ZEITSCHRIFT
l'i'ii:
ETHNOLOGIE.
Organ der Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions-Commission:
A. Bastian, R. Virchow, A. Voss.
Neunundz wanzigster Jahrgang.
1897.
Mit 2 Taieln.
BERLIN.
V I R I, A II V 0 N A. AS II E K & I
1897.
THE GETTY CENTEK
I ID.O/'.OV
Inhalt.
Seite
Otto Schoetensack, Vor- und Frühgeschichtlichea aus dem italienischen Süden
and aus Tunis (Hierzu Tafel 1 und II und 41 Zinkographien im Text) 1
S. Weissenberg, Heber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichtsindices,
ihre Eintheilnng und Brauchbarkeit 41
Paul Ehrenreich, Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens. Vocabulare von
Pnrus-Stämmen 59
K. Th. Preuss, Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land in ihrer Be
deutung für die Ethnographie (mit L99 Zinkographien im Text) 77
Paul Reinecke, Geber einige Beziehungen der Alterthümer China's zu denen des
Bkythisch-sibirischen Völkerkreises mit 21 Abbildungen im Text) 141
II roll' Vaughan Stevens, Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen
von Malacca. Bearbeitel von l>r. Mas Bartels 173
Besprechungen :
Franz Tappeiner, Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran 1896. S. 3G.
G. A. J. Hazeu, Bijdi'age tot de kennis van liet Javaansche tooneel. Leiden 1897.
s. 37. 1.. Niederle, <► püvodu Slovanu. v Praze 1896. S. 38. — J. Matiegka,
Zkoumäni kosti a lebek öeskych v kostnicich venkovskych. v Praze 1896. S. 40. —
Derselbe, Nälezy Lateneske ze severozäpadnich Cech. v Praze 1S96. S. 40. —
Fr. v. Hellwald, Die Erde und ihre Völker. I Auflage von Dr. W. Ule. Stutt-
gart, Berlin, Leipzig S. 72. — Jacob Kobinsohn, Psychologie der Naturvölker.
Ethnographische Parallelen. Leipzig. S. 73. — Franz Kronecker, Von Java's
Feuerbergen. Oldenburg und Leipzig. 1897. S. 73. — A. Götze, Die Vorgeschichte
der Neumark. Würzburg 1897. 8. 73. — A. Furtwängler, Intermezzi. Kunst-
geschichtliche Studien. Leipzig und Berlin 1896. 8.74. — Mark Lidzbarski, Ge-
schichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften der Berliner Bibliothek.
Weimar 1896. S. IS. - Etud. Prietze, Beiträge zur Erforschung von Sprache und
Volksgeisi in der Togo - Kolonie. Berlin. S. 76. — Festschrift zur \.\YI1I. Ver-
sammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Lübeck 1M>7. S. 139. —
l.'ml. Virchow. Rassenbildung und Erblichkeil Bastian -Festschrift). Berlin 1 s: >T .
S. L64. — II. Steinthal, Dialekt, Sprache, Volk, Staat, Rasse (ebendaselbst L897.
S 165. — Paul Ehrcureich, Anthropologische Studien über die ürbewohner Bra-
siliens, vornehmlich des Purus - Gebiets. Mit zahlreichen Abbildungen und Tafeln.
Braunschweig L897. S L65. — Moriz Hörnes, Zur prähistorischen Formenlehre.
Zweiter Theil IV. [talische Bronzefiguren. Wien 1897. S. 1 < ,7 . — C. H. Stratz.
Die Frauen auf Java. II Abbildungen im Text. Stuttgart 1897. S. 168. -- Paul
Schellhas, Die Göttergestalten der Maya- Handschriften. Dresden 1897. S. 168. —
Albert Grünwedel, Buddhistische Studien. Veröffentlichungen aus dem Kg] Museum
für Völkerkunde. V. Mit 97 Abbildungen. Berlin 1897. S. L70 — Graf Eugen Zichy,
Voyages en Caucase el en Asie Centrale. T. I— II. Mit l !:• Tafeln und 88 Text-
Abbildungen. Budapest L897. S. 1.1. — Zeitschrift für Criminal - Anthropologie,
Gefängniss-Wissenschaft und Prostitutionswesen. Berlin 1897. S.-ji>7. — F. v. Luschan,
Beiträge zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete. Erweiterte Sonderausgabe aus
dem „Amtlichen Bericht über die erste deutsche Colonial-Ausstellung" in Treptow 1896.
Berlin 1897. S. 208. — Adolf Seilborn, Allgemeine Völkerkunde in kurzgefasster
Darstellung. Leipzig 1*98. S 209. — Otto Schell, Bergischo Sagen. Elberfeld 1897.
S. 209. — F. W. K. Müller, Samoanische Texte, unter Beihülfe von Eingeborenen
gesammeH und übersetz! von <>. Stübel. Berlin 1896. S. 210. — C. R. Häntzschel,
Reisehandbuch für Amateur-Photographen. Balle a S. L896. S. 212.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte
mit besonderer Paginjrung.
Hin chronologisches Inhalts Verzeichniss der Sitzungen, sowie ein alphabetisches Namen«
und Sach-Register befinden sich am Schlüsse der Verhandlungen.
Nachrichten über deutsche Alterthnmsfande 1S97
mit besonderer Paginirung und Register.
Verzeichniss der Tafeln.
Tafel I. Ansicht der Felsengräber bei Cassibfle (Sicilien) (Zeitschr. S. 20).
II Thongefässe aus den Nekropolen Karthagos (Zeitschr. S. 31-33).
Verzeichniss der Zinkographien, Autotypien und
Holzschnitte im Text.
(A. = Autotypie, H. = Holzschnitt, Z. = Zinkographie.)
1. Zeitschrift für Ethnologie, 1897.
Seite 2. Prähistorische Thongefässe der Falisker aus dem Territorio di Falerii (Muse,.
Nazionale, Sezione extraurbana, Rom) (3 Abb.).
.".. Prähistorische Bronzen und Tbongefässe aus Sucssulae. (Sammlung Spinelli
in Cancello, Mittel-Italien) (6 Abb ).
6. Prähistorische Thongefässe (wie die vorigen) (3 Abb.).
d. Prähistorische Steingeräthe aus Bari und Cotrone (5 Abb.\
12. Oruamcntirte Kupferaxt von Cosenza: prähistorisches Feuersteinincss.T von
Policoro in der Basilicata und polirtes grünes Steinbeil aus dem Museum von
Keggio di Calabria (10 Abb.).
II. Prähistorische Steinartefakte aus Gneis und Obsidian, aus dem Musciun in
Reggio di Calabria (8 Abb.)
21. Nephritbeil aus dem Museum in Castrogiovanui (Sicilien) (3 Abb.).
22. Prähistorisches Thongefäss aus dem Museo nazionale in Palermo und Nephrit-
beil von Castrogiovanni aus der mineralogisch -geologischen Universitäts-
Sammlung in Palermo (4 Abb.).
23. Zwei Nephritbeile und ein Basaltbeil von Lipari aus der zuletzt genannten
Sammlung (10 Abb.?.
24. BronzeschaftceU aus Girgenti in dem zuletzt genannten Museum und zwei Stein-
beile in dem Museum in Cefalü (8 Abb.).
26. Präli ornamentirte Thonscherben aus der Grotta <li San Francesco
(Sicilien) (4 Abb. .
2T. Prähistorischi orni ntirte Thonscherben und Thongefässe in dem Museum
in Palermo (5 Al»l>.).
•J8. Feuersteinmesser aus dem Bardo-Museum in Tunis (I Abb.).
29. Zwei eiserne Dolche und sechs Kupferbeile aus der Nekropole von Byrsa, in
dem Mnsee Sl I.ouis in Karthago (8 Abb.).
33. Prähi torische Thongeffi i mil eingeritzten Ornamenten aus den Nekropolen
\on Karthago; in dem Musee Sl Louis in Karthago.
105. Künstlerische Darstellungen au Kaiser- Wilhelms »Land. Menschengestalten
LOi
106. Dasselbe, üesichtsdarstellungen 7 Abb.).
108, I»;,. elbe. Cfaaenornamenl 7 Abb.).
109. Dasselbe. Augonornamenl l [12 Abb.).
lil. Dasselbe. Augenornamenl II 10 Abb.).
Da elbe. Na sn- und Mundornament (10 Abb.).
115. Dat elbe. Vogelkopfornameni I (10 Abb.).
;: D elbe. Ornamenl des Vogelkopfpaares (17 Abb.).
11!». |)a elbe. Vogelkopfornament II [14 Abb.).
Seite 1-1. Dasselbe. Spiralornament (8 Abb.).
„ 12:'. Dasselbe. Fiscliornainent (13 Abb.).
TJ4. Dasselbe. Krokodil- und Eidechsenornament (10 Abb.).
125. Dasselbe. Salamander- und Ohrenornament (16 Abb.).
1 29. Dasselbe. Ornament des fliegenden Vogels (8 Abb.).
LSI. Dasselbe. Wurm- and Vogelkopfornament (3 Abb.).
„ 132. Dasselbe. Ornamen! des hangenden Pteropus (1"» Abb.).
„ L33. Dasselbe (6 Abb.).
.. 134. Dasselbe (ü Abb.).
1 35. Dasselbe. Kanuverzierung.
L36. Dasselbe (12 Abb.).
138. Dasselbe. Textilo Muster (6 Abb.).
139. Dasselbe. Verzierung eines Holzschwertes.
1 VI. Chinesische Metallspiegel (2 Abi).).
144. Skythische und sibirische Metallspiegcl (4 Abb.).
116. Kaukasischer Metallspiegel, chinesischer Opferkessel und verschiedene Bronzi
artefakte (32 Abb.).
„ 147. Chinesischer Opferkessel (2 Abb.).
„ 148. Alter chinesischer Dreifuss (A.).
14'.». Skythischer Bronzekessel (A.).
150. Metallkessel aus dem Wolgagebiet.
l.'il. Skythische Btangenbekrönung (A.).
151. Chinesisches Klapperinstrument (2 Abb.).
153. Sibirisches Bronzemesser und chinesische Messermünzen 3 Abb.).
154. Chinesisches Bronzeschwert (Z.).
161. Sibirisches und chinesisches Thierornament ('2 Abb.).
2. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte, 1897.
Seite 36. Bronze-Urne von Topolno, Kr. Schwetz (A.).
„ 37. Dieselbe (A.).
„ 41. Situationsplan der Fundstelle von Topolno.
„ 45. Situationsplan der prähistorischen Fundstelle Reiser'sche Ziegelei b
Lobositz a. d. Elbe.
„ 46. Neolithischc Wohnstätte daselbst.
16. Walzenförmiges, durchbohrtes Thongeräth vm dort.
48. Grabstätte daselbst.
19. Urne von dort (2 Abb.).
„ 5t). Grabstätte daselbst.
„ 50. Bronzenadel von dort.
55. Urnen von Leibsch Spreewald [2- Abb.).
56. Ebenfalls.
59. Situationsplan des Schlossbergs von Mehlken, Kr. Carthaus
62. Thonscherben von dort 8 Abb.).
62. Tapfenstein bei Mehlken, Kr. Carthaus.
„ 75. Fassspuren Christi auf dem Oelberge.
„ 99. Bosnischer Bolzstempel zum Stempeln des Brod.es - Abb.).
.. 100. Holzlöffel, Holztasse und Vogelflöte aus Bosnien (3 Abb.).
101. Wäscheklopfer und Spinnrocken aus Bosnien [6 Abb.).
108. Spindel. Wetzsteinbehälter und Basirmesserkasten aus Bosnien 5 Abb.).
105. MetaUeinlagen in Holz J Abb.).
106. Desgleichen (2 Abb. .
.. 107. Desgleichen (3 Abb. .
VI
108. Desgleichen (2 Abb.).
109. Desgleichen (3 Abb.).
116. Holzsieb, Holztrichter, Löffel und hölzerner Stelzfuss der Lappländer (6 Abb.).
124. Prähistorische Bronzegeräthe (4 Abb.).
126. Bronzefibel.
134. Ägyptischer Inschriftstein aus der XVIII. Dynastie.
. 136. Aegyptische Mumienköpfe mit Durchbohrung des Schädelgrundes (4 Abb.).
141. Urne und prähistorische Thonscherben von der Moorschanze bei Quedlinburg
(5 Abb.).
„ 142. Situationspläne von dort (2 Abb.).
1 13. Desgleichen.
14:'.. Verzierter Thonscherben von dort.
„ 144. Fundstelle eines menschlichen Schädels daselbst (A.).
1 !">. Desgleichen (A.).
145. Verzierte Thonscherben von dort (4 Abb.).
„ 1 16. Desgleichen und ein Steininstrument von dort (3 Abb.).
149. Schädel von dort.
_ 150. Ebenfalls (2 Abb.).
„ 151. Ebenfalls (3 Abb.).
„ 155. Bakwiri-Schädel, Kamerun (2 Abb.).
_ 164. Darstellung alt-assyrischer Ruhebetten (A.).
.. 169. Spinnwirtel in Thon (3 Abb.).
„ 169. Skarabäen-Gemme von Sadersdorf, Kr. Guben (3 Abb.).
.. 171. Situationsplan des Burgwalls von Königsbrunn, Cujavien (2 Abb.).
_ 172. Prähistorische, oruamentirte Thonscherben von Königsbrunn, Cujavien (A.).
„ 173. Prähistorische Thongefässe von dort (2 Abb.),
„ 174. Desgleichen (3 Abb.).
„ 175. Bronzeanhänger und Schalen von dort (3 Abb.).
177. Gewellte Bronze Urne von Zerbst.
„ 190. Brahmanen-Schule in Vernag, Kaschmir (A.).
196. Hindu-Tempel bei Bhavanyar, Kaschmir (A,).
„ 199. Tempel-Ruinen von Martand (Kaschmir) und Tänzergruppe von Shangus (2 A.).
_ 202. Blick auf den Jhilam bei Srinagar und die Ali Hamadani-Moschee in Srinagar
(Kaschmir) (2 A.).
„ 203. Eingeborene von Kaschmir (A.).
„ -jn4. Armbrüste der Bakwiri (2 Abb.).
B 209. Thongefässe von Dshawat, Gouv. Baku, Transkaukasien (A.).
211. Durchlochter Steinhammer von Horadies, <iouv. Elisabethpol.
„ 214. Geflügelte Lanzenspitzc von Obornik, Prov. Posen.
216. Lanzenspitze ebendaher.
221. Bronzeschwerl aus der Peene bei Demmin (3 Abb.).
„ 223. Steinbeil, Beibstein and Urnen von Wilmersdorf, Kr. Beeskow-Storkow 4 Abb.).
„ 2"J7. Karte' VOD Krain und Ilri'ii.
229. Bcherben ans der Sohle von St. Cantian, [Strien.
„ 289 Kupferbeil von Augu tenhof, Kr. Wirsitz, Prov. Posen 2 Abb. (Kyprotypic).
242. Bronzokenle von Butzke, Pommern.
„ 245. Brouzekenlen (5 Abb.).
JiT. Prähistorische Thonfigur aus Sabnitz, Bezirk Briix, Böhmen (3 Abb.).
249. Menschlicher Kopf auf Thonschiefer von Horomßritz bei Prag.
Gefl icherben mit Btierkopfhcnkel ven Podbaba bei Prag.
. 262. Thönerner Stierkopf von einem Prunkgefässe von öernyvül, Böhmen.
268. Thönerner Stierkopf- Aus^uss vwi <\\mm Prunkgefäss von Wiesen bei Saaz,
Böhmen.
_ 256. Stierfiguren in St .-in vom Schlauer Berge, Böhmen (2 Abb.).
256. Thongefät mil Widderkopf an dem Hrädefe von Öaslau.
Seite 267. Vogel von Thon von Havron bei Bräx.
., 261. Kinderklapper von Thon von Luckau, Niederlausitz (3 Abb.).
„ 262. Urne und Bronzering vom Wehrmühlenberg bei Biesenthal, Kr. Ober-Barnini
(3 Abb.).
.. J63. Bronze-Armring vom grossen Werder im Liepnitz-See, Kr. Nieder-Barniro.
„ 27">. Kochtöpfe der Ababde aus Talkschiefer, Nordost-Africa (3 Abb.).
274. Tabakspfeife der Ababde and Bischarin aus Talkschiefer.
„ 286. Frührömische Fibel mit Inscbrif't aus Rheinhessen (3 Abb.).
290. Bronze-Armringe von Czernowitz (4 Abb. A.).
„ 318. Römische Thonscherben von dem Zwiesel, Ober-Bayern (2 Abb.).
„ 319. Bronzefibeln ebendaher (2 Abb.).
w 321. Steinartefakte von An bei Hammerau, Bezirk Traunstein [19 Abb.).
„ 323. Neolithisches Thongefäss ebendaher.
„ 326. Oräber-Schädel von Chajcar, Guatemala (2 Abb.).
„ 330. Europäische Tättowirungen (6 Abb.).
.. 331. Desgleichen (4 Abb.).
., 338. Kartenskizze der Gegend der Slouper Höhlen, Mähren.
„ 360. Situationsplan der Nekropolen von St. Canzian, Istrien.
, 393. Das Süd- und das Nordzeichen des alten Aegyptens (2 Abb. .
„ 394. Stilisirte Ornamentik aus Aegyptens neolithischer Zeit an Thongefässen an-
der Zeit bis zur IV. Dynastie (Gruppenbild).
395. Wappenpflanze von Ober-Aegypten (Gruppenbild).
4<m>. Aegyptische Hieroglyphe des Gesichts (Z.).
„ 411 115. Tättowirungen der Wadjidji, Africa (3 Z.).
., 418—419. Tättowirungen und Zahnfeilungen derselben (8 Z.).
, 422. Zahnfeilung and Tättowirung eines Mgaga, Africa (2 Z.).
„ 427. Geometrische Zeichnungen eines Mtussi-Schädels (2 Z.).
„ 430. Situationsskizze der Schwedenschanze bei Görbitzsch, W.-Sternberg (Z.)
„ 437. Alte Fundstelle am Küchenteich bei Sternberg (Z.).
1 10. Thonscherben und Feuersteinstücke aus der Sternbeiger Gegend (46 Z.\
„ 411. Stein mit Aufspüren von Tornow, Kr. West-Sternberg (1 /. .
IIB. Sleinbeil vom Urnenfeld bei Görbitzsch (Z.).
, 445. Thonscherben und Feuersteinstücke vom Lindhörst bei Lüdersdorf, Kr. Teltow
(8 Z.).
117. Grosse Scheibenfibel aus Bronze von Wustrow, W.-Priegnita (1 '/..).
_ 448. Ornamente an Thonscherben vom Kiebitzberg bei Gandow, West-Priegnitz
(26 Z.).
451. Gewellte Bronzeurne von Nijmegen, Holland /. .
„ 484. Haar eiues Kaukasiers innerhalb de- Haarbalges (1 Z.).
189. Armband aus Bronze mit Anhängsel von Serrieres bei Neuchatel (1 Z.).
192. Knotenzeichen der Müller in Baden (12 Z.).
„ 497. Gewellte Strichverzierang an Scherben des Kr. Teltow 2 Z).
„ 499. Giebelverzierungen in Ostpreusseu (58 Z.).
- 507. Drei geometrische Ansichten eines Thurmkopfes von Arica (3 Z.\
„ 561—567. Umrisszeichnungen gefeilter /.ahne, Tättowirungen, Brüste und Käsen
von Wadjidji, Africa ,18 Z.).
687 — 588. Antike Germanen-Darstellungen aus Bronze in Paris (8 A. .
., 589. Gefäss vom Typus l u8tic< von libeany in Böhmen ,1 '/..'.
., 58'.". Terrasigillata-Scherben von Fodbaba bei Prag 1 A.).
„ 590. Keulenkopf aus Bronze von Königgrätz '2A.).
„ b'X\. Altslavisches Gefäss aus dem salzigen See bei Eisleben 1 A. .
601. Trudenfuss bei Wilshofen, Bayern (2 ZA.
.. 605— €06, Drei geometrische Insichten eines Jaunde- Schädels von Kamerun (3/..
617—619. Altperuanische Tbon-Gefässe mit Darstellungen von Gesichts- u. f. w.
Verstümmelungen ^9 Z.).
VII!
3. Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde, 1897.
Seite 8. Bronze-Schmucksachen von Clempenow, Pommern (5 Abb. N
16. Thongefass und Scherben der Völkerwanderungszeit aus Bcble, Kr. Czarnikau,
Tosen (3 Abb.).
16. Merovingische Email-Perlen aus Dollgen, Kr. Prenzlau (2 Abb.).
17. Situatiousplau der Hügelgräber auf dem Brommbarge in der Wessenstedter
Heide, Kr. Uelzen.
_ 19. Thongefässe und Nadeln dalier (A.).
, 20. Thongefässe von da (A.).
.. 21. Durchschnitt eines Grabes von dort.
„ 23. Desgleichen.
_ 30. Eiserne Nadel von dort.
34. Hügelgräber bei Schlagenthin, Kr. Tuchel (6 Abb.).
_ 35. Steinkiste bei Kl.-Keusau, Kr. Tuchel.
36. Steinerne Pfeilspitze aus der Gegend von Graudenz.
87. Feuerstein-Geräthe vom Liepnitz-Werder, Kr. Nieder-Barnim (4 Abb.).
:;S. Steinbeil aus dem Freigrunde bei Wilmersdorf, Kr. Becskow-Storkow (3 Abb.).
39. Feuersteinmesser aus einem Umengrabe bei Vehlefanz, Kr. Ost- Havelland
(2 Abb.).
l<>. Prähistorische Gegenstände vom Schlossberg bei Biesenthal, Kr. Ober-Barnim
(6 Abb.).
II. Kupferne Doppelaxt von Börssum.
n .11—15. Bronze-Hohlcelte von Bergen auf Rügen (4 Abb.).
_ 4(i. Bronze- und Steingeräthc, ebendaher (8 Abb.).
17. Bronze-Hohlcelte von Heringsdorf, Kr. Usedom-Wollin (3 Abb.).
13. Fingerring von Bronze von Hammelstall, Uckermark.
_ 77. Thonschale aus dem langobardisch- sächsischen Friedhofe bei Nienbüttel, Kr.
Uelzen (A. und 1 Abb.).
.. 78. Desgleichen \2 A.).
. 79. Bronzeschnallen u. s. w. ebendaher (3 Abb.).
. 80. Desgleichen uud Fibel, ebendaher (4 Abb.).
„ 82. Hügelgrab am Losenmeere in der Haarstorfer Feldmark, Kr. Uelzen, Skizze.
_ 83. Nadel und Speerspitze, ebendaher (2 Abb.).
., 84. Bronze- und Thonfunde, sowie Perlen von dort (6 Abb.).
„ 87. Bronzen, Bowie Verzierungen und Querschnitte (6 Abb.\
.. 91. Urnen von Schlepzig, Kr. Lübben, in der Niederlausitz (4 Abb.).
92. Spiral- und Bügelring, ebendaher (2 Abb.).
I.
Vor- und Früh geschichtliches aus dem italienischen
Süden und aus Tunis
von
Dr. OTTO SCHOETENSACK in Beidelberg.
Hierzu Tafel I und II.
Auf einer Studienreise, welche badische Philologen unter Führung
des Beidelberger Archäologen Prof. von Duhn uach dem italienischen
Süden und Tunis vom 27. Februar bis 3. Mai 1896 unternahmen, sammelte
ich einige Notizen, die ich gern vervollständigt und zu einem Ganzen ab-
gerundet hätte. I );i A^r Zweck der Heise in erster Linie der war, die
Theilnehmer mit den Resten i\cs classischen Alterthuins und mit der
Topographie der historisch interessanten Stritten bekannt zu machen, so
blieb nur wenig Zeit übrig, Sonderinteressen nachzugehen; ich bin daher
nur im Staude. Bruchstücke zu bieten.
In Rom hielten wir uns auf der Durchreise nach dem Süden fünf
Tage auf. In den prähistorischen Abtheilungen der Sammlungen war da-
durch nur ein Umblick möglich.
Im Neuen Capitolinischen Museum befinden sieh etruskische Thon-
särge in Baumstammform. 1 >i < • Bestattung von Leichen in ausgehöhlten,
der Länge nach durchschnittenen Baumstämmen ist eine u. a. in Süd-
deutschland, Westfalen und auch auf der kimbrischen Halbinsel, hier aus
der Bronzezeit, beobachtete Sitte. Da das Holz der Särge nur in Aus-
nahmefällen erhalten ist. so sind wir atudi nicht im Stande, über die Ver-
breitung und Daner dieser Bestattungsweise in den verschiedenen Ländern
genügende Auskunft zu geben. Der Ersatz des vergänglichen Materials
dureh Terracotta kennte nur bei einem Volke stattfinden, das. wie die
Etrusker, es in der Thonplastik auf solch hohe Stufe der Vervollkommnung
gebracht hat. Der Yorgaug selbst beweist, wie sehr man beflissen war, in
den Formen wenigstens, an den althergebrachten sepulcralen Gebräuchen
festzuhalten.
In dem Musen Etrusco Gregoriano möchte ich auf die vertical _
riefelten ßedware Pithoi mit horizontalen Streifen eingepresster Thier-
figuren hinweisen, von denen nur einige in der offiziellen Publication,
Zeitschrift für Ethnologie. Jabrg. 1897. 1
0. Schoetensack:
Band II. Tafel 100, abgebildet sind; im Musee du Louvre befindet sich
eine weitere Anzahl derartiger Gefässe. Die Presstechnik derselben lehnt
sich offenbar an östliche Metallvorbilder an, wie sie uns in den griechischen
Kunstanfängen begegnen, von denen auch die bronzezeitlichen Funde des
Nordens und diejenigen der Hallstattzeit Mitteleuropas beeinflusst erscheinen.
Es wäre eine verdienstvolle Arbeit, die Ornamente der Redware Pithoi
zusammenzustellen, wodurch sicli mancherlei Beziehungen zwischen den
genannten Culturkreisen ergeben dürften.
Die im Palazzo di Papa Giulio untergebrachte Sezione extraurbana
de! Museo Nazionale, die unter der Leitung Barnabei's steht, weist eine
Fülle altitalischer Grabfunde auf. In einem Räume sind sämmtliche
Pläne über die im Falisker Lande erfolgten Ausgrabungen ausgestellt.
In einem anderen Saale sind die Grabfunde vereinigt, welche aus der
Fig. 2. %
Fig. 1. 74
Fig. 3. V«
Nekropole von Monterano stammen. Es ist dies eine im Norden des
Territorio di Palerii gelegene kleine Anhöhe, die als der Ursitz der Falisker
gilt. Man Imt hier tombe a pozzo, a fossa und a camera (letztere mit
Sarkophagen darin) aufgedeckt. Die tombe a pozzo lieferten an den
Villanova-Typus erinnernde thönerne Aschenurnen mit Beigaben von
Bronzeschmuck. Von den tombe a fossa ergaben die ältesten in der
Technik ebenfalls ziemlich primitives Topfgeschirr, das in der Form und
in den Ornamenten ebenfalls manche Anklänge an die Hallstatt -Periode
aufweist. Bei einigen dieser Gefässe fällt der eigentümlich gestaltete
lusgusa ;nit'. der an die Schnabelkannen von Ilissarlik und Cypern er-
innert (Fig. 1). Ein GeTfäss (Fig. 2) stellt einen Untersatz für einen
bauchigen Topf dar. /nun Aufhängen kleinerer Gefässe sind Ilaken ans
Thon angebracht. Bei einem doppelhenkeligen Becher (Fig. 3) sind die
Vor- und Frühgeschichtliches aus dorn italienischen Süd. n u. ~. \v. 3
Buckeln mit Bronzeknüpfen geziert, die in den weichen Thon eingedrückt
wurden. Sic sind liier wohl den Nieten von Metallgefässen nachgebildet,
bezw. rein ornamental verwendet. In der reinen Steinzeit, in der bereits
vielfach Thongefässe mit Buckeln vorkommen, hatten Letztere ursprünglich
nur den Zweck, eine bessere Eandhabe für das Gefäss zu bieten; sie sind
nichts weiter als primitive Henkel. Schi' bald bildeten sich diese zu einem
Ornament heraus, das zur 1 lallstatt-Zeit eine ausgedehnte Anwendung
findet und bekanntlich die Keramik gewisser Culturkreise geradezu
charakterisirt. Audi ganz mit eingedrückten Bronzcplättchen bedeckte
Thongefässe finden sich unter dem Grabinventar der Falisker-Gräber der
vorgenannten Art. Ein Unicurn ist ferner eine Brandurne einfacher
konischer Form, deren Deckel einen aus Thon nachgebildeten Seim dar-
stellt. — Es erscheinen auch phönikische Emportstücke und später sodann
gefirnisste Vasen, auf <lie wir hier nicht weiter eingehen können.
Bezüglich dev musterhaft geordneten Funde, die in dem unter Leitung
von Pigorini stehenden Museo preistorico-etnografico untergebracht sind.
genüg! es. auf die in dem Bullettino di paletnologia Italiana niedergelegten
Berichte dieses verd ienst vollen Forschers und seiner Mitarbeiter Chierici
und Strobel hinzuweisen.
Im .Musen Nationale in Neapel ist die reiche Collection von Fibeln,
die sich in der Abtheilung der Bronzen befindet, für unsere Zwecke be-
sonders lehrreich, da sie uns gestattet, einen vollkommenen Ueberblhk
über die Entwickelung dieses chronologisch s<> wichtigen Geräthes in
Campanien zu gewinnen. Allerdings muss man sich die Mühe nehmen.
bei der Feststellung <\(>v Fundorte auf die Kataloge des Museums zurück-
zugehen, da die Gegenstände aus verschiedenen alten Sammlungen her-
stammen, worauf bereits Hr. Virchow (in dieser Zeitschrift 1883, Verh.
S. :il!>) aufmerksam machte
Für die älteste Geschichte Oampaniens sehr instruetiv ist ferner eine
Sammlung, welche die in <\f\' Nekropole des alten Suessula gemachten
Grabfunde vereinigt und sich im Landhause der Familie Spinelli bei
Gancello befindet. Durch die grosse Liebenswürdigkeit des Besitzers wurde
uns nicht nur eine genaue Einsichtnahme der Sammlung gestattet, sondern
es wurde auch eine Anzahl von Gräbern in unserer Gegenwart geöffnet.
Einen zusammenfassenden Bericht über die Nekropole von Suessula
gab F. von Duhn in den Römischen Mittheilungen 1887, S. 235 ff., ferner
in der Bivista di storia antica e scienze affini 1895, Nr. 3, p. 31ff.
Die ältesten Gräber, tombe a pietra, reichen darnach vom Ende
des VII. bis zum Ende des VI. Jahrhunderts, sie zeigen die bei den
Öakern allgemein geltende Sitte der Bestattung. Der Todte wird mit
reichen Beigaben in der blossen Erde oder in einem Holzsarge beigesetzt.
Die Beigaben bestehen aus Bronzeschmuck, besonders Fibeln, monochromen
r
4 0. Schoetensack:
Thongefössen mit eingeritzten oder erhabenen Ornamenten, bemalten Vasen
dee geometrischen, protokorinthisohen und korinthischen Stils, die theils
aber Kyme eiugeführt, theils nach griechischen Vorbildern im Lande ge-
fertigt aind, schwarzfisrurieen Vasen und Scarabäen. Ueber dem Grabe
erhebt sich ein Haufen von weissen Kalksteinen, der wohl als Monument
diente. Rings um diesen Steinhaufen finden sich rohe einheimische Thon-
gefässe mir den Resten des Leichenmahls, grosse Bronzegefässe, sowie
weitere, dem Inventar des Grabes selbst entsprechende Beigaben.
Im V. .Jahrhundert tritt dann, wohl durch deu Einfluss des nahen
griechischen Kvme veranlasst, neben der Bestattung der Leichenbrand
auf. Die Asche des Todten wird in einer Bronzeurne beigesetzt und
li.'-st' nebst einigen Beigefässen, meist attischer Provenienz, in einen würfel-
förmigen Behälter von vulkanischem Tuff, der innen roth ausgemalt ist,
gestellt. Damit die Gefässe einen festen Stand haben, sind für den Fuss
derselben jeweils Vertiefungen in dem Boden des Behälters angebracht.
Fibeln fehlen jetzt als Beigabe. Das Aufhören dieser tombe a cubo di
tuf o hängt wohl zusammen mit dem am Ende des Jahrhunderts erfolgten
Einbruch der samnitischen Stämme. Mau kehrt allgemein zur nationalen
Bestattnngsweise zurück, die übrigens nie ganz durch den Leichenbrand
verdrängt worden war.
Es erscheinen nun die bis zum Ende des III. Jahrhunderts reichenden
tombe a tufo o a mattoni. Der Todte wird in einem aus vulkanischem
Tuff gefertigten Sarkophage, bezw. in einem aus Tuffblöcken oder Ziegeln
zusammengesetzten Kistengrabe beigesetzt, das horizontal oder dachförmig
abgedeckt ist Diese Gräber bilden eine Fortsetzung der tombe a pietra.
Ebenso wie bei diesen finden sich auch ausserhalb des eigentlichen Grabes
zum Theil werthvolle Beigaben. Für diese Gräber ist die Mitgabe von
! laren für den Todten charakteristisch. Unter den Beigaben tritt die
Bronze zurück, und Ibsen tritt an deren Stelle. In dem Grabinventar
treffen wir neben Spiralfibeln, die sich an griechische Muster anlehnen,
altitalische Typen, wie halbkreisförmige, mit kurzem oder Langausgezogenem
Pusse, oft mit festsitzenden oder auch anhangenden Zierathen (Vogel-
figuren u. dgl.) versehen Fig. 1), ferner kahnförmige Fibeln, wozu wir
mit o. Tischler (Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns,
München 1881, 8.54) auch diejenigen rechnen möchten, deren ein lvreis-
i"iit bildender, ans gleich dünnem Draht wie die Nadel gefertigter
Bügel eine Anzahl von perlen- oder ringförmigen Schmuckgegenständen,
darunter Bernstein, trägt. Eine »deiche, mit einem Stück Bernstein ge-
eckte Fibel trafen wir auch im Neapler Museum unter Nr. 86 481,
Fundort Kyme. Schlangenfibeln kommen in mannichfacher Ausführung
vor. Diejenigen mit kugligen, knötchenartigen Verdickungen auf dem
B i.l auch \mi <>rsi in der der III. Sikeler- Periode angehörigen
Nekropol Finocchito bei Noto aufgefunden (Bullettino L894, Taf.IV, Fig. 8).
Vor und FrühgeschichtlicheB aus dem italienischen Böden d.s.w.
Einige Fibeln haben die Gestalt eines Hundes (Notizie degli Bcavi 1878,
Tut'. IV, Fig. 9), eine andere die Gestalt einer Zange (Fig. 5).1).
Die keramischen Erzeugnisse wurden theils direet importirt, theila
durch die griechische Einfuhr beeinfluset. Mit der Einnahme von Kyme
wird diese Periode unterbrochen; der attische Import hört auf, und die
Fig. 4. V,
Fig. o. Vi
Fig. 6. V»
Fig. 7. 7,
Fig. 8. >/4
&
Fig. it.
,-^-.
■ ^
einheimische Technik beginn! sich zu entfalten. Von den ältesten Producten
führen wir «'ine primitiv in Relief gearbeitete männliche Figur an, die der
Wandung eines dunkelgrauen Gtef&sses aufgelegt war Fig leider ist
1 Bezüglich der in den Grossherzoglichen vereinigten Sammlungen zu Karlsruhe be-
findlichen Funde von Su -suhi vergl. K. Schumacher's vortreffliche Arbeit: BBe-
Bchreibung der Sammlung antiker Bronzen*, Karlsrahe 1890.
0. Schoetensack:
hiervon nur ein Scherben erhalten. Dann treten Gefässe mit eingeritzten
Ornamenten auf, wie Fig. 7: eine mit eingeritzter doppelter Spirale gezierte
Amphora, und Pig. 8: ein becherartiges Gefäss mit eingeritztem knospen-
artigem Ornament. Dieselbe Form, aber in schönem gelblichrothem Thon,
zum Theil mit reichen Verzierungen, zeigen Fig. 9 und 10. Während auf
ersterem Gefässe noch rein geometrische Verzierungen angewendet sind. —
dir rings um den Hals angebrachten Buckeln sind wohl auf metallene Vor-
bilder zurückzuführen, — zeigt letzteres als Schmuck, wie es das Ansehen
hat, herabhängende, unten beschwerte Stoffzipfel. Die gleiche Verzierung
in eingedrückten, schnurartigen Strichen erscheint auf der Kanne Fig. 11. —
Eine Bausurne mit schrägem Dach hat an der Giebelseite eine viereckige,
an den Ecken etwas abgerundete Oeffnung. Andere Einzelheiten sind an
dem in Fig. 12 wiedergegebenen Häuschen nicht dargestellt.
Fig. 11. 74 .
Fig. 10. V4
9Jtl
9
<L
-±
Fig. 12. V,
Das 1!. Museo archeologico in Taranto weist neben den von P. Orsi
im Bullettino L890, p. L32, erwähnten monochromen, durch Findrücke in
den ('»'Hellten Thon geometrisch verzierten Gefässen ein umfangreiches
und äusserst Lehrreiches Material auf, das Beziehungen zu Sicilien
Castelluccio, I. Sikeler -Periode Orsi's), dann aber auch zu Mittelitalien
und selbst zu Oberitalien (Villanova) aufweist. Die meisten Gefässe der
Sammlung stammen indess aus den seil dem VIII. Jahrh. v. Chr. um den
Tarentinischen Meerbusen herum angelegten griechischen Ansiedelungen
oder sind doch sichtlich unter dem Einflüsse derselben entstanden.
Die ältesten Zeugen für die Anwesenheit des Menschen im Lande,
lilagene oder geschliffene Steingeräthe, scheinen noch nicht ihren Ein-
Vor- and Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s.w. 7
gang in das Museum gefunden zn haben1), was am so mehr zu bedauern
ist. als (loch in nächster Nähe am Marc piccolo di Taranto, sodann auf der
den Tarentinischen Meerbusen im Nordosten begrenzenden salentinischen
Halbinsel an zahlreichen Punkten geschlagene Feuersteinartefakte gefunden
sind. Giustiniano Nicolucci, im Bullettino 1879, p. 140, berichtet über
diese dem Richter Luigi de Simone in Leere gehörigen (iogenstünde.
Ks befinden sich darunter fein gearbeitete Pfeil- und Lanzenspitzen ans
Feuerstein, sodann auch Messerchen ans Obsidian. Geschliffene Stein-
geräthe enthält die betreffende Privatsammlung nicht, wie denn Nicolucci
überhaupt nur wenige geschliffene Steinbeile, darunter ein Xophritbeil, das
sich ebenfalls in seinem Besitze befindet, aus jener (legend bekannt ge-
worden sind. Eis tritt dazu noch ein bei Statte, Commune di Taranto.
gefundener Axthammer mit doppelkonischer Durchbohrung, ans einem
sehr dichten Kalksandstein gefertigt. Zufolge der von Colin i im
Bullettino 1892, p. 14!) erschienenen Abhandlung über „Martelli o mazzuoli
litici con foro rinvenuti in Italia" ist dies der einzige aus ganz Unter-
italien bekannt gewordene perforirte Steinhammer, und es erscheint be-
merkenswerth, dass dieser gerade in einer Gegend aufgefunden ist, aus
der auch von megalithischen Gräbern berichtet wird. Im südöstlichen
Theile der salentinischen Halbinsel befinden sich nehmlich nach Nicolucci
(Vol. WIM degli Atti dell3 Accademia Pontaniana; vergl. auch die Notiz
im Bullettino 1893, p. 346) noch sieben leidlich gut erhaltene Megalith-
gräber, die in ihrem Aufbau eine grosse Aehnlichkeit mit den im Norden
und Westen Europas, sowie auf Corsica vorkommenden haben. Als ihnen
besonders eigentümlich ist der Umstand zu bezeichnen, dass nicht alle
Wandsteine aus einem Stück bestehen. Die den Deckstein tragenden
Pfeiler sind vielmehr ziemlich häufig aus mehreren, bis zu fünf, auf-
einander gelegten, etwa 20 cm dicken Stücken hergestellt. Diese Bauweise
war natürlich nur möglich bei einem sich plattig absondernden Materiale,
wie es der in jener Gegend vorkommende Kalkstein darbietet. Aehn-
liches habe ich weder bei den von mir in Gemeinschaft mit Ed. Krause
auf das Eingehendste untersuchten Megalithgräbern Nordwestdeutschlands,
noch bei den vielen mir zu Gesicht gekommenen Abbildungen aus anderen
Ländern beobachtet. Ferner fällt mir bei den Dolmen von Otranto be-
sonders auf, dass die Wandsteine nieist sehr weit auseinanderstehen. s<>
dass sie Sänlen gleichen, auf denen der Deckstein ruht. Nur ein Grab,
das von Cande, zeigt leidlich gut aneinanderschliessende Wandsteine.
Die vielen, /.. B. bei dem Grabe von Grassi, um die Kammer herum
Liegenden Steine lassen in mir die Vermuthung aufkommen, dass die
Zwischenräume zwischen den Säulen vielleicht durch Steine ausgefüllt
\) Das von Orsi l c erwähnte geschliffene Steinbeil und einige Bronsewaffen
konnten mir nicht voreezeigl werden.
Q 0. Scuoetensack:
waren. Der ßich plattig absondernde Kalkstein eignet sich nehmlich ganz
vorzüglich zum Aufbau mörtelloser Wände, wie die im südlichen Apulien
aber -Ins ganze Land vertheilten, nach vielen Tausenden zählenden Rund-
bauten darthuen. Diese, bereits in dieser Zeitschrift 1881, Verh. 8. 135,
von Hrn. Virchow erwähnten, etwa 3w hohen, mit einem Eingang ver-
Behenen, üben in einem runden Zeltdach endigenden Schutzhütten für die
in den Olivenpflanzungen beschäftigten Arbeiter sind aus plattigem Wellen-
kalk ohne jedes Bindemittel kunstvoll aufgebaut. Die Dolmen der Terra
d'Otranto zeigen im Uebrigen nichts Auffälliges. Die Kammer, die meist
viui einem, zwischen 3 und hm langen Stein gedeckt wird (bei dem
Megalithgrabe von Grassi scheinen 3 kürzere, zusammen 5,50 m lange
Decksteine verwendet zu sein), ist stets über 1 m, in einigen Fällen bis
nahezu 3 m breit. Da die Wandsteine durch die auf ihnen ruhende Last
meist aus ihrer Lage gedrückt werden, so ist die ursprüngliche Breite.
wie ich mich bei der Untersuchung der Megalithgräber Nordwestdeutsch-
lands überzeugt habe, stets nur annähernd zu ermitteln. Die Kammer
ragi meist 1 m aus der Erde hervor; eine Orientirung nach einer be-
stimmten Himmelsrichtung scheint nicht stattgefunden zu haben. Alle
diese Monumente befinden sich so nahe der Küste, dass man das Meer
Von ihnen aus sehen kann. Nach der Angabe der dort ansässigen Land-
bewohner sind sie in früherer Zeit viel zahlreicher gewesen.
Ausser den Dolmen kommen in der Terra d'Otranto noch einzeln
aufgerichtete Steine (Menhirs) vor. Dieselben sind im Querschnitt vier-
eckig nml halien eine Höhe bis zu 4,40 w über dem Erdboden. Sie sind,
an einigen Orten gedrängter, meist aber vereinzelt stehend, über die
Balentinische Halbinsel hin zerstreut. Ferner finden sich auf dem ge-
Dannten Gebiete auch Tumuli, die aus Steinen bis zur Höhe von 10 ??^,
bei einem Durchmesser von 30 m an der Basis, errichtet sind. Eine
systematische Untersuchung dieser Hügel hat noch nicht stattgefunden.
Die grosse Seltenheit der durchbohrten Steinhämmer im südliehen
Indem und auf den [nseln (von Sardinien sind nur drei, von Sicilien nur
einer bekannl geworden . erklärt sich wohl durch den Umstand, dass das
Metall hier durch seefahrende Händler viel früher eingeführt wurde, als in
Oberitalien und in dem sich nördlich daranschliessenden Ländercomplex.
Bei uns im Norden bediente man sich noch viele Jahrhunderte hindurch
hliffener Steinhämmer, die man denjenigen aus Metall nachbildete, als
letzteres BChon Gemeingul der meisten Bewohner des südlichen [taliens
rorden war.
l ebrigens bal die den Tarentinischen Meerbusen im Westen begrenzende
B ta zahlreiche Funde von interessanten Steingeräthen ergeben, wo-
rübei im Bullettino L880, p. 77. 1890, p. L38 und in den Notizie degli
. ,, 53 berichtel wird. Ee finden sich dabei auch sogenannte
megalithische, durch Schlag hergestellte Feuersteinbeile vom Typus Saint-
Vor- und Frühgeschichtlichee aus dem italienischen Süden u. s.w. !»
AcIm'hI (yergl. darüber auch diese Zeitschrift lftKi. Verb, 8. 135), auf die
wir noch zurückkommen werden. Die von Lacava in der Lucania
letteraria (März L885) beschriebenen kyklopischen Mauern, die sich auf
isolirten Bergkegeln des (iebirges noch in ansehnlichen Resten erhalten
haben, weisen darauf hin, Mass hier noch mancher A.ufschlüss durch den
Spaten zu erwarten ist.
Einen allenfalls an die Steinzeit erinnernden Gegenstand aus < l«'iu
Tarentiner Museum wollen wir nicht unerwähnt lassen: Es isr dies der
durchbohrte kegelförmige Zahn eines Potwals (IMivseter macrocephalus).
Dass dieser Zahn als Schmuck gedient hat, wird durch die an dem einen
Ende ausgeführte Bohrung wahrscheinlich. In der Brüsseler Sammlung
befinden sich unter den belgischen Höhlenfunden zahlreiche derartige
Artefakte
Fig. 13. V,
Fig. 14. »/,
>
In Bari, dessen Museum nichts von steinzeitlichen Funden aufzuweisen
hat, obgleich in der Provinz Bari umfangreiche Funde der neolithischen
Periode gemacht sind (cf. Bullertino 1S7<>. p. l'OT . fand sich noch Gelegen-
heit, eine interessante Sammlung von Feuersteingeräthen zu besichtigen,
die von dem Monte Gargano stammen. Sir wurden von einem dorr an-
sässigen Geistlichen gesammelt und befinden Bich jetzt im Besitze des
Hrn. .Morelli. der Besitzer einer Apotheke in Bari ist und zugleich eine
naturwissenschaftliche Lehrthätigkeit daselbst ausübt. Ausser einem durch
Schleifen hergestellten cvlindrischen. Aber 30 cm Langen Feuersteingeräth,
das einem zugespitzten Stabe gleicht, isr eine Serie von mehreren hundert
geschlagenen Silex-Instrumenten vertreten, worunter zwei grosse Heile vom
Typus Saint- Acheul besonders hervorzuheben sind. Das eine, durch die
Liebenswürdigkeit des Hrn. Morelli in den Besitz, des Verfassers über-
gegangene Artefakt, dessen Form Bich ans der beifolgenden Abbildung
(Fig. 13) ergiebt, ist 185 mm lang und an einem Ende s-"> mm breit Das
1(1 0. Schoktensack:
rial ist, wie der frische Bruch zeigt, ein dunkelgrauer Feuerstein.
Die Flächen des Beiles zeigen eine gelblichweisse, schwachglänzende
Patina, die in relativ dicker Schicht aufliegt. Da diese auch die abge-
brochene äasserste Spitze bedeckt, so ist das Instrument offenbar schon
zur Zeil des ( iebrauches schadhaft geworden.
Im Bullettino L876, Taf. IV (siehe auch den Text desselben Jahrgangs
]i. 122 und 228) ist ein ebenfalls durch Schlag hergestelltes Feuersteinbeil
abgebildet, das bei Ceppagna, Provincia di Molise, gefunden wurde und
in auffälliger Weise dem unserigen gleicht, nur ist es noch etwa 50 mm
länger. Audi aus den Abruzzen, ferner aus den Provinzen Umbria, An-
cona, Bologna, Parma und Verona (Bullettino 1878, p. 129) sind derartige
Funde bekannt geworden. Wir haben also längs der adriatischen Küste
vom Po-Gebiete an bis zum Golf von Taranto eine fortlaufende Kette
derselben.
Bei Erwähnung eines Feuersteinbeiles vom Typus Saint- Acheul, das
mir anderen neolithischen Artefakten zusammen im Veronesischen gefunden
wurde, macht Pigorini (im Bullettino 1886, p. 97) darauf aufmerksam,
dase in Italien besagter Typus vielleicht überhaupt nicht nur der paläo-
lithischen Epoche zuzuzählen ist, sondern dass derselbe auch noch einer
Bpäteren Periode anzugehören scheint, so dass sich also paläolithische und
neolithiBche Typen gemischt vorfänden. Eine ähnliche Ansicht sprach
• I. Allen Brown in seiner im Journal of the Anthropol. Institute of Great
Britain and [reland 1892 veröffentlichten Abhandlung: „On the continuity
of the palaeolithic and neolithic periods" in Bezug auf England aus. Wie
aber Professor Boyd Dawkins in derselben Zeitschrift 1894 in einem
Aufsatze: „Od the relation of the palaeolithic to the neolithic period" aus-
führt, können die von J. Allen Brown vorgebrachten Beweise für die
Continuitäi der Weiden Perioden nicht als stichhaltig angesehen werden,
da die betreffenden Funde, auf die sich letztgenannter Forscher stützt,
»ich nicht mehr in primärer Lage befanden. Boyd Dawkins hält viel»
mehr daran lest, dass die paläolithische und die neolithische Periode für
.in/. Europa streng von einander zu trennen sind.
Gerade Italien, und besonders der dem adriatischen Meere zu gelegene
rhcil. dürfte imch berufen sein. iH dieses noch nicht genügend aufgehellte
Gebiet1} Licht zu bringen, sobald die Fundumstände der sogenannten
megalithischen Feuersteinbeile, darunter auch derjenigen des Monte Gargano,
i erforsch! Bein werden.
1) Bekanntlich sind neuerdings auch in Africa, im Somallande, durch 11. W. Seton-
irr zahlreiche Steinger&the aufgefunden, die Sir John Evans als paläolithische hestimmt
Wese Artefakte scheinen ich nicht von den in Europa und Asien aufgefundenen
leichen Epoche zu unterscheiden, und man ist geneigt anzunehmen, dass zwischen
den Bewohnern der drei Erdtheile in paläolithischer Zeit ein Zusai enhang bestand.
\ .in. of the Anthrop. Institute Vol. \\V Februar? 1896) p. 271— "i4 und Procee-
Boyal Bocietj Vol. LX, p. 19.
Vor- und Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u.s. w. 1]
Bei Cotrone, das wie Taranto im Bereiche des pliocänen Kalkes ge-
legen ist, nähern wir uns dem Granitmassrv des bis zu 1930m ansteigen-
den Silagebirges, welches im nordöstlichen und südwestlichen Theile kry-
Btallinische Schiefer aufweist. Die Privatsj Lung ; des Marchese Lmifero
in ('(»treue gab uns Gelegenheit, die Gesteine dieser Formationen in den
in der Umgegend gefundenen Steinbeilen kennen zu Lernen. Es möge
daraus das in Fig. 14 abgebildete, aus schieferigem Gestein gefertigte
Artefakt hervorgehoben werden, das eine ringsumlaufende Rille aufweist.
die, wie man dies ans analogen (ieräthen amerikanischer Naturvölker ent-
nehmen kann, zur Befestigung eines Stieles gedient hat. Hr. Deich-
müller beschreibt in dieser Zeitschrift 1895, Yerh. S. 13c ein derartiges,
in der Dresdener Sai lung befindliches Werkzeug, das von einem nord-
amerikanischen [ndianerstamme herrührt, und Hr.A. Vossführt.verschiedene
Fundorte derartiger, mit Rillen versehener Steingeräthe auf, die zum Theil
Hache oder abgerundete Schlagflächen zeigen1). Es werden genannt:
Hissarlik (zweite Stadt). El Argar in Spanien, das Kupferbergwerk auf
dem Mitterberge bei Bischofshofen im Salzburgischen, Böhmen, die
preussische Provinz Sachsen und Scandinavien. Da diese Funde mehrfach
in Bezirken gemacht sind, in denen früher Bergbau betrieben wurde, so
nimmt man an. dass die Werkzeuge dort zum Zerkleinern von Erzen
gedient haben. Qebrigens ist ein solches Geräth auch besonders geeignet
zum Eintreiben von Holznägeln oder zum Zermalmen von Knochen, wie
denn muh Hrn. R. Virchow der Führer der nordamerikanischen inter-
nationalen Polar-Expedition nach Point Barrow, Mr. .lehn Murdoch, eine
derartige Verwendung der von ihm mitgebrachten Rillenhämmer seitens
der Eingeborenen angiebt. Das Steingeräth von Cotroue ist an dem einen
Ende mit einer spitz zulaufenden Schneide versehen und dürfte demnach
mehr zum Spalten von Holz oder dergl. gedient haben.
Die übrigen in besauter Privatsammlung befindlichen Steinbeile sind
entsprechend den durch die Flüsse aus den Hergen herabgeschwemmten
Gerollen vielgestaltig; am Bahnende mehr oder weniger verjüngt, nähern
sie sich meist A*'v Mandelform; aber auch ganz flache, annähernd oblonge
Formen kommen vor. Der Querschnitt ist (lachoval bis fast kreisrund: ein
viereckiger Querschnitt ist nicht dabei.
ferner befindet sich in der Sammlung des Marchese Lucifero eine
Kupferaxt ;der strich zeig! wenigstens die rothe Farbe des Kupfers, eine
genaue Untersuchung wäre erwünscht), die wegen der eigenartigen, durch
Punziren auf den Flächen hergestellten Zeichnung, die unsere Abb. Fig. 15
l Nebenbei mag hier ilie Bemerkung Platz linden, dasa die Steinaxt aus Catania,
die Freiherr von A inlri a n in seinen «Prähistorischen Stadien aus Sicilien" abbildet, sieb
nicht, wie in dieser Zeitschrift a.a.0 rermuthel wird, in der Wiener Sammlung, Bondern
im Museo naaionale in Pal< io befindet, ebenso wie die durch von Andrian abgebildeten
Thongefässe aus Sicilien.
12
0. Schoetensack:
infolge des reducirten Maassstabes mangelhaft wiedergiebt1), bemerkenswerth
erscheint. Die Axt wurde in der Gegend von Cosenza gefunden. Auf der
Fig. 15. V,
Fig. 17. 3/8
16. s/8
1 D Striche und alle in Zickzack- bezw. Wellenlinien ausgeführt zu 'lenken, wie
inie der baumartigen I s or
Vor- and Frühgeschichtliches aus dem italienischen Süden u. s. w. 1;;
einen Seite derselben sind bäum- oder federartige Figuren dargestellt, die
/.um Theil durch eine starke Patina zugedeckt sind, auf der anderen Seite
erscheinen vier mir den Ecken zusainnienstossende Quadrate, zwei schräg-
liegende Kreuze und ein kleines, gerade stehendes; das daneben liegende
Feld lässr wegen der Patina die Zeichnung nicht erkennen.
Eine andere bronzene ? Axt ähnlicher Gestalt, aber ohne Verzierungen,
befindet sich in der Sammlung des Marchese Albani in Cotrone. K> ist
dies ein Grabfund von Spezzano Albanese, ebenfalls aus der Gegend von
Cosenza. Die Albani 'sehe Sammlung enthält auch eine Anzahl kunstvoll
gearbeiteter, Ins zu 15 cm Langer prismatischer Messer aus hellgrauem
durchsichtigem Feuerstein mit Schlagmarken am breiten Ende der Eaupt-
fläche. Die Abbildung eines solchen gehen wir in Fig. KJ wieder. Diese
Feuerstein -Artefakte stammen von Policoro in der Basilicata; das Roh-
material wird wohl den in dieser Provinz anstehenden mesozoischen
Schichten entnommen sein.
Ueber die Funde von Steingeräthen in Calabrien besitzen wir werth-
volle Nachrichten von 1). Lovisato, früher im Lande seihst domicilirt.
jetzt Professor der Mineralogie an der Universität in Cagliari auf Sardinien.
In den Mein, della R. Accademia dei Lincei, 1885 und in den vorauf?
gehenden Jahrgängen, sowie im Bullettino 1889 und 189d sind 388 ge-
schliffene Steinheile beschrieben, die zum weitaus grösseren Theile in der
Provinz Catanzaro, zum kleineren Theile in der Gegend von Cosenza und
ßeggio gefunden wurden. Wie allenthalben ist ausgesucht zähes und
hartes Material dazu verwendet: Porphyr, Diorit, Tremolit, Nephrit f-*))1).
Sillinianit. Eklogit, .ladtut (2), Chloromelanit (1). Serpentin ist nur wenig
gebraucht, ebenso sind jüngere vulkanische Gesteine sehi selten unter den
Artefakten. Die verhältnissmässig grosse Anzahl von Funden geschliffener
Steinbeile, sowie auch in der Gegend von Squillace aufgefundener Werk-
zeuge aus geschlagenem Feuerstein (Bullettino 1883, p. 115) beweist
jedenfalls, dass Calabrien. und besonders das um den Golf von Squillace
gelegene (iebiet. schon in einer >ehr weit zurückliegenden Zeit nicht
Spärlich besiedelt war.
Das städtische Museum von Reggio di Calabria weist eine ziemlich
38e Anzahl geschliffener Steinbeile auf, deren Material aus dem Gneiss-
gebiete des Asproinonte stammt. Es sind namentlich aus dein Gebirge herab-
awemmte Amphibolgesteine verwendet, die im Querschnitt meist noch
die Geröllform erkennen lassen. Ein fein polirtes grünliches Steinbeil
(Fig. 17 weist der Länge nach einen Schnitt auf und zeigt also eine vor-
geschrittene Technik. Ein nirgends mit einer Schneide versehenes Gneiss-
artefakt [Fig. ls) gleicht den von Schliemann in Eissarlik gefundenen,
1 I >it* in Klammem gesetzte Zalil bedeutet die Anzahl der von dem betreffenden
Mineral.- gefundenen Beil« bezüglich Nephrit heissl es: „Ventisei oggetti di nefrite o
minerale aefritoide o aefr e impura."
14
0. SCHOETENSACK :
dem Körper einer Violine nicht unähnlich aussehenden Gegenständen.
Ausserdem treten uns hier Messerchen aus dunkelgrauem Obsidian ent-
\,,n denen Fig. 19 und 20 .'ine Vorstelluno- geben mögen. Die
eine Seite dieser zierlichen Instrumente stellt eine convex gebogene Fläche
dar, während auf der anderen Seite mehrere zum Theil concav verlaufende
Flächen erscheinen.
Fig 18
Fig. 19. 74
Piff. 20. 3
Nach Mina Palumbo (ßullettino 1875, p. 165) kommen Obsidian-
messeT auf dem coutinentalen Theile Italiens nördlich bis zum Po-Gebiete
vur. sodann auf Sicilien (die Gegend südlich von Cefalü weist die meisten
Fundorte auf, im Innern der Insel ist Caltanisetta zu nennen). Sardinien.
Capri, Pianosa und Elba. Vereinzelt sind auch Nuclei von Obsidian
oebst abgespaltenen Messerchen gefunden worden, so bei Reggio di Calabria
und bei Ruvo. Die Farbe des von den Liparischen Inseln stammenden
Obsidian isi silbergrau bis sammetschwarz, auch olivenfarbig oder weiss
perlfarbig. Die flaschengrüne Varietät kommt weder auf Lipari, noch
Bonstwo in [talien vor; Funde derartiger Obsidianartefakte lassen also auf
[mporl aus anderen Ländern schliesseu. Die bis jetzt in Italien ge-
fundenen Obsidianwerkzeuge scheinen alle der neolithischen Zeit anzu-
gehören.
Von vurgriechischen Thongefässen aus dem .Museum von Reggio sind
einige bereits im Bullettino 1890, p. 48 beschrieben. Es befindet sich
darunter ein in der Form gefälliges, mit Graphit überzogenes. Haches
Gefäss, das auf dem oberen Theile der konisch gestalteten Ausbauchung
mit drei Buckeln geschmückt ist. Andere gleichzeitig aufgefundene Ge-
e Bind roher gearbeitet. —
\un Sicilien, das wir nunmehr betreten, ist nur das Peloritanische
das den nordöstlichen Zipfel der Insel einnimmt, aus dem gleichen
u, wie <\<'f gegenüberliegende Aspromonte, aufgebaut; der übrige
Theil des Eilandes bestem1 der grossen Hauptsache nach aus tertiären
die ausser den Schwefel und Steinsalz führenden Gypsen Kalk-
Vor- and Frühgeschichtliches aus Sicilien. [5
unil Sandsteine, Mergel and Thone aufweisen. Cretacische and jurassische
Bildungen treten nur vereinzelt auf. Basalte, die im Bereiche des Aetna
und des Y;il di Noto zu mächtiger Entwickelung gelangten, Bind in kleineren
Lagern über einen grossen Theil von Sicilien verbreitet. An geeignetem
Rohmaterial füi die zu schlagenden und zu schleifenden Steinwerkzeuge
fehlte es hier also nicht.
Der südöstliche Theil der [nsel, die Provinz Syrakus, ist von T * ; i * » 1 * »
Orsi in geradezu mustergültiger Weise durch den Spaten erforscht. Seit
dem Jahre 1889 ist dieser Gelehrte in ebenso unermüdlicher und ent-
behrungsvoller, wie zielbewusster Arbeit damit beschäftigt, dort Grabungen
ausführen zu lassen, welche die bisher nur spärlich gebrachten Nach-
richten über die älteste Bevölkerung- Siciliens in dankenswerther Weise
vervollständigen. Eine -rosse Anzahl von Nekropolen, sowie auch eine
Ansiedelung der Sikeler, mit denen wir fortan die Sikaner in Hinsicht
ihrer Cultur identificiren können, wurde systematisch untersucht. Die
aufgefundenen Gegenstände sind im Königlichen .Museum zu Syrakus
vereinigt. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind im Wesentlichen
folgende:
Die ältesten ( 'u It urreste . die zum Theil aus natürlichen Grotten zu
Page gefördert wurden, zeigen uns ein." aoeh ganz in der Steinzeit lebende
Bevölkerung, deren Werkzeuge und Waffen aus geschlagenem Kiesel, ge-
schliffenem Basalt und bearbeitetem Bein bestanden. Die von den Mahl-
zeiten zurückgebliebenen Knochen rühren von Hausthieren her. die. der
Skeletbildung nach zu urtheilen, halbwild lebten. Es sind vertreten:
Wildziege. Schaf. Rind, eine grössere (Bos primigenius domesticus?) und
eine kleinere Rasse (Bos braehyceros Rütimeyer?), Schwein Sus palustris
Rütimeyer), sowie zwei Varietäten des 1 laude-, eine kleinere (Canis
Spalletti, Strobel?) und eine grössere (Canis palustris Rütimeyer). Ausser-
dem sind gefunden Koste von Mustela und vereinzelt Muschelabfälle.
Eigentliche Waldthiere fehlen. Die Keramik beschränkt sich auf die
Herstellung von ( refässen . die aus freier Hand geformt, mit zum Theil
weiss ausgefüllten Eindrücken geometrischer Figuren überladen und hei
offenem Feuer gebrannt sind.
Von der durch diese Funde nachgewiesenen, im eigentlichen Sinne
prähistorischen Bevölkerung verschieden war die sikelische, die den Nach-
richten der Alten zufolge ihre Dörfer mit Vorliebe auf steilen, schwer
zugänglichen Höhen anlegte. Ihre einstige Existenz bezeugen uns fast
nur noch die zahlreichen Grabkammern, die meist in die abfallenden Fels-
wände unterhalb der Ansiedelungen eingehauen sind. Die Oeffnung der
Kammer ist gewöhnlich senkrecht augelegt, und es musste deshalb bei
schräg abfallendem Felsen ein nach «dien offener Vorraum geschaffen werden.
Wurden die Gräber Lusnahmsweise nicht in einen Ä.bhaug eingearbeitet,
wie auf Plemmyrion und theilweise auf Thapsos, so wurde ein senkrechter
1 ); 0. SCHOETENSACK:
Schacht hergestellt, und von diesem aus führte eine seitliche Oeffnung in
die Kammer. Der Verschluss des Einganges geschah durch Platten, welche
meist in Falz." eingelassen, durch eingekeilte Steinsplitter befestigt und
vielfach aoeh durch Trockenmauern gesichert wurden. Die Zahl der un-
berührten Gräber, welche wissenschaftlich erforscht werden konnten, ist
nur gering.
Wenn auch die meisten Gräber in früherer Zeit schon geöffnet und
zum Tlieil ihres Inhaltes beraubt wurden sind, so gestatten doch die noch
übrig gebliebenen Gegenstände, sowie die Construction der Gräber selbst,
in der Cultur der Sikeler drei Perioden zu unterscheiden1), und die erste
derselben mir der Zeit der Cultur von Hissarlik (Troja), die zweite mit
der darauffolgenden mykenischen Epoche (etwa, 1500—800), die dritte mit
der erneuten Herrschaft des geometrischen Stils in Griechenland (etwa
1000 700) gleichzusetzen.
In der ersten Periode sind die Grabkammern eng und niedrig
(Höhe etwa 1 m, Bodenfläche etwa 2 gm). Sie haben im Grundriss und
Durchschnitt eine anregelmässige Gestalt und lassen sich in ihrer Form
etwa mir einem Backofen vergleichen. Die Aushöhlung wurde, nach einigen
i,, den Gräbern gefundenen, abgenutzten Basaltbeilen zu urtheilen, haupt-
sächlich wohl mir diesem primitiven Werkzeuge ausgeführt. Wie Hr. Orsi
uns mitzutheilen die Güte hatte, haben die durch ihn vorgenommenen
praktischen Versuche ergeben, dass mit diesen Instrumenten allein die
Arbeit kaum hergestellt werden konnte. Es ist deshalb auch an die an
anderen Orten aus vorgeschichtlicher Zeit beobachtete Absprengung des
eine durch Erhitzung und schnell darauf erfolgende Abkühlung zu
denken. In der Kammer, zu welcher eine 50*— 75 cm hohe fensterartige
Oeffnung von viereckiger Gestalt führt, war eine grössere Anzahl von
Leichen untergebracht. Sie wurden in hockender Stellung vielfach an die
Wand .-dehnt und mir zahlreichen Thongefässen versehen, so dass sie wie
zu einem Mahle vereinigt erscheinen. In mehreren Fällen fand man aber
auch die Kammer buchstäblich mit Skeletten vollgepfropft. Dass die
Leichen vor der definitiven Beisetzung skelettirt wurden, wird von
Hrn. Orsi [Bullettino 1892, p. 81) in einzelnen Fällen als wahrscheinlich
angenommen. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür habe ich aber nirgends
linden können.
1 |ij,- neolithischc vorsikelischc Periode mit folgenden Fundorten: Stenti-
nello, Palazzolo, Vereide und mehrere Punkte in unmittelbarer Nähe vom Syralcus.
I lie .i eneolithische ri od e:
polen: Melilli, Bernardina, Cava della Signora (Castelluccio), Cava della
chiera and * Jolle Tabuto bei Ra usa.
I lie iL* li che Ni< derla - ung von < la itelluccio.
: Bronzezeil anj zweite Sikeler-Periode mil den Nekropolen:
Pleu Kfolinello, Cozzo de! Pantaao, Milocca, Pantalica und Thapsos,
Dil i h i ehörige dritte Sikeler-Periode mil den Nckro-
polen: Pantalica), Tremenzano, Pinocchito.
Vor- and Frühgeschichtliches aas Sicilien. 17
Die den Todten mitgegebenen Schmuckgegenstände sind Behr primi-
tiver Natur. Fs finden sich aus Stein <><!<•]• einheimischem fossilen Harz
hergestellte Perlen und ringartige Scheibchen, ganz kloine mit einem
Loch zum Anhängen versehene Steinbeile und Muscheln, ein durchbohrter
Haifischzahn u. dergl. Bronze kommt äusserst selten vor und nur als
Sckmuck; es fanden sich längliche doppelkonische Perlon. Koste einer
dünnen Spirale und Aehnliches. In einem völlig unberührten Grabe wurde
auch ein halber Eiseurin",- gefunden. Diese Metallsachen sind sehr wahr-
scheinlich eingeführt, ebeuso wie die kunstvoll gearbeiteten Knochenplatten.
die auf ihrer Oberfläche in einer Reihe angeordnete, an Scarabäen er-
innernde, knopfartige Erhebungen zeigen und in dieser Zeitschrift 1891,
Verh. S. 411 abgebildet sind. Wie Hr. Virchow ebendaselbst ausführte,
kennen wir ähnliche Knochenarbeiten aus Hissarlik.
Bei den in den Gräbern gefundenen Thongefässen, die ohne Töpfer-
scheibe gearbeitet und bei offenem Feuer gebrannt sind, kann man zwei
Gattungen unterscheiden: Erstens Gefässe meist von kleineren Dimensionen.
welche nur die braune Farbe des Thones zeigen und selten durch ein-
gedrückte oder eingestochene Ornamente verziert sind. Zweitens Gefässe
aus gelblichem oder hellröthlichem Thon mit einem gelblichen oder lebhaft
rothen Parbüberzuge. Sie sind durch erhabene Bänder oder durch schwarz-
braun aufgemalte, oft der Flechtkunst entnommene, geometrische Zeich-
nungen geschmückt. Unter den mannichfaltigen Formen der Vasen sind
hervorzuheben doppelkonische Kelche und ein- oder zweihenkelige Becher
von gefälligem Aussehen.
Die Erforschung der Abfälle einer sikelischen Niederlassung bei
Castelluccio vervollständigt das Bild, welches die Gräber ergeben. Es
fanden sich Knochen vom Rind (die beiden schon in der neolithischen
Periode erwähnten Rassen), Schwein. Schaf, von der Ziege und vom Edel-
und Damhirsch, vereinzelt auch vom Hund und Pferd. Ferner wurden
/.ahlreiche Silexmesser, abgenutzte Basaltbeile, eine elliptische, als Hand-
mühle gedeutete Basaltplatte, wie ähnliche aus Troja und Therasia bekannt
Bind, zu Werkzeugen verarbeitete Knochen, auch eine verzierte Knochen-
platte, wie die oben erwähnten, zahlreiche Gefässscherben, thönerne Spinn-
wirtel und hornförmige, vielleicht als Talisman gebrauchte Gegenstände
gesammelt.
In der zweiten Tori od e wird die Grabkammer geräumiger: sie hat
meist einen kreisrunden oder leicht elliptischen Grundriss mit einem
mittleren Durchmesser vi '_'."> •"• m und eine etwa 1,5 in hohe, vielfach
kuppeiförmige Decke, wie die Tholoi des mykenischen Culturkreises.
unten an der Wand lauf! eine niedrige Bank hin. laue o>\^r mehrere, in
regelmässigen Abständen angelegte Nischen und eine Vorkammer erweitern
den Kaum des Grabes. Die Eingänge werden etwas _ und nähern
Meli der Thürform. Bemerkenswesth ist. dass in einigen Gräbern der
Zeitschrift lur Ethnologie. Jahrg. 1897. *_'
jg 0. Schoetensack:
Nekropole von Thapsos, welche eine jüngere Phase dieser Periode dar-
stellt, sowohl der Eingang der Kammer wie das aus gut behauenen Steinen
hergestellte Thor des Vorraumes architektonische Gestalt bekommen haben.
Ebenda finden sich Quadennauern als Stütze der Decke oder als Ver-
kleidung des Einganges. Die gute Arbeit der Steinblöcke und der Ver-
Bchlussplatten ist bedingt durch die Anwendung von Metallwerkzeugen.
Die Vervollkommnung der Technik wird auf denselben fremden Einfluss
zurückzuführen sein, der sich durch die Funde der Gräber selbst genauer
feststellen lässt.
Für die Art der Beisetzung der Todten ist auch in dieser Periode
noch die Vorstellung eines Mahles massgebend. Sie werden im Kreise
herum hockend oder sitzend bestattet. In der Mitte stand gewöhnlich ein
grosses Gefäss, welches wahrscheinlich ein Getränk enthielt; kleinere Ge-
fässe neben den Todten sollten als Schöpf- und Trinkgeschirr sowie als
Speiseteller dienen. In Thapsos findet sich als Uebergang zur dritten
Periode auch die Bestattung in ausgestreckter Lage; die Schädel der
Todten sind nach der Peripherie der Kammer gerichtet.
Die beigegebenen, technisch noch ebenso wie in der ersten Periode
unvollkommenen, einheimischen Thongefässe zeigen, abgesehen von ge-
wissen Beziehungen zur früheren Keramik, in ihr^n Formen eine auffallende
Anlehnung an metallische Vorbilder. Charakteristisch sind kesseiförmige
Gefässe mit hohem, scharf abgesetztem Fusse und hohen verticalen, oben
in zwei Hörner endigenden Griffen oder mit spitzohrenförmigen Henkel-
ansätzen. Die Bemalung verschwindet, an ihre Stelle treten eingeritzte
und eingedrückte oder in Relief aufgesetzte Ornamente; nur vereinzelt
sind die Versuche, Thiere und den Menschen darzustellen. Auch aus
Thon sehr roh geformte Idole sowie Nachbildungen von Sesseln, die als
Spielzeug für Kinder gedeutet werden, sind hier zu erwähnen. In Form
and Technik scheiden sich deutlich von den einheimischen keramischen
Producten die vielen eingeführten mykenischen Gefässe.
Aus dem Oulturkreise von Mykenae stammen auch die zahlreichen
Bronzebeigaben, neben welchen die Steingeräthe mehr und mehr zurück-
treten. Es fanden sich Schwerter, Dolche, Messer, Meissel, Violinbogen-
fibeln und die ersten Schlangenfibeln. Auch Reste von Metallgefässen,
welche, wie wir oben annahmen, die einheimische Keramik beeinflussten,
wurden aufgelesen. Die Einwirkung mykenischer Kunst zeigen ferner die
mit sculpirten Spiralmotiven verzierten Verschlussplatten zweier der zweiten
Periode zuzuzählenden Gräber von Castelluccio. — Eisen tritt in dieser
he nur in spärlichen Resten auf.
In der dritten Periode wird die Grabkammer wieder etwas kleiner.
rundriss ist quadratisch oder rechteckig, mit einer Fläche von etwa
Die Decke ist eben. Die Höhe der Kammer beträgt ge-
wöhnlich kaum Im. Der Eingang ist eine wirkliche kleine Thür von
Vor- und Frühgeschiclitliches aus Sicilien. 19
ungefähr 0,75 m Höhe. Die Verschlussplatte wurde zuweilen durch einen
Querbalken, dessen Einlasslöcher noch an den Seiten des Einganges zu
sehen sind, gehalten. Unten an einer Wand der Kammer ist eine niedrige
bankartige Erhöhung im Stein ausgearbeitet. Auf ihr ruhte der Kopf des
nun immer in ausgestreckter Lage bestatteten Todten. Die Kammer barg
Fielfach nur ein, in der Regel nicht mehr als drei Skelette.
Steinwerkzeuge kommen nicht mehr vor; jedoch erhält der Todte
noch Gefässe, Gebrauchs- und Schinuckgegenstände mit in das Grab. Die
einheimische Keramik sinkt immer mehr. Sie beschränkt sich auf die
Herstellung schüsselartiger Gefässe, bauchiger Töpfe mit cylindrischem
Halse und spitzen, schon in der zweiten Periode vorkommenden Henkel-
ansätzen, Kannen mit runder oder dreiblattförmiger Mündung (wohl in
Nachahmung griechischer Vorbilder). Die Bemalung der Gefässe ist ganz
verschwunden, und auch die Verzierung durch Einritzung ist spärlich.
Noch gebraucht der einheimische Töpfer keine Scheibe oder höchstens
eine ganz primitive Drehvorrichtung; auch der Brand bei geschlossenem
Feuer ist ihm noch unbekannt. Der Niedergang der einheimischen Töpfer-
kunst erklärt sich durch den immer stärker werdenden Import griechischer
Gefässe, die sich von den Producten jener durch die vollendete Technik
und die Bemalung unterscheiden. Man glaubt zwei Gattungen zuerkennen:
Gefässe von fein geschlemmtem hellem Thon, die aus dem griechischen
Osten zu stammen scheinen, und solche von einem etwas gröberen, mit
feinen Lavastückchen gemengten Thon, die wohl im Lande selbst von
Griechen hergestellt sind. Es kommen Schüsseln und flache Schalen mit
verticalen oder horizontalen Henkeln, Kannen mit Dreiblattmündung und
schlauchförmige Gefässe, sogenannte Askoi, vor. Als Verzierungen finden
sich in brauner Firnissfarbe aufgemalt umlaufende Striche und Bänder.
Zickzack-, selten Wellenlinien, sodann senkrechte Striche, welche metopen-
artige Felder abgrenzen, und als Füllung der letzteren Zickzack- oder
wellenförmige Linien. In diesem Zusammenhange sind noch als vereinzelte
Funde von Castelluccio. das in der Hauptmasse seiner Gräber übrigens
der ersten Periode angehört, zwei Scherben mit concentrischen Kreisen
und Darstellungen von Vögeln zu erwähnen. Diese Gefässe gehören dem
geometrischen Stile an, der für uns besonders durch die Funde am Dipylon
bei Athen repräsentirt wird, und weisen damit für die Chronologie der
Gräber auf das neunte oder achte Jahrhundert Vielleicht noch in den
Anfang des siebenten Jahrhunderts gehören zwei geometrische Gefässe der
sogenannten protokorinthischen Gattung, eine Schale und ein Becher.
Ebenso, wie diese Gefässe, sind auch die Gegenstände aus Metall den
Sikelern von missen zugegangen. Neben den Schlangenfibeln der gewöhn-
lichen Form kommen solche mit knötchenartigen Ansätzen am Bügel vor.
Am häufigsten aber sind die Kahnfibeln. Eine grosse Spirale gehörte
vielleicht einer Fibel an. deren Form uns besonders aus Griechenland
20
0. Schoetensack:
bekannt ist. Als weiteren Schmuck erhält der Todte Armringe aus Draht
in mehrfachen Windungen, Fingerringe, .Kettchen und bikonische Perlen,
welche schon in der ersten Periode vorkommen, in der zweiten dagegen
fehlen. Diese Dinge sind aus Bronze hergestellt. Neben ihr findet sich
nun schon häufig das Eisen, das sowohl zu Schmuckgegenständen (Schlangen-
fibeln, Hingen), als auch zu einschneidigen Messerklingen verarbeitet ist,
deren Form sich nicht an die früheren Bronzemesser anschliesst. Scarabäen
und Perlen aus einer bläulichen Pasta erscheinen zuerst in dieser Periode:
ob sie von Griechen oder Phönikern eingeführt sind, lässt sich bis jetzt
noch nicht entscheiden.
Zu dieser dritten Sikeler- Periode gehören auch die Felsengräber bei
Cassibile (= Kakyparis), die wir auf der Abbildung Taf. I erblicken*).
Dieser von Syrakus etwa 13 km entfernte Ort ist mit der in südlicher
Richtung nach Xoto führenden Eisenbahn leicht zu erreichen. Wir be-
dienten uns aber eines Gefährtes, um gleichzeitig auch den Genuss der
prächtigen Landschaft zu haben. Durch Oliven- und Agrumenpflanzungen
führte uns der Weg anfangs vom Meere ab hinter der Penisola della
Maddalena vorbei, bis wir uns diesem wieder genähert hatten und zwischen
ihm und dem Colle Spineta in dem Orte Cassibile Halt machten. Von
hier aus marschirten wir meist über holpriges, ganz mit Steinen übersäetes
Gelände zu der etwa 2 km westlich vom Orte in Terrassen aufsteigenden
l iebirgswand. Schon aus ziemlicher Ferne konnten wir die vielen vier-
eckigen Löcher in den Felsen erkennen, die wie Fenster in einem
mächtigen Gebäude erschienen. Die Felsen, die nur eine äusserst dürftige
Vegetation aufweisen, wurden von Ziegen abgeweidet, und seit undenk-
licher Zeit dienen die Kammern den Hirten als Unterschlupf. Daher ist
in diesen Zellen nichts mehr von dem einstigen Inhalte der Gräber vor-
handen. Der verwitterte Zustand des Gesteins, der sich namentlich durch
die herabgefallenen Blöcke zu erkennen giebt, lässt hoffen, dass einzelne
Kammern von diesem Geröll bedeckt und noch unberührt sind. Hier ist
also vielleicht noch dem Spaten des Forschers Gelegenheit geboten, wichtige
Funde hervorzuholen. Nach dem viereckigen Grundriss und der sonstigen
i lonstruction deT Kammern gehört die Nekropole in die letzte Periode.
Bei genauer Betrachtung der Abbildung vermittelst der Lupe kann man
übrigens auch die Einzelheiten der Steinmetzarbeit, insbesondere die Falze
an den Eingangsthürerj gewahren; auch der Maassstab ist durch die oben
links von dem mächtigen Felsblocke im Vordergrunde erkennbaren Per-
Bonen gegeben. Zwischen den zwei links Stehenden ist ein angefangenes
Grab zu Behen, ein zweites rechts darüber.
l Der Lichtdruck isi dem Werke: „Au dem classischen Süden" entnommen, das mit
tzung des Grossb. bad. Minist, für Ju itiz, Cultus und (Jnterrichl im Kunstverlage von
i : in Labeck erschienen ist. Die 160 Lichtdrucke darin sind nach Originalaufnabmen
n Herrn, der an <I<t Eingangs rwähnten Studienreise theilnahm, angefertigt.
Der Texl dazu ist von den Führern und den Mitgliedern der Reisegesellschaft verfasst.
Vor- und Frühgeschichtliches aus Sicilien.
21
Von Syrakus aus ging die Fahrt zurück nach Gatania, und nachdem
dem Aetna bis zur Höhe von Nicolosi und den Monti Rossi ein Besuch
abgestattet war. fuhren wir durch das Thal des Dittaino vielfach durch
weite Strecken wohlbestellter Kornfelder hindurch, die an die einstige
Kornkammer Italiens gemahnten, nach Castrogiovanni, dem Enna der
Alten, das. auf einer bis 997 m ansteigenden, allseitig durch Schluchten
abgetrennten Erhebung- aus tertiärem Kalk gelegen, im Alterthuni als un-
einnehmbar galt. Freiherr von Andrian in seinen „Prähistorischen
Studien aus Sicilien". Berlin 1878, hatte schon der Werkzeuge Erwähnuno-
gethan, die sich in dem dortigen Museum befinden, sowie derjenigen, die
„über den Umweg Catauia in den Besitz des geologischen Museum- zu
Palermo gelangt sind". Weiter heisst es a. a. 0« (S. (57): „Als Material
finden wir daselbst verwendet: Andesit, Gang-Granit, Serpentin und Nephrit.
Aus letzterem bestehen bei weitem die meisten Exemplare, so dass dieses
seltene Mineral offenbar typisch für diese
Localität genannt werden kann." Diese Fig. 21. :; „
Notiz veranlasst mit Recht Hrn. A. B.
.Meyer (Neue Beiträge zur Kenntniss
des Nephrit und Jadeit, Berlin 1891,
S. 33) zu der Aufforderung, liier nach
dem Rohmateriale zu suchen. Dem-
gegenüber möchte ich zunächst feststellen,
dass ich unter den im Museuni zu
Castrogiovanni aufbewahrten d Stein-
beilen nur eines vorfand, das, soweit
dies durch Autopsie feststellbar ist, aus
Nephrit besteht. Die Form ist aus der
beifolgenden Abbildung (Fig. 21) kennt-
lich. Die Länge beträgt 140, die gross te
Breite 60 und die Dicke 24 mm. Das
Beil ist kunstvoll geschliffen, die Farbe
des Minerals ist dunkelgrün. Er. von
Andrian (a.a.O. 8.92 und Tat'. III) erwähnt ferner 2 Nephritbeile von
Castrogiovanni und fügt zu dein einen die Bemerkung hinzu: „Universitäts-
Sammlung, Palermo", zu dem anderen die Worte: „In Catania erworben".
Es scheint also, dass diese beiden Beile sich derzeit ebenso wie ein
Xephritnieissel von Lentini in besagter Sammlung befanden. Ich traf
diese durch die von An drian'sche Abbildung genau fixirten Gegenstände
in Palermo nicht an. wohl aber ein anderes Nephritbei) von Castrogiovanni
und zwei solcher von Lentini. die unter „Palermo" naher beschrieben
werden sollen. Es wären jetzt also vier Nephritbeile von «lern „Nabel
Sieiliens" bekannt. In .inen Platz, der zu den verschiedensten Zeiten
die flüchtende Bevölkerung einer weiten Umgebung aufnahm, gelangten
22
0. SCHOETENSACK :
natürlich sehr viele Habseligkeiten von auswärts. Die Wahrscheinlichkeit,
den anstehenden Nephrit hier aufzufinden, erscheint demnach doch nicht
so gross. — Die übrigen im Besitze des Museums von Castrogiovanni be-
findlichen 3 Steinbeile sind aus einem dunkeln harten Gestein gefertigt.
Sie haben alle einen ovalen Querschnitt. Während zwei Exemplare nur
roh zu einem Beil hergerichtete Gerolle darstellen, ist das dritte sehr
sauber in triangulärer Form, also nach dem Bahnende sich stark ver-
jüngend, geschliffen.
Auch das Museo communale von Girgenti hat eine Anzahl polirter
Steinbeile von eleganter mandelförmiger Gestalt aufzuweisen, worunter
sich aber kein Nephrit befindet. Ausserdem seien hier noch mehrere
muldenartige Sarkophage aus Terracotta erwähnt, die auf jeder Seite mit
zwei ionischen Säulenornamenten en relief versehen sind. Die Technik
dieser mit grosser Sachkenntnis gearbeiteten Stücke ist bemerkenswert!!.
Fig. 22. »/i
Fi?. 23. 3,
In dem Museo nazionale und in der mineralogisch - geologischen
Sammlung der Universität zu Palermo sind die von Hrn. von Andrian
a. a. O. veröffentlichten Funde niedergelegt. Von dem in erstgenanntem
Museum inzwischen hinzugetretenen Material möge hier noch ein röthlich
gebranntes, im Bruch schwarzgraues Thongefäss Erwähnung finden, das
ohne Drehscheibe hergestellt ist. Es zeigt, wie aus Fig. 22 zu ersehen,
ein Strichornament, das, in den feuchten Thon eingedrückt, das ganze
Gefäss bedeckt. Der obere Theil trägt eine Anzahl von Doppellinien, die
unregelmässig gestrichelt sind (auf der kleinen Skizze tritt die Unregel-
mässigkeit nicht genügend hervor) und in einem rechten Winkel zusammen-
stossen. Von diesen durch ein Horizontalband getrennt, weist der untere
Theil des Gefässes verticale Doppellinien, ebenfalls mit Strichelung auf.
Der Fund stammt aus einem neolithischen Grabe alla Moarda presso
Palermo nel commune di Monreale (cf. Bullettino 1885, p. 122, und Notizie
degli scavi 1884, p. 260). Gestrichelte Doppellinien erscheinen auch auf
dem bei von Andrian Taf. IV, Fig. 5 abgebildeten neolithischen Gefäss
aus den Grotten von Villafrati.
Die Universitäts-Sammlung enthält folgende Nephrit-Artefakte. (Nr. 75
Min.-Sammlung): Nephritbeil von Castrogiovanni. Die Farbe des Minerals *
Vor- und Frühgeschichtliches aus Sicilien.
23
ist dunkelgrün (wolkig). Das Beil ist mit massiger Sorgfalt gearbeitet,
die Schneide verletzt. Länge 50, grösste Breite 38, Dicke 13 mm. Die
Form ist aus Fig. 23 ersichtlich.
(Nr. -SO Min.-Samml.). Nephritbeil, im Höhlenlehm bei Lentini ge-
funden. Das Mineral ist graugrün (wolkig). Die Oberfläche des Beiles
zeigt durchweg eine feine Politur. Im Querschnitt ist es nahezu oblong.
Die Schneide ist scharf und unverletzt. Länge 61, grösste Breite 45, Dicke
8 mm. Abbildung in Fig. 24.
(Nr. 81 Min.-Samml.). Nephritbeil von Lentini. Farbe dunkelgrün,
wolkig, dunkler als die beiden anderen Nephrite. Die Gestalt ist aus
Fig. 24. 3/K
Fig. 25. »;8
Fig. 26. s/h
r*
Fig. 25 zu ersehen. Länge 122, grösste Breite 70, Dicke 21. an [der
stumpfen Schneide (b) 12 mm. Hier und am Bahnende sind noch Geröll-
spuren sichtbar, während die Flächen im übrigen glatt geschliffen sind.
Das Werkzeug ist also noch unvollendet. Der viereckige Quer-
schnitt (a), den dasselbe aufweist, legt die Yermuthung nahe, dass es
durch Zerschneiden eines grösseren Stückes hergestellt ist. Dies
wurde für eine vorgeschrittene Technik sprechen. Es wäre festzustellen.
ob ähnlich gestaltete Steinbeile sonst noch in Sicilien gefunden sind.
Nephritbeilchen mit oblongem Querschnitt sind nur von Sa'ida (Sidon)
und Mugheir bei Ark;>h (südlich vom Euphrat), ein drittes von Kleinasieu.
24
0. Schoktensack:
ohne nähere Ortsangabe (alle im Britischen Museum, vergl. diese Zeitschr.
1887, S. 122— t 126), bekannt geworden.
Im Museo nazionale sind ausserdem noch Imitationen von 3 grünen
Steinbeilen ausgestellt, die in einem Grabe bei Virgini gefunden sind.
Das Material der Originale scheint noch nicht bestimmt zu sein. Es sind
Flachbeile von länglicher, dreieckiger Gestalt, das eine etwa 400 mm, die
beiden anderen nur je etwa 90 mm lang. Leider konnte ich nichts Näheres
darüber in Erfahrung bringen. Der Fund wäre also noch weiter zu ver-
folgen. Sudann ist aus dem genannten Museum noch ein mit umlaufender
Rille versehenes Steinbeil zu erwähnen, das in der Form so ziemlich dem
bei von Andrian Taf. I. Fig. 3 abgebildeten, in der mineralogischen
Universitäts-Sammlung zu Palermo befindlichen Basaltbeile gleicht. Beide
sind bei Catania gefunden.
Fig. 27. 3/h
Fig. 2S. 8/
Fig. 29. ■/,
Aus letzterwähnter Sammlung wären noch acht Basaltbeile anzuführen.
die von der Isola di Lipari stammen. In der Länge von 5 — 14 cm
schwankend, haben sie alle einen vorzüglichen Schliff und die gleiche ge-
fällige Form, die unsere Abbildung (Fig. 26) wiedergiebt. Der Basalt
-teilt auf der genannten Insel an, wie Professor Andrea di Blasi in
Palermo mir mitzutheilen die Güte hatte. Wir sehen hier wieder, dass.
Bobald nieht die sehr verschieden gestalteten Gerolle für die Steinbeile
verwendet wurden, sich an den I »et reffenden Fabrications- Centren Typen
ausbildeten, die uns allenfalls als Führer dienen können, ähnlich wie dies
bei den Gerätherj aus .Metall der Fall ist.
Auch zwei Bronze-Schaftcelte mit aufstellenden Kanten befinden sich
im mineralogischen Dniversitäts-Museum zu Palermo. Das in Fig. 27 ab-
gebildete Instrument ist in der Nähe der Tempel von Girgenti gefunden,
das and< re, von etwas kürzerer und breiter Form, bei Giarre in der Provinz
Vor- und Frühgeachichtlißhea ans Sicilien. 25
Catania; sie gleichen durchaus den in Mittel- und Xordeuropa vorkommen-
ilen, die der Bronzezeit angehören.
Die Sammlung des Barons Mandraliska in Cefalü, jetzt im Lyceums-
gebäude daselbst untergebracht , hat ebenfalls zwei Nephritbeile anzu-
weisen. Das eine (Fig. 28) ist von heller meergrüner Farbe, der Quer-
schnitt ist oval. Länge 1<>2, grösste Breite 45, Dicke 18 mm. Das andere
(Fig. 29) ist dunkelgrün, der Querschnitt bildet ein Kreissegment Die
Schneide ist verletzt. Länge 100, grösste Breite ~ü. Dicke 14 mm. Beide
Stücke zeigen auf der sauber geschliffenen Oberfläche einzelne Erosionen,
die ich als Geröllspuren ansehe. Ausserdem befindet sich in dieser
Sammlung ein Basaltbeil vom Typus «1er liparischen, wie wir solche aus
dem Museum in Palermo kennen, sowie ein grösseres breites, ziemlich
roh gearbeitetes Beil aus einem dunklen Amphibol-(?) Gestein. Den ge-
nauen Fundort dieser (iogonstände konnte man mir nicht angeben; die
Collection zeigt aber einen localen Charakter, und deshalb ist zu vermuthen,
dass auch die Steinbeile dem früheren Besitzer aus der Umgebung von
Cefalii zugetragen sind.
Auf dem Monte San Giuliano, dem Eryx der Alten, der auf seinem
~''l m hohen Gipfel jetzt ein recht verödetes Städtchen trägt, das unter
den mittelalterlichen Befestigungen noch bedeutende Reste einer aus
mächtigen Quadern errichteten Stadtmauer mit phönikischen Steinmetz-
zeichen aufweist, befinden sich zwei kleinere Sammlungen. Die eine in
dem vom Baron Agostino Pepoli renovirten Schlosse, die andere im
Gemeindehause. Ausser sehr kleinen, zierlich gearbeiteten trapezoi.len
Obsidianmesserchen sind noch einige geschliffene Steinbeile von grosser
Dimension, mandelförmiger Gestalt und breitovalem Querschnitt anzuführen.
Das .Museuni von Palermo enthält, aus der Commune di Monte San
Giuliano stammend, einen prächtigen Nucleus und vier Messerchen aus
fleischfarbigem Silex. Ferner sind nach A. Salin as (Notizie degli seavi
L882, p. 361) in der benachbarten Grotta di San Francesco zahlreiche
Feuersteinartefakte nebst Küchenresten (Muschelschalen) aufgefunden.
Die, wie ich mich überzeugen kennte, in dem jurassischen Kalkstein des
Eryx massenhaft vorkommenden Silicat- Concretionen, die zum Theil den
plattigen Kieselsäure - Absonderungen der englischen Kreide gleichen,
eignen sich wahrscheinlich recht gut für die Herstellung derartiger
\N erkzeuge.
Als fernere Zeugen einer uralten Besiedelung dieser sagenumwobenen
Stätte möchte ich noch eine Anzahl Thongefässscherben erwähnen. Aussen
und innen von unansehnlich grauer Farbe, zeigen sie nach Art der neo-
lirhischen Technik riet eingedrückte geometrische Ornamente. Eis sind
nur gerade oder schwach gebogene Linien verwendet, die zu Zickzacken,
ineinandergeschalteten Dreiecken und mäanderartigen Figuren zusammen-
gesetzt sind. Ob die furchen ursprünglich weiss ausgefüllt waren, konnte
26
0. SCHOETENSACK :
ich nicht feststellen. Die 15 bis 20 mm dicken Scherben sind aus
rohem Materiale ohne Scheibe gefertigt und in offener Flamme sehr
schwach gebrannt; Fig. 30 befindet sich in der Sammlung im Schlosse,
Fig. 31 — 33 im Municipio.
Ferner seien noch Reste bemalter Thongefässe aus der Sammlung im
Schlosse angeführt, die in der Bemalung Anklänge an die aus phönikischen
Gräbern Karthagos stammende Topfwaare zeigen, in den Formen aber,
insoweit sich solche aus den Scherben erschliessen lassen, zum Theil
eigenartig erscheinen. Der ziemlich gut geschlemmte Thon derselben ist
mit der Scheibe geformt und im Ofen gleichmässig gebrannt. Die über
Fig. 30.
Fig. 31. 3/4
Fig. 33. 3/4
Fig. 32. »/4
5 mm dicken Scherben haben eine bedeutende Härte und geben beim
Aneinanderschlagen einen hellen Klang. Sie haben, auch im Bruch, eine
hellröthlrcb gelbe Farbe (nach l!;idde's Farbenscala St und 33r), und sind
tlieils mir einem hellen Braun Radde 4J), theils mit einem sepiaartigen
Dunkelbraun (Itadde id e) bemalt. Bin (Jefäss, das, nach der Rundung
des Scherbens zu artheilen, einen Durchmesser von etwa 20cm gehabt haben
dürfte, zeigt ein 1<> mm breites hellbraunes Horizontalband, das oben und
unten wiederum von einem 2 mm breiten dunkelbraunen Rande eingefasst
ist. - ukrecht hierzu >in<l nachlassig mit dem Pinsel hingeworfene, parallel
Vor und Fröhgesohichtliches aus Sicilien.
laufende Schlangenlinien angebracht (Fig. 34). Bin Scherben (Fig. 35)
zeigt an der Stelle, an welcher der Bauch des Gefässes im rechten Winkel
umbiegt, einen Vorsprung mit vertikaler Durchbohrung, die darauf hin-
weiset, dass das Gefäss an durchgezogenen Schnüren getragen wurde. Es
sind aber auch wohl ausgebildete Henkel und zwar ein flacher vertikaler,
sowie ein runder horizontaler, beide durch dunkelbraune Strichelung ver-
ziert, vertreten; letzterwähnter ist in Fig. 36 abgebildet.
Noch ist ein in der Stadtsammlung befindliches, etwa 16 cm hohes
Doppelgefäss zu erwähnen, das aus einem schwach gebrannten röthlichen
Fig. 34. »/■
Fig. 35. >U
Fig. 37. 3/x
Fig. 36. %
Thone besteht und nur eingedrückte rohe Ornamente, ohne Bemalnng,
aufweist. Von diesem möge die eilig angefertigte Skizze (Fig. 37), in
der A die Vorder-. />' die Seitenansicht des Gefässes zeigt, eine Vorstellung
geben. Die Rückseite ist in gleicher Weise verziert. Die Verbindung
zwischen den beiden Gefässen ist hohl, so dass die Flüssigkeit darin ein
gleiches Niveau zeigen musste. Gefunden ist es. wie man mir sagte, auf
dem Fryx; Näheres war nicht in Erfahrung zu bringen. Die primitive
Verzierung durch Strichornament gestattet uns wohl, das Gefäsa der vor-
28
0. Schoetensack:
Fig. 38. s/*
griechischen Zeit zuzuweisen, wofür auch, soweit wir uns erinnern, die
Technik, insbesondere das Fehlen der Spuren der Töpferscheibe spricht.
Nachdem wir mit dem von Palermo ausgebenden, in Trapani haltenden
Dampfer die zwischen Sicilien und der afrikanischen Küste gelegene Insel
Pantelleria angelaufen, welche Paolo Orsi in letzter Zeit ebenfalls in
seinen Forschungsbereich gezogen hat (nach Bullettino 1895, p. 150, und
Notizie degli seavi L895, p. 240 sind die „Sesi" benannten uralten Stein-
1 tauten auf Pantelleria keine Wohnungen, sondern Gräber), langten wir
mit Anbruch des Tages in Tunis an. Wenige Stunden darnach befanden
wir uns schon im Bardo-Museum, über das jetzt ein von seinem trefflichen
Leiter Hrn. P. (fauckler verfasster Führer (Tunis 1896) vorliegt, während
ein ausführlicher Katalog in Vorbereitung ist. Die archäologischen Samm-
lungen enthalten Gegenstände sehr verschiedener Herkunft: alle Zeitepochen
und alle Gegenden des zur Regentschaft Tunis gehörigen Gebietes sind
hier vertreten,
Es befinden sich darunter auch etwa 400 ge-
schlagene Feuersteine, die aus der Gegend von
Gafsa (Capsa) stammen. Diese sind zu ziemlich
langen Messern von trapezoidem Querschnitt, wo-
von Fig. 38 eine Probe giebt, zu Schabern u. a.
hergerichtet.
Ferner sei auf die primitive Sculptur hin-
gewiesen, welche ein auf Garthago gefundener, im
Bardo-Museum aufgestellter, im Umriss eirunder,
dabei alter flach gehaltener menschlicher Kopf
von Lebensgrösse zeigt. Die ganz roh markirteu
Gesichtszüge sind in den Granit etwa 8 mm tief
eingehauen. Die Rückseite zeigt eine phönikische
Inschrift, die, wie mir Hr. Gauckler initzutheilen
die Güte hatte, einer Publication in den „Col-
lections du Musee Alaoui" zufolge dem VIII. oder
VII. Jahrhundert v.Chr. angehört. Ein ganz ähn-
licher Kopf ans basaltischem Gestein befindet sich im Musee St. Louis
auf Carthago.
Schliesslich wellen wir noch erwähnen, worauf Hr. von Duhn in
-einen Eteisebemerkuugen aus Carthago und Tunis (Archäologischer An-
zeiger 1896, 8.91) bereits aufmerksam machte, dass auch libysche Stelen,
namentlich ans dem Krumirgebiete, sowie in megalithischen Gräbern des
Landes gefundene Gegenstände dem Bardo-Museum einverleibt sind. Dabei
18! b( sonders anzuerkennen, dass man die Funde nicht nach gleichartigen
Milien aufgestellt hat, Bondern dass man sie, so wie sie gemacht
wurden, beisammen gelassen hat.
Vor- und Frühgeschichtliches aus Tunis.
29
Aus dem Müsee St. Lome auf Carthago, dessen reiche Entfaltung wir
der rastlosen Thätigkeit von A. L. Delattre verdanken1), wollen wir
einige Gegenstände näher besprechen, welche die altpunischen NTekropolen
am Byrsa-Abhange ergeben haben. In den aus mächtigen Quadern her-
gestellten Sarkophagen, die meist dachförmig abschliessen, oder in
räumigen Grabkammern, die nacli Art von Brunnen aus tief in den Boden
eingesenkten mächtigen Platten zusammengesetzt sind, wurden die Todten
beigesetzt. Auch in den Fels gehauene oder in das Erdreich gearbeitete
Gräber kommen vor. Leichenbrand ist ebenfalls beobachtet. Kinder
Pia:. 39. V,
Fig. 40. V,
'
. '.
wurden in Amphoren bestattet. Der Boden des Gefässes wurde einge-
schlagen, und nach Einführung des kleinen Leichnames ein Steinverschluss
hergestellt.
1) Hierauf bezügliche Publicationen des Reverend Pere Delattre, Missionaire
d'Afrique:
1. Fouilles il'uii cimetiere rumain ä Oarthage, Revue archeologique, Paris L889.
2. Les tombeaux puniques de Carthage, Lyon 1890.
3. Les tombeaux puniques de Carthago, La nicropole de Saint Louis, Revue
arclic.il., Paris 1891.
4. Fouilles aroheologiques 'laus le flaue sud-ouesi de la colliue de Saint Louis,
Bulletin archeol., Paris iv'.':>.
5. Carthage, Necro] le punique de la colliue Saint Louis, Extrait dos Missions
catholiques, Lyon IE
3() 0. SCHOETENSACK:
Das Material zu den Quadern, ein muschelreicher Kalktuff, der au
der Luft schnell verwittert, unter der Erde aber eine grosse Festigkeit
behält, wurde auf der Halbinsel Cap Bon bei El-Aouaria gebrochen, wo
man noch jetzt die alten Steinbrüche sehen kann.
Den Todten wurden ausser zahlreichen Thongefässen namentlich
Schmuckgegenstände mitgegeben. Gold, Silber und Eisen sind selten
dazu verarbeitet: aus letzterem Metall sind Fingerringe gefunden, die
einen Edelstein fassten. Bronze ist am meisten verwendet; es sind auch
runde Spiegel ohne Stiel daraus gefertigt, ferner kleine Glocken und
Münzen; letztere sind häufig, um als Schmuck getragen werden zu können,
durchbohrt. Ausserdem kommen Elfenbeinarbeiten, Smaltsachen (Perlen,
Scarabäen), bemalte Strausseneier u. a. vor. Waffen wurden sehr selten
in das Grab gegeben. Hierher zu zählen sind messerartige Klingen und
Spitzen aus Eisen. In einem Grabe, welches seinem Inventar nach (ägypto-
phünikische Smaltsachen) zu den ältesten der Byrsa gehört, wurden auch
zwei eiserne dolchartige Gegenstände gefunden, von denen wir durch die
Liebenswürdigkeit Delattre's eine photographische Wiedergabe (Fig. 39)
beifügen können. Sie wurden, wie aus beigelegenen Kupferresten noch
zu erkennen war, an einem metallbeschlagenen Gürtel getragen. Das eine,
40 cm lange Geräth, das eine gerade, breite und flache Klinge hat, die
von dem Griff durch eine Querstange getrennt ist, gleicht einem Kurz-
schwerte; es war von einem Holzfutteral umgeben, von dem noch Spuren
erhalten sind. Das andere, mit einem in Antennen endigenden Griff, hat
ganz das Ansehen eines Wetzeisens; es ist 42 cm lang.
Ferner wurden auch die in Fig. 40 abgebildeten sechs Kupferbeile1)
gefunden. Diese laufen alle am Bahnende in einen Dorn aus, zur
besseren Befestigung am Stiele. Zwei von ihnen sind zu gleichem Zwecke
auch durchbohrt. Ohne Dorn sind sie durchschnittlich 10 cm lang. Die
Gestalt dieser Beile erinnert lebhaft an die der ältesten Kupferbeile, die,
den Steinbeilen nachgebildet, in Mittel- und Nordeuropa jetzt in ziemlicher
Anzahl aufgefunden sind (vergl. M. Much, Die Kupferzeit in Europa,
Jena 1893, und Oscar Montelius, „Findet man in Schweden Ueberreste
von einem Kupferalter ?" im Archiv für Anthropologie 1895). Bei Perrot
et Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquite III, 868 ist ein phönikisches
Bronze(?)beil von Cypern abgebildet, das noch die Gestalt eines Steinbeiles
hat. Es nähert sich in der Form dem dritten Beile der von uns in Fig. 40
wiedergegebenen: doch zeigt es keinen Dornfortsatz. Es wäre erwünscht
zu wissen, ob dieser überhaupt den Beilen phönikischer Provenienz eigen
oder oh dies mit' eine Eigentümlichkeit der Carthagischen ist. Auch
1) Nach einer gütigen Mittheilung des Abbe Delattre vom 2. Januar hat sich bei
der chemischen Untersuchung, die auf unsere Veranlassung vorgenommen wurde, er-
geben, dass das Metall der Beuchen gediegenes Kupfer (du cuivre natif) ist, und nicht
Bronze, wie man bisher glaubte.
Vor- und Frühgeschichtliches ;m~ Tunis. 31
wäre es wissenswerth, ob solch«' mit Dorn versehenen Kupfer- oder Bronze-
beile noch anderswo vorkommen, um durch ähnliche Funde allenfalls
Aufschhiss über die Beziehungen der Phöniker zu den anderen Ländern
zu erhalten,
Ausser zahlreichen im Lande gefertigten Thongefässen sind auch
ziemlich häufig eingeführte altgriechische Vasen (protokorinthische. ko-
rinthische und schwarzfigurige) in den Gräbern gefunden. Die einheimische
Keramik scheint aber fast gar nicht durch das eingeführte Fabrikat beein-
flusst worden zu sein: sie bringt vielmehr Jahrhunderte hindurch nahezu
unverändert die gleichen schwerfälligen, an altphönikische und ägyptische
Muster erinnernden Formen hervor. Wie bei diesen beschränkt sich die
Ornamentik beinahe nur auf braune oder schwarze Bänder, die das Gefäss
horizontal umgeben.
Unter der einheimischen Topfwaare, die aus gut gereinigtem Thone
mit der Scheibe geformt und im Ofen gleichmässig gebrannt ist, kann
man zwei Arten unterscheiden: die eine von hellgelbgrauer Farbe (nach
Rad de 's Farbenscala orangegrau 34 0 besteht aus einem chamotteartigen,
äusserst dauerhaften Materiale, die andere von lebhaft rothen Farbentönen
(nach Radde Zinnober. Cardinalton und Uebergang nach Orange, 1 und 2,
h-i und r-.s) ist zerbrechlicher. Die in Nabeul, etwa 70 km SO. von Tunis.
hergestellten Wasserkrüge, die in den Bazaren von Tunis feilgeboten
weiden, zeigen im Bruch genau das gleiche, lebhaft rothe Material wie
die betreffenden carthagischen. Sie sind aber mit einer gelblichen Farbe
überzogen, so dass sie äusserlich der Chamottewaare gleichen. In der
Form und der Bemalung des modernen Geschirrs ist eine Tradition aus
dem Alterthum unverkennbar: insbesondere erinnern die Pflanzeuornamente
und die herumlaufenden Thierstreifen lebhaft an altgriechische Muster.
Auf Tafel II geben wir eine Auswahl von charakteristischen Formen
der einheimischen Thongefässe aus den punischen Nekropolen Carthao-os.
Die gleiche Form erscheint in der Regel in chamottefarbigem und rothem
Thon: doch scheint nur der letztere, mit wenigen Ausnahmen, durch
horizontale braune und schwarze Streifen verziert zu sein.
Fig. I. Kelchartiges Grefäss ans rothem Thon mit kugeligem Bauch
und gesondertem Fuss.
Fig. 2. Einhenkeliger Krug aus gelbem Thon mit kleeblattförmiger
Mündung.
Fig. 3 und 8. Becher aus rothem Thon. durch braune llorizontal-
I »ander verziert.
Fig. 4. Becherartiges Qefäss ohne Boden aus grauem Thon. «las
durch rothe und schwarze horizontale Streifen verziert ist, die zum Theil
schon verwischt und daher auf der Abbildung nicht mehr deutlich zu
sehen sind. Delattre denkt hierbei an ein trommelartigea Instrument,
wie die arabische Derbouka. Die Thontrommel ist offenbar eines der
0. SCHOETENSACK:
ältesten weitverbreiteten Musikinstrumente, wie auch die Funde aus stein-
zeitlichen Gräbern Thüringens und der Altmark ergeben haben (vergl.
diese Zeitschrift 1893, S. 165 und Taf. XIII).
Fig. 5. bläschenförmiges Gefäss mit kugeligem, durch umlaufende
mattschwarze Bänder verziertem Bauche, hohem geschwungenen Halse.
grosser .Mündungsscheibe und verticalem Henkel. Der lebhaft rothe
Thon trägt noch einen Ueberzug aus gleichfarbigem, feiner geschlemmtem
Materiale.
Pig. 6a und b. Kleine flaconartige Gefässe ohne Henkel, wie sie aus
rothem und gelbem Thone vorkommen.
Fig. 7. Einhenkeliges kugeliges Gefäss mit gesondertem Fuss und
Hals. An den Bauch ist eine Röhre angesetzt, durch welche die Flüssig-
keit aus der Flasche gesogen wird. Diese Art von Gefässen wurde stets
nur bei Kinderskeletten zusammen mit einem durch Feuer am unteren
Theile geschwärzten Schälchen gefunden. Es scheint also dem Todten
vor dem Verschluss des Grabes noch ein warmes Getränk (Milch?) ge-
spendet zu sein. Derartige thönerne Kinderfläschchen mit angesetztem
Mundstück finden sich übrigens auch häufig in Gräbern der Hallstattzeit
in Deutschland. Noch jetzt sind ähnliche Saugfläschchen aus Thon in
Nordafrica und, wie wir zu beobachten Gelegenheit hatten, auch auf
Sicilien in Gebrauch.
Pig. 9 und 16. Lampe aus gelbem Thon, die nahezu regelmässige
Beigabe der Todten bildend. Der Rand eines Tellers ist an drei Stellen
Dach innen mehr oder weniger eingebogen, wodurch zwei schnabelartige
Palten entstehen, die als Dochthalter dienen. An vielen Exemplaren
kann man noch deutlich die Brandspuren sehen; auch fand man in einigen
Lampen Reste verkohlten Dochtes, sodass angenommen werden darf, dass
dieser beim Seid i essen des Grabes noch brannte. Aehnlich gestaltete
Lampen, mir langem Fuss versehen, sind nach Delattre noch jetzt bei
den Arabern und auf Inseln des Mittelmeeres, z. B. auf Malta, in Gebrauch.
Auch Bcheinl es. dass die PhÖniker ebenfalls derartige, mit hohem Fuss
versehene Lampen hatten, da das Musee St. Louis und dasjenige von
Cagliari je ein Exemplar aufweisem, das unten einen entsprechenden
Ansatz zeigt. Neben punischen Lampen wurden auf Oarthago auch
griechische gefunden, deren Formen aber den einheimischen Töpfer nicht
beeiuflusst zu haben Bcheinen.
Pig. lo und L5. Kleine einhenkelige cylindrische Töpfe.
Pig. 11. Bin Teller aus rothem Thon. Auf derartigen Tellern pflegen
die Lampen zu stehen.
Pig. 12. Doppelhenkeliges, unten kugeliges, nach üben birnenförmig
in die Länge gezogenes Gefäse ans rothem Thon. das mit einem Deckel
nach \ii der chinesischen Mützen versehen ist. Die gleiche Deckelform
findet sich auf den Brandurnen aus den tombe a pozzo von Corneto, die
Vor- iiiul Frühgesdiichtliches aus Tunis. 33
nach Jules Martha, L'art etrusque p. 36, Paris 1889, den ältesten
etruskischen Nekropolen angehören. Die Verzierung besteht aus braunen
Horizontalbändern und senkrecht dazu verlaufenden Schlangenlinien. Von
gleicher Form kommen auch kleinere Gefässe bis zur Grösse eines
Strausseneies vor.
Fig. 13. Eine grosse Amphora, wie sie häufig, in die Ecke der
Grabkammer oder einer Nische gestellt, gefunden werden. Sie enthielten
wühl den Wasservorratli für den Todten, da niemals Rückstände darin
gefunden wurden. Die abgebildete Amphora hat eine aussergewöhnliche
Form; meist sind sie, wie das (iefäss Fig. 13, aber unten spitz zugehend,
gestaltet.
Fig. 14. Untersatz aus rothem Thon für grössere Gefässe.
Besonders erwähnt zu werden verdient das
in Fig. 41 abgebildete graue, monochrome Ge- Fig. 4t. tJi
fäss, das sich von den übrigen in der Form und
den Verzierungen unterscheidet, Diese sind
nehmlich eingeritzt. Sie zeigen zwischen
baumartigen Zeichnungen jeweils parallel laufende
verticale Schlangenlinien. Den letzteren be-
gegnen wir wieder bei dem bemalten Crefässe
Fig. 1*2 und auf dem bereits beschriebenen N -'--~:
Scherben vom Eryx. Perrot et Chipiez,
Mistoire de l'art dans l'antiquite III, 685, erwähnen phönikische Gefässe
von Cypern, die ebenfalls nur eingeritzte Ornamente aufweisen und die
dort als die ältesten bezeichnet werden. Der Form nach schliesst sich
das Gefäss im Musee St. Louis dem bei Perrot III, 669 abgebildeten
von Jerusalem an, das nach genanntem Autor das einzige bis jetzt be-
kannt gewordene Thongefäss aus Syrien sein soll, welches gut erhalten
auf uns gekommen ist. Leider lässt sich über die Herkunft unseres Ge-
lasses, nach Delattre's gütiger Mittheilung, nichts Zuverlässiges mehr
feststellen. Nehmen wir an, dass es phönikischer Provenienz ist. so müssen
wir es wegen der eingeritzten Ornamente sehr früh datiren und es einer
Zeit zuweisen, in der nur vereinzelt solches Fabricat von Syrien aus an
die Küsten des libyschen Meeres gelangte; denn wären derartige Gefässe
im Lande selbst gefertigt worden, so nuisste mehr derartiges auf Carthago
gefunden sein.
Schliesslich sind noch schlauchartige Gefässe aus den punischen
Nekropolen Üarthagos anzuführen. Diese stellen häutig auch vierfüssige
Thiere schematisch dar. ähnlich wie solche bei Perrot 111. 692 —93 er-
wähnt sind. —
Der Rückweg von Tunis führte uns über Sardinien nach Livomo.
In Cagliari hatten wir Gelegenheit, das \{. Museo di Antichitö unter
Führung der hervorragenden Kenner sardinischer Alterthümer, Ettore
Zeitschrift i'ür Bthnologi*. Jatit-|{. 1^7. •_>
;;i
0. SCHOETENSACK :
Pais und Filippo Nissardi, zu besichtigen. Erstgenanntem Forscher
verdanken wir die vortreffliche Abhandluug: „La Sardegna prima del
dominio romano«, Memorie dell' Accademia dei Lincei 1881, 259ff., welche
oTundlegend für die Beurtheilung sardischer Vor- und Frühgeschichte
ist IVher die an zahlreichen Punkten der Insel aufgefundenen Bronze-
fio-uren besitzen wir Aufsätze des genannten Gelehrten im Bullettino
archeologico sardo von 1884. Das Material, in welches durch das Auf-
treten von Falsificaten, denen leider auch La Marmora in seinem rühm-
lichst bekannten Werke: „Voyage en Sardaigne", Paris 1839/40, eine
grosse Beachtung schenkt, eine grosse Verwirrung gekommen war, liegt,
nunmehr gesichtet vor uns. Von den als acht anerkannten, beiläufig
gesagt 15—20 cm hohen, Figuren werden diejenigen mit vier Armen und
Auo-en als Gottheiten gedeutet, andere als Priester und Laren oder Hirten.
Die .Mehrzahl scheint heroisirte Krieger darzustellen, deren gehörnter
Helmschmuck besonders hervortritt. Ausserdem sind noch die bis 15 cm
langen bronzenen Schiffchen zu erwähnen, deren Vordertheil meist in
den Kopf eines Rindes endigt.
Betrachtet man die Figuren in ihrer Gesammtheit, so wird einem
bald klar, dass man es hier nicht mit den ersten Kunstanfängen der ein-
heimischen Bevölkerung, sondern mit einer Anlehnung an überkommene
Muster zu thun hat. Die ganze Kunstweise, sodann aber auch Einzel-
heiten, wie z. B. ein steinerner Untersatz, in den eine Bronzefigur einge-
lassen war und der in seiner Gestalt der bei Perrot, Histoire de Part
dans Tantiquite III, 310 abgebildeten Stele aus der phönikischen Nieder-
lassung von Sulcis verwandt ist, weisen auf die Phöniker hin, die bereits
vor dem ersten Jahrtausend v. Chr. mit Sardinien in Berührung gekommen
Bind. Als Carthago die Führung über die Colonien im westlichen Mittel-
mehr übernahm, traten sardische Soldaten häufig in punische Dienste.
Als Votivgeschenke der glücklich Heimgekehrten dürften daher auch mit
Recht die bronzenen Schiffchen und die Kriegerfiguren aufzufassen sein.
Di«' in dem Museum zu Cagliari befindlichen Modelle einiger besonders
interessanten Nuraghi und Tombe dei gigauti ermöglichen einen genauen
Einblick in den Bau dieser durch La Marmora's vorzügliche Skizzen
bekannt gewordenen Monumente. Dass die Nuraghi in erster Linie Ver-
theidigungszweoken gedient haben müssen, geht namentlich aus den zu
Gruppen vereinigten hervor, die, wie die 19 Nuraghi della Giara (Provinz
d'lsilli) ein nusgedehntes erhöht gelegenes Terrain rlankiren, also ein
Refugium in grossartigem Maa888tabe darstellen. Ueber den Zweck der
Tombe dei giganti kann kein Zweifel sein, da wiederholt Skeletreste in
denselben gefunden sind (Bullettino di paletnologia italiana 1890, 134).
I >;i sie sich häufig in der Nähe der Nuraghi befinden, so bringt man sie
mit, diesen in Beziehung und nimmt an, dass in diesen Gräbern hervor-
ragende Personen aus «1er Nuragbi-Poriode bestattet sind. Allerdings ist
Vor- und Frühgeschichtliches aus Sardinien. :;;,
ja beiden Arten von Monumenten «las gemeinsam, dass sie aus behauenen
Steinen ohne Verwendung von Kalkmörtel errichtet sind.
Ausser besagten Resten finden sich auf Sardinien, and zwar eben-
falls häufig in der Nähe der Nuraghi, künstliche Grotten, die sich viel-
fach aus mehreren Räumen zusammensetzen. Es winden in ihnen ge-
funden: Reste menschlicher Skelette, rohes Topfgeschirr, geschlagener
Feuerstein und Obsidian, geschliffene Steinbeile, und in dem obersten
Theile einer Grotte auch Bronze. Eine systematische Erforschung derselben
ist seit einer Reihe von Jahren, u. a. durch Lovisato in Cagliari, in die
Hand genommen. Die Ergebnisse derselben werden im Bullettino di
paletnolpgia itahana veröffentlicht.
Es möge dem Verfasser gestattet sein, an dieser Stelle dem Gross-
herzoglich badischen Ministerium der Justiz, des Cultus und Unterrichts
für die Zulassung zu der eingangs genannten Studienreise tiefgefühlten
Dank auszusprechen; ebenso den Führern derselben, Hrn. Prof. Dr. von
Duhn und Hrn. Oberbaudirector Dr. Durm. Von diesen Herren empfingen
wir eine meisterhafte Interpretation der ehrwürdigen Baudenkmäler
Siciliens aus der Griechenzeit; der Archäolog wusste uns den Zauber des
italienischen Südens voll zu erschliessen und unser Interesse für die dort
noch erhaltenen Zeugen des classischen Alterthums fortgesetzt im höchsten
Maasse wach zu erhalten. Dabei war es den persönlichen Beziehungen
unseres allverehrten Führers zu danken, dass uns ausser den öffentlichen
Museen auch zahlreiche Privatsammlungen zugänglich gemacht wurden.
Ihren Besitzern sowie den Leitern der öffentlichen Sammlungen sind wir
für ihr ausserordentliches Entgegenkommen zu dauerndem Danke verbunden.
Besprechungen.
Franz Tappeiner- Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran
18!>ti. Selbstverlag- durch S. Pötzelberger, Buchdruckerei, gr. 4. 53 S.
nebst Maasstabellen.
Der Verf., seit vielen Jahren überall bekannt als einer der eifrigsten Helfer auf dem
Gebiete der exakten Anthropologie und als der beste Kenner der somatologischen, ins-
besondere der craniologischcn Eigenschaften seiner tirolischen Laudsleute, hat in seinen
alten Tagen von Neuem eine Rundreise durch Mitteleuropa unternommen, um in den
dortigen Sammlungen durch unmittelbare Anschauung und durch sorgfältige Messungen
sichere Materialien zu einer Vergleichung der Tiroler mit anderen Völkern Europas und Asiens
zu gewinnen. Er hatte vorher in seinem Heimathlande 3400 lebende Erwachsene untersucht
und 8G51 Schädel und Köpfe gemessen. Nach diesen Messungen berechnet er 1,1 pCt.
Langschädel, 16,1 Mittel-Langschädel, 82,7 Kurzschädel; von letzteren waren 35,98 pCt.
Rundschädel oder, wie er in Parenthese hinzufügt, hyperbrachycephal (S. 13). Unter 927
tiroler Beingruftschädeln fand er 384 = 41,4 pCt. hyperbrachycephal (Vergleichuugstabelle)
Man begreift danach, dass ihn vorzugsweise die Frage nach der Abstammung dieser Kurz-
köpfe interessirte, und da nicht wenige Anthropologen eine mongolische oder wenigstens
mougoloide Einwanderung in Europa angenommen haben, auch eine Zurückführung
der europäischen Kurzköpfe auf eine andere, als die mongolische Rasse sich nicht
darbot, so entschloss er sich kurzweg, wenigstens die Schädel der Ost-, West- und
Nord-Mongolen, so vieler er habhaft werden konnte, in den Kreis seiner genaueren Be-
stimmungen zu ziehen. Ref , der wochenlang Augenzeuge seiner mühseligen Untersuchungen
gewesen ist, kann bezeugen, dass er unermüdlich vom Morgen bis zum Abend an der
Arbeit gewesen ist. So gelang es ihm, 45 Schädel von Ost-Mongolen und 141 von West-
und Nord-Mongolen seinen Erörterungen zu Grunde zu legen.
Das Gesammtergebniss war ein negatives, d. h. er kam zu der Ueberzeugung, dass
von einer mongolischen Einwanderung in Europa keine Rede mehr sein könne (S. 53).
Die europäischen brachycephalen Schädel sind nach ihm so wesentlich verschieden von
den mongolischen, dass „die europäischen Brachycephalen keine Nachkommen der Mon-
golen sein können und dass daher eine prähistorische Einwanderung von Mongolen aus
Asien ein anthropologischer Irrthum ist" (S. 48). Er ist vielmehr überzeugt, dass die
Tiroler Schädel wesentlich identisch sind mit den Schädeln aus Südbayern, Süd-Württem-
berg, Südbaden, der Ost- und Nordschweiz, sowie mit denen aus Oberitalien, Salzburg,
Ober- und Nieder -Oesterreich, Kärnten, Steiermark, Krain, Istrien und Albanien, und
weiter sehr ähnlich den prähistorischen illyrischen Schädeln (S. 47). Er kommt dann
auch zurück auf Beine alte Vermuthung, dass die Tiroler, die er als Nachkommen der
Khäter auffasst, mit den [llyriern nahe verwandt (S. 33), und gleich ihnen arischen Stammes
seien. Aber er Bchliessl Bich der neueren Auffassung an, dass die Arier schon ursprünglich
in Europa ansässig waren und nicht etwa eingewandert seien (S. 18), und dass der braehy-
cephale Zweig derselben bi.^ in die Diluvialzeit zurückreiche.
Seine Darstellung ist durchweg von dem frischen Enthusiasmus getragen, den er
sich bo glücklich bis in Bein hohes Alter bewahrt hat. Auch zeigt sie in ihren Grund-
lagen jene Zuversichtlichkeit wirklichen Glaubens, welche über manche Lücken hinweg-
hilft. Ref. will nicht verschweigen, dass er, obwohl in manchen Hauptsachen sehr
geneigt, seinem hochverehrten Freunde rechtzugeben, doch mehr Detail gewünscht
Nur das Detail gewährl die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Diskussion und
sichert die Dauerhaftigkeit des Sieges. Darum will Ref. auch den Wunsch nicht unter*
drücken, dass der Verf. in einer späteren Veröffentlichung die Einzelheiten seiner Unter-
Buchung geben möchte. Wir erfahren nicht einmal, was für Nekropolen es gewesen
Besprechungen. ;-{7
sind, deren Schädel gemessen worden: der Verf. giebl uns nur Bnmmeii oder Procent-
zahlen für grosse Collektivgruppen, aber gar kein.- Binzolzahlen. So tatei er die Süd
gieren, Russen, Czechen, Polen und Kosaken zu einer Collektiveinheit zusammen, während
doch bekannt ist, dass gerade in der Craniologie dieser Volker oder Stämme die grössten
Verschiedenheiten zu Tage treten.
fndess das Detail lässt sich nachbringen. Wer seihst der Grenz, des menschlichen
Lebens näher steht, der begreift die Eile, welche ein alter Forscher hat, die Hauptergebnisse
seiner Arbeiten an das Licht des Tages zu bringen. Seien wir froh, dass wir hier in
einer leicht übersichtlichen Form, zugleich in einer verführerischen Darstellung, die Summe
'Nr Erfahrungen eines rührigen und vorurteilslosen Forschers vor uns haben. Was er
uns bietet, ist nicht bloss die Quintessenz seines anthropologischen Wissens: man kann
sagen, es ist auch das Bekenntniss seines anthropologischen Glaubens. Möge ihm dafür
warmer Dank ausgesprochen sein, verbunden mit dem Wunsche, dass es ihm noch
vergönnt sein möge, aus der reichgefüllten Schatzkammer seiner Erfahrungen auch die
Einzelheiten seines Materials vorzuführen. Kud. Virchow.
OJodard Arend Johannes Qazeu: Bijdrage tot de kennis van het Javaan-
sche tooueel. Academisch Proefachrifi ter verkrijging van den oTaad
van Doctor in d<> Taal-eo Letterkunde van den Oost-Indischen Archipel,
van de Rijks-Universiteit te Leiden. 203 Seiten 8vo. Leiden 1897.
Die Anschauung, dass die Javauer ihr Theater (tooneel) von den Indern entlehnt
hätten, ist in dem bisher gewöhnlich angenommenen Umfange nicht zutreffend. Man
muss bei der Beurtheilung dieser Frage das Technische und die Art der Ausführung von
dem Inhalte der Stücke unterscheiden. Der letztere ist allerdings gewöhnlich der in-
dischen, oder genauer der Sanskrit - Literatur entnommen, namentlich dem Mahäbhärata.
wenn er auch nicht selten mit acht javanischen Bestandteilen und allgemein malayisch-
polynesischen Mythen untermischt wird. Bei dem Schattenspiel, dem Wayang- Spiel mit
ausgeschnittenen Puppen, das den Indern in dieser Form ganz fremd ist, sind alle tech-
nischen Bezeichnungen (für die Puppen, den Erzähler, den Leinwandschirm, die Lampe,
die Kiste u s. w.) nicht dem Sanskrit, sondern der javanischen Sprache entnommen:
schon in Manuscripten des 11. und 12. Jahrhunderts wird das Schattenspiel als etwas
allgemein Bekanntes erwähnt, und es rinden sich darin die auch heute noch gebräuch-
lichen Ausdrücke. Seine Erfindung und Entstehung muss daher ganz erheblich früher,
als diese Periode, angesetzt werden, und fällt vor den Einiluss des Brahmanismus und
Buddhismus in Java. Von den Chinesen ist das Spiel auch nicht entlehnt, und bei
dem birmanischen Schattenspiel ist eine Einfahr von Java nach Birma. aber nicht um-
gekehrt, zu vermuthen, da sich hei demselben, wie auch in der birmanischen Hofspraeh. .
noch javanische Worte erhalten haben.
Sehr wahrscheinlich ist es, dass das Schattenspiel ursprünglich religiöse Bedeutung
hatte; es sollte die Seelen der Vorfahren herbeirufen, um Segen zu bringen und allerlei
Unheil abzuwenden. Das Phantastische in den Figuren findet dadurch auch seine Er-
klärung, dass dieselben nicht das Bild der betreffenden Persönlichkeit, sondern dasjenige
seiner schattenhaften Seele darstellen Bollen, Hauches von dem auch noch heute streng
eingehaltenen Ceremoniell macht diese Annahme sehr glaubwürdig: das Weihrauohopfer,
die Musik, das Gebet, die Aufführungen bei Nacht u. s. w. Der Dalang, der Erzähler ist
früher wahrscheinlich der Priester gewesen, später das durch Weihrauch und Musik in
Eztase versetzte Medium und erst später hat sich dann der Stand der berufsmässigen
Becitatoren ausgebildet.
Ausser dem Wayang- oder Schattentheater kommt noch .las Topeng- 'der Masken-
theater in Java vor. Auch dieses blickt auf ein sehr hohes Alter zurück, es ist sicherlich
auch eine altjavanische Erfindung und hat wahrscheinlich den gleichen Zweck. vi.
ursprünglich das Wayang-S) .el. n.lunlich die Geist« der Vorfahren in die Masken EU
rufen. Die dabei auch gebräuchliche! Tbicnnaskea lassen auf eine Thierverehruntr
3g Besprechungen*
schliesseu. Die Masken werden vermittelst kleiner Querhölzer im Munde gehalten. Jetzt
unterscheidet man zwei Arten des Maskentheaters, das Topeng babakan oder barangan
und das Topeng dalang. Ersteres wird von herumziehenden Schauspielern auf der Strasse
aufgeführt, wobei nur Bruchtheile von Theaterstücken, oft ganz modernen Inhalts, sowie
Lieder und Tänze geboten werden. Das Topeng dalang ist weiter nichts, als eine Um-
formung des Wayang- Spieles. Wie bei diesem, sind die Schauspieler kostümirt und, wie
bei diesem, sind sie eigentlich nur Puppen. Nicht sie sprechen, sondern der Dalang trägt
auch hier das Theaterstück vor. Trotzdem muss man diese beiden Arten des Theaters
als ursprünglich unabhängig von einander entstandeu betrachten,: Eine dritte Art der
Vorstellungen, die allmählich zu verschwinden beginnt, früher aber viel häufiger war und
schon aus dem 15. Jahrhundert beglaubigt wird, ist das Wayang beber, eiue Vorführung
gemalter Bilderrollen, zu denen aus dem Repertoire der Wayang - Spiele die nöthige Er-
klärung gegeben wird. Auch dieses ist eine javanische Erfindung. Ebenso ist die fernere
Ausbildung des javanischen Theaters eine im Wesentlichen einheimische geblieben.
Ausser den Eederpuppen wurden später glatte bekleidete Holzpuppen gefertigt, die durch
einen Ausschnitt in dem Schirme gezeigt wurden. Dann folgten rund gearbeitete Puppen
und endlich unmaskirte Menschen. Theils hiernach, theils nach dem Inhalt der Stücke
hat man besondere Namen für die Theaterspiele gebildet. Man unterscheidet Wayang
parva, W. gSdok!, W. kalitik oder karucel, W. golek und W. wong.
Wayang purwa scheint seinen Namen zu haben von den parwa, den Abtheilungen
des Mahäbharata, den Sanskrit- Stoffen, die den altjavanischen Mythen aufgepflanzt wurden.
W. gedog, in dem immer nur aus dem Panji-Cyklus Vorführungen vorkommen, bedeutet
entweder Ausdehnung, nehmlich des vorigen, oder Pferd, nach einer Bezeichnung, die sich
stets im Namen des Helden findet. W. kalitik oder karucel hängt wahrscheinlich mit der
Bedeutung „klein werden" zusammen, und findet seine Erklärung darin, dass die hölzernen
Figuren, mit denen es gespielt wird, bedeutend kleiner erscheinen, als die Schattenbilder.
W. golek mit der Bedeutung „rund" spielt auf die rund gearbeiteten Figuren an, und W.
wong, nur von Menschen gespielt, bedeutet unmaskirt. Letzteres wird namentlich in
neuerer Zeit von den einheimischen Fürsten sehr begünstigt, hat sich aber bei dem Volke
bisher nur geringer Beliebtheit zu erfreuen und wird als ein Verstoss gegen das Alt-
hergebrachte sogar als Unglück bringend betrachtet.
Wayang madya ist eine neue Bezeichnung, die sich auf den Sagenstoff bezieht und
„die mittlere Zeit" bedeutet. Von der Beschwörung und Verehrung der Vorfahren
suchen die Fürsten in neuerer Zeit das Wayaug-Spiel zur Unterweisung in der Geschichte,
also zu Lehrzwecken hinüberzuführen. Bei den Aufführungen haben sich uralt her-
gebrachte, feststehende Gebräuche, sogar ganze Formeln erhalten, die von dem Lehrer auf
den Schüler übergehen. Eine Anzahl von Kunstausdrücken wird vom Verfasser erläutert,
dex l>etont, dass auch in der Anordnung der Aufführungen die Javanen ihren eigeneu Weg
gegangen seien. Es bat sieh eine besondere, wahrscheinlich wenig über hundert Jahre
;ilt. Literatur herausgebildet, welche die Wayang-Stücke ihrem Inhalte nach wiedergiebt.
Theils sind das die Pakems, welche in grösserer oder geringerer Knappheit eigentlich nur
eine dem Erzähler Verständliche Anleitung geben, theils aber die Lakoifs, in welchen
>ogar in Versen der <i:uiL' d< Stückes ausführlich erzählt wird.
Der Verfasser giebt dann eine Sehildemng, wie die indischen Sagen den alt javanischen
Mythen aufgepfropft und mit diesen verquickt und bisweilen fast bis zur Unkenntlichkeit
nnitrefoiiiit sind. Als Belag hierfür wird das Theaterstück Palasara analysirt. Den Be-
■ liliiss maehi ein Verzeichnisa der technischen Ausdrücke. Eine Aufzählung von 29 Thesen
ist der Doktorscluift angehängt. Max Bartels.
N i<'<| <-rle, L. 0 püvodu SlovÄÜü. Studie k slovanskym starozitnosteni.
v Pra'ze 18%. 141) S. in 8°. (Ueber den Ursprung der Slaven).
Zu den brennendsten Fragen der Gegenwart gehört unstreitig die über Entstehung
und Abgrenzung <\>'v verschiedenen Nationalitäten unseres Kontinents. Während nun ü'ner
Besprechungen. 3!)
die Entwicklung der Germanen und Celten als Nationalitäten bereits eint' umfangreiche
Literatur existirt, isl diese Frage in Betreff der Slaven noch nicht mit den Hulfsmitteln
der neueren wissenschaftlichen Forschungen behandelt worden. Es war daher eine dankens-
werthe Aufgabe, welche Herr Niederle sieh in der obigen Abhandlung gestelli hat. alle
bisherigen Resultate der vergleichenden Sprachforschung, der Anthropologie und Archäologie
Über den Ursprung der Slaven übersichtlich zusammenzufassen, und wir köunen gleich
hinzufügen, dass er diese Aufgabe erschöpfend und mit beherrschender Sachkenntnis
gedöst hat.
Das Studium der vergleichenden Linguistik führt nach sorgfältiger Prüfung aller oft
einander widersprechenden Ansichten der verschiedenen Korscher doch zu dem Schlüsse,
dass die Slaven vor ihrem selbständigen Auftreten als solche lagen mit den lettischen
Völkerstämmen einheitlich zusammengelebt haben müssen: dass dieser letto - slavische
Sprachstamm ferner sich einst von der gemeinsamen arischen Ursprache abgezweigt hat
und wahrscheinlich zuerst noch in Berührung blieb, einerseits mit dem germanischen,
andererseits mit dem iranischen Sprachstamm, wenn er nicht überhaupt mit einem von ihnen
früher eine einheitliche letzte Gruppe der arischen Sprachfamilie bildete. Ob aber diese
Slaven wirklich ein Theil der ursprünglichen Arier oder nur arisirte Fremdlinge waren,
darüber giebt die Sprachforschung keinen Aufschluss.
Die Anthropologie lehrt unzweifelhaft, dass die heutigen Slaven ihrer Körper-
beschaffenheit nach keinen einheitlichen Typus zeigen, ja dass einzelne slavische Stämme
sieh darin mehr von einander unterscheiden, als von ihren nichtslavischen Nachbarn.
Aber mit Recht hebt der Verfasser hervor, dass ganz dasselbe von den übrigen Nationen
Europas gilt. Im Allgemeinen kann man nur sagen, dass der Procentsatz der Brachy-
cephalie unter den Slaven in der Richtung nach Norden und Osten abnimmt, nach Süden
und Westen zunimmt. Und dies gilt in noch höherem Grade von der Complexion: die
Nord- und Ostslaven haben einen viel höheren Procentsatz von Blonden aufzuweisen, als
die Süd- und Westslaven. — Allein die Untersuchung von Gräberschädeln aus dem 8.— 16.
Jahrhundert von Seiten zuverlässiger Korscher ergab andererseits auch, dass die Slaven
im Ganzen in früheren Jahrhunderten viel mehr Dolichocephale aufwiesen, welche mit dem
germanischen Reihengräbertypus vollständig übereinstimmten, dass dieser Typus mit den
Jahrhunderten abnahm und die Zahl der Brachycephalen zunahm. Die Ansicht von
Euro paus, dass jene Erscheinung durch eine starke Einwanderung von langschädeligen
Finnen im 8. - 12. Jahrhundert zu erklären sei, verwirft der Verf. mit Recht, weil die
Finnen im Allgemeinen mehr kurz- als langschädlig seien und gerade die dolichocephalen
Elemente der Slaven die ursprünglichen arischen Abkömmlinge repräsentiren, welche sich
nach und nach mit der brachycephalen Urbevölkerung Mitteleuropas (die sich längs der
ganzen Alpenkette hin nach Osten bis zum Balkan und nach Asien hinein verfolgen lässt),
vermischt haben, ganz so wie dies bei den Germanen und den Celten nachgewiesen sei.
Je näher jener brachycephalen Alpenzone, desto kurzköpliger und dunkler sei im All-
gemeinen die Bevölkerung, je weiter nach Norden, um so mehr dolichocephal und bloud.
Hiernach ist es wahrscheinlich, dass die Lettoslaven gemeinschaftlich mit den Germanen
und vermuthlich auch mit anderen arischen Stämmen ursprünglich eine verwandte, im
Mittel dolichocephale Gruppe bildeten, welche im Laufe der Zeit die helle Complexion
entwickelte. Erst später, als sich die Stämme schon sprachlich von einander getrennt
hatten, entwickelten sich weiterhin in den verschiedenen Gegenden die anthropologischen
Verschiedenheiten. Diese Trennung vollzog sich Dach dm Ergebnissen der archäologischen
und linguistischen Forschung am Ende der neolitbischen Periode oder im Beginn der
Kupferzeit, als die Lettoslaven nordlich der Karpathen am oberen Dnieper in der Gegend
des Pripet und der Heresina sassen. Während nun der germanische Stamm im Norden
sich bald eine eigenartige Metallkultur schuf, ist von einer besonderen slavischen Kultur
noch lange nicht die Bede; die einsige eigenartige Erscheinung ist. dass schon früh eine
starke Beeinflussung der Slaven von Seiten [nner*Asien8, besonders von dem uraltaischeu
Culturcentrum aus sich geltend macht.
•Wann die Lotten von den Slaven sich trennten. Isl un-vwiss. Nach der Verwandt-
schaft des Sprachbaues hat» Q sie noch lange gemeinschaftlich gelebt, doch waren sie
einige Jahrhunderte v. Ohr. Geburl schon sicher geschieden,
40 Besprechungen.
Ein sorgfältiges Verzeichniss der ganzen einschlägigen Literatur und ein Excurs über
das Verhältniss der Ugrofinnen zu den Slaven schliesst die ileissige Arbeit.
L i s s a u e r.
Matiegka, J. Zkoumani kosti a lebek ceskych v kostnicich venkovskych.
v Praze 1896. 42 S. 8° und 7 Tabellen. Aus Rozpravy ceske Akad.
Cis. Frantiska Jozefa V. 2. No. 42 (Studien über Cechenschädel aus
Beinhäusern in der Provinz).
Der Herr Verfasser hat gegen 300 Schädel aus den Beinhäusern von Melnik, Budin
und Trebivlice im nördlichen Böhmen untersucht, welche verschiedenen Zeiten entstammen
und den verschiedensten Alters- und Berufsklassen angehören. Aus diesem reichen
Material ergiebt sich zunächst, dass der tfechische Schädel im Allgemeinen brachycephal
(83,33), von mittlerer Höhe, leptoprosop, mesosem und mesorrhin ist; dass die Capacität
ferner bei den Männern eine sehr grosse (1553,5 ccm), bei den Frauen dagegen eine sehr
kleine (1287,5) ist. Der weibliche Schädel ist überhaupt mehr brachycephal, aber etwas
weniger hoch, als der männliche. Von besonderem Interesse ist ein Vergleich dieser Schädel
mit denjenigen, welche der Verfasser früher aus dem 8. — 12. und aus dem 16. Jahr-
hundert untersucht und in seinen Crania bohemica, Prag 1891, sowie in den Schriften der Prager
Academie von 1893 veröffentlicht hat. Darnach erscheint der moderne Schädel kürzer,
niedriger und breiter, im Ganzen mehr abgerundet und von grösserem Umfang; auch das
Gesicht ist heute etwas breiter, aber im Ganzen kleiner. Während der mittlere Index der
männlichen Schädel aus dem 8.— 12. Jahrhundert 76,97 beträgt, steigt er im 16. Jahr-
hundert auf 80,77 und in der späteren Zeit auf 83,19: die früher häufige „Reihengräber-
fornr' ist fast verschwunden, während die breiten Typen zugenommen haben. Die Fest-
stellung dieser Thatsache für Böhmen ist das besondere Verdienst des Verfassers.
Eine Vergleichung des cechischen Schädels mit dem der benachbarten Völker zeigt,
dass derselbe am meisten den bayrischen Schädeln (Ranke) gleicht, welche den Ueber-
gang zu den Schädelformen des übrigen Deutschlands bilden, wie die mährischen zu denen
der nördlichen Slaven. Ja die cechischen Schädel sind den bayrischen ähnlicher, als die
von Nieder -Oesterreich oder von Baden nach den zahlreich vorliegenden Untersuchungen
von Zuckerkandl und Ecker. Mit Recht schliesst der Verfasser daher, dass es weder
einen speeifisch deutschen, noch einen speeifisch slavischen, viel weniger noch einen
speeifiseh Cechischen Schädeltypus giebt.
Eine genaue Beschreibung der Extremitätenknochen schliesst die für die kraniologische
Kenntniss der mitteleuropäischen Völker wichtige Arbeit. Lissauer.
Matiegka, J. Nalezy Lateneske ze severozapadnich Cech. v Praze 1806.
Pamatky archaeol. XVII., S. 271-284 und Tfl. 29-31. (La Tene-
Funde aus dem nordwestlichen Böhmen).
Durch die Ausgrabungen bei Liebhausen, welche der Verfasser in der obigen Ab-
handlung sorgfältig beschrieben und abgebildet hat, wird die grosse Zahl der Fundorte
aus der La Tenezeit in Böhmen um eine wichtige Stätte vermehrt. Hier wurde ein Skelet-
gräberfeld aufgedeckt, welches reiche Beigaben enthielt, besonders Schwerter, Lanzen-
spitzen, Schildbeschlägc, Armbänder, Fibeln, Ketten von der charakteristischen Form der
älteren La Tenezeit. Die prachtvollen Gürtelketten sind aus Eisen und Bronze, zum Theil
mit rothem Email vorziert; unter den Armbändern sind besonders zahlreich die Formen mit
hohlen Halbkugeln, aber auch die gepressten blauen Glasringe, sowie die Lignitringe sind
gut vertreten, — die Fibeln haben den Charakter der frühen La Tenezeit mit zurück-
gelegtem, aber unverbundenem Fussende. — Die Skelette lagen zum Theil in den Ueber-
resten einer alten Ansiedelung mit Abfall- und Aschengruben, welche Stein und Bein-
geräthe, sowie viele ornamentirte Scherben aus älteren Culturperioden, besonders der
Hallstattzeit enthielten.
Ausser diesem Gräberfelde werden noch 2 kleinere Fundstätten mit La Time-Beigaben
von Gross-Czernosek und von Wchinitz, ebenfalls im nordwestlichen Böhmen, eingehend
beschrieben. . Lissauer.
II.
Ueber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichts-
indices, ihre Eintheilung und Brauchbarkeit.
Von
Dr. S. WEISSENBERG in Elisabethgrad, Russland.
Die jetzt übliche Eintheilung der Gesichtsindices ist diejenige der
Frankfurter Verständigung. Die Verfasser der letzteren waren sich aber
sehr gut bewusst, dass die von ihnen gegebene Eintheilung nur eine
provisorische sei, was aus der Bemerkung: „eine Aenderung in der Ab-
grenzung der verschiedenen Gesichts-, bezw. Obergesichts -Indices bleibt
vorbehalten" — zur Genüge erhellt. Wie wenig die Eintheilung der
Frankfurter Verständigung der Wirklichkeit entspricht, ist aus folgenden]
Beispiel zu sehen. So sind nach derselben die Werthe für den Koll-
mann'schen Gesichtsindex denjenigen für den Virchow'schen gleich: nach
beiden sind Gesichter bis 90,0 breit, solche über 90,0 schmal zu nennen.
In Wirklichkeit ist aber der Virchow'sche Gesichtsindex bedeutend grösser,
als der Kollmann'sche, da die malare Gesichtsbreite sich zur Jochbreite,
wie 93 : 138 (siehe Messtabellen V und VI) verhält.
Die Unbequemlichkeiten der Eintheilung der Frankfurter Verständigung
werden schon lange gefühlt; aber erst vor Kurzem wurde ein Versuch
gemacht, eine neue Eintheilung, die mehr den Thatsachen entspricht, zu
ermitteln. Leider dehnte aber Hr. Szombathy1) seine Berechnungen
nur auf die Virchow'schen Indices aus, ohne die übrigen Gesichtsindices
zu berücksichtigen. Insbesondere ist es Rud. Virchow. der schon seir
mehreren Jahren bei jeder Gelegenheit auf die Notwendigkeit neuer Be-
rechnungen und hauptsächlich auf den .Mangel einer mesoprosopeu Gruppe
hinweist8). Auf Anregung und mit liebenswürdiger Unterstützung des
Letzteren unterzog ich mich der Arbeit, auf Grund eines grösseren Materials
die verschiedenen Gesichtsindices zu berechnen und mit einander zu ver-
gleichen; es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle dem hochverdienten,
trotz seines Alters jugendfrischen .Meister unserer Wissenschaft dafür
meinen ergebenen Dank zu sagen. Auch bin ich den Herren Geh. Rath
1 /.. f. E. L896, Verli. S. 268.
2) Z. f. E. 1891, Verb. S. 58: 1895, Vcrh. S. 274.
Zeitschrift für Ethnolsgie. Jahrg. 1&97.
|-j S. WEISSENBERG:
A. Baer und weiland Geh. Rath (i. Lewin für die freundliche Erlaubniss,
das unter ihrer Leitung stehende Material messen zu dürfen, zu Danke
verpflichtet.
Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass das Bestreben der Anthropo-
logeD dahin gerichtet sein muss, das Maass-Schema zu vereinfachen, begnügte
ich mich mit der Entnahme nur einiger, jetzt am meisten gebrauchter Maasse,
die meiner Meinung nach ausreichen, um ein Gesicht mehr oder weniger
zu charakterisiren. Von verschiedenen Autoren wurden ja verschiedene
Gesichtsmaasse vorgeschlagen und genommen; es ist aber hier nicht der
( >rr. auf eine Kritik derselben einzugehen. Meine Aufgabe war nur, die
wenigen von mir genommenen Gesichtsinaasse und die aus ihnen folgenden
lmliees auf ihre Brauchbarkeit zu untersuchen, und zweitens auf Grund
irgend einer festen Basis zu versuchen, eine Eintheilung der Indices zu
geben.
Eine solche natürliche Basis zur Eintheilung der Gesichtsindices
schien mir vom theoretischen Standpunkte aus die Körpergrösse zu sein.
Da die Gesichtsindices zum Zähler Längenmaasse haben, so besteht viel-
leicht zwischen den ersteren und der Körpergrösse ein Abhängigkeits-
verhältniss und zwar ein solches, dass grösserer Höhe auch grössere Indices
entsprechen. Bestände ein solches Yerhältniss zwischen Gesichtsindices
and Körpergrösse, dann hätten wir eine natürliche Basis für die Ein-
theilung der ersteren, indem diejenigen Indices, die der kleinen, mittleren
und grossen Körperhöhe entsprechen, selbstverständlich auf Grund eines
grossen, verschiedenartig zusammengesetzten Materials berechnet, bezw.
als chamae-, meso- und leptoprosope bezeichnet werden müssten. Dem
ist aber, wie folgende kleine Tabelle zeigt, nicht so, weil der Procent-
satz der Li'j.roprosopie bei den Uebermittelgrossen im Allgemeinen zwar
etwas grösser, aber dem bei den Untermittelgrossen nicht gerade entgegen-
IH'Si'tzt ist.
(Tabelle I siehe nebenstehend.)
Da nun so eine luntheilung der Gesichtsindices auf Grund dieser
natürlichen Basis sich nicht ermitteln lässt, bleibt nichts mehr übrig, als
eine solche auf Grund der jetzt allgemein üblichen Methode zu versuchen.
i;> ist dir Methode der Mittelzahlen: aus einer grösseren Reihe von
Messungen wird der Mittelwerth für irgend einen Iudex berechnet und
die übrigen um denselben gruppirt.
Bevor wir alter zu den [ndices übergehen, wollen wir die zusammen-
senden Elemente derselben, die einzelnen Maasse, kurz besprechen.
Mein Material bestand ursprünglich aus 200 männlichen Internirten
Gefängnisses in Plötzensee und 100 Prostituirten der betreffenden
Charite-Abtheilung. \n diesen bestimmte ich folgende Maasse:
l. Körperlänge.
_'. Ganzgesichtslänge vnm Haarrand bis zum Kinn.
Heber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichtsindices.
l:i
:;. Gesichtslänge von der Nasenwurzel bis zum Kinn.
4. Mittelgesichtslänge von der Nasenwurzel bis zum ALveolarrande
des Oberkiefers.
5. Jochbreite — die grösste Entfernung zwischen den Jochbögen.
<;. Malare Gesichtsbreite nach Virchow von dem unteren vorderen
Höcker des einen Wangenbeins bis zu demselben Tunkte des
anderen.
Tabelle I. Terllältniss zwischen Körpergrösse und (Jesichtsindex.
Körpergrösse
I Iesichtsindex
unterraittelgross
< 1650
üb er mittelgross
> 1650
200 deutsche Männer
kurz < 90
lau-' > 90
100 deutsche Frauen
kurz
54,0-74,0 pCt.
19,0—26,0 „
72 0—72 7
88,0—69,3 pCti
39,0-30,7 „
1 0—1 no
lang
27 0—27 3 —
100 .luden
lang
36,0—77,6 „ 37,0-69,8 .,
11,0—23,4 „ 16,0-30,2 „
26,0-92,9 „ 34,0-85,0 .,
2,0- 7.1 „ 6.0-15,0 „
55,0—88,7 „ 12,0-92,3 „
7.0-11,3 ., 1,0- 7.7 „
68 Baschkiren
kurz
Lang
75 Papuas
kurz
lang
Da das (auf S. L2 unten) erwähnte Material zur Aufstellung einer
allgemein gültigen Eintheilung mir nicht als ausreichend erschien, ers
wegen der ungenügenden Zahl der Gemessenen und zweitens wegen der
Einheitlichkeit derselben der Volksangehörigkeit nach, so fügte ich noch
folgende Völkerschaften hinzu:
L00 Juden (S. Weissenberg, Die südrussischen .luden. Areh. für
Anthropologie, I'.. Will .
50 Jüdinnen (ibidem).
68 Baschkiren (s. Weissenberg, Ein Beitrag zur Anthropologie der
Turkvölker, Z. f. E. L892).
I.") Bffeschtscherjaken (ibidem).
70 Ostafrikaner (R. Virchow, Kopfmessungen an Ost -Afrikanern,
Z. f. E. L893, Verh. S. 18I)1).
1) Die Minderjährige] ausgeschlossen.
44
S. Weissenberg :
10 Westafrikanerimien (L. Conradt, Anthropologische Aufnähmen
im Adeli-Lande, Z. f. E. 1894, Verh. S. 164) *).
77 Papua-Männer und
12 Papua- Frauen (O. Schellong, Beiträge zur Anthropologie der
Papuas, Z. f. E. 1891)1).
Ich verfügte also im Ganzen über ein Material von 702 Individuen
verschiedener Abstammung und beiderlei Geschlechts: leider fehlen in
meinen Berechnungen Amerikaner2). Ich bin weit entfernt daran zu
denken, dass dieses Material vollkommen ausreicht, um eine einwandsfreie
Classincirung der Gesichtsindices geben zu können. Berücksichtigt man
aber, dass das der Arbeit zu Grunde liegende Material aus vier Erdtheilen
stammt und dass die individuellen Schwankungen im Allgemeinen grösser
sind, als die Rassenschwankungen, so wird man vom wissenschaftlichen
Standpunkte die Zahl der Beobachtungen wohl für genügend erklären
müssen, was man vom praktischen Standpunkte, wie ich hoffe, um so
eher thun wird, wenn man berücksichtigt, dass ich sämmtliche Berech-
nungen, den Gesichtsindex nach Kollmann ausgenommen, selbst aus-
führen musste, weclhe Arbeit doch durchaus nicht zu den angenehmen
and anregenden gerechnet werden kann.
Die einzelnen Maasse sind in den Tabellen II — VI zusammengestellt,
und zwar sind sämmtliche Werthe für dieselben in aufsteigende arith-
metrische Reihen mit einer Differenz von 5 mm geordnet.
Tabelle II. tianzgesichtshöhe (Haargrenze — Kinn).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männl.)
Deutsche
(weibl.)
Ost-
Afrikaner
West-
Afrika-
nerinnen
Papua-
Männer
Papua-
Frauen
Summa
146—150
1
—
—
—
—
1
161-155
—
—
—
—
—
—
156—160
—
1
—
—
—
—
1
161—165
2
(.)
—
1
—
5
17
166—170
6
21
4
3
1
2
37
171—175
18
17
9
1
3
—
48
176-180
34
31
4
2
3
—
74
181-185
34
11
14
2
3
—
64
186—190
35
7
12
1
—
—
55
191-195
36
2
11
—
3
—
52
196-200
23
"
11
—
3
—
37
1 Die Minderjährigen ausgeschlo
J ! >a nicht alle Beobachter sämmtliche oben angeführten fünf Gesichtsmaasse bestimmt
haben, so reducirt sich diese Zahl bei einig 'ii Maassen fast auf die Hälfte.
Ueber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesiehtsindices.
i:>
Schwankung
breite
Deutsche
(inännl.)
Deutsche
(weibl.)
Ost-
Afrikaner
WYst-
Afrika-
nerinnen
Papua-
Mäuner
Papua-
Frau 'ii
Summa
201—205
6
1
_.
2
9
206-210
4
1
—
—
—
5
211—215
—
1
—
—
1
2 16-220
—
—
1
—
—
1
221—225
—
—
—
—
—
—
—
226-230
—
—
1
—
—
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
198
100
70
10
18
7
403
Minimuni . .
162
150
167
165
167
162
150
(Deutsche^
Maximum . .
210
195
230
188
205
166
230
Ostai'rikancr)
Differenz . .
48
45
63
23
38
4
80
Mittel . . .
186
175
188
175
186
164
183
Tabelle III. Gesichtshöhe (Nasenwurzel — Kinn).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männlich)
Deutsche
(weiblich)
Juden
Jüdinnen
Baschkiren
Meschtscher-
jaken
°
iä -
< =
00 J-
—
3
P
=
X
Summa
86- 90
1
1
91— 95
1
1
■)
96—100
—
—
—
2
—
—
—
5
5
3
15
101-105
—
5
—
10
—
—
5
4
5
2
31
106-110
6
20
9
17
5
2
11
1
16
4
91
111-115
10
32
15
11
7
2
12
—
20
1
110
116-120
55
32
37
6
23
7
18
—
23
—
201
121-125
57
9
24
2
15
4
11
—
6
—
12S
126—130
50
1
10
1
13
—
7
—
—
—
S2
131-135
17
1
5
—
4
—
5
—
2
—
:'4
136-140
4
1
5
141—145
1
—
—
—
—
—
1
—
—
—
o
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
50
68
15
70
10
77
12
102
Minimum . .
108
101
107
16
107
110
101
98
96
90
90
Papua-Frau <
Maximum . .
142
133
134
129
137
125
144
108
182
114
144
< '-tatVikaner)
Differena . .
34
32
27
34
30
15
43
in
36
24
:.4
Mittel . . .
123
115
119
110
122
117
115
101
113
103
11-
46
S. Weissenberg:
Tabelle IV. Mittelgesicht (Nasenwurzel — oberer Alveolarrand).
West-
Schwankungs-
Deutsche
Deutsche
Ost-
Afrika-
Papua-
Papua-
Summa
breite
(mäunl.)
(weibl.)
Afrikaner
nerinnen
Männer
Frauen
51-55
_
2
2
56—60
1
—
3
5
3
12
61—65
2
7
1
0
14
3
32
66—70
20
30
14
2
28
5
99
71—75
64
45
23
—
22
1
155
76-80
81
15
23
—
5
—
124
81-85
32
2
6
—
1
—
41
86-90
1
—
2
—
—
—
3
91-95
—
—
1
—
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
70
10
77
12
469
Minimum . .
62
60
65
57
52
56
52
(Papua
Maximuni . .
89
82
91
68
85
72
91
(Ostafrikaner)
Differenz . .
27
22
26
11
33
16
39
Mittel . . .
76
72
79
63
69
64
74
1) Nasenwurzel bis Mund.
Tabelle V. Jochbreite.
Schwankungs-
2*
c
CO
scher-
o
d
CS
t-Afrika-
innen
CD
a
SS
3
0
a
cö
Summa
breite
co O
"3 ^
a
a
-G
-5 S
<
c3
2
i-s
1-3
CO
pq
CO M
cd d
CO
o
cd
PH
P-l
116-120
3
2
2
1
1
9
121-125
—
7
8
—
—
2
3
—
1
21
126-130
5
31
8
17
—
i
5
2
8
3
80
131-135
25
32
30
17
4
3
17
3
25
5
161
136—140
76
24
30
6
17
7
25
1
21
2
209
141-145
66
3
24
—
28
1
15
—
18
—
155
146- 150
24
—
8
—
18
3
3
—
5
—
61
151—155
4
—
—
—
1
—
1
—
—
—
6
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
50
68
15
70
10
77
12
702
Minimum . .
129
116
126
120
•
133
130
120
119
126
118
116
(Deutsche)
Maximum . .
154
144
150
140
152
149
153
136
150
138
154
(Deutscher)
Differenz . .
25
28
24
20
19
19
33
17
24
20
38
i . . .
140
132
138
130
143
139
137
128
139
131
138
Ueber die verschiedenen ßesichtsmaasse und Gesichtsindices.
47
Tabelle VI. Kaiare Breite (nach Virchow).
Bchwankungs-
breite
56— 60
61— 65
<;e— 70
71- 75
76— 80
81- 85
86— 90
91— 95
96-100
101-105
106-110
111-115
116—120
4
24
63
82
21
5
1
3
7
40
27
22
1
—
a
1-3
«
5 r
ü —
CO-«
o ee
4
25
28
33
8
2
1
2
7
24
28
5
1
,
^
«ö
e
—
=
=
V.
C
V
s
*
B
Ph
»H
3
9
16
18
11
10
2
1
2
6
17
23
14
11
2
1
1
Summa
3
11
21
25
17
32
104
145
188
74
23
5
4
Zahl der Ge-
messenen .
Minimum . .
Maximum . .
Differenz . .
Mittel . . .
200
82
112
30
96
100
100
68
15
70
10
77
76
83
85
83
83
84
58
101
107
112
105
117
118
97
25
24
27
22
34
34
39
91
95
100
96
98
105
74
12
60
14
66
652
58
Papua)
118 (West-
Afrikanerin
60
93
Was bei der Betrachtum; dieser Tabellen zuerst in die Augen fällt,
ist die verschiedene Beständigkeit der einzelnen Maasse, ihre verschiedene
Schwankungsbreite, deren Grad aus folgender Zusammenstellung klar wird:
Tabelle VII. Schwankungsbreite der ßesichtsmaasse.
Gesichtsmaasse
Mittelwert*
Schwankungs- Verhältniss
breite zwischen beiden
Mittelgesichtshöhe
Jochbreite
Malare Breit«'
183
118
U
138
93
80
54
39
38
60
43,7
52.7
Aus dieser Tabelle folgt, dass die Gesichtsmaasse eine Schwankungs-
breite von 43,7 bis 6 : 5 zeigen, und /.war variiren die Gesichtshöhen im
48
S. Weissenberg :
Allgemeinen mehr als die Gesichtsbreiten. Auf die Ursachen dieser Er-
scheinung werden wir später noch zurückkommen.
Zweitens zeigen die Tabellen, dass die Frauen im Allgemeinen viel
kleinere Gesichtsmaasse haben, als die Männer, was im Einklänge mit
ihrer geringeren Körpergrösse steht. Eine Ausnahme bilden nur die West-
afrikanerinnen in Bezug auf ihre malare Breite, welches Maass bei ihnen
den grössten Werth — 105 — zeigt.
Versuchen wir die Gesichtsmaasse nach ihrer Grösse zu classificiren,
so wird für die Ganzgesichtshöhe etwa 180 mm der mittlere Werth sein,
wobei dann die Papua-Frauen, die deutschen Frauen und die Westafrika-
nerinnen eine kleine, die deutschen und die Papua-Männer, sowie die Ost-
afrikaner eine grosse Ganzgesichtshöhe haben würden. Die Gesichtshöhe
beträgt im Mittel etwa 120 mm; danach haben die Deutschen und Baschkiren
ein langes, die Juden und Meschtscherjaken ein mittellanges, die deutschen
Frauen, die Ostafrikaner und Papua-Männer ein kurzes, und endlich die
Jüdinnen, Westafrikanerinnen und Papua-Frauen ein sehr kurzes Gesicht.
Das Mittelgesicht zeigt eine mittlere Länge von Ibmm, wobei die deutschen
Männer und die Ostafrikaner ein langes, die deutschen Frauen ein mittellanges,
die Papua-Männer ein kurzes, die Westafrikanerinnen und Papua-Frauen
ein sehr kurzes Gesicht haben. Die Joch breite misst im Mittel etwa
140 mm; dieselbe ist bei den Baschkiren gross, bei den Deutschen, Juden,
Meschtscherjaken, Ostafrikanern und Papua-Männern mittelgross, bei den
deutschen und Papua -Frauen klein, und endlich bei den Jüdinnen und
Westafrikanerinnen sehr klein zu nennen. Die malare Breite zeigt
einen mittleren Werth von etwa 95 mm, wobei die Westafrikanerinnen
eine sehr grosse, die deutschen Männer, die Baschkiren, Meschtscherjaken
und Ostafrikaner eine grosse, die deutschen Frauen und die Juden eine
mittelgrosse, die l'apuas eine sehr kleine malare Breite haben.
Folgende tabellarische Zusammenstellung wird wohl eine bessere und
Leichtere Uebersicht über diese Verhältnisse geben.
Tabelle VIII. Eintheilung der Gesichtsmaasse.
, Maass
sehr klein
klein
mittelgross
gross
sehr
gross
Ganz-
< 165
16G-175
176—185
186—195
> 195
gesichl shöfae
Papua-Frauen
deutsche Frauen
deutsche Männer
164
175
W est-Afrika-
nerinnen 175
186
Ostafrikaner 188
Papua-Männer
186
Gesichtshöhe
110
lll 1 1
116—120
121—125
> 125
Jüdinnen H*1
deul iche Frau n
Juden 119
deutsche Männer
West-Afrika-
L15
Meschtscher-
123
iii rinnen 101
Ost- Afrikaner
jaken 117
Baschkiren 122
Papua-Frauen
115
103
l'ajiua-Männer
113
lieber die verschiedenen Gesichtsniaasse und Gesichtsindices.
Maass
sehr klein
kloin mittelgross gross
sehr
gross
Mittel-
< 65
66—70 71—75 76—80
> 80
gesichtshöhe
West-Afrika-
Papua-Männer deutscht' Frauen deutsche Männer
nerinnen 63
69 72 76
Papua-Frauen
Ost-Afrikaner 79
64
Jochbreite
< 130
131—135 136-140 141-145
> 145
Jüdinnen 130
deutsche Frauen deutsche Männer Baschkiren 143
West-Afrika-
132 140
oerinnen 128
Papua-Frauen Juden 138
131 Meschtscher-
jaken 139
Ostafrikaner 137
Papua-Männer
139
Malare
< 85
86—90
91_95 96—100
> 100
Breite
Papua-Männer
deutsche Frauen deutsche Männer
West-
74
91
96
Afrika-
Papua-Frauen
Juden 95
Baschkiren 100
nerinnen
66
Meschtscher-
jaken 96
Ost-Afrikaner 98
105
Man sieht aus dieser Tabelle dasa nicht immer sämmtliche Maasse
irgend eines Volkes in dieselbe Rubrik fallen; das Gesicht ist also absolut
nicht nach allen Richtungen gleichmässig entwickelt.
< ; cheii wir nun zu den Gesichtsindices über, so finden wir dieselben
in den Tabellen IX — XIII zusammengestellt:
Tabelle IX. («auzgesiehtsindex (Haar — Kinn: Jochbreite).
Sclrwankungs-
Deutsche
Deutsche
Ost-
West-
Afrika-
Papua-
Papua-
Summa
breite
(liiäunl.)
(weibl.)
Afrikaner
nerinnen
Männer
Frauen
105—110
1
_
1
115- 120
6
—
1
—
—
1
8
120—125
19
10
3
1
1
2
36
125-130
44
23
12
•_>
o
1
84
130-135
52
31
13
1
<
2
106
135— HO
47
21
19
2
4
1
94
140—145
25
9
12
3
3
—
52
145—150
3
3
2
—
—
—
8
150—155
2
2
2
1
—
—
i
165 160
—
5
—
1
—
6
160—165
—
—
—
—
—
—
L65 -170
—
1
—
—
—
1
/.;ilil der <ie-
messenen .
198
10.1
7«i
10
18
.
41 13
Minimum . .
115,1
108,1
118,1
124.4
124,6
117.4
108,1
Deutsche
Maximum . .
151,5
152,5
165.8
152.8
156,8
139,0
165,S
' Istafrikaner
IdH'ereuz . .
36,4
43,8
IT.T
28,4
31,2
21,6
57.1
Mittel . . .
132,9
132,6
137,2
136.7
133,8
125,2
132,6
50
S. WEISSENBERG :
Tabelle X. Gesichtsindex (K oll mann).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männlich
Deutsche
(weiblich)
0
o
-
" s
o
B
=
--
CO
CS
P5
u
CO
-
CO-M
;-
o
Ö
<
CO
o
West-Afrika-
nerinnen
Papua-Männer
0
<v
k
PU
es
Summa
65— 70
1
1
70- 75
1
1
2
2
3
3
2
4
5
23
75— 80
13
5
7
6
9
i
15
5
22
2
85
80- 85
32
31
29
17
28
9
15
3
30
3
197
85- 90
96
36
35
19
21
4
-20
—
12
2
245
90- 95
44
21
23
4
4
1
9
—
8
—
114
95-100
13
6
3
2
3
—
5
—
—
—
32
100—105
1
—
1
—
—
—
2
—
4
105—110
—
—
—
—
—
1
_
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
50
68
15
70
10
77
12
702
Minimum . .
74,0
74,6
72,8
72,8
74,0
75,8
72.1
74,0
70,0
71,0
70
(Papua)
Maximum . .
101,5
98,3
100,8
96,3
98,5
92,3
108,1
82,3
93,0
88,1
108,1
'.Ostafrikaner)
Differenz . .
27,5
23,7
28,0
23,5
24,5
16,5
36,0
8,3
23,0
17,1
38.1
Mittel . . .
87,8
87,1
86,2
84,6
85,3
84,2
83,9
78,9
81,3
78,6
S5,5
Tabelle XI. (xesichtsimlex (Virchow).
ö
PH
CS
0
Schwankungs-
breite
Z "-
Deutsche
(weiblich)
ö
o
1-5
a
a
u
M
"c3
CO
PQ
ü
CO
_= a
es
M
«ü
CO
o
«J3 OS
3.1
CO ß
:cg
SB
£
P,
Summa
85- 90
2
—
2
- 95
—
—
—
—
—
—
4
—
—
4
95—ldO
—
—
—
—
—
3
1
—
—
4
100-105
—
1
1
1
—
4
2
—
—
• 9
105—110
l
—
1
5
i
5
—
—
—
13
110-115
8
10
8
13
2
11
—
—
—
52
115-120
19
16
11
16
3
13
—
1
—
79
120-125
10
IS
31
12
2
10
1
—
—
114
125- 130
58
21
1!»
10
4
8
—
1
—
121
130—135
2S
20
14
5
3
5
—
6
—
81
135—140
27
11
5
4
—
6
—
ß
1
60
140-145
9
2
5
1
2
—
8
1
28
145—150
10
—
3
1
—
1
—
15
1
31
150—155
—
1
1
—
1
—
8
4
15
üeber die verschiedenen Gesichtomaasse and Gesichtoindices.
51
Bchwankungs-
breite
s • —
DP —
cß —
— -
S *
Ö
i
—
a
— .
0
-
9
CO
-
n
Meschtscher-
jaken
Ost-Afrikanei
s
k
5
et
Summa
155 - 160
1
9
2
12
8
1
9
165—170
—
—
—
—
—
1
—
5
—
6
2
1
3
5
1
6
1
1
1
—
1
—
200—205
—
—
—
—
—
—
1
—
1
Zahl der Ge-
messenen .
200
100
100
68
15
70
10
77
12
652
Minimum . .
108,0
103,0
104,8
102,8
107,6
100,0
86,2
117,5
138,5
86,2 (West-
Afn Iranerin]
Maximum . .
149,4
154,6
155,3
147,1
133,3
169,4
120,2
201,7
177,4
201,7
'Papua)
Differenz . .
41,4
51,6
£0,5
44,3
25,7
69,4
34,0
84,2
38,9
115,5
Mittel . . .
128,1
126,4
125,3
122,0
121,9
117,3
96,2
152,7
156,1
126,9
Tabelle XII. Mittelgesichtsindex (Kollmann).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männl.)
Deut-rli.-
(weibl.)
Ost-
Afrikaner
West-
Afrika-
nerionen
Papua-
Männer
Papua-
Frauen
Summa
35-40
_
2
2
40-45
1
1
—
-
5
3
10
45—50
22
11
8
7
33
5
86
50-55
94
43
34
3
30
3
207
55-60
68
40
17
—
7
1
133
60-65
15
5
10
—
30
65 -70
—
—
1
—
—
—
1
Zahl der ' re-
messenen .
200
100
70
10
77
12
469
Minimum . .
43,6
43,5
46,4
46,2
39,3
42,8
39,3
Papua)
Maximum . .
63,6
67.5
52,8
59,8
57.6
67,5
' >stafrikaner]
Differenz . .
20,0
19,8
21,1
7,6
20,5
14,8
_-'
Mittel . . .
54,3
54,5
">7.7
41,.'_'
49,6
18,8
58,6
52
S. Weissenberg :
Tabelle XIII. Mittelgesichtsindex (Virchow).
Schwankungs-
breite
Deutsche
(männl.)
Deutsche Ost-
(weibl.) Afrikaner
West-
Afrika-
nerinnen
Papua-
Männer
Papua-
Frauen
Summa
50— 55
55— 60
60- 65
65- 70
70— 75
75— 80
80— 85
85- 90
90- 95
95—100
100—105
105-110
110-115
115-120
120-125
1
7
37
62
56
26
10
1
1
1
5
15
37
24
14
2
1
1
4
6
22
14
10
6
5
2
1
6
1
1
1
3
7
5
18
13
14
7
4
5
1
1
6
2
1
1
1
1
8
7
19
77
121
95
65
36
19
9
5
5
1
1
Zahl der Ge-
messenen .
Minimum . .
Maximum . .
Differenz . .
Mittel . . .
200
62,0
101,1
39,1
79,2
100
60,0
95,3
35,3
79,1
70
60,0
96,8
36,8
80,6
10
52,6
76,2
23,6
60,0
77
71,4
122,4
51,0
93,2
12
86,1
116,1
30,0
97,0
469
52,6 (West-
Afrikanerin)
122,4
(Papua)
69,8
79,6
Audi hier fällt zuerst in die Augen die verschiedene Schwankungs-
breite der [ndices, — der eine ist mehr, der andere weniger beständig.
Folgende kleine Tabelle siebt den Ausdruck für dieses Verhältniss.
Tabelle XIV. Sclnvankunsrsbreite der («esichtsindiees.
Gesichtsindex
Mittelwerth
Schwankungs-
breite
Verhältniss
zwischen beiden
Ganzgesichtsindex
Gesichtsindex Dach Koll-
mann
132,6
85,5
126,9
53,6
79,6
57,1
38,1
115,5
28,2
69,8
42,8
44,4
90,6
51,8
87,5
Ge i'htsindex nach Virchow
Mittelgesichtsindex n. Koll-
ma?in
Mittelgesichts- index nach
Virc liow
Debet <lie verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichtsindices. ',.',
Betrachten wir, wie wir es schon bei den Gesichtsmaassen (siehe
Tal». VII) gethan haben, «las Verhältnis« zwischen absoluter Schwankungs-
breite and Mittelwerth für irgend ein Afaass als den Ausdruck für die
relative Schwankungsbreite desselben Maasses, so müssen wir aus obiger
Tabelle schliessen, dass die Virchow'schen Gesichtsindices fast eine
doppelt so gross«1 Schwankungsbreite haben, als die Kol 1 mann "sehen.
Geschlechtlich lässt sich keine deutlich ausgesprochene Differenz fest-
stellen; jedoch zeigen die Frauen im Allgemeinen etwas geringere Werthe,
als die Männer, was sich aus der geringeren Körperhöhe der ersteren,
die, wie Tab. 1 lehrt, mit dem Gesichtsindex in einer gewissen Beziehung
steht, zur Genüge erklärt. Virchow will beobachtet haben1), dass ein
Einfluss der Sexualität nicht bloss in dem Sinne besteht, dass die Weiber
mehr zur Chamae-, dir Männer mehr zur Leptoprosopie neigen, sondern
auch in der Weise, dass gewisse Stämme im Grossen, auch bei den
Männern, einen mehr weiblichen Gesichtstypus zeigen. Darüber werden
weitere Untersuchungen Aufschluss geben müssen.
Gehen wir jetzt zu der Eintheilung der Gesichtsindices über, so lehren
uns die Tabellen, dass die bis jetzt gebrauchte Zweitheilung nicht genügend
ist. da hierfür die [ndices zu grosse Schwankungen zeigen. Es ist eine
mesoprosope Gruppe einzuschieben, deren Umfang aber ein geringer sein
muss, da andernfalls alles mesoprosop sein wird und wir anstatt einer ge-
naueren Charakterisirung nur eine Vermischung der .Merkmale herbeiführen
werden. Virchow schlägt für den am meisten gebrauchten Kollmann-
schen Gesichtsindex vor2), die untere Grenze der Mesoprosopie desselben
auf 75 festzusetzen, so dass diese Gruppe einen Umfang von 15 Einheiten
— 75 bis 90 — haben wird. Bei einer solchen Eintheilung wird, wie
wenigstens meine Berechnungen lehren, fast alles mesoprosop und be-
sonders die Chamaeprosopie eine höchst seltene Erscheinung sein, da von
702 Gesichtern bei solcher Eintheilung 151 einen lepto-, 527 einen meso-
und nur 24 eiuen chamaeprosopen Index zeigen, die Mittelwerthe aber
alle in die mesoprosope Gruppe fallen (siehe Tabelle X). Da der Koll-
mann'sche Gesichtsindex im Grossen und Ganzen nicht mehr, als z. B.
der Kopfindex, variirt, so schlage ich vor, denselben folgendermaassen
einzuth eilen :
Chamaeprosopie
Extreme Chamaeprosopie 65.1 — 70,0
Ultraehamaeprosopie 70,1 — 75,0
Hypen-liamaeprosopie 75.1 — -
Chamaeprosopie S0,1— 85,0
Mesoprosopie Mesoprosopie 85,1
1 /. f. E. 1891, Verh. E
2) Z. f. E. 1895, S. 274.
54 S. Weissenberg :
( Leptoprosopie 90,1— 95,0
T . I Hyperleptoprosopie 95,1-100,0
Leptoprosopie ( TT,/ . * J \ . ' ... '
r r \ Ultraleptoprosopie 100,1 — 10o,0
| Extreme Leptoprosopie 105,1—110,0
Die Eintheilung der übrigen Indices ist aus der Tab. XV ersichtlich.
Für den Ganzgesichtsindex liegt die Grenze der Leptoprosopie bei 135,
und es haben die Ostafrikaner und die Westafrikanerinnen ein langes, die
deutschen Männer und Frauen und die Papua-Männer ein mittellanges, die
Tabelle XV. Eintheilung- der Gesichtsindices.
hyper-
hyper-
Index
chamaeprosop
mesoprosop
leptoprosop
lepto-
chamaeprosop
prosop
Ganz-
< 125
125,1—130
130,1—135
135,1—140
> 140
gesichts-
Papua-Frauen
deutsche Männer
Ost-Afrikaner
index
125,2
132,9
deutsche Frauen
132,6
Papua-Mänuer
133,8
137,2
West-Afrika-
nerinnen 136,7
i resichts-
< 80
80,1-85
85,1-90
90,1—95
> 95
index
West-
Jüdinnen 84.6
deutsche Männer
nach
Afrikanerinnen
Meschtscher-
87,8
Kollmann
78,9
jaken 84,2
deutsche Frauen
Papua-Frauen
Ost-Afrikaner
87,1
78,6
83,9
Papua-Männer
81,3
Juden 86,2
Baschkiren 85,3
Gesichts-
< 110
110,1-120
120,1—130
130.1-140
> 140
index
West-
Ost-Afrikaner
d. Männer 128,1
Papua-
nach
Afrikanerinnen
117,3
deutsche Frauen
Männer
Vi rc ho w
96,2
126,4
Juden 125,3
Baschkiren 122,0
Meschtscher-
jaken 121,9
152,7
Papua-
Prauen
156,1
Mittel-
45
45,1—50
50,1—55
55,1-60
> 60
gesichte-
West- Afrika-
deutsche Männer
Ost-Afrikaner
index
nerinnen 49,2
54,3
57,7
nach
Papua-Männer
deutsche Frauen
Ko 1 Ima ii n
49.6
Papua-Frauen
48,8
54,5
Mittel-
< 65
65,1—75
75,1-85
85,1-95
> 95
gesichts-
West-
deutsche Männer
Papua-Männer
Papua-
index
Afrikanerinnen
79,2
93,2
Frauen
nach
60,0
deutsche Frauen
97,0
Virc liow
79,1
Ostafrikaner 80,6
■
Papua-Frauen ein kurzes Ganzgesicht. Für den Kollmann' sehen
isichtsindes glaube ich die alte Grenze für die Leptoprosopie be-
stehen Lassen zu müssen, obgleich der mittlere Werth für denselben bei
85 lii t. Es ist aber erstens zu berücksichtigen, dass dieser Index am
meisten gebraucht wird und dass eine neue Eintheilung desselben viel-
Ueber die verschiedenes Gesichtsmaasse and Gesicbteindices. .",.")
leicht Verwirrung and annöthige Umrechnungen veranlassen wird, zweitens
fehlen in meinen Tabellen die lapggesichtigen Amerikaner, die das allge-
meine Mittel heben würden, and drittens stimmt die alte Eintheilung mit
der Eintheilung der übrigen lndices iiberein. Es werden also die
Deutschen. Männer und Frauen, Juden and Baschkiren meso-, die Jüdinnen,
Meschtscherjaken, Ostafrikaner und Papua-Männer chamae-, die West-
afrikanerinnen and Papua-Frauen hyperchamaeprosop sein. Die Grenzen
für den Mittelgesichtsindex nach Kollmann sind im Vergleich zur
Frankfurter Verständigung etwas zu verschieben: die Leptoprosopie beginnt
hier nicht mit 50, sondern mit 55, und es sind die Ostafrikaner lepto-,
die Deutschen. .Männer und Frauen, meso-, die Westafrikanerinnen und
Papuas chamaeprosop. Die Eintheilung des Gesichts- und Mittel-
gesichtsindex nach Virchow ist von derjenigen der Frankfurter Ver-
ständigung ganz verschieden, da diese Iudices bedeutend grössere Werthe
zeigen, als die Verfasser der Verständigung angenommen haben. Beim
Gesichtsindex aachVirchow beginnt die Leptoprosopie mit 1301). und es
haben die Deutschen. Männer und Frauen, Juden, Baschkiren und Mesch-
tscherjaken ein mittellanges, die Ostafrikaner ein kurzes, und die Westafrika-
nerinnen ein -ehr kurzes Gesicht. Beim Mittelgesichtsindex nach Virchow
beginnt die Leptoprosopie mit 851), und es zeigen die Papua-Frauen Hyper-
lepto-, die Papua-Männer Lepto-, die Deutschen, .Männer und Frauen, und
die Ostafrikaner Meso-, die Westafrikanerinnen Eyperchamaeprosopie. Da
die Virchow'schen lndices eine -rosse individuelle Variation /.eigen. -
scheint mir die Eintheilung nach zehn Einheiten berechtigt zu sein.
Wie bei den Gesichtsmaassen, so lässt sich auch hier constatiren,
dass nicht immer sämmtliche lndices für irgend ein Volk in dieselbe
Kategorie fallen. Das Gesicht ist also auch relativ bei einigen Völkern
ungleichmässig entwickelt. Auf diese interessante Erscheinung wird
künftighin mehr zu achten sein.
Eine genauere Gesichtscharakteristik der hier in Betracht gezogenen
Völkerschaften zu geben, steht ausserhalb meiner Aufgabe.
Es bleibt nun noch übrig, die besprochenen Maasse und lndices auf
ihre Brauchbarkeit zu prüfen. Wir ich schon einleitend bemerkt habe.
müssen wir nach Vereinfachung des Maass-Schemas streben. Wir müsa
aus der Fidle der vorgeschlagenen Maasse diejenigen heraussuchen, die
uns mehr oder minder constante Resultate geben, und alles das, was von
verschiedenen Zufälligkeiten abhängig ist. als unnützes Material über Bord
werfen. Da die [ndices von den Maassen abgeleitet werden, so hängen
sie von den Letzteren .ab und ihre Brauchbarkeit deckt sich mit der-
jenigen der Maasse. weshalb wir hauptsächlich die letzteren zu untersuchen
haben.
1) Davon steht in der Frankfurter Verständigung Dichte. VirchoV.
56 S. Weissenberg:
Ein brauchbares Maass muss folgenden Forderungen gerecht werden:
1. Die Messpunkte müssen leicht zu finden sein.
2. Sie müssen festen anatomischen Punkten entsprechen.
3. Das Maass muss am Lebenden und am Schädel genommen werden
können.
4. Die Messung darf keine Unzufriedenheit erregen.
Bxaminiren wTir unsere Maasse auf diese Forderungen, so müssen wir
sagen, dass nur die Jochbreite allen entspricht. Die drei Gesichtslängen
enthalten alle ein sehr veränderliches Element: die Zähne, deren Grösse,
Abnutzung und Ausfallen nach Individuum und Rasse stark variirt, wes-
halb diese Maasse fast doppelt so grosse Schwankungen zeigen, als die
Jochbreite (siehe Tabelle VII). Benutzen wir dasselbe Kriterium, so
müssen wir die malare Breite als das schlechteste Maass bezeichnen, was
wohl damit zusammenhängt, dass die Ansatzpunkte desselben sehr schwer
genau zu bestimmen sind.
Als weiteres Kriterium für ein brauchbares Maass können die Mess-
fehler dienen, die bei der Entnahme desselben gemacht wurden. Ich bin
auf diese Fragen schon in meiner Abhandlung über die südrussischen
Juden kurz eingegangen; ich führe die dort angegebenen Messfehler
für die Gesichtsmaasse von mir (an Juden) und Schell ong (an Papuas)
hier wieder auf:
Messfehler von
Schellong Weissenberg
Gesichtshöhe ± 1,5 mm 2 mm
Jochbreite 1,0 „ 0 „
Malare Gesichtsbreite 3,8 „ 4 „
Auch liier nimmt die Jochbreite den ersten, die malare Breite den
letzten Platz ein.
Es sei noch kurz darauf hingewiesen, dass die Ganzgesichtshöhe am
Schädel nicht bestimmt werden kann, da die Haargrenze am letzteren
nicht markirt ist und der Punkt 4 nur bei der Entnahme der Mittel-
gesichtshöhe in Betracht kommen kann; jedenfalls ist das Instrument bei
einem ansteckender Krankheit verdächtigen Material jedesmal zu des-
inficiren.
Sdiliessen wir von den Maassen auf die Indices, so müssen die
Kollmann'schen Indices, die auf die Jochbreite bezogen werden, viel
verlässlicher sein, als die Virchow'schen, die von der malaren Breite
ausgehen, was auch in der That durch die Tabelle XIV bestätigt
wird.
Als letztes und am meisten ausschlaggebendes Kriterium für die
Brauchbarkeit der Maasse und [ndices ist das Verhältniss derselben am
Lebenden und am Schädel zu betrachten. Ich konnte an 4 Köpfen solche
Messungen anstellen; die Tabelle XVI bringt die Maasse am Schädel
Ueber die verschiedenen Gesichtsmaasse und Gesichtsindices. ~n
and am Kopfe rieben einander. Selbstverständlich sind die Maasse am
Schädel kleiner, als am Kopfe; die malaro Breite zeigt aber manchmal
auch ein umgekehrtes Verhalten, was am besten ihre geringe Zuverlässig-
keit beweist. Dein entsprechend zeigen die Virchow'schen Indices be-
deutend grössere Differenzen, als die Kollmann'schen. Im Ganzen
schwanken die Differenzen zwischen folgenden Werthen:
Gesichtshöhe + 1,0 bis -f 6,0
Mittelgesichtshöhe 0 „ + 6,0
Jochbreite +2,0 „ + 5,0
Malare Breite -5,0 „ +12,0
Gesichtsindex nach K oll mann — 3,0 „ + 4,6
Gesichtsindex nach Virchow —8,3 „ +18,7
Mittelgesichtsindex nach Kollmann —0,8 „ + 3,6
Mittelgesichtsindex nach Virchow - 8,1 ^ —15,4
Tabelle XVI. Die Gesichtsmaasse am Lebenden und am Schädel.
Neu-
geborener
2 \ 2 jähriger
21 jähriger
73 jähr ig
er
Massse
Cm
O
5
»
2
o
M
g
5
c
Schädel
S
o
IL.
Gesichtshöhe . . .
45 40
+ 5
81
75
+ 6
123
122
+ i
98
94
+ 4
Mittelgesichtshöhe
32 30 + 2
53
47
- 6
73
71
+ 2
62
62
0
Jochbreite ....
70 67
+ 3
9G
91
+ 5
130
125
+ 5
128
126
+ 2
Malare Breite . .
49 49
0
62
67
- 5
85
87
_2
102
90
+ 12
( resichtsindex nach
Kollmann . . .
64,3 59,7
+ 4,6
84,4
82,4
+ 2,0
94,6
-3,0
76,6
74,6
+ 2,0
Gesichtsindex nach
Virchow. . . .
91,8 81,6
+10,2
130,6
111.9
- 18,7
144.7
140,2
96,1
104,4
-
Mittelgesichtsindex
nacli Kollmann
45,7 4 1,8
+ 0,9
55,2
51.6
+ 3,6
56,1
56,8
-0,7
48,4
49,2
-0,8
Mittelgesichtsindex
nach Virchow .
65,3
61,2
+ 4,1
85,5
70,1
+ 15,4
85,9
81,6
+ 4,3
60,8
-8,1
Nach alledem müssen wir die Virchow'schen Indices als sehr wenig
brauchbar bezeichnen; sie stehen jedenfalls den Kollmann'schen in jeder
Beziehung nach, und ihre Berechnung ist künftighin aufzugeben, [ch will
damit nicht sagen, dass die malare Breite ans den Maass-Schemata gänzlich
zu streichen ist. Sie kann uns speciell am Schädel brauchbare Dienste
leisten, aber Dicht im Verhältniss zur Gesichtshöhe, sondern zur Joch-
breite, wodurch wir einen Ausdruck für das Vorstehen der Jochbeine er-
langen werden, [ch möchte noch besonders auf den Mittelgesichtsindex
hinweisen, der sehr exacte Werthe liefert und dessen Berechnung am
Zeitschrift für Ethnologie. Ja rg. 1893
58 S. Weissenberg: Ueber die verschiedenen Gesichtsmaasse u. s. w.
Lebenden viel mehr zu üben ist, als es bis jetzt der Fall war. wodurch
wir ein brauchbares Material zum Vergleiche mit solchen Schädeln se-
winnen können, die ohne Unterkiefer gesammelt oder gefunden wurden.
Streifen wir noch zuletzt kurz die Frage, inwiefern die hier am
Lebenden gewonnenen Resultate für den Schädel passen, so lässt sich ja
bei einer so geringen Zahl von Beobachtungen nichts Sicheres darüber
sagen. Ich glaube jedoch, dass die von mir festgestellten Eintheilungen,
wenigstens für die Kollmann'schen Indices, auch auf den Schädel passen,
da für diese Indices die Differenzen zwischen Kopf und Schädel nach
Tab. XVI gering sind. Für die Virchow*schen Indices bekam Szombathy
au Schädeln Mittelwerthe, die etwa um 5 Einheiten tiefer stehen, als die
meinigen. So beträgt nach ihm der Mittel- (Ober-) (lesichtsindex im
Mittel 74,4 und der Gesichtsindex 126,6.
Bemerkung über die Gesichtsindices.
Wenn Hr. Weissenberg in der vorstehenden Abhandlung den Ausdruck „Virchow'sche
Indices" durchweg in dem Sinne gebraucht, dass er im Sinne der Frankfurter Verständigung
damit die aus der Malarbreite abgeleiteten Gesichtsindices meint, so möchte es erscheinen,
als -wenn diese Berechnungsart von mir gewöhnlich angewendet würde. Ich habe aber
schon früher (Verhandl. 1895, S. 274) bemerkt, dass „ich mich später der Kollmann'schen
Methode angeschlossen und die Jochbogen-Distanz angenommen habe, um die allgemeine
Vergleichung zu ermöglichen." Alle meine Publikationen sind seit Jahren in diesem Sinne
zu verstehen, wo nicht ausdrücklich der malare Index genannt ist: für den Leser wird
also nirgend eine Schwierigkeit bestehen, meine Angaben mit den gebräuchlichen in Ver-
gleich zu bringen, denn sie beziehen sich fast ausschliesslich auf die Kollmann'schen
Indices. Das hindert mich jedoch nicht, dass ich den malaren Index für die physio-
gnomische Betrachtung des Kopfes als den mehr correcten ansehe. Rud. Virchow.
III.
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
Vokabulare von Purus-Stämmen.
Von
Dr. PAUL EHRENREICH, Berlin.
Die Thatsache, dass die Stämme am Purus und Vurua sämmtlich der
grossen Maipure- oder Aruakgruppe angehören, ist für die Ethnographie
Südamericas von hoher Bedeutung. Nunmehr erscheinen die Aruakstämme
Ostperus, Boliviens und Matto grossos, wie die Anti und Piro, die Baure
und Moxo, die Paressi und Guana nicht mehr als versprengte Glieder
jener grossen Völkerfamilie, sondern stehen mit der Hauptmasse der
Aruakvölker nördlich vom Amazonas in fast continuirlichem Zusammen-
hange. Von der Küste des Antillenmeers bis weit in das Quellgebiet des
Paraguay und des .Madeira hinein lässt sich jetzt eine fast ununterbrochene
Reihe von Aruakstämmen verfolgen, in deren Sprachen trotz dei enormen
räumlichen Verbreitung über fast dreissig Breitengrade noch eine merk-
würdige grammatische Uebereinstimmung nachweisbar ist.
]>is jetzt war die Ethnographie des Purus, obwohl dieser Fluss seit
Chandless' denkwürdiger Forschungsreise zu den geographisch am besten
bekannten Amazonas-Tributären gehört, noch recht unklar. Die wenigen,
von den verschiedenen Exploratoren uns überlieferten Wörter genügten
zu einer sicheren Classificirung nicht, so dass noch Brinton (American
race p. "293, 294) die Paumari, Arnim und Pamana zu einem be-
sonderen „Araua Linguistic stock- vereinigt und die in den kurzen Vbca-
bularien vorkommenden Aruakwörter für Entlehnungen erklärt.
Vom [purina saut er (1. c. p. 294): „It contains a fevt words in
common with the Pammary, but probably only borrowed bj both from
the Arawak." Dagegen erkennt er im Gegensatz zu Chandless die
Maneteniri ganz richtig als zur Aruakfamilie gehörig (1. c. p. 2
Dass die Paumari, [purina und Vamamadi. die Brinton nicht erwähnt.
ächte Aruakstämme -; ergiebt sich aus dem jetzt vorliegenden reicheren
Material ohne Weiteres.
Von den Kanamari des Vurua. die sich bis an den Purus verbreiten,
ist die Zugehörigkeil u dieser Gruppe längs! erwiesen. Dasselbe gilt
60 P- Ehrenreich:
von den Katauisi am Ituxy. Nicht zu verwechseln mit diesen Kana-
mari (Kanamirim) ist der von Chandless ebenfalls mit diesem Namen
(oder auch als Kanawary) aufgeführte Pauostamm des Alto Purus, den der
englische Reisende irrthümlicher Weise mit den Maneteniri identificirt
(Brinton 1. c. p. 291). Auch die Katiana sind nach dem geringen
Material, das vorliegt, den Aruak zuzurechnen. Ueber die Uainamari,
E spinös und Capechenes ist nichts Genaueres bekannt.
Entschieden nicht aruakisch oder überhaupt ethnographisch noch nicht
classificirbar sind am Purus nur noch die Mura im Mündungsgebiet des
Stromes, die den Panostämmen zugehörigen Karipuna, sowie die wahr-
scheinlich karaibischen und den Apiaka des Tocantins verwandten Arara
oder Yuma. Letztere gehören eigentlich dem Madeiragebiet an und
lassen sich nur gelegentlich an den rechten Purus-Nebenflüssen sehen.
Die vorliegende Arbeit behandelt nur die von mir bei den Paumari
und Yaniamadi zusammengestellten Wörterverzeichnisse, während die
Sprache der Ipurina den Gegenstand einer besonderen, ausführlicheren
Abhandlung bilden wird. Die fünfjährige Thätigkeit der South American
missionary society am Purus hat wenigstens die Früchte getragen, dass
wir über das interessante Idiom der Ipurina ein reichhaltigeres Material
besitzen, als über irgend eine Sprache des Amazonas-Gebietes.
Es ist dies hauptsächlich den Bemühungen des Rev. Jacob Resyek
Polak zu verdanken, dessen Original-Manuscript ich während meines
Aufenthalts in Sepatiny excerpiren konnte. Die bereits abgeschlossene
Bearbeitung dieser Notizen musste jedoch zurückgehalten werden, da Rev.
Polak inzwischen ein weiteres Manuscript veröffentlicht hat, durch welches
eine eingehende grammatische Analyse und die Zusammenstellung eines
ausführlichen Glossars erst möglich wird. Die aus der äusserst unzweck-
mäßigen Anordnung des Sprachstoffs in Rev. Polak' s Arbeit erwachsenden
Schwierigkeiten haben indess die Aufgabe der Bearbeitung des wichtigen
.Materials zu einer so complicirten gemacht, dass die Resultate für die
vorliegende Abhandlung noch nicht zu vorwerthen waren.
Die Paumari (Pamari, Pamauri) oder Purupuru, -- ihr eigentlicher
Name, nach dem auch der Fluss benannt ist, — sind die Bewohner der
Strominseln und Lagunen des Mittellaufs von der Mündung des Tapaua
bis in die Gegend von llyntanaham.
Ihnen zuzurechnen sind die Yuberi des Tapaua und die Araua des
mittleren Yurua. Alle diese Stämme leben ausschliesslich vom Fisch-
und Schildkrötenfang, hausen in eigentümlichen schwimmenden Woh-
nungen (auf Flössen) und sind schon den älteren Reisenden dur< u ihre
fleckige Haut aufgefallen, eine Pigmentkrankheit, die als „mal de los
pintos" in weiten Gebieten des äquatorialen America bekannt ist. Der
Civilis; nion haben sie sich von allen 1 'urustänitnen am meisten zugänglich
Materialien zur Sprachenkundc lirasiliens. »51
gezeigt, insofern sie sich jetzt eifrig, theilweise im Dienste der Weissen,
an der Kautschuk- und Copaiyagewinnung betheiligen and europäische
Importartikel einhandeln. Als „civilisirte" [ndianer >iml sie darum auch
rettungslos «lein Alkoholismus verfallen und werden in wenigen Decennien
gänzlich verschwunden sein. Das folgende Yncabular wurde zu Hyu-
tanaham, wo sich Paumari der benachbarten Lagunen zum Zwecke des
Handels in der Regel allwöchentlich einfinden, aufgenommen.
Sprachlich sehr nahe verwandt, aber in Sitte und Lebensweise von
den Paumari gänzlich verschieden, sind die Yamamadi oder Kapinamari,
die Bewohner der Urwälder auf dein linken Purusufer vom Mamoria mirirn
Itis zum Pauini, nach Westen bis zum Yurua streifend. Sie scheuen die
Nähe der Flussufer und leben ausschliesslich von Jagd und Ackerbau im
Bereich des höheren Landes, der „Terra firnia".
Das Vocabular, das erste, welches von diesem Stamme bekannt wird.
wurde ebenfalls zu Hyutanaham und während des Aufenthalts auf den in
der Nahe dieser Factorei befindlichen Ansiedelungen dieser Wilden auf-
genommen. Die Yamamadi sind den Weissen freundlich, lassen sich aber
auf intimeren Verkehr aus Furcht vor ansteckenden Krankheiten und vor
der Insectenplage an den Flussufern nicht ein und haben demgemäss voll-
kommen den Charakter eines harmlosen unverdorbenen Naturvolkes
bewahrt.
Das Yerhältniss der Idiome der Paumari (P.). Araua (A.) und Yama-
madi (Y.) zu anderen bekannten Aruak-Dialecten mag folgende Uebersicht
veranschaulichen:
Kopf P.: dadii Y. : ä-tati
Kustenau: nu-teu Bare: nototia
Baniwa: no ideu Lavana: tode
Arawak: da-shi
Auge P.: nukui Y.: ä-nukbodi
Kanamirim: nuchii Ipurina: uky Araiku: noky Arawak: da-kui
Haitsipairi: yacul
Nase I'.: uiridi kandini ^.: auidi
Gruana: agueiri Arawak: dasiri Layana: yghire Manao: nukiria
Ipurina: kiriti
Zahn P.: i-nui \ .: ä-änu
Bare: noy Guana: onhai Manao: nay Kanamirim: naü Karia\ : naü
Hand P.: [ "" . . Y.: ä&ä<pä V : mfa
{ kabotti Handfläche)
Arawak: kabbu Baniva: nu-kapi, naphi
Unterarm 1\: {fabuni Y.: ä-yedabu
Anri: uphebo [nselkaraiben -• üjabu
62 P- Ehrenreich:
Fuss P.: dameii Y.: äftämä A.: otama
Marauha: ni-taba Katoquina: ach/man Kustenau: ni-Dapa
Sonne scupini Y. : mahi A. : mahi
{mahi Tag)
Cauixana: maahly
™ , -r, / maseku Y. : amuä A. : massicu
Mond ".: <
l yas^ antun ä
Goajira: ÄosAa Kauisana: ghezy Kanamirim: yatschy Taino: mono,
Sterne P. : buire V.: amapiri A.: amoahua
Marauha: ybiru Baniwa: hiiciri Kauisana: pirzta Layano: poragui
Ipurina: yuiriki Anti: impokiro
Wasser P.: pahä Y.: pahd A : paha
Taino: bagua Taino: culxen (Fluss) Piapoco: kahuni (Fluss)
Ipurina: paan — (in Zusammensetzungen)
Feuer P.: zihö Y. : yeyfi A. : sihu
Goajiro: siqui Arawak: hikkihi Taino: cuyo Moxa: jücu
Uirina: jixe Baure: hioke, yaki
Hängematte P.: sihü Y.: yeyu
Ausser acciu im Moxa finden sich in den übrigen Aruak- Sprachen
keine Anklänge daran. Dagegen lässt sich die merkwürdige Aehn-
lichkeit der Worte für Feuer und Hängematte nachweisen in :
Atorai:
Insel-Caraiben 2
Moxa
Baure
Feuer
tegherre
f cuattu \
I vuatu )
\ jucu \
V tiaki f
Hängematte
taneri
bati
arcm
A. : zami
pai Arawak: bahü
ya
Haus I'.: gura Y.: baiä yobä
Goajiro: pauru Baure: pori Kustenau
Kauisana: bagnö Taino: boio Araiku: pey Aman: fayny
Juniana: bähü
l\: kudaii Y.: didiia A.: bigauaha
Bare: davidaja Kustenau: tuti Tariana: shidoa (Pfeil)
P.: dyori Y. : pari
( roajiro: pore
P.: siaha \ . : dzoaha
Bar«;: diyawake
Bogen
Beil
Topf
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens
63
Laute:
Paumari.
Vocale: a ä e i o u
<ii au
ei (getrennt zu sprechen)
na
sauft :
c«
d i ö
onsonan t
h
u
i'ii:
Gutturale
k
9
—
I
Palatale
—
—
—
U 8
y
(Ay)
Dentale
t
d
n
d s
2
r
Labiale
P
b
m
<i
—
w
dy ist fast monillirtes d, bisweilen in d: übergehen«!.
V ist ein rein labialer, weicher Frikativlaut.
Der Accent liegt im Allgemeinen auf der Endsilbe.
Vocabular.
Nach einem Manuscript Polak's tnuisscribirte Wörter sind mit P bezeichnet.
Namen der Finger:
I. (Daumen) d-eei-apine (hapeni P.)
Namen der Zellen:
dama kananauani
11. i)< ti-radyuaihini oder dyeratini
III. iW>ei kaniani
IV. &eei panu/ii
V. Di ei kalieagäni
I
IL dama makanitai-dyaha
III. dama dyararini
IV. dama banuni
V. dama kalkagani
Zunge
abani
Stirn
uata
Mund
bodi
Nase
uiridi kaudini
Oberlippe
'\<
Auge
nnkui
Unterlippe
/( ikanabi
Hiyani
Augenlid
nukuibatäni
Zahn
inüi
Ohr
murubui
Hand
:>< < i (Finger)
Ohrloch
kehandini
Handfläche
kabotini,
fteei kabudini
Haut
atfa'f ii
Handrücken
kaitani
Kopfhaar
dadikaq üni
Schulter
amatusi
Wimper
nukuikaini
Oberarm
uedi
Brauen
kaidani
Unterarm
fräbunui
Bart
kanadaikedanin
Ellbogen
kobaif
Hals
näbidi
Pinger
ih ei
Kinn
kana&ai
Nagel
t'. ei kanakotni
Unterkiefer
kaiaruni
Fuss
dameii
Nacken
mataioduni
Oberschenkel
kapafo ii
Kehle
kadyurv.ru
Unterschenkel
aueii
P.rust
makövnx
Kopf
dadii
Brustwarze
dyohü
64
P. Ehrenreich:
Brust weibl.
dyehö
Sonne
saqrini
Bauch
kaganeii
Sonne, aufgeh.
kamananina
Nabel
käai
Sonne, Mittags
sohirahena
Penis
abaii
Sonne, unterg.
ukalina
Scrotum
kanacpai
Mond
maseku, yasi
Gen. mul.
bäP'i
Mond, abneh.
ayadina
Anus
dyeoihodini
Mond, voll
nateramani
Drüsen des
Mond, zuneh.
abinina
Halses
katunaii
Regen
bahi
Knie
kadyote'i
Rauch
odyi
Clavicula
pamuri
Feuer
zihö
Halswirbel
nabiteni awani
Brennholz
zihö
Kreuz
bakuri auani
Baum
aua
Genick
mataiaruni
Stein
dyady
Genickloch
mataiudeni
Erde
nami
Schulterblatt
kaibasai
Wald
irui
Kippe
kaiaruni
Himmel
nama
Sohle
dameika bodini
Sterne
buiri
Ferse
amabokui, kadyurini
Tag-
mahi
Knöchel
kakarui
Nacht
mitdni
Knochen
dyaruni
Regenzeit
pahd kabiteni
Gehirn
kamoeni
Trockenzeit
amoroki
Kückenmark
katateni
Trockenzeit (
völlige Trockenheit,
(port: niiolho)
wenn die Schildkröten heraus-
Schädel
katSaruni P.
kommen
batarä
Wirbelsäule
bakorenihauani P.
Blitz
bai tärarina
Magen
kahitmni P.
(curicuvihin P.)
Leber
ueini P.
Donner
baidanoma
Lunge
katorotoroni P.
(curicu P.)
Mastdarm
guonihotini P.
Regenbogen
katopahairi
Niere
masihanibatani P.
Haus
gurd
H erz
kanabitini V.
Hängematte
zihü
Darm
kait&ani P.
Pfeil
abid
Rippe, grosse
kaahani kauwani P.
Harpune
yuwiih
Kippe, kleine
kapatii P.
Wurfbrett
aud (Holz)
Milz
asara P.
Bogen
kw&aii
Schwanz
mänä P.
(cudhahin P.)
Galle?
napihoteni P.
Angelschnur
uaa (djumuä P.)
Fett?
aaäcpäni P.
Boje (schwimmende Blase, welche
Wasser
pähd
den Ort der
Harpune im Wasser
Fluss
iraiiti (Igarape, Pluse
anzeigt
kobo
arm. Dach l'olak
Schill'
ahonni
uiduhj)
Kanu
kanaua
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
65
Ruder
wanami
< rreisiu
gaimu gödä
Beil
dyori
Eäuptling
kenödl
Topf
sialia
Fremder (weisser
kariwa
Cuye
it. ii
Neger
pururul
Korb
suuru
Freund
amuk'i
Matte
dyun ii ( ir, , tu In) ii 1'.)
Feind
ohihamaikiö
„ (grosse)
kann dl
Zauberarzl
ii nihil in
Reibholz
rauikurai
Ausschlag
warotehd (Flecken-
Schemel
adyadii
krankheit)
Lippenzierrat
hödini
Narbe
i/ itruriii
Kamm
mailhi
Arznei
dyerua
Mann
kärahü
Fieber
baröa
Ehemann
{cudidja ari
makira
P)
Sclimerz
Tabak
banaki
hädyiri, odyi (Rauch)
Weib
ijainii. kuti gamu,
mein Weib
Cigarre
Schnupftabak
kasisii
naq uni
S°hl° ii)a,
Kind/ "'
/•//// iilnii. mein Sohn
(i('ui)j P.)
Mais
Maniokwurzel
yoruä
bndä
Säugling
Knabe
paidi
um kl n n tri
Maniokmehl
Maniokkuchen
kragu
Mädchen
imainani
(Beiju)
hu. butabani
Vater
It'n
Karate
iHpari
Mutter
in i(i
Carawurzel
adaki
Bruder, älterer
aadyu. kuti
aihpi.
Banane
i/iifi
mein Brudei
r
Baumwolle
nicht cultiviit
Bruder, jüngerer kaidyu, kuti
l kaidyu,
Pfeffer
kasi
mein j. Bru
der
Paranuss
muidi
Schwester
kaidyu
Pupunhafrucht
kau in'
Gross vater
madü
Bacabafrucht
kadyauiru
Vaterbruder
aallii. kuti
nlialhi
A.ssaipalme
pareii
mein Vater, et".
Blatt
auaq ani
älterer Bruder
Blüthe
auabununi
Vetter
dyauhl
Wurzel
damanyaborani
Neffe
ebiafti, kuti
t'hiaiH.
( rraa
fiogöi
mein Neffe
( renipapo
benuki
Schwiegervater
kukü
l" nie u
sid>~ii
Schwiegermutter kukü(?)
Sorva
kun
heirathen
hudägämu (
cf. ki/ti-
Bacur]
yamururü
i/niiiu. mein Weil
> Fisch
apaisanä
schwanger seil
i kadyaha'iki
Pirarucu
babadi
gebären
kau ii an ini
„ Tambaqui
. in '■
säugen
dyehö
„ Sorubim
h ili imd
Greis
vaariih W%
(Platystoms
0
66
P.
Ehrenreich:
Delphin
baftöri
Affe
makarl, kauhia,
»
durürü
katondri (Coaita,
Frosch
wadyakurakura
Ateles)
Landschild-
Hirsch
paitii. hoteiri
kröte
uyuru
Jaguar
dyumai
Flussschild-
Tigerkatze
yumahämini
kröte
sirij santHfaru
Ameisenbär,
Ei der Fluss-
grosser
hiwäa
schildkröte
siri panaq. a
Ameisenbär,
Alligator
kase'i
kleiner
namdhiaini
Leguan
yuana
Otter
sabää
Eidechse
kurunaru
Tapir
tlama
Schlange
makä
Hund
dynhami
„ Lachesis
guakamakä
Fledermaus
masi
„ Boa
mapitiri
Termite
dyumah
Vogel
ikita
Ameise, kleine
kudegamü
Ei
jKinucfä
Ameise, grosse
Waldhuhn (Jacu)
(Tocandyra)
manei
waratokä
Moskito
bitä
„ (Mutum}
i piu
„ Pium
wart
Henne
arakdna (P.)
Biene
balienä
Papagei
iriru
Honig
tinaki
Arara
arutä
Wespe
dyinabü
Ente, gr. Art
wadamä
Schmetterling
kamukukuyu
kl. Art
maduriri
Spinne
botanni
Urubu
maiuri
Zecke
kadyapa
A
djectiva.
gut
<i yu-hamanaidä
lang
wadaki
schlecht
dya-harikl
kurz
torotorini
krank
kauamuni
gross
karäu
gesund
kauamuni manyä
klein
paiti (tH) cf. Kind
dumm
kadyunahi
schwarz
pururiki
traurig
kui
weiss
intij uriki
lustig
dyaharikif
blau
boruruki
(cf. schlecht)
gelb
adiki
alt
naariheuri !
roth
natu raki
jung
maki nauü
grün
Verba.
kuriki (blau?)
essen
I><1 <
rauchen
kasisi
trinken
koaohai (aawhant
P.) husten
tili n tu
kochen
akeiki
ii i essen
adi.sa
waschen
sokol
lachen
hahani
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
«7
weinen
singen
tanzen
schlafen
tödten
jagen
pfeifen
schlagen
schneiden
binden
werfen
sicli lagern
w&ord
<ilti
kadyui
uada
abiniha
sich setzen
aufstehen
fallen
kommen
"ehell
ikuafta unahabinih. laufen
(ich will tödten) geben
port.: von matar nehmen
krahoi
bonoituni
ubahi
naboahi
dabuhi
ii sii mihi
Nl/liii
ich weiss
uoit {vritariherl P.
gümanani
iniiiii
kaikäi
itrkdi
kedarehi
nuai
usaril i
u-gahi
ich weiss nicht u-garihida
komme her hidaka
ja
nein
nichts
anio.it/
in 'iiiani
neia
ugura-na
i-gurani
guraharehu
kutidyori
mein Haus
dein Haus
sein Haus
meine Axt
N umeralia.
1. huarani (Jtydhäan P.)
2. bau /Li
3. huarabaku&eU
4. akobamakamaki
5. saaika huaraniki
('). 8auihuaran karaauni
10. Du il:n bamihaniki (= beide
11 linde)
Viel äpöiki
Yamamadi.
Laute :
Vocale:
a
•ai
d
o
Oll
e
(eu)
nasalirt:
Cons,onanten:
Gutturale k
Palatale
Dentale t
Labiale p
r wurde nur notirt in ädzuali, Brust.
(, ein sehr weicher labialer Frikativlaut.
Der Ton ruht meist auf der Endsilbe.
(ist voller Kehlhauch).
CO
w
9
—
X
,/;
s
d
n
&
b
in
9
CS
P
Ehrenreich:
Vocabular.
Zunge
ä-bäihi
Schwanz
yurpareni
Mund
ä-härodi
Pfote
Ol
z.
tamani
Zahn
inu, ä-änu
Schnautze
&
apunukunä
Hand, Finger
ä-ftäcpä
Auge
w
yudin i
Schulter
arari manbatori
Brustwarze
t/3
o
bakin i
batorini
Bauch
.9
dyurani
Oberarm
ä-manu
Eckzahn
inini
Unterarm
ä-yedabu
Rückgrat eine*
Ellbogen
a-dyukori
Affen
tonani
Fuss
ä-ih'imä
Oberarmknochen
Oberschenkel
ä-cpanaku,
eines Affen
tonani
Unterschenkel
ä-ä&u
Masser
päJiä
Kopf
ä-tati
Fluss
wahä
Stein
ä-nokobakö
Sonne
mala
Nase
auidi
Mond
arniiä
Nasenloch
auidodi
Regen
paJfi takini
Auge
ä-nukbodi
(fallendes Wasser)
Ohr
ä-narabö
Feuer
l/i'ij u
Ohrloch
hodini (Loch, auch
Brennholz
yeq u
das des Blasro
IhV
Erde
va m i
Haut
ä-däq ä
Wald
icasu
Haar des
Sterne
amapiri
Kopfes
ä-tatikonä
Blitz
bahi ati
W iinper
war in i
Donner
bäht
Brauen
diohäriiii
Pflanzung
<patara
Bart
könani
Haus
yobä
Hals
ä-naumidi
Dorf (Maloca)
ha iä
Kinn
ä-näftä
Rancho
pusakura
Nacken
mataui
Lagerplatz
bakanki
Kehle
ä-hotokuri
Hängematte
,'/'''/ u
Brust
ä-dzuali
Spindel
7 akinini (Verbalform)
Bauch
ä-turu
Faden
ilii'j i'i
Nabel
ä-'&ubori, nokö
Pfeil
hadu
Penis
ä-thin
Pfeilgift
ihö
Scrotum
ä-danäq ä
Blasrolirpfeil
seräg ä
Gen. mul.
yömä
Blasrohr
karapöhä
Anus
ayöti, i'i-mätä
Speer
waiza
Knie
ä-yvbati
Federtroddel
ä-taru atorini
(Verbalform)
• laran
Büschel aus
ataua
Knochen
tonn
Tukanfedern
yuaki
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
69
Bogen
didixi
Schmuckfeder
n von Arara
Sehne
matini
kahadehä
Beil
Oari. pari
Armfederschm
luck
Topf
dzöaha
kanamu
Cuye
ha ■ i
Kamm
mas. ra
Messer
dzuinia
Gürtel des Blasrohrschützen
Hängekörbchen mit Painawolle
' (zur
kamata
Ausrüstung
der BlasrohrschO
itzen
Weib
panaui (( rattin)
gehörig
borö
Sohn
koko
Tragkorb, kl.
in&iri
Vater
pati
st.
häxiri
Mutter
arm
Schöpfmusche
[ (auch jedes grössere
Bruder
ayü
Schneckeng
ehäuse)
Schwester
abä, abi
durü
Pigmentkrankheit der Haut
Tipiti (geflochtener Schlauch
zum
/.•aua
Auspressen
i\<>\- .Manioca)
Eiter
j/aku
kainarö
Pfeilgift
ih '
Maniokreiber
patana
Tabak
Una
Hölzer /.um
Schnupfröhre
<i iri
Feuerreibei
i wauari
Mais
kernt
Feuerfächer
l„
Maisblatt
atcK} uri
Fruchtschale
v.\\\w Zerreiben d
er
Maishaar
■Silin tri
Tabakblatt«
sr muiataru
Maiskorn
ii ii hu
ST'"i>x'i- dazu
auara
.Maisstrunk
ädä
Zunder aus
Manioka, entrindet
Painawolle
möhü
1 iah ii
Pischfalle
(lll (Uli
Maniokbrühe
j'ii/in/iii
Angel
bidani
Maniokmasse
(Puva)
Zaun
aua
t'iinii
Mörser (Piläo) huö
Schambekleidung der Männer
kanahaq a
Schambekleidung der Frauen
kanataepa
Hut tatabora
Glasperlen kasaro
r-\'d.'i-i|uasti" i Halsschmuck)
atai/a
Ohrgehänge mit Federn
i/iaii
Ohrgehänge mir Knochenscheib» hen
kobaya
Nasenpflock ew na
Maniokkuchen (Beiju)
idsauä
Banane zatömi
Baumwolle, roh mit Kern
okani
Baumwolle, roh entkernt
im älii
Baumwollkern nukani
Pupunhapalme yauidä
Assaipalme porani
Bacabapalme hau
Blatt acfoni
trockenes aepani-yati
Stab, Holz dabani
70
P. Ehrenreich:
Stange kayanini
Urucuroth ädäq ä
Baum, aus dem das Blasrohr m-
fertigt wird (Olho de boi)
wakero
Sorvafrucht acpia
Pilz karaboni
Waimbe (Philodendron)
7 oröma
(Jenipapo öra
Rinde atorini
Fisch hodini (Verbum?)
„ Piranha uma
., Matrincham yakocpaha
(üftschlange makä
Affe yuihT dzoihi
„ Coaita biyu
Hirsch badm'i
Aguti od. Cavia sinamad, sine
Coelogenys paca wakuä
Ameisenbär, grosser
sipiri
Tapir aui
Schwein idyama
Hund yumahi
Tatu iH
Paca wakuä
Waldhuhn (Jacu)
kuyui
„ (Mutum)
ma&ä
(Jahö)
bakaq aua
Arara l.udä
Hiilin bätari
Ameise, grosse Art (Tocamlyra)
yunni
Wachs irarakana
I'i Hinfliege anavik'i
Kopflaus kaumati
Käfer kera
Mistkäfer, schwarzer
tum
Regenwurm soomi
krank bukuru<pä
bitter häroni
müde sein mahatöhini
heiss hatini hioani
es giebt tutiyuni
es giebt nicht kazauini
essen kabini, tacpini
verschlucken idzumeni
trinken cpauini
kochen uirokäni
rauchen asaxpinini
husten tuhunnini
niessen hatiU
sich schnäutzen tsihinini
lachen hahänini
weinen oyrnini
singen aiaä
schlafen amönini
sterben ahabeni
coneumbere ahini
kämmen sirini
Mais abstreifen \ibikani
wegwerfen kara tin i
beerdigen abinini
bringen sää
pressen kayahuni
g
reinigen
watari
bellen sabolm
sich verbrennen iuani
suchen 7 auanini
finden uaUni
gehen auuui
wimmern ahini
Fische in der Falle fangen
kimisini
etwas auf den Kopf setzen
itarini
umrollen uakini
Sandfloh extrahiren
bäini
schreien haani
kratzen tamunini, suhanni
Materialien zur Sprachenkunde Brasiliens.
umwickeln
kiniin
abschälen
Sirini
schlagen
1 1,1 Im In ni
zerbrechen
bakani
achneiden
ka ii i
zerreissen
peteni
binden
wetini
Zuckerrohr saugen
geben
da iii
bakunini
bohren
wari ii ii>>
pflanzen
hi iniiii
beissen
irn.ini.
vaünini fortgehen
'hi mini
zielen
wauanini
Beim
Kommen
eines
Dampfer hiess es
hi mini
n
Abfahren
T
n n r>
tokomi'i
r>
Stillstehen
n
n n 55
maiako
n
Umdrehen
55
n »15
kerohauhamini
hetjava
er
uni ich ati <lu
dani er hat gegeben
ofi dani ich gelte
ati dani daniuaratuni ich gebe Dir
damini Dir ist gegeben. Du hast noch
Zahl Wörter.
1 ita ein i
2 cpaumini
3 uharini
4 damini
5 cpaumini ijnumini itarini.
Besprechungen.
Friedrich von Hellwald. Die Erde und ihre Völker. Ein geographisches
Handbuch. Vierte Auflage, bearbeitet von Dr. W. üle. Stuttgart,
Berlin. Leipzig, Union, Deutsche Verlagsgesellschaft. 8. 58 Bogen in
29 Lieferungen mit etwa 400 Text-Illustrationen, 29 ganzseitigen Extra-
Bildern und 20 Kartenseiten.
Es liegen zur Besprechung vor Lieferung 1 — 11, in der 9ten kommt America zum
Abschluss und beginnt Africa.
Die dritte, damals „gänzlich umgearbeitete" Auflage ist 1884 erschienen. Von ihr
unterscheidet sich die neue vierte Auflage vornehmlich durch besseren bildlichen Schmuck:
vielfach haben gute moderne Illustrationen die für die reifere Jugend geeigneten Holz-
schnitte des Spemann'schen Verlags ersetzt. Wollte der gegenwärtige Verlag aber das
Recht in Anspruch nehmen, anzuzeigen, die neue Auflage sei „auf den heutigen Stand
der Forschung ergänzt", so hätte er Hrn. Dr. üle eine ganz andere Freiheit gewähren
müssen, nicht nur die, dass er die veralteten statistischen Zahlen umänderte. America
hat in III 283, in IV 274 Seiten. Diese „möglichste Wahrung des ursprüng-
lichen Textes" ist jedoch sehr nachtheilig gewesen. Einmal sind viele kleine Ver-
änderungen notwendiger Art unterblieben. So z.B. IV 290, III 290: „in den achtzig Jahren,
seitdem Humboldt jene Gegenden Venezuelas besuchte" — statt „nahezu hundert"
Jahren, da es sich um 1799 handelt. Oder nachdem die Sklaverei in Brasilien aufgehoben
ist, findet sich doch gleichlautend IV 240 und III 242: in der Gesammtzahl der Be-
wohner Brasiliens sind „nicht ganz anderthalb Millionen Negersklaven inbegriffen".
Drolligerweise nimmt III 24G, was sinngemäss ist, die Zahl der Neger „seit der Unter-
drückung der Sklaven ein fuhr ab und zwar tbeils durch Emancipation, theils . . . ."
und nimmt ihre Zahl aus gleichem Grunde, was nun schlechterdings nicht mehr angeht,
IV 243 „seit der Aufhebung der Sklaverei ab und zwar theils durch Emancipation,
theils . . .". Schon Hellwald hat, III 251, betreffs der Verbindung von Rio de Janeiro
und Petropolis den Satz verbrochen: „man fährt .... nach der Eisenbahnstation Mauä,
woselbst die Serra de Estrella beginnt und fünf bis sechs vierspännige Wagen der
Diligence bereit stehen, um uns nach halbstündiger Eisenbahnfahrt nach
Petropolis weiterzuführen". Idem IV 248. Mit solch „möglichster Wahrung des ur-
sprünglichen Textes1- war es nun gar nicht möglich, den grossen Veränderungen, namentlich
der wirthschaftlichen Verhältnisse Rechnung zu tragen, die seit zwanzig Jahren in Nord-
und Südamerica stattgefunden haben. Ob man über Canada, Britisch-Columbien, Mexico,
Venezuela, Chile (.der Argentinien nachliest, überall findet man dank der Wahrung des
durchgängig schon 1884 stark veralteten Textes die Zustände so urvorweltlich geschildert,
wie sie nur noch in der Erinnerung der ältesten Leute fortleben. Fs versieht sich endlich
auch für die ethnographischen Altschnitte von selbst, dass sie nicht „auf den heutigen
Stand der Forschung zu ergänzen" waren, wenn die Hellwald'sche Darstellung tabu
sein sollte und die Ergebnisse mindestens der letzten zwanzig Jahre fehlen mussten. Was
die Amerikanistik z.B. nur in Washington geleistet hat, ist auch nicht mit einer Zeile
vermerki worden. Wie durfte für 1897 Geltung haben, was Martins 1867 veröffentlichte!,
und der Satz stehen bleiben, dass es „eine ßrasiliersprache giebt, mit der sich der Reisende
zur Noth bei fast allen Stämmen hindurchhelfen kann"? Hr. Dr. Die hätte seinen guten
Namen für die vierte Auflage nur dann hergeben sollen, wenn man ihm auch gestattete,
Me „gänzlich umzuarbeiten" und mindestens für den ganzen Petitsatz den ursprünglichen
Text so wenig wie, möglich zu wahren, — er hätte aber auch dies nicht unternehmen
sollen, um seine Zeit und seine Kraft, wie bisher, dankbareren Aufgaben zuzuweisen.
Karl von den Steinen.
Besprechungen. 73
Jacob Robinsohn. Psychologie der Naturvölker. Ethnographische
Parallelen. Leipzig, Willi. Friedrich, ohne Jahreszahl. 8. 176 S.
Der Titel „Psychologie der Naturvölker" der fleissigen Arbeit, die den Charakter einer
breit angelegten Dissertation trägt, ist in dem einen Bestandtheil zu eng, in dem andern
zu weit. „Zur" Psychologie der „Naturvölker", aber auch in grossem umfang zn der der
„Culturvölker" bis in die Neuzeit liefert 'las Buch Parallelen für die 9 Capitel: „Die Ent-
deckung der Seele. Seelenmehrheit, die Gestalt der Seele, die Anthropophagie, der Cha-
rakter der Tollten, Bestattungsweisen, das Leben nach dem Tode, Menschenopfer bei Be-
gräbnissen, Forsetzungs- und Vergeltungstheorie*. Etwas gar zu katalogartig besteht jeder
dieser Abschnitte im Wesentlichen aus einer Aufzählung von — insgesammt f)44 — B< i
spielen, die für die grosse Belesenheit des Verfassers Zeugniss ablegen und deren Bezug-
stellen hinter dein Text verzeichnet sind. Karl von den Steinen.
Franz Kronecker. Von Java"s Feuerbergen. Das Tengger-Gebirge and
der Vulkan Bromo, 2380?» über dem Meeresspiegel. Mit 10 Vollbildern-
zwei kleinen and einer grossen Karte. 30 S. 8 vo. Oldenburg und
Leipzig, Schulze's Hofbuchhandlung (A. Schwartz) 1897.
Der Verf. hat in der Begleitung des unseren Lesern wohlbekannten niederländisch-
indischen Capitains a. D. Herrn Fedor Schnitze einen Ausflug in dieses interessante
vulkanische Gebiet Ost-Java's gemacht, den er in anschaulicher Weise schildert. Auch in
ethnographischer Beziehung bietet dieser Distrikt Interesse, denn die Tenggeresen
bilden eine tl nippe der javanischen Bevölkerung, welche sich am Ende des 15. Jahr-
hunderts vor den eindringenden Mohammedanern hierher zurückzog und auch heute noch
die brahmanische Religion, allerdings nicht mehr in ganz reiner Form, bekennt.
Ihrem Gotte Bromo veranstalten sie jährlich einmal in grosser Procession zu dem
Vulkane ein Opfertest, bei dem der Hohepriester Speisen, Getränke, lebende Ziegen und
geschmückte Puppen in den Krater hineinwirft. Die letzteren sollen die Vorfahren
bedeuten. Max Bartels.
Götze, A., Die Vorgeschichte der Neumark. Nach den Funden dar-
gestellt. Mit 126 Abbildungen. 63 Seiten in 8°. In Commission bei
A. Stuber's Verlag, Würzburg 18517. (Sonderabdruck aus dem Berieht
des Vereins für die Geschichte der Neumark, lieft V.)
Die Provinz Brandenburg zerfiel in vorgeschichtlicher Zeit durch ihre Lage und die
hydrographische Beschaffenheit ihres Terrains in verschiedene Cultnrgebiete, welche von
einander ganz getrennt existirten. von den grossen Cultnrströmen nur theilweise berührt
wurden und daher eine Reihe localer Typen in der Keramik entwickelten, die für das
Studium der heimischen Vorgeschichte von grosser Wichtigkeil sind. Die Kenntniss dieser
Typen verdanken wir Hrn. Director Voss, der an dem grossen Material des Königlichen
Museums dieselben Btudirte und sie zugleich als chronologische Leitformen für die Mark
Brandenburg zu fixiren vermochte, insoweit sieb dieses aus den oft dürftigen importirten
ihen erschliessen liess, welche zeitlich schon gut bestimmt sind.
In der vorliegenden Abhandlung hat Hr. Götze in dankenswerther Weise einen Theil
der Schätze des Königlichen Museums und der dort gewonnenen Anschauungen in knapper,
übersichtlicher Form zusammengefasst, soweit sich dieselben auf die Neumark -und die
angrenzenden Gebiete" beziehen, wie der Titel doch eigentlich lauten sollte. Die Neu-
mark wiederholt im Klein- das Bild der ganzen Provinz Brandenburg. Auch sie gehörte
verschiedenen Culturgebieten an, auch sie entwickelte eigenartige Typen, wie den Aurither
und den (iöritzer. von welchem letzteren wir hier zum ersten Male überhaupt Kenntniss
Zeitschrift für Ethnologie. 6
74: Besprechungen.
erhalten: doch hat der Verf. durch allgemeine einführende Einleitungen, welche er jedem
Abschnitt vorausschickt, dafür gesorgt, dass dem Leser der Zusammenhang dieser localen
Formen mit den breiteren Culturströmen in den Grenzgebieten nicht ganz verloren gehe.
Die typischen Fundobjecte sind durch klare, skizzenhafte Zeichnungen illustrirt; ein
Fundverzeichniss ist jedem Abschnitt beigegeben. So wird das Büchelchen jedem Local-
forscher unentbehrlich werden und hoffentlich bald eine neue Autlage erleben; wir wünschen
dann nur, dass der Schluss der Bemerkung auf S. 32 fortbleibe, dagegen eine kleine Fund-
karte beigegeben würde. Li s sau er.
A. Furtwängler. Intermezzi. Kunstgeschichtliche Studien. Mit 4 Tafeln
und "J5 Abbildungen im Texte. 92 Seiten, gr. 4°. Leipzig und Berlin.
Giesecke & Devrient. 1896.
Die drei ersten Abhandlungen dieses schön ausgestatteten Werkes wenden sich an
den Archäologen von Fach, während die beiden letzten Aufsätze auch für weitere Kreise
Interesse bieten. In dem ersten Aufsatze: „Ein altgriechischer Bronzekopf des Herzogs
von Devonshire" wird dieses in der herzoglichen Bibliothek zu Chatsworth befindliche
Stück als ein Apollokopf festgestellt, der den Jahren 465 bis 460 v. Chr. entstammt und
mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Werk des berühmten Bildhauers Pythagoras von Samos,
eines Vorgängers des Phidias, ist. Der zweite Artikel: „Der Torso Medici und der
Parthenon" sucht diese in Paris befindliche Athene-Figur als die Mittel-Statue der öst-
lichen Giebelgruppe vom Parthenon zu erweisen. „Der Münchener Poseidonfries und der
Neptuntempel des Domitius" wird in der dritten Abhandlung besprochen. Der schöne
Pries der Glyptothek mit dem Hochzeitszuge des Poseidon wird für eine Arbeit aus den
Jahren 35 — 32 erklärt, welche die Vorderseite des Altares an dem von Domitius in Eom
erbauten Tempel des Neptuu geschmückt hat. Die beiden Endplatten dieses Frieses
griffen auf die Seiten des Altares über, deren Hinterseite mit einer figurenreichen Dar-
stellung der Suovetaurilien verziert war, welche sich in Paris im Louvre befindet.
Schon auf dem Anthropologen - Congress in Speyer hatte Herr Furtwängler theil-
weise sein viertes Thema besprochen: „Das Monument von Adamklissi und die ältesten
Darstellungen von Germanen." Das römische Siegesdenkmal von Adamklissi in der
Dobrudscha. welches bisher für ein Bauwerk des Trajan zur Verherrlichung seines Sieges
über die Daker gehalten wurde, wird hier, gestützt auf Eigentümlichkeiten der Bekleidung
und der Bewaffnung der auf den Reliefs desselben dargestellten Römer, in eine viel
frühere Zeit verlegt. Es wird für das Tropaeum des Marcus Licinius Crassus erklärt,
das derselbe nach der in den Jahren 29 und 28 v. Chr. erfolgten Niederwerfung der
nordthrakischen Stämme und der Bastarner errichtet hat. Die an dem Denkmal ange-
brachten Barbarenfiguren lassen nach der Bekleidung und der äusseren Erscheinung drei
verschiedene Typen erkennen.
Der eine Typus führt die Thraker vor, die zur Fettleibigkeit neigten: der zweite
macht uns mit den Geten bekannt, einem den Dakern verwandten Volke mit sträh-
nigem, in das Gesicht hängendem Haar und schwachen, hauptsächlich das Kinn be-
deckenden Spitzbärten. Der dritte Typus endlich zeigt die Bastarner, wie aus den dar-
gestellten Bcenen erhellt, die als getreue Illustrationen zu der von Dion überlieferten
Oeberrumpelung und Vernichtung dieses Volksstammes angesehen werden müssen. Die
• ner kennt man schon aus alleren [Jeherlieferungen als einen kriegerischen Gerrnanen-
,tamm. Sie erscheinen auf den Reliefs als kräftige, breitschulterige Gestalten mit ent-
iii Oberkörper, inii edlen, vollbärtigen <iesichtern und mit reichem, nach der
rechten Seite hinübergekämmtem Kopfhaare, das am rechten Ohre in einen Knoten ge-
schlungen ist.
Dieser wichtige Nachweis bildlicher Darstellungen von Germanen hat es dem Ver-
fasser rmöglicht, muh der Uebereinstimmung in der Kleidung und der Haartracht
auch noch eine Anzahl anderer Werke der antiken Kunst als Germanen vorstellend
zu erkennen. Dahin gehören unter Anderem gewis e Figuren auf der Trajanssäule, sowie
Besprechungen. • 75
solche auf dein Cameo des Tiberius in Paris and auf der Gemm« Augustea in Wien.
Der relativ geringe künstlerische Werth der Bildhauerarbeiten von Adamklissi Lässt sie
um so werthvoller erscheinen, als sie in ihrer naturalistischen Weise die wirkliche Er-
scheinung der damaligen Germanen zu besonders klarer Anschauung bringen.
Den Schluss des Werkes macht die Besprechung der ..Tiara des Saitapharnes im
Louvre." Es bandelt sich bier um eine mit reichem Schmach getriebener Figuren be-
deckte und mit einer griechischen Inschrift versehene goldene Krone, sowie um zwei
goldene Ohrringe und einen Halsschmuck, welche angeblich in Olbia gefunden und für
eine, beträchtliche Summe von der Verwaltung des Louvre angekauft sind. Ueber die
Aechtheit oder Unächtheit dieser Stücke ist schon vielfach gestritten worden. Furt-
wängler führt für die letztere eine ganze Anzahl von schwerwiegenden Belegen auf. Dahin
gehört die Art des Goldes, sowie gewisse künstliche Auflagerungen, die demselben ein
altes Ansehen verleihen sollen. Dahin gehören ferner die modern empfundenen Stellungen
gewisser menschlicher Figuren, ferner Eigentümlichkeiten der Gewandung, bestimmte
Gruppen Sguraler Darstellungen, für welche die sklavisch nachgebildeten Originale in ge-
wissen kunstgeschichtlichen Veröffentlichungen nachgewiesen werden konnten, endlich auch
die Form und der Inhalt der Inschrift. Ebenso vermochte Verf. auch für die Ohrringe und
für das Halsgeschmeide den Beweis der Fälschung zu erbringen. Für die Beurtheilung
von Fälschungen ist dieser Aufsatz sehr interessant.
Den einzelnen Abhandlungen ist eine Keihe gut ausgeführter Abbildungen heigegeben,
welche das Verständniss derselben erheblich erleichtern. Max Bartels.
Mark Lidzbarski. Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Hand-
schriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Vierter Band der Bei-
träge zur Volks- und Völkerkunde. Weimar. Emil Pelber. 18(.h;.
XVI S. und 312 S.
In den letzten Jahrzehnten, wir könnten sagen: seit Jacob Grimm, hat sich ein
neues, weit reichendes Gebiet der Litteratur-Geschichte eröffnet, das wir im eigentlichsten
Sinne Geschichte der internationalen Litteratur nennen könnten: denn es handelt sich
um eine Volks-Iitteratur, deren Stoffe sich bei allen Culturvölkern, ja selbst bei manchen
culturlosen, wiederfinden. Sie umfasst die eigentliche Unterhaltung, zumal der niederen
Stände der Völker; und wie sie noch vielfach angeschrieben, bloss mündlich, lebt, so war
sie ursprünglich überhaupt bloss Gegenstand mündlicher Ueberlieferung, und wie das
ächte Epos, Volks-Schöpfung. Es sind Märchen, Schwanke, Fabeln, kurze Lieder, wie
deren jedem Leser bekannt sind, wie sie in Indien. Arabien und West-Asien und ganz
Europa in den vielfachsten Varianten im Pantschatantra, Tausend und einer Nacht, in
mittelalterlichen Sammlungen, auch bei Lafontaine und Geliert zu lesen sind.
Hr. Lidzbarski hat sich nicht bloss die Mühe gegeben, solche Stücke, wie sie in
Syrien, in der neuaramäischen Sprache umgehen, ins Deutsche zu übertragen, sondern
auch mit ausserordentlichem Pleisse die parallelen Produkte aller Völker, soweit dieselben
bekannl sein mögen, anzumerken. Der Leser wird staunen, hier die Geschichten vom be-
trogenen Teufel, dem Wettlauf zweier Thiere verschiedener Art, vom Milchmädchen, dem
Fuchs und dem Bmgenden Raben, dem Blinden und dem Lahmen, dem Kaufmann von
Venedig u. s. w. in syrischer Variation wiederzulinden. Räthsel, wie bei rurandot, spielen
im Orient eine grosse Rolle.
Dass ein grosser Theil dieser Stoffe durch Wanderung von einem Volke zum andern
gelangt ist, erscheint sicher, wie auch dass sie auf ihrer Reise vielfach Sehaden genommen
haben. Doch ist dies nicht der Ort, die Frage zu entscheiden, woher ursprünglichst
diese Stoffe stammen. Vieles ist sicherlich aus Indien über die Mongolei und über
Arabien zu uns gekommen: schwerlich V 1 1 . s . Läge der Ursprung nicht tiefer, so wäre
die Verbreitung nicht zu erklären. inthal.
76 Besprechungen.
Rudolf Prietze. Beiträge zur Erforschung von Sprache uud Volksgeist
in der Togo -Kolonie. Separat -Abdruck aus der Zeitschrift für afri-
kanische und oeeanische Sprachen. Berlin. Jahrg. III. Heft 1. gr. 8vo.
64 Seiten.
Die kleine Abhandlung nimmt nicht nur durch ihre Beschränkung auf das deutsche
Togo-Gebiet, sondern noch mehr durch ihre vorsichtige und geschickte Verwerthung des
linguistischen und volkskundlichen Materials unser Interesse in höherem Maasse in An-
spruch. Der Verf. gewann dieses Material vorzugsweise durch Mittheilungen des Häupt-
lings J. C. Bruce aus Klein-Popo, der in der Berliner Kolonial-Ausstellung als Headman
der Togo-Leute fungirte und dessen ungewöhnliche Einsicht und Zuverlässigkeit, in Ver-
bindung mit seiner bereits durch Hrn. Henrici herbeigeführten Schulung in der Analyse,
ihn als einen Musterzeugen erscheinen Hessen.
Der Verf. giebt in der Einleitung werthvolle Beiträge zu einer Uebersicht der ver-
schiedenen Zweige der Ew'e- (Ephe) Sprache. Der in Klein-Popo {An?ho) gesprochene
Dialekt ist von dem an und oberhalb der Keta-Lagune herrschenden Art/J-Dialekt, den
die Bremer Missionare zur Schriftsprache erhoben haben, verschieden, namentlich ist er
mehr gemischt und lautlich mehr verwaschen. Aber er nimmt dafür eine centrale Stclluug
ein, so dass er in dem östlichen Dialekt, dem von Dahome (Fo genannt), weit besser ver-
standen wird und dass er eine sichere Brücke zwischen den ost- und westländischen
Dialekten bildet, wahrscheinlich auch mit der Sprache in dem Hinterlande, dem Herzen
des Ew'e-Volkes, mehr übereinstimmt. Auf ihn ist der deutsche Beamte und Kaufmann
in dem Verkehr mit der Küstenbevölkerung in erster Linie angewiesen. Freilich nennen
die Eingeborenen, sowohl die von Aneho, als die von Anld, ihre Sprache nicht Ew'e,
sondern Etje-gbe; als den Sitz des eigentlichen Ew'e bezeichnen sie das Hinterland, aber
sie gebrauchen das Wort als gemeinsamen Namen für Nation und Sprache, von dem sie
nur aus politischen Gründen das stammverwandte Dahome ausschliessen. Nach Henrici
ist die Stadt Angho vor gegen 200 Jahren von eingewanderten Ga- (Akra-) Leuten und
Fanti (Aue genannt) erbaut worden; beide Stämme sind aber durch fortwährend anziehende
Ew'e-Elemente volklich und sprachlich „resorbirt", so dass ihre früheren Idiome nur iu
den Familiennamen als alte Traditionen gepflegt werden.
Die genaueren Ausführungen des Verf. über Laut- uud Formenlehre, insbesondere
über Schreibung werden in trefflicher Weise erläutert durch mehrere, ausführlich wieder-
gegebene Musterstücke, welche Rechtsfragen oder Parabeln und Mythologisches behandeln,
ganz besonders aber durch eine Sammlung von 117 Sprüchwörtern oder Sinnsprüchen,
als deren Hüter und Mehrer hauptsächlich die alten Leute angesehen werden. Es ist
freilich nicht Leicht, den Sinn der meist lose zusammengefügten Worte in einem Sinn-
spruche zu erforschen, aber der Verf. giebt vortreffliche Erläuterungen. Zum Beispiel:
Eine Hand knickt nicht Laus (Sinn: Zu zweit vermag man, was der Einzelne nicht
kann).
Die Ameise spricht: Wenn wir zusammensitzen, heben wir dem Grashupfer das Bein
auf (Sinn: Vereinigt werden die Schwachen mächtig).
Leere Band geht nichl auf den Markt (Sinn: Wer kaufen will, muss Geld haben).
Ein Auge kann nichl in zwei Flaschen zugleich sehen (Sinn: Man thue eines nach
dem andern).
Lüge tödtel Mi ii ichen.
Auf beiden Füssen kann man nichl hinken; man fällt um.
Zunge zerbrich! Haus.
Alter Papagei lernt nichl Sprache.
Ein Auge, das gul sieht, übertriflfl das Sprechen.
/.iinue verdirbt Menschen. Rud. Virchow.
IV.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land
in ihrer Bedeutung für die Ethnologie.
Von
Dr. K. TH. PREUSS.
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesollschaft
v.mi 20. März 1897.)
Eine erstaunliche Wandlung und Kräftigung hat im letzten Jahrzehnt
die Stellung der Ethnologie zu den künstlerischen Darstellungen primi-
tiver Völker erfahren. Die ästhetische Betrachtung, die Entscheidung der
Präge, ob ein Stamm entwickelten Kunstsinn, ausgebildete Technik in
der Verwendung von Instrumenten und Farben, treffliche Charakteristik
der dargestellten Vorbilder und Reichthum an Ornamentformen besitztr
oder das Gegentheil, — diese Betrachtungsweise bildet heute den ge-
ringsten Theil dessen, was die Kunstschöpfungen den Ethnologen leinen
sollen. Wie man die Lebensäusserungen der Wildstämme nicht blos
daraufhin prüft, ob sie Intelligenz und entwickeltes Gefühl verrathen,
sondern ob sie in reicher Gliederung Tausende von Specialuntersuchungen mir
den Offenbarungen dieser Geisteskräfte anstellen, so hat man auch den Er-
zeugnissen der Kunst verschiedene Seiten der Forschung abgewonnen,
indem man den Inhalt der Darstellungen zergliederte. Dadurch erst
wurde die Betrachtung der Kunstschöpfungen der Naturvölker auf die
Basis bestimmter Gedankenreihen gestellt, mit denen man operiren konnte.
Die bei einem Volke immer gleichbleibenden Typen in der Nachbildung
concreter Gegenstände, die geringe Anzahl der Grundformen in den „g
metrischen" Ornamenten und die Beharrlichkeit in ihrer Anwendung
machen die künstlerischen Darstellungen zu einem hervorragenden llültV-
mittel für die Feststellung der Verwandtschaft, während die Erforschung
der hinter ihnen verborgenen Bedeutung uns das sociale und Seelenleben
der Völker erschliesst.
Nun heisst es freilich sich im letzteren Punkte mit Resignation
waffneii. denn der Mund des Eingeborenen pfleg! für die Bedeutung der
Darstellungen ofl nicht nur die erste, sondern auch die einzige Quelle zu
sein. Damit ist aber nicht gesagt, dass nicht oft «las „Was?" der Dar-
stellungen selbst in den einfachsten Ornamentformen ermittelt werden
Zeitschrift für Ethnolo 1897.
78 K Th. PreüSS:
könnte. Sucht man zunächst die immer wiederkehrenden elementarsten
Linien der scheinbar complicirten „geometrischen" Ornamente heraus und
schliesst alle durch blosse Zusammenstellung der ersteren entstandenen
Gebilde, die gewöhnlich aus der Forderung des vorhandenen Raumes
hervorgegangen sind, sowie die uns auf dem Wege der Technik entgegen-
tretenden Darstellungen aus, dann pflegt sich irgendwo ein Motiv zu er-
geben, das eine oder einige der Grundformen integrirend in sich enthält. Durch
Abschleifung und Schematisirung dieses Urbildes pflegen Figuren zu ent-
stehen, aus denen oder aus deren einzelnen Theilen sich auf dem angegebenen
Wege noch andere Grundformen aussondern lassen, und so fort, bis alle
einfachsten Linien in Urbildern untergebracht sind. Zusätze zum Urbild
dagegen sind entweder auch als Rudimente anderer Bildungen, oder als
Grundformen zu erkennen, oder aber — ein schwieriger, doch seltener
Fall — blosser Lust an der Linienführung entsprossen. Nur darf man sich
nicht darauf beschränken, eine Serie von gleichartigen Gegenständen, von
Aexten, Speeren u. dgl. m. nach dieser Richtung hin zu untersuchen, sondern
man inuss stets alle Geräthe einer Gegend, so weit sie vorliegen, hinzuziehen.
Nur so kann man Fehlschlüssen entgehen. Freilich giebt es bei manchen
Völkern fast nur Formen, welche, so rudimentär sie auch sind, doch wenig
oder keine Entwickelung hinter sich haben, sondern selbst als Urbilder ge-
schaffen sind, wie bei den Bakairi1) und den Orang Semang2). Würde man
nur diese Art von Ornamentik kennen, so könnte man in der That an jeder
Feststellung des Inhaltes der Ornamente am Studirtisch verzweifeln. Aber
auch sonst muss dazu das Urbild neben den Ableitungen vorhanden sein.
Dabei lässt sich die Grenze, wo die Reihe hypothetisch wird, überall angeben.
Durch die Behandlung von mehreren Tausenden solcher Darstellungen in
einem geographisch begrenzten Gebiet, wie sie dieser Arbeit zu Grunde
liegt, und durch die Herstellung von weit mehr als 1000 Zeichnungen der-
selben bin aucli ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass sich Gesetze
für die Entstehung der geometrischen Ornamente werden aufstellen lassen.
Vorläufig jedoch sei nur das Eine erwähnt, — was sich zwar nie für alle
Fälle strict beweisen lassen wird, — dass jedes Ornament entweder aus
der Technik oder aus einem Abbild der Natur hervorwächst, und dass nun
durch die Anpassum:; an den Raum zwar weitere geometrische Gebilde
entstehen, fast nie aber ein neuer Gegenstand der Natur. Und doch ist
letzteres gerade die Meinung aller, die sich nicht oder nicht eingehend
mit der Ornamentik beschäftigt haben: wo es dem Wilden gerade ein-
falle, mache er aus den einfachsten Linien irgend eine beliebige Thier-
gestalt. Zum Glück für die Forschung ist es aber gerade umge-
kehrt und damit ist ein fester Halt für die Beurtheilung der Entwickelung
1) von den Steinen, unter den N;ihirvölkern Central-Brasiliens Taf. XX, XXI.
2) A. Grünwedel, Die Zaubermuster der Orang Sßmang nach II. V. Stevens.
Zeitschr. f. Ethnol. XXV, S. 71 ff.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 79
and die Auffindung des l'rbihles gegeben. Wenn trotzdem die Meinung
i\c<, Lilien sieh scheinbar zuweilen ;ils richtig erweist, so bezieht sieh diese
Ausnahme einmal auf die Combination <\fs dargestellten (ie^cnstandes mit
Theileu eines anderen, s<> dass das Urbild zwar entstellt, aber nicht ver-
wandelt wird: z. B. wird der ausgebreitete Flügel eines Vogels in einen
Fischschwanz verwandelt, die Gestalt des Vogels bleibt aber im Wesent-
lichen bestehen; oder wenn aus einem gleichschenkligen Dreiek mit
Mittellinie durch Eineinsetzen von zwei Punkten als Augen ein Gesicht wird,
so bleibt doch das Dreieck unverändert und es erfolgt keine weitere Aus-
gestaltung des Menscheugesiehts. Es ist eben eine Combination und keine
Verwandlung. Im anderen Falle kann man sicher sein, dass die Entwickelang
nicht vom Dreieck zum Gesicht, sondern umgekehrt erfolgt ist.
Die zweite Bestätigung der Laieuanschauung könnte darin liegen, dass
z. B. ein einfacher Griff einer Trommel, welcher nur der Zweckmässigkeit
wegen da ist, als Thier ausgestaltet, wird. Da haben wir die Frage nach
den Uranfängen der bildnerischen Darstellung vor uns, der fast nur durch
die schlichte Wahrscheinlichkeit beizukommen ist. Da die Zweckmässig-
keit früher ist, als die bildende Kunst, so wird sich wohl der Vorgang
oft wiederholt haben, dass die Verzierung zu dem rollen Werkzeug hinzu-
trat1). Wo es sich also nicht um reine Zweckmässigkeit handelt, wird
man eine Kümmerform eher als abgeleitet ansehen; im anderen Falle ist
es schwer zu sagen, ob das unvollkommen geschnitzte Thier einer Ent-
wickelang zu höheren Formen entgegengeht oder rudimentär ist.
Schwieriger, als das Urbild in der Darstellung aufzuzeigen, erscheint
es, auf den bestimmten Gegenstand hinzuweisen, dem es in der Natur
entspricht. Mit einiger Sicherheit wird man sagen können, dass die Dar-
stellung eines Menschen. Säugethiers, Vogels oder Fisches, einer Schild-
kröte, Eidechse oder Schlange 11. dgl. m. ursprünglich beabsichtigt war.
Aber auch das schon ist für die Peststellung der Verwandtschaftsverhältnisse
vielfach ausreichend. Hauptaufgabe ist dabei, nicht die natürliche Vorlage
aufzuweisen, sondern die Form der Darstellung, welche für die einfachen
Ornamente der Ausgangspunkt war. Denn die Vergleichung eines Thieres
in der Kunst mit dem Vorkommen desselben in der Natur hat. abgesehen
von weiten Völkerwanderungen, mehr für die innere Bedeutung des Eunst-
werkes und ab und zu für die Bestimmung der Provenienz eines zweifel-
haftes Stückes Werth. Dann er>t wird man diese Ornamente von ähnlichen
1) Es ist hier nicht der Ort, dir Anregungen and Ideen zu verfolgen, welche die
primitiven Völker zu Darstellungen der Natur veranlassten. Jüngst hat Frobenina
(Die bildende Kunst der Afrikaner, Mittheüungen der anthropologischen Gesellschaft in
Wien XXVII, 1—17) in kühnen Zügen eine Skizze der Entwickelongsgeschichte d< r primi-
tiven Kunst in Anlehnung an Gross Die Anfange der Kunst. Freihuri; geben,
woraus ich als einigermaassei beglaubigtes Resultat den interessanten Gedanken erwähne,
dass die Menschenfigur zuweilen aus dem Schädelpfahl entstanden sei. worüber von ihm
auch sonst (Westermanns Monatshefte 1S9G, Februar) schon gehandelt worden ist.
80 K. Th. Prkuss:
der Nachbarbezirke, welche einen anderen Ursprung haben, unterscheiden
können. Denn oft bleibt auch an den geometrischen Linien das Merkmal
der Entstehung in unscheinbaren Besonderheiten haften.
Allerdings ist für die Feststellung von Verwandtschaftsgruppen noch
ein Punkt bei den Darstellungen zu berücksichtigen.
Das Vorkommen von sogenannten Ahnensäulen, von bestimmten Ver-
bindungen zwischen Mensch und Thier, von Menschenfiguren in charakte-
ristischer Thätigkeit oder derselben Thiergattung an entsprechender
Stelle bestimmter Geräthe machen den Forscher stutzig. Hat er es hier
mit Verwandtschaft oder mit „Völkergedanken1' zu thun? Um so
schwieriger wird die Entscheidung, als die ersterwähnten Kreise, die den-
selben Typiis der Gestalten und ähnliche „geometrische" Ornamente um-
fassen, verhältnissmässig kleine Völkergruppen aussondern, die letzteren
Uebereinstimmungen dagegen sich auf weite Gebiete zu erstrecken scheinen.
Auch die Darlegung einer solchen, zu derselben künstlerischen Composition
bei verschiedenen Völkern führenden Idee verschiebt nur die Frage:
„Verwandtschaft oder Völkergedanke?1' Wenn uns jemand sagt, alle über-
einanderstehenden, zu einer Säule vereinigten Menschenfiguren, wie sie
z. B. an der Nordwestküste Americas, auf der kleinen Insel Bili-Bili in der
Astrolabe-Bai l) und auf der Salomonsinsel St. Anna2) nachgewiesen sind, seien
Ahnenfiguren, so hat das einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Jede
A'erbindung zwischen Mensch und Thier derselben eben erwähnten Idee
entsprossen zu denken, oder sogar die Darstellung der zahlreichen einzelnen
Augen eben darauf zurückzuführen3), hat schon viel Willkür zur Voraus-
setzung. Giebt es doch ebenso gut auch Nasen-, Ohr- und Mund-
ornamente. Vollends wird man z.B. Frobenius' Menscheneidechsen4),
die erst in ein paar zweifelhaften (oder eigentlich zweifellosen) Exem-
plaren nachgewiesen sind, und ihre Verbindung mit der Fanany-Mythe
der Betsileo, Madagascar, als einen seiner gelegentlichen Gedanken-
spähne aufzufassen haben, die< vorläufig zwar ohne Begründung, späterer
Detailforschung vielleicht einen Fingerzeig geben können. Für die Frage,
ob Verwandtschaft oder Völkergedanke vorliegt hat aber eine Deutung,
die von einer beglaubigten Angabe oder einer im einzelnen Falle auf-
steigenden Vermuthung auf alle anderen mehr oder weniger ähnlichen
Erscheinungen in der Kunst schliesst, naturgemäss wenig Werth. Es
wird eben nur an die Stelle concreter Uebereinstimmungen, mit denen
man noch nichts anzufangen weiss, ein abstracter Gedanke gesetzt, dessen
Zuverlässigkeit noch zu beweisen ist. Den sichersten Weg geht deshalb
1) 0. Pinsch, Samoafahrten. Abbildung S. 74.
2) Guppy, The Salomon I lands. Abbildung S. 70.
II. Schürt?, Das Augenornament und verwandte Probleme. Leipzig 1895.
i Frobenius, Westennanns Bfonal hefte 1895, December. Mitth. Anthrop. Ges.
Wien 1897, S. 7— '.'.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 81
die Ornamentforschung, wenn sie Dach Feststellung der kleinen Ver-
wandtschaftskreise, welche durch die Typen- und Formengemeinschaft
unwiderleglich gesch allen werden, allmählich grössere Kreise zu ziehen
sucht. Denn auch die Ornamentformen fordern kategorisch < 1 i * - Beant-
wortung der Frage: wo hört die Verwandtschaft auf? und wo fangt der
Völkergedanke an? Die geringe Anzahl der überhaupt existirenden geo-
metrischen Formen macht die Frag«; zu einer brennenden, [mmer mehr
stellt es sich heraus, — und es wäre wunderbar, wenn es sich anders ver-
hielte, — dass dieselbe Form bei verschiedenen Völkern aus den mannich-
t'ai listen Nachbildungen von Naturobjecten hergeleitet ist. Das ist mit
ein Grund, weshalb man sich vorläufig begnügen muss, kleine Bezirke, in
denen zahlreiche Anwendungen derselben Formen, dieselben Drmotive
und der gleiche Typus ganzer Figuren vorkommen, als verwandt auszu-
sondern. Vereinzelt besagt das gleiche Ornament gar nichts für einen
Völkerzusammenhang. Mit demselben Urmotiv zusammen auftretend
schliesst es den Völkergedanken ebenfalls nicht aus. Xur die eingehendsten
Studien auf grossen Gebieten, wie sie eines Einzelnen Kraft weit über-
steigen, vermögen hier Klarheit zu verschaffen. Der Nachweis der Orna-
mententwickelung ist hier berufen, die bedeutendste Rolle zu spielen, so-
wohl als llülfsmittel für die Probleme der Verwandtschaft und der Völker-
gedanken, wie als Selbstzweck, da die Entwickelung uns in die seelischen
Vorgänge des Künstlers Einblick verschafft. Welche Idee auch ursprünglich
den Wilden veranlasst haben mag, das Urbild der Entwickelung darzu-
stellen, und wie sehr auch später noch die alte Idee lebendig sein mag, —
immer bildet das Ornamentbedürfniss, die Freude an symmetrischen
Linien, die bewegende Kraft bei >\*-v Ausfüllung des vorhandenen Kaunies.
Die Phantasie hat, wenig eingeengt durch die ursprunglich maass-
gebende Idee, freien Spielraum, aus den vorhandenen Linien neue Com-
binationen zu schallen. Auch hier kann sich ein Ornament zur herrschen-
den Stellung emporschwingen und einen Ornamentstil hervorbringen,
indem alle ürmotive die Tendenz zur Auflösung in diese eine Form. z. B.
in die Spirale oder das Wellenband, erhalten. Dann heisst es doppelt vor-
sichtig sein in der Auffindung der ursprünglichen Ableitung.
Viel mehr gebunden ist der Kiinstler an den einmal herrschenden Stil
in der Gestaltung ganzer Figuren. Nicht nur. dass Saarfrisur, Ann-.
Ohr- und Nasenschmuck stereotyp gebildet sind und die Bemalung oder
Tättowirung wie im Leben angewendet wird: auch die Verbindung von
Leib und Kopf, die Gesichtsform, — von individuellem Ausdruck kann
natürlich keine Rede sein . Nase. Ohren. Augen u. s. w. pflegen immer
dieselben zu sein, und ebenso ist es mir der Darstellung von Thieren.
Wo auch die Körperhaltung stets dieselbe ist. und das ist >ie meisten-
theils, steht man unter dem Eindruck, als ob nicht die Freude an dem
Kunstwerk die Veranlassung zur Herstellung gab. sondern eine relig
82 K. Tu. Preuss:
Idee dazu zwang, als ob nicht die Form, sondern der Inhalt die Haupt-
sache war.
Psychologisch interessanter, wenigstens für die Kunstbetrachtung, sind
die frei geschaffenen Gebilde. Lebendige Thätigkeit und charakteristische
Linien der Figuren gestatten uns, die Auffassung des Künstlers schärfer
zu aualysiren. Welche Körpertheile, wo und wie er sie angebracht hat,
um die Beschäftigung des Vorbildes zu kennzeichnen, das versetzt uns
unmittelbar in die Werkstätte embryonischer Kunst. Im ersteren Falle
bedarf es natürlich besonderer Schulung, um den gebräuchlichen Typus
bilden zu können, und drückt man einem, der sie nicht genossen hat,
den Stift oder das Schnitzwerkzeug in die Hand, so wird er ähnlich
einem Kinde sich in regel- und charakterlosen Linien ergehen. Auch
wird er manche anderen Gegenstände zur Darstellung bringen, als die
üblichen seines Stammes. Der vierzehnjährige Anuikung aus der
Gegend von Finschhafen zeichnete mit den Buntstiften, die ihm Dr.
Schellong1) während einer Krankheit gab, um ihn zu beschäftigen, u. A.
einen Zaun, den Mond, eine Blume, eine Tarowurzel, einen Yamsknollen, ein
Holzschwert, einen Hund, nach welchem ein Krokodil schnappt, eine Frau,
die ein Tragnetz häkelt, u. s. w., alles Motive, welche, wie wir sehen werden,
wohl in allen den zahlreichen Urbildern auf den Gerätheil jener Gegend
nicht vorkommen, und Aehnliches schreibt Maclay2) von der Astrolabe-
Bai. Dass Anuikung absolut nichts von den sauberen Linien seines
Stammes zeigt und deshalb die Zeichnungen fast durchweg als von einem
Mitgliede jenes Stammes herrührend nicht erkannt werden würden, kann
man hier allerdings dem jugendlichen Alter, weniger dem Mangel an
Schulung zuschreiben, die nicht allen zu Tlieil wurde, wie ich eben als
Yermuthung aussprach.
Der frei schaffende Künstler dagegen übt sich nur vermöge seines
künstlerischen Triebes. Naturgemäss muss aber auch bei individuellen
Kunstversuchen die Nachahmung Platz greifen, und andererseits kann
ebenso auf der ideellen Kunst durch Vergessen oder Ueberwinden der
herrschenden Idee die realistische Kunstübung erwachsen, so dass beide
Arten sich in der Praxis gewöhnlich schwerer auseinanderhalten lassen,
als hier in der Theorie. Namentlich wäre das bei der Beurtheilung der
geometrischen Ornamente der Fall, wenn sie, was wahrscheinlich, und
z. Th. bewiesen i>t. aus der realistischen Kunst ebenso, wie aus der ideellen,
entstehen sollten.
Damit ist uns zugleich die Aussicht eröffnet, «lass es doch mitunter
möglich ist, aus der genauen Untersuchung der Darstellungen einer Gegend
1) Schellong, Notizen über das Zeichnen der Melanesien [nternat. Arch. VIII,
1895, S. 58 und Tat IV
2) Maclay, EthnoL Bemerkungen über die Papuas. Naturk. Tijdschr. voor Nederl.
Indie, Deel 36 (1876) S. 332.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land.
ihren profanen oder religiösen Charakter zu erkennen. Kenntnis* der
Mythologie und des Gebrauchs der verzierten Geräthe erleichtert die
Folgerung sein-1). Den geometrischen Linien pflegt dann dieselbe Be-
deutung- zuzukommen, wie dem Urbilde, so mannichfaltig Bie auch aus-
gestaltet sind.
Die Erklärung der freien Darstellungen, die einen Vorgang schildern,
einen Gegenstand lediglich zur Krinnerung oder zur Lust des Künstlers
fairen sollen, ist im Gegensatz zu den stereotypen, ich möchte sagen,
offiziellen Stammesfiguren und -Ornamenten zum grössten Theil gefunden,
wenn man nachweist, was sie vorstellen. Alle Einzelheiten dos historischen
Hintergrundes bleiben natürlich verborgen. Je mehr die künstlerische
Lust zurück- und die blosse .Mittheilung, das Streben nach Pesthaltung
des Vorgangs hervortritt, desto zahlreicher häufen sich die Symbole, und
da man gewöhnlich nur einen engen Kreis von Nachrichten vermitteln
will, so genügen schliesslich die unscheinbarsten Linien, denen der Forscher
ohne Commentar nicht mehr beikommen kann, wie bei den australischen
Botenstäben. Die frei schaffende profane Kunst, nicht die religiöse
Ver/.ierungskunst in Schnitzerei und Malerei, scheint die Vorstufe der
Bilderschrift zu seiu. in der feststehende, meist aus dem Gegenstande
selbst oiler aus den Silben des betreffenden Wortes theils ideographisch,
theils phonetisch gefundene Symbole zu einer Art von Gedanken- oder Wort-
rebus aneinandergereiht sind, nicht aber auf dem Wege des Ornamentes
abgeleitete Formen. Freilich ist es selbstverständlich, dass in dem Suchen
nach Symbolen auch einmal das abgeleitete Ornament, dem die Bedeutung
des Urbildes noch anhaftet, statt dieses in der Bilderschrift Verwendung
findet. Andererseits müssen die Attribute der Götter, die Darstellung
mythologischer Vorgänge, überhaupt alles, was in religiöser Zauberei
ganze Gedankenreihen zum Ausdruck bringt, als ursprünglich frei er-
fundene Symbole und damit als eine Art von Bilderschrift gelten.
Eine unentschiedene Frage ist vorläufig, wie manche Nanienszüge,
die Tättowirungslinien und sogenannte Handels- und Eigenthumsmarken
entstanden und zu erklären sind. Soweit hier nicht ein Totem oder d<
Oruanieiirsvmbol für den Namenszug in Betracht kommt, scheint dieser
gewöhnlich der profanen Kunst nach Art der Bilderschrift anzugehören.
Irgend welche beliebigen Linien ohne Sinn scheinen dabei ausgeschlossen zu
sein. Die Tättowirung muss im Zusammenhang mit der ganzen Stammes-
ornamentik, mit deren Linien sie übereinzustimmen pflegt, beurtheilt
werden. Da man dieses bisher Goch nicht gethan hat. lassen sich die
widersprechenden Meinungen, welche für alle Tättow innigen a priori die-
selbe Ursache annehmen, leicht erklären. Ol. die sogenannten Handels-
1) Das Leuchtende Beis] 1 bilden H. Stolpes „Entwickelungserscheinungen in der
Ornamentik der Naturvölker-. Mittheilungen der Wiener Anthropologische] Gesellschaft
Wll, 1892.
84 K. Tu. PreüSS:
marken an Gegenständen des Handels blosse Linien, also lediglich zur
Unterscheidung ausgewählt sind, möchte ich, wie bei den Namenszügen,
bezweifeln. Eher könnten sie durch die Technik entstanden sein. Es
bleibt jedoch in jedem einzelnen Falle noch abzuwarten, ob das, was man
schlechthin als Handelsmarken bezeichnet, sich wirklich als solche
herausstellt.
Ethnographische Eintheilung des Gebiets.
Das Museum für Völkerkunde zu Berlin, auf dessen Material sich
meine Ausführungen stützen werden, besitzt ganz einzig dastehende Samm-
lungen aus Kaiser- Wilhelms -Land, die ausser der Thätigkeit von Dr.
Finsch den Beamten der Neu - Guinea- Compagnie, insbesondere den
leider jüngst verstorbenen Kärnbach und Landeshauptmann Schmiele,
ferner Regierungsrath Rose, Dr. Schellong u. A. zu verdanken sind.
Zugleich möchte ich an dieser Stelle der Direction des Museums und
Herrn Dr. von Luschan, die mir das Material zu der Arbeit bereitwilligst
zur Verfügung gestellt haben, meinen verbindlichen Dank aussprechen.
Da es galt, die etwa fünftausend Stücke zählenden Sammlungen einheit-
lich aufzustellen, die Uebereinstimmung der Gegenstände in den einzelnen
Gebieten aber eine geographische Anordnung ausschloss, auch keine
historische, anthropologische oder sprachliche Gliederung des Volkes vor-
lag, so war es nicht möglich, ein System für die Anordnung zu finden,
wenn man nicht Haddon's Spuren folgen wollte, der in seinem trefflichen
Buch: „The decorative Art of British New Guinea" auf Grund der künst-
lerischen Darstellungen fünf scharf von einander gesonderte Districte für jene
Gegend aufgestellt hat. Von Spuren des Ueberganges der einzelnen Formen
merkt man wenig, und wo geringe Anklänge in einem anderen District vor-
handen zu sein scheinen, da sind sie sehr unsicher. Dieser Einteilung
entsprechen zwar einige wenige, nur in den betreffenden Gebieten vor-
kommende Geräthe oder Eigenthümlichkeiten an denselben, sonst aber
nichts. In Kaiser -Wilhelms -Land gestalten sich die auf dieselbe Weise
gewonnenen Grenzen anders. Zwar lassen sie sich auch mit ziemlicher
Sicherheit festlegen, aber es kommen einige Formen des einen Distriots
theilweise mit denselben Urbildern im Nachbardistrict auch vor, während
andere Ormotive im Verlaufe ihrer Entwickelung Veränderungen er-
fahren haben. Dazu kehrt dieselbe Compositum, die Darstellung der-
selben Idee in mehreren Districten wieder. Solche Qebereinstimmungen
erscheinen nur natürlich, da mit der Entfernung vom heimathlichen
Stamm der mitgebrachte Besitz an Ornamenten und [deen erst all-
mählich einer Umbildung und Erneuerung entgegengehen kann.
Die Grenzen aber >\r\- Kunstdistricte von Deutsch-Neu-Guinea sind fol-
gende: DieKüste ron ^<'r englisch-deutschen Grenze bis Parsi-Point amHuon-
Golf müssen wir ausser Betracht lassen, da aus jener Gegend fast über-
Künstlerische Darstellungen au> Kaiser-Wilhelms-Land. 85
haupt keine Ethnographica riach Europa gekommen zu -«'in scheinen. Von
dort erstreckt sich der erste District, welcher der von Finschhafen genannt
werden mag, bis Cap Fortification, wo das Südende der Landschaft Poum das
LYher^angsgebiet bildet. Der /.weit«', der District ^Lstrolabe-Bai, reicht
dann bis Cap Croisilles. Von den entfernteren [nseln ist die Stellung der
Insel Rook, nach den spärlichen ornamentirten Gegenständen von dort zu
artheilen, gleichmässig zu beiden Districten zu recl o, d. Ii. anentschieden,
Long- und Dampier - Insel zum zweiten. Die „Nordküste" etwa bis
Berlin-Hafen bildet einen weiteren Bezirk, «lern sich die Darstellungen
der deutsch -holländischen Grenze, etwa bis Tanah Merah als vierter an-
schliessen. Die Gebiete des llaniu- und Kaiserin Ä-Ugustaflusses schliesslich
sind wohl ebenfalls als zwei besondere Districte aufzufassen1).
Es entsteht nun die grosse Frage, welche Tragweite eine solche Ein
theilung beanspruchen kann. Jedenfalls decken sich die Gebiete durch-
aus nicht mit den örtlichen Beziehungen, und ob die Sprachen irgend-
welche Uebereinstimmungen Und Besonderheiten entsprechend den Districten
aufweisen, diese Entscheidung muss der Zukunft vorbehalten werden. Die
Erklärung für das Bestehen der Districte wird wohl zum guten Theil in
dem noch zu erforschenden Wesen der Ornamentik liegen. Es ist also
ein Sprung ins Dunkle, den wir unternehmen. Das darf uns aber nicht
abhalten, dem Fingerzeige zu folgen, den uns die Ethnologie in den künst-
lerischen Darstellungen giebt. wenn w'r >las Ende auch nicht absehen
können. Ist es schliesslich mir dem Studium der Sprachen anders? Auf
welche Weise die zahllose Zersplitterung und völlige Veränderung ver-
wandter Sprachen vor sich geht, lässt sich nur in wenigen Punkten ver-
folgen; finden sich zweifellose Uebereinstimmungen in zwei Idiomen,
so ist damit noch Lange nicht der Grad der Verwandtschaft festgestellt;
ja ein fremdes Volk kann die verwandte Sprache durch besondere Schick-
sale zu seiner eigenen gemacht haben. Aber auch in der Schwierigkeit,
festzustellen, ob überhaupt in den Sprachen Verwandtschaft vorliegt, stimmt
die Ornament- mit der Sprachforschung einigermaassen überein. Ent-
lehnungen, Mischungen in Folge geschichtlicher und socialer Verhall
Wortveränderungen hinsichtlich <\^s inneren Baues aus phonetischen und
anderen Gründen, onomatopoetische Anklänge und zufällige ueberein-
stimmungen, Verschiedenheiten der Wortbedeutung und Lauteigenthümlich-
keiten um von der Betrachtung des Sprachbaues, der Syntax und
Formenlehre ganz zu schweigen werden sorgsam erwogen, und doch,
1) Die vhii Dr. Finscb auf die ersten von ihm herübergebrachten Samm-
lungen gegründete Eintheilung des Gebiets in drei Bezirke Mitrafels bis Cap Croisilles,
den French-Inseln und dem westlichen Neu-Pommern mit Ausschluss der Gazellen-Halb-
insel, Cap Croisilles bis Dalimannhafen mit den Le Maire-Inseln, Dalimannhafen bis
Humboldtbai) bezieht sich allein auf den Charakter der Gerathe, ist nach .-einem eigenen
OrtheU nicht scharf ausgeprägt und dient nur zur besseren Cebersicht der Gegenstände.
(Ethnol. Erfahrungen II, S. U.)
86 K. Tu. PreüSS:
muss man bekennen, bleibt der Sprachforschung noch weitaus das Meiste
zu thun übrig, obwohl die Philologie von jeher eine angesehene Wissen-
schaft war und deshalb viele Arbeiter aufzuweisen hatte. Freilich wird
man der Sprachforschung die Palme zuerkennen müssen, weil die
Kenntniss der Sprache das notwendigste Mittel ist, in den Geist eines
Volkes einzudringen; aber wie oft ist da der Liebe Müh' vergebens,
denn ein paar Yocabeln bringen uns auch nicht weiter. Dafür ist es
leichter, Kunstproducte, als sprachliches Material heimzubringen, und für
viele Zwecke genügen erstere ohne Commentar. Die Ermittelung der
Bedeutung aber ist ebenfalls geeignet, manches Geheimuiss des Geistes-
lebens zu entschleiern. So dürfen uns auch die mannichfachen Probleme
und Hemmungen in der Ornamentik nicht abhalten, einer vielleicht reichen,
vielleicht mageren Ernte unsere Kräfte zu leihen. Die kunstfrohen Ge-
biete Melanesiens, unter denen Kaiser-Wilhelms-Land einen der Höhepunkte
in der Kunst bezeichnet, laden dazu besonders ein, und es ist kein Wunder,
dass gerade Britisch-Xeu-Guinea das erste Land ist, das eine Classification
nach den Darstellungen erfahren hat, denn dort ist man weit länger mit
den Eingeborenen beschäftigt, als in unserem Schutzgebiet.
Charakteristische Merkmale der Districte.
Plastische Mensch enfiguren und Masken. Schon wenn man
in grossen Zügen die künstlerischen Darstellungen der Districte vor-
legt, treten die merkwürdigen Abweichungen in den doch an Geräthen
ziemlich gleichartigen Gebieten klar zu Tage. Wesentliche Hülfsmittel
würde schon der Stil der plastischen Kunstgegenstände gewähren,
wenn sie gleichmässig aus allen Gegenden vorhanden wären. Die
Menschenfigur im District Finschhafen ist besonders aus der Gegend
Finschhafens 1>is Cap Cretin und von den Tami-Inseln, aber auch von
Parsi- und Fortification-Point im Museum vertreten und hat unverkennbar
aberall denselben Typus. Sie hat meistens eine eigentümliche hockende
Stellung, wobei der Ober- auf dem Unterschenkel ruht, ähnlich Fig. 621);
auf dem Kopfe fehlt nie die manchmal etwas hohe Mütze, die nach
Finsch") mir den Häuptlingen zuzukommen scheint, während sonst nur
Tapastreifen am den Kopf gewickelt werden oder das Haar bloss getragen
wird. Diese Mütze tragen in den Darstellungen aber auch Frauen (Fig. 138),
an denen Finsch8) nur ab und zu filetgestrickte Netzbeutel „Andun"
gesehen hat, in denen das Haar lag.
1) Siehe die Textfiguren weiter unten.
2) Samoafahrten 8. l-r>T. 179. Ethnologi che Erfahrungen und Belegstücke aus der
Südsee. Theilll. 8.98. Finsch bildel auch einen auf dem Bauche liegenden Papua
.in einer Kopfstütze ah. Ethnol. Ulas, Taf. III, Fig. 1.)
3) Ethnol. Erfahr. II. 8.92. Vgl. auch 0. Schellong, Beiträge zur Anthropologie
der Papuas. Zeitsehr. f. Ethnol. XXIII, 1S91, S. 172 über die hohe Frisur und Kopf-
dei Pomn-Leute.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land. v7
im die Augen ist die von Schellong1) bei dem Barlum-BeschneidungB-
fest als Zierde der Beschnittenen (ssagus) erwähnte lind abgebildete Be-
malung angedeutet, die aus Dreieckspyramiden oder iinregelmässigen
Zacken aber and murr den Augen besteht (Pig 11, 13, 16). Die lang
herabhangenden Ohrläppchen mir der Last des Schmuckes siml wie im
Leben stark markirt, and die Oberarme zeigen stets die zweizipfligen ge-
flochtenen Armbänder. Das Gesicht ist völlig zwischen den Schultern ver-
graben, so dass der Bauchnabel dicht anter dem Kinn sitzt. Ist das
Gesicht flach, so bezeichne! oft ein tiefer, ziemlich horizontaler Absatz
den oberen Augenhöhlenrand (?), unter dem jedoch die Augen nur schwach
angedeutet sind, und der von zwei, einander mit den coneaven Seiten zu-
gekehrten Kreissegmenten oben und unten eingeschlossen is1 ^Fig. 66).
Ebenso tritt der Nasenrücken wenig hervor. Die Mitte des oft wagerecht
verlaufenden eckigen Kinns zeigt dann gewöhnlich einen dreieckigen Ein-
schnitt, der bei .Männern und Frauen gleichmässig vorkommt. Ist die
Gesichtsfläche gewölbt, so heben sich Augen und Nasenrücken plastisch fast
gar nicht von ihr ab und sind zum Theil nur durch die Bemalung der
Umrisse kenntlich. Die Gesichtsrumrandung ruht häufig auf einem ebenso
geformten kragenartigen Untersatz, der mit zum Gesicht gehört. Die Augen
können auch ovale, seltener (Fig 137) runde Form annehmen oder, wie bei
den Augen von Krokodilen, Eidechsen und anderen Thieren, halbe < >vale,
mit der coneaven Seite nach aussen gekehrte Kreissegmente sein Fig. 49, 62).
Die Geschlechtstheile schliesslich sind in decenter Weise zum Ausdruck
gebracht, so dass Männer und Frauen bisweilen nur mit .Mühe erkannt
werden können (Fig. 137, 138). Soweit die allgemeinsten Kennzeichen, die
auch z. Th. auf die mir nur von den Tami- Inseln und Finschhafen be-
kannten Masken Bezug haben, zum Unterschiede vom District Astrolabe-
Bai. Trifft das Gesagte auch nicht immer zu. so dient es doch insofern
genügend als Merkmal, als es im Nachbardistrict meist gar nicht oder
doch in anderer Form vorkommt.
Bier ist der Kopf >\rv stehenden Figur, obwohl auch eine hohe, oben
sich verjüngende und abgerundete Mütze, wie im Leben, zuweilen vor-
kommt, mit einer tellerartigen Bedeckung versehen, die vielleicht das
Haar darstellen soll, und die dreieckige Bemalung der Augen, welche sehr
-eben und dann meist spitzer und unter den Augen allein auftritt, ist
nicht nur durch umrisse angedeutet, wie gewöhnlich im District Finsch-
hafen, sondern in Farben ausgeführt"). Das Ohrläppchen ist zwar auch
so lang ausgedehnt dargestellt, aber nicht so als solches zu erkennen.
Der Schmuck sieht gewöhnlich wie ein grosser Schildpattohrring aus.
Das ganze Ohr ist formloser, lang ausgedehnt und besteht statt aus zwei
1 Das Barlumfest der regend Finschhafens. Internationales Archiv für Ethnographie,
II. S. 160.
2 Fius.-li, Ethnol. AI. Taf. XV. Fig. 1
gg K. Th. Ppeuss:
oder höchstens drei Gliedern, aus vielen bis zu fünf. Die Bildung des
dünnen Leibes und der Arme tritt gegenüber dem langen Gesicht sehr
zurück; die ganze Gestalt hat aber nicht ein so buckliges Aussehen, wie im
vorigen District. Das Gesicht ist flach, selten mit geringer Rundung, zum
Kinn spitz zulaufend, hier aber nicht eckig. Die Augenhöhlen sind zur
Stirn durch horizontal verlaufende Vertiefung scharf abgesetzt, so dass
die Stirn vor dem übrigen Gesicht vorsteht; in ihnen deuten hohe klotz-
artige Rechtecke, theilweise an den Ecken gerundet, die Augen an. Der
Nasenrücken ist breit, stark herausgearbeitet und weniger realistisch, als
im District Finschliafen. Aus dem Munde hängt die oft gezahnte Zunge
oder ein anderer Gegenstand und reicht oft soweit herab, dass sie sich
oberhalb der markant hervortretenden Geschlechtstheile mit dem Leibe
verbindet, der an dieser Stelle oft im rechten Winkel von dem sonst
flach verlaufenden Rumpf vorspringt, oder mit dem Penis selbst. Manche
Gestalten sind jedoch nach Finsch1) ohne ausgestreckte Zunge, wie ich
von einem Kopf am Ende eines Kalkspatels bestätigen kann, und ebenso
soll der Penis zuweilen ganz klein oder gar nicht angedeutet sein. Der
.Mund verschiebt sich in Folge der ausgestreckten Zunge gewöhnlich bis
zum Kinn und macht einen schnauzenartigen Eindruck2). Masken sind
mir bis jetzt aus dem Gebiet nicht bekannt geworden. Freilich muss
bemerkt werden, dass diese Angaben sich auf wenig mehr als ein Dutzend
Figuren beziehen, die von Constantinhafen, Bongu, Bogadjim, Friedrich-
AYilhelnis-Hafen, der Insel Bili-Bili und der Umgebung des Bagili-Lagers
(zwischen Cap Croisilles und Junospitze) stammen, also sich, abgesehen
von ihrer geringen Zahl, auch nicht auf den ganzen District Astrolabe-
Bai vertheilen3).
Da an der „Nordküste", sowohl in Hatzfeldthafen und Umgebung, wie
bei Cap della Torre und im Westen, in Dallmannhafen, auf den Inseln Guap,
d'Urville, Aarsau Bertrand und Roissy, sowie in Berlinhafen derselbe Typus
der Menschengestalten vorkommt, so ist anzunehmen, dass auch der da-
zwischenliegende Theil der Küste, wenn er überhaupt solche Schnitzwerke
aufzuweisen hat, diesem Charakter angehört. Die meist siehende Figur hat
die Münde, die sonst auf den Oberschenkeln zu liegen pflegen, zuweilen bis
ans Kinn emporgehoben, wo sie sich nähern oder einen von dort ausgehenden
Portsatz umklammern. Auf dem Kopfe sitzt ein sich bisweilen in mehreren
Absätzen zuspitzender cylinderförmiger Knauf, der in vielen Füllen zweifel-
los die dort getragenen Haarkörbchen — ein solches ist einer Figur sogar
in natura aufgesetzt - oder den abstehenden, mit Blättern u. dgl. m.
umwundenen Haarschopf andeutet, oft aber auf die Darstellung einer zier-
lichen kleinen Eidechse zurückzuführen ist. die. auf engem Raum die Füsse
thnol. i:ii. II. 118.
2) Vgl. die Abbildungen bei Finsch, Sa afahrten. S. 49, 73, 74.
3) S. die Abb. bei Schmeltz, [nternat. Archiv VIII, 1895, Taf. XVI, Fig. 1 und la.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land.
aneinanderstellend, den Leib stark aufwärtsgekrümmt hat1). So findet
man zuweilen in der Astrolabe-Bai einen Vogel, dessen Schnabel und
Schwanz vorn und hinten, dessen Füsse seitlich auf dem Kopf den Malt
bilden, in ausgeprägten and rudimentären Formen. l>ie Ohren sind hier
meist unscheinbar and aormal gebildet, da in dieser Gegend der Ohr-
schmuck an den Rändern, nicht an den Läppchen angebracht wird. Löcher
mit an den Enden geknoteten Baststreifen oder -Ringen sind deshalb auch
in den Ohrrändern der Figuren vorhanden, und ebenso tragen die durch-
bohrten Nasenscheidewände häufig- solche Bastringe oder ans dem Vollen
geschnitzte, vorn /.. Th. offene Holzring«', bezw. Ovale, die zweifellos den
von Finsch8) abgebildeten Perlmutterschmuck darstellen seilen. Dieser
Schmuck wird gewöhnlich in mehreren Exemplaren getragen, was der
Darstellung entspricht. Ueberhaupt ist der Nase eine besondere Sorgfalt
zugewandt. Sie tritt charakteristisch hervor und ist realistisch geformt,
hat häufig eine gebogene Gestalt und kann sich schnabelartig verlängert
bis über die Brustwarzen hinaus erstrecken. Auf der Roissy-Insel kommt
auf den Kopfstützen stets die typische Judennase vor. Stark gewölbt, wo
der Schnabel nicht auftritt, sind die Nasenflügel, und es zieht sich von
ihnen oder ungefähr von dieser Stelle ans meistens eine Leiste schräg auf-
wärts zur Ohrgegend, wo sie sich mit dem oberen, stark vortretenden
Augenhöhlenrand verbindet, so dass die gewöhnlich sehr schräg gestellten
Augen in einer vollständigen Einbuchtung liegen. Diese sind auch, wie
im District Astrolabe-Bai, erhaben, aber zierlicher geschnitzt und haben
in der Mitte eine ovale Vertiefung. Mehr im Westen, etwa von Dall-
mannhafen an, laufen sie in den äusseren Winkeln in runde Zacken aus.
wie sie A. B. Meyer auch vielfach von den Masken von Taravay (Ber-
trand- und Gilbert-Inseln) abbildet und für die Darstellung der Augen-
wimpern erklärt3). Aehnliches komml aber auch anderwärts als am Gesicht
vor, z. B. läuft der Leib einer Eidechse unten in solche Zacken ans.
Der Mund ist häufig garnichl angedeutet, bisweilen aber auch wieder bei
der ausgeprägtesten Schnabelnase ooch besonders markirt. Ein senk-
rechter, gerader Fortsatz, der vom Kinn unterhalb des Mundes, bisweilen
auch von der Stelle, wo der ni.hr angedeutete Mund liegen könnte, aus-
geht, endigt in der Luft, verbindet sich mit dem Leibe oder geht in den
Penis über. Auch in der Abbildung von Finsch*) thut das der schnabel-
1 Uebergangsformen siehe bei Finsch, EthnoL Erf. Tat'. XXIII, Fig. 2 and 3.
De Clercq und Schmell Ethnograph. Beschrijving van Nederlandsch Nieuw Guinea,
Taf. XWVII, Fig. 16.
2) EthnoL Erf. Tat. \V. Fig. 2.
:v Masken aus Neu-Guinea und dem Bismarck-Archipel. Public, d. Kgl. Ethnograph.
Hofmuseums zu Dresden VII, L889, S.6. Taf. VI— VIII.
4 Ethnol. Erf. Taf. XXIII, Fig. 2. Weshalb die Gestalt mit einer M ä bekleidet
sein soll, wie Finsch von dieser und anderen Figuren hervorhebt, ist mir unverstandlich.
90 K. Th. Preuss.-
artige Fortsatz erst, nachdem er mit dem Kinn vereinigt ist. Die Geni-
talien sind theils stark, theils wenig ausgeprägt. In diesem District finden
sich auch zuerst die Brüste der Frauen, wenn auch selten, zum Ausdruck
gebracht1).
Sehr ähnlich sehen auch die Masken dieses ganzen Districts aus, die
nach Parkinson bis Berlin-Hafen vorhanden sind, und auch bei Cap de
la Torre vorkommen sollen 2). Aus der Gegend von Hatzfeldthafen liegen
acht Masken vor, die sich von denen im Westen im Wesentlichen nicht
unterscheiden. Die Augen der Masken sind im Unterschiede zu den
Menschendarstellungen gewöhnlich nur durch concentrische Bemalung,
aber in derselben Form gebildet, so dass auch die Einschliessung wegfällt.
Weiter im Westen beginnen sich die Schnabelformen zu mehren, bis sie
nach unten umbiegen und in eine Spirale nach innen auslaufen3). Cha-
rakteristische Stumpfnasen mit verdicktem Ende sind dabei aber nicht
ausgeschlossen. Dass das Gesicht bei den wirklich gebrauchten Masken
stärker emporgewölbt ist und der Kinnfortsatz überhaupt wegfällt, ist nicht
wunderbar; dafür haben sie mitunter einen Kinn- und Backenbart aus
Menschenhaar.
Vom mittleren Augustafluss kennt man die ganz abweichend gebildete
Helmmaske, die mit Schmeltz möglicher Weise als Darstellung einer
Echidna anzusehen ist4). Die im Museum sonst noch vorhandenen drei kleinen
-Mcnsehenfigürchen lassen sich durch ihre rohe Ausführung leicht von denen
der Nordküste unterscheiden. Man kann sie aber mit einiger Sicherheit
noch als verwandt mit denen der Nordküste hinstellen. Ueber ihre Herkunft
weiter aus dem Innern oder von der Mündung ist jedoch nichts bekannt5).
Es mögen noch kurz die Grössenvorhältnisse, die Darstellung als
Kopf oder ganze Figur, die Verbindung mit einander und mit Thieren und
ihre Verwendung an Geräthen erwähnt werden. Der District Finsch-
bafen weiBi für die selbständigen Gestalten nur geringe Grösse — etwa
10 — 2() cm — auf. Selten sind so gewaltige Colosse, wie Finsch einen in
den Samoafahrten S. 175 abbildet. Grössere Reliefdarstellungen bis zu
70 cm fanden sich auf Brettern an der Aussenseite eines Gemeindehauses
(luin) im Dorfe Suam bei Finschhafen. Figuren ohne einen Fortsatz
nach unten sind selten. Zwei Gestalten, Frauen darstellend, sind in einem
Falle kunstvoll ans einem Stück Holz geschnitzt, so dass der unten ge-
schlossene Kanin zwischen den Beinen den liest des Holzes wie das Glied
1) Vgl. aucl Finsch, Ethnol. Atlas Taf. X V, Fig. 4— 7.
2) A. B. Rteyer and Parkinson, Schnitzereien und Masken aus dem Bismarck-
Arch. und Neu-Guinea. Pnbl. Hofmus. Dresden, X, S. 4.
Vgl. anch a.a.O. Bd. \ 8. i und Bd. VII, Abbildungen.
l Schmeltz, Entern. Arch. VIII, 18%. 1(35. Abbildung bei A. B. Meyer, Publ.
Dre d. Mus. IX, Fig. 1.
5) Von einer Darstellung de „Grenz Districts", wie dos Bamnflusses, will ich vor-
laufig ab ehen.
Künstlerische Darstellungen ans Caiser-Wilhelms-Land. ;i]
einer Kette festhält, and zwar befindet sich jede Figur anf einem Ende
des Holzes. Die Kette besteht also aus drei Gliedern: Frau. Holz, Frau.
Aehnlich hängt in der Astrolabe-Bai eine Menschenfigur wie eiu Ketten-
glied an einem Balken, aus dem sie geschnitzt ist1). Gewöhnlich ist mil-
der Kopf dargestellt, der ebenso, wie die ganze Figur, in den geöffneten
Rachen eines Krokodils oder in eine Latte ül »ergeht, deren Bemalung
zuweilen noch den Ursprung vom Krokodilrachen verräth oder die mit-
unter in einen Fischschwanz ausläuft. Der Krokodilrachen kann auch
der Menschenfigur abgekehrt sein, und auf dem Abumtau Gabiang von
Suam kriecht ein vollständiges Krokodil an der Rückseite der Figur auf-
wärts. Häufig linden sich Doppelgesichter, die Hinterköpfe mit einander
verwachsen, oder man sieht an einem Ende des Ganzen ein Gesicht und
am anderen ein zweites, das nach der entgegengesetzten Richtung schaut.
Die Köpfe stehen aber nicht über einander, sondern mit dem Kinn einander
zugekehrt. Das Erstere dagegen kommt bei ganzen Figuren vor; nur ein-
mal ist auf beiden Seiten des verbindenden Holzes je ein Krokodil, den
Kopf nach entgegengesetzter Richtung gewendet, dargestellt. Schlangen-
artige Thiere kriechen zuweilen auf der Latte zwischen den Beinen oder
zum Kopfe empor (Fig. 137), oder, meist nur bei Frauen, von den Geni-
talien abwärts. Sie ragen bei Reliefdarstellungen von oben in die Mütze
hinein (Fig. 133). Einer Frau kriecht ein Krokodil zwischen die Beine,
während ein anderes mit seinem Rachen am Scheitel liegt. Der Stations-
vorsteher Mentzel erwähnt auch Darstellungen von Menschen uud Kroko-
dilen an den Pfosten der Gemeindehäuser*). Die Darstellung der Menschen-
figur oder des Kopfes findet weiter statt an den Schmalseiten oder in der Mitte
des unteren Theiles der Kopfstützen, an dem Stielende und dem Blatt der
Ruder, an den Enden >\>iv Kanus in Finschhafen *), als der Träger von
kleinen Mörsern (Fig. 49), an der Seite von länglichen Holzschüsseln
(Fig. 126, 127) und Trommeln (Fig. L28 und endlich an dem Griff oder an
dem Uebergang vom Stiel zur Schaufel bei achanfelartigen Löffeln. An
einem solchen Löffelgriff, stein ein .Mann auf dem Rücken eines eulen-
artigen Vogels mit ausgebreiteten Flügeln.
1 m District Astrolabe-Bai hat die meist viel grössere selbständige
Menschenfigur nach unten zu keinen Holzfortsatz, dagegen zuweilen einen
nach oben mit rechteckiger Oeffnung zum Aufhängen oder Aufstecken,
oder die Gestalten stehen bis zu fünf und mehr über einander. Eiu
Mensohenkopf hat statt des Leibes einen mir dem Kopf muh ölten gi -
kehrten Fisch. \)rv Vogel auf den Köpfen ist bereits erwähnt. Als Ver-
zierung an Geräthen ist die menschliche Gestalt hier nur an einigen
Tanzrasseln uud einmal als Griff eines Betelkalklöffels verwendet.
T Abbildung bei Finsch, Samoafahrten, S. 7-1.
2) Brief an Bastian v m 21. Juni ls.ss.
3) Finsch, Ethnol. Ei II. S. 5&
92 K. Tu. PreüSS:
ßemerkenswerth für die „Nordküste", welche auch in den Ideen allent-
halben eine «-rosse Einheitlichkeit aufweist, ist die Unzahl von kleinen
geschnitzten Menschengestalten und Masken, wie sie in den beiden vorher
erwähnten Bezirken gar nicht vorkommen. Sie werden an den Bart1), die
Brustschilde und Brustbeutel gehängt, erstere wohl auch mit dem manch-
mal vorhandenen unteren Ende in den Erdboden gesteckt2). Daneben
kommen auch grössere Figuren bis zu 1 m Höhe vor. Als Ornament ge-
braucht ist der Menschenkopf mit nach oben gekehrtem Gesicht an den
Enden der Kopfstützen - Längsseiten und an den Rudergriffen. Häufig
schliesst sich daran nach einer Unterbrechung in der Verlängerung
nach aussen der offene Rachen eines Thieres, der etwas zwischen den
Zähnen hält, oder über den vorn eine Eidechse schlüpft. Diesen Thier-
rachen als Fortsetzung des nach oben gekehrten Menschenantlitzes finden
wir auch auf einer Kanuspitze von Yenus-Huk3). Bei Kopfstützen von
der Roissy- Insel ist es an einem Kopf an jedem Ende noch nicht genug.
Auch an den Seiten lugen unter der Längsleiste je zwei hervor, und die
Endköpfe haben statt der Rachenfortsetzung eine ganze Menschenfigur im
Munde. Auch auf den Ruderblättern kommt ein Gesicht vor, zuweilen als
Doppelkopf in dem Scheitel des Winkels an Aexten und unterhalb der
Spitze von Speeren, das Kinn dieser zugekehrt, wo der Kinnfortsatz oft
zugleich ein gegengestellter Widerhaken ist. Freilich finden sich auch
einzelne Besonderheiten, die noch nicht für die verschiedenen Gegenden
des Districts nachgewiesen sind. So auf der Roissy-Insel die vier ein-
ander den Rücken kehrenden Figuren, die sich bei den Händen gefasst
haben, als Untergestell einer Kopfstütze, und ähnliche Conibinationen
jener Insel. Ferner zeigen Schilde der Gegend von Hatzfeldthafen den
Menschenkopf in der Mitte, und ein kleines Holzgefäss von da hat in der
Verlängerung der Längsachse am Rande je einen Kopf, ähnlich wie bei
den Köpfstützen. Eine Merkwürdigkeit des ganzen Gebiets bleibt noch
zu erwähnen, das ist die häufige Zusammenkettung von .Mensch und Ei-
deelise. Bäufig ist sie auf der Stirn oder auf dem Hinterkopf angebracht;
sie hat ihren Platz, wie erwähnt, auf dem Kopfe oder kriecht auf der
Rückseite der ganzer Figur entlang. Im letzteren Falle tritt an ihre
Stelle einmal ein Krokodil, das hinten von einer Gestalt, die auf einem
zweiten Kopfe stellt. — ein:- einzigartige Darstellung in diesem District, —
herabkriecht. Ms sei jedoch schon hier bemerkt, dass die Eidechse mit-
unter nicht von der auch in jener Gegend vorkommenden Gestalt eines
.Mannes mit erhobenen Annen zu unterscheiden ist, wenn die Figur nur
eingeritzt oder Bchwach erhaben ist. Zu erinnern ist noch an die sonst
i A. 1'.. Rfeyei and I'. Publ. Dresdener .Mus. X, S. 4.
_' Vgl. Fi n seh, Erf. II, S. 119.
3 Finsch, Bthnol. Atlas Tel. VII, I ig. 6.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land. 93
nicht vorkommende Combination, die von Finsch1) auf einer Kanuspitze
von Dalimannhafen abgebildet ist: ein Krokodil, dessen Schwanz in ein
menschliches Gesicht ausläuft.
Plastische Darstellung von T liieren. Es würde kaum ge-
lingen, im Ueberbliek einen klaren Begriff von den Stilarten der
plastischen Thier- Darstellungen zu geben, da man zu sehr ins Detail
gehen müsste. Auffallend ist es jedoch auf den ersten Blick, dasa in
der Astrolabe - Bai Vogel- und Hunde (?) -Köpfe, ich denke bei
letzteren an zwei Thierköpfe der Tanzrasseln im Museum, — stark
an die Bildung von Nase und Augen im menschlichen Gesicht erinnern.
Auch hangt den Hunden (?) die Zunge ans dein Maul. Alles Andere also
der späteren Ausführung überlassend, erwähne ich hier nur, welche Thiere
eine Besonderheit der einzelnen Districte sind, und in welchen Ver-
bindungen sie auftreten.
Teherans reich an charakteristischen Thiergestalten ist der Districl
Finschliafen. An Säugethieren sind Schwein und eine Art von Beutel-
dachs (oder Echidna?) auf dem Untersatz von Kopfstützen, ersteres
auch als lleitthier für einen Menschen an einem „Haken", nachgebildet
(Fig. 62). Von Reptilien sind die Bildungen von Krokodilen und ihrem
Etachen /.. Th. schon erwähnt. Erstere erscheinen aber auch in Relief an den
Kanus und letztere am Ende von Kuderstielen (Fig. 74, 75). Eidechsen
habe ich nur auf der ganzen Länge der sanduhrförmigen Trommeln ge-
funden. Einer Schildkröte wird der Leih vun einer Holzschüssel gebildet.
Schlangenartige Thiere in Relief an den Seiten der breiten Schüsseln in
Verbindung mit der Menschengestalt, wie vorher angedeutet, ferner auf
Holzschwertern, Trommeln, als Theile von Kopfstützen und als Henkel
von Kürbiskörbchen haben eine ebenso grosse Verbreitung, wie die Vögel,
die am (Jriff von lindern und Sagoschaufeln vorkommen, als Schnabel
von Kanus und Zierrath vorspringender Theile der Plattform, als Unter-
theil von Kopfstützen und an einem linde einer länglichen kleinen Holz-
Bchüssel auftritt, die selbst als der Körper zu betrachten ist. Merkwürdiger
Weise sind aber Fische nur in der Gestaltung der Schwanzflossen als
Kopfaufsatz (Fig. 112), und sonst, wie hervorgehoben, zuweilen an der
Menschenfigur zu sehen. Hauptmann Dreger erwähnt allerdings aus
einem Dorf des Hüon-Golfs ohne nähere Angabe, das jedoch wahrscheinlich
nördlich vom Parsi-Point gelegen ist. ..Schnitzereien von Krokodilen und
Fischen- an den Planken, welche die Zimmerwände bildeten"). Jedes
dieser Thiere ist von Darstellungen der anderen Districte mit Leichtig-
keit zu unterscheiden.
1) Ethnol. Atlas Taf. VII, Fig. I
2 Nachrichten au- Kaiser- Wilhelms-Land 1887, S. 25.
Zeitschrift tili |
94 K. Th. Preuss:
Während hier also gar keine Thierfiguren isolirt auftreten, kommen
in der Astrolabe-Bai einige Vögel mit ausgebreiteten Flügeln und gerade
gewaltige Fische mit einem Loch in der Mitte zum Aufstecken vor1).
Von Säugethieren hat Finsch2) eine Hündin abgebildet. Dazu kommen
die z. Th. schon erwähnten Thierköpfe an den Tanzrasseln3) und das von
Schmeltz eventuell für einen fliegenden Hund gehaltene Thier an der
Seite länglicher Schüsseln4), das, etwas anders gestaltet, auch im Museum
vorkommt (Fig. 146) und auch vom District Finschhafen bekannt ist
(Fig. 142, 143). Nur ein Fisch aus einem Gestell mit Tapaüberzug auf einem
hohen Kopfputz wäre noch hierhin zu rechnen. Diese Thiere sind die
einzigen, die zur Verzierung von Geräthen dienen5). Die Long-Insel weist
Reihen kleiner Vögel auf einer Art von Triangel als Verzierung der Mast-
spitze6) und andere an den Kanus auf, die im Stil selbständig erscheinen,
in den „geometrischen Ornamenten" nach der Astrolabe-Bai, in der Idee
— je ein Vogel als Ende einer Latte — nach Finschhafen hinneigen.
Zwei Fische von ebendort als Kanuverzieruug haben statt des Kopfes
einen rechteckigen, vorne offenen Rahmen, vielleicht zum Aufstecken.
Ihre Ornamentik ist der des Districts Astrolabe-Bai verwandt. Der
Menschenkopf von Long-Insel, — das sei hier gleich eingefügt, — welchen
Finsch7) als Träger der Kauuplattform abbildet, ist zu wenig charakte-
ristisch, um ihm eine ethnographische Stellung zuzuweisen.
Ausser den Eidechsen, Krokodilen und Krokodil(?)-Rachen giebt es an
der Nordküste die complicirten Thiergestalten, welche das Widerlager an
den Wurf hölzern bilden, die nach von Luschan Beuteldachs, Krokodil,
Buceros und eventuell eine Orthopterenart vorstellen sollen8). Besonders
wichtig ist für uns, dass die Stücke in dem Typus sämmtlich ähnlich sind
und sich auf die verschiedensten Gegenden des Districts von Hatzfeldt-
hafen bis Dalimannhafen vertheilen. Auch vom Kaiserin Augusta-Fluss
(vom Unterlauf?) haben wir diese Wurfhölzer mit denselben Darstellungen.
Ein Vogelschnabel, «ler aus einer runden Holzschale herauswächst, zeigt
dieselbe Manier der Ausführung. Thierköpfe an Rudergriffen scheinen
eine Perameles-Art vorzustellen. Endlich sind zwei selbständige Thier-
1) S. Finscl,. Bami s. 103. Ethnol. Atlas XV, Fig. 3.
2) Ethnol. Alias XV, I
3) Vgl. die Abbilduu- von Schmeltz im Internat. Arch. VIII, 1895, Taf. XVI, Fig. 2.
4) a. a. 0.. Fig. 6.
5) Auf einer Trommel in der Colonial - Ausstellung in Berlin 1896 sah ich ili'uhii'_r
ein Thier, das wohl einen Vogel darstellt. Die Trommelgriffe der Astrolabe - Hui.
die zweifellos auch auf ein Thiermotiv zurückgehen, weichen von denen des Districts
Finschhafen durchaus ah, wahrend das Vfuseum aus Hatzfeldthafen eine ähnliche Form
itzt.
6) Finsch, Ethnol. Ä.tis VI II, Fig. i.
7) a. a. 0. Tal. VI, Fig. 6.
8) J»as Wurfholz m Neu-Holland und Oceanien. Bastian-Festschrift 1>'.'6, S. 149, 160.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 95
gestalten zu erwähnen, von denen die eine, wohl eine Eidechse, in der
Längsrichtung des Schwanzes eine an die Darstellungen der Bumboldtbai
erinnernde spitze Eandhabe (zum Einstecken?) besitzt. Die andere, die
sehr verstümmelt ist. wage ich nicht zu classificiren, beide aber nehmen
sich fremdartig aus1).
Linienornamente. Ks ist min zwar festgestellt, dass die Typen der
Figuren and die [deen in ihrer Coniposition mir dem betreffenden District,
nicht dein Nachbargebiet eigen Bind; es nehmen ferner mir Behr wenige
plastische Gestaltungen, die eigens namhaft gemacht sind, ein«' Ungewisse
Stellang ein; jedoch krankt die ganze Zusammenstellung an dem üebelstand,
»lass nicht alle I Darstellungen in jedem Theil des Districts nachgewiesen Bind»
Diese Lücke soll min die Debersicht über die gemalten, geritzten und
Mach geschnittenen Gebilde2), kurz über die T/inienornamentik ausfüllen,
die natürlich das ausschlaggebende Moment in einer Arbeit, wie die vor-
liegende, sein müssen. Denn es ist klar, mit Linien lässt sich exaeter
operiren, als mit Körpern, für die das Auge der einzige Maassstab ist.
Linien Ornamente lassen sich leichter darstellen, als plastische Gebilde.
und deshalb werden sie eher überall vertreten sein und leichter in die
.Museen gelangen. Bemerkenswert!) ist. dass fast alle der Natur abge-
lauschten Typen eine Auflösung in sogenannte geometrische Ornamente
erfahren haben, obwohl es natürlich nicht gelungen ist, alle einfachsten
Linien auf die Urbilder zurückzuführen, wenn auch weitaus die meisten.
Eine hervorragende Stellung nimmt die tanzende Menschenfigur, oder,
um mich präciser auszudrücken, eine Menschengestalt mit erhobenen
Händen in den düstendistricten ein. Es ist also eine Debereinstimmung
in der Idee; die Entwickelung geht in jedem District ihre mehr oder
weniger eigenen Wege, luden Districten Finschhafen und Astrolabe-Bai ent-
steht dadurch, dass die Gestalten Hände und Beine vereinigen, ein örtlich
modificirtes fortlaufendes Band, das aus den ovalen, bezw. rhombischen oder
strichartigen Körpern und dem gewinkelten Znsammenstossen >\>'\- Anne und
Beine nach oben und unten gebildet ist (Fig. 1 — 1<>)- Da an der „Nord-
küste" mir Ausnahme des Motivs der erwähnten Kopfstütze von der Roissy-
lnsel nur die einzelne Menschenfigur vorkommt, nmss die Entwickelung
• ■ine andere sein. Aus dem Körper und den in Knieen und Ellenl
sich fast berührenden Armen und Beinen wird ein regelrechter, an den
1) Desgl. stehl der ans Federn gefertigte Fregattvogel mit i ten Flügeln
;in der Spitze eines Kann- von Venus-Huk (Finsch, Ethnol. Atlas Tat. VIII. Fig. 4 in
anserer Kenntniss der Thierfornien jenes Qebiets vereinzelt da
■J Es ist natürlich ein vergi bliches Bemühen, eine scharfe Theilnng zwischen plasl
und dach geschnittenen Ornamenten herzustellen. Man darf aber auch n
dass Eintheilnng nicht S /.weck, sondern nur dej en Verständnisses \
da ist.
96 K. Th. Preuss:
Ecken gerundeter Mäander, der aber doppelt ist und erst einfach wird,
wenn Leib, Arm und Bein einer Seite sich von der anderen getrennt
haben. Natürlich muss sich dazu die Figur nach oben oder unten wieder-
holen. Ferner scheint sich hier aus Armen bezw. Beinen allein in ge-
winkelter Haltung der Sparren und daraus die Sparrenbahn zu entwickeln
Im Grenzdistrict kommt übrigens ein ähnliches Urbild vor1).
Ein zweites gemeinsames Motiv ist der fliegende Hund in hangender
Lage, das aber nur an der Nordküste zweifellos feststeht. Das Urbild
ist auf der Unterseite einer runden, flachen Holzschüssel von der Insel
Gruap wenig erhaben dargestellt (Fig. 153) und schon von F in seh mit
Sicherheit als solcher bezeichnet. Statt in die Füsse zu endigen, ist der
spitz zulaufende Leib zu einem Knopf verbreitert, der Kopf hängt herab
und der Körper geht in der Mitte nach rechts und links zuerst aufwärts,
dann in spitzem Winkel abwärts in einen breiten, an den Enden abge-
rundeten Streifen über: der zusammengeklappte Flügel. Als Schleife zum
Durchziehen eines Baststreifens, um die Schüssel aufzuhängen, dient bereits
die schematische Gestaltung des Urbildes: zwei senkrechte Zapfen, deren
obere Enden durch einen nach unten convexen Bogen verbunden sind. Das
Schema befindet sich natürlich in der Fussgegend des aufgehängten Pteropus,
so dass die hangende Schüssel dem dargestellten Thier die richtige Lage ver-
leiht, und auch das Schema ist sonst immer nur in der natürlichen Stellung,
und zwar meistens an der Unterseite der Kopfstützen, angebracht. Ein-
geritzt und in Reihen gegenübergestellt, entstehen sehr hübsche und eigen-
artige Muster deren weitere Vereinfachung eine Menge von Variationen und
Formen hervorbringt, bis der Künstler schliesslich zu einer Art von Mäander
und gegeneinandergerichteten Wellenbändern gelangt, deren Höhepunkte
mit einander verbunden sind. Uebrigens kommt letzteres Motiv auch in
der Astrolabe-Bai vor. In den ausgesparten Zwischenräumen der in-
einandergreifenden Reihen von fliegenden Hunden ist, wie es scheint,
meist ein schematisch gebildetes Thier mit ausgebreiteten Flügeln zu
sehen, und es ist nicht schwer zu verinuthen und hat wohl auch einen
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass darunter der fliegende Hund im
Fluge zu verstehen ist. Da wir nun im District Finschhafen und Astro-
labe-Bai auf den Armringen von Trochus niloticus ziemlich genau solche
eigenartigen Darstell ungen haben, wie das erste Schema des hangenden
Ptero]>us (Fig. 154, L55 . so liegt der Schluss nahe, dass auch diese Gebilde
als Urmotiv dasselbe Thier haben. Dazu kommt, dass in der Astrolabe-
Bai ein Thier wiederkehrt, 'las dem schematisch gebildeten fliegenden
Mund im Fluge an der Nordküste einigermaassen ähnlich ist. Dieses
Urbild kann hier jedoch leicht ein Vogel, ein Schmetterling oder dergl.
he /.. B. De Clercq und Schmeltz, Tat. XXXIIT, Fig. 11.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser- Wilhelms-Land. \)~
sein, eine Entscheidung, die für uns vorläufig nur secundäre Bedeutung
hat. Im ersteren Fall entwickeln sich ähnliche Pormen in Finschhafen,
wie in der Astrolabe-Bai, von denen die einfachsten u. a. im Winkel zu
einander gestellte Gruppen von parallelen Strichen sind, reihenweise an-
geordnet, im zweiten, wie es scheint, Sechsecke mit parallelen Seiten.
zwischen den Diagonalen eines gestreckten Rechtecks liegende Dreiecke
und liegende Kreuze, — alles Formen, welche nur für die A>trohibe-Bai
typisch sind.
Diese Verschiedenheit in der Bildung geometrischer Ornamente wird
es auch erklärlich finden lassen, dass gewisse einfache Formen, wie das
Zickzackband, das ja auf die niannichfachste Weise entstehen kann, in
allen Districten wiederkehrt. In Britisch - Neu - Guinea und fast überall
sonst ist es ebenfalls vertreten. Aber auch schon da trifft man Unter-
schiede. Im District Finschhafen z. B. ist die Spitze meist abgeschnitten.
im District Astrolabe-Bai gewöhnlich gerundet und an der Nordküste Bpitz
zulaufend. Fbenso kommt der Sparren in allen Küsten districten, am seltensten
in Finschhafen vor (Fig 17).
Wenden wir uns nun den einzelnen Bezirken zu. Die Nase wird im
District Finschhafen zu einem Keil, an dessen unterem Ende die Nasenflügel
in Gestalt zweier abwärts gebogenen Haken weit vorstehen (Fig. 17 — ~2'A).
Die aus zwei flachen Kreissegmenten zusain agesetzten Augen sind ein
beliebtes, vielfach variirtes Ornament geworden (Fig. 24 — 44). der Mund wird
ein viel gebrauchtes Oval (Fig. 45 — 47). Das Ohr oder Ohrtheile werden.
allein oder mit heterogenen Gegenständen zusammengesetzt, verwendet.
(Fig. 126 — 141). Augen und Nase bringen mannichfaltige Gebilde, durunter
eine Art von lateinischem Kreuz (Fig. 53) und denselben Mäander hervor,
dessen Entstehen vorher aus der ranzenden Menschenfigur beschrieben ist
(Fig. 50, 51). Ein besonderes Wahrzeichen des Districts ist der Vogelkopf,
der allein und zu zweien, mannichfach zusammengesetzt durch viele, durch-
weg häufig gebrauchte Bildungen zu den selten angewandten Formen des
Trapezes, Halbkreises und Dreiecks wird (Fig.57 — 81). Auch die Anfange
einer Spirale scheinen sich davon abzuleiten (Fig. 96 — 103). Einzeln reicht
der Vogelkopf bis ins Nachbargebiet hinein. Vom Fischkörper löst sich der
Schwanz ab und bildet durch Wiederholung eine Art von Sparrenbahn
(Fig. 104 — 110). Eidechse und besonders Krokodil. z. Th. in phantastischen
Formen, fehlen nicht, und die Augen, als Hache, mit den convexen Seiten
einander zugekehrte Segmente, sind eine viel gebrauchte Form (Fig. 117
Das grosse Oval und das halbe Oval können als vom Rachen des Krokodils
abgeleitet (Fig. L23 — 125), ebenso der Kreis und das Zahnornament als den
dargestellten Naturbildern direct entnommen gedacht werden, während fast
alle anderen Gebilde als Zusammensetzungen (z. B. Fig. L90— 192) oder
als besondere Thiere gelten können (Fig. 168 — 173).
98 K. Th. Preuss:
Geradezu erstaunlich ist der Unterschied zwischen dem District
Astrolabe-Bai und dem vorigen. Dort vorzugsweise gerundete, hier meistens
eckige Figuren, von denen einige schon genannt sind. Es sind noch
zu erwähnen Dreiecke, die einander so nahe liegen, dass sie zusammen
fast ein Quadrat bilden1), grosse doppelte Zackenlinien mit parallelen
Querstrichen, in kurzen Abständen sich wiederholend, eine besondere Art
des Zahnornaments2) und schräg gestellte parallele Striche3). Von runden
Ornamenten treten ausser dem ziemlich seltenen Kreis und halben Oval
das "Wellenband4), die einfache Spirale, wie sie gelegentlich auch im
vorigen Bezirk erscheint, und eine Art von rücklaufendem, aber im Punkte
des Rücklaufens unterbrochenem Spiralband6). Die Ableitung dieser Linien
erscheint weit schwieriger, als im District Finschhafen. Dazu gesellt sich
die Figur eines hockenden Mannes mit hoch emporgehobenen Beinen
oder Theilen derselben, zwei Typen des menschlichen Gesichts, von denen
der eine die ausgestreckte Zunge bei allen Veränderungen beibehält, der Fisch-
körper mit Schwanz in Reihen und ein schreitender Vogel. Ein Gesicht mit
breiten, aufwärts gerichteten Nasenflügeln, ähnlich denen an der Nordküste,
sowie ein geometrisches Ornament, das sich an der Nordküste schliesslich
aus dem hängenden Pteropus entwickelt, schliessen sich bereits diesem
District an, ohne dass ihre selbständige Entstehung ausgeschlossen wäre.
Ungemein fortgeschritten ist das Linienornament an der „Nordküste",
wo auch für den modernen Geschmack die gefälligsten und doch dabei
eigenartigen Muster vorkommen. Trotzdem liegt die Entwickelung so klar
vor, dass der Ausgangspunkt vieler Formen in der Menschenfigur, dem
Gesicht, dem hangenden Pteropus und einem anderen Thier, wahrscheinlich
einer Eidechse, festzustellen ist. Das erste und dritte Motiv sind bereits
behandelt, das zweite gebraucht immer die Nase und die gewaltig zur Aus-
bildung gelangenden Nasenflügel, seltener die Augen, die sich oft zu einem
Riesenauge vereinigen, das als Mittelpunkt zweier Nasen von den aufwärts
gerichteten Nasenflügeln fast im Kreise umgeben ist. Es entstehen daraus
Formen, die wie froschartige Thiere aussehen. Oft sind die Nasenflügel
spiralig umgebogen, und dann verbindet sich eine Qbereinanderstehende
Reihe von Nasenflügeln durch geschweifte Linien zu nicklaufenden
Spiralbändern, ähnlich wie das erwähnte Spiralband der Astrolabe-Bai»
Die Spirale wird ferner im Anschluss an die Eidechse (?) ausgebildet.
Anne und Beine amschliessen zwischen sich eine gewaltige Spirale, die
von den Extremitäten ausgeht, so dass man an einen fliegenden Hund mit
ausgebreiteten Hügeln gemahnt wird. So sehr nun auch die Spirale
1) Maclay, Bull. Soc. d'Anthrop. Paris, Tome I, Serie 3, 1878, S. 527. Fig. 7. 8.
2) a.a.O. S. 528/29 Fig. 9, 1".
;,. a. 0. Fig. 9, 12.
4) a.a.O. S. 525/26, 529;;!». Fig. 8, 5 11, 14.
i a. 0. S. 529, Fig. 13.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 99
selbständig werden mag und fortlaufende Bänder erzeugt, immer bleibt
der Thierleib, wenn auch in ganz verzerrter Form, als Unterbrechung be-
stehen, was durchaus nicht Zufall ist. <l. h. nicht im Wesen der geo-
metrischen Linien Liegt, wie man sich an den Spiralen Neu-Seelands und
Britisch-Neu-Guineas überzeugen kann. Freilich ist damit noch immer
nicht gesägt, aus welchem Vorbild in der Natur man zur Spirale gelangt
ist; denn sie tritt in dem District überall auf, und alle Urbilder, die wir
erwähnten, (Mithalten sie, nicht gerade integrirend, in sich. .Mit den Formen
des fliegenden Hundes sind aeben den runden die geraden, gewinkelten
Linien in die Ornamentik des Districts eingeführt. Besonders eigentümlich
aber ist, dass nun selbst die Spiralen eckig werden, so dass es „drei-
eckige, viereckige, ja Kreuz-Spiralen1' giebt, wenn man so sagen darf.
Alter auch so kommt, das Kreuz vor. Damit wären nur die wesentlichsten
Formen des Districts angedeutet, viel bleibt noch zusammenzustellen und
zu erklären.
Wie der lJamulliiss zu der „Nordküste" und der Astrolabe-Bai, so weist
der Kaiserin Augustafluss zu ersterer Beziehungen auf. Besonders scheinen
auch hier die Spiralbänder auf das Gesichtsmotiv zurückzuführen, wie
auch die Nasenflügel breit und nach oben gebogen dargestellt sind.
Rhombus und Parallelsechsecke erinnern an die Astrolabe-Bai. Allein es
ist mehr als unwahrscheinlich, dass an eine Entlehnung zu denken ist.
Auch ovale und blattähnliche Formen, deren Erklärung vorläufig völlig
aussteht, mit Gesichtern dazwischen, sind dem District allein eigen, und
das Gesicht auf einer Serie von Kreiseln entwickelt sich durch AViederholung
der Nase nach allen Seiten zu beliebig oft ausgeschweiften regelmässigen
Sternen. Durch Umgrenzung derselben mit Linien, die den Krümmungen
folgen, werden diese abgeschliffen und es entsteht eine eckige Figur,
Vierecke und Dreiecke.
Wenn diese Uebersicht im Grossen und Ganzen erkennen lassen soll,
dass eine geographische Gliederung der künstlerischen Darstellungen von
Kaiser-Wilhelms-Land durchaus möglich ist, so wird die ausfuhrliche Be-
handlung, die ich hoffentlich Gelegenheit haben werde in einer Leihe von
Aufsätzen vorzulegen, ein Drtheil gestatten, wie markant die gezogenen
Grenzen sind, wie nuanciri die trotzdem bestehenden Beziehungen, wie
weit tue sonstige Gliederung des Verkehrs, der Sprache und anderer
Gemeinsamkeiten, wovon wir freilich wenig wissen, damit parallel läuft.
und schliesslich dürften auch einige Gedanken über die Bedeutung der
Kunstwerke am Platze sein.
Der District Finschhafen.
Bevölkerung. Leiter tue Eingeborenen der Strecke von der eng-
lischen Grenze bis Kortitication - Point haben wir nur Nachricht 70n
Moresby, Finsch und einigen Beamten der Neu-Guinea-Compagnie.
1()0 K. Th. Pkeuss:
Die Zahl der Bevölkerung südlich vom Cap Parsi scheint sehr gering zu
sein, obwohl die Dörfer weiter nach innen auf den Bergen liegen und so
den Besuchern der Küste entgangen sein können. Die wenigen Spuren
von Bevölkerung, die theils Moresby1), theils Fi nsch2) an der Yerräther-
Bai, bei Alligator-Point, an der Herkules-Bai bis hinauf nach Cap Parsi
fanden, dürfen wir wohl übergehen. Nach einem Vortrage des Corvetten-
Capitäns Rüdiger, April 1897 in der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
mehrt sich vom Adolf-Hafen an die Bevölkerung, da die Berge hier zurück-
treten. Zahlreiche Bewohner traf er hier am Rüdigerfluss nach einer
Fahrt von zwei Stunden aufwärts, während die Expeditionen unter Landes-
hauptmann v. Schleinitz und Hauptmann Dregei in der Baden-Bucht
ein Dorf verzeichnen, gegenüber Longuerue-Insel zwei, in der Hessen-
und Nassau-Bucht ebenfalls je eines und in der Bayern-Bucht südlich vom
Cap Parsi fünf Dörfer3). Wenn wir daher erst mit Cap Parsi den District
Finschhafen beginnen lassen, so ist eine weitere Ausdehnung nach Süden
in die allerdings geringer bevölkerten Gegenden nicht ausgeschlossen.
Als Centren der Bevölkerung nach Norden sind weiterhin festgestellt
ausser Cap Parsi die Schneider-Spitze, die Herzog-Seen und die Mündung
des Markham- Flusses, Arkona und Stubbenkamer und der Hänisch-
Hafen4), worauf mit der Biegung der Küste nach Norden die Bevölkerung
eine gleichmässigere, wenn auch nicht zahlreichere wird. Nach dem
[nnern zu liegen die äussersten Dörfer, zu denen man gelangt ist, in
etwa 10 km Entfernung von der Küste, nehmlich am Sattelberg im Hinter-
land von Finschhafen5). Dreger hält auch den Markham-Fluss weiter
hinauf für bewohnt6). Eine Grenze der Kai-Dörfer am Sattelberg nach
dem Innern zu festzustellen, ist noch nicht gelungen. Wenn nun Schellong
die etwa 20 km lange Küstenstrecke vom Nordende des Hüon-Golfs bis
Cap Fortification gesprochene Jabim-Sprache von ungefähr 1000 Menschen
gebraucht sein lässt, und ebenso viel der im Süden sich anschliessenden
Bukaua- Sprache an der Nordseite des Golfs, den Poum-Sprachen im
Norden und dem Kai-Dialekt im Innern am Sattelberg zuschreibt7), so
wird man sich von der Spärlichkeit der Bevölkerung einen Begriff' machen
können. Doch dürfte die Schätzung wohl zu gering ausgefallen sein, da
Hr. C. Eellwig allein in dem grossen Dorf Tiggedu in der Landschaft
1) Diacoveries and Surveys in New Guinea. London 1876, S. 275—76, 283.
2) Samoa&hrten S. 146-47, 14!>, 151, 154—55.
3) Nachrichten aue Kaiser-Wilhelm -Land 1887, S. 13, 16—18, mit Karten S. 28.
4) a. a. 0. S. 166— 175, mit Karte S 197.
5) C. Hellwig, Nachrichten aus Kaiser-Wilhelms-Land 1889, S. 40— 17 mit Karte,
1890, S. 20— 21. Haustein and von Kotze berichten, dass sie etwa 25 km in der Luft-
linie(?!) am Bubuifluss landeinwärts gelangten, wo sie schliesslich an ein „dem Anschein
nach tark bewohntes Thal" kamen. Nachr. aus K. Willi. -Land 1888, S. 66.
6 Nachr. aus K. Wilh.-Land 1887, 8. 174.
7) Schellong, l»i' Jabim Sprache, Leipzig IKK), S. 5.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelma-Land. 101
Bukana bei einem Feste etwa 2000 Menschen gezählt hat. Der
Missionar Bamler rechnet auf die Kai-Sprache allein 2 — 3000 Menschen1).
Sprache. Obwohl gerade die Gegend von Finschhafen von der
Nordostgrenze des Hüon-Golfs an sprachlich am besten von ganz Kaiser-
Wilhelms-Land untersucht ist und manche Uebereinstimmungen und Ab-
weichungen in den Dialekten festgelegt sind, fehlt doch viel, um Sprach-
grenzen und Verwandtschafts -Verhältnisse zu bestimmen. Danach ist
die Sprachenkarte in den Nachrichten aus Kaiser- Wilhelms-Land ") und
überhaupt die übliche Eintheilung in die Jabim-, Bukaua-, Tami-, Kai-
und Poum-Dialekte zu beurtheilen. Nach Schellong, der z. Th. das Urtheil
von v. d. Gabelentz eingezogen hat, sollen Jabim- und Bukaua-Dialekt
einander nahestehen, wählend der Tami -Dialekt sich an die Insel Rook
und Neu-Ib'itannien anschliesst, und l'ouin- und Kai-Dialekte gewisse Be-
ziehungen zu einander haben3). Selbstverständlich ist die Bestätigung
dieser Bemerkungen, welche sich auf die ersten dürftigen Sammlungen
sprachlichen Materials stützen, abzuwarten. Dreger nennt die Sprache
des „Hüon-Golfs", womit er die Westküste desselben meint, auch schon
im Klange von der Jabim-, Kai- und Tami-Sprache verschieden. „Guttu-
rale, fauchende und schnalzende Laute" sollen dort vorkommen4).
Anthropologie. Die ausgezeichnete Arbeit von O. Schellong
enthält über die anthropologischen Verhältnisse der Eingeborenen aus
der Umgegend Finschhafens eingehende Mittheilungen. Ueber die Anthro-
pologie des „Hüon-Golfs" müssen wir uns mit einigen Bemerkungen des
Hauptmanns Dreger begnügen. Er schreibt:0) „Die Gestalt der Ein-
geborenen war kleiner, als die der Jabim- und Tami-Leute, und auch bei
weitem nicht so wohl gebildet. Der Oberkörper war verhältnissmässig
lang, die Arme ebenso, die Hände und Fasse plumper. Ehre ganze Er-
scheinung erinnert oft in auffälliger Weise an die in den Bergen wohnen-
den Kai-Leute. Die Haut der Bewohner der Landschaft zwischen «lein
Markham-Fluss und Cap Parsi ist hellroth, an gebrannten Ocker erinnernd.
ohne jedoch, wenigstens anscheinend, damit gefärbt zu sein. Südlich vom Cap
Parsi fand ein Uebergang ins Stumpf-Graubraune statt, so dass die Einwohner
einen erheblich mehr negerhaften Bindruck machen, als die in Finschhafen.
Aber auch bei den Jabim überragte, wie Schellong berichtet, die Klafter-
weite die Körperhöhe im Durchschnitt um ^Sunn. und ähnlich war es bei den
1 Nachr. aus K. Wilh.-Land 1889, 8.87. W. Grube, Hin Beitrag zur Kenntnis*
der Kai-Dialekte. Zeitschr. f. afrikan. und oceanische Sprachen I. 1895, S. 84.
2 L887, S. 28.
8) Schellong, I>ic Jabim-Sprache S. 5. Münchener Allgemeine Zeitung vom
15. Februar 1889. Beiträge zur Anthropologie der Papuas. Zeitschr. f. Ethnol. Will.
1891, s. L69, 171, 172 Anm. 3, 178.
4 Nachr. aus K. Willi. -Land 1887, S. 28.
B) a. a. <>.
102 K. Th. Preuss:
Kai-Leuten; dazu waren ihre Füsse und Hände breit und plump. Die
Bewohner der Kai-Dörfer bezeichnet er nach der geringen Bekanntschaft,
die er mit ihnen hatte, als kleine dürftige Gestalten gegenüber den
kräftigen Jabini. Den Poum -Leuten wieder wird entschiedener Progna-
thismus zugeschrieben, der bei den genannten beiden Stämmen wenig
hervortritt1).
Ethnographie. Wenn wir die zweizipfligen, eigenthümlich geflochtenen
Armbänder und die Ovulabrustschmucke in Xeu-Britanuien, auf den French-
Inseln, im District Finschhafen und im District Astrolabe-Bai zugleich finden,
so ist damit allein ein Zusammenhang der Bewohner jener Gebiete gegeben;
es fragt sich nur, ob auf dem Wege des Verkehrs oder des gemeinschaft-
lichen Ursprungs. Sonst sind als für unsere beiden Districte gemeinsam
besonders dieselbe Technik der Aexte, die Angelhaken, die Formen der
Kämme und langgestreckten kahnförmigen Holzschüsseln, der Gebrauch
der allerdings variirenden Kopfbedeckungen, und die Brustbeutel mit
Hundezälmen hervorzuheben. Alles Andere ist entweder in derselben
Weise noch an vielen anderen Orten zu finden, oder verschieden. Es ist
daraus ersichtlich, dass eine lediglich auf Ethuographica sich gründende
Gliederung hier sehr misslich ist; denn wir würden auf diese Weise aus-
gedehnte Bezirke gewinnen, die wegen der grossen Verschiedenheiten
keineswegs ein geschlossenes Ganzes bilden, mag auch die genauere Unter-
suchung trotz äusserer Gleichartigkeit noch mehr Verschiedenheiten auf-
weisen. Wohl ist das wenige Gemeinsame ausschlaggebend für den Zu-
sammenhang, da viele eigenthümlich e Geräthe, Stoffe und Formen auf
ganz beschränktem Raum vorkommen, wie die Kürbis- und Kokosnuss-
schälchen auf den Tami-Inseln, die langen Schilde2) bei den Jabim, eine
Keulenform mit besonderem Griff und vielleicht die Steinkeulen bei den
Kai -Leuten u. s. w. Aber, wie gesagt, Uebereinstimmungen reichen mit-
unter sein- weit, und auch auf engem Raum wird man häufig nicht mehr
Aehnlichkeit finden, als auf weitem, da unsere Museen ja nicht mit allen
vorkommenden Dingen und ihren Variationen ausgestattet sind. Auf diese
Weis«; wären also unsere beiden Districte schwer weiter zu gliedern.
lin so willkommener nmss daher die Hülfe der Ornamentik sein, wo sie
so entwickelt ist, wie in unserem Gebiet.
Bemerkenswert!] ist, dass in der Landschaft Poum, die schon zum
District Astrolabe-Bai gehört, die fein geflochtenen eigenthümlichen Haar-
bänder jener Gegend zuerst vorkommen, und auch die „Kleidung" nach
Schellong wie in Constantinhafen ist8).
1) 0. Schellong, Beiträge. Zeitschr. f. Ethnologie XXIII, 1891, S. 158-159, 162,
169—170, 178.
2) Dagegen sollen nach Zöller diese Schilde nur liei den Kai-Leuten Vorhandensein
(Deutsch-Neu-Guüiea 1891 8. L2 .
3) Beitrage, Zeitechr. f. Ethnol. XXIII, 1891, S. 172.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 103
Sande! und Verkehr. Obwohl die Eingeborenen unseres Gebietes
keine grossen Seefahrer sind, die den Verkehr weithin tragen könnten,
sd weisen doch einige Angaben darüber sogar aber die Grenzen des
Districts Finschhafen hinaus. Als die Expedition Schneider am 0. De-
cembur 1887 in der Nassau-Bucht, etwa 25 hm südlich vom Cap Parsi, mit
den Eingeborenen in Kampf gerathen war, war die Nachrichl davon bereits
über Land nach Finschhafen vorausgeeilt, als die „Samoa" mit den
Expeditionsmitgliedern dort am 13. December eintraf1). Die Bewohner der
kleinen Insel Bili-Bili südlich von Friedrich Wilhelms-Hafen in der Astro-
labe-Bai sollen nach dem Bericht des Freiherrn von Schleinitz ihre
Thontöpfe bis nach Finschhafen und weiter vertreiben'-), wodurch freilich
ein directer Verkehr noch nicht behauptet wird. Auch Seh el long8)
schreibt von Kella, dem südlichen Bili-Bili — „mit Export von Koch-
töpfen, desgl. von Djanem (Schildpatt-Ohrringen) und mbl" (Armringe aus
TTOchus niloticus)4): „Von diesem Ort war zur Zeit meines Aufenthalts (in
Finschhafen) öfters die Rede. Aus einem Gespräch mit Bewohnern der
Tami-Inseln schien hervorzugehen, dass sie sich dort die Grenze des
Himmelsgewölbes denken, liier steigen die Verstorbenen in die Sterne
zum Himmel hinauf, die Häuptlinge in die grossen, die Frauen in die
kleinen." Es erscheint also als die äusserste sagenhafte Grenze der be-
kannten Welt. Nach Finsch5) erstrecken sich dagegen die Fahrten der
Bili-Biliten bis nach Karkar (Insel Dampier) im Norden und Cap Teliata
im Süden, - also nicht einmal bis zur Grenze unseres Districts. — und
ebenso besuchen Bewohner dieser Orte die Insel. Die Tami- Insulaner
dringen in ihren Segelkanus bis Neu -Britannien und zur Insel Rook vor
und verhandeln ihre Producte. Cocosnüsse, Kürbisschälchen, kahnförmige
Holzschalen mit hübscher Bemalung, Schildpatt -Verzierungen u. dgl. m.
..weit und breit" in den Küstendörfern unseres Districts. Andererseits
kommen die Rook-Insulaner bis nach Finschhafen").
Was jenes „weit und breit" Schellongs bedeutet, wird uns vielleicht
aus der Schilderung des Barium - Beschneidungsfestes desselben Autors
näher gebracht. Bei diesem in grösseren Zwischenräumen wiederkehren-
den Festcyclus, der ein ganzes Jahr in Anspruch nimmt, waren als Gast-
geber, bezw. Gäste Bukaua-, Kai-, .labim- und Tami-Leute vereinigt7).
1) Nachr. aus K. Wilh.-Land 1887, S. 167.
2 ;i. a. 0. 1887, S. 38.
8 Jabim-Sprache S. 54 unter „Kella" and Amn.
4 Schellong, Jabim-Sprache unter _mM»r.
6 EthnoL Erf. II, S. 49.
6 Schellong, Zeitschi F. EthnoL a.a.O. 8.178. Binnen. Allgemeine Ztg., 15. Febr.
1889. Finsch, Ethn. Erf. II. S. 49.
7^ Schellong, Pas Barlumfest. Internat Anh. II. L889, S. 14" tV. Für die auf S. 154
aufgeführten Dörfer, die an dem Fest theilnahmen, ist leider die geographische
meistens nicht zu ermitteln.
104 K. Th. Preuss:
Einer der Theilnehmer wollte seiner Zeit in Ponm beschnitten sein.
Aehnlich hatten sich bei einem Fest in Tiggedu, an der Grenze der
Landschaft Bukaua, dessen Mittelpunkt die jungen Mädchen bildeten, etwa
2000 Personen von nah und fern, theilweise nach tagelangem Marsch, ein-
gefunden. C. Hellwig schreibt darüber1): „Es waren hier Arertreter der
Perm- Stämme, aus der Nähe von Fortifications-Cap sowohl, wie solche
aus dem Innern des Hüon-Golfs, aus dem eigentlichen Bukaua, — sowohl
die scheuen Bergbewohner, wie die dreisteren aus den Küstendörfern
waren vertreten". Bemerkenswerth ist, dass auch sonst die Stämme in
socialen Beziehungen stehen. Heirathen z. B. zwischen Jabim und Poum
sollen gar nicht selten sein5'). Jeder „auch nur einigermaassen gewitzte
Papua" spricht ferner ausser der seinigen eine Nachbarsprache, ältere
Leute sogar zwei bis drei, und es ist Sitte, die vornehmeren Knaben, be-
sonders die Häuptlingssöhne im Alter von 13 bis 15 Jahren, zu einem
oft mehrere Tagereisen weit entfernt wohnenden befreundeten Stamm zu
schicken, namentlich, damit sie die Sprache desselben erlernen und die
Beziehungen zwischen den Stämmen auch weiter gepflegt werden3).
Lineare Darstellungen. Da an den plastischen Figuren viele
lineare Ornamente sind, durch deren Klarlegung oft erst das Wesen der
ersteren erkannt werden kann, so ist es zweckmässig, hier in umgekehrter
Reihenfolge, als in der Uebersicht zu beginnen. Die Muster sind auf
Holz. Schildpatt, Kürbis, Trochusschnecke und Bambu, und zwar selten
durch Bemalung, die allerdings gewöhnlich hinzutritt, sondern fast immer
vermittelst Schnitzerei angebracht. Die Farben sind schwarz, weiss, roth.
Einwirkung des Materials auf die Darstellung tritt so wenig hervor, dass
wir diesen Punkt vernachlässigen können. Nur ist zu bemerken, dass
das eigentliche Feld abwechselungsreicher Combinationen die Kürbis-
körbchen der Tami-Inseln sind. Hier ist auch das menschliche Gesicht
in kühnen <urven zum Ausdruck gebracht. Mit den einfachsten Linien
sind die wenigen Bambugeräthe und Trochusschnecken verziert. An
ersteren tritt auch Brandmalerei auf. Die durch bunte Fäden hergestellten
Muster in den gehäkelten Taschen tragen natürlich einen ganz anderen
Charakter und weisen auch andere Farben auf.
Die Menschengestalt. Beginnen wir mit der ganzen Menschen-
figur. Doch müssen wir zur Ableitung der Formen auch die Darstellungen
des Districts Astrolabe-Bai zu Hülfe nehmen, obwohl kein Zweifel übrig
bleiben kann, dass trotzdem der .Mensch das Urbild ist. Tanzende Ge-
stalten, die einander bei der Hand gefasst haben, würden wir ohne Weiteres
in Fig. 3 erkennen, allein in der Literatur kommt die Beschreibung eines
solchen Tanzes nicht ?or, und es isl klar, dass ein Reihenornament der
1) Nachr. aus K. Wilhelm Land 1889, s. .",7.
2) Schellong, [nternafc Anh. n, 1889, 8. 146.
3) a. a. 0. 145. Ders., Das Familienleben der Papuas. Z. f. Ethnol. XXJ, 1889, S. IG.
Künstlerische Darstellungen aas Kaiser-Wilhelms-Land
1 l 15
Menschenfigur besonders Anne und Beine verbinden wird. Daafl jedoch
das Urbild für den District Finschhafen (Fig. 1). wie es auf den Lang-
Bchilden vorkommt, oder die Darstellung auf der Sepiaschale (Fig. -
tanzt, hat theils wegen des Federkopfischmucks, theile wegen der erhobeneu
Sande und Fiisse die Wahrscheinlichkeit für sich. Federputz, Kopf und
Körper sind zwar in der Fig. 1 in drei Theile zerlegt. Sir gehören aber
HU
?-* •
tmiwra
IC
Fig. 1 — 10. Menschengestalten.
1) l/t0 (1. wirkl. Gr., Th.il der Bemalung eines Schildes, Finschhafen. — 2 ,. Sepia-
schale, Friedrich Wilhelms-Hafen. — 3") Vs« Bambubehalter, ohne Provenienz. Abreibung.—
4) V3- Bambukamm, Tiggedu. — 5: %. Urin eines „Hauptlingsstabes", Kai. — E
Bambubehälter, ohne Provenienz. — 1 ' ,■ DesgL Kelana bei Cap König Wilhelm nördlich
vom Cap Fortification. — >s , .. Armband aus Trochus, Finschhafen. — 9
Cap Cretin — 10 4. Desgl., Finschhafen.
zusammen, und auf einein anderen Schilde Fig. 15) ist auch der mehr rea-
listisch gebildete Federbusch mit dem Kopfe verbunden. Wie sich nun durch
Vereinfachung der Formen die Menschenfigur entwickelt, ist ohne Worte
aus den Abbildungen zu ersehen. Der Kopf verschwindet, und Arme und
Beine werden in den Re lenornamenteu einfache gerade Linien, die zwischen
je zwei Gestalten im Winkel zu einander auslaufen. z. Th. auch (Fig. 8)
106
K. Th. Preuss:
sich schneiden. Auch die Fig. 7, in welcher die Extremitäten vom Leibe
getrennt sind, ist wohl mit Sicherheit hierhin zu rechnen. Nun gehört,
entsprechend der sonstigen Ornamentik, der rhombische Leib der Kümmer-
formen ohne Kopf dem District Astrolabe-Bai an, — die betreffenden Stücke
ohne Angabe werden durch andere darauf ausgeführte Muster dem
District zugewiesen, — der ovale dem District Finschhafen, während die
gerade Linie des Leibes, wie die Armbänder, auf denen sie dargestellt
W
Fig. 11 — 16. Gesichtsornament.
11) V3- Holzschwert, Jabim. — 12) Vs- Cocosnuss-Schälchen, Tami-Inseln — 13) 7a-
Holzschwert, ohne Provenienz. Abreibung. — 14) 1js. Cocosnuss-Schälchen, Tami-Inseln. —
15) Vio- Theü der Bemalung eines Schildes, Finschhafen. — 16) »/s- Schildpatt-Armhand,
Hiion-Golf1).
ist, beiden Bezirken eigen ist. Schliesslich können auch Arme und Beine
wegfallen und es bleiben nur die Leiber übrig: Rhomben im District
Astrolabe-Bai, parallele Striche (Fig. 10) auf den Trochus- Armbändern.
Die Einschnürung, welche in Fig. 9 der Leib am Ansatz der Arme und
Beine erfährt, ist als Resultat der Technik, nehmlieh bei der Einritzung
1) Alle Stücke mit der Angabe „Hüou-Golf" sind etwas westlich vom Cap Parsi
gesammelt.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land. [01
der in der Zeichnung schwarz ausgeführten Linien zu betrachten: die
Ann«', wie die Beine jeder einzelnen Figur haben bei ihrer Fortsetzung
zum Rande des Armbands den Leib oben and unten verbreitert. Ein
Centrum der Fabrication solcher Hinge soll in unserem District die [nsel
Kook sein1). Es sind übrigens die einzigen ornamentirten Gegenstände
jener Insel. Sie lassen jedoch die Zugehörigkeit zu einem der beiden
Districte offen. Aus den Kai-Dörfern sind die Armringe aichi bekannt,
wie das Material von dort überhaupt gering ist, aber genügend, um die
Zugehörigkeit zum District ausser Frage zu stellen.
Das Gesicht. Die Darstellung des Menschengesichts hat die Eigen-
thümlichkeit, dass gewöhnlich, in unseren Zeichnungen immer, der Feder-
kopfschmuck, wie er beim Tanze z. B. am Barlumfest gebraucht wird, ab-
gebildet ist. Jedoch ist nur der Schmuck der Fig. 15, die übrigens in
Wirklichkeit einen ebensolchen, vom Kopf getrennten Leib hat, wie Fig. 1,
als solcher zu erkennen. Auch der hohe Aufsatz von Fig. 11 entspricht
einigermaassen einer Abbildung bei Schellong2). Die helmartigen Zier-
rathen Fig. 12 und 13 erinnern an den ebenfalls abgebildeten8), im Museum
befindlichen Gesichtshelm, einen kegelförmigen, spitzen, von Federschmuck
überragten Hut aus einem mit Bast überspannten Gestell, der vorn ein
Gesicht trägt. Auch die sonst in ähnlicher Form nicht vorkommende, in
Fig. 13 oben schwellende Darstellung kann möglicher Weise noch als ein
zweiter Schmuck gelten, wenn auch dem Künstler zugleich die Gestair
eines Thieres vorgeschwebt haben mag. Dieses Thier ohne ähnliche Typen
benennen zu wollen, ist vollkommen zwecklos. Vermengung von Kopfputz
und bestimmten thierischen Formen, aehmlich Fischen, werden wir noch
später begegnen (Fig. 110). und es ist auch als Zierde der Beschnittenen.
die in die Armringe gesteckt wird, ein über drei Bolzstäbchen gespanntes
Blatt mit einer Feder im Museum vorhanden, das einen Fisch darstellt.
Dass aber sonst Blätterschmuck in die Armbänder -«'steckt wird, ist
bekannt. Auch die nicht zu erklärende, aber sicher ein Thier darstellende
Gestalt in Fig. 1 1 schwebt über dem Kopfputz eines anderen Gesichts auf
dem Schälchen Fig. L2, wo jede der symmetrisch angebrachten Gesichter
eine zweite Verzierung über dem Kopfputz trägt. Solche Kopfputze bilden
hier auch, regelmässig auf der Peripherie eines Kreises vertheilt, einen
Stern. Auf der Abbildung (Fig. 12) sind davon jedoch nur einige Aus-
läufer zu sehen, da der Stern den Boden einnimmt. Charakteristisch
sind die Dreieck- oder Zickzackumrahmung der Augen, die der erwähnten
Bemalung der Beschnittenen beim Barlumfest entspricht, ferner die Ohren,
welche meist ans je zwei einen stumpfen Winkel bildenden Linien be-
stehen (Fig. 11 — 13. 16), und die wagerecht stehenden Nasenflügel, welche
1) Schellong, Jabimsprache unter ..mir.
2 Das Bariumfest. Internat. Arch. II. 1889, S. 149.
3) a. a. 0. Tat'. VII, Fig. 1.
108
K. Th. Preuss:
an den Enden nach unten umbiegen. Der Mund ist zuweilen mit einer
gemalten Fortsetzung nach beiden Seiten, wie in Fig. 17, bedacht, was
vielleicht auch der Bemalung der Beschnittenen entspricht1). Die Ver-
bindung der gewöhnlich ovalen Augen mit der Nase ist eine verschiedene,
ebenso die Form der letzteren, welche auch birnförmig (Fig. 17, 24)
sein kann.
fci.
i$F(&
%,o.
%5.
Fig. 17 — 23. XasenomamiMit.
17) 1/3. Kürbis-Schälcheu, Tami-Inseln. — 18) Vs, Schildpatt-Armband, Finsclihafen. —
19) 1li. Kiirbis-Schälchen, Tami-Inseln. Abreibung. — 20) 1jr Seitenbord eines Kanu-
modells, desgl. — 21) 1/4. desgl., „Finsckhafen und Umgebung". — 22) und 23) 1j3. desgl.
Tami-Inseln.
Die Nase. Die einzelnen Theile werden auch allein zum Gegenstand
dor Darstellung gemacht werden. Betrachten wir zunächst die Nase, deren
nach unten gekrümmte Flügel sich spalten und dann wie gewaltige Eber-
hauer abwärts gerichtet stehen (Fig. 17—19). Die Entwickelung zeigt die
Figurenreihe 17 — 23; jedoch habe ich diese- .Motiv nur an wenigen Ge-
räthen der Tami-Inseln und Pinschhafens beobachten können. In Fig. 20
bilden sogar zwei NaseE der Art ein neues hübsches Muster; rein orna-
mentale Zähne sind zu weiterer Ausschmückung hinzugefügt. Fig. 21
zeigt jedoch diese Herrlichkeit bereits in rohe Schemen verwandelt, was
;iiicli an der Flüchtigkeit liegen mag, mit welcher die Bemalung des be-
treffenden K au n im h lel ls ausgeführt ist. Derartige Nasen, jedoch ohne die
Zweitheilung der Flügel sehen wir auch an der folgenden, höchst merk-
würdigen Fig. 22, welche «dien Augen und Nase, etwa wie Fig. 13, besitzt,
dagegen unten ein einziges Auge mit den üblichen Zacken, an denen
1, VgL die Abbildung bei Schellong, Barlumfest. Internat. Anh. II, S. 160.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land.
109
unfehlbar die Augennatur zu erkennen i>t. obwohl sonst die Augen Belten
rund gezeichnei werden (vgl. Fig. 137). An diesem einen Auge hängt
unten nach rechts and Dach links je eine kleine Nase. die in der folgenden.
sonst ganz ebenso beschaffeneu Pig. 23, von der hier jedoch nur der Unter-
tlieil zu seilen ist, kaum Doch ohne Pig. 22 zu erkennen Bein würden.
da die Nasenflügellinien am unrechten Orte sitzen. Jetzt werden wir auch
verinuthen dürfen, da-- in Fig. 20 die zwischen den beiden gegeneinander-
gerichteten Nasen befindliche Darstellung zu ihrem Mittelpunkt ein Auge
Piff. 24- 35. Augenornament I.
24) Vs- Kürbis-Kalebasse, Cap Fortification. — BB) 1 ... Kürbis-Schälchen, Finschhafen. —
26) '/»• Schildpatt-Armband, desgl. Abreibung. — 27] '/4. Ruderblatt, Finschhafen, —
28) Vs- Selbständige Figur Mensch mit Krokodil), Cap Cretin. — 29 - ielende
1 . „Finschhafen und Umgebung". — 30—31) ' ... Trommel, Tami-Insel. Abreibung. —
32) V,,. Theil einer Trommel, Fortification-Poiat — 33—34) l/r Schildpatt-Ohrring besw.
Armband, Hu Golf. Abreibung. — 35) l/t. Trommel, i
Zeitschrift für Ethnologie. .1 1897.
110 K. Th. Preuss.-
hat, das vielleicht die ganze Gestalt vertreten soll. Ob die Verbindungs-
linien mit den Rändern die Beine andeuten sollen? Das a unten in
Fig. 19 ist als Beweis europäischer Cultur nicht zu verkennen.
Das Auge I. Gegenüber dem spärlichen Vorkommen des Nasen-
ornaments ist die Verwendung des Augenornaments sehr häufig in der
Gestalt von flachen, mit den concaven Seiten einander zugekehrten Kreis-
segmenten, denen die „Augendreiecke" häufig noch anhaften (Fig. 25, 26),
oder wenigstens ihre inneren Seiten, welche vom Zusammenstossen der
Augenbogen an schräg nach aussen gerichtet sind (Fig. 28). Letzteres kommt
auch auf Gesichtern vor, wo dann der Rand des Gesichts die andere Seite
des „Augendreiecks" bildet (vgl. Fig. 66). Wenn nun, wie in Fig. 29,
die Augen in einen Strich verkümmern, so nehmen sie sich zusammen
mit den eben besprochenen restirenden Linien der „Augendreiecke" als
etwas ganz Neuartiges aus. Andere Augen wiederum haben oben und unten
concentrische Bogen, die am höchsten und tiefsten Punkt einen Zahn-
auswuchs aufweisen (Fig. 24, 32a), ähnlich wie das auch bei der „geo-
metrischen" Ornamentirung durch kleine Kreise geschieht, z. B. Fig. 180 am
linken Hinterfuss. Vollständige Augenbänder zeigen die Trommel Fig. 32
und die Fig. 30, 31, und zwar erstere bei c mit concentrischer Einfassung.
Besonders lehrreich ist die Ausfüllung des Raumes zwischen den Augen
dieser Figuren. Indem man nehmlich nach Art der Fig. 28 von den inneren
und äusseren Augenwinkeln schräg aufwärts Striche zog (Fig. 326), die,
wie wir wissen, sich von den „Augendreiecken" herschreiben, und diese,
wenn sie nicht zusammenstiessen, durch eine oder mehrere Zacken verband
(Fig. 30, 31), — was sehr an die ursprünglich an den Gesichtern vor-
kommenden erwähnten Augenzacken erinnert, — so entstanden zwischen
je zwei Augen oben und unten dreieckige Räume, in welche theils Zacken
oder Winkel (Fig. 30 rechts, 326), theils Stücke von Ovalen (Fig. 30 links,
326) geritzt wurden. In der Fig. 31 stehen die Augen weiter aus einander
und sind durch ein Ornament verbunden, das später noch erklärt werden soll,
das der Krokodilaugen. Häufig ist noch zwischen jedem Augenpaar eine Art
von Nase angedeutet, wie in Fig. 26. Das Ruderblatt in Fig. 27 zeigt eine
Reihe von Augen über einander und unten als Abschluss ein gewaltiges Auge.
Die ornamentale Ausfüllung des zwischen den obersten Augen liegenden
Raumes durch Theile von Ovalen leitet zu den Formen Fig. 34 und 35
über, deren Entstehung auf ähnliche Weise vorläufig nicht ganz sicher ist.
Dass wir aber in <\<>v Mitte von Fig. 33 die durch viele concentrische
Linien umgebenen Augen vor uns haben, erscheint kaum zweifelhaft.
Schliesslich bürgen die eingangs <\>'i' Gruppe aufgeführten beiden Gesichter
dafür, dass wir es in der ganzen Serie wirklich mit „Augen" zu thun
haben. Fig. 24 zeigt noch ein vollständiges Gesicht, es finden sich
aber bereits drei überflüssige Augen darin; Fig. 25 hat ein Augenpaar
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land.
111
mit „Augendreiecken" statt des Mondes, während die Nase zu kurz ge-
rathen ist. Freilich kann das Gesicht auch umgekehrt „genossen" werden,
man wird dann aber die einzelnen Augen nicht als Stellvertretung anderer
Gesichtstheile auffassen können. Wo diese Augen überall vorkommen.
das aufzuzählen, ist unmöglich. Es sei also nur noch auf die etwas
variirten Augen in der Mitte von Fig. 55 und 183 aufmerksam gemacht.
i
I
H
Fig. 36 — 44. Augenor n am ent II.
36) etwa 1J30. Relief auf einem Brett an einem Gemeindehans1 . Suam bei Finschhafen. —
37) 79. Schildpatt-Armband, Hnon-Golf. — 38) \2. Ruderblatt, Cap Fortilication. — 39) 7S.
Schildpatt-Armhand, Wonuam, Tami-Insehi. Ahreihung. — 40a, 6 — 41) Vj- desgl. Tami-
Inseln. — 42—44) l/8. Trommel. Tami-Inseln.
Das Auge II. Die Augen werden aber auch anders dargestellt,
nehmlich durch ein Segment, das von einer geraden Linie begrenzt ist.
Das seilen wir häufig an geschnitzten Köpfen, besonders wenn der obere
Augenhöhlenrand oder das Ende des Augenlides, die Lidspalte, durch
einen tiefen Absatz bezeichnet ist (Fig. 32 oben links. 36, 66). [solirt
bemerken wir derartige Augen in Fig. 39. Fig. 40a zeigt Gruppen solcher
Augenbögen in Staffeln aber einander gethürmt. In Fig. 406 nehmen die ein-
zelnen Augen eine winklige Stellung zu einander ein, und in Fig. -11 ist die
Schrägstellung derart vollendet, dass Dichte mehr den Ursprung verräth. Die
Freude an der Gestaltung neuer Motive war der Hebel dazu. Doch wollen
wir noch einen weitereu Beweis dafür liefern, dass das Bndglied Fig. 11 in
der That von den Augen hergeleitet ist. nehmlich durch die Fig. 4- — 44.
Obwohl es nicht klar erscheint, ob die Ealbkreisform derselben sofort als
1) Die Zeichnungen der Figuren auf den 4 im Museum befindlichen langen Im
Konnten nur nnyoükommei geschehen, da diese magaiinirt waren.
9*
112 K. Th. Preuss:
Gesichtsumriss gezeichnet oder auf andere Weise entstanden ist1) und erst
später mit den Kennzeichen des Gesichts erfüllt wurde, so deutet doch die
Ausschmückung des inneren Raumes nicht darauf hin, dass jemals andere
Ornamente, als die des Gesichts, darin ihren Platz gefunden haben. Ebenso
ist es mit Fig. 46 und den anderen, an derselben Stelle der Trommeln
vorkommenden Halbkreisen; sogar in Fig. 32 unten, wo statt des Halb-
kreises noch oder schon ein Theil eines Ovals entstanden ist, enthält der
Raum dieselbe Grundeintheilung des Gesichts. Wir sehen in Fig. 42 die
vollständigen Augen mit Nase und Nasenflügel, sonst aber wenigstens
immer den unten sich verbreiternden Nasenrücken und die bis zum Ab-
schluss der Nase reichenden, gewaltig vergrösserten Augenhöhlen, die in
Fig. 43 mit krummen, den Umrissen einigermaassen parallelen Linien, in
Fig. 44 mit den schon erwähnten, schräg zu einander verlaufenden Segment-
bündeln erfüllt sind. Inwieweit also letztere mit den Augen zusammen-
hangen, kann jetzt jeder selbst entscheiden. Diese zweite Art von Augen
ist ebenfalls gar nicht selten, und wir werden ihnen noch öfters begegnen.
Jetzt sei nur auf die Fig. 33 hingewiesen, wo beide Augenarten neben
einander vorkommen, und zwar die zuletzt besprochenen, wie gewöhnlich,
am Rande. Fig. 37 zeigt ein Band solcher gegenübergestellter Augen,
und setzt man dazu die „Augendreiecke", so hat man in Fig. 38 ein Muster,
das auch angewandt wird, nachdem die Augen in gerade Linien ver-
kümmert sind.
Der Mund. Endlich müssen wir auch dem Munde sein Recht zu-
kommen lassen. In Fig. 45 sieht man ein Menschengesicht mit ungeheurem
Munde, der, sich im Halbkreise nach oben wendend, mit dem die Augen
concentrisch umschliessenden, gezähnten Segment verwächst. Die un-
«•ejdiederte Nase hat auf ihrem Rücken ein Ornamentband, das nach oben
zu durch einen normalen Mund abgeschlossen wird. Man kann eben das
Gesiebt, wie das in Fig. 25, von unten, wie von oben betrachten, während
die Gesichtsrundung eigentlich das Letztere erfordert, so dass dann der
normale Mund der eigentliche ist, Diesen kann man in ähnlicher Form
auch an anderen Gesichtern beobachten (Fig. 66). Ein solcher Mund
unterscheidet sich vom Auge durch die abgerundet ovale Form, die
manchmal an einer Längsseite eingebuchtet ist, gewöhnlich durch einen
horizontalen Schlitz in der Mitte. In Fig. 46, die ebenfalls ein groteskes
Gesicht mit dreieckigen, an der Innenseite tief eingezackten Augen zeigt,
ist der ganze Nasenrücken mit Mündern der einen Kategorie bedeckt, die
unten durch den eigentlichen Mund, welcher der zweiten Kategorie an-
gehört, abgeschlossen werden. Die freie Verwendung des Mundes auf dem
wi,. ein Nasenrücken gestalteten Mittelornament in Fig. Is und die Ilori-
1 Eine Vermuthung übet die Art der Entstehung wird später ausgesprochen werden.
Künstlerische Darstellungen uns Kaiser-Wilhelms-Land.
113
zontalreibeD von Doppcl- uml einfachen Mündern in Fig. 17 dürften nun
ohne Weiteres einleuchten.
Auch dieses Ornament wird sehr viel gebraucht. Ich verweise nur
auf die Fig. 121, 136 und IST.
Auge und Nase. Sehr eigenartige Gebilde weist das Augen-Nasen-
ornament auf. Das Geeicht auf dem Mörser Pig. 49 zeigt •■ine merkwürdige
Form der Nasenflügel, denn solche sind es und nicht etwa der .Mund, der
öfters vernachlässigt und nie so enge an die Nase angeschlossen wird.
u
'15.
Fig. 45 und 48. Ornament des Mundes. Flg. 49 — 54. Nasen-Augen-
( i r ii 8 in e ii t >'.
45) V2- Kürbis-Schalchen, ohue ProTenienz. — 4G) '/.»• Trommel, Finschhafen. — 47
Schildpatt-Armband, Tami-Inseln. Abreibung. — 48) ' ... Schildpatt-Ohrring, Hüon-Golf,
desgl. — 4li) - .,. Mörser, „Kaiser-Wilhelms-Land". — 50) */4. Trommel, Finschhafen. —
51) l/v Trommel, ohne Provenienz. — 52—53) lf4. Griff eines „Häuptlingsstabes", Kai. —
54) '/4- Stab, Cap Fortifieation.
während mau den Nasenflügeln stets eine besondere Sorgfalt erweist und
oft, wie erwähnt, die horizontale Form zuerkennt. Eine Reihe solcher
Nasen nun, mit sehr kurzem Nasenrücken, aber gewaltigen Flügelo sieht
man in Pig. 50 durch Bogen verbünde», in denen ohne Zweifel die eine
bekannte Augenart II zu erkennen ist. Ks ist ferner sehr wahrscheinlich,
dass der geschweifte Mäander Pig. 5] eine Folge der Abschleifung dieser
Darstellung ist, — auf welohe Weise, ist Leicht ersichtlich. Wie jenes
Ornament, kommt auch dieses nur auf einer einzigen Trommel, noch dazu
114
K. Th. Preuss:
ohne Provenienz, vor; allein die übrigen Figuren darauf lassen die Her-
kunft aus unserem District nicht zweifelhaft. In der Erklärung von Fig. 52
wird man vielleicht weniger glauben, dass zwei gegeneinandergestellte
Augenpaare mit Nasen, durch ein Zickzackband getrennt, die zum Aus-
druck gebrachte Kreuzesform abgeben. Nasenrücken und -Flügel haben
nehmlich hier abweichend von der sonstigen Gewohnheit der Gegend,
beide Theile genauer zu gliedern, dreieckige Form. Nehmen wir nun
zum Beweise die Schildeinfassung auf den Figuren 1 und 15 zu Hülfe.
Auf beiden Seiten der tanzenden Menschengestalt in Fig. 1 sehen wir je
eine steigbügelartige Form flankirt von langgestreckten unregelmässigen
Bogen, die in der Zeichnung jedoch nicht ihre völlige Ausdehnung zeigen.
Die Steigbügelform ist nichts anderes, als die typische Nase mit Flügel;
was die Bogensegmente vorstellen, kann sich nun jeder denken. Aber inner-
halb der letzteren sehen wir wiederum eine Reihe von Segmenten, welche
die typische Augenform II repräsentiren. Sie sind unterbrochen von Drei-
ecken und Rechtecken, die zuweilen auch an den nach dem Innern des
Schildes zu gelegenen Ecken abgeschliffen, oder überhaupt unregelmässig
gestaltet sind. Alles zusammengenommen, hoffe ich, wird es einleuchten,
dass wir es auch hier überall, sowohl im Ganzen wie im Einzelnen, mit
dem Nasen -Augen -Ornament zu thun haben. Unkenntlicher ist dasselbe
Motiv auf dem zweiten Schilde Fig. 15, von dem ausser dem oberen Theil
der Malerei in der Mitte nur die obere linke Seite zur Reproduction ge-
bracht ist. Aber trotz der beuteiförmig herabhängenden Augen und der
o-anz schematischen Dreiecke dazwischen ist die Aehnlichkeit mit Fig. 1
nicht zu verkennen, und verbunden mit derselben Oertlichkeit der Dar-
stellung ist auch dieselbe Erklärung zweifellos am Platze. Gehen wir noch
einen Schritt weiter. Was mögen nun wohl die weiter von den Augen
abstehenden Dreiecke und Bogenformen zwischen den Augen der Augen-
bänder Fig. 30—32 darstellen, die wir vorher aus den Resten der „Augen-
dreiecke", verbunden mit dem Bedürfniss der Ausfüllung des leeren Raumes,
erklärt haben? Vielleicht auch Nasen. Die Unterscheidungsmöglichkeit
in der Entwickelung hört hier auf. Doch möchten wir die letztere Aus-
sicht der Erklärung Btark in Betracht ziehen und nun sogar auf die senk-
recht ftbereinandergestellten Augen in Fig. 27, 34, 35 ausdehnen, zwischen
denen dann also, ganz deplacirt, Nasen als Bogensegmente erscheinen
würden. Doch zurück zu unserer Figurenreihe 52 — 54, in der übrigens
nur die Hälfte <l<-s abgewickelten Ornamentes zu sehen ist, so dass also
in Fig. 52 in Wirklichkeit je zwei Nasen und zwei Augen oberhalb und
unterhalb der trennenden Zickzacklinie zu sehen sind. Das Ornament zu
einer Seite der letzteren kommt übrigens auch allein auf einem Schildpatt-
Armband vor. In Fig. 5:; sind <li«' N;isen und Augen oben und unten, von
denen letztere <l<'ii abschliessenden Strich verloren haben, durch die be-
kannte Menschenfigur getrennt, «Iren Arme und Beine in Zickzacklinien
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-I-anl.
115
schräg auf- und abwärts auslaufen. Zwischen den letzteren befinden sich
dann noch zwei Augen des Typus I. Endlich ist in Pig. 5 1 die Rfenschen-
6%.
GS.
Gl
Fig 55 — 64. l»;is Vogelkopf-Ornament I.
55) Vf.- Kanuverzierung, Finschhafen. — 56) '/s- Cocosnuss-Sch&lchen, „Hatzfeldthafen"." —
57) V2. Angelhaken. Bnon-Golf. —58 ... deagL, Finschhafen. — 69] ,. frommel, Finsch-
hafen. — 6(fi l/«. Schildpatt-Armband, Cap Gretin. Abreibung. — 61 .. desgl. .Finseh-
hafeu bezw. Tami-Inseln«, -~1. — 63 ' . Haken, Tami-Inseln. — 68 ' ,. Schildpatt-
Armband, Finschhafen. — 64) Vs- desgl., Hüon-Goli'. Abreibung.
116 K. Th. Preuss:
gestalt in der Mitte auf einen geraden Strich reducirt; die Zickzackreihen
haben mit ihm nichts mehr zu thun, die Augen in der Mitte sind unförm-
liche Ovale geworden, die Augen oben und unten nur noch als Begrenzung
der Zickzacklinien da, die Xasen von ihm getrennt und ebenfalls als
Ovaltheil gestaltet.
Der Yogelkopf I. Unter den linearen Thierdarstellungen unseres
Districts erlangt die höchste Bedeutung der Vogelkopf, weil er — und
augenscheinlich immer derselbe bestimmte — zu mannichfachen, scheinbar
geometrischen Ornamenten sich umwandelt, überall auftritt und in Ver-
doppelung sehr oft Theile von Figuren bildet, in denen er als etwas ganz
Anderes, als Flügel von Vögeln, als Füsse von Schildkröten u. dgl. m. er-
scheint. Immer mehr wird uns durch dieses Motiv klar werden, wie
mosaikartig jedes einheitliche Ganze aus heterogenen Elementen zusammen-
gesetzt ist, und welche lange Entwickelung deshalb die Kunst unseres
Districts erfahren hat. Vögel in linearen Umrissen sehen wir nur zu
beiden Seiten der Fig. 55, die als Ganzes ebenfalls einen stilisirten Vogel
darstellt, wie aus dem Schwanztheil unverkennbar hervorgeht. In dem
Theile der Figur, den man für den Kopf des Vogels ansehen muss, tauchen
wiederum zwei Vogelköpfe auf, und ferner zeigt Fig. 56 einen Vogel wie
zum Fluge ansetzend oder zur Ruhe übergehend, dessen geöffneter Schnabel
eine gewellte Doppellinie bildet. Das Cocosnusskörbchen, welches die
letztere Darstellung enthält, hat als Provenienz die Angabe Hatzfeldthafen,
stammt aber wohl von den Tami-Inseln, sicher aus unserem District. Alle
diese Gestalten, für die Bilder in der Natur zu suchen unmöglich ist,
treten nur in den Fällen auf, die durch Zeichnung fixirt sind, und haben
mit „unserem" Vogelkopf nichts zu thun. Jedoch bemerken wir auch bei
diesen Vögeln, dass die oberen Umrisse des Kopfes ohne irgend welche
Einbuchtung in die Schnabelliuie übergehen. Das deutliche Urbild „unseres''
Vogelkopfes sehen wir auf dem Angelhaken Fig.57 durch die weissen Linien
dargestellt. Der Kopf ist also nach links gerichtet, während der rechts ge-
kehtre Haken mit Hülfe desselben Auges einen zweiten Vogelkopf zu zeigen
scheint. Dass dem wirklich so ist, erkennen wir an Fig. 58. Hier dürften
die nach beiden Seiten «1er Augen vorstehenden gezahnten Auswüchse, wenn
Bie nicht, wie häufig in diesem District, lediglich ornamentale Zugabe sind, die
Lidspalten andeuten, wogegen die vom Auge ausgehende und den Schnabel
fast theilende Linie des linken Vogelkopfes in Fig. 57 vielleicht als
Schnabelöffnung gelten soll. Deutlicher noch bemerken wir diesen Längs-
streifen in der schon sehr schematischen Fig. 59, obwohl sein Ansatz am
Auge durchaus sinnwidrig ist.
Eine weitere Eigenthümlichkeit liegt darin, dass die Unterseite des
Schnabels ebenfalls oft bis zur Augenrundung fortgesetzt ist. Durch die
scharfe Krümmung des Schnabels fühlte sich dann der Künstler veranlasst.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 117
die Spalte den Schnabel schräg durchschneiden zu lassen (Fig. 61), ja, es
kommen sogar zwei Spalten vor (Fig. ii-1 untere Ecke; 73). Natürlich
fehlen auch oft beide Spalten and zwar nicht nur in geschnittenen Figuren
(Fig. 60). Wenn sich nun der Schnabel immer mehr verkürzt wie auf
dem Kopfe des Reiters (Fig. 62), wo zwei Vogelköpfe hinter einander
parallel angebracht sind, — der hintere lugt in der Zeichnung gerade noch
hervor, — und in Fig. 63, wo der Vogelkopf einen Kreis bildet, so sehen
wir (Fig. 63, 64 unten) nur noch eine Oeffnung in dem letzteren, der die
Unterseite des Schnabels vorstellt, und einen kurzen Zahnfortsatz des
Auges (Fig. <>:>). die Schnabelspalte. So ist auch der unvollkommene Kim:
Fig. 64 oben als Vogelkopf aufzufassen, und wahrscheinlich entstehen daraus
die Kreise Fig. 64 oben. "Wo und an welchen Gegenständen dieser Vogel-
kopf überall vorkommt, wie ihn hier ein Thierkopf am Ende eines Kuders
im Rachen hält, dort ihn der Künstler unter dein Schwanz eines Krokodils
angebracht hat, darauf wollen wir nicht weiter eingehen; nur auf die
Fig. 49 und .">.*> sei aufmerksam gemacht, wo er die Ohren eines Menschen
bildet und unter dem Schwanz der Vögel ruht. Anderen Darstellungen des
Vogelkopfs werden wir noch später begegnen (Fig. 117, 124. 133, 142.
143, 145 u. s. w.). Vereinzelt kommt er bis Friedrich-Wilhelms-Hafen vor.
ist aber aus den Kai-Dörfern im Einterlande von Finschhafen bis jetzt
nicht nachgewiesen.
Das Vogelkopfpaar. Kommen wir nun zu den mannichfachen
Zusammensetzungen dieser Gebilde. Die gegen einander gerichteten Vogel-
kopfpaare der Fig. 65, in denen die Oberseite der Schnäbel vom Be-
rührungspunkt der Köpfe in spitzem Winkel von einander absteht, sind
nach dem Vorhergehenden ohne Weiteres als Bolche kenntlich, und es
dürfte also auch die auf einer Seite eines anderen Schwirrbretta befindliche
Darstellung, welche in den Verhandlungen der Gesellschaft abgebildet ist
und damals als Bremse im Fluge gedeutet wurde, dasselbe Motiv enthalten1).
Ganz ihren Ursprung verleugnende Haken, aber doch Vogelköpfe, deren
Schnabeloberseite aneinanderlehnt und «dien durch ein Querband vereinigt
wird, sehen wir auf dem Menschenkopf Fig. 66. Gehen die Schnabelenden
zusammen, so dass die Schuabeloherseiten in Bpitzem Winkel auseinander-
laufen, so entsteht Fig. 67; ein geschlossenes Gebilde wird daraus in
Fig. 68 durch Verschmelzung und Abrundung der Schnabelspitzen. Gleich-
zeitig nehmen die Augen, entsprechend der veränderten Kopfgestalt, _• -
Streckt ovale Form an. indem die untere Kopfseite bis zur Spitze des
Schnabels vorrückt. Seitliche Zusamnienpressung ergehen dann die Fig
und 70, und das Wegfallen aller Vertiefungen eine halbkreisförmige Scheibe
mit drei Einschnitten (Fig. 71 . welche schliesslich auch verschwinden.
1) 1888, S. -267 f.
118
K. Th. Preuss :
Gehen wir noohmals zum Ausgangspunkt dieser Reihe (Fig. 67) zurück
und denken uns die Köpfe iu derselben Lage, aber ein wenig von einander
entfernt und die Schnabelspitzen durch eine Zacke verbunden, so haben
wir eine Art von geschriebenem grossem lateinischem M, wie es die Mitte
des Ovals in Fig. 61 zeigt.
Fig. G5-81. Ornament des Vogelkopfpaares.
65) */,. Schwirrbrett, ohne Provenienz. — 66) l/s« Löffelsticleude, Cap Cretin. — 67) 74.
Untertheil eines Holzhakens, Finschhafen. — 68) »/«• Kahnförmige Holzschüssel, desgl. —
69—70) '/„. Von einem Vogel als Löffelstielende, desgl. — 71) V3- Von einem Vogel als
Kanuschnabel, desgl. — 72 ',..,. Trommel, ohne Provenienz. — 73) - .,. Schildpatt-Armband,
Finschhafen. — 74) 73. Oberer I heil eines Ruders, Ansicht von oben: desgl. — 75) %.
Dasselbe von der Seite. —76 ,. Vom Rücken eines Vogels (zwischen den Flügeln) am
Ende eines Ruders, Finschhafen. — TT 1/9. Vom Rücken eines Krokodils, das in einen
Menschen beisst. Cap Cretin. — 78 .. Kopfstütze, ohne Provenienz. — 79) l/8. Desgl.,
Tami-Inseln. — 80) J 4. Kanuverzierung, finschhafen. — 81) 1/a. Henkel eines Kürbis-
Provenienz.
Eine andere Entwickelungsreihe, deren Glieder wolil am zahlreichsten
vorkommen, eröffnen Fig. 72 und 73, wo die Schnabelspitzen zusammen-
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land.
119
stossen, bezw. in einander übergehen, aber die Unterseite der Schnäbel
einander zugekehrt ist. Es verschwinde! nun bei den sechs Vogelkopf-
paaren im Radien des Krokodilkopfs Fig. 74— 7ö das kreisrunde Auge,
oder es ist hur noch in einer unscheinbaren Erweiterung der bis zum A.uge
sich fortsetzenden Schnabelspalte erkennbar. Ks kommt nun auch nicht
immer darauf an, ob noch eine Spalte nein' zu dem Ganzen hinzutritt
(Fig. 77). Durch Vereinfachung der drei Unterbrechungen in den Kopf-
paaren entstehen (in Fig. 76, 80) drei symmetrisch angelegte Spulten,
während die obere Kante eine mehr geradlinige wird. Ein solches Gebilde
steht z. B. als eine Art aufgerichteten Flügels auf dem Kücken des stili-
sirten Vogels (Fig. 80), und die an den Schwanz sich anschliessende Leiste
zeigt dasselbe in der dritten Erhöhung. Die anderen Erhebungen haben
al.cr bereits eine weitere Verkümmerung durch Fortfall der Spalten und
Ausgestaltung zu einem Trapez erhalten, was aber nur in diesem Falle
beobachtet ist. Tritt der Vogelkopf aus dieser Paarung heraus, so haben
wir die gar nicht mehr kenntliche Form Fig. 78, die durch Anwendung
gerader Flächen zu Fig. 7!» wird. Endlich verdient das Vogelkopfpaar
auf dem Henkel eines Tami-Körbchens Erwähnung, das durch den be-
schränkten Raum des Geräthes nicht ganz zur Ausführung gelangt ist, sich
aber an die Darstellungen auf dem Schwirrbrett (Fig. 65) anschlieSst
Etwas Besonderes besteht hier in der emporstrebenden Zacke.
*^ 8G.
%X.
9*.
oioioio
89
Fig. 82— '.»5. l>a- Vogelkopf- Ornament II.
B2S ^4— 95) \. Seitenbord eines Rannmodells, Finschhafen. — 88)
Der Vogelkopf [I. Kehren wir aber noch einmal zu dem ein-
fachen Vogelkopf zurück, der. in ein rechtwinkliges langgestrecktes
120 K. Th. Preuss:
Dreieck eingeschlossen, eine völlige Umwandlung erfährt. Die Darstellungen
finden sich an den Seitenbordeii zweier Kanumodelle, wo sich in langer
Reihe die Dreiecke immer zu je zwei zu einem Rechteck zusammen-
schliessen. Die Entwickelung ist zwar sehr lehrreich, da sie von der ge-
wohnten langsamen Art, in der sich Glied, an Glied reiht, abweicht, aber
es ist auch psychologisch nicht ganz klar, wie sie so schnell in völlig ab-
weichende Formen stattfinden konnte. Es scheint, als ob hier die lediglich
decorativ ausschmückende Phantasie mit flüchtigen Strichen malte, denn
wir haben hier eines der wenigen Beispiele blosser Malerei. Der Vogel-
kopf in Fig. 82, wo der Schnabel wegen des Raumes keine Krümmung-
erfahren konnte, ist um so eher als solcher anzusprechen, als Fig. 83 die
Form noch deutlicher verräth, während die drei Zähne unten, da solche
regellos auch an vielen anderen Stellen der gleichen Figuren auftreten,
nur decorative Zuthat sind (vgl. Fig. 20 — 21, die von denselben Modellen
stammen). So sieht man in Fig. 90 und 92 Zacken am Kopf, in Fig. 91
an Kopf und Schnabel. Der runde Kopf bleibt mit Ausnahme von Fig. 95
überall kenntlich. Eine ähnliche Darstellung, wie Fig. 85, zeigt auch noch
in der Einbuchtung des (Schnabel-) Dreiecks den Kreis. Der Schnabel
wird höchst willkürlich behandelt. Er wird ganz kurz (Fig. 86), erscheint
an zwei Seiten der Rundung (Fig. 87, 92) und fängt an sich zu schlängeln.
Den geschlängelten Schnabel haben wir ja auch schon an dem Vogel
Fig. 56 wahrnehmen können, und wir werden den Uebergang von der
geraden zur geschlängelten Linie noch in einem höchst eigenartigen Falle
beobachten können. Nachdem das Ganze ein blosses Dreieck mit einer Ein-
buchtung geworden ist (Fig. 85), theilt sich der Schnabel und wird wahllos
an einen vollständigen Vogelkopf angesetzt (Fig. 92). In Fig. 93 hat er, statt
des sonst vorkommenden einen, noch je einen Begleiter zu beiden Seiten; in
Fig. 94 sind alle drei in Schlangenlinien aufgelöst und getrennt vom Kopf.
Fig. 95 endlich zeigt nur eine Schlangenlinie mit Fortsätzen an einem Ende.
Jedenfalls darf man nicht von Fig. 93 ausgehen. Denn wir können beob-
achten, dass die drei Linien überall da auftreten, wo der Raum etwas
grösser und das eiuschliessende Dreieck zu einem Trapez wird. Also
erscheint die Ausfüllung des Raumes als die Hauptsache für den Künstler,
wie auch die Punkte zwischen den beiden Linien Fig. 92 beweisen. Es
zeigt sich das Festhalten ;ni den einmal vorhandenen Formen, diese sind
aber phantastisch umgestaltet. Deshalb liegt es uicht nahe, bei jeder
Figur an eiu besonderes Moth zu denken.
Die Spirale. Wenn an dieser Stelle zugleich die wenigen Ansätze
zu Spirallinien eingefügt werden, so geschieht es deshalb, weil die Ab-
leitung vom Vogelknpf nicht unmöglich erscheint. Die Spiralanfange
Fig. 96 und '.»7 sind zweifellos Vogelköpfe. Die spiralige Umbieguug in
Fig. 98. welche aber nicht eine Flüche ist, wie in der Zeichnung, sondern
Künstlerische Darstellungen au- Kaiser-Wilhelms-Land.
1-J1
einen rechteckigen Querschnitt besitzt, hat die Eigenthümlichkeit, direct
der Kopf eines Vogels mit ausgebreiteten Flügeln zu Bein, und die Spirale
im verbreiterten Ende von Fig. 10u steht offenbar in der M i r r • • eines fast
dreieckig geformten Vogelkopfes. Als zwei Vögel, deren Schnäbel in
horizontalen Linien sich vereinigen, kann man nun die Fig. 1"1 ansehen,
welche mit dem einfachen Vogelkopfmotrv « I«m- Art (Fig. '■,'■,;. wenn wir es
denn so nennen wollen, auf derselben Trommel vorkommt. Wohl aus
&<?
9X.
101.
Fig. 9G-103. Die Spirale.
96) V3. Kopfstütze, Finschhafen. 91 Zeichnung nach F ins ch, Ethnol. Atlas, Tat VD
Fig. 9. Kanuverzierung, Hüon-Golf. — 98) Spitze eines Kanumodells, „Finschhafen und
Umgebung-. — 99) l/s- Trommel, Hüon-Golf. — 100) * ... Theil eines Tanzhei]
Frauen, Finschhafen. — 101 ' t. Trommel, Hüon-Golf. — 102 ' 4. Trommel, ohne
Provenienz. — LOS Kürbiskörbchen, Tami-Inseln.
dieser Gestaltung (Fig. KU) hervorgegangen ist das eigenartige Gesicht
Fig. 102, «las auch auf einer fromme! von Finschhafen verrieten ist Es
erscheint hier zum ersten Mal, dass aus einem .Motiv ein anderes wird,
jedoch bleibt der Ursprung unverkennbar. Schliesslich ist das spiralige
Gewinde Fig. 103 zu erwähnen, 'las auf einem Tamikörbchen unter vielen
anderen frei verwandt' i Mustern vorkommt und vielleicht ebenfalls kein
directes Vorbild in der Natur hat. was bei der Vergleiehuj g mit der frei
verwandten Spirale au! dem Kürbis-Schälchen in Fig. 17 noch mehr
122
K. Th. Preuss:
einleuchten wird. Das Netzmotiv in derselben Umrahmung (Fig. 103)
kommt zwar auch in der Nähe eines Fischbandes (Fig. 104) vor, anderer-
seits lassen sich aber diese gestreiften Muster, die aus den zwischen
Doppellinien aneinandergereihten kleinen Rechtecken oder Quadraten und
aus paralleler Streifung entstanden zu sein scheinen, auch an ganz harm-
losen Orten verfolgen (vgl. auch Fig. 113).
■MN^
w
104?
UU-
KJB
11*.
BMWffi«
1147.
WS.
mm
116
Fig. 104—116. Das Fischornament.
104, 113) l/s. Cocosnuss - Schalchen , „Hatzfeldthafen". — 105) l/4. Kürbis - Schälchen,
Finschhafen. — 106) '/.■• Desgl., ohne Provenienz. — 107) etwa '/so- Brett von einem
Gemeindehaus, Snam bei Finschhafen. — 108) */»• Ohrschmuck (?) aus Schildpatt, Hüon-
Golf. — 109) % Plattform eines Kanumodells-, Finschhafen. — 110, 111) •/„. Schwirr-
brett, ohne Proviiini/. — 112) '/4. Oberer Theil eines Menschenkopfes, iranze Figur,
Cap Cretin. — 114) \. Schafl eines ranzbeiles für Frauen, Tami-Inseln. — 115) Vs-
Schildpatt-Armband, Cap < retin. Abreibung. — 116) */*• Desgl., „Finschhafen oder Tami-
Lnseln". Desgl.
Der Fisch. Das Fischmoti; scheint auch häufig vorzukommen, be-
sonders auf den Tami-Inseln. Nichi nur dass der Fisch einzeln, allerdings
immei ätilisirt, bo dass er leicht von denen in jedem anderen District unter-
Künstlerische Darstellungen aus KaiBer-Wilhelms-Land. 123
schieden werden kann, auf Tami- Körbchen erscheint (Fig. 12 und 10b).
er bildet dort neben und hinter einander gestelli und th'eils der Länge
CT —
nach durchschnitten, ganze Bänder (Fig. L04- L05) und wird in der Gestalt
eines Kochens als Schildpatt- Ohrschmuck (?) (Fig. 108] verwendet, als
Ausschmückung der Köpfe auf einem Schwirrbrett (Fig. 110 — 111); ja auf
dem Brett eines Gemeindehauses in Suam li.it er sogar Beine (Fig. 107). Vom
Hüon-Golf bildet Finsch einige Fische vom Seitenbord eines Kanus ab1).
Dass der Schmalbord der Plattform eines Kanumodells (Fig. 1»»'.'). der, wie
wir sahen, in ähnlicher Form auch als Vogel dargestellt wird (Fig. 55).
wegen des Fischschwanzes ein Fisch sein soll, ist nicht anzunehmen, denn
der Fischschwanz allein ist ein sehr beliebtes Motiv, das als Aufsatz der
Tapamütze (Fig. 112), als Yogel- oder Fledermausflügel (Fig. 143), als
Ende der Latten unten an den Menschenfiguren, als Ornament an vielen
langgestreckten geometrischen Gebilden (Fig. 115), und schliesslich auch
hinter einander gereiht als Fischschwanzmuster (Fig. 116) auftritt. Möglicher
Weise ist allerdings in Fig. 114 noch der ganze Körper als Sechseci
stilisirt zu denken, da solch langgestreckte vereinzelte Sechsecke sonst
nicht auftreten.
Kidechse und Krokodil. Es scheint, als ob die Eidechsen nicht
so häufig auftreten, wie die Krokodile. Vou unseren Zeichnungen dürfen
wir wohl nur Fig. 119 mit drei Leibern und drei Paar Beinen und
Fig. 120 als Eidechsen bezeichnen, welches überhaupt die einzigen
linearen Eidechsen-Darstellungen sind, die icli im District gefunden habe.
Das übrige: Fig. 117. ferner der Doppelkopf mit Leib — der hinten'
Theil ist weggelassen — in Fig. 121, Fig. 122 und 180 sind wahrscheinlich
Krokodile. Auf ihre natürliche Zehenzahl hat man nicht geachtet. Es
wiederholt sich bei allen die Gestalt der Augen, welche au- zwei mit den
convexen Seiten einander zugekehrten Kreissegmenten "der entsprechenden
Winkeln bestellen. Durch concentrische Einschliesaung kommen wir
zu dem Ornament auf dem Kopfe von Fig. 117. das auch vor dem vorderen
und hinter dem hinteren Beinpaare derselben Figur zu sehen ist und als
Vorbild für ähnliche frei angewendete Ornamente (das Augenband in
Fig. 31: ferner 40a, 118, 120) gedient hat. Ja, wenn der Holzfortsatz am
unteren Theile selbständiger menschlicher Gestalten, der. wie erwähnt,
häufig ein schnappender Krokodilrachen ist (Fig. '66, 123), das Ornament
trägt, so ist es als Rudiment de- ursprünglichen Lachens zu betrachten. Die
Oeflhung dieses Rachens wird gewöhnlich durchbrochen (Fig. 66) oder ver-
tieft (Fig. 123), aber auch nur in den Umrissen als Hälfte eines <>\al> an-
gedeutet (Fig. 136) dargestellt. Solche halben Ovale kommen nun auch
variirt auf den Seiten von Vögeln und anderen Thieron und überhaupt
1) Kthuol. Atlas Tat. VII, Rg. 9.
124
K. Th. Preuss:
in der „geometrischen" Ornamentik häufig vor (Fig. 124, 180 zu beiden
Seiten des Kopfes und Schwanzes), und es erscheint als nicht zweifelhaft,
dass sie darauf zurückzuführen sind. Den ovalen Trommelabschluss nach
unten in Fig. 32 werden wir also auch hierhin rechnen. Es scheint, als
IZZ
IZA
■w
Fig 117—125. Krokodil- und Eidechsen- Ornament.
117) 7a- 8childpatt-Armband, Hüon-Golf. Abreibung. — 11K) '/*• Kanumodell-Seitenbörd,
Finschhafen. — 119) ' ... Schildpatt-Armband, Cap Fortification. Abreibung. — 120) 74.
„Sirilöflel" ans Kaeuarknochen. Arkona, Bukaua. — 121) ' 2. Schildpatt-Armband, Hüon-
Golf. Abreibung. — 122) 7»- Kürbis-Schälchen, Tami-Inseln. — Y1'6) :1 „,. Menschenkopf
mit Krokodilrachen, ohne Provenienz. — 124) lj2. Schildpatt -Armband, Hüon-Golf.
Abreibung. — 126 ... Trommel, Tami-Inseln.
ob an den Banduhrförmigen Trommeln auch die Zacken - I Erstellungen
oben and unten die TrommelendeD als Krokodilrachen charakterisiren
sollen. Ohne Weiteres ist das verständlich, wenn zwei Zacken, wie in
L25, die also Ober- und I nter) iefer vorstellen würden, vorhanden sind.
Künstlerisch Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land.
125
Fig. 126— 141. Das „Salamander"- und Ohren- Ornament
126) Ys- Langseite einer II 5 I, Finschhafen. — 127) ' ',. DesgL, Hüon-Golf. —
128 "3. Trommel, Hüon-Golf. - , Kolischwert, Finschhafen. — 180 '/<. Vom
unteren Fortsatz eines Mensch okopfi s, rami-Inseln. — V6V ' ... Vom unteren Fortsati einer
Menscheuiigur, „Fischel-Insel" bei Friedrich Wilhelms-Hafen. — 132 . Holzschüssel-
seite, Finschhafen. — 133^ '/,. Desgl., ohne Provenienz. —• 134) etwa >/,. D sgL, Finsch-
hafen.—135) 7s- DesgL, von benda. — 186] \\. Doppelter Menschenkopf mit Thierrachen,
Tami-Inseln. — 137 erblatt, Hüon-Golf. — 13S, 189, 141 Bi eines Gemeinde-
hauses, Suam bei I inschhafea, — 140) ' ,. Kürbiskörbchen, Tami-Inseln.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1897. in
126 K. Th. Preuss:
Die Rachenöffnung hat hier wegen der Trommelgestalt natürlich die Form
einer Art Parabel und hat auch so als Vorbild für freie Ornamentik gedient.
Aus diesem Motiv entstehen an derselben Stelle die vielen Zacken,wie oben
in Fi»-. 32, und auf diese Form wieder sind auch die fast rechteckigen
Rachenöffnungen zurückzuführen (Fig. 174), deren Gestalt durch die
Stellung zwischen und den Anschluss an die Trommelgriffe bedingt ist. Der
durchbrochene oder vertiefte Rachen gestaltet sich aber auch im Verein mit
dem, was er darin hat, zu einem ganzen Oval (Fig. 75), und ich bin des-
halb geneigt, auch diese Ovale davon abzuleiten. Die concentrische Er-
füllung mit Linien, die Ausgestaltung zur Ellipsenform oder zu ganz ge-
streckten Ovalen (Fig. 61, 115, 143, 180) ist dann die Folge rein orna-
mentalen Verfahrens. Wir sehen also, welche gewaltige Ausdehnung das
Krokodilornament erlangt hat.
Der „Salamander". Eine grosse Rolle in der Kunst spielen ferner
eine Gattung Thiere1), deren Augen genau so gebildet sind, wie die der
Krokodile und Eidechsen. Treten die beiden Augen noch näher an-
einander, so entstehen mitunter liegende Kreuze (Fig. 126, 128), die aber
in der freien Ornamentik nicht vorkommen. Wir können von den Thieren
zwei Typen unterscheiden. Der eine Typus hat einen geraden Körper
(Fig. 126), der andere einen gewundenen, schlangenartigen (Fig. 127), der
oft an dem höchsten Punkt jeder Windung einen im Gegensatz zu der
sonst erhabenen Darstellung des Thieres eingeschnittenen, kurzen, schräg
verlaufenden Fortsatz hat (Fig. 137, 145 links), wie ein Beinrudiment, so
dass dieses Thier viele Beine zu haben scheint. Doch lässt die schenia-
tische Anordnung bereits auf ihre Unnatur schliessen. Ferner bemerkt
man zu beiden Seiten unterhalb des Kopfes oft einen (Fig. 126), seltener
zwei (Fig. 131, 133 oben) und noch weniger drei (Fig. 127) grössere drei-
eckige, abstehende Fortsätze, die ebenso flach wie die „Beine" zur Dar-
stellung gebracht sind. Diese Fortsätze scheinen ein wesentliches Merk-
mal des Thieres zu sein, da sie fast nur fehlen, wenn der Raum das An-
bringen nicht gestattet, wie in Fig. 137, wo die Beine des Menschen im
Wege sind, oder auf schmalen Leisten, die ganz von dem Leibe einge-
nommen werden. Da nun noch der Leib beliebig lang oder kurz, ja der
Kopf allein mit rudimentärem Leib auftreten kann (Fig. 145 oben), und
— was \'ü\- deD Uneingeweihten noch erschwerend hinzutritt — der Kopf
oft mit einem verschiedenartigen, rein ornamentalen Gebilde (Fig. 126, 128)
umgeben ist, so wird man sich von der Vielgestaltigkeit dieses Leviathans
einen Begriff machen können, der zwar ein und dasselbe Thier vorstellen
soll, mit dem aber zoologisch wenig anzufangen ist. Jedenfalls ist so viel
1) Diese musrten, obwohl auch in Hochrelief-Schnitzerei auftretend und in der Ueber-
sicht unter den „plastischen Thierfiguren" aufgeführt, des Zusammenhanges wegen alle
gemeinsam unter den linearen Gebilden behandeil werden.
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 127
klar, dass sich aus der geraden Form dea hinten sich verjüngenden Leibes
die geschlängelto entwickelt hat und nicht umgekehrt, da letztere zu
typisch für ein Thier erscheint, um leicht aufgegeben zu werden, während
erstere durch die ungefällige Länge des ungegliederten Leibes und durch
zweifellos gelegentlich vorkommende 1 »i«-- im - '-n des natürlichen Vorbildes
Anlass zur Ausbildung »1er Schlangenform erhält. Wir könnten das Thier
wohl für eine Art Salamander halten, und die Fortsätze unterhalb dea
Kopfes für die Eiemenbüschel; allein bis jetzt ist noch kein Exemplar
davon in jener ganzen Region nachgewiesen, und die Vergleichung mit
anderen Ornamenten wird noch ein merkwürdiges Licht auf diese „Kiemen-
büschel" werfen. Wir müssen uns also mit der Hauptsache begnügen,
das Urbild in der Darstellung, aus dem noch verschiedene andere Formen
hervorgehen, möglichst genau festgestellt zu haben.
Yon den Zusammensetzungen dieser Figuren erwähnen wir die auf
der ganzen Länge einer sanduhrförmigen Trommel befindliche (Fig. 128),
wo oben und unten je ein Kopf ist, während die Schwänze ineinander
übergehen. Besieht man sich daneben Fig. 132, so kann mau staunen.
wie aus dieser langen Gestalt durch Einschrumpfen der Leiber ein Doppel-
kopfornament geworden ist. Die lange Form der zusammengesetzten Figur
dehnt sich auch über die ganze Klinge der Holzschwerter aus; jedoch er-
scheint gewöhnlich an einem Ende ein .Menschenkopf, der sich manchmal
gar nicht unmittelbar an den langen Leib des Thieres ansetzt. Dann
nähert sich auch der Kopf der anderen Seite der Menschengestalt; denn die
typischen Ohren in Fig. 129 und die Andeutung der Nase und des .Mundes
lassen den menschlichen Typus nicht mehr zweifelhaft. Schliesslich haben
wir zwei .Menschenköpfe, verbunden durch gerade Doppellinien, da auch die
Schlangenwindungen verschwinden1). Der Innenraum der Linien ist auf vers
schiedene, in dem District übliche Weise ornamentirt (vgl. Fig. 10.3. 180).
Das Thier tritt aber ähnlich wie das Krokodil noch in mehrfacher anderer
Weise in Beziehung zur Menschengestalt. Wie das Krokodil auf einem
Brette an einem Gemeindehaus in Suam bei Finschhafen einer weiblichen
Gestalt mit der Schnauze zwischen die ausgebreiteten Beine stösst und
«der Künstler, da es wegen des breiten Leibes nicht bis an die Vagina
reicht, dem Thier einen zweiten Kopf mit Augen aufsetzt2), so hat „unser
Thier" eine Verlängerung am Kopfe mit zwei neuen Fortsätzen, um an
den Penis eines Mannes 7.u gelangen (Fig. 131"). Ohne Verlängerung in
derselben Situation erseheint es in Fig. 137. Wie ein andere. Krokodil
der erwähnten weiblichen Gestalt mit dem Rachen an den oberen Theil
des Kopfes reicht"), so unser Thier in Fig. 133. Denn was sich darunter
1) Abb. bei Schelloi Barlumfest, Internat. Arch. IL 1889, Tat. VII, 1
•J Ploss-Bartels, Das Weih. Leiprig 1897, Fig. 175.
8) Die Angabe der P niei i isl wahrscheinlich falsch. Das Stück stammt aus
unserem District.
10*
128 K. Th. Preuss:
befindet, ist in der That ein menschlicher Kopf mit hoher Tapamütze.
Das macht der Vergleich mit dem Doppelkopf in Fig. 136, wovon jedoch
nur das eine Gesicht und die Ohren des anderen in der Zeichnung zu
sehen sind, zweifellos. Von den drei Theilen der Ohren in Fig. 133 haben
die beiden unteren die sonst übliche Gestalt des untersten Theiles, nehmlich
des ausgereckten Ohrläppchens mit seinem Schmuck bei plastischen
Menschenfiguren (Fig. 137), und stehen, abweichend von der gewöhn-
lichen Form, beide senkrecht vom Kopfe ab, was auch sonst beobachtet
wird (Fig. 138). Dass der obere Theil des Ohres noch an der Mütze
sitzt, kommt häufig vor. Augen, Nasenrücken und -Flügel sind deutlich
ausgebildet, zu beiden Seiten der Nase sitzt ein Vogelkopfornament, die
Fortsetzung des Kinnes scheint ein rein ornamentales Gebilde. Es könnte
aber auch dadurch der Leib mit den runden Brustwarzen angedeutet
sein, denn dieses eigenartige Ornament kommt sonst nicht vor. Der untere
Theil von zwei anderen ähnlichen Zusammensetzungen soll das Gesagte
beglaubigen. In Fig. 134 ist besonders die Nase noch deutlicher zum
Ausdruck gebracht; in Fig. 135 hat die Tapamütze, die sich hier nicht
vom Kopfe abhebt, noch eine Wiederholung der zwei seitlichen Kopf-
fortsätze unseres Thieres aufzuweisen, und zwischen den Vogelkopfpaaren
ist der Mund des Menschengesichts eingeritzt, nicht erhaben geschnitzt,
wie das übrige Gesicht.
Das Ohr. Wir müssen nun zum Verständniss der anderen Formen
noch ein wenig bei der Bildung des Ohres verweilen. Der in flachem
Relief geschnitzte Kopf mit hohem Schmuckaufsatz, wie er beim Tanze
gebraucht wird, in Fig. 139 hat ein auch sonst so dargestelltes dreigetheiltes
Gin-. Der oberste Theil wiederholt sich an dem Kopfschmuck, und ein
solcher Auswuchs scheint reines Ornament zu werden, wie aus den Seiten
der fischförmigen Gestalt an dem Kopfaufsatz in Fig. 183 hervorgeht.
In Fig. 140 haben wir als Anfang des weiter nicht zur Ausführung
kommenden Henkels eines Tamikörbchens ein Ohrläppchen, das jedoch.
der Symmetrie wegen auch auf beiden Enden die Andeutung des Schmuckes,
hat. Fig. 111 endlich zeigt ein Kreuz, das aus zwei concentrischen Kreisen
in der Mitte and der Ohren besteht, jedes gestaltet, wie in Fig. 13!). Ob
freilich die Kreuzesform selbst durch die Zusammenstellung der Ohren zu
einem Ganzen, also durch eine Art von Zufall unter Mitwirkung des Sinnes
für Symmetrie, wie bei dem Nasen-Augen-Ornameni Fig. 52—53, entstanden
ist, oder der Nachbildung eines Xaturgogenstandes ihren Ursprung verdankt,
müssen wir dahingestellt Bein lassen. Festeres ist jedoch wahrscheinlicher.
Nun geht vmi der Vagina der weiblichen Gestalt in Fig. 138, die die
Beine auseinandergebreitet hat, unser Thier aus, den Kopf nach unten
gekehrt, und dieser hat ein dreigetheiltes Ohr genau wie der Mensch
Fig. 139. Es lieg! also die Vermuthung nahe, dass auch alle anderen
Kopffortsätze unseres Thieres nur Ohrtheile sind. So zeigt das Thier in
Künstlerische Darstellungen ai Wilhelms-Land.
L29
Fig. L30 dreimal die zweitheilige Ohrform, z.Th. in typischer < i«->t;ilt. und
Fig. 135 hat ein überflüssiges ( Ihrtheil (also im < ranzen vier) an der Tapamütze
sitzen. Alles ferner, «ras aber das Vorkommen der „Kiemenbüschel" sonst noch
gesagt ist, spricht mindestens nicht daueren. Dase sich die Ohren gerade
mit diesem Thier verbinden, liegt wahrscheinlich daran, dass es zu den
Todten in nahe Beziehung tritt und mit ihnen identisch ist, worauf ein
Bericht hinweist. Hat es doch auch in Fig. L29 geradezu ein Menschen-
antlitz. Was für ein Thier es aber ist. lassen wir dahingestellt sein.
HS
W£>-
Fig. 142 — 149. Das Ornai Fliegenden Vogels
142)',. Breitseite einer Holzschüsscl, ohne Provenienz. — 143, 144, 147 ;
Finschhafen. — 146) ' ... Desgl., von ebenda. — 146) Vs- Desgl., Friedrich -Will
hatVn. — 148) '/s- Desgl., Ansicht - Kopfes von oben, ohne Pr rei enz. — 149
1 ■ jgl., Finschhafen.
her fliegende \ jel. Wir haben nun noch Zusammensetzung
des erwähnten Thieres. das wir der Kürze halber einen «Wurm" nennen
130 K. Th. Preuss:
wollen, mit anderen Thiergestalten hervorzuheben. Die merkwürdigste
Verwendung findet der „Wurm" in der Mittelverzierung der kahnförmigen
Holzschüsseln. Das Ornament dort ist augenscheinlich als einheitliche
Figur gedacht worden, die ein bestimmtes Vorbild in der Natur repräsentirt.
Die einzelnen Theile sind aber derart durch andere Motive ersetzt worden,
dass man zur Reconstruction des Ursprünglichen nur die Form des Ganzen
und die in der Auflösung durch andere Motive deplacirten Füsse hat.
Fig. 142 zeigt noch am besten den Urtypus, einen Vogel oder eine Fleder-
mausart mit ausgebreiteten Flügeln. Die Füsse sind noch unter dem
Vereinigungspunkt der nach links und rechts weit ausholenden Flügel als
kleine Erhebungen kenntlich. Der Kopf, der, von vorn gesehen, nichts
das ursprüngliche Aussehen Charakterisirendes hat, tritt gegenüber dem
übrigen Körper nach vorn hervor; von oben gesehen besitzt er bisweilen
die schon erwähnte Form des doppelten Vogelkopfpaares Fig. 68, was
natürlich auch eine spätere Einfügung ist, und die Fig. 147, weniger
Fig. 149 können als Ableitungen davon angesehen werden. Sonst ist das
Ornament auf dem Kopf gewöhnlich ein Kreis wie in Fig. 148, oder fällt
ganz fort. Die Verbindung von Kopf und Leib wird, wenn die Flügel
„Würmer" sind (Fig. 144, 145) zuweilen durch einen „Wurmkopf mit
kurzem Leib hergestellt (Fig. 145), der auch manchmal statt des ovalen
Leibes in Fig. 142 auftritt. Die Enden der Flügel können durch Vogel-
köpfe (Fig. 142) oder Fischschwänze (wie in Fig. 143) ausgezeichnet sein1).
Xur in diesen beiden Fällen, im ersteren immer, im letzteren selten, sind
die Füsse der ganzen Gestalt noch angedeutet. Ausserdem sind Flügel
und Leib oft durch zwei ..Wurmköpfe" mit einem Leib (Fig. 144) oder
durch einen „Wurmkopf" mit zwei Leibern (Fig. 145) gebildet. Es ist
jedoch anzunehmen, dass auch in der Vereinigung der „Wurmleiber" in
Fig. 144 früher ein Kopf wie in Fig. 145 gewesen ist, da hier (Fig. 144)
wieder zu beiden Seiten die bekannten Ohrtheile auftreten und im Museum
eine Darstellung vertreten ist, wo noch unter einer ähnlichen Fig. wie 143 an
dieser Stelle der Wurmkopf eingefügt ist. Es fragt sich nun, ob das Ge-
bilde unter diesen eben beschriebenen fliegenden Thiergestalten auch erst
später hinzugefügl ilso rein ornamental ist, oder die Umbildung eines
integrirenden Theiles des Ganzen. Wenn wir die genau an derselben
Stelle vorkommende Darstellung Fig. 14(! aus Friedrich-Wilhelmshafen im
NTachbardistrict zu Hilfe nehmen, so ergiebt sich wohl das Letztere. Der
unterste Theil muss also ale ^<h\\anz federn des nun wohl als Vogel zu
bezeichnenden Ganzen in Anspruch genommen werden, obwohl nichts als
die Form daraufhinweist und der Umstand, dass im District Astrolabe-
i;;ii auch bei anderen Vögeln in linearen Formen Btets s«. die Scliwanz-
1) Die re<hte Seit.; der Abbildungen 143— 145 muss vom Beschauer nach Art der linken
dacht werden.
Künstlerische Darstellung. m aas Kaiser-Wilhelms-Land.
131
federn dargestellt werden. Auffallend ist freilich die i'\\r einen fliegenden
Vogel winzige Gestalt der lang ausgestreckten Beine. Im District Pinsch-
aafen dagegen sind auch an die Stelle des. Vogelschwanzes andere Motive
getreten: nur etwa Fig. 1 14 weist hierin noch das ineiste Ursprüngliche
vor, während wir in Fig. 142 uml 14:> ein Oval mit \ ogelkopfpaar unten
haben und in Pig. 14"> ein Vogelkopfpaar ähnlich wie zu beiden Seiten
des Menschengesichts Pig. 135« Dabei ist noch interessant, dass auch in
der Glitte des Ovals Pig. 14:! ein doppelter Vogelkopf zu sehen ist (vgl.
Fig. 61, Mitte).
Fig. 150— 152. .Wurm" und Vogelkopfpaar.
150) V«- Trommel, Tami-Inseln. — 151) % Desgl., Hüon-Golf. — 152) % Desgl.,
l'insclihal'en.
Vogelkopfpaar und „Wurm". In obenstehenden Figuren, welche
sicdi an den Trommeln gegenüber dem eigentlichen, roh geschnitzten Griff
befinden, scheint das bekannte Vogelkopfpaar (Fig. 69, Tu) mit je einem
„Wurmkopf* zu beiden Seiten dargestellt zu sein. Fig. 150 zeigt sie in
deutlicher Ausprägung. Der „Wurmkopf" wird Rudiment und verbindet
sich enger mit dem ihm zunächst liegenden Theil des Vogelkopfes, so dass
in der Mitte ein bergartiger Rücken übrig bleibt (Fig. 151). Die weitere
Entwickelung nach dieser Richtung und Ausgestaltung des Mitteltheiles
zu einem zweiten Trommelgriff zeigt sich in Pig. 152. Dabei ist zu be-
merken, dass Vogelkopfpaare allein sehr häufig an derselben Stelle der
Trommeln zu bemerken sind.
Der fliegende Hund. Die Darstellung des fliegenden Hundes in
ruhendem Zustand (Fig. 153) ist von der Insel Ghaap bei Dallmannhafen
an der Nordküste früher (S. 96) erwähnt werden und auch die sich daraus
ergebenden „geometrischen" Gebilde. Die Anfangsglieder der letzteren
kommen nun auch in den Districten der Ostküste auf Trochus- Armbändern
vor, in dem District Astrolabe-Bai auch sonst, und zwar nahezu in genau
derselben Form (Fig. 154). Nur ist der Aufhängepunkt vielleicht ent-
sprechend den beiden Beinen ein zweigeteilter, und auch die zusammen-
geklappten Flügel sind zweitheilig auslaufend dargestellt. Es - leint mir
danach zweifellos, dass ian auch für die Ostküste den hangenden Pteropus
als Naturmotiv für dieses Anfangsglied und die sich daran- gebenden
Gebilde ansehen muss Neben dem Thier links in Pig. 15«! folgt nun
132
K. Th. Preuss:
nach rechts ein ebensolches Gebilde in umgekehrter Lage und dann die
bekannten ^Menschengestalten. In Fig. 155 ist der aufgehängte Theil mehr-
fach gezackt und an die Flügel noch ein nach oben gekehrtes Glied beider-
seits angefügt, dessen Ursprung nicht klar ist, das sich aber auch allein
in derselben Fig. 155 in Reihen angeordnet zeigt. In diesen, besonders
aber in den folgenden Darstellungen ist die Schwierigkeit des Materials
und der schmale zur Verfügung stehende Raum sehr bei der Beurtheilung
der Entwicklung in Betracht zu ziehen, die im Einzelnen in scheinbar
regellose Striche ausläuft, deren Gesammtform aber immer wieder das
Leitmotiv oder Theile desselben zum Ausdruck bringt. Fig. 156 zeigt
das Urbild auseinander gezerrt und schematisch gestaltet, indem die auf-
155. 15t.
l*6.
151
i&.
150.
1Gi.
163.
I&i.
165.
Hl/ w villi/" \wj
166
L5S— 167. Ornament des hangenden Pteropus.
153) l/8. Eolz8chüssel, Insel Guap bei Dalimannhafen. — Troc hus- Arm ringe: 154) etwa
»/,. Caj» Cretin. — 155 etwa */,. Finschhafen. — 156) V,. „Dcutsch-Neu-Guinea". — 157,
ir,l. L6ö /,. Friedrich -Wilhelmshafen. — 158, 162-164) l/8. Finschhafen. — 159) Va-
Book-Inseln. — 160) l/a- Finschhafen.
gehängten Füsse wie die absteigenden Theile der Flügel gleich gebildet
werden, während in Fig. 157 von der Astrolabe-Bai die aufsteigenden
A.este der Flügel eine noch mehr horizontale Lage bekommen. Dabei
bedingen es stete die zum Ausdruck kommenden ornamentalen Bänder,
dass Theile des einen Thieres bereits auch solche für das nebenstehende,
umgekehrt dargestellte Bind. In Fig. L58 sind die aufsteigenden A.este der
Flügel bereits wie die absteigenden gebildet, ohne dass doch der ähnliche
Charakter der Füsse und der abwärts gerichteten Flügel verschwindet.
Fig. L59 zeigt den Fortfall der Füsse Nachdem nun noch eine Trennung der
Künstlerische Darstellungen aus Kaiser-Wilhelms-Land. 133
beiden Flügeltheile eingetreten ist (Fig. L60), obwohl andererseits die
Füsse wieder schematisch vorkommen, haben wir in Pig. L61 «las Endglied
der einen Entwickelungsreihe, die vollständige Trennung der Flügel und
Plügeltheile in auf- und absteigende Gruppen paralleler Striche, die auf
anderen Gegenständen nur im District Astrolabe-Bai, /. B. auf den Kämmen,
auftreten (vgl. jedoch Pig. 109). Die Figurenreihe L62 167 enthält nun
die noch schwieriger zu beschreibende Entwickelung der die Füsse and
äusseren Flügeltheile vorstellenden senkrechten Striche, hier und da ver-
bunden mit einem aufsteigenden (inneren) Flügelast, was herauszufinden
wir dem Betrachter überlassen müssen. Es treten schliesslich Flügeläste
und Füsse einander gegenüber, von denen erstere durch die nicht ganz
geschlossenen Rhomben, letztere durch die dazwischen befindlichen Strich-
bündel repräsentirl werden. Sollte man nun auch im Einzelnen eine
andere Ausdeutung für angebrachter halten, so ist doch die Hauptsache,
die Ableitung von dem bildnerischen Urbild, nicht umzustossen.
%
Ui$. 1oD. ILO.
MU VIS.
Fig. 168- \~:\.
168) 1/2. Unterseite einer Holzschüssel. Abreibung. — 169] ' ... Kürbiskörbchen, ohne
Provenienz. — 170) l/a. Unterseite eines Vogelkopfea an einer Schüssel, Tami-Inseln. —
171—173) Vi bezw. ' 8 und ' ;._.. Schildpatt-Armband, Finschhafen.
Andere Thiermotive. Ausser diesen häufig vorkommenden Thier-
motiven und ihren „geometrischen" Ableitungen treten noch einige andere
auf, die in ihrer exclusiven Form, welche durchweg nur einmal beobachtet
ist, selbständig ein thierisches Naturobject darzustellen scheinen. Damit
ist zugleich gesagt, wie schwierig es ist, dasselbe zu nennen. Möglicher
Weise seilen Pig. liis und 169 Schlangen, Pig. 17o eine Raupe, deren
Bückenornament ebenfalls ganz eigenartig ist. Pig. L72 eine Eidechse und
Pig. L73 eine Bremse darstellen. I nter der ganz schematischen Fig. 171
hat man vielleicht Schildkröten ohne Kopf zu denken, wobei die wie
Fühlhörner gestalteten \ orsprünge vorn und hinten die Beine vorstellen
sollen. Hierhin ist auch das nur auf einem Schwirrbretl vorhandene, in
\?A
K. Tu. PreüSS:
den Verhandlungen1) abgebildete Thier zu rechnen, das damals als ruhende
Bremse gedeutet wurde, aber wohl ein Menschenkopf mit Mütze ist.
Fiar. 174—179.
ITC.
174) 7e- Trommel, Hüon-Golf. — 175) 1fi. Unterseite eines Vogels am Ende eines
Ruderstiels. — 176) ]/2. Trommel, Huon-Golf. — 177 und 179) 73. Desgl., Finschhafen. —
178) 74. Desgl., Cap Cretin.
Die einfachsten Linien. Auf diese Weise wären alle Ornamente
erklärt, welche sich mit mehr oder weniger Sicherheit auf Vorbilder der
Natur zurückführen lassen, und wir können nunmehr versuchen, im Zu-
sammenhang die einfachsten Linien der Ornamentik vorzuführen. A priori
dürfen wir freilich annehmen, dass auch die bis jetzt nicht erörterten
Muster ihren Ursprung aus der Natur genommen haben, wenn wir es nicht
etwa mit einem selten vorkommenden Fall der Technik zu thun haben,
und wir werden daher versuchen, auch diesen Ornamenten ein natürliches
Vorbild zu geben. Wenn daher von freien Ornamenten, Mustern zur
Ausfüllung u. dgl. m. geredet wird, so ist darunter die Anwendung eines
Ornaments, Losgerissen von seinem Ursprung und verbunden mit anderen
ebensolchen Elementen, verstanden.
Das einfachste Ornament, parallele Linien, tritt nur gelegentlich als
Menschenfiguren (Fig. 10), als Theile des fliegenden Hundes (Fig. 158 — 16:i),
als „Augensegmentbündel" (Fig. 41) und als eine Art von Flechtmuster zur
Ausfüllung viin Kanin, also rein ornamental, auf (Fig. 103, L04). Ebenso
giebt es als geometrisches Gebilde parallele gezahnte Linien (Fig. 60, 80).
Die häufig vorkommenden convergirenden Linien lassen sich vom Ober-
kiefer des Krokodils (Fig. 174), vom Nasenrücken (Fig. 19) und vom
Vogelschwanze ableiten. Einzelne Zacken werden sehr häufig rein
ornamental verwandt, ebenso Reihen von Zucken auf den Schildpatt-
Armringen. Zackenbänder dagegen sind selten und nur in der leicht
gebogenen Form der Zacken Fig. :; l vorhanden. Häufig dagegen
kommt ein Band vor, das uns zwei parallelen Linien besteht, die von ab-
1) 1888, 8. 267. Siehe die Arn,- r
Künstlerische Darstellungen aue Kaiser- Wilhelms-Land.
ix,;
wechselnd auf jeder Seite hineinragenden Zähnen unterbrochen Bind, also
auch eine Art Zackenband mit stark abgestumpften Spitzen vorstellt
(Fig. 180 unten u. s. w.). Durch Hervorheben der zwischen den Zacken
eines gewöhnlichen Zackenbandes nach einer Seite gerichteten Winkel
vermittelst Ausfüllung baben wir die Zahnreihe, 'Ins gebräuchlichste Orna-
ment im ganzen District. Während nun die Zacke vielleicht auf tech-
nischem Weg«; oder aus dem Zahnornameni entstanden ist. kommen Zähne
sehr häufig als Theile von Darstellungen der Natur vor, die Bpitze Zahn-
reihe als Ende >\>~v Schwanzfedern der Vögel, als Schuppenpanzer und
Füsse der Krokodile (Fig. 180), gelegentlich auch beim Menschennrand (Fig. 17,
32). Die abgestumpfte Zahnreihe entspricht gewöhnlich dem <iebis> des
Krokodils (Fig. 123), wie des Menschen. Sehr fraglich ist, ob das abge-
stumpfte Zackenband (Fig. 180 unten links) bereits einer freien Verwendung
des Zahnmotivs, wie vorher angedeutet, seinen Ursprung verdankt. Es
erscheint das aber wahrscheinlich, da durch Gegenüberstellen der Zähne
als Unterbrechung zweier paralleler Linien eine Reihe schmaler Sechsecke
hervorgebracht wird (Fig. 17 rechter Mnndfortsatz), die nur in dieser Weise
vorkommen. Desgleichen ist die Verwendung der zwischen parallelen Linien
auftretenden kleinen Rechtecke oder Quadrate als freie Ornamentirung durch
senkrechte Querstriche aufzufassen (Fig. 100, 144 u. s. w.). Ferner sind der
seltene Sparren (Fig. 20) und das Sparrenband zu erwähnen (Fig. 186),
zweifellos abgeleitete Ornamente: woraus, ist schwer zu sagen. Man ver-
gleiche jedoch das Fischschwanzband Fig. L16.
'<$?*£<<?> i-
Fig. 180. Kanuversiernng, Finschhafen.
Kommen wir nun zu den krummen Ornamenten. Der Kreis lä>^t
sich stets schwer in] seinem Ursprung nachweisen. Wir haben ihn als
rudimentären Vogelkopf kennen gelernt, und wir können uns nicht ver-
sagen, hier noch kurz auf die Entstehung einer Reihe von Kreisen, die mit
einer schmalen Leiste bi deck! sind, aus einer Reihe doppelter Vogelköpfe,
ähnlich denen in Fig. 69 und 70, hinzuweisen (Fig. 176 — L78 . Es sind eine
Art von Trommelgrifferi die den eigentlichen Griffen gegenüberstehen. Das
136
K. Th. Prei'SS:
Anfangsglied ist ein einzelnes, scharf ausgeprägtes Vogelkopfpaar, ähnlich
Fig. 67; das Endglied sehen wir in Fig. 178. Die Kreise sind die ursprünglich
dreieckigen Einschnitte in der Mitte der Vogelkopfpaare (Fig. 67, 69, 70, vgl.
103..
-1ff3
\SH.
-\S6.
Uiiuuuaujduajuu
•aoö|)
&ll*$
100
f*ft
l£>0
Fig. 181-192.
I8l) V»- Ruderblatt, Finschhafen. Abreibung. — 182) '/*• Querwand der Plattform eines
Kanu-Modells, Tami-Inseln. — 183) 780. Brett an einem Gemeindebaus, Suam bei Finsch-
hat.n. — 184) ' 8. Scbildpatt-Armband, „Finschhafen bezv. Tami-Inseln". Abreibung. —
.. Trommel, Finschhafen.— 186) % Schildpatt-Armband, Hüon-Golf. Abreibung.—
187) '/,. Desgl.. Finschhafen. — 188) y4. Bambubehälter für Tabak, Hüon-Golf. —
189) V2. Schwirrbrett, Finschhafen. — 190-192) V8. Kürbiskörbchen, Tami-Inseln.
Fig.150- 1521). Die Leiste, unter der die Vogelkopfpaare ausgeschnitzt sind,
tritt als etwas Neues hinzu, ebenso die sonstigen durchbrochenen Theile
au den Enden derselben. W;i> min aus der Fig. 178 durch freie Oma-
1 Siehe auch die Abbildung bei Schi Uong, Internationales Archi\ L889, Taf. VII
Fie.9.
Künstlerische Darstellungen mis Kaiser-Wilhelms-Land. 137
mentirung, Verschwinden des Vogelkopfpaarmotivs and Einfügung einer
kleinen Holzschüssel in die Leiste werden kann, -rinn wir Fig. L79.
Allein es fehlen Zwischenglieder, am den Bogen anter der Schüssel zu
erklären. — Der Kreis kommt aber aatürlich auch als directe Fachbildung
von Naturobjecten vor, als Auge und After (Fig.175) von Thieren, als Brust-
warzen (Fig. 137) and Bauchnabe] beim Menschen. In der freien Ornamentik
sind immer nur kleine Kreise entsprechend diesen natürlichen Darstellungen
verwendet; die wenigen grösseren schliessen sich entweder an die Kreis-
form auf dem Boden der Kürbisschälchen an oder entstehen durch A.b-
schleifung aus concentrischer Einfassung- von Ovalen wie in Fig. 17 1. die
auf derselben Trommel genau dieselben Formen als Gegenstück hat, nur
dass die inneren krummen Linien Ovale sind, während erst die äussere Um-
sehliessung ein Kreis ist. Das kleine Oval als Menschenmund, das grössere
und das halbe Oval als Krokodilrachen sind bereits entwickelt. Nun ist
es aber möglich, dass auch die grösseren Ovale im Menschenmundo
ihr Vorbild (Fig. 32) haben. Srhliesslich kommen nun noch kleine ge-
streckte Ovale als Abschleifung der durch Gegenüberstellung von Zähnen
/.wischen zwei Parallel. Mi gebildeten Sechsecke vor (Fig. 180 unten rechts).
Darstellungen zweifelhaften Urprungs. Alle anderen in unserem
District vorkommenden Gebilde werden wir als Zusammensetzungen und
rein ornamentale Erweiterungen der bis dahin vorgeführten Linien auf-
zufassen haben. Die Füllung des kleinen Kreises in Fig. 48, das Viereck
mit geschweiften Seiten zwischen den beiden kleinen Rundungen in Fig. 17
und ein ebensolches in Fig. 101 werden wir nun zu erklären wissen. In
Fig. 181 sehen wir eine Reihe von Krokodilrachen, in Fig. 183 das Fisch-
schwanzmotiv; auch Fig. 1S6, Fig. 190 und 191 sind uns keineswegs
fremd. Allein, um nicht ein falsches Bild von den Kunstschöpfungen zu
erwecken, die wir doch zu ihrer richtigen Beurtheilung alle kennen
lernen müssen, habe ich auch die wenigen Gebilde reproducirt, welche
einen fremdartigen Findruck machen und deshalb eine besondere Er-
klärung verlangen, die aber wegen des einmaligen Vorkommens nicht
möglich ist. Dahin gehört das in der Mitte durchbrochene Rechteck
Fig. 18-_\ das vielleicht ornamental entstanden ist. ferner die Rechtecke
mit den Ohrtheilen in Fig. 183 oben und unten, weiter Fig. IM und 185,
welche letztere allerdings rein ornamental sein kann. In Fig. L87 ist die
rechts stehende gestreckte Figur, entsprechend dein Schildpattplättchen in
einem Cymbiummuschel- Brustschmuck, vielleicht eine vorn und hinten
gleich aussehende Eidechse (vgl. Fig. 119). Dann dürfte auch die rechts
davon geritzte Figur, die wegen des vorhandenen Raumes bogenförmig
erscheint, eine solch.' - in, während links neben den wie fliegende \ _•
aussehenden Gestalten Eidechsentheile erscheinen würden. Die Mittelfigur in
Fig.188 wird wohl ebenfalls ein Thier sein, aber auch die gestielten Dreiecke
zu beiden Seiten hab wahrscheinlich direct eine thierische Bedeutung.
188
K. Th. Preuss:
Auch die Dreiecksform von Fig. 189 erscheint fremdartig, obwohl sie durch
Zufall aus dem Oval hervorgegangen sein kann. Schliesslich sind in
Fig. 190 die spiraligen Haken neu, und in Fig. 192 das einem lateinischen
M ähnliche Gebilde. Zugleich lassen die Fig. 190 — 192 so recht die
freie Verwendung der Ornamenttheile verschiedenartigsten Ursprunges er-
kennen. Zu diesen schwer verständlichen Mustern seien nur noch die
Tättowirungslinien auf den Tami- Inseln hinzugefügt, denen man nach
Schellong1) häufig begegnet und die gewöhnlich vier- und fünfeckige
Figuren darstellen sollen, während sonst Tättowirung in unserem District
nicht vorkommt.
Fig. 193— 198. Textile Muster.
Taschen: 193) */„. Finschhafen. — 194-196) l/u. Desgl. — 197—198) >/9. Bussum,
nördlich von Finschhafen.
Textile Muster. Die braun, dunkelgrün und röthlich-gelb gefärbten
Fäden, welche ausser den weissen in den eigenartig geknüpften Taschen
verwandt werden, bringen natürlich im Gegensatz zu der sonstigen Ge-
wohnheit des Districts nur eckige Muster hervor, deren Zahl aber trotz
der vielen Taschen im Museum zu klein ist, um sie bis zu ihrem Ursprung
zu verfolgen. Nach den gemachten Erfahrungen könnte die Hauptdarstellung
in Fig. 193 (auf die allein es ankommt, da die anderen Muster der Figur
nur als Umrisse des Mittelstücks erscheinen) wieder als der hangende
Pteropus gedeutet werden: ähnliehe Muster, wie in Fig. 194 — 195, ent-
wickeln sich aus diesem Thier an der Nordküste. Daran würde sich der
Form nach zunächst Fig. 197 anschliessen. Fig. 19(5 erscheint unten un-
regelmfissiu gemustert; Fig. 198 erinnert sehr an Darstellungen des Districts
Astrolabe-Bai2).
1) Beiträge. Zeitsr-hr. f. EthnoL XXIII. 1891, Fig. 179.
2) Vgl. auch die Abbildungen l»'-i l'insch, Ethnol. AtlaN X, I ig. 3; bei Schellong,
Barlumfest, Internat. Arch. II. Taf. VII, Fig. 2.
Künstlerische Darstellungen ans Kaiser-Wilhelms-Land.
1.39
Wenn »-s nun auch nicht möglich war. ein erschöpfendes Bild der
linearen Ornamente unseres Districta zu geben und alle Ins zu ihrem Ur-
sprünge zu verfolgen, so dürfte doch alles Wesentliche vorgeführt und
richtig erklärt sein, und kein noch so reichhaltiges Material wird hier
mehr als Ergänzungen bringen können. Damit ist aber die Veröffentlichung
dieser Arbeit gerechtfertigt.
Anmerkung.
Mittlerweile habe ich durch das Entgegenkommen des Herrn Dr. Lauterbaeh in
Stabelvitz Gelegenheit gehabt, seine umfangreichen Sammlungen aus Kaiser- Wilhelms-
Land zu studircn. Trotz mancher Variationen der darunter befindlichen Gegenstände aus
dem District Finschhafen ergab sieb durchweg die Bestätigung alles hier Gesagten. Selbst
eine Ergänzung ist nur bezüglich der nebenstehenden Figur (*/«
der wirklichen Grösse) von einem Holzschwert aus Bukaua
nothwendig, welche ein Gesicht mit dem bekannten hohen
Kopfschmuck zeigt. Die oberen Theile der Ohren, die, wie wir
wissen, sonst aus je zwei einen stumpfen Winkel bildenden
Linien bestehen (Fig. 11—13), fehlen oder sind mit den seit-
lichen unteren Fortsätzen des Kopfaufsatzes vereinigt (vgl. Fig. 110).
Damit ist auch die Figur auf dem in der Anthropologischen
Gesellschaft 1888 (Verhandlungen XX, S. 267) vorgelegten
Schwirrbrett, die als ruhende Bremse gedeutet wurde, erklärt.
Nur ist dort die Nase so lang, dass sie aus der Gesichts-
umrandung herausragt. Ausserdem sind die Nasenflügel und
darunter der Mund angedeutet, während die eiirenthümlich ge-
stalteten unteren seitlichen Ausläufer des Kopfschmuckes ganz ge-
trennt von letzterem sind und als die oberen Ohrtheile erscheinen. Die Abbildung in den
Verhandlungen 1888 ist übrigens in umgekehrter Lage zu betrachten.
Herru Dr. Lauterbach möchte ich auch au dieser Stelle für die genossene liebens-
würdige Gastfreundschaft meinen verbindlichen Dank abstatten.
Besprechung.
Festschrift zur XXYIII. Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft. Lübeck. 1897, Charles Coleman. gr. 8™. mir 43 Tafeln.
Die eben geschlossene Generalversammlung der DeutschenAnthropologischcn Gesells*
zu Lübeck hat den Mitgliedern eine ausserordentlich werthvolle 1 gebracht, welche
auch weitesten Kreisen in erwünschter Weise eine Cebersicht der Schätze -.'währen wird,
die in dem schönen neuen Museum der Stadt Aufstellung gefunden haben. Während die
weit reicheren und seit längei pflegten Museen der beiden Nachbarstädte Schwerin
und Kiel durch treffliche Bearbeiter allgemein bekannt geworden sind, hat • •
die Lübecker Sammlungen an einer bequemen und sachverständigen üebersicht gefehlt.
Diese ist nunmehr dunb das Zusammenwirken der tüchtigsten Kräfte geschaffen worden.
140 Besprechung.
Dabei erhalten wir zugleich einen Einblick in die Entwicklung der Sammlungen und
in die Thätigkeit der Männer, welche an ihrem Aufbau gearbeitet haben, und es fällt
mancher Lichtstrahl auf die langsame und mühselige Geschichte der antiquarischen und
naturhistorischen Studien in Norddeutschland überhaupt. Der erste, von Dr. Th. Hach bear-
beitete Abschnitt bringt einen „geschichtlichen Ueberbück über Forschungen zur vorgeschicht-
lichen Alterthumskunde in Lübeck." Aus demselben ergiebt sich, dass für das lübeckische
Gebiet sichere Nachrichten über Alterthumsfunde vor der Mitte des 17. Jahrhunderts sich
nicht haben ermitteln lassen. Als erster Autor wird Kunradt von Hövelen genannt.
Obwohl schon in einer Urkunde von 1228 ein Stenbedde als Grenzzeichen aufgeführt wird,
neben tres montes, qui Circumspice te sive sedichvmme nomiuantur, so wird doch über
den Inhalt derselben nichts erwähnt. Ein solcher scheint erst durch Jacob von Melle
mehr ins Auge gefasst zu sein, der 1684 — 1743 als Geistlicher die ersten Stellen in der
städtischen Hierarchie bekleidete. Er gründete ein Privat-Museum, das auch naturgeschicht-
liche Abtheilungen und eine Trachten-Sammlung umfasste. Aber erst 1821 setzte die
»Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit" einen besonderen Ausschuss für
das Sammeln und Erhalten der Quellen und Denkmale der Geschichte Lübecks ein, und
erst 1842 wurde dieser Ausschuss auf die Ausgrabungen des Mannes aufmerksam, der
sehr bald das Interesse aller Gelehrten zu erregen wusste, des damaligen Oberförsters
Haug. Dieser fand 1845 die schnell berühmt gewordene Bronzeciste von Pansdorf, nachdem
er schon früher die Untersuchung des gräberreichen Waldhusener Reviers in grösserem
Maassstabe in Angriff genommen hatte. Hier ward 1843 das megalithische Hünengrab
aufgedeckt, dessen mächtiger Steinbau noch bis auf den heutigen Tag erhalten ist. Bei
dieser Gelegenheit trat auch der zweite Forscher in den Vordergrund, der die älteste Ge-
schichte seiner Vaterstadt durch manche werthvolle Arbeit aufgeklärt hat, der Pastor
Klug. Später folgten auf dieser Bahn Milde, Arndt und Gross; ihren Nachforschungen
vor allem ist die Aufdeckung von Alt-Lübeck zu verdanken.
Den zweiten Abschnitt der Festschrift bildet der Bericht über die prähistorische Ab-
theilung des Museums, erstattet durch den verdienten jetzigen Direktor derselben, Dr.
K. Freund. Aus demselben verdient vorzugsweise Erwähnung das Capitel über Alt-Lübeck,
das, genau genommen, als ein Pfahlbau bezeichnet werden sollte, und dessen Funde auf
mehreren Tafeln durch scharf gezeichnete Abbildungen erläutert, sind. Auch das Hünen-
grab von Waldhusen (Taf. XV) und manches schöne Bronzestück sind hier dargestellt. Um
so empfindlicher berührt der Mangel einer genügenden Untersuchung des grossen Ring-
walles bei Pöppendorf, eines zweifellos slavischen Burgwalles, zu dem wohl auch die von
Haug untersuchten benachbarten Grabhügel mit Skeletten gehörten (S. 20). Nicht un-
erwähnt darf das 1817 in einem Hügelgrabe bei Waldhusen gefundene Bruchstück einer
bekleideten menschlichen Figur aus gebranntem rothem Thon (Taf. V, Fig. 6) bleiben.
Der dritte Abschnitt ist dem „Museum für Völkerkunde" gewidmet. Dr. Karutz be-
BCbieibt kurz die gleichfalls auf Jacob von Melle zurückführende Entstehung und das,
gerade in neuerer Zeit, schnell gesteigerte Wachsthum der ethnologischen Abtheilung.
Die ersten Anfäi d schon in das 17. Jahrhundert und auf nordische Stücke zurück.
Die Neuzeit hat nam< ntlich polynesische und afrikanische Sachen gebracht. 23 Tafeln zeigen
den Beichthum dieser U)theilung.
Den Schluss machen die von Dr. H. Lenz übersichtlich bearbeiteten Anthropoiden,
denen Dr. Prochownick einen kurzen Bericht über die Becken hinzugefügt hat. Seit
den bekannten Untersuchungen von Bischoff hatte sich die Aufmerksamkeit der Ana-
tomen dieser Sammlung zugewendet, welche durch ihren Beichthum die meisten euro-
päischen Museen übertraf; m-ü jener Zeit ist dieselbe, namentlich durch zahlreiche Skelette
und Schädel von Orang-Utans, vermehr! worden. Unter den letzteren befindet sich ein sehr
sonderbarer Schädel, der nach der Ansichl des Ref. als ein waaserköpfiger zu betrachten sein
dürfte (Nr. 358, Tat. I, b"ig. 1 --6, S. 13). Hr. Lenz giebt seine Capacität zu 636 cem an.
Von den Zähnen Bind die Prämolaren ausgebildet; die lateralen Schneidezähne im Ober-
kiefer ragen erst zur halben Länge der Krone vor. Das Gebiss ist ein „Milchzahngebiss".
Rud. Virchow.
V.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China's zu
denen des skythisch-sibirischen Völkerkreises.
Voll
P. REINECKE, Mainz.
Yorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschafl
vom 19. Juni 1897.
unser correspondirendes Mitglied, Hr. Professor Dr. Friedrich llirtli
in München, hatte die Liebenswürdigkeit, mir aus seiner Bibliothek einige
chinesische kunsthistorische Werke zum Studium der chinesischen Alter-
thümer und zum Vergleich derselben mit den im ^nördlichen Asien und
in Russland ausgegrabenen prähistorischen Gegenständen zur Verfügung
zu stellen. Bei der Durchsicht dieser Werke fielen mir zahlreiche Er-
scheinungen auf, welche sich direct mit den Alterthümern des skythisch-
sibirischen Völkerkreises in Beziehung bringen lassen, und ich halte es
deswegen für angebracht, in Kürze darüber zu berichten. Diese Bemerkungen
halten lediglich den Zweck, die betheiligten Fachgenossen auf diese Be-
ziehungen aufmerksam zu machen, und sollen nicht etwa die ganze Frage
in erschöpfender Weise behandeln; ich beschränke mich deshalb auch
darauf, hier aus der umfangreichen archäologischen und kunsthistorischen
Literatur der Chinesen zu den Vergleichen nur die bekanntesten Werke,
das Po-ku-fu-lu des Kunstarchäologen Wang Fu (Anfang des XII. Jahr-
hunderts), das Si-ts'ing-ku-Jci&n (Mitte des Will. Jahrhunderts) und das
Ki//-sc/ä-so der Gebrüder Fong Yün-pöng und Föng Yün-yüan (im Jahre
1822 herausgegeben) heranzuziehen, lim. llirtli. welcher die Güte
hatte, mir die Texte, so weit erforderlich, zu interpretiren und alle
nöthigen Auskünfte über die Beschreibung zu den Illustrationen dieser
Autoren zu geben, habe ich für sein freundliches Entgegenkommen bestens
zu danken.
Spiege 1.
Gelegentlich der Publication eines kaukasischen Bronzespiegels (mit
durchbohrtem Knopf auf der Rückseite] durch Hm. Yinhow (Zeitschr.
f. Ethn 1890, Verh. S t48 450, Fig. 57) wies Er Birth darauf hin.
da^> dieser Spiegel auf altchinesische Einflüsse zurückgehen könnte
Zeitschrift für Ethnologie. Jülirg. iE II
142
P. Reinecke:
(Verhandl. 1891, S. 808—809). Hr. Hirth sprach die Vermuthung aus,
dass das Stück vielleicht selbst ein Product chinesischen Kunstfleisses
wäre; jedoch bei einer Sichtung des umfangreichen prähistorischen Materiales
sowohl aus dem Kaukasus wie aus Südrussland und -Sibirien müssen wir
diese Vermuthuung, und ich befinde mich hier, wie ich glaube, in vollster
Uebereinstimmung mit Hrn. Hirth, etwas anders formuliren. Es bedarf
dazu zunächst einiger Ausführungen über Form, Alter und Verbreitung
dieser Spiegel; wie die Beziehungen der chinesischen Exemplare zu denen
des skythisch-sibirischen Völkerkreises zu deuten sein dürften, werden wir
weiter unten im Zusammenhang mit den anderen Gruppen von Analogien
untersuchen.
In China gab es in sehr alter, früher Zeit schon Metallspiegel, da-
neben solche aus Nephrit. Jedenfalls waren die ältesten Formen, von
Fig. 2.
Fig. 1.
Einfacher chinesischer Metallspiegel mit
durchbohrtem Knopf, Rückseite unver-
ziert; nach l'o-ku-t'a-lu, Ruch 28, p. 13.
Rückseite eines chinesischen Rronzespicgels mit Trauben-
muster; nach Si-ts^ng-ku-kien, Cap. 40, p. 7.
denen bisher jedoch keine Originale oder Abbildungen in chinesischen
kunsthistorischen Werken bekannt geworden sind, der überwiegenden
Mehrzahl nach kreisrunde Scheiben und hatten schon im Centrum der
Rückseite «'inen durchbohrten Buckel oder ein ausgebildetes Oeln\ da
sonst die Autoren uns sicherlich von einer anderen Form berichtet hätten.
Der durchbohrte Knopf auf der Rückseite diente zum Durchziehen einer
Schnur, welche als Handhabe des Spiegels verwendet wurde; Spiegel mit
Griffen, etwa wie die bekannten griechischen oder etruskischen, kommen
unter den ältesten chinesischen Alterthümern, wie es scheint, nicht vor.
Udbcr einige Beziehungen der Alterthfimer Uhina's u. s. w. 14:1
Bin umfangreiches Material ist uns hingegen aus der Periode der Dynastie
Uhu (206 v. Chr. bis 221 u. Chr.) and aus jüngeren Zeiten in Illustrationen
erhalten (!'<>■ k-u-fu-lu, Buch 28—30, Si-te'wg-ku-küfri, Cap. 39—40, Bjm-
*eh'i-fo, A.btheilung Km-to (Erklärung der Metallarbeiten), Band VI). Eine
Anzahl derartiger Spiegel, Bpeciell mit Traubenmustern, aue der Zeit der
älteren Ean (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.) hat Hr. Hirth in Beiner Studie:
„Ueber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst1' (München and
Leipig 1896) reproducirt. Zugleich existiren auch Originale, entweder alte
Originalstücke oder spätere Nachgüsse nach solchen, in verschiedenen
Museen und Sammlungen1), welche uns eine gute Vorstellung von den
Flachrelief-Ornamenten auf der Spiegel-Rückseite gewähren: denn dies,, sind
in den chinesischen Illustrationen in herkömmlicher Weise nur, als wären
sie eingravirt. wiedergegeben.
Der Durchmesser der Metallspiegel schwankt ganz erheblich, in der
Mehrzahl '\rv Fälle dürfte er sieh zwischen 6 und 20 cm halten; die Form
ist zumeist die kreisrunde. Nie fehlt auf der fast regelmässig mit Orna-
menten bedeckten Rückseite der durchbohrte Knopf. Wir bilden hier als
Fig. 1 einen unverzierteii Spiegel ab, welcher den einfachen Typus sehr
deutlich veranschaulicht. Bei den Traubenspiegeln (Fig. 2") findet sich
an Stelle eines einfachen Oehres als solches die Figur eines Yierfüsslers
verwendet. In der chinesischen Zeichnung musste diese vom Rücken her
gesehen und in der gleichen Manier, wie die Flachrelief-Ornamente, rings
herum ausgeführt erscheinen: jedoch bandelt es sich, wie man sich an den
Copien oder Nachgüssen der Originale überzeugen kann, keineswegs um
eine Flachrelief-Figur.
Ihrem Alter nach gehören die Spiegel, vmi welchen wir uns an der
Hand der Illustrationen und der erhaltenen Bronzeoriginale (bezw. Nach-
güsse) eine genaue Vorstellung machen können, vornehmlich in die Zeit
der Hau. Diese typischen Gerät! ic waren, wie gesagt, jedoch auch sehen
früher in Gebrauch, und auch noch viel später, bis durch Einführung der
Ciasspiegel aus Europa die metallenen in Fortfall kamen. Als ein be-
merkenswerthes Kennzeichen der altchinesischen Stücke griebt ein Autor
des elften Dachchristlichen Jahrhunderts an (Verhandl. 1891, S. 808), dass
bei kleinen die Spiegelfläche convex geschliffen war. und /.war aus dem
Grunde, weil der Spiegel nicht mehr und nicht weniger als ein menschliches
Gesicht in sich aufnehmen sollte; im elften Jahrhundert war die Kunst
Af^ Convexschleifens schon verloren gegangen.
Bei imderen Oulturvölkern des Alterthums findet sich dieser Spiegel-
typus nicht, wohl aber begegnen wir ihm in Sibirien, im Kaukasus, in
l Eine Anzahl solcher Stücke ging ans der Sammlung Martucci in den kgl. bayrischen
Hofbesitz ober and befindet sich im Ethnographischen Museum zu Mönchen.
2) Das Gliche stellte uns Hr. Hirth gütigst zur Verfügung, desgl. das zu Fig. 12.
11*
144
P. Reinecke:
Südrassland und in Ungarn. Das älteste zeitlich bestimmbare Exemplar,
eine dicke Bronzescheibe von 10 cm Durchmesser mit verdicktem Rande
und einem scharf vorspringenden Oehr auf der Rückseite (Fig. 3), stammt aus
einem skythischen Kurgan im Kreise Skwira, Gub. Kiew (Zbiör wiadomosci
u. s. w. VIII. Krakau 1884, Taf. III, 1): es reicht unbedingt noch bis in das
sechste vorchristliche Jahrhundert zurück, wie aus den mit ihm gefundenen
Fig. 3.
Fie. 4.
Skythischer Metallspiegel aus Süd-
russland; nach Zbiör wiadomosci,
18S4, Taf. III, 1.
Metallspiegel aus Sibirien :
nach Martin, Tage du
hronze etc., XXVII, 6.
Fig. 5.
Fig. 6-
Metallspiegel ;ius Sibirien:
nach M arti d 1. c,
XXVII, 8.
Metallspiegel aus Sibirien:
nach Martin I.e., XXVII, 12.
Elektron-Ringelehen (ibidem Taf. III, 2), zu welchem in Griechenland mehr-
fach wohl datirbare Gegenstücke existiren (z. B. Archäol. Zeitung 1884,
Taf. VIII, "•', 11). hervorgeht. Dem fünften .Jahrhundert v. Chr. gehört
ein ähnlicher Spiegel an. welcher in dem bekannten Kurgane Perepjetowka
im Kreise Wasilkow, Gub. Kiew, gefunden wurde (abgebildet bei Ivohn-
Mehlis, Materialien, I. Taf. IX. 1 : die Zeitbestimmung wird hier durch
eine Anzahl von Goldblechzierrathen (ibidem Taf. XI, 4, 5) gegeben. Auch
noch in anderen skythischen Grabhügeln Südrusslftnds wurden derartige
Ueber eini^<- Beziehungen der Alterthümer China's n. s, w. ] (j
Geräthe ausgegraben; in den reich ausgestatteten Fürstengräbern scheinen
sie jedoch zu fehlen, hier kamen wenigstens immer nur Spiegel mit Griffen
zum Vorschein. In Ungarn, wo jüngst eine Reihe Behr alter Bkythischer
Gräber Dachgewiesen wurde, bat man sie bisher nicht beobachtet1); hin-
gegen treffen wir sie in grosser Anzahl in Sibirien an. ebenso in der
Nekropole von Ananino (Aspelin. Autiqu. du Nord finno-ougrien, 293, 324,
326, 168; Martin. L'Äge dn Bronze etc., XXVII. i Li, 18, XXXI. 59;
Heikel. Antiqu. de la Siberie occidentale, XII. :;. XVII. 5). Neben den
Spiegeln mit Knopf auf der Rückseite 'der Knopf ist entweder einfach
ringförmig, öhsenförmig, oder wird von vier isolirten Stützen getragen;
giebt es in Sibirien auch solche mit einer Thierfigur als Oehr (Aspelin,
325; Martin. XXY1I. 12—17): die Stilisirung dieser Vierfüssler ist die
nämliche, wie die der zoomorphen Darstellungen auf zahllosen anderen
skythisch-sibirischen Objecten, und es handelt sich deswegen auch bei diesen
Geräthen um ein einheimisches Fabrikat. Der Durchmesser der sibirischen
Spiegel schwankt etwa zwischen 6 und 14 om\ das Metall ist Bronze und
Kupfer, genaue Analysen scheiuen noch nicht vorzuliegen. Wir bilden hier
als Fig. 4— 6 aach Martin einige Exemplare ab, welche einen guten Ver-
gleich mit den chinesischen erlauben: Fig. 5 zeigt am Knopf ein Ornament,
welches stark an chinesische Muster erinnert.
Derselbe Spiegeltypus kehrt in inner wesentlich jüngeren Periode in
.einer anderen Gruppe osteuropäischer Fundstätten wieder. In den grossen
kaukasischen Xecropolen der späteren Kaiserzeit und der Yolkerwanderungs-
zeit gehört er zu den ganz gewöhnlichen Beigaben Chantre. Rech.
anthrop. dans le Caucase, III. pl. VII. VIII, IX: Kondakoff et Tolstoi.
Antiquites de la Russie meridionale, Fig. 396; Zeitschr. f. Ethn. l*9o
Verh. s. 449; Zbiör wiadomosci etc., Krakau. VIII. Taf. IV. 9, 10. 11).
Er findet sich weiter auch in Ungarn und Niederösterreich in Gräbern
der Völkerwanderungszeit; zu meinem Nachweise derartiger Stücke aus
Ungarn (Zeitschr. f. Ethnol. 1896, S. 12, Note 3) habe ich noch eines ans
«lern Comitate Bereg (Arch. Ertesitfl ls(,»7. j». ;i7. Fig. 4 -- gefunden mir
einer Zweirollenfibel u. s. w.), und ein anderes aus dem Biliarer Comitat
(wohl soeben im Arch. Kit. publicirt), welches angeblich mir eisernen
Steigbügeln und anderen Objecten der magyarischen Eeidenzeit zusammen
gefunden sein soll, nachzutragen. Sie bestehen übrigens fast stets aus einer
Behr zinn- oder zinkhaltigen Legirung. Fig. 7 stellt einen solchen Bpät-
zeitlichen Spiegel aus dem Kaukasus dar. Fig. 8, Nr. 18 einen ungarischen.
Unbedingt müssen diese beiden Gruppen von spiegeln, die älteren
skythisch-sibirischen und die jüngeren aus dem Kaukasus und Ungarn, in
1 Eine von mir im Arch. Ertesit . 1897, p. 16, Fig. 66, publicirte Scheibe aus einem
skythischen Grabe in Siebenbürgen, welches u a. eine iweischleifige Bogenfibel enthielt,
gehört zu einem Spiegel mil Grill': es fehlt ihr das typische Oehr auf der Rückst
146
P. Reinecke:
Fi<r.
Fig. 9.
Metallspiegel aus einem kaukasischen Grabe:
vergl. Zeitschi-, f. Ethn. lS'JO, Verb. S. 449.
Chinesischer Opferkessel;]
nach Pu-ku-fu-lu, Buch 3, p. 11.
Vis. S.
1±±1
Ä
Metsllspiege] d.s. «. ans der Nekropole von Csorna, Ungarn;
vergl. Arch. Ertesitö, 1889, p. 266.
Heber einige Beziehungen der Alterthümer China's u. s. w.
147
irgend einem Zusammenhange stehen. Auf die wahre Bedeutung der
Bronzescheiben mit Oehr aus den Skythenkurganen and ihre Verbindung
mit <l<m kaukasischen Exemplaren machte zuerst C. Neyman (Zbiör
wiadomosci etc, 1884, |>. 37—47) aufmerksam; allerdings berücksichtigte er
weder die sibirischen noch die angarischen Analogien, und auch von den
chinesischen Formen hatte er keine Vorstellung. Mit den griechischen
Weissmetallscheiben (von Klappspiegeln), welche /.war auch ohne Griff
und kreisrund sind, denen jedoch das characteristische Oehr fehlt, lassen
sich jedoch die onsrigen durchaus nicht in Beziehung bringen.
Fig. 10.
Fi*. 11.
< Ihinesischer Opferkessel;
Dach Po-ku-fu-lu, Buch 19, p. 24.
Chinesischer < tpferkessel;
nach Po-ku-t'u-lu, Buch 18, p. 27.
Opferkessel und Gefässe.
Neben den Spiegeln sind unter den chinesischen Vlterthümern die
Opferkessel von hervorragender Bedeutung. Es sind dies dick gegossene,
weite flache, oder mehr langgestreckte cylindrische runde Becken, auf drei
Füssen ruhend; am Rande des Beckens haben sie zwei senkrecht gestellte
Handhaben. Eine A-bart dieser eigenartigen Gefassgattung ist nicht rund,
sondern rechteckig, und hat in Folge dessen vier Küsse. Füsse und Hand-
haben waren nicht etwa besonders angesetzt, vielmehr sind alle Theile
dieser Kessel als ein einziges Stück ueuossen. Die Zahl der Abbildungen
derartiger Gefässe, welche die chinesischen Autoren als Opfergefasse be-
zeichnen, ist eine ganz enorme, vgl. Po-ku-t'u-lu, Buch 1—5, 18, 19; >'/-
tsHng-ku-kün, Cap. 1 7. 30, 31; Kin-achi-w, Kin-so, Band 1. Wir bringen
hier (Fig. 9— 11) einige Abbildungen von solchen grossen Opferkesssein
aus dem Po-Lu-tit-lu. Fig. L2 i-t .'in Original, welches Hr llirtli im
Jahre L892 photographirt hat (T'oung-Fao, VII. p. t87, t88 .
148
P. Eeinecke:
Die Form der Kessel kann sehr wechseln, jedoch bei allen finden
sich die typischen grossen Griffe. Die Füsse sind oft kurz, häufig wieder
ziemlich lang, oder sie bilden eine Art Dreifussgestell, welches dann
anscheinend vom eigentlichen Kessel getrennt gegossen ist. Die Becken
mit kreisrundem Querschnitt sind entweder weit und flach, pauken-
förmig, oder mehr langgestreckt, oder haben sogar eine Einziehung am
Halse, oder sind endlich verhültnissmässig hoch und nahezu cylindrisch.
Die breiten Griffe entspringen
Fig. 1:
meist direct am Rande; sie
sind mehr oder minder recht-
eckig, mit etwas abgerun-
detem oberen Balken. In
der Regel steigen die Hand-
haben fast oder geradezu
senkrecht an; gelegentlich
biegen sie sich auch etwas
nach aussen aus, seltener sind
sie seitlich etwas unterhall)
des Randes angesetzt. Die
Mehrzahl der Kessel ist mit
einem oder mehreren orna-
mentalen Streifen (mit Orna
menten der ältesten chine-
sischen Kunstrichtung) in
Flachrelief, welches in der
chinesischen Zeichnung na-
türlich wieder wie gravirt
Alter Dreifuss, bekannt nuter dem Namen Wu-tschuan- erscheint, verziert.
Ganz besonders fallen
ting, vom Jahre 81 '2 vor Chr. Das Original befindet
sich im buddhistischen Kloster auf der Silberinsel hei
ChinMang, i bige Abbildung- von Prof. Hirth 1892 bei (,iesen Opferbecken die
aufgenommen wurde Vgl. Tloung-pao, Vol. VU,p.487ff. Grössenunterschiede der ein-
zelnen Exemplare auf. Es
giebi eine ganze Reihe sehr kleiner, nur etwa einen halben Fuss hoher
Kessel, andere sind ungefähr einen Fuss hoch, wieder andere bis etwa
zwei Fuss. Es dürfte kaum möglich sein, für diese Differenzen in den
Grössen eine dem wahren Sachverhalt nahe kommende Erklärung zu
finden. Ech wäre geneigt anzunehmen, dass die kleinen Stücke etwas
jüngere Copien Dach den grossen Kesseln sind, sei es nun, dass solche für
Kunstliebhaber, deren es in China schon in alter Zeit gab, oder gleichfalls
wieder für den Opfer dienst hergestellt wurden. Die chinesischen Autoren,
welche für die wechselnde Grösse derselben typischen Grundform keine Er-
klärungen bringen, setzen die Originale, von welchen eine Anzahl noch
heute existirt, in die Periode Schang (zweites vorchristliches Jahrtausend);
Deber einige Beziehungen der Alterthumer China's u. s. w.
141»
die kleineren Exemplare könnten vielleicht uoch in derselben Periode
Dachgebildet sein.
Mit der Grösse wechselt natürlich auch das Gewicht. Sämmtliche
Kessel sind dick aus Bronze gegossen; das Gewicht schwankt zwischen
wenigen Pfunden und einem Centner. Das Original z. I>.. welches Hr.
Hirth photographirte, konnte wegen seiner relativen Grösse und Schwere
Fi*. 13.
Skythischer Bronzekessel aus Ungarn; vergL Hampel, Skyth. Denkm., S.U.
von einem Manne nur mit Mühe fortgeschleppt werden. Auf chinesischen
Gemälden linder sioh gelegentlich dargestellt, wie ein Mann einen solchen
Opferkessel trägt; auf den Bildern handelt es sich dann stets am gl m
und offenbar sehr schwere Stücke.
Wir halicn bemerkt, dass das immer Wiederkehrende, Typische an
diesen Opferkesseln aeben der Form des Beckens der dicke schwere Guss
und die characteristischen Griffe seien. Durchmustern wir die Alterthümer
Sibiriens und der westlichen Skythenl&nder, so stossen wir in diesen Ge-
bieten auf ganz ähnlich gestaltete Geräthe, von nahezu gleicher Form und
150
P. Reinecke:
Piff. 14.
Grösse des Beckens, mit denselben grossen, senkrecht stehenden Griffen am
Rande, und gleichfalls von sehr bedeutendem Gewicht.
Es handelt sich einmal um die mehr paukenförmigen, weiten Gefässe
aus skythischen Kurganen der Zeit des fünften und vierten Jahrhunderts
v. Chr., von welchem Typus sowohl
in Sibirien und am Pontus, und
zwar in grösserer Anzahl, als auch
in Ungarn (ein Exemplar, angeb-
lich in ( t-Sz^'iny gefunden) und Ost-
galizien (zum Funde von Sapohowo,
Kreis Borszczow. wie vor Kurzem
erst erkannt wurde, gehörend) Ge-
genstücke existiren. Fig. 13 l) stellt
ein derartiges Stück vor. Eine weit
jüngere Gruppe, welche durch einen
geschlossenen Fund aus Schlesien
(Höckricht, Kreis Ohlau) datirt wird,
ist repräsentirt durch langgestreckte,
nahezu cylindrische Kessel, welche
desgleichen in Sibirien, Kussland,
Ungarn und dann auch in Schlesien
nachgewiesen wurden: in Südruss-
land fehlen sie. wohl aber sind sie
im Wolgagebiet vertreten. Zeitlich
wären sie ungefähr in die Völker-
wanderungsperiode zu stellen. Fig.
14 ist ein Exemplar aus dem Wolga-
gebiet, dessen Griffe noch nicht jene
reiche Bekrönung, wie wir sie an
einigen ungarischen beobachten,
zeigen. Das .Material über diese
Kessel ist vereinigt in den Ethnol.
Mitth. aus Ungarn, IV, S. 9—15;
Zeitschr. f. Ethn. 1896, S. 12—13,
•_M -25; Arch. Ertesito, 1897, p. 4.
Einige andere chinesische ( iefässformen lassen sich vielleicht auch
noch mit solchen des skvthisch-sibirischen Völkerkreises vergleichen,
z. B. die sphärischen Bronzevasen mit hohem, verhältnissmässig weitem
Ihdsc (Si-ts'ing-ku-kifri Cap. -_'<'>. |>. 51, 52) mit gewissen südrussischen
Silbergefässen (Anti«|ii. du Bosph. Cimm., XXXIV, 1, 3, XXXV, 1, 2;
Ossowski, Wielki Kurhan 1! yzanowski, IV, 1), oder die schlanken
Metallkesse] ans dem Wolgagebiet;
vergl. Hampel, Skyth. Denkm., S. 14.
1) Die Stücke zu Fig. 8, 18 Lö Bind von Hrn. J. Hampel freundlichst hergeliehen
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China's u. s. w.
151
Y;l>rii Hu *d*i (l'n-l.tl-t'ii-ln. Illicll 1 2, Si-I.s '/' 'mj-kn-1. ■//// . <';i|>. 19) mit dem
Gefäss bei Martin, L'Äge du Bronze etc., XXXTTT, 3. Ains Mangel an hin-
reichendem Vergleiclismaterial legen wir jedoch hierauf kein besonderes
Gewicht.
Fig. 15.
Fig. li
%
Skythische Stangenbekrönung aus Ungarn; Chinesisches Klapperinstrnment;
vergl. Hainpol, Skyth. Denkm., S. 1. nach Kin-t , abth.
Kinso, Bd llf. foL61.
K In pperi Qstrumeni e.
Eine andere Kategorie acht skythischer Gegenstände sind Stangen-
bekrönungen, welche sich aus einem Bohlkegel 3 dessen Wandung von
dreieckigen Oeffnungeu durchbrochen ist und der in der Regel eine Kugel
152 P- Reinecke:
enthält, sowie einem Dorn oder einer Tülle (alles als ein Stück ge-
gossen), zum Aufstecken auf einen Stab, zusammensetzen. Der Zweck
dieser Objecto, welche häufig paarweise gefunden werden, ist unbekannt.
Sie wurden in grosser Zahl in Südrussland ausgegraben, andere kamen in
Rumänien und Ungarn (Fig. 15 ist ein ungarisches Exemplar) zum Vor-
schein, verwandte Objecte auch in Sibirien. Die Literatur hierüber ist zu-
sammengestellt in den Ethnol. Mitth. aus Ungarn, IV, S. 2—9, Zeitschr. für
Bthnol. 1896, S. 25 — 27. Sie gehören ausschliesslich vorrömischen Zeiten an.
Auf chinesischem Boden begegnen wir ähnlichen Bronzegegen-
ständen, welche die chinesischen Autoren als Tanzrasseln, Klappern bei
Pantomimen u. s. w. ausgeben (Po-ku-t'u-lu, Buch 26, p. 47 u. f.; Si-tsing-
hu-kien, Cap. 37, p. 11—20; Kin-seh'i-so, Abth. Kin-so, Band III, fol. 60, 61).
Diese Rasseln bestehen aus einer Schafttülle und einem runden, aus zwei
flachen Kugelabschnitten sich zusammensetzenden, von zahlreichen läng-
lichen Fenstern durchbrochenen Korbe, in dessen Innerem sich eine eiserne
oder bron/eue Kugel befindet; sie sind gleichfalls als ein Stück gegossen.
Hr. Hirth überwies dem Museum für Völkerkunde eine derartige Klapper
aus Bronze, deren Grösse etwa die gleiche, wie bei den skythischen, ist.
Das Exemplar, welches wir abbilden (Fig. 16), ist gleichfalls ausgegraben
worden, und zwar in Kü-föu, dem Geburtsort des Confucius. Als ihr
Alter wird übereinstimmend die Periode Ran bezeichnet. Die chinesischen
Erklärer wissen jedoch nicht recht, was sie mit diesen Instrumenten anzu-
fangen haben, und ihre Vermuthung, es handle sich um Theater-Requisiten.
ist an sich sehr unzulänglich und unwahrscheinlich. Es ist möglich, dass
diese Objecte, deren Uebereinstimmung mit den skythischen unverkennbar
ist, sich direct mit ihnen in Parallele stellen lassen; allerdings wird erst
der sichere Nachweis ihres Zweckes hier ausschlaggebend sein.
Messer, Hellebarden, Schwerter u. s. w.
Eine äusserst bezeichnende Gattung der sibirischen Alterthümer sind
die Bronzemesser, von welchen in den sibirischen Sammlungen zahllose
Exemplare liegen. So mannichfaltig ihre Grösse und ihre Verzierung auch
erscheint, bo zeigen sie jedoch fast sämmtlich ein auffallendes Merkmal.
welches Bie sofort von den meisten prähistorischen Bronzemessern aus
Europa unterscheidet, aehmlich eine gegen die Schneide zu gerichtete
Biegung oder vielmehr Knickung am unteren Ende des Griffes, an der
Übergangsstelle zur Klinge. Eine Fülle von derartigen .Messern wird im
Museum von Miniissinsk aufbewahrt (vgl. Martin 1. c, XI — XX, sodann
ferner Aspelin, I. c, 180 217: Etadloff, Sibirische Alterthümer (russ.),
Heft 1 u.s.w.). Pig. 17 ist .hu, Atlas von Martin entnommen; die charakte-
ristische Knickung ist hier sehr deutlich ausgeprägt, die Länge des Messers
beträgt 26,5 cm.
Ueber einige Beziehungen der Alterthiimer China's u. 8. w.
153
Das Alter dieser Bronzemesser lässi sich nur ungefähr bestimmen.
Bei denjenigen, welche eine entwickelte Thierornamentik in skythischem
Geschmack aufzuweisen halten, käme etwa die /.weite Bälfte des Letzten
vorchristlichen Jahrtausends in Betracht: die übrigen dürften kaum
zeitlich von diesen verschieden sein, höchstens, dass die gänzlich unver-
zierten etwas älter sind.
In China müssen wir vollkommen ähnlich gestaltete Messer voraus-
setzen. Es sind zwar keine Originale, meines Wissens wenigstens, bekannt
Fie. 17.
Bronzemesser aus Sibirien: nach Martin, 1. c., XIII. 1.
Fig. 18.
Chinesische Messermünzen; nacli Kin-schi-so, Bd. IV, fol. "23.
geworden, auch fehlen Abbildungen prähistorischer1) Messer bei chinesischen
Tutoren; jedoch gewähren uns die bekannten Messennünzen einen gewissen
Anhalt dafür. Diese Münzen (Fig. 18) copiren ziemlich getreu die Form
alter Messer, welche schwerlich noch zur Zeit, wo diese Münzen aufkamen.
in Gebrauch gewesen sind. Den chinesischen Exemplaren ist gemeinsam
mit vielen sibirischen Stücken der deutlich abgesetzte Griff, der Ring am
freien Griffende, vor Allem aber die Knickung nach einwärts. Auf die
mein- rasirmesserförmige Gestaltung der Klinge ist wenig Gewicht zu
legen, da jedenfalls die Messermünzen sich an Vorbilder mit der gewöhn-
lichen Klingenform anlehnten und diese Altänderung erst bei den .Münzen
eintrat. xVas ihr Alter anbetrifft, sc» -eben diese Münzen nach eben
wohl kaum über das dritte Jahrhundert \. Chr. hinaus (C. T. Gardner im
Journ. of the Manchester Geographica! Society, 1889, p. 248 u. f.).
1) Wir wollen im Folgenden mit „prähistorisch" alle diejenigen ausgegrabenen chine-
sischen Alterthümer bezeichnen, welche entweder in den Werken nicht beschrieben oder
abgebildet werden, oder von welchen die Autoren keine oder nur ungenügende Er-
klärungen zu geben im Stande sind, unbekümmert um ihr Aller, welches zum Theil
kaum über (las erste vorchristliche Jahrtausend hinausgehen dürfte.
i:>4
P. Reinecke:
Fi-. 19.
Von anderen Werkzeugen oder von Waffen des chinesischen Alter-
thums wäre hier nur noch wenig heranzuziehen. Die Hellebarden (eine
Abbildung findet sich bei Evans, Ancient bronze imple-
ments. p. 262; einige aus dem Kin-sclü-so publicirte
Hr. Hirth im T'oung-pao, VII, ]). 494. 495) stehen
ziemlich isolirt da; vielleicht Hessen sie sich mit ge-
wissen sibirischen Metallpickeln (wie Aspelin, 222.
226—228; Radioff, Sib. Alterth., Taf. XVI, XVII)
zusammenbringen, doch mag dies vorläufig dahin-
gestellt bleiben. Die Pfeil- und Lanzenspitzen bieten
ebenfalls zu wenig schlagende Vergleichspunkte.
Ueber die Schwerter lassen sich auch nur einige
Worte sagen. Im Kin-sclü-so, Abtheilung Kin-so,
Band II, fol. 17, 18, ferner im Si-ts'ing-ku-kien,
Cap. 38, sind einige Bronzeschwerter abgebildet, deren
Länge kaum ein halbes Meter überschreitet und sich
meist weit unter diesem Maass hält. In Bezug auf
ihre Lauge würden diese Kurzschwerter sich den be-
kannten sibirischen und skythischen aus Bronze und
Eisen gegenüberstellen lassen, während sie etwa zu
den prähistorischen Schwertern aus Europa in scharfem
Gegensatz stehen: doch ist die Form des Griffes bei
den chinesischen wieder eine etwas andere. Bevor
man jedoch weitere Schlüsse ziehen kann, bedarf es
jedenfalls noch eines genaueren Studiums der Werk-
zeuge und Waffen unter den chinesischen Alterthümern
und der Erklärungen der Kunsthistoriker; vorläufig
sind unsere Kenntnisse gerade dieser Gruppe chine-
sischer Altsachen nur von ganz massigem Umfange,
und wie die uns in Illustrationen erhaltenen Objecte
mit den in China ausgegrabenen prähistorischen
Bronzen in Einklang zu bringen sind, ist noch ganz
unbestimmt.
Ein sehr interessantes, in Shanghai erworbenes
chinesisches Bronzeschwert (Fig. 1!>) besitzt Hr.
Hirth in seiner Sammlung. Es hat eine Länge
von etwas mehr als :'><> cm, davon gehen 12 cm für
den Griff ab Die Grifffläche ist beiderseits canne-
lirt, die mittlere Rippe setzt sich auch auf die Klinge
fort; das obere Ende weitet sich etwas, aus und zeigt,
gleichsam in heraldischer Paarung, zwei gegen ein-
ander ausspringende, in ganz primitiver Weise aus-
geführte Thierfiguren. Das untere Ende des Griffes
[Jeher einige Beziehungen der Alterthflmer Ohina'su.a w. 1.",;,
erweitert sich, ohne besonders abgesetzten Uebergang, zur zweischneidigen
Klinge; diese trägt auf der einen Seite uralte chinesische Charactere,
welche die chinesische Herkunft des Stückes, die sonst Qoch zweifelhaft
sein könnte, mit voller Sicherheit oachweisen. Hr. Fürth stellte im
Jahre 188i). unter Zuziehung des damals der chinesischen Gesandtschaft
attachirten Hrn. Tschang Tö-i (des späteren Lehrers des Englischen
beim Kaiser von China), die Lesung Hiu-tschöu JaIm ^'est- ')as Gewicht
*\r<, Schwertes beträgt 450 g1).
Wir haben es hier mit einem ausgesprochenen Kurzschwert zu thun,
welches auffallend an gewisse sibirische Kurzschwerter von Bronze oder
Kupfer erinnert. Zwar fehlt der herzförmige, oft etwas modificirte Theil
am unteren Ende des Griffes, welcher sonst das Characteristicum des sky-
thischen äxivdxrjg ist; doch stimmen andere Merkmale wieder direct mit
sibirischen Exemplaren überein, so z. B. die geringe Länge, die Form als
ausgesprochenes Kurzschwert, ferner die Gliederung des freien Griffendes
(vgl. z. B. Radioff, Sibirische Alterthümer (russisch), Bd. 1, 2, 1891,
Taf. IX. 3, 12), die Oannelirung >\<'s Griffes, die Verzierung des Knaufes
mit Thierornamenten u. s. w. Beim Durchblättern der Atlanten sibirischer
Alterthümer von Aspelin, Ujfalu, Kadloff, Martin u. s. w. wird man
auf zahlreiche Anklänge stossen. Und was das Fehlen des rein herz-
förmigen oder mehr oder minder modiiicirten Stückes zwischen Griff und
Klinge anbetrifft, so verweise ich nur auf Ujfalu, Exp. scientif. en Russie
etc., vol. VI. Atlas archeol., PL 17. und Kadloff, Sil>. Alterth., Taf. X. 15,
XI, 9, Text p. 61, wo man ähnlichen Erscheinungen begegnet. Jedenfalls,
das wird man zugeben, steht das chinesische Kurzschwert den sibirischen
sehr nahe und verräth zu diesen viel mehr Beziehungen, als etwa zu den
in Vorderasien (Assyrien, Kaukasus. Nord-Persien) vorkommenden Kurz-
schwert-Typen.
Nicht allzu selten sind unter den prähistorischen Alterthümern aus
China auch Bronzeäxte mit Schaftloch, von einer Form, welche
gelegentlich in Sibirien und weiter auch unter den vorgeschichtlichen
Bronzen Europas angetroffen wird. Die chinesischen Autoren bezeichnen
sie (abgebildet sind solche im r<>-Lii-(u-lu. Buch 26; Si-ts'ing-ku-kien,
Cap. 37, 38; Kinscht-so, Abth. Kinso, Band II) als Hellebarden. Theater-
hellebarden, Tanzäxte, und setzen sie in die Zeit der Dynastien Tschöu
und llitn. Häutig sind die Aexte mit Ornamenten der ältesten chinesischen
Kunstübung verziert. Die Deutung dieser Waffen ist natürlich ebenso,
wie bei den Klapperinstrumenten, eine ziemlich willkürliche und jedenfalls
nicht ernst zu nehmen. Für uns haben diese Aexte nicht ein specielles
Interesse: wir kennen :war ähnlich gestaltete Stücke aus Sibirien,
1) Es mag dahingestellt bleiben, ob das Schwert ein uraltes Original oder etwa <in
jüngerer Nachguss sei; jedenfalls ist die Form uralt.
156 P- Reinecke:
doch findet sich der Typus auch in der europäischen Bronzecultur verbreitet;
wir wollten sie aber nicht gänzlich übergehen.
Es fragt sich nun, wie diese vielfachen Beziehungen zu deuten sind.
Ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten, doch hoffen wir eine
immerhin befriedigende Antwort geben zu können. Zuvor jedoch haben
wir noch einem Einwände, welcher uns möglicher Weise gemacht werden
dürfte, zu begegnen.
Man könnte anführen, die Thatsache, dass Verbindungen zwischen den
Alterthümern Chinas und Sibiriens existirten, sei schon lange bekannt.
Worsaae war es, welcher in seiner Studie: „Fra Steen-og Bronzealderen
i den gamle og den nye Verden" (Aarboger for Nordisk Oldkyndighed
187!») zuerst derartige Vermuthungen aussprach. Er stützte sie jedoch
nur auf einige zweifelhafte Analogien und vor allem ging er nicht auf die
chinesischen Illustrationen selbst ein, und darum haben die Ausführungen
seiner Studie im allgemeinen, wie in diesem speciellen Falle, nur einen
ganz problematischen Werth. Allerdings darf uns das nicht befremden,
wenn wir berücksichtigen, dass damals das sibirische Material noch so gut
wie unpublicirt war; aber trotzdem hätte AVorsaae seinen Andeutungen
eine andere Fassung geben müssen. Aehnlich verhält es sich mit dem be
kannten Aufsatze Sophus Müllers: „Ursprung und erste Entwickelung der
europäischen Bronzecultur" (Arch. f. Authr. XV), in welchem gelegentlich
auch unser Thema gestreift wird. Heute, wo wir die prähistorischen Alter-
thümer mit ganz anderen Augen anzusehen gelernt haben und das vor-
handene Material durch neue Funde und umfangreiche Ausgrabungen sich
ungemein vermehrt hat, ist es uns eher möglich, die Schwierigkeiten,
welche die Aufhellung so verworrener Beziehungen darbietet, klarer zu
überschauen, und in unseren Vermuthungen vorsichtiger und zurückhaltender
zu sein.
Die '»heu constatirten Beziehungen zwischen den Alterthümern China's
und des skythisch- sibirischen Völkerkreises sind von zweierlei Gesichts-
punkten aus zu betrachten. Zum Theil verrathen sie einen gewissen Zu-
sammenhang dieser beiden archäologischen Provinzen und lassen die Zu-
gehörigkeit der prähistorischen Denkmäler Chinas und Nordasiens zu
einem gemeinschaftlichen grösseren Kreise erkennen: andererseits offen-
liaren sie auch eine Btarke I Beeinflussung der Völker Nordasiens und
ihrer Verwandten im östlichen Europa in etwas jüngerer Zeit durch die
bereits auf einer vorgeschritteneren Stufe stellende chinesische Cultur.
Das auffallende rebereinstiminen einer Anzahl von Formen von
Waffen und Werkzeugen, so der Kurzschwerter, Aexte, .Messer, u. s. w.
eventuell auch *\>'r Klapperinstrumente, ist jedenfalls nur darauf zurück-
zuführen, dass in China, wie in Nord-Asien, eine in den meisten Typen
Uebcr einige Beziehungen der Alterthümer China's u. s. w. 157
gleichartig entwickelte Bronzecultur verbreitel war. and zwar stand diese
zum europäischen Bronzealter und der vorderasiatischen Gruppe (Assyrien,
Kaukasus, Persien) in directem Gegensatz. Worsaue, welchem das
Verdienst bleibt, das seiner Zeit hekannte prähistorische .Material vmi
Ostasien gesammelt zu haben (I. c. |>. 3Ö7 u. f.). sprach diesen bedanken
nur sehr oberflächlich aus und wollte zugleich auch weitere Verbindungen
constatiren, welche wir seihst heute, noch nach mehr als zwei Decennien,
in Abrede stellen müssen. Mit den vorgeschichtlichen Bronzen aus Japan
haben die sibirischen und chinesischen wenig zu thun, und noch viel
weniger können wir Berührungen mit den Funden aus dem nordwestlichen
Amerika, welche man jüngst erst wieder nachgewiesen zu haben glaubte
(Zeitschr. f. Ethn., Verh. 1896, S. 75—76), annehmen; schon allein ein ober-
flächlicher Vergleich der betreffenden herangezogenen Objecte lässt die
Nichtigkeit dieser Vermuthungen erkennen.
Es wäre erwünscht, wenn einmal von fachkundiger Seite aus den
chinesischen Autoren das vorhandene Material über Waffen und Werkzeuge
unter den chinesischen Alterthümern zusammengestellt würde. Augen-
blicklich, wo schon allein der Vergleich zwischen den ausgegrabenen
Originalstücken nwd den nur in Illustrationen erhaltenen und meist von
den chinesischen Erklärern falsch gedeuteten Objecten auf Schwierigkeiten
stösst, lassen sich alle diese Verhältnisse kaum oder nur wenig überblicken.
Soviel ist jedoch gewiss, dass viele Jahrhunderte hindurch in China ein
hoch entwickeltes Bronzealter blühte und dieses noch bis in verhältniss-
mässig späte Zeiten andauerte: der grösste Theil der von Hrn. Ilirth so
benannten „Periode der spontanen Entwickelung der chinesischen Kunst"
(Ueber fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst. S. 1 und f.) wird von
dieser Bronzezeit eingenommen. In manchen Gegenden Chinas, z. B. im
Gebiete der Völkerschaften, welche von den Chinesen unter dem Namen
Man beschrieben werden (in den südwestlichen Provinzen und einem
Theile Hinterindiens), waren sogar Ins zum Beginne unserer Zeitrechnung
noch bronzene Waffen in Gebrauch (vgl. Bastian-Festschrift, S. 493, Note 6
zu S. 41)2). Bedeutende zeitliche Differenzen brauchen demnach zwischen
den chinesischen und sibirischen llrunzeuhjocten nicht vorzuliegen.
Neben diesen Beziehungen, welche wir einfach als gleichartige Ent-
wickelungeu gewisser Typen innerhalb eines grösseren einheitlichen Cultur-
kreises bezeichnen dürfen, müssen wir jedoch auch noch directe üeber-
tragungen einiger characteristischen chinesischen Formen zu den Völkern
Sibiriens voraussetzen. Nach unserer Ansicht kann die üebereinstimmung
der Spiegel und der Opferkessel nur auf diese Weise erklärt werden. Die
singulare Spiegelform mit dem Oehr auf der Rückseite kommt in China
schon in sehr alter Zeil vor. Derartige Mücke gelangten wahrscheinlich
auf dem Handelswege zu den Völkern Sibiriens, wurden von diesen
nachgebildet und auch weiter in verschiedenen Zeiten zu den verwandten
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1897. ig
158 P- Reinecke:
Stämmen im östlichen Europa gebracht. Ebenso verhielt es sich wohl
mit den Opferkesseln, die sicherlich bei den skythischen Stämmen zum
gleichen Zweck verwendet wurden, wie in China.
Sichere Andeutungen eines sehr alten Handelsverkehrs der Chinesen
mit den Völkern Sibiriens liegen uns vor in einer Reihe chinesischer
Alterthümer, welche in Sibirien ausgegraben wurden. Eine absichtliche
Täuschung ist hierbei ausgeschlossen, da man solche Funde schon im ver-
gangenen Jahrhundert machte1). Vornehmlich sind es auffallender Weise
gerade Spiegel, dann auch Celte u. s. w., welche durch ihre Inschriften in
altchinesischen Characteren deutlich ihre Herkunft verrathen. Die alten
Werke von Witsen: „Noord- en Oost-Tartarye", und Strahlenberg: „Das
Nord- und Oestliche Theil von Europa und Asia" bringen Holzschnitte der-
artiger, in Sibirien ausgegrabener Spiegel (reproducirt bei Radioff,
Sibirische Alterthümer (russisch), Beilagen p.. 48, 128); ferner publicirte
Heikel (Antiquites de la Siberie occidentale, XVII, 6) ein Exemplar.
Ein chinesischer Hohlcelt (von sechseckigem Querschnitt) ist abgebildet
bei Martin, 1. c. XXXII, 10, ähnliche ohne Inschrift bei Heikel, II, 5,
XI, 2 (vergl. auch IV, 4, XV, 1, 2). Auch in der Ornamentik der alt-
sibirischen Bronzen haben sich Spuren chinesischer Beeinflussung er-
halten: z. ß. chinesisches Cicadenmuster auf den Hohlcelten bei Martin,
1. c. II, 3, 5, 8, 10, 11, chinesisches Triskelen- Ornament auf Messern
und Spiegeln, Martin, XV, 26, XX, 1, 2, XXVII, 8u.s.w. Die kleinen
Anhängsel mit sehr roh stilisirten Gesichtsmasken, welche Martin (XXIX,
?>* — 15) als chinesische Arbeiten bezeichnet, halte ich jedoch für sibirische
Nachbildungen nach griechischen Vorlagen.
Ganz evident ist die Nachbildung der Spiegel bei den Stücken mit
einer Thierfigur als Oehr. Hier liegen die chinesischen Traubenspiegel
zu Grunde; in Sibirien konnte oder wollte man nicht das reiche Ornament
der Rückseite derselben copiren und begnügte sich bloss mit der Thier-
figur, welche dem barbarischen Toreuten offenbar weniger Schwierigkeiten
bot als die ^Viedergabe der sehr complicirten Trauben- und Thiermuster.
Diese besondere sibirische Spiegelgruppe erhält ihre zeitliche Fixirung also
durch <!i<' Traubenspiegel.
üebrigens sind Thierfiguren als Griffe u s.w. in China ganz allgemein
verwendet worden, z. I>. auf ganz flachen Deckeln von sehr alten Metall-
1) IVhiT Sibirien soln-inni die chinesischen Importstücke nicht hinausgegangen zu
sein. — Das angebliche Vorkommen von uralten ostasiatischen Bronzeglocken in Europa,
panz speciell in der Umgehung von Mainz (erwähnt in Naue's Prähistorischen Blättern
L897j S. 44 — 45: rergl. dazu auch ebendaselbst S. 64), beruht nur auf einem neuen Kunst-
griff des Alterthümerhandels, Beine Artikel in der glaubwürdigsten Weise anzupreisen,
Die Rheinlande haben schon oll dem Kunsthandel als Fundgebiet für in sehr moderner
Zeit importirte Alterthümer dienen mfi en, bisher allerdings, von Fälschungen nach süd-
rn ,-i -. . - J i . : 1 1 Geldsachen ra schweigen, in der Regel in. du- mir für Bpätetruskische Erzeugnisse
italischer Provenienz.
Ueber einige Beziehungen der Alterthümer China's u. 8. w. [59
vasen (I'o-kn-t'u-lu, Buch 26, Xi-tsliuj-hi-hirii , Cap. 37); ein derartiger
Brauch war demnach in China nicht fremd, wohl aber in Sibirien.
Das hohe Alt.-r der grossen Opferkessel darf uns nicht abhalten, diese
mit den ziemlich genau datirbaren skythischeri Metallbecken in Verbindung
zu bringen, denn derartige Gefässe finden ßich in China heute noch in
Gebrauch. Uralt sind bei ihnen nur die Form und die Ornamentik: eine
Anzahl von erhaltenen Originalen mag wirklich ans dem zweiten vor-
christlichen Jahrtausend stammen, bei anderen kann es sieh hingegen um
etwas jüngere getreue Wiederholungen handeln. Jedenfalls war diese
Gefässgattung in der Zeit, welcher die ältesten skythischen Nachbildungen
angehören, in China allgemein noch beim Opferdienst in Verwendung, und
nichts sm dit der Ansicht im Wege, dass die Barbaren Sibiriens, welche
nur über einen geringen Pormenschatz verfügten und die Mehrzahl der
.Muster ihrer eigenartigen Thierornamentik von benachbarten Völkern ent-
lehnten, sich aach den Vorbildern, die ihnen direct oder indirect von dem
überlegenen Culturvolk der Chinesen zugeführt wurden, ähnliche schwere,
grosse Metallbecken zum Cultuszweck anfertigten. Deshalb sind auch die
meisten skythischen Kessel ohne jedes Ornament: auch die Vereinfachuno-
des Fusses bei den sibirischen und westlichen Exemplaren scheint dafür
zu sprechen.
Wenn einige in Ungarn gefundene völkerwanderungszeitliche Kessel
anstelle von einfachen Griffen solche mit einer reichen Bekrönung zeigen,
so dürfen wir in diesem Falle an eine selbständige Weiterbildung der
ursprünglichen Form denken. Aehnliches kommt bei chinesischen Opfer-
vasen nicht vor: doch sind reich decorirte Griffe desselben Schemas, wie
bei den Kesseln, bei den grossen Metallglocken, welche gleichfalls bis ins
zweite vorchristliche Jahrtausend zurückgehen, nichts Seltenes.
Eine gewisse Bestätigung linden unsere Vermuthungen hinsichtlich
dieser Kessel in einer Mittheilung, welche Wosinsky bei der Besprechung
eines der ungarischen Stinke machte (Aivh. Ertesito, 1891, p. 431; Krim.
Mitth. aus Ungarn, IV. S. 13); die an dieser Stelle erwähnten Opferkessel
der Mongolen dürften mit den chinesischen identisch sein.
Die hier besprochenen Beziehungen dürfen uns jedoch auch wieder
nicht veranlassen, etwa die Bedeutung des altchinesischen Einflusses auf
die Bevölkerung Sibiriens zu überschätzen. Abgesehen von dem uralten
Zusammenhange, welcher sich in einer Reihe von einfachen Waffen- und
Geräthformen offenbart, kennten wir nur einen directen Import, sowie eine
dadurch hervorgerufene Nachbildung und Weiterbildung gewisser typischer
Geräthe nachweisen; in der Ornamentik der sibirischen Alterthümer sind
sogar auffallend wenige tunesische Elemente enthalten. Diese Bi Ziehungen
haben somit keine tief eingreifenden Veränderungen hervorgerufen; dazu
waren die Strömungen, welche vom Westen, vom Schwarzen .Meere, aus-
gingen, zu stark. Es ist möglich, dass in Sibirien von China her Einflüsse
iL"
160 P- Reinecke:
schon mehrere Jahrhunderte, bevor die Griechen am Pontus mit den
Skythen in engere Beziehung traten, sich geltend machten und die Stämme
am Jenissei und Ob eine Anzahl von Gerätschaften, die sich ihnen als
praktisch erwiesen, übernahmen, noch ehe der erste Grieche sich am nördlichen
Gestade des Schwarzen Meeres niederliess. Die chinesischen Formen wurden
beibehalten, die chinesische Ornamentik jedoch, die nicht recht hatte Fuss
fassen können, erlag in Sibirien dem griechischen Elemente vollständig, so
wie sie bald darauf in China selbst, auf dem Wege über Baktrien, von
diesem stark beeinflusst wurde.
Der eigenartige sibirische Stil, welcher uns namentlich auf den grossen
goldenen Platten und Schmuckgegenständen mit Edelstein- und Email-
einlage (Kondakoff und Tolstoi, Russische Alterthümer in Kunst-
denkmälern (russ.), Theil HI) entgegentritt, sodann aber auch in der
charakteristischen Thierornamentik, hat sich vornehmlich auf griechischer
Grundlage entwickelt. Die skythischen Kurgane Südrusslands, in welchen
man neben rein griechischen Alterthümern auch solche aufgefunden hat,
die sich unzweifelhaft als barbarische Nachbildungen nach griechischen
Vorlagen erweisen, gewähren uns einen hinreichenden Anhalt für diese
Annahme und deuten uns zugleich die Wege an, auf welchen diese Ein-
flüsse so weit nach dem Inneren Nord- Asiens vordringen konnten. Weiter
aber, noch über das Gebiet der sibirischen Verwandten der skythischen
Völker Südrusslands hinaus, vermochten sie nicht mehr zu wirken:
nach China ist die griechische Ornamentik, welche unter den älteren Han
von so hoher Bedeutung war, auf einem ganz anderen Wege gekommen.
Dass einige der fremden, aus China stammenden Formen, wie die
Spiegel mit der Oehse und die grossen Opferkessel, sich in Sibirien und
auch viel weiter westlich durch viele Jahrhunderte hindurch halten konnten,
ist bei dem Conservatismus dieser Völker, für welchen die Alterthümer
Zeugniss ablegen, nicht verwunderlich. Und wenn wir nun weiter aus den
abendländischen Vorkommnissen dieser Typen, welche zum Theil erst der
Völkerwanderungszeit angehören, auch auf die Nationalität der Leute
schliessen, die diese Gegenstände fast bis in das Herz von Europa mit
sich fahrten, und diese Stämme mit den alten Einwohnern Sibiriens, deren
Dächste Verwandte in Südrussland von den Griechen mit dem Üollectiv-
namen Skythen bezeichnet wurden, in Verbindung bringen, so dürfte das
die einzig richtige Erklärung hierfür sein. —
Es Lassen Bich hier vielleicht am besten noch einige seltene Er-
scheinungen unter den chinesichen Alterthümern anführen, welche aller-
dings nur in einem lesen Zusammenhange mit den im Voraufgehenden
besprochenen Beziehungen stehen. |<]s handelt sich einmal um die
Anwesenheil und Nachbildung einer für gewöhnlich als griechisch
bezeichneten Gefässform im alten China, und sodann um das Vor-
üeber einige Beziehungen der Alterthümer China's u. s. w.
161
kommen eines sicherlich uns dem Boden Westsibiriens stammenden Gegen-
standes in einer cliinesisclien Sammlung.
Im Po-ku-t'u-lu , Buch 16, |). 1H. ferner im Kin-schtso, Abtheilune
Kin-so, Band III, fol. 36, ist je ein Trinkbecher, welcher in einen
Stierkopf ausgeht, abgebildet. Auf den ersten Blick muB8 ans bei diesen
absolut unchinesischen Gefässen das bekannt.-, mit einem Thierkopf
endende Rhyton des classischen Alterthums einfallen. Derartige Trink-
becher waren seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert in Griechen-
land u. s. w. sehr beliebt und sind auch noeh in sehr später classischer
Zeit in Gebrauch gewesen. Aus den Skythenkurganen Südrusslande
ist das Rhyton in vielen prächtigen Exemplaren aus Edelmetall bekannt
geworden; diese stellen der Mehrzahl nach stattliche Trinkhörner dar,
nur einige stimmen in ihren Dimensionen mit den chinesischen und
den thönernen griechischen überein. In den chinesischen Texten wird
nicht erwähnt, aus welchem Metall diese Gefässe hergestellt waren: offen-
Fis. 20.
Goldenes Schmuckstück aus Sibirien, in der
Ermitage befindlich. Nach Kondakot't
et Tolstoi, Fig. 348.
Nach Kinscfüso, Abtheilung A
Bd. IV. fol. 27 auf \', «1er natürl. Gr.
reducirt.
bar waren sie ans Bronze, üeber ihr Alter wird nichts gesagt, sie dürften
jedoch in eine verhältnissmässig alte Zeit, etwa bis in die fiara-Periode,
zurückreichen. Der Becher, welcher im Po-ku-tfu-lu abgebildet ist, kann
an einer Kette, welche dem Stier durch die Nase gezogen ist. getragen
werden: sicherlich ist diese Kette mir eine chinesische Zuthat. Henkel
wie bei den kleineren Exemplaren des Rhyton, haben die chinesischen
Hecher nicht.
Dass es sich bei der auffallenden Uebereinstimmung dieser charak-
teristischen Gefässform lediglich um einen Zufall handle, erscheint mir
völlig ausgeschlossen; vielmehr glaube ich hierin einen neuen Nachweis
fremder, westlicher Einflüsse in der chinesischen Kunst, für welche Mr.
Hirth bereits in sein." mehrfach genannten Arbeit ein umfangreiches
Material gesammeH hat. erblicken zu dürfen. Auch noch das Vorkommen
anderer antiker Vasentypen, so z.B. der Breitflasche 'pilgrim's bettle),
162 P. Reinecke:
welche im Alterthume und weiter auch noch in frühchristlicher und mero-
vingischer Zeit bekannt war, scheint auf derartige Einflüsse der classischen
Länder zurückzugehen; diese machten sich jedoch, wie wir nochmals hervor-
heben wollen, keineswegs auf dem Wege über Sibirien geltend.
Ferner haben wir hier noch eines Curiosums Erwähnung zu thun.
Im Kin-sch'i-so, Abtheilung Kin-so, Band IV, welches die Inschriften
der Münzen behandelt, ist fol. 27 eine durchbrochene Metallplatte
in Silhouettenmanier abgebildet, welche wir sofort als ein Gegen-
stück zu einer ganz bestimmten Kategorie westsibirischer Alterthümer
erkennen. Das Object befand sich in der Sammlung eines der Autoren
des Kin-sch'i-so und wurde zu den Münzen gerechnet, indem es die Her-
ausgeber direct als „Pferdemünze" bezeichnen. Es wird im Text be-
schrieben als ein grosses und ein kleines Pferd, unten mit einem Quer-
balken und oben mit einer sich windenden Hydra {tscJi'i Ji;} R~0; die Vorder-
seite gleiche der Rückseite. Angaben über das Material, sowie über die
Grösse, fehlen; auch enthalten sich die Autoren jeglichen Urtheils über
das muthmaassliche Alter. Im Werke von Kondakoff und Tolstoi
(Antiquites de la Russie meridionale, französische Ausgabe der „Alterthünier
Russlands etc."), in der Zusammenstellung der oben schon erwähnten
goldenen Schmuckgegenstände aus Sibirien, findet sich p. 389, Fig 348,
eine nahezu identische Zierplatte; eine Gegenüberstellung beider Ab-
bildungen (Fig. 20 und 21) lässt erkennen, dass die chinesische Re-
produktion, deren begleitender Text etwas naiv gehalten ist, eben
weil der Autor gar nichts damit anzufangen wusste, einigermaassen getreu
ausgefallen ist. Ein directes Pendant zu der im Jahre 1844 angekauften
Goldplatte aus der Ermitage können wir das chinesische Stück nicht
nennen; ganz abgesehen von der differirenden Grösse der entsprechenden
Thiere und den gelegentlich angebrachten langen Stützen des chinesischen
Exemplares, fehlen jedoch auch die Details der Innenverzierung der Thier-
leiber durch willkürlich aufgesetzte zoomorphe Elemente. Die charakte-
ristischen Cloisons sind dagegen sehr deutlich wiedergegeben. Das Material,
welches bei den in Sibirien gefundenen Objecten meist Gold ist, daneben
auch gelegentlich Hrunze (bei diesen fast stets mit imitirten Cloisons), dürfte
hier wohl kein Edelmetall gewesen sein, da dies sonst sicherlich bemerkt
worden wäre. Sehr ähnliche Darstellungen sind übrigens noch Kondakoff
und Tolstoi, I.e. Fig. 355 und Fig 328 (=Radloff, Aus Sibirien, Bd. II.
Taf. V, 3; aus Holz geschnitzt).
Dass dieses Denkmal von unzweifelhaft sibirischer Herkunft in alter
Zeit nach China kam. erscheint mir, so lange sieh oicht mehr An-
zeichen dafür geltend machen, als gänzlich ausgeschlossen. Wohl aber
dürfen wir annehmen, dass dieses Stück im vergangenen Jahrhundert in
Sibirien aufgefunden winde und auf Umwegen nach China gelangte, wo
Ueber einige Beziehungen der Alterthfimex China's u. s. w. [63
es von dem einen Herausgeber des Kinscht-so, Bei eS direct, oder nach-
dem es erst durch mehrere Hände gegangen war, für sein,. Sammlung
erworben wurde. Die wunderliche Erklärung dieses Stückes als „Pferde-
münze", <l;is Felden jedweden DatirungSYersuchs und jegliidier Anfalle
aber seine Provenienz, ferner der Umstand, dass im Kinschiso auch
abendländische Objecto, allerdings unter ausdrücklicher Bezeichnung als
solcher, beschrieben werden, sowie die Thatsache, dass derartige Goldplatten
in grosser Zahl schon unter Peter dem Grossen aus Westsibirien bekannt
geworden sind, all das spricht dafür, dass hier nur von einem merk-
würdigen Zufall die Rede Bein kann. —
Besprechungen.
Virchow, Rud. Rassenbildung und Erblichkeit. Bastian - Festschrift
Berlin 1897, S. 1—44.
Wer die grosse Reihe ethnologischer Abhandlungen verfolgt, welche der Hr. Verf.
Jahr aus Jahr ein veröffentlicht, der wird gewiss oft die Ausdauer bewundert haben, mit
welcher diese mühevollen Untersuchungen fortgesetzt werden, ohne dass die Resultate
auch nur entfernt der darauf verwendeten Mühe entsprechen. Mit grösster Zurückhaltung
wird da jede positive Schlussfolgerung ausgesprochen, oft um bald darauf wieder in Frage
gestellt zu werden; fort und fort wird darin gewarnt vor zu bestimmten Behauptungen,
vor zu grossen Hoffnungen auf die baldige Lösung der. wichtigsten Probleme der physischen
Anthropologie. Dazu kommt die Unsicherheit des Sprachgebrauchs in der Bezeichnung
der ersten Begriffe, wie Rasse, Typus, die Unklarheit über deren Verhältniss zu einander
bei den meisten Autoren, am nicht nur dem Laien, sondern auch dem Fachmann das
Studium der anthropologischen Fragen zu verleiden.
Wir müssen es daher als eine erlösende That begrüsseu, dass der erste Anthropologe
unserer Zeit seine hin und wieder ausgesprochenen Ansichten über diese Fragen in der
obigen Abhandlung bündig zusammenfasst und uns in klarer Weise beantwortet, was wir
längst von ihm wissen wollten. Wir können hier nur die wichtigsten dieser Lehren wieder-
geben und müssen den Leser wegen der Beweisführung auf das Studium der Abhandlung
selbst verweisen.
Was zunächst die Bedeutung der heutigen Kraniologie für die Ethnologie betrifft, so
nimmt der Schädel für die Rasseneiutheilung nur eine seeundäre Stelle ein; der Versuch
von Retzius, als Grundprincip der Classification des Menschen einen Schädeltypus zu
wählen, hat keinen durchgreifenden Erfolg gehabt. Auch ein geübter Kraniologe kann
nicht mit Zuversicht angeben, ohne etwas von der Provenienz eines Schädels zu wissen,
zu welcher Rasse oder gar zu welchem Stamme derselbe gehört. Die Methode der Indices
selbst ist nicht einwandsfrei, die Eintheilung der Schädel darnach verliert selbst bei
Naturvölkern immer mehr an Werth, seitdem die fortschreitende Beobachtung auch bei
ihnen immer mehr verschiedene Schädeltypen kennen lehrt. Wir müssen uns an die Merk-
male der Lebenden halten, wollen wir die Frage der Rassenbildung erörtern.
Der Begriff der Rasse ist allmählich so gedehnt worden, dass man damit auch
einzelne Stämme bezeichnet hat: so bedeutet „germanische Rasse" gewöhnlich nichts
als „nordgermanische Stämme". Solche nationalen Rassen oder Typen gehen aus Misch-
zuständen hervor, bei welchen die mehr widerstandsfähigen Eigenschaften der Eltern sich
erhalten, während die der Variation mehr unterworfenen verschwinden. Die Thatsache
der Vererbung jener Ei tehl fest und führt zur Untersuchung der originären
n-TvjMii and deren Eni tehung und schliesslich zu der Frage nach der Abstammung
des Menschen überhaupt. - Diese Letztere ist aber nach unseren heutigen Keunt-
n transcendental; — naturwissenschaftlich ist nur die Präge der Rassenbildung zu
behandeln.
In historischer Zeit hat keim eigentliche Kasse oder Primärrasse sich gebildet: wir
haben es immer nur mit den bekannten, einmal gegebenen Rassen zu thun, in welche das
Menschengeschlecht zerfällt, und das ind \üv die alte Welt nach allgemeinem Einver-
ständniss: die weisse, die Bchwarze und di< gelbe. — Trotzdem muss es für jede Rasse ein-
Besprechungen. 1 1;,,
mal einen Anfang gegeben haben, da sie vom Typus der Urrasse abwich, wenngleich dieser
noch nicht beobachte! ist
Typus ist das Gesetz für die Einrichtungen and Thätigkeiten de Lebens; jede Ab-
weichung davon isl eine Anomalie oder Varietät, hervorgebracht durch äussere Einflüsse
der Umgebung, des „Milieu", daher pathologisch, wenn auch nichl nosologisch. Wirk-
liche Rassen, d.h. Primärrassen, sind daher nichts, als erbliche Variationen, erworbene
Abweichungen vom ursprünglichen Typus, welche vererbt werden. Erworbener Varia-
tionen giebt es viele, ohne dass sie sich vererben; warum aber die eine sich vererbt,
die andere nicht, das wissen wir nicht, — daher bleibt die Frage der Rassenbildung beim
Menschen immer noch angelöst. Für uns bleibt nur das Studium der fortschreitenden
Variation von Individuum zu Individuum.
Hiernach ist fortan im Interesse der allgemeinen Verständigung atreng zu unter-
scheiden /wischen primären Rassen, das sind Rassen im eigentlichen Sinne, und secnndären
Rassen, den sogenannten nationalen Rassen, welche eigentlich keine Kassen sind, Bondern
nur aus Mischung jener hervorgegangen sind: dagegen ist Typus nur der Ausdruck für
das Gesetz, nach welchem die einmal gegebenen Lebenseinrichtungen, sowohl bei den
primären, als bei den secnndären Rassen functioniren, und daher bei der Bezeichnung der
Rassen besser ganz zu vermeiden. Lissauer.
Steinthal, II. Dialekt, Sprache, Volk. Staat, Rasse. Bastian-Festschrift
Berlin L897, S. 45-52.
In knapper, prägnanter Weise entwickelt der berühmte Sprachforscher hier das Ver-
hältniss der obigen Begriffe zu einander, welches so oft falsch aufgefas>t wird. Wir
referiren hier möglichst mit den präcisen Worten des Verfassers. Der Dialekt isl ''in
Product des Volkes: die Sprache, ursprünglich ein Dialekt unter den vielen Dialekten,
wird erst durch die Literatur zur Sprache erhoben, sie ist ein Kunstprodiut. Auch eine
Staatenbildung kann dazu führen, eine eigene Sprache /.u bilden, wie das Beispiel der
Niederlande lehrt.
Ein Volk ist meistens ein prähistorisches Product, \"ii nur selten nachweisbaren
Elementen zusammengeflossen, — doch ist ein Zusammenhang mit der Sprache im allge-
meinen Sinne wohl vorhanden, insofern der Volkscharakter, die Nationalität, sowohl die
Sprache 1 influsst, als von ihr beeinflusst wird, wie an dem Beispiel der iberischen
Balbinsel nachgewiesen wird. Dagegen ist Einheit der Sprache von Einheit der Rasse
streng zu scheiden.
Kin Volk ist das Ergebniss mannichfacher Verbindungen, Trennungen und neuer Ver-
mischungen, — daher kann bei einem Volke wohl von einem Sprachstamm, aber
schwerlich von einer Rasse die Rede -'-in. Völker einer Rasse können verschiedenen
Sprachstämmen und Völker eines Sprachstammes verschiedenen Rassen angehören.
Biernach i>t wohl zu unterscheiden zwischen Völkern, welche einer Rasse angehören,
und solchen, welche durch Vermischung verschiedener Rassenelemente entstanden sind.
Lissaue r.
Ehrenreich, Paul. Anthropologische Studien aber 'li<' Drbewohner
Brasiliens, vornehmlich der Staaten Matto Grosso, Goyaz and Amazonas
(Purus- Gebiet). Nach eigenen Aufnahmen and Beobachtungen in den
Jahren L887 — 1889. .Mit zahlreicher Abbildungen und Tafeln. Braun-
schweig 1897. 4°.
Nachdem der Hr. Verfi ser schon früher die ethnologischen und linguistischen Er-
gebnisse seiner Keksen im Innern Brasiliens veröffentlicht hat, theill er uns nun auch
seine anthropologischen Beobachtungen über die Urbewohner jenec G - in einer statt-
jgß Besprechungen.
liehen Monographie mit. welche sowohl durch streng wissenschaftliche Methode, wie durch
Originalität des Inhaltes vor den meisten anthropologischen Arheiteu der letzten Jahre
ausgezeichnet ist. Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen speciellen Theil.
In jenem werden zunächst die Aufgaben und Methoden^ der physischen Anthropologie und
ihre Anwendung auf die Ethnologie kritisch besprochen und die eigenen Ansichten des
Verf. entwickelt.
Die arge Verwirrung, welche die Kraniometrie seit Retzius unter den elementaren
Begriffen der Anthropologie angerichtet hat; das leere Spiel mit Indices, welche eine grosse
Exactheit vortäuschen und vielfach zu willkürlichen oder doch müssigen Combiuatiouen
benutzt worden sind, werden vom Verf. mit Recht scharf gegeisselt, die sogenannten
kraniologischen Rassen ganz verworfen. Die Kraniometrie wird in die Stellung eines
Hülfsmittels der descriptiven Anatomie zurückverwiesen, für die Bildung und Classi-
ficirung der Menschenrassen ist sie nur von geriugem Werth. Denn die mit ihrer Hülle
construirten sogenannten Rassen existiren in der Natur nirgends. Die naturwissenschaft-
liche Betrachtung hat es nur mit den von der Natur gegebenen grossen Grundformen des
Menschengeschlechts zu thun, welche durch geographische Begrenzung, durch Sprache
und durch ihre anthropologische (Jesammterscheinung als Einheiten charakterisirt sind, —
■ las sind allein wirkliche Rassen, wie Blumenbach dies schon richtig erkannt hat. Seine
Aufstellung von 5 Rassen entsprach dem damaligen Stande unserer Kenntnisse; der Verf.
würde heute 7 bis S solcher Varietates zulassen, nehmlich die kaukasische, nigritische,
mongolische, amerikanische, malayo - polynesische, australische, die Papuas und die
asiatischen Schwarzen. — Die anthropologischen Merkmale dieser Rassen lassen sich bisher
nur durch den Gesainmteindruck bezeichnen, nicht durch Zahlen, nicht durch einzelne Merk-
male, nur durch Wort und Bild: daher hat der Verf. das vorliegende Werk mit einer
grossen Zahl von vorzüglichen Abbildungen ausgestattet, wie sich deren nur wenige andere
Veröffentlichungen rühmen können.
Von den Rassen sind wohl zu unterscheiden die Völker, Stämme und Nationalitäten,
welche nur durch die Sprache charakterisirt werden. Es ist die Aufgabe der Anthro-
pologie, zu erforschen, wie die Merkmale einer Rasse auf die verschiedenen Völkergruppen
innerhalb derselben vererbt und durch äussere Einflüsse abgeändert werden, so dass diese
trotz vieler gemeinsamer Eigenschaften sich doch von einander unterscheiden und so-
genannte Typen oder Uuterrassen bilden, deren Bedeutung eingehend erörtert wird. Diese
letzteren sind veränderlich, die Rassen dagegen wirkliche Dauerformen. Eine weitere
Zerlegung der vorhandenen Rassen etwa in Urrasseii ist mindestens verfrüht, so lange
wir jene so wenig kennen.
Man wird bis hierher die Uebereinstimmung zwischen den Ansichten des Verf. und
denen seines Lehrers Virchow, dem das Werk gewidmet ist, nicht verkennen, wenn die-
selben hier auch schärfer ausgesprochen werden. Indessen nun gehen die Meinungen
beider auseinander
Nach (hin Verf. sind Völkermischungen innerhalb derselben Wasse nicht anatomisch,
sondern nur durch die Sprache und geschichtliche Ueberlieferung erkennbar, und nur
solche Völkermi chungen, deren Elemente verschiedenen Rassen angehören, auch anthro-
pologisch zu unterscheiden. Alle Bemühungen, die einzelnen Völker z. B. der kaukasischen
Rasse nach Schadelform, Hautfarbe u. s. w. auf verschiedene Abstammung zurückzuführen,
musstni daher vergeblich bleiben; die Unterscheidung von sogenannten blonden, brünetten,
lan^- und kurzköpfigen, breit- und ächmalgesichtigen Rassen ha! nur einen hypothetischen
Werth, da wir sonst nichts von ihnen wissen.
Diese Anschauung entspricht in der That allein dem wirklichen Standpunkt unserer
Kenntnisse und wird vom Ref. vollkommen getheilt.
Auf die amerikanische Ra e speciell eingehend, besprich! der Verf. die verschiedenen,
oft abenteuerlichen Hypothesen, welche über deren Entstehung aufgestellt sind; er selbsl
i-t Anhänger des Polygenismus und bezeichnet die heutige amerikanische Rasse auf
Grund seiner Studien als autochthon mit einer grossen Mannichfaltigkeit der Typen.
Im speciellen Theil wird nun das anthropologische Material sorgfältig beschrieben
und veranschaulicht, das erste, weh Ins aus dem Innern des südamerikanischen Continents
Besprechungen. 107
veröffentlicht wird. Eis besteh! ra Beobachtungen and Messungen von 184 lebenden Indi-
viduen aus IT verschiedenen Völkerschaften, welche zwar ungleich vertheiU sind, aber
doch die Hauptvölkergruppen Brasiliens: Karaiben, Tnpi, Arowaken und Gft vertreten
und ausserdem noch die Bororo und Caraya's umfassen; ferner in Beschreibung von
R Skeletten, 1 Schädeln und 1 Becken, welche sämmtlich bis auf einen vom Verf. mit-
gebracht und der Anthropologischen Ge ellschafl geschenkl wurden. Wir müssen wegen
der vielen Einzelheiten auf die Arbeil selbsl verweisen und wollen hier nur das Wichtigste
aus der vergleichenden Gesammtübersichl referiren.
Die Indianer Dähern sich in ihren Körperverhältnissen mehr der kaukasischen, als
der mongolischen Hasse, trotz gewisser mongoloider Züge in der Gesichtsbildung; Klafter-
weite, Länge des Oberarmes und der ganzen oberen Extremität, Nabel- und Symphysen-
höhe sind von europäischen Verhältnissen; die kurze Hand unterscheide! sie von den
Europäern und Mongolen, — ebenso die läugeren Füsse. Die bedeutend.- Verticallängc
des Kopfes nähert sie den Mongolen, während die grössere Breite der Nasenwurzel und
das kräftige Vorspringen der Nase sie wieder von ihnen unterscheidet. Bei den einzelnen
Stämmen zeigt sieh die geographische Vertheilung von grösserem Einfluss auf die Körper-
Verhältnisse, als auf die ethnologische Verwandtschaft. Die dieser Schilderung zu Grunde
liegenden Einzelmessungen sind hierbei stets auf die Körperhöhe (= 100^ reducirt und den
daraus gewonnenen Mittelwerthen wird vom Verf. mit Recht ein höherer Werth beigelegt,
als den aus den absoluten Zahlen gewonnenen.
Aus der vergleichenden Betrachtung des Schädelmaterials heben wir nur hervor: die
Bestätigung der geringen Capacität, welche Virchow schon bei der amerikanischen Basse
eon-tatirt hat. und die Thatsache, dass zwei anthropologisch, ethnologisch und linguistisch
stammverwandte Stämme, wie die Botokuden und Cayapo, ganz entgegengesetzte Schädel-
indices besitzen, obwohl der Gesammteindruck der Schädel nicht verschieden ist, — ein
Beweis mehr, dass die Indices für die Unterscheidung der Rassen und Stämme nur von
untergeordnetem Wert he sein können.
Wir freuen uns, diesem Werke unsere volle Anerkennung zollen zu können; es ist
eine wahre Fundgrube von guten Lehren für die naturwissenschaftliehe Behandlung der
physischen Anthropologie. Lissauer.
Börnes, M. Zur prähistorischen Formenlehre. Zweiter Theil. IV. Deber
altitalische Bronzefiguren und deren culturgeschichtliche Bedeutung.
.").") Seiten 4° mit 1:'. Abbildungen. :^Aus den Mittheilungen der prä-
historischen Commission der Kaiser]. Akademie der Wissenschaften.
1. Band, Nr. 4.) Wien, L897. In Commission bei C. Gerold's Sohn.
Je primitiver eine Kunstform ist, in je höherem Grade sie zu den primären Formen
gehört, um so weniger i.>t sie geeignet, der vergleichenden Archäologie als Substrat für
weitergehende Schlüsse zu dienen, umgekehrt verhält es sieh mit höher entwickelten
Formen, zu denen insbesondere die Darstellung des menschlichen Körpers, die vornehmste
Aufgabe der antiken Kunst, gehör! Deshalb war es ein glücklicher Griff des Verfa
die oben näher bezeichnete, noch wenig studirte Gruppe prähistorischer Kunstwerke zu be-
handeln. Sie verdient um so mehr unser Interesse, als sie nach den Ausführungen des Verf.
geeignet erscheint, die Fäden einerseits nach Mitteleuropa, andererseits nach den alten
Culturländern des östlichen Mittelmecrgebiets zu spinnen Es werden so der Reihe nach
besprochen: 1. Flachfiguren, 2. Bundfiguren, 3. Plattenwerke, 4. Bronze- und Bernstein-
plastik in Etrurien, 5. Ausbreitung nach Mittel- und Nord-Europa, ':. Gefässtragende
Figuren. 7. Wagengebilde, 8. Boss und Reiter, '.'. Das Kind.
Die Arbeit ist in doppelter Hinsicht, nach der cultlich-religiösen und nach der kunst-
geschichtlichen Seite, von Werth. Bezüglich der ersteren ist jeder Beitrag zur Aufklärung
dieser noch wenig bekannten Verhältnisse erwünscht. Was die letztere anlangt, so macht
sich gerade gegen das Endi ler Hallstattzeil in Mittel-Europa eine Neigung zur Darstellung
\ g<Nj Besprechungen.
von Figuren und anderen realen Objecten im Gegensatz zu dem vorwiegend ornamentalen
Charakter älterer Zeiten bemerkbar; es sei liier nur beispielsweise an die Thierfibeln, an
die Gesichtsurnen mit ihren Darstellungen von Menschen, Thieren, Wagen, Schmuck-
sachen u. s w., und an die Hausurnen erinnert. Wenn man nun auch nicht die Gestaltung
derartiger Dinge im Einzelnen auf directe Nachahmung fremder Vorbilder zurückführen
darf, so ist es doch der Zug nach figürlichen und ähnlichen Darstellungen, die Neigung
als solche, deren Ursprung man wohl in der Einwirkung einer entwickelteren Kunst suchen
muss. Es ist mit Freude zu begrüssen, dass Verf. in einer geplanten „Urgeschichte der
bildenden Kunst in Europa" ausführliche Belehrung über diese wichtigen Fragen in Aus-
sicht stellt. A. Götze.
Stratz, C. H. Die Frauen auf Java. Eine gynäkologische Studie. Mit
41 Abbildungen im Text. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1897. 134 S.
8vo.
Der Verf., welcher länger als fünf Jahre als Gynäkolog in verschiedenen Theilen
Javas thätig gewesen ist, giebt hier einen Bericht über seine dortige frauenärztliche
Thätigkeit, in welchem sich auch manche Angabe von anthropologischem Interesse findet.
Unter den javanischen Frauen unterscheidet er zwei Typen, deren einen er den
..malaiischen", den anderen den „Hindu-Typus" nennt. Der erstere zeichnet sich aus
durch ein rundes Gesicht, eine breite, kurze Nase, vorstehende Backenknochen, schmale,
etwas schief stehende Augenspalten, braune bis dunkelbraune Hautfarbe, breite Hüften,
im Allgemeinen mehr weibliche Körperformen und Neigung zu Fettansatz. Der „Hindu-
Typus" hat ein mehr ovales Gesicht, eine längere und schmalere Nase, weniger vor-
stehende Jochbögen, gerade Augenspalten, weissgelbe bis lichtbraune Hautfarbe,
schmalere Hüften, im Allgemeinen mehr jungfräuliche Körperformen, selbst im Alter,
und schlanke Gliedmaassen. Durch Messungen an Lebenden konnte der Verf. fest-
stellen, dass das javanische weibliche Becken im Verhältniss zu seinem Sagittal-Durch-
messer im transversalen verkürzt ist: somit hat es im Gegensatze ?u dem europäischen
eine mehr runde Form. Auch über die anthropologischen Verhältnisse der Mischlinge
hat Stratz einige interessante Beobachtungen gemacht.
Operative Eingriffe hatten bei den Eingeborenen meistens einen günstigen Verlauf
und heilten schneller, als bei Europäerinnen. Fälle von schwerer Niederkunft konnten
bisweilen beobachtet werden, und bisweilen kam auch Kindbettfieber vor. das dann unter
ungewöhnlich heftigen Erscheinungen gewöhnlich in sehr kurzer Zeit zum Tode führte.
Die jüngste Wöchnerin, bei welcher Stratz mit gutem Erfolge die Entbindung gemacht
hatte, tand in dem Alter von 127s Jahren.
(jntei den Frauenkrankheiten, welche dem Verf. vorkamen, steht die Rctroflexion der
Gebarmutter oben an. Es waren 1361 Fälle unter 3381 Patientinnen. Sie ist in den
meisten Fällen eine von den einheimischen Hebammen, den Doekoen, künstlich erzeugte,
um die Empfängniss zu verhindern.
üeber die Art du- Ausführung dieses Eingriffes und über die Thätigkeit der Doekoen
im Allgemeinen macht der Verfasser eingehende Mittheilungen. Auch über das Verhalten
der europäischen Frauen linden sich mancherlei Angaben, die besonders für diejenigen
von Wichtigkeil sind, welche sieb für das Leben der Europäer in den Colonien interessiren.
Eine Reihe guter Abbildungen ist dem Werke beigegeben. Max Bartels.
S,h. -lllias. Paul. Die tföttergestalten der Maya - Handschriften. Ein
mythologisches Culturbild aus dem alten America. Dresden 18ii7. 8°.
Richard Bertling. 34 8.
Als vor kaum zwanzig Jahren die Wissenschaft begann, ernstlich die Erforschung der
mittelamerikanischen Mayacultur in Angriff zu aehmen, da konnte man nicht ahnen, wie
ßesprechui IC'.i
reichhaltig und vielseitig die Thfitigkeit auf diesem Gebiete sich entwickeln würde.
Liefert doch der verdienstrolle Aufsatz von K. Habler: „Die Maya-Literatur and der
Maya-Apparat zu Dresden" im Decemberhefte von 1895 des Centralblatte für Bibliotheks-
wesen schon die Titel von 43<i hierher gehörigen Schriften und Aufsätzen, an welchen
auch unsere Zeitschrift ihren gebührenden Antheil bat. Der Grund dieses fasl plötzlichen
und überraschenden Entstehens einer so gut wie neuen Wissenschaft i t klar. Denn es
gilt hier, die am höchsten and fern von allem erkennbaren auswärtigen Einflus entwickelte
Cultur des alten America zu verstehen, und zu begreifen, welchen Geistes^ .ittunj,'
Homo Bapiens Hinn. auch ohne die anderwärts bekannten Vorbedingungen eingeschlagen
hat. Es liegt darin ein Interesse, welches nur von demjenigen überboten werden könnte,
das uns etwa das Studium der Cultur von vernünftigen Bewohnern anderer Planeten
erregen würde.
Dr. Schellhas hat sieh eifrig mit diesem Gebiete beschäftigt, Beitdem er im Jahre
18S4 das Original der bedeutendsten Maya- Handschrift zu Dresden gesehen hatte. In
einer Reihe von Aufsätzen hat er in geschickter Weise und mit wesentlicher Förderung
der Sache, so weil ihm Beruf und andere Studien dazu die Zeit Hessen, sich der Sache
angenommen, auch in zwei Abhandlungen unserer Zeitschrift (Band XVIII und XXIV.
Die jetzt vorliegende Schrift ist eine Erweiterung und Umarbeitung des zweiten dieser
Aufsätze, der einer solchen Erweiterung in den seitdem verflossenen fünf Jahren bei dem
raschen Fortschritt dieser Studien recht sehr bedurfte.
Darf ich hier gleich die am meisten hervortretende und durchaus lobenswertln- Eigen-
thümlichkeit der Forschung unseres Verfassers nennen, so ist es die weise Beschränkung
auf das Maya-Gebiet. Verwandt ist ja mit der Maya-Cultur unzweifelhaft die aztekische,
und zwar, wir es bis jetzt scheint, in der Weise, dass die Azteken von den Mayas zu einer
Zeit empfingen, als die letzteren noch nicht den Gipfel ihrer Bildung erreicht hatten. Bei
dieser Sachlage i^t es besonders in mythologischen hingen gefährlich, die aztekische Götter-
welt mit ihrer Fülle von zum Theil ansicheren, zum Theil nur ganz local verehrten Ge-
stalten herbeizuziehen; das mag einer späteren Stufe der Forschung vorbehalten bleiben.
Aber Schellhas geht noch einen Schritt weiter: er vermeidet sogar vorsichtig den
Gebrauch der zahlreich überlieferten Namen von Maya -Göttern, so weit sie sich oicht
geradezu von selbst darbieten. Er bezeichnet die Bilder der Gottheiten und die dazu
gehörigen Schriftzeichen vorläufig einfach mit Buchstaben; in der früheren Gestalt seiner
Arbeit hatte er auch bei den mythologischen Thieren, die mit den Göttern in Reih und
Glied und ihnen ganz gleichwertig erseheinen, Buchstaben angewandt (wobei ich an seiner
Stelle geblieben wäre . er ist aber jetzt zu Zahlen übergegangen.
Die grössere oder geringere Sicherheit, mit der sich die Bilder und Hieroglyphen um
die einzelnen Gottheiten gruppiren, häng! natürlich wesentlich von deren grösserer oder
geringerer Häufigkeit ah. Am grössten i>t diese Sicherheit bei den Göttern A bis /-.
auch 6' und A', dagegen werden die Schlangen- und Wassergottheiten // und /, die
schwarzen Gottheiten L und .1/, die seltenen .V und 0 noch einiger Zerlegungen oder
Grenzberichtigun^en bedürfen, und auch in /• stecken meiner Ansieht nach mehrere
Götter, bei deren Scheidung wohl die Form der über das Gesicht lautenden Zeichnung
mit einen Eintheilungsgrnnd geben wird.
Aus diesem Stande der Sache ergeben -ich die nächsten Aufgaben für die weitere
Forschung. Erstens hat mau die noch nicht genügend begrenzten Gottheiten weiter ins
Auge zu fassen, wobei mau sich freilich nach einer Vermehrung des hoffentlich noch
wachsenden überlieferten Materials umzusehen hat. Zweitens ist der Beziehung der ein-
zelnen Götter zu den einzelnen Tagen der Tagesreihe nachzuspüren, denn die Mayas
haben Bicher, wie die Völker der alten Welt, ihre Tagegötter gehabt Dnd drittens müssen
wir mit dem BO aus den Handschriften gefundenen Resultate an die Inschriften g
und die auf ihnen befindlichen Bilder und Schriftzeichen möglichst mit jenem Resultate
in Verbindung setzen.
Schon in ihrer ersten Gestall hatte diese Arbeit des Dr. Schellhas vielfach bei den
Mitforschern Heifall gefunden, und auch in America hat man mehrfach die Buchstaben-
1 70 Besprechungen.
bezeichnung der Götter hinübergenommen. Es ist nunmehr keiu Zweifel, dass die jetzt
selbständig und in vollkommenerer Gestalt erschienene Schrift noch in höherem Grade
günstig wirken wird. E. Förstern ann.
Grünwedel, Albert. Buddhistische Studien. Veröffentlichungen aus dem
Königl. Museum für Völkerkunde. V. Bd. 1897. Mit 97 Abb.
Eine Publication von ganz ungewöhnlichem Interesse nicht nur für Fachgelehrte auf
dem Gebiete indischer Cultur und Religionsgeschichte, sondern für jeden, der an Sagen-
forschung und Behandlung völkerpsychologischer Probleme Antheil nimmt! Ist es doch
das erste Mal, dass eine grössere Anzahl jener merkwürdigen Erzählungen der Dschatakas
(aus den 550 früheren Existenzen Buddha's), die Jahrhunderte lang fast allen Völkern
Asiens den Stoff zu bildlichen Darstellungen, Märchen und Sagen geliefert, während des
Mittelalters auch das Folklore Europas in durchgreifendster Weise beeinflusst haben, in
deutschem Gewände vorgeführt wird, und noch dazu von einem Autor, der wie vielleicht
kein anderer in Deutschland zu dieser schwierigen Aufgabe befähigt war. Es handelte
sich hier ja nicht nur um die philologische Leistung einer möglichst correcten Ueber-
setznng, sondern vor Allem auch um die richtige Würdigung und Deutung des archäo-
logischen Beiwerks, zu der ein Eingehen auf die Sculptur-Deukmäler der gesammten alt-
buddhistischen Kunst in Indien, sowie auf chinesische, japanische, lamaistische und sia-
mesische Ikonographien unerlässlich war.
Die äussere Veranlassung zu dieser Arbeit bot die Erwerbung einer grösseren Anzahl
glasirter Terracottareliefs aus Pagan, der 1269 durch Kublai-Khan zerstörten Hauptstadt
des alten Birmanenreichs.
Sie umgaben den Unterbau der grossen Mangalatseti-Pagode und wurden 1893 durch
Hrn. Dr. Noetling dem Königl. Museum überwiesen. Leider kamen die Tafeln stark
beschädigt, vielfach in Stücke zerbrochen, in Berlin an. Die Zusammensetzung der vielen
hundert Bruchstücke mit einem verhältnissmässig so befriedigenden Resultat ist allein
schon eine Leistung ersten Ranges, die nur derjenige zu würdigen weiss, der die disjeeta
membra selbst gesehen hat. Dass die dargestellten Scenen den Dschatakas entnommen
waren, liess sich ohne Weiteres feststellen. Die Identificirung der einzelnen Bilder wurde
durch die kurzen, aber meist ziemlich deutlichen altbirmanischen Inschriften sehr er-
leichtert, deren Nuinerirung ausserdem mit der von Fausböll besorgten Textausgabe
gut übereinstimmte. Damit ist die Genauigkeit der birmanischen Tradition erwiesen, was
Grünwedel als Hauptergebniss seiner Untersuchung hinstellt.
Dagegen ist der künstlerische Werth dieser Reliefs um so geringer. Die einzelnen
Figuren sind rein schematisch, ohne jegliche Individualität, auf wenige conventionelle
Typen von sitzenden, betenden und schwebenden menschlichen Figuren beschränkt, wozu
noch eine Anzahl besser ausgeführter Thiere kommt. Zudem Bind nicht eigentlich
lebendige Scenen dargestellt, sondern nur die in der Hauptsache betheiligten Figuren in
conventioneller Haltung neben einander abgebildet, oft geradezu an ideographische Hiero-
glyphen erinnernd. So isl z. B. bisweilen der Bodhisartva (der frühere Buddha) nur durch
einen in der l-ul't schwebenden Schirm angedeutet.
Merkwürdig sind dabei die vielen gedankenlosen Missverständnisse des offenbar nach
gemalten Vorlagen arbeitenden Bildners, der die dargestellte Sccne vielfach gar nicht
gekannt zn haben chein! U)cr gerade diese Verseheu sind für uns wichtig, weil sie
n, wie sehr es bei der archäologischen Werthung solcher Darstellungen der Kritik
durch die Texte bedarf.
Was die Dschataka elbsl anlangt, so sind die bereits anderswo ins Englische über-
setzten (von Fausböll, Chalmers u. A.) im Auszüge, die übrigen in selbständiger
Oebertragnng mitgetheill
Ihr literarischer Werth ist natürlich sehr verschieden. Einige erscheinen ziemlich
trivial, wie 1—3, 6, 12, 18 u. A.. las en aber doch schon auf den ersten Blick ihre Be-
deutung für die Beurtheilung indi chen Geistes und Verständnis* indischen Lebens er-
Besprechungen. 171
kennen. Bei anderen interessirl uns ihre Aehnlichkeit mit unseren eigenen Märchen: 19,
20, 46, 54: wieder andere erhalten ihren Beiz durch den urwüchsigen Humor, der aller-
dings gelegentlich auch ins Cynische Hinschlägt: 11, 19, 22, 27, 28, 33, 34. Endlich finden
sich einige von hoher Lebensweisheit und tiefem sittlichen Ernst erfüllte, unter denen
namentlich die herrliche Erzählung von <l»*ni unglücklichen, in der Ussadahölli zur Strafe
des Messerrades verurtheilten Müttavindaka zu uennen ist, zu der auch aus den Reliefs
von Boro-Budur und dem siamesischen Traip'um interessante ikonographische Vergleiche
herangezogen werden. Nicht minder anziehend ist die Erzählung von der Frage nach
dem Glück (23), dem „Menschenfresser" (25) und dem Papageien, der seinen alten Ehen,
Nahrung zuträgt (:J>;» .
Ganz eigenartig ist das Supparaka dschataka (45), ein Seefahrermärchen. Zu ihm
werden im Anhange aus tibetischen und Leptscha-Tezten interessante Parallelen gegeben.
denen ähnliche aus Tausend und einer Nacht an die Seite zu stellen sind.
Die eigentümliche Art, wie der Buddhismus die Thierwelt, die z. B. das Christen-
thum völlig ausser Acht lässt, seinem Weltsystem organisch einfügt, und zwar, wenn man
will, ganz im Sinne der modernen Entwicklungslehre, tritt in allen diesen Erzählungen
auffallend hervor. I>ie Thiere werden nach indischer Weise ganz wie Menschen redend
und handelnd eingeführt, Thiere werden als frühere Menschen, Menschen als frühere
Thiere dargestellt. Der Bodhisattva selbst erscheint ausser seinen menschlichen Incar-
nationen auch als Rind, Frosch, Büffel, Ziegenbock, Papagei, Rebhuhn, Schlangenkönig u. s. w .
So fremdartig diese Vorstellung uns zuerst berührt, so befreunden wir uns doch bald
damit; denn es zeigt sich darin die urwüchsige, reine Liehe zur Natur, die innige Ver-
trautheit mit ihren Geschöpfen, die Wesenseinheit von Mensch und Thier, wie wir sie
noch heute bei unberührten Naturvölkern sehen, wie sie sich auch im altgermanischen
Volksgeiste ausprägt.
Schwieriger ist es dagegen, sich den Bodhisattva als Räuberhauptmann vorzu-
stellen (42).
Der Anhang behandelt ausser jenem Schiffermärchen alterthümliche Thonpasten aus
Pagan, wie sie ähnlich in Buddhagaya in Vorderindien vorkommen und wahrscheinlich
durch Pilger nach Birma gebracht sind. Ref. sah die gleichen auch am oberen Irawaddy
bei Tagaung, der ältesten Hauptstadt des Landes. Nach Grünwedel sollen sie ihrer
Form nach an die Blätter des heiligen Feigenbaumes erinnern.
Zum Schluss werden noch ein paar brahmanische tdole aus Pagan besprochen und
abgebildet.
Im Allgemeinen steht unser gebildetes Publicum, Belbsi der gelehrten Kreise, den
Forschungen und Studien auf dem Gebiete des Buddhismus ziemlich verständnisslos gegen-
über. Eür mystisch-theosopische Speculationen hat man ihn freilich schon weidlich aus-
genützt, seine ungeheure culturgeschichtliche Bedeutung dagegen wird noch bei Weitem
nicht genügend anerkannt. Um so tiefer empfunden ist der l»ank, mit der wir Arbeiten
wie die vorliegende begrüssen. Möge es 'lern hochverdienten Verfasser vergönnt sein,
durch Erklärung der noch übrigen Dschatakatafeln in gleich anregender Weise sein Werk
weiterzuführen; möge dasselbe dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Gelehrtenweit,
wie der Regierungen, wieder auf die großartigen Denkmäler des alten Pagan zu richten.
die seil Forchhammers Tode wie vergessen schienen, damit vor Allem einmal die herr-
lichen Fresken, welche die [nnenräui tiniger der dortigen Bauwerke zieren, vor der Bonst
anaufhaltsamen Vernichtung bewahrt und der Wissenschaft zugänglich werden. Vielleicht
wird dann auch eine exaete, von Fachleuten ausgeführte Reproduction der Bildwerke von
Boro-Budur Dicht mehr lange auf sich warten lassen. P. Ehrenreich.
Ziclty. Jenö, Gröf. Kaukäzusi es Közepäzsiai Utazasai. (Comte Eugene
de Zichy, Voyages en Caucase et en Asie Centrale). I et 11. Budapest
1897. gr. 4°. 613p. ('XXI und XXMI1 Tafeln mit 3 und 85 Text-
Abbildungen.
] 72 Besprechungen.
Es war bekannt, dass Graf Eugen Zichy (Verhandl. der Berliner Anthrop. Ges. 18»",
S. 89) eine Expedition in den Kaukasus organisirte, um die Heimath der Magyaren und
etwaige Rückstände ihrer alten Verwandten, der Zichi, aufzufinden. Der begeisterte und
hochgestellte Eührer hat seitdem zwei Expeditionen ausgeführt, die eine im Sommer 1895,
die andere im Frühjahr 1896, erstere bis weit über den Kaukasus hinaus nach Buchara
und Samarkand. Er war von einem Stabe tüchtiger Gelehrten und Künstler begleitet,
unter denen die Professoren Bälint und Sczädeczky, Hr. M. Wosinsky und die
Herren Wuttke und Tschchingasian genannt werden mögen. Seitens der russischen
Begierung wurde die Expedition mit Wohlwollen aufgenommen, und sie brachte grosse
Sammlungen anthropologischer und archäologischer Art nach Hause.
Die vorliegenden beiden Volumina stellen den IL Band des ganzen beabsichtigten
Werkes dar, welches die Ergebnisse der Expeditionen darlegen soll. Derselbe be-
ginnt mit einer historischen Einleitung aus der Feder des Grafen selbst, welche die
Wanderungen der Magyaren vor ihrem Einbruch in Mitteleuropa behandelt. Da man an
verschiedenen Orten den Namen „Magyaren" im Innern des Kaukasus noch erhalten
fand und die Sitten und Gebräuche, die Waffen und Geräthe der dortigen Völker mancherlei
Beziehungen zu ungarischen erkennen Hessen, so bildet die Ueberzeugung von einer
Einwanderung aus den besuchten Gegenden durchweg den festen Hintergrund der
Darstellung.
Es folgen dann umfangreiche Beschreibungen der Sammlungen, und zwar zunächst
der ethnographischen (p. 3— 822) durch Dr. Joh. Jankö, den Chef der ethnographischen
Abtheilung im ungarischen National-Museum, sodann der archäologischen (p. 327 —594) durch
Dr. Bela de Pösta,'den Conservator der archäologischen Abtheilung in demselben
Museum. Beide sind durch eine Fülle der besten, in vollendeter Form, meist nach photo-
graphischen Vorbildern ausgeführten Illustrationen erläutert. Der Umstand, dass keiner
der beiden Herren an der Expedition selbst betheiligt war, mag in manchen Beziehungen
hinderlich gewesen sein, um das Gesammtbild in der Frische und Anschaulichkeit der
Localbetrachtung erscheinen zu lassen. Dafür entschädigt die Genauigkeit, ja man kann
sagen die peinliche Sorgfalt in der Schilderung der Gegenstände, für welche in der bis-
herigen Literatur kein gleich ausführliches Analogon existirt.
In die ethnographische Beschreibung ist zugleich in ausgiebigster Breite eine
Schilderung der Völker des Kaukasus eingefügt, welche eine grosse Anzahl vortrefflicher
Abbildungen von Personen in der Nationaltracht, nach guten photographischen Aufnahmen,
bringt. Viele von diesen so mannichfaltigen Stämmen waren im Einzelnen schon durch
genaue Photographien bekannt geworden; eine so grosse Zusammenstellung, die für die
Vergleichung unschätzbare Vortheile darbietet, ist uns früher noch nicht geboten worden.
Vom rein anthropologischen Gesichtspunkte aus bleiben ja noch vielerlei, das Detail be-
treffende Verhältnisse zu erledigen. Hoffen wir, dass die noch fehlenden Theile diese
Lücken wenigstens zum Theil ausfüllen werden.
In gleicher Weis,' dürfte die Botheiligung erfahrener Forscher au der Reise selbst
auch die gerade für diese Forschung so wichtigen Gräberfunde in den Kreis der Be-
sprechungen li ineinführen. Die Zahl dieser Funde auf allen Abschnitten des Gebirges und
seiner Vorlande bietel .ine erstaunliche Fülle der wichtigsten Materialien, welche auf die
Vorgeschichte der Stämme ein starkes Licht werfen. Einzelne davon sind schon in den
Arbeiten dieses Bandes berührt, aber viele andere harren noch der Erwähnung.
Immerhin kann man schon jetzt sagen, dass das Prachtwerk des Grafen Zichy unter
den Arbeiten dieses Jahrhunderts einen hervorragenden Platz behaupten wird. Möge es
der Aufmerksamkeit aichl nur der Fachgenossen, sondern auch des grossen, nach Wissen
dürstenden Publicums bestens empfohlen sein. Rud. Virchow.
VI.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen
von Malacca
HROLF VAUGHAN STEVENS.
Bearbeitet ?on Dr. Max Bartels.
legi in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft
vom 20. November L897.
In den umfangreichen Reiseberichten, welch»' der kürzlich leider als
Opfer seiner unermüdlichen Forschungen verstorbene Hrolf Vaughan
Stevens an das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin über die
wilden Volksstämme aus dem Innern vod Malacca erstattet har. rinden
sich allerlei eingestreute Bemerkungen, welche sich auf das anthropologische
Verhalten dieser Völkergruppeu beziehen. Diese Angaben sind regellos
in seine Reisetagebücher eingezeichnete Notizen, die er zu Papier brachte,
wenn sich gerade dazu die Gelegenheit bot. Ks sind bald kurz hin-
geworfene Bemerkungen, bald auch Aufzeichnungen von grösserer Länge.
welche durchaus nicht etwa eine erschöpfende und abgeschlossene Ab-
handlung über die Anthropologie dieser Völker bilden. Sie enthalten
aber deich so viele wichtige Thatsachen und so viele sorgfältige und
sicherlich zuverlässige Beobachtungen, dass sie unsere volle Beachtung
verdienen, und dass es sich wohl verlohnt, sie weiteren Kreisen zugänglich
zu machen. Hierzu ist es aber nothwendig gewesen, die zerstreuten Be-
merkungen herauszulösen und sie in eine systematische Ordnung zu bringe] .
Soweit es irgend angängig war, sind die eigenen Worte des Reisenden
in einer von Hrn. E. Sinogowitz ausgeführten üebersetzung aus dem
Englischen beibehalten werden. Bisweilen aber ist es nothwendig ge-
wesen, sehr lange und schwer verständliche Satzbildungen in mehrere
kurze Sätze zu zerlegen und hie und da die Worte umzustellen, um den
Sinn dem deutschen Leser zugänglich zu machen. Einzelne Zusätze.
welche mir nöthig erschienen, um die Uebersicht des reichen Stoffes zu
erleichtern oder zur näheren Erklärung der angeführten Thatsachen bei-
zutragen, sind, damit sie nicht mit den Originalberichten des R< iseuden
verwechselt werden können, in eine eckige Klammer [ _■ setzt.
Einzelne Punkte bilden Ergänzungen zu bereits früher gemachten
Angaben, welche von Rudolf Yirc ho w, von Albert Grünwedel oder
Zeitschrift für Ethnologie. Jahr;.*.
174 H. V. Stevens:
mir bearbeitet wurden. Auf diese Veröffentlichungen wird an den be-
betreffenden Stellen hingewiesen werden.
Die Yolksstämme, auf welche sich diese Berichte von Stevens be-
ziehen, sind die während einer mehrjährigen Forschungsreise besuchten
Eingeborenen der Halbinsel Malacca. Sie gehören sämmtlich den Orang
Hutan, den „Waldmenschen", an, mit Ausnahme der Orang Laut, welche
nicht die Wälder, sondern die Küste bewohnen. Die Orang Hutan sind
theils hellere Völker, theils Negritos. Zu ersteren gehören die Orang
Djäkun, denen auch die Orang Benar und die so eben erwähnten Orang
Laut zuzuzählen sind, ferner die Orang Temiä (Tumniiyor) und die
Orang Brdendas (Blandass) mit den Unterabtheilungen der Orang Sinnoi,
der Orang Kenähoi, der Orang Bcrsisi und der Orang Sakai. Als Ne-
gritos erkannte der Reisende die Orang Semang oder Orang Menik, von
denen die Orang Panggang eine Unterabtheilung bilden.
Die Tagebücher des Reisenden sind mir von Hrn. Prof. Dr. Albert
< i n'inwedel für die folgende Bearbeitung zur Verfügung gestellt worden:
ich spreche ihm hierfür den besten Dank aus.
[Die äussere Erscheinung.] Die äussere Erscheinung der Leute
ist sehr verschieden. Das rohe, thierische Gesicht des Orang Laut mit
seinem plumpen und hervorragenden Kinn ist ganz entgegengesetzt dem
feiner geschnittenen Gesicht des Djäkun.
Die Orang Laut sind brutal und dumm; ihre Unwissenheit macht sie
mürrisch, still, misstrauisch, falsch und unredlich. Sie kennen nichts
misser den Bedürfnissen des Tages und kümmern sich noch weniger darum,
etwas zu lernen. Sich vollfressend, wenn sie dazu eine Gelegenheit haben,
liegen sie nachher zwei oder drei Tage lang still, bevor sie, durch Hunger
dazu gezwungen, sich aus ihrem indolenten Halbschlumnier erheben, um
eine Leine oder einen Speer über (\cn Rand des Bootes zu legen und auf
Fische zu warten.
[Die Ausdünstung der Haut.] In Bezug auf den Geruch des
Körpers behaupten die Malaycn, dass die Negritos, die niemals Ab-
waschungen vornehmen, meist schrecklich stinken, und diese Behauptung
ist auch zutreffend; theils sind daran ihre wirklichen Ausscheidungen,
mehr aber noch ihr ungewaschener Zustand schuld. Als ich des Ver-
suches halber Panggangs veranlasste, sich mit meiner Seife zu waschen,
bemerkte ich keinen besonderen Geruch. Aber als ich unmittelbar nachher
sie auf einem scharfen Marsche begleitete, war. sobald ich mich auf einige
Zeil vnii ihnen entfernte und dann wieder in ihre unmittelbare Nähe
zurückkehrte, ein ganz deutlicher Geruch bemerklich. Wo die Haut, wie
ganz besonders unter den Djäkuns, stark mit dem „Korab" [einem Haut-
ausschlage] behaftel ist, da ist bei beiden Geschlechtern ein unangenehmer,
ranziger Gerach stets vorhanden, der auch nach dem Waschen wiederkehrt,
Bei den Belendas fand ich, wenn nicht Hautkrankheiten vorhanden waren.
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Ifalacca. 175
keinen anderen Geruch, als denjenigen, welcher bei unterdrückter Saut-
thätigkeit und bei dem Nichtgebrauch von irgend einem Reinigungsmittel
(Seife ii.s. w.) stets wahrzunehmen ist: denn das Ueberschütten des Körpers
mit Wasser hat mehr den Zweck, die Haut zu erfrischen, als zu reinigen.
[Die Hautfarbe. | Was das Aussehen der Haut betrifft, so existiri
eine gewisse Verschiedenheit [abgesehen von Verfärbungen durch Haut-
ausschläge]1) dadurch, dass die Menik und die Temia („Tummiyor") Bich
nicht waschen.
Bei der wilderen Gattung <\<>v .Menik. von denen die Männer nichts
als» ein Seil oder einen Gürtel und die Frauen eine das Licht durchlassende
Franse tragen, ist die Farbe der Haut sehr einförmig. Ebenso verhält
es sich auch mit den Temia und den Djäkun; aber die heutigen Belendas
und die westliehen oder „zahmen" Scmang bieten eine beinahe ebenso
grosse Mannichfaltigkeit, wie die Malayen dar.
Der ausgesprochen nomadisirende Charakter der Orang Hutan ver-
hindert, irgend etwas über die Wirkung festzustellen, welche durch die
.Höhe, den Boden, den Schatten, den Staub oder die Kleidungsstücke auf
das Gewebe und die Farbe der Haut hervorgebracht wird: denn sogar in
ihrem gegenwärtigen, mehr eingeschränkten Aufenthalte ist eine grosse
Verschiedenheit der Bedingungen vorhanden. Die Familie oder der Stamm
lebt vielleicht einen Monat hindurch auf einer Anhöhe von einigen tausend
Fuss über dein Meeresspiegel und im nächsten .Monat am Fusse der Höhe;
zu einer Zeit in dem dichten, dunklen Dschungel und bald nachher in
der heissen offenen Niederung.
Obgleich der Scmang von danklerer Hautfarbe ist. als der Belendas,
und von der Hitze weniger beeinflusst zu werden scheint, so bin ich doch
der Meinung, dass er diese Fälligkeit weit mehr seiner allgemeinen Natur,
als seiner Hautfarbe verdankt.
Unter den Belendas, deren Farbe variirt, habe ich nichts gesehen,
was die 'Theorie stützen könnte, dass unter einer Anzahl von Individuen
diejenigen mit dunklerer Haut die Blossstellung auf dem Marsche 1" 38
ertrügen. Es darf hier übrigens nicht vergessen werden, dass in diesem
dicht bewaldeten Lande ein Marsch nicht lange fortgesetzt werden kann,
ohne dass man durch baldiges Eintreten in den Schatten des Waldes vor
den directen Strahlen der Sonne wieder geschützt ist.
Die Belendas ziehen die hellere Farbe vor und sind stolzer auf sehr
hellfarbige Kinder, indem sie hier wahrscheinlich malayi scher Anschauung
1 Viele Arten von Haut-Affectionen bringen die Haut in einen Znstand, dass sie mit
Bchuppigen, weissen Flecken bedeckt ist, während eine andere Krankheitsforra die Farbe
ganz fort nimmt und sich in Gestalt von handfläch engrossen Blattern über .-inen be-
trächtlichen Theil des Körpers am gewöhnlichsten aber über die Hand'' und die oni i
Thoile der Beine, verbreitet.
13«
176 H. V. Stevens:
•foleen. AI »er im alten Zeiten war die helle Farbe nicht ein Attribut ihrer
Häuptlinge. Die Djäkun waren stets daran gewöhnt, die heller gefärbten
Belendas als Höhere zu betrachten: aber die Mehik ordneten sich nicht
in dieser Weise den Hellfarbigen unter. Ihr vermittelnder Gott Ple war
dunkel, wie der gewöhnliche Mann.
Ich kann nicht finden, dass irgend eine Regel in Bezug auf das Yei>
bältniss eines groben oder feinen Hautgewebes zu seiner Farbe besteht.
wenn nicht die Grobheit der Haut das Resultat von besonderer Bloß-
stellung oder von einer Krankheit ist.
[Die Hautfärbung der Fusssohlen, der Kniee und Ellenbogen »hei
Kindern, sowie diejenige der Beine bei den Erwachsenen ist schon in
einem früheren Berichte erwähnt.1)]
Ueber Albinismus habe ich nichts Weiteres zu meinen früheren
Notizen hinzuzufügen. [Diese besagten, dass den Eingeborenen drei Fälle
von Albinismus bekannt waren. Sie erwähnten die weisse Haut und die
rothen Augen. 2)|
[Die Augen.] [Stevens hatte früher3) angegeben, dass die Augen
bei allen Belendas ganz gleich seien. Es liegen jetzt von ihm genauere
Berichte vor:]
Neben der grossen Verschiedenheit in der Hautfarbe der Malayen
bestehen eben solche, aber in geringerem Grade, in der Farbe der Augen,
welche in den Abstufungen eines fast unveränderlichen Braun variiren.
Die Farbe der Augen bei den wilderen Menik ist sehr einförmig | und
das gilt auch für die Belendas, die Temia, die Djäkun und die ..zahmen"
Semang]. Uebrigens stimmt die Veränderung der Farbe der Augen nicht
immer mit jener der Haut überein. Ein Mann mit ungewöhnlich heller
oder dunkler Haut besitzt häufig Augen von der allgemeinen Durchschnitts-
farbe. Es findet sich keiue Regel über das Verhältniss zwischen einem
Hauttypua und der Farbennuance der Augen; bei einer Anzahl von
Prüfungen ergaben sich zu viel Widersprüche.
Die Augen der Panggang, welche sich nicht mit anderen Stämmen
vermischt halten, haben die Bindehaut stark gelb gefärbt; die Belendas
dagegen haben «las nicht. Die Djäkun haben sie gewöhnlich mit mehr
oder weniger Ulm durchschossen; sie sagen aber, dass das nicht so zusein
brauche, und sie achieben es dem vielfachen Wechsel in ihrem Leben
/.wischen der See und dein Binnenlande zu.
1) Rud. Virchow 1. Die wilden Eingeborenen von Malacca. Zeitschrift für Ethno-
logie. IM. XXIII. Verhandl. der Berl. ^nthxop. Ges. 1891, S. 840.
2) Albert Grünwedel 2. Materialien zur Kenntnüs der wilden Stämme auf der
Halbinsel Maläka •-<>" Hrolf Vaughan Stevens. Veröffentlichungen aus dem Königlichen
Museum für Völkerkunde. IM. [II. Hefl 3 und I. Berlin 1894, S. 127.
3 Rud. Virchow I. S. 840.
Anthropologische Bemerkungen üher die Eingeborenen von Malacca. 177
Das Auge ist bei den Belendas- Kindern ungemein wohlgebildet, und
mir seinen langen schwarzen Wimpern fcrägl es viel zu der hübschen Er-,
scheinung bei. Da zeigl sich nichts davon, dass die Haut des inneren
Augenwinkels über «las Auge herabreicht [Mongolenfalte], wie «las bei
einem chinesischen Kinde stets der Fall ist: der Rand des oberen
Augenlides ist stets gul gebildet.
[Das Schielen ist ihnen wohlbekannt, da sie einen ihre Pädi-Ernte ge-
fährdenden Dämon oder Eantu furchten, den sie sich schielend vor-
stellen. Die Orang Belendas glauben, dass <h-v Gesichtskreis eines
Schielenden grösser sei. als der eines normal Sehenden.1)]
[Die Haare.] [Ueber die Haare dieser Volksstämme sind mehrmals
in der Berliner Anthropologischen Gesellschaft von Rud. Virchow nach
Proben, welche der Reisende eingesendet hatte, genaue Mittheiluugeu
gemacht worden8). Es möge hier aber noch angeführt werden, was
Stevens aber diesen Gegenstand sonst noch in seinen Tagebüchern ein-
gezeichnet hat. |
Das eigenthümliche Pfefferkorn -Haar der Panggang hat in jenem
District in Pehang, wo die Bastard- Abkömmlinge der Panggang, Temia
und Belendas als Gefangene der Cowar ansässig waren, seitdem ihre rein-
blutigen Vorvater zuerst an die Pahang-Malayen verkauft waren, seinen
Einflus8 bis auf den heutigen Tag behauptet. In einer Familie dieser
.Mischlinge ereignet es sich oft, dass eine, oder mehrere der Kinder
zwar nicht .dnen absoluten Rückschlag in den Panggang- Typus, aber
eine so ausgesprochene Neigung für jene Form zeigen, dass die Quelle
gar nicht zu verkennen ist. wenn auch die Geschwister in Bezug auf das
Haar sich mehr dem Belendas-Typus nähern. Der reine Typus jeder Art
wird dort sehr selten gesehen; vielmehr geht einer in den anderen über
und bringt Zwischenglieder hervor, welche mehr oder weniger Hinneigung
zu gekräuselten Haaren zeigen.
Die Djäkun schnitten früher ihr Haar gar nicht ab, sondern Hessen
es \en der Kindheit an bis zum Alter bis zu dem Nacken und den
Schultern wachsen. Das Haar der männlichen Kinder wird heutiges Taees
off zu einer .Fräse über der Stirn geschnitten oder mit Ausnahme einer
Scalp-Locke ganz abgeschoren, wie bei den malayischen Kindern: die
1) A. Grünwedel 1. lln.lt' Vaughan Stevens: Materialien zur Kenntniss derwilden
Stämme von Maläka. Veröffentlichungen aus dem Königlichen Museum für Völkerkunde.
Bd. II. Heft :* und 4. Berlin 1892, S. 162.
•-' Rud. Virchow l. S. 844 S47.
Rud. Yirchuw 2: Schädel and Haar der "ran- Panggang in Malacca. Zeitschrift
für Ethnologie. Bd. XXIV. Verhandl. der Berliner antihrop. Ges. s. 44*'. 411. 44e. 144.
Berlin 1892.
Rud. Yirehow .",. Haar und Schädel von Bkndass Sinnoi Malacca . Zeitschrift für
Ethnologie. Hand XXIV. Verhandlungen der Berliner anthropol. Gesellschaft S. -
Berlin 1894.
17S H. V. Stevens:
weiblichen Kinder aber gemessen den Vorzug, das Haar so lang als
möglich zu haben.
Jetzt binden die Orang Laut das Haar mit einem Bande von Baum-
wollenzeug aus ihren Augen zurück, oder, wenn sie mit den Djakun zu-
sammengewesen sind, in derselben Weise, wie diese es thun, mit einem
Bande aus Kinde. Sie lieben es nicht, irgend eine Kopfbedeckung zu
tragen, nicht einmal in der Sonne.
Die Mischung in dem Blute vieler Benar hat eine sehr verschiedene
Länge des Haares zum Resultate gehabt, was sich aber mehr bei den
Weibern bemerklich macht. Aber das übersandte Haar, welches als
typisch für mich ausgewählt worden ist, wird doch bei den östlichen
Benar gefunden und reicht ungefähr bis zu dem Bogen des zu dem
Xacken gehörigen Wirbelknochens [Vertebra prominens?! und wendet
sich dort nach aussen und aufwärts.
Ich konnte nicht erfahren, ob die Djakun, obgleich sie die röthliche
Farbe des Haares der jungen Leute gewahr wurden, worauf ich vor
längerer Zeit Ihre Aufmerksamkeit lenkte, jemals das Haar mit Kalk be-
handelten, wie das einige der Neu-Guinea-Männer thun.
[Bei den Sakai hörte Stevens:] Eisen dürfe nicht die Ilaare oder
Fingernägel schneiden, und das sei der Grund, warum die Orang „Liar'
(die wilden Männer) unter ihnen ihre Haare nicht geschnitten haben
wollten.
Der „eingehängte" Theil einer Krebsseheere wird von den Orang
Laut oft als Kopfkratzer gebraucht und für diesen Zweck in das Haar
gesteckt oder in dem Gürtel aufbewahrt. Wenn die Scheere kurz ist, so
wird ein kleines Stöckchen hineingesteckt, um sie genügend zu verlängern.
Die Hälfte des unteren Kiemens einiger mit „Nadelzähnenu versehener
Fische wird häufig, sogar heutiges Tages noch, als Kamm gebraucht.
Wie es von Leuten, die so viel auf der See sind, erwartet werden
kann, verwenden die Orang Laut-Mädchen glänzend gefärbte Muscheln
als Haarschmuck, anstatt der Blumen, die von den Djakun gebraucht
werden.
Bis zu ihrer Mannbarkeit machen das die Knaben auch so, aber
später nicht mehr, wenn nicht ein besonderer Zweck, als blosser Putz,
vorliegt.
Ich glaube bereits früher erwähnt zu haben, duss t\n* Belendas-Haar
im Greisenalter weniger geneigt ist grau zu werden, als das der Mahnen,
und duss vollkommene Kahlköpfigkeit thatsächlich so selten ist. dass sie
als eine bemerkensweit he um) miv gelegentlich vorkommende Ausnahme
betrachtet wird. Dasselbe passt auch in gleicher Weise auf die Menik.
Aber bei den Temia ist im Alter von ungefähr 50 Jahren graues Haar ganz
allgemein, und auch Kahlköpfigkeit, die bei der Stirn beginnt, ist bei
ihnen ziemlich häufig. Was <lie Djakun betrifft, und besonders die
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen vonMalacca. 17!i
älteren Frauen derselben, so i>t graumelirtea Haar noch viel häufiger; aber
gänzlicher Verlust der Farbe ist nicht gewöhnlich, and ein Dünnerwerden
des Haares ist häufiger, als dass es völlig schwindet. I>a< bezieht sich
aber nur auf einen Vergleich der Orang Kutan untereinander; im Ver-
gleiche zu den benachbarten Rassen werden sowohl die Haare, als auch
die Farbe derselben in höherem Grade erhalten.
[Das Gesichtshaar.] Die Djäkun, sowie die anderen, haben nur
wenig- (Jesichtshaar; der Bart ist dürftig und ein Backenbart i>r beinahe
gar nicht vorhanden, wenn er nicht gar absichtlich ausgerupft i>t. In der
That ist der Halbblut-Seinang der einzige Arv (»rang Hutan. welcher ver-
hältnissmässig als schön behaart betrachtet werden könnte, und dort steht
die Behaarung in beinahe directem Verhältniss zu der Beimischung, hei-
wilde Panggang von reinem Blute hat so wenig Vollbart oder Backenbart,
dass er sich schämt, die kleinen Stoppeln, die er hat, zu zeigen: des-
halb rupft er sie aus. Aber allgemein versucht er, den Schnurrbart zu
behalten, wie er eben ist, damit, er sich hierdurch von einem Weibe
unterscheide.
[An einer anderen Stelle sagt Stevens ebenfalls:] Mit Ausnahme des
Schnurrbartes, der unveränderlich hochgeschätzt wird, wurde das Gesichts-
haar, wenn nicht Aw Bart Aussicht hatte, voller als gewöhnlich zu werden.
ausgezogen, da der Backenbart meist niemals stark oder lang war.
[Das Körperhaar.] Das Körperhaar Hessen Männer und Weiber
unberührt. Die Belendas -Weiber späterer Generationen harten aber die
Sitte angenommen, sich das Haar an den Schamtheilen mit Scheeren kurz
zu schneiden. .Man sagt, doch weiss ich das nicht bestimmt, dass sie das
den malayischen Weibern nachgeahmt hätten. Die Djäkun^Weiber thun
das nicht, wenigstens habe ich es bei keiner gesehen, wenn sie gemessen
wurde. Aber der natürliche Haarwuchs ist spärlich und zerstreut, und
die Haare wenden sich bei beiden Geschlechtern, wie die Haare am
Hinterkopfe, leicht nach aufwärts. Unter den Armen desgleichen.
[Die Zähne.] [Ueber die Zähne der Djäkun und der Belendas liegt
schon ein früherer Bericht des Reisenden vor1), dem er nun das Folgende
hinzufügt:]
Die Orang- Hutan scheinen nicht davon überzeugt zu sein, dass der
Durchbruch der Zähne in der Kindheit einer Regel unterliege. Ich habe fest-
stellen können, dass zuweilen ein oder zwei Zähne schon bei der Geburt vor-
handen waren. Solchem Ereigniss wird keine üble Bedeutung beigelegt,
und man ist weit davon entfernt, dasselbe als das augenscheinliche Werk
eines bösen Geistes, oder als einen Grund zu betrachten, das Kind aus
dem Wege zu räumen, wie das bei einigen anderen Rassen geschieht
Im Gegentheil, es wird für ein günstiges Zeichen gehalten: denn man
V Rud. Vircho\i l. S. 840.
ISO H. V. Stevens:
glaubt, dass das Kind ungewöhnlich stark werden wird. Kindermord über-
haupt, aus welchem Grunde auch immer, war keinem der Dschungel-Be-
wohner hier bekannt. Mit den Zähnen wurde, ausser dass sie geschwärzt
wurden, weiter nichts vorgenommen.
Die Djiikun schwärzten sich [ in früheren Zeiten] nicht absichtlich die
Zähne, aber in späteren Jahren thaten das einige aus Nachahmungstrieb.
[Stevens erwähnte früher an der Grenze der Orang Panggang einige
sehr schwarze Menschen, welche gefeilte Zähne hatten.1)]
[Die Kopf- und Körper-Plastik.] Die Köpfe der Kinder werden
so gelassen, wie die Natur sie gebildet hat. und werden in keiner Weise
zusammengepresst.
Es ist schwierig, zu sagen, wann bei den Weibern die Sitte in die
Mode kam, sich die Ohren für die Aufnahme von Ringen zu durchbohren;
aber es muss ihrer Meinunug nach schon sehr lange her sein. Die Weiber
haben jetzt die Ohren mit einem kleinen Loch durchbohrt2) Bei den
Männern ist das nur selten der Fall. Die Lippen oder die Nase werden
niemals durchbohrt.
Ich fragte die Djäkun, ob sie zu irgend einer Zeit den Gebfauch
gehabt hätten, den Körper oder das Gesicht zu bemalen, wie die Btdendas;
ich erhielt stets eine verneinende Autwort. Verschiedene Male wurde
auch schlau hinzugefügt: Das Wasser (nehmlich das Seewasser) würde es
ja wieder abgewaschen haben.
[Von der Behandlung der Kopfhaare, des Bartes und der Zähne ist
oben bereits die Rede gewesen.]
[Die Behandlung der Nägel hat Stevens in einem früheren Berichte
bereits besprochen3). Er fügt neuerdings hinzu:]
Die Nägel brachen, auch wenn sie nicht geschnitten wurden, beim
Gebrauche ab, und es wurde keine besondere Sorgfalt darauf verwendet.
sie lang zu haben.
Tättowirungen oder Verstümmelungen irgend welcher Art kommen
nicht vor. Auch mit den Geschlechtstheilen wurde niemals etwas der-
artiges vorgenommen.
[Die Sinne. | Ich habe nur drei Fälle von Kurzsichtigkeit bei
Belendas angetroffen, zwei Lei Männern und einen bei einer Frau;
bei Neuntes habe ich sie nicht gefunden. Wie ich bereits früher be-
merkt li;iite. kann in dem von Bäumen und Blättern dicht geschlossenen
Dschungel die Fernsichtigkeit des Auges nicht gui abgeschätzt werden.
Ohne Zweifel hängt viel von der lehmig und dem Vertrautsein mit dem
allgemeinen Verhalten <\i-v Gegenstände in dem Dschungel ab, woran ich,
1) Rud. Virchnw 1. 8. 840.
2 Grünwedel l. S. 99.
3) Rud. Virchnw 1. S. 840.
Anthropologische Bemerkungen aber die Eingeborenen von Bfalacca. 181
vergleichsweise, viel weniger gewöhnt bin. Aber die Dschungel- Männer
oder Frauen werden mir sogar die Spitzen der Fühlhörner eines Tbieres
unter dem umgehenden Blätterwerk zeigen, was -ehr schwierig zu ent-
decken ist, während ich mit meinen für einen Europäer normal guten
Augen ersl eine Zeit lang umsonst umhersuchen muss, bevor ich sie be-
merke. Alles, was in Bewegung ist. wird übrigens sofort gesehen, so
gering auch Beine Grösse sein mag. Wie es wohl als ganz natürlich an-
gesehen werden niuss. steht der wilde Panggang in dieser Schneiligkeil
des Entdeckens obenan, und dann geht es weiter abwärts Ins zu den
Ilalh-Civilisirten.
Die Belendas haben im Allgemeinen entschieden schwache Augen.
In der frühesten Jugend sehen sie. wenn ihnen kein Unglücksfall zu-
gestossen ist. gut, besonders wenn sich der Gegenstand in den Dschungeln
bewegt. Aher ihre Augen werden, wie es wohl bei einem Waldvolke
erwartet werden kann, leicht durch starkes Licht ermüdet. Bei den
wenigen Gelegenheiten, die ich gehabt habe, mich mit Belendas in einem
weiten, offenen Räume zu befinden, habe ich die Beobachtung gemacht,
dass ich sehr weit entfernte Gegenstände viel besser unterscheiden konnte,
als sie das vermochten.
Während ich über das Augenlicht schrieb, unterliess ich zu bemerken,
dass ich unter den Belendas, welche die malayische Kleidung tragen und
mit dem Gebrauch von Nadel und Zwirn vertraut sind, niemals ein altes
Belendas- Weib traf, welches nicht eine gewöhnliche Nadel ohne Schwierig-
keit einfädeln konnte.
Das Gehör ist bei den Djäkun gewiss am schärfsten, obgleich ich
mir einen Grund, warum das so ist. nicht mit denken kann. Nach ihnen
kommt der wilde Panggang, während die /.ahmen westlichen Semang,
Belendas und Temiä als ziemlich gleich betrachtel werden können, wenn
wir den Durchschnitt annehmen. Ausnahmebeispiele von Stärke in dies
Hinsicht kommen häufiger bei den Semang der Westküste, als bei den
anderen, mit denen ich in Verbindung war. vor.
Wenn ich des Nachts zu meinem Lager zurückkam, so konnten die
Orang llutan in demselben stets meine Annäherung von der ihrer eigenen
Leute im Dunklen unterscheiden, obgleich ich barfüssig war. und zwar
an dem schwereren Schritt und daran, dass ich die mir im W ege stehenden
Zweige durchschlug, anstatl sie zur Sehe zu biegen. Aher als ich sie
traute, oh sie mich auf eine gewisse Entfernung hin in der Nacht riechen
könnten, da lachten sie und Bagten unter anderem, da^s sie wohl den
Tabak riechen könnten (ich benutzte meine Pfeife), aher nicht mich selber,
da ich kein Tiger sei. Der Tiger kann Übrigens sogar von mir seihst
anfeine gewisse Entfernung hin gerochen werden, wenn der Wind günstig
ist. Die Feuer, d. h. .1er Rauch derselben, werden bei Nacht auf weite
Entfernung hin von allen gerochen, wenn der Wind ihn herbeiführt.
182 H. V. Stevens:
Manche behaupten, dass sie au einer gewissen Verschiedenheit in der
Qualität und Quantität des Rauches erkennen können, ob es ein Lager-
feuer ist oder ob ein Theil des Dschungels in Brand steht. Da viele
Blätter einen besonderen Geruch haben, wenn sie verbrennen, so ist diese.
Behauptung möglicher Weise in einigen Fällen wahr, da das Lagerfeuer
frei von den Blättern ist, welche in Menge in einem zufälligen Feuer
verbrennen.
Den Gefühlssinn suchte ich dadurch festzustellen, dass ich Männer die
Spitze des Compasses als einen oder zwei Berührungspunkte in verschiedenen
Entfernungen fühlen Hess; aber ich konnte sie nicht zu einem klaren Yer-
ständniss dessen, was sie thun sollten, bringen, und ich bin sicher, dass
sie, obgleich sie nach wiederholten Unterweisungen antworteten, nur eine
Antwort aufs Gerathewohl gaben, in der Hoffnung, mir dadurch gefällig
zu sein. Zuerst wollten sie nicht antworten; sie folgten darin ihrem ge-
wöhnlichem Gebrauche, wenn sie etwas nicht verstehen.
[Die Functionen des Körpers.] Der Djäkun wäscht nicht nur
seinen Anus nach dem Stuhlgang, sondern auch seinen Penis nach dem
Uriniren, wenn zur Zeit Wasser in der Nähe ist. Das geschieht mit der
linken Hand. Der Orang Laut dagegen planscht nur ein wenig Wasser nach
der Defäcation an den Anus, reibt aber den beschmutzten Theil nicht
rein ab und dehnt den Gebrauch des Wassers auch nicht auf den Penis
aus. Aber er ist überhaupt im Laufe des Tages viel im Wasser, somit
ziemlich sicher, sich überall mit Sand oder Thon, den er nachher wieder
abwäscht, abreiben zu können, so dass die anscheinende Sorglosigkeit
wirklich von wenig Bedeutung ist.
[Die Orang Laut verrichten stets ihre Nothdurft an dem Rande des
Wassers, uud zwar mit dem Rücken gegen dasselbe gekehrt. Dabei ver-
halten sie sich ganz still, um nicht von einem Alligator gepackt zu werden,
während, wenn sie ein solches Wasser durchkreuzen müssen, sie umher-
planschen und umherschlagen, um den Alligator fernzuhalten.]
Der Djäkun wird niemals seine Nothdurft an dem Platze verrichten,
wo ein Feuer gewesen war. Es ist augenscheinlich, dass sie der Meinung
sind, dass, wenn dem grossen Geschenke, das dem Mensehengeschlechte
mit dem Feuer gemacht ist, eine solche Beleidigung zugefügt wird, dieses
den Gott lla-i't kränken könne, dessen Absichten kein Mensch kennt
und der entweder der undankbaren Handlung Zeuge sein, (»der in irgend
einer nicht definirbaren Weise von dem beleidigten Feuer eine Klage?
empfangen kann.
Ich überzeugte mich hiervon durch Zufall. Wir waren im Begriff,
unser Nachtlager zu verlassen; das Nachtfeuer war von mir am Morgen
etwas angeschürt worden, um etwas Wasser zum Thee zu kochen: der
Wind war frisch und ein Büschel Langen, trockenen, leicht entzündbaren
Anthropologische- Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 183
„Lalangw-Grases lag nahe dabei. Au- Vorsicht wünschte ich mich zu er-
leichtern, bevor wir uns anf unseren Tagesmarsch begaben, and ich war
im Begriff, «lies an dem Feuer zu thun, und zwar so, dass die Funken
der glimmenden Kehlen nicht nach dem trockenen Grase hingeblasen
werden und einen vielleicht weithin zerstörenden Brand verursachen kennten.
Ein Djäkun in meiner Nähe, welcher sah. dass ich an meinen Knüpfen
nestelte und der begriff, was ich zu thun Willens war, legte plötzlich /u
meiner grossen Ueberraschung seine Hand auf meinen Arm und drehte
mich herum. Darauf erklärte er mir sein Bedenken, dass ich dem Feuer
solch eine Beleidigung anthun wolle. Als wir unterwegs waren, bewies
mir die spätere Discussion, dass sämmtliche Männer diese- Handlung in
dem gleichen Lichte betrachteten.
Ich habe oft die Behauptung gelesen, dass sich der Orang llutan voll
Blähungen durch Wind Ler durch Aufstossen erleichtere, ohne dass von
irgend einem der Anwesenden die geringste Notiz davon genommen werde.
Wiederholentlich habe ich diese Frage Leuten aus allen Stämmen vorgelegt;
sowohl aus den Antworten, als auch aus eigenen Beobachtungen kann ich ent-
nehmen, dass diese Gewohnheiten getadelt und als das betrachtet werden, was
wir als „höchst gemein0 bezeichnen würden. Unter Männern mag man das
vielleicht thun. ohne dass von den Anderen irgend eine Bemerkung gemacht
oder Notiz davon genommen wird. Aber es mag vorkommen und kommt
vor unter den Westlichen. Es ist aber Thatsache, dass trotz dieser schein-
baren Gleichgültigkeit die Orang Hutan dem Ereigniss im Gegensatze zu
den Westlichen den Begriff von Gemeinheit und Rohheit beilegen.
Oft habe ich von einem Sakai einem anderen einen Vorwurf machen
hören, wenn solch ein Verstoss gegen den Anstand begangen worden war,
obgleich nur Männer anwesend waren. Ein andermal war mir von einem
der Anwesenden für ihren Kameraden eine Entschuldigung gesagt worden,
während der Missethäter so beschämt aussah, als er fortging, dass gar kein
Zweifel bestehen konnte, wie über solche Handlungsweise abgeurtheilt
wird. Wenn ich die Sakai direct über ihre Meinung in dieser Sache flaute.
verurtheilten sie dieselbe stets sehr streng, aber sie sprachen auch von
der Möglichkeit, dass es mir zufällig und nicht absichtlich geschehen sei.
um die That zu beschönigen. Was das anbetrifft, dass diese Handlung,
wie bei den Chinesen, eine Schmeichelei für den Gastgeber sein solle, SO
würde sie für I )schuugel- Bewohner vielmehr eine schwere Beleidigung
anstatt eines Complimentes sein.
Da sie ihre Nahrung gierig hineinstopfen, so ist es ganz wahr-
scheinlich, dass solche Resultate folgen, ohne dass sie die Fähigkeit be-
sitzen, sie zu verhindern: und die naive Manier der Männer kennte einen
oberflächlichen Beobachter dahin fähren, anzunehmen, dass sie kein Ver-
Btändniss für unschickliche Aufführung besässen. Aber jene Manier [die
184 H. V. Stevens:
scheinbare Nichtbeachtung] entstellt nur aus dem Wunsche, nicht noch
mehr die Aufmerksamkeit auf <len unabsichtlich gemachten Fehltritt zu
lenken, dessen man sich schämt.
[Ueber den Geschlechtstrieb u. s. w. ist an anderer Stelle berichtet
worden *).]
[Trinken.] Der Djäkun gebraucht auf dem Lande oder auf dem
Wasser irgend eine Art von Schale oder ein Blatt, wenn sonst nichts da
ist, um das Wasser zu seinem Munde zu führen, wobei er das Gefäss an
seine Lippen setzt. [Bei den Orang Laut] ist der Gebrauch der Trink-
röhren ans Barnim verschwindend: unter den Halbblütigen wird das nicht
mehr oft gesehen; sie wenden jede Art zu trinken an.
Am Lande warfen [die Orang Laut] sich das Wasser mit grosser
Geschicklichkeit mit der Hand hinauf in den Mund, und anstatt sich das
ganze Gesicht voll zu planschen, wie ich selbst es machte, verstehen sie
es, auf ungefähr einen Fuss Entfernung von der Fläche der Hand das
Wasser in den Mund zu werfen, ohne ihre Gesichter wesentlich zu be-
netzen. Soü'ar die Kinder Wenden diese Methode an. Wenn eine Mutter
einem kleinen Kinde Wasser zu geben wünscht, so lässt sie es von ihrer
Hand in den offenen Mund des Kindes träufeln.
[Reinlichkeit.] Der einzige Punkt, in welchem der Orang Laut
den Djäkun übertrifft, ist der, dass er in seiner Haut reinlicher ist, wenn
er nicht an einer wirklichen Hautkrankheit leidet. Er badet mehr, da er
sich so viel innerhalb des Wassers aufhält. Er gebraucht entweder Sand
oder, wenn er ihn bekommen kann, Thon, um ihn als Reinigungsmittel
zu benutzen.
Die Belendas haben ein natürliches Waschmittel, welches den Zweck
hat, das Fett vom Kopf und aus dem Haare zu entfernen. Ks ist der ge-
schabte innere Theil der Rinde einer Kletterrebe, deren junge Stämme
Dnd Triebe mit einer reichlichen Menge scharfer Dornen bewaffnet sind,
wie die der Rose. Das Blatt ist das einer Akazie, dunkelgrün und glatt,
und von grossem Umfange. Ich sende Muster des Stammes, des Blattes
and der geschabten Kinde. Eine Handvoll der frisch geschabten Rinde
wird mit Wasser wie ein Schwamm auf den Kopf gebracht und erzeugt
dann einen dicken Schaum. Ich werde versuchen, diese Pflanze in Singa-
pore bestimmen zu lassen.
[Von den Abwaschungen nach den körperlichen Functionen ist weiter
oben die Rede gewesen. |
[Das Waschen der I fände nach der Mahlzeit wird bei der Schilderung
• los Päili - Festes erwähnt2); über die Waschungen nacli der Menstruation,
1) Max Bartels 1. Mittheilungen aus dem Frauenleben der Orang Belendas, '1er
Orang Djäknja und der Orang Laut. Zeitschrift ftir Ethnologie, Bd. XXVIII, S. ISO.
Berlin 1896.
2) i.iriinwedel 1. S. 154.
Anthropologische Bemerkungen übet <U< l el renen von Malacca, ]>.;,
bei der Entbindung und im Wochenbett habe ich an einer anderen Stelle
berichtet.1)]
. Bei den Orang Laut gebrauchen beide Geschlechter Fett oder Oel
für ihren Körper and ihre Haare, weil, wie Bie sagen, das Seewasser die
angeschützte Haut reizt, wenn sie später der Sonne ausgesetzt wird. Jetzt
ist Cocosnussöl und anderes Oel leicht zu erhalten, aber früher wurde
Fischfett angewendet. Die genaue An and Weise, wie es gewonnen
wurde, ist nicht bekannt.
(Dies. 's Fett ist ein häufiges .Mittel, um Medicinal-Zauber auszuführen,
indem die Pflanzen- Droge u. s. w, mir «lern Fett vermischt wird und so
durch die Haut dringt.) Die Djäkun waren dem Gebrauch vom Fett für
diesen /weide weniger ergeben und wuschen es auch später aicht fort,
wie «las die Orang Laut thun.
[Das Schlafen.] Die Weiber der Belendas liegen für gewöhnlich
nicht auf der Seite, sundern auf dorn Rücken, und suchen den Kopf
durch irgend eine An von Kopfkissen etwas zu erhöhen. Als Grund
hierfür geben sie an, dass, wenn der Kopf des Schenkelkuochens die Last
des Körpers zu tragen hat, während sie auf der Seite liegen, die unter
dem Namen Lattah bekannte „nervös-hysterische Affection" zum Aus-
bruch kommen würde, die ihnen dann „unfreiwillige Muskelkrämpfe" im
Schlafe verursacht.
Die Belendas-Männer liegen im Schlafe oft auf dem Kücken, wobei
sie die im Knie gebeugten Beine so an den Körper heranziehen, dass
die Sohle des Fusses (lach auf dem Erdboden rühr. Aber auch die
Seitenlage wird von den Männern nicht selten bei dem ersteu Niederlegen
eingenommen, und zwar wird bald die eine, bald die andere Seite gewählt.
ßfdendas-Münner haben Stevens gesagt, dass, wenn sie auf der Seite
liegen, die Augen, der Mund und die Nase zu sehr durch Ameisen.
Scorpione und Tausendfüsse gefährdet sind, welche auf die Schlafmanen
kriechen, wahrend in <\rv Rückenlage die Haut des Nackens und der
Wangen das Herannahen dieser Thiere warnend empfindet. Aber wieder
Andere geben an, dass sie irgend ein Geräusch oder ein Alarmsignal
für drohende Gefahr besser hören kennen, wenn sie auf dem Klicken
schlafen.
Der Djäkun rollt sich gewöhnlich, auf der einen oder der anderen
Seite liegend, zu einer „ballähnlichen Form" zusammen. Wenn die Nacht
bei dem Beginne des Schlafes heiss ist, wird diese Einrollung etwas
mindert, aber in den ganz frühen ..der kälteren Morgenstunden kann man
sicher sein, beide Geschlechter mir an den Körper herangezogenen Knieen
zu linden. Die Kinder schlafen von frühester Kindheit an auf einer Matte.
welche direct auf der lade liegt. Ihr Platz isr an der Brustseite der
l Max Bartels 1. -
186 H. V. Stevens:
Mutter, zwischen ihr und dem glimmenden Feuer. Dabei umschlingen
die Mütter die Kinder mehr oder weniger mit ihren Armen.
[Wie die Weiber der Belendas sich mit ihren kleinen Kindern zum
Schlafen legen, ist früher besprochen worden.1)]
Die Teraiä schlafen, wie die Belendas. Der Negrito nimmt die
erste beste Lage für den Schlaf an, wie seine Laune sie eingiebt oder
die Umgebung und die Verhältnisse sie bedingen.
[Ueber die Lagerungen bei der Niederkunft hat Stevens ebenfalls
früher schon berichtet2)]
Von den Mcnik benutzt kein einziger irgend eine besondere Art von
Kopfkissen, weder aus Holz, noch aus einem anderen Materiale. Oft ge-
brauchen sie überhaupt gar nichts, und in anderen Fällen kann das erste
beste Ding, was gerade zur Hand ist, unter den Nacken und den Hinter-
kopf gelegt werden: ein Bündel Gras oder Zweige oder auch der Arm
können benutzt werden.
Das alte Kopfkissen der Belendas ist von den meisten Männern ver-
gessen und wird nicht mehr auf der Halbinsel gefunden. Diejenigen,
welche noch eine traditionelle Kenntniss davon besitzen, geben an, dass
es mit dem Stamme variirte.
Bis vor einigen Tagen hatte ich noch nicht feststellen können, wie
dasjenige der Bersisi beschaffen war. Aber die Djäkun, unter denen sich
einige Bersisi -Familien auf der westlichen Seite niedergelassen hatten,
sagten, dass es dem gewöhnlichen chinesischen Kopfkissen sehr ähnlich
sei. Es ist ein Block von hartem Holz ohne Küsse, mit concaver Unter-
seite und convexer Oberseite und glatt abgeschnittenen Seitenwänden.
Hierin weicht es von denen der Djäkun ab, die ich früher beschrieben
habe.
Das Kopfkissen der Sinnoi war stets ein Bambuglied. durch dessen
äussere linden [lateralwärts von den Internodien] vier kleine, runde
Pflöcke hindurchgesteckt waren. Die Kopfkissen der Weiber waren die
gleichen, aber sie hatten gewöhnlich ein Paar an beiden Enden zugespitzter
Füsse, so dass sie durch einen Schlag in ein Loch am Ende hinein-
getrieben oder herausgebracht werden konnten. Zu diesem Zwecke wurde
an der betreffenden Stelle die dünne Substanz, die den Knoten schloss,
fortgeschnitten, am den Zugang zu dem Innern des Rohres zu gestatten.
Kleine Gegenstände, welche die Frauen für ihre Toilette oder zu anderen
Zwecken gebrauchen, werden im Innern des Bambukopfkissens aufbewahrt;
durch die hineingesteckten Füsse winde das Herausfallen dieser Sachen
verhindert.
] Max Bartels 1. 8. 202.
Max Bartels 1. S. 188, L89.
Anthropologisch.' r-'-mcikuii^cii ühcr < 1 1 * - Kiu^.-Iioronen von Malacca. IST
Die Kenäboi, welche hierin, wie in manchen anderen Dingen ent-
schlossen scheinen, ihre Eigenart unter den Belendas, von denen Bie ein
integrirender rrii<'il waren, zu kennzeichen , machen ihre Kopfkissen ans
gespaltenen Bambuscheiten von viereckigem Querschnitt, indem die
Scheite „hinein und hinaus- mit einander verflochten sind. Auch bei
ihnen diente das Innere den Weihern als Behälter für die zeitweilige Auf-
bewahrung kleiner Gegenstände, als Kämme, Arzneien u. s. w. Das genaue
.Muster ist übrigens jetzt verloren, und nur wenige erinnern sich noch im
Allgemeinen der Einzelheiten.
Einer Gewohnheit folgend, welche, wie es scheint, allgemein ge^
ist. hat nicht allein jeder Stamm ein besonderes Muster für sinne Kopf-
kissen, sowie für andere Gegenstände eingeführt, sondern sogar jede ge-
trennte Niederlassung desselben Stammes hatte für sich irgend eine be-
sondere kleine Eigenthümlichkeit, an welcher die Hersteller erkannt
werden konnten.
Die Sinnoi, welche stets eine grössere Neigung für künstlerische
Decoration, als die anderen Belendas, gehabt zu haben scheinen, orna-
mentirten hantig ihre Bambukopfkissen mit eingravirten Linien oder ge-
malten Totems. Die Gravirung und die .Malerei fand sich niemals ge-
meinsam auf demselben Gegenstande; ich konnte auch nicht einmal an-
nähernd eine Vorstellung von den gewöhnlichen Zeichnungen erhalten, da
sie lange vergessen sind.
Wenn ich den Ausdruck gebrauche „die alte Form der Kopfkissen"
so beabsichtige ich, dass darunter die älteste Form derselben verstanden
wird, von der die gegenwärtigen Männer irgend eine Erinnerung oder
Ueb erlief erung haben, dass sie bei ihren Vorfahren zn einer Zeit im
allgemeinen Gebrauche gewesen ist. wo die Bequemlichkeiten eines
Hauses wahrscheinlich weniger leicht zu erhalten waren, als gegenwärtig.
Denn jetzt kann man. ausser bei den wilden Panggang, bei allen Stämmen
in vielen der Häuser, wie in den malayischen, den mit Baumwolle gefüllten
Zeugsack sehen. Diese modernen Kopfkissen konnten nur gebraucht
werden, als auch andere Verbesserungen in den Verhältnissen des Stammes
es ermöglichten. So lange die Leute stets in Bewegung waren, konnten
dmfangreiche Stücke, wie Kopfkissen, nicht mitgeführt werden: und wenn
die gegenwärtigen, mit Baumwolle gefüllten Kissen eine Woche in einem
Hause ohne [nsassen gelassen wären, so würden Termiten und anderes
Ungeziefer sie zerstört haben, wenn das nicht Feuchtigkeit und Schimmel
gethan hätten.
Es i-r nicht zu verstehen, dass die Sakai in früheren Tagen die be-
schriebenen Kopfkissen }>'>\<' Nacht gebrauchten. Das hing davon ab, ob
sie zu Mause waren oder nicht, welches letztere häufig der Kall war.
Wenn sie ausserhalb waren, dann nahmen sie den ersten besten li< _
stand, der ihnen unter die Hände kam. oder sie brauchten überhaupt
1§3 H. V. Stevens:
gar nichtg;; sie können alle ohne Kissen sehr fest schlafen. Aber solche
Kopfkissen, wie sie beschrieben wurden, bildeten einen Theil der gewöhn-
lichen Ausstattung eines Hauses, und wenn sie nicht im Gebrauche waren,
so lagen sie in einem Winkel unter dem Dach. Der Grund, warum die
früheren Kopfkissen ans so harten Materialien gewesen sind, während
weichere zu haben waren, ist einleuchtend. Der fettige Schmutz der
ungewaschenen Köpfe würde ein Kissen aus Saya-Rindenzeug (voraus-
gesetzt, dass Baumwollenzeug nicht zu erhalten war) dick beschmieren,
obgleich das vielleicht das geringste der Bedenken gegen seinen Gebrauch
ist. Es würden sich Würmer in ihm einnisten, und eine noch schlimmere
Gefahr würde entstehen, wenn es Tage lang unbenutzt liegt, da Tausend-
füsse und Scorpione es zu ihrem Unterschlupf benutzen würden, und dann
würden diese, wenn in der Nacht der Druck des Kopfes darauf lastet, ihr
Gift gebrauchen. Weisse Ameisen würden es in einer Nacht zerstören.
Aber es giebt auch noch einen für einige der Belendas stärkeren Grund.
als alle die anderen: eine Person von boshaftem Charakter könnte viel-
leicht in Abwesenheit des Eigenthümers zu dem Kopfkissen gelangen
und irgend ein giftiges oder magisches Präparat mit Erfolg unter der
Baumwolle verstecken, das dann, wenn der Eigenthümer im Schlafe seinen
Kopf darauf legt, eine schlimme Wirkung haben könnte.
Daher benutzt man das feste oder halbfeste Kopfkissen ungeachtet
seiner Härte.
Die Sinnoi -Weiber bedienten sich des hohlen Bambu- Kopfkissens,
und in dieses wurde, um die darin aufbewahrten Gegenstände zu benutzen,
so häufig hineingesehen, dass jedes der vorhin berichteten Uebel sehr
Bchnell entdeckt worden wäre. Ausserdem haben die Weiber keine solche
l'mclit vor Feinden, die so etwas thun würden, wie die Männer.
Das Dpikun-Kopfkissen war, im Gegensatze zu dem anderen, aus dem
weichsten Holze gefertigt, das irgend zu bekommen war, nicht etwa wegen
irgend eines Unterschiedes, den es für den Kopf machte, sondern weil es
sich leichter ohne eiserne Werkzeuge herstellen liess. Ks war an den
Seit. >ii und nuten stets concav, aber oben war es convex und oft roth, gelb
oder schwarz gefärbt. Letzteres geschah durch den Aufguss einer Rinde
für Roth, einer Wurzel für Gelb und durch ein Gemisch von Oel und
Kohle für die Bchwarze Farbe. Die gelbe Farbe scheint der Beschreibung
nach das malayische „Küning" (Safran?), ein«' wohlbekannte Knolle, ge-
wesen zu sein. Der Baum ist nicht bekannt, jedoch giebt es verschiedene,
deren Kind»' eine rothe Farbe giebt.
Eis waren die Kopfkissen -Blöcke der Weiber, welche meistens sorg-
fältig gefärbl wurden. Diejenigen der Männer wurden während des Tages
t'ur ;inder<' Zwecke gebraucht, /.. B. [als Schwimmer für die zum Fangen
der Alligatoren bestimmte Leine. Pur diesen Zweck ist es in der Mitte
durchbohrt; «las Rotangseil wird durch «las Loch gezogen und auf der
Anthropologische Bemerkungen aber tlii Eingeborenen von U
anderes Seife geknotet.] Der Kopfkissen- Schwimmer, dessen dunkle
Farbe leicht gesehen wird, zeigt an, wohin der Alligator, wenn er den
Köder angenommen hat, gegangen ist. Die obige Form des Kopfkissens
wird jetzt niemals mehr gesehen; Zeug and Baumwolle haben es ersetzt.
Von dem Scharfsinn der Leute konnte ich mich überzeugen, ale
das erste Mal in ein Ibdendas-Haus kam.
Als ich mich zur Nacht auf den mit Malten bedeckten Boden seiest
hatte, wurde das kleine Kind des Hauses schläfrig und wurde demgemäss
zu Bett gebracht. Ich sende ein .Muster dieses Hängematten- Bettes, so
dass Sie seihst es sehen können: aber was mir auffiel, war die Art, wie
«lie herabhängenden Rotanseile davor geschützt waren, sich beim Hin- und
Herschwingen durchzuscheuern, so dass dann das Kind herausgefallen wäre.
Ein kurzer [horizontaler] Stab hängt an zwei Kotaus von einer [ebenfalls
horizontalen] Stange herab, die auf die Hauptbalken des Hauses gelegt
ist. Ein gewöhnlicher Sarong, wie ihn die Malayen tragen, d. h. ein an
beiden Seiten zusammengenähter Streifen von Baumwollenzeug, wird mit
dem einen Ende (dieses Zeugringes) über die untere Stange und hinter
die Kotaus, an der diese hängt, gelegt, so dass das andere Ende in Form
einer Hängematte geöffnet herabhängt; hier hinein wird das Kind gelegt.
Das Ganze kann nun von vorn und nach hinten in der Richtung <\<t
Längsaxe des Kindes hin und her schwingen, anstatt wie bei uns in der
Richtung der Queraxe, und daher gehen der Kopf and die Püsse ab-
wechselnd auf und nieder. Sobald der kleine Körper in Kühe war. lauen
der Kopf und die Küsse ungefähr in A>'\- gleichen Ebene, aber sobald das
Kind von der Mutter gewiegt wurde, war der Kopf abwechselnd einen
Kus:> niedriger, als die Extremitäten. Unseren Augen erscheint das un-
behaglich, aber Belendas -Kinder sind ruhige Wesen und machen selten
über irgend etwas Kann.
Aber die Besonderheit, die mir auffiel, war. dass die obere lange
Stange, welche von einer Seite des Hauses zu der anderen reichte, rund
war und nicht an den Wandplatten des Hauses angebunden wurde.
Die Schleifen der Kotaus gingen einfach über die Stange, und wenn
die .Mutter die Wiege hin und her schaukelte, so blieben die Kotau-,
anstatt mit einer Reibung gegen die Stange zu arbeiten, von der sie herab-
hingen, ganz ruhig an ihrem Platze, und die runde Stange selbst rollte bei
jeder Schwingung des Kindes leicht ein wenig an den Wandplatten hin
und her. Da gab es kein Abreiben und Reissen dei Rotans; die Gefahr war
vermieden, dass sie sich im Laufe der Zeit durchreiben und dass das
Kind iinveruiuthet hinausfallen würde. Da das Kind sich aus Bequemlich-
keitsrücksichten für das Schaukeln und. um nicht im Wege zu sein, wenn
die Insassen des Hause- auf dem Boden hocken, mindestens in Brusthöhe
der Mutter befindet, so ■ ire das ein sehr schwerer Sturz. Das Vermeiden
Zeitschrift für El b J97. 11
\\)Q H. V. Stevens:
der Reibung ist ungemein einfach und zeigt — ausser einer Menge anderer
Kleinigkeiten. — dass es den Belendas nicht an Erfindungsgabe und an
schneller Auffassung fehlt.
[Die Lagerung der ganz kleinen Kinder wurde an einer anderen
Stelle bereits besprochen.1)]
Mit dem Auftreten des Haarwuchses an dem unteren Theile des Penis
und an dem Scrotum oder an den Schamtheilen der Mädchen trat bei den
Djäkun die Bestimmung ein, dass die jungen Leute getrennt schlafen
mussten. Sobald das also augenscheinlich wurde, schlief der Knabe abge-
sondert am Lande, oder in dem Vordertheile des Bootes, wenn er auf dem
Wasser war. In den gedeckten Plattformen an der Küste schliefen" die
Mädchen bei den verheiratheten Leuten. In den in früheren Zeiten vor-
handenen temporären Hütten mit überdeckten Plattformen, welche die
Djäkun auf ihren wohlbekannten Versammlungsplätzen an der Küste be-
suchten, schliefen, wenn sie die Nacht dort zubrachten, die Junggesellen
stets in Hütten, die von den verheiratheten Leuten getrennt waren.
anders war das bei den Belendas und Panggang, wo die Junggesellen die
Veranda inne hatten, wenn eine solche vorhanden war, oder die äusseren
Räumlichkeiten der Hütten. Bei den Temiä ist der einzige Unterschied,
dass in ihren luftigen Gemeindehäusern eine niedrige Abtheilung den
Schlafraum der verheiratheten Leute umgiebt.
|Ueber das Sichhinsetzen2) und das Sitzen3) hat Stevens nur
kurze Angaben gemacht.]
[Hände und Füsse.] Die Orang Hutan wurden durch meine Frage
in grosse Verlegenheit gesetzt, ob sie bei geballter Faust einen Pinger
der Hand ausstrecken könnten, ohne die anderen zu öffnen: aber sowohl
Belendas als auch Negritos führten das nach meiner Anweisung sehr
leicht aus.
Bemerken möchte ich. dass ich im Stande bin, bei den Djäkun,
namentlich bei den Kindern, durch die Betrachtung der Füsse ziemlich
genau zu schätzen, ob da irgend eine Mischung mit malayischem oder
anderem Blute, wenigstens neueren Datums, stattgefunden hat. Die kleine
Zehe der Djäkun. namentlich im kindlichen Alter, ist im Vergleiche mit der-
jenigen der Belendas, und ganz besonders der Malayen und Chinesen, sehr
gerade. Sie hat viel weniger von *\r\- krallenartigen Biegung', welche an
unseren eigenen Füssen so gewöhnlich ist. Die Belendas tragen niemals
Stiefel, wie wir das tlmn. wodurch die Zehen entstell! werden könnten,
aber dennoch ist ihre kleine /(die nebst dem Nagel missgestaltet, wie die
unserige; sie ist unter >\t<v gewöhnlichen Grösse oder von An Richtung
Max Barte! I.
•j Grünwedel 2. 8. 106.
:;) Grün wedel 1. S. 130
Anthropologische Bemerkungen aber die Eingeborenen tob lialacca. l'.il
der anderen Zehen abweichend. Dagegen habe ich klein*' Zehen bei
Djäkun-Kindern gesehen, die so gerade and wohlgebildet waren, wie die
anilercn Zehen des Kusses.
Wenn übrigens der [männliche] Djäkun zur Mannbärkeil heranwächst,
un< I besonders, wenn er ungefähr über 30 Jahre alt ist. 90 werden seine
Füsse sonderbar knorrig, knotig, steif, hässlich, narbig und mir Hautkrank-
heiten bedeckt. Sie waschen sich niemals, und obgleich ihre Hände und
Füsse ofi im Wasser sind, so ist es doch gewöhnlich schmutziges, morastiges
und ungesundes Wasser, welches in die Schrunden, die Schnitte und die
Stiche von Dornen u. s. w. eindringt und die Glieder zum Anschwellen
bringt nii«l sie versteift, bis sie den durch Arbeit entstellten Händen eines
alten englischen Landarbeiters, der bei jedem Wetter heraus muss, ähnlich
sehen.
[ch lernte ihre 1 lande sehr genau kennen, als ich das Maass derselben
nahm. Als ich die Spannweite vom Daumen bis zum kleinen Pinger und
vom Daumen bis zum Mittelfinger auf dem Metermaass feststellen wollte.
fiel mir bei den Männern die Unfähigkeit auf, ihre Finger frei auszudehnen.
Dies ist das Resultat der Beschwerlichkeiten ihres Lebens; denn
die Säuglinge und Kinder haben kleine, wohlgebildete Hände und Fasse.
Der Contrast /.wischen denjenigen des Vaters und des jüngsten Kinde- ist
-ehr gross. Die Sande der Weiber aber sind schön und weich.
Die halbblütigen Drang Laut sind geschickte Spitzbuben, namentlich
mit den Zehen. Ich bin um kleine Gegenstände, die auf der Erde lagen,
gekommen, während ich mit einem .Manne. Gesicht gegen Gesicht, sprach,
und habe nicht gesehen, dass er sie fortnahm, [ch habe aus dem Augen-
winkel bemerkt, dass die Zehen des Kusses langsam über den begehrten
Gegenstand hinglitten und ihn beim Weitergehen mit fortschleiften, bis
<ler Pu8S zu der Hand emporgehoben werden konnte und nun das Stück
mit den Fingern erfasst und verborgen wurde.
[Gang und Haltung.] Ich habe danach getrachtet, einige Daten
über den Gang der Dran-' II man zu erhaben, ich linde aber, dass das
kaum möglich ist. aus Gründen, die mit der Veränderung der Umgebung
in Verbindung stehen. In erster Linie ist es sehr selten, einen .Mann zu
linden, der frei von Schnitten, Rissen oder Dornstichen ist: denn ihrer
Gewohnheit nach sehen sie in einem bo wilden Lande barfuss, wo Binder-
nisse und Gefahren durch die dichte Vegetation drohen. Das beeinflusst
ihren Gang in der einen Hinsicht. Zweitens wirkt die Natur des Dschungels,
in welchem sie unmittelbar vorher einige Wochen lang gewesen sind, auf
ihren Sehritt beträchtlich ein. Aus Gewohnheit passen sie ihren Schritt
den Bigenthümlichkeiteu des Weges an, den sie wandern. Es veranlasst
z. B. ein Weg, wo ringsumher Dornen von den Bäumen und Schlingpflanzen
gefallen sind, den Mann, behutsam und langsam zu gehen und bei jedem
Schritte einen Augenblick zu zögern, bis er das volle Körpergewicht dem
14*
192 H. V. Stevens:
Fusse anvertraut; und diese Art des Auftretens wird aus Gewohnheit, auch
wenn das dornige Land verlassen und der Weg- wieder glatt und eben
ist. noch einige Tage beibehalten.
Als ich einen Mann einen Tag hindurch beobachtet hatte, da fand
ich, dass er acht verschiedene Arten des Gehens erkennen Hess, die sich
Dach der Natur des Erdbodens richteten. Und dieser Erdboden unterliegt
in dem Leben der Orang Hutan einem so beständigem Wechsel, dass ich
in der That nicht weiss, welche dieser Gangarten ich als die für ihn ge-
wöhnlichste erklären soll. Im Gegensatz zu dem Europäer bekommt er
im Allgemeinen wenig oder gar keine flachen und ebenen "Wege unter
seine Füsse; er ist an dieselben nicht gewöhnt, und daher würde die
< rangart, welche er auf solch einem Wege annimmt, nicht seiner Durch-
schnitts-Bewegungsart entsprechen, sondern gerade diejenige Gangart sein,
deren er sich am allerwenigsten bedient.
Alle Fussstapfen der Orang Hutan wenden sich nach auswärts, ob-
gleich die der Negritos, ich möchte wohl behaupten, in der Mehrzahl der
Fälle beinahe gerade sind. Bei allen Rassen giebt es in den [gebräuchlichen]
Winkeln eine so grosse Verschiedenheit, dass es unmöglich ist, anzugeben,
welcher Winkel der eigentlich maassgebende ist.
Eines ist aber bei allen Belendas bemerkenswerth: das Niedersetzen
des Fusses wird von dem Mittelfuss aufgefangen. Die Ferse tritt nicht
zuerst auf. Aber in 0 Fällen unter 10 zur Beobachtung gelangenden ist
der Fuss von Dornen, Steinen u. s. w. verletzt, wodurch dann zeitweise
ein mehr oder weniger gekünstelter Gang verursacht wird.
Obgleich der Fuss der Belendas also, wenn er, was sehr selten vor-
kommt, unverletzt ist, beim Gehen horizontal, beinahe platt auf den Boden
aufgesetzt wird, so dass die Ferse und -die Zehen ihn gleichzeitig berühren,
so sind doch schmerzhafte Stellen, Schnitte und Stiche von Stacheln und
Dornen so beständig vorhanden, dass aus Schonung für den empfindlichen
Tlieil sich das Aufsetzen des Fusses häufig ändert. Das fortwährende
Vorkommen von Dornen, an welchen der Dschungel Ueberfluss hat, ver-
anlasst den Orang Hutan, den Fuss mit Vorsicht, gleichsam lastend, nieder-
zusetzen und einen Augenblick bei jedem Schritte zu fühlen, bevor das
Gewicht des Körpers niedergelassen wird, ob irgend etwas Rauhes oder
Scharfes unter dem Fusse liegt. Es giebt im Vergleich mit Thal und
Hügel so wenig dache Wegstrecken und der flache Grund wird von einem
solchen Netzwerk vorspringender Wurzeln überzogen, dass der Gang fast bei
jedem Schritt, je nach den Hindernissen auf dem Wege, verändert wird.
wenn nicht heim Hinaufsteigen auf die Hügel <>der beim Hinabgehen die
Zehen oder Hacken in Anspruch genommen werden.
Es ist also sehr schwierig, von dem (lange dev Belendas eine genaue
Beschreibung zu machen. Der Körper wird aufgerichtet und sehr gerade
gehalten, während die ganze Bewegung von den Knöchelgelenken, den
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen vonMalacca. l'.c,
Kiiifcii und den Hüften ausgeht, Ks findet dabei nur <'in sehr unbe-
deutendes, rhythmisches Schwenken der Arme >tatt.
Wenn ich mich recht erinnere, so schrieb ich Omen früher einmal,
dass ich bergab dem Orang llutan überlegen bin, da meine mit Elisen
beschlagenen Schuhabsätze meinem Gange Festigkeit geben, dass aber
bergauf die Sache umgekehrt ist.
In ähnlicher Weise kann ich in der flachen Ebene, wo die Engländer
macadamisirte Strassen gemacht haben, einen Orang- llutan nach weniger
als 20 Meilen zum Stillstehen bringen. In seinem gewohnten Aufent-
halte, dem Walde mit seinen vorspringenden Wurzeln, umgestürzten
Bäumen und sich windenden Schlingpflanzen, überholt er einen Europäei
schnell und ist viel elastischer in den Hüften und Knieen.
Laufen thut er kaum jemals und dann auch nur wenige .Meter weit;
seine Lebensweise fordert das nicht und er hat auch keinen Platz dazu.
wo er das lernen könnte.
[In Bezug auf die Kraft und die Ausdauer beim Wandern
stehen die wilden Panggang in erster Linie; dann kommen die Djäkun, die
zahmen Semang, die Belendas und zuletzt die durch Krankheit ge-
schwächten Temiä.
Die Anne werden beim Gehen nicht geschwungen: eine Hand führt
gewöhnlich den Sumpitan [Blasrohr] und die andere ist mit dem Parang
[Schwert] bewaffnet und stets in Bereitschaft, einem dornigen Rotan oder
einem Hinderniss, das unter den Blättern halb verborgen ist, und unter
welchen sich der Pfad des Sakai hinzieht, einen schnellen Hieb zu ver-
setzen. Diese Gewohnheit ist durch ihr langes Fortbestehen so zu seiner
zweiten Xatur geworden, dass, auch wenn er ohne Waffe in einer offenen
Gegend geht, die Arme in der gewohnten Stellung gehalten werden. Es
ist schwer zu sagen, welches die gewöhnliche Haltung des Kopfes ist.
Da der Orang Butan einen grossen Theil seines Lebens damit zu-
bringt, sich durch die leichten Stämme des Unterholzes hindurchzuwinden,
den Zweigen auszuweichen u. s. w.. so ist sein Kopf in fortwährender Be-
wegung. Während seiner Mussestunden, im Quartier z. B., sind alle seine
Sinne auf der Wacht nach irgend einem Ton der Gefahr oder nach dem
Herannahen eines Thieres, das als Nahrung gebraucht werden könnte;
deshalb ist der Kopf erhoben, mehr als er es sonst sein würde. Da die
grossen Bäume alle rund sind und in ihren Zweigen sich Vögel und Affen
darbieten können, so wird der Kopf gewöhnlich soweit erhöhen gehalten,
dass >\rv .Mann fähig ist. seine Augen schnell in jene Richtung zu bringen.
Eine horizontale Linie von dem Meatus auditorins wind.' genau den
unteren Theil des Kinnes treffen. Dieses passt auf alle Rassen; man sieht
es aher nur. wenn der Orang Hutan frei in seinem eigenen Heim ist.
Wenn der gewöhnliche europäische Beamte oder Reisende eine Anzahl
von Sakai zur Besichtigung zusammengerufen hat, so wird der Kopf
[94 H. V. Stevens:
gesenkt gehalten, wie eingeschüchterte und furchtsame Kinder das zu
rliun pflegen, und nur die Augen sind -wachsam und lebhaft.
Genau ebenso schwierig ist die Frage zu beantworten, was die gewöhn-
liche Haltung der Handfläche anbetrifft, ob sie nach vorn, nach hinten
oder seitwärts gerichtet ist. Eine oder auch beide Hände sind bei den
Männern und Kindern durch die Waffe oder das Werkzeug, bei den
Weibern durch die Nahrung so beständig in Anspruch genommen, während
durch die andere stets die Augen vor Blättern und Zweigen geschützt
werden müssen, dass sie sehr selten in Ruhe sind. Soweit ich aber die
ruhige Haltung der Handfläche haben beobachten können, war sie bei den
Belendas, Djäkuu und Temiä nach hinten "gerichtet, bei den Negritos
alier seitwärts, gegen das Bein oder ein wenig nach vorn.
Die Kinder der Orang Laut werden am Lande sehr bald müde und
gehen mit nach auswärts gebogenen Beinen; die Halbblütigen sind gerader
und stärker.
[Aber auch] die erwachsenen Orang Laut ermüden sehr leicht beim
Gehen, und der Gang dieses ganzen Volkes ist in der That sehr un-
geschickt auf dem Lande, weil sie so viel zusammengekauert in den-
kleinen Booten hocken; man kann sie augenblicklich an demselben er-
kennen.
[Die wilden Stämme kennen einen besonderen Dämon (Hantu) der
Ermüdung.1)]
Die Semang sind schlechte Läufer, aber sie sind wie die Aale oder
Schlangen, wenn es sich darum handelt, durch morastigen Sumpf oder
durch dichten Wald hindurch zu kommen. Ihre kleinen Körper sind sehr
geschmeidig und biegsam. Sie übertreffen hierin die Belendas. obgleich
die letzteren bessere Buschmänner sind, wenn es darauf ankommt, im un-
bekannten Walde von einem Punkte nach einem anderen zu gehen. Unter
den Büschen sind sie aber besser als die Belendas, und im Mangrove-
Walde, dem all ergefährlichsten Reisegebiete, welches es überhaupt giebt,
springen sie, aber meine ängstliche Vorsicht lachend, von Wurzel zu
Wurzel mit derselben Vorsicht, wie die Eidechsen seihst.
[Die grossen Pussstapfen.8)] [In einem Briefe schreibt Stevens:]
Solch ein Spass! Ich habe die Leute mit den meterlangen Füssen
schliesslich doch ausfindig gemacht! Ich war neugierig, in Erfahrung zu
bringen, ob die Sciapoden des Plinius, welch«4 sich dadurch vor den
Sonnenstrahlen schützten, dass sie sich auf den Rücken legten und ihre
grossen Püsse emporhielten, wirkliche .Menschen wären, die durch die
Natur des Landes gezwungen waren, dieses mit derartigen Mitteln zu
durchschreiten.
i <; riiuw odel l S. 135.
2 <; rünwedel 1. 8. 82.
Anthropologische Bemerkungen aber die Eingeborenen von Malacca. [95
A.polloniu8 vnii Tyana Bchrieb in Debereinstimmung mit seinem
Biographen Philostratus, dass diese mit ungeheuren Pässen versehenen
Leute in Imlit'ii leben, und im British Museum giebt es eine illuminirte
Manuscript - Copie der Werke des geographischen Schriftstellers um!
Reisenden Sir John Mandeville, wo einer dieser mir Sonnenschirm-
Güssen behafteten Herren gerade in jener Stellung, aber nur mir einem
Beine, abgemalt ist.
Es man sein, dass, da [ndien unzweifelhaft vielerlei Berührungen
mit den Malayen and der Halbinsel hatte, noch viele der alten Geschichten,
.Mythen und Dämonen - Attribute in halbvergessener üeberlieferung
schlummern. Und vielleicht ist auch die Erzählung von einer Ka-sc von
wilden, schwarzen, affenähnlichen Menschen mit ungeheuren, meterlangen
Füssen, welche noch in den einsa n und gemiedenen Tiefen des niedrig
liegenden, sumpfigen und schwammigen Landes südlich von Pahang auf
der Ostseite existiren sollen, ein alter indischer Aberglaube. Es ist das der
einzige Platz, wie ich vor Längerer Zeit berichtete, wo ihre Fussspuren
wirklich gesehen worden sind. Ich hatte in meinem früheren Berichte
angegeben, dass Männer mir erklärt hatten, dass sie wirkliche Pussstapfen
in dem Sumpfe der dunkelsten und am wenigsten besuchten Tiefen des
beinahe unzugänglichen Dschungel, der diesen Landestheil bedeckt, ge-
sehen hätten.
Da die Stellen stets beim zufälligen ümherwandern in dieser un-
angenehmen und gefährlichen Gegend (gefährlich auch wegen der ver-
räterischen Natur des weichen, schwarzen, nassen Sumpfbodens) gefunden
wurden, nur dann durch die Beobachter aber niemals wieder gezeigt werden
konnten, so wusste ich nicht, ob ich an die Existenz solcher Pussspuren
glauben sollte oder nicht, obgleich ich selbstverständlich nicht glaubte, dass
sie von einem menschlichen Pusse herrührten.
Hs hat aber den Anschein, als ob meine Berichterstatter in ihrer Be-
hauptung, dass sie die spuren gesehen hätten, vollkommen zuverlässig
waren, und auch in der Angabe, dass diese Spuren hinterher wieder ver-
schwinden. Das letztere wird, wie ich durch einen angestellten Versuch
herausfand, durch die zähe, pechartige Beschaffenheit des Schlammes ver-
ursacht, welcher die Eindrücke, die man in ihn macht, in wenigen Stunden
wieder ausfüllt.
Sie werden sich erinnern, dass ich ein Paar Stelzen von den
Benar auf >\rv Ostseite von Johore geschickt habe und dass ich dabei
bemerkte, dass die .Männer, welche diese Stelzen zum Oeberschreiten von
Stellen mit dornigem Pflanzenwuchs benutzen, sich vor den Malayen in
einen niedrig liegenden, ungesunden und sumpfigen Theil des Laude-
zurückgezogen haben, wohin ihnen zu folgen die Malayen keine Neigung
verspürten. Ich schrieb auch von der grossen Tiefe des Flusses, in
welchem die „Jappar"-Fische waren, und von der Gefahr, in den sich weit
196 H. V. Steven»:
von seinen Ufern ans erstreckenden weichen, schwarzen Boden einzusinken.
Nun, es hat sich herausgestellt, dass die Leute mit den meterlangen Füssen
diese selben östlichen Djäkun sind. Das schlechte Land erstreckt sich un-
regelmässig nordwärts bis gegen Pahang hin, und die Johore -Djäkun,
welche allein seine Schlupfwinkel und Untiefen kennen, die von allen
anderen gemieden werden, gehen zuweilen, um zu jagen oder um Dschungel-
Producte zu suchen, nordwärts wegen der dort vorkommenden Producte,
die sie austauschen, verkaufen oder selber gebrauchen. Das geschieht
aber nur in der Zwischenzeit zwischen dem Keifen einer Reisernte und
dem Anpflanzen einer anderen, wo die Leute freie Zeit zum Herum-
wandern finden: und das stimmt mit der Behauptung der Malayen voll-
ständig überein. dass die Männer mit den grossen Füssen, die sie niemals
selber gesehen haben, nur in gewissen Zwischenräumen erscheinen.
Um über die höchst gefährlichen und verrätherischen Stellen sicher
hinübergehen zu können (die. ohne sich dem Auge bemerklich zu machen,
den auftretenden Fuss einsinken lassen würden, wie Triebsand in anderen
Ländern, oder wie der ziemlich ähnliche faulige Erdboden Australiens, der
genau so. wie der feste und harte Grasboden in der Umgebung aussieht, aber
Pferd und Reiter augenblicklich bis zu den Satteltaschen einsinken lässt).
bindet sich der Benar unter die Fusssohlen ein B'rtam-Palmenblatt, oder
auch zwei. die. doppelt zusammengefaltet, eine Länge von 2 bis 3 Fuss
haben und etwas breiter, als die Fusssohle sind. So bewahrt er sich wie
mit einer Art von Schneeschuh vor dem Einsinken, wenn er eine gefährliche
Stelle passirt. Hat er dieselbe überschritten, so wirft er die „Schuhe-
fort, da andere sehr leicht wieder herzustellen sind. Das sind tue meter-
langen Küsse, welche nur in dem Schlamme gesehen werden und von den
eingeborenen Beobachtern selbstverständlich niemals genau geprüft worden
sind, da der Abdruck sich ja auf dem Schlamme befindet, der von einem,
der aicht besonders hierauf vorbereitet ist. nicht sicher überschritten
werden kann. Und dann verschwindet der Abdruck von selbst wieder
dadurch, dass äich die Oberfläche des Sumpfes von selbst wieder glättet.
Das h;it mich ofl veranlasst zu schwören, dass der unglückliche Malaye,
der sich die .Mille' gab, mir die Stelle zu zeigen, wo er die Spuren ge-
sellen zu Indien behauptete, ein Lügner erster Klasse sei.
I);i diese Pussbekleidung aus dem Blatte lose gemach! ist. und die
Blattrippen beim Trocknen herausfallen und das Ganze seine Form ver-
lieren würde, bo kann ich keine .Muster einsenden. Der Lange Blattstiel
wird rückwärts und dann wieder vorwärts u. s.w. so viele .Male gebogen,
als du- Blati es gestattet, und ei der zwei Blattrippen werden schnell
wie eine Schnur zusammengerollt, um das Ganze zusammenzuhalten. Zwei
oder drei Blattrippen werden zu einer Art Seil zusammengedreht, von
einer Seit«' zur anderen über den Spann gezogen und auf der anderen
Seite ;ni ,\f\- .Mittelrippe des Bündels angebunden, und zwar so. dass eine
Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Malacca. 197
Biegung der Mittelrippe zwischen der grossen und der zweiten Zehe
hindurchgeht, ähnlich wie der hölzerne Pflock der im Osten gebräuchlichen
Sandalen.
Ich war im Gespräche mit den östlichen Benar aber diese Geschichte
von den Männern mit den grossen Füssen, und nach einiger Zeit be-
gannen sie im Flüsterton mit einander zu sprechen. Darauf erhob sich
einer der jüngeren Männer, ging fort und holte einige B'rtam-Blätter.
Die anderen sammelten sich um ihn. während er die Blätter schnell in
die richtige Form und Gestalt brachte und sich dann zu einer in der
Nähe befindlichen sumpfigen Stelle begab. Deber diese ging it. odei
schaufelte er vielmehr, hinweg, während die wilderen bei mir blieben und
meine Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang lenkten.
Hinterher schienen sie sehr belustigt darüber zu sein, dass sich der
weisse Alaun ebenso gut hatte anführen lassen, wie die Malayen; denn es
war ihnen bekannt, dass diese Fussspureu von den letzteren für die
irgend eines llantu [Gespenstes] gehalten werden. Aber ich vereinigte
mich mit ihnen in dem Lachen über mich selbst, und ich hatte nun
wenigstens die Erklärung für etwas, was mich lauge Zeit in Verlegenheit
gesetzi hatte.
[Orientirungsfähigkeit.] Die Geschichten, welche von der Ge-
schicklichkeit der wilden Männer erzählt werden, die ihren Weg von
einem Punkte /.um anderen durch pfadlose Wähler linden, sind oft über-
trieben. Ich habe selber von der Leichtigkeit gesprochen, mit welcher
die Orang Hutan eine Reise von einigen Tagen in irgend einer beliebigen
Richtung machen können, ohne sich zu verirren. Obgleich nun unzweifel-
haft durch l'ebung sich besondere Eigenschaften entwickeln können und
l eberlieferung auch hierzu beiträgt, so ist doch die Xatur des Landes und
-eine Configuration derartig beschaffen, da>s man sehr bald zu der Er-
fahrung gelangt, dass es ganz unmöglich i>t. in gewissen Richtungen weit
fort zu wandern. Die hinge schmale Halbinsel senkt sich auf jeder Seit,
von der centralen (rebirgskefte zu der See herab. Die geologische For-
mation der Oberfläche und die davon abhängige Stufenfolge der Pflanzen-
welt kennzeichnet den Weg in Bezug auf -einen Abstand von de] S
und dem Centrum, und von dem Rückgrat der Gebirgskette fliessen un-
zählige Ströme in gleichmässiger Richtung zu der See hinunter. Dann
i>t nech die Sonne der I lauptt'iihrer zur Bestimmung der Richtung. In
dem Bewusstsein, dass der eine Theil des Dschungels ihm ebenso mit
Nahrung liefern wird, als ein anderer, und daher frei von der Besorgniss
Ars Misslingens, dringt der Dschungel -Mann kühn in da- dunkle, ver-
wickelte Wirrsal des Blätterwerks hinein, in dem Vertrauen, soweit zum
Ziele zu kommen, da-- er nach kurzem Herumspäheu irgend eine ein-
heimische Fährte oder ein anderes Zeichen finden wird, das ihn an die
jag H. V. Stevens:
gesucht.' Stelle führt. Um hierzu fähig zu sein, bedarf es keiner un-
gewöhnlichen Begabung.
(Schwimmen.] Der Orang Laut ist ein vortrefflicher Schwimmer.
Er schwimmt, wie der Malaye, auf der Brust, wobei der Körper sich etwas
in seitlicher Lage befindet. Er streckt abwechselnd den linken und rechten
Arm aus dem Wasser und schlägt sie an die Seite des Körpers zurück,
wie die Speichen eines Hades von seinem Mittelpunkte. Die Handflächen
sind dabei mit geöffneter Hand nach rückwärts gerichtet und mit den
Beinen stöest er bei jeder Bewegung des Körpers aus, wie ein Frosch.
Die Kinder schwimmen, noch bevor sie gehen können, ebenso gut. Die
Orang Laut sind auch ausgezeichnete Taucher.
Die Belendas schwimmen wenig, und zwar nur, wenn sie einen Fluss
zu kreuzen haben, oder wenn sie sich baden. Sie machen dabei Be-
wegungen, wie die Hunde. Obgleich sie den Malayen nahe [verwandt] sind,
so werfen sie doch die Arme nach vom in einem schwingenden, kreis-
förmigen Schlage heraus, während der Körper nach der dem Schlage
entgegengesetzten Seite sich umdreht. Der Brust- oder Seitenschlag, wie
auch «las Rückenschwimmen sind unbekannt.
Unter den Belendas werden die Sinnoi stets als die besten Schwimmer
betrachtet; das kommt wahrscheinlich daher, dass sie auf dem grossen
Pahangfluss mehr Uebung hatten.
Die Benua schwimmen gut und sind gute Taucher; sie benutzen die
malayische Manier.
Die Temiä können nicht schwimmen.
Die Semang sind sehr schlechte Schwimmer, aber ungefähr zwei
Drittel unter ihnen können schwimmen, „keejooije". Im klaren Wasser,
das ihnen nur bis zur Brust reicht, da plätschern sie munter umher. Sie
schwimmen genau auf dieselbe Art, wie die nördlichen Malayen. indem
Bie, auf der Brust schwimmend, mit den Händen wie die Hunde paddeln
und die Beine von den Knieen an vertical nach oben ziehen und dann
stark nach unten treten, wobei sie gehörig umherplanschen. In dem tiefen
oder strömenden trüben Wasser haben sie eine abergläubische Angst; sie
fürchten sich, wie ein Kind in der Dunkelheit, da sie nicht wissen, was
„Keeft schicken wird, um sie in die 'Tiefe hinahziiziehen.
[Klettern.] Die Orang Laut klettern, wenn sie an Bäumen in die
Höhe müssen, gut. Da die Bäume an der Käste \'üv gewöhnlich von ge-
ringerem Umfang sind, so können sie mit ihrem Händen den Stamm bis
aber die Hälfte umspannen, and sie gebrauchen ausserdem auch noch die
inneren Handflächen der Füsse zum Hinaufsteigen. Sie scheinen den Ge-
brauch eines Ulli den Baum herumgelegten Seiles oder einer Schlinge
nicht zu kennen. Wenn sie aber einen (stärkeren) Baum zu erklimmen
Wünschen, so scheinen sie nicht im Stande zu sein, wie die Orang llutan
mit Hülfe der Anne und Heine hinaufzuklettern, sondern sie sind ge-
anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen von Bfalacca. ]9'.>
zwungen, sich eine Leiter zu fertigen. Zu diesem /weck werden Barabu-
pflöcke in einem Abstände von ungefähr 2 Puss, einer ober dem anderen,
in den Baum hineingetrieben. An die Enden dieser Pflöcke wird eine
Bambustange gebunden, welche ungefähr 6 Zoll von dem Baume absteht.
Auf diesen Pflöcken, welche wie die Sprossen einer Leiter wirken. Bteigi
der Mann hinauf und treibt während >\c^ Hinaufsteigens neue Pflöcke aber
den bereits vorhandenen in den Baum: wenn er das linde der ange-
bundenen Stange erreicht hat, befestigt er als Fortsetzung derselben eine
/.weite senkrecht an ihr u. s. w.. Ins er die Zweige erreicht. Zum Zu-
sammenbinden wird Rinde benutzt. Die auf diese Weise hergestellte
Leiter lässt man an ihrer Stelle, bis sie zerfällt.
Die Semang sind schlechte Kletterer; ein gewöhnliches deutsches
Schulmädchen würde den besten von ihnen übertreffen. Wenn es darauf
ankommt, einen Indien, geraden Stamm zu ersteigen, so ist der Belendas
der bessere. Der Seniain;- ist hoch oben in der Luft nervös, besonders
wenn ein bischen Wind weht. Die Winde sind für ihn die Sendboten
von Krankheiten: er liebt es nicht, in ihrem Bereiche unbeschützt auf
dem Wipfel eines hohen Baunies zu sein.
Das Klettern („Looig") wird je nach seiner Art und Weise mit drei
verschiedenen Namen bezeichnet:
1. „Chidward", wobei der Fuss gerade ist, genau wie die Stellung,
von welcher ich Ihnen eine Photographie eine- Belendas schickte.
2. „Tinborn", wobei die Füsse sich mit der inneren Seite der Sohle
anklammern, um auf den Baum hinaufzugehen.
.".. „Tee-Nungarn", wobei das Seil gebraucht wird, genau wie in Ceylon,
oder wobei die Arme und Beine zugleich den Stamm umfassen, wie eine
Spanner-Raupe oder wie ein europäischer .Imme hinauf klimmt. Der Griff
der Hände heisst „Ma-Cheba.
[Bei einem >\t'\- eingesendeten Stücke findet sich die Angabe:]
-.Nungarn", das Seil zum Klettern. Es wird gebraucht, um die Knöchel
zusammenzufesseln, während die innere Seite eines jeden Fusses -
den Baum gestemini ist.
Wenn es sich bei den Belendas um einen kleinen Baum handelt, -
klettern sie wie der Sinnoi, von welchem ich Ihnen eine Photographie
geschickt habe. Ein sehr grosser Baum hat gewöhnlich Schlingpflanzen
und herabhängende Banken, oder es sind auch Bäume von geringerem
Umfange in seiner Nähe, von deren Aesten sich dann der Orang llutan
zu dem grösseren hinaufschwingen kann. Er versteht es aber auch, Ein-
kerbungen in die Binde zu schneiden, mn mit ihrer Hülfe in den Wipfel
zu steigen.
Heut zu Tage wird jode Art des Kletterns angewendet, die sie von
den Umwohnenden gelernt haben.
-JOD H. V. Stevens:
Die älteste Kletter-Methode der Benua ist die, sich das Kopfseil um
die Knöchel zu binden, wie es die S'mhalesen machen.
[Die erhöht angelegten Hütten der Temiä sind mit Hülfe eines schief
gestellten Stammes zugänglich], ähnlich jenem, aber kürzerem, den die
durch Sklaverei und durch die Einfälle der Kowar mit viel Temiä -Blut
vermischten Belendas von Kuatan benutzen. Diese gaben als Grund dafür
an, dass, wenn die Männer von ihren thürlosen Hütten fern sind, die
Hunde und das Geflügel, das sich dort überall herumtreibt, in die Hütten
lauten und dort Unfug anrichten könne.
Bei den Temiä ausschliesslich ist der Grund, die Eindringlinge von
der luftigen Residenz fern zu halten, aber ein viel ernsterer; denn
es handelt sich um den schwarzen Panther und die Python- Schlange.
Deshalb wird ein glatter, schlüpfriger Bambu sorgfältig von allen Hervor-
ragungen an den Knoten befreit und blank polirt und dann in solcher
Weise aufgerichtet, dass die ausgestreckte Hand hier und da einen unter-*
stützenden Halt an einem dünnen Zweige oder Stock finden kann (der
aber nicht stark «'eiiuo' sein darf, um das Gewicht des unliebsamen Be-
Suchers tragen zu können), damit so die Füsse beim Klettern unterstützt
werden. Das lernen durch Uebung sogar die Weiber und Kinder, so dass
die ersteren mit Wassertöpfen, die Kinder mit Nahrungsmitteln beladen
ohne viele Schwierigkeit auf und absteigen können. Die nackten Füsse
schmiegen sich an die schlüpfrig-, glatte Oberfläche des schiefgeneigten
Bambu in einer Weise, welche die abendländischen Stiefel nicht er-
reichen können. Es kommt dabei kein besonderer Griff der Zehen in
Anwendung, und die Zehen der Temiä, besonders die grosse, sind nicht
stärker zum Greifen entwickelt, als die Zehen anderer Sakai. Sehr
kleine Kinder werden oft stundenlang in diesen luftigen Hütten gelassen,
ihrer eigenen Sicherheit wegen, da sie hier vor der grossen Katze und der
Schlange verbarricadirt und durch die niedere Palissadenwand vor dem
Herabfallen geschützt sind.
| Werfen. | Wenn der Semang einen Stein wirft, so ist er so un-
geschickt, wie eine Europäerin; die Bewegung ist die gleiche, mit der
Schulter, anstatt mit dem Elandgelenk und dem Ellenbogen.
Di.' Orang Lau! sind sehr sichere und kräftige Werfer und sie über-
treffen in dieser Beziehung die anderen hier bei Weitein. [Das gilt nicht
• für Steine, sondern sie sind auch] sehr geübt und geschickt, mit der
Schale einer flachen Muschel, wie /.. 1!. der Perlmutterauster, zu werfen.
Sie halten sie am Rande zwischen einem Pinger und dem Daumen, so
dass die Schale nach hinten flach über dem Handgelenke liegt, und
schleudern sie mit einem Ruck auf eine Krabbe "der einen Vogel im
Sande, so dass sie dieselben mit dem scharfen Bande freuen. Ein Klumpen
harter Koralle mit einem natürlichen Loch, durch das sie einen aus Weiden
geflochtenen Strick ziehen und zu einem Ringe zusammenbinden, wird
Anthropologische Bemerkungen aber die Eingeborenen von Mala 201
mit Hülfe dieses Strickes mir grosser Kraft and Treffsicherheit nach
Krabben am Strande u.s.w. geworfen.
[Körperkraft.] Was die Körperkrafi anbetrifft, so habe ich damals
mich keinen Kraftmesser gehabt. Aber wie man einen Affen nicht stark
nennen würde, obgleich er so wunderbar gewandl ist, gerade so verhall
os sich auch mit einem Orang Hutan. [Ueber die Ausdauer der ver-
schiedenen Stämme auf der Reise wurde oben schon berichl
[Kraftanstrengung,] In Bezug mit' die Anstrengung in bestimmter
Richtung scheinen die Orang-Hütan, wie alle Asiaten, allgemein den
Zug dem Stusse vorzuziehen, was nach meine]' Meinung eine nothwendige
Folge der hockenden Stellung ist, die sie einzunehmen gewohnt sind.
[ch habe von der Beobachtung gelesen, dass die, im Vergleiche zu den
europäischen umgekehrten Zähne der [indischen] und anderen Sägen ein
Beweis dafür sind, dass mau dem Zuge vor dem Stosse den Vorzug giebt.
Es scheint mir, dass es einen merklichen Grund für diese Richtung der
Anstrengung giebt. Die orientalischen Säuen sind aus einem dünnen Stahl-
blatt gefertigt, das, um ihm Steifheit zu geben, in einen Rahmen eingespannt
ist. Diese angestrebte Steifheit ist aber in der That nur eine relative,
und wenn die Zähne bei schlechter Führung in das Holz eindringen, so
würde dadurch der weiche Stahl aufgelockert werden können, was durch
das Ziehen vermieden wird. Der Körper der Orang Hutan ist zart gebaut
und besitzt nicht die kräftig entwickelten Knochen des abendländischen
Mannes. Indem man nun dem Zuge den Vorzug giebt, vermeidet man die
Gefahr einer Quetschung.
Die Kinder der Belendas kennen das Zug-Kampfspiel, wobei auf jeder
Seite ein oder mehrere Kinder sich an einem Seile hin- und herziehen.
sie haben das wahrscheinlich von den malayi sehen Kindern, die man
häufig so spielen sieht. Von den Djäkun- Kindern nehmen je zwei ein
Ende eines Rotan-Seiles zwischen die Zähne und ziehen min. bis der eine
den anderen überwältigt hat: das malayische Zug- Kampfspiel haben
sie nicht.
Es machte mir viel Vergnügen, zuzusehen, wie ein kleiner Djäkun
eines Tages eine Schaar kleiner Kameraden damit unterhielt, dass er sich
in der wohlbekannten indischen Weise niedersetzte, die Sohlen Bach auf
den Boden gestellt, die Beine bis nahe zum Körper aufwart- gezogen und
in den Knieen gebeugt, den Körper aber bis nahe zur Knie niedergesenkt.
In dieser Stellung wurde ihm ein kleiner Bambustab zwischen die rück-
wärts geschobenen Ellenbogen und den Rücken gesteckt. Dann m
sich die auf diese Weise zusammengepackte fette kleine Tonne von einem
Jungen Dach vorwärts niederbiegen, Ins er mit der Stirn dien Erdboden
berührte; der Bambu durfte dabei aber nicht aus dem Ellenbogen hinaus-
gleiten. Alle machten den Versuch, aber dieser kleine Kerl war der _• -
übteste und geschmeidigste von allen.
•202 H- V. Stevens:
[Die Ertragungsfähigkeit von Hunger und Durst und von
Entziehung des Schlafes.] In dem Dschungel ist immer irgend eine
Art von Nahrung zu erhalten, welche hinreicht, um mindestens den Hunger
zu stillen und das Leben zu erhalten. Es findet sich daher keine Ge-
legenheit, einen Vergleich anzustellen, welche von den beiden Rassen
Hunger und Durst leichter ertragen könne. Einen Versuch, den ich in
dieser Beziehuni:- mit ihnen machen wollte, lehnten sie ganz entschieden
ab. Stets hungrig, sind sie doch niemals länger als höchtsens einen Tag
gänzlich ohne Nahrung,
Was die Ertragungsfähigkeit bei der Entziehung von Nahrung und
von Schlaf anbetrifft, so kann bei Erwachsenen dieselbe Reihenfolge auf-
gestellt werden, wie oben bei der Ermüdung. Aber, wie die Negritos
selber zugeben, leidet das Menik-Kind mehr unter dem Mangel an Nahrung,
als im Allgemeinen das Belendas-Kind, und mit diesem können, da die
Unterschiede nur gering sind, die Djakun und die Temiä auf gleiche Linie
gestellt werden.
[Dass der Hunger als eine Krankheit angesehen wird, die unter Um-
ständen die Schuld tragen kann an Misserfolgen auf der Jagd, berichtete
Stevens früher schon.1)]
[Die Ertragungsfälligkeit von Hitze und Kälte.] Ich habe
nicht beobachtet, dass bei den Rassen irgend eine Verschiedenheit in der
Ertragungsfähigkeit von Hitze existirte, wenn sie einen Tag hindurch auf
der Reise der Sonne ausgesetzt gewesen waren, abgesehen von der
allgemeinen Kraft, der Ermüdung zu widerstehen. [Später heisst es
dann:]
In Bezug auf die Fälligkeit, den Kopf der Sonne auszusetzen, haben
in früherer Zeit wahrscheinlich keine grossen Unterschiede bestanden.
I>tzt aber, wo die Belendas schon so lange an die den .Malayen entlehnte
Kleidung gewöhnt sind, verursacht ihnen die Abwesenheit einer schützenden
Decke Unbehagen. Ein solches wird jedoch von den Djakun und den
Menik nicht empfunden. Diese tragen für gewöhnlich nur ein Band, um
das Lange Haar in Ordnung zu halten, und in Folge dessen ist ihre Haut
so dauernd an die Sonnenstrahlen gewöhnt, dass sie eine ungewöhnliche
Zunahme der Sonnenhitze kaum empfinden.
Es sind auf der Halbinsel keine bemerkenswerthen Kältegrade beob-
achtet, und wenn wirklich einmal ein Fallen des Thermometers eintritt,
jo ist das doch niemals von lauger Dauer. Aus diesem Grunde können auch
keim- zuverlässigen Angaben über die relative Fähigkeil dn- verschiedenen
Rassen, Kälte zu ertragen, gemacht werden. Wenn wir als allgemeine
Erscheinung einen nassen, kalten Wind in den höher gelegenen Gregenden
annehmen, bo Bcheinen die Djakun weniger von ihm zu leiden, als die
l < ; rü M w ed e I 2. S. 181.
Anthropologische Bemerkungen aber die Eingeborenen von Malacca. 203
Belendas, die Panggang und die Teraiä. Dass die zuletzi genannten ein
Sinken der Temperatur mehr empfinden sollten, als die anderen, würde
meiner Meinung nach ihrer schwächeren Constitution zuzuschreiben sein.
Der Djäkun scheint seine Stellung auf der Stufenleiter der relativen Derb-
heit der physischen und geistigen Paser seiner zu etwas grösserer Wild-
heit neigenden Natur zu verdanken.
I ehrigens betrieb er Lange Zeii einen rohen, aber beständigen Acker-
bau, cultivirte Reis und Knüllen, verzehrte aber auch viel häufiger und
mehr Fische als die anderen. Die Negritos können in wilde und zahme
eingetheilt werden. Die ersteren haben eine nur wenig abwechselnde
Nahrungszufuhr, da sie keinen Reis oder ein sonstiges, aus der malayischen
Civilisation herrührendes Element Im sitzen: sie leben hauptsächlich von
Fleisch, da sieh die im Dchungel einheimischen Früchte nur in Zwischen-
räumen darbieten und die verschiedenen Knollen und Farns ihn nur so
lange beschäftigen, als er sie gräbt und findet. So erhalt das Warme-
bedürfniss ein Gegengewicht in *\i'\- höher organisirten Natur <\rv .Männer.
welche sie der unaufhörlichen Thätigkeit und der kräftigen Bewegung
bei dein täglichen Suchen nach Nahrung verdanken: denn der wilde
Panggang vermag in ganz hervorragendem .Maasse solche niedrige Tem-
peratur, wie sie hier gelegentlich einmal vorkommt, mit geringeren Zeichen
des l nbehagens zu ertragen, als der zahme Mann, der dann sogleich fröstelnd
und klappernd sich an einem Feuer zusammenkauert.
Wenn die Fähigkeit, Temperatur-Yeränderungen zu widerstehen, von
der vergleichsweise [grösseren] Reichlichkeit and Regelmässigkeit der
Nahrung abhinge, so würden sieh von allen tue Belendas die geringste
Sorge wegen At-v Kälte zu machen haben. Aber abgesehen von einer
möglicher Weise geringeren Widerstandsfähigkeit, welche sich bei so
vielen Generationen zu zeigen beginnt, waren sie an Kleider und an
besser schützende Häuser gewöhnt, so dass sie jetzt für jeden Temperatur-
wechsel empfindlicher sind.
JDie Ertragungsfähigkeit für den Schmerz.] Die Belendas
scheinen viel empfindlicher für Schmerz zu sein, als die Negritos. Die
jüngeren Männer der Belendas haben ein Spiel, welches „K'loopent"
genannt wird. Dem Namen nach ist es ein Spiel, aber es ist ein Spiel,
das oft bittere Gefühle und böses Blut erzeugt, so hitzig werden die
Streitenden, wenn nicht die älteren Männer dazwischentreten und ver-
anlassen, dass das Spiel aufhört. Ks wird namentlich gespielt, wenn sie
Abends mit dem Weibervolke Matten und Körbe flechtend imd natürlicher
Weise schwatzend am Feuer sitzen und als Nebenbuhler um die Gunst
eines Mädchens danach trachten, auf den Rivalen Schmach und Unehre
zu häufen, sich selber aber dabei gleichzeitig in der Achtung der Weiber
zu erhehen. Der so harmlos aussehende kleine Streifen von gespaltenem
Rotan, den ich mit anderen Gegenständen sendete, ist das Werkzeug für
-»04 H. V. Stevens:
die Bethätigung von vielem verborgenem Groll und Eifersucht; und ob-
gleich ein Fremder, der es versuchte, glauben würde, dass er mittels
dieses dünnen Streifens mit dem einfachen Knoten an seinem aufschlagen-
den Ende keinen schwereren Schlag zufügen könne, als hinreichend wäre.
um eine Fliege zu tödten. so habe ich dennoch bei jedem seiner Hiebe,
wenn die Gegner hitzig geworden waren. Blut fiiessen sehen. Der Zeige-
finger versetzt ihm die Kraft; vermittelst durch Hebung erworbenen Kunst-
griffes kann er wie eine kräftige Feder gebraucht werden, was, verbunden
mit einem kräftigen Rückwärtsziehen des Handgelenkes und Armes, die
scharfen Ränder des Rotan wie eine Klinge quer über die Haut schlägt
und sie mit Leichtigkeit durchschneidet. Als ich seine Anwendung im
Ernst verlangt hatte, machte die Kraft des aufschlagenden Knotens, dass
ich mich vor Schmerzen wand. Der Theorie nach soll der scharfe Rand,
welcher von der harten Haut des Rotan durch einfaches Spalten desselben
entsteht, fortgeschabt werden, bevor das Spiel beginnt; aber bei ver-
borgenem llass oder Eifersucht wird das absichtlich unterlassen.
Wenn das Instrument aus Schnur, anstatt aus Rotan hergestellt wird,
so kann man nicht damit schlagen; es ist die eigenthümliche Starrheit
und gleichzeitige Elasticität des wie eine Feder biegsamen Rotan, welche
die Kraft ermöglicht, die dem Schlage durch den plötzlichen Ruck des
losgelassenen Fingers mitgetheilt wird.
Die Männer sitzen einander gegenüber, mit (selbstverständlich) nackten
Armen. Jeder hat als Vorwand für das Spiel einige Cents oder andere
Einsätze vor sich. Derjenige, welcher den ersten Schlag hat, fragt den
anderen, wie viele Male er die scharf auf den Vorderarm niedergehauenen
Schläge des Rotanstreifens aushalten will und was er vorschlägt, dafür
einzusetzen, dass er den Schlägen ohne aufzuschreien und ohne zu bitten,
dass aufgehört werde (besiegt „genug" rufend), Stand halten werde. Hält
er die verabredete Anzahl der Schläge, ohne zu wanken, voll aus, dann
steckt er des Gegners Einsatz von 10 Cents in die Tasche, den gleichen
Betrag, den er selber gesetzt hatte, und nimmt nun seinerseits den Rotan-
Btreifen und fordert den anderen auf, die Zahl der Schläge zu nennen.
die er nun aushalten will. Sollte einer, der die Schläge empfängt, den
Schmerz Dicht mehr ertragen können und „Halt" rufen, so verliert er
-einen Einsatz und wird (was der eigentliche Zweck ist, wenn, wie ge-
wöhnlich, Groll dem Spiele zu Grunde liegt), von seinem Gregner und von
den Zuschauern mit Spott und Holm überschüttet. Ks ist also der Orang-
Hutan-Gebrauch, ..eine Lanze zn brechen", gleich dem der mittelalterlichen
Kitter mit der unvermeidlichen „femme" als Zuschauerin.
Der Ring des Rotanstreifens geht um den kleinen Pinger der
schlagenden Hand bis nahe zu seiner Basis an der Mittelhand. Der
Streifen gelit voii da auf der Innenseite der Finger entlang und komm!
über dem ersten und /.weiten herauf, über dem ersten und um ihn herunter
Anthropologische Bemerkungen aber di I n n von Malacca. 205
zurück auf der Bandflächenseite der Finger zu dem kleinen hinauf, um
jenen herum and auf «lein Rücken der Pinger zu dem Zeigefinger, über
und unter jenen, der abwärts gebogen ist and dem Daumen an den Spitzen
der betreffenden Pinger gegenübersteht, so dass der Knoten an dem Ende
des Rotanstreifen 8 zwischen den zusammentreffenden Spitzen des Daumens
und des Zeigefingers gehalten wird. Der zu dem Schlage erhobene Arm
geht in einer Curve abwärts und einwärts, um den ziehenden Hieb zu
-■eKen, welcher die Haut trennt, und sowie er das tlmt. lässt (\>'v Daumen
und Zeigefinger den Kirnten los. Der Kutan fliegt in Folge seiner
Blasticität von seihst zurück und wickelt sich bis zu der Stelle ab, wo er
zwischen dem Zeigefinger und Mittelfinger hindurchgeht. Dann wird der
Rotan durch einen nach oben gerichteten leichten Zug vermittelst des Zeige-
fingers plötzlich stramm gezogen und wickelt sich, durch den Zeigefinger be-
schleunigt, von der Hand ab, and durch eine gleichzeitige, schnelle Drehung
des Handgelenkes darin unterstützt, wird (\n Knoten und die ersten ein
oder zwei Zoll des Kotau mit einem ziehenden I liehe auf <\e)\ Arm des
Gregners niedergeschlagen. Es ist sehr schwierig, diese Bewegung zu be-
schreiben; aber gemacht ist sie in einem Augenblick. Sie kennen gewiss
das Spiel, eine Schnur durch eine Kastanie zu /Ziehen, mit der dann ein
Knabe auf eines anderen Knaben Kastanie, welche vertical hängt, schlägt,
um zu versuchen, sie mit der seinigen zu zerspalten. Das i-r das Princip,
aber die Bewegung- des Knaben ist ein kreisrunder Schwung des Annes:
der Kotau wird vom Arme und von dem Handgelenk herumgeschwungen
und hierin durch seine eigene Elasticitäi unterstützt, da er das Bestreben
hat, sich abzuwickeln, und ausserdem durch die dem sich abwickelnden
Rotan von dem Zeigefinger plötzlich gegebene 'Fliehkraft. Das bringt
den Schlag hervor, und der in dem Augenblick straff ^"^n den Körper
angezogene Arm giebt den ziehenden II ich des scharfen Randes, der oft
tief in die Haut einschneidet.
Es mag von einigem Interesse sein, wenn ich als Hlustrirung für die
Standhaftigkeit der Djäkun von einem erzähle, der tiefsitzende, fressende
Geschwüre mit verhärteter Umgebung und Schorfen hatte und fieberhafte
Symptome und Erschöpfung zeigte. Ich gab ihm Kupfersulphat (Blaustein)
und Zinkoxyd zu nachfolgendem Gebrauch, unterwies ihn in der Anwendung
und mahnte ihn dringend zur Vorsicht. Da ich aber ein Missverständniss
befürchtete, folgte ich ihm. bald nachdem er mich verlassen hatte, und
kam bei dem Patienten gerade an. als er den Blaustein anwendete. Das
war sehr reichlich geschehen, da die frühere Vernachlässigung des
schwürs verhinderte, da-- er bald empfunden wurde, so dass di- ganze
Oberfläche von angefähr vier Quadratzoll damit touchirl war. Der Patient
hockte auf [demjenigen] Keine, auf welchem sich vorn das Geschwür befand.
Ich sah die Muskeln des Keines zittern und sich knotig contrahiren in
Folge des Schmerzes, den er nach wenigen Minuten fühlte; aber keine
Zeitschrift ]",
2Q6 H. V. Stevens: Anthropologische Bemerkungen u.s. w.
Bewegung, nicht ein Ton, auch nicht irgend ein anderes Anzeichen,
aussei- einem tieferen Athmen, war zu bemerken. Er fing an, zu mir
in fest abgemessenen Tönen zu sprechen, und als ich bemerkte, däss
das „Ubat" heiss wäre, erwiderte er ruhig, dass ihm das von dein
„bomo" (I)octor) gesagt worden sei. Er hatte eine ganz gehörige Aus-
dauer Im -wiesen, aber da kein Grund vorlag, dieselbe noch länger auf die
Probe zu stellen, so machte ich ihm eine Morphium -Einspritzung, wofür
er mir sehr dankbar war.
[Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen ist früher1) im Zu-
sammenhange geschildert worden.]
[Ueber die Auffassungsgabe der wilden Stämme äussert sich
Stevens folgendermaassen.]
Der Orang Hutan begreift verhältnissmässig sehr schnell, was ich thne
oder was ich beabsichtige. Wenn ich z. B. den Versuch mache, in meiner
Hütte eine Bequemlichkeit herzurichten, die sie niemals gesehen haben, so
werden die Orang-Hutan, nachdem sie mich einige Minuten lang beobachtet
und eine kurze Zeit mit einander gesprochen halten, mich auffordern, ein
Wenig zu warten. Dann gehen sie in den Dschungel und bringen irgend
etwas herbei, das den Zweck viel besser erfüllt, als die Materialien, denen
ich Form zu geben bemüht war.
Nicht so der Laut. Zuerst stiert er nur stupide, ohne Interesse oder
Verständniss auf das hin, was ich thue, und dann ist er auch viel zu faul,
um mir zu helfen, selbst wenn ich ihn darum bitten würde, geschweige
denn freiwillig.
1) Max Bartels 2. Der Ausdruck der Gemüthsbe-wegungen der Orang Hutan von
Malacca. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. XXVIII. Vcrliandluugon der Berliner Anthro-
pologischen «Gesellschaft S. 270-272. Berlin 1896.
Bespi
Brechungen.
Zeitschrift für Crimiiml - Anthropologie, Gefängniss - Wissenschaft und
Prostitutionswesen. Berlin 1897, Priber.
In <lon Letzten Jahrzehnten ist der Organisation des Verbrechers eine vielfache Auf-
merksamkeit gewidmet worden in der Voraussetzung, dass in ihrer Eigenartigkeit der
ursächliche Zusammenhang mit einer angeborenen oder innewohnenden Anlage zum
Verbrechen nachzuweisen sei. Die -wissenschaftlich unzulängliche Art der Beobachtung
und noch mehr die übergrosse, ungerechtfertigte Verallgemeinerung einzelner Thatsachen
haben aus dem Verbrecher eine besondere Abart seiner Mitmenschen construirt und ihn zum
Gegenstand einer besonderen anthropologischen Betrachtung gemacht. Indessen hat sich
in der Neuzeit die Ueberzeugung immer mehr Bahn gebrochen, dass der Verbrecher in
seiner physischen und sonstigen biologischen Beschaffenheit keine constanten und noch
weniger typische Merkmale darbietet, welche ihn anthropologisch von den anderen Menschen,
unter denen er lebt, unterscheiden. Wenn demnach von einer Anthropologie der Ver-
brecher im streng wissenschaftlichen Sinne nicht die Rede sein kann, so ist doch die Zahl
derjenigen, welche diesem Forschungsgebiete ihre ernste Beachtung und Arbeit schenken,
eine so ansehnliche und das Beobachtungsmaierial derartig ausgedehnt und gross Lr<worden
dass sich das Bedürfniss geltend gemacht hat, für die im Flusse befindlichen Streitfragen
eigene Fachzeitschriften zu schaffen.
Nach den älteren Vorbildern in Italien und in Frankreich will die oben genannte Zeit
schrift auch in Deutschland einen Sammelpunkt für diejenigen Untersuchungen und
Mittheilungen bilden, welche den verbrecherischen Menschen naturwissenschaftlich zu er
forschen vorhaben. Bei dem grossen Interesse, welches den Ergebnissen derselben von
vielen Seiten entgegengebracht wird, und hei dem hochbedeutsamen Einflüsse, wel
sie auf Anschauungen und Grundsätze strafrechtlicher Natur auszuüben geeignet sind
und auch theilweise bereits ausgeüM haben, kann das Vorhandensein eines solchen Fach
Journals in deutscher Sprache als berechtigl angesehen werden.
Die Zeitschrift will ihr Augenmerk, wie sie in der Einführung verspricht, auf den
kritischen "lei^t ächter Wissenschaftlichkeit richten. Sic zieht auch die wichtigsten Fragen
des Gefängniss- und Prostitutionswesens in ihn Kreis ihrer Betrachtungen, um auch die
weii.reu Grenzen der verbrecherischen Klassen zu umfassen. Sie zählt eine stattliche
Zahl wohlbekannter Männer des In- und Auslandes zu ihren Mitarbeitern und i t in
ansprechender Weise ausgestattet.
In den bisher erschienenen 4 Heften sind viele lehr- und inhaltsreiche Abhandlungen
enthalten, welche zweifellos auch einen anthropologischen Werth haben. In einem Auf-
sätze: „Lombroso und die Criminal-Anthropologie von heute- kritisirt 1'. EJäcke den
falschen Standpunkt Lombroso's, an welchem dieser noch heute festhält, — und
mit gerechtem Unwillen den schnöden und ungebührlichen Angriff desselben auf Rudolf
Yirchnw zurück. Der jüngst verstorbene Physiolog Preyer legi seine Ansichten in
einem gehaltvollen und nicht ganz unanfechtbaren Beitrag über: „Die Handschrift der
Verbrecher" nieder (S. 47). Sehr lesenswerth sind die Abhandlungen von Pasquale Pcnta
(Neapel über die rationelle Behandlung der Verbrecher (S. 113); über Criminalitäl und
Criminal-Statistik mit besonderer Anwendung auf amerikanische Verhältnisse von Roland
I'. Falknor Philadelphia (S.201); über spanisches Verbrecherthum von Rafael Salillas
(Madrid) (S. 288); Beiträge zur [dentificirung der Verbrecher von Friedrieb Faul (Littau]
(S. 272 and 368). Ungemein interessant sind: Neue Forschungen auf dem Gebiete der weib-
lichen Criminalität, Prostitution und Psychosen \'>n Moraglia (Turin' (S.229) und briet lieh.'
15*
208 Besprechungen.
Mittheilungen von Zarkewsky, welcher die Lombroso'schc Lehre und den Werth der
sogenannten „positiven Schule" sehr scharf und treffend beleuchtet (S. 300).
Eine besondere Erwähnung verdienen noch die ausführlichen Abhandlungen von Arn d
(Greifswald): Verbrechen und Geisteskrankheit (S. 23); die Probleme in der Homosexualität
von Alb. Moll (Berlin) (S. 157); die Umkehrung des Geschlechtstriebes von Laupts
(Lyon) (S. 75 und 321); eine Enquete über den Selbstmord von demselben (S. 75); Crimi-
nalität und Suggestion von Dr. Maschke (Olmütz) (S. 401) und die Prostitutionsfrage
von Dr. Münchmeyer (Kolberg) (S. 53). Den Originalarbeiten sind eingehende Be-
sprechungen über Erscheinungen der hierher gehörigen Literatur und ausführliche Be-
richte über Versammlungen auf Congressen u. s. w. beigegeben. Dr. Baer, Berlin.
v. Lusclian, F. Beiträge zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete.
Erweiterte Sonderausgabe aus dorn „Amtlichen Bericht über die erste
deutsche Colonial- Ausstellung" in Treptow 1896. Mit 48 Tafeln und
46 Text- Abbildungen. Berlin, Dietrich Reimer (Ernst Voll sen) 1897. 4°.
NT S. Text.
Das vorliegende Werk bringt uns eine Leihe von anthropologischen und ethno-
graphischen Studien, zu welchen der Hr. Verf. durch die Ausstellung aus unseren Schutz-
gebieten in Treptow angeregt worden ist, Mit Recht ist darin das Hauptgewicht auf die
Darstellung der untersuchten Menschen und ihrer Erzeugnisse gelegt, so dass sich dieser
Theil der Ausstellung gleichsam vor unseren Augen nochmals aufrollt, uud zwar an der
Hand eines so vortrefflichen Führers, wie der langjährige Leiter der afrikanischen und
oceanischen Abtheilung des Königlichen Museums für Völkerkunde es ist. Von den
48 Tafeln gehören die ersten 20, durch Lichtdruck hergestellten dem anthropologischen
Theile des Buches an; dieselben müssen, sowohl was die photographische Aufnahme der
Schwarzen, als was die Reproduction betrifft, zu den besten Leistungen auf diesem Gebiete
überhaupt gezählt werden. — Der dazu gehörige Text giebt nur eine objeetive Beschreibung
der untersuchten Personen in anthropologischer Beziehung und tabellarische Zusammen-
stellungen der Messungsresultate; mit wohlüberlegter Selbstbeschränkung vermeidet der Verf.
es, allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen, obwohl nicht leicht ein reicheres und zuver-
lässigeres Material sich einem Forscher dargeboten haben dürfte, als hier. Es konnten
nehmlich, mehr oder weniger genau, 92 Eingeborene verschiedenen Geschlechts und Alters
aus dem Togogebiet, Kamerun, Südwest- und Ost-Africa und Neu-Britannien der Unter-
Buchung unterzogen werden, von denen mehr als die Hälfte sowohl en face, wie en profil
abgebildel sind.
Die übrigen 28 Tafeln sind ganz der Ethnographie gewid t; davon sind 10 nach
photographischen Aufnahmen des Verf., 18 nach sachgetreuen Zeichnungen des Hrn.
Dr. Weule hergestellt, welcher bekanntlich Forscher und Zeichner zugleich ist. In
dem hierzu gehörigen Abschnitt d<-> Textes giebl der Verl', eine üebersicht der aus-
ge teilten Sammlungen und knüpft daran in Form von Excursen eine Reihe von
Problemen der afrikani chen und oceanischen Ethnographie in so anregender Weise,
dieser Theil nichl nur für den Fachmann, sondern auch für den Laien eine höchst
interessante Lectfire bildet. Zuerst wird ein üeberblick über das bisher Bekannte gegeben
und dann auf die vielen, noch ihrer Lösung harrenden Aufgaben hingewiesen; als Beispiel«'
o behandelten Themata führen wir hier nur an: die Ornamentik der Haussa-Toben,
die Schrit'thänder der Moa-Mattcn, die Kopfbänke von Neu-Guinea, die Durchbohrung
der Tridacne-Schalen u. a.
Alle Freunde der Völkerkunde werden dem Hrn. V< rf., wie der Verlag bandlung zu Danke
verpflichte! Bein, da da reiche Material, welches die Colonial-Ausstellung im Sommer
für das Studium der Anthro] is weit zerstreuten Gebieten in Treptow ver-
einig! hatte, in treuer Wiedergabe fi tgelegl und so für die künftige Forschung gesichert
haD( Lissauer.
Besprechungen. 209
Adolf Heilborn. Allgemeine Völkerkunde in kurzj^efasster Darstellung.
Mit 15(1 Abbildungen, darunter 15 Vollbildern. 200 Seiten. 8*o. Leipzig,
Ferdinand Hirt und Sohn. 1898.
Das Interesse für die Lebensgewohnheiten fremder Völker, sowie für deren äussere
Erscheinung, ihre Kunstfertigkeiten und ihre Gebrauchsgegenstände erobert sich immer
weitere Kreise. Mit dieser erfreulichen Erscheinung steigert sich das Redürfhiss nach
turzgefassten, dem allgemeinen Auffassungsvermögen angepassten Schriften, welche das
Verständniss für diese Dinge zu vermitteln im Stande sind. Das vorliegende Buch ist
dieser Art. Es wendet sich an die reifere Jugend, aber auch an den gebildeten Laien
auf ethnologischem Gebiete und führt in geschickter Zusammenstellung und in gut les-
barer und leicht fasslicher Sprache eine grosse Anzahl wissenswerther Thatsachen in einer
leicht übersichtlichen Anordnung vor.
Der Einleitung, in welcher allerdings manche kühne Hypothese bereits als volle
Wahrheit angenommen wird, folgen Abschnitte über die Feuerbereitung und das Kochen,
über Waffen, Schmuck und Kleidung, über den Hausbau und das Hausgeräth, über
Ackerbau, Viehzucht, Industrie, Handel und Geld, über die Schiffahrt nnd die übrigen
Verkehrsmittel; Abschnitte über die religiösen Anschauungen, über die Familie und den
Staat, über Sprache und Schrift bilden den Schluss. Die Abbildungen sind theils genaue
Copien ethnographischer Gegenstände, theils genrebildartig componirte Skizzen, welche
wohl nicht verfehlen werden, die Phantasie der jugendlichen Leser in günstiger Weise
anzuregen. Max Bartels.
Otto Schell. Bergische Sagen. Mit 5 Lichtdruckbildern. 608 Seiten 8vo.
(Baedekersche Buch- und Kunsthandlung und Buchdruckerei: A. Martini
und Grüttesien. G. in. 1». II.) Elberfeld, 1897.
Dem Verf. ist es gelungen, 1015 Sagen in einem engumgrenzten Gebiete, der einst-
maligen Grafschaft Berg, zusammenzubringen. Das ist. wie Friedrich S. Krauss, der
ihm die Einleitung schrieb, mit Recht hervorhebt, eine in hohem Grade anzuerkennende
Leistung, welche zugleich den Beweis liefert, dass selbst in den von der modernen
Industrie besonders in Beschlag genommenen Districten die Volkskunde doch noch ihre
Ernte zu halten vermag. Die Sagen sind meistens dem Volksmunde nacherzählt, in
einigen Fällen aber auch früheren Veröffentlichungen entnommen. Die ersteren haben den
Vorzug der grösseren Schlichtheit und Ursprünglichkeit der Erzählung.
Ihrem Inhalte nach bringen uns die Sagen manchen alten Bekannten germanischer
Vorzeit, den Schimmelreiter oder dessen Boss allein, den einäugigen Wanderer, den
wilden Jäger, allerlei Elementargeister, den Werwolf und den Aufhocker, die Mar und
allerlei Spukgestalten. Dann begegnen wir reichlich der Zeit des Hexenglaubens und der
Hexenprozesse, der Religionskriege, namentlich des dreissigjährigen, der Franzosenzeit, und
selbst unser eigenes Jahrhundert hat ganz jungen Sagenstoff geliefert, so die Einführung
der Eisenbahnen und der grosse Krieg gegen Frankreich in den Jahren 1870 — 71.
Solche localen Sagensammlungen bieten ausser dem allgemein volkskundlichen Inter-
esse sicherlich auch manchen nicht zu unterschätzenden Fingerzeig für den Geschichts-
forscher und ganz besonder.- für den Prähistoriker und Archäologen. Die vorliegende
Sammlung ist nach den Flussgebieten geordnet und mit einer grösseren Anzahl erklärender
Anmerkungen versehen. Fünf Lichtdruckbilder, die dem Werke eingefügt sind, führen
Landschaften und Gebäude vor, welche besonders reichlich von den Volkssagen um-
sponnen sind. Max Bartels.
210 Besprechungen.
Samoanische Texte. Unter Beiliülfe von Eingeborenen gesammelt und
übersetzt von 0. Stübel. Herausgegeben von F. W. K. Müller
(Veröffentlichungen ;uis dem Königlichen Museum für Völkerkunde
isl)(i. IV. •_>— 4.)
Den hosten und sichersten Weg in das Wesen und daspsychologischeEmpfind.cn eines
Volkes führt uns die Sage und seine eigene Geschichte, und eine der dankbarsten Auf-
gaben des Folkloristen ist es, diesen Weg zu betreten und, auf ihm weiterschrcitend, in
das Fühlen und Denken und die intimsten Ideengänge und Verbindungen des Volks-
charakters und seelischen Lebens einzudringen. Es gehört freilich eine besondere Hin-
gabe dazu, gewissermaassen eine Entsagung allen eigensten Anschauungen gegenüber,
um auf diese Weise ein Ziel zu erreichen. Nicht jedem Forscher ist es gegeben, sich
völlig in die Seele anderer, von ihm gänzlich verschiedener Individualitäten hineinzuleben
und sich darin zu vertiefen. Solches Vermögen ist individuell und wird auch dem Laien
der Ethnologie, der es besitzt, mehr Lohn gewähren, als dem wohl vorgebildeten, mit
allen Mitteln wissenschaftlicher Erfahrung ausgerüsteten kritischen Beobachter, der mit
schart begrenzten Tiegeln und unbiegsamem Maassstab ein Volk studirt und bearbeitet.
Das sind die unwillkürlichen Schlüsse, die das Facit der vom General - Consu
Stübel während eines zweijährigen Aufenthaltes auf den Samoa-Inseln gesammelten Auf-
zeichnungen aufdrängt, welche von F. W. K. Müller im Museum für Völkerkunde
in Berlin mit vielem Geschick und ausserordentlicher Mühe bearbeitet und zusammen-
gestellt und im IV. Band der Veröffentlichungen aus dem Museum vom Jahre 1896 er-
schienen sind. Der Bearbeiter hat damit eine ausserordentlich schwierige, gewissermaassen
undankbare Aufgabe in geradezu bewunderungswerther Weise gelöst und sich um die
Geschichte eines dem Untergang geweihten Volksstammes unvergängliche Verdienste er-
worben. Die lange Mühe ist wohl der Sache werth und die Müller'sche Fassung der
St üb ersehen Edelsteine überliefert der Nachwelt ein kostbares Kleinod.
Nur wer Gelegenheit hatte, selbst den schönen polynesisehen Typus der Samoaner in
ihrer Heimath zu beobachten, unter jenem, kaum noch 35000 Köpfe zählenden, durch den
Einfluss der alles übertünchenden, alles Ursprüngliche erstickenden Civilisation bedrängten
Rest einer Völkerfamilie zu leben, wird den Werth der vorliegenden Texte voll zu würdigen
eil.
Schnell haben fremde Gebräuche und der Einfluss der Civilisation auf die Samoaner
eingewirkt, schnell I iahen diese zu Gunsten neuer Lehren ihre ursprüngliche Weltanschauung,
ihre Religion, aufgegeben. Ja, wie kaum ein anderes Volk, bekundeten sie einen Drang
nach Aneignung neuer Anschauungen und Gewohnheiten, wobei eine hohe natürliche
Intelligenz ihnen fördernde Hülfe leistete. Wohl gab es eine Grenze in diesem Drange
nach „Bildung" und Veränderung, die sich besonders den Umsturzbewegungen der
\h rionare als ein fester Schutzwall entgegenstellte und uoch bis heute Manches erhalten
hat, was an die heidnische Vorzeit der einstigen Herren eines wahrhaft paradiesischen
[nselreichc erinnert. Die Tradition ureigenster Gebräuche bewährl die Potenz jahrhunderte-
langer Vererbung auch heute noch. Erst 70 Jahre rüttelt die Cultur an dem ethno-
logi chen Gebäude, in dein einige Säulen uoch fesl stehen, wenn auch viele Mauern
bereits dem An türm di mächtigen modernen Feindes erlegen sind; stürzen auch sie,
dann ist. ein ebenso int wie schönes Bauwerk der Schöpfung dahin und nur
noch die Trümmer können folgenden, neu aufstehenden Geschlechtern als Denksteine
überliefert werden.
Wenn auch, wi lagt, die Samoaner heute, noch an vielen Traditionen mit erstaun-
licher Zähigkeit festhalten und trotz ihrer Bekehrung zum Christenthum sich beispiels-
die Beschneidung, die Ccremonicn der Hochzeit und die Tättowirung nicht haben von
den Aposteln des Christenthums nehmen La en, wenn auch besonders die Grundzüge ihres
Familienlebens und ihre locialen An chanungen, besonders das Erbrecht, in Bezug auf
iliche Vorrechte und Würden noch fortbestehen, so ist es doch unsagbar schwer,
.in den noch sichtbaren und erkennbar erhaltenen Institutionen eine klare Vorstellung,
einen causalen Zu ammenhang der ein tigei] I reigenthümlichkeiten zu gewinnen. Er-
Bei prechungi q. 2 1 1
schwerl wird dies wesentlich durch die Intelligenz der Samoaner and ihre Abneigung,
Fremden, Uneingeweihten einen Einblick in ihr innerstes Empfinden and ihre heili
Rechte zu gestatten. Dazu k< nt, da s ihr altes Recht, ihre Traditionen ihnen nicht
angelernt, sondern im wahren Sinne des Ausdruckt angeboren sind, und d;
Harfeastes und Fremde, die in den Bräuchen u.s.w. innerhalb des autochthonen Lebens auf-
wachsen, es selten weiter bringen, als dass sie die Richtigkeil eines rechtlichen Vorga
empfinden; das ist der wesentlichste Erfolg, den die ältesten Missionare, besonder solche
der französischen katholischen Orden, erzielt haben.
Durch freundschaftliche Beziehung und starke Vertrauen lässl sich der Eingeborene
aus guter Familie — denn nur ein solcher ist im Staude, vollgültige Aufklärung zu geben, da
ihm der Vorzug der Stellung und Erziehung tieferes Erkennen gestattet — wohl be*
zumei i in Form kurzer Erzählungen oder Gleichnisse, aus dem seelischen Leben seines
Stammes zu berichten. Auch dann aber aeigt die angeborene Höflichkeit und besonders
der Wunsch, dem angenehmen Fremden zu gefallen, nur allzu sehr dazu, von dichteri eher
Licenz Gebrauch zu machen, so dass verschiedene Gewährsmänner auch oft recht va-
riirende Darstellungen liefern.
Scheint es nicht nahezu unglaublich, dass wir, trotzdem schon bald nach d< r Be-
kehrung der Samoaner scharfe Beobachter und Folkloristen den Spuren des Vorlebens
der Eingeborenen nachgingen und ihre Aufzeichnungen machten, wie Turner, Pratt U.A.,
nicht positiv sagen können, oh die Anthropophagie jemals auf den Samoa-Inseln
herrschte? Die wenigen Symptome, welche Turner (vgl. „Nineteen years in Polynesia"
und „Samoa") in sogenannten Opfersteinen und Erzählungen, sowie bestehenden Ge-
bräuchen hierzu heranzog, berechtigen noch nicht zu dem sicheren Schluss, dass die
Samoaner selbst einst Kannibalen waren. Auch Stübel hat in seinen Aufzeichnungen
zwei Sagen überliefert, welche von Menschenfressern bandeln. Indessen trägt deren
Inhalt und Sinn weit eher dazu bei, entlastend zu wirken, denn die Erzählungen von dem Aso
(der Menschenmahlzeit) Malietoas und dem Solo (-Gesang) der Gasolo, der Tochter Malietoas,
schildern (S, 72 und 73) den Kannibalismus des Königs Malietoa als etwas Individuelle
und Verwerfliches; ebenso tritt die Vorliebe für Menschenfleisch bei einer Dame1) in der
zweiten Erzählung als fremde Erscheinung zu Tage. Die Annahme, dass Anthropophagie
den Sanioancrn an sich fremd war und vielleicht später nur als Reflex der Sitten anderer
Volksstämme, mit denen die Samoaner gelegentlich in Berührimg Kamen. — so beispiels-
weise mit den Viti-Insulanern, welche im Atua-Bezirl nach einem Kriege zurückgeblieben
und dort sich mit den Samoanern vermischt haben, — zu betrachten i>t. dürfte hier-
durch unterstützt werden. Der Inhalt der zweiten Sage sei, da in derselben die sym-
bolische Sprache poetisch zum Ausdruck kommt, welche den Reden und Schilderungen
des Volkes auch heute noch eigen ist und sie besonders als Gelegenheitsdichter bei fest-
lichen Anlässen kennzeichnet, hier wiedergegeben:
„Das Solo der Gasolo, Tochter Malietoas: Kannibalismus."
Das Solo der Tochter Malietoas, als de von dem Häuptling Folasaitu vernachlässigt
wurde, welchen sie zum Manne genommen halte. Folasaitu war vorher mit einer Dame
verheirathet gewesen, welche Menschen frass, und hatte von ihr einige Kinder. Hierauf
heirathete Gasolo (die Tochter Malietoas) den Folasaitu, welcher sie vernachlässigte, weil
ei manche Nächte wieder seine Frau, die Menschenfresscrin war. aufsuchte. Hierauf
machte Gasolo folgendes Solo
„Ich schlafe und verkünde meinen Traum:
Ich weile, wie dei Fi ch ohne Gefährten iu seiner Höhle schläft.
Folasaitu, Hein Wunsch ist, Du wärest weit entfernt.
1) Das-von F. W. K. Müller mehrfach in der ücbersetzung benutzte Wort Dame
für tama' ita'i, entsprechend der Pratt'schen Erklärung mit Lady, berültrt etwas
sonderbar wegen seiner cultursocialeu Bedeutung. Dennoch dürfte diese I
traguug gerade charaktcri ;i ch und angebracht erscheinen, da tamaitai thatsächlich sich
nach samoanischen B< vollkommen mit der Bezeichnung Dame, eine] dem besseren
irigen Frau "der Jungfrau, deckt
212 Besprechungen.
Seitdem bin ich vernachlässigt.
Du näherst Dich dem (schönen) Vasavasa -Vogel, hinter dem (verborgen) der
(gefährliche) Tiotala-Vogel sitzt.
Du wirst eines Tages seine Bosheit erfahren.
Lud Du weisest zurück Deiue schöne Taube, die auf Deinem Tauhenholz sass,
Und die Liebe girrt über Deinem Lager."
Eine ähnliche anmuthende, dabei anspruchslos klare Sprache charakterisiri auch die
übrigen, von St übel sowohl in der Uebersctzung, wie im Urtext niedergeschriebenen
Deberlieferungen, die in ihrer Reichhaltigkeit und hinsichtlich des vielgestaltigen Stoffes
geeignet sind, wie keine anderen Mittheilungen, ein möglichst deutliches Bild der alten
samoanischen Institutionen und Ideen zu geben.
Von ganz besonderem sociologischem Wcrthe ist unbestreitbar das Capitel der
Häuptlingsheirathen (p. 120— 126), denn es berührt den geheimnissvollsten Tunkt
samoanischen Familienlebens. „Die Nachfolge des Adoptivsohnes", diese rechtskräftige
Bevorzugung eines angenommenen Sohnes gegenüber dem selbstgczcugten, streift die
verwickelte Frage des Erbrechtes, die durch den fast regelmässig auftretenden Austausch
von Kindern iunerhalb gleich gestellter Familien nicht nur der Beurthcilung nach allen
bestehenden Regeln der Civilisatiou spottet, sondern auch die Ursache zu häutigen
Differenzen innerhalb der Sippen und auch zu den meisten Fehden und Kriegen bot. —
Fast ebenso schwierig und völlig uugenügend festgestellt ist das im nächsten Capitcl
(S. 12611'.) behandelte ßesitzrecht, welches seit der Einführung des Geldwerthes auf
den Inseln und der Landspeculationen in seinen Grundfesten stark erschüttert ist.
Wenn schon die erwähnten, von Stübel berücksichtigten und partiell aufgeklärten
Themata, die hier ausführlicher zu erwähnen und zu besprechen zu weit führen würde, über
jede Kritik erhaben scheinen und ihr Wertb, wie gesagt, nicht hoch genug veranschlagt
werden kann, so verleiht ihnen die unverkennbare Sicherheit und Zuverlässigkeit der
Quellen, aus denen sie mit grossem Geschick und Glück geschöpft sind, noch eine ganz
besondere Bedeutung.
Der Inhalt der Aufzeichnungen, der poesiereichen Sagen eines von der Forschung
noch relativ wenig, um so mehr aber von neidischer Weltpolitik ausgebeuteten Volkes er-
innert immer wieder an die tiefere Wahrheit des vielfach ironisirten Seume'schcn Aus-
spruches: ..Wir Wilden sind doch bessere Menschen." F. Reinecke.
C. R. Häntzschel: Reisehandbuch für Amateur-Photographen. Wilhelm
Knapp, Balle a. S. 1896.
Die photographische Fach-Literatur ist eine überreiche — von den umfangreichsten
Lehrbüchern bis zu dem bescheidensten Nachschlagebuch, aber jeder Verfasser eines
neuen Lehrbuches über Photographie weiss derselben neue Seiten abzugewinnen, neue
Bathschläge aus dem Schatz seines Wissens zu ertheilen; denn so wie die Resultate der
Photographie individuell sind, so ist auch der Weg zu denselben ein individueller, und
so giebt der Verfasser in dem vorliegenden kleinen Werkchen aus eigener Erfahrung
eine Leihe von Winken, die den Amateur vor manchen Enttäuschungen auf der Reise
bewahren dürften.
Der Anthropolog und Ethnolog dürfte jedoch Manches vermissen, was für seine
Aufnahmen von grS ster Wichtigkeit wäre, denn der Inhalt des Werkchens erstreckt sich
— ausser allgemeinen Etathschlägcn — auf Landschafts-, Architektur- u s.w. Aufnahmen,
t jedoch nicht zu leugnen, dass, wenn der Amateur -Photograph mit diesen Auf-
nahmen gut Bescheid wei i, er den Apparat auch auf einigen wissenschaftlichen Gebieten
richtig anzuwenden verstehen wird. Franz Goerke.
Zattchr. /. Ethwto.j«. Hand XXIX.
Ansieht der Felsengräber bei CasMbil
Zeitschrift für Ethnologie. Band XXIX.
Taf. IL
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fr
v.
/
Verhandlungen
der
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt
Rud. Virchow.
Jahrgang 1S97.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & CO.
1897.
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
897
Ehren - Präsident :
Dr. Kinlolf Virchow. Professor, Geh. Med.-Rath.
Vorstand, 1. Januar 1897.
Dr. Rud. Virchow. Professor, Geh. Med.-Rath, Vorsitzender.
Dr. Willi. Waldeyer. Prof,
Geh. Med.-Rath.
Dr. Wilh. Schwartz. Prof
Stell\ ertreter
des
Vorsitzenden
i lyniii.- Director a. D..
< reh. Regierungsrath.
Dr. A.Voss. Diivctor der vuterl. Abth. d. Kg]
Museums f. Völkerkunde, Schriftführer
Dr. Max Bartels. Sanitätsrath, Schrift-
führer, W. Am Karlsbad 12 13.
Dr. med. R. Neuhauss. Schriftführer.
Wilhelm Ritter. Banquier, Schatzmi isl
SW. Friedrichstrasse 242.
Ausschuss, 25. Januar 1897.
Dr. Lissauer. Sanitätsrath, Obmann, Bibliothekar der Gesellschaft.
Dr. phil. Dames, Professor. Dr. med. et phil. v. Luschan.
Dr. med. et phil. Paul Ehrenreich. Dr. jur. i >. Minden. Syndicus.
E. Friedel. Geh. Regierungsrath, Stadtrath. II. Sökeland.
Dr. jur. v.Kaufmann, Geh. Regierungsrath, Dr. med. et phil. Karl von den Steinen.
Professor. Professor.
Ehrenmitglieder, 1. Januar 1897.
1. Frau Gräfin Uwarow. Präsiden! der Kaiserlich Russischen Archäologis
Gesellschaft, Moskau, erwählt <\vn 21. December 1889.
-. Fräulein Johanna Mestorf. Director des Museums vaterländische!- Alter-
thtimer in Kiel, erwählt den 18. Juli 1891.
Ministerialrat!), Freiherr Ferdinand v. Andrian-Werburg. Präsident der Wiener
anthropologischen Gesellschaft, lussee, Steiermark, erwählt den 14..luli 1894
4. Direktor Dr. Fraas. Stuttgart, erwählt den 14. Juli 1894
5. Prof. Dr. Johannes Ranke, erster Vorsitzender der Münchener Gesellschaft
für Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte, General -Secretär der
Deutsehen anthropolog Gesellschaft, .München, erwählt dm 8. Mär/ 18
(4)
20.
1874 21.
1894 22.
1890 23.
1871 24.
1881
1877
25.
26.
Correspondirende
mit Angabe des Jahres
1. Anutschin. L).. Dr., Professor, 1889
Präsident der Kaiser!. Gesell-
schaft der Freunde der Natur-
wissenschaften, der Anthropo-
logie und Ethnographie, Moskau.
2. Aspelin. J. R., Dr.. Staatsarchae-
olog, Helsingfors, Finland.
3. Barnabei, Direttore del Museo
Papa Giulio, Rom.
4. Baye. Baron Joseph de, Chateau
Baye, Dep. -Marne, Frankreich.
5. Beddoe, John, M. D., F. R. S.
The Chantry, Badford-on-Avon
(Wilts) England.
6. Bellucci, Giuseppe, Prof., Dr.,
Perugia.
7. Bertrand, Alexandre, Membre
de rinstitut. Directeur duMusee
des Antiquites nationales ä
St. - Germain - en - Laye , Frank-
reich.
8. Bonaparte. Roland. Prinz, Paris.
9. Brinton, Daniel G., Dr. med.,
Professor an der Universität von
Pennsylvania, Doctorof Science,
Media, Pa.
in. Brizio, E., Professor, Director
des Museo civico, Bologna.
1 1 . Burgess. J., L. L. D., C. I. E.,
Director Gen. of theArchaeolog.
Smvey of India, Edinburgh.
12. Calvert, Frank, Amer. Consul,
Dardanellen, Kleinasien.
18. Capellini, <l.. Prof., Senator,
Bologna.
14. Capistrano de Abreu. Dr. Joäo,
Rio de Janeiro.
l.'i. Cartailhac. E., Toulouse.
1»;. Castelfranco, l'ompeo. R.Ispet-
fcore degli Scai i e Monumenti
di Antichita, Mailand.
17. Chantre. Ernest, Professor, Sub-
directordes Museums fürNatur-
geschichte. Lyon.
18. Costa, Pereira da, Dr., Prof., L872 38
Lissabon.
19. Dawkins. \V. Boyd, Professor,
1885 27.
1886
28.
1891 29.
1887 30.
31.
1875 32.
33.
1871
34.
1895 35.
1881
1883
\W\
1877
36.
37,
Mitglieder,
der Ernennung.
M. A., F. R. S., Woodhurst,
Jallowfield, Manchester.
Delgado, Joaquim Filippe Nery, 1881
Chef der Geologisch. Landes-
aufnahme, Lissabon.
Duhmberg, Otto von, Dr., Staats- 1879
rath, Dorpat.
Dupont, Ed., Director des Kgl. 1871
naturgesch. Museums, Brüssel.
Ernst, A., Dr., Director des Nat.- 1 <S78
Museums, Caracas, Venezuela.
Evans, Sir John, D. C. L., L. L. 1874
D., F. R., S., Pres. Num. Socicty
London, Nash Mills, Hemel
Hempsted, England.
Fellenberg, Edmund von. Dr.. 1883
Director der archäolog. und an-
thropolog. Sammlungen, Bern.
Fiala. Franz, Dr. phil., Custos am 1 895
bosnisch -hercegovin. Landes-
Museum, Sarajevo, Bosnien.
Flex, Oscar, Missionär, Ranchi, 1873
Nagpore, Ostindien.
Flower, Sir William Henry. Prof., 1S79
F. R. S., Director des Natural
History Museum, London.
Franks. Sir Wollaston, M. A.. 1872
F. R. S. London.
Garson, J. G., M. D., London. 1889
Gemellaro. Director des paläont. 1883
Museums, Palermo.
Gerlach, Dr. med.. Hongkong. 1880
Gross, V., Dr. med., Neuveville, 1880
Schweiz.
Guimet, Emile. Lyon. 1882
Hamdy Bey, Director d. Kaiser!. 1894
( »ttomanischen Museums. Con-
stantinopel.
Hampel, Josef, Prot., Dr., Custos 1884
am Nationalmuseum, Budapest.
Hamy, Ernest, Dr., Professeur 1882
d' Anthropologie au Museum
d'hist. naturelle, Membre de
l'lnstitut, Paris.
Hauer, Franz Bitter von, Dr., 1887
Intendant a. I). d. K. K. natur-
h ist« irischen llofmuseu ms. Wien.
(5)
1890
63.
1883
IS?:;
64.
1889
r ".
1872
• >< ).
1886
66.
67.
68.
3U. Hausmann, Professor, Dorpat. 18% 61.
lo. Hazelius, Artur, Stockholm. 1888
41. Heger, Kranz. Custos am K. K. 1893 62.
Naturhistorischen Eofmuseum,
Wien.
42. Heierli,J.,Privat-Docent, Zürich.
4:-;. Heibig, Wolfgang, Dr., Professor,
Rom.
44. Heldreich Dr.von,Prof.,Director
des botanischen < rartens, Athen.
45. Herrmann. Anton, Dr. phil.,
Professor, Budapest.
46. Hildebrand, Hans. \)v.. Reiohs-
antiqnar, Stockholm.
47. Hirth. Fr., Prof. Dr., Com-
missioner of Oustoms, I !hin-
kiang, China. /.. Z. München.
48. Hörmann, Constantin, Regie- 1894
rungsrath, Director des Landes-
Musenms, Sarajevo, Bosnien.
49. Hörnes, Moriz, Dr. phil., Assistent 1894
am k. k. naturhist. Elofmusenm,
Prirat-Docent, Wien.
50. Hoffman, \V. .1.. Dr. med., Ca- L886
rator Anthropological Society,
Washington, D. C.
51. Houtum-Schindler. A.. General,
Teheran.
52. Jacques, Victor. Dr., Secretaire
de la Societe d'Anthropologie,
Brüssel.
53. Jimenes de la Espada. M.. Prof.
Dr., Madrid.
54. Ihering. Hermann von. Dr.,
Director do Musen zoologico,
San Paulo, Brasilien.
55. Kate. H. ten, Dr., La Plata,
Argentinien.
56. Kollmann. .1.. Dr. med.. Prof.,
Basel.
57. Lacerda. Dr., Prof., Direktor des
Nat.-Museums, Rio de Janeiro.
58. Lortet, Louis, Prof. Dr., Director
des naturhistorischen Museums,
Lyon.
59. Lubbock. Sir John, Bari , M. P.,
High Bims, Farnborough, Kern.
England.
60. Macalister. Prof. der Anatomie, 1893
Cambridge, England.
1878
69.
70.
L889
1891
L886
71.
L886
72.
Ins 7
73.
1 889
74.
1883
7:..
1871
76.
Majer. Prof. Dr., Präsident der 1878
k. k. Akademie, Krakