten Herrn Senator
Blaserna geeebloeien.
Herr Darbooz epraeb der Leitong des Kongreiaei and den
italioaiaeben Gastgebern den Dank aoi.
Am Sonntag den 12. April wurde die Villa Adriana ond TiToli
beraeht; in Tifoli worde ein Bankett unter freiem Himmel gegeben.
Wftbrend des Kongreetee sorgte ein Damenkomitee f&r die Unterbaltung
der Damen.
III. Über die gewaltige Detailarbeit dee Kongreesee kann kaum
romuniert werden. AUentbalben surrt das Tielteilige Biderwerk der Wissen-
eehaft und die Verbesserung jeder Kleinigkeit ist wertroU, wenn man
nur immer bedenkt, daß sie als Teil dee Qanien bannoniseb wirken muß.
I>«i besten Dienst leisten ja die Kongresse dadureb» daß sie manebe
Hftrten der allerdings unerlißlieben Spesialisiemng des einielnen mildem,
indem sie ibm den Überblick ßber das Qanse erleiebtem. Der Gbarakter
d«r f egenwirtigen Arbeiten sielt lumeist auf eine Ordnung dee giganti-
•doB Materials. Die größten Entdeckungen des XIX. Jabrbunderts be-
stehen In der Aufstellung fon Priniipien, die große Qebiete susammen-
fmmmmik und Terborgene Zusammenb&nge Ton scbeinbar Qetrenntem grell
dvrelüeucbten. Die Intuition bleibt inmier nocb das beste beuristiscbe
mfeiel und sie wird mebr als je dem Anfinger empfobien ; aber die bebe
Str«Dge, die man beute terlangt, und die bedeutende Scbwierigkeit der
meisten Probleme nOUgt uns fsst immer, die geAmdenen Ideen analytiscb
doreiisaarbelten. Das wird duieb die Elegans der modernen Metboden
!> \T 4^.':.i htert^ dio titijiit&ndliciie EticbBUDgt^n durcb eine iiDcroicbe
SjrntHltJk nod lange Übirleguisgen darch klag koDstrui^rte BegrifTe eraetien.
rV. Birr Poincard bat In seinem Vortrage *^L'Av€fnr des Ma-
m^afigut^t"*. Am Herr Darboui is Vertretung des «rkraoktes Oetebrten
i^tfjit^rhifi i{eltiiu bikt, in ti4li«r bek^nnUi» geiitr«liibtii Art «io«D BHck
itk die jaofite Verf^ltf^^^^^bAi ^^ tisraus beUio^ aaf die näcbäto
Zafcimft dtf Irt- ^^|^^g|i|fl to iiiilti
c«rf
10 Aflflwd^H
ja di« Nfttiuj
MatbettiaUber^ wie jidor rädere Oalehrtet «me
leichter sogar, denn die Mithematik iit er MtbiW
BnUcblafV, dar sie «cb^f. Im aUgemeinea ii«Ut
fertigen Kombinat lonen, es iit QDoer GeiAt^ det iie bildd
MAtbemfttik h&t eme bohe EigenbereehtiguDg^ eia loU km
der Pby^ik dienen. Die feiialloie Wiisenacbaft alUiii koi
tQtn ToraiiH dia Antworten, die si« dem Physiker gibt, «eni^
Tages Terlaogt. Daa rerbilt aieh etwa io wie in der Pbji^
man skb ebenfalU keioetweg» an die iDwendbarkeit der B
bindet Wäre deon sonst ans einer Spielerei mit Beriiatdii|
teebnik entstanden? Aber den Physiker leitet das Geffthl 141
wo er ein lolcbet abnt» da fori cht er weitem Genau daa
beute in der Mathematik (wenifsteni dort, meine leb« wm
nebmeD ist). Wir können aus unat^reo Elementen Millioi3«a
nationen bilden; aber eine Kombination, die iioiiert daett
■llndig werttos f man hat sie oft mit großer Hübe kunatmi
dient ab so Int xa nichtig ei lei denn alt Theina doeri
rt^iseig^iement secondmfc. Gant and er s ist «■* lobald wm
hinge dieser Kombination mit anderen bemerken, wir Btsbel
mehr ?or eluvt Tatsache, sondern tor einem Geseti. fi
Erfinder ist nicht der Mann, der ainxelne StUeke gednidi
sondert) jener^ der ihre gegenaeitigen Beiiehang en anfdeekU
dazQ die Anfatellnng eines nenen Wortett das schöpferiech \
Der berühmte Philosoph f. Hen Mach ana Wien, a§^
der WissenBCbaft bestehe in der Schaffung der Ukonomie dij
Das Ein mal eins ist ein primiiires Beispiel daför^
In der Tat, den Wert einer wiaBenaebaftUcheil
messen wir an der Menge der Gedankenarbeit i die sie tT^
iind in der Physik wie in der Mathematik die Geaeti^
gemdnheit ftueb Ton hohem Werte, daher itammt
j
cheü Eri
» sie «fi
^seti^l
Berieht Aber den IV. InieniitioDAleii Mathematiker-KongreA. 641
Der Mathematiker legt ferner ein groAee Gewieht aof 4ie Elegani
! Metheden nnd Beenltate. Dae iit keineewegt reiner DiUetantiamnii,
denn eine AnflOeong befriedigt nni erst dann, wenn de Ordnong in dae
onprflngüehe Chaoe bringt, noeh mehr abert wenn eie nne dorjeh die
Atfdeekang nener Verwandtichaflen Aberraeeht Dadnreh wird eie eben
elegant nnd aneh Okonomieeh im Sinne Maeha. Eine lange Beehnnng,
lei eie aneh gekrönt Ton einem einfachen Beenltate, lAAt nne nnbefriedigt,
wenn wir nieht einsehen, wie wir dae Beeoltat hätten Toraneahnen können.
Denn in einem Ahnliehen Falle werden wir nne an die Beehnnngearbeit
aw wieder dann wagen, wenn wir hoflbn, daß sie ein ebenso einfaches
Beanltat bringen wird.
Seit der Mitte des Torigen Jahrhnnderte bemflhen sieb die Mathe-
matiker immer mehr nm eine abselnte Strenge; sie haben recht in dieeem
Streben. Die Strenge ist swar in der Mathematik nicht alles, aber ohne
sie ist nichts. Man darf jedoch nicht meinen, daß die Mathematiker Tor
1820 ihren Namen nicht Tcrdient hätten, die Gelehrten jener Zeit gingen
nnr ftber rieles rasch hinweg, was wir hente ansffthrlich nntersnchen.
Ich mochte hier hininf&gen, daß die Gewöhnong an Strenge aneh
sehöpferisch wirkt Dae erkennt man am beeten ans den großen Erwei-
temngen, die wir der strengen Fassung nnd Untersnchnng der Begriffe
Fnnktion nnd Integral Terdanken. ZorZeit Newtons nndLeibnitsens
war der Begriff Fnnktion siemlieh unbestimmt Man Tsrstand darunter
etwa eine Große y die mit einer Terftnderlichen x durch eine
Oleiehnng ferbnnden war, in der eine gewisse Zahl von Symbolen Tor-
kamen, die aue bekannten Operationen gebildet waren. Eine große Zahl
dieeer Funktionen konnte man integrieren, dae heißt man konnte eben-
■dehe Funktionen angeben, deren Ableitungen jene waren, so iwar, daß
e« achien» als gehOre lu jeder Funktion auch eine primitife. Bald be-
trmehtete man aneh durch Kurven dargestellte Funktionen, doch man
lustersehied sorgfiltig solche, deren Geeets analytisch darstellbar war,
Ton jenen, welche diese Eigenschaft nicht besaßen, man betrachtete lu-
meist nur die ersteren, die man stetig nannte (Eulersche Stetigkeit). Die
■tetigen Funktionen waren die eigentlichen. Man glaubte nimlich, daß
mir diese einer analytischen Darstellung fähig seien. Herr Fonrier
seilte, daß sieh durch trigonometrische Beihen analytische Ausdrfleke
für nnstetige Funktionen bilden lassen, die ans Teilen stetiger susammen-
^aaatit sind. Ich erinnere s. B, die Funktion:
siD X- liaBo; lio 5jc
die gUith ist -j- ins InterTÄllt o < ae < « nod gleich — -j- fm Intef-
Talle s < « < 2 s, Caacbj bemerkte» daß
bei ^ani einfachen AüHdrtlckan aafti«t«iv ^*
-f- OB ist für o; > o uod gleich -
y ^ -+ VÄ'Hier fthtU tl^o di« tti -
auf die bekannte Erweitariifig doi &
and anderen Terdanken ood die ^1^^
J^
648 Bericht ftber den lY. InienMUlioMlM Eathemaükar-KMgreft.
ÜHleiMcliinif tiMhite. D«d«vch wwde wieder eise straogwe DefimtioB
der Steftigkilt MtweDdig. Die Aifelelliiiiir ^m Begriffee .beettnulM
Inlegral'* nadite eohoa M jenen gvlmMgeii PonMesen die Aikh-
iMttg mn de» weeig kleren Begriff d«r Flielie nOtig, die 8e^e wird
scAdiiiiver, wem »m bedenkt, daß die Gebiete ton Knrven begnnk
sein können, die mm Teilen geonietrieeher Linien beeteben, nnd dtl die
Kenpliiäertheit keine 4}renien bat. Dae einmal geweckte Bedflifidi sack
Strenge braehte aoeb dem Begriffe des bettinniten Integrale nene F»
midiemngen. In der medemeo Tenrinolegie kann man eieb ao anediflckmi
Die FankÜon f(x) werde im Intenralle a hit ß betrachtet Die Meegt
jener Packte, in denen f (x) nnstetig wird, sei JE. Dann bat dae fljfnbel
nach der älteren AnfÜMrang nnr dann einen Sinn, wenn E keinen Paekt
entbüt. Naeb Gaacby darf E eine endliche Menge eein. Bei Diricklet
nnd Liptcbiti ist eie nirgends dicht, sie mn5 anfterdem rednktibd swi.
Man bat aber noch Tiel anangenehmere Fanktionen kennen gdemt sli
die eben erörterten. Ich erinnere an die stetigen Eorren ohne TangeDtefi,
an die Karten der Herren Peano nnd Hilbert, deren Pnakte eise
Fliehe erfOUen, an die Fanktion Ton Dirichlet, die flberall nnstetig
ist, and an die Fanktion, die Biemann nach dem Prinsipe der Ver-
dichtang der ünstetigkeiten gebildet hat:
x/«, (g) , (gg) , (8a?) ,
2 « + 1 sr*
nnd die an allen Punkten — ^^ — am "j^jj^ epringt Anf aolcbe Faak-
tionen sind die frflher erwähnten Betraehtangen nicht anwendbar. Ri«
setien die Arbeiten Ton Biemann nnd dn Boia-Beymond Aber Funk-
tionen mit beschrankter Schwankong ein. Man kann hente sagen, eise
Fanktion Ton bescfarinkter Sdiwankang f(x) sei in einem iBtemllf
integrierbar, wenn die Menge E der Punkte, in denen sie anstetig iii
im Sinne des Herrn Borel den Inhalt NoU hat Die geistvollen Ideen
des Herrn Borel hat Herr Lebesqae in seinen J^^ons 8ur L^JMSgration
mit großer Grftndüchkeit aasgebaat.
Die grofie Strenge bringt aber, sagt Herr Poincarä, die Gefikr
aUtn langer Beweise mit sich. Da seigt sich non der ganie Ökonomist
Wert der Schöpfung neuer Begriffe, durch die lange Überlegangen erspsit
werden. Man denke s. B. an die mühsamen und Tollkommen ntrengea
Einseiuntersuchungen, deren oftmalige Wiederholung wir heute dnrcfa des
B^iff der gleichmäßigen Kon? ergeni ersparen. Oft Terhüft ona muh eis
neuer Begriff sur Ausschaltung von Ausnahmen, die schädlich aind« weil
sie die Gesetie Tcrhfillen. Aus diesem Grunde schufen wir uns die
negatiTcn und komplexen Großen, den uneigentlidien Ponkt u. a. m. Di«
Physiker arbeiten Obrigens genau so, sie erfanden den Begriff der Sneigi«>
der so großartig fruchtbar worde, weil er den gleichen Nsmeii vielfs
Krseheinungen gab, deren Gegenstände Tcrscbieden, deren Fomien äks-
lich sind. Zu den Wortschöpfungen, die in der Mathematik den gMk-
Berkb^ tlber den IV. Intanifttiontkn MathemtUk^r-Konfreft. fitS
IkMmk EiBini^ eilaagieD, geh^e» dje der Qropp« oad def iBTfuJiipte.
^«D6Ur, die in lefaeinbar geftreBaten GeHeten farKlit«ii, fijid«D «icb
«iiM Tegee einander genihert: vir eegen heute, sie bltteQ i»omorpbe
Grappen betreebtet Mit den Begriff der iGnippe iit janer der Tuofor-
aetieB eng lerbnnden. Wir eneben eifrig nnob ntnen Tr&oifan&ttioiiQD,
^reil wir dnreh ihre Hilfe nneere SAtne Terfielfftltigaii kOnaeu. Di« soeboD
bfipreefaenen Enebeinnngea haben die EntwickEnog der Mathematik
itark beeinfloAt nnd aie werden ee wohl noch lange tun. Aber auch die
Ibter der Probleme spielt dabei eine Boüe. Denn noiere WiaMnicbaft
gieoit an die Philosophie nnd an die NatorwiisenichafteQ und wir leheo
wirklich die Mathematiker in awei Kolonnen Torwirta driDgua. FQr die
eiaen ist die Mathematik die Wisaenechafty die Ober licb «elbit nachdenkt.
Dicee Biditnag hat eine gro6e Bedeatang. Denn wenn di« Mathematik
eolehes tat» eo denkt sie Ober den menechlichen Geiit selbst nach, der sie
echa( indem er dabei weniger der Anftenwelt entlehtit hat als in irgend
einer anderen Wissenschaft Darom sind anch jene Teile der Wiisenscbaft
mtaUch, die enerwartete Geometrictn, eeltsame Finktionen, deo ZuHanimeD-
hang der Axiome .... betrachten. Je weiter sich dieee Betracbtmigen ? qd
der Welt der Yorstellongen nnd dnmit allerdings aacb roa einer qd mittel-
baren Anwendbarkeit entfernen, desto klarer leigen sie uaty was nnsef Gd«t
fermag, wenn er sich, so gnt er kann, von der Tyrannei seiner Umgebcing
befreit- Per grOftere Teil nnaerer Mitarbeiter aber soll auf den anderetj
Weg gewiesen werden, der snr Natnr inrflckffihrt. Hier begegnet dem
Mathematiker der Ingenieur mit der Frage: «KOnnaQ aie mir diaa« o^r
jene Differentialgleichnng integrieren, ich braocbe die LOsnng Ton beate
in acht Tagen an einer Konetmktion, die in diesem Termioa fertig &ün
moß?* Der Ingenieor braacht fast nie eine strenge Lt^iang» er will nai
einige bestimmte Zahlen wissen and fOr ihn müsse n wir N&berangs-
lOsnngen schaffen. LOsnngen aber, die sich swar als exitteot erweiseD.
aber durch in langsame Konfergeni in keinem praktiecb braüchbareti
Beenltate führen, findet er geradem UcherUeb, gleich vi el, ob §h ans als
Mathematiker befriedigen oder nicht Ans diesem Bedürfnisie eotspringt
•die Aufgabe, nach branchbaren qoentitativen LOsangeti %u Ton eben.
Das gigantische Anschwellen der mathematiBcbee Wisse oiobaften
bat eine groAe Spesialisiemng inr Folge gehabt. In diesem Sinoe allein
darf jedoch nicht fortgearbeitet werden; die scbDnsteD Resultate sind
Tielmehr ans der AnnAhemng yemdiiedener Gebiete tn erwarten nad
daroacb hat die Entwicklang der Znknnft in streben.
Herr Poincard scbloiS mit einem interessanten Oberblick tber d|a
einielnen Teile der Mathematik, indem er in mehreren Ponkten lerj?*'^
eine solche gegenseitige Annihemng in bewirken w&re. Die Tbe^^
Ideale, die der Arithmetik angehört, hat Yerwandtacbaft ml% der
der Knrfen anfeiner Fliehe, fttr die algebraischen Gl elebangen gibt t^ *
die Unteraachang fon Funktionen, deren Pole ihre NnUttell«« «Att^.
BMI« Art der nnmerischen Behandlung. Die Theorie d
Ini^gnügleiebangen wnnelt in ihrer Idee in den
jnit ainer nnbegrenxten Aniahl Ton Unbekannten. ^
1
644 Berieht über den lY. Internationalen Mathematiker*Kongre5.
Untemehongen nenne ieh hier noeh die Arbeiten dee öetenreidÜBdiaa
Gelehrten Herrn Plemelj in den Monateheflen f. Math. n. Phye. Hör
Wirtinger hat in eeinem ideenreiche Anfsatie: «Zur Theorie dar
mechaniichen Aoegleiehang" (Venicheningiwisaeniehaftliche Mitteilung«!!,
Wien 1907t 8. 89) bereiti einer Anwendong dieeer Untennehangen vor-
gearbeitet Aneh die Geometrie eoeht nach Strenge nnd naeh allgemeiiMn
Gesicbtapnnkten. Dnrch die Theorie der Gmppen hat sie Tiel gewonaea.
Sie schafft der Analysie Probleme nnd nntentfltit nne dort, wo wir geo-
metrifch arbeiten können, durch ihre Aoachaolichkell Die mehrdimeD-
•ionalen Erweitemngen, fo fruchtbar für eine elegante FaaaoBg der
Theoreme, nnd die Niohtenklidioehen Geometrien sind in kurier Zeit aUa
Mathematikern gelinfig geworden. Die Nichteaklidiichen BetraehtaDgea
enteprangen mm Teil einer ftrengeren Untennchung der Axiome, in derei
Weaen tie uni dann ihreneitf einen tiefen Blick lu tun geetatten. Von
Standpunkte der reinen oder beseer der mathematischen Geometrie geltsi
heute die Axiome als Vereinbamugen, die eigensehaftslosen Dingen «st
jene Merkmale erteilen, die sie einer logischen Behandlung flhig maefaea.
Die Übereinstimmung der Axiome mit der Erscheinungswelt ist eine gaai
andere Frage geworden, die nur mehr vom Standpunkte der Nfltaiiehkeit
aus betrachtet werden muft. Wir Terdanken diese Einsicht lum gioftes
Teile den Herren Hubert, Euriqaes und Poineartf telbst, der sieh
darüber in seinen Büchern "Xa Science et L^Hypothhee^ und **La Yekm
de La Scimce^ ausspricht. Die philoeophiicbe Mengenlehre hat dagsg«i
auf unentwirrbare Widersprflche geführt. Herr Poincartf Iftftt eich dadoreh
nicht entmutigen nnd er betont die Wichtigkeit, immer nur Begrüfe sin-
anfahren, die sich durch eine endliche Aniahl fon Worten ToUstindig
definieren lassen.
y. Die IT. Sektion hatte iwei Sitsongen und swar am 8. und 9.
April der ErOrterong pädagogischer Fragen gewidmet Yom Komitee des
Eongreaaes war eine Beihe tou Vorträgen Aber den mathematiscbea
Mittelschulunterrieht in den Torschiedenen Ländern Tcranstaltet wordes.
Es sprachen die Herren Bor el- Frankreich, Gutsmer-DeutschUDd«
Godfrey- England (gelesen fon Herrn Tailati), Smith- Vereinigte Sttitoa
fon Nordamerika, Beke-Ungam, Vailati-Italien, Fehr-Schweii, Ste-
phan o s • Griechenland, De Galdeano- Spanien. Österreich war Tertreteo
durch den Vortrag Ton Sappantsch itsch: ^L^ Application dee idea
modernes ä Venseignement eecondaire des Mathematiques". Das IntereMc
für pädagogische Fragen ist lar Zeit außerordentlich lebhaft Die
IV. Sektion trug dieser Stimmung Rechnung, indem sie auf Antrag der
Herren Smith und Archenholi nach lebhafter Debatte die folgend!
Resolution annahm:
„Za Section IV, ayant reeonnu rimportanee d'un \
compari des mithades et des plane d^itudes de Venseigneme^
mathematicpu dans Us icoles secandaires des diffirentes NaOenf,
confie ä M. M, Klein, Greenhill et Fehr U mandat de
Berieht Aber den IV. InteniatioiialeD Mat]lelllatike^KoDgreiV. 645
eanstUner une eommi$»i(m internationale gui itudiera eea gue-
stione et priaentera un rapport d^enaemble an proehain Conffres*.
Diaio BeiolQtioii wurde tod der YoU? ereammlong dee 11. April approbiert
leb will beioBders Ober die MitteUmigeii der Heiren Gotsmer
VDdBorel beriehten, nieht etwa, weil ee die uideren weniger verdienteD,
MBdern weil gerade diese Herren Aber Dinge spraehen, die hier Ton be-
tonderem Intereeee lind.
Heir Gntimer beriehtete Aber die Beformbewegnng in der Ver»
«inigiing der deotiehen Natorfoneher und Äntei die besondere in den
Verhandlnngen von Heran, Stottgarfc vnd Breelan her? ortrat Der Redner
bemerkte aneh» daA ee der gegenwärtigen StrOmnng entspreehen wttrde,
die hohe Lehr- ond Lemireiheit der UniTersititen in dem Sinne etwae
sa kflnen» daft Programme nnd Batsehllge fttr die Lehramtskandidaten
aofgestellt würden, in denen sieh die Studierenden leleht inreeht finden
konnten (etwa nach dem Beispiele GOttingens); dagegen solle dem Lehrer
ia der Mittelsehnle mehr Freiheit in der Auswahl und Methode gegOnnt
werden. Dadnreh wArde die Diskontinniat iwiaehen üniTersiat ond Mittel-
•duile etwae gemildert werden. Femer betonte Herr Gntsmer die beson-
dere Wichtigkeit der Anwendungen. In der Diskuesion dieeee intereeeanten
Yoitmgea wurde tot einer alliu groAen Zenplittemng der Mathematik in
angewandte Aufgaben gewarnt, lumal auch dadureh die immanenten
Schwierigkeiten dee Gegenstandee keineswegs beseitigt werden können.
Herr Borel, der nicht nur den Fortschritten der Mathematik,
sondern auch ihren Unterrichtsmethoden große Dienste geleistet hat,
referierte laent Aber die Errichtung der fransOeischen Schulen^) nnd
sprach dann ansschlieDlich Aber die Abteilungen C nnd D des ^seeand
cyele^t die unseren Oberrealschnlen entsprechen, während in Ä nnd B
nur wenig Mathematik getrieben wird*). Herr Borel bemerkte, daß die
BegriiTe Funktion und Ableitung, genommen etwa im Sinne der Mathe-
matiker des XVin. Jahrhunderts, heute schon su solcher Einfachheit nnd
IQarheit durchgearbeitet sind, daß sie dem allgemeinen Verständnis
ebenso gnt wie der Pythagoreische Lehrsats lugänglich seien. Gegen
ihre Verwendung im Mittelschulunterrichte besteht ja in der Tat nur
mehr wonig Widerspruch. Allein fOr die Geometrie ist noch der Begrüf
der Grnppe von entscheidender Wichtigkeit geworden, dem ein Alter
von etwa 80 Jahren immerhin schon einige EhrwArdigkeit Terleiht Herr
Borel mochte auch diesen Begriff im Mittelschnlnnterrichte nicht Tor-
miaeen, doch er anerkennt die großen Hindemisse, die sich gegen seine
allgemeine Anwendung schon deshalb stenmien, weil er heute noch nicht
allen Lehrem geläufig ist Ich maß Herrn Borel auch in diesem Funkte
suftimmen. Der Begriff der Grappe wirkt unbedingt ordnend und klärend;
noch mehr, er ermutigt uns tu Herleitnngen , die ohne ihn unstreng
^) Vgl. Klein und Schimak, Der mathematische Unterricht an
den höheren Schulen. Leipsig 1907, S. 40 ff.
*) Vgl. des Verfassere Aufsati: Über einige Fragen dee mathe-
mMJkMbmn Unterrichts... usw., diese Zeitschr. 1907, S. 156 ff.
646 BerkM über den IT. InteniatioflAloii MathaiittCfkttP-KotgMft.
enM^en MtMi. Itt afnern fproßett Teile der 8efaQl($eoinelrie ipielt j»
die GiUppe der Be#efiiBfeii efne wichtige Belle. Weao dieee eimul
irgendfrie« fflr den iBlinger jedenfidli floeehAiilieli deiaieit iety ee InM
cm ihr eiie Ffllie EBtegender MelhodeB «ad Pkohleaie. Wie eil verwendet
aMB Mch jetil Bewegvngen, die eieh aber lageMhiekl ia eia LehrgeUti»
MBAgea, dem de eigeatUeh fremd eeia soUea. Zo dieeen Paalcte beandKU
Herr Borel, daA ee ihn oft wie ein Qednldapiel oder «eueee-^etf* ae-
gemntet habe, weaa er ele Sehftler cfiae Figur in recht fiele geicfaickt
gewifalte Dtfeieehe lerlegea maftte, deren KeagraeiB atit noch atkr
Findigkeit naehiaweieen War. AUerdmgt» dae laatraaieBt, daa wir epielca
wellen, wird ent ia eiaer fernen Zokaaft hanaoaieeh hlingea; aber attar
Aaluig iet eehwer.
Ab dieeea beeoadera anregeadea Vortrag echloft eieh eine lebbiftt
DiekaidOB, die iwar nai grd&tea Teile Znethamang bradite, aber aacb
seigte^ da* eiaadae Argumente, deren neh maacho Vertreter der Mmn
Aalfaeaaag gegeh die Neaenmgen bedienen, aie einer nieht gan ikhti|ee
AnlfaeeoBg der Befermbeetrebaagea flieftea dftrftea. Wir haben kiia«i-
wega die Abeieht, die Mathematik ebermißig aa beUmea, daa Vefitäadeii
ihrer Beheaheit^ die wie jede andere relatir iet, Meaeehea aotadrlageB,
SB denen eie Aieht epridit, wir wollen vor niemaad erachreeken, der so
matiiematieehem Denken wenig beffthigt itt, neeh den alten FenBalinni
dmnh efaen neaen, eehüauaeien enetiea, der jedee tiefere VentladBii
▼emichten kennte; wir wellen aber dem Geiete der Zeit Beehnnag tngea
and aaeh ane der offenbaren AbrarditAt des banalen Utilitarismat ia dir
Schale noch nicht achließen, daft gerade dai Unbraachbare dae Bil-
dendste seL
Als allgemeiae Aniicht der Teilnehmer an den Verhaadlnagea
dieser Sektiea ergab ee sieh, dalS eine Beschleonigaag im Mitteleehsl-
unterrichte notwendig eei, am beeoaders jeaen jangen Leotea, die in
späteren Leben nichte mehr von Mathematik hCren, weaigeteae einige
der heate fOhrenden Ideen mitsagebea. Data ist aUerdiage nCtig, dsfr
man Tielee von dem GebrftQchliehen abwirft, Tcraltete und eberflftssige
Beehnongen and die einer Tcrmcintliehen Strenge gewidmeten Weitliofig-
keiten Termeidet Die hohe Achtung, die wir der Strenge loUen, wird
uns fielmehr belehren, daß wir sie in der Sehale niemale toU erreiebea
kOnaen. Wir werden swar keine offenkundigen Fehler machen wellea,
aber LOcken iidassen mflesen, die nne die Anschannng aaafftllen kaaa.
Wir werdCB s. B. nicht sagen, der Kreis amachließe iwar nach der nalAr-
lichen Aaffassang eine Fliehe, doch mfisse dieee Tatsache etreng kon*
stmiert werden; wohl aber werden wir fielldcht betonen, daß die^Ver
allgemeiaerong dee Ansatiee VT-V^— V^ an< V2.yS'^ Y6 mü
aller Strenge ane der Theorie der irrationalen Zahlen gefolgert werdsa
maß and daß wir dieee Betrachtangen fibergehen. Mit einem Worte, die
der Anschanang entnommenen Sitze mfissen in der Schale nicht aaf dae
erreichte Minimnm redasiert werden, sondern hier kann nne die Anschaaeag
mitanter anch fiber ableitbare Sitie hiaweghelfea. Ee ist anch gar aicht
wfinsehenswert, dem Abitarientea dae Bewaßteeia eiaea aeheinbar ab-
Beriebt ibtf d«i lY. IntenMUoAakn MatbraiAtikemKoBgnß. M7
goNhlofteiieD WifMat müiic^bMi. Sin« toUU £iabil4iiiig ist gtObrUafe^
kite wird üt nocb oA b«obMbM, bttondai» wm die dwaMIknä» 0«»-
> b^tiiilk*
Der Lebrer wird Itbrigwt mTermeidlieh g^eiad» jene
Kififtel mit besonderer Freade anterrichten, die mit den bOberen Qebieten
IdeenterwMidtsebnft baben, in denen er eben arbeitet Die Anfdeekang
loleber Beiiehnngen bereitet viel Freode ond bannt die Gefabr, tieh im
Modnik oder in anangenehmen Ennftgriffen ansinleben. Davor kann aneh
daa fiewnßtiefai leblttietti daft gerade der üntenidit der Elemente eine
lehr icbwere Aufgabe ToreteUt, die in Immer nenem Nacbdenken leiit.
Unter den Mathematikern scbeiBt die Anikbt verbreitet in sein,
daß es siemlich gleiehgiltig ist, an welehen engeren Teilen der Wissen-
Behalt sieh jemand gans besonders den matbematisehen Bliek sehftrfe.
Die Anwendbarkeit des Gelernten sei einee nnserer Ziele; Aber in der
Aehtong Tor der Wahrheit, die das Stndinm der Mathematik dem Jnngen
Manne einfloßt, liegt der größte, fielleieht der einsige moralisebe Gewinn
der Besehlftignng mit dieser Wissenschaft ^). Wollen wir ihn gani beben,
dann dflrfen wir nicht bloß mit fertigen Abstraktionen arbeiten. Die
Mslhematik bildet ja xnerst ihr Material ans rohen Vorstelhngea, ein
/Verfeinerungsproieß ersetxt diese allmftbHeh dnrch Begriffe von hoher
Abstraktion, die logische Transformationen snlassen. Zvm Schlosse mnfl
wieder nachgesehen werden, wie weit die Eracheinnngen der Nator in den
Bahmen passen, den nnser Geist geschaffen hat Besonders der lotete
Punkt, die neuerliche Annähwung an die Welt der Tatsachen,' klftrt m. E.
am betten Aber die Unmöglichkeit auf, die Natur eiakt sn erfassen. Die
ErOrtemng des Wertes dieser Erkenntnis f&r die Bildung der PersOnneh«
keit gehört nicht in diesen Bericht.
Wir wollen auch nicht vergessen, daß wir keine Mathematiker su
eniehen haben und daß spesielle Kenntnisse fl&r unsere SchOler im all-
gemeinen vgtktet nur wenig Bedeutung haben. Wenn G. A. Weber sagt*):
^Nichts vermag die iQgellose Einbildungskraft eines achtiebnjftbrlgen
Jünglings besser im Zaume sn halten als Mathematik; nichts besser den
Geist SU wecken, wenn man auch in spftteren Jahren nicht mehr wissen
sollte, daß die Winkel des Triangels I8O0 machen, der Zirkel 960^ hat. .*
so stimme ich dem Geiste dieses Ausspruches immer noch bei, obwolü
der Schluß offenbar bewußt Obeitrieben ist. Ich begreife nicht die Ver-
iweiflnng mancher Menschen Ober die Unkenntnis anderer in gani
speiiellen Dingen, es sei denn, daß der Gegenstand dem engsten Fach-
wissen dieser Personen angehören sollte.
VI. Zum Schlüsse erfOlle ich noch die angenehme Pflicht, meiner
vorgeiotsten Behörde den Dank dafflr aussosprechen, daß sie mir durch
M Vgl. Tannert in der Torrede des L Bandes seiner Xe^s
lyjlgetre H I/Anaiy$e, Paris 1900.
*) Demokritos, X. Bd., 12. Kap.
$48 Zam LebrpUti für die it&t, Spraebe an HitteliebiltQ nw.
weitbtirsigei EDtgegeDkoromBti die Teilnahme &m Eon^ewe ffisQflklt
bat Niebt miod«! danke ieh den MaibemitikerD Fraakrelcbi m& ittiim
für die groiSe LiebeDswürdigkeil, mit der lie mir neiserdtofi 4vfiieMii
ftber die biiElgUchen Beitrebniigeii w ihren HeimAtlindem erteilt hilit
Wien. £^ SappaatiebiticL
Zorn Lehrplan für die italieDisefae Sprieh« an
Mittelschulen mit deutscber oder kroftttiebtr
ünterriohtssprache.
Da& der LebrpUn für die italieQiacbfl Sprache an MitttiMiriis
mit deutdcher, beiw. kroatischer UnterrichtiBprache ciaer gitsdlklii
EeTisiOQ dnngend nötig hat, das ist eine Tatsacbe, die ton aikn L«ta
der itftUeniicben Sprache zugegeben wird. Es gebührt daher dem Dr.Ti»
daiiicb jede AnerkennQDgf da£ er mit ieiDeo ßemerknageti tum Lebl|llit
für die italieDiiCbe Sprache die Anregang xn einem ertprießltohea ü-
DUDgiiustauecb unter den engeren Fachgenouen gegeben bat hdmm
lanD ich gleich hier bemerkeD, dal^ icb ans beienden lebwervicgtiiia
Gründen mit aeineD Vortcbligen nicht ÜbereinitimiDe. Deeh btfititi
leine Vonchiäge einer niheren Pr&fang ontersiehe, halte leb et fir iH^
einige allgemeine B e merk no gen iq ton.
Nach dem Lebrplane wird die italieniiehe SprAebe an mÜÄm
Mittelicbnlen mh deutscher od«r kroatiicher üntenicbliipracbe, wamä
eine dritte L&odeispracbe gelernt wird^ in iwei wöchenUicben Stol«
DDterricktet Es macht somit acht StQDden monatlicb. Davon fii»d i^
jedeD MoDat zu BcbuU nod Hausaufgaben und deren Korrektur ail ^
3ebüJern swel Stusden in Abiag tu bringen. Da jedei Bimetter 4)B^
BClinittlicb Tier Alonite dauerl, eo bat man perSeroester Tiemndrvitfif
Stunden für die italieniiche Sprache, Wenn man daa MifirerbDEtf
s wischen dem umfangreicben zu überwältigenden Material und der gtiiifn
Stundenzahl tqt Augen b<, ao muiy man anerkennen» da0 et !^ o*
mOglicb iit, in eo kurzer ^eit du ganxe vargeftcbri ebene Uaterial p^
lieh durehEumaehen. Da man eich beim Uuterriebte der itali^aiick«
Sprache aowohl mit LektAre als auch mit dem Studinm der LltüSttt*
geicbiebte tu befassen bat, to erscheint es sweckentepreebender» la
Stoff der Literaturgeschichte im heschrAnken, die Lektfäre dag egtn nl»
sifer nnd gründlicher als bjifaer lu betreihen. Der Grund su dJeMiP^
echrinkung liegt in der oben lierrorgebobe&en geringen Zahl der Uitv*
richtsstunden für das Italieniiche.
Während die Yerfasaer des Lehrplanes fftf die italieniiche Sfn^
diesen so wichtigen Grund auüeracht gelassen haben, haben lie dtniiifc«
beim Lebrplane för die deutsche Sprache an Mittelscbnlen tntt kreaÜwii^
UnterrichUiprache berücksichtigt. Das Studinm der deutschen Liliistf^
gescbicbte tet auf die TIL und fllL Klasse betdirinkt» dagegea fiM
die Lektüre im ganxen Oberg^oanasiom intenii? bet;dtb«ii, fiei dmt *
Zum Ifflbrplaa für dia itil. Spriche an Hitt«I«ehtiIei3 diw. 64^
tÜgen Emt^ÜEtng 4eB LerostofFas iicd auch die Erfolge Bberraicbend
biere SchQUif di« die dentacbe Sprache er«t im Gjmna»iam erlernau*
i ilue Stadien mn deqtichea Üoif ersit&ten ohne besondere Sehwiertg-
fortietieni während andeneita fest^eiettt werden mnL* daJ^ die
f die it&lieniuhe Sprache nicht beionden beherrschen, ohtcbnn fait
■neb Tor ihrem Eintritte int Gjmnafliain> das Italieniachij nicht
kn bekannt ist.
Btr Leb rplan fQr die italienische Sprache im Obergjmnaaiam be^
\ weiter: Darch Lektüre getroonene Kenntnis einer Auswahl dei
dilen aus der Italien iacben Literatur. Jedoch ist dJe Fülle der
lerfce in gro£^^ da£ die Aosw&hl tiemlich umfangreich erscheint
if £]aase det Ohergjtnnasinms sind einige Autoren fo leseu, aber
fegen der bedeutenden Anzahl der Schriftsteller werden den Schülern
nctaitücke ans einzelnen Werken geboten. Infolged nassen kann weder
treanlicbkeit noch die literarische Richtung der Autoren Eur fallen
1^ gelangen* Ein tolcbee l^ippen ans Teriehiedenen Werken ist nn-
^ Khidlich, denn es ersengt nur Überfilehtichkeit. Wenn aber
^liehkeit Aberhaupt icbAdlich ist, so iit sie in dieiem Falle noeh
[eher. Das bekannte Wort Ton PUnius muUum noti multa sollte
Lernen allein herracbeo. Ans diesem Gronde wäre die Zahl der in
Elasse xn lesenden Seh rif tat eller zu b es ehr Anken, anderseits aber
den Sdiülern von jedem Antor deisea Hauptwerk vorgelegt werden.
nnn die Schüler den Wert eines Knnatweikea richtig würdigen und
in können, verlangt man Ton ihnen Intensität heim Lesen ^ vom
' aber tiefgebende Erkl&mng des betreffenden Werkes nebat einer
[it«t£t#n Herforbebnng allei dessen, wae den eigentlichen Wert
|en ansmaehtT was natürlich bei den ob waltenden Umständen fast
rhi essen ist Wie man sieht, w&re anch bei der Lektür« eiue
Inknng des HateriaU wünschenswert, da die geringere Quantität
irehgenommenen Stoffes durch die größere Intensität des ätudiums
t wAre.
i^ne ans so wichtigen Gründen gerechtfertigte BesclirAnknng des
Its ist auch geeignetf die Privatlektüre der Schüler £U f&rdern,
I am hafte F&dagogen haben die Eltern und die Lehrer auf die Ge-
anf merksam gemacht, die der Jugend von der sogenannten Jagend-
lr droben. Es sind nnr Beb und werke, die aber dnrcb ihren Inhalt
Ihildnngskfaft der jQnglinge volhtindig fesseln » ihr Gemüt dagegen
I gefährliche Anfregung Tersetien, Viele jugendliche Verbrecher
ben dnrch solche Lektüre anf die abschüssige Bahn des Lasters
i worden r worübei wir oft in der Bubrik Qeriebtssaal unserer
|en erbaoliche Dinge xu lesen bekommen. Die Eltern and Lehrer
\ mit allen ihnen an Gebote stehenden Waffen gegen die Neigung
Ipend in der sogenannten Jagendliteratur kimpfen, ansrotten werden
MJbt aehr ecbwerlicb» denn einerseits siud die verbotenen Früchte
kmackhaf testen f anderseits ist der Geicbmack nneerer Schüler nicht
bd gelintprt. Eine Lauter nng nnd Verfeinemng des Geschmackes
nnr durch gesunde Privatlektüre geschahen« Wenn nun die
650 Zum Lehrplaa fttr die ital. Spndie an MitlelMhilflB ww.
Sdiftler schon in d«r Sclrale mit deo Tolfondetitm SabOpfoigMi im
mentebüeheii Gel«t«f tertnvt werden, werden sie epiler imatende sita.
Aber den Wert dee einen oder dee anderen literariechen Weri^ei dn
riehtigee urteil sn fUlen, and selbet wenn iknen irgend m iekh»
Sehnndwerlr dnreh Zafall in die Hand kommt, werden sie eo ecfaon eich
einigen Seiten von iieh werfen, da üir Geist an eoleber Lelctflre kelMB
Gefallen finden wird. Vielmehr werden sie ihre PriTaäelMre in der im
der Sehoie gegebenen Bichtang betreiben. Dadareh werden tie lewoU
ihre Kenntniese der tollendeteten Meiiterwerke Terrdlstlndlgen ale eoeh
ihre Seele mit gaten and erhabenen Gedanken bereiehem. Dieeen 6e-
dttkenreiehtnm werden lie dann mit ine Leben tragen, er wird ihr
geieMges Patrimoniom sein.
Naeh dieeen YoraaaBettnngen allgemeiner Katar werde ieh die foi
Dr. Tidonieh torgeeehlagene Binteilang naeh Gottongen einer nihem
Prnftrag anteniehen.
Die ton Dr. Vidoseich Torgesehiigene Änderang iii lehon aae 4m
Grande nieht sa billigen, da er aaf die Poeeie mehr Gewiebt legt alt
anf die Proea. Naeh dem Lehrplane iet dae Lehriiel fftn ObergymaariOB:
Gewandtheit and etilittisehe Korrektheit im «chriftUehen and mtodUchn
Gebraaehe der italieniiehen Sprache inm Anidracke einee im üntenieUi-
ond Erfabrangekreise der Schtier gelegenen Gedankeninhahee. Dieie
Gewandtheit ond Korreictheit im Gebraaehe der Sprache iet aehwer aef
Grand der Poeiie in erlangen, da bekanntlieh die Dichter towehi Ua*
Bichtlich der Grammatik alt anch der StiUitik grofle Freiheiten geniiAia.
El iet nicht nOtig in beweisen, daA eben solche Freiheiten oft im oflsaes
Widerspräche mit den Regeln der Grammatik stehen, waa rar Folge habm
konnte, daft die Schfller gar leicht die Orieatierang Terlieren
Um das Lehniel erreichen in können, sollen den Schftlern
Proben ans der Prosaliteratnr Totgelegt werden nnd aar «nf Gmd
solcher Beispiele wird man erdelen, daA sie korrekt sprechen und aehrsfl>sB.
Diesen ans der Torgeschlagenen Änderang entspringenden Naehtril
hat Dr. Yidossich wohl eingesehen nnd deswegen hat er der VIL Klama
die Prosaliteratar anfgebOrdet Aber dadarch ist der Ton der YIL Klama
la fiberwtttigende Stoff ongeheaer angewaditen. Die so entstandees
Überh&ofang des Materials hat Dr. Vidoseich dadarch ra rechtfeitign
gesocht, da6 die VII. Klasse die leistangsfihigtte sei. Nnn aber «taäbe
ich mir die Frage, ans welchem Grande ist die VII. Klasse die leiatnags*
fUiigste? Worin besteht diese besondere Leistnngafihigkeit der VIL Klaaef
Ich bin schon seit einigen Jahren Lehrer in der VII. Klaeee» aber ich
habe noch nicht eine spesielle Leistnngsffthigkeit dieeer Klasee wahr-
nehmen können« Ich bin vielmehr der Meinong, daft die grOAera od«
mindere Leistangsfthigkeit einer Klaese, abgeaefaen Ten aadeien Orftadea,
insbesondere Ton der grOfteren oder kleineren Tiehtigfcelt der Sefaller
abhingt. Je begabter die SchQler sind, desto grOfter ist ihre Leislaags
fihigkeit Diese größere Begabnng ist aber nicht Immer dae eildaBive
Vorrecht der VII. Klasse; nmgekebrt ist die VIL Klasee hinilg dis
schwftehete Klasse im ganten Obergjmnasinm. Aber anch legegeben, daft
Zn UhrfUMtt Ar dl* it^l. 8pr A«ke in MHUlMhvlei mr. 66 1
dfo VIL KkMe wUr den ftbri^Mi KluiM des ObtrgymiMlinM die
leMwfifWgtl« wir», to itfe du noch Mb bcioiidtrer Gnnd» «ai •!•
■it n reieUitb bemettontm Lemtoffe n flberbflrdtn. Blne loleh« Über-
hMwng «Mig« Obarflieblietakeft, d«rtB Pcdgan Ar dia Sthtttar gtOhr-
lieh liid. WiM Dr. VidMfkh, «m J«d«oi Vorwaif tat onnkoaiiDea, be-
ItoiyUI, diA 6t iMi bei d«r ProM rni bieOe Charakteristik der Gafetoagea
bi«d«iC» ohae daA eis besoaderee Eiadriagea ia die Fem Terlaagt wird,
10 icheiat m, ab eb er keiaea klarea Begriff ten der Wiehtigkeit der
Praa beim Erieniea ekiar SprMbe bitte.
D«r iweite Graad, wüwegea die ton Dr. Yidotticb loi^^eiehiageae
ABderaag aidht ia biUigea itt, liegt ia der Eiateilaag dee LaraeteffBe
Dieb Oittaagea. Dadareh werdea die Naeht«ile der übUebea lareraioa
iddll bMeitigt» tielmehr sie bütebea aeeh weiter, da aach die Eiateilaair
det Liratteffee aaeb OattODgea lar ZetetOekelaag der Diehterpertaalich-
k«ft aad la Utotigea Wiederhelangea fllbrt. Maa kaaa eigtatlieh aaib
ngea^ daft bei dieier Eiateilaag aiebt dai beete aoa daa Werken «inee
jedea BehriAitrileii gebotea wird. So kommt Moati ia der VI. KlaM
nter den Dramatikera tor. Moati» mit einer eehr lebhaften aad leiebi
emgbirea Phaataiie begabt, war Toa seiner Begaboog vielmehr anf des
Gebiet der Lyrik aad der Epik ab dei Dramatik aagewiessa. Und in
der Tel bat Ueati aJs B|iiker aad Lyriker aaTergiaglkhea Rahm enrerbea»
vtrflber seine BastvüUmna, Mascheroniana and Muiogoma, ferner seine
Odea J^otopapea di Parid^ aad AI 9%§nor di M<mt§6l(Ur beredte
Zeogea sind. Ale Drtaatiker dagegen ninnat Monti in der italienisehen
Uteratargeeehiebte eine antergeordaete Stelle eia. Er ahmte iwar Alfleri
sad Shakeapeare naeh, blieb doeh wmt hinter seinen Mastern sariek.
Dssssibe Sebieksal trifft aaeb der Eiateilaag des Dr. Videssieh dea
Msaaeal. Ale Dramatiker Tersaehte Maasoai die Aafgabe des Historikers
aad des Diehters ia Eiaklaag w bringen. Seiner Meinang nach war ee
des Diebtera Amt nar, aas der Qesehiebte eiae Orappe tob Ereigaissen
samawiUeny die sieb Ar eiae dnuaatisehe Bearbeitaag eigaet» and den
OsscUelilseeltfelbet la erginsea, da der Dichter nicht aar beacbtea soll»
was die Mensehen getan haben, soadera nach erratea, was sie gedacht
bibea. Veecolo aber wies ee gleich aach, dafr die Aafgabe dee Dichters
aad dee Histerikers aie im Eiaklange stehen kannte and naaate mit
feilem Beabte Maaioaie TragOdiea höchst dOrftige SchapAngen. Die
ttiihtigkalt diceer seharfea Kritik zeigte sich schoa bei dea AafAhraagen
des AdtMii and Oarma^iiolar die Tragidiea ersidtea gar keiae dra-
matischa Wirkang. Als Lyriksr ist Manioni groA, aber seine Inmi $acri
übten aar geringe Wirkang aas, fanden kaam eiaige mittelmißige Nacb-
shmer» da ss ihnea aa aaheliegeadcm, koakretem bistoriscbea Seeflis
feblle. Naa hat Dr. Videsaich dea Maaseai aater die Dramatiker
(VL Klasse) aad aater die Lyriker (YIL Klame) gestellt
Während nan Dr. Vidossich darch seine Yerteilaag dee Stcffsc der
Zetttttckelaag der DickterperiOaliehkeit nicht entgangen ist, hat er
sadeiaeiU daa Haaptwerk Manseais, die Promesii SpoH, recht bibscb
tar Seite gelaseea. Die Promuii Spoiit dae bedenteadste Kar
653 Zum Lehrplan fOr die iUl. Sprache an Mitteleehnlen oiw,
der italienitcben Prosa im XIX. Jahrhondert, lollen alt PriTattektftn in
der V. Klaue dienen, wefem ele nicht schon in der lY. gelesen wardn!
Bei solchen Worten des Dr. Yidossich wäre man Torsncht in behiaptts,
daß er Jon der Erhabenheit nnd der Bedentang dieses Bomani ksiBe
klare Yorstellnng habe. Anch mnft ich anf einen besonderen V^denpneh
in den Aniftthmngen des Dr. Yidossich aofmerksam machen. Er schnibt:
„Anch mrd er (der Qaintaner) bei der Lektüre der iVomessf Spati sof
eine nicht geringe Aniahl von Idiotismen und Anakolnthien stoßen« auf
Absonderlichkeiten der Phonetik nnd Syntax» die Ton streng sprachlicheD
Gesiobtspnnkten ans ffir ihn keine geringere Gefahr bilden dfirfken ili
die Archaiimen der alten Sprache*. Einige Zeilen später hebt dsnslb«
Dr. Yidossich herfor, daß die Yerlobten in der lY. Klasse gelsNo
werden. Wenn nnn die Yerlobten fttr den Quintaner schwer sn Terdaasi
sind, so Torstehe ich wieder nicht, wie der Quartaner sie lesen kaaii.
Nach meiner Meinung sind die J^ontesii Spoii ein Werk, das des
Scbfilem nicht genug empfohlen werden kann. Mansoni ist der gewaltigite
Schopfer von Charakteren, den die italienische Prosaliteratnr beaitst, die,
obschon reich an schonen Werken, nur allsu arm an gnt geseicbneUB
Cleetalten ist Alle Personen dee Romans, sowohl die idealsten als auch
jene« welche im Roman eine untergeordnete Bolle spielen, sind hOcbst
lebenSToll und natnrwahr geschildert Pra Cristoforo, einst ein gevalt-
titiger Weltmann, der Mönch wurde» nachdem er einen TotMhlag be*
gangen hatte, erscheint als der glQhende Held der Nichstenliebe, der sieb
gans dem Wohle seiner Mitmenschen opfert Oft erwacht der alte Measeh
in ihm nnd er empOrt sich angesichts der Ungerechtigkeiten der Welt
Don Bodrigo, der entartete Peudalberr, betrachtet seine ganse ümgebuag,
Menschen und Dinge, als sein Eigen und, von Brafi umringt, sucht i
Willen durch Gewalt geltend sn machen. Ein Opfer der Atmosphire i
Standes, kennt er keinen höheren Lebenssweck; er lebt bloß, nm aadecea
EU schaden. Don Abbondio, die originellste und populftrste Figur dss
Bomans, ist die YerkOrperung der Furcht. Er ist ein großer Egoist, svsr
nicht aus Ehrgeii und Habsueht, sondern lediglich infolge der Angst,
aus seiner Seelenruhe gerissen zu werden. Das Komische an ihm esdsl,
sobald die Furcht endet. Der Widerspruch swischen seiner Pflicht und
seiner Furcht eneugt eine komische Situation. Diesen Widerspruch sadit
er SU Terheimlichen, aber, da alle den Grund seiner Ansichten nnd Hsnd-
lungen erraten, so bricht das Lachen los. Die idealsten Personen des
Romans sind der Ungenannte nnd der Kardinal Borromeo. Der erste bat
nur swei Fehler: unbändigen Stols und sdirankenlose Liebe sur Uasb-
hingigkeit Diesen swei mftchtigen Gefühlen, die ihn ginslieh beherrsebo.
entsprechen Tollkommen seine Handluugen: den Schwachen gegen die
Gewalttätigen su helfen, den Mächtigen seinen Willen aufinswingen. Dff
Kardinal Borromeo ist nicht nur ein Heiliger, er ist anch der aCihrBse
gebildete Weltmann, der, mit feinem Takt nnd großer Mensehenkenatui
begabt, die innersten Gedanken des mit ihm Redenden errät und slli
Wege kennt, die su seinem Herien ftlbren. Lucia gehört su den schöastes
Charakteren in der italienischen Literatur: unbekannt mit dem Lebes,
Zum Lebq>lMi fttr di« iUl. Sprache an 11 ittelsehnleD otw. 653
TOD sanfter nnd eehambafter GemOtaarti gani rein, gani offen, beiitit
116 keine Phantasie nnd InitiatiTe nnd ift geblieben, wie de von der
Mntker nnd dem Beiehtvater herausgebildet wnrde. Sie ist nnffthig snr
Beeheit, aber anch inm Nachdenken. Die ttbergroOe Idealitftt Lnciat wird
isdenen dnreh die Nähe des jugendlich frischen Benxo nnd der tQchtigen
aber anch schlauen Agnee, Lueias Mutter, korrigiert Ihre angeborene
Gflte ist durch ernste Lebenserfahrungen stark beeinflußt worden. Neben
diesen Hauptpersonen treten andere Nebenpersonen auf, die fast sprich*
wörtlich geworden sind. So Perpetua, die Magd des Pfarrers; Frau Pras-
sede, die bigotte, affektierte und eigensinnige alte Adelige; Don Ferrante,
der pedantische, fftr das XVU. Jahrhundert charakteristiiche Gelehrte;
Bruder Galdino, der dumme, unwissende, kalthenige Almosensammler.
Alle diese nnd noch Yiele andere l^en, die im Romane nur eine unter-
geordnete Bolle spielen, sind höchst lebensToU und naturwahr geschildert.
— Manioni ist aber anch einer der größten italienischen Humoristen, ja
einer der grOftten der gansen Welt, besonders durch seinen Don Abbondio,
der eine der humoristischesten Persönlichkeiten der Weltliteratur ist —
llaosoni war anch ein großer Meister in der Naturschilderung. In den
Yerlobten hat er die Berge seiner Heimat und den See Ton Lecco mit
solcher Wirme und Anschanlichkeit geschildert, wie seit Jahrhunderten
kein Dichter, Goethe nnd Bjron ausgenommen, gemacht hat. — Auch
der reinste nnd erhabenste Patriotismus Tcrleiht den Verlobten einen
beionderen Wert Durch seine ergreifende Darstellung der spanischen
T^nnei in Italien wellte er auf die Oeterreichische Herrschaft anspielen
ond mit seiner EnAhlnng Ton Gewalttaten, rasenden Begierden und un-
ferdientem Elend Tersncbte er seinen italienischen Brfldem eine Lehre
der Wahrheit und dee Trostes in geben. Sie sollten aus seinem Buche
lernen, den Gewalttaten Widerstand in leisten, Abhilfe fttr die rasenden
Begierden su suchen nnd das Elend im Yertrauen auf den schließlichen
IViumph der Gerechtigkeit geduldig zu tragen. Die aufrichtige Bewun-
derung Goethes, der gleich nach dem ersten Erscheinen des Buches
schreib : ,In dieeem Romane sieht man erst recht, was Manioni ist", ist
der beste Beweis fttr den großen Einfluß, den das Buch auf die Mitwelt
ausßbte. Giordani ? erlangte, daß das Buch immer wieder gelesen, in allen
Kirchen und Gasthftusem gepredigt, von jung und alt auswendig gelernt
werde. Bei diesen so großen und so Terechiedenartigen Vorifigen des
Buches, das gleich nach seinem Encbeinen in den g«]3tig:eD Kreiaiaitf
der Weltliteratur eintrat, ist es mir gaot anbegreiflielir dftß es alt bloße
Prifatlektflre der Quintaner oder Scballektflre der Quartaner dienen
sollte. Nach meiner Meinung sollten die Promessi SpoH so wl»-^--
Divma Cammedia einige Jahre hiadurcb m der Schale unter f^—
des Lehrers geleeen werden nnd die daf^r TarwendeU Zeit
wegs Twloren.
Wie Monti und Manioni, so ergebt es auch Foi^jy^
der die Verteilung des Lehrstoffes Torscbl>» bat l|jC#^"*^
Plati fOr Foscolo all Lyriker nnd Romandicbt^~~
den Dichter der Sepokri, kann Dr. Vid&aek?
\
664 Zum LehrpUn Ar di« iUL Bpnifkp an ICütoMmliii ww.
<loeb tind und wardan bl«ib«n dit Sepokri das HMpiwaik FoMolos. U
ömnebt nicht nnf dit Yontkg« diaiet liOcIiH paatiiekan Warkai Umot
waiaan, ich wUl nnr bamarkan, dnft kain Diabiar mit aalehar Zaiibol ^
Waahaalbasiabuf iwiiahan dar Natur wd dan Totan mUgiiM bat wie
Foiaaio in aainan Gribarn. Und dia wdblicbaa Gaataltan, diaarii
aain Qadiobt ainfflbitl Und ao ais Wark, daa ron aainar atatao VoOtalp
iiabnng an bia kanta dar Jofand tanar var* aall Boa a«f rtmal tat 6m
SebaUaktflra fanabirindan, «m aiaan Barni «dar FofMfiiard Platt n
inaakan!
Wia dia angafHbrtan FiUa nr Ganftga bawaiaao» bat Dr. YidoMiok
mit iaiaan Varaehlaga kaina Varbaaaanini^ in dan liabrplaa ftr 4it
italianiacba Spraaha gabraabt Daa alta Üb^ blaibt Qoeb wcitar beit«b«i,
mir io andarar Fonii.
Der dritta Grand« ans walabam dia von Dr. Vidaaaiab twyaafiUafM«
Vaitailnng daa Stoffaa nicht aninnabman iat» Uagt in dar »ehr ab
«nginckUaban Anawahl dar Aatoran. Wann an^ Dr. Vidaaaiak lact» M
«r niaht mabr anfgananman bat alt dar NannaUabrplan ? arachraib^ aatp
apriefat dock diaaa Babanptnng kainaawafi dan Tataackan. fiehanan w
düa Baiba dar von Dr. Vidaiaiah anfganammaMn Dicbtar an, aa flato
vir darantar aolahe, dia ava dam Labrplana anai«ioblaman aind, iria t. B.
Barai, Polci, Bojaido, TUaaino. Wann anab dia latatarwibntaa DioM«
im dar itaUaniaahan Litaiatnfgaaahiakto ainan nickt anbadantaadan Plali
cianabraen, ao bin ieb dach faat flbanangt, daft dia Sabllar ana ibna
Warkan kainan Untzan li^an wardaa, aowokl binaiahtlidi dar Spmcbs
jdi anek dar von ihnan babandaitan nnd baannganan Gaganatftnda.
fiarni iat der Hanptrartratar dar barlaakan Diahtar, wakka in die
italianiacba Literatur eine nene Fonn, daa aoganannta gaacbvinttc
Banatt, eingeffthrt liaban. Glaiab dan anderen bnrleakan Dichtem babaa-
dalta aaeh Sarai kaa? eationalle Stoffe, wie i. B. aaUaehte Plaxda, acklackte
Maklieiten, acblecfate Herbeigea. 80 beiang Barai in ainam gaacbwinit«B
Bonatte eine £aalin, die ihm Ton einem aainar Frannde gaUakaa warAa
In einem in Taninen vacfaftten CapiMo beaahraibt Barni eine btai
Ifacbt» die er bei einem Prieater anf dem Lande ▼erbracht kat AoAcidiB
▼arOffeatUckte Barni eine Aniahl Ton biiarrea nnd paraduan CapMi
inm Lobe der Pfiraiaba, der Aala, dar Gelatine. Wie man aaa dam An-
gefahrten eneben kann, iat Barni keineawaga dar Diakter, dan man dan
Bakfllarn empfeklen konnte. Bei Dr. Vidaaaicb finden wir ihn nntar daa
Epikern, waa jedenfalli dem Umatande suniakraiben iat^ daA Band daa
Verliebten Boland inBeing anf Stil und Spraeba ftbararbailata. Wen
nun nach Vidoaaicba Varteilnng dea Staffea Bajaxdo geleaan werden aall,
▼erstehe ich nicht, ans welchem Grande anch die Übararbaitaag dmaalban
-Gegenatandea dnrch Barni geleaan werden aoUte. Dieaaa Umatand liebe
ich beionden berror, denn ich glaabe, daft Dr. Vidonich dia barlankaa
Sonetten qad CapUoU ▼on Berai nicht ala SaknUalrtAia empfeklen wird:
aie atrotien doch vor AnatOAigkeiten und Zwaidentigkeitea.
Am Hofe Lorenioa dea Pricktigaa, wa aa aakr laaUg n^^ wa
man tafelte, impro^isierta, aang nnd apialte, war Lnigi Polei mm dar
Zun LebrplftB iU di« iUL Sprache «a ]|ltUbeh«lep ww. 655
UtbiktB Qiito und Hanafriniido, «od iwar wegeo •einer geiitreiclMii
Uebeelieder nnd witiigeii Sonetlen, die al>er nidit inmer hannloe waren.
Seine Beechiftignag mit der llagie und eeine Studien halten ihn gleich^
fUtig g^en die Beligion gemacht. Nicht eelten ipottele er die frommen
fUga^ die von der Bibel enfthlten Wnnder, die Gelehrten, die über die
fieeU itritien, wobei er leite Zweifisl an der ewigen Seligkeit ioßerte.
Da dieie Gedidite gmßeB Anftehen machten, eah er sieh genötigt, in den
letiten Geeingen eeines MorganU Mttggiare seine Bechljgl&abigkeit in
bekriftigen. Wenn anch Morgtmte Magffioire, Pukia Haoptwerk, durch
treffliche Charakterieiemng der Fenonen nnd durch beianbemde Spraeha
ein wahfOB Meictentflck iat, eo iit dieeee Werk ebencowenig wie die
flbrigin Diehtnagen Fnlcie ale Schnllektüre an empfehlen, da — man
kann behaoplen waa man nnr will — dae Werk eine Satire des Bitter*
twns nnd der Beligion nein tollte; wat ichoa daraoe ertiohtlich iit, daß
MwrgomU Maggicre einige Jahre nach dem Tode det IMchtect neben
BeceMtioe Deeamerone öffentlich Terbrannt wnrde«
Bojardo iet ja dnreh teinen Orhmäo Itmamorato der Grflnder det
ronantieehea Bittergediehtet geworden« aber aeine Sprache itt dialektisch
gefftrbt, er verwendet tehr hinfig niedere Antdrflcke, aoeh die Verte und
nicht immer fließend. Oiete Mtagel« die ichon von den Zeitgenottea
henoigehoben wurden | veianlaAten Berni, eine Oberarbeitong det Ge-
dichtet vonnaehmen. Wat Aber die Überarbeitnng det Gedichtet gettgt
wirde, gilt aaeh ffii dat Godicht telbsi^ dat an tehr vielen Stellen nicht
einwandfrei itt
Man mnft eich wirklich waadera, woaa man nnler den Epikern in
der von Dr. Videttich vorgeechlagenen Vertcilnng det Stoffet den Trittine
findet Anf dem Btandpnnkte atehend, daß der OrlandQ Furioio ein
Werk iet, dat nur dem gemeinen Volke, nicht aber den Gebildeten nnd
Gelehrtea gefallen kann, betchloß Tristino, ein epiachet Gedicht nach
dem Matter der IHas in veifiaiten, nnd to kam nach langer MOhe, in
den Jahrea 1547 and 1548, lein Gedicht L'Hälia Hberaia dai Qoti ant
Licht Daa Gedieht, dat keinen nationalen Zog hatte, von Gelehreamkek
aber voUgepfioopIt war, warde von den Zeitgenotten verspottet nnd ge*-
tadelt, bei der Kachwelt fand et aber nnr einen «niigen Lobredne^
Qravina, nad in der aenetten Zeit Dr. Vidottich.
Das Gedicht ist bis ia die kleinsten Binselheiten eine mißglflckte
Wachahmang Homert. Wir mOtten gihnen, wenn wir bei der Toilette
Jottiniaan aagegen tind, dem der Diener Hemd nnd Strümpfe aniieht,
Watter and HaadtOcher reicht. Da Tritiino im mjthologitchen Apparate
dem Dichter der Iliat nicht folgen konnte, ti> verwandelte er alle
klattiachen Gottheiten in Engel Die an und fOr tich tehr große Zahl
der Engel warde to durch einen E^gel Palladio, einen Eagel Keptnnio
and aogar durch einen Engel Yenerio vermehrt — Jedem ist die herr-
liehe Episode im ZIY. Gesänge der Iliat bekannt, wo Jone ihren gOtt-
liehen Gemahl verführt, um ihn to von der Dntertttttiung der Trr*'
absnbringaa« Diote Episode wollte der gelehrte Txittino verwende
to tingt er, wie die Königin Theodore ihren Gemahl Jutinian v<
656 Zorn Lehrplaa ftr die ItaL SprMha ui IßitelieinileB luw.
um Ton ihm die Bflekkehr des Neffen Jiutiniif und leiiit VenBiUasg
mit Sophie» einer Nichte des Eaieen, m erlangen. Ydtaire sagte mit
▼ollem Rechte flher diese Episode, daft sie so ahstoßend ist» wio die Lieb-
korangen eines Ehepaares vor der ganten Welt. Dr. Yidossieh httte
besser getan, wenn er den armen Trissino ans seinem Bdilafe nicht erweckt
hätte; wenn er in seinem Vorschlage .Terlangt bitte, daß Tassos Osrw-
iäUmme liberata nnd Ariostos Orlando Furioio im gMven ümCuge
als bisher gelesen werden.
Es ist mir gans nnTcrstindlich, wie Fortigaerri nahen Arioste nd
Tassoni neben Tasso stehen kOnnen. Sowohl Fortigneiri als Tbssoni haben
in ihren heroikomischen Oedichten, Bieeiardetto nnd La seecMi rapUa,
nichts anderes als eine mehr oder minder gelongena Parodie der Bitter-
gedichte geliefert Das heroikomische Gedicht Bieeiardetto wirda tos
dem Dichter ans Sehers begonnen. Das Gedicht ist im Grande geges
die römische Kurie nnd die MOnche gerichtet. Dabei soll bemerkt werden,
daß der Dichter im Dienste der römischen Knrie stand. Nichts Dsassm
kann man von der Seeehia rapita des Tassoni sagen« Das Godicht iit
in recht Tielen Besiehnngen anstoßig. Man denke nnr an die erhäimliche
Fignr des berflhmt gewordenen Grafen von Cnlagna, eine wohlgeloDgeae
Karikatur einee Feindes Tassonis, des Grafen A. Brnsantin! ans Ferrara!
Tassoni hatte die Absicht, mit seinem geranbten Bimer die alte Welt
sa Boden in werfen, aber er hatte nichts Nenes in sich, nm ee an denn
Stelle in setsen. Das geht am klarsten ans der Parodie des GOttenates
herfor. Apollo kommt in die Yersammlong anf einem Landwagen nnd
hat das goldene Vliee nm den Hals; Pallas erscheint n Pferde in einem
halbgriechischen nnd halbspanischen Gewände; Venns kommt mit ihren
Höflingen, dem Hanslehrer ihres Schnee und dem Oberslabe in iwd
Kutschen gefahren; Satnm IftOt sich in einer Sftnfte tragen md, da er alt
nnd mit Katarrh belastet ist, hat er bei sich ein Nachtgeschirr. Betranken
wie ein Schweiier, der dem Papste Tonngeht, geht der Aleides dem
GOtterrater Toran. Neben Jnpiter geht Merknr, der die Bittgesoche der
Menschen in Empfang nimmt, nm dieselben in das Privatkabinett des
höchsten Gottes Tor zwei NachttOpfe tu stellen, damit der Vater der
Gotter nnd Menschen diese Gesuche mit Buhe lesen kOnne. Wie man
sieht, ist der Inhalt des geranbten Eimers gar nicht geeignet, eine
pusende Schnllektflre lu sein.
In Besng auf den ftr die Y. Klasse ins Auge genommenen Stoff
mochte ich noch bemerken, daß die sehn von Dr. Yidossieh forgeechlageaen
Epiker mehr Langweile als Interesse bei den SchOlern herrorrafen kOmieo.
Ein Wechsel in der LektOre bringt weit mehr Nntsen als so eine es*
unterbrochene Beseh&ftigung mit demselben Gegenstande.
Der Stoff für die YI. Klasse ist noch am geeignetsten ervlUt
Es sind die Koryphien auf dem Gebiete des italienischen Dramas nt-
treten. Ans den oben angefthrten Grflnden mOchte ich den Monti und
den Manzoni mit ihren Tragödien ganz auslassen. Wenn man in d«r
Schule den Saul Ton Alfieri, den AUüio Begolo TOn Metastaslo ssd
dazu noch wenigstens zwei KomOdien fon Qoldoni gelesen hat, se bst
K. Hutmer, D«r G«iBt d. altUftn. Stadien niw.» Mg. t. R JBMerkk. 067
mMi gaavg g«toa. E« komat noeh ia «eIrMhtt d»A in dtr VL KInM#
dit Leklflre d«r Dtvma Cammedia beginnl, ■•• wolehem Grondt ntki
ralsam encbeint, daß die grflftke Zahl der Unlemihtwtondt n der LiMro
dM gOttiidMa Epos gewidmet leL
Am nnglftcklieheten war Dr. Vidoeiieb mit leiner SinteHaag dee
LemafeoffM flBr die YIL Klaeee, wie ieh icboa oben erwifoeen habe. Dm
Annralil der Autoren iet wirklieb anglieklieb. Was werden die SeblHer
bH den didaktieehim Gediohten dee Bneeliei nnd AUamanni anfangen?
Weleben Natien werden sie aae ibren Werken liphea? Dabei Tenniaee
icb die VermoToUen Gmeeii, Seetinia, PeUicee« Fratia. BoecaecM ais
Kofelliet iet ftr die Sebfller eehr geOhrlieh: JDeomiimme darf wegen
aeinee eehlflpfrigen Inbalte niekt in die Binde der Jagend koaunen.
Foeoola ala Bomaaaebrifteteller bat keine Badeatong. Seine ÜUima Uttere
di laeapo Orii$ nebmen Ton Goetbee Wertber ibren Antgang» doeb
der Dichter Abertfieb Wertbere Gefüble» ÜBgte der Liabetleideneebaft die
potttieche binn, und wlbrend er io den Grand lam Selbetmoide tot-
dappelte» tat er der klinstleriaeben Wirkung Eintmg. Der Stil dee Bomanae
iat nmiatttrlieb, empiiaetiieb, eenfienreieii. Data kommt noeb die eefaid-
liako Wirknng, welebe dae Werk anf jogendlicbe^ leiebt em^bare GemMa
Innn, waa der Diebter eelbet einaek, ale er lagte» daft o«a
I nnr ftr reifere Penonen paaeend iei Weit beseor bitte Dr. Vidoeeifib
wenn er ale Somaneebrifteteller den Groeei mit eebMm JCar^o
VHcatUi, den Cazeano mit teiner AtugMa Maria ^ den D'Aieglio ndl
eeinem Ettore FieramMca and Nioc^ d^ Lapi a«4iffonomaien bitte.
Dieao Romane neben den JVomeeet SpoH bildeten eine geeande flebiä-
lektOro.
Somit bin ieb mit meinen Bemerkangen an den Vonobligen des
Dr. Yidoesieb am Ende. leb babe allee aagefl&brt^ wae mir gegea seiae
Verftallnng des Lemstoifes in sein sebien, nnd bin anm Seblaese gelangt»
dnft dieeelbe noeb sehidliebar wire als die gegenwirtige ist leb se^
dia Notwendigkeit ein, den Labrphm fttr die italienisebe Spraebe eia«r
Baviaion an nntexiieben, aber dieee BoTision darf nicht in der Ton
Dr. Vidossieb Torgescblagenen Weise etattfindon.
Bagasa. W. Freiherr von Ljobibratid.
Eamillo Hnemer, Der Geint der altklagBischen Stadien and
die Schriftstellerwnhl bei der Sehallekblre. Wiea nad Leip-
aig 1907» k. nnd k- Hof-Verlagebnehhandlong Karl Fromme. 79 S&
Preis K 1-60.
Dieee Scbriit, an der anßer der klaren DarsteUnng nnd flioAenden
Diktion reiebe Saobkenntnis nnd eehte Begdstemng fttr den Gegenstand
rOlimand berroigeboben werden mUssea, besehiftigt sieb soniebst mit
dar Frage, aae walcben Grflnden die altklassisohen Stndien aoeb benta
noah als notwendig nnd nnentbebrlieb besdebnot werden missen. Der
a«ttMhrift f. 4. teltrr. Gym. 1S06. TIL Htft 42
658 K Huemer, Dar Geilt d. »ItklMS. Stadien usw., ang. t. F. Heiden^
Verf. nnteniiebt eintelii die dftfllr gtwObnlieh Torgabraditen ArgameBte
und findet alt das wichtigste den Umetand, daß viele Werke d«
grieehiMhen und rOmisehen Literator hinaichtlieh ihres Watet flr di«
Jogendersiehnng nnersetibar, außerdem aber auch nnflbenetibtr ntd,
worans sich die Notwendigkeit ergebe, diese Werke, wenn sie toU osd
gani wirken sollen, in der Urtpraebe Tomffthren. Also nur vm iit-
betiichen — genaaer getagt othiteh-isthetitehen — Standpunkt Uftt lieh
nach H. die Beibehaltung der altklassischen Stadien reohtfertigeD. Diaiem
Standpunkt gegenüber, meint er, treten die sonst noch angefittiiteii Ai-
gomente, alto dat formale nnd das historische Argument, in den Hinter-
grnnd und würden fOr sich allein keine genügende Stütia für den slt-
sprachlichen Unterricht sein. Dies ist allerdings richtig nnd H. wendet
sich mit Becht gegen die einseitige Überschltiung des formalen und dei
historischen Gesichtspunktes; aber diese dürfen aach nicht gani onter-
schitst werden, denn wenn de anch dem ethisch-Ästhetischen Gesieliti-
pnnkt an Wichtigkeit nachstehen, so haben sie doch solche Bedeotasg,
daß die boTorsugte Stellung, die der aittprachliche ünterrieht am Gym-
nasium einnimmt, durch sie nicht unwesentlich gestütst wird. Fftr die
Auswahl der SchuUektttre kann freilieh nur das ethiseh-isthetitehe
Priniip maßgebend sein, n. iw. sind nach H. vor allem solche litenxitchB
Kunstwerke tu lesen, welche unübersetsbar und ihrem Inhalt nach «d-
ersettbar sind, in iweiter Linie solche Schriften, welche, wenn sie mdi
nicht Kunstwerke sind, doch einen bedeutsamen Inhalt haben nnd ge-
eignet sind, die Schüler «die Grüße des Altertums und die Bedeatong
des in den alten Sprachen niedergelegten Kulturschaties bogieifen n
lassen **, wobei es gleichgültig ist, welcher Zeit sie angehören.
Indem nun H. den geltenden Kanon der alteprachtichen Lektfin
nach diesen Grundsitien einer kritischen Betrachtang untenidit, indet
er, daß einige der jetit gelesenen Werke den tou ihm geftallten Feide>
rungen nicht genügen, er schlügt an deren Stelle andere tot, dnrefa die,
wie er glaubt, der üntenicht eine größere Wirkung enieleB würde. Wai
zunftchst das Griechische betrifft, so soll an die Stelle Zenepiioiii
Arrian treten. Diesen Gedanken hat auch H. Sehenkl in der bekuotn
Schrift der drei Graier UniTcrsitütsprofettoren autgesprochen, aber nickt
alt Forderung wie H., sondern nur alt Vorschlag, indem er die Lekttre
Ton Arriant Anabatit neben der Xenopbonteitchen frei gegeben mset
wollte. Daß wir in V mit der Kyrupüdie wenig, mit den Erinnernngei
an Sokrates fast gar nichts anfangen können, ist ebenso sicher wie ^*
Tatsache, daß die Ton Arrian enihlten Ereignisse sieh an Bedentssg
mit dem Zug der Zehntausend nicht motten können; aber unbedeottsd
und uninteressant ist auch der letztere nicht und jedenfalls hat Xenopboe
den nicht lu unterschfttienden Vorteil für sich, daß er ans frischer £^
innerung Selbsterlebtes mit anschaulicher Lebhaftigkeit niedergesehriebei
hat, während Arrian mit nüchterner Beflezion über Ereignisse berichtet»
die mehrere Jahrhunderte hinter ihm zurückliegen. Ich kann mich slie.
abgesehen tou dem formalen Moment, das Sehenkl nicht mit Unrecht n
Gunsten des ülteren Autors geltend gemacht hat, mit der ToUetin^gca
Z. Huemer, Dtr Geilt d. dtklasB. Stodien nsw^ ang. t. F. Heiderieh. 659
Verdriiigiuig XenophoBS dorehftiis nicht eioTerttaDden erklftren^ mOcbte
aber den aebon an anderer Stelle aaBgesprocbenen Gedanken hier wieder-
holen, daß et hieia geeigneten Lehrern, die mit Arrian eine höhere
Wirkung an enielen glauben, geetattet werden konnte, seine Anabasis
in der Schale in erproben.
Fttr die Lektikre Herodota fordert H. ebenso wie Schenkl ein
ganses Semester und ein möglichst rasches Tempo; mit Becbt legt er
Gewicht anf eine richtige Auswahl, da es Tor allem darauf ankommt,
die inhaltlich bedentsamsten und wirkungSTollston Stellen aus der Ge-
schichte der Perserkriege lu lesen. Mit Schenkl stimmt er auch darin
ftberein, daß er als Ergftnznng des Berichtes über die Schlacht bei
Salamis die Schilderung dieses Kampfes in Aucbylos «Persem* empfiehlt;
als weitere Ergäniung in Herodot schlftgt er die Lektüre jener Kapitel
aoi Thnkydides Tor, welche die letzten Lebensschicksale des Themistokles
behandeln. Beide Yorschlftge sind wohl begründet und beachtenswert und
es wire lu wünschen, daß die Herausgeber der Herodot-Ghrestomathitn
bei Nenauflagen ihnen Rechnung tragen möchten.
Für Plutarch tritt H. ebenso warm ein wie Schenkl, aber er findet
f&r ihn in der Schule keinen Plati und muß ihn der Privatlektüre lu-
weisen» Dies hängt damit susammen, daß er im Gegensats su Schenkl
die Demosthenerlektüre, wenn auch in beschränktem Maße, beibehält,
sich aber lugleich ebenso wie jener für eine Erweiterung der Platolektüre
einsetst. Gegen die Ausscheidung des Demostbenes aus dem Kanon
wendet sich H. mit allem Nachdruck, yertritt aber gleichseitig mit Bück-
ficht anf den Umstand, daß der Grundgedanke in allen Staatsreden so
liemlich derselbe ist, die auch von anderen geäußerte Ansicht, daß diese
Lektüre anf eine Bede, nämlich die IlL philippische, beschränkt werden
könnte. Die hiedurch gewonnene Zeit will er für die erweiterte Lektüre
der Dialoge Piatons verwendet wissen. Was H. über die Platolektüre
sagt, möchte ich als den Glanzpunkt seiner Schrift beseicbnen. Mit ToUem
Recht weist er darauf hin, daß wir Plato nicht gerecht werden, wenn
wir ans damit begnügen, die Apologie, den Kriton, die Scblußkapitel des
Phaidon und dann etwa noch den Laches oder Euthyphiron lu lesen. Er
verlangt Tielmebr, daß wir außer der Apologie, die wir nicht entbehren
können, den Schülern etwas bieten, „worin der Dichterphilosoph sich in
•einer ganten Größe leigt", also hauptsächlich Phaidros, Symposion und
Phaidon, sei es, daß einer dieser Dialoge gans gelesen oder dem Unter-
richte eine Chreetomathie logrunde gelegt wird, die aus diesen und
Anderen berrorragenden Schriften Piatone das Bedeutsamste zu enthalten
hätte. Ich für meine Person würde das letztere Verfahren Torsiehen, weil
es auch in den bedeutendsten Dialogen Partien gibt, deren Durchnahme
in der Schule sich nicht lohnt. Die Platoauswahl von 0. Weißenfels, die
H. eofiTallenderweise nicht erwähnt, hat uns den Weg gewiesen. Indem
H. die Apologie, die biographische Einkleidung des Phaidon und den
BehlniS dee Symposion in das erste Semester der YII. verlegt, weist er
den größeren Teil des ersten Semesters der VIII. der erweiterten Plato-
lektüre su, den Best dieses Semesters aber will er für Aristoteles
42«
660 K. Huemer, Der Geilt d. ahUMs. Stadien usw., ung. ▼. F, Etiieruk
terwendet willen. Denn aneh dieeer darf nieh H.i Xeinnng im Ehmd
nicht fehlen, n. iw. loll er durch die Poetik Tertreten mib, aif die ji
sowohl der deotiehe all auch der propidontieehe Uoterrieht BengnefamiD
mtlise. Die Fordemng, daß Ariitoteles im Gymnasioin mehr war GeltiBg
komme, iit gewift berechtigt, nnd wai H. rar Begrftndnng dieser forde-
mng sagt, dnrchani intreffend; auch kann kanm ein Zweifel darftber be*
itehen, daft Ton leinen Werken in enter Linie die Poetik in Bekncht
k&me, wiewohl der Einwand nahe liegt, daß dieie Schrift sich wagen
der nngewOhnlichen Schwierigkeiten, die ihro Erklirong bietet, tu
Schallektttre wenig eigne nnd daß die Kenntnii wichtiger Teile ihreeli-
halti ohnehin durch andere Lehrfächer Twmittelt wird. Ab«r wenn wir
einmal wirklich einige Wochen fftr Ariitoteleo gewinnen sollten, lo wir»
es meiner Aniicht nach nicht sweekmißig, dieie ganie Zeit aif die
mflhsame Erklirong der rollstindlgen Poetik in verwenden; vida^
würde ei lich empfehlen, den Schillern nnr jene Hanptsitie des Bfteb-
leins im Original Torznftthren, die in der Geschichte der modernen
Literaturen eine so wichtige Bolle spielen, nnd den Best der Zeit taf
die Dorchnahme einiger geeigneten Proben ans der Ethik, Politik oder
Bhetorik in Tcrwenden, somal dieee Schriften im Gegeniatse an andan
Werken des Aristoteles in einem Griechisch geechrieben sind, das aiakt
so schwierig ist als das des Demosthenes.
Mit Wirme nnd mit triftigen Gründen tritt H. daftr ein, dsfr
wir wenigitens einen Teil unserer Schftler dam bringen, Partien dei
Nenen Testaments in der Ursprache an leien, nnd empfiehlt es daher sb
PriTatlektflre fOr YIIL
Am Ansmaß der Hemerlektftre will H. niohts geftndort wisses.
Freilich schrftnkt er sie einigermaßen dadurch ein, daß er ftlr die HeioAet-
lekttlre ein ganxes Semester in Anspruch nimmt; aber er sagt mit Beeht»
daß es nicht darauf ankommt, möglichst riele, eondem die nchßnitea
Gelänge su leien. Was den Betrieb der Homerlektflre betrifft, ao fordcit
er mit Kachdruck größere Berücksichtigung der ästhetischen bkttfiag*
«... Mit einer leidlichen Übersetiung, mit ein paar SaeherkUmngea,
mit einigen Modellen des Webstuhles und des Streitwagens ... ist es
nicht getan. KunstTerst&ndige und auf indiriduelle Auffassung beraheade
Behandlang iit hier dai einiige, wai xum Ziele führm kann ; Mn poetle*
loser Mensch . . . eignet sieh nicht zum Lehrer des GrieehieclMB, dein
er Tcrmag der eigentlichen Schönheit seines Gegenstandei gar aleht bei-
sukommen ..."
In ausführlicher Darstellung, welche ron Toller Beherrscbnog des
Gegenstandes und feinem ästhetischen urteil tengt, tritt H. dem ▼e^
schlag Sehenkls entgegen, daß es gestattet sein solle, statt einer Tragödie
des Sophokles eine lolche des Euripides lu lesen. Er hält unbadingt
daran fest, daß Sophokles den Höhepunkt der antiken Tragödie beaaiohaet,
empfiehlt aber von dessen Stücken nur Antigene nnd König ödipas,
Als poetische Privatlektüre lehlägt H. fflr die VL die griechiaeh«
Lyriker Tor, für die wir in der Schule leider keinen Plati finden, nad
für die VII. und YIIL eine Komödie des Aristophanas, i. sv. die
K. Huemer, Der Geist d. altklaei. Stadien niw^ aog. t. F. Heiderieh. 661
«Wolken^, well die Figur dee Sokratee einen .herrlichen Eonientratione-
puflkt* gäbe. Dieser Vorsehlag maft nieh den froheren beaonnenen and
wohl erwogenen IndernngsTorschlftgen lebhafte Verwanderang enegen,
und was H. sar Empfehlung dieser Idee torbringt, kann sie uns nieht
annehmbarer machen. Daß die Stücke des Aristephanei nieht in die
Schule gehören, hat Schenkl in der oben angefahrten Schrift kora, aber
treffend dargelegt. Bietet doch die Lektüre derselben gans ungewöhnliche
Schwierigkeiten in formalen iowohl als besonden in sachlicher Hinsicht»
da diese Eomödien ohne genaue Kenntnis der damaligen politischen,
literaiisehen und kulturellen VerhUtoisse gar nicht TerstAndlich sind, so
daß sich nicht Tiele Lehrer finden dflrften, die in Aristophanes heimisch
lind, und noch weniger Schaler, denen man eine solche Lektüre tumuten
konnte. Und wenn H. gerade die .Wolken* empfiehlt, weil Sokrates
dabei einen Konzentrationspunkt bilden würde, so stellt er die Idee der
KoDientration in den Dienst einer schlechten Sache. Wir werden doch
nieht wünschen, daA unseren Schülern das ideale Bild des Sokrates, das
die Apologie entwirft, gleich darauf durch die Lektüre der „Wolken"
getrübt und Tenerrt wird.
Wie sich aus der bisherigen Übersicht ergibt, ist H. genötigt,
manches Werk der griechischen Literatur, das nach seiner Überieugnng
in der Schule gelesen werden sollte, der Pri?atlektüre suzuweisen. Aus-
gehend Ton dem Gedanken, daß die griechische Literatur die römische
an Ursprünglicbkeit, Gehalt und Eeichtum weit überragt, sucht er ihm
im Gjmnasinm größere Geltung tu verschaffen und schlügt su diesem
Zwecke^ ohne das jetsige Stundenausmaß für Latein- und Griechisch su
erhöhen, eine andere Verteilung der auf die beiden Sprachen entfallenden
Standeniabl ?or. Eigentlich wäre er geneigt, den von Ed. Hartmann und
anderen gemachten Vorschlag aniunehmen, wonach das Lateinische im
Lehrplan des Gymnasiums überhaupt tu streichen wäre. Aber da er
weißt daß diese Idee aus praktischen und historischen Gründen gar keine
Anaaicht auf Verwirklichung hat, so sollen wenigstens die auf Latein und
Grieefaisch im Obergymnaaium entfallenden 41 Lehrstunden, ?on denen
gegenwärtig 22 auf Latein und 19 auf Griechisch kommen, unter den
beiden Sprachen in der Weise aufgeteilt werden, daß das Griechische 28,
daa Latein aber nur 18 Stunden erhält DaTon wären, da die wöchent-
Uektn Grammatikstunden nur in V und VI tu geben wären, in VII und
vm aber su entfallen hätten, 21 (5 + 5 + 5 + 6) griechUche und 16
(4 X ^} lateinische Lektürestunden. Durch diese Verteilung, meint H.,
würde der Unterricht wesentlich gefördert und manches, was er unter der
Vorattaeetiung der jetiigen Verteilung der Pri?atlektare zuweisen mußte,
könnte In der Schule gelesen werden. Der Vorschlag dürfte, da er in die
biaherige Stellung des Lateinischen Bresche legt und damit einen gsnien
Komplex anderer Fragen aufrollt, lebhaftem Widerspruch begegneü and
hat wohl wenig Aussicht auf Verwirklichung; aber der Verf. hat nicht
gant unrecht, wenn er sagt: „Soll ich das Griechische in der gelehrten
Sefaole erhalten, dann muß, ohne daß die dem altsprachlichen ünttiiriebt
gewidmete Standensahl eine Erhöbnog erfährt und ohne daß
I
662 K. Huemer, Der Oeitt d. altklast. Stadien aiw., «Dg. t. F. Seideruk
belMtang der Schfller eintritt, mehr geboten nnd mehr erreicht
werden^. Doch hingt, wie weiter unten dargelegt werden soll, die Er-
reiehnng dieiea Zieles weit mehr Ton der ErfflUong anderer Yonuu-
iettangen ab.
Was non die lateinische Lektftre betrifft, so eoll NeposuIII
nnd Cäsar in lY bleiben. Aber fOr die Klassen des ObergymDSsiami
schlägt H. eine lom Teil wesentlich Terscbiedene Auswahl nnd YerteflaBg
der Lektflre Tor, wie die folgende Übersicht leigt: Y. KL Cistr, Bellom
ciTile. Sallnst, Catilina. Cieero, Catilin. Beden. Ori'd.
YI. El. Cicero, De imperio Cn. Pompei. Lifios. Yergil, Aeiieis.
VII. El. Lirios. Tacitns, kleine Schriften. Yergil, Aeneis, Bnkolikv
Georgika.
YIII. El. Tacitns, Annalen oder Historien. Horai, Oden nnd Epodes.
Catnll, Tibnll, Properi, Orid (Ijrrische Dichtungen).
Daß Lims in unserem Lehrplan nicht an der richtigen Stelle
steht, hat man llngst erkannt und anch Torschiedene Vonchllge n
einer besseren Einreihung dieses Autors gemacht. Pflr 14^15jlhrige
Schfller, die an die einfache, klare Diktion C&sars gewohnt sind, ist
Lirius mit seiner riietorischen Sprache und seinem Periodenbau entschiedes
in schwer. Der Übelstand ließe sich, lum großen Teile wenigstens, dir
durch beheben, daß die beiden Autoren der V. ihren Plati tanscbes.
Dann wflrde die am Schluß der IV. begonnene Ofidlektflre im eisten
Sem. der V. ihre naturgemäße Fortsetiung finden und diese poetisebe
Lektflre wäre sogleich in gewissem Maße eine Vorbereitung auf dii
Lektflre des Lirius, dessen Sprache ein starkes poetisches Kolorit trftgt
Zugleich wäre der Eonsentration des Unterrichtes insofern gedient, ib
die LiTiuslektflre mit der Behandlung der römischen Geschichte susammen-
fiele. Endlich böte diese Änderung auch den Vorteil, daß in beiden
Semestern der V. nebeneinander ein Dichter und ein Prosaiker geleses
wflrden (0?id— Xenophon ; Homer — Livins). Gani anders aoeht H. die
Schwierigkeit su beheben. YYenn er im ersten Semester der V. an Stellt
Ton Lirius Cäsars Bellum civile, Sallusts Catilina und Ciceroa Catilint-
rische Beden ansetxt, so erregt das mehrfache Bedenken. Gegen die Ab-
setinng des Bellum ciTÜe an dieser Stelle ist lu bemerken, daß es kiao
zweckmäßig wäre, wenn wir unseren Jungen, nachdem sie ein gaaiet
Jahr den Bericht Aber den gallischen Erieg gelesen haben, nun aach
den noch trockeneren, jedenfalls aber weniger interessanten Bericht Aber
den Bflrgerkrieg Torsetiten. M. E. wflrden wir nur dem natflrlidien Ye^
langen der Jugend entgegenkommen, wenn wir ihr nach xweijihc^
Beschäftigung mit lateinischen Geschichtsschreibern poetische LektAtets
größerem Ausmaße boten, damit sie wieder etwas fflr Hers und Gemtt
hätte. Und nun sollen sich gar an das Bellom ciTile Sallusts Catütai
und die Catilinarien anschließen, so daß sich die Schfller mehrere Moatts
hindurch mit einem an sich gar nicht so bedeutenden Ereignis der
römischen Geschichte su befassen hätten, das ihnen ans dem Geechidits-
unterricht noch nicht näher bekannt ist und dem sie nur weni^ laterese
entgegenbringen kOnnen. Abgesehen da?on kann Sallust auf dieeer Sirie
Z. Suemeff Dar Qaiit d. ftltklaia. Stadien ww., ang. t. F. Heiderid^.
wMugiteiu f&r seine reflektierenden Partien — ond dieee sind dM Beete
u Minen Schriften — iravm enf Ventindnie reebnen; Tielleicbt Mch
in der TL nicht» aber hier doch eher ala in der V. KOnnen wir aber
SiUoit in ? nieht braoehen, so gehören anch die Catilinariechen Reden
]ii«bt dahin.
Wie hoch H. Cicero nnd teine Bedentnng für die Schale ein-
Mhitst, ergibt deh darau, daft er anfter den Catiliaarien nur die Bede
da inp. Cn. Pompei gelten laiaen will. Mag dieae Bede noch lo Tiele
Venflge beiitien» ao iit aie gewiA nieht die ^lige, die ana der grofien
Zahl dceroniaeher Beden empfohlen werden kann. Mit gleich guten
Grflnden können die Bede pro Anhia, pro 8. Boecio Amerino» die Verrinen
0. a. genannt werden. Ea wire eine allin weit gehende Bevormandang
dM Lehrera» wenn man ihm bei einem Aator wie Cicero» von dem wir
eine grofte Zahl fOr die SchoUektfiro geeigneter Schriften haben» jede
AMwahl nnmOglich machen wollte. Abgeaehen davon aoUte H. bedenken,
daß Cicero neben Horai fflr nna inaofeme der wichtigate rOnüache Schrift-
steiler ist» ala er ein gani beaondera geaehiokter nnd fflr die Jagend ge-
eigneter Vermittler griechiocher Bildung iat» weahalb anch die giniliche
AnsacheidoBg aeiner phüoaophiaehen Schriften aich nieht rechtfertigen lißt.
Fflr Yergila Aneia tritt H. im Gegenaati sa Eokola lebhaft ein
ond will ihre Lekttlre im biaherigen AnamaAe erhalten wiaaen. Er möchte
aach aof die Bnkolika nnd Georgika nicht Tenichten, glaubt aber, daß
dieae Dichtnngen wegen ihrer größeren Schwierigkeit erst nach derÄneia
geleaen werden sollten. — För Tacitna hegt H. eine etwaa ftbertriebene
Wertschitanng; er nennt ihn einen «Oeiat höchaten Bangea, dem gegen-
ftber alle anderen römischen Prosaiker im Schatten atehen, eine Figur
wie Cicero aber sich nur wie ein Diomling auanimmt*. (S. 60.) Dem-
gemiß aoll ftlr ihn mehr Baum geachaffen werden. Mit aeiner Lektflre
wire achon in VII tu beginnen, a. tw. kimen hier die sog. kleinen
ächiiften, Yor allem die Germania, in Betracht, w&hrend daa ganie erate
Semeeter der VIII. der Lektflre einea der Hauptwerke gewidmet aein
soU. Becht befremdend ist der Vorschlag, die Horailektflre auf die Oden
ond Epoden tu beschränken, nnd was H* fflr den Auaachlnß der Satiren
?orbringt, wird wohl niemanden flbeneugen. Falle die Lektflre einiger
Stflcke Ton Gatoll, Tibull und Prepen, die aich nach H. an die Horai-
lektflre anachließen aoU, nur um diesen Preia lu Terkaufen wiUe, eo
mflßte man jedenfaila auf aie Tersicbten.
Jeder Entwurf einea Kanon ist, wie ee in der Natur der Sache
liegt, atark anbjektiT, und wenn man Ton den anerkannten Größen der
Literatur abaieht, ao iat daa urteil flber den Wert literariacher Erieug-
niaae oft ao achwankend, daß, waa dem einen ala sehr bemerkenawert
eracheint, Ton dem andern aie wenig geeignet beieichnet wird. Iat nun
dieaer Fohler bei der Natur der Sache unTcrmeidlicb, ao aollte aich doch
jeder, der Ändemnga?erachliga tum Kanon macht, ?on einem anderen
Fehler mOglichat frei halten, der leichter Termieden werden kann. Ein
Kanon darf nieht lu eng aein, er muß eine gewiue Elaatisitflt beaitien
und die Möglichkeit der Abwechslung bieten, damit seine Bestimmungen
664 Jl Fuehs, Dia tUiitl. BadMftiiiig d. OjmUMiea, äug. t. E, Mwrtmk.
Mehi ftlt lAitiger Zwug empfanden wwden. Des Ytif. Kuob tW u^
iii<flit nur eng, er fit hie und da logar tjraaaiseb. Wenn er fcriugt,-
da6 TOB Sallntt nur der Caülin», Ton Cieero außer den Gatiliiiarin &it
die Fompq'aDi» tod Horai nur die Oden nnd Epoden geleten wadeii
loUen, 80 eind das Forderungen, die eaeblicli kanm begründet werde«
ktanen, die aber aneb hemmend der Entfaltnng der Lehreriadindulitlt
entgegentreten^ anf die H. lonit beeonderes Gewicht tn legea leiient.
Die Hanpteaebe aber ist, da5, wenn der altspraebliehe ünteirie^t |
wirirlieb gehoben werden loll, hietii nicht die Änderong der LeeNtoffe
genügt, londem daß dain noch manches andere notwendig ist Du bijt
denn anch H. richtig erkannt und bespricht in einem Sehlsßworte die
Bedingungen, Ton deren Brfflllnng dae weitere Gedeihen des sltsprtfib-
lichen Unterrichtes abhingt. Von den dort anfgeiählten BediBgsngio
kommen m. E. haoptsAchlich swei in Betracht, nimlich die EatisitiBg
dee Gjnmasiuns Ton angeeigneten Elementen and die Tftehtigkeit der I
Lehrer. Wenn wir in der Lage wiren, das Gymnasinm, insbeeoadere du
Obergymnasinm, ron denjenigen SchlUem so entlasten, denen es mekt I
nm hnmanistische Bildnng, sondern, wie H. richtig ssgt, nnr wn die '
Beehte hamanistisch Gebildeter in ton ist, nnd wenn wir recht iieU 1
Lehrer bitten, die anßer einer gediegenen wissenichaftliehen nnd pldi- '
gogisehen Bildang anch noch jene seltenen €kiben beaiften. Aber die der i
Verf. in so reichem Maße Tcrfttgt, ich meine dichterisches Enpfisda '
nnd feines Konstrerstindnis, dann wftrden anch bei dem gegenwiitiges
Kanon die Ergebnisse des lateinischen nnd griechischen Unterricbtei
weit befriedigender sein. Aber wir haben so riel nngeeignete Schiller
nnd in wenig Lehrer der angedeoteten Art. Diesen Übelat&nden sine- |
helfen, dllrite echwieriger sein, als gewisse Hiogel des Kanone n
beheben. ^ |
Die anregende Schrift sei den Facbgenossen wirmstens «mpfoblcD.
Wien. Dr. G. Heidriek I
Die staatliehe Bedeutung der GymnasieD. Ein Beitrag aar Befonn. i
Von Joeef Fachs, k. k. Gymnasialdirektor. Wien, Karl Konefei I
(Ernst Stfllpnagel) 1907. 34 88.
In tadelloser Ansstattnog liegt uns das Hefteben tot» worin der |
Verf. seine Ansichten Aber die Reform des Gymnasiums darlegt. Ans des
ersten Worten ersehen wir, daß das Game als Vortrag „ror einem Km» I
engerer Facbgenossen* gedacht oder wirklich gehalten ist. Eines ist im I
Verf. ohne Zweifel gelangen: er gewinnt seinem doch sdion bis nm 1
Oberdraß hiofig bebandelten Gegenstande neue Seiten ab nnd bri^ I
rieles, was man gerade hier dnrehaos nicht erwartet hitte. Der Vortn| i
klingt mitunter, als sei er in einem militirwissenachaftUelieB Verefst |
gehalten. Wir hOren zo nnserer Überraschnng ron Ttappenfthnuig, Tiktik, .
Strategie, Ton Napoleon, Ton Glansewitt, von dem massierten Bataflles |
der ▼omapoleoniscben EriegfQhrnng, von BewegUchkeit, Gliedenmg is^
/. Ikeft«, Die ilaalL BedailQBg d. GyrnnMien, ang. t. E. Mariinah, 065
Siiiheitliciikeit dtr Trappt, tob Jen*» tob Amloriiii» Xankigo o. ■• t
8elbflt in der AatdraekeveiM meilct num den miittiriselten Too. Im Be-
griffe, eint fiberrateheade Behanptiuig aefiaetelleD» bittet dar Torf aeine
ZnbOfir, «die Sitae etwas fetter to nehaien'*, was allem Aaeebein naeb
kavaUerittiMb korrekt, aber ia Kreitea tob SobalmiaaerB — - aagewObB-
lieh iit. Doeb dice mag man dem wineBoebaftliebeB Arboittgtbiete des
Verf. tngvte balten, dertur antikoB Kriegsgessbiebte seboB m^ftobe
wirtTelle Beittige geliefert bat.
SoeboB wir bbb die OniadgedaBkeB des Sebriftebeas beraasiafiadeD,
to leigea sieb qbs etwa folgeadet Die groftartigea kriegeriaebeB £ifolge
Ni^leoBS OBd PreolSeBs gefaea daraof lorflekt daA ersterer direkt die
utikeB Vorbilder, Aleiaoder, HaoBibal, Cisar, befolgte ond daß ii
letiterem Staate, doreb Claosewita Termittelt, der Geist der aatikoB
Kii^gfUiraog tbofBommeB worde. Ferner: der flberrasebeade Fortacbritt
des deatseboB Haadels aaf dem Weltmarkte ist, wie selbst Eagläader
ngestehoB, dar ansgeMiebaeteB OigaoisatioB der deatsebeB Mittelsebiüeb
slee ia erster Liaie der QjmoasieB, la dankea, ia daaeB kaolm&Baiseber
Geist geaebolt werde. «Der Gedaake ist gar niebt abioweisea, daß darab
die enste BaaeblltigQBg mit dea Altes oIb Teil der fremden Eaergie
in die eigene Seele flberfiieße« (8. 14). Eine weitere, allerdings nicbt
neae Idee wird aneb Tom Verf. wieder ia aller Sebirfe Terfoabten: die
Fertacbritte der moderaea Ealtnr seiea mebr iaDerlicb, es sei eben in
erster Unie tecbniscbe Knltnr. Aufgabe des klassisebsa Unterriebtes sei
es, das Tielfaeb seboa Tsrlorene Gleiebgewiebt wieder bennsteUoB, der
•geistigen nad etbisebea Darcbbildttag* in dieaea.
Soweit der allgemeine Teil des Vortrages (S. 1—24). Hieia liftt
eicb Bor sagea, daft die snletit genannte Forderung darcbans berecbtigt
ist and daß wirklieb bieria der Hanptwert der klaisiseb-bomaalstisobeB
Bildaag gesaebt werden maß. Doch ist dies eben, wie erw&bnt, etwas
duebans nicbt Neaes, ja dieser Gedanke gehört docb lam ebemen Be*
Blande jeder Apologetik des bumanistiscben Gymnasioms. Was aber die
beiden an erster Stelle gebracbten Argnmentationen des Verf. anlangt,
so kann leb ibnen leider nicbt beipflicbten. TatsAchlieb liegt klar
bOcbfltens ein post hoc Tor, ob es aach ein prapter hoc ist, bat der
Verf. nicbt nachgewiesen. Was speziell Napoleon betrifft, so ist dessen
Nacbabmnng der großen Feldherren des Altertums eine Sache, die direkt
mit dem klassischen Unterricht nichts so tun hat. Jedenfalls konnte
biefOr das Stadiom Ton Übersetiangen and Ton kriegsgescbichtlichen
Darstellnngen genflgen. Von S. 24 bis zum Schlosse geht der Verf. aaf
Einselbeiten der Methode nnd des Betriebes unseres klassischen Unter-
richtes ein. Er ist grands&tilicb für umfangreiche Lektüre weniger
Autoren, Zurflckdringen der Grammatik, schArferes HerTorkebren der
Saeberklirung. Hiebei legt er besonderen Wert auf KriegsgescbichÜicbes
und fordert sorgfAltiges DurebarbeitoB der Schlacbtscbildsrungen. Gerade
letiteree halte ich so lange nnd insoweit für bedenklich, als die Ezair*
beit mancher Schlacbtscbilderungen mit Recht angeiweifelt werden fc^
Wenn der Verf. (S. 29) die Betrachtung eines Gefechtes ,eine ui
666 J. Fuchs, Dia Btaatl. Bedentasg d. GTmiianan, tug. t. E. Martmak.
gleiehlleht logische Obug" oennt, «wie sieh kanm eine andere darbietet*,
10 ist das, an sieh genommen, nicht gani abtnweieen, Ar die Sehale
aber gilt dies gani gewiß nicht, mindesteni nicht in eolcher AUgemeio-
heit. Wir können die Schliler kanm je soweit in das Verstindnii all der
kompliiierten Bedingungen einer Schlacht einftthren, am ihnen ein aach
nnr annfthemd klares Bild Ton den gewiß intereasanten Denkpmeesea
im Geiste des lenkenden Feldherm ra rermitteln. Der Verf. scheint mir
hier nor etwas saweit sa gehen; sonst stimme ich seiner Forderang gerne
la, daß die Sacherklftrang aaf allen Gebieten, also anch anf dem der
Kriegsgeschichte, nach klarer Anschanlichkeit streben soll.
Gans entschieden maß ich mich aber gegen die 8. 29 ff. Tertretene
Forderang des Verf. wenden, Homer fallen in lassen. Damit wire
dem Griechischen das Beste and Schönste genommen. Ich sehe ab tcb
meinen eigenen Erfahrnngen ans der Gjmnasialseit, als Schftler and ab
Lehrer, aber ich weiß es aas so Tielfachen Äoßerongen ehemaliger Schfller,
selbst solcher, die nach Verlassen des Gymnasioms sich Ton der Antike
gani losgesagt haben, ja ihr feindlich gegenüberstehen, daß sie fllr Homer
doch immer noch eine stille Ecke freundlicher Erinnerung bewahren,
Tielleicht Yerklaasaliert darch Klagen über allia grammatischen Betrieb
n. ft., aber ein Strahl der «Sonne Homers" lenchtet doch noch doreh.
Und gerade dieses Beste sollte fallen! Alles andere würde ich eher
opfern als Homer, ich würde ee wagen, mit Homer and Pinto allein ans-
snlangen: ohne Homer aber nie and anter keiner Bedingang. £a ist mir
schlechthin onTerständlieh, wie der Verf. (S. 81) die dadarch ermO^ichte
erweiterte and vertiefte Lektüre Xenophons als Ersats, ja als Gewinn
beseichnen kann, and wie er weiter (8. 82) sogar glanbt^ dann noch
iw ei Standen an andere Disziplinen abgeben in kOnnen. Die indivi-
daelle Vorliebe des Verf. für Kriegsgeschichte genügt doch nicht als
Bechtfertigang hiefür. — Sonst bringt der Verf. manche sehltiensweiti
Einielforschlftge.
Gras. Ed. Martinak.
Vierte Abteilung.
Miszellen.
Literarische Miszellen.
Die OermaDia des P. Cornelias Tacitus. Htraoage^eben tod
Jobaonet MikUer. FOr den Schnlgebranch bearbeitet tod A. Tb.
Christ. 2. Aofi. Wien-Leipziff 1906 (Tempiky-FreTtag). XII and
42 SS. Preis steif broscb. 70 Pf. = 80 b.
Die Ändemngeii gegenüber der ersten Auflage (1898) eind groAen-
teils sdion in der 1.900 ersdiitnenen editio maior aufgenommen. Da Aber
den Wert dieser Andemngen in dieser Zeitscbrift schon F. ZOehbaaer
anslfthrlicher gesprochen hat (Jahrgang 1901, 8. 129K kann hiefflr auf
dieses Referat Terwiesen werden. 27ar an einigen Stellen seigen sich Ab-
weiehnngen von der editio maiar, unter denen II 22: a Victore gegenftber
aritcto] Victore am Platze ist, ebenso XXVI 2 die Streichung des Zasaties
iaeoque vetitum esset. Hingegen möchte ich XIX 14 die frühere
Lesart ne tamqwim (st. ne non) nnd XXIY 18 se quoque der jetzigen
Lesart $e suosque Tonieben. Die dentsebe Einleitang nnd daa Namen-
veneichnii sind onrerAndert geblieben, das beigefügte Kartchen hat ein
kolorierte! Kleid erbalten.
Wien. Franz Knnz.
Rudolf Peters, Oadmn. Die deatacben Klassiker, erlftotert und
Sevflrdigt für höhere Lehranstalten sowie zum Selbststudium von
[nenen und £?ers. 26. Bftndchen. Verlag tou Heinrieb Bredt in
Leipzig.
Peters stellt aus den kritischen Ausgaben uad lltarftrj«cb«n Be-
iprechungen des Gudrunliedes das zusammen, waa für d&n Uaterricbt
oder für das Selbststudium der Dichtung notwendig und wertvoll erscheint.
Darum beschränkt sich die Besprechung hauptsäcblicb auf die ^ecbteo*'
Strophen. Eine gut gefaßte Inhaltsangabe — die in ihr wiedergeg^beueß
Strophen werden an der Spitze jeder aventiure aofgeiählt — eniapiingt
wohl dem Streben, die Oesamterfassung des Original teites fq iichem,
größere Einschübe werden dabei als soldie kurz cbarakteriftii»rt* Der /
schnitt über die Entstehung und Oberlieferung de^ Gedlcbtse gl^
Aufklärung, wie diese Interpolationen überhaupt «ni^tandeti Rin<i
mythologische Grundlage der Hildesage, der bistoriecbe Eii^terg
Qudrunliedes wird leicht faßlieb klargestellt, die Berirtgsagti
668 MiBzellen.
nar erwftbnt, wo der Vert gegen die Ergebnisse der UntemehngcB
Fr. Paniers (Hilde-Gadran, Eine sagengeschichtliehe Untersoebong) Stel-
lang nimmt Die .Cbarakteristik* hebt die £inielpersonen, die «Wflrddgang*
die gegensfttsliebe Zeiebnnng der kämpfenden rarteien berans und weist
auf die Kanstmittel bin, die dem Dichter des Godrunliedes ftr die epitehe
Darstellang in Gebote standen«
Das Baebiein ist gut gearbeitet» ftberall werden die wissensehaft-
lieh feitgelegten Tatsachen verwertet. Der eingelegte Kommentar saeht
fumeist Schwierigkeiten des mhd. Textes mundgerecht an machen, doch
coli er anch das Wörterbnch ersetsen. Die Lftngeieieben fehlen in der
Wiedergabe des mhd. Textes öfter. Drackfebler: 856 kitOe (fttr UuU},
496 zu (statt ee), 518 toot (statt wol), 796 in (fttr tu), 1099 dinegt (f&r
dietiest), 1100 von danuen (fttr daHnen)^ 1488 sirüehen (fttr sUruchm),
gemüet ist Part. Ton müegeti (statt des gewObnlicben mü^en), dsTor
sollte die Stropbe 497 angegeben sein. In geariesefh Strophe 587, hat
das Praet. mit ge- die Bedentnng des Plnsqaamperfekts.
Wien. Ferdinand Holzner.
Felix St&helin, Der Antisemitismns des Altertams in seiner
Entstehung nnd Entwicklung. Basel, C. F. Lendorff 1905.
«Antisemitismus*' ist ein in den siebiiger Jahren des Torigen Jahr-
hunderts Ton dem großen Orientalisten Pau de Lagarde gcMhaifenes
Kampfwort. Wie die meisten Begriffe des modernen Lebena kann auch
dieser nur mit annihemdei Genauigkeit auf antike Verhiltniase aa»-
wendet werden. Der moderne Antisemitismus sieht in den Juden dit
Sprößlinge der semitischen, den indoeuropAischen Völkern weaenafrendes
Basse und will ihnen darum Gleichberechtigung im Staats« und Kulta^
leben nicht sugesteben. Im schftrfsten GegensaU su dieser Baesenprötik
sucht die hellenistisch-rOmiscbe Weltkultnr mit missionariacbem Eifer slle
Volker gleicbmftßig in ihren Kreis su sieben und sOgert nie, da, wo ihr
dies gelingt, tum mindesten geistige Gleichwertigkeit aaiuericennen. Der
HalbpbOniker Zenon von Kition, der gansphOnikisohe Malchoa-Porphnies
Ton Tjros, der Kartbager Haadrubal — Kleitomacbos — und der Sjnr
Lokian Ton Samosata seigen, daß auch hellenisierte Semiten im Krsise
hellenischen Schrifttums Geltung, ja bOcbste Ehre erlangten. So bättsa
anch die Juden innerhalb der Diadochenstaaten in Hellenen werden
können; die Antwort auf ibre Weigerung war der Judenhaß. Kieht
aus dem Gegensati der Bässen ist er erwacbsen, sondern aus der
UnTcrtrftglicbkeit der Weltkultur des Hellenismus mit der AUgegsn-
wart der jadischen Sonderkaltur und der Unmöglichkeit, das rMigita-
national organisierte Judentum den Ordnungen des heidnischen Slaatsi
einiuf&gen. Geherrscht bat der antike Antisemitismus in den niederes
Volksscbicbten, die ihn dorch Jndenhetsen, und auch bei den HOcbst-
gebildeten, die ihn literarisch betAtigten. Aber Volksstimmungen, aaeh
wenn sie so Terbreitet nnd tiefgehend waren wie diese, haben in d«
Zeit der Diadochen und Cfiiaren nicht mehr Geschichte machen dOifsa;
das besorgten Tielmehr die fürstlichen Kabinette und dort wurde keinerisi
Gefflhispolitik getrieben, also auch keine antisemitische. Nflehteme Staats-
raison hat dazu geffthrt, daß die Juden im hellenistischen Osten imissr
Bürger zweiter Ordnang blieben, im lateinischen Westen sogar nur ge-
duldete Fremde waren und daß ibnen schließlich mit der ZentOrmg
Jerusalems und seines Tempels ihre religiOs-nationale Organisatien ent
rissen wurde. Diese ganse Entwicklung der jddiscben Geschichte hat der
Antisemitismus mit steigender Erregung begleitet, bewirkt aber hat er
sie so wenig wie der aus ibm erwachsene Cbristenhaß die tcb *^
StuUmtOBeni TerflBgten ChritienTerfolgvogen. — Von
lltniMMs Abbandlang: «Jadaea and die Jaden" (ROm. Geaeli. V,
pL 487 ff.) gelaitet habe ieh hier die Graadlinien gesogen, denen nach
nmen ErmasseB Felix StAhelin in seiner Schrift: »Der ABtisemitiamas
dei Altertoma* hitte folgen sollen. In der Daretellang, wie er sie tat-
ildilich gegeben hat, Termisse ich eine Erklining aes Unterschiedea
iwiseben antikein and modernem Antisemitismiia and eine ceharfe Um-
grentoBg der historischeB Bedeatnng, die jenem innerhalb der altaa Ge-
Khicbte sokemrat IMeaer Mangel beraht wohl darauf, daß der Verf. mit
leioem Interesse weniger bei den realen Miebten des politiseben Lebens
all bei geistesgesehichtlicben EatwieklaageB Terwdlt. Wie ia dea aati-
semitiscbeB KreissB — and die badeateadsteB Sehriftsteller gshOrea ihnen
an ~ Aber jOdisehe Geiitesart, Oesshiehto and BeligioB gedacht warde»
dtfon weift Btfthdia aof Omad rsieher litsrarisshsr Belege hOshst
lehrreich sn enthlsB. Hit besonderem Interesse wird man die Bntwisk-
Inog der fabelballeB Berichte Ober dea Bzodos «id die Baelsferehrang^
der Joden sowie die lltesten Zeugnisse fflr das noch heate lebendig«
Ritoilmordmirdien kennen lernen. Höchste Anerfcennong aber Tordlent
der oobefangen Tornehme Ton, in welchem der Verf. ein ^Mraa bespricht»
das dnrch die erbitterten Kämpfe der Tagespolitik objektifer wissen-
lehafdicher ErOrtemng fast g&nilich entiogen scheiBt
Kikolsbarg. Dr. D. E. Oppeaheim.
Dr. K. Kraepelin, Leitfaden f&r den biologischen CDterricht
in den oberen Klassen der höberen Schalen. Mit 308 Abbildangen.
Leipsig and Berlin, Verlag von B. Q. Teabner 1907. Preis geb. 4 Mk.
In dem Torliegenden Bache will der Verf. den mafigebeadea Fak-
toren der StaatsregieraBgcB dnrch die Vorlage eiaea aosgefOhrteB Lehr-
karses eia anschamichea Bild über den Umfane and den Inbalt der im
natorwissensohaftlichen Unterrichte aaf biologisebem Gebiete angestrebtCB
Beformen bieten, damit die Forderang aof Einftthrang des biologiachen
Uaterrichtea in den Oberklassen höherer Schalen endlich BerfickiichtigQng
finde. Seinen AaeffthroBgcB legt er jie Meraner Vorschlftge der Gesell-
icbaft dentscher Natarforscher and Ante lagronde. Nachdem in dea
Ufiter- and Mittelklassen eine genügende Grandlage morphologischer and
•Tstematischer Kenntnisse erworben ist, mOgen aar Darchnabme des bio-
logischen L^rstoffes noch fOnf Semester aar VeifUganff stehen. Die bio-
logischen Tatsachen bitten nach Möglichkeit die Schfller selbst sn
erarbeiten. Die Besprechang der DesscDdenalehre wäre in Übereinstimmaog
mit dem Meraner Lehrplan in den geologischen Korsos der obersten
iüssse la Terschieben.
Das Boch enthilt drei Abschnitte, in welchen Ober die Abblngig-
ksit dar Lebewesen von den Einwirkangen der Umwelt, Aber dm Baa
snd die Lebenstfttigkeit der organischen Wesen and Ober den MeuBchen
als Objekt der Natorbetrachtang gesprochen wird. Bef. empfiehlt allen
Freonden der Eeformen des natargeschichtlichen Unterrichtet das ^Qt
d« Feder eines so tfichtigen Gelehrten and Fachschriftstellers hertor-
gegangene Buch w&rmstens.
Wien. H. Viel*
\
k
670 Prognmmentehan.
Joh. Bippel, Grandlinien der Chemie f&r Oberreateeholen.
IL Teil: Anorgaoiache Chemie. Mit 89 AbbilduiKeii. Mit Erlaß
dea hohen k. k. Mioiateriama für Eoltna QDd Unterricht Tom 29. April
1907, Z. 16.711, allgemein snläaaig erklftrt Wien, Dentieke 1907.
Preia geh. 2 K 80 b, geb. 8 K.
Bippela Bach iat gaoi im Sinne dea neuen Lehrplanea und im
<j^ei8te der ingehOrigen Inatraktionen geachrieben; ei trftgt den neoMtan
Foracbangen, aoweit aie im Mittelachalunterrichte Terwendet werden
•können» Tollkommen Rechnung nnd iat aach in aprachlicher Hinaicht mit
rflhmeniwerter Qründlichkeit gearbeitet
Der Stoff wird angemein klar Torgetragen. Angenehm fallen dam
Bef. auf die Vertiefang und größere Aaafllhrlichkelt in theoretiachen Be-
trachtangen, die fftr ein aicherea Veratftndnia dea chemiachena Wiaeeni
nnerllDlieh aind, femer die aatreichende Schildemng Tieler klwner Ver-
eache, die, obiwar mit den einfachaten Mitteln aoaf&hrbar, recht sweck-
dienlieh and gleichieiüg fflr den Laboratoriamaanterricht gani Tonfiglich
geeignet aind. Angenehm berflbren dea weiteren die fielen gnten Abbil-
dungen aowie die hittoriachen und atatiatiachen Einatrenungen.
Bef. iat der Meinung, daß das Torliegende Buch sich in der Hand
der äehdler aoageieichnet oewihren werde, daß es aber aveh maaeheo
jungen Lehrer der organiachen Chemie beim Vorbereiten lom erfolgreicben
Unterrichte willkommene Dienate leiaten kOnne, endlich — daß ee all
einea der besten Schulbflcher aniuaehen aei.
Wien. Joh. A. KaiL
Programmenschan.
2b. E. V etter, Kleine Beiträge zur lateinischen Wortforschnug.
Progr. dea L k. Staatagymnasinma in Prachatiti 1906/07. 15 SS
Der Verf. dieaer dankenawerten Abhandlung beech&fligt aich mit
4er Featatellung der Grundbedeotung und Bedeutungsentwickiong dei
Wortea tetnpus, wobei er, entgegen der Tielfiach von Sprachforschem ver-
tretenen Anschauung, daß tempus »Zeit" und tempus «Schilfe* iwei
Wörter verachiedenen Urspranga aeien, einheitlichen Uraprang des Woitei
trots der beiden verachiedenen iBedeutungen annimmt. Die Grandbedeotanf
dea Wortea erachließt er aua Phaedrua V 8, wo daa peraoniflsierte Tonptf
im Sinne von gr. Ka^og eracheint. Dieaer personifiiierte Kaioos* balaneieft
in bildlicher Darstellung eine Wage auf der Schneide einea Kasiermeiaen,
und damit iat nach V. die Grandbedeutung unaerea Wortes «Meaaei^
achneide, S^goü äxfiij'^f gegeben; vgl. die bekannte, schon bei flomer
vorkommende aprichwOrtliche Wendung 'tetaad'M hd £v^ <b^i$\ die in
dieaer oder durch Einaetsoog einea anderen bedeutangsverwandteB Ver-
buma etwaa abgeftndeiter Faaauog auch in der apäteren Litemtor mehr-
fach nachgewiesen iat. Iat auch im Lateiniachen ein ihnlichea Sprichwort
nicht nacbzuweiaen , so verweiat der Verf. zur Erhftrtung seiner scharf-
sinnig aoegedachten Anaicht der Bedeotungsentwicklung von tempus =^
«Schneide, Schftrfe, Mesaerachneide , kritiacher Aagenblick, Augenblick,
Zeitpunkt, Zeit" aof die „einigermaßen fthnliche Bedeutungsentwicklaof
von „momentum'^, das ohne Zweifel orsprfinglich «das kleine Obergewicfat
beseichnet, welches bei gleichschwebenden Wagebalken den Aosaehla^
gibt*' und denaelben Stufengang in aeinen späteren Bedentungen «kriti-
acher Augenblick, Augenblick" aufweiat. £a iat nicht sa verkennen, daß
-der verh<nismftßig spät anftretende Beleg der erschlossenen Grand-
bedeatoDg die angenommene Bedeotungsentwicklung in einem
Fortbildnngtkon für Mittelsehollehrer oiw. 671
xwtifelbaftaii Lichte eneheinen lißt Darf man aber die Orondlage
onserer bedentimgijfeeehichtlicheii üntersiiehDog, woio mir siemliehe
fiereehtigQDg Torsmiegen seheint, fOr ttark genug halten, so wird auch
den weiteren Anefflhmngen Aber die Bedentongsentwieklnng von tempus
nod den dafon abgeleiteten Wörtern in der Hauptsache die Zostimmnng
ksnm fehlen. Besondert beachtenswert erscheint mir noch der 8. 12 f.
sBi LiTios XLIY 22, 5 erbrachte Nachweis, daft exUmplo die Grnnd-
bedeiliing .ans dem heiligen Viereck heraus*' gehabt liabe ond snnichst
fon einem romischen Beamten gesagt worden sei, der gleich Tom Anspi-
nsm weg anf den Kriegsschanplati aufbrechen mußte.
In einem konen Anhang S. 14 — 15 rechtfertigt Y. einen sicher
nebt beachtenswerten YerbesserangsTorschlag in Aischylos Choephoren
y. 888, welcher dahin geht, statt des Oberlicferten Wortlautes
iotTtt v9p a^t^g hu (p(fo9 f »ilag
[0^217^ TuaeXcb^at nffog Süajv lunli/yiiipog]
eiofsefa iotxi Hiv ait^g htl ivQov niUip ml, su lesen.
Innsbruck. Fr. Stols.
FortbildQDgsknrB fflr Mittelschallehrer an der
b.OhmiBchen CniverBit&t in Prag
{23. bis 29. April) unter der Leitung des ünlTeritatsprofeesors, Hofrates
Dr. Yinzeni Strouhal und des Landesscholinspektors Dr. Franz Krsek.
1. Prof. Dr. Fr. Grob: Notö objeTen^ Pftpji/ & Tyinam jeiich
pro döjinj feckd literatury (Über neuentdeckte Papyn und deren Bedeu-
timg für die Geschichte der griechischen Literatur). — 2. Prof. Dr. Ignas
Yyokf: Praxiteles, list i döjin feck^ho umöni (Praxiteles, ein Blatt
aus der Geschichte der griechischen Kunst). — 3. Prof. Dr. Jobann
Michal: Not^ pohledj na Oeskon literaturu dramatickou (Neue Aus-
blicke auf die böhmische dramatische Literatur). — Prof. Dr. W. E.
Hourek: NoTöjSi n&zory ▼ oboru nömeskä historick^ mluTnice (Neuere
Ansichten im Gebiete der deutschen historischen Grammatik). — 5. Prof.
Dr. Josef Pekaf : Yjbrand partie z döjin rakousk^ch st&tft (Ausgewihlte
Partien aus der Geschichte der Osterreichischen Staaten). — 6. Prof. Dr.
Josef Snsta: Bädini tc Yatikinn a jeho nejdüleiitdjdi y^sledl^ pro
döjinj TSeobecn^ (Forschungen im Yatikan und deren wichtigste Ergeb-
nisse ffir die allgemeine (jeschichte). — 7. Prof. Dr. T. G. Masarjk:
Z4k]adni probl^j noetickä (Grundprobleme der Noetik).
Die Yortrige finden in den Yormittagsstnnden statt; die Nach-
mittage werden fir Exkursionen reserriert.
Samtliche Yortrage sind sechsstündig und ffir die Teilnehmer
unentgeltlich.
Ansuchen um Beurlaubung behnfs Teilnahme am Kurse sowie um
efentuelle Beiseunterstfltznngen sind im rorgeficbriebeneii Dienitwege
rechtzeitig einsubringen.
i
Fortbildungskurse fflr MittelschoUebrer && iax
k. k. Universität id Graz
(in der ersten Hälfte September 1908 ^ Qoter Ldtu&g im
Professors Dr. Ad. Bauer und des Laj^d^s^diiüinipekifita
\
672 liiigMMidet
L AUgememe Kurse. 1. SchalhTffiene (6 Standen). StadtiihTCÜau
Prof. Dr. Oskar Bberstaller. — 2. ISthiBehe Fragen dae ScboUebeDi
nnd der Sehnldiaiiplin (6 ßtunden). Prot Dr. Eduard Martintk.
IL Hiatarisd^eoffraphis^ Kurse. 1. Ans der Gesehiehto dai
Altertums: a) Der Bc^nn der altägyptischen Gesdiichte; h) ein neser
griechischer Geschichtsschreiber, OxTrbTnchospapjraa Nr. M2; e) die
christliche Weltehronik bis auf Ensebios (6 Standen). Prof. Dr. Adolf
Bauer. — 8. Zar Methodik nnd Periodisierong der Geschiehte des Mittel-
alters (6 Standen). Hofrat Prof. Dr. Johann Loserth. — 8. Nras Foi*
schangon and Yerftifentlichangen über österreichische Geschidile des
XYIIL and XIX. Jahrhnnderts (6 Standen). Prof. Dr. Kari Uhlirs. -
4. Die Anthropogeographie in der Mittelschale (6 Standen). Prot Dr.
Robert Sieger.
HL NeuaprtiMiehe Kuree. l. Praktische Übangen im Etwliseben
im Anschlag an Scotts: England , its People, Politic and ronoiti
riO Standen). Arthar Perry NichoUs B. A. Xond. — 2. Fransödfiche
Geschichte and Literatorgesdiichte, Yortrige mit eyentnell anschließender
Diskassioa (10 Standen). Dr. Loais Charles Lacien Dupasqaiei.
IV. Slawische Kurse. 1. Neuere Ansichten Aber einige Fngen
der slawischen Grammatik (6 Stunden). Prof. Dr. Karl Strekelj. —
2. Neue Wege in der sfldslawischen Literaturgeschichte (6 Stunden).
Prof. Dr. Matthias Marko.
Sämtliche Yorlesungen und Übangen sind ftx die Teilnebmer
unentgeltlich.
Fflr die Teilnehmer an den Kursen wird auch eine Ankunft»- nsd
WohnnngsTermittlangsstelle errichtet.
Eingesendet.
Das dritte Preisausschreiben der Eantgesellschft, dii
in dem in Bälde erscheinenden neuesten Hefte der «Ikantstudien* mit-
Jeteilt wird, lautet: „Welches sind die wirklichen Fortschritte» die die
[etaphysik in Deutschland seit Hegels und Herbarts Zeiten gemacht
hat?** i)as Thema, daft einer auch Yon Kant bearbeiteten Preieaufgibe
der Berliner Akademie im Jahre 1791 nachgebildet ist, ist Ton Umrer-
sitatsprofessor Dr. Karl Gflttler in München angegeben und formnlieit,
der auch f&r die besten Bearbeitungen einen ersten Preis fon Ein-
tausend Mark und einen zweiten Preis Ton Sechshundert
Mark gestiftet hat. Preisrichter sind die beiden Berliner Geheimiite
und Professoren Biehl und Stumpf sowie der Würiburger Professor
Eülpe. Die Bedingungen der Preisaufgabe sind su beziehen durch des
Geschäftsfflhrer der Kantgesellscbaft Prof. Dr. Yaihinger in Halle a. S.
Erste Abteilung^.
Abhandlungen.
über die Entwicklaog des älteBten griechischen
Alphabets.
Die Frage über die EoiwicklaDg des ältesten griechischen
Alphabets kann noch immer als nicht geklärt betrachtet werden.
Dffl so mehr mnß jeder Yersnch, der Lösung derselben nahe zn
kommen, mit Frende begrüßt , aber zugleich anch eingebend
geprüft werden« Meine Untersnohnngen über diesen Gegenstand
habe ich in einer Schrift zusammenzufassen gesucht und gebe der
Heifiaiuig Ausdruck, zur Sache auch ein wenig beigetragen zu haben.
Um nun die Ergebnisse meiner Arbeit Tom rein wissenschaftlichen
Standpunkt aus genauer Prüfung unterwerfen zu können, ersuche
ich diejenigen» welche sich in der betreffenden Frage auszusprechen
nicht abgeneigt w&ren, ihre Bedenken und Entgegnungen freund-
Jjchat zum Ausdruck bringen zu wollen.
1. Die italischen Alphabete stammen im großen Ganzen aus
einer chalkidischen Quelle des YIU. Jahrhunderts.
2. Nebst der Dipyloninschrift bezeugen sie, daß in der Mitte
des YIIL Jahrhunderts das östliche und das westliche Alphabet
höchstwahrscheinlich schon geschieden waren.
8. 9, X = ursprünglich ph, kh\ das westliche Zeichen für
I anfangs = g (h)j später erh< es den Wert einer Doppel-
konaonanz.
4. Ursprünglich unterscheiden wir zwei Gruppen: die öst-
liche ph, Ich und die westliche ph^ kh, g (h), Ton denen die erstere
einüicher und Alter ist.
5. Die besonderen Zeichen für ph und kh sind wohl als
Analogie zu ih (d) eingeführt worden.
6. Der Entwicklungsgang dieser Zeichen in dem östlichen und
westlichen Alphabet könnte in folgender Weise dargestellt werden :
Zdtsekrift i. d. taten. Ojimi. IMS. Ym. « DL H«fl. 48
674 Ober die Entwieklimg dea ilt griech. Alphabete. Ton JP. WiedemaiM.
a) (D •¥
ph kh
A
b) 9(h) ib& — etwa 100 Jahre Ung,
I I
dann e) + V
d) © y +
e) + © V
Nach Gercke (Hermes XLI, 1906» 549 f.) entstanden die Zeieben
O + V im lydisehen lonien gleichzeitig, n. zw. znr BezeichnaDg der
Lante ph, kh, 9h, nachdem das B ans h tu e geworden war. Als
spftter das 9 außer Gebranch kam, behielt man nnr noch O and
+, das V wurde frei und bezeichnete schließlich einen ganz neuen
Laut, das ^. Im westlichen Alphabet wurden die neuen Zeicheo
zwar aufgenommen, aber das % erhielt die Bezeichnung y, das +
trat in der Verbindung +S auf, später im Werte derselben auch
allein. Danach h&tten wir folgendes Schema:
a)
h)
o
+
V
ph
Kh
9Ä
Östlich:
e) westlich:
© +
© V +r»;
ph Ml
ph kh g(h)
(9Ä)
Vom Gutturallaut V = ;|r im östlichen Alphabet besitzen wir
freilich, außer dem therftisch-melischen V = {, keine Spur. £s flllt
auch die Eonsequenz auf, mit welcher das östliche + = % ^^ ^
westliche V durchgeführt wurden (ygl. freilich IG. IV 683| 684).
7. Mitte des IX. Jahrhunderts wäre ungefähr der tennimis
ante quem der Einführung besonderer Zeichen für q> und %.
8. Zeit und Ort der Übernahme des phönikiscben Alphabete
sind nach Herodot V 58 anzusetzen, dessen Angaben einfach ab-
zuweisen wir keinen zwingenden Grund haben. Wäre die Über-
nahme im Osten des Ägäischen Meeres geschehen, so hätte der
Historiker, dem die Gründungsgeschichte der kleinasiaüscbei
Kolonien gut bekannt war, es nicht yersäumt, auf die etwa rer-
handene Überlieferung hinzuweisen. Dagegen finden wir ein ans-
drückliches Zeugnis für Euripos Tor. Und in dem „Palamedes*
haben wir einen direkten Hinweis auf die Kenntnis der Schrift in
der Zeit des sogenannten „Troiscben Krieges". Folglich könnte
die zweite Hälfte des zweiten Jahrtausends r. Chr. ab die Zeit
der allmählichen Entwicklung der griechischen, zugleich al»«r andi
der phönikiscben Schrift angenommen werden. Einen Amfeehwung
erhielt die östliche Schrift (d. h. die Schrift Kleinseiem) im IL,
die westliche (d. b. die Schrift des Mutterlandes) im VHL Jahr-
hundert.
über die EotwicklnDg des ftli griech. Alphabets. Von F. Wiedefnann. 675
9. Die ersten Sparen der Schriflknnde in Italien könnten,
in Anbetracht einzelner gemeinsamer Zflge der italischen und der
t^hrygisch-lemnischen Alphabete (B = h lemnisch, 9 = nmbrisch,
t faliskisch nnd pbrygiscb, letzteres freilich in unbestimmter Be-
deatongy S ^ phrygisch nnd italisch), ins IX. Jahrhundert hinauf-
datiert werden.
10. Pheidons Regierung (erste U&lfte des VIII. Jahrhunderts)
ist Termutlich die Zeit der Spaltung der Alphabete im Westen des
Äg&ischen Meeres. In diesem Sinne hat sich auch Prof. Eirchhoff
ansgesprochen. Wir hfttten recht, daran festzuhalten. — Einführung
der ionischen Zeichen für <p und X'
11. Das süd&g&ische Alphabet beruht auf der Torpheidonischen
Schrift des Peloponnes.
12. Das $ in lonien ist nach dem westlichen Muster +5
oder -f auf ein Zeichen fibertragen worden, und zwar das ffinf-
zehnte des Alphabets: ^ oder X. Nacb dem dblich&n Brauch im
westlichen Alphabet wurde auch in loniefi und dann aach im
Gebiet Ton Korinth bald I (H), bald IS (HS) oder IM ge-
schrieben. Ähnlich dem besonderen Zaicben int | wurde aneh ein
besonderes ffir ^ in lonien eingeffihrt,
18. Das argivisch-amorginische hh :== |, daa korintbjscb-
theräiscbe ^ (Z) = £, das epidauriscbe X ^^ g^ das meliach-tbe-
räische Y = $ weisen auf spätere Zeit der Einführung der ioo Ischen
£ und tp im Westen des Ägäischen Meerea — Tiellaicht zuerst in
Xorintb zur Zeit Perianders» wie wir ans der korinth t^cben Vasen-
inschrift Xdgrig ^C iygailfs (Wilisch , Altborintb. Xbonind* 167;
Kirchhoffy Studien^ 102) schließen kOnnen.
14. Die erwähnten EigentQmlicbkeiteu der blauen Alpbabete
im Westen des Ägäischen Meeres, die recbt8lÄuüj?e korinth laclie
Inschrift (PMC = ^o (IG. IV 323), 4aa Fehlen des lornscben m
in den Ab u-Simbel -Inschriften deuten daranf bin, daG das mlle-
sische Zahlenalpbabet wohl kaum über das VIL Jahrhundert hinauf^
zudatieren ist.
15. Die Zischlaute. Das Zeichen M ^ iT, ebenaj> m\% ^ Z,
V n. a., erinnert uns zu sehr an die kretisch- mjrkrnieclie ScbriJV
als daß wir darin eine Neubildung oder Üm^^estaUnnf tpAterer
Zeit za erkennen h&tten. Daß das M kmn tttngekuhrti*« Yi ^*^»
lehren uns die Formello-Beihen , wo wir beide Zeichen M and ^
leaeD. Und aus dem phönikischen fr' za erkliren htIteD
zwingenden Grund. Betrachten wir qi»« die pböuttriie^^^
laute Dfther.
7. =t= zai(n) ödv (21)
15. ^ semk (sank) öly^a [ZI)
18. p^ 9&d6 (tsade) tfjza (7»
21. w din i^ i^^
676 Über die Entwicklung des ftlt. grieeh. Alphabete. Von F, Wiedmam.
Da sieb diese Laute der griechischen Aussprache nicht gat an-
paßten» so fanden Abweichungen statt Daß das 15. Zeichen nicht
wie griechisches ö ausgesprochen wurde, ist klar: weshalb w&re
es denn Terschmftht worden? Es mußte also Tor allen Dingen ein
Zeichen ffir den d-Laut gescbaifen werden, und dieses war nun
ohne Zweifel M. Seine Einführung muß aber mit der Zeit der
Übernahme des phönikischen Alphabets fast zusammengefallen sein,
denn sonst h&tten die Übernehmer keinen Ausdruck für den tf-Lant
gehabt. Somit ist es wahrscheinlich, daß das Zeichen der kretiüch-
mykenischen Schrift entstammt und noch ?or der Hellenisierung
des phönikischen Alphabets eingeführt wurde. Als sich aber später
das h^ (ft) zu t^ Tereinfachte, mußte das M (0) unbequem werden,
und ein neues Zeichen war nOtig. Meiner Ansicht nach griff man
nun zur Zickzacklinie, deren Gliederzahl unbestimmt war und die
vielleicht die graphische Bezeichnung einer Schlange darstellen sollte.
Die gewöhnliche Gestalt war wohl f , die zu ( oder S yereinfacht
werden konnte. Die unbestimmte Zahl der einzelnen Glieder ent-
schied denn auch wohl zuletzt die Form des 21. Zeichens xnm
Tragen des betreifenden Lautes. Damit wurde der Name eiy\ui
Terbunden, welcher an das Zeitwort el^m zischen unwillkürlich
erinnern mußte. Der Name des 21. aber ging nicht Terloren, sondern
wurde auf das 15. Zeichen übertragen, das zugleich einen nenen,
dem Namen entsprechenden Lautwert erhielt. Am besten ist es,
diese Änderungen dem Urheber des milesischen Zahlenalphabeto
zuzuschreiben. Zugleich konnte der Name S^ra auf das 7. Zeichen
übertragen werden, weil er dessen Lautwert zu entsprechen schien
und dieses die gleichlautenden Endungen des ^ra und des ^^ra
zur Folge hatte. Der Name 6dv ging für die lonier Terloren. Die
Dorier aber behielten ihn, indem sie damit den 21. Buchstaben
bezeichneten. Den Grund dafür finden wir bei Athenäus XI 467:
„t6 öhv ivxl Tof) 6Cy^a dcoQix&q elgiqxaöLv' ol yhg iiovemoi^
xad^dstsQ xolkdxtg 'jigiötöiBvög «pi^ct, rb 6ly^a Jiiysiv xa^-
tO'övTO diic tb öxlfiQ60toiix>v elvai tucI dviJCLti^deLOV avla'.
Die von demselben Athenäus a. a. 0. zitierten Worte Finders:
nTcglv (ihv iiQTte ö%oivoxBVBLa t* ioidh %al xb öicv xißdaXw
inb özofidzcov** verstehe ich folgendermaßen. Unter dem oop
xlßdalov wird das im korinthischen Alphabet von der 18. ani
die 21. Stelle übertragene Zeichen M gemeint, das zu Plndars
Zeiten durch ^ ersetzt wurde, welch letzteres aber in der Aus-
sprache den Anforderungen der ailrital gemäß durch das tönende
8 {6dv) vertreten worden war. Das öicv xlßdcckov also — M oder
auch ^ = (1, das richtige, echte ödv — ^ = tönendes s (vgl.
dazu Hdt. I 189).
Wenn Hirschfeld (Bhein. Mus. XLIV, 1889, 8. 461—467)
das dreistrichige s aus dem Zeichen M, welches im Alphabet von
Caere den 18. Platz einnimmt, herleiten will, so widerspricht dem
der umstand, daß das Zeichen M eine stabile Form hat, di« nie
über die EntwickloDg des ilt grieeh. Alphabets. Von F. Wiedemann. 677
mit S wechselt. In der Inschrift von Mantineia IIG.* XXXII, Nr. 9
(S. 107) finden wir es in der Bedentnng* ts neben dem Tiersirichigen
t. Nun gibt es aber Altere arkadische Inschriften, wo das « drei-
strichig ist^). Es wäre kaum anzunehmen, daß das betreffende
Zeichen, nachdem ans ihm das S entstanden war, in der Alteren
Form noch konsequent funktionierte.
16. Das /). Die verschiedenen Formen dieses Buchstabens
können ans drei (wenn wir das ^ als kretisch-mykenisches Zeichen
auffassen) Grundtypen erklArt werden. Das therAische ^ |^ ^ » das
karische b, das kretische p, das kykladische C (Argos IG. IV 514 P,
Hermione IG. IV 554 D) sind auf die phönikische Grundform zu-
rückzuführen, das isthmisch -melische ungefAhr in folgender Ent-
wicklungsreihe darzustellen :
Wie ist nun das Zeichen M zu erklAren? Meiner Ansicht nach
war ein neues Zeichen notwendig, wenn an dem überlieferten keine
Änderungen Torgenommen wurden: das P aus e mußte ja mit dem
Q zusammenfallen (vgl. A. N. Uxlag, 'Eq>ri(i. ägx. 1892, S. 107).
ÜDd so griff man denn einfach zum 18. Zeichen, das im Isthmus-
gebiet außer Gebrauch gesetzt war. An anderen Orten (Euripos-
gebiet) wurde das q geschwAnzt, ehe man zur gewöhnlichen /3-Form
überging. SpAter wurden beide 9- Formen vermengt. — Gercke
(Hermes XLI 544 ff.) leitet die gewöhnliche /3-Form aus dem
lydischen lonien her, will aber darin eine Weiterbildung des Zeichens
^ b sehen. Im karischen lonien soll zur Zeit, als im lydischen B
zu e wurde, das ^ (B) den Wert e erbalten haben und in der Mitte
des Vm. Jahrhunderts nach Eorinth und Megara gekommen sein.
Erst als auch in Milet das B = ^ auftrat, konnte dem B, wie im
lydischen lonien, auch im karischen der Wert ß beigelegt werden.
Daß das e in der Mitte des VIII. Jahrhunderts tatsAcblich durch
^B ausgedrückt wurde, lehren uns die Münzen von Segesta und
Erjx: sie bezeugen jedenfalls eine Schriftstufe, welche Alter ist,
als diejenige der uns bekannten Insahriften der übrigen sizilischen
St&dte, und wohl in das VIII. Jahrhundert hinaufzurücken ist. Das
sekyonische X =: # müßte dann jedenfalls so erklArt werden, daß
hier das ß in der gewöhnlichen Form schon ein^efälirt war, ais
der Unterschied der e-Laute, der im benachbarten Eorinth gra^^hiäcb
Termerkt wurde, zum Ausdrucke gelangte. Es wurde tino dazu ein
Deoes Zeichen X benutzt. Diese Theorie hat vieles tör sieb, nur
müssen wir uns die Eorinther und die Sekyonier gegen seitig arg
') Vgl. hierzu auch F. Stadnicxka, Des Arkaders Phaulfas Wei)t^
geeehenk an Pan, Mitth. d. E. D. Arcb. lost, in Athen II £, I905| a.^fl&a^ ^
H. Diels, Der Schlüssel des ArtemistempeU zu Losoi, 8ittuogtber "^
Prenß. Akad. d. Wiss., Gesamtsitsang 9. JAnner 1908: im kuti
■ehen wir beide Formen nebeneinander.
i
^
678 Über die Entwieklang des ftli grieeb. Alphabete. Yon F. Wiedemann.
befehdet denken, wenn beide St&dte die betreffenden Zeichen m
dem Oeten berfibergenommen und in dem einmal eingeführten Liat-
werte hartnäckig bewahrt haben.
17. Das V, Gercke (Hermes XLI 541) bat recht, weao ir
behauptet, daß das v erst nachträglich den doppelten Wert ond dann
auch doppelte Bezeichnung erhielt Darauf deuten die italischen Alpbi-
qete der zweiten Gruppe. Die ursprüngliche Form V erhielt wohl den
Platz nach dem r; die ihr Tielleicht parallele Form, welche wahrscheinlich
aus der /aziscfaen "A Termittelst der Modifikationen ^ p F p
entstanden war, blieb, entsprechend der ursprünglichen Bedeutiui^,
am 6. Platz.
18. Das CD. Nach Gardner (JHS. VII, 1886, S. 288) ent-
stammt dieses Zeichen der kyprischen Schrift. Dazu haben wir
meiner Ansicht nach keinen zwingenden Grund. Da das k/priscbe
Syllabar wohl eine Abzweigung der im zweiten Jahrtausend im
Mittelländischen Meere yerbreiteten Schrift war, so haben wir fär
das S2 auch noch eine andere Erklärung: das Zeichen kann au
irgend einem Rest dieser Schrift in Kleinasien (wohl in der Gegend
von Milet) stammen. Daß das Zeichen nicht aus dem O herzo-
leiten ist, hat Gardner Tielleicht richtig erkannt: die ältesten Typen
des CD, die wir in Naukratis finden, gehen von dem O weiter aoi-
einander, als die späteren.
19. Das T. Als ältestes Zeugnis hiefür ist die Inschrift Ton
Ephesosy welche in die zweite Hälfte des VII. Jahrhunderts binanf-
datiert wird (F. W. G. Foat, JHS. XXVI, 1906, S. 286—287;
D. G. Hogarth, British Museum, Excavatians at Ephesus, Tht
Arehaic Artemisia), zu nennen. Die Entstehung des Zeichens ist
vielleicht nach Gercke (Hermes XLI 542) aus einer Nebenform des
I — dem Hi — zu erklären: wir finden nämlich w, T, 4^ io
karischen Inschriften in gleicher Bedeutung nebeneinander {Trans-
adUms qf ihe Society of Biblical Ärehaeology IX, 1898, S. 188).
Zu dieser Nebenform, welche wir in Argos und auf Amorgos wieder-
finden, wurde beim Zusammenstellen des milesischen Zablenalphabets
gegriffen und das Zeichen T (eigentlich ^: vgl. IG. XII 1, 913,
add.) geschaffen.
20. Schriftrichtung. Die rechtsläufige Bichtung wird wahr-
scheinlich aus ßovöTQoq>rid6v entstanden sein. Abgesehen davon,
daß mit der rechten Hand viel leichter in recbtsläufiger als in
linksläufiger Bichtung zu schreiben ist (vgl. Erlenmeyer, Die Schrift,
Grundzüge ihrer Physiologie und Pathologie, 1879), müssen wir
auch Nebenumstände berücksichtigen : bei der Vasenmalerei i. B.
mußte die rechtsläufige Bichtung entschieden viel bequemer sein,
wenn das Aufgezeichnete nicht verwischt werden sollte; auch
dürfte der Art und Weise der Münzprägung keine geringe Bolle
beigemessen werden.
St. Petersburg. Friedrich Wiedemann.
^vx Cbarakteriaiik Fhokiona. Von C. Büger, 679
Zur Charakteristik Ptaokiona.
Das Oebnrtsjahr Phokions ist nach Platarch das Jahr 402,
da er znr Zeit des lamischen Krieges, Dach dem Tode des Leo-
gthenes und kurz vor der Schlacht bei EraDDon (ADfaog 322),
80 Jahre alt war, Tgl. Plnt. Pboc. 24 iyä) yicg 6 ^tgatriyög
öydorixoörbv i%aiv Stog iöofiai, fis^' ifi&v. Vgl. ancb Plut.
an seni sit gereod. repp. 15. Damit stimmt Dio Cbrysost. or. 73,
684 0(Dxi(Dva di {iötSQOv xbv inig dydoi^xovta ixri
ßtatfavxa ... oix 'fJQXs^sv aitotg datoTcvstvaij wonach er bei
seiDem Tode (818) Aber 80 Jahre alt war. Abweichend hievon
berichtet Aelian Var. bist. 8, 47 Omxlmva dk { evg)i^(ila ....
oidh diwilfi68Vj oiSi zic nivxB xal Sßdoiii^xovxa Sxti,
ttxsQ oiv ii8ßC(D<fev, wonach er nor 75 Jahre alt geworden
wftre. Die Stelle ist aber darum verdächtig, weil sie in den gleich
darauf folgenden Worten „inel di ido^Bv ^JvxmdxQa xbv JIbi-
gaiä XQodidövai, ^A^rivaloi xaxiyvtoöav aixoi) ^dvatov** einen
Irrtam enthält. Statt „^AvxindxQoj** mnß es nämlich heißen
„NtxdvoQi,**^ da Antipater znr Zeit Ton Phokions Verurteilung
nicht mehr lebte; er war schon 819 gestorben. Vgl. Plut. Pboc.
82; Diod. 18, 64; Nepos Pboc. 8. Indes scheint die Überlieferung
von den 75 Jahren auch Nepos zu kennen nach Pboc. 2: Idem
cum prope ad annutn oetogeaimum prospera perveniaset far-
tuna, extremis temporüms magnutn in odium pervenit eivium
suorum, wonach Phokion, als ihm der Prozeß gemacht wurde, das
80. Jabr noch nicht erreicht hatte.
Sein Vater war ein Mörserkeulenfabrikant (doiivxoTtoLog).
Plotarch glaubt diese, auf Idomeneus beruhende Nachricht in
Zweifel ziehen zu mässen, weil Glaukippos, der Sohn des Hyper-
eides, der eine Schmährede toII Gift und Galle gegen Phokion
▼erfaßt habe, darin nichts von seiner geringen Herkunft erwähne
und weil sie der guten Erziehung, die Phokion genossen habe,
and seiner sonstigen freien Lebensstellung zu wenig entspreche^).
Doch hat dieselbe Angabe auch Aelian Var. bist. 12, 48 Ooxlav
. . . XttXQbg (liv doldvxag igyaiofiivov fiv. Außerdem war es ja
in damaliger Zeit nichts Ungewöhnliches, daß auch Söhne von
Industriellen eine sorgfältige Erziehung genossen und zu Ansehen
und Ehren im Staate gelangten. Man braucht nur an das Beispiel
des Demosthenes zu erinnern. Die Schmährede des Glaukippos
war, wie A. Schaefer (Philol. IX 163 f.) meint, gegen eine von
dem jftngeren Meidias für Phokion beantragte Ehrenstatue gerichtet,
nach Plut. vit. X erat. 850 B ygarffd^Bvog di xal x^v (bojximvog
doQBdv, ^v bIxb Matdlag MbiöIov Hvayvgdötog inl abvlov
ägxovxog yafirihcbvog ißdö^rj (p^ivovtog i^trij^i^. Diese ei^ent-
*) Plut. Pboc. 4 ^toxltova de tfXficciQOfiai (ih nccvtinctßiv bIvüi
yhav£ dxlnov xal xaraifSvraixoTog. El yuQ ^, mg (pfiauß 'l^apLi^tv^^
doidvxonoiov natQogy o^ &v iv t£ Xoyco rXavTuatnog 6 *Tuf(feidon piv^m
(Torttloxhg xal tlQtfxmg xa% a^oD xaxa xipß 9vgyip9UtP TtaQ^^t^Vt ovj'
c^ oihmg kito^fgiov ßiov xal aiitq>Qowog xcrl jtatdaiag fitiiüxw.
J
680 Zur Charakteristik PhokiooB. Von C. Rüger.
lieh auf Hypereides bezügliche Notiz bezieht A. Schaefer auf desBen
Sohn Glankippos und setzt, indem er für ffsvCov TorechUigt
Ei^svtTtnov, die ganze Verhandlang in dessen Archontat = 804
V. Chr. Dieser an sich ansprechenden Yermntang widerspricht indes
der Umstand, daß die Ehrenstatae, die Phokion erhielt» ihm sehr
bald nach seinem Tode, nicht erst 804, gesetzt wurde ^), jedenfillB
als nach Erobernng Athens darch Eassander die oligarchische
Partei wieder die Oberhand gewann und Demetrios Poliorketas,
der Freund and Genosse Phokions, der zugleich mit ihm yenuieiU,
aber noch rechtzeitig entflohen war, znm Stadtverwalter eiogsBetii
wurde. Er war wohl auch die Veranlassung, daß Phokions Gebeine
nachträglich auf Staatskosten begraben und seine Ankläger xnr
Verantwortung gezogen wurden (vgl. Plut. Phoc. SB). Unter den
letzteren war, wie de Sanctis meint {Studi di Sioria aniiea II,
S. 10, not. 4) auch der oben erwähnte Glankippos, der Sohn des
Hypereides, der die bei Piutarch Phoc. 4 erwähnte Bede (iv t^
löyo} Ilavxixxog 6 ^IbcsgeCdov (ivgla 6vv6i.lox&>g xal elgipie>g
xat^ airov xaxd) in dem Prozesse, der Phokions Ende heri)6i-
führte, gehalten habe. Dem steht aber entgegen, daß in den sehr
ausführlichen Berichten, die wir über diesen Prozeß besitzen, der
Name des Glankippos nirgends erwähnt wird und besonders Flut
Phoc. 88, wo die drei Hauptankläger, Hagnonidee, Epikuros und
Demophilos nameutlich aufgeführt werden, nicht mit genannt wird.
Wie die meisten seiner berühmten Zeitgenossen, so ging auch
Phokion von der Philosophie aus. Piutarch berichtet hierüber, er
habe als Jüngling den Unterricht des Plato und später den des
Xenokrates in der Akademie genossen'). Da der letztere erst SS9
y. Chr. die Leitung der Akademie übernahm, als Nachfolger des
Speusippos, so kann Phokion schwerlich sein Hörer gewesen sein;
vielmehr wird an einen freundschaftlichen Verkehr beider zu denken
sein, wie er auch sonst bezeugt ist (vgl. Plut. Phoc. 27, 29).
Nach Diog. Laert. 6, 2 sowie Suidas u. OiXl6xog Alyiwqxti^ soll
Phokion auch den Kyniker Diogenes gehört haben. Dies ist xwtf
chronologisch nicht unmöglich, aber bei der Stellung Phokions inr
Akademie nicht recht wahrscheinlich '). Die Notiz yerdankt jedes-
falls dem Umstände ihre Entstehung, daß einzelne Eigenschaften
Phokions, besonders seine einfache Lebensweise und seine kurui
sarkastische Bedeweise an Diogenes erinnerten. Phokions Verhältnis
zur Philosophie bildet den Hauptinhalt der bekannten Monographi«
von J. Bernays, seiner letzten Schrift. So Vortreffliches dieselbe
auch in einzelnen Partien enthält und so musterhaft namentlich die
Darstellung ist, so muß doch die Durchführung des Hauptgedankens
als verfehlt bezeichnet werden. Bernays nimmt nämlich an, Phokion
sei in früher Jugend einem Bunde von Akademikern beigetreten,
*) Nach Plut. Phoc. 38 Kai nSirtoi XQovov ß^axiog diay^f-
fisrov .... dvögiavTa {Uv wöroü nutxiatfiaav,
*) Plat. Phoc. 4; adfers. Colot. 82; Aelian Var. hitt 3, 17.
*) Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen II l^ S. 421, Aom. 1
Zor Cbftrakteristik Phokions. Von C. Büger. 681
der die GrfindaDg eines grofien griechischen Einheitsstaates mit
makedonischer Spitze ersehnt nnd sich daher znr Zeit Philipps nnd
Alexanders die Förderang der makedonischen Interessen znr beson-
deren Anfgabe gemacht habe. Daraus sei Phokions politisches
Verhalten, speziell seine Hinneigung zam makedonischen Hofe, zn
erklftren nnd anf die Einflflsse der akademischen Moral seien fast alle
seine Charaktereigenschaften znrQckznfäbren. För diese gewagten
Annahmen bietet jedoch nnsere tatsächliche Überlieferang nicht
den mindesten Anhalt. Ohne Zweifel wird man den Lehren der
Akademie eine gewisse Einwlrknng anf Phokions politische nnd
soziale Anschanangen einränmen dürfen. Eeineefalls aber l&ßt sich
ans unseren Oq^H^o die Existenz eines philomakedonischen Bandes
von Akademikern, dem auch er angehörte nnd dem er hauptsäch-
lich die Anregung zu der von ihm befolgten Politik verdankte,
erweisen^). Überhaupt geschieht ihm m. E. zuviel Ehre, wenn er
Geistern wie Plato, Aristoteles und Xenokrates, ja selbst wie
Antipater und Demetrios von Phaleron an die Seite gestellt wird.
Selbständig denkender Philosoph ist er wohl nie gewesen. Der
philosophische Zug seines Wesens wird vielmehr darin zu soeben
sein, daß er die Lehren der Philosophisi besonders die ethischen
Voraefariften derselben, im Leben zu betätigen suchte. Daher werden
wir Dicht irren, wenn wir auf philosophische Einflüsse zurflckführen
die unerechQtterliche Buhe und den Ernst seines Wesens, die dia-
lektische Schärfe und den sarkastischen Anflug seiner Bede, die
Einfachheit seiner Lebensweise und die Verachtung aller irdischen
Genfiase, namentlich auch seine damals fast beispiellose Oneigen-
Dfltzigkeit und Unbestechlichkeit. Plutarch weiß von allen diesen
Dingen eine Fälle von interessanten Einzelheiten und Anekdoten
ZQ berichten, die, wenn sie ihm auch nicht alle aufs Wort zu
glauben sind, doch meist einen charakteristischen Kern enthalten.
Besonders bemerkenswert war die wohlberechnete Knappheit
QDd epigrammatische Kflrze seiner Bedeweise. Nicht eigentlich
Bedner von Fach, doch von Natur mit einem vortrefflichen Mutter-
witze begabt war er Meister in schlagenden Antworten, wofflr die
glänze Plutarchbiographie tkberreiche Belege bietet. Nach der Vor-
schrift des Philosophen Zeno suchte er in möglichst wenige Worte
einen möglichst tiefen Sinn zu legen. Je kürzer aber seine Aus-
dracksweise war, um so mächtiger war ihre Wirkung. Mit einem
einzigen bezeichnenden Ausdrucke wußte er die Sache in ihrem
Kerne zu erfassen und die Lage der Dinge mit Blitzesschnelle zu
erbellen, so daß Polyeuktos der Sphettier gesagt haben soll, De-
naosthenes sei der beste , Phokion aber der gewaltigste Bedner').
*) Vgl. hieiu besonders Gompen, Wiener Stadien IV 102 f. Bieh-
ti^er urteilt aber die BeiiehuDgen der Akademie lam makedonischen
Königshaase Wilamowits, PhiloL Unters. IV^ 178 f., 839.
') Plot. Phoo. 5 oxi iiJT»Q fikv ßgiavog t(tj JfjuoaO'ivijgf elnstv di
Sstwotuxog 6 ^antav. Etwas anders Fiat Dem. 10 (liyunov iih slvcu
^j^TO^ Jill»oa&itnfPf dvpatAtaxov Sk sIkbIv ^axlava' nlelarov yoiQ h
fgQ^Xy^^V ^^'^ ^^'^ htfpe'ifstv. Vgl. aocb praec. reip. gerend. 7 und
Bennys a. a. 0. S. 52.
682 Zur Charakteristik Phokiont. Von 0. Bl^er.
In der Tat bildete die schlicbte Geradheit nnd nngetcbminkU
Offenheit seiner Darlegung, welche fast allen rhetoriecbeo Pnok
yerschm&bte nnd nur hie und da ein giflcklicbes Bild, eine b«-
zeichnende Antithese anwandte, einen scharfen Gegensatz za den
▼om Feuer der Leidenschaft dnrohgläbten Demegorien des Deno-
sthenea. Wie sehr ihn dieser ob der schneidenden Kraft osd zer-
malmenden Wncht seiner Bede in der politischen Erörtenog
fürchtete, beweist ein Wort, welches er, wenn Pbokion anftnt,
seinen Freunden zugefldstert haben soll: „71 t&v i(i&v Uym
xonig näQ$6tiv** nach PInt. Phoc. 5. Ähnlich Plut. Dem. 10 und
praec. reip. gerend. 7 {&vl6taxeu statt ndgeötiv). Etwas ?er-
änderte ' Fassung bei Stob. fior. 87, 84 Igxstai, { t^ Ifubv
kdymv tSf^Qa xal xonig. Bemays a. a. 0. 8. 52 mit A. 19 bebt
mit Becht hervor, daß in dem Worte xonig ^ welches eigentlidi
den barbarischen £[rummsftb6l bedeutet, der Nebenbegriff des un-
edlen liege, daß also mit dem Bilde der Bedeweise des Pbokion
zwar eine eigene Schneide zuerkannt, aber zugleich Mangel an
feinerer Kunst und edlerem Schwünge vorgeworfen werde. Das
Gleiche wtkrde der Ausdruck 6(pÜQa = Hammer bei Stobaeus be-
sagen. Bernays äbersetzt: „Das Hackmesser besteigt die Tribfise",
läßt also den Zusatz „rmi' iii&v X&ymv'' weg. Doch scheiDt mir
derselbe wesentlich, da durch das Bild der Gegensatz zwisebea
der phokionischen und demosthenischen Bedeweise und die gerade
an Demosthenes* Beden geübte scharfe Kritik nicht minder zam
Bewußtsein gebracht werden soll.
In der Nüchternheit der Lebensweise trieb es Phokion bis ZQ
spartanischer Strenge und Selbstverleugnung. Er war so abgeb&rtct,
daß er zu Hause wie im Felde niemals Oberkleider und Schabe
anzog, außer bei besonders strenger K<e, so daß die Soldaten
scherzend „den Phokion im Mantel"* {ivdedviisvov ^mxiiava^ Plvt.
Phoc. 4) zum Zeichen eines harten Winters nahmen. Wie sebr
sein Körper gestählt war, ersieht man daraus, daß er noch sie
SOjfthriger Greis an der Spitze eines Heeres ins Feld zu zieben
vermochte. Mit dieser Vorliebe für spartanische Leibesabhftrtmig
mag zusammenhängen seine Hinneigung zum spartanischen Wesen
überhaupt, die, wenn auch nirgends geradezu ausgesprochen, docb
bei Plutarch an verschiedenen Stellen deutlich durchblickt So rief
er einst zur Unterstützung seiner Ansicht einen gewissen Arche-
biades auf, der den Beinamen „der Lakonier" führte, weil er in
seinem Äußeren spartanisches Wesen geflissentlich zur Schau trug')*
Zum offenen Vorwurf machte man ihm den Lakonismus, als «r
>) Pkt. Pboc. 10; vgl. auch 20. Dieser Archebiades ist vielleicbt
derselbe wie der in Demosthenes* Bede gegen Konon (54, 81} erwihDte
falsche Zeuge, der Sohn des Derooteles; vgl. A. 2Schaefer, Demo«tbefi«i
1464, wo flbrigens Konon fftlscblich als Sebfitiling dea Denoethenff
genannt wird statt Ariston. Dieser Irrtnm ist dann auch übergegaag^B
in Kirchners Artikel „Archebiades«' bei Panly-Wissowa II 437.
Zor Cbarftkteristik Pbokiona. Von C. Büger. 683
8eio0D aogeratoiien Sohn Phokos zur BessornDg in die Zucht Dach
Lakedaimoo gab. Dieser PbokoB, der in allen Stücken das gerade
Gegenteil seinee Vaters war, wird fast durchweg als Wüstling und
Venebwender bezeichnet^). Wiewohl Pbokion öfters über ihn
Qogebalten war, scheint doch das gute Verhftltnis beider zueinander
nicht weiter gelitten zu haben. Vor seiner Hinrichtung ließ ihm
Pbol[ion sagen, er solle den Athenern wegen seines Todes nicht
zfimen, was aber Phokos nicht befolgte, indem er zwei von den
Anklftgern seines Vaters zur Verantwortung zog (Plut. Pboc. 86,
36). Nach Lolling (Mitteil, des archäol. Inst, in Athen V 582)
ist mit ihm identisch ein in einer Namensliste des IV. Jahrh.
anrftbnter O&xoq 'Iq>i6xid8riq* Danach würde die Familie des
Pbokion zum Demos der ^Iq>uftiädaL gehören.
Verheiratet war er zweimal. Von der ersten Frau wird weiter
nichts berichtet als daß sie die Schwester des Eephisodotos, viel"
leicht eines ftlteren Bruders des Praxiteles, war'). Die zweite, ein
Master Ton Tugend und Sittsamkeit, war ihm an Einfachheit und
Sittenstrenge ganz fthnlich. Nach einem Wiener Florilegium hieß
sie Krateia*).
Oanz allgemein Terbreitet war im Altertum nnd vielfach auch
in der neueren Zeit die Annahme, Pbokion sei arm gewesen, ja
es habe ihm sogar am Nötigsten gefehlt^). Dem steht aber doch,
wie Bernays (a. a. 0. S. 128, Anm. 20) hervorgehoben bat, ver-
schiedenes entgegen. So besaß er ein zwar kleines und einfaches,
aber doch nicht ganz schmuckloses, sondern mit Eupferplättchen
gedecktes Haus im Demos Melite, das noch zu Plutarchs Zeiten
gezeigt wurde ^). Ferner hatte er die Mittel, seinen Sohn Phokos
bei den Panathen&en an einem Pferderennen teilnehmen zu lassen
(Plut. Phoc. 20); eben diesem wurde, wie erwähnt, auch vor-
geworfen, daß er «das väterliche Vermögen" verpraßt habe. Auch
nahm er mit seinem Schwiegersohne Charikles eine natürliche
Tochter des Harpalos von der Hetäre Pythonike in sein Haus auf
und ließ es ihr an nichts fehlen*). Ja es wird sogar berichtet.
') Plut. Phoc. 20, 30; Stob. Flor. 17, 10; Athen. IV 168 E tov
^iDiUmvog vlov (^c&xoy oim i^v, og oit% ifiiaet lA^fjvalav ndvxa yuQ
ävttXataB xa natgma slg äamtiav.
*) PlDt. Pboc. 19; Fortwängler, Meisterwerke der griechischen
Plastik, S. 51S.
*) Plot. Pboc. 19; Diels, Deatsche Literatorieitong II 1956.
*) Lakian lappit. eonfat. 16, 1; lappit. trag. 48; Plat. Pboc. 30;
Nepos Pboc. 1, 2; Aelian Var. bist. 2, 43; 11, 19; Seoeca Controv. 2, 1,
18. Von Deoeren Qrota, Geschiobte OriecbeDlands VI 249: „Pbokion war
offenbar und offenkondig arm**. Aach Schfarcs, Die Demokratie I 588,
nennt ihn „arm wie einen Bettler".
*) Plot Phoc. 11; Wachsmotb, Die Stadt Athen im Altertum I 607.
*) Dieser Charikles, ein Baameister und Freund des Harpalos, baate
für dessen Geliebte Pjthonike ein Grabmal; später wurde er in den
harpalischen Proseß sowie in den des Pbokion verwickelt und, da er sich
geflOebtet hatte, abwesend sum Tode verurteilt. Plat. Pboc. 21—22; 33;
35; pjftec. reip. gerend. 13; Kirchner bei Paul j- Wieso wa III 2148.
684 Zur Charakteristik Phokioni. Von C. Büger.
er habe viele mit Oeldgeschenken bedacht nnd Töchter and«nr
mit Heiratsgat anegeBtattet ^). Endlicb sei noch hinzugefügt, dal)
alB im Jahre 322 die antipatrische Yerfaeenng eingeführt wnrdi,
welche das Bürgerrecht auf die im Besitze von mindestem 2000
Drachmen Befindlichen beschr&nkte, Pbokion nicht anter denjanigio
war, die biedarch des Bürgerrechts beranbt wnrden. Dies erscheint
um so mehr bemerkenswert, als der Zensus von 2000 Drafibmen
nach damaligen Verhältnissen ziemlich hoch gewesen sein muß,
da sehr viele, 12.000 von 21.000, ihn nicht aufzuweisen Ter-
mochten und deshalb aus der Zahl der Bürger ausgestoßen wurden').
Aus alledem scheint hervorzugehen, daß Pbokion nicht bloß nicht
arm, sondern sogar ziemlich wohlhabend gewesen sein muß. Dies
verdient um so mehr betont zu werden, als sich hieraus znm Teil
sein politischer Parteistandpunkt, sein beharrliches Eintreten für
die Oligarchie, d. h. für die Klasse der Besitzenden, und m
schroffes, abstoßendes Verhalten gegenüber der besitzlosen Heoge
erklären läßt.
Zugleich erfährt hiedurcb dasjenige eine Einschränkung, «u
uns über seine damals fast beispiellose Uneigennützigkeit Qod
Unbestechlichkeit berichtet wird. Jedenfalls hatte er es nicht nOtig.
Geschenke anzunehmen oder sich bestechen zu lassen. Allerdio^
muß zugegeben werden, daß er in dieser Hinsicht Proben geno^
zu bestehen hatte. Wie nahe es für ihn in seiner Stellung ai$
Feldherr lag, auf Raub- und Plünderungszüge auszuziehen aod
sich auf Kosten der Bundesgenossen zu bereichem, wie dies m^
Amtsgenossen Ghares, Gharidemos u. a. in der rücksicbtslosesteb
Weise taten, bedarf keines Hinweises. Doch erfreute er sieb in
Gegensatz zu diesen wegen seiner Bechtlichkeit und seines rock-
sicbtsvollen Auftretens bei den Bundesgenossen stets der größten
Beliebtheit (vgl. Plut. Pboc. 11, 14). In die gefährlichsten Ter
suchungen wurde er geführt durch seinen Verkehr mit dem make
donischen Hofe. Es ist begreiflich, daß die makedonischen Eöoip
alles aufboten, einen Mann, der so unermüdlich in ihrem Intereew
tätig war, auch durch äußere Beweise der Erkenntlichkeit sich n
verpflichten. Schon König Philipp hat ihm nach einer Andeutong
bei Plutarch (Phoc. 17) seine Hochachtung bezeugt. Geraden
überschüttet wurde er mit Geschenken und Gunstbeweisen alier
Art von Alezander, die er aber alle beharrlich zurückwies, selbst
auf die Gefahr hin, die Gunst des Königs zu verscherzen (t^I.
Plut. Phoc. 17—18). Nicht minder unzugänglich erwies er sieh
nach Alezanders Tode gegenüber den BestechungsversucbM det
Menyllos,! des Befehlshabers der makedonischen Besatzsog »
Athen, und des Antipater. Dem letzteren gab er, als er «tv^*
*) PlQt. Phoc. 10; Saidas q. «ox/oiy. Hiesa bemerkt freilich scboi
Heyne, opas. acad. Ill 846a: ünde Phocioni istae opes?
*) Plat. Pboc. 28; Diod. 18, 18. Böckh, Staatahaoshaltiuig ^^
Athener P 635; De Sanctii, Studi dt Storia antica II Sf
Zur Cbftrakteristik Phokioni. Von C. Büger, 685
[[oziemliches von ihm verlangte, die stolze, viel zitierte Antwort:
nOv dvvatai .... ^AvxiuaxQOg agia fiot xal q>LX(p xal xdXaxv
XQfjo^cct.** '). Endlich ging er auch aas dem harpalischen Prozesse,
eioer für viele so gef&hrlicben Klippe, unangetastet hervor, obwohl
ADJaß genug vorhanden war, den Verdacht der Bestechnng anf
ihn zu lenken. War doch sein Schwiegersohn Gharikles der offen-
knodige Agent nnd intime Freand des Harpalos und war er doch
auch selbst mit ihm wiederholt in Berührang gekommen. Seine
Geschenke zwar hatte er jederzeit zarückgewiesen '). Doch scheint
er sich mit Demosthenes für ihn verwendet zu haben, als von
makedonischer Seite seine Aaslieferang gefordert wurde, und im
Interesse seiner Vaterstadt froh gewesen zu sein, als Harpalos aus
dem Gefängnisse zu Athen entfloh und sich nach Kreta begab').
Schließlich nahm er sich auch, wie schon erwähnt, nach Harpalos*
Ermordung seines hinterlassenen Töchterchens an. Trotzdem wagte
sich die Verleumdung in keiner Gestalt an ihn heran. So erwies
er sich denn in der Tat sein ganzes Leben lang, wie Plutarch
sagt, „als ein vom Golde von allen Seiten uneinnehmbares Boll-
werk** (äg lQv(ia navxa%6^Bv dvdXmtov inb rotJ xQvölov^
Flut. Phoc. 21). Wenn man bedenkt, daß er zu einer Zeit lebte.
JD der Bestechlichkeit und feiler Verrat so überaus häufig waren,
unter politischen Gesinnungsgenossen, die zum Teil offenkundig im
Solde der makedonischen Könige standen, so wird man seiner sitt-
lichen Festigkeit und Unantastbarkeit eine gewisse Achtung nicht
versagen können, wenngleich nach unseren Anschauungen diese
Eigenschaften bei einem Manne in seiner Stellung eigentlich selbst-
verständlich sind. Je mehr aber seine Bedlichkeit und Sittenstrenge
im Gegensatz stand zu dem leichtlebigen, lockeren Tone, der da-
mals fast in allen Schichten der athenischen Bevölkerung herrschte,
um so mehr war sie geeignet, Ehrfurcht und Bewunderung abzu-
nötigen. £r war gleichsam der Spiegel, in dem die meisten das
Bild ihrer eigenen sittlichen ünvoUkommenbeit erblickten, und
seine Erscheinung mag auf die verwilderte, zügellose Menge einen
ähnlichen Eindruck hervorgebracht haben wie die des tugendhaften
Xenokrates, von dem Plutarch berichtet, daß sein bloßer Anblick
genügt hätte, um in jedem Menschen, sei er auch noch so sehr
von Übermut, Boheit und Leidenschaft beherrscht, sofort das Gefühl
ehrfurchtsvoller Scheu wachzurufen (Plut. Phoc. 27).
>) Ploi Phoc 80; Agit 2; de vitioso pud. 10; eoniog. praec 29%
Apophthegm. 16; Stob. Flor. 74, 49; Mich. Apost 18, 28.
*) Nach Plot Phoc. 21 soll Harpalos dem Phokion 700 Takiite
angeboten haben, nach vit. X orat. 846 B war dies jedoch die Somma,
die er überhaupt mit nach Athen brachte; auch bat an der ereteren
Stelle^ eine Handschrift (ParidDUi C) die jedenfalls ricbttgerti h9$%^^
*) Plot. Phoc. 21 xfiv hiiCvov acmjQUxp fv xwi Xoyff t»^^>«i
Vgl Droysen, Hellenismus 1,^ S. 279; Grote VI 658.
i
686 Zar Charakteristik PbokioDB. Von C. Büger.
HierauB erklärt sich wohl auch das hohe ÄDseben und das
beispiellose Vertrauen, dessen er sich bei der Bürgerschaft fast
nnnoterbrochen bis an sein Lebensende erfreute, obwohl er seiner-
seits nicht das Geringste dazn beitmg, sich dasselbe zn erwerben,
sondern im Gegenteil fast alles Mögliche tat, am das athenische
Volk sich zu entfremden nnd Ton sich abzustoßen. In seinem
ganzen Denken nnd Fühlen mehr zn der Stetigkeit und Strenge
dorischer Grundsätze hinneigend hatte er für den lebendigen, Tor-
w&rtsstrebenden , reiz- nnd wandelbaren attischen Yolkscharakter
kein Verständnis und wußte dessen Vorzüge nicht zu würdigen,
während er seine Fehler schonungslos Terurteilte, dabei selbst die
unedlen Waffen Terletzenden Spottes und bitteren Hohnes nicht
Terschmähend. Im Gefühle seiner eigenen Erhabenheit blickte er
mit herber Geringschätzung auf den Demos herab nnd setzte sich
zn allen seinen Neigungen nnd Wünschen, Bestrebungen und Zielen
in geraden Widerspruch^). Man darf in der Tat mit Plntarcb
(Phoc. 8, 10) seiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, dafi
ein solcher Mann, der seine Abneigung und Verachtung gegen das
Volk so geflissentlich zur Schau trug und beinahe zq allem, wai
▼on demselben ausging, den verkörperten Gegensatz bildete, licb
bis nahe an sein Ende an der Spitze eines Staates wie Athen
gehalten und eines so unbedingten Vertrauens seiner Mitbürger
erfreut hat, wie es sich einmal in der Erteilung des Beinamens
ÄgriöTÖg „der Brave**, und dann in seiner 45maligen^Wabl mn
Strategen, einem der einflußreichsten und wichtigsten Amter jener
Zeit, kundgibt.
Wenn Bernays (S. 54, Anm. 10) meint, der Beiname l^ij-
6t6g sei ihm gegeben worden teils wegen seiner sittlichen Bra?-
heit, teils wegen seiner gutmütigen Nachgiebigkeit und Läßlicbkeit,
so vermag ich von der letzteren Eigenschaft, obgleich sie in dem
Worte xQriazög liegen kann, in Phokions Charakter nicht viel »
erkennen. Überdies scheint ihm der Beiname auf öffentlichen Be-
schluß in der Volksversammlung zuerkannt worden zu sein (Snidas
u. Ocaxlcjv xQtiatbg ixX'q^ri xovvg thiq>p iv t^ ixxlriöia)^^
daß gewiß nur die sittliche Bravheit, nicht die gutmütige Nach-
giebigkeit, welche leicht einen tadelnden Nebensinn erweckt, dadorch
hat ausgedrückt werden sollen. Eine ironische Anspielung auf jeneo
Beinamen erblickt Bernays, S. 68 in einer Stelle von DemostbeDes'
Kranzrede § 89 zfjv vvv slgi^iniv oitoi xatic xfjg xcnfidog
triQoi><Jiv ol XQiiötoL Dies scheint mir aber deswegen niebt
sonderlich wahrscheinlich, weil unmittelbar vorher die Entsetmog
von Byzanz durch die Athener in sehr anerkennenden Werten
erwähnt wird, an der doch Phokion einen besonders hervorragenden
Anteil gehabt hat nnd für die er jedenfalls von DemostbeDes selbst
') Vgl. hiezu die für seine Stellung ssm Volke charakteristiicbü
Außemogen nnd Anekdoten bei Plnt. Phoc. 8—9.
Züi Cbarakteriiiik Phokiont. Von C. Eüger. 687
als Feldherr Torgeechlagen worden war'). Vielmehr bezeichnet
Demoethenes an der angeführten Stelle wohl nur im allgemeinen
seine Gegner, ftbnlieh wie knrz znvor in § 87 x&v diaggayAöl
xivsg toitmv.
Was sodann Phokions 45malige Wahl znm Strategen betrifft,
die Plntarch (Pboc. 8) als feststehend berichtet, nnd zwar ohne
dafi er zn den Mitteln der Wablbeeinflassnng griff, ja anch nur
bei den Wahlen persönlich anwesend war, so ist eine solche Ans*
zeichnnng nnd ein solcher Beweis andauernden Vertranens seitens
der Bürgerschaft in der Geschichte der athenischen Demokratie
ohne Beispiel. Um indes anch diese Tatsache nicht allzusehr zn
überseh&tzen, muß bemerkt werden, daß es stehende Sitte gewesen
zu sein scheint, bewährte Strategen Jahr für Jahr wieder zn wählen.
So war Perikles während seiner 40jährigen Staatsleitnng fast all-
jährlich Strateg, von Ghabrias läßt sich die Bekleidung der Stra-
tegie 14mal, von Iphikrates 15mal, von Timotheos 12mal nach-
weisen '). Sodann ist auch Phokions hohes Lebensalter in Betracht
za ziehen, sowie, daß er in den letzten Jahren nicht mehr durch
freie Wahl des Volkes Strateg war. Endlich hat er sich um die
Sirategenwürde zwar nie besonders beworben, dieselbe aber auch
Dicht gemieden und ausgeschlagen, wenn er dazu berufen wurde').
Trotzdem, daß er so oft Strateg war, kann doch das, was
er auf militärischem Gebiete geleistet hat, nur als mittelmäßig
bezeichnet werden^). Seine militärische Tätigkeit tritt entschieden
zurück hinter der politischen. Überhaupt erregte die Trennung der
militärischen und politischen Wirksamkeit, wie sie in seiner Zeit
80 ziemlich durchgeführt war, sein Mißfallen, und er selbst wollte
wie in alter Zeit nach der Weise des Perikles, Aristides und Selon
die Feldhermwürde mit der des obersten Staatsleiters in sich ver-
einigen (Plnt. Phoc 7). Man hat ihn hinsichtlich seiner militäri-
schen Leistungen nicht ohne Berechtigung mit Nikias verglichen,
mit dem er auch sonst manche Züge gemein hat. Ein Muster von
Pflichttreue und Diensteifer, den Strapazen des Krieges trotzend,
siroige Manneszucht haltend und im Augenblicke der Gefahr nicht
ohne Mut und Energie, war er doch stets der sichere Mann,
welcher nichts aufs Spiel setzt und ermangelte der wahrhaften
kriegerischen Begeisterung, welche allein zu großen Taten befähigt.
Das Kriegsbandwerk scheint ihm überhaupt wenig Freude gemacht
*) ComeL Nep. Phoc 8. A. Sehaefer, Demotthenes II 480.
*) VgL die ZosammenitelloDfr der atheDiseben Strategen bei Beloeh,
Attisebe Politik leit Perikles, S. 289 f.
*) Plat Phoc 8 od nttffarYilltov oMh lutnav, iXV o%9k t^B^ymv
oifS^ äxoSidifiiüxap t^g nolimg uaXovmjg. A. ächaefer, Demosthenes
aad seiae Zeit II 47.
*) Nepos Phoc. 1 sagt sogar: Multo eiu§ naiior inUgn
qu4»m müUarii labor; itaque huiuB memoria e$t nulla, iU
magna fama. VgL aveh Timoth. 4, wonach das Zeitalter d
athenischen Feldherm mit Iphikrates, Ghabrias und Timotheos i
688 Zur Charakteristik PhokioDt. Von C. Büger.
zu haben. Er betrachtete es mehr als eine Sache des GewisseoB,
der er sich Dicht entziehen konnte, denn als eine Sache des Herieni,
der er seine innere Teilnahme zuwandte. Während seine großen
Vorgänger Iphikrates, Chabrias and Timotheos fast jahraos jahrein
im Felde lagen and an dem politischen Treiben in der Stadt wenig
Geschmack fanden, sehen wir Phokion nur ab and za in ziemlich
großen Pansen an der Spitze einer kriegerischen Untemehmong,
nach deren Beendigung er gewöhnlich bald wieder in die Heimat
zurückkehrte. So hat er auch entscheidende Schlachten nicht ge-
schlagen und Aufsehen erregende Eriegstaten nicht Tollbracbt.
Immerhin waren die wenigen Unternehmungen» welche er geleitet
hatf vom Glücke begünstigt und brachten ihm mehr Bubm und
Ehre ein als sich nach dem Maße des dabei gezeigten Geschicke
und der aufgewendeten Mühe erwarten ließ. Dies gilt insbesondere
▼on seinen beiden wichtigsten Waffentaten, dem Feldzuge nach
Buböa mit der Schlacht bei Tamynä (um 850 t. Chr.) und der
Entsetzung von fijzanz (840 ▼. Chr.). Bei Tamynä hatte er seinen
Lagerplatz so wenig geschickt angelegt, daß er nur durch ein
hitziges und siegreiches Durchbruchsgefecht der Gefahr der Um-
zingelung und Gefangennahme entging, ein Schicksal, das seinen
Nachfolger im Kommando, Molottos, tats&chlich ereilte^), und bei
Byzanz verdankte er den Erfolg haupts&chlich seiner persönlichen
Bekanntschaft mit dem Stadtkommandanten Leon; auch scheint
seinem Mitfeldherrn Chares ein nicht zu unterschätzendes Verdienst
an der Befreiung dieser Stadt zuzuschreiben zu sein').
Den politischen Standpunkt Phokions kennzeichnet am
besten ein Ausspruch, den er tat, als Alexander bei Beginn seines
Zuges nach Asien von den Athenern die Stellung einer Anzahl too
Trieren forderte und die antimakedonisch gesinnten Bedner auf
die Forderung nicht eingehen wollten: „Wir müssen entweder mit
den Waffen siegen oder uns zu den Siegern freundlich stellen**^.
Bei der trüben Anschauung, die er Ton den damaligen politiicheo
Verhältnissen im allgemeinen und bei der geringen Meinung, dii
er von seiner Vaterstadt im besonderen hegte, hielt er die Behaop*
^) Vgl. hierüber A. Sehaefer, DemostheDes II 74 f.
3 Zwar wird dareelbe von Plat. Phoc. 14 scharf getadelt, weil «r
ennenswertes untemommeo habe ; doch heben im Gegensati din
die bysantinischeD Quellen anedrflcklich die Zweckmftßigkeit seiner Op^
rationen herfor. Jedenfalli liegt hier, wie auch sonst bei Plotareh, eine
ungebührliche Übertreibung der Verdienste Phokions Tor. Vgl. A. Sehaefer
II 476. Eine solche liegt nach E. Meyer, Gesch. des Altert V 894 auch
in dem Berichte über die Schlacht bei Nazos (876 t. Chr.) for, v«
Plntarch Phoc. 6 als Befehlshaber des siegreichen, linken Flügels ies
Phokion, Diod. XV 84 dagegen den Kodon nennt. Vielleicht ist aber
dieser Widerspruch dadurch lu erkl&ren, daft Phokion an Stelle des io
Kampfe gefallenen Kedon trat. Vgl. Behdanti, Vit. Iphier., a 60.
*) Plat Phoc. 21 Afym rolpw ^ftZv f xole onloig itqa%wt f
xol£ xQoiovai q>üuov£ dvai. A. Sehaefer, Demosthenes III 161 ; Drojses,
Helleniemas V, 242.
Zar Charakteriiiik Pbokfons. Von C. Büger. 689
tiiDg der alten Freiheit and ünabb&ng^igkeit gegenüber der auf-
blübenden makedoDiscben Monarcbie ffir aaseiebtslos und erblickte
in dem freiwilligen AnscblniS an dieselbe das beste Mittel, aas
den nnerqnicklicben politischen Zostftnden , welche damals in
Qriechenland herrschten, heraosznkommen. Eine nfichteme, prak-
tische Yerstandesnatnr, wog er das Für and Wider der gegen-
wärtigen and der anter Makedoniens Herrschaft za erhoffenden
Stellang gegeneinander ab and entschied sich hiebei aas Vemanft-
ood Nützlicbkeitsgründen für die letztere. Einen Kampf für die
idealen Güter der Freiheit and ünabb&ngigkeit ohne Aassicht aaf
Erfolg hielt er für Torheit and Yerblendang» and die M&nner, die
ihre Mitbürger za einem solchen Kampfe za begeistern sachten,
erschienen ihm als ünrahstifter and Yerschwörer, die mit allen
Mitteln unterdrückt and je eher je besser aas dem Staate entfernt
werden müßten. Somit hat er seiner Vaterstadt entgegen deren
rohmreichen Überlieferangen in der Zeit, als die erobernngslastigen
makedonischen Könige sich in die griechischen Verhältnisse ein-
mischten, eine Politik der Gleichgiltigkeit and tatenlosen Fügsam-
keit empfohlen, indem er allen Versachen, welche Taterlandsliebende
and hofEnangsfreadigere Männer zor VFahrang der staatlichen Selb-
ständigkeit antemahmen, einen beharrlichen Widerstand entgegen-
setzte. Das Bedenklichste hiebei war, daß er sich dadarch, wenn
aneh vielleicht anbewaßt, zam Genossen der schlechten Elemente
in der makedonischen Partei machte, die zam Teil offen in make-
donischem Solde standen, and denen er, indem er sie mit der
Unbescholtenheit seines Charakters and dem Gewichte seines per-
sünlichen Ansehais deckte, in ihren fiestrebangen wesentlichen
Vorschab geleistet hat. Wie laß and indifferent er in politischen
Dingen dachte, zeigen die Worte, mit denen er seine Mitbürger
za trösten sachte, als sie nach der Schlacht bei Ghaironeia bereaten,
mit Philipp Frieden geschlossen za habea: „Da ihr den Frieden
geschlossen habt, müßt ihr nicht angehalten sein, dessen eingedenk,
daß anch eare Vorfahren, indem sie bald herrschten, bald
sich beherrschen ließen and in beidem gat daran taten,
ihre Stadt and die Hellenen gerettet haben** ^).
In Tielfacher Hinsicht berühren sich seine politischen An-
sehaaongen mit denen des Bedners Isokrates , der ja bekanntlich
avch in seinen Heden seinen Landsleaten eine allgemeine Politik
dmm Friedens and der Gerechtigkeit empfiehlt and ihnen den frei-
willigen Anschlnß an König Philipp Yon Makedonien anrät, am
mit ihm gemeinsam gegen Persien za ziehen. Zwar i^t ans tod
einer Bekanntschaft and einem näheren Verkehr beider Mäuner
nichts überliefert, doch anterliegt es wohl keinem Zweifel^ daß
') Plat. Phoe. 16 lUfinjfuvovgf oxt xat ol n(f6yowt>t, «ü*^
T^TS^ 9olip iümcttv Tua xohg ''EXkrivag.
ZdtMhrift f. d. 6ttorr. Oyaui. ISOS. YHI. n. IX. Htfl. 44
1
690 Zur Charakteristik Phokioni. Yon C. Büger.
Pbokion die Schriften des Isokratee gekannt hat und wie viele
seiner Zeitgenossen von seinen Ideen beeinflaßt worden ist.
Wenigstens findet sich in Isokrates' Beden vieles, was Phokioos
politischen and sonstigen Anschauungen nahe verwandt ist, so
namentlich in der Sede vom Frieden, in der er seine Mitbflrger
zum Verzicht auf die Seeherrschaft als die Wurzel alles Übels
auffordert, ihnen die Übung der M&ßigkeit und Oerechtigkeit
empfiehlt, wodurch sie sich alle Feinde zu Freunden machen
wurden, und sie auf dieselbe energielose PassiTit&t und dasselbe
Gehenlassen, wie es geht, verweist, das Pbokion als Politiker io
die Wirklichkeit umsetzte. Mit Plut. Phoc. 8 OSxa 8b ewtc^ag
iavtbv inokixevBxo &bI tcqöq slQTJvfjv xal ijöviiav
vgl. Isoer. Yom Frieden § 6 c&g f^aviiav i%siv dal xal \i,th
fuydk(ov ini^vfislv nagic t6 dixaiav^ ikkh özigyBiv toig
jtaQ0i>6iv. % 12 diic (ihv Toi)g nagaivoüvtag dvxi%€<f9ai
tijg slgi^vTig oidkv TcAnoxs xaxbv ixäd^ogisv xxX. § 16 ipfnu
d' oiv Jjp^vat jcoistöd'ai xr^v slgi^VT^v . . . jcgbg axavtag
&v^Q(hnovg, § 20 f. (Schilderung der Nachteile des Kriegee
und der Segnungen des Friedens), § 26, 71; Archidamos § 50.
Wenn ferner Phokion Alezander den Vorschlag gemacht haben boIL
falls er sich nach Buhe sehne, solle er den Krieg beilegen, woin
er aber nach Buhm strebe, solle er die Waffen von den Heileo«
ab gegen die Barbaren kehren (Plut. Phoc. 17 övvsßoi^lBVB fi
0(oxl(DV, bI (ihv fjövxlag ögiysxaij %i6^ai tbv xöXsfiov'
sl dk dö^rig, giexa^iö&ai xgbg xovg ßccgßdgovg ixb
xcbv 'EkXi^vcDv xgan6^Bvov)t so bildet dieser Gedanke be-
kanntlich den Kernpunkt der politischen Anschauungen des Isokratee
und kehrt besonders oft bei ihm wieder, namentlich im Philippos,
dessen Zweck ist, KOnig Philipp zu veranlassen, unter den Helleneo
Frieden und Eintracht zu stiften und mit ihnen vereint die Perser
zu bekriegen. Vgl. auch Panathenaikos § 18 inh di t&v Xdyof
iiya(i6va xovxoav ysysvri(iivov x&v nagaxako'övxmv xovg
EXXrivag inl xs xr^v ögiövoLav xijv ngbg iXXi^lovg
xal xTjv ötgccxslav xijv inl xohg ßagßägovg. Briefül,
§ 2 övvsßovXsvov , . . slg ö(i6voi.av xaxaoxfjöai xohg "[Elili^a?
... slg xiiv 'Aölav xbv x6k£(jLov iieveyxsiv, ebenda § 4 u. d.
Wie Phokion eine Vorliebe für die spartanische Verfassung hatte
(s. oben S. ...), so findet dieselbe auch den Beifall des Isokratee,
wenngleich er gegen die Fehler der Spartaner nicht blind ist, vgl.
besonders den Archidamos, eine Verherrlichung des spartanischeB
Staates, und vom Frieden § 95 f. Beide sind Lobredner der alten
Zeit und möchten am liebsten die staatlichen EinriehtnogeD ans
der Zeit des Selon und Kleisthenes, Perikles und Aristeides wieder
eingeführt sehen; Tgl. Plut. Phoc. 7 ißovksxo t^v ÜBgi"
xXiovg xal ^AgiöXBiSov xal I]6Xiovog noXixeiap .•»
ivalaßBlv xal ixoäo'övai mit Areopagitikos § 16 BÜgtoxa yit^
xa-öxr^v iiövr^v &v ysvogiivTiv . . . tav xag&pxatv xax&v aMol'
Zar Charakteristik Phokioni. Von C. Büger. 691
Xccyi/iv, r^v i^sXi^60D(iBv ixslvriv rrjv dtifioxQatCav
ivaXaßsiVy ^v ZJöXcov iiiv 6 drifLOtixAtatog ysvöfievos
ivofio^itfiös, KXsiö^svrjg 8i . . . ndXtv i| igf^ig xaziöttiösv.
Wie PhokioD es aogem sah, daß za seiner Zeit die milit&rische
Tätigkeit tod der politischen getrennt war, indem erstere aas-
scbließlich Ton den Feldherren, letztere von den Staatsrednern ans-
gBÜht wurde (vgl. Flui Phoc. 7 öq&v äk rohg tic xoivic
j(Qd66ovxag z6ts diriQtifiivovg &6nsQ dicb xXi^Qov tb
^TQazrjyiov xal xb ßfjficc), so bezeichnet es auch Isokrates
wiederholt als durchaus für den Staat ersprießlicher, wenn das
Amt des Feldherm und das des Staatsleiters in einer Hand ver-
einigt ist. Tgl. vom Frieden § 54 roöoi^ov ds dLaq>iQO[isv tcbv
ngoyövmv^ oöov ixslvoL [liv zoi)g avtohg JtQOötäzag zb
Tfjg xökamg inoioüvzo xal özgazriyo'bg rJQO'övzOj
vo(illovzsg zbv inl zov ßi^fiazog zic ßiXziöta av[ißovk€'06ai,
dvvdiuvov^ zbv avzbv zoüzov dgiöz'^ &v ßovXBv6a6^at xal
xad^ avzbv ysvögievoVy f}p>6tg di zovvavzlov zovzav novo'ögisv.
Ganz ähnlich, fast mit den gleichen Worten Fanatben. § 148,
Pliilippos § 140 (AdXiöza zovzovg zvfi&6iv Sacavzag xal dav-
fid^ovöiVj oizivsg dfjupözsQa ävvavzaij xal itoXizavsö^at xal
<JZ(fazriyeiv. Wenngleich Isokrates als die beste Verfassung eine
mit Aristokratie Termischte Demokratie bezeichnet (vgl. Fanatben.
§ 153 Z7JV ZB dri(ioxQazlav . . . dgiozoTcgazla [Ui^vyiUvriv), so
scheint doch auch bei ihm gleich wie bei Pbokion eine größere
Hinneigung zur Aristokratie, bezw. zur Oligarchie bestanden zu
haben. Wenigstens beklagt er sich an einigen Stellen darüber, daß
man ihn mit seinen Friedensbestrebungen im Verdacht oligarchischer
Oesinnnog hat, z. B. vom Frieden § 51 Ttgbg [liv zoi)g zffg
Bi^ip^rig i^i'^lioihrtag G}g agbg ökiyagxixovg övzag äv-
isxökaig ixogisVj ebenda § 138 ärjgiozixohg (ilv vo^iiovzBg
zovg övxoq>dvzag, 6liyaQxixoi)g di zovg xakovg zs
xdycc&ovg. Areopag. § 70 XQäzov gikv ifiavzbv inidsl^ai,
ßovköfisvog ovx dXtyaQxi&v ovdh nksovB^t&v, iXXic öl-
xaüxg xal xo6fiCag ixi^v(ioi)vza noXizsiag, Auch betont er
immer nnd immer wieder, daß nicht allen im Staate die gleichen
Eechte einger&umt werden dürfen, sondern <iaß die Be§teD and
Tfiehtigsten, die Gerechtesten und Würdigsten an der Spitz.e des-
selben stehen und den maßgebenden Einfluß babeo müeeen, so
Areopag« § 21 zi^v ^hv (sc. nohzslav) z&v ccvtt^v d^ioi)&av
zo-bg X9V^''^^^S ^oX zohg xovriQohg dnaiSoxl^a^ov tag ov dixalav
o{ftKKVj ebenda § 60, Fanathen. § 182, 138, 139 L, 148, au
Nikoklee § 16 u. 0. Wie Pbokion mit seinen ADsicbten und Kät^
schlagen bei der Bürgerschaft oft auf starken Widerstand stieß
(vgl. Plni. Phoc. 9 nokkk iyh övfißsßovkBvxcc xakä xal av^i-
q)iQ€>v%€t xwzoig^ dkX' oi nsl&ovxal (loi, ebenda d ~
beschwert sich auch Isokrates des Öfteren über seine
öafi sie lieber Schmeichlern und Sykophanten ibr Q#li4r
692 Zur CharBktaristik Phokioni. Von C. Büger,
sich TOD den Gnten, Vernünftigen and Ehrlichen leiten laeeen, vgl
Panathen. 8 188 f., Brief IV, § 6, vom Frieden § 89, § 13
vo(ilißt€ dfniotvwDxsQOvg slvai zohg fis^vovtag t&v vfiipivtm
xal toi)g voi>v ovx l%(yifzag xav si (pQovoivxmv, Wenn m
femer in dieser Bede § 56 nach einem Ausfall über die Ungeschick-
lichkeit der damaligen athenischen Feldherrn heißt „Aiya dl xo^x^
oi xaxic xdvxmv, ikkic x&v ivöxmv xotg ksyofiivoig övtov^f
so liegt es nahe, bei der Ansnahme, die der Bedner macht, lo
M&nner wie Phokion oder Timotheos zu denken. In letzterem sieht
Isokrates das Master eines Feldherm and gibt Ton ihm Antidosii
S 107 f. eine aasführliche Gharakterzeichnang, die in Tieler Be*
ziehong aach aaf Phokion trifft. Beide zeichneten sich durch ibit
gute Manneszucht, durch ihr rücksicbtsTolles Auftreten und ibit
Beliebtheit bei den Bundesgenossen aus, die ihnen bei ihrem
Herannahen von selbst die Tore öfEheten, Tgl. Antidosis § 126
xoiydQXOt diic xifv ddl^av xi^v ix xovxcop yiyvofiivriv isoXld
xäv ytöksmv x&v Tcgbg i(Aäg dvöxöXmg ixov6&v ävaxsxxa-
liivaig aixbv idi%ovxo xalg yföXaig mit Plut. Phoc 11
sl di ^anUfov ijyotxOy nöggoD vavöiv IdUug ixavx&vxBg
icxBfpavtoiiivoi xal xalgovxsg Ag aixohg xaxHyov, ebeodi
c. 14 (von den Byzantinern) o^ staöccv ||gi öxgatoXBdiMa
ßovXdiisvov, iXV dvöl^avxeg xicg nvXag i8i\avxo. Seid«
yerstanden es nicht, der Bürgerschaft zu schmeicheln und nach
dem Munde zu reden und zogen sich durch ihr stolzes« selbit-
bewußtes und oft schroffes Auftreten viele Feindschaft zu, Tgl.
Antidos. § 181 oüxai yhg dtpviig l^v Tcgbg xi^v x&v dv^gdnua/if
%BQanBlav &gjcsQ dsivbg nsgl xijv x&v XQayfidtov ixiiuXsupf.
ebenda § 188, 186, 188 mit Plut. Phoc. 8 xkslöxa xoü ^coxiovo;
dvxixQoüovxog aixm (sc. x^ dtiyLo) xal firidiv ebtövxog xdmoii
firjöi XQd^avxog xgbg %dQiVy ebenda c. 10 xQa%hg ovx&g ib^p
xal öxv^Qomög .... xal dvösxßlaöxog xal djcagalxfjxog. Beidi
▼erdankten ihre Erfolge nicht zum wenigsten ihren treffliches
Charaktereigenschaften und der sittlichen Kraft ihrer Persönlichkeit,
▼gl. Antidos. § 122 r^ (liv dwdfLBi xohg xijg xöIbo^ zoXt-
yLlovg xaxBöXQitpszo^ xp ö* i^^sv xi^v eijvoiav xiiv x&v dilop
XQogi^ysxOf vogilia)v rot)ro öxQaxiqytifia fui^ov slvai xal xdUUof
^ xokUcg nöie^g ikstv xal nokldxig vtxfjöai iiax6(Uvog fxA
Plut. Phoc. 10 alg xbv dkkov ßlov eifisvfj naOi xal Ttoivbv m^
tpiXdv^Qmmyv iavxbv nagsixavy ebenda c. 14 xaxb piv iMd-
^r^öav ol 6v(i(iaxoL xijv XQV^'^^^V''^^ ^^^ dixaioöf&vffv aixov,
xaxh 8h Syvmöav ol 'A^rivaloi xfjv iiucaiglav xal ^Afii^v xov
dvÖQÖg u. ö. Endlich sei noch bemerkt, daß Isokrates allentbalbes
in seinen Schriften dieselben Lebensgrundsätze und Lebensregeta
empfiehlt, wie sie Phokion praktisch zu bet&tigen suchte, Oboof
▼on M&ßigkeit und Oerechtigkeit, Besonnenheit im Glück, Oelassea*
heit im Unglflck, tugendhaften, ▼orbildlichen Lebenswandel, ▼?!•
z. B. Nikokles § 29 olfiai yicQ iyä) ndvxag &v Si^oloyifici
Zar Charakteristik Phokions. Von C. Büger. 693
%ls(ötov v&v iQSt&v ii^ag slvai ti^v ts öcnfpQo^ivriv xal xr^v
dixaioövvflVj an Nikokles § 89 xccl (ifj diataQcnto(iiv(yvs iv
talg zoü ßlov (iBtafioXatg^ dXXic xakäg xal fistglcog xal xicg
Ovfupogicg xal zicg sitvxCag (pigeiv ini6tagiivovg. Antidos.
§ 278 tlg yicQ iyix olds . . • ticg nlötaig (AStf^av dvvafiivag xicg
ix TOt) ßlov ysysyrifiivag ^ xicg inh roi) X6yov xsnoQiögiivag;
ebenda § 280 xb dk doxstv slvai xakbv xiya^bv oi) fiovov
xbv kiyov möxixsQov ixolf}66v dllä xal xicg XQdißig xoi> xi^
xoutvxriv dö^av ixovxog ivxi^uyciQog xazi^zriöav.
Mit welcher Einseitigkeit, ja engherziger Beschränktheit
Phokion das von ihm erwählte politische Programm befolgte, zeigt
sein nnbegreifliches, mit nichts zu entschuldigendes Verhalten gleich
oaeh Alezanders Begiemngsantritt, als dieser den von Athen and
Theben unternommenen Aufstand unterdrückt, über die Thebaner
•in forchtbares Strafgericht yerh&ngt und nach Athen Gesandte
geschickt hatte mit der Forderung, die Anstifter des Aufstandes»
besonders Demosthenes, Lykurgos, Hypereides, Gharidemos und
Charest auszuliefern. Da war es Phokion, der im Hinblick auf das
Schicksal Thebens in dringenden Worten die Auslieferung der
Mftnner befürwortete; es genüge, wie er sagte, daß Theben weint*).
Zorn Glück waren die Athener besser als er angenommen hatte.
Mit Unwillen und Entrüstung wiesen sie seinen Torschlag tou sich
QDd drängten ihn unter lautem Geschrei tou der Bednerbühne.
Lykurg machte ihm heftige Vorwürfe über seine scbmachToUe Ge-
sinnung, worauf er auch noch erwiderte, er habe den Athenern schon
Tiele, nützliche Batschläge gegeben, aber sie hörten nicht auf ihn *)•
Daa Benehmen Phokions in dieser Angelegenheit wirft auf
seinen Charakter einen starken Schatten. Wie konnte er an seine
Mitbürger ein Ansinnen stellen, das, wenn es befolgt worden wäre,
%w\ge Schmach und Schande auf sie geworfen hätte? Die Thebaner
waren, wie er sagt, seines Mitleides wert, seine eigenen Mitbürger
dagegen, die, wenn sie auch seine politischen Gegner waren, doch
— daa mußte wohl auch er sich sagen — in erster Linie aus
Vaterlandsliebe gebandelt hatten, wollte er kaltblütig dem Tode
preisgeben! Es läßt sieh hiefür kaum ein anderer Beweggrund
ausfindig machen als persönlicher Haß und kleinmütige Verzagt-
heit, and man kann seinen Gegnern nicht so ganz Unrecht geben,
wenn aie behaupten, dieser eine Punkt genüge, um den Stab über
ihn za brechen'). Sehr bezeichnend ist es, daß Bernays, einer der
>) Plot. Phoc. 17; Diod. 17, 15. A. Schaefer. DemostbeDes IIP 127 f.
') Plot. Phoc. 9 TloJiXu kym cvikß$ßoiiUv%a xaXa xal cvi^pigomcc
xovxotgf &W o^ nBi^vxai fioi,
*) Sehr scharf spricht sich Niebnhr, Vorträge S. 446 f. aos: „Der
einzige Zug ist genügend, daß er Demosthenes aufforderte, in den Tod
zu geben. Das silein kann den Nimbus der Togend ?on ihm nehmen. Z
der Klasse ton Lenten, die zwar nicht bOse sind, aber unendlich niedr
iD moralischer Hinsicht steheoi ganz indifferent, alles Enthnsiasmas ga
unfähig gehört Phokion".
694 Zar Charakteristik Pbokions. Von C. ROger.
beredtesten Verteidiger Pbokions, über den ganzen Vorgang, obwohl
derselbe im Altertum bocb berühmt war nnd die dabei gehaltenen
Seden noch Livius gelesen hat (vgl IX 18), stillschweigend hin-
weggeht*).
Daß die Athener w&hrend Alezanders Zag nach Asien keinen
ernstlichen Erbebungsversacb machten, wird gewiß nicht inm ge-
ringsten Teile Pbokions Einfloß zuzuschreiben sein, daher wohl
auch die reichen Gunst- und Onadenbezeugungen , die Alexander
aus der Ferne ihm zukommen ließ (vgl. oben S. 684). Dagegen
yermochte er den Aasbruch des lamiscben Krieges nach Alexanden
Tode nicht zu verhindern, wiewohl er es auch hier an Warnungen
und trüben Prophezeiongen aller Art nicht fehlen ließ'). Selbst
die anfänglichen Erfolge des Leosthenes Termochten ihm eine
bessere Zuversicht nicht einzuflößen. Während seine Mitbürger voll
freudigster Hoffnung waren and den Göttern Dankopfer brachten
und Freudenfeste feierten, entgegnete er auf die Frage, ob er nicht
an Leosthenes Stelle sein und das von ihm Getane ausgefnhrt
haben möchte, das schon, aber der Bat, den er gegeben habe, m
doch der bessere'). Ja, als mehrere Siegesbotschaften einliefen,
soll er ausgerufen haben: „Wann werden wir endlich aufhören in
siegen?**^) Man wird nicht umbin können, Niebubr, der sonst
Phokion nicht immer gerecht wird, beizupflichten, wenn er ihn im
Hinblick auf solche Aussprüche, die gewiß nicht jeder historischen
Grundlage entbehren, zu den Leuten rechnet, welche „triampbiereo
über Dinge, die sie sonst mit ruhigem Sinne beklagt h&tten; aber
ihre Weisheit hatte es gesehen, und sie kränkten ihre Gegner"
(Vortr. n 447).
Noch bedenklieber und zweideutiger wurde sein politiscb»
Verbalten in seinen letzten Lebensjahren, wo er sich mehr nnd
mehr zu einem entschiedenen Vertreter der Oligarchie nnd Gegner
der athenischen Demokratie entwickelte. So war er eine der Haopt*
stützen der von Antipater nach Beendigung des lamiscben Krieges
eingeführten oligarchischen Verfassung, die das Bürgerrecht aof
die im Besitz eines Vermögens von 2000 Drachmen Befindlichen
beschränkte. Nicht weniger als 12.000 wurden hiedorch ihrer
bürgerlichen Bechte beraubt und gingen meist in die Verbannung^).
Außerdem blieb fortan zur Stütze der neuen Verfassung eine make*
doniscbe Besatzung in Munycbia, worüber die Athener ganz be-
sonders unwillig und ungehalten waren. Mit dem Befehlshaber
*) Nur im Anhang seines Buches S. 180, Anm. 21, weist er bei-
Iftnfig darauf bin. ..
*) Vgl. die Anßeran^en bei Fiat. Phoc. 22 und 28.
*) Plat. Phoc. 28 „Ilaw fih", i(pfj, ^ßsßovXeyod^ai dk hatwa^^
^) Piut. Pboc 23 „Uote iga*^, tpavat^ f^navaofisd'a vix&wxBg;*
*} Vgl. Aber die antipatriscbe Verfassong Böckh, StaaUhauehaltoD^
der Athener P 46; Bernsys, S. 78—82; De Sanctie, Studi di Stcrw
antica II 3 — 5.
Zar Charakteristik PhokioDS. Von C. Büger, 695
derselbeD, Monyllos, sowie mit Antipater selbst stand Phokion im
besten EinvernebmeD, nnd es mnß anerkannt werden, daß er den
Einfluß, dessen er sich bei Antipater erfrente, wenigstens dazu
verwendete, die Härten, die die Verfassangs&nderang mit sich
brachte, zu mildem nnd namentlich das Los der Ansgewiesenen
za erleichtern^). Im ganzen herrschten unter der antipatrischen
Verfassung, die nngefähr dem Ideal entsprechen mochte, das sich
Phokion von einer Staatsverfassung machte, äußerlich leidliche
Zustände. Der Wohlstand begann sich zu heben, die Bürger hätten
sieh vielleicht in die veränderte Ordnung der Dinge gefunden, und
auch Phokion wärde sein Leben vielleicht in Buhe beschlossen
haben, hätte nicht der Tod Antipaters (319 v. Chr.) alles wieder
in Frage gestellt und einen vollständigen Umsturz aller Verhält-
oisse herbeigefährt.
Zu seinem Nachfolger als Beichsverweser hatte Antipater
Dämlich nicht seinen ehrgeizigen Sohn Kassander, sondern seinen
alten Wa£Fengefährten Polyperchon ernannt. Infolgedessen entspann
sich zwischen diesen beiden ein heftiger Kampf, der auch fär die
Gestaltung der Dinge in Athen von einschneidender Bedeutung
war und insbesondere für Phokion verhängnisvoll werden sollte.
Kassander stützte sich nämlich auf die oligarchische Partei, deren
Haoptvertreter Phokion war, Pplyperchon dagegen auf die demo-
kratische Partei, speziell auf die zahlreichen Verbannten, denen er
durch ein königliches Dekret die Bückkehr in die Heimat und die
Wiedereinsetzung in ihre bürgerlichen Bechte verhieß.
Ohne im einzelnen hier auf die politischen Verwicklungen
einzugehen, die zur Abschaffung der antipatrischen YerfasBüng,
zur Einführung der Demokratie in der schrankenlosesteD ForEii und
im Zusammenhang damit zu Phokions Hinrichtung {19. Manjchion
318) führten, sei nur soviel bemerkt, daß seine VeruiteiliiD^ zum
Tode, die Plutarch als eine Art Justizmord hinstellt, docli nicht
jeder rechtlichen Grundlage entbehrt zu haben scheint, namentlich
in Bücksicht auf sein eigentümliches Verhältnis zu Nikanor, der nach
Antipaters Tode als Nachfolger des Menjllos das Kommando über
die makedonische Besatzung in Munychia übernahm nnd sich von
da ans bald nachher durch einen Handstreich auch noch des Piraeua
bemächtigte. Schon bei dem Wechsel im Kommando scheint Phokion
die Hand im Spiele gehabt zu haben. Wenigstens wurde er he-
schuldigt, Antipaters Tod im voraus gewußt, aber au^ Gefälligkeit
gegen Nikanor verschwiegen zu haben, bis der Wechsel volhogeo
war. Auch stellte er sich, ohne sich um die gegen ihn erhobenen
Beschuldigungen weiter zu kümmern, zu dem neuen Befehti
') So erwirkte er für eine Ansahl derselben die ßrUnbi
außerhalb Qriechenlands sich in der Peloponnes ansiedeln tu di
ihnen gehörte auch Hagnonidee von Pergase, der später hsQ]
die Anklage Phokions betrieb. Fiat. Phoc. 29—30; Poljb 9, S
696 Zur Charakteristik PhokioDi. Yon C. Eüger.
in ein sehr freandschaftlichea Verhältnis, empfahl in einer üotor-
redang die Athener seiner Güte nnd Nachsicht nnd bestimmte ihn,
nm sich die Volksgnnst zn gewinnen, das Amt eines Kampfnebten
zu übernehmen nnd dem Volke anf seine Kosten reich ansgestattoto
Festspiele zu geben ^). Als dann aber die Athener gestützt sof
das Freiheitsdekret Polyperchons von Nikanor die schleunige Est-
femnng der makedonischen Besatzung yerlangten, sachte dieser
durch allerhand Ausflüchte Zeit zu gewinnen, w&hrend er gleich-
zeitig seine Stellung durch nftchtlicbe Zuzüge möglichst TersUrkte,
jedenfalls in der Absiebt, die Stadt Athen für seinen Hern
Kassander zu behaupten. Als die Athener hierüber unruhig worden,
ließ er sich von Phokion seine persönliche Sicherheit verbürgeo
und erschien in einer Batsversammlung im Piraeus, um sieh in
eigener Person mit den Bürgern auseinanderzusetzen. Hiebe! machte
Derkylos, der Stratege der Landschaft, dem wie auch anderen
Nikanors Benehmen schon l&ngst Terd&chtig vorgekommen war, den
Versuch ihn zu yerhafien. Doch wurde er noch rechtzeitig gewarnt
und entkam'). Diese Warnung war jedenfalls von Phokion aus-
gegangen. Wenigstens erhob sich gegen ihn lauter Unwille, ds6
er Nikanor habe entwischen lassen. Phokion entgegnete auf die
ihm gemachten Vorwürfe, daß er in Nikanor unbedingte Vertraaen
setze. Wenn er sich aber t&usche, so wolle er, wie er sagte, lieber
Unrecht leiden als Unrecht tun'). Auch als die Anzeichen ?on
Nikanors feindseligen Absiebten auf den Piraeus sich mehrten, als
er Söldner nach Salamis übersetzte und mehrere Bewohner dse
Piraeus durch Bestechung für sich zu gewinnen suchte, ließ sich
Phokion durch die wiederholt bei ihm hierüber angebrachten An-
zeigen und Klagen in seinem blinden Vertrauen nicht erschüttern.
Ja, selbst als Philomelos von Lamptra beantragte, daß alle Athener
sich bewaffnet halten und sich Phokion als Strategen zur Verfügoof^
stellen sollten, achtete er nicht darauf. W&hrend man nun noch
darüber beriet, welche Maßregeln gegen Nikanor zu ergreifen
seien, rückte dieser plötzlich bei Nacht heimlich aus Munychia
aus, besetzte die Mauern und Hafenbefestigungen des Piraeus und
Terscbanzte sich hier in ähnlicher Weise wie in Munychia^).
Angesichts dieser Tatsachen ist es kaum anders denkbar,
als daß Phokion im Einverst&ndnis mit Nikanor gehandelt osd
sich zum mindesten einer schweren Pflichtvergessenheit und Nach-
>) Plnt. Phoc. 31; Soidas a. iyavo&hfig.
>) Plat Pboc. 82; Nepos Phoc. 2.
•) Diod. 18, 64; Plot. Phoc 32 d dh lui^y imUow k^ÜBiv ddaunh
H8vog 9 ddLx&v (fctveffog ytvead'aL, Über diesen der antiken Moral bis
auf Plato (? gl. Gorgiae S. 469 c) fremden Satz s. Bernays S. 45. Ähnlich
ist eine bei anderer Gelegenheit getane Anßerang Phokions Plat Phoe. 84
xcrl T&v (fiXmv XBvovtmv ^g dnod-avsTtai XQogxQOvmv totg Mijvaiott
„^AdCxag**, slns9, „tfy noiä tö üVfAtpiQOv^ &v Sk nccQaßalvat^ dutaUts*.
«) Diod. 18, 64; Plot. Phoc. 82.
Zur Charakteristik Pbokioos. Von C. Büger. 697
lluigkeit, wo nicht des Verrates schuldig gemacht hat Als Militär
müßte er sich über den Zweck der verdächtigen Maßnahmen
Nlkanors sowie über die strategische Wichtigkeit des Plraens toII-
Irommen klar sein*), wie denn in der Tat die Athener über die
Wegnahme desselben anfs äußerste ungehalten waren, da sie sich
dadurch der so wichtigen Verbindung mit der See beraubt und
den Oefahren einer Hungersnot preisgegeben sahen. Daß er Nikanors
Verhaftung Tereitelte, kann höchstens damit entschuldigt werden,
daß er sich für seine persönliche Sicherheit yerbürgt hatte. Auch
mochte er für den rechtmäßigen Nachfolger Antipaters, seines bis-
herigen Herrn, dessen Sohn Eassander, nicht Polyperchon halten,
und daher sich yerpfiichtet sehen, für Kikanor, Kassanders Unter-
gebenen, einzutreten.
um 80 befremdlicher ist es und dazu angetan, an seinem
Charakter yoUständig irre zu werden, daß er kurz danach Nikanor
doch noch fallen ließ und plötzlich zu der Partei Polyperchons in
Beziehungen trat. Als nämlich dessen Sohn Alezander mit Heeres-
macht vor der Stadt erschien, begleitet von zahlreichen Verbannten,
die auf Orund des Freiheitsdekretes die Wiedereinsetzung in ihre
bürgerlichen Bechte verlangten, ging ihm Phokion mit seinen
politischen Freunden entgegen, machte ihn auf die Vorteile der
Besitzergreifung Munychias und des Piraeus aufmerksam und riet
ihm die beiden Plätze zu besetzen und nicht eher wieder heraus-
zugeben, als bis Kassander vollständig besiegt sei. Zu diesem
höchst bedenklichen Schritte veranlaßte ihn, wie es heißt, die
Furcht vor der Erbitterung des Volkes und vor den beim Sturz
der Oligarchie und Wiedereinführung der Demokratie zu erwartenden
gesetzlichen Strafen'). Hienach trifft ihn der Vorwurf des Landes-
verrates und der politischen Gesinnungslosigkeit im vollsten Um-
fange. Denn er bot ja geradezu die beiden wichtigsten Hafenplätze
als Preis für seine persönliche Sicherheit und scheute sich nicht,
die Sache Nikanors und Kassanders, der er bis dahin immer ge-
dient hatte, plötzlich aufzugeben und mit der Gegenpartei zu unter-
handeln, in der Hoffnung, sich durch sie vielleicht noch retten und
') Nach Nepos bildete denn auch die Preisgabe des Piraeoi den
HanptgroDd so seiner Verorteilnng, vgl. Phoc 2 conddit autem maxitne
ufu> eriminef guod, cum apud eum summum esset Imperium poptUi
iussu, ei Nicauarem, Ciusandri praefeetum insidiari Piraeo a Bercylo
moneretur, idemgue posttdaret, utpravideret, ne commeatibus civitaa
privaretur, huic auaiente poptUo Ihocion negavit esse perictUum seque
etus rei ohsidem fore pollicitus est; ebcDda 4 Mio ab Hagnone aeeusatus,
gt&od Piraeum Nicanori prodidisset,
') Diod. 18, 65 t&v yic^ ]AvTin6txQ<p ywyovovmv ipiXmv xwis^ &v
^X'^ifXOw lud ol »tgi tPmx^oya, ipoßoviifvot. ricg ix tAv vofkmv
TLfnogiag 'bxijpTiiaav 'Ale^avdQipt xai dtÖa^avtsg x6 avpLtpigov insicav
n-brcw idi^ juttixsw %a ipQOVQta xal itij nagaSavpai rols ^Ad^^aloig^ f^XQ''
&9 6 Käüvwdgos lunanoXtuij^^,
698 Zar Charakteristik Pbokioni. Von C. Rüger.
behaupten zu können^). In dieser Ho£Fnang sollte er sich fnilich
get&nscht sehen. Denn Alezander nnd sein Vater Polyperehon, die
vielleicht das Anerbieten der Oligarcben betreffs der Hafenplätze
eine Zeitlang in Erw&gnng gezogen haben ^)y entscblosseo sich
doch schließlich, der demokratischen Partei treu zu bleiben, der
gegenüber sie sieb durch das Freiheitsdekret yerpflichtet hatten,
and sich ihrer zu bedienen, am die Oligarchie za stärzen and
deren H&npter, Tor allem Phokion, dnrch HochTerratsprozease zu
beseitigen'). Wenn nun auch bei dessen Vernrteilang Partelleiden-
Schaft und politischer Haß in hohem Grade mitgespielt haben —
denn die Vorg&nge, die sie herbeifährten, tragen, wie unsere Ober-
lief erang zeigt, einen &aßerst stürmischen and dramatisch bewegten
Charakter — so kann doch auch, abgesehen bioTon, das über ibo
verhängte Todesurteil, namentlich im Hinblick auf die in der letztec
Zeit seines Lebens von ihm getanen Schritte kaum als ungerecht-
fertigt angesehen werden. Wenn daher Plutarcb am Ende seiner
Phokionbiographie (c. 88) meint, das Verfahren gegen ihn bat»
die Behandlung des Sokrates wieder in Erinnerung gebracht, indem
man den in beiden Fällen begangenen Fehler und das für dii
Stadt daraus entspringende Unheil ganz ähnlich fand, so kann ?od
einer solchen Ähnlichkeit höchstens äußerlich die Bede sein. Inner-
lich besteht kaum irgend welche Qemeinschaft zwischen der nüch-
ternen, begeisterungslosen, ja oft kleinlichen und niedrigen DeoiL-
weise eines Phokion und dem hohen Qedankenfluge und der sitt-
lichen Größe eines Sokrates, der als ein echter Märtyrer för
Wahrheit und Becht in den Tod ging und dessen Bild in veit
reinerem und hellerem Glänze strahlt als das des Phokion. Denn
wenn auch zugegeben werden soll, daß dieser zumeist im gutes
Glauben gehandelt und das Wohl seines Vaterlandes zu fördern
gemeint hat, daß er sich durch manche treffliche Charaktereigec-
Schäften von der Mehrzahl seiner Zeitgenossen vorteilhaft abkob
') Wie sehr er übrigens trotz seiues hoben Alters and troti
sonst geflissentlich zar Schaa getragenen Buhe and Gleichgiltigkeit geges
alles am Leben hing, beweisen die venweifelten Versocbe, die er
während seines Prozesses machte, nm sich Gehör so verschaffen, indem
er, als er fortwährend Überschrieen warde, in der Todesangst aller Fasssag
bar, den Körper heftig hin ond her warf and sich durch das erregtafte
Gebärdenspiel verständlich zu machen sachte. Erst als er sab, diA a}Jcs
vergeblich war, gewann er seine Babe wieder. Vgl. Plot P^oc. 34;
Diod. 18, 67.
•) Diod. 18, 66 d ÜoXvaniifxmv iaicsvds (lev (pQOtfd^ xofijftf w
Ilti^aiä dicc rö noXXa Svvaad'ai xiftjaigievstv xöv XipLiva n^og f^S ^
noUfiOLg x^fiaff.
*) Von einer Sinnesänderung Poljperchons berichtet Diodor s. a. <l|.
{fiitevo^ae Tg yvcafiy). Möglicherweise aber sind er sowohl wie seia Öo»
Alexander von vornherein entschlossen gewesen, nicht mit Phoki« ■»
den Oligarcben sa gehen, sondern sie haben nar zum Schein mi^ ^***
verhandelt, ara ihrer habhaft za werden nnd sie dann am so «cfaavc «&
verderben.
Stadien tar christlich-Iateio. Intehriftenpoesie. Von C, Weyman. 699
and daß er uns als eine der letzten markanten Persönlichkeiten
des linkenden Heilenentnms entgegentritt, fär deren Volkstümlich-
keit schon die ungewöhnliche Fülle der über ihn im ümlanf befind-
lichen Anekdoten und Aussprüche zeugt — so findet sich doch
andrerseits in seinem Wesen so mancherlei, was seiner vollen sitt-
lichen Wertschätzung Eintrag tut, und bei aller Teilnahme, die
sein tragisches Ende hervorruft, ergibt sich doch, wenn wir die
Umstinde in richtige Erwägung ziehen, daß dieses Ende nur die
notwendige Folge seiner eigenen Handlungsweise war. Denn da
er sieb, namentlich in seinen letzten Jahren, mehr und mehr oli-
garcbischen Bestrebungen und Tendenzen zuwandte und dem
athenischen Demos, ohne Verständnis für dessen Ziele und Wünsche,
jederzeit rücksichtslos und schroff entgegen trat, so war bei einem
überhandnehmen und Überschäumen der demokratischen Elemente
ein anderer Ausgang kaum zu erwarten. Die beleidigte Volkswut
forderte früher oder später ihr Opfer. Demosthenes hatte das Ge-
fährliche in Phokions Stellang richtig erkannt and einst in die
Worte gekleidet: „Die Athener werden dich tüten, wenn sie in
Wahnsinn geraten**, worauf Phokion gelacht und erwidert hatte:
^dnd dich, wenn sie vernünftig sind** (Plat. Phoc. 9). Zwar meint
Plutarch (Phoc. 88), die Athener hätten bald nach Phokions Tode
ihr Tun bereut, indem sie, durch die Umstände belehrt, um welch
einen Hort and Hüter der Mäßigang und Qerecbtigkeit sie sich
gebracht, ihm eine eherne Bildsäule errichtet, seine Qebeine auf
Staatskosten begraben und seine Ankläger zor Verantwortung ge-
zogen hätten. Allein in Wahrheit konnte von einer Beue des Volkes
keine Bede sein ; vielmehr gewann nur wenige Monate nach Phokions
Tode die oligarchische Partei in Athen wieder die Oberband, indem
Esssander sich der Stadt bemächtigte und Demetrios von Phaleron,
den Freund und Genossen Phokions, der zugleich mit ihm ver-
urteilt, aber noch rechtzeitig entflohen war, zum Stadtverwalter
einsetzte. Für ihn und seine Partei war natürlich die Ehrenrettang
Phokions die erste Pflicht.
Dresden. Prof. Dr. C. Büger.
Stadien zur christlich - lateinischen Inschriften*
poesie.
I. Die tituli des hl. Ambrosius zu den Gemälden der
Mailänder Basilika.
Ambrosius von Malland hat nicht nur Eirchenbymnen, sondern
anch Epigramme gedichtet. Die Forschang über die Hymnen ist
jetzt insofern zu einem gewissen Abschluß gelangt, als die lange
beobachtete übertriebene Zurückhaltung, die sich in dem sogen.
^ Vierbymnendogma' ausprägte, durch die Arbeiten von Biraghi,
700 Stadien xur chrittlioh-lateio. InschriftADpoeiie. Von C. WeyvMn,
Dreves nnd Steier eodgiltig überwanden ist und mehr als ein
Datzend Hymnen für ambrosianiseb im engeren Sinne gelten
dürfen ^). Tgl. jetzt die Ausgabe von Dreves, ffymnographi Lotini,
Lateinische Hjmnendiehter des Mittelalters. 2. Folge, Leipt. 1907
{Änaleeta hymnica medii aevi Bd. L), S. 10 £ and zum Hjmnas
'splendor paternae gloriae' die Bemerkungen Ton H. Vogels io der
Festgabe für A. KnOpfler, München 1907 (YerOffentl. ans dem
kirchenhist. Semin. München, III. Beihe, Nr. 1), S. 814 ff., der
sehr hübseh zeigt, wie Augustinus, der das Fundament für das
^Yierbymnendogma' abgeben mußte, als Zeuge gegen dasselbe
auftritt.
Was die epigraphisehen Dichtungen betrifft, so scheint gegen
die Echtheit d^r drei Epigramme für die Kirche des hl. Nazarias,
das Baptisterium der Theklakirche (beide in Mailand) und ani
Satyrns, den Bruder des Ambrosius {earm. epigr. Nr. 906, 908
und 1421 Buecheler), kein ernstliches Bedenken zu bestehen. Das
erste, tou der Idee des Kreuzes beherrscht, zeigt die wirkungsToUe
Bhetorik, als deren Meister sich Ambrosius besonders in semes
aus Kanzelvortrftgen entstandenen Prosaschriften erweist (Tgl. z. B.
den Scblußvers 'cruxcuipalmafuii, erux etiam ainus esf), das dritte
^Uranio Saiyro supremum f rater honorem
martyris (des hl. Viktor) ad laevam detulU Ambrosius.
haec meriti merces, ut sacri sanguinis umor
finitimas penetrans adluat exuvias',
über dessen Qedanken z. B. P. Allard, Dix legans sur le märiyrtj
Paris 1906, p. 855 ff. zu Tergleichen ist, macht durch sein«
schlichte Innigkeit und Kurze einen tiefen Eindruck. Alle drei
weisen Anklänge an die klassischen Dichter auf, besonders an deo
dem Bischof von Mailand so YöUig vertrauten (vgl. M. Ihm, Stud.
Ambros. p. 80 ff.; Gott. Gel. Anz. 1903, S. 447) Vergil. Vgl. «
906, 7 'caput eztulü" Eclog. I 24; Georg. II 341 ; Aen. I 127; za
908, 9 "crimina vitae Aen. IT 550 (Ihm zu Pseudo-Dam. 68, 4;
Blfttter f. d. [bayer.] Gymnasialschulw. XXXI [1895], S. 541 [so
carm. epigr. 485, 4]); zu 908, 12 '^candidiornivibus* Ovid. am,
III 5, 11 (nachgewiesen von 0. Hense bei Buecheler); zu 1421»
1 'supremum-honorem' Aen. XI 61; zu 1421, 8 ^sacri sanguinü'
Aen. III 67 u. 0. Weniger begründet erscheint der Anspruch auf
die Autorschaft des Ambrosius bei einem vierten Gedichte, dem Ifl
Mailftnder Inschriftensyllogen als ^Ambrasianum* bezeichne
Epitaph des (Manlius) Theodorus (Konsul im J. 399) auf sein«
Schwester Manila Daedalia {carm. epigr. 1484). Wir finden hier,
wenn ich recht sehe, mehr formelhafte Details als in den vorb«r
besprochenen Epigrammen (so v. 1 den Yersschluß *membra »-
pulcro*; V. 2 'ut lector noscas'; v. 8 *clara genus, eensu poUens'i
') Sehr reserviert äoßert sich noch W. Meyer, Ges. Abhaudl. ta
mittellat. Kythm. II, 8. 119, Anm. 1 (aaf S. 120).
Studien vu chriftlich-lateiiu IniebrifteDpoeaie. Von C« Weyman. 701
Ygl. Blätter f. d. [bayer.] OymDasialsebnlw. XXXVIII [1902],
S. 842), nod anch die mytbologiscbe AnapieluDg (auf den Fing
des DaedalQs) und der stolze Ton des Seblnsses wollen m. E.
weniger für den Mailänder Bischof passen.
Den sogen, iiiuli Ämbrasiani oder ^disticha S, Ämbrasii de
diversia rebus quae in haeilka Ambrasiana scripta sunt\ einer
700 F. Jnret Paris 1589 ans einer inzwiscben TerschoUenen Hand-
schrift herausgegebenen Sammlung von 21 je ein Distichon (d. h.
zwei Hexameter) umfassenden Beischriften zu bildlichen Darstellungen
biblischen Inhalts (ygl. Qber diese ganze Literaturgattung jetzt St.
Beissel, Geschichte der Evangelienbücher in der ersten Hälfte des
Mittelalters, Freiburg i. B. 1906 [Ergänzungsbefte zu den Stimmen
ans Maria Laach 92 und 93], S. 842 ff.), hat nach Biraghi be-
sonders S. Merkle eine eingehende Untersuchung gewidmet (Die
ambroB. Tituli. Eine literarbist.-arcbäol. Studie. Mit einer Ausgabe
der Tituli als Anhang, Bom 1896. Auch in der rOm. Quartalschr.
X), in der er das in den meisten Ambrosiusausgaben weggelassene
Werkchen durch einen mit Nachweis der Bibelstellen, der sprach-
lichen und sachlichen Parallelen aus den Prosaschriften des Am-
brosius und der Anklänge an Vergil und Ovid ausgestatteten Neu-
druck bequemer zugänglich machte und die gegen die Echtheit
der tituli geltend gemachten überlieferungsgeschichtlichen, ästhe-
tischen und kunstgeschichtlichen Bedenken als nicht stichhaltig
erwies. Trotzdem yerharrten einzelne Forscher auf ihrem ablehnenden
Standpunkt, so der berühmte (inzwischen leider aus dem Leben
geschiedene) Freiburger Kirchen- und Kunsthistoriker F. X. Kraus
und der Würzburger Philologe M. Schanz, der in seiner Gesch. d.
rüm. Lit. IV 1 (1904), S. 210 die Besprechung der Disticha mit
den Worten beschließt: 'Trotz der eingehenden Verteidigung der
Echtheit Ton Biraghi und Merkle bleiben die tituli Tordächtig'. Mir
scheint diese Skepsis nicht gerechtfertigt
Zu Dist. 4, 1 f. ^lacob fraude bona, patri dum suggerit
escas, praecipit eulogianC hat schon Merkle Ambros. De lacob II
3, 10 (U, p. 87, 19 Seh.) "bonus enim dolus' yerglichen. Es muß
aber anch daran erinnert werden, daß das Oxymoron "pta fraus*
dem Ambrosius geläufig ist. Es findet sich an den beiden von
G. Landgraf im Archiv XII (1902), S. 468 zu anderem Zwecke
angeführten Stellen De loseph 11, 62 (II, p. 112, 6) und bell.
lud. y 15, p. 299, 84 f. Weber, außerdem in der Expositio evang,
Luc. lY 16, p. 147, 21 Seh. — Ton Abraham, der seinen Sohn
als Opfer zu schlachten bereit ist, heißt es Dist. 12, 2 'patris
ei est pietas caro non parcere nato*. ^non pareere naio enthält und
amsclireibt den Begriff der Umpietas' und wenn das antithetische
Spiel mit ^pius* und 'impius* oder ^pietas* und ^impietas* auch
gerade keine Seltenheit ist (vgl. GOttlng. Gel. Anz. 1908, S. 449;
Panlin. l^ol. carm. XXXI 45 ^inpia nam pietas* \ Dracont. carm.
min. V 257 Hnpietate pius -^ vgl. Orest. trag. 22; Odo Ton Clngny,
702 Studien zar-ehristlioh-latein. InsehriflenpoeBie. Von C. Weyman,
Occupatio IV 177 ed. Swoboda ^parricida |>tW^), so ist es doeb
bemerkenswert, daß AmbrosiaB Expos, evang. Luc. IV 10, p. 144,
28 von dem den Herrn versuchenden Satan sagt: 'nimia pietate
inpium esse conpellit\ Aber diese Koinzidenzen wlegeo, da sie ^icfa
auch anf andere Weise erklären lassen, nicht sehr schwer und
bedeuten höchstens eine kleine Verstärkung des von Merkle bei-
gebrachten Parallelen materiales. Mehr Gewicht glaube ich auf eins
andere Beobachtung legen zu dürfen.
Mit Dist. 4, 1
' praestcHatur ovans sponsam de gentibus Isaae'
berührt sich in auffälligster Weise der 24. Vers der von J. Wilpert
in seinem Buche über die gottgeweihten Jungfrauen in den erstan
Jahrhunderten der Kirche, Freiburg i. B. 1892 wiederholt heran-
gezogenen (vgl. besonders S. 79) und zuletzt als Nr. 748 in
Bnechelers carmina epigr, (L, p. 357 f.) abgedruckten Inschrift
von Vercelli
*adventum sponsi nunc praestolantur ovantes* (sc. virgines).
Eine genauere Datierung dieser Inschrift ist mir leider nicht b«-
kannt geworden, aber mehrere IndicieUi so die Erwähnung des
Schleiers, des ^velamen sanctunC in v. 2 (vgl. Niceta (?) De lapsu
virg. 20, p. 118, 19 Burn [Cambridge 1905]; H. Koch, Viryines
Christi, Leipzig 1907 [Texte und Untersuch. III. B., I. Bd., 2. H.].
8. 90 fif. und Theolog. Bevue 1908, Nr. 9, Sp. 277; A. Schamagl,
Das feierliche Qeldbde als Ehehindernis in seiner geschichtlicbeo
Entwicklung dargestellt, Freiburg i. B. 1908 [Straßburger theol.
Stud. IX 2 und 3], S. 12 ff.), die Bezeichnung der Jungfraueo
als ^sacratae' (v. 12; vgl. G. Caesar, Observ. ad aetai. UL laL
ehrist, defin, sped., Bonn 1896, p. 80), vielleicht auch die Art
und Weise, wie die heilige Maria mit dem ^castus chorus* der ia
die Verklärung eingehenden Jungfrauen in Verbindung gebracht
wird (v. 18; vgl. Koch a. a. 0. S. 92 ff.) lassen es jedenfili«
nicht rätlich erscheinen, sie vor der Zeit des Ambrosius anzuaetzoi
(das Uemistich 'ad caelum pariter v. 15 nach Damasus 31, 5?
vgl. Ihm z. St.). Eine genauere Vergleichung der beiden Verse
aus den Distichen und aus der Inschrift vermag uns einen Sehritt
weiterzufahren. Ihre auffällige, ein Abhängigkeitsverhältnis bedin-
gende Berührung liegt darin, daß hier wie dort das an sieb in
den christlichen Inschriften nicht seltene Partizipium ^ovans* (vgl
Caesar a. a. 0. p. 65)') zu ^praestolarV tritt. Während es aber
in dem Verse der Inschrift in der geläufigen Bedeutung 'frohlo^ee'
steht und durch Matth. 25, 1, worauf in diesem und dem fdg^da
*) *sub Pio (d. h. AntoninuB Pias) impius^ witzelt TertoIIiaii tte
den Gnostiker Marcion (adv, Marc. I 19, p. 314, 12 Kr.).
') S. auch 6. M. Dreyes, Hymnolog. Stud. zu Venant. Fori u. Bilb.
Maar., München 1908 (VerOffentl. ans dem kirchenhist. Seminar Mllncbes.
III. B, Nr. 8), S. 90 f.
Stodien xui christlich-latein. iDSchrifteDpoeiie. Von C. Wtyman, 703
Vene (vesU sacra eomptae, oUo duratUe heatd) Bezng genommen
wird, nicht speziell motiviert ist, dient es in dem Yerse der Disticba,
wie sehen L. Tranbe, Hermes XXVII (1892), S. 158 f. (?gl. Merkle
S. 21 [201] f.) erkannt hat, znr Wiedergabe des von den LXX
Gen. 24, 68 (vgl. Sabatier z. 8t.) gebrauchten ^ &öokB6%H6ai,*
(^i^lX^Bv 'loaäx ddoXs6xfj6aL slg tb nsdlov*). Ich neige mich
daher zn der Anschanong, daß dem Yerse, der die ganz singnlftre
nnd zugleich durch die Vorlage begründete Anwendung des Wortes
enthält, die zeitliche Prioritit zukomme, und werde in dieser An-
scbaoung best&rkt durch die Wahrnehmung, daß es gerade dieser
Vers der Distichen ist, der, wie Traube gezeigt hat, in zwei Hand-
schriften des IX. Jahrhunderts (Schollen zu Heirics von Auzerre
Vita S. Germani V 4 in Poet. lai. med. aev. III, p. 489; ein-
gelegtes Blatt im cod. Paris. 12.949), allerdings infolge einer
leicht erklärlichen Verwechslung (mit dem sogen. Dittochaion) unter
dem Namen des Prudentius, zitiert wird. Durch die Beobachtung
aber, daß der Vers einer Dichtung vom Verfasser einer metrischen
Inschrift nachgeahmt und in späterer Zeit zweimal zitiert wird,
ist m. E. eine gewisse Präsumption dafür geschaffen, daß er nicht
irgend einem obskuren Machwerk, sondern einer durch einen klang-
vollen Automamen ausgezeichneten Dichtung entstammt.
Ich lasse noch etliche Ergänzungen, hauptsächlich zu den von
Merkle aas der lateinischen Poesie gesammelten Parallelen, folgen.
Dist. 2 ^aspice lohannem recubantem in peetare Christi,
unde Deum verbum aesumpeit pietaie fateri*.
Über ^(i9pice* als Hexameteranfang vgl. Ihm zu Dam. 28, 1 ; Fried-
läoder zn luvenal II 166. — Den Gedanken, daß der Apostel
Johannes dadurch, daß er an der Brnst des Herrn geruht, zur
AbfassoDg' seines Evangeliums beHlbigt worden sei, weist P. Corssen,
Monarch ianische Prologe zu den vier Evangelien, Leipzig 1896
(Texte nnd Untersuch. XV 1), S. 78 ff. der von ihm aus diesen
Frologvn^ Hieronymus, Augustinus, bezw. Pseudoaugustinus usw.
rekonstmierten historia eceUeiaetica de Ichanne apostolo et evan*
qelUta zn.
Dist. 8 ^fida quidem lacob natia, sed vera loctUus,
bestia germano qnod eit mens invida frcUri*^
Zum Hezameterschluß ^vera locutus vgl. Val. Place. V 4 \tra h-
euti*; Cypr. Num. 670 *vera loctUum\ Carm, adv. Marc. V 154
(Tertnll. II, p. 797 Gehler) "vera loquentur*; (Damasus) 61. 6;
DracoDt. earm. min. VI! 27 'falsa locuti'. — An der gleichen
Versstelle wie ^mens invida* steht 'mors invida* carm. epigr, 698,
18 (Tgl. 429, 2); tittU. Gaüic. 6, 28 (Alcim. Avit. p. 1B5 F.);
ÄfUhol. lat. 845, 1 (P, p. 274 B.); Alcim. Avit. carm. VI ]^'
Venant. Fort« IV 26, 47. ^s<xrs invida* Sedul. pasch, carw
130; Venant. Fort. IX 1, 41; append. 1, 1, p. 271 L. '/^
Ttda Lncan. IV 508 (v. 1. Ws')-
Dist. 9, 2 ^servitioque dolus patrio dileetus amare\
1
704 Btodien xor chrittlich-latein. Inschriftenpoesie. Von O. ireyma«.
Der Hexameterscblaß 'düectus amare nach Yerg. Aen. I 844.
Dist. 12, 1 ^offeti progeniem sanetis aliaribus Häbran.
'tanctis dUaribuB an gleicher YersBtelle Alcim. Atü. V 461; YI
68 und 89 ; Tgl. Gjpn Gen. 582 ^omnia dispmit saerisque altarünu
apiat* und Dreves, Hymnol. Sind, zn Yen. Fort. n. Bab. Hnr.,
S. 106.
Dist. 16, 2 'laaias vatea, sociana armerUa U<mi\
Vgl. Yerg. eelog. lY 22 ^nee magnoa metuewt armenta kima;
Hör. epod. XYI 33 "^eredüla nee navos timearU armenta Uoma,
Dist. 17, 1 "^hic est Hieremias sacratua matris in aho*.
^matfie in aivd" als Hexameterschloß auch Panlin. Nol. earm. XXm
298. Vgl. zu earm. epigr. 709, 8 t (Bl&tter f. d. [bajer.] Qym-
nasialschalw. XXXI [1895], S. 550).
Dist. 18, 2 ^raptus in aetheriam meritis caeUetüme aulam\
Vgl. Gypr. Qen. 961 W deua aetheriae regnator maximue atdai;
Nnm. 108 ^eandidus aetheria nobia benedieat ab aula\
An dichterischem Werte stehen die Disticha, was übrigeos
in der Nator der Sache, d. h. in der Gebnndenheit des ganies
yivog der tUuli begründet ist, hinter den sonstigen Dichtangso
des Ambrosins ebenso znrfick, wie das Dittochaion des Pradentiu
hinter dessen übrigen Werken. Aber sie sind ^per Viconografia e
pel aimboliamo eriatiano aaaai importanü' (G. B. de Bossi, BnUit
di archeol. eriat. 8. Y, Anno in [1892], p. 154), und es w&n
dringend zn wflnschen, daß sich yor der Inangriffnahme der neuen,
för den achten Band des Wiener Ambrosins in Aussicht genommenen
Ausgabe (vgl. G. Schenkl in der praef. zn vol. I, p. XIX, adn. 2)
eine ältere Handschrift des Werkchens fände.
IL Znm Papsteloginm des codex Corbeienaia,
Es ist nur eine Kleinigkeit, die ich zur Dentnng des riel-
besprochenen Papsteloginms des codex Corbeienaia {earm. epigr.
Nr. 787, I, p. 378; Literatur bei Schanz, Gesch. d. rOm. Lit IV
1, S. 197; beste Übersicht über den Gang der KontroTerse bei
F. X. Funk, Eirchengeschichtl. Abhandl. und Untersnch. I [Pader-
born 1897], S. 891 ff.) beistenem kann. Aber der Umstand, dafi
gerade die beiden Yerse, von denen ich sprechen möchte, fär die
Beurteilung des ganzen Gedichtes Ton entscheidender Wichtigkeit
sind, mag die Mitteilung rechtfertigen. Es handelt sich um t. 41 f.,
die nach der Überlieferung lauten:
en tibi diacrimen vehemena non aufficit annum,
inauper ezilio decedia martyr ad aatra.
Hier wird deutlich gesagt, daß der Papst, dem das Bloginm gilt,
nachdem er ein ^diacrimen vehemena^ (Mißhandlung und WegreiAong
Ton seiner Kirche nach y. 87 ff.) bestanden, obendrein in der Yer-
bannung als M&rtyrer gestorben sei. Damit ist die Ton De Betsi
Studien nur «hcwtiieh-UiiiB. IiMkiiftMpMtt«. Von C. We^tnam. 79(i
vd Yon ainer Baihe and^mr Fortehtr >) T«rtr»tase Ansiekl» daft daa
Gedicht eich lof im Papst Liberiot (852«-866) btziahe, nicht
rereifltor. Dtnn Llbcrios ist ^ weder im Exil noch all Mirtyrer'
^Mtorbeo (Fnnk a. a. O. 8. 896). Mao bat daher daa Mar^am
in der Verbaonimg dnieb Terscbiedene «zegetieobe nnd kritiaobe
Manipalationen an beeeitigen gesucht De Bosai operierte in aeinem
ersten Anfsatze mit einer Konstruktion, deren Oewagtbeit ihn
selbst nicht entgehen konnte {m t. d. v., fian »ufficU annwn in-
mper txiUo = non nrffieU mauper asmum [im LanSs dee Jahieel]
eandem esss) nnd mit der Annahme einer Lücke hinter deekU9^ Btar
Jetztere fehlt» wie schon Fnnk S. 896 her?orfaebt, jedes Anzeichen,
•ritorer wird — ?on allen anderen Erwignngen abgesehen -*
schon dadurch der Boden entzogen, daß ^mnnum* dem eebon ?ob
Fnnk and spftter Ton Bnecheler ?ennnteten ^tmum* weichen maß.
Dean 1. Y d. v. non 9uffieU amnum* kann m. £• nieht bedeuten,
was Funk für möglich hUt, *ein großer, ein Jahr anhaltender
Kampf genfigt dir nicht'. 2. Eret wenn ^unum* geleeea wird,
kommt die dnrch Untnp&r* eingeffihrte Steigerung in t. 42 (? gl.
aoeh ▼. 88) zu ?oller Wiikung. 8. ^mfficif^ bieweilen aneh *fMn
mffieU\ tritt aehr gen mit einem Kasus tou ^tmiis* im Heia-
metereehlnß zusammen, ein zwar keineswega ansschlaggebender,
aber angeeiehts der Tatsache, daß der Dichter dee Eloginma ge-
rade in den Hexameterausgingen eine Beihe tralatiziacher Yerbia-
duDgen Terwendet (ygl. Bl&tter f. d. [bayer.] Gymnasialschulw.
ZXXI [1895], & 552 f.)» nicht ganz belanglosee Moment Ich
habe mir folgende Stellen notiert: Iu?enal UV 140 f.
'efyo pamUwr
{MÜera väla tibi, cum ru$ non antffißU umm.
Aleim. A?it. III 87 ^mOurak tibi t§gmon non su/fieU unum.
Yanani Fort. XI 9, 7 ^poriUor ad taniaa minns non Btrf-
ficU imm\
OTid. Met. Yni 888 ^quodquo atäis poUrat pt^Mtlo (esm),
non oufficü uni\
AIcuD. ATit. n 378 f. 'cur um» non ouffieU umm
aubeuhuiase dolo\
Proaper De ingrat. 765 (Migne LI 184 A)
*nam meritum ad mortem subeundam Bufßcit unum\
ApoU. Sidon. Carm. VII 568 f. ^ ^quod sufficit unum,
es merüis divea.
Bada Hymn. n (Migne XCIV 615 B)
^pkirima sunt exempia quidem, aed aufßeU imtim*.
SU. ItaL I 86 'dnx agmina eufßeit (d. h. mafpedäal) unm\
Itoriial V 52, 5 ^a^fßeU unue* (huie operi).
Y«nant. Fort. TI 1, 78 ^pro ambobm sufßeU umm\
>) Zoletst vea F. Safio, La OMltä eattol, LIX (1906), Tel. 8,
}. 148 IT
Z«i«Mhrift f. 4. tetwT. Ojmn. IMS. YIU. u. IX. Htft 45
706 Ein altes EoUegienheft. Von A. Huemer.
Seren. Samm. 808 (Bährens, Poet. lai. min. m, p. 121)
^sed eoclear trinum guatu tibi suffieit und.
Diese Stellen bilden in ihrer Gesamtheit zugleich ein PrSjndit
gegen die Art and Weise, wie der yon De Bossi in seiner zweiten
Abhandlung beifällig zitierte Ginti die oben angeffihrten Verse der
Liberinshypothese dienstbar machen will (Tgl. Fnnk 8. 414 f.).
Ointi nimmt zwar die Emendation Ton ^annunC zn ^unu»C ao,
interpnngiert aber nach *'v€hemen8*f nicht nach *unum^ ändert
^exüio in 'exUium* und setzt dahinter abermals eine Interpnnktion.
Die Stelle wflrde dann besagen: * Siehe, du hast einen heftigen
Kampf, es genflgt fiberdies nicht ein Exil, dn erhebst dich als
Märtyrer (bezw. als Bekenner, was matiyr auch bedeuten kann) n
den Gestirnen*. Sie würde also auf eine zweite Verbannung des
in der Inschrift gefeierten Papstes hinweisen und da nun der
Kirchenhistoriker Sozomenos tatsächlich von einem zweiten Exil
des Liberius zu berichten weiß, so scheint der Beziehung dsi
Elogiums auf diesen Papst keine ernstliche Schwierigkeit mehr im
Wege zu stehen. Aber Cintis Interpunktion und (eigene) Emendation
ist mit Funk unbedingt abzulehnen und zu den Ton dem trefflieben
Tübinger Forscher geltend gemachten Gründen (geringe Zurer-
lässigkeit der Nachricht bei Sozomenos, Mangel jedes Verdaebts-
momentes gegen "^exüio^ Verschlechterung tou Sinn und Stil durch
Aufnahme der genannten Korrekturen) gesellt sieh noch ein wei^
terer, den die obige Zusammenstellung an die Hand gibt. An den
sämtlichen Stellen, an denen ^unus adjektivisch gebraucht ist,
bezieht es sich auf ein im nämlichen, nicht auf ein erst im fol-
genden Verse stehendes Substantiv. — Der letzte Vers des Elogiums
^qui 8umu8 hocque tuum meritum Jidetnque secuii* berührt sich,
wie schon M. Ihm gesehen hat, sehr nahe mit dem vierten Verse
des Damasusepigrammes auf Felicissimus und Agapitns (28 Dun)
*reetaris aaneti meritumque fidemque secuii*. Von dem Augenblick
an, da Liberius nicht mehr als der Held des Elogiums in Betracht
kommt, besteht kein Hindernis, in dem Verfasser des Elogioms
einen Nachahmer des * Dichters der Eüatakomben' zu erblicken.
München. Carl Wejman.
Ein altes EoUegienheft.
Wollen wir einen klaren Einblick in die Unterrichtsmethode
vergangener Zeiten gewinnen, so muß sich die Forschung Tir
allem dem Studium der Unterrichtsordnungen, den „InstraktieBSD*
unserer Vorfahren, nicht minder aber auch der Gheschiehte dss
Lehrbuches zuwenden, eine Aufgabe , der sich ja in neuerer Zot
große Verbände von Gelehrten in äußerst dankbarer Weise zuge-
wendet haben. Voll und ganz freilich kOnnen wir mit
Bin altes KoUegienheft. Von JL Humif. 707
Mitteln die Methodik jener Zeiten vor unserem geistigen Ange nicht
wieder aufleben lassen« da doch der wichtigste Faktor des Unter-
riebliSy die Persönlichkeit des Lehrers, in diesem Bilde fehlt.
HItte d«ch auch heute unsere DnterrichtsbehOrde alle diese Behelfe
in ihrer Hand und sieht sich trotzdem genötigt, bis in die letzte
Dorfschule hinaus die Organe der Eontrolle zu schicken, und läßt
es sich nicht verdrießen, die l&ngsten Berichte zum Gegeostande
ihres Studiums zu machen, um sich Aber die Art der Erteilung
des Unterrichtes zu unterrichten, sie, die selbst das Unterrichts-
bild entworfen hat.
Wir kOnnen nun allerdings den Lehrern vergangener Tage
nicht billig eine Auferstehung za einer Inspektion zumuten, damit
sie unsere Wißbegierde befriedigen , wir kOnnen aber doch dem
einen und andern Magister ziemlich g«t in die Karte sehen, wenn
wir seine Aufzeichnungen ffir den Unterrieht oder gar eine „Mit-
schrifk** eines^ seiner Schüler entdecken. Derartige Schriften geben
den Schulordnungen erst das Leben und sind daher, so unscheinbar
sie an sich sind, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Im
Folgenden sei auf ein Stflck dieser Art aufmerksam gemacht.
Der Kodex Nr. 81 der Bibliothek des Stiftes Kremsmflnster,
ein Sammelband von Handschriften aus dem XII., XIH. und XIY.
Jahrhundert, bewahrt uns Fol. 125 — 156 das Kollegienheft eines
Schdiers auf, das den Schriftcharakter des ausgehenden XIY, Jahr*
hunderts an sieh trägt und auch nicht später geschrieben sein
kann, da der Kodex bereits im Jahre 1440 in seiner jetzigen
Qestalt Ton einem gewissen Johannes Seid de Lewbs mit mehreren
anderen Handschriften dem Stifte Abergeben wurde.
Der behandelten Materie nach zerftllt die Schrift in drei
Teile. Es war Gegenstand des Unterrichtes: 1. di^ Praeeepta vitae
und die vier Bücher der Disticha CaUmis, Fol. 125 a— 187 b; 2. ein
liber metrieuade maribus viriuium, Fol. 188 a — 148 a^); S. einige
Hexameter grammatischen Inhalts, Fol. 148 b — 152 a. Di% praeeepta
et diMeha Catanis wurden im Mittelalter regelmäßig dem Unter-
richte zngrunde gelegt *) und auch frühzeitig ins Deutsche über-
tragen'). Die Sprüche haben eine monotheistisch-humanitäre Bich-
tüDg ohne spezifisch christliche Färbung, manche sogar eine
gut heidnische und auch die Abhandlung von sartes und von blu-
tigren Opfern ist frei von christlicher Begründung. Alles fährt
daranf , daß die Sammlung noch aus guter Zeit stammt^). „Der
Name ,Cato* soll die Sprüche nur als weise bezeichnend^).
^) In der Handschrift tragen die Traktate keine eigenen Übersehriften.
*) Vgl. Müller JohaDDei, Qaelieniehriften und Geschichte des
deatechepraclüichen Unterriehtei, S. 213 ff.
•) Vgl. Zameke, Der deuteche Gato. Leipzig 1852.
«) Teaffel, Geschichte der römischen Literatur. 898, 1.
•) Teoffel, ebenda.
45*
tos Bin altM KoH^eiiMI. Von A, Huemer.
Die ElBleitung znin zweiten Teile lautet:
Cum niehil utilius humano (sie!) erede (eicl) saluti
Quam marum novtsse modos et morihus uti
Suppleho pro po8$e meo monitum ratümis
Quod minus exsequitur morosi äogma Kathonis.
Der Verfasser sagt also hier aasdrflel[Iicb , daß er die ditlida
Caionia ergänzen wolle and seine Arbeit scheint b&nfig im Zu-
sammenhange mit Catos Sittensprflcben gelesen worden xa sein.
Unser Kodex enthält Fol. 86 a — 44 a einen sehr anaffibrliehen Eon-
mentar zn dem Werke, in dem es heißt: Causa effieiens et^, vt
quidam dieunt, religiosus exisiens lector ordinis Ciaercmsk lo-
hannis nominis. Näheres ist mir Aber den Verf. nicht belLinot
Das Werk selbst beginnt:
Cum niehil absgus Deo sit proficui vel honoris
ünum regnum Dei tu quaeras omnihus horis.
Die grammatischen Verse geben seltenere lateinische Wörttr,
insbesondere griechische Lehnwörter wieder. Die Arbeit scheifit
unvollständig zu sein. Anfangs- und Schlußrers lanten:
Cespitoit in phaleris yppus blaeiaque supinis
Lanx platuram tibi eanstat mu$tera plura.
Ans der Verschiedeiiheit der Tinte, ans der größeres ui
geriagaren Sorgfältigkeit der Schrift, endlich auch ans der SWi
an der die Olossen eingefftgt sind, können wir nnn den Oaog du
Unterrichtes verfolgeD, rieifaoh sogar Schlfisse ziehen, wie ^
Unterriefat erteilt wnrde.
Der Scböler hat zunächst den Text, der behandelt warfc
außerhalb der Schule sorgfältig vorgeschrieben. Die erste Hilft«
des Textes ist in tiefschwarzer Tinte geschrieben, währsud die
Bemerkungen der Schule ziemlich blaß zn Papier gebracht saA,
ja man sieht, daß der Schiller die blaße Tinte der Schule tiil*
weise durch Nachfahren mit besserer Tinte aufgefrischt hat V«
Fol. 188 an ändert sich das Verhältnis fast ins Umgekehrte. B«
Cato stimmt der Text fast durchwegs mit dem der Aaspb«i
welche Srasmus von Botterdam 1516 veranstaltet hat^), ov dit
praeeepta weichen in der Beihenfolge mehrfach von der des Druck«
ab ; durch ein Versehen unseres Schreibers erscheint Verszeile 6—^
des 4. Buches als Vers 17—19 des 8. Buches. Abweichende hm-
arten sind nicht selten. Die böse Zahl 18 hat der Schreiber ni^
gefürchtet; er stellt auf jede Seite 18 Verszeilen in eioMi g^**
seitigen Abstände von 18 — 14 mm. Die Initialen der einz^«
Bücher sind 20—80 mm hoch und reich in Bot, Gelb und 6Hs
ausgeführt ; der erste Buchstabe der Verszeile hat ein BubruA.
M Catonis praeeepta moralia reeognita atpte interpretais ^
Erasmo Boterodamo Argentorati apud Sehurenum; Hautbai Ferd.
Catonis phHosophi Über, 'Berolini 1870 war mir leider nicht ngii^
Bin «Itü KoUigiealMft Von A. Hu4mer. 709
In der Sebnle wurde vor allem eioe geaane Satxanglyie vor-
gMommen lund die einzelnen Satzteile naoh ihrer Wichtigkeit für
ifie Obertettnng mit arabischeo Ziffern aammeriert So ist bei*-
spieliweioo der eiete Satz dar Einleitung in folgender Weise zerlegt;
II 2 2 2 4 8
Cum animadveriermn , quam phtrimos h&mines grapüer errar^
5 6 222 884
Ml via marum, sueeurrendum et eenatä^ndum eorum opinioni fare
1 6 7 8 7 10 10 9
müimavi, maxime ut ghriose vivereni ei honorem eoniingerent.
In ganz einfachen Sätzen entfällt wohl erst gegen Schlnß die
Nnmmeriemng, wiederholt eich aber gewieeenhaft im erweiterten
Satzgefflge.
Es wnrde nnn die deutsche Übersetzung der analysierten
Partie gegeben, die eich der Hörer im ganzen ersten Teile und in
der Einleitung zum zweiten Teile über den einzelnen Wörtern
notiert bat; Ton Fol. 188a Mitte bis zum Soblusse fehlt sie voll«
sündig. Diese Übersetzung scheint nicht diktiert worden zu sein,
da die Schrift große Fldchtigkeit zeigt und Aber einzelnen Wörtern
oft mehrere deutsehe Ausdrucke wiedergegeben sind. Vertikale
Striche zeigen die Zusammengehörigkeit der einzelnen Wörter an.
Die Wiedergabe des lateinischen Textes ist geläufig und gut
deutsch. Als Probe setze ich den oben zitierten Satz der Einlei-
tung bieber: "Als ich mir gedacht hau in mein mAt, wenn gar
Til lavt Bw&rleich ir giengen an dem weg der siten ze hilfe ohomen
un ze rat chomen ir wanung weaen ich hau gedacht^ oder ich
waot aller meist ef-berleich lebent ynd di er pegreyffent*.
Eine knapp gehaltene lateinische Worterklärung sollte dann
daß Varaiftndnis des litteralen Sinnes Termitteln. Auf den ereten
Bl&üern hat sich der Schaler zahlreiche Notizen Aber dieselbe
swiacbaa den Zeilen gemacht» bald jedoch werden diese Glossen
aaltaner. Die Schrift zeigt große Hast und Eile. Im gramma-
tischen Teile, in dem, wie oben bemerkt wurde, sowohl die deutsche
Oberaeixiuigt wie jede andere Bemerkung fehlt, ist diese lateinische
Interpretation fast vollständig zu Papier gebracht So lautet der
»rate Vera:
•. tituhat
i. cadit
Cespitat
i, inpukkrit j i tqwiu j nMU j pro et \ i. euperlnie
ornameHtie | j veeU
in phaleris j yppus \ hlacta \ que \ eupinis;
a Vers 1 f. der Disticha
Si Deus est animue, nolne itt carmina dicunt,
Hie tibi praecipue eit pura menie coUndus
ag^gen haben wir nur zu uti die Bemerkung: pro Bieut^ zu
irfrsffta: t. eeripiura, zu hie: Deus und zu colendus: t. vene*
710 Ein altei Kollegienheft Von A. Hu$mer,
Wie diese ADmerknngen dem Yerat&ndDiBse des Wortlaotas
gelten, so Heß man beim Unterrichte anch die Vertiefoog des
Qedankens nicht ans dem Attge. Der 2— Sem breite Band rechts
nnd linka vom Texte, teilweiee auch der nntere Band des Blattes
nnd die paar freien Millimeter zwischen den Zeilen sind TomSebreibsr
geizig fflr die Niederschrift der Bemerkungen ausgenützt, die diesem
Zwecke dienen. Namentlich haben die Praecepia Catonis eine reiche
Exegese gefanden. Der Mangel an Banm und, wie die Schrift hier
besonders es zeigt, der Mangel an Zeit, nötigten den Schreiber uhl-
reiche Kürzungen zu machen und Ligaturen anzuwenden. Mit
flüchtigen Strichen hat er das Zusammengehörige umrahmt und
ein kurzes Schlagwort an der Spitze zeigt, wohin die Olosse n
beziehen sei. Daß dadurch die Leserlichkeit des Textes viel zq
wünschen übrig läßt, ja daß sie hie und da geradezu unmöglich
wird, ist aus dem Gesagten klar.
Dw Magister ordnete seine Erklärung so, daß er seinen
eigenen Worten meist ein Zitat anfügt. Die Zitate selbst siod
ungenau und oft vermißt man die Angabe der Quelle. Dichter*
Worte werden meist mit den Worten: undepoeta oder unde verm
eingeführt. Bei der hl. Schrift ist meist das Buch angegeben, au
dem der Spruch genommen ist. Außer der Bibel werden noch
namentlich angeführt: Augustinus, Gregorius, Isidoms, Senect,
Boethius und Statins. Das Zitat wird sehr häufig nur mit den
Anfangsworten zu Papier gebracht. Einige Beispiele mOgen das
Vorgehen des Lehrers erläutern.
Zum ersten Praeceptum Catonis, ^Itaque deo aupplica, pa-
rentea ama* vermerkt der Schüler am Bande links : Itaque dto sitp.
0 fili carissime, tu primutn et ante alia debes deo supplicare et per
(sie!) preees eupplicee ipai deo fundere et hoc coneordat cum Inmo.
Zwischen den Zeilen und am Bande rechts ist eingefügt: Petru$
(sicl) inquit in eanonicä sua: Ipee est, qui omnibus affluetäer
dat et nuUi imperat (sic!)^). Bonus invoeantibus est pater eym^Y
Salvator: Sine me nihil potestis faeere^). Parentes ama dicü\
Debemus amare parentes ipsis obediendo non reeaieitrando H
ipsos ad iram et lacrimas provoeando. Ein angefügtes Zeich«
gibt Aufschluß, daß die Fortsetzung der Glosse am Bande ünb
zu suchen sei. Dort heißt es: Honora patrem et matrem^). Qui
dixerit patri et matri raeh, morte morietur^).
') lacobas 15: 8i quis autem vestrum indiget sapientici, poitM
a Deo, qui dat omnibus affluenter, et nou improperat,
*) Ps. 144, 18: Prope est dominus omnibus invoeantibus eum:
Omnibus invoeantibus eum in veritate.
") loh. 15, 5.
«) Exod. 20, 12.
*) Math. 5, 22: Qui autem dixerit frairi siu> raca, reus eni
eoncilio.
Ein altes KoUegionheft Von A. Huemer. 71 1
Der Kommentar der Dietieha ist, wie es ja die Natnr der
Sache mit sieb bringt, weniger omfangreicb. Die ersten zwOlf
Terse des ersten Bnches^) sind, wie folgt, erklärt: Plus vigila
dieit: Tu debts plus vigüars et labarare quam dormire €t quam
(diare, quia dieit: Oiia dant vUia sua.
Virtutem primam dieit: Tu debes empeseere et refre-
nare linquam tuam, quia maxima virtua est, ui homo sciat com-
peeeere linquam quia qui hoe eeit, ipee est amicus dei et ergo
homo debet refrenare linquam euam^); quia dieit: pars una lin-
quam euam nan dirigere; Salamo dieü: Qui moderatur labia
ma*) et alibi: Si eupiae pacem. Salomo: In multiloquio nan deerit
peceatum^) et Seneea dieit: Qui neseit taeere, neseit laqui.
Sperne repugnando. Tu debes non esse contrarius tibi
ipsi, qui hoc facit, cum nuüo polest coneordare et ergo mmtm
debet sibi ipsi iniuriari quia dieüur: qui sibi ipsi «mm pardt,
mihi vü tibi quomodo pareet,
8i vitam dieit. Tu nuUum debes arguere pro peecato
cum tu ipse sis mnrmiatms eodem crimine quia postea dieit: Turpe
est äoeimri*), pcrro Tsodorus (sie!) dieit: Qui arguit de crimine
purus debet esse a peecato, sed nos omnes sumus maeulati homines
adeo nullum debemus arguere.
Quae noeitura dieit: Tu debes relinquere et removere
a te illa; posaunt tibi noeere quamvis tibi sint muUum dileeta,
quia homo plus debet düigere animam quam dipiiias et honores,
quia seriptura dieit: Facilius est camelum per foramen aeus
transire quam divitem intrare in regnum iM*).
Hie nnd da ersehen wir ans den Notizen des Schreibers
ganz dentlieb , daß er nicht alle Worte des Lehren nachgeschrieben
1) Sie lauten:
Si deus est animus, nobis ut carmina dicuntp
Hie tibi praeeipue sit pura mente colendus.
Plus vigua semper^ nee somno deditus esto;
Nam diutuma gutes vitiis Mmenta miniatrat.
Virtutem primam esse puta compescere linguam:
Proximus iUe deOt qui seit ratione tacere.
Sperne repugnando tibi tu contrarius esse:
Cimveniet nulli qui secum dissidet ipse.
Si vitam inspicias hominum, si denique mores^
Cum eulpent oitos» nemo sine crimine tfivit.
Quae noeitura tenes, quamvis sint cara relinque;
Ütüitas opibtu praeponi tempore debet.
*> Vgl lac. 1, 26: Si quis autem putat, se religiosum esse non
refrenans linquam suam, sed seducens cor suum^ huius vema est
religio.
*) Proferb. 10, 19: qui autem moderatur labia sua, prudentis-
simuB est.
*) Proferb. 10, 19.
*) Lib. 1, 60: Turpe est doctori cum culpa redarguit ipsum.
*) Math. 19, 24: Quam divitem intrare in regnum caehrum.
713 Kto altM EoUagieohtlt Von A. Buemer,
bat Wran beispi^wwse zbb prieeeptom: ^a/«fti /s^mA»- dqt
Ltm. 10, 4: n^ifitfM«» jmt viam BtthUaverüiB notiwt wird, so
kann der Lehrer diese Wtrt» Dicht eisfach DebeoeiniDdergeetiDt
haben, er miiß eine Biher» Brklänmg gegeben haben.
Doch ich glanbe, mit dem Angefttbrten ea ?iel gegeben n
haben, daA ein Einblick in die ünterriehtemetbede m^lioh iei
Wir bewnndem es mit Beeht, wenn in einem Entwürfe sn
einer Schnlordnnag des XVI. Jahrbnnderts bes&glich des mtduu
doomäi gefordert wird, „daß bei der Briinterang der gruana-
tischen, diaiektiecbea nnd rhetorischen Begeln nichts, bei der
Schriltstellerlektfire nnr wenig diktiert werden soU''^), md w«ui
in derselben Scbnlordnang Hock weiter folgende Prinzipien saf-
geetelU werden >): ^Bei der Scbriftstellerlektdre soU der Knabe
xnerst data et disHncia voce lesen, beaw. die Verse skandieien.
Daran! erU&rt der Prizeptot Wort fAr Wert nnd gibt den er-
klärten Text in angemessenem, gewandtem nnd gutem Dentsch
wieder. Sodsnn hat er auf Konsirnktion, Bedewendnngen nnd
Figuren anfinerksam zn machsn und dis Wege zur praktiseken
Anwendung, znr Imitation zt wslsen**. Wir werden dem zu-
stimmen, wenn der Bearbeiter der Schulordnung sagt: „Mit
leichten Strichen hat Siber*) hier treffliche Bichtlinien fiir die
Lehrweise hingeworfen"'). Es wird* aber sichsrlich unsere Bewun-
derung noch mehr erregen, wenn wir sehen, daß bereits zwei
Jahrhunderte firfiher fest die gleiche Methode an einer Schule
praktisch geibt wurde, und wir werden dem Lehrer, der den Unter-
richt so praktisch erteilt kat, gewiß unsere Anerkennung nicht
yeisagen.
EremsmfiDster. Dr. Adalbero Huemer.
^) Ludwig Frank, Die Entstehung der knrsachiigchen Schulerdnuif
?on 1580, Berlin 1907, S. 69.
*) Ebenda & 69 f.
*) Der Verf. des Entwurfes.
«) L. Frsnk, 8. 60.
Zweite Abteilnng.
Literarische Anzeigen.
Bede anf Hermann Usener von E. Schwtrtx, gehtlten in der
effentlieben SitsaDS der kg). OMelliehftft der WitfleDtebaften in
GötÜDgeB tan 5. Hai 1906. Abdruck au den getcbiftlieban Mit*
ttilnngon 1906, Heft 1. Berlin, Weidmanniehe fiaebbandlang 1906.
14 S8. 80. Preis 40 Pf.
Torträge and Aufsätze von Hermann üsener. Leipxig and Ber-
lin, Drack und Verlag Ton B. O. Teabner 1907. V nnd 259 SS. 8».
Preis 6 Mk.
Belebe Ernte bat In den letzten Jabren der Tod nnter den
Memtem der Altertnmaferaebnng gebalten; leb nenne nur Benn-
dorl. Blase, Bmns, Bfleheler, Chriit, Dittenberger, Fnrtwangler,
Bartels Kaibel, EObler, Mommsenf Wacbamntb. Mommsen allein
Ton ifaaan durfte bis an eine äußerste Qrente meneeblicber Lebens-
daner schaffen nnd wirken; Usener starb zwei Tage vor Voll-
endnng des 71. Lebensjahres, beransgerissen mitten ans fmebt-
barster Tätigkeit. Sehwartz bat ihm einen Nachnf gewidmet, der
diB Schwere des Yerlnstes auch Femerstebenden znm Bewußtsein
bringt- Br ffthrt mit eindringlieber Beredsamkeit nnd ehrlicher
Beirandening Useners Entwieklnngsgaog, du weite Gebiet seiner
wissensehaftlieben Intereesen nnd Arbeiten, die Fälle der von ihm
aoagegaDgenen Anregungen tot Augen. Die warme Schilderung
gewinnt inneres Leben, wenn man daneben das weisbeitsachwere,
dnreh konzentrierten Forseberemst gekennzeichnete Oreisenbaupt
üseners betrachtet, du die Ausgabe seiner ausgewählten Vorträge
imd Aafeätze schmäckt.
Dieee Auswahl, noeh tou Usener selbst geplant» von
▲. Dietoncbf seinem treuesten, leider gleichfalls dahingegangenen
SeAdler« herausgegeben, ist das schönste Denkmal des Dahin-
ge^mD^eneD und wird sein Gkdäehtnis weit aber die Fachkreise
hiDMUB labendig erhalten. Lauter Kabinetstficke der Usenerschen
Geistosirerkstatt sind hier vereinigt, in die jeder Philologe und
Historiker sieh vertiefen sollte: Philologie und Oeechiebtswiseen-
714 P. Wendlandf Die belL-rOm. Knltar niw., ang. f. B. Meister.
8chaft (Bede gebalten beim Antritt des Bektorates am 18. Ok-
tober 1882, erschienen im Verlag von Max Geben nnd Sobn 1882),
Mythologie (Arehi? für Religionswissenschaft 1904, YII 6-82),
Organisation der wissenschaftlichen Arbeit» Bilder ans der Ge-
schichte der Wissenschaft (Preußische Jabrbflcher 1884, UU
1 — 25), Ober Torgleichende Sitten- nnd Beehtsgesehichte (Vortrag
gehalten in der XLII. Yersammlang deutscher Philologen und
Scbnlm&nner in Wien 1898, s. Yerbandlnngen dieser Versammloog
22 ff., Beilage zur Mflnchener allgemeinen Zeitung 1893 Nr. 148
und 158, Hessische Bl&tter fftr Volkskunde 1902 I 195—228),
Oeburt und Kindheit Christi (Zeitschrift für die neutestameDtüche
Wissenschaft und die Kunde des Urchristentums 1903 IV 1—21),
Legenden der Pelagia (Einleitung aus der „Festschrift für die
XXXIV. Versammlung deutscher Philologen und Schulm&nner u
Trier 1879 im Auftrage der rheinischen Friedrich- Wilhelms-
ünit«nit&t zu Bonn), Die Perle, aus der Geschichte eines Bildes
(Theologische Abhandlungen Karl Weizsftcker zum siebzigsten Ge-
burtstage 1892 gewidmet, 201—213), Die Flucht for dem Weibe,
eine altchristliche Nofelle, erneuert Ton fi. üdsaffhar (Weiter*
manne Monatshefte LXXV, 1894, 480—491). „Zusfttze und
Änderungen, die er selbst bereits zweifellos für den neuen Dmck
▼orgenommen hfttte, sind ohne weiteres übernommen, eine Anzahl
▼on ihm beigeschriebener Notizen, bei denen in diesem Punkte
Zweifel möglich waren, sind in eckige Klammem gesetzt*. Mit
eigenen Zusätzen war der Herausgeber äußerst sparsam, jedermana
muß ihm darin recht geben. Wenn A. Dieterich im Vorwort eine
wissenschaftliche Ausgabe der kleinen Schriften Useners ankündigt,
so wird dieser Plan hoffentlich durch das Torzeitige Ableben des
Vortrefflichen nicht zerstört.
Innsbruck. Ernst Kaiinka.
Die hellenistisch -römische Ealtar in ihren Beziehongen zu
Jadentnm und Christentum. Von Dr. Paul Wendland, onL
Prof. in Breslau. Mit 5 Abbildungen im Text und 12 Tafeln.
Tübingen, Verlag von J. C. B. Mohr (Paal Siebeck) 1907, 190 SS.
Preis 5 Mk.
Wendlands Buch bildet einen Teil der von Hans Lietsmaoa
in Verbindung mit H. Gressmann, E. Klostermann, F. Niebe^gail,
L. Badermacber und P. Wendland herausgegebenen Handbnchei
zum neuen Testament. Das den Herausgebern „vor Angea
stehende wissenschaftliche Ziel** ist, den „Ertrag der Arbeit sa
den Problemen der Sprach-, Kultur* und Beligionsgeschicbte ins-
besondere der jüdischen und altchristlichen Theologie, sowtit er
einer kühlen, vorurteilsfreien und durch keinerlei kirchenpolitiscbe
Nebenzwecke beeinflußten Kritik Stand hält, für die Erklärung der
P. Wendiand, M^iieli.-rOm. Kaltur osw., ang. t. JR. Meister. 715
Deatestamentlichei) Schriften ttotzbar zu macbeo^. Das Werk ist
aof 5 B&nd« bsrechnet; der ersi» soll in drei Teilen eine Gram«
matik des nenieatamentliehen Oriediiseh, eine Darstellnng der
bellenistiBeb-rOmiscben Enltnr in ibren Betiebnngen tu Jndentnm
und Chriatentnm nnd eine Analyse der nrcMallicben Literatnr-
formen bringen. Die Abfassung der Grammatik tat L. Bader-
macber, die der beiden anderen Teile P. Wendland übwiiommen.
Der 2.« 8. nnd 4. Band wird eine Übersetzung nnd einen witien-
sebafUicben Kommentar der Scbriften des neuen Testamentes enV
halten» n. zw. der 2. Band die Evangelien, der 8. die panliniseben
Briefe, der 4. die übrigen nentestamentiichen Schriften. Der
5. Band soll M^^M^bließlieb den Bedürfnissen der Praxis dienen".
Das Torliegende Bneb umfaßt als Abschnitt 2 die 8. nnd 4.
Liefemng des ersten Bandes.
Wenn es ein bedeutsames Verdienst der Arbeit an der Er-
forsebang der hellenistischen Kultur ist, daß durch sie, wie die
Ankündigung des Herausgebers des Handbuches besagt, ^die so
Jaoge Zeit hindurch streng gesonderten Werkstätten der Philologen
nnd der Theologen in freundschaftlichen Verkehr getreten sind",
so darf dies von dem vorliegenden Werke in ganz besonderem
Maße gelten. Indem es seinen Standpunkt ^nicht erst in der Zeit
nimmt, wo die energische Auseinandersetzung des Christentums
und des Hellenismus beginnt", leitet es vielmebr zu den Quellen
und EntBtebungsbedingungen des Hellenismus zurück, um sodann
„ein zosammenbingendes Bild der kulturgeschichtlichen Entwick-
lung^ zn geben (8. 6} und erst auf diesem Grunde eine klare
ZeicbnoDg der Beziehungen von Hellenismus und Christentum zu
entwerfen.
Wendland hat seinen Stoff in zehn Absdinitte ge-
gliedert: I. Die weltgeschichtliche Bedeutung des Hellenismus.
II. Polie und Monarchie. III. Kosmopolitismus und Individualismus.
IV. Oeechichte der Bildungsideale. V. Die philosophische Propa-
ganda ond die Diatribe. VI. Hellenistische Beligionsgescbicbte.
7IL Die religiöse Entwicklung unter der BOmerberrsebaft.
VnL Hellenismus und Judentum. IX. Hellenismus und Christen-
tarn. X« Synkretismus und Gnostizismus. Der gedanklicbeAuf-
ban, welcher uns in dieser Gliederung entgegentritt, ist demnach
etwa folgendermaßen Vu skizzieren: Nach einem einleitenden
Kapitel, welches die Grundlinien der hellenistischen Kultur fest-
legt, atellt der Verf. in zwei weiteren Abschnitten die Terftnderte
Lage der geistigen Kultur im Zeitalter des Hellenismus dar, und
zwar macht uns Kap. II mit den durch die neue Weltlage ge-
scbaAmen Bedingungen und Voraussetzungen der geistigen Kultur
dee naefaalezandrlniscben Zeitalters, Kap. III mit den bezeiob-
neiidston Zügen dieser Kultur selbst bekannt. Die folgenden Tier
Abecbnitte führen uns in je zwei Kapiteln den Zersetzungsprozeß
Jener beiden geistigen Machte vor, aus denen der Mensch der
716 P. Wtndhud, Die heU.-rOiB. Koltw u«., utgpf.K M^iaUr.
Antik« Mino Wellanschaanng za achOpfen ▼•rm^hte, der Pbll^
sopbie und d«r Religion. Mit Kap. VIII fdbrt uns der VerL aaf
den Boden» anf weleliem das Chrietentam ervadiiea iet; der Pio-
leß des Anstansebea and der Vermisebnag der Knltoren» wekber
das Wesen des HelleniamHa im Gänsen ansmacbt, wird nnoniahr
in seinem spezifischen Ablaufe anf einem beschränkten Gebietet
Palistina and der jfldischen Diaspora* and bei einem bestimmten
Volke» den Jaden» anfgeieigt. Das IX. Kap. gibt dia Anfinge des
Christentams» seinen Zosammmhang mit der antiken Koltor and
seine Besonderheiten gegendber derselben sowie den Beginn dar
AaseinandersetzuDg twiscben diesen beiden Mftebten* Das X. Kap.
endlich zeigt» wie die „Tendenzen der Ansgleicbang and Yer-
schmelzang der Beligionen* (S. 162), der Vermisebong Ton Bau-
gioo, philosophischer Spekalation and mythologiecber Phaaftaaie
aneh die Entwicklaog des Christentams begleiteten.
Der grofie Umschwang der politiscben and aotialan
Verhältnisse, den die Begrtndaag von Alexanders Orieckan
and Barbaren omspannender Monarchie» die in seinem Geists fart-
gesetzte Tätigkeit der hellenistisohen . Dynasten and endlick das
Aufgeben aller Mittelmeerländer im römischen Weltreiche herbei*
geführt hat, hat nicht nur die äuäeren Bedingungen fdr die Ba^
wicklang der geistigen Eoliur der Griechen versobeben» sondam
auch bald diese selbst in wesentlichen Zfigen ihres gedanklichen
Gebaltes umgestaltet. Wie die ganze Politik nunmehr von dam
Herrscher und dessen Umgebung aasgieag, so war auch daa
Schwergewicht aller geistigen Tätigkeit nach den großen Mittel-
punkten der Seiche verlegt, dahin strömte, wen politischer Klir-
geiz lockte» nicht minder wie deijenige, der sich mit eeioea
literarischen Leistangen an die große Öffentlichkeit wenden wollte.
Unter dem Schutze der Herrscher entwickelte sich eine umfassende
Organisation der wissenschaftlichen Arbeit. In demeelben Ma6a»
als die Kleinstaaten an politischer Bedeutung yerloraui hiirte der
Begriff der Polis auf, bestimmend auf die Anschauung und Lebeoa*
führung der Menschen dieses Zeitalters einzuwirken. In dem Be-
griff der Oikumene fallen die alten Schranken, welche Landschaft
▼on Landschaft, Griechen von Barbaren trennten und mit dens
Verfall der politischen Bedeutung des selbständigen Gemeinweaeoa
lockerten sich auch die Bande» durch welche der fiinzeUke in dieaea
mitverflechten war. So fahrte diese Lage einerseits zu einer Er*
weiterang des Menschheitsbewuätseins, wie sie insbesondere in
dem Kosmopolitismns der Stoa zutage tritt» andereeits im einer
LoslOsung des Individuums von allen traditionellen Banden, wie
sie der ethische Atomismus Epikurs am konsequentesten aawge»
sprechen hat. „Das Gefdhl der Einheit des Individuuma mit Uim-
^ebung und Welt ist dem Bewußtsein des Gegensatzes, der üb*
iibbängigkeit und Selbständigkeit gewichen" (S. 20). So hat der
Individualismus gelehrti das Augenmerk dberall auf die Pereto«
JP. Wmdtand, Die btlL-rOa. Kaltar «tw^ ang. ▼. B. Meitter. 717
iNhkeit» «nf daB reale Einzeliie tn riohteo, er bat „eine der Kai? i-
tlt des aatllMi MeDechen ga&i ftwode Yertiefang des inneren
Ltbene ereeogt*' (8. 21). Aber der IndiTidnalismas hat den Bin-
xihiti aneb entwnnelt, hat iha daraaf hingewiesen, ^nar in
Minem Inneren festen Halt «nd die Bedingungen des GlAoks za
finden*' (8. 21) und trieb ihn so tarn Soeben naeh einem geistigen
Lebensi^ialte. Und die^n erwartet man nnn von der Pbilo-
lopbie; sie sollte Ffthrerin zi einer innerlieb befriedif enden
Lebsnsfllfamng sein. Damit trat die Ethik in den Tordergmnd
allte Philesej^hierens. Und das Bedflrfiiis naeh solcher Lebens*
weisheil wwrde aUgiemein and zeitigte so die Brseheinang der
philooe|»his€hen ICassenprc^agaoda, welche das Interesse an philo-
sophiflohen Prages, zumal der Moral, in imaser weitere Kreise
trug. Indes mit dieeer Aasbreitnng des philosophischen Interesses
hielt die gedankliche Tiefe der philosophischen Stadien nicht
Schritt. «Die Mittel rein moralisisrender Predigt sind bald anfge-
braucht, und aaefadem man sie ffinf Jahrhunderte angewendet
hatte, waren eie ersch^^pft und ftmutzt. Biae Moral, die sich zu
spesielleter Kasuistik entwickelt und die Philesophie zur Lebens-
kunst, den Philosophen zum Erzieher herabgedrQckt hat, zeugt
damit selbst ron dem Mangel tiefer sittlicher Motive und auf das
laaerate des Meiiscbeu wirkender Kr&fte** (8. 87). So kommt es,
daß die alte Sivalin der Philosophie, die Bheterik, die sich in
Gestalt der zweiten Sophisttk aufs nsue erhebt, immer mehr usd
mehr an Boden gewinnt, selbst die Fachwissenschaften durchsetzt
und der Philosophie im Kampfe um das Bildungsidsal scblieAlick
den Bang ablftnft. Das Erfreulichste, das die Oeistessntwicklung
Jener Zait herrorgebracht bat, ist jene kleine Zahl tiefffihlender
Menschen, welche die Sebaaucbl nach einem geistigen Lebensin-
halte und die ideale Ferdemag nach einer höheren, sittlich ge-
liutsvtan Lebensführung anfreeht erhalten haben. Darin liegt die
Bedeniong solcher „echten KTBiker**, als deren größter Epiktet
gelten darf. Durch ihren Kampf gegen die Lasterhaftigkeit ihrer
Zeit, darch die Aufrjtttelnng des sittlichen Gewissens der Massen
und dnreh die eneiigische Betonung einer asketischen Lebens-
fibmag und der Reinheit des Hsrzene haben sie dsm Ohristsntume
feggenybeitet. Und fthnlich lagen die Verhältnisse anf dem Ge<>
biete d«r Beligion. Die Mystik mit ihrem EHösnngsbedürfnis
und iknr tieferen Sefansuebt nach innigerem, unmittelbarerem
Yerk^ur mit der Gottheit hatte die Uagenügendbeit der offtnellen
fieligjon Mr das religriOse Gefflhl erwiesen, die Kritik der AuC-
klirwoff die nttlieben MAngel der anthropomorphen Qötterror-
Stellongen und die Sinnlosigkeit des Polytheismus aufgedeckt und
aalbni diejenige Philoeophie, welche positive YoretellongeEi rem
Tranaeandeaten zu gewinnen suchte, ging nicht darauf aasi die
bark^mmlicbe Beligion zu rechtfertigen, sondern sie wollte sj^^«^
aetaan. Und dieser Zersetzungeprozeß erf&hrt in der hellenit^
720 P. WmuUand, Die htlL-rtm. Eiüitar mw., tag. v. B. limUr.
dtr wichtigslni gMBtitelHQ VersMhmgtti und einem Hiniiiii tnf
dei Einflaß „orieiitalieeher Giioak «id oneDtaUsciMr BaUgioiiat''
Aaf das Cbrifttentam in seiner Werdezeit sohlieftft das Baeh Wend-
lands. Die Betraehtang des Entwickfanigsgaages des Ckristentiimi
mthidet liier in die Dogmengesehiehte; und dieee liegt binite
anfterbalb der Intentionen des Verf.
Die ebi^ DacBteUong hat verenebt, ein Bild des OeduütM-
ginges Ton Wendlands Scbrift zn geben, soweit dies bei dir
Fälle des Materials nnd der Beiebhaltlgkeit der Gesiehtapeakt»
in kurzem tnnllch war. Die Zeichnung der hellenistisebea
Epoche ist frei von aller Eineeitigriteit. Wenn sie auch dareb
die Aafdecknng des Zersetzongsprozesses 4er antiken Beligien und
Phflosophie im Ganzen als eine Periode des Verfalles erscheint, w
tritt aaderseite doch auch klar zntagtt daß der HellenisaMU anf
den Gebieten der Faehwiesensehafteo nnd der Literatur (aas
denke an Elegie nnd Epigramm, an die Biographie, die nenm
Komödie, die philosophische Diatribe) noch manches Originelle ge-
leistet und selbst nene Werte Ton weittragender Bedeutnng (so ä$
Idee der Humanit&t, der Persdnlichkeit, die Verttefnng des Isma-
Mens) geschaffen oder doch znr Entfaltung gebracht hat. Durdi
seinen maßgebenden Einfluß auf Bßmertum und Kirche iet d«
Hellenismus zum Vermittler zwisdien der antiken (nueh der Uas-
siscben) Geistesarbeit und unserer Kultur gewnrden. Durch dn
klare Herausarbeitung aller dieser Geeiehtepnnkte wird Wendla&i
der geschichtlicben Stellung wie der kultureUen Bedeutung du
Helleniemus in gleicher Weise gerecht (vgl. namentlich 8. 8 i
und 8. 18 ff.).
Bei der Vergleichung von heidnischer nnd chriit-
\icher Gedankenwelt wird die vielfach Oheroinstifluneiide Eot-
ificklung der beiden atete im Auge behalten; mne Abhiagigkiit
der einen von der anderen wird dort, wo sie ale geaichertas Sr-
gebnis der historischen Kritik gelten darf, rtekhaltelea aneckamt
Doch nirgends läßt sich der Verf. durch bloße Xhnlidikait odir
Gleichartigkeit zweier Gedanken vwleiten» auch auf daran Ib-
hAngigkeit von einander zn schließen. Die „letzten Motive nsi
Omnds&tze'' sind es, die hier entecheiden und dieee znigtn siek
sehr oft als grundverschieden (vgl. 8. 121 und 8. 129 £.). IM
ee fir die gnoetischsn Systeme kaum zu erwarten ist, etnai
einheitlichen geschichtlichen Ansgugspunkt zu finden, wird ma
in Anbetracht der Gteiehartigknit der Tendenzen in aflsi
bellenieierten L&odem, wohl zugeben dürfen. Der Gnosis fthilkte
Prozesse haben in jener Zeit alle orientalischen BeligioiMn mehr
oder weniger durchgemacht. Einen inhaltlichen Sinigungspnato
haben alle gnostischen Strömungen in dem Bestreben, die GUanbeBt-
lehren dem Vorstellen s&her zu bringen. Zwiechen der H6he phile-
sophisoher Spekulation, die eich an das Erkennen wandia^ nai
der krassesten Mythologie, welche sich der Phantasie das Unge-
P. Wendkmd, Die helL-rOm. Knltar usw., aDg. ▼. JR. Meister, 721
öi/deten empfahl, lag eine große Reihe von Zwischenstufeo ; im
EinzeloeD wird hier der Bildnogsgrad des Autors und das Publi-
kum, das er im Ange hatte, entschieden haben. Daß man die
Mittel phantastischer Mythologie und der Hypostasiening Yon Ideen
bsTonngte und das Erkennen bald als eine Offenbamng, bald als
ein fibematürliches Schanen faßte, wird in einer Zeit, wo selbst
die Philosophie die gleichen Wege ging, keineswegs befremden.
Wendlands Darlegangen zeigen im Tollsten Maße die beiden
Vorzüge, die wir von der znsammenfassenden Darstellung einer
geschichtlichen Epoche erwarten dürfen: Höhe der Gesichtspunkte
and lebendige Anschaulichkeit. Der Qesichtskreis des Werkes ist
der denkbar umfassendste : alle Erscheinungen des fielgestaltigen
Kulturlebens der hellenistischen Zeit werden zusammengenommen,
om über den Eintritt des Christentums in die antike Welt Licht
zu verbreiten. Lebendige Anschaulichkeit aber erzielt der Verfasser
durch die reiche Fülle der herangezogenen Details, nicht zuletzt
auch durch die Oeschicklichkeit, mit der er alle diese Einzelzüge
zu einer Gesamtäußerung zusammenschließt. Die Hauptlinien der
Entwicklung treten stets klar hervor; nirgends aber sind sie
durch vorschnelle historische Konstruktion gewonnen, vielmehr
aberäU das Ergebnis der kritischen Durcharbeitung des Quellen-
materiala. Ein reicher Apparat von Verweisen ermöglicht dem
näher Interessierten, auf die Quellen und die einschlägige wissen-
schaftliche Literatur einzugehen. So ist das Werk vollauf ge-
eignet, dem Theologen den Ertrag der philologischen Arbeit an
der Erforschung des Hellenismus in faßlicher Form zu vermitteln.
Dem Philologen gibt es eine durch seine Übersichtlichkeit und
Reichhaltigkeit gleich wertvolle Darstellung der geistigen Be-
wegungen dieser Epoche und lehrt ihn durch die Betonung der
(?ieiciiju'tigkeit der Stimmungen und religiösen Motive der griechischen
wie der orientalischen, der jüdischen wie der christlichen Entwick-
luDg den Geist dieser Zeit tiefer zu erfassen. Auch der Unter-
richt in den altklassischen Sprachen vermag manche An-
TBgung daraus zu schöpfen ; beispielshalber sei hier verwiesen auf
die sakralen Beformen des Augustus (S. 88 f.), auf das Ver-
hAltnis der Dichtungen des Vergil zu diesen Bestrebungen (S. 90),
auf Xenophons Stellung zum Herrscherproblem (8. 7), auf das
Verhftlinia des Tacitus zur hellenistischen Stilentwicklung (S. 4),
auf die Zosammenstellung seiner Germania mit den idealisierenden
Sehilderaneren des Barbarenlebens aus hellenistischer Zeit (S. 16).
Der Druck des Textes sowie die Ausstattung der bei-
iregebenen Abbildungen und Tafeln ist durchaus sorgfältig. Störende
>mckfebler sind mir keine aufgefallen; kleine Versehen, wie
!. 54, Z. 11 V. u. 6e8chichtsdarste»/ung, S. 82, Z. 25 v. u.
es Medizin verbessern sich von selbst.
Znain. Dr. Richard Meister.
2«itoelftrift C d. telm. Otbib. 1908. VIU. a. EL. Htft. 46
ebockip Obsertmtionea Omdiunae (S. 13 — 23) bdcIiI
8chart6verb&Un)s iwiachen Oyid Ätn. I 8 und FUd
lU 11 uiid Tarens Eqb.» Am. Ill 8 uod LucUd I
ieitinstelleiir — S» Skimioa, Quaenam frirtuUr.
carminibus Lattnis epigraphieis tribuaniur? [SJ
J. Ziemeki, Z>t! Romas epithsiU ^imesHuncula (SA
di« Epitheta der Stadt Born bei des lateiDtscb^ti (nl
Schriltstellern auf, — L, Piotrowicz, FhiUppi
rn intim ineditormn particuta (S. 43 — 47)» drei
dichte Kallimiicbfi (in Pb&laece^n) mit Eisleltim^]
exegetisch em Kommentar, — Dt aliquoi Cracoeün
cipum CzarUirt/ski mmumentis (S, 49 — 105): L P,,
Prae/atio (S. 49 — 51), &) De Vener is pudicae «£
— 60), b) De dmhus speeuits Graeeis (S. 60 — 66
mulUris Attkae (8, 66—67). D* E. B Ulan da,
mUiiis (S. 69—71), b) De ApoHinü $igiUo
c) De Atheme sigiUo {S. 73—75), d) De urtm
(S. 75 — 77), IJI. L. Piotrewlci, De L^eurgo
Cracmiensi repraesentato (8* 79 — 87)*
speculo Etrmco (S, 89-^96), ?. J. Si
siatuncuiü Craetwiemi (S. 97 — 105), —
trunco Minervae statunculo i^serpationes (S*
arcbäologiscben Anfiitzeii sind elf LicbtdriicktafelQ]
M, Paroeg, Aischyhs im hichte der Arist^^hi
(S. 115 — 132), Eesaj auf Grund der FrOscbe des J
Y. 0 gro d i i n B k i, Beiträge zur Erkenntnis der kim
sUtkr in Palm im XV!. und XVIL Jahrhund^ri
untersncbt das AbhängigkeitsverbäUnis Eochanowek
von Sophokks (Antigone) nnd Herodot (I 3) o^
Jahrb.) von Apnleins (Metamorpb.) und Psei^H
De uma $m
LtfcurgQ Hl
IV. W. cl
Ujdak, Di
— G. Prj
me« (S. 101
. JT* ^vlatoMf 'H »cfT^if TOÖ *0$voff4ms^ ißg. ? . J^. GröschL 723
doli 8 kl, ^tJ F^öft ep»V4?r/f(ifn (S. 179 — 1S3), BomerkilDgeil
t 8 und zur AbfaagQTigBzeit der Epitome. — Derselbe,
rtino PhiUppi CaUimmchi (S* 185 — 193), iwei Qedichte
iCba mit VariaDten^erzeichiiLs und ÄDmerkung'Bn. — J« Boz-
Ttiri, Thrücograem* De nominum Haemi Scardigm mmtium
int4m Ia(n)tri aique Htbri ürigmaiione (S. 195— 2 15)* —
rei3:«nach, Da Abrahami Fransi contmdia (8. 217 — 221),
^i&Ü die Uteinieelie Komödie des Eoglitiderä Abraham Fraulich
I3&' eine fast wortgetreue Übereetmng der italieDisobeD ^11
\ fon L. PaeqnaUgi ifit. — J. Eallenbaeh, Adam MickU'
Ü» Pkiioio<j€ (S. 22S— 231), gibt polniflcbe Obersetiiiinga-
des Dicbtera aas BoraZp Oirid und Pindar, — Zum ScblnA
ich, daß der philoiogiacbe Verein zn Letnberg den
äud der Zeitschrift 'Em* (Lemberg 1907) Herro v, Morawski
em 30 jährigen Jübiläom gewidmet und deo Gelebrtai] zo
EbrenGPitgliede ernannt bit. Mdge der Jabiiar« mein
ebrter Lehrer, noch lange Jabre ^a Not^ und Fronimen der
lacbaft in frischer Geistes- und Körperkraft wirkeo I
HiHJsUu (Galizien). Z* Dembitzar.
tov *OdvG^img. Von Nikolwe K. PaTUtos. Athen,
leinike" 1000. 179, 31 and 97 8S.
['Es wird nicht blofl in philologiacbeQt sondera auch in
EreiBeD bekannt sein, wie lebr die Levkas-Itbaka-Frage,
rpfeld in Fla6 brachte« die Gemöter in Atem hält. Einer
npt Vertreter der alten Theorie ist bekanntlich ein Itba-
N. FaTlatoB, der bereits im Jahre 1902 in Athen ein
ben^) eracheinen ließ, in welchem er DOrpfelda Ansichten
liderlegen suchte. Da aber im Lanfe der Zeit die Literatur
lie Frage immer mehr anschwoll, so mochte der Verf. föhieo,
li kleine Bncb seinem Zwecke nicht mehr genüge» and war
bestrebt, seine Ansichten der Öffentlichkeit in einem grö-
Werke m nnterbreiten. So entstand das obige ßnchi dessen
kütllchong man schon lange mit SpaaHnng erwartete. Ist
ier Verf. ein MaDn, dem selbst die Gegner genaaeste LokaU
lisee nicht abtafprechen wagen. Aber kann denn eio Lokal-
i die ndtige ObjektiTitat aufbringen * nm über einen Gegen*
bei dem er so sehr Partei ist, gani ^nToreingenommen tu
nf Ich werde darzntnn veraneben ^ daß P. im allgemeinen
V Torgeht> Daß er freilich als tretjer Sohn seiner Heimat,
ngt von der Eich tigkeit seiner Ansiebten, vielfach einen
») *H dlij^iig 'J*fif*Jr ^^^ 'O^ijQov,
46»
724 N, K. Pavlatos, 'H naxQig toxi Vdvaaeag, ang. f. J, Grö$efd.
wärmereo und schärferen Ton anschlftgti — wer wollte ihm das
übelnehmen? — Doch zor Sache!
P. gibt zanftcbet einen geschichtlichen Überblick über di«
ganze Frage, nnd zwar so aasführlich, wie das bisher noch ni«
geschah. Der Verf. geht von dem Satze ans, daß die alten Schrift-
steller durchaus das heutige nnd das homerische Ithaka identifi-
zierten, erw&hnt dann, daß sich bis in historische Zeit hinein
einzelne der alten Lokalbezeichnungen unverändert erhielten. Ent
in neueren Zeiten erfuhr nach P. der Name der Insel Verände-
rungen, besonders im XII. Jahrhundert und später. Daß aber alle
diese Versuche einer Umnennung scheiterten, zeigt zur Genüge der
heutige Name Thiaki, der nur eine Verballhomung des uralten
Namens Ithaka ist. Von den Forschungen der alten Gelehrten
abgesehen, ruhte die Ithaka-Frage bis etwa 1806 vollständig. In
diesem Jahre besuchte der Engländer W. Gell die Insel und be-
schrieb sie sehr genau. Der Hanptirrtum dieses Gelehrten bestand
darin, daß er den Palast des Odysseus auf dem A6tos (also in der
Mitte der Insel) annahm. Von den weiteren Forschern ist be-
sonders markant B. Horcher (1866), dessen Bedeutung für unaere
Frage ich jüngst^) in kurzen Zügen besprach. Er trat entschieden
gegen die alte Theorie auf, nahm aber leider auf Ithaka viel in
kurzen Aufenthalt. Damit hängt es auch zusammen , daß er nur
zu gern an Äußerlichkeiten haftet. In den Achtziger- und Nens-
zigerjahren erstanden dann der alten Theorie drei wackere Ver-
teidiger in E. Beisch, J. Partsch nnd B. Menge. Ihre wissen-
schaftlich begründeten und unparteiischen Urteile blieben denn audi
nicht ohne Wirkung. Unter diesen Umständen sei der Versuch des
Neugriechen Euruklis (1898), das homerische Ithaka mit dem
heutigen Kephallinia zu identifizieren, nur der Merkwflrdigkeil
halber verzeichnet.
Einen Wendepunkt in der ganzen Frage bildet das Auftreten
Draheims (1894), der das alte Ithaka im heutigen Levkas wiedo--
flnden wollte. Weiter ausgebaut wurde seine Theorie eigentlich
erst durch W. DOrpfeld, der seitdem in mehreren Aufsätzen') fir
seine Aufstellungen eintrat und darin von seinen Anhängern*)
Beissinger (1908 und 1906), Goessler (1904) und zuletzt von
V. Marens (1906) unterstützt wurde. Aber auch neue Verteidiger
der alten Ansicht fanden sich, so H. Michael (1902 nnd 190SV
N. Sabat (1902), W. G. Manly (1908), V. B^rard (1908), G. Lang
(1905 und sonst öfter), Erzherzog Ludwig Salvator (1905), end-
lich A. Gruhn (1907) und meine Wenigkeit.
*) DOrpfeldi Levkas-Ithaka- Hypothese, historisch und kritiseh be-
leuchtet. Progr. des Friedeker Gymnasinmi 1907.
*) Bes. ^LeakaB«", Athen 1905.
*) Vgl. die Literaturangaben in meinem Programmaufsatse.
N. K. Pavlaios, *H natffls tov 'Odvaaeasy ang. f. «7. Oröaeht. 725
Den breitesten Banm in Pavlatos^ Darstellnng nimmt natür-
lich die Widerlegung der von DGrpfeld för seine Theorie Yorge-
brachten Gründe ein. Hier geht der Verf. mit großem Oeschicic
und mit Aufwendung eines gewaltigen wissenschaftlichen Apparates
Yor. Jede Blöße des Gegners wird benützt, der eigene Stand-
punkt aber mit warmen, den Eindruci^ der Objelctivitftt erwecken-
den Worten verteidigt. So weist der Verf. S. 57 darauf hin, daß
Dörpfeld offenbar über die Worte der Odyssee (XXIV 877): N^-
Qixov, ivxziiLSvov moUa&QOVy ixziiv i^jcsIqoio selbst nicht
recht im klaren sei und daher seine ursprüngliche Ansicht ge&ndert
habe. Aber auch Dörpfelds jetzige Annahme, NrJQixog liege 7 km
weit im Inneren Akarnaniens beim alten Palairos lehnt P. mit
Recht ab. Wie DOrpfeld und alle anderen Forscher untersucht
anch er zun&chst die Hauptstelle der Odyssee für unsere Frage
(IX 19 — 28). Am meisten Kopfzerbrechen hat hier den Erklärern
die richtige Übersetzung der Worte x^^l^<^^^S und ngbs iötpov
(gemacht. Dabei deuten aber die Anhänger der alten Theorie
speziell den ersten Ausdruck immer noch viel ungezwungener als
/^drpfeld und seine Jünger, die jfi^ayLaXii in der Bedeutung „nahe
am Festlands" fassen. Den Anhängern der alten Theorie kann
sieb das ziemlich gleichbleiben; denn auf unser Ithaka paßt jede
Erklärung von i^aka^idg^ nicht so auf Levkas. Diesen Punkt
hätte F. etwas schärfer hervorheben können, da sich die Gegen-
seite gar zu sehr auf ihre fragwürdige, auch von Wilamowitz be-
kämpfte Deutung von %^ayLaX6g stützt. P. verlangt denn auch
nach eingebender Begründung S. 69 mit Becht, x^. müsse auch
an unserer Stelle die natürliche Bedeutung ^niedrig** haben, die
übrigens gerade für Ithaka im Verhältnis zu den anderen Inseln
sehr bezeichnend ist. Überragt doch, wie ein Blick auf die Karte
iebrtt der Hauptgipfel des benachbarten Kephallinia, der 1620 m
hohe Ainos, die höchste Erhebung Itbakas um ein gewaltiges
Stück. Ich stelle also nur fest, daß wir Anhänger der alten
Theorie in der glücklichen Lage sind, bei der Deutung von x^.
ohne Künstelei auszukommen.
Viel schwieriger ist allerdings in dem erwähnten Zusammen-
bange die Frage, wie das Wort %o(p6g zu behandeln sei. Hier
häUe ich an Pavlatos* Stelle ohneweiters zugegeben, daß man
schließlich auch von Levkas sagen kann, die Insel liege Tcavv'
TtsQzdxri ngbg tfinov. Eins haben wir ja doch deshalb immer
noch voraus: Dörpfeld müßte erst beweisen, daß Levkas eine der
vier £rr^^^° homerischen Inseln ist, daß es also bereits vor Ab-
fasBon^r ^^8 ^P08 Inselcharakter besaß. Dieser Nachweis ist aber
bisher weder ihm noch seinen Anhängern gelungen, mag man
aach bnodertmal von günstigen Ausgrabungsresultaten und geo-
logischen Befunden sprechen. Man lese nur Längs ^) überzeugende
>) Untereuehaogen zur Geographie der Odjssee, Karlsruhe 1905,
^es. S. 10—14.
72(> N^ K^ FaviatoBf 'H «CETpi; toI! 1Ddt>^ai 0;^ fcng. t. /.
Aüfiföhruiigeii^ die sich ja auch ^nt geokgiBCb« TakaclMA 1
und iDic wiri Etesiliog^} beistimmeiii wenn ar
wenigsten e — DOrpfelds Theorie als Dicht Tiel mehr 4«ui
Hypothese bezelchaet, die keine Anssichl hat, jemals tiij
wegs sichere wieaenscbaltlicbe Erkenntnis la werdeo**' d4|
schickt ist m. E. auch der HlDweis PavUtoa* darauf, dal
ÄBvnhq nitpm (Od. XXIV 11) unter keinen ütnstlnciii in
Insel des Odysseng xü encben sei» so ödem aEßerhalh der«
Ein recht wmder Ponkt der neaen Theorie wird damit hL
stellt. Sehr iberzengetid ist ferner der Nachweis, daß die I
rieche Insel Same unmöglich in dem heotigen Thiaki wied
fnnden werden könne. Ititeressant ist dabei heiondert di« •<
logische Besprechnng des Namens Same, dessen ph^nkischa
sprang als gewiß gelten kanD, Same bedetitet dano ^dle H
was sehr gnt ^nm Lnselcbarakter paßt, ünaogenehm i%\
allerdings für die Anhänger beider ElchtniigeQ die Frage
man die homerieche lusel Dnlichion £Q suchen habe* Die 1
thesen der alten Gelehrten sind hier von ebenso onsicheren m
Annahmen abgelöst worden. Wie DÖrpfeld ma& auch P, £Q
Mittel greifen; doch würde ich noch immer der ?on F.
Terfochtenen Bjpotbese den Vorzug gebeo, Daiiebion atfj
noch in geschicbtücher Zeit Tor der Acheloos-Mändung
denen Schwemmlande zu sncheu* Die Bezeichnung avif^i
paßt, wie schon <yft nnd oft ber^orgehoben wnrde, riel he
Thiaki als auf Le?kas. P. betont dies neuerlich mit
Geschick.
Sehr interessant ist der Abschnitt aber Asteris, di
Frage eine große EoUe spielt Es handelt sich nämlich
Insel, hei welcher die Freier dem heimkehrenden Telemachoi
lanerten. Die Anhlnger der alten Theorie enchen das Eilii
der heutigen Klippe Dhaskali6, mitten zwischen Itbaka
phallinia, wftbrend DOrpfeld and seine Anbänger fftr
lieber gelegene Arkndbi sind. Hier betont nnn F. , der
Einheimischer die Gegei^d genau kennen maß — auch
hat er besieht — , das Cbaraktertstische Ton D^rpfeldi'
sei To ymcai^Bg^ das unseres Asteris aber %b MSt^^ÖBi* Cli
letzleres ist die Dichtnng ganz entschieden. Daß natftriicl
schiedene Elnzelbeiten nicht mehr gen an wieder^tierkeii
wer wollte sich darüber wnndern, da die Stürme eo Ti«t|
hunderte über die örtlich keiten hinweggebranst sind! Bio
liehen Doppelhafen — das Epos nimmt einen eotchen ffii
an — kennen ja eigentlich beide Parteien aaf ibrim Aiti
nachweisen. Wenigstens stellt Manly'] für Alka dhi daa Tn
eein eines solchen ganz bestimmt in Abrede.
') Hettner* Geogr S^.-Sehr » 19i><s S, 843,
1903, g. 35 üQd 36.
en m
aeS
acbu
Eil«
1
N. K. PavlatoSt 'H natQis tov ^Odvaaiag, ang. f. J. GröaeM. 727
Bei dieser Oelegeoheit möchte ich dberbaopt wieder dsratif
hinweisen» daß es im höchsten Orade kleinlich ist, alles, was der
" ' Dichter an örtlichkeiten beschreibti genan, ja peinlich genan, auf
der armen Insel des Odjssens wiederfinden zu wollen. Weiß man
dMD gar nicht, daß es anch eine dichterische Phantasie gibt und
dsß Homer oder die homerischen Dichter dieser Gottesgabe in
höchstem Maße teilhaftig waren? Ich ffir meine Person Yortrete
' bezüglich Thiakis die Anschaanng, es brauche dnrchaos nicht alles
-' Bit Homers Darstellnng übereinzustimmen. Deshalb gebe ich noch
kein Jota von meiner Überzeugung preis, daß Thiaki die Insel
des göttlichen Dulders sei, im Gegenteil, nur so kann man der
Dichter-IndiYldualit&t eines Homer gerecht werden.
Daß die Beinamen, die der Dichter fftr die Insel gebraucht,
(Ifr Thiaki im höchsten Orade bezeichnend sind, wurde schon so
▼ielfach hervorgehoben, daß ich darauf verzichte, Bekanntes zu
'/ wiederholen. Ich will nur bemerken, daß P. als genauer Kenner
seiner Heimatinsel die von vielen Besuchern verblftffend genannte
Obereinstimmung zwischen Homers Schilderang und der Wirklich-
keit noch stärker zur Geltung zu bringen weiß, während ich gerade
in diesem Punkte auf gegnerischer Seite bisher nichts Nenneni-
wertea fand. Ich weiß natftrlich ganz wohl und anch P. wird sich
dieser Einsicht nicht verschließen, daß die topographischen Binzel-
heiten auf Ithaka, sofern sie mit Homers Darstellung flberein^
stimmen, noch nicht den Ausschlag geben. Es ist ja möglich, daß
sieb noch auf anderen ionischen Inseln Ortlichkeiten finden, die
zu Homers Schilderung mehr oder wenig«: passen. Im ganzen
aber gilt wohl der Satz, daß sich Dichtung und Wahrheit noch
am ehesten auf Thiaki vereinbaren lassen'). Besonders die vom
Dichter erwähnten trefflichen Häfen der Insel des Odjsseus lassen
sich schwerlich anderswo so schön wiederfinden und so leicht ver-
teilen wie auf Thiaki. Die Verteilung dieser Häfen für Levkas
finde ich recht unzweckmäßig.
Und endlich die Ausgrabungen, al noXv^Qvkijtoi iva-
axag>a£l Welcher Mißbrauch wurde nicht mit ihnen von einer
Presse g^etrieben, die mit Vorliebe Hypothesen fflr feststehende
Tatsachen ausgibt! Was sollen denn diese Ausgrabungen be-
weisen, selbst wenn sie Mykenisches zutage gefördert haben? Es
destreitet ja doch niemand, daß Levkas in mykenischer Zeit be-
siedelt g^ewesen. Wohl aber muß hier ausdrucklich betont werden,
daü anch auf Thiaki mykenische Funde von W. VoUgraff gemacht
wurden« über die auch P. spricht. Ich bin Übrigens begierig,
wie naan es auf gegnerischer Seite anstellen wird , den Nachweis
ZQ erbrinfiT^n, die oder jene aufgedeckte Bninenstätte rubre gerade
von der Stadt des Odysseus her. — Schließlich stelle ich noch
*) Vgl. Pavlatoi, 1906, S. 186.
730 K. FrinM, Aiuwahl au XenopboD, ang. ▼. B. WeifikSm^
dtD Schriftsteller Bdibat dwch einea aeinar wicbtigaton Werk«
n&har cbarakteriaieran. Wie aehr gerade die Hellenika in einer
Sehflleraaawahl Berdckaichtigimg verdienten, beweiat ja am bnten
die Tataacbe, daß aiyfthrlicb eine große Zahl von MatunftiÜM
ana ihnen genommen wurde.
Wie der Verf., jedem grandatnrzenden Badikaliamiu abiiold,
bewfthrten alten Prinaipien trea blieb, zeigt der Banm, den erta
einzelnen Werken Xenopbona anwies: anf die Anabasis komsien
68 6., anf die Kyrnpädie 20 S., anf die Memorabilien 10 8., auf
die Hellenika 18 88. aeiner Anawabl. Bei Eornitzer-Schrakl tot-
fallen aaf die drei eratgenannten Werke 57, 88 und 16 Seitoo.
Prinz kürzt also den Hellen, zuliebe Kyr. und Mem., wai ibm
gewifi niemand verargen wird ; eratere bietet in vielen Teilen der
Jugend aehr wenig Intereaae» letztere sind für die AltersBtafe d«
Sextaner zu aefawer.
Die Auswahl aua der Anabaaia muft natürlich grofie Äkn-
lichkeiten mit der entsprechenden Partie dea bew&hrten SehenklscbeB
Buchee aufweiaen. Die Abweichungen sind hauptsächlich dank
drei nur zu billigende Orunds&tze dea Verf. bedingt: 1. Mit
Gharakteriatiken sparsam zu sein; 2. allea zu übergehen, vai
langatmige Auseinandersetzungen über militärische Evolutionei
oder die Kriegstaktik zur Zeit Xen^^hona erheiaehte; denn daftr
hat die Schule keine Zeit; 8. von langen Beden, „denen ^e
Jugend, die Taten aehen will« erfahrnngagem&ft nur achwer ein
Interesse abgewinnen kann^, nur Notwendiges aufzunehmen. So
ist von Charakteristiken nur die des Klearchoa berücksichtigt;
unterdrückt wurde mit Becht die dea Kyros, mit der ich stlber
schon böse Erfahrungen gemacht habe, ferner aber auch, reo
meinem Standpunkt aus bedauere ich es, die des Proxenos and
des Menon: gerade die Gegenüberstellung der drei Feldherran ir-
regte immer das höchste Interesse meiner Schüler^). — Von Bad«
entfiel die dea Xenophon an die Führer der Griechen ; anfgenomnen
wurde unter anderem dessen Ermutigungsrede an daa Heer, jedocb
mit der beherzigenawerten Bemerkung des Begleitwortea, dafi man
sie eher übergehen könne. — Von Stellen taktischen Inhalts ftblts
bezeichnender Weise IV 8, 27—80 aua dem Übergang über d«
Kentrites und IV 8, 9—18 aua dem Kampfe gegen die Eol<te;
auch IV 6, 5 bis Schluß mag hiehergehören. — Neu kommt bii-
gegen im Vergleich zu Kornitzer-Schenkl hinzu : I 2,5 — 9 Marsck
von Sardes bia Kelainai ; I 8 Meuterei in Tarsoi ; H 1 und 2,
1—10 der Tag nach der Schlacht bei Kunaxa; III 4» 87-SchliCs
Xenophons begeisterndes Vorbild bei Erstürmung einer Höhe; IH
5, 14 — 18 Beschluß, durch das Land der Earduchen xu zich«B>
1) Allerdings will ich nicht verechweiKen, daß ich mit dieser Ab-
sicht bei Kollegen Widersprach fand. Jeder Lehrer versteht eben ander«
intereisant so gestalten und hat von diesem Gesichtepnnkte ana dieAc»
wähl des Stoffes za treffen.
K, Pring, Aniwahl ans Xenophoo, Ang. f. B. Weißhäupl. 731
Ähnliche Prinzipien wie bei der Anabasis befolgt Prinz bei
der Kjropftdie. Es werden nur „rein nofellistiscbe nnd in sieh
sbgeschlotsene kleine ErzAblnngen ansgehoben" ; dazu kommt, daß
nur sie Platz fftr die Hell, abgeben konnte. So ergaben eich hier
bedeutende Abweichungen Ton der Schenkrschen Auswahl. Es
fehlen Seh. I 8 — 15 Erziehung der Jngend bei den Persern; IV
dir erste Kampf; V Eyros als Feldherr der PM-ser; Stocke ton
TI Ejros und Oobryas; VII Kyros und Eroisos; Stflcke Ton VIII
die Eroberung von Babylon und der größte Teil von IX Eyros
und seine Untertanen; von X „Tod des Eyros" ist nur § 17 — 25
aufgenommen, dieser Partie aber unter dem Strich Gie. Gate H.
cap. XXII zur Vergleichung beigegeben.
Vollst&ndig umgestaltet ist die Auswahl aus den Mem.
Fon den Schenkrschen Stücken findet sich darin kein einziges,
auffftlliger Weise auch nicht die hübsche, leicht verst&ndliche Er*
2Ablnng von Herakles auf dem Scheidewege. Hingegen werden ge-
boten: 18, 1—8 Des Sokrates Frömmigkeit und Selbstbeherrschung;
I 6, 1—10 Das Glück des Lebens; 11 2 Ehre Vater und Mutter;
n 7 Arbeit ist keine Schande; III 12 Er&ftige deinen Eörper.
Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wurden lungere Partien,
wo es leidit möglich war, durch besondere Überschriften zerlegt.
Eorze, orientierende Inhaltsangaben stellen den Zusammenhang
zwischen den einzelnen Teilen her. Eine Einleitung zu den Hell.
und Vorbemerkungen zu mehreren Stücken dieses Werkes und der
XjT. geben dem Schüler das zum Verständnis unbedingt Nötige
an die Hand. Eine allgemeine Einleitung endlich bietet das Wich-
tigste über Xenophons Leben und Schriften nnd über die griechischen
Söldnerheere der damaligen Zeit. Es ist wirklich nur das für den
Beginn der Lektüre Notwendige, was hier zusammengestellt ist,
so daß es trotz der 2Y, Seiten füllenden Ausführungen über das
Söldnerwesen auf 57i Selten untergebracht werden konnte (gegen-
dber 11 Vt Seiten bei Schenk]); so ist z. B. Xenophons Gharakter
in 5 Zeilen und einer Anmerkung, sein Stil in 10 Zeilen ab*
getan. Eür eine Einleitung genügt dies vollauf; es ist Sache des
Lehrer«, w&hrend der Lektüre selbst im Verein mit den Schülern
ergänzend einzugreifen. Von den Werken des Schriftstellers sind
nnr die vier Schriften des Ghrestomathie kurz charakterisiert. Ob
da der Verf. nicht gar zu kurz geworden ist? Das Symposion
z. B., denke ich, w&re doch ans verschiedenen Gründen einer Er-
wfthnmig wert gewesen.
Der Eommentar berücksichtigt Formales und Sachliches in
ansg'edehntem Maße, so daß er ein wirklicher Schülerkommentar
ist^ gr^^i^oat, dem Lehrer die zeitraubende Vorprftparation zu er-
sparen und dem Schüler auch etwaige Privatlektüre zu ermög-
JjcJien. Dabei verzichtet er trotz alledem auf jenen Ballast, der
atiB manchen modernen „Schülerkommentaren** geradezu ein Lexikon
msLcbt und in Übereinstimmung mit gewissen Strömungen der
732 Zar Uteratar der grieeh. Tragiker, ang. f. 8. Mekkr.
äberempfindaamen Oegeowart der Selbstarbeit des Scbfllert schon
gar nichts mehr übrig läßt* In richtiger Erkenntnis» daß d«r
Quintaner zu Beginn der griechischen Lektflie mit grolSen ayn-
taktischen Schwierigkeiten za kftmpfen hat, äberbebt ihn Prinz oft
des verwirrenden GrammatiknachBchlagenSi wie es durch blo&e
Verweise nOtig wird, indem er die betreffende Begel selbst in dtn
Kommentar setzt. Bei schwierigen Übertragungen in das Deatsciie,
die gerade bei der griechischen Lektüre hlufig genug yorkommen»
gibt er nach dem Muster anderer, u. zw. sehr guter Kommentare
entweder direkt eine Obersetznng der Stelle oder eine entsprechende
Anweisung dazu. Durch zahlreiche Parallelstellen aus schon be*
kannten antiken Klassikern oder auch aus deutschen Dichtern wie
Schiller, Moser, Ghamisso u. a, werden formelle oder inhaltliche
Eigentümlichkeiten dem Verständnisse n&hergebraeht, Moltke&
Briefe, Brebms Tierleben, Herodot, Strabo, die Evangelien, baby-
lonische Inschriften zu sachlicher Illustration herangezogen. Karten,
Plftne und Abbildungen, letztere in maßvoller Auswahl — ^das
Wörterbuch sollte eben kein Bilderbuch werden*' — dienen übn-
liebem Zwecke.
Das Lexikon endlich ist, soviel ich aus einigen Proben er-
sehe, sorgf&Uig gearbeitet, so daß es den Schüler nicht im Stiebe
lassen wird. Besondere Berücksichtigung fand darin die Etymologie.
So kann ich am Schlüsse nur das Urteil wiederholen, das
ich zu Beginn der Besprechung füllte: das Buch von Prinz ge-
nügt den Anforderungen, die man an eine Schülerausgabe in
stellen hat^ in hervorragendem Maße. Ob in einzelnem Änderungen
notwendig sind, muß erst die Praxis lehren.
Wien. B. Weißhftupl.
Zur Literatur der griechischen Tragiker.
1. Das griechische Drama: Aischylot, Sophoklei, Eoripidee. Bear-
beitet von JohaDDes Qeffcken. Mit einem Plan des Theaters dei
DioDjsos IQ Athen (Aas deutichen Lesebüchern. VI. Bd., 1. Abt.).
Leipzig und Berlin 1904, Tb. Hof mann.
2. Aescbyli tragoediae, iterum edidit revisas Henricni Weil (Bibiio-
theca Teabneriaoa) 1907.
3. Sophokles' Oidipns Tyrannos Ton Fr. Schobert Dritte, friatlicä
nmgearbeitete Auflage von L. Hüter. Mit 11 Abbildungen. Loipxif-
Wien 1907, G. Freytag- F. Tempsky.
4. Sophokles erkl&rt von F. W. Schneidewin und A. KaocL Sie
bentes Bändchen: Philokletes. 10. Auflage beiorgt von L. Bader-
mach er. Berlin 1907, Weidmann.
1. Es war ohne Frage ein glücklieber Oedanke, in den Zjklas
„Aus deutschen Lesebüchern", welcher „epische, lyrische und dra-
Zur Literfttnr der griech. Tragiker, vag. v. 8. Mehler, 733
mitische DicfatangeD erl&ntert fär die Oberklassen der höheren
Scbnlen und ffir das dentsehe Haas** umfaßt, ein Hilfsbocb anf-
tnoehfflen, das sich zum Ziel setzt, „die Eanstmittel der alten
Tragödie in ihrer Entwicklong nnd Fortwirknng ins rechte Licht
zu setzen nnd anderseits die Persönlichkeiten der Dichter, soweit
es ging, znm geschichtlichen Bilde heranszuarbeiten"*. Ist doch
der Enltnrgehalt des griechischen Dramas, enger gefaßt sein Ge-
dankenschatz nnd Lehrwert, zn innig mit dem übrigen Bestände
unseres geistigen Besitztums verflochten, als daß es in einer
Sammlung fehlen dürfte, deren löblicher Zweck Ebnang der Wege
ist, die znm Verständnis der nationalen Dichtungen führen. Der
nicht unerheblichen Mühe, ans der Fülle des verfügbaren Stoffes
alles für die bezeichnete Aufgabe Geeignete auszusondern und in
wohlnbersehbarer Ordnung zu gliedern, hat sich in der Person
Johannes Geffckens ein Fachmann unterzogen, der mit Sach-
kenntnis Enthusiasmus und Geschmack verbindet, mithin die Gew&hr
bietet. Lehrenden und Lernenden ein brauchbares isagogisches Mitte)
an die Hand zu geben.
In drei einleitenden Kapiteln entwickelt und umgrenzt er den
vor unbistorischer Einschätzung nicht genug in Acht zu nehmenden
Begriff des Klassischen, entwirft ein annäherndes Bild des Werdens
und klärt über die wesentlichsten auf Bühnen- nnd Aufführungs-
wasen bezüglichen Tatsachen und Annahmen auf. Phrynichos'
Wirken wird veranschaulicht, sodann Aischylos' Schaffensgang^
bis zn den Sieben verfolgt, worauf zunächst Sophokles' Anfänge
behandelt, dann erst die Orestie in eingehender Analyse gewürdigt
und das älteren Kunstgenossen Ausgang betrachtet wird. Es folgt
Sophokles' Leben und Persönlichkeit, woran sich die ausführliche
Besprechung der Antigene und des Aias schließt. Nun reiht sich
Enripides an mit Alkestis, Medea und Hippolyt, um seinerseits
wieder von Sophokles (König Oedipus) abgelöst zu werden. Mit
dem Oberblick über die fernere künstlerische Tätigkeit und den
Ausgang' beider Dichter sowie über die Nachwirkung der Tragödie
schließt das Buch.
Wie schon dieser Skizze zu entnehmen ist, geht der Verf.
der sehr begreiflichen Versuchung, die Koryphäen der Orchestra
auf den Isolierschemel zu stellen, aus dem Wege, arbeitet vielmehr
die Bntwicklungsstadien der dramatischen Gattung auf Grund der
verbürgten und der bloß mutmaßlichen Aufführungsdaten dergestalt
ineinander, daß der Leser ein synchronistisches Bild der
trag'iscben Kunst des V. Jahrhunderts erhält. Auch der anderen
anf dem schwankenden Boden dieses Stücks Theatergeschichte
nabelJecr^nden Verlockung, originale Gedanken zu prägen, wider-
steht der Verf.; es liegt ihm fem, dem Schwall der Hypothesen
nenen Stoff zuzuführen, er bescheidet sich als Kärrner am Bau
der Könige und tut recht daran. Dörpfeld und Wilamowitz sind
die Leitateme auf seinem Wege, der an neun bedeutenden, Szene
734 Zur Literatar der griech. Tragiker, ang. t. 8. Mekler,
für Szeoe analyBierteo Stücken der drei großen Meister TorM (je
dreien eines jeden) Ton Thespis grüner Praxis bis auf IristotelM*
grane Theorie berabführt. Daß er dabei, woranf schon die .Vor-
bemarkang** hinweist, neben den Lesern ohne philologische Vor-
bildongy denen zuliebe n. a. bei Vorfflhmng technischer W6rt«r
der Gebranch griechischer Lettern grundsätzlich yermieden ist,
auch die Leate yon der Zonft im Sinne hat, bringt in den Vortrag
eine gewisse Unruhe, die da and dort, z. B. bei den gelegentlicben
Seitenblicken anf die Modernen, ans Kokette streift; doch fällt dies
in Anbetracht der Reichhaltigkeit des Inhalts, der Obersichtlichkeit
der Gruppierung und der sonstigen Gef&lligkeit der sich behaglieb
ergehenden Darstellnng nicht allzu störend ins Gewicht. Eher macht
sich die Neigung, den Leser, der ja in das Studium dieser Literatur
erst eingeführt werden soll, durch aufgedrückte Stempel und
fixe Werturteile zu bevormunden, in mißliebiger Weise fühlbar.
Die Aescbyleischen Hiketiden sind „in unserem Sinne durchaoi
unklassisch* (S. 29), die Perser .mitnichten klassisch" (S. 80),
die Promethie ist „eine keineswegs klassische Dichtung" (S. 83),
„klassisch" dagegen ist der KOnig Oedipus (S. 105). Hier scheint
der Verf. im kleinen in eben jenen Fehler des Generalisierens tn
verfallen, vor dem er gerade in Bücksicht auf den Mißbrauch der
Etikette Klassizität im Großen nachdrücklich warnen zu müssen
meint. So müchte man auch einen anderen Passus mehr Folge-
richtigkeit des unbefangenen Urteils wünschen, ich meine jener
eher aphoristischen als Gründe gegen Gründe haltenden Gedanken-
reihe S. 74, in deren Verlauf Antigenes vermeintliche tragische
Schuld und mit ihr die Auffassung abgelehnt wird, «der Dichter
habe mit solcher Objektivität (?) die Halsstarrigkeit der Anti-
gene geschildert, derselben Antigene, die er später im Oedipos
auf Eolonos in nnendlich ergreifender Erscheinung, den blindio,
verstoßenen Vater leitend und tröstend, uns vorführt! Dann hfttUo
wir es doch mit einer Art von poetischem Widerruf, d. h. in diesem
Falle mit einer vollständigen Abnormität des literarischen Lebens
zu tun". Aber nicht zehn Zeilen vorher bat G. den Schuldscbnüfflem
eingeschärft, „daß das Kunstwerk eine Welt für sich bleibt nnd
nur aus sich selbst beurteilt werden muß" (soll wohl heißen : darf).
Solcher Unebenheiten weist das sonst so verdienstliche Bsdi
mehrere auf. Za irrigen Urteilen muß es führen, wenn richtige
Gedanken unscharf gefaßt oder durch Übertreibung des Ausdrucks
entstellt werden , wenn beispielsweise der Import „beinahe jeder^
geistigen Tätigkeit nach Attika (S. 5) behauptet und damit dem
Lande anscheinend so gut wie aller Anspruch auf künstlerische
Originalität bestritten oder kurz vorher die „Monopolisierung
des hellenischen geistigen Lebens durch Athen" in ein Schlagwort
gefaßt wird. Was die Wendung S. 49 soll: „Dem furchtbaren
Drucke der Begebenheiten (im Agamemnon) nimmt die DarsteUnng
der Charaktere seine beugende Last" oder die Bemerkung (8. 64),
Zur Litarttar d«r grieeb. Tragiker, ang. y. 8. MMer. 735
daß im Prolog dar Antigone „dM aittlieha Urteil dareh die Innere
Aoerkennang der Scbweatar yorgezeichDef* ist, konnte mir nicht
roJIkommen klar werden.
Oberbanpt eei nicbt veraeh wiegen, daß die 8pracbe dieaea
ror allem doch fir Schalen beatimmten Hilfabaehea Mnstergiltigkeit
Termitaen Iftßt. Daa gilt Ton der Wortwahl, dem Gebrauch dea
bildlieben Aaadrncka und der Eomplexion der Bedeglieder geradeap
wie Tcn der Anwendung der Prftpoaitionen, wie wenn 8. 5 die
Antike vor anderen Zeiten znrtckataht oder 8. 98 Tom EOnig
Oedipaa eiwaa im üntereohiede znm Oedipna anf KoL behauptet
wird. Nnr ein paar geringfflgige Veraehen mögen achließlich Ter*
merkt aein. 8. 71 Mitte aoll ea heißen: Die Freunde der edeleten
Frauen geatalt, 8. 79 M.: irgend einen Anhalt mußte aie doch
haben, 8. 85 o.: Forderer, 8. 107 M.: von denen .... der 8Uib
gebrochen wird.
2. Von der wahrhaft bewunderungewOrdigen Arbeitafreudig-
keit Henri Weila, des NeunzigjAhrigen und der Sehkraft nahezu
Beraubten, gibt die Beyision aeinea Tor nun bald einem Viertel-
jahrhundert der wiseenacbaftlichen Welt in die Hftnde gelegten
AeachyluB erhebendea Zeugnis. Eine ragende S&ule dea Helleniamue
in eeinem AdoptiT?aterlande Frankreich, hat er, ehe ihn daa bittere
Loe traf, rom Lesen und Schreiben Abschied zu nehmen, den
bunten Wechsel all der Phaaen der Tragikerkritik seit der Jahr-
hundertmitte mit durchlebt und selbst sein Teil daran gehabt; geht
doch daa Apergu 9ur Eaehyle (1849) der Hermanniechen Ausgabe
noch noD drei Jahre Yoraua. So mag es ihn gedrAngt haben, nach
langem Baum wieder einmal die Summe dea Erarbeiteten zu ziehen
und dam die Zeit her allgemach yerftnderten Stande der Überliefe-
rungakritik durch fortgefflhrte Prüfung und Sichtung dea Materiala
£echnung zu tragen. Man flberzeugt sich bald, daß nicht verein-
zelte Lichter aufgesetzt sind, sondern das Bemaniement eich Aber
den geaamten Apparat erstreckt und reichlich zweihundert Stellen
betrifft. Davon kommt auf den Agamemnon allein gut der vierte
Teil; die n&chste Stelle dürften die Sieben in Anspruch nehmen,
w&brand die Perser und der Prometheus mit Zusätzen u. dgl. am
scbwftcbsten bedacht erscheinen. Bis in die jüngste Zeit herab iat
die Literatur verfolgt, wie z. B. die Choephoren erkennen lassen,
wo blattneuemde Hand deutlich verspürt wird (77, 181, 497 ff.
und sonst). Wilamowitz* Name tritt natürlich im Agamemnon aehr
merkbar hervor, der Weckleins auf der ganzen Linie. Obschon
Wail selbst nur mit wenigem Neuen eich eingestellt hat (so daa
ainnToUe iiioißig Hik. 402), sieht man doch mit Vergnügen, wie
dar ausgezeichnete Hellenist, dessen energisches Bemühen kaum
ainan Ackerstreif auf dem weiten Felde der Tragikerkritik unbe-
fruebtat ließ, auch jetzt wieder dem Verstlndnia dea nie genng zu
ergründenden Dichters frische Keime zuführt, und geschähe dies
aoeh nur in Form eines flüchtigen erkl&renden oder andeutenden
736 Zar Litentar der grieeh. Tragiker, ang. ▼. 8. Mdder,
Winkes, einer Parallele unter dem Striob. 80 trftgt denn der neoe
Aeschylus, yielf&Itiger Abweichung nngeacbtet, das ansgesprocbena
Gepr&ge des alten, jedem Mitarbeitenden yertrant nnd lieb gewor-
denen, und Yon Neuem stellt er die ausgereifte Frucht eines seltenen
Vereins tou Eigenschaften dar, wie sie nur je dem Philologen den
nachhaltigsten Erfolg eines wahrbeitsbeflissenen Wirkens xu Ter-
bärgen TermOgen: wohlbegrnndete Sachkenntnis, ein an ihr gebil-
detes Feingefühl ffir das Angemessene und jener sch6ae Freimat
des ümlemens oder, wenn man will, die stark entwickelte, auch
dem zu hohen Jahren Gekommenen noch eigene Beweglichkeit doe
Geistes, die ihn in den Stand setzt, einen minder empfohlenen
konjekturalen Gedanken einem neuen zu opfern, wenn dies einen
Schritt weiter bedeutet zu dem nur in hOehst bedingtem Sinn er-
reichbaren Idealtext. Hierin liegt auch die Erklärung dafür, daft
von immer überprüften Überlegungen aus der Standpunkt der (nun
auch schon auf fünf Jahrzehnte zurückblickenden) Gießeoer Ausgabe
in den Morceaux chaisia verlassen, wieder ein anderer in der Teab-
neriana von 1884 eingenommen wird, um selbst wieder im vor-
liegenden Abdruck einer alleijüngsten Auffassung den Platz in
räumen. Sicherlich nicht, um dem seit Eirchhoff neuerdings
Trumpf gewordenen Konservativismus seine Beverenz zu machen,
greift daher W. zu wiederholten Malen auf die vormals verschmihte
Überlieferung zurück, sondern jedesmal ist der Wechsel der Über-
zeugung durch sachliche Gründe bestimmt. Ffir diese Selbstver-
leugnung wird sich nicht leicht ein schlagenderes Beispiel finden
lassen als Eum. 222 ttc fiiv yicQ oläa xdQza ö* iv^itov-
luvriv, wie W. jetzt mit der Hs. liest Das gerade Gegenteil
nämlich, old^ oi xdQta^ hat der frühere Text; also hat sich der
Herausgeber zur Auffassung derer bekehrt, für die das xägta iv-
d'viiatödaL den wider Orest gerichteten Verfolgungseifer der Eri-
nyen (das „bitter ernst nehmen*' bei Wilamowitz), das i^öviai'
rigav (nSich nicht aufregen lassen** bei Wecklein) demgemäfi ihr
lässiges Verhalten derElytemnästra gegenüber bedeutet, die
somit eine cbiastische Gliederung der mit sl zoiatv o^ xisl-
VOV6LV anhebenden Satzreihe annehmen.
Die Stelle hat übrigens noch nach einer andern BichtoBg
ein symptomatisches Interesse, dessen Klarstellung mich auf einen
schwachen Punkt der neuen Ausgabe führt. Unter dem revidierten
Text findet sich nämlich jenes j^iiövxaitiQav corruptum*^ wieder,
das augenscheinlich seinen Daseinsgrund darin hatte, daß W.
seinerzeit diese Zeile auf Orests unbillige Behandlung bezogen
wissen wollte; ein dem iyQUBxiQov B. Schnitzes ähnlicher Begriff
mag ihm vorgeschwebt haben. Jetzt, da er die Überlieferung in
Vers vorher wieder in ihr Becht einsetzt, muß jedes Bedenken
gegen das wohl verständliche, die Indolenz der Bächerinnen gegen-
über allen anderen Mordtaten, genauer der an Agamemnon, aati
Klarste ausprägende Adjektiv schwinden. Wie kommt es, daß die
Zar Litexmtar der griech. Tragiker, Mg. y. SL Mthkr. 737
frigliebe Fußnote ihre nunmehr haltlos geworden« Existenz fort«
instet? Die Antwort ][ann nnr die sein, daß dio tremnri^ auf
deren Mithilfe der Heransgeber znfolge seiner physischen ünzn-
llDglichkeit angewiesen war, idiem Anschein nach der Aufgabe, das
oeae Buch auf die erforderliche HOhe zu bringen, nicht gewachsen
gewesen sind. Daß dieser Vorwarf einem Eolleginm, zn dem Däi-
meyda nnd Hanvette z&hlen, nicht erspart werden kann, ist selt-
sam nnd bedauerlich, aber nicht minder wahr. Die Herren haben
vermatlich dem Dritten Im Bunde, einem jungen Griechen, die
Mähe flberiassen, in geiwissen Außen- und Nebendingen, worin W.
die Biehtschnur gab, nachzubessern, und so hat er, sooft er auf
•ine Ka66ivdQa stieß, das überschflssige Sigma, wo ihm aber
eine KXvtM\ivi^6xQa in den Weg lief, das yerpOnte Ny aus den
Pbtten exstirpieren lassen. Wenn man noch mit geziemender An»
erkennung erwähnt, daß den zwei oder sechs Lynkeusaugen ein
iatoSBCxwpLBva (S. XVI) oder J^'^vxsUia (S. JLYUi) nicht ent-
gangen ist, hat man alles gesagt, was ihnen nachgerAhmt werden
kann. Aber So^ (Pers. ISS) steht nach wie vor im Apparat und
im Text und auch sonst sind falsche Akzente und derartiges mit
dem Respekt behandelt, den der Philolog einer alten Tradition
entgegenbringt. In ihrer Unlust oder Unfähigkeit, das mAhselige
Gesehift der Erneuerung der praefatio mit der gehörigen Sorgfalt
zu yerrichten, haben die Helfer die lächerlichsten Fehler bsgangeo.
Agam. 1S95 Iflßt W. jetzt eine früher adoptierte Sngersche Ver-
mutung fallen: niemand merkt, daß zwischen n^hcov suog und
ixufnevdiiv etwas fehlt, und der elfsilbige Trimeter narrt den
Leser. In den Noten zu Sieb. S4 war bisher zu lesen: 8i ^oq*
öBlxe edii&ribus placuit. Indem Weil dieser Schreibweise Baum im
Text gibt, ändert er 8. XVII: si^agtsetTS Mm seripuram. Br
hat wohl nicht TOrausgesehen, daß das idUaribus plaemt stehen
bleiben und ihm hieraus der allerdings grundlose Verdacht eines
gerade hier wenig angebrachten Selbstiobes erwachsen konnte.
Ganz toll endlich mutet an, was zum ßiog S. LXVIIIi Z. 8S notiert
ist: i^avov i]oi} i^avsv M teste Vitelli, Wfißte man nicht aus
Weckleins Apparat 8. 469, was hiemit im Grabepigramm des
Dichters als nicht überliefert bezeugt wird, man wäre yersucht, an
ein TarBprengtes Stück aus den berufenen Vokalserien der infded
der Zaoberpapyri zu denken.
Indes mögen diese und zahlreiche andere xfik$dAfMxta yon
minderem Belang sein : leid«r sind sie aber ganz danach angetan,
den Benutzer der Ausgabe, soweit er mit der Grundlegung des
Weilaeben Textes sich zu befassen Anlaß erhält, in hohem Maße
miAtraniaeh zu maehett, womit der praktische Wert der sich durch-
geaeben nennenden Bdition eine fühlbare Minderung erleidet. Ich
spreche nicht von dem Kapitel editorischer Tätigkeit, über dessen
wiaaensctaaftsgeschichtlichen Wert man mit Wilamowitz (in der Vor-
rede zum Herakles) noch so gering denken mag, ohne sich sei»"
ZtiUchxm t d. tettrr. Oyiui. IMS. Vin. a. IX. Heft. 47
738 Zaf Literatur der griecfa« Tragiker, aDg. v. S, Mekler.
m. E. eDtficfalagen za dürfen » Ton der „Priorit&tsacfasfiffelei*', be-
züglich deren ich lieber auf einen von Zielinski mitgeteilten Brief
Naackfi an Gomperz verweise, wo ein bitteres Wort über Ignorie-
rang der Vorgänger fällt. Hierin ist ein Weniges geschehen, Tiel
mehr nnterlassen. Bei weitem verdrießlieber ist die Wahrnehmung,
daß ancb die Fakten der bandscbriftlicben Überliefenug» die sich
heutzutage anf 6mnd bequem zarYerfügaag stehender Arbeiten fest-
stellen lassen, von Zuverlässigkeit der Bearbeitung weit entfenit
und die Fälle nicht selten sind, welche dazu berechtigen, die Va-
rietas lectionis als rückständig zu bezeichnen. Die Belege für dleee
Behauptung wird jeder, der daran ein Interesse bat, selbst fiodeo;
ich beschränke mich auf eine kurze Hindeutung auf Prom. 371,
880, 685, 767, Sieb. 698, 881, Pers. 845, Hik. 94, 164, 259,
386, 604, 1064, Agam. 261, 1089, Cho. 409, 661, 718, 883.
8. Hüters Oedipus weicht in so vielen Dingen teils weaeoi-
lieber, teils äußerlicher Natur von dem seines Vorgängers (zweite
verbesserte Auflage 1890) ab, daß mit der Bezeichnung der hier
vorliegenden Edition als einer „gänzlich umgearbeiteten^ nicht a
viel gesagt und Schuberts Nennung auf dem Titelblatt fast dv
mehr als Förmlichkeit zu betrachten ist. Es ist nicht bloß der
Druck des griechischen gleichwie des nunmehr in Antiqua ge-
gebenen deutschen Textes, ohne an Deutlichkeit einzubüßen, bei
weitem kompresser geworden, auch sonst haben yerscfaiedenerlei
typographische Änderungen zum Bessern platzgegriffen. Dabei ist
der einleitende Teil nahezu auf das Dreifache, und zieht man die
eben erwähnte Dichtigkeit des Satzes in Rechnung, gut anf ds»
Vierfache angewachsen, indem das Kapitel 'Ursprung und Ent-
wicklung der Tragödie' 6Vs Seiten (3 Vs Schubert), das über Leben
und Werke des Dichters 27) (2), das vom Bau und Wesen der
Tragödie handelnde 6 (2), der Abschnitt über das atheniscbe
Theaterwesen 15 (8), endlich die Einfährung in das Stuck 24 (4Vt)
Seiten umfaßt, wozu noch eine, übrigens sehr dürftige K(rti»
'Metrisches' (1 S.) kommt. Die Zahl der Abbildungen bat sich von
7 auf 11 erhöht. Die metrischen Diagramme haben ihre Stelle
inmitten des Textes erhalten, was praktisch von großem Vorteii
ist und nicht im mindesten stört. In dem sehr korrekten Druck
ist mir ein einziges geringfügiges Versehen (VT. 589) aufgefalleo.
Die, wie das Vorwort mehrfach betont, den Zwecken der
Schule und den Anforderungen des Unterrichtes dienende Bearbei-
tung wissenschaftlich zu nehmen, liegt kein Anlaß vor. V. 1212
feiert idvvdö&tioav 120 Jahre nach Brunck eine fröhliche Urständ.
4. Badermacher bat in dem Bestreben, den anerkannt
vortrefflichen Kern der Schneidewin-Nauckschen Iieistung lu er-
halten, mit sorgsamer und im ganzen diskreter Hand nur da
kürzend, erweiternd oder gänzlich umgestaltend eingegriffen» wo
es aus triftigen Gründen geboten schien. Zunächst was den Text
betrifft. Sieht man ab von der Rezeption handschriftlich gewähr-
Zar Liteiatar der griecb. Tragiker, ang. t. S. Melder. 739
ieisieter JooiameD, imd"vvsirV 1059, nXriyfj6L 1457, des ovvsxa
774 (wogegen das gleichfalls prftpositionaio Bivexa 1038 gegen
L stehen geblieben ist), sowie von der Einfahrnng der diphtbon-
giscben Formen (lal^at 106 üod tsiöSLVt zetöai 959, 1041 nnd
ibnlicbem, so entfernt sieb der Torliegende Text von jenem der
achten Anflage (1882), mit dem ihn Bef. yerglicben hat, an un-
gefähr achtzig Stellen, d. h. auf achtzehn Verse kommt im Darob-
schnitt eine Abweichung. In etwa der Hälfte der Fälle oder etwas
weniger stellt sieh die Sache so, daß die von Nanck noch beibe-
haltene hs. Lesung verlassen und mit der Konjektur vertauscht wird,
so 218, wo Lachmanns yicg athvov aufgenommen erscheint, 256
((iflda[iot dii^lvd'sv Blaydes - Nauck) , 319 {^dQXvg &v Idyoig
Gembard), 491 {dsgdda Toup), 699 (st tt övitniöok Seyffert),
835 {BvdeL Herwerden), 1134 {äkköv & iv (israklay^ Hermann)
n. ö. Um ein geringes häufiger tritt der entgegengesetzte Fall ein,
Depossedierung einer bisher bevorzugten Verbesserung zugunsten
^er durch L allein oder den consensus librorum oder auch durch A
vertretenen Tradition. Ihr muß demzufolge so manche Lesart, die
sich Generationen hindurch in den Sophoklestexten zu behaupten
gewußt bat, den Platz räumen, z. B. das noch bei Jebb stehende
Brnnckscbe vnccxovsi (190), das xgbg xoiov ai Dobrees (572),
die von Burges stammenden Vorschläge xdyco *% äKQOv (355)
und ovx sldov aitög (445), Wakeflelds oxoi^ (481), Botbes rärr*
av (1089), Erfnrdts Verdopplung von n&c(iog (1116), Dindorfs
Bkafisg (1247) u. a.
Ein vorwiegend konservativer Zug ist somit im Verfahren
•des neuen Herausgebers nicht zu verkennen. Es steht damit im
Einklang, wenn die teils von Nauck selbst, teils von anderen auf-
gerichteten Klammern hier wieder aufgeschlossen erscheinen, vgl.
13 f., 159 ff., 224, 671 ff. Doch zeigen 255, 939, 1039 (samt-
ilch von Nanck getilgt), daß B. das Gewicht seiner Vordach ts-
IfrOnde zu würdigen gewußt hat. Viel augenfälliger äußert sich die
Abkehr von der analogetiscben Schärfe des Vorgängers und die
Hinneigung zu liberalerem Urteil über sprachliche Singularitäten im
Kommentar, der, wie bekannt, mit Textkritik stark durchsetzt, sich
zum Teil einschneidende Umformung hat gefallen lassen müssen.
Wohl kann auch da und dort der neue Bearbeiter nicht umhin,
^inhaltbaren Dingen gegenüber das Verdammungsurteil aufrecht zu
halten. Das ngotsi^xs (236) ist für ihn ebenso widersinnig, das
ifiozbg i^egiiöofiai (439) ebenso bedenklich wie für Nauck; un-
gleich häufiger aber greift Milderung des Anstoßes platz, indem
entweder ein Beisatz dazu dient, der verwerfenden Kritik die Spitze
abzubrechen (42 das über (laxgdv Bemerkte, 393 die Abscbwä-
chnng „für einen Geographen befremdlich^), oder das Prädikat
selbst minder peremptorisch gestaltet wird. So findet die neue
Ausgabe 23 ngbg c, acc. im Sinne eines xazd nicht mehr be-
denklich, sondern nur auffallend, 43 inl q)OQßflg v^6xov wird
47*
740 Zar Litentor der griech. Tragiker, vag. ▼. 8. Mekier.
nicht Biniilos gescholten, vielmehr der j^dnnkelD* Wendong ein
BechtfertigüDgevereiich gewidmet, mit dessen Ergebnis sieh freilich
nnr befreunden kann, wem es nichts versehlftgt, wenn an dw
fraglichen Stelle Odyssevs bOcbst pretiOs von der „Sflftigkeit des
MnndForrates^ spricht, die Philoktet ausfindig machen gegangen
sei ; 904 (i^o» roO (pvzEv^avrog) sehen wir als kühn erklftrt, was
früher als sehr Wanderliche nnd an dieser Stelle absolut unmög-
liche Phrase verfehmt war. Wie 66 xoiizcov yicg oidiv §1 dXyv-
VBtg sich bei Nauck grammatisch Mnicht", bei seinem Nachfolger
„kaum'' rechtfertigen lassen, so „sdieint" diesem toXpnietaxs 984
fehlerhaft, was es fflr Nauck „ist** usf. Wiederholt ist auch der
Ausdruck des Bedenkens ganz unterdrückt und durch eine Vor-
weisung auf Bruhns Anhang (zur Tmesis IjXd'öv ft£ iiita 843,
die N. „ftnßerst hart** findet) oder durch eine abweichende Intsr*
pretation ersetzt (Wilamowitz zu 440 : das dem Thersites gespea-
dete Lob der ootpla^ das Nauck befremdet, wird verständlich,
wenn man beide A^Jektiva mit yhheöri verbindet und an die
Künste der Sophisten denkt) ; nXiov (pQovsigy von Nauck als an-
richtig bezeichnet (818), versteht B. als den gebesserten Zustand
verglichen mit dem kurz vorhergehenden naQutpgovBig^ lOSS
faßt er den „Unsinn'' Jfia4) itkBiieavtog^ ohne hinsichtlich des
Aorists einen Anstoß zu äußern , als die dem vi^ des vorherge-
gangenen Fragesatzes entsprechende „nötige Zeitbestimmung" ; uad
erscheint es Nauck „undenkbar", daß Sophokles 1049 sich dlo
„ungeschickte" Bedeweise al ybcQ tOLOvrmv dst gestattet habe,
so klingt jetzt die „unbestimmte" Art sich auszudrücken „ganz
natürlich*. Qegebenenfalls wird auch wohl der Überlieferung mit
Hilfe anderweitiger sprachlicher Observation, für die der Herans*
geber reichlich gesammelt hat, eine willkommene Stütze bereitet.
Sehr wertvoll ist in dieser Beziehung der Exkurs über Wortver-
schrftnkungen in griechischer Prosa und Poesie, zu dem das Hjper*
baten 1140 tb [Uv si ö^xaiov sbtetv Anlaß gibt. Dagegen ksan
ich die Bechtfertigung von 285 6 xgivog dtic xq&pov %fo^
ßaivi fioi, wo Seyffert sich auf das Horazische trwiitur dm die^
B. auf Lukians yflv ngb y^g iXaijvs^^av u. ft. beruft, nicht alt
gelungen erachten. Es ist ja zuzugeben, daß man, wie es S. 147
heißt, sagen kann : die Zeit bringt sich selbst stetig weiter, eder:
im Laufe der Zeit schritt mir die Zeit vor (oder vorwärts, aller*
dings nicht, wie im Kommentar zu lesen steht, voran), tei^pn
per 8€ ipsum procedebaL Damit aber ist Naucks schwerwiegender
Einwand (M61. Gr. -Born. III 38), daß xQÖvog iiä xQ^^Vj weil
es reflexiv genommen werden müßte, den genannten Wott-
fügungen, die ihrerseits reziproker Natur sind, nicht gtoidi-
wertig sein kann, durchaus nicht entkräftet. — Im übrigen hat
es nicht nur der veränderte textkritische Standpunkt mit sieh ge-
bracht, daß der Kommentar Modifikationen erfuhr: auch sonat ist
für die Verfeinerung der psychologischen Analyse , für das
DiiterttliDiMi pbilotogae VindobonoDiMi ang. t. F. Weihrkh. 741
Vent&odnis der topiscbea Formen i far HeraDziebuDg des Folklore
und der moderoen Literetnr — in jener Hineicbt sei a«f 538
{xQ06Mvvfi6ig der Scbwelle »1« berzegowiniecber HochzeitsbrAncb),
in dieser auf 1139 {travailknU camme pas une analog dem oidstg)
biogewiesen — manches geschoben. Inch die Bealerkl&rang im
engeren Sinne ist nicht leer ansgegangen (Hippokrateszitat zu 828
Aber das Schwitzen des Kranken).
Wien. Siegfried H ekler.
Dissertationes philologae YindoboDenses. Volamen ocUfam. vin-
dobODse et LipBiae. Sumptos fecit F. Deaticke. MCHV. 192 88.
Der Band entb&It drei Abbandlnngen, die sich durch Ge-
wandtheit im lateinischen Stil wie dnrch Vertrautheit mit der Me-
thode der wissenschaftlichen Untersuchung auszeichnen. Sie liefern
Ergebnisse, die in der Hauptsache volle Beachtung verdienen,
wenn aucb Einzelnheiten in der Beweisführung einer zweifelndei^
Auffassung ausgesetzt sind und eine festere Begründung erheischen.
Pars I: losepbus Pavlu» Aleibiades prior quo iure tmlgo
tribtttUur Piatoni. S. 1 — 68. Nachdem die neuere Kritik den
Ersten Alcibiades von verschiedenen Gesichtspunkten aus ange-
fochten nnd dadurch andrerseits eine nicht unwirksame Verteidigung
der Behtheit herausgefordert hat» bietet die vorliegende Disser-
tation einen weiteren Beitrag zur LOsung der immerhin schwierigen
Frage. Der Verf. entwickelt seine Untersuchung klar und über-
sichtlich in fAnf Kapiteln: I Di^posiiio, II qwte 9criptor...
sibi proposuerit, III quae a Piatonis moribua atque oonauetudine
abhorreantf IV quibua locis scriptor — usus vel imitatus sU,
V quo tempore 4ialogu8 coneeriptus eU. Wenn auch in sprach-
iicher Hinsicht das statistische, aus dem Gebrauche der Partikeln
nach Dlttenbergers Vorgang gewonnene Ergebnis noch nicht völlig
zn dem angestrebten Ziele fuhrt, gestattet doch nnter den sach«
liehen Beweisen die allzu h&ufige Einführung des Daimonion den
dberzengenden Schluß, daß Plato nicht der Verfasser sein könne.
Die zahlreichen, aus Platonischen Schriften beigebrachten Stellen
aber, an die der Text des Ersten Alcibiades sich offensichtlich
anlehnt, verraten vollends einen eifrigen Nachahmer Piatos als den
Antor des Dialogs. Im Einklang mit diesem Ergebnisse steht denn
die Terdienstvoll durchgeföhrte Zeitbestimmung, wonach die Ab-
faeenn^ der Schrift in die Zeit nach Isokrates* Panegyricus und
g'enaner in das Jahr 840/89, also nach Piatos Tode zu setzen w&re.
Pars II: losepbus Zurek, De e. Äurelii Augustini prae-
ceptis rhetorieis. S. 69 — 110.
Auch die zweite Dissertation behandelt ein Problem der
höheren Kritik. Der Verf. weist nach, daß das dem h. Augustinus
743 B. GoeheTi Caeiftris comtn. de b. GtUico, auf, f , B. BilHheftij^
zngeßcbriebene Fragment ober Ebetonk dem groi^en Kircbenlii
abzUiprecbeo mh Er dehst leice DüteffnchoDgen obtr Au j^iffi
System der Rhetorik des eiost so bervorragendeo L&brerft d*rJ
redeamkeit aiie und bebandelt selneD GpgeQ«tan4 JB dtf|^
daß er zuerst das Fragment bespricbi, sodai}» db rbf
und pfailosopblschea Studien AugQStins erörtert and §cbitt
Stellen rbetorJscben Inhaltes aas den Scbrifteu des grol^tu !
gesammelt anfdbrt. Der Beweis, daß die SchFift Di r4c/d
die mit den Worten beginnt Oratark officium €»t, Gielit Kt"
Angnetinas berrühren kOnne^ ist als gelaogeii and ecdgilüf ti
betrachten. Scbon die Manriner, die nicbt etnmal eioe Bandiehift
davon anfzntreibeD imstande waren« hatten das kieme W«rlE
die nc echten Schriften verwiesen, wobei ele Bcbliohl bemirkM
atictor Grmca vocubula ciira nectuitattm usurpai contra mcfi
Au^u3tinL Erst Halm hatte es in seinen Rhetores Lutim min
ans dem cod, Birne uns 363 b* YIU», dem Cohniemü {Ikf^
äiadiknsis, jetzt wieder in Eöln) s. VIL und iwei j&DfenB
Monacenses (Frising. und Emrmr. Rat.) nnter Anguslinus' KiS«
1863 nen herausgegeben und dadarch wieder zu hobt rem
sehen gebracht, obce sich auf einen Beweis der Echtheit m(
lassen. Der Name Angnstinns steht nnr in dem Bemensis unii
in demselben Codex die Dialektik voransgebt und eben im
Antornamen trägt, dürfte dieser Umstand die irrige Bexi
fir das folgende Werk veranlaßt haben. Indem der Verf»^
legen sncht, daü Angnstinns in der Lehre der Rhetorik den Stil
punkt Ciceros eingenommen habe, regt er tu weiteren ^M
forsch nn gen in dieser Hinsicht an.
Pars III: L* Koterba» De senmm Pacuviam el A&
S. 111—192.
Die letzte Schrift ist eine hervorragende Leistntäg, dii i
eignet ist, die Teitkritik der Fragmente heider Tragiker wes^ntÜI
zu fördern. Es wird darin ihr Sprachschatz nach Orthogr^pi'
Metrik und Prosodik, Formeulehre und Sjntii, in Bedeutoogt*
Satzlehre lichtvoll durchforscht und eine Aniahl Stellen rrfolf
kritisch und ezegettscb behandelt.
Wien-
Franz Weiblich
C* lulii Caesaris cominentarii de hello Gallico. NüDT«llt*
publice u'uprei ka lueilleurfi Ir&vaai d« 1^ criliqa« mkc liea
explicatife» poitant sur la langue, rhiftttiire ^i 1& g^ager^
pÄr Henri Gaelzer, prof<8e«ur a U hcrkUi dea leilrw
f erdtä de; Paris et a T^cole uormaZe lup^rieiir«. Farbp ÜAndlfl
librairei-editeuti. ]907*
Nach dem vorausgeschickten avertiisemmt p. Hi^. ^
dir Kommentar der h&ualicheo Vorbereitung der Schüitr *^^j
, GmUer^ CÄeiariä comm. de b, GaüicOr »ßg. ?. fi. Bitidmßky. 743
L#1ir«r in der Scbitla nof die wettare yertiefnn^ des
'ciiees öberbßaeD bleiben. Um dieses Ziel anetandfilos zr
en^ darfte ab#r ergtene der Text Dicbt durch eo xablreicba
ebler äüf äf^atea Sorte entstellt seio. So fehlen, nm allea
zti dbergeheo, ganze Worte: I 44, 5 esse; VI 29, 4 ipie;
p 10 auribu9i 56, 6 a paluäe. Verstellt eind die Worte
i fidtm I 41^ 4; Dutub V 15, 5. Und zweitens darf Itn die
tüDgeii niebl wiederholt eine Ton der aufgenomineDeii ver-
ieoe Leeart voransBet^'.eTi, wie z. B< VU 68| 2: wo impedt-
is aU Dativ erklärt wird, was nur mC^glicli wäre, wenn que
t dufihus fehlt e> Etwas Ähnlicbes gilt voo folgenden Sielleii:
p Z, 44, 7. IJ 15, 1, IV 10, 2. 11. 8, 12, 2. VI 55, 2.
2. VI 13, 7* le, 6, 24, 5. 27, l. VII 2, 2, 28, 4. 70, 3.
1* Vm 43, 4. Völlig rätaelbaft moü dem Schüler die Be-
lüg zu VIII 48, 8 bleibet]: Wii (zu verhegiern in siVi) ablatif
L e&nee d^'^pandant d* nn antre ablaiif', da er kaum darauf
liiJi wirdi sie anf c, 43^ B ^u beziehen. Wenn der VerLaiser
> tizh äoi^ert: J'sdpere a?oir donuti an teit correct, so trifft
ioch in khtifichem Sinne nicht zu trotz seiner Bekauutschalt
den einschlägigen Arbeiten, die man nach dem p. XL zu*
engte teilten Vtrze ich niese annehmen muß. Mitunter weiß man
eil man eine Willkarlicbkeit oder einen Druckfehler )?or sieb
cb führe nnr einiges an: I 9, 3 sibi nach suo hinzogelugt;
mm itati ftrei 13, 2 uno iiium die {mit geänderter Wurt'
g); 24, 2 sed in summo iugo; 40, 1 conc^llo (und
iim) it. coMilio; Ilt 12, 1 quoä Ifis mailt semper horamm
m Bpatie mit der Ergänzung des Partie. intenucenU {wuTum
I wenigsten a iniermisso^) zu spatio; IV 10, 2 in Bhenum
I Dagegen ferdient der Kommentar alle Beachtung, Der VerL
Ugt diä formalen Schwierigkeiten, die sieb dem Schaler bei
Lektarti entgegenstellen. Die Sprache Cäsare gel dank den
•r zntrefend gewlblteu Worten von seltener Klarheit, nicht
Hfto der Satzbau. Ea ist daher auf die grammatische Erklärung
Be und modi) grol^er Nachdruck gelegt. Singularitäten im Ge-
ch« gewisser Wdrter oder Eonstruktionen, Anklänge an die
Üire Sprech woiso werden sorgfältig vor zeichnet, znm Vergleiche
I lofche Autoren heran gezogen, die einer höheren Unterrichts-
I vorbehalten lu sein pflegen, als oberster Grundsatz aber
pt«) mit Kecbi aufgestellt, Cäiar durch Cäear seihet zu er-
El* Nicht alles ist emwandfrej. So mancher Ablativ gebort in
andere Kategorie, als er hier verwiesen wird. 111 17, 5
wj rfhi$ 'ä tous egards' ist nicht ahK de mani^re, eondern
lionia. zn idoneü gehörig; V ]1, 2 magno nc^otio nicht abl.
^1 sondern modii VII 8, 2 durissimo iempüre anni nicht ab L
liase, soDdern temports und alHssinm nive nicht abL df^
%n, aondem causae: die temporale BeneDOHiig echlleSt ja den
744 H, GoeUer, Gftesarii eomm. de b. GtHico, »ng. y. B. BiUchofuky.
eaasaleii Nebenbegriff nicht ans« wie zn 20, 1 diacetsu richtig ftr-
kaDDt ist; 26« 2 ist süetUio noctis gleichbedeutend mit 'in stiller
Nachts wie V 48, 2 vmti magnitudo mit un vent viokiU
umschrieben wird» also nicht abl. de mani^re (wie allerdings dis
mabrmals vorkommende alleinstehende siietUto), sondern abl. temporii.
Diase Beispiele mOgen genügen. In ein anderes Kapitel gebdrt
VU 4, 8 armarum guantum quaeque c%vüa$ domi quodque anU
tempua effieiat, (Vercingetorix) constUuit mit der Notiz: eftdat
an lien de effectura sU: „doit llYrer^. Man traut kaum seinen
Augen. Also die coniugatio perlphr. w&re wirklich gleichbadeutend
mit effiemr$ deheai? Einigemale sucht der Verfasser feini
Distinktionen zu statuieren, die aber vor den unumstößlichan Tat-
sachen des Spracbgebiauchea nicht bestehen können. I 2, 2: die
Piüposition de (finibus suis) soll zum Unterschiede von ex aus-
drflcken» daß die Hebetier ihr Land yerlassen sollten ohne sUe
Hoffnung, je wieder dahin zurflckzukehren. Diese Behauptung
wird einige Kapitel später (5, 1) widerlegt, wo es heißt: Hehdii
. . . canantur, ut e finihus auie exeant. — Zu IV 17» 10 über-
lasse ich dem Verfasser das Wort: hie defenaoribue est plus exact
que hie de/endentibue: car il s'agit de slgnifier, non pas qu«
Vestacade ser?ait ä ^Carter tont ce qui pouvait compromettrs la
solidit^ du pont, mais que, ie cas öchiant, eile ^tait susceptible
de Tecarter. Das verstehe wer kann! — Zu IV 20, 4 wird unter-
schieden zwischen qui eeeent . . . idonei portua und ^t portvs
eaaent idonei und das letztere übersetzt: y*a-t-il des ports qot
puissent recevoir des navires de gnerre? -- Nach der Anmerkuog
zu IV 21, 5 dient das Pr&sens rxat\i pMiceantur zum Unterschiede
vom Futurum dazu, zu bezeichnen, daß das Versprechen bestimmt
gehalten werden wird. — V 9, 1 soll die Setzung der PrApositieo
in vor loco zur genauen Bezeichnung des Ortes dienen, wo der
Feind Stellung genommen hat. Da wäre es erwünscht, zu er-
fahren, warum z. B. Hirtius VIII 15,. 4 eodem loco und 16, 1 ta
iodem loco gewählt hat. — Ähnlich verhält es sich mit V 25, 2
in Omnibus bellis: parce qu'il faut exprimer soigneusement Tidte
de temps. — VII 54, 4 soll Cäsar (foduzisset an Stelle von
l)0rduxisset gewählt haben, weil er den größeren Nachdruck aaf
die mißliche Lage legen wollte, aus der er die Häduer empor-
gehoben hatte. Wie wenig stichhältig diese Unterscheidung ist,
lehrt ein Vergleich von ni 5, 1 cum res esset iam ad extremum
perincidL casum mit b. AI. 7^ 1 ut ad extremum casum perieuU
omnes dedncü viderentur und von V 81, 8 mit b. c III 51, 7
(nach Mensel).
Auch sonst fordert da und dort eine Erklärung zum Wider-
Spruch heraus. I 15, 5 non amplius quinis aut senis müthus
passuum: die Distributivzahlen werden damit motiviert, daß mäis
einem Substantiv gleichgestellt sei, das keinen Singular hat Ift
denn die gewöhnliche, ganz naheliegende Erklärung nicht voll-
H, CheUpTf Cu»m§ oomm. de b. GftUioo, »og. v. fi. Bitachofuky. 745
kommen befriedigend? — 16, 2: die ünterseheidang frumenta
(die Pflanze) frumentum (das Nahrangemittel) iMü&t nicht anf alle
FftUe; ygl. IV 82, 4 omni . . . d$tne$9o frumetUo, nnd V 24, 1
frumefiium . . . angustim pranmerai. — 21, 1 qualia in circuUu
atcentus (eBeet) wird erl&ntert: si Ton ponrait la gravir en faisant
in d^tonr. Das Bichtige wird zu II 29, 8 (vgl. 80, 2) bemerkt:
in eircuUu ^quivant & eircum (adverbe). — 84, 2 wird opus esset
anf die Vergangenheit bezogen, welches Zeitverhiltnis dnrch fuisset
aasgedrückt sein mflßte. — II 31, 1 wird pero mit.Mr6ellement^
wiedergegeben, der Satz übt vero . . . viderufU bildet aber offen-
bar den Gegensatz zu 80, 3 ubi viderunt. -^ III 4, 8 superari
eqaivant k superiares esse ist ein Irrtom, es mnß heißen inferiores
esse, — 12, 8 Wird für den Dativ bei dsspero anf Stellen ver-
wiesen, m^ ds rsM Abi. sich findet. — V 4, 4 soll animadverUns
oder ein ühnlicbea Partizip ergänzt werden. Die richtige Er-
klArnng ist I 7, 1 angedentet, der acc. c. inf. abhängig von
tuLü gnwUeri vgl. Cio. Phil. IX 8, 7. ^ 29, 1 brancht /ac^Mros
kein Objekt, es ist gebraucht im Sinne von aeturos^ wie facü
VI 80, 1 als gleiehbedentend mit agit richtig erkannt ist. —
45, 2 ist unus Nervius nicht „nn senl'' N., sondern das Zahl-
wort in abgeschwächter Bedentang zn nehmen, anf welchen Ge-
brauch wiederholt hingewiesen wurde. — VI 1, 2 steht ipse
(Pompeius) nicht in Oegensatz zu quas^ sondern zu C&sar. —
21, 5: die Behauptung, daß intra die Stelle von inier vertrete,
ist unhaltbar. — 25, 1 deutet der Dativ expedito keineswegs auf
Entlehnung aus einem griechischen Autor. Ich verweise auf Heusei
zu b. G. m 80, 1. — 88, 4 ist der Unterschied zwischen dies
als maae. und dies als fem. ganz mit Unrecht verwischt •*- 35,
8: daß bei licet der accus, ebenso gebräuchlich ist wie der dat.,
dafür gibt die Belege Mensel zn b. c. III 1, 1. — VII 36, 3
lassen sich die Worte seu .. . videretur nicht als im Sinne des
Vercingetorix gedacht erklären. Offenbar liegt der gleiche Fall
vor wie I 28, 8. — 51, 4 wird ah radieibus unter Hinweis auf
I 1, 5 erklärt, während ab doch „von ^ weg*' bedeutet. — 88,
6: daß ea heißt esssnt (defessi) und nicht fuissent, wird damit zu
rechtfertigen gesucht, daß der Satz, wenn er nicht bedingt wäre,
lauten müßte: ^ia erant defessi, omnes hostium eopias Bamani
delere non potuerunt. Ich glaube vielmehr, daß hier defessi in
seiner verbalen Natur als Partizip von defetiseor zur Geltung
kommt, gleichwie es auch b. c. II 22, 1 reinen Partizipien koor-
diniert ist. — Vni 14, 2: qppressi, „sarpris**, sens rare: vgL
aber z. B. IV 4, 5. VII 8, 8. 61, 1. — 20, 1 ist wohl vestigiis
von ingressus nicht zu trennen.
Für die reale Erklärung wurden hauptsächlich französische
Werke benutzt, nämlich: Napoleons in. und Stoffels gleich-
namige Werke, v. Qoeler, Cäsars Oallischer Krieg; E. Des-
j ardin 8, Geographie... de la Gaule Bomaine; Fustel de
746 B. Goeleer, GaeBaris comm. de b. Gallico, ang. v. B, BiUchofiky.
Gonlanges, la Ganle Romaine; T. Rice Holmes, Caesar'i
Gonqaeet of Gaal; G. Bloch, la Gaale (in E. Lavisse, Histoire
de France), G. Jnllian, Verciogetorix. Die Entscbeidangsschlaeht
im Kriege gegen Ariovist wird I 53, 1 in die Gegend Ton Arcey
verlegt, von wo die Flncht der Germanen in östlicher RicbtQii||^
gegen Basel erfolgt sei. Die 26 erl&nternden Karten nnd
Pläne sind im Texte angebracht. Sie sind, Besanfon nnd die
ümgebnng von Dijon aasgenommen, teils nach Napoleon, teils
nach Alb. v. K am pe n »Mgef ihrt. Die örtlichkeit der Zasammeo-
knnft Cftsars nnd Ariovists ist naeb IL G. Golomb (Rivna
Archeologiqae v. J. 1898) dargestellt, die M&ndmg der Lein za
Gäsars Zeit nnd die vergleichende Topographie von Boalogne-snr-
Mer nach E. Desjardins in dem angeführten Werke. Eine Reihe
(aber 40) anregender Bemerkangen geht anf die ältere Ansgabe
von Legongz znräck. Aach die Kraner-Dittenbergeracba
Aasgabe wnrde vielfach verwertet. Als charakteristisch möge Ein-
zelnes besonders hervorgehoben werden, namentlich Beflexionen,
wie sie dem trockenen Stile nnserer Kommentare in der Regel
fremd sind. II 35, 4 wird die infolge des Berichtes Gäsars as-
geordnete supplicatio mit unserem Te deutn verglichen. — V 31, 1:
dans son raccoarci, ce tableaa est saisissant de v^rit^, wie näm-
lich die Kriegstribanen nnd Gentarionen Sabinns and Gotta bittend
bei der Hand fassen. — 41, 6: die Rede der Anfährer der Ner-
vier sehe ans wie eine mittelbare Kritik des Verhaltens des Sabinns.
— 58, 7: der von Gäsar gewählte Aasdrack (paitloque halfuU
post id factum Caesar quieiiorem Galliam) beweise, daß er sich
nicht za sehr aaf diese Rahe verließ. — VI 13, 6 wird als ana-
log der von den Druiden verhängten schweren Strafe des socri^'ii
interdicere anf den mittelalterlichen Kirchenbann hingewiesen. —
VII 66, 6: wenn Vercingetorix gewußt hätte, daß Gäsar nnter
seinen Reitern Germanen hatte, wärde er mit weniger Gering-
schätzung gesprochen haben. — 76, 4: der den vier Komman-
danten der gallischen Armee zugewiesene Beirat scheine die Holle
der ^representants da peuple auprös de nos armöes de 1793' ge-
spielt zu haben. — 89, 4 Vercingetorix dediiur: Gäsar verliere
keine Zeit mit der Beschreibung dieser Szene; unter seine
Trockenheit und berechneten Kälte verberge sich ein Haß, den
nicht einmal die Siegesfreade ersticken konnte. — VIII 3, 5 beifit
es treffend, Hirtins und Gäsar hätten eine eigene Art, die Worte
dementia, lenitas etc. zu. verstehen. — 44, 1 : improbi sei ein
seltsames Wort als Bezeichnung solcher, die ihr Land verteidigtes.
Auch die Anmerkungen weisen, so wie der Text, viele
Druckfehler auf, namentlich in den Zitaten. Das Dutzend Ver-
besserungen (S. 489) bedarf selber teilweiser Berichtigung.
Verdienstlich ist der historisch-geographische Index
S. 449—488. Im Interesse der Schüler hätten Quantitätabezeieh-
nungen angebracht werden sollen. Die vorkommenden Persdnlicb-
H, Goelzer^ Caesaris comm. de b. Gallico, ang. 7. B. Bitschofsky. 747
keiteD (Marias und Sulla ansgenommen) sind dnrcbwegs mit längeren
Artikeln bedacht, s. v. Vercingetorix ist C&sars aasführliche
Darstellnng übersichtlich nach den Kapiteln zusammengefaßt. Bei
Avaricnm nnd G ergo via interessiert die Schildernng ihrer
Lage nach In 11 i an, s. y. Haedni die ihrer günstigen Situation
nach Bloch. Die Belgae bilden nach Ansicht des Verfassers
keine Ton den Kelten gesonderte Basse, wie man lange behauptet
habe. Belginm soll speziell das von den Bellovaci, Amblaui und
Atrebates besetzte Gebiet nmfassen. Das wird sich schwer be-
weisen lassen, mir scheint es dnrch YIII 54» 4 vgl. mit 5 wider-
legt. Der Verf. hatte kein Becht zu bemerken, daß Cäsar dem
Lande der Boii den Namen Boia gebe, denn er hat VII 14, 5
E. HofTmanns Emendation obvia aufgenommen. Auch die Ver-
weisungen s. vv. Gabillonum und Eleutheri sind irrtümlich. Neben
Ca nah um (Orleans) wird eine Stadt Genabum (Gien) ange-
nommen, die Zitate stimmen zum Teile nicht. Der Name Hercynia
Silva soll im heutigen 'Harz' erhalten sein. Nicht an allen vom
Verfasser angeführten Stellen entspricht Italia dem Begriffe des
heutigen Italien. Die Latovici begegnen im Texte nur I 5, 4:
an den beiden übrigen Stellen ist von den Latobrigi die Rede.
Das Tal der Lepontii heißt heute Valle Let^entina (nicht Lee^an-
tina). Mit Bücksicht auf V 5, 2 eine zweite gleichnamige Völker-
schaft Meldi anzunehmen, ist sehr gewagt. Nemetocenna wird
mit dem heutigen Nampcel bei Ourscamp identificiert, es sei
nicht zu verwechseln mit Nemetacum (Arras). Noviodunnm
Biturigum wird als das heutige S an c er re bezeichnet, Ocelum
als das heutige Usseau. Die Pirustae gehörten nicht zur
'römischen ProTinz\ sondern waren Nachbarn Illyricums, das zu
Cäsars Provinz gehörte. Cn. Pompeius, der Gallier, meint der
Verf., sei wohl mit dem Vater des Historikers Trogus Pompeiua
identisch. Daß Cäsar mit provincia auch speziell das Gebiet
zwischen der Durance und dem Mittelmeer bezeichnete, ist eine
unbegründete Annahme. S. v. Boscius begegnet die unrichtige
Namensform Arimiittuni. Merkwürdigerweise ist auch die Form
Vog esQs aufgenommen und auf Vosegus verwiesen. Darunter
begreife Cäsar außer den Vogesen selbst die monts Faucilles und
das Plateau von Langres.
Vier Tafeln enthalten in kleinem Maßstabe Abbildungen
römischer Soldaten, ihrer Bewaffnung und Ausrüstung, die Be-
festigungswerke, ßelagerungsmaschinen u. dgl., den Abschluß
bildet eine Karte Galliens zu Cäsars Zelt. Der Druck entspricht,
möchte ich sagen, dem kleinen Formate. Er ist speziell in den
Anmerkungen nicht gerade darnach beschaffen, das Auge der
Schüler zu schonen. Beim Lesen griechischer Zitate möchte man
fast die Lupe zur Hand nehmen.
Wien. R. Bitschofskj.
748 Meüiner-Landgraf, Ciceronis Cato MaioT» aog. ▼. E, SUUner.
M. Tullii Ciceronis Cato Maior de senectate. Fflr dao Bebol-
gebrauch erkl&rt von Dr. Karl Meiisner. 5. Aaflage, betrbeitet
von Dr. Gostav Landfrraf, Rektor des k^I. QymDasiams in Bajreatb.
Leipzig DDd Berlin 1907, Drock nnd Verlag von B. G. Tenbner.
80 SS. 80.
Landgraf hat, nm seine eigenen Worte zu gebranchea (Vor-
wort znr 5. Auflage), „die Anlage der tüchtigen Meiflsnertchra
Ansgabe in allem Wesentlichen beibehalten. Nnr der IL Anhing,
^Beispielsammlnng ans Cic's Cato M. zu den Formen der tradaiio
nnd argumentatio* wurde als antiqniert beiseite gelassen nnd an
seiner Stelle ein Abdruck der berühmten Kede Jakob Grimms über
das Alter gegeben .... ist doch auf diese Weise ein Vergleich
der beiden schOnen Schriften auch für Zwecke der Schale ermög-
licht. Der Kommentar ist lediglich den Bedürfnissen des Schulen
angepaflt, im Anhang I sind einige Ausführungen für den Lebrer
gegeben. Die willkürlichen TexUndemngen Meissners wurden be-
seitigt und im Anschluß an G. F. W. Müller meist die Lesarten
der besseren Handschriften wieder hergestellt. Von neueren Ab-
gaben des Cato M« wurden benutzt die von H. Anz, 8. Aufl. 1902.
J. Ley, 2. Aufl. 1908, P. Weißenfels 1903, F. G. Moore, New-
York 1904; vgl. A. Eornitzer, Berl. Phil. W. 1905, Sp. 507ff.*
L. hat bei seiner Bearbeitung der M.schen Ausgabe, welcber
ja Eornitzer in dieser Zeitschrift 1900, S. 741 Worte der An-
erkennung zollt, nur den berechtigten Wünschen dieses Befereoten
Bechnnng getragen sowohl mit der Weglassung des Anhanges II
als aucb mit Beseitigung der willkürlichen Text&ndemngen H. a.,
wie er sich auch den Anregungen anderer Rezensenten offeobtr
nicht verschlossen bat.
In der Tat finden wir bei L. die von Eornitzer als nn-
gerechtfertigt und gewaltsam bezeichneten M.schen Einklammeruogin
überlieferter Worte unterdrückt, z. B. § 17 non faciatM..*
meliora faciat, § 28 in suis studiis, § 72 ut navem . . . diveüitw.
Aber L. bewahrt anderseits seinen eigenen Standpunkt binlangliefa,
so wenn er den Satz § 46 et re/rigeratio aeitate et vieisnm aiU
8ol aut ignie hibemus, den M. einklammert und Eornitzer alt
Glosse ausscheidet, nicht beanstandet, wobei er sich in der Oe-
Seilschaft vieler Herausgeber befindet. Mit vollem Rechte. Cic
hebt die geselligen Genüsse hervor, deren auch der Oreis teilhaftig
werden kann, und da sie spärlicher sind, sucht er sie ins helUte
Licht zu setzen. Doppelt wohl tut also dem Greise das Gastmsbi«
wenn es bald an einem die Sonnenglut abwehrenden, bald wieder
angenehme W&rme spendenden Orte — ignie hitemus = Eamis*
feuer — stattfindet, wozu es auf dem Sabinergnie Catos reich«
liehe Gelegenheit gibt. Vgl. § 57 Tibi enim pot€9t iüa attoM o^
caleecere vel apricatione melius vel igni aut vieissim umbrU
aquieve refrigerari ealübrius? So aufgefaßt, wird der ZosamineB-
hang keineswegs gestört. Freilich ist L. in seinen Abweichnnges
Meissner-Landgraf, Cieeronis Cato Maior, avg. t. E. Stettner. 749
Ton IL nicht immer glfleklich, beispielshalber § 3 attribuito st
tribuüo. Die eine Parallelstelle De orat. II 14 kaou Dicht ans-
scblagrg^ebeDd sein. § 18 quorsum. §§ 42, 44 quorsus. § 28
penaepe ipBa st. per h ipsa nnter Bemfang auf Nonins schw&cht
die Wirknog der leidenschaftBlosen Bede des beredten Greises
merklieb ab, während im Gegenteil Cic. betonen will, daß jene
Bähe anch ohne physische Anstrengungen der Sympathien der
Zahörer sicher sein kann. § 49 schreibt L., wenn auch schweren
Herzens, mori videbamus. Er selbst dachte an cammorari st. fnori,
er erw&hnt den Vorschlag Moores vivere modo videbamua. Aller-
dings, das Argument L.s, der Ansdrnck mori scheine ihm etwas
in stark, da Salp. Gallns nach Oic. Brat. § 78 maxime omnium
nobilium Graeeia litteris siuduit isque et oraiorum in numeroest
hahiius, also nicht ansschließlich Astronom war, ist nicht stich-
haltig. An unserer Stelle schildert ihn Cic. mit jener rhetorischen
Übertreibung^ die er auch in der philosophischen Schrift nicht
yerlengnet, uls einen Astronomen non plus ultra. Aber etwas
anderes dürfte gegen mori, das bei M. fehlt (?. Boltenstern miro
in studio), sprechen. Cic. fängt gerade mit 49 an, das geistige
Fflrsichleben (seeum esse secumque vivere), das geistige Leben
(ei vero habet dliquod iamquam pabulum studii atque doctrinae,
nihil est otiosa seneetute iueundius) der Greise zu preisen. Und
gleich darauf soll er fortfahren: „Sterben sahen wir" usw.? Cic.
macht sich daran, Beispiele fflr solche geistige Genüsse zu bringen.
Der große Eifer des Gallus wird genugsam geschildert, daß er
fast Himmel und Erde durchmaß, daß er häufig von der Frflhe
bis in die Nacht, von der Nacht bis in die Frflhe Sternkarten
zeichnete. Insbesondere wflrde der letzte umstand eigentflmlich
nachhinken, wenn es schon vorher hieß, er habe bis zum letzten
Athemzuge gearbeitet. Cic. handelt es sich ferner nicht bloß darum,
das Aufgehen in der geistigen Arbeit durch die Erfahrang zu be-
stätigen, sondern auch ein hohes Gebiet zu erwähnen, das so
recht den irdischen Leidenschaffcen entrückt ist (emeritis stipendiis
libidinis, ambitionis, sq.), und das ist die Himmelsknnde. Ein
solcher Gedankengang gestattet wohl nicht, die Stelle § 18 Piatonis,
qui . . . seribens est^mortuus zum Vergleiche heranzuziehen. § 81
wäre dagegen eine Änderung von corporis in corporum am Platze.
Zu den gelungenen Änderungen scheinen mir neben manchen
anderen zu zählen § 4 adeptam st. adepii. § 20 perconianti st.
sie enim pereontantur. Denn wenn man auch wegen der Lebendigkeit
der Szene und vi eil eicht wegen des vestram rem publioam
amisistis und respondtntur (man gibt zur Antwort) geneigt wäre,
mehrere Personen, möglicherweise den Chor jener altmodischen
Oreise, die durch das Aufkommen neumodischer jugendlicher Yolks-
fflhrer an die Wand gedrückt wurden» oder ihren Sprecher sich
als befragt und erwidernd vorzustellen, so ist es natürlicher, an
einen Fragesteller zu denken. 60 wurde nach Corvinum aceepimus
750 Meiasner-Landgraf, Ciceronis Cato Maior, ang. ▼. E. Stettuer.
glficklich eo beseitigt. § 78 h< L. tantae seietUiae aoa gntem
Qrnnde bei. Erwähnen möchte ich noch, daß ich in der 4. Ad.
M.s einzelne Lesarten seiner 2. Aufl. von ihm selbst geändert
flnde (diese beiden liegen mir vor). So hat er st vix vi avelluntur
später vi evelluntur, was L. übernimmt. Mit Recht, durch die»
wird die beabsichtigte Gegenüberstellung, daß die unreifen Fracht«
durch eine äußere Kraft (vi), die ja nicht übermäßig zu sein
braucht, gepflückt werden, während die Vollreifen von selbst ab-
fallen, gut wiedergegeben (wobei sich avelluntur noch besser
eignen würde). Vix, das als dritter Ausdruck der physischen Ao-
strengung hinzukommt, läßt diese als besondere Kraftprobe er-
acheinen, was der Tatsache nicht entspricht. Auch discedü fand
L. § 80 in der 4. M.8 (st. discessit in der 2.) schon vor. Es ist
wörtliche Übersetzung von o{;rfi iKioi)6a dgctxai XenophoDi.
•Soviel über einzelne Stellen. In dem schon genannten Anhang 1
hat Herausgeber trotz des engen Baumes von kaum zwei SeitH
wertvolle Literaturan gaben niedergelegt. Der Anhang I M.8 entbäli
in der 4. Aufl. ein Verzeichnis der Abweichungen vom Texte der
Müllerschen Ausgabe. Ebenso zweckmäßig wäre es, wenn der B«
arbeiter bei der nächsten Ausgabe, da er ja ohnedies für des
Lehrer textkritische Bemerkungen S. 61, 62 gibt, diese dorcb
eine Übersicht seiner Abweichungen vom Texte M.8 erweiterte,
wenn er sich nicht schon der noch größeren, aber wobl er-
wünschten Aufgabe, einen vollständigen Apparat zu schaffen, unter-
ziehen wollte. Jedenfalls bedeutet L.s kritische Darbietung eineo
Portschritt in der Festigung des Textes.
Die äußere Ausstattung ist gefällig. Schon M. hat dbrigeai
nachträglich auch der Form sein Augenmerk zugewendet. In der
4. Aufl. sind Kapitel- und Paragraphenzahlen, einzelne Worte und
ganze Sätze durch Sperrdruck hervorgehoben. Der andere Dnek
ist entsprechend groß und deutlich.
Eine formelle Verbesserung ist es, wenn uns manche Qoantitits-
Ji)ezeichnungen begegnen, die wir bei M. noch in der 4. Aufl. ver-
missen, da auch die Obergymnasiasten über solche Dinge nicbt
immer hinaus sind: 3 Tithöno, 5 vietum, 10 eondUa, Cetkeg^y
24 St/nephebi, 38 desüdans, 57 praecidam u. a. Solche Angaben
konnten noch vermehrt werden, nicht minder die Abschnitte. M.
selbst hat schließlich in die Monotonie der langen Kapitel dnrek
Absätze eine leider nur seltene Abwechslung gebracht, so 26, 33,
47, 61. L. nimmt noch eine Einrückung in 8 vor. Aber, vi« ge-
sagt, das ist noch zu wenig. Vielleicht wären auch grOlSere Ab-
schnitte mit Überschriften zu versehen. Der so gerne gebreocfate
Einwand von den ^Krücken* wird in diesem Falle wohl anfzagebea
sein angesichts der Tatsache, daß durch solche Förderanges sudi
schwächere und dem Gegenstande fremd gegenüberstehende Sckükr
für ihn gewonnen werden, bessere, mit ihm vertraute nicbte Teriieree
•und noch genug Schwierigkeiten zur Qeistesübung vorhanden bleiben
MeiasHer-Landgraf, Ciceronis Cato Maior, ang. v. E. Stettner, 751
Daher empfehlen sich ferner — nicht in dieser Ausgabe
allein — nach bereits vorhandenen Mustern wichtige Jahreszahlen
am Bande und ein wohlgeordnetes Namenverzeichnis. Wollte man
endlich im Sinne modemer Vervollkommnung noch ein übriges tun,
80 wftre wohl auch für bildliche Darstellung Anlaß (Portraits
berühmter Griechen und Römer, Symposion, Schriftwesen, Garten-,
Weinkulturen, Landhaus, Szenen aus Komödien u. a. nach Wahl).
Hauptsächlich in der philosophischen Propädeutik scheint
Bef. der Wert dieser Schrift zu liegen, nicht darin, daG die Jüng-
linge sich schon jetzt über die Leiden des Greisenalters hinweg-
setzen lernen, selbst wenn man annimmt, daß Cic. ausschließlich
nur den letzten Zweck im Auge gehabt habe.
Gerade aber in der Einführung in die Philosophie des
Altertums zeigt die Einleitung, welche bis auf zwei Noten und
drei Literaturangaben unverändert verblieb , eine bedauerliche
Locke. Vgl., was Dr. A. Höfler in seinen drei Vorträgen zur
Mittelschulreform, Braumüller, 1908, S. 127 ff., über die Philo-
sophie, die einstige Königin der Wissenschaften sagt, auf die
oamentlich die freche «Verachtung naturwissenschaftlichen Denkens
im Zeitalter Hegels diesen Fluch geladen hat, der nun auch schon
bald im vierten Geschlecht nicht von ihr weichen will**. Er betont
(S. 137 f.), daß, trotzdem die pädagogische Ethik bei dem Ein-
flüsse des »Jenseits von Gut und Böse^ und des ,tJbermenschen*
Nietzsche auf die Jugend sehr tief graben müsse, bis sie auf
nicht unterminierte Fundamente im sittlichen Bewußtsein treffe,
ihn, unbeschadet der "Umwertungen aller Werte' und der ist ^Om-
wortungen aller Worte\ noch keine Mode an der altruistischen
Ethik irre gemacht habe, „die man so lange für die ausschließ-
liche Ethik der anständigen Leute gehalten hat und wohl auch
künftig wieder halten wird**. Ebenso verlangt Weißenfels, daß man
sich an Schüler wende, nicht bloß oloC sl6iv, sondern auch oiovg
da dvai (Wochenschr. f. klass. Philol. 1905, S. 871).
Pflege des Humanismus gegenüber dem zu stark be-
tonten Historismus wünscht Max Siebourg 'Die Philos. am Gjmn.'
<Jahrb. f. klass. Altert, und Pädag. 1908, S. 266—279). Vgl.
auch C. Thiancourt, Essai sur les traitis philosophiques de Ciciron
€t leurs sourees grecques (Hachette).
Allerdings bietet die Lektüre des Cato M. selbst reichliches
Material für die Kenntnis der antiken Philos. und der Kommentar
M.-L.S und das lebendige Wort des Lehrers sorgen für dessen
Vermehrung, Erklärung und Fruchtbarmachung für die Gegenwart,
aber trotzdem halte ich eine spezielle Einleitung, wie sie
z. B. Th. Schiebe in seiner Catoausgabe in geradezu vorzüglicher
Weise bat, — daß einzelne Daten für Schüler zuviel sind, ändert
nichts an diesem Urteile, da bei Einführung in die Lektüre eines
Schriftstellers ein zuviel nicht hinderlich ist, — für ein dringendes
Bedürfnis. Bef. weiß ganz gut, daß es auch bezüglich der Ausführ-
752 MeiBsner-Landgrafy CiceroniB Cato Maior, ang. t. B. Stetttur.
lichkeit der Einlaltniigao, irie bezfiglich so rieler andaran Fragen
bei SchnlansgabeD ton Klaasikern aotgegengeaetzte Aoaichtan gibt,
aber er ist der Überzengang, daß eine übersichtliche Gmppiiniog
philosophischer Gesichtspunkte und Probleme in dieser Asag. nicht
zu missen ist nnd macht ancb anf die Benützung dessen auf*
merksam, was J. Borckhardt in seiner 'Griech. Eoltnrgeachiebto*
n 866 ff. Aber die Lokation der Güter (znr Gesamtbilanz in
griecb. Lebens), namentlich der Gesundheit, über den Pessimismos der
Griechen, ihre Klagen über das Alter o. a. zusammengetragio od
gedeutet hat. Manche Parallele, manche Vorlage für Cato IL tiefte
sich schon am Anfange vorbringen, so die «borrible"* Gegenüber-
stellung von Jugend und Alter bei Afistötelea Bhetor. II 12. IS^
dessen Schriften Clo. noch in der für ein größeres Publikum be-
stimmten dialogischen Form vorlagen und den dieser weltmünnisck
frei weitergab. So das Gespräch des greisen Kephalos mit
Sokrates zu Beginn von Piatos Staat. So, was den Griechen Be-
glückung durch den Geist war, der sogenannte intellektueUe Op-
timismus.
Gerade Cato M. aber ist besonders geeignet, Fragen der
praktischen Vernunft systematisch zu behandeln, da er jenen Weg
beschreibt, quam nobis quoque ingrtdiendum est, die allen ge-
meinsame Lebensreise. Die „Aktualitüt" des Themaa eeigt sich
schon darin, daß die Annahme einer SelbstgeaetsgebUDg der Ver-
nunft oder des Willens, die persönliche Autonomie« „die nicht
gleichbedeutend mit * Willen zur Macht* isf" (Biehl, Zar Ein-
führang in die Philos. der Gegenwart, S. 209), die Gnadlage
der Ethik, auf die Stoiker und noch weiter zurück auf die fiokiatie
des Sokrates zurückgeht und daß, wenn wir das Sittengeseti als
das Naturgesetz des vernünftigen Wesens als solchen betrachten,
wir wieder nur den Stoikern folgen, nach deren Ansieht natar*
gemäß und vernnnftgemftß zu leben dasselbe ist (heute sagt
man: „Das Sitteogesetz hat kosmische Tragweite**, Biehl, 8.210).
Ebenso „aktuell" ist die Forderung der Stoiker, am Staatslebeo
aktiv teilzunehmen. Man könnte dabei auf Herrscher, Staatsmänner,
Feldherren der modernsten Zeit hinweisen, welche bis in das
höchste Greisenalter mit jugendlicher Begeisterung sich dem Staate
gewidmet haben, und in die Herzen der Jugend dM Vertangei
pflanzen, sich dereinst gemeinnützig, sei es mittelbar, sei es na-
mittelbar im „Staatsdienste"' im weitesten Sinne zu betätigen. Anf
solche Weise würde man auch bewirken, daß der „Staatsdieist'
im engeren Sinne endlich aufhörte, einem Teile 4er Bevdlkenag
und selbst manchem, der sich ihm widmen will, ala eine über-
krustete Existenz zu erscheinen. Kurz, es ist dem die Lebens-
reise Antretenden vorzuhalten, daß er eine Pflicht zu erföllen habe:
ä^un devoir ä aecomplir sagt Charles S. 4 und bemerkt von dam
Greise im Stile des Cato M.: „il a travaüU ä devenir un homme,
ce qui ne petU se faire aans travaiUer au bien des äußres,
Meiismer-Xandgraf, CicaroBli Cato Mftidr, ug. ▼. E, StMner. 75S
M dSvouer ä aa patrie et ä l^humaniü; ü a rendu de grands
mmei8 ä am rnrnblahUa . . . o« bim ü a vku cbscur, wtais uliU
Eodlieh kOonte auch der reiBste Utilitarier, dem die Moral
oder das MoraliiierM nnd Maximen ^) anderer trotz des Erspamissee
an Zeit und eigenen EnttAnsehnngen nicht der richtige Weg zu
den Yon der Ethik geeteckten Zielen zn sein scheinen, «nd der die
80 einfache Gelegenheit , eich Aber die Anfgaben der praktischen
Philosophie zn orientieren , ¥on eich weist, dennoch dnreh einen
Hinweis in der Einleitung, daß nns Cat. M. anch als antiker Hnfe-
laad nnd Fenditersleben Lehren gibt, die anf Makrobiotik and
Diätetik abzielen, dem alten Bnche eine lebendige Seite abgewinnen.
Der Kommentar ist der woblbewfthrte M-s, jedoch mit
gelegentlichen Änderungen, Kürzungen nnd Znsfttzen, und behftlt
im allgemeinen die Fassung der auch in dieser Hinsicht ver-
besserten 4. Aufl. bei. Nur hätte ihn der Bearbeiter für den häus-
lichen Gebrauch nach dem sich einbürgernden Brauche vom Texte
trennen können. Dies wäre der typographischen Ausgestaltung zu-
gute gekommen und hätte den Gebranch dieser Ausgabe auch
an Österr. Gymnasien ermöglicht. Die Formen der tradatio und
argumantatio hat L. zwar Tormieden übersichtlich darzustellen,
aber er macht bei passenden Gelegenheiten anf formelhafte Über-
gänge, Schlüsse, auf den Bhythmus der äauaulae, auf yerschiedene
Figuren aufmerksam. Die Formenerklärung M.s setzt er fort: 6
iHue = isHtdce, 48 propter aus prop(e)üer (M. propiter). Manche
neue Belegstelle wird herangezogen: 4 zu ßaQvrsQov Alxvaq
Vergil Aen. III 554—562 (Ammon, Bl. f. d. Gymaasialschulw.
1906, S. 181); § 14 das Menanderzitat xsviav ^iQSiv xal yflQd$
iö-u d'ööxöXov. Doch könnte man noch Verschiedenes in Betracht
ziehen. Zu § 1 moderatumem animi et aaquUaUm das bekannte
aequatn mamento rebus in arduie eervare memtem; § 6 quam —
ingrediendum eat (wo aus Versehen quae steht), ist naeh einer
Vermotong Ammons dem Atticus — ^Axxue^^xetxo^ — zuliebe ge-
schrieben, entsprechend Ixrpciov, Cic. ad Att. I 16, 18 istoe emeu^
Uttus tum flocei faetean, wo allerdings die zwanglose ünterhaltnng
mit im Spiele war und ein Scherzwort bildete. § 7 ist an den
schoD erwähnten Dialog Kephalos — Sokrates zu erinnern, wie denn
im allgemeinen die griechischen Quellen noch mehr vorgeführt
werden sollten, sowohl um Cics Schriftstellerei beurteilen, als auch
um Vergleiche zwischen der lateinischen und griechischen Sprache
und Literatur anstellen zu können. Man hat ja solche Versuche
bei Horazausgaben bereits mit Erfolg gemacht. § 44 zieht Kor-
nitzer Her. 8at II 6, 105 exetruetia caniatria heran. § 58 dimenaa,
discripia xecvecgiaxQßlVj dieerda^aiv bei Xenophon. Solche Vergleiche
>) Die früher sorgfältig io manchem FlarOegium (Stebaens),
man<Aiem Phsras Tsieint waren.
Z«l«0ehrin f. d. M«r. Oynm. 1906. YHI. «. IX. Haft. 48
764 Meiasner-Lanägraf, GiceroniB Cato Maior, ang. t. E. SUttner.
Termehren auch die Sprachkenntnisae. Deshalb ist es befremdend,
daß L. § 71 das Ton M. za cocta erw&hnte niöösiv^ tüxov
übergangen hat. Von den nenen Erkl&mngen L.s möchte ich au
der ziemlichen Zahl anführen § 18, wo er eleganter adae auf
Atticos beziehen will nnter Bemfnng anf Nepos Att 19, 2:
pervenit in affinücUem imperataria (Augusti) nuUa alta re quam
eUgantia mtae, % h^ ne a me ipso reeedam „nm bei meiner
eigenen Person zu bleiben*". Bei moUiier 5 dürfte die Wannog
'nicht effetninaU* geboten sein. Sollte die Annahme Ammons, daß
dem alten Gerichtsredner in § 7 das Bild Ton einem gerichtUeh
Geklagten vor Augen geschwebt habe (aeeuaare^ quod tsaä
accuaandutn) die Beistimmnng L.s finden? Eben jener übersetzt § 21
tardiar mit 'minderbegabt', weil 'das Ged&cbtnis nach Cic. der
Hanptteil menschlicher Geistesgaben sei\ In 36, einer der ge-
f&hrlichsten Stellen, fehlen wie anch bei anderen Heransgebem die
Gedankenbrüeken. Ich will znn&chst die Schwierigkeiten aofdecken.
Cic. sagt, man müsse gegen das Alter ankämpfen, indem man dem
Körper dnrch müßige Übungen und das notwendige Maß tob
Speise und Trank nachhilft, noch mehr aber bedürfen die
Geisteskrftfte einer Nachhilfe. Denn auch sie erlöschen infolge
des Alters ohne Zugießen von Ol. Doch während der Körper unter
ermüdenden Übungen leidet, verschaffen Übungen (ohne den Zusatx
*auch noch so große*) dem Geiste Erleichterung. Und gerade in
diesem Gedrftnge verlangt L. vom Schüler passende Übersetzungen
von exstinguufUur und levantur. Vor allem würde man auf den
ersten Blick im Sinne des 'noch mehr* folgerichtig erwarten : „Dnn
sie erlöschen auch leichter^, als ob facüius ausgefallen w&re.
Sodann, wenn man auch den mit Bückeicht auf dae erst ans
Übungen, Speise und Trank zu gewinnende Vergleichungsobjekt
für öl etwas hinkenden Vergleich gerade gehen Iftßt, sollte
man meinen, daß dem Geiste viel leichter abzuhelfen sei, da üin
Übungen nur elastischer machen, wfthrend der Körper ermattet
Da wftre denn doch eine Führung nötig ! Nicht minder die Er-
wähnung, daß nach Ansicht des Aristoteles keine Anstrengung
des Denkens (r6 öfpiÖQa vorit6v) dem Geiste echade, während n
starke Sinneseindrücke (rö öfpödga alö^x&v) die Organe der
Wahrnehmung stumpf machten (Weißenfels). Um doch einen Sinn
zu erhalten, würde ich die Stelle so auslegen: „Die Geisteskräfte
brauchen mehr Nachhilfe, weil sie unbeschäftigt, ohne Nahnsgi
schneller verfallen als die körperlichen. (Ob dies den Tatsachee
wirklich entspricht, ist eine andere Frage.) Denn auch der Geiit
— was man seiner immanenten Natur wegen nicht erwaita
würde — erlischt ohne öl (Übung). Dafür ist es wieder daik-
barer, den Geist zu üben, da er dadurch immer elastischer wird.
Also, sowie der Geist ohne Pflege eher verkommt als der s>'
gepflegte Körper, so lohnt er andererseits wieder mehr die ^
ihn verwendete Sorge. Beides auch mehr Grund, ihn zu übea.
Zr. Maeearif OMerrasioiii ad Oraiio, ang. t. K. Bring. 755
Dieses oder sonst etwas SinngemUes wftre dem Schüler zu sagen
gewesen. Aneh sonst fehlt es bei schwierigen Passagen an An*
baltspnnkten ffir den gedanklichen Zasammenhang, die logische
Verbindung. Ich erw&hne *8ibi habeatU igüur arma bis heata esse
seneetus poUst 58. Setzt nicht die vencUio, die Beschäftigung
müßiger Standen 56, anch eine gewisse körperliche Anstrengung
nnd Übong, den Oebranch einer Waffe Toraos? 78 bedurfte der
Spruch Solons quo se negat — vaeare der einrichtenden Hand. 88
adsum amieis ruft in Erinnerung 82 non curia vires meas
desiderat . . . non atniei. 49 wäre anläßlich der astronomischen
Stadien des Oallus der Ausspruch des Anazagoras zu zitieren, das
Geborenwerden sei dem Nicbtgeborenwerden vorzuziehen um der
Betrachtung des Himmels und des Weltganzen willen. 59 utfaeUis
nicht formelhaftes 'wie bisher% sondern *wie ihr es ja auch wirk-
lich tnt\ (Drenckhahn). Ebenda unterblieb bei qui est die Mahnung
M.S „nicht agitf*^ Zu regem bringt Komitzer bei Verr. IV 27
Reges Striae, regis Äniioehi ßlios. § 71 fehlt eine Handhabe fär
die Übersetzung ?on ante partorum bonorum memoria et eqpia,
Weißenfels: sich an viele ... erinnern zu können. Charles: le
Souvenir et la jouissance des biens acquis dans un autre äge. Es
ist durchaus nicht gleichgültig, ob man ein Hendiadyoin annimmt
und den Greis nur von dem Vorrat an Erinnerungen leben läßt,
oder ob er, wie sich es Charles denkt, teils an schönen Er-
innerungen zehrt, teils die Früchte seines Strebens genießt
Yon Fremdwörtern macht L. keinen besonderen Oebranch.
Doch würde 4 inconstantia reiner und ebenso verständlich mit
^Unbestftndigkeit* gegeben werden können statt mit 'Inkonsequenz'.
86 ist 'energielos* kein richtiger Ausdruck für dissolutos, die
Greise der Komödie, die sich nicht zu helfen wissen. Hier ist
Villenlos' entschieden vorzuziehen.
Bielitz. Eduard Stettner.
L. Maccari, Osservazioni ad Orazio (Seeondo eaggio). Siena,
Tip. edit. S. Beroardino 1907. 15 SS.
Das vorliegende Schriftchen bringt aasschließlich Interpreta-
tionen einzelner Verse der Epoden I, 11, IH, V, VI, IX, X, XI,
XIY und XVI (nicht, wie es irreführend heißt: XVII). Leider
läßt sich davon wenig Gutes sagen; das meiste ist verkehrt und
onbranehbar. Um I 5 die Ergänzung lon faciemus {odw faeiamus)
zn vermeiden , schlägt er vor zu verbinden quid nos . • . utrumne
persequemur . . . aut? und zwar soll ^id als eine transitio auf-
gefaßt werden und zugleich als eine generische Prolepsis der fol-
genden Doppelfrage. Die Erklärung ist aber unannehmbar, weil
einmal eine transitio gar nicht am Platze ist nnd auch das Metrum
48*
756 L. Maecari, ONenranoiii ad Oraiio, aog. y. K. iVtiK.
ein« «ngere V«rbiodaDg von quid mit dem betonten no$ aU das
Natfirlicbete eracheiDen liftt Die Ellipse ?on faeer$ ist übrigtos
leicht, nicht selten nod findet sich anch bei Horaz, z. B. Sat. II
2. 81. — Epod. ni will der Verf. den Schert so ?eretehen: Hl-
cenas habe den Dichter zn einer tarta eolT aglio («^Knoblauch-
knchen^) eingeladen nnd dieser habe sich, so groß sein Wider-
willen gegen dieses Gericht auch von jeher gewesen , nur seinem
Protektor znliebe gezwungen , daron zn essen. Als er aber die
schlimmen Wiitangen zn sparen bekam, habe er diese eomica im*
preeazione geschrieben. Aber wie sollte sich diese Erklftmng mit
Vs. 4 yereinigen lassen? Müssen wir nicht mit M. dann annehmen,
daft M&cenas seinerseits das Enoblanchgericht ganz gut Tertragen
habe? Wie nnfein wftre dann des Dichters Ansmf : ^O dura «le«-
sortim ütaf*" Wie man femer Vs. 21 nnd 22 qppanat nnd eubdy
nachdem doch preear unmittelbar vorhergeht, als pontentiale Kon-
jnoktiye auffassen kann, ist mir ganz anbegreiflich, abgesehen
dafon, daß die Pointe des Gedichtes so ?erloren ginge. Ganz ver-
kehrt ist anch M.s Erklftmng yon V 11, wo er yerbinden will
constiHt trementi or$ = „st fermd (tacque) coüa bocea irmnmiii
daUo apavento* ; dagegen spricht nicht bloß die Stellang der Worte,
sondern vor allem der Sprachgebranch, der ein are crnrntten =
taoerB nicht kennt Was er gegen die Erklftmng Kieselinge vor-
bringt, ist ganz baltlos; er scheint eie gar nicht verstanden tn
haben. Anch seine Auffassung der freilich etwas dunklen Stelle
y 49 ff. wird schwerlich vieler Beifall finden: Der Buhle soll gar
kein Bcnex sein, vielmehr sei mit diesem Worte bloß der Wonscb
angedeutet, er möge zn einem aentx verzaubert werden; femer
soll das Gebell der canes Suburanae „dus beschimpfende G^creisehe
der Dirnen jener Gegend*' bedeuten.
Wird jemand solche Interpretationen emst nehmen? Ist es
wirklich nötig, darauf hinzuweisen, daß bei solchen Zauberszeneo
immer Mondschein vorausgesetzt wird? Bekanntlich heulen da die
Hunde mit Vorliebe; was Wunder, wenn sie dann den Alten,
schleicht er durch die Gassen zu seiner Buhle, heftig anbauen?
Man vgl. doch die Verse 51 ff. z. B. mit Theoer. II 10, Orid
Met. VII 180; das Bellen der Hunde wird ausdrficklich erwftbat
Theoer. II 85 tal xiivsg ägifuv ivk m6Uv ä^ovtai (man
sieht, wie wenig Gewicht auf das Femininum cauM Suburanoi u
legen war) und Verg. Belog. VUI 107. Entschieden mißglädt
muß die Verteidigung des ftberlieferten vmena magnum in Vs. 87
genannt werden. Ganz abenteuerlich ist auch die Erklärung» dvcfc
die er die Überlief emng von IX 19 retten will; es veriohnt sich
wirklich nicht, fiber sie ein Wort zu verlieren. Wie der Veif. oA
von der naheliegenden und einzig richtigen Erklftmng zor ge*
suchten und sicher verfehlten abirrt, mögen seine eigenen Werts
zu X 8 ^trtmeniea t'/toss'* zeigen: ^Non H dem piuUotto amr m
fMfUe un epiteto inrnafUe, che ri^iami i'in^preeeione coeMt» *
P. Brandi, P. Ofidii Nmoiim Fmü, Tristia uw., aag. t. JB. Jurtnka, 757
particoiar$ ddU fogH$ dt Uceio, che al veiUo piü lüv$ eorruseamo,
pd co9iirasto dsUa faccia iuperiare lueida e 9cura, coU' ifrftriort
chiara e opaoa? 0 k insieme ü tremiio € ü rotmo che si «nto
vieino al troneo che re$ta imtnolnle, metUre i rami « pti^ U foglü
90H0 in agUazume?^
Gelungen scheint mir nnr weniges: sc die Beweisführung,
dafi 1 10 nach viro» nicht interpnngiert werden dürfe; der zweite
mit an eingeleitete Teil der rhetorischen Frage enthalte nämlich
die Antwort y so da6 an bedente: «oder Tieimehr^. 8o hat aber
schon Kiessling nnd lange vor diesem Porphyrie die Stelle anf*
gefafit Lesenswert ist anch seine Verteidignng des überlieferten
inutüisgue (II 18) gegen Bentleye yielfach aufgenommene Kon-
jektur ^inutüi9ve*\ bei der Überliefernng sind übrigens in letzter
Zeit anch Menge, Keller -Hänßner, Vollmer n. a. geblieben. Für
riehtig halte ich endlich den Hinweis, daft ans der Ähnlichkeit der
Stellen Hör. Epod. XVI 88 nnd 49 nnd Verg. Edog. IV 21 nnd
22 keine Schlüsse auf Abhängigkeit des einen ?om andern ge-
zogen werden dürfen, weil solche Schilderungen Gemeingut der
alexandrinischen Peeeie, somit auch der lateinischen Dichter seien.
Wien. Dr. Karl Prinz.
P. Brandt, F. Ovidii Nasonis Fasti, Tristia, Epp. ex Ponto.
Für den Schulgebranch ausgewählt und mit knappen Erläuterungen
versehen. Leipsig, 1908. 148 88.
Der Verf. rückt der Frage' zuleibe, weshalb die Fasten und
Tristien auf die Schülerschaft nicht die gleiche Anziehungskraft
sQsühen wie die Metamorphosen, und beantwortet sie dabin, daß
die Stütze einer erklärenden Ausgabe fehle. Diesem Übelstande
will er abhelfen. Die Auswahl bietet eher zu yiel als zu wenig :
80 möchte man Nr. 8 (wegen Vs. 28 f. und 88 ff.), Nr. 4 (als zu
unbedeutend), Nr. 9 (Vs. 32 1), Nr. 27 (wegen Vs. 26 ff. und bes.
87 ff.) wegwünschen. Der Kommentar ist knapp gehalten und
enthält d|irchwegs brauchbare Hilfen an Erklärungen und Über-
letzungen. Bisweilen dürfte er jedoch den Schüler in Stiche lassen,
80 wären z. B. folgende Verse zu erklären gewesen: Nr. 1, 13 f.
(die Konstruktion), 65 (wegen der Stellnng von nee); Nr. 3, 22
(tit laerimas), 47 {wr<ma€)\ Nr. 5, 28 (ro/t); Nr. 10, 9 f.; Nr. 16,
4 (profeua); Nr. 18, 18 ; Nr. 22, 8 (pro), 18, 20 (gtiestt erg. esse),
24 {modus Ende); Nr. 26, 12; Nr. 80, 26 (non bona Attribut,
p^ior Präd. zu causa, patrocinio abl. in Str.), 86 {fercre war
deutlicher zu erklären: statt *annehmem* besser 'finden*), 119 f.
(mutata corpora == mutatae formac 117); Nr. 41, 5 [antiquius
war zu übersetzen). — Zum Schlüsse noch einige Bemängelungen :
Nr. 1, 1: die Erklärung ?on lusor ist recht prosaisch, besser
758 L, Bloche ROmisebe Altaitnmakande, ang. t. J. OehUr.
'ttodelnd' (denke an nugae), 49 num$ro9U8: wamm nicht V«ich
an Yeramaßen*?; Nr. 2, 86: was eoU der Schüler mit dem Zitat
'Bekk. anecd. 887' anfangen?; Nr. 5, 8: das Homenitat eathllt
drei Fehler; Nr. 16, 24: hier war eine fiel kürzere und wört-
lichere Übersetzung mOglich ; Nr. 22» 1 1 fehlt der Beistrich oaeh
auctar^ 27 cttpiAi« 'nngedaidig*; Nr. 30^ 71 unter d«n dilowrum
war besonders Äugusius her?orzuheben : Vs. 20 und 74. — So
Tiel als Ergebnis meiner Stiebproben; andere Versehen wird di«
Benutzung des mit aufrichtiger Hingebung an dio Sache gearbei-
teten Buches in der Schule aufzeigen.
Wien. Hugo Jureni[a.
Dr. Leo Bloch, Bönoiische Altertumskunde. Dritte, Terbflnerte
Auflage. Mit 8 Vollbildern. Leipiig, GOichenBcbe VerlagshaodloBg
1906. 178 83. Preis geb. 80 Pf. = 96 h (Sammlang GOacben Nr. 45).
Das Erscheinen des vorliegenden Buches in dritter Aufl^«
beweist, daß der Verf. die verdiente Anerkennung findet. Er gibt
auf knappem Baume eine vollständige Darstellung der rOmiacbeo
Altertümer, die jedem Lehrer und Schüler sowie jedem Freonde
des römischen Altertums gute Dienste leistet. Der Verf. verstafid
es, in klarer, fibersichtlicher Form den Stoff zu behandeln und ohoe
Aufwendung unpassender Gelehrsamkeit dem Stande der wisMO-
schaftlichen Forschung Bechnung zu tragen. Schon die Literztar-
angäbe S. 1 beweist den Kenner, der vorzugsweise Mommsen folgt.
Nach der Einleitung, die den Begriff der Altertumskunde und di«
Überlieferung behandelt, folgt eine übersichtliche Verfassungag«-
schichte. Mit Becht gebraucht der Verf. statt des herkOmmhch«fl
Titels „Staatsaltertfimer*' den Ausdruck „Die Staatsgewalten* tmd
bespricht dabei: Ä. die Magistratur, B, den Senat, C. das V«^-
Präzis ist S. 26 die Erklärung von itnperium und paUsUu; da-
gegen hält Bef. die Annahme, der patrizische Bestandteil dis
Senates habe gewisse Sonderrechte besessen (S. 57), nicht für
richtig. Bei der Darstellung der einzeben Ämter ist nberill dtr
historische Entwicklungsgang beachtet und erscheinen Bechte nad
Pflichten der einzelnen Beamten genau bestimmt. Das Heerwea«
ist S. 68—86 kurz und richtig dargestellt, bei der Bechtspflage
verdient die peinliche Genauigkeit in der Darstellung der bürger-
lichen Bechtsgrundsfttze, des Verfahrens in iure und tu iudieidy
des Strafrechts und des Strafverfahrens volle Anerkennung. Dtf
Abschnitt „Das Finanzwesen^ gibt eine Darstellung der Maße osi
Gewichte, des Mänzwesens, des Geldwertes und Geldverkebrif
(8. 99 — 101 verdienen besondere Beachtung), der Staateeinnabnai
und Staatsausgaben sowie der Finanzverwaltung. Die aogenaoat«
Sakralaltertflmer erscheinen in dem Abschnitte .Der Eultaa'' »
B. Se^metder^.QwGhfiU» aof handaehr. Bild«ni, tag. t. J. OMer. 759
drei Paragimpben behandelt: die römisehe Beligion, die Geistlich-
keit« die Spiele; der Abschnitt „Das Priratleben'' enthalt das
N6tige über die Familie, das Hans, die Kleidung, Erziehung and
Unterricht nnd über die Bestattung. S. 148 — 168 handehi über die
Stadt Born: auf knappem Baame finden wir Anfschlnß über das
Wachstum der Stadt, die Bauperioden und die einzelnen Stadtteile;
diese kurze Darstellung ist auch dem Schüler yerst&ndlich und
wird ihm zum Verst&ndnisse der Schriftsteller helfen. Kenntnis der
Topographie erachtet Bef. für eine unumg&nglicbe Voraussetzung
und begrüßt diesen Abschnitt als Hilfe für Lehrer und Schüler.
Der Anhang bietet eine kurze Darstellung des römischen Kalenders,
ein genaues Begister 8. 167 — 178 erleichtert die Benützung des
Büchleins, dessen niedriger Preis bei guter Ausstattung die An-
Bchaffung seitens aller Schüler ermöglicht; jedenfalls ist der An-
kauf mehrerer Exemplare für Schülerbiblietheken bestens zu
empfehlen.
Dr. Budolf Sehneider, Oeschfltze auf handsehrifüichen
Bildern. Heramgegeben und erlftutert. Mets, Scriba 1907. 71 88.
und Y Tafeln. (Ergüniongsheft inm Jahrbuch der Oeaellichaft fflr
lothriDgische Geschichte und AltertamskoDde. II).
Der Verf., der die Verpflichtung übernommen hat, dem Oberst-
lieutenant Sehramm in Metz die philologische Grundlage für seine
weiteren BeiLonstmktionen antiker Geschütze zu beschafifen, hat in
den Büm. Mitt. XXI (1906), 8. 142—168 Herons CheirobaUistra
behandelt und gezeigt, daß diese Schrift ein Fragment aus einer
Konstruktionslehre ist, aus guten Quellen in lexikalischer Ordnung
xuaammengestellt In der vorliegenden, mit echt philologischer
Akribie yerfaßten Abhandlung widerlegt er das Schlagwort, die
in den Handschriften der griechischen Techniker beigegebenen Ab-
bildungen seien, da sie späteren Ursprunges sind, ohne Wert. Er
zeigt t wie durch methodische Untersuchung der Bilder, in deren
Überlieferung sich auch in den jüngeren Handschriften eine über-
raschende Treue zeigt, das Originalbild sich herstellen lüGt. Nach
der Aufzfthlung der Handschriften finden wir genauere Angaben
über den Mynas-Kodex (M), der ursprünglich zur Bibliothek des
Matthias Coryinus gehürte nnd von Mynas wahrscheinlich aus der
Serail-Bibliothek entwendet wurde. Nebst diesem Kodex ist der
Parisinus (P) 2442 für die Beprodnktion benützt; in beiden Hand-
sebriften ist die Stellung der Bilder dieselbe, es standen daher
auch im Originaltexte die Bilder an der gleichen Stelle (S. 26 bis
8. 81). 8. 84—63 gibt Text, Übersetzung und adnokUio crüioa
TOD Herons Bilqpoeiea^ 8. 64 — 71 behandelt die Bilder; fünf
Tafeln geben die handsehriftlichen Bilder nach Photographien im
Steindruck, Taf. V zeigt auch die Farben des Originals. Der Verf.
yerdient für seine Arbeit alle Anerkennung ; bietet sie doch dem
760 Laehmann-^. JErous, Die Qedielite Wftlthen, mg. t. A. Benä.
Techniker eine siebere Graadlage für BekeminiktitiMO, die 4«
Fordernng naek AosebairangsiDittelii Beehnang tragen. Henom-
heben ist noeh die gute Aoaetattong der Abhaodlnng, die in keimr
Lehrerbibliothek fehlen sollte.
Wien. Dr. Johann Dehler.
Die Gedichte Walthera von der Vogelweide. Von JUil Laeb-
mann. 7. Aafl., besorgt yon Carl t. Krane. Berlint Oeerg BeiiMi
1907. XXIV n. 229 88. PreiB br. 4 Mk., geb. 5Mk.
Die 7. Auflage von Lachmanna Ausgabe der Qedichte Waitbm,
die non C. y. Krans besorgt hat, bedentet eine weaentlicbe Yer-
▼oUkommnnng dieser grundlegenden kritisches Ausgabe. Sdien das
ftoßere Gewand ist ein anderes geworden. Die einschneidendste and
offensichtliche Verbesserung betraf die Einreihung der Lesarten not«
dem Texte; die Lesarten unter den Anmerkungen Tormischt hinter
dem Texte zu suchen, erschwerte ihre Benützung. C. y. E[raus, der
alles yermied, was dem Geiste Lachmanns, dessen Vertreter er im
Buche geworden, zuwider w&re, begrfindete seine Änderung mit dem
Hinweise auf Lachmanns Vorgang im ParaiYal. Die AnmerkUD^eo
sind aber, wie billig, an ihrer Stelle geblieben und haben ihre
alte Fassung behalten.
Aber der neue Herausgeber hat sich nicht damit begnügt,
Lachmanns Werk äußerlich handlich zu gestalten, er hat mit der
Äußersten Sorgfalt, die alle weitere Waltherforscbung anerkennes
wird, die ganze handschriftliche Überlieferung auf die Lesarteo
nachgeprüft und somit eine in jeder Hinsicht einwandfreie Grond-
lage des Textes geschaffen. Diese Nachprüfung hat Kraus xam
größeren Teile selbst besorgt, zum kleineren durch befreaodfit«
H&nde vornehmen lassen. So kommt es, daß kleine Bessemnges
oder wenigstens Sicherungen der Lesarten sich allenthalben finden;
die Bescheidenheit des Herausgebers gibt natürlich die Änderaoges
nicht an; ich kann nach einer eingehenden Vergleichung ssgeo,
daß sie recht zahlreich sind. Im allgemeinen war Lachmanns No-
tierung zuverlässig, nachzubessern gab es in dem, was seine Qt-
wfthrsmftnner und Haupt beibrachten. — Ganz neu und bi)cbst
willkommen ist die Einfügung der Lesarten von U und w, ent-
haltend die mehr als 80 Strophen der Wolfenbflttler Fragmente.
Die Lesarten von ü zu 41—48, 70, 94—95, 114—115 und m
IV zu 66 f. und 125 bequem vor sich zu haben, wird jedem Be-
nutzer der Ausgabe willkommen sein. Das Buch ist aber sacb
darin die Ausgabe Lachmanns, daß trotz der neuen Paginieranf
die alte Lachmannsche Zählung herrschend blieb. Die wenig«
textlichen Änderungen gehen aus der Kenntnis von U hemm —
zur Beurteilung des Handschriftenverhältnisses vgl. die wicbtif«
Bemerkung zu 94, 11 — und finden sieh 70, 12; 94, 20—23;
0. 9. 8Ms$a, Dm A^J. im LiebMli«de das 12. Jb., aog. ▼. 8. M. Prem. 761
94, 85; 95v 7 und «me Reihe Inderosgren in 114; ygi. anch
20, 17 imd die Einleitoni^. Sieherlich wird diese unter der eorg^-
fUtigtti Hand des neuen Heranegebera nea gewordene Ausgabe auf
eine lange Zeit hinaus den Standpunkt der Wissensehaffc, der hier
fist mit dem Standpunkte Laehmanns tusammenfUlt, wttrdig rer-
tntan.
Leitmeritz. Alois Bernt.
Otmar Schissel y. Fieschenberg, Dns Adjektiv als
Epitheton im Liebesliede des 12. Jahrhunderts (in: Teutonia.
Arbeiten lur ffermanischen Philologie, bgg. Yon Prot Dr. Wilhelm
Ubl SU Königsberg in Preoften, 11. Heft), Leipsig, Ed. Ayenarins,
1908, XIII. + 144. 8.
Eine erschöpfende Darstellung über das A^jekti? als
sehmflckendes Beiwort in der mhd. Literatur oder eines Teiles
daTon gibt ss noch nicht, nur gelegentlich wurde manches von
Torschisdenen Seiten beigebracht. Die yorliegende Arbeit sucht
diesem Mangel in bestimmter Abgrenzung des Stoffes abzuhelfen,
worüber sich das „Vorwort" dieser dem Hofrate A. E. ScbOnbach
gewidmeten Schrift nfther yerbreitet. 0. y. Schissel geht, MF.
zugrunde legend, sprachgsscbichtlich yor. Der deutsche Minnesang
ist yon Anfang an Standespoesie in zweifacher Beziehung — auf
romanischer Grundlage, indem er yon einem bestimmten Stande
gepflegt und einem bestimmten Standesideal zugewandt war. In
Deutschland gaben jedoch die Formen des Lehensdienstes sofort
dem Yerhftltnis des S&ngers zu ssiner (yerheirateten) Dame die
Biehtnng, wodurch eine gewisse Gleichheit in den Motiven der
Lieder und sogar in den Stilmitteln entstand, wie im Minnesang
die epithetische Verbindung yon Adjektiv und Substantiv beweist.
Dayon handelt nun der I. (allgemeine) Teil der Arbeit in seinen
spraebstatistischen Ausführungen. Nach Steinmeyers Vorgang
werden die einzelnen Adjektiye als Epitheta monographisch be-
handelt. Zun&chst kommt das yieldsutige und daher in den Liebes-
liedem yon MF. yiel yerwendete guoi an die Reihe (S. 2 fg.). In
kflnstlerischer Absicht wird es jedoch als „Standeswort*' (= yon
gotem Stande) und dann als eigentliches Wertepitbeton gebraucht.
Die beiden Bedeutungen eind gleichzeitig und finden sich schon
so Beginn des Minnesanges (S. 8). Dies beweist eben auch „die
Macht der Formel** in der bOfiscben Lyrik. Ähnlich ist es mit
liepj das teils als HOflichkeitsformel oder zur erotischen Charak-
teristik dient, manchmal aber auch nur als inhaltslose Form yor-
kommt, z. B. in lieber iac, Graz wird nur im übertragenen Sinne
als Epitheton im Minnelied verwendet, echoene ist wohl msist
formelhaft, manchmal aber doch auch (wie guci) in Verbindung
mit tcip und vrouwe „standesm&ßig** gebraucht (typisch bei Diet-
762 0. V, Schiasel, Dm Adj. im Liebeeliede das 12. Jb., ang. ?. 8. Jf. Trem.
mar von Eist). Ebenso wird hoch als standesmäfiiges Epitheton
allgemein verwendei, dagegen saelie nor in der Beziehung auf den
Mann oder snbjektiy von seinem Standpunkte ans bei dem Weibe,
das beseligt, gew&hrt Seltener erscheint 8enende (seride) nameot-
lich in Bezeichnungen eines nnlustigen Gemütsznstandes erotischer
Färbung. Verwandt damit tritt das Adjektiv in temporirer Be-
ziehung auf. Auf Einzelnes kann hier natürlich nicht eingegangen
werden. Es ist interessant zu sehen, wie yiele feine unterschiede
im mhd. Sprachgebrancbe gemacht wurden. Wichtig sind diese
AusfQhrungen 0. v. Schisseis in ihrer historischen Anreihung für
die mittelhochdeutsche Lektüre und ich möchte daher insbesondere
auch die Lehrer des Mittelhochdeutschen in unseren Mittelschulen
darauf aufmerksam machen. Sie könnten für eine lemfrendige
Jugend die Lesung einzelner A?entiuren des Nibelungenliedes und
noch mehr der Oedichte Walthers interessanter gestalten; denn
in der Hauptsache gelten doch dieselben Begeln nicht nur fnr
das 12., sondern auch für das 18. Jahrhundert Ein sehr über-
sichtlich gehaltenes Begister am Schlüsse erleichtert das Aufsuchen
der gewünschten Stellen und yoran eine Inhaltsangabe das Kach-
schlagen des betrefifenden Wortes. Ich möchte noch hinweisen anf
die Adjektive aüeze, boese, tump (= unhöfisch), reine n. ^ M
ist im Naturbilde formelhaft geworden, yielleicht ähnlich wie später
golden (= köstlich). Im 12. Jahrhundert seltenere Epitheta (z. B.
etaete) sind nachher erst häufiger geworden.
Im besonderen II. Teile (S. 70—91) geht 0. y. Schissel
näher auf die Formeln zur Charakteristik des Bitters und der
¥on ihm verehrten Dame und der in Betracht kommenden .Neben-
umstände'' der höfischen Lyrik ein, wozu die sachliche Übersieht
S. 89 — 91 zu beachten wäre. Dabei wird das ganze mittelalter-
liche höfische Liebesieben beleuchtet. Im IIL Teile (S. 92 fg.)
wird endlich anf Grund des Vorangehenden der Anteil der ein-
zelnen Dichter am Epithetenmaterial des 12. Jahrhunderts unter-
sucht, wobei die Dichter selbst mit sicherem Urteile charakterisiot
sind — von E. Heinrich an bis auf Heinrich v. Morungen, Bein-
mar den Alten und Hartmann v. Ouwe. Eier fällt also natur-
gemäß manches auch für die allgemeine Literaturgeschichte ab.
Es zeigt sich, daß alle diese Dichter ihre Kunst typisch gsibt
haben und daß nur die Art, wie sie ihre Persönlichkeit in die
bestehende (traditionelle) Form einfügten, originelle Details anf*
weist. Daher kann als Gesetz der höfischen Liebeslyrik gelten:
innere und äußere Form sind überliefert, der Erlebnisinhalt fast
Null, denn das Verhältnis des Bitters zu seiner Dame war infolg»
der eingehaltenen Standesunterschiede {diu rehie maze) — «ineal".
Aus diesem Grunde sind ja die Gedichte für das rein Biographische
unergiebig.
Graz. S. M. Frem.
M. Moers, Schillers Glocke, aog. t. F. HoUner. 763
Pro£ M. Eyers, Schillers Glocke. Die deotocben Klassiker, er-
lAatert nod gewürdigt fflr höhere Lehranstalten, sowie lam Selbst-
stadiom. S., f erb. Aafl. Leipiig, Verlag Ton Heinrich Bredt 1906.
Eters will durch das Büchlein , das sanmehr in 3. Auflage
Torliegt, ein tieferes Eindringen und allseitiges Verst&ndDis des
Liedes Ton der Glocke den weitesten Kreisen ermöglichen. Darum
hat er den Text übersichtlich gegliedert, daß »uch die kleineren
Oedankenabschnitte scharf heraustreten, und die Leitbegriffe, die
für den Gedankengang und Plan der Dichtung wichtig sind, im
Drucke hertorheben lassen. Evers teranschaulicht ferner durch
Zeichnung und Wort das Technische des Glockengusses und deckt,
alle Seiten beleuchtend und feinsinnig kombinierend, den Bau des
Kunstwerkes auf, wie die Gedanken ineinandergreifen und der
sprachliche Ausdruck dazu einklingt, wie sich die Teile harmonisch
zum Ganzen schließen. Die Grundidee der Dichtung spricht Evers
S. 44 so aus: „Die stufenweise Entwicklung des Menschenlebens
und seiner Gemeinschaften bis zur Höhe der Kultur, nach seinen
typischen Hauptgebieten und charakteristischen Grundverh<nissen
an die werdende Glocke und deren Beruf dafür als stetigen Aus-
gangspunkt angeknüpft und entfaltet oder einfacher: „Die Wechsel-
wirkung Ton Glocke und Menschenleben, dargestellt je nach der
stnfenm&ßigen Entwicklung ihres Werdens bis zur Vollendung*'.
Daneben aber glaubt Efers eine ganz neue Grundidee nachweisen
zu können, die das ganze Gedicht durchziehe und alle Teile inner-
lich einheitlich terknüpfe, die Grundidee von sittlichem Gehalte,
daß nach dem allgemeinen Entwicklungsgesetze des Welt- und
Menschendaseins aus dem Untergänge des Kleineren, Engeren,
Niederen ein Größeres, Weiteres, Höheres entsprieße (8. 86).
Schiller, der das Werden der Glocke und das Werden mensch-
lichen Zusammenschlusses schildert, mußte der Sache gemäß diesen
Gedanken in seinem Liede ton der Glocke miteinbegreifen, der
Nachweis aber, daß die beiden Hauptteile der Dichtung durch
diese Idee verknüpft seien, ist Evers trotz aller dialektischen Ge-
wandtheit mißlungen. 8. 86: „Ist es doch auch in Wirklichkeit
des Lebens unab&nderliches Gesetz, daß alle die engeren Ein-
zelkreise des Haus- und Familienlebens ihrerseits früher oder
sp&ter dem Untergänge anheimfallen, um für neue, ans ihrem
Schöße sich erzeugende Gebilde gleicher Art Platz zu machen.
Aber ob das einzelne Haus mit all seinen Gütern und Besitz-
tümern zerf&Ut; ob die einzelne Familie mit all ihrem Wohl
ond Webe, ihrem reichen und mannigfaltigen Leben dahingeht:
das menschliche Dasein selber bewegt sich doch unablässig in
größeren Kreisen weiter fort Und so muß in der Tat
(S. 87) die beschränkte Gemeinschaft des Familien-
bundes .... vollends nach ihrer Auflösung in der um-
fassenderen Gesamtheit eines Volks- und 8taat6körpers auf-
gehen. Dieser ist es, welcher all die verschiedenen Familien als
764 0. Böekel, Pijobologie der Yolkidiehiiuig, aag. t. L. Langer.
seina Olieder miteinaDdar Terbindet" vsw. Der Fehler, den Efers
mit so vielen Worten verdeckt , springt doch klar heraus. Die
Familie» wie sie Schiller in seinem Liede von der Olocke dantollt,
wird von Eters einmal typisch, dann als beschrftnkte Gemein-
schaft, wie sie eben nor diese einzelne Familie, dieses einxeh»
Hans darstellt, verwertet, am seine Ideenverknüpfnng anstände u
bringen. Schiller selbst galten alle die einzelnen Kreise der Familie
als die Omndlage der staatlichen Oemeinschaft Der Bestand, niebt
der Untergang der Familie sichert das Leben des Staates. Nicht
glflcklicher verbindet Evers das 8. Bild (Zerst^mng der staatliclies
Ordnung) mit dem 9. Sprache (Enthflllnng der fertigen Oloekt),
indem er meint, dieser &nAerliche Kontrast bilde dnrch den Gegen-
satz der Ideen die echt kflnstlerische Brficke zwischen beiden (8. 99).
Es ist richtig, daß ein Kflnstler die künstlerische Idee ans ihren
Licht- nnd Schattenwirknngen hervorspringen lassen kann, deeh
darf er, nm unserer Phantasie eine Brflcke zn banen, nur ganx
denselben Stoff znm Vorwurfe nehmen. Wie kann aber an so ganz
verschiedenen Stoffen, wie es „das dflsterschmerzliche Bild** der
Zerstdrnng des staatlichen Lebens nnd „das hellgl&nzend- freund-
liche Werk** der Vollendung der Glocke sind, die Idee des Anf-
steigens vom Engeren, Niederen zum Weiteren, Höheren erweckt
werden?
Die treffliche Einzelerklirung h< sich von allem Kleinkram
frei, Vers und Sprache werden sorgfältig klar gelegt, Wert uad
Bedeutung der Dichtung werden erschöpfend gewürdigt. Das Bach
h&tte auch dann seinen Wert behalten , wenn der Verf. nicht so
peinlich mit Staedler um die Priorität der Gedanken gestritten
(S. 47 ff., 49, S. 58, Anm. 2), wenn er den liberalen Doktrinftr
nicht so sehr hervorgekehrt h&tte.
Wien. Ferdinand Holzner.
Otto Böekel, Psychologie der Volksdichtung. Leipzig, B. 0.
Teobner 1906. 482 SS. Preis geh. 7 Mk. geb. 8 Mk.
Es ist ein ernstes Lebenswerk, das uns Otto BOckel for-
legt, auegefährt mit dem ganzen Bnstzeng des Gelehrten, der
nicht bloß aus der Fülle europäischer und außereurop&iscber Volks*
lieder schöpft, der nicht bloß in der Studierstube die rcicbe
Literatur dieses liebenswflrdigen Stoffes verarbeitet, sondern stlbit
als Sammler im Hessenlande sein Ohr fflr die Feinheiten ^
Volkfigesanges gescb&rft und sich in der Unrast des moderoeo
Kulturlebens Verständnis und Gefühl ffir die Schönheit des Volks«
liedes erworben und bewahrt bat
Er spürt vor allem dem Ursprünge des Volksgesasges
nach, den er in dem Bufe als der Ältesten Form der Volksdichton;
0. Böekel, Pijeliologie der YolkidiehtaDg, *Dg. t. L. Langer. 765
findet, der Teraehiedene Stimmnngeii ansdrflckt nnd eich nach der
Stärke des OefUhlee nnd der sich stetig steigernden Empfind-
samkelt immer mehr dehnt« bis der Rahmen des Bafes gesprengt
wird und l&ngere AosfOhrnngen, Worte, weitere Bnfe entstehen.
Dem YolksUede bleibt der Bnf dann als Refrain erhalten. Er
forscht aber aneh nach dem Wesen des Volksliedes. Das
Volkslied ist fflr ihn der dem Oeffthlsleben unmittelbar ont-
spmngene Gesang der Naturvölker, d. h.. aller deijenigen Stftmme,
die der Knltur noch fernstehen und im unmittelbaren Znsammen-
hange mit der Natnr leben (16). Das Volkslied ist mit dem Ge-
sänge untrennbar terwachsen, es wird nur singend geschaffen,
nnr im Gesänge wiederholt; ton Dichtern wissen Natnrrölker
nichts. Das Gedftchtnis bewahrt es auf, fflr die dichterische Indi-
▼idoalit&t hat das Volk in seinem naiven Urzustände kein Ver-
ständnis, daher auch kein Interesse fflr Dichternamen. Das Volks-
lied muß gemeinterstiUidlich sein, es erf&hrt immerwährend
Ändeningen nnd Fortsetzungen, weil es dnrch Gesang flberliefert
wird, es kennt keine politischen Sehranken, sondern nur die der
Volksart und Sprache nnd ist nach Charakter, Klima, Landschaft
und Geschichte verschieden.
Die elementare Sangesfreudigkeit bedingt das Entstehen
das Volksliedes. Nene Lieder zn schaffen, war Naturvölkern
ein großes Ereignis, die Gabe, frei zn erfinden, gewährte ihnen
Befriedigong, mochte es sich um Lob oder Spott, nm Wettgesang
odar Tanzlieder handeln. Doch eigenes Schaffensbewußtsein fehlt
den Volkss&ngem, sie verbergen sich daher meist absichtlich nnd
verleugnen ihr Werk, sie setzen nur fort, was vor ihnen da war,
singen neue Weisen fflr vergessene alte, sie wollen nicht als
NenschOpfer, sondern nnr als Fortsetzer gelten. Oft dichten
mehrere an einem Liede nnd erleichtert wird ihr Tun dnrch fest-
stehende Formen in Weise und Wort. Das vorhandene Sangesgnt
früherer Geschlechter wirkt anregend fort nnd nur in diesem Sinne
kann man von einem «dichterischen Volksgeiste*' sprechen, nnr so
Ußt sich die Znsammenfassnng der einzelnen Dichtenden, sin-
genden nnd modelnden Kr&fte mit einem solchen Begriffe recht-
fertigen. Das Volkslied ist vielfach ein „Gelegenheitsgedicht". Die
Landschaft, der Beruf, bestimmte Erlebnisse, Mitleid nnd Schaden-
freude eind seine Quellen. Und es bedarf der Zuhörer; diese
schaffen mit, schleifen ab und setzen fort, dnrch diese wird es
verbreitet. „Dichter nnd Zuhörer gehören beim Velksliede ebenso
eng nnd untrennbar zusammen wie Weise nnd Wort*' (50).
Volksart nnd Volksdichtung werden in ihrer Wechsel-
wirkung einer eingehenden Würdigung unterzogen. Anders ist das
Volkslied im Gebirge, anders an der See oder in der Heide ge«
artet, eelbst auf die Dichtungsgattung wie auf die Melodie öbt
der Volkscharakter einen bedeutenden Einfluß. Die Sprache dee
VoUcsliedes hat etwas Feierliches, daher tritt die Mundart mehr
766 0. Böckel^ Pqrchologie der VollndiehtaBg» aog. t. L, Langer.
in den HiDtergnind, da das Volk das richtige Gtofühl hat, M
diese nichts Pathetisches ausdrücken kann. Die Volksdichtung wir
nrsprfinglich Oemeingnt, dann gab es besondere S&ngerkasteii,
schöpferische AOden nnd vortragende Rhapsoden ; besonders Blinde
tan sich in dieser Beziehung herror. Dann aber ragen ganz be-
sondere St&nde als Yolkssftnger her?or, die Bauern, Fuhdeate,
Bergleute, Hirten, die Bresthaften, Gefangenen und die Fahrenden.
Ni^türlich ist der Anteil der Frauen an dem Volksgesange ein
großer. Sie sind zarter besaitet, haben stets Freude an der Ge-
selligkeit und sind konservativer. Ein geschichtlicher Rückblick be-
weist dies. Sie singen von der Arbeit und von Liebe, singen
Sieges- und Trinmphlieder und von Erlebnissen, sie haben eine
besondere Begabung für die Stegreifdichtung und ein fabelhaftei
Ged&chtnis. Die Totenklagen sind ihr ureigenstes Gebiet.
Diesen legt Böckel mit Recht einen hohen Wert bei und er be-
zeichnet sie als eine noch zu wenig benützte Quelle für das Seelen-
leben des Weibes. Ihre Entstehung und Geschichte, ihr Inhalt und
ihr Wesen werden uns aufgedeckt. Improvisation, dramatische Be-
wegung, chorischer Charakter, Fragen an den Toten, Ausrufe und
Grüße an früher Verstorbene sind ihnen gemeinsam.
Dann führt uns der Verfasser an die wichtigsten Stfttten
des Volksgesanges. Die Poesie der mit Unrecht bekämpften
Spinnstuben, die Bauernlieder in der Stille der Sommernächte, in
Tabemen und an frischen Waldquellen sowie beim Tanze um die
Dorflinde werden gewürdigt. Diese Lieder haben eine z&be
Lebenskraft Der Optimismus der Weltanschauung und die
Piet&t sind ihre Erhalter. Sie sind unanfechtbare Zeugen der Ver-
gangenheit, werden daher oft auch ins Geistliche umgedichtet und
erhalten den Ruhm beliebter Volkslieder. Sind sie vergessen, so
genügt oft ein geschichtlicher Anstoß, um sie zu neuem Leben
zu wecken. Besonders religiöse Volksges&nge und solche, die an
Jahreszeiten oder bestimmte Feste anknüpfen, erhalten sich lange.
Freilich erstanden ihnen seit den Ältesten Zeiten viele Feinde. Die
katholische sowie die protestantische Geistlichkeit, die Gegenlieder
förderten, und die Verbote weltlicher Obrigkeiten arbeiten an ihrer
Vernichtung. Die letzte Zufluchtsst&tte fanden sie im Klnderliede.
Das Volkslied ist auf steter Wanderung begriffen. Schnell
vollzieht sich ihre Verbreitung. Auswanderer nahmen diesen Schstz
mit in die neue Heimat, auf Messen und Märkten, durch Kriege
und religiöse Bewegungen tauschen stammverwandte und stamm-
fremde Nachbarn ihr Volksgut ans und die Fremdherrschaft hinter-
läßt auch ihr Volkslied als Spur in dem befreiten Lande zurück.
Die Volkskunst will sich auch zeigen, Wettgesänge sind
die psychologische Folge davon. Sie kommen vom Herzen und
dringen zum Herzen. Die Wirkung des Volksliedes ist daher
groß. Manche Völker sprechen ihm überirdischen Ursprung bei,
Schneider und Müller, Weiber und Bauern, Geizige und Protua,
0. Böckel, PBjcbologie der Volktdiehtaog, ang. ? . L, Langer, 767
i\% Singer gelten »neh als Zauberer, die Bachelieder, die Lieder
religiöser Bewegung, Schlacht- und Siegeslieder sind bedeutungs-
roU fär das Leben des Volkes.
Was aber an ihnen am meisten sch&tzenswert ist, das ist die
Weltanschauung, die aus ihnen spricht, der gesunde Optimis*
mus, der sie beseelt. Aus dem Liede schöpft das Volk innere
Erlösung und neue Stärkung, eine Bejahung des Willens zum
Leben, es gibt für das Volkslied kein „Nein'* und kein „Niemals^,
keinen Tod ohne Hofihung. Das Portleben im Grabe, die Auf-
fassung des Todes als einer Hochzeit, die Macht der Liebe, die
den Tod fiberdauert, die göttliche Gerechtigkeit, die man nie ver-
missen wird, der Stolz ehrlicher Arbeit, das Verhältnis zwischen
Armut und Reichtum, Gottvertrauen und Lob der Wohltätigkeit,
der versöhnende Abschluß des Volksliedes und die Schlußmoral,
seine Mftrcbenstimmung und seine Koseformen, all dies sind
Äußerungen einer heiteren, versöhnenden Lebensauffassung.
Mensch und Natur treten im Volksliede in innige Be-
ziehung. Diese tritt nicht bloß in der innigen Liebe zu allen Er-
scheinungen der äußeren Umwelt zutage, in der Bolle, welche
Sonnoi Mond und Sterne spielen, sondern auch in der Tierliebe,
die das schönste Licht wirft auf den hohen Wert des naiven
Volkscharakters. Boß und Hund, Vögel als Vertraute und Toten-
kläger, der Kuckuck, der Falke, der Fisch sind im Volksliede eben-
so bedeutsam wie manche Bäume, die Linde, die Eiche, der
Haselatrauch .. .., die ganze Pflanzensymbolik. Wasser, Wolken
und Winde gelten als Liebesboten, der Abschied von der Natur
haucht Yielen Volksliedern tiefe Wehmut ein.
Denn der Volksgesang umfaßt ein reiches Geföhlsleben,
das nach Böckeis Ansicht vom Standpunkte der Völkerpsychologie
noch zn wenig beachtet wurde. Nicht als ob der Volksgesang
Gefühlsduselei liebte, er schildert Gefühle knapp, aber anschaulich
meist dnrch die Wirkung, keusch verheimlicht er das Herzleid,
trägt #8 heimlich. Heimweh, Bechtsgefflhl, Treue, Mutter-, Ge-
schwister- und Kindesliebe, Macht der Tränen, das Los der
Waisen, treue Liebe, Verzweiflung und Fluch — das ist die um-
fassende Stufenleiter der Empfindungen, die das Volkslied umfaßt.
Lachen, herzliches Lachen gilt als Inbegriff aller Freude.
Denn Humor und Spott sind die mächtigsten Triebfedern
des Volksliedes, wenn Humor die Kunst ist, Schmerzen lächelnd
zu überwinden, freilich sind beide oft recht ungeschlacht. Der
Hofflor des Soldaten, des Zechers, des Älplers, Liebesglfick und
Liebespeeh, der Spott über verfehlte Ehe, ^Galgenhumor, Lügen-
ond Wnnschlieder sind die mannigfachen Äußerungen des Volks-
witzes* Selbst an ernste Lieder wird ein scherzhafter „Schnörkel*'
angebftngt. Besonders anziehend sind Böckeis Untersuchungen
über Wesen und Alter der Bachelieder. Im Kriegerstande finden
wir SpOtter von Walthari bis zum Kutschke, Pfaffen und Schreiber,
768 EOlwig'mrt'Zemial, DeatMiMS LeMbseb, ang. t. A. HaMekkhi.
Soontftgtj&ger, alU Jangfern imd Hageatohe naw. Bind «btoBO
Gegenattada dae Volkaapottaa wia ainzaloa Orta, VOlkar uid
L&nder. Dar TaDzplatz ist aina baliabta Stätta TarhöhnaDdar Lied-
chan und dia Eaizanmnaik in mannigüaehar Oasialtnng gahM aacb
hiahar. Aneh hier bat daa Verbot der Obrigkait mancbam Unfag
gastanert, aber aneb sehr viel altaa Yolkagut Tamiebtat
Sehr wertvoll aneb für daa Verat&ndnis dar Haldanaagan ist
der Abscbnitt Aber Geachichta und Volkadichtung» laaanswart
sind dia Betracfatongan ober daa Kriegs- und Hoobzeitslied.
Doch alla diaaa Harrlicbkait achwindet, Walt und Manschen
sind anders gewordan. Und nnn biatat der Verf. ainen Bandhlick
über den hantigan Stand der Volkadichtong in Enropa« beapricbt
die Ursachan daa Verfalles, würdigt die modeman Baatrebnngen
der Tolksknnde, dia Vardiansta des dentachen Kaiaara und öator-
raichs nad schließt mit dem Wunsche: »Laftt nna wieder YaUn-
liader aingani Daa beißt ao viel aia: Laßt nna wiadar gasaaü
werden an EOrpar nnd Seele !<*
Ea liegt aina Fülle des Scbünen nnd Wahran in den
angadenteten Abschnitten das Böckalscben Werkaa. Dan Foiacber
maß die reiche, mit kundiger Hand gewühlte nnd wertfoUe
Literatur befriedigen, ihn wird der Umstand« daß der ?erf. nicht
bloß die neueata Zeit berückaichtigt, aondem immer geachichtUche
Entwicklungsbilder bietet und mit großer Torsicht und Wahiheiti-
liebe seine Schlüsse zieht, fördern, auch den Laien muß die klars,
schlichte, reine und schöne Sprache erfreuen, mit der dar Ter-
faaser tom Herzen zum Herzen spricht, ihn muß daa poetisebe
Empfinden mitreißen, wir Österreicher achließlich müaaen dem
reichsdeutschen Gelehrten Dank zollen dafür, daß er daa Volks-
lied unseres Vaterlandea so TerBtündnisToU zu würdigen farsteht,
daß er immer und immer wieder unseres wackeren Dr. Ponuitr
gedenkt und auch unseren Anteil an der Wiederbelebung des
Volksgeeangas nicht vergißt. Böckela Buch, daa eine wartroile
Bereichening der Poetik, Literaturkunde und Völkerpsychologie'be-
deutet, sei darum jedem Freunde des Volkea und aeiner Eigeoart
und natürlich ganz besonders jedem Lehrer w&rmstena ampfoiüiD.
Wien. Dr. Leo Langer.
Deutsches Lesebuch fikr hebere Schalen. Heransg^eben von P. Hell-
wig, P. Hirt, U. Zernial unter MitwirkiiDg fon H. Spiefi md
G. H. A. Hath. Sechster Teil: Prosalesebach ftkr Ober-Sekiudi.
Heransg. tod H. Spieß. 2., amgearb. Aaflage. Leipzig -Dresdes-
Berlin, L. Ehlermanii 1907. XII and 201 S8. — Siebenter Tett: Fm^
lesebach f&r Prima. Heraosg. von H. Spieß. 2., amgearb. Aaflaft.
Ibid. 1907. VIII und 892 S8.
Ein Prosa -Lesebuch und zwar ein mustergültiges, wie vir
ein aolcfaes für die östeireiebischen Gymnasien unbedingt wfiaachtf
Heüwig-Hifi-Zemial, Denttehes Letebnch, ang. t. A, Hauaenblas, 769
müssen. Klagt man doch mit Becbt darüber, daß nnsere gegen-
wärtig in den oberen Klassen terwendeten Lesebocber zu riel
poetischen Lesestoff enthalten, dagegen za wenig oder gar keine
Stilmoster bieten, die als Vorbilder für den deutschen Aufsatz
dienen könnten. Im Gegensatz zn nnseren fast ansschließlich
^literarhistorischen^ Lesebüchern hat nun der Heransgeber strengH
den Grundsatz befolgt, , wonach für die Wahl eines Lesestückes für
die Oberstufe der Stoff nur das Sekund&re, die Form im weitesten
Sinne des Wortes , das Erste, das Entscheidende sein muß. Wer
die Namen der ausgewählten Autoren in den beiden Inhaltsverzeich-
nissen des Torliegenden Lesebuches überfliegt, wird unter ihnen
nnsere besten, sprachgewaltigsten Schriftsteller finden , so auch
Meister des Essays, die man in anderen Büchern vergebens sucht. . .
Ebenso ist auf die Mannigfaltigkeit der Stilarten und Stilformen
Borgf<igst Bedacht genommen. Zwar herrscht, wie billig, die
klare Sprache des kühlen Verstandes vor, aber auch die schwung-
volle Bedo des bewegten Herzens kommt zu ihrem Becht'' (Lese-
bneh für Obersekunda S. Vm).
In Befolgung dieser Grunde&tze hat auch der Heraus-
geber ans beiden Bünden eine große Anzahl von Nummern, welche
den stilistisch - formalen Zwecken weniger dienten, ausgeschieden
nnd in der vorliegenden zweiten Anflage durch passendere ersetzt.
Der Band für Ober-Sekunda enth&it gegenwärtig 48 Nummern
in folgenden Gruppen: I. Zur antiken Kultur, II. Über Volkssage,
Foiksepos nnd verwandte Gegenstände, IIL Zur älteren deutschen
Sprache nnd Dichtung. Man findet unter den Autoren dieser
Gruppen tatsächlich „unsere besten, sprachgewaltigsten Schrift-
steller*' vertreten. Ganz besonders aber verdienen die Lesestücke
der IV. Gruppe (Mosteraufsätze aus dem Gebiet der Lektüre) an-
geführt zn werden: Kriemhild von L. Uhland, Charakteristik Her-
manns in Goethes „Hermann und Dorothea'' von V. Hehn, Die
künstlerische Gestaltung der Handlung in Goethes „Hermann und
Dorothea** von W. v. Humboldt, die Vorfabel des Lustspiels „Minna
von Bamhelm** von Knno Fischer, Der politische Gehalt in Goethes
^Egmont** von E. Bosenkranz, Johannes göttliche Sendung, das
Gmndmotiv in Schillers „Jungfrau von Orleans** von H. Hettner,
Natur nnd Volk in Schillers „Wilhelm Teil** von H. v. Stein, Der
Gang der Handlung in Kleists „Prinz Friedrich von Homburg**
von Fr. Hebbel.
Bef. ist überzeugt, daß die Behandlung dieser Lesestücke —
es sind „ Musteraufsätze ** im wahrsten Sinne des Wortes — in der
Schnle unbedingt gewinnbringend sein muß und daß, wenn den
Schülern Themen ähnlicher Art vorgelegt werden, diese gewiß
weniger stümperhaft auefallen werden, als dies sonst geschieht.
Es ist aber ferner nicht zu zweifeln, daß auch mancher junge
Lehrer von diesen Aufsätzen Nutzen haben und vor methodischen
Mißgriffen bewahrt werden wird.
ZeitMhzifi f. d. teterr. Oyinn. 1906. VIU. n. IX. Heft. 49
770 L, Co^rueliti, Montaigne, ang. t. J. Frank,
Der für Prima bestimmte Band umfaßt folgende Gruppen mit
61 Nummern: I. Zur allgemeinen Kultur, II. Aufs&tze philo-
sophischen Inhalts, III. Zur deutschen Literaturgeschichte.
Bei der Fülle des Vortrefflichen, welches hier zusammtn-
getragen wurde, ist es leider unmöglich, auf Einzelheiten eiuiu-
gehen, und Bef. muß sich damit begnügen, die Auswahl als eine
geradezu vorzügliche zu bezeichnen. Doch kann es nicht untsr-
lassen werden, wenigstens die Autoren-Namen zur I. Gruppe an-
zuführen und so eine ungef&hre Vorstellung des Gebotenen zu Ter-
mittein: ü. v. Wilamewitz-Möllendorf, L. y. Bänke, K. Hillebrand, H.
y. Treitschke, A. W. Schlegel, Ed. Zeller, H. Oldenberg, Ad.Hamaek,
Fr. Paulsen, H. y. Moltke, E. Bohde, G. Bümelin, B. Eucken, Imm.
Kant, H. Helmholtz, W. Wundt, Goethe, H. Biegel, H. Grimm, W.
H. Wackenroder, A. Bielschowsky, Fr. Nietzsche, G. Freytag.
Mies i. B. Adolf Hausenblas.
Montaigne (1533 — 1595): La Tie de Montaijnie. — Les Essaii
Eztraits. — Jugements. Par Louis Goquelin. Bibliotheqae Laioune.
Paris, Bne Montpamasse 1908.
Schon der Abb4 du Perren nannte Montaignes ^Euaü^'
U lereviaire des honniUs gern und fragte junge Schriftstell«?
geheim (mit Hinblick auf M.): Ävez'wms lu Vauteur? Audi
Gustaye Flaubert stellt einmal darüber eine Betrachtang as,
daß auch die menschlichen Ideen yeralten und absterben und dsfi
es in der Erscheinungen ewiger Flucht ebenso schwer sei, blei-
bende, unyer&nderliche Werte festzulegen, als die fließende Welle
zu bannen und das ewig Wechselnde in Kategorien zu gießen uoti
schließt mit folgenden Worten : „Ich wette, daß in fünfzig Jahns
die Worte: Fortschritt, das soziale Problem usw. sich ebeofo
grotesk ausnehmen werden wie heute die Schlagworte des XVIII.
Jahrhunderts: Empfindsamkeit, Natur, Vorurteil! Es gibt einte
Denker, mit dem Sie sich n&hren und berahigec
sollten: Montaignel Studieren Sie ihn yem Qrunde
aus, ich befehle es Ihnen als Arztl" Als ob dieser Appell nic^t
ohne Wirkung geblieben wäre, sind in der jüngsten Zeit nickt
weniger als drei neue deutscheMontaigne-Übersetznngcc
erschienen: eine Auswahl yon Erich Meyer (Greiner k Pfeiffer m
Stuttgart); der 1. Band einer auf acht B&nde berechneten Ausg^
Ton W. Weigand u. 0. Platte (G. Müller in München) und endlick
die Übersetzung des 1. Buches yon Wilhelm Vollgraff (Wiegan^
& Grieben in Berlin).
Die uns yorliegende Auswahl yon Louis Goquelin ietsli»
gewiß nicht unzeitgemäß. Man kann sich im ganzen aoch mix
seiner einleitenden Biographie einyerstanden erklären. Die wk&-
tigsten Momente im Werdegange M.s treten darin bei aller Ess^
L, CoqjuMn^ MoDUigoe, «ng. f. J, Frank» 771
beit der Daratellaog genügend hervor. Daß Coqnelin sich an das
1906 erschienene Werk Fortnnat Strowskys: Les grands phüo^
saphiSf Montaigne (Paris, Felix Alcan) sehr innig angelehnt hat,
mochten wir ihm hei der Trefflichkeit dieses Baches nicht als
etwas zn Tadelndes anrechnen. Gut angebracht ist die Her?or-
bebnng der von Strowsky nachgewiesenen Quellen, die M.s skep-
tische Tendenz bestimmt haben, wie sie besonders in der ^^ Apo-
logie de Sebond" (die Lintilhac sehr treffend den Gewölbeschlüssel
der Eseais genannt hat) zam Ansdrack kommt nnd wie sie sich
schon in den Aussprächen des alten Zweiflers Sextue Empirieue:
Uavxl k6y^ X6yog töog ivrixsixai' und ivSi%e%av xal ovx
ivdixstm zusammendrängt. Ereilich hfttte dieser Schriftsteller
ebensowenig wie die sp&teren, Picns von Mirandola, Agrippa von
Nettesheim und Francisco Sanchez für die Geistesrichtung M.s so
wirkungsvoll werden können, wenn sie dieses unablässige Fließen
der Meinungen in seiner seelischen Anlage nicht bereits vorgefun-
den h&tten. M. suchte keine allgemeinen Normen des Seelenlebens,
weil es für ihn solche gar nicht gab, weil sich für ihn alles
um seine eigene Persönlichkeit konzentrierte, für die
er seibat seine Gesetze schuf. Er suchte das für jeden einzelnen
Fall Bichtige, nicht aber ein ewig Wahres, da ein solches nach
seiner Überzeugung dem Menschen nur durch eine göttliche Er-
lencbtiuig, nicht aber durch Forschen und Grübeln zuteil werden kann.
Die weitere Charakteristik M.s als Schriftsteller h&tte aller-
dings schftrfer und pr&gnanter sein können, als wir sie bei Co-
quelin vorflnden. Man ist heute wohl davon abgekommen, M. einen
PyrrhODiker oder Skeptiker im gewöhnlich hergebrachten Sinne za
nennen nnd ich möchte ihn (wenn schon ein solcher Schulausdmck
herangezogen werden muß) lieber als Probabilisten oder Agnostiker
bezeichnen; ebenso war er nicht ein Epikureer, etwa nach dem
Ideale bei Hans Sachs*, der sich einen Kranichhals wünscht, um
recht lange zu schmecken, ein Maul wie ein Scheunetor und einen
Baach gleich einer Bierkufe. Er war auch kein ausgesprochener
Hedonist und Quietist, wenn er auch stets nach jener Verfassung
der Seele strebte, die aus jeder Lebenslage das Angenehme abzu-
BChOpfen weiß und die der Eonserviernug der morschen Lehmhülle
unseres Körpers am zutr&glichsten ist und sich eine kleine Hütte
(arri^e-boutique) mit einem kleinen Glücke sichern wollte, die
der Zeltenstrom nicht wegspülen kann. Ja er war auch, obgleich
man diee von dem Manne annehmen möchte, der die wissenschaft-
iicbe Erkenntnis als „äneries de l'humaine eapience" bezeichnete
und sieb den Ausspruch leistete : „11 nous faut ahUir pour neue
assoffir/** kein Feind des Wissens. Er war vielmehr etwas von
alledem : ein Eklektiker oder (wie das Strowsky vielleicht treffender
ausdrückt) ein Dilettant, der aus allen diesen Lebensanschauungen
und Auffassungen 'das auswählte, was ihm paßte, und trotzdem
dank seiner unverwüstlich gesunden Natur und seinem angebornen
49*
772 Marttn-ThiergeHf En Fnnce, »ng. v. F. Wawra,
grandiosen Optimisrnns Bich eine gewisse Behentheit and Festig-
keit im Wollen and Handeln« ja einen gewissen Seelenadel za
wahren wußte. Sittliche Begeisterang wird er im Leeer seiner
Essais allerdings kaum erwecken, denn er hat für sich selbst knapp
nnr soviel daton aufbringen können, am die Heroen der Menschheit
za bewandem.
Im übrigen können wir ans über das Torliegende Bach kurz
fassen. Die ans den Essais mitgeteilten Brachstücke sind wohl
etwas dürftig aasgefallen and wir h&tten etwas mehr Montaigne
gewünscht, selbst anf die Gefahr hin» dadurch etwas weniger Sech^
za erhalten. Besonders erscheint ans das 17. Kapitel des 2. Baches,
welches M.S leibliches and geistiges Portr&t and das 12. Kapitel
des 3. Baches, welches das Geheimnis seines Lebens enthftlt, nicht
genügend aasgenützt. Die am Schlüsse gegebene Bibliographie
ist ziemlich reichhaltig, die chronologische Übersicht: ^Moniaigni
et son temps* recht sorgfältig and dankenswert, die Aasstattnoi^
sehr gut.
Wien. Josef Frank.
En France. Gnide ä traTers la langne et le pajs des Fran^aiB. (,!■
FraDkreich."* Ein Führer durch die Sprache and daa Land der
Fransoien.) Mit deotscher Übersetzung, einem gramroatieehen AnbiDfre
und einem phonetlBchen WOrterTerzeichnisse ?on Paul Martin, Paiii
und Dr. 0. Tbiergen, Dresden. Leipiig-R., Druck und Verlag tod
E. Haberland 1907. IV und 219 SS.
Von den Gesprächen anderer Konversationsbücber unterschei-
den sich die in diesem „Sprachführer'' gebotenen dadurch, dsi>
sie ein fortlaufendes Ganzes bilden und durch einen gemeinsamen
Grundgedanken zusammengehalten werden. Dieser ist, daß ein
Schweizer mit seiner Frau über Genf nach Frankreich f&hrt nnd
über Lyon und andere Profinzst&dte des Ostens Paris, das End-
ziel der Beise, erreicht. Innerhalb dieses Bahmens findet sieh
Anlaß zu Gesprächen in Terschiedenen Situationen, wie auf dem
Bahnhof, im Eisenbahnwagen, im Hotel, auf dem Spaziergange
usw. usw. In dazwischen eingeflochtenen Briefen an zurückgeblie-
bene Freunde wird dann berichtet über Beiseeindrücke , Sehens-
würdigkeiten der Yerschiedenen St&dte, das Leben in einer fran-
zösischen Familie, französisches Unterrieb tswesen, Theater, Kunst
usw. Außerhalb dieses Rahmens stehen einige Gespr&cbe, welche
Vorkommnisse des gewöhnlichen Lebens („Um ein Zimmer zn
mieten" ; „Auf einem Postamt*' ; „Bei der Konsultation des Arztes"
usw.) zum Gegenstande haben und einige Annoncen. Der das Bnch
Benützende wird so auf ungezwungene Weise mit den gerade gang-
baren Wörtern und Redensarten des t&glichen Lebens, dann mit
den Fachausdrücken in Kunst, Literatur und Technik bekannt ge-
macht. Die Sprache ist durchaus modern und mit Idiotismen reich
Martin-Thiergm, En Fraoce, aog. v. F. Wawra, 773
dorcbsetzt, die gegenflber stehende denische Übereetznog meist
treffend (doch heißt une querelle 8*envenime, S. 99 , nicht „biu
Streit bricht ans''). Dieser Teil, 148 Seiten umfassend , verdient
alle Anerkennung.
Wenig dagegen befriedigt nns die mit S. 149 beginnende
^Kurzgefaßte französische Grammatik**. Zunächst tersteht man
nicht, was die Vorführung der allerersten Elemente der Laut- und
Formenlehre hier will. Es können doch die vorhergehenden Ge-
spräche nicht für Anfänger bestimmt sein, denen erst die Verwen-
doog der Akzente, die Pluralbildung der Substantiva, die Feminin -
bildung der Adjektiva und ähnliche Anfangsgründe beizubringen
sind. Wer nach einem solchen Buche greift, der muß das alles
schon überwunden haben und kann es auch überwunden haben
angesichts der Stellung des Französischen an unseren Schulen.
Oberdies fehlt es ja nicht an guten Elemeütargrammatiken. Aller-
dings bildet nach einer dem Buche rückwärts angefügten Annonce
dieses den 8. Band einer Sammlung von „Sprachfübrern**, denen
also ein gemeinsamer, schon ton vornherein festgelegter Plan zu-
grunde liegt. Aber infolge des eben angeführten Omstandes war
das Französische nicht auf gleiche Stufe mit dem Italienischen
und Schwedischen zu stellen und der Plan für das Französische
entsprechend umzuändern. Es hätten die in den Gesprächen vor-
kommenden Besonderheiten der Aussprache (z. B. S. 138: ehapelier;
8. 141: papeterie; 8. 148: bonneterie)^ Formenlehre und Syntax
besprochen und dazu auf lexikalisch Bemerkenswertes die Aufmerk-
samkeit gerichtet werden können, wie z. B. die Verwendung von
camme = in Bezug auf (comme peitUure, 8. 81; camme acousiique,
S. 87), Ausdrücke wie (faire) eacaU (S. 82), il y a belle lurette
(S. 91)^ ä la queue leu-leu (ebda.), jubi (S. 92), tUa patronminel
(S. 98), Ue noces de Gamache (S. 100) und andere, die hinsicht-
lich ihrer Herkunft und eigentlichen Bedeutung zu erklären waren.
Dies umsomehr, als ja das Buch dem Vorwort zufolge auch für
Philologen bestimmt ist. Sollte aber dennoch an einem gemein-
samen, auch für das Französische verbindlichen Plane festgehalten
werden, ao mußte immerhin Besseres geboten, vor allem aber dieser
grammatische Teil in Beziehung zu den vorhergehenden Gesprächen
gesetzt werden in der Art , daß bei bemerkenswerten sprachlichen
Erscheinungen, die in diesen vorkommen, auf die entsprechenden
Erläuterungen in jenem verwiesen worden wäre, wie z. B. bei il
tombe des gouUee (S. 44) auf 8. 161 der Syntax, bei^outr de (S. 85)
auf S. 163, ä moins qu'ils ne soient (S.8) auf S. 167 usw. Statt
desaen steht die Grammatik so unvermittelt neben den Gesprächen,
daß sprachliche Eigentümlichkeiten der letzteren dort gar nicht er-
wähnt vrerden, wie eon earacthre ä eile (S. 18), il y en a une de
libre (S. 14), grand* messe (S. 58), die dreimal vorkommende Kon-
struktion quel que sait -)- Subj. (S. 27, 67, 97), welche gerade
unter den Konzessiv- Sätzen (S. 167) fehlt u.a., während manches,
774 Martin-ThiergeHi En France, ang. t. F. Watora.
das in der Satzlehre bebandelt wird, namentlich vom Standpunkte
der Gespr&che ans, entbehrlich w&re.
Sehen wir aber Ton diesem methodischen Gesicbtspiinkte ab
nnd betrachten wir den grammatischen Teil als eine selbständige,
Ton den Oesprftchen nnabh&ngige „Elementargrammatik" , so muG
man leider sagen, daß sie in vieler Hinsicht ftnflerst mangelhaft
ist und daß, wer wirklich die Anfangsgründe des Französischen
nach diesem Bnche erlernen wollte, damit sicher nicht zn seinem
Ziele kftme; eine Betrachtang der einzelnen Partien dieser „kurz-
gefaßten Grammatik*', bei welcher wir jedoch nicht anf VoUsttUidig-
keit Anspruch erheben, soll zeigen, ob diese Behanptnng gerecht-
fertigt ist. Znnftchst die Lautlehre.
Da ist gleich im Anfang (S. 149) zn bemerken, daß a in
aimämes (trotz des Acc. circ.)« soldats (wamm gerade derPlvral?),
gouvemail nicht „offen*' (womit gemeint ist „tief**) ist Es ist
vielmehr „mittleres*' a nach Bonsselots System, das bei allen
Orthoepikern nnd Phonetikern, die nnr zwei a-Lante nnterscheiden,
mit dem hohen znsammenfftlU. Umgekehrt wird S. 152 in der um-
echrift von erdne hohes statt tiefes a eingesetzt. S. 150. In
pSrisse, ministre nnd selbst in vie (in der Pariser Aussprache) ist
das i nicht lang. Ebensowenig in style (gegen Ende derselben Seite).
Ebenda. Jeun mit seinem Nasallaut hat sich unter die Wörter mit
oralem ce verirrt. S. 151. Der e-Laut in der Endung -et {txEdet)
ist nicht „geschlossen**, sondern „mittel*' und wird seit jeher von
denen, die nur zwei «-Laute unterscheiden, dem offenen e zugeteilt.
Umgekehrt nähert sich der e-Laut von meSf der hier zu den offenen i
gerechnet wird, in unbetonter Silbe dem geschlossenen. Ein Fehler, 1
der sich durch das ganze Buch zieht, ist, die auf Vokal + e sus- '
lautenden Silben als lang zu bezeichnen (vgL z. B. das kurz |
vorher besprochene vie); freilich nicht konsequent (eine Ausnahme I
z. B. S. 152 cavahrie). Aber auch sonst wird Endvokalen L&nge
zugeschrieben; so S. 153: poulSf hup, pied^ nez, vieux (auch '
S. 154), cavalier; 8. 178: Doubs; freilich auch nicht konsequent:
in Schecs wird sogar anlautendes e als lang bezeichnet. Ganz be-
sonders häufig werden nasale Endvokale als lang wiedergegeben,
so in sang, S. 152. Nach der Umschrift anf 8. 152 wäre nasalM
0 Oberhaupt immer lang. Bei den Reibelauten (auf 8. 152) wird
wohl von der Aussprache des g in gelie gesprochen , die Bezeich-
nung desselben Lautes jedoch durch j nicht erwähnt, ebensowenig«
daß das Französische die Doppelkonsonanten in der Aussprache rer-
einfacht; es bleibt demnach dem Lernenden die Transkription toq
foueiter und appuyer auf 8. 151 unverständlich. 8. 168, VII.,
unter 5, ist bei der Feststellung des Unterschiedes zwischen den
beiden Arten des h im Französischen nicht das Verhalten des ad-
jektivischen Possessivs (num usw.) und des adjektivischen Demoo-
strativs {ce) berficksichtigt. Ebenda wird [unter 7 befremdlieber-
weise Bindung angegeben für rat in un rat alla ä la eave. B^-
Martin-Thiergen, Eo France, «ng. y. F. Wawra. 775
kannilich wird das t ton rat ebensowenig hinübergezogen wie das
r in boucher and eapalier^ fflr welche dort gleichfalls (unter 8)
Bindong vorgeschrieben wird. S. 154 wird das Bestehen der Bin-
dimg (soll heißen „konsonantischen Bindung'^ damit begrflndet,
daß „der Znsammenstoß zweier Vokale dem Franzosen sehr nn-
angenehm ist." Was ist es aber mit «7 y a €u und zahlreichen
anderen F&llen? Natürlich ist ton einer fokalischen Bindung
keine Bede.
Was die Lautschrift betrifft, so ist für ein Buch, das rein
praktischen Zwecken dient und für weite Kreise bestimmt ist, offen-
bar diejenige die beste, welche den Laut unzweideutig wiedergibt
ond dabei mit den Hauptgewohnheiten der herrsehenden Ortho-
graphie nicht in Widerstreit gerät. Diesen Forderungen entspricht
das im „Vocabnlaire*' von 8. 195 an gew&hlte Lantsystem der Asso-
ciation phon^tique nicht. Wenn z. B. dem Lernenden eingepr>
wird, in französischen Wörtern y ja nicht als u, sondern als % zu
sprechen, eignete sich dann dieses y zum Ausdruck des gerundeten
geschlossenen palatalen Vokals («n«)? Lag da für Deutsche nicht
die deutsche Bezeichnung n&her? Oder wenn in der französischen
Orthographie i konsequent den geschlossenen e-Laut ausdrückt
(Hi, difiU)^ wozu dann in der Umschrift e dafür einsetzen, jenes ^
das er ja in französischen Wörtern entweder als dumpf (m) oder
überhaupt nicht zu sprechen hat? Ein Wort wie amu muß nach
der gewöhnlichen französischen Orthographie als arm\ in der Um-
schrift aber als armS gelesen werden. Schließlich noch ein Bei-
spiel: 8 zwischen Vokalen (fusü) ist in der gewöhnlichen Ortho-
graphie stimmhaft, in der Umschrift wird aber gerade mit ein-
fachem 9 der stimmlose Laut bezeichnet. Es ist zu bezweifeln, ob
Qesch&fts- oder Vergnügungsreisende, für die ja das Buch ge-
schrieben ist, die Summe an Geduld und Ausdauer aufzubringen
willens sind, die nötig wftre, um in diesem Kampfe mit zwei
Feinden als Sieger hervorzugehen, zumal da noch andere Feinde
im Hinterhalte lauem. Zu diesen rechnen wir auch die Bezeich-
nung der betonten Silbe durch einen Akzent vorher, welche un-
praktisch ist, weil sie sich in Gegensatz zu allen Wörterbüchern
stellt. Der schlimmste Feind der Lernenden ist jedoch die Inkon-
sequenz des Verf.s. Denn von dem oben beschriebenen Transkrip-
tionssystem weicht die von ihm im theoretischen Teil gebrauchte
Bezeichnungs weise, welcher man wegen ihrer Regellosigkeit den
Namen „System ** nicht beilegen kann, ganz bedeutend ab. Zum
Nachweise des Gesagten einige Beispiele. Der vokalische Laut in
uns, im „Vocabulaire*' durch y bezeichnet, wird S. 150 — 158
durch ü wiedergegeben. Die qualitativ verschiedenen os- Laute in
Ua Honneurs und vieuz werden auf S. 158 auf gleiche Weise be-
zeichnet; auf derselben Seite aber das hinsichtlich des (F-Lautes
qualitativ und quantitativ mit dem genannten Worte zusammen-
fallende hceufa wieder anders, nftmlich nach der Art der Association
776 Martin-Tkiergen, En Franee, aag. t. F, Wawra,
phoD^tiqne. Ebenso werden auf S. 151 in me, hhu^ jeune, peur,
ceuvre und S. 154 in adieu, Üb honneurs, vieux die qnalitatiT yer*
acbiedenen o^-Lante nicht getrennt and wieder wie an der erst an-
gefahrten Stelle bezeichnet.
Die größte Bantbeit herrscht bei den Nasallaaten. In pru-
dent S. 150 and beaain S. 151 bfttten wir Bezeicbnangsweise Nr. 1,
in vinfft and un S. 177 and in den Endangen -amtnent and -emment
S. 182 Bezeicbnangsweise Nr. 2, in employer S. 151 Bezeicbnangs-
weise Nr. 3 and scbließlicb aaf S. 152 and 153 Bezeicbnangsweise
Nr. 4 nach dem System der Association phon^tiqae. Dieselbe La-
konseqaenz herrscht in Bezag aaf Betonnngs- and Qaantitätsbe-
zeichnnng. Aaf derselben Seite (151) wird bant darcheinander
innerhalb weniger Zeilen die betonte Silbe dnrch einen Akzent vor
dem betonten Vokal aod darch einen solchen aaf demselbeo bo-
zeichnet. Die Kfirze des Vokals wird 8. 150 and 151 öfter an-
iregeben, sp&ter nicht mehr. Die Länge wird in zahlreichen P&ll«n
darch einen Strich über dem Vokal angedeatet aaf den Seiten 150
bis 158 (aach 173 in Doubs)^ dazwischen aber aaf S. 152 — 154
darch einen Doppelpnnkt nach der Art der Assoc. phon. (wobei
noch za bemerken ist, daß die Erkl&rang der Bedeatang dieses
Zeichens (S. 153) der ersten Verwendang (S. 152) nachhinkt), ja,
8. 158, in demselben Worte {pouU) innerhalb dreier Zeilen aof
zwei yerschiedene Weisen ; dagegen aaf derselben Seite (158) gar
nicht in den Umschriften von guerre, nerfs, cerfs and aach spitor
S. 173 in Vosges. Das französische Alphabet wird zweimal ▼or-
geffihrt: S. 150 and 153, man sieht nicht ein, warnm, yielleieht
am die Inkonseqaenz des Verf.s recht dentlicb zar Anscbaaang zn
bringen. Aach über dampfes and Stammes e wird zweimal g^e-
sprechen: S. 149 and 153 anter VII.; an letzterer Stelle ist di«
Fassang — offenbar ist etwas aasgefallen — zam mindesten un-
klar, für den Lernenden jedenfalls nnyerst&ndlich. Aas den aof^e-
führten Tatsachen gebt zar Genüge hervor, daß sich hier der Verf.
aaf ein Gebiet begeben hat, das ihm vollst&ndig fremd ist
Zar Formenlehre übergehend, bemerken wir, daß sie s^hr
lückenhaft ist. So fehlt die Konjugation von apoir and itre, die
der regelmäßigen Verba, der Verba mit wechselndem ««Laut im
Stamme (wie peler and appeler, vorkommend in den Gesprächen
S. 16; ihver and rappeler S. 77 and jeUr S. 147), während
hingegen ein „alphabetisches Verzeichnis*' (zn ergänzen „der an-
regelmäßigen Verba") iclore, Schoir, gSsir nnd andere, für die Eon-
versation wahrscheinlich höchst wichtige Verba anfz&hlt. Sonder-
barerweise fehlt aach die Bedeatangsangabe der im „alphabe-
tischen Verzeichnis** aafgeführten Verba. Bei den Formen feus nnd
«tf vermißt man eine Bemerkang zar Aasspracbe.
Selbst die Satzlehre zeigt , abgesehen von den schon oben
berührten methodischen Mängeln, noch manche Fehler und Ge-
brechen. Zwar mag das Beispiel (S. 166) je partis eans vou»
Mariin-ThiergeH, En France, ang. v. F. Wawra, 777
avoir fait tnea adieux zafftllig unter die Lehre vom Konjanktit
gekommen sein and bedeutet es nicht viel, daß der Ansdrnck
(8. 167) aecusatif ahsolu (womit gemeint ist die absolute Parti-
xipial-Konetniktion) kein französischer Terminus ist. Aber zu
ernstem Tadel fordert die auf S. 168 gegebene Erkl&rung des
Unterschiedes zwischen dem Passä defini und dem ImparCait heraus,
womach das erstere „eine einmalige Handlung von kurzer Dauer'',
das letztere „eine wiederholte Handlung oder eine von l&ngerer
Daner darstellt*'. — Bei der Zeitenregel (S. 169) ist der Fall,
womach die Handlung des Nebensatzes der Zukunft angehört, nicht
in Betracht gezogen. Andererseits ist zu dem letzten Beispiel auf
der Torhergehenden Seite (Le mSdecin nous explique qu$ lafövre
produit toujours de la ehaleur) keine Begel gegeben. — Eine
sonderbare Erkl&rung wird (8. 187) zu dem Satze Qui que vous
aü du cela, e'est un menteur gegeben: „Der NominaÜT qui wird
zu que, wenn das Relativ qui sieh auf das fragende qui bezieht;
hier wird que gesetzt zur Vermeidung des schlechten Klanges qui
qui**. — Eine andere merkwürdige Erkl&rung wird S. 193 ge-
geben: „Quand wird bei einmaliger, loreque bei wiederholt ge-
schehener Handlung gebraucht. **
Zum Schluß der Besprechung dieses Teiles noch einige wohl
minder wichtige, aber doch nicht ganz zu übergehende Einzelheiten.
8. 178 sind die „Ausnahmen*' unter a) und h) verstellt. — S. 179
gehört zu geniü eine Bemerkung über die Aussprache. — 8. 189
soll es am Ende der „Begel" unter 4 statt „sowie*' heißen „wie
— 80" als Obersetzung von Tel (mattre), tel (valet). Auf der-
selben Seite unter 5 wird voua Sing, mit „Euch" übersetzt. —
Der der Syntax folgende kurze Abschnitt über das französische
Geldwesen (Monnaiee ayant coure en France) würde wohl eher als
Anhang zum ersten Teil gehören.
Den letzten Hanptteil des Buches bildet das deutsch • fran-
zösische „Yocabulaire", welches die französischen Wörter wenig-
stens einheitlich nach dem in Passys Buchern üblichen System/
wenn auch nicht in seinem Sinne umschreibt. Denn es finden sieb
hier dieselben Inkonsequenzen und Unrichtigkeiten wie oben. Eine
Durchsicht der fünf ersten Buchstaben (S — ^) ergab in der Haupt-
sache folgendes: Hohes statt tiefes a findet sich in den Um-
schriften von dme S. 195, 8. Z. v. o. , cadre 196, 2. Spalte,
anter „Automobil" und 198, 2, „Bild" (und «niedrer) ; bdiir 197,
2, „Bau"; pdquereUe 198, 2, .Blume"; ätre 201, 2, „Feuer'',
gdchette 202, 1 „Flinte". — Vorzuziehen war tiefes statt hohes a
in aable 197, 2, „Bau"; hois 198, 1 „Bett", und 200, 2, „Erd-
kunde"; taeae 199, 2, „Caf^"; flamme 200, 2, „Fahne" und
201» 2, „Feuer". Die Endung -ation wird einmal (considSraiian
195, 1 „Acht") mit tiefem a, sonst aber mit hohem a wieder-
gegeben {respiratian 196, 2 ^Atem"; communication 198, 1, „Be-
förderungsmittel"; rSclamaiian 198, 1, „Beschwerdebuch** usw.).
778 Martin-Thiergen, En France, ang. v. F, Wawra.
Der e-Laüt in les, deSf tnes wird mit eioer Ansnahme (reffistre dct
rSelamatums 198, 1, ,,Be8Cbwerclebach'', Tielleicbt nnabBiehtiieh)
immer als offen gegeben. Die Endnng -et wird (entgegen der
Angabe aaf 8. 151) als offenes e transkribiert, mit zwei Ana-
nahmen: beignei 199, 2, „Ei** nnd raugei 201, 2, „Fisch''.
Anch das dnmpfe nnd stamme e werden inkonsequent be-
handelt. Die S. 149 gegebene Weisung, nach Eons, l oder r
(sollte yollstftndig beifien: nach mehrfacher Konsonanz Tor folgen-
dem Konsonanten) das e immer lanten zn lassen^ wird hier nnr
znm Teil beachtet; so in quelqtie ehose, 198, 1, „bestehen darauf**;
courte-poifUe und couvre-lit, 198, 1, „Bett*'; atUre/ais, 202, 2,
„früh*'; garde-cötes und contre-iarpilleur, 202, 1, „Flotte"; parte-
drapeau, 196, 1, „Armee"; garde-feu, 201, 2, „Fener"; prtndrt
eongi, gleichfalls so bebandelt 200, 1, „empfehlen"; dagegen nicht
195, 1, „Abschied" nnd anch nicht in maUre d^hotel, 198, 1,
„Bediente"; registre des rSclafnatians^ 198,-1, „ Bosch werdebnch^;
itre 8ur le point, 198, 1, „im Begriffe stehen"; tourne-sdy 198,
2, „Blame" osw. Anderseits wird das e der Präposition de immer
als lautend angegeben, obwohl es wegzufallen hätte in vaki dt
pied und valet de chatnbre, 198, 1, „Bediente"; bais de lit, 198,
1, „Bett"; chemin de fer, 200, 1, „Eisenbahn"; paiaon de mer,
201, 2, „Fisch"; houquet de hois, 200, 2, „Erdkunde"; tnaiSriaux
de constrtkition, 197, 2, „Bau"; moyen de communication, 198, 1,
„Beförderungsmittel" usw.). Auszufallen bat auch das e in tein-
iureriej 201, 1/2, und in s'y retrouver, 201, 2, „sich zurecht
finden" und das zweite e in retenir^ 198, 1, „belegen". I wird
unrichtigerweise als lang angegeben in eandtoich^ 198, 1, „be-
legtes Brötchen"; registre, 198, 1, „Beschwerdebuch"; ietkme,
200, 2, «Enge"; marmiU, 200, 1, „Equipierung" ; saucieee, 202,
1, „Fleisch" usw. Inkonsequent wird auch das « vor gesprochenem
End-5 behandelt: lang in iris, 198, 2, „Blume"; sonst als kurz:
liSf myosotis (ebenda); yae^i^^ 200, 1, „Einmaleins";^, 201, 1«
„Familie". Unrichtig ist auch autrefois mit offenem statt ge-
schlossenem 0, 202, 2, „frfib". Nicht zu lehren war die Aus-
sprache aiguilleUes mit nicht gesprochenem u, 196, 1, „Armee**.
Unrichtig wiedergegeben ist obahques mit beibehaltenem 6. Unrichtig
transkribiert sind en arrüre 199, 2, „Dampfmaschine" und «n
plein air, 202, 2, „im Freien" ohne den hinüberzuziehenden Nasal
Was die Quantitftts -Verhältnisse betrifft, so wird Vok. + «
fast immer als lang gegeben: armSe, 196, 1, „Armee". So auch
ie mit einer (wahrscheinlich nicht beabsichtigten) Ausnahme:
bougie, 196, 2, „Automobil" usw. Anch Dipthong -\- e: voie,
200, 1, „Eisenbahn" usw. Aber auch bloßer EndTokal: ctoff;
197, 2, „Bau"; paix, 202, 2, „Friede'*; in unbetonter Silbe:
moyen, 198, 1, „Beförderungsmittel"; sogar vor konsonantisehem
Auslaut: prune, 202, 1, „Frucht"; nike, 201, 1, „Familie"; ä
la eoque, 199, 2, „Ei" und selbst vor mehrfacher Konsonani:
A. Mohrhutter, Guide Grammatica), ang. ▼. J. Eüiuger. 779
courbe, 200, 1, „EisenbabD*' usw. Unrichtig ist die Lftnge Öfter
aoch bei aaslantendem nasalen a eingetragen, so in adolescent,
195, 1, „Alter**; Stang, 200, 2, „Erdknnde*". Während so im
Silbenanslaiit nnrichtigerweise Lftnge statt Kürze gegeben wird, ist
inlautend notwendige Länge nicht verzeichnet in bord, 200, 2,
„Erdkunde"; dur, 199, 2, „Ei-; (mele/201, 1, „Familie".
Das Buch wird abgeschlossen mit den Plänen der Städte
Lyon, Beims und Paris, denen ein Druckfehler -Verzeichnis „Er-
ratum" (sie) yorbergeht; welches jedoch bloß die Gespräche be-
rdcksichtigt und selbst fdr diese nicht ToUständig ist.
Sollen wir noch ein Schlußurteil über das ganze Buch ab-
geben, so müssen wir sagen, daß, so sehr uns der erste Teil an-
mutet, wir doch den zweiten als ganz yerfehlt bezeichnen müssen.
Die Syntax, an fielen Stellen ergänzungs- und yerbesserungsbe-
dürftig, steht ohne Zusammenhang da mit dem ersten Teile; die
Formenlehre ist unvollständig und mangelhaft und die Lautlehre
entspricht nicht den bescheidensten Anforderungen , die man heut-
zutage an ein solches Kapitel stellt.
Die äußere Ausstattung dagegen, sowie Druck und Papier
sind recht gefällig.
Wr.-Neustadt. Dr. F. Wawra.
Guide Grammatical. Lexikon für franzOBische Grammatik von Dr. A.
Mohrhutter, Professor an der OberreaUchule sn Kiel. Leipzig 1907,
Beogersche Buchhandlung Gebhardt & Wilisch. IV und 106 SS.
Das vorliegende Lexikon soll dem Bedürfnisse, sich schnell
und leicht in grammatischen Dingen zu belehren, entgegenkommen
und ist nicht nur für Schüler, denen irgend eine sprachliche Er-
scheinung entfallen ist, sondern für alle diejenigen bestimmt, die
das Französische überhaupt nicht schulmäßig betreiben, sondern
die, nachdem sie auf irgend eine Weise einige praktische Fertig-
keit in der fremden Sprache erlangt haben, hin und wieder sich
über grammatische Fragen Belehrung verschaffen wollen. Das
Lexikon ist so angelegt, daß darin der gesamte grammatische Stoff
(Formenlehre und Syntax) verarbeitet und in alphabetischer Reihen-
folge geordnet ist. Trotz des fQr ein Lexikon ungewöhnlich kleinen
Umfangs finden wir darin folgende längere Artikel: „Adjektiv"*
(S. 2—5), „Adjektiv und Substantiv« (S. 5—6), „Adverb' (S. 6
—8), „Akkusativ, doppelter- (S. 9—10), „Artikel" (S. 13—15),
»Besitzanzeigende Fürwörter" (S. 21—23), „Bezügliche Fürwörter**
(S. 23—25), ,/ö//oir- (S. 41—42), „Fragende Fürwörter- (S. 43
—46), „Fragekonstruklion" (S. 44—46), „Geschlecht der Sub-
stantive" (S. 40-50), „Infinitiv* (S. 56-59), „Kasus der Verben**
(soll heißen „Sektion der Yerben»! S. 62— 63), „Konjunktiv-
(S. 64—66), „Participe passö« (S. 74—76), „Partizipialkonstruk-
780 A. Mohrhutter, Guide Grammatical, ang. t. «T. Ellinger.
tion« (S. 76—80), ^Persönliche Fürwörter« (8. 81—85), ^Plural
der Substantive** (8. 86—87), .Rückbezügliche Verben- (8. 94—
95), „Teilungsartikel ** (8. 99—100). Von einer Vollständigkeit
kann hier natürlich nicht die Bede sein; onvollständig sind z. B.
die Listen der Adjektiva, die et in ^ ändern (S. 2), der Verba
mit doppeltem Akkusativ (8. 10), der Verba, die einen Infinitiv
mit ä verlangen (8. 58). Auch die Fassung der Begeln ist oft
unzulänglich, z. B. S. 49 „Weiblich sind die Snbstantiva auf
-eur'' (lies: „die abstrakten Substantiva''); 8.65 „Der Eoigunktiv
steht: 4. nach einigen (!) unpersönlichen Ausdrücken". — Da das
Buch zum Nachschlagen eingerichtet ist, so sollte bei jedem Ver*
bum die Präposition angegeben werden, die es regiert; eine solche
Angabe fehlt bei avoir (8. 18), consentir (8. 29), dSsespSrer,
disconvenir (8. 34), douier (8. 35), ichouer (8. 36, 81), essayer
(8. 30), s'itonner (8. 39). kre (8. 39), joindre (8. 62), nUdirt
(8. 68), passer (S. 80), prendre (8. 88), se rijouir (8. 92). Einige
Wörter, die ich versuchsweise nachschlagen wollte, fehlen ganz:
„considSrer" , „erwählen", ^orcer""^ „je... desto" (die Übersetzung
dieser Konjunktionen steht unter dem 8tichworte „mehr", wo sie
gewiß niemand suchen wird!), „mißlingen**, ^obliger**, ^regarder".
— Ein grobes Versehen ist es, daß der Ausdruck „rückbezügliche
Fürwörter*' als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „bezügliche
Fürwörter" angenommen wird, so daß die zu diesen beiden Stich-
worten gehörigen Artikel inhaltlich übereinstimmen und der Ler-
nende über die Beflexivpronomina nichts erfährt.
Einige kleine Unebenheiten und Ungenauigkeiten mögen noch
im folgenden herausgehoben werden: 8. 1. Unter das Stichwort ä
hat sich das Beispiel „c» voyage" verirrt. — 8. 2. J wird le, t
wird ie, s wird se, n wird ne" ; lies: lle, Ue, sse, nnef — S. 9
„II n'aime pas se coucher avant deux heure-s* ; vgl. dazu S. 8
^Taitnais ä me rappeler ces beaux joursl"^ — 8. 11 ,aa" ;
es fehlt die Übersetzung durch de, z. B. „douier de zweifeh an'*.
— 8. 13 „apprShender fürchten, verlangt den Konjunktiv"; er-
gänze mit ne/ — 8. 34 „ef^ que steht meist mit dem passi
antirieur" ; ergänze „statt des plus-que-par/aü in Beziehimg auf
ein pasaS defini im Hauptsätze" (dasselbe gilt von quand, 8.89)!
— S. 39 „erst que ... ne** ; lies ne ... que/ Die hinzugefägten
zwei Beispiele gehören zu „nur" und nicht zu „erst" ! — S. 50.
„Statt aussi que kann beim Adjektiv auch autant stehen, aber
dahinter". Besser würde diese Begel so lauten : „Statt auMi...^»^
mit eingeschlossenem Adjektiv kann auch autant que hinter dem
Adjektiv stehen". — 8. 54 „i wird wie t gesprochen vor Doppel-
konsonanten und Konsonant 4- Vokal". Statt „Doppelkonsonanten'*
soll es heißen „mm und nn'' ; es handelt sich doch nur nm die
nicht nasale Aussprache des i in Wörtern wie immobile, innovalion!
— S. 69 „fw^mc derselbe"; lies: le m^me! — 8. 71. Unter ,«<*
fehlt das „ne expUiif"' ganzi — 8. 88 ^prSdire vorherBagen,
S, Sieper, Shakespeare und seine Zeit, ang. t. A. Eiehler. 781
siehe dire'' ; es fehlt die von dites abweichende Form der 2. Fers.
Flor. Fräsens!
Wie im „Vorworte" zn lesen ist, hat der Verf. besonders
die Grammatiken yon Flattner, Floetz- Kares, Ohiert und Bömer
benutzt. Außerdem wird an vielen Stellen im Sinne des bekannten
arritS des französischen XJnterrichtsmlnisters vom 26. Februar 1901
die Duldung verschiedener, von der strengen Grammatik abweichen-
den Konstruktionen ausgesprochen.
Der Druck ist im ganzen korrekt ; an Druckfehlern habe ich
bemerkt: S. 66 Piloponhe, a couronne (st. ia couranne).
Trotz der dem Buche noch anhaftenden Gebrechen wird es
gute Dienste leisten.
Wien. Dr. Job. Ellinger.
Shakespeare und seine Zeit. Von Dr. Ernst Sieper, a. o. Prof.
a. d. Universität Mflnchen. Mit 3 Tafeln und 3 Teztbildern. Leipzig,
B. G. Teubner 1907. (Ans „Natur und Geisteswelt« Nr. 185.) 140 SS.
Preis geb. Mk. 1 -25.
Das BQchlein ist aus Vorträgen entstanden, die der Verf. in
den Volkshochschulvereinen zu München und Augsburg gehalten hat,
und leider ist auch die bei einem wissenschaftlichen Werke doch
etwas störende Form des Vortrages beibehalten worden. Sieper
handelt sehr eingehend über „Shakespeares Zeit**; fQnf Kapitel
von zwölfen und ein Anhang sind ihr gewidmet; so wichtig die
Voraussetzungen für Shakespeares dichterische Erscheinung immer
sein werden, so hat man bei der knappen Form eines solchen Leit-
fadens hier doch das Gefühl, daß das Beiwerk überwiegt. Der im
ganzen ansprechenden Charakteristik der Dramen im iX. Kapitel
fehlt infolgedessen z. B. die genügende Vertiefung und Eiemplifi-
kation der abgegebenen Urteile — offenbar aus Haummängel. Dieses
Kapitel, das „Die vier Perioden des dichterischen Schaffens" über-
schrieben ist, schildert eigentlich Shakespeare als Menschen.
Das X. und XL Kapitel „Shakespeare als Dichter" und „Eigen-
art und ethische Wirkung des Shakespeare-Dramas" enthält eine
Fülle von scharfen und feinsinnigen Beobachtungen ganz origi-
neller Art. Im XIL Kapitel bietet uns der Verf. „Hilfsmittel zum
Studium Shakespeares", eine dem Laien gewiß hochwillkommene,
im wesentlichen einwandfreie Liste der besten Literatur über
Shakespeare nebst treffenden kurzen Charakteristiken der einzelnen
Werke ^). Wer der darin vertretenen starken und von vielen ge-
1) Mit dem Urteile über den großen Wert von Coleridges ErUate-
rangen sn Shakespeare wird man trotz Gervinus nicht so schlankweg
ein?erstanden sein, zamal wir ja die Authentizität dieser Notes and Lee-
twres zum Teil bezweifeln müssen.
782 EDgliiehe TexUofgaben, ang. t. J, EUmger,
teilten Wertschätzang B. Dowdens beistimmt, wird sich vielleicht
sogar fragen, ob seit der deutschen Übersetzung des ^Literature
Primer von Dowden eine neuerliche Einführung in die Sbake-
sparsche Dichtung in Form eines Abrisses Oberhaupt ein Bedfirfnis
war. Der Anhang über die Bacon- Hypothese — so, und nicht
„Frage*" sollte man sie doch lieber nennen! — bietet zwar
nichts Neues, mag aber einen oder den andern nicht fachmän-
nischen Leser interessieren. — Die Beproduktionen der gut aas-
gewählten Bilder, namentlich zur Frage der Shakespeare -Bfihne,
sind für den sonst so soliden Verlag nicht erstklassig. — „Shake-
speares Einfühlungsfähigkeit in die Lage und das Wesen seiner
dramatischen Personen'' (S. 97) ist ein kühnes Wort!
Wien. Albert Eichler.
Englische Textausgaben.
Ohambers's Historv of England 55 B. C. to the Present Time. Pttr
den Schul- und Prifatgebrancb hergerichtet Toa Prof. Dr. J. Klap-
perich. Mit 14 AbbildoDgeD, 5 Nebenkarten und 1 Haoptktrte.
Oiogau, Carl FlemmiDg, Verlag, Bach- und Konstdraekerei, L G.
VII and 128 SS. (Englische and Französische Schriftsteller der
neueren Zeit Für Schale und Hans herausgegeben von J. Klapperieh.
XLV. Bftndchen. Aasg. A).
A GoUection of Stories and Sketches by Modern Autbors.
Selected and annotated for the use of the higher forme in Secondarj
Schools and Oraromar Schools bj H. Weersma, Leeraar Bijks-floogere
Burgerschool, met Tijf-jarigen Carsas, Oroningen. P. Noordhofl^ Gro-
ningen 1907. 228 SS. Preis 1 Fr. 50 Cent.
Die bekannte „Hisiory of England*' von Chambers, die
selbstverständlich den jetzigen Verhältnissen gemäß umgearbeitet,
bezw. erweitert worden ist, eignet sich vorzüglich als LektQre für
die mittlere Stufe unserer höheren Schulen, da sich darin ein ab-
wechslungsreicher Inhalt mit mustergültiger, einfacher Sprache und
frischer, anregender Darstellungsweise verbindet. Zu billigen ist,
daß darin die neuere und neueste Zeit eingehender behandelt wird
als die ältere und mittlere Periode, femer daß nur die großen
Ereignisse und hervorragenden Persönlichkeiten im Mittelpunkte
der Erzählung stehen. Der Anschauung dienen die schönen Bilder,
welche einige geschichtlich bedeutende Stellen darstellen, und die
Kartenskizzen, die uns die Schauplätze wichtiger Begebenheiten
vorführen.
Die „Anmerkungen« (S. 118—128), die sich bei der Leich-
tigkeit des Textes meist auf sachliche Erklärungen beschränken,
sind vollkommen zweckentsprechend. Zu mager ist die Anmerkung
zu 96, 8: „Nelson, Horatio (1758— 1805), Englands größter See-
held". Spensers „Fatry Queen"" wird S. 123 ein „episches" Ge-
Eoglisebe Teitaasgaben, aog. ▼. /. Eüinger. 783
dicht genannt; genauer sollte es heüton: „ein allegorisch-episches
Gedicht** oder «ein allegorisches Epos".
Ausstattung und Druck sind tadellos : S. 9, Z. 9 ist «7arrow
Yerdruckt f&r Farrow.
Die von H. Weersmafür holländische Mittelschulen besorgte
^CcUeetton qf Storiea and Sketches'^ enthält 16 Erzählungen und
Skizzen, die modernen englischen und amerikanischen Autoren ent-
lehnt sind und, wie in dem holländischen Vorwort zu lesen ist,
in keinem anderen Lesebuche vorkommen {^en kamen in geen ander
leeeboek voor*"). Der Verf. glaubt zwar, daß ^men al de etukken
even inUreeeani zal tnnden'', doch ist es nur zu natürlich, daß
unter so vielen Stücken der verschiedensten Autoren sich auch
ein paar schwächere finden.
Von Budyard Kipling, dem Meister der kurzen Erzählung,
stammt Namgay DooHa: Ein König im Himalaja-Gebirge weiß mit
N. D., einem widerhaarigen Untertanen, der aus Tibet eingewandert
ist, nichts anzufangen; auf den Bat eines Engländers macht er
ihn zum Kommandanten seines aus fünf Mann bestehenden Heeres.
— F. Anstey liefert drei Beiträge, und zwar Mrs. BrassingUm-
ClaypMs Children'a Party (ein ünterhaltungsabend der blasierten
Kinder einiger reichen City-Großhändler, bei dem auch ein „Zau-
berer** (conjurer) seine Taschenspielerkünste zum besten gibt) ; Ä
Bohetnian Bog (eine Beisetasche, die der Besitzer nie am Bestim-
mungsorte findet); Why I have given up writing Novels (die Per-
sonen seines Bomans Poisoned Forridge stellen sich leibhaftig bei
dem Dichter ein und leben auf seine Kosten). — Von Ma arten
Haarten s rühren zwei Erzählungen her. Die eine heißt The
Death Way: Ein alter, todkranker Bauer hört, daß der „Toten weg**,
über den seit unvordenklichen Zeiten alle Leichen zum Friedhof
geführt wurden, von dem jungen Gutsherrn in seinen Gai*ten ein-
bezogen worden sei, so daß jetzt die Leichenzüge über die Land-
straße gehen müßten; über diese Änderung empört, läßt der Ster-
bende seine Söhne schwören, daß sie seine Leiche über den alten
„Totenweg'' führen werden, und die Söhne halten trotz des Ein-
spruchs des Barons ihren Schwur. Die andere Erzählung ist
„Israels'^ überschrieben, weil ein junger, für die Kunst begeisterter
Journalist, der plötzlich Erbe eines steinreichen Papierfabrikanten
wird, im Sterbenshause nichts Besseres zu tun weiß als sich in
einen Salon einzuschließen, wo Gemälde des berühmten holländischen
Malers Israels aufgehängt sind. — Die Amerikanerin Mary £.
Wilkins ist ebenfalls durch zwei Erzählungen vertreten. Die
Heldin der Novellette A Modem Dragon ist die Mutter eines
Mädchens, das sich in einen jungen Mann verliebt, dessen Mutter
der Heirat abgeneigt ist; jene tut alles, um diese umzustimmen,
aber vergebens. Endlich, als sie auf ihrem Totenbette liegt, läßt
sie den jungen Mann rufen und sagt ihm, wenn er ihre Tochter
nicht heiraten wolle, möge ihm Gott seine Tändelei mit ihr nie
784 Eogiischd TextansgabeD, aog. t. J. EUinger.
verzeihen ; der junge Mann antwortet, er werde sie sofort heiraten,
worauf die Alte mit den Worten „Then les aü rigW stirbt TAe
Bar Lighthouse zeigt die Bekehrung der alten, gel&hmten Fraa
eines Leachtturmwächters, die infolge ihrer traurigen Erlebnisse
an dem Dasein Gbttes zweifelt; während der Abwesenheit ihres
Mannes besteigt sie unter schrecklichen Schmerzen den Leachttoim,
um die Lampe anzuzünden, findet sie aber schon angezündet; sie
sieht darin das Werk der Vorsehung und glaubt wieder an Gott
— W. W. Jacobs stellt sich mit zwei Seegeschichten ein; sie
heiBen Ä Black Affair (der Eapit&n eines Schiffes beschließt, eine
schwarze Katze, die einen Papagei zerkratzt hat, Aber Bord zo
werfen; die Mannschaft bringt ihm eine andere, ähnliche Katze,
die der Kapitän ins Meer wirft; als er später die echte Katze
auf dem Verdeck erblickt, glaubt er entsetzt, es sei der Geist der
ertränkten Katze, bis er den Betrug erfährt), und Mrs. Bunkerns
Chaperon (Mrs. Bunker macht auf der Barke ihres Verehrers eine
Vergnügungsfahrt; ihr treuer Begleiter, ein Hund, beißt den
Schiffer in die Wade und wird Ober Bord geworfen; darüber e^
zürnt, läßt sich die Frau ans Land setzen und will tob dem
Schiffer nichts mehr hOren). — Becht hübsch ist die Enählon;
„The Philosopher in ihe Apple Orchard'' von Anthony Hope:
Miss May liebt einen etwas älteren Freund, einen gelehrten Natur-
forscher, der sich nur um seine Bücher kümmert. Als sie einen
Heiratsantrag von einem anderen Manne bekommt, der ihr siemlidi
gleichgültig ist, geht sie zu dem Gelehrten, der in seinem Obst^
garten arbeitet, und fragt ihn, was er einem Mädchen, das sich
in der eben geschilderten Lage be&nde, raten würde zu tun. Ohne
zu ahnen, daß es sich um ihn selbst handle, erörtert der Gelehrte
den interessanten Fall in vollkommen objektiver Weise und kommt zo
dem Schlüsse, daß es für das Mädchen am besten wäre, den Maim,
der um sie werbe, anzunehmen. Miss May befolgt seinen Bat —
Dramatisch wirkt die Erzählung „A Strategie Movement'' ron
Glo Graves: Die TGchter eines Witwers, der zum zweitenmal
heiratet, wollen ihren Vater nach Art der Töchter Lears aus dem
Hause schaffen; er aber, schlauer als Lear, setzt im Gegenteil
seine bösen Töchter an die Luft. — Die letzte Skizze von einigem
Interesse ist „Medlock's ReptOation" von W. Fett Bidge: Med-
lock, der als Knabe zufällig einen ertrinkenden Mann rettet, indem
er ihm einen Baumast hinhält, wird, obwohl er eigentlich nicht
mutig ist, Zeit seines Lebens als tapferer Held gefeiert.
Schwach sind die Stücke „A Didumary in Distress*^ von
Israel Z an g will (überschwenglich geschriebene Bettelbriefe ans
dem Londoner Ghetto); „TA« Rival Ghosts*' von Brander Matthews
(eine verworrene Geistergeschichte); ^TheMystertfof Whigkam Hall"
von May Bateman (eine schwer verständliche Detektivgeschichte)
Die von spärlichen englischen Fußnoten begleiteten Texte
eignen sich mehr zur Privat- als zur Klassenlektüre.
Wien. Dr. Joh. Ellinger.
E. Lavisse, Hittoire de France usw., ang, t. J. Lo9erth, 785
Ernest Lavisse, Histoire de France depnis les Origines
jusqtf ä la Revolution. Tome teptifeme II. Louii XIV. La Reli-
frioQ. Les Lettres et lee Arts. La Gaerre (1643—1685). Paris, Librairie
Hachette et Gie. 1907.
Dieses ausgezeichnete Werk geht nun seiner Vollendung ent-
gegen. Der vorliegende, von dem Heraasgeber selbst verfaßte Band
ist der zweite von jenen, die der Geschichte Ludwigs XIV. ge-
widmet sind. Er enthalt in seiner ersten Hftlfte eine abgerundete
Darstellung des geistigen Lebens in Frankreich in jenem Zeitalter
und in der zweiten die der auswärtigen Politik Frankreichs in den
Jahren 1661—1685: demnach das Verhalten der Begierung zu den
kirchlichen Fragen, d. h. zum Jansenismus, Gallikanismus und Pro-
testantismus (Buch 6), zu den Wissenschaften und Künsten (Buch 7),
dann die eurepftlsche Politik 1661 — 1685 (Buch 8) und das Ende
der Periode (Buch 9). Dieser sorgsam abgegrenzten Gliederung des
Stoffes entspricht die ebenso sichere Gliederung in Untergruppen.
Wir erhalten sonach jene Partien der französischen Geschichte, die
uns Bänke im dritten Bande seines Werkes geschildert hat und
von der einzelne Abschnitte auch sonst in treffliehen deutschen
Werken, so namentlich in ErdmannsdOrfers Deutscher Geschichte
vom Westfälischen Frieden bis zum Begierungsantritt Friedrichs
des Großen behandelt worden sind. Es bedarf keiner Versicherung,
daß der Verf. nicht bloß die einheimische, sondern auch die
deutsehe Literatur Aber den Gegenstand sorgsam berflcksichtigi
Auch in diesem Bande empfindet es der Leser angenehm, daß
einem jeden Kapitel reiche Literaturangaben vorausgeschickt werden.
Das erste Kapitel enth< in zwei Abschnitten das, was Bänke als
die Janaenistischen Irrungen bezeichnet hat und den Kirchenfrieden.
Der Unterschied zwischen dem Gallikanismus, dem Jansenismus und
Protestantismus wird mit wenig Worten an die Spitze gestellt und
die Entwicklung aller drei Bichtungen geschildert. Besonders an-
eprechend ist die Darstellung des goldenen Zeitalters der franzö-
sischen Literatur und Kunst unter Ludwig XIV., die namentlich
die Stellung des Staates, bezw. der Begierung zu beiden schön be-
leuchtet und viele neue Gesichtspunkte enthalt Besonders ist die
treffliebe Schilderung der Leistungen der Jesuiten und Benediktiner
auf biatoriech-kritischem Gebiete herauszuheben.
Was die zweite Hälfte des Bandes betrifft, wird es deutsche
Leser, die die gewalttatige Politik Ludwigs XIV. aus deutschen
Bäebom kennen, interessieren, eine ruhige und sachlich gehaltene
Darstellung von französischer Seite zu erhalten. Die ftußere Politik
wird auf Grundlage der zahlreichen neueren Qaellenpublikationen
eines Sorel, Geffroj, de Caiz de Saint Ajmour, Farges, Hanotaux,
Leboo, Bamband, Waddington u. a., dann der zahlreichen älteren
Memoiranwerke und Briefsammlungen und neueren Gesamtdaratel-
lungan geschildert. Wir dürfen da auf die zutreffende Darstellung
dea habsbnrgischen Spanien und seiner Verwaltungsmazimen , der
Zoitachrift f. d. tetorr. Qjmn. 1M8 VUL a. IX. Heft. 50
786 E. Beyeh, Wilhelm Ton Oraniea mw., ang. ▼. J. Franh
Aeterreichischen Lftnder, auf die trefflicbeo CbarakteriBtikeD der
Mooarcheo, wie Philipps IV. und Leopolds L, auf die ScbilderuQg
der politischen Lage der fraozosenfreoDdlichen Lftoder nsv. bin-
weiseo. Beachtenswert ist namentlich die aasfübrlichere Darstellniig
der militftrischen Machtentfaltung. Anf diesen Omndlagen sebildert
der Verf. die auswärtige Politik und die kriegerischen UDUrneb-
mnngen bis znm Frieden von Aachen (1668) in allen ihren Einteln-
heiten, den holländischen Krieg und die Bennionen (Strasbourg fut
rSunU 8an8 formaliU de justice). Das letzte Bnch gibt einen gut
geschriebenen Überblick aber die politische Geschichte der Jahre
1661 — 1685 1 wobei namentlich der Tolkswirtscbaftliche Nieder-
gang des Landes, wie er sich in dem wachsenden Defizit kund-
gibt, hervorgehoben wird. Manche nenen Gesichtspunkte wird man
in dem Kapitel fiber das Privatleben des Königs nnd den Hof im
Jabre 1685 finden. Alles in allem darf man die beiden Bände,
welche die Geschichte Lndwigs XIV. enthalten, zn den gelnngensien
des ganzen Werkes zählen.
Graz. J. Losertb.
Prof. Dr. Eduard Hey ek, Wilhelm von Oranien nnd die Ent-
stehung der freien Niederlande. Mit einem Faksimile und 106
Abbildongen. (Band XXVIII der „Monojerapbien znr Weltgeschiefate*).
Bielefeld and Leipzig, Verlag von Velfaagen k Klasing 1908. Preis
4 Mark.
Bei der Darstellung einer so gewaltigen Volksbewegung wie
des Befreiungskampfes der' Niederländer und der so ausgespro-
chenen Fflhrung durch einen geradezu providentiellen Mann wie
Wilhelm von Oranien wird der Geschichtsschreiber immer zn der
Frage Stellung nehmen müssen, wie sich der gegenseitige Anteil
beider zueinander verhält. Es ergibt sich auch in diesem Falle,
daß selbst die grOßten historischen Persönlichkeiten nur immer
im Zusammenhange mit der Zeit und dem Volkstume, in denei
sie wurzeln und auf deren Boden sie erwuchsen , verständlidi
sind; daß man auch bei solchen die Bedingtheit und Bestimmt-
heit ihrer Handlungen von der sie umgebenden Gesellschaft n-
geben muß ; daß der Charakter selbst des hervorragendsten Mannes
in der Geschichte nur eine veredelte und verdichtete Wiederbolosg
des Zeitcfaarakters, seine Ziele (wenn auch klarer und bewußter)
die Bestrebungen und Ziele zahlloser Gleichstrebender seien ; di&
auch ein solcher durch die Kraft seiner Persönlichkeit nur die iir
Schöße der Zeit keimenden Ideen zur Beife bringen kann. Trotz-
dem aber stoßen wir dabei immer anf einen unaufgebbaren, n-
erklärlichen, irrationellen Best und das Entstehen eines selebee
Mannes allein aus seiner Zeit bleibt uubegreifbar und geradeie
ein Wunder. Daß auch unser Autor diese Auffassung teilt, geä<
JS, Heyekt Wilhflm von Oranien usw., ang. ▼. J. Ftank, 787
aas dem Schlußsätze seioee Bacbee hervor: „Wenii es die wahrhaft
großen Vollbringer kenozeicbnet, zakanftsbest&odigere Saat aaezn-
sfteii und reichere Ernten künftigen Geschlechtern zn bescheren,
als sie selber schon ganz dberseben und geahnt, so reibt sich anch
iD dieser Beziehnng der Name Wilhelms den macbtTOlIsten Persön-
lichkeiten binzn, durch deren individnelle Schöpferkraft Geschichte
wird nnd die wir in der Demnt, die nns vor aller Größe des
Geschehens befftllt, als die Werkzenge der höchsten schicksals-
tragenden Ftignngen Terehren^. Anch sonst begegnet man in dem
Bache fiberall sittlichem nnd politischem Urteil nnd lebendiger
Erfassung der Gegenwart nnd Vergangenheit, nnd wenn sich der
Verf. anch in dieser Schrift nicht darauf einl&ßt, die besondere Arbeit
der einzelnen Forscher kritisch zn prüfen, sondern sich begnügt, sie
hinzunehmen nnd wiederzugeben, so verzichtet er doch keineswegs
darauf, sie gedanklich zn durchdringen, zusammenzufassen, zn
ordnen und zu deuten.
Im einzelnen haben wir in Bezug auf die sachliche Bichtig-
keti manches auszusetzen und wollen im folgenden in gedrängtester
Kurze einige diesbezügliche Notizen zusammenstellen :
Der niederländische Adel war zumeist von Humanisten er-
zogen und daher religiös ziemlich indifferent. Die besonders Ge-
bildeten unter ihnen lasen die Schriften des Erasmus nnd Gas-
sander, alle aber vertieften sich mit Leidenschaft in die Werke
Eabelais*, die man z. B. auch unter den wenigen Büchern des
Grafen Egmont vorfand. — Der Kalvinismus gewann erst im
fünften Jahrzehnt des XYI. Jahrhunderts Einfluß auf die nieder-
ländischen Protestanten. — Bei der Erwähnung der Wiedertäuferei
vermißt man den Namen Melchior Hoffmanns ans Schwäbisch
Hall nnd auch die Anführung der Tatsache, daß die Niederlän-
dischen „Bandesbrüder*' den Fall Münsters vergeblich hintanzn-
halten suchten. Auch war hervorzuheben, daß selbst nach der „fried«
lieben Wiedertäuferei ** Mono Simonsz* ihre Verfolgung weiter fort*
dauerte und sie seit den Dreißigerjahren die meisten Opfer zur In-
quisition stellten. — Es ist nicht richtig, daß die Bederigker-
kammern mit den deutschen Meistersingerstuben einen „giinz
parallelen Ursprung" haben; ihr Ursprung ist vielmehr ein
kirchlicher und die alten von ihnen standen wohl zuerst unter prie«
sterlichem Einflüsse und zählten damals wohl auch ? omehmlich
Kleriker zu ihren Mitgliedern; erst mit der Zeit trat hier ein
Wandel ein. Auch der „aktuelle Hauptzweck politischer Aufklärung**
trifft nicht zu nnd selbst als sie den Tummelplatz für den aus
den Versammlungshäusern der Zünfte entschwundenen Tätigkeits*
drang bildeten, trug dieser bei ihnen keinen politischen Charakter,
sondern bewegte sich in einer moralisierenden und sozialen Bieh«
tong (vgl. H. Pirenne, Geschichte Belgiens, 8. Bd., Gotha 1907,
S. 895, und F^Bachfahl, Wilb. v. Oranien, Halle 1906, 1. Bd.
S. 888). Übrigens gab es solche Bederigkerkammern nicht nur in
50*
788 E, Heyek, Wilhelm tod OranieD utw.» ang. ▼. J, Frank.
den Städten, Bondern auch io den größeren Dörfern. Anch rich-
teten sie weniger direkte, bittere Angriffe gegen die Kirche und
ihre Einrichtungen, als sie Tom Geiste der Beformation erfüllt
waren. — Egmonts Yermftlang mit der Pfalzgr&fin Sabina fand
im Jahre 1544 (und nicht 15451) statt. — Granvella war in
Omans (und nicht in Be8an9on) geboren. — Wilhelmades
Beleben (1516 — 1559) Verhalten znr protestantischen Sache war
ein Yorsichtlg reserviertes und die Beformation wurde in
seinem Lande erst nach seinem Tode anch äußerlich vollständig
eingeführt; 1529 wußte sogar sein Bruder Heinrich noch nichts
von seiner Hinneigung zum Luthertum und hielt er sich ebenso
ferne von der Opposition der protestantischen Fürsten und Stände
auf dem Beichstage zu Augsburg, als vom schmalkaldischen Bunde.
— Juliane von Stellberg war mit 25 (und nicht 28) Jahren
verwitwete Gräfin von Hanau. Es war anzumerken, daß sie nach
Dillenburg vier Kinder aus ihrer ersten Ehe mitnahm, die daaalbst
Erziehung und Unterricht erhielten und daß sich ebendaselbst eine
Tochter Wilhelms aus seiner ersten Ehe befand. — Waa das ibII-
giöse Bekenntnis des jüngeren Wilhelm (von Oranien) betrifft , so
war sein Übertritt (weil er dazu auch noch zu jung war) nicht
in aller Form erfolgt; aber er empfing die Sakramente am Hofe
der Statthalterin Marie nach Lehre und Bitus der katholiscbeD
Kirche und es war mit dem bloßen Messegehen und äußerer Be-
obachtung der katholischen Zeremonien seinerseits nicht abgetan.
Als es für ihn galt, sich von der Zugehörigkeit zur katholischen
Kirche wieder loszusagen, hat er sich freilich als ^einen in der
Augsburger Konfession geborenen und auferzogenen dentschen
Fürsten** bezeichnet. — Schon am 27. April 1552 (also nicht erst
als „Einundzwanzigjähriger*') erhielt Wilhelm die Bestallung
als Oberster über zehn Kompagnien Infanterie gegen ein monat-
liches Traktament von 800 Goldthalern. — Gerade 1552, also
kurz nach seiner Vermählung mit der steinreichen Anna v. Egmont,
war Wilhelm in großer Geldnot. — Der noch im Jahre 1552
eine große Bolle spielende Katzenellenbogener Handel hätte
doch kurz berührt werden sollen, wie anch der Aufenthalt Wilhelms
in England im Jahre 1554. — Daß sich Wilhelm aus seinen großen
Schulden mit „Opfern* herausarbeitete, kann man doch nicht
recht gelten lassen (vgl. Bachfahl 1. c. S. 218). — Auch die
„Eleganz des Lebensbehagens** bei Wilhelm erscheint fraglich,
wenn man weiß, daß auch er dem Trünke so ergeben war, daß
seine Völlerei manchmal beinahe seinen Tod herbeigeführt hätte. —
Der Gegensatz zwischen Philipp IL und Wilhelm ent*
wickelte sich erst später und im ersten nach Philipps Thnm-
besteigung abgehaltenen Kapitel wurde Wilhelm in den Orden des
goldenen Vließes aufgenommen, wie der König ihm auch beim Tode
Annas kondoliert hatte. Hatte doch damals sogar Herzog Erich
von Braunschweig, der bei Philipp in Ungnade gefallen war, Wil-
E, Heyeh, Wilhelm von Oranien nsw.i tmg. ▼. J. Frank, 789
heim nm dessen Fftrsprache beim Könige gebeten und Wilhelm in
Philipps Auftrage die Verhandlangen mit den im spanischen Dienste
and Jahrgelde stehenden deutschen Fürsten nnd Offizieren gefflhrt!
" Die Nacbrichti daiS Heinrich II. Ton Frankreich anf einer
Jsgd im Walde von Vincennes unbefangen mit dem jungen Dränier
ftber Absichten sprach, die Philipp II. durch andere Ean&le ins-
geheim an den französischen König hatte bringen lassen: fortan
zwischen Madrid und Paris die Hände sich fest zu reichen zur
Ausrottung sowohl der Hugenottenmacht in Frankreich, wie der
Protestanten in den Niederlanden, ist sehr fragwürdiger Natur.
Nicht nur hat Oranvella 1562 gegenüber Oranien und Egmont
entschieden bestritten , daß Alba w&hrend seines Aufenthaltes in
Paris mit Heinrich II. kurz vor dessen Tode über die Einführung
der Inquisition in Frankreich und den Niederlanden verhandelt
habe, sondern man hat auch in der Korrespondenz zwischen
Philipp und Oranyella keine Spur einer solchen Unterredung ge-
funden, und wenn der Dränier 1559 über diese Vorgänge von
Heinrich IL selbst informiert worden wäre, hätte er gewiß es
nicht unterlassen, die Zweifel und Widersprüche Granvellas in
siegreicher Weise niederzuschlagen. — Die in den Niederlanden
den Opfern der Inquisition bei der Verbrennung umgehängten
Pulverbeutel waren nicht einmal „milde gemeint** (vgl.
Bachfahl 1. c. S. 875). Sie waren vielmehr darauf berechnet, auf
das Volk eine recht drastische Wirkung auszuüben, und wenn man
das Pulver zur Explosion brachte, riefen die Mönche: „Da holt
der Teufel die Seele des Ketzers!^ Übrigens ist die Inquisition
unter Karl V. weder in allen Teilen seines Staatenkomplexes an
der Nordsee cfo/ac^o eingeführt, noch dauernd und wiederstandslos
aufgenommen worden. — Bei der Errichtung der neuen Bis-
tümer leitete Philipp und Oranvilla besonders die Absicht, sich
in den vom Könige zu ernennenden Bischöfen gefügige politische
Werkzeuge zu schaffen, während die Äbte als Vertreter ihrer Kor-
porationen meist den Königen Widerstand leisteten. — Die spa-
niscben Truppen segelten aus der Niederlande am 10. Januar
1561 (und nicht im Oktober 1560) ab. Den Oberbefehl über
dieselben hatten Oranien und Egmont allerdings anfänglich abge-
lehnt, aber schließlich hat der erstere, den Bitten Philipps nach-
gebend, ihn doch übernommen. — Oranien war mit den aus-
wärtigen Beformierten schon recht frühzeitig in innige
Fühlung getreten. So ließ er schon 1560 den Laod^rafen
von Hessen versichern, er sei der protestantischen Belit^ion vom
Herzen geneigt; 1562 und 1568 knüpfte er politische Verbio*
düngen mit den deutschen Beichsfürsten und dem Fnmm von
Oond^ an; 1565 leitet er die Verständigungsversuche zwischen deo
deutschen und französischen Protestanten, wobei ihn das ItitareaBe
der niederländischen Beformierten bestimmte und auch Graf Lu^' *
von Nassau handelte stets nach den Weisungen seines Brtid&rf
^
790 E. Heyek, Wilhelm vod Oranieo oiw.» ang. ▼. /. fVotit.
heim, der ja anch seit 1559 darch den Tod seines Vaters Be^nt
seiDer eyaDgelischen Grafschaft Nassen nnd deutscher Beichsfärst
geworden war. — Die Hochzeitsfeier Wilhelms mit Anna Ton
Sachsen fand am 25. (und nicht am 24.) Angust des Jihrss
1561 statt (Tgl. Pirenne 1. c. S. 510). Das Yersprechen, seine 6e«
malin im katholischen Olanben erziehen zn lassen, hat Wilhelm
wenigstens scheinbar gehalten. — Egmont and Oranien habeo
Philipp II. ihr Bntlassnngsgesnch schon am 28. Joli 1561
zugeschickt, weil sie nicht l&nger die Yerantwortang fnr die yom
Kardinal GranTelia heranf beschworenen Begebenheiten tragen wollten;
das am 11. März 1568 an den König gerichtete Schreiben wir
bereits das zweite in derselben Angelegenheit. Die im Angnit
1568 erfolgte Sendung von Margaretas Sekret&r Armenteros nach
Madrid ?erdiente Erw&hnong. Neben dem Wunsche nach der Ab*
berufung Granrellas mußte auch das nachdrflckliche Verlangen nach
der Einberufung der Generalstaaten durch Philipp herTOrgehoben
werden. — Die Narrenkdpfe auf den Bedientenlivreeo
hatten höchst wahrscheinlich zun&chst mit Granrella nichts xu
schaffen und röhrten nur daher, weil während der Gasterei bei
Kaspar Schetz gerade Karneralszeit war. Es konnte die Einfach-
heit dieser Livreen höchstens eine Verhöhnung auf den im Haue
Granyellas herrschenden maßlosen Luxus bedeuten; übrigens bil-
deten dieselben eine Art geheimen Erkennungszeichens. — Anch
das Doppelspiel Philipps bei der Abberufung GrauTellas hüte
wenigstens angedeutet werden sollen, wie es sich schon in den tob
Armenteros Ende Februar 1564 nach Brfissel gebrachten einandir
widersprechenden Instruktionen und Informationen des Königs spit-
gelte. GrauToUa Terließ Brüssel erst am 18. M&rz 1564. — Dis
Einladung Egmonts nach Madrid war yon Philipp selbst ansge-
gangen, der dadurch eine Spaltung unter dem niederlftndischen Adel
hervorrufen wollte. Egmont hatte übrigens am 20. Juli abgelehnt,
als politischer Abgesandter nach Spanien zu reisen. Die Instmktioo
Philipps fflr Armenteros, die Granvella abberief, war vom 23. Jannar
1564 (nicht vom 22.) datiert. — Der „mit hoben Ämtern bedeckte
Kardinal** war doch unzufrieden, weil er gehofft hatte, spanischer
Premierminister zu werden. — Der „an Margaretha verheiftene
Bescheid** war im Walde von Segovia am 17. und 20. Oktober
1565 ausgefertigt. — Der Plan zum Kompromiß wurde
schon im Juli 1565 in Spa entworfen; im November wurde er ii
Brüssel im Hanse des Herrn von Hamas genau festgelegt. Der
Kompromiß war ein Bund des mittleren und niederen Adels. --
Der Oranier h&tte sich wahrscheinlich schon früher für eine est-
schiedene Stellungnahme entschlossen, wenn es ihm ge-
lungen wäre, die Herren vom Staatsrate zur Parteinahme für den
Kompromiß zu veranlassen. — Hervorzuheben war, daß vor der
Sendung Albas nach den Niederlanden sogar Granvella ud<i
Papst Pius V. im Vereine mit Margarethe Philipp zur Hilde rieUi:»
Ktopp'Kanig, DeatsehlaDd und die Habsbarger, ang. v. K. Fuchs. 791
dieser aber aolcben YoraftellangeD nor ein geriDgsch&tziges Lftchelo
aod watende Zornaasbräche entgegenbracbte» — Nach der Bilder-
stürmerei dachte Margaretba nicht an Flacht, sie wollte nar
nach Mons« weil ihr die Bevölkernng Brfissels die Tore Torschloft»
Die Ableitong des Namens nGensen" ist nicht sicher. „War
es in der Tat ein am Morgen jenes Tages vom Grafen Barley*
naont aasgestoßenes Schimpfwort, das zu diesen Abzeichen Ver-
anlassung gab? Oder erscheint es glaabhafter, daß die Edelleate
darch ihre Verkleidung als hilfsbedürftige Bettler andeuten wollten,
daß die Politik des Königs das Land binnen kurzem an den Bettel-
atab bringe? Niemand weiß darüber etwas Genaues l** (Pirenne,
L c. S. 557 und 558). — Zar Bewilligung der „drei riesen-
haften Steuern' berief Alba sogar die Generalstaaten; er wollte
also wenigstens den Schein Termeiden, als ob er sie „gegen jedes
herkömmliche Landesrecht** einhebe. — Der Sieg auf derMooker
Heide wurde am 14. April (und nicht am 15. März) 1574 er-
fochten. — Bei der Erwähnung von Oraniens Vermählung mit
Charlotte vouBourbon hätte schon mitgeteilt werden können,
daß diese als Äbtissin eines französischen Klosters zu Kurfürst
Friedrieh III. nach Heidelberg entflohen war.
Wie man siehti haften dem Werke Heyeks manche Flüchtig-
keiten und manches Versehen an; doch sind unsere Aasstellungen
nicht derart, daß sie den Wert des Baches wesentlich beeinträchtigen
könnten. Im ganzen und großen kann dasselbe vielmehr als eine
ebenso tüchtige als empfehlenswerte Leistung bezeichnet werden
and vollkommen geeignet, den Leser über den behandelten Gegen-
stand in ausgiebiger und faßlicher Weise zu unterrichten. Die
Ausstattung ist wie die aller „Monographien** dieses rührigen
Verlages eine vorzügliche. Wir können aber dennoch nicht
amhin, zwei Mängel, die die Benützung auch dieses Bandes wesent-
lich beeinträchtigen, zu rügen: Das ganz unzulängliche
^^Sachregister** und die mangelhafte oder ganz fehlende
Erklärung einzelner Illustrationen» auch wo sie einer
solchen dringend bedurften. Beide Gebrechen sind danach, um
um einem den Genuß des sonst tüchtigen Werkes zu verleiden.
Wien. Josef Frank.
Onno Klopp, Deutschland und die Habsburger. Aas seinem
Nachlasse heraosgegeben und bearbeitet von Leo König. Gras and
Wien, Stjria 1908. 440 SS. Gr.-8«. Preis 10 Mk.
Der Herausgeber faßte auf Grund hinterlassener Zitate und
Schriften des bedentsamen Historikers in dessen Geiste eine Über-
sicht über das Verhältnis der Habsburger von Budolf von Habs-
barg bis zum Ausgange Karls V. ab und benützte, um den An-
schauungen des ursprünglichen Planes des Werkes gerecht zu
792 JT. Steinmetz, Von der Adria lam schwanen Drin, ang. ▼. Jl Jnng,
werden, nur die Ton 0. Salopp bezeichneten, Ton diesem fftr HO-
parteiisch gehaltenen Quellen. Aach da, wo eine Bearbeitung erst
erforderlich war, wie beim schmalkaldlschen Kriege, wurde der
Charakter der Darstellnng des verdienten Historikers gewahrt. Der
Verf. geht von dem Qrnndsatze ans, daß die Teilnngen nach
St&mmen nnd damit die Stammesherzogtümer die Eckfesten der
deatschen BeichsTerfassnng gewesen seien. Sie wurden durch die
gewaltige Politik der Hohenstaufen von Friedrich Barbarossa an
erschdttert und ebenso wirkten die Feindseligkeiten zwischeo
Kaisertum nnd Papsttum auflösend. Er sucht femer nachzuweisen,
daß von Rudolf von Habsburg an durch das habsburgisehe Haiu
eine Wiederherstellung des Reiches und der KGnigsmacht ange-
strebt und auch bis zu einem gewissen Grade durchgeführt wird.
Schwere Kftmpfe hat es gegen die Türken nnd Frankreich za
fuhren, das sich immer mehr den Schein gibt, ein bedrohliches
Übergewicht der Habsburgiscben Hausmacht bekämpfen zu müssen,
wobei es auf die Unzufriedenheit deutscher Fürsten und seit Luther
der Anhänger des Reformators zählt. Das Luthertum wird weniger
als eine den Dogmen zuwiderlaufende Schöpfung denn als poli-
tischer Faktor erklärt. Die Zeit Karls V., die fast die Hälfte des
Bandes einnimmt, erfährt eine besondere Behandlung, weil hier die
Gegensätze zwischen den Bestrebungen der Habsburger, die Eeichs-
einheit zu erhalten und den zentrifugalen Elementen in oiTenen
Kampf geraten. Der Charakter des Kaisers wird in licblroiler
Weise nach den Zeugnissen Melanchthons und den YenezianiscfaeD
Gesandtschaftsberichten erhellt, und damit erscheinen mancherlei
Entstellungen berichtigt. In interessanter Weise wird zum Schlüsse
die schon von Zeitgenossen in den Bereich der Diskussion ge-
rückte Frage erörtert, wie sich die Lage Europas gestaltet hätte,
wenn die Habsburger sich der Lehre Luthers in die Arme geworfen
hätten. Das Werk wird nicht nur seitens der Historiker, sondern
auch der Politiker Beachtung finden.
Wien. Dr. Karl Fuchs.
Von der Adria zum schwarzen Drin. Von Ingenieur Karl St eis-
mets. (Ans „Zur Kunde der Balkanhalbineel. iUiten and Beobach-
langen. " Herausgegeben von Dr. Karl Batsoh. Heft 6). Mit 15 Ab-
bildnnsrcn nnd einer Karte. SarajeTO, Druck and Verlag tod Daniel
A. Kajon 1908. 78 SS. 8«.
Unseren Gymnasialbibliotheken möchte ich die Anschaflfung
der ganzen sowohl billigen, wie belehrenden und gut redigiertso
Sammlung „Zur Kunde der Balkanhalbinsel'' auf das wärmste
empfehlen. Besonders auch der drei Hefte, in denen K. Stein-
motz seine Wanderungen in Albanien flott und interessant be-
schreibt. Das yorliegende Heft bietet die Ergebnisse einer im
K. SteinmetMt Yon der Adri» lam schwanen Drio, »ng. ?. J. Jung, 793
Angnst 1905 ooterDommeneD Toar darch die Oaue am Mati,
dem zweitgrößten Flasse Nordalbaniens. Diese Gebiete gravitierten
in älterer Zeit entweder nach Ochrida oder nach Venedig nnd
Bagnsa. Wegen der fast YÖlIigen Vemachlftssignng derselben durch
die nenere Forschung haben sich mancherlei topographische Kor-
rektoren ergeben, die aof der beigegebenen Karte eingetragen sind.
Als größten persönlichen Erfolg bezeichnet der Verf. die Besteigung
nnd Festlegung der Kunora Lurjes, eines über 2000m hohen
Gebirgsstockes, der den Geographen bis jetzt unbekannt war. So
findet hier Touristik und Landeskunde zugleich ihr Becht. — Wir
hören daneben Ton der staatlichen Organisation oder Tielmehr
Anarchie (denn man zahlt in diesen Gegenden keine Steuern und
gehorcht niemandem); von der Verfassung der einzelnen Gaue,
wobei weniger der Bajraktan (Vorstand), als die jfthrhlich einmal
stattfindende VolkiTersammlung ron Bedeutung ist, dann tou den
wirtschaftlichen Verhältnissen; es kommt Tor allem die Viehzucht
in Betracht: dabei rermögen die höher gelegenen Gaue nicht ihre
Leute zu em&hren, daher sie die fruchtbare Ebene mit Baubzägen
heimsuchen, was wieder Bepressalien zur Folge hat — wie einst
im alten Italien zur Zeit der Aequer- und Volskerkriege. Daß die
wenigen Beichen ihr Geld zu dem horrenden Zinsfuße Ton 5 Prozent
monatlich, d. i. 60 Proz. jährlich, an die ärmeren Stammesgenossen
ausleihen, erinnert an altrömischen Zinswucher. — Gemildert
werden diese freien Znst&ndei innerhalb deren die Blutrache eine
große Bolle spielt, durch das Walten der (hier meist katholischen)
Ooistlichkeit^ mit deren Hilfe allein der Verf. seine Wanderungen
durchfahren konnte. Er nennt uns einen Tiroler Franziskaner P.
Fabian Barcatta, den botanische Kenntnisse und ein reicher Vor-
rat an Arzneimitteln eine segensreiche Wirksamkeit in der Malcija
Ledit genannten Landschaft (sfldlich von Scutari am Bubigu und
Fani, Seitenbftchen des Mati) gestatten. Auch in zum Teil fa-
natisch mohammedanische Bezirke, wie Seiita (gleichfalls in einem
äußeren Seitentale des Mati) und die Lurja (deren Gewässer dem
schwarzen Drin zufließen, werden wir geführt, wo der Verf. die Be-
steigung des genannten Berges nur unter mancherlei F&hrlichkeiten
zustande brachte. — Es ist hier durch die Schilderungen tou
Steinmetz der Wißbegier und der Unternehmungslust unserer
Epheben zugleich ein praktisches Ziel gesteckt. Österreich (Nemtzia)
nnterbftlt mit dem nördlichen Albanien, indem es die katholischen
Seelsorgstationen unterstützt, mancherlei Beziehungen, die sich seit
der Okkupation Bosniens noch gemehrt haben.
Prag. J. Jung.
794 t7. MülUr, Richten Lebrboch der Geographie, ang. ▼. B. Imet^dörifer,
Richters Lehrbach der Geographie Ar die L, II. vod III.
Klatae der Mittelschulen. Neu bearbeitet von Dr. Johann MfllUer.
Der Oeeamtansgabe 8. Auflage. Zwei Bände. Wien, Verlag von F.
Tempskj 1907 beiw. 1908.
Das weitverbreitete Lehrbnch Ednard Bichters, des leider zu
früh OeschiedeDen, fand in Müllner einen Denen Heransgeber. Der
gesamte Stoff ist nunmehr nach Klassen gesondert in drei B&nd«
zerlegt worden» deren letzter noch ansst&ndig ist. Zweck and Be-
rechtigung dieser neuen Erscheinungsart sind ohne weiteres klar.
Was freilich in jetziger Gestalt geboten wird, bat lediglich &iißer*
liehe Beziehungen zu Bichters Werk, die sich darin erschöpfeo,
daß sein Name auf dem Titelblatte noch genannt wird ; im übrigen
haben wir es mit einem y Ollig neuen Müllnerschen Lehrbache
zu tun.
Ich vermag auf eine WQrdigung dieses Buches nicht einn*
gehen, ohne von vorneherein eine prinzipielle Frage zu berübreo.
Da ich nftmlich in mehr als einem Punkte in meinen Ansichten
über die Anforderungen, die an ein Lehrbnch der Erdkunde, ins*
besondere für Unterklassen zu stellen sind, von dem im übrigeD
von mir sehr geschätzten Hrn. Verf. abweiche, werde ich in fol-
gendem genötigt sein, wiederholt einiges an dem Gegenstaode
dieser Besprechung aussetzen zu müssen. Ich erkl&re daher tod
vorneherein, daß es mir nicht einf&llt, damit mehr oder anderei
geben zu wollen, als den Ausdruck meiner ganz persönlichen Ober*
Zeugung.
Was zun&chst den I. Teil (I. Klasse) betrifft, so beginnt
dieser mit einem sehr hübschen einleitenden Kapitel, das in na«
schaulicher Übersicht den gesamten Stoff der geographischen Be*
trachtung vor dem Schüler entwickelt. Ob freilieh die Diktion in
dem letzten kleingedrnckten Absätze für Knaben von 10 — 11 Jahres
verständlich ist, möchte ich fast bezweifeln. Es folgt nun die
erste Hauptabteilung des Buches: „Geographische Graod*
begriffe^. Hier fielen mir in dem manches Schöne enthalteades
2. Kapitel (S. 9 — 12) einige Stellen anf , die mir zu ernsten Be-
denken Anlaß gaben. So heißt es 8. 9: „Den Fuß der Er-
hebungen erkennt daher nicht bloß unser Aage , wir spüren ihn
anch, weil er uns zu Yerlangsamung unserer Schritte zwingt «Ist
das verständlich? S. 10 sind die Ausdrücke „Bodenschweile'' ssd
„Hügel"" als gleichbedeutend gebraucht. Ebenda wird, an sich j»
natürlich richtig, der Böschungswinkel als Winkel zweier SbtneB
erklärt. Aber die Schüler wissen von Winkeln meist überhaapt
noch nichts. Mit dem Satze S. 11 „der Gipfel bietet bald mehr
bald weniger Platz, je nachdem er steil oder sanft geböseht ist"»
weiß ich offen gestanden nichts anzufangen. Ebenda wird das
Wort „Streichung"', „streichen*" gebrancht, als ob es liogst be-
kannt wäre, ist aber noch gar nicht erkl&rt. Dann heißt es: «zeigt
anch der Umriß (des Gebirges) nur schwache Gliedernog".*«
J. MÜUer, Richten Lehrbach der Geographie, »ng. t. B. Itnendörffer. 795
Ich kann mir keinctn Schaler der ersten Klasse denken, der das
Tersteht. Was soll ihm das Wort „Oliederang'*? Derartige Schwie-
rigkeiten im Ansdrncke bietet der I. Teil des Bnches noch viele.
Es ist non wohl anbestreitbar, daß dadurch der Lehrer genötigt
wird, sich ganz eng an das Bach zn halten, ja er wird es strecken-
weise geradezu lesen lassen und erklftren oder aber sich die Ter-
minologie des Boches ganz zu eigen machen mfissen. Sonst werden
die Kinder, denn das sind die Schüler hier doch, sich schwerlich in
dem Bache znrochtfinden kOnnen. — Fflr weit über das Maß dessen
bioaosgehend, was man in der L Klasse billigerweise Terlangen darf,
halte ich die ausführlichen Kapitel über mathematische Geographie
nod Klimatologie. Schüler, die das alles, was sie meiner Ober-
zeagang nach wohl ganz allmfthlich im Laufe der vier Unterklassen
lernen aollen, schon im ersten Jahre bewältigen müssen, sind
zweifellos überbürdet. Verlangen die anderen Disziplinen dement-
sprechend viel, so müssen die h&uslichen Arbeitsstunden sich ver-
doppeln. Es ist als ob der Hangel des geographischen Unterrichtes
auf der Oberstufe dazu führen wollte, daß das ganze weite
Wissensgebiet schon auf der Unterstufe erschöpft wird. Weit
besser als der allgemeine Teil gefftUt mir der zweite Teil, soweit
er die L&nderkunde behandelt. Hier wird in entsprechend knapper
Form das wirklich der Klasse Angemessene geboten.
Bezüglich des zweiten Bandes (IL Klasse) habe ich zun&chst,
was die ersten Kapitel : „Die Sonnenbahn^, „Die Bahn der
Fixsterne*', „Das solare und physische Klima*', „Die
Niederschlagsverh&itnisse**, „Der Einfluß desKlimas
auf das Leben der Erde** betrifft, ganz dieselben Bedenken,
wie ich sie oben ausgesprochen habe. Was hier geboten wird,
kann, wie ich aus Erfahrung weiß, nur mit einem ganz unver-
hftitnismftßig großen Zeitaufwande halbwegs durchgearbeitet werden.
Es w&re aber weit klarer und einleuchtender, wenn es überhaupt
nicht isoliert und abstrakt für sich allein behandelt, sondern bei
entsprechender Gelegenheit der Länderkunde eingegliedert würde;
allerdings unter Anlegung eines weit bescheideneren Maßstabes
punkte Ex- und Intensität des Betriebes^ als es hier der Fall ist«
Sobald wir einmal so weit sind» and dem Anscheine nach handelt
es sich um eine nahe Zukunft, auf der Oberstufe diese Dinge ent-
sprechend breit behandeln zu können, wird Müllners Darstellung
mustergiltig erscheinen, heute würde ich es nicht wagen, un-
reifen Knaben in der II. Klasse Derartiges vorzusetzen. Eine be-
sonders glücklich zusammengesetzte U. Klasse mag das
ja ausnahmsweise zum größeren Teile mit einigem Verständnisse
begleiten, gründlich verdauen wird es sicher keine einzige«
Dem sehr hübschen länderkundlichen Teile hätte ich höchstens
größere Kürze gewünscht. Indessen kann sich hier der Lehrer
leicht durch Streichungen helfen.
796 JB. Hödlf Sieberta Lebrbacb der Geographie, aog. ?. JB. Immdörffer.
A. E. Seiberts Lehrbuch der Geographie fQr osterreichiBebe
Lehrer- nnd LebreriDnenbildangBanstalteD. Nen bearbeitet yod Prot
Dr. Boman HOdl. II. Teil: fttr den III. Jahrgang. 8. Aofl. Wien,
F. Tempskj 1907. Preis 8 K.
Der Torliegende II. Teil von Seiberts Lehrbuch, der in
kurzer Frist auf den kfirzlich hier beBprocheoen I. Teil folgte, zeigt
mehr noch als jener die bessernde Hand des neuen Herauegebers.
Das Alter der Schfller l&ßt hier den sozusagen genetischen Tor-
gang, der vom geologischen Aufbaue ausgeht, vollständig gerecht-
fertigt erscheinen. Ebenso ist der Anschluß der politischen Be-
trachtang der in eine geographische Einheit fallenden Gebiete an
deren physikalische Betrachtung durchaus zu loben. Das Schluß-
kapitel ,yübersicht'' gibt in dankenswerter Weise eine hflbseh ab-
gerundete Darstellung namentlich der wirtschaftlichen, kulturellen
und politischen Verhältnisse der Monarchie. Das beigegebene BUder-
material ist mit feinem Takte ausgewählt. Dieselben geologischen
Karten, die Längs Yaterlandskunde zieren, werden auch hier will-
kommen sein.
Franz D. P. Lang, Geographisch-statistische Yaterlandskunde
fflr die YII. Klasse der Osterr. Bealschalen. 2., verbesserte Anfliga.
Wien, F. Tempskj 1907. Preis 2K80h.
Es ist erfreulich, daß Längs Lehrbuch, das einen entschie-
denen Fortschritt gegen altere Yaterlandskunden darstellt, nun-
mehr in zweiter Auflage vorliegt. Einteilung und Behandlung des
Stoffes sind durchwegs lobenswert, und hatte ich gerne auf die
noch immer festgehaltene strenge Trennung von physikalischtr
Geographie und Topographie verzichtet. Damit wäre zweierlei ge-
wonnen: das Gesamtbild der einzelnen Lftndergruppen hätte Ab-
rundung erfahren und das Buch hätte geringeren Umfang. Wenn man
weiß, welcher Kunstgriffe es bedarf, um in einem kurzen Semester,
bei oft sehr starken YII. Klassen (ich hatte einmal 50 Abiturienten!)
den Stoff nur halbwegs zu bewältigen, dann wird Kflrze hier ale
oberstes Gebot erscheinen. Besonderes Lob verdient die Beigabe geo-
logischer Karten fflr die einzelnen Ländergebiete « sowie der meist
sehr instruktiven Illustrationen und Tabellen.
Wien. B. Imendörffer.
F. Klein, Yorträge über den mathematischen Unterricht an
den höheren Schulen. Bearbeitet von Badolf Schimmsck.
Teil I: Yon der Organisation dea mathematischen Unteirichtes. Mit
acht zum Teil farbigen Teztfignren. Leipzig, B. G. Teabner 1907.
Preis geb. 5 Mk.
Die vorliegenden „Yorträge über den mathematischen Unter-
richt an den höheren Schulen'' gehören der Sammlung der .mathe-
:Klein^Sehimmack, Vortrftge asw., ang. t. J. O. WaUenHn. 797
matischen Yorlesangen der Universität Göttinnen" an, die nunmehr
im Tenbnerschen Verlage erscheinen wird. Wenn in diesem Bnche
von der Organisation des mathematischen Unterrichtes die Rede
ist, werden in zwei folgenden Teilen ausgewählte Fragen einerseits
der Arithmetik, andrerseits der Oeometrie in sinngemäßer Weise
besprochen werden, so daß nach der Absicht des berühmten For-
schers und Lehrers «der Lehrer eine lebendige Anschauung von
der Entstehung und der Bedeutung der für ihn in erster Linie in
Betracht kommenden Kapitel der heutigen Mathematik erhält"*.
In der Einleitung zum Buche wird die neuere Beformbewe-
gung im mathematisch -naturwissenschaftlichen Unterrichte mit
besonderer Berücksichtigung der Aufgabe bespiH>chen, welche die
Breslauer Kommission sich gestellt hat, dann werden die Tor-
schiedenen Schularten genannt, deren mathematischer Unterricht
in den folgenden Darlegungen eingehend gewürdigt wird. Dies
sind zunächst die Volksschulen (erster Abschnitt), die sechs unteren
Klassen der höheren Knabenschulen, die Mädchenschulen und die
mittleren Fachschulen. Von ganz besonderer Bedeutung sind aber
die folgenden Abschnitte, in denen vom historischen Entwicklungs-
gange des mathematischen Unterrichtes unserer höheren Schulen,
▼on den drei Oberklassen der höheren Schulen nach den Lehr-
plänen vom Jahre 1901, von den Beformvorschlägen für die Ober-
klassen der höheren Schulen und Ton dem mathematischen Unter-
richte an den Hochschulen im allgemeinen, der Universität und
der technischen Hochschule im besonderen die Bede ist.
Prof. Klein gehörte zu den ersten, welche nach dem kaiser-
lichen Erlasse vom 26. November 1900, durch den die Gleich-
wertigkeit der drei nennklassigen höheren Lehranstalten als Prinzip
aofgestellt und die Tendenz gutgeheißen wurde, daß jede dieser
drei Anstalten ihr spezifisches Lehrziel ausbilden müsse, für eine
Beform des mathematischen Unterrichtes an den höheren Schulen
eintrat. In dieser Beziehung hat die Göttinger Ferienkursschrift
von 1900 ȟber angewandte Mathematik und Physik in ihrer
Bedeutung für den Unterricht an den höheren Schulen" wohl
bahnbrechend gewirkt. Mit Becht ist betont worden, daß die
Mathematik durchaus eine lebendige Wissenschaft ist, die fort-
während neue Probleme aufnimmt und verarbeitet, die Veraltetes
wegwirft und sich so immer wieder und wieder veijüngt. Dieser
Grundsatz und die Hervorhebung der Biologie im naturwissenschaft-
lichen Unterrichte fand sich vertreten auf der Hamburger Natur-
forscherversammlung vom Jahre 1901, auf jener von Kassel (1903)
und auf den Naturforscherversammlungen in Breslau und Meran
(1904 und 1905). Unbeschadet des Wertes der Mathematik für
die formale logische Bildung soll nach dem allgemeinen Standpunkt
der Breslauer Unterrichtskommission die Stärkung des Anschauungs-
vwmögens und die Erziehung zur Gewohnheit des funktionalen
Denkens die Hauptaufgabe des mathematischen Unterrichtes sein.
798 EJein-Schimmack, Yortrfige asw., ang. f. L G. Wcikniin,
Klein zeigt an verschiedenen Stellen des Baches, daß dieser Stand-
punkt anch der seine ist, daß die Betonung der formalen Büdung
als des eigentlichsten und hauptsächlichsten Zieles des mathe-
matischen Unterrichtes, wie sie z. B. von Beidt in seiner „An-
leitung zum mathematischen Unterricht** hervorgehoben ist, veraltet
ist. Wenn Geheimrat Klein fordert, daß der Funktionsbegriff in
geometrischer Form die Seele des mathematischen Schulunterrichtes
sein soll, wenn er weiters der Überzeugung Ausdruck verleiht, daß
die ersten Beispiele von graphischer Darstellung schon nach Ober-
tertia und Untersekunda gelegt werden müssen, so stimmen wir
ihm vollkommen bei. Mit gutem Rechte zieht Klein auch die in
unsei*er Beziehung sehr lehrreichen und schätzenswerten französi-
schen Lehrpläne heran und er zeigt namentlich an dem Boreischen
Lehrbuche der Algebra, welche Bahnen der reformierte mathe-
matische Unten'icht an den Mittelschulen wandeln müsse.
In dem Abschnitte, der von den Mädchenschulen und den
mittleren Hochschulen handelt, spricht sich Gehoimrat Klein mit
vollem Hechte für die „Schulung des konsequenten Denkens ond
der wertvollen Fähigkeit, klar zu beobachten" an den Mädchen-
schulen mit besonderer Energie aus; er sagt, „die Fähigkeit zur
Mathematik hat die deutsche Frau ebenso gut, wie die Frau anderer
Nationen, und den Willen dazu wird sie haben, sobald der Unter-
richt gehoben und mit allen Vorurteilen aufgeräumt ist!* Anch hierin
geben wir ihm Recht, da die Erfahrungen, die man in dieser An-
gelegenheit zu machen Gelegenheit hat, für diesen Ausspruch
lauten. Von großem Interesse sind die nun folgenden Bemerkungen
über die Frage der Lehrerinnenausbildung. Es wird gezeigt, dafi
die derzeit noch bestehenden Verhältnisse dieser Ausbildung sehr
unvollkommen sind und nur als Obergangsstadium gelten köonoi.
Auch bezüglich der mittleren Fachschule sagt der Verf., daß deren
heutiger Zustand ungenügend ist und daß eine moderne Entwick-
lung dieser Schulen dringend geboten erscheint. Schon hier« wie
an anderen Stellen des Buches wird betont, daß der Mehrzahl der
Studierenden der Mathematik und der Naturwissenschaften eine
engere Fühlung mit der Praxis mangelt und daß auf eine Ad-
näherung der Mathematik und der Technik hingearbeitet werden
muß. Verf. zeigt dann an zwei charakteristischen Büchern, der
„Ingenieurroathematik in elementarer Behandlung** von HolzmflUer
und der „Höheren Analysis für Ingenieure" von Perry, wie ein
technisch-mathematischer Unterricht sich zu gestalten habe.
Der in dem Buche folgende vierte Abschnitt handelt tod
historischen Entwicklungsgange des mathematischen Unterrichtes
unserer höheren Schulen. Dieser Abschnitt kennzeichnet gleich-
zeitig den Entwicklungsgang der einzelnen Schulgattungen selbst
Es wird dargetan, daß, bevor noch die Methodik der realistische«
Fächer ausgebildet war, ein Schwanken zwischen praktischen,
wissenschaftlichen und pädagogischen Gesichtspunkten sich gritead
Klein-Schimmackt YortrSge usw., ang. t. I. G, Wallentin. 799
machte. Einen bedeutsamen Wendepunkt im ünterrichtsbetriebe an
den höheren Schalen bildet der kaiserliche Erlaß vom 26. November
1900, dessen Bedeutung ffir den mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Unterricht der Verf. hervorhebt. Er zeigt aber, daß das
Prinzip von 1900 bislang keineswegs yoUst&ndig zur Durchführung
gelangt ist und daß dafür zu sorgen wäre, „daß bei der ganzen
Entwicklung, die bisher von philologischer Seite viel mehr aus-
genützt wurde, die Mathematik, zugleich mit den arg bedrängten
Naturwissenschaften, ihren richtigen Platz erhält".
Der nächste Abschnitt ist der Darstellung der Lehrpläne
für die drei Oberklassen der höheren Schulen vom Jahre 1901
gewidmet. Von besonderem Interesse ist der in diesem Abschnitt
enthaltene Exkurs über die Frage der Infinitesimalrechnung im
Sehullehrstoff. Verf. spricht sich zunächst gegen eine Vermehrung
des mathematischen Lehrstoffes in beredter Weise aus, will aber
in diesem Abstrakteres durch leichter Zugängliches ersetzt wissen.
Er tritt für das funktionale Denken in der Mittelschule ein und
ist der vollständig berechtigten Anschauung, daß eine gründliche
nnd fruchtbare Behandlung des Funktionsbegriffes sowie der
Grundbegriffe der Mechanik ganz naturgemäß die Hereinnahme
der elementaren Infinitesimalrechnung in den Unterricht der höheren
Schalen involviert. Es handelt sich hierbei, wie Geheimrat Klein
sich äußert, um eine notwendig zu vollziehende Ideenbildung, die
für jeden notwendig erscheint, der als modemer Mensch in die
Entwicklung unseres kulturellen Lebens mit offenem Geiste ein-
treten will. Die Elemente der Infinitesimalrechnung sollen nach
Klein völlig organisch in den übrigen Lehrplan eingearbeitet
werden. Als vorbildlich in dieser Frage erkennt der Verf. die
höheren französischen Schulen.
Auch die auf die Behandlung der Geometrie bezugnehmenden
Ausführungen enthalten sehr viel Bemerkenswertes: Geheimrat
Klein wendet sich gegen die starke Vorherrschaft der planimetri-
sehen Konstruktionsaufgaben im geometrischen Lehrstoffe, da dies
nur „von dem Standpunkte einer einseitig formalistischen Ausbil-
dung zu rechtfertigen wäre, den man heute unmöglich gelten
lassen könne". Ferner ist er der auch dem Ref. wichtig erschei-
nenden Anschauung, daß sich die Lehre von den Kegelschnitten
bei geschickter Mischung der synthetischen und analytischen Me-
thode weit ergiebiger gestalten läßt. Die sogenannte „Anwendung
der Algebra auf die Geometrie'' hält der Verf. für altmodisch; die
Verbindung von Arithmetik und Geometrie gewinnt erst dann
rechtes Leben, wenn sie in der Form der kartesischen Koordinaten
erscheint. Femer erscheint es dem Verf. wesentlich zu sein, daß
der Gedanken der Veränderlichkeit der Figuren in der Schule
betont werde und daß durch die Betrachtung der Figuren als kon-
tinuierlich variabler Gebilde die Baumanschauung geübt werde.
Bezüglich der darstellenden Geometrie ist Klein der Ansicht, daß
800 Klein-Sehimmaekt Vorträge qsw , ang. t. L O. WaüetUin.
sie an den höheren Schulen im weiteren Sinne gelehrt werden soll,
d. h. alle die Regeln nnd Vorschriften za geben wären, dorch die
sich die räumlichen Gebilde überhaupt konstruktiT beherrschen
lassen (die Torschiedenen Arten Ton Projektionen, die sogenannte
Axonometrie und die Konstruktion räumlicher Modelle).
Der sechste Abschnitt enthält Beformvorschläge fQr die Ober-
klassen der höheren Schulen nebst Erörterung über die allgemeinen
Fragen der Schulreform. Auf Grund der im rorangegangenen
Abschnitte aufgestellten Ansichten schlägt der Yerfl für den
mathematischen Unterricht Reformen Tor. Diese Beformvorschläge
werden nach Genehmigung des preußischen ünterrichtsministerinnis
an einer Reihe von höheren Schulen (Gymnasien in Göttingen nnd
Hannov. Münden, Realgymnasium zu Düren im Rheinland, Ober-
realschulen zu Kiel und Königsberg) unter weitgehender Freiheit
der Lehrer, wie sich Ref. bei seiner im Spätherbste 1906 unter-
nommenen Studienreise zu überzeugen Gelegenheit hatte, durch-
geprobt.
Unter anderem wird in diesem Abschnitte auch der Wich-
tigkeit der physikalischen Schülerübungen gedacht. Von Interesse
ist auch das Streben des Yerf.s, das normale Hochschulstudium
unbeschadet seines wissenschaftlichen Charakters abzukürzen. Eine
solche Abkürzung wäre nach seiner Ansicht möglich, wenn nun
das Prinzip der spezifischen Allgemeinbildung in konsequenter
Weise zur Durchführung brächte. Sehr bemerkenswert in dieser
Beziehung ist auch der für unsere österreichischen Verhältnisse
passende Ausspruch des Yerts: „Die große Mehrzahl der jungen
Leute kommt kaum früher als mit dreißig Jahren in feste Stellung
und dann pflegt das Beste dahin zu sein: Der frische Lebensmnt
und die Kraft, etwas Eigenes zu gestalten, sind durch die lange
Zeit der Unselbständigkeit gelähmt — oft für immer"*. In diesem
Abschnitte wird auch der verschiedenen bestehenden Schultypen
und der möglichen Schultypen gedacht. Geheimrat Klein tdtt fOr
eine Verminderung der Gymnasien mit Entschiedenheit ein nnd
wendet sich — namentlich was den mathematischen Unterricht
betrifft — gegen die Reformanstalten, in denen der Schwerpunkt
dieses Unterrichtes nach unten Torschoben ist. Das bekannte
Goethe-Gymnasium in Frankfurt am Main wird in den Kreis der
Betrachtungen gezogen.
Nun wendet sich der Verf. im siebenten Abschnitte nr
Organisation der Hochschulen mit besonderer Rücksichtnahme aof
den Unterricht in der reinen und angewandten Mathematik. Gani
besonders Terweilt er bei den großartigen Einrichtungen der üni-
yersität Göttingen, die überall im Interesse der wissenschaftlichen
Forschung Nachahmung finden sollten I
Geheimrat Klein tritt in diesem Abschnitte auch dafür ein,
daß die technischen Hochschulen bei der Ausbildung von Ileh^
amtskandidaten mitwirken sollten. „Es läge gerade im Interesse
J. Jacob, Lehrbuch der Arithmetik, ang. t. J. ÄrhtB. 801
der Umyer8itate& selber, einen solchen Wettstreit zu schaflfenl
Denn das vermag am besten eine Erschlaffung der Arbeitskraft n
yerhindem, die ja überall die größte Gefahr der Entwicklung ist**.
In einem ersten Anhang wird der berühmte Vortrag des
yerf.8, gehalten in Breslau gelegentlich der allgemeinen Debatte
über den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht an den
höheren Schalen am 22, September 1904, in einem zweiten Anhange
der Meraner Lehrplan für Mathematik (aus den Yerhandlnngen
der Natnrforscheryersammlnng 1905), in einem dritten Anhange
der Aufsatz „Probleme des mathematisch-physikalischen Hochschul-
unterrichtes" (aus dem Jahresberichte der deutschen Mathematiker),
in dem auch die Aosbildung der Lehramtskandidaten für Mathe-
matik und Physik zur Sprache gebracht wird, wieder abgedruckt
Wir empfehlen die aufmerksame Lektüre des yorliegenden
Buches allen Fachgenossen und Didaktikem auf mathematischem
Oebiete. Die in diesem berührten Fragen sind auch für unsere
österreichischen YerhUtnisse so aktuell, daß bei einer Beform des
Lehrplanes der Mathematik an unseren höheren Schulen dieses Buch
als treuer und verläßlicher Batgeber herangezogen werden soll.
Wien. Dr. L G. Wallentin.
Dr. Josef Jacob, Lehrbach der Arithmetik für Obergymnasien.
Ausgabe B. Wien, Frans Dentieke 1907.
Das Torliegende Lehrbuch sucht in erster Linie dem Mini-
sterlal-Erlasse Tom 28. April 1907, Z. 4748 gerecht zu werden.
Dieser Versuch ist als erstes derartiges Unternehmen jedenfalls
recht gut gelungen.
Der Funktionsbegriif wurde gleich nach der Subtraktion im
1. Abschnitt der Lehre Ton den Gleichungen eingeführt und durch-
zieht wie ein roter Faden das Weitere. Nach dem Beebnen mit
nnTollstftndigen Zahlen werden die Funktionen y = =b 2ar,
y^— y y = ^ konstruiert; es werden ferner die Funktionen
y = kx, y = -, y = kx^, y = ^,y=Lkaf, y = ^ und
y z= k.^ besprochen, ohne auf geometrische Eigenschaften der
Knrren einzugeben, und somit Beziehungen zur Begeldetri gefunden.
Die Elemente des Differenzierens und Integrierens werden auf
den Seiten 128 — 186 in ▼ortrefllieher Weise behandelt« Zur Sprache
kommen die Diflerentialquotienten von «, z^n sin d;, coso^ Ix, a,
g>ix) + if{x)t af(x) und auch von implicite gegebenen Funk-
tionen. Die Bedingungen des Minimums und Maximums einer
Funktion sind sehr deutlich und Yollstftndig angegeben. An Lehr-
sätze Aber unbestimmte Integrale schließt sich noch das bestimmte
Integral an.
ZdtKkrifl f. 4. Attarr. Gyma. 1908. YIU. v. IX. H«ft. 51
802 J. Jacob, Lehrbuch der Aiitfametik, ang. t. J. ArheB,
Der abelrakte Lehrstoff enoheiBt beim Addieren, Sabtrahier«,
ValtipliziereD, Dtridi^reD vnd Ba4i£iereo sehr sUit aingeediTiakt.
AasgelMiid Ton der Existeni der Binheiten, Vielbeitea nod Meagw
wird beim Addieren das KommntatioDegewtz aogefflbri; btiai Sab-
trahieren werden die entgegengeaeftetea Zahlen nad ^m Addiens
vnd Snbtrahieren algebraiaeber, bezw. gkichnamigar Zahlen be-
■oidara gawikrdigt. Das MvltipiimreB beschriakt aidi anf zwei,
das Dmdterea anf drei Lehrsitze, an welche sich bei der Broeh-
lehre andere Sftize anecbließen. Die DtTiaMn eines Poljnons doreh
ein and^ree wird einfach an einem Betspiel gezei^ Das Badi>
zieren wird auf das Potenzieren znrftekg^nhrt (entopreehend dem
Artikel von Job. Arbee „Über methodisches Vergehen beim Badi*
zieren'*, Zts. f. d. österr. Gymn. 1906, XII. Heft, 8. 1064—67).
In den Übongsbeispielen komsMn mannigfache Anwendungen
anf das praktische Leben vor; andere Gtogeistftnde wie Qeometrit
nnd Physik werden h&nfig herangezogen.
Es ist nnn selbetverstindlich , daß der ganze Inhalt dei
Bncbes nioht jedermanns Oeschmaek TOllig entsprechen kten. Wie
ich z. B. das „Snbtrahieren* erledigt wissen will, ist in der Zts.
f. d. österr. Qymn. 1907, IV. Heft, S. 859—68 niedergelegt. Die
Operationen der 1. und 2. Stufe sind fiberhaupt solche Kapitel,
welche sich Jeder Lehrer besonders zurechtzulegen pflegt Hllt
man sich streng an die Übnngsbeispiele des VerLs, so kann mai
mit den vorgeführten LebrsUzen das Auslangen finden : in anderen
F&llen hat man Fehlendes zu ergänzen. Spezielle M&ngel wireo
etwa folgende:
Bei der Subtraktion sollte erst rem ^entgegengesetzten
Werte** des Polynoms gesprochen werden, beror man zur Subtrak-
tion desselben schritt. Unnötig erscheinen mir § 14 und g 98.
Die Paragraphe 21 c, 1 und auch 24 und 42 könnten mindestens
teilweise anders stilisiert werden. Das Beebnen mit unvoUsi&n-
digen Dezimalzahlen fiel zn kurz aus. Der Satz über fortlaufende
Proportionen h&tte allgemeiner gefaßt werden können. Mehr be-
langlos dagegen ist die Zerreißung der Lehre Ton den Gleichungen
in drei Abschnitte, da man die Teile beliebig aneinanderreihen
1
kann; ebenso die Schreibweise von V^a „in der Form" e*
(vgl. § 84).
Anderseits verdient außo- früher Erw&hntem noch manehee
andere lobend hervorgehoben zu werden, wie der Lehrsatz (S 26, h)
über einen speziellen Divisionsrest, die mnstergiltigen Beispiele
über Oleichnngen (§ 127), das Kennzeichen der Konvergenz (| 187)»
die Beachtung von Gleichungen sofort nach den Operalionen der
ersten Stufe, die markante Hervorhebung des Grenzwertes eoei
periodischen Dezimalbraches und hanptsichlich dis An^abensamsi*
lang 9 in welcher Aufgaben nach Paragraphen geordnet aind wii
gruppenweise nach einem einheitlichen Oedanken gelöst werden ktaaea.
Whetham-Süibert, Die Theerie qsw., ang. t. J. O, WBUentin, 803
Das Torliegende Bnch bedeutet eeoaeh einen Fortediritt in
^er Bnwicklang der arithmetiscben Lekrbfieher de« ObergyAnasHuM,
«8 steht am Beginn einer Epoche des mathematischen Dnterrlehtes,
weldM sieh schwungvoll anl&ßl nnd itt richtiger WArdignng wohl
weitere erfe)<greiohe Wellen ziehen wiri.
Prag-Smichow. Joh. Arbes.
Die Theorie der Experimental-Elelctrizit&t von W. C. D. Whe-
tham, Prefessor an der UntTenität Cambridge. Ans dem Bngliseben
ftbersetit Ten Prof. G. Siebert. Mit IfS Abbildangen im Teit.
Leipiig» J. A. Barth 1907. Preis geb. Mk. 8*80.
Die nenen Forachnngen anf dem Gebiete der SlektriEitäts*
lehre, namentlich jene, die sich anf die Erscheinnngeii der Elektro-
lyse, der Leitung dnrch Gase und der Radioaktivit&t beziehen,
Forschnngen, welche in den bisherigen Lehrbflchem, snnal was
4lie Untersnchnngsmethoden betriilt, noch allzn wenig verarbeitet
fiind, haben den Verf. veranlaßt, das vorlieigeiide Bnch zo edieren.
In demselben ist keineswegs eine vollständige Darstellung der
Elektrizitätslehre gegeben; der Leser soll dnrch das Stadium des
vorliegenden Bnches mit der Hauptsache der Forschung vertraut
gemacht werden nnd keine Ermfldnng durch det-ailiierte Erörterungen
erfahren. Der Hauptzweck des Buches ist eine gründliche nnd
klare Kenntnis jener physikalischen Lehren zu lermitteln, welche
zum Yeretändnis der neueren Teile der Elektrizitätslekre eiforder-
lich sind.
Nach grflndlicher Erörterung der allgemeinen Prinzipien der
Elektrostatik werden die wesentlichsten Theoreme derselben dedu-
ziert, wobei namentlich vom Gaussschen Satze ausgiebiger Gebrauch
gemacht wird. Dabei wird des wichtigsten Instrumentes der Slektro-
Biatik, des Qnadrantenelektrometers, gedacht nnd deesen Theorie
in elementarer Weise vorgetragen. Die Bedeutnng des dielektrischen
Medinras, besonders die Energieverhältnisse in diesem werden nach
den Maxwellschen Anschannngen dargelegt.
Nach einem kurzen Abrisse Aber die wichtigsten Brschei-
nangen des Magnetismus, einer Eriäutemng des Begriflbs »mäg-
Detischee Potential" wendet sich der Verf. zum Studinm der
hydroelektrischen und thermoelektrischen Ströme. In dem darauf-
folgenden Abschnitte, der von der elektromagnetischen Induktion
handelt, werden mehrfach mechanische Analogien herangezogen,
4ie dem Verständnisse der Vorgänge im elektrischen ladaktiens-
atrome Vorschub zu leisten geeignet ersehenen.
In den nachstehenden Entwicklungen, die wir im Buche
finden, werden die elektrischen Einheiten sehr eingehend besprochen
und erörtert, wie die Bestimmung der Stromstärke, dee Wider-
ataadtB und der elektromotorischen Kraft in abs<^atem Maße zu
51*
804 LorentZ'SUbert, Lehibach der Phyiik» ang. t. J. G. WtüUntm.
erfolgen hat. Gelegentlich der Besprechong der Yersnche ftber
elektromagnetische Wellen geht Verf. auch auf die drahtlose Tele-
graphie ein.
Ganz besonders trefflich aasgearbeitet erscheinen dem Bef.
die drei letzten Abschnitte des Baches, in denen die elektrolytischeD
Erscheinongen, die Leitang der Elektrizität dnrch Gase ond die
Phänomene der Badioaktivität znr Sprache gelangen. Daß hiebei
speziell anf die Beschreibung der Natar der Jonen eingegangen
wird, ist selbstredend. Die Erscheinangen der elektrolytischen
Leitang dnrch Flflssigkeiten und der nichtelekirischen Leitang
dnrch metallische Substanzen werden durch die Eorpaskulartheorie
erklärt. Während die Jonentheorie der Elektrolyse den Magnetisrnns
erklärt, durch den das Gleiten der Enden der KraftrGhren in
leitenden Fl&ssigkeiten vor sich geht, gibt die Korpuskulartheorie
klare Einsicht in die Natur des Vorganges in metallischen Strom-
kreisen. Der Verf. gibt insofern ein anschauliches Bild von diesem
Vorgange, wenn er sagt: „Die Röhren, welche mit ihren Enden
in Elektrolyten an ein Jon oder in Metallen an eine Korpuskel
verankert sind, schleppen ihre Anker mit sich. Das Gleiten der
Anker ist es, was den Strom bildet, und die durch den Strom
entwickelte Wärme muß durch den reibungsartigen Widerstand
erklärt werden, der sich dem Schleppen des Ankers oder einem
anderen, noch nicht aufgeklärten Vorgang der Energiezerstreaong»
etwa interkorpuskularer Strahlung, entgegensetzt**.
Nach dem Vorgange von Butherford und Soddy wird die
Energie der Eadioaktivität auf das Zerfallen der radioaktiven Atome
zurückgeführt. Die bisherigen Versuche werden vom Verf. in sehr
ansprechender Weise im Sinne dieser Theorie zusammengefaßt.
Zum Schlüsse seiner Betrachtungen bespricht der Verf. noch
das Verhältnis von Elektrizität und Materie und lehnt sich hiebei
an die Theorie von Lorentz und Larmor, nach welcher das Atom
aus einer Anzahl von Elektrizitätseinheiten, sogenannten Elektronen,
besteht, die sich mit großer Geschwindigkeit in geschlossenen
Bahnen bewegen. Nach der Elektronentheorie ist die Materie eine
Manifestation der Elektrizität und die Masse eines Körpers mnß
als elektrische Trägheit erklärbar sein. Experimente, welche von
Kaufmann angestellt wurden, bestätigen wohl die Theorie, daß Masse
eine elektrische Erscheinung oder eine Erscheinung im Äther ist
Das Buch bietet sehr viele geistvolle Anregungen und ver-
dient vollste Beachtung seitens der Physiker.
Lehrbuch der Physik. Znm Gebrauche bei akademischen VoriesuM»
fon H. A. Lorenti, Professor an der Uoivertität Leiden. Ans des
Holländisehen übertetit von G. Sieb er t IL Band. Mit 257 Abbil-
dnngen. Leipzig, J. A. Barth 1907. Preis 11 Mk.
Bef. war gelegentlich der Besprechung des I. Bandes des
Lehrbuches der Physik von H. A. Lorentz in der Lage, denselben
LorenU' Sichert, Lehrbuch der Physik, ang. ?. J. G. Wallentin, 805
als ein Master yon außerordentlicher Klarheit und Einfachheit
hinzasteilen und dessen hervorragende Bedentang ffir das Stadium
der Physik auf moderner Grandlage hervorzuheben. Der vorliegende
II. Band steht — was Gründlichkeit, Wissenschaftlichkeit und
Klarheit der Darstellung betrifft — dem I. Bande nicht nach, er
ftberholt ihn sogar in mehrfacher Hinsicht.
Zuerst werden die Grundlehren der schwingenden Körper
behandelt; dann wendet sich der Verf. zur Erörterung der Fort-
pflanzung von Schwingungen und bespricht namentlich in ein-
gehender Weise den Zusammenhang zwischen den stehenden und
fortschreitenden Wellen und den Folgerungen, die aus demselben
zu ziehen sind.
Die weiteren Abschnitte enthalten die Lehre von der Reflexion
und Brechung des Lichtes. Sehr gelungen ist die einheitliche Be-
handlung der Theorie der Kugelspiegel und der Linsen. Es wird
anch die allgemeine Theorie optischer Systeme zur Sprache ge-
bracht. Sehr genau wird auf die Bestimmung der Vergrößerung
bei optischen Instrumenten und auf die mit diesen vorzunehmenden
Messungen eingegangen.
Ebenso ist der Abschnitt Aber die Betrachtung der Licht-
stärke der Bilder bei optischen Instrumenten sehr bemerkenswert.
Der folgende Abschnitt, der mit „Natur des Lichtes ** betitelt
ist, handelt zun&chst von den Methoden zur Bestimmung der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes, dann von den Interferenz-
Bengungserscheinungen des Lichtes, von der Natur und den Eigen-
schaften der einzelnen Strahlengattungen, von der Bedeutung des
Hnygenschen Prinzipes zur Erklärung der Lichterscheinungen. Die
Diffraktion in optischen Instrumenten, die in den Lehrbflchern
entweder nicht oder nicht mit der genügenden Schärfe und Klar-
heit auseinander gesetzt wird, bringt der Verf. in sehr lichtvoller
Weise zur Spi*ache.
Die Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes wird in
einfacher Weise mit Vermeidung des Kalküls behandelt.
Der weitaus größte Teil des Buches ist der Darstellung der
magnetischen und elektrischen Erscheinungen und deren Theorie
gewidmet. In der Elektrostatik wird von vornherein die Bedeutung
des Mediums, das die Umgebung und den Zwischenraum der auf-
einander wirkenden KGrper erfQllt, in Erwägung gezogen. Es werden
die Grundzflge der Faraday-Maxwellschen Theorie ohne Künstelei
▼erwertet und dies erhöht den Wert dieses Abschnittes wesentlich.
Dabei werden fortwährend mechanische Analogien herangezogen,
am die elektrostatischen Erscheinungen zu erklären.
In dieser Beziehung erscheinen dem Bef. besonders jene
Erörterungen bemerkenswert, die sich auf den Flüssigkeitskonden-
sator beziehen. In kurzer Weise wird schon in diesem Abschnitte
das Wesentliche der Elektronentbeorie auseinander gesetzt. Gezeigt
wird, daß die Grundidee der Theorie von Maxwell in der Elek-
8M Lormti-aiehert, L«hrbaeh der Pbytik, tag. ▼. J. G. Waümim.
tronentheorie erlialteB gehliebM ist. In sehr pr&ziser Pona sind
die Erseheintingeii der Poteatialdifferenz bei der Berfihrong y«ii
zwei Metollen auseinander gesetzt. Die Eigenschaften magnetiseher
Felder sind sorgftltig erörtert worden; die Theorie der TeDi gal-
vanischen Strome dnrohflossenen Drahtspnlen ist genan dargestsUi.
Die Erscheinungen der Elektrolyse sind unter Zugnmde-
leguni^ der modernsten Ansefaaanngen zur Darstellung gelangt;
auch die elektrolytische Dissoziation , die Bewegung der Jonen,
die Theorie der Eonzentrationsstrtae hat der Verf. in den Kreis
seiner Erwägungea g^ogen.
Theoretisches Interesse hat der Abschnitt^ der von den Wir-
kungen des magnetischen Feldes handelt; besonders sind es die
Srscheiungen der Magnetoindnktion, die in geradezu mustergiltiger
Weise besproK^en wurden. Mit großer mathematischer Slegani hat
dier Verf. die ^allgemeine Theorie der Wirkung zweier Stromleiter
betrachte! Km ist die Lehre von den Dynamomaschinen erörtirt
worden.
In dem Abschnitte Ober elektrische Schwingungen und Aber
die Fortpflanzung von elektromagnetischen Gleichgewichtsstönmgen
hat der Yeif. wM die meisten der Forschungen von Hertz und
Maxwell und deren Nachfolger auf diesem Gebiete berücksicktigt.
Dankenewert sind auch die Ausf&hrungen» welche sich aaf
die Ersdieinungen beliehen, die durch die Elektronentbeorie erklärt
werden köimen.' Es bot sich hier Gelegenheit, die Natur der elek*
trischen Strahlen, namentlich die radioaktiven Strahlen genauer zo
stndieren.
Den Schluß des Buches bilden eine Beihe von inatrnktiTen
Bechenaufgaben sowie einige Tabellen (Dichte von Körpern, Ka-
stisitätskQefßzient und Tragfähigkeit, Längenausdehnungdcoeffi*
zienten, kubische Ausdehnungskoeffizienten, Volumen Ten emem
Gramm Wasser in Kubikzentimentem, Schmelzpunkte, Siedepunkte,
Spannung des gesättigten Wasseidampfes, spezifische Wärme,
Brechungsexponent fQr yerschiedene Frauenhofersche Linien,
Wellenlftnge in Luft und Drehung der Polarisationsebene in einer
Quarzplatte von 1 ifiM Dicke, Brechungsexponent fflr Natrinmlicht,
spezifischer Widerstand, Dielektrizitätskonstante, magnetische Per-
meabilität).
Zusammenfassend können wirf das Lehrbuch der Physik tob
Lorentz als eine sehr beachtenswerte literarische Erscheinung be*
zeichnen. Es kann dieses Buch sowohl was Auswahl des LehrstoSi»
als auch GrQndlichkeit und Wissenschafblichkeit der Behandlung,
Klarheit und Präzision der Darstellung betrifft, geradezu Torbiki-
lich fQr jene Lehrbflcher der Physik werden, welche beim ersten
akademischen Studium mit Vorteil herangezogen werden.
Die Obersetzung ist eine gute und fiiefiende und dflrfte aoch
den Intentionen des Verf.s gerecht werden.
Wien. Dr. 1. G. Wallentia.
Buikerford'Levin, Badioaktiv« ümwuldkiigeiii %üg. t. N. MenL 90>7
BadioakUve ümwandluiiiKen voa £. Ratherford, ftbeuatgi
von M. LeTin. „Die Wiesensehaft'*, Heft 21. Geheftet 8 Mk.» in
Leinwand geb. 8 Mk. 60 Pf.
Wie im Anfange des Torigen Jahrhunderts die Elektrolyse
und 50 Jahre später die Spektralanalyse znr Kenntnis nentr Ele-
mente geführt hat| so bat seit etwa 10 Jahren die Badioaktivität
nene Körper kennen gelehrt. Ob man hierbei an »»Elemente^ in
froherem Sinne zo denken hat» bleibt nach den gegenwärtigen
Aaschaanngen fraglich; denn durch die Ansaendung ron .a-
Partikelchen'S welche das Helium bilden, entstehen immer neue
Körper: »Zerfallsprodukte''. Und wenn eine „Umwandlung der
Atome'' stattfindet, so muß man sich selbstferstandiicb tou der
älteren Anschauung von der Konstanz der Atome völlig frei
machen. Es ist daher doch etwas gewagt, wem der Verf. (pag.
256) behauptet: ,»Die £adioakti?itftt stfitzt die altere Atom-
theorie", trotzdem er an derselben Stelle sagt: ^Dm Atom ist
keine Einheit, sondern ein komplexes System".
Die zahlreichen und ausgedehnten Untersuchungen Aber
radioaktive Substanzen sind nun in dem Yorliegenden Werke zu
einem übersichtlichen und dem Studium förderliehen Gesamtbilde
zusammengestellt.
Nachdem im ersten Kapitel ein geschichtlicher Überblick ge-
geben und die Messungsmethoden durch klare, schematische Zeieh-
nnngen erl&utert, auseinandergesetzt wurden» werden im zweiten
Kapitel die Umwandlungen des Thorium und im dritten Kapitel
die etwas komplizierten Vorgänge beim Badium dargelegt Die
schnell zerfallenden Umwandlungsprodukte des Badium werden im
vierten Kapitel, die darauffolgenden langsameren Umwandlungen
im fünften Kapitel besprochen, wobei auch anf die wahrscheinliche
Identität von Polonium und Badiotellnr mit Badium-F und des
Badioblei mit Badium-D hingewiesen wird.
Den Umwandlungsprodukten des Uranium und Aktinium ist
das siebente Kapitel gewidmet, nachdem im sechsten Kapitel der
„Ursprung und die Lebensdauer des Badiums" besprochen wurde.
Im achten Kapitel wird dann die Emanation n&her betrachtet und
ihre Identität mit Helium nachgewiesen; über die Eigenschaften
der a -Strahlen wird jedoch erst im zehnten Kapitel gesprochen.
Im achten Kapitel wird auch die Möglichkeit der Entstehung
des Badiums aus Uranium erörtert; diese Hypothese scheint aber
bis jetzt kaum genflgend gestützt; wenn auch dem Atomgewichte
nach sehr nahe
ür — 3He t=z Ra; Ba — 5Ee = Fb; Th — 6He = Bi
ist, so scheinen auch die experimentallen Besultate diesen Schluß
nicht zu bestätigen.
Von großem Interesse sind die Zusammenstellungen über die
Aktivität der Erde im neunten Kapitel und die Ausblicke, welche
sich über die neuen physikalischen Anschauungen unter dem Ein-
808 Buiherfard-Levinf Radioaktive ümwaBdloogen, ang. v. N. Hen,
floBie der Fonchnngen Aber die Badioaktivit&t eröffnen, denen das
elfte Kapitel gewidmet ist.
Znm besseren Verständnis der radioaktiven Umwandlungen
möge das folgende Gleicbnis dienen:
Ein geladener Akkumulator entb< an der einen Bleiplatte
I Bleisnperoxyd; an der anderen Seite die Bleiplatte II mit okkln-
diertem Wasserstoff (H). Wenn der Akknmnlator geladen ist, aber
nicbt verwendet wird, so wird er dennocb seine Ladung nach nnd
nach verlieren, wobei selbstverständlich der okklndierte H ab-
gegeben wird.
Wftrde die Bleiplatte H herausgenommen und einem empfind-
lichen, geladenen Elektroskop gegenübergestellt, so würde dieses
seine Ladung verlieren. Der frei werdende H wird sich als Blei-
emanation in der Umgebung abscheiden, und wenn er noch Blei-
teilcben, die selbst noch H, aber in geringerer Menge okklndiert
enthalten können, mitreißt, so werden diese Teilchen als Blei-A
in der Umgebung niedergeschlagen und einen ebenfalls noeh
aktiven Niederschlag geben, der bei der weiteren Abgabe eines
H-Atoms sich in eine dritte Modifikation Blei-B verwandeln wird.
Blei-A und Blei-B können den in ihnen enthaltenen H verschieden
stark festhalten, sie können verschieden aktiv sein, d. h. ver-
schieden stark auf ein Elektroskop wirken .... nehmen wir an,
daß die Aktivität bei der Abgabe des H nach einem logarith-
mischen Qesetze stattfindet, was wahrscheinlich der Fall sein wird,
wenn die Abgabe des H immer denselben Bruchteil des noch darin
enthaltenen H beträgt, so haben wir einen ganz ähnlichen Prozeß,
wie er bei den radioaktiven Umwandlungen stattfindet.
Denn in genau derselben Weise spielen sich die Vorgänge
bei den radioaktiven Substanzen ab; die weggeschleuderten a-Psr-
tikel sind Helium. Denkt man sich daher, daß Helium in den
radioaktiven Substanzen okklndiert ist, und die einzelnen Umwssd-
lungen durch sukzessive Abgabe von Helium entstehen, so wäre die
Analogie vollkommen; ein Unterschied allerdings liegt darin, dafi
bei den radioaktiven Substanzen auch die Verbindungen (Badinn-
bromid etc.) Helium abgeben, also enthalten müßten, und femer,
daß in dem hier angeführten Beispiele der aktive Bleiniederscbla;
bei der Lösung in Säuren den okkludierten H sofort abgeben und
dann seine Aktivität verlieren würde. Möglich aber wäre andi,
daß beim Lösen und Eindampfen das resultierende Blei seinen H
nicht verlieren wird, wenn nämlich das Lösen mehr ein Abspnleo
des Niederschlages von den Gegenständen, an denen er sich ^
gesetzt hatte, wäre. Es wäre gar nicht uninteressant, Versuche
dieser Art anzustellen, wobei man jedoch zu beachten hätte, difi
die Akkumulatoren-Emanation (H) Knallgas gibt*).
^) Eine Veriuchareihe, welche ich im Mai 1908 anstellte, er;»b ii
der Tat eine, allerdinga außerordentlich geringe, aber oniweifelhaft k<m-
Butherford-Lenin, RftdioaktiTe ümwandlimgeD, ang. t. N, Herz, 809
Aber es liegt fast nfther, den wirkliehen Vorgang nach dieser
Analogie zn denten, als dabei auf die besonderen Eigentümlichkeiten
der mit Lichtgeschwindigkeit weggeschlenderten Elektronen znrück-
zngreifen« Man kann allerdings aach Elektrizität sowie Licht nach
der älteren Hypothese als weggeschlenderte Partikelchen ansehen.
Der Physiker wird gar nichts gegen diese Hypothese haben, welche
ja schon fftr das Licht von Newton gemacht wurde nnd auch bei-
behalten worden w&re, wenn nicht gewisse Tersnche dieselbe als
unhaltbar gezeigt hätten.
Am unsichersten scheint, wie schon erwähnt, die Hypothese
des Überganges von Uraninm in Badinm, nnd dieses in Blei. Es
ist offenbar nur ein Notbehelf, nm das Alter der Umwandlungen
mit den geologischen Epochen in Einklang zn bringen. Aber anch
das Entstehen der mit Helinm geladenen Atomkompleze in der
Erde ließe sich ganz einfach erklären, dnrch die Ladnng der Erde
mittels der beständig in dieselbe eingeleiteten Elektrizitäten oder
mittels der der atmosphärischen entgegengesetzten Elektrizitäten.
Dann besteht der Prozeß in einem fortwährenden Laden der
radioaktiven Substanzen in der Erde nnd Entladen derselben außer-
halb dieser; nnd der Ursprung der Radioaktivität ist etwa derselbe
wie der Ursprung der Aktivität der geladenen Bleiplatten des
Akkumulators. Es ist auch die Hypothese, daß das Badium sich
aus Uraninm bildet (pag. 190) etwa mit der Hypothese zu ver-
gleichen^ daß das Leben auf der Erde von einem Meteor oder
einem anderen Himmelskörper auf die Erde kam : sie löst die Frage
der Entstehung nicht, sondern verschiebt sie nur.
Das vorhandene freie Helium liefert auch durchaus keinen
Beweis; es kann ja vielleicht abgesondert worden sein; ebenso
wahrscheinlich aber ist, daß es noch nicht okkludiert wurde.
Wenn tatsächlich durch Okklusion des Helium in den Atomen
gewisser Elemente neue Elemente entstehen würden, die sich
chemisch als Elemente verhalten und nur durch „Zerfall der
Atome** in einander fibergehen worden, wodurch sich das periodische
System der Elemente erklären ließe, dann allerdings wäre das
„Atom" nicht mehr als eine Einheit, oder doch nur als eine
„ehemische Einheit** aufzufassen, wie das Molekfil als eine „physi-
kalische Einheit** und dann müßte man von kleineren Elementar-
teilen sprechen, bei denen das Helium, als Emanation auftretend,
siatierbare Radioaktivität der Wassentoffplatte. Die YereuchBaoordDUog
war die von J. J. Thomson beschriebene: Die Nadel eines Qnadranten-
elektrometers wurde durch eine Zamboniscbe Säule auf konstantes
Potential geladen; das nicht geerdete Qaadrantenpaar war mittels einer
Batterie ebenfalls aof konstantem kleinem Potential geladen; die Wasser-
atoffplatte des Akkomolaton bewirkte eine Veränderung des Ausschlages
der Nadel, der 1— 2>^ dei uriprAnglichen Ausschlages betrug (Abstand
des Ablesefernrohrs mit Skala vom Qaadrantenelektrometer 2*5 m; Aus-
schlag infolge der Ladung der Nadel 200—220 mm ; Vermindernng des
Aassehlages durch die Akknmnlatorplatte 2—5 mm).
810 M. Ebeling, Lohrbaeh d«r Chtmie and Minendogie» ang. ▼. J. A. Kaü,
eine dominierende Bolle Spieles wflrde. Der TerL hat Ten Staod-
pnokte der Badioaktif itftt nnd der ElektroneDtheorie ans diese Kon-
sequenzen bis znr äofiersten Grenze Terfolgt, nnd in klarer nnd
faßlicher Welse dargestellt, nnd sich dadurch jedenfalls nm die
Vertiefnng nndiTerbreitnng des Stndinms dieses intereeeanten Teiles
der Naturwissenschaft ein großes Yerdieset erworben.
Wien. N. Herz.
Dr. Max Ebeling, Lehrbuch der Chemie und Mineralogie.
Fflr höhere Lehranitalten. Zweiter Teil: «Organische Chemie". Mit
63 Abbildungen und einer farbigen Tafel. Berlin, Weidmannecbe Becb-
bandlnng 1906. 80S S8. go. Preis 2 Hk. 80 Pf.
Im Jahre 1902 hat der Verf. im Vorwort zum ersten Teile
versprochen: „Aasgewählte Abschnitte der organischea Chesie
werden als 2. Teil dieses Lehrbuches rechtzeitig erscheinen.*' BeL
hat dem Erscheinen dieses zweiten Teiles mit Sehnsucht entgegen-
gesehen; nach drei Jahren ist derselbe endlich erschienen! Der
Yorf. hat auch in diesem organischen Teile »die Technik ausfuhr*
lieber berflcksichtigt als dies sonst in den für Schalen beetimiatea
Lehrbüchern üblich ist".
Darin ist nun der Terf. nach des Bef. Meinung wohl etwas
zu weit gegangen; so kann, um nur ein Beispiel zu geben, das
Ober Alkoholindostrie Gebotene an einer Bealschule absolut nicht
mit Erfolg durchgearbeitet werden.
Die Ausstattung des Büchleins ist wieder eine ansgeseidi-
nete, sowohl was Papier nnd Druck, als auch was Abbildongea
— 63 an der Zahl — anbehingt.
Dem historischen Momente wird aUerorts gebührend Beg-
ann g getragen, epochemachende Erfindungen werden auch seitüeh
genügend gewürdigt: man lese z. B. Liebigs Methode der Analjse
organischer Körper nachl
Die theoretischen Erörterungen werden in überaus Uarer
Weise vorgetragen, sind aber auf ein Minimum beschränkt; sehr
bald wird mit der Betrachtung des Tatsachenmaterials begonnen,
wobei auch sofort kleine Versuche angestellt werden.
Bei jeder Gruppenverbindung werden eingangs des betreffen-
den Abschnittes die wichtigsten Eonstanten der Glieder diesar
Gruppe tabellarisch zusammengestellt. Das wichtigste Glie<i«Dflr
jeden Gruppe aber wird sodann ausführlicher behandelt.
Was die Aufeinanderfolge der Gruppen betrifft, so werden
zuerst die Eohlenwasserstoffia, dann die Alkohole usw. behandelt,
ee werden also nicht die Abkömmlinge einer Yerbindung nsek-
einander abgetan. Hiebe! wird, wo es angeht, ans schrittweise
studierten Reaktionen auf den Bau des Moleküls geschlossen, die
M. Ebeling, Lehrboch der Chemi« und Minoralogie, aag. v« J. Ä, Kaü. 81 1
Sichtigkeit des Schlusses aber durch die Art der Synthese des be*
treffenden Stoffes erhärtet (z. B. Methylalkohol).
Im allgemeinen ist es in sachlicher und in stUistischer Hin-
sicht ein Vergnügen, das Bach durchzuarbeiten. Dem analytischen
Moment wird fast überall entsiurechend Rechnung getragen, wobei
auf den 1. Teil des Wei'kee vielfach hingewiesen wird.
Den Schluß des Buches bildet eine Tabelle über ,»die wich-
tigsttti Nahrungsmittel'' nach König: „Chemie der menschlichen
Nahrongi- und Genußmittel " (3. Auflage. Berlin 1889) und eine
kolorierte Tafel über „Nährwert der Nahrungsmittel** nach Ale-
xander Müller. So yiel im allgemeinen. Im besonderen ist lobens*
wert: 1. daß als Vertreter der verschiedenen Gruppen organischer
Verbindungen gleich einleitungsweise fast nur solche angegeben
werden, welche aus der gewöhnlichen Praxis schon bekannt sind;
2. daß anlaßlich der Ermittelung der Molekularformel eine größere
Menge von Verbindungen angegeben wird, welche der empyrischen
Formel CH^O entsprechen, Verbindungen, die dem Schüler mehr
minder bekannt sein können; 3. die Aufnahme der «Bestimmung
des Molekulargewichtes aus der Erniedrigung des Gefrierpunktes''
in recht ausführlicher und faßlicher Form ; 4. die Angabe über Hefe-
reinzucbt; 5. zweckmäßig eingerichtete kurze Wiederholung nach
Absolvierung eines größeren Gebietes; 6. die Ausführung über
„stereochemische Isomerie" anläßlich des Abschnittes über die
Hilchsänre; 7. das über die verschiedenen Arten der Weinsäuren
Gesagte und die Erklärung ihres verschiedenen optischen Verhaltens;
8. die etwas ausführliche und durchaus wissenschaftliche Angabe
über Indigo usw. usw.
„Der experimentelle Teil der organischen Chemie ist in den
SchuUehrbüchem bisher meist ziemlich sti^mütterlich behandelt
worden. Daher wird die ausführliche Angabe von 72 Versuchen,
in denen die Darstellung der wichtigsten organischen Verbindungen
und ihre Hauptreaktionen behandelt sind, auch dem Lehrer will-
kommen sein.'' Die Versuche sind im Gesamtstoff ziemlich gleich-
mäßig Terteilt; das ist natürlich zu loben. Viele Versuche sind
auch während der Unterrichtsstunde gut ausführbar und zu diesem
Zwecke gut beschrieben; nur diese Versuche haben aber für den
Unterricht selbst Wert. Viele andere können beim Unterricht
höchstens beschrieben werden; ihre Durchführung verlangt mehrere,
oft sogar viele Stunden Zeit!
Neben unleugbaren Vorzügen weist der vorb'egende zweite
Teil einige Mängel auf, die bei einer Neuauflage verbessert werden
sollten: 8. 10, A. 2 heißt es: „Die Flüssigkeit richtet sich nach
der zn bestimmenden Substanz, da ihr Siedepunkt höher (ungefähr
30^) liegen muß, als der der letzteren.** S. 11, vi. A.: „Eisessig,
der bei 11^ erstarrt.** S. 21, A. 3: „Das Propan .... bildet
sich durch Einwirken von Jodwasserstoff auf Glyzerin: C^H^O^
+ 6Hzs C^H^ + ZH^O." Bef. findet, daß diese Notiz für den
812 Hemmelmayr-Bruwnert Chemie and Mineralogiev ang. v. F.NoL
Schfller nicht ohneweiters Terständlich sei. S. 29, A. 2 sollte an-
gegeben werden, unter welchen Umständen sich die Kohlenwasser-
stoffe der Azetylenreihe „bei der Addition . . entweder mit 2 oder
mit 4 Atomen Wasserstoff oder Halogen" yerbinden können. S. 35,
1. A. wird Tom Chloroform aasgesagt : „am Lichte zersetzt es sich
leicht. * S. 38, A. 1: „Die niedrigen Glieder (der Alkohole, Bef.)
besitzen weingeistartigen Charakter, die mittleren, von C^ an,
einen unangenehmen, faseligen Gerach. " S. 38, A. 2: „Die Essig-
säare wird durch Behandlang mit Kalk entfernt, der etwa lOjI^ige
Holzgeist . . gereinigt*'. Da mußte doch angegeben werden, wie
der Holzgeist vom essigsauren Kalk getrennt wird. 8. 39, A 1:
Methylalkohol . . . „löst Fette" und „findet technische Anwendung
... zur Herstellung der Wickersheimerschen Fldssigkeit . . . ". Ohn«
jede weitere Angabe! 8.42, A. 2 ..Äthylalkohol „TorzQgliches
Lösungsmittel fQr Harze und öle*. 8. 61 wurde die Angabe f er-
gessen, daß die Bier-Lagerfässer ausgepicht sein müssen u. a. dl
In Betreff der Nameu gebung wiU dem Bef. nicht ge&llen,
daß für Eohlendiozyd an mehreren Stellen, so 8. 5, L A., ebenso
8. 6, A. 2 und 3 Kohlensäure gebraucht, daß von „Atzkalinm*
gesprochen (8. 36, A. 2) und daß das Wort „Alkohyd'' von «Al-
kohol dehydrogenatum*" abgeleitet wird (S. 75, A. 3).
Der 8til ist so gut und sch6n wie im ersten Teile. Einii^
Verstöße kOnnen leicht verbessert werden. 8o 8. 20, A. 2; S. 28,
A. 8; 8. 35, Versuch 8; 8. 53, 1. A.; 8. 69, 1. A.; 8. 94, A. 4;
8. 109, A. 2; 8. 111, l. A.; 8. 134, A. 3; 8. 152, A. 4.
In der Orthographie der Fremdnamen ist nicht durchaus
konsequent verfahren worden; vgl. Schreibungen wie: Octue,
Dodecan (S. 18), . Octylen, Decylen, Ceroten (S. 26), Acetyleo,
Crotouylen (8. 28), BLeinusöl und Buttersäuregly^erylester (S. 88,
89), iTaUriumtartrat und ChlorArakium (8. 101), EaLnumatzii
(8. 103), SalLsylsäure (8. 164)
Wien. Job. A. Kall.
Chemie und Mineralogie fOr die vierte Klasse der Bealsehftleik Vob
Hemmelmayr-BrnDDer. Dritte Auflage. Wien 1906, F. Taopskj.
Ein gutes, sehr inhaltsreiches Buch. Auch den methodischKi
Anforderungen suchen die Verfasser nach Möglichkeit gerecht n
werden. Das Buch ist ja nicht neu und in Fachkreisen gut a&*
geschrieben. Nur der Titel sollte geändert werden. Jetzt heifit er:
„Chemie und Mineralogie". Von letzterer ist aber im Texte so
wenig und so wenig ansprechend die Bede, daß der Titel eot-
schieden nicht zum Inhalte paßt. Die alte Klage l Mineralogie ond
Chemie sind eben zwei Wissenschaften und es wird nie geUngeD)
beide in einem ünterrichtskurse gleichwertig zu behandeln. D&ß
die Herren von der Bealschule dieses mineralogische Defizit weniger
J. BuMka^ GaologiKbe Streififige ww.» aog. ▼• H. Commmda, 813
empfinden, ist zu begreifen; sie yerfttgen in der YII. Klasse noch
Aber einen ausreichenden mineralogischen Unterricht, nar möge
der Himmel das Gymnasium vor einer solchen Y^rquickong von
Chemie nnd Mineralogie bewahren.
Wien. Dr. Franz Noe.
Prof. Dr. Julius Buska, Geologische Streifzflge in Heidelbergs
Umgebung. Leiptig, E. Nägele 1908. XI und 208 SS. Gr.-8o.
Der Fachwelt ist der Name des Autors als unermfldlichen
Vorkämpfers fQr eine moderne Ausgestaltung des mineralogisch-
geologischen Unterrichtes an den deutschen Mittelschulen im Sinne
einer möglichsten Vertiefung der Anschauung und der Basierung
des Unterrichtes auf jenen Erkenntnissen, die sich bei planmäßigen
Exkursionen in der Heimat gewinnen lassen, insbesonders aus
mehreren Aufsätzen in „Natur und Schule'' bestens bekannt.
Der vorliegende Fflhrer wendet sich an alle Naturfreunde,
die .Alt-Heidelberg die Feine, die Stadt an Ehren reich"* in ihrer
ganzen Schönheit und Eigenart aus deren geographischer Lage
und dem Aufbaue des Bodens ihrer Umgebung sich erschließen
möchten, nnd einen solchen Fflhrer bei Streifzügen in die Umge-
bung gewiß willkommen heißen. Wie in der Schule will der Verf.
in erster Linie zum Beobachten anleiten, eine einzige wirkliche
Exkursion, wäre es auch nur in die nächste Kiesgrube, erscheint
ihm fär das Verständnis geologischer Vorgänge fruchtbarer als
BQcherstudium ohne eigene Anschauung. Indem die planmäßig
ansgewählten und genau beschriebenen Exkursionen in den Mittel-
punkt gestellt werden, ist es unter geschickter Verwertung der
hei der Betrachtung des Geländes Aber geognostische Vorkommnisse
eingestreuten Erläuterungen möglich, ohne Voraussetzung besonderer
mineralogischer oder geologischer Kenntnisse den Aufbau und die
Zusammensetzung der Landschaft an konkreten Beispielen zu ent-
wickehi, und die erdgeschichtlichen Vorgänge, durch deren Auf-
einanderfolge der landschaftliche Charakter des herrlichen Stadt-
bildes und seiner Umgebung bestimmt wurde, zu einer Bildungs-
geschichte des ganzen oberrheinischen Gebirgssystems zu erweitern.
Der Inhalt gliedert sich in einen einführenden Abschnitt
Aber die geographische Lage der Stadt, die Landschaft im Wechsel
der Jahreszeiten und die Besiedlungsgeschichte, der knapp die
Charakteristik der Aufgabe der geologischen Forschung beigefügt
ist, und zehn Kapitel, Ton denen die ersten acht Exkursionen
schildern, während in den Kap. 9 und 10 der Einbruch des ober-
rheinischen Tieflandes und so die Entstehung des heutigen Land-
schaftsbildes skizziert wird, dem dann die Bildungen der Diluyial-
zeit nnd die Werke des Menschen die letzte Betonche geben.
814 J. Buska, Geologitehe Straifsllge usw., ang. v. H. OomtuHda.
Schon in der ersten ümBChaa nnd Begrenzung der Autgibe,
in dem er von der Friedricbsbrücke ans den Leser sieh in der
Landschaft orientieren läßt, zeigt sich der Aator dnrcb die weise
Beschränkung auf die dem Zwecke des Buches dienenden Hauptsachen
als Meister des Stoffes, der ihn sowohl wissenschaftlich grflndlich
in sich ?erarbeitet, als auch praktisch aus reicher Erfahrung sich
zurecht gelegt hat. Die einzelnen Exkursionen dienen der Samm-
lung Ton Erfahrungen mit dem Zwecke der Übertragung derselben
zur Erkenntnis weiterer Gebiete. So wird das Kap. 2 zur Ent-
wicklung der Grundbegriffe: Grund- und Deckgebirge benfltzt
wobei die wichtigsten Bestandmineralien geschickt erörtert werden,
im Kap. 3 witxi in Form eines Ausfluges nach Weinheim der
kristalline Odenwald geschildert und die nötigen Kenntnisse über
skzessorische Mineralien passend erarbeitet. In dem nächsten
Kapitel wird mittels eines Ausfluges ins Schriesheimertal dss
Botliegende mit den Porphjrrorkommnissen und der Wirkung der
Erosion, im Kap. 5 aber der Zechstein gelegentlich eines Ausflug»
ins Maasbachtal abgehandelt.
Kommen hier einige Grundlehren über die Bildung und Um-
bildung der Sedimentgesteine zur Darstellung, so schildert ein
Ausflug nach Neckargemünd den Buntsandstein, seine Herleitong
nnd Verbreitung, in sehr instruktiver Weise, und die Kapitel 7
und 8 den Muschelkalk, Keuper und Jura am Neckargebiet und
•der Gegend von Sauenberg bis Mulsch. Hier findet die Lagerung»*
lehre und Tersteinerungskunde besondere Berücksichtigung.
Ist so die geologische Formenlehre entsprechend vorgeführt
und erläutert, so verwerten und verweben die Schlußk^itel die
erzielten Kenntnisse zum Verständnisse des größten geologisches
Ereignisses im außeralpinen Süddentschlaud, der Bildung des ober-
rheinischen Grabens und der seit der Tertiärzeit erfolgten Über-
schfittung desselben mit den Anschwemmungen des Bheins and
seiner Nebenflüsse.
Die schließlichen Literaturnachweise ermöglichen es den-
jenigen, welcher m einzelne Erscheinungen oder Probleme noch
weiter sich vertiefen will, rasch an die richtigen WisseaBquellen
zu gelangen.
Das Buch ist in Papier, Druck und Einband von der Ver-
lagsbuchhandlung vornehm ausgestattet und enthält 139 Abbil-
dungen, Profile und Karten, erstere meist von Schülern nsd
Erounden des Autors, letztere von ihm selbst stammend. Die meisteB
Abbildungen dienen dem Buche nicht nur zur Erläuterung, senden
auch zum Schmucke, recht sauber und instruktiv sind die Kartei-
«kizzen mit Schichten in Rot» und Formationsgrensen in Sehwtn^
druck, auf der geologischen Karte der weiteren Umgebung ieUt
die Legende, allerdings sind bereits drei Karten mit meist aittlogeo
Zeichen vorausgegangen.
S. Landtberg u, a., Katar und Sehule, ang^. ▼. T. F. Hanatiseh, 815
Ein solches Bach spricht besser als laDgatmipe Erörternngen
Ar die Berechtigniig der Geologie, auf der Oberstufe aller höheren
Schulen gelehrt za werden. Ähnliche Bestrebungen regen sich ja
nun allerorten, wo sach- und ortskundige Lehrer sich die Aus-
gestaltung des natnrgeschichtlicfaen Unterrichtes zu wirklichem
Sachwissen angelegen sein lassen. Es ist dem Autor und der
Heidelberger Anstalt wie der Verlagsanstalt zu dem schönen
Werke, das vielfach Schule machen dürfte, zu gratulieren, freilich
koBimt die Umgebung hier den Zwecken desselben in einem Grade
entgegen, wie er selten anderswo erreicht werden dflrfte, aber doch
ab und zu, wie z. B. bei uns in Salzburg und Innsbruck. Möchten
dort berufene Fachleute wie Prof. Fngger und Dalla-Torre mit
analogen Arbeiten uns erfreuen, welche der Schule und allen Natur-
ft^onden zum Nutzen und einer rflhrigen Verlagsanstalt gewiiS
nicht zum Schaden gereichen dürften!
Linz. H. Gommenda.
Natur und Schule« Zeitschrift fQr den geaamten natarkandlichen
Unterrieht aller Schiüen. Heraosgegeben yod B. Landeberg, 0.
Sobmeil, B. Sehmid. IV. Band. Mit 110 Textabbildungen und
16 Abbildungen auf einer Doppeitafel. Berlin and Leipzig, Veriag
Ton B. G. Teubner 1907. VIII und 568 SS. Lex. 80.- Preis 12 Mark.
Diese yorzügliche Zeitschrift, die wir seit ihrem Erscheinen
an diesem Orte besprochen haben — der yortrefflichen Leitung
und gehalü'eichen und vielseitigen Inhalte konnte nur reiches Lob
gespendet werden — hat mit diesem Bande ihr Dasein abge-
schlossen; nach einer Mitteilung des Verlegers mußte sie „infolge
groBer Meinungsyerschiedenheit in der Redaktion, die ein ferneres
Zusammenarbeiten durchaus unmöglich machen "", zu erscheinen
aufhören. Das Eingehen dieser Zeitschrift, die in der Tat in
kurzer Zeit ein Mittelpunkt für den naturwissenschaftlichen Unter-
richt und die gesamte naturwissenschaftliche Unterrichtsbewegnng
geworden ist, w&re lebhaft zu bedauern, wenn nicht zwei der
Hsrausgeber, die Professoren Landsberg und Dr. Sehmid, sich
entschlossen hätten, ein neues Organ herauszugeben, das dem-
selben Programm wie „Natur und Schule*' dienen wird.
Gleich den früheren B&nden hat auch der letzte eine Fülle
von interessanten Artikeln, sowohl rein wissenschaftlichen Inhalts,
als auch über das gesamte naturkundliche Unterrichtswesen. Vor
allem soll hier auf einen Aufsatz von L. Wunder n^oterrichts-
ergebnisse" (S. 433 — 440) aufmerksam gemacht werden, dessen
Lektüre allen Schulmännern empfohlen wird. Der Verf. wendet
sich dagegen, daß die Schüler fünf Stunden im Tage stillsitzen
und in jeder Stunde einem anderen Gegenstande die Aufmerksam*
keit schenken müssen. Es sei hier der Einwurf einer gewissen
816 B. Landaber g u. a,, Natur and Schule, ang. ▼. T. JFl Hanausek.
Einseitigkeit in der Anschauung des Yerf.s gestattet, er vergißt
nämlich die mächtige Bezeptionsfähigkeit and die Elastizität des
jugendlichen Gehirnes, dem die Abwechslung kein so großer Schaden
ist, wie der Verf. meint. Doch hören wir weiter: ^£r hat fünf
Stunden stillsitzen müssen und das Ergebnis ist ein yerwinter
£opf. Aber neben diesem greifbaren Besultat schlummert im Keim
ein Schaden schlimmerer Art. Wenn ein Werk, und sei es das
einfachste, Zustandekommen soll, so fordert es in erster Linie Aob-
dauer, Willenskraft. Diese ist*s, die wir im letzten Grunde an Helden-
leistungen bewundem , was soll man aber dazu sagen, dafi
in der modernen Schule der Knabe gezwungen wird, während eines
einzigen Vormittags den Gegenstand seiner Arbeit drei- bis fänfinal
zu wechseln? Er wird gezwungen, jeden der drei bis fünf unter-
richtsgegenstände nur oberflächlich zu betasten Daß diese
Schule nicht die Ausdauer und Willensstärke fördert, ist klar, daß
sie willensschwache Schüler zu mechanischen Maschinen macht, daß
sie willensstarke Knaben langsam und sicher lähmt, ist leider klar".
— In seiner Schule wird der Verf. der doppelten Forderung, die
Zersplitterung in verschiedene, zusammenhangslose Lehrgegenstände
zu vermeiden und die praktische Selbsttätigkeit der Knaben in
Werkstätte und Laboratorium zu fördern, in der Weise gerecht,
daß er den ganzen naturwissenschaftlichen Unterricht in dem Um-
fange, wie er an einer preußischen Oberrealschule erteilt wird, za
einem Lehrgegenstand ^) zusammenfaßt und mit praktischer Schüler-
arbeit verbindet. Die Erfolge sollen nach Mitteilungen des Yerts
sehr ermutigende sein.
Aus der Beihe der wissenschaftlichen Aufsätze sollen fol-
gende hervorgehoben werden : Über die pflanzengeographischen Ver-
hältnisse der subantarktischen Inseln, eine hochinteressante Arbeit
von Schenck, bringt M. Möbius ein mit Abbildungen versehenes
Referat. Die «naturwissenschaftlichen Irrtümer in der Sprache"
behandelt J. Heiuzerling (S. 49): es werden Blindschleiche,
Wasserläufer, Ohrwurm, Mauerschwalbe, Neuntöter usw. besprochen.
Bei uns bedeutet „Unke" die Feuerkröte, im Siegerland wird die
Bingelnatter „Unke*' genannt. Das aktuelle Thema: , Scheinbar
lebende flüssige Kristalle'' hat 0. Lehmann nach seinem Yor-
trage in der Natuiforscherversammlung in Stuttgart bearbeitet.
Von F. Ludwig rührt der Aufsatz über die Milbenfauna der Kise
(S. 170), von Karl Kautzsch die physiologisch interessante and
hygienisch bedeutsame Arbeit: „Worauf beruht unser Kochsals-
bedürfnis?'' (S. 356) her; für das , Bestimmen der Vögel nadi
ihren Stimmen" erteilt B. Seidler praktische Winke (S. 200); der
*) In ähnlicher and sehr frochtbringender Weiie wurde der g^
samte natarwiBseDschaftliche Unterrieht an der ehemaligen dreiklainf«&
höheren Töchterschule des ScbnlvereiDS für Beamtentochter in Wies er-
teilt, der neben den wissenichaftlichen Grandlagen haupteiehlich dtf
praktiiche Moment berflckaichtigte.
«. Graff, Dm 8obm«rotiertam im Tienrekh usw., aog. ▼. B. ViOtorf. 817
hübsche Anfisatz sollte auch ßchfllern allgemein zugänglich sein
und yjelleicht enischliellt sich der Autor, eine kleine, billige Schrift
fflr Schalen im Buchhandel erscheinen zu lassen. Ein mechanisch-
physiologisches Problem — «Wie öffinen sich die Staubbeutel dei*
bedecktsamigen Pflanzen?*' — behandelt Otto Damm (S. 491);
nach Kritisierung der einzelnen Theorien kommt er nach seinen
eigenen Untersuchungen zu dem Besnltat, daß neben der (selten
auftretenden) Eohfisionswirkung Yomehmlich die Schrumpfung der
Bank- und GriffiEellen als die Ursache des öffiaens anzusehen ist.
Umfangreiche Aufisatze behandeln die Reformbestrebungen
auf dem Oebiete des naturwissenschaftUohen und geographischen
Unterrichtes in Frankreich, die Ausbildung der Lehrer, den Unter-
richt in der Geologie und verwandten Fftchem (sehr lesenswert I),
die Anleitung zu SchuWersuchen mit drahtloser Telegraphie, den
Betrieb physikalischer Schfllerflbungen in der lY. Klasse einer
österreichischen Bealschüle (von Ernst Kall er in Wien) u. v. a.
Das Schlußheft enthält den Bericht Aber die Einrichtungen fOr den
naturwissenschaftlichen Unterricht in den höheren Lehranstalten
Preußens, erstattet von der Unterrichtskommission der Gesellschaft
deutscher Naturforscher und Ärzte.
Krems. Dr. T. F. Hanausek.
L. von Graff, Das Schmarotzertum im Tierreich und seine
Bedeutung fftr die Artbildung. Leipzig, Verlag von QaeUe k
Meyer 1907.
Die Sammlung „Wissenschaft und Bildung", welche die Er-
gebnisse wissenschaftlicher Forschung aus aUen Wissensgebieten
aus der Feder der tflchtigsten Gelehrten bringt, bietet in dem
vorliegenden BQchlein im wesentlichen den Inhalt jener Yortr&ge,
welche Prof. von Graff im Jahre 1905 bei den Ferialfortbildungs-
kursen in Graz und im Jahre 1906 in Salzburg gehalten hat.
Nach einer allgemeinen Einleitung geht der Verf. auf die spezielle
Naturgeschichte der Parasiten aus dem Stamme der Urtiere,
Wflrmer und Weichtiere ein, erörtert den Einfluß, den das
Schmarotzertum auf den Parasiten selbst ausübt, femer die Ent-
stehung der heutigen Formen, die Zweckmäßigkeit des Parasitismus
und dessen Stellung in der Biologie der Tiere. Eine tabeUarische
Übersicht der auf dem' Menschen schmarotzenden Parasiten be-
schließt das recht lehrreiche Büchlein.
B. Oiesenhagen, Befruchtung und Vererbung im Pflanzen-
reiche. Mit 81 Abbildungen. Leipzig, Verlag von QaeUe ft M^yer
1907.
Das vorliegende Buch erschien in der Sammlung .Wissen-
schaft und Bildung". Die in demselben wiedergegebenen Anschau-
MtMkrifl f. d. tetarr. GymB. 1908. VUI. n. IX. H«fl. 52
818 0. EÜlpef Die Philosophie der Gegenwart osw.« ang. t. ä. t. LicUnr,
ungea Aber Befmchtang und Yererbong im Pflanzenreiche worden
vor einem größeren ZnbOrerkreise zuerst im Mfinchener Yolkshoch-
scholyereine entwickelt. Der Verf. behandelt im ersten Abschnitte
die Tegetatiye Yermehrang durch Stecklinge, Ableger, AnsÜafer,
Bmtknospen, Zwiebeln, BmtkOrperchen, KeimkOmer nnd geht daui
über znr Besprechung der Yorg&nge, durch die eine artgleiche
Nachkommenschaft erzielt wird, zur Yermehrung dnrch Gameten
oder GeschlechtszeUen. Er schildert sehr anschaulich die Befrnch-
tungSTorgftnge bei den Grflnalgen, Moosen, Famen, Gymnospermen
und Angiospermen. Yiele andere ungemein interessante Kapitel,
welche mit der Yermehrung nnd Yererbnng zusammenhingen,
findet der Fachmann in dem lehrreichen Buche, das sich auch
durch gediegene Ausstattung bestens empfiehlt.
Wien. H. Yieltorf.
Oswald Eülpe, Die Philosophie der Gegenwart in Deutsch-
land. 8., Terb. Aufl. Leipzig, Tenbner 1905. 125 Sa (41. Biaddüs
der Sammlung «Aue Natur nnd Geisteawelt'*).
Der rflhmlich bekannte Schüler Wnndts bietet in dem Bftch*
lein eine Charakteristik der Hauptricbtungen der gegenwftrtig«
Philosophie in Deutschland nach Yortr&gen» die er 1901 im Ferien*
kurs fflr Lehrer zu Wflrzburg gehalten hat. Eine kurze Einleitung
bestimmt die Aufgabe der Darstellung und das Yerh<nis der Philo-
sophie zu den Einzelwissenschaften. Daran schließt sich die Cht-
rakteristik der Tier Hauptricbtungen des Philosophierens. Ak
solche gelten dem Yerf. der Positivismus (Mach, Dnhring)^
der Materialismus (Ha e ekel), der Naturalismus (Nietzsche)
und der Idealismus, reote der metaphysische Idealismus (Feehner,
Lotze, E. T. Hartmann, Wundt). In den Schlußbemerkuflgtn
wird aus einer Gesamtftbersicbt die Aufgabe einer PhQosophie der
Zukunft gefolgert.
Mit Glftck war K. bestrebt, bei seiner Darstellung den strengen
Schuljargon fernzuhalten; ob aber deshalb beim Leser das blaßt
Interesse als Yorbedingung des Yerständnissee ausreicht, ist mir bei
der ungemein komprimierten Gedankenentwicklung zweifelhaft L
stellt sich (8. 117) eine gar hohe Aufgabe, wenn er auf knapp acht
Druckbogen darauf ausgeht, „nicht das Denken seiner Leser n
bestimmen und zu fessehi (d. h. hier wohl 'in Fesseln zu schlagen),
sondern Aber die gegenw&rtige T&tigkeit auf philosophischem Ge-
biete zu orientieren und zum eigenen selbständigen Urteüea aai
W&hlen anzuregen^. Nach E. steuert die jetzige Bewegung uot-
wendig auf eine Erneuerung des Bationalismus zu, „insefara
dem Denken flberhaupt FAhigkeit und Berechtiguig zugestand«
wird, BealitAten zu setzen und zu bestimmen''. (Das ist ja sbir
A. Hühh Gesehiebte des Unterr. im Stifte Schottes, ang. ▼. K. Fitehs, 819
eben das punctum taluns jeder beeoDoenen Erkenntistheorie nnd
wird wohl für alle Zeiten ein Streitponkt sein.) Nicht Kant sei
der eigentliche Gegner der Wiederanfrichtang des Bationalismns^
Bondern der PositiTismua im Sinne Machs, der in der Wirklichkeit
der nomittelbaren Erfahmng alle Gegenstftndliehkeit einer realwis«
Benscbaftllchen Erkenntnis beschlossen siebt. nE^ioe gründliche Ans-
einaodersetznng mit dieser Bichtnng, die wir den Wirklichkeits-
standpunkt nennen können, ist daher ffir den nenen Rationalismus
nnamg&nglicb." Sehr beachtenswert ist E.s Hinweis darauf, daß
einem solchen Neo-Bationalismns zwei Tatsachen als feste Stfltze
dienen, das fremde Seelenleben und die geschrchtliohen
Bealitftten. Leider kann an diesem Orte weder anf diesen wich-
tigen Pnnkt, noch anf anderes Einzelne n&ber eingegangen werden.
Nur drei kurze Bemerkungen mögen noch ihre Stelle finden.
Der hohen Bedeutung, die hier dem Mach sehen Denken bei-
gemessen wird, entspricht nicht ganz die allzu knappe Darstellung
der Anschauungen des originellen Denkers, der leider selbst oft
genug durch seine kompresse oder aphoristische Ausdrucksweise
die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine harte Probe stellt. —
Wahrhaft wohltuend wirkt die warme Anerkennung, welche E.
seinem großen Meister, „dem Leibniz der Gegenwart", zollt, ohne
deshalb in enkomiastische Oberschwftnglichkeit zu Terfallen und auf
jegliche Kritik zu Terzichten. — Anf S. 110 ff. ist E. bemüht, die
Anschauung zu widerlegen, daß die „innere Wahrnehmung*' ihre
Objekte in ihrem Ansich erfasse, w&hrend dies der „äußeren Wahr-
nehmung" Tersagt ist Die Argumente dagegen Terwerten ganz
richtige Beobachtungen, treffen aber den Eernpunkt des Problems
nicht Das Ansich der ersteren Objekte mag immerhin erst ein-
dringender Analyse erreichbar sein, zugänglich bleiben sie prin-
zipiell doch unter allen Umständen als ein im Bewußtsein Ge-
gebenes. Das Ansich der Objekte der „äußeren Wahrnehmung" hin-
gegen ist und bleibt wohl für alle Zeiten die crux jeder meta-
pbysikfreundlichen Erkenntnistheorie.
S. 110, 2. Z. V. u. ist statt ^physischen" zu lesen: ipsy-
chischen".
Wien. Ant. v. Leclair.
Dr. Albert Hfibl, Oescbichte des Unterrichtes im Stitte
Schotten in Wien. Wien, Carl Fromme ^1907.
Die anläßlich des hunder^ährigen Jubiläums des Wiener
Schottengymnasiums (9. NoTomber d. J.) Ton dem Professor und
Stiftsbibliothekar Albert Hflbl verfaßte Festschrift, ein stattlicher
Band von 885 Quartseiten, behandelt nicht nur das neue, unter
Eaiser Franz 1807 begründete Gymnasium, sondern auch die mehr«
52*
A. R^\, Geschiebte des Unterr. im Stifte Schotten, ang. v. K, fWI^.
hBOder^'&hrige Yorgescbiehte des Werkes der Erüehiiog und des
Unterrichtes dacelbstt das bis in die Zeit binaafreicbtf da Heioricb
Jasomirgott die bibernisch - scbottlscben Mönche aas dem Matter-
banse von St. Emmoran in fiegensbnrg nach Wien anf den Plati
n&cbst der Freynng, den das Kloster noch hento besitzt, berief
(1178).
Die Mönche richteten sich im Sinne ihrer Hanaordnnng« der
Regel des hl. Benedikt von Nnrsia, wahrscheinlich gleich anCsogi
eine Klostersohnle ein» deren Bestand durch Stiftbriefe ans
dem Beginn dee XIV. Jahrhunderts genan nachzuweisen ist Wie
alle anderen Wiener Schalen war sie der Domschnle von St Stefto
nntergeordnet Vollends, als mit Nikolaus von Bespitz der
erste einheimische, deutsche Abt an die Spitze des Ordens trat
(1418), erhielt Kloster nnd Schule seine engen Beziehungen ni
Wien und den Wienern, die seitdem immer mehr gefestigt wardeo.
In den Tagen des ritterlichen Kaisers Maximilian, da mit Eonrad
Celtis der Hnmanismns siegreich in die hohe Schale Wiens einzog
nnd die flberlebte Scholastik verdrftngte, standen die Schotten auf
Seiten des nenen Zeitgeistes und mehrere derselben bekleideten hobt
akademische Worden ; die vorteilhaften Einflüsse der bnmanistiseheo
Bicbtnng auf die Schottenschnle wurden unter den Äbten JohsDO
von Krembnitz (t 1518) und Benedictus Cbelidoniot
(t 1521), dem Nflrnberger Gelehrten und Freunde Wilibald Pirk-
heimers, lebendig. Gbelidonins dürfte unter dem Einflüsse dea Kaisert
selbst nach Wien berufen worden sein. Selbst die Türkennot de«
Jahres 1529 und der im XVI. Jahrhundert allenthalben in ö^ttf-
reichischen Schulen eindringende Protestantismus konnte die Fort-
entwicklung der Schottenschnle nicht hemmen; hier warsn stiU
festbesoldete 'schulmaister' bestellt, die jeweilig durch lange Jsbre
ununterbrochen ihres Amtes walteten, während man sonst unznrar-
lässigen, stets wechselnden Lehrern an den Schulen begegnet
Während der Gegenreformation waren die Schotten stiller, geräosck-
loser Arbeit in ihrem Kreise ergeben. Ungefähr von 15S8 — 1550
wirkte hier als 'schnlmaister' der biedere Oberpfälzer Wolfgso^
Scbmältzl, der Verfasser des 'Lobspruchs der Stadt Wien', der
hier im Schottenstift, wie er selbst erzählt, nach langer Wanderaog
seine 'Scbmalzgrnb' und in Wien seine zweite, vielgeliebte Heimat
fand. Eine Unterbrechung erlitt der Betrieb in der Schottenscbol«
durch die verheerende Pest im Jahre 1679 und die zweite Tflrksn-
belagernng im Jahre 1683.
Abt Karl Fetz er rief erst um 1720 wieder ein GyrnntsitD»
wahrscheinlich verbunden mit einem Adelskonvikte, ins Leben, das
jedoch schon um 1740 infolge der Kriegsnot unter Maria Thtrsii»
aufgelassen werden mußte. Kleinbürgerlichen Elementen war dieit
nur für die Söhne hervorragender Familien bestimmte Anstalt s*
gut wie vereohlossen ; wohl aber erblühte bei den Schotten dsaeb
der durch die große Kaiserin geförderte Volksachnlunterrieht. Das
F, iL Schmidt u. a., SehOnheit und Ojmnuiik, sog. t. J. Pawel 831
OjmnMmiD das Abtea Karl war dnreb das Bestreben m^glicbster
VerTollkommiiDg im Oebraii€be des Lateiniscben in Wort nnd Schrift
(^per/eda eloguenüd') gekeanzeicbnet, welohem Zweck auch die
Anfffibrnng gelehrter ScbnlkomOdien zu festlichen Zeiten des Jahres
diente.
Als nnter Kaiser Franz das Streben zntage trat, das Mittel*
Schulwesen durch Heranziehung der Orden zur Arbeit des Unter-
richtes zn verjüngen, wnrde dem Schottenabte BennoPointner
nahegelegt (1806)« in seinem Ordensbanse ein Gymnasium zu er-
richten. Nach längeren Bedenken gab der Abt nach und der Schul-
bau, der auch heute noch besteht, wnrde 1807 vollendet. Am
4. November wurde das Gymnasium feierlich eröffnet, am 8« No-
vember begann der regelmäßige Unterricht Damals bestand das
Gymnasium aus den vier Grammatikaiklassen, denen bald zwei Hn-
manit&tsklassen und in der Folge zwei philosophische Jahrgänge
hinzugefügt wurden« die jedoch in den Bereich der Hocbscbnle ein-
bezogen wurden. Durch die Beform der Gymnasien im Jahre 1848
wurde wie anderwärts das Schottengymnasium in ein achtklassiges
mit Maturitätsprüfung verwandelt und dasselbe entwickelte sich
jeweilig im Sinne der gesetzlichen Ändernngen als eine Masteranstalt
weiter, die der Sammelpunkt von Schülern aus dem Adel und den
besten bürgerlichen Kreisen Wiens und Österreichs wurde. Daß
Wien das größte Kontingent der Schülerschaft stellte, geht aus
den statistischen Tabellen im Werke Hübis hervor und aus dem in
deasen Anhang befindlichen Verzeichnisse der Abiturienten seit 1850.
Eine große Anzahl erlesener Geister hat hier auf der Schulbank ge-
sessen: Eduard von Bauemfeld, Friedrich Halm, Anton Langer,
Bobert Hamerling, Ferd. Küm berger, Ferd. v. Saar, Sigmund
Schlesinger, Franz Nissel, Johann Strauß, Johann Nestroy, Moriz
Schwind, Josef Lewinsky u. a.
Die Hübische Denkschrift, abgefaßt unter fleißiger Benützung
eines reichen, meist im Archiv des Schottenstiftes selbst erliegenden
Qaellenmaterials, ist, insbesondere für die ältere Zeit, ein hochin-
teressanter Beitrag zur Geschiebte der Erziehung nnd des Unter-
richts in Österreich, denn nicht leicht findet sich eine zweite
Anstalt in Österreich, an der, wie beim Schottengymnasium, die
herrschenden Strömungen des geistigen Lebens verschiedener
Epochen so klar zntage treten.
Wien. Dr. Karl Fuchs.
SehOnheit nnd Gymnastik. Zur iathetlk der Leibeiübang. Von F. A.
Schmidt, K. Möller, M. Radeswill. Verleg von B. G. Teubner
io Leipzig 1907. Preia geh. Mk. 2-80.
Der Bnf nach Erziehung zu Kunst nnd FormenschOnheit ist
seit ein paar Jahren zn förmlichem Schlagwort geworden, zn einer
822 F* Ä. Schmidt «. a., SehOnheit nad Gymnastik, ang. 7. J. Pawd.
Art ErlOsniigswort, in dem die yerachiedensten Richtungen menech-
lichen Wollens und Wirkens wie in einem Brennponkte Tereinigt
sich wiederfanden. Länger und m&chtiger als irgendwo erklang
dieser Bof gerade aof dem areigensten Boden menschlicher Bildong«
auf dem der leiblichen Erziehung. Und mit Becht; denn das antike
Ideal reiner menschlicher Vollendung zeigt sich gerade auf diesen
Bahnen in seiner ToUen Herrlichkeit, wo Kunst und Leibeserziehung
in so harmonischem Zusammenwirken walten. Anstoß und Anregung
erhielt diese Bewegung insbesondere yon dem rührigen Zentral-
ausschuß fflr Volks- und Jugendspiele in Deutschland, welcher
diesem Gedanken einer auf gesunder Leibesfibung fußenden glflck-
lichen Wiedergeburt der Menschen wiederholt in seinen Jahrbnchen
neue Nahrung und Förderung yerlieh.
Heute liegt uns eine in sich abgeschlossene Arbeit desselben
Gepr&ges vor, drei Beitr&ge zur Ästhetik der Leibeserziehung aos
der Feder der bedeutendsten Vertreter auf turnerischem Gebiete.
Die Verfasser wollen keine umfassende Ästhetik der Leibesflbnng
fflr unsere Zeit schreiben, dafflr dürfte der Augenblick noch nicht
gekommen sein; in den hier yereinigten Arbeiten sollen nur dl«
Grundforderungen einer ästhetischen Neubelebung, auf die das
Keimen und Wachsen dieser arbeitsreichen Zeit ringsumher hin-
weist, gesammelt und geklärt werden.
Das Buch verdient das Interesse aller Kreise in hohem Grade,
insbesondere aber die Aufmerksamkeit der Schulen und ihrer Be-
hörden als der eigentlichen Ausführungsorgane der jugendlichen
Erziehung.
Die erste Arbeit beschäftigt sich mit den natürlichen
Grundlagen der Erziehung des Köi-pers zur Schönheit. Ver&sser
ist der bekannte Sanitätsrat Prof. Dr. F. A. Schmidt in Bonn.
Eine Reihe höchst anregender Fragen teils turnerischen, teils
physiologischen, teils ästhetischen Wesens wird hier aufgerollt and
mit einer Klarheit und Sachlichkeit besprochen, die schon allein
den Wert des Buches ausmachen.
Die zweite Arbeit .Kunst und Leibesübung im erziehlichen
Zusammenwirken** überschrieben, stammt aus der Feder des gleich
bekannten Altonaer Turninspektors Karl Möller. Sie umfiißt
13 Aufsätze teils turnerischen, teils physiologisch-erziehlichen, teils
rein ästhetischen Inhaltes und bildet mit ihrem überreichen knltor-
geschicbtlichen Stoffe und der klar- und stilvollen Darstellnngs-
weise als Ganzes für sich eine höchst wertvolle Erscheinung aof
dem Gebiete unseres Kunstschrifttums überhaupt.
Den Abschluß des Buches macht eine kurz gefaßte Ab-
handlung der Hamburger Lehrerin Minna Badczwill über des
Beigen und Beigentanz. Die Verf. gibt da yom Kunststandpunkt«
aus manchen anregenden Gedanken zu einer Neugestaltung der
schulüblichen Beigengebilde und eröffnet auf diesem so recht eigenee
F. A. Schmidt u. a., Schönheit und GymoMtik, ang. t. J, Pawd, 823
ästhetischen Fonnengebiete unserer Leibesflbung recht beachtens-
werte Ausblicke in die Zukunft.
Dem gediegenen Inhalt des Buches entspricht auch die
überaus schmucke und geschmackvolle Ausstattung des Buches,
die durch 40 treffliche Zeichnungen teils Nachbildungen, teils
eigene Entwürfe bekannter Kflnstler Deutschlands, wesentlich ge-
hoben wird.
Die Besprechung ergibt das Schlußurteil, daß das vorliegende
Büch zur Ästhetik der Leibeserziehung vor allen anderen Erschei-
nungen auf diesem Gebiete berufen ist, sich in den weitesten
Kreisen, so namentlich an allen XJnterrichtsanstalten, die der Kunst
zuneigen, insbesondere aber an unseren Mittelschulen voll und
ganz einzubflrgem. Keine Bflcherei sollte dieses in allen seinen
Teilen ganz vorzflglichen Buches entbehren.
Baden-Wien. J. Pawel.
Dritte Abteilung.
Znr Didaktik und Pädagogik.
Die MittelschüleDqnete des ünterriehts-
ministerinms 21. — 25. Jänner 1908.
(FortietiQDg.)
Die 8. 270 erw&hnte VdrOffentltehang ist bereits vor einiger Zeit
ereehienen — die Schwierigkeit des Satset, da den einseinen Bednera
die Berinon ihrer Aoiftthmogen aberlasien war and die all Qniadlige
der m&ndlichen Verhandlnogen dienenden ^Beferate nnd Korreferate" io
dankenswerter Weise mit dem Protokoll &ber jene Tereinigt worden wsns,
deshalb jedoch nen gesetst werden mnAten, erklärt die geringe VenOgs-
rnng des Erscheinens — nnd f&hrt folgenden Titel:
„Die Mittelschal -Enquete im k. k. Ministerinm für Kultai ond
Unterricht. Wien 21.— 25. Jinner 1908. Stenographiechet Protokoll. Re-
ferate and Korreferate. Statistik der mit dem Öffentlichkeitsreehte be-
liehenen Gymnasien and Bealschalen in Betreff der ünterriehtssprsehs
im Schaljahr 1907/08. Heraasgegeben im Aaftrage des Ministerioms ftr
Koltas nnd Unterricht«*. Wien, Alfred Holder 1908. XIII and 760 SS.
Preis 18 Kl).
1) Landesschnlinspektor Dr. J. Loos hat sieh der dankenswertes
Aufgabe nntenogen, sn dem amfangreicben Bande ein alphabetiiebei
Sach- and Personenregister hersostellen, das im Verlag der EbenhOehicheB
Baehhandlnng in Lins (80 SS., Preis K 1*20) gerade, da dieses Beferst
sam Sati geht, erschienen ist. Es kann allen Benatiern des Werkes über
die Mittelschalenqoete — troti mancher Lücken, die begreiflicherweise
kanm Termeidlich sind — bestens empfoblen werden. Nicht nur der Lsie,
der f&r die in der Enqaete behandelten Fragen sich interessiert, kssn
an der Hand des Loosschen Begisters sich leicht and raaeh Aber die
behandelten Materien informieren, sondern aach der Fachmann wird ei
mit Nation sarate sieben. Schon die Darchsicht der Schlagworte sei^
welche „F&lle von Stoff ans den Gebieten der Schalpolitik, der Äußeres
and inneren Organisation des höheren Schalwesens in Österreich, isi*
besondere Aber die die Öffentlichkeit jetst mehr als je intereesiereades
Fragen der Ersiehong nnd des Unterrichts in dem Werke geboten wird*.
Aber nicht nar f&r das hobere Schalwesen in Österreich, londem im Hio-
blick aaf die bebandelten Grandfragen ancb im allgemeinen kann der
reiche Stoff des Werkes großen Wert beanspruchen.
Di« Mittelsehnlonqneta des Untezrichtsminiiteriiims. 825
Da dieser Berieht somit glei^ieitig ein Befent über diese Ver-
6ffeiitliebiing darstellt, seien innäcbst einige BemerlciiDgen Aber das Boeli
der llittelschQlenqoete Toransgesehickt. Es umfaftt, wie schon der Titel
bent^, das ganie nr Kenntnis der denkwflrdigen nnd ffir die Kenntnis
oDsare« Mittelsehnlwesens ond seine Fortentwicklang bedentiamen, man
d&rf wohl sagen epochalen Veranstaltong das gesamte in Betracht kom-
meiide Material nnd darf schon deshslb des nachhaltigen Interesses aller
sieh«r sein, denen das Wohl nnd Wehe dieser ffir den Staat und sein
koatbantes Gnt, die Jagend, wichtigen Institution Sinn und YerstiLndnis
habesy mOgen sie in welchem Lager immer stehen. Da6 dies in erster
Linie Ton allen gilt, welche pfliehtgem&A der Schule dienen und ihre
berufenen Vertreter sind, den Schnlminnem nnd liitgliedem der Schnl-
beh5rdent braucht kaum erst gesagt su werden. Der Wert und die Be-
deutung des Buches wird auch in einem an sftmtiiche Mittelschuldirek-
tionen ergangenen Erlasse des Ministers fttr Kultus und Unterricht Dr.
Mar eh et, in welchem die Direktionen und die Lehrkörper behufs Berflck-
siehiignng der in der Mittelscbulenquete gegebenen sahireichen Anregungen
auf das stenographische Protokoll dieser Enquete aufmerksam gemacht
werden, das jeder Mittelschule sugänglich gemacht wurde, dabin gekenn-
seiehnet, daft das stenographische Protokoll in hohem Maße geeignet sei,
Aber den Stand der Mittelschulfrage in Österreich lu orientieren, und da
ea sahlreiehe Anregungen lur Verbesserung und Weiterbildung der gegen-
wärtigen Einrichtungen enthalte, mflue Wert darauf gelegt werden, daß
die Lehrerschaft, welche berufen ist, an einer leitgem&ßen Weiterentwick-
Ixmg der Mittelschule mitiuwirken, sich mit dem Inhalt dieses Protokolls
▼ertrant mache.
Wie bereits bemerkt worden ist, hat die Mittelschalenquete ihre
Analogie in den Berliner Schnireformkonferenien in den Jahren 1890 und
1900, allerdings mehr mit der ersten als mit der sweiten. Es ist daher
nicht ohne Interesse, die Veröffentlichungen tther diese drei Veranstal-
tungen, die in ihren Aufgaben und Zielen, lumal bei der bei aller Ver-
aeUedenheit im einielnen im wesentiichen so ähnlichen Lage der Dinge,
ao Tiel Gemeinsames haben, miteinander lu Tcrgleichen. Zunächst äui^er-
lieh« Die beiden im Auftrage des preußischen Unterrichtsministers heraus-
gegebenen, also offisiellen Werke aber die Berliner Konferenien fähren
den Titel „Verhandlungen aber Fragen des höheren Unterrichts"
(erschienen 1891 und 1901), das erste ist 800 Seiten stark, die eigent-
liehen Verhandlangen umfassen 774 Seiten oder etwas aber 44 Druck-
bogen; es nahmen an ihr teil Aber besondere Einladungen 44, als Ver-
treter der Ministerien 15 Herren (ond swar 8 Tom Unterrichts-, 1 vom
Finani-, 1 Tom Handels-, S vom Kriegs- nnd 2 rem Landwirtschafts-
miatsterium), eräffnet und geschlossen wurde sie durch bemerkenswerte
Beden Kaiser Wilhelms II., während die Verhandlungen selbst lumeist
Yom Minister Dr. Qossler geleitet wurden; das sweite ist 414 Seiten stark,
die Verhandlungen 199 oder etwa 127i Druckbogen, sumeist unter dem
Vorsitie des Ministers Dr. Studt; es nabmen auf besondere Einladung
84 Mitglieder, ferner 8 BegierungsYertreter teil.
826 Die HitteUehnleiiqaete des üniemehtsmiiiisteriiims.
lo dem Werk Aber die Oiierreiehiiche MittelieholeDqaete entfallaa
genau 558 Seiten oder 85 Drackbogen anf den Berieht über die mftnd-
lichen Yerhandlangen, in denen über beiondezo Einladnng des ünteniditi-
minieters 71, alt Vertreter der Minitterien 82 PeriOnliehkeiten^) sngeug«
waren. An den Debatten haben 57 Redner mit 111 Reden teilgeaemmaB,
ond iwar 22 mit je 1, 18 mit je 2, 15 mit je 8, 2 mit je 4 nnd 8 nit
je 5. Unter den 57 Rednern befanden sich nnr 8 Vertreter der Behörden:
et haben somit, da von den 71 eingeladenen Teilnehmem nv 82 erschienen
lind, 54 von ihnen» d. h. Aber 87X >i^ *^^ ui den Verhandlugen
beteiligt — gewiß ein Zeichen ernsten Eifers, den sie im Interesse 6n
großen Werkes bet&tigten.
Aof eine innere Vergleiehong der vorgenannten Werke kann hier
nicht eingegangen werden. Sie wird sich am Schlaft dea Referates tob
selbst für jene ergeben, die alle drei kennen, nnd soll wenigstens in
einigen ZQgen Tcrsneht werden.
Indem ich nnn daran gehe, an der Hand der TerOifentlichta
SittungsprotokoUe über den Gang der mündlichen Verhandlangen n be-
richten, sei Torerst bemerkt, daß es in erster Linie meine Aufgabe seis
soll^ sn referieren and nicht in kritisieren. Das sdüiefit natürlich
nicht ans, daß gelegentlieh anch naheliegende kritische Bemerkongis
eingeflochten werden sollen. Soweit es im engen Rahmen dieses BerichUi
möglich ist. sollen, im Interesse der unmittelbaren Wirkung, die einsehifB
Redner auch tunlichst selbst sum Worte kommen.
Gang der mündlichen Verhandlungen.
Debatte über Frage I, II und V (Allgemeine Erörterung — Organisatioo
— Berechtigung).
Nach der programmatischen Eröffnungsrede des Ünterrichtsminiitsrs
(Tgl. oben S. 257—262) und nachdem die Referenten Profi Dr. Hartinsk,
Hofrat Dr« Huemer nnd Prof. Dr. Ehrlich die Gmadgedankea ibrtr
Referate n&her erl&ntert hatten (Hofrat Prof. Dr. Morawiki TcrsiehteU ssf
das Wort und Sektionschef Dr. Juraschek besehr&nkte sich auf eine ksrw
') Zu der oben S. 255 f. nach der „Wiener Zeitung* mitgeteiltes
Pr&sensiiste sind nach der im Torliegenden Werke gegebenen offiiieUcD
Liste der Teilnehmer noch naohintragen : I. Auf besondere Einladnng:
SektioDBcbef Wilhelm Einer (der jedoch am Erscheinen Terhindert wer),
Dr. Ludwig Frey (abwechselnd mit Dr. Grass, als Vertreter der Wiener
Arstekammer, ist jedoch nicht erschienen), Professor Glas, Obmann dei
Vereines Österreichischer Turnlehrer und der Leiter der Universititstsn*
anstatt Lukas (som Thema 7); Reichsratsabgeordneter Kemetter,
Direktor des Landeslebrerseminars am P&dagoginm in Wien; Koesepte*
adjonkt Dr. Matys, Vertreter der Prager Handels- and Gewerbeksmmer;
Professor Dr. ▼. Schullern; Frau Editha Mauthner-Markhof, Frltt*
dentin des Vereines für erweiterte Franenbildung (ersterer sum TeÜ
letztere gans durch Krankheit am Erscheinen Terhindert). 2. Vom Dntl^
ricbtsministeriom : die Ministerialr&te Dr. t. Beck, Dr. Müller; die
Sektionsr&te (seither Ministerialr&te) Dr. D lab aO, Dr. Heim, Dr.Khoii
T. Sternegg, Hofrat Professor Hirn; Tom Ministerium des Innern ^*
I tionarat Dr. Alexy; Tom Justiiministeriom Sektionsrat Dr. ?. Nenetbj
I
Die MittelMhnlenqaete des ünterriehtaministeriiims. 827
Bemerkiuig» du itotiitiBohe Material betreffend)« sprach als erster der
Experten Sektionsohef Dr. Freiherr ▼. Pidoll. Seine großangelegte, ge-
dankenreiche Bede fand nicht nur, weil sie die erste war, sondern Tor-
nehmüch wegen der Person des Redners und des von ihm lertretenen
Standponktes trots ihrer außerordentlichen Länge — Baron Pidoll sprach
IV4 Standen — and seine — in der sorgfältigen Redaktion im Bericht
erheblich gekftnten — Aasffihrangen fflllen Aber iwei Drackbogen —
die lebhafteste Aofmerksamkeit. War es anch bekannt, daA er namentlich
doich den Aafenthall in England bestärkten reformfreondiichen Anschaa-
Qngen holdige, so flberraschte doch der Radikalismas seiner Ansichten.
Wenn er anch seinen persönlichen, aaf Grand langjähriger Beobachtangen
ala Direktor der Theresianischen Akademie gewonnenen Standpankt ler-
trat, so darf doch behauptet werden — and dieser Eindnick drängte sich
allen Bürern aaf — , daß Baron Pidoll sogleich gewissermaßen als Wort-
fabrer. der »Schalreformer*' — wie sich die Vertreter des .Vereins für
Schnlrefonn'* gern nennen — sprach and sich deren Ansichten und
Wfinsche sa eigen gemacht hatte. Das ging schon aas der gelegentlich
gebraachten Wendong »worauf mich meine Freunde aufmerksam machten*",
die allerdings im Abdruck fehlt, hervor und wurde mir gesprächsweise
indirekt fon ihm selbst bestätigt Doch sei ausdrflcklich herrorgehoben,
daß Freiherr ?. PidoU allem, was er Yorbrachte, den Stempel seiner Per-
sönlichkeit aufdrOckte und den Ansichten, die er vertrat, das ?olle Gewicht
seiner Eigenart beilegte.
In eingehender Darlegung seigt Baron Pidoll, daß »eine tief
greifende Reform des Gymnasiums — nur auf dieses beliehen sich
seine AusfOhrungen — notwendig and dringend ist Eine solche
Beform wird sich in der Richtung bewegen mflssen, daß an die Stelle
des Intellektualismus unserer heutigen Gymnasialbildung ein reicherer
Inhalt desselben tritt — nicht etwa im Sinne einer ensyklopädischen
Vermehrang der Lehrfächer, sondern durch allseitige Einbesiehung
der in der jugendlichen Indi?idualität, in dem Subjekte der
Eriiehnng ruhenden psychischen Kräfte in den Bereich des
formgebenden Einflusses der Eriiehung. Nur auf diese Weise
kann die Gymnasialersiehung dem Bildungsideal unserer
Zeit, der Entwicklung der Persönlichkeit su Toller Lebens-
tflchtigkeit, entsprechen; diesem Priniipe hat sich auch die Orga-
nisation der klassischen Studien, an welchen im übrigen festsuhalten ist,
su fttgen". Im Sinne dieser Grundsätse, die ihre Meti?ieruDg in den Tor-
getragenen pädagogisch -didaktischen Brwägangen finden, stellt Baron
Fidoii eine Reihe ? on Anträgen, „mit denen unter Beibehaltung der bis-
herigen Lehrfächer — jedoch forbehaltlicb einelner Modifikationen in
Auswahl und Verteilung des Lehrstoffes — sowie der Zweistufigkeit des
Gymnasiums angestrebt wird:
»Entlastung der Sch&ler, insbesondere auf der Unterstufe ;
Anpassung des Unterrichtes nach Inhalt und Methode an die
jogendliche Eigenart und Altersstufe; Forderung der spo
tanen Betätigung, des unbefangenen Interesses und damit der Frr
828 Di« MitUliohiileDqaete das ünteiriehtsminiiteriami.
an enisier Arb«it; EfttwieklnBg der Willenskraft, inebeseaiere
durch Beteilignng^ des Gjmnasiams aneb an den niebt «d-
mittelbar mit dem Unterricht lasammenb&og^eBden Betiti-
gangen des SchOlersi intentifere Pflege der körperlichen Bnt-
wieklnng; Wandlung de» Ojmnasiams in eine BriiehanfB-
schule«*.
Mit kunen MoÜTierungen werden dann folgende Antrige gesMlt :
1. Der Unterricht in der lateinischen Sprache beginnt in der Anftsn,
jener in der griechischen Sprache in der sechsten Gymnasialklasse, unter
Beibebaltong ?on wesentlich der bisherigen Stundeniahl der Obeistafe
und Anwendung der analytischen Methode, Wegfall aller Obersetiuoges
aus der Muttersprache in das Lateinische und Griechische. Ferm&ls
Schalung soweit, als sie sieh aus der analytischen Methode eigibt Aach
auf diesem Wege sollen die Sehfller beflhigt werden, die Originalweiki
der klassischen Schriftsteller in der Ursprache mit Verslindnia sn Issei
und wird demnach an dem humanistischen Lehriiel des Gymnadiiu
in dem Umfang, als es bisher erreicht wurde, festgehalten.
2. Yerstftrkte Vertretung des Unterrichts in der Mutter-
sprache.
8. Verstlrkte Vertretung der Naturwissenschaften saf
der Unter- und auf der Oberstufe. Parallel mit dem Unterricht gebt uf
beiden Stufen praktische Betfttigung der Schiller (im Laboratorium usw.).
Behufs Vermeidung einer Oberbttrdang werden auf der Oberstufe hin-
sichtlich aller Gebiete lediglich die Kenntnis der typisches
Erscheinungen und Gesetse, dagegen Detailkenntnisse sar
auf jenem Spesiälgebiet Tcrlangt, welches sich jeder Schiller Ar
die oberwähnten praktischen Arbeiten frei erw&hlt hat.
4. Berflcksicbtigang individaeller Anlagen durch ErmOglichonf
einer Spesialisiernng tod der siebenten Gymnasialklatie
angefangen nach den Hauptgruppen der Lehrf&cher (iifl-
guistisch-bistorische und mathematiscb-natorwissenschaftliche Gruppe).
5. Die Schule hat insbesondere auf der Unterstufe ihre
Anforderungen wesentlich während der Unterrichtsieit selbst
lu bew<igen und zu erledigen. Zu diesem Zweck ist eine Bevisioa,
besw. Beduktion des Lehrstoffes einsuleiten. Jede Gymnasialklasse seil
nicht mehr als 25—80 Schaler s&blen and der Unterricht eine Art Kol-
loquiam iwischen Lehrer und SchQler sein. Der theoretische Unteiriclit
hat nur Vormittags stattsufinden : das h&usliche Studium darf in den
unteren, mittleren und oberen Klassen nicht mehr als ly^ beiw. 2 osd
3 Stunden. tAglich erfordern.
6. Die durch die Beduktion des Unterrichtes auf der Unteistofo
sowie die Beschränkung des h&uslichen Studiums auf beiden Stiise
ersparte Zeit ist in folgender Weise sn Terwenden, und iwar f&r:
a) freie MuAe des Schillers,
b) die oben erwähnten praktiseh-naturwissensebaft-
lichen Arbeiten,
Dio HitielMholenqiMte des UDtemehtimiiiitteriiiiiis. 829
e) H«Bd«rbeit«B» Spiel» Sport (iiiMiiime& miadettast swei
Standeo tiglich), Wandemngen» Pflege der Kontt (inibetondere
Zeichnen und QeiAng),
d) Erlernung einer sweiten modernen Sprnehe
mittele der nnalytiichen Methode, Ton der III. Klatte an.
7. DatGymnniinm hat alBErsiehnngeschale an fangieren»
et bat eich daher nieht bloA an dem Unterricht» aondern auch
den ionitigenersiehlich in Betracht kommenden Bet&ti gangen
dea Schfllers, inebeaondere soweit es sich am die Eniehang dea Willens
(Charakters) handelt (fgl. 6)» in entsprechendem Umfang sa beteiligen.
Im Zasammenhange damit wftre die bestehende Dissiplinarordnung fftr
die Schüler den Altersstafen entsprechend sa modifiiieren.
g. Beschr&nknng der laafenden Prflfangen nnd Klassi-
fisierangen. Abschaffang der Matarit&tsprflfang. An die Stelle
der letiteren hat anter gewissen, speiiell festiasetsenden Modalititen
(anter denen jedoch eine seitens der betreffenden Hochschnie ?ona-
nehmende Anfhahmsprflftuig nicht gemeint ist) der Aassprach des Lehr-
körpers and des Direktors ttber die sittliche and geistige Reife des
Abitnrienten lam Beeach einer Hochschnie la treten.
9. Dem Gymnasialdirektor, als dem Terantwortlicben Leiter
der Anstalt» ist sowohl gegenüber den ihm Torgesetsten Behörden, als
saeh gegenüber den Lehrern nnd Schülern ein möglichst wenig be^
schr&nkter» aasgedehnter Wirkangskreis — so s. B. hinsichtlich
der Yerwendong der Lehrer» der näheren Feststellang des Lehrsieles nnd
des Lehrstoffes, der Yersetsang der Schüler in höhere Klassen asw. —
einsnr&amen. Behnfs ErmOglichang intensiierer Betütigong aaf pftda-
gogischem Gebiete ist er Ton administrati?en Geschiften möglichst sa
befreien.
Die Aasbildang für das Lehramt ist nach der p&dagogi-
sehen Seite hin sa ergin sen nnd die formelle LehrbeflUiigang Ton
einer l&ngereren praktischen Bet&tigang abhftogig sa machen.
10. Nach Analogie des § 117 ff. des Organisations-Eotwarfes er-
halten die Angehörigen der Gymnasialschüler das Becht, Yertranensmänner
nie ihre Vertreter sa wühlen, welchen behafe Herstellang and Erhaltnng
dee richtigen Verhültnisses swischen Schale and Hans eine n&her festsa-
tetsende Stellang — insbesondere das Becht, dem Gjmnasialanterricht
und gewissen Lehrerkonferensen beisawohnen — einger&omt wird.
11. Die Unterstnfe einee nach den dargelegten Grnnds&tsen
organisierten Gymnasinros würde sich als eine Einheitssehale dar*
stellen nnd demnach den absolvierten Schülern der lY. Klasie ebensowohl
das Aaisteigen in das Obergymnasinm als aoch den Übertritt an Fach*
seholen — an die Obenealschale CTentaell onter der VorauAietineg eiaer
trgiasenden Prüfung ans Geographie, Geometrie ond Cb^mi« ^ ffnnög-
lieht werden.
Die Torliegenden Antrüge wären Torerst nicht allgemeiüi lo'
nla Versaeh an gewissen» hiesn geeigneten, mit dem ÜffeDtiichkeit^
▼enehenen Anstalten dnrchsnführen.
\
830 Die MitteliehQlenqiiete des UnterridtiBdBirteinflHL
Aof eine Kritik diäter Farderug kum hier i
werden wie aaf eine BeleaekitoDg der tiieoreüeches AoiiditeB dee Bedscn.
Nor Aof einen Widerspruch kann ich niehl umHdm kiuiiweie— Baron
Pidoll beginnt seine meritorischen AnsfAhmngen mit dcB Snftse: «Dm
heutige Gymnuiom ?ennittelt nach aUgemeiner Anffnasnng die wertfeUste
ond vornehmste Bildung; nur wer das Qymnasinm abeolTiert hat» verftgt
ttber eine Bildong ohne Lfleke*. Ich halte iwar diese «aUgOMiBe Alf-
faisong* fflr eine starke Obertreibvng, die die wahren Freude dst
hnmanistisehen Gymnasiiinis nicht teilen. Allein wenn Baion PldoQ, wU
es nach seinen Worten den Anschein hat, sie fttr richtig UUt» no ist nieht
recht begreiflich, wamm diese «wertwollste nnd fomehmsta Büdnng okie
Lflcke**, die das heutige Gymnasiam fennittelt, Ton ihm im wwteren Ver-
laufe so scharf kritisiert wird nnd wamm das Gymnasium, das nach Arn
bereits heute die ^wertfoUste und fomehmste Bildung* versaitteit, so
radikal reformiert werden soll. Darin allerdings wird man ihm unbediigt
beipflichten, nnd dieser Standpunkt wurde nachdrftcklich ?on den Freiadm
des humanistischen Gymnasiums Tortreten, daft die Schaffung never Tjpeo
die Frage der notwendigen Beformen des Gymnasiuma nldit in den
Hintergrund dr&ngen dflrfe.
AU sweiter Bedner ergriff Begierungsrat (seither Hofrat) Profmor
Dr. Schwiedland das Wort, um im Namen des durch Krankheit an
Erscheinen ?eihinderten Ministen Dr. QeAmann eine Erklinmg n ?er-
lesen. Dieser hatte, wie bekannt, sm 12. Jinner im Verein für Schul-
reform einen Vortrag ,,Zar Mittelschnlreform*' (Wien, Mani 1906) gehaHes,
in welchem er sich — nicht, wie Begierungsrat Schwiedland sagt«, Ar aiat
Einheitsschule — sondern fQr die fersuchsweise Einfahrnng einer drittes
gchulgattung ausgesprochen hat, die neben die bestehenden und
weiter la erhaltenden Typen^ GymnasiDii] nnd Gkalichulef treten tolle
Diese neue Type nannte er Bilgemeioe M itteliebisl« und it^Ut« f^?
sie auch einen Lehrplan auf. Dieeer Lehi-f^Un xeigt jedem mtt den Schulfn^fni
Vertrauten deutlieb, daft diese Allgemeine MitteUchute \httm Wesen
nichts anderes als eineMitteUcbule mit Latein ohne Griecbiicb^ aUo bei <
Verschiedenheiten im Lehrplan nichts anderes all dasi preußische Se*l^
gymnasinm und im wesentlieheii nkhti anderes als der tom Bcfersato
Hofrat Dr. Hoemer vorgeschla^eDe dritt« Typoi, den er — nach 4itm h
der pldagogischen Welt flblifhen ScbemK — eben EealgTmaaAEun
das natfirlich mit den in öeterreieb deneit beiteheodeD nidit r«r
werden darf. Ein spftterer Bedner^ HofTat Pf<^f, Lorbeer^ niKfale nif ^
versweifelte Ähnlichkeit, die iwiachen der aiigemeioea Uittelaeki**
Minister Dr. Geftmanns nnd dem dritten minivtertellen l^put» d^D Bsil*
gymnasinm Hofrat Dr. Haemere (was den Orga^^p^ '
aufmerksam nnd bemerkte, daL deibalb die t> *--
Minister Geftmanns gegen Hofrat HQemer ;
at&ndlich sei. Sieht man somit f on diesi
Erklinmg darin, und das ist das WertToll
eich mit aller Entschiedenheit gegen ^'''^
Dia MiUelscbalfiDqisete des Üoterrichtsminiiterianti^
sai
XJßd «» tu tb ehrte otobt eioer gawiiseii Piksnterief dies« ErklAmng Tom
ViKeprfiiidenten des ^ Vereins für 8ehalreform** tortragen ta boren, dessen
MH^ticder bei TeriebiedeBen Oelegenb^iten in der latelo losen Ünterstafe
mit Gabetmng oben c)«s gtMt& Heil der Bcbolrefofoi erblickten.
Von be^onderein Interesse sind die Gründe, aoft denen sieb Miniiter
Dr. Ge&m&OD im scbrofTen öegensftU zu den ^Scbnlreformem'* gegen jede
Alt Ton G&belnng ansspricbt- ETsteni würde eine derartige Ori^ania&tioD
detn ai)i wiebtigen ioiialen tind wirtsehafUichen EOeksicbten aUgemeln
empfandeneo BedirfoiiBe der Hinanisebiebnng der Bemfsvabl
nicht hinreichend Hechnitng tragen» da diene Wabl^ weiche bisher ins
Kindesaiter £el> kanm Qm 2wek bis fier Jahie^ mitbia bOcbstens iqs
Knabenalter verlegt wire, aUo ins Alter der Pubertät^ um welcbe Zeit
mancherlei phjiidogieebe und piyebo logische Momente die Bestimmung
des künftigen Bemfes weit mehr erichweren als erleichtern. ZfreiteD«
müßte die durch die Qahekng hedingte EinschrftokaDg ge wies er Diasl-
ptineo anf die Untn^ und übersinfe atnen bedenklich forcierten Lehr>
betrieb in den betretenden Diizlplinen mit sich bringen^ der den Lehf'
erfolg weiäntlich beeinträchtige. Das gelte inibesondere von den Spraohea.
Und der Healpolitikert als den sich Mtnieter Dr. Geßmann in seinem Vnr^
trag selbst beteicbn^t, der gewil^ ToUes Verstandoii für die aotialpolitiiche
und wirtscbaftlicbe S^ite der iSehul reform besitit, behauptet im Gegen eati
in BAron Pidoll (der ftuf Grttnd der von ihm TertFetenen pädagogischen
Theorien dem Eindeialter dafQr jedes luteress« ahapncht nnd den Unterricht
in den kl&Bsiacbeü Sprachen, im Ititereise ititeiiiivereii Betriehei und
besserer Erfolge, auf die Uberstofe binanfschiehen wkll) — so nahe bei-
einander wohnen die Gedanken — , der Unterricht in klassiscben wie in
rooderoeD Sj^rachen kGnne nur dann bleibenden Wert fersprecben, wenn
er tehon im Kindesalter beginne nnd darch eine Beihe von Jahren
fortgef&brt werde, Eid forcierter, auf bloß elaige Jahre ^ etwa gar
Dur auf die Oberstufe — beschrinkter i^pracbonterricbt vermöcbte weder
in geistig-formal bildender — noch weniger aber in ethischer
and endlich nicht einmal in praktischer Bexiebung %n befriedigen. Drittens
meint er^ würde eine Schule mit ÜabelUDg die erwartete Entlastung der
beiden bisherigen Mittelschulen nicht bewirken, weil die Eltern ihre
Kinder nur in Schalen mit bestimmten und kUr erkennbaren End-
sielen gern senden, nnd twar in der Erwartnngf daß sie den gansen
Knrtos abaol Tieren. Erst wenn ans irgend welchen Grinden das Inf-
steigen in die Oberstofe unmöglich sein tollte, sehen sich die Eltern n&^h
geeigneten anderen Obentnfen um, die ihren Kindern, denen die Hoch-
•ehulen Terscblosten bleiben, neben dem FreiwJtligenrecht eine gewisse
ftilge meine Bildung li ehern, die sie befähigt, wenn auch nur mittlere oder
niedere Stellen im Staatsdienste lu erlangen. In dieser Hin sieht schlägt
«r (tn Tbema V) vor: ^Keben dem Gjmnasinm und neben der
Bealschole nnd der (von ihm vorgescblagenen) allgemeinen
Mitte Iscbnie (die, wie bemerkt, wesenegleich mit dem vom Eeferenten
empfoblenen Eealg^rmnasiom ist) m&gen noch besondere Allein-
stehende iwei- oder dreiklasiiga Oberstufen mit beiondereQ
832 Die Mittaliebiilenqaeta des ünteRiehiamioiateriiiiiia.
Zielen fflr lolehe AbioWenten der TereehiedeneD ünterstofen
geschaffen werden, welche ihre Ansbildang an den normalen
Oberstufen nicht sn Tollenden, mithin an die Hochtehnlcii
nicht sa gelangen vermögen. Diese besonderen Oherstofes
sollen eine gewisse allgemeine Bildung ?ermitteln and für
besondereBernfe nndDienste insbesondere staatlicherKatar
Torbereiten; den AbsoWenten soll das Freiwilligenrecht
eingeräumt werden". Mit Entschiedenheit spricht sieh Minister Dr.
Oefimann gegen die vom Referenten Hofrat Dr. Huemer als AJtematifS
empfohlene vierte Tjpe (das Beformrealgjmnaaium) aus, er icOnne ftr dit
Verbindung der gegenwärtigen Unterrealschale mit einem Obergymnaaiiiffl
auf keinen Fall eintreten, da hieraus nur eine gekflnstelte Organisaties
mit einer bedenklichen Gabelung entstehen mflAte. Femer wendet sr
sich dagegen, daft die im ersten Alinea der BeformTorschlige unter 3
beantragte Qleichatellong der Torgeschlagenen Type mit dem Gymnasism
hinsichtlich der Zulassung lu allen Hochschulen durch den Zusats im
sweiten Alinea wesentlich eingeschränkt werde, indem die Zulassosg
solcher Absolfenten su den durch die Hochschulstudien führenden Berab-
Prüfungen noch besonders geregelt werden sollte. Hingegen erklärt er
sich damit einverstanden, daß die Bealachnl-Ergäniungsprflfung — falU
sie nicht überhaupt aufgehoben w&rde — in Hinkunft, d. i. nach Öduffasg
der neuen acbtklassigen Typen, auf Latein und philosophische Propädeutik
beschränkt werde. Wie gegen Hofrat Huemer polemisiert dann aoch
Minister Dr. Geßmann gegen den ersten Korreferenten Hofrat Professer
Morawski und pflichtet im wesentlichen dem iweiten Korreferenten Plä-
sident Morawits bei. Die Polemik ist allerdings mehr formaler Natir
und wendet sich meritorisch mehr gegen den Alternatirroreehlag Hofrat
Huemers, das sogenannte Beformrealgymnasium l^etreffend.
Frau Marianne Hainisch spricht im Sinne der Mütter, die sie
als Vorsitsende des Bundes österreichischer FraueuTereine hier Tertiat
Man lasse den Müttern nicht Zeit, ihre Kinder lu ersiehen, man weiii
den Müttern vor, daß sie ihre Kinder yeniehen, der Vorwurf treffe ner
Frauen, die von der Ersiehong nichts verstehen ; die Mütter, wekfae ikrc
Kinder wirklich ersiehen wollen, wollen sie tüchtig machen für das künf-
tige Leben: abgehärtet physisch und geistig. Mit Bemfong auf ihrea
vor Jahren gehaltenen Vortrag ,,Uber den Aufwand und den Erfolg dsr
Mittelsehule** behauptet sie, daä der Aufwand ein so großer sei, daß er
in keinem Verhältnis lum Erfolg stehe. Der Obergang ans der Vefts*
schule ins Gymnasium sei ein viel tu großer, aas der Hand eines Lehmsi
der in die Persönlichkeit des Kindes eingegangen, komme das Kind ia
die Hand eines Fachscbollehrers. Der Hauptfehler liege im vn^ück-
seligen System der Auslese. Darauf beruhe hanpftsädilieh die aohiefe
Stellung der Eitern sur Schule, da diese Auslese an jedem Qymnasinn
anders gehandhabt werde; das Urteil variiere mehr nach Art des Gyss-
nasiums als nach der Art dee Kindes. Sehaife Worte widmet aie den an-
glückseligen Spreehetunden ; „Wir Frauen bewahren uns«» Männer mlg
liehst davor, in die Sprechstunde su gehen, weil wir sie dem aieht aas-
Die Mitielsehnleiiqaete das Uniairiehtimtiiisteriiimi. 83&
setiea woUeo, dem wir anigeaetzt rind, wir gehen lieber idber hin» nl»
daft wir nneere MAnner in diese erniedrigende Stellnng gelangen eehen^
Qod et gibt sehr viele Frauen, die ihren MAnnem sagen: *Da darfst
nicht hingehen, es ist sn onangenehm*.* Sie belegt dann dieses im all-
gemeinen so harte Urteil mit der allerdings mildernden Bemerkung t
«hnmer ist die Sache ja nicht so kraft* durch einen konkreten Fall, der
sich in einer Realschule ereignet habe und den sie ans den Mitteilangen-
einer hochangesehenen Fran aas den hüehsten Stinden kenne. (Im Spreeh-
limmer standen auf der einen Seite die Mfttter, anf der anderen die
Lehrer. Jede Matter maßte sn dem betreffenden Lahrer hingehen oad
int ihm Tor dem ganzen Anditorinm aber das, was ihr Lmerstes be-
wegte, sprechen. Trotidem hat ein Profeieor eine Matter farchtb«r
herabgekanselt; er hat sieh aber bernhigt, nachdem ihn ein Kollege ei-
mahnt hatte. Kanm aber hatte die Matter die TQr hinter sieh geechloesen»
sh dieser anglttckselige Mann in seinem Ärger aasrief: «Das ist mir tber*
haspt das OrlAlichste, mit all den Mflttem sprechen ra mflssen*.) SehlieA-
lieh spricht auch Fraa Hainisch, om Schale and Haas in irgend einer
Weise einander n&her in bringen , fflr EltemTersammlangen and Akti-
▼iemng des § 117 ff. des Organisations-Bntwarfes sich aas. Die Aoiffth-
nngen der jagendlich lebhaften alten Dame fanden beifillig^ Aofnahme.
üniTenitätsprofessor Dr. Wähle (Cxemowiti) wendet sich htopt-
•ieUich der Didaktik sa. Er meint, die GraTamina betflglich der jetiigen
Schale entstehen nicht so sehr durch die Bildangsmittel, i. B. also nicht
durch das CMecfaisch, das ein herrliches Bildongsmittel sei, wenn auch
nicht absolot wertvoU, sondern die schlechten Methoden seien die Quellen
der Mißerfolge. Man eei sich ttber Effekt und Wirkangskreis der Bildungs-
mittel nicht klar. So kOnne er sich nidit damit einyerstanden erklären^
daß die Masse von Aasnahmen der Regeln, wie sie (Ten Baron Pidoll)
an dem Smtse: „Äthenae erant oppid%$m*' typisch angeklagt worden sei»
ftr die Ertiehung answeckmißig wäre. «Im Gegenteil, sie sind intellek-
tuell and moralisch nfltslioh. Sie helfen dasn, das Gedächtnis wachsen,,
den Geist forsichtig, elastisch, energisch sn machen; der Schfller soll
•ich an Snbtilit&tea orientieren lernen. Sie wollen ja eben den Schfller
sieht im Stande grober Simpliiitlt erhalten, sondern über seinen ptimi-
tiven Stnnd hinausheben. Freilich läßt sich das durch verschiedene Dissi-
plinen erreichen ^ immer die gute Methode Toraosgeeetsf Wenn OMm
die neoen T^fpen einfflhre und dai f deebiicbe Qjmnajtiam beateb^a lsi«e,
80 werden diese Typen miteinander den Kampf snskftmpfeti. VoriiMtetfang
fftr diesen Kampf sei natflriich, di^Q Soane ond Wind gleich mäßig f«f-
teiH, daß die Berechtigungen fQr dieie Tjpeo die gleichen seien, Ma
mflsse aber das Wesen derT^en und Metboden prüfen. Die Methad%jatif~
durchwegs heuristisch werden. Die Schfller »oilao allei stlbO^
das sei die Urmethode, nach ihr finde der Z(»gUng ^
ftenden Tatsachen und Gesetse selbst. Ad einigen ■
da6 die in den meisten Pankten aßgeEeichoetea toitrdi
hn Geiste der Henristik abgefaßt liod. Weü die Dlttlpl
im Geist dieser richtigen Methode gdebrt wuTden« iü"
ZeitMhrifl f. d. tettrr. Gymn. 1906. YlII. a. DL P
Ä
:834 Die Mittelscholenqneia des ünterrichtsminUterioiiii.
•den StbtUeni Widerstreben, Widerwillen, Gleichgilügkeit eingetreten. Die
Unterrieht8?erwaltnng mOge daher mr YerbessfrvBg der
Metboden eine BeTieion der Initrnktionen im Sinne der
Henrietik Tornebmen.
In ttberans temperamentToUer nnd wirksamer Weise Abt der
folgende Redner, der Wiener Handelskammersekret&r Dr. Biedl, ecbufe
Kritik an dem jetsigen Lehrbetrieb. Seine AnsfOhrnngen wirken ia
der Lektllre besser als sieh der im überlauten Ton gehaltene Vortng
anhörte. Die einleitenden allgemeinen AnsfOhrnngen würden im eisMlDea
freilich dem Urteil kaum standhalten. Von der richtigen Ansieht lu-
gehend, daß die Mittelsehale in erster Linie in selbst&ndiger Beobadh
tnng, selbständigem Denken nnd Urteilen ersiehen soll« in swmter Lilie
«rst stehe die Ausstattung mit der notwendigen Vorbildnng für die Weittf-
ausbildung su einem praktischen Berufe, nicht aber diese praktiiche Be-
rufsbildung selbst, meint er, das Gymnasium habe arsprftnglieh dicK
Bildung durch Torwiegend historische und literarisch-kOnstlerisdie Sdii-
lung des Geistes an der Hand der Antike beiweckt. Es sei nun ridit|.
daft die antike Welt infolge der Abgeechlossenheit ihres KnltarMi«.
deswegen, weil sie eben vergangen sei und die Streitfragen der Oeg»
wart in die Betrachtung der Antike nicht bereinragen, sosusages ib
Paradigma fflr die mensehliche Entwicklung benntit werden könne. Dieee
Unterrichtsart habe aber den nicht su unterschUtsenden Nachteil, daß die
•Schüler in einer gewissen Abgewandtheit vom praktischen Leben dsrOeges-
wart enogen werden, ein Nachteil, der in der weiteren Entwickhug dei
<}jmnasiums in erschreckender Weise herrorgetreten sei. In Betng ufdie
realen FAcher, auf positive Kenntnisse habe das Gymnasium nr^rtaglieb
«ine gewisse Beschrftnknng aufs notwendigste in sein Programm vdf^
fiommen. Die weitere Entwicklung der realen Wissenschaften haben so
bliesen Bahmen gesprengt und dadurch sei der Gleichgewichtssutuid, d«
nach der ursprünglichen Organisation des Gymnasiums swischen den reiiiB
«nd humanistischen Fftchern bestanden habe, gestOrt worden. Dervd^
Abgewandte Zug des Gymnasiums sei dadurch eher noch fencbftrft «tfdiB.
Auch Baron Pidoll hat in seiner Bede auf die durefagieifai^
Wandlung hingewiesen, die in dem Bildnngsideai, das su Anfang da
XIX. Jahrhunderts bestand nnd von dem auch das beutige GymsaaBS
«ein Gepr&ge erhalten habe, durch Entwicklung ?on Naturwisaemebif^
nnd Technik, durch Änderung der Verfassungen, den großartigen ti^^
schaftlichen Aufschwung usw. eingetreten sei nnd auch er ist dtfMeiBBig»
^tL& den erhöhten praktischen Anforderungen, die an den Triger am
Entwicklung, das Indiriduom, gestellt werden, das heutige GjBiseiiiB
nicht mehr entspreche. Und dieselben Vorwflrfe wurden auch Ton iptteriB
Bednem erhoben. Da ist es nun nicht ohne Interesse, wie Unacr 4er
Praxis darüber urteilen. Deshalb sei in diesem Zusammenhang anf eia«
Aufsats hingewiesen , den unter dem Titel »Das humanistische Gjbi*-
sium und die Anforderungen der Gegenwart** Dr. Alfred Gieseeke, ^
Leiter des weltbekannten Yerlagshanses B. G. Tenbner in Leipsig» '»
Juniheft der „Neuen Jahrbücher fflr das klassische Altertun* TerCfot-
Di« Mittfllicbulenquelfl d«i ÜDterrichtflmiQiiteritimi.
S35
licht bat. Er wendet ikb gerade gegen die bi» smin Überdra& wieder-
holte Anklage T diL& die »Ite GelebiteDichale fftr d&s Zeitalter der Elek-
triiltit md der Weltpditik antiquiert nei and ^bekämpft eie als Mann
itod mit M&Qneni der Fraxia. Ei sei doch inerk würdig » daß ein Maikiif
wie Staatasekretär Dernbarg» dem gewiS^ einiges TaritäiidQJs fßr die
Bedürft] iiie dei praktJBcben Lebens nnd der Weitpolitfk nicht beitritteo
werden kOnne, für dat Gymnasium eiDlreißf iodetD er (DMCh dem Bericht
in der ^FraneDbüdiiDg*' 1907, 7/8. Heft) getegentlicb der Beratnngen ibar
BegiüBduag einer b6beren weltlicben BildaagBaaBtalt iu Grunewald äa&erte
,... er trete für dai hqmamitiecbe OjEnnaaiQui ein. Die höhere Schale
loll« keine Beruf »bildnng r ermitteln ,.> Dar Verstand Golle in den Be-
aits einer braaebb&reii Methodik gelangen, nicht LernstoS' bloß
POlla rermiltelt werden" ^ Ana aeioer praktiacben Erfahrung teilt er mli^
daß aaa den vielen TaDienden von jungen Minnern, die er in den großen
B«tr leben in beobachten Gelegenbeit hatte * . . (anderen gegenäber) die
GjmnaBJaiten etwaa Geachioaaenea gehabt bätten, daa k&me wohl daher,
daß die QjmnaaialbLldODg einfacher eei, weniger übertreibe". Und der
bor^brnte Deutscbametikaner Karl Schnrs» der wie wenige den Eroit
dea praktiecben Lebena keDoeii gelernt bat, nrteilt iu aatnen alten Tagen
ß&ch fjelfacher Lebenseifabrtmg aber dio GjmDasialblldang: „ich habe
ja freilich — and leider — Ton dem Latein and Gnech^icb, daa ich all
Schaler woi^te» im Lanfo der bewegten Zeiten tiel vergeaaen. Aber die
iithetiacben ttnd aitt liehen Anregungen, die jene Studien mir gabeu^ die
idealen Maßst&be, die sie mir errichten halfen^ die geiatigen Hontoßte»
die eie mir erOfiTDeten» sind mir niemaia Terloren gegangen. Jene Studien
«ftreu nicbt ein bkIVea Mittel tut Erwerbung Ton Kenntniiaen^ laud^n
m beaten Sinne dea Wortea ein Knltur dement. Und ao aind
sie mir main ganiea Leben hindurch eine nnerachöpfllcbe Quelle erbeben«
den Qenueaes gehlieben. W&re mir noch ainmal die Wahl gegeben Eiviecheo
den klassiacben Btndien und den aogenonnten ,niltalichen* an ihrer Stellet »n
würde ich für mich aelbat ud zweifelhaft im waaenUicben densalhep Lehrplan
w&hleof den leb darcbgamacht habe^ („Lebenaannnemnj^en'' I, S, 91).
Dr* Gieaecke erinnert ferner mn die Enf^aate, die der Öatarrei-
«hische ZentraWerhand der Indoatdeüen einige Wochen nach der mini-
ateri eilen MittelBcbulenqnete aber die Erfahrangen der Indaatrie mit der
Mitttlichnle Teranataltet hat, deren Ergebnia in der 8cbrifl „Schulreform
nnd Indnatrie^ Tor einiger Zeit veröffentlicht worden ist. Daa in dem
znaammenfaesendea Berichte selbst ala heaebtensirart bezeichnete Er*
f ehnia iit unD, «daü aelbat die ehemaligen Eealachfller In der Begel fffir
die QjmnaaialbtldQng eintreten» iveil diese ein gr&l^erea Maß allge^
meiner Kenntnisie, inibeaondere aber die F&higkeit Terleibe,
aicta in der Mutterapraebe gewandter und klarer anisadrücken and bisher
Ufi bekanntes rascher und sicherer tu erfassen. Diese Antworten atQtaen
sich auch auf Erfahrungen mit Familienangebdrigen , soweit aie sich in-
dnetriellen Berufen angewendet habend und mit Beamtoil der Indnatrie.
Hier wird abermala die Überlegtinbeit der ehemaligen Gjmnaaiasten ber-
f orgehoben.^ »Es muß tiberraachen**! bemerkt der Berichteretatter in aeinen
53
886 IM« HittelsekiilMiqQeie des üntonriehtniBitteriiniii.
Etdrtenmgen auf Gnmd der Enqotte, «als Ergebnis anterer ünfrig« m
finden, dalS eieh die industriellen Ereile laniehst Mr die Mitteitehnle
AofhiimaniatiBelierOnindlngd aMspreeben, nerkwflrdig gewiß, wenn maa
bedenkt» daß man ee mit M&nnern an tun bat, die in der realen Piaiia
eteben and in Untemebmnngen titig sind, die jenem Gebiete, weldie
der Httmaniimns bebemcbt, gans ferne liegen." Wenn man Urteile wie
die folgenden Uett, daß „darefa daa Stndinm der bnmanistiwbefi Fichtr
Qttd namentlieh dnrcb die Lebtfire der alten Sebriftiteller daa Denkver-
mdgen bedeutend angeregt wird, ao daß die Anffaaanngagabe der
AbfoWenten dea Qymnaaimni in den meisten FßUen gegenftber den Ab-
aoWenten anderer Mittelschalen eine weit bßbei« ist« (& 48--49), .dai
sowobl fbr Indostrielle wie für derdn Beamte ea eiferderlieb iat, daß die
Jngendieit dain benntit wird, denken and arbeiten in lernen . . .
Dia Verbildang det Gymnaainma habe iehniebereat nnd wflrde ateti
danaelben Weg wieder einaehlagen nnd Jedem, der Indnatriellar werda
will, biet« raten« (a 50, 52), daß die absol?ierten Gjmnaaiaalen .skk
gegenftber absoWiertenBealiehftlem dadnreb ansaeiehnen, daß sie betenden
bei Terwendnng im Korrespondenadienat infolge der beeaeten Be-
heiraehnng der dentaehen Sprache fiel formTOllendeter nad aaeb-
lieber schreiben nnd sieh gewandter aoaandrlkkMi im ataade sind"
(S. 72), 80 wird man den Argumenten Biedls nnd den Ton ihm und aadersa
10 oft erhobenen Vorwftrfen der Weitfreradheit der Gymnasinafeen, der an-
praktisehen Kenntniese, die daa Gjmnaainm Termittle, der größeren Wich-
tigkeit der modernen lebenden Sprachen gegenftber den toton n. i. kaia
alltu großes Gewfebt beilegen kftnnen. Verwiesen aei in dieser Hiasichtp.
da ein Eingehen auf du Einaelne hier ans Baamrftckiichten nnmftglieb
ist, auf die interessanten und tum Nachdenken anregenden Aasffthruafea
Dr. Gieseckes (der tersichert, daß sein Bernf, »auf der Orme zwiscba
Wisaenschaft nnd Praxis stehend, ihn eine erweiterte homaaiatiaclie Bil-
diing täglich als die beate Forderung praktischer Wirksamkeit empflndM*
laaae) und waa den lettten Vorwarf betrifft, noch eine Änßorang des
bereitB erwfthnten Karl Schurs angeftlbrt „ich kann ton mir aelbot sagea^
bemerkt er a. a. 0., .daß ich in der Tat nur die lateiniseho Grammatik
grftndllch fcratanden habe, daß aber diese Kenntnis adr die grammatiaehca
Studien in den raodemen romanischen und germanischen Sprachen aikr
Mfihseligkeit entkleidet, ja spielend leicht gemacht hat*". Selbatfarstiad'
lieh trete auch ich entschieden für die Berftckaichtigung dar modern«
lebenden Sprachen ein, nur soll man nicht daa Bedftrfnia der Kenntnii
dieser Sprachen als Argument gegen die klasaiaehen gobraadien. IMe
Kenntnisse, die das Gymnasium Yermittelt, mßgen, aowelt ea steh um die
Sprachstadien handelt, nicht unmittelbar nfttslich und praktiaeh seia,
aber sie schaifen, wenn man den oben erwftbnten Zengniaaen gianbsa
darf, geistige Werte, die sich dann im Leben in praktisehe wnastifa
Und wenn es heißt «die Erfahrung neigt, daß Gjmnasialaehftkr, die nach
Absolfierung ihrer Gymnasialstndien ala Beamte in große Induatriebiaser
eintreten, Tiel raaeher und selbständiger die Einrieihto&gea des be-
treffenden Industriebauaes erfaasen und sieh elnarbaltan ala Abaolnntie
Die HitUlsekviMiqiiil« 4«t U&Wirkbtimiwtaioioi. 837
toderer IQittiaehileB, di« ja tb«or«iifcb f^wiß FadikfonioMM luib«S|
dicBelbeB abtr prakÜKb oft niebt f«rwert«s kOaiieB «wl infolge «in«8
weniger aug^bilieieB ▲ofliMtngifenDOgess villi »ioder Allg4raf^||
DenkftnnOgent scbwcrar in der Lage sind» sieh de» IjiitiMiiNi#n and
aod Neaerangt» angopasian« Maa wird tagtIgUeb konttatieraa kOoMB,
daß Beamie» die hunaaistiacba Siadieo Unter akb babaa, daa glatt aa
GescblftsTerkebr und den notwendigen Briefstil ?iel besser beherr-
schen als I. B. jeder Handelssebtiler» der doreh Jabre bindon^b inr ge-
schäftliehen Korrespondans eriogen worde" '— wenn diases Urteil, das
sich auf Erfabmag stfltit, riditig ist, dann darf maa wobl fragen, warom
du Gymnaaiara toib Staadpnnkt der Piazis bekimpft wird« da as doeb
den genannten Vorsag nur dem Bildangsoiittal f erdankt, das sein nnier-
•eheidendes Merkmal ist, dem Uatarricht in den klassischen Sprachen,
was übrigens derselbe iDdostrielle aosdrüeklicb an der oben angeführten
Stelle herrorbebt
Mit Seebt bemerkt Biedl weiter, daO daa Berecbtigangsmonopol
die Stellung der Qymnaaien ferscboben habe and daA ftberhanpt onsera
Mittelschalen infolge des Bereebtigangswesens immer mehr ?on ihrer
Aofgabe, Ar die HotlisebBlen foraaberaiten, abgekommen and Beamten-
sachtanstaltan geworden seien, nnd mit Geschick and Temperament kri-
tisiert er die Yerbaraaakratisierang der Schalen (er fiodet sie in ainar
Seihe aooh aonst Ton Facbmftnnern scharf baartailter fiinricblangen, die
Dan einmal beateben, wenn sia aaeh nicht aof Vorschriften baraben» nnd
die Selbstindigkeit des Lehrers einscbrftnkaa, wie Stoadanbilder, Arbeits-
kaleader n. a.)^) and die Lehrbflcher. Er Tcrlangt fftr die Beform: Wechsel
der Methode in allen Gegenat&ndea, Befraiang dar Xisbrer Tom jetsigan
Zwange, Beracbtigang svm Besuche der Hochacbaian fAr alle Mittelscbolan
(•0 nach dar Gewerbeachalan und Tacbaik), Bareobtigong aom niederen
Staattdienst fftr die Abaalfenten der Handels- and Gewerbeachalan
eventnali nach Ablegaag einer StaatarechnangaprQfang. Da eine plfitslicba
Umwandiang der beatehandan Scbalfoim nicht denkbar sei, tritt aacb er
ffir einen dritten l^as eio, bei dem anf der Untarstafa Deatseb im
Mittelpunkte steht nnd eine moderne Sprache bis aar mündlichen Beberr-
•cbang gelahrt wird. Ala Oberstafen seien anmgUedera: eine Handels»
schale (mit dam Freiwilligenrecht nnd Fortsataang in einer Handelsbocb-
schole, fttr deren Notwendigkeit er nüt allem Nachdruck eintritt), die
habere Gewerbescbnle mit der Fortsetsung an der teehniseben Hocbscbnle,
tu welcher aUa Oewerbescbttler aasalasaen seien, endlich eine Oberstofe
*) Mit Recht rigt Redner auch die achon so oft f an den Scbul-
mftnnem selbst beklagte Überlastang der Gymnasialdirektoran mit Schreib«
arbeiten und bemerkt unter Zustimmung „das sind keine Direktoren mehr,
das sind Beamte. Die eigentliche Aufgabe der Direktoren ist doch die
Studiendirektieu, daher der Nane*". Wenn er aber hinnfttgt, in «Deutsch«'
land baifien sie Rektoren, bei uns Direktoren, weil sie bareankratisab
dirigieren ond nicht den Lauf der Stadien regeln sollen'*, so mag das
ein guter Wits sein, aber richtig ist es nicht, denn anch in Deutschland
heißen die Leiter der Gjmnasien im allgemeinen Direktoreo, Rekteren
aur in Bayern, Württemberg and Sachsen.
838 Die MittelBchnlenqaete des ünterriehttministeriami.
eines Mittelaehnltypiii mit einem hnmtnistiBehen und realistiiehen Kone
— wie mtn sieht in seharfem Oe^^ensati in dem Tom Minister Dr. 6eß-
mann vertretenen Standpunkt, der jede Gabelnn^form ablehnte.
Eommerxialrat ▼. Fächer wendet sich xnniehst gegen das Epi-
gramm» mit dem die Dichterin Baronin Ebner ▼. Esehenbacb ihies
Beitritt xnm Verein der Frennde des homanistischen Oymnasioms begleitete:
«Wer Griechisch nicht kann nnd besonders Latein,
Der kann anch des Denttchen Meister nicht sein.
Soll nnsere Sprache Tersinken im Pfnhle,
Dann treibt nor die Klassiker fort aas der Schule !*
und stellt ihm ein Verslein ans den ^Fliegenden Blättern" gegenftber:
«Sonderbar! Der Mirabean
Sei ein guter Redner gewesen
Und hat doch den Redner Cicero
und den Deroosthenes gelesen I''
Er meint, daß beim klassischen Unterricht am Gymnasium Zweck oid
Mittel miteinander Terwecbselt werden. Die Qrammaiik trete gios io
den Vordergrund und auf ihr Erlernen werde uoferhältnismißig viel Zeit
▼erwendet, die man Tiel besser fttr andere Gegenstände bentttsen kdnote,
spesiell f&r solche, die fQr das praktische Leben Ton Wichtigkeit liod.
Die Folge dieses Studiums sei die TOllige Apathie gewesener Gymnasisstes
gegen die klassischen Sprachen. Er bestreitet auch den gflnsügen Einfloß
des Studiums dieser Sprachen auf die Kenntnis der Muttersprache. Bit
Vorschläge des Ministers Dr. Geßmann haben ihm teilweise gut gefslieo,
doch fflrchtet er, wir arbeiten damit nicht fflr unsere SOhne, sondern Ar
unsere Enkel, Tielleicht Urenkel — wenn wir darauf warten» daß mit
einielnen Versuchsanstalten durch ein paar Detennien Erfahmngeo ge-
sammelt und dann erst diese Erfahrungen in die Praxis der Mittelschol-
organisation flbertragen werden sollen. Im Namen Hofrat Schippers gibt
er dem Gedanken Ausdruck, daJ^ gleich eine größere Antahl Östezreichiscber
Gymnasien in die neuen Schulen umgewandelt werden, in denen in der
Unterstufe keine alten Sprachen, wohl aber eine neue gelehrt werdeo,
die alten Sprachen jedoch auf das Obergymnasium beschränkt werdeo
sollen ; ihm selbst täten jedoch die ttbrigen Gymnasien leid» die auf die
Änderung bis nach der Erprobung warten mfiOten. Zu so einiehneideodes
Änderungen habe auch er nicht den Mut, aber daß das Qberwncbende
Dornengestrüpp des grammatikalischen Unterrichts schon jetst beschuitteo
werden und daß man dann gradatim Ton Jahr xn Jahr die von der Grsn-
matik sweier alten Sprachen abgesparten Lernstunden den arg feniscb-
lässigten Zweigen des modernen und realen Wissens xuweisen kOnoe»
daTon sei er flberzeugt.
Reichsratsabgeordneter Realschulprofessor Erb spricht spesiell Aber
die Einheitsschule und erklärt sich dagegen, daß man die fiinheitamittei-
schule als neuen, dritten Typus aufstellt und schneller oder langaamer ss
dieser Einheitsmittelschule gelangen will. Den Herren, die dafttr etntreteo«
schweben immer die Verhältnisse der Großstadt vor, die kleinen Städte
werden gezwungen die bisherigen Gymnasien oder Realschulen tu bebaltes.
Die Mitteluhnlenqoete das UntenichtimiiütteriiimB. 889*
Deshalb mfiese eich das GjmnMiiiin, das in seiner hentigea Gestalt
eigentlich schon 60 Jahre bestehe, den nenen Anforderungen anpassen*
Der Unterricht in den Naturwissenschaften, deren Lehrer nicht mehr,^
wie bisher, als Lehrer tweiter Gflte gelten sollen, müsse den Zeitrerhiit-
oissen entsprechend geregelt, Chemie, Geologie gelehrt werden; dio
Grandlage des Unterrichts mflsse die Unterrichtssprache sein, fflr die^
neueste Literatur, für die Geschichte der neuesten Zeit usw. mflsse Baum
geschaffen werden. Die Schüler sollen alle eine gleichmftAige Bildung
erhalten. Die UniversitAt solle auch den Bealschttlem sugänglich sein^
und iwar ohne vorausgehende Ergänsungsprflfungen. Man kOnne mit
sieben Jahren Realschule gans gut auskommen, das achte Jahr bedeute
einen Ökonomischen Verlust. Im Interesse der Einheitsmittelschule kOnne
jedoch auf das achte SchuQahr eingegangen werden» aber nur unter der
Voraussetsung der Tollen Berechtigung. Die Obligaterkl&rang des Steno«
graphieunterrichts wäre fOr das praktische Leben von großer Bedeutung»
Bedner reagiert auf Terschiedene Bemerkungen hinsichtlich der Methode»,
der Besprechungen der Lehrer mit den Eltern, nimmt die Lehrer gegei^
▼erschiedene Vorwürfe in Schuts und regt die Bildung eines Komitees an
xur Prüfung und Begutachtung der Lehrplftne, bevor die neuen Type»
gesehaffen werden. Er wünschte eigentlich lauter Einheitsschulen, min-
destens aber solle dort, wo nur eine oder swei Mittelschulen bestehen^
eine Einheitsmittelschule geschaffen werden, an Orten mit mehreren.
Mittelschulen mOgen eventuell die ferschiedenen Typen nebeneinander»
aber jedenfalls sollen mCglichst viele Einheitsschulen bestehen.
Oberbanrat (jetit Sektionschef im Arbeitsministerinm) Borger
spricht sich vom Standpunkte des praktischen Ingenieurs gegen die ein-
schlägigen Ausführungen Biedls aus und vertritt als Vertreter des
Ingenieur- und Architektenvereins die Forderungen des V. Österreichischem
Ingenieur- und Architektentages auf Schaffung einer Einheitsmittelschulor
deren Absolventen ohne Ergänsungsprflfung den Zutritt su allen Hoch-
schulen erhalten. Den Bealschülern müsse der Zutritt sur Universität
offen stehen. Der vorgeschlagene Typus mache den Eindruck, als ob es
wieder nur das Gymnasium ohne Griechisch wäre mit derselben Ein-
Bchrinkung der Naturwissenschaften, er lehnt sie auch wegen des achten
Jahres ab und schließt mit den Worten: ^Wenn die Einheitsmittelschule
nicht so wird, daJ^ wir unsere Nachkommen vOliig richtig ausgebildet
erhalten, dann lassen Sie uns die Bealschnle wie sie ist, wir werden Bia
uns verbessern, wie wir sie brauchen!**
Beichsratsabgeordneter Professor Dr. Steinwender wendet sich
dagegen, daß das Gymnasium, wie mehrfach behauptet werde, eine Ellte-
schnle, eine Elite von Lehrern und Schülern sei. Das sei es nie gewesen.
Unser Gymnasium soll die mit Bflcksicbt auf einen Massenunter riebt »och
mögliche höchste Bildung des Charakters, des Intellekts und &Qcb dt:»
Körpers geben. Es sei daher begreiflich, daß man dieser Anstalt uQd dei
neben ihr bestehenden Bealschule für ihre Schfller das Becht zum Buuitf'
der Hochschulen gegeben hat und daß diese Anstalten daher j^uf
Bedürfnisse der Hochschule Bücksicht nehmen. Unbegreiflich Bei jede
4
S40 Die ICtMiebaltfi^ete det ÜBteniohtamiiiSttaiiiaw.
4aA ate all Yorbereitaiigudialeii tnr ErlaogOBg von B— lUmifcrilwi gelten,
4AEmii habe man froher nicht gedacht; diea maiae saerit mdhX^m «ad
dae BereehügimgtweseB tberhaapt geregelt werden« eonat aei eiae Befonn
der Mittebchole nicht mOglieh. Bedner hält dae QjrvmMinia ftr Teraltet,
wendet ddi gegen den Yoradilagy einen nenen Typoa aU BMilgymnaämn
an eehaffea, dafikr gentge ea, am dem Gymnaeinm — dae Griechiaeh n
entfernen oder die Sehfller dnTon in diepenaieren. Dagegen aei der aveite
Yorechlag dee Referenten: Unterstnfe ohne Latein« Oberetnfe mit Latein
braschbar. Dieaer Typna aei flberall dort einrafOhren, wo berecktigte
Intereeaenten aie Teriangen. Dae hnmanietiache Gymaaainm bleibe dort
beetehen, wo mehrere Anttalten an einem Orte aich befinden, ebenao die
Beaiaehnle, die jedoch nicht tn einer achtklaaeigen anageetaltet werden
eoUe. Ba handle dch danim, innichat einen Böhmen henoatelioa. «lat
dieaer Böhmen hergeatdlt, eo werden aich in dieaem Böhmen Goiat, Me-
thode, Änderungen großer nnd kleiner Art echon finden; wir mfiaeon aber
die Hindemiase beaeitigen, wir mfiaaen abrei&en, demolieren, wenn aich
der Herr Minister anch dagegen gewehrt hat. Wir bauen nicht anf grftaem
Anger, wir iteeken in einem altfiberkommenen Gebinde. Und mn6 ein
Teil niedergerieten werden, ao reißen wir nicht mehr nieder ala notwendig
ist. Wir lassen Ihnen dae faamaniatisefae Gymnasium. Wir lasaen Ihnen
4ie Bealschnle, bessern eie diese beiden l^en weiter und schaffen Sie
einen dritten, den nenen Typns. So glaube ich, können wir ea
wenn wir anf diesem Wege Torwarts gehen, kOnnen wir mu
Ute kommen*, schloA Bedner, der viel gemftßigter sprach als nadi seinen
sonstigen Kundgebungen erwartet werden konnte, unter lebhaftem Bei&ll.
Hofrat Professor i. B. Dr. Lorber beklagt die Geiingsfhitsuiig,
der die Bealschnle im Publikum begegne, die sich auch darin inftere, dai»
bisher in der Enquete von ihr so wenig gesprochen worden aeL Die ver-
breitete OberseugUDg, daß der Absolvent des Gymnasiums ein besserer
Mensch sei als der der Bealschnle, sei mit ein Grund, der rar SinheitB-
fnittelschule dringe; denn wenn es nur eine Bildung Ar allo, die sieh
dem Hochschulstudium widmen, gibe, so gibe es keinen TorschiodeBeB
Wertmaß fOr akademische Bildung. Deshalb trete er im Sinne der Be-
schlfisse des Ingenieur- nnd Architektentages fftr die BinheitsmittelacfaBle
im Tollsten Sinne dee Wortes ohne jede Gabelung ein. ,Wir wären als
Techniker eigentlich fflr die siebenjihrige Einheitsmittelachule; wenn wir
uns entschließen, das achte Jahr sutngeben, so geschidit es deohalb, wsü
die Abiturienten dieser EiDheitsmittelschnle ohne weitere Brginiungs-
prfifnng Zutritt sn allen Hocbscbnlen bekommen mfiaaen und weil mit
sieben Jahren 'doch eine Oberbfirdnng der Sehfiler und der Lehrer eia-
treten könnte*, unter der YorauMetinng der Zulassung der AbeolTeatsn
aller drei 1>fpen su allen Hochachulstudien wflrden die Ttoohniker, die
sonst die siebenjihrige Bealschnle erhalten wollen, sich mit dem achtea
Jahr der Bealschnle einTcrstanden erklären. Auch er wolle die von ihn
Tcrtretene Einheitsmittelschnle (ohne Griechisch, mit obligatem Lateia,
darstellender Geometrie, philosophischer Propidentik, mit Vertielvng des
Unterrichts in der Muttersprache nnd in den mathematiseh-n
Die MitklMfcoleBqiMU des Ual«nriehtni]utt0riiim8. Sil •
BchaftUehen Fädianiy nfttOrlieli aaeb mit dem obligftton ÜA^iricht in
einer, aber nur in einer, modernen Fremdsprache, die in gemiicht-
ipraehigen Lftndem aneh dnrch eine Landeeiprache enetit werden könnte)
lüs neaen dritten l^ns, eventadl nach Hnemen, doeh nicht nach den
Intrigen GelSmanns, der die darstellende Geometrie vnd die Natnrwissen-
Schäften allsmehr beeehrftnke. Entichieden rnftsse er lieh jedoch gegen
den Znsati in der dritten These Hofrat Hnemeti ansspredien, daß die
Zalassnng der Abeohenten der Ton ihm Torgeschlagenen T^pen in den
Berafsprfifangen, erentnell im beeonderen sa regein sei: ei mflsae fiel-
mehr gleich bei der Errichtnng der ersten Klasse der neuen Anstalt Idipp
und klar gesagt werden: Der Abiturient dieser Sehale hat die Bereehti-
gong sn allen Hochsehnlstadien und zn jedem das gewählte Stndiom
Toranssetienden Berufe. «Wir sind deshalb für diese dritte Type, weil
wir sie als Übergang lar wirklichen Einheitsschnle betrachten, wir glanbent
daß anf diesem Wege das, was wir seit langer Zeit anstreben, erreicht
Dod daß daraas die Sehale der Zakanft werden wird". Wo an einem Ort
nur eine Mittelschale besteht, soll der neue Typus eingefflhrt werden, wo
ihrer xwei sind, soll eine der beiden, und wo mehrere Anstalten toihanden
lind, die Hftlfte nach dem neuen Typus organisiert werden. Auch er
betont die Notwendigkeit der LOsung der Berechtigungsfrage. Der Unter-
richt müsse mehr intensif als extensiv werden; die Arbeit mehr in die
Schale Terlegt werden, die SchOlenabl einer Klasse sollte höchstens SO
betragen. So schwierig die Lösung aller Fragen sei, alle — tomeist aus-
einandergehenden — Wünsche lassen sich nicht Tereinen, so wftre es
docb mOgiicbf eine mittlere Linie lu finden and er wünsche, daß, wenn
schon nicht das Ideal sustande komme, doch erreicht werde, da5 die
Schüler mehr aus der Schule für das Leben mitnehmen und sich mit
mehr Vergnügen an die Schulxeit erinnern.
Hofrat Huemer reflektiert auf einige an seine Antrftge geknüpfte
Bemerkungen. Bei seinem Vorschlage habe er an das alte Realgymnasium
nicht gedacht. Der Lehrplan der neuen l^e müsse erst festgelegt werden ;
eoTiel könne er sagen, daO er persönlich auf Übersetsungen aus klassischen
Antoren sn Gunsten der Naturwissenschaften verzichte. Hinsichtlich der
leinen Thesen angefügten Klausel sei er xur ErkUrung ermiehtigt, die
ÜDterrichtsferwaltung gedenke den Studienplan der neuen Type so ein-
zurichten, daJ^ den AbsoWenten der Zutritt zu allen Hochschulstudien
ermöglicht werde. Ebenso sei sie geneigt, die Frage der Zulassung su
den Bemfsprüfungen zu Gunsten der Abiturienten der neuen Mittel-
scbultype, besw. der Bealschulabsohenten mit Ergänsungsprüfung tu
losen — im EinTcmehmen mit den Professorenkollegien und der betei-
ligten staatlichen Zentralstellen. Dieses Einvernehmen werde gleichseitig
mit der Organisierung der neuen l^pe erfolgen. Betüglich der Schulbüdier
hebt er die Schwierigkeit hervor, gute tu erlangen; auch Preisausschrei-
bungen haben nichts geholfen, rerweist aber auf die aufliegenden neueren
Lehrbücher, die manchen Fortschritt zeigen. (Fortsetzung folgt.)
Wien. Dr. S. Frankfurter.
842 Die in. Direktoreskonfereiii ia Wmb.
Die m. Direktorenkonferenz in Wien.
Die MitUlscIiale iit ond bleibt eine meaadilkhe ffimirhtieg, ^inm
ist iie einer Verbenening nnd Ansgeetaltnng aidit wmr fihif:, loeden
Mch bedarfüg. Daß man sieb aber am anerwenigiten im Kiom im
Mitteleeballehrentandea dem Gebote dee Fortschrittes Tcrnkfieftt» bevoMs
anter anderem die Verbandlosgen der III. in Wien abgebattcMS Diiek-
terenkonferent 1). Anf ihrer Tageiordnong standen ackt YerhiafiiBgi-
gegenttinde. Drei derselben geben beide Kategorien der Kttelscbsle ib,
nimlieh die Themen: 1. Sollen die Hauptferien an den niedcresteaekki-
seben Mittelschalen aof die Zeit Tom 1. Joli bis Sl. Aagast teric^
werden? — 2. Ober den Standpunkt der Schale besft||icb der seneUes
Belehrnng. — 8. Ist es wünschenswert» die Zahl der regehnüftiges Eos-
ferensen sa beschrftnken? — Das Gynmasiam allön betrafen fdgesde
Fragen : 4. Ist der Kanon der lateinischen and griechiscken SchaUatoRii
oder ihre Reihenfolge in demeelben xa indem ? — 5. Wie kann der Erfoie
des stilistischen Unterrichtes im Lateinischen am Obergjnsnasian gebobei
werden? — 6. Ist eine Änderang der gegenwirtigen Verteflong des f^
schichtliehen Lehrpensums am Obergymnadam notwendig? — Esdüd
belogen sich aosschließlich aof die Bealschale die Themen: 7. Ist ose
Bevision der Hatarit&tsprflfiingsordnang f&r Bealscholen notwendig? oad
8. Die Errichtang Ton Lateinkorsen an Bealschalen.
Indem ich nan daran gebe, die Ergebnisse der DirektoreakeBfenm
den Haaptpankten nach mitsateilen, möchte ich mir im Hinblick uf
einselne jener Themen aach einige Bemerkangen erlanben.
Am lotsten Mittelscboltage worde das oben anter I aageffihite
Thema bereits eingehend erOrtert and nnnmehr bekanntlich dorefa eisen
in jüngster Zeit herabgelangten h. Ministerialerlaß aach den obkIb»
Lehrkörpern dessen Darchberatang aufgetragen. Hiedarch ist eis Vor-
schlag nach 2Sjährigem Schlafe xa neaem Leben erweckt worden. Dess
Ende Märi des Jahres 1885 entbrannte hinsichtlich der gleiches Fng«
swischen der «Mittelschule" nnd „Bealschale* sowie der Presse als Ter*
treterin der Öffentlichkeit ein hitsiger Kampf. Schlie&lich trog die lite
Ferialordnong, deren Gebart ins Jahr 1875 ftllt, den Sieg daTos. Der
niederOsterreichische Landesscbalrat and das ünterrichtsministeriom ftben
der Ton einer großen Zahl niederOsterreichiecher Anstalten fibeireicittea
PetitioD y die f&r die bisherige Ferialordnang eintrat , nach. Usd did,
nach mehr als iwei Jahrzehnten, scheint man gerade in NiederOsterreick
fOr die Yerlegong der Ferien sa sein. Direktor Glßser wenigstes«, ^tf
Beferent dieses Themas, gab trots der ablehnenden Haltung der oieder-
Österreichischen Direktorenkonferens (81 stimmten gegen, 17 fttr die Ver-
legung der Ferien) der Überseugang Ausdruck, daß die Verschiebsag
der Ferien auf die Monate Juli und August in absehbarer Zeit erfolfCB
werde. Wer nur auf die Stimme der Hygiene hört, wird sidi aof SaU
<) Vgl. A. Scheindler, Verhandlungen der Ifl. Konfereoi ^«
Mittelschaien im Ershersogtum Österreich unter der Enns. Wien 190T,
Holder.
Dio III. Direktorenkonferent in Wien. 843
des Beferenten GlOser stellen. Allein Ton Tielen Mitgliedern der Eonfexenx
wnrden anch die Sehftden betont, die jene Verlegung der Ferien fflr den
Unterricht nach sich tOge» nnd dämm stimmte die MajoritAt sa Gunsten
der alten Ferialordnnng. Auch der Lehrkörper des I. deutschen Oymnasiams
SQ Brflnn, in dem ich die in Bede stehende Frage ausflhrlieh so besprechen
hatte, erklärte sich einstimmig gegen die Verlegung der Ferien. Aus
meinem eigenen Referate mochte ich nur jene Punkte herrorbeben» die
ani^r den anch Ton der Direktorenkonfarenx vorgebrachten Bedenken
(8. 192—194) ins Treffen geführt werden konnten. Der Unannehmlichkeit
der (angeblich stets) drückenden Hitze in der einen Juliwoche (besw.
während der swei Jnliwochen) konnte doch dadurch wesentlich gesteuert
werden, daß der Beginn des Yormittagiunterrichtes auf 7 Uhr angesetit
wird. Weiters bietet die bisherige Ferialordnung der nicht unbeträcht-
lichen Zahl Ton Studenten» die wegen der Mittellodgkeit der Eltern auch
während der Ferien tum Verweilen in der Großstadt verurteilt sind,
wenigstens awei Wochen kühlerer und somit wohltuender Erholungsseit.
Mit bloßem Achselsacken kommt man auch über die Schwierigkeit nicht
hinweg, daß bei einer Rückverlegung des Beginnes des i weiten Semesters
auf den 1. Februar der botanische Unterricht nach längerer Zeit mit dem
Mangel an Pflansenmaterial sn rechnen hätte, sicherlich nicht sn seinem
Vorteile. Gewiß verdienen hygienische Maßregeln auch in der Schule
tunlichtte Berücksichtigung. Allein es muß bei der Ferienfrage betont
werden, daß für die Mehrsahl der an den Mittelscfaalen studierenden
Knaben höchstens acht Jnlitage in Betracht kommen« Tage geringer
geistiger Anstrengung, Tage sumeist ohne Nachmittagsunterricht, Tage,
ansgefüllt mit fröhlichen Jugendspielen, endlich Tage mit dem beglücken-
den Ausblicke auf die Ferien. Die bisherige Ferialseit hat sich an den
Oiterreichischen Mittelschulen seit mehr denn drei Jahrsebnten bewährt,
weil sie den Beginn der Ferien mitten in die heiße und das Ende in die
Mitte der kühleren Jabresseit verlegt. Die goldene Mittelstraße bleibt
eben stets die beste.
Hinsichtlich der heiklen Frage, welchen Standpunkt die Schule
besüglich der sexuellen Belehrung eiDachlü^'eQ solle* ivtirdeii foLgeade
Leitsätse von der Eonferent angenommeti t
1. Auf der Unterstufe der Mittelscbule ist ei De entsprechende bio*
logische Behandlung der Befruchtung uod VermebrQDg der PflBnien und
'Here xu geben; etwaige Warnungen vor MlÜbrAucb der eigeoen 6«-
•chlechtsorgane konnten nadi Bespreehting intt dem BlUrnhauaQ durch,
geeignete Bibliotheksbücher erteilt werden ; -^^
2. auf der Oberstufe der MittebchDle wird eine wistenic^aftt
Erklärung der Fortpflaninng in der Z«lieüIebro und in der Phjmioln
besw. in der Biologie der Pflansen und Tiere^ uod d«r Hin web anl'f^
Gefahren der Geschlechtskrankheiten im hygieniicben Teile d** ff-^-Ä
logie gegeben. Die Begattung bei den Tiereti und die m*^
ichlechtiorgane werden nicht erklärt;
8. alle vorkommenden pathologi»cban Fälle eia
überweisen;
i
844 Die III. DirektorAokMfireai in Wien.
4. 4ie weitere AnifBlunuig notwendig eiedieineDder Maßiefelii wird
der Leitnng nnd den LekrkOrpem der einebnen Anetollen, eoweii wit
mOgUeh im SinTemefamen mit dem Eitemhanee» ttberlMeen.
Bei Themn 8, betreffend die erentnelle Yerminderaag der ZeU im
regelmiftigen Konferemen, erklirten äeh atte Direkteren filr die fit-
eteünng der Kleeienkonferenien. Nnr im Mle einee oagewOhBlicte
Yerbaltene der Klaeee eei eine eolehe Konfereni einraberofen. Ze dm
Anträge des Referenten Dir. Spielmnnn, etatt der regelmiAigen Memti-
konferenien nnr iwei Zennrkonfereniea innerhalb Jeden Semeeteit ekn-
balten, wnrde noeh der Znsats «anter Yeraaeeetsnng einer iweskol-
Bpreebenden POhnmg dee Klaeeenkatalogee" hiningefllgtb fiinigM Be-
fremden dflrfbe der Seblnft des Leiteatiee b (TgL S. 12) erwecken, b
laatei: «Nach jeder Zenenrkonferens erhalten alle Schüler einea Zemii-
ecbein, der jedoch keine Koten enthält» eendtrn e? entneU Mr firmAemf
oder Tadel in den Unterriehtegegenatinden nnd allgemeine Bemeckm«
dee Betragene nnd dee Fleiftee*. Biiber begnügte man cicbi die
echwachen Sehfller nach der jeweiligen Konferens durch den Zcaiu^
schein rechtxeitig anfnierkeam so machen, wo eie den Hebel feeter aaie-
fietMD haben. Hineichtlieh der anderen Sehfller kOnnen eich ja die fiten,
besw. deren Stell? ertreter in den Spreehstanden genflgend edomdigm. -*
Das anf den Kanon der altklassischen SchallektOre bexflgüehe Tksws
wnrde, wie schon der umfang des Berlebtes ftoAerlieh beweiet (& 184-
166)» besondere eingehend behandelt nnd gab tn heftiger Weehiekedt
Anlaß. Der Referent Dir. Zi wsa hat mit einer Offenbenlgkeit geeprocbN,
die answeifelhaft Widerhall finden wird. «Fort mit aller Beechrlaknc
anf bloß formale Zwecke 1 Nenee wollen sie, die Jangen ans dem Ate
erfahren, was den Verstand möglichst Tielseitig bildet, ihre EennteiM
erweitert, ihre Phsatade belebt, ihr Intereeee erregt* (8. 136). In d«
Tat, wir Philologen mflssen nns endlich Ton dem Glauben frei mechm,
daß alles, was uns Bemfspfailologen interessiert, auch VeretAndnii lad
ästhetiBchen Beifall bei der Jagend findet. Ein derartigee Geetiadsii
▼erträgt sich mit der eigenen Vorliebe fflr die griechisehen nnd rOmtsekes
Werke eehr wohl, es Territ aber sogleich ein anfrichtigea YerstiadBii
der Gegenwart. Ein solches Geetindnie darf am eo eher ge&nßort wsrdm,
als schon ein Tacitoe meinte: «Nicht alles ist bei den Alten bsner.
Ans der Seele gesprochen ist mir weiters Ziwsas Änßerang (S. 137), 4m
Lehrer innerhalb der einseinen Elaesenpenea t ollkommen freie WsU
in der Lektflre sa lassen. Fflr diese Freiheit trat ich achon in meissa
Anfsatse «Die Entwicklang des öeterreiehiKhen Gjrmnaainma eeit 1849'
(Örterr.-Ungar. Bevae 1900, 8. 99) ein. Traorig, aber wahr ist Ziffw
Behaaptung, daß es «immer Lehrer geben wird, die den dnich Vorschdftm
nnd Instmktionea Torgeieichneten Weg lieber wandeln, ohne hienn äot
Fessel sn fflhlen. Wer aber sich das Denken nicht allmAhlich abjswtteM
will, wer nicht Tag fflr Tag, einer Maschine nicht nnfthnlich, in maßf
migem Gleichmaß fortarbeitet, Tielmehr dnreh fertgeaetrte anfmerfcM*
Beobaehtang seiner selbst and der wechselnden Schflierqoalititsn «et
sor Eanst des Lehrens emporringen will, der darf der sor
Dfo HL Dinktorüikoiiferan ia Wito. 845
gthftrifM FnOieit ■lebt «sfanUeB" (8. 187). Mit Be«ht teinneite aich
te Komfenak Dir. P. Wenger »d das Wort tob Boniti: «Dem est-
fohiadeaea WooMh« dar einitlnen Lehrer dtirfeii bei der Avswahl der
LtMre sieht fo enge Qrenxen geeteckt werden , weil dieee sabjektifea
Meneote flir den wirkUebea Eifolg der L^ttreetunde von der grdAten
Wiebtigkeit nad*. Yoa dem bedeateaden Wert dieeer Bewegeaga-
Mbeil darehdraagea, hat aach faMp. Sobeiadler dea beeoaderea Waaieh
ifaiei Iiehren itatt eiaes philoeophinhea Weihes Cieeroe eiae Aaswahl
foa Briefea des jüagetea FUnhu lesea sa darfSn, beim h. Hiaistsriam
befflrwortst Obwahl er persdnUch die Pliaiasbriefs aicht als eia Iqai-
fikat fftr eia grOfteres Werk Cieeroe belraebtete, hielt er es doch Iftr
weit forUilhafter, dea Lehrer das mit dea Sehftlera lesea so lassea, was
diesem VtigaAgea, als was ihm Mii^feiga«gea bereite (8. 164). Aaf des
Lehrers Begeistemag fflr die Sache soll ebea aicht ia leteter Liaie Bttcb
lieht geaoauaea werdea.
Das Brgobais der Debatte UosichUioh dee Kaaoas der allklaerfsebea
Lektftre war, daft die Majoriat der Vemassmlaag sieh Ar eise fäkal-
tatifc Brweiteraag des JUaeas and iaaerhalb dessdbea far tolle
IVdhiit aaesprach. Sowohl Ziwsa als Weager redetea der Ansscheidaag
des Nepas aad tob Cisars Bttrgeifcrieg dae Wert fiiasichtUch der Bmhea«»
feige der Antorea empfieldt Ziwsa oater aaderem die eebon oft aad
driogead geiafterte Yeriegaag dee Linas ia die VIL Klasse. Die Srf Allaag
dietee Waaschee warde m. E. f oa dem grOAtea Teile der Berafageaoesea
nicht miader freadig begrüßt werdea als eiae Umstellaag der grioehischea
Lektiro dor Oktara, aleo Sophokles im eisten, Plato im sweftea Semestsr.
Ia rschl echroirem Qegeaeatse ioAertea sich die Aastehten der
Konfsrsastellnehmer bei der Behaadlaag der Frage, wie der Erfolg des
stilistischea Unterrichtes im Lateiniechea am Obergymnaeiom gehebea
werdea könae (S. 58--86). Schwerlich wird sich ia dieser Frage eine
Binigkeit enielen lassen. Yoa der dnea Seite wird ebea der Baf aach
Oramnmtisismns, Ton der anderen nach Bealismos erselmllen. Sehr be^
sehteaewert encheinea mir die Werte des Dir. Stitt, der aaterHiaweii
aaf die Forderoag dee Orgaaieatioaseatwnrfes („Haaptsweck der Erleraaag
der altes Spraehea ist die Lesong der klassischen Aatoren*) meinte:
«Zwei Hoohgipfel kann ein Toarist sa gleicher Zeit nicht nehmea, nad
veaa ich f er die Wahl gestellt werde, so siehe ich aaf der oberea Stofe
die Fertigkeit in der Handhabang der LektCre for«. Weaa aach wir
PMlrtogea lar Brreichong des lotsten Zieles der Ojmnasialstadiea, d. h.
sar Eatwieklaag eiaee edlea Charakters eatsprecbead beitragea wollen,
daaa mamea wir aach beim lateinischen Unterrichte das Verstindnie ftr
dea lahalt der klaesiKhen Antorea an die erste 8toUe, die stilistische
Fertigkeit im Übersetiea dos Deatschen las Lateiaische an die tweite
Stelle setsea. Znr Untorsttttiang dieser Anscbaaang bsdorfto ee nicht
dee Hiaweiees auf die Tatsache, daß selbst DoktordissertatioaeB geriage
Oewaadtheit im lateinischen Stile aaf weisen, es bedarfte weiters aicht
des Trostss, daft aach sa dea deotsehen UaitersitAtea fttr die Schnlaag
des latdaischea Stilee weaiger als je geleistet werde, eoadcrn es war
846 Die III. Dixektorenkonferens in Wien.
TOf allem auf die tatsiehliehen Erfahriingen der TaterlindieeheB Gyn-
naiien bininweiBan. üod dieser nnTeiflUsebten Quelle entepringee ud
sind danim frei von jeder BeMhOnignng die Worte Ziweae: «Die Erfah-
rungen im nenspraehlicben unterrichte lehren, da6 man aehteuwerte
Kenntniise nnd ansreichende« Vent&ndnis erworben haben kOnne ud
doch in Verlegenheit gerate, wenn es gilt, einen fransGiisehen oder eag-
liachen Brief sn schreiben. Was in einer lebenden Sprache schwor ist»
gestaltet sich noch schwerer in der toten. Nor höchst Beeeheidenei
TermOgen wir trotx aller Mflhe sa erreichen; denn daß wir vsatn
Schtkler wirklich sn lateinischen Stilisten bilden kOnnen, wäre «b
nnterseihlicher Irrtnm, eine arge Selbsttinschnng'* (8. 93). Übrigess
hat Ziwsa wohl den Nagel anf den Kopf getroffen, wenn er (8. 91) dai
Streben, den stilistischen Unterricht im Lateinischen am ObergymassisB
SQ heben, nur anf den Zweck tnrftckflkhrt, daß die schriftliche Matuititi^
arbeit ans Deutsch- Latein in Zukunft besser ausfalle. Allein schon metarss
sich betricbtlich die Stimmen jener Philologen, die meiDen, daß an
Abiturient den Beweis fQr die entsprechenden Kenntnisse des Lateintsebes
auch nur durch eine schriftliche Obersetxnng aus dem Lateinisehen ts
die Muttersprache erbringe, da eine wirklich gediegene Übersetsnag doeh
unbedingt solide grammatische Kenntnisse sur Voraussetsnng habe. Schos
in der IL Direktorenkonferenz hat sich Dir. Eye er t nicht gcaehesti flr
die Abschaffung der deutsch -lateinischen Haturit&tsarbeit einiutrsteo.
Tatsftchlich ist diese Matnritfttsarbeit nunmehr geschwunden.
Mit weit größerer Einmütigkeit sprach sich die Konferens hioiiskt'
lieh der Verteilung des geschichtlichen Lehrpensums am Ob^rgymasiisD
aus. Folgende Leitaätie fanden fast durchwegs einstimmige BiUigtmg:
1. An der eingehenderen Behandlung der neuesten Geschichte ist unbedingt
festsnhalten. 2. Lehrstoff der V. Klasse sei Geschichte des Aitertnon bii
tur romischen Kaiseneit, wobei eine Belastung der V. Klasse durch Eis*
schrftnknng der morgenlindischen Geschichte und durch Wegfall der dsi
Gedächtnis beschwerenden Dinge aus der griechischen nnd römisches
Geschichte rermieden werden solle. 8. Lehrstoff der VI. Klasse sei Ge-
schichte der romischen Kaiserseit in ihren herforragendsten ErseheinaBgeB
als Einleitung zur Geschichte des Germanenfolkes; Geschichte desMittal-
alters nnd der neuen Zeit bis inm Beginne des Dreißigjährigen Kriagis:
ferner STstematische Wiederholung der Geographie der anßerenropäisebes
Erdteile, hauptsächlich Yen der wirtschaftliehen Seite, wenigstens aUe
14 Tage eine Stunde. 4. Lehrstoff der VII. Klasse sei Geschiefats der
Neuzeit vom Beginne des Dreißigjährigen Krieges bis rar Gegenvait;
weiters systematische Wiederholung der Geographie der enropäisehcs
Länder, mit Ausnahme Österreich-Ungarns, hauptsächlich Ton der wirt-
schaftlichen Seite, wenigstens alle 14 Tage 1 Stunde. 5. Im erstes
Semester der VIII. Klasse sei Geographie und Statistik österreiebs drei
Stunden wöchentlich tu lehren, im sweiten Semester solle eine snssmmes*
fassende Wiederholung der Weltgeschichte mit besonderer HerTorhebssf
und entsprechender Erweiterung der Osterreichischen Geschichte und sie
tieferes Eingehen auf die widitigsten Momente der Verfassung, Volks-
wirtschaft nod Kunst des Vaterlandes als Aufgabe gestellt werden.
Die III. Direktorenkonfereni Id Wien. 847
Bei dem Thema «Notwendigkeit einer Revision der MaturiUlti-
prüfaogtordnong fOr Bealschnlen'' worden iwar keine beatimmten Antrftge
som BeacbloO erhoben, jedoch Ton der geaamten Konferenx logeetanden,
daß manche Bestimmungen jener Matnritfttsprüfangsordnang eine Yer-
besserong Tertragen wttrden. Man wird diee wohl anch fflr die anf die
Gymnasialmainra bezflglichen Bestimmnngen getrost behaupten können^}.
Dir. Dechant kam aach aof die Nenregelong der Matnritätsprflfangstaze
so sprechen. Fflr eine ErhOhong derselben nnd fflr einen gerechteren Ver-
teiloDgsmodos setste ich mich bereits Tor drei Jahren in meinem Aofsatse
.Ein Wort fiber Mataritfttsprttfangstaxen" (Zeitschr. f. d. Osterr. Gymn.
1906, S. 858—860) ein.
Hinsichtlich der Errichtung too Lateinknrsen an Bealscbnlen sprach
sich die Direktorenkonferens dahin ans, Tersnchsweise an einer Wiener
Bealscbnle einen dreijährigen nnobligaten Sammelkura mit drei wöchent-
lichen Standen fttr jene Schiller der oberen Klassen in errichten, die sich
später dem Unifersitätastadiam anwenden wollen; der Lehrer solle auch
des FransOsischen kundig sein. Vielleicht kann ich, da ich den Latein-
kars an der Brflnner Scaatirealschnle seit seinem Beitande (d. i. seit
dem sweiten Semester 1904/05) leite, in dieser Sache einige Erfahrungen
mitteilen. Daß der Brünner Lateinkurs, trotxdem er SchtUer der Staats-
und Landesrealschule umfaßt, sich nur in der Zahl twisehen 9—15 Be-
suchern bewegt, kann nicht Wunder nehmen. Denn erstens haben die
mibrisehon Bealschfller außer der deutschen und fransOsischen Sprache
noch an der böhmischen einen obligaten Gegenstand, weiters macht das
fürs praktische Leben notwendigere Englisch eine dem Lateinischen ge-
fährliche Konkuxrens. Abgesehen daTon sind die Schiller der Obeneal-
schule nach dem deneitigen Lehrplane derart beschäftigt, daß der Besuch
eines weiteren freien Gegenstandes eine nicht unerhebliche Vermehrung
geistiger Arbeit nach sich sieht. Darum hielt ich es von Anfang an fflr
Gewisse napflicht, too den Besuchern des unobligaten Lateinkurtes gar
keine häusliche Arbeit su yerlangen, sondern mit ihnen alles nur in der
stunde selbst grflndlich einsulernen. Ein Lateiuunterricht auf Kosten des
Erfolges in den obligaten Unterricbtsgegenständen ist m. £. des Fort-
bestande« nicht wert. Weiters unterschreibe ich die Forderung Deehants
(8. 174), daß der Lateinunterricht an der Hedschuie vuü kIiuüh Lehrer
erteilt werde, der auch des FransOsischen mäcbtig ist. Gerade der Um-
stand, daß ich nach Tunlichkeit Verbindung ef4d«Q zwischen der lateini-
schen Sprache als Mutter- und der frantOsi^chen &\s Tocblerspracbe t&
spinnen suchte, hat nicht nur das Interesse der Schüler aufs lebbafbeit^"
genährt, sondern auch die Aneignung dei Wortschatsea üBd mauotl'
grammatischen Erscheinungen wesentlich erleichterte Darum wird aiu
Deehants Wunsch, eigene, fflr Bealschfller bestimmte laUiDiscb« Obual
bflcher in Gebrauch sn nehmen, möglichst bald erftlllt werden mflirf^
') Den Nachweis hiefflr glaube ich tn eiaem in dei
schule gehaltenen Vortrage nLeitsätse som Eapitul Mi
geliefert su haben« Vgl. die ,, Mitteilungen** dieses Ver^ioei
1
848 0. Jäger, Erlebtes und fintrebtes, ang. t. A. Frank,
Vor allem aber wird man eioh beim Latefnnsterriohte an der Beabchide
die (fibrigens aneh eefaon fOre OjmnaBiam geforderte) BeechrtnlniBg aef
die regelmäßigen und wichtigsten grammatiseben ErscbeuoifSB
Tor Angen halten mflssen. Allein trots der fftrs Latein wertvollen Vor-
kenntnisse im FransOsisehen, troti des Torgerflekteren Alters der bekref-
fenden Bealsehfiler, trots der nieht genog laut i« fordemden Bemahnng,
nnr in der Unterriehtsstande selbst den Lehrstoff ta rerarbeitett oai
trots der Besehränknng desselben anf die regelm&ftigen Braeheiamign
wird sich nach meiner Erfahrung dureh einen wOehentiidi 8 Stand«
nmfusenden Unterricht innerhalb drei Jahren ehrlieh and grflsdlieh nicht
mehr bewftltigen lassen als der fftrs Untergymnasiam Torgeaehiiebeae
Lehrstoff.
Brflnn. Dr. Simon.
Oakar J&ger, Erlebtes und Eratrebtea. Reden und AvMtas.
Manchen 1907, C H. Beck'sche Verlagsbnchhandlang. YIII oad
817 88. Preis geb. M. 6 50.
Über einen Zeitranm Ton siebiig Jahren ana dem Lebeasfaafc
des Terfassers berichtet das Bach. Es fahrt ans in den Fremsdesfasii
des elteilichen Hanses, in dem Ladwig ühland« Gustav Schwab» Jisliaai
Eemert Eduard MOrike verkehrtesi nnd anch doreh ihre Peraamliehkeilfla
einen nachhaltigen Sinflnß anf die Jogendentwiekelnag dea Verfamn
ansabten d,!. Die schwibische Dichtersohnle*) ; es enihlt van seiua
Stadentenjahren 1848-^1852* an der Universitit TabingeB, es bcfieitet
insbesondere die letiten dreiftig Jahre des lebhaftea KampisB» der an
die dentsche Mittelschale auf prenitischem Boden gekämpft worden ist
Dazwischen eiagestreat sind die Schildemngen Aber den ^Beench bei
Bismardc (16. Jnli 1892 in Kissingen)*', „Der Besaeh preaftiseher Qjm-
nasiallebrer in Friedrichsrah (8. April 1895)^, die .Beden aa BtSDanto
acfatsigstem Gebartetag'' and sa .Bismarcks Tod*, der «Beaaeh be
Panl KrOger*, kaltargeschicfatliche Gedanken nnd Skisaen Aber «Die
Marianischen Kongregationen* and «Das evangelische Püarrhaas oad
den katholischen Klems*. Aach in der Festrede anm Geboitatage da
Kaisers am 27. Januar 1898: «Kaiser Trajanns* und in den Toitrsge
vor dem sweiten religionswisaenschaftliehen Ferienkarsaa rheiaisshsf
Elementariehrer sa Bonn 1904: «Das Koastanser Koaail und die kiieb-
liehe Beformbewegnng des 15. Jahrhanderts* fehlen die BesiairangeA ssr
Gegenwart nicht.
Die schalpolitischen nnd pädagogischen Beitrige dee Bachee dar^
lebt der eine Gedanke, den FOrst Bismarck in eeiner Erwidemag asf
die Adresse and die Ansprache der preo^ischen Gjainasiallduer eiafleeht:
(S. 75; «Die Liebe sam Vaterlaäde, das Verständnis fOr politisebe
Sitnationen, fttr diese nnd andere Eigenschaffeen werden die Keime ge-
legt in dem Stadium des Menschenlebens, welches Ihrer Pflege veraags-
weise anheim fUlt" Oskar Jäger war mit der Abfassung der Adrsve
0. Jäger, Erlebtes uod Eitirdbies, Mg. f. A. Frank. 849^
uidiDttder Aniprieha an denFflnten bei der Übemiehiuig denalben betrani
worden. Dar weite Blielc des Historiken, die Tiefe «ad GrOadliehkeit dos Pb>>
loiogen, dae warme «ad Dachhaltige Empfinden des Patriotea» im sebOnste»
Ebenmaße vereiat, treten in den genannten Anfsilsen in Sneheinnng ; kars and
treffend gefaßt, sebiagfertig trigt die Bede gleichsam persßnliehe Ztig»
SB Bieh, maneber Hieb Allt gegen den «radikalen Beformdilettantismai*,
ud das ^Geklapper der Beformmflhlea*, die kein Hehl leban lassen^
wird gebtthrend gekennieiebnet Oskar Jäger ist» wie wir alle wisaev,
eia flbenengangstrener Yeifecbter der kiitoriseh-pbilologiaehen Bildang t
wie sie insbesondere das Gymnaeiom der Jagend flbermittell. Jiger
nennt in diesem Znsammenbaago Goethes Wort ven der «Bohige»
Bfldoag« (14. «Das Beformgymaasinm aaf dem Bremer Phllologe»-
tage*). Er torwirft im Prinsip IQr das G jmnasiam als wissenschaftlieh»
Verbereitnagaaastalt im strengen Sinn den Beginn des grundlegende»
Spracbaaterrichte mit dem FransOsisehen oder irgend einer anderen neaere».
Sprache, •ineehließlieh des Deutschen, daa fflr aeanjihrife Knabea ehe
wiieensehaftliober Gegenstand gar nicht sein kann noch aach sein solL
.Wir bnmehen ein Wieeeasgebiet, an dem der Knabe, nicht erst 4m
fienehajihrige, stnfenweiee sieh die wichtigsten Begriffe, soaiale,
ethische, poUtieche osw. Staat, Beligion, Beoht, Krieg, Friede^ Freund-
icbaft und die fielen hundert anderen denkend erarbeitet, und wir
▼erlangen, daß er sich in diesen denkenden Arbeiten, das ihm die tig-.
liehe Vergleichung dee Fremden mit dem Eigenen, der fremden mü
der Muttenprache mOglieh macht, lebe, eich in dasselbe hiaeinlobe.
Hier ist Form angleich Inhalt, Lernen sugleich Eraiehung«.
— Es handelt sidi nicht um ein rascheree oder langsamerei, um bo-
quemerea oder listigeres Erlernen der IdasaiBchen Sprachen, sondern «nn^
ein fiel Wichtigeres, um alle die ethischen, pejchologiscben, philoeophiachea»
die wissenschaftlichen Momente, die man am Lateiaiechen, den»
weiterhin dae Griechiecho eich geeellt, am besten lernt, weU oe eine
bistorisehe Sprache ist» das heißt eine solche, die mit jeder Vokabel, dio
der Kaabo lernt, sugleich ein Stflck Geschichte mit sich fihrt. Der
Wbsensgegenstand, den wir als den sentralen suchen, kaan das Deutseh#
nicht sein, denn der Beichtum oder dio Ctoeetse unserer Mutteiopraeho
gehen ihren Söhnen eben erst durch dio Vorgleichung mit einer andere»
^vaehe auf; es kaan die Naturgeschichte nicht sein, weil der
Kaabe ihr gegeaßber sich bis sur obersten Stufe hin tberwiegend resopüT
▼erhalten muß, — — es kann weder dae Englische noch dae Fran-
tOsische sein, weil bei dieeen Sprachen der Gegenwart und den
lebendigen Marktee notwendig und mit Beebt ein praktieohee utilitarischea
Moment eich einmischt, ja ▼ordringt. Englisch und FransOsiMh werden
aash andeia geschrieben als gesprochen, was fflr Knaben echlechthin ein
Irratioaales ist; und daß man mit einem solchen Irrationalen den
Uatenrioht aa einer Anstalt, die von unten an durch WiaseaMhafI lur
Wissensehalt, von Vemunftstufe su Vemunftstnfo, nicht bloß Yon Kenai-
I tu Kenntnissen führen soll, nicht beginnen darf, sollte einleuchten.*
XcHmMII f. d. örtnr. Opu. ISOS. TIIL s. IX. Heft 54
860 0. Jäger, Erlebtet and Bntrebtet, ang. ▼. A. Frcskk.
Die heraasgehobenen Oedanken rechtfertigen aneh die SteUvBg,
welche Jiger der Geiehichte der Orieehen and ROmer im Lehrplm d«
GymoMioms laweist. Jenei «prodoktiTe oder Ton ioneii herauiehiffaide
Verhalten iet nur mdglich auf dem Boden der alten Geaehiehte. laden
der Schiller die Sprachen der beiden Völker lernt nnd weiterbin U-
teiniiehe nnd grieehische Antoren licet nnd sich deren Veratftndnic er-
obert, icbafft er sieh Ecnntnisee, welche Ton Tomhorein nnd weeentlid
GeechichtikenntniBse lind. Die BpeiifiBche Bedentong dea Unte^
rieht es in alter GcBcbichte ale Grundlage fOr alle fernere Geadnehti.
nnterweisnng iet die, daJ^ hier allein dae reseptiTO Veriialten dei
Schillere dem Vortrag, der Darbietung des Lehrers in den Gesehiehti-
standen gegenOber seine ErgAnxnng findet in dem wesentlich prodsk-
tlTcn, tn dem ihn die Latein- nnd griechischen Sprachstnnden anlettes;
man kdnnte gans einfach sagen: hier allein ist Quellen lektllrs»
Qnellenstndinra möglich, ohne welches geschichtliches Srkennen im
wissenschaftlichen Sinne flberhanpt nicht möglich isi.** Indem di«
geschichtliche Wahrheit Ton den Schttlern selbst erarbeital wird» liegt
hierin in ansnehmendem Maße „die Erxiehnng an objektirem ür-
ieilen, das wir alle dadurch anerkennen, insofern wir nnwillkftriidi
nnd fast ohne unterschied der Partei bei jeder wichtigen gesotigebeiieelMB
Frage, jeder Debatte, ja jedem Geiprich Aber bedeatangsroUe politiseke
oder religiöse Fragen an das «Ürteil^der Geschichte* appellioreB'. «-
Dieser sittliche Gewinn kann im Unterricht der alten Geaehiehte ssi
natargomäi^en Gründen gehobea werden, da «wir noch etn Ton Kstsr
neutrales Gebiet haben, tu dem die konfessionellen, politischen, soiial«
Gegensitse der Gegenwart nicht hindringen, wenn sie nicht der üb-
▼erstand mit 4en Haaren herbeitiefat**. (S. 242, 262, 264; 19. ,0b«
die Stellung des Unterrichts in der alten Geschichte im Gymwaslalldu^
plan''. 20. „Die Zukunft des Geschichtsunterrichts.*)
Was konnte denn auch Tor der ernstesten Frage dem Staate vsd
der Gesellschaft mehr frommen als die „Weckung und Bntwickelung dsi
Wahrfaeitssinnes und die StArkung des Willens im Dienste der Wahr-
heit*? Jäger verfolgt diesen Gedanken in seinen Besiehnngen f&r
Schüler und Lehrer in den Aufsätien: 8. „Patriotismus und Gjmnasiil*
ersiehung*, 17. nPfiicht nnd Stellung des Gymnasiallehrers in Staat and
Gesellschaft*, 18. „Politik und Schule*, und 26. «Wie hat aieh das fas-
manistische Gymnasium gegenflber der Behauptung su Terhalten, daß dar
höhere Schulunterricht in Deutschland lu wenig national gestaltet wät^
Der Verfasser ist der „Forderung des Tagest die fflr uns die „Pfli^tes*
lehrt, sugewandt, und er fordert in erster Beihe von den Lehrern sdbik
ernste Geschichtsbildnng und ernste Naturerkenntnis, auf dit
sie mit der Kraft einer tiefen, in reicher Lebens- und BerufiMrfahrvsg
gewonnenen Oberzeugung in den Kämpfen des Tages das Banner d«
Humanismus hoch halten, 4. h. derjenigen Anschauung, welche im fom
humcmum nicht bloß die jetzt Lebenden und ihre Kllnste und Feitv"
keiten sieht, sondern die Menschheit in ihrer Vergangenheit, G^|es<
wart und Zukunft als ein ethisches Gänse betrachtet und dieses Ge-
0. Jäger, Erlebter nnd Erstrebtet, ang. ▼. A. Frank, 851
danken nnd seine Konsequensen alt Fundament der höheren Jngend-
bildong bewahrt wissen will**. (8. 100, 228).
In diese Richtung weist aneh Jäger die «Bedeatong Schillers fttr
dss Gymnasiam" (Festrede am 11. April 1905 auf der 42. Versammlung
des Vereins rheinischer Schulmänner su Kdln gehalten). Volkliches Em-
pfinden, geläutert und vertieft, wird durch das Verständnis der Eigenart
anderer Volker wach gerufen. «Da ist es von besonderer Bedeutung,
dafi in Schillers Dramen fast sämtliche europäische Hauptnationen ver-
treten sind, der Geist dieser Terschiedenen Volker in seiner Poesie er^
faßt ist, der französische in der Jungfrau Ton Orleans, der englische in
Maria Stuart, der spanische im Don Karlos, der italienische in Fiesko
und der Braut Ton Messina, der deutsehe in den Bäubem, Kabale und
Liebe, im Teil und Wallenstein, und selbst dem Slaventum hat dieser
große Dramatiker im Demetrius seine Poesie abgelauscht und abgewonnen.
Schiller ist der nationale Dichter im eminentesten Sinne geworden,
weil er einen weiten Horisont eröffnet und unsere Blicke nicht auf
dem heimatlichen Boden allein haften läßt. Es mag sein, daß tu Zeiten
darin, in der aUsu großen Weite unseres geistigen Horiiontes, unsere
Schwäche lag; heute aber nnd durch Schillers Verdienst ist es unsere
Stärke geworden. Indem wir den Geist anderer Volker verstehen lernen,
▼ertiefen wir den eigenen und machen unseren Patriotismus stark, in-
dem wir ihn von Einseitigkeit befreien und wahr machen.* (S. 802).
Es sei hier angemerkt, daß Jäger weit entfernt ist, xu glauben
oder SU erwarten, daß ein Lehrgut schon an sich, wie gehaltvoll es sein
mag, im Jugendunterricht seine Einwirkung und Erhebung tuversichtlich
bewähre: «Hauptsache beim Lernen ist der Lehrer*, alle Hoffnungen»
daß die Beformen die endgiltige Besserung der Verhältnisse bringen,
können eich als trflgerisch erweisen. „Das Heil im Gebiete des Unter-
richtes ist nur xu erwarten von der unermfldliehen Vervollkommnungs-
arbeit, welche die einseinen sum Lehrer Berufenen an sich selber vor-
nehmen*. — «Das Lehramt flbt seine Träger in Geduld und objektiver
Betrachtung der Menschen und der Dinge; es gewohnt uns, uns selbst
lu beherrschen, unsere Leidenschaften xu xähmen*. Sittliche Selbst-
sucht fährt nicht sur Erschlaffung, sondern xur Festigung der Persön-
lichkeit So wird auch das Eine und Notwendige noch in vollerem
Maße su erringen sein, als es bis jetxt gelungen ist: „Die Anerkennung
unserer Autorität als der Sachverständigen auf dem Gebiet der
Ersiehung, jener Autorität der Sachverständigen, die dem Arst, dem
Juristen, dem Techniker ohne weiteres angestanden wird. Dann aber,
wenn dies in demselben Maße, wie bei diesen Berufen errungen ist,
wird unser Stand, der früher und lange Zeit als der besonders gedrückte
erschien^ vielmehr der freieste von allen, sein. Der Lehrberuf, der
gans auf Wahrhaftigkeit, wissenschaftliche und sittliche, gestellt ist,
wird vor andern die Kraft haben, seine Träger su freien Menschen su
machen*. (8. 172, 240, 215, 222).
«Erlebtes und Erstrebtes* flbersehreibt Oskar Jäger sein Buch.
Wir können es ermessen, welche Erinnerung und welches personliche
54*
852 A, V. Bamberg, Ideale, ang. t. 7. Thunuer.
Smpfioden er in die beiden Worte hinein legt. Aoeb einige Wefamnt
mag darin Torklingen. Sie fließt in das «Vorwort* binflber» da» in
Wahrheit ala ein Naebwort das fertige Bach in die Öffentlichkeit ge-
leitet «Ich bin in die Jahre getreten, wo man eein Hani» ancb eeii
literariicbee Hau, in bestellen dringenden Grnnd hat Ich Ikbeigebe
dieie Sammlung der weiteren Öffentlichkeit mit der Hoffnnngt daA mia
■10 in Übereinatimmnng finden werde mit dem Bekenntnis snm honi-
niatisehen Qymnasinm, das ich in einer früheren Sammlung pro dem
abgelegt habe." Dies ist das Eigene: ein literarisches Hans steht sUes,
die eintreten wollen, in Noti and Frommen offen. Jigero .Sedeii vaA
Aaürttxe* weisen auch vielfach anf seine sasammeahingenden literariichea
Werke mrflck, ein arbeitsfolles Leben hat an ihnen geschaffen. W«m
nun der Hen des Hanses in seinem geistigen Heim die Qiste, die näk
einfinden, nach Mhtoem Braach willkommen heißt, so darf auch bd
dem Geschaffenen and Erworbenen eine berechtigte Befriedigong ud
echter Mannesstols die Brnst dorchsiehen: Brate fireaen sieh der Tat
Prag. Dr. Anton PranL
Albert y. Bamberg, Ideale. Ansgewihlte Scbnlreden. Berlin 1906,
Jnlias Springer. lY nnd 188 SS. 99.
Die hier TerOffentlichten Beden des hochverdienten SchalmsBnei
dienen insgssamt der gleichen Aafgabe, .die Yerbindang der klanischiii
and der christlichen Ideen mit den nationalen" bei der Jagend mO^ichit
la ftrdefn. Die tiefe Wirknng war den Beden dadareh gesichert, dafi der
Verf. seine Darlegangen stets an das aktnelle Interesse des Taget ss
knüpfen wnßte, mochte er bei der Entlassang der Abitorienton an des
70. Gobortstag Bismarcks, an die handertste Wiederkehr von Wilkefas
Hejs, Ton Kaiser Wilhehna L Gebartstag, Ton J. Kants and Herden,
ton Schillers Todestag, an den Todestag Goethes, der glelehseitig der
Gebartstag Kaiser Wilhelms I. ist, erinnern oder anf nahe gelegene Steffi
des Unterrichts Piatons Enthjphron oder Sophokles' Antigene (.SepL
Ant im Lichte des Christentoms") snrflekgreifen oder den Aavprsefa
klassischer Zeugen, eines Emanael Geibel (in der fflnften Bede: «Drei
sind einer in mir, der Hellene, der Christ and der Deotscho*), etsee
Thnkydides (in der siebenten Bede: «Von wahrer Ifannhalkigkeit*) oder
bestimmte Anschaanngen der Gegenwart (in der nennten Bede: «Tes
der Selbstsacht ond ihrem Gegenteil") lom Aosgangsponkte setner Abi-
fUirangen wfthlea. Die sweite Bede (»Kaiser Friedrieh") ist bei der
Traaerfeier am 18. Jan! 1888 gebalten. Immer wieder deckt ▼. Bambei|
seinen ZahOrem die Bedeotong einer «TollkrifUgen, gesnnden PecsOalidi-
keit- anf, die dem Besten des Staatee dient nnd .ihr Leben in steter
Verbiodang mit QqU %jx erhalten" tersteht Die Herrorhebong des rek-
giOsen Moments bei dem ersiehlicben Unterricht der Mittelscholj^eBd
kehrt aach in einer Anseige, welche Geheimrat W. Fries in den .Lelu-
pioben nnd Lehrgingen" 1906, a 9b, Aber die Monatsseitschrift .IW
Th, Ziehen, Die GeistetkrukbeiteB usw., ug. ?. L, Burgerstem, 853
Sehool jßeview" (üniy. of Ghieago) 1905 (Oktober), und iwm über dem
Anfsfttx: ^The Bdigions Spirit in the Seeondary Sehool* TerOffeBtliebt,
wieder, indem er tagt: «Es ist ein Irrtum in meinen, Fachkenntnis, Lehr-
geschick und tadelloser Wandel machten allein die wesentlichen Eigen-
schaften des Lehrers ans, er moft mlmebr sein ^poeiHvely rdigioue^f
so erst wird er kraft seiner gansen Persönlichkeit werden »a life-ffiver^
Fflrwahr eine ernste und tiefe Anffasanng unseres Terantwortlichen Be-
rufes, die da über das Meer in ans herflberkiingt".
Am klazBten traten wohl der Jugend die Ton Bamberg gepriesenen
drei Ideen in der fBnften Bede vor Aagen, da er sie im Anschlüsse an
die oben ausgeschriebenen Worte Em. Geibels in anschaulicher Breite
entwickeln konnte.
Den Schluß meiner Adieige mögen jene Worte bilden, die der
Verf. gegen Ende dieser Bede (8. 55) ausspricht: ,Es ist gute deutsche
Art und es ist echtes Christentum, was in dem an hellenischer Schönheit
gebildeten Dichter lebte und Leben weckend aus seinen Liedern klang.
Will das deutsche Gymnasium sein, was es unserem Volke sein
soll, so muß es eben diesen Geist in die Seelen seiner Zöglinge pflansen
und seine Elemente sn schöner und fruchtbarer geistiger Durchdringung
entwickeln."
Wien. V. Thumser.
Pie Geisteskrankheiten des Eindesalters mit besonderer Berück-
sichtigung des schulpflichtigen Alters. 8. (Schluß-) Heft. Von Dr. Th.
Ziehen, Prof. an der UniTersitlt Berlin. Berlin, Verlag Ton Beuther
& Beichard 1906. 180 SS. 8® (Sammlung tou Abhandlungen aus dem
Gebiete der pädagogischen Psychologie und Physiologie, herausgeg.
▼on Ziegler und Ziehen. VIII. Bd., 7. Heft). Einseipreis 8 Mk.
Das erste und sweite Heft der ^Geisteskrankheiten des Kindes-
alters" wurden in dieser Zeitschrift (1902, 8. 1029—1030 und 1906,
S. 659) besprochen. Es sei daher auf diese Besprechungen Terwiesen und
nur hinsugefl>, daß das Torliegende Schlußheft die einfachen Psychosen
mit Vorföhrung der Geistesstörungen aus Zwangsförstellungen tu Ende
führt und die tusammengesetsten Psychosen behandelt sowie Nachtrige
sum Inhalt der ersten beiden Abhandlungen darbietet. Die an Literatur-
angaben reiche Arbeit schließt mit einer schematischen Anweisung snr
Untersuchung des Geistesiustandes geisteskranker Kinder. Schade, daß
der gansen Abhandlungsreihe nicht ein Sachregister oder doch ein Inhalts-
▼eneichnis angefügt ist
Wien. L. Burgerstein.
Vierte Abteilung.
MiszelleiL.
Literarische Miszellen.
Notes npon MS8 Gontaising Persius and Petms Diaeonos.
By FraDk Frost Abbott Beprinted from Claasieal Philologr, ?ol.n,
No. 8, Jalj 1907, p. 881—888.
Zanftcbst bietet 1. die Eollationsprobe einer Ton ihm in der
Kapitel-Bibliothek in Toledo gefundenen Handschrift, welche die Sigoatu
trägt Nr. 101. 25. A.nf dem Titelblatte liest man: luvenälis et Fiarm
Satyrae a lohanne Orecgero Nuremhergense. Seeulo XV in membnmii
eonscriptae* Am Schlosse des InTenal-Teztes steht: luvemUia Aptmaüi
libri quinq: txpliciunt Lau8 deo. Die Snbskription hinter dem Teite
des Fersias laatet: Finis est Perni vulterani aatirici liber explicU ptr
me lohanfie Oreeeer de nürmberga Anno dnZ 1461. Die Kollation (ni
Anschlaß an Jahn-Bttchelei) nmfaßt den Frolog des Persias nnd Sst I
1—50. — An xweiter Stelle erhalten wir eine nene EoUatiott deo Mex
Casinensia Nr. 861, welche Frftnlein Sasanna H. Ballon besorgt hat Di«
Handschrift enthält des Petrns Diaconos Liber de loeis eanetis. Die
Kollation erfolgt im Anschloß an Geyers Ansgabe der Itinera Hiero9^
lymitana im Corp, Scr. EccL Lat.
Wien. J. Goiling.
John A. Scott, Prohibitives with UPOU and the Genetire.
Sonderabdrnck ans Glassioal Philology, YoL II, No. 8, Jnly 1907,
a 824-880.
Der Verf. dieser nicht sehr in die Tiefe gehenden Abhandlong
befaßt sich mit der Yorfflhmng Ton 64 Stellen, die sich Ton den HeD^
rischen Hymnen (4, 187 f.) bis anf Demosthenes finden nnd in denen ia
Frohibitif Bfttien n^og mit dem Genetir steht, wie beispielsweise Sophokl«
Elektra 1206: *ii^ nQog ^s&p xovtö ye fi' k^dtaji |m'. Nach 8. steht ii
diesen FrohibitiTsfttien der ImperatiT des Präsens, wenn *the intere$t U
of the hearer rather ihan of the 8pedker\ dagegen der Konjnnktir da
Aorists, wenn *the intereat ia of the apeaker rather than of the hearer\
Daß diese rein äußerliche Klaasifiiiemng fflr die richUgo Beorteilug der
ohnehin nar in geringer Anzahl nachgewiesenen Fälle nicht ansreieke»
hat Ph. Weber, dem ich mich in der Beorteilnng des Wertes onierer
Abhandlang anschließe, in seiner Besprechang in der Nenen philol. Baod-
schan, Jahig. 1908, S. 54—57, ttbersengend dargetan.
Innsbruck. Fr. StoU
MiBielleD. 866
Goethes Henuann and Dorothea, «rliiitert und gewUidlgt Ittr hoher«
LehrantUlten sowie som Selbetstndiam Ton Edovd Knenen. 6. Ter-
besterte Auflage, besorgt Ton Dr. M. Hertens, Direktor des Gym«
nMiams in Brflhl (Die dentsehen Klassiker .... Ton F. Enenen und
M. Evers, 4. Bftndehen). Leipsig, Heinrich Bredt 1907. Preis 1 Mk.
Das Bftndehen (182 88.) serftUt in xwei Teile; im ersten wird die
Handlang des Epos angenehm nnd fliei^end eriählt und der Inhalt der
einseinen OesAnge in Punkte insammmengefaßt, im iweiten finden wir
knne Abhandiongen Aber die Charaktere des Qoethesehen Epos, Aber
die Dichtong als soiehe, Entstehung derselben nnd die gesebichtliehen
Grandlagen, wobei flberall auf die Stellung Ton Fragen fiber das Fort-
schreiten der Handlung und die Bedentong der vom Dichter gewählten
Motife nnd aof die Stellnog Ton Aofsatsthemen Bftcksicht genommen
wird. In dieser Hinsicht bietet das handliche Bflchlein Braachbares fftr
Lehrer nnd 8chftler. Dagegen sind die hier gebotenen Anfschlflsse Aber
Entstehnng nnd Form des epischen Gedichtes so knapp, das im Kapitel
»Geschichte'* (8. 120 — 121) Gesagte erscheint mir soear als TOUig nnia-
reichend, wfthrend anderes fielleicht kttrser hfttte geußt werden können.
Den Anhang (S. 128—132) bilden karse, someist treffliche »Text-
er lAnternngen".
Grai. Dr. S. M. Prem.
Dr. Eduard Eosehwitz, AnleitoDg zum Stndiam der fran-
zösischen Philologie. Dritte, Termehrte nnd Terbesserte Anflage
▼on Dr. GostaT Tb a ran. Marburg i. H. 1907, ElwerUche Verlags-
bnchhandlnng. 268 8a
Dieses praktische Handbuch, das einen gaten Wegweiser sowohl
ftr das wissenschaftliche als anch fftr das praktische Studium der fran-
sOsiichen Sprache darstellt, ist auch in seiner dritten Auflage Studierenden
nnd Lehrern bestens lu empfehlen. Unter den Neuerungen ist die an»
Schlüsse des Baches susammengestellte Adressentafel namentlich wegen
des Yerseichnisses empfehlenswerter Wohnungen und Pensionen im Aus-
lände besonders sn begrflßen.
Wien. Dr. A. Wflrsner.
Ph. Boßmann, Handbuch f&r einen Stndienaafenthalt im
französischen Sprachgebiet unter Mitwirkung von A. Brunn e-
mann. Dritte umgearbeitete und bedeutend f ermehrte Auflage Ton
»Ein ätodienanfentbalt in Paris«. Marburg, N. G. Elwertsche Ter*
lagsbochhandlung 1907. YIII und 19S 8&
Eine eingehende Besprechung der 2. Auflage dieses Buches findet
sieh im LIL Jahrg. dieser Zeitschr. vom Jahre 1901, S. 148 ff., auf welche
hier aosdrflcklich r erwiesen sei.
Das gflnstige Urteil, das Tom Bef. über die 2. Auflage des Boches
geÜUlt wurde, beh< seine Tolle Giltigkeit auch fflr die Torliegende
ä. Auflage. Der Ter&nderte Titel des Baches ergibt sich als notwendige
Folge des erweiterten Inhaltes. Während die früheren Auflagen noch
bauptsichlich Paris als Studienaufenthalt des Neuphilologen, der sich
dem Studium der fransOsischen Sprache widmet, ins Auge faßten, sieht
der Veif. in der neuen Auflage seines Boches das ganie fransOsische
Sprachgebiet, also auch die fransOsische Profins, die franxOsische Schwell
«66 IDmUen.
«nd Belflea te Batneht. Hiodueb wird die BnickbaiMi d#t BmIim
WMAOtlich erhobt.
Dia SiataiUng des SWffai itt dieMlba sebUebaBt abar fart lUe
▲bsobnitta babaB im Varglaieb iiir 2. AnfUga «Alraiche taila notvandige,
teils anrllnachte Uraarbaitoagao und ErginioDgao erfahren; ao der L und
IL Teil in den Kapiteln: Erwftgmigen TOr der Baise, Wahl des Anfent-
faaltaortesv Das Unterkommen, HOrftbnngen, SprechflbnngeD.
Ea liegt in der Natnr des Werkchena, das in maneher Hinädit
einem Beisehandboehe gleicht, begründet, daß seine Angaben in den
eben genannten Kapiteln andanemden Verftndemngen nnterworfan sind,
die Ton Zeit la Zeit registriert werden müssen. Aber aneh dar HL Teil
des Boches, der in die Bealkeaotnisse einführt nnd dessen Inhalt tu-
filligen Veründernngen weniger ansgeaetit ist, weist überall die gewiasen-
haffcette Oberprüfang aof. Alle Bemerknni^en, Aniiehten nnd Bataehlige
des Verf.s sind aofs nene atilistiseh nnd inhaltlieh darchgesehen, einige
Kapitel, besonders jene über Unterrichts- ond finidian|swaaen, über
Literatar and Konst, Zeitnnjfen und Bücher in seit- nnd saehgemiftsr
Weise richtigsestellt, besw. bia inr Gegenwart erginst.
Am SciuQsse des Bnehes ist inr leichteren Orientierung, {nabeBondere
in den Bealien, ein Namen- and Sachregister beigefügt, wofür jeder LeMr
dem Verf. Dank wissen wird. Anch die Aaßere Gestalt hat aiefa ctvat
▼erändert, indem das Bach Taschenformat angenommen bat, was als recht
iweckmüßig beieichnet werden mnft.
Sein Urteil sasammenf aasend» findet Bef., daü die Torliegende
S. Aaflage des Baches gegenüber der 2. grofte Vorsüge hat and daü das
Werkchen für jeden, der franiOsisches Gebiet anfaneht, am dort theo-
retische oder praktische Stadien über Sprache, Sitten nnd Charakter der
Fransosen la machen, ein bewährtes, mcht genag la empfÄlendes Hüft-
mittel ist.
Wien. AL Seeger.
BOhmisehes Lesebuch f&r die erste Klasse der Mittelsebolen
(Öeskä filtanka pro prnif tffda skol stfednfeh). Verfaßt tob
Johann Kabelfk. Brunn 1908, Karl Winiker. Preis geb. 2 K 40 b.
Seine arsprüngliche Absicht, so wie im J. 1906 den IV. Teil, non
anch den 1. Band des Letebnches Ton Bartoi nnr amsaarbeiten, mofite
der Verf. mit Bücksicht anf die seit dem lotsten Erscheinen des Baches
▼or 10 Jahren ? Ollig geänderten Schal rerhältnisse ond besonders anf dss
höhere Nif eaa der jetiigen Lesebücher für Volksschalen anfgeben ; aber
sein neaea Bach schlieft sich wenigatens der Gesamtanlage nach dea
drei anderen Teilen von Bartod Töllig an, die K. anläälich einer etwaiges
Kenaaflage nach denselben Grnndsätsen nmsaffestalten beabaichtigt. Eot-
eprechend den Forderangen der Zeit behandelt K.s Bach in popnlftrer
Form yielfach anch Fragen des praktischen Lebens, ans der Geeandheitt-
lehre, dem Bechtsleben nnd der Technologie. Aber anch Sinn and Ver-
atändnis für die Konst sollen schon aaf dieser Stafe geweckt nnd g^^
dert werden; deshalb enthält das Bach, meines Wisaens daa erste illo-
strierte Leseboch für Mittelschalen, aach einige wenige recht gelnngeae
und geschickt gewählte BeDrodaktionen Ton Werken der berühmtesten
tschechischen Maler, ? on Mikaläfi Aled (dessen Knnstwerke das Foyer des
Närodni diradlo in Frag schmücken), ron Jaroslay Öermik, Hsnol,
Schwaiger nnd Josef Manes nebst erläntemdem Text; femer als Beilag«
sa einem literargeschichtlichen Anhang aach die Photographien von sechs
bedeatenden Vertretern der Literatar Ton Max STabinsk/. Weniger iweek-
xnäDi^ and gelangen finde ich die Tier Bilder über den Betrieb in der
Bachdrackerei and über die Papiereneagang.
MinoUeB. B57
Die Auswahl der Stfleke iit reichhaltig nod im gtnsen iweckmftAig;
einselne Gedichte, nunentlieh lyrische, sind wohl etwns in schwierig.
Auch der Hnmor möge etwas stärker Tcrtreten sein. Die wenigen Uteren
Stocke TOtt Jnngmann, Palack^ nsw. teigen natttrlieh im Aasdnck und
in der Orthographie im Vergleich sn hente gewisse unterschiede.
QrObere Dmckrersehen finde ich keine; erwfthntsei nur: WaffkUry
(S. 152).
Mähr.-Weiftkirehen. Dr. Oskar Briefi.
0. FreytagS Welt-Atlas. 58 Hanpt- und 25 Nebenkarten nebst
einem alphabetifchen Verseiehnis von mehr als 17.000 geographischen
Namen nnd statistischen Notisen über alle Staaten der Erde. 8. Tor-
mehrte AoiL Wien nnd Leipsig, G. Frejtag ä Berndt 1008.
Von der iweiten unterscheidet sich die Torliegende Auflage durch
eine stärkere Betonung des Terrains und die Anwendung des Greni-
koiorites an Stelle der Fliehenfirbung. GEaben dadurch sowie durch die
▼ielfach sartere Schrift manche Karten entschieden gewonnen, so fehlt
es doch nicht an solchen, deren Bild flberans unruhig ist. Als Beispiele
leien Karte 10, 15, 16 und 17 genannt Die Zahl der Karten wurde um
drei formehrt. Es sind dies die tou WestruiSland, Persien nnd Japan.
Anerkannt muß werden, daft sahireiche Nachtrige aufgenommen wurden,
um den Kaiteninhalt auf den Standpunkt der Gegenwart sn bringen. Die
statistischen Notisen lassen noch immer su wünschen flbrig. So hat
Monaco x. B. noch immer einen Flieheninhalt tou 21*6 km*.
Hassert E., Landeskunde nnd Wirtschaftsgeographie des
Festlandes Australien. Mit 8 Abbüdungen, 6 graphischen Tabellen
und einer Karte. Sammlung GOschen. Leipsig 1907.
Auf kleinem Baume ist eine erschöpfende Darstellung der geo-
graphischen und wirtschaftlichen Zustände des Erdteiles gegeben. Der
Kaosaliusammenhang ist flberall in klarer Weise aufgedeckt. Die ethno-
graphischen Zustände der UrbeTOlkemng werden ebenso beleuchtet wie
die geschichtliche Entwicklung der Besiedlone und die allmähliche Aas-
gestaltung des Staates. Von besonderem Werte sind die statistischen
Angaben in Form von Diagranmien. Eine Zahl inmeist gelungener Ab-
bildungen Teranschaulicht den Text in erwünschter Weise.
Wien. J. Mflllnei.
C. F. Sperling, Eine Weltreise anter deutscher Flagge.
51.000 Seemeilen mit dem deutschen Kreusergeschwader durch die
Oseane. Mit sahireichen Abbildungen. Leipsig, W. Weicher 1907.
Deutschlands Streben nach Verstärkung seiner Kriegsflotte hat eine
stark Tcrtretene Literaturgattung sutage gefördert, die besonders die
Jugend für das Seeleben oeffeistem soll. Diesen Zweck hat auch das
▼erliegende Buch, dessen Verf. die Fahrten der Kriegsschiffe «Bismarck"
und »Nautilus« in den Jahren 1886—88 eingehend nnd fesselnd beschreibt.
Wenn der Schwerpunkt auch immer im Leben auf dem Schiffe rubt, so
bekommt der Leser doch auch knappe Schilderangen tou Land und Leuten
in China, Hongkong, Zansibar, Kapstadt und dem Kaplande, Sydnej und
858 Miszellen.
Aastralien, dea SaidoudmId, Nenpommern nod Kaiser WilheliiislAiid a«f
Neogninea nnd schließlich Japan. Alles ist lehrreich ond anregend, nicht
aafregend ond abenteoerlich, so kann also dieses Bflchlein unseren Schftler-
bftchereien wftnnstens empfohlen werden.
Gras. Jnlins Miklan.
Mathematische Angaben ans den Beifeprflfnngen der Badiachen
MitteUchnlen heransgegeben Ton P. Trentlein. I. Teil: Anfgabeo.
Leipsig nnd Berlin, B. G. Tenbner 1907.
Das Torliegende Bach enthält in seinen 158 eng bedmcktan Seitcs
eine reichliche FflUe Ton Aufgaben Aber alle Wissensgebiete des an des
MitteUchnlen Badens behandelten mathematischen Lehrstoffes, der Aber
den an den heimischen Anstalten gelehrten nur wenig hinausragt. Nebst
Anfgaben, wie sie schon in filteren Samminngen Torkommen, sind in
überwiegender Mehreahl gans nene Torhanden, Ton denen Tielo dsich
ihre Eigenart bei Lehrern nnd Schfllem bereitwillige Aufnahme fisdes
werden. In einigen Abschnitten wie die Aber die komplexen Zahlen,
Logarithmen u. a. finden sich Anfgaben, die mancherlei durchaus nese
Aufklftrungen nnd Wissensfermehrungen danabieten geeignet sisd.
Dberail wo es angeht, wird nebst der rechnerischen LOsnng aoeh die
Darstellung in Zeichnung gefordert, was nicht genug gebilligt werden
kann. Der sweite Teil des Werkes, die Losungen dieser Aufgaben, steht
in baldiger Aussicht. Sehr gerne empfiehlt Gefertigter dasselbe su dem
Gebrauche, dem es der Verf. gewidmet hat.
Wien. Dt. E. Grflnfeld.
Lehrbach der praktischen Physik. Von Friedrich Kohlraoseb.
10. vermehrte Auflage des Leitfadens der praktischen Physik. Mit
xahlreichen Figuren im Text. Leipsig und Berlin, B. G. Teubner 1905-
Auch in dieser Auflage sind mehrere Kenaufnahmen wichtiger
Partien ToUsogen worden ; so ist bei der Bestimmung von phTsikaliicbeD
Konstanten nach der Methode der kleinsten Quadrate ein aUgemeiBeB,
▼on Prof. Helmert angegebenes Verfahren angewendet worden, welches
die Fehler auf alle beobachteten Größen sn yerleiten gestattet. Wicbtife
Änderungen, bezw. Zusfitze finden wir ferner in den Abschnitten, die iick
auf die spezifische Wftrme von Gasen, auf die Bestimmung der Diffuiionf-
konstanten, auf Beobachtungen von ionisierten Gasen, auf die Messtm^
am Drehstrom, die optischen Pyrometer, das astatische Torsions-Magsets-
meter, die elektrischen Wellenmesser beziehen.
Auch unter den Tafeln, die dem Bache angeschlossen sind, finden
wir einige Neuerungen; besonders herTorzaheben sind jene, die für die
physikalischen Eigenschaften der Gase gelten; diese sind Ton Holborn
und Scheel zusammengestellt worden.
Zum Unterschied von dem Vorgange in dem ehemaligen , Leitfaden
der praktischen Physik** von Eohlrausch ist namentlich in den beides
letzten Auflagen daraaf besonderes Gewicht gelegt worden, daß die theo-
retischen Beziehangen, welche einer Messung oder einer Gruppe tob
Messungen zugrunde liegen, in sehr genauer Weise erl&utert werden, ds&
weiters auf die wichtigsten Quellenangaben die gebfihrende Bflcioidit
Senommen wurde, so daß das Verfolgen der einschlftgigen Literstnr
adurch wesenUich erleichtert wird. Wo es nur tunlich war, wurden sscfa
Prognuninensehjra. 859
Beifpkle in den Beraieh des Baehai gesogen. Die Aufgenommenen Kon-
ittoten lind den sarerlisBigiten Qoellen entnommen.
Et iit sweifelloe, dnft nach diese Neonnflage des Lehrbnehee der
praktisehen Physik von Kolilranscb, welche bereits das 28. bis 27. Tansend
omfafit^ den Physikern vom Faeh sehr willkommen sein wird nnd fOr die
jflDgere Generation der Physiker ein wertTollert kaom ra missender Bat-
geber bei Anstellung fon physikalischen Messnngen sein wird.
Wien. Dr. I. G. Wailentin.
Rudolf Schill, Maturit&tsaafgaben ans der darstellenden
Geometrie nebst vollständigen Losungen. Fftr die oberen
Klassen der Bealschnlen nnd verwandter Anstalten sowie fflr das
Selbststadiom. III. Teil. Wien nnd Leipsig, Franx Denticke 1908.
Der yorliegende III. Teil des Werkes enthftlt 218 Aufgaben Aber
Dnrehdringnngen, BotationskOrper nnd Schattenkonstruktionen nod 83 Anf-
nben ans der LinearperspektiTe nngefihr in dem umfange, in dem dieser
Gegenstand an den Österreichischen Bealschnlen gelehrt wird. Ein eigener
Abschnitt enthftlt Andentongen snr LOsnng der Aufgaben, nebstbei sind
18 aotographierte Tafeln mit 117 recht sauber ansgeffthrten Figuren bei-
gegeben, welche die ToUstindigen graphischen Losungen nahesu aUer
Aufgaben enthalten und durch ihre glOcklichen und geftlligen Annahmen
dem Schaler ein gutes Mnsterbild bieten.
Das Buch kann einen dreifachen Zweck erfflllen. Es wird dem
Schiller eine reichhaltige und gute Auswahl von Übungsaufgaben darbieten,
seinen Fleiß anregen und Lust nnd Liebe lum Gegenstande fordern, um
so mehr, als er in F&llen, in denen er sich nicht selbst xorecht findet,
in der theoretischen Anleitung und noch mehr in der foUstAndig ans-
gefthrten Figur einen guten Batgeber hat Es wild dem Lehrer will-
kommen sein, der sowohl fflr die Maturitfttsprfifung wie auch snr Vor-
bereitung derselben überaus reiches Material ? or sich hat Ein Blick über
die Figurentafeln wird ihm einen reichen Stoff sur Übung wie snr Ver-
wendung fflr die Frflfnng selbst bieten. Endlich drittens wird diese Auf-
gabensammlung dem Kandidaten des BttrgerschuUebramtes, der ja grOßten-
uils auf das Mlbststndium angewiesen ist, ein ganz Torsflglicher Lern-
behelf sein. Wir wflnscben dem Buch recht große Verbreitung; es wird
▼iel Nntxen stiften können.
Knittelfeld. Hans Wehr.
Programmen schau.
26. Ladislans Eryczynski, Qaonam die M. T(ullii) Gieeronis
oratio in Gatilinam prima habita sit. Progr. des k. k. staats-
Gymn. in Zlocxow 1907. 22 SS.
Der Verf. weist vor aUem die Ansicht, daß die Versammlung im
Haue« Laecas in der Nacht Tom 5. auf den 6. Norember des Jahres 68
▼. Chr. G. gehalten worden , der Anschlag anf Ciceros Leben aber erst
in der Frühe des 7. NoTember erfolgt sei, mit Becht als unwahrschein-
lich surfiek ; denn der Anschlag mußte wohl unmittelbar auf den Beschluß
folgen. Er selbst will beweisen, daß die Versammlung im Hanie Laeoas
in der Nacht vom 6. auf den 7. Nofember stattgefunden habe, der An-
schlag anf Cicero in der Frflhe des 7. Nofember, die Senatssitsnog, in
860 FtogrammeBsehao.
der Gieero dftrt&ber beriehtet, ent «m 8. MoTember» wUiniid «r eine Be-
rnfiing des Senats munittelbar Dach der Tat, in den YormiUageitiiHdiffi
des 7. NoTember nicht gelten lassen wÜI. Ob auf Grand der Toa desii
Verf. gefhhrten Untersnchong der auf das Thema besftglieben Stellen ans
der ersten and i weiten Bede gegen Catilina (8. 11 ff.) die Streitfrage
nanmehr als abgesehlossen betrübtet werden darf (8. 88), kaaa naa
nicht obneweiters behaupten, weil nicht ieder mit der Ton den Verf. Ter*
tretenan Anffsssong der genannten Stellen einTerstanden aeia wird. —
Zusogeben ist, daß wie der Verf. aach die Mehnahl der neneren Herans-
geber der Beden gegen Catilina die erste Bede anf den 8. NoTember aa-
aetst. Die Heransiehang einer textlich nicht gans einwandfreien SteQe
aas Öallast (8. 13) 'kann sor BekrAftigang der Annahme des YeztB nor
wenig beitragen.
27. Dr. L. Pschor, Bealerkl&rnng nnd Ansehanungs-Unter-
rieht bei der LektQre von Giceros Bede ^iPro L. Murena*.
Progr. des k. k. Staato-Gymn. in M fthr.-Trflbaa 1907. 8 SS.
Da in Kabiks bekannter Bealerkltrang Ciceronianischer Schriftea
anf die in der Schallektttre seltener Torkommende Bede fOr Martaa nicht
Bttcksicht genommen wird, hat der Verf. angef&hr nach dar bei Kabik
getroffenen Einteilang die Bealien, soweit sie in dieser Bede Torkonmen,
lasammengestellt. Was der Lehrer an Bealien mehr oder minder aas-
ftthrlich Torfflhren will» moA allerdings er selbst ermessen; gleichwohl
wird eine knappe and Terlftßlicbe ZatanunensteUang dessen, woranf bei
der Lektftre der Bede hingewiesen werden kann, manchem nicht anwill-
kommen sein. Namentlioh machen die Hinweise anf Abbildoagen ein
rasches Aaffinden derselben in den einschlägigen Werken Ton Baomeisteri
Oehler, Schreiber asw. mOglich.
Wien. Frans Kans.
28. J. B. Hassny, De interrogationum didunctiTamm apad
Tacitnm atractura. Progr. des k. k. Staats-Gymn. in Tamopd
1907. 29 88. 80.
Wiewohl der Verf. Torliegender Arbeit die grftndliche Abhandlong
Ulbrichts über die disjanctiTc Frage bei Tacitas (1888) kennt, entscUoft
er sich doch in Hinblick aaf seine abweichenden Aneichten im einselnen
das Thema Ton neoem so behandeln. Es sei hier sogleich bemerkt, dafi
die Meinangsf erechiedenheiten swischen Olbricht and dem Vert nicht tirf-
f reifend genag sind, am diesen Entschloft sa rechtfertigen. Da übrigem
er Verf. die neueren Arbeiten Aber den lateinischen Frageaats im all-
gemeinen and noch manche femer liegende Literatur für aeine Zwecke
heraasieht, so erhält der Aofsati hiedarch einen selbständigen Wert —
Zanftcbst weist eine Tabelle 81 ferschiedene Formen der disjonktiTea
Frage aaf, fon denen 9 der Torklassischeo Sprache, 8 Cicero and 8 Ta-
citas aasscblieftlich eigentttmlich sind. Nor Tier Formen gehteen der gansea
genannten Latinit&t an. Aas Tacitos wird dann das ganse Material aa
disjunctif en Fragen, ToUstiLndig gesammelt, in wesentlichem AaecUaA aa
Olbricht anter passeode Geiichtepunkte gebracht, aaAerdem aber die Fre-
qaenssahlen der einseinen Formen in Besag aaf ihre Verteilang anf die
Terschiedenen Schriften des Tacitas näher beleachtet Hier in dea Aas-
fllhrangen des Verf.s eine FOrderong nnserer Kenntnis des TacÜeiaehea
Sprachgebraacbs Qber Olbricht hinaas la finden , ist Bef. nicht in der
PiopamnitfiiMhMU 861
Lftgf. — Hinnchtlieb des BefadiBbftraii Gebraoehs von an = aut 8. 19 t
bitte sich der Verl an Madrig sa Cicero Fin. II 104 balten sollen;
aladann wäre er nicbt in Venoehnng geraten, in FAllen wie An. III 30
0» saiias eapit allerlei fiUinsen sn konstatieren. Etwas stark ist die
Bebaaptnag, daß in der SteUe An. VI 45 quos amiserit receperitvef in
tneerto fuit -oe fOr an gebrancbt mL
Wien. J. Golling.
29. Dr. E. Durst, EOnigin Elisabeth and ibre Beziehungen
zu Osterreich in den Jahren 1439—1442. Progr. dei k. k.
8taats-Gjmin. in Bftbm.'Leipa 1007. 26 Sa
In ricbtiger Erfassung des Gegenstandes geht der Verf. snerst auf
eine Kritik des nicbt allsiireieben Qaeilenstoffes ein: der polnischen»
ungarischen, Österreichischen und bobmiicben Geschichtschreiber nnd der
DenkwSrdigkeiten der Helene Eottanerin» bespricht dann die nrknnd-
lichen Materialien, ohne aof Vollständigkeit Ansprach la erheben nnd
Seht endlich nach einem Blick anf die neaere Geschiehtisehreibuig xa
er Darstellung selbst Ober, die der Verf. streng saebgamlA bis som Jahre
1440 führt
30. Dr. R. Mayer, Badolf II. nnd die Nachfolgefirage.
Progr. des k. k. Obergymn. in Brflz 1907. 20 SS.
Diene Terdienstliche Stodle führt den Gegenstand einstweilen bis
1694. Sie behandelt, soweit dies snm Thema gehOrt, die Anfinge Ba-
delfi n., Ton dem de ein nach allen Seiten anspreehendee nnd richtig
geieichaetea Bild entwirft, leine Krankheit and deren Einwirknng aaf die
Beriemng. Bei diesem VerhSltnisie trat die Frage der Nachfolge Bodolfs
irflh^ aehon 1581 — in den Vordergrand; die HeiraUplSne, die Bidolf
selbst machte and die ffir ihn yon seinen nftebsten Verwandten aasginren,
stehen damit in enger Verbindnng. Aach die Charakteristik der Sbrigen
herforragenden Penönliefakeiten, wie die des Erxhenogs Ernst, ist eine
dorehans latreffende. Die Beiiehangen «i Spanien sind rein sachlich dar-
gestellt Fflr die Arbeit, die noch einen sweiten and dritten Teil erhalten
dSifte, iit das Qoellen- nnd Hilfsschrifkenmaterial sorgsam herangeiogen
nnd omeiefatig benStst worden.
31. Dr. Simon M. Prem, Graz in den Mlrz- und April-
tagen 1848. Progr. des iweiten k. k. Staats-Gymnasioms in Grai
1907. 25 SS.
Diene Tortreffliche Stadie, die, wenigstens was Grai betrifft,
BMichem Vorarteile Aber die yormänlicbe Zeit entgegentritt, lanichst
schon da, wo betont wird, dal» Grai mehr den wirtschaftlichen als den
politiBchen Druck des «alten Sjstems*^ Terspflrte, gibt lunftchst eine an-
■preehende Schilderung der Entwicklang der Stadt in den Viersigeijahren
in Bemg auf Gewerbe und Industrie, Handel nnd Verkehr und bringt
daaa durch eine Belhe Ton BelMfen aus seitgenOssiechen Quellen die
Beweise fllr den wirtschaftlichen Untergrand der Bewegung bei, auf die
ja die Nachrichten, die aus Paria und lulien einliefen, vor allem aber
die Tom Aasbrach der Wiener Befolution nach der politischen Seite hin
«iawirirten. Der Vert benfltst fflr seine Ansfflhrnngen — aufter dem mit
▼iclea AktcBstflcken Tersehenen Buche von Gatti, Die Ereignisse den
Jibres 1848 in der Steiermark (Grai 1850), die Sammkngen in Gräser
862 ProgrftmmentehftQ.
Arehiren und Bibliotheken nebst einigen PriTfttbriefen und mftndlichen
Qaellen. Die einselnen Phasen der Bewegung, bei der auch in Qxmi die
akademische Jajrend eine führende Stelle einnahm, werden TOn ihr fM
Beginn am 14. Man bis in die letsten Apriltage saehgemiA yorgelfthit
(Petition der Studenten, der Bflrger, Zusammentritt des Landtage!^ Ver-
treibung der Jesuiten, Bewaffnung der studierenden Jugend usw.^ und die
leitenden Persönlichkeiten, wie i. B. Emperger, Graf Wickenbnrg gut
charakterisiert. Wir können rflckhaltlos dem Verf. lustimmen, wenn er
S. 12 der Ansicht entgegentritt, daß es möglich gewesen wftre, die Be-
wegung sofort mit Gewalt sn unterdrücken. Auch sonst finden sich viele
vortreffliche Bemerkungen in dleter Schrift, auf die besonders hininweiMn
Bef. als seine Pflicht erachtet
Gras. J- Loserth.
32. Dr. Eorneli Heck, 0 konieeznosci utworzenia nowego
typu szkoly äredniej (Ober die Notwendigkeit der SchaflEo^
einer neuen Mittelschulgattang). Progr. des k. k. IIL Staats-
gymnaaiumi in Erakau 1907. 40 SS.
Im YII. Hefte dieser Zdtochrift vom J. 1907 hat Direktor G. Herger
über eine neue Gefahr geschrieben, die unserer Mitteltehnle seitens einiger
Fachseitschriften droht, die, obgleich von Mittelschullehrem redigiert, den-
noch alhu bereit verschiedene ungerechte Angriffe anf die bestehenden
SchuliustAnde in die Öffentlichkeit bringen; solche Angriffe seien ein sehr
begehrenswertes Bflstseug fflr reformsttchtige Laien, die in üinen einen
Sten Statspunkt fftr ihre Beformgedanken finden. Obgleich ich die Qe-
tir nicht so groA finde und den in Bede stehenden Zeitschriften lieber
Mangel an Loyalitftt gegenüber jenen Mittelschulen, von denen sie be-
logen werden, vorwerfen könnte, dennoch stimme ich darin mit dem
geehrten Verfasser flberein, daß auch eine solche Gefahr nicht gering-
snschfttsen ist. Es muß ihr im Gegenteil entgegengearbeitet werden, nad
iwar anf diese Weise, wenn man die schlechten Zust&nde verheeseit, was
umso leichter geschehen kann, als in diesen Zeitschriften haupteftchlich
nur Mangel an physischer firsiehung getadelt wird.
Eine viel größere Gefahr droht unserer Mittelschule seitens jener
Beformatoren, die nicht scheuen, ihre gmndstflrsenden Projektein aolebea
Publikationen su veröffentlichen, die den Schillern sugftnglich
sind, wie es mit dem obangeführten Aufsatse der Fall ist. Der Ver-
fasser, selbst ein klassischer Philologe, sucht im Gymnasinlprognunme
den Schfllern tu beweisen, daß der Betrieb der griechischen Sprache an
unserem Gymnasium gans unsweckm&ßig sei. Die griechische Sprache soll
aus dem Gymnasiallehrplan beseitigt werden, denn es genOge vollkommen
die griechischen Autoren in Musterflbersetiungen in lesen.
Welchen Einfloß eine solche Publikation auf die jugendlichen 6^
mfiter ausfiben wird, kann man sich leicht vorstellen, wenn man dabei
bedenkt, daß in dieser Abhandlung die Schüler von ihrem Lehrer das
bestfttigt finden, was ihnen ihre „Freunde** immer zugeflüstert haben.
^Weg mit dem Griechischen'^ — haben sie sehr oft gehOrt, aber nicht
immer solchen Beden Glauben geschenkt, und da wird ihnen dasselbe
bekrftftigend unterschoben, aber nicht in einer Tagesieitschrift, sondern
in einer von ihrer Schule herausgegebenen Publikation und in einer Ab-
handlung, von einem klassischen Philelogen verfaßt Das Sehßdliche ist
in dieser Abhandloug auch mit dem Unethischen verbunden, denn aneh
höchst nnethisch muß ein solches Vorgehen bei einem Gymnasiallehrer
beseichnet werden.
JPragr&inmeiiBeh&ii.
868
Der gfföOte Toil de» Änfa&tiei (29 SS.) itt der BeiprechQog der
beidtn klMfiacheii Spräclien gewidmet. Die l&teiiiii<:be Sprache kaon
derieit im GjmnäftiaOdfarplan bleibeon nur die dominier^iide Stellnag
miiQ ihr «bgeiprochen werden. Sie eoli n&mlich um eio Jahr v^rscbobeD
wefdeu, lo daß der latelnivcbe Dnterricbt erst tnlt der IL Kl&iie au*
fifcngt Äticll die Qesamtiahl der LebrttUDden moD aof bOebatene ieebs
in der Woche ber&bgeietst werden. Infolgedef sea id Daten &uch die scbrtft-
Itcheo Arbeiteo leltener gemacht werden nnd iwar oor die SehQlEiafgabeOf
denn die Hanaacfgaben geben den Schülern Antaf^ sa Mi&bräachen. Der
UteintBcbe Uoterriebt soU aieb alao folgend erweise gestalten: In der
IL Kiasie nnd im ersten Semeater der IIL Klasse inti& def grammatitche
Sto^ der beuligen L &nd IL Klaaae dnrcb genommen werden^ worauf im
tweiten 8em6ater der IIL Eiaise und im traten SemeBter der IV. Klasse
die lateiobebe Sjntai folgt, ans der jedoch nnr die Haaptgrnnde&txt
dnrehgeübt werden sollen. Das tweite Semester der IV, Klasse wird mit
der LcklQre der Jateiniscben Sebriftsteller begonnen. Bei der Wahl der
3ctanIaiitoren wäre aber iiveierUt in beachten . L Jedes Werk soU nicht
im Ganzen, sondern in einer bunten Answabl gelesen werden« 2. die
ä stb e tj Beben Erlfiute rangen sind den s&cbli eben TorxQzieben. Dabei mfti^te
auch das Darebgelesene mit den analogen Erscbeinnngen nnaerer Zeit
T erglichen werden.
Von den laterniscben Scbrifistellem aind alio folgende tu lesen;
CAaan BeUum Gatlicum (tV. 2), eine der beiden Schriften Sallnsta [V«),
eine Chrestomathie ans Liriua' Beschreibung des IL pnnisehen Krieges
(TL), eine Chrestomatbie ans Orid und Vergil (V« und VL). Da dio
LektOfe der tergiliecben Gedichte sowohl auf den Lehret als auch auf
die Schüler ermodeod wirkt, soll sie in der YIL Klaate nicht mehr fort-
geseilt werden, sondern es sind im ersten Semester der VII. Klasse eine
Caülinana nnd eine Answahl ans den philosophischen Schriften Cieeroi,
im iweiten Semester CatuU nnd Borax la lesen. Der Lektüre des Horai
müßten noch die ersten twei Monate der VIIL Klasse gewidmet werden*
die übrige Zeit bleibt für Tacilos.
Den lateinischen Dnierricht könnte man aber aacb in der IIL Klasse
beginneSi in welchem Falle der ganze frammattsche Stoff tn der IIL
nnd (V. Klasse beendigt nnd Ton den Scbrifts teile rn äallnst ansgaschaltet
werden mtßle.
Die UnsnläsBlgkeit des ganzen Voracblages liegt auf der Hand*
Es Iiat ja keinen Zweckt die Grammatik einer Sfirache nnr in Auswahl
xn lehren. Schon unter den gegenwärtigen Verbal tniisen künnen gröDere
Hesnltate nur mit AI übe eriielt werden, wie gerjag also wäre die Kennte
niB der lateini gehen Sprache nach der beantragten Eeform! Wie konnte
man dann die lateinisch en Scbriftstellerf einen Horst und TacÜns lesen?
Die wahre Absicht des Verfassers iit aber gatit klar: Die TöUige Ab-
sehaffang der beiden klasiischen Sprachen ist sein Ziel, dai er betreffi
der lateinischen Sprache hinter den schlauen EeformTora cht igen nur in
Terhergen lucht
Der grieehiiGben Sprache dagegen Tertetzt er einen Todeeatoß . .
zaiD Glßck nnr anf dem gednldiamen Papier. Woza brauchen wir —
raiaouitert der Verfaaser — die Kenntnis der griechischen SpracheV Um
die SdiTiftsteller der Griechen kennen %a lernen* Diese aber künnen wir
ancb in Obersetsangen lesen^ wozn also die Mühe? Dem Schüler genQgt
ea Tolikommen, nnr das griechische Alphabet zn erbrnen» denn die
grieehisehen Aiitoren wird er ohne Mühe in seiner Mattersprache kennen
nnd fcb&txen lernen.
Der Cnterricbt der auf obige Weise nostri filierten griechischen
Sprach« beginnt in der IV. bzw. In der Y, Klasse, wenn nAmlicb der
lateiniache Untenicht erst in der IIL Klasse anfän^. Nach der Erlernong
des griechiicben Alphabets sind zu lesen t in der IV. nnd V. Klasi^e eine
Auswahl tos Herodot nnd Xenophon, Ueaiodi Theogonie nnd ^Eeftt,
864 Borichtlgimg.
Homers UiM and Odjttee olma Abkflnaiiffeii, BfttnwhomjomMbie. In
dn VI. und VII. KImm sind die geeobicbtlichen Kenntnisse der Sehfller
xa Tertiefen» and iwai dareh ein gesebiebtliehes Leeebacb, sosunmeB-
geseilt aas Tbjkjdides, Demoatbenes' III. Pbilipp., Poljbios, Plntercboi
a. a. Anfterdem sollen in dieser Klasse die gnechisehen Ljriker and
Tragiker gelesen werden. Fftr die YIII. Klasse bestimmt der YerfiMser
eine KemOdie des Aristopbanes, mOgliebst Tiel ans Plato nnd Armtotelas.
Den so reformierten Unterricht maß aber ein klassischer Philologe er-
teilen, damit er etwaige Fehler in den Obersetinngen Terbesitm knnne.
Mit 2—8 Standen wöchentlich kOonen viel ergiebigere ResnlUto ersielt
werden, als bei dem jetsigen Stande.
Bis nnn wire alles in Ordnung. Da bemerkt der Verf. selbit, daß
die polnische Sprache nicht Tieie Übersetsnngen besitit. Diee liAt ihn
aber nicht irreführen. «Deneit mflssen wir nns mit minder gnten Ober-
setinngen begnflgen, bis bessere i« Tage treten — trMtet er die Be-
sorgten. «Jene besseren aber Torfertigen wir selbet".
Die Verfasser der Programmarbeiten rechnen sehr oft darant
daA sie im besten Falle nur von ihren Schfllem gelesen werdee,
weihalb sie sich Terschiedene Fehler nnd NaintAten Ar erlaubt wAhnea.
Qans andere Ansprüche hat Herr Prof. Hock. Die Bewnndemii^ der
naiven ScblUer reicht ihm nicht aas. Er fordert den Landeescbnlmt aof,
seinen Vorsehlag in Erwägung su sieben nnd die QTmnasien nach seinen
Beiept nmngestalten. So schlimm steht's lom Glflck mit nnssrcm Scbui-
rato nicht, daß er alle VorsehUge fftr gut finden sollte. Wir aber raten
dem geehrten Verf., sich mit dem jubelnden Beifall der Sehfller an be-
gnflgen, die seine Vorscblftge gewiß mit EntiOcken aufnehmen werden.
Auf der so genial geschimenen Grundlage entfaltet nun der Verf.
die idealen Zustände, die in den Schulen seines Typus eintreten wftrdea.
Die Sehfller, der Last der griechischen Sprache entledigt, wflrden sehr
▼iel Zeit gewinnen, sich mit anderen praktischen Dingen su bescbAfügeu«
als mit Zeiehnen nnd dem Studium der franißsischen nnd engUsehen
Sprache, sie konnten auch in Schulwerkstätten Öfters arbeiten, mehr
Phjsik und Chemie, polnische Sprache, Geographie, Geschiebte und
Mathematik lernen, sie konnten sicn sogar den Luxus der Erlernung der
mthenisehen Sprache gOnnen«
Fflhrwahr, einen gesegneten Zostand konnte die Abechaffung der
klauischen Philologie mit sich bringen! Was soll aber mit sahireichen
Philologen geschehen? Die mflssen snerst unschädlich gemacht werden.
Da aber der Verf. selbst ein klassischer Philologe iet, so wäre es sehr
schon von ihm, wenn er seine Theorie auch durch Tat bekräftige und
als der erste Tom Lehrstande schiede. Denn sonst kOnnto er sehr leicht
seinen bei den Schfllem durch obige Abhandlung erworbenen guten Bnf
einbflßen. Wird er ohne weiteres eine schlechte Note ans dem Grie-
chischen geben können, nachdem er den Schfllem so «flberseugend* be-
wiesen hat, daß die griechische Sprache unnötig sei?
Stanislau. Dr. Job. Demiafteiuk.
Berichtigung.
S. 658, Z. 9 ▼. n. ist lu lesen: daß die von Arrian ersählten
Ereignisse den Zug der Zehntausend an Bedeutung weit
flberragen.
S. 6dl, Z. 8 f. u.: sieh statt ich.
S. 668, Z. 12 ▼. u.; erkaufen statt yerkaufen.
S. 668, Z. 7 f. u.: lesenswert statt bemerkenswert.
Erste Abteilung.
Abhandlimgen.
Zur Odyssee a 1—31.
Es soll im folgenden der Yersncb gemacht werden, die «ahl-
reiehen nnd verscbiedenartigen Yorwflrfey die die negatife Kritik
gegen das ProOminm der Odyssee und die daranffolgenden Yerse
bis 81 erhoben bat, einer eingehenden Prfifang zn nnterwerfen.
Denn nur so dflrfte m. B. eine konseryative Kritik im stände sein,
die Oegner erfolgreich zu bekämpfen.
Wir beginnen mit dem Bncfae von Tiersch, ürgestalt der
Odyssee, Königsberg 1821, 8. 58 ff. T., dem es fär ausgemacht
gilt, daß die einzelnen Teile beider epischer Oedichte einzelne
Ganze waren, wnndert sich, daß wir zu Anfang der ersten Rhap-
sodie eine Proekthesis lesen, nnd zwar für das ganze vereinigte
Gedieht Nach m. £. schlägt T. einen methodisch falschen Weg
ein. Sr h< es fflr ansgemacht, daß die Odyssee wie die Dias
ans einzelnen selbständigen Teilen entstanden sei, statt von der
Überliefemng anszngehen, in der jedes von beiden Oedichten als
ein einheitliches Ganze Torliegt, nnd nun erst zn prüfen, ob diese
Ansicht haltbar ist. Aber selbst wenn wir annehmen wollten, daß
das Gedicht aas mehreren selbständigen „Rhapsodien'' znsammen-
gesetzt sei, so brauchen wir nns deshalb noch nicht zn wnndem,
daß wir nur im Anfange der ersten Rhapsodie eine solche Proek-
thesis lesen. Denn ist es nicht möglich, daß der Mann, der die
einzelnen Rhapsodien zn dem jetzt yorliegenden Gedicht yereinigte,
die Einleitungen zn allen übrigen Rhapsodien wegließ, weil er sie
Dicht brauchen konnte? Das überlieferte Proäminm war für das
ganze Gedicht bestimmt nach der Absicht dessen, der ihm die
jetzige Stelle angewiesen hat, mag dies nun der eine Dichter
des einheitlichen Gedichtes, wie ich annehme, gewesen sein oder
der, welcher dio einzelnen Rhapsodien zu dem jetzigen Ganzen ver-
einigte. Denn sonst hätte er dem Proömium nicht diese Stelle
geben können.
ZiilMhiilt f. d. totorr. O7111B. 1908. X. Htft. 55
866 Zar Odyssee a 1—31. Von F, Stürmer.
Wenn das ProOmiam für das ganze Gedicht bestimmt sei,
80 kÖDDO es« meint T., nicht aas der Zeit der homerischen Oe-
s&Dge stammen , aber es könne nicht fOr das ganze Gedicht be-
stimmt sein, weil es ebenso wie das Proöminm der Dias nur die
Wat des Achilles als ihren Hanptgegenstand nenne, anch mehrerer
Hanptteile unserer Odyssee gar nicht gedenke. Es passe nur auf
eine oder zwei Bhapsodien, and wenn dieses za Anfang ge-
stellte Proöminm verteidigt werden sollte, so müßte jede Bhapsodie
ein solches haben. Es Iftßt sich aber, wie schon oben gesagt,
als möglich annehmen, daß der Ordner dieses Proöminm, das ja,
wie T. selbst zugibt, als Einleitung ffir eine oder zwei Bhapso-
dien denkbar w&re, als eine solche vorgefunden und als Proöminm
fär das ganze von ihm zusammengestellte Gedicht verwandt hat
weil es ihm zu dem Zwecke brauchbar schien, die Proömien der
übrigen Bhapsodien aber, die den Znsammenhang nur unterbrechen
würden, einfach weggelassen hat.
T. meint, daß der Verf. des Proöminms nur das Umher-
irren des Odysseus und auch davon nur einen unbestimmten Teil,
nicht aber das Treiben der Freier, T«lemachs Beise, die Yorfille
bei Eum&us, den Freiermord usw. habe singen wollen. Wenn es
also echt sei, so stehe es wenigstens nicht an der richtigen Stelle.
Auch hierin kann ich T. nicht zustimmen. Er teilt, wie übrigens
nach ihm auch Bekker, Düntzer u. a., dem Proöminm eine ganz
andere Aufgabe zu , als es wirklich nach der Absicht des Dichters
leisten soll. Es soll kein sutnmarium sein, sondern nur das In-
teresse des Hörers für den Helden erwecken, und dieser Aufgabe
genügt es vollkommen.
Über die Entstehung des Proöminms spricht sich T. folgen-
dermaßen aus: Ein Bhapsode, der eine Introduktion nötig gehabt
habe, um anzugeben, was er singen wollte, habe sich diese selbst
gemacht und sich dabei die Gewohnheit epischer S&nger znm
Muster genommen. Wenn T.s letzter Satz richtig ist, so ist damit
bewiesen, daß die Einzellieder solche größeren oder kleineres
Proömien hatten. Wenn diese sie hatten, so l&ßt sich erwarten,
daß größere Liederzyklen sie ebenfalls hatten, und es ist nicht zn
verwundem, daß einem großen, einheitlichen Gedichte ebenfalls eis
solches Proöminm vorausgeschickt wnrde. Denn größere Zyklen
und große, einheitliche Gedichte brauchen m. E. mindestens ebenso-
sehr, wenn nicht mehr, eine Einleitung, jedenfalls sind sie einer
solchen ihrer Ausdehnung wegen würdiger als kleine Einzellieder.
Den Schluß, den T. aus seiner bisherigen Erörterung zieht,
daß die Proömien in die Zeit der Bhapsoden fallen, kann ich nicht
als logisch anerkennen. Das Proöminm der Ilias kann ganz gut —
wenn es nicht die Einleitung zu dem ganzen Gedicht sein soll —
die von dem Dichter selbst verfaßte Einleitung zu einem Einzel-
liede über den Zorn des Achilles sein, das Proöminm der Odyseee
die Einleitung zu einem Liede oder einem Liederzyklus von den
Zur Odyssee a 1--31. Von F. Stürmer. 867
Irrfahrten des Odyssens. Daß sie toxi Rhapsoden herrAhren müssen,
ist dnrch nichts bewiesen.
T. geht dann dazu über, im besonderen die sp&tere Ent-
stehnng des vor der Odyssee stehenden ProOminrns nachzuweisen.
Als sachlichen Grand führt er das bvO"* äkkoi (liv nivzag nsw.
iD y. 11 an , das wie eine Fortsetznng klinge nnd sich nur ver-
teidigen lasse, wenn es der Übergang von einem anderen Gesänge
jener vööxoi, sei, deren letzten die Odyssee bilde. Daß die Odyssee
eine i/tf<9T0g-Dichtnng ist, ist ohne weiteres klar, daß der Dichter
sie als Fortsetznng der v66xoi der anderen Helden, von denen es
sicher Einzellieder gab, gedacht habe, mag zugegeben werden.
Aber ist damit bewiesen, daß das ProOminm nicht ursprünglich
ist? T. gibt nicht an, wie er sich diese t;(5(Trog-Dichtang, deren
letzten Teil die Odyssee bilden soll, denkt. Sind die i/ö(frot der
einzelnen Helden Einzellieder von yerschiedenen Verfassern oder
rühren sie alle, die Odyssee eingeschlossen, von demselben Dichter
her nnd sind als einheitliches Gedicht konzipiert? Nach T. müßte
man das letztere annehmen; denn nur wenn iv%a den unmittel-
baren Übergang von einem anderen vdaxoq^ wahrscheinlich dem
des Menelaos als des zuletzt zurückgekehrten Helden bildet, soll
es sich verteidigen lassen. Was für ein ungeheuer von Gedicht
würde das ergeben ? Denn von unserer Odyssee müßten doch min-
destens £ — V dazu gehören! Oder wenn diese vöötoi Einzellieder
waren, wie sollten denn da die ZuhOrer merken, daß das Iv^a
sich auf den vöörog — sagen wir des Menelaos — bezog? Auch
in diesem Falle müßte man annehmen, daß alle diese Einzellieder
von demselben Dichter herrührten ; denn wie kam jemand auf den
Gedanken, an das Lied eines anderen in so engem Zusammen-
hange anzuknüpfen?
Von sprachlichen Gründen gegen das Pro5minm führt T.
drei an: 1. xoXvzQOXog könne hier nur die Bedeutung „viel-
gewandf* = schlau haben, w&hrend es an der einzigen Stelle, wo
es außerdem noch vorkomme, x 880 „vielgewandert" = vielgereist
bedeuten müsse. In dieser ursprünglichen Bedeutung könne es in
a nicht gebraucht sein, da sonst der Zusatz os iidXa noklic
nkdyx^Ti ganz dasselbe ausdrückte. Meiner Ansicht nach kann das
Wort TCokvzQonoq an unserer Stelle in beiden Bedeutungen ge-
braucht sein. Die Stelle in x ist nicht beweisend für T., da das
Wort auch dort im eigentlichen wie im übertragenen Sinne ge-
braucht werden kann. Eher könnte man geneigt sein, die Stelle
in X zu Gunsten der übertragenen Bedeutung anzuführen, da es
doch ganz passend wäre, wenn Circo hier die Vielgewandtheit und
Verschlagenheit des Odysseus hervorhöbe. Andererseits kann auch
die ursprüngliche, örtliche Bedeutung in a stehen. Den Zusatz o^
yidka Ttokkk nkdyx^r} erklärt La Boche, Anh. zum Odysseekom-
mentar 1.
55*
868 Zor Odyssee a 1—31. Von F. Stürmer.
2. &(fvvnai V. 5» das in der Odyssee sieh sonst Dicht
finde» in der Ilias die Bedentang^ habe „etwas erwerben, erringeo,
was man nicht hat**, mflsse an nnserer Stelle amt^iv ^iXm be-
deuten, was es aber nicht bedeute. Ferner lasse sich nicht ein-
sehen, was dQvvfiBvog f^v i>v%r^v bedeuten solle, mindestens
müsse es dQvviisvog ol ^vjr^t/ heißen. Dieser Anstoß, den T. an
&Qvv6^ai nimmt, ist m. B. ungerechtfertigt. Denn er flbersiebt
ganz, daß zu ägwöd'ai noch ein anderes Objekt gehOrt, zu dem
die angefahrte Bedeutung „zu erringen suchen*' gut paßt. Im
schlimmsten Falle müßte man also ein Zeugma konstatieren, das
noch dadurch erkl&rlicber wird, daß vöötov itaigav oflTenbar das
wichtigere der beiden Objekte ist, wie die Stellung am Versende
und das folgende beweist. Aber auch ügwö^at tj/vxrjp läßt sich
erkl&ren. Es wird dadurch die Größe der Qefahr bezeichnet: das
Leben des Odysseus ist gleichsam schon yerloren, er sucht es
wieder zu gewinnen. Das ^v tlwxriv für den Datir ol ist mir
nicht auffallend, es ist gew&hlt als Gegensatz zu vöötov izaigav,
8. aiz&v 6(p€tiQij6iv sei eine dem Homer fremde Konstruk-
tion. apixBQog sei bei Homer das Pronomen der dritten Person
Pluralis und es müßte entweder avxoi heißen — zu dieser Text-
änderung sei aber kein Grund vorhanden — oder der Vers müsse
aus sp&terer Zeit stammen. So viel ist T. zuzugeben, daß alxäv
nicht nötig w&re, um den Plural zu bezeichnen, wie in sp&terer
Zeit. Ist es aber nicht möglich, daß der Dichter das öipitsgog
noch verst&rken wollte? Diese Verst&rkang war m. E. nicht durch
den Nominativ aitoCy sondern nur durch den Genetiv möglich.
Eine sehr harte Kritik des Proömiums lieferte Immanuel
Bekker in einer Sitzung der Berliner Akademie im Jahre 1841
(gedruckt 1853), Homerische Bl&tter S. 99 ff. Er tadelt zunächst
das Verschweigen des Namens, an dessen Stelle die „ganz vage**
Bezeichnung nolvtifoxog trete. Gewandte Leute seien unter den
Hellenen gewesen, so bald und so lange es Hellenen gegeben habe,
und gewanderte, gereiste Leute hätten auch nicht selten sein
können in einer Zeit vielfältiger Völkerwanderung und KolooisatioD.
Was zunächst das Verschweigen des Namens angeht, so wäre es
nur dann zu tadeln, wenn nicht etwas an seine Stelle getreten
wäre, was wichtiger ist als der Name, nämlich die charakteristische
Eigenschaft des Helden. Was ist dem Hörer, der noch nichts von
Odysseus gehört hat, der Name? Ein leerer Schall! Für den aber,
der schon etwas von Odysseus gehört hatte — und das hatte doch
zu der Zeit, als das Gedicht entstand, die große Mehrzahl der Za
hörer — war der Held genügend durch das Beiwort »oXvxgtmoc
gekennzeichnet, welche Bedeutung des Wortes man auch für uasert*
Stelle annehmen mag. Sowohl die Bezeichnung „vielge wandt**, als
„vielge wandert*" (B. läßt das nokv- unübersetzt) kam von den
damals durch die Sagen verherrlichten Helden keinem mit größerem
Rechte zu als dem Odysseus.
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870 Zar Odyise» a 1^31.2 Von i\ Stürmer.
Selbst der gewaltige Pelide kosnte'' es nicht, auch der Halbgott
Herakles hatte auf seinem Znge die Stadt nicht allein erobern
können. Das Beispiel von nzoki%oQ^og<i das B. anfährt, ist recht
nnglAcklicb gew&hlt; es beweist nichts ffir B. Könnte es nicht für
Odyssens proleptisch gebraucht sein, ohne daß es für Achill ebeoio
gebraucht sein mnß, da Achill nachweislich viele St&dte der Um-
gegend zerstört hat» von Odjsseas aber dies, so viel ich weiA,
nicht erz&hlt wird. Aber zugegeben, daß Odyssens es nor ebeoio
wie Achill als ehrendes Beiwort erh<, so beweist das doch nicht,
daß hier in der Odyssee dem Odyssens die Zerstörung Trcjas nicht
zugeschrieben werden dOrfe.
Die Verse 8 und 4 enthielten, meint B., nur eine Ausfübrang
und wurden in Prosa mit Partizipien I86v und jca&ov angeschlosssa
sein. Sie brächten nur» was zu jeder nkdvri gehöre. Was zunächst
B.s Partizipien angeht, so steckt bisweilen in solchen Partizipitu
der Hauptbegriff; beiläufig gesagt, wfirde ich nicht Idav and
na^6v schreiben, sondern ÖQdn/ und scdöxcoi/. Femer lassen sieb
nicht auch xJidvai, in menschenleeren Gegenden denken? WennB.
dem Odyssens nur vier Städte, die er gesehen, zusammen rechoet,
so mag das richtig sein, es steht hier aber gar nicht sröAci^,
sondern äötsa. Die Kyklopen, die keine xokeig hatten, hatten doch
&0tsa. Die Bemerkung über die Eimmerier, die Odyssaus, da sie
in Nebel gehüllt gewesen wären, nicht habe sehen können, kann
ich nur für einen übel angebrachten Witz B.s halten, dagegen die
nur „schwerlich** zu denkende Auslegung nokkAv iv^^dmaifv äöisa
= aöleig 7cokvav^Q(h7tovg halte ich für so absurd, daß B. sie
überhaupt nicht hätte erwähnen sollen.
Aber es passiert ihm, daß er xoXk&v iv^Qmxmv ^0Tca
übersetzt, als wenn dastünde nokkk &axia\ In dem jcokk&v liegt
ausgedrückt : vieler verschiedener Menschen, so daß alle griechisches
Städte des Schiffskatalogs und der Fahrt des Menelaos überbaopt
ausgeschlossen sind, wie es auch 0. Hermann zu interpretieren
scheint. Was aber die Hauptsache ist, die Worte ital v6ov iyv0
hat B. ganz unberücksichtigt gelassen, und hierin liegt gerade das,
was die Beisen des Odyssens vor denen anderer hervorhebt. Andere
mögen wohl auch Wohnstätten verschiedener Menschen gesehen
haben, aber ihren vot)g, worin alles eingeschlossen ist, was wir
heute etwa „ Kulturzustand ** nennen würden, zu erkennen, war doch
wohl keiner so befähigt wie der 7tokvq>QG:iv oder «oXvTposo^
ävY^Q im Sinne von ^^i^^gswandt**. Wie mußten diese Worte asf
die Erzählung spannen!
Noch weniger, fährt B. fort, könne die Not auf dem Meere,
die der Gegensatz zu den Menschen V. 8 auf Sturm und Unwetter
beschränke, als etwas Besonderes gelten oder der V. 5 angegebene
Qrnnd, warum sich Odyssens solcher Not unterzogen habe, fiiaeo
Gegensatz zwischen %okkAv ö' iv^gdmiov tÖsv ä<ftea und %oM
tf' öy iv növxp %d^av dkyia kann ich nicht erkennen. Und wie
Zor Odyuee a l-^Sl. Von JP. Stürmer. 871
steht M mit der Not, die ihm die Charybdis and Scylla und die
Sirenen bereiten, ist die anch dnrch Sturm nnd Unwetter rernr-
aaeht? B. beachtet hier wieder das xoXJiä nicht, was nicht Tiel,
sondern Tielerlei bedeutet Ferner druckt aich B. recht wenig genau
aoa, wenn er in iQPVftsvog den „Orund*' sieht, warum er sich
solcher Not unterzog. Einen Omnd hatte er wahrlich nicht, er
b&tte die Not wohl sehr gern vermieden, aber die Götter schickten
sie ihm. In dem Partizipium sehe ich nicht den Grund, sondern
die näheren Omstftnde, unter welchen er die äXysa auf dem Meere
zu erdulden hatte. Wer Gef&hrten hat, hat freilich auch fär sie
zu sorgen, aber um so größer werden seine eigenen Schmerzen.
£s liegt ein Lob für Odysseus darin, daß er nicht bloß an sich
dachte nach dem Sprichwort Jeder ist sich selbst der Nächste**,
sondern yor allem an die Gef&hrten nach dem Satze: „Der brave
Mann denkt an sich selbst zuletzt''. Hier freilich fiel die Bettung
der Gef&hrten mit seiner eigenen zusammen.
Die Unterscheidung, daß der Held ffir sich das Leben und
für die Genossen die Heimkehr suche, erkl&rt B. für „eigen*", als
ob er auch tot heimkehren könne (wieder ein Witz!) oder als ob
er leben möchte, ohne heimzukehren, wie ihm ja so ein Leben bei
der Kalypso geboten werde. Meiner Ansicht nach h&tte der Dichter
sagen könuen „sein und der Gef&hrten Leben** oder „seine und
dor Gef&hrten Heimkehr*'. Das erste verwarf er, weil es nicht
genügte, um das zu bezeichnen, was Odysseus erstrebte. Das andere
verwarf er, weil er durch ^v xs tlrviiiv, zugleich im Hinblick auf
das Folgende, andeuten wollte, daß er für sich zwar das Leben,
aber nicht die Heimkehr rettete. H&tte er gesagt: „Odysseus wollte
seine und seiner Gef&hrten Heimkehr durchsetzen, die Gef&hrten
konnte er aber nicht retten**, so mußte der Hörer mit einem
durchaus folgerichtigen Schlüsse schließen: „aber seine eigene
Bückkehr setzte er durch", was der Situation bei Beginn des Ge-
dichts widerspricht.
Wenn B. dann weiter behauptet, daß Odysseus das Herze-
leid, daß seine Bemühungen vergeblich waren und seine Gef&hrten
durch eigene Schuld umkamen, mit gar vielen Anführern vor und
nach ihm teile, so gehen uns die Anführer nach ihm gar nichts
an, und weiche Anführer, deren Untergebene durch ihre eigene
Schuld umkamen, kann denn B. im Sinne haben?
Daß dann in Y. 8 und 9 der Frevel an den Bindern des
Sonnengottes und seine Bestrafung erw&hnt werde, sei zu individuell
für die Ankündigung, ungef&hr, wie wenn im Proömium der üias
der Tod des Patroklos erw&hnt worden w&re. Meiner Ansicht nach
war es aber nicht genug, wenn der Dichter sagte, die Gef&hrten
seien durch eigene Schuld umgekommen. Dadurch war die Neugier
des Hörers erregt, er wollte wissen, worin diese eigene Schuld
bestand. Durch die Angabe, daß es ein Frevel gegen einen Gott
war, wird außerdem des Odysseus Frömmigkeit im Gegensatz zu
872 Zar Odjrwee a 1—81. Von F. Siürmer.
seinen Gef&brten aogedentet. Der Ton B. angefahrte Vergleieh mit
der Iliae eeheini mir nicht beweiskr&ftig. Wenn Patroklot* Tod im
Pro4(miam der Iliae erwähnt w&re, ao mdßte man allerdings daran
Anstoß nehmen, weil etwas Toraiugenommen w&re, was in der
Handlang dea Oediehts eine viel spfttere Stelle hat. Aber der
FreTol an den Bindern dea Helios und der dadnreh Yemrsachte
Untergang der Oef&hrfcen war an dem Zeitpunkte, mit dem die
Handlang der Odyssee anhebt, bereits vergangen and motiviert
gerade die Situation, in der wir den Helden bei Beginn dea Qe*
dichte antreffen. Wenn B. meint, die beiden Verse verdankten ihren
Ursprang dem Beddrfnisse, eine göttliche Ffigong einzuweben, wie
sie in der Iliae in den Worten ^U>g d' ixsXsUxo ßavXiq enthalten
sei, so ist auch dies nicht richtig. Denn das Eingreifen dea Zaas
in der Dias hat einen ganz anderen Charakter als das Eingreifen
des Helios in der Odyssee: Dort ist es ein durch Thetis' Bitte
veranlaßter freier Entschluß, den Ach&em zu schaden, ohne daß
diese gegen den Qott selbst gefrevelt h&tten. Hier ist es die Strafe
fdr einen gegen den Qott selbst begangenen Frevel; welchea Ein-
greifen besser motiviert ist, ist dadurch ohne weiteres klar.
Auch den letzten Vers des Proömiums tadelt B. &§i6^6v
und xal iifiiv sei unerhört, wenn letzteres den Sftnger und aeine
Zuhörer begreife. Dieser letzte Vers schließe alles von dem Gedieht
aus, was nicht in dem Proömium erw&hnt sei, und das seien ven
24 Büchern höchstens 4, von 10 Jahren höchstens 2. So apricht
B. denn das Proömium dem Homer, qui nil malüur inepie, ab.
B. h&tte aber wenigstens Qründe angeben mfissen, weshalb ägAÖ^sv
und xal ii^lv unerhört seien. Und das Proömium soll ja kein
Inhaltsverzeichnis, kein Summarium sein, sondern nichts weiter als
den Hörer auf das eigentliche Gedicht spannen, eine Aufgabe, die
durch dae Proömium der Odyssee m. E. in noch höherem Grade
erreicht wird als durch dae Proömium der Ilias.
Eine durchaus berechtigte Antikritik gegen B.s Kritik lieferte
Lehre im Rhein. Museum 1864, S. 802 ff. (De Aristarehi studiis
Homericia^, p. 419 f.).
Großen Beifall hingegen fand B.s Kritik bei Henninge in
Jahns Jahrbüchern f. Philol. 1859. Er bringt aber keine neuen
Anklagepunkte vor und bewegt sieh nur in allgemeinen Auedrfieken:
er nennt das Proömium „eine nüchterne Aneinanderreihung von
Gemeinpl&tzen", es erw&hne nur die Irrfahrten und die schließliche
Heimkehr des Odysseus (das letztere ist gar nicht einmal richtig,
denn davon, daß Odysseus den vöötog erreichte, steht gar nichts
da). Er verlangt also eben so wie B., daß das Proömium ein
Summarium sei. An einen Gedanken von A. Jacob über die Ent-
stehung der Iliae und Odyssee 1856, p. 860 anknüpfend, behauptet
H. weiter, daß das Proömium eine sehr paesende Einleitung zo
den Bhapsodien c — v sei, dagegen mit der Telemaehie nicht in
mindesten zusammenhänge«
Zar Odyisee a 1—81. Von F. Stürmer, 873
Btwas günstiger artoilte ober nsfler ProOmiam Bergk» Oriech.
Litt. 8. 662. Er meint, der Tadel ginge im einzelnen zu weit,
und man kOnne leicht dnrch Streichang einiger Verse manches
Anstößige entfernen« Letzteres halte ich nicht für mOglich, ohne
das ganze Proömimn zu zerstören. Bergk schließt sich dem oben
widerlegten Tadel Bekkers an, daß der Name ersi im Gedichte
und zwar nnr gelegentlieh erwühnt werde; ond wenn man auch
nicht eine vollstündige nnd detaillierte Inhaltsangabe Ton dem
ProOminm Terlangen dürfe, so yermisse man doch, daß auf den
zweiten Teil des Qedichts gar keine Bücksicht genommen werde.
Femer erscheint Bergk gerade das, was über die Schicksale des
Odjssens im Eingange angedeutet werde, mindestens sehr auf*
fallend. B. meint damit wohl, daß ?on des Odyssens^ Schicksalen
gerade der Frevel an den Bindern des Helios nnd der dadurch
verursachte Untergang der Gefährten erw&hnt wurde. Das geschah
aber deshalb, weil gerade dieses Abenteuer die Situation motiviert,
in der wir den Helden finden: allein, ohne Geführten, selbst ge-
rettet, weil er an ihrem Frevel nicht teilgenommen hatte. Welches
von den anderen Abenteuern war für sein Schicksal von solcher
Bedeutung, daß es noch h&tte besonders erw&hnt werden müssen,
nachdem der Dichter in V. 3 und 4 die Irrfahrten allgemein
charakterisiert hatte?
Bergk kommt zu dem Besultate: wie uns von dem Eingange
der Ilias drei verschiedene Fassungen erhalten seien, von denen
nur eine des großen Dichters würdig sei, so könne auch die echte
Eisleitung zur Odyssee frühzeitig ganz verdrängt worden sein.
Wie aber das echte Proömium der Ilias im Altertum die meiste
Anerkennung gefunden hat, wenn auch daneben andere Fassungen
überliefert wurden, so wäre es doch meiner Meinung nach auf-
fallend, wenn das echte Proömium der Odyssee so vollständig durch
ein unechtes verdrängt worden wäre, daß nicht einmal eine Spur
davon sich erhalten h&tte. Ich meine, das überlieferte ist auch das
echte Proömium, und zwar ist es so allgemein als das echte an-
erkannt, daß sich daneben nicht einmal, soviel ich weiß, andere
Fassungen erhalten haben.
Ausführlicher spricht dann wieder über das Proömium Düntzer,
Aristarch, Padsrbom 1862.
Nachdem er die Bedeutung „vielgewandt*' für nolvtgoxog
nachzuweisen gesucht nnd die folgenden Verse 2 — 4 als nähere
Ausführung des Umberirrens bezeichnet hat, wendet er sich gegen
die Verse 5 — 9, deren Inhalt ganz außerhalb des Zweckes einer
allgemeinen Ankündigung läge. Ich halte diese Verse für durch-
aus dem Zwecke des Proömiums angemessen. Sie steigern die
Teitoahme des Hörers für den Helden. Er sorgte nicht allein um
sein eigenes Leben, sondern auch um die Heimkehr der Gefährten,
aber er konnte sie nicht retten. Der Verlust der Gef&hrten war
der Höhepunkt der Leiden des Odysseus« Nun fragt der Hörer
874
Zur Od jtsee a i^Sl. Von F. Stürmer,
nowillkürlicfa : Wid ging deno das tUt daß er die GefihrIeD nicM
retten konnte? OdjsBens war doch TtolvtQQTtog im Sinne Ten
„Tbl^ewandt'M War also die Öefabr so groß, daß Odyaaens diee*
tnal £eiDe Elaghelt im Stiebe ließ, oder hatte er es an der ndttfeD
Vorsiebt feblen lassen? Oder — das war das dritte — waren die
Gefährten leichtsinDig, so daß eie dnrcb eigene Sebntd ombament
Katt^rifch mnßte der Dlcbter die stille Frage des Hörer» beatii*
Worten, und das geecbiebt durch die Verse 7 — 0.
D. wiederholt dann Tierschi Tadel gegen cepvvpLivog nad
Dekkers Aa säte Hang an ijif te ^*v%iiv %al v6ßtü%f hm^c3i% ohne
Bene Beweise dagegen vor^ubriDgea. Dana erklärt er das ^^% das
sieb auf das bloße agvvjiHfog beziehe, dano aber wieder in dem
ganz dasselbe besag es den lijLSVog erklärt werde» fär „etwas aeo*
derbar'^. Darao hat aber, soviel ich weiß, außer D> noch niemand
Anstoß genommen; es soll dadarch m* E. die VoreteUnng Qocb
lebhafter herTorgehoben werden, da£> Odjssens wirklieb nicbl bM
alles tat, um Beitie Gefährten zn retten, aondero ancb iuuerlicii
Ton der Sorge för sie erfällt war
Ferner bemerkt D., daß bei den Genossen an alle in denken
sei. Dem widerspreche aber der wirkliche Hergaag, wie er im
Gedjcbta erzählt werde. Aber es kommt m, E, eben auf die znlitxt
üDtergehendeD Gefährten an, um die SitDation, daß Odyisema allein
sich bei Kalypao befaiid, za erklären. Es war immerbin noch fatt
die ganze Bemannung eine» Schiffes. Hätte OdjsseQs jemala in lo
groBe Not geraten kOnnen p wenn er das let^^te Schiff mit aeioer
Bemannung betaalten hätte? Und ich halte es anch för einen gaiit
nnbegründeten AnstoB, den D. nimmt, daß es ja nicht HeliosT son-
dern Zene war, der dte Bache Toll^og. Diea geschah eben atif
Veranlassung des Helios (i 374— S90. Freilich werden diese Terse
von manchen Kritikern als späterer Zosatz angesehen, aber mit
Unrecht (?gh Kiizech z. d. St)- Aber selbst wenn die Verse unecht
wäri^n, 80 ?ertrat doch Zens immer nnr die Sache des Helios, und
wenn der Widerspruch zwischen dem ProÖmiüm nnd /* 303, 40S
dem Hörer zum Bewußtsein kam, so konnte er sich diesen doch
leicht löfseOf indem er den Inhalt der ansgelftsaenen Stelle am
sei Dem eigenen Verstände ergänzte: Wenn es im Pro5minm hieiSi
Helios nahm ihnen den Tag der Heimkehr, und jet^t erzählt wird«
daß Zeus den Sttirm erregte, was bleibt da anderes nbrig all
anznnebmen! Zeas tat es auf die VeraDlaaeuiig dea Helios^ Helios
hat Zeua nm Eache gebeten?
Wenn D. sagt, ein Interpolator habe uns in der Ankündigung
bis zu dem Punkte fährtn wollen, wo Odjsseus alle Qefähtlen
Tsrloren habe, so kann man dem entgegenhalten: Was D. A*m
Interpolator zasch reibt, kann doch auch die Absiebt des Ursprung*
liehen Dichters gewesen sein* Denn dieser mußte m. E. vor der
Einführung der Sltnation» in der sich Odjssena befand, den V«f-
Init der Gefährten angeben, weil man sonst hätte annebmeii mäsitB«
I
I
I
Zar Odjw«« €s 1— ai, Ym R Stürmer.
m$
OdjBBeue sei Dicht alliin, soDiierii mit eeioen Gefährten auf der
lüBÜ der Kalypeo. Weiiti iDan datin hdrte^ Odjüeas sei alleiii bei
Kalypso, 60 b&tte m&D verwaadert fragen mueseD: wie kommt «b
denn, daß er keiDen %iüz\g%n GefäbrUti bei sich bat? Er maß
doch mit allen seinen Schiffen zngleicb vod Troja abgef abren sein,
ncd wenn etwa sein Schif von deo anderen verscblaj^en worden
vtäff so tunßte doch wenigstens die Beeat^nog seines Schiffea bei
ibtn geblieben aein! D. meint siwar, der nrspröngliche Dichter
habe am so weniger VeTanlassnDg gehabt, die Gefährten zu er-
wähnen, aiä er ni^B Odyseeng ^^nnäcbet ganz allein habe rorfnhren
müssen. Ich behaupte über im Gegenteil: weil er nns Odyaeene
allein auf df^r Insel i^f Kalypso vorführt, so malzte er, neu dies
zu erklären, den Verlost der Gefährten erwähnen*
Der liiterpolator habe aber, eagt D, , sieb Belbst des Vor*
teils r den er durch Einschiebnog der Verse b — 9 habe erreichen
wolleD, beraubt durch die ncgeecbickte Fassung der wiedefholten
Anrnfnng an die Mnse, die er nicht entbehren 'in k^^nnen gsglanbt
habe, weil sich V. 11 nicht wobl an V* 9 anschließe* Mit rd^i'
würden wir ¥Oii der Kacbe des Helios wieder in dem allgemeinen
og ^dXa nläyx&ri lurückgeldhrt. An V* 9 ßcbließt Bich allerdings
Y, 11 nicht gut an, wohl aber an V. 10, und mit tcov werden
wir nur bis zu V, 3 znriickgefabrt (vgl. Koch^Capello z, d. 8t,).
Wenn einer behaupten wollt«, V. 10 gehöre dem alten Dichter
an and schließe sich ^an^ natürlich an V. 4 an, so behauptet D*
dem gegenüber, dai> ihm überhaupt die Wiederholnng des Änrnfs
nicht pHät^end erscheine. Eioen Grand hiefiär gibt D. nicht an.
Freilich würde eie anch mir nnpaisend erscheiDSüt wenn sie so
bald auf die erste iolgte, wie es nach der Atbetese ?on 5 — 9 der
Fall wäre. Ühngeus i&t der V. 10 ja nicht eine reine Wiederholong
ton V* 1, sondern er enth< dorch auditiv noch etwas Nenes^
Lämlich die Andeutung, daß der Dichter die Wahl des Ausgangs-
punktes der Mose überlaegen will Man bemerke den Unterschied
£ wischin dem Fro6mium der Ilias oud dem der Odjasee^ Die lliaf^
hat nnr eine Anrufung der Mu§e» weil der Anfang der Enählnog
durch das Thema selbst gegeben war: es mnCite mit der Veran-
lassung des Zornes des Acbilles begonnen werden. Anders in der
Odyssee: leb meinei der Dichter wollte dnrcb diese zweite Anm-
mng der Muse mit tö>v äpLo^tt^ andeuten, daß der Hörer nicht
atwa eine fortlaufende Er2äblnu^ der Abenteuer des Odysseus von
der Zerstörung Trojas an zu erwarten habe.
Unpassend erscheint D, auch die Andeutnugt daß die Mas«
ton einem Punkte beginnen möge» von dem es ihr beliebe. Einia
Qrnnd giht D- wieder nicht an* Vielleicht meint er, daß einem
epiBchen Dichter der Ausgangspunkt seines Gedichtes nicht gtelcb-
güliig »ein dürfe, Daa ist aocb gar nicht mit äfio^^v gemeint^
■ondern das gerade Gegenteil; denn dadurch, daß er die Muse dazn
anruft^ zeigt er, daß er von ihr deo besten Anfangspunkt gelehrt
876 Zar Odjuee a 1—31. Yoo F. Stürme.
babeD will. Aber es waren eben mehrere Anfangspunkte mOglieh,
nnd die Wahl des besten fiberläßt der Dichter der Mnse.
Schließlieb tadelt D. noch das xccl ii(ilv, worin ansgedrflckt
liege, daß die Mnse schon anderen davon gesnngen nnd worin er
sich nnd seine Znhörer znsammenfasse. Die erste Bemerknng sollte
man von einem Kritiker wie D. nicht erwarten! Oab es denn Tor
der Entstehung unserer Odyssee nicht schon Einxellieder Ten
Odyssens? Und die letzte Ansstellnng macht D. m. E. nnr, nm
anch an dem letzten Worte des ProOminms etwas auszusetzen. Was
soll denn fi(iiv anderes bedeuten? Ist es etwa ein pluralis maiestaiis
= iiwi? Das nimmt doch wohl auch D. nicht an. Und ist es
denn so wunderbar» wenn der Dichter sich mit seinen Zah6rem
zusammenfaßt? Er hört die Stimme der Muse in seinem Herzen,
und die ZuhOrer hören sie durch ihn.
Dnntzer spricht noch an einer anderen Stelle über das
Proömium. Homerische Abhandlungen, S. 178 f.
Daß der Held seine Qenossen habe retten wollen, und wie
sie durch eigene Schuld umgekommen seien, das falle ganz außer-
halb der „eigentlichen Bezeichnung des Gesanges^. Vielleicht meint
D. mit diesem ganz unklaren Ausdruck, daß dieser indiTidoeUe
Zug nicht mehr nötig sei, um als den Helden des Gedichts den
Odyssens erkennen zu lassen, was nach D. die einzige Aufgabe
des Proöminms sein soll. Aber man soll m. E. den Helden nicht
nur erkennen, man soll auch von yornherein ffir ihn interessiert
und erw&rmt werden. Und das geschieht durch die betreffenden Veree.
Zum Schlüsse wendet sich D. gegen Lebrs , der ?. 5 ff.
rechtfertigen zu können geglaubt habe, well hier zu der entgegen-
gesetzten Eigenschaft der Genosssn übergegangen werde, durch
die sie ihr Schicksal selbst begrflndet hßtten. Spöttisch Tuft dann
D. aus: eine Moral von der Geschichte bei Homer und gar im
Proömium! Lehrs meint aber jedenfalls nicht, daß der Dichter
uns die Moral auftische wie ein Fabeldichter, dazu kannte Lehrs
seinen Homer doch zu gut, wohl aber, daß die Harer mit Letch-
tigkeit die Moral daraus entnehmen könnten, nnd da hat er recht
Eirchhoff, der der Ansicht ist, die Verse a 1 — 87 seien
Qrsprünglich die Einleitung zu £, dem Nostos des Odyssens, ge-
wesen, streicht V. 6—9, genötigt durch seine Annahme, daß die
Abenteuer auf Thriakia einem jfingeren Teile der Dichtung angehören.
Er findet außerdem in diesen Versen „eine unverhßltnismftßige
Breite*', und die Binder des Helios h< er ffir ein ganz nebensäch-
liches Moment. Der Einschub sei Teranlaßt durch das Bestreben,
der Mißdeutung vorzubeugen, als habe das in V. 5 erwfthnte Ringen
des Helden um das Leben und die Heimkehr seiner Genossen nach
beiden Eiehtungen den gleichen günstigen Erfolg gehabt. Meines
Brachtens mußte aber dieser Grund nicht bloß ffir einen Intsr-
polator, sondern auch für den Dichter selbst maßgebend sein. Denn
in der Tat muß der Hörer, wenn V. 6 ff. fehlen, annehmen» daß
^ar Odjssee a 1^31. Von JP. Stürmer. 877
Odyssens ood seine Oef&hrien gerettet seieo. Es maßte also gesagt
werden, daß die Gef&hrten nicht gerettet waren (V. 6), darauf folgte
notwendig die Angabe des Grandes ihres Unterganges (V. 7) und
dea Urhebers desselben (V. 8 und 9).
fiekkers Kritik fand anch den Beifall ?on Steinthal in der
Zeitschrift fflr Völkerpsychologie, Bd. VII, 8. 77 ff.
St. meint, die TOtnng der Binder des Helios yertrage sich
nicht mit der Kyklopensage, nnd will das Proöminm nor ans den
V. 1, 2, 4, 10 bestehen lassen nnd behauptet, so habe es nichts
Wesentliches Terloren, also gewonnen. Er erkl&rt es fdr einen fest-
stehenden Eingang für jeden Gesang, der sich auf die Irrfahrten
des Odysseas beziehe, und der uns nicht in der glücklichsten
Fassung Torliege. Denn wenn er auch feststehend gewesen sei, so
schließe das nicht aus, daß er in seiner Fassung zehnfach variiert
habe. Wie sich die Strafe fdr die Tötung der Binder zum Zorne
des Poseidon Tsrh<, ist m. £. eine Frage, die für die Beurteilung
das Proömiums nicht in Betracht kommt. Da die Objekte Ter-
schieden sind, so lassen sich beide ganz gut miteinander vereinigen.
Der Zorn des Poseidon richtete sich nur gegen Odysseus, die
Strafe fflr die Tötung der Binder traf zun&chst nur die Gef&hrten.
Ließe sich nicht die Möglichkeit denken, daß die Gefährten, falls
sie die Binder verschont hätten, gerettet und Odysseus allein an
das Gestade von Ogygia verschlagen worden wäre? Ferner durch
Verlust kann man doch nur dann etwas gewinnen, wenn das
Verlorene geradezu schädlich war. Daß aber die ausgeschiedenen
Verse störend seien, dafär bringt St. keinen Beweis bei. Sts Aus-
führungen werden mit Becht von Kammer, Die Einheit der Odyssee,
8. 84 kritisiert. Der von St. hergestellte Eingang macht wirklich,
gelinde gesagt, einen recht dürftigen Eindruck; aber daran ist
nicht der Dichter schuld, sondern St., der das Proömium des
Dichters so zugerichtet hat. Kammer hat recht, wenn er sagt:
„Ein sonderbares Verfahren, einer Statue den Kopf und die beiden
Arme abzuschlagen und dann zu klagen, sie liege uns nicht in
der glfickiichsten Fassung vor*".
Aus dem Worte diiöd'svj das nach St.8 Ansdrack „den
ganzen Zustand der Epik, wie er ihn fasse, vor die Seele rufe"*,
sdi ließt er, daß das Proömium nicht für eine fertige ganze Odyssee,
sondern fär die ganze offiij, d. h. ffir jeden Gesang, der innerhalb
dieses Kreises liege, gelte. Denn so könne doch nur der sprechen,
der ein Stuck aus der otiir^ des Odysseus habe singen wollen. Aus
dam Worte &ii6^bv ziehe ich gerade den entgegengesetzten Schluß
wie St. Wenn die Verse des Proömiums zu jedem einzelnen
Liede, welches etwas Ton den Irrfahrten des Odysseus erzählte,
gehören sollen, so hal m. £. die Muse ja gar nicht die Möglichkeit,
von irgend einem Punkte anzufangen, sondern sie muß eben das
xa behandelnde Abenteuer da anfangen, wo es anfängt. Andere ist
ea mit einem Gedicht, welches alle Abenteuer behandelt. Da gibt
es doch verschiedene Anfänge. Die Muse konnte z. B. mit der
87S Zar Odyssee a 1—31. Von;F. Stürmer.
Abfahrt tod Tr^a begioDen oder mit der BattaDg des Odysseos
auf die Insel der Ealypso, mit der Ankauft anf Seheria, ja es
ließe sich allenfalls ancb ein Gedicht denken, das mit dsr Ankunft
des Odyssens auf Ithaka anhöbe, so daß der Held etwa nachher
seiner Qattin seine Abenteuer erzählte.
Gegen die Verstfimmelong^ des Proöminms spricht sich aneb
Eayser, Philologns XXI, S. 317 ans. Nur in x&v &^lMbv sieht
er einen alten Fehler, der schon Tor Piatos Zeit entstanden sei.
Dnrcb eine zweite Anrofang der Muse werde die erste nor in
Unbestimmtheit gezogen nnd abgeschw&cht. Wir wüßten nun nicht
mehr, was der Mnse zn singen belieben werde, nnd es sei die Art
der alten Sftnger, nicht sowohl die Mnse um Unterstfitzang bei
der Darstellung eines schon gewählten Gegenstandes anzusprechen
als ihr im allgemeinen ein Gebiet mit interessanten Stoffen ta
bezeichnen und ihr die Wahl unter diesen und die Bestimmang
der Grenzen zu überlassen, in denen die gewählte Sache zu be-
handeln sei. Meines Erachtens schwächt die zweite Anrufung der
Muse die Kraft der ersten nicht ab. Die erste bezieht sich im
allgemeinen auf den Helden, die zweite spezieller auf den Aus-
gangspunkt des Gedichts. Nicht ins Ungewisse wird also der Hörer
durch die zweite Anrufung versetzt, sondern auf den Anfang der
Handlung gespannt. Das x&v fasse ich nicht als partitir, abhängig
von bItcb^ wie E. es zu tun scheint, sondern als abhängig von
ifiöd-Bv, so daß also alles, was im Proömium angedeutet ist, im
Gedicht vorkommen soll, aber von einem Ausgangspunkte an erahit,
den der Dichter der Muse überläßt, im festen Vertrauen, daß sie
ihm den besten eingeben wird.
E. konjiziert nun für &^6^sv daöd'sv, so daß die Stelle
den Sinn erhalte „von da an*'; r&v beziehe sich auf den Unter-
gang der Gefährten. Dieser Eonjektur kann ich nicht beisümmeo.
Erstens halte ich, wie oben auseinandergesetzt, die Überlieferuttg
für keiner Änderung bedürftig, da t&u äfiod^ev m. E. einen ganz
angemessenen Sinn ergibt. Ferner scheint es mir zweifelhaft, ob
äno^Bv die von E. angenommene Bedeutung jemals gehabt habe
und gehabt haben könne. Nach den Wörterbüchern ist es gleich
&7t(od'Bv in der Bedeutung „von ferne, von weit her*. Auch erhält
rav bei E.s Auslegung eine sonderbare Beziehung. Entweder
müßte es als Maskulinum aufgefaßt werden = von welchen (d. fa.
den Gefährten) an uns erzähle I Oder es ist Neutrum Piuralis.
Dann stünde es immer noch auffallend von einem einzigen
Ereignisse. Richtiger scheint es mir, t&v von allen Dingen zn
verstehen, die im Proömium genannt sind. E. deutet schon selbst
an, daß r&v ästo^Bv nicht ganz das leiste, was er wünsche. Wärt
nämlich mit xAv äno^Bv der Untergang der Gefährten gemeint,
so erwartete man mit Bestimmthli^^ift der Dichter mit der
Bettung des Odyssens beginnen
in a noch in £. Sc
Zur Odystee « 1—31. Vod F, Stürmer, 879
eine zweite Anrafong der Hase Tiel weniger berechtigt w&re« weil
sie mmötig and nichts als eine bloße Wiederhoinng der ersten
wftre, wenn der Dichter der Mnse selbst schon den Anfangspunkt
vorschriebe, als nach meiner Anffassnng, nach der der Dichter der
Muse die Wahl desselben überläßt.
Wenden wir nns nun zn den Versen 11—81, so mfissen
wir uns zan&chst wieder mit den Angriffen Bekkers beschäftigen.
Er tadelt, daß in der Odjssee jeder Übergang von dem Proöminm
za der eigentlichen Erzählung, ja jeder Anfang der Erzählung
selbst fehle. Sie breche herTor mit einem „Belativum ohne Be*
lation**. iv&a ist aber ebenso gut Demonstrativum wie Belativumf
im zeitlichen Sinne sogar nur Demonstratiyum (vgl. Autenrieth,
Lexikon). Ameis-Hentze führt folgende Stellen an: /3 82, d 285,
£ 188, 17 251, d 93, 582, t 478, q 508, E 155, M 108.
Wenn man versucht habe, fährt B. fort, das iv&a an die
Ankündigung anzuknüpfen — in der Tat mit Recht, denn iv^a
ist m. E. gleichsam die Antwort der Muse auf das äfjLÖd'Sv des
Dichters — so gehe es nicht an, weil die Ankündigung nicht
weiter reiche als bis in das zweite Jahr und so noch immer eine
weite Kluft bleibe bis zu dem zehnten Jahre. Erstens ist zu be-
merken, daß der Zuhörer diese weite Kluft gar nicht merkt, weil
er ja noch gar nicht weiß , wie lange Odysseus umhergeirrt war
bis zum Untergänge der Gefährten. Zweitens schließt sich iv&a
ja gar nicht an V. 9, sondern an V. 10 an, die in T. 13 ff. ge-
schilderte Situation aber, in der sich der Held befand, schließt
sich gerade an V. 9 trefflich an. Aus V. 9 geht hervor, daß
Odysseus selbst gerettet wurde, nachher V. 13 erfährt der Hörer,
daß der Held bei Kalypso weile, also nimmt er natürlich an —
und trifft damit auch das Bichtige — daß der Held seit dem
Untergange der Gefährten bei Kalypso sich aufhalte. Zum letzten
rücken wir mit V. 11 noch gar nicht bis ins zehnte Jahr, sondern
ins achte, in dem die Rückkehr des Menelaos erfolgte. Ins zehnte
Jahr Tersetzt uns erst V. 16 dkk'' ots dii hog f^k&s naginko"
lUvav iviavz&v.
Ferner sei, meint B., das Anknüpfen von Sv^a an die An-
kündigung dem Begriff einer solchen zuwider. Was die Göttin
erst gebeten werde mitzuteilen, könne nicht in demselben Augen-
blicke Yorausgesetzt werden und zugrunde liegen. In der allgemeinen
Bemerkung hat B. allerdings recht, aber er urteilt zu scharf über
das iv^a. Der ganze Y. 11 ist die Antwort der Muse auf das
&H6^£V. Das iv^tt steht ohne bestimmte Beziehung, wie es Cauer
durch ein deutsches Beispiel belegt: Ein Märchen bei Grimm
fängt an : ^Dar wo» mal eena een Fischer und ayn» Fru^. Wenn
B. behauptet, man könne ein paar Verse als ausgefallen yoraus-
aetzen, in denen gesagt war, daß seit der Zerstörung Trojas neun Jahre
gewesen, so ist zuzugeben, daß, wenn etwas Derartiges
man daran keinen Anstoß nehmen könnte. Aber
\^^'
880 Zar OdjMee a 1—81. Von F, Stürmer.
ist d«nn der Dichter etwa yerpflicbtat, ein« tolebe hietorisdi-
chroDologische Angabe über die Zeit, zu der sein Gedieht begioot,
zu machen? Steht denn in dem Proömiam der Dias angegeben,
daß ihr Inhalt im zehnten Jahre des trojanischen Krieges spielt?
B. meint nnn, die von ihm verlangte Ergftnzong finde sich
später in den V. 16 — 18, nar in der schlechtesten Ordnung, die
möglich sei. Das ivd'a V. 11 bezeichne denselben Zeitponkt wie
iv&a V. 18, mache aber ein tolles Hjsteronproteron. Meinet £r-
aehtens hat iv^a in V. 18 gar keine temporale Bedentang, wie
freilich Yon den meisten Auslegern angenommen wird, sondern ich
fasse ivd^a lokal, auf das unmittelbar Torfaergebende Ithaka be-
zfigllch, indem ich Aristarchs Auffassung, daG der Satz ipda-xal
(isric ol6t tplloiöi eine Parenthese sei, teile. Aber selbst wenn
iv&a in V. 18 temporal zu fassen wäre, so kann es doch nidit
denselben Zeitpunkt wie das iv^a im V. 11 bezeichnen, da ja
der Satz il^'' 8ts dif hog ^l^s dazwischen steht. Dieser msfi
doch den Gegensatz ausdrficken zu der im ror hergebenden gesehU-
derten Situation. Das tolle Hysteronproteron entsteht also erst
durch B.s Interpretation. Hätte er freilich mit seiner Ansieht fiber
iv&a V. 11 recht, dann wäre in V. 11 das zehnte Jahr schon
da, und doch soll es erst V. 16 kommen!
B. greift dann die fraglichen Verse mit scharfem, aber m. E.
vGUig unbegrflndetem Tadel an. Wer die anderen waren, seien wir
nicht gebalten zu Yerstehen; weder der Zwischensatz nötige daza,
denn es sei bloße Gutmütigkeit, wenn wir das allgemeine ecixig
öls&gog auf den speziellen Untergang yor Troja oder auf der
Heimfahrt bezögen, noch der Gegensatz tbv dij ein Pronomen
ohne Beziehung auf ein Nomen. In diesen Sätzen hat der große
Gelehrte gezeigt, daß irren menschlich ist, aber der Spott, den er
fiber die Verse ausgießt, ist eines ernsten wissenschaftlichen Mannes
nicht wfirdig und yerdient gebührende Zurfickweisung. Der Dichter
Terlangt offenes Ohr und offenen Sinn, und diese ihm zu gewähren
mag B. immerhin ^Gutmütigkeit^ nennen. Man yersetze sieh nnr
einmal in die Situation. Der Dichter hatte angekündigt, daß «
ein Lied yon dem ävijQ xokvtQonog yortragen wolle, dabei hatte
er Trojas Zerstörung erwähnt. Er hatte femer gesagt, daß dK
Held yiele Irrfahrten zu bestehen gehabt habe eben nach der Zer-
Störung Trojas. Und da sollte es auch nur einem einzigen ZnMnr
dunkel sein, wer unter den äkkoi (liv xdvxeg, die zu Hanse
waren, und dem xbv ds, der nicht zu Hause war, zu yerstahen
sei? — yorausgesetzt, daß die Hörer so „gutmütig^ waren t seit
offenem Sinn und offenem Ohr zuzuhören, was sie in den mslsn
zehn Versen doch sicherlich getan haben werden. Daß tbm Mvtlm
Nomen gebraucht hätte, um yerstanden zu werden, ist Wttttlt^l
Daß damit ein Mann gemeint sei, mußte doch jeder
wenn er yorher yon &XXo^ ndvrsg Söoi usw. gehOrl
und yon welchem Manne war denn in den ganzen
Zur Oäjiiee u 1— 3L VoB F, Stürmer.
891
<i06 FTOdmlnms dk Bede als von dem dvi]^ TnulvvQOTiog? Man
maß sageD, wenn B, diese Veree tiicbl versteht, so will er aie
nicht Torsteben« Das Pro^mmoi and der ganze Eingang der Odyssee
fioU tbeD nichts taugen.
So gebt et mit dem Tadel weiter! Von diesen „allen" werde
fast nichts mehr ausgesagt^ als daCS die dem Untergangs entgangen
seieilv die dem Öniergaiige entgangon seiend ö<soi q)vyoi' alnvif
oX^d'^QV^ iöav ^6X^^6u tb ^£fpivy6j:$g iiÖ^ ^dla06ai'. Und wo
bleibt oinoi^ Es ist ein merkwürdiger Zo^all, dal^ B. dieses eins
Wort, das seine ganze Auseinandersetzung widerlegt, bei der An-
föbrnug der beiden Verse ansgebssen batl Zunächst m^cbts ich
doch anch auf einen, wenn anch yielleiebt geringfügigen Unter-
schied swischen q^vyov itlnvv ÖIs&qov nnd 7t6lifi6v rs ns^EV'
yoTig lidk ^dka&6uv hinweisen. Das erste kann man doch fon
einam sagen, der 6hen einen furchtbaren Starm gidckiich über-
et&nden hat, sich aber noch auf dem Meere befindet. Von diesem
kann man aber nicht sagen, daß er nstpivyiag ^dXatTav sei.
Auch iit sicherlich ein Unterschied zwischen dem Aorist nnd dem
Ferfektnm* Der Aorist drückt eine einmalige glückliebe Errettnng
ans, das Perfektnm, daß jetzt jede Gefahr vorbei ist. Ich meine,
in nnaertm Saize ist jedes Wort von gewichtiger Bedeutung:
äkkoi. um'tsgi nicht bloß Ttävtig; denn nnter die ^dvrsg^ o&at
^vyov aiMvv dA£#()OF, kannte ja ancb Odyssens gerechnet werden:
ur saß Ja wähl behalten bei Ealjpso; :tdvt&gi niebt bloü die
eren, so viele ihrer entkamen, aondem alle (darnm steht
fg in der Hanptzlsnr); der Sata ötfot rpvyov darf nicht
fehlen f sonst mül^te man denken, daß alle Helden, die nicht tot
Troja gefallen waren, glücklich zu Hanse säßen (vgl dagegeu Aias
den Lokrer)>
Wenn man nnn, fährt B. fort, V. 18 erwarte, daß es anders
werdet da werde, statt tortznechreiten, znräckgegangen zn dem,
waa bereits breit genng dagewesen sei, nur daß statt Ttsfpivyozig
eine neue Form mtpvy^ivog gewählt sei* Daß ov6* Bv^a mq^vy
fiivog t}%\ ancb wei;n ii/&a tempora! gefaßt wird — waa ich für
falsch halte — doch einen Fortschritt bringt nnd nicht etwas, was
bereits dagewesen ist, ist leicht einsoseben. Denn diese ä&ka be-
zieh sn sich nach der Änslegnog der meisten anf den Sturm, den
Odjsseni anf der Fahrt von Ogygia nach Scheria dnrchinmscben
hat. Man entgeht aber dieser Termeintlicben Wiederbolnng am ein*
fachsten, wenn man Aristarchs Konstruktion annimmt nnd den
Nachsatz zn dkl* öz§ in d^&ol d* ikiaiQOP findet
Den Tadel B.s, daß es nnbestimmt gelassen sei, zu welcben
Atbiopen Poseidon gegangen sei, hat mit Becht Lehrs a. 0. S, 424
widerlegt
An der Bede des Zeni tadelt B,, daß er nieht fon Odyssens
an fange, sondern von Agisth, an dessen bereits neun Jahre vorher
terabten nnd seit wenigstens zwei Jahren beatralteD Untat er etnt
ZtlUühtlrt f. d. «rIeiT. 6711111. IflOS. 1. Hslt. 50
«r aa
kMder
88^ Zar OdTSSM o 1-81. Voa F. SHirmer,
Beiracbtimg ankxiflpfe, fflr die er leicht tanaend asdere Anloiäptanga-
ponkte h&tte findea kOnnen, und aicb in dem Andenken an die bia
znr ALbernbeit phlegmaiiaebe Inier?entiea ergfebe, wodurch er aiehl
etwa das Verbrechen yerbiDdert, wohl aber die Bache achwer ind
gefftbrlicb gemacht habe. Hiergegen ist zn bemerken, daß man
einem Dichter wohl daa Becht znerkesnen maß, sich Toa den
tanaend Anknüpfungspunkten den auszuwählen» der ihm zusagt
Meinea Erachtens ließ sich kein paasenderer finden ala daa SoUehsal
des Atridenbausea; denn es hatte gewisse Ähnlichkeit mit dem
Schicksal des Odysseus und seines Hauses und stand doch aieb
wieder in starkem Kontrast dazu: In der Abwesenheit das Gatten
wird die Gattin umworben, Elyt&mnestra Ton Ägisth, Peaelope Ton
den Freiern, zugleich zeigt sich der Kontrast zwischen der untreuen
Klyt&mnestra und der treuen Penelope. Eine weitere Ähnlichkeit:
Beide Helden haben einen heranwadiaenden Sohn» Oreatea rieht
den Tod des Vaters, Telemach soll gegen die Freier auftreten. Ja»
vielleicht kenn man die Parallele noch weiterziehen im Gedanken:
Ägisth tötet Agan^emnon, die Freier hätten den Odyaaena wehl
auch getötet, wenn er allen erkennbar zurückgekehrt wftre; daß
sie vor Mordtaten nicht zurückschrecken, zeigt ihr Hinterhalt gegen
Telemach*. — Daß die Tat des Ägisth Tor neun, die Baehe Tor
zwei Jahren geschehen, ist doch kein Grund, daß sieh Zeua daran
nicht sollte erinnern dürfen. Eine derartige Behauptung wäre m. B.
albern. Erinnert sich doch ein Mensch oft plötzlich an Ereignisse,
die viele Jahre zurückliegen. Es iet eben klar, daß B. die Gßtter-
Versammlung unrichtig aufgefaßt, wie aehon der Auadruck „Ver-
handlung*' zeigt. Die Götterversammlung ist nicht etwn Ton Zens
berufen mit der Absicht, über die Büokkehr des Odysaeua zu be*
raten — in diesem Falle w&ren B.s Ausstellungen berechtigt — ,
soQdem wie alle Tage, so waren auch damala alle Götter bei Zeus
veraammelt uQd unterhielten aicb» So faßt auch Lahrs die SitnatioB
richtig auf«
Die Bemerkung B.s von „der bia zur Albernheit phlegmati-
schen Intervention des Zeus* iat ungerecht. Ist denn daa Verhallen
Jehovas zu Kein vor der Ermordung Abele andere? Ich sehe darin
gerade einen vortrefflichen Zug der homerischen Dichtung, daß
dem Menschen selbst der Warnung der Gottheil gegentkber die
Willensfreiheit bleibt auch zum Bösen. Und wie soll denn dtnb
die Warnung die Bache schwerer und geffthrlicher geworden seini
Mußte nicht Ägisth so wie so auf eine Bache aeitena dea Sobnea
des Ermordeten gefaßt sein? Aber schlimmer wird seine Tat und
um so größer der Gegensatz gegen OdyssMU.
Über daa Proömium und die darauf fnlgendea Veree bia V. 21
spricht auch Heimreich, Programm von Flensburg 1865.
Aach H. ist dei; weitverbreiteten Meinung, in jedem Preömium
mfiaae angegeben werden „quae tusin^ taU earmim*f und vea
welchem Punkte die Erzßblnng anfangen werde. Der Diehtsr
Zor Odyuee a 1—31. Yen F. Stürmer. 883
QDBM'es ProOmiams habe versprochen, zq erz&hlen» wie Odyssene
auf dem Meere umhergeirrt and wie die Qeffthrten des Odysseas
elend umgekommen waren, nachdem sie die Binder des Helios ver-
zehrt. Das sei nun nicht, wie H. sagt, die summa rerum in
Odyssea narraiarum. Er meint also, es fehle etwas vor V. 10.
Nachdem der Dichter versprochen habe, er werde erzählen, was
Odyssens erduldet habe igvvfuvos nsw., erwarte man^ daß er
nach Y. 6 — 9 zn Odysseas zurückkehre. Was soll denn nun aber
nach Y. 9 und vor Y. 10 fehlen? H. meint wohl, daß angegeben
sein mußte, wie Odyssens aus dem Sturm, in dem die Qef&hrten
umkamen, auf die Insel der Ealypso sich rettete. Hiergegen w&re
zu bemerken: Daß er selbst gerettet wurde, geht schon aus dem
Gegensatz zu seinen Qefährten hervor. Wohin er gerettet wurde,
soll der Hörer gleich erfahren, indem ihm mit Y. 13 f. die Situation
geschildert werden sollte, in der sich der Held bei Beginn des
Gedichts befand.
H. stellt nun Y. 16—18 hinter Y. 9 und läßt dann, nach-
dem er Y. 10 als vielleicht später eingeschoben verworfen hat,
Y. 11 — 13 folgen. Abgesehen von der doch ziemlich gewaltsamen
Änderung des Textes durch diese Umstellung der Yerse — die
beiden Halbverse xal [Utä ötVt (plXoi6i und ^sol S^ iXiaiQOV
uTcavTsg machen ihm viel Schwierigkeiten — was kommt durch
diese Umstellung für eine Konstruktion heraus I Sie ist m. E. viel
anstoßiger als die in dem überlieferten Text von Y. 16 — 18. Wir
erbalten dann zwei iv&a in zwei aufeinander folgenden Yersen»
Es entsteht auch eine zeitliche Kluft von sieben Jahren zwischen
dem Untergange der Gefährten und dem Jahre der Bückkehr^
während jetzt das ProOmium durch Y. 10 abgeschlossen wird,
dann von dem Aufenthalt des Odyssens bei der Kalypso gesprochen
wird, welcher die Zeit zwischen Y. 9 und 16 ausfüllte und schließ-
lich durch Y. 16 der Zeitpunkt angegeben wird, mit welchem die
Handlung des Gedichts beginnt. Die Schwierigkeiten, die nach
den Ansichten der meisten Kritiker in den Yersen 16 — 19 ent-
halten sind, sucht H. dadurch zu beseitigen, daß er sie hinter
Y. 9 stellt und als zum ProOmium gehörig ansieht unter folgender
Begründung, das iv&a in Y. 11 beziehe sich auf den Augenblick^
in welchem Zeus Y. 31 zu sprechen beginnt, auch das iv&a Y. 18
beziehe sich auf das zehnte Jahr nach der Zerstörung Trojas;
zwischen beiden iv&a sei nun eingeschoben ix?JJ ot^ dli iios
^XJ^e usw., was dem gesunden MenscheDTerfitande widerspreche*
Die Worte ließen sich nur entscbnldigea, wenn sie vor V. U ge-
lesen würden. Die folgenden Worte ^$ol d' ikiuiQOP beachl
das Yorausgehende gar nicht and bez^ögec sich fielisilii
V. 13—15. Denn das Mitleid der Götter entsteht f*^ ^'"
Zeit, wo Odyssens sich schon aof der Eückkehr befif^
auf dem hohen Meere hemmgeworfeD werde, eonder^ i
erregt,, daß er auf der Insel Kalypso zartckgeLal
LckgeLaltea
884 Zar Odyssee a 1—Sl. Von F, Stürmer,
dieser AnseioandersetzuDg Heimricbs, die, an sich betrachtet, TöUig'
richtig iet, geht m. E. hervor, daß die von ihm angenommene
Interpretation nnd Eonstraktion der Verse 16 — 18 verkehrt und
Aristarchs Anslegnng die richtige ist, anch wenn es H. ffir ftber-
flüssig hält, weitlftnfiger auseinander zn setzen, daß Aristarchs
Eonjektar aller Wahrscheinlichkeit entbehre nnd die Schwierigkeiten
nicht beseitige. „Was k&me*', fragt H., „fCLr ein Satz berans:
St6 ol iicBxXfhftavxo &boC, r&te iliaiQov?*^ Dieser Satz zeigt
die Genauigkeit der Interpretation H.s. Der angeführte Satz ist
natürlich absurd; aber so steht er auch gar nicht da, sondern —
lassen wir einmal der Übersichtlichkeit wegen die Parenthese bei
Seite — 8t € tö Izog ^l^B, tc5 ol iTtexXdb^avro d-sol oIxMb
vistJQrai slg 'Id'dxriv, törs d^eol ikiaiQov. Dieser Satz ist so
klar, daß ihn jeder verstehen muß, und wo da noch Schwierig-
keiten sein sollen, sehe ich nicht. Aber was macht H. dann mit
dem übrigbleibenden Halbverse xal lutic ol6i (pilot6t7 Er weiß
damit nichts anzufangen, deshalb muß er fort! Wie wird nun
aber der andere Halbvers untergebracht, der doch nicht fehlen
kann? Doch H. weiß Bat zu schaffen, es muß Platz gemacht
werden für den Halbvers. Y. 14 — 15 seien = 29 und 30 und
dort passender verwendet; denn a 14 vv^tprj nötvia und Kcdvtifo
dta d'sdcDv brftchten, nebeneinander gestellt, molestam verhorum
copiam hervor. Vielleicht sei auch aus 48 ff. zu schließen, daß
der Dichter in dem Vorhergehenden den Namen und die Absichten
der Ealypso noch nicht vorgebracht habe. Dann sei es wahrschein-
lich, daß die Verse einst so verbunden gewesen seien: vvy,fp^
n&tvC Sqvxb" ^Bol d' ikiatgov.
Mir scheint das Qegenteil richtig: W&re der Name der
Ealypso vorher nicht erwähnt gewesen, so h&tte der Dichter in
V. 48 ff. doch sicherlich die Oelegenheit, ihn zu nennen, nicht
unbenutzt lassen dürfen an der Stelle, wo er ihren Vater nennt,
zumal er an einer späteren Stelle, wo Odyseeus selbst von Ealypso
erzählt 17 245, den Vers hat spd'a fiiv **Azlavxoq %i)ydtrig 80-
XÖBööa KaXvtlfC3 valBL BiTcXöxafiog ÖBivii ^BÖg. Außerdem ist
es doch ganz natürlich, daß der Name einer Person da genannt
wird, wo sie zuerst erwähnt wird. Daß ihre Absichten ebenfalls
sogleich erwähnt werden mußten, scheint mir einleuchtend; denn
der Hörer hätte sich doch sonst gewundert, weshalb die hehre
Nymphe Odysseus zurückgehalten habe. Ist denn dieser Grund ein
60 durchaus selbstverständlicher, daß der Hürer ihn mit Notweo*
digkeit ergänzen mußte? Was nun die „molesta verbarum eopia''
angeht, so glaube ich, daß sie auf folgende, durchaus natürliche
Weise entstanden ist. Neunmal findet sich im Buch s der Vers>
ausgang Kalvtl^äi dta ^BdoDV. Vielleicht war dieser Versansgang
schon vor Homer in den etwa schon vorhandenen Einzelliedem
üblich, jedenfalls war dla ^Bd(ov ein stehendes Beiwort der Ealypso.
Hatte nun der Dichter den V. 18 gedichtet und es sollte am
Zar OdjTMee « 1^31. Von F, Stürmer. 885
Schinase des nächsten Verses der Name der Göttin mit ihrem
Epitheton folgen, so blieb ihm noch die erste Hälfte des Verses
übrig, er setzte zunächst yor dem Nameo das Prädiiiat des Satzes
igvxsi den übrig bleibenden Banm anszüfüllen, bot «ich ihm als
Anfang des Verses die BeneDnang der QOttin pviKpn}^ Tgl. £ 14,
80 ; nnd was paßte nun in die noch ?orhandene Lücke besser als
ein Epitheton zu vvii(pri wie «özvia, wie sowohl Ealypso als anch
Kirke geoannt wird? Wenn H. also die Hänfnog der Worte lästig
war, so hätte er zeigen sollen, wie der Dichter, wenn er einmal
den Namen der Ealypso mit ihrem Epitheton nennen wollte, einen
anderen besseren Vers hätte herstellen sollen.
Anch Düntzer hat an den Versen 11 — 81 mancherlei aus-
zusetzen (Döntzer, Aristarch, p. XII ff.).
Zunächst wundert er sich darüber, daß der mit iv9-a V. 11
eingeführte Zeitpunkt nicht der Anfangspunkt der Handlung sei,
sondern daß wir V. 16 ff. noch einige Jahre welter geführt würden.
Das kOnne unmöglich von dem ursprQnglichen Dichter herrühren.
Das iv^a in V. 11 leitet ja aber überhaupt keine Handlung
ein, sondern eine Situation, die bereits mehrere Jahre dauerte
nnd Ton dem mit iv^a bezeichneten Zeitpunkte, dem achten Jahre
nach Trojas Zerstörung, an noch das neunte Jahr hindurch be»
stehen blieb, so D.s Ausdruck „wir werden eist einige Jahre
vorwärts geführt" zum mindesten unklar ist und leicht zu unrich-
tigen Vorstellungen verfährt. Ich finde es im Qegenteil sehr
angemessen und des „ursprünglichen" Dichters durchaus würdig,
daß er dem eigentlichen Beginn der Handlung eine Situations-
schildemng vorausschickte *und durch den Satz äXX ots dii itog
fjAd-f zu erkennen gab, daß die Situation über den mit iv^a V. 11
angegebenen Zeitpunkt hinausdauerte. Fehlte der Satz diX ot$
Sil usw. und ließe man mit D. auf iv eniöfSi yXaqwQolöf, gleich
die Worte &sol S^ iliaigov folgen, so erführe man ja gar nicht,
daß zwischen der Bückkehr der übrigen Helden und dem Beginn
der Handlung noch einige Zeit vergangen war, und man würde
sich femer wundern, weshalb die QOtter nicht schon früher mit
dem edlen Dulder Mitleid hatten nnd ihn heimsandten.
Seltsam sei ferner, fährt D. fort, die Verbindung „als das
Jahr kam, worin die GOtter ihm die Heimkehr bestimmt hatten,
da erbarmten sich die QOtter". Die QOtter hätten sich nicht zu
erbarmen brauchen, da sie ja hätten wissen müssen, daß sie selbst
in diesem Jahre dem Odysseus die Heimkehr bestimmt hatten. Von
diesem Beschluß wüßten aber im folgenden weder Zeus noch Athene
noch unten e 282 ff. Poseidon. Es ist aber m. E. kein Wider-
spruch vorhanden zwischen ixsxkdufavvo und ikicciQÖv und das
iXiatfOv ist nicht etwa überflüssig, wie D. zu meinen scheint.
Wenn sie kein Mitleid mit Odysseus gehabt hätten, so hätten sie
ja einen neuen Beschluß fassen kOnnen, daß Odysseus noch länger
von seiner Heimat fernbleiben solle, gerade so gut, wie sie den
866 Zur Odjssee u 1—31. Von F. Stürmer.
Arüberen Bescblnß darch den neuen etwas modifizierien. Jedenfalls
war es nicht nOtig, daß Odyssens gleich beim Beginn des Jahres
zurückkehrte nnd ohne tfttiges Eingreifen der Götter wäre er ja
anch wirklich trotz des früheren Beschlnsses von der Kalypso nicht
entiaseen worden. Übrigens erwähnt der Dichter hier in dem
inexlAffavto nur die Hauptsache des Beschlusses, nftmüch die
Bückkehr; eine Nebenbestimmuog übergeht er, daß Poseidon die
Möglichkeit haben solle, den Heimkehrenden weiter zu rerfolgen;
auf diese Nebenbestimmnng aber bezieht sich gerade das iUaiQov,
Die Götter wünschten n&mlidi, ihn ohne neue Mühsal heimkehren
zu lassen, was auch beinahe gelungen w&re, wenn nicht Poseidon
zufällig den Odyssens noch auf dem Meere getroffen fa&tte. Auch
daß Zeus, Athene und Poseidon nichts ron einem früheren Oötter-
beschlusse wüßten, ist unrichtig. Wozu hatten Athene und Zeus
es nötig, den früheren Beschluß zu erw&hnen? Athene tat es nicht
wegen der bedenklichen Klausel. Aber h&tte Zeus nicht Tlelleicht
sagen können : „Dvl hast recht, wir haben ja beschlossen, Odyssens
im 20. Jahre zurückkehren zu lassen"? Ja, aber dann hfttte er
hinzufügen müssen: 1. Das 20. Jahr ist ja noch nicht um; 2. da
▼ergißt, mein Kind, daß wir dem Poseidon erlaubt haben, Odyssens
auf dem Heimwege zu Terfolgen. Er wollte sich aber nicht in
offenem Gegensatz zu seiner Tochter setzen, weil er deren berech-
tigten Vorwurf ohnehin schwer genug empfand. Äthanes Aufgabe
war es m. E. im Gegenteil, den früheren Beschluß zu ignorieren
und durch einen dem Odyssens günstigeren zu ersetzen. Und Zeus
erw&hnte den Beschluß zwar nicht mit Worten, aber er spielt dodi
ganz deutlich auf die Klausel an, wenn er Y. 77 sagt: ilotfci-
ddov dh fiB&i^&SL 5v xökov. Was drittens Poseidon angeht, so
irrt D. sich vollkommen. Poseidon kennt einen Beschluß dejr Götter,
wenn er s 286 sagt: (tsrsßövlex^ccv äXlaS' 1>m^ Änderaig
des Beschlusses bezieht sich aber nicht, wenn ich so sagen darf,
auf den Hauptartikel, sondern auf die Klausel, daß er ihn ?er-
folgen dürfe. Die -Götter hatten Odyssens wfthrend seiner Abwesen-
heit entlassen und dieser war schon in der Nähe des Phftaken-
landes, also wollten sie ihn offenbar ohne neue Drangsale
heimkehren lassen. Daß aber Poseidon von einer Heimkehr des
Odyssens in einem bestimmten Jahre etwas wußte, beweist v 131
— 188 inel ab KQävov iniaieo xal xarivsvifag. Das kann sidi
nicht etwa auf den in unserem Gedichte vorgeführten Beschluß
bezieben, von dem Poseidon ja nichts wußte, sondern nur auf
einen in Gegenwart des Poseidon gefaßten Beschluß (vgl. übrigens
auch 8 206).
D. streicht also die vier Verse von Xtlmoiiivri V. 15 bis
iplloKSi V. 19. Der Dichter habe so rasch wie möglich an den
Anfangspunkt der Handlung kommen wollen und übergehe alles,
was nicht zu diesem Zwecke diene. Fehlen aber die V. 15—19,
so wundert man sich über die Hartherzigkeit der Götter oder
Zar Odjffesee a 1—81. Von F. 8tf&mer. 887
wenigsteDB AtheneDS, der Frenndm des Odyseens. Sieben Jabre
yerweilte nun OdysseaR bereits bei Ealypso. Sollte sich da das
Mitleid der GOtter nicht eher geregt haben?
Wenn D. gegen V. 15 einwendet, ytöfftg bezeichne bei Bomer
inner den rechtmäßigen Gemahl nnd die SleUMi, wo ktXatofiivri
nioiv tlvai sonst noch vorkomme, l 29 — 88. ^ 884 seien Inter-
polationen, so ist das unrichtig. Was sollen denn al)eT nach D.s
Ansicht die Stellen s 119 f. nnd 129 anderes bedenten, ah daß
sie ihn zn ihrem rechtmäßigen Gemahl machen wollte? Wenn
ri 256 Odyssens nichts davon sagt, so finde ich das vortrefflich.
D. tadelt den Dichter nnd den Helden wohl gar noch wegen seiner
keuschen Verschwiegenheft, und btsnchen wir noch lange zn
sitehen? Der Dichter ffihrt nns ja Ealypso als Xilaiop.ivij xöciv
shmi selbst vor ! Vgl. b 208. Die Bemerkung D.s, itAtfig bedeute
nur den rechtmäßigen Gemahl, ist ganz tingeeignet als Waffe
gegen V. 15. Ealypso wollte ja eben Odyssens zu ihrem recht-
mäßigen Gemahl machen; dazu war es nOtig, daß er unsterblich
wurde. Bis jetzt war er ihr Geliebter — wenn man diesen modernen
Ausdruck auf homerische Verb&Itnisse tibertragen darf — ; sobald
er einwilligte, für immer bei ihr zu bleiben, machte sie ihn nn-
glerblicb, und er wurde ihr redilmäßiger Gemahl.
Als Grund der Interpolation gibt D. an, eine Rhapsode habe
sehr nnni^tig daran erinnern wollen, daß Ealypso den Odyssens
viele Jahre zurttckhielt. Es müßte aber m. E. ein sehr einfältiger
Bhapsode gewesen sein, der diese von D. ihm untergeschobene
Absicht durch dieses Mittel erreichen zu köntien geglaubt hätte.
Ist denn durch den Wunsch der Ealypso, daß Odyssens ihr Gälte
werden m<)chte, bewiesen, daß er schon viele Jahre bei ihr ge-
wesen? Meint D. etwa, daß sich der Wunsch, den Odyssens cum
Gatten zu haben, erst später nach Jahren bei ihr eingestellt habe
nnd nicht vielmehr gleich nach seiner Ankunft?
Gegen V. 21 behauptet D., daß der Dichter erst die Be-
schützerin des Helden dessen Namen V. 48 habe aussprechen
lassen. Ferner sei es ein durchaus unnötiger Zusatz, daß der Zorn
des Poseidon nur so lange dauere, bis Odysseue nach Hause
zurückgekehrt sei ; zu fisviaivsv bedürfe es gar keiner Bezeichnung
der Person. Was D. über ^svimvsv sagt, ist zuzugeben. Den
Satz wdq^ usw. aber fasse ich anders auf als D. Ich sehe darin
kein „nur so lange**, sondern „nicht eher als**. Ob er dtton
aufborte, als Odyssens heimgekehrt war, darüber ist gar nichts in
unserer Steile gesagt. Übrigens ist nach X 180 eine VefnGhuung
des Poseidon in Aussicht gestellt (La Boche). Was nun D.s Be-
hanptVBg angeht, der Dichter habe absiditlich erst die Beschützerin
dea Helden dessen Namen aussprechen lassen, se bin ich darüber
folgender Ansicht. Wäre der V. 21 nicht überliefisrt, eo wäre man
nicht gezwungen, ihn zu ergänzen, damit der Name des Helden
verber genannt vräre, aber es liegt doch kein Grand znm Tad)»l
888 Zur OdTuee a 1—81. Von F. Stürmer.
vor, daß der Dichter den Helden, dessen Name ja allen bekannt
war, nnn ancb selbst mit Namen nennt. Die Absicht, den Namen
zn Terschweig^en nnd erst im Oespr&cb zn nennen, halte ich für
zn reflektiert nnd träne sie unserem naiven Dichter nicht zn.
Wenn D. sagt, das Schicksal habe die Rückkehr des Odyssens
bestimmt, aber der bisher dnrch den Zorn des Poseidon rerschobene
Zeitpunkt der Entlassung h&nge von den QOttern ab, so glaube
ich, daß er die Lage des Odyssens nicht richtig auffaßt. Ein Be-
schluß der Götter, daß Odyssens im 20. Jahre zurnckkebren
solle, muß stattgefunden haben. Das beweist zun&chst der Aus-
druck luzsßovksvaav 8 286, dann die Prophezeiung des Hali-
tberses; denn wie könnte dieser vor der Fahrt nach Troja dem
Odyssens die Zeit der Bückkehr vorausgesagt haben, wenn von
den Qöttem nicht dieses 20. Jahr als Zeit der Bückkehr in Aus-
sicht genommen worden wäre?
D. verwirft ebenso wie Bekker die Verse 23 f., ohne neue
Gründe vorzubringen. Ebensowenig, meint D., konnten die Verse
29 — 81 dem Dichter gehören, da sie den Obergang zur GOtter-
versammlung in nichtssagender Weise aufhielten. Wenn sieh D.
dabei auf das auffallende Beiwort des Ägisth ifkii^uxtp beruft, so
folge ich vielmehr in der Auslegung dieses Wortes La Boche, nach
dem es sich nicht auf den Charakter, sondern nur auf die edle
Abkunft bezieht. D. sagt, Zeus führe das Schicksal des Agisth
nur als Beleg für seinen allgemeinen Satz an; dagegen ist zu
bemerken, daß im Leben gewöhnlich das umgekehrte der Fall ist.
Man wird dnrch einen speziellen Fall, ein eigenes Erlebnis oder
ein Ereignis» von dem man hOrt oder dessen man sich erinnert,
veranlaßt, einen allgemeinen Satz auszusprechen. Das ist nuo
offenbar auch die Ansicht des Dichters: Zeus erinnerte sich an
das Schicksal des Ägistb, dabei fiel ihm der allgemeine Satz ein,
daß die Menschen leiden, was sie verdienen, und daß somit die
Beschuldigungen, die sie gegen die GOtter erbeben, ungerecht sind.
Dies ist die Folge der Gedanken im Kopfe des Zeus; bei den
Worten gebrauchte er, wie es auch meistens zu geschehen pflegt,
die umgekehrte Beihenfolge: Zuerst kommt der allgemeine Satz,
dann dae Beispiel.
Ferner meint D., die Verse seien an einer anderen Stelle
d 187 — 189 ursprünglich, wo alle einzelnen Ausdrücke ganz paßten,
besonders auch iivqöato und ixifivtiö^eCg , die von wirklicher
Bückerinnerung ständen. Wenn wir nun die beiden Stellen a 29
bis 81 und d 187 — 189 miteinander vergleichen, so mag ja zu-
gegeben werden, daß die Stelle in d etwas angemessener ist als
in a. Aber der Vorzug besteht nicht sowohl in dem angemesseoereD
Gebranch von dfivficav — denn in der von La Boche nach-
gewiesenen Bedeutung ist das Wort an beiden Stellen gleich
angemessen, als vielmehr in dem Fehlen der Einleitungsworte:
toUn di fiv&cyv fiQX^v, das sich aus der anders gearteten Situation
Zar Odyssee u 1—31. Von F. Stürmer. 889
erkl&rt. Was D.b Bemerkang über ^vi^oato nnd hcifivi^öd'slg be-
zwecken soll, ist mir nnklar. „Wirkliche Bückerinnernng" ist doch
in a ebenso vorbanden wie in d. Eher könnte man in d das
ILvr^öaxo anfechten, da Pisistratns seinen Brnder gar nicht gekannt
hatte. Was nnn die Einschiebnng der Verse 29 — 81 zwischen die
Formel Toi6L ds [iv&oiv i^Qxs and die Bede angeht, so halte ich
diese für entschnldbar, weil sie sich als nnamg&nglich notwendig
heransstellty wenn der Dichter seine Absichten erreichen wollte.
Überlegen wir den Fortschritt der Darstellung! V. 27 wird an-
gegeben, daß alle GOtter — außer Poseidon — im Palaste des
Zeas versammelt waren. Wie sollte der Dichter nun fortfahren?
Als Hauptgedanke dr&ngte sich ihm auf, daß Zeas das Gespr&ch
eröffnen müsse, wie es in der Ilias am Anfange des vierten nnd
achten Baches nnd XXII 167 geschieht. An der letzten Stelle steht
unser Vers, dessen beide H&lften übrigens durchaus formelhaft
sind. Nun hätte der Dichter auf den Formelvers 28 nach seiner
sonstigen Qewohnheit gleich die Rede folgen lassen können, mit
dem Satz änÜTtoi usw. beginnend. Dann hätte aber, meine ich,
der Hörer verwundert gefragt, wie kommt denn Zeus zu diesem
Satze? Die ersten drei Verse der Bede des Zeus wären ihm zwar
in ihrem Wortlaut und Qedankeninhalt verständlich gewesen, aber
er hätte nicht eingesehen, weshalb Zeus sie gerade jetzt ausspreche
und worauf er damit hinauswolle. Diese Unsicherheit des Hörers
wollte der Dichter durch die in Bede stehenden Verse beseitigen.
Wollte er dies, so hätte er vielleicht sagen können: Alle Götter
waren ^ im Palaste des Zeus versammelt, da gedachte Zeus des
edlen Ägisth usw. Dann wäre ihm aber der oben erwähnte Haupt-
gedanke verloren gegangen. Wollte er beide Gedanken, die Eröff-
nung des Gesprächs durch Zeus und die Begründung seiner Worte
durch die Erinnerung an Ägisth, vereinigen, so blieb ihm nur die
Möglichkeit, die fraglichen Verse zwischen die Einleitungsformel
und die Bede selbst einzuschieben.
D. konstatiert dann hinsichtlich des Zeitpunkts der Ermor-
dung des Ägisth einen Widerspruch zwischen unserer Stelle, die
ihn ins zehnte, und den folgenden Büchern, die ihn ins achte Jahr
setzen, fügt aber hinzu, der Dichter der Bückkehr, dem keineswegs
das dritte und vierte Buch gehörten, habe die Bache des Orestes
später ansetzen können. Meines Erachtens geht D. von zwei falschen
Voraussetzungen aus: 1. Er nimmt es als bewiesen an, daß das
dritte und vierte Buch nicht demselben Verfasser angehören wie
die Verse a 1 — 87, die er als den Anfang des vöözog des Odysseus
betrachtet. 2. Er findet einen JViderspruch hinsichtlich der Zeit-
bestimmung der Ermordung des Ägisth zwischen a und d. Freilich
scheint das vöv in a 48 die Bache des Orestes als vor ganz
kurzer Zeit geschehen zu beweisen. Ich meine aber, es ist doch
wohl zulässig, vi)v auch von einer Tat zu gebrauchen, die schon
seit mehr als einem Jahr vergangen ist, da das Besultat noch
890 Zar Odyssee a 1—81. Von F. Stürmer.
fortdanert. Wie sollte sich d«nn Zeus auch anders ansdrüekfoY
Sollte er etwa chronologisch genau sag^n: Er wollte der Wamvog
des Hermes nicht glauben, er hat aber doch vor nnnmebr etwas
mehr als einem Jahre seinen Frevel bftßen müssen. So erzihlt ein
Chronist, dem es darauf anlcommt, den Zeitpunkt eines Ereignisses
genau anzugeben. Zeus kommt es hier aber nur darauf an, du
Resultat festzustellen: Er wollte es nicht glaubsn, nun hat er doch
seine Schuld büßen müssen. Wer diese Auslegung von vi>v nicht
für zulässig hält, der muß annehm^en, daß der Dichter eich hin-
sichtlich der Zeit des Todes des Ägisth widerspricht nnd zwar,
wie ich dann meinen wurde, absichtlich. Er braucht das selbst-
verschuldete Verderben des Igisth für Athene als Anknüpfungs-
punkt, um das im Grunde unverschuldete Unglück des Odyssens
dazu in Gegensatz zu stellen. Deshalb läßt er den Tod des
Ägisth erst ganz kürzlich geschehen sein. Es ist aber dieser
chronologische Widerspruch, wenn ein solcher wirklich anzunehmen
ist, kein Grund, für a 1 — 87 einerseits und y und d andrerseits
verschiedene Verfasser zu konstatieren. Denn derartige Widersprüche
nnd noch viel schlimmere als der in Bede stehende finden sich in
vielen Werken, bei denen kein Mensch an der Einheit ihrer Ver-
fasser zweifelt.
Die Verse 28—24 werden auch von Wilamowitz verworfen
(Homerische Untersuchungen S. 17). Wenn W. behauptet, daß dis
Äthiopen „immer im Osten wohnten", so kann ich in beiden Dias-
stellen I 423 und IXIH 206 nichts davon finden. Daß Poseidon
in £ 288 von den Ostlichen Äthiopen zurückkehrt, kann doch nicht
als Beweis dafür gelten, daß es nur östliche Äthiopen gebe
gegen die ausdrückliche Bemerkung von a 28 f. Wenn W. femer
gegen Lehrs behauptet, daß die volkstümliche Vorstellung tatsäch-
lich nur im Osten Äthiopen kenne und damit ganz recht habe,
denn im Westen wohnten keine Menschen, sondern da sei Meer,
so ist dem zu entgegnen, daß die Äthiopen doch an der Küste
dieses westlichen Meeres wohnen kOnnen! Außerdem hfttte m. E.
W. seine Kenntnis der „volkstümlichen Vorstellung** über die
Äthiopen näher begründen müssen. Die Verse 29 — 81 hält v. W.
wenn auch nicht für gut, so doch für notwendig.
Für V. 28 schlägt Sc. eine eigentümliche Konjektur vor (Jahih.
f. Phil. 1890, S. 770). Es habe am Anfange von V. 28 wohl
ein Ausdruck des Jammems und Klagens gestanden, der in den
folgenden Versen motiviert worden sei und an den sich dann, ebi-
geleitet durch V. 81, der Ausspruch des Schmerzes an die andinn
Götter angeschlossen habe. Es sei zu lesen:
dW Sy ddvQsto \ nvxvic arar^p ivdg&v ts ^s&v ti.
Abgesehen davon, daß ich die Schwierigkeiten in den Versen nicht
für so groß halten kann, daß sie einer Konjektur benötigten, kann
ich Sc. Änderung nicht gerade für angemessen erklären. Ob dal
äXld so am Anfang eines Abschnittes stehen kann, wo kein Oeges-
Zar OdjBsee a 1— dl. Von F. Stürmer. 891
satz vorhandtn ist, scheint mir zweifelhaft. Vor allen Dingen will
mir die Vorstellnng, daß der QOtter?ater jammerte nnd zwar
xvxvdj nicht gefallen. Mir scheint in dem (bnöxoi vielroebr der
Avsdmck eines ärgerlichen Staunens zn liegen. So interpretieren
es ancb die meisten Ausleger.
Wir gehen nan zn Scotlands ausführlicher ErOrtening über
die Verse a 1—81, Philologns XL VI 85 ff. über.
Die Verse 5 — 10 verwirft Sc, weil sie nichts zu der genialen
Charakterzeichnung des Helden, wie sie in den ersten rier Versen
enthalten seien, beitrügen. Die Ablenkung des HOrers auf einzelne
Nebenpersonen seien in der Einleitung unerträglich. Meines Er-
achtens tragen aber auch diese Verse, wenn auch zwischen den
Zeilen zu lesen, etwas zur Charakteristik des Odysseus bei: sie
deuten seine Frömmigkeit an. H&tte er an dem Frevel seiner Ge-
nossen teilgenommen, so w&re er auch mit untergegangen. Ferner
smd die Verse nOtig, um die Lage, in der der Held sich befand,
deutlich zu machen : er hatte alle Geführten verloren, das war die
Höhe seines Unglücks.
Sc. führt dann die Angriffe Bekkers und Düntzers gegen
i^iniftsvog usw. an, ohne selbst neue Gründe dagegen vorzubringen.
Femer erkl&rt er das emphatische oid' 6g in V. 6, auf das ganz
allgemeine dQVvusvog zurückweisend, für unmotiviert und ge-
schmacklos. Man kann aber sagen: ovf &g weist gar nicht auf
i^vuevogj sondern auf älysa nd^BV zurück „trotz der Mühe,
die er es sich kosten ließ*'. Gegen dfid^sv V. 10 wendet Sc. ein,
wenn ein Dichter aus einem umfangreichen Stoffe einen einzelnen
Teil herausgreife, so dürfe er nicht von einem beliebigen, sondern
müsse stets von einem seiner Ansicht nach angemessenen, also
bestimmten Punkte beginnen. Kann es denn aber nicht mehrere
angemessene Anfangspunkte geben? Hätte der Dichter der Odyssee
sein Gedicht nicht auch anders beginnen können? Wenn er der
Muse die Wahl des Anfangspunktes überläßt, so kann er doch
sicher sein, daß sie den besten finden wird.
Elnk xal fj^lv erklärt Sc. für überfiüssige Wiederholung
von IwBxs ftoi in V. 1, wobei er aber das xal ganz übersehen
zu haben scheint. Außerdem wird durch d^öd'sv m. E. etwas
Neues vorgebracht.
Weil Ivd'a in V. 11 Sc.s Anstoß erregt, schlägt er vor, mit
di^ den Vers zu beginnen. Dieses würde aber m. £. auf Menelaos
nicht recht passen, der erst im achten Jahre nach Hause zurück-
gekehrt war. Femer ist es mir zweifelhaft, ob drjv so den Anfang
einer Erzählung bilden kann, während ii^ dlkot iiiv nixvt€^
ein nicht ungewöhnlicher Versanfang ist.
Dann verwirft Sc. mit Düntzer, ohne neue Gründe ^mn-
führen hkaiofiivrj nöfSiv bIvm, aber auch iv 6xitS6i yXa<pv-
Qol6i. Ich meine aber, dies soll dem Hörer einen Bück in deTi
Aufenthaltsort des Helden tun lassen. Die Verse 16 und 17 ret^ _
I
892 Zar Odyuee a 1^31. Von F. Stürmer.
teidigt Sc, aber den Zusatz elg 'I^dxtiv erkl&rt er nicht oar für
äberflüseig, sondern sogar für stOrend, da er den bisher noch niebt
genannten Helden vorzeitig verrate. Erst Athene solle mit üner
gewissen Feierlichkeit das Qeheimnis loften. Ich glaube aber, daß
diese «gewisse Feierlichkeit mehr einem modernen Dichter als
dem Homer ähnlich s&be und daß sie überhaupt nur dann am
Platze wäre, wenn die Zuhörer wirklich über die Person des Helden
im Unklaren geblieben wären.
V. 18 und 19 — (plkoiöL streicht Sc Die Leiden des Odys-
sens in seinem eigenen Hause seien nicht Gegenstand des in Y. 17
erwähnten Beschlusses gewesen. Das ist ja aber auch nirgends
gesagt I Der Anstoß» den Sc. an nstpvyiiivog c gen. nimmt,
scheint mir viel zu gering, um ein stichhaltiger Grund für eine
Athetese zu sein und wenn er meint, aus futä olc^ ^ÜLoufi auf
Verbältnisse schließen zu müssen» wie sie Agamemnon in seiner
Heimat vorgefunden habe, so scheint er mir zu viel daraus heraus-
zulesen. Vielleicht ist aber diese Unbestimmtheit von dem Dichter
absichtlich gelassen, um dem Zuhörer dadurch mehr zu spannen,
welcher Art die idXu xal (urh ol6i (pCloiCL seien. Wenn femer
Sc. meint, der mit ixsxXaifavxo gemeinte Beschluß der Götter
müsse bald nach der Landung auf Ogygia gedacht werden, so
scheint mir das recht zweifelhaft. Wie erklärt denn Sc. die Pro-
phezeiung des Halitberses?
In längerer Erörterung weist dann Sc. nach, daß bei dem
GötterbescbluBse die Klausel vorhanden gewesen sei, daß Odysseuf,
wenn er im zwanzigsten Jahre nach Hause zurückkehre, vor seiner
Ankunft in Ithaka noch viele Leiden durchzumachen haben solle.
Deshalb schlägt Sc. vor, die Worte dkye' ivaxk^6avxi an V. 17
anzufügen, so daß sie mit ^boI fiUairQov einen Hexameter bil-
deten. Ich räume ein, daß, wenn die Worte, wie Sc. will, über-
liefert wären, an ihnen nichts auszusetzen wäre. Für notwendig
aber halte ich eine Ergänzung der Klausel nicht: es kam hier
zunächst nur auf den Hauptartikel, die Bückkehr in die Heimat,
an. Wären die Verse aber ursprünglich gewesen, so würde eie,
meine ich, der angebliehe Interpolator von 18 bis (uric olöi fi-
loiöL haben stehen lassen. Aber ich halte überhaupt Y. 18 f. für
keine Interpolation. Die Konjektur Sc.s ^a für di zu schreiben io
d-eol d*iUav(fov halte ich weder für nötig noch für passeni
Notwendig ist sie nicht, da ja der Nachsatz zuweilen mit äi eia-
geleitet wird. Angemessen ist sie nicht, da durch ^a ein „natür-
lich" in den Satz hineingebracht würde. Wäre nämlich das Mit-
leid der Götter mit Odysseus „natürlich*', so wunderte man licki
daß sie nicht eher den Odysseus beimsandten.
Schließlieh verwirft Sc außer V. 23 und 24 noch ▼• W»
Einen Grund kann ich nicht ausfindig machen. Der Sat^
y^ ixigjCBXO Souxl stccgi^iisvog sieht mir nicht so ans,
unmittelbar nach V. 22 äXk* 6 [üv usw. stehen könnte,
ZuT OdjBffee o 1— 3L Von F, Stürmer.
893
al« w^nn er den Abschluß «iner durcb mtbrere Veree rejchendan
SchilderuDf oder Erzählung t>ild#te.
Wenn wir ntis See Ätbetesen noch eimn&l angab an, so rer-
lieren wir durch sie folgendes: L Wir erfahren Dichts ron dem
TerluBt der Gefährten, kfinnen uns bIso gar nicht erklären, wie es
kommt, daß Od^'Biena allein hei der Kaljpeo weilt. 2, Wenn
y. 15 wegfftllir was Sc« immerhin als möglich binEtellt« Termiseen
wir eine intaressante ÄD^ahe nher den Aufenthaltsort des Odyesen»
und den Grund, weshalb KaJypso ihn znröckbält B, Wenn V* 18 L
ausfällt, fehlt uns der Änebltck anf den zweiten Teil des Gedichtes*
4p Der AbschltKi V, 20 ist m abgerissen. 5. Nach VVeg fall von
23 — 25 wissen wir nichti weäbalb Poseidon hei den Äthiopen war.
Noch aoBfnhrlicber spricht über die ?erie a 1 — 31 Wegen er
im Philologns X5XV 1876.
In V* 10 macht W. die Erklärung ?oii äfiö^sv und xtxl ^^^Iv
Schwierigkeiten, Da nnter tmv nnr die Scbickgale des Odysaeua
veretanden werden könnten ^ eo setze nai fjiuv eine Klasse toq
Dichtern Torana, die ober Odyseens in dichten pflegten, deren
einem wenigstens es gleichgiltig sei, womit er seine Erzählnng be-
ginne. Für einen epischen Dichter sei aber der Anfangspmikt geines
GedichtsB keiueswegs gleicbgiltig nnd man rnnsse gerechtes Be-
denken gegen eine Klasse von Od}'sseuBsängern liegen.
M. E. liest W. ans ic^ö^Bt* sowohl wie ans xul ijfitv in
viel berane« Er hat rechte daü dem epischen Dichter der Ausgangs-
punkt seines Gedichtes nicht gletchgiltig ist, aber das liegt auch
in &^6^iv gar nicht enthalten, sondern damit ist uur gemeint:
foa den verschiedenen möglichen Anfängen eines epischen Gedichtes
— daß solche yerichiedenen Anfänge und zwar gerade bei der
Odyssee möglich sind, wird doch W. nicht bestreiten — nberläßt
der Dichter die Wahl des Passenden der Eingebung der Muse. Gerade
daß er dtes tnt, zeigt, daß ihm der Anfangspunkt des Gedichtes
nicht gleichgiltig ist. Bei der Auslegung von x&i {]p.lv macht
W. m. E. einen dcppelten Fehler: er nimmt an, daß damit die
Existeix^ einer ganzen Klasse^ nicht bloß eines einzelnen oder
mehrerer Dichter bewiesen sei« die von Odyssena zu aingen
pflegten. Weder ist mit ned ij^lv gemeint, daß ein Vorgänger
Homers die Schicksale des Odyssens za dem anaschließlichen oder
auch nur vorwiegenden Gegenstande seiner Dichtungen gemacht
habop noch daß es eine ganze Klaase solcher Männer gegeben habe;
e§ bedeutet nichts weiter, als daß es vor Homer schon Lieder von
Odyssens gageben habe. W. meint, diese beiden Anstoße in V. 10
Selen weg, wenn man annehme, daß der Vers von einem Hhap-
soden gedichtet eei, der die Dichtung eines andern Tortragen
wollte* Ob aber das Wort ^mi auf einen solchen ßbapsodeu, der
nicht eigene, sondern fremde Dichtung vortrug, angewandt werden
kann, scheint mir mehr als zweifelhaft. Ich meine, durch eine der-
artige Anrufung der Muse durch eiaeo Bhapsoden, der nnr fremde
894 Zu OdjBsee a 1—31. Von F, Stürmer.
Dichtaag Vortrag, maßte die Mase degradiert werden. Wena eich
W. für seine Anslegang von xal iigUv aaf G. Hermann benift, der
in einem Briefe an Bekker behauptet, der Dichter, der das &(iMsv
geschrieben habe, habe sich durch xal i^fUv als einen ron dem
nrsprdn glichen S&nger verschiedenen angekündigt, so seheint mir
das ein sehr voreiliger SchloA von Hermann zn sein.
W. erklärt es für in hohem Grade anstößig, daß x&Vf mit
dem doch nnr die vorher erw&hnten Tatsachen gemeint sein könnten,
eine andere Beziehung h&tte, als das unmittelbar vorher gebrancbte
xot0^ V. 9. Ein Mißverständnis iet aber doch dnrchaas ausge-
schlossen, da r&v &fi&&6v doch unmöglich auf die Genossen des
Odysseus bezogen werden kann.
Wenn W. weiter behauptet, ivQ-a in V. 11 setze eine chrono-
logische FixieruDg der Zeit voraus, diese fehle aber in dem Prot-
mium, so ist darauf zn erwidern, daß m. E. mit ivd-a keinerlei
zeitliche Beziehung auf irgend eine im Proömiam erw&hnte Tat-
sache beabsichtigt ist, sondern der V. 11 ist die Antwort der Muse
auf das ifiöd^sv und ip^a steht ohne Beziehung (vgl. das von
Canef angeführte Grimmsche M&rchen: Da war einmal usw.).
An äkXo^ [ikv usw. nimmt W. Anstoß, weil weder das eine
noch das andere Glied durch Nennung des Namens deutlieh be-
zeichnet werde. Das ist aber auch nicht nötig, da mit xbv d* olav
doch deatlich der Held des Gedichtes, den jeder aus dem xoXv-
XQonog in V. 1 erkannt hatte, . bezeichnet war, und vrw die anderen
waren, die sich zn Hause befanden, w&hrend Odysseoe noch umher-
irrte, verstand jeder Hörer sofort. Bei einem Gedichte kommt es
doch wahrhaftig nicht auf die logisch -grammatische Vollständigkeit
an, sondern darauf, daß der Hörer sofort versteht, was der Dichter
sagen will.
Nach W. setze das äkXoi. voraus, daß 1. im Vorhergehenden
die Summe der trojanischen Helden (d. i. der Grieoben vor Trqja)
klar vorgeetellt und 2. daß der Name des Odysseus im Gegensatz
zu den übrigen Helden genannt war. Meiner Ansicht nach ist das
aber durchaus nicht nötig, sondern nur, daß Odyaseua als einer
der trojanischen Helden gekennzeichnet war, und das ist der Fall
Auch brauchte der Name nicht genannt zu sein, nnr maßte seine
Person deutlich erkennbar gezeichnet sein und das ist der Fall
Warum er aber schon vorher im Gegensatz zu den anderen
Helden erwähnt werden mußte, ist mir unklar.
In der folgenden Erörterung macht W. höchst eigentümliche
Schlüsse: Da dem äXXoi als erklärender Znsatz hinzugefügt sei
060L tpvyov usw., so müsse im Vorhergehenden nicht bloß der ent*
kommenen Helden im Gegensatz zu Odysseus gßdacht gewesen sein,
sondern vielleicht sämtlicher vom Kampfe verschonter Helden vor
Troja.
Da der Anfang unserer Erzählong mit iv^a eine Zasamma-
fassnng oder Bekapitulation vorausgegangener Tatsachen enthalte^
Zar Odyssee a 1—31. Von F. Stürmer.
B95
80 setze dies eine ^Vereinzelnng'' , d. L eine ErzfthliiDg von den
Erlebnissen der trojanischen Helden rorans. Wenn nnn ein Dichter
diese fiekapitalation för nötig gehalten habe, so mässe er ge-
fOrchtet haben , daß die Vereinzelung in der Erzftblnng sich nicht
zu einem deutlichen Gesamtbilde verbinde, d. h. die Erzählnng
müsse ausgeführt gewesen sein. Ein solcher Übergang sei nur
mOglich bei gleichberechtigten Gliedern, hier ^wischen der Erzäh-
lung von den übrigen trojanischen Helden und den Schicksalen des
Odysseus. Es h&tten also unsere Verse eine ausgefühete Erz&hlung
▼OD den trojanischen Helden, also eine Nostendichtung zur Voraus«
Setzung. Ein Rhapsode habe also seinen Vortrag einem längeren
epischen Gedichte entlehnt. Mit V. 11 beginne gleichsam ein neues
Buch des Tom Bhapsoden benutzten Originals, das W. Ä nennt.
Meiner Ansicht nach sind diese ganzen Schlußfolgerungen W.s
nichts als Phantasien, die ihren Entstehungsgrund in seiner falschea
Auslegung von iv^a haben. Ich meine, wenn ivd^a eine Rekapitu-
lation von vorher erzählten Tatsachen bezeichnen sollte, so würde
der Dichter wohl ein oiv oder d?^ dahintergesetzt haben.
Aus V. 14 schließt W., daß im Originale A erzählt gewesen
sein müsse, wie Odysseus nach Ogygia gekommen sei. Nein! Es
wird nur angegeben, in welcher Situation sich der Held bei Beginn
des Gedichtes befand. Wie er in diese Situation gekommen war,
brauchte deswegen doch nicht vorher angegeben gewesen zu sein.
Denn wo sollte sonst der Dichter anfangen? Dann hätte er mit
Trojae Zerstörung anfangen müssen. Was wäre das für ein Biesen-
epos gewesen, das alles von W. Verlangte enthalten hätte!
Täv in V. 10, fährt W. fort, weise auf die Tatsachen vor
der Landung auf Ogygia zurück, der Anfang der Erzählung sei
aber nicht, wie räv deutlich verlange, aus ihnen genommen,
sondern setze erst nach ihnen ein. Daß der Anfangspunkt aus dem
imProOmium Erzählten genommen werden mußte, ist nicht richtig;
tav &fi&&£v sagt m. E. nur, daß etwas von dem im ProOmium
Angedeuteten in der Erzählung vorkommen werde, aber nicht, daß
auch der Ausgangspunkt davon genommen werden müsse.
Die Verse 5 — 9 verwirft W., und da in V. 8 die Form des
relativen Anschlusses aufgegeben werde, so liege hier ein starkes
Anakolnth vor und es müßten die Verse 8 und 4 und auch die
Angabe 8g fidla nldy%%s fallen. An Stelle der Tatgacben ana
der Geschichte des Odysseus müßten Andeutungen im ersten Pro(^-
mium gegeben gewesen sein, aus deren Kreiset die D^cbfolgep^*
Erzählung hergenommen sei. Auf solche Wt^i^e stürzt W, r'
ganze Proömium um. Daß aber zwischen Y. 2 und 3 ein ^
vorliegen solle, ist mir unverständlich; deon jroAAcdf d*d|f|
usw. ist als zweites Glied des Belativsatzes uiiüiiras&eii
Hentae). Und auch der Übergang aus dem ßeUUv
Hanyteatz V. 4 ist nicht ungewöhnlich. Fertier ^*'
i
896 Zur Odyssee a 1—31. Von F. Stürmer.
genaa an, was in dem „ersten** Proöminm an Stelle des Überlie-
ferten gestanden habe.
Ferner werde der Name des Odyssens genannt gewesen sein,
der einschachtelnde Überarbeiter habe bierzn keinen Baam gefonden.
Ans der bisherigen üntersncbong sei, meint W. , der Schloß za
ziehen, daß anf nnser ProOminm nicht die ganze Odyssee gefolgt
sei , da der Vortrag des Bhapsoden nnr ein Stück von m&ßigem
Umfange habe nmfassen können.
Im weiteren Verlaufe der üntersnchnng seien za berficksich-
tigen: 1. der Verfasser des Originals A; 2. der Rhapsode and
8. der Überarbeiter. Dem Bhapsoden schreibt W. die Verse 50
bis 55 zn. Er lasse anpassend die Athene so sprechen , als ob
erst von ihr die OOtter genaue Kenntnis über die Nymphe hätten
erhalten müssen. Von Ealypso müsse schon vorher die Bede ge-
wesen sein. Es ist nicht recht deatlich, welche Verse W. aas-
scheiden will. Ohne Text&nderung lassen sich nur 52 — 55 aas-
scheiden, da man sonst das Subjekt zu d'ilysi vermißte. Be-
trachtet anan den Text, wie er uns überliefert ist, so könnte die
Frage entstehen, ob „die kurze, erläuternde Charakteristik''« d. h.
die Qenealogie der Ealypso besser in der Qötterversammlong oder
etwa bei V. 15 ihren Platz habe. Meines Erachtens hat der Dichter
recht daran getan, die Angabe, in welcher Situation sich der Held
befindet, so kurz wie möglich zu gestalten. Nachher dagegen ge-
ziemt der Qönnerin des Odyssens, der Athene, eine ansführliche
Schilderung. Die Angabe, daß Ealypso 'die Tochter des dloöipffcw
AxXag sei, ist durchaus nicht überflüssig, sondern gerade ganz
passend. Die Tochter des öko6(pQ(ov wird nicht besser sein als
ihr Vater. An einer anderen Stelle nennt der Dichter sie wirklich
doX6B66a B 145. Das dXoötpQOiv mußte begründet werden durch
58 und 54. Vielfach läßt der Dichter seine Personen auch etwas
sagen, was weniger für die Teilnehmer an dem Qespräche als für
die Hörer notwendig zu wissen und von Interesse ist.
Ebenso sind nach W. die Verse 29 — 31 vom Bhapsoden ein-
gefügt. Dadurch seien zwei Anstöße in den Text gekommen:
1. die formelhafte Verbindung xoiiJi äh fiijS-av Jiqxs obw. hätte
unmittelbar vor der Bede des Zeus stehen müssen; 2. es sei
höchst armselig (ivi^aaro yicg und gleich darauf im^vi^ffd'elg za
schreiben. Daran ist m. E. kein Anstoß zu nehmen, denn dergleicheo
Wiederh dangen kommen bei Homer nicht selten vor. Im übrigeo
siehe über die in Bede stehenden Verse oben S. 888 f. W. behauptet
femer, die Veranlassung zur Bede des Zeus müsse im Zusammtfi-
hange von A deutlich gewesen sein und habe eines solchen Hio-
weises nicht bedurft. Für uns bandelt es sich aber gar nicht am
A, sondern um den Text, der nns überliefert ist, und in diesem
konnten die Verse 29 — 81 nicht entbehrt werden (vgl. oben von
Wilamowitz). Und wenn unser Text von einem Bhapsoden zoreebt-
gemacht worden ist, so verdient er Lob, daß er die notwendigen
Zur Odyssee a 1--S1. Von F. Stürmer. 897
YersBf wenn sie in seinem Originale nicht standen , hinzusetzte.
Wie denkt sich nnn aber W. den Zasammenbangy in dem die Bede
desZens in A gestanden hatte? Es ist leicht, mit dem Originale
zn operieren, wenn nicht genan angegeben wird, wie dieses^ be-
schaifen war. Von der Ealypso sollte vxA die Bede gewesen sein
und nun auch von Igisth nnd Orestes, aber welches war der Za-
sammenhang? Wir haben bisher nnr gehOrt, dB&A eine Nosten-
dichtang gewesen sei.
Aber W. genügen die ron dem Bhapsoden eingeschalteten
Verse nicht zur Erkl&mng der Yeranlassnng znr Bede des Zens.
Daß Zeus an Ägisth denke, ersehe man ans der Bede selbst. Aber
weshalb denke er an ihn? W. fragt ein bischen za Tiel! Kann
sich denn ein Mensch immer Bechenschaft darüber geben, waram
ihm gerade in diesem Augenblicke diese Person oder diese Begeben-
heit^einfällt ? Die Antwort anf W.s Frage ist einfach. Zeus denkt
an Ägisth, weil es der Dichter so will, nm den Ägisth im Gegen-
satz za Odyssens stellen za können.
Ans der Erw&hnnng der Tat des Orestes in der Bede des
Zens schließt W., daß diese anmittelbar Torher in A erw&hnt
werden sei. Hier erhalten wir also die oben geforderte Angabe über
den Znsammenhang in A. Aber wie paßt nan Ealypso hinein?
War etwa die Geschichte des Odyssens in den Nosten in zwei
Teile zerrissen nnd der erste, die Schicksale des Odyssens bis
zur Landung auf Ogygia» durch die Erzfthlung yon anderen Helden,
mindestens des Agamemnon, von dem zweiten Teil, dem eigent-
lichen vdötog des Odyssens, getrennt? Ich glaube kaum, daß es
Tor Homer ein Nostengedicht von solchem Umfange gegeben, das
Nosten aller Helden, Odyssens mit eingeschlossen, besungen h&tte.
W. behauptet, das Bedürfnis des Überganges zeige deutlich,
daß vorher von Odyssens nicht die Bede gewesen sein könne, und
da bis Y. 27 nur von Odyssens die Bede sei, so könnten die Verse
11 — 26 nicht dem Originale A gehören. Sie stammten von dem
Bhapsoden, der vielleicht die Bekanntschaft des Originals bei seinen
Zuhörern habe voraussetzen können, so daß diese die in iv^a
gegebene Beziehung hätten verstehen müssen. Es sei auch vielleicht
in dem von dem Bhapsoden stammenden Proömium nicht schon der
Gegensatz zwischen Odyssens und den anderen trojanischen Helden
ausgesprochen gewesen. Wenn aber in dem von dem Bhapsoden
herstammenden „ersten Proömium^ überhaupt von Odyssens als
Teilnehmer des trojanischen Krieges die Bede war, dann brauchte
m. E. gar nicht von einem „Gegensatz'' zwischen Odyssens und
den übrigen Helden die Bede gewesen sein, um das §v^a ver-
ständlich zu machen. Alle Vermutungen W.s über das Verhältnis
des Bhapsoden und der Zuhörer zu dem angeblichen Original v^
sind unnötig und unhaltbar.
Die Verse 11 — 26, die nach W. die Erzählung nicht weiter
führen — es ging ja aber nach der Überlieferung überhaupt noch
Zeitoeltfifk f. d. 6st«rr. Gymn. 1908 X. Heft. 57
898
Zm Odyssee « 1— 31. Yoti F, Stürmer.
gar keine Erxäblnn^ Tor&us — , dieDten nur d&zc, d&n Hörer dber
die SltnatloD anfEHbläreo. Nach meioer Ansicbl modte ftber mtk
der ZDb5rer bei Beginn des Gedicbtea aEfgeklärt werden, in welcher
Sltnation sieb der Held befand. Und der Bbapsode bewies Binsichi
wtnn er die Notwendigkeit davoo erkannte*
Wenn der Ebapiode eicb aucb bei der Äasfdhriin^ des SttnA-
tionebildefi, wie W. tneiDt^ nnbabolfen zeigte, sc» kßntie mao iba
doch die ^nngeetliickteii'' Verse 15 — 19 nicht zntraneD. Di« Veri«
find aber m. E. gar nicht ungeschickt, wean man AriBtarcbe Kr*
klämng annimmt. Mit den Haaren werde bter eine Andeutung ron
Abentenern auf der Heimfahrt herangezogen (di« a^l& find m, £.
nicht Abentetier auf der Heimfahrt , sondern die Kitnpfe mit den
Freiem, sie bieten einen Verblick aaf den zweiten Teil des Üe*-
dichtes). Ein Oberarbeiter habe den Vers IS nnd die Worte öher
FoieidoD eingeficboben, um die Scbicksale dei Odyieeni durch die
Landung anf Scberia noch bonter tu machen* Also scheint W« an-
zunehmen^ daß eine ältere Odjesee den Helden ohne FAhrliehkeit
von der Ealjpso nach Ithaka gelangen ließ.
Nach W, liegt ferner ein offener Widersprach in den Worten
ill* 8t£ ö}^ — iTESxXtJjöavTo nnd ^foi d'iXiat^ov. Leider gibt
W. nicht an, wie er eich die Konstraktion der überlieferten Vertf
15 — 19 denkt und anch worin jener von ihm konstatierte Wider-
sprach bestehe* Wenn W. etwa D.s Ansicht folgt, so ist diastihe
oben S. 885 widerlegt.
Dnrch diese Interpolation« di9 bis V. 26 reiche» sai di« oov
wendige Angabe, daß die GOtter sich im Hanse des Zena fer^
iammelt b&tten, weggefallen, nnd es fehle anch die Angabe aber
den Zweck nnd die Yeranlassnog der GOtter Versammlung in nnaerem
Texte« Die Angabe, daß die Götter eich TereammeUen, ist
m« E. nicht nOttg, es genügt die Angabe, daß sie Tersammtlt
waren nnd die steht in V. 27, Freilich wird ihr dnrch die Atht-
tese von 26 der Anfang abgeschnitten, aber gerade dies errsgt
Verdacht gegen die Atbetese. Übrigens war es gar keine Tersunin-
Inng der Götter ans irgend einer bestimmten Veranlassung oder lo
einem bestimmten Zwecke (fär die GOtter), sondern e« war eist
Zagam menknnft, wie man sie täglich im Paläste des Zeni tu
denken bat. Für den Dichter aber hat die GOUerTeraammlisiii
den Zweck, die Bnckkehr des Od^ssens zn motivieren. Die Br-
waJinnng des Igislh hat d«n Zweck» der Athene einen Anknüpfttngs^
pnnkt zn liefern, nm den Odyssens in Gegensatz in Agisth iQ
stellen nnd dnrch das Im Grunde nnTerschnldete Ungltctc nnd die
Frömmigkeit des Odjsaens den Zens tu rnhren nnd ihn fnr di«
Heimsendnng des Odjssens (and iwar ohne Drangsale) gtneUf in
atimnien.
W. bingegtn mebt, wenn im Original A doch eine Vtran^
liasnng tnr OötterTersammltuig mngegeben gtwssen sii, sd k§bt
I
I
Zar Odjsiee a 1—81. Von F. Stürmer. 899
816 in der Geschichte des Orestes gewurzelt und sei für den Bbap-
Boden unbrauchbar gewesen.
Das Resultat der Untersuchungen W.s ist folgendes: Der
Grundstock der Verse 1—81 gehörten dem Bhapsoden an und ein
späterer Bearbeiter habe an dieser Einleitung einiges verändert, um
auf gewisse Tatsachen aufmerksam zu machen , die er in die Er-
zählung des Bhapsoden eingefügt hatte. Das seien die Verse 8 — 9
und 18 — 26. Die Verse 29— -81 habe der Bhapsode eingelegt, um
die Hörer über den Anfang der Bede des Zeus ins Klare zu setzen.
Wenn ich die lange Auseinandersetzung W.s recht verstanden
habe, so ist seine Ansicht, kurz zusammengefaßt, folgende. Es gab
eine Nostendichtnng, in der sich die Erz&hlung von der Bückkehr
des Odyssens an die Erz&hlung von der Bache des Orestes in der
Weise anschloß, daß die Götterversammlung den Übergang bildete.
Von dieser Nostendichtnng wollte nun ein Bbapsode den von Odys-
sens handelnden Teil vortragen. Er nahm auch die Götterversamm-
Inng in seinen Vortrag auf. Er verfaßte nun als Einleitung ein
kurzes Proömium, aus den Versen 1 — 2, 10—17 bestehend. Den
Nachsatz zu 16 f. bildete die Angabe, daß die Götter sich im Pa-
laste des Zeus versammeln. Zur Motivierung der Worte des Zeus
legte er die Verse 29 — 81 ein. Dieses Proömium des Bhapsoden
wurde nun von einem Bearbeiter, der auf die Irrfahrten des Odyssens
einerseits, auf den Zorn des Poseidon andrerseits hinweisen wollte,
erweitert durch die Verse 3— 9 und 18 — 26. Ich erkläre nun, daß
ieh die Existenz eines Nostengedichtes, das auch die Bückkefar des
Odyssens enthielt, für nicht bewiesen und auch an sich für
wenig wahrscheinlich halte. Wenn femer in dem von dem Bhap-
soden verfaßten Proömium V. 10 gleich auf V. 2 folgte, so erscheint
mir die zweifache Anrufung der Muse in zwei so bald aufeinander
folgenden Versen höchst anstößig. Sollen aber durch die Einschie-
bnng von V. 8 — 9 seitens des Bearbeiters einige ursprüngliche
Verse des Bhapsoden verdrängt worden sein, so hätte W. deren
Inhalt angeben müssen. Wenn schließlich von W. die Verse 18-26
dem Bhapsoden abgesprochen werden, so fehlt auch die Angabe
von der Abwesenheit des Poseidon. Poseidon wohnte also der Götter-
versammlung bei. Dadurch mußte aber ihr Verlauf ein ganz anderer
sein als nach der Überlieferung. W. wäre also verpflichtet gewesen,
den Verlauf der Götterversammlung bei Anwesenheit Poseidons dar-
zulegen. So kann ich nicht umhin, W.s ganze Kombination für ein
reines Phantasiegebilde zu erklären, das völlig von dem realen
Boden der Überlieferung losgelöst ist
Weilburg a. d. L. Franz Stürmer.
57*
Zweite Abteilung.
Literarische Anzeigen.
Jos. stark, Der latente Sprachschatz Homers. Eine Er^tnaof
la den Homer -WOrterbflcbern uod ein Beitrag lor griechiBefaen
Lexikographie. Mflncben and Berlin, B. Oldenbonrg 1908. 128 SS.
Anf S. 4 nnserer Schrift lesen wir: ,,In der folgenden kb-
handlnng soll nnn znm ersten Male der Versnch gemacht werden,
zn allen Homerischen Wörtern die ihnen zngrande liegenden» bei
Homer selbst aber nicht vorkommenden einfachen Wortgebilde —
gleichviel ob sie bei den nachhomerischen Autoren sich fiodea
oder ob sie bloß nach Sprachgesetzen angenommen werden kCnoen
— zn sammeln, nach Klassen zu ordnen, kritisch zn beleuchten
nnd sie schließlich zn einem „Index^ zn vereinigen, der also,
wie der Titel unserer Arbeit besagt, den ganzen latenten
Sprachschatz Homers enthalten soll*'. Dem in den vor-
stehenden Worten zum Ausdruck gebrachten Zwecke entsprechend
wird der ganze Stoff nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert,
die ich einzeln namhaft mache. Das 2. Kapitel befaßt sich mit
den „Nebenformen, d. 1. Fftllen, wie fifiiiQri und ^(laQj mit den
Aiolismen, vavg und vrj'ög u. a. Es folgen „Verbalkomposita",
d. i. zusammengesetzte Verba, aus denen die entsprechenden
Simplizis erschlossen werden. Latentes Sprachmaterial wird femer
aus den Homerischen Eigennamen, wenn auch in verh<nism&fiig
geringem umfang erschlossen. Dagegen liefert die Betrachtung
der mit Suffixen abgeleiteten oder durch Zusammensetzung ent-
standenen nominalen Bildungen reiche Ausbeute an Nomina der
verschiedenen Stammklassen (a-Stamme, o-8tamme, nnd von den
Nomina der 3. Deklination Vokal- Konsonanten- und Sigmastamme).
Einen sehr beträchtlichen Teil der Schrift (S. 57 — 101) nehmen
die beiden Abschnitte „Verba denominativa^ und „Sonstige Verba**
ein. In dem ersteren wird unter Benützung der bekannten Arbeitea
von der Pfordtens, Sntterlins und Frankeis ein schematisches Ver-
zeichnis der denominativen Verba auf -aco, -icn, -dci, -<££a>y -^^
'uCvca, 'VViDj -algca, -vQoa nach den Nominalklassen aufgesteUt.
cT. Stark, Der latente Sprachichats Homen, ang. v. F, Stolz, 901
TOD denen sie hergeleitet sind. Es folgen dann noch die Kapitel
Adiectiva verbalia, Nomina agentium, Inteijektionen , Lokativ-
adTerbien, endlich der in den oben aasgehobenen Worten erwähnte
«lodex des latenten Sprachschatzes Homers^ (S. 117—128).
Daß darch systematische Zasammenstellangen solcher Art
immerbin einiger Natzen geschaffen wird, insofern unter allen
UmstAnden eine, wenn aach häufig nur unvollkommene Förderung
der Einsicht in die Herkunft und den genetischen Zusammenhang
der bebandelten Wörter erfolgt, soll nicht gelftugnet werden. Doch
ist die große Gefahr vorhanden, daß die von dem Verfasser unserer
Schrift befolgte Betrachtungsweise zu äußerlich und formalistisch
sich gestaltet, ohne dem wirklich geschichtlichen Prozeß der Ent-
stehung so mancher Neubildung auf den Grund zu kommen. Auch
ist es völlig naiv zu glauben, daß das Zustandekommen der Neu-
bildungen nach dem vom reflektierenden Grammatiker entworfenen
Schema erfolgt sei. Wie man bei der wissenschaftlichen Betrachtung
dieser Verhältnisse zu Werke gehen soll, glaube ich in dem im
XXV. Bande der Wiener Studien S. 228—256 enthaltenen Aufsätze
„Beiträge zur griechischen, insbesondere homerischen Wortzu-
sammensetzung und Wortbildung* hinlänglich deutlich gezeigt zu
haben. Leider ist dieser Aufsatz, dessen Ergebnisse zum größten
Teile die Zustimmung Brugmanns (Grundriß 2. Aufl. U 1) und
anderer Sprachforscher gefunden haben, dem Verf. des vorliegenden
Buches unbekannt geblieben. Speziell wäre der Abschnitt meines
Aufsatzee „Homerische Verba auf -fo, als deren Grundwörter zu-
sammengesetzte Nomina gelten* der Darstellung nicht nur des
entsprechenden Teiles unserer Schrift, sondern aller jener Abschnitte,
die sich mit der Erschließung des homerischen latenten Sprach-
schatzes aus der Zusammensetzung befassen, sehr zugute ge-
kommen. Dieser allgemeinen Charakteristik unserer Arbeit und
ihrer hauptsächlichen methodischen Mängel soll noch die Bemerkung
hinzugefdgt werden, daß der sprachwissenschaftliche Horizont des
Verfassers durchaus nicht dem des heutigen exakten Sprachforschers
entspricht Ich will zum Beweise dieser Behauptungen nur einige
wenige Punkte hervorheben. S. 9 wird oijvoyLa als ionisch be-
zeichnet, es ist aber streng genommen nur homerisch {ov ^metrische
Dehnung**). Daß dfiiiiiayi/ nicht als Aiolismus bezeichnet werden
darf, kann man aus allen neueren grammatischen Hilfsmitteln un-
schwer erfahren. Daß aperio uod operio zu ario ^ at^o) ^^ehOrea
sollen, wie S. 15 bebaoptet wird, M eine starke Zumutung* Was
soll man heutzutage von einer indog. Qraddform *ijhama lu gr.
Xaiiäis sagen, die S, 26 ohne weitere Skrupel aus Cnrltusr Ornur
d. griech. Etym.^ 197 aberDomm«!! wird? Ein starker Bch^V
ist es auch, wenn x^^^^^ ^^ ^^^ ^^^ Lokativ ftistr
erklärt wird. S. 69 i^t d^ai YerfaBaer 4ie von ^
Pluralbildungen der i[idDf,'erinaDiicb&Q Kintra S. d%^
gebene lautgesetzliche Erkiärutig öer Form &\
902 F, Baumgarten u, a., Die helleiiifche Ealtar, sag, y. JET. iViiur.
gang YOD er in s vor o-Lanten) entgangen. Noch eines besondera
auffälligen Miflyerst&ndnisses, das S. 89 begegnet, sei hier Br-
wfthnnng getan. Bei Besprechung der Verba anf -aCva wird ihrer
Herleitnng von Nentra auf -a seitens einiger Forscher gedacht und
diesen die Voraussetzung zugemutet, „dafi jciq^icctog statt altem
^ni^fiavtog, xfjgia also statt *xiliiav stehe" und dann fortgefahren:
„indes können sie fflr das ursprüngliche Vorhandensein des Nasals
bei den griechischen Neutris keinen einzigen Beleg erbringen. **
Ein solches Verkennen so einfachen und durchsichtigen Tatbestandes
ist doch ein starkes Stfick grammatischen Nichtwissens.
Innsbruck. Fr. Stolz.
Die hellenische Koltar. Dargestellt von FritsBanmgarten, Frans
Pol and, Kicbard Wagner. Zweite, starkvermehrte Auflage. Mit
7 farbigen Tafeln, 2 Karten nnd Aber 400 Abbildungen im Text ond
anf zwei Doppeltafeln. Leipzig- Berlin, Druck nnd Verlag von B. G.
Tenbner 1908. XI nnd $80 SS. Lex.-8<^. Preis geh. 10 Mk., geschmack-
Yoli geb. 12 Mk.
Drei deutsche Gymnasiallehrer, die in ihren Anschauungen
vom Wesen und Wert des klassischen Altertums völlig überein-
stimmen, auch Griechenland aus eigener Anschauung kennen, ver-
einigten sich vor einigen Jahren, um in einem nicht zu umfang-
reichen Werke all den Gebildeten, die sich fflr den Zusammenhang
unserer Kultur mit der Antike interessieren, eine zusammenfassende
Darstellung der griechischen und römischen Kultur darzubieten;
doch sollten die Bedflrfnisse nnd Ergebnisse des Unterrichtes in
den Oberklassen unserer höheren Schulen hiebe! besondere Berück-
sichtigung finden. Das Werk wird zwei Bände umfassen, von denen
der erste, vorliegende, die griechische Kultur von ihren Anfängen
bis zum Abschluß ihrer selbständigen Entwicklung in der Zeit
Alexanders des Großen schildert; Gegenstand des zweiten, noch
nicht erschienenen Bandes wird die Kultur des Hellenismus und
des Bömervolkes sein.
Der erste Band erschien in erster Auflage im Jahre 1905;
wenn sich schon nach zwei Jahren eine Neuauflage als nötig er-
wies, so ist das nicht bloß ein erfreuliches Zeichen dafftr, ^daS
auch in unseren Tagen das Interesse ffir das klassische Altertum
noch viel lebendiger ist, als manche seiner Gegner die Welt glauben
machen möchten^ (Vorrede S. 5), sondern auch fflr den Wert des
Buches selbst. Denn es sei nur gleich herausgesagt, daß ee ein
ganz ausgezeichnetes Buch ist, das uns die drei Verfasser all
Frucht ihrer gemeinsamen Arbeit geschenkt haben. Da eine Aaaeig«
der ersten Auflage in dieser Zeitschrift nicht erschienen ist, se
wird es sich empfehlen, zunächst seine Anlage und seine eigen*
tflmlichen Vorzflge kurz zu charakterisieren.
JP. Baumgartefi u. a., Die hellenisehe Eoltnri ang. v. K. Fring. 903
Die FflUe and ManDigfaltigkeit des zu bewältigendeD Stofifes,
deesen wissenschaftliche Erforschung Ton Jahr zu Jahr mehr in
die Tiefe nnd Breite geht, schien den Verfassern die Dreiteilung
der Arbeit zur Qenüge zu rechtfertigen; an die Leistungsfähigkeit
eines einzelnen hätte er in Wahrheit allzu hohe Anforderungen
gestellt Sie verteilten also die Arbeit so unter sich: Baum-
garten (Freiburg i. Br.) schilderte die Erscheinungen in der
bildenden Kunst, Poland (Dresden) in Staat, Leben und Götter-
verehrung» Wagner (Dresden) in der geistigen Entwicklung und
dem Schrifttum. Es sei anerkannti daß sich die Verfasser nach
Kräften bemflht haben, diese Arbeitsteilung nicht als Übelstand
empfinden zu lassen. Gegliedert haben sie den 8to£f in der Weise,
daß zunächst (I) das griechische Altertum, dann (II) das griechische
Mittelalter, zuletzt (III) die griechische Blütezeit behandelt wird;
eine einheitliche Behandlung erfuhr hievon bloß der erste Abschnitt,
den Baumgarten allein geschrieben hat, während in den zwei
anderen Abschnitten sich die Verfasser nach dem angegebenen
Prinzip in die Arbeit teilten.
Was das Buch auszeichnet, ist die weise Beschränkung auf
die charakteristischen Erscheinungen in den verschiedenen Gebieten
des kulturellen Lebens, das Geschick, mit dem diese zu sauberen
Einzeldarstellungen verarbeitet wurden, die sich gegenseitig er-
gänzen und schließlich zu einem wirkungsvollen Gesamtbilde zu-
sammenschließen. Denn gldcklicherweise wurde nicht über Einzel-
heiten vergessen, den inneren Zusammenhang der Erscheinungen
klarzulegen. Hiezu kommt, daß die Verfasser es auch verstehen,
was sie sagen wollen, klar nnd in fesselnder Weise zum Ausdruck
zu bringen. Besonders rühmend sei hier jener Partien gedacht,
die die Kunst behandeln. Es ist ein wahres Vergnügen, deo Aus-
führungen des Verfassers zu folgen: nirgends Phrasen, nirgends
Flunkern mit Gelehrsamkeit, nirgends unsicheres Hin- und Her-
schwanken im Urteil, vielmehr überall liebevolles Versenken in den
Gegenstand, sichere, klare Anleitung, das Wesentliche in den Ge-
bilden der Kunst nnd ihrer Entwicklung zu erfassen, wie sie eben
nur auf dem Boden wissenschaftlicher Tüchtigkeit erwachsen kann,
die aufs glücklichste mit feinem Kunstsinn gepaart ist. Beides
beweist auch die ganz vortrefifliche Auswahl des Bilderschmuckes,
der so reich und äußerlich so glänzend ist, daß man den Autor
dazu beglückwünschen muß, einen solchen Verleger gefunden zu
haben. Ich wüßte kein ähnliches Werk, das bei gleichem Preise
ein gleich vorzügliches Bildermaterial bOte; hiedurch wird aber
erst das Wort lebendig, denn fehlt die Anschauung, so ist auch
die feinsinnigste Kuustbelehrung fruchtlos. Es ist mir kein Zweifel,
daß das Buch die Freude an der Kunst und das Verständnis ihrer
Schöpfungen in jedem Leser auf das wirksamste fördern wird.
Mit diesem Lobe soll jedoch das Verdienst, das sich die
beiden anderen Mitarbeiter an diesem Werke erworben haben.
904 F. Baumgarien u, a,, Die helleniMhe Kaltor, ang. y. K, iVtsu.
keineswegs geschm&lert werden; gerne eei anerkannti dtft auch
sie ihre Aufgabe bestens gelöst haben. Wer die Schwierigkeiten
kennt, welche die Darstellung des politischen und privaten Lebens
der Griechen dem Bearbeiter bot, wird zugestehen müsaen, dafi es
Poland gelungen ist, ein feines Bildchen au zeichnen, in dem kein
wesentlicher Zug fehlt; daG viel Detail unterdrückt werden mußte,
▼ersteht sich bei einem solchen Buche von selbst, ja gerade in
dieser Beschränkung zeigt sich der Meister. Unterstützt und belebt
wird das geschriebene Wort auch hier durch gut ausgewfthlte Ab-
bildungen. Auch der literaturgeschichtliche Teil, der Wagner zum
Verfasser hat, ist verdienstvoll und darf sich getrost den beiden
anderen zur Seite stellen ; die Entwicklung der griechischen Literatur
wird in anziehender Weise geschildert, die wohl geeignet ist, den
Leser zum Verständnisse der alten Schriftwerke anzuleiten und
Lust zu erwecken, sie durch eigene Lektüre kennen zu lernen.
Qerade dies Moment darf bei einem solchen für weitere Kreise
von Gebildeten bestimmten Buche nicht unterschätzt werden.
Wie in den beiden anderen Abschnitten das Bild zur Ergänzung
und Belebung herangezogen wird, so hier vielfach die eigenen
Worte der antiken Autoren. Die ganze Darstellung verrät überall
eine durch umfassende Lektüre der Schriftsteller und der ein-
schlägigen Literatur gewonnene Vertrautheit mit dem zu behandelnden
Stoff, Geschick in der Auswahl und ein gesundes Urteil.
War bereits die erste Auflage von der Kritik ausnahmslos
freudig begrüßt worden, so wird die zweite gewiß einer noch
freundlicheren Aufnahme begegnen. Sie nennt sich auf dem Titel-
blatt eine „starkvermehrte^, dürfte sich aber mit gleichem Rechte
auch eine ^^ verbesserte*' nennen. Li Anordnung und Gliederung
des Stoffes sind zwar größere Änderungen nicht vorgenommen
worden — hiezu lag auch kein Grund vor — , aber im einzehien
findet man doch zahlreiche kleine und große Änderungen und Zn-
sätze, wodurch fast immer eine Besserung der Darstellung erzielt
wurde; vielfach merkt man, daß hiebe! die AuregninGT^n der Kritik
nicht unberücksichtigt geblieben sind. Auch an den sprachlichen
Ausdruck haben die Verfasser noch einmal die Feile angelegt, wo-
durch das Buch nur gewonnen hat^). Alle Anerkennung verdient
es, daß in der neuen Auflage bereits die neuen Entdeckungen und
Forschungen der letzten beiden Jahre berücksichtigt sind, die auf
dem Gebiete der bildenden Kunst und Literatur manches Neue zu-
tage gefördert haben. Besonders stark tritt dies in den Parties
hervor, die die bildende Kunst behandeln. Hier hat Banmgarteo
zunächst den ganzen Abschnitt über die kretische Kultur auf
') Kann man aber wirklich (S. 468) von einer «aittlichen Roheit*
sprechen, die sieh in den unanstftDdigen EostQmen und Tänzen der
Aristophaniechen Lustspiele aussprach? Es soll wohl »Sittenrobeif
heißen.
F, Baumgarten u, a., Die beiienitehe Enltor, ang. y. K Prinz. 905
Grand eigener Anschannng der FnndsUtten grflndlich umgearbeitet ;
der Verf. nnterscbeidet jetzt (wftbreod in der ersten Auflage sum-
mariecb von der „mykeniscben Zeit"* geeprocben wurde): 1. Die
primitive Kultur (Troia I, Troia II, Steinzeit in Kreta), 2. Die
kretische Kultur, 8. Die mykenische Kultur» 4. Die einheimische
Frühkunst in Hellas (Dipylonvaseo). Zahlreiche neue Abbildungen
Bind hier dazugekommen. Ferner findet der Leser der zweiten Auf-
lage bereits eine recht gute photographiscbe Reproduktion der
prachtvollen Marmorstatue» eine Niobide darstellend, die 1906 in
Bom gefanden wurde, mit eingehender Würdigung dieses glück-
lichen Fundes. S. 142 ff. wird nun in einem neu eingefügten Ab-
schnitt die Entwicklung des ionischen Kapitells besprochen, S. 414ff.
die in ünteritalien seit 400 erblühende Geschirrindustrie charakte-
risiert und durch neue Abbildungen erläutert. Überhaupt sei die
große Sorgfalt, mit der das Bildermaterial revidiert und ergänzt
wurde, rühmend hervorgehoben; aus der großen Anzahl neuauf-
genommener Abbildungen nenne ich besonders: Fig. 75 „Odysseus
und Gefährten retten sich mit Hilfe der Widder aus der Höhle des
Eyklopen** (von einer Kanne aus Ägina); Fig. 117 „Heimführung
der Braut" (von einer attischen Lutrophoros ans dem Ende des
5. Jahrb.); sehr interessant ist die Szene: „Mädchen bringen einer
Neuvermählten am Tage nach der Hochzeit Morgengaben **, welche
aaf einem tönernen Nähkissen aus Eretria dargestellt ist (Fig. 118);
mit Freude sieht man nun auch eine Abbildung der herrlichen
Beliefs von dem sogenannten Thronsessel der Erycinischen Venus,
ietzt im Nationalmuseum ^in Bom (Fig. 176), ferner der Sphinx
vom Apbroditetempel in Ägina (Fig. 241) nach dem ergänzten
Abguß in München (Furtwängler). Natürlich beschränkt sich diese
Vermehrung der Abbildungen nicht auf die Abschnitte über die
bildende Kunst ; auch die anderen sind so bereichert worden. Bis-
weilen sind auch Abbildungen der ersten Auflage in der zweiten
durch andere ersetzt worden; doch bekenne ich, daß ich Fig. 99
und 171 der ersten Auflage vorziehe. Hie und da ist auch eine
Abbildung ohne Ersatz ausgeschieden worden ; bedauerlich ist, daß
hiezu auch die Abbildung der Zeusmaske von Otricoli gehört. Daß
sie nicht mehr an der Stelle erscheint, wo von Phidias* Werken
gesprochen wird (S. 818), ist wohl zu billigen, weil sie ja, wie
der Text hervorhebt, den später herrschenden Zeustypus wieder-
gibt. Jetzt wird wie früher davon gesprochen, daß dieser „mehr
das Energische, Gewaltige, Herrschermäßige des Göttervaters be-
tont^, aber bloß die Anmerkung beigefügt: „s. u. bei Ljsippoa*';
dort (S. 409) wird auch von dem „bekannten Zeus von Olritdi''
gesprochen, aber die Abbildung sucht man vergeblich.
In dem literaturgeschichtlichen Teil merkt man gleich falle,
daß die Funde der letzten Jahre nicht unberücksichtigt geblieben
sind; so werden die Eöen bereits durch Inhaltsangaben aoa dem
Berliner Fragment näher charakterisiert (S. 203), auf die neu-
i
906 F, Baumgarten u. a., Die helleniaebe Kaiiar, mag. ▼• JL Prins.
gefandenen Lieder der Korinoa wird hingewiesen (S. 428), ebenso
anf den Papyrnsfond, der nns Brncbstücke ans der Yerieidigongi-
rede des Antiphon sohenkte (S. 485). Anch sonst stößt man öfters
anf emzelne Umarbeitungen nnd kleinere Zosttze; zu einem der-
selben sei mir eine Bemerkung erlaubt. S. 481 wird jetit zu der
kurzen Charakteristik der Eyrup&die Xenopbons, nachdem gesagt
worden war, daft die Lektöre auf die Dauer nicht fesseln könne,
der Satz hinzugefQgt: „Aber es ist der erste Versuch in dieeer
jetzt wieder allbeliebten Oattnng, deren Vertretern man den gleichen
Vorwurf oft ebensowenig ersparen kann^. Abgesehen davon, daft
mir die Beziehung auf die Gegenwart nicht ganz klar und auch
nicht ganz zutreffend erscheint, bezweifle ich auch sehr, ob man
Xenophons Tendenzroman wirklich mit Becht den „ersten Veraucb''
in dieser Gattung nennen darf. Für uns ist Xenophon freilich der
ftlteste Vertreter jener Literaturgattung, aber er war viel su wenig
originell, als daß ihm zugetraut werden durfte, er habe in der
Literatur selbständig einen neuen Weg eingeschlagen. Auch ist
bereits von namhaften Literarhistorikern auf Vorgänger, denen wobl
Xenophon gefolgt sein dürfte, hingewiesen worden; ich nenne bloß
E. Schwartz (Fünf Vorträge über den Griechischen Boman, 8. 44 ff.)
und U. T. Wilamowitz (Griechische Literatur in der „Kultur der
Gegen wart**, 8. 80). — Schließlich noch eine Kleinigkeit: S. 210
werden zur Charakteristik des Hinkiambus die zwei bekannten
Verse des Hipponax
oxotv yccfi^ xig ndTupigi] xBd^xvlav
in folgender Übersetzung angeführt:
,,Am icbOniten sind dem Weib onr diese zwei Tage:
Wenn eine freit, und wenn man sie im Grab einsenkl"
Ob ich zwar weiß, daß anch in einer anderen Literaturgeschichte
diese Verse ähnlich übersetzt sind, so muß ich doch ernste Be*
denken dagegen aussprechen, daß damit der Sinn des Originals
richtig wiedergegeben sei. Meines Eraehtens ist bloß die Auf-
fassung berechtigt, die z. B. Sitzler in ssinem „Abriß der grie-
chischen Literaturgeschichte*' S. 121 mit den Worten aossprieht:
„Von den Frauen sagt er (Hipponax), es gebe nur zwei Tage, an
denen sie einem Frende bereiten, am Hochzeits- und am Todes-
tage*' ; 80 hat die Verse auch schon Hugo Grotius Tsrstanden, der
sie übersetzt (Stob. Flor. 68, 8; Bd. IV, S. 150 der Ausgabe Ton
Gaisford, Lips. 1824):
„üxor vtarito dat duos dies dulces\
Cum sponsa nubit cumque funue effertur.''
Doch ich will mich nicht in Details verlieren, sondern liebtr
noch einmal kurz mein Urteil über das Buch zusammenfassen: Die
„Hellenische Kultur^ ist (besonders in ihrer zweiten Auflage)
ein so vorzügliches Buch, daß es die weiteste Ver-
Der rOmiB^be Limei in Öiterrelab, aiig. ? > A, Qüheit,
907
br^itUDg In den Krei&en aller Gabildeien rardUnt; loabeBondera
eignet eß sich beateAs als Qeechetik fdr reifere Scböler unserer
bdberen Scboleii, denen man damit gewiß große Fretide bereiten
mrd. Daranf bei pEsseDder Oekgenheii hinznweiBan nnd ei
Wirnietens zu empfeblen^ Bollte keiner von uns Gymnasial*
lehrern, die wir die altklaa sieeben Spraehen lebren, ntiterlassen ;
keinesfalls aber eollte es in der Schälerblbliotbek solcher Änetalteo
fehlen.
Ich fichließe diese Anzeiire ^nit dem anfrlchtigeD WnciBcbe«
daß sieb der zweite Band auf der Höbe des ersten halte und er
nne recht bald beackert werde»
I
Wien-
Dr, Karl Prios.
I
Der r&mjscbe Limes in Ödterreiab. Heft VIIL Mit 3 Tslelu und
85 Figuren im Taife* Kätsorlicbe Akademie der Witienttchaften. Wien,
A, Holder 1907. 223 Sp.
Das VUf. Limeebeft bebandelt die im J. 1905 in Carnuntum
und Lauriaeum ansgeführten Grabnngen« Während im Lager von
Cürnuntum nur der sud liebe Tnrm des rechten PriD^ipaltorea ge^
legentiich näher untersucht worde (Sp* 4—8), bildeten das eigeut-
liehe Arbeite feld sieben vereinzelt zur ^erfügang stehende Acker-
par^ellen ö. vom Amßhitbeater (ei De n., die anderen e. der Beiehs-
etra&e), was ebensOTLelen Veraucbsgrabnogen in einem FIAciienranme
von 760 X BOO m gleichkam. Oberall traten röm. Prifathftueer
der Zifilatadt zutage. Von Öf entlichen Gebinden etiell man nur
anf die seit 1875 bekannte große Badeanlage und erforschte sie
in einem beinahe um das doppelte größeren FläcbeuaUBmaDe. Auch
die Untorsuchung über die Straßen konnte in dem bezeichneten
Gebiete vom Grabungsleiter und Verf., Oberst v. Groller, erheblich
gefördert werden (Sp* 93^ — 98)* So hat es sich als aehr wahr-
icheinlicb herauegeatellt, daß um das Amphitheater ein grolier
Kiesplati liegt, welcher in die Ton d«r porta primipalts dixtra
nach Deut ich' Alteuburg binfübrende StraBe eingeschaltet ist. Eina
weiter sidlich aufgedeckte Parallelstraße führt gegen die portm
decumana hin und scheint bier das Lager nmgiingen ^n haben,
wodurch die CircniDTallationsstra^e südlich um das Lager ge*
schlössen wäre*
Von einzelnen Bauwerken verdient in erster Linie Erwähnung
die Begräbnisstätte im Garten eines röm. Privathaoses (Sp» 8—10),
bestehend ans einem ummanerten Viereck mit einem Kindergrab
darin und fünf anßen Hegenden Gräbern, während ein anderes Kinder-
grah an der UmfassungEmauer des Gartens liegt. Alle Gi^ber, von
denen zwei je drei Skelette enthielten, sind entschieden gleichzeitig
L mit dem Haneban, was also „den Beweis liefert, daß die UniU'
\
908 Der rOmisehe Limes in Öiterreieb, ang. y. A. Gakeis.
lässigkeit von Orab and Wofanbaae, sei es in der Zeit (Fnndmflnie
des Maziminns !), sei es in der Gegend, der unsere Geb&nde an-
geboren, nicht oder nicht mehr bestanden hat** (?gl. Sp. 8). Ein
ähnlicher Befand, gleichfalls ans römischer Zeit, bot sich noch an
anderer Stelle: Die Maner eines röm. Hauses war stellenweise aus«
gebrochen, um Baum fflr die Bestattung zu gewinnen ; ffinf Skelette
fanden sich vor, alle mit dem Kopfe nach W. orientiert (Sp. 88 f^
vgl. auch 51, 52). Von anderen Details sind anzuführen: eine
Werkstätte mit vielen Bronzewerkzeugen (36 und 41), eine Bade-
kammer mit Warm- und Kaltwasserleitung (44 — 46), ein in ein
Haus verbauter aufgelassener Wachturm (46 f.) u. dgl. Zu diesem
Teile des Limesheftes kommt ein doppelter Anhang. Im techno-
logischen Anhang (Sp. 97 — 112) behandelt Oberst v. Oroller mit
rühmenswerter Sachkenntnis die Olasmosaikarbeit einer prächtigen
Agraffe. Der epigraphische Anhang (118 — 118) entstammt der
Feder Hofrat Bormanns. Hier wird die auf einem Steine vorkom-
mende Heimatsangabe dimio Sergia Savaria — Savaria gehörte
der iribus Claudia an — als auf Verwechslung mit CamwUum
beruhend aufgezeigt. Der kleine Altar mit dem Namen der grie-
chischen Qöitin Brimo {Bqi[iA) ist ein Zufallsfund.
In Sp« 119—172 bebandelt Groller die Legionslager von
Lauriaeum und Albing. In ersterem wurde die von der Westbahn
abgeschnittene nördl. Ecke aufgedeckt und hier fällt sofort die
strenge Gleichförmigkeit in der Anordnung der Lagergebäude auf«
Eine Beihe von zwölf größeren Gemächern mit etwa doppelt so
vielen kleineren Bäumlichkeiten daneben lassen jedes der Isng-
gestreckten Gebäude als Centarienkaserne oder verdoppelt als
Manipelkaserne erkennen ; drei Baumeinheiten — eine größere und
zwei kleinere — zusammen bilden ein corUubemium, Der freie
Baum zwischen den Schmalseiten der Kasernen und der via an^
laria diente als Formations-, bezw. Exerzierplatz und enthielt auch
eine Beihe von sicher nachgewiesenen Baracken, etwa für den Train.
Natürlich kamen bei den Grabnngen kleinere Fandgegenstände aller
Art, Waffen und Werkzeuge, Schmucksachen und Gefäße, in groAer
Anzahl zutage, die Sp. 187 — 156 gewissenhaft verzeichnet and
abgebildet sind. — Das Kastell Albing, das 5 km östL von LaU'
riacum liegt und dessen Flächenranm (288 m') größer ist als der
der Lager von Lauriaeum (190 m') und CamutUum (170 m'),
entbehrte des Wallgrabens, was mit dem Terrainbefand zusammen-
gehalten, zu dem Schlüsse berechtigt, daß es einst auf einer
Donauinsel lag. Die Ecktürme nicht mitgezählt, ist die südwest-
liche Front, die Dekumanseite, von sechs, die rechte Langseite
von acht Zwischentörmen flankiert; dazu kommen natürlich noeli
die beiden Tortürme in der Mitte jeder Front. Zwischen dieses
liegt bei der porta deeumana eine Durchfahrt, die porta prinä-
palia dextra hat deren zwei, die porta praeioria sogar drei. Der
antike Name des Kastells ist noch nicht festgestellt.
O, Awmtm n. a., CieenM Bede flr Sex. Bowioa, aag . ▼. A, KoirmUw. 909
Li einem namiemaiischen Anhang (Sp. 178 — 222) sind die
ane Lanriaeum stammend«! Fandmünzen von Hofrat Friedr. Kenner
in flbersiebtlicben Tabellen zasammengeetellt nnd beeprochen. Die
eich hieraus ergebenden Schlosse könnten natflrlicb für sich allein
nicht als bindend betrachtet werden, xnsammengr^halten jsdoch mit
anderen Zeugnissen treten sie für dieae bekr&ftigend ein und so
kommt der Verf. anf das Alter der beiden Lager tu sprechen : Die
leg. II Italiea wurde bekanntlich tou Marc Aurel errichtet Für
dieee Legion nun war wohl von Anfang an das Kastell von Albing
bestimmt« wohin sie auch nach ihrer Dislokation in der Gegend
▼on Cilli zurflckberufen worden xn sein scheint. Das ältere Legions*
kastei], dessen Lage auf einer Donaninsel gewiß mit Nachteilen
▼erknnpft war, wurde dann mit dem Lager ?on Lauriacum ver-
tauscht und für dieses besitzen wir die allerdings fragmentarische
Bauinschrift aus dem J. 205. Von Bormann als solche erkannt
und im IX. Bande der Jahreshefte behandelt, ist das wichtige
Fragment mit Bormanns Kommentar in den Anhang unseres Heftes
aufgenommen.
Triest. Dr. A. Qabeis.
Giceros Bede für Sex. Boscias. Ffir den Sohnlffebranob herant-
gegeben Ton Friedrieh Bichter nnd Alfred Flsckeisen. 4. Aufl.,
bearbeitet von Georg Ammon. Leipzig nnd Beriin, Verlag Ton B. G.
Teabner 1907. 106 88. 8«. Preis geh. 1 Mark.
Diese Ausgabe weist zwar in ihrer neuen Gestalt keine
grundslArzenden Änderungen auf; aber immerbin sind die Abwei-
chungen von der letzten» im Jahre 1889 erschienenen Auflage» die
noch Fleckeisen besorgt hatte, zahlreich genug. Der Herausgeber
war bestrebt, nicht bloß die Bedürfnisse der Schfller zu berück-
sichtigen, sondern auch dem Studierenden der Philologie nnd dem
Anf&nger im Lehramte, der diese Bede zu interpretieren hat, die
wichtigeren Behelfe zur Erläuterung an die Hand zu geben. Die
neue Ausgabe will die Mitte halten zwischen der allein fflr den
Forscher bestimmten großen Ausgabe Landgrafs und den dflrftigen
Schülerausgaben. Diese Absicht zu erreichen, ist der gewissenhaften
Sorgfalt des Herausgebers auch wirklich gelungen. Er hat alles,
was in den zwei letzten Dezennien zur Kritik und Erkl&rung der
Bosciana geleistet worden ist, mit Umsicht zurate gezogen nnd
mit selbständigem Urteile fdr seine Ausgabe verwertet
Über Ammons textkritisches Verfahren , das mit Bocht über-
wiegend konservatiT ist, gibt der sorgsam gearbeitete kritische
Anhang Aufschluß. An mehreren Stellen ist A. auch mit eigenen
Vorbeaaerungsvorschlägen hervorgetreten. Von besonderem Interesse
ist die Stellung, die der Herausgeber gegenüber der Ausgabe Clarks
einnimmt, der wichtigsten neueren Erscheinung auf dem Oebiste
912 6r. Ätnmoft u. a,, CiceroB Bede fflr Sex. Boseiai, aog. t. ä. EamtUet.
neribuSf Liv. 11 ex loco infesto, I 47 infestum regnumj XXI 83,
6 infestum agnun faeere. — §55 halte ich, was ich schon ürAhor
einmal aasffibrte, die Schreibang quare hue inimieus venias für
besser als q. huie t. v. Auch § 61 eonßtere hue ea spe venum
spricht dafür. — §58 wäre die Note zu bane aeeusaior *aach im
0-Lant etwas Ironisches' besser nnterblieben. Sie ist etwas seltsam.
— §62 hingegen scheint mir die Vermutang Ton Klotz et maxime
et primum quaerüur, fflr die A. im krit. Anh. eintritt, recht be-
achtenswert. — §64 empfiehlt A. im krit. Anh. mit den Hsa. zn
schreiben: cum neque eerpua quisquam reperübatur (Vnlg. re-
periretur ...., id aetatie autem duo filii propter eubantes ....
dicerent. Allein wenn diese Schreibang Glauben fände, würde eine
bedenkliche Unsicherheit in der sonst so strengen Modosgebang
der lateinischen Sprache einreißen. Das koordinierende auiem kann,
wie schon Madwig zn Defin.* p. 246 erklärte, nnr darchaos Gleich-
artiges Yerbinden and cum kann nicht za reperübatur in tem*
poralem, zn dicerent aber in kausalem Sinne gefaßt werden. Man
maß daher aach gegen die Hss. reperiretur schreiben. Ebenso-
wenig kann § 81 das flberlieferte gut.. Ramae mm fuit, Med..
neeciret gehalten werden and es ist mir befremdlieh, daß A. diesen
Modaswechsel für ^wahrscheinlich' erklärt. Es maß yielmehr, wie
ja allgemein aach geschieht, geschrieben werden: nescMt. Was
Ammons Verweisang aaf Nep. Iph. II 4 für unsere Stelle bedeuten
soll, verstehe ich nicht. Da heißt es: cum Artaxerxee bellum in-
ferre voluit, ein rein temporales cum, dessen Möglichkeit doch
niemand bestreiten wird, wohl aber seine Yerquickung mit einem
kausalen Konjanktiv. — § 70 hält A. das handschrifUiche
seripeerit fest. Die neueren Herausgeber hatten fast darchaai
dafür nach Halm acripeit geschrieben. Daß die or, obl. hier den
Konjunkti? fordere, ist nicht zuzugeben. Ja, der Indikativ ist dem
Sinn der Stelle angemessener als der eine nicht recht erwünschte
Unbestimmtheit hineintragende Konjunktiv. Freilich werden jetzt
auch rhythmische Gründe für den Konjunktiv ins Treffen eingeführt:
seripeerit bildet einen schönen, abschließenden Cretieus. — § 80
vermutet A. nos iudicio pertundere, codd. perfundere und hält
das Wort für einen mit pereutere synonymen ^Schlager jener Zeit*:
Mir kommt oine solche Vermutung recht bedenklich vor, da per-
tundere in diesem Sinns gar nicht nachweisbar ist. Freilich ist
auch das überlieferte perfundere kaum zu halten; gewiß nicht in
der [von Nägelsbach gewollten Bedeutung: 'Uns scheinst du mit
dem Prozeß nur naß machen zu wollen, d. h. ujit pro forma
in ihn zu verwickeln, wirklich anzuklagen aber diejenigen, die dich
bezahlt haben'. Kann man wirklich die furchtbare Anklage wegen
Vatermordes als ein bloßes 'Naßmachen' bezeichnen? — §85 setzt
A. die Konjektur adplicatue ad eeveriUüem in den Text, im krit
Anh. freilich hält er inclinatue für geeigneter. Die ratio jedoch
fordert hier eine Schreibung, aus der die handschriftliche Korroptel
G, Amman «. a., Gieeroi Bede fttr Sex. Bosdiu, aog. t. ä. Kamitser. 913
iwtplicUus erkl&rt werden kann. Dag se beqaeme indinatua würde
hiezn keinen Anlaß geboten haben. Es mnfi hier m. E. ein sel-
teneres, dem Abschreiber fremdes Wort nrsprflnglich gestanden
haben. Darnm möchte ich des Grävins' Vermatong implaoatua vor-
uohen, wenngleich das Wort nnr bei Dichtem nachweisbar ist Das
dabei stehende ad severUatem* ist dann bloß ans Grflnden der Kon-
xinnittt beigegeben wie etwa Cic. Gat. I 12 giuod est ad aeveri*
tatem lenius, ad eammunem salutem fUiliua. — § 89 bietet A.
zwar im Text mit den anderen Herausgebern in grege adnumerer,
ompfiehlt jedoch im krit Anhange nach der Mehrzahl der Hss. in
gregem a. zu schreiben, „wie Cicero die Verba des Beif Agens
(eo addere a. a.) hftnfig nach der Frage 'Wohin?* konstruiert''. —
Allein bei diesen Verben des Beifügens liegt die Sache doch wesent-
lich anders, eo addere ist neben addere ad rem^ wie die ganz
normale Konstruktion lautet , sehr leicht Terstftndlich ; aber ad-
numerare Terbindet sich nur mit dem Dativ oder mit in und dem
Ablativ. — § 99 lautet die hs. Lesart guid erat, guod CapiUmem
primum eeire voluerit? Die regelmäßige Form wäre aller-
dings teilet; aber es geht doch nicht an, dieses auffällige, durch
die Einstimmigkeit der Hss. gesehfitzte voluerü, wie geschehen
ist, einfach in vellet zu Andern, mag dieses auch (nach Zielinski)
aus rhythmischen Ordnden besser sein. Ebensowenig ist es zu-
lissig, erat in eet umzuftndem. Es steht im Grunde dieses voluerit
auf derselben Linie wie jene nicht seltenen F&lle, wo in konseku-
tiven Belativs&tzen oder bei guin der Konjunktiv des Perfekts nach
einem historischen Tempus eintritt statt des zu erwartenden Kon-
junktivs des Imperfekts, wie z. B. nemo te plaeavit inimieua, gui
ullae reeedieee in ie simultatia religuias eeneerit Cic. Dei. 9,
oder nemo Lüyhaei fuit, guin hoc viderit Cic. Ver. V 1. Der
Konjunktiv des Perfekts drückt da eben ein Urteil vom Stand-
punkt der Gegenwart ans. Als unhaltbar aber muß ich die
▼eo C. F. W. Möller und anderen in den Text gesetzte Schreibung
guid erat, guod Capitonem primum eeire vduit bezeichnen, die
ich freilich ehedem selbst gebilligt hatte. Denn das könnte nur
beißen: Was war's denn eigentlich, was er dem Capito zuerst
hinterbringen wollte? Aber nicht darnach wird hier gefragt, sondern
Cicero wiederholt hier nochmals die dr&ngende Frage, die er schon
frflher ausgesprochen hatte, vgl. g 96. Was ffir ein Grund, fragt
er dort, war vorhanden, daß die Mordtat gerade dem Capito zu
allererst gemeldet wurde, der, wie der Beduer sagt, keinerlei be-
sonderes Interesse daran haben konnte, davon in Kenntnis gesetzt
zu werden, ei nullum iam ante eoneilium de morte ac de banie
eine inierat nullamgue eoeietatem negue ecelerie negue praemii
cum homine uUo coierat (§ 96)? In Ameria, f&hrt Cicero fort,
lebte ja die Frau des Ermordeten und der erwachsene Sohn und
andere Verwandte, mit denen er in trefflichstem Einvernehmen lebte.
Warum also wurde nicht diesen zun&chst Berufenen, sondern gerade
ZeitMhTifl 1 d. teteir. Otvii. 1906. X. Heft. 58
914 G, Amman u, a., Cioeros Bede Ar Sex. Boieiai, ug. t. A Karmtter.
dem Boseiat Oapito die Meldung mit solcher Bascbheit flbtfbrseht?
— Dieselbe Frage nnn nach dem r&tselhaften Grande jener «l-
fertigen Meldung gerade an Capito stellt Cicero anch hier ud «•
klärt sarkastisch, den Grand selbst nicht zn wissen. Die Feig»
jener Meldung aber sehe er klar; denn jetzt besitze Capito dni
der herrlichsten Gfiter des Erschlagenen. Damit ist dann freüieh
auch die Frage nach jenem Grande erledigt. Die anffslleode
Schnelligkeit in der Überbringnng der Nachricht solltet wie Qlcm
es darstellt, dem mit in die Tat eingeweihten Capilo ermöglieha,
einen Vorsprang zn gewinnen und eilends alles Yorzukehren, daß
die rachlosen Pläne der Mordgesellen nicht etwa durch das Ein-
greifen des jnngen Boscins dnrchkrenzt würden. — Nicht recht
verständlich ist mir die Bemerkung im Kommentar Amons zn dir
Stelle, die sich allerdings anch schon in der früheren Auflage findil
Sie lautet: „quid erat quod voluerü? =: cur vcluU? Bei der Dd-
schreibung der einfachen Frage pflegt Cicero selbst dann den Kon-
junktiv zu setzen, wenn von einem Faktum die Bede ist, vgl p.
Cluent. 147 quid eaty cur tu in isto loco sedeoB? Phil. Mllfn^
fuü cauaae, cur in Äfricam Caesarem non scquere?** Hier msfi
man aber wohl fragen: Wäre denn in den angeführten Beispiekn
überhaupt ein anderer Modus möglich als der Koiyunktiv oad ist
es etwa eine Eigentümlichkeit Ciceros, in der abhängigen Fn^
den Konjunktiv zu setzen? — § 108 ist die Verdächtiganef d«
Satzes hoc est — quaeritur^ die A. im krit. Anhang ausspricht*
nicht berechtigt, mögen auch 'die Bhythmen dadurch schlechter
werden'. — § 107 ist im Kommentar vor der Note zu Mieti
die Bezeichnung § 107 ausgefallen. — § 185 zu «^ m «ote«
beatum ptUet, wo beatue das äußere Glück bezeichnet, wira es
wohl recht passend, auf eine oder die andere Stelle hinzuweiten,
wo auch beatus bedeutet 'begütert, mit Glücksgütern geeegnd*.
wie homines non beatiasimoa Nep. Ages. 8, hi dum aedißcBi^
tamquatn beati Cic. Cat. U 20, qui tarn beati quam isU is<
non 8umu8 Cic. Verr. IV 126, beata uxor Hör. Ep. I 2, 144.
— § 141 nimmt zwar A. die Konjektur experrecta für ezpMa
der Hss. in den Text auf, vermutet jedoch im krit. Anhang, e« w
vielmehr ex ciiata zu lesen, wozu experrecta „Glossem** geweseo w*
Nicht ganz klar. A. will wohl sagen, daG experrecta sich in den
Text eingeschlichen habe und später zu expedata verderbt wordea
sei; denn experrecta ist ja gar nicht überliefert. Ein etwas Iwb*
plizierter Weg, wie man sieht. Auch verwehrt uns hier wieder d»
kritische Methode, das bequeme und sehr gebräuchliche sxeitii^
als das Ursprüngliche und als die Quelle der Korruptel in den Hsi-
expectata anzusehen. Angelius^ experrecta aber ist eine gl&oifndi
Emendation, die aach paläographisch sehr nahe liegt. Durch Ab-
irren des Auges von dem einen e zum nächsten entstand ans ex-
perrecta zunächst expectay woraus dann natürlich expectata p-
macht wurde. — § 146 omnia aua praeter aniwtam tradidä
C. Bwrdt, Die SannoMii det Q. Horatiu Flaceu» uig« t. F. Hmma. 915
Volg.» aaeh Ammoii im TezI» doch im krit. Anbaiig meint «r, 4aA
Tielleiebt doch das bMser beseafte propttr amiwiam titfsinaigar
aai. Allein iAr prad$r eprieht mit aller Bnteehiedenheit der Um-
atand, dafi Cicero wiederholt den Gedanken ansapriebti der An-
geklagte habe ana seinem reiehen Beeitae nichts ala das nackte
Laben gerettet.
Meine eingehende Besprechung sollte, wie bereits bemerkt,
das lebhafte Interesse an der Ausgabe Ammons beknnden» die hiemit
nochmals als eine grflndiche Arbeit der Beachtung der Fachgenossen
empfohlen sei.
Wien. Alois Kornitzer.
Die Sermonen des Q. Horatias Flaecas, deutsch Ton G. Bardt.
Dritte Termehrte Auflage. Berlin 1907, Weidmann. YIIl und 258 SS. 8^.
Pieis 4 Mk.
Da die 2. Aufl. dieses Werkes in dieser Zeitschrift (1901,
S. 608 ff.) bereits ausfflhriich gewdrdigt worden ist, so dürfte es
nunmehr genügen, die Veränderungen gegenüber jener Auflage kurz
zn beleuchten.
Die neue Ausgabe ist bereichert worden durch Hinsufügung
▼on drei Satiren (I 2, 7; II 7), so daß wir nur noch Sat. I 8;
n 4, 8 vermissen. Diese zeigen dieselben Vorzüge der Feinheit
und Glätte der Sprache wie der alte Stamm, dieselbe Freiheit in
der Umgestaltung antiker Verhftltnisse, sobald sie dem modernen
Leser nicht Terst&ndlich und nicht forderlich erscheinen. Daher
werden Namen wie Cerinthus (I 2, 81) einfach beiseite gelassen,
Uta et Egeria (126) werden zu den „schönsten Namen aus dem
Chor der Musen**, Fabiua (134) wird durch die Stoa ersetzt; die
Weinbergneckerei (I 7, 28 ff.) Terwandelt sich in die Neckereien
homerischer Helden Tor dem Kampfe, statt der Gemftlde des Pausias
bewundert der Sklave Apelles* Bilder (II 7, 95).
Nur wenige Sermonen sind ganz frei von Veränderungen,
bezw. Ton Verbesserungen geblieben, die meisten lassen die nach-
bessernde Hand des Übersetzers merken. So ist überall die neue
Beohtscbreibuog durchgeführt — Seh weis (S. 150) ist wohl nur
ein Druckfehler — , Versehen der 2. Aufl. werden möglichst getilgt,
ao 8. 24 jetzt „ungeschrieben** (st. umgeschrieben), S. 141 „Aus
bester Quelle sei mir (st. ihm) das bekannt**, 144 „Ihm sagt das
Fnßzeng, das ihm ward, nicht zu^ (st. „Ihm sagt das ihm ge-
fallene Loa nicht zu**), 178 „Sich an den (st. dem) Duft gewöhnen**.
Keine Verbesserung scheint mir S. 88 zu sein „Tor Servius'
ahnungslosem Regiment** (st. ahnenlos der 2. Aufl.), S. 164 «den
himmlischen** (st. Himmlischen). Ebenso möchte ich der früheren
Fassung ? on Sat I 5, 77 (S. 86) den Vorzug geben, wo das „ihnen**
sich an das unmittelbar yorhergebende „Berge** glatter anschloß.
58*
916 X. Mdceari, De OTidii Metamorphoseon dieticliii, uig. t. J. OoOifig.
Eine schwache Seite der ObersetziiDg hiidet der ftbermUige
Gebrauch der Fremdwörter. Manche Fremdiinge, wie Hakük,
MedisaDce, Differenz ließen sich ohne merklichen Schaden dnrch
„Schwindsncht, L&etemng, Unterschied" ersetzen. Wörter wie „ans-
probieren'' (S. 170), ,,abkonterfeien'< (S. 222), „hinspaziaren«
(S. 199) wirken für Ang und Ohr nnschön. Schlecht klingt
„flchlechsten'' (S. 145).
An Dmckverseben sind mir aufgefallen: 8. 12 Seile statt
Seide, S. 101 Stadt st. Statt, S. 107 ApoUes et. Apellea, 8. 196
profitiert st. profitiere, S. 220 weißt st. weiß, S; 241 das at. daß.
— Im „Begister der Namen ** ist die alphabetische Reihe (d«-
Namen) auf S. 257 strenger einzuhalten.
Duppau. Franz Hanna.
Maccari L., De Ovidii Metamorphoseon diatichis. Senae luüae
ex officina S. Bernardini» MCMVIl. 24 88. gr.-8^.
Um sofort den befremdenden Titel yorliegender Abhandlung
zu erkl&ren, so sucht der Verf. die Frage zu beantworten, warum
Ovid, der sich in seinen übrigen Dichtungen des elegischen Vers-
maßes bediente, in den Metamorphosen den Hexameter wählte, Tor
allem aber nachzuweisen« daß Otid auch in dieser Dichtung den
elegischen Dichter nicht yerleugnete. Nach Orids eigenem Urteil
gehören die Metamorphosen gar nicht zur epischen Dichtung, aie
sind vielmehr inhaltlich enge mit den FclbH verwandt, denen sie
auch der Abfassungszeit nach nahe stehen. Ist es, so fragt M.,
nicht nahezu ausgeschlossen, daß dem Dichter vcn vornherein for
beide Dichtungen verschiedene Versmaße vorschwebten? JedenfaUs
hatte, wie M. meint, Ovid anfangs die Absicht, nach Art der
Alexandriner die alten Mythen über Verwandlungen in "elegischem
Maße zu bearbeiten, wie er es mit einem ganz ähnlichen Stoffe in
den Fasten getan hat: aber mochte ihn der große Umfang der
Dichtung oder der Vorgang griechischer Dichter, die daa heroieehe
Versmaß für elegischen Stoff verwendeten, vielleicht auch das
Streben, sich durch die Neuerung interessant zu machen, bewogea
haben, kurzum, er sei von seinem ursprünglichen Plane abgegangen.
Allein sowohl der Stoff, für den sich der Hexameter wenig eigne,
als auch Ovids Veranlagung hätten dem Dichter nicht gestattet,
sich von einer Versart vollständig frei zu machen, die ihm seit
jeher vertraut gewesen und die ihn gezwungen, die einzelnen Ge-
danken auf enge Qrenzen zu beschränken : wider Wissen und Willen
stelle sich bei Ovid auch in den Metamorphosen immer und immer
wieder das Bestreben ein, mit je einem Verspaare einen Gedanken
abzuschließen, was dem epischen Gebrauche des Hexameters wider-
spreche.
J. W, Nagl, Mathe Einleitang in das Nibelangonliod, ang. t. A, Bemt. 917
M. unterBcbeidet fünf Arten T«n Versyerbindangen» die an
die elegische Darstellongsweiee erinnern. Er findet unter den
11.959 Versen der Metamorphosen zunächst 2250 Verspaare, deren
jedes nach Art der elegischen Distichen einen abgeschlossenen
Gedanken enth&it. In der erdrückenden Mehrheit der Fälle tritt im
zweiten Hexameter die Penthemimeres ein, eine Tatsache, die M.
als besonders beachtenswertes Merkmal ovidischer Manier ansieht,
n 170 folgen vier solcher Verspaare aufeinander. — Verbindungen
Ton vier Versen finden sich 485 ; sie lassen sich leicht auf je
zwei 'Disticha' zurückführen. Vgl. IV 740—743, XI 190—198.
— Sechs zusammengehörige Verse, d. i. Je drei ^Disticha'« kommen
108 vor. So IV 47 — 52. — Verbindungen zu drei Versen, wovon
einer dem ^Distichon' zur Vervollst&ndigung des Gedankens voran-
geht oder nachfolgt, sind 2160. So V 805 ff., V 815 ff. — Ver-
bindungen zu drei Versen, worin ebenso der erste mit dem zweiten
wie der zweite mit dem dritten Verse ein 'Distichon* ergeben
könnte, zählen 177. So VI 879 ff., IX 885 ff. — Außerhalb dieser
fünf Arten von Versgruppen stehen 2596 Verse, d. i. 21 $|^. Wo
sich solche Versreihen, die des elegischen Charakters entbehren,
finden, dort glaubt M. meistenteils auch den Grund für ihre Ver-
wendung nachweisen zu können. Es sind Stellen wie III 181 —
137 (rhetorisch gehoben), I 880 ff. (epischer Zug), II 367—872
(den Übergang vermittelnd), XI 714—780 (dramatische Bewegung)
und XV 296-806 (Beschreibung). Am Schlüsse p. 17—24 sind
80 ziemlich s&mtliche Verse der Metamorphosen nach den vor-
stehenden Gesichtspunkten geordnet.
Wenn M. zugibt, daß sich die von ihm beobachtete Erschei-
nung auch bei anderen hexametrischen Dichtern findet, so wftren
nähere Angaben über deren Umfang namentlich bei den eigentlichen
Epikern von entscheidender Wichtigkeit für die Beurteilung von M.s
Hypothese. Der Verf. gedenkt zwar das Versäumte nachzuholen,
sobald er die Urteile über seine derzeitige Arbeit gehört hat; allein
diese Urteile können ohne Einsichtnahme in das zur Vergleichung
heranzuziehende Material nicht zutreffend sein. Warten wir also ab I
Wien. J. Golling.
Richard von Muths Einleitung in das Nibelungenlied. Zweite
Auflage. Heraasgegeben mit des Verfassen Nachträgen und mit lite-
rarischen Nachweisen bis zur Gef^enwart von J. W. Nagl. Paderborn,
Ferd. Schöningh 1907. X und 501 SS. Preis 8 Mark.
Theodor Abeling, Das Nibelungenlied und seine Literatur.
Eine Bibliographie und vier AbhandiangeD. Leipzig, Avenarias 1907.
(„Tentonia.** Arbeiten sar germanischen Philologie, herausgegeben
von W. Uhl, 7. Heft) VI und 257 äS. Preis 8 Mark.
Man fragt sich, welchen Zweck eine Neuauflage von Muths
Buch, das im Jahre 1877, als der Kampf um die Lacbmannsche
918 J. TT. Nagl, Matht Einleitnog in das Nibolim^Dlied, ng. t. ä. BenU
Liedertbeorie noeh heftig tobte, seine Beetimmimg als teiDp«rm-
mentvollste Vertretung Laehmanns erfüllen mochte, hente nach
einem Meneehenalter haben soll, wo kaum ein Fachmann naahr
gana aof dem Boden Lachmanns steht nnd wo s. B. die elnug«
Abhandlang von A. Hensler, Lied nnd Epos in germanischer Sa^e
nnd Dichtung, 1905, die Unmöglichkeit einer Addition Ton Binxel*
liedern im Nibelungenliede klar erweist. Mnths Bnch hat auch als
Einführung in das Lied seinen Zweck erfüllt, nnd wer den Stand
der Frage in den Siebzigeijahren kennen lernen will, wird aleh
Muths Arbeit und seine anderen Schriften tu den Nibelungen ans
jenen Jahren unschwer Terschaffen kOnnen.
Nagl gibt nun einen ToUstündigen Abdruck des Buches, ohne
Muths Arbeit zu Andern; kleinere Zusfttze und Anmerkungen, wie
S. 228, 248, 249, 267, 288, 815, 409 sind nicht viel mehr als
gelegentliche Notizen. Nun hat Nagl auch selbstindige Arbeit ge-
leistet, indem er die Bibliographie Muths bis auf die letzte Zeit
fortführt und so wenigstens die Einleitung in das Lied nach dieaar
Seite erfreulich ergänzt. Aber auch da entt&uscht uns der Yeif.,
indem er selbst zugesteht, alles ausgeschlossen zu haben, waa die
Nibelungensage oder Dichtung nur beiläufig berührt oder nur po-
puläre Zwecke verfolgt, ebenso die von anderen angeführten Schriltan,
die ihm nicht zugänglich waren. Prüft man darum die Bücher-
listen auf die Erscheinungen mehrerer Jahre, so zeigen sich recht
unerfreuliche Lücken ; so fehlen aus dem Jahre 1892 die Arbeiten
von Fuhr, Meblis, Olrik, Ten Brink — wenn Biegers Schulausgabe
1904 erwähnt ist, sollten auch die verbreiteten von Bötticher und
Kinzel, sowie von Legerlotz und von Golther aus dem Jahre 1892
und Stöckel vom Jahre 1895 nicht übergangen werden. — Aus
dem Jahre 1898 fehlt Schmedes und Spiller, aus 1894 Devantier,
Golther, Landmann (Zur neuesten Nibelungen-Literatur), Wossidlo;
aus 1895 Brenner, Fr. Sander, aus 1896 Freytag und Kamp; aus
1897 Bugge, Carlyle, Holdermann, Meblis, Mogk, Sarrazin, und
so ließen sich die Reihen fortführen. Einzelne der hier vermißten
Arbeiten, wie die von Freytag und Kamp, sind allerdingfs in den
Anmerkungen zu S. 484 — 487 zitiert; im ganzen aber kann die
Bibliographie keinen bescheidenen Anspruch auf Vollständigkeit
machen. Nun verweist der Herausgeber auf die Jahresberichte über
die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen Philologie;
aber wer diese zur Hand bat, bedarf kaum der Nachträge Nagls.
Nun würde man begreiflich finden, daß der Verf. nur jene firscüei-
nungen zur Nibelungendichtung anführte, die die Frage entschei-
dend weiterführten, und im übrigen auf die Jahresberichte ver-
wiese. Aber auch dieses Prinzip ist nicht festgehalten, denn man
findet in seinem Verzeichnisse für die Forschung wertlose Arbeiten
aufgenommen, wie die Arbeiten von Birch, Burghold, Glaassea,
Bekerth, PepOck, Schliep, Stein u. a. So ist es bedauerlich, daß
der Verfasser und der Verleger so viel Mühe auf den Neudruck
eines so wenig zeitgemäßen Buches verwendet hat.
Th. Abdmg, Dm Nibolnogenlied nod leiae Litexmtnr» uig. t. A. Bemt 919
Von viel höherem Werte ffir die NibeliugeDforschimg ist das
Boeh Abelings. Es beginnt mit einer Bibliographie des Nibe-
lungenliedes Tom Jahre 1756 bis snm Jahre 1905, die, naeh
Jahren geordnet, in 1272Nnmmem die weitaus yollst&ndigste Über-
sieht Aber die Nibelnngenforschnng gibt nnd jedem künftigen Be-
arbeiter der Nibelungen nnentbehrlieh sein dflrfte. Schon dieser
Teil beweist die Existenzbereehtignng des Bncbes. Die Biblio-
graphie des Bnehes ist höebst sorgfältig gearbeitet, einige Dmek-
fehler sind allerdings nnterlanfen , so steht 1020 nnd 1069 Bad-
atfibner statt Badstfiber, 1096 mitteldeatseh st mittelhochdentsch.
Aber anch die beigegebenen Abbandinngen sind von Wert Die
erste betrifft die Handschriften des Nibelnngenliedes nnd ihre Ge-
schichte. Hier wird breit referierend das interessante Kapitel Ton
der Entdeckung des Liedes dnrch Obereit nnd Bodmer, das Lied
im Mittelalter, die ersten Dmcke nnd die weitere Geschichte bis
zum Bosenheimer Fnnde im Jahre 1902 vorgeffthrt; dann folgt
eine sehr branchbare nnd alles Tsrwertende Beschreibung der
Handschriften. — Der folgende IE. Teil über die historischen
Grundlagen des Liedes ist der sohw&chste des Buches. Der Verf.
leigt sich hier nicht so bedächtig, als es bei dem schwierigen
Stoffe geraten erscheint Ohne die bisher aufgestellten Ansichten
in besprechen und zu widerlegen, ja meist ohne sie zu erwähnen,
geht er eklektisch vor und neue Hypothesen an schon bekannte
anknüpfend, sucht er alle Sagenzüge aus der fränkisch -burgun-
disehen Geschichte zu erklären nnd doch wird sich kaum jemals
•ine TöUig einwandfreie Aufteilung der historischen Motive Tor-
nehmen lassen, schon deshalb, weil alle unsere Berichte über jene
Zeiten lückenhaft und zudem einseitig sind. Abeling schließt sich,
wie es scheint, aber auch nicht Tüllig, an Symons und Sarrazins
Arbeiten an. Die von Golther aufgestellte und Ton Symons be-
kämpfte Theorie der Liederwandemng Ton Südfrankreich über
Irland nach Island nimmt er ebenfalls an. Die Zusammenstellung
der Drachenkampfsage mit dem Beowulfliede verdankt er wohl
Heinzel und Mogk. Den neuesten Ausdeutungen auf rein märchen-
hafte Motive — Mogk, Panzer, Beer — scheint er nicht viel Ge-
wicht beizulegen. Daß er historischen Ereignissen den Haupt-
aoteil an der Bildung des Heldensage zuschreibt, ist gewiß be-
rechtigt, wenn man annimmt, was schon Müllenhoff zugegebM hat,
daß sie sich mit märchenhaften Motiven weitergebildet haben
künneii. In der Ausdeutung auf bestimmte Ereignisse der fränkisch-
Imrgnndischen Geschichte geht aber der Verf. überall zu weit und
die Sicherheit, mit der er die Herleitung vornimmt, wird keinen
Beüall finden. Was Abeling bringt, sind eben nur Vermutungen,
im besten Falle Möglichkeiten. Die Sage aber in ihrer ganzen
Verknüpfung zu erklären, wird gar nicht versucht. Die Thidreks-
saga und die Wolsungasaga gelten ihm als vOllig wertlose Bomane.
Nach der Seite der Eddalieder geht ihm offenbar die notwendige
920 Th. Äbeling, Dm Nibelosgenlied osd Mine läteratar» ang. t. ä. BenU.
Kenntnis der Terwickelteo Fragen ab. Die Sagenentwi^iing wird
in eine fränkische , eine deutsche nnd eine nordische eingeteilt.
Unter ersterer fersteht er die historischen Ereignisse mit ihrem
Niederschlag in der Sage, nnter der nordischen die Lieder tod
Helgi, von SinfiOtli nnd von Signrd; Oeschichte nnd Inhalt der
deutschen Sage l&ßt er im Ungewissen; seine weitere Besprechung
der Sache setzt mit der fraglichen Nibelungendichtung des X. und
XI. Jahrhunderts ein. Eingeschoben sind ausgreifende und dem
Fachmann wohlbekannte Berichte aber das Volk der Hunnen und
über Attila mit dem oft gedruckten Berichte des Priskus — der
in diesem Berichte am Hofe Attilas auftretende Edeko» Ffirsi der
Skiren, ist dem Verf. der sagenberühmte Bfidiger tou Bechlam!
Auch sonst ist Abeling kombinationsfreudig. Der in der deutsehen
Sage Tielerwfthnte Ermenrich ist nicht der Gotenkönig Ermannrich,
sondern eine Übersetzung yon lateinisch Augustus, also der Be-
herrscher der Römer, der sonach leicht auch die Bolle des Otacher
im Hildebrandsliede einnehmen konnte! Der Erwägung wert scheint
mir die übrigens von Sarrazin zuerst genauer begründete Zasam-
menstellung Brunhilds mit der Westgotin Brunihildis, der Gemahlin
des 575 ermordeten Sigibert, welche 618 nach dem Tode ihres
Enkels, des frünkischen Königs Theuderich n., in Worms die Be-
gierung führt. Abeling nimmt damit auch die tou Heinzel und
Golther yerfochtene Zweiteilung Brünbild - Sigrdrifa auf. — Der
IV. Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der Gestalt und dem
Umfang des deutschen Nibelungenliedes. Er wird mit einem hüb-
schen Überblick über die Lachmannsche Liedertheorie und ihre
Gegner eingeleitet. Der Verf. b< mit Holtzmann die Handschrift C
für die beste, zollt aber den Untersuchungen von Bartsch über die
Handschriften alles Lob. Ganz neu ist dabei Abelings Einteilung
der überlieferten Handschriften in zwei rheinische (C + BA)^ eine
Donaugruppe (Z>) und eine Etschgrnppe (Jd), Als Kriterium ver-
wertet er dabei die Aventiureneinteilung und kommt zum Schlüsse,
daß der Originaltext 86 Aventiuren enthalten habe. Die Niederschrift
und Erweiterung der vorhandenen Handschriften möchte er der An*
regong zuschreiben , die Wolfram durch seine Erwähnung des
Liedes im Parzival gegeben hat. Abeling h<, zum Teil im An-
schluß an Holtzmann, an der Nibelungendicbtung eines Fahrenden
zwischen 971->991 in einer Vorstufe der Nibelungenstrophe fest;
fOr die Abfassung in der Diözese Passau sprechen neben den An-
gaben der Klage auch die örtlichen Beziehungen im Liede (Zamcke).
Um 1140 nnd ein zweitesmal vor 1190 sei sie überarbeitet und
nach 1190 in verschiedenen Fassungen redigiert worden. Abeling
gibt S. 241 der Überzeugung Ausdruck, daß seine Meinung über
die ursprüngliche Gestalt der Dichtung und die Überlieferung des
Liedes „keinen Best übrig lasse** und darum „die historische Wahr-
heit widerspiegle*'. Man sieht, daß auch in diesem Abschnitte Hypo-
thesen eine große Bolle spielen. — Der V. Abschnitt gibt eine
Th, MaUhiiiSf Sprachlebeo und äpradaicb&deQ^ ^ng. r* F. DoUmayr. 021
I
kürzt &stbfltlBCbe Wärdigru^^ des Lladee. Eine höchst wtllkoismeii«
Beigabe eDtbält das BQcb in dem Aubange, der die verechledeBen
BtzticbiiQDgeii der Haadscbrilten» die Jabr« ihres Bekaoutwerdene,
die FuDdorte aod Anfbiwabrongsorte^ die Gruppierang der Hand-
schrifteD QDd die Übersichtliehe ZueammeD&tellQDg der durch Frag-
meDte öberlieferteo Partien deg Liedes enthält; auch Seitenzabl und
Format dieser Fragmeate; sowie die Lacken der TollgtätidigeQ Haod-
Schriften sind zusammengestellt* Ein sehr erwönscfatea Äutoreii-
regißter zur Bibliographie scb ließt daa durch den Fleiß nod die
Tieleeitigkeit des Herausgebers hervorragende, aber dnrcb einzelne
Teile in seinem Werte beeinträchtigte Bich. (S. 20^ stebt als stö-
render Druckfehler das Todesjahr Theodericbs des Großen mit 524
angegeben.)
Leitmeritz.
Aloia Bernt.
I
I
$pracbleben und Sprachschaden* Ein Fohter darcb die Schwan-
kuogen und Schwierigkeiteu d^s d^utachen Spracbgebr^ucba. Von
Fraf Dr. Theodor Matthias« 3« ferb^iserte und Termebrte Anflage.
Lmpiig 1906,
Die Netianflage des bekannten Buches ^on Matthias wird
Ton Tielen freandlicb begrüGt werden. Es war schon in seiner
2. Anfl. %m Terlißücher Fnbrer bei grammatischen and syntak*
tischen Zweifeln nnd bleibt dies auch in der dritten, in welcher
M. alle neuen Arbeiten auf diesem Gebiete sorgfältig verwertete,
Ea sind deren seit 1697 nicht wenige beran^usiehen gewesen und
mit besonderem Nutzen die einschlägigen Öntersuchnngen Bebagbeis
benutzt worden* Die Einteilung des Stoffes blieb die ajte, iß der
allgemeinen Anordnung sowohl (Wortbildung § 1—45; Wortbeugnng
i 46—128; Wortfügung § 129—217; Satifügung § 218-408)
wie aneb in den einzelnen Unterabteilungen. Ohne Eestbe&tinde
freilich ging auch dieamal daa Material, das M> yor legen will, in
den großen vier Gruppen nicht auf, daher er als Anbang ^Einiges
Ton der Sauberkeit , Einfachheit und Wahrheit der Darstellung^
nachträgt (§ 4Q9 — 421). Die Bedingungen, unter denen ein Unter-
oibmen wie vorliegendes für weite Kreise fruchtbringend wird, sind
doxtbaus nicht einfach. Schon die Abgrenzung des StofgebieteSf
die EntscbeidtiTig, was Aufnahme zu ünden bat und was der
Grammatik anzuweisen ist« bleibt vielfach dem aubjebtiven Ermessen
üherlasseut da naturgemäß für den einen Schwierigkeiten entstehen,
die der andere auf Grund sicherer Kenntnis oder besseren Spraeh-
gefdbls nicht empindet. Man muß M. volle Anerkennung zoUen
für das Geschick, mit dem er seinen Stoff umgrenzt und Schwan-
kungen in der Sprache sowie Doppelformen erklärt und auch dem
großen Kreis jener Leser verständlich macht, bei denen er Kenntnis
älterer Sprachstufen nicht voraussetzen darf« Wie schwierig 2. B,
922 Th. Matthias, Spraehleben aod Spraehwhftdea, uig. t. ,F. DaOmafr.
siDd schon die heutigen ümlantBTM'hftltDisse Tom rein nhd. Stand-
punkt zn erklären. Sie sind von M. sehr nmsiebtig dargelegt
worden. Gntgew&hlte Beispiele alter nnd jnnger Znsammensetzimgeii
mit, bezw. ohne umlaute zeigen seine lebendige Wirksamkeit in
älterer Zeit, sein Außerkrafttreten als Lautgesetz in neuerer Zeit,
wobei die yielfach sieh kreuzenden Ausgleichungen und Analogie-
bildungen auch berflcksichtigt werden und in einzelnen BeispleUn
angemerkt sind. Ebenso yerständlich und glflcklioh ist z. B. das
Nebeneinander starker nnd schwacher Verbalformen {v$rderben, wer-
derbte *— verdarb; erschrecken, erschreckte — ers^rak usw.) v-
klärt und ihr heutiger Geltungsbereich abgegrenzt. Der allgemalDe
Standpunkt M.s ist kein engherzig kritisierender, sondern dar des
feinffihligen Forschers, der altes Sprachgut in isolierten Formen
als berechtigt anerkennt nnd erhalten wissen will, aber auch Nen-
schöpfungen duldet und billigt, sofern sich Analogien für sie finden
und sie sich praktisch branchbar erweisen. Ganz selten verwirft
er eine Form oder einen Gebrauch, der sich bereits einbürgerte
und manchen berechtigt erschien, wie z. B. Teuerung neben Teu-
rung, Steuerung neben Steurung oder du fliehst, du fiehsi neben
fliehtest, flehtest.
Vermissen werden manche, die sich über einzelne Lautgesetze
unterrichten wollen, Verweisungen auf die entsprechenden Abschnitte,
in denen sie besprochen werden. So z. B. über Umlaut, der nicht
nur bei Wortableitung zur Besprechung kommt, sondern anch in
der Pluralbildung von Substantiven, in der Deklination und Kon-
jugation. £s läßt sich hier nicht entgegnen, daß M*s Bach als
Nachschlagebuch eine engere Beziehung der einzelnen Paragrapbe
zueinander gar nicht anzustreben braucht. Denn gerade das Register
läßt empfindlich im Stiebe und genügt durchaus nicht, da ea kein
eigentliches Sachregister ist, sondern nur eine alphabetisch geord-
nete Auswahl der im Buche gebotenen Beispiele. Es fehlen fast
durchaus die allgemeinen Lemmen wie „Flexion**, „Kongmenz'',
^ Akzent ** usw., so daß z. B. jener, der wissen will, ob Kragm
im Plural umlautet oder nicht, ziemlich mühsam herumblättart, da
er weder rückwärts im Inhaltsverzeichnis noch vorne in der kurz
gehaltenen Übersicht das Wort „Umlaut*" findet, aber auch das
fragliche Wort selbst im Index vermißt, trotzdem es von M. als
Beispisl schwankender Umlautsbezeichnung genannt wird. Eben
solchen Schwierigkeiten begegnet er, wenn er sich über das -s der
Eompositionsfuge unterrichten will und in hundert anderen Fällen.
Bei längerem Benützen des Buches freilich wird die grammatisch-
sachliche Anordnung meist bald den Nachschlagenden die Bichtang
geben, wo zu suchen sei, doch nicht immer. Wie möchte man
z. B. hinter dem Kapitel Ober den „vielfach zusammengesetzten
Satz** unter dem Lemma „Wiederholungen nnd Überfülle im Aus-
druck*' die mißbräuchliche Verwendung der Partizipia (wie: J[>er
Ertrunkene kämpfte lange mit flnanziellen Schwierigkeiten** n. dgl.)
A. SidUy ScMTOO, Po^Biet diTenM, uig. t. J, Frank. 923
TermnteD? Ein peinlich genau gearbeitetet Sach« and ein toU-
atiadigee Beiepielregister find darnm dringend zu wünecben.
Trotz dieaee Mangels etehe ich nicht an, zn erkl&ren, daß
daa Bach allen Lehrern wertvolle Dienate leisten wird ond gewiß
anch in weiteren Ereiaen Frennde findet schon dämm, weil fiberall
zwischen den Weisongen and Vorschriften der frendige Stolz des
Antors Aber die Geschmeidigkeit ond fein abstnfende Ansdracks-
Bifiglichkeit der Mattersprache heryorleachtet, der mit der andfich-
tigen Liebe eines Jakob Grimm dem Walten des Sprachgeistes
nachforscht and Tsrsteckte Schönheiten and Ffthigkeiten ans
Licht zieht.
Wien. Viktor Dollmayr.
Scarron, Poesies diverses, ~ La Masarinade — Virgile Travesti
— Roman Comiqne. Choiz, Notice biographiqae et bibliograpbiqne
par AlphoDBc Sdcb^. LooIb Michand, Paris 1908.
Paal Scarron wird jederzeit mehr darch seine merkwördigen
Lebensschicksale als darch seine Vorzfige als Dichter interessieren»
denn trotzdem er znm Hanüre du BurUsque proklamiert warde,
iat es doch mehr als fraglich (was Herrn S^cb6 entgangen za sein
scheint), ob er dieses poetische Genre geschaffen habe. Es ist viel«
mehr mit Becht daranf» hingewiesen worden, daß er nar als Schäler
St. Amanta nnd £6gniers die von diesen beiden bereits eingeffibrte
Manier Callots aaf die Spitze getrieben and mit Sack and Pack
Tom Barlesken zam niedrig Komischen fibergegangen sei. Sc. selbst
hat seinen Wert and seine Bedentang als Poet in richtiger Selbst-
einschfttzang nicht sehr hoch angeschlagen, woffir sich in seinen
Werken zahlreiche Belege erbringen ließen, von denen wir hier
nnr die folgenden anfahren wollen. So heißt es (wir zitieren ans
Bruzzm de la Martinik-e) VII 146:
Que n'itant qu'un tres-humble et peiit poite
Ni setUement ä La samette
oder Vn 96:
Moi divin? je auia moins que hetei
Qtfi de Vhomme me donneroit,
Michement me regaleroit.
Mais 8i mal faite est man ichine
Mal fait est man esprit aussi.
oder vn 200:
Moi^ je n^icris que hagatelles
16t je ne danne que pour teUes
Les vers que fiaris quelques fois.
Daher wird aach jeder Biograph Scs gewieeiB springenden
Punkten seines Lebenslanfes große BeaohtiMjf ■ MMlHt ''*''*'^° *
seuaen Abenteaern als flotter Abbe,
924 Ä. SicM, Scarron, Po^nee diyenet, ang. y. J. Hukk.
und den dagegien angewandten grotesken Enren, seiner Teilnahme
an der Fronde, seiner beabsichtigten überseeischen Beise und seinen
Eolonialprojekten, seiner Eheschließnng mit Fran^oise cTAubigni
(der spftteren Mme de Maintenan), den Terzweif elten Yerrachen,
seine ewig zerrütteten Finanzen durch Gründung ton aUerhand
seltsamen, problematischen Aktiengesellschaften m sanieren osw.
Man kann nicht eben behaupten, daß sich BMk€ die Sache allzu
schwer gemacht habe; er hat das vor kurzem erschienene treffliehe
Buch J^mile Magnets mit einer nicht zu unterschitzenden Fixigkeit
exzerpiert und sich um die übrige Literatur sichtlich so gut wie
gar nicht gekümmert.
Wir wollen dies an einem Beispiele zeigen: La Beaumdie
gibt n&mlicb als romantische Ursache der für die ganze Zukunft
Scanons so verh&ngnisyollen Erkrankung ein im Winter im Huisne-
flnsse unfreiwillig genommenes kaltes Bad an, zu dem derselbe
infolge eines Eameyalulks gedr&ngt wurde. Diese Erz&hlung stieß
schon frühzeitig auf yielseitigen Unglauben und ist als ^eonU de
Beaumelle"* stigmatisiert worden. Chardon, wohl der yerdienst-
yoUste und bedeutendste Scarronforscher (sein vor kurzem erschie-
nenes zweibändiges Werk ist eine wahre Fundgrube neuer Ergeb-
nisse) hat gegen die ^cante de Beaumeüe* die wichtigsten Bedenken
yorgebracht. Er machte geltend, daß die zeitgenössischen Schrift-
steller yon der bei Beaumelle berichteten Maskerade See und dem
kalten Bade kein Sterbenswörtchen erwähnen und daß besonders
Cyrano und Taüemant berichten, ein liederliches Vorleben und die
Benützung eines drastischen yerderblichen Medikaments haben See
Erankheit unheilbar gemacht. Er betont weiter, daß auch der
Autor der Vie de Costar, OirauU, der Sc. in Le Mane wiederholt
besuchte, nichts yon einer Maskerade und einem kalten Bade be-
richtet, sondern nur, daß sich Sc. einmal, nachdem er yon einem
fieberhaften, sehr schmerzlichen Bheumatismus beinahe hergestellt
war, auf einen Stock gestützt in die Eirche St- Jean en Grhx be-
geben und daselbst den Arzt La Mesnardih'e angetroffen habe,
der ihm eine Arznei yerscbrieb, die ihn unheilbar krank machte.
Chardon weist auch darauf hin, daß die allerdings unyoUstftndigen
Begister des Eapitels yon Le Mane (das yon 1687 fehlt ganz)
yon der „conte de Beaumelle** nichts mitteilen. Noch schlagender
aber ist sein Argument, daß, wenn Sc. wirklich das yon La Beau-
melle Erz&hlte widerfahren w&re, er sicherlich nicht Ragotin im
y,Roman cornique*" in eine ganz ähnliche Situation yersetzt hätte.
Erst 1755 tischt uns La Beaumelle „der Erzlügner^, der auch
die Geschichte der Frau yon Maintenon arg entstellt und gefälscht
haben soll, seine Neuigkeiten auf. Der Umstand, daß eine Brücke
in Maine lange Zeit ^le pont de Scarrcn*" hieß, beweist für die
Wahrheit der Erzählung ebensowenig als die Existenz der Tell-
stataen, Teilplatten usw. für' die Geschichtlichkeit der Person Teils.
Es spricht yielmebr alles dafür, daß La Beaumelle seine übrigens
A. Siehi, Scattod, Po^ties divenei, uig. t. J. Frank. 925
sehr g^t erfundene Legende dem Roman Comique entnommen habe»
nm Sc. von dem yieWerbreiteten Verdaebte zn reinigen, seine
Krankheit wftre eine galante tnaladU de gar^on gewesen. Es sei
nech erwähnt, daß Ghardon (dessen Stndien Aber die Krankheits-
U'saehe Scs wir hier nnr in den fiachtigsten Umrissen wiedergegeben
haben) auch nicht geneigt ist, an den plötzlichen Bnin der Ge-
snndheit Scs durch die Pillen La Meanardürea zu glauben, da
sonst Sc. mit diesem angeblichen Urheber seines Unglücks schwer-
lich bis an sein Lebensende befreundet geblieben wftre und ihn
nicht nur in seinem Testamente yerspottet h&tte. Bemerkenswert
ist noch, daß Sc. hie und da in seinen Gedichten durchschimmern
Iftßt, daß er selbst sein inkurables Leiden als eine Folge arger
Jugendsunden und Verfehlungen in Vener$ und in Baceho ansehe,
80 wenn er z. B. in einem Gedichte an MUe de Hautefart im
J. 1642 sagt:
Four moi je eaia que mes offenses
VetUent de rüdes pinitencee
Et 8% fai des mawc eutsans
J'en ai fait en mes jeunes ans
Qui miritent ce que fendure
Mt meme uns peine plus dure
und in seinen ^Stanees"* ruft er aus:
J'ai trop miriti le tourment que fendure usw.
Es ist aber diese Dinge übrigens noch nicht das letzte Wort
gesprochen; sicherlich aber h&tte S6che die Einwendungen Char-
dons nicht ganz außeracht lassen und sich ohne Jede Verwahrung
Magno anschließen dürfen. Von geringerem Belang sind einige andere
Ungenauigkeiten S^cbös, so, daß Sc. am 4. Juli 1610 geboren worden
sei, w&brend wir nur wissen, daß er an diesem Tage getauft wurde.
— Der Aufenthalt Scs in Born kann keine „irUerrupiian assez
Umgue* seines Lebens in Le Mans gewesen sein, da er kaum vor
Anfang 1684 dahin kam und im Oktober 1685 bereits aus Bom
zurückgekehrt war. Sc. kam übrigens auch nach 1641 noch öfter
nach Mans und hat z. B. noch im J. 1646 sechs Wochen daselbst
▼erweilt, um dem Generalkapitel beizuwohnen, und seine amtlichen
Beziehungen zum Kapitel von Saint-Julien blieben auch fernerhin
noch sehr rege. 1651 ist in den dortigen Begistern das letztemal
▼om „Kanonikus Searron" die Bede. — Sc. kann auch 1641 noch
nicht „immobilisi aur sa chaise** gewesen sein, da er selbst diesen
Zeitpunkt als den glücklichsten seines Lebens bezeichnete. — Sehr
gewagt ist es auch, den Stoizismus zu preisen, mit dem Sc.
seine schweren Leiden ertrug; er selbst hat nie diese Heldenpose
angenommen, sondern er gesteht offenherzig:
Je suis depuis quatre ans atieini d^un fnal hideuXf
Qui tacke de mTdbattre;
J'e
J'en pleure comme un veau, quelquefois comme deux,
Quelquefois comme quatre.
926 EogliBche Lehrbftehor, aag. t. «T« SUinger.
Und aaeh sonst bat er in seinen Werken nnabl&ssig rannund aif
seine Krankheit hingewiesen, wie gewisse Bettler Tor Kirchenpforten
anf ihre schw&renden Gebreste » nm ein Almosen sa eraielen. —
Daß Fran^aise d'ÄubtgnS ihrem Ehegatten daa Leben sn eine»
„vSritable paradis** gemacht habe, ist mindestens übertriebio, da
wir ihn VII 40 klagen hören:
Ma femmt ahrs me laiase en tm danger,
Si'eüe denroit avee min partager,
end 8(m mcinehan et va voir quelqu'amie niw.
Was die Aaswahl betrifft, so darf es auffielen, daß SMM
keine der „NouveUes'* anfnahm. Daß sieh keine Probe ans den
Komödien vorfindet, nberrascht nm so mehr, als Mariiloi nnd
Despois nachgewiesen haben, welch großen Einfluß So. anf die
Entwicklung des französischen Lustspiels genommen habe. Da
hfttten wir noch lieber auf das Stück aus dem VirgiU Travetii
verzichtet, das bei S^ch€ als so rechter Angensand abgedruckt ist
Wien. Josef Frank.
Englische Lehrbücher.
Englische Taschengrammatik des Nötigsten. Von Dr. R. Krön,
Professor. Freibarg (Baden), J. Bielefelds Verlag 1907. (Tischen-
format.) 80 88. 8».
Across the ChanneL A Guide to England and tho Engliah Laagoage,
with Plans of London and its EnTirons, a Map of England and a
Table of the Coioage of Great Britein by H. Alexander tllaj, M. A.
of Dublin University, of the Hanta Education Office, and Oskar
Thiergens» Ph. D., Professor of the Royal Corps of Cadets. Dresden.
— Ober den Kanal. Ein Fflhrer durch England und die engiisebe
Sprache. Mit Plänen Ton London nnd seiner Umgebang, einer Karte
von England nnd einer Mflnttafel. Von H. Alexaeder Ciay, X. A.
der Universität Dublin» Mitglied dee Hampshire ErsiehnngsaaBtas,
und Dr. Oskar Thirgen, Prof. am kgl. Kadettenkorps lu Dresden.
Leipzig-R., Druck and Verlag von E. Haberland 1907. VIII n. 276 8S.
Erons „Taschengrammatik** ist für diejenigen bestimmt»
deren grammatisches Wissen mangels Übung im Lanfe der Zeit
verblaßt ist und die es gerne wieder auffrischen machten, sowie
auch ffir solche, die bei irgend einer Prüfung eine angemeasene
Vertrautheit mit der englischen Formenlehre und Syntax nachu*
weisen haben. Es ist dem Verf. gelungen, auf 75 kleinen Seiten
in klar und bestimmt gefaßten Regeln alles formell oder syn-
taktisch Wichtige aus der englischen Grammatik zusammensn-
tragen. Die Aufstellungen des Verf.s sind Tollkommen einwandfrei;
nur hie und da möchte der Ref. Änderungen oder Znsfttze wflnscben.
S. 32: die Verba dare und need können auch mit dem pr&poei-
tionalen Infiniti? verbunden werden ; S. 52 zu ,,damit nicht" fehlt
EEnglisebe Lehrbtteb«, ang. y. J. EUmger. 927
le$i'f 8. 58 „utUesa (wofern nicht)** gehört nicht zu „ohne daß*;
S* 65 „Die aktive Form (des Infinitive) ist jedoch znlftssig, wenn
sie ein Mißyerstftndnis nicht aufkommen l&ßt, n&mlich nach den
vier Verben to let, to hse, to spare, to blame** (statt „nach* lies
«vor*' 1). Der firsats des Konjunktive dnrcb Modalverba, der S. 64
in zwei Zeilen abgetan wird, b&tte etwas eingehender behandelt
werden können. Sehr nützlich sind die Lieten von nnregelm&ßigen
Verben, ferner von transitiven, von intransitiven, eine Pr&position
regierenden Verben, nnd von Verben mit zwei Objekten. Wünschens-
wert wftren noch Listen von Verben mit einem Akkusativ- nnd einem
Dativobjekte, die a) die Prftpoeition to vor dem Dativ entbehren
können, oder b) die stets den Dativ mit to verlangen.
Das gut gedruckte Büchlein ist zu den oben angegebenen
Zwecken bestens zu empfehlen.
Der Hauptteil des „Führers durch England*" (8. 1—162)
besteht aus englischen Geepr&chen, die nach den Angaben Prof.
Thiergens von dem EnglAnder Alexander Clay verfaßt worden
sind, denen auf jeder Seite die deutsche Obersetznng gegenüber-
steht. Betreffe der Anlage dieser Gespr&che wird angenommen, daß
ein Deutscher mit seiner Frau eine Beise nach England macht, daß
die beiden in einem boarding-houw in London nützliche Bekannt-
schaften schließen und überall, wohin sie kommen, sachkundige
Berater finden. In diese Gespräche sind die neuesten Wendungen
und Anglizismen der Umgangs- und Gelebrteneprache aufgenommen
worden, was besonders Philologen und Studenten interessieren wird.
Diese Anglizismen sind in der Obersetzung durch die entsprechen-
den Germanismen wiedergegeben und beide durch gesperrten Druck
hervorgehoben. Der Inhalt der Gespräche erstreckt sich im L Teile
auf die Ankunft in England, das Nehmen einer Droschke, das Leben
im Gasthause, das Mieten von Zimmern in einem boarding-house,
auf Mahlzeiten, auf Fahrten im Omnibus, auf der unterirdischen
Eisenbahn in der „Zweipennyröhre**, auf Gottesdienst, Sport, Weih-
nachten, Geschftftsieben und Zeitungen; im IL Teile werden alle
Sehenswürdigkeiten Londons besucht und der IIL Teil ist der Um-
gebung Londons, dem Heere, der Marine und den Universitäten
Oxford und Cambridge gewidmet. Der Verf. schreibt im Vorwort,
8. VI, daß das Ganze in lebhaftem Dialog geschrieben ist, „so daß
wir die Szenen wie vor unseren Augen sich abspielen sehen*'.
Dieses Lob können wir aber nur für die Gespräche des ersten
Te.les gelten lassen ; gegen das Ende zu besteht der Dialog meist
aus kurzen Fragen des Max oder der Elsa nnd aus langen beleh-
renden Antworten ihrer englischen Freunde. Dagegen ist ee nur
zu billigen, daß die Gespräche ab und zu durch Briefe unter-
brochen werden, die den Lernenden für ihre eigenen Korrespondenz-
versuche als gute Muster dienen.
An die Gespräche schließen sich noch folgende Behelfe an:
eine „kurzgefaßte Grammatik der englischen Sprache** (S. 168 bis
928 Englitebe Lahrblleher, ang. t. J. Eüinger.
212), „Systematisch geordnete Wortgrnppen nebst Bedensaiten und
Sprichwörtern^ (S. 215 — 222), ein „Wörterverzeichnis mit der Ans-
sprachebezeiehnnngdesWeltlantschriftTereins^ (8.228 — 278), ,»Eng-
lische Münzen"« (S. 276).
Der englische Text, der yon einem gebürtigen Engl&nder
stammt, ist natürlich follkommen korrekt; nor ^naturaüy*^ für ,qf
eourse^ scheint mir eine Nachahmung des deutschen „natürlich''
Zü sein. Auch diei dentsche Übersetzung des englischen Textes ist
tadellos; warum wird „/lAe Housea of Parliament** S. 66 durch „Die
Abgeordnetenhäuser«« übersetzt?
Die „Grammatik*«, die das AUemötigste aus der Laut- und
Formenlehre und aus der Syntax bringt, ist im ganzen einwandfrei.
Ich möchte hier nur einige wenige Ausstellungen machen, die den
Verf.n yielieicht für die zweite Auflage yon Nutzen sein können.
S. 177 „Wenn die Endung mit Vokal anlautet (est, ing, ecQ, so
wird der einfache Endkonsonant der Verben verdoppelt, sobald ein
kurzer und betonter Vokal vorhergeht««. Statt „kurzer«« muß es
„einfacher«« heißen; denn der Stammvokal in spurred ist doch
lang! — S. 184. Als Pr&teritum von to shrink wird nur shrunk
angegeben; häufiger ist ahrank; ebenso ist S. 185 neben spun auch
span zu setzen. — S. 199 „Nur to consider und io regard über-
setzen das deutsche „als«« durch oa««. Dazu ist zu bemerken, daß
to consider sehr hftufig mit doppeltem Akkusativ, also ohne a» ge-
braucht wird. — 8. 203. „Auf ein Pr&sens im Hauptsatze folgt
das Präsens im Nebensatze.«« Diese Begel ist nicht richtig, denn
nach einem Prftsens im Hauptsatze steht im abhängigen Satze das-
jenige Tempus, das stehen müßte, wenn dieser Satz unabhängig
wäre. — Unter den Wörtern, die ebne Artikel stehen, fehlt moit
„die meisten««. — S. 207. In der Easuslehre fehlt eine Begel über
die Setzung oder Weglassung des to vor dem Dativ.
Die 13 „Wortgruppen«« und das deutsch-englische „Wörter-
verzeichnis«« setzen den Schüler in den Stand, eine vergessene Vo-
kabel rasch nachzuschlagen und ersparen ihm so die Mühe, die
zusammenhängenden Stücke nach einem fehlenden Worte zu durch-
suchen. Zu der 12. Gruppe „Toilette und Kleidung«« (8. 219) ist
zu bemerken^ daß „Zylinderhut«« nicht nur siUe-hat, sondern audi
top'hat heißt, ferner daß „Frack«« nicht mit „dreas-wW*, sondern
mit „dresB-coat** übersetzt werden muß.
Der Druck ist korrekt; ich habe nur zwei Druckfehler ge-
funden: S. 11 8oim of the genüeman\ S. 219 Unterjacke ms<«.
Auf der Münztafel sind zu unserem Befremden durchwegs
nur alte Münzen mit dem Bildnisse der Königin Viktoria zu finden.
Jeder, der sich zu einer Beise nach England rüstet, wird
durch den vorliegenden „Sprachführer«« seine praktischen Kenntnisse
des Englischen wesentlich bereichern.
Wien. Dr. Jeh. Bllinger.
Fuchs, Bitterbargen und ritterl. Leben nsw., ang. ?. K. Schiffmann, 929
Dr. Fachs, Ritterburgen und ritterliches Leben in Deutsch-
land. Mit 16 Illastrationen. 167 SS. Berlin, H. Paetel 1907. Preis
geb. 1 Mk. 75 Pf. (Sammlung belehrender üoterhaltangsscbriften fflr
die dentscbe Jagend, in Verbindung mit W. Capelle beransgegeben
ton H. Vollmer. Bd. 23.)
Dieses sauber, ganz wie die Tenbnerscben Schulansgaben
deutscher Klassiken gedruckte Buchlein des federgewandten Verf.s
bietet das Wesentliche über Bitterburgen und ritterliches Leben in
Deutschland, nimmt aber erfreulicherweise — auch in den Abbil-
dungen— auf Österreich ausgiebig Bedacht. Daher kann es unseren
Schälerbibliotheken empfohlen werden, mehr als das zu skizzen-
hafte Göscben-Bftndchen über denselben Gegenstand. Auszustellen
habe icb, von kleineren Dingen abgesehen, daß der Verf. von den
Übersetzungen des 'Helmbrecht' gerade die von M. Oberbreyer
(Beclam) allein anführt (S. 23), als ob es nicht höchste Zeit wftre,
dieses armselige Plagiat der verdienten Vergessenheit anheimfallen
zu lassen. Ferner sind mir die Aasführungren über die mittelalter-
liche Eheschließung unangenehm aufgefallen. Der Verf. schreibt
S. 121: „Man gewöhnte sich immer mehr daran, die gesetzliche
Giltigkeit der Ehe durch die kirchliche Weihe, die fast immer in
den zahlreichen Heiratsscbilderungen der Dichtung aus ritterlicher
Zeit erwähnt wird, allerdings erst nach der Hochzeit, bekr&ftigen
zn lassen. Erst gegen das Ende des Mittelalters geht die kirch-
liche Einsegnung dem Abschluß der Ehe voraus, was durch das
tridentinische Konzil sodann dogmatisch bestimmt wird.^ Das ist
nicht nur unklar, sondern auch unrichtig. Unklar, weil die Hoch-
zeit nicht der Abschluß der Ehe ist, unrichtig deshalb, weil die
kirchliche Einsegnung nicht der vom Konzil von Trient zur
Giltigkeit der Ehe verlangte Faktor ist. Von einem Dogma
kann man überhaupt hier nicht sprechen. Der Verf. wird mir recht
geben, wenn ich es bedenklich finde, angesichts gewisser Bestre-
bnngen den jungen Leuten derartige Vorstellungen beizubringen.
Eine Neuauflage wird das jedenfalls zu berichtigen haben.
Linz. Dr. K. Schiffmann.
Dr. Fritz Machaöek, Die Alpen. Sammlnng: „WieBensehaft and
Bildnng", beraasgeg. von Dr. Paul Herre. Leipzig 1908, Verlag von
Quelle & Meyer.
Die Zahl der populärwissenschaftlichen Sammlangen ist in
steter Zunahme begriffen. Neben Göschen, Teubner, J. J. Weber
n. a. tritt nunmehr der Verlag Quelle & Meyer mit einer neuen
derartigen Sammlung hervor. Und es schadet nicht. Je mehr solcher
Sftoimliingen erscheinen, desto besser f&r die Allgemeinheit, zumal
wenn sie alle, wie wenigstens bisher, bestrebt sind, Gutes zu bieten.
Das schmucke Bftndchen, in dem sich Machaceks „Alpen*' produ-
Z«itMhrift f. d. teterr. Oyian. 1908. X. Heft. 59
930 F, Umlauft, Dentoche Bnndichaa nsw., ang. ▼. B. Imendörffer.
zieren, wird sicherlich bald viele Abnehmer finden, wie seineneit
die M^l^^scherknnde*', die derselbe Autor in der Oöschenschen
Sammlung hat erscheinen lassen. Hier ist auf ebenso gedrängtem
Baume, wie in Siegers gleichnamigem Göschenb&ndcheo, ein nidi
der physikalischen Seite mindestens, yielleicht noch yollst&ndigeroB
Bild dieses Bfickgrates Europas entworfen. Die Gliederung dtt
Stoffes ist in acht Punkten so klar und naturgem&ß, die Darstellung
80 anschaulich, daß das Buchlein namentlich Mittelschfllern dar
oberen Klassen als anregendste geographische Lektfire empfohlen
werden kann. Aber auch der Lehrer, der weniger Gelegenheit bat,
aus eigener Anschauung zu schöpfen oder die einschlägige Literatur
zu verfolgen, findet hier in handlicher Form alle neuesten Ergeb-
nisse der Alpenforschung, zu deren tätigen Mitarbeitern der Yerl
des Büchleins zählt, beisammen. Nicht ganz gerechtfertigt scheint
mir gegenfiber der Göschenschen Sammlung der wesentlich höhere
Preis (1 Mk. 25 Pf. gegen 80 Pf.) des Bändchens. Das Format
ist zwar um weniges größer, der Einband in der Zeichnung moderner,
dafflr aber das Papier wesentlich schlechter, worunter insbesondere
die Bilder, soweit sie Reproduktionen photographischer Aufinahmen
darstellen, zu leiden haben.
Deutsche Bundschaa f&r Geographie und Statistik. Unter Xit-
wirkang von hervorragenden Fachmännern herausgegeben von Prot
Dr. Friedrich Umlauft, Wien.
Die vorliegenden ffinf ersten Hefte des XXX. Jahrganges,
der mit Oktober 1907 begann, stellt sich äußerlich in neuem
Gewände dar, ist sich aber an Gediegenheit und Beichhaltigkeit
des Inhaltes gleich geblieben. Von größeren Aufsätzen seien hier,
ohne Anspruch auf Vollständigkeit, herausgegriffen „Wandern und
Reisen in Neu- Guinea*" von Dr. B. Pöch; „Von Adis Ababa fiber
Assabot nach Dschibuti^ von Fr. J. B leb er; „Die Erforschung der
nordeuropäischen Meere*' von F. Mewius; „Eine neue mexikanische
Eisenbahn*' von B. Zürn; „Das moderne Born** von Dr. A. Clinda
u. V. a. Daß eine Fälle kleinerer Mitteilungen und Notizen, daß
zahlreiche vorzügliche Abbildungen und Karten den reichen Stoff
ergänzen und abrunden, ist kaum mehr nötig, hervorzuheben.
Wien. B. Imendörffer.
Franz Schiffner, Planimetrie. L Teil. Leitfaden für den Unter-
richt in der Geometrie und dem geometrischen Zeichnen in der
IL Elasee an den österreichisohen Bealichnlen und verwandten Lehr-
anitalten. Wien, Frani Deutieke 1907. Preis geh. 90 h, geb. iXSOh.
Das kleine Büchlein ist ein Meisterstück in der didaktisebeo
Behandlung des Lehrstoffes auf dieser Stufe. Von den 51 Seiten
JacolnSchiffner, Lehrbnch der Arithmetik, «Dg. ▼. H, Wehr. 931
entfallen nur 44 anf den eigentlichen UnterrichtsstoflF, S. 45 — 51
enth< ein gewähltes Übungsmaterial. Anknüpfend an den bei dem
Unterrichte in der Formenlehre schon in der I. Klasse erworbenen
Vorrat geometrischer Yorstellnngen werden die geometrischen Gmnd-
begrifife nnnmehr etwas sch&rfer gefaßt nnd die anf der Oberstnfe
einsetzende wissenschaftliche Behandlung des Oegenstandes wird
sachgemäß nnd methodisch richtig vorbereitet. Die äußere Aus-
stattung ist durchaus gut, die Figuren sind deutlich, rein und
nett gezeichnet und recht geeignet, den ästhetischen Sinn des
Schülers zu bilden. Die kurze Anleitung zur Ausffthrung der geo*
metrischen Zeichnungen S. 41 — 43 enthält wertvolle Winke und Be-
merkungen. Die anregenden Übungsaufgaben, teils fdr die Bechnung,
teils für die Konstruktion sind sehr geeignet, die Lust zur Selbst-
tätigkeit zu wecken und zu fördern. Eine beigegebene Fig^rentafel,
einfache geometrische Ornamente darstellend, ist mit Geschmack
ausgeftthrt.
Das ganze Buch muß als ein Torzüglicher Leitfaden be-
zeichnet werden und stellt das methodische Geschick des Verf.s in
ein glänzendes Licht.
Dr. Josef Jacob und Franz Schiffner, Lehrbuch der Arith-
metik für ünterreaUchalen. I. Abteilung. Lehrstoff der L Klaiee.
Wien, Franz Deutieke 1997. Preis gtsh. 1 K 30 h, geb. 1 K 60 h.
Der Lehrstoff der I. Klasse ist in dem Buche in übersicht-
licher, sachlich durchaus einwandfreier Weise dargeboten. Die
Sprache ist klar und gewählt, die begrifflichen Entwicklungen
knüpfen unmittelbar an die Anschauung an. Ein überaus reich-
haltiges Übungsmaterial ist beigegeben, mit dem der Lehrer leicht
das Auslangen finden wird. Sehr verdienstlich ist es, daß die Auf-
f^aben eines jeden Abschnittes teils nach dem Gesichtspunkte der
Schwierigkeit, teils nach der behandelten Materie in Gruppen ge-
teilt sind, wodurch die Übersicht für Schüler und Lehrer sehr er-
leichtert ist. Daß die theoretischen Erklärungen in etwas größerem,
die beigegebenen Übungsaufgaben in kleinerem Druck geh alten sind,
ist ebenfalls zur rascheren Orientierung recht vorteilhaft Einzelne
Aufgaben erscheinen uns wohl für diese Stufe etwas schwierig, so
insbesondere die Aufgaben über den Zeitunterschied zweier Orte und
die Bewegungsaufgaben. Die äußere Ausstattung ist musterhaft.
Das nur 96 Seiten umfassende Buch kann als ein trefflicher
Leitfaden für den Unterricht zur Einführung in den Lehrstoff bestens
empfohlen werden.
Knittelfeld. Hans Wehr.
59»
932 M. Wolf, Die Milchstraße, ang. ▼. J. G, Walleniin.
Die Milchstraße. Vortrag, gehalten in der allgemeinen Sitznng der
79. VerBainmluDg deatecher Naturforscher und Ante in Dresden am
20. September 1907 von Prof. Dr. Max Wolf. Mit 53 Abbildoneen
im Text und auf 10 Lichtdrucktafeln. Leipzig, J. A. Barth 190S.
Preis 4 Mk.
Schon Ptolemaeüs hat von der Milchstraße eine klare nnd
klassieche Beschreibung gegeben, die bis ins Detail auf den heu-
tigen Zustand stimmt. Herschel bat zwei Wege eingeschlagen, um
den Bau des Himmels zu ergründen, welche erörtert werden. Von
späteren Arbeiten auf diesem Gebiete sind besonders jene von
Seeliger zu erwähnen, welcher die funktionale Verteilung der Sterne
ihrer absoluten Leuchtkraft nach in Hechnung zog. Auch aus der
Verbindung von Eigenbewegung und Helligkeit der Sterne lassen
sich, wie spätere Arbeiten gezeigt haben, statistisch Schlüsse auf
die Verteilung der Gestirne ziehen. Die statistische Untersuchung
des Fixsternhimmels leitet zu der Anschauung, daß alle sichtbaren
Sterne ein gemeinsames System ausmachen, daß dessen Hauptans-
dehnung in die Milchstraße fällt und daß der größte Stemenreich-
tum in ringförmiger Verdichtung weit ab von uns zu suchen ist.
Im weiteren Verlaufe seines Vortrages ist der Verfasser des
näheren auf die photographischen Aufnahmen der Milchstraße ein-
gegangen und er gibt uns einige darauf bezugnehmende Figuren-
proben. Bezüglich der dynamischen Form der Milchstraße wird
zunächst die Anschauung von Easton besprochen, der sich die
Milchstraße ans größeren Anhäufungen zusammengesetzt denkt, die
zwar in sehr verschiedenen Entfernungen von uns liegen, die aber
überallhin durch Ströme miteinander verbunden sind. Die Anordnung
wäre nach Easton spiralförmig, so zwar, daß der Kern der Spirale
im Schwan zu suchen sei und daß von ihm aus nach allen Seiten
hin Ströme ausgingen, die nach Belieben so gruppiert werden
könnten, daß der tatsächliche Anblick der Milchstraße zustande
käme. In mehrfacher Hinsicht erscheint die Anschauung Eastons
nicht stichhältig zu sein und es muß zugestanden werden, daß
wir vom Aufbau der Milchstraße derzeit noch sehr geringe Kennt-
nisse haben. Vielleicht werden die diffusen Nebelmassen von anfaß-
barer Ausdehnung, die an die Milchstraße gebunden sind, wenn
sie in intensiver Weise untersucht worden sind, uns einen Einblick
in das Rätsel der Milchstraße gewähren. Es geht aus den bisher
gemachten Beobachtungen mit großer Wahrscheinlichkeit hervor,
daß die Nebelmassen in derselben Tiefe, wie die vielen Milch-
straßensterne liegen. Daraus würde auch folgen, daß die beobach-
teten Höhlen in der Milchstraße ebenfalls in der räumlichen Tiefe
der Milchstraßensterne lagern müssen. Daß man es bei der Höhlen-
bildung mit einer Absorptionserscheinung zu tun hat, scheint ans
einigen Wahrnehmungen wohl mit Sicherheit hervorzugehen. Es
wäre die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß überall am
Himmel dunkle Materie lagert, die nns 'die fernen Sterne verdeckt.
P, ffeukleTf Der Lehrpko usw., äq^. t. T. F. Hmiumek. Mi
und datl Qur mn sclimaler Spalt rings am Himmel ofen iit^ dnrcb
dtm wir die fernen Sterascbaren sehen können als Mtlehslraße. Ea
kLtnnten anch die Hi'^hlen wirkliche Furchen oder VurdünkeluDga'
e teilen im Sternen heere Bein nnd darch einen uns unbekannten
Vürgang könnte eine Zerklüflang oder ?erdanke!nng der Slernmassen
bedingt werden.
Der Vortragende schlküt mit den Worten^ daß «e sicher ist,
da0 die MilehatraOe nns Bchöne und grolle Probleme aufgibt, uns
auf Vorginge und Kräfte hinweist, für deren Beächreibang nna
heute noch Begriffe und Vorkenntnisse fehlen.
Wien.
Dr. L G« Wällen tin.
Piiul Heuklery Der Lehr[)lan für den Unterricht in Natur-
kunde, hbtoniicli und kritisch betrachtet Sammlung naturwriaen-
iehaftlicb-pAdagögiiieher Abbandlangen, heraueg. vou Ütto :^GhmeÜ
und W. B. Scbnüdl. Leipzig und Berlin^ B. G, Täqhner 1307. IV
und 44 Sa 80. Preis 1 Mk.
Für österreichigcbe Leser sei im vorhinein bemerkt, daf&
urter „Naturkande" unsere ,, Naturgeschichte" zu versteh en ist.
An der Hand von Beispielen wird gezeigt, daG der Lebrplan für
dieBefl Fach uen tu bearbeiten ist. Der Verf. bebandeU sneral die
Normalität des Lehrplanes , dii) darin besteht, daß sowohl die
humaniHtiscbe als auch die realistische Bildnng m ihrem Tollen
Hechle komtnen; diese Forderung iet abzuleiten aus dem Unter-
ficbtszielep das ^gleichsch webende Vielseitigkeit der Interessen ver-
langt". Das /.weite Kapitel verbreitet aicb über die Atiswahi nnd
Anordnung der Lehrstoffes, die wieder von zwei Gesichts*
pnnkLän bestimmt wird: 1. rom nationalen; es ist zu fragen,
welche Lehrte toffe fnr das Leben unseres Volkes von bleibender Be-
deutong sind (Matenalprinzip); 2. vom psychologischen; die Faa-
enngekraft der Schüler muS berücksichtigt werden {Formalprin^ip).
In dem Folgenden werden nun die moderneD natnrknndUchea
Probleme erörtert, in die der Schüler Bingefäbrt werden soll, es
wird die zwc^ckmäüige B&iheD folge dieser Probleme aafgestellt und
0chtiemich die Frage der Königen trat ion in ihrer Haapttordernng :
^Konzentriere nach Problemen, nicht nach Objekten** beaprochta.
Die Aufstellung eines Lehrplanes Idr den natiifsdiichtlicben Onter*
rieht in einer Volksech nie beschließt die gehaltvolle und leseng*
werto Schrift.
Erems,
Dr. T. F* Eanansek.
934 0. Maas, LebeDsbeding. and Verbreit, der Tiere, ang. t. H. Vidtorf.
0. Maas, LebensbediDgungen und VerbreituDg der Tiere
(189. BftDdcben der Sammlang „Aas Katar and Geistes weit*). Mit
Karten and AbbildaDgen. Leipzig, Druck and Verlag tob B. 6.
Teabner 1907.
Wie viele andere Bftndcben der Sammlang ^Ans Natur und
Oeisteswelt^ ist auch das vorliegende ans einer Reihe von Vor-
trägen entstanden. In ihm wendet sich der Verf. an wissenschaft-
lich nicht vorgebildete Kreise , um bei ihnen Interesse flr die
Tiergeographie zu erwecken. Dabei ergaben sich Anknüpfongen an
soziale Fragen, die wieder nicht berührt werden konnten, wenn
nicht auf die biologischen Verhältnisse der Tierwelt eingegaogen
wurde. Die Verbreitung der Tiere hängt von den Lebenebedingungeo
und der Erdgeschichte ab. Die Nahrung regelt, die Temperatur,
Liebt, Luft, Feuchtigkeit u. a. m. beeinflussen die Tierverbreitung.
Der Verf. schildert ferner das stufenweise Auftreten der Organismen
bis zum Erscheinen des Menschen, den Einfluß des Menschen auf
die Tierverbreitung und die tiergeographischen Begionen mit ihren
Oharaktertieren. In der Bearbeitung sind nur die Landtiere be-
handelt. Anhangsweise sind eine Anzahl Schriften zum weiteren
Studium angegeben.
Dr. M. von Wretschkos Vorschule der Botanik fär den Ge-
brauch an höheren Klassen der Mitteiicholen und verwandter Lehr-
anstalten. Vollständig umgearbeitet and neu herautgegeben Ton Dr.
Anton Heime ri. 8. Aafl. Wien, Verlag von K. Gerolds Sohn 1907.
Preis geb. 8 K 50 h.
Wretschkos Vorschule der Botanik bat bei den Mittelschul-
lehrern Österreichs, da in ihr wissenschaftliche Gründlichkeit mit
klarer Ausdrncksweise vereint erscheint, einen so guten Buf, dal»
Bef. sich darauf beschränken kann, die Vorzflge der neuesten Aut-
lage hervorzuheben. In der Anordnung des Lehrstoffes ist gegen-
über der 7. Aufl. keine Veränderung zu verzeichnen; die Grund-
lebren über den inneren Bau und die Ernährung der Pflanzen sind
auch hier der Besprechung der Kryptogamen vorangestellt. Viele
Ordnungen wurden dnrch Neuaufnahme bisher unerwähnt gebliebener
Arten (Oscülatoria, Peronospora, Lecanora) erweitert, andere fast
vollßtändig umgearbeitet, teils um die biologischen Verhältnisse
ausführlicber und genauer zu bringen, teils um die Bedentnnf
mancher Pflanze für einzelne Industriezweige besser hervorzuheben
(z. B. bei den Malven). Andere Ordnungen wieder, welche bisher
entweder nur kurz erwähnt worden waren oder im Lehrstoffe de$
Buches gar keine Aufnahme gefunden hatten, werden in der neuen
Auflage entsprechend gewürdigt. So wurden neu aufgenommen uod
mehr weniger eingebend geschildert die Zapfenpalmen, Seeroseo-
gewächse, Ulmengewäcbse, Lindengewächse, Boßkastanien, Ahoro*
und Weinrebengewäcbse. Ebenso fand im Anhange zu deo
jR. BichteTf Einfahmog in die Philosophie, aog. t. E. Gschwind. 935
Malven der Eakaobaom (Fracht, Samen and Verwendang desselben)
Erwähnung.
Viele, sehr gelungene Illustrationen heben den Wert des
Buches, welches überdies durch zwei farbige Pilztafeln und vier
schwarze Tafeln (Moorlandschaft ans der Steinkohlenzeit nach
Potoni^, Zirbelkiefer, Mammutbaum und Bananenpflanzung auf
Ceylon) geziert ist. Die Kosten, die durch die schöne Ausstattung
dem Verleger erwuchsen, mögen auch die Preiserhöhung (50 h)
rechtfertigen.
Wien. H. Vieltorf.
Baoul Richter, EinfQbrung in die Philosophie. Sechs Vorträge.
(155. Bändchen der Sammlung „Aue Natur und Geisteiwelt"). Leipzig,
Teubner 1907. 128 SS.
In dieser Schrift veröffentlicht der Verf. sechs Vorträge, die
er 1905/06 als Volkshochschulkurs abgehalten hat. Der erste
Vortrag erörtert die Frage: Was bedeutet das Wort Philo-
sophie? Worin liegt ihr Wesen? Vom Begriffe Philosophie gibt
es aber so viele Definitionen, als es philosophische Systeme gibt,
und der letzte Philosophenkongreß konnte sich nicht zu einer end-
giltigen Definition einigen. Richter erklärt die Philosophie als das
Streben nach Erkenntnis vom Zusammenhang alles Seienden —
eine Definition, die sich wohl als zu eng und vor allem die Meta-
physik treffend erweisen dürfte. Es wäre sicher gerade für diesen
Zuhörerkreis von Interesse gewesen, die Definitionen Kants, Fichtes,
Hegels und anderer hervorragender Philosophen zu erfahren. Kant
z. B. definiert die Philosophie als die Wissenschaft von der Be-
ziehung aller Erkenntnisse auf die wesentlichen Zwecke der mensch-
lichen Vernunft (Kritik der reinen Vernunft, 3), welche Erklärung
ebenfalls bloß die Metaphysik trifft (vgl. Aristoteles: ijttozijinfj rcöv
nQd)T(Dv dgxcbv xal alxi&v^ met. 1, 2). Im zweiten und dritten
Vortrage behandelt der Verf. das Erkenntnisproblem. Erkennen
(im strengen Sinne) bedeutet, sich einer Wahrheit bewußt sein.
Wahr sind Urteile, die mit Erfahrung und Denkten m Übäreineiim-
mung stehen. Wahrheit und Gewißheit stehen zwar in Beziehung
zu einem Subjekte, aber nicht in Belation znr Zeit — sie sind
ihrem Inhalte nach allgemein giltig. Leider konnte Richter, jeden«
falls infolge seines Planes oder aus Mangel ap verfügbarer Zelt,
die Frage nach dem Ursprünge der Erkenntnis nicht behandeln*
Die Wege zur Beantwortung derselben betrat einoreeitg der Sen*^
Bualismue, der da behauptet, daß alle Erkenntnis aus der Erfahronj^^
stammt, anderseits der Rationalismus, der alle Erkenntnia — ^^^^
Vernunft herleitet. — Im vierten und fünften Vürtrage »t
der Verf. zur Höhe metaphysischer Spekulation, indem
Wirklichkeitsproblem bespricht. Richter hält den S
A
\
936 B. Richter, Einfttbrnng in die Pbilotophie, ang. ▼. E. Gsehwind.
muB fär die annebmbarate Hypotbese. Hieran reibt sich die Frage
nacb der Existenz nnd Be8cba£fenbeit einer letzten Einheit, zn der
sieb alle Elemente zasammenscbließen, die Frage nacb dem Abso-
luten, der absoluten Vernunft» der Gottbeit. — Im letzten Vortrage
bebandelt der Verf. die Frage nacb den obersten Werten des
Seienden in sittlicber und religiöser Beziebung. Er muß, wobl aus
den bereits frnber vom Berichterstatter erw&bnten Gründen, wieder
ein interessantes Gebiet, das der ftstbetiscben Werte» abseits
liegen lassen.
Es verdient volle Anerkennung, daß der Vortragende vor
seinem Zuhörerkreise eine Behandlung seines Stoffes zu behaupteo
wußte, die den philosophischen Grundfragen nicht ausweicht oDd
die bei aller Knappheit der Form auch einem weiteren Publikum
verständlich bleibt. Oftmals freilich vermag er in solch engem
Babmen den Weg zur Hebung der in der Tiefe ruhenden Schltze
bloß anzudeuten, die ein geschickter „delischer'' Schwimmer erst
heben kann. — Allen, die sich für philosophische Fragen interessieren
und diese bloß im umrisse, in faßlicher Weise geschickt und
kundig dargestellt, lesen wollen, wird diese Schrift ein willkommener
Wegweiser und Führer sein.
Prag. Emil Gsehwind.
Dritte Abteilung.
Znr Didaktik und Pädagogik.
über den Wert der Darchschnittsberechnung beim
Klassifizieren intensiver Leistungen.
Herr LandesscbaliDspektor Dr. A. NitBche hat in dieser Zeitschr.
1907, S. 84 ff. onter dem Titel .Ein Beitrag zar Lösung der Frage des
Prtkfens und KlaBsifizierens* einen nicht nnwichtigen Punkt ans meinen
Aasfttbrangen vom letzten Mittelschaltage „Ober Prflfen und Klassifizieren*
herausgegriffen nnd einer interessanten Erörterung unterzogen : es ist dies
meine dort*) aufgestellte Behauptung, daO bei rein intensiver Ziel-
forderung es schließlich nur darauf ankomme, in wissen, was
der Schaler am Ende des betreffenden Zeitabschnittes kann.
Und ich schickte dem die oratorische Frage voraus, „welchen Sinn h&tte
da die Berechnung des arithmetischen Durchschnittes seiner Leistungen?"
Dr. Nitsche erblickt nun darin den gewiß nicht leicht wiegenden Vorwurf,
als h&ttcn alle die Lehrer, die bisher in derartigen Fällen doch den
Durchschnitt berechneteu, „sich in einem wahrhaft beschämenden Wider-
streit zur gesunden Vernunft befunden**. Zu zeigen, daß sie „sich einer
derartigen Sflnde nicht scbulddig machten", sei das Hauptziel seiner Aus-
fObrungen.
Ich kann nun vorweg dazu bemerken, dal> sich die GrOße dieses
Vorwurfs ganz von selbst bedeutend herabmindert, weil ich von vorne-
herein das Vorhandensein solcher typisch reiner Fälle intensiver Ziel-
forderungen fflr sehr selten halte (vgl. S. 19 und 22). Noch mehr wird
der Vorwurf aber wohl dadurch entkräftet, daß ich ihn ja nur dann hätte
erheben dttrfen, wenn ich sicher wußte, daß ein Lehrer trotz klarer
Einsicht in die rein intensive Natur der Zielforderang die Darch-
schnittsberechnung angewendet habe.
Dies sn glauben lag mir ferne, da ich ja eben daran war^ diese
Unterscheidung erst aufzustellen und zn begründen. Hätte ich als fär
^) S. 19 des Sonderabdruckes. Wien, Holder 1906.
{
938 Über den Wert der DarchschDÜtiberechnoDg qbw.
etwas l&ngst Bekanntet and in der Praxii Gettbtea gehalten, lo wfirde
ich Oberhaupt davon nicht mehr gesprochen haben. Also schr&nkt sich
der Vorwarf meinerieits tatsftcblicb ein aaf jene doppelt seltenen Falle,
wo der reine Typas der DispoBitionssteigernng mit der klaren Einsicht
des Lehrers in diesen SacbTorbalt vereint verwirklicht sein mochte.
Doch dies mag sich verhalten, wie immer ; in Kleinigkeiten wollen
wir ans nicht verlieren, am so mehr, aU ich ans den trefflichen Aas-
fQhrangen Kitsches za meiner Befriedigang entnehmen kann, daß wir,
soweit es aaf die Praxis ankommt, der Hauptsache nach so ziemlich
flbereinstimmen dürften.
Was mir aber wichtig erscheint, ist das, was Nitsche zar theo-
retischen Seite der Frage beigebracht hat and dies veranlaßt mich,
hierin neaerdings das Wort so ergreifen.
Der erste Hauptgedanke Kitsches knttpft an die Bewertung tor-
nerischen KOnnens. Er erwähnt den Fall, daß bei den Wiener Wettspielen
(anläßlich des Mittelschaltages 1906) ein Schüler, der sonst im Gerwurf
81 m erreichte, damals nicht fiber 27*8 m hinaus kam. Sollte da wirklich
dessen Leistungsfähigkeit lediglich nach der Schlaßleistang beurteilt, also
aaf 27-3 m eingeschätzt werden?
Aach der Gegenfall sei ja nicht selten, daß gegenüber geringen
Durchschnittsleistangen oft überraschend hohe „Gipfelleistungen* vollführt
werden, aus denen man dann auch nicht auf die Hübe der normalen
Leistungsfähigkeit schließen dürfe. Dies wendet sich direkt gegen meine
eingangs angeführte Behauptung, daß bei intensiver Zielforderang es nur
darauf ankomme, zu wissen, was der Schüler am Ende des betreffenden
Zeitabschnittes kann; die Durchschnittsberechnung') habe keinen Sinn.
Hier ist nun unbemerkt zweierlei ineinander geflossen, so daß
eine sorgfaltige Überprüfung des Sachverhaltes notwendig wird.
Was Kitsche, und zwar mit vollem Recht, behauptet, ist, daß
aus einer einzelnen Leistung sehr schwer auf die dahinterliegende
Leitungsfähigkeit geschlossen werden kOnne. Momentane Abspannaog,
irgend eiu asthenischer Affekt u. dgl. kOnnen einerseits nngewöholich
gerioge Leistungen, starke Beize körperlicher wie psychischer Katar ander-
seits unerwartet hohe „Gipfelleistangen'' verursachen. In beiden Fällen
wäre es falsch, aus diesen einmaligen Leistungen auf die Höhe des
dauernden KOnnens zu schließen.
Dies alles habe ich ziemlich ausführlich auseinandergesetzt in
meinen „Psychologischen Untersuchungen über Prüfen und ELlassifizieren"
') Was Kitsche S. 84 bemängelt, „daß nicht der arithmetische
Durchschnitt von Leistungen in Frage steht, sondern der arithmetische
Durchschnitt der hierüber gefällten, in Zahlen ausgedrückten Urteile, der
Koten", so kann ich dazu meinerseits nur sagen, daß ich wirklich nie
geglaubt habe, man kOnne aus den Leistungen direkt ohne Yezmittliuig
durch Maßzahlen den arithmetischen Durchschnitt berechnen, daß ich
aber auch nicht einmal die Besorgnis gehegt, ein Leser kOnne meine
gekürzte Ausdrucksweise anders verstehen, als sie selbstferständlich ge-
meint war.
Obtr den Weit der DurchscbnittsberechDaDg qbw. 939
(Wien, Holder 1900, S. 10—12 VDd 8. 14^15). Wenn nun Nitocbe meint
(S. 86), daß daher in derartigen F&Uen ein Darcbsehnitt ein TeilißliekereB
Haß abgibt als eine Gipfelleistung, so kann ich ihm ohne weiteres Recht
geben, ohne doch — und dies dürfte für den ersten Augenblick über-
raschend klingen — mit meinen Behaaptangen in Widerspruch so geraten.
Was ich mit aller Schftrfe behauptet habe, ist, daß es nnr darauf ankomme,
SU wissen, was der Schüler am Ende eines bestimmten Zeitabschnittes
„kann**. Ich habe aber nicht gesagt, was er am Ende eines Zeitabschnittes
„leistet**. Letxteres ist allen Schwankungen nach oben und unten ans-
gesetit — ersteres muß aber eben mit aller Vorsicht und Umsicht er-
mittelt, erschlossen werden. Ich habe nirgends gesagt, es komme auf
eine Schluß- oder Gipfelleistung an. Das Beispiel Kitsches vom Schützen
möchte ich deshalb aus der Diskussion ganx ausschalten, weil hier der
Zufall einen ganx besonderen Spielraum bat. Die beiden anderen von
Kitsche gebrachten Beispiele, der Gerworf und das Hochspringen, sind
nun wirklich derart, daß man sagen kann, um aus den Leistungen das
Können zu ermittein, wird man aus einer größeren Zahl von Leistungen
eine Art von Durchschnitt ziehen müssen und dabei jedenfalls sicherer
gehen, als wenn man einfach eine Leistung herausgreift. Aber dieser
Durchschnitt ist von wesentlich anderer Art als der Durchschnitt, von
dem man eben im schultechnischen Sinne als von einer „Durchschnitts-
leistung** spricht. In den von Kitsche herangesogenen F&Uen handelt es
sich nämlich darum, eine — wenigstens relativ — dauernde, station&re
Dispositionsgroße zu ermitteln. Dies ist erwachsenen Menschen gegenüber
nicht selten Gegenstand unseres Interesses: wir wollen wissen, wie viel
der Betreffende auf dem oder jenem Gebiete leisten kann. Und zu diesem
Zwecke werden wir uns klugerweise nicht mit einer einzigen Beobachtung
begnügen, sondern aus den oben auseinandergesetzten Gründen durch die
Heranziehung einer größeren Zahl von Beobachtungen sein normales,
durchschnittliches, mittleres EOnnen, auf das man sich sicher rerlassen
kann, festzustellen trachten. Was wir aber dadurch schließlich erfahren,
ist doch eben das, wofon ich auch in dem schon oft zitierten Satze
spreche: Das, was er zur Zeit kann.
Wesentlich anders steht es aber dort, wo wir, wie beim jugend-
lichen Menschen, mit einer über eine lange Zeit hin sich erstreckenden
sukzessiven Zunahme der Leistnngsfähigeit zu rechnen haben.
Wenn wir z. B. am Schlosse eines Schuljahres den „Durchschnitt" be-
rechnen, 80 muß das, wenn man die Sache theoretisch konsequent durch-
führen will, eigentlich als ein Durchschnitt aus Durchschnitten der
früheren Art betrachtet werden. Der Zeitraum sei ein Schuljahr; ich
hfttte die Leistungsfähigkeit des Schülers in jedem Monate, also im
ganzen zehnmal, „ermittelt, geprüft", so mußte ich dacb^ um nach deu
früheren Erwägungen gewissenhaft vorzogehen, bei der jedesmaligen
Prüfung ans mehreren Beobachtungen das Mittel ber^chtiet häh&n —
also z. B. als Turnlehrer durfte ich den Jungen bei jeder f.MoDatsprüfdng''
nicht bloß je einen Sprung machen lassen, sondern iDQüie. um iaflUly|fl
Störungen nach oben und nach unten zu eliminieren i durch jr^^-*-^^^
940 Ober den Wert der DarcbschcittsberecbDaDg usw.
Proben sein wirkliches KOnnen feststenen. Dieses so nach eioem TMlig
berechtigten DarchscbnittSTerfabren konstatierte „Können*^ am Ende des
ersten Monates sei durch den Zablenwert 100 charakterisiert, das am
Ende des zweiten Monates mit 105, des dritten mit 110 usf., bis die mit
gleich bleibender Sorgfalt ermittelte Leistaogsfähigkeit am Ende des
zehnten Monates etwa 145 betrage. Meine Behauptung geht nun dahin,
daß ich als Lehrer am Ende des Jahres — natürlich den Fall der Dispo-
sitionssteigerung ToraoBgesetzt — nar die letzte Leisten gsf&higkeit
in Betracht zn ziehen, bezw. ins Zeugnis zn setzen habe. Beebne ich den
Dorchschnitt aus den zehn ermittelten Leistungsfähigkeiten, 122*5, und
setze ich diesen in das Zeugnis, so enth< dies eine falsche Mittei-
lung fOr denjenigen, der aus dem Zeugnisse erfahren will, was der
Junge am Schlüsse des Jahres kann.
Während ich also den Dorchschnitt zum Zwecke der Einzelfest-
Stellung gut beiße, muß ich den Dorchschnitt aus solchen DurchschnitteD
am Ende einer längeren Zeitperiode stetiger Entwicklung ablehnen.
Daß Nitsche tatsächlich nur den Dorchschnitt ersterer Art ond
nicht den aos einer sich gleichsinnig ändernden Reihe im Auge gehabt,
erhellt ganz besonders klar ans seinen Worten (S. 85): „Vergleiche man
zwei Turner, von denen der eine im Laofe einer gewissen längeren
Periode in ungefähr gleichen Abständen stets eine SprnnghObe Ton
115— 120 cm erreicht hat...'', ferner „zwei Schützen, von denen der...
andere ohne auszeichnende Endleistong durchschnittlich im Vierer-
kreise blieb".
Indem ich daher in diesem Pankte mit Nitsche bezüglich der
Feststellong des Einzel-KOnnens vOUig Übereinstimme, hoffe ich, daß er
anderseits meiner nor genauer präzisierten Behaoptong vom Durchschnitt
ans so gewonnenen Durchschnitten dürfte zustimmen können.
Das bisher Besprochene hat natürlich nur für jene Fälle Giltigkeit,
wo die Leistungen, wie etwa beim Tarnen, einem absoluten Maßstab«
zugänglich sind. Dem gegenüber führt nun Nitsche (S. 85 ff.) weiter aas.
daß bei unserer Klassifikation psychischer Leistungen ein derartiges abso
Intes Maß fehlt, daß wir vielmehr die Leistungen nnr relativ nach
ihrem Verhältnisse zur jeweiligen Forderong bestimmen
können^). Hier gestehe ich gerne zu, durch Nitsche in einem wichtigen
Punkte berichtigt, bezw. ergänzt worden zu sein. In der von mir seiner-
zeit*) versuchten Fassung des Begriffes „relativer Maßstab** hatte ich
nur eine sozusagen rohere Relativität im Auge: das Messen der Leistung
eines Schülers an den gerade tatsächlich vorliegenden Leistungen der
anderen Schüler. Nitsche hat eine weniger weitgehende, dafür aber am
so besser in der Natur der Sache begründete und praktisch braoehbarere
Relativität im Auge: Das Vergleichen einer Leistung mit dem«
M Über die verschiedenen Maßstäbe, den absoluten, den relativen,
den subjektiven, vgl. meine „Psychologischen Untersuchungen über Prüfen
und Klassifizieren'' S. 15 ff.
•) S. die vorige Anmerkung.
über den Wert der DarchschnittsberecbnnQg ubw. 941
wai ein SchQler dieser Klasse und dieser Altersstufe nor-
malerweise soll leisten kOnnen.
Dementsprechend meint Kitsche mit vollem Recht, daß wir ja
einem Schüler der IV. Klasse x. B. im Griechischen nicht eine bessere
Note geben als dem Tertianer, weil er als Quartaner, absolut genommen,
mehr weü^ als jener. Wir richten ans Tielmehr im Klassifizieren nach
dem, was normalerweise von einem Tertianer, bezw. einem Quartaner
gefordert werden kann and bestimmen danach den aas der Skala zu
wählenden Kalkül. Daraus folgert nun Kitsche, daO das, was ich in
meinem Vortrage 'j befürchtet hätte, ja gar nicht vorkommen kOnne, dal>
nämlich durch eine anfängliche absolute Minderleistung das SchluOurteil
heruntergedrückt würde. W^enn also ein Schüler zwar anfangs absolut
weniger leistet, aber doch dem, was gefordert werden darf, völlig ent-
spricht, so erhält er am Anfang ebensogut sein „Vorzüglich'' als er es
am Ende auf Qrund einer entsprechend höheren Leistung erreichen kann.
Daraas ist klar zu ersehen, daß die Durchschnittsnote — hier sein »Vor-
zfiglich'* — durchaus nicht durch die absolut geringere Leistung des
Anfangs herabgedrückt wird.
Dem gegenüber kann ich vorweg nur sagen, daß dies nur so lange
richtig ist, als die absolute Minderleistung der normalen Minder-
leistung entspricht. Sowie aber eine aach relative Minderleistung
Torliegt, wird tatsäeblich bei der Darchschnittsbereehnung das Endurteil
durch anfängliche Minderleistungen in oft bedenklicher Weise herabgesetzt.
Um auch hier völlig klar zu sehen und zu sicheren urteilen zu
gelangen, ist eine genauere Analyse des ganzen Sachverhaltes notwendig,
als ich sie seinerzeit in meinen beiden Vorträgen über Prüfen und Klassi-
fizieren gegeben habe. Daß dabei auch vielfach mehr mit theoretisch
Postuliertem als erfahrungsgemäß Gegebenem gearbeitet werden muß,
liegt nan einmal in der Natur der Sache. Vor allem ist der hiebei immer
vorauszusetzende Fall reiner Dispositionssteigernng, wie schon wiederholt
erwähnt, empirisch kaum je in voller Strenge gegeben. Außerdem ist es
notwendig, ein absolutes Maß für die Größe psychischer Dispositionen
wenigstens zu fingieren, um Bedeutung und Berechtigung des sich darauf
aufbauenden relativen Maßstabes sowie der Durchschnittsberechnung
möglichst klar darlegen zu können.
Nehmen wir also an, es handle sich um die zunehmende Leistungs-
intensität eines Schülers von bestimmtem Alter und bestimmter Klasse
sowie von normaler Begabung. Im Laufe eines Jahres wird sie normaler-
weise kontinuierlich und mehr oder weniger gleichmäßig wachsen. Fin-
gieren wir nun absolute Maßzahlen, welche uns die normalen Werte der
zunehmenden Leistungsfähigkeiten im Laufe eines Schuljahres, und zwar
nach je einem Monate veranschaulichen sollen:
1) „Prüfen und Klassifizieren«'. Wien, Holder 1906. S. 19 Mitte
und 8. 24 oben.
942 Über den Wert der DarchachDittsberecbnoDg oiw.
Ende des I. IL III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. Monates
Fingierte MaOzabl deri
ktTtÄ^^^ 24 26 28 80 82 84 36 38 40
keit J
Diese Maßzablen kOnnen nns aach die absolute GrOOe der «Fordenug*
darstellen, die der SchQler gflnstigsten Falls %n erfüllen hat. Die in der
Praxis ttbliche relati?e Schätxang der Leistong mißt nan die tatsftch-
liehe Leistung an der geforderten. Entspricht entere der letzteren
▼ollstfindig, so mag dies etwa mit „Vorzflglich^ bezeichnet werden; zahlen-
mfißig mag die relative Schätzung wohl am klarsten dnrch «lOOX* *»•
gedrückt sein. Bleibt der Schüler hinter dem Geforderten zurück, so sinkt
die relative Schätzung auf eine geringere Note, bezw. eine geringere
Prozentzahl herab. Wenn nun ein Schüler absolut immer das leistet, was
oben durch die Zahlen 20 — 40 ausgedrückt ist, so wird sein relativer
Kalkül in allen Monaten „lOO^" lauten, die mittelst Dorchsehnitts-
berechnung gewonnene Schlußcharakteristik ebenfalls „100*^. In diesem
Falle sowie immer dann, wenn die Leistung perzentuell immer gleich
weit hinter der Anforderung zurück bleibt, ist das verwirklicht, was
Witsche — mit Recht — behauptet: die absolut geringeren Leistungen
■am Anfange drücken tatsächlich den Endkalkül gar nicht herab. Aller-
dings ist dies aber nur deswegen der Fall, weil die relative Leistung
konstant blieb. Wie aber, wenn die relative Leistung sehwankt, oder
anders gefaßt, wenn der Schüler eine anders geartete indivi-
duelle Entwicklungskorve zeigt als die des normal „Gefor-
Herten*"? Nehmen wir einen recht einfachen Fall an, daß n&mlich diese
Entwicklungskurve auch geradlinig verlaufe, aber von einem tieferen
Anfangspunkte schneller zu dem gleichen Endpunkte gelange; zahlen-
mäßig sei dies so dargestellt:
Normale Entwicklongskurve wie oben:
22 24 26 28 SO 32 84 36 88 40
Angenommene individuelle Entwicklungskurve:
13 16 19 22 25 28 81 34 87 40
Letztere perzentuell ausgedrückt (Prozentzahlen der relativen Lei-
etungen) :
59 66-6 73 78-6 83'3 87-5 91-2 94-4 97 100
Die gewöhnliche Durchschnittsberechnung ergibt hier den Gesamtkalkfil
S3'l^, Und das ist's, wogegen ich prinzipiell ankämpfe. Denn auch
hiermit wäre, wie in unserem früheren Falle (S. 940 oben), eine direkt
unwahre Mitteilung an den Leser eines solchen Zeugnisses gemacht, sofern
dieser aus dem Zeugnisse erfahren will, was der Schüler am Schlüsse des
Jahres kann. Denn dieses 83* IX würde dann bedeuten, daß er nicht die
ganze Zielforderung erfüllt habe, sondern ihr nur zu 83* IX gerecht geworden
sei, also daß dessen absolut gemessenes KOnnen nicht 40, Eondern nnrSS'Si
betrage. Tatsächlich aber ist sein Können doch 40. Mit vollster Klarheit
sieht man hier das verwirklicht, was ich als ungereditfertigteB Herab-
•drücken des Schlnßkalküls durch frühere geringere Leistungen beseichoel
über den Wert der DorchsebnittabereebDiiDg asw. 943
babe. Da dqü die ÜbereinstimmaDgr der indifidnellen mit der normalen
Kurve, mit den „Anforderungen*, der yerbältnism&ßig nnwahrscbeinliebere
Fall ist, als die Nicbt- Übereinstimmung, so ergibt sieb daraus die —
▼orlftafig wenigstens theoretiacb gerechtfertigte — Folgerung, daß bei
intensifen Zielforderungen die Durebsebnittaberecbnung niebt am Platte
ist. Es ist vielmebr, wenn das seblieMicbe Können sieber und mit aller
VorBicbt festgestellt ist, dieses für die Qualifisierung einiig entsebeidend.
Von dem, was Nitscbe S. 86 dagegen vorbringt: «wenn ein Scbfller bis
gegen das Ende erbeblicb binter der jeweiligen Oebfihr lurflekbleibt und
dann unter Bedingungen, die, soweit erkennbar, nur einen plötzlichen
Bück beganstigen oder schlechtweg dem Prüfongsglflck einsuordnen sind,
auf einmal eine weit überragende Leistung sutage fordert, so ist das
Bedenken fOUig gerechtfertigt, ob nicht einem so raschen Anstieg ein
ebenso rascher Abfall folgen werde*, mOchte ich vorweg die Stelle «unter
Bedingungen .... einzuordnen sind* ausschalten, da wir ja nur mit dem
Falle eines sicher und zuverlftssig festgestellten scblieAlicben KOnnens
rechnen. Was aber sonst gesagt ist, gibt dem gewiß beachtenswerten
allgemeineren Gedanken Ausdruck, daß die Form der Kurve doch wohl
von wesentlicher Bedeatung sei; speziell wenn die Kurve sich anfangs
immer weit unter dem Normalen hftlt und gegen Schluß plötzlich zur
Hohe der „Forderung* ansteigt, dann, meint Nitscbe, sei es nicht un*
wahrscheinlich, daß die erreichte Hohe nicht werde festgehalten werden,
daß vielmehr die Leistnngsfftbigkeit möglicherweise ebenso rasch wieder
absinken werde. Damit mag Nitscbe wahiscbeinlicb Becht haben, aber
allerdings ist dadurch die Fragestellung ein klein wenig verschoben: es
wird die voraussichtliche Dauerhaftigkeit des erreichten
KOnnens mit in Bechnung gezogen, wahrend wir — wenigstens in
unseren theoretischen Erwftgungen — in erster Linie nur das tatsftch-
lioh am Schluß erreichte Können festzustellen suchen. Die Frage
▼on der Dauerhaftigkeit erworbener Dispositionen, erworbenen KOnnens,
ist gewiß gerade fflr die Praxis Ton außerordentlicher Wichtigkeit, hat aber
theoretisch so viel noch Ungeklftrtes und Problematisches an sich, daß
wir hier die Untersuchung nicht damit noch belasten wollen, zumal ja
selbst die Praxis der Zeugnisse sich davon fernhftlt: Aber die zu erwar-
tende Haltbarkeit des erworbenen Wissens und KOnnens meint wohl
niemand aus den Noten Aufschlösse erbalten zu können; so wertToll
sie wftren!
Doch was die Hauptfrage anlangt, welche Bedeutung der Form
der Kurve zukomme, maß leider gesagt werden, daß wir Aber bessere
oder schlechtere, fflr das schließlicbe Können mehr oder weniger ent-
■cheidende Formen dieser Kurre Oberhaupt so gut wie nichts Zurer-
Ifttaiges wissen. Ja, was noch einschneidender ist, und was allen Ton mir
and von Nitscbe angestellten theoretischen Erwägungen in der Praxis
die Wirksamkeit abgräbt, ist das, daß wir ja aoch Ober die Form der
normalen Entwicklungskarve so wenig wissen. Aber das, was
Nitsehe die „stnfenmftßigen Anforderungen* nennt. Denn was in Lehr-
bachern, Lehrgängen und amtlichen Unterricbtsplinen darflber enthalten
944 Über den Wert der DarchsehnittsberochnoDg asw.
ist, betrifft ja fast immer die Zanabme des WissenaamfaDges, also
extensiver Forderungen. Es ist „rohe Empirie**, ein Raten nod
Tasten, das gflnstigenfalis den gescbiekten nnd erfahrenen Lehrer das
Richtige treffen Iftßt Von irgend welchen exakten Bestinunangen ist hier
keine Rede. Es wftre s. B. dorcbans durch nichts beweiskr&ftig gestfltit,
wenn man behaupten wollte, die normale Entwicklnogskurve mflsse sich
geradlinig anfwftrts bewegen; es wäre ebenso gewagt zu behaupten, da&
die Form der Kurve in allen Klassen und Altersstufen, auch, daß sie io
allen Gegenständen gleich sei usf. Man ersieht hieraus aber sofort, wie
schlimm es eigentlich mit der von Nitsche betonten und von mir oben
fiktiv durehgefUhrten relativen, perzentuellen Schätzung der Leistongea
bestellt ist Wie tatsächlich die Entwicklungskurven beschaffen sind,
darüber liegen leider so wenig sichere, experimentell ermittelte Daten
vor. Nur einen Fall kann ich aus der psjchologisehen Literatur bei-
bringen, wo auf einem praktisch wichtigen Gebiete, das noch dazu deo
Typus der Diapositionsteigemog ziemlich rein zu beobachten gestattet,
umfassende empirische Ermittlungen vorliegen. Es ist dies eine Arbeit
von William Bryan und Noble Harter fiber das Erlernen der telegrapbi-
schen Zeichensprache des Morse- Alphabets'). Insoweit es dabei fflr die
Praxis ganz wesentlich darauf ankommt, daß der Lernende eine gewisse
Geschwindigkeit im Zeichengeben und Zeichenlesen erreichen muß, um
den Anforderungen des Dienstes, zumal auf fiauptlinien, gerecht zu werden,
insoferne handelt es sich hier wirklich in erster Linie um DispositioDS-
Steigerung. Im Abschnitt V (S, 45 ff.) dieser Arbeit wird nun ausdrück-
lich über die Kurven der Geschwindigkeitszunahme des Zeichengebens
und Lesens gehandelt. Da stellt es sich denn mit größter empirischer
Sicherheit heraus, daß erstens die Kurven nicht geradlinig verlaufen und
zweitens daß die beiden Kurven wesentlich verschieden sind. Die Kurve
der Geschwindigkeit des Zeichengebens steigt viel rascher an, als die
des Zeicbenlesens und erreicht durchschnittlich etwa nach 9—10 Wochen
des Obens die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 72 Buchstaben in
der Minute und nähert sich dann mit abnehmender Raschheit, asympto-
tisch, einem Höchstmaß von 130—140 Buchstaben, so zwar, daß etwa
nach der 48. Woche die Leistungsfähigkeit nicht mehr namhaft wächst
Die Kurve des Fortschrittes im Zeichen empfangen. Lesen, steigt, wie
gesagt, langsamer an, erreicht erst nach etwa 10—14 Wochen die Ge-
schwindigkeit von ungefähr 60 Buchstaben, bleibt dann höchst charak-
teristischer Weise, fttr die Lernenden oft geradezu entmutigend, trotz
fortgesetzter Übung durch etwa 10—14 Wochen nahezu konstant, enetcht
durchschnittlich erst in der 28. Woche die för den Dienst vorgeschriebene
Hohe von 72 Buchstaben und wächst dann vergleichsweise rascher an,
so daß sie nicht selten die Kurve des Gebens erreicht, ja anch überholt
Ähnliches wurde, nach einer Bemerkung der Verfasser, auch beba
Stenographiennterricht beobachtet.
^) Studies in the Physiology and Psyehology of ihe Ttiegrofkie
Language. Psychological Review IV, 1897, S. 27 ff.
Budde^ Zw Baf. d. fremdipr. sehr. Arbeiten osw., uig. ▼. A, WürMntr, 946
Au diesem eioeo Beispiele kann man aber sehen rar Genflge
Vorsiebt nnd Znrflekbaltnng lernen, wenn man Leistungen relatif, d« li.
im Vergleieh in dem, was normalerweise u fordemt betw. bb ervaiton
ist, oinsehitson wilL
Habe ieh mit dem Yorstebenden Torsnobt, der ? on Nitsehe gegebenen
AnregQDg folgend, den wesentliefaon Bedingnngen der Dnrebsebnilte-
bereehnnng tbeoretiseb nenerdings niher ra kommen, so erbebt sieb mm
Sehlosse wobl dio Frage, was denn ans all dem fOr die Prane abfallen mag.
Niebt Tiel, wenn es sieb nm direkte Verwertbarkeit handeil, Wieh*
tiges nnd allerdings sehen oft Gleeagtes, wenn man Aber das Nftohste
hinansbliokt: die Sebwierigkeit des Klasiifiiierens hat sieb nen bo-
atitigt. Kin so sebwieriges nnd heikles Verfahren aber — wondet man
doeh klagerweise nicht Öfter an, als es unbedingt nOtig ist. und ferner:
migleieh wiefatiger, wertTollor nnd inTerlissigor als ein noch so fein ans-
gesonnenes BeehnnngsTerfabren bleibt die genane persOn liehe, kon-
krete Kenntnis des Bebftlers nnd seiner Bigenart.
Die aneb anf dem letiten Mittelaebnltage von mehreren Seilen
geforderte Form des freien Arbeitens mit den Sebfllern -— ohne
Klassiflsieren — dftrfte Tielfaeb das Bild vom Sehfller, das der Leärer
sieh doreh Noten erwirbt, in der glflokliehsten Weise eigi&son und
beriebtigen.
Ich selbst habe viel so nol Aehtnng vor der ▼erantwortnagsTollen
Praxis nnd den sehweren Anfgaben des nnmittelbaren Wirkens von Lehrer
anf Sehfller, als daß ieh vorsehnell ans theoretischen firwigangOB pnak-
tische Konsequenten sieben mochte; ich glaube aber trotidem, dafi theo-
reÜMhes Durchdenken der fflr die ersiehexische Berufsarbeit wichtigen
pBTcbologiscben Fragen manches UAion, manches Torschnelle Mechaaisieren
oder alliu rasches Feetfabren in irgend einer Boutine Terhindecn und oo
uneer berufliches Wirken auf jener Hohe wohldurchdachten pidagogiachon
TiiBs erbalten kann, die in unserer Zeit nötiger ist als je. Das Durch-
ichnittsrechnen ist nun einmal ein Verfahren, das äch so leiebt angewöhnt,
da es den Schein der Exaktheit Tcrlockend auf einem Gebiete aeigt, das
infolge seiner Komplitieitheit noch nicht entfecnt rechnensch esakte
Metheden suliOt. Einsicht wird hier am ehesten Vorsicht lehren.
Gras, November 1907. Ed. Martinak.
Zur Befonn der fremdsprachlichen schrifUichen Arbeiten an
den höheren Enabenechulen. Von Gerhard Budde, Oberlehrer
am Lyieum I in fiannoTcr. Halle a. S., Bnehhandlnng des Waisen»
hanses 1907. 56 SS. Preis 1 Mk.
Der Verf., Ton dem in demselben Verlage eine „Geschichte der
fremdsprachlichen schriftlichen Arbeiten an den höheren Schulen Ton
1812 bis anf die Gegenwart* erschienen ist und der es deshalb, abgeeehen
f on seiner langjährigen Dnterriehtspraxis, wohl Tcrdient, daß man seinen
Z«itMhrifl t d. örttrr. QjtuL ISOS. X. Htft. 00
946 ßudde, Zur Bef. d. fremdspr. ichr. Arbeiten usw., ug. ▼. A. WürMner,
Vonchlägeii BeaebtaDg icbenke, bekennt licb la jenen Philologen, denen
die HanpteMbe im Spracbontemehte niebt die spracblicb formale Sebnlong,
sondern die Obermittlang wertroUer Kaltnrgflter iit, and stellt daber als
Ziel des Sprachanterriebtes aaf der unter- nnd Hittelttnfe Tonriegend
Spraebaneignang, dagegen aaf der Obentafe Sprachverwendang f&r die
Lektflre aaf. Dieaem Ziele entepreebend baben alle acbriftlichen Übongen
aaf der Unter- and Mittelitafe vorwiegend der Spracbandgnang, anf der
Obeiatafe aoeecblieiSlich der Lektflre sa dienen. Demnaeb wire das
Skriptum , d. i. die Übersetsang aas der Matterspracbe in die fremde
Spraebe, aaf der Oberstafe abiascbaffen. Der Verf. widerlegt sanftcbst die
swei Haaptargamente, die gewObnlicb fflr die Beibebaltang des Skriptoms
angefftbrt werden, da6 es ein wesentliches Mittel der formalen BUdang
and fflr die grammatische Sicherheit im Lektflrebetrieb notwendig sei.
Er stellt fest, daß die Klagen Aber die grammatische Unsicherheit der
Scbfller in der Oeschichte der altsprachlichen Methodik seit fast bandert
Jahren immer wieder kehren, and behauptet wohl nicht mit Unrecht,
daft die schlechten Besaltate in den Hinflbersetsangen in letiter Linie
darch den Umstand bedingt sind, daß fflr diese Obangen der groftea
Mehnabl der Scbfller der Oberstafe jegliches Interesse fehlt Femer
nähmen diese schriftlichen Arbeiten der Lektflre Loft and Licht. Natflr-
lieh habe dann aach das Examenskrlptam bei der Matarit&tsprflfang n
entfallen. Als Ersats des Skriptums hätten aaf der Oberstafe BetroTe^
sionen, freie Darstellangen and Obersetrangen aas der Fremdsprache ins
Deatsche sa dienen. Namentlich letsteren Übungen redet der Verf. das
Wort Das Skriptum oder Extemporale will er auf die Unter- und Mittd-
stufe bescbränken und auch hier so gebandhabt wissen, da6 et seine
bisherigen Schrecken fflr Scbfller und Eltern yerliere. Auch die so refor-
mierten scbrifüichen Arbeiten dflrfen nicht fflr das Zeugnis allein aas-
schlaggebend sein, sondern nur als gleichwertiger Faktor lu den mflnd-
lieben Leistungen biniutreten. Zum Schlüsse faßt Budde seine Ausfflhrangea
in mehrere Leitaätie lusammen.
Der Verf. siebt in seiner Schrift iwar namentlich gegen du
Skriptum im Lateinischen und Grieehischen su Felde, doch begreift er
unter den „fremdsprachlichen*' Arbeiten auch die schriftlichen Obangen
in den modernen Sprachen. Im Hinblick darauf mochten wir erwähnen,
daß an den Osterreichischen Bealschulen nach dem jetst geltenden Lekr-
plane das Skriptum aus dem FransOsischen auf der Unterstufe wohl ab-
geschafft ist, aber auf der Oberstufe und als Maturitätaarbeit allerdingi
nur während der Übergangsieit verlangt wird.
Im flbrigen paßt die Torliegende Schrift auch auf unsere Verbält-
nisse und da sie die Hinflbersetsung als Schularbeit, also einen sehr
wichtigen und wunden Punkt der praktischen Gymnasialpädagogik ia
objektiTcr und eindringlicher Weise behandelt, kann sie der Kenntnisnahme
unserer Philologen nicht genug empfohlen werden.
Wien. Dr. A. Wflriner.
F, Seiler, Gesch. d. deatseben UniarrichtsweianB, aog. t. ä. v. Leelair, 947
Friedrich Seiler, Oeschichte des deutschen ünterrichtBwesens.
Leipsig 1906 (Sammlong Göschen, 275. und 276. Bindehen). 116 und
122 SS.
Nar ein Schohnann von eindringen dster Sachkunde konnte es
fertigbringen, den geradeio ungeheuren Stoff in so knapper Darstellung,
jtnf 238 Seiten des bekannten Kleinformates Torinlegen, dabei aber doch
in lebendigster Weise lu belehren und nichts wirklich Wichtiges in Aber-
gehen. Der Stoff ist in acht Kapitel lerlegt: an die gedr&ngte Schilde-
Tong der Schulsustinde des Hittelalters (I.) schlieft sich Humanismut
und Reformation (IL), sodann das 17. nnd 18. Jahrhundert als Ober-
gangsieit (III.). Naturgemäß erfahr das 19. Jahrhundert, in welchem sich
4ie modernen Formen unteres Schulwesens herausgebildet haben, eine
relativ eingehendere Darstellung durch die nAchsten fflnf Kapitel: die
höheren Schulen, die Universitäten, die technischen Hochschulen und das
Fachschulwesen, die höhere Mädchenschule, endlich die Grundsflge der
Entwicklung der Volksschule bis auf die Gegenwart. Ref. hat fast alle
Abschnitte mit gleichem Interesse gelesen; insbesondere versteht es der
Verf., seine Schilderung jeweils durch sprechende Zitate in beleben. £ine
kleine Auslese von solchen und von Stellen, die den Kontrast von Einst
und Jetst grell beleuchten, wird vielleicht die Leser interessieren und
stellenweise auch den Geist der Darstellung erkennen lassen.
Die Bealienkenntnis aus dem klassischen Altertum während des
Mittelalters beleuchtet folgende Anmerkung des gelehrten Kotker Labeo
Ans St. Gallen lu dem Namen Alkibiades: „Wir wissen nicht, wer die
schöne Alkibias war, doch vermuten wir mit gutem Grund, daß es Her-
kules' Motter war, weil er der Alkide hieß**. — Melanchthon legt fflr
4en Schulunterricht ganz besonderen Wert auf die griechische Sprache:
„Wie freundliche Lehrer den Knaben Backwerk geben, sie ansulocken,
•eo hat auch der allmächtige Gott diese Sprache selbst lur allersflftesten
gemacht, keine gleitet mit so lieblichem Klang ins Ohr. Und er hat sie
gefüllt mit mannigfacher Wflne der schönsten Kflnste. Sie ist die
Lehrerin und Quelle aller Teile der Philosophie; heilige und profane
Oeschichte, Ethik und Politik, Mathematik und Astronomie, Physik und
Median fiieöen aus ihr. Darum, wenn wir des gegenwärtigen Lichtes
Qberdrflssig sind und in die frühere Finsternis luröck wollen, so gibt es
keinen kflrieren Weg, als das Aufgeben des Griechischen'*. — In den
1543 begründeten „Fürstenschulea* su Pforta, Meißen und Grimma lebten
Lehrer und Schüler gemeinsam, wie die Mönche eines Klosters, die Schüler
wohnten su je dreien in den unheisbaren (!) Mönchsiellen und trugen ein
langes, geistliches Gewand ans schwarsem Tuch. — Von Seite der prote-
•tantischen Konsistorien, welche die Aufsicht über die Schulen hatten,
„wurde besonders das Bekenntnis sehr scharf kontrolliert, die Erhaltung
der „reinen Lehre** war ja ein Hauptgrund, weshalb man. Schulen gründete.
Selbst die mittelalterliche Kirche hatte grööere Duldsamkeit geseigt.
Frisch] in klagte 1588, daü die Männer (d. i. die Lehrer der höheren
Schulen, die damals auch häufig „ Schuldiener "* genannt wurden), die den
ganien Tag im Gestank und Lärmen der Knaben subrächten und halb
60»
948 F. Seüer, Gaich. d. daoticliea UotenricfatswaiaB»» u^. ▼. A, r. Ledair.
Bcbwiodiflebtig, halb taub geworden seien, nacbhar, -wenn ne Mm-
gekommeD, maDcherorten du Brot des Jammen eeten «nd dM Wfttter
der BekflmmerDis trinken mQAten*. In dieser Epoche ^wtLt der Harns-
niinras, d«r snf&ngtieh eine begeisternde nnd begsieterts Weltanschannng
gewiesen war, in Formslismos nnd Phrmaenwesen erstarrt nnd sns einem
menschlichen Biidnngspriniip in einer mflhseligea Schnlleistnng her*b-
gssnnken; er hatte seine freie SeibatAndigkeit aingebtIAt nnd -war in den
Dienst der Theologie geraten, deren Jünger er fflr ein geistliches Amt
vorbereitete nnd inn Kampf wider die Heterodozie geaehiekt sn machen
hatte". — Wie objektiv der Verf. an jedem seiner Qegenatinde die Lieht*
nnd Schattenseitett nnteracheidet, erkennt man n. a. an aeinem Berieht
ttbor die ratio 9tudiorum der Jeaoiten. Ihr strenges Verbot dee toten
Diktiereaa nnd die Empfehinng der vtva vox iat aneh fftr nnsere Zeiten
wohl angeforaeht: «Es hilft nichts, wenn man anf daa Diktieren eine
ErUlntenng folgen lAAt; denn die Zöglinge paaaen dann nicht anf, weil
aie denken, sie hätten die Weisheit anf dem Papier. Aneh dem Lehrer
kmnmt die Erliotsrang ilfoerflflasig nnd mllhefoll vor, er meint, anine
Sache mit dem Diktieren getan tn haben; daher Tcnch windet dann die
Erliotemng allmihlioh gans. Freilich werden inerst nicht alle den freien
Vortrag mitechreiben kOnnen, aber der Lehnr mnß eich flben, eine solehe
Vortragaweiae in erlangen , daft die meiaten das Notwendige knra nach-
sehreiben können«. In derselben ratio $ti§dMrum wird tnm eraten Male
neben der wiaaenaehaftllehen Yorbereitnng aneh eine didakt lache Vor-
und Weiterbildnng dea Lehrera verlangt. — Dort» wo von der kläglichen
Entwicklung der medisiniachen Stadien im 16. and 17. Jahrhundert die
Bede iat, findet Seiler die Tataache, daß man daa Sesieren von Leichen
fftr sftndlich hielt, am ao aeltaamer, weil man doch daa Foltern Lebendiger
allgemein flbte. — Qeradesn nnglanblich klingt die Schildemng der Hoheit
nnd Z&gelioaigkeit an dentachen Hochscbnlen der angehenden Neoaeit^
darnach waren die Studenten eine wahre Geißel fflr die gesamte Stadt-
bcfvOlkemng. Noch barbarischer erscheint der AnawQoha dea Pennalia-
mns, der irgendwo ala «pestavtiger Brand nnd Kreba« beseiehnet wird,
und trotsdem mahnte Schnppiua aeinen sur UniveraitAt gehenden Sohn,
er aolle aieh daa erate Jahr nur mhig drillen und vexieren laasen: ^otim
meminiase iuvabit^. -^ In den Grundgedanken der „Aofklirung« findet
Seiler mit Recht das moderne Prinsip der freien Porechung, des Ton
keinerlei Scliranken eingeengten Denkens su allererst klar ansgeaprochen
«Bis in das 18. Jahrhundert hinein hatte trots der Reformation immer
noch das mittelalterUehe Priniip gegolten» daß die Wahrheit gegeben
nnd unumstößlich sei; die AufklArung brachte nun die Erkenntnis inm
Siege, daß die Wahrheit geaucht und gefunden werden mftaae, aber nie
vollkommen gefunden werden kOnne und daher immer von neuem tu
auchen sei". — Ana dem Bilde der Schulorganiaation dea ,,Pietiamna*
(Franckeache Schulen in Halle) aeien ein paar Zflge hervorgehoben. «Es
gab weder Freiseit noch Ferien, damit die Kinder nicht durch hinaliche
EtefiQase nseratrent und Tcrwildert« wflrden. Täglich war aieben Standen
Unterricht. «ErgOtslichkeiten** aowie allea Spielen war verboten, weil da-
A, V. PoriugäU, Friedrich FrObel, ang. ▼. JT. F. Kummer. 949
dareh «di« Qamflter der Eind«r von Gott, dem ewigen G«t, abgelegen
werden ond lie ihre ifli^e Herienilof t allein in ihrem holdseligen Heiland
finden •ollen''. Statt deisen arbeiteten eie in Hans uid Galten. ••. Der
Philologe Reitke klagt in seiner Selbstbiographie: JDie Betstanden
machten mich inm Karren, ich ward ein Betnarr. Allein die Hitse ver-
raochte bald, ich kam in die Welt nnd ward nicht ilel besser als ein
Naturalist; von diesem weiten Sprunge Aber eine so grofio Elnft habe
ich mich noch nicht ganz erholt**. Und Fr. Nicolai sagt, daft er in
Halle auch das Heacheln gelernt haben wflrde, bitte er dain nor die
geringste Anlage gehabt.
Gans modern mutet nns der Kampf an, den Job. M. Gesner, der
Begrflnder des Nenhnmanismne in Glittingeny gegen den üblichen gram^
matischen (wir sagen jetst „grammatisistischen*) Betrieb der alten
Sprachen fflhrte. Diese sollen durch den Gebrauch gelernt werden, die
Übungen im Griechischschreiben sollen wegfallen, dagegen soll in beiden
Sprachen tflchtig kursorisch gelesen werden, ond swar so, daß bei der
Lektüre die Aufmerksamkeit vornehmlich auf den Inhalt gespannt ist,
damit der Lesende in die Absichten, den GedankengaDg und die Eanst
des Schriftstellers eindringe. »Wer die Alten nach vorgeschriebener Art
liest und dabei die Gründe von der Mathematik studiert, bekommt geübte
Sinnen, das Wahre vom Falschen, das SchOne vom Unförmlichen su
unterscheiden, allerhand schOne Gedanken in das Gedächtnis, eine Fertig-
keit, anderer Gedanken su fassen und die seinigen geschickt su sagen*".
In demselben Sinne wirkten auch Ernesti und Heyne. Den Idealen
des neuhumanistischen Strebens hat aber Herder den treffendsten Aus-
druck gegeben; ich verweise auf dessen Ausspruch von der Hottentotten-
sprache (bei Seiler II, S. 10), die man manchem heutigen Bekämpfer des
Oriechischen an der Schule entgegenhalten mOchte. Indes muß ich ab-
brechen, ich kann das Buch Laien und Facbminnem nur aufs wärmste
empfehlen ; es zeigt wieder einmal deutlich, wie das Studium der GoMhiehte
eines Gebietes neben manchen Irrwegen und Fehlgriffen in weit lurück-
liegender Zeit auf Gedanken und Bestrebungen stOAt, die der Gegenwart
als die reifste Frucht ihrer eigenen Erfahrung und Forschung erscheint.
Man lese i. B. bei Gomenius in der Didaeiica magna (Opera did. L,
p. 120> wie vor 250 Jahren im Interesse des griechischen Unterrichts auf
Yereinfachong der Grammatik gedrungen wurde.
Wien. Ant v. Leclair.
Friedrich FrObel, sein Leben nnd Wirken. Von Adele von Portu-
gall. Hit 5 Tafeln. Druck und Verlag von B. G. Teubner in Leipiig,
1906 [»Natur nnd Geisteswelt**. Sammlung wissenschaftlich- gemein-
verständlicher Darstellungen. 82. Bändchen]. VI und 154 So.
Von der richtigen Anschauung ausgehend, daß eine Zeitschrift, die
den Interessen der ältesten und vornehmsten Gattung der Mittelschule,
nämlich des Gymnasiums, dient, auch die Schulkategorien» die jenem ihre
950 A. 9. PartugaUf Friedrich FrOb«l, ang. t. K. F, Kummer.
ZOgliDge iiif&hreD, und die HoehiehnleD, fllr die es seine eigenen Schttier
▼orbereitet» nieht anßer Betrncht lassen d&rfe, nimmt die Leitung der
Osterr. Gymnasialieitsebrift anch Besprechnngen von Schriften anf, die
sich mit den niederen Schalen, ihrer Methodik, Praxis, Geschichte nsw.
beschäftigen.
Eine solche liegt in der oben angefflhrten for. Friedrich FrObel,
der Schaler Pestaloisis, der Vater der Spielschale oder des Kindergartens,
der Gründer der noch heate blflhenden Ersiehangsanstalt von Keilhan,
darf wegen seines eigenartigen Bildangsganges, seiner Lebensschicksale,
seiner fruchtbaren Gedanken ein allseitiges Interesse bean sprachen;
namentlich wird der Lehrer der Jagend dem Manne seine Teilnahme
nicht fersagen, der ton Forstwirtschaft, Mathematik ond Natnrwissen-
schaften lor Kleinkinderersiehang gelangte nnd den Best seines Lebens
der Einrichtang widmete, die noch heate mit seinem Namen antrennbar
▼erknfipft ist, dem Kicdergarten.
Leider befriedigt die Torliegende Schrift die Erwartungen desjenigae,
der eine »wissenschaftlich-gemeinTerstftndliche Darstellong'' dieser inter-
essanten Persönlichkeit, ihrer Entwicklung, ihrer Ideen and ihrer Wirk-
samkeit daraas sa gewinnen hofft, darchaas nicht. Die Verf. ist Kinder-
gärtnerin ton Beraf; sie hat in Genf and Neapel solche Anstalten ge-
leitet; sie bat FrObels Schriften fleißig and aufmerksam gelesen und aus-
gezogen; sie ist von ihrem Berufe begeistert und stellt an sich selbst
und ihre Berufsgenossinnen hohe, strenge Anforderungen. Aber es fehU
ihr die Gabe der Anordnung und Darstellung des Stoffes; sie beherrscht
nicht, was sie darstellen will, sie kann sich Aber ihren Stoff nicht erheben.
Wer FrObel nicht schon aus der Geschichte der Pädagogik kennt, wird
aus ihrer Schrift kein klares Bild gewinnen.
Schon die Anordnung der Schrift weist arge Mängel anf; sie be-
ginnt mit einem etwas flberschwenglichen und nicht sehr klaren «Apho-
rism** von Berta Baronin v. Marenholts-Bfllow (gest. 1893), die bekanntlich
lur Verbreitung der Kindergartensache in Deutschland, Frankreich und
England am meisten beigetragen hat Daran schliei^t sich eine sogenannte
biographische Skisse Friedrich FrObels, die das Leben bis 1816, also bis
sur Gründung des Eriiehnngsinstitots in Keilhan, darsustellen sucht Ich
sage absichtlich: sucht; denn von einer pragmatischen Biographie kann
keine Bede sein; nicht einmal der Ort und das Jahr der Geburt (Ober-
weißbach in Thüringen, 21. April 1782) sind genannt Mit der Geographie
steht die Verf. auf gespanntem Fuß: Stadtilm verwechselt sie mit Stadtulm.
Der Leser, der gespannt ist, über FrObels Gründung in Keilhan,
die anfängliche Blüte des Instituts, seinen Verfall, FrObels Rücking, sein
folgendes Leben in der Schwell und in Berlin, kurs über die wichtige
Zeit von 1817 bis 1887 (Eröffnung des ersten Kindergartens in Blanken-
bnrg) Näheres zu erfahren, wird gewaltig enttäuscht; denn unmittelbar
an die plOtslich abgebrochene biographische Skisse reihen sich secfas
Vorträge, die sich mit FrObels lotsten Stunden und seiner Methode (1),
mit seinem Hauptwerk, der „Menschenersiehung* und ihrer praktischen
A, V, Portugaüy Friedrich FrObel, aog. ▼. K. F, Kummer. 951
Yerwertong (2), mit den «Matter- und Koseliedem'* (3), der Orflndiug des
Kindergartens (4), mit FrObel als Lehrer (5) and seinen Besehfiftigongs-
mitteln (6) befassen.
Leider aach hier wieder alles in anial&nglicher Darstellang: die
Veif. ist Yon einem anerkennenswerten Idealismas beseelt, sie hat schOne
Ideen; aber sie weiü sie nicht sa gestalten; es fehlt ihr der historische
Sinn, der die Dinge, die sie wflrdigen will, vor den Aagen des Lesers
aas der Persönlichkeit entstehen and sich entwickeln Iftßt; sie verliert
sich fortwährend ins Moralisieren and Dogmati sieren, statt ihren Helden
nnd seinen Werdegang danalegen nnd seine Ideen selbst wirken sa lassen.
Am klftglichsten sieht es mit den geschichtlichen Partien des Baches
aas. Wer FrObels Biographie nicht kennt, wird sich S. 91 ff. nicht aas-
kennen, was fflr Bewandtnis es mit Mariental, Liebenstein, der Hersogin
Toa Meciüenbarg asw. habe, S. 94 ist das Monatsdatam der Grflndang
des Eindergartens in Blankenbarg wohl angegeben, das Jahr aber fehlt.
Aach das Baamersche Verbot der Eindergärten vom 7. Aagast 1851 ist
S. 35 in einer Faßnote in geradem konfaser Weise behandelt.
Am besten sind noch die Partien, die sieh mit dar eigentlichen
Xindergartenbesehäftigiing befassen, also der dritte and sechste Vortrag.
WertToll dem Inhalte nach and als charakteristisch fflr FrObels Baam-
grOßensjmbolik sowie fflr seinen Stil ist der im Anhang S. 137 — 154
abgedmekte Brief FrObels Aber die Vermittlangsschale; die Qaellenaogabe
ist wieder mangelhaft („Zeitschrift von Marqaardt**).
Soll ioh noch von Sprache and Stil reden? Erstere ist vielfach
inkorrekt Der Beistrich scheint fflr die Verf. nnr da sa sein, am aas-
gelassen la werden, wo er hingehOrt, and gesetst in werden, wo er fehlen
sollte. Zitate sind nicht abgegrenzt; oft weiß man nicht, wie weit FrObels
Worte gehen nnd wo das Raisonnement der Verf. anhebt Der Stil ist
salopp; I. B. S. 24: „Dadurch kräftigte sieh ihr EOrper, während ihr Geist
sich darch Eenntnisse, welche ihr Lehrer durch Anleitung nnd Anregung
in eigener Beobachtung ihnen Termittalte**. Solcher Stellen habe ich
eine ganie Reihe aaf S. 45, 47 f., 50, 51, 54, 64, 66 usw. angemerkt Die
Verf. ist eben Eindergärtnerin, es fehlt ihr die höhere allgemeine Bildung
nnd Sehulung des Geistes, die nOtig ist, um über ein Metier su schreiben,
das sie ja technisch beherrschen mag. Ihre Schrift gebOrt nicht in eine
Sammlung „wissenschaftlich- gemein verständlioher Darstellungen** einer
vornehmen Firma. Wer FrObel rasch kennen nnd sehätsen lernen will,
wird ans dem Artikel „FrObel" im „Ensyklopädisehen Handbuch der
Ersiehungskande, herausgeg. von Dr. Josef Loos, Wien nnd Leipsig*,
A. Pichlers Witwe & Sohn 1906, L Band, S. 481a— 490 & viel mehr
gewinnen als aus der gutgemeinten, aber an zulänglichen Schrift der
Adele von Portagall.
Wien. Dr. E. F. Eummer.
952 Varhuidl. der VI. JahretTarMmmloiig otw^ ang. t. L. Bwrgerftem.
Verhandlangen der VI. JahresTerflammlang des Allgemeinen
Dentechen Vereioe fllr Schalgeenndheitspfiege un U. aod 15.
Joni 1906 in Stattgart. Leipsig und Berlin, B. 0. Teubner 1905.
112 Sa gr.-8*. Preis Mk. 1-80 (Ergininngsbeft in »Gesunde JagendS
y. Band).
Diese JahresTersammlang des Vereines stand gani besonders unter
dem Zeieben der ünterriebtsbygiene nnd waren es speiiell die Tiel be-
sprocbenen Tbemen: Spraebanterricbt nnd ungeteilter Tagesnnterriebt,
welche diskutiert wurden, selbstredend mit Hinblick aaf Entlastung. —
Zum Gegenstand des fremdspracblicben ünterricbts, welcber namentlich
hinsichtlich des Modus manchen Angriff erfahr, referierten Prof. Vi€tor
der üniTersitAt Marburg und Dr. med. J&g er -Schwäbisch Hall, wobei
ersterer vor dem fremdsprachlichen Unterricht längere Beschäftigung mit
der Muttersprache, aber nicht durch grammatische Behandlung, sondern
durch Hebung des Sprachgefflhls forderte; die sn gewinnende Zeit soll
der Erholung, dem Bewegungsspiel, freigewählten Beschäftigungen sowie
der Anleitung tum Beobachten und zeichnerischen Darstellen dienen.
Dr. Jäger will die Verlegung spesiell des grammatischen Betreibens
der alten Sprachen auf die höheren und höchsten Schulstnfen. — Hin-
sichtlich des ungeteilten Tagesnnterriobtes trat Oberrealsehnldirektor
Hintimann-Elberfeld für 45'-Lektionen und Zusammenlegen des Unter-
richts auf die erste Tageshälfte ein, während Mittelschnllehror Baft-
Stuttgart die Ansicht vertrat, daß dort, wo der ungeteilte Untenricht Aber
12 Uhr dauern mochte, die Zustimmung der Eltern eininholen sei; die
Fragen sollten experimentell behandelt werden. Dr. med. Hellpaeh-
Karlsruhe ist fttr Unterrichtsteiteinheiten von 45' auf den unteren nnd
mittleren Stufen, für die Oberstufe hält er bei gewissen Fächern, welche
im allgemeinen keiner in hohen Spannung bedflrfen, Unterrichtsseitein-
heiten von 80' sulässig. Den Kachmittagsunterricht will er auf den Spät-
nachmittag Terlegt sehen (4—7 Uhr). — Stadtant Dr. Gastpar- Stutt-
gart erörterte kritisch die Schfllerunterauchnngen. Antrag: Die sohulärst-
liche Untersuchung ist auf die Angehörigen aller Schulen, also anch auf
die Besnoher der höheren Knaben- und Mädchenschulen ausiudebnen. —
An die Vorträge schloß sich eine rege Diskussion an.
Ei würde weit mehr Raum beanspruchen, wollte Ref. diesen Ver-
handlungsbericht dem Inhalt entsprechend resensieren: dies ist ja in der
Natur einer solchen Veröffentlichung begründet. Wer sich fflr die ange-
deuteten Themen interessiert ^ und wer tut dies heute nicht 1 -~ muß
naturgemäß den Berieht selbst lesen.
Wien. L. Burgerstein.
Vierte Abteilung.
Miszelleiu
Literarische Miszellen.
P. Coroelii Taciti opera qaae supersnnt. Baeensnit loannei Mniler.
Editio minor. Volmneii U. HistoriaB et opera minora cdotinens. Editio
altera emendata. Leipzig, G. Freytag; Wien, F. Tempskj MDCCCCVI.
807 8S. 80. Preis geb. 2 K 40 b.
Volnmen II der tob J. Müller nanmehr in «weiter Aaflage besorgten
kritischen Anegabe des Tacitos ist in dieser Zeitschrift 1907, 8. 50|^511
eingehend besprochen. Hierans erhalten wir im vorliegenden Bftndcfaen
den bloDen Text der Historien und der kleinen Schriften nebst den in-
gehörigen firoTiarien nnd dem Index nominum in sämtlichen Schriften
des Tacitos. Leider sind aach die lom Teil recht störenden Dmckfehler
ans der Editio maior wieder abgedrockt. Dieser Umstand und daxa das
roangelhafte Papier sind fflr ein Schalbach — denn als solches ist die
£!düio minor gedacht — > eine mifiliche Sache.
Wien. J. Golling.
Lonis Lagarde, La lutte poarlavie. Atec nn appendice: Notes
explicatives. Stnttgart, Verlag von Wilhelm Violett 1906. 144 SS.
Dies ist der erste Band einer neaen Sammlung von Sprachlehr-
novelleo. Man kennt diese Gattung von Hilfsmitteln rar Erlernung der
Umgangssprache schon aus Masse j: ^In the StruggU oflAfe^ und «(Tod
8ave the Queen*.
Auch hier werden die Bealien in das Gewand einer Era&hlung
gekleidet. Der Sohn einer guten aber verarmten Familie einer fraBtOsi»
sehen Prorinsstadt geht nach Paris, um sich dort eine Stellung lu suchen.
Deit Aufenthalt in Paris gibt Veranlassung, die Sehenswürdigkeiten und
Einrichtungen der Hauptstadt su schildern. Schließlich findet der Held
der Geschichte bei einem Fabril[anten in der Provins Beschäftigung, der
ihm dann wegen seiner Tortrefflichen Eigenschaften seine Tochter sur
Frau gibt.
Natflrlich ist auf die Anbringung möglichst vieler Galliiismen Be-
dacht genommen, die in den Notee explieativei erklärt werden.
Fflr praktische Zwecke und tum Selbstunterrichte sind solche
Spraehlehmovellen gewiß gans gut.
Wien. Dr. A. Wflrsner.
954 Misiellen.
Zar Schärfiing des Sprachgel&hls 200 fehlerhafte S&tze mit
VerbesseruDgen und sprachlichen BemerkuDgen, geprüft tod
ainem Anstebnsse des Allgemeinen deutschen SprachTereins mit einer
einleitenden Abhandlung: Was ist Sprachgefühl? Wamm soll es ffe-
sch&rft werden? von Hermann Danger. Berlin 1906, Verlag des
Allgem. deutschen Sprachvereins (F. Berggold).
Es war ein glflcklicher Gedanke, die 200 fehlerhaften Sitte in der
Torliegenden Fassung sn veröffentlichen. Die Angabe der QaeUen, aas
welchen diese geschöpft sind, rnft allen Kreisen tu, daß es nOtig ist, das
Sprachgeffibl sa schärfen : denn «nicht grobe Fehler, wie sie von SchOlem
and Ungebildeten gemacht werden*, wählt das Bflchlein ans, sondern
Fehler and VerstOOe, die selbst von namhaften Schriftstellern gemacht
worden sind and am häufigsten bei Gebildeten vorkommen. Allen fehle^
haften Sätzen ist eine mastergiltige Verbesserang an die Seite gestellt,
wo es nottot, werden die GrOnde vorgebracht, waram man so nicht
sprechen and so nicht schreiben darf, an vielen Beispielen wird geieigt,
wie weit der behandelte Fehler verbreitet ist. Das Bflchlein ist kein
Lehrbach, denn die Fehler werden nicht nach Gruppen behandelt. Da
ijeder Sats gewissermaßen ein Bätsel" sein soll, das dem Leser aufgegeben
wird, ist fflr Abwechslung gesorgt und dabei im Auge behalten worden,
daß innerhalb der Gesamtreihe ein Fortschritt vom Leichteren znm
Schwereren stattfinde. Die Schwierigkeit im BätsellOsen ist dadurch ver-
mindert, daß mancher Sats den neuen Fehler, der entdeckt werden soll,
mit bereits erkannten Fehlern verbindet, durch jenen die Keagierde
spornend, durch diese das Erlernte befestigend. Freilich werden auch
wahre Sattaageheuer angeführt, so wanderfremd, daß man sie anstaunen
muß; wer ihnen luleibe gehen will, muß Mut haben. In manchen Sätsen
kämpft der AUgem. deutsche Sprachverein gegen das mutwillig oder falsch
gebrauchte Fremdwort Da es auch dem Gebildeten manchmal nicht so
leicht wird, den verfahrenen Karren ans dem Sampfe la liehen and
heraussufflhren, ist in jedem Satse die Stelle, die der Yerbessenmg bedarf,
gesperrt gedruckt. Das Sachregister ist recht suverlftssig nnd so kann
auch der Deutschlehrer angemessene Beispiele bei der Verbessemng der
schriftlichen Arbeiten heranziehen.
Hermann Daoger hat den fehlerhaften Sätzen die Abhandlung:
Was ist Sprachgeffibl? Warum soll es geschärft werden? vorangestellt
Er spricht anziehend und richtig Aber das Sprachgeffibl, seine Entstehung,
Entwicklung, Veränderung, fiber die Einwirkung der Mundart auf das
Sprachgeffibl, er weist mit Recht nord- und süddeutsche mandartliehe
Ausdrficke und Wendungen aus der Schriftsprache hinweg. Doch tadele
er mit Unrecht, daß ein Österreichischer Gelehrter in seinem Lehrbuche
der italienischen Sprache scaffäle durch «Bücherkasten**, scala a lumaea
durch „Schneckenstiege^ fibersetst hat. Diese Ausdrücke, meint Dunger,
führten irre; denn bei „Bücherkasten** habe er an eine Eiste sur BefUr-
dernng von Büchern, bei der „Schneekenstiege** zunächst an einen Weg
j;edacht, auf dem Schnecken emporkrOchen. Das italienische scaffaU msg
ja ein „Bücherbrett** oder „Büchergestell** sein (damit wiU Danger den
„Bficberkasten** beseitigen), die Süddeutschen kennen aber einen Bücher-
kasten oder Bücherschrank ebenso wie einen Kleiderkasten oder Kleider-
schrank und der Bücherschrank ist wohl auch dem Norddeutschen nicht
unbekannt, scala a lumaea ist in wörtlichster Verdeutschung tatsächlich
nichts anderes als eine Sehneckenstiege. Die dem Norddeutschen geläufigere
Wendeltreppe stellt sich der Süddeutsche, der das Schneckengehänse io
der Ansicht und im Achsenschnitte gut angesehen hat, eben aach als
Schneckenstiege vor. Wamm sollte bloß der norddeutsche Ausdrack sehrift-
gerecht sein? So eogherzie ist Dunger sonst nicht, sagt er doch S. 82:
„Aber wir müssen uns doch freuen, daß unsere Sprache reich genug ist,
uns mehrere Ausdrücke für denselben Begriff zur Verfügung zu stellen*
Miszellen. 955
Die AbichDitte ^MangelndM Sprachgefflhl*, »Sprachgeftthl durch Be-
lebrnDg** mtüen grau in graa. Wenn emem Scbriftateller hie ond da ein
SaU mißglflckt, wenn die nSprachmeister", die Verfasser foo Lehrbüchern
der deatichen Sprache, hie ood da eine schlechte Begel aufstellen, so
reicht die Wirkungdiesea Unheils doch nicbt so weit. Die wiederbolte
Mahnung, in der Wahl seiner Sprachlehrer torsicbtig su sein, wirkt nur
▼erängstigend. Es bätte weit mehr, als es geschehen ist, herTorgehoben
werden sollen, daß das Spracbgefflhl nor auf dem Grunde tflchtiger
spracblicher Scbulang und aer Lektüre ?orittglicber Schriftsteller empor-
gedeiben kann.
Wien. Ferdinand Holsner.
Diktier- uDd AuDsatzbach für den deutschen Unterricht. Von
Dr. E^^id ▼. Filek. Wien und Leipsig, Frans Deuticke 1908. VI
und 116 SS.
Wer neuen Diktiafitoff für die unteren Klassen benMigt, dem sei
Torüegendes Bflchlein als sehr brauchbar empfohlen. Es ichliei^t sich an
die offlsielle Ausgabe der ßechtachreibung an, ist TerlAOlich und seichnet
sieh durch Reichhaltigkeit (auch inbaltlicb) und durch Bflcksichtnahme
auf die Fassongikraft der Schfller aus. Die fallweise einmabenden Laute
sind durch den Druck hertorgehoben (nur selten unterblieb dies), was
▼ielleicht als (überflüssig su beseichnen w&re. Eine empfehlenswerte Ein-
richtung dagegen ist, daß die ObungsstQcke bftufig verwandte ortho-
graphische Gruppen berflcksiehtigen. Die FflUe des Gebotenen gestattet
dem Lehrer nalflilicb, immer das Zweckdienlichste aussuwählen.
Wien. Dr. Rudolf LOhner.
Dr. Edmund Lange, Sokrates. 84. Heft der Gjmnasialbibliothek.
Heransgegeben ?on Prof. Ha^o Ho ff mann. Gfltersloh, Druck und
Verlag Ton C Bertelsmann 1906. 72 SS.
In der von Hugo Ho£fmann herausgegebenen Gymnasialbibliothek
bat Edm. Lange auf seine beiden Heftchen Aber Xenophon und Thuky-
dides ein drittes folgen lassen, das Aber Sokrates. Wenn eine Person
des alten Griechentums, so ist es die Terklärte Gestalt des Sokrates,
welche das empfängliche Gemüt unseres Obergrmnasiasten fQr alles SchOne
nnd Gute entfljunmt. Gewiß mag dieses Bild, besonders bei Plato, nicht in
jedem Zuge mit der historischen Person des Philosophen flbereinstimmen ;
die Schullektüre erfüllt ihren Zweck, wenn sieh dem Geiste des Schülers
das Bild fest einprägt, wie es Plato Tjon diesem wunderbaren Manne
entworfen bat. Die wenigen Partien, welche aus den Memorabilien des
Xenophon in der Schule gelesen werden, können diese Vorstellung lum
Teile erg&nien.
Insofern es sich Lan^e snr Aufgabe gemacht hat, vor allem unter
Hinweis auf Xenophon und Plato »die persönliche Eigenart und die philo-
sophische Bedeutung des Sokrates lu schildern** (S. 8), wird dieses Büch-
lein auch unserem Oktafaner gute Dienste leisten und genug Sto£f sur
Belehrung bieten. Allerdings wird er Nr. 1 „Der Entwicklungsgang der
griechischen Philosophie bis auf Sokrates** (S. 1 — 8) nicht fiel Neues
hören, denn kein Lehrer wird an die Lektüre Piatos berangehen, ohne
eine derartige Einleitung Toransgeschickt su haben.
956 HitseUen.
Befondcre Beaehtong verdieDaD AbsehBitt 8 UDas Leben dai 80-
kntes", 8. 10--16), 4 („Dia Paraftniiekkeit des Sokrataa* S. 16—42) and
5 («Die philoaopbiicben Anaebaaiuigen das Sokrataa", 8. 42—65).
8. 80 ff. werden sor beateren Wflrdigong des Wesens und der Lehre
daa Sokraiea die Haoptponkte ans der Verteidigungsrede des Sokratas, aas
Kriton nnd einigen liapitaln des Pbndon wiadei^egeben. Warum wurde
nicht f&r den gleichen Zweck der reiiende, ffir die Charakteristik des 80-
kratea nnd die 8chale ao ergiebige kleine Dialog Entbjphron herauf
sogen? Im 5. Abschnitte werden in anregender und flbersichtlicher Wetae
die Vorsflge und Schwächen der pbiloaophischen Anacbauuogen dea 8o-
kratea dargelegt. Lange wirft hier die Frage auf, ob Sokratea mehr Dia-
lektiker oder Ethiker gewesen iat (3. 42 ff.). Die Apologie, eine der
ältesten, wenn nicht die älteste Sehiift Platoa, seigt una doch deutlich,
da6 die Dialektik fftr Sokratea nur ein Mittel geweaen iat, die Wahr-
heit SU finden, um dadurch aeine Mitbflrger cur Agnif^ sur mOglichaten
VerTOUkommnung ihrer Seele su fähren.
Die Beaaersnff aeiner Mitbürger war das letite und höchste Ziel
aeinea Strebena. Wer die Wahrheit kennt , kann nach Sokratea nicht
schlecht handeln und auch nicht aeblecht aein. In diesem Sinne iat So-
kratea ein Wahrbeitasuoher gewesen und auch fär die Wahrheit in den
Tod gegangen. Man kann daher auch nicht sagen : «Der Kernpunkt seiner
Philosophie ist daa Streben . . . nach dem Wiaaen vom Weaen der
Dinge** (S. 52). Diese Kenntnia äberlieO Sokratea, wie wieder die Apo-
logie deutlich heseugt, anderen Pbiloaophen, den Katnrphiloaophen. Die
Selbsterkenntnis, das yvA^i. eavtovf soll daa Streben einea jeden Men-
schen aein, um auf dieaem Wege lum wahren Glflcke su gelangen. Die
Behauptung, daß „die Sophisten daa Niehtwiaaen sum Prinsip machen*
(8.54), kann doch Ton ihrem Tornehmaten Vertreter, ?on Protafforaa,
nicht gesagt werden. Der aubjektifen, relativen Wahrheit des Frota-
goraa atellt Sokratea die allgemeine, objektire Wahrheit gegenflber.
Die in jeder Bicbtung lesena werte Schrift achließt mit einem Ka-
pitel Aber „die unvollkommenen Sokratiker** , einer Parallele iwischen
Sokrates und Christus und dem Nachweise, welche Stellung die Oestalt
des athenischen Philosophen in der neueren deutschen Literatur einnimmt
(8. 65 ff).
Vielleicht ließe sich in der Form und im Ausdrucke da und dort
eine Verbesserung anbringen. So ist i. B. 8. 19 „mit der er für jeden ..*
su achreiben (statt «mit er fär*" ..). S. 16 ist wohl der Sats »da nahm
er YoU Seelenruhe Abschied von aeiner Frau und a einem jüngsten Kind^
ein Veraehen. Nach Plato, Phssdon c. 65 hat Sokrates außer von seiner
Frau auch von seinen drei Kindern Abschied genommen. Lange dOifU
sich mit einer Äußerung im 8. Kapitel dea Phaodon geirrt haben.
Wien. Dr. Joaef Kobm«
Dr. AntoD Becker nnd Dr. Julias Mayer, Lernbueh der
Erdkunde. II. Teil. Zweite gekfirste und verbesserte Auflage. Wien,
F. Deuticke 1907.
Die vorliegende sweite Auflage des Becker-Mayerachen Lehrbuchea
unterscheidet sich sunächat vorteilhaft von der eraten dadurch, daß sie
mit Recht den Titel „gekflnt" fährt Tief einschneidende Änderungen
in der Anlage dea Bachea aind mir nicht aufgefallen und, da ea an
dieser Stelle bereits einmal ausfährlich gewQrdigt wurde, genflgt es wohl«
featiQstellen, daß es in der neuen Gestalt tatsächlich an praktischer
Brauchbarkeit gewonnen hat.
Wien. B. ImendOrfter.
ProgmmDflmehfta. 957
Mathematische Spiele tod Dr. W. Ahrens in Magdabarg. Mit einem
Titelbilde and 69 Figaren im Text. Leipsig, B. G. Teabner 1907.
(„Aqs Natnr ond Geiitetwelt**. Sammluig wisieDicbaftlich-gemeinver-
ständlicher Darstellungen. 170. Bftndchen.)
Unter dem THel „Matbematitehe Unterbaltongen und ^el«** ist
▼or nieht langer Zeit Ton deraielben Verf. in gleicbem Verlage ein grö-
ßeres Bach TerOffentliebt worden, das aoeh in diesen Blättern Beepre-
ebnng fand, in welchem der Gegenstand aoafftbrlich nnd Tom etreng
mathematischen Standpankte aas behandelt worde. Das Torliegende
Bflchlein von 118 Seiten bringt eine Answahl von mathematischen Spielen
solcher Art, daß la ihrem YerstAndnis keinerlei Kenntnisse aas der Ma-
thematik Toraasgesetst werden. Folgeriehtiger, strenger Denkkn^ wird
der Leser trotidem nicht entraten kOnnen, bei langsamem, allm&hliehem
Hineinarbeiten in den Stoff wird er jedoch sicherlich som Verständnisse
desselben gelangen. Dadarch antarscheiden sieh eben diese wenn aach
an und fftr sich einfachen mathematischen Spiele von allen anderen
Spielen gans wesentlich. Dem Freunde von Maßeatonden bieten dieselben
reichliche geistige Anregung, einen kOstliehen Born von Unterhaitang ond
Belehraog.
Wien. Dr. £• Grftnfeld.
Dr. Thomas Flora von Deateehland, Osterreich und der
Schweiz. V.— VII. Band : Kryptogamenflora (Moose, Algen, Flechten,
Pilse) von Prof. Dr. W. Migala. Gera, Verlag von Zasschwiti.
Dem Bef. liegen die lieferangan 40^48 vor. Die Bearbeitung des
Textes und die bildliche Darstellung der behandelten Pflanien (Algen)
ist musterhaft. Mit Lieferung 48 ist der VI. Band (Algen) der Kiypto-
gamcDfiora abgeschlossen. Das Werk ist sehr su empfehlen.
-Wien. H. Vialtorf.
Programmen schau.
33. Dr.LeoBeidel, Goethes Anteil an Jang-Stillings „Jagend''.
Progr. der I. deutschen StaatsreaUcbnle in Prag 1906 und 1907.
In der fflnfb&ndigen Lebensgeechichte Jungs nimmt der erste Teil
(^. H. Stilllngs Jugend**) eine besondere Stellnag ein und sticht von dem
dbrigen durch seine frische Natflrlicbkeit und künstlerische Vollendung be-
deutend ab. Da bekannt war, da6 diesen Teil der Lebensgesohiohte 1776
Goethe sum Drucke befördert habe, so behaupteten DQntier und andere
Literaturhistoriker, die «Jagend* sei von Goethe flberarbeitet worden.
Daceffen machte Max GObel geltend, das Werk sei mit den Fortsetsungen
einheitlich und gans Jungs Arbeit. L. Beidek Untenuchnngen aber stellen
m. E. ttberseugend dar, daß Jung swar Pietist war und sich Pietisten-
biographien sum Muster nahm, aber in Straßbarg freiere Luft einatmete
und unter dem persönlichen Einflüsse Goethes im Sinne des Sturms und
Drangs seine autobiographische ^Jugend" verfaßte. Nachdem er Straß-
burg verlassen, Änderte er sich wieder und erschien abermals als Pietist,
der er dann bis an sein Ende blieb. Daher seigt er sich in Briefen und
958 Pro^rftrameBBchao.
for allem in dem bekannten «SendBchreiben** (1801) als echter Pietist').
Die VerftndeniDgen, die mit dem Werke vor eich gingen, h&ngen also mit
den Verftnderongen des Scbriftstellers Jong susammen. Eingehend wird
Ton B. dargelegt, daß die „ Jagend', welche in neuester Zeit sonderlieh
anch ton Nietsscbe bewundert worde, getreulich den Charakter des Sie-
garlandes, selbst sprachlich, wiederspiegelt und daher das Werk Jungs
sein mfisse. Sonst würde wohl bei einer Umarbeitang durch Qoethe die
dialektlicbe Färbung verloren gegangen sein. Zum Schlosse stellt B. im
iweiten Teile (S. 32 ff.) die ganse Entstehungsgeschichte des Werkes ge-
nauer dar, um seine Torhin angedeutete Ansicht su begründen.
Graz. Dr. S. M. Prem.
34, Dr. Stephanus Fürst, Fastorum GampililieiiBiani tom. IIL
(1500-^1 580). Progr. des n.-O. Landes-Beal- und Obergrmnasiums in
MOdling 1907. 88 SS.
Die Einleitung gibt eine knappe Obersicht über das Leben und
Wirken Hanthalers, dessen Fälschungen bekanntlich in den Osterrei-
chischen Geschichtsb flehern bis in die neueste Zeit fiel Unheil angerichtet
haben und erOrtert dann den Inhalt der Fasti Campililienses , deren
dritter Band nicht erschien, weil ihr Verl früher starb. Dieser dritte
Band reicht bis 1710 und soll in der Weise, wie die Jahre 1500—1580
hier gedruckt sind, mitseteilt werden. Nach der Torliegenden Probe
dürfte der Gewinn fOr die Geschichte nicht alitu hoch eingeachätit werden,
es ist aber doch immerhin gut zu wissen, was dieser dritte Band eigent-
lich enthält Es wird auch nicht schaden, wenn zum Schlüsse des Ganzen
einige Noten angefügt werden, um einen und den andern Irrtum Han-
thalers zu berichtigen.
35. J. G. Bief , Beiträge zur Geschichte des ehemaligen.Ear-
täuserklosters Allerengelberg in Schnals. Progr. des öffent-
lichen Obergjmnasioms der Franziskaner zu Bozen 1907. 238 SS.
Der forliegende fünfte Teil enthält Urkundenauszüge, Briefe usw.
▼om 11. NoTember 1482 bis 1. November 1491. Auch diese Nummern
sind ton lokal geschichtlichem Werte bis auf einige, wie Nr. 684 oder 796|
denen eine allgemeinere Bedeutung zukommt. Die Wiedergabe der ein-
zelnen Stücke scheint eine richtige zu sein.
Graz. J. Loserth.
') Das „Sendschreiben** wird nach der korrekten Form bei A.
VOroel, Briefe Jung-Stillings an seine Freunde, Berlin 1905, S. 142 ff.
zitiert; auch der Brief LaTaters an Jung vom 28. Juni 1797, S.84, Stücke,
die ich 1897 im 8. Erg.-Heft des „Euphorion^ S. 148^158 suorst Ter-
Offentlichte, worauf sich VOmel nur sehr ungenau in einer Fußnote be-
zieht. Vgl. Beidel, 1. Teil des Progr. (1906), S. 88. Ob in dem Aufsätze
von Ernst Hellem, Goethe und Jung-Stilling, Bbein.-Westf. Zeitung 1902,
Nr. 608 hieher Gehöriges steht, vermag ich nicht zu sagen.
ProgrammeDBChaa. 959
36. P. VitalJäger, Salzburg and seiDe Umgebung als geo-
graphisches LehrmitteL II. Teil. Progr. des Gymn. am Kolleg«
Borrom&am in Salzburg 1906/7. 35 SS.
Der erste Teil der Torliegendeii AbhaDdlong, der im Progr. fflr das
Jahr 1908/04 erschienen iit, ist mir leider nicht bekannt. In der vorlie-
genden Abteilung wird die weitere Darstellung der allgemeinen Erdkunde
in der I. Klasse an der Hand des vom Sehnlorte und seiner Umgebung
gebotenen Hateriales gegeben. Das von JAger eingeschlagene Verfahren
ist wohl nicht gani neu, aber die gebotenen Darlegungen leigen jeden-
falls ein ungemein liebevolles und von tiefem Yerst&nanisse getragenes
Eingehen auf den Lehrstoff, der hier nach jeder Seite hin vertieft wird.
Freilich muß betont werden, daß snn&chst die kleinere Stadt, sodann der
Umstand, daß es sich inmeist um IntematssOglinge handelt, endlich die
besonderen Verh&Itniste Salibnrgs lauter fordernde Momente von außer-
ordentlichem Werte sind. Das Bestreben, ein möglichst vollständiges Bild
des Schulortes lu gewinnen, fflhrt flbri(:ens hie und da lu weit So wflrde
ich in der I. Klasse, wo historische Kenntnisse weder in fordern, noch
vorausiusetscn sind, nicht derartig ausführlich auf die Geschichte der
Stadt eingehen. Was sollen SchQler, selbst wenn sie ZOglinge eines eri-
bischOflichen Alumnates sind, beispielweise mit den geschichtlichen Details
tnn, wie sie S. 6 und 7 geboten wurden ? Auch das Absehweifen von Sals-
burg SU einer Negerfamilie, su dem nur eine recht lockere Gedankenasso-
siation die Brücke bildet (S. 9), kann ich nicht billigen. Überhaupt scheint
mir das flberall wiederkehrende Bestreben, unter dem Verwände, Sals-
burg su betrachten, de omntbus rehu8 et quibusdam aliis xu sprechen,
nicht eben vorteilhaft; es gebt flberdies hie und da auf Kosten der Tiefe.
Davon abgesehen ist die Arbeit, soweit es sich um rein geographische
Dinge handelt, methodisch sehr hßbsch durchgearbeitet. Ich iweifle auch
nicht, daß eine so vorbereitete I. Klasse mit tflchtiger Grundlage auf-
steigen wird.
Wien. B. Imendörffer.
37. Adam Schuh, Eine Mittelmeerreise. Erster Teil. Mit einem
Titel- und 60 Textbildem, 2 Karten und einem Profil. Progr. der
k. k. SUatsrealschule in Marburg 1906. 85 SS.
Der Verf. beteiligte sich im August 1905 an der von den Professoren
Dr. Miller in Stuttgart und Lorens in Neapel veranstalteten Mittelmeer-
reise. Er schildert in dem vorliegenden ersten Teile in liemlich breit-
Snriger Weise die Fahrt von Stuttgart nach Genua, den Aufenthalt auf
enorca, in Algier und Umgebung, Konstantine, Biskra, Sidi Okba, Timgad,
Tunis und Karthago. Die Ausstattung des Aufsatzes ist eine reichliche.
Befremdend wirkt die Terraindarstellung auf der Karte von Algerien und
Tunesien. Das beigegebene Profil besagt nichts Neues.
38. B. Bothang, Über die Verwendung der Spezialkarte
1 : 75.000 im unterrichte. Progr. der k. k. Staatsrealschule im
X. Bezirke in Wien 1906. 17 SS.
Die Gedanken, die der Verf. in dem Aufsatse entwickelt, sind
durchaus gesunde, wenn auch die praktische Durchfflhrung auf gar manche
Schwierigkeiten stoßen dfirfte. Vor allem wird es vielleicht noch lange
Zeit währen, bis sich die in Aussicht genommene Auswahl von 88 Blättern
in den Händen der Schiller befindet Der Verf. hat sich der dankens-
900 Programm^iiacfaaQ.
werten Hübe ontenogen, aoa der großen Zahl der Spetialkartenbifttter
jene heraiusasachen, die typische geofpraphiiche Elemente enthalten. Die
^jasammenstellaDg, die er giht, ist ein ?erdienstlieher Kommentar sar
Spesialkarte, der Tom Lehrer gewiß gerne benatit werden wird.
39. 0. Sigmund, Beitr&ge zar Eonntnis der HöhenregioDeD.
III. Teil. Progr. der k. k. Staatsoberrealsehale in GOrs 1906. 16 88.
In Fortaetsnng seiner berdts angeseifften Arbeit (Tgl. diese Zeit-
schrift 1908, 8. 546) besohftftigt sich der Verf. aiit den Höhengrensen
des Ratsch- nnd Bantentales. Du mittlere Wsldgrense liegt nach seinen
Untennehnap^ea in enterem nicht gans 1850, in letsteread naheia 1890 m
hoch. Die in den »Yorbemerlningen*' angekündigten Schlaftergebnisse
sind noch aoastindig.
40. Dr. Max Binn, Oeograpfaisehe BeziehaDgen zwisehen
Osterreich-UDgarn and Nordamerika I. Progr. des k. k. 8taats-
gjmnasioms im VI. Besirke Ton Wien 1907. 24 88.
Der Verf. geht Ton der Tatsache ans, daß Amerika in der dritten
Klasse der Mittekohalen des Zeitmangels halber nicht mit jener GrOnd-
lichkeit behandelt werden könne, die seiner geographischen nnd wirt-
schaftlichen Bedeutung entsprechen würde. Er ist der Ansicht, daA diesem
Übelstande teilweise schon dadurch ai>geholfen werden könne, daß bereits
Ton der sweiten Klasse an auf Tcrwandte Verhältnisse Besag genommen
werde. Vor allem aber erblickt er in den Besiehungen wirtschaftlicher
Art, wie sie swischen unserer Monarchie nnd den Vereinigten Staaten
bestehen, einen willkommenen Anknüpfungspunkt für Vergleiche der
mannigfachsten Art, die sich in den Bahmen des erdkundlichen Unter-
richts der Tierten Klasse einfügen lassen. In erster Linie konstatiert er
eine Übereinstimmung im Aufbau, in den klimatischen Verhaltnissen nnd
in der Verteilung des Bergsegens. Der Nachweis im einielnen ist Tielfach
weit hergeholt, nicht selten gekünstelt, einige Male mißlungen. Vergleiche
erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn sie sich aus der Natur der Sache
ergeben und den Tatbestand so klar erkennen lassen, daß die geistige
EnassuDg an ihnen eine kr&ftige Stütte findet Die nicht geringe ZiSd
Ton F&Uen, in denen die Vergleichung als unstatthaft beseichnet werden
muß, beeinträchtigt den Wert der Arbeit, deren Idee, maßToll in Anwen-
dung gebracht, dem Unterrichte nur nütsen kann.
Wien. J. Mfillnez.
Erste Abteilung.
Abhandlungen.
Ober den Ursprung und das Wesen der lyrischen
Dichtung.
(Ein Vortrag.)
Als das goldene Zeitalter entschwand und Mühen, Krank-
heiten, Nöte nnd Sorgen aller Art fiher das glücklose Geschlecht
der Erdenbewohner hereinbrachen, da ließen die Götter, wenn wir
alten Fabeln glauben wollen, als einzige Trösterin und Retterin
auf Erden die Hoffnung zurück, ünz&hligemal ist seit den Tagen
des Altertums diese Bewertung und Einschätzung der Lebensgüter
wiederholt und bestätigt worden: Das irdische Dasein sei eine
Kette Ton Qaalen und Entbehrungen, nur hie und da von kurzen
Lichtblicken der Hoffnung unterbrochen; und im Grunde seien
auch diese Hoffnungsstrahlen nichts als vorübergehende T&uschungen.
Wahrlich, wenn diese Rechnung der Pessimisten für einwandfrei
und fehlerlos gelten soll, dann bleibt es auch staunenswert und
sogar unbegreiflich, daß sich die Sterblichen in diesem schweren
und ungleichen Kampfe nicht nur behauptet haben^ sondern sogar
eine reiche, aufstrebende Entwicklung durchmachen konnten, daß sie
sich in neue Weltteile verbreiteten, ihre Kenntnisse vermehrten, ihre
Lebensbedingungen erleichterten. Es muß in dieser Rechnung so
mancher Faktor übersehen worden sein.
Um nur das Wichtigste gleich zu sagen : das wirkungsvollste
Gegengewicht gegen die Mühe und den Zwang des Lebens ist die
Kunst. Ich möchte im folgenden in gedrängter Kürze den be-
scheidenen Versuch wagen, den Wurzeln der künstlerischen Betä-
tigung überhaupt nachzuspüren und wenigstens bei einer Gattung,
die mir eben naheliegt, bei der lyrischen Dichtung, andeuten,
warum mir die Kunst nicht nur zu den wünschenswerten, sondern
geradezu zu den notwendigen und unentbehrlichen Bedingungen
des menschlichen Lebens zu gehören scheint.
ZdtMhrifl f. d. tetorr. Qjmn. 190S. XI. Heft. 61
962 Über den ürtpnmg ond du Wesen der lyr. Diehtang. Von B. Ftudets.
Denn in der Tat darf unsere Anffasanng zuversichtlicher sein.
wir dfirfen zu keinem solchen MißverhAltnis gelangen, wenn wir
Lust und Schmerz in der Welt gegeneinander abwägen. Nicht
die Hoffnung allein stärkt und erfreut den Menschen, wie jene
griechische Mythe yerzagt und kleinlaut behauptete; es wohnt dem
gesunden Körper ein ursprünglicher, lebhafter Drang inne, sich zu
regen und zu betätigen. Nicht erst die Not lehrt und zwingt uns
zu arbeiten, die Kräfte des Menschen verlangen nach Erprobung
und Anstrengung und sehnen sich im voraus nach den Aufgaben,
die ihnen das Leben stellen wird. Ein bestimmtes Maß von kör-
perlicher und geistiger Arbeit wird uns zur Freude und zum Be-
dürfnis.
Die alltäglichste Form, in der dieses Tätigkeitsbedürfnis Ge-
stalt annimmt, ist das Spiel. Kinder spielen, so lange ihre an-
gebome Regsamkeit noch nicht anderweitig beansprucht wird. Eine
gute Erziehung nützt die Lust am Spiele aus und führt in un-
merklichem Übergange zu zweckmäßiger Tätigkeit. Aber auch Er-
wachsene spielen, weil ihr Beruf meist nur einen Teil ihrer Kräfte,
diesen freilich oft im Übermaß, anstrengt und in Übung erhält.
So ist das Spiel einmal, dem Spielenden unbewußt, eine Vorübung
zu ernster Arbeit, das anderemal eine Erleichterung der Arbeit selbst,
das drittemal ein absichtlich angewendetes Gegengewicht gegen die
Einseitigkeit der Arbeit.
Wir spielen mit den Bewegungen unseres Körpers, wir be-
schäftigen spielend unsere Phantasie und unsem Verstand, aber
audi unsere Fähigkeit, zu fühlen, Freude, Sehnsucht, Mitleid und
ähnliches zu empfinden, will zeitweilig geübt werden. Jene spie-
lenden Betätigungen, die baupisäcblich unsere Gefühle erregen
sollen, faßt man unter dem Namen der Knnst zusammen.
Man hört nicht selten, daß Phantasie und künstlerische Be-
gabung einander gleichgesetzt werden. Mit Unrecht, wie mir scheint.
Der Geograph, der aus Strichen, Punkten und Farben der Land-
karte das Belief, die Bewässerung, die Bodenbedeckung, die Weg-
samkeit, ja zum Teil überhaupt den Knltunustand eines Landes
yw sein geistiges Auge hinzaubert, bedarf gewiß einer reich ent-
wickelten Phantasie zu seiner rein wissenschaftlichen Tätigkeit Oder
hält jemand die darstellende Geometrie deshalb für besonders künst-
lerisch, weil sie geradezu einen Maßstab für die Leistmg^flhigkeit
der Phantasie abgeben kann? Nur wo die Phantasie, und nicht sie
attein, sondern auch die andern spreienÜen Tätigkeiten, sich dem
Endeweck unterordnen, Gefühle zu erregen, nur da sprechen wir
voi Kunst. Die Phantasie ist nur eines der Mittel, nicht das
Keenceichen künstlerischer Tätigkeit.
Die Kunst seil unsere Gefühle erregen und dadurch zugleich
entspannen, mildern, anflösen. Diese merkwürdige Doppelbett des
Wirkens ist dennoch eine Tatsache der gewöhnlichsten Erfahrung.
Jähe Freude oder überstarker Schmerz finden erst dnroh jene Ver-
über den ünprang ond dM Weaen der lyr. DicbtüDf . Von B. FindeU, 968
ftodeningeD nnd Besonderheiten der Sprache ihren Weg, die als die
Mittel der poetischen Sprache bekannt sind. Das gewöhnlichste Ton
ihnen, die Wiederholung eines Wortes oder eines ganzes Satzes
steht einem jeden znr Verfügung; man kann aber aoch beobachten»
wie ein besonders treffender Ausdruck oder ein gelungener Vergleich
das Getnhl des Sprechenden erleichtert und besänftigt, dagegen die
Wirkung bei den Hörern erhOht.
So kann die Wirkung der Kunst auch nicht durch eine be-
stimmte Richtung bezeichnet werden« Weder Ton einer Verst&rkungi
noch Ton einer Abschw&chung der Qefdhle kann schlechthin die
Bede sein, sondern nur von einer Klärung. Der eine findet sich
durch den Kunstgenuß zu Brust oder selbst Schwermut gestimmt,
der andere zu Freude und Zu? ersieht. Keiner ? on beiden beschreibt
das Wesen dsr Kunst an sich ; ihre Wirkung ist ein Ausgleichen,
ein Zurftckffihren auf das natürliche Maß. Je nach den indi?idaellen
Einseitigkeiten bestimmt sich ihre Richtung in dem einzelnen Fall:
den Traurigen macht sie froh, den Obermütigen ruft sie zur Be-
sonnenheit. Aus gereifter Erfahrung schildert uns der beachtens"
werteste Zeuge, schildert uns Qostbe das Glück des Künstlers als
einen unendlich reinen Mittelzustand ohne Freude und ohne Schmerz.
Ihren gemeinsamen Zweck» Oefühie zu erregen, erreichen die
Künste auf yerschiedene Weise. Tanz und Musik haben die nftchste
und ursprünglichste Wirkung, bald folgte, wenn wir in die Urzeit
des Menschengeschlechts zurflckblickeu , die kunstmftßige Aawen«
düng der Sprache, die Poeeie, den weitesten Weg hatten Plastik,
Malerei und Architektur.
Wenn diese Reihenfolge der Künste richtig ist, so folgt
auch, daß unter den einzelnen poetischen Gattungen jene die älteste
ist, die dem Tanz nnd dem Gesang, den rhythmisch gegliederten
Künsten, am sAchsten steht: die lyrische Dichtung. Wir dürfen
annehmen; daß sich die Poesie in genau derselben W«se entwickelt
wie alle anderen menschlichen F&higkeitMi : die Heftigkeit der be-
gleitenden Gefühle, ihre anf&nglich maßlose Äußerung muß erst
abgeschwächt werden, damit einer zunehmenden yerstandesmäßigen
Entwicklung die Bahn frei werde. Die älteste Dichtung entspringt
•0 starkem und rohem, nngebändigtem Gefühl, daß die dtskrelan
Mtttd der heutigen Kunst diesen Zustand unmöglich befriedigen
ktanen. Festlich geputzt entlädt der Wilde hauptsächlich durch
Tanz und Lärm die überstarke Erregung seines Innern. Bei wieder-
holter Übung bringen nach und nach die Laute seiner Sprache«
nrsprünglich gewiß nur in der Art sinnloser Refrains unermüdlich
wiederholt, immer bestimmteren Inhalt in dieses primitivste „QfH
•nmtkonstwerk*' ; es wird immer ruhiger, kälter, deuüicher. Immer
mehr werden die ursprünglich berrschendeu Künste, zuerst der
Tnnz, dann die Tonkunst, zurückgedrängt nnd in ihren Rechten
l^aschmälert; dennodi sind sie der eigen tlidie Mntterboden, aus
aen die Lyrik nicht nur in den ältesten Anfängen hervorgegangen
61»
964 Ober den Urspning and dai Wesen der lyr. Diebtang, Von B. Findeis.
ist, sondern ans dem sie zu allen Zeiten belebende nnd ernenernde
Kraft in siob gesogen hat. So verb< aicb die Lyrik zu den
gegenständlichen Dichtnngsarten, zn dem Epos nnd Drama, ähnlich
wie die rhythmischen Eflnate zu denen unseres gefflhlsftrmsten nnd
kenntnisreichsten Sinnes, des Anges. Wenn die Gebilde der Plastik,
Malerei nnd Architektur außer uns stehen, wenn sich Epos und
Drama von unserem Selbst absondern, so tragen Tanz und Gesang
und von den Dichtungsgattungen einzig die Lyrik einen höchst
persönlichen Charakter: uns selbst, unser eigenstes Wesen stellen
wir in der Schöpfung oder im Genüsse lyrischer Poesie dar.
In der Schöpfung oder im Genüsse: denn beides ist seinem
Wesen nach dasselbe. Hier erkennen wir deutlicher als sonst jenes
Gesetz, das alle Kunst (einschließlich der bildenden Kfinste) be-
herrscht: daß der künstlerische Genuß ein Nachschaffen ist, ein
Wiederholen dessen, was der erste, der hervorbringende Künstler
erlebte. Eine gewisse Verwandtschaft der Seelen ist Vorbedingung.
Nur dadurch erwirbt der Lyriker unsern Dank, daß er uns sagen
lehrt, was wir längst schon sagen wollten. Aber früher lag es so
verworren und unbestimmt in unserem Innern, unsere lallenden
Worte waren so arm und nnbehilflich, vergebens strebte das Gefühl,
sich aus den Tiefen der Seele, wo es entstanden war, in die helleren
Gebiete unseres Bewußtseins durchzuringen. Wie im Märchen die
Nennung des Namens gute Geister ruft und die bösen bannt, so
hat der Dichter mit der erlösenden Klarheit seiner Worte unsere
Gefühle ins freie, freudige Leben gehoben. Es wäre zu wenig,
wenn in unserer Seele ein bloßer Nachklang oder Wiederhall jener
Musik auflebte, die einst in der Seele des Dichters erwacht war.
Die höchste und doch nicht gar zu seltene Wirkung ist da, wenn
der Dichter den Eigenton unserer Seele rein und voll, uns selbst
zum Erstaunen, erklingen läßt, wie der Bogenstrich des Künstlers
auch der unscheinbarsten Geige Zauberweisen entlockt. Unsere Seele
ist das Instrument, das uns erst der Dichter mit der Kunst seiner
Worte und Gedanken richtig spielen lehrt.
Der Lyrik stehen nach einer altererbten Einteilung zwei
andere Arten der Dichtkunst gegenüber; Epos und Drama. Man
pflegt dies für einen Unterschied der Form zu halten: im Drama
sprechen die dargestellten Personen, im Epos gibt uns der Dichter
Bericht, in der Lyrik hat auch der Dichter das Wort, aber nicht
nur erzählend wie im Epos, sondern für sich selbst wünschend
und fürchtend, lachend und zürnend. Damit sind wir aber eigent*
lieh schon auf den Inhalt eingegangen. Auch ist die formelle
Grenze keineswegs scharf und der äußeren Unterscheidung zntrotz
steht die Lyrik dem Drama näher, findet in diese Gattung häufiger
Einlaß als ins Epos. Also kommt es doch vor allem auf den Stoff
an. Dem Stoffe nach führt der Epiker die fertigen abgeschlossenen
Handlungen, die großen historischen Ereignisse vor, oft im Spiegel
vergangener Weltanschauungen und Überlieferungen, während uns
über den ürsproiig und das Wesen der lyr. Diehtoiig, Von JR. Findeis. 96d
der Dramatiker werdende Taten durch die Form gegenwftrtiger
Darstellung erschließt und näherbringt. Von früheren, ja ich möchte
sagen: fremden Menschen erzählt uns das Epos: wie die äußere
Form die Vergangenheit festhält, so stören uns weder die mytho«
logischsn Fabeleien noch die geographischen und naturwissenschaft-
lichen Unkenntnisse unserer Ahnen. In allen diesen Hinsichten sind
wir weitaus empfindlicher und kritischer, wenn wir ein Drama Tor
uns haben. Was sich im Dunkel der Vorzeit nicht nur stilyoll,
sondern sogar ergreifend und bedentend ausnahm, erweist sich als
klägliches Scheinbild, zerrt man es in das klare und scharfe Tages-
licht der Gegenwart. Mögen uns auch die historischen Namen oder
Angaben des Dichters an entschwundene Jahre und vergangene
Begebenheiten gemahnen: die Zeit des Dramas wird trotzdem
unsere Zeit, mitfflhiend und mitdenkend stehen wir zwischen den
Handelnden. Das Epos fdhrt uns in entlegene, fremde Welten, es
entschädigt uns fflr diese Stoffwahl durch die Erhabenheit und
Bedeutsamkeit der Ereignisse. Der Dramatiker stellt Menschen dar,
ähnlich wie wir selbst sind, ihr Schicksal wird wenigstens im
Wunsch oder künstlerischen Traum das unsere. Wir schwärmen
mit Marquis Posa von Gedankenfreiheit und Menschenbeglückung,
wir sehnen uns, zu lieben wie Faust oder Egmont; den maßlosen
Ehrgeiz eines Macbeth freilich hat kaum einer von uns in gleichem
Maß nachgekostet. Die vollkommene Einfühlung scheint uns eben
das stoffliche Kennzeichen der lyrischen Dichtung. Wir nennen
Goethes Dramen lyrischer als die Shakespeares, aber wir stutzen
dieses Urteil nicht auf Zahl und Umfang der eingelegten Strophen
und Lieder, sondern weil seine Gestalten ihrem Schöpfer genauer
und inniger gleichen. Ihre Gefühle sind denen des Dichters nahe
verwandt, um so zugänglicher sind sie den unselbständigen,
fübrungsbedürftigen Nachdichtern : uns Lesern. Lyrik aber heißt der
nächste und unmittelbarste Ausdruck der Gefühle durch die Sprache.
Wenn es sich hier also immer wieder nur um unser eigenes
Ich handelt, so darf man doch nicht meinen, daß jetzt dieser Stoff-
kreis inhaltsleer und eng begrenzt sei und bald erschöpft werden
müsse. Denn die Allversöhnerin Kunst bringt uns das Gemeinsame,
das insgeheim jede Menschenbrust durchwebt, zum Bewußtsein. Eine
vollkommen gesunde und natürliche , ja notwendige Eigenliebe erhebt
da auch das Anspruchslose und Kleine, auch das Vorübergehende
und Vergängliche zu einem würdigen und dauernden Gegenstand
der Dichtung. In der Geschichte der Kunst gilt das tröstliche
Wort: „Was einmal lebendig war, das kann nicht sterben*". Jane
Gedichte, in denen die Sprachgewalt einzelner Seelenkündiger Gehalt
und Gestalt innig zusammengepaßt und verbunden hat, die bilden
und bleiben ein unverlierbares Besitztum, eine dauernde Bereicherung
des Menschengeschlechtes; sie sind der nie versiegende Jungbrunnen,
in dem jeder seine Seele reinigen und erneuern kann, der sich ihrem
Zauber willig gefangen gibt.
966 Znm Yertban Fraincesfio d'Ambra'f . Von Ä. Gaflner.
Damm erregten uns auch jeoe Klagen keine Besorgnis, die
in nnserm praktieoben Zeitalter immer wiederkehren nad unebmeo,
die Klagen, daß die Sehnlnng nnd Übnng des Verstandes fiber 6e-
bfthr nnd aof Koeten der Bildnng dea Gemfttes gepflegt werde, die
Gegenklagen, daß gnt veranlagte Köpfe twar za finden seien, nmso
seltener aber bildungsfähige Herzen. Die Knnst wurzelt so tief in
den Omndbediirfhissen unserer Natur, daß sie jedes Zwanges und
jeder ünterdrftekung spottet und sich immer rein und unrersebrt
aus sieb selbst wiederherstellt. Ohne dafi wir es aus alten Bdchem
eder Schriften beweisen konnten, durften wir getrost behaupten,
daß der Ursprung der lyrischen Dichtung bis in die Zeit zurftck-
reieht, wo sich zuerst die menschliche Sprache entwickelte, und
ebenso zuTsrsichtlieh antworten wir auf die Frage, ob die Lyrik auch
weiterhin nicht nur dauern, sondern auch sich reicher, herrlicher
nnd erquickender entfalten werde, mit den Worten des Dichters:
So lang der Mond noch leuchtet,
Ein Hers noch sehnt ond fühlt,
So lang der Wald noch raaschet
Und einen MQden kflhit;
So lang noch Grftber tranern
Mit den Zypressen dran,
So lang ein Acg' noch weinen,
Ein Hers noch brechen kann;
So lange wallt aof Erden
Die Gottin Poesie
Und mit ihr wandelt jubelnd.
Wem sie die Weihe lieb.
Und singend einst und jaachsend
Dnreh*s alte Erdenbaus
Zieht als der letzte Dichter
Der letzte Mensen hinaus.
Triest. Dr. B. Findeis.
Zum Versbau Francesco d^Ambra's.
(Metrisches nnd Syntaktisches.}
Der NormaWers des italienischen Dramas im weitesten Sinne
ist, entsprechend der Vorliebe jener Sprache ffir paroxytone Be-
tonnng, der endeeasillaho piano, Erwähnung verdient daher die
Tatsache, daß der Florentiner Francesco d'Amhra in seinen beiden
versifizierten KomOdien „/ Bcmardi**^ nnd „La Cofanaria** fon
diesem Vers fast keinen Gebrauch macht und nach dem Vorbilde
Ariostos dafflr nahezu ausschließlich versi sdruccioli scioUi, in
vereinzelten F&Uen sogar versi biadrucdoli oder piadrMruceioii
Zum Vertbaa Fraoceceo d' Ambra'«. Von A. Gaflner. 967
?erwendet^). Da sich in den genannten beiden Lnstspielen die
Zahl der Verse mit gleitendem zu der jener mit weibliebem Ansgang
nngeffthr verbält wie 30 : 1 , nimmt d'Ambras Sprache einen
ungemein weichen, melodischen Klang an. Dieser Vorgang des
Dichters ist selbstverstftndlich ein bewußter und beabsichtigter, and
unwillkürlich dr&ngt sich die Frage auf, in welcher Weise er sein
Ziel erreiche.
Nnr in gant wenigen Fällen greift er dadurch zu einem
Gewaltmittel 9 daß er nach der betonten sehnten Silbe noch ein
Wort gebraucht, das weder nach seiner Bedeutung noch nach seiner
Beziehung für tonlos gelten kann:
Dio me ne
Guardi! Garxoiie^ eh? m'aoconeeristi pel dl
Belle feste, ti so dire, B II 6')
I. Sein hAufigstes Auskunftsmittel ist das auch der Poetik
anderer Völker bekannte EnjambemefU zwischen begrifflich zu-
sammengehörigen Satzteilen.
1. Die Bache ist sehr einfach, wenn auch vom logischen
Standpunkt nicht zu billigen: ein meistens proparozytones Sub-
stantiv, attributives Adjektiv oder Numerale beschließt den ersten
nnd das zugehörige Adjektiv, Pronomen oder Substantiv beginnt
den folgenden Vers').
anima^nata C IV 4, 10; Vanimo—ttto B I 1;
tenera^C08a 6 II 2; ottimo^consiglio B IV 6;
dieci^anni G II 2; undicir-dt B Y 1; dodici^anni B III 10; V 5,
12; C I 8; dodici—mAattrini C I 2; quindiei—dl C I 2; IV 18;
quindici^giomi B X 2; C III 8; gutndici—ore G I 2.
Hierher gehören aneh die für den ersten Augenblick auf-
f^ligen, in Wirklichkeit aber keineswegs merkwürdigeren 52 Bei-
spiele, in welchen der als florentinischer Akademiker gelehrte
d' Ambra ein mit mente zusammengesetztes Adverb in seine Bestand-
teile auflöst nnd das Adjektiv, um dem Verständnis des Lesers
eine Stütze zu bieten, mit dem Trennungszeichen ( — ) versieht:
agevoU^mente B 1, C 2^) ingeiiua — menie C 1
amQrevole~-meniß B 2 libtra — menU 0 8
eertissima—mente B 5, G 8 malagevol^mente B 1
contwua—tnetUe B 6, G 1 massima—mente B 4, G 2
*) Daß Blüh anter leiDen Versen, falls sie genau überliefert sind,
zuweilen auch katalektitehe oder hjperkatalektische befinden, ist eine
Sache für sieh und lei nnr nebenbei oemerkt. ~* Lodovieo Dolee, Luigi
Groto und teilweise auch Oiammaria Gecehi verwenden in ihren KomOdien
ebenfalls diese Veriart.
*) B = Bernardi, G = Gofanaria. Die rOmisehe Ziffer bedeutet
den Akt, die arabische die Szene. Eine Ansfabe der Verse ist sns-
gescfalossen, da wenigstens meine Anigabe (Triest 1858) eine Zihlang
derselben nicht dorchführt«
') Vgl. hiersa Meyer-Lübke, Bomanisehe Grammatik III, §§ 729—780.
^) In diesem Verzeichnis bedeuten die arabischen Ziffern die Zahl
der in der betreffenden Komödie gez&blten Beispiele.
968 Zorn VerBban Francesco d'Ambra'8. Von A. Chifiner.
difficUe—mente B 1 piacevoU—mente C 1
facüe-^mefUe B 4, C 1 povera — mente B 1
graviasima^mente B 1 pubhlica— mente C 1
ragionevole^mente B 1
aecondaria^mente B 1
aemplice— mente C 1
simile — mente B 4, C 1
strettissima— mente C 1
ultima — mente B 1, C 1.
2. Ferner treffen wir das Enjambement zwischen Subjekt
nnd Yerb:
dubiti'-tu di me? B II 6;
or va, eh'aiutid—Iddio B V 7,
sowie zwischen Verb nnd Objektsakknsati?, wo es im Falle der
Inyersion leichter verstftndlicb wird:
a) e voi il aimüe — fate per lui B I 2;
o^i grcusia-^erderä B I 2;
h) 8% puo credere — cotesto B I 1;
cJie uomo e queUo, che disseti^) — questo? B I 4;
per fartene — onore B I 1;
guantunque i 8% nomini — Bernardo B I 2.
3. Sodann gestattet sich d^ Ambra die Trennung von Kopula
nnd Pr&dikatsnomen :
e questa e— 2a sua lettera 0 7 2.
4. Des weiteren ist das Enjambement zu erwähnen zwischen
Adyerb nnd Verb, die zusammen einen einzigen Begriff bilden:
andiamole — incantro B III 4;
prima mandisi — via il ganaitMl B II 6.
5. Unendlich zablreidi sind endlich die FAHe, in denen ein
einem Verbnm finitnm angereihter Infinitir. dnrch die Verspaosa
von demselben getrennt ist. Da sind verschiedene Möglichkeiten
gegeben. Ist das Verbnm flnitnm ein Verbnm der sinnlichen Wahr-
nehmung, so vertritt der Infinitiv einen Objektssatz, also ein eigenes
Satzgebilde nnd daher ist gegen die Trennnag vom logischen Stand-
punkte kein Einwand zu erheben:
che . .. dehhi tu dir da te stessOy sentendoti—portar agli Otto? C IV 11;
altri vedemi — uacir di casa B IV 10.
Daß in dem ersten Beispiele trotz der Trennung das Gefühl
der Zusammengehörigkeit beim Dichter recht lebhaft war, beweist
der Umstand, daß er das Objektspronomen, das begrifflich zum
Infinitiv gehört, mit dem Gerundio verbindet').
Weniger zum Bewußtsein kommen kann die Funktion des
Infinitivs als verkürzten Nebensatzes freilich dann, wenn sich das
Subjektspronomen ihm anschließt:
') In diesem und manchem der folgenden FftUe kommt dem Dickter
die Möglichkeit, das tonlose Personalpronomen enklitisch verwenden in
können, eehr su statten.
*) Vgl. Meyer-Lflbke, Roman. Gr. III, § 738.
Zun Yersbaa Francesco d'Ambra'a. Von A. Gafiner. 969
vedestüo^affogar tu? B IV 9.
Ein anderes Verhältnis freilich erwarten wir bei den Modal-
verben dovere, pdere, sapere, soUre nnd wslere, denen wir wohl
anch fare und laseiare znz&hlen ddrfen. Da wir gewöhnt sind,
die Formen dieser Yerba nnd den folgenden Infinitif als eine
einzige Worteinbeit, das Modale also nur als einen vortonigen
Bestandteil der ganzen Form zn betrachten — und die zahlreichen
Kurzformen der Modalia bestätigen unsere Ansicht — möchten wir
erwarten, daß die Trennung wenigstens dann unterbleibe, wenn
die beiden Wortteile unmittelbar angereiht oder bloß durch ein
Affisso getrennt sind. Francesco d'Ambra bietet jedoch auch für
diesen Fall eine große Zahl von Beispielen:
che deggio—dir di questa faccetida? H III 8;
ü che. . .gli w>niin%. . .«ot» poasono — fare C IV 7;
soglioHO — servirai del magnano G IV 12;
co8tor vogliwio — ingantuinni C V 4;
vo' che gnene facciano—tor per forza C V 2 oder
80 appunto dove dehhomi—gittar C III 7;
noti possovi—cmUraddir C III 8;
ne altro sottene^dire C I 2;
ami vo* me ne—servire C II 2;
fatemi — render le cose mie C V 6;
lascialo—vetiir B III 9.
Leichter verständlich wird ein solches Enjambement , wenn
das Modale in einer umschriebenen Zeitform gebraucht ist oder,
im Gkrundio stehend, einen ganzen Nebensatz vertritti also selbst
eines gewissen Nachdruckes teilhaftig ist:
come ho saputoli — ritrovar B V 2;
la vülania che egli ha volutomi^fare GVS;
dovefidosi — far questa sperietiza G II 1;
potetidotu — aiutar in tcU caso B V 5;
ed ei, volefidoci—servire, diese ... G III 6.
Noch leichter yerständlich aber wird die Trennung, wenn
zwischen Modale und Infinitiv eine Umstandsbestimmung, ein Ad-
verb, ein Objekt oder das Subjektspronomen eingeschoben wird,
das Gefüge also bereits ein sehr loclieres geworden ist:
laaciatemi — con mia sorella tr via B IV 9;
oh non possoti — giä consolar B V 7;
ma potrebbesi^ancora a tutto rimediar B IV 11;
puoasene—Ella ricordare? B I 1.
Keinerlei schweren Bedenken endlich kann das Enjambement
begegnen, wenn das Modale dem Infinitiv nachgestellt, das GefOhl
für die innige Verschmelzung der beiden Formen also gänzlich
erloschen ist:
cht portar me H—davea, non si ritrova G IV 6;
basta, che venirvelo — fard in Firenze G III 3;
dunque essere—tum pud giä aui B IV 9;
«* 80 die iecrivere — eapete B I 2;
appunto dirvelo-^voUvo G I 3.
970 Zum Yenbaa Francesco d'Ambra'i. Von A, Oaßt^er.
6. Gleichwie das Modale mit dem InftnitiT bildet ein Aoxiliare
mit dem folgendeo Partizip eine, wie wir Termnten« untrennbare
Wortelnheit, aber auch in diesem Falle gestattet sich d* Ambra
hAnflg das Enjambement:
[la doU] V h — rimessa appunio in cht 8*avea a rimeiiere CVS;
8€ s% hd^hevtUo troppo JB V 2.
Weniger oder vielleicht gar nicht fdhlbar ist die Znsamraen-
gehörigkeit dann, wenn das Anxiliare ein sobstantivierter and mit
dem Artikel versehener Infinitiv ist, in welchem Falle das Partizip
mit der daza gehörigen Ortsbestimmang als attribntive Beifftgong
zum Substantiv aufgefaßt werden kann:
Veaaere — measo in prigione e mala eosa C II 8.
Im Gegensatz zum heutigen Sprachgebrauch, der in den um-
schriebenen Zeiten dem Affisso den Platz vor dem Auxiliare anweist
(Pho veduto) und nur beim Infinitiv und Gerundio eine Ausnahme
macht (aenza averlo veduto; avendoh veduto) h&ngt unser Dichter
nach Alteren Vorbildern das Objektspronomen, bezw. das Pronomial-
adverb dem Auxiliare recht h&ofig enklitisch an, und zwar nicht
nur in dem Falle, wenn das Hilfsverbum das erste Wort des Hanpt-
oder Nebensatzes ist, sondern auch dann, wenn es im Satzinnem
steht, wo in der alten Sprache die Proklise wohl nicht unbedingt
gefordert, aber doch beforzugt wurde ^):
a) Sonmelo—scordato B III 8;
Hottelo—saputo dir B IV 11;
b) e 8ol qui sommefie-^vetiuto C IV 3;
iutto erami^ascosto B lil 1;
86 not» erami-~chiarita la faccenda C V 10;
orsü abbiamoti—inteso B III 9;
che la 8tM Spiuctta abbiamogli — data per moglie B V 14;
ansi hannolo—portato agli Otto C IV 12;
h che ma' penai cKuom alcuno abbiali^potuti avere B IV 10;
come se. • ,non aveaeimi—parktto e detto ehe ... B IV 9;
coel aveaaile-'avute d*altra eortel B I 4.
Weniger deutlich tritt die Komposition natfirlich hervor,
das Auxiliare von seinem Partizip durch ein Adverb, ein Substantiv
oder ein Subjektspronomen getrennt ist oder wenn eine doppelte
Umschreibung vorliegt:
guarda ae Vavevano—bene ordinata! GVS;
non ha Vuecio^aperto B V 3;
W mi tu^portato? C IV 8;
diremo d^eaaere—etati iuvolati B IV 3.
') Vgl hierzu : Mossafla, üna particolaritä aintattiea deüa liima
italiana dei primi aecoli (Miaceüanea di filologia e linguietieOf S. 255 1):
Mever-LQbke, Born. Gramm. III, §§ 715—6; id., Zur Stellung der tosloMB
Objektsprooomina (Zeitschr. f. rem. Pbil. XXI 818 ff.) ; ferner: Geßaer,
Das spanische PersoDalpronomeD (Zeitschr. f. rOm. Phil. XVII 1 ff.1 ud
Staaf, Contributiofh ä la ayntaxe du prattom peraonnel dana le Poime
du Cid {Mäangea Chabaneau, 8. 621 ff.).
Zum YerBban Francesco d'Arobra's. Von Ä, Gaßner. 971
Da die Wortstollniig in der <oren Sprache flberhaapt ?iel
freier war ala heatzataget bieten die Schriftwerke jener Zeit nnd
noch die Komödien d' Ambras zahlreiche Beispiele für die Nach-
setzang des Verbams. Auch in diesem Falle gestattet sich unser
Dichter häofig die Trennung, wobei der Umstand bemerkenswert
ist« daß dem Partizip ausnahmslos ein enklitisches Personalpronomen
oder Pronominaladverb nachgestellt ist:
alla qtuU . . . irovatomi—aano B III 1 ;
vetiutoci—sono da Eotna B III 9;
quel che oceorso mt— « C V 9;
detto ti—ho C I S;
dacci quel che protnesso ne—hai B IV 7 *).
Daß ein eingeschobenes Wort, sei es ein Modale oder die
Verneinungspartikel, oder die doppelte Umschreibung die Trennung
nur noch zu erleichtem vermag, ist klar:
che rubati gli^debhi aver C V 6;
benche dettomi — non ha con cht ai atia B III 1;
i miei danar .,, tolti (/li^sono atati B II 6.
II. Ein zweiter bequemer Weg, verai adruecioli zu bilden,
ist der, sonst proklitische oder solche Wörter, die wenigstens unter
gewissen Bedingungen enklitisch gebraucht werden können, allgemein
enklitisch zu verwenden.
1. In erster Reihe kommen da die tonlosen Personalpronomina
und Pronominaladverbien in Betracht. Da es dem Dichter geläufig
war, zu sagen: laaciatemi andare; non daveUe laaciarti il vero
intendare; aentitolo avea; potavatemi dir cid che voUvate; vedetni;
hoUalo aaputo dir, lag es nahe, diese Pronomina infolge von Analogie
überhaupt enklitisch zu gebrauchen und auch Wörtern ziacbiusetzeti,
zu denen sie inhaltlich in gar keiner BeziebuDg itebea. Den Ans-
gangspunkt mögen Fälle gebildet haben wie:
che incontro mi — viene B V 3 oder
Chi te ne-pare? C IV 2.
Im ersten Belativsatze ist incontro Adverbg welches formell aller-
dings ebenso zu viene gehört wie das Affisso : Venir incontro^ das
unserem Deutschen entgegenkommen t Oll ig entapricbt» kann
logisch ebenso gut aufgelöst werden, freilich umü dann die Prä-
position an die Stelle des Adverbs treten. Da aber Präposition
und Adverb in ihren Hauptbestandteilen IdeDtiscb ninär IMt eich
ganz gut denken, daß die Konstruktion der mum auf da» andere
übertragen und nur das tonlose statt des beton teo Pionämons ein-
geführt werde'). Im zweiten Fragesatze gebort wetügetens n#
sinngemäß zum Interrogativum, te allerdings iiam Vürbum. Mit dem
') In diesem Satze mochte dem Dichter ?ie]Jei€bt der
vortchwebeo: „Oib udb, was du noch (in deioeo bänden) bi
du es uns versprachst **.
«) Vgl. hierzu Mejer-Lfibke, Rom. Gr. lli, § n&
1
m
972 Zum YersbRo Francesco d'Ambra'a. Von Ä. Gaßner.
gleichen Rechte aber wie die Sprache im allgemeinen beide ans
Yerbnm knflpft, vermochte oneer Dichter einmal beide dem anderen
Elemente anzugliedern.
Francesco d' Ambra nimmt sich also die Freiheit» Personal-
pronomina enklitisch anznhAngen an:
a) Substantiva:
Dio me ne—guardi B II 6, V 7, 11;
in questo mezzo mi — poträ qualche disegno etitrar nelV animo C I 2;
la scioecherella gli-^prestava fede C V 1;
b) Adjektiva:
qualcJie nuova [sc. disgraeia] gli—e data C Y 8^);
c) Fron, indef.:
a tutto si—e pensato C II 2');
d) Fron, intern:
ehe U ne-'pare? C lY 2;
e) Fron, demonstr. (4- relat.):
desidero^saper da te quel che ne sai, e quel che ti—muove a qiiesto B II ;
f) Snbjektspronomina:
<' io vi-'poaao esaer e favorevole B III 6;
tu te lo — sai molto betie! G III 6;
fWH mente se egli ti — conferisce i segreti B I 2;
ch' ella ne—e stata per morir C lY 4*);
not te lo—facdam saper e C IV 11;
io so che vo* me la—avete fatta uetta B lY 11^);
g) Yerba eines anderen Satzes:
credo [che] mi—äbbia sdimenticato C lY 6 *) ;
io mi maraviglio. . .che, se d'un non ti fidi, gli—dia faccenda tale B I 1;
h) Adverbia:
credo che appena le—sentirebbe C III 3;
che incontro mi—viene B Y 8;
infine la — vo* dimandar di questo caso B Y 11;
quando manco le—aspetta C Y 8*);
oiide gli — hai tu avuti? C V 4*);
e tu Chi se% che tanto ti—sforzi saper... B III 9;
troppo mi — hai infastidita C lY 15');
i) Konjunktionen:
MOf» son moW anni, che ce ne—era un ch'avea cotesto nome C in 2*);
ma no7i come ti—dissi C II 2;
e gnene-^appicavo da vero C II 3^);
se gnene — avessi dati C lY 13*);
') Ein Kritiker, der die Möglichkeit der Synisese switchen deni
Auslaut eines Torhergebenden und dem Anlaot des folgenden Yertes
sagibt» wird dieses Beispiel natürlich beanstanden. Ich führe daher soick«
nicht föUig sichere Beispiele nur in dem Falle an, wenn mir beweis-
kräftigere nicht sa Gebote stehen.
Zorn Yersban Fraoceico d'Ambra's. Von A, Oafiner. 973
k) die Negation:
fum me ne—dolgo C I 8.
2. Mit dem tonlosen Personalpronomen ist der bestimmte
Artikel formell zusammenzustellen. Es geht aus der Natur der
Sache hervor, daß er sinngem&ß nur mit seinem Substantiv, und
zwar proklitiscb, verbunden werden kann. Da wir jedoch in der
Einzahl ü und lo^ bezw. (vor Vokalen) V nebeneinander haben,
sein wesentlicher Bestandteil also der Konsonant ist, ist es be-
greiflich, daß zu dem vorvokalischen proklitiscben V auch ein
nach vokalisches *l gebildet und als enklitisch aufgefaßt, daß einem:
non 9% dee disperar Vuamo auch ein perchd H maaehio . . . ebbe
bando an die Seite gestellt und 'l als von tnaschio losgelöst und
zu perchh gehörig betrachtet wurde, so daß die Trennung:
perchk H-^maschio ebbe bando B III 6
ermöglicht wurde. Vom Maskulinum konnte dieser Vorgang sodann
auf das Femininum, vom Singular auf den Plural übertragen werden.
Gefördert wurde diese Angleichung in Fällen, wo der Artikel mit
dem vorhergehenden Worte in innigen Beziehungen steht. Man ist
z. B. daran gewöhnt, tuUo in der großen Mehrzahl aller Fälle
mit nachgestelltem Artikel zu begegnen und leicht ist da der aller-
dings fehlerhafte Schluß gezogen, der Artikel gehöre zu ttUto, daher:
non 81 dee disperar Vw)mo in tutte le — awersitä C V 8.
Dann mag der Artikel vorerst in Enklise zu Wörtern getreten sein,
die zum folgenden Substantiv in irgend einer Beziehung stehen :
anche glistivali aotio U miei C V 4.
Dies ist auch der Fall zwischen Verb und Objekt oder nach-
gestelltem Subjekt:
f ho serrato la—Lucrezia in una camer a B III 5;
eome andd la — cosa C V 6.
3. Erwähnung verdient femer die enklitische Verwendung von
Präpositionen als Partikeln, die einzelne Begriffe miteinander ver-
knüpfen und eigentlich zum zweiten Teil gehören:
questa fia simil a — qiieüa di Fazio B V 8;
e ehe voi poi con — essa . . . andiatene BIS;
che potessi di^casa sua entrar C I 2;
la fanduUa che avete in—casa C V 8.
Ebenso in Verbindung mit dem Artikel:
andar entrando neU'^altrui case B V S
oder zwischen zwei Verben :
vo' cK impari a — airaziar una mia püri G IV 14 j
co^i penso di — fare B II 6.
4. Von Bedeteilen, welche eigene Sätze eiolelteD, sind in
erster Reihe die Pron. relat. und interrog. zu nenneD. Versüodlicb
iat der enklitische Gebrauch und die dadurch ermöglichte TreiitifiiE
M
1
974 Zum Venban Franceeco d'Ambra'i. Von A. Qmßuer.
kl Aasdrficken wie cid che oder qtuUo ehe, deren Elemente in Tat
nnd Wahrheit freilich Bestandteile verechiedener 8&tze sind, aber
trotzdem fast als Worteinheit gefdhlt werden:
ho inteso qtUUo ehe — io volevo C III 5.
Von zahlreichen derartigen Beispielen ans erfolgte dann die Yer-
allgemeinemng:
% dtmar ehe — s' hanno a spendere B IV I.
Ähnlieh verh< es sich mit dem neutralen Fragepronomen
ehe. Das che eosa des indirekten Fragesatzes wird in volkstflmlieher
Bede oft, ja mit Vorliebe dnrcb quelh che oder cid ehe ersetzt nnd
?om logischen Standpunkte ans ist gegen die Ansdmcksweise mi
dotnandd qttello ehe voleva ebenso wenig ein Einwand zn erkeben
wie gegen das von der Schriftsprache gebotene mi damandd ehe
eosa voleva oder voleesi. Wird nun das echte relative che als zn
quello oder dö gehOrig betrachtet nnd daher vom folgenden Verbnm
losgelöst, 80 ist zn erwarten, daß dies auch bei jenem quello ehe
eintreten werde, welches nur die Stelle von che coea vertritt und
dann ist, hier wie dort, zur Verallgemeinerung des Vorganges nur
mehr ein kleiner Schritt zu machen:
Ma, oh VuBcio k inehiamsUUato ! che
Vorrä dir queeto? B IV 5.
5. Von Eonjnnktionen kommen bei d* Ambra nur o, ehe und
ee in Betracht. Von ihnen nimmt o eine besondere Stellung ein,
da adversative Konjunktionen überhaupt eine entschiedene Neigung
zur Enklise haben, die sich freilich in der Begel in anderer Weise
äußert^):
ella e la maggior [eosa] eh* io vedesei o—sefiiissi mai piu C IV 7.
Bei den übrigen mag die Trennung vom zugehörigen Satz
oder Satzteil vorerst in F&llen vorgenommen worden sein, wo die
Konjunktion sich enklitisch an Wörter anschließt, in Gemeinschaft
mit welchen eie Ausdrücke wie in ea$o ehe, eon paUo che, prima
ehe, tanio cA« bildet, welche ich — nach dem Muster der PrApo-
sitionalien — Konjunktionalien nennen möchte:
in caso che—e^ la pigliasse per aposa B I 2;
C07i patto ehC'-mi liberiate 6 V 13;
prima che-^e* ei metteva in atto CHI;
feci tanto ehe-^me Vi^bUgai C II 1.
Nach dem Vorbilde solcher und ühnlichar Beispiele mag dann die
Verallgemeinerung eingetreten sein:
bieogna che—io aia B III 8;
io credeva clie-^in CicUia tomasee B I 1 ;
di che domandi? che — ^ ancora »n faneiul? B I 1;
se non fosse che-^venner certi mereanii B III 6;
»' pefiso che^piü non la raffiguri B III 3; ebenso
intendi se-^egli in ^ C IV 7.
') V^. hienu Meyer-Lflbke, Bom. Gramm. III, § 726.
Zam Venbaa Fraaeeico d'Ambrft'i. Von Ä, Gaßner, 975
Anff&iliger ist die Treooang freilich dann, wenn die Eon-
joaktion durch einen eingeschobenen Nebensatz von ihrem Beuehnngs-
worie getrennt ist oder eines solchen — wie im hypothetischen
Satsgefäge -^ überhaupt entbehrt:
ma fum vo' ffiä, tpMndo hen 8% eontenii, che—ü parentado «t $cuopra B II ;
ed anche guesto <wrei trovato, ae — io aveaai % denari C I 2.
ni. Endlich finden wir noch Wörter getrennt, die wir in
der Begel oder wenigstens recht h&nfig auch in der Schrift als
Worteinheit darzustellen pflegen.
1. Die grOßte Zahl der übrigens seltenen Beispiele ümfaAt
Affissi oder Pronominaladverbien. Den Gesetzen der Logik völlig
entsprechend ist die Trennung in dem Befehle:
levatevi—d dincmMii B III 8,
wo wir nur das in meiner Ausgabe enthaltene Trennungszeichen
zu beanst&nden haben. Enklise des Pronomens an das zugehörige
Verb zeigen ferner die Beispiele:
contentandote—ne nondimen CVS;
Ucekertatite — ne U düa G IV 5;
gli e forsa eh* aweduta 8e — ne sia G IV 15 und
tu giä dettotie — n' hat una B V II.
unlogisch ist es dagegen, zu sagen:
faUme—gli render C V 6f
da hier beide Pronomina vom Infinitiv abb&ngen.
2. Auch zusammengesetzte Partikeln werden zuweilen in ihre
Bestandteile zerlegt:
e vo* ehe mettavi in—sino a eaval BIS;
Ckrdwan sarei io, ed «n QiovaiHni dad-^dovero, $e... G IV S.
Auff&llig ist eine Auflösung von Präposition und Artikel, soferne
dadurch die beiden Bestandteile nicht ihre ursprflngliche Gestalt
wieder erlangen, wenn wir also für in — la : nel — la erhalten :
ch* io non metta nel—la ccusa i danar B V 2.
3. Die Zerlegung eines aus Titelwort und Namen bestehenden,
daher zusammengesetzten Eigennamens kommt auch gelegentlich vor :
(messer) Domened^dio B V 11, C IV 5, V 8.
4. Als gewaltsam endlich ist die Zerreißung einer Verbalform
zu bezeichnen, die nicht einmal Stamm und Endung, sondern nur
die' Sprechsilben berücksichtigt:
mi di$8e pur com* a — vea fätto Vopera B IV 1.
Welche Veranlassung mochte nun wohl der Dichter gehabt
haben, von Enjambement und Enklise einen so ausgiebigen und
aller Metrik widersprechenden Gebrauch zu machen? Das Bestreben,
iD dem gerade im Seicento so mächtigen Widerstreit der Meinungen
976 Noch einmal tu d. VerbiDdnng *patria et parefite8\ Von A. Komüzer,
über die Frage, ob in der Komödie der feierliche Vers oder die
familiftre Prosa vorzuziehen sei, dadurch die goldene Mittelstraße
einzuschlagen, daß er seine Verse möglichst prosaähnlich gestalte
nnd damit die Verfechter beider Ansichten möglichst befriedige^).
Innsbruck. Armin Gaßner.
Noch einmal zu derYevhindirxng ^patria et parentes.
Nur ungern komme ich hier wieder auf die Erörterung des
Sinnes dieser aliitterierenden Wortverbindung zurück, die ich in
diesen Bl&ttern (Jahrg. 1904, S. 385 — 892), wie den Lesern dieser
Zeitschrift bekannt ist, eingebend und, wie ich glaube, erschöpfend
bebandelt habe. Schon damals mußte ich dem leicht müglicheD
Einwand, daß ich offene Türen einrenne, mit dem Hinweis darauf
begegnen, daß bezüglich der Auffassung des Wortes parentes in
jener Verbindung keineswegs die erwartete Einstimmigkeit herrsche,
sondern in vielverbreiteten lexikalischen Werken fast durchaus und
auch in erklärenden Ausgaben immer noch die Behauptung auf-
gestellt werde, es könne parentes in der Verbindung patria et
parentes auch die Bedeutung ^Untertanen* haben. Ich habe noo
a. 0. den Nachweis erbracht, daß die Phrase patria et parentes,
soweit sie sich bei lateinischen Autoren verfolgen lasse, stets das
dem menschlichen und insbesondere römischen Empfinden
Teuerste bezeichne und den Sinn habe ^Vaterland und Eltern*,
daß aber die Bedeutung ^Untertanen' für parentes in jener Ver-
bindung ausgeschlossen sei.
Es ist mir nun überaus befremdlich, daß es auch in der
letzten von Schmalz besorgten Neuauflage des Antibarbanu S. 618,
s. V. subdUus nach wie vor heißt: ^Nach Sallust und Velleius
(8. lag. S, 2 und 102, 7; Vell. 2, 108, 2) heißen Unter-
tanen i^aren/«^'. Hier wird nun von Schmalz Un zusammengehöriges
durcheinander geworfen. Denn an den beiden Stellen (SalL Ing.
102, 7 parentes aöunde kabemus und VelL 2, 108 ex votuntaU
parentium), wo eben parentes allein begegnet, bedarf es betrefEs
der Bedeutung des Wortes keines Beweises und es hat nie ein
Zweifel darüber geherrscht, daß dort parentes ^Untertanen* bedeute.
Es gibt auch noch einige andere Stellen dieser Art, vgl. meines
Aufsatz S. 887 f. Wesentlich anders aber steht es mit der Stelle
Sali. lug. 8, 2 vi regere patriam aut parentes. . .inporiumm
est, die den Ausgangspunkt meiner Ausführungen bildete. Bi«
kann, wie ich gezeigt habe, parentes unter keinen Umst&nden tineo
anderen Sinn haben als 'die Eltern'.
Wien. Alois Kornitzer.
1) Vgl. hierza Gasparj, Geschichte der Italienieehes
11. Band, S. 602.
Zweite Abteilung.
Literarische Anzeigen.
Ausgewählte Inschriften, griechiich und deutsch heraasgegeben fon
Walther Jan eil. Hit einer Titelviiniette nnd drei Abbildangen. Berlin,
Weidmannsche Buchhandlung 1906. VIII nnd 148 SS. 80. Preis 4 Mk.
Janell hat als Schüler Hans Ton Arnims sich mit wertvollen
Arbeiten über Piatons Schriften in die wissenschaftliche Welt ein-
geführt; die von ihm bearbeitete Auswahl griechischer Inschriften
verfolgt, wie er selbst erkl&rt, keinen wissenschaftlichen Zweck. So
mancher begeisterte Jünger der Altertamsforsohnng sncht» wenn
er frisch Tom Stndinm weg ins Lehramt eintritt, wie seine archfto-
logischen so gelegentlich auch seine epigraphischen Kenntnisse znr
Belebung des Unterrichtes zn verwerten, liest wohl auch mit seinen
Schülern die eine oder andere Inschrift; das macht Eindruck und
weckt Interesse. Solch dankenswerten Bestrebungen kam Janell
schon mit einem Qymnasialprogramm des Jahres 1908 entgegen,
in dem er einige griechische Inschriften mit Übersetzung und Er-
kl&rung versah. Jetzt hat er ein ganzes Buch dieser Art zusam-
mengestellt. Nach einer kurzen Einleitung über Aussehen und Auf-
stellungsplatz der inschriftlichen Denkm&ler, ihre Schrift und
Sprache und über die wichtigsten Bammlungen werden zuerst grie-
chische Urkunden des öffentlichen Lebens der vorrömischen und der
römischen Zeit, dann Urkunden des religiösen Lebens der Griechen,
darunter Freilassungs-Urkunden und Grabschriften, vorgelegt, im
ganzen 280 Texte. Bechts neben dem griechischen Wortlaut steht
eine deutsche Übersetzung ; die zum VerstAndnis erforderlichen Er-
läuterungen sind teils in einen die Nummern verbindenden Text
Yorflochten, teils am unteren Seitenrande eingefügt; die Literatur-
Nachweisungen nehmen die letzten sieben Seiten ein.
Idee und Anlage des Buches sind nur zu loben; an der Aus-
führung l&ßt sich dies und das aussetzen. Was schon in der
„Bevue des itudes greeques" 1906, 380, von Haussoullier in der
„Bevue de pilMlNMkil^^' 80 ft, ^ Sepp in der „Zeitschrift
978 W. Janell, AnBgewftblte Inschriften, »ng. ?. E. Kaiinka.
fär das Gjmoasialwesen*' 1907, 62 f., von Larfeld io der „Berliner
philologiBcben Wochenschrift*' 1907, 1458 f. Torgebraeht wnrde,
will ich nicht wiederholen. Yor allem empfehle aber aach ich die
Übersetzungen einer gründlichen Durchsicht, die mancherlei Ver-
hessernngen und namentlich größere Gleichmäßigkeit ergeben wird;
bo ist 0eoC Nr. 19 nod 21 flbersetzt „Das walte Gott'', Nr. 20
„In Gottes Namen", lAyal^^ rvxjl Nr. 109 „Das walte Gott",
Nr. 27 „Zn Heil nnd Segen", ido^s bald nominal als Überschrift
(Nr. 8 und 17: „Beschluß von Bat und Volk"), bald ▼erbal.
Leicht ließe sich diQ typographische Anordnung besonders der län-
geren Inschriften dort yerbessern, wo jetzt die Schlußzeilen der
beiden Spalten häßlich weit von einander abstehen ; dadurch wfirde
zugleich die räumliche Beziehung der Übersetzung zum Original
klarer hervortreten. Ein Wiener Schulmann, Prof. Dr. M. Binn,
äußerte den Wunsch, daß wenigstens einige Inschriften, an denen
der Scharfsinn der Ergänzer Triumphe gefeiert hat, samt ihren
Klammem abgedruckt werden, damit die Benutzer ein richtigeres
Bild von der Art epigraphischer Überlieferung gewinnen. Auch die
Abbildungen wärden sich ohne erhebliche Steigerung der Kosten
um etliche lehrreiche Beispiele vermehren lassen. Die Überleitungen
von einer Inschrift zur anderen , die stellenweise etwas gewaltsam
sind, könnten hie und da ganz wegfallen. Die sprachlichen Be-
merkungen sind im Hinblick auf den Leserkreis eines solchen Werkes
einer Erweiterung bedfirftig, die sich in vielen Fällen auf die in
Klammern beigesetzte Nennung des Dialektes beschränken könnte.
Dies gilt besonders fär die Stellen, wo der des Griechischen minder
Kundige Druckfehler vermuten könnte ; so ist S. 83** (zn ^sa^
äonla) auf S. 37* (tBfOQodonia) verwiesen; zu Nr. 1 öpLavolag
würde die Bemerkung „Psilose nnd Bhotazismus" genägen; wie
S. 24 i^d(iov mit ix 2!d^ov erklärt ist, so wäre ebendort ein
ähnlicher Zusatz neben äy nicht flberflftssig; die Fassung „ivi-
tv6s der Bedeutung nach = ivitfixe'* (S. 94*) ist von irrefüh-
render Kftrze. In der Einleitung (S. 3) muß der Satz: „Ferner
war E = £ und rj , bezeichnete O sowohl o wie o und ov** be-
richtigt werden; E bezeichnete auch den „unechten Diphthong* bi,
O stand nicht ffir jedes ov. Die Gleichsetzung eines Obolos mit
0*18 Mark ist angesichts des Wandels der Münzwerte zu stair
dogmatisch. Im Literatur •Verzeichnis stößt sich das Auge an den
ständigen J =: /(nscr.).
Im ganzen genommen aber befriedigt das Buch ein unleng*
bares Bedflrfnis aufs glücklichste. Nicht bloß in den Gymnasial-
bibliotheken wird es sich rasch seinen Platz sichern, sondern alle
Freunde des griechischen Altertums müssen dem Herausgeber fär
die ansprechende Gabe Dank wissen.
Innsbruck. Ernst Kaiinka.
F. Brandacheid, Novum Test. Graece et Latine, ang. ?. F, Weihrich, 979
Novnm Testamentum Graece et Laune. Teztum Graecnm recensnit,
Latinum ex Tolgata versione ClemeDiina adianzit, breTes capitnloiom
iDscriptiones et locos parallelos nberiores addidit Fridericas Brand-
scheid. Tertia editio critica recognita. Cnm approbatione Bot. Arcbiep.
FribQrgensis. Pars prior: ßvanpelia. Pars altera: Apostolicam. Fri-
bnr^i Br., Herder 1906, 1907. XlIV und 652, YIII and 803 pp.
Die dritte Auflage der bandlicben und wertToUen Aasgabe
des Novum Testamentum, aus dem Nacblasse des Herausgebers
hergestellt, bietet zahlreiche Verbesserungen des eigenartig gestal-
teten griechischen Textes. Die auf den gegenüberstehenden Seiten
abgedruckte Vulgata erscheint in genauem Anschluß an die tou
Vercellone in der Propaganda besorgte Ausgabe, aber doch in einer
orthographisch korrekteren Gestalt. Eine gute Abhandlung über
die Prinzipien der Textkritik und die im Anhang mitgeteilte Tor-
sichtige Auswahl der Varianten gew&bren in großen Zflgen ein
Bild der handschriftlichen Überlieferung. Das Buch eignet sich
zum Gebrauch für Theologen aller Bekenntnisse; es yerdient aber
auch in weiteren Kreisen die grOßte Verbreitung. Wer spezielle
patristische Studien betreibt, wird es als einen Mangel empfinden,
daß der Herausgeber bei dem Vers I Job. 5, 7 mit diskretem
Schweigen Torübergeht.
Wien. Franz Weihrich.
Gornelii Nepotis Vitae. Für den Schnlgebranch eingerichtet von Dr.
Michael Gitlbaaer. Mit einem WOrterTeneichnis, weaentlich erweitert
von Dr. Kono Fe cht. Fünfte Auflage. Freiburg i. Br., Herdersehe
Verlagshandlnng 1907.
Dem Texte ist eine kurze Einleitung über Leben und Schriften
des Cornelius Nepos vorangeschickt. Die Gitlbauer eigentümlichen
Lesarten habe ich bei Besprechung der 8. Auflage vom J. 1889
im Berichte über die Corn. Nepos betreffende Literatur der Jahre
1878^1891 (Bursian), S. 81 f. zusammengestellt. Die neue Auf*
läge weicht an einigen Stellen davon ab. Ep. 7, 1 res eo esset
deducta (früher eo, esset deducta illa militia), vgl. aber den genannten
Bericht S. 109 f. — Harn. 2, 2 sind die Worte qui adversus
Romanos fuerant jetzt getilgt — Att. 18, 1 ist das handschrift-
liche enarravü beibehalten (früher ordtnavü). — Für Ar. 2, 1;
Them. 6, 5; Pel. 2, 5 verweise ich auf meinen Bericht S. 108
und 110. Thras. 1, 2 ist quod (wie fip. 5, 6) = was das
betrifft, daß oder wenn: ^deuü wenn viele die Absteht ImtUn»
aber nur wenige es imstande war^n^ ihre Vaterstadt von eioeiti
Tyrannen zu befreien, so gelang «b ihm, die ?on dreißig Tyr&niteiij
unterdrückte aus der Knechtschaft zur Freiheit i\
Gitlbauers Vermutung namque wäre aDuehmbari ji<
ersten Satze ausgesprochene Gedanke die Begrft^^^~
Gesagten enthielte. In diesem Zaiammeobangt
980 M, Gitlhauer, Gonielii Mepotia Titae, ang. t. B. Bitsdtoftky.
wähneOi daß die Zitate des WOrterverzeichDisses an einigen Stellea
znm TorliegeBdeD Texte nicht stimmeo. Die zq inierdieo nnd zu
quoad (inwieweit) zitierten Stellen Harn. 8, 2 und Ale. 2, 3 lisd
äberhanpt gestrichen. Cim. 4, 2 ist Nipperdejs YermutoDg fwini^
aufgenommen, Thras. 4, 2 perpetua, wonach die bezflglieh«a Be-
merkungen unter off endo nnd proprius zn verbessern siDd. Bei ^i-
wissen Eigennamen sind, wenn sie in einer vUa zum erstin Mik
begegnen, Qaantit&tszeichen angebracht, nicht immer konieqirat:
vgl. Hann. 8, 1 nnd 8 Haadrubäle, 4, 1 ; 6, 1 Rhodämm} Af.
8, 4 Peraidis, Enm. 7, 1 Peraldem; einerseits Phamahä^, Tiri-
bäzus, andererseits Ärtabazum. Im WörterTerzeichnis finden sich
einige unrichtige Bezeichnungen : indieo (n. index), LusUanij pri^
cacücLS, pröhibeo. In Leucosyri ist die Paenultima mit Becbt qo-
bezeichnet geblieben, während Dat. 1, 1 irrtümlich das Lauf»*
zeichen angebracht ist. Wenn bei Afer, dementia, Elia die Anfangi-,
bei eu8t08, nepos, peltaetes, pubes, sacerdos, scUue, servüuSf rtrtu
die Endsilbe unbezeichnet geblieben ist, so muß das irrefobra
Nach den 8. 154 für die Bezeichnung angegebenen Nonnen biu«
die betreffenden Silben als Kürzen zu gelten. Auch die Diire<«
ist nicht konsequent bezeichnet. Es findet sich aeneis, o^teü,
aeneus, cöSgit und coegi, poSticen und poetice. Was die Ortb<r
graphie betrifft, so weicht die des WörterTerzeichnisses mehrfiek
Yon der des Textes ab. Es begegnet adfieio, adßictis, adf%\^
neben afferre; benivolentia neben benevdentia, circuiretur im^
circumeo, epistula und epistoiam, exeilium und exilio, ^uotien'
cumque und -cunque, umquam und unquam, in primii, pop^^
aeiio, res publica nnd die nämlichen Verbindungen als ein Wert.
conductitiis und ejusdem sind wohl als Druckfehler zn betracfatet
Auf die Interpunktion ist in einer Schulausgabe ein befiooder«
Augenmerk zu richten. Milt. 6, 1 stOrt das Komma nach r*^'
die Konstruktion ; Ar. 2, 2 ist es an die unrichtige Stelle gentfls.
es hat nach memoria zu stehen; Att. 9, 6 ist statt des Kooueii
Punkt zu setzen. Ausgeblieben ist das Komma Ale. 7, 1 u^
gereretur, Chabr. 4, 8 nach at ille, Hann. 11, 4 nach pos^-
Cato 2, 1 nach Flacco und citeriorem, Att. 18, 5 nach modifi'
Das Wörterverzeichnis erhebt zwar keinen Anspruch &^
Vollständigkeit, es wurde nur 'wesentlich erweitert'. Trotzd«:
werden sich die folgenden Bemerkungen yomehmlich auf sprich*
liehe Erscheinungen beziehen, die auch in dem beschränkten Baliff^
Aufnahme Terdient hätten. Die Präpositionen (de, erga, tiiier, f^»
prae, praeter, pro), deren Gebranch namentlich dem Anftßftf
keine geringen Schwierigkeiten bietet, sind völlig Übergang«:^
audio konnte auf dictum verwiesen werden ; bei de-eeendo iit ^
Simplex acando beigesetzt, warum nicht auch bei aseendo nnd ce^'
scendo? Ähnlich verhält es sich mit deatituo, instiiuo, pratä^
(etatuo) einerseits und consiituo, restituo, eubetituo andenr«-^
Solche Ungleichmäßigkeiten begegnen auch sonst; n. difficüi»^^^
s'i-''
!>
M, Petschenig, Sanoti Aareiii Aagnstini opera, ang. t. ^. IFfiemer. 981
es: ^schwer za behandeln = lanniecb Att. 5, 1', n. natura:
'di/ficiüima natura verschlossener Charakter'; statt emendo
war za schreiben e-mendo; hasta publica öffentliche Verstei-
g er ang bedarf eines erlftaternden Zasatzes; a. Lueani wird eine
Landschaft Brüsten erw&hnt; femer sind der Erklftrang bedürftig:
eiu8 opera magni fuit, nihil aliud quam (nämlich fecU oder egit
g[uam)y nomen Romanum, ordiri mit persOnl. Objekte, banae res;
bei pareo fehlt das Perf. parat; za pereo konnte angeführt werden
periit a morho anter Hinweis anf morbus: ^morbo mori eines
natürlichen Todes sterben'; ^o^ior mit seiner doppelten Eon-
Btraktion fehlt; in praesentia wird als Accas. plnr. erkl&rt; procul
bedeatet aach ^in geringerer Entfernung', 'anweit'; quidem
war wegen seiner adversativen Bedentong aafzanehmen; revertor
wegen des Perf. reveraua aum; rex ist anch nax^ iio%riv 'der
Perserkönig'; rubrum mare, das nicht nnserem Voten Meere'
entspricht, darfte nicht übergangen werden; für timidus = 'be-
dächtig' wäre das Zitat Thras. 2, 8 nicht überflüssig gewesen.
Störend ist, daß a. appropinquo and adventua der Strich-
punkt fehlt. Phyle wird eine Qrenze Nordafrikas gegen Böotien
genannt. V, Pontua soll es heißen: 'westlich vom Halys'. Ipb. 8,
4 ist wohl Threaaa za lesen wie im Wörterverzeichnis. U. de-
speratua ist anrichtig abgeteilt dea-peratia. Endlich berichtige ich
einige nngenane Zitate. 0. conaulo vielmehr Milt. 1, 8; u. fere
prol. 2 ; a. hiatoria Cato 8, 8 ; a. minuo Eam. 5, 1 ; n. modeatia
ist für die Bedentang ^Ansprachslosigkeit' Ag. 4, 2 za streichen ;
ü. vadimonium and valetudo ist Timol. an Stelle von Tim* zu setzen.
Wien. B. Bitschofsky.
';'^ Saneti Aurelü Augustini opera (Sect. VII, pars I). Scriptomm contra
-''-' Donatistas pars I: Psalmas contra partem Dooati, Contra epistnlam
. :'^ Parmeniani libri tres, De baptismo libri Septem recensait M. Pet-
^^i sehen ig. Corpus scriptorom ecclesiastieorom Latinoram editum con-
silio et iropensis Academiae litterarom Caesareae Vindobonensis,
vol. LI. Vindobonae, F. Tempskj MDCCCCVIII.
Von der Väterausgabe der kais. Akademie der Wissenschaften
zu Wien liegt nun der LI. Band in gleich schöner Ausstattang
wie seine Vorgänger vor. M. Petschenig übergibt in demselben
des hl. Augustinus : Paalmua contra partem Donati, oft Abcedarium
genannt, Contra epiatulam Parmeniani libri trea und De baptismo
libri aepiem der Öffentlichkeit.
Der Herausgeber bespricht in der Einleitung den kritischen
Apparat, dessen er sich bei seiner Arbeit bedient hat. Es ist zu
bedauern, daß er dies in so gedrängter Kürze getan hat. Er teilt
die Handschriften in solche der besseren und schlechteren Klasse
ein, ohne den Leser darüber zu informieren, aus welchen Qründen
982 Ä. BlancJhet, Lee enceintes romaiim de la Gaole, ang. t. J. OMer.
er zn dieser fiiDteilang veranlaßt würde. Ee steht ja allerdings
dem Benfttzer der Aasgabe frei, das Urteil P s hinzanehmen oder
sich ein eigenes anf Grand der angeführten Lesearten xa bilden;
aber dies ist eine müheToIle Sache and es wftre meiner Ansicht
nach Aufgabe eines Herausgebers, den Leser Aber die Oftte and
Verläßlichkeit der einzelnen Handschriften zn orientieren. Wenn
beispielsweise P. p. IX über die Handschriften za Contra episUUam
Parmeniani schreibt: E mtätis eodidbus, in quibus ii libri con-
tineniur, coUati sunt oeto, so w&re es doch interessant, ja nötig
zn wissen, waram der Heraasgeber gerade diese and nicht andere
Handschriften gew&hlt hat. Von der Bemerkung (p. XIII) : Beliqw»
(libros) a me omnino negUcios hoc looo sallem enumerare libetf
ut, siquis forte unum vel alterum conferre velit — q%tod quidem
sine uüo emolumento futurum esse mihi persuasum est — eligendi
potestatem habeat hat man ziemlich wenig. Unter den Handschriften,
die Tom Heraasgeber dann angeführt werden, sind nämlich sechs,
die in das XII. Jahrhandert gehören, während nnter den yon ihm
benützten Handschriften auch nar drei dem X., die übrigen fünf
aber dem XU. Jahrhandert angebüren. Zndem ist ja das Jahr-
hundert, aas dem ein Kodex stammt, nicht immer maßgebend für
dessen Güte and Verwendbarkeit. Es könnte also anter den nicht
benutzten Handschriften noch die eine and andere Perle sein.
Der früheren Aasgaben gedenkt P. anter diesen Umständen
natürlich nicht.
Es maß im übrigen zagegeben worden, daß die Überlieferang
dieser Teile der Werke des hl. Aagastin eine ziemlich gnte ist.
Eremsmünster. Dr. Adalbero Haemer.
Adrian Blanchet, Les enceintes romaines de la Gaale.
j^tttde Bur Torigine d'an grand nombre de yilles fran^aises. Paris,
LeroQZ 1907. 821 SS. und 21 Tafeln.
Das Torliegende Bnch, das dem Gründer des Stadinms der
nationalen Archäologie Frankreichs, Arcissa de Canmont, zageeignet
ist, bietet einen neaen Beweis für das eifrige Interesse, mit dem
französische Gelehrte die Geschichte ihres Landes bearbeiten. Verf.
behandelt ein wichtiges Kapitel der Geschichte Frankreichs: die
Entstehnng einer großen Zahl franzüsischer Städte aas rOmisehen
Festangsanlagen. Das HanptTerdienst des Baches liegt in der
Zasammenfassnng des Materials : seit dem XVI. Jahrhandert finden
sich wohl zahlreiche Arbeiten für einzelne Orte, die in der Ein-
leitong (8. 1 — 11) aufgezählt werden. Da im Lanfe der Zeit die
Beste der alten Maaem Tielfach zerstört, Aofzeichnangen über die
einzelnen Fände nicht regelmäßig gemacht wnrden, begrtifen wir
die Mühe, die die Herbeischaffnng des reichen Materials yenirsachte.
F. F. Ähhoitj The Acc in Yolg. and Foimal Latin, ang. t. J. Goüing. 988
Um 80 mthr ist die Arbtit des Verf. anzaerkenneD, der im ersten
Boche (8. 18 — 285) eine Aüfzäblang und Beachreibnng der St&dte,
coBtra nnd eastella der vier gallischen Provinzen bietet: es ist ihm
gelungen, die Qrnndrisse von 48 Orten festzustellen , welche die
47 Abbildungen in einfacher Form veranschanlicben. Nachdem so
eine statistische Grundlage gewonnen ist, beschäftigt sich das
zweite Buch (S. 287 — 298) mit dem System der Konstruktion der
Umwallungsmauern nnd behandelt in drei Kapiteln die Einzelheiten
des Manerbaues, die Tore und Ausfallspforten, die Burgen, Amphi-
theater, Wasserleitungen, Form und Umfang der Anlagen. 8. 288 f.
gibt eine Zusammenstellung des Umfanges der Mauern von 48
Städten sowie die Flächeninhalte einiger Orte. Dabei werden auch
Anlagen außerhalb Galliens verglichen und die Vorschriften des
yitruY und Yegetius in Betracht gezogen. Das dritte Buch (S. 299
bis 888) behandelt die Chronologie dieser Anlagen : es werden die
Bpochen in der Erbauung mit Berücksichtigung der Inschriften
und literarischen Texte erOrtert und die Aufstellungen früherer
Gelehrten gepiflft. Den Schluß bildet ein alphabetischer und Sach-
index; die 21 Tafeln dienen der Erläuterung des Textes, daher in
der Erklärung der Tafeln die Seiten des Textes angeführt sind.
Diese kurze Inhaltsangabe möge genflgen, um auf die Bedeutung
des Buches aufmerksam zu machen. Herrorzuheben ist die reiche
Literaturangabe, die sich nicht auf französische Werke beschränkt,
sondern auch die in Deutschland erschienenen Werke heranzieht.
So wird das Buch allen, die sich mit alter Geschichte beschäftigen,
reiche Belehrung bieten und dem Lehrer der klassischen Sprachen
bei der Cäsarlektüre gute Dienste leisten.
Wien. Dr. Johann Oehler.
Tbe Accent in Vulgär and Formal Latin. By Frank Frost
Abbott. Beprinted from Claasical Phüologj. Vol. II, Nro. 4. Od
1907. p. 444—460.
Die Frage nach dem Wesen des lateinischen Akzents ist seit
Weils und Benloews ^ThSorü gSniraU de Vaeeeniuatian latine
(1855) nicht wieder zur Buhe gekommen. Dieselbe wird im vor*
liegenden Aufsatze insofern unter einen neuen Gesichtspunkt ge-
bracht, als der Verf. zwischen literarischem Latein und Volkssprache
nnterscheidet. Der Hauptakzent, so behauptet Abbott, bestand in
der vorhistorischen Zeit in Ton Verstärkung (exspiratorischer Akzent)
ond fiel auf die Anfangssilbe: mit ihm war ein Nebenakzent gleicher
Natur auf einer der folgenden Silben verbunden. Schon vor Beginn
der Literatur sei jedoch der Hauptakzent sekundär und dafür, in
den weitaus meisten Wörtern wenigstens, die vorletzte oder dritt-
letzte Silbe starktönend geworden. So sei es im Vulgärlatein ge-
984 F. F. Äbhott, The Acc. in Vnlg. and Formal Latin, ang. t. J. GoUing.
blieben, welches allzeit den ezspiratorischen Akzent festgehalten
habe. Beweise hiefär sieht A« in gewissen als Begleiterscheinong
der Tonstärke ancb sonst nachweisbaren Eigentömiichkeiten des
Yalg&rlateins, als da sind: jambische Kürzung, Volcal- nnd Qnan-
titätsschwftchong nnd Synkope, und außerdem im Akzent der ro-
manischen Sprachen, der anch exspiratorisch sei. Erscheinungen
wie die vorbenannten findet der Verf. im literarischen Latein nicht;
namentlich sei hier die Quantität der Silben stets strenge gewahrt
worden, ein Beweis, daß der Wortalczent TonerhOhung war: mnsi-
kalischer Akzent. Von besonderem Interesse ist, daß A. durch diese
seine Ansicht die alte Streitfrage, wieso die Lateiner im Verse
zwei verschiedene Arten von Akzenten, den Vers- und den Wort-
akzent, unterschieden, gelöst sieht: ist der Wortakzent im Gegen-
satze zum Versiktus ein musikalischer, so schwindet hier allerdings
alle Schwierigkeit. — Eine äußere Bestätigung seiner Ansicht er-
blickt A. in den Lehren der Grammatiker seit dem ersten vor-
christlichen Jahrhundert: für diese ist nach seiner Interpretation
der literarische Akzent musikalischer Natur. Daß die Grammatiker
blindlings die dem Griechischen entlehnte Akzenttheorie auf du
Lateinische übertragen hätten, sei zumal bei Männern wie Cicero
(Orator 57) und Quintilian (I 5, 27; XII 10, 88) ausgeschlossen
und außerdem fänden die von ihnen gegebenen Regeln über du
Vorkommen von Zirkumflex und Akut kein Gegenstück im Grie-
chischen. Übrigens erklärt A. die Entwicklung des musikalischen
Elements im literarischen Akzent als eine natürliche Folge der
Nachahmung des Griechischen, unter dessen vorwiegendem Einfluß
sich die lateinische Literatur und das literarische Latein entwickelt
hätten. — Das Aufkommen des exspiratorischen Akzents in der
Literatur versetzt A. in die Zeit, wo das Vulgärlatein Schriftsprache
geworden ist. Eine Schwierigkeit, die von A. nicht überzeugend
beseitigt ist, erbebt sich hier insofeme, als A. in den Lehren
einiger Grammatiker des IV. und V. Jahrhunderts (Diomedes E.
I 480, 29; Servius K. IV 426, 16; Cledonius K. V 31, 30;
Pompeius K. V 128, 81), welche sich auf den exspiratorischen
Akzent beziehen, ein Zeichen des bereits in die Literatur ein-
gedrungenen Vulgärlateins erblickt, dabei aber behauptet, daß noch
im VI. Jahrhundert der musikalische Charakter des Akzents ge-
lehrt wurde.
Übrigens durften bei demjenigen, der A.8 Ausführungen nur
aus vorliegendem Referate erfährt, noch andere Bedenken hervor-
gerufen werden: diese zu zerstreuen ist nur die Einsichtnahme in
des Verf.s Beweismaterial imstande. Auf jeden Fall verdient der
bestechende Gedanke der A.schen These des näheren beleuchtet zu
werden und wäre es auch nur in polemischem Sinne.
Wien. J. Golling.
Zettel-Brunner, Hellas UDd Born usw., »ng. t. B. WMan. 985
Hellas und Born im Spiegel deutscher Dichtung. Eine Antho-
logie von t Dr. Karl Zettel, k. GymnasialprofesBor a. D. Mit einem
erkUrenden NamensTerieicbnia ▼on Otto Hart lieh, Oberlehrer an
der Fflratenschale in Grimma i. S. Herausgegeben fon Augnit
Brnnner, k. Konrektor am Lniipold-Qymnasiam in MQnehen. Zwei
Bftnde. Erlangen, Palm A Enke. I. Band: Mythen nnd Heroenieit.
Griechische Geschichte. II. Band: BOmiache Geschichte. Stimmungs-
bilder. XVI, 829 and 388 SS. B".
Ein Buch, das gewiß den besten Absichten entspmngen ist,
von dessen Yerwendnng in der Schale jedoch auf das entschiedenste
abgeraten werden maß, trotz der lobenden Besprechangen Ton
Menge, Stending nnd Georg Brandes, die der Verleger aaf der
Innenseite des Titels abdruckt, Besprechungen, die nur zeigen, wie
leichtfertig sie oft niedergeschrieben werden. Gewiß, der Gedanke,
eine solche Anthologie zusammenzustellen, war an und fOr sich
rühmenswert, aber nicht leicht konnte er schlechter ausgeführt
werden, als es hier geschieht. Der eigelitliche Sammler der Antho-
logie, Dr. Zettel, ist bald nach Beginn des Druckes gestorben ; an
seiner Steile übernahm Konrektor Brnnner die Überwachung des
Druckes. Oher die Schwierigkeiten, die sich ihm dabei in den Weg
stellten, spricht er sich im Vorworte selbst aus; sie bestanden
darin, ^daß das Manuskript an Txelen Stellen sehr undeutlich ge-
schrieben ist und die Fundstätten der von weniger bekannten
Schriftstellern Torfaßten Gedichte nicht ausfindig gemacht werden
konnten . • . . Bine Korrektur undeutlich oder offenbar falsch ge-
schriebener nnd deshalb teilweise ganz unverständlicher Stellen in
diesen Gedichten konnte also nach dem Original nicht yorgenommen
werden**. Der Herausgeber gesteht also selbst, daß wir hier Ge-
dichte erhalten sollen, deren Text Terstfimmelt ist ^Unwillkürlich
fragt man sich, war ein solches Buch denn notwendig, mußte
es gedruckt werden ? Aber wir wollen gerecht sein ; das Buch war
bereits im Druck, der Herausgeber hatte die Arbeit einmal über-
nommen und erst im Verlaufe der Arbeit sah er die Unmöglich-
keit, die Fundorte von Dichtungen ganz obskurer Dichter ausfindig
zu machen. Aber Schiller, Geibel, Schack, Lingg, waren ihm auch
deren V7erke unzugänglich oder war er zu bequem, die Abschrift
mit den Ausgaben zu vergleichen? Denn der Abdruck ihrer Ge-
dichte wimmelt geradezu von den haarsträubendsten Fehlern. Und
Sammler wie Herausgeber sind doch wohl Philologen, denen das
Gewissen lauter schlagen müßte als etwa einem Naturhistoriker,
der eine solche Arbeit unternähme. Oder sind unsere deutschen
Dichter Togelfrei und verdienen nicht die Bücksieht, die man den
antiken Schriftstellern mit Recht zollt? Dazu kommt die Geschmack-
losigkeit der Auswahl. Wem nützen wohl unbedeutende Gedichte
namenloser Dichter, wie sie sich I 166, 222, 269; II 14, 57,
92, 268 finden, zu denen sich Gedichte von Yerfassem
die dem Herausgeber nur mit dem Anfangsbuchstaben F "*
986 Zettel'ßrunner, Hellai und Rom qsw.^ ang. t. K WMan.
II 128), E. M. (I 189) bekannt waren. Wae bedeuten so unbe-
kannte Namen, wie Engelb. Albrecht, E. Preser, 0. Paeig, A. Fried-
mann, J. Britzelmayr, E. A. Fetzer, H. Stadelmann, A. Frendentbal,
E. Enlmann, am nnr einige der großen Unbekannten zu nennen,
wo MOrike, Hebbel, Grillparzer, Allmera, Eonr. Telmann, Bicarda
Haeh and so viele andere vollkommen fehlen. Engelb. Albrecht ist
mit nenn Dichtungen vertreten, Paul Heyse mit zwei!
Zum Schlüsse einige Textverböserungen dieser Anthologie:
Bd. L S. 14, Z. 18/14 (Lingg) reinere Bahnen verfolgt ihr st.
reineren Bahnen folgt ihr. — S. 67, Z. 11 (Geibel) des Bingens
Stande st. Bing er s; S. 68, Z. 5 als ich den W&chter dort mit
meiner Hand, der grimmen, bändigte st. den grimmen; Z. 18 wie
einer angstlos fremden Macht st. maßlos; Z. 22 in dieser
Stunde st. zu; Z. 27 Scheite st Scheiter; Z. 81 trigt reich
des Bauches blühend GoldgewOlke st. mich (sechs sinnentstellende
Fehler in einem Gedicht I). — S. 70, Z. 12 (Lingg) allen
Brfidern st. Ländern. — 8. 110, Z. 2 (Geibel) Poseidons
Fichtenhaus st. Säulenhaus; S. 111, Z. 1 Tagelang st
Tage dann; Z. 18 unaussprechlich st unauslöschlich
brannte mir das Herz. — S. 126, Z. 2 (Platen) wenn st. wann.
— S. 129, Z. 1 (Schiller) altersgraaen st altergrauen; 8. 185,
Z. 24 alten Bette st kalten Bette; Z. 82 seinen st. seinem. —
8. 140, Z. 9 (Schack) Geschoß an Geschoß st auf; Z. 12 Elek-
trentor st. Elektrator. — S. 158, Z. 7 (Heyse) däncht es mir st
dnnkt es mir; Z. 28 auf den Stiegen ein flflsternder Elang st. vor
der Tür ein schwirrender Elang; S. 160, Z. 2 in st ihn; S. 161,
Z. 7 lauschet st. lauscht. — S. 175, Z. 80 (Schiller) Frevler st
Sünder; Z. 82 dunklen st dunkeln. — S. 186, Z. 22 (Schiller)
er nimmt st und; S. 187, Z. 19 und dennoch st doch,
spricht er. — S. 284, Z. 21 (Lingg) nach dem Müh'n st den.
— S. 246, Z. 6 (Lingg) mit rücklings gebeugtem Angesicht
fit. rückgebogenem; Z. 8 sonst st sanft; Z. 12 von scheuer
Sehnsucht st von scheuem Sehnen; Z. 15 höchstes Weh st.
größtes; Z. 30 Grabgesang st Brantgesang. — S. 267, Z. 28
(Greif) nun st neu. — S. 277, Z. 12 (Lingg) lange st länger.
— S. 286, Z. 6 (Platen) forderte st. federte; Z. 12 Mazedoniens
st Mazedoniern. — Bd. H. S. 56, Z. 22 (Schack) in hefVgem
Lauf st hastigem. — S. 120, Z. 8 (Lingg) Lande st Länder.
— S. 156, Z. 6 V. u. (Geibel) mit langem, gelbem Haar st.
im langen, gelben Haar. — S. 186, Z. 9 (Geibel) vor meinem
Blicke st meinen Blicken; 8. 187, Z. 22 nach dem Olympos
seh'n st noch den. ^ S. 190, Z. 8 (Geibel) das Weltgeschick
6t der Welt Geschicke; Z. 17 lost st Eost — S. 214, Z. 10
(Lingg) mit wunderbarem Schauern st. wunderbaren. -* S. 234,
Z. 21 (Lingg) schnell nun raff* ich empor mich st. schnell mich
raff' ich empor; Z. 81 von faltigem grauen Gewände st von fal*
tigen grauen Gewanden. — S. 286 (Lingg) umhallte st umhaiten.
B. Günther, Deatsehe Koltnrgesehiehte, uig. ▼. JET. Steinaeker. 987
— S. 288, Z. 8 (Geibel) ]aßt mich st. sich. — S. 242, Z. 2
(Geibel) selige Nacht et. dnftige; 8. 248, Z. 1 die Becher st.
den. — S. 251, Z. 5 (Waiblinger) großblätterig st. großblAttrig ;
Z. 19 Geiste st Geist. — 8. 264, Z. 28 (Lingg) 8&vle st. 8äalen.
Wien. B. Wolkan.
Dr. Beinhold Günther, Deutsche Kulturgeschichte. 2. omgear-
beitete Auflage. Leipzig 1907. Sammlang GOscben Nr. 56.
Prof. Dr. J. Dieffenbacher, Deutsches Leben im XII. und
XIII. Jahrhundert. Bealkommentar zu den Volks- and Kunstepen
und zum Minnesang. I. Öffentliches Leben. IL Pri^atlebeo. 1907.
Sammlung GOscben Nr. 93 und 328.
Vor wenigen Jahren hat Georg Steinhansen eine aasfähr-
liche „Geschichte der deotschen Enltor*' yerOffentlieht. Wenn irgend
jemand, so war er data bernfen. Wenn dennoch bei aller Aner-
kennung seines Werkes die Vertreter der meisten in dieser Kultur-
geschichte gestreiften Forschungsgebiete Bedenken und Einwände
geltend gemacht haben, so kommt darin eine Einsicht zum Ausdruck,
die am klarsten unter allen Kritikern G. von Below ausgesprochen
hat, daß n&mlich bei der heutigen Verzweigtbeit der Forschung
kein einzelner Gelehrter, selbst Steinhausen nicht, eine berriedigende
Darstellung der deutschen Kulturgeschichte liefern könne, weil eben
kein Einzelner alle einschlägigen Forschungsgebiete auch nur an-
nähernd zu beherrschen vermag. Hinter dieser technischen Schwierig-
keit steht aber, wie ich glaube, eine zweite, tiefergehende, sach-
liche Schwierigkeit. Kultur ist ein Sammelbegriff, dem im wirk-
lichen Leben nie oder nur selten eine einheitliche Erscheinung
entspricht. Höchstens auf primitiver Stufe hängen Wirtschaft,
häusliches Leben, Sitte, Becht, Staat, Krieg, Religion, Kunst,
Wissen und alle anderen Gebiete, die man im Bereich der Kultur
etwa noch unterscheiden kann, so eng zusammen und wirken sich
fär alle Volksgenossen in einer so gleichmäßigen Weise aus, daß
sich eine einheitliche geistige Stimmung, ein einheitliches Kultur-
milieu ergibt Auf fortgeschritteneren Stufen ist die Differenzierung
des Volkskörpera in Stände und Klassen, die ihr eigenes Kultur-
leben führen, und die Differenzierung der einzelnen Kulturgebiete
so stark, daß jedes dieser Gebiete bei aller gegenseitigen Bedingt-
heit doch eine zum Teil autonome Entwicklung aufweist, nament- j
lieh soweit das Eingreifen schöpferischer Persönlichkeiten in Frage
kommt.
Eine allgemeine Geschichte der nationalen Kultur kann daher
nur eine Geschichte der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen
Kulturgebieten sein; sie kann die gemeinsamen Kräfte und Strö-
mungen abzugrenzen suchen gegen die Sonderrichtung der auto-
988 B. CHinther, Dentsche Knltargesehichte, ang. t. H. Sieinacker,
DomeD Entwicklaog des eiszelnen Gebietes. Was sie aber nicht
kann, das ist, den ganzen stofflichen Bereich aller Gebiete — die
gesamten Staats- nnd Privataltertflmer — znr Darstellang bringen
nnd der Sondergescbichte z. B. der Wirtschaft oder der Kanst
oder der Beligion nsw. in deren eigenem inneren Zasammenbang
gerecht werden. Sie mnß dies den Sonderwissenschaften überlassen
nnd deren Stoff voranssetzen. Wo sie das nicht tat, wo sie aas
allen näher nnd femer liegenden Gebieten die wichtigsten Schlig-
worte bringen will, am „Tollstftndig'' za sein, da entsteht ein
Neben- nnd Dnrchelnander Ton laater Fragmenten, dnrch künstliche
Übergänge gewaltsam verbanden, in gesachte Perioden eingezw&ngt.
Denn eine Periodisiernng, die der Entwicklang aller einzelner
Ealtargebiete gerecht würde, gibt es nicht.
Wie sehr sich diese Schwierigkeiten, die schon für das nm-
fassende Werk Steinhaasens fühlbar waren, bei kleinen popalftren
Darstellangen steigern, veranschaalichen gat die Seitenüberschriften,
die z. B. für das V. Kapitel (Bevormnndang and Befreiung) bei
Günther (S. 74—97) Inhalt nnd Gedankengang andeaten: „Fran-
zösische Einfiässe, der Staat des großen Karfürsten, Preoßische
Yolksschale, Heerwesen, Anatomie, latrochemie, Pietismns, Schrift-
tam , Zeitschriften , Yolksschale , Dniversit&ten , Soldatenhandel,
materielle Knltor, Aufkommen von Handel nnd Gewerbe, Bntst^en
der Freizügigkeit, ün Vollkommenheit der Verkehrswege, B&nber-
banden, Wachsen der St&dte, Klagen über das „Lampenproletariat',
Josefinismas, Bandestag''. Für derartig bnnte Zasammenstellongen
kann man kaam die Aatoren verantwortlich machen. Vielmehr ergibt
sich die Forderang an den Verlag, dessen Sammlang gerade aof
historischem Gebiet vortreffliche and nützliche Arbeiten enth< -^
(ich erinnere an die von Bern heim, Hoernes, Mnch, Mather, ühlirz,
Jakob, Arnold) — die Aufgabe anders zu stellen. Ist einem so
speziellen Gebiet wie der „Burgenkunde'' ein eigenes B&ndchen
gewidmet, so würde das kulturgeschichtliche Interesse, dem die
beiden besprochenen Büchlein die 2. Auflage danken, eine gründ*
liehe Befriedigung verdienen« indem das Gebiet der deutschen
Kultnrgescbichte aufgelöst wird in eine Verfassungs-, Rechts-,
Wirtscbafts-, Kunst-, Kirchengeschichte; unter Voraussetzung dieser
systematischen Darstellungen, die zur Not in je einem B&ndcheo
zu bewältigen wären, könnte dann die Kultargeschichte der ein-
zelnen Stände (Bauern-, Bitter-, Bürgertum, Klerus) und Berufe,
die Würdigung kulturgeschichtlich bedeutsamer Gebiete, Bewegungeo,
Zeitalter in popnlärer und doch richtiger Weise gegeben werden.
Denn gerade was die Bichtigkeit anbetrifft, sind die Büchlein von
Günther und Dieffenbacher nicht einwandfrei. Ungenauigkeiten in
Einzelheiten sind nicht selten; so kehrt bei Günther S. 81 der
alte Irrtum wieder, daß beim Gottesurteil der Beschuldigte in sie-
dendes Wasser greifen, über glühendes Eisen gehen mußte, ohne
sieb zu verletzen. In Wahrheit handelte es sich darum, ob nach
J, Dieffenhacher, DenUcheii Leben usw., Mg. ?. H, Steineuiker. 989
bestimmter Frist bei gerichtlicher Aboahme des Verbandes die
Wundstellen verheilt waren oder nicht (richtig bei Dieffenhacher I,
S. 108). Unzutreffend ist die Gegenüberstellnng Ton ^öffentlichen
Grafengerichten'' nnd „bänerlichen Gemeindegerichten " (S. 80),
ferner die ganz allgemein aufgestellten Bebaaptnngen, daß das
Patriziat der Städte ans ,, Altfreien'' entstand (S. 35), oder daß
die Bicbter bis ins XIV. Jahrhundert selbst ihren Sprnch vollzogen.
Schwerer ins Gewicht fallen Ungenauigkeiten, welche in wichtigen
Fragen Unklarheit hervormfen missen. Die Behauptnng, daß neben
den „in Grafschaften eingeteilten" Herzogtomern als weltlichen
Gebieten sich „geistliche Gebiete finden" (S. 15), maß der Leser
nach dem Znsammenhang and der beigeffigten Liste, die nnr die
Bistümer der karolingiscben Zeit aufzählt, auf diese Zeit und die
nächstfolgenden Jahrhunderte beziehen. Darin liegt eine Vorwegnahme
viel späterer Zustände, ein Verkennen der Grafschaftsverfassnng,
in welche ursprunglieh auch die geistlichen Immunitäten eingeordnet
waren, eine Verschleierung des Verhältnisses zwischen Staat und
Kirche, dessen Wandlung dem Investiturstreit und der ganzen Ent-
wicklung der politischen Zustände zugrunde liegt. So erklärt sich
denn auch, daß für den großen Kampf zwischen Kirche und Staat
lediglich das Aufkommen neuer Ideen innerhalb der Kirche ver-
antwortlich gemacht wird, die auf einmal „begann, den Staat als
Teafelswerk anzusehen". Statt dessen hätte in wenigen Sätzen die
Verweltlichung der Kirche durch Eigenkirchentum, Immunität, Graf-
schaftsverleihung und das ganze ottonische System, dann durch die
völlige Einordnung in den Lehnsverband und den jüngeren Beichs-
fürstenstand der staufischen Zeit geschildert werden können, um die
innere Notwendigkeit dieses das frühere Mittelalter beherrschenden
Kampfes verständlich zu machen.
Nicht minder auffällig sind die Ungenauigkeiten, die sich,
wenigstens für das öffentliche Leben, bei Dieffenhacher finden.
In dem Satze: „Der Gaugraf,- ursprünglich von der Hundertschaft
gewählt, wird in seinem Amte erblich, schließlich aber von einem
vom König ernannten Beamten verdrängt" (S. 17) stecken gleich
mehrere Irrtümer, so daß er sich in Kürze gar nicht berichtigen
läßt. Irrig sind auch Behauptungen, wie: „Der König kann einen
Stellvertreter, ja einen Nachfolger ernennen" (S. 24) oder die Aus-
führung über das Lehnsverhältnis, daß anfangs alle Erben gemein-
sam sukzedierten, was eine Zersplitterung der Lehen zu Folge
hatte, so daß sich schließlich die Individualsukzession durchsetzte,
indem der Herr sich meist an den „Vorschlag der Erben" hielt
(8. 21). Daß bei planmäßiger Erhebung eines Dorfes zur Stadt
die nähere Ausführung in der Hand eines Locators lag, der dann
Erbvogt wurde, ist eine Verwechslung mit Vorgängen bei den Dorf-
grfindungen der Kolonisation im Osten. Diese Unrichtigkeiten, deren
sich leicht noch mehr aufzählen ließen, bewirken, daß der Wert
der Dieffenbacherschen Bändchen weniger in dem liegt, was sie
990 0. Äpelty Der deotsche Anfiats in der Prima, ang. t. ä. Hautetibhu.
als ^Realkommentar'' za den deutschen Dichtangen beibringen, als
in dem Kommentar, den sie ans diesen Dichtungen durch dankens-
werte Zusammenstellung der einschlägigen Stellen fAr verschiedene
Einzelheiten des frühmittelalterlichen Kulturlebens bieten.
Wien. Harold Steinacker.
Der deutsche Aufsatz in der Prima des Gymnasiams. Ein
hiBtorisoh-kritischer Versach von Dr. Otto Apelt. 2., Terb. Auflage.
Leipzig und Berlin, B. G. Tenbner 1907. VI und 284 SS. 8^. Preis
3 Mk. 20 Pf.
Ist im deutschen Unterricht an den Gymnasien und ganz
besenders im Aufsatzwesen in der letzten Zeit ein Fortschritt zu
verzeichnen? Diese Frage möchte man unbedingt verneinen, wenn
man die vielen pessimistischen Äußerungen liest, welche allerorts
von revoltierenden Laien, aber auch von Schulmännern gemacht
werden. Ob man über die Sache nicht etwas vorschnell urteilt?
Man sollte denn doch Gegenwart und Vergangenheit auf Grund von
Tatsachen und Materialien vergleichen und nicht zu sehr von bloßen
Eindrucken sich gefangen nehmen lassen. Und femer — seit wann
haben wir denn — an österreichischen Gymnasien wenigstens —
einen wirklich geregelten, ernsthaft betriebenen Deutschunterricht?
War nicht der Gegenstand in den oberen Klassen meist ein unlieb-
sames Anh&ngsel fflr Nichtfachmftnner, wie er es heute in den
mittleren Klassen oft noch ist? Man kann doch nicht gut von
dem Niedergange einer Disziplin reden, wenn nicht zuvor ein Auf-
schwung zu verzeichnen war.
Ich möchte eher meinen, daß auch im deutschen Aufsatz
manches besser geworden ist, und wenigstens was die Auswahl der
Themen betrifft, ist eine Läuterung des Geschmacks nicht zu ver-
kennen. Man bl&ttere nur in alteren Jahresberichten und man wird
eine Unzahl gftnzlich ungeeigneter, gedankenlos aufgegriffener Themen
finden. Nicht immer sind sie so harmlos-heiter» wie etwa folgendes:
Zigarre macht dem Raucher Spaß,
Wenn sie gut brennt und sieht;
So gilt der Menich nur dann etwas,
Wenn er für etwas giflht,
welches von einem klösterlichen Germanisten ersonnen worden ist,
oder das durch die Kühnheit der Zusammenstellung verbluffende „Die
Pest in Athen und die Influenza in Krems^.
Daß nun pompöse und verstiegene Themen immer seltener
werden und daß die Aufsatzthemen doch mehr dem Denkkreise der
Schuler angepaßt werden, ist das Verdienst einschlägiger Unter-
suchungen, unter welchen m. E. das Apeltsche Buch mit an erster
Stelle zu nennen ist, nicht nur der Zeit, sondern auch dem
Werte nach.
0. Apdt, Der denticbe Aufsatz in der Prima, ang. i, A, Hausenhhu. 991
Koch erinoere ich mich, wie ich vor mehr als zwanzig Jahren
als jnnger Lehrer die Schwierigkeiten des deutschen Unterrichtes, be-
sonders aber des Anfsatzbetriebes, mehr ahnend als erkennend, alle
nnr erreichbaren Abhandlungen (meist Programmaufsätze), die zum
Oegenstand zu gehören schienen, emsig dnrchstOberte, nm Normen
oder wenigstens Winke fflr den Anfsatz-Ünterricht zn erhaschen,
aber leider — viel Spreo und wenig Weizen fand. Ich erinnere mich
aber aoch, mit welch leidenschaftlichem Eifer ich die damals er-
schienene erste Auflage des zu besprechenden Baches durcharbeitete,
znmal da ich mich mit dem bekannten Laasschen Bache, welches
ich kurz vorher gelesen hatte, dnrchans nicht befreanden konnte.
Ich erinnere mich anch, wie mich die ruhigen, besonnenen, histo-
risch - kritischen Darlegungen Apelts fesselten , wie mir seine Auf-
fassung als überzeugend und sozusagen als selbstverst&ndlich
schien, wie ich zu der Schrift unbedingtes Vertrauen faßte und
mir bei ihr immer wieder Bates erholte.
Deshalb gehe ich mit einem gewissen Oefflbl der Dankbar-
keit, aber auch der Wehmut daran, die zweite Auflage dieses Buches,
aus welchem sicher auch andere Fachgenossen vielfach Anregung
geschöpft haben, der Aufmerksamkeit der jüngeren Kollegen zu em-
pfehlen, u. zw. in der vollen Überzeugung, dafi das Buch weiterhin
in der einschlägigen Literatur einen ehrenvollen Platz behaupten wird.
Und wenn es vielleicht auch in dem einen oder dem anderen
Punkte überholt werden und veralten wird, nicht veralten wird die
Warmherzigkeit und Schülerfreundlichkeit, mit der es geschrieben
ist. Zum Beweise hiefür seien zwei Stellen (S. 82 und 88) an-
geführt, die über die Beurteilung des Keif e • Aufsatzes handeln:
„Von allen Leistungen , welche der schriftliche Teil der Beifeprü-
fung fordert, ist die deutsche Arbeit vielleicht diejenige, deren
Gelingen am meisten einerseits von der zuf&lligen Beschaffenheit
des gestellten Themas '), anderseits von der jeweiligen Stimmung und
Aufgelegtheit des Prüflings abhängt. Wie der Dichter oder sagen
wir bescheidener der Literat .... seine unfruchtbaren Zeiten hat,
so hat auch der jugendliche Aufsatzscbreiber — ein Literat
im Kleinen — neben seinen glücklichen seine ungläcklichen Stunden.
Dies für die Beurteilung völlig unberücksichtigt zu lassen,
würde nicht nur eine Härte, sondern geradezu ein psychologischer
Mißgriff sein.*' Ferner: „Wer in reiferen Jahren viel mit der
Jugend zu tun gehabt hat und an ihren geistigen Freuden und
Leiden einigen Anteil zu nehmen sich gewöhnt hat, der weiß, wie
spät gerade auf dem Oebiete eigener Produktion bei manchen,
im übrigen ganz wohl beanlagten Schülern der geistige Wachs-
knoten platzt. Wie es schüchterne und ängstliche Naturen gibt,
denen es in ihrem äußeren Auftreten nicht gelingt, einen ihrem
t) Seither hat bekanntlich die Unterriehtsferwaltung in dieser Be-
liehong lam Teile Wandel geschaffeD.
992 S. J, Morichj Der engliscfae Stil, ang. y. J, Eüinger.
inneren Wert entsprechenden Eindmek hervorznnifeD, lo findet sich
in einer heranwachsenden Sohfilerschar immer einer oder der andere,
der zwar ganz anyer&chtliche Kenntnisse besitzt, anch im bestimmten
Falle Urteilsf&higkeit zeigt, dabei aber doch in seinen Aofs&tzen
meist linkisch und unbeholfen , mitunter wie stammelnd erscheint
Entweder ist er fiberhaapt noch zu zaghaft...., am seine innere
Welt, soweit es nicht auf bestimmte Fachkenntnisse ankommt, in
klarer Form znm Ansdrnck zn bringen, oder er siebt sich znf&llig
meist vor Themata gestellt, die gerade dem, was in seinem Innern
keimt nnd nach Entfaltung ringt, nichts Erweckendes nnd Fördern-
des bieten Sind also im fibrigen, d. h. vor allem in den
alten Sprachen nnd in der Mathematik Anzeichen tüchtigen EOnnens
nnd guten Urteils Torhanden, dann — aber auch nur dann —
dfirfen meines Erachtens Schw&chen im deutschen Aufsatz, sie
mfißten denn ganz elementarer Natur sein, kein unüberwindliches
Hindernis bilden fdr die Zuerkennung der Reife''.
Ohne der Laxheit in der Beurteilung des deutschen Beife-
prnfungsaufsatzes nur im entferntesten das Wort reden zu wollen,
habe ich die Stellen auch deswegen ausffthrlicber wiedergegeben,
weil man in der Praxis oft genug die erw&huten ganz besonders
eigenartigen Hemmnisse des Erfolges im Aufsatzunterridit dbersieht
und besonders dann, wenn ein Matura- Aufsatz mehr oder minder
mißraten ist, die Grunde meist anderswo sucht. Selbst auf die Qe-
fahr hin, der Ketzerei geziehen zu werden, wage ich zu behaupten:
Der deutsche Aufsatz bei dem Abiturienten -Examen kann deshalb
nicht unbedingt als der Prüfstein der allgemeinen geistigen Reife
angesehen werden, weil er eben von zu vielen Voraussetzungen ab-
hängig ist.
Mies i. B. Adolf Hausenblas.
Der englische Stil. EId Übongsbneh ffir Deutsche tod R. J. Morich,
Lektor der englischen Sprache an der Unifersitftt Grat. Leipzig nnd
Wien, Franz Deaticke 1907. YUI und 885 SS. — Nebst einem
Scblflssei (94 SS.).
^Das Torliegende Buch ist aus dem Wunsche des Verfassers
entstanden, seinen Schülern bei ihren englischen Stiiübungen passende
Materialien in handlicher Form vorlegen zu kOnnen** (Vorrede HI).
Da dem Verf. die vorhandenen Sammlungen von deutsdien Obungs-
stQcken zu kindlich und vielfach veraltet schienen, hat er in seinem
Buche charakteristische Proben deutschen Stils aus den verschie-
densten Gebieten der Literatur, meist ganz modernen Ursprungs,
zusammengestellt. Wir finden hier Bruchstücke aus Romanen und
Novellen von Goethe, Tieck, Keller, Frenssen, Mann, Sudermann,
Wildenbrnch, Paul Heyse, Freytag, Spielhagen, Proben ans ge*
schichtlichen Werken von Pauli, Ranke, Moltke, Sybel, Raumer,
JS. J. Maridi, Der englische Stil» aog. t. J, Eüinger. 993
Beeker, literarhistoriBcbe Abschnitte von Treitschke, SchOnbach,
Hettner, Lübker, ten Brink, Marie Gothein, Fragmente ans Ooetbee
GlaTige, Freytags Joamalisten , Benediz' Z&rtlichen Verwandten.
Aber nicht nur die schOne Literatur, sondern aach Beisewerke, die
Tagespresse, naturwissenschaftliche Werke nnd Werke über Handel
(wie z. B. Einer, China) hat der Verf. fär seine Zwecke aisgebeatet.
Dem schwierigen und mannigfaltigen Übnngsstoffe (S. 1 — 91) ent-
spricht anch das reichhaltige Hilfsmaterial, welches ihm der Verf.
beigegeben hat Es besteht 1. ans „Anmerkungen** (S. 98 — 218),
die entsprechende Vorschl&ge znm Übersetzen für den konkreten
Fall enthalten; 2. ans einem Abschnitt „Phraseologisches*' (8. 219
bis 258) mit über 200 alphabetisch geordneten deutschen Wertem,
von denen jedes mehrere Übersetzungen zulftBt ; 8. aus Bemerkungen
zum englischen Stil und zur englischen Syntax (S. 259 — 885).
Man muß zugeben, daß alle drei Hilfen mit Gründlichkeit und
Geschick ausgearbeitet sind und daß besonders die zwei letzteren
für den Benutzer des Buches von großem Werte sind. In dem
dritten, die Syntax betreffenden Abschnitt sind die Segeln sehr
▼orsichtig gefaßt und entsprechen daher dem herrschenden Sprach-
gebrauch. Ich lasse hier nur einige wenige Bemerkungen und
Zus&tze folgen: S. 266. Statt I teere to steht nach if auch /
nhmUd. — S. 268. Daß die Substantiva chureh, school, priwn,
bed usw. nicht wirklich „Abstrakten gleichkommen**, wenn sie
artikellos gebraucht werden, erhellt aus dem Satze ^Bed is ihe
heet place for yau**. — S. 269. Bei Namen Ten Jahreszeiten
und Tagen kann auch ohne nähere Bezeichnung der bestimmte
Artikel stehen. — 8. 270. Das Beispiel „The England of aur
daye* gehört nicht in den § 82, der über die Setzung oder Aus-
lassung des Artikels Tor A^joktiv -f~ Eigennamen handelt —
S. 278. In den Verbindungen „three Shillings a yard, sixpenee a
paund kann statt a auch ihe stehen. — S. 275. Die Stellung des
unbestimmten Artikels zwischen Adjektiv und Substantiv tritt auch
nach no (still) -)- Komparativ ein. — S. 292. Das verstärkende
Adverb „doch** in Sätzen wie „bringen Sie mir doch einige Brief-
marken** kann auch durch do ausgedrückt werden: do bring me
same stamps. — S. 800. Auf die Frage Whg don'i you workf
kann man nur mit I do tcork, nicht auch mit / am working
antworten; diese letztere Antwort würde doch die Frage Whr/ are
you not working? veraussetzen. — S. 820. Die gleichbed«Qtend«&
Präpositionen an und upon unterscheiden sich darin, daü upm
das gewähltere Wort ist.
In dem „Schlüssel** zu dem vorliegenden „Übungsbuch'' aiiid
alle Übungsstücke ins Englische übersetzt. Diese Übersetzangen
wurden meist vom Verf. selbst besorg^; nur X (Ludwig lieck, Der
getreue Eckart) und XI (Goethe, Wilhelm Meister) stammen von
Garlyle, und XXVI (ten Brink, Geschichte der englischen LiUr^tar)
dürfte von Kennedy, dem Übersetzer ten Brinks, herrühren*
ZeitMhrifk f. d. 6fterr. GjniB. 1908. XI. Heft. 68
(
994 K, BerqvMMin^ Die iprMhl. Ansebaaong uw., ang. ▼. F. Wawra.
Auffallend ist es, daß im ganzen Bnebe noch die alte deataebe
Beebtsebreibnng (i. B. Li/torator, giebt) beibebalten wird, ferner
dafi dnrebwegs nnengliscbe Anfübrnngszeiehen (» ^ eder '* ^ statt
^ ") Tenrendet werden. An Dmckfeblem babe ich nnr folgende
bemerkt: 8. 265 eargerfy, S. 278 Mr (their), 8. 286 far (far),
8. 294 sadUy, 8. 808 andience, 8. 811 da/J PassiT, 8. 825 <A«
(thee), S. 827 D» Deateoben.
Das Bnch ist znm Oebranch an den englisehen Proieminarien
nnd 8eminarien der UniTereitftten, an teebniscben Hoebscbnlen, an
Handelsakademien nnd an allen bOberen 8cbnlen, wo man für
umfassende englisebe 8tilfibnngen Zeit bat, sowie zum PriTst-
stndinm bestens zn empfeblen.
Wien. Dr. Job. EUinger.
Die sprachlicbe Anscbaaung und Aosdracksweise der Fran*
ZOSen* Von Dr. Karl Bergmann. Freibug (Baden), J. Bielefeldt
Verlag 1906. Z nnd 188 SS. Preis 3 Mk.
Des Verf. Absiebt war weniger, eüie Pbraseolegie im land*
Iftnflgen Sinne zn liefern, als Tielmebr, weniger beacbtete Seiton
des Spraeblebens wie Lantmalerei, Enpbemismns, Bildersprache usw.
am ftranz(ysi8cben Pbrasenscbatze aufzuzeigen. Es handelt sich
hiebe! greßtenteils nm sprichwörtliche Bedensarten familiftren nnd
▼olkstttmlichen Oeprftges, welche den Geist des Volkes Tiel besser
znm Ansdmck bringen als die konventionellen nnd daher abgeblaßten
Wendungen der Schriftsprache. Der hauptsicblicb den Werterbfichem
von Littr^, Sacbs-Villatto, Darmestetor-Hatzfeld entnommene Stoff
ist in folgender Weise gruppiert: I. Lautmalerei, Alliteration, Beim,
n. Der Euphemismus. lU. Schimpf und Spott. IV. Die Ansdisu-
lichkeit der Sprache. V. Die Metapher. VI. Wie die Völker-, L&nder-
und 8tädtonamen in der französischen Sprache zur Verwendung
kommen. VII. Die Personennamen im sprachlichen Ausdruck.
VIII. Die Tier- und Pflanzenwelt im sprachlichen Ausdruck.
IX. Nacbkl&nge des früheren Aberglaubens in der beutigen Sprache.
X. Die Bequemlichkeit der Sprache.
Diese Zusammenstellung zeigt schon, daß der Verf. seinen
Stoff nicht nur mit Fleiß zusammengesucht bat, sondern ihn auch
▼oUst&ndig beherrscht. Er gibt uns daher auch keine dürren Auf*
Zählungen, sondern Terstebt es, das lose Material zu einem
zusammenb&ngenden Oanzen zu Terbinden und das VerhAltnis
zwischen der ursprünglichen Bedeutung und der spftteren Verwen*
düng aufzudecken. Manches freilich b&tte der Verf. noch Klöppers
Französischem Beallexikon entnehmen können, namentlich zu den
Omppen VI und VII. Auch wftre dort (I 194 und m 281) die
richtige Erklftrung für une quereUe d'ÄUemand (8. 102), die
F. Umlauft^ Deutaebe Bandiehan üiw., aDg. t. B. Imendörffer. 995
übrigens schon bei Sachs-Villatte kon gegeben ist» zu finden ge-
Wesen. Anch fftr die sprichwörtliche Redensart ü resaemble au ehien
de Nif?eUe, ^i $^enfuit quand <m Vappeüe (8. 115) wird dort
(ü 629) eine andere Erkl&rong gegeben.
öfter kommt der Verf. anf etymologische Dinge zn sprechen.
Hier Iftßt er jedoch manchmal die so notwendige Genanigkeit in
der Beobachtang der Lautgesetze Tormissen. So kann ehou (in der
Bedensart faire ehou blane) keine „verderbte Anssprache" von
eoup sein nnd wird sich anch nicht mundartlich als solche nach-
weisen lassen. Auch ist es nicht möglich, larigU (8. 88), das
durdiaus Tolkstamliches Wort ist, vom griech. Idifyyl^j Id^vyyog
abzuleiten. Ein altes, durchaus Tolkstümlicbes Wort ist auch eauard
(8. 24), das demnach nicht vom ital. eodardo kommen kann, son-
dern wie dieses regelm&ßig aus Tulgärlat. eöda + germ. Suffix
hard entwickelt ist Umgekehrt stammt oapriee (8. 117) nicht
direkt vom lat. eapra, sondern ist Lehnwort vom ital. eapriecio,
dessen Geschlecht es auch übernommen hat. La eabriole und ea-
Moler sind Lehnwörter aus dem Spanischen. Im übrigen nehmen
die etymologischen Bemerkungen in dieser Schrift einen so geringen
Baum ein, daß durch dieselben der Wert der letzteren, der vor
allem in einer nach kritischen Gesichtspunkten geordneten Vor*
fübrung des französischen Phrasenschatzes, speziell des volkstüm-
lichen, liegt, in keiner Weise beeintrftehtigt wird.
Auch der Druck ist sorgfiltig. An bemerkenswerten Druck-
fehlem sind nur hervorzuheben: 8. 59, Z. 2 v. o. „Hebel" statt
„Hobel** und ebenda, Z. 22 v. o. .ttit" st. „une'' (dreuiaire).
Wr.-Neustadt. Dr. F. Wawra.
Deutsche Bundschau für Oeographie und Statistik, unter Mit-
wirkung von hervorragenden Faehminnem herausgegeben von Prof.
Dr. Friedrich Umlauft, Wien. XXX. Jahrgang 1908. 6.-8. Heft
Mit den drei vorliegenden Heften wird die beliebte Zeitschrift
in würdiger Weise fortgeführt. Wieder bietet sie dem Leser eine
Fülle der anregendsten Lektüre. Große Aufsätze, wie „Zur Geschichte
der Meeresforschung von Dr. J. Beiner in Gbarlottenburg, „Das
moderne Bom^ von Dr. A. Olinda in Neapel, „Der Sundgau^ von
E. Tschaeche in Bappoldsweiler, eine sehr zeitgem&ße Abhandlung
über „Die Entwicklung der deutschen Flotte** von Kapit&n A. v.
Bziha usw. verleihen auch den letzten Heften der Bundschau blei-
benden Wert. Daß eine große Anzahl interessanter kleinerer Auf-
sätze und lehrreicher Mitteilungen aller Art das Ganze in höchst
erwünschter Weise abrunden, ist nachgerade überflüssig zu erwähnen.
Wien. B. Imendörffer.
es»
996 O. Sggeri, Emffthmiig in die Oeodide, ang« ▼. J. O. WaUmtm,
Einffthhing in die Oeod&sie. Von Dr. 0. Eggert, PtofaMor u d«
te^niictami Hoehtebile in Dftn^. Ifit 2S7 Fignron im Text LMpiig,
B. 6. Timbner 1907. Proii geb. 10 Mk.
Dieses Buch ist auf Gnmd Ten VorkBnngen «itstaad«!,
wriebe der Verf. im Jahre 1904 an der Berliner (^irecsil&t ge-
balton hat. HiazagefAgt wnrde ein km gehaltener Abriß der
▲nsgleichsrechnmigi damit einige Methoden der MeMingeo eine
gründlichere Behandhmg erfahren kennten. Die lastmmente wirden,
was ihre Theorie nnd Einriehtnag betrifft, mit erschöpfender Ge-
nauigkeit behandrtt; die Abbildmig der Instrumente entspricht den
Zwecken des Baches rollkommen. An LiterAtorangaben fehlt es
nicht; sie werden geeignet sein, den weiter Strebenden mn gnter
Berater zu seia. Es ist torzngsweise die niedere Geodäsie, Welche
sich mit der Ansmessang einzelner Teile der Erdoberfliche be-
schiftigt, die in dem Torliegenden Bache tnr Sprache kcmmt
Im ersten Abschnitte werden die geometrischen und trigoao*
metrischen Honzontalanfinahmen behandelt. Znnftchst sind soldie
besprochen worden» die sich mit einfachen Hilfsmitteln anslflhren
lassen; dann wird die Fehlertheorie in sehr ansprechender Weise
in ihren Elementen dargestellt; weiters wird die Theorie der
optischen Instrumente mit besonderer Bdcksicht auf das Mikroskop
und Femrohr vorgetragen. Die nftchsten ErOrtemngen beziehen
sich auf die LibeUen nnd AbleseYorrichtnngen, den Theodolit,
dessen Theorie in sehr eingehoider Weiss zur Darstellung gelangt,
weiters auf die polygonometrische Pnnktbestimmung nnd die tri-
gonometrische Fuiktbestimmang, wobei jederzeit den einzelnen
theoretischen Erörterungen Beispiele zu deren Erl&uterung bei-
gegeben sind. Von großem Interesse sind die im Buche weiter
folgenden Bemerkungen fiber die Mittel zur Darstellung der Ergeh-
nisse der Messungen in einer Karte oder in einem Lageplan. Die
geometrischen Meßtischaufnahmen, welche den Zweck verfolgen,
bereite im Felde ein vegüngtes Bild von der Horizontalprojektion
der physischen Erdoberfläche herzustellen, werden im folgenden
behandelt, ebenso die Theorie »der sich oft notwendig erweisenden
Flftcheninhaltsbwecbaangen.
Der zweite Abschnitt handelt von den HOhenaufnahmen
(geometrisches Nivellement, trigonometrische Höhenmessung, wobei
auch der Einfluß der Brdkrflmmung und der Strahlenbrechung be-
rflcksicbtigt wird, barometrische H6henmessung und zwar mittelst
des Siedethermemeters, der Quecksilber- und Aneroidbarometer).
Im dritten Abschnitte finden wir die Darstellung der gleich-
seitigen Horizontal- und Hl^henaufnahmen (Tachymetrie, Topographie,
Photogrammetrie unter Eingehen auf die Einrichtung der Photo-
theodoliten und die stereophotogrammetrischen Methoden).
Im vierten Abschnitte wird die Ausgleiehsrechnung nach der
Methode der kleinsten Quadrate in ihren Grundlagen erörtert und
auf die Ausgleichung vermittelnder und bedingter Beobachtungen
L, Tuwr, Elemente d. Differential- «sw., ang. t. X &. TFotiaat». 997
in Anwendang gebracht. Besonders wichtig ist die Aasgieichong
▼<Mi Ikeieekanetsen, die Koordinatenansgleichnng von Dreiecks-
pankteo, mit welcher das Bach seineD Abschluß findet Es ist
in allen Teilen so klar geschrieben, dafi es sieher als eine treff-
liche Einffihning in das Gebiet der niederen Geodisie beseichDet
werden kann $ es wird eine wirksame Vorbereitung fflr das Studium
ansfohrlicherer Werke fiber diesen Gegenstand, z. B. fflr jenes des
berühmten Handbaches der Vermessungskunde von W. Jordan bilden.
Elemente der Differential- and Integralrechnang. fliiAbneh fttr
den mathematiBcheB Unterricht snm Gebranobe an höheren Lehi-
anstalten. Von Ludwig Tesaf, wirkl. Mittelacbollehrer in CMmüta.
Hit 88 Figuren im Text Leipsig und Berlin, B. G. Tenbner 1906.
Die Bewegung, die in den letzten Jahren die Bchulminaer
Dentschlands und Österreichs ergriffen hat und welche daranf
hinauszielt» den Mittelschfller sobald als möglich nnd sobald es
sich didaktisch Yorteilhaft erweist, in das funktionale Denken ein*
inführen nnd ihn mit der graphischen Darstellung der wichtigsten
Funktionen, dadurch indirekt mit dem Verlaufe derselben (Wacha-
tnm und Abnahme, Maximal- und Minimalstellen, Wendepunkte usw.)
▼ertraut zu machen, ihn weiter bis an die Grenzen der Infinitesi-
mahrechnung heranzuführen oder sogar mit den Elementen dieses
Kalküls vertraut zu machen, hat vielfache Diskussionen hervor-
gerufen und sowohl in Deutschland als auch in Osterreich Vemn"
lasBung zur Hwausgabe von Publikationen über diesen Gegenstand
gegeben. Man kann wohl behaupten, daß in diessr Frage uns die
Franzosen vorbildlich vorangegangen sind, daß andererseits Ge-
heimral Klein in Güttugen in verschiedenen sehr lesenswerten
Abhandlungen dargetan hat, wie die Reform der Mittelschnlmathe-
matik zu vollziehen wftre.
Soviel steht schon jetzt fest, daß sowohl im Lehrstoffe der
Arithmetik als auch in jenem der Geometrie an der Mittelschule
herzhafte Stridie vorgenommen werden müssen nnd zwar vorzugs-
weise in jenen Partien, die vermüge ihres allzu abstrakten Charakters
denn doch der Fassungskraft unserer Schüler nicht angepaßt sind
oder sich allzu sehr von praktischen Gebieten entfernen nnd der
Anschauung wenig zugänglich sind. In der Arithmetik sind es
vorzugsweise zahlentheoretische Erörterungen, die an und für sich
belangreich nnd vom Interesse sind, doch sehr wenig die malhe^
matisciie Durchbildung des Mittelschülers zu fördern geeignet
erseheinen; auch in der Geometrie wftre es an der Zeit, statt der
vielen Theoreme der Geometrie des Euklides, der — wie Geheim-
rat Klein an einer Stelle seiner Schriften bemerkt — sicherlich
nicht für Mittelschüler geschrieben hat, wertvolleren, dnrdi die
Anschauung errungenen Lehrstoff dem mathematischen Unterriohte
einsuverieiben.
998 ^' Tesaf, Elemente d. Dlf ereuliftl- u&m.f ADg. r. X C?. WoHenUn.
Eine roD deo vorhin erwäbnteii Scbriftin, io diDen di« ndQ«riD
Bestrebmi^fn auf dam Gebiet« der Mittelscbulmatbaiiialik zur Spracb«
ktomm«n, ist die forlieg^ude« Der Verf. hat znnftcbst die graphiscbe
DargtelliiD^ der Funktionen gelehrt und gebt biebei voe den ein-
fach 8ten Fällen ane and zeigt an passend gewählten Beiapi elin
die Anwendung des Yorgetragenen. So wird die Gerade, die Parabel
und die gleichzeitige Hyperbel in den Kreis der BetrachtQiigtn
eingefthrt.
Im zweiten AbBchnltte gelangt der Yerfasaer auf Ornnd von
kmematttichen Er&rteruogen zam Begriffe des DifferenxeBqaotieotefi.
Ad einem nnmeriBCben Beispiele wird dargetan, daß dieser Diffe-
renzen qnotient^ wenn Zähler and Nenner g%gm Null konTergieren,
zum Differentialqnotient wird. Eine graphische Darstellang dietei
Quotienten wird sodann vorgenommen nnd schon an dieser Stellt
gezeigt, welche Bedentnng derselbe beim Studium de» Yerlanfea
von Korven bat. Daß man ans gehend yod dem ersten Differenlial-
qnotienten zam zweiten und den höheren gelangen kann« zeigt der
Verfasser gelegentlich der Anf Stellung der angenhlicklichen Bahn*
beschiennignng bei der ungleich förmigen Bewegung in einer Enrta*
Kef. ist der Ansicht, daß die Aufstellung der Symbolik des zweiten
Di^erentialquotienten ohne Abbrach an der Mittelschule Termiedeo
werden könnte, znmal gerade biebei dem Scbnlsr leicht Schwierig-
keiten erwachsen könnten* Im weiteren werden die Differential*
qnotienten einiger Funktionen, die am häufigsten in den Anwen^
dangen auftreten , behandelte
Die Einfübrnng des Integral begriff es im Hittelschalanterriebte
ist nicht unerheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt; jedenfalls er-
scheint diesbezüglich jener Weg, den Tannery in seinem kfirzlicb
in diesen Blättern besprochenen, sehr lesenawerten Buche betreten
bat, dem Eef. der am meisten nachabmene werte ze sein. Die Ein^
fäbrang des Begriffes ,,Differentiah in dem Abschnitte ,,Einführunf
iE daa Integral" dürfte man keine beeondera gläckliohe oennes.
Jedenfalls ist der apäter abgeleitete Satz, daß der Differential*
quotient der als Funktion von x betrachteten (von einer fixen nnttren
Grenze an gerechneten) Fläche nach x (der oberen Grenze) gleich
der Ordinate ist^ in der ganzen Theorie der wichtigete* znmsd er
einen sehr bequemen Weg zur Ansführnng der Integration anzeigt«
Ale Beispiele zur Integration werden gegeben: die Quadratur
Yon ebenen Flächen nnd der Kngelfiäche, die Eabatur Ton EoUttODi*
fliehen, weiters einige physikalische Anwendungen (Bestimniiuif
des Seiten drackes, des Schwerpunktee, Aufstelinng der Begtl feo
Gntdin, Bestimmang des Trägheitsmomentes, Potential, potAnlitUi
Energie oder Arbeite wert, Wecheelatrom).
Der dritte Abschnitt dea Buches ist der ÜnteraucUnng fon
Knrven gewidmet. Ob der Vert in diesem Abaebnitta njcht tu
weit gegangen ist! EeL glaubt» daß t, B. in der Torgefahrten
Allgemeinheit die Theorie der Krömtnung Ton Surfen an der Mitttl-
I
I
u
ichül6 nicht vorgenommeD werden kaoi], (ia0 nanj^DUieb das
EvolatflD- und ErohenteoprobUm in den EabtDen des Mittel schul*
nnterncbtes nicht paßL — Bevor sich der Vert £Qib Begriff dea
nnbeetimmten Integrals nnd degaen Znsatnmenbäag mit dem be-
etimmten Integrai wendet, wird noch der mathematiscbe Ansdrack
fnr die Größe der HormalbeschleunigiiDg ermittelt.
Der Äbacfanitt Über die logaritb mische FimktioD nnd die
Exponestialfonktion ist im wetentliobtD nach den Tortref liehen
Änsfthrnngen Tannerys aasgearbeitet. Einige Anwendungen ans
der Physik dienen ^nr näberen ErUntemng.
Den Schlnß des Bnebes bilden Erörterungen über Maxima nnd
Minima von Funktionen nnd diesbezüGrliche Beispiele.
Gelegentlieb der graphischen Darstellnag Tcn Funktionen
hätte es sich empfoblen, auch anf die graphische LOsnng Ton
Gkichnngen des näheren einzugehen*
Ref. wünscht dem mit Hingabe nnd gntem Geschicke gear-
beiteten Buche, das einen der Wege zeigt, anf denen die Elemente
des Inünitesimalkalknls in den Mittelschntnnterriebt eingeführt werden
kannten, recht viele Leeer.
Wien. Dr. L G. Wallentin.
Naturlehre fer die enteren Eksnan der Mitte!schulea toh Dr. Aldi
Hafler unter Mitwirkong von weiland Dr, Eduard Mni^ und Dr.
Gnita? Schilling' Mit 290 HolzBehnitteD, 3 farbigen Ftgoren* vm9T
iitbographierten St^rntafel und einem Anhange lon 140 Denkaolgaben*
4. r er besserte Anfiaife. Wien 1006, Kail Gerolds äohn* Prets geh.
2 E 30 b, geb. 2K m b.
Vorliegendes Lehrbnch Ist in dieser Form das erstemal vor
IS Jabren aufgelegt nnd im XLY* Bande dieeer ^eitscbrift S. 250
angezeigt worden. Beitber ist eioe nnTeränderte 2* nnd 190Q die
ftrbeeserte 3. AnOage erschienen, die der Verf. selbst als ^ einen
last nnTSränderten Abdruck der ersten vom Jabre 1898^ bezeicbnet.
Wenn sich nnn die gegenwärtige 4. Anf läge wieder eise verbesserte
oennt, so kann anch von ihr gleich bemerkt werden, daG die Ver-
indernng bis anf ein paar Pnnkte «ich nnr auf untergeordnete
Kleinigkeiten beschränkt, so daß das Bnch nach Inhalt und Form
ancb diesmal im wesentlicbeii das alte geblieben ist.
Bei dem Umstände, daß nach 13 Jahren nnn schon die
4. Änflage netwendig wnrde, kann die Tatsache, daß dae Bnnb
biebtr eine namhafte Andefnng nicbt erfahren hat, nnr als gotes
Zeicben dafür geUen^ daß der orsprünglicbe Plan ein woblnba?-
legier gewesen nnd der Ansfnbmng desselben eine reiche Erfafarang,
gepaart mit dem richtigen pädagogischen Blick, zngrnnde gelegen,
somit der erste EDtwnrf einer Verbessernng nicbt bedürftig war.
H. hat sich nach dem Tode des ersten verdienstvolien Mit-
arbeiters, Prof. £d. Maiß» der Mitwirknng seines Nacbfolgers im
1000 Höfler'Maiß'Sekiümg, Katulehte, ug. t. A. LeehÜudar.
Amte, Qnst. Sdiilling, veraichert, der im Geiste der urapröngliehcB
Herausgeber das Bndi revidierte, mehrfache kleine VerbeBsemngeo
didaktischer und stilistischer Art besorgte und die neue Orthogn^hie
darchfährte.
So wurden das Telephon und Mikrophon wieder« wie schon
in der 1. nnd 2. Auflage, in die Elektritit&tslehre gerückt, „offen-
bar in der richtigen Brwftgnng, daß die Bntstehnng der Indnktions-
ströme im Sprachtelephon, bezw. Mikrophon und die £rklAriuig der
elektromagnetischen Vorg&nge im Hörtelephon dem Schuler jeden-
falls mehr zu denken geben als das Schwingen der beiden Mem«
brancB und des Besonanzkistchens". — Zum Nachweise des Ge-
Wichtes der Luft wurde der Versuch mittelst Einblasen und Aus-
saugen oder ErwftrmMi und AbkAblen des Qlasballons neu auf-
genommen, der auf der Unterstufe dem Versuch mit der Luftpumpe
gewiß vorzuziehen ist. — Auch der lehrreiche und nun sehen
ailttgliche Phonograph von Edison hat Eingang in das Buch ge-
funden. — Als wesentlichste Änderung der Neuauflage beseiehnet
der Verf. aber die Bereicherung der letzten Paragraphen der
Elektrizit&tslehre „um einige der nun ganz populftr gewordenen
elektrotechnischen Anwendungen** und die dafür eingetretene Ent-
lastung der sich anschließenden Anfangsparagraphen der Mechanik.
Dahin gehören die Aufnahme des Voltameters, die Einfdhrung der
Stromeinheit (Ampere), die Erw&hnung des Amp^remeters und die
Behandlung der Akkumulatoren. Auch ein Paragraph über Dynamo-
maschinen und Motoren mit einer Skizze des Grammesdien Ringes
ist neu hinzugekommen ; dagegen sind die Paragraphen über Form
der Bahn, Sichtung der Bewegung und über die allgemeinen Be-
griffe der gleichförmigen und beschleunigten Bewegung dadurch
überflüssig gemacht worden, daß nun „dem Schüler die Bewegung
an der schiefen Ebene und beim freien Fall so bald als möglich
als physikalische Erscheinung vorgeführt werden".
So erscheint denn das Büchlein wieder mit all den bekannten
und schon mehrfach gewürdigten Vorzügen Höflerscher DarataUnng,
die ihm von Anfang an viele Freunde und eine weite Verbreitimg
verschafft haben: Sachlich von seltener Gründlichkeit, der Form
nach logisch und psychologisch bis ins einzelne streng nnd
unanfechtbar, methodisch den Anforderungen einer gesunden Päda-
gogik vollkommen entsprechend, verbindet das Lehrbuch eine viel-
fach neue und eigenartige, anregende Darstellung mit zwingender
Begründung und treffender Exemplifikation.
Wer mit der Höflerschen Darstellungsart nicht einverstanden
ist, weil er auf der Unterstufe den Philoeophen zu oft hermuihöft
oder, weil ihm der Psychologe zu w«t geht, die Gründlichkeit ab
und zu in Kleinlichkeit auszuarten scheint und das fortw&krende
Verweisen auf Vergangmes und nicht selten auch auf Zukünftiges
didaktisch bedenklich erscheint; wer sich durch die, auch nicht
überall konsequent gleich weit gehende, Ausführlichkeit des Autors
Höfler-Maiß'Schmng, Natoriehre, aog. ▼. A, Ledithaier. iOOl
in seiner SelbBtandigkeit als Lehrer beeintr&cbtigt and beTormnndet
fühlt und daher in diesen Ponkten eine Anderang« bezw. Ver-
besserung anregen wollte, begehrte nichts weniger, als daß HGfler
nicht weiter Höfler sein sollte. Eine solche Selbstverlengnnng kann
man aber bei dem (leiste, der Erfahrung und ÜbenBeugung des
Yerf.s billigerweise nicht verlangen.
Wenn daher Bef. nachstehend auf ein paar Punkte hinweist,
in denen ihm eine Veränderung eine Verbesserung dftnkte, so hat
dies mit der Eigenart des Buches nichts zu tun und geschieht im
Sinne der Bitte des Autors an die Fachkollegen in der Vorrede,
ihn in der Verbesserung seines Werkes zu unteretfitzen.
Vor allem findet Bef. die für Gymnasien und Bealschulen
einheitliche Form, die nur mehr tou H. zur Verbilligung des
Buches beibehalten wird, trotz des im allgemeinen an beiden
Anstalten gleichen, aber nicht durchaus gleich zu behandelnden
Stoffes bedenklich. Au^ ist es doch recht zweifelhaft, ob
durch die den an Bealschulen zur Ausgabe gelangenden Exemplaren
auf einem besonderen Blatte beigegebene, für die Bealschulen
derzeit angeordnete Abfolge der Kapitel hinreicht, h&ufige Ver-
wechslungen hintanzuhalten und die durch die nötigen Umstellungen
einzdner Teile des Buches gestörte Obersicht wiederberzustellMi.
Des weiteren würde es Bef. fflr ersprießlicher halten, wenn die
Ton H. zuerst eingeführten Denkaufgaben in den Lehrtext ein-
geschaltet würden, wie dies in anderen Lehrbüchern, wenn auch
weniger ausgiebig, geschieht, da doch zu befürchten steht, daß
sie außerhalb desselben «dem Scharfsinn des Schülers* nicht genug
„Anreiz zur Bet&tignng geben** werden.
Eine Vermehrung der recht spftrlichen historischen und bio-
graphischen Daten über die wichtigsten Maschinen, die grund-
legenden Naturgesetze und die hervorragendsten Physiker wire
gewiß recht erwünscht und es würden solche als Anhang vielleicht
eher am Platze sein als die Denkaufgaben.
Die Einführung der Thermometer, bevor auch nur mit einem
Worte der Ausdehnung der Körper durch die Wärme Erwähnung
geschehen, kann doch wohl nicht gebilligt werden. -* Neben dem
Paragraphen über die Thermometer, wo dem Schüler ohne genügende
Beachtung der „Stufe der Vorbereitung** Eispunkt und Siedepunkt
einfach als »Stellen'* der (kalibrischen !) Olasröhre erklärt werden,
bat den Bef. am wenigsten befriedigt die Behandlung des Stoßes
(§ 85), u. zw. wegen der nackten Aufzählung der Gesetze, ohne daß
MB Versuch gemacht wird, eine Erklärung derselben aus dem ver«
schiedenen elastischen Verhalten der Körper zu geben (die einzige
Erklärung des Gesetzes IV wird erst in 8 88 gegeben).
Die Einleitung in die Mechanik (§ 79 und 80) erscheint
dem Bef. trotz der eingetretenen Kürzung noch keineswegs voll-
kommen. Zur Erläuterung und Definition des Begritfes der Ge^
•chwindigkeit werden noch immer zuviel Worte gemacht; auch
1004 K, iL HemMigert Vozberntender Lehrguig qbw.» «og. ▼• J. A, Eaü,
Uiit«n«lniiideii nnaerer Anstalt (Cbarlottenburg) seit Jahrtn im
weseDtllcben durchgearbeitett PeDsom^. „Im Sinne der Lefarpline
nni Lebraofgaben von 1901 sind darin nnr die ein£adisten und
notwendigsten Omndlagen des ebemiscb - mineralegiscben Lehr-
gebietes sewie die Elemente der physikalischen Chemie beroek-
sichtigt nnd nnter Zngmndelegnng möglichst einfacher nnd dnrob-
sichtiger Versnebe behandelt**. In dtn §§ 42 — 47 wird den Schfiiern
anch die Kenntnis einiger wichtiger Tatsachen ans dem Gebists
der organischen Chemie Termittelt« Es werden da bebandsh
„Assimilation nnd Kohlehydrate**, „Gähning, Alkohol, Essigsinre**,
,Nahmngsmittel, N&brstoffe nnd Em&hmng**« „Leachtgas nnd
Kofalenwassersteff**, „Das Wesen der Flamme**.
Bef. fand bei genauer Darohsicht des Werkchens best&tigt,
was er schon beim raschen Dnrcbbl&ttern annehmen zn dürfen
glaubte: es liegt ein wirklich sehr gntes Buch vor. Es ist im
modernsten Sinne abgefaßt Terf. geht dabei anf dem denkbar
kürzesten Wege anf die Sache los, selbst die Kenntnis der
Formelsprache wird bereits anf S. 4 in nberans geschickter Weiss
Yermittelt
In recht hübscher Art werden auch die ffir den Chemieoster-
rieht notwendigen physikalischen Begriffe entwickelt ; die bei diesem
Anlasse gegebenen nnd anch dnrchgefflbrten Bechenbeispiele sind
▼on einer Klarheit, wie man sie selten findet. Klarheit nnd kern-
pendiOse Knrze sind ffir das Bfichlein fiberhanpt kennzeichnend.
Der Ausdruck ist meist so treffend, daß man oft geradezu fiber-
rascht wird, wie kurz und klar sich eine Sache sagen l&fit, der
sonst gar viele Worte gewidmet werden. Mit großer Sorgfalt und
mit der grfißten Konsequenz sind die Stoffrerweise nach vor- und
rfickwftrts durchgeführt, was bei Wiederholungen nnd rascher
Orientierung fiber den Zusammenhang einer eben abgehaadelten
Partie mit den verwandten von großem Werte ist.
Die Versuche sind selten ausführlicher beschrieben. Die dies-
bezfigiichen Angaben sind aber doch allerorten so klar gehalten,
daß die Aufgaben auch der Unerfahrene mit Erfolg durchzuffihrsn
in der Lage sein wird. Die den Versudien zu entnehmenden Tat-
sachen werden scharf beobachtet und gut beschrieben. Die hidMi
sich ergebenden neuen Stoffe werden sofort beim richtigen wissen-
schaftlichen Namen genannt Es ist dies sehr lobend hervorunkehrso
gegenfiber der Manier mancher Verfasser, welche ohne Net Hilfs-
bezeichnungen anwenden, die eine Sache erleichtern sollen, gewOhn*
lieh aber nur eitlen Ballast abgeben. Betreffs der Mineralogie
sei erwähnt: Nachdem ein Stoff vom chemischen Standpmikt be-
handdt worden, werden die in der Natur vorkommenden Formen
desselhen oder Verbindungen dieses Stoffes beschrieben, so nach
Besprechung der „Schwefelsfiure'* die „natfirlicb vorkomneadsn
Sulfate**: (Schwerspat, Coelestin, Anhydrit, Gips, Eisen- und
Kupfervitriol). An einigen Steliea wird die Gesellschaft angegebea,
K, A. Henniger, Vorbereitender Lehrgang utw., «Hg. t. J. A, Kaü, 1005
in der recht wichtige Mineralien Torkemmen. Bei seltenen Metallen
» werden eigentlich nnr die allerwichtigaten Erze genaaer beschrieben,
das über das Metall selbst ta sagende wird in aller Kflrze an diese
Betrachtang aogeschlessen. Die Nomenklatur ist fast darchans
mostergültigy nnr sollte ^EohlendioxTd*' konseqaenter benfitzt
werden. Besfiglich der Sehreibong der Fremdwörter wftre größere
Gleichförmigkeit erwflnscbt: z. B. Calciumcarbonat sollte nicht
L geschrieben werden.
Bcf. macht in den folgenden Zeilen auf einige kleine
z M&ngel aufmerksam, die bei einer Nenanflage leicht behoben
werden können nnd zwar erstens in sachlicher Hinsichk S. 16 ist
die in der Fnßnote gegebene Definition des Begrüfes „kristallinisch''
s» nicht ganz leicht Terstftndlich, insofeme es heifit: „deren Einzel-
iBdividaen aber die Gesetzmäßigkeiten der Kristalle aufweisen**.
5 8. 82, A. 3 „Yerbrennt ztt einem weißen, schweren
^ Dampfe, tn Phosphorpentozyd". 8. 88, A. 4 wird schmiedbsres
. Eisen Ton 0*5 — l'5f6 C. „dnrch schnelles Abkühlen (z. B. dorch
f' Eintauchen in kaltes Wasser) hart und elastisch = Stahl. 8. 41
„Die atombindenden Kr&fte von Gl, 0, N nnd C Terhalten sich
,j: wie 1 : 2 : 8 : 4**. Da mößte doch wohl „H-atombindende Kräfte*«
stehen I 8. 41, L A. „Die Fähigkeit eines Elementes, ein oder
mehrere Elementaratome (z. B. H) chemisch zn binden oder
in einer Verbindung zn snbstitnieren, bezeichnet man als atom*
"^^j bindende Kraft oder chemischen Wert (Valenz)*'. 8. 42, A. 8
^^ „Alle Elementaratome, welche sich in einem Molekflle irgend einer
Verbindung gegenseitig substituieren können, ohne doren Bestand
^ zu gef ihrden, betrachtet man als chemisch gleichwertig oder
äquiTslent''. 8. 41, Punkt 8 „Atom- oder Verbindungsgewicht*',
.\ dagegen 8. 47, A. 1 „Durch Erhitzen von zwei Verbindungs-
gewichten Kochsalz...*'. 8. 52, A. 7 „Der Bjhin kristaUisiert
in durchsichtigen (Farbe? Bef.) Wfirfeln*'. 8. 67, A. 3 wurde
die Angabe der den Kupferkies kennzeichnenden geringen Härte
unterlassen. 8. 70, A. 1 „H N 0, entfärbt Pflanzenfarben
indem sio deren Farbstoff zu einem gelblichen Körper oxydiert''.
8. 71, A. 2 „Silbermünzen = 9 Ag + 1 Cu, Legierung also
= **%ooo"- 8. 71, A. 6 „... entstehen in der Natur bei dem
Zerfall N-haltiger organischer 8toffe H N Og und in Berfihnmg mit
^'' K, Na, NH„ Ca oder Mg (soll „-Verbindungen" heiAen, Bsf.) die
^^ entsprechenden Nitrate". 8. 72, A. 5 „N H, ist ein an
^^ feuchter Luft rauchendes Gas...". 8. 77, 1. A. „Die 8chwarz-
^ ^ kohle . . . terbrennt an der Luft mit ruäender Flamme . . . unter
y^ Luftabschluä dagegen zu Koks'. 8. 81, FuiSnote 2 „Oberhalb
^^ dieser Temperatur läßt sich G 0, selbst durch den stärksten
^ '•' Druck nicht mehr Terfifissigen. 75 Atm. werden deshalb (t) als
.^ kritischer Druck Ton CO, bezeichnet". 8. 88, A. 6 „Calcium-
:^ karbonat . . . findet sich in gewaltigen Gebirgsmassen als ürkalk,
'ß Marmor, Kalkspat, Kalkstein, Kreide und Aragonit". 8. 86 wurde
i'J^
ff
1006
B^ H. Franeij Mikrokoitnoi, an^. i . H. Vültorf.
tu Bagen Tergessdi], daß der AssimiUtioGByersiicb am Sontiiolklil
anznstelleo ist. 8. 9Z^ A. 3 ^Der breaaende Docbt veriassi^t
dJ6 BritmmatenalieD uod führt sie dem Brandherdt ^u*". i^. 96,
Ä« 2 sollteti die dichten QnarzabäiidemDgeii besier angeordnet
werden. S. 96» A. 3 f,Der Opal ist die wasserhaltige amoritbe
Form des Quarzes". S, 99, L A. ^Die G&setzinSi^igkeit in der
AnsbildQDg zeigt eicb jedoch aelbst bei rerzerrten natürlicben (1)
Kriitalien dariD, daß die Kanten winkel (=: Neigcm gswinltl
zweier Kanten) konstante ärMen tind^. Daß aber die Fliehen-
Winkel gemeint sind, ergibt sieb ans S. 100^ Fußnote* S. 100»
A. It ^Kach der TersehiedetieD Beech äffen h ei t dieser Achsen-
kränze (!) nnt erscheidet man 6 Kristallfljrsteme''. S, IDO, vorl A.;
S. 105, A. 6; S. 106, A. 2, ebenso S, 25, A. 2 nnd 8 solltt
anstatt ,,senkrecht" gesetzt werden ^lotrecht". 3. 109, A. I ^Von
den 8 dreiflächigen Ecken sind « . . die 6 öbrigea aber immtr nnr
in zwei Winkeln übereinstimmend^. — Zweiteoi in slil ist lieber
Beziehnng: S, 6, vori k> ^Die chemischen Vorfftnge dee | 8
lehren, daß das Gesamtgewicbt der beim chemischen Prozesee h%*
teiligten Stoffe vorher nnd nachher das gleiche iit''. 8. 38, A, 1
^Da das Eisen bei dieser Temperatur uQBchmelzbar ist, sinkt m
tiefer herab**. S. 59, A. 3 „amorpher Schwefel, welcher snD&cbit
in Schwefelkohlenstoff nnlCslicb ist, nach einiger Zeit aber wieder
in den gew5hnlichen Schwefel übergeht nnd dann darin (?) Idslieta
ist'*. S. 69, A, 5 „etwas leichter wie die Lnft'\ S. 61, A. 6
„Brennende Kokekorbe"*
Zum Schlüsse drängt es den Eef. an s£q Sprech en , dal^ 4ai
Bnchlein das beste ist, das er seit langem gelesen* Es sei biemit
w&rmstens den jüngeren FacbkoUegen empfohlen» denen das Maß«
halten im Lehrstoff einige Schwierigkeit bereiten machte, aber tack
manchen — Bnoherfabrikanten ala eine gnte Vorlage.
Wien. Job. A. EaiL
Mikrolcosmos. Zeitechrift xar Forderung wiieenfChaftLieher ßildtmg»
lieraosgegebeD fon der deutichen niikralogiicben deieUtcbart amiff
Leitung fou B* H. France. Stnttgarti Franckicbe Verlaeehaudlaaf
1907, Heft 3/4 und 5/6,
Die dentsche mikrologiacbe Gesellschaft, die btreita 2000
Mitglieder £äblt^ läßt nnnmehr statt der Tersprocbeoen sechs Belli
acht im Jahre erscheinen. Mitglieder, welche als Jahr«abtitftf
4 Mk. zn entrichten haben, erhalten dieselben kostenlos. Die dam
Hef. Torliegenden Hefte 3—6 enthalten einige gediegene Anfa&tie
ans der Feder räbmlicb bekannter Fachschriftsteiler» Ln beeondifen
seien erw&hnt A, Wagner (Die HersteUnng einfacher AI genpräfkiraü;
die notwendigsten Chemikalien für die elementare botaniedli Mikt«'
technik) nnd B* H« Franct^ (Praktische Mikroskopie).
Die Zeitschrift wird empfohlen.
Wien. H. TiöltorL
I
Dritte Abteilung.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Die MJttelscliQleiiquete des üoterrichtB-
miDisteriums 2L — 25. JäDner 1908,
(Fortsetz aDg.)
AI« Vertreter der ÄTi&tekammer iprach Dr. Groat. Er rerlinft^
daß die BealichCiler, w«do iie xum tu edkitii Beben Stadium lugelftBien
wtrden, unch^ da^mit nicht «ine bedenkliebe ÜberfülIüDg dei ohnehin
aehon ftberföltten ftritlieben Befofes eintrete, tnm JQnatiicben StndiaiD
tiif elmaien werden mOgeD« Aaf Grand aetner ErfabrnDgen alt Arit erbebt
er eine Eeihe ?on Klagren gegen die heatige MittelsehtiLe, Darch die
ÜberfölIuDg der KUaien werden die Lehrer uenraatbenisch and die Nenr
Mthenie der Lehrer mÜBaen die Schaler entfetten; ee werden dann aueb
die HQtter neqraalbeniBch; e^ mSsse daher gefordert werden^ daO nicht
mehr als SO — 35 ScbQler in einer Klasfie seien. Ad einigen drastiBchen
Beitpielen seigt er, wie ungereobtfertigt das Vorgeben der Lehrer bei
^ewiaaen Terfehlnngen gegen die SehnldiixipUn sei. Die Mitteliehalen
B«ien keine Ersiehnnge^t sondern Unterrichtaanitalten nnd aach der
Unterricht taBse in Bezug auf die Methode und anch «onat riel in
wütiflchen übrig; durch tnaDcbe Einrichtangen werde der Charakter d«r
8cblUer nngünatig beeinÜaQt. Am Gjmnaiiatn werde iQTiel Latein nnd
iiawenig Deutaeh getrieben. Daa Grieehiacha möchte er ana der Eniebnng
an den gelehrten Berufen nicht eliminieren, wohl aber ioUten die Schul*
kJufliker andere anigew&hlt werden (Livius, Herodot ond Bemoatbenei
kOnnaman wegl&aaen); man tolle hei Ptato, Homer nnd Sopboklea bleiben,
hei dleaem ioU der Profeieor die schweren Chflre selbst Übcsraetien. Not-
wendig «eien Zeichnen, Chemie, deakriptive Geometrie, die
Grnndsitse der InfinitesLmalrechnnng, Hygiene nnd twftr baupi*
iicblich Entwicklangelehre und Belehrungen über Geachlechta-
krankbeiten; femer sollten die SchQJer des GjmnaiiQina mit einiger
Kenntnis des Straf- nnd ZiTilrechte am gestattet werden. Dringend
notwendig sei ferner^ daß &m Obergjmnaaiam Geograpbie und Über*
lOOS
Die MJtteiiebubDqtiete dei üntemebtimmiileniima*
dies &nch Gaologia geUhrt werde; and lieb fl4>lle noeb Geb^enheit gegtben
werden, daß Unterricht in den mg deine o Sprsebeo erteilt werde, A^ber
Diebt ia der Wei^e wie beute, soDdem ee, d&l^ sie wirkUeb erlernt werden
kdnoen. Der ReÜgionstinter rieht h&he auf der Oheratufe tneiit nor eine
uegaÜTe Wirkdög, deshalb tritt Hedner daftr ein« daG er io den oberen
KlABflen der MitteUchQlen gana entfAlle. Mit Entscbiedenheit wendtt er
sieb flcbliel^Ueb dagegen ^ d&5 die Eealscb^ler nach sieben Jftbren die-
lelben ßerechtignngen erlangen wie die Gjmnasi&aten nach acht Desbalb
w&re eine Einbeittacbnle wänecbeoswert; da ihm jedacb toh erfahrener
Seite geeagt worden iei, daG tie nicbt möglicb sei^ so iolle da« faas
Teraltele G^tnoaiiam in der f&n ihm angegebenen Weiee aaegetteklft
werden; die Bealscbgler loUen in einer ac b t kl aasige a Bealecbde tofiel
Latein lerneUf &h net wendig let, nm Hedkin sn stodierenp werde aber
ein neuer acbtklaaijger Tjpns geiebajfen, dann ieiie toü ibra ant der
Zutritt £Q allen HocbBcbulitadien freistehen.
Abgegeben ton der Schwierigkeit — trot» der Tom Eedner g^*
wünschten Einicbrftnknng der lateiniacben und griethitcben Lektüre (denn
anf Latein nnd Griechiecb will er ja nicht rerticbten} — die nenee
Diaxiplinen ohne erbebliche Stund enterni abrang su berfiekaitb'
tigen^ soll doch hier anf einen merkwürdigen Widerapmch hingewie«ec
werden: Dr. Omae will nicht nar anf daa üriechieebe nicht fersiebleo»
sondern legt ihm gerade Tom äritlichen Beruf ant einen lebi bob«n Wert
beii Er sagt: «iWae das Griecbiecbe betrifft, lo bin ich leider mit d«
Mehriabi der hier anweteoden Herren (eollte wohl heißen: der Mebrtabl
der bisberigan Redner) nicbt einferitanden. Ich halte nitolich dae Gri»^
chiscbe fflr ein io eniinenteB Bildangsmittel, ich balte ei aie Biidimp-
mittel des Hersens nnd des Geistei fflr so bedentungiToller ale Lal«ii
(^mstimmiing)i da& icb dae Griechisebe im Gjmnasinm and anc^ in dif
Einbeitswbule nicbt entbehren machte (Znstimmang). Der HeUtninnm
iteht dem Gjninasinm Tbl n&her alfl der Rc^maniimna. Und was dii
B^mer, mit AufDabine des H echte b» Gates gehabt haben, haben aie all es
TOD den Griechen Qbernommen. Dat Griecbiscbe, meine Herren, ist dal
ideale Bild an gern ittel nnd hegt mir deshalb lebr am Herren. Und, meine
Henren, bei den Bernfen, £n welchen man aUB dem Gjmnaainm k«>Dimt ^
icb bebe insbesondere den &rKtltcben berror — ist ein gewiiBer Idealitmu
aabedjngt nc^twendig*. Warum liebt aber Dr. Gmei (der übrigena den Watt
des Lat. nnteraehätat) darane nicbt die notwendige EoDeeqneni, ton allan,
die Medixin etadieren wollen^ die Kenntnis des Gri^chiBcben in rerlaiigenP!
Präsident Morawiti bat aua dem ^todiam der Fmge 41^ Ob«^
lengnng gewonnen» da& die Notwendigkeit der Beform der UitUlecbtttt
allgimein anerkannt werde* Die Schale werde dem wirtiebafiliehefi Lebtn
nicht gerecbt. Die gegenwärtige Teilnng in Gjmnaiinm nnd EaaUalialt
nötige xo einer frQhieitigen Bemfawablt die höhere ioiiale Wertiutg die
G^naBiama Terareache einen übergroßen Zoing in den Gjmnaiien QOd
in weiterer Folge ta den Uniferajt&ten, pdieeen Elemente lafübrend« dlt
ihnen beeaer fernbleiben^ da eie daa Niveau dieiei Tornthmsten BUdungt
alitte berabiadrftcken, dem Unterricht den niitenschartUchen Cht^akt^f
Bk Mittetfcbulenqnete des ÜDlemcbUmmtsteriintt.
1009
XU nebmen end «in feiiiifes Froletarlflit xu echafl^n drobeo» dai «beoso
ftlr dep StaodBrd der libeialeD Berufe wie fQr unser (JfTeiit liebet Leb«o
«ine »cbirere Oefahr bedeatet SchlieQUeh hat dia beitebende Syttem,
dfti aoi den oberwAbateo GrÜndeti dlt Oberwiegende Mebrbeit dir
beftitseodeD KUisea T«r&D)&Ot. ibre Sohne mi Gjinuaiiatn %u BcbickeDi
den fflr das ladiTidanm wie für die öesamtbeit gleich «ichädlicben Naeb-
ttilt die Jo^esd dea BQrgertnnii den prodaktiveii SiäDden« auf den^n
itUD grOJ^teti Teile die polttlecbe und wirt«ebafUicba Btellmig dea Staates
beruht I so eotfremdei)"* Er wflrde wünBcbeiit i^Ai^ die Mittelechale so
geatatlet werde ^ daß tie w&btbaft batnaDietische Bildan^ allen Kreiaet!,
auch denen des Erwerbs nnd wi rt seh af tischen Schaffen! , id TermittelQ
geeignet lei — allerdiogs in einer Weise, die deren pr&ktiBcbe Tflohtif*
ktit nicht beeintrlcbtigen. j^Dieiea Ziel durch eine Einheitaiehüle -^ ahne
(jriechtaeb — wie sie tielen forscbwebt, antnttrebeo, eracbeint mir dea-
halb nicht richtig, weil dat Gymnaginm ala Sehole fQr einei wenn auch
TerhiltnitmAJ^ig nicht xn sab! reiche Grippe Ton Gelehrten nnd Personen r
deren Be mf eine ästbetji£hi? and idealiatisebe Bildung erheiscbt. nnhedingt
aufrecht erhalten werden tnai^, ebense wie die ReaUcbnle, die nicht
minder sahireiche fanatiiche Anbänger hat. Infolgedeaaen hätte meiner
Aafrassnng nach die Reform dcb anf die Vorn ahme gewiss« er, nicht
radikaler Ändemagen dea Lebrplanea an den deraett beatebenden An*
italten und auf die ^chaffhng einer nenen, gieichteitig bamaDistischer
nnd reatei Bildung dienenden Inatitntion zu beliehen*. Ana dem Lebr
plan dei nenen l^pni eoHe derjenige Stoff, der zur Erlangung einer
human istlscben Bildnng nicht nnumgtnglicii erforderlich sei, ayigeicfaieden
and durch jene Kenntnisse ersetzt werden, die nebst ihrem Bilduagswert
auch einen solchen für das praktiache Leben haben. Griechisch sei an
dieser Seh nie durch eine moderne Sprache tu eraetien. Auch riel Detail
kannte v^ggelatsen werden, dadurch wUrde Zeit fdr die Aneignung prak-
tiicher Eeontnisse und fQr die lo notwendigen körperlichen Übungen
gewonnen werden. An Stelle der fielen scbriftlieben Übungen wäre das
Hauptgewicht auf EedeÜbungen in legen. Daa Fr ei willige nr echt aolle auch
der YL Klasee luerkaunt werden ^ da fiele junge Leute nur durch den
Wunsch, dieaea Recht in erwerben, dain verleitet werden, die achtklaesige
Mitteisehnle in Tollenden ond dadurch, ohne innere VokatiDn mm Studium,
der Unifersität xnr Last fallen; andererseits wflrden jene, die sich dem
ßrwerbileben tu wenden wollen ^ diesem iwei Jahre frflber tageführt
werden. SeblieAlicb tritt Bedner fQr die Absebaffnng der Maturit&tsprüfnng
ein, dafai solle in den unteren Klassen eine strengere Auakae erfolgen.
GjmnaBialdirektor Begierungarat Dr. Thumaer spricht als Schul
mann auf Qrnnd 40j&brig«r Erfahrungen^ die er ala Schüler, als PriTat-
lebrer, als Gytnnaiiailehrer, ala Direktor und alt Vater mit dem Gymna-
sium gemacht hat und vertritt die Ansiebt, der er bereite in einem Auf-
fi«ts im ^bumaniatiechen Gymnasium'^, Im Verein der Freunde des human,
Qjmnaainma und auf der Basier PhilobgeDV eraammlang Auidruck gegeben
hat, dai^ Lebrplan und Methode mehr mit dem Leben in Verbindung in
treten haben. ^Was den Lehrplan hetrift, so iit dem Streben der
Z«iUekrift f. d. friteir. Gras, 1908. XL H«tl. ^
1010 Dif lltlk#lMbQl#Bqi«M d«t UBtNmkliBii»0ltriwi.
DnitniehtiTenrillanff nnoh wfiief tr Virbriltuif ▼enehiadoBer Dian^«
aelur Esoigie blpiamflgea. Erftooi, daß da« Zeiehnan, «alchai banili
an aiaar gaaian Baiha toh Gymttaai« aingafthrl ist, «b allan QjmBaaiaii
abligat arkUrt warda* Faraar daft dM Tmaa, «alekaa an aiaigaa Qymh
naaiaa abligat iai» aa aliaa GjmnaaiaB obilipil arklirt warda. Bndliab
«raabte iab aa niaht blaft flbr dia Sabülar, dia aieb atva dar Taabnik adar
fmkfciaeban Barafan siwaadaBt aondarn aaeh Ittr Sebttlar, dia aieb wiaaaa«
aabaftUebaa gtadiea aa dar Univaraitil «idawa, fOr natvandig, dal^ «a
Oalagaifbait babaa» miadaalaiis aiae madaraa Spraeba im Yarlaola daa
Obargymaaalamf, ad aa abligat adar ralaÜT abligat, kennan aa laraaa*.
HiaaiabtUeb des Malbada aai aa jadan Labrar ia<^ieb, aaiaaa Oagaa«
•taad UDgaanobl aiit dam Labaa in Yarbindoag aa bringan. Badnar aaigt
aa aiaigaa Baiainalaa, wia ar daa aU Pbilaloga» aaoiantUab beim gria*
abiacbaa Uatarricbt laa; daaaalba kAaaa dar Qarmaaiat» dar Hialarikar,
dar Natarbiatortkar uad Pb^aikar Ina. In allaa Qaganatandan aaftaaa dar
Lahiaklf binaiehUiah dar gtdftcbtaiamiftig «a arlaraaadan Siaaalhaitatt
immar «iedar gaaiabtal wardaa. »Diaa iai natOrlieb garada in jaaaa
Gagansliadan aatvaadig» walaba aa das Gadfrobinia wait aiabr Aateda-
raagaa staUan ala aiva Matbamatik and PbUalogia. Laaaaa aia aa aiiab
abrliab anaapraebaafi Wir Pbiiolagan babaa ivar dia Mabraabl dar
Slondaa» abar wird aiad offan and abrliab: Wann dar Gjmaaaiaal ina
ObaifTmaaaiam Irilt, maih dia PbUologia niit ibraa Ajilardarangaa larMr*
trataa, dia grOßar« Zait dar bftaaliabaa Arbait bat dar BcbOlar dar Ga-
aabiobta, Raligion, Pbjaik» Natargaaahi^ka ananvaadan. Garada aia tttab-
tigar Pbilaloga wird nil diaaaa VarbAltaiaaaa raobnaa, niadart aaiaa
Aafardaraagan aa dia btaaliaba Arbail and aibailal ia dar Sabaia**. Übar
dia Fraga dar Barecbtigaag koauna man aiobt binvag, ab maa aaaa
Sohalljpaa aiaMbra odar aiabt Dia Baraabtigaagafraga kOana abar niaht
galOat «ardaa, obna daa acbta Jabr an dia BaaUcbaia aaialabliaftaa.
Garada dia Vartratar das Gpinaaiama aaarkannan dia ?oUa Glaiebvartig-
kait dar Laiitaagon dar baaügaa Baalaofaola und aaien barait, ibr alla
Prifilaglaa daa Gjmaaalama ainsoriamaa, aatar dar Voraaaaatsaag, dafi
dia Baalaabala aaf acbt Jabra arwaitart waxda. »Fftr diaaaa aahta Jabr
babaa aiob dia baw&brtaataa MAnaar dar Baalaabala aeban ia daa Saab*
«igaijabraa daa XIX. JabrbaadarU anagaaproaban, gaiada mit BAakaiabt
aaf dia H&afang daa Sloffaa ia daa fiBalaabaldiaaipliaaa. Waam diaaaa
aabta Jabr dar Baalaabola gagabaa «ird^ aiad wir ?«ii Gjmaaaiani dia
arataa, dia aagaa: Gabt dar Baalaabala alla Pilfilagiant dia wir babaa;
wir wdlan kaina Prifilagtani daa Gyainaaiam aoU aiah aaa tUtk adbai ala
fOr daa Labaa afgabaiaraicb und mit BAakaiabt aaf dia SaMar aaeb aia
praktiaeb wirkaaaMr Wattkampf lait dar Baalaebala laaaaan aad bawibm.
Bawibrt aa aiab niabt, aa fiUt aa van aalbat«. GymBaalam «ad BaalaaMa
mtaen aiabaiUiaba wiaiaaaebaflliaba 2iala babaitaa» am aiab gAimüg
waitar la antwiekala. „Daabalb arwarti ataa aiabt» daA wir aia Faa^
miaaar fir daa aaaaa Babal^aa aaa beaoadaia arwinMa kOaaMis daaa
ar iat aia KampromiA and duab iba wird aowabl dam fiamaaiattacbaa
ala aaab dam Baaiiatiaabaii Abbiuab gataa. Daa varaaUiaAt aaa abar
Die MitteUehaliüqäeta 4%§ üiiternchtimlQiflterimni.
1011
niobt der ErkeßniDii, d&fl oiit dieiem Typua ein Yersncb f emacht werdaii
mnSt. Die Strömung der Zeit T^rlaogt duu «mmal TeriebtedeDe Tjrpen
und deabftlb bin ich ftoch der Aoftcbaauig, raiii eoU oicbt blo^ eine Art
dies&B DetieD l^at Tersacben^ Über die pädagodiacbeti Frft^eo ist scbeo
geneg tbeoretiicb geeproeben wordec. Wir wollen einmil aai der Praiii
kenneQ lernea, wie sich diener aeue Schdtjpu^ bewähreo wird. Bew&brt
er sich, so soll er ioweit als mOglicb eitigeführt werden**. „Si wird sieh
auB soiiaJpolitbebeQ 6r&t)dea empfehleD, daQ diese Schalen vor milem an
Jen CD Orten ei>ftlbrt werdeo, die nur eine Miltelsebole erhalten könDem",
Vor dem achten Schuljahr dörfe man jedoch nicht xürQckteb recken. Der
Andrang tu den Mittfliehiilen müsse durch Ausdehnong der Berechtigungen
der Mittehchnlen aof Facbscbnlei] nnd jener der Üntermittelschnlen auf
eine refonnierte, erweiterte Bürgencbole eingetcbränkt werden. Schließ-
lieh wetidet sich Redner g<*gea einige die Lehre raehaft betreffende Anglist*
Der n&cbste Bedner« Ober s an itätirat Professor Dr. H neppe (Prag),
Prieident dea ^Vareins fQr ächdlreform^^t fltellt feat^ daß dorcb die Ein-
(Obrnof des allgemeinen nnd gleicben Wabirecbti in Oiterreicb die Not^
wendigkeit eich ergebe ^ daß sein Unter richtsivesen fieh n«a organitierei
am den neuen Äofgaben des Staates gerecht werden m können. „Wir
haben je^t niebl bloüi ron Unterrichts- und Ertiehnngsf ragen im 8inne
der äcbuttechnik tn sprechen, sondern die ECriiebangs- nnd ünterricbts-
f ragen sind beute für uns soiiaie Fragen in einem ?iel höheren umfange
geworden, aN dies jetnaljB forber der Fall war*^. Mao kann lugebeui daß
diese Fragen anch ihre loiiale Seite haben, nnd wenn das bente mehr
als frflher betont wird, so hingt daa damit Ki^ammeni daß wir beute
mehr als frfiher sodal denken. Was aber das allgemeine nnd gleiche
Wahlrecht damit xu tan hat, ist kaum abzusehen. Österreich bat das
EeiebsTolkischulgeaetSr daa die allgemeine Volksschule geschaffen hat, ins
Leben gerufen nnd damit das Unter rieh tswescn der breitesten Volki-
ichiehtcn nen organisiert in einer Zeil, in der ee weder ein allgemeines
noch ein gleichet Wahlrecfai gab, nnd Deutsebtand besittt dieses Wahl-
recht schon lauge, ohne bis jetxt aein UnterricbtBwesen neu organiaiert
an habea. England, dai Tom Redner ala Mnater hingestellt wird, fehlt
nneb das allgemeine nnd gltjiche Wahlrecht Endlich aei noch beaonden
daranf bingewieien, daß fUr die Mitt^lBcbnlenquete nnr das Mittelachu)-
weaen in Betracht kam; die Ereiaci die an ihm interessiert sind, hat tan
aneh frßber das Wahlrecht und jene, die dadurch das Wahlrecht erhielten,
babeir am Mittelschnl weaen kein unmittelbares Interesse, So erwelien
sieh die Eingangs! Itse» wenn man sie Mtisch prüft, nicht nur als
nndchtig, sondern auch als Phrasen* Bedner bitte es gern geaehen,
daß den Vorsebiftgen, die in den HeferaUu erstattet eind, ein fem
fr11h«ren ünterriebtaminiater Dr. Wilhelm Bitter too Hartel geprigtea
Motte Toraui geschickt worden wäre; ,Mit dem Gjmnasinm ist jeit nle-
niand mehr aufrieden", Hier iac tn nächst ju bemerken, daß t. Qattel
dieses Motto gar nicht geprägt hat. £s maß dies anadrßcktieh hier
fettgeslellt w&rden. damit es nicht eine fable eonvefiue werde, H&rtet
idbtt habe dieaea geflügelte and ron den Gegnern des Ojmnaaiams seit*
64*
1012 Die Mittelscholeoqiiete dei Untflrriehtemiiiisteriiiiiis.
her gern lititrie Wort geprigt, d. h. wirklieh geeproehen oder gesehrieben.
Bartels Worte laoteten tfttsftehlich gani anders. Gemeint kann nimlieh
nur sein die bekannte Stelle im Eingang des Artikels im «Neoen Wiener
Tagblatt**, mit dem Hartel die Grflndong des Vereins der Frennde des
homanistischen Oymnasioms begrttßt hat (ersehienen am 24. Desember 1905
nnd wieder abgednickt im I. Heft der „Hitteilnngen des Vereins der
Preonde des hnmanistiseben Ojmnasiams** 8. 8 ff. ; Tgl. Zeitsehr. f. d.
Osterr. Oymn. 1906, V. Heft). Er sehildert dort in ftberans ansehaollcher
nnd eindrncksf oller Form die Klagen* die gegen das Gjmnasivm erhoben
werden und hält die Tornrteilslose Prüfling dieser Klagen, die aneh Ton
wahren Frennden nnd Anhftngem erhoben würden («so sehr sie ftber das
Haß ihrer tatsftehliehen Bereehtigong ftbertrieben werden nnd Wahmeh-
mnngen bedanerlieher Art in einseinen Fällen nngebtthrlieh Terallgemeinert
erseheinen mOgen"), f&r eine nnabweisbare Pflieht. Das tot Hartel in
jenem Anfsati nnd findet die Ursachen nicht in der Organisation, sondern
in Übelstftnden, mit denen sie bei ihrer Einfllhrnng nnd seither, nach
forftbergehender Bessemng, immer mehr lo kimpfen hat; es sind das die
aneh in der Enqnete Tielfach herrorgehobenen : daß nicht immer ent*
sprechend Torgebildete Lehrer inr Verfftgong standen, femer die ftber-
grofte Aniahl Ton Gymnasien, die ÜberfBllong der Klassen, das Tielfach
ungeeignete Sdiftlermaterial, das Berechtignngswesen. Man mag ee be-
greiflich finden, daß ein Leser ans dem Hartelschen 8ati: «Es klagen die
filtern . . ., es klagen die Schüler . . ., es klagen die Lehrer . . ., ee klagen
die Hochschnlen ...^ den Schloß sieht: also ist niemand mehr mit dem
Gymnasium snfrieden. Aber das berechtigt ihn nicht in sagen, daß Hartel
dieses Wort geprigt hat').
Zwei Punkte seien, meint Hueppe weiter, bei der Reform in be-
rflcksichtigen: das staatliche Interesse und Psjchologie des Kindes. Man
habe nicht bloß su fragen, welche Ziele su erreichen sind, sondern auch,
welche Ziele das Kind erreichen könne (das ist selbstTcrstindlich richtig,
ist aber auch bisher Gmndsats der Pidagogik gewesen). Die Anlagen
^) Es mag ftbrigens dieser Anlaß benutst werden, um festrastelten,
daß Wilhelm t. Hartel kein anderer Anteil au der Grflndnng des genannten
Vereins sukommt, als der — und der ist bedeotend genug — , daß er
durch diesen Artikel sie erheblich gefordert hat Der Gedanke der
YereinsgrUndung telbst stammte nicht Ton ihm und auch die ersten
Schritte, die daiu ffthrten, geschahen ohne sein Wissen and ohne sein
Zutun. Den fertigen Entwurf eines Bondscbreibens des Torbereiteoden
Komitees, der ihm im Oktober 1905 mit der Bitte um leinen Anschluß
Torgelegt wurde, bat er ToUinhaltlich gebilligt nnd dieser ohne seine
Mitwirkung entstandene Entwurf gab ihm dann Anlaß ta seinem am
24. Desember erschienenen Artikel Das geht ans diesem selbst deutlich
genug berror. Und dennoch kann man irrigerweise (manchmal acheint
allerdings eine bestimmte Absicht Tonuliegeo) lesen, Hartel habe die
Gründung des Vereins der Freunde des hnmanistiseben Gymnasiums Ter-
anlaßt oder, wie Kleinpeter „Anf dem Wege tur Schnlieform'*, Wien 1908,
S. 2 gar sagt, in diesem Artikel »tur Gründung eines Vereines tum
Schutse des humanistischen Gymnasiums aufgefordert, der nach einigor
Zeit — H&n 1906 — ins Leben trat"; wie unrichtig, ja man darf sagen,
unwahr das ist, braucht kaum erst gesagt lu werden.
Die Mittelseholenqaete des UnterriebtsmiDiBtoriQiiis» 1013
Imssen sieh nieht bie ins üngemeMene Terftodern, tnui mtttie damit
reebnen, daft die Anlagen lebr Tertebieden sind. Die Sobnle iiOnoe aach
nicht allee leiiten, sie mflese ancb dem Elternhaose enieberiecbe Aufgaben
loweieen (d. b. doch mit anderen Worten, die Schale kann nicht, wie
Hneppe eingange doch in Tcrlangen echeint, direkt Eniehongisehnle eein !),
aber data rnttsee sie dem Elternhaose auch Zeit laseen nnd die Schale
dürfe die Kinder nicht gans in Ansprach nehmen (dann darf man aber
aneh nicht eine Beihe neaer Gegenstände Terlangea, so daft dem Hanse
noch weniger Zeit gelassen wird als jetit). Versoehe man die beiden
Extreme, daft jedes Kind einerseits eine Indifidoalitit darstelle, die be«
rflcksichtigt werden mflsse, die Schale andererseits aber nar Massenbetrieb
haben kOnne, tn Tereinigen, so komme ein Faktor in Betracht, den et
den soiialanthropologiscbon nennen möchte. «Wenn wir die Völker in
ihrer Gesamtheit ins Aage fassen, so sehen wir, daft sie eine gewisse
Snmmt Ton gleichen Anlagen haben. Wir müssen da das Volk in seiner
Basseneinheit betrachten, wie es ist Ich will da nicht Ton der reinen
Basse sprechen, sondern ? on den ULischangen, wie sie ans jetst entgegen-
treten and wie man sie im öffentlichen and prifaten Leben erkennen
kann. Wir sehen da kleine Unterschiede: Der Engländer wird es anders
machen als der Skandinavier, der Österreicher anders als der Norddeatsche
— das ist aafterordentlich wichtig, weil ans das praktisch weiter hilft — -
aber im groften Ganien können wir damit rechnen, daft wir eine arische
Baise sind nnd daft bei ans noch drei Viertel des Volkes arisches Blat
in sich tragen. Diese arische Basse hat, seit sie in die Erscheinong der
Völker getreten ist, eine Beihe Ton Kaltnrwerten geieitigt, sie ist eine
tatkr&ftige, arbeitsCrohe, darchaas in der Welt lebende Basse, sie ist
keine weltfremde, keine weltflflohtige Basse. Es ist keine Basse des bloften
Intellektnalismas, nicht eine Basse, der das Chinesentam irgendwie liegt
Unser Unterricht hat aber infolge seiner Überlastang dahin geführt, daft
wir sa einer Art Sitischwielentfttigkelt Terarteilt sind, mehr als es anserer
Tatkraft förderlich ist and die nns den anderen Bauen, den Engl&ndern
nnd Amerikanern gegenüber im Wettbewerb der Völker snrfickgedrftngt
bat". Man braacht diese S&tse mit der aas der Laft gegriffenen Charakteristik
der arischen Basse, die so verschiedene VölkerindiTidaen anf weist — man
denke nar an die Inder and ihre tatfremde Lebensaaffassang — and dem
Tölligen Mangel an klarer Begriffabildnng nar aafmerksam sa lesen, am
sofort das Haltlose dieser Bassentheorie in erkennen. Haeppa geht Ton der
nnrichtigen Voraassetiang aas, daft es sich daram handle, ein neaea Unter«
richte- and Bildangswesen einsafflbren nnd sn ontersachen, ob es ans als
einem Teil der arischen Basse ad&qaat ist, wfthrend doch amgekehrt ein
Unterrichtssjstem, das sich bei den kontinentalen earopftischen Völkern
nnn einmal entwickelt hat, am- nnd neagestaltet werden solL Die Tatsache
aber, daft es sich so entwickeln konnte, beweist doch, daft es dem Wesen
dieser Völker nicbt entgegengesetit sein kann, sonst bitte es sich eben
so nicht entwickeln können. Mit der Bassentheorie kommt man in diesen
Fragen überhaapt nicht Torwftrts. Das Ertiehangs- and Bildangswesen
steht im engen Zasammenhang mit dem ganien Geistes- and Saltarr
101 4 Die Mittelsehalenqaete des UnterriehtsmiiiisteriiimB.
instand und itt in seiner Entincklang: abhftngig Ton den gesamten
LebensTerhftltnissen, Tornefamlieh den wirtaehaftliehen nnd politisehen.
Ändern sieh diese, so wird sieh aach jenes ftndem nnd nmgelcehrt können
dnreh Ändening des Erziehnngs- nnd Unterrichtswesens die genanntes
Terbftltnisse beeinfloßt werden. Daher ist es gewii^ bereefatigt, mit dem
Hinweis anf andere Volker gewisse Beformen in empfehlen. Wenn ftbrigens
die Deotseben den Bnbmestitel, das Volk der Dichter nnd Denker xn
sein, besltien, so danken sie ihn eben der «Sitischwielentitigkeit* nnd
es war beseiehnenderweise ein arischer Oelehrter, der tn den nötigen
Ingredieniien des Gelehrten die plumbeae nates rechnete* Und anch die
oft gerflhmte (wenn anch beklagte) Bierfestigkeit der Dentschea beweiit,
daO dem Deutschen die MSitsschwielentitigkeit* nicht wesensfremd ist
Allerdings soll nicht verkannt werden, daß sich unsere bessere Einsieht
nnd die Umwertung aller Werte auch darin inßem, daß, während früher
Eltern und Lehrer klagten, ein Jnnge habe kein Sitsfleisch, heute um-
gekehrt eine stärkere Entwicklung der Hnakeln und des Sprunggelenks
gewtkttscht wird. All das bat allerdings, ich wiederhole es, mit der Basse
nichts sn tun» sondern mit der Änderung der Anschauungen auf dem
Gebiete der Brtiehung und der LebensTerbftltnisse. Darin hat Hueppe
allerdings recht, daß er, wie die meisten Bedner for und nach ihss,
darunter auch die Freunde des Gjmnadums, die Hypertrophie der Gym-
nasien nnd flberhaupt der Mittelschulen beklagt und wiknscht, daß mehr
Erifte fttr das wirtschaftliche Leben firei werden. Ob aber dain die
Schaifung der neuen Typen und die Erleichterung des Zugangs tor Uni-
fersität das richtige Mittel sind, bleibt die Frage, so sehr man tugebea
mag, daß heute nicht nur das Gymnasium den Zugang lur Unirersitit
ermöglichen solle. Da wäre es doch entschieden wirksamer und fiel
dringender, durch geeignete Mittel den Andrang su den Mittelschuloi
einiudftmmen, wie Sektionschef Juraschek und nach ihm und mit ihm
eine große Ansahl Bedner empfohlen haben.
Die Gymnasien, meint Bedner weiter, seien „tatstchlich eine fach-
liche VorbereitnngsBchule fflr die historisch-philologisehe Gruppo. Sie ent-
sprechen der allgemeinen Auffassung ton Bildung deshalb nicht, weil der
Orgaoisationsentwurf die Naturwissenschaften swar mitbeiftcksicfatigt, aber
nicht mehr in dem Maße, wie dies unsere Zeit f erlangt, und weil dieser
Unterricht angegliedert und nicht organisch eingefUgt ist Gerade dieser
Mangel spricht sich in dem Betriebe sehr stark aus und konnte nur dureh
eine Änderung der Methode behoben werden**. Wenn nun aber nur die
Methode gelodert werden muß — dasselbe gilt doch auch Ton der
Bealschule — so ist nicht einsnsehen, warum das Gymnasium dem all-
gemeinen Begriff um Bildung nicht entsprechen und warum es nur mehr
die Gelehrtensohule fftr die historisch -philologische Gruppe nnd nicht
auch fflr die Jnristen, Medisiner, die Naturforscher sein soll. Daß aber
die Methode des Unterrichts geftndert werden muß, und iwar wie in allen
Lehrfichem auch in den naturwissenschaftlichen» das ist ja die ftberein*
stimmende Ansicht aller, die in diesen Fragen sieh geftnßert haben. Und
wenn nur die Methode geindert werden muß, dann ist der Vorwurf gegen
Dia Hittelsohtileaqatte dea üfiteiriehtMiiiDlatarionii. 1015
den OrgtniiAÜoDsentwittf völlig unbereelitigt, dar dia NAUrwiiieMcbtfta«
niebt nur aDgagliedart, sondarD organisch aingafflgt hat and anadrüekliall
in dan .Vorarinnongaa" bamarkt: ,,Matbamttik nad NatarwiaaaBaehaften
laasan aiah Blebt ignoriaran; aia gaatatlan aiab niabt» daft mati dia Kraft
ibraa Labana tum laaras Sehattan irgand ainar anderaii vanibnan wasant»,
lieh vanehiadanan DiatipUn maaba. Dar TorUagaada LahrpUa Taracbnftbt
in diaaar Beiiebaag Jaden faliaban Babala, sein Scbirarpuakt liegt in dar
fclaaaiaebaB LIteratir, noah in diaaar naammaa mit dar TatarliadiaabaB,
obwohl beiden Gegenatiadaa nageCihr die Hüfte der geaamtea Unter*
riahtaieit sogeteilt ist, aoadern ia der «eeheelaeitigen Beiiebang aller
üaterriefatagegeaatinde aufeinander. Dieaar aaah allen Seiten nachingehaa,
aad dabei die btmaniatiaeban Elemente, irelabe auch in den Nataririiaea<'
aebaftea in reieher FflUe Torbanden aind, überall mit Sorgfalt so be«
natien, aeheiat gegeaw&rtig die Aufgabe in aeia^. leb denke, aaeb beate
liftt aioh die Aafgabe aiaht beaser formnlierea, die Methode aber aad
alle Eiatelheitea dea Lehrplaaea aiad im Orgaaiaatioaaeatwarf kmaeewaga
ala aaab&nderlich fftr alle Zeiten featgelagt; sie anterliegea dea Äade-
raagaa, die die Bedfirfaieae aad Ansehanaagea der Zeit erfordara ^ aad
sie wardea and werden jeweilig geändert.
Ea aoU trots der Toratebeadea kritlaebea Bemerkaagea aaerkaaat
werden, daft Haeppe mancbea fhiehtbarea Gedanken Tortral Aber aeiaa
Aaafftbrangea leidea doeb aehr aa Unriebtigkeiten, Unklarheiten und iaaerea
Wideraprfleben. Naahdrfleklieh betonte er anah, daß dia Bealachalen ihm
noah reformbedftrftiger aebeiaen ala die Qymnaaiea. An beiden Anataltea
aai daa Prflfbagswoaea ta müdem, die Matarit&ttprflfang abtaaehaflTea aad
kaiae aadere Pr&fang einiafflhrea. Der Zndrang kOnne aar durch dea
Aafbaa der Schale, doreb Anderang dea Bertehtigangaweaena and darcb
Aapaaaang der Berecbtignagea an die soaialen VerhiltaiaBa beaaitigt
wardea, daa Bildangabeatraben dürfe aber nicht elngeacbr&akt werden.
Er spricht eich fllr eine Einbeitaachale mit Oabaloag aaa. Bis sa einem
gewiaaea Alter, bis som Eiatritt dar PabertU (14.^^16. Leben^abr), kOnn«a
die YolkaaBlagaa — troti iadifidaeller Yerachiedenheit -^ als andUTerea*
alart geltea, Ten da ab solle Gabelang eintreten. Zwei Typen, Gjmnaaitn
aad Bealachalen, wOrdan ausreichen; werde eine dritte Tfpe geschaffen,
die «an die Stelle einer Aniahl von Gymnaaien treten aolle, die weder
leben noch sterben kOnnen, weil aia hainem Badürfiiia entfiprechen, sondern
snm Teil aaa potitischea Grfluden errichtet werden maftten*, ao komme
man la einer dreifaehea Gabelaag. Keia Tjpaa soll voa aatea bis oben
reichen. Dn Uaterbaa aoll fttr alle gemeinsam, auch fttr daa Gymnaalam
lateinloa sein. Aile Tjpea soUea die glelchea Bereehtigangen fBr die
Hochaehalea bietea. Der Uaterriefat im Lateinischen aad Griechischen
(ttberbanpt in allea fremden Sprachen) soll sp&ter beginnen, bia daa Kind
die Sprachbegriffe an der Motterspraaha aaagebildet habe« Dana werde
noch der vieijAhrige Unterricht ia Lateia aad Griechiicb bessere Besaltale
gaben als der gegenwirtige. Namentlich fttr kleine Stidte« die meiat nar
eine Mittelschale haben, seiea die Torgeschlageaea Gabalangsschalen
notwendig. Der Übergang Ton der Mittelschale aar Hocbachola habe
1016 Dia Hitieltebnleoqoetfl de« ünterriehUmiiiiitoriQiiis.
■etaon Im 16. Lebantjabr der Scbftler in der Obentnfe aUm&blioh i«
beginnen.
Labbaften Beifall fand Seicbaratflabgeordneter ProfeMor Dr. Hof-
mann t. Wellenhof, detaen maftfoUe, knne and gediegene Rede andi
jene feHelten, die im einielnen priniipiell aaf einem anderen Standponkt
sieben. Er wiee loniebat anf die tiefgebende ünaofriedenbeit mit der
Mittelsofanle hin» von deren umfang sieh die offitiellen Vertreter der
Scbnlwelt keine reebte Voratellong macben können, weil in ihnen nidit
alle Klagen dringen. Die Ursache dieser Uninfriedenheit sei aber weniger
im Lebrplane, als in der Darchfflbrang des Lebrplanes, «daa beißt in all
denjenigen in encben, was ich Methode, Syitem des gansen Sehnlbetiiebes
nennen mOobte**. Die Scbalfrage sei in lettter Linie eine Lebreifrage, die
Scbnlreformfrage werde dabej immer eine Lehrerreformfrage aein. Er
wolle nieht dem Stande, dem er selbst angehöre nnd der viele aoageieiohnete,
pflichteifrige nnd opferwillige Mitglieder in seinen Beihen sihle, irgend
welche Generalf orwfiife machen. Allein er kOnne ihm einen Yorwnif nicht
ersparen: die Lehrer kommen an die Mittebehnle, ohne fttr ihren
schwierigen Berof Torgebildet in sein. Zn beklagen sei femer die Bneaa-
kratisiernng des Scbalbetriebesy nach der Direktor nnd der Landeeeehnl«
inspektor seien mehr Schalbeamte and mit einer Menge Ton administra-
tiven Gesch&ften nnd Kanileiarbeiten tkberb&nft and dadnrcb ihrer eigent-
lichen Aafgabe entsogen. Aach die Vielprüferei sei scb&dlieb. Wie d«
Übergang der Volks- sar Mittelscbale sa spraogbaft sei, ao geaebehs
aoeb der Dbergang von dieser sar Hochscbale la onvermittelt Den kör-
perlichen Obangen sei mehr Aafmerksamkeit saiawenden, dafOr genflgen
nicht die swei wöchentlichen Tarnstanden, noch wenn sie in allen Gjm-
nasien obligat sein werden. Die Schalbjgiene sei mehr in pflegen, ihcs
Kenntnis mftßte ein wesentlicher Teil dar Lebrerbildong sein. lim Un-
kenntnis sei scbnld daran, daß die bestehenden scbalbjgienisehen Vor-
schriften nicht immer richtig nnd aasreichend gebandbabt werden. Der
Lehrplan des Gjmnasinms bedflrfe der Erweiterang (Chemie, Qeologis^
moderne Sprachen). Da jedoch eine Vermehrang des Schalpensnms ais-
geschlossen sei, müsse Baom geschaffen werden. Er sei der Meinvng, daA
das Griechische anf die Dauer nicht sa halten sei. Damit wolle er nicht
an dem hoben Wert nnd der hohen Bedentang des hellenischen Bildnngs-
ideals irgendwie sweifeln oder rflbren. Allein er sei flbenengt, daß dieses
BildoDgsideal in unserem Scbnlunterricbt auch nieht annihemd eireicht
werde nnd daß in keinem anderen Fache, wie gerade beim griechischen
Sprachunterricht, ein solches MißTerbtltnis swischen dem Anf wände an
Zeit nnd Mflbe und dem geringen Maße dessen, was erreicht warde, be-
stehe. An der Bealschole müßte die sweite Fremdsprache abgeschafft
werden. Für die Zukanft wftre eine einheitliche Unterstufe ohne klassieebs
Sprachen aniustreben mit einer Gabelung an der Oberstufe mit fakaltatiTca
Unterricht im Griechischen im Obergymnasium (er wolle niemandem, dar
die griechischen Ideale auch in den Urquellen aufsnoben wolle, die Mög-
lichkeit dazu abschneiden) und fakultativem Latein Unterricht in der
Obenrealschule; dann käme die neue Scbultype dasu, die sich daran an*
:s
2 Dif Mittotocluüeiiqiiete des üi^nichtiminiiterinmi- 1017
^ sehließeii kOante. üabt dingt BOtwt adig wir« aber die GleiebatoUoag der
Absolfeaten aller dieaer Anstalten. Das aehte Sehnljahr der Realsehalea
a. lei nieht von der Hand in weiseni und iwar aoe prektiaehen Gründen
n vom Standpnnkt der Bealsehnle mit Bfteksiebt anf die jetit bestehende
ÜberbOrdong. 80 langt die einheitliche ünterstofe nieht erreieht werden
könne, solle möglichst bald nnd möglichst reicblieb der neae Types naeb
dem Referate Hnemers ins Leben gerofen «erden.
Beeondere Anfmerksamkeit erregten die AnsfflhreDgen des folgenden
Bedners» dee Präsidenten des Obersten Becbnongshofes nnd gewesenen
Ministerprisidenten Dr. Freiherm v. Gantseh» der als Minister in iwei
Perioden dnrch fast lehn Jahre das ünterriebtoressort geleitet hat. £•
kam somit ein Mann som Worte, der das Uoterriehtswesen grflndlieh
kennt and der als Direktor nnd als Korator des Theresiannms obendrein
anch Einsieht nnd Erfahrnng in Eniehnngsfragen gewonnen hat. Seine
Ministert&tigkeit ist nnn vor allem doreh das besondere Intereaee» das
er dem Mittelseholwesen, namentlich aber dem Gymnasiom, dem klassi*
sehen Spiachnnterricht, snmal dem anch froher schon bekimpften Grie-
chischen — denn der Kampf dagegen ist ja nicht von hente — stete be-
knndet hat* Wie Baron Gantseh fOr die Belebnog und Vertiefang dee
altklaseiachen Sprachnnterrichts» fOr Bessemng und Hebung der Lehrer^
bildnng» fOr die grOOere Pflege der körperlichen Übungen nnd EinfOhrnng
des Jngendspiela vorgeeoigt hat, so trat er in einer sOndenden nnd Ober«
zengenden Bede im Abgeordnetenhaase — es war am 4. Febmar 1898
— den Bestrebnagen entgegen, die anf Beseitigung oder wenigstens Ein*
schr&nkang des griechischen ünterriehts abaielten. Und dieeem Stand-
ponkt der Erhaltung and Aosgestaltnng blieb er anch in seiner Enqnete*
rede treu* Er erachte es fflr notwendig, begann er, daß an dem Betrieb
der beiden klassischen Sprachen am Gymnasium festgehalten werde.
Dies Toraosgesettt, bejahe er die Frage, „ist die Mittelschule — er mOchte
diee insbesondere anf das Gjmnasiom besiehen — reformbedflrftig oder
nicht ?* Man mOge eich aber keiner Täuschung hingeben, daft die Gjrm*
naeialjogend eine Belastung mit neuen Gegenständen, ohne daA hicfflr
Baum geschaffen werde, nicht Tcrtragen kOnne. Es sei swar leicht, einen
Lehrplan su entwerfen, aber schwierig, ihn praktisch durchiofOhren. Das
Wort „Auslese* mOchte er in dem Sinne verstehen, wie nie frflher von
einem fOr ihn kompetenten Forum geObt wurde, wenn es sich dämm ge-
handelt habe, ob ein jonger Mann Oberhaupt das Gymnasium besuchen
aolle oder nicht, eine Aueleee, die geObt wurde von verständigen Eltern
nnd von verständigen, die Eltern beratenden Lehrern der Volksschulen.
Ober solchen Bat setse man sich heote hinweg. 80 begreiflich es sei,
daft Eltern fftr ihre Kinder die edelste nnd beste Eniehung wOnschen,
ao sei ee doch tief lu beklagen, daO die Auslese nicht so stattfinde, wie
diee im Interesse der Schale wOnschenswert wäre. Die heutigen Verhält-
nisaa erheischen gebieterisch Ändernngen an den Mittelschulen. „Wenn
wir aber auch die BeformbedOrftigkeit unserer Mittelschulen offen er-
klären» so sollten wir doch*, meint er unter lebhaftem Beifall, „unsere
Schulen nicht immer herabaetsen und nicht vergessen, daft diese
1018 Dia MittelMlivlMiqveto Um UatorriolitiniBiftorimi.
SebaU und ihre Entwidklong in dta gliaseBditen ßlilUn d«r
reieldtolieB KaltnrgeMiUoht« im Ittiteo Balbjahrhvndert gahOit.« Aicä
er stellt vnter allgemeiner Zoftimmmig auf Gmad eigener releher Er»
fahmog der Lebrenebafk du Zeagni» aae, daft sie, abgtsebea f»B eiih
seinen Verimmgen nnd Unriehtigkeiten, walebt — ee liege das in der
Natnr eines Jeden Standes ^ ?Qtrkdmmen, im groften nad gaaien nntec
den scbwierigsten YerblltBiBseD ibre Pflfeht in trener und eifelgreiebstet
Weise erfflUt bat nnd anoh gegenwiitig erfttUt.
Was nnn die Punkte betrefT«, we die Beferm ansetsen ktnntek
fftbrt Bedner fort, müsse man die Frage anfwerfen, ob niebt dio bentige
Lage der Mittelsehale aagenidits der lablroieben Faobsehnlen nnd der
beeonderen Anstalten, die im Lanfe der Zeit entstanden seien, es Qber>
banpt noefa notwendig mache nnd ob es Ton dem Standpnnkt» der Jngend
Erleiehtemiigen in sehaiTen «^ in diesem Sinne wUnscbe er sn spreoben
^ nieht iweckentspreehender wire, jene Disiiplinen, «elehe am Qym-
nasinm iweimal nnd -^ ohne ein ungünstiges Urteil fillen in wollen —
nicht gerade mit auAerordentlioben Erfolgen gelehrt werden, kflnftigbin
nur einmal und auf einer Stnfo sn lehren, wo man einen weitaus gtosti«
goren Erfolg erwarten dttrfe und diesen clegenstiaden mehr Zelt widmen
konnte. In der lateiniichen Sprache wire eine Herabmindemng der
Stnndensahl mOgliob, indem in der ersten nnd tweiten Klaeeo die Zahl
Ton 8 auf 6 herabgesetit werde. Er sei Vertreter der Bicbtnng, die
Jugend nicht in versftrteln und den Wftnseben, die tielleiebt ton iftrt-
lieben Mfittem oder etwas nacbsicbtigen Vfttem mitunter sehr laut in der
Öffentlichkeit gehört werden, nicht naohtugeben. Aber für einen lehn-
j&brigen Knaben kOnne man auch mit einer Lateinstunde tlglich ane-
kommen. Zwei Stunden Latein Vor nnd Nachmittag oder gar am selben
Vormittag sei ein bischen tu fiel. Wenn man an dem Printipe fest-
hielte 6 Stunden Latdn jede Woche im Unter- nnd 5 Stunden im Ober^
gymnasium, so wfirden dieee dem lateinischen Unterricht genttgen. Naeb
seinen Voncbl&gen wiren die SohQler in den beiden ersten Klamen
wöchentlich 28, in der dritten und fierten 24 bis 25, in den Oberklaeses,
wo auch mehr Terlangt werden kOnne« wie bisher 2S Standen in der
Woche mit den wichtigsten Obligatfichem beiob&ftigt. Sehen Jetst er-
klArt sich Bedner fftr Abicbaffhng der Übersettung im Lateinlsohen bei
der Maturititsprftfung im Zusammenhang mit der Beseitigung der sebiift-
licben Oberaetiung aus der Muttersprache ins Lateinische und Gffieebisebe
im Obergymnasium. Zweck dieses Unterriebtee solle nur sein, Asn
leichteren Autor mit Hilfe des Lefikons allein lesen lu können. Die
Muttersprache bedftrfe einen Tertiefteren Unterriebt. Beim Griechisobea
wire die Qesamtstundeniabi nicht tu indem, sondern nur eine Te^
Schiebung Tortunehmeo, daft in der Tierten Klasse 4 Stunden nnd in der
siebenten 5 Stunden aogesettt werden.
Ein am Gymnasium Tomaeblissigter Gegenstand sei die Geo-
graphie; fftr sie wire Baum geeehaifen, wenn die Geschichte ans dem
Untergymnasinm beseitigt wurde. In der fSerten Klasse konnte dann die
Heimatskunde (nnd die Geographie Österreicbs-Ungarns) in ansgedehntsism
DU MitteliebiileBqaate des Uiit«niehtimliilit«HnD8. 1019
Maße gtUhrt wwden. Die Geschlehte wire mit 4 Stunden f&r jede
KlMse im ObergToiBMiQm sn ferlegen, we duin Mich Btam fflr die
neoere Gesehiehte Torbsnden wftre. Zu beklagen aei, dafi lo wenig jonge
Leate» welche daa Gjmnuiam vwlaMea, genflgende Kenntniite in Pbjtiic
anfweiaen. Ihr konnte man in den beiden obersten Klanen Je 4 Standen
einrftnmen. Dagegen sei hente der Mathematik-Unterriebt tn ansgedebot,
er konnte in der sechsten Klasse absefalieiton und bfttte keinen Gegen-
stand der Hatnra ta bilden, wobl aber die Phjsik. Die bisherigen
Dispensen ans Physik nnd Geeeblehte bei der MatoriUtepfftfang hitten
sich nicht bew&hrt. •
Die Bealsehnle habe sieh gegen früher Tom Standpunkt der all-
gemeinen Bildnng weientUeh geftndert. Damit erledige stob ein Vorwarf»
der gegen Bedner (?on Prof. Lorber) wegen eines Ansipraehes, den er
Tor 20 Jahren am 80. M&rs 1886 im Abgeordnetenhaase getan habe» er-
hoben worden sei (Er sei kein Bewunderer der Bealsehnle. Die Beal«
eehnlen haben TOehtiges geleistet, es werde dort viel gearbeitet» es seien
kenntntsreiehe M&nner ans der Bealsebole herTorgegangen, aber er wflrde
im Interesse aller dieser M&oner wflnschen, sie h&tten das Gymnasium
abeolTiert Dieser Ausipmcb sei der Niederschlag der Stimmung aus dem
Kreise derjenigen gewesen, welche Bealsehulstadlen surlhckgelegt haben).
(Hier sei bemerkt, daft diese Stimmung auch heute noch besteht, und
dieser Stimmung eDtspringen ja die Wünsche, den Lateinunterrieht den
Bealscbulen eiosu?erleiben, der gerade ?on Vertretern der teohnischen
Wissenschaften geltend gemacht werden und die auch, wie Hofrat Lorber
ausführte, tum Wunsch der Einheitsschule führte, Tergleiche auch die
Stimmen aus den Kreisen der Induitriellen oben S. 885 ff.)* Was das Be-
rechtigungswesen anlange, so stehe schon jetit die UnitersitAt dem
Bealschüler unter gewissen Bediognngen offen. Der Gymnasialscbfller ge-
lange an die Technik erst ein Jahr spftter und müsse auch dort eine
Prüfung machen. Man konnte den Bealscbülem mit Büeksicht auf die
Entwicklung dieter Schule den Besuch der Unitersitlt unter der Voraus-
eetsung ermöglichen, daO sie torerst ein Jahr nach Abscblui^ der Beal-
schttletodien Latein und Propädeutik studieren. Diese Frage mttOte ? on
der UnterrichtSTerwaltuog mit den Usifsrsit&ten ausgetragen werden,
wobei ▼ielleicht gewisse Berufsficher oder einselne Fakultiten, wie t. B.
jene der Theologie^ ausgeschaltet werden dürften. Damit hitten Beal-
schüler und Gymnasiasten die Möglichkeit, sAmtliche Hochschulen lu be-
■neben. Was den neuen Tjpus betreffe, so müsse man fragen, welches
Bedürfnis eigentlich weite Kreise an seiner Schaffung bitten. Erklirlicber
wire er, wenn hiemit ein noch nicht besehrittener Weg betreten würde»
der Weg, das, was das Gymnasium dureh die klassischen Sprachen leiste^
nunmehr durch die Neuphilologie tu erreiehen. Denn auf diesem
Gebiet werden die Erfolge fielfach für nicht genügend betrachtet. Aber
der in einem Beferat (Huemer) und auch Ton anderer Seite (Geftmann)
▼orgesdilagene neue Typus wolls das nicht, eondem beabsichtige die
Beibehaltung des Lateinisohsn und bloü die Ausscheidung des Griechischen.
Dieser LebrpUn sei cioc Art Waffenstillstandsdokument im Kampfe gegen
1020 W. A. La^, Methodik des D&turg. öoterr., iitg« f* T. F. Satmmdt.
die kltuiflchen Sprachen zq UngnsiteD dei Griechticben« Dief«r Kiapf
w&rde daaernd, a^er kmm iliUe stehen. Dia Eltern werden die KitSftef
aai Ctilititsgründen in dieee neue Schule tcfaicken, di« Alien Tjp«ti ab«r
wflrden mit der Zeit an Entkriftmif sterben. WaniD denke man nieht
ftD einen lateiKiloBeit Tjpoi^ der fi«r bii leeha Elueen nmfiÜt nod fBi
alte diejenigen bestitntnt wlre, die jeUl allein di« Bealachnle oder da«
Gjnanasinin hefinebeD, tini dann mit 14 Jabren in eine fachliche Sehui«
flberautreten. — Gegenir artig werden die unteren Klauen In dieier Hjth
liebt Bebr ausgenutzt Die Bürgerscbule habe leider bei der ße? Olkernpg
niebt den gewünschten Erfolg gehabt
Nach einigen Bern erkno gen Qber da« Berecbtignngiweien hinsieht^
lieh der Beamte ne teil uo gen, deren Regelung in dem Sinne beflLriiortet
wird, da& fQr eine Reihe f on Berofen die Matnrit&tBpr&fnng einer Mitlei-
ichnle nicht gefordert in werden hraacbte^ sondern andere Schulen rell*
konimen ausreicheD, leblieDt Freiherr Ton Gautich eeine oratorineb wifk>
tarnen AasfClbrnngen unter lebhaftem Beifall mit dem Wnoiche, da^
wie immer nicht unr das Votum der Versammlung, tondern ancb die
Enticheidnng der Uutarrichtsferiraltnng ausfallen werde, das, waa g«*
•oheben werde, mO glichet bald geschehe — das erwarte man in der
Öffentlichkeit und das dOrfe man nach der ErkUrang det Miniiteri er*
warten ^^ und dal^ es ztzm Wohl an&erea Mittel ichulweteni atisfalk«
(Fortietiung folgt)
Wien. Dr. 8. Frankfiirler
Methodik dei naturgeachichtltchen Unterrichts und Kditk der
Reform be«trehungen ?od Dr. W. A. Lajr. Dritte^ fermebrte Anflage,
imif Leipzig« Erwin N&gde. VÜI und lä4 &S. a". Prett «eb.
Mk. 2i0, geb. Alk. 3.
Da& diese Schrift, die lur Comeniaireier am 28. Mlrx 169S ii
ertter Auflage eitcbienen ist, Beachtung gefunden hat, selgt die ror*
liegende dritte Anflage, and sie rerdieut dieie Beachtung auch mit follea
Recht, denn sie entb< eo fiele gote nnd brauchbare Lehren nnd , For-
dern o gen** fQr ei De moderne Beform dei natnrwtBsenschaftlichen Unter-
richts, daf^ ihre Lektüre allen Aüfängern inj Lehramte aofa eindringlichefee
empfohlen werden kaun. Nach den Angaben des Verf. bat sieb das Bnch
lur Aufgabe j^eitellti «den tiaturgeechichllicheu Unterricht im Anschta«as
an die Orundtatiacheti der pbriiologiscben Psjcbolegie, an die £nt«ick-
IttngBgeiCh lebte der Biologie und Geologie und an die ünterricbttpraiü
xn einem allseitigen und inteniifen BildiiDgesnittel in geatallea«*
Da ei nicht gut möglich ist, den gedankenreichen lobalt, die sahl-
reichen, aua guten Prlmiiien gefolgerten Schltsser die ali Lehr- oder
Leitsätze nnd „Fordernngen'* für den Lehrer TortrefiTlicbe Fahrer hei der
Unterriebteerteilung darbieten, auch nnr annähernd wiedergeben tu kOnnen«
so beecbrinke ich micli iu diesem Referate anf eine knraa Betprecbnnf
der Anlage dei Werke«.
TF. ii. Iray, Meibodik de« nfttug. Uoterr., sog. ?. T. F. ^anaiweik. 1021
Im eriten Teil wird eine „Getehiehte der Methodik dee natnr-
geaeliiehtliehefi Uoterriehti in ihrem Zosammenliang mit der Entwiek«*
langsgesebiebte der Biologie nnd Oeologie** gebnehti in dem karte An«
gaben über die BedeatoBg der herTorragenden Natvrforieher vnd Lehrer
vom Altertum bie tnr Gegenwart gemacht werden. Etwas aoiffthrlieher
aind die Exknrse Ober die Fortoher, die Theorien lor Erklftrang der Art-
Entstehnng aufgestellt haben, über Charles Darwin, de Viies, Weis-
^ mann n. a. Die Betrachtangen, die daran geknflpft werden, sind wohl
' oelir antreffend and wenden sieh anter anderen gegen die Tielfiltig ver-
* breitete Meinang, daft die Dessendenitbeorie eich mit Religion and
Cbriitentam nieht Tereinen lasse. — Ton den Methodikern werden Aagast
Lflben and Friedrieh Jonge eingehender behandelt Des Verf. in einer
: T ^a besonderen Schrift niedergelegte Ansehanang tkber die Beform gipfelt
^T^^rz darin, daft die Natargeschiehte la einem allseitigen and intendTon
i^ «^ Bildangsmittel amgestaltet werden mOese, and daft dies erreicht werden
jzsc: könne: 1. wenn der Stoff kaltorgemftft ist, d. b. dem heatigen Stande
. *; £ der Katar Wissenschaft, insbesondere anch der Entwicklangslehre ent-
rz: ^ spricht, 2. wenn die Methode natargemii^ ist, d. h. Aaswahl, Yer-
^^ ca teiloDg, Anordnung and Darbietang des Stoffs dnrcb den Lehrer nnd die
^ r^ Yerarbeitang and Darstellang des Stoffs darch den Schftler im allgemeinen
_^* und im einseinen den Besnl taten der modernen Psychologie and
^.^^4 Kinderforschang nnd gleichieitig den intellektnellen, isthetischen, ethi-
schen and religiösen Interessen and Normen gerecht wird.* Der Schlaft
dieses Teiles gibt eine Übersicht Aber die Widerspräche der Beformen;
darans will ich folgende Sfttse anfUiren: .Die meisten Methodiker gehen
bei der Behandlang der Einielweeen im allgemeinen Ton der KOrper-
beschaffenheit, den Wirknngen, Lay, Pfohl, Remas, Schleichert hingegen
von den Lebensbedingangen, den Ursachen aas. Erstere schlieften .mehr-
' -"■ '\ dentig* and ansicher aaf die Ursachen, letstere «eindeatig* and sicherer
vai die Wirkangen.*
Der sweite Teil betitelt sich „Ableitang der Methodik, Kritik der
;, ^ Beformbestrebnngen''; er behandelt Ziel nnd Stellung des natorgeschicht-
" ",, liehen Unterrichts, ferner in den „Grands&tsen' die Beobachtnng, die
geistige Verarbeitang and die Darstellang. Die Grandsitie
werden unter Berflcksichtigang der psychologischen Grandlagen behandelt,
als Fandamentalfordening gilt, daft Beobachtaogen and Versache
stets Grandlage and Ansgang des natargeschichtlichen Unterrichts sa
bilden haben, die die Natarbeobachtung bietenden biologischen and geo-
logischen LeitsAtte werden abgeleitet ans den Verrichtangen and der
Wechselwirkang der Organe nsw. Beeonders eingehend ist das Kapitel
Aber die geistige Verarbeitang darchgefflhrt, woraof hier nar Tcrwiesen
werden kann.
Der Inhalt des dritten Teiles amfaßt die Lehrbeispiele, die
aas den drei Natnrreichen gewählt werden: Der weifte Bieneosang, der
grfine Wasserfrosch and die Steinkohle. Entsprechend den im forher-
gohenden Teile aafgestellten Leitsfttsen gliedert sich die methodiKhe Be-
handlang folgendermaften : Erste Stofe, Beobaehtang: Ezkarsionen and
■j^'
1022 EuUer^KUmm, Sehnlbildmg obw., aag. ?. J. Eümger.
V«iMiehe (BeobaehtaDgfn im Freito, Oliedar, Lebanigemoinde, Lebens-
weite, Körperbesebaffenheit; AnfMafeln tob WMeer enf die BUtter, Ein*
tnvehen in Wnster uw.). Zweite Stufe, geistige Yerarbeitug: Bebiad-
lang in der Unterriebtsstonde. Dritte Btafe^ DanteUnng: Merpbelogieehe
«nd biologisebe Besehreibiug, FornnlieniQg biologiBefaer Orandittie,
modellierende ond leicbnerieehe, poetieebe nad dramatiBcbe Dantellmig.
Die beiden letiten DAntellnngeformen bebnadeln die Beiiebimgea der
Hunmela und Bienen la den Pflansen, wobei aneb Goethee Gedieht:
^Ein BlnmenglOekcben Tom Boden ber ** angefflbrt wird md das
Mienenspiel nnd Hendbewegongea («dramatiseb ▼ortragen'* I) beim Ein-
prigen nnd Vortragen. In dem Lehrbeispiele tob der Steinkohle ift die
Angabe enthalten, daft das Qppige Waebstnm der karbonisebea Sampf-
wilder dnrch eine kohlensAnrereiohe Lnft gefordert werde. Ob die da-
malige Atmeepbäre mehr EobleneAore enthielt als die gegeBwirtige, iit
Boeh eine ungelöste geologische Streitfrage.
Der Tierte Teil enthilt das Qaellen-, Literator- und Lehrmittel-
▼eneiehnii, das reeht reichhaltig ist nnd -« abgeeehen Ton der die
Mikroskopie betreflSsnden Literatvr — kein nennenswertee Werk ver-
Krems. Dr. T. F. Hanansok.
SchulbilduDg in den Vereinigten Staaten. Von Dr. Nicbolas
Morraj Bot 1er, Frftsident der ColQmbia-üniversitftt, Nea York, N.T.
Yerdeetscbt tob Dr. L. R. Klemm, Speiialist im Nationalen Br-
liehengB-Bereaa, Washington, D. C* Minden i. W., C. Marows^.
26 SS. Preis 60 Pf. (SammUng p&dagogiscber Yortrftge. Heraosgegeben
¥on Wilhelm Meyer-Markaa. ZweiioonaÜich ein Heft Bezogapreis Ar
den Jahrgang Mk. 1*80).
Ein ünterrichtssystem im eoropäiscben Sinne gibt es in Amerika
nicht Es gibt weder eine Unterrichts -Verwaltangsmascbine von Bandes
wegen noch eine nationale gesetigebende Aotoritftt ftber dae Bildonge-
Wesen der Einielstaaten. Zwar worde im Jabre 1867 ein Eniebongsboreao
in der Bondesbaoptstadt Washington eingerichtet, aber seine Fonktionen
eind nor beratende ood es ist absolot abhftngig ¥om guten Willen der
ScbnlbehOrden der Einielstaaten, Grafschaften ond Stadtgemeinden and
Ton den Verwaltongsbeamten privater Inetitate, om die Statistik berso-
etellen, die es jahraos, jahrein sammelt ond TerOffentlicbt Jeder Staat
sorgt daffir, dafi allen Kindern TOllig aoereiehende Gelegenheit fBr
elementare Bildong gegeben wird, aber aoch reichliche Gelegenheit nr
Aneignong höherer ond höchster Bildong solcher, die hoher streben. Aber
der Staat beansprooht kein Monopol in der Scbolbildong. Es iet in den
Vereinigten Staaten nicht gebriachlioh, die Bildangearbeit Ton Privat-
institoten dorch Staatsbeamte so beaufsichtigen oder in ihr Getriebe
einiogreifen. öffentliche Elementarscbolen werden mehr oder wea^er
I) Ein mehrmals wiederkehrender Schrdbfsfaler: Sa e^ Strae-
bnrger nad nicht StraAbnrger keiften.
BuÜer-Klemmt Sehalbfldong qbw., »Dg. ¥. J. Ellinger. 1023
■orgfiltig getetslieb geregelt; die Offentliehen höheren Schalen
ßigh sehooU) jedoch nnd die Staati-üniTcriitAten bleiben gewöhn-
lich ohne staatliche Vorschriften. — Was die Aoalphabeten in den
Vereinigten Staaten betrült, so sind sie besonders noter der NegerbcTOl-
kemng und nnter den Einwanderern in finden; die Zahl derselben in
der eingeborenen weißen BcTOlkerong betmg im Jahre 1900 nnr 4'6X
(von allen Aber 10 Jahre alten Einwohnern). — Eine Eigentflmlichkeit
des amerikanischen Schalwesens ist es, daß es iwischen den Öffentlichen
and priTaten höheren Schalen einerseits and den üniTersititen in nnserem
Sinne andrerseits noch eine Zwisehenstofe gibt, die sogenannten ^Col-
leget'^9 deren es mit Aasschloß derer fttr Fraaen allein 448 gibt. Ein
amerikanisches ^Coüege'^ ist ein Inetitati das etwa die Sekonda II nnd I
nnd Prima II and I des deotschen Gymnasiams and die iwei ersten
Jahre dos üniTersititsstodioms amfaßt and fast stets Internat ist —
Einiig in ihrer Art ist die Tatsache, daß alljfthrlich fllr die ünterstfltsong
nnd Aasstattang von Schalen aller Art ongeheaere Sammen Ton Einsei-
bflrgem geschenkt werden.
Aoßer diesem Vortrage dee Prisideaton Batlor ist in den vor-
liegenden Hefte noch eine Bede abgedrnckt, die «r am Vassar- College,
einer Fraaenhochschole, über die pFfinf Keanieichen der Bildang* hielt.
Dieao fünf Kennieichen sind nach ihm: Riehtigkeit nnd Genanigkeit im
Gebraaehe der Hattersprache; feine and Tomehmo Sitten als Ansdrack
festgeformter AngewOhnang im Denken and Handeln; Kraft ond Gewohn-
Mt der Oborlegong; Kraft sam geistigen Wachsen, nnd endlich Tatkraft
oder Tflehtigkoii
Wien. Dr. Job. EUinger.
Vierte Abteilung.
Miszellen.
Literarische Miszellen.
Erklärung der Eigennamen m P. Yergili Maronis cannina teleeta.
Herausgegeben tod J. Golling. 8. Aulage. Wien 1906» A. Holder.
S6 SS. 80. Preii 50 h.
DIeie Alphabetieebe, nach Bedarf mit ffani knappen Eriantenugen
Tenehene Zuaainmenitellang der in der bekannten oehnlaasgAbe vor-
kommenden Eigennamen liest nun in dritter, offenbar unTeranderter
Auflage Tor. Die Quantitatsbeieicbnung ist inkonsequent und daher irre-
fBhrend, vgl. i. B. Anehisiadea (ohne Laogeieichen) neben Aeaeides,
Aleides u. a., Atlas : Calchäs n. t. a., Caulon i Dolöth Oirce : dj^
mene n. a., Oyhebe: wonach diese Form wie Cybele sa betonen wira,
Cydon nnd iSairpedon i Automedön ond Medön, Dvmas : Acamäs
nnd BJrymäs, Ganges : Eydaspes nod Oaxes, öyas : PhUgyäSt
Maemon : Hammön, Phaethon : Phlegethön, Stimichon i Tarchön*
Gani Tereinselt ist die Quantität einer positionslangen Silbe angegeben
bei regna S. 8 und 22, bei Ismara S. 18. Zu Torbessem war 8. 8: im
Theben, Dameotas in Damoetäs (Tgl. £!urotas)t Dinaeus in
Diönaetts, S. 18 (s. t. Dorydtu): Bord in Beroit Eliaius in
Elysius, ä. 14 (zweimal): Erinnyes in Erinyes^ Nantes in Nautls^
S. 24 (s. T. Opts): Nmphe in Nymphe^ S. 29 (s. t. Sahina) : iSä^tntertsi,
s. ▼* iSSam«: Kephalenia in JZep^a^onio, iS^eiieZue in iS^/ieneliM. Irr-
tflmlieh ist die Bemerkung su Alddesi HerbuleSf als Nachkomme des
Alcäus (statt Alkeus) nnd 8. 81: Sita, Bergwald in Bruttium,
Wien. B. Bitschofsky.
Sechzig Jahre auf Habsburgs Herrscherstnhl. Von ProC Haas
Lichtenecker (Lichtbilderrortrag Nr. 18). 22 SS.
Kaiser Franz Josef I. Eine Festschrift zur Feier des sechiigjihfigea
Begierungsjubiläoms unseres Monarchen. Von Ferdinand Frank.
82 SS. Wien 1908. Yerlag Ton A. Pichlers Witwe ä Sohn.
Die beiden kleinen Festiehriften, alz Vortrage, bezw. als er-
läuternder Text zu Lichtbildern, die im gleichen Verlag orschienon, ge-
dacht, erfttllen ihren Zweck Tortrefflich. Beide wenden sich an die J^ead,
Miszellen. 1025
«ntera Tornehmlieh ao Schüler mittleren Alten, letstere, die mit hflbsehea
Bildern gexiert ist, Torwiegend an Kleine. Inhalt ond Sprache sind dem
festlichen Anlaste angepaßt, flberall iit die sorgflltige Feile erkennbar.
Mit der Haldi^ang der Personen ist die rühmende Hervorhebang baa-
Hcher Schönheiten Wiens geschickt verbunden.
Wien. Dr. Bndolf LOhner.
M. Wilh. Meyer, Vom Himmel und von der Erde. Stuttgart
nnd Leipiig 1908.
Achtiehn Kapitel oder eijgentlich achtiehn EesajB, in dem be-
kannten leicht fließenden und aniiehenden Fenilletonstil dos dem Pablikmn
sehr wohl bekannten Verfassers. Er plaudert Termisoht, so daß der Leser
nie ermüdet, über alles: Über die Schönheit nnd Nachteile des Stadt-
nnd Landlebens, den Brontosaurns nnd die Schönheit des menschlichen
Körpers; Tom ^ewigen paradisischen Sommer der Tropen* — die fast
ebenso ewigen, nichts weniger als paiadisischen Tropenregen überseht
der Verf. — von einer Nacht in Lnxor nnd Weihnachten in Capn —
Ton dem letiten Aasbrach des YesQT, von der Treptower Sternwarte nnd
Helen Keller; vom Badiam, der Fnnkentelegraphie, den Interglaiialseiten
nnd der Fabrikation von Glaslinsen. — Man sollte es kanm für möglich
halten, wie so heterogene Dinge alle in demselben Boche Fiats finden
können; nnd doch hat dieses der redegewandte Verl instande gebracht.
Besonders gefreot hat es mich, daß der Verl seine alte Ansicht,
daß die Marskanile Werke höherer Intelligensen seien, endlich fallen ge-
lassen hat, nnd daß er logibt, daß Capri für den Astronomen auch nicht
865 schone Beebachtnngstage im Jahre hat: «Seit acht Wochen will es
Frühling werden, aber es wird nicht Frühling". „Seit fier Wochen sehe
idi Ton meinem Fenster aas, wenn das Wetter etwas in sehen erlaabt. . .**
(pag. 204) and daß Capri, obswar poine rahige Insel mitten in der Um-
gebung Ton Vulkanen^ dennoch sekularen Schwankungen des Meeres-
niTsans nnterliegt, die bis lu 5 Metern und mehr betragen kOnnen. Da
dürfte es sich nach der Meinung des Bef. aber doch empfehlen, für eine
Sternwarte, die auf Kosten der Allgemeinheit errichtet werden soll —
eine noch ruhigere Gebend auszusuchen.
Zwei sinnstOrende Fehler kann Bei nicht nnerwAhnt lassen, pag. 16
heißt es „Der Augenschein trügt, das wissen wir alle leider längst";
natürlich soll es heißen: „Der Augenschein trügt leider, das wissen wir
alle Ungst** nnd pag. 247 wird gesagt, daß sich der Meridiankreis „in
einer absolut senkrechten* (statt „lotrechten*) Ebene bewegen muß.
Die Ausstattung des Buches ist recht gelungen; das Buch ist
durch lahlrdche interessante Illustrationen der Terschiedensten Art ge-
liert; nur mochte Bef. fragen, ob denn auf einer Einbanddecke die
Sterne bei hellichtem Tage fom Himmel geradeaus in einen Schorastein
hineinfallen müssen, damit die Moderne die Einbanddecke als schon be-
seiehnen soll.
Wien. N. Hers.
Vollständig gelöste Matarit&tsaofgaben ans der Mathematik
für Schüler der obersten Klassen an Bealschnlen und Gymnasien
sowie sum Selbststudium fen Frani Napravnik. Wien und Leipiig,
Franz Denticke 1907.
Das Buch bringt in seinen 284 Drackseiten 887 Aufgaben aus den
Terschiedenen Gebieten der Schulmathematik bis in die kleinsten Einiel
SdtMktift f. d. tatoxr. Qjmn, 1906. XL Haft. 65
1028 Prognunmenachao.
42. Jos. Bnbeuiöek, An der Schwelle Albaniens. Progr. des
deaUehen StaaU-GyinDMiains in Prag-Neiutadt 1908/04. Mit II Ab-
bildungeD. 18 88.
Von Getioje ins Aber Beifedere (720 m HeereshOhe), inmitten einef
karstigen Terrains, fohr Verf. binab in ein freandlicberes, flppigeres and
anellenreicbes Gebiet, nach Bijeka Cntojeriöi (20 m MeeresbOhe). Der
Ort maebt aebon ganz einen orientaliscben Eindroek; der Pflanzen wncba
ringsam erinnert an das aüdliebe Dalmatien, unter den Ealtaren sind
der Weinstoek and der Feigenbaam torherrscbend. Ohne sieb liier aaf-
lobalten, wurde der Dampfer bestiegen, der ans dem kanalartigen unteren
Lanfe des Bijeka-Floaaea in den 8katari-See fabr. Die aeiebten Ufer des
Flosses bieten yiel Abweebslnng in ibrer Vegetation ?on 8nmpf- ond
Wasserpflanzen y unter welcben die See- nnd Teicbroaen ausgedehnte
FlAcben decken. 8ilberreiber, Pelikane, Wasserbflbner nnd Wildenten
bringen Leben in das Bild. Der 8katarisee, ea. 40 km lang and 12 km
breit, birgt n. a. eine eigene Fiscbart [itklijeva serbiseb, searanta
italienisch); seine Fläche ist stets ein Spiel der Winde, von denen acht
ihm eigen sein sollen.
Nach 5V^tflndiger Fahrt wird beim Dorfe Siroka Anker geworfen
und Ton hier mit Barken nach Skntari übergesetzt. Die Stadt (¥on an-
gefibr 40.000 E.) ist flberwiegend albanesiseb, zum Teile auch aarbbeh;
teils mohammedanischen, teils katboliachen Glanbens. Die Gebriuebe,
die Trachten der Städter, das Leben im Bazar, das Aussehen der Um»
gegen d, die zar Stadt kommenden Gebirgsalbanesen worden, während des
zweitägigen Aufenthaltes, in Wort und Bild reprodoziert. Auf die mus^-
manniache Mißwirtschaft wird auch hingewiesen, welche u. a. die ¥om
Berliner Eongren (1878) zur Pflicht gemachte Begulierung der Bojana
(AusflaA des Skutariseea) unbeachtet läßt
In Skntari ist ein Jesuitenkollegiam, dem ein Zentralaeminar fttr
Albanien, das CoUeffiam XaTerianum, das Oratorium und das Mistions-
haas antertraat sind. Im Seminar werden die jungen Albanesen aof
Kosten der Osterreichischen Begierang zu Priestern ibres eigenen Volkes
herangebildet. Das ton den Patres geleitete Gjmnaaium ist mit reichen
Lehrmitteln aasgestattet. — Das Kollegium XaTerianum ist eine Schale
fflr auswärtige Scbfller; an demselben ist auch eine Sonntagsschule ein-
geführt. — Die Franziskaner leiten Elementarachulen and entfalten eine
aegensreiche Tätigkeit im Lande.
Herror^eboben mag werden, daß alle Jesuiten in Skntari Italiener
find, daher wird aach in ihren Anstalten die italienische Sprache gelehrt
Die Katholiken haben eine im Basilikeastil aufgefohrte und vor
kaum 10 Jabren Tollendete Kathedrale; auf dem großen Vorplätze dafor
erbebt sich die eribischOfliche, äußerlich stattliche, inwendig aber sebr
dflrftige Besidenz.
43. F. Vierhapper, Der Ejreislaof des StJckatoffeg im
Pflanzenreich. Proer. des Erzherzog Bainer^Gymnasioms im IL Be-
zirke Wiens 1904. 42 SS.
Die Pflanze bedarf des Stickatoffea, um die unentbehrlichen Eiweiß-
verbindungen in ihrem Organismus zu erzeugen. Die ton Boussingault
(1860) fea^eatellte Tatsache, daß die Pflanze den Stickstoff der Atmo-
sphäre nicht zum Aufbau ihres Körpers verwerten kann, aondeni, zur
Deckung ihres Bedarfes an diesem wichtigen Element, auf den im Boden
gebunden Torhandenen Stickstoff angewiesen ist — dieae Tataacho wurde
m den letzten Dezennien, fflr die grttne Pflanze, durch eine Eeihe fon
Versuchen seitens Terschiedener Forscher bestätigt. Es gilt heute als
sichergestellt, daß die im Boden Torhandenen Nitrate die wiehtigate Stick-
PiogrammeniicbaD.
10^»
Sto^queUa der frOnen Pflanze find, und daO sie in lebr TardCLßDter
n&i^senger LöaQc^, miiteh dar Wurzelt äti|^keit, fon dieser ßafgenommaD
werden. Ob aaeh die im Boden rorhandtinen Nitrale ihren Stickstolf tat
Pflan^enerDäbiun^ abgeben* iit nhtX ganx stcbar; hingegen ist daa
Ammoni&k gleicIifaUa eme Verbindung * wekbe den Stickstoff an die
Vegetation — freilich nicht fQr alle Fflanxea in gleichem Qrade — ab|?ibt.
iDtaretaant ist die Bildung de« gebundenen Stickstoffes im Boden^
nm 10 mehr ali Mineralef welche jeneo ürnndstoßf in i^ebundener Form
«Dthalten, &u£^erftt sehtn siod. Der in der Luft Torbandene Sticksto^
ivtrd, gelegentlicb elektriächer ätrOice f namentlich nach Gewittern) oijdiert
und durch ^Niederschläge in den Boden abgeführt; auch der im fioden
freie SUckatofF Termag, noter Einäuß der Elektrizität, ttieh zvi oxjdieren
und verbindet sieb dann mit den vorhandenen Elementen iTorwiegend
tnit Kalium und Kaltinm) zu Nitraten. Doch bleibt die Menge dea auf
diesem Wege entstandenen gebundenen iätickitoffes eine geringe. Eine
weitere Znfuhr TOn ^^^tickstofif bilden die in ZerieuuDg begriffenen BeetO
fon Organismen; aus diesen wird ttin&cbflt Ammoniak frei» das durch
fortgoeetue üijdation in SaipetersSure umgewandelt wird. Ganz beson-
ders wichtig $ind aber in dieser Bedebuug ne^risse Bakterien, fou dottea
einige den Btickbtoff aufspeichern (Stickstoffbtikterien], während andere
wiederum denselben ^toff aus Nitraten entweichen machen (Denitrifikations-
bakteri^nj.
]*)9 ist eine bedeutende Errungenichaft der leUten Jahrzehnte
iFastenr 1890 nsw)} daD man beutxntage über die Holle, welche die
Bakterien im ßoden »piekn^ geoaucr unterrichtet ist. Mau unt^rflcheidet
snnicbit proteotjtlj^cbe Bakterien (EiweiQierHet^er). Pflauxen und Tiere
rerweseni nach ihrem Absterben, und faulen. Die Verwtfiung wird durch
aerobe Bakterien (solche^ die tu ihrem Leben ^^aueritoff benötigen), die
F&ulnis dagegen durch ana^rnbe ?eranIaDL «.Die Leichen gehen lunächit
an der Oberfläebe dar eh die Wirkong der a^rnbeD Formen in Verwesung
Qber, während dann später ana€robe im Innern* wohin kein Sauerstoff
gelangt, die Fäulnis bewirken^. Das EiwelDmolek^il wird dabei tn mehr-
facne einfachere Yerbinduugen gespalten^ darunter -* hier ?on Belang —
in Ammoniak, dtickstüjf u&w. Daa Tom Boden feilgehaltene Ammoniak
wird, durch die Einwirkung ?on Nitrubakterien, lu Nitriten oxjdiert» die
ihrerseits in Nitrate ispäter umgewandelt werden (Winngradskj 1890)«
Daß djete Proiesse von tweierlei Ürganiemen ?ollingen werden^ ist nach*
gewiesen worden. Aber erst dann, wenn alle organische .Substanz durch
dies Proteoijten zersetzt worden ist, beginnt die Tätigkeit der Nitro-
bakterien. Eine wiebtigere Rolie kommt den Stickstoffbakterien iu, welche
den freien Stickstoff der Ltift xq binden Termßgen. Sie leben im Boden
nnd eignen sich d«n Stickstoff der Bodenlaft an, sowie den dnich Fäulnis-
nnd durch Denitnfikationsprozesse fm rorhandenen Stickstoff. Die Deni-
trifikationsbakterien r«tdutieretif gewObnlicb nur beim S«iuerstoffinangd,
diu Nitrate zu einfachere Verbiadungen, schließlich zu Stickstoff. Dieser
Vorgang entzieht selbstverständlich dem Boden den Stickstoff^ und steht
im Gegensätze zu den stickstoffbindenden Vorgängen (J. Kuhn 1901},
wodurch mehr oder weuiger ein Ausgleich in der Natur stattfindet. Wo
solcbei Dicht der Fall ist muß, bei Kulturen, der Mensch emgreifen und
den Boden rerbeisern.
Erwähnt sd hier gleich, daß ei aber auch Pflanzen gibt, welche
anf anderem Wege sich den Mickstoff verschaffen. Zunächst finden wir
solche, und for allem Filze, welche den Stickstoff der Atmosphäre direkt
sich innutze machen; andere Pilze termüpo auf Kosten Ton Nitraten,
nnd seitist von Nitriten (daran ter gewisse Schimmelarten), tn gedeihen^
andere entnehmen den Siicketüff dem Ammoniak (Hefe u, a,)^ auch gibt
es Pflanten« welche aus Äsparngiii iind ähnlichen Säareamiden^ aui
PeptoDen (Miisbrandbazilius), ans EiweiQorganismenjf£aci7fus Biphteriac)
ihren liebensunterhilt entnehmen. Ancli gibt es FÜte, welche Enzyme
lOSO Programmensehaa.
aiusQbeijeo ünj ^dflmit die .Zellulose oder andere l^ofalebjdrate sertetzeo.
Gan» eigenartig jet die Erfafth^ünj^sweise der. sogenannten fl^ifchfreiaenden
Qew&cbae, bei weleben aie tieriscben Gewebe, bexw. die beim Fanlen
der Tierlficben freiwerdepden Verbindungen, den Stickttoflfbedarf der
Pflanse decJ^en^ Bctüieftlicb sei npcb der chloropbyllosen Phanerogameii
ge<)acbt, .Welche den Stfokstoff sowie den Kohlenstoff nsw. von einer Wirt-
pflanze erwerben, anf welcher sieschmirotien.
Sieht man von den letsteren F^Ulen ab, so Ifti^t sich, der Kreisiaof
des Stickstoffes folgen derma^ßen darstellen,: «Die anf anorganischem Wege
gebildeten Nitri^te werden von der grfinen Pflanse aofgenommen and sn
Eiweiß yerarbeitet Näcbi ihrem, Tode geben die grflnen Pflansen diese
^iweiftiabstansen dem Böden infflck. Die proteolytischen Bakterien
spalten das Eiweiß in Ammoni^, Stickstoff nsw. Dieses Ammoniak, fom
Böden energisch, festgehalten« aient snm Teil gewissen grflnen Pfl.ansen
direkt all Nahrung, snm Teil wird es darch die Kitrobakterien in Nitrite
and, schließlich iii. Nitrate, die als wichtigste Stickstoffqaelle neuen
Gekierationen grflner Pflansen .zngnte kommen, umgebildet*.
Die Präge des Stickstoffes ist jedoch iron größerer Tragweite and
gemattet Einbficke in manehes andere biologische Kapitel^ das snr Gel-
tung kommt^ Gans besondere I^ebensformen sind nftmlich diejenigM, |
welche man mit den Ausdrdcken Symbiose und Metabiose beseicnnet. |
Symbiose (De Barj.1879) ist die Vereinigong iweier verschiedener
Lebewesen su gegenseitigem NatseUi häuptsftenlich sum Zwecke^ das Er-
werbes und der Verabreichung von Nahrung; also phTsiologisch eine
ErnAhrüngsgenossenBchaft. Von den fielen einschlftdgen Beispielen gehOrt
die oildung ton JtnOllchen an den Wurzeln ton Hfllsenfrflchtlern , von
^rUn u. a. hierher. Diese Pflansen fermOgen nur dann, in Bezog auf
die StickstoffernAhrune« selbat&ndig su sein, wenn sie mit eigenen Bak-
tek-ien, welche ^n, den KnOlIchen eine Herberge flnden, in Symbiose leben«
Sin gleiches gilt Von der Symbiose unserer Wäldb&ume and anderer
Pflansen, deren Wunelspitsen mit isinem Bypbengeflecht (Hykorrhisa)
umflochten sind, welches jene bloß äußerlich umhQllt (ektotroph) oder
selbst das Innere einzelner Zellen einnimmt (endotroph). Ober beiderlei
F&Ue — WurselknöUchen and Mykorrhisen — ist die Literatur in den
letzten Jahrtehnteh bereits mftchtig angewachsen. — Metabiose (Ward
läd9) ist dagegen das gesetsm&ßige Nacbeinanderauftreten ron Organis-
men, fon deneü immer der eine dem nächstfolgenden den Nährboden
Vorbereitet. In diesem Sinne wflrden sich die Bakterien ? erhalten, welche
weiter oben als proteqlVtische Nitrit- und Nitratbildner bezeichnet worden.
Im großen erf&nrt der Boden, durch aie Vegetation, eine Verar-
mung an Stickstoff und es stellt sich daher die Notwendigkeit ein, jenen
fflr die Landwirtschaft unentbehrlichen Grundstoff wieder zu ersetzen, so
wie ein Ersatz ?bn Phosphor oder anderen Nährstoffen im Boden not-
wendig wird. Dies geschieht durch die Düngung. Um den Stickstoff dem
Boden wieder zaznfflh^en, kann knan entweder zur Mistdflngung greifen,
welche aber immer nur geringe Stickstoffmengen entwickelt, oder die
Dfingung mit Kalisalpeter foroehmen, welche aber kostspielig ist. Für
fiele Pflankenkulturen und Bodenverhältnisse ist die sogenannte Grilo-
dflngung angezeigt, welche iih Unterpflflgen frischer Lupinen- oder anderer
Hüisengewächse besteht Aach sind Versuche im Gange, die Tätigkeit
und Vermehrung der im Boden schon forbandenen Bakterien su f&rdero.
£;ine fortgesetzte, zielgerechte ForEChang seitens des Gelehrten und seiteni
des praktischen tandwiites wird allmählich zur Losung dieser national-
OkuQOmisch so wichtigen Fragen fQbren.
Pola. B. Solla.
t^ünfte Abteilung.
Verordnungen, EHässe, Pörson&lätatistik.
Verordnungen, Erl&sse.
VerordDOttg dM HinisterB fflr Kolttii und ünterriebt vom 11. Jtt&i
1908, Z. 26.651, betreffend das PrAfen and Klasaihsieten ai^
Mittel seh Qlen (GyninatieTi, EealgjmDa^ien und Bealachilen). In der
Absicht, das Prüfen nnd KUaiLÜii^reD an den Mittel^ebuleo la T^reia
fachen and ft&r den Unterricht fmchtbater tn gü^i&lieu, und« ich Hieb-
iteheode Yerffls^ngen sn tiefen 1. Daä gemeiDaame ÄrbeUen ton Lebr«t
nnd ScbQlern Sat in größerem Aaimaß za pfit^geo ab biiber, d&s FrO^fen
anssebließlich znr Benrteilnk^ der ^<:holsrLeiettiDgeD [Prüfen mit KlaA«i-
flxiereto, Elassiflkationiprnfung) aaf das QDbedjtigt Notwendige xq be-
schränkiBn nnd soweit als mcg^licb darcb 4ie Erprobung der ^^cbfiler bei
der gemeinsamen Arbeit (diireU Orientierang^pr^rungon) zq erset2>-n.
2. Das Prnfangsverfahren sali nach der Eigt^nart der LeDrß:egeDatät}iit',
ganx besonders aber nach den f erschiedenen Alters- aod Bildungsstufen
der dehfller, Terscbieden eint;e richtet werden. 3. Yen den schnftliebeü
Arbeiten sind in Hinkunft nur die lehrplantnli^lg TorgeachnebeDen St^bui-
arbeiten (Kompositionen und eltixelne Diktate) ydid Lehrer iq k<»rrigiereQ
und tu klaasifizieren. Die schririiicben HaabarbeiUu (BanBübnrjgen., diu
Aufgaben Ans der Unterrichts vpracbe aoigenommenj sind nnter T6rE^t4rkter
Mitarbeit der Schüler wie Scbnlübonffen xa verbessem nnd im allgemeinen
nicht sa klassifizieren. 4. Bei stark besuchten Klassen ist es lol&ssig,
ans Lehrgegeost&nden , für die schriftliche Prüfungen nicht angeordnet
sihd, einmal im Halbjahre im Einternehmen mit dem Direktor eine
schriftliche Prüfung im Umfange eines mündlichen Examens vorzunehmen.
Die PrüfunfTsarbeiten sind Ton dem Fachlehrer zu terbessem und jede
mit einer Note versehen dem Schüler zurQckzustellen. Diese Note ist
ihrem Werte nach einer mOndlichen Leistung gleichzustellen. 5. Es wird
neaerüch und mit allem Nachdrucke iti Rrinneruag gebra<:bt, daß In
Lehrfftchern, aus denen schriftliche nnd müiitiUcbe PrQfungeQ stattfitiden,
eine höhere Bewertung schriftlicher PrüfungshistuDgen gepnüber tnüad-
liehen oder gar eine aasschliei^liche iierück^icbtigang »cbrirtlicher Lei-
stungen unstatthaft ist. 6. Konferenzen fiber di« Schülerleiituagen (Zeusai-
konferenzen) sind nur gegen Ende eioe^ jeden Semesterdnttelji abiüb^vlten*
Für diese Konferenzen ist in jedem G^genitande eine X^te fe«itzu st eilen.
Diese Noten sind spitestens einen Tag for der Kanferenf in Obersicbta^
bogen (Katalog^) einzutragen, die in einer beeocder^n Enbfik aucb dts
Wahrnehmungen über das Betragen and den Fbij^ derScbüier t^nthalten
soUen. Die bisher übliche Eintraguog der Noten aller Eluzeiprafangea
i
1032 VerordimiigeD, Erlftste.
kADD fallen gelMten werden. 7. Dm Ergebnis dar ersten nnd tweitea
Zensorkonferens eines jeden Halbjalires ist den Sehfllem mituteHen;
diese Hitteilong kann sich aach nor soweit erstrecken, als Anlafi in
Tadel Torbanden ist Das Hans wird mitteb besonderer Ausweise, in der
Regel nur von dem nngfinstlgen Ergebnis, schriftlich verstindigt. Den
Eltern (oder deren SteÜTertretem) ist es freiiostellen, anf diese Verstin-
digang la Tersichten. Bei Scbfllern der swei obersten Klassen findet eine
solche schriftliche Mitteilung nur aus besonderen Gründen statt. 8. Ober
das Ergebnis der Konferens am Schlasee des ersten Semesters erhält
jeder Sehttler einen Ausweis (Semestralzeognis), der die Noten ans allen
LehrgegenstAnden und das urteil Aber das Betragen, jedoch kein Urteil
über den Gesamterfolg su enthalten hat. 9. Am Ende des Schuljahres
wird den Schülern ein Jahresseugnis ausgefolgt, das außer den Noten in
den eiu seinen Gegenstflnden und dem urteil über das Betragen, die An-
gabe der Zahl der TersAumten und allenfalls nicht gerechtfertigten
Stunden und schließlich die Feststellung su enthalten hat, inwieweit der
Schüler lum Aufsteigen in die nftchste Klasse geeignet ist. Von der Auf-
nahme einer Fleißnote ist Umgang in nehmen. 10. Als Noten für die
Leistungen in den einielnen GegenstAnden haben su dienen: sehr gut,
gut, genügend, nicht genügend; als Noten für das «Betragen*: sehr gut,
^t, entsprechend, nicht entsprechend. Letstere Note ist besonders nnd
in bestimmter Form su begründen. Das Urteil über den Gesamterfolg
hat SU lauten: «Der Schüler ist (Tonüglieh, , nicht) geeignet, in
die nächste Klasse aufsusteigen**. Hat ein Schüler wenigstens in der
Hälfte der obligaten Gegenstände die Note nsehr gut* and in koinem
dieser Gegenstände die Note „genügend*, so ist er bei mindestens ent-
sprechendem Betragen als Mvonüglich* geeignet su erklären. Unbedeckte
Noten „gut* aus dem ebugaten Freihandseicbnen und dem Schreiben
bilden an Gymnasien kein Hindernis gegen die Zuerkennung dieses Prä-
dikates; an Kealscholen kann es jedoch in einem solchen Falle nur nach
besonderem Beschluß der Lehrerkonferens zugesprochen werden. Dagegen
besitst die Note „sehr gut** in diesen Gegenständen an Realschulen wie
an Gymnasien das gleiche Gewicht wie in den übrigen obligaten Fächern.
Hinsichtlich der Noten aus den relati? obligaten Gegenständen sind die
gegenwärtig {geltenden Bestimmungen sinngemäß aniuwenden. Die Note
aus dem ooligaten Turnen wirkt nur nach der günstigen Seite. Weon
ein Schüler nur aus einem Gegenstande nicht entsprochen hat, so ist er
nicht unbedingt für nicht geeignet su erklären. Vielmehr duf auf der
Unterstufe der Gymnasien nnd Realgymnasien ebenso der Realschulen,
iu soweit die Landesgesetse für letstere nicht etwa anders bestimmen, ein
Schüler, der in einem Spraohfacbe, in der Mathematik oder in der Geo-
metrie und dem geometrischen Zeichnen die Note „nicht genügend* er-
halten hat. aber nach Ansicht der Lehrerkonferens die geistige Reife Ar
die folgende Klasse besitst, für „im allgemeinen* lum Aufsteigen geeignet
erklärt werden, jedoch mit dem besonderen Beifügen, daß, falls er in
der darauffolgenden Klasse in dem betreffenden Gegenstande die Note
„nicht genügend" erhalten sollte, er diese Klasse unbedingt su wieder-
holen haben wird. Aus den übrigen Gegenständen, die gani oder teil-
weise mit dem Jahrespensum abscbließen, ebenso aus den oben beseich-
neten Gegenständen auf der Oberstufe sind Wiederholungsprüfungen
anter den gleichen Modalitäten wie bisher su gestatten, ti'effen die
Voraussetiungen für das bedingte Aufsteigen oder für eine Wiederholnngi-
Prüfung nicht zu, so ist der Schüler auch mit einem „nicht genügend*
für nicht geeignet su erklären. Rücksichtlich der relatif obligaten Fächer,
des obligaten Zeichnens, des Schreibens und des Turnens bleiben die für
das Aufsteigen geltenden Bestimmungen aufrecht Hat ein Schüler au
mehreren Gegenständen nicht entsprochen, so wird er als zum Aufsteigen
nicht geeignet erklärt Im einzelnen wird dazu bemerkt: Orientiemags-
Prüfungen sollen im allgemeinen am Anfang der Stunde Torgenommen
Verordnongen, Erl&ste. 1033
werden. Sie begleiten die Wiederholung und die Vertiefong dee dorch-
genommenen Lehrstoffes, die Erprobong, ob er richtig AiifgeuJ^t ond Ter-
arbeitet wurde, und die HerrorhebaDg jener Teile des frflher eingeflbten
Stoffes, An die bei der neuen Lektion anzoknflpfen ist Dasn sind mOg-
liehst fiele Sehfller heranzoiiehen und es sind daher an die einzelnen
Sch&ler nor knrse, knappe Fragen an stellen. Eine Klassifikation findet
biebei in der Regel nicnt statt, doch wird der Lehrer ans den Leistungen
der Sehfller Material fflr seine Beurteilung gewinnen. Zur ünterstfltiang
seines Gedftchtnisses kann der Lehrer einielne Wahmehmangen vormerken;
die Benfltzung eines Kataloges in der Klasse ist tunlichst lu Termeiden.
Gelegentlich kann auch schriftlich gearbeitet werden, i. B. bei der Ein-
übung grammatischer Regeln, bei mathematischen Ableitungen und
Übungen, bei Konstruktionen u. dgl. Die Sehfller arbeiten dann selb-
stftndig in ihren Heften und der Lehrer Terfelfft und leitet den Oaog
der Aroeit. Bei einzelnen Fftchem, insbesondere bei solchen, wo sich das
Urteil nur allmählich durch eine unausgesetzte Eiprobung entwickelt, wie
etwa in den Sprachen, zum Teil auch in der Mathematik, ferner bei
solchen, wo es sich mehr um Sehen und Beobachten handelt sIs nm die
Wiedergabe einer Partie des Lehrstoffes, wie etwa bei der Naturgeschichte
auf der Unterstufe, wird das Orientierungsprflfen die Regel bilden und
zur Beurteilung der Sehfller genflgend Gelegenheit bieten. In anderen
F&chern, namentlich in den höheren Klassen, wird man die Orientierungs-
prflfungen dort, wo Zussmmenfassnngen erfolgen werden, surflcktreten
lassen, um Zeit zu ersparen und die Sehfller an die selbständige Verar-
beitung grOi^erer Abschnitte zu gewöhnen. Wo KlassifikationsprAfongen
notwendig erscheinen, sind sie erst nach Abschluß eines wohldurchgear-
beiteten Abschnittes Torinnehmen. Der Omfang dieser Abschnitte ist
nach der Art des Gegenstandes und nach der Reife der Sehfller abzustufen
und wird demnach in den höheren Klassen natorgem&fl größer werden.
BeTor Klassifikationsprflfungen Torgenommen werden, soll durch die
Orientierungsprflfungen bereits herrorgehoben sein, was als wesentlich zu
dauerndem Besitz einzuprigen ist. Damit die Sehfller nicht zu umfang-
reichen Vorbereitungen in Terschiedenen F&chern zu gleicher Zeit genötigt
sind^ wird vor Beginn der Klassifikationsprflfungen flber größere Abschnitte
das Einvernehmen mit dem Klassenvorstande zu pflegen sein. Ferner ist
zu gestatten, daß Sehfller sich freiwillig zur Prflfang melden. In stark-
besuchten Klassen kann von der Klassifikationsprflfung solcher Sehfller,
flber die sich der Lehrer bei den Orientierungsprflfungen ein gflnstiges
Urteil bilden konnte, abgesehen werden; dagegen sind Sehfller, die nicht
während der ganzen Partie am Unterrichte teilgenommen haben, und
solche, flber die der Lehrer kein bestimmtes, insbesondere kein gflnstiges
Urteil zu gewinnen in der Lage war, unbedingt zu prflfen. Um dem
Lehrer eine raschere Entscheidung flber die Leistungen der Sehfller zu
ermöglichen, ist die Zahl der Abstufungen in den Noten Termindert
worden, und es ist wohl zu erwarten, daß von diesem Mittel zur Abkflr-
zung der ElassifikationsprOfung entsprechender Gebranch seraacht werden
wird. Hinsichtlich aller Prflfungen ist daran festzuhalten, daß biebei zwar
die etwa torhan denen Wissenslflcken aufzudecken sind, um deren Aus-
fflUong zu Teranlassen^ daß aber doch in erster Linie dem Sehfller Ge-
legenheit zur Erweisung seiner Kenntnisse zu bieten ist, um sein Selbst-
Tartrauen zu beben und ihn durch die Freude am Erreichten zu neuer
Arbeit aufzumuntern. Auf die Leistungsfthigkeit des Schfllers ist gebflhrend
Bedacht zu nehmen, allerdings mehr in der Fragestellan»c, als durch allzu
große Nachhilfe. Sorgfältig ist auch zu beachten, daß es sich bei den
Prflfungen um eine Erprobung nicht allein des Wissens und Könnens,
sondern auch der Urteilsfähigkeit handelt. Endlich ist die Prflfung so zu
fflhren, daß sie, namentlich in den höheren Klassen, immer mehr die
Form eines freien Gespräches (eines Kolloquiums! zwischen Lehrer und
8chfller annimmt, ohne daß jedoch der Sehfller an Selbstfindigkeit einbflßt.
1034 VerordnüDgen, Erlässe.
Was deb Prfifongsstoff betrifft, so ist, namfbtiicli in den unteren ElaiMeiif
nor solcher ^Lehrstoff in fordern, aer in den eingeführten Lehrbflehem
enthalten ist In den seltenen Flauen, wo der Lehrer genötigt sein wird,
mit Bt^eksicht anf die Fortscbntte der WisseDsehalt oder der Didaktik
▼pn dem Lehrbache absnweichen, sind die SehQl^ ai)f diese Abweiehnngea
besonders aufmerksam sn machen. Jede Prllfang ist anf das Wesentliche
äes Lehratoffes, d. h. aof den festen Stamm. des Wissens za besehrftnken,
der das^ bleibende Ergebnii der Beteb&ftignng n^it den Einselheiten des
betreffenden Wissensgebietes darstellt. Da die im Torstehenden angeord-
nete Verarbeitno^ des Lehrstoffes in der Sohnle einen beträchtlichen
Zeitaufwand bedinget, wird es um so notwendiger sep, i)berhaapt den
Lehrstoff sweckmAßig aastuwählen und stets auf das cum rollkommenen
Verständnis des weiteren Unterrichtes nnumgäu glich Kot wendige in be-
schränken. Die Art. und Weise der Heranziehung der Schttler tnt Ver-
besserung der schriftlichen Übungen wird dem Lehrer anheimgegeben;
es ist jedoch einem Verfahren der Vorsng, sn geben, bei dem die äcbfUer
nicht yeranlaßt werden, sich allsuTiel und bloß äußerlich mit den Fehlem
sn befassen, sondern sich Tor allem im Gebrauch d^es Richtigen fiban
können. Bei diesen Verbesserungen nnd bei allen Korrekturen Überhaupt
ist jede Vielschreiberei zu vermeiden. Die Zensurkonferenzen sind am
Anfang des Schuljahres durch den Direktor derart festzusetzen, daß die
einzelnen Konferenzperioden annähernd gleicbfiel Scbultage umfassen.
Die Konferenitage sind sogleich dem Lehrkörper mitzuteilen und zugleich
in der Anstalt Öffentlich bekanntzugeben. Die Konferenznoten werden
nach sämtlichen Leistungen des Schfilers in der betreffenden Periode und
mit Berücksichtigung der Note der Torangegangenen Konferenz gebildet,
so daß sie Abscblußnoten für den abgelaufenen Teil des Schuljahres dar-
stellen. Bei der ersten und zweiten Konferenz ist es gestattet, bei den
Noten einen allenfalls ? orhandenen Mangel durch einen Znsatz anzndeut^o,
keineswegs darf aber dieser Zusatz die Bedeutung der Note änfheben
oder sie wesentlich abändern. Femer ist ein auffallender Bfickgang dei
Schülers durch eine auch zur Verständigung des Hauses bestimmte Be-
merkung hervorzuhebeo. Auskünfte sind den filtern oder deren Stellrer-
tretern wie bisher im Sinne des h. o. Erlasses tom 1. Mai 1899, Z. 12.014,
zu erteilen. Da jedoch eine schriftliche Verständiirung des Hauses seltener
erfolgen wird und die Noten meist erst am Schlüsse des Konferenz-
abschnittes forliegen werden, sind difs üblichen Sprechstunden so einzu-
richten, daß ein reger Verkehr zwischen Lebrern und Eltern oder deren
StellTertretem leicht mOglich wii'd. Bei der dritten Konferenz des ersten
Semesters werden die Noten ebenso bestimmt, wie bei den früheren ; die
Note für das Betragen wird in der Konferenz festgestellt. Das Semestral-
Zeugnis ist als Abschrift des Obersichtsbogens (Eiitaloges) vom Klassen-
Yorstande auszustellen und von diesem sowie vom Direktor zn fertigen.
Auf Grund dieses Zeugnisses erfolgt die Würdigung der Stipendisten und
der Tom Schulgeld befreiten Schüler. Hinsichtlich des Vorganges im
Falle einer ungünstigen Klassifikation in einem Gegenstand, der im
ersten Semester abschliießt, bleiben die gegenwärtig geltenden Beitim-
mungen aufrecht. Gegen Ende des zweiten Semesters, und zwar noeh
einige Zeit tor der endgültigen Festsetzung der Noten Ist nnjber ftea
Vorsitz des Direktors eine Beratung über den Wissehaatand imi Äa
mutmaßliche Klassifikationsergebnis abzuhalten. Ist das Urteil dea Fldb-
lehrers über einen Scbüler nicht entschieden ungünstig, aOB^M to
schwankend, so wl eine Versetsungsprüfung in Gegenwart daa . ^
oder bei dessen Verhinderung in Gegenwart eines Lehrers dd^~
eines verwandten Faches Turzunehmen. Eine scbriftlicbe Va
Prüfung findet nicht statt. In gleicher Weise sind zum Seblllß i
Scholer noch einmal zu prQfen, bei welchen nach den
Schuljabre angenommen werden maß, daß sie in einem 0<.
Lehrziel nicht erreichen, somit ▼oraussicbtlich eina üng
Verordnangen, Erlftsse. 1035
erhalten werden. In beiden Fällen ist das Urteil dorch den prQfenden
Lehrer im Einfernehmen mit dem bei der Prftfaog anwesenden Direktor
oder Lehrer festtnstellen. Die Noten ffir das Jahreszengnis sind wie die
Konferenznoten zu bilden, doch iet den Leistoogen im letzten Konferens-
abschfiitt, sofern sie Zielieistnogen sind, ein grOi^eres Gewicht beizalegen..
Hat Übrigens ein Schiller in diesem Abschoitt nachgewiesen, daß er
frühere Mängel beseitige hat, so ist daraaf bei der Klassifikation BQckr
sieht zn nehmett.. Wenn änch bei der Bildnng der Schlußnoten ebenso
wie bei der Znerkennnng der Einzelnoten ein sorgsames Abw&gen nnd
das Streben nach Gerechtigkeit fflr jeden Lehrer die Biohtschnor biiden
mflssen, so soll doch Wohlwollen als wichtigste Bedingung jeder erzieh-
lichen Tätigkeit anch hierin snm Ausdruck kommen nnd dem Schüler
immer erkennbar werden. Diesem Grundsatz entspricht es, daß bei guten
Leistungen mit anerkennenden Noten nicht gekargt und beim Schwanken
zwischen zwei günstigen Noten der besseren der Vorzug gegeben werde.
Die Schlußnoten sind nach der Klassifikationskonferenz von den Lehrern
eigenhändig in den Hauptkatalog einzutragen. Das Zeugnis ist als Ab-
schrift des Hauptkatalogs vom Klaeseuforstand auszustell.en und ton
diesem sowie wotn Direktor in fertigen. In den Hauptkätalog nnd in das
Zeugnis sind auch die Noten aus den im ersten Semester abgeschlossenen
Fächern mit dem Beisatz «im ersten Semester <* zu übertragen. Hat ein
Schüler die Klasae wiederholt, so ist dies im Zeugnis nicht zu erwähoen.
In der obersten Klasse hat das Urteil über den Gesamterfolg zu lauten:
„Der Schüler hat somit die Klasse mit (Torzüglichem, , nicht
genügendem) Erfolg beendet*. Die Übereinstimmung der Zeugnisse mit
dem Hauptkatälog hat der Klassenvorstand unter Mitwirkung eines zweiten
Lehrers der Klasse festzustellen. Letzterer hat die Obereinstimmung durch
seine Unterschrift im Haaptkatalog zu bestätigen. Wiederholungsprüfangen
lind iebenso wie die VersetzungsprOfungen in Gegenwart des Direktors
oder eines zweiten Lehrers vorzunehmen; die Nöte ist in gleicher Weise
wie bei diesen Prüfungen festzustellen. Der bisher übliche Zusatz zur
Note yinfolee der Wiederholungsprüfung** ist bloß in dem Hauptkatalog,
nicht abeir in das Zeugnis einzutragen. Zur gleichmäßigen Bewertung der
Schttlerleistungen wira folgendes festgesetzt: Die Bezeichouni? „sehr gut**
ist fflr Leistungen bestimmt, die sich Über das durchschnittliche Maß der
Anforderungen erheben, ohne deshalb über die von SchQlern zu erwartenden
Leistungen hinauszugehen. Ober dieses Maß beträchtlich hervorragende
Leistungen können, jedoch nur auf begründeten Antrag des Fachlehrers
und nach Beschluß des Lehrkörpers durch einen besonderen Beisatz zur
Note «sehr gut** hervorgehoben werden. Als «gut** ist eine Leistung zu
bezeichnen, die sich als durchaus entsprechend, gemäß den an den
Durchschnitt der SchQler zu stellenden Forderungen darstellt Als «j^e-
nügend** hat eine Leistung zu gelten, wenn das Ziel des Unterrichtes
noch als erreicht angesehen werden kann, der Schüler also nicht in allem
das für den Durchschnitt der SchQler Geforderte geleistet hat. Leistungen,
die onter diesem Mini muni We^^n^ siod als ,^ nicht genügend ^ zi] bezeichne n.
Bei der Beurteilung^ des ßetrugcDi ist das VerhaLtt^i in der Schale gt:g«n
Lehrer und Schüler, dai VertiaEuu jiufl^rltaib der Schale aber nar inso-
weit, als sich die DiazipllnarrorBchriften auch darauf erstrecken! %n be-
rücksichtigen. Auch die Bebandlut^g der Hefte, Bücber a* ügl, die Pt^nkt*
liebkeit in der Lier^rang der ArheitfUt der Sehalbe^uch , sind dabei £tS
beachten. In allem i»t auch aiv Eigenart det Schulen enlapreebeiid
anzuschlagen.
Bei sinngemfifitfr Dürchfflhrting der Toi«t«b^odeii IJ«iitir:rTTTif:''-n fit
wohl zu erwarten, daü die eiugange d^r Vtrordtsoug erw^^ i^iWi
nicht ausbleiben werden , daß insbeaotid«^?«« aotb dhit jr^"' »^^r
wieder fon den Noten m^g &•»( die Ue^i^nfttlndr r
keit, Selbständigkeit nnd ihr Verantw^rü^^
ökonomische Verwertung dee Arbeil d^ '
^
1036 VerordnnngeD, Erl&sse«
angebahnt wird. Diese Vorteile können sich aber nar dann einstellen,
wenn die Lehrerschaft sich nicht darauf beschränkt, die Bestimmungen
und Batsehläf^e bloß pflichtgemflL za befolgen, sondern wenn sie anf dem
gewiesenen Wege fortschreitet und das empfohlene Verfahren aas eigenem
Antriebe weiter xn bilden trachtet. In mancher Hinsicht wird dadurch
eine höhere Arbeitsleistang der Lehrer bedingt sein, der freilich in anderer
Beziehnng eine nicht nnbetrftchtliche Entlastung gegenüber steht. Aber
selbst abgesehen Ton dieser Erleichterang darf gewiß ¥on dem bewährten
Pflichteifer der Lehrer und ihrem stets beknndeten Streben naeh Fort-
schritten in der Schale erwartet werden, daß diese aach fielen W&nschen
der Lehrerschaft entgegenkommende Beform zam Wohl der Sehale die
freudige Mitwirkung der Lehrer finden wird. Diese Verordnung tritt mit
dem Schuljahr 1908/1909 in Wirksamkeit. Hiedarch werden alle den
gleichen Gegenstand betreffenden Vorschriften, insoweit sie mit den Be-
stimmungen dieser Ministerialterordnung nicht im Einklang stehen, außer
Kraft gesetzt
Verordnung des Ministers fßr Kultas und Unterricht tom 21. Joni
1908, Z. 28.151, an sämtliche LsndesschuibehOrden, betreffend die Za-
lasBung der Absoltenten höherer Oewerbeschulen und Ter*
wandter Anstalten sur Reifeprüfung an Bealschnlen. Im Zu-
sammenhange mit der Neuregelung der Beifeprflfnngen an den Bealschnlen
(Ministeriaherordnung fom 29. Februar 1908, Z. 10.051), bezw. an den
höheren Gewerbeschulen ond an den diesen gleichgestellten höheren
Fachschulen (MinisteriaUerordnong Tom 23. April 1908, Z. 18.954), finde
ich die Verordnung vom 24. Juni 1905, Z. 10.966 (M.-V.-Bl. Nr. SD,
betreffend die Zulassung der Absolventen der genannten Anstalten sur
Ablesung der Maturitätsprflfung an Realschulen, abzuändern, wie folgt:
AbsolTenten einer höheren Gewerbeschule, der höheren Fachschule fftr
Textilindustrie (höhere Gewerbeschule mechanisch - technischer Bichtnng)
in BrOnn und der höheren Fachschule für Elektrotechnik am Technologi>
sehen Gewerberooseum in Wien, welche sich mit einem Beifezeugnis
dieser Schulen ausweisen, sind in Hinkunft, und zwar auf die Dauer der
gegenwärtigen Organisation der bezeichneten Anstalten, bei der Beife-
prflfung an Bealschnlen in nachstehender Weise zu behandeln: l. Sie
haben sich der schriftlichen Beifeprflfung in gleicher Weise nnd ans den-
selben Gegenständen zu unterziehen, wie öffentliche Schüler der Anstalt
2. Die mündliche Beifeprflfung dieser Kandidaten erstreckt sieh anf beide
Sprachen, die außer der Unterrichtssprache Gegenstände des lehrplan-
mäßigen obligaten Unterrichtes an der betreffenden Bealschule sind, auf
Geographie und Geschichte, auf Mathematik sowie auf Physik. Die mfind-
liche Prüfung aas der Unterrichtssprache und aus der darstellenden Geo-
metrie ist nur dann forzunehmen, wenn das Ergebnis der schriftliebeB
Prüfung nicht genügend war. Die Prüfung aus der Geographie und Ge-
schichte ist wie bei öffentlichen Schülern auf die österreichische Vate^
landskunde zu beschränken. Ans den übrigen obligaten Gef^enständeo
der Oberrealschule sind die Kandidaten vor der Beifeprflfung, jedoch nur
dann zu prüfen, wenn sie nicht in diesen Fächern an der höheren Ge-
werbeschule, bezw. an der höheren Fachschule Noten erworben haben.
Demnach hat die Prüfung aus der Chemie und dem Freihandzeichnen
allgemein zu entfallen. Bei der Beurteilung des Kandidaten sind die he-
sflglichen Noten des Gewerbeschul-, bezw. Fachschulzeugnisses entspre-
chend zu berücksichtigen. Im übrigen haben alle die externen Abiturienten
betreffenden Bestimmungen der Beifeprüfangs?orschrift für Bealschuleo
Anwendung zu finden. Den Absolventen der höheren Fachschule für
Textilindustrie (höhere Gewerbeschule technisch • kommerzieller Bichtung)
in Asch, der in dieser Verordnung nicht genannten höheren Fachschnitn
«les Technologischen Gewerbemusenms in Wien und anderer in demselben
Bange stehender Fachschulen können bei der Ablegung der Bealschul-
Penonal- und Schalnotizen. 1037
reifeprttfong ftllweiie fom Hiniaterinm für KaltOB ond Unterricht Be-
gttnstigangen erteilt werden. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft.
Verordnung des Hinisters fflr Enltns nnd Unterricht tom 8. Angnst
1908, Z. 84.180, betreffend die Errichtung ron achtklassigen fieal-
gjmnasien und Reform-Bealgjmnasien. Ich finde mich bestimmt,
DM lum Erlaaae eines Gjmnaeialgesetzes prorisorisch anzuordnen, daA
neben den bestehenden Bealgjmnaiien neu organisierte achtklaseige
Anstalten dieser Art nach dem nachstehenden Lehrplane (A) Tom Schul-
jahre 1908/1909 angefangen bei Vorhandensein der erforderlichen Lehr-
kräfte errichtet und daß flberdies mit Beform-Bealgymnasien Versuche
nach dem unten folgenden Lehrplane (B) angestellt «erden. We«ren all-
fUliger Umwandlung bestehender Gymnasien und Realschulen in eine
j 4. 1 X li. 11 der k. k. Landessehulrat , , ....
der genannten Anstalten wolle -j-. — . , ^.^ .^^ .^ — r- wohlmotiTierte
^ die k. k. ätatthalterei
eingehende Antrtee anher stellen.
(Die Lehrplftne sind im Schulbficherrerlage erhältlich.)
Das Recht der Öffentlichkeit wurde fftr das Schuljahr
1907/1908 Terliehen: dem Mädehenlyieum der Eogenie Schwanwald in
Wien sowie das Recht, Reifeprflfungen abzuhalten nnd staatsgflltige
Reifezeugnisse auizustellen; der VI. Klasse des Mädcbenljzenms der
Hietiinger LjzeumsgeseÜschaft und für das gleiche Sohu^ahr das Recht,
Reifeprflfnngen abzuhalten nnd staatsgftltige Reifezeugnisse auszustellen;
dem Mädehenljzeum in HOdling sowie das Recht, Reifeprfifhngen ab-
zuhalten und staatsgültige Reifezeugnisse auszustellen; der L, II. und
III. Klasse des Prifat-Mädchenljseums der Klosterfrauen Ton Notre Dame
de Sion in Wien; der I. nnd lil. Klasse des PriTat-Mädehenljseums der
Dr. Olga Steindler in Wien; der L und IL Klasse des Pri?at^Mädehen-
iTzeums der Dr. Rosa Fliegelmann im IX. Wiener Glemeindebesirke;
der I. Klasse des PriTat-Gymnasiums in Laiken t; der I. nnd III. Klasse
des städtischen Mädchenlyzeums in Znaim; dem Mädchenlyzeum in
Baden sowie das Recht, Reifeprüfungen abzuhalten und staatsgttltige
Reifezeugnisse auszustellen; der I., IL, III., IV. und V. Klasse des vom
Vereine „Rnthenisches Mädcheninstituf in Przemyäl erhaltenen Mäd-
ebenlyzeums mit ruthen. Untenichtssprache; der I. Klasse des Pritat-
Mädcbenlyzeums der Klothilde Liste in Wien; der I. und IV. Klasse des
städt Mädchenlyzeums in KOniggräti; der I. nnd IV. Klasse des städt.
Mädchen lyzeums in Pilsen; der V. und VI. Klasse des Mädehenlyzeums
mit deutscher Unterrichtssprache der Fanni ▼. Dittner in Lemberg und
fflr die gleiche Zeitdauer das Recht, Reifeprflfnngen abzuhalten und staats-
g kitige Reifezeugnisse auszustellen; der IV. und V. Klasse des Pritat-
ädcnenlTzenms der Salka Goldmann im XIX. Wiener Gemeindebezirke;
dem Mäochenlyseum mit bOhm. Unterrichtssprache in Bndweis sowie
das Recht, Reifeprflfnngen abzuhalten nnd staatsgflltige Reifezeugnisse
auszustellen, auf weitere drei Jahre; der II. nnd V. Klasse des städt.
Mädchenlyzeums in Chrudim.
Personal- und Schalnotizen.
Ernennungen (Verleihungen):
Zum Direktor der Realsch. im XL V^ener Gemeindebezirke der
Prof. an der I. Realsch. im II. Wiener Gemeindebesirke Hugo Lanner.
1039 Personal- ond ScfaoliioiiseD.
Zam Direktor der Bealich. im XV. Wiener Gemeindebeiirk« der
Prof. ah dieser Anstatt Eduard SokoII.
Zorn Direktor der Bealsch. in Wrschowitz der Direktor der Bealecfa.
io Bakoniti Wensel Macboü.
Zam Direktor der ReaUch. ip Prag-Holleschowlti-BabDa der Direktor
der Bealsch. in Pardnbitz Adalbert Paalqs.
Zam Direktor der Bealsch. in Pardubiti der Prpf. an der Bealach.
mit bObm. ünterriehtspraehe in PragAH«tadt Karl Eotrö.
Zorn Plrektor am griecb.-oneDt. Cymn. in Snaawa der Prof. an
dieser Anstalt Konstantin Kossowict.
Zum Direktor de^ Qjnin. in Frendenthal der Prof. am Ojmii. mit
dentscher Unterrichtssprache in Troppan Josef Br&anl.
Zum Direktor des VIII. Qymn. in Lemberg der Leiter der Filiale
am V. Gjmn. daselbst Stanislaqs Schneider.
Zam Direktor des II. Oymn. in Nen-Sandei der Leiter der Filiale
am Ojmn. daselbst Dr. Stanisians Klemensiewics.
Zam Direktor des IL poln. 6jmn. io Taroopol der Leiter der
Filiale des Gjmn. mit poln. Unterrichtisprache daseibat Michael Siwak.
Der mit der Leitoog des Ojmn. in Eimpolnog betrante Prof. an
der griech.-orient. Oberrealseh. in Csernowitz Dr. Daniel Werenka inm
Direktor des Gjmn. in Kimpolnng.
Zam Direktor des Gymn. mit bohm. Unterrichtespraehe in Olmfiti
der Direiitor des Gjmn. in Trebitsch Karl Kofinek.
Znm Direktor des Gjmn. in Trebiteoh der Prot am L bOhm. Qjma.
in Brunn Dr. Johann Korec.
Zum Direktor dee II. bohm. Gjmn. in Brflnn der Prof. an diaasr
Anstalt Thomas Silen^.
Zam Direktor dee Gjmn. mit bObm. UnterricfatMpraohe in Kremner
der Prof. an dieser Anstalt Friedrich Fialka.
Zam Direktor des nenen Gjmn. mit bOhm. ünterrichteiprache in
M&hriscb-Ostran der Direktor des ehemaligen Privat-Gymn. mit bOhm.
Unterrichtssprache daselbst Frans Ötastn^.
Zam Direktor des Gjmn. in Wadowice der Prof. am Gjmn. bei
St. Anna in Krakan Jobann Doroiiüski.
Zam Direktor des nanmehrigeo Staate Gjmn. in Hihriseh-Scbön-
borg der Direktor des ehemaligen Landes-Untel^ nnd Kommanal-Ober-
gjmn. daselbst Dr. Karl Zirngast.
Zam Direktor der Bealsch. in äniatjn der Prof. an der I. Bealsch.
in Krakau Hilarion Hotabowicz.
Zam Direktor der Handelsakademie in Kraken der Direktor des
Gjmn. in Bochnia Josef Kannenberg.
Znm Direktor des Gjmn. in üohenstadt der Prof. am II. bOhm.
Gjmn. in BrQnn Badolf Drofak.
Zam Direktor des Gjmn. in Gaja der Direktor das Kommanal-
Gjmn. daselbst Josef KUafta.
Znm Direktor des Gjmn. mit deutscher Unterrichtssprache ii
Olmflti der Direktor des Landes-Unter- ond Kommanal Obergjmn. ia
M&hrisch-Neasudt Adolf Dan manu.
Zam Direktor des Gjmn. in Triest der Prof. am Gjmn. in Inns-
bruck Josef Alton.
Zum Direktor am Gjmn. in Bregeni der Direktor der Bealaeh. in
Görs Josef Gassner.
Zum Direktor des Gjmn. in Asch der Prof. am Gjmn. mit deoteehsr
Unterrichtssprache in den Königlichen Weinbergen Karl jQtbner.
Znm Direktor des Oberrealgjmn. in Tetschen a. d. Elbe der Direktor
des KommunalObergjmn. daselbst Dr. Anton Schlolser.
Zam Direktor des IV. Gjqm. in Krakau der Direktor des I. Gjmn.
in Tamöw Boman Zawiliüeki.
Personal- and Sehnlnotiien. 1039
Zam Direktor des I. Gymn. in Tarnöw der Prot am IV. Gymn. i^
Krakaa Johann Jaglari.
Zorn Direktor des Gymn. in Mydlenice der Prof. am Gjmn. bei
8t. Anna in Krakaa Stanitlaoa Pardrak.
Zam Direktor des Gymn. in Zdlkiew der Prof. am Gymn. in Droho-
byei Kasimir Eliasi.
Zum Direktor des Gymn. im III. Wiener Gemeindebeiirke der
Direktor des AlbreehtGymn. in Tesehen Dr. Frani Spengler.
^ Zam Direktor des Prani Joseph-Gymn. in Wien der Prof. am Gymn.
im XIX. Wiener Gemeindebeiirke Dr. Karl Klement
Zam Direktor des Gymn. im VIII. Wiener Gemeindeboiirke der
Prof. am Akad. Gymo. in Wien Dr. Josef Jacob.
Zam Direktor des Gymn. in Freistadt der Prof. am Gymn. in Linz
Frani Lehn er.
Zam Direktor der Lehrerbildongsanstalt in BoToreto der Prot 9^m
Gymn. in Trient der Beiirkssebolinspektor in Cles Josef Dal Bi.
Der Prot am Gymn. im XIII. Wiener Gemeindebeiirke nnd Doient
an der ünitersit&t Dr. Bobert Käner der Stattbalterei in Triest, bezw.
den Landesscbalr&ten fflr Görs nnd Istrien proTisorisch znr Dienstleistang
'.,^ tagewiesen and mit den Agenden einea Landesschalinspektors betraat
Zam ord. Prot der bOhm. Literatargeschichte an der UniTersitit
in Prag der mit dem Titel eines aaßerord. Prot bekleidete PriTatdozent
ond Bealscbnlprot Dr. Jarosla? Vlöek.
Zam avGerord. Prot der deatschen Sprache nnd Literatar an der
'^ bOhm. Unifersit&t in Prag der PriTatdozent and Bealschalprot Dr. Josef
Janko.
Zam aafterord. Prot fOr Mathematik an der bOhm. Technischen
Hochsehale in Prag der PriTatdozeot an der bOhm. Unifersltlt in P^ag
J ' and Prot an der Bealscb. mit bOhm. Unterrichtssprache in Karolinenthal
Dr. Fraas Mnfll.
^ Als PriTatdozent fUr Mineralogie an der bOhm. Teehnischen Hoch-
' schale in Frag der PriTatdozent an der bOhm* UniTersitit ia Prag
Gymnasialprot Dr. Fran« SlaTik sagelasssen.
Als PriTatdozent fflr Geographie mit rathen. Vortragssprache an
der Philosoph. Fakolt&t der UniTersit&t in Lemberg der Prot an der
II. Bealsch. in Lemberg Dr. Stephan Badnicki zogelassen.
Als PriTatdozent ffir slawische Philologie mit poln. Vortragsaprache
an der pbilosoph. Fakalt&t der UnifersItAt in Lemberg der Prot am
VI. Gymn. in Lemberg Dr. Franz Kröek zogelassen.
Als PriTatdozent fOr französische Sprache and Literatur mit be-
sonderer Berflcksichtigang der ftlteren Zeit an der bobm. Unifersitftt in
Pra^ der Prot an der Bealsch. in Prag Yll Dr. Hazimilian Kfepinsky
zogelassen.
Als PriTatdozent fflr französische Literatar an der bOhm. UniTcr-
^' sit&t in Prag der Prot an der Bealsch. mit bOhm. Unterrichtssprache in
KaroUnenthal Dr. Prokop MiroslaT HaSkoTee.
Zam Mitgliede des Laodesschalrates fflr Istrien der Direktor der
Bealsch. in Pola Dr. Bfldiger Felix So Ha.
Zo Mitgliedern nnd Fachezaminatoren der Prflfongskommission für
du Lehramt an Gymn. and Bealscb. mit bOhm. Unterrichtssprache io
Prag, nnd zwar der aaßerord. Prof. an der bOhm. UniTorsit&t in Prag
Dr. Josef Janko zam Fachexaminator fflr Deutsch, der aaßerord. Prot
an derselben UniTersit&t Dr. Franz Cäda zam Fachezaminator fflr Philo-
sophie and P&dagogik, der ord. Prot an der bObm. Technischen Hoch-
schale ih Prag £mil Votoaek zom Fachezaminator fflr Chemie, der ord.
Prof. au derselben Hochschule Friedrich Prohäzka zum zweiten Fach-
ezaminator fflr darstellende Geometrie und der außerord. Prot an der
bohm. UniTersit&t in Prag Dr. Bohumil Kuöera zum zweiteo Fach-
ezaminator fflr Physik; im flbrigen wurde diese Prflfongskommission in
1040 Personal- und Schulnotizen.
ihrer dermftligen ZosammeDsetzang aaf die Dauer dea Stadienjahres
1908/1909 bestfttigt.
Zo Mitgliedern and Faehezaminatoren der Prflfangskommission fftr
das Lehramt an Mftdebenlmen in Innsbrack flir die Stndienjafare
1908/1909 und 1909/1910, and swar der ord. üniTersit&tsproC Dr. Wilhelm
Erben nnd der anßerord. üniTersit&tsprof. Dr. Michael Mayr au Faeh-
ezaminatoren fflr Qesohichte und der ord. Offentl. UniTorsititaprof. Dr.
Josef G mein er inm iweiten Faehezaminator fflr Mathematik.
Znm Mitglieds der wissenschaftliehen Frflfongskommission fBr daa
Lehramt an Qymn. nnd Realsch. in Wien» and swar sam Faehezaminator
ffir engl Sprache der ord. Offentl. ünifersit&tsprof. Dr. Karl Laick.
Zun Mitgliede der wissenschaftlichen Prftfongskommission fftr daa
Lehramt an M&dcbenlyzeen in Lemberg der ord. OffentL Prof. an der
ünifersitftt daselbst Dr. Cjrill Stadzi6ski.
Zum Mitgliede des Landeaschalrates ffir Salzburg der Direktor des
Gjmn. in Salzburg Johann Schmidt ffir dep Best der laufenden Funk-
tionsperiode.
Zu Mitgliedern des galizischen Landesschnlrates der Kuatoa dea
rOm.-kath. Metropolitankapitels in Lemberg Dr. Sigismund Lenkiewiei,
der Domherr des griech.-katb. Metropolitankapitels in Lemberg Emil
Biliüski, der armen.-kath. Erzbischof in Lemberg Josef Teodorowies,
der CTang. Pfarrer in Brigidau Senior Paul Kozdoü» der üniyersit&taprof.
Dr. Leo Sternbach in Krakan, der ünifcrsititsprol Hofrat Dr. Kasimir
Bitter t. Morawski in Krakau, der Prof. an der Technischen Hochaehnle
in Lemberg Thaddftus Fiedler, der üniTcrsitfttsprof. Dr. Cyrill Stod-
si6ski in Lemberg, der Direktor des III. Gymn. in Krakan Thomaa
Soltjsik, der Prof. an der Lehrerbildnngsanstalt in Lemberg Alezander
Bitter y. Barwiüski und der Direktor der Handelsakademie in Lemberg
Anton Pawtowski.
Zum wirkL Lehrer am Gymn. in Bregens der Supplent am Gymn.
mit deutscher Unterrichtssprache in Budweis Dr. Adalbert DepinyL
Zum wirkl. Lehrer am Gymn. in Iglau der Supplent am Gymn. in
Villach Ernst Keller.
Zum wirkl. Lehrer am' Gymn. mit deutscher Unterrichtssprache in
Olmüts der Supplent an der Bealsch. im VI. Wiener Gemeindebezi^e
Dr. Johann Buchst&tter.
Zum wirkl. Lehrer am Gymn. in Trebitsch der pro?. Lehrer am
PriTat*Gymn. in Wiscbau Eduard Skopal.
Zum wirkl. Lehrer am Gymn. in Sereth der Supplent am L Gymn.
in Csernowits Siegmund Katz.
Zum wirkl. Lehrer am griech.-orient. Gymn. in Snciawa der Snpplent
an der griech.- Orient. Bealsch. in Csernowits Christi Allaci.
Zum wirkl. Lehrer an der Bealsch. in BOhmiscb-Leipa der Snpplent
am Sophien-Gymn. in Wien Josef Ziegler.
Zum wirkl. Lehrer an der Bealsch. in Jidin der pro?. Lehrer an
der Bealsch. in Eakonits Jaroslaua Soukonp.
Zum wirkl. Beligionslehrer am griech.-orient. Gymn. in Soezaws
der suppl. Beligionslehrer an dieser Anstalt Dr. Orest Tarangnl.
Zum Hauptlehrer an der Lehrerbildungsanstalt in Polnisch-Ostras
der Prof. an der Bealsch. in KOniggrfttz Alois Li flick/.
Zum wirkl. Turnlehrer an der Bealsch. in Klagenfurt der rappl.
Turnlehrer an der Lehrerbildungsanstalt daselbst Josef Kofier.
Zum defin. Turnlehrer an der Bealsch. in Elbogen der defin. Volks-
sehuUebrer nnd Nebenlehrer an dieser Anstalt Wenzel Tnrko.
Zum defin. Tarnlehrer am Mazimilian-Gymn. in Wien der suppl.
Turnlehrer an der Bealsch. in Klagenfurt Johann Bergmann.
Personal- und Sehnlnotixeii. 1041
Zum defin. Turnlehrer am Gymn. in Villach der aoppL Tnmldirer
an dieser Anstalt Georg Franke.
Zum defin. Turnlehrer an der Realseh. in Lann der Sopplent an der
Bealseh. mit bohm. Unterrichtssprache in Karelinenthal Bndoif Lad man.
Zorn defin. Tamlehrer an der I. deotsehen Bealsch. in Brflnn der
Sopplent an dieser Anstalt Dr. Ednard Böhm.
Zum defin. Tnmlehrer an der Unterrealsch. in Pola der Tnmassistent
an der Frans Joseph-Bealscb. in Wien Karl Marc 9.
Zum defin. Tamlehrer am Mazimilian-Gymn. in Wien der Turn-
lehrer an der Lehrerbildangsanstalt in Elagenfort Heinrich G Ottine er.
Zorn defin. Turnlehrer am Oberrealgymn. in Tetschen a. d. Elbe
der defin. Tamlehrer am Komm.-Oberrealgymn. daselbst Frani Schick el.
Znm Tnmlehrer an der Lehrerbildanpanstalt in Klagenfart der
Oberlentnant in der BeserTC Heinrich Gottmger.
Zam Tomlehrer an der Lehrerbildongsanstait in Bodweis der soppl.
Tamlehrer an dieser Anstalt and an der Bealsch. mit deotscher Unter-
richtssprache daselbst Angost Bichter.
Zom proT. Lehrer am Gymn. in Linz der pro?. Lehrer am Gjmn.
mit deotscher Unterrichtssprache in KOnigl. Weinberge Dr. Paid Zincke.
Zom proT. Lehrer an der Bealsch. in Eibogen der gewesene Sop-
plent an dieser Anstalt Gnstav Gar eis.
Zom proT. Lehrer am Oberrealgymn. in Tetschen a. d. Elbe der
proT. Lehrer am Kommonal-Oberrealgymn. daselbst Oskar Kreibich.
Zom proT. Lehrer am Gjmn. in Capodistria der Sopplent an dieser
Anstalt Dr. Engen Sims ig.
Zom proT. Lehrer an der Bealsch. im Y. Wiener Gemeindebeiirke
der Sopplent an dieser Anstalt Dr. Karl T6th.
Zom proT. Lehrer an der IL deotschen Bealsch. in Prag der
Sopplent an der Bealsch. im IX. Wiener Gemeindebezirke Viktor Kerbler.
Verliehen worden erledigte Lehrstellen an Staats-Mittelscholen (im
Sommertermin): dem wirkl. Lehrer am Gymn. in Sereth Viktor Barleon
eine Stelle am I. Gymn. in Czeraowits, dem Beligionsprof. am Gymn. in
Pilgram Simon Bärta eine Stelle am Gymn. mit bOhm. Unterrichts-
sprache in Bndweis» dem wirkl. Lehrer am Gymn. in Bielitz Dr. Emil
Bansen wein eine Stelle am Gymn. mit deotscher Unterrichtssprache in
Prag-Keostadt (Stephansgasse^, dem wirkL Lehrer an der Bealsch. in
Kaehod Bichard Beringer eme Stelle an der Bealsch. in Tabor, dem
wirkL Lehrer am GTmn. in Hohenstadt Frans Biiy eine Stelle am Gymn.
mit bohm. Unterrichtssprache in Püsen, dem Prof. am Gymn. in M&hr.-
WeilVkirchen Dr. Oskar BrieA eine Stelle am I. deotschen Gymn. in
Brflnn, dem Prof. an der Bealsch. in Keostadtl Josef Broi eine Stelle
an der II. bOhm. Bealsch. in Pilsen, dem Prof. an der Bealsch. in Pfi-
bnun Karl Brnderhans eine Stelle an der Bealsch. mit bOhm. Unter-
richtssprache in Bodweis, dem Prof. am Gymn. in Pola Friedrich Bor-
kert eine Stelle am Gymn. im XVII. Wiener Gemeindebeairke, dem Prof.
am Gymn. mit deotscher Unterrichtssprache in Pilsen Dr. Theodor Cha-
lopa eine Stelle am Gymn. in Feldkirch, dem Prof. an der Bealsch. in
Beichenberg Dr. Karl D eotsch eine Stelle an der Bealsch. im XV. Wiener
Gemeindebesirke, dem Prof. am Beal- ond Obergymn. in Neobydiow
Anton Doleial eine Stelle an der Bealsch. in den Königlichen Wein-
bergen, dem Prof. an der Bealsch. in Bakonits Jaroslaos Doleial eine
SteUe an der Bealsch. mit bOhm. Unterrichtssprache in Prag-Hollescho-
wits-Bnbna, dem Prof. am Gymn. in Weidenao Wilhelm DreOler eine
Stelle an der Bealsch. im III. Wiener Gemeindebesirke, dem Prof. an
der Bealsch. in Proßnits Dr. Wenzel Dflrschmid eine Stelle an der
Bealsch. im XVL Wiener Gemeindebesirke, dem wirkl. Lehrer am Beal*
ZdtMhrill f. d. 6sterr. G7BU1. 1906. XI. Haft. 66
1042 F^cMoal- «ad fidralaotiseii.
«iid Obeigymii. in GaUoos a. K. Dr. SaIbiboil Ebreiifold cne Stelle
am Gymn. mit deatieher ÜDtemchtMprMlio in den KftnigiicbMi Weis-
bergen, dem Prof. am Gymn. in Kotunaa Hiluiea Fed«rowiei eine
Stelle am IL Gjma. in Ciernowiti, dem Prot am Laadea-Beal- «nd
Obeigjmn. in Kloatemeiiborff Adolf Fiieher eine Stelle am Gymn. im
Xllirwiener Gemeindebennce, dem Prot am Kosimnnal-ObergjBB. in
Londenborg Dr. Jobann Fries eine Stelle am Gjma. in Kroman, dem
Prof. am Gymn. in Leoben Dr. Joeef Gafiner eine Stelle am Gymn. in
Klagenfart, dem Prof. am Gymn. in Ober-Hollabnnn Dr. Jobann Grippel
eine Stelle am Frana Josepb-Gymn. in Wien, dem wirkl. Lehrer an der
Bealseh. in Teschea Dr. Böge Grobmann eine Stelle an der Realeeb.
im IX Wiener Gemeindebeiirke, dem wirkl. Lehrer am etidt. Ober-Real-
gymn. in Tetiehen Dr. Friedrieh Grflnwald eine Stelle an der Bealeeh.
mit deetieher ünterriehtatpraehe in KaroHsentd, dem Prof. am Gnnn.
in Friedek Frau Handl eine Stelle am Gymrn. in GHii, dem Pm. an
der Kealeeb. in Naefaod Dr. Guido Hodara eine SleUe an der Bealeeh.
in 2ittow, dem Prof. am Gymn. in Walaehieoh-Heteritaeh Teit HfiToa
eine Stelle am Gymn. mit bobm. ünteiriehtsepraehe in Olnrilti, dem «irkl.
Lehrer am Gymn. in Hiitek Fraai Hremddko eine Stelle am Benl- und
(ibergymn. in Klattai, dem BeUgionaprof. an der Bealeeh. in Bsbeoili
Ottekar Hyneä eme Stelle am Gymn. mit böhm. Unteiriditenraehe in
Pilsen, dem wirkl. Lehrer am Gymn. in WnlaeUeeh-Meeeritseh, in DieuAes-
laweisnag beim Gymn. in Preraot Dr. Agidins Jahn eine Stelle an
letiterer Anstalt, dem wirkl. Lehrer am ^yma. in ÜYebitaeh Johann
JankoTsky eine Stelle am Beal- and Obeigymn. in Chndim» dem wirkl.
Lehrer am Gjmn. in Mihrisch-Weißkirchen Badolf Kampe eine Stelle
am Gymn. mit deatscher Unterriehtssprnche in Prag-Neustadt (Stephaas-
gasse), dem Prof. am Gymn. in Taas weniel Kohont eine Stelle aa der
Bealseh. mit bOhm. Unterrichtesprache in Prag -Lieben, dem Prof. am
Gymn. in Marburg Jobann Koäan eine Stelle am I. G^mn. in Gras, dem
Prof. am II. deatscben Gymn. in Brfinn Benno Krichenbaner eine
Stelle am Elisabeth-Gymn. im V. Wiener Gemeindebetirke, dem Pntf. an
der Bealsdi. in Lann Alois Kelhinek eine Stelle an der Bealeeh. mit
bOhm. Unterriebtsspraehe in Prag-HoUesehewits-Bobna, dem Prall an der
Bealseh. in Kenstadtl Wensei Lande eine Stelle an der Bealeeh. in
Tabor, dem Prof. am Gymn. in Mihrisch-Trüban Dr. Otto Lebwobl eine
Stelle am Gpon. mit deotscher ünterrichtnpradie in Olmflti, dem Frei
am Gymn. in Villach Angnetin Lehofer eine Stelle am Gymn. im
XVII. Wiener Gemeindebesirke, dem Prof. am Beal- nnd Obergymn. ia
Kaiin Friedrieh Mach eine Stelle am Akad. Gynm. in Prag, dem wiikL
Lehrer an der Landes-Bealseh. in GroiS-Mesentsch Dr. Johaaa Maeki
eine Stelle am Gymn. in Preran, dem Prof. am Gymn. in Badaute Dafid
Mader eine Stelle am III. Gymn. in Giemowitii, dem Prof. aa der
Bealseh. ia Matoeha eine Stelle am Gymn. in Proftniti, dem Prot am
Gymn. in Weidenan Dr. Max Mayer eine Stelle am Gymn. im XVU.
^ieaer Gemeindebetirke, dem Prof. am Gymn. in Eger Joeef Melter
eine Stelle am Gymn. in Böbmiseh-Leipa, dem Prof. an der Bealeeh. ia
Kottenberg Josef Miknlik eine Stelle an der II. bOhm. Bealseh. in
Pilsen, dem Prot am Gymn. ia Spalato SUfias Miloslayiö eiae Btelle
am Gymn. in Bagnsa, dem Prot am Gymn. in Marburg Dr. Hans Moerti
eiae Stelle am III. Gymn. in Gras, dem Beligionsprot an der Beale^
mit dentseher Unterriehtesprache in Proftniti, in biensteesaweisoag ae
der Bealseh. mit böhm. ünterrichtsspraebe in Olmflti, Frani Nejeaehleba
eine Stelle an letiterer Anstalt, dem Prof, am Gymn. in KOniggriti Karl
NoTäk eine Stelle am Gymn. mit bOhm. Unterriebtsspraehe in Prag»
Kleinseite, dem Prot an der Bealeeh. an Jiöin Frani NoTeta/ eiae
Stelle an der Bealseh. mit bOhm. Unterrichtsq^radie in fiadweis, dem
Prot am Gymn. in Klagenfart Eduard Nowotny eine Stelle am Gyma.
im UL Wieaer Gemeiadebeiirke, dem wirkl. Lehrer an der Bealeeh. in
: «ine «uiw wm om oomhil miv mmm.
m, dm FwbL «b QftUL in GaÜMliM
UM Gvmn. in Fita, dm PMf. un €/■».
» Stolle ftm iOnm. att dentoeher Datov-
PflEHNul- md ikkoinotiteii. 1048
TmMi Dr. Smii Oswald eine Stelle tu der Frans JfmephapBeaMi. ia
Wien, dm Prof, m Ofinn. in SOaiginlief Fiiedridi Pnli(ikn eine Btolle
an der Bealeck. in Jong^noBlnn, dem Piot 9m der Bealeeh. in Bakonita
ft Rnbert Paiek eine Steile an der Aealseh. mit Mks. Uaterriokteepraehe
r. in Ftig-AHikadt» dm Pf«l nm Qjmm. in Kminbnrg Aatnn Peterlin
IQ eine fiielle am iL Qrmn. in Laihaeh, dem viffcl. Lahrer am Midehenr
( lyeeim in Lm De Emmeneh PslUvitaeff me Stelle an dar SeaUL
^, in Stefr, dam Prof. an der Bealaek. in Adlarkeeteieti Leo Pisa «ine
Stall« an der L bttm. Bealash. in Pilean, dm PiuL am Ojmn« mit bOhm.
UntaniebtMpnMiie in Olmttts Dr. Jeaef Podpöra eine Stall« an der
i, IL bitei. Bealeeh. in Brtnn, dem Pm£. am Cfymn. in Pradniti Dr. Anten
, P«lik me Stelle aa derfieakmh. mit bohm. DntenMrtetpmebe in Bod*
, wm, d0m PreH m Qrmm. in Miatek Johann Prdfiek «me Stelle m
Oimn. mit b»hm. OntarriebteaimAe in Qlmftti, dm wiiU. Lehrer m
w Gjmn. in PÜbrm iJikm Prehlik «ine Sfedle aa der BeaMt mit b0hm.
\ Ontainefateepiaflhe in Piaf-Ueben»
Di^ Karl Pradiafor eine Stelle am 4
in LandakNn Dr. Karl Baah eine Stolle am^Oymn.
riehteemehe in Prag-Altatadt, dem wirkL Lehrer am Ojmn. mit deatieher
Untoriletafteepeaehe in Ungariieb-Bradieeh Dr. Bichard Baithel eine
Steile an der Bealeeh. im VIL Wiener Qmiindebeiirke, dm Prot aa
an der Bealeeh. im Y. Wieaar Oemeiadebeiiike Dr. Budolf Biehter ake
Stelle an der Bealseh. im L Wiener Qemeiadeberirke, dem Pnrfl am
Gyma. ia Onmadea Karl Bndlof eine Stelle am Gjma. mit dentedier
Unterriehtitpraehe in den Kdniglieben WeiabeigeBt dem Prot aa der
Laadee-Beabeh. in Mihiieeh-Oetraa F^wn Bjfiinek eine SteUe an dar
Bealeeh. in Zttkow, dem Piol am Otm. m Cilli Joeef Sehlemmar
eine Stelle an der Bealich. im VIII. Wiener Gemeiadeiifke, dem Prot
am Gjam. in Znaim Bodeif Sehneeweifl eine Stelle am Qjmn. im
^ X¥IL Wiener Qemeindebeiiiket dem Prof. an der Bealeeh. in PiaAaiti
^ Prani Sehnbert eine Stolle an der Baaladi. im XVIII. Wiener Ge-
meindebeiirfce« dem Prof. aa der Bealwh. in Masbarg Adam Schab eine
SteUe aa der Bealaofa. im VIIL Wiener Gemeindeheaiike, dm ?n£ aa
^ der Bealeeh. mit denteeher UnterriebtBe|Mraehe in Barolinenthal Dr. Aatoa
^ Seibt eiae Stolle aa der Bealeeh. im XYOI. Wiener GaaMindebaiirke,
^ dm Prof. an der Bealeeh. mit denteeher Unterriehtemraohe in Karolinonthal
Jniine Seifert eine StoUe an der I. dentaphen Bealeeh. in Prag, dem
• wiikL Lehrer am Gjmn. in SiraiDito Frani Simek eine St^e am Gymn.
^ in Beneechaa, dem wirkl. Lehrer am Gjma. mit bObm. Dntofricbteepnehe
<^ in Mihrieeh-Oetsaa Joeef Sindeidf eiae Stelle am Gymn. w WaUchieeb-
• ^ Meeeiiteeh, dem wirkl Lelver am Prirat-Gymn. mit bohm. Untorriehto-
i' Miaehe in Wiechaa Joeef Siaie eiae Stolie am Gyma. in Taae, dem
Prof. aa der Laadee-Bealaeh. in Gewiteeh Frana Slavlk ehie Stelle aa
i der IL bobm. Bealeeh. in BrOna, dem wirkl. Lebrar am Gymn. in Mdhr.-
SehOnberg Emil Sparrer eine Stolie am III. Gymn. in Gaernowiti, dem
Prol an der Bealeeh. in 2iikow Dr. Jaroaiana ätaetn;^ eine Stolle am
i Gymn. mit bflhm. Untorriebteepraebe in Prag (Tieehlergaeae)» dem whrkL
^ Lehrer an der Bealeeh. in Teaehen Aognetin Steiner eine ätoUe an der
^ Bealaeh. m Teplita-SebOnaa, dem Prof. am Gymn. mit bobm. Unteniebto-
epraehe in Mdbriech-Oetran Heinrich Steinmann eine Stelle an der
I Bealeeh. mit bohm. ünterriebtosprache in Olmftti, dem Prof. am Gymn.
i* in Hohenetadt Joeef Straka eine Stolle am Gymn. in Tabor, dem Prof.
'^ an der Bealeeh. in Jdgerndorf Dr. Frani Stranfi eine Stelle an der
Bealeeh. in Lim, dem Prof. an der II. denteeben Bealeeh. in Brflnn Dr.
Stephan S tri gl eine Stolie an der Bealeeh. im XV. Wiener Gemeinde-
f^ beurke, dem wirkl. Lehrer an der Bealeeh. in Trantonan Dr. Leo Stncblik
eine StoUe an der III. denteeben BeaUcb. in Prag, dem Prof. am Qmn.
mit bChm. Uaterriehtsspraebe in Pileen, in Dieneteeiaweienng am Baal-
und Gbergymn. in Smiefaow, Dr. Emaanel Tama eine Stolle an letalerar
' 66*
1044 Penonal- ond Sehnlnotisaii.
ADstali» dem Prof. an der fiealseh. in Jan|rbnniUv BohnikT Trnhiif
eine Stelle an der Bealwh. mit b<^hm. Untemehtiepraehe in KaroUntnthal,
dem Prof. am Qrmn. mit böhm. ünterriobteepraehe in Piken Dr. Ernannt
Yebr eine Steife am Gymn. mit böhm. Unteiriehtttpraehe in Pracr-KleiB-
leite, dem Prof. am Gjmn. mit itaL ünterrichtteprache in Zara Agidine
Violin eine Stelle am Qjmn. in GOn, dem Prof. am Gtuul in BadoUn
wertb Aloia Yirbnik eine Stelle am II. Gymn. in Laibaeh, dem Prof.
am GjmD. in Taue Alois Yldek eine Stelle am Gymn. mit bOhm. Unter-
richtaipraohe in Prag-Kleinidte, dem Prof. am Gymn. in Nenbaoa Zdenko
Yyeok^ eine Stelle am Gymn. mit bOhm. Unterrichtespraehe in Zükow,
dem Prof. an der Bealaeh. in Marburg Engen Weber eine Stelle an der
II. Bealieh. in Grai, dem Prof. am Gymn. mit dentaeher ünttmehu-
■praehe in Troppan Dr, Angntt Werkmann eine Stelle am Karl Lndwig-
Gymn. in Wien» dem Prof. an der Bealieh. in Jigemdorf Adolf Wol>
enowe eine Stelle an der Bealieh. in Kofitein, dem Prof. am Gymn. in
Pilgram, in Dieniteiinweirang an der Boalieh, mit bOhm. Untontehfei-
■praehe in Prag-Kleinieiti, Dr. Josef Woldfieh eino Stolle an dieaor
Anitalt, dem FroL am Gymn. in Mihriieh«TrflbaQ Frans Zimmermann
eine Stelle am Gymn. in Gi)n, dem wirkl. Lehrer an der II. destMhen
Bealieh. in Prag Dr. Joief Znek eine Stelle an der Bealieh. im IX. Wtenor
Gemeindebesirke, dem Prof. an der Landes- Oberroalioh. mit dontsoher
Unterriobtsspraehe in QOding Johann Zupanee eine Stolle an dar
II. dentsehen Bealieh. in Brflnn, dem Prof. an der Landes -Bealseh. in
Batsehowiti Frans Zvöfina eino Stelle an der Bealsch. mit bOfam.
Unterriehtsipraohe in Olmikts.
Ernannt: A. Zn wirkl. Lehrern an Staats-Mitteliehnlon: a) die pro?.
Lehrer: Badolf Baoer Tom Gymn. mit dentieher Unternohtupraehe in
Troppan fOr diese Anstalt, Dr. Ernst Bloch ?om M&dehenlyionm in Mihr.-
Ostran fflr die Bealaeh. in Proßnits, Dr. Paal Blam Ton der Bealaeh. in
Teschen für diese Anstalt, Dr. Karl Bobleter Tom Landea-Beai- ud
Obergymn. in Hom flir das Gymn. in Feldkiroh, Zaeharias Bornstein
Ton der Bealsch. in Tesehen fttr diese Anstalt, Georg BoüdoTiö ?on
der Bealsch. in Spalato tfkt diese Anstalt, Frans Dissertori Ton der
Bealsch. in Dombirn f&r diese Anstalt, Dr. Budolf Egger Tom Gymn.
in Pola VU das Gran, in Klagenfort, Josef Hergoth Tom GrmB. mit
dentscher Unterricntssprache in Smichow fttr diese Anstalt, Dr. Ernst
Hladny Tom Gymn. in Sakbürg fttr das Gymn. in Leoben, Wensel
Hromädka Ton der Bealsch. in Pardnbiti fflr die Bealsch. in Adler-
kostdets, Dr. Artnr Hrnby rom Gymn. in Triest fflr diese Anstalt,
Jolins JaroBch Ton der Bealsch. im T. Wiener Gemolndeboiirke fflr
dieie Anitalt, Zdenko Kamper Ton der Bealieh. in Jongbunslan fttr dai
dortiffe Gymn., Alfred Kaaaelka Tom Gymn. im TL Wiener Gemolnde-
besirle fflr diese Anitalt, Josef KaTka Tom Gymn. in KOniggrits fflr
die Bealieh. in Pardnbits, Friedrich Keller Ton der Bealsch. im
YL Wiener Gemeindebesirke fttr diese Anstalt, Dr. Angnst Bitter Ton
Kleemann Tom Akad. Gymn. in Wien fflr diese Anstalt, Dr. Ernst
König er Ton der Bealsch. in Jägemdorf fflr diese Anstalt, Alois
Kreissei Tom Gymn. in Mies fttr diese Anstalt, Jaroilaos Kronpa Ton
der Bealsch. mit bOhm. Unterrichtssprache in Bodweis fOr die Bealsch.
in Lann, Frans Kflhnl Tom Gymn. in Beichenberg fflr diese Anatalt,
Dr. Bicbard Lederer Ton der Bealsch. in Troppan fBr diese Anstalt,
Josef Lipburger Ton der Bealsch. mit deutscher Unterrichtsspraohe in
Pilsen fflr das Gymn. mit deutscher Unterrtehtiipraehe in ungarisch-
Hradiich, Joief Lncska Ton der landwirtichaftlichen Landeo-Mittelseh.
in Csemowits flkr die griech.-orient. Bealieh. daselbst, Dr. Johann Mfl hl-
b ach er Tom Gymn. in Weidenan fflr diese Anstalt, Dr. Mazimiliaa
Nistler Tom Sophien-Gymn. in Wien fflr das Gymn. im VU. Wiener
Gemeindebesirke, Anton NoTäk Tom Gymn. in Strainiti fttr dieeo AnstaM^
Dr. Jobann Pa? In Tom Karl Ladwig-Oymn. in Wien fflr daa Qjmn. in
Penonal- und Seholnotixen. 1045
Znaim» Joief Rain er Tom Gymn. in Mies fflr diese AdsUII, Dr. Friedrieh
Rolf ▼OD der Landet-Oberreiütch. in Brflnn fAr die Franz Joseph-Realsch.
in Wien, Dr. Joief Stall er ▼om ü. Grmn. in Gras flr diese Anstalt,
Dr. Max Samee Ton der Realseh. im YII. Wiener Gemeindebeiirke fOr
diese Anstalt, Weniel Schüler Ton der L bOhm. Realsch. in Pilsen f&r
diese Anstalt, Dr. Anton Siegmnnd vom Gymn. in BOhmiseh-Leipa für
diese Anstalt, Weniel Spaöek Tom Gjrmn. in Randniti für diese Anstalt,
GnstsT Tögel Tom Gymn. in Aussig fflr diese Anstalt, Dr. Bfetislav
Vjskodil Tom Gymn. in Dentsehbrod fflr diese Anstalt, Dr. Adolf
Watske vom Gymn. mit deatseher Unterrichtssprache in Troppan fflr
diese Anstalt, GnstaT Wiesner Tom Grmn. in Gottichee für das Gymn.
in Bflhmisch-Leipa; b) die Sapplenten: Ferdinand Bachl von der Realsch.
im X. VHener uemeindebesirke fflr das Gymn. in Yiliaeh, Trajan Bar-
gan an von der griech.-orient. Realsch. in Ciemowits fflr diese Anstalt,
Engelbert Bartel Tom Karl Lndwig-Gymn. in Wien fflr das Gymn. in
Karlsbad, Wladimir Batha Yom Gymn. in Schlan fflr diese Anstalt, Dr.
Joaef Bandid Tom Akad. Gynm. in Prag fflr die Realsch. in Jongbnnilaii,
Ottokar Bednar Ton der Realsch. im XYIIL Wiener Gemeindebesirke
fflr die Realseh. in Brock a. d. Mnr, Dr. Karl Beer Tom Gymn. im
III. Wiener Gemeindebeiirke fflr die Realsch. mit deutscher Unterrichts*
Sprache in Karolinen thal , Josef Brad45 Tom GTmn. in Pilgram fflr das
ymn. in Tans, Karl Bf esina Tom Gymn. mit bohm. Unterrichtssprache
in Pilsen fflr das Gymn. in ReichecMi, Dr. Hugo Bure seh Ton der
Realsch. ijm •XVIII. Wiener Gemeindebeiirke fflr das Gymn. in Bxelits,
Adalbert Gern^ Tom Gymn. in Leitomischi fflr das Gymn. in Pilgram,
Johann Cisai Ton der Realsch. in Klagenfurt fflr die Realsch. in
Bflhmisch-Leipa, Karl Ghotek tou der Realsch. in den Königlichen
Weinbergen llkr das Real- und Obergymn. in Nenbydiow, Adolf Cierny
Tom IL Gymn. in Csemowitz fflr diese Anstalt, Anton Dan^CTiö Tom
Gymn. in Spalato fflr diese Anstalt, Josef Deissinger Ton der Realsch.
im I. Wiener Gemeindebeiirke fflr die II. Realsch. in Grai, Dr. Alois
Dejaco Tom Gymn. in Innsbruck fflr das Gymn. in Gottschee, Ladislaus
Demkow tou der Realsch. mit bflhm. Unterrichtssprache in Prag-Klein-
seite fflr die Realsch. in Rakonitz, Dr. Richard Dobner Tom Gymn. in
3aas fflr diese Anstalt, Arkadius Dngan Tom griech.-orient. Gymn. in
Suciawa fflr diese Anstalt, Jarosiaus Duiek Tom Gymn. mit bOhm.
Unterrichtssprache in Prag (Komgasse) fflr das Gymn. in Rokyean, Alfons
Bisenberg Ton der Realsch. in Klagenfurt fflr die Realsch. in Laibach,
Mendel Fei 1er Tom III. Gjmn. in Csemowiti fflr das Gymn. in Radauti,
Josef Fessi, Lehramtskandidaten, fflr das Gymn. in Gottschee, Ladislaus
GardaTsk^ Ton der I. bOhm. Realsch. in Pilsen fflr die Realsch. in
Rakoniti, Marin GaTraniö Tom Gymn. in Ragusa fflr das Gymn. in
Cattaro, Josef Gflßl Ton der I. deutschen Realsch. in Prag fflr die
Realsch. in Trautenau, Simon Gstaltmayr Tom Landes-Real- und Ober-
i;ymn. in Baden fflr das Gymn. mit deutscher Unterrichtssprache in
Mährisch-Ostrau, Dr. Josef HanuS Ton der Realsch. in den Königlichen
Weinbergen fflr das Real- und Obergymn. in Kolin, Dr. Richard Haß-
fnrther Ton der Realseh. in Triest fflr diese Anstalt, Rudolf Hein Ton
der Realsch. in Steyr fflr die Realsch. in Lim, Dr. Alfred Hertska tou
der Realsch. im I. Wiener Gemeindebeiirke fflr die Realsch. in Reichen-
berg, Friedrich Hirsch Tom Albrechts-Gymn. in Teschen fflr das Gymn.
in Gottschee, Dr. Ewald Hof er Tom II. Gymn. in Gras fflr das Gymn.
in Mährisch* Weiflkirehen, Adolf Hof mann tou der Realsch. in Elbogen
fflr die Realsch. io Bergreicbenstein, Frans fioleöek Ton der Realsch.
in den Königlichen Weinbergen fflr die Realsch. in Pisek, Dr. Leo Hor-
nung Tom Gymn. mit deutscher Unterrichtssprache in den Königlichen
Weinbergen fflr das Gymn. in GOrs, Johann Hosiowski Tom Gymn. in
Kottman fflr diese Anstalt, Dr. Jarosiaus Hrubant Ton der Realsch. in
den Königlichen Weinbergen fflr die Realsch. in Kuttenberg, Zdenko
1046 Penenal- «nd fiMralnoOseiL
Hajer tom Qrmt. ia Prac (KongiiM) flir dat Gymn. nit bdtai. UbIv-
ridilifpnMhe n FSImd, Ateaiider Jasaii Tom ^aek-Mfiant. Gynift. ia
SaeKMTft ftr diaaa Anatalt, Karl Jan fam Orm». in Pilgnui fOr diaaa
Anstalt, Karl Kap^art Tom Gjwn. mit bOb». Uatawiclrtaapniaha in
ÜDgariaeli.Hndiaab f8r daa Qjmn, is MIatak, Alfrad Klvjr vooi L Qywsm.
in CiaiBOwHi ftkr daa III. Gtodb. daaalbat, MilaaUT Kopal von dar
Baakah. in Jnngbanslan fttr dia Baalaeh. in Pffbram, Joaef K^paaky
▼am Erabanog Batear-Oynn. in Wian fBr dia Baalaeb. in Taaaban,
Biduurd Kam r^m Gymn. mit dantadiar UntarriofatMpnaba in Prag-
Klainaeita fflr daa Saal- nnd Obargymn. in Onblom a. i. N., ¥iktor
Kornfaind vom Gymn. mit daataebar Untarriatattapraebe ia Gfantti tU
dia üatarraalaab. in Pola, Karl Kramäf Tom Gjmn. in Jidin ftr die
Bealacb. in SobMtanhafan, Ednard Kronpa vom Gyaui. im XÜL Wianar
Garaaindabaiirka fflr daa Gymn. in Waidenaa, Dr. Joaef Lacknar van
dar Baalaeb. im IX. Wianar Gamaindabaiirka fflr die II. daataaba Baalaeb.
in Brflnn, Jalini Landig tod dar Baalaeb. im KT. Wianar Gemaiiida-
batirka Äf dia Baalaeb. in Baicbanberg, Brieb Laablaitnar Tan dar
Baalaeb. ia Triaat fttr das Gymn. in Cilli, Dr. Bmil Labmann t«b dar
L Baalaeb. in Grai flIr daa Gymn. in Landakron, Frans Laxa «»n dar
BaaUeh. in Bakoniti fttr dieaa Anatalt» Amnlioa Li tw in ine vam
III. Gymn. in Ciamowiti fflr diaae Anatalt, Dr. Alfrad La kack ?aa dar
Baalseb. in Tronpan fflr diaaa Anstalt, Josaf Haeb ?am (^mn. in
Kflniginbof fflr aas Gymn. in Bokyean, Josef Marini mm Gyan. in
Gflrx für dia Baalaeb. in Hosen, Wantel Hartinek Ton dar Baalaeh. in
Tabor fttr daa Gymn. in Leitomiaebl, Dr. Wilbalm M atbeaiva tob dar
Bealseb. mit bflhm. Untarriebtaspraeba in Prag-Altatadt fflr dia I. b«bm.
Baalaeb. in Pilsen, Joaef Matonft von dar Bealacb. in Jidin fttr dir
Baalaeb. in Naebod, Leopold Mogan vom Gymn. in Klaganfart fflr die
Baalaeb. ia Brack a. d. H., Viktor Morarin vom grieeb.HMrient. Gymn.
in Snesawa fflr dieaa Anstalt, Joaef Hots von der Handele* nnd nanti-
sebeo Akademie in Triest fflr daa Gymn. in Bovarato, Emil Mneka vam
Sopbien-Gymn. in Wien fflr das Gymn. in Friedek, Lndwig Nimae vaa
dar Kommnnal- Baalaeb. in Nimbarg fflr die Bealaeb. in Sebflttenhefan,
Miloalav NeaUdek vom Gymn. in Kflniggriti fflr die Baalaeb. in Naebad,
Jobann Nevole von der Bealseb. im vi. Wiener Gemeindabasirka fir
dia Bealaeb. in Knittalfaid, Lodwig Nicolini vom Gymn. in TiiaBt i
(ital. Abtaitong) fflr diaaa Anstalt, Bmat Nitscba an der Bealaeb. ia |
£gar ftr die Baalaeb. in Bergreäebenstein, Dr. Wladimir Noväk von d«
Bealseb. mit bOtam. Ünterriehtsapraebe in Prag-Menatadt fflr daa Beal>
und Obargymn. in Kolin, Dr. Lndwig Panek von dar Baalach, im
KVIII. Wiener GemMndebezirke fflr die Bealseb. mit dentaehar Uater>
ricfataspracbe in Olmfltt, Dr. Friedrieb Petermann von dar I. Baatscb
in Grat fflr die Bealacb. in Bmck a. d. Mar, Jaaef Petr von dar Bealaeb.
in den KGniglieben Weinbergen fflr die Bealseb. in Pardnbiti, Dr. H«a-
ricb Ploy von der Bealseb. im V. Wiener Gemeindebeairka fflr die
Bealseb. in Bieliti, Isidor Poebmarsky von der griech.'Orient. Bealaeb.
in Ciernowits fflr das Gymn. in Seretb, Bndolf Pregelj vom Gynsa. ia
Mitterbnrg fflr diese Anstalt, Anton Baban von der Bealseb. in des
Kflnigüeben Weinbergen fflr die Bealseb. in Jiain, Ferdinand Bemp raa
der I. Bealaeb. im II. Wiener Gemeindebeiirke fflr die Beabcfa. i£
Knittelfeld, Jesef Bnpert von der Bealaeb. in Leitmariti fflr daa Gyma.
in Bomborg, Tbeopbil San eine vom L Gymn. in Ciemowiti fftr dae
lU. Gymn. daselbst, Pias Sebatser vom Gymn. in Feldkircb Ar das
Gymn. ia Gmnnden, Mattbflna Sebwarsenbrannar vom Gymn. ia
Leoben fflr die Bealacb. in Knittelfeld, Arnold Sebwafal von dar
L dentaeban Bealaeb. in Brflnn fflr die Bealacb. mit dantacber üntaniehta-
Sraeba in Proftniti, Dr. Leopold Seltenbammer von der Bealseb. ioi
L Wiener Gemeindebesrrke fBr die Bealseb. in Taschen, Joaef Simioa
von der Bealseb. in Bovereto fflr diese Anstalt, Jnlina Singer von im
Personal- atd SdmlMtiseii. 1M7
^. IL denltcheii Bealadi. in Brttnn für die IL dentaebe Bealieh. in Praf»
i^ Karl Sitte Ton der Bealaeh. in Beichenberg ftr diese Ansialt, Jaroalav
2^ SUdek Tom Gymn. in Walaebiseb-lieseritieh für die Bealscb. in Nea-
ga stadtl, Weniel Slosar Ton der Bealscb. in Pfibram Ar diese Anstalt,
Dr. Johann 80 leb Tom Gjmn. im VL Wiener Gemeindebesirke fftr das
III. Gtsui. in Grat» Karl Bommeregger von dar Bealseh. in Salsbnrg
für dieae Anstalt, Lodwig äteiner Ton dmr Bealsch. mit dentseber
Untefrichtsspraehe in Olmflts für die Bealseb. in BOhmiseh-Leipat Dominik
Stff brny Yon der Bealseb. in Tabor f&r die Beaiseb. in Kladno, JobaaB
dabert vom Gjmn. in Boskowits fflr diese Anstalt, Dr. Heiniich Svo-
boda von der Bealseh. in Laibaeh fftr diese AnsUlt Dr. Albert Thal-
hammer ?om I. Gymn. in Gras fikr das Gmn. in Gotfcsehee, Dr. Kad
Tool Tom Gjmn. mit bohm. Ünterriehtsspraene in Bndweis für das Gjaut
in Pfibram, Johann Trtfnf Tom Beal- nnd Obeigjmn. in Kolin für das
Gjmn. in Tans, Adalbert Tneek ?on der grieeh.-orieni Bealsch. in
Giemowits ftr diese Anstalt, Dr. Hermaan üllmann Tom Gjmn. in
Lini fOr das Gjnm. in Mfthriseh-Trflbaa, Dr. Baimnnd Ullrieh vom
Ojmn. im III. WiMier Gemeindebesirke fOr das Gjmn. in Yillaeh, Frans
Uznn vom Gjmn. mit serbokroat. Unteiriefatsspraehe in Zara fftr dsa
Gjmn. in Spaiato, Frans Vafenka von der Bealseh. in Pübram fflr
diese Anstalt, Demeter Vasiiovici vom IIL G^jmn. in Csemowits fftr
die ffriseh.-orient. Bealsch. daselbst, Bichard Yojidek fon der Bealseh.
mit bohm. Unterrichtssprache in Prag- Kleinseite fflr die Bealseh. in Adler-
kostelets, Weniel Yoska vom Gjmn. mit bOhm. Unterrichtsspraehe in
den Königlichen Weinbergen fflr das Gjmn. in Wittingao, Bobnfl Vrsala
von der Bealsch. mit böhm. Unterrichtsspraehe in Olmflts fflr das Gjmn.
"^ mit bohm. Unterrichtssprache in M&hriseh-Ostran, Dr. Leo Walter von
der Bealseh. in Ber|reichenstMn fflr die Bealsch. in Marborg, Paai
i^' Wanie vom Gjmn. in Bofamiseh-Lsipa fBr das Gjmn. in Eger, Adolf
•^ Wirth vom Gjmn. in Mfthrisch-SchOnborg fflr diese Anstalt, Biehard
f- Wolf vom Gjmn. in Boskowits fflr diese Anstalt, Maximilian Wnnder-
J'' lieb v^n der Bealsch. in Knittelfeld fBr das Gjmn. in Pola, Theodor
tV Wnrm von der Bealseh. mit dentscher Unterrichtssprashe in Pilsen fflr
y!^ dieee Anstalt, Wonsel 2Ubek vom Gjmn. in Wittingan fflr das Gjmn.
dl in KOniginbof, Anton Zo gl mann vom Beal- nnd Obergjmn. in Cbrndim
it^ fflr das Gjmn. in Bokjcan, Frans Znnd61ek fon der Bealsch. mit
:ii bOhm. Untezrichtssprache in Prag-HoUosehowits-Babna fflr die Bealseh.
e'^ in Bakonits.
„i B, Zn prov. Lehrern an Btaats-Mittolsebnlen : die Snpplenten: Dr.
;v> Emil Allgaeaer vom G^n. in Salsbnrg fflr diese Anstalt, Frans
r > Aroeker vom Gjmn. in Leitmerits fflr die Bealseh. mit dentscher Unter-
.;^ riditssprache in Pilsen, Josef Bochar vom Beal- nnd Obergjmn. in Praj
j^;* (Kiemeneegasse) fflr die Bealsch. in Jongbnnslan, Seveiin Co Im an o vom
^if Gjmn. in Bregens fflr diese Anstalt, Alois Diehtl von der I. bOhm.
^: Bealseh. in Brflnn fflr das Gvmn. in Proftaits, Zvonimir ven Doroghj
,^^: vom Beal-Untergjmn. in Krapma fflr das Gjmn. in Mitterbnrg, Dr. Jobann
^ Ei hl vom Karl Lndwig-Gjmn. in Wien fflr das Akad. Gjmn. daselbst.
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:i
Dr. Marios Filsi von der Bealseb. in Bösen fflr die Bealsch. in Kafstetn,
^^ Dr. Emil Gaar, Lehramtskandidaten, fflr das Gvmn. in Ober^HoUabmnn,
'.^ David Gelin er von der Bealseh. mit dentscher Unterrichtssprache in
^'^ Earolinenthal fflr diese Anstalt, Alfred Grimm fom Gjmn. mit dentseher
^
Unterrichtsspraohe in Prag-Nenstadt (Stephansgasse) fflr das Gjmn. mit
^ dentscher Unterrichtssprache in Mährisch- Ostran, Josef H arl aß vom Gjmn.
'•.' in Mies fflr diese Anstalt, Georg Heidler vom Gjmn. in Kmman fflr
i:^^
daa Gjmn. mit dentscher Unterrichtssprache in Mftbriseb-Ostrao, Gottfried
^ Hilber, Lehramtskandidaten, fflr das Gjmn. in Triest, Frani Hasäk
^ '^ von der Bealsch. mit bobm. Unterrichtssprache in Karolinenthal fflr die
^/. Bealseh. mit bobm. Unterrichtssprache in Bndweis, Vinsens Levldnik,
^ . Assistenten an der Landes-Bealsob. in Brflnn, fflr die Bealseh. in Spaiato,
1048 Penonal- und Schnlnotiieit
Dr. Robert Loh an ?om Gjmn. im XIII. Wiener QemtindebMirk fftr die
Oymii. iD Klagenfort, Karl Mack, Konetraktear an der TacbBiiehen
Hoofaschnle in Wien, fflr die Realsch. im XIII. Wiener Gemeindebeiirke,
Ferdinand Meier Tom Gymn. in Kiagenfort ffir die Bealaeb. in Triett,
Franz Beiniach tod der I. Bealsch. im II. Wiener Gemeindebeairke Ar
die II. Bealsch. in diesem Beiirke, Itrael Schleyer Tom III. Gjmn. in
Ciemowiti fflr dieee Anstalt, Med. Dr. Lotbar Skalla Tom Gymn. im
XVUL Wiener Gemeindebesirke für diese Anstalt, Dr. Karl Stranaky
Ton der BeaUcb. in Troppan für die Bealsch. mit deotscher Unterrichts-
sprache in Pilsen, Josef iStarm, Probekandidaten am Gymn. mit deotoeher
Unterrichtssprache in Prag -Altstadt, für das Gymn. in Mahriseh-WeilS-
kirchen, Josef Voit Tom Gymn. mit deotscher Unterrichtssprache in
Pilsen für das Gymn. in Karlsbad, Dr. Heinrieh Win sauer, Probe-
kandidaten, für das Gymn. in Mibrisch-Weißkirehen, Friedrieh W ei-
se gger von der Bealsch. in Lins für diese Anstalt, Zdenko Z&hof von
der Bealsch. mit bObm. Unterrichtssprache in Karolinenthal für die Bealsch.
in Pardobits, Badolf Zdenek fon der Bealsch. im VII. Wiener Gemeinde-
besirke für diese Anstalt, Adalbert Zyeh ?om Gymn. mit poln. Unter-
richtssprache in Tesehen für diese Anstalt.
Zum Beiigionsiehrer an Staats- Mittelschnlen Viktor Schimanek,
soppl. Beiigionsiehrer an der Bealsch. im VIII. Wiener Gemeindebeiirke,
für diese Anstalt.
Verliehen worden erledigte Lehrstellen an Staats-Mittelschnlen (im
Herbsttermine): dem wirkl. Lehrer am Gymn. in Friedek Dr. Erwin
Barta eine Stelle an der II. Bealsch. im IL Wiener Gemeindebeiirke,
dem wirkl. Lehrer am Gymn. mit bOhm. Unterrichusprache in Badweis
Frans BartoYsk^ eine ätelle am Gymn. mit bOhm. Unterrichtasprache
in Pilsen, dem ehemaligen Lehrer an der Infanterie-Kadettenschole ia
Prag k. nnd k. Hauptmann Dr. Bodolf Binder eine Stelle an der Bealsch.
in Gürz, dem Prof. an der Bealsch. in Beichenberg Dr. Simon Binder
eine Steile an der Bealsch. im XYIII. Wiener Gemeindebeiirke, d«ii
Prof. am Gymn. im XXI. Wiener Gemeindebeiirke Dr. Ignai Brommer
eine Stelle am Gymn. im III. Wiener Gemeindebeiirke, dem Prof. am
PriTat-Gymn. in Hohenstadt Sererin Oejna eine Stelle am Gymn. daselbst,
dem Prof. an der Bealsch. mit bObm. Unterrichtssprache in Oimüti Habeit
Doleiil eine Stelle am IL bühm. Gymn. in Brunn, dem wirkl. Lehrer
am Gymn. in Boskowitz Frans Doncha eine Stelle am Gymn. in KOiug-
gr&ti, dem Prof. am Privat-Gymn. in Hohenstadt Karl Fad ms eine
Stelle am Gymn. daselbst, dem Prof. am I. dentschen Gymn. in Brunn
Dr. Ernst Fasolt eine Stelle am Akad. Gymn. in Wien, dem Prot am
PriTat-Gymn. in Hohenstadt Dr. Josef FiSer eine Stelle am Gymn. da-
selbst, dem Prof. am Gymn. in Gürs Dr. Gasta? Hemetsberger eine
Stelle am Gymn. im Xlll. Wiener Gemeinde bezirke, dem Prof. am Gynu.
in Krainborg Engen Jarc eine Stelle am I. Gymn. in Laibaeh, dem Prof.
am Gymn. in Saas Dr. Hermann Kl aaser eine Stelle am Gymn. in
Oberhollabrunn, dem Prof. am Gymn. in Walachisch-Meseritsch Wensei
Kmlnek eine Stelle am Gymn. in Hohenstadt, dem Prof. am Gymn. in
Kaaden Erwin Korkisch eine Stelle am Gymn. im XVIII. Wiener Ge-
meindebesirke, dem wirkl. Lehrer am Gymn. in Kaaden Dr. Josef Kr am er
eine Stelle am Gymn. in Krems, dem Prof. am Prifat-Gymn. in Hohen-
stadt Anton Mälek eine Stelle am Gymn. daselbst, dem wirkl. Lehrer
am Prifat-Gymn. in Hohenstadt Josef Mali f eine Stelle am Gymn. da-
selbst, dem Prof. am Gymn. in Aman Dr. Frans Moadry eine Stelle
an der II. dentschen Bealsch. in Brunn, dem Prof. am Gymn. in Mihr.-
Ostraa Alfred Mühlhaaser eine Stelle am Gymn. im XVIII. Wiener
Qemeindebesirke, dem Prof. an der Bealsch. in Görs Adolf Müller eine
Stelle am Erzherzog Bainer-Gymn. in Wien, dem Prof. am Kommanal-
Bealgymn. in Kornea bnrg Frans Kengebaaer eine Stelle an der Bealsch.
im IX. Wiener Gemeindebezirke, dem Prof. am Gymn. in ProAnits Josef
PexBonal- und SehBlnotixen. 1049
NoT^k eine Stelle am IL bohm. Oymn. in Brtnn, dem Prof. un Grmn.
in KOniggrftti Eduard Proch^ika eine Stelle am Gymn. in Kenbaas,
dem wirkL Lehrer am Gymn. in Iglan Dr. Johann Badnitsky eine
Stelle am Akad. Gymn. in Wien, dem Prof. am Landei-Gnnn. in rettan
Dr. Agid Bais eine Stelle am Gymn. in Lini, dem Prof. am Albreeht-
Gymn. in Tesehen Dr. Otto Bommel eine Stelle am Akad. Gymn. in
Wien, dem Prof. am PriTat-Gymn. in Hohenttadt Badolf Sehonk eine
Stelle am G^n. daaelbst, dem wirkl. Lehrer an der Bealech. in Troppaa
Dr. Maximilian Sehleeer eine Stelle an der Bealach. im IIL Wiener
Gemeindebesirke, dem Prof. an der Landea-Bealach. mit dentseher Unter-
riebtstpraehe in Leipnik Dr. David Schmid eine Stelle an der Bealieh.
in Teeehen, dem Prof. am Gymn. in Aman Karl Sehnee eine Stelle am
L dentschen Gymn. in Brunn, dem Prof. an der Bealteh. in Wamadorf
Ferdinand Sehern eine Stelle an der Bealeeh. in Trautenao, dem Prof.
am Gymn. in Bregens Frani Sehrempf eine Stelle an der Bealeeh. in
Salibnrg, dem Prof. am Albreeht-Gymn. in Tesehen Dr. Lvdwig Sehwein-
berger eine Stelle am Gvmn. im XXL Wiener Gemeindebesirke, dem
Prof. an der Bealeeh. in Machod Heinrieh Spal eine Stelle am Beal-
and Obergymn. in Klattan, dem wirkl. Lehrer am Pritat-Gymn. in
Wischan Engelbert Sabert eine Stelle am Gymn. in Hohenitadt, dem
Prof. an der Bealeeh. mit dentecher Unterriehtaaroraehe in Olmflts Lndwig
Tesaf eine Stelle an der Bealeeh. im XIIL Wiener Gemeindebesirke,
dem Prof. am Beal- nnd Ohergpan. in Gabions Dr. Friedrieh Tits eine
Stelle an der Bealeeh. im AY. Wiener Gemeindebesirke, dem wirkl.
Lehrer am PriTat-Gymn. in Hohenstadt Jotef Tom ä Sek eine Stelle am
Gymn. daaelbst, dem Prof. am Gymn. mit denteeher Unterriehtsspraehe
in Prag-Kleinseite Dr. Otto Trantmann eine Stelle am Gymn. im
VL Wiener Gemeindebesirke, dem Prof. an der Bealeeh. mit bOhm.
Unterriehtsipraehe in Bodweis Joeef Vau eine Stelle an der Bealeeh. in
Prag-Altitadt, dem wirkl. Lehrer am Gymn. in Proßnits Josef Ylöek
eine Stelle am L bobm. Gymn. in Brflnn.
Ernannt: Jl Zu wirkL Lehrern an 8taate-Mittelsehiilen : a) die pro?.
Lehrer: Dr. Karl Oserwenka Ton der L Bealaeh. im IL Wiener Gemeinde-
besirke Ar daa Albreeht-Gymn. in Tesehen, Dr. Josef Dinkbanser Ton der
Bealeeh. in Lins für das Gymn. in Innibraek, Dr. Siegfried Federmann
Ton der Landes«Bealseh. mit dentseher unterriehtsspraehe in Goding f&r
die Bealsch. mit dentseher Unterriehtsspraehe in Pilsen, Heinrieb Hai dl
Tom Gymn. in OberhoUabmnn fflr diese Anstalt, Frans Keilwerth Ton
der Landee-Bealich. in BOmerstadt für die Bealeeh. in Eger, Dr. Paal
Krdm6fik Tom Gjmn, in Saas fflr das Gymn. in Aman, Frans Lorens
Ton der Bealeeh. im XV. Wiener Gemeindebesirke fflr das I. dentsche
Gymn. in Brfinn, Dr. Anton Majiär Tom Gymn. in Mitterbnrg fOr diese
Anstalt, Dr. Biebard Meister vom Gymn. in Znaim fOr diese Anstalt,
Josef Mener Tom Gymn. in Bnmborg fOr diese Anstalt, Ferdinand
Kiedermayr vom Gymn. in Salzbarg fflr die Bealseb. in Innsbraek,
Ueinrieh Qnaresima fon der Bealseb. in Bofereto fflr die Bealseb. in
Klagenfnrt, Dr. Badolf Büiiöka vom Gymn. mit bObm. Unterriehts-
spraehe in Prag (Tisehlergasse) fflr das Gymn. mit bOhm. Unterriehts-
spraehe in Badweis, Alezander äantel Tom Gymn. in Mitterbnrg fflr
diese Anstalt, Ambros Sodka Tom Gymn. mit bOhm. Unterriehtsspraehe
in Ungarisch-Hradiseh fflr das Gymn. in Proftnits, Georg Widmer fon
der Bealeeh. in Leitmerits fflr die IL deatsehe Bealseb. in Prag; b) die
Snppienten: Georg Are hieb Ton der Bealseb. in Pardabits fflr die
Bealieh. mit bOhm. Unterriehtsspraehe in Bndweis, Dr. GoataT Axt mann
Ton der Bealecb. in fiieliti fflr das Gymn. in Friedek, Karl Berger,
Beligionslebior an der Knaben-Bflrgersehvle in Teeehen, fflr die Bealseb.
in Bielits, Emil Bandil Tom Gymn. in Proßnitz fflr die Bealseb. in
Keastadtl, Anton Derb eck Tom Gymn. mit dentscber Unterriebtsspraebe
in Prag-Nenstadt (Stepbansgasse) fflr das IL deatsehe Gymn. in Brflnn,
lOöO Fenonal- mid SdivinotiieB«
Dr. SioMB Dolar ▼om I. Gjmn. in Laibaeh flix das Otbiii. in ]
Dr. Hombert Dnsatti Tom GjDm. in Foia fir diasa Aiütaltr Dr. Bada
Kngel Tom Gjibd. in Karlibad fti daa Gyno. Id %laa, Karl Fichtar
i«B der Bealaeh. in Elagenfnrt ftr die Realaafa. in Baieheoberg^ Aafeen
Friedrich von der Bealacb. im XV. Wieser Oameindebesiika lir die
Sealialt. in Leümeiiti, Dr. Qeaig Grab er Tom Gjmn. in KkKeaftut IBr
daa Gyn», in Tillach, Dr. Otta Goagl ?wn Gynin. in Salsbivg ftr die
Bealaefa. in Wanadorf, Frans Gflnzl vam Gyma. in Bieliti ftr daa Gtbo.
in Frevdanthal, GneU? Gath iwi der Bealaeh. mit devtoehar Uateniahli-
•praahe in Bndweia ftr die Bealaeh. in Troppan, Bdaard Beislar van
der Bealaeh. mit bAhm. Unteriiehteipraehe in Olmtts ftr die Baaliah- in
Nenitadtl, Jabann Hille Ton dar denteehan Filialaaatah dea L Gyna.
in Laibaeh ftr daa Gyma. mit deotMher üntefriefatMpradie daaalbat» Dt.
Jaaef HoateTek;^ Yen der Bealedk mit bohm. Unterriehteepracha ia
EacoBnanthal fflr das Gymn. in KOniggiiti, Dr. Johann flrnby Tan dar
Bealaeh. in ProAnits ftr daa Gymn. in Weidenao, Karl laerle, Bttifer-
eehnlkateeheten in Taboi, fflr daa Gymn. in Pil^am, Bmanael iaopeacal
▼om griech^-orient Gjmn. in Svcsawa ftr dieae Anatalt, Dr. Bobart
Janeaehits von der Bealaeh. im XIIL Wiener Gemeindebadrfca ftr die
Baalach. in Marbargv Johann Jelinek von der Bealaeh. in Salabvig ftr
daa Gymn. in Bregens, Johann Kamen äf ton der Landee-Bealaeh. mik
b<^hm. Unterriehtaaprache in Kremaier ftr daa ^mn. in Proteiti, Dr.
Bndolf Klein ron der Bealaeh. im XV. Wiener Gemaindebesirka ftr die
IL dentaebe Bealaeh. in Prag, Dr. Karl Klog rom III. Gymn. in Qiai
fflr daa Gymn. in Feldkirch, Dr. Hermann Knoll vom Gymn. in Baicban
borg ftr die Bealech. in JAgemdoif, Frans Koreöek ron dar Beaiach
in Prag-Altatadt ftr die Bealadi. in Neoatadtl, Wilhelm Kropataehek
Ton der griech.- Orient. Bealaeh. in Gsemowits ftr die Bealaeh. in Marbnig,
Bmil Kabiöek Tom Gymn. in Walaehiaeh-Heaeritach ftr diese Anstsit,
Ferdinand Lang Ton der L Baalech. in Gras fflr die Bealaeh. in Marbaig,
Ludwig Lang vom I. deatacben Gymn. in Brttnn ftr daa Gymn. in Mar-
barg, Alfred Laß mann Ton der III. deatacben Bealaeh. in Prag ftr dieae
Anatalt, Wensal Lerchl von der Bealaeh. in Leitmerits ftr die Baalach.
in Jigemdorf, Frans Lipka Toa der Bealaeh. im XV. Wiener Gemeinde-
besirke ftlr daa Gymn. mit dentacher ünterriohtaapracha in Mlhnaeb-
Oatran, Johann Li et von der Bealaeh. im XV. Wiener GemeiBdebesiika
fflr daa Gymn. in Wiener-Neaatadt, Dr. Angaat Hader fom L dentaehaa
Gymn. in Brflnn fflr daa Gymn. mit dentacher Uaterriehtaapraehe ia
Kremaier, Ludwig Marens vom Kommanal-Gymn. in Limdenbarg fflr dai
Gymn. in Weidenan, Anton Mayer Tom Gymn. in Spidato fflr daa Oyma.
ia Gattaro^ Bobert Metelka, ehemaligen Sopplenten am Akad. Gymn. in
Wien, fflr daa Gymn. in Oberbollabrann , Bndolf Nachtigal Ton der
Handelaakademie in Trieat fflr die Bealaeh. in Göts, H«nrieh Nofik
von der Bealaeh. mit bObm. Unterricbteaprache in Olmftts fflr daa Gyn»,
in Trebitacb, Walter Obriat Ton der Bealaeh. ia Laibaeh fflr die Baalach.
in Proflnits, Hngo Pellia rem Gymn. in Canodiatria ftr dieae Aaatait,
Anton Pinkawa von der Bealaeh. im IX. Wiener Gemeindebesirfca fOr
daa Gymn. in Amao^ Johann Pobnek^ rem Gymn. in Hohenstadt fir
daa Gymn. in Proßmts, Stefan Podboj vom I. Gymn. in Laibaeh ftr
daa Gymn. in Klagenfort, Dr. Otto Pollitser. Lehramtakandidaten, fflr
die Bealaeh. in BOfamiach-Leipa, Karl Banacher van der Beahrh. iai
XVIII. Wiener Gemeindebesirke fflr die Bealaeh. in Proflnits, Jaroala»
Beinii vom Gymn. mit bflhm. Unterricbtaapraeha in Olmflts fflr dai
Gymn. mit bObm. Unterriebtaapraehe in Kremaier, Samuel Binger von der
Bealaeh. in Bielits fflr die Bealaeh. in Teeeben, Goatav Schindler voa
der Bealaeh. in Leitmerits ftr daa Beal- and Obergrmn. in Gabions, Abb
Seibold von der Bealaeh. mit dentacher üntemohtaapraeha in Oiaflta
fflr die Bealaeh. mit dentacher Untarrichtiaprache in Karolinenthal, Dr.
Angelo Seligmann vom Gynm. in Lins fflr daa Gymn. mit daatacbir
PanoBal- ud Sehvlaslinii. 1051
Uiit6RiclitHpraeh« in Troppm, Max SeTer vom I. Qymm. im LaiWeli Itkr
dM Qjmn. in Badolisfwart, Dr. kngutim StftBel foa der Baaltch» m
Frttalts ftr diaso AntUlt, Anton Sninik Tom Ojnn. in Kminborg ittr
c ditfo AntUlt, Dr. Ihnil Thnm Yon der Baalsch. in Beiehonberg fflt dna
^: G^fmn. in loch» Ihraiii Josef UmUnft rom OjniB. mit doslieher Unlof*
IS ricktMpradio in Png-Hooitndt (Stophan^Moe) fftr dm Albretht-Gyan.
r ia Toiohen, Fnas Vojk^wakj vom Qjran. in WaidenM ffir diaae Anatalt»
f Joaaf Yolf von der Baalaeb. in Naehod fflr dieae Anatalt» Bartold Woia
3 vom Qymn. mit denlaeker Unlarriehtaapmelie in den KOnifUehon Woin-
baigen fBr dna Gjmn. in Sani«
a: B. Zä inov. Lehiom nn Stnata-lfittdaehnlen: die Bnvplenften:
Lndwig Aieh^lder von der I. Boalaoh. im IL Wiener Gemaindebeiirke
fc5. fBr die Senlacb. im XTI. Wiener GomeftndebeiiriEe, Dr. Johann Arneis,
E3. ehemaligen Sopplenten am Oymn. in Leoben« ftr daa Gyn», in Marbnrg,
Biehard Bozhorn von der Bealaeh. im VIIL Wiener eemeindebeairke
für die BeaUeh. in Klagenfnrt, Johann Bfeiinn von 4m Bealaeh. lait
bobm. Unterriehtaaprache in Olmüti ftr daa Gvmn. in PreraQ* Joaef
Borket vom Gymn. mit bohm. ünterriditaamfllie in den KOnigltehen
p: Weinbergen ftr dieae Anstalt, Dr* Anton Derganc vom Gjma. im
XIII. Wiener Gemeindebeiirke ftr daa Sophien-Gyan. in Wien, Dr. M ofita
Bibl von der Landea-Bealaeh. in Sternberg ftr die H. Bealaeh. im
II. Wiener Gemeindebeiirke, Dr. Anton Jarollmek von der Bealaeh. in
Prag-Altatadt fflr daa Gymn. mit bobm. Unterriehtaapraeho in Ungariaeh-
Hradiaeh, Anton Xinaei von der Laadea-Beabeb. in Stembeig ftr die
Bealaeh. im XIII. Wiener Gemeindebeiirke, Dr. Alfred Kleinberg vom
Brthenog Bainer-Gymn. in Wien ftr daa Gymn. In Kaadon, Johann
Kolli habe von der Bealaeh. im V. Wiener Gemeindebeairke ftr die
Bealaeh. in Bergreiebenatein, Oawald Kr ei aal vom Gymn. in Yillach ffir
daa Gymn. in GOn, Dr. Artnr Praetorina von der Bealaeh. im IV. Wiener
^ Gemeindebeiirke Ar dieae Anatait, Dr. Jakob Bitter von der Bealaeh.
im XVIII. Wiener Gemeindebeiirke für die Bealaeh. in Waraadorf, Johmm
i 8ehaff er vom Gymn. mit dentaeher Untaniehtaapraehe in Pilsen fttr daa
" Oymn. in Baas, Dr. Bobert Sehloegl von der Bealaeh. im XYIIL Wiener
Oemeindebesirko ftr daa Gymn. mit dentaeher Untentehtaapraehe in Prag-
^ Kleinaeite, Karl Schmidt vom Gymn. mit deotaeher Unterrichtaapra^o
, ia Troppan fikr dieae Anatait, Hermann Sehnpp vom Gymn. im XIX
Wiener Gemeindebeairke fftr daa Gymn. in Kaaaen, Hngo Sehwarser
^ vwn Gymn. in Pola fflr daa Gymn. in Saai, Goatav Siegmnnd von der
^ Bealaeh. mit dentaeher Unternehtaapraehe in Olmttti ftr die I. Boalach.
im U. Wiener Gemeindebeiirke, Dr. Joaef Uro vom Btifta-Gymn. in
' St. Paol ftr die Bealaeh. in Leitmeriti, Dr. Joaef Villgrattner von der
* Bealaeh. in Steyr fflr daa Gymn. in Salabnrg, Dr. Biehard Wein ort von
''- der Bealaeh. im VIIL Wiener Gemeindebeairke fftr dieae Anatait, Joaef
Wohanka vom Gymn. in Freiatadt fflr dieae Anatait.
£ine Lehratelle an der ikalach. in Wrsehowita dem wirkl. Lehrer
^ aa der Bealt^. in Jiöin Peter Simek.
^ Den Profeaaoren, beiw. wirkl. Lehrom am ehemaligen Privat-Gymn.
^ mit bohm. Unterriehtaaprache in MIhriaeh-Oatran fieimmi Steinmnnn,
' Dr. Kndolf Nejeiehleba. Johann Petr, Method Nedaa, Anton MeJ-
i atHk, Joaef Lelek, Joaef gindelaf, Johann gvab und Kaiimir Piterka
je eine Lehratelle am Gymn. mit bObm. Unterrichtaapraehe daaelbat.
Eine Lehnteile am Akad. Gymn. in Wien dem Prof. am Gymn.
* mit dentaeher Unterriebtaspraehe in Olmflti Angnat Met in er, eine Lehr-
aOello am Gymn. im VIII. Wiener Gemeindebeiirke dem wirkL Lehror nn
der Bealaeh. in BohmiKh-Leipa Bndolf Brannaehweig, eine Lehnteile
am Karl Lndwig-Gymn. in Wien dem Prof. an der Bealaeh» mit dentaeher
^ Unterriehtaaprache in Olmflti Bndolf Demmer, eine Lehratelle am Gymn.
^ in Innsbmek dem Prof. am Gymn. in Bregeni Frani Nieaner, eine
Lehratelle am Gymn. mit dentaeher Unterrichtaapneho in den KOnigUchen
Peifonat- und ScbnlDotiseo.
Weinberge^D dem Prof. am Gjmü' ia BregeM Dr, Jobttm Mviitti
«ine LehnteUe ftm Öberrealgjmß. in Tetedieii w. d, Eibe d€n Frofei
beiw. wirk!. Lehrern mm EommttDal Oberrealgjmn. daadbit Dr. Rl
ScbUglt Josef Seils, ViiiEtnz Lübne, KeH Barbier, FerdiD
Wüuecb, FranK Sebioktanz, Max Malier, BndolF Eichi Lmiir«Qi
Sobindlerr JohanQ Schwab, Fr. Frani PatEiier, Paol Harnmlh luid
Jabann Pacbmann, eine Leb rateile am L dentecbeo Gjmsi^ in Brftnn
dem Prof. am Gjmn. in I^laa Dr. WillieLm Weinberg^f, je ein« L«hf^
stelle am GjmQ, in Gaja den Professöreo^ betw, wirkL Lebrera
KommaDal-GjmD. dsielbi^t Fraus Hladilc, V&lantin Stanek, Fi
T&nchmannt Weoiel Stafitn]f% Jobann Endera, Ladialana Fial
Josef Jilek, Heiniicb Macenftner, Joeef Felix und Earl Teiel j% ä
LehTätelle am BeafgjmD, ia Gnrabamora dem Prof. am 11, G^n
Caemowiu Frant üUxewflki.
In die VL Baogsklaue wurde befördert der Direktor det i£. BcaJ-
Bcbule in Kfakau Job&Dn Bidiiäiki.
Der Mioistt^r fi^r Knltni und Ontern^bt bat in die VIIL Bangt-
klaue befördert die Profetioreü: Karl Antt am Gjmn, im XIX. Wiener
Qimeinde bezirke, Igoai Babaki am L GjmB. in Eietiow, Josef Bei-
didek am h böhm, Gjmn. in Bröniif Josef ßielski am G^mii- in Jaalo^
Karl BobrEjiißkJ am GyiuD. in Podgörse, Dr, Andreas Brandititter
an der L bObm. Eealscb. in Brunn, Alexander Baga am IIL Gjmn, b
Üxernoiritz, Jobann Bjstrzycki an der IL Bealscb. in Krakan, Frani
Öern j" an der L böbm. Bealacb. in BrQon, Ladislans Cerrenka an der
Eealscb. in Pra^-HoUeacfaowita-Bübna, Dr. Josef Chlnmaky an 4sm
Beal' nnd Obergymn. in Prag (Efemeneci^afiae), P. Jobano Ciemoiewiki
an der Filiale de« V. Gjrnin. in Lemberg, Emil Ciginek an der Esalicb.
in Nenstadtl, Dr. Maiimilian Dameti ad der EeaUcb. im IIL Wiener
Gemeindebetirke^ Franc Deisinger am Gjmn. in Gmnndea, Ani
Ookler am Gjmn^ in Krainbnrg, Dr. Norbert Endiscb am Gjtan
Gmnnden, Maximilian Engstier an der EeaUcb. in Linx» Dr. SÜTti
Pally am Gjmn. mit deatseber ünterricbtsipracbe in Troppan, Dr. FeÜi
Faeebingbauer am Gjmn. in Krnmaa* Emanuel Fiseber am Ojmn.
in ämicbow, Dr. Josef Flacb an der L Kealscb. in Krakan, Adolf Geri^b
an der Bealscb. im XVIIL Wiener üemeindebexirkef Gustav Wilbtbn
QU6ner am Gjmn. in Kger, Mjebael Gonet an der Bealich. in Jaroabyi.
Jobann GrOmer am Gjmn. in äalibnig, Dr. Alfred H aekel am ELisabetb*
Gjrmn* in Wien, Dr. Heinncb Hackel am Grmn. in Bali borg, Ftav
Haatdk an der BeaLach. in Tabor, Oakar Hantaobel am Gpasu m
Lim, Angost Haoptmann an der Bealscb. in Eger, Karl Hajer aa
der Bealscb. im Xlll. Wiener Gemeindebeiirket Dr. Horitt Her trieb an
der Bealscb in Teichen, Abrabam Heomann am I. Gymn. in Ciarno*
will, Dr. Albin Hopfgartner am Gymn. in Leoben, Ernst Höra am
Gjmn. in Freistadti Josef Hoo dek an der Boalsck mit bObm. Unterriebta-
spräche in Prag-KletDseite» Michael Hrjcak am IV. Gjmn. in Letnbeff.
Or. Edoard Hnemer an der Eeaiscb. in Litit, Oltokar ttynei an der
Bealscb. in Hakonit£, Dr. MicbaelJanik ari der IL Realsch. in Ltmberg.
P. Gerhard Je in dl am Gymn. in Wiener-Keustadt, Gottlieb Jirsik um
der Bealaeb. mit bdbm. Unterricbtsspracbe in Prag-Kleinseite» Geotf
Jixba an der Bealscb. in Pardnbiti, Dr. Spindion Karchnt am Akaa
Gjmn. in Lemherg, Dr. Karl Kern am Gjmn. in Aussig, Bermann Klein
an der Eealacb. im V. Wieoer Gemeindebeiirke, Friedneb Knorre an
der Bealseh* io Eöniggr&tSr Josef Knher an der Realseb. in L«idnerita,
Arnn Konek an der Bealscb. im I. Wieser Gameindebeiirke, Tbomat
Koreo am IL bdhm. Gjmn. in Brflnn, Dr. Nikolaus Krai snig aa dar
ßealseb. im X. Wiener Gemcindebexirke, Jobann Kreear am Gynm. ia
KOniginbof, Dr. Job an n Kregler an der Eealsch. in äaliborg, Ladiilast
Krnkowski am Gymn. ia Jaroilan, Dr. ^dislans Kiygoirski an dar
U« Beilteb. m L^nib^if^ I^hanu Kakacz am 11. Gymn. in Eieitov«
iener .
Personal- and Scbulnotizen.
1063
Peter Kumanowsk] mm IL Qymn. in Csernowttx, Franz Küs am
IIL Qjmn* ]Q iCrakan, Dr. Albert LunEeodCrfer am GjmD. mit
deoiscber UnlerrkbtBBpraclio in Königliche Weinberge, P. Joaef Lehm&nn
an der EealscL in Tarnopojr JarosUui LomntGki an der IL Realsch. in
Lember^, Deminib Loiaet an der Eealseb. in Klagenftirt, Btidelf Lfiasl
am Gjjun. in £arlsbad| Dr» Frans Lukarsky atn Gjmn» in Pilafn,
Sjeirrannd LQ«Ecijiiski an der [, Beabeb. In Lemberg, Franz Mac baA
am Gjmn. in KOniginhof, P, Ladiilana Macheta am Gjmn. in Wadomce,
Dr. PhiL et J. ü. Friedrich Marek an der Beaiach, mit bOhm. Unter-
riehtsspracbe in Frag-Nenttadt, Johann Matkorid am Gjmn^ in Cattaro,
Joiel Mainr am Gjmn. in Bnczaci, Jogef Melzer am Gjmn. in Egert
Emil MeiieDa am Gjmn. in Eovereto, Joaef Micijüaki am G|inn. in
N«Q-3andef, Aleiaoder Mikali(^ am G^mn. in Cattaro, Lndwig MHnek
an der Eealsch, in TarDgir, Dr. Aloi« BlÜller an der E^alecb. im
IIL Wiener Gemeindebetirke, Dr. rer* tecbn. Ignai Elt^meäek an der
Realscb. mit h^bm. Unterrichtsspraebe in Frag-Kenatadt, Rudolf Nen-
böfer am I böbm. Gjmn, in Erünn, Vinieni Nenwirth an der Eealsch.
mit deutscher Untern cbUBpracbe in Olmütx, Dr. Kaaimtr Mitach am
Gjmn. bei St Anna in Krakan, Johann KoTäk an der Eeahcb. in Nacbod,
Josef Nofäk am (ijmn. in ProQnitz, Fraoz Norotn/ an der Healecb*
in Jigist Josef Nowak am Gjmn. in Radantx« Dr Theodor OdHtrdii
am Albrechl-GjfnD, in Teichen, Dr^ Jobann Opletal am Gymn. in T^~
bitecb, Frani Pal ata am Gjmn. in Prol^nitK, Dr^ Emerieb Pantl am
Gjmn. in Innabrncki Tbaddäns Patdanowaki an der II. Eealseh, in
ErakaOt AJoia Pedotb an der Etalsch. im XV. VViener Gemeindebezirke,
Dr. Artar Fetak am Gjmn. in Iglan^ Johann Prijma am IL Gymn. in
Czernowitz, Emanuel Pdlak am Gjmn^ in Rokjtian, Bf, Leopold Fol-
janec am Gjmn. in Marburg, Dr. Talentin FoLIak am Gjmn. im
£1L Wiener Gtimeindebetirke^ Johann Poor an der Bealicb. im VIL Wiener
Gemeindebeiirke, Frani Eada am Gjmn, in Proi^nitx, Emet Kaffeia-
t erger am Gjmn. in Saaz, B ermann Eaachke an der Frans Joaepfa-
Bealach. in Wien, Dr. Heinricb Eediach am IL dentichen Gjmn. in
Brtnn, Jobann Reinl an der IIL deatacb^n EeaJacb. in Prag, Jakob
Reiß am Sopbien-Gjmn, in Wien^ Friedrich Eetnik am Gymu. in Ken-
baua, Dr* Endolf Richter an der Eealscb. im L Wiener Gemeindebexirke,
Johann Roiibal an der Realacb, in Pardabitx, Karl Enpart am EeaL
and Obergymn, in Klattan, Michael Eybacsek an der Filiale dea Akad.
Gjmn. in Lemberg, Jobann Sandera am Gjmn. in Reichenan, Josef
Scheine r am Gjmn, im IIL W^ienfsr Gemeindebezirke» Joaef iscbinil
am Gjmn, mit dentscher Unterdcht« spräche in Kremsier» Joaef Schmidt
am Ojmn. in Miea^ Hugo Schubert am Gjmn. mit deatecher Ünterrichti-
epracbe in U&briacb-Ostrai:], Alfred Schuberth an der Eealech. im
XY* Wiener Gemeindebetirke^ Eugen Ritter Ton Semaka am IL Gjmn.
m Ciernowitx, Valerian Siczjüiki am Qymn. in Drohobjcz, Nikolani
Sinai arittk an der griech.^ Orient. Realach. in Oiemowitz, Franz Smj^ka
am Gjmn. in Prol^nitir Stantalana Sobif^aki an der IL Eeaiack in
Krakan, Karl Stach am IV. Gjmn. in Krakan, Dr. Joaef Stecin^er an
der Eealicb. mit b{ybm. Unterricbtaapracbe in Prag-Kleinaeite, Emil tan
Terlecki an der Eealsch. in Tarnopol, Alois Thaler an dar Eealach. in
ßoxen, Simon Urlic am Gjmn. mit eerbokroat. Unterriebta spräche in
Zara, Frans Vacek an der Eealsch. in Adlerkoateleli, Franx Vadnjal
am Gjmn. in Rudolf» werti Dr. Karl VeratoT^ek am Gjmn, in Marbnrg,
Joaef V^Foda am Gjmn. mit höhm. önterrichUspracbe in Olmütz, Joaef
Vinä an der Eealach. in Kdnigliobe Weinberge, Anton Vjikoail an der
Eealach. in Jiöiu, Dr* Oktarian Wagner an der Realich. in Kladno,
Paul Wahn an der Realach in Troppan, Michael Waaxkiewic^i *m
L Gjmn. mit poln. Unterrichieaprache in Stanialao. Karl Werner an der
Eealacb. in Laibacb, Aloia Gaffel am L böhm. G^ymn. in BrünSf Franz
Zeebner an dar EeaUeh. in Troppan, Joaef Ztlib an der R«%U^^. v^
1054 Penonal- lad Sefanlaotiitn.
QOrt, Dr. FiMrieh Zinaer am I. d«teehen Gyvn. ia Briva «nd Ittff
Zivot«kt mn 4er Bealseh. in IV. WiMier GemeiadebeiiriM.
Dar fre^MiBeitigB piMMtpofttntBStewdi 4m ToniabreBi «b
Uhrerbil4«DgMMUlt in KlaireBfert Hdorieh GAttiflger, üm&r der
Ttmlebnr «in Masiniiliao'GjpaiB. in Wieo, beiw. an 4« Beab
KlagenfQft Mhu» Bergmann ond Jofflf Kofier geaebinifft.
Der fegeneeitife DienilpoitenamtaBsch dee Pral an Gyn», k
MihriMh-tBoMnbeig Badolf Prohaaka «ad des Pral an Gjnm. latt
deoteeher ünteniehtitiiimAe in Olmiti Dr. Otto L«bwohl fenelnnigt
Ansieiehnnngeu erhielten:
Den Titel einet Beperangmiet: der ProL aa Ojnin. der Tben-
•ianiseben Akademie in Wien Sehnlrat Fnun ZOehbaotor aae AnlaA der
von ikm erbetenen Veraetraog in den bleibenden Bokeotaad» der Direkter
dee Qjmn. mit itaL Uotetrichteepraohe in Zara Strahan Skareia am
AnlaA der ¥on ihm erbetenen Venetinng in den bleabenden Babeetaadt
der Prof. am U. Gjmn. in Leniberg Dr. Albert Zipper, der Direkter
dee Gjmn. in IMeet Dr. GnitoT Heiffl aai Anlaß der Ton demeelben
erbeteaea Venetinng in den bleibenden Baheetand» der Direktor dee
Gymn. in Oilli Kiemeni Proft, der Direktor der Landee-Oberrealacb. in
Znaim BmM Baimaan, der Direktor dee Gymn. ia Gottechee Peter
Woleeggor anlftßlieh der von ikm erbeteaea Vereetiang in den blei-
benden Btiheetandf der Direktor der Untenrealeck. in Zara Scbolrat Antoa
Nieeteo aoi AnlaA eeinee Obertrittee in den daaemden Bnbeetaad. ^
Prof. am GjmD. in Klagenfaii Johann Seheinigg aalAülich aetnee Ober
trittoB in den bleibenden BobeaUnd.
Den Titel eines Sehnlrates: die Profetserea an der Beale^ im
XVIII. Wiener Gemeindebetirke Heinrieh Krampbell and Alois Seeger,
der Prof. am Gymn. im KVIII. Wiener Gemeindebeeirke Jakob Mayer,
der Prof. am Gymn. in Feldkirch Josef Kieehl ans Anlaß aeiner Ver>
setsnng in den bleibenden Bnhestand. der Prof. am Gyma. ia Botorele
Silfins Battelli ans Anlaß seiaes Obertrittes in den daneiaden Bnhe-
stand, der Direktor der Landes-Bealseh. mit bobm. ünterriehtsepnche ia
Leipntk Frans Jansa, der Prof. an der I. bohm. Bealsoh. in BrUnn
Hnbert Fiala.
Den Titel eines aoßerord. Ünirersitätsprofessors: der PriTatdotent
fflr Geschichte der deatscben Literatur an der bOhm. üniTenitit in Prsg
Gymnasialprof. Dr. Johann Krejdi, der Bealscholprof. Frans Hemmet
mayr Edler Ton Angastenfeld.
Den Professortitel: der Tnrnlebrer am Gymn. der Thereeianiseheo
Akademie in Wien Anton Landsied 1.
Don Orden der eisernen Krone III. Klasse: der Landeeseholiaspektor
Begiemagsrat Dr. Ignas Walle ntin in Wien, der Direktor am Fraoi
Josenh-GTmn. in Wien Dr. Frans Weih rieh ans Anlaß aeinee Obertrittes
in den bleibenden Bnhestand, der Landesschnlinspektor Dr. Theodor
Bell ig in Wien ans Anlaß der von demselben erbetenen Versetzong in
den bleibenden Bnhestand, die Landesscbnlinspektoren Leopold Lampel
und Peter Kondnik in Gras, der Direktor des Gymn. mit dentccher
Unterrichissprache in Olmflts Begiemngerat Emil Seyß-Inanart aniiß-
lieh der von ihm erbetenen Versetsong in den bleibenden Boheetand.
Das Bitterkrens des Frani Joseph-Ordens: der Prof. an der Bealeeh.
ia Boten Frans Leittinger ans Anlaß aeiner Versetrang in den daa-
emden Bnhestand.
Nekrologie. 10&5
SeiDe k. und k. Apottoliiebe Hsjattt haben mit Allerhöchster
Entsehließong Tom 8. September d. J. a. g. sa gestatten geiaht, dafi dem
si I>irektDr dee Gjain. im III. Wiener Oemeindebeiirke Begierannrat Josef
rt Zyeha and dem Difdctor des O^mn. im ¥111. Wiener GemeindeiMsirke
■ji Begieningirai Pint Kndll anliAheh der ¥on ihnen erbetenen Yeraeitsong
in den bleibenden Rnheetand die AllerhOebite Anerkennang ffli flire Tiel-
-r jttrige, ?«is&gliehe Dienttleiatnng bekannt gegeben werde.
Nekrolog! e.
Gestorben sind*); Hofrat Chriitian Schneller, pens. Landesscbnl-
inspektor in Innsbruck, 76 J. alt; Alois Hof mann, Oymnasialprof. (LG)
in Leoben, 47 J. alt; Di. Johann Dnts, fiealachnlpiof. (F£) in Marbnif,
c 41 J. alt; Dr Emerich Pnntl, Gymnarialprof. (Dlg) in lansbrack, 34 J.
ö nlt; Josef Fr ei sieben, Gymnasialprof. i. B. in Aman, 65 J. alt; Eber-
hard Fugger, Bealscholprof. (Chmnl) in Marbuiff, 82 J. alt; Heinrich
]s Anker, lUalschnlprof. (MKl) in Elbogen, 82 J. alt; Schnlrat Hermann
> Lukas, Bealscholprof. (Z) nnd Fachinspektor in Salibnig, 60 J. alt.
^' Entgegnung.
0
I Herr KoUega Karl WoUeti hat in der Zeit, in welcher der sweite
Teil meines Programmanfsatses „Über Erfindung, Gestaltung und Wert-
I schAtsuDg der Logarithmen** im Erscheinen begriffen war, WflnMhe be-
sflglich des Inhaltes dieses Teiles im V. Hefte der Zeitschr. f. d. Osterr.
i Gymn. 1908, S. 475/6 geftol^ert. Es ist natflrlich sehr schade, diese Wflntche
po8t festutn sn hören; sonst hfttte ich sie berücksichtigen können. Ich
, muß flbrigens gleich gestehen, daß ich mich bei Abfassung meines Anf-
> sattes im allgemeinen mit der reichen Sammlung der Prager UniTersitftts-
I bibliothek begnügte. Wire mir die Wiener UniTersitßtsbibliothek bequemer
^ zur Verfügung gestanden, so hfttte ich gern noch eine gewisse Zeit der
Sache geopfert Wenn ich auch eine Fülle interessanter Dinge dem Leser
vermittelt in haben glaube, so ist es nur natürlich, nicht allen Wünschen
und Meinungen gerecht geworden su sein. Es steht aber nach dem Prin-
lipe der Arbeitsteilung nichts im Wege, selber Hand ansulegen und
weitere anregende Dinge herforsuheben. Übrigens will ich die Hftnde
nicht in den Schoß legen; eine neue Arbeit besflglich der Logarithmen
liegt meinerseits schon teilweise fertig im Manuskripte f or.
Warum man das Konversationslezikon als Quelle nicht anführen
soll, Tcrstehe ich nicht; tatsftehlich gewinnt man an der Hand solcher
Bücher stets eine raschere Orientierung.
Prag-Smichow. Job. Arbes.
') um in diesen Angaben Vollstftndigkeit su enielen, werden die
Lehrkörper (Direktionen) ersucht, die eintretenden TodesflUle der Bedaktion
gefftlligst bekannt lu geben.
1056 Beriohtigiuig.
Erwiderung.
Troti der EDtgegnuDg des Hern Prof. Arbee kann ieh meine ge-
ftaßerten Wflnsche nieht ala nnbescheiden ansehen; die weientlicheten
der Ton mir Torgebiaebten Anregungen finden sieh aneh in dem weit
Terbreiteten Werke: Weber- Wellstein, „Ensyklopftdie der elementaren
Mathematik, ein Handbneh fflr Lehrer nnd Studierende'. Leiptig 1906,
Tenbner, einem Bache, fon dem ich glaubte annehmen zu mftisen, daß
ee jedem Mathematiklehrer bekannt sei, und das sich Tielieieht aneh in
Prag wird finden lassen.
Wien. Prof. K. Wolleti.
Berichtigung.
S. 785, Z. 10 T. Q. soll es heißen: Blase' neuernde Hand; S. 736,
Z. 15 T. u. Klytftmestra; 8. 787, Z. 18 t. o. odm.
Erste Abteilung.
AbhaBdlüngen.
Zu Aristophanes.
In ▼. 1826 QDd 1686 d«r Vögel bat die eiaitiminige Über-
lieferung der Handscbriftea die ionisebe Form aitig (▼gl. für
y. 1636 den Appendix der neuen CJarendon-Anegabe). Dagegen,
daß man an diesen Stellen mit den Herausgebern die attisebe
Form ai^tg bersteile, spricht nicht nur jedesmal der Zusammen-
hang, sonderp auch der Umstand, daß sonst, wo die attisebe Form
berzuetellen ist, nur ein Teil der Handschriften (besonders £; vgl.
Blaydes* Ausgabe zu Ach. 454, Wölk. 550 und 557) die ionische
bat. Den unmittelbaren Anlaß aber, an diesen Stellen eine andere
Heilung zu yersueben, gab mir y. 422 der Wespen, wo die Über*
lieferung zwischen aittg (RBC) und avtfjgiVtS) schwankt und
an ein cd^ig nicht zu denken ist. Ancb avvijg gibt hier keinen
Sinn , bildet aber die Brücke zu einer vierten angeheilten Stelle
(y. 605 des Friedens), wo airsfig gegen Sinn und Metrum in
idlen Handschriften steht.
Aus der Stelle der Wespen nun, an der weder aitig^ noch
avtijgf obwohl beides überliefert ist, in den Zusammenhang paßt,
geht heryor, daß eine dritte Form zu suchen ist, aus der sowohl
aitig wie airt^^g erklftrt werden kann. Diese Form scheint mir
aizCx^ zu sein und dies möchte ich an allen yier Stellen in den
Text setzen.
Die einfache Erklärung der Verderbnis dev Handschriften ist,
wie ich glaube, eine graphische. Wurden nftmlich die beiden Quer-
•triehe des K in einem Zuge gemacht, so konnten sie leicht das
Aussehen eines C (Sigma) erbalten. War außerdem die Vertikale
desselben K etw^s abget»ennt und sp&ter yerblaßt, so konnte man
sie leicht in dem einen Falla zum yorausgebenden i ziehen und
JVTHC schreiben» im anderen Falle sie flbersehea und AVTK
lesen. Ich glaube, da^ auf diese Weise sich ungezwungen esklftrt,
daß an einer Stelle die Überlieferung zwischen beiden fehlerhaften
Zdtoehrifl f. d. öiUrr. Oymn. 1908. XII. Haft. 67
1058 Zu Aristopbanes. Von L, Siegd,
FormeD geteilt ist (7gl. den fthnlichen, nur umgekehrten Fehler in
der pseadozenophontischen 'At. stoL : KTAQSAl fOr KTAC9AI,
Kalinka, S. 4).
Nachdem ich so die Furm avtix' als Fehlerquelle ffir alle
vier Stellen nachgewiesen zu haben glaube, bleibt mir noch lu
zeigen, daß dieses Wort sich an jeder einzelnen Stelle besser in
den Zusammenhang fugt als das, was bisher zur Heilung rer-
sucht wurde.
Zugestandenermaßen ist aid-cg an der ersten Stelle der Vögel
(v. 1826) sinnlos, wie die Konjekturen, durch die man es zu be-
seitigen suchte, lehren (Tgl. Blaydes' Ausgabe). Hingegen findet
aizlxaf wie immer die Verse verteilt werden, seine Begpründung
durch V. 1828: ndw ykg ßgadvg iöxC xiq &6X€q Svog.
Auch von Seite des Versmaßes ist kein Anstand avxlx* zu schreiben,
wenn man in der Strophe der besten Überlieferung (RVAST) folgt
An der zweiten Stelle der Vögel (v. 1686) hat man bisher
avd'ig ohne Bedenken in den Text gesetzt. Ein Bedenken mußte
aber aufsteigen, seit durch Hall und Geldart festgestellt ist, daß
die Überlieferung aller Handschriften aitig ist (s. oben). Tat-
sächlich findet auch hier avtixa eine Erklärung durch die Frage
des Herakles in v. 1688, die zeigt, daß Poseidon sofort mit soiner
Drohung Ernst gemacht hat.
An der Stelle der Wespen (t. 422) schreiben jetzt die Her-
ausgeber avTOig und erklären den Fehler der Überlieferung {ait^s
und aizig) wohl durch Itazismus. Dagegen sehe ich nicht «in,
wie das Pronomen 6i durch ys hervorgehoben werden kann, wenn
die Wespen mit den Stacheln den Philipp umbrachten (▼. 421)
und mit den Stacheln jetzt auch den Bdelykleon umzubringen
drohen. Anders wenn man aitCx' schreibt. Von Xanthias auf die
Stacheln der Wespen aufmerksam gemacht, sagt Bdelykleon, nichts
Böses ahnend: „Wirklich, mit denen sie eben Philipp umbrachten.*'
Darauf mit plötzlicher Wendung die Wespen: „Und dich (mit
Betonung!) sofort umbringen werden^', d. h. und mit 4enen wir
dich sofort umbringen werden. Dazu fordern sie tatsächlich sofort
auf: 'Alka %&g i%i6xQBq>e xtL A\>xlx ist hier eine alte Kod-
jektur Meinekes; ich glaube, daß sie im Zusammenhang mit den
anderen Stellen mehr als Konjekturwert gewonnen hat.
An der vierten Stelle endlich (v. 605 des Friedens) hat man
Verschiedenes versucht, um Vers und Sinn zu hsilen. Ich glaube,
daß mein Versuch aizix' zu schreiben, sich schon durch die Ein*
fachheit empfiehlt, mit der sofort der Vers hergestellt ist. Aber
auch gegen das Wort selbst ist nichts einzuwenden, wenn man i§
in der richtigen, allerdings selteneren Bedeutung faßt. An die
Spitze des Satzes gestellt, hat nämlich das Wort bei Ariatopbanee
oft die Bedeutung, daß jemand einen Beweis oder ein Beispiel fir
eine Behauptung bereit habe, das er auch gleich Twbringen will
(Tgl. Vög. 166 mit der Anm. Koeks). Wie airtüuji zu dieser fast
Zar Frage der Defin. und Entet. tob Kompoaiti«. Von H, W, PöUdk, 1059
koi^anktionaleo Bedentnog kam, erhellt am besten aus ▼• 1204
der Frösche, we aitixa mit dsl^io yerbanden ist« «
An unserer Stelle nun will Hermes den Landlenten zeigen,
wie es gekommen ist, daß ihnen die Friedensgöttin entfremdet
wurde (y. 608 nnd 604), Er beginnt damit, wie zuerst gleich
Fhidias Tcgä^ag xax&g Ursache wurde, daß Perikles das ifiqg)i.6fia
MeyuQiKÖv einbrachte und dadurch den peloponnesischen Krieg
entzündete.
Daß hier ainixa nicht an die Spitze des Satzes gerückt er-
scheint, ist bei dem Partikelkomplez iCQ&xa (tiv ydg nicht zn yer-
wundem, wie in einem Ähnlichen Falle: y. 1286 der Vögel, wo
Bi^vg in gleicher Bedeutung wie hier ainUa hinter ng&tav (liv
zurückstehen muß.
Seitenstetten. Leonhard Siegel.
Zur Frage der Definition und Entstehung von
Eompositis.
Wenige Erscheinungen, deren Untersuchung der yergleichenden
Sprachwissenschaft obliegt, bieten eine solche Fülle yon Problemen
dar wie die Komposition. Schon die Definition dieses Wortes be-
reitet Schwierigkeiten. Daß wir den Begriff der Wortzusammen-
setzung welter fassen müssen, als dies z. B. Wilmanns (Deutsche
Gramm. II 2) tut, der die Ansicht yertritt, Komposita entstünden,
wenn mehrere sinnhafte Sprachelemente zur Worteinheit yerbunden
würden, scheint mir durch Brugmanns Schrift „Ober das Wesen
der sogenannten Wortzusammensetzung ** (Ber. d. k. s&chs. Ges. d.
Wiss. 1900, 859 ff.) endgültig bewiesen zu sein. Auf Wundt ge-
stützt, zeigt Brugmann, daß wir in einem Satze wie „er kauft
mir das ab** die Worte n^Hß"" Qod „ab** als ein Kompositum
betrachten müssen. Den schlagendsten Beweis scheint mir Brug-
mann durch Beispiele wie got. ga^u-htea-sehwi 'ob er etwas s&he',
altir. fo-m-chain ^auceinit tnihi'f lit. pa-mi'9akyk 'sag mir* u. ft.
(a. 0. 883 ff.) erbracht zu haben. Für eine Zusammensetzung
dieser Art schl> derselbe Gelehrte den Terminus Distanzkom-
positum yor, während er bei Kontaktstellung der Glieder yon
Kontaktkomposition spricht. Auf Grund dieser Erwftgungen
ließe sich eine Definition etwa folgendermaßen fassen: Unter
Kompositum yersteht man einen (kontinuierlichen oder durch
dazwischen tretende Worte geteilten) Lautkomplex, der einen
Begriff bezeichnet und sich in zwei oder mehrere
Glieder zerlegen laßt, die selbst wieder Symbole yon
Begriffen sind oder waren. Unter diese Definition fallen
freilich auch alle Ableitungen; denn es ist nicht möglich, eine
scharfe Grenze zwischen, diesen pnd den Kompositis im engeren
67*
1060 Zur Frage der Defin. und litotit. vonKimipositiB. Von JEI. TF. F6Ußk.
Sinne zu ziehen. „Ein mü einem aogenannlea a4amm8ii£b ge-
bildetes sogenanntes Sim{>lez i^ in seinem Bildnngsprintip mit
einem sogenannten Kompoaitnm abselnft identifHih. Der. ganze Unter-
schied ist nnr ein relatiyer, enUricklnngBgeschiehtlidier*' (&oz-
wadawskiy Wortbildong n. Woctbadeatang, 8« 9).
Die ftlterea Theorien, die unsere we^ieie Fragen wie^ Kom-
posita entstehen, zn lösea snohen» indem sie von einem ^ngenn
Anschlaß in der Aussprache, von dem Eintreten eines gemeinaamen
Heoptakzentes nnd Ähnlieliem sprechen, volkea wir als veraltet
und unrichtig beiseite lass^ nn4 nne zonftchsi einer Tfaeode zn-
wenden, die große Anerkennung gefimden hat (vgl. z. B. Storch.
Angele. Nominalcomp. S. 2), Panle Isolieninge' Theorie: „Es
kommt darauf an, daß das Ganze den Elementen geg«inber, ans
den^n es znaammengesetzt ist, in irgend welcher Weise isoliert
wird. Welcher Grad Ton Isolierong dazu gehört, damit die Ver-
Schmelzung zum Kompositum Toilendet erscheine, das l&ßt sich
nicht in eine allgemein gftltige Definition fassen.*'
Nicht ganz äbereinstimmend mit Paul ist die Ansicht Brug-
manns. Dieser Gelehrte meint (il 0. 862 f.): „Der wirkliche
Anfang des Vorgangs, den wir Kompositionsbildung nennen, ist
(yielmebr) immer eine Modifikation der Bedeutunif des syn-
taktischen Wortyerbands. Dieser wird kouTentioneller Aus-
dcuok ffir die irgendwie einheitliche Gesamtverstel-
Inng.** Zum zweiten SatsL bemerkt Paul (Das Wesen d« Wort-
zusammensetzung JF XIV 2^2): »Das sebeint mir etwas unbestimmt
ausgedruckt und könnte zu Irrtümern Teranlassen, 4ie Bmgmann
schwerlich teiltb Eine Wortverbindung erb< jedesfalls nicht da-
durch ohne weiteres etwaa von dem Charakter einer Znsammen-
setzung, daß die dnrch sie ansgedräckte Vorstellung als einheit-
liche gefaßt werden kann.t Zur Bekrftftignni^ dieser Worte Pauls
möchte ich noch darauf hinweisen, daß eine einheitliche Vorstel-
lung i^ueh durch Sßtze ausgedrückt wer4en kann, z. B.: Es rtgfMl,
Es Ufird Tag. Die Nacht bHM hsrein^ usw. Paul fftbrt dann
fori: „Maßgebend ist n&mltch auch nicht, daß dieselbe Vorstellung
auch durch ein einfaches Wort wiedergegeben werden kann.*" Er
ecwAhnt, am dies zu beweisen, begriffliche Gleichungen wie 'ich
freue mich über ihn, erinnere mich an ihn = ich freue mich
seiner, ich erinnere mich seines' und andere. Aber nach die Anf-
fasßungL Brugmanns, daß der Anfang der Kompoeitionebildung
immer eine Modiflhüion der. Bedeutung des syntaktischen Wort-
▼erbandee sei, wird durch Panl fiberzeugend widerlegt dnrQh den
Hinweis auf die idg. Verbalfoxmen, auf ein bair.-dialekl es gifs
z=L es gU es (also W geht ihr'), auf die Distanskemposita u. a.
Mit d^ oben erwfthnten Erkl&runge?ersuchen stimmt auch
die SrklAcnng Wundts (Völkerpsychologie IIS. 602 ffv) in einem
Hauptpunkte überein, in dem Ausgehen fom eyntaktisoheuGenzen:
„Jede Wortzueammeneetzung entspringt aae Motiven, die der Zu-
Zor Frage dar Defin« und Biitft Ton Kompotitie. Von H. TT. B)Uak. 1061
BamnraDfantg der Rede mft eich führt. Ans der änAereD Berühmog
der Wörter ün Satz kftim jedoeh eine entere Terbindnog nur dann
bervorgebeD« IreiAi zogleidi eine innere Affinität die Wörter zü-
eammenffibrt Demliaüb dnrehkrenKen tficb bei der Bildnng einet
Kompositums ein analytiscber und ein syntbetischer Vorgang.
Analytisch entsteht "ein tnsammengesetttes Wort, indem es als
syntaktisebes Oefuge aab dem Gänsen eines Satzes sieb aussondert.
Synthetisch bildet es alcb, indem seine Bestandteile eine festere
Verbindnnf miteinander eingehen nnd dadurch von den flbrigen
Wörtern des Satzes als ein lenee Wortganzes sich edieiden. Diese
Verb<Diese machen es begreiflich, daß man bald das analytische^
bald das bynthetiscbe Moment in den Vordergrund stellte, je
nachdem entweder der Satz oder das Wort als das ursprünglichere
sprachliche Gebilde betrachtet wurde. Da die Sprachwissenachaft
in der Regel dem Wort den Vorrang einräumte, so war aber der
syntfaetieche Geeichtapunkt yier ▼orherrschende.'*
Nadi den Darlegungen Pauls, BrugmaniiSv Wandte undJacobis
(Kompositum und Nebensatz, Bonn 1897) scheint es mir unabweis-
licb, daft Komposita jederzeit aus syntaktischen Gebilden entstehen.
Mts-sen sie aber auf diese Weise entstehen? Ist zur Bildung
jedes Kompositums ehi analytisch-synthetischer Prozeß im
Shme Wundts nötig oder gibt es auch Komposita, die rein syn*
tbetischer Herkunft sind?
Da Wandt seine Theorie offenbar nicht auf das Indogerma-
nische beschrankt» irodlen wir zunächst von anderen Sprachen aus*
gehen. Ähnlich dem Indog. drücken auch die Sprachen schHoht-
haariger Rassen Zahlbegriffe vielfach durch Kopulativ-Komposita
aus {tg\. Fr. Malier, Grundr. d. I^achw. II, I. Abt 8. 28, 81
und B7 f.). In der Wlradurei-^raohe lauten die Zahlwörter 1-^«:
nuftibai, bula^ bula^numbai. In ^er Kamilaroi-Sprache finden
wir: mal = 1, holär = 2, güliba = 8, bülär^lnUär = 4,
bülär - güliba = 5, güliba - güliba = 6. Ähnlich liegen die
Verhaltnisse in der Turrubal-Spracbe: kunar ^= 1, büdäa = 2,
mudän = 8, büdela - büdela = 4, mudän - büdela = 6. la
diesen Fallen handelt es steh offenbar um nichts anderes als Ap-
poaition. Ebenso unmöglich erscheint es mir die Komposita der
polynesiatbea Sprachen durch Ausscheidung aus ayntaktisufaen Ge*
ffigen zu erklaren. Vgl %. B. Maori: tamariki ('Sohn% eigL
*junger Prinz*, dann 'Kind' überhaupt) = iama ('Kind*) + arihi
('Häuptling, Edelmann'), tamakine ("Tochter*, eigl. 'Kind-Weib')
= toma CKind') + ioahine fWeib*) oder Tahit.: uri-iaata
('Affe*, eigl. 'flund - Mensch') = uri ('Hund*) -f toato CMenech*).
Auf ahnliche Weise scheinen mir hebr&ische Komposita wie l^d^
Ifh'äm ("Dsgott, UuTolk*, wörtl. 'Nicht-Gott, Nidit-Volk') u. a. ont-
atanden zu eeiu (fgl. Gesenius-Kautscb, Hebr. Gr.'^ 4S6
nnd Gtaenttts, Hebr. u. aram. Haadwörterb. sub ig). Man Ter-
gleiche folgende Belegstelle <Dt. 82, 21) für die zwei erwähnten
1062 Zur Frage der Defiik ond Botst. Ton-Kompositit. Von A W. BMak.
Beisp. und beachte die Stellung der Praep. d'i Hern quinünt
t'lp-'el, ki *a8üni t'hatlehetn, uaant aqntem Wo-'äm
(*Sie machen mich eifersüchtig dorcb einen Nicht-Gott, sie er-
zftmen mich dorch ihre Nichtigkeiten, so will ich sie denn eifer-
fiöcbtig machen durch ein Nicht- Volk ').
Viel zahlreichere Beispiele für die Entstehung von Kompo-
sitis durch Apposition finden wir innerhalb der indogermanischen
Sprachen. Zun&chst betrachte man die Zahlwörter, z. B. 11 — 19.
Dann werfe man einen Blick auf die Komposita im Sanskrit. Der
Inder denkt förmlich in Kompositis. Das Symbol für Lotes ist ihm
utpala, für blauen Lotos ergibt sich ihm hUötpaia {= nila -f- ^f-
pala) auf rein synthetischem V7ege. Ebenso mag es sich mit Zu-
sammensetzungen wie maharsi, räjadania und den meisten anderen
verhalten haben. Aber auch der deutschen Sprache sind derartige
Komposita nicht fremd. Man denke an ein Wort wie Mann-Weib
oder an Lftndernamen wie Österreieh-Üngam, SehUswig-Holstein,
an Lokalnamen und Stationsbezeicbnungen wie Basel-Land, Basel-
Stadt, Lim-Urfahr, Buda-Pest, Stainach-Irdning, Bruek-Fuseh,
Payerbaeh'Reichenau, Ebensee-Landungsplatz, Traunkirehen-Per-
sonenhaUestelU u. a. m. Man vergleiche femer Bezeichnungen von
Erfindungen und Erzeugnissen nach den Erfindern oder Erzeugern
wie RSaumur-Thermometer, Biüroth-Battist, Qörz-Linse u. a. oder
(oft humoristische) Bezeichnungen von Gesch&ftsleuten nach ihren
Waren. Diesen Bildungen der deutschen Sprache stellen sich z. B.
im Altnordischen Namen wie Hcensna-pirir, Hölmgangu-Skeggi o. ft.
an die Seite. Dazu kommen alle jene Komposita, die t&glieh auf
dem Gebiete der Technik und Wissenschaft als Bezeichnungen
neuer Dinge und Erscheinungen auftauchen, z. B. Kraft-Wagen,
Sehicefel-Wasserstoff, Bernd-Ring usw. Die Terminologie der Natur-
wissenschaften würde eine Menge von Beispielen bieten, soweit es
«ich da um Komposita handelt. Auf ähnliche Weise dürften auch
schon in verhftltnism&ßig frühen Sprachstadien Zusammenseuungen
entstanden sein. Eine Menge willkürlicher Bildungen enthält die
Dichtersprache. Wo 1fr am sehen Kompositis wie ougestheiz Pari.
8, 9, hellehirU 816, 24, igelnuBzig 521, 12 u. a. sind Bildungen
moderner deutscher Dichter an die Seite zu stellen, z. B. Neiä-
bereit, Wonne-hehr, Liebe-heilig (Bich. Wagner), tanzlaumelnd,
Dunstdunkel, Leichenwüstenei (Bich. Dehmel) u. a.
Man könnte mir nun den Einwand machen, in vielen dieser
Fälle sei Analogie im Spiele. Wie steht es aber mit den ana-
logisch gebildeten Kompositis? Sie wurden bis heute als Stiefkinder
behandelt und mit dem Schlagworte , Analogie" beiseite ge-
schoben (z. B. von Brugmann a. 0. 382), durch welches nur ge-
sagt wird, daß sie nach vorhandenen Mustern entstanden seien,
nicht aber, wie der ganze Entstehungsakt zu denken sei. Ich
glaube nun, daß es sich hier um lauter synthetische Bildungen
nach dem Vorbilde anderer gebräuchlicher Komposita handelt. Dabei
Zur Frage der Defin. und Entst ? od KomposiÜB. Von H. W. FoUak. 1063
braucht das Vorbild natflrlich nicht klar vor Angen zn stehen, es
kann yielmebr nnterbewaßt einwirken. Oft scheint bei der Ent-
stehung Ton Zusammensetzungen überhaupt nur ein dunkles Gef&hl
vom Eompositionsvermögen der Sprache vorbanden gewesen zu sein.
Auf diese Art liefien sich Worte wie Dunstdunkel erklären. Sie
sind ganz intuitiv entstanden, vom Dichter gleichsam erschaut.
Nun hat Dittrich (Ober Wortzusammensetzung, Zs. f.
Boman. Phil. XXII 805 ff.) eine Deutung der Komposita versucht,
die er freilich heute nicht mehr aufrecht erhalten kann (vgl. Zs. f.
Boman. Phil. XXIX 129 ff.), die aber in offenkundigem Gegensatz
zu den bisher von mir diskutierten Theorien steht. Dieser Gelehrte
wendet sich (a. 0. XXII 812 f.) entschieden gegen eine Ableitung
der Komposita aus der Syntax; er geht vielmehr von der Be«
nennnng aus. Im folgenden sei Dittriehs Erklärung angeführt;
man achte jedoch darauf, dafi die Worte „synthetisch ** und „ana-
lytisch^ hier etwas anderes bedeuten als bei Wundt. „Die Com-
Position ist weder eine analytische noch eine synthetische, sondern
eine analytisch-synthetische Function. Ein Compositum entsteht da-
durch, daß aus einer gegebenen Gesammtvorstellnng mehrere (in
der Begel zwei) Elemente appercipiert und die sich auf diese Weise
successive ergebenden Wortvorstellungen agglutiniert werden, so
daß das Besultat eine der gegebenen Gesammtvorstellnng ent>
sprechende Gesammt- Wortvorstellung ist. Die Existenz des Oom-
positums datiert also von dem Momente^ wo die Agglutination ein-
getreten ist; das Wort bleibt so lange für das Sprachgefühl als
Compositum bestehen, als es möglich ist, wenigstens 6ine der Theil-
vorstellungen noch innerhalb der Gesammtvorstellnng zu apper-
cipieren; ist dies nicht mehr möglich, so wird es zum Simplex,
d. h. die Agglutination ist zur Synthese geworden." Der Haupt-
fehler dieser, von Dittrich bereits zurückgenommenen, Erklärung
scheint mir darin zu liegen, daß sie in einseitiger Weise nur vom
Benennungsakte ausgeht, d. h. daß sie ausschließlich jene Kom-
posita berücksichtigt, die ich, bis nun an Wundts Terminologie
festhaltend, als rein synthetische bezeichnet habe. Von den Kom-
positis analythiscb-synthetischen Ursprungs können wir nicht mit
Dittrich sagen, daß sie von dem Momente an datieren, wo die
Agglutination eingetreten ist; wir müssen vielmehr für diese Kom-
posita die Annahme eines schrittweisen Zustandekommens aus syn-
taktischen Gebilden festhalten.
Die Dittrichsche Erklärung scheitert einfach an dem Charakter
der Sprache als einem völkerpsychologischen Phänomen; denn die
Agglutination braucht nicht in der ganzen Sprachgemeinschaft
gleichzeitig einzutreten. Was der Sprecher als Kompositum fühlt,
kann beim Angesprochenen noch als syntaktisches Gebilde fun-
gieren. So mag es sich z. B. in früheren Stadien der französischen
Sprache mit Worten wie pomme de terre, cerf-volant usw. ver-
halten haben. Auch darauf muß man Bäcksicht nehmen, daß durch
1064 Zar Frftgd der DeAn. and fintei. Ton Kompotitis. Von H. W. P^Ooft.
hftoftf • Ywbmdang tob Lamlkomptoxes in ZoBammwitiaiig d«r IM«
auch di^ entspfrvebeflddn Begrift «IfM eog«re YerbiDdiiiif eiiig«k%i
Ifet 'ftlBO für df« ElitstetniBg aller Komposita ein «iflheitlieh«!
Prinzip aBsmehm«fBt
Dleee Frag^ glaob« icfh nnbedtngrt Terneinefi tn aififlien.
Komposita können iw^ifachsr Herkunft sein; dMI einen
Weg haben Paal« Brngmann, Wandt n. a. gezeigt^ aif den
anderen wnrde vor allvm von Dittricb hingewiesen. Da aber das
Wort „synthstisoh^^i ^as tob Diltrlch In rein psychologisohem,
▼cn Wandt in m^hr syntaktisebem Shsne verwendet wurde, gerade
in der Lebrd von der Komposition Bobb eine dritte, gant be-
sondere BedentüBg hat, nrilBson Wh* ans jetzt wohl am neos Ter-
miBi amseben. Wir könnten die eine trappe als Appositions-
oder Benennangskomposita, die andere als syntaktische
Komposita bezdichnen. Dis ersteren sind simnltan ent-
standsn^), die letzteren nach n'Bd nach. Dies« umfassen
alle ans syntaktischen TerbiBdUBgen hervorgegangenen
WortzBsammeBsetzBngen^ jsne alle anmittelbaren Be-
neBBnBgen nnd all« Analogisbildnngen.
Wien. Dr. Hans W. PoUak.
') Doch floU damit nicht gesagt sein, daft die eirtipreehende Vor-
Btellnng mit einem Schlage eotstandeo sei.
Zweite Abteilung.
Liter&riscke Anzeigei.
Jahreshefte des Österreichischen arcb&ologiscben Instilates
in Wien. Band X 2. Heft. Wien, A. Holder ld07.
In diesem Jahre der Jabilften feiert auch das esierreiohische
archäologische Institut in aller Btilie ein intimes, aber bedeotsames
Fest: am 81. Januar 1908 erscbien das tweite Heft des sehnten
Bandes seiner Jahreshefte, das in wirdiger Weise den Abschlaß
des ersten Dezenniums seines Bestandes bezeichnet^). Durch Otto
Benndorfs zielbewufite Energie und das TerstandnisyoUe Entgegen-
kommen der UnterrichtsbehOrde geschaffen, bat das Institut in der
kurzen Zeit seines Bestandes einen Aufsohwung genommen, durch
den es sich den alteren Schwesteranstalten der anderen Nationen
Tollwertig an die Seite stellt. Getreu dem im proyisorlsohen Statuts
yom 80. Dezember 1907 aufgestellten Programm bat es in einer
Beibe von Kampagnen die so erfolgreichen Grabungen in Ephesos
durchgeführt, die archäologische Erforschung der Heimat (Car*
nuntnm, Viranum, Aqnil^a, Pola, Salona, Spalato, Brioni grande,
Grado u. a.) und im Zusammenhange damit die Einrichtung, Ord-
nung und Katalogisierung der staatlidiea Antikensammlungen ge-
fördert, die epigraphische Erforschung Kleinasiens und die Vor-
bereitung der TiMi AUae minwri» ftberwacht und überhaupt die
Archäologie in Österreich gewissermaßen zentralisiert. Bin ge-
treues Spiegelbild dieser weitausgreifenden Wirksamkeit bietei, ab-
gesehen ?on den Sondersdiriften , insbesondere die HauptpubUka«
tiMi des Institutes, die Jahreshefte, die als Fortsetzung der archäo-
logisch-epigraphiscben Mitteilungen aus Österreich-Ungarn gedacht,
sofort in ungleich rornehmerer Gestalt auftreten und seitdem in
stetig aufsteigender Entwicklung begriffen sind. Wie die olym-
pischen Spiele in ihren Anfangen nur Kampen aus dem Peloponnes
^) Intwteehen i^t im Juli Band XI 1 erechienen.
1066 Jahreflhefte des Osterr. archftol. Inatitates in Wien, ang. ▼. J, Jüthner.
anlockten, einige Olympiaden sp&ter Nennangen ans Attika nod Jo-
nien erfolgten and so allm&hlich in immer weiterer Ansdehnnng des
iDteressentenkreiees die gesamte grieebische Welt hinzukam, so
treffen wir im ersten Bande fast nnr Mitarbeiter ans Österreich an,
denen sich aber alsbald Gelehrte ans Deutschland und der ge-
samten wissenschaftlichen Welt zugesellten. Gerade im letzten Bande
bezeugen zweiAufsfttze in italienischer, einer in französischer Sprache,
daß die Wissenschaft international ist. Sehr bew&hrt hat sich die
Teilung in ein Haupblatt, in welchem Aufs&tze und Untersuchungen
Aufnahme finden, und in ein Beiblatt fflr Berichte über Grabungen,
Beisen, Sitzungen, sowie Miszellen aller Art, die alle fünf Jahre
beigegebenen Indizes erleichtern den Überblick. Durch die Reich-
haltigkeit ihres Inhaltes und die gl&nzende Ausstattung stehen die
Jabreshefte von allem Anbeginn im In- und Auslande in hohem
Ansehen und es ist weder möglich, noch auch hier beabsichtigt,
die ganze Fülle der während des yerflossenen Zeitabschnittes im
Rahmen dieser Zeitschrift geleisteten wissenschaftlichen Arbeit ent-
sprechend zu würdigen. Aber wenigstens erinnert sei an Bedeuten-
deres, wie Benndorfs feinsinnige Untersuchung über die GroD-
bronzen von Neapel, Bormanns Aufs&tze über Miiit&rdiplome, Riegel
über Vafiobecher, Hausers Tettiz, Beisch' Kalamis u. a. und darauf
hingewiesen, daß brennende Streitfragen wie die über AdamkUssi
und die Ära Pacis zum Teil vor diesem Forum zur Verhandlang
kamen. Leider sind die beiden Lustra an der Mitarbeiterschar nicht
spurlos vorübergegangen: Karl Schenkl, Reichel, Hula, Riegel,
Mommsen, Szanto, U. Köhler weilen nicht mehr in unserer Mitte,
und vor allem hat das Institut seit bald zwei Jahren den Verlast
seines Begründers und unermüdlichen ersten Leiters Otto Beno-
dorf zu beklagen. Was er mit dem Einsatz seiner ganzen Persön-
lichkeit geschaffen und gemehrt, ist aber nicht verwaist, sondern
in bewfthrte Hunde übergegangen. Hofrat Robert von Schneider,
der ihm seit der Gründung als Vizedirektor zur Seite gestanden,
hat als sein Nachfolger mit kr&ftiger Hand das Steuer ergriffen
und zielsicher setzt das Schiff seinen Kurs nach vorw&rts fort.
Und wie sich in allen Unternehmungen des Instituts ein ener-
gischer Zug und neues Leben bemerkbar macht, so beweisen auch
die letzten Bünde der Jahreshefte, daß die aufsteigende Linie un-
entwegt eingehalten wird. Die Redaktion wacht darüber, daß die
Darbietungen nicht bloß an Mannigfaltigkeit, sondern auch Ge-
diegenheit den hohen Anforderungen entsprechen, die an eine so
vornehme Zeitschrift gestellt werden, und daß anderseits auch du
Äußere sich dem angestrebten Ideale immer mehr n&hert. Nach
versdiiedenen Versuchen ist für den Text ein Papier gefunden, das
ohne die unangenehmen Eigenschaften des Kreidepapiers für die
eingestreuten Klischees die nötige Glfttte bietet, und insbesondere
zeigen die Tafeln eine Vollkommenheit der Ausführung, die mit
den zu Gebote stehenden technischen Mitteln wohl kaum zu Aber-
. B. Menge, Troja nnd die Troai, ang. t. E. Kdliuka. 1067
bieten ist. Durch ihren »rchftologischen nnd k&nstlerisehen Wert
eignen sie sich in hohem Grade anch fär den Ansehanangsonter-
richt nnd schon ans diesem Ornnde sollten die Jahreshefte in
keiner Lehrerbibliothek fehlen. Insbesondere aber scheinen sie mir
fnr die Lehranstalten jener Gebiete, deren Geschichte bis in die
Bömerzeit znrückznverfolgen ist, ein nnerlftßlicher Lehrbehelf, da
sie die Vertreter der Geschichte und Philologie mit den neuesten
Ergebnissen der Erforschung des historischen Bodens der Heimat
bekannt machen und darch die Berichte über den Anteil heimischer
Gelehrter an dem Ausban der arch&ologischen Wissenschaft den
patriotischen Sinn von Lehrer nnd Schiller zn heben geeignet sind.
Dem wissenschaftlichen Brennpunkt dieser Bestrebungen aber, dem
Institut und seinen Veröffentlichungen, wünschen seine Freunde auf-
richtig ein kräftiges Blühen und Gedeihen in alle Zukunft.
Czernowitz. Julius Jüthner.
Troja und die Troas , nach eigener Anscbaaang geschildert ? on Bod.
Menge. Mit 86 Abbildongen, 2 Tafeln and 1 Karte. Zweite, am-
gearbeitete Aoflage. Gymnasial- Bibliothek, heraasgegeben von Hogo
Hoff mann. Erstes Heft Gflterqloh, Druck and Verlag von C.Bertels-
mann 1905. VIII und 98 SS. 8«. Preis lMk.50Pf.
Der Zusatz im Titel 'nach eigener Anschauung geschildert*
will beachtet sein; denn darin liegt die Eigenart des Buches, die
Inhalt und Form ganzer Abschnitte bestimmt. Die Lebendigkeit der
Darstellung gewinnt natürlich dadurch ungemein, daß der Bericht
im Gewände der Erz&hlung eigener Erlebnisse auftritt: so 1. Die
Fahrt nach Dardanellia, 2. Im Lande des Dardanos (Reise nach
Troja), 8. Troja (Gesamteindruck der Trümmerstfttte und ihre Ge-
schichte), 4. Bundgang um Troja, 5. Ein Gang über das Schlacht-
feld, 6. Ein Eitt nach der oberen Troas, ja teilweise sogar 7. Das
„homerische Troja^; nur die beiden letzten Abschnitte (8. Über
die Funde, 9. Dr. Heinrich Schliemann) beschr&nken sich darauf,
den Tatbestand wiederzugeben.
Da zwischen die erste und die zweite Auflage des Büchleins
jene Umdeutung der trojanischen Besiedlungsschichten fftilt, die
statt der zweiten erst die sechste Torgriechische Stadt in die
nmykenische'' Zeit verlegte und dadurch in den Vordergrund des
Interesses der Homerleser rückte, so ist nunmehr die Schilderung
des .homerischen'* Troja auf eine ganz neue Grundlage gestellt. Es
bedarf kaum einer Erw&hnung, daß Menge diese wie überhaupt
fast alle wissenschaftlichen Angaben aus dem großen Werke Dörp-
felds ^Troja und Uion*" geschöpft hat, dem auch zwei Karten
(Ebene von Troja und Plan von Troja VI) und 12 Abbildungen
entnommen sind. Meinen im Jahrgang 1904 dieser Zeitschrift ge-
druckten Vortrag über Troja scheint er dagegen nicht zu kennen ;
1068 0. SehroeäeTj Vonrb. nur griacli. Veng«8ebidite, §m^ t. H> Jurekka.
er ward« eoDSt TiBlldtdit 8. 20 tbw die Bewcrfnnr der siebentes
Niederlaesong, S. 21 iber die üteohe Athene eich etwM anders
ge&Qfisrt haben. In einer dritten Auflage irerdsn wohl anch ^e Anf-
sfttze Boberts über den Lauf des Skamandros und die Stadilore
(Hermee 1907, S. 78 ff.) nnd Busses ftbsr den Sdiaaplats der tro-
janischen Kämpfe (Nene Jahrbücher f€r das klassische AHsitini
1907, XIX 8.457 ff/) eine Wirknng Oben.
Schief zum mindesten ist dsr Ansdrnck B, 52: ,,dis ^sfiiii-
denen Tonschsrben weisen keinesfalls über dasEL Jahrhondert T.Ohr,
zurück. Sie sind nftmlieh alle Bmchstfti^s Ton Gsfiften, dis «sf
der Töpferscheibs gedreht shid.'' Das klingt so, als ob dis Töpfer-
scheibe erst im IX. Jahrhundert v. Chr. srfonden worden wir». —
Das Wesen der Toranlagen der sechstai Stadt würde durch sinss
Vergleich mit denen der tweiteh noch klarer hsrrortreten. — Dem
Homerischen Dichter, der Ton einem Tempel ApoUons und sinem
der Athene spricht, kann man nicht deshalb Kenntnis des »^7^^
nischen^ Troja absprechen, weil sich in der sechsten Schicht, von
der doch nur ein ganz kleiner Teil erhalten ist, diese Qsbftude
nicht gefunden haben; vgl. übrigens S. 69: .der Grundriß des
Geb&udes weicht von dem der anderen ab. Man hat wohl gafragt,
ob "dies die Überreste eines Tempels ssien. Es wftre dies dann der
einzige aus vorfaellenischsr Zeit**. Ein jüngerer Dichtsr, der Beste
solcher Gebftude sah, konnte sie sehr wohl vom Standpunkts seiner
Zeit aus als Tempel deuten. Freilich bsStretlet das Menge gar
nicht, sonderti „daß Homer das mykeniscfas Ilion Tor ssinem
FaHs<!) gekannt habe** (S.78). Aber irer müchta so etwas wrast-
lieh in Erwftgung ziriran?
Das sind Kleinigkeiten. Jedenfalls ist das Haft TollkoinmsB
geeignet, seinem niefasten Zwecke zu dienen und auch in weheren
Kreisen das Interesse an deir sagsnumspennenen^Stütte zu TertiefeB.
Innsbruck. Ernst Kaiinka.
Otto Schroeder, Vorarbeiten zur griechischen Verageschichte.
Leipzig und Berlin 1908, B. G. Teabuer. 166 SS.
DSs Buch wiederholt neun Abhandlungen des Verf.s ans des
Jahren 1908—1907, teils unveründert, teils ^ergftnzt und korngieit*.
Es wendet sich yorlftufig an eine handvoü Leser, die %s bisher uwege
gebracht haben, sich durch dis sattsam bekannte manieriert nuTsr
stündliche Darstellung Schroeders zum VsrStindnisss seiner überan
schwierigen metrischen Theoreme durchzuarbeiten. Und selbst disesi
wird manches imverstindlich bleiben; denn nur wenigen ward be-
Bchiedhn, was Sehr, zum Verstftndnis sshier Lehre fördert: «eis
„Sinn für vorgeschicbtHche Verwandtochaft mannigfach vaiiierter
Glieder** und sein „Organ für den syntaktischen ZusammsnbsBf
O. Sduroeder, Vortrb. lor grieeh. Vengeschiehta, ang. t. R, Jurenka. 1W9
eisM rhythmischen Satzes*" (& 72/78). Aber BücksichteD kennt
Sehr, nicht: ^Wem das zu bnnt isf*, sagt er S. 69, „den wird
ea schwerlich trösten, wenn ich ihm sage: es kommt noch bunter*'.
Dab« sieht seine Metrik stolz herab anf alles Dagewesene: haben
doch die bisherigen Metriker, ein Boßbacb nnd ▼. Ohrist, nur
dämm beim Hexameter nnd iambiecben Trimeter den Anfang ge-
macht^ weil „die ersten antiken Verse, die nnser Ohr treffen, keine
anderen sind als Äurea prima 8ata est nnd i g>^iy(i^ H^avas**
(S. 74, Anm.)-
Im Interesse eines leichteren Verständnisses baltMi wir es
daher fflr nnerlftßlich, den wesentlichen Inhalt des Baches in der
richtigen Anordnung nnd gemeinverständlich zn skizzieren.
In den „LoeaOden** (jetzt ^Äoliker' genannt) nnd den „Daktyl-
epitriten** (jetzt ionisierte Enoplier') setzt Sehr, die Lehre seiner
Vorläufer fort und erweitert sie^): so enthält S. 121 ff. eine neue
Deutung der asklepiadischen Verse (der 128ilbige besteht aus zwei
Dreiviertelglykoneen). Ferner, da die häufigste Form des Doch-
mius bei Aischylos diese ist: '^^-^-, so erblickt Scbr. im
Dochmius ein Amalgam aus den beiden Hälften des kleinen Askle-
piadQers'). Den Kern von Schr.s Lehre aber, zugleich ihr Alpha
nnd Omega, bildet jener Enoplios, den zuerst Th. Bergk (Kl.
Schriften II 892), dann Blaß und y. Wilamowitz aus der Bumpel-
kammer der metrischen Tradition, wo er bis dahin ein wenig be-
achtet,es Dasein verschlummerte, ans Licht gezogen und zu neuem
Leben erweckt haben. Dieser Vers verbilft nun Schroeder zunächst
zn einem neuen Einteilungsprinzips der griechischen Metrik,
die nunmehr auf der Grundlage zweier Urmaße sich
aafbaut, dem hebungszählenden enoplischen und dem
silbenzäblenden äolischen. Man versteht aber unter dem
Enoplios einen Vier- (oder Drei-) Heber, zunächst steigend, dann
aber auch mit * aufgesogener' Vorsilbe, mit und ohne Eatalexe,
männlich, später weiblich auslautend, mit je einer oder zwei Kürzen
nach den Hebungen:
(^)^x^x^(xr)^(-).
Es ist offenbar, daß dieses vielgestaltige Gebilde allein schon för
die Erklärung der mannigfaltigstsn metrischen Erscheinungen aus-
reicht: sind doch die drei strittigsten Probleme der bisherigen
Metrik, die Anakrusis, die Uyperkataleze und die Taktgleichheit
>) S. diese Zeitachr. 1901, S. 1 ff.
') Wir setsen Schr.8 Erklärung wOrtlieh her, weil sie, wie uns
dflakt» sich selbst ihr Ucteii sppeht: ».. .dadurch entstanden, daß jemand
die beiden Kflnen des 'Abstiegt' (— ^ — ^ w—) mit den gans andere
gearteten des *Aaitiega* (—w-w^) bei Verachiebaag und Auflösung
der ersten Hebnng xnsammenwarf: c?"^— w — und bei der nun folgenden
Verschmeliung der Abstieg seine indifferente Anfangssilbe, der Anstiei^
seinen festen kretischen' Schluß und beide die Acbtxeitigkeit erhielten ".
1070 0. Schroeder, Vorarb. xnr grieeb. Vengescbichte, aag. y. H. Jwenkß.
der drei- nnd vierzeitigen Versfüße kurzerhand ans dem Wege
geräumt. Auf diese Weise wird dann der anapftütisehe Dimeter zur
'dorischen' Form des Enoplios. Dnrch 'ümlegang' des letzten FaGes
(lambns statt Trochäas) eines nnvorsilbigen« weiblieh ansl[lingendeD
Enopliers (-^w-^s^-^-^, der alkäische Zehner) entsteht der
^alkmaniscbe' Enoplios (-v^-^ | -^^-), da bekanntlich im
alkmanischen Partheneion - w w - wiederholt mit ~ ^ . ::! strophisch
respondiert. Nnn bekommt aber weiter der Enoplier einen vier-
silbigen „ftolischen^ Vorspann, die verbesserte äolische Basii
G. Hermanns, ^ — -, -^-o» o — ^, ^w-w usw.*), und
so finden zuletzt in dem Rahmen dieses Gebildes von fünf oder
sechs Qebungen fast alle übrigen Versgattangen ihre einfache
Erklärung. Denn die sogenannten äolischen Daktylen bestehen ans
dem viersilbigen 'Vortritt' und dem drei- oder vierhebigen Enoplier:
igog dairi (i 6 Ivöifiskrig dovsi ^ — ^ \ v^— »^— w— , ^QdfKxv
(liv iyä) 6id'€Vf 'Atd^L, ndlai nord -^-^ \ w-^-*^-w-,
endlich, nachdem die Vorsilbe des Enopliers in den ^Vortritt* 'hinein-
gewachsen' war und der Vers männlichen Ausgang erhalten hatte,
^]Qoq ivt€(i66vxog indiov iQxo(ievoLO -w — ^^|— ^-^-w«-,,.
Aus diesen ^Äolenopliern ' erwächst der heroische Hexameter: die
Übergänge liegen in den dreizeitigen Anfängen homerischer Hexa-
meter vor, z. B. r 857, ^ 112, •& 452, ^ 2. Der sapphisehe
Elfer ist ein äolischer (= glykoneischer) Dimeter mit Enoplier-
katalexe: o, - w w - | ,^ - . i^ ^), das Adoneion ein fallender
enoplischer Dreiheber (alter Befrain: &^l€ xai)Q8, li^is Ilaidv),
Die ersten drei Verse der alkäischen Strophe setzen sich zuflammeo
aus einer festen viersilbigen äolischen Baals und einem enopliscfaeo
Dreiheber : c7-^-|o~ww und ^-^- | o-w— .-.
der alkäische Zehner ist ein fallender und weiblich verklingender
enoplischer Vierheber : -^>^-ww-^--«).
Werden die Senkungen des Enopliers einzeitig (^)^^jl^±
(^)x, so führen sie zur Erklärung der iambischen und troch&iscbeo
Verse. Sie entstehen aus dem „Lekythion*' oder dessen kataleküscher
Form, dem Ithyphallicus (.-^^- | '-'-(^)-), und zwar d«
iambische Trimeter durch iambischen Vortritt vor ein rorsilbif
gewordenes Lekytbion, der trochäische Dimeter aus dem nnvor-
silbigen Lekytbien mit Zuwachs (!) einer Schlußsenknng, endlich
ohne diesen Zuwachs bildet sich die Katalexe des trocb&iaches
Tetrameters: -^_^ | ^^^.
Wir wollen nun an Beispielen zeigen, wie Sehr, bei dar Be-
weisführung seiner Thesen zu Werke geht. Das eleg^che Distichoa
M Aas aolchen vienilbigen Äolikem erstehen auch die loniker,
S. 93 f.
') Warum nieht äol. Vortritt -f- unvorsilbiger vierbebiger Enopliw:
— w — O I — *>s>— w — • — ?
') Warum nicht äol. Basis -f- enoplischer Dreiheber: -. ^ w -
0. Schroeder, Vorarb. inr grieeh. Vengescbicbte, ang. ▼. H. Jurenka. 1071
bestebt für ibn ans einem daktyliscben Trimeter and einem Doppel-
dimeter:
Xttiva), Nnn ist ein Fragment des Kritias, des bekannten Dicbter-
Tyrannen, erbalten, das lantet:
xal vüv KXetvlev vlbv 'Atr^valov öretpavmöm,
Ifikmßidöriv vioiöLV i(ivi^6ag tgoTCOts'
oi ydg X(og f^v ro^t/oft* ivaQiiö^iv iksyeCo)'
vöi/ d' iv la^ßsla xsCöstaL oix i(iitQ<og.
Wenn Kritias den iambiscben Trimeter die Stelle eines Pentameters
vertreten läßt, so kann dieser kein Doppeldimeter sein, sonst bfttte
er den Vers so bilden müssen: w - w - 1 <^ -*-t--^ | w - s^ - 1 v> -'''':"^ .
Über diese Scbwierigkeit setzt sieb nnn Scbr. kübn binweg, indem
er die Epigramrodicbtnng des Kritias als ein der Lyrik „balb oder
ganz*' entwacbsenes Genre brandmarkt — Ein zweites Beispiel.
Die Dnrcbfübrnng der Scbroederscben Daktylepitriten-Tbeorie stößt
bisweilen anf die Schwierigkeit einer überscbießenden Länge. Eine
solche Hyperkatalexe darf es aber ebensowenig geben als eine
Anakmsis. Wie soll man nnn Versscblnsse wie | - w v^ — in den
Rahmen eines lonikers zwingen? Sehr, erklärt: ^vor dem Hochton
des Scblnßionikers können, eben nnter dem Einflnsse dieses Hoch-
tons, die zwischen ihm nnd den Hebangen des vorletzten lonikers
erklingenden vier Moren in bescblennigter Gangart sich anf
das Gewicht von zweien reduziert haben, . ^ ^ jl _ ** ! Aber am
Schlüsse von größeren musikalischen Taktkomplexen ist doch nimmer
Beschleunigung, sondern nnr Verlangsamnog des Tempo zulässig,
weshalb ich denn auch nie glauben werde, daß der Vers Sopb.
Ant. 784 'Egag, og iv TCfqyLaiSi nlxxsLg so in zwei Takte zu
zerf&llen ist: y^- y^- | -w . — Aber auch die ^mehrdak-
tyligen' Reihen (z. B. Avteöiv iav&äv dvadi^öaiisvog XBtpdkdv)
zeigen sich unbotmäßig. Hier nun löst Sehr, das Problem mittelst
eines neuen Problems, indem er nämlich zeigt, daß seine Zer-
legung dieser Reihen (- «^ — , — w- I ww-, w — ) in seine
*Stollen-Theorie' besser hineinpasse.
Leichter wird man sich entschließen, Schr.s Darlegungen
darüber beizupflichten, wie aus dem Protaplasma der Inteijektion
auf dem Wege über die arcbilocbischen (von Horaz nachgeahmten)
Zweizeiler und die kleinen Drei- und Vierzeiler der Sappho, des
Alkman, des Volksliedes sich größere Stropbengebilde entwickelt
haben, indem, was früher Strophe war, zur xsQCoÖog und in
weiterer Entfaltung zur dithyrambischen dvaßoki^ wurde. Wie dann
Scbroeder sowohl die tragische als auch die dithyrambische Strophe
in Stollen, Gegenstollen und Abgesang zerlegt und innerhalb dieser
Teile 'Bianenresponsion' aufdeckt, darüber habe ich mich ausfuhr-
1072 Mu Lambert», Die grleob. SklaTeQBamen, ang. v. F. SUiU.
lieh ge&nßert in meinen Anzeigen seiner ÄCMchyli catUiea mnd
Sophoclis cantica in dieser Zeitschrift 1907, S. 986 ff. nnd 1908,
S. 824 ff.
Alles in allem glaube ich, daß die wisaenscbaftliche Kritik
Schr.s neue ^Versgeschichte' — er ist schon an die Ansarbeitong
geschritten — mit starker Skepsis aafnehmen and daß, wer sich
ihr mit Haut and Haaren verschreibt, dies nar deshalb tan wird,
weil er sich der Aatoritftt beagt nnd weil das Westphal-Boßbach-
sehe System in seinen Qraodfesten erschöttert ist and ein anderes
nicht za Qebote steht. Trotzdem sehen wir dem Bache mit ge-
spannter Erwartung entgegen, wobei wir der Hoffnong Baam geben,
daß ihr Verf. in der Darstellnng jene Bäcksichten üben wird, die
er einem Leserkreise schaldet, der sich nicht bloß aas Spezialisten
zusammensetzt.
Nnr anf eines möchte ich noch easdrücklich hinweisen« zara
Tröste aller derjenigen» die bei der herrschenden Unsicherheit auf
unserem Qebiete an der Möglichkeit der Lösung metrischer Pro-
bleme völlig verzweifeln wollen, solange nicht die antike Musik
ans die Augen öffne. Far durchaus wahr und wichtig halte ich,
was Schroeder 8. 148 sagt: „Gs ist nicht wahr, ist weder
überliefert noch irgend wahrscheinlich zu machen, daß
jemals ein altgriechischer Dichter, wie unsere Musiker,
das Recht gehabt oder sich angemaßt h&tte, mit seiner
dem Text im wesentlichen untergeordneten Musik das
Metrum zu sprengen, und daß, wie bei unseren Sing-
versen zuweilen, dort jemals die Musik erst die Strophe
konstituiert hätte**. Wir werden daher wohl am sichersten
gehen, wenn wir uns das Verhältnis zwischen Text und Musik so
vorstellen, wie es die neuesten deutschen Beformatoren des Liedes,
Schumann, Robert Franz und vor allem Richard Wagner in großem
Gegensätze zum hei cantp festgelegt haben. Die Hletrik aber bleibt
ein Problem für sich.
An störenden Versehen habe ich mir notiert: S. 27, Z. 13
schreibe statt ^zweite und dritte Silbe' vielmehr 'dritte und vierte
Silbe'; S. 156 in dem Zitat aus Eur. Kyklops ist das Wort Mtpog
unrichtig gemessen.
Wien. Hugo Jurenka.
Dr. Max Lamberts, Die griechisohen SklavoDuamen. Separsi-
abdruck aqs dem LVII. und LVIIL Jahresbeiiohta des k. k. Stasti-
gvinnasiams im YlII. Besirke Wiens. Wien, iji^ SelbetverUge dei
VerfaSBera 1907. 88 SS.
Der Verf. dieser beiden dankenswerten Programmaufsitse hat
sich die Aufgabe gestallt, die griechischen Sklavennuien aas Qrie-
ohenland — mit Ausschluß der sehr zahlreichen grienbiscben Sklaven-
M, Lamberts, Die griaeb. SklaTennameD, ang. ?. F, StoU. 1073
oamen ans Born nnd den yersehiedenen Teilen des römischen Welt-
reiches — ans den Inschrifteni den Denkmälern der Literatur nnd
den Papymsnrknnken zn sammeln und nach bestimmten Gesiebts-
pnnkten zn gruppieren, indem er mit Recht her?orhebt, daß sich
die eigenartige Stellung der Sklaven in der griechischen Welt in
ihren Namen spiegelt, wenn auch wohl kaum, wie wir uns beizu-
fügen erlauben, in ihrem ganzen Umfange und in allen ihren
Einzelheiten. Aus dem Kreise der römischen Literatur sind mit
vollem Bechte die Sklavennamen der römischen Palliata herange-
zogen, „da sie, wenn auch manchmal in veränderter Form, den
grriechischen Originalen entnommen sind** (S. 6). Der Yerf. hat
sämtliche Sklavennamen in fflnfzebn Bnbriken eingeteilt, die ich
hier auffahren will, da nur dadurch ein Einblick in die Qiiederung
des Stoffes ermöglicht wird : L Der Sklave trägt den Namen seines
Herrn, II. Der Sklave ist nach seiner Heimat benannt. IIL Der
lokale Name selbst als Sklaveuname. IV. Namen nach historischen
Persönlichkeiten. V. Der Sklave fährt den Namen eines Heros.
VI. Göttemamen als Sklavennamen, VII. Widmungsnamen als
Sklavennamen, wie z. B. [ä&r^valogj jifpQodiölUj Bdxiiog u. a.
VIIL Vollnamen, welche als ersten Bestandteil den Namen eines
Gottes haben, als Sklavennamen. Kurzformen zu diesen Namen.
IX. a) Bezeichnungen abstrakter Begriffe als Sklavennamen ; b) die
Stellung des Sklaven im Hause kommt in seinem Namen zum Aus-
drucke. X. Adjektiva als Sklavennamen. XI. Spitznamen (Namen
aus dem Tier-, Pflanzen-, Mineralreich, Benennungen nach Gegen-
ständen u. a.) als Sklavennamen. XIL Kalendemamen als Sklaven-
Damen. XIII. Wunschnamen als Sklavennamen. XIV. Yolinamen mit
ihren Kurzformen als Sklavennamen. XV. Der Sklave behält seinen
Dichtgriechischen Namen bei oder trägt einen Lallnamen. Bedenken
gegen diese Gruppierung macht Thumb in seiner kurzen Anzeige
nnserer Schrift im Indog. Forsch.- Anzeiger 22, 18 f. geltend. Am
Schlüsse der Abhandlung werden die Ergebnisse, die fflr das Ver-
hältnis der Sklavennomenklatur zu der der Freien in den einzelnen
griechischen Landschaften aus der ganzen Betrachtung heraus-
wachsen, in die folgenden flbersichtlichen Worte zusammengefaßt:
^Nur Lakonien nimmt nicht Anteil an der in den fibrigen grie-
chischen Gegenden fflr Sklaven Ablieben Namengebong. In Sparta
hießen die Sklaven wie die Freien, Die Ursache hievon glaubten
wir in der abweichenden Auffassung des Spartaners vom Sklaven
zu erkennen, die ihm infolge der Einrichtung des Helotentums
eigen war. In allen anderen Teilen Griechen laiida stieeen wir
immer auf dieselben Benennungen für Sklaven mit geriogeu lokalen
Besonderheiten, die sich durch die örtliche VerscbiedeDheit von
selbst erklären. Die Verschiedenheit des VerbäUBiBsea der Sklaven-
zur Bfirgemomenklatur wird also in diesen Landscbaltan nicht durch
die Verschiedenheit der Sklavennamen, sondern our durch däs un-
gleiche Verhalten der Bürgernamen zu diesen bestimmt. Dnd zw
ZtStMhrifl f. d. teterr. 0711111. 1906. XIL Heft. gg
1074 B. Heinee, Virgila episch« Technik, ang. t. B. BiUehofsky,
waren es da die doriBchtn Landschaften Delphi, Bhodos, Tbera, in
denen wir strengere Zarflckhaltnng der bflrgerlicben Kreise gegen
alle jene Namensgmppen, die nicht von altersher ▼omehm waren,
beobachteten. In jenen Gegenden gebranchen in Torchristlieber Zeit
die Freigebornen fast ansschließlich die althergebrachten Voll- nnd
Widmnngsnamen, alle anderen sind der unfreien nnd fremden Be-
völkerung überlassen. In Athen dagegen konnten wir dnrch Tier
Jahrhunderte das allmähliche Eindringen der nrspränglieh fnr
nnromehm geltenden Namensgmppen in die Bfirgerscbaift und
umgekehrt das Herabsteigen der bürgerlichen, anfangs den un-
freien strenge rerwehrten Namen in die Reihen der Skleren Ter-
folgen. Wir sahen dadurch einen Ausgleich sich rollziehen, wie
er in Böotien trotz der Strenge, mit der die yornehme Bürger-
schaft auf die Wahrung ihres alten NamensTorrates bedicht war,
infolge der zahlreichen Freilassungen und des damit rerbnndenen
Eindringens der Sklavennamen in die unteren Schichten der freien
Bevölkerung schon im dritten und zweiten vorchristlichen Jahr-
hunderte, wenigstens in der Kleinbürgerschaft, deutlich erkennbar
beginnt, und wie er in Athen und schließlich auch in allen anderen
griechischen Landschaften in den Jahrhunderten der Kaiserzeit zu
einem völligen Aufhören jedes Unterschiedes zwischen vornehmen
und unvornehmen Namen führt**.
Nachdem ich durch die vorstehenden größtenteils mit den
Worten des Verf.s gegebenen Ausführungen Plan und Inhalt unserer
Schrift hinl&nglich genau geschildert habe, erlaube ich mir noch
in eigener Sache darauf hinzuweisen, daß die S. 7 (Fußnote) ge-
gebene Verweisung auf meine Bemerkungen über Zimmermanns An-
sicht von der Entstehung der römischen Sklavennamen auf -por
insoweit irrig ist, als es heißen muß „IF. 18, IIP f.** statt
„8, 112''. Auch sollte mit Bestimmtheit hervorgehoben sein, daß
Zimmermanns Ansicht sicher unrichtig ist, wie auch Ahlberg und
Skutsch zugegeben haben.
Innsbruck. Fr. Stolz.
Virglls epische Technik von Richard Hei nie. Zweite Auflage. 190&
Leipsig und Berlin, Druck und Verlag von B. Q. Teubner. X oad
498 S.
Wenn man unter einem Kommentar nicht in herkömmlichem
Sinne eine mehr oder minder lose Beihe von Einzelbemerkungen
in stetem Anschlüsse an die Teztesworte versteht, sondern eine
sachlich gegliederte Zusammenfassung alles dessen, was uns das
Werden eines literarischen Werkes begreifen l&ßt, soweit dies
Werden als dasBesultat bewußter und durch bestimmte
Tendenzen geleiteter künstlerischer T&tigkeit seines
Schöpfers zu begreifen ist (vgl. Vorw. V), so darf auch dieeie.
B. Hemee, Virgils epische Technik, ang. y. JS. Bitaehofsky. 1075
dem AodeDken Qeorg Eaibels gewidmete Buch, dessen zweite Auf-
lage der ersten nach wenigen Jahren gefolgt ist, mit jenem Namen
bezeichnet werden. Sein Verdienst ist es, Virgils in so mancher
Beziehnng latente Ennst darch sorgfältigste Analyse in allen
Einzelheiten aufgedeckt und übersichtlich dargestellt zu haben. Bs
gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste (8. 8 — 284) ist eine
dem Fortschritte der Erz&hlung (1. Uions Fall, 2. Die Irrfahrten
des Aeneas, 8. Dido, 4. Wettspiele, 5. Aeneas in Latium) folgende
Erörterung über die Art und Weise, wie der Dichter den über-
kommenen Sagenstoff für seine dichterischen Zwecke gestaltete.
Der zweite (S. 236 — 489), ebenfalls in fünf Kapiteln die Methode
des Schaffens, Erfindung, Darstellung, Komposition, die Ziele be-
handelnde Teil faßt die im ersten gewonnenen Resultate zusammen
und sucht sie (Vorw. VI) zu einem systematisch angelegten
Bilde der epischen Technik zu Ter?ollst&ndigen. Der
Ausdruck Technik ist in weiterem Sinne zu Terstehen, nicht etwa
Yon der formalen Kunst, denn Sprache und Vers sind yOllig bei-
seite gelassen, es handelt sich dem Verfasser nur um das Ver-
ständnis des Qedichtes als epischen Kunstwerkes. Jene Art der
Darstellung bietet den eminenten Vorteil, daß Qleichartiges zu
gegenseitiger Ergänzung und Brl&uterung vereinigt werden kann,
dem gegenüber das vom kflnstlerischen Standpunkte aus fühlbare
Bedenken, daß ein nnd dasselbe Motiv der Handlung, um von vor-
«chiedenen Seiten betrachtet und beleuchtet zu werden, wiederholt
zur Sprache kommen oder wenigstens durch Verweisung berührt
werden muß, zurücktreten mag.
Für die Neuauflage wurden die in den Besprechungen ge-
brachten Berichtigungen und Ergänzungen verwertet und auf die
eonstige inzwischen erschienene Virgilliteratur zustimmend oder ab-
lehnend Bezug genommen, insbesondere wurde häufig zur Ergänzung
oder Bestätigung der Ausführungen auf Nordens Kommentar
zum VI. Buch der Aeneis verwiesen. Ich zähle über hundertzwanzig
Namen von Verfassern einschlägiger Aufsätze oder Werke, welche
in den Anmerkungen, da und dort mit kurzer Kritik oder Polemik,
zitiert werden. In einem ausführlichen Exkurs (S. 64 — 81) werden
gegen die herrschende Annahme, wonach Quintus und Tryphiodor
von Virgil abhängig wären, triftige Gründe dafür beigebracht, daß
beide neben Virgil als selbständige Vertreter der Überlieferung von
Ilions Fall zu betrachten seien, wie schon Kroll und Norden unter
summarischer Anführung der entscheidenden Argumente behaupteten.
Von dem reichen, in kurzen Andentungen nicht zu erschöpfenden
Inhalte des interessanten Buches, in dem auch Streiflichter auf die
Persönlichkeit des Dichters, seine Weltanschauung, die geistigen
Strömungen seiner Zeit fallen, mag die kurze Übersicht (VIII — X)
und das Register, dessen zweiter Teil die besprochenen Stellen
aufzählt, ungefähr einen Begriff geben. Irgend welche Partien als
besonders anziehend hervorzuheben, unterlasse ich, so nahe die
68*
1076 R Heime, Vifgili epieeh« TadmilE, aag. t. R, BiUdkoftk^.
Yenncbong Iftge, uid besehrftok« mich darauf, zn «ioigflii dar Tor-
getragenen Anffaeenngen Stellong zn nehmen.
Der Verfaeeer betrachtet Aeneaa nicht ala ein Ton Anfang
an fertigea Ideal, sondern als einen in der Schule des Schicksals
werdenden Heiden (8. 271 (f.), der so« wie er XII 435 zn Ascanins
spricht, in II nicht hfttte sprechen können (8. 275, 1). Wie ihm
der Tollkommene Held Aeneas das Abbild des ^Weisen* ist, so der
werdende der Typus des ^Fortschreitenden*, wie ihn die Stoa ge-
prägt hat. Virgil soll im Bilde des Aeneas daa typische Schicksal
der emporstrebenden Menschenseele verkörpern. Znr n&heren Br-
l&nternng werden einige Sftize Senecas angeführt (8. 276, 2). Ich
habe von dem echten Dichterbemfe Virgils eine zu hohe Meinung
nnd glanbe, daß die nnbegrenzte Verehmng, die er namentlich im
Mittelalter genoß, von allen anderen Orfinden abgesehen, nnr bei
einem wirklich gottbegeisterten Sftnger erklftrlich bleibt. Aber ge-
rade darom regen sich in mir gewisse Bedenken. Der Verf. ver-
kennt selbst nicht (8. 275, 1), daß nach unseren Begriffen ein
deutlicheres Hervortreten der Absicht Virgils zu wünschen w&re,
meint aber, deshalb, weil dieser nirgends als Erz&hier mit unzwei-
deutigen Worten seine Absicht kund tue, dürfe man sie nicht
leugnen, denn solche Hinweise vermeide er überhaupt; er en&hle
einfach und überlasse die Beurteilung dem Leser. Ein selches Ver-
schleiern der künstlerischen Intention könnte aber in diesem Falle
als dichterischer Mangel empfunden werden. Wie mochte denn dem
Leser oder richtiger dem Hürer die Absicht des Dichters zum
Bewußtsein kommen? Die Aeneis sollte ja nach der vom Verf. ge-
billigten wahrscheinlichen Annahme (8. 261) nicht, wie ein heu-
tiger Boman, im Zusammenhang gelesen, sondern in einzelnen Ab-
schnitten rezitiert werden. Dabei w&re dem Hörer etwas, worauf
der Dichter großen Wert legte, die fortschreitende Entwicklang
des Helden, mehr oder weniger verborgen geblieben. Zieht man
weiter die aus Suetons Bericht bekannte Arbeitsweise Virgils in
Betracht, wonach dieser die Aeneis zunftchst in Prosa konzipierte
nnd den Stoff auf zwölf Bücher verteilte, bei der Ausarbeitung
sich aber nicht an die Beihenfolge der Bücher hielt, sondern ein-
zelne Stücke, je nachdem es ihm paßte, herausgriff und für sich
ausführte: so dringt sich der Gkdanke auf, wie andere Ungleich-
m&ßigkeiten auch die in Frage stehende, als Entwicklung gedeutete»
dadurch zu erklären, daß die einzelnen BOcher in einer gewisses
Unabhängigkeit voneinander gedichtet wurden, wobei dann die
Charakteristik des Aeneas im Geiste des Dichters selbst unter dem
Einfluß der Ereignisse unbemerkt ein anderes Gepräge erhalten
konnte. Bezüglich der eben berührten Frage der alimählichen Ent-
stehung des Gedichtes heißt es 8. 87: „Als Virgil I, II, IV— VE
schrieb, bat ihm also die Vorstellung vorgeschwebt, daß dem
Aeneas der Name dee Landes wie seines Stromes während der
Fahrt bekannt ist.* Eine Diskrepanz entsteht nun dadurch, daß
B, Heitufet Virgils epische Teehnik, ang. t. E, Bitaehofsky. 1077
aaeh in ni (V« 500)» ffir welches Bach (S. 81 £f.) ein anderer
Ornndgedanke der Komposition statuiert wird, Aeneas vom Thybris
als dem Ziel seiner Fahrt spricht. Wenn wir in der Nennnng des
Namens nnr ein Versehen des Dichters erblicken sollen (8« 87, 1),
so ist dieses Ansknnftsmittel allerdings nicht TöUig befriedigend.
— Eine der Tielen feinsinnigen Beobachtungen des Verf. ist die
(S. 278 ff.), daß bei Virgil mit sehr Tiel größerer Entschiedenheit
als bei Homer das Schwergewicht von den Anßeren anf die inneren
Vorgänge verlegt ist nnd den Dichter nicht eigentlich die Hand-
lungen beschäftigen, sondern ihre psychologische Motivierung oder
die psychischen Begleiterscheinungen, daß das Schicksal des ein-
zelnen in Leben und Schlacht häufig durch innere Mängel und
Vorzüge herbeigeführt wird. Es beruht diese auch sonst in vielen
Erscheinungen ber?ortretende und zur Erürterung gelangende Ver-
innerlichung, was zu betonen wäre, wohl überhaupt auf den wesent-
lich anderen Voraussetzungen des sogenannten Kunstepos im Unter-
schiede vom Volksepos und es soll natürlich nicht im entferntesten
«inen Tadel des Dichters involvieren, wenn ich die banale Wen-
dung gebrauche, daß bei jenem Verfahren gewissermaßen aus der
Not eine Tugend gemacht ist. Die Bilder, die der homerische
Dichter nur der Wirklichkeit zu entnehmen brauchte, mußte Virgils
Phantasie frei aus sich schaffen: kein Wunder, wenn das Äußer-
liche mehr zurücktritt. So erklärt es sich auch» wenn Virgil an
dem Ausgange des Kampfes kein Interesse nimmt (S. 207). Es
handelt sich ihm nicht wie dem homerischen Dichter um ein natur-
getreues Abbild und so bricht er ab, sobald er seinen Zweck er-
reicht hat. Damit soll selbstverständlich eine bewußte Anwendung
der dichterischen Technik durch Virgil nicht in Abrede gestellt
werden, um so weniger, als darin ein echt dramatischer Zug steckt,
wie deren die Aeneis gar manchen aufweist, worüber ich auf das
Register unter dem Schlagworte „Dramatisches*' verweise. —
S. 850 f. ist vom troischen Lager am Tiber IX 468 die Bede.
Der Verf. meint, sicher habe ja der Dichter mit pars sinisira und
dexUra selbst eine bestimmte Vorstellung verbunden und beabsich-
tigt, sie dem Leser zu suggerieren : gelungen sei ihm das nnr sehr
unvollkommen. Vielleicht ist dieser Vorwurf nicht ganz gerecht-
fertigt. Ich glaube» Virgil konnte recht wohl von einer linken und
rechten Seite sprechen, indem er allerdings das römische Lager
vor Augen hatte. Auch dieses suchte man womöglich an einen
Fluß zu lehnen, wie es (nach V. 815) beim troischen der Fall
war. Und wie vieles ist überhaupt im Kriegswesen bei Virgil alt-
römisch 1 Ich erwähne das von Turnus auf der Burg aufgesteckte
vexiüum^ die Reiterei überhaupt (die Homer fremd ist), die Be-
waffnung, die den römischen veHtes entsprechenden Leichtbewaff-
neten, das Poplitea auccidere als besonders gefürchteten Hieb des
römischen Legionars, die den feindlichen Feldherren abgenommenen
apolia opitna u. dgl. (vgl. S. 194 ff.). Die Vorstellung, daß die
1078 J. Biek, WieDer Palimpiesta, ang. t. E. Hatder.
Maner eioeo flachen Bogen beschrieben habe, dessen beide End-
punkte an den FInß stießen, so daß das Lager flberbanpt nnr
zwei Seiten gehabt b&tte, möchte ich anch einem Laien in solchen
Fragen nicht znmnten. Schließlich ist es naheliegend, murorum
in parte ainisira von der linken Seite des Lagers tu Terstehen,
indem tnurtis^ vom Lagerwall gebrancht, das an frftherer Stelle
(Vn 158 f.):
primaeque in litar$ sedes
eastrorum in moretn pinnis aique aggere eingii
von dem Walle des nämlichen Lagers gebrauchte agger ersetzt
(nach Yarro B. r. I 14, 8: aggeres quidam vocant murt»), — Die
'Berichtigungen* S. 489 sind nn?ollst&ndig. Bei den Eigennamen
sollte der stete Wechsel zwischen griechischer nnd lateinischer
Namensform beseitigt werden, z. B. 864, 2 Apollonios nnd drei
Zeilen danach Apollonins.
Ich scheide von dem Bache mit dem Eindrucke, daß darin
ein großer Dichter in kongenialer Weise gewürdigt ist. Wem ein
tieferes Verständnis der Dichtung aufgehen soll, der darf es nicht
unbeachtet lassen. Um die Jugend aber täte es einem angesichts
so heller Beleuchtung dichterischer Yorzflge doppelt leid, wenn sie
zufolge einer von akademischen Kreisen ausgegangenen Anregung
in Hinkunft tou dem unvergänglichen Werke in der Ursprache
nur nippen sollte.
Wien. B. Bitschofsky.
Josef Bick, YfTiener Palimpseste. l Teil: Cod. Palat Yindo-
boDeniie 16, olim BobbiensiB: LocaDUS, FelagODius, Acta ApoBtoIonun,
Epittalae lacobi et Fetri, Epiatula apocrypba Ap<ystoloram , Dioi-
carides, FraKmentam medicam. Mit sechs Tafeln. Wien, in Korn-
misaioD bei Alfred Holder (SitiUDgeberichte der kaia. Akademie der
WisienachafteD in Wien. Fhiloa.-hi8tor. Klaaae. 159. Band, T.Abhaad-
lang) 1908. IIB SS.
Diese Publikation des durch seine „Horazkritik seit 1880**
(Teubner 1906) philologischen Kreisen schon bekannten Yerf.s soll
den Anfang bilden für die Herausgabe aller Palimpseste der k. k.
Wiener Hofbibliothek. Als Beamter au deren kostbarer Hand-
schriftensammlung ist B. für diese schwierige und mühevolle, aber,
wie bereits diese erste Probe zeigt, ergebnisreiche und interessante
Arbeit besonders geeignet.
Das Programm für die geplante Sammlung entwickelt der
Yerf. im Yorwort. Darnach sowie nach dem Inhalt dieses Teiles
sollen die schon bekannten und teilweise reröffentlichten Wiener
Palimpseste auf Grund einer abermaligen Kollation neu und mehrere
„bisher selbst den Fachkreisen TÖllig unbekannt gebliebene" zun
eretenmal herausgegeben, die Beschreibung und Geschichte jeder
Handschrift dem Texte yorangeschickt, ferner die paläographiscfaen
J. Sich, Wiener Palimpaette, ang. ?. E. Hauler. 1079
EigentfliDlichkeiten nnd das philologisch Wichtige an jedem einzeloen
Stficke karz gewördigi werden. Die Transkription der Texte erfolgt
nach der handschriftlichen Anordnung; allen werden Faksimiles bei-
gegeben. Diesen ersten Teil zieren gelungene pbototypische Nach-
bildungen Yon sechs Seiten der besprochenen Handschrift (zu Lncan
T 182—189, Pelagonius § 898—396, Acta Apost. XXVI 29— XXVU
4, Epist. apocr. Apost. fol. 67^* mit transparenter Aufnahme, Dioscur.
III 82, 2, 3 nnd Fragm. medic). Die Lesung selbst wird und wurde
nicht durch Anwendung von eigentlichen Beagentien, sondern durch
Bestreichen schwieriger Stellen mit Äther, durch ?erschiedene Belich-
tung und Benutzung farbiger Unterlagen gefördert.
Im Sinne seiner programmatischen Einleitung bietet der Terf.
im I. Abschnitte allgemeine Bemerkungen über den Cod. 16, der
aus zwei Hauptteilen mit je zwei Teilhandschriften besteht. Der
erste reskribierte Hauptteil stammt sicher aus Bobbio, wohin er
wohl als Geschenk des Mutterklosters aus Irland gekommen war.
Ton Bobbio gelangte das Manuskript, wie dessen weitere dankens-
wert genau dargestellte Geschichte lehrt, in den Besitz des Parr-
hasius und A. Seripando, dann ins Neapler Augustinerkloster San
Oiavanni a Carbonara^ endlich trotz heftigen Widerstandes der
Augustiner auf Wunsch Kaiser Karls VI. in die Wiener Hofbibliothek.
Der IL Abschnitt gilt dem Lncan palimpsest mit 240 Versen
aus dem V. und VI. Buche De hello civili. Zun&chst werden die
palftographischen Eigentümlichkeiten dieser wohl dem V. Jahrhundert
angehörigen Kapitale, die Entdeckung der Fragmente und ihre bis-
herigen Kollationen, besonders durch Detlefsen knapp besprochen.
In der Bewertung des Textes und in der Feststellung seines Ver-
hältnisses zu der übrigen Lucaüüberlieferung folgt B. den Ausgaben
von Hosius, Lejay, Franken und den sorgfältigen Untersuchungen
Friedr. Becks. Doch hätte ich diesen philologischen Teil etwas
gründlicher ausgeführt gewünscht. So werden die Sonderlesarten des
Palimpsestes nicht ?ollständig angeführt und alle bis auf eine (V 197
obstrinzü) mit Steinhart gebilligte in Bausch und Bogen Terworfen.
Es hätte u. a. die Variante zu V 80 virum (prägnant) statt ducem
und zu VI 287 eine kurze Würdigung Terdient. Auch der beachtens-
werte Versuch des Verf.s, die Rezension Lucans durch Paulus,
den man zwischen 875 — 550 setzt, deshalb um 75 — 100 Jahre
hin aufzurücken, weil der Palimpsest in Lesarten mit dieser Rezen-
sion übereinstimmt, sollte eingehender begründet sein. Mit Recht
wird aber die Wichtigkeit der Bruchstücke in orthographischer Be-
ziehung hervorgehoben und die Zusammengehörigkeit mit den
Neapler Blättern außer jeden Zweifel gerückt. Darauf folgt in extenso
der Text der 240 Verse, indem unsichere und verstümmelte Buch-
staben suppungiert, verlorene oder unerkennbare Zeichen durch
eckige Klammern^) gekennzeichnet werden und zur besseren Les-
^) DaO das gleiche Zeichen sowohl verlorene als anch ganz na-
deutliche Buchstaben bezeichnet, seheint mir besonders für die Herstellung
1080 J. Bickt Wiener Palimpsette, ang. t. E. Haukr.
barkeit die Worttrennnng durchgeführt ist. Anf die Leeong hat B.
großen Fleiß nod anerkenneDswerte Sorgfalt verwendet; der Ver-
gleich mit der Probekollation des Bef. yom Jahre 1892 nnd neuer-
liche Einsicht mehrerer Stellen haben in allem Wesentlichen die
Zaverl&seigkeit der Angaben des Verf.s erwiesen'). In den An-
merkungen gibt er Einzelberichtigungen zu Detlefsen nnd Hosius;
insbesondere stellt er manche bei diesen schwankende Lesarten fest
und füllt Lücken in den bisherigen Entzifferungen aus.
Im III. Abschnitt behandelt der VerL in ähnlicher Weise die
Bruchstücke zu Pelagonius* Tierarzneikunde. Zuerst bespricht er
ihre Bedeutung und die Vergleicbuogen durch Josef von Bichen-
feld, Karl Schenkl nnd Max Ihm; er geht dann auf die äußeren
Eigentümlichkeiten dieser Fragmente, ihr Alter, das er mit Wahr-
scheinlichkeit in das sechste Jahrhundert verlegt, ihren Wert für
die Textkritik ein und gibt dann wieder ihren vollen Wortlaut mit
Berichtigung bisheriger Lesungen. Er ergänzt diese durch die
ziemlich lückenlose Entzifferung des Blattes 41''- (zu § 867 und 373).
Aufgefallen ist mir aber, daß B. das zu § 897 neu ersehene Kom-
positum in Buxi folia^caque ex aqua (mit W.)» ecolatum bene
potionabis als Verschreibnng aus et eolatum betrachtet, während er
es wegen des passenden Asyndetons und der verstärkten Bedeutung
(das Aus-, Durchgeseihte) als m. W. sonst nicht belegte Dublette
zu excolare (Pallad. VIII 8, 1, Vulg., franz. Scauler; vgl. de-, per-,
recolare) hätte festhalten sollen.
In dem IV. Abschnitt untersucht 6. ebenso die zwanzig
Pallmpsestblätter (wohl des V. — VI. Jahrhunderts) mit den latei-
nischen Bruchstücken der Apostelgeschichte und der Briefe
des lacobus und Petrus. Seine Abweichungen von der sehr genauen
letzten Publikation durch White bestehen zum Teil darin, daß
Lesungen, die bei diesem als feststehend bezeichnet sind, als nicht
mehr sicher erkennbar verzeichnet werden. In der Beurteilung des
Textes zu der Apostelgeschichte folgt B. Westcott und Hort, zu
den katholischen Briefen nicht völlig 8. Berger und P. Corssen.
Um die zwei letzten Abschnitte vorauszunehmen, so sei gleich
erwähnt, daß der VI, einige besser lesbare und für die Kritik wert-
volle Bruchstücke (wahrscheinlich noch des VL Jahrb.) aus sechs
sonst nicht erhaltener Texte minder praktisch sa sein. Ich pflege ausge»
fallene Zeichen dorch Spittklaminern , sehr undeatliche durch Setiang
doppelter Ponkte unterhalb der Zeile aaszudrflcken.
') In der Bezeichnung ansicherer Buchstaben ist B. allerdinge mehr-
mals (so sa V 280—283 und VI 280—245) sorftckbaltender als ich ■einersdi
es war. Aber in solchen Dingen ist dem Einzelnen natfirlich eine gewisse
Freiheit suzubilligen and jeder Erfahrene weiß, wie sehr die Ergebnisse
einmaliger Einsicht von Pälimpsesten von denen wiederholter Vergleichung
sich unterscheiden. Jedoch raten die im V. Kapitel zu berichtigenden
Lesungen sa noch größerer Behatsamkeit im Ansetzen von fiacbstaben, die
als wirklich gesichert gelten sollen; aach empfiehlt sich die Hinsafflgeng
der nächst wahrscheinlichen Zeichen za ansicheren Elementen oder Silben,
wie dies W. ätndemond in seinen vorbildlichen Arbeiten stets getan hat
J. Bidß, Wiener PalimpeeBte, »Dg» y. E. Haüler. 1081
Kapiteln des III. Bnches Ton Diosknrides IJegl {ilrig IcctQixfjg
entb<. Die Nacbprüfang des schon tob Eicbeofeld nnd weit besser
von M. Wellmann Gelesenen sowie die Neaentziffemng Ton Teilen
des Kapitels 108 nnd 109 dieses Bocbes anf dem Blatt 63^* bat
den Wert unseres Palimpsestes nocb etwas gesteigert. Der YII. Ab-
schnitt bietet nur einzelne (anf vier Doppelblftttem) lesbare grie-
chische Wörter medizinischen Charakters, ans denen sich aber
bisher weder der Autor noch die Schrift selbst bestimmen ließ.
Es erübrigt noch, über das im fünften Kapitel besprochene
Doppelblatt 60 und 67 kurz zu berichten. W&brend ?. Eichenfeld
darauf nur einige unzusammenhftngende Wörter und Silben hatte
lesen können, ist es dem Terf. geglückt, soviel zu entziffern, daß
er die Znsammengehörigkeit wenigstens des Blattes 67 mit einem
apokryphen koptischen Schriftstücke feststellen konnte, dessen Fund
in einer zu Kairo befindlichen Papyrushandschrift Prof. Karl Schmidt
(Sitzungsberichte der kgl. preuß. Akademie 1895, S. 705) angekün-
digt hatte. Dieser bestätigte befragt nicht nur die Identit&t des noch
nicht veröffentlichten Textes, sondern hat auch im Anschluß an
Bicks Publikation soeben in den genannten Sitzungsberichten (1908»
S. 1047 ff.) unter dem Titel ^Eine Epistola apostolorum in kop-
tischer und lateinischer Überlieferung' einzelne Lesungen Bicks
nach seinem Texte verbessert und eine Beihe theologisch sowie
literarhistorisch interessanter Fragen kurz erörtert und dabei An-
sichten des Verf.s berichtigt. Das andere von dem ersten ursprüng-
lich wohl durch drei Doppelblfttter getrennte Folio (60), das B. und
Schmidt demselben apostolischen Sendschreiben zuteileita wollen,
ist mit einer in zwei Handschriften des IX. Jahrhunderts Epiattda
domini naatri lesu Christi adThomam diaeipulum suum betitelten
Schrift nächst verwandt, deren Text teilweise mit 60'*, weit mehr,
wie ich demnächst in den Wiener Studien (1908, 2. Heft) nach-
weisen werde, mit dem bisher noch sehr lückenhaft gelesenen Wort-
laote der Bückseite des Palimpsestblattes Obereinstimmt. Den Text
dieses eine Thomasapokalypse bietenden Schreibens hat der Straßburger
Professor v. Dobscbütz vor neun Jahren gefunden und festgestellt
(Theol. Lit.-Ztg. 1908, S. 488 f.)« aber noch nicht drucken lassen.
Durch das Entgegenkommen des Genannten ist es möglich, das
von B. zuerst Entzifferte zu berichtigen und nicht unerheblich zu
ergänzen. B. gebührt aber das Verdienst, durch seine gerade auf
diesen Blättern recht mühevollen Lesungen die altchristliche lateinische
Übersetzungsliteratur um zwei interessante Bruchstücke erweitert
und eine Beihe wichtiger Probleme angeregt zu haben.
Im ganzen macht die Publikation den Eindruck, daß der Verf.
mehr auf die eigentliche Lesung und auf die geschichtliche sowie
paläographische als auf die philologische Behandlung des Textes
Nachdruck legen wollte. Da seine Entzifferungen auf mehrere ver-
schiedenartige Texte sich erstrecken, die er in verhältnismäßig
kurzer Zeit gefördert hat, kann diese erste Probe der Veröffent-
1082 W. M, Lindnayt Contr. in Latin min. Mu., ang. t. TT. Weinberger,
lichang von Wiener Palimpseiten als anerkennenswerte Leistong
begrüßt werden. Der Verf. wird bei seinem großen Eifer gewiß die
FortBetznngen» mit denen er schon begonnen hat, nicht nur philo-
logisch, sondern znm Teil anch pal&ographisch ^) vollkommener
gestalten. Wir wflnschen zugleich aufrichtig, daß ihm sein Finder-
glück anch weiter treu bleibe.
Wien. Edm. Haaler.
W. M. Lindsay, ContractioDS in early Latin minuscole Mas.
8t. Andrewt ÜoiTersity PnbUcationB No. V. Oxford 1908. 54 88.
L. legt die Ergebnisse seiner yerdienstlichen Samminngen in
zwei Ornppen vor, je nachdem die von ihm nntersnchten alteren
Minnskelhandschriften irisch oder l[ontinental sind, scheidet aber,
wie ich schon N. phil. Bnndsch. 1908, 8. 806 bei einer kurzen
Besprechung im Anschluß an Traubes Nomina saera bemerkt habe,
nicht zwischen Kontraktion, z. B. d(eu)s, und Suspension, z. B.
/(rater). Qeht man nun der Kontraktion nach, so zeigt sich, daß
zwar die Zahl der Belege vielfach größer ist, z« B. bei numerus;
für gr(atia)m hat L. wenigstens ein irisches Beispiel, der Kreis
der in dieser Weise gekürzten Worte aber sich kaum erweitert.
Außer den bei Traube (8. 252 — 266) verzeichneten finden sich
(meist in vereinzelten F&llen) : ad(e)o, f(a)€(t)a, /(ar)ma (in einer
späteren Handschrift), id(e)o, imp(er€Uo)r, m(aU)r (vgl. Traube
8. 120 über fti}ri^p), m(odu)B in der teils in Neapel, teils in
Wien liegenden Qrammatikerhandschrift aus Bobbio, die auch bei
nomen eine Besonderheit zeigt; vgl. übrigens q(uo)m(od)o und
q(uo)m(o)do, fq(ua)rej, q(uip)pe, s(ui)8; vgl. ms für fneiim, r*
für tua, ferner die besonderen Kürzungsformen : a(n)i(m)a, g(enti)s,
g(en)t(e)m, h(un)c, q(uand)o.
Brunn. Wilh. Weinberger.
Sedlmayer-Scheindlers Lateinisches Obangsbuch für die
oberen Klassen der Gymnaeien. Vierte Auflage heraasgegeben von
Dr. H. 8t 8edlmayer. Wien, F. Tempskj 1908. 263 öS. gr.-8*. Pien
geb. 2 K 64 h, geb. 3 K 20 h.
Schon die 1. Auflage dos Buches, welche im Jahre 1895
erschien, wurde von berufener Kritik sehr günstig beurteilt und
die Anlage des Buches sehr zweckm&ßig genannt, vgl. diese Zeit-
sehr. XL VII (1896), S. 29 ff. In der 2. verbesserten Auflage (1900)
wurden folgende Änderungen vorgenommen :
1. Die Anmerkungen wurden als Fußnoten unter den Text
der Übungsstücke gesetzt. 2. Die grammatischen Zitate wurden
*) Es f&Ilt anf, daß W. Traobes Arbeiten, die früheren sowie die
Aber die Nomina sacrOf nicht verwertet worden sind. — Der Druck iit
gat überwacht; doch toll es 8. 1, Z. 7 Upistulae und Epietula heiftes.
Sedlmayer-Seheindkr, LateiD. Übangsbaeb, aog. ?. J. Eeyzlar, 1083
ancb auf die latein. Scbulgrammatiken ?od Sebmidt nnd Schultz
anagedehnt. 8. Der Text der ÜberaetzuDgestücke wurde Yielfach
hiDBicbtlich dea dentachen Anadnicka gebeaaert. 4. Daa WOrter-
Yerzeichnia wnrde darch Anfnabine von etwa 70 nenen Vokabeln
erweitert. 5. Einer gründlichen Beviaion wnrde endlich die Syno-
Djmik unterzogen nnd vielfach eine prftziaere nnd klarere Scheidung
der Bedeutungen der Wörter bergeatellt. Neue Stücke wurden nicht
aufgenommen; daa minder geeignete Stück 1 B 58 (Die griechiachen
Bhapaoden) wurde auageschieden.
Seither ist im J. 1906 die 8. dnrchgeaehene nnd im J. 1908
die 4. Auflage, die einen unverAnderten Abdruck der 8. Auflage
daratellt, erachienen — Beweia genug für die große Brauchbarkeit
dea Bnchea.
Waa nun die vorliegende Auflage betrifft, ao aei bemerkt,
daß von den 197 Stücken dea Buchea über ein Drittel an die
jeweilige Klaaaikerlektüre aoscbließt, also Variationen zu Liviua,
Salluat, Cicero und Taeitua nnd außerdem Stücke allgemeinen
Inhalte enth&It, lauter ethiach wertTolle, Qeist nnd Qemüt anregende
Stücke in klarer, dem Dentachen nicht widersprechenden Daratellung.
Die Stücke aind nach der Erklärung der Ver£f. zum Teil aelbst&ndig
▼erfaßt, zum Teil dentachen Schriftstellern entlehnt; nur ganz
wenige sind anderen Übungsbüchern entnommen, jedoch umgear-
beitet. Einen Quellennachweis bietet wenigetena für einzelne Dbunga-
atücke QoUing a. 0. S. 80.
Die Anmerkungen unter dem Text führen den Schüler
wohl in jedem einzelnen Falle auf den richtigen latein. Ausdruck.
Daa alphabetische Wörterverzeichnis schließt nach der An-
nicht des Bef., trotz der Vermehrung der Wörter der ap&teren
Auflagen, den Gebrauch einea deutach-Iateiniachen Wörterbuches
in einzelnen Füllen nicht ans.
Der stilistische Anhang zeigt bekanntlich den aystema-
tiachen Aufbau und die Einübung der wichtigaten atiliatisohen
Eigentümlichkeiten in konzentrischen Kreisen, derart auf die
vier Oberklassen verteilt, daß in der V. Elaaae hauptaächlich die
Eigentümlichkeiten im Qebrauche der Bedeteile, in der VI. Klasse
daa Wichtigste über Wort- nnd Satzstellung, in der VII. und VIII.
Klasse die Lehre von den Tropen und Figuren sowie vom Perioden-
ban vorgenommen wird.
Waa achließlich die Eiementar-Synonymik betrifft, so
enthält diese 158 Nummern, welche über daa Wichtigate auf dieeem
Gebiete dem Schüler entsprechende Aufklärung bieten.
Die äußere Auastattung dea Buches ist gefällig, der Druck
korrekt. Eine Verbesserung in genealogischer Hinsicht möchte der
Bef. empfehlen S. 17 in Nummer II in dem ersten Satze „Als
Bomnlua und Bemua auf Befehl ihres grausamen Großvatera Amu-
lina auf dem Tiber ausgesetzt worden waren ..."*, wo ea heißen
ioll „dea gransamen Bruders ihres Großvaters, A.**, da ihr Groß-
1084 Ä. Eomitter, Latein. Obiugibodi, aog. t. J. Keytlar.
▼ater nach der Sage Nnmitor war, tind 8. 129 in Nummer 7, 1,
wo Tigranes der Schwiegervater des Mithridates statt „Schwieger-
sohn*' genannt wird.
Das Gesamtnrteil lautet: Das treffliche Bnch ist allen Fach-
genossen sehr zn empfehlen.
Lateinisches Übungsbnch flkr Obergymnasien Ton Alois Koroitier.
Wien, F. Tempikj 1907. 252 88. gr.-8<^. Preis geh. 8 K, geb. 8 K
50 h.
Das Bnch des rühmlich bekannten Heransgebers der Gerold-
sehen Klassikertexte schließt sich den genannten älteren bew&hrteo
stilistischen Büchern von Hanler nnd Sedlmajer - Scheindler als
jüngstes würdig an.
Der Gmndstock des Bnches ist im Anschloß an die jeweilige
Klassikerlektüre aus dem Lateinischen abgefaßt. Die Obnngsstücke
(117 an Zahl) wollen den Eindruck des Gelesenen vertiefen, in
manchen F&llen aber auch berichtigen, und zwar schreitet du
Buch Ton den einfacher gehaltenen Stücken, die sich an den Text
des Autors (Livius) anlehnen , zu den immer schwereren Stücken
der sp&teren Autoren fort, die mit stets zunehmender Freiheit ge-
staltet sind. Auf diese wird stets unter der Überschrift hingewiesen.
Daneben wurden noch andere Stücke aufgenommen, die den Ge-
dankenkreis der Schüler erweitern, ihr Urteil bilden und unrichtige
Vorstellungen beseitigen sollen. Diesem Zwecke dient auch die
Charakteristik einzelner rOmischer Schriftsteller , inebesondere die
Ciceros.
Die Anmerkungen unter dem Texte bieten dort Hilfe, wo
der Schüler der Hilfe bedürftig ist, um eine in Auedmck und
Satzbau dem deutschen Sprachgeist gem&ß gestaltete Überseizungs-
▼orlage in eine durchaus lateinische Form zu kleiden, im Anfange
ausführlicher, spftter seltener, und zwar mehr durch Vorführung
von Beiepielen aus der den Schülern bekannten Lektüre mis durch
theoretische Anweisung.
Das Wörterverzeichnis dürfte wohl auch bei Eomitzer
den Gebrauch eines deutsch-lateinischen Wörterbuches von Fall zb
Fall nicht überflüssig machen.
Der Stilistische Anhang, der natürlich durch die xahl-
reichen sprachlichen und stilistischen Beobachtungen, welche in
die Anmerkungen aufgenommen wurden, stark entlastet ist, bietet
nur solche stilistische Eigentümlichkeiten, die sich gruppenweist
zusammenfassen ließen. Das Hauptaugenmerk hat der Verf. daraaf
gerichtet, zu einem wirklich latein. Satzbau anzuleiten, und zwar
hat auch hier der Verf. an zahlreichen Beispielen die ehank-
teristische Eigenart beider Sprachen anschaulich zu machen ge-
sucht, besonders die verschiedeneu Subordinationsverh<nisae dsr
latein. Sprache gegenüber der schlichten deutschen KoordinatioBt
Borseh'Fritgehf J. Eftoleri Lfit. SlllILbttDgaii, %ng* f. J. Keytlar. 1085
dann die Obeftragtin^ gewleeer deniecfaer EelatWiltie ine LaUiniicb&,
die BstiaDdliiDg des für den cohr Latinum so wi einigen Gebleiea
der lataiQ, Wort- und SatzBtellüDg, Damentlicb die bietorische
Perjodd n» a. m.
Der Drnck let feblerfrei, nur mOcbte der Bef. eine überslcbt*
liebere InhatUangab^ S« 250 ff* im iDteresBe scbnelleren Zürecbt-
findena nod Nacfascbla^ens der belreffenden Stücke wild sehen« Die
äüBere ÄnsstatlDog ist aorgfältig QDd gefftüig« Das Bncb eelbati
daa einem so wicbtigen Teile noaeres LatemUDterricbtes dienen
solU ist recbt zu empfebleo*
r Dr. Jobann H auler s Lateinische Stilübungen rar die oberea
1 El&iien der G/mDaaiee. d. Aoö^gts, neu bearbeitet too Dr. Joaef
I Dofacb in Prai? ued Dr. Jaiaf Friticb in Wieo. Wien, Verlag
^^ TOD A. Holder 1007. 300 SS. 8V Prm geh. 2K 70 b, geb, SK20b.
^B^ Das ebenso alte als bswAbrte Haderscbe Bneb liegt hier
in einer npiLen nnd, es sei gleicb gesagt, verjängtan Änflage
vor, Wäbrend die frabere Auflage aus zwei getrennten Teilen mit
rueammen 502 Seiten baatand, erBcbeiaen jetzt beide Teile zn
einam Bande — nicht zum Nachteil dea Baches — mit 300 Seiten
verein igtp Der Untarechied in dar Seitenzahl betrifft mehr den
atilistiechen als den teitiicban Teilf der eher bereichert als re-
stringiert wurde. Neu aofgeuemmeti wurden Stücka über die 3> De-
kade des Lifina, ober Cäeare Büri^erkrieg, über einige bänüg ge-
lesene Eadan und pbilosopbiecbe Schriften Oiceros und über sp&tert
Bücher aus Tacitus' Annalen sowie Stücke ans den Historien,
Auch die Dichter lektüre wurde in einzelnen F&Ilan zu verwerten
gaBücht. Dagegen wardan an dem alten Texte zahlreiche Kür^
Zungen gemacht. Inhaltlich weist der Teit der jtdeamaligeD
Stufe, für die er baatimmt istp entsprechend die nötige Zahl von
Ühnngsslöckan auf, teils im Änschluli an die Elassikerlektüret teils
freieren Inhalts. Die gesamten Stücks 1 — 94 lehnen sich gram-
matisch au ainzeint Abschnitte der ganzen Syntai an, wobei die
Stücke 28—36 nnd 68 — 74 der Wiederholung einer größeren
grammatischen Partie dienen. Die bezüglichen Paragraphen der
Grammatik sind partienweise ausgewiesen und auüer den beiden
Sprachlehren von Scbeindler- Kauer und Schmidt- Thumser auch
noch die Sprach buch er ?on Seh ultz-Feicb tinger und ?on Strigl In
den Kreia dar Verweisung mit einbezogen « eine Erweiterung j die
für die weitere Verbreitung dea Buches f on Vorteil ist. Diese auch
schon in der früheren Aaflaga bestebenda Einrichtnug dar Hanler*
sehen Bücher, daß nämlich auch dar Stoff des Obergymnasiums
znnächit eich baoptsachlich nur an gewisse Abschnitte der Gram*
matik anlehnt nnd damit eine sehr wünscbens werte Wiederholung
der Grammatik begrüüdet, ist sehr zo biliigen. Auf der höchsten
Stufe dann, d. i. in der Oktana, sind Übungsstücke am Platze^
1086 Dorsch-Fritsch, J. Hanlen Lat 8tilfibiiiig«D, ang. r. J, Keffdar.
welche die EeontDis des ganzes g^ammatiBchen Lehratoffee xnr
VoraQssetzQDg haben, wie es eben aach in dem vorliegenden
Buche der Fall ist. Die Stflcke von 95 bis 117 (Scblaß) sind
nftmlich far die Wiederholung des ganzen syntaktischen LehrstolEM
nnd der stilistischen Hanptregeln bestimmt. — Was nnn die Ans-
drnckeweise betriflft, so weist die neue Auflage gegen die
frühere einen entschiedenen Fortschritt auf. Die AnsdrncksweiN
ist durchaus eine gute und keineswegs etwa der lateinlaeheB
sklavisch folgende zu nennen. Gerade hier haben die Bearbeiter
viel geändert oder, richtiger gesagt, ver«bessert: von Seite zs
Seite, ja von Zeile zu Zeile kann man da die fleißige und gründ-
liche Bearbeitung verfolgen. Die lange Periodisierung und Ein-
schachtelung der Sfttze nach lateinischem Muster ist beseitigt, die
Nebensätze sind, der einfachem Stilart im Deutschen entsprechend,
vielfach durch Hauptsätze ersetzt, die Wortstellung ist richtig-
gestellt, der Gebrauch der Zeiten und der Arten (Modi) verbeseert,
die leidende Form, zu der das Lateinische hinneigt, durch die
tätige Form (besonders durch ,man') ersetzt Die vielen Daß-Sätze
des früheren Textes sind in anderer Weise (besonders durch den
bloßen Inflnitiv) wiedergegeben ; der Artikel der Eigennamen ist
meist abgeschafft usw. Der Ausdruck selbst wurde vielfach durch
einen treffenderen ersetzt, der bildliche Ausdruck mit Geschick Ter-
wendet — Eine durchgreifende Änderung wurde nach dem Mneter
der neueren Auflagen der Kasus- und Moduslehre in der Ein-
richtung der „Vorübungen* vorgenommen, u. zw. in der Weise,
daß die dort aufgespeicherten Hilfen dem Schüler geboten werden
1. in Form von Fußnoten unter dem deutschen Texte, 2. duck
ein alphabetisch geordnetes Wörterverzeichnis und 8. durch
einen Anhang mit stilistischen und synonymisch-phraseologischeo
Bemerkungen. Die Faßnoten unter dem deutschen Texte auf jeder
Seite ermöglichen dem Schüler ein rascheres Übersetzen, als ee bei
dem Gebrauch der älteren Auflage mOglich war. Was nun das
Wörterverzeichnis, das mit großem Fleiße gearbeitet ist anlangt
so ist schon die Aufnahme eines solchen in das Buch (in d«
alten Auflage fehlt es bekanntlich) an und für sich ein nicht zu
unterschätzender Vorteil. Es ist bei seinen 65 Seiten natArlich
nicht ausreichend, will es auch nicht sein, „damit der Schüler
der obersten Klassen nicht des Zwanges überhoben werde, über
die Übersetzung einzelner WOrter und Wendungen etwas nachzu-
denken'' (s. das Begleitwort), dürfte aber den Schüler sieht eß
im Stiche lassen. Was endlich den Anhang betrifft, so beetekt
dieser aus zwei Teilen: I. den stilistischen nnd n. den synonj-
mischen und phraseologischen Bemerkungen. Daß man diese jetxt
geordnet vorfindet, während sie in der früheren Auflage an t«-
schiedenen Stellen verstreut waren, erscheint natürlich als eiB
großer Gewinn. Da diese Bemerkungen nur eine mäßige Erweite-
rung des Anhanges in J. Haulers ^Aufgaben zur Einübung der
Dorsch-Fritschf J. Haoleri Lat StilttboDgen, ang. v. J. Keyzlar, 1087
lateiniBcben Syntax^ darstelleo, so mag der Satz in dem Begleit-
worte, „daß der Schäler, der die Hanlerschen Bacher bereite im
Untergymnasiam benfitzt hat, sich in dem vorliegeoden sofort
beimisch fflhlen wird*', seine Btchtigkeit haben. Aas diesem
Grande, eben weil die Bem^rkangen in gleicher oder nar wenig
erweiterter Form sich in den bekannten Hanlerschen Bachern fflr
das Untergymnasiam vorfinden, ist der Ref. der Aafgabe fiberhoben,
hier darüber eigens za referieren. Doch mOgen ihm einige Worte
gestattet sein. Was zanächst den Umfang des Anhanges betrifft,
80 sind viele Bemerkangen der alten Aaflage weggefallen. Mit
Bechtl Denn die Zeit fflr die stilistischen Übangen ist so knrz
bemessen, daß die Notwendigkeit, die lateinischen S&tze der „Vor-
übongen^ darchznarbeiten , als ein Hemmnis empfanden werden
maßte and das am so mehr, als diese Sfttze absichtlich nicht,
dem betreffenden Texte entsprechend, geordnet mit diesem gleichen
Schritt hielten, sondern ein Darcheinander bildeten, darch das sich
der Schfiler erst darcharbeiten maßte. Es ist also nar als ein
glücklicher Griff zo begrüßen, daß die Bearbeiter mit dieser Ein-
richtang der alten Auflage gebrochen and die dort aafgespeicherten
Hilfen in anderer Form geboten haben. Es lag nan natürlich nahe,
daß sie, am den Charakter des Hanlerschen Baches aach in dieser
Beziehang za wahren, die Stilöbangen für das Obergymnasiam in
ihrer Anlage Hanlers Lehrbüchern fflr das Untergymnasiam ange-
paßt haben. Bieten ja letztere für diese Stafe stilistisches Mate-
rial fast za viel and reicht es, znmal in der erwähnten Erweite-
rasg, aach für das Obergymnasiam vollkommen aas. Da infolge-
dessen eine Anzahl von Sfttzen des alten Anhanges wegfiel and
Tiele bei der alten Auflage notwendige Wiederholongen vermieden
wurden, wofür dann die Fußnoten anter dem deutschen Texte, das
Wörterverzeichnis und der verhältnismäßig kurze neue Anhang ein-
traten, erklärt sich die auffallende Differenz in quantitativer Be-
ziehang zwischen den „Vorübongen" der alten Auflage (208 SS.)
und dem Anhange der neuen (61 SS.). Die Zeit verlangt eben ihr
Becht und war auch für die frühere Epoche das Buch in der frü-
heren Auflage am Platz, für die jetzige Zeit taugt diese gewiß sehr
schön gedachte Anlage nicht mehr. Was nun die Methode des
Anhanges betrifft, so zerfällt letzterer in zwei Abschnitte. Im
I. Abschnitte Nr. 1 — 118 behandelt das Haulersche Lehrboch 1. die
Nomina, 2. Verba, 8. Adverbia und Präpositionen, 4. koord. Eon-
janktionen und Negationen nach der stilistischen Seite hin, woran
sich dann 5. die Wortstellung und der Satzban ond endlich 6. die
Figuren und die Tropen anschließen. Im II. Abschnitt Nr. 114 bis
198 wird eine Anzahl von Ausdrücken an der Hand von Beispielen
nach der synonym.-phraseologischen Seite hin besprochen. Die bei-
gefügte Quantitätsbezeichnung nnd die Verweisung auf das Grie-
chische sind im Interesse der richtigen Aussprache nnd des bes-
seren Verständnisses nur zu loben. Die äußere Ausstattung des
Buches ist sehr geschmackvoll, der Druck korrekt und fehlerfrei.
1088 Ä. Komitger, Lttetn. ÜboDgibaefa, «ig. t. J. Endi.
Da das Buch seine alten Vorzfige bewahrt hat nnd dnrcb die
Angleichnng an die Bändehen ffirs Untergymnasinm sowie durch
eine hOchst grfindliche nnd sorgfältige Feile gewonnen bat, so
steht zn erwarten, daß es sich anch in seiner neuen Gestalt zur
Lösung der Aufgaben des Lateinnnterrichtes forderlich erweisen wird.
Wien. J. Eeyzlar.
Von anderer Seite werden die lateinischen Übungabfieher
Eornitzers und Sedlmayer-Scheindlers folgendermafien be-
gutachtet:
I. Obwohl 7on vielen gegen das Lateinische am Gymnasium
gekämpft wird und die Beform vor der Tflr steht, erscheinen doch
immer wieder neue Übungsbficber zum Übersetzen ins Lateinisefae
für das Obergymnasium. In Österreich TerOfföntlichte Strauch 1894
sein Buch „Der lateinische Stil**, 1895 gaben Hintner und Neu-
bauer ihre Sammlung von Obungsstflcken heraus, dasselbe Jahr
brachte das lateinische Übungsbuch von Sedlmayer und Scheindler.
1907 erschien das Übungsbuch von Komitzer. Wenn man diese
Bächer mit denen im Deutschen Reich, z. B. mit der neuen Be-
arbeitung der Ostermannschen Übungsbücher von Müller Tergleicht,
so ergibt sich ein Unterschied : unsere neuen Übungsbücher werden
immer schwerer, stellen immer grOßere Anforderungen.
Das Übungsbuch von Komitzer hat dieselbe Einrichtung wie das
von Sedlmayer-Scheindler. Schon darin zeigt sich die Ähnlichkeit»
daß man vergebens nach einer Angabe sucht, an welche gram-
matische Partien der fünften und sechsten Klasse die Stücke an-
gelehnt sind, es ist auch kein Unterschied zwischen solchen und
freien Aufgaben gemacht. Und doch verlangen die Instruktionen,
daß „in der Begel wöchentlich einmal im Anschluß an jene
Partie der Syntax, welche unmittelbar vorher wiederholt und er-
weitert wurde, ein Stück aus dem eingeführten lateinisch-
deutschen Übungsbuch zur schriftlichen Präparation** aufgegeben
werde.
K. zeigt das Streben, den Schüler in das Lateinschreiben
einzuführen, ihn zu einem guten Stil anzuleiten. Viele Anmerkungen
und der Anhang beweisen dies. Er macht fleißig auf den Unter-
schied des Lateinischen und Deutschen aufmerksam. Aber hier
geht er meines Erachtens bisweilen zu weit Denn er hat sich
eine Reihe von Erscheinungen der Grammatik und Stilistik aas-
gesucht, wo er den Unterschied hineinlegt, wo aber das Dentsehe
mit dem Lateinischen sonst übereingestimmt werden kann; oder
er legt auf Dinge Nachdruck, die nicht sonderlich nütig sind.
Dabei gerät K. in die Gefahr, in Manier zu verfallen. Dahin ge-
boren 1. phraseologische Ausdrücke, 2. deutsche Belaüvsätze, die
im Lateinischen durch eine andere Art der Nebensätze wieder-
Ä. Komitger, Latein. ÜbnngBbncb, tng. v. «7. ündt 108b
zngebeB slDd, 8. im . Lateinischen ein Folgesatz ffir eine andere
deutsche Wendung. Einige Beispiele hieffir: Zu 1. Stück 5 8)
mniSten heimkehren, 7 II 4) mußten sehen, 18 mußte nehmen,
15 I mußte sterben, 7 II dem Horazier nun mußte vor allem
daran gelegen sein, 8) mir muß daran gelegen sein mea inierest,
10 I 2) mfissen flächten, 115) beizumischen weiß, 12) und sie
wußte auch wirklieh zu fiberreden, 10 I wußte zu fiberreden, 15
n wußte zu fiberreden usw. Fast sieht es aus, als ob man „fiber-
reden *" ohne „wissen ** nicht gebrauchen könnte.
Gern verwendet E. das Wort „wirklich*' als phraseologische
Beigabe: 8 II 17), 5 8), 18, 17 H (zweimal), 22 II, 60 I, 61
n, 68 (zweimal). Dieses Lieblingswort ist vielfach doch nichts
anderes als ein Flickwort, wie auch nun, denn auch, eben.
Doch, erst. Hieher mOchte ich auch die phraseologischen £e-
latlvsfttze ziehen, so 22 n Der Aufenthalt also (war es, den) ^')
Hannibal fürchtete, nicht der Kampf; A. 12: fibs. ^den Aufent-
h(alt), nicht den E(ampf) ffirchtete H^anniba))'. Ja, warum steht
das nicht gleich im Texte? 44 III der Konsul Cicero selbst (war
•8, der) ihn verteidigte. Hier ist doch das einfachere .der Konsul
Cicero selbst verteidigte ihn** zugleich schöner. 67 E Und nicht
durch Kampf wurde dieser Feind zurfickgewiesen, sondern Gold
(war es, das) ihn zum Abzug bewog. 107 U Und nicht eben
lange (währte es, da) *) traten .... Mißhelligkeiten ein ; A. 8 :
übe. 'nicht gar lange danach (it^ ita muUö post) traten . . . ein'.
Diese Anmerkung hätte erspart werden können, wenn der Text
einfach w&re. Und non iia muUo post sollten Oktavaner denn doch
kennen I
Zu 2 vgL: 2 II bei Latinus, der ^*) aus der Unterredung
erfuhr: ^*) Temporalsatz Hier könnte es im Deutschen
heißen: Jedenfalls aber sei bei Latinus plötzlich eine vollständige
Sinnesänderung eingetreten, als er aus der Unterredung erfuhr.
3 I der 8) cum. 7 U 7 (§ 16, 2). 8 n 2), 10 I 7), 14 U 11),
15 II 11), 15 III 5) usw. Doch alle diese Anmerkungen und
den § 16, 2 im Anhang hätte K. ruhig weglassen können, wenn
er die fehlerhaften Belativsätze nicht geschrieben hätte. K. hat
in den angeführten Fällen einen Belativsat^ statt eines anderen
Nebensatzes öder eines Hauptsatzes gebraucht Sein § 16, 2 ge-
hört^ in die deutsche Stilistik, dort ist vor.solcl^en Beiativsätzen
zn warnen. Vgl. 6. Wustmann, Allerhand Sprachdummheiten*,
S. 129 f. .
Zu 8 ^.: 1 11.16), 8 II 15), 5 I 2), wo auch noch eine
andere Art des Satzbaues vorgeschlagen wird. 6 II 10), 8 I 16),
8 n 18). 10 n 8), 12 17).
Eine tiig^ntfimlichkeii des Übungsbuches yon K. bilden die
Anmerkungen ober Finalsätze. 15 II Di^ ruchlose Tnllia.. ..
trieb ihren Oatten an, sich ... des. Thrqnes zu bemächtigen;
sonst ^') wfirden die frfiher verfibten Verbrechen völlig zweck-
Z^tMkiifl f. d. teterr. Otbb. 1S08. XU. Htft 69
1090 Ä. KomiUer, Latein. Übnogsbaeh, ang. v. J. Endt
ld8 sein; A. 12 übs. ^damit nicht ...\ vgl. g 14, 2 c; ähnlich
36 II 7), 53 n 6). Ferner 8 II er wollte nämlich, daß «)
auch die Feinde es hören sollten; A. 6: *er wollte n&mlich, daä'
einfach dnrch tU finale; vgl. % 14, 2 c. In diesen Dingen weicht
E. vom allgemeinen Brauch stark ab.
Es sieht wohl sehr schOn ans, wenn die Qymnasiasten Ans.
drücke fibersetzen kOnnen wie: der historische Cato 88 A. 15,
antike Naivität 75 HL A. 6, der phantastische Schwärmer 100
I A. 1, intellektueller Urheber 14 I A. 1, republikanisches Begi-
ment 100 I A. 12. Aber die Sache verliert sehr viel von ihrem
Glanz, wenn man bemerkt, daß fiberall Anmerkungen notwendig
sind, die die Übersetzungen geben. Ebenso steht es mit dto
meisten Fremdwörtern, die E. in großer Zahl gebraucht: 81 m
Eonsequenz, 81 IV Energie, 106 I Ideal, 95 III Interesse, 45 I
Skrupel, 45 II Bankerott, 70 I protestierte energisch, 72 m Tort
72 m Eorrektur, 108 I parodox, 87 n Eommission, 109 n
Eorruption, 87 I korrupt, 109 II Situation, 80 II Individuen,
30 I Sympathie, 7 I Patriotismus, 45 I, moralische, 45 II
Elemente, 109 n Detail. Sicher wären bei gutem Willen
viele dieser Fremdlinge durch gute deutsche Wörter zu ersetzen
gewesen. Was gewinnt der Schfiler davon, wenn er die meieten
dieser Fremdwörter in den Anmerkungen fibersetzt findet? Zu 45
II „Bankerott seines Vermögens'' mag dem Verf. wohl „Zusammen-
bruch, Verlust seines Vermögens'' vorgeschwebt haben, da bloßes
„Bankerott** genflgt. „Wundern muß man sich**, sagt Wastmann in
seinem genannten Buch S. 410, ^^a& die Männer der Wissen-
schaft, bei denen man doch die größte Einsicht voraussetzen sollte,
fast alle noch in dem Wahne befangen sind, daß sie durch Fremd-
wörter ihrer Sache Glanz und Bedeutung geben können**. Femer
muß noch gesagt werden, daß E. mit seinen Fremdwörtern dem
Lehrer der deutschen Sprache entgegenarbeitet. Denn dieser ist be-
strebt, unnötige Fremdwörter fernzuhalten.
Für die Übersetzung aus dem Lateinischen ins Deutsche
gilt heute noch der Satz: „Übersetze wörtlich, soweit es möglich
ist, übersetze frei, soweit es nötig ist"*. Dieser Satz läßt steh
auch für die Übersetzung ins Lateinische aufstellen. Sehen wir
uns 15 in (Schluß) an: „die den griechischen Tragikern so oft
als Stoff ffir ihre Tragödien gedient hatten i^)**. A. 17 beißt ee:
„Obs. 'die' (beachte die EongrnenzI) die griech^ischen^ Tragiker
(poetae iragici oder tragoediärum scriptores) so oft (Superlat) als
Stoff ffir ihre Tragödien benutzt hatten' (fäbulärum argüme$tiö
üit)^. Dieser Grundsatz ist also hier unnötig außer acht gelassen
worden. Man setze den deutschen Satz der Anmerkung (mit der
Änderung „Stficko** statt „Tragödien**) in den Text und die An-
merkung uba. fällt weg. Beispiele dieser Art ließen sich sehr viele
bringen, doch sehe ich davon ab. Eine Bemerkung will ich indes
Ä. Kamiieer, Latein. Übangibnoh, ang. t. Jl Endi. 1091
aoschließen. Wenn die Schftler sehen, daß das Obnogsbnch es mit
seinem Text nicht vOUig ernst nimmt, dann werden sie auf diese
Weise leicht zur Meinung veranlaßt, daß man alles fibersetzen
kann, wie man will.
E. stellt durch seinen Stil und sein Streben, den deutschen
Text von der latein. Übersetzung, die er selbst wünscht, weit zu
entfernen, große Anforderungen, die er freilich durch Anmerkungen
beseitiget. Dadurch ist in vielen Fällen dem Schaler das Nach-
denken erspart. Daneben werden in den Anmerkungen Hilfen ge-
boten, die meines Erachtens einfache Sachen sind, daher dem
Schüler bekannt sein sollen. 1 I in *) der Front und im *)
fificken: A. *) a, ebenso in 8 II ^*); 1 II jenem früheren Rufe näm-
lich von ^*) einer ganz außerordentlichen Tapferkeit: ^^) Qenetiv.
Der Genetivus obieetivus ist doch einem Quintaner oftmals vor-
gekommen ; er lernt zugleich, daß er im Deutschen durch einen Prä-
positionalausdruck gegeben wird. Freilich versucht jetzt die Papier-
sprache auch den subjektiven Genetiv so auszudrücken unter Be-
nützung des schonen Wortes „seitens*', das man auch bei E.
liest : 49 II Angriffe seitens der Volkspartei. — 5 Sie kehrten daher
nach Hanse ^*) zurück: '') Plural. 6 I Von (ihrem) glühenden
Verlangen. 2 I (auf) den Schultern . . retten. 1 I (Nur) vereinzelt.
7 II (nur) einer, 7 II (nur mehr) einer, 10 I der reiche ^)
Lucumo; ^) Snperl., füge hämo bei. 10 1 mit der vornehmen ^) Tana-
quil: ^) füge femina bei. 15 II mit dem sanften ^) Arruns : *) füge
iuvenia ein. 15 II die ruchlose ^®) Tullia: ^®) füge mulier ein.
16 I Das benachbarte ^) Gabii: ^) füge urba ein. 37 II unter *)
vielen Tränen: *) cum; doch vgl. Caes b. 0. I 20, 1 muUis
cum laerimia. 22 II zwei Drittel *•) : *•) duae partes; vgl.
Oaes. b. Q. I 12, 2 tres partes. Ebenso in späteren Stücken:
62 jener Teil der Bosciana, (in) welchem Cicero den Nachweis
führt. 63 wie Cicero . . . (an) einem schlagenden Beispiel zeigt.
Septimaner sollten doch den instrumentalen Ablativ kennen.
Hie und da stellt E. die Schüler stark auf die Probe; doch
gibt er schnell eine Anmerkung, um sie zu der Übersetzung an-
zuleiten, die er wünscht. Dabei dürfte m. E. nur erzielt werden,
daß sie schwankend werden. S. 62 wird Caes. B. 0. I 26 zitiert:
diu cum esset pugnatum, castris nastri patiti sunt; die Übersetzung
wird dazu gegeben: „lang währte der Eampf, bis endlich*. So
umgeht E. das cum dem „bis endlich'* zuliebe. Aber es heißt
doch einfach : nach einem langen Eampfe bemächtigten sich die
ünsrigen des Lagers. Somit ist auch im Deutschen die Einnahme
des Lagers Hauptsache und als Hauptsatz ausgedrückt. In dem
Übungsstoff für die sechste Elasse finde ich noch 41 ^*) und
49 I *) das Wort „bis"' in Stücken im Anschluß an die Lektüre
der Elasse, aber beidemale ist auf S. 62, 40 II, A. 7 verwiesen.
Es findet sich also bei E. keine Gelegenheit, dum = bis zu ver-
69*
1092 Ä. Komitzer, Ltteio« ÜboDgsbneb, ang. v. J. ündL
werten^). Und doch ist dum in seinen Bedeutungen und Eon-
stroktionen in der sechsten Klasse zu wiederholen nnd, nebenbei
bemerkt, schwierig. E. läßt hier die Eonzentration des Unter*
richte mit Unrecht bei Seite. Und so sncbt man anch für andere
grammatische Gesetze bei E. umsonst nach Beispielen.
Im deutschen Ausdruck ist manches verbesserungsbedürftig,
80 die schleppenden Ausdrücke, wie: den gegen sein Leben ge-
richteten tückischen Anschlag (45 I) statt: den tückischen An-
schlag gegen sein Leben. 45 I den von altem Adel stammenden
Mann, st. : den Mann von altem Adel. 42 IV mit einer aus Reitern
und Fußvolk (bestehenden) Bedeckung: mit einer Bedeckung von
Beitern und Fußvolk. 106 I bis zu seinem im Jahre 23 nach
Chr. erfolgtem Tode: bis zu seinem Tode im Jahre 28 nach Chr.
60 I die Verteidigung des unter falscher Anklage des Vatermordes
stehenden jungen Boscius u. a.
Dann erwähne ich noch das berührte Modewort i, seitens'*,
so beim Zeitwort „drohen'' 6 I und 17 I *), jedesmal durch
aß) fibersetzt In einem Schulbuch sollte femer der Ausdruck der
Eanzleisprache „beziehungsweise'' nicht gebraucht werden. E. ver-
wendet meist die Abkürzung bezw. (S. 8) oder bzw. (S. 9, 81).
In den Anmerkungen wird gelegentlich in sp&teren Stücken
die Übersetzung eines Ausdruckes kurz gegeben, w&hrend in
früheren dies nicht geschieht: 9 A. 2: nicht s«/ 19 IV A. 1:
nicht 8i; Venu' hier = Vas das betrifft, daß*, vgl. quod Affa-
ntemnonem me aemtdari putaa, faUeria (Nep. Epam. 5). 80 n
A. 2: quod. Warum hat es der Sextaner bequemer als der
Quintaner?
Manche Anmerkung könnte einfacher sein, so 64 II der . .
Wunder der Tapferkeit verrichtete [und] ^^); Anm. 10: übs.
^nachdem er W(under) d^er) Tapf^erkeit) verrichtet hatte' (=
eine unglaubl(iche) Tapf(erkeit) bewiesen blatte), vgl. § 14, 1.
Hier hätte genügt ^eine unglaubliche Tapferkeit beweisen*. Denn
die Bedeutung der eckigen Elammer ist in den , Vorbemerkungen*
(Punkt 2) S. 3 erklärt; ebenso ist es überflüssig auf § 14, 1 zu
verweisen. 88 Anm. 15 übs. ^als C^ato), wie geschichtl^ich^ be-
glaubigt ist, hi8tariae ßde camprobari, (wird verb, reg.) '(wirklich)
besessen'; Virkliph* durch Tonstellung das Präd. (esss in) auszu-
drücken; vgl. g 10*. Hier muß sich der Schüler erst durcharbeiten;
das kommt daher» weil E. den Text ohne Not zu wejt vom
Lateinischen entfernt und noch verschiedene Hilfen gibt Ähnlich
80 II Auch anderen römischen Schriftstellern sind derartige Ur-
teile nicht fremd ^); Anm. 1: übs. *auch bei and(eren)
r(ümischen) Schr^iftstellem) findet man d^erartlge) Drt(eile)'.
>) Die InstraktioneD', S. 66 verlangen: ^In der V. and VI. EIsm«
soll die Easoa-, Modus- und Tempoilehre auf diese (angegebeae) Art
wiederholt, erweitert, vertieft und praktisch eingeflbt werden".
C. f>. Erau9, Der hl. Georg Beiobots Ton Dorne, ang. t. A. WaXlner. 1093
44 m daß TOD einem Becbte des Eoneiils . . gar nicht die Bede
sein kann ^% Anm. 16: übe.: Maß es keineswegs dem Konsul
gesetzlich {per leges) erlaubt gew(e8en) B(ei)\
Das Streben K.s, ein gefUlliges Deutsch zu schreiben und
den Schäler in den lateinischen Stil einzuführen, erkenne ich toU-
kommen an. Doch hat er m. E. einen unrichtigen Weg einge-
schlagen, um sein Ziel zu erreichen. Sein Buch w&re gut, wenn er
mehr mit der Wirklichkeit gerechnet hätte, daß in der Quinta und
Sexta fünfzehn- und sechzehnjährige Schaler sitzen, die sein Buch
benutzen sollen, nicht aber Mitglieder eines lateinischen Proseminars
der Universität, denen man beliebige Aasdrdcke zum Übersetzen
vorlegen kann.
Der Druck ist deutlich und gut flberwacht. Druckfehler sind
selten. Nur die Abkürzungen in den Anmerkungen sollten nicht
in solchem Umfange angewendet werden. Sie sehen häßlich aus
und erschweren das rasche Erfassen, was beim Übersetzen aus dem
Stegreif mißlich ist.
II. Über Sedlmayer-Scheindlers Übungsbuch kann ich
mich deshalb kürzer fassen, weil die erste Auflage in dieser Zeitschrift
im Jahrgange 1896, S. 29 ff. von Golling besprochen wurde, die
zweite von Gschwind (1901, S. 404 ff.). Die vierte unterscheidet
sich äußerlich wie die dritte dadurch von den früheren, daß das
Buch einheitlich und nicht mehr in zwei getrennten Teilen ge-
bunden ist. Im Text ist hie und da gegenüber der dritten Auf-
lage geändert, S. 10, 11 in Bom eingingen (früher: nach Bom
gebracht wurden). Die Anmerkungen sind bisweilen vermehrt, so
S. 10, 7), 11, 10), 69, 2), 98, 7); manche erhielten eine andere
Fassung und wurden erweitert, z. B. 17, 3), 115, 4). Im Wörter-
buch kamen neue Vokabeln hinzu; sie füllen gerade eine Seite
mehr als in der dritten Auflage. Endlich sind manche Wörter um
neue Übersetzungen bereichert worden.
Smichow. Johann Endt.
Der heilige Georg Reinbots von Durne. Nach sämtlichen Hand-
schriften herausgegeben von Carl ▼. Kraus (Germanische Bibliothek.
Dritte Abteilung : Altdeoticbe Texte, heraosi^egeben von C. ▼. Kraus
nnd K. Zwiersina*. Heidelberg 1907, Carl Winters Univeraitäts-Bach-
handlnng. LXXIIY nnd 808 SS. Preis 10 Mk.
Beinbots Legende gehOrt der Epigonendichtung des XIII. Jahr-
hunderts an. Sein n&chstes Vorbild ist Wolfram, den er — zuweilen
geschickt, meist aber ungeschickt — in Äußerlichkeiten nachahmt;
denn seines Geistes hat er keinen Hauch verspürt. Seine Quelle
erhielt Beinbot von Herzog Otto von Baiern. Die Parallele mit
dem Willebalm (34 if.) ließe an eine französische Georgsdichtung
denken; auch der Name von Georgs Schreiber Ritschart (3274),
1094 C, V. Kraus, Der fal. Georg Bemboti von Dorne, ang. v. A. Waüner
die französische Herkunft der Kaiserin Alexandrina (1824, 2512)
legen dies nahe'), w&hrend gegen eine lateinische Vorlage der
Vokativ Erculetn (1965) und der Nominativ Satumd (4492) sprechen.
Dennoch lehnt v. Kraus die Annahme einer französischen Vorlage
ab (Einleit. LXXHV).
Herausgegeben wurde das Gedicht 1808 von F. H. von der
Hagen (nach einer einzigen Handschrift), 1896 von Vetter (in
recht unkritischer Weise). Die vorliegende Ausgabe wird schon
durch den Prospekt der German. Bibliothek, deren dritte Abteilung
sie eröffnet, als 'kritische Bearbeitung nach sämtlichen Handschriften,
mit Interpunktion nach Lachmann' angekflndigt und der Heraus-
geber bezeichnet im Vorwort als sein Ziel: * alles aus den Hand-
schriften herauszuholen, was sich bei Anwendung der philologiechen
Hilfsmittel von Wort zu Wort als ursprfinglich erweisen Iftßt, und
nichts im Text zu dulden, was gegen die Sprache und Art des
Dichters, soweit sie mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit
zu erkennen sind, verstößt*. Es soll gleich hier erklftrt werden»
daß das Buch die hochgespannten Erwartungen, die man an einen
Editor wie Carl v. Kraus stellen darf, in keiner Weise entt&uscht :
fast in jeder Hinsicht ist die Ausgabe vorbildlich.
Der hl. Georg (6134 Verse) ist in drei vollständigen Hand-
schriften fiberliefert: der Wiener (W) vom J. 1376, der Berliner
(B) vom J. 1446, der Züricher (Z) aus dem XIV. Jahrhundert
Dazu kommen fünf Bruchstäcke (w, b, tn, f, m^), von denen das
Wiener (w) mit V. 5586 abbricht, also bloß 548 Verse vermissen
Iftßt, w&hrend die anderen nur je ein paar hundert Verse retten.
Ein Bruchstück, zu b gehörigi ist verschollen. Endlich sind zwei
Prosaauflösungen aus dem XV. Jahrhundert zu nennen. Die Schreib-
weise von W läßt Niederösterreich als Heimat des Schreibers ver-
muten, die von B weist nach Alsfeld, die von Z nach der Nord-
ostsehweiz. Auf bair.-österr. Gebiet weist auch die Orthographie
von w, tn und m^ auf mitteldeutsches, bezw. rheinfrftnkisches die
von b und /. Eingehende Darstellung erfährt die Schreibweise ven
W (unter zahlreichen Verweisen auf moderne Entsprechungen) und
die von B; für Z genügt der Hinweis auf die Liederhandschrift C).
M Vielleicht steckt in dem Leine {Leyne W) 1558 der Name Ljoni
(vgl. Bol. 6647 ze Leune in ihere stat)?
') Fflr grundlos halt ich die Vermotong einer mitteldeatachen
Vorlage fflr Z. Die Handschrift entb< vor dem Georg einen Mjrstikei-
traktat, an dessen Schlüsse ein Anagramm angebracht ist: Grenchae
BedUichtran Anhansan Ni<Uui8. Dies Anagramm kehrt am Schiasee des
Georg (nur mit Umstellang der beiden letiten Wörter) wieder, in Geeell-
Schaft iweier leonioiscben Hexameter, v. Eraos liest die B&tselworte als;
Oeorgius Beimbot Dom Datian Johannes, indem er die Bncbstaben so:
Genrghus Behlantdom dMhaninhannes aneinander reiht nod Dan flir
einielne Zeichen die im Alphabet folgenden einsetst. Gegen diese Löanog
ist einsnwenden, daß der RAtselaprnch sich kaum auf den Geerg beuent,
da er auch hinter dem Mjstikertraktat steht, daß der Name Dacians
C V. Kraus, Der hL Geoig Beinbots von üvm^^ uig. t. A. Waßner, 1095
Das zweite Kapitel behandelt das Verhältnis der Handschriften
und charakterisiert die einzelnen Schreiber. Hit überans fein aas-
gebildeter Methode werden die Massen ron Details bew<igt nnd
folgende Ergebnisse gewonnen : WBw bilden gegenüber von Z eine
Gmppe, zu der auch die Fragmente h, f, m* nnd die beiden Prosa-
anflOsnngen gehören. Innerhalb dieser Gmppe sind wieder Ww
enger verwandt. Am wenigsten Terlftßlich ist B, welches die ober-
deutsche Vorlage Tnlgarisiert nnd in den Wortschatz des Schreibers
umsetzt Die Schreiber von Ww sind flöchtig, aber ehrlich, der
von Z entstellt eine zn Verflachnng des Ansdmcks neigende Vor-
lage noch durch eigene Flüchtigkeit. Diese isolierte Überlieferung
ist also kein vollwichtiges Gegenstück zu der Gmppe WtoB.
Für die Textgestaltung wird auf die ^Metrischen Unter-
suchungen über Beinbots Georg' (Abhandlungen der Göttinger
Gesellschaft der Wissenschaften 1902) verwiesen, in denen zum
erstenmal in wirksamer Weise das deklamatorische Element des
altdeutschen Verses zur Geltung gebracht wurde. Indessen ist
V. Kraus von den dort gewonnenen Ergebnissen für Beinbots
Sprache seither in wichtigen Punkten abgekommen. Dort galt die
Zweisilbigkeit der Formwörter uh^, soUe, uhetb, tnohte für ge-
sichert, hier gelten sie als einsilbig. Die zweisilbige Senkung
wurde dort zugegeben, hier wird sie verworfen. Diese Ansichten
werden wohl dem Herausgeber selbst noch für kontrovers gelten
und er hätte m. E. besser getan, den Text nicht von ihnen ab-
hängig zu machen, sondern ihn so darzustellen, wie er aus der
Überlieferung gewonnen wurde. Nun kommt sie bei dem Bestreben,
alles nach Lachmanns Begeln herzurichten, nicht selten zu kurz:
628 an der margräf von Palastin (die Hss. : den margraven). 820
nicht in diesen Titel hineinpaßt, daß die Worte nur durch Annahme von
vier Schreibfehlern saatande kommen und daß echließlich die Formen
Beimbot (st. JSetn&ot), Dom (st. Dum, Turne), Datian ^st. Dctcian)
dem Schreiber von Z fremd sind. Dnrch die Schreibfehler wird v. Kraus
SU der Annahme einer Vorlage geswongen und die Namensformen Beitnboi
und Dom weisen aaf mitteldeutsche Oberliefe rang: *Z gebt also auf eine
mitteldeutsche Vorlage snrflck (?gl. e die gift 8027, was auf voraift der
Vorlage deatet)'. Da die Handschrift sonst keine Spar von md. Einflnsse
zeigt, ist dieser Schluß gewiß voreilig, smnal die Leeart 8027 leicht aas
Verlesung des vergift sa vorgift entstanden sein kann. Was das Ana-
gramm betrifft, so ist alle Deutangsmfih verloren, wenn es einen Eigen-
namen enthält; anf einen Sprach lAAt die Nachbarschaft des lateinischen
Verspaares schließen. Leichte Permatationen der ersten Wörter ergeben:
Lach, red gern tomsach oder Lcich gern der tomsach; auch Lou gret
nach der schar *Je nach der Arbeit fallt der Lohn ans* wäre möglich,
oder: Nach der schar gert Um, mit folgendem Schreibern amen. Wäre
die Annahme einer Vorlage wahrscheinlich, so dürfte man sanftchst an
einen bairi sehen Schreiber denken und lesen: Torenredi chranchglas;
hans an nid an has, 'Krankes Glas' meinte zersprungenes Glas oder
schlechtes, wertloses Spiegelglas, das Zerrbilder liefert (vgl. das man sieh
dar inne mohte ersehen alsam in eime werden glase Troj. 19985).
Wahrscheinlichkeit beansprucht keine dieser Deutungen.
1096 C. V. Kraus, Der hl. Georg Beinbots TOn Dame, ang. v. A. Waüner,
wcere ez groz als mons Olvet (die Hss. : wcRrt ez als gr6z als nums
Olivet). 929 pardts (die Hss. : paradis). 4567 mahdschaiz (die
Hss.: gemdhehchaiz). 2987 und iuwer opfer bringen (die Hes.:
und im [in]). 8825 denn daz ich toorden hin gesuni (die Hss.:
hin worden), 4091 hlOete : mUeU (die Hss.: geblüeU : gemüeU).
4869 und sin gesell Maximian (die Hss.: hum und sin g,). 516,
1322 dann (die Hss.: dannen). 908 dann ieman sagen künns.
Das ieman weist auf gesagen BZ, 911 un(i <2tf« ^o^ t^ trauwen.
Das getrouwen BwZ gehört nacii dem in der Einleitung (XXXin)
ausgesprochenen Grundsätze in den Text; ebenso 5284 gebeine BwZ
st. peine W. Die unschönen Kurzformen muotr rümn, gschieht usw.
sollen die Verschleifung beim mündlichen Vortrag andeuten. Das
fährt zu phonetischen Unmöglichkeiten wie guU, gzoc, ghar, ghüre,
ghürte, gdranc, bgunde. Diesen Formen (vgl. Metr. Unters. S. 150)
weicht V. Kraus im Text allerdings aus, wenn sich der Vers durch
andere Mittel gl&tten l&ßt. Ist aber dies nicht möglich, so setzt
er die Unform ein: ghürte (4394). Zugeben kann man derlei Ver-
schleifungen doch überhaupt nur, wenn sie den Sinn nicht ver-
dunkeln. Wer soll aber beim Vortrag einen Vers rerstehen wie
2867 wer sazt die künegin ^nglouben? Ein Mißverständnis ist gar
nicht zu vermeiden bei V. 19 si minnent in allen wis got, wo
(nach S. 149 der Metr. Unters.) minnent zu lesen ist; vgl. auch
982. *An die Kürzungen Galili Apoll ist wohl kaum zu denken*,
hieß es in den Metr. Unters. S. 148; jetzt wird überall die Kürzung
dieser Namen durchgeführt, w&hrend Ereulem 1959, OamureU
1558, Änastasius 5715, Jachanaem 5995 unverkürzt bleiben
müssen. Die Synkope heiigen (3174, 4288, 4855, 4413) verstößt
gegen Lachmanns Begel {freilegen) und ist der bair. Mundart noch
heute fremd (Ae»7»q). Mißlich ist es auch, daß bei diesen Kürzungen
der Apparat meist versagt, so daß man selten erfährt, ob sie in
der Überlieferung eine Stütze haben. Trotz aller aufgewandten
Mühe bleiben noch immer Verse stehen, die sich der Eegel nicht
fügen: 4991 mtdet si, her, daz ist min rät. 8125 dd si ir kint
ligende vant. 3285 gie nach des margrdven geboC u. a. Solche
Fälle gelten dann als Ausnahmen. Natürlich müssen bei einem
Text von 6000 Versen auch 'fehlerhafte' unterlaufen. Wo ist aber
die Gewähr dafür, daß dem Dichter ein solches Versehen nicht
weit öfter passierte oder daß er einmal 'die Bestie* — mit Goethe
zu reden — nicht absichtlich stehen ließ? Ein kritischer Text
hat ja nicht zu zeigen, wie es der Dichter hätte machen sollen
oder machen können, sondern wie er es — nach der Oberlieferong
— wirklich gemacht hat. Abgesehen von diesen metrischen Vor*
aussetzungen, ist der Text sehr konservativ behandelt Der Heraus-
geber hat tatsächlich für jede Silbe von sichBechenschaft gefor-
dert und hat auf manche Änderung, die er früher (Anz. f. d. A.
25, 38 ff.) vorgeschlagen hatte, jetzt verzichtet.
O. V, JTratM, Der hl. Georg Beinbots von Dame, ang. 7. A. WaUner, 1097
Gehaltvolle Anmerkangen begrfinden die im Texte gewählten
Spracbformen und zeigen den Einfloß Heinrichs von Veldeke, Hart-
manns nnd Wolframs anf Beinbots Stil. Nebenher wird eine weit
aasgedehnte Belesenheit in den Dienst der Interpretation gestellt.
Eine Tabelle von Antoreminiszenzen (S. 294, Z. 12 v. n. lies 4552
8t. 5552) und ein Namen- nnd Sachverzeichnis sind willkommene
Hilfen fär das Stndiam der trefflichen Ausgabe. Ich wende mich
Dun znr Erörterung von Einzelheiten im Texte.
18 Bi lebent in solchem tcerde daz die hoehsten üf der erde
mit triuton ir beider rät geUhent und ir kint ir kinden gebent,
Anf Ebebändnisse und Verlobungen möchte ich das nicht beziehen,
sondern verstehe (mit w: und in mit iren kindern gebent): *und
deren Kinder den Bat wieder ihren Kindern weitergeben*. Mit
ir tugent bildcer (V. 17) wird S. Georg gemeint sein, weshalb der
Doppelpunkt besser nach Y. 18 anzusetzen wäre. — 258 (wie
sHeze tocer diu stunde da stn von irste wart geddht) und diu
liebe zesamen brdht, 'Unklar.* Das Verständnis des Verses ver-
mittelt der nächste: do gesät wart sin säme; es ist also ze sämen
zn schreiben. Vgl. auch 4793, wo gleichfalls von Georgs Er-
zeugung die Bede ist: da brUet (1. brOetet) der säme inne von ir
zweier minne. — 265 (ich hdnz dd für daz do wät der sOeze
unnt Westen und künden unde gesten) mit frouden wasr gebette,
'Ein sanfter Zephyr war den Schläfern in der Nacht, in der Georg
gezeugt wurde, ein freudenbringender Bettgenosse'. Ich verstehe:
daz der süeze wint westen gebette künden unde gesten mit frouden
wer {wer 'Gewährung*, Lexer IE 767). Lesarten : mer W. wer Z.
ward w. were B. Keiner der Schreiber hat übrigens den Vers
verstanden. — 268 und daz üf der heide sich fröuien die rösen,
und stolzen unde lösen begunnen riter undfrouwen, und daz man
in den ouwen die bluomen scehe lachen und sich ze frouden
machen. Zu dieser Schilderung notiert v. Kraus: *Die Freude der
Natur bei Georgs Geburt wird wohl in letzter Linie aus der Ale-
xandersage stammen*. Das geschlechtliche Entzücken der Natur
über Georgs Empfängnis ist vielmehr ein in die Georgslegende ge-
ratenes Märchenmotiv. Zum Verständnis der Stelle war auf das
rumänische Volkslied bei Vesselovskij zu verweisen : Georgs Matter,
die sich nach einem Sohne sehnt, träumt, wie sie anf einer Wiese
geht; *da neigten sich alle Stengel und Gräser paarweise zusammen,
als ob sie sich küssen wollten, sogar die Schmetterlinge flogen
gepaart Darauf bringt die Königin einen Sohn zur Welt, Georg*.
(Heinzel, Anz. f. d. A. IX 260). Vgl. auch Vetter CII f. Eine
Parallele bietet Der borte (Ges. Ab. XX 345):
Die houm begunden krachen, Von der rehten minne gruoz
die rösen sere lachefi, wart dem ritter sorgen huoe.
Diu vogtxn von den sacken Vil rösen üz dem grase gienc,
befunden dane machen, do liep mit armen liep empfienc,
Do diu vrouwe nider seic Do daz spü ergangen was,
und der ritter nach neic; do lachten hluomen unde gras.
1098 C. V. Kraus, Der hl. Georg Beinbots von Donie, ang. v. A, Waüner.
343 wan daz in was ir enget hi, si wehren anders niht
genesen : bi in tone boese der vinde toesen. Die Huidschriften bieton :
bi in tctis poz der veint gewesen W; bi in was der poss veind
gewesen w; Der böse vint hatte by en kein wesen B. Allen Hs8.
gemeiDsam ist also: bi in der boese vint wesen. Da B ein vor-
gefundenes getoesen nicbt geändert bätte, so wird die Leeart
kein wesen ursprünglich sein (vgl. 3992. 4106. 6116). Wir er-
balten somit: bt in der boese vint kein wesen. Alle Hss. haben
vint (= vindet, vgl. 1084, 2665) als vint verstanden und daher
ein Pr&dikat {t€as, hatte) ergänzt. Za dem Sinn vgl. 5348 wunder
da geschach van strtte: der was also starc daz sieh manie tiuvel
bare. — 507 diu (= himelfröud) laufet äne siege hin nnd 5882
{stn lop) laufet sunder siege. Die vom Herausgeber nicht bean-
ständete Erkläraug Vetters Cslac = Unglück, Unfall') ist ebenso
anrichtig wie Lexers Erklärung von Cbron. 8. 130, 22 sus ergieng
die anderunge 6ne siege und stoesse 'ohne Unfall*. Beide Bedens-
arten denken an die Glücksscbeibe (vgl. 2860) und das sdMen
sieben: dd van ir lobes schtben iemer laufent Hart 166, 10; do
ez also nach gelücke gie und sich diu schibe triben lie etwie
lange zH Ges. Ab. I 295, 588; schtben bözen Benn. 6641. —
1228 diz riterspil galt niht wan den tot. Ein unmöglicher Vers;
es ist nitspil zu schreiben wie 1206; vgl. Hart. 186, 81 des
tödes nitspil. Parz. 706, 4. — 1248 die beide (die Engel nnd
die Teufel) wider strtt zugen die sele her unde wider, die eine üf^
die ander nider. Es ist mit w Z silen zu lesen; denn nicht um
die einzelne Seele kämpfen die Engel und Teufel, wie v. Kraus
versteht (s. Anm.), sondern Engel und Teufel entführen wett-
eifernd (wider strit vgl. 3763 u. 0.) die Seelen, Jene der erschla-
genen Christen, diese der Heiden. — 1268 daz tuot mir wi unde
wd: daz ein daz ich den sie gewan, daz ander daz s6 manie man
in stnem dienst den Itp verlos. Wieder ein Fehler des Archetypus,
an dem nur B sich stieß; es soll beißen minem. — 1397 (daz
sin reine hantgetdt) durch in durch ire Ute die not (Bw). 'Das
Echte bleibt zu finden*. Z hat Durch sin ere litte d. n.\ W Durch
in erlite die not. Diese Lesart, aus der eich die Varianten leicht
erklären (er- wurde als Ir verstanden), wird das Ursprüngliche
bieten, wenn sie auch metrisch anstößig ist. — 1461 ff. sekac
ritter wurden bereit, iedichem drier hande kleit. Das Komma ist
zu tilgen: sehzic ritter iedichem wurdeti drier hande kleit bereu.
— auch hiez der helt im machen ein brün scharlachen. Da vorher
und nachher (ie dem ritter 1469) nur von den 60 Gefährten die
Bede ist, so muß 1465 das überlieferte im zu in verbessert
werden. — 1517 niht zogt ze samft und niht ze streben. Streben
ist wohl Adverb; Lexer vergleicht zu straf: streb, stref, streve.
— 1674 der schilt der was tiuwer: von zwein varwen niuwer
was er, röt unde wiz. Das als Epitheton bei Schildfarben häufige
niuwer will v. Kraus als 'nur' erklären; aber mehr als zwei
C 9. Kraus, Der hl. Georg Beinbota f od Darne, ang. f. A, WaUner, 1099
Farben 8o]l doch kein Schild haben. — 1906 {einem ganzen here
fünf bröt:) die Hbertcunden da ir ndi, daz man in allen gap
genuoe, und doch mit korben von in truoe. In den Zasammen-
hang paßt besser diu. — 1971 da vor er Mrlteher haz in einer
houptetete saz. Der LückenbnlSer baz ist Konjektur Vetters für was
ZWw, 8<i8B. Vielleicht läßt sich die Überliefemng retten, indem
man waz adverbial auffaßt: 'etwas, d. i. viel herrlicher'; die-
selbe Litotes erscheint 1531 daz er da heim hU eteswaz, d. h.
'großen Beichtnm'. Vgl. etuntz fröltchere Genes. Fnndgr. 48, 40.
— 2848f. an ir herze kom ein schrie^ daz ai dd vor küm geeaz.
Wenn der Heransgeber Iw. 8672 anzieht (und selbe küme gesaz,
nämlich im Sattel, als das Boß stranchelte), so versteht er wohl:
'sie wäre beinahe vom Sitz gefallen*. Gemeint ist vielmehr: ^daß
sie fast aafgespmngen wäre, sich „entsetzt"^ hätte*; vgl. Der
rede nü di frouum entsaz H. Elis. 4815. — 2961 {sU er der
9unne häl gewalt . . . ) anir hoehe von ir Uen in vier und zweinzee
teilen Oberloufel ai geliche wäge und ertrtche di maz ze kurz noch
ze lanc. ez enreicht niht menschen gedane. Dem letzten Verbnm
fehlt die notwendige Ergänzung; ▼. Kraas zitiert selbst znr Stelle:
80 kund ich ir doch niht gereichen anz ende (Lampr. Franz.
4808). Ich lese: an ir hoehe, an (Z) ir Uen... ez enreicht niht
menschen gedanc. Die Verse 2962 — 2965 sind ein parenthetischer
Ansrnf. Zn ez vgl. 5687. — 2970 er uftst si an ir äbents zil.
WZ haben a^nd ^i7; wozu also die onanssprechliche Eonsonanten-
bänfnng bei einem so häufig — aber nie genetivisch — kompo-
nierten Wort wie äbent? Auch wenn der Schreibfehler im Arche-
typus stand, gehört er nicht in den Text. — 8148 der sich ze
dienst hat üz erhaben, an der selben stunde... Der Punkt nach
3148 ist zu tilgen und 8149 anzusetzen; denn die Initiale von
W. ist ja belanglos (Einleitung LXXIV). Dadurch wird die Tauto-
logie vermieden: an der selben stunde sin hemde sich begunde
verwandeln in der selben zit. — 8814 nu opfert im durch
min gebot und dar zuo durch mtne bet, den der starke Mahmet
hat für ire unde pris. Zu der Lesart von Z : Daz iu der starke
Mahmet Füege ire unde pris vgl. 8510 und leiste ein jär min
gebot: ich füeg dir höhe minne und 8515 ich füeg dir
iren also vil als du selbe wünschen wil. opfer mir, ritter klär.
— 8860 Überminne unde Git ist zu schreiben, denn es sind Per-
sonifikationen wie Superbiä; desgleichen in 8862 Nit unde Haz.
Vgl. 5751 ff. — 8875 ff. ich füeg den Hüten zaller zit daz
maniger jdmerliche lit dd er den lip verliuset, und Jieum
verkiuset: sd wirt er min geselle, und füier in ze der helle, die
rede ich üf si werbe, daz si von minem erbe immer sint
gescheiden. Apollo rühmt sich also, daß er Ghristenleute in die
Gewalt heidnischer Machthaber bringe, wo nur die Verleugnung
Christi sie vor der Hinrichtung retten kOnne. Daher lese ich den
Vers die red ich üf si werbe mit W B die rede ich üf in werbe
1100 C, V, Kraus, Der hl. Georg Belnbots Ton Dame, ang. t. A, Wallner.
*die Bede ich auf (gegen Gott) an der Gericht86t&tte\ Dadurch
wird der Beim u^rbe : erbe beseitigt. — 8565 eö ist ez niht vom
zouber. Der Zneammenbang fordert und statt so; dies Wort dürfte
schon die ürhandscbrift ans dem n&cbsten Vers vorweggenommen
haben. — 8953 htm der gdt also unser liU, leb würde dir Ww
▼erziehen; vgl. dasselbe Umschlagen in die 2. Person 2589 ff.,
2549 ff. — 4208 der einen smeekt^ den andern sihi, der en-
weders mae genesen niht. Die Konjektur enweders für handschrift-
liches entceder ist nicht zu billigen. Den tötlichen Hanch des Ba-
silisken nnd den tötlichen Anblick des Aspis (zn der Verwechslang
vgl. 4975. 4993) kann doch nicht einer erproben; es ist von
zweien die Bede. Daher: der (Gen.) enweder (vgl. 4554) ^keiner
von den zweien kann am Leben bleiben*. — 4285 (den sterbenden
Mahmet fragt man, -wiez geschaffen iccere umb Juden kristen heiden).
swie ez uxBr des Huf eis mort, also was ain jüngsUz wart 'mit
wazzer muaz man genesen.^ Die Hss. bieten: ez] er WBw; mort
fehlt W ; swie ez des tiufels w<Br mort Z. Die Lesart von Z gibt
keinen Sinn, wohl aber die der andern Hss., wenn man mort als
'Schandganl' (Lexer I 2204) versteht: ez was ein vil alier
mort Krone 19828. Dies mort als Schmähung Mahmets ist ein
genaues Seitenstnck zu der Schmähung des Götzen Apollo 8530:
du verschämter güU — 4322 ja beginnet man dtn kunter
sagen ... als von der künigin Helena. Zu dieser Konstruktion
stimmt die Konjektur kunter schlecht. Das überlieferte Ja beginnet
man dtn wunder (WBw) sagen ist doch nicht so anstößig« daß
geändert werden müßte. — 4518 tuo und lä durch sin gebot:
der maget kint, Jisum, der mae dir niht wesen frum. Wenn auch
Beinbot einen Nomin. Saiurnö, einen Vocat. Erculem nnd einen
Dativ Jisum (4717. 5558) hat, so ist doch ein Nomin. Jisum
unglaublich. Daher ist 4519 als Obj. zu Id aufzufassen und dies
Verbum steht inö xott/oi). Was den Herausgeber abhält, so n
interpungieren, verstehe ich nicht; im Munde Dacians ist ein der-
artiges Gebot Apolls, seines höchsten Gottes (4517), ganz selbst-
verständlich. — 4527 daz si nie kriatiure gescehen ungeMure.
Ich würde vorziehen, mit BwZ so ungehiure zu schreiben, als
mit Berufung auf 8968 ungehiure als ungehiurre zu erklären,
denn dort ist gehiur und ungehiure wohl Anakoluth; vgl. 4661.
4782. — 4552 ein lamp, daz kriuz Mt in den kldn, daz sach
ich. Das erste Komma ist hierund 2890 überflüssig. Man könnte
an beiden Stellen auch dd'z lesen. — 4760 er mUeste iedoek
mänlich sin. Nämlich im Gegensatz zu den neutralen Engeln
(Zu Vetters Anm.). — 4793 dd brüet der säme inne. So zitierte
J. Grimm in Frau Aventiure den Vers, weil er die Lesarten nicht
kannte, und das Mhd. Wb. stellte Grimms Zitat natürlich unter
brUejen. Sinn und Lesarten verlangen aber brüetet {pruotet W,
prüott B, bruorte Z, bluete F), während in dem von Kraus an-
gezogenen Verse Libid stcete von hitze brüet (Ulr. Alex. 9789)
C. V, Kraus, Der hl. Georg Beinbots vod bome, ang. t. ä, WMner. 1101
hrüejen vorliegt — 4889 des Mi er sine sicherheU. Lesarten:
het W w Bf bot Zf; het yersteh icb nicht, denn er kann hier nnr
Georg sein, nicht Daeian. — 4960 (si künnen tauben noch daz
veU), dd die bluomen eint entreit; die mUezen sieh eer erde legen.
^entreÜ bleibt zu erkl&ren\ Die Hss. haben : entveliW, zertrailtir,
entreit Z, ir gelt B. Vielleicht ist zu schreiben entweit; vgl. der
riffe entweit ez ninder Gen. D 9, 1 =der riffe iz ne frtret Pdgr.
2. 16, 21 (Leier I 595 s. t. eniweln). -> 5176 drtzehen und zwei
hundert hiez er unser legen her. Der schoene sare (5082. 5094)
kann doch nicht die Gebeine von 218 Menschen enthalten haben; die
andern Überliefernngen reden von 18, 17, 18 Menschen oder bloß
Ton einem. Es ist zu lesen hiez uns er (Z) legen her. Also:
im Jahre 218 waren die Anferweckten begraben worden. Aber die
Zahl selbst dürfte nicht richtig sein, denn ans 5166 f. nnd 5198
geht hervor, daß diese Märtyrer vor dreihnndertdreizehn (WB 5198:
driuzehen und zwei hundert) Jahren getötet wurden, nnd die
gleiche Zahl hatte wohl Beinbot im Sinne, als er die konfuse An-
gabe (5176) fliederschrieb. — 5685 er tet die dürren siule
hlüen. Ob hier W recht hat gegenüber B Z (stiüe)^ ist zweifelhaft,
wenn anch der bedenkliche Ace. siule anch einmal (8267) im
Beime steht. Beinbot hat sonst (meist anch im Obliqans) sül nnd
das Wunder mit der Säule kann schon 5628 erwähnt sein: er
tuot die boume gruonen. — 5751 Ein wunderburc, der Tugent
pflac: dar inne manie katner lac usw. Wenn auch späterhin die
Tugend als Herrin der Burg genannt wird, so möcht ich doch
hier, um die unwahrscheinliche Ellipse zu beseitigen, lesen: Ein
wunderburc der tugende pßac: dar inne usw. Wie der Dichter
mit diesen PersoDifikationen wüstet, zeigt ja 5761 der pinsel der
hiez £re. Warum wird übrigens dem Baier Beinbot die md. Form
pinsel (W pemsel, Z bensei) zugeschoben? — 5797 t 9*^9^
diu kamer in Endiän, der selbe mUest dd üze stdn. Als ^ver-
zweifelten Notbehelf merkt v. Kraus an: 'gienge selbst Indien
(das volkreiche und entfernte) in die Kammer*. Offenbar liegt
wieder ein Fehler der Urhandschrift vor (vgl. noch 691. 1888.
1887. 2638. 8488. 5867. 5884. 5957); ihr bleibt W, wie so
oft, auch hier am nächsten (gienge diu kamer Endian), denn ich
vermute: gevienge diu kamer Endidn 'umschlösse die Kammer
auch das reiche Indien'. Vgl. het ich gehebt den Nobling hört vnd
allen schätz van Indian Murin bl. 5a (DHS 128).
Die ungemeine Sorgfalt, die äem Buche zugewendet wurde,
zeigt sich auch darin, daß es gänzlich dmckfehlerfrei ist.
Graz. Anton Wallner.
1102 C. G, V. Maassen^ Hoffmanns simtl. Werke, ang. t. J. Cemy.
E. T. A. Hoffmanns sämtliche Werke. Hinioriedi-kritiidie
Aa8f?abe mit EinleitangfeD, AamerlraDfren und Leseaiten tob Cvl
Qeorg Ton Ma aasen. I. Bd. Fantaaiettaeke in Callots Manier. Mit
sehn fiildbeigaben and einem Faksimile. Mflnehen und Leipsig bei
Georg Mailer 1908. XXVIII nnd 507 88. Preis geb. 7 Mk.
Es wftre eine dankbare Anfgabe, die Schwankungen« die
E. T. A. Hoffmanns Schriften in der Wertsch&tznng seiner Zeit-
genossen and der Nachwelt erfahren haben, n&her zn Terfolgeo.
Er ist wohl von den Bomantikern der am meisten nmstrittene nnd
das Urteil über ihn bewegt sich zwischen übertriebener Be-
wnnderong nnd geringschätziger Ablehnang, eine Erscheinung, die
für die Benrteiler ebenso charakteristisch ist wie für den Beor-
teilten. Lange Zeit behandelten ihn die zünftigen Literarhistoriker
nnr als den gruseligen Spakgeschichtenschreiber nnd noch Schtrer
übernahm von seinem Lehrer Genrinns dieses Fehlurteil. Dabei ist
es merkwürdig, daß es Hoffmann trotzdem zu keiner Zeit unter
den Dichtem an warmen Verehrern gefehlt hat. Schon EUioger
hat in seiner Hoffmann-Biographie auf den großen Einfloß hin-
gewiesen, den dieser geniale Erz&hler auf die deutsche Literatur
des 19. Jahrhunderts geübt hat und seine Nachweise ließen sich
leicht vermehren. Interessant ist besonders, daß die Franzosen die
Mißachtung, mit der man so lange in Deutschland auf Hoffmann
herabblickte, niemals geteilt haben. Nicht nur die französische
Neuromantik steht zum guten Teil auf seinen Füßen, auch Balzac,
Tb. Gautier, Musset, Baudelaire und andere haben ihm gehuldigt
und auch in der modernsten französischen Literatur ist seine Ein-
wirkung zu spüren.
Die tiefere historische Einsicht, die ein gründlicheres Studium
der Bomantik brachte, hat indes Hoffmann in den letzten Dezen-
nien auch in Deutschland wieder zu Ehren gebracht. Davon zeugen
schon die verschiedenen Ausgaben seiner Werke, die sich nun
häufen. Die erste wirkliche Gesamtausgabe lieferte 1900, so gut
dies damals mOglich war, für den ruhrigen Hesseseben Verlag
Eduard Grisebach und schon nach 7 Jahren vrurde eine zweite
Auflage notwendig, die wiederum eine starke Vermehrung und
mannigfache Verbesserungen erfahren hat. Nun liegt der erste
Band einer monumentalen Luxusausgabe vor, die mit den Sup-
plementen 15 B&nde umfassen soll und, falls die folgenden Bände
das halten, was der erste verspricht, in jeder Hinsicht eine aus-
gezeichnete Leistung sein wird. Keinem anderen Bomantiker ist
noch eine gleich gediegene und vornehm ausgestattete Ausgabe
zuteil geworden. Dem Publikum wird nach wie vor Grisebachs
Ausgabe genügen, der Forscher wird sich nunmehr an die voo
G. G. von Maassen zu halten haben, die ihm in jeder Eichtang
ein zuverlässiges Material bietet. Sie soll trotz des ihrer Ausstat-
tung entsprechenden hohen Preises an tausend Abnehmer gefunden
haben -^ ein deutlicher Beweis, daß Hoffmann auch heute noch
zahlreiche Liebhaber hat.
C, 6r. V. Maaasen, Hoffmanns simtl. Werke, ang. v. «7. Ceniy, 1103
Die Grandsätze, deDen der sacbkandige Herausgeber bei der
HerstelliiDg des Textes gefolgt ist, kOoneD im allgemeinen ge-
billigt werden. Überall soll anf Originaldrucke und in dem Falle,
daß mebrere Tom Verfasser dnrcbgesebene Auflagen vorliegen, auf
die Ansgabe letzter Hand zurückgegangen werden. Ebenso selbst-
verständlich ist eSy daß die beute gebrftnchlicbe Orthographie
durchgeführt wnrde, ja Bef. hätte das gleiche anch von der Inter-
punktion gewünscht, in der sich der Heraasgeber etwas inkonse-
quent verhält. Warum ist übrigens gegen den Grundsatz die
Schreibung „Fantasiestücke^ beibehalten? Der kritische Charakter
der Ausgabe tritt in den „Lesearten'' zutage. Hier tut der Heraus-
geber des Guten entschieden zu viel, wenn er alle, auch die
kleinsten und unscheinbarsten Abweichungen der verschiedenen
Auflagen bucht. Es ist dies ein Ideal der Vollständigkeit und Ge-
nauigkeit« das zu öder Kleinkrämerei und langweiliger Silben-
stecherei führen muß. B. M. Meyer hat jüngst im „Euphorien *"
sehr gewichtige Bedenken gegen dieses heute so unerläßliche
Streben nach „Vollständigkeit* ausgesprochen und es ist in der
Tat hoch an der Zeit, daß mit der Variantenjägerei und Haar-
spalterei aufgeräumt werde, wenn unsre noch jugendfriscbe Wissen-
schaft ernstlichen Gefahren entgehen soll. In der vorliegenden
Ausgabe wird z. B. den GOtzen „Vollständigkeit" und „Genauig-
keit" dadurch geopfert, daß der Herausgeber jedes fehlende e der
Infinitivendung, jedes Komma und jede Abweichung in der
Schreibung der WOrter verzeichnet und so mit Bienenfleiß einen
Wust von »Lesearten" sammelt, der wohl auch den Fachmann
kalt lassen wird. Ich glaube, daß der Herausgeber und der Be-
nutzer besser daran wären, wenn sie einander gegenseitig diesen
aberflüssigen Ballast schenkten. Wenn dem klassischen Philologen
im „kritischen Apparat" jede Kleinigkeit, wenn auch nicht wichtig,
80 doch beachtenswert sein muß, so ist doch diese Vollständigkeit
für die Herstellung des Textes unumgänglich. Der Herausgeber eines
modernen Dichters hat jedoch bereits den „richtigen" Text in der
letzten von dem Dichter selbst besorgten Ausgabe (die Druckfehler
fallen meist wenig ins Gewicht) und die Varianten künnen ja nur
da ein Interesse beanspruchen, wo sie wirklich einen Einblick in
die Werkstatt des Dichters eröffnen. Man denke etwa an Goethes
„Faust", dessen einzelne Fassungen ganz verschiedenen Entwick-
Ipngs-Epochen des Dichters angehören I E. T. A. Hoffmanns
Änderungen im einzelnen sind dagegen meist ganz belanglos und
der Herausgeber konnte es bei der Herstellung eines reinen Textes
and einem Verzeichnis der verhältnismäßig wenigen größeren Ab-
weichungen der Ausgaben, die wirklich wichtig und charskteris tisch
sind, bewenden lassen.
Solche Nachträge aus früheren Auflagen bringt der I. Bd.
mehrere. Hieher gehört aus dem „Berganza" das hübsche „Sonett
4in Zäzilia" und eine längere Partie des Textes in der Ursprung-
1104 C G. V. Maassen, Hoffmanns sftmtl. Werke, ang. f. J. Öemy.
liehen FassQDg. Aus dem Vergleich der beiden Texte ergibt Bieb,
daß Hoffmann in der endgültigen Fasenng, wie sie in den
„Phantasiestücken'' erschien, dnrch eingeschobene allgemeine Be-
merkungen ausführlicher wird; dafür hat er die auf C&cilia be-
züglichen Stellen — ihr Urbild ist bekanntlich Hoffmanns Bam-
berger Schülerin Julia Marc nnd der Dichter erzfthlt hier sehr
deutlich eigene Erlebnisse — zusammengestrichen und sich» be-
sonders in der Charakteristik des ekelhaften Wollüstlings, dem
Gäcilia geopfert wird, kürzer gefaßt. Es scheint danach» daß die
Nachricht, er habe bei der Umarbeitung des „Berganza** allzu
deutliche Bezüge auf die Bamberger Verhältnisse getilgt oder ge-
mildert, auf Wahrheit beruht. Dem „Magnetiseur*' ist aus der
1. Aufl. eine sp&ter weggelassene» in Jean Pauls Manier gehaltene
satirische Schilderung des Pfarrers zugute gekommen, den bei
seiner zierlich gedrechselten Leichenrede auf den Maler Bickert ein
böser Zufall Iftcherlich macht. Ferner stand am Schluß dieser Er-
zählung in der 1. Aufl. das ironische „Billet an den Justizrit
Nikomedes*', dem der Herausgeber der »Phantasiestücke" für die
Mitteilung der Begebenheiten und Aufzeichnungen dankt. Indem
Hoffmann dieses Billet später wegließ» Tereinfachte er die ?er-
wickelten Voraussetzungen für die Entstehung seiner Novelle. Er
selbst (genauer gesagt, der „reisende Enthusiast'', als dessen
Papiere die „Phantasiestücke" erscheinen) ist der gerichtliche Be-
vollmächtigte, der auf dem Schlosse erscheint und von den Auf-
zeichnungen des alten Malers Kenntnis erhält. Interessant ist
ferner, daß hier Hoffmann für die Fortsetzung der „Phantasie-
stücke" „Franz Bickerts allegorische Mahlereien im gotischen Styl"
ankündigt — ein Plan» der bekanntlich nicht zur Ausführung
kam. Aus den „Abenteuern der Silvesternacht* in der 1. Aufl. ist
ein unbedeutendes Qespritch zwischen dem Eellerwirt und seiner
Frau und zu „Johannes Ereislers Lehrbrief aus der ersten Fassung
des Aufsatzes im „Morgenblatt" der hier viel ausführlichere und
für Hoffmanns musikalisches Fühlen und Betrachten sehr charak-
teristische Schluß nachgetragen. Im ganzen ist also die Aus-
beute dieses Bandes nicht unbeträchtlich.
In den den Lesearten folgenden „Anmerkungen", die zwischen
dem Zuwenig und dem Zuviel die richtige Mitte halten, zeigt der
Herausgeber eine ausgebreitetete Gelehrsamkeit. Bei der großen
Menge von Anspielungen und Bezügen, die sieh in Hoffmanns
Schriften finden und dem heutigen Leser zum großen Teil unver-
ständlich sind, ist dieser fortlaufende Kommentar sehr verdienst-
lich und wir wollen mit dem Herausgeber über Einzelheiten nicht
rechten. Quellennachweise und Festlegungen literarischer Vorbilder
sind hier nur in wenigen Fällen gegeben und auch die den ein-
zelnen Bänden der Ausgabe vorangehenden „Einleitungen" soUeo
sich nur mit der äußeren Entstehungsgeschichte der Werke be-
fassen. Der Herausgeber bereitet eine eingehende Untersuchung
Dentflcbi Prota., mg* t. F, Inffrttch.
1105
k
äm%T MaterJe för eiue spitere Poblikation ?of. Obwohl man
freilich von mnu Ansj^abe nicht vertansren Katin, iia5 »ich darin
daa Material aticb literarhistorisch t erarbeitet 6nde, so werden
doch vt&le Käufer der vorliegenden Aoa^abe die Beeetiränking des
Herausgebers beklagen, Sie hätte för den Liebhaber» der nicht
strenger Fachmann jet, aber aacb für den Literarhiitoriker viel
an Äutlebnnggkraft gewonnen» wenn ete anßer dem Text, den
Letearleii und Anmerkan^en anch eine historische Betraohtiin^'
mnd ietbetiicbe Wnrdt^nng von Hoffmanna Werken böte. Diese
hAlte recht gnt teile in dei} Einleitungen erfolgen, teils den An-
[nerknugen vorbehalten bleiben können. Hoffen wir, daü die vom
H**raGsgeber Tersprocbene Biographie, die den Werken folgen soll,
das Yersäoninie, wenigstens ^nm Teilf wettmacht. An Eii^nnüg dazu
und gründlichen Kenntnissen scheint es ihm nicbt zn fehlen. Die
änüere Anestattnng der Ausgabe verdient das grSite Lob* Sie
stielt anf die Fiktion ab« als könnte sie schon in Hoflfmanns
Todefgahre erechienen sein; im Drnc^ (Schwabacfaer Lettern), detn
blassen Papier, den Originalvignetten nnd der Beigab» di?r bisher
erreichbaren Originahejchnnngen Hoffmanns fowie auch im Ein-
band ^ der dem der ersten Ans gäbe der ,,Seraptonsbrüder'' nach-
gebildet ist, zeigt sich dieses Bt^streben. Da& Drnck nnd Papier
dern Ange nicht eben wohltoend mud, kann dabei nicht nnerwähnt
bleiben* Von den Zeichnungen Hoffmanna, die der K Bd. bringt,
ist nnr die letzte nen, die Karrikatnr eines wütenden Sologeigers,
den ein Klavierlrio mit gleicher Begöisternng be^' leitet. Wönschen
wir der neuen Hoffmannaosgabe ein rnt^tiges Fortschreiten ! Der
Herausgeber (München, Ädalbertatfaße 88) bittet im Vorwort um
Fördernrjs st^inee möglichste Vollstlndigkeit erstrebenden Unter-
nehmens. M4ge ihm diesd reiehllch zuteil werden I
Mies. Dr. Johann Ceroj.
Deutsche Prosa* Velhagen und KUaintja Sammlung deutscher Schul-
aaigaben. 9 Bandehen. Bielefelil ond Leipzig, Verlag von Velbagen
und kla»iEig ime. Freie der einiduea B&ndcheD 90 Pf. bis Mk* P^*
Die vorliegende Sammlnng ist geeignet, den Schölern der
Mittelschnlen ein Oebiet unserer Literatur zu erschließen, dem der
Unterricht selbst keine Zeit widmen kann, obwohl die Schüler frei-
williges Interesse för dasselbe empfinden und auch sein innerer
Wert nach Beröckaicbtignng verlangt- Aber einmal wäre kein Ende
abansehen, wollte man die Schule mit allem beladen, was gut und
schön ist, und anderseits erbeben die reichen Wissensquellen der
Gegenwart den Anspruch, daS auch schon der Jon gl in g ans eigenem
Antriebe aus ihnen schöpfe. Die Scbnle erfült ihre Pflicht, wenn
sie anf ErBchomungen hinweist, deren niberft Bekanntschaft dem
Stndierenden nützlich nnd angenehm ist, nnd wenn sie keine Mittel
Sklieektiri t i. «starr. Qrnu. lioe. XIL Rift. IQ
1106 Deutsche Prota, ang. v. F, Ingrisch,
scheut, ihren Schillern diese Bekanntschaft za erleichtem. Ans
diesen Gründen darf den Schülern nahegelegt werden, bei ihren
Bücbereinkänfen neben den bereits bekannten billigen Vermittlem
moderner deutscher Erz&hlnngskanst auch der vorliegenden Samm-
lung Anfmerksamkeit zu schenken, und ebenso darf sie auch für
die Schfllerbibliotheken anfs wärmste empfohlen werden.
Die Sammlung ^Deutsche Prosa*' enthält in dem ersten
Bändchen rednerische Prosa, ausgewählt yon Dr. J. Wychgram,
das zweite Bändchen ist der patriotischen Prosa gewidmet,
die Dr. H. Windel zum Herausgeber hat. Die folgenden sieben
Bändchen bilden ein selbständiges Ganze unter dem Titel ^Moderne
erzählende Prosa**; der üerausgeber ist Dr. Gustav Porger.
Die Herausgeber der rednerischen und der patriotischen Prosa
dachten vor allem an reicbsdeutsche Schüler, denn die gebotenen
Beden und die patriotischen Aufsätze sind sämtlich aus Ereig-
nissen der Geschichte Deutschlands hervorgegangen. Aber ihr
formell bildender Wert, der Inhalt an allgemeinen schönen und
erhebenden Gedanken und der Nutzen für eine tiefere Erkenntnis
der deutschen Geschichte gestatten, daß diese zwei Sammlungen
auch unseren Schülern zugänglich gemacht werden können, ohne
daß eine unmittelbare Beziehung zu unserem Vaterlande in ihnen
waltet. Die patriotische Prosa ist überhaupt auf einen Zeitraum
zugeschnitten, der für Österreich und für Deutschland von gleich
hoher Bedeutung ist, nämlich auf das Zeitalter der Befreiungs-
kriege. Es sind nicht starre, sondern fließende Grenzen, die damalig
die Interessen der beiden Staaten schieden, so daß eine Vertieinnir
in die Geschicke Deutschlands auch die vaterländischen Gefühle des
österreichischen Studierenden fördert.
Für die Bändchen, welche die ^Moderne erzählende Prosa**
einschließen, kommen keinerlei Bedenken auf. Österreich spielt in
der Gegenwart auf dem Gebiete der erzählenden Dichtung eine
führende Bolle, der der Herausgeber völlig gerecht wird.
Die Grundsätze, die ihn bei der Auswahl leiteten, verbürgten
von vornherein eine gediegene Schöpfung: Es kommen nur Meister
der erzählenden Prosa zu Worte, die mitgeteilten Proben sind voll-
ständige, ungekürzte Erzählungen, damit der Leser einen unge-
störten Gesamteindruck erhalte. Die Proben sind femer charak-
teristisch für den Verf. und der Herausgeber war endlich darauf
bedacht, „einen Lesestoff zu wählen, der im stände ist, das In-
teresse jugendlicher Leser zu erregen und festzuhalten**. Da die
Sammlung auch der Erweiterung des literargeschichtlichen Wissens
der Jugend dienen will, sind den Erzählungen biogri4>hi8che Ein-
leitungen vorausgeschickt und dem Streben nach eingehenderer
Kenntnis des Lebens und Schaffens der Schriftsteller kommt die
Angabe von Quellenschriften entgegen.
Das Autorenverzeichnis enthält alle die hervorragenden Names
unter den neuen Erzählern, die für die Schule in Betracht kommen
A. Ive, Caotari popolari Telletrani, ang. 7. C. Battisti, 1107
können. Und es gibt derzeit kein zweites Unternehmen, das bei
gleichen Absichten eine solche Fülle des Schönen auf einem
Banme darböte wie die vorliegende Sammlang. Peter Rosegger
begrüßt ans zuerst, dann zeigt Marie vonEbner-Eschenbach
ihre Erz&hlnngskanst and die Österreicher sind weiter darch
Ladwig Anzengraber, Adolf Pichler und Ferdinand v. Saar
würdig vertreten. Detlef von Liliencron steaert eine seiner
prächtigen Kriegsnovellen bei, ein B&ndchen vereinigt die großen
Meister Theodor Storm, Conrad Ferdinand Meyer, Wilhelm
Baabe and Adolf Stern. Ernst von Wilden brach, Ernst
Maellenbach, Ladwig Ganghofer, Hermann Heiberg,
EarlSoehle, Bichard von Volkmann, Adolf Schmitthenner,
Fritz Lienhard, Ernst Wiehert, Hans Hoffmann and end-
lich Theodor Hermann Pantenias, der innige Vertraate seiner
geliebten korl&ndischen Heimat, stellen sich mit reizenden Qaben
ein. Die bedeatendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart vervoll-
st&ndigen die vortreffliche Sammlang: Neben der schon genannten
Marie von Ebner-Eschenbach haben Hermine Villinger,
Margarete and Frida v. Bülow, Ilse Frapan, Isolde Earz
and Helene BOhlaa viel Gates gespendet.
Wer die Mühe za ermessen weiß, die aas bachhändlerischen
Gründen mit dem Zastandebringen einer Sammlang wie der vor-
liegenden verbanden ist, kann dem Heraasgeber der ^Modernen er-
zählenden Prosa**, ganz abgesehen von dem bildenden Werte seiner
Arbeit, nar den besten Dank wissen. Mögen Schale and Haas dem
Unternehmen freandlich sich nähern, damit der Heraasgeber sein
Ziel erreicht sehe: „za bewirken, daß die Namen anserer bedea>
tendsten modernen Erzähler dem ins Leben tretenden Schüler kein
fremder Klang mehr seien, sondern in ihm das Verlangen geweckt
werde, aaf Grandlage dessen, was die Schale ihm geboten, sich
selbständig an ihren Schöpfnngen weiterzabilden and mit einem
fflr Wert and Unwert geschärften Aage einen lebendigen and ver-
ständnisvollen Anteil an dem literarischen Leben der Gegenwart
und dessen fortwährender Entwicklang za nehmen**.
Olmütz. Franz Ingrisch.
Cantari popolari velletrani, raccolti ed annotati da Antonio Ive,
Profesfore dell' oniversitä di Gras. Con illnstrasioni e note moiicali.
Pnbblieaxione incoraggiata dali' I. B. Ministero del Colto e dell' Ittm-
sione. Borna, Loescher & Co. 1907. XXXIl (II) and 389 (IV) S8.
gr.-8», 8 Tafeln.
Herr Prof. Ive, der sich bereits darch frühere Liedersamm-
lungen ans Dignano, Bovigno and Veglia am die Kenntnis des
Volksliedes große Verdienste erworben hat, tritt jetzt mit diesem
groß angelegten Werke, welches nicht weniger als 852 Volkslieder
70*
1108 A. Ive, Cantari popoUri velletrani, uig. t. C. Battiiti.
ans Yelletri mit einem nmfaDgreiehen EommeDiar enibftlt, Tor die
öffeotlichkeit. Die reizenden, sehr melodieeben and meistens bocb-
poetischen Bitornelle« welche der Verf. an Ort nnd Stelle einhei-
mischen Volkssftngern abgelauscht hat, bringen einen neuen Beweis
für die Lebendigkeit nnd bodenständige Entwicklang des mittel-
italienischen Volksliedes; denn beinahe 850 Lieder« also Vs ^^^
ganzen Sammlnng, zeigen eine überaas weitgebende Aspassmg
bekannter, allgemeiner MotiTe an einheimische Verhftltnisse and
einheimische Sprache, in vereinzelten Fällen sogar eine, nach dem
heutigen Stande der Forschung zu urteilen, originelle Entwicklang
eines poetischen Gedankens, den man bis jetzt nur auf geographisch
vollkommen getrennten Gebieten im Keime nachweisen konnte. Das
Thema des Volksliedes ist auch hier, wie es zu erwarten war, bei-
nahe ausnahmslos die Liebe, wenig vertreten sind die Spottlieder,
die in norditalienischen Gegenden in größerem Umfange auftreten,
noch spärlicher die politischen, religiösen und Kriegslieder. Der
Form nach sind die hier mitgeteilten V. L. bis auf zwei Aus-
nahmen lauter Bitornelle: die zwei vereinzelten Bispetti Nr. 584
und 568 mit Beim-, bezw. Assonanzkreuzung {abab, t»baß) sind
schon dem Stoffe nach nicht bodenständig und sie lassen sieb
wegen ihrer Beimstellung wahrscheinlich in Süditalien lokalisieren^).
Zum ersteren gibt übrigens der Verf. eine Variation in der Form
eines regelrechten Bitornelle, welches die bodenständige Bearbeitang
dieses Bispetto darstellt
Ich möchte der unbestrittenen Herrschaft der dreizeiligen
Form der velletraner V. L. eine gewisse Bedeutung zuschreiben.
Die aus drei Zehnsilbern bestehende Terzine, die nach Schuchardt')
die älteste Form dieser Dichtung ist, überwiegt (Vs der Samm-
lung), während die aus einem Kurzvers (beinahe ausnahmslos
ein Fnnfsilber) und zwei Zehnsilbern bestehenden Bitornelie
den gewöhnlichen Typus zeigen, indem der Kurzvers regel-
mäßig die Gestolt einee Befrains annimmt oder mindestens die
Beobachtung irgend einer Tatsache enthält, welche in sehr vielen
Fällen für das Folgende nicht als Bild dient und somit zur
stehenden Formel hinneigt. Meistens wird der Name einer Blume
herausgegriffen'), wobei j^fiar'^n ziemlich oft in sehr übertragener
Bedeutung, seltener „ Blatt, Zweig, Baum" mit der näheren Be-
stimmong im Genitiv {fiore cTatetto, /. de dUtemo^ /. de mda,
dann /. de l'oro*), f. de grane, /. de poi, /. de pepe, /. de eaie
>) im Kommentar des Liedes 534 ist Schnohardt 73 ein Drock-
fehler statt Sobachardt 23. Wegen des Bildes, womit beide Ueder
anfangeD, zeigen sich die V. L. 534 nnd 568 mit den von Schachardc
80, 31 gebrachten Beispielen verwandt.
*) H. Schnehardt, Bitomell nnd Terzine. Halle 1874, I €.
*> Vea den 348 mit Kanters beginnenden Bitomelien gehören oi^
weniger als 261, alio */st so dieser Gattung.
*) Wohl mißveritanden ans fior de läro = Lorbeerblume. Nr. 130,
138, 140.
Ä. Ivtf Cantari popolari velletraDi, aag. t. C. Battisii. 1109
n. &., erba acetoaa usw.) genaDiii wird. Nicht so üblich ist dagegen
die BODst iD den mittelitalieniecben Ritornellen h&nfige Form des
KnrzTorses, die neben dem Namen einer Blnme oder Pflanze (ohne
das Appeliatif »Blame**) ein folgendes Adjektiv umfaßt, %. B.
aareio pangente 246, melo granato 58, 517, lävoro leggio 742,
748, sagrato pisto 520, parma fiorita 118, rosa addorosa 172,
noch seltener ist der Xnrzyers ein Anruf, in welchem Falle sich
die Tendenz zeigt, das Bitornell mit einem M&dchennamen zu be-
ginnen, der gleichzeitig Blnmenname ist (Viola, Bosa). Sehr selten
sind ferner jene Fälle, in welchen der Knrzvers inhaltlich mit den
zwei Zehnsilbem verbanden ist nnd seine Abstammung aus einem
verkfirzten Zehnsilber deutlich zeigt (z. B. Nr. 7, 8» 41, 112 u. a.):
der Tortreffliche Kommentar gestattet uns in diesen Fftllen ziemlich
oft engverwandte V. L. zu entdecken, welche die ursprflngliche
Form einer aus drei Zehnsilbern bestehenden Terzine bewahrt haben.
Nicht häufig kommt die emphatische Wiederholung eines Wortes
▼or, dann aber meistens in der Anredeform, welche im lebendigeren
Eingang besonders der toskanischen V. L. außerordentlich bevor-
zugt wird (z. B. Nr. 210).
Was Beim und Assonanz betrifft, so ist hier der Vorzug des
ersieren zu konstatieren, denn die Assonanz beschränkt sich auf
zirka Vio ^^^ ^- ^' (2^^) — l^i^r <^fters in den Bitomellen mit
XurzTers als in den anderen, in welchen der Beim nach dem
Schema aha, seltener aah verwendet wird. Beachtenswert ist in
allen Fällen die Konsonanz^) des Binnenverses mit dem ersten,
eventuell auch mit dem dritten oder umgekehrt (a*xa' oder a*9^a
oder ax'a% so z. B. (4) mele \ male \ bene, (26) noUe \ parte \porte,
(35) eanto \ quellp \ cavaUp, (40) sospiro \ ariparo \ mio, oder (8)
araghUo | manato \ tradito, (5) eantane \ canierine \ inparane, (9)
cafUi, eenti, amai^. Es kann auch ein Konsonant einer Konso-
uantengruppe konsonieren: (17) bbrocca \ fresca \ apposta, (21)
piseUo I carUo \ mantengo, (25) valio \ arüomo | fanno, (58)
eallo I fomo \ petanno u. ä.
Diese Verbindung durch Assonanz (bezw. Beim) und Kon-
sonanz scheint mit einer gewissen Strenge durchgefflhrt zu sein,
und die verhältnismäßig wenigen Fälle, in welchen das gleich-
zeitige Vorkommen eines dieser zwei Elemente unterbleibt, scheinen
meistens auf Mundartsverschiedenheiten oder schlechte Anpassung
fremder Lieder zu deuten; das Unterbleiben dieses metrischen
1) Schuchardt a. a. 0. 8. 8.
1110 A, Ive, Cantari popolari Telletrani, ang. t. C. BattistL
Faktors kann deshalb mit Vorsicht angewendet als Kennzeichen
ffir die Einfflbmng des betreffenden Liedes gelten. Eine gründliche
Untersnchnng in metrischer Hinsicht wird bei voller Berncksichti-
gnng der inneren Verwandschaft einzelner V. L. ans Tsrschiedenen
Gegenden nach meiner Ansicht viel nenes Licht anf die Geschichte
des V. L. werfen.
Die Mandart des V. L. ist auch hier verblaßt; in einigen
F&Ilen könnte man nach derselben die Sammlung kaum lokaüsiereo,
denn das Volk bedient sich hier wie überall im V. L. einer reineren,
feineren Sprache, welche die spezifischen Kennzeichen einer ein-
zelnen Mandart abwirft und über einen beinahe konventionellen,
armen Wortschatz verfugt. Der Verf. hat verstanden, eine richtige
Mittellinie zwischen gewöhnlicher nnd diakritischer Schreibart za
wählen, welche es ermöglicht, die V. L. genan nnd leicht zn lesen.
Das Wortregister ist knapp, aber hinreichend genug, um über die
vom Toskanischen zu stark abweichenden Wörter genügend Aus-
kunft zu erteilen.
Dem umfangreichen Kommentar, mit dem der Verf. seine Samm-
lung begleitet, kommt eine sehr große Bedeutung zu. Er stellt
die Frucht langjähriger, tiefgehender, liebevoller Untersuchung der
verschiedensten Liedersammlungen dar, welche Prof. Ive in ver-
ständnisvollster Weise exzerpiert hat und die es ihm ermöglicht,
alle Motive des V. L. im ausgedehntesten Maße in- und außerhalb
Italiens zu verfolgen. Wenn wir uns nicht irren, hat der Verf. in
der Zusammenstellung dieses Kommentars einen doppelten Zweck
angestrebt: einerseits die Ausdehnung bestimmter Variationen
eines allgemein verbreiteten Gedanken in jedem einzelnen Falle in
großen Zügen festzustellen, anderseits aber die Materialien zu einer
Untersuchung der partiellen Unterschiede in der volks-
tümlichen Bearbeitung einzelner Motive für spätere For-
schungen vorzubereiten. Den ersten Zweck hat Prof. Ive ganz
bestimmt in ausgedehntestem Maße erreicht; der Nachschlagende
wird bei der Lektüre des Kommentars gleich und leicht darüber
orientiert« Typographische Schwierigkeiten haben dagegen den Verf.
gehindert, sein zweites Ziel in der in praktischer Hinsicht wirk-
samsten Weise zu erreichen, denn der Kommentar besteht, mit ein-
zelnen Ausnahmen, in welchen die verglichenen fremden Volkslieder
— in diesem Falle sind die Abweichungen zu groß, als daß man
einen direkten Vergleich machen könnte — mitgeteilt werden, nur
aus literarischen Angaben, welche der Leser sich zusammenstellen
muß, falls er sich in der glflcklichen Lage befindet, den enormen
bibliographischen Apparat, worüber Herr Prof. Ive verfügt, benützen
zu können. Allerdings hätte dadurch das beinahe 850 SS. starke
Buch einen viel größeren Umfang erhalten.
Der Sammlung schickte Herr Prof. Ive in einer schönen Ein-
leitung eine objektive Prüfung der wichtigsten Theorien über die
Entstehung des Volksliedes voran. Der Verf. verspricht (S. XXIII,
Sokoll-Wyplel, Lehrbuch der frans. Sprache, ang. ▼. F. Wawra. 1111
Anm. 1) eine weitere üntersncboDg des beDachbarten mlttelitalieDi-
Bcbeo Gebietes und wir wüDschen dem bewährten Meister bei der
neuen Arbeit einen ebenso schftnen Erfolg wie bei der hier be-
sprochenen, dnrch welche er sich die vollste Dankbarkeit und An-
erkennung aller Freunde des Volksliedes verdient hat.
Wien. Dr. C. Battisti.
Lehrbuch der französischen Sprache für Bealschalen und ver-
wandte Lehranstalten von Eduard Sek oll und Ludwig Wyplel,
k. k. Professoren an der Staatsrealschule Wien XV. Zweiter Teil.
(Drittes Schuljahr.) Wien, Franz Deuticke 1907. 187 SS. 8». Pieis
geh. 2K40h, geb. 2K80h.
Schon eine kurze Einsichtnahme in dieses für den dritten
Jahrgang unserer Realschulen bestimmte Lehrbuch zeigt, daß man
es hier mit einer grundlichen und gewissenhaften Arbeit zu tun
bat. Das ihnen vorschwebende Ziel drückten die Verff. durch den
dem ganzen Buche gegebenen Untertitel aus : A travers la France,
Dem zufolge fuhrt uns der fesselnde Inhalt der in einfacher,
durchaus moderner Sprache gehaltenen Lesestücke mehr oder weniger
dnrch alle Teile Frankreichs, namentlich Nord f ran kreich s , und
macht uns mit deren geographischen und kulturellen Verhältnissen
bekannt. Der französischen Jugend ist naturgemäß in diesen Lese-
stücken eine hervorragende Rolle zugeteilt. Die Kenntnis von Land
und Leuten von Frankreich wird so unseren Schülern auf eine
höchst anziehende Weise vermittelt. Aber diese französischen Texte
(A) werden dann noch weiter sachlich erläutert oder erweitert als
Legons de ehoses (B), und zwar in geographischer, industrieller
oder sonstwie kultureller Hinsiebt. Zugleich wird dieser Teil auch
sprachlichen Zwecken, besonders der Bereicherung des Wortschatzes,
dienstbar gemacht, worauf dann unter „Orammaire^ die eigent-
liche sprachliche Verarbeitung durch zahlreiche und mannigfaltige
Obungen, auch stilistischer Natur, die auf den freien mündlichen
und schriftlichen Gebranch der Sprache hinzielen, erfolgt. Für die
Erweiterung des Wortschatzes wird gleichfalls in systematischer
Weise Sorge getragen ; wie denn überhaupt dieser Teil mit großer
Umsicht und vielem Geschick gearbeitet ist. Den Abschluß der
Lektion bildet meist das Thhne, welches eine Variation des fran-
zösischen Textes darstellt.
Nur eine Seite des sprachlichen Betriebes scheint uns in
diesem Buche nicht ganz zu ihrem Rechte zu kommen : es ist die
Aussprache. Wenn diese auch hie und da im „Voeabulaire** und
im „Lezique** berücksichtigt wird, so geschieht das doch nicht in
ausreichendem Maße. So hätten wir z. B. eine Bemerkung gewünscht
zu le hdvre (S. 116 und 155) und bas, hasse (S. 142) betreffs
der Qualität des a; zu hatelier (8. 127 und 142), orphelin (S. 162)
1112 Coleridge- Eichler, The Ancieot Mariner usw., ang. ▼. J. EUinger.
und porie/euilU (S. 127 und 164) betreffs des e; zu aiguilk
(Qsw., S. 140) betreffs des u; in ii^siMe (S. 182 and 140) be-
treffs des 8 and noch in anderen F&Uen. Wird der Sch&ler dem
in den Umschriften von orchestre (S. 134) und baptime (8. 142)
ohne Bezeichnong bleibenden e die richtige Qaalit&t geben? Wir
bezweifeln es. Die fär gara gegebene Anssprache g r (S. 115 nnd
154) ist, als völlig nngebräncblich, ohneweiters zn streichen. Filr
Aniüles (S. 126 nnd 140) wird die Endung mit ^W umschrieben.
Soll damit der Laut des J mauilUe*^ angedeutet werden? Das
wäre wohl gegen alle phonetischen Prinzipien. Sonst sind die Wörter-
verzeichnisse mit der das ganze Buch zierenden Sorgfalt angelegt
(nur fehlt die Bedeutung zu taülandier S. 99, B, Z. 2); ähnliches
gilt von der Überwachung des Druckes (nur ist 8. 30, Z. 4 dem
Worte Ouillaume ein unberechtigtes t angefügt worden). So stehen
wir denn nicht an, dieses auf Grund einer ausgereiften Methode
angelegte Buch als einen gelungenen Unterrichtsbeheif zu bezeichnen.
Wr.-Neustadt. Dr. P. Wawra.
Sam. Taylor Coleridge, The Ancient Mariner und Christabel.
Mit literarhittorischer £uii«itiiDg nnd Kommentar herausgegeben von
Albert Eichler. Wien und Leipzig, Wilbelm Braaroaiier 1907. XI
und 188 SS. (Band XXVI.)
Deutsche EulturyorhUtnisse in der Auffassung Will M.
Thackeraya. Von Dr. Heinrich Frisa (Wien). Wien nnd Leipiig,
Wilhelm Braomflller 1908. IX nnd 78 SS. (Wiener Beitr&ge inr
englischen Philologie, herausgegeben von J. Schipper.)
Auf die beiden Dichtungen The Ancient Mariner nnd ChriMaM
von Goleridge wird von dem Herausgeber dieselbe kritisch -philo-
logische Methode angewandt, wie sie sonst alteren Denkmälern
zuteil wird. Den leiten geht eine „Einleitung'' voran, in weicher
wir über Entstehung und Aufnahme, Metrum, Sprache und Stil
beider Balladen eingehend belehrt werden. In dem Abschnitte
„Nachfolge der beiden Balladen in der Literatur** wird der Einfluß
derselben auf Scott, Byron und Keats nachgewiesen. Nun folgt
ein vollständiger Abdruck der ersten Ausgabe des Aneient Marimr
von 1798 und der Ausgabe von 1817. In den Fußnoten werden
die Abweichungen der beiden besprochen und auch die Lesarten
anderer Ausgaben znm Vergleiche herangezogen. Der Text der
Christabel ist nur nach der Ausgabe von 1829 abgedruckt, wahrend
alle Abweichungen in den Fußnoten zusammengestellt und be-
sprechen werden. Den Schluß bildet ein Kommentar mit ausfähr*
liehen Wort- und Sacherklarungen.
Zu dem Verse 25 des Christabel JV^^ makea her in tk$
toood 80 lote"* bemerkt der Herausgeber S. 124: ^what makee her
zu erganzen: (iojbe; sonst wüürde man vielleicht *what mahee shi'
A. Struck MakedooiKhe Fahrten, aog. t. J. Jung. 11 13
erwarteD«*. Der zweite Teil dieser Bemerkung ist nnoötig, weil
niemand, der den englischen Sprachgebranch des XIX. Jahrhunderts
kennt, eine Konstruktion wie 'whai mahes ehe erwarten wird. —
S. 126. ^Fraise tce Eonjnnktl?.*' Es ist Tielmehr der alte Im-
perativ statt des prosaischen 'let us praise I — S. 132. „I repetU
me, selten mit pron. reflex. (Tgl. Measnre for Measure, IL III. 85)**.
Ich habe in den Engl. Stnd., Bd. 24, p. 79 ein Beispiel für to
rep$/U aneself ans TroUope beigebracht.
Die Ansstattnng des Buches ist sehr gef&llig, der Druck
korrekt; mir sind nur zwei Versehen aufgefallen: 8. 112 aeemt
so (st. /o) mistake, S. 121 die (st. denen) er begegnet.
Die schöne Ausgabe ist so eingerichtet, daß sie wegen ihres
textkritischen Apparates zu Seminarubungen dienen und wegen
ihres Kommentars auch zur Lektftre an höheren Schulen verwendet
werden kann.
Von Tbackerays Aufenthalt in Deutschland in den Jahren
1830/81 ausgehend, bespricht Dr. Frisa auf Grund eines grund-
lichen Studiums von Thackerays Worken sein Verhftltnis zur deut-
schen Literatur und Kunst, sowie zur deutschen Geschichte und
kommt zu dem Schlüsse, daß Thackeray kein Bahnbrecher fflr
deutsche Kultur in England gewesen sei wie Wordsworth, Co-
leridge und Carlyle. Von einem Einfluß der deutschen Lite-
ratur auf ihn kann kaum gesprochen werden, über deutsche Kunst
weiß er seinen Landsleuten wenig oder gar nichts zu sagen und
seine Betrachtung deutscher Geschichte, namentlich Friedrichs des
Großen, steckt ganz in den Vorurteilen seiner Zeit. Wo er zeit-
genössische Zust&nde schildert, bilden diese immer nur den Hinter-
grund für seine persönlichen Erlebnisse (vgl. Pumpern ickel und
K.'ilbsbraten, aus dem deutschen Kleinstaat und der deutschen
Kleinstadt). Doch wenn auch Thackeray keine zusammenhängende
Arbeit über das deutsche Geistesleben für seine Landsleute ge-
schrieben hat, so kann man doch nicht verkennen, daß er zur Ver-
breitung und zum Verst&ndnis deutschen Geistes und deutscher Zu-
st&nde in England nicht wenig beigetragen hat.
Die auf Grund einer umfassenden Kenntnis der Fachliteratur
ausgearbeitete Schrift kann allen Anglisten und Freunden der eng-
lischen Literatur bestens empfohlen werden. Einige stehen geblie-
bene Druckfehler wird jeder Leser selbst verbessern.
Wien. Dr. Joh. Ellinger.
Adolf Struck, Makedonische Fahrten, n. Die makedonitebeD
Niederlande. Mit 26 AbbildoDgen uod einer BooteDkarte. (Zar Knode
der Balkanhalbintel. Beisen und Beobacbtuogeo. Herausgegeben von
Dr. Karl Patsch, Leiter des Boin.-Hersegow. Inatitoti fAr Balkao-
forfcbUDg. Heft 7.) Sarajewo, Dtnckund Verlsg von Daniel A.Kajon
1908. III und d9 ^8. 8<>. Preis S K.
1114 Ä. Struck, MakedoniBcbe Fahrten, aog. ▼. J. Jwig.
Dieses Heft der vod Patsch geleiteten Sammlnog ist för die
Topographie nnd Geschichte des alten Makedoniens von grofter
BedeatDDg. Die Hauptstadt des Landes war in froherer Zeit
Aigai oder Edessa (beides die „ Wasserstadt ** bezeichnend),
beim hentigen Wodena. Hier vollzog sich noch in der Zeit« da
die Besideoz schon nach Pella verlegt war, der jeweilige Regie-
rnngsantritt, so im Jahre 859 der König Philipps, wobei ihm der
Prätendent Argaios die Krone entreißen wollte; hier wurde er
28 Jahre später bei der Hochzeitfeier seiner Tochter Kleopatra er-
mordet. In Aigai befanden sich auch die Qräber der Könige. Es
haben sich ferner ans römischer Zeit, da die via Egnaiia vorbei-
ging, Banreste, Sarkophage und Inschriften (darnnter lateinische)
erhalten. Die Stadt lag einst im innersten Winkel des ägeischen
Meeres. Pella war der antike Vorort der nördlichen Kampania,
wie das makedonische Niederland genannt wird, beim hentigeo
Alaklisse in der Nähe von Jenidsche. S. 88 ist eine Kartenskizze
beigegeben and die Darstellung des Polybios (bei Liv. XXXXIV 86),
wo die Einnahme der Stadt durch Aemilius Paulus im Jahre 168
V. Chr. beschrieben wird, mit einem Kommentar versehen. „Darnach
bestand Pella aus zwei getrennten Teilen : aus der auf einem nach
SW. abfallenden Hügel gelegenen und von tiefen Sumpfen um-
gebenen befestigten Stadt und der königlichen Burg, die sich« mit
der Stadt durch eine Brücke verbunden, im Sumpf auf einer mäch-
tigen Steinschüttung und Mauerung erhob. Die Burg« Phakos
genannt, enthielt auch die königliche Schatzkammer **. Der Sumpf
bieß Borbaros — die gegenwärtige (slavische) Bezeichnung ist
Blato, d.i. Sumpf. — Hier an jetzt ziemlich verwahrloster Stelle,
unfern der Station Jenidsche der makedonischen Eisenbahn, lag die
Vaterstadt Philipps und Alexanders d. Gr. , die Wiege einer Welt-
herrschaft — Eine dritte alte Kulturstätte Makedoniens war Beroea
(Beroia), gegründet von Pberon, d. i. makedon. Beron; es heißt
jetzt, indem der alte Name an einem stattlichen Orte sich erhalten
bat, griechisch Weria, slav. Ber, türkisch Karaferia. Die
Stadt ist bei Liv. XXXXIV 29 nnd 45 erwähnt; im Jahre 49
V. Chr. befand sich hier das Hauptquartier des Pompeius. In der
Kaiserzeit hatte das coneilium (der Landtag) von Makedonien zu
Beroea seinen Sitz. Die Residenz des römischen Statthalters hin-
gegen war die Freistadt Thessalonike. Infolge der hydrogra-
phischen Veränderangen , die von den in den thermäiscben Meer-
busen einströmenden Flüssen Axios, Haliacmon, Lndias verursacht
wurden, kamen die älteren Orte um ihre Bedeutung, während
Thessalonike an der geschützten Seite des Golfes sich zu einer der
ansehnlichsten Metropolen des römischen Reiches herauswuchs. Es
ist das besondere Verdienst der Herren Struck und Patsch,
diese hydrographischen Verhältnisse aus der Literatur und der
Gegenwart eingehend studiert nnd durch einige Croquis anscban-
lieb zur Darstellung gebracht zu haben. — Nebenbei wird auch
F. Arndt f DeotecbUiids Stellimg niw«« am f. w, B. ImenäÖfffer. 1115
der Jetztzeit Hecbnim^ getragen durch ein^estreQtd Notizen über
HaiideL und Verkehr, über die itatioDalen nud koof^eg] Quellen Bei'
biDgen 7,wlscbeEi Türken, Bulgaren, Albanesen, Griechen, Wlacben,
endlich dnrch die eingeBtrenten IJlaatrationen, die Land und Leiitt\
8tädte, Bracken^ den Verkehr durch die Sampfe nsw, in gelnngener
Weise vorf obren.
Praff.
Jul Jung*
Prüf, Dr* Paul Arndt, Deutschlands Stellung in der Welt-
wirtschaft, Aü9 ^Natnr und G«ifte»Uheii^ Leipiig, Veriag tod
B. G. TtfübBer 190b.
Das vorlieg'ende Bändeben der bekannten Sammlung populär''
wiesenscbaf (lieber Schriflen bietet wieder eine Falte dee Goten
nnd WisäenBwerten. Insbeaendere der Lehrer der Erdkunde, der
aneh dem bisber in den Miitekchnien etwas rernocblässigten Ge-
biete der Wirtschaftsgeographie gerne Beachtung schenkt, findet
hier eine handliche nnd verläßliche Znsammen Stellung der wich-
tigsten wirtficbaftHcben Tatsachen, die hei der Darstellnng des
Oentschen Reiches in der Seh nie verwertet werden können. Daß
die gebotenen et atisti sehen Daten stets der nachtragenden Kontrolle
bedürfen werden, ergibt eich ans der Natur der Sache; sie sind
hier ftber eine weeentÜcbe Beigabe^ die man nicht missen mächte,
wenn man tsich anch vor Angen hält, daß die fortschreitende Zeit
sio sehr bald überholen wird,
Prof. Arndt gliedert dm riichen, auf so kleinem Eanme ge-
gebenen Stoff in ungemein übersichtlicher Weise p so dal^ ein
rasches Nachschlagen, das ja gerade in diesem Falle oft genug
notiun wird, dadnrch sehr erleichtert ist Daß der Verf. bei aller
Begeisterung für seinen Gegenstand nicht blind ist im dieScbwIchen
der rapiden wirtschaftlichen Entwicklnng des Deutsch en Beiches, be-
weist das ziemlich aosführlicbe Kapitel IV ,,Gefahreu der TeÜnahme
DeutBchlands an der Weltwirtschaft**- Freilich hätten wir gerne
anch einen deutlichen Hinweis auf die ethischen, nicht bloß die
wrrticbnltlichen Gefahren gefanden. Denn es ist wohl kein Zweifel,
daß der moderne Wtrtschaftsbetrieb nur allzusehr geeignet ist,
einige der sittlich wertvollsten Eigenarten des deutschen Volks-
cliarakters stark in den Hintergrund zu drängen und daß ein Tiet-
facb in unaugeoehmer Weise auftretender Ämerikanismue im Deut-
sehen Ueiche immer mehr überhand nimmt.
Im ganzen konn das hübsch ausgestattete Bdchletn jedem
Fachkollageß bestens enrpfoblen werden.
Wien.
B. Imeoddrffer.
1116 Hirach-ZafUa, Heimatkoode usw., aog. ▼. H. Pirchegger.
Hirsch, Heimatkunde des Herzogtums Steiermark. ümire«rbeiut
und iD dritter Anf läge herausgegeben von Ferd. Zafita. Wien 1907,
A. Holder.
Bis Yor Jahresfrist stand die gleichfalls yod F. Zafita be-
sorgte zweite Auflage dieses fiuches an Mittelschulen allgemein in
Verwendung, obwohl sie die ministerielle Approbation nur für
Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten anf dem Titelblatte trug.
Auch die dritte Auflage, die elf Jahre nach der zweiten erschien,
ist in erster Linie für Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten
sowie für Volksschullehrer bestimmt, ist aber auch zum ünterrichts-
gebrauche an Mittelschulen zugelassen.
Den Stoff hat der Bearbeiter wie früher in einen geographischen
und einen historischen Teil gegliedert, ersteren wieder in drei
Abschnitte zerlegt: Physikalische Geographie — Statistik — Topo-
graphie. Durch die Verwendung von BCbms „Einteilung der Ost-
alpen "* hat das Lehrbuch wesentlich gewonnen. Statistik und Topo-
graphie sind nach dem neuesten (1900 — 1907) Stande entsprechend
geändert. Der Bearbeiter hat hier Tiel Sorgfalt aufgewendet Der
Umfang — um zwei Seiten grCiSer als der der zweiten Auflage —
ist zweifellos für den Unterricht an Mittelschulen, der ja nur eine
Vorbereitung für die Preisprüfung sein soll, viel zu groß, nament-
lich der statistische Teil enth< zuviel Einzelheiten. Anders ist
es natürlich, wenn das Buch als Hilfsmittel für den Volksscbui-
lehrer gedacht ist, für den es sich ja durch seinen billigen Preis
(geb. 2 K 50 h) sowie durch die Vereinigung von Geschichte und
Geographie besonders empfiehlt; der Bef. kommt nocbmala darauf
zu sprechen. Das K&rtchen mit der Einteilung des Landes nach
Bezirkshauptmannschaften ist weggelassen worden, es konnte auch
ohne Schaden wegbleiben.
Der geschichtliche Teil ist gleich gegliedert wie in der
früheren Auflage, wurde aber etwas vergrößert, so daß das ganze
Buch jetzt um 10 Seiten mehr hat. Eine Umarbeitung einiger
Abschnitte war durch die Benützung der 1898 erschienenen steier*
m&riüschen Geschichte von F. M. Mayer bedingt. Eine vierte Auf>
läge wird jedenfalls in den ersten 12 Paragraphen und im § 50
gar manches andern müssen. Auch die kleinen Ortschroniken des
Anhanges, die, wenn der Bef. nicht irrt, dem Ortslezikon von
Janisch entnommen sind und unverändert in die neue Auflage
hinüber wanderten, werden gründlich durchgesehen und geändert
werden müssen. Gerne sei festgestellt, daß gerade diese Orts-
chroniken — natürlich richtig gestellt — einen großen Wert für
den Volksschullehrer besitzen, der auf dem Lande sich Sinn für die
Heimatkunde bewahrt hat; sie kCnnen ihm Anlaß bieten, Lokal-
geschichte zu betreiben.
Graz. H. Pirchegger.
B. Heger, Analjtisehe Geometrie aof der Ka^el, ang. ?. E. Orünfeld, 1 117
Analytasehe Geometrie anf der Engel. Von Prof. Dr. B. Heger.
SammlQog Schubert LIV.
Vorwiegend fraozOsische Mathematiker: Lezell, Lhnilier,
OergODne n. a. haben sich vor nngefftbr haodert Jahren zuerst
mit der Geometrie anf der Engelfläche beschäftigt nnd den damals
schon bekannten Gmndeigenecbaften der sphärischen Dreiecke
wesentlich neue hinzugefügt. Gleichzeitig war das Bestreben
darauf gerichtet, andere Gebilde auf der Sphäre in den Bereich
der Betrachtungen zu ziehen. Die sphärische Ellipse, definiert
durch die beständige Summe der Brennstrahlen, bot sich wie von
selbst zu allererst den Untersuchungen dar. Im Verlauf von 80 bis
40 Jahren bildete sich die analytische Geometrie auf der Engel-
fläche aus, ganz nach dem Vorbilde derjenigen in der Ebene, diese
jedoch durch die Mannigfaltigkeit und Schwierigkeit der zur An-
wendung gelangenden Methoden weit überholend. Die hierauf be-
züglichen Arbeiten der großen Geometer: Plücker, MObius, Steiner
XL a. gehören zu den bedeutendsten nnd wertvollsten Entdeckungen
im Gebiete der ganzen Mathematik während des abgelaufenen Jahr-
hunderts. In den yerschiedensten Zeitschriften, Abhandlungen, Vor-
trägen usw. zerstreut, sind dieselben immer nur schwer zugänglich
gewesen. Auch die wenigen bis nun ▼orhandenen Lehrbücher über
Baumgeometrie haben in diesem Belange nur uuTollständig abge-
holfen. Da greift das Torliegende Buch sehr wohltätig ein: In
seinen 152 Seiten bringt es eine vollständige Geometrie der Eegel-
schnitte auf der Eugel, wie sie bisher nirgends so systematisch
und alles Wesentliche berücksichtigend auf den Plan getreten ist.
Den in der Geometrie hüher Strebenden wird dasselbe sehr
willkommen sein.
Wien. Dr. E. Grünfeld.
Lehrbuch der Physik für Studierende. Von Dr. H. Eayser, Pro-
feseor an der UniTersität Bonn. 4., Terbesserte Auflage. Mit 844 in den
Text gedrackteo Abbildungen. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke
1908. Preis geh. 10 ML
Seit dem Erscheinen der 8. Auflage des Lehrbuches der
Physik von Prof. Eayser sind acht Jahre yerflossen, in welchem
Zeiträume auf dem Gebiete der physikalischen Forschung — es
seien nur die Studien über Strablungsenergie, radioaktive Erschei-
nungen und über die Elektronen erwähnt — namhafte Neuerungen
sieh vollzogen haben und auch in methodisch-didaktischer Hinsicht
dem physikalischen Unterrichte manche schätzenswerte Bereiche-
rung zuteil wurde. Der Verf. war in der vorliegenden Auflage
seines Buches bestrebt, kleine Änderungen anzubringen, welche die
Schaffung größerer Elarheit und Präzision bezwecken, anderseits
aber auch den Besultaten der neueren Forschung, soweit sie in
1118 R. Kayser, Lebrb. d. Physik f. Studierende, ang. ▼. J. G, Waüeniim.
deD Bahmen des Baches passen, in entspreehender Weise Rechnnog
zn tragen.
Im einzelnen mögen die nachstehenden Bemerkungen gemacht
werden: Die ungleichförmige Bewegung hätte schärfer definiert
und namentlich der Ausdruck för die Beschleunigung oder allge-
meiner für die Geschwindigkeitsänderung bei dieser Bewegxug in
präziser Weise aufgestellt werden sollen. — Das Prinzip der Er-
haltung der Energie hätte schon an früherer Stelle, nicht erst zu
Ende der Geomechanik gegeben werden sollen, um von demselben
schon in der Mechanik fester Körper entsprechend Gebrauch machen
zu können. — Der Abschnitt über Potential, Niveau, Flächen und
Kraftlinien hätte einer namhaften Erweiterung bedurft. — 8. 78
wären die Begriffe ^absolute Dichte"*, „relative Dichte** und ^spezi-
fisches Gewicht'' scharf voneinander zu trennen gewesen. — Für
den Nachweis des archimedischen Prinzipes hätte sich die Be-
trachtungsweise Stevins als allgemein geltend sehr empfohlen. Die
Forschungen über den osmotischen Druck hätten am besten im
Anschlüsse an die Gaslehre erwähnt werden können. Allzu karg
ist der Abschnitt, der von der mechanischen Wärmetheorie handelt,
bedacht. Es hätten aus den Grundanschauungen derselben die ent-
sprechenden Folgerungen für die Wärmeerscheinungen gezogen
werden sollen. Auch hätte der zweite Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie und dessen Bedeutung dargelegt werden sollen.
Von dem Potentialbegriffe hätte in der Elektrizitätslehre ein
ausgiebigerer Gebrauch gemacht werden sollen, als es tatsächlich
geschehen ist. Statt der Holtzschen Infiuenzelektrisiermaachine
hätte jene von Wimshurst, die heutzutage mehr im Gebrauche als
erstere steht, beschrieben und erklärt werden sollen. Die Anschau-
ungen von Faraday und Maxwell über die elektrischen Erscheinungen
werden kurz auseinander gesetzt. Die Paragraphe 287 und 288 hätten
erst im Anschlüsse an die Betrachtungen über die elektrolytiscben
Erscheinungen behandelt werden sollen. Als Elektron wird die von
einem Wasserstoffion und daher auch von jedem anderen einwer-
tigen Jon transportierte Elektrizitätsmenge bezeichnet. Die Gruppe
von Galvanometern , für welche jenes von d*Arsonval typisch ist,
hätte durch eine Figur dargestellt werden sollen. In der gesamten
Lehre vom Elektromagnetismus, der Elektrodynamik und Induktion,
namentlich in letzterer, hätte der Begriff der Kraftlinien in aus*
giebigster Weise verwertet werden sollen.
Becht klar und übersichtlich ist die Lehre von der elek*
trischen Strahlung erörtert worden. Besonders eingehend werden
die Kathodenstrahlen im Anschlüsse an die Arbeiten von J. J.
Thomson besprochen und gezeigt, daß die Kathodenteilchen über-
haupt keine Materie enthalten, sondern sogenannte Elektronen sind.
Ferner werden die BOntgenstrahlen, die Eanalstrahlen» die Becqnerel-
strahlen besprochen und es wird auf die radioaktiven Stoffe und die
Transmutation der Elemente, welche von dem berühmten Chemiker
G. Jäger^ TbeoretiBche PbyBik, ang. ▼. H. Vieltorf, 1119
Ramsay znm Gegenstände eingehenden Stndinms gemacht warde, des
Oftheren eingegangen. Daran schließend finden wir einen knappen,
aber klar verfaßten Abriß über die Elektronentheorie. — Becht gut
und nbersicbtlich ist auch die am Schiasse der Elektrizit&tslehre
vorgenommene Znsammen stellang der elektrischen Maßeinheiten.
In der Lehre vom Lichte sind besonders hervorznheben : Die
sehr gelangene Darstellang des Abschnittes, der von der Emission
des Lichtes handelt, die Entwicklangen im Abschnitte von der Ab-
sorption des Lichtes, ferner die in jeder Beziehnng sehr gelangene
Darlegung der Erscheinnngen der physikalischen Optik. Von Belang
sind aach die Schlnßerörterangen über die Beziebnngen zwischen
Licht, Elektrizität nnd Magnetismns. Allerdings hätten die For-
Bcbangen über elektrische Wellen and Strahlen, sowie über die An-
wendungen derselben in der Praxis eingehender znr Sprache ge-
bracht werden sollen.
Die Ansstattung des Buches ist eine vorzügliche.
Wien. Dr. L G. Wallentin.
Dr. 0. Jäger, Theoretische Physik. ly. ElektromagDetiscbe
Lichttheorie und Elektronik. Mit 21 Figuren. Leipzig, Verlag von
G. J. Goschen 1908.
Nachdem in der Sammlang „GOscben*' von Prof. Dr. G.
Jäger bereits drei Bändchen über Mechanik nnd Akustik, Licht
und Wärme, Elektrizität nnd Magnetismus erschienen sind, be-
spricht der rühmlich bekannte Verf. in dem vorliegenden Bändchen
(Nr. 874 der Sammlung GOschen) die elektromagnetische Licht-
theorie nnd Elektronik in klarer und leicht verständlicher Weise.
Auf streng wissenschaftlicher Grundlage bearbeitet und die neuesten
Forschungen berücksichtigend wird auch der 4. Teil der theore-
tischen Physik die Leser vollauf befriedigen.
Dr. J. Meisenheimer, Entwicklungsgeschichte der Tiere.
Zwei Bändchen. Leipzig, Verlag von G. J. GOecben 1908.
In den vorliegenden zwei Bändchen gibt der Verf. einen
Überblick über die ontogenetischen Tatsachen der tierischen Ent-
wicklung, ohne auf die inneren Ursachen der einzelnen Vorgänge
einzugehen. Das 1. Bändchen enthält die Kapitel über Fnrchung,
Bildung der Primitivanlagen, Ausbildung der äußeren Gestalt und
Embryonalhüllen. Besonders berücksichtigt sind die Larvenformen
der verschiedenen Tierklassen. Im 2. Bändchen werden Integument,
Nervensystem, Sinnesorgane, Darmkanal, Atmungsorgane, Musku-
latur und Gewebe, Blutgefäßsystem, Exkretions- und Geschlechts-
organe besprochen. Die einschlägige Literatur wird in jedem
Bändchen vorausgesch ickt.
1120 ^. M, Kronfeldj Ant. Kenier ?on Marilaon, ang. ▼. T, F. Hanatutk.
Da instniktiTe Zeicbnnngen in großer Zahl das Vorst&iidiiif
erleichtern and die nenesteD Forechongen gewissenhafl bnfitit
sind, wird diese Entwicklnngsgeschichte sicherlich das Interesse
aller Fachmänner erregen.
Wien. H. Vieltorf.
Dr. E. M. KroDfeld, Anton Kerner von Marilaun. Leben
und Arbeit eines deutschen Naturforschers. Mit einem Ge-
leitwort Ton Prof. Dr. R. ▼. Wettitein. Mit 25 Abbildangen im
Text und anf Tafeln, sowie 3 Faksimile- Beilagen. Leipiifr, Chr. Herrn.
Taochoits 1908. XX nnd 492 SS. Lez.-80. Preis geh. 12 Mark, geb.
Mark 18-50.
Gerade zehn Jahre, nachdem der Professor der systematischen
Botanik an der Wiener Universität und Direktor des botanischen
Gartens Hofrat Anton Kern er von ans für immer geschieden ist,
erscheint zum Gedenken und Preise seines Namens eine Schilde-
rung seines Lebenslaufes, die wir dem bekannten botanischen
Historiographen E. M. Eronfeld verdanken. Wie das äußerliche
Kleid dieses Buches ein dem Manne, dem es gewidmet, überaus
würdiges ist in seiner glänzenden Ausstattung, so ist auch der
Inhalt in seinem Sach- und Gedankenreichtum und in der form-
vollendeten Sprache auf jener Höhe, die der Mann verdiente, der
ein genialer und origineller Forscher, ein modemer Künstler in
Stift und Wort und ein feinsinniger Poet, ein Sänger der Schön-
heit der Natur zugleich gewesen. „Ein Denkmal und Dankmal
zugleich will auch dieses Buch sein'', sagt der Verf. im Vorwort,
„errichtet von einem Schüler dem Andenken Anton v. Kerners,
der Pfadfinder war in botanischer Biologie, Ökologie, Pflanzen-
geographie, Pflanzengeschichte, Deszendenzlehre und Pflanzen-
systematik und der mit seinem goldenen Buch vom „Pflanzenleben"
die Botanik wieder zur „liebenswürdigen Wissenschaft" gemacht
hat, für Tausende und Abertausende, die bei den stillreizenden
Naturkindern belehrende Unterhaltung und unterhaltende Belehrung
suchen. "
Das Buch wird von Professor Dr. E. v. Wettstein, dem
Schwiegersohne Kerners, mit Worten der Erinnerung an A. Kemer
eingeleitet, die seiner am 14. Jänner 1908 anläßlich der Ent-
hüllung des Denkmals an der Wiener Universität gehaltenen Fest-
rede entnommen sind. Sie geben ein allgemeines Bild von der
Person des Gefeierten, von seiner Arbeit und deren Be-
deutung für die Wissenschaft; sie zeigen, wie Kemer von
der Erkennung zweier Tatsachen, nämlich des Zusammenhanges der
Verbreitung der Organismen mit der Verbreitung klimatischer und
geologischer Paktoren und von der Rückwirkung der Verbreitung der
letzteren auf den Vorgang der Formenbildung in der organischen
E, M. KrtmfM, Ant. Keiner tod Harilaun» ang. ▼. T. F. Hanausek. 1121
Welt, ZOT Pflanzengeographie und zur Deszendenzlehre geführt, wie er
durch seine Vielseitigkeit, dnrch seine Yertrantheit mit geologischer,
meteorologischer, zoologischer und chemischer Wissenschaft beson-
ders auf pflanzengeographiscbem Oebiete eine wesentliche Förde-
rung erhielt Und so war A. Eerner in der Lage, „anf vier
großen botanischen Gebieten, anf dem der Systematik, der Pflanzen-
geographie, der Deszendenzlehre nnd der Blütenbiologie'' Hervor-
ragendes zu leisten, anf aUen diesen (Gebieten neue Forschnngs-
richtnngen za begrtbiden nnd selbst znm Teile aosznbanen.
Während also dnrch v. Wettstein ein allgemeines Bild E.8
von der wissenschaftlichen Seite gezeichnet wird, bietet nns Kron-
feld eine ans zahlreichen Einzelheiten lebensvoll zusammengefaßte
Entwicklnngsgeschichte, die eben dadurch besonders wertvoll wird,
daß sie sich nicht nnr anf die Person Kemers beschränkt, sondern
auch die Geschichte des Milieus gibt, in das Eerner hineingesetzt
wurde, um seine Stellung und die ihm daraus erwachsenden Auf-
gaben zu erklären, und um zu zeigen, wie er entweder die vor-
gefundene Situation als seinem Sinne entsprechend auffaßte und
weiterf&hrte oder vom Grunde aus umgestaltete. Kfd. bietet also
viel mehr, als der Titel des schOnen Werkes besagt, er liefert
kurze geschichtliche Abrisse des Standes der bota-
nischen Forschung, die den betreffenden Phasen in
Kerners Leben und Wirken entsprechen. Er ist bei aller
warmen Liebe und höchster Verehrung, die er dem Meister ent-*
gegenbringt, aber auch der objektive Historiograph, der Kemers
Eigentümlichkeiten, seine Selbständigkeit und Gegensätzlichkeit
gegenüber Kollegen, seine splendid isciatum^ die auch wieder
manche Einseitigkeit zeitigte, ebenso freimütig verzeichnet, wie
seine glänzenden Eigenschaften als Forscher und Lehrer. Schon
die Gruppierung des reichen Materials zeigt, wie geistvoll und ein-
gehend und, man kann aufrichtig sagen, wiö überaus glücklich der
Verf. seine sohöneAufgabe gelöst hat: .Heimatsjahre; Der Mediziner;
Erste botanische Arbeiten; Die ungarische Zeit; Kemers Tirol;
Wien; Kemers .Pflanzenleben" ; Gelehrtes Schaffen; Die Persönlich-
keit; Der botanische Poet; Aus Kemers populären Aufsätzen; Slron-
prinz und Gelehrter; Aus Kerners Briefwechsel*' lauten die Auf-
schriften der 13 Kapitel^) und daraus vermag man schon zu ersehen,
wie der Vert alles berücksichtigt hat, was die Person Kemers und
seine Arbeit ins klare Licht der Erkenntnis bringen kann. Wie
leicht erklärlich ist das Kapitel „Gelehrtes Schaffen*' am ausführ-
lichsten gehalten und zeigt uns die ganze gewaltige Summe der
Forschungstätigkeit des Meisters, aber auch das Besumj, das der
1} Das 14. und 15. Kapitel bringen das Verzeichnis der Schriften
Kernen und den NomenklatorKemerianus; die sehr ausfabrlichen, Zitate,
Zusätze und Erläuternngen enthaltenden Noten bilden den Schluß des
Werkes.
ZdtMkrUt f. d. tetwr. OynB. 1908. XIL Heft. 71
1122 E. M. Kronfeld, Aot. Kerner von Marilaan, ang. ▼. T. F. HonatMefc.
Forscher aas den Ergebnissen seiner Arbeit zieht, sein wissen-
schaftliches Glanbensbekenntnis. Die Persönlichkeit des geliebttti
Lehrers ist mit wahrer Innigkeit gezeichnet; ich fftge hier einen
Satz ans diesem Kapitel an: nSiebenondsechzig Jahre ist er alt
geworden nnd war Botaniker eigentlich schon von Knabenbeinen
an. Er hat 150 wissenschaftlich wertvolle, znm Teil gmndlegende
nnd richtunggebende Arbeiten znrflckgelassen. Ein großes Zimmer
faßte kaum die von ihm entworfenen botanischen Zeichnungen nnd
Notizen. Er ist Heros der Pflanzengeographie, der Pflanzenbe-
schreibnng und der Biologie. Gleichwohl war er nicht Natur-
forscher allein und niemand darf ihm vorwerfen, daß er .nur Bo-
taniker"* gewesen. Stark und stämmig stand er da wie eine Eiche
der niederösterreichischen Wachau, der er entsprossen, auf die
Halms Verse passen konnten:
Im dunklen Wald hebt eine alte Eiche
Zum Himmel stolz ihr Haupt, das blätterreiche,
Und reiches Gras sprießt unter ihrem Schatten,
Und ringsnm sehweift der Bliek auf grfluen Hatten.
Und wie die Eiche wurde er vom Sturme ins Lebensmark getroffen
und starb dahin. . .*'.
Das auf Anregung und unter Hitwirkung des Kronprinzen
Erzherzog Rudolf herausgegebene große Werk .Die österreichisch-
ungarische Honarchie in Wort und Bild** verzeichnet auch Kerner
als Hitarbeiter. So kam der Gelehrte auch mit dem unvergeßlichen
Prinzen in Berührung und ein in Faksimile ^) mitgeteilter Brief
Budolfs an den „lieben Hofrat** zeigt die Wertschätzung, die
Kerner beim Kronprinzen fand. Die Beweise der Huld, die Kaiser
Franz Joseph dem hochverdienten Gelehrten zuteil werden ließ, sind
von Kronfeld getreulich verzeichnet. Dabei ist auch des regen
Interesses unseres Kaisers für gärtnerische Interessen gedacht und
folgende Episode erzählt: .... der Kaiser besichtigte auch die
Universität (Innsbruck). Kerner studierte damals gerade die Alpen-
rosen und es lagen mehrere Arten derselben als Herbar-Ezemplare
aufgebreitet. Kaiser Franz Joseph blickte hin und .sagte: .Das
sind ja Bhododendren, und nicht wahr, sie kommen besonders
schön im Himalaya vor?" Der Gelehrte bejahte, nicht ohne Über-
raschung, die kaiserliche Frage. Es sei hier erwähnt, daß noch
die Werkzeuge verwahrt werden, mit denen Kaiser Franz Joseph
als Kind in Schönbrunn die vieledle Gartenkunst betrieb, und daß
er öfters bei den Galatafeln seine Gäste durch Anführung der latei-
nischen Namen für die zu den prachtvollen Tafelaufsätzen verwen-
deten Blumen, insbesondere die Orchideen, in Erstaunen setzte.
*) Auf einen Druckfehler sei hier aufmerksam gemacht. Der (fak-
similierte) Brief schließt: »Hit herzlichsten Grüßen..." Die Wieder-
gabe im Drucke (S. 249) lautet aber: .Hit herxlichen Grüßen' . ..
G. Meyer, Tansspiele nnd SiDgr^nie, ang. ▼. J. Fawel 1123
Das prachtvoll ausgestattete Bnch Eronfelds ehrt nicht nnr
den Mann, dem sein Inhalt gewidmet, es lobt auch uneingeschränkt
den Verf.; und „gerade so, wie das Marmordenkmal, welches eine
feine KOnstlerhand für den Arkadenhof der Wiener Universität schuf,
wird das literarische Denkmal, das ein dankbarer Schüler und
Freund Eemer setzte, dazu beitragen, daß die Erinnerung an diese
bedeutende Persönlichkeit wacherhalten bleibt"^).
Krems. Dr. T. F. Hanausek.
Tanzspiele und Singtänze. Gesammelt von Gertrud Meyer. Druck
und Verlag von B. G. Tenbner 1907. Preis geb. 1 Mk.
Ein seltenes Büchlein mit seltener Absicht und Prägung.
Becht eigen und selten ist schon der Inhalt Das Büchlein bringt
eine Sammlung von Tanzspielen und Singtänzen» meist aus dem
älteren Leben verschiedener Stämme unseres Volkes. Eine ganze
Anzahl ist aus dem Schwedischen übertragen, einige sind Erinne-
rungen oder Nachbildungen der Tänze auf den Farüem, auf Island
und aus dem Volksleben des nördlichen Europas; andere sind
mehr oder weniger bekannte deutsche Tänze und Singspiele. Vor-
bildlich wirkte für die Verfasserin des Büchleins die norwegische
Schriftstellerin Hulda Garbog mit ihren die norwegischen Volks-
liedertänze neu belebenden Arbeiten. Anregung bot auch das be-
kannte Buch des zur Zeit in Berlin wirkenden Musikhistorikers
Franz Magnus Böhme, „Geschichte des Tanzes in Deutschland*'
(Leipzig 1886). Gar viele Tänze aber verdanken ihre Veröffent-
lichung bloß mündlicher Überlieferung, erscheinen daselbst zum
erstenmale und geben von dem Ernst und dem Biesenfleiße, mit
dem die so rührige Herausgeberin ihre dem deutschen Volksleben
abgelauschte Sammlung besorgte , ein glänzendee Zeugnis. Wir
werden unwillkürlich an Herders Auszug aus einem Briefwechsel
über Ossian und die Lieder alter Völker gemahnt, wo der Samm-
lung yaterländischer Lieder und Singtänze ein so beredtes Wort
gesprochen wird.
Im ganzen werden uns 89 Tanzproben vorgeführt, zu denen
da nnd dort recht wirksame deutsche Melodien in geschickter Weise
benutzt werden.
Becht eigen und selten ist auch die Absicht der Sammlerin.
Ble will nicht nur manche hübsche Tanzweise des deutschen Volkes
wieder aufleben und so vor dem Vergessenwerden bewahrt wissen ;
sie sollen mit der ihnen eigenen Anmut und Grazie die Bewegung
manchen gedankenlosen Beigens unseres Schul- und Volkslebens er-
aetzen , auch manches weniger harmlose und weniger gesunde Spiel
^) Wettitein, Einleitende Worte uiw. S.XX.
71*
UM (?. Meyer, Taoupiele and Singiinie, ang. ▼. J, PstpeL
▼erdrftngaB, was iimen amso leichter gelingeD mag, da sie in der
frischen, gesunden Lnfi, im Wald and anf der Wiese geübt werden
können. Ansschlaggebend ist anch der yolkliehe Zng, der dnreb
die ganze Sammlang weht and das handliche Bfichlein zu einem
der köstlichsten Beiträge anf dem Gebiete des Knltnrlebens nnseres
Volkes macht
Die Ansstattnng ist geradezu gl&zend zn nennen nnd Ter-
dlent nneingeschrftnktes Lob. Die schönen Zeichnnngen des um*
Schlages sind dem bekannten Reinickschen Märchenbnche ent-
nommen nnd bilden eine nicht wesentliche Zierde des in jeder
Hinsicht yortrefflichen Bnches.
Baden-Wien. J. PaweL
Dritte Abteilnng.
Zur Didaktik und Pädagogik.
Die Mittelsehnlenqnete des ÜDterriehts-
ministerinms 21. — 25. Jänner 1908.
(Fortsetiong.)
Prof. ▼. Arnim erklärt, dtß er hier sieht ab Philologe tpreefae,
sondern als Freund unseres HittelBefaiiliresens. «Wer die Interessen, sei
es einzelner Btftnde, sei es einselner Seholarten, hier mr GeHnng tn
bringen beabsichtigt, wer nicht von Tomherein sich auf den Standpunkt
stellt, das Wohl des Gänsen ins Ange sn fassen, tondem etwa nnr sos-
scbließlieh das Gedeihen der Bealscfanle, wie de jetst besteht, oder die
Interessen des Ingenienrstandes oder irgend eines Indnstrieiweiges dabei
im Ange hat, der nimmt eben einen einseitigen Standpunkt ein und hat
flberhaapt nicht das Becht, in der Sache mitsnsprechen. Die erste Tor-
bedingnng ist, da6 man die Fragen Tom Standpunkte des Gänsen mos
betrachtet und ich werde mich auch bemtkhen, das su ton, soweit die
menseUicbe Schwiche das gestattet* Zu Frage 5 bemerkt er, es sei
dringend notwendig, dem bedenklichen Andrang sa den Hittrisdralen,
sowohl den Gymnasien als auch den Sealschulen, doreh Ausgestaltung des
Faehscholwesens su steuern. Was Frage 9 betreffe, so stelle sowohl der
• Ton Hofrat Dr. Huemer als der von Minister Dr. Geftmann Torgeschlagene
neue Tjpns die mittlere Linie swiscfaen den beiden bestehenden T^en
dar und habe die VorsQge und die Nachteile dieser mittleren lÄnie; er
werde weder die Humanisten, wegen Eliminiemng des Griechischen, und
nodi weniger die Beafisten, befriedigen, diese nicht wegen tu geringer
Berflcksichtigung der Mathematik und der Natorwissenschaffeen. Sollte ein
solcher ^pus nur in einseinen Exemplaren neben den humanistischen Gym-
nasien und den Bealscholen bestehen, so würde er darin keinen Übelstand
sehen, obwohl er sich nicht für ihn begeistem kOnne. Sollte er aber sur
' Einheitsschule werden, so mtsse man swei Meglichkeiten unterscheiden:
entweder hoffen seine Freunde, er werde gaos Ton selbst sich ausbreiten
und die anderen verdringen, diese Hoibiung halte er fttr irrig, oder dieser
Schultjpus werde durch energisches InitiatiTTorgehen der Unterrichts-
1 126 Die HittelBchnlenqaete des ünterriehtiminifteriiiiiifl.
behOrde too obenher ale Einheitesebnle darohgeftthrt werden. Gegen eine
derartige Anibreitnng diesee Typos mflßten die Verteidiger der Unid-
sehen Bildang eieh auf das entaoliiedenste erklären. Der nene Tjpns sei
ja nichts Neues, abgesehen von kleinen Differenien der Lehrplanarith-
metik habe man es mit dem in Dentsehland längst Torhandenen Beil-
gymnasiom xa tun. Die Erfahrungen in Deutschland, wo man diesen
Tjpus ebenso wie Bedner beurteilt habe, sprechen Ar diese Anffaisong.
Er habe bei aufmerksamem Lauschen in den bisherigen Beden nirgends
eine Begründung fflr das Priniip der Einheitsschule gehört, sondern nur,
dafi gewisse Standesgruppen und Vertreter sie in ihrem Interesse haben,
das sei jedoch nicht der richtige, sondern ein einseitiger Standpunkt
In gewissem Sinne wäre ja bisher unser humanistisdies Gym-
nasium eine Einheitsschule gewesen, insofern es allein die Berechtigung
hatte, seine AbsoWenten an alle Hochschulen sn entlassen. Daraus ent-
sprang die üniufriedenheit Deshalb seien die Freunde des humanistischen
Gymnasiums Gegner des Einheitssohnlgedankens und w&nschen das Gym-
nasium Ton diesem Privilegium su befreien. Es bliebe die Möglichkeit,
eine ausschließlich realistische als Einheitsschule dnrohiufUiren. Und es
seheinen manche dieses Streben xu haben. Der tiefer liegende Grund
scheine ihm der mangelnde Einblick in die Bedeutung der Geisteswissen-
schaften für das gesamte Leben des Volkes xn sein. .Wir hOren hier oft
von unseren Gegnern den Gegensats iwischen Naturwissenschaft und
Geisteswissenschaft als Gegensati realer und nicht realer Wissenschaft
aufgefaßt Meine Herrenl Die Schulen heißen swar Bealschnlen und wir
sprechen TOn realistischer Bildung! Aber wenn fftr manche Herren das
schon SU beweisen scheint, daß es sich in der Geisteswissenschaft nicht
um Bealitäten handelt, so mflssen wir dagegen auf das entschiedenste
protestieren. Nicht nur das, was man mit seinen Augen sehen und mit
Händen greifen kann, ist real, sondern die Tatsachen unseres Bewußt-
seins und unseres Innenlebens sind ebenfalls Bealitäten und sn einer
selbständigen Beherrschung der Innenwelt des Menschen, aller de^enigen
Gedanken, Gefühle, Einsichten, welche das Zusammenleben der Mensehen
im Hause, in der Gemeinde, im Staate regeln, sn einer Beherrschung
dieses gans unendlich ausgedehnten Netses von Problemen kann man
niemanden durch dogmatische Belehrung bringen. Vielleicht meinen Sis^
daß es ja theoretische Wissenschaften ?on diesen Dingen gibt, die man
dogmatisch in den Schulen lehren konntet 0 nein, meine Herren! im
Wesen dieser Gegenstände liegt es, daß jeder einielne Mensch in ihren
Problemen sieh selbst eine Stellung erringen muß. Diee kann er anr
durch eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Menschenleben. Sie
aber ist enthalten in der Geisteswissenschaft, das heißt in der Geschichte
und Philologie.'* Philologie und Geschichte seien voneinander nicht su
trennen. Wenn s. B. jemand für Gompen' „Griechische Denker* sich be-
geistere und xugleich Verachtung der klassischen Philologie predige, so
habe ein solcher dayon keine Ahnung, wie Gompen' Buch snstande g»>
kommen sei, daß es ohne die feinste Behemchung der philologischen
Methode nicht xustande kommen hätte können.
Die HitieliehiileDqaete dee ünterrichtsmimsteriiiiiM. 1127
Zu einer TolktändigeB allgemeinen Bildang könne niemals die
eine der beiden Hanptarten menechlieher Wiuensehaften, etwa bloß Natur-
wissensehaft und Mathematik oder blefi die GeisteiwiBsenicbafty genflgen,
flondem data geboren immer beide ond deshalb wflrde Bedner eich nie
daia Terstehen können als gleieb- nnd ▼oUbereehtigt einen Sehnltypne
ansnerkennen» in dem nicht beide in genögendem Mafie vertreten sind.
Was er hmnanistische Bildung nenne, d. h. jene Geistessehalnng, die
mm Nachdenken tkber alle Grandprobleme des menschlichen Lebens an-
leite, könnte man aoch darcb die neueren Sprachen nnd Literataren er-
reidien, werde er so gestaltet, daß er in diesem Sinne ein bamanistischer
Unterricht werde, wolle er ihn gern als gleichberechtigt anerkennen.
Dem neaen Scholtjpas wir« die Aasgestaltang der Bealschale ?orsasieho&.
Vor allem mflsse man sich gegen das dem Einheitssehaigedanken in-
gründe liegende Bestreben aosspreehen, möglichst viel Gegenstftnde in
den Lehxplan hereinsapropfen. «Wir wollen nicht „von allem etwas*, wir
glaaben Tielmehr, daß derjenige Mensch besser gebildet ist» der auf wenigen
Gebieten etwas gelernt hat, aber so, daß es ihm tief in seine Seele hinein-
gewaebsen ist, ond das ist nar dann möglieb, wenn er aaf diesen Ge-
bieten rar Selbsttätigkeit ersogen worden ist* Bedner sei kein Feind
des gedichtnismftßigen Wissens, ohne das es tkberhaapt keine Wiesen-
schaft gebe, aber dieses Wissen mflsse in Fanktion gesetst werden. Die
Zeit fflr eine wirkliche Yerarbeitang des Stoffes, der einer solchen Ver-
arbeitang bedflrfe, dflrfe nicht ▼erkflrst werden, so sei aacb ein klassi-
sdier Unterricht möglich: der Lektflreonterricht gebe reichliche Gelegen-
heit, den Schfller geistig arbeiten sa lassen, nnd swar in außerordentlich
mannigfacher and Tielseitiger Weise.
Sein Haaptargament gegen die Einheitsschale sei, daß der Betrieb
der Geisteswissenschaften im gansen leiden wflrde, wenn, wie das von
einigen Seiten empfohlen werde, der Gymnasialtypas darch Aassehaltang
des Griechischen Tollstindig Ternichtet wflrde. Das Gymnasiam habe
seinen natfirlichen Wirkungskreis flberschritten, man schränke es daher
aof ihn wieder ein, indem man ihm nar jene Schfller lofflhrt, die sich
dafür eignen. Wenn es aber an Uni?ersititshörern fehle, die die klassi-
schen Sprachen genflgend beherrschen, nm die antiken Quellen im Original
lesen sa können, werde dies auf die ?ersehiedensten Wissenschaften Tor-
derblich wirken. Man könne wohl lugeben, daß für Tiele Aufgaben in
den Geisteswissenschaften diese Fertigkeit nicht erforderlich sei, wenn es
aber flberhaupt keine Leate mehr gebe, die sie besitsen, dann können
die Aufgaben der betreffenden Wissenschaften nicht mehr in Angriff ge-
nommen werden. Wenigstens in ihrer Mehrheit werden auch kflnftighin
die ffistoriker Latein and Griechisch können mflssen. Bedner weist im
besonderen auf die Bedeutung des Griechischen hin, auf die Bolle, die
es in der Entincklung der deutschen Sprache und Literatur gespielt, wie
wenig man wissensdiaftlich etwa Baoine Torstehen könne, »der seinen
Eurit>ides im Original las und die feinsten Stellen daraus in seinen Tra-
gödien nachahmte, wie er in seinen Vorreden bekennt", ohne selbst
Griechisch ra können. Bedner tritt auf Grund seiner eigenen Erfahraog
1 1 28 Die llittelBchnkoqaete des ünterrichtemimffceriiiae.
alB Schiller, ale Vater and als firOherer GynmasiaUebrer aaek eatschieden
der Behauptang entgegen, dafi es fflr die kleinen Jungen etwas Uanatar-
liekes wäre, eine tete Spraobe in erkmen« and sddieflt seine von imenr
Begeisterung getragenen nnd gleiehieitig klaren imd Ten gxoften GeskUi-
ponkten bebemehten Aiufükmngen oater Beifsli mit den Weiten: «Aai
diesen Erfahmagen sehOpfe iek die Obenengong, da0 der Unterrielit in
einer lebendigen and bildenden Weise gegeben weiden kaan nnd keine
rein tbeoretisehen Dedaktienen können mich vom Gegenteil flbeiaeageB."
In anregender and ftbersengender Weise widerlegt der feigende
Redner, Pzofesser Dr. Wegscheidsr, eine Bethe tob Vecrednem ver-
tretener Auslebten. Er betont, die Schale kOnne nar in verbÜtnisBißig
genngem MaOe eriieliend wirken, die firäekong sei in erster Linie immer
Sache des Eltembaoses; wenn das Eltemhaos beotsatage so sehr naeh
Ersiehong darch die Sehole rafe, so komme es som gro&en Teil daher,
daß die Eltern teils dnreh Geschäfte, teils d«eh die Form, welche die
Geselligkeit honte angenommen habe, gerade in den Standen iftr das
Kind wenig Zeit haben, in denen das. Kind die filtern blanche. Man dftrfe
aber von der Schals Torlangen, dafi die Schule nicht dem Kinde eine Iftr
das spätere Leben answeekmäßige Bichtong gebe. Bedner hält die all-
gemeine Kritik der Metheden nicht filr richtig: die Methoden, die man
anwende^ seien nicht so schlecht, wie sie TieUach geediildwt werden;
nsitflrlich sei f&r Vorbessemng inuner Banm, daher werde eine Cschü^e
Detsilbeiatang gates stiften. Aach In der Oberbttrdnngsfrage ist er nh-
weichender Meinnng. An den österreichischen .Gymnasien habe man fiui-
wfthrend erleichtert, die Osterreichischen Gymnasien haben weniger Standen
als die deutschen und die oberen Klassen der Bealachalen Torlangen «-
heblich mehr als die Gymnasien, trotidem werde hier mehr als dort über
die Cberbfirdung geklagt. Soweit diese Klsgen satreffen, trage das Hans
mehr die Schuld als die Schale (Obertriebener Ehrgeii der filt«n, die
namentlich in der Großstadt höchst unsweckmäftigon Yergnflgongen der
Kinder, der Musikanterricht, mit dem man die Kinder qaäle^ die gar
keine Begabung dafflr haben). Man hOre so Tisl too Überbirdong; er
mOotate aber aasdrftcklich betonen, es sei falsch, deshalb su glauben, daß
die große Majorität der Väter anch die Berechtigung der Oberbflrdangs-
klagen anerkenne. «Diejenigen, die uniofrieden sind, melden sich» die-
jenigen, die sufrieden sind, bleiben still und man weiß nichts Ton ihrsr
Ezistens. Gehen Sie in eine Gesellschaft» wo tflchtige Männer änd, and
fragen Sie: „Wie denken Sie Ober diess Frage?" Dann werden Sie fther
die Sache ein gans anderes Bild bekommen, als wenn Sie bloß die
Ztttangen lesen. Ich warne daTor, sich in irgend einer Fruge aaf den
Standpunkt su stellen: es wird in der Öffentlichkeit Tiel geklagt, also
muß etwas geschehen. Man macht das in Österreich sehr häofig. Es ge-
schieht dann etwas, was die Sachlage entweder nicht wesentlich ändeit
oder sie nach irgend einer Bichtnng ?erschlechtert. Der ganie Vorteil
dabei ist, daß diejenigen, die geklagt haben, jetst sagen können: wir
haben etwas erreicht So macht man keine ernsten Beformen.'' Das
Prfifangswesen könne Torbessert, aber nicht beseitigt werden. Die Be-
Die HitteliehQleiiqQet« des Unterrichtamimiteriiims. 1 1 29
haoptong, daß gerade gnte Schfller lieh im Leben nicht bewfthren, sei
im allgemeinen nnrichtig nnd beweise nichts gegen die Schale und gegen
die Prfifongen. ,Es gibt iweifellos sehr einseitige Begabungen. Daß
solche Schüler in einer Schnle, die allgemeine Bildung anstrebt» nicht
die besten Schfller sein können, ist Idar, es wire aber falsch, daraus den
Schluß EU sieben, daß man nicht auch bei einseitig begabten Menschen
etwas allseitige Bildung anstreben soll** Das Fortkommen im Leben
hinge aber nicht bloß von der Bildung, sondern auch von einer Menge
Ton Charaktereigenschaften ab. Die Überfflllnng der Mittelschulen kOnne
in der Hauptsache nur durch Änderung der gesellschaftlichen Auffassungen
bekämpft werden. Änderung des Freiwilligenrecbts, höhere Bürgerschulen
Bur Vorbereitung fflr niedere Beamtenstellen seien gleichwohl bu empfehlen.
Fflr alle Berufe, die nicht hohe wissenschaftliehe Bildung verlangen, sei
frflhseitiger Eintritt, etwa mit 15—18 Jahren, wünschenswert. Die Lehr-
pUne müssen wesentlioh umgestaltet werden. Die Forderungen seien nur
dadurch bu begrenien, daß es einer dem Bedürfnisse genflgenden Ansahl
Ton bchfllem möglich sei, sie bu erfüllen. Das Ziel der Mittelschule sei
allgemeine Bildung, wosu allerdings auch positire Kenntnisse gehören.
Für das Gjmnasium sei bu fordern: bessere Pflege der Geographie, Ein-
führung der Differential- und Integralrechnung, größere Pflege der Natur-
wissenschaften, insbesondere der Chemie, FraniOsisch nnd Englisch
(Lehrziels bloß Fühigkeit sum Übersetsen in die Muttersprache), Zeichnen,
die Elemente der Bechtswissenschaft, Stenographie — alle diese Gegen-
stände obligatorisch — und er halte es nicht für unberechtigt von der
Buchhaltung am Gymnasium su reden (hier yeneichnet der Berieht aller-
dings .Heiterkeit*'), Die Erfüllung dieser Forderung setse eine erhebliche
Beschränkung anderer Fächer voraus, für diese kämen außer Beligion in
Betracht die Idassischen Sprachen, hier, indem die nötige Stnndeniahl
durch Auflassung des Griechischen gewonnen werde, — Die Realschule
leiste gegenwärtig für die allgemeine Bildung erheblich weniger als das
Gjmnasium. Eine Besserung sei nur durch Einführung eines gründlichen
Lateinuntenichts möglich. Im Gymnasium müßte der Lateinunterricht
mit mäßiger Einschränkung der Lektüre (so sehr er selbst Orid und
Horas schätse, so müsse er doch sogeben, daß es unwesentlich sei, wenn
man gerade die alten Liebesgedichte im Originaltext lese, wohl aber
müsse man auf die Lektflre der lateinischen Historiker Gewicht legen.
Das ist denn doch etwas zu subjektiv geurteilt Eine Umfrage bei ge-
wesenen Schülern würde ihn davon überzeugen, daß die poetische Lektüre
viel anregender und wertvoller ist).
Aus der mit viel Temperament gehaltenen Bede, die durchweg den
Sinn für die praktischen Aufgaben des Lebens bekundet, seien noch im
besonderen die Ansichten über Wert und Bedeutung des Sprachunterrichts
hervorgehoben. Wie die beiden Mittelschulen heute sind, meint er, liehe
er das Gjmnasium vor, weil die Bealsehule für die formale Bildung su
wenig leiste. Er habe den Eindruck, daß durch die modernen Spracheu
die formale Bildung nicht so gefordert werden kOnne, wie durch das
Lateinische. Er halte sich an den Umstand, daß es Behörden gebe, in
1 130 Die Mittelflcbolenqaete des ünterrichtemiiiiBterioms.
denen junge Techniker, nnd iwar solehe, die das Oyiniiasiiim, und solche,
die die Bealschole absolTiert habeD, nebeneinaDder arbeiten. Man be-
merke fiberall, daß derjenige, der Tom Ojmnasiam komme, in der Dar-
stellang seiner Gedanken demjenigen, der von der Realschule komme,
weitaus im Vorteil sei. Am Lateinisehen sebitse er gerade das, was man
das formale Bildnngsmoment nenne, nimlieb insbesondere die logiaefae
Sehnlnng des Geistes, die im Übersetxen liege, nnd den Umstand, daß
es nr besseren Aufmerksamkeit auf die Eigentflmlichkeiten der Hatter-
spraehe, die man eigentlieh Oberhaupt nor aaf dem Umwege Aber eine
fremde Sprache erlernen kOnne, anleite. Er mflsse sich auch dagegen ans-
sprechen, daß der grammatische Unterricht eingesehrinkt werde. Danmter
▼erstehe er wohl nicht die Beherrsehnng der sahireichen Aosnahmen,
aber das grammatische Gerippe mflsse immer anfs eifrigste gepflegt
werden. Ans diesem Gmnde mflsse er sich anch entschieden dagegen ans-
sprechen, daß der Lateinonterrieht in einer höheren als der ersten Gym-
nasialklasse beginne. Bin genflgender Einfloß anf das logisdie Denken
nnd aaf das Stndinm der eigenen Sprache kOnne nor gewahrt werden,
wenn der Lateinonterrieht frflh einsetse.
Angesichts der wie eine flxe Idee die verschiedenen nSehnbreformer'
beherrschenden nnd ton ihnen stets wiederholten, wenn anch falschen
Behaoptong, daß nnr klassische Philologen, nnd iwar obendrein aas
Standes- nnd Priratinteressen solche Ansichten Tertreten, sei* ansdxflek-
lieh bemerkt, daß Professor Wegschelder Chemiker ist Seine gaaxe
Bede ist dorchans im reformfrenndlichen Sinne gehalten, am so mehr
mflssen die Torstehenden SItse ins Gewicht fallen.
Weitergehende Aassichten so Gonsten der klassischen Sprachen
kOnne er, f&hrt er fort, nicht gelten lassen, insbesondere nicht, daß
onsere Bildung auf dem klassischen Altertum beruhe. Er verweist n. a.
auf die großen Verinderungen, die im letsten Jahrhundert bei uns vor
sich gegangen. Das klassische Wesen sei auch ans der Literatur ge-
schwunden; daher kOnne man heute auf die klassischen Sprachen nicht
das gleiche Gewicht legen wie f^flber. Die Forderung, man mflsse So-
phokles im Original gelesen haben, sei ebenso unbillig, wie jene, man
mflsse Yoltaire und Byron, die doch beide auf unsere Literatur großen
Einfloß genommen, im Original lesen. So sehr er das Griechische schitse
nnd am Gymnasium mit Vergnflgen gelernt habe, stehe er doch auf dem
Standpunkt, daß man vorerst die modernen Bedflrfnisse befriedigen und
jene Kenntnisse verschaffen mflsse, die durch die moderne Entwicklung
notwendig geworden seien. Auch die Fremdworterfrage sei dagegen kein
Argument; selbst das Studium der klassischen Philologie kOnne durch Be-
seitigung des Griechischen nicht gesebidigt werden: wer es fflr seinen
Beruf brauche, kOone es auf der Universitftt lernen. Verlange man am
Gymnasium die Berflcksichtigung der Naturwissenschaften, des Zeichnens
ond Beseitigung des Griechischen, anderseits an der Realschule die Ein-
fflhrung des Lateins, so bestehe zwisehen diesen Schultypen kein solcher
Unterschied, daß es rationell wftre, den geringen Unterschied anfirecht
ZQ erbalten. Daher kOnne er sich nor für eine einheitliche Hittelschule
I
Die Mittel Bchnlenquete des (JDterricbtfliiimiaterimmB. IISI
aiiiflpreohfiDt fQr die ftueh dte UnBei^haftigkeit der B«v01keriiDg geltend
gemaebt ««rdcn kOone. Desli&lb würde er &Qeh dagegen sein, d&I^ dne
?i«Ui«it der Typen geachaffea werde. Die Vielheit der Tjpen id ein
Mmgett der rermieden werdeu solle. Auch für die Hochsebule sei es
nicht angeuehnj, weco HOrer ?oq !rei schied eo artigen Mittelschulet] hin-
kominea« Die EinheitstDittelichnlei die er Torschlftgei «ei binnichtUcb der
Per*ODa{fr&ge leicht dtirchfohrbar (die am GjnmasiQm eotb ehrlichen Philo-
Logen klmeti an der EeiplBcbQle ia Yerwendnog), ftoch die Eotnpeteni be*
treffend die Eealschnle kOnne keio HJDdemis sein (die Etnbeitsmittel-
&cbnle habe ftttch in den Landtagen viele Anhfinger und der Staat habe
iD der Bere cht ignnga frage ein Mittel, einen aanften ^wang auitnüben).
Er ferliehle licb jedacb nicht, daß sein Vorschlag nicbt »ekr viel Ans-
■icbt anf Erfolg habe^ deshalb sei er schon dankbar für jede Yerbease-
rang des jetzigen ZnstandeB, sei es, daß diese darin besteht, daß ein
dem Ton ihm behandelten ifandcber Scbaltjpnt geecb äffen werdei oder
tei es, daß sie eine wesentliche VeibeiBernng des natnrwiesenBcbaftlichen
Ifnterricbts £uni Gegenstände babe^ Man brancbe in ÖiterreJcb lor einer
wenn aneh einschn eidenden Beform nicbt surüekin schrecken. „Die Oiter*
reiekische ^cbaireform Tom Jahre 1&49 bedentete ein Nenichaffen Ton
Grond am» sie war eine rerolntioDäre Tat and hat atisgezeichnete £r^
folge geseitigt. Da& wir bente wieder Klagen bOren, steht damit nicht
im Widersprach, Denn eine Schule, die äO Jahre alt iat nnd so viel £r^
folge anfin weinen hatte, bietet an eicb den Beweis, daQ sie mich aneh
wirklich bewihrt bat, nnd es let nichts gegen die damalige Reform be-
wiesen, daß jetztf wo sich mittlerweile die VerbAUnisse so gewaltig ge-
ändert haben» Klagen gegen nnsere Sebnlen lant werden. So wie es nnn
damab möglich war, etwas Gutes in schaffen, so wird es anch hente
möglich sein. Ich würde wünschen, daß man ^ielbewtißt nnd konsequent
die Einheitsschale darcbiufübren traobte.''
Abgeaeben TOn dem grpJ^en MißTerhältnis zwischen dem, was Bedner
als die einzig befriedigende Lösung bezeichnet -^ die Sehaffang der ron
ihm gewünschten MitteUcbnle als einsigen T|pas — nnd dem, womit
er sieh scblie&lich safrieden gibt, sei docb noch die Frage gestellt; warnm
mnß das GjmnaBitim, das doch nach Ansiebt des Bedners fem Stand-
l>ijnkt der Unifersitiitf als Schale der allgemeinen Bildnog, entspricht
eine so wesentliche Änderungt wie die Beseitigung des Griechischen —
davon , daß alle TOm Eedner empfohlenen nenen Disxiplinen eingeführt
werden sollen, kann doch keine Bede sein nnd die berechtigten Forde-
rnngen {Zeichnen, modurne Fremdsprache, ja anch stirkere BerÜcksioh-
tigang der Hatnrwtssenschaft) lassen sich ohne so ein schnei den de Ände-
rung erfüllen — erfahren, weil ^ die ßeaischnle nicht dasselbe leistet?
Und warnm soll die Eealscbnle^ die doch als Vorbereitangsanatalt für
die tecbniscben nud anderen Bocbschnlen genügt^ so wesentlich in ihrem
Charakter geändert oder eigentlich » denn dar anf llnft ja die Ansicht
Wegscheiders hmans — beseitigt werden? Übrigens sehätxt er aach den
ßildnngBwert des Griechischen Tiel in gering ein. Wenn es richtig ist,
daJß die tom Gjmnatiam kommenden Techniker manebo YontÜge vor den
^m üMB aie
11 32 Die Hittelichnlaoqiieta d« UntcRiebtaminiiieriiims.
in der BeaUcfanle Voigebiideten aufweisen, ao ist et eretene niclit i
daß lie du nur dem Latein ond nicht auch dem Griechieehea verdaDken,
und sweitens nicht einxns^en, warnm diese Vorteile ^ans beaeitigt
werden sollen, die den technischen Wissenschsiten nnd Berufen gewiß
nicht snm Schaden gereichen.
Hofrat Professor Dr. Schipper teilt hinsichtlich der Organisatisn
des Unterrichts die früher ausgesprochenen Bedenken fiber die Stelhmg
der Lehrer und namentlich der Schiler in den oberen Klaaaea. Dia Me-
thode des Unterrichts sei Tiel su sehr hureankratiBch geregelt, das PM-
fangswesen weise Mißstände auf und die Unterrichtsmethode sei ent*
schieden der Verbesserung bedOrftig. Hingegen kOnne er in die Klage
wegen der Überbikrdung nicht einstimmen, denn die Üborbttrdmsg hinge
wesentlich mit den erwähnten Mißständen susamraen. Bei der Befoim der
Mittelschule mflsse man auf jene großen Klassen der BerOlkermg Rück-
sicht nehmen, die fttr ihre Kinder vom Staate eine solch« Ansbildang
▼erlangen, die der Bildung der besser gestellten Kla«en eotspredia «nd
▼or allem das Kind befähigen, eowohl wissenschaftliche Berafe n er-
greifen, als auch in praktische Berufe ftbersutreten, die höhere Kennt-
nisse oder höhere Intelligent erfordern. Zweck nnd Ziel der Gymnasien
haben sich durch das Berechtigungswesen verschoben, die Gymnaslcii
seien ftberflutet worden von einer Ansahl von SohOlem, die gani nnd gar
nicht dahin gehören nnd von denen nur etwa 20 Prosent das Badsiel
eneiohen, nach denen sich die ganse Oiganisation des Gymnasirnns, der
Untsrrichtsbetrieb, die Methode richte, fflr die große Mehrheit ui nicht
entsprechend gesorgt, daher die Unsnfriedenheit. In Deutschland habe
man dies schon vor iwei oder drei Jahrsehnten erkannt nnd da habe die
Bewegung der Beformscholen eingesetit, der Beformgymaasien and der
BeformreaUchulen, deren Einrichtung er kun darlegt. Dsa Wesentliche
sei, daß der •praehliche Unterricht mit einer lebenden Sprache bagimie.
Das habe den Vorteil, daß ein gemeinsamer Unterbau mit einer lebenden
Sprache fflr Gymnasien und Bealscbule geschaffen werde, ea antqprsche
dies der natflrlichen fintwicklung nnd die Erlennng der ktassissbsn
äpcaehen, die er am Gymnasium nicht missen wolle, werde «rleichtsrt
durch Verlegung auf die oberen Klassen. Redner habe selbst disson
Bildungsgang durchgemacht und später solche Beformscfaulen können ge-
lernt Die Erfolge kOnnen durchaus als gflnstig besoichnat werden. Bedner
tritt dafür eia, daß auf der Oberstufe auch eine Gabelung nach dm Be-
dttrfnissen nnd nach der Wahl des späteren Studiums eintraten. Die*
jenigen, die sich der philologisch-historischen Seite des Stadiums auweaden
wollen» brauchen nach seiner Oberaeugung nicht bis su dem Grade in
mathematischen Dingen unterrichtet zu werden, wie die anda
haben gewiß nicht die Differential- nnd Integralreehnnng nOtig,
seits haben jene, die später Mediiiner werden oder irgend eine üslar-
wissenschaft betreiben wollen, auch aicht die Kenntnis des GriedüschoD
nOtig, während sie allerdings, insofern sie Univeraititsstudien tretboi,
die Kenntnis des Latein nicht entbehren kOnnen. Der forgeadüagsae
neue Typus ähnle dem Tom Bedner erwähnten Beformrealgymaasfim,
Dm Wtlciicfaidmqiieto dM UBtenichtniusteriiims. 1133
Qnt«neheid6 sich von ihm jedoch dftdveh, wm er nicht biUi|^ kdane»
daft dar ipnchliche ünteiricht mü Latm begiBDC Was die Bmchtug
der neocB Type betoeffe» to kOnatca solche Anstalten sofort dort f»-
Mhaffan weiden« wo eine nene Mittels^nle ^owfiascht werde, man konnte
aber anch die ümwandlmg der beatmenden Gymnasien in Befonngym-
nasien so bewetksteÜigeB, daft an einem Gymnasinm (am besten an
einem Landgymnasiam, denn dort seien die BedQxfhisse am dringendsten),
mit einem beliebigen neoen Jahrgang der Anfang der Umwandhing —
indem der fremdspraehHcbe Unterricht mit einer lebenden Sprache be-
ginne — erfdge. An der Spitie einer solchen müßte ein Direktor stehen»
der ein Hon Ar dieeo nene Institntion hnbe. Wenn das nicht der Fall
sei, so müsse man izgond eine Anstalt wiblen, an der sieh tnflUiger-
weise eine Vakans in der Leitang ergeben habe nnd eine geeignete Per-
sönlichkeit, etwa einen Geimanisten, der sogleich nene Philologie als
Lehifack betreibt, an die Spitse steüen.
Landesschnlinspektor Dr. Loos meint, der nene T^ns sei jetzt
ausreichend behandelt, Tom Bealgymnasiom in seiner etwaigen Aasgestal-
tang jedoch eigentlich yerhiltnismifiig wenig die Bede gewesen. Hofrat
Hnemer sage mit Becht, die jetat voihandenen Bealgymnasxen konnten
nicht leben und nicht sterben. Es mflsse «daher an den Anstalten etwas
dann sein,, sie mflssen Fehler haben, weshalb sie nicht ordentlieh leben,
blOhen nnd gedeihen kOnnen*. Er sei selbst Lehrer an einer solchen
Anstalt gewesen nnd habe darflber nachgedacht nnd sei in dem Besnltat
gekomman, «eine Hanptnrsache liegt darin, daft die Bemfswahl sn seitig
erfolgt .... Bin anderer Fehler scheint mir darin so liegen, daß, kanm
daft die lateinische Grammatik nach den ersten iwei Jahren in den
Gmndregeln der Flexionslehre nnd der Sjntax abgetan ist, anf einmal
schon wieder das Griechische kommt nnd daß das Griechische in all
diesen Kategorien, all den Arten der Übnngen, wie sie bisher im Latei-
niscfaen getrieben wnrden, nunmehr Ton nenem angefangen wird. Die Art
nnd Weise nnd die Akribie, mit welcher die Sache an den Gymnasien
gemacht wird, geht noch weiter ale bam lateinischen Unterricht nnd
hat dem Griechischen die grOßte Gegnerschaft und Feindschaft rerschafft,
nicht so sehr in dsn oberen Klassen, wo die Schüler schon snm Gennsse
der Sache gekommen sind, sondern weil in den niedrigen Stufen diese
Grammatik mit allen Feinheiten vorgenommen worden ist Ich mochte
daa Griechische ans der dritten und rierten Klasse beseitigt nnd in die
fünfte Klasse hinanfgeschoben wissen. Der Vorteil, den ich mir daron
Tcnpreche, wire der, daß wir anf diese Weise eine Einheitsschale
bekAmen, einen einheitliehen Unterbau mit Latein von unten anf — und
da stehe ich allerdings in einem liemlich starken Gegensatz sn meinem
Herrn Vorredner — und an Stelle des Griechischen, in der dritten Klasse
einsetsend, das FransOsisehe**. In diesen Ausführungen muß, abgesehen Ton
der Yerkennung der wirklichen M&ngel des bisherigen Ost. Bealgymnasinn»,
mehreren Befremden erregen : 1. Was Loos als .anderen Fehler" des bisherigen
Oaterreicbischen Bealgymnasiums erklArt, „daß, kaum daß die lateinische
Grammatik abgetan ist, auf einmal schon wieder das Griechische
1134 Die Hitteisebalenqaeto det UDteniehtnniiiiiteriiiinB.
kommt'', trifft doch oiebt das Bealgymnatiam, sondern das Qjmnaaiam;
2. daß man Schfilem, die bereits nrei Jahre Latein hatten, im griechischen
ElemeDtamnterrieht mehr somoten kano, ist gewiß richtig, daß aber «die
Akribie soweit geht, daß in den niedrigen Stufen diese Grammatik mit
allen ihren Feinheiten rorgenommen wird", ist doch nicht nnr eine starke
Übeitreibaog, sondern Tollkommen onriehtig; 8. keineswegs ist es nach
meiner Erfahrung richtig, daß dieser umstand (daß die grieehisdio
Grammatik in den unteren Klassen gelehrt wird) „dem Griechiechen die
größte Gegnerschaft und Feindschaft sngeiogen hüat, nicht so sehr in den
oberen Klassen, wo die Schiller schon sam Gennsse gekommen sind, son-
dern weil . . .* Soweit eine Gegnerschaft gegen das Griechische besteht
(es mnß natOriich von j^nen prinxipiellen Gegnern, die statt des Grie-
chischen dberhaapt eine moderne Sprache nnd anderen modernen Wisaens-
Stoff verlangen, abgesehen werden), wird sie damit begründet» daß die
Schiller in den oberen Klassen dnrch den grammatistischen Unt«rricht
nicht snm Gen aß der Sache kommen können. Deshalb wird, soweit
eben nicht der griechische Unterricht priniipiell nnd lefalechtweg abgelehnt
wird, Terlangt, daß der grammatisÜKhe Betrieb in den oberen Klaaen
aufhöre; der grammatische Unterricht wire Aufgabe der unteren Klaaaen.
Auch was Loos im weiteren Verlauf fiber die Frage, ob Lateinisch
oder FransOsiseh die Priorität haben solle, sagt, ist nicht richtig. Nnchdem
er den in Deotschland darflber geführten Streit kun skissiert bat» flhit
er fort: .Ich habe oft darflber nachgedacht, warum denn doch daa Fran-
lOsiBche Aber das Lateinische gesiegt hat? Ich glaube, es sind dies noch
die Nachwirkungen des Feldxuges ron 1870/71 gewesen, denn es ist be-
kannt, welch außerordeotlichen Nutxen jene Offisiere der Armee gebracht
haben, die 4m FransOsisehe sprechen konnten. Es ist daa darana so
schließen, daß der deutsche Kaiser damals dem Direktor des franiGsiacben
Gymnasiums in Berlin den besonderen Dank daffir ausgesprochen hat,
daß Offiziere da waren, welche der fransOsischen Sprache mehr mftehtig
waren als die Absolrenten einer Bealschule oder eines Gymnasiums. Daiu
kam (!) die Nachbarscha^ft Frankreichs sowie auch der Umstand, daß in
mehr Familien Deutschlands das FransOsisehe gesprochen wird nie bei
uns. Daß aber der Umstand dasu beigetragen habe, daß die frantOaiache
^raehe als leichter angesehen wurde als die lateinische, das ist nnr in
einer geringen Aniahl von F&llen bestätigt worden*. Dagegen iat fol-
gendes SU bemerken: 1. kann von einem Sieg des FransOsischen Qber
das Lateinische flberhaupt nicht gesprochen werden, weil noch heute an
der bedeutend Qberwiegenden Aniahl ton Gymnasien in Deutachland der
fremdsprachliche Unterricht mit dem Lateinischen beginnt. Zahlen mOgen
das beweisen: von den 789 Gymnasien, Progymnasien und Bealgymnnaien,
die es in Deutschland 1907/08 gab (491 in Preußen, 298 im fibrigen
Deutschland), waren nur 115 nach dem Frankfurter, 12 nach dem Altonner
System eingerichtet; wie man da ton einem Sieg des FransOsischen über
das Lateiniache sprechen kann, ist mir rOUig unerfindlich. 2. hat die
Umkehrung des Sprachunterrichts mit dem Feldtug ton 1870/71 nicht
das geringste tu ton. Daß in Deutschland. eine große Antahl Offiiiere
Die Mittelsehalenqnete des UntenichtsminiBterimni. 1135
FransOtiich epreehen konote, erklftrt sieb, soweit du Gymnasinm hier Aber-
baapt in Betraebt kommt» wu der Tatsaebe, daß der franiOsiscbe Sprach-
nnterricbt eben dort seit jeber obligat ist. 8. Darans, «daß der dentsehe
Kaiser damals dem Direktor des frantOsischen Gymnasiums in Berlin den
besonderen Dank ausgesprochen bat**, ist nicht so scblieOen, diM^ ,Jene
Offiiiere, die das FransOsisehe sprechen konnten, außerordentlichen Nntsen
der Armee gebracht haben*" — das TOrstebt sich ja von selbst. Aber das
ist richtig, daß die ans dem fransOsischen Gymnasium Herroigegangeaen
der frans<ysischen Sprache mehr mJLchtig waren als die Absolrenten ein^r
Bealscbnle oder eines Gymnasiums. Allein das erklärt sich darans, daß am
frantOsischen Gymnasium, das seinen Namen daton hat, daß es nrsprflng-
lioh für die Familien der Befagi^s bestimmt war, noch heute die fran-
sOsische Sprache tum grOßtee Teil Unterrichtssprache ist Dadurch
gewinnen seine Absolrenten eine besondere Fertigkeit im mftndlichen Ge-
branch des FransOsischen. Auch die Nachbarschaft Frankreichs und der
letste Ton Loos angefflhrte Grund haben mit der Frage der PrioritAt des
FransOsischen Tor dem Lateinischen nichts su tun. Der letste etwas unklar
ausgedrückte Sats deutet allerdings einen der GrOnde an; der wesentliche
liegt aber, wie ja Khon Hofrat Schipper bemerkt hat, in den Einheits-
sehttlbestrebungen, su dem Grtknde didaktischer Art kamen. Man
muß sich aber die diese Frage betreffenden Ansfflhrungen des Bedners um
so mehr wundem, als er in dem ton ibm herausgegebenen trefflichen
„Handbuch der Ersiebungskunde*' awei vorsOglich orientierende Artikel
«Einheitsschule« (Bd. I, S. 292 ff.) und besonders «Beformschulen" (Bd. II,
S. 450 ff.) ron dem besten Kenner aller dieser Fragen, Geh. Hofrat Prof.
Dr. ühlig, TerOffentlicht hat, aus denen er sich aufs beste Ober die
ganse Frage hfttte informieren können.
Es ist ftbrigens kein Grund rorhanden, darauf hier nfther einsugehen,
da ja Loos daran festhftlt, daß das Lateinische von unten auf gelehrt
werde. Er meint nun: „Wenn wir einen solchen Unterbau mit Latein
hfttten, welcher dann das FransOsisehe in der dritten Klasse beg&nne,
ließe sich ein gegabelter Oberbau sehr leicht konstruieren. Ich denke an
eine Bifurkation in eine realistische und eine humanistische. Seite. Es
würde das Griechische oben mit einer größeren Stnndensabl einsetien,
das Lateinische würde etwas Terringert werden und so kirne auch ich
beilinflg su dem Besnltate, das uns heute Se. Eztellens Baron Gantscb
Torgetragen hat". Es ist gut, daß der Bedner nbeilinfig« hinsugesetst
bat, denn tatsJLcblich ist sein Besnltat von dem von Baron Gautsch vor-
getragenen so ferschieden, daß sie nur das gemeinsam haben, daß der
Lateinunterricbt unten etwas verringert werde. Baron Gautsch denkt
nicht im entferntesten an eine Yermengung der beiden Typen, Gymnasium
und Bealscbnle, er spricht mit keinem Wort ton einem gemeinsamen
Unterbau mit Latein und Bifurkation oben, er lehnt entschieden eine
Beschränkung des Griechischen ab und er betont ausdrücklich, daß dem
Oymnasiallehrplan keine neuen Gegenst&nde sugefügt werden.
Bedner meint weiter, es würde durch die Verringerung der Latein-
atunden »für andere Gegenstftnde Plats geschaffen werden und sudem
1136 Die HitteUchnlenqaete des UnterriebtemiiiMteriams.
die Möglichkeit, daß die Scbttler des hnmanistischen Astes io der dritIeD
und Tierten Klasse FraniMsch gelernt bfttten*. Wie das erstere mOgtich
sdn soll, wenn wirklieh das Lateinisehe nnr etwas Terrisgert wird, und
swar, wie Baron Gaatsch wollte, in der ersten und zweiten nm je swei
Stunden, ist kann abinsehen. Das FraniOsisefae in der dritten and vierten
wQrde freilieh doreh Hinanfschieben des Qriechisehen in die fftnfte ennOg-
lieht. Wenn man aber bedenkt, daß oben im gymnasialen Ast dieser
Gegenstand nicht fortgesetst irird, so maß man ffiglich bezweifeln, ob
der umstand, daß anten in Hl and IV FraniOsiseh obligat war, wirklich
die von Loot erwartete Folge für das moderne Spraehstadiam der Gjrm-
nasiasten haben werde. Vom franiOsischen Sprachanterricht im Ober-
gjmnasiam oder, am mit Redner so sprechen, im hamanistischen Ast der
Oberstafe, spricht er nicht. Er nimmt wohl an, daß er oben fakaltatiT
fortgesetst werden kann, wie er ttberhanpt mit dem fakaitatiren Unter-
rieht in sehr operiert (fakaltatiT sollen im realen Ast die Sehfller, welche
Neigong nnd F&higkeit data besitzen, den in der ünterstofe doreh rier
Jahre erhaltenen Lateinanterricht fortsetzen können, andererseits soll im
homanistisehen Ast das geometrische Zeichnen fakaltatiT gelehrt werden
können). Allein iBr die Gestaltang der Schale ist nnr maßgebend der
obligate Unterricht — fakaltatiT kann schließlich alles gelehrt werden,
weil hier der freie Wille des Schfllers aod ihrer Vertreter entscheidet
Und fakoltativer Unterricht kann anch bei der jetzigen Organisation ein-
gerichtet werden. Das beweist Loes selbst, der als Landesaehalinspektor
„den Anregaogen, welche ans Eremsmfinster, Wels and anderen Anstaltea
gekommen sind, die darstellende Geometrie in faknltatiTer Welse im
Gymnasium einzafllhren, immer mit grOßter Bereitwilligkeit entgegen-
gekommen'^ ist Ich meine sogar, daß doreh die Ton Dr. Loos befftr-
wortete Hinaofschiebong des Griechischen in die Oberstafe der ftkkoltatiTe
Unterricht in der darstellenden Geometrie, für den er wegen seiner großen
Wertschfttzang dieses Gegenstandes, der ihm „immer wie eine Art Philo-
sophie der Mathematik Torgekommen ist", gefihrdet wird. Während
nimlieh jetzt in den Tier Oberklassen zasammen aar 19 Standen Grie-
chisch sind, soll ja nach ihm «das Griechische oben mit einer größeren
Stondensahl einsetzen ** (was ja notwendig ist, wenn es fiberhaapt erst
oben beginnt, wie man später erfährt, sollen es insgesamt 24 Standen eein).
Die Bealsehalen wfirden nach seinem Vorschlag wohl ein Jahr FranzOiiseh
einbflßen, dafOr aber doreh den rieijährigen Lateinanterricht (der, wie
erwähnt, oben fakaltatiT fortgesetst werden konnte) and doreh Einf&gnng
der philosophischen Propädeutik, doreh Aosdehnong der Oberstafe (des
realen Astes) aaf Tier Jahre (also die achtklassige Bealschole), die jedoeh
nicht der ErhOhong, sondern der Vertiefong des Lehrstoffes dienen
müßten, an sich ond an Wertschätznng gewinnen.
Mit seinem Typos, meint er weiter, wolle er nichts anderes, ala
was der Organisationsentwarf schon im Jahre 1849 gewollt habe. Aber
die Stelle, die Loos zitiert, beweist gerade, daß ein soleher, d. h. m
einheitlicher Typas nicht mOglich ist ond daß die dort aasgesprochene
Ansicht aach heote noch richtig ist, beweist Loos dadorch, daß er ja daa
Die HiUelflchnleDqaet« des üntexrichtsmiDisteriiims. 1137
Latein von anteii auf beibehalten will. Bleibt alio nar die Frage, ob
das Hinanftehieben des Griechischen möglich ist Diese Frage kann gewiß
diskutiert werden, aber Voraassetsnng moß deeh sein, daft das Lehniel
des griechischen Unterrichts nicht beaehrftnkt werde. Und nnn lese man»
was Loos darflber sagt. Er meint» bei Anwendong der indnktiTen» ana-
lytischen Methode sei das Hinanfschieben möglich» nnd fihrt dann fort:
«Ich halte es nicht fflr ansgesehlossen» daG man im griechischen Unter-
richt durch Tier Jahre mit einer größeren Stnndeosahl von sechs Stunden
wöchentlich noch ein gans entsprechendes Besnltat ersielen konnte. Wenn
man dabei rielleicht anf einen Autor Tenichten mflßte» meinetwegen 1 Ich
wtirde mich i. B. gar nicht so sonderlich krinken» wenn man Sophokles
nicht im Urtext lesen wflrde (Widerspruch). Also lassen wir einen anderen
weg. Es kommt doch wirklich nicht daraof an. Um sn rechtfertigen,
wanim ich gerade anf Sophokles gekommen bin» so habe ich mir gedacht,
daß namentlich Homer nnd die Historiker den Schfllem so nahe Hegenl
daß sie dabei wirklich bald in einem Genosse kommen. Bei Sophokles
ist die Sache Terhftltnismißig schwieriger. Anch ich habe Sophokles in
der achten Klasse gelehrt nnd Sie kOnnen mir glanben» ich habe nicht
so schlecht gelehrt» daß die SchfUer nichts profitiert hätten» aber im all-
gemeinen sind sie da?on nie entiflckt gewesen''. Diese Worte haben nicht
nur» wie bereits angedeutet» sofort starken Widersprach geweckt, sondern
fanden» wie mehreres in seiner Bede» entschiedene Mißbilligung. Auch
Professor Uhlig war im hohen Grade erstaunt darOber, wie ich direkt
Ton ihm weiß. Über persönliche Erfahrungen eines Lehrers lAßt sich
nicht rechten (auf den merkwürdigen Widersprach: »ich habe nicht so
schlecht gelehrt, daß die Schfller nichts profitiert hatten, aber im all-
gemeinen sind sie davon nie entsOckt gewesen** muß doch noch besonders
aufmerksam gemacht werden), aber aus solchen personlichen Einiel-
erfshrungen dürfen doch keine allgemein gültigen Schlüsse gesogen
werden. Andere Lehrer, und das ist die große Mehnahl, rersichern, daß
sie die Schüler nie so warm werden sahen» als gerade bei Sophokles
(oder Euripides) und damit stimmen anch die Bchülerurteile, die gern
auf die Historiker su Gunsten der Dichter, sumal eines Sophokles, Ter-
lichten. Und man darf wohl sagen, einem griechischen Unterricht» der
auf die Tragödie gans Terdchtet» fehlt die Blüte. Die ganie Art» wie
Loos den griechischen Unterricht behandelt, mußte gerechtes Befremden
erregen.
Yen dem Bestreben geleitet» durchaus objektiT die einseinen Beden
tu besprechen, mußte ich» so schwer es mir wurde, gerade die Ausflhrungen
dieses Bedners troti aller persönlichen Sympathie eingehender beleuchten.
Denn in solchen Dingen muß Klarheit herrschen. Uod gerade die Stellung
des Bedners legt dem Bei um so mehr die Pflicht auf, wenn anch streng
sachlich, wie es stets mein Bestreben ist, so doch möglichst dentlieh die
Mängel aufraweisen. Dasn forden diese Ausführungen um so mehr heraus,
als de gans allgemein gehalten sind und das Gymnasium als solches,
eben mit Bflcksicht auf die Stellung des BedneH, schwer in sdiidigen
geeignet sind. Allerdings, der Schluß seigt, daß das, begreiflicherweise, nicht
Z«itackrifl f. d. Mint. Oynn. ISOS. XU. Heft. 72
1138 Ein Yorteblag betreifend den ünterriefat au der itaüen. Sprach« otw.
«eine Absicht war, denn erat am Sehlnß erfthrt man, daß er nur neben
dem Tom Hofrat Hnemer Torgeschlagenen Tjrpos, dem Bealgymnaiinm
ohne Orieehxaeh, auch einen Torschlagen wollte, der ans einer üntentofe
mt Latein nnd FraniOaisch und einer in xwei Äste (einen gymnasialen
mit Latein nnd Griechisch nnd einen realen) gegabelten Oberstofe be-
stünde. Aber anch in diesen SchlnAiitxen begegnet ein Wort, das des-
eelbea Gedanken, die priniipielle also allgemein gfiltige Ablehnung des
Chrieehiichon in den unteren Klassen, enthftit. Denn er lehnt den Tetschener
TjpüB ab, weil er „auch noch den Todeskeim in sich, nimlich den frOhea
Beginn des grieehischen Unterrichtes* habe. Anch Loos empfiehlt leiD«!
l^ns gerade (wenn auch nicht ansschließlieh) an Orten, wo nnr eine
Hitteischnle besteht — Yom^mtich nm die Entscheidnng htnanssaschiebeD,
bedenkt aber nicht die Schwierigkeiten, die gerade dadoreh entstekeo,
wenn die Eltern eines solchen Schfilers in eine Stadt flberaiedeln, wo es
nnr ein Gymnasium oder nur eine Bealscbnle gibt. Ans praktischen
Grflndott mflßte man gerade den Tetschener TjpnM fOr kleine Stidte,
die nur eine Mittelsehale haben können, empfehlen, weil er die beiden
Gmndtypen rereint, aber rein enthllt, Behnlgattmigen wie die von Loci
empfohlenen hätten m. E., wenn man schon damit den Vefsneh machen
wollte, nnr ihre fierechtignng in größeren Stidten, neben Schalen der
alten Typen. — Die Bede bitte mindestens einer sorgftltigen Ober-
arbeitang bedurft. (Fortietiung folgt)
Wien. Dr. S. Frankfurter.
Ein Vorschlag betreffend den Unterricht ang der
italienischen Sprache in den oberen Klassen der
Osterreichischen Gymnasien mit italienischerünter-
richtssprache.
Das gegenwftrtige Programm, betreffend den ünterriefat im Itaüeu-
sehen an den Mittelscholen der Monarchie mit italienisdier ünteniekth
tprache, hat sich nach langjihriger Erfahrung in mehreren BeneboBgeB
als mangelhaft und seinem Zwecke nicht entsprechend erwieoen.
Sein bauptsftchlichater Fehler ist, da6 das Studium der Litentar
in gant annatürlicher Reihenfolge Tor sich geht: Es beginnt nAmlidi aiebt
mit den ersten Jahrhunderten der itaüenieehen Literatmgoiohichte, m
dann Schritt fOr Schritt die plaamißige fintwickluog tu Terfolgei; «■
gehl Tielmehr in der Weise vor, da6 man snerst die lotsten Jakrhonderte
eialeroea läßt und dann langsam bis su den Anfingen der Litentv^
geschichte fortschreitet, so daß man eigoatlich die Wirkugen tot in
ürsa«hea kennen lernt Das ist der Grund lu oehweren, sehon oft be-
klagten Unannehmlichkeiten geworden. Vor allem ist der Lehrer goBwaag«
eine kostbare Zeit damit an ? erlieren» um die Ursachen aatagobea, welebr
die Literatur des im Lehrplan bestimmten Jahrhuaderti bedingen. ^
kann awar im Anlange des Schuljahres geachehea, aber auch ia ie
l
Ein Vorschlag bctreffead den üntenieki aus der italieii. Spradie vav. 1139
Folg eiext muß der Lehrer fortwährend dsrtn «rinnem and treiideB werden
seine Andentnngen nie befriedigen kOnnen. Der Bofalller ist eben fllr den
Stoff nieht schon im Vorjahre genflgend rorbereitet worden, i. B. : Man
kann von der Literatur des XVL Jabrhonderts nieht gat sprechen» ohne
daß früher das XV. Jahrhundert ordentlich eingelernt worden ist. Ebenso
kann man keinen richtigen Begriff Yon der literarischea Prodaktion des
XIX. Jahrhonderts gewinnen» wenn man nicht früher mit einer gewissen
Aosltthrlichkeit das XVIII. Jahrhundert durchgenommen hat
Gänilich im Widerspräche damit steht es also, wenn man das
Stodinm der Literatur des XIX. Jahrhunderts der V. Klasse luweist,
obwohl der Schüler noch gar nicht die genügende Vorbereitung hat, um
die Klassiker und Romantiker in ihrem Wesen und in ihren Werken lu
Terstehen. Außerdem wird der Schüler nie imstande sein, die literarischen
Eneugnisse eines Jahrhunderts su reratehen, dessen politische Geschichte
er erst in den folgenden Jahren (VII. und VIII. Klasse) kennen lernt.
In der VI. Klasse beginnt man mit der Lektüre der .Dtvtna Commedia*,
das eine gehörige Einleitung über das Lesen und die Werke ihres Ver-
fassers und eine eingehende Kenntnis der Literaturgeschichte des XIII.
und XrV. Jahrhunderts Toraussetst Statt dessen muß man jene des
XVIII. Jahrhunderts einlernen, das» wenigstens in seiner ersten HUfke,
in literarischer Hinsicht rom Zeitalter der göttlichen Komödie am wei-
testen absteht. Dazu kommt noch ein wichtiger umstand. Der Lehrer
muß von Zeit so Zeit die Geschichte der Literatur und das Studium der
Autoren unterbrechen, um irgend welche Dichtnngsgattang lU erkllren.
Das bewirkt bei den Schülern Zerstreuung und der Faden der hiitorisdien
Entwicklung der Litoratvr erleidet dadurch eine unangenehme Unter-
breehung.
Diesen Mängeln kann man meiner Ansicht nach nicht abheilen
durch Annahme des Vorschlages des Prof. Dr. Vidossich ^), indem man
nämlich die Literaturgeschichte nach Dichtungsgattungon einlernen läßt.
Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Vor allem sei hervorgehoben,
daß ein Literaturwerk seine Bedeutung und sein Verständnis aus dam
^ ' Jahrhunderte gewinnt, in dem es geschrieben wurde» und aui der Zeit, in
■^ der der Autor lebte. Weiters: Indem man s. 6. das Epos Terstehen will,
>^ müßte man ?on dem Leben an den italienisdien Höfen des XV. und
^ XVI. Jahrhunderts sprechen und eine siemlich genaue Charakteristik
i^-^ desselben geben, rerbunden mit den Angaben über die wichtigsten
zC-' Schriftsteller der betreffenden Zeit. Das bedeutet nun ohnehin ein
f^ Studium der Literatur jener Jahrhunderte und nicht mehr einer einseinen
1^' Dichtungsgattung. Wir wollen hiebei übergehen, daß riele Werke, die
B Jsf^ sa ein- und derselben Dichtnngsgattnng gehören» viel besser rerständlieh
ic^ sind in ihrem Zusammenhange mit den anderen literarischen Erscheinungen
^* desselben Jahrhunderts. Nie wird man femer ein richtiges Verständnis
^ der großen Schriftsteller eriielen» außer durch den Vergleich der Werke
^e^ jedes einseinen Dichters» die foisdiiedenen Dichtungsgattungen angehören.
^^ >) Vgl. Zeitschr. f. d. örterr. Gymnasien 1007, 8. 941 ff.
1140 Ein Yorsehlag betreffend den Unterrieht ans der Italien. Sprache usw.
Die Oden Parinis mfiaaea logleieh mit eeinem Oiümo gelesen werden,
die tiinni 8acri* Maronis mgleich mit seinen ^RromesH 8po9i**.
Es bleibt also nichts anderes flbrig, als bei der Behandlung der
Literatnrgeschiehte die natflrlicbe Ordnung einrahalten, indem man den
gegenwärtigen Lehrplan durch einen anderen ersetst, der möglicherweise
aller oben erw&hnten Mftngel entbehre. Und um den gedachten
Schwierigkeiten aus dem Wege su gehen, würden wir folgenden Lehrplan
▼orschlagen:
In der IV. und Y. Klasse betreibe man das Studium der Rhetorik
als Vorbereitung auf das Studium der Literaturgeschichte, und zwar nehme
man in der lY. jenen Teil der Grammatik, welcher Aber den Aufbau des
Satzes und der Periode, die Qbertrageue Bedeweise und die Stilistik
handelt, und dies mit Hilfe einer geeigneten Anthologie. In der V. Klasse
nehme man die rerschiedenen Gattungen ton Prosa und Poesie durch
und bediene sich dazu zahlreicher Beispiele, die aus einer zu diesem
Zwecke eigens geschaffenen Anthologie su schöpfen sind. Außerdem lese
man im ersten Semester die ^Promes$i S^oai** und im zweiten Semester
die ^GeruaäUmfne Liberata^, Von der YI. Klasse an betreibe man das
Studium der Literaturgeschichte etwa in folgender Weise: YI. Klasse:
Yon den Anfängen bis zum Zeitalter der Renaissance (einschließlich).
YIL Klasse: Das XYI., XVU. und XVm. Jahrhundert, ausschließ-
lich Parini, Alfieri. LektOre des ^Orlando Fur%o$o^,
VIII. Klasse: Parini, Alfleri, das XIX. Jahrhundert. Wenn in
diesem Lehrplane das Studium der Literatnigeschichte erst ein Jahr
später begonnen wird, wäre es doch beträchtlich dadurch erleichtert, daß
die Schiller darauf schon genügend rorbereitet sind. Auch entspräche es
genau dem Lehrplane für das Studium der deutschen Literatorgeschichte
an Gymnasien mit deutscher Unterrichtasprache, das auch erst in der
VI. Klasse begonnen wird.
Gründliche Yorbereitung ist eben der Zweck der Anthologien für
die lY. und Y. Klasse, wenn sie gut angelegt sind. Und dies wird keine
großen Schwierigkeiten bereiten, um so mehr, als es schon gute Antho-
logien gibt, die bei der Herstellung einer etwaigen neuen Anthologie
gute Dienste leisten konnten. Und grftndliche Yorbereitung kann man
auf leichte Weise erzielen. In der Tat hätte man, wenn man s. B. tou
lyrischen Produkten spricht, Gelegenheit, auf rieles hinzuweisen, was
später betreffs der Lyrik und der Lyriker der einzelnen Jahrhunderte su
sagen wäre. Die Erklärung der Kanzone wird uns zu einem Hinweis auf
die prorcD^alische Dichtung fähren, dann zu einer kurzen Erwähnung
Petrarcas und auf dessen Nachahmungen bei Guidi und Leopardi. Wenn
wir auf das Sonett zu sprechen kommen, werden wir einiges voraus-
schicken mtlssen Aber die Lyrik in der Zeit vor Dante, auch ftber die
humoristische Dichtung (Folgare di San Gemignano), Aber Dante als
Lyriker, dann Aber Petrarca und so weiter bis auf Garducci. Die Ode
wird uns ein noch riel weiteres Feld bieten zu kurzen literarisdien An-
merkungen, die in kurzen Umrissen die Entwicklung derselben Tom kleinen
Ein Vorschlag betreffend den Unierrieht ans der Italien. Sprache usw. 1141
Liede des XIV. Jahrhunderts bis auf Chiabrera, die Areadier, Parini,
Monti Qiw. seichnen werden.
Und es wird sich nicht nnr um Andeutungen handeln, welche doch
in ihrer Gesamtheit ein gutes Qanies von Eenntniisen bilden werden,
80 daß schon daraus eine genügende Kenntnis der wichtigsten Erschei-
nungen und Tatsachen der italienischen literaturgesehiehte gewonnen
werden kann — aber um praktische Beispiele ans der Lektflre, welche,
die auf praktischem Qmnde aufgebauten Eenntnisee Terstirkend» eine
sehr gute Vorbereitung auf die LektQre der folgenden Jahre sein werden.
Und was in dieser Hinsicht über die Ljrik gesagt wurde, konnte
in derselben Weise auch fftr das Epos und andere Dichtungsarten erwiesen
werden.
Wenn wir z. B. einen epischen Dichter su lesen haben, wird es
am Platte sein, die Schfiler ftber die Anfinge des Epos su unterrichten,
alao wird man von den Terschiedenen mittelalterlichen Zyklen sprsehen,
dann auf die ersten in Italien gemachten Versuche hinweisen, um davon
auf eine knne Darlegung der Entwicklung des Epos von Sulci bis Ariosto
ttbersugehen.
Auch hier muß man die Terschiedenen Andeutungen mit geeigneten
Beispielen aua der Anthologie verbinden, die, wie schon bemerkt, eigens
EU diesem Zwecke bearbeitet werden müßte. Daraus eraieht man, wie
vieles man schon in der V. Klasse durchnehmen konnte, worauf man
später nur hiniuweisen hfttte, je nachdem es der einselne Fall erfordert.
Folgendes wäre also das Programm:
IV. Klasse: Lektflre von Werken in Dichtung und Prosa. Regeln
und geeignete Übungen sum Einlernen der Stilistik und Bhetorik (Periode
— Eigene Wendungen und Beinheit der Sprache — Tropen und Figuren).
Versmaß.
V. Klasse: LektQre von Werken aus der Dichtung und Prosa. Vor-
schriften und geeignete Beispiele fflr die verschiedenen Produkte aus
Poesie und Prosa. Lektflre der i,]^ome$8i Sposi* (erstes Semester) und
der ^OeruaäUmme Liberata'^ (iweites Semester).
VI. Klasse: Literaturgeschichte bis tum Zeitalter der Benaissance
(inklusive) Lektflre und Erklirung ven Dantes „Divina Commedia*,
I. L'Infemo, Fortsetinng der Lektflre aus den ^PrameBsi Sposi* und der
^QerusciUmme Liberata'^,
VII. Klasse: Das XVI., XVU. und XVIII. Jahrhundert, ausschließ-
lieh Parini, Alfieri. Lektflre und Erklirung von Dantes Divina Qmmedia,
IL Purgatario. Lektflre von Ariostos ^Orkmdo Furioso'^ (erstes Semester).
VIII. Klasse: Parini, Alfieri, das XIX. Jahrhundert. Lektflre und
Erklirung von auaerwihlten Partien aus Dantes Divina Commediat
Faradiio. Wiederholung der Literaturgeschichte. Mit diesem Lehrplane
hOrt die Inversion des Studiums der Literaturgeschichte auf, das erst
in der VI. Klasse nach eingehender Vorbereitung beginnt Wenn so
in der V. Klasse das Studium des XIX Jahrhunderts ein schweres ist,
wird das Studium der iwei ersten Jahrhunderte der italienischen Literatur-
geschichte in der VI. Klasse, welche gewiß nicht größere Schwierigkeiten
1142 H, Weimer^ Der Weg mm Herten des SehlUers, ang. y. B. OwhwML
bieten als das XIX. Jahrhundert, eine wtrdige Torbereitiing nnd fir-
g&nsong fttr die Lektflre der Divina Cammedia bilden.
Femer: Das Stadium der Literaturgeschichte wird, sobald es in
dieser Beihenfelge vor sich gehen wird, aaeh vom Unterrichte in der
Geschichte gefordert werden.
Dagegen kann kein stichhaltiger Qnrnd angefllhrt werden daftr,
daß die Antorea der ersten Jahrhanderte der italienischen Natiionidliteratar
Ton ans in wrtt abstehen nnd infolgedessen deren Werke den Sehilem
der YI. Klasse weniger rerständlich seien. Die in den Schalen geleeeaen
Werke Petrarcas nnd Boccaccios bieten keineswegs grOftere Schwierig-
keiten als viele Erteagnisse des XVIII. nnd XIX. Jahrbonderts. Hingegen
ist es weit angemessener, mit der dramatischen Poesie sieh in der
Yin. Klasse eingehend in beschiftigen. In der V. Klasse wird die
Lektttre der „GeruadUmme Liberata** nicht nor fttr das Epos im all-
gemeinen als Vorbild dienen, sondern auch insofern von Kntien sein, als
im sweiten Semester In der V. Klasse mit der Homerlektfire begonnoi
wird, welche in der VI. fortgesetst wird, wo anßerdem noch Vergib
Aeneis daiokommt. In dieser Weise wOrde die Lektflre der ^OeruuUiwmM
Liberata*^ aach nicht mehr den LehrstoflT der Vn. Klasse vermehren.
Endlieh wflrde dieses Programm anch dem Lehrer die Arbelt erieiehtera,
der mit der Kflrie der Zeit, der Ansdehnang des Stoffes nnd dem Ver-
ständnis der Schfller sa rechnen hat, die leider nicht alle das Stadiam
mit derselben Leichtigkeit betreiben.
Wir schließen mit dem innigen Wnnsche, daß in einigen Klassen
die dem Unterrichte der Hntteisprache lagewiesene Standensabl vermehrt
werde, and das auch mit Bilcksicht auf die nenen Verordnnngen, welche
die MatoritAtsprflfongen an den Österreichischen Gymnasien betreffen.
Trient. £. Tonini.
Dr. HennaBQ Weimer, Der Weg zum Herzen des Schillers.
Manchen 1907, Becksohe Veriagsbnohhandlang. 162 Sa kL-8*.
Während sieh die Pädagogik bis vor knnem mehr mit der Frage
nach dem Lehrstoff and nach der Methode befaßte, herrscht gegenwirtig
aif diesem Gebiete ein starker Zog nach Verinoeriichnng, nach Betiti-
gang des persönlichen Lebens. Wir begreifm daher, daß ein erfahrener
Jagendersieher sich die Frage Yorlegt, welches das liefatigste Vediiltnis
des Lehrers so seinen Schfilem sei.
Von den in der forliegenden Schrift behandelten Punkten dflrfkea
den Schalmann am meisten interessieren: IL Das Wirken der Per-
sönlichkeit (S. IS— 82). --IV. Gedald and Vertranen (S. 49— 67).
— VI. Die Strafgewalt (S. 77—107). — IX. Schale nnd Hans
(S. 185—152). — Nicht von laßeren Binrichtangen h&ngt das Heil der
Schale ab, sondern ?or allem Ton der Persönlichkeit des Lehrers. Sein
Ton Liebe lam Schiller erf&lltes Hers maß doreh seine Worte and Hand-
H, Weimer^ Der Weg snm Henen dee SehfUen» ang. y. E, Oßchwind, 1143
langen hindueUdiDgen (peraanare); denn Alles, wm wachaen nnd ge-
deihen ioll, bedarf der Wirme. Die Jugend gibt sieh ja im allgemeinen
mit ihrer ganten EmpOngliehkeit, mit Widentandeloiigkeit, dem Ein-
dneke hin, der von der PereOnliehkeit des Lehren aovgeht. Daram iit
die moderne Pädagogik anf paychologieeher Grandlage aofgebaat» sie be-
rflekaichtigt die Qesetie der Entwiddong des menschliehen Geistes.
Die größte Schwierigkeit des «niehenden Unterrichts lisgt in der
Versehiedenheit des Schfllermateriala in Besag aaf geistige Yeranlagong.
Die Methode gibt dem Lehrer bloß die Bichtang an, den Weg moA er
sich selbst bahnen. Den Weg nm Hersen der Jagend wird er, allen
Hindernissen sun Trots, am sichersten finden, wenn er sich seiner eigenen
Jagend — mit ihrer ganxen Schwachheit and Hilflosigkeit -* erinnert
Es gilt also aach hier der Sprach: «Erkenne dich selbst I** Die Selbst-
erkenntnis and das daraas entspringende HitgefBhl mit dem Schüler wird
den Lehrer vor Ungedald and Leidenschaftlichkeit bewahren.
Hiemit bahnt sich der Verf. den Übergang sa dem Thema: Die
Strafgewalt in der Schale, Die Schale soll eine StAtte gemeinsamer
Arbeit, aber nicht der Foreht vor Strafe and ZQchtigang sein. Mit Beeht
bem&ngelt Weimer an dieser Stelle den Artikel »Gehorsam** in Schmids
Ena. d. ges. Brs. n. ünt -* Dis Fnrcht ?or der Strafe — nicht Tor dem
Lehrer, wie man nach dem Artikel Haaberts meinen kftnnte — tritt erst
als Eriiehangsmittel ein, wo die natftrlichen Grandlagen des Gehorsams
Tsrsagen; die Strafe ist and bleibt ein Notbehelf. Wer eine Ehre darein
setet, mit dem Einflasse seiner Persönlichkeit sa eniehen, wird lich
immer der hohen Yerantwortnng bewaßt sein, die ihm darch Verleihang
der Strafgewalt saerkannt warde; er wird sich httten, sar Strafe der
ZiLchtigang sa greifen, der Strafe, die sich am allerwenigsten wieder gnt
machen lißt, falls sie einmal in anrichtiger Weise in Anwendang ge-
bracht warde. Daram befürwortet der neaeste Oesetsentwarf über Jagend
strafrecht anbedingten and bedingten Strafnachlaß. (Sitsang des Henen-
haases d. 0. B. B. t. 20. Deiember 1907 1). Die positire Ersiehangsatig-
keit bleibt das eigentliehe Gebiet des Lehrers. Mit besonderem Nach-
drucke wendet sich Weimer in diesem Kapitel an die jüngeren Lehrer
Aach das Streben der Unterrichts- and ScbnlbehOrden, allgemeine Gleich
fOrmigkeit herbeisnführen, wird vom Verl einer herben Kritik nntenogen.
Die Nachteile eines Unterrichtes, der an starre Sebablonen gebanden ist,
sind hinreichend bekannt Mit Genagtoong können wir betonen, daß
darch das ünterrichtewesen deneit ein frischer Zag geht, welcher dem
ünterrichtsbetriebe nnr forderlich sein kann. -* In einem Pankte kann
der Berichterstatter dem Yerf. nicht beistimmen; dieser befürwortet nftm-
lich mit Paolsen in Beriin EinfQhrnng ton Yortrigen über allgemein
interessierende Fragen der politischen and Kanstgeschiehte, über. Philo-
sophie, über Erfindangen . • . Die taerst genannten Fftoher gehen weit
') Inswiscfaen ist das Gesets über die JagendgeriehtshOfe erflossen
sowie anch der E. d. M. f. K. a. U. Tom 15. No?. 1908, Z. 22.961: Ober
die Mitwirkang der Schale beim Kampfe gegen die Verwahrlosang der
Jagend.
1 144 H. Weimer, Der Weg inm Henen dei Sehfilen» ang. t. E, Qidwfind.
dber die Hittelsehale hinaus nnd können getroet der Hochsehnle Aber-
lauen werden. Wohin selbit dort noch die Betonung politiieher Fragen
fahrt, haben wir in neneiter Zeit genngeam erfahren. Fflr Philosophie
bietet die philosophische Propftdentik, mit deren EinfBhriing man leider
in Dentsehland noeh immer lOgert, die geeignetste Vorsehnle, die den
jungen Mann einerseits snr Beseheidenheit mahnt, anderseits ihm die
großen Fragen bloßlegt, deren L5snng die bedentendsten Geister aller
Zeiten besehiftigte. Fflr die Ästhetik kann in der Psychologie bei der
Besprechong der ftsthetisehen Gefühle manches erörtert werden, nnd wich-
tige Erfindungen werden in der Physik und Chemie an richtiger Stelle
besprochen. Dagegen stimmt der Bef. dem, was ttber Schflleransflfige,
Bewegnngs- and Jogendspiele gesagt wird, ans foUem Hersen bei; das
Tarnen wurde wohl nor aus dem Grunde nicht angefahrt, weil es als
selbstTerstindlieh Torausgesetst wird. — Interessant ist auch das Kapitel
aber die Wechselbesiehung s wischen Schule und Haus. Sogenannte
Elternabende werden an fielen Anstalten abgehalten. Eines besonderen
Bofes erfreuten sich die Elternabende des Mariahilfer Gymnasiuns in
Wien. Daß die häusliche Fttrsorge ungemein leidet, wenn die Frauen-
emansipation auch die Matter der Schaler ergreift und dieselben dem
Sport- und Vereinsweeen huldigen, unterliegt keinem Zweifel. Es tritt
dann Jener traurige Zustand ein, den Ellen Key die moderne Hstmats-
losigkeit nannte.
Troti des geringen Umfanges streift das Buch eine ganse Beihe
hochwichtiger pädagogischer Fragen; es kann daher nicht nur praktischen
Lehrern, sondern auch weiteren Bereisen, die sich hiefOr interessieren,
bestens empfohlen werden.
Prag. Emil Gschwind.
Vierte Abteilung.
Miszellen.
Literarische Miszellen.
J. Geffcken, Sokrates und das alte Christentum. Heidelberg,
Winter 1908. 45 SS. 8o.
Troti des kleinen Umfanget der Schrift ist die Frage, wie das
Bild des Sokrates der Nachwelt erschien, wohl noch nirgends so erschöpfend
behandelt worden. Nnr kors skissiert der Verf. die Urteile des heidnischen
Altertums Ober den wunderlichen Weisen, wobei er besonders herrorhebt,
was Sokrates fflr Seneca gewesen, denn es kommt ihm Tor allem auf die
Stimmen der Christen an. Er fflhrt uns die anerkennenden Urteile des
lustinus, Clemens von Alexandria nnd Origines Tor, hierauf die auf Vor-
eingenommenheit und auf MiaTerstandniisen beruhenden abftlligen Urteile
des TertuUianus und des Lactantins; die Stimmen eines Hieronymus,
eines Johannes Chrysostomus, eines Isidoms Ton Pelnsium, der troti
seiner Abneigung gegen das Heidentum dem großen Weisen eine fast
begeisterte Verehrung entgegenbringt. Den Schluß bildet in passender
Wäse das gewichtigste Urteil des Altertums über Sokrates, die warmen
Worte, die Augustinus dem heidnischen M&rtyrer gewidmet hat Auch hier
seigt sich die Genialitat des großen Kirchenlehrers: seine Charakteristik von
Sokrates' Wesen ist bei aUer Kflne so treffend, daß auch wir Modernen
kaum etwas hinsnfQgen kOnnen.
Wien. H. St. Sedlmayer.
Max Walter, Der französische Elassenunterrieht auf der
Unterstufe. Zweite Auflage. Marburg i. H. 1906, Elwertsche Verlags-
buchhandlung. 75 SS.
Die sweite Auflage dieser bekannten Beforroschrift ist leider nur
ein unTer&nderter Abdruck der ersten. Da diese aber schon vor 18 Jahren
erschienen ist, so ist das meiste, was der Verfasser dber das Sprechen,
Schreiben und die Grammatik im franiOtischen Anfangiunterriobte sagt,
natttriieh nicht mehr neu, sondern mehr oder weniger l&ngst in den
aligemein ttblichen Unterricht flbergegangen. Dadurch wird dai Verdienst
des Verf. nicht geschmälert, es w&re aber doch wOnschentwert, daß der
yersprochene Anhang, der eine Oberticht dber die Fortschritte der Me-
thodik im Anschluß an die Terschiedenen Kapitel der vorliegenden Schrift
bringen soll, bald erschiene.
Wien. Dr. A. Wflrsner.
1146 Misiellen.
Dr. Julius Lohmeyer und Georg Wislicenus, Auf weiter
Fahrt. Selbiterlebniue inr See udcI m Lande. Deattehe Marine-
and Kolonialbibliothek. V. Band. Mit 28 Abbildungen nnd einer
Karte. Leipzig, W. Weicher 1907.
Das Torliegende ÜBtemebmen soll für deatMhe KolonisatioB in
allen Erdteilen, fflr dentsehe üntemehmangsloBt nnd dentschee Seewesen
Stimmung machen. Aber nicht alle BeiMffe des Y. Bandee passen in
diesen Rahmen hinein, da tayiel Kriegerisones nnd Jagdabentenerliches
mit nnterlftaft. Dr. von Nenmayer schildert im ersten Stocke snaftchst
in wirklich fesselnder Weise die Erschheßiing der Goldfelder Anstraliens.
Fran M. von Eckenbrecher geleitet nns durch die Steppen nnd EinOden
Stidwestafrikas, Viseadmiral Kflhne erz&hlt dann seine Erlebnisse aof der
ersten preußischen Seenntemehmnng nach Ostasien (1859—62). Sehr an-
regend schildert Menft die Errichtung des deutschen Denkmals auf Tai-
pinsau (eine der japanischen Liu-Kin-Inseln). Leßners Kameruner Briefe
bieten recht unterhaltende Schilderungen ans dem deutschen Kamerun-
gebiete, Schlinger führt uns dann nach China und wir nehmen an den
Eftmpfen gegen die Boxer teil, Helene von Falkenhausen in ein Südwest-
afrikanisches Farmerheim im Hererolande. Die Schilderung «Vom Pudget-
sound nach Alaska** Ton Johannes Wilda ist entschieden der wert?eUste
Beitrag, der uns mit wenig bekannten Qegenden rertraut macht. Was
deutsche Soldaten in Sfldwestafrika beim letiten Hereroaufstande tu
leiden hatten und leisten mußten, enihlt Stuhlmann. Sehr fesselnd
schildert dann Frager den Ausbruch eines unterseeischen Vulkans im
graben Osean und Se Insel Nin-afu. Sehr gern machen wir dann einige
«Jagdstreifereien am eberen Mississippi" mit Dr, Gerhard mit und freuen
uns dann im Aufsatte »Nach Amscha** ? on Lene der gro&en Fortsehiittei
die die Besiedlung und das Wirtschaftsleben Deutsch-Ostafrikas in den
lotsten swei Jahnehnten gemacht haben. Nach dem reichen und Tiel-
seitigen Inhalte yerdient also dieser Band die weiteste Yerbreitang und
wird fSr unsere Schulbflchereien eine sehr wertroUe Bereicherung sein.
Grat. Juiiia Miklan.
Prof. Gustav Busch, Lehrbuch der Geschichte für Osten.
Mädchenlyzeen, in. Teil. Für die IV. Klasse. Wien, A. HMder
1907. Preis geb. 2 K 60 h.
Von allen mir bekannten Geschichtsbflchem fUr Lyteen scheint mir
das Torliegende seiner Aufgabe am besten gerecht tu werden. Die hanpt-
sftchlichsten Vorsflge dieses Buches sind: Eine flbersiehtliche und einfaehe
Gliederung, eine Sprache, die swisehen alltu großer Kindlichkeit und alltu
hochtrabender Wisseoschaftlichkeit die richtige Mitte h<, und giofte
sachliche Veriftßlichkeit. Angenehm berührt femer die WArme der Dar-
stellung, die dennoch nirgend ins Oberschwengliohe yerAUt und die im
ffanten den Zwecken der Schale glücklich angepaßte Auswahl des Ge-
botenen. In lettterer Hinsicht kann allerdings unser Lob kein unbedingtee
sein, denn in twei kürten Wochenstunden kann, lamal bei starken Klassen,
der hier Tereinigte Lehrstoff wohl nicht ?Ollig bewiltigt werden. Aber
dieser leise Vorwurf trifft eigentlich nicht den Verf., sondern mehr die
▼orgeschriebene Verteilung des Lehrstoffes in der IV. und V. Klasse
der Lyzeen, die eine so ungieichmAßige ist, daß erfahnngsgemftß in der
ersteren Klasse das Lehniel niemals gant erreicht wird, w&hrend in den
beiden letzten Klassen oft noch mehr Zeit übriff bleibt als eigentlich
nötig wAre. Immerhin wird der Lehrer gut tun, beim Gebrauche dieses
Mit wellen«
1147
Bacbes zwUcbes eigeDtlicb«m LerDstaff nnd jenen Teileo, die mehr um
iler Belebung des ünternchtes dienen nnd etwa äla Leieftoff eq benutteti
wiren, la Qnterecheiden« Unter dte^er Voraasiet^ung wird sicharlicb d&i
Lebrbncii tQu Bascb im pmktischen Scbulbetriabe rorxQgHcbe DieiiBte
Wien.
B« imenddrffer»
Synthetische Geometrie der Kegelecbiiitte fgr die Prima bQherer
Lfibranatalten bearbeitet fon V%^\ Sehafbeitlin. Leipiig^ Qcd
Berliö 1907, B, G. T«abc©r.
Di« DnTcbnabme der ajntbetiflclieii Geometrie der Kegelaebiiitte in
den OberklAiBeii der Mittelicbulen errolgt im w«aentlicb«ti auf iwalerlei
Alt. Entweder man gebt ?öd den Br^nnpunkteeigä ei Schäften der einieloeii
Eegelscbnitte aai, leitet für Gllipae, Hyperbel und P&r&bel fteioiidert eine
ÄDEabU ^OD Kigenacbaften ab, die alsdann Kor Eof^atraktiOD verwandet
werden und erst am Scbloeae der Lehre wtrd am der Betprechnng der
aUgemetneD Gleicbong zweiten Gradea twiecbeu iwei Veränd^rlicben der
weiena wichtige ZuBamme^^ban^ kwbcben den TerächiedenaD Kegelschnitts*
kur?en abgeleitet, Oder man benatzt die ne^eu Metboden der Geometrie
der Lage» geht toq den projektifen Eigeoscbafien der KlemeotargebiLde
atii, um bieranf zur allgemeinen Bebandlnng der Linien Eweitei Ordnung
öbeuQgeben. Jede dieter beiden Hauptmethoden bat ibre Vor- nnd ^aeb-
teile. Der Verf. Btblägt in dem for liegenden, 96 Seiten umfaaftenden
Bücbiein einen Mittelweg ein; Der Eiofaehheit und EJubdtUcbkeit wegen
werden die Gr^ndsiktte ron Pascal nnd Briancbon an dh ^^pitse der
Kegeiicbnitts lehre gei teilt, lu deren BegrfinduQg dm projektifen Eigen'
ecbftften der Pnnktreiben und StrablenbüBehel anter beBÜndiger BeniitKang
fon Maßbeiiebnngeri herangeiogen werden. Ancb bei den »piter behan-
delten lofolatic^neti und dun polaren EigenBcbaften werden immerfort
Molibeiiehungen tnr Erkllrcing ¥erwendet D&i sehr klar geBChriebene
nnd mit vortrefÜcben Zeicbnangen anageMtattete Sehiiftcben wird jedem
Lehrer der Geometrie gnte Dienite leisten.
Wien.
Dr. R GrQnfeld.
Dr. F* Knauer, Zwiegestält der Geschlechter in der Tier-
welt (148. Bändchen der Sammlang ^Ana Natur nnd GeiateBwelt**),
Mit 37 Abbildungen im Texte. Leipxig, Drnck and Verlag ?on B. G.
Teuboer 1807.
Dr. Knaner verfolgt in diesem Bindeben den Zweck, den Lee er
Qher die Frage Tom seiuellon Dtmorphi^mue in der Tierwelt anireicbend
SU unterriebtec. Daß nur die anffällij^ereu Beispiele des UimorphiBmai,
der Yergcbiedeneo Lebena weite der Mtnnchen und der W ei beben» die
Anteilnabme beider Geschlechter an der Brutpflege Erwähn ong gefunden
haben, erklärt iich aus der Fülle des Stoßes. Von den Urtieren atiegebend,
hei denen steh schon Zwiegeitait der Geschlechter findet, werden die
Geicblechtaterhiltuiiie der einEelnen Tierstamme eingebend behandelt.
Besondere Berücksichtigung finden eelbstTerständlieb die Wirbeltiere^ bei
denen die lerschiedene Lebensauf j;abe hln% tu gani auff&lliger körper-
lichen VerBchiedenbeit fehrt. Das BQcblejn ist ichan iUuttriert ond recht
aiiLregend geschrieben.
1148 Programmenichaii.
Dr. G. Hennings, Tierkunde (142. Bandchen der Sammlang «Au
Natnr nnd Geisteiwelt"). Mit 84 Abbildangen im Teite. Leipiig,
Druck nnd Verlag Ton B. O. Tenbner 1907.
Der Verf. stellte eich die Aufgabe, die £inheitliehkeit des gesamten
Tierreiches znm Anidmcke sa bringen; denn Bewegung nnd Empfindons,
Stoffwechsel nnd Fortpflansung sind die charakteristischen Merkmale
aller Tiere, yon den Urtieren hinauf bis in den S&ugem. Auch der Mensch,
den Dr. Hennings nur als die höchste Stufe in der Beihe der Tiere an-
sieht, wird mit in Betracht gesogen. Die Tätigkeit des Tierleibes sucht
der Verf. aus seinem Bau lu erklären, daher legt er ein besonderes Ge-
wicht auf die Lebensweise und berflcksichtigt anatomische Verhältnisse
nur insoweit, als sie fflr die Biologie Bedeutung haben. In erster Linie
wird auf die Tiere der Heimat Bedacht genommen.
Die beiden ersten Kapitel handeln Ober die Bestandteile des
tierischen Körpers (Zelle, Gewebe) und die FormenTerhältnisse der Tier-
Btämme. In Tier weiteren Abschnitten wird über Bewegung, Bewegnngs-
organe, Aufenthaltsort, NerTensjrstem und Sinnesorgane, Stoffwechsel,
Fortpflansung nnd Entwicklung gesprochen.
Das Büchlein ist gemeinTerständlich und enthält fttr den Laien
eine Fülle recht interessanter Details.
Wien. H. Vieltorfl
Programmen schau.
44. Dr. Richard Strelli, Quaestiones Gatnllianae. i. De prisca
et genuina carminum Catulli editione. II. De ordine et temporibus
carminum Catulli. Progr. des k. k. Stifts-Gymnasiums in St. Faal
(Kärnten) 1906/07. 31 SS.
Zur Beantwortung der ersten Frage geht der Verf. obiger Schiifl
?on der Betrachtung aus, daß die f,carminum 7t&ri* der Alten seit ihrer
Einteilung durch die Alexandriner meist nur 700—1000 Verse umfassen,
das stattliche Corpus der Catnllianischen Gedichte also aus mehreren
Bestandteilen bestehen müsse. Aus des Dichters eigenen Beseiehnnngen
(„lepidus libeUtu*^, ^nugtie'^) folgert nun Strelli mit Becht, daß die Mf
Lesbia bezüglichen ^carmina amatoria'^ von den übrigen Gedichten der
Sammlung su scheiden sind, geradeso wie die ^artificlosa cartni$ia* (61
—68) und die ^epigrammata'^ (69—116) für sich je ein Games aosmaohen.
So ergeben sieh drei verschiedene Gruppen von Gedichten ; I. Carmimim
liber ad Nepotem (c. 1—60; 858 Verse); IL Poematum nupHalmm et
epicorum liber (c. 61—64; 802 Verse); III. Carminum elegiaeorum et
epigrammatim liher (c. 55—116; 685 Verse). Die Berechtigung dieser
Scheidung erhellt ans der Tatsache, daß schon Forseher vor Strelli, i. B.
Seits (De CatMi carminibus in tres partes distribuendie), aus sprach-
lichen Gründen su derselben Annahme gelangt sind.
Die iweite Frage sucht St. auf folgende Weise su lösen. Als
sicheren Terminus betrachtet er das Jahr 57, in dem Catull bekanntlich
nach Bithjnien gereist ist, um das Grab seines dort Ternnglückten Bmders
lu besuchen, sugleich auch, um die seiner unwürdige Geliebte sn Ter-
gessen. Vor dieses Jahr fallen mithin die an Lesbia und seine BiTalsn
gerichteten Gedichte. Der Wandel des LiebesTcrhältnisses aber, das nach
8t. Ton 61—57 währte, drängt snr Absonderung folgender Abschnitte:
I. Carmina confecta primo Leehiae amarie tempore (2, 8, 6, 7, 8, 18,
48, 51, 86); II. c. c. tempore diseidii (88, 92, 104); III. e. e. reconei-
liatione restituta (86, Iw, 109); IV. e. e. foedere atnoria rupto tf»
ProgrammeiiBehaa. 1149
Lesbiam et aemulo8 (87, 89, 40. 56, 58, 59. 70—74, 76--80, 85. 87—91,
116). In den Jahren 59—57 eind ferner abgefaßt: 85, 60, 64, 65, 66, 68, 69,
98, 101 nnd iwar 65, 69, 101 nach dem (59 erfolgten) Tode dee Bmdert,
wie ans Anepielnngen geechloeeen wird; durch die bitbynijiehe Beise herror-
ffernfen ist c. 68. Von den Gedichten jedoch, die weder mit Leebia noch mit
dem Broder etwas gemein haben, sind nach Str. die meisten in der Zeit von
56—55 oder 55— & entstanden. Als älteste Gedichte werden schließlich
49, 61, 62, 9 und 12 (ans den Jahren 62—59) angesehen. Diese Grappiernng
onterscheidet sich nicht wesentlich Ton denen, welehe frOher aufgestellt
wnrden, doch gelang es Str., in mehreren F&llen ans logisch-psychologischen
Gründen eine plausiblere Einteilung einielner carmina in die genannten
Abschnitte sa treffen. Freilich läßt sich ans den bisweilen nur gans
flüchtigen Andeutungen des Dichters nicht immer Sicheres gewinnen,
weshalb ja der nämliche Ausdruck ? on Terschiedenen Gelehrten yersehieden
interpretiert wird. So kommt es. wobl auch, daß eine siemlich große Zahl
Ton Gedichten (6, 18, 19, 20, 25, 27, 82, 88, 84, 88, 41, 42, 44, 46, 50,
52, 58, 55, 67, 75, 88, 95, 96, 97, 98, 99, 102, 108, 106, 108, 112) in der
▼on Stoelli am Schlüsse seiner Abhandlung entworfenen chronologischen
Tabelle nicht su finden ist.
Wien. Dr. Josef Fritsch.
45. L. Gran eil 0, II calto di Dioniso nelle Bacche dl Earipide.
Progr. des Kommunal-Obergymn. in Triest^l907. 15 SS.
Den Zweck und tieferen Sinn des ergreifenden Dramas sucht der
Autor durch eine Darstellnng des Mythos und Kultes des Dionysos, wie
er uns Tom Dichter geschildert wird, su ergrttnden und kommt su dem
Schlüsse, daß Euripides uns ein Abbild des Dionysoskultes liefert, wie er
KU seiner Zeit üblich war, und dieses in die mythische Zeit surflck-
▼ersetzt. Wenn man dieser Ansicht auch nur mit ElnschränkusgeD bei-
pflichten wird, so ist die Zusammenstellung an der Hand des Textes
nicht ohne Wert.
Czernowitz. Julius Jütboer.
46. Dr. M. Ho ff er, Die Verteilung des bäuerlichen Grund-
besitzes in der Umgebung von Marburg zu Begina dos
19. Jahrhunderts. Progr. des k. k. Staatsgymnasiums in Murbari^
a. D. 1001. 27 SS. und zwei Karten.
Nach einer recht ansprechend geschriebenen Einleitung, wekb« die
politische Geschichte, so weit sie an Mittelschulen gelehrt wird, gegt^n
yereinzelnte Angriffe solcher Leute in Schutz nimmt, die von ibr nt^Ut
wenig, von der sog. Kulturgeschichte alles hüren wellen (als ob man
Kulturgeschichte, ohne die politische Toraussusetzen , vortragen köontej»
geht der Verf. daran, su zeigen, „daß es möglich ist, auch die eebr xor-
sj^litterten BesitzTerhältnisse, wie sie in den Österreichischen Alpeol ändern
bis ins XIX. Jahrhundert herauf bestanden, kartographisch danQ^taLlen.
Zunächst erörtert er die ZusUnde der bäuerlichen Bevölkerung im atel^
riechen ünterlande zur Zeit der Besiedlung durch die Deutschen, dann
die Kolonisierung des DraufelJes von Marburg und Pettau ans, die Ent-
wicklung des Untertanenstandes von den ältesten Zeiten bis zuid Jahr«
1848/49; aUes sachlich und flbersichtlich. Nur 8. 6 wäre, da diee^jr Tdi
der Arbeit vornehmlich dem Schiller dienen soU, der Ausdruck Ge warnt «
zu erläutern gewesen. Der zweite Teil der Arbdt fflhrt in dankeni-
1150 Programmeiitohan.
wertester Weiie in die in der jflngateii Zeit — bei Qoi Tonehmlicli dneh
Ediuurd Richter — in Anwendang gekommene Methode ein, die forttehrei-
tende Besiedlung eines bestimmten Gebietes, jodisi^le and admiBistim-
tife Einteilungen ftlterer nnd neuerer Zeit, Ton dieser tt jener fort-
sehreitend, im harten bilde festsnbalten. Der Yerf. der Torliegendon Ter*
dienstlichen Arbeit hat an swei Gemeinden der Marborger Umgobmg,
Ton denen die eine in der Ebene, die andere im Gebirge liegt, einen
gleichen Yersach gemacht, der nnserem Ermessen naoh recht woU go-
Inngen ist. Die beiden beigegebenen Karton gowAhrsn Ton der Sache ein
gutes Bild.
47. Dr. Alfred Loebl, Dr. Barthlmä Pezzen, ein taterrei-
chischer StaatsmaDn unter Budolf IL Von seinem Leben
und Wirken. Progr. der k. k. Staatnrealechale im XVI. Boairke
Wiens 1907. 11 SS.
Verschiedenen irrigen Annahmen gegenflber ist der Vert in der
Lage, den Nachweis za führen, daß die Familie des genannten Staats-
mannes Ton Lukas Pesten ans Brixen stammt, der wegen Teilnahme an
▼enesianischen Kriegsdiensten daheim mit Güterkonfiskation bestraft
wurde nnd sich sp&ter im Trientinischen eine nene Heimat gründete.
Dessen Enkel war Bartholomäus. Die Familie war eine adeliehe. Penen
trat 1574 in die Dienste des Enheraogs Ernst nnd widmete sieh dem
diplomatischen Berufe, dessen einielne Stadien der Verf. anf Grund arohiTa-
liscber und sonstiffer Nachrichten schildert. Ausführlich wird Pesiens
Stellung als Gesandter in Konstantinopel behandelt. Beachtenswert sind
die Ansführangen über den Veifall des osmaniscben Staatsweser a seit dem
Ende des XVl. Jahrhunderts und die Motive dasu, denen sich die Schil-
derung der Tätigkeit Peziens in Fragen der orientalischen Politik des
Kaisers anschließt. Den Schluß bilden Angaben über die Familienver-
h<nisse Possens. Die Arbeit kann als ein dankenswerter Beitrag sur
Geschichte der Besiehungen nr Türkei in der Zeit Rudolfs II. angesehen
werden.
Grai. J. Loserth.
48. Friedr. Thetter, Die Buhe in Natur und Kunet Progr.
des n.-5. Landes -Realgymnasiums in Waidhofen a, d. Thaja 1905.
14 SS.
Der Verf. behandelt in einem kurxen, aber inhaltreichen Anfsats
die Gesetze der Statik, Harmonie und Proportionalit&t in Natur und
Kunst und weist in Beispielen nach, wie überall gleiche Regeln nnd die-
selbe Gesetimftßigkeit waltet Er geht von der Form des Blattes ans
und erörtert den Zusammenhang mit den Zweigen, den Ast und den
Stamm in Hinsieht der würkeaden Kräfte für die Gesamtform des Batunas.
Nach denselben Gesetsen entwickelt sich der Bau der Pflanse mit der
Blüte und Frucht, der Aufbau der menschlichen Gestalt u. s. f. Zu Ver-
gleichen in der bildenden Kunst werden Lionardos »Abendmahl*, die
„Laokoongrappe'', Raffaels „Siztina" und vor allem der grieehische Tempel
herangesogen. Der Verf. sagt besüglich der letaterea: «Lastend, im
teUurisehe Element gleichsam wiederholend, ist der Unterbau, die Basis;
tragend, kräftig stütiend, die Anschwellung und die Kanellnron in dieser
Wirkoag sur Anschauung gebracht, erheben sich die ÖAulea, auf dioMU
wieder auflastend das Geb&lk. Der Konflikt iwischen dem Tragen der
SAnlen nnd dem Lasten des GebAlkes — der Konflikt also innerhalb des
Entgegnimg« 1151
Mittelgliedes dietet proportionierten Systems — wird in genialster Weise
in der Bildong des KapitAls ansebaolkh gemaeht und ingleich gelOst
Das bekrönende» dnrob seine Stataengmppen reiebste Glied des Banes,
die Dominante, ist das Giebelfeld. Diese Glieder, jedes in seiner Bestim-
mnng in so goistreicbor Weise ansgebildet, in dem sie so fein empfinden
das ansspreeben, was ibr inneres Wesen, die stmktife Bedeutung aus-
macht, sind in dieser Eigenschaft selbst wieder proportional gebildet äie
erscheinen wie die Organe eines lebenden Organismus, die sich fegen-
■eitig in ihrer Wirkung nntenttttsen und sich gloiobi eitig dem einheit-
lichen Grundgedanken des Gänsen unterordnen^*
49. Wenzel Starek, Beifarag zur Beformbestrebung im Zeiehen-
unterrichte. Progr. des k. k. Karl Ludwig-Gymnasiums im ZU. Be-
tirke Wiens 1905. 26 SS.
In dem Aufsatie wird in kunen Zfigen mit reichem Illostrstions-
material (Cliohds nach Schülerseicbnungen> der Lehrgang des modernen
Zeichenunterrichtos dargestellt, wie derselbe in den leäten Jahren aus
den Erfahruogen in unseren Mittelschulen berrorgegangen ist, als einiig
richtiger Weg in der gebotenen Zeit und mit der durchschnittlichen
Scbfllersabl die rationellsten Erfolge im Naturseicbnen lu ersielen. Der
Verf. weist mit Recht die in neueeter Zeit aufgetauchten methodischen
Auswfichse im elementaren Unterricht surflck und faßt das Zeichnen nicht
als mechanischen Drill, wie ee Tielleicht gewisse Gewerbe Tcrlangen, auf,
sondern als Gegenstand der allgemeinen Bildung. Der Schfller soll lum
klaren Denken für das B¨iche enogen werden und tum korrekten
Danteilen der Wirkliebkeit in Liebt und Schatten und Farbe. Mit im-
pressionistischen Farbenfleeken lA&t sich nichts erreichen, und den Sehaiem
dflrfen nicht Aufgaben sogemntet werden, die sie auf dieser Stufe nicht
SU lösen imstande sind. Auf solchen Wegen wird dar Gegonatand sur
Spielerei degradiert
Die dem Texte beigegebenen Illustrationen und Farbentafeln gobon
ein anschauliches Bild Ton dem stnfenmftAigen Vorgang des Unterrichte,
Ton den ersten linearen Übungen an bis tum farbig durchgeführten Stil-
leben und den pflanxlichen und tieriseheo Naturobjekten aller Art Der
Anfsats ist mit Sorgfalt und Liebe gearbeitet und sei in erster Linie
den Fachkollegen snm Studium empfohlen.
Wien. J. Langl.
fintgegnang.
Auf S. 447 des V. Heftes dieser Zeitschrift findet sich eine BessMion
meiner Übersetiung von Sayders «Weltbild der modernen Maturwissen*
scbaft^ der der Besenseat — Herr Prof. Dr. Norbert Hers — angeblich
, aktuelle* Bemerkungen anhingen n mflssen geglaubt hat, die mit der
bache so gut wie nichls sa tun haben und aiäerdem sachlich unrichtig
sind. Da wird unichat an Berthelot die Vielseitigkeit gerflhmt und
„gewissen Aposteln der Jetitxeit« ein Hieb Tersetxt. Wei6 der Besensent,
daft SU diesen Aposteln u. a. die Herren Paalsen, £. Meyer, Bauer, Caaer
sAhlen? Muß es nicht geradexu komisch wirken, wenn von Snyder an-
geftthrt wird, er gebe es „auch'' so, daß Berthelot au den bedeutendsten
Chemikern lihlt, wo doch sein allsa begeistertes Einsetsen fflr den fran-
zösischen Chemiker Ton fast allen chemisdien Kritikern ihm Übel eenommen
wird? An einer Stelle setst Snyder die Lehre von den vier Elementen
auseinander und Temrteilt sie als ^fuddle-duddU*. Hers findet diese
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Erwldefcmg.
BamerkuDg nicht «.^#1 et reich" geong. J& » flollte aie «s denn tein? Qlaalit
Tielificbt Herz, d&t^ jeder 3&t2 aemer Ecxeixiios ^geitireieh*' tat, riciletebi
ieine BewitieloDg Oatwaldsi die in dleeem Falle nm bo niiADgebrAcktier
wti, ftU es lieb biei tmi emeit BnndeigenoBieQ in der Beurtoilnng 'Snfden
handelt? Die Eedtrei len dem ^AufifaU auf die Eenntniito 4c« gne^hi-
flcbeti Äitertams" Ist «irklieb k&sUicb! Der Berr Beienaeni giiabt alio,
die Grieeben h<eD oie gefehlt adtr ei aei wenigitefia Vemecbeo, 10
«jnem populären Werke derlei ErwähnQQg in tun! Allein er irrt &ocb
itärker! Snjder hat überhaupt gar keine ichlecbte Mein nag ron dtn
LeJHluDgen dee Altertama, er hat aogar in dieaem BQchä «itie Lobesbjtntie
auf die AlexaDdrinis<^he Sebnle geanngen — nur iat dieies Eapit«! Ob«i
Wqnacb dea Verlegers aca der dtnlachex) Überfettung weggebÜebsn*
Offenbar war d«r Eezeoaent lo toq einer flien Idee beberractit, da5 er
darob an dem nichtigen Gebräuche ttmti Veratandea gehindert wurde^
Völlig unTeretindlich aind mir die ÄQarnftuigBxeicben d^r letite» Zeil«;
Ich habe m meinen eigenen Arbeiten einen anderen pbiloaophiieben
Standpunkt eingenommen nnd die» dem Leaer sn seiner Onentiemiig
mitgeteilt. Was gibt es da s&n wandern? ^chHeQtJeh bemerke ieh« 4aS
die CbereetEtiDg aaf Veranlasaang des Verlagei geicbab.
Gmnnden.
Dr. Hana Kleinpet^f,
Erwiderung.
Wie der Übersetzer von Sojdera Werken licfa Ti eil eicht Hbofieiift
haben wird, oder leicht Öberzengeo kann» l&iae ich mieb in meioeii An-
sprich en nicht dorch die Namen der Antoritäten^ aondern nnr dirtll
flacbliehe Moli?« bestimmen, und 10 ist anch das, waa ich von d«ii^«-
wiiaen Apoatein der JetEtzeit" geaprochen habe — icb möcbtt dat ^it
«Hieb'^ für eine lachlicher kritiicbe Bemerknng flbenaowenig geetgael
halten, wie etwa die Worte „Qnark* nnd „Eederei* in einer Debatt« —
sn TerBtehen. Damit erledigt «ich auch die tw^ite Bemerkung Kleinpet^r»)
denn in seiner deaticben Übereetxnng kommt nicht daa Wort ^fuddi^
duddlc**, $ond€rn das Wort „Quark*" for. Obrigena freut ea miebt dmi
der Obersetz^r mit mir in der AuffaHanng flbereinstimmt, daß diese
merkung injfders nicht tu den geistreichen zu zählen ist»
Weiter iat zu bemerken, daJj ich doch nicht ein Kapitel Snyd
berOckaicbtigen konnte« daa in der Übersetzung gar nieht TOfkomiat;
baebitens müßte ich nach Kennt nisnabme dteaea Umstände« awiacbei
den Ansiebten des Verf. nnd des Überaetzera einen Untefachied mmcbws»
Waa iat alio in meinem Referate f^aachlkh nnricbtig*"?
Waa aber meine Ansicbten ^ber die Griechei] betrift, ao lind ilie*
aelben in Ge lehrt enkreieen augreiebend bekannt, nnd würde ich Herrfi
Kleinster empfehlen, meine „Oeacbkhte der BabnbestimmuDg von PUselea
nnd Kometen^ L Teil: Die Theorien des Altertums" lU lesen. Allerdlog«
— seine Meinnng ani Beichten popalfiren Scbriften zu aammeln let etVBa
leichter, als den Almageat zn lafien oder gar, wie diea in meineaa fti»»
gef ehrten Werke der Fall ist, zu interpretieren. Damit erledigt aicb aneli
der Schlnü der ^Entgegnung\ in welcher ich den famoaen Ibtati «dm(&
er darob an dem richtigen Gebrauch seines Verstandea gebiodirl Wttfia*
am keinen Preia miaaen m&cbte*
Wien,
H. Etrt.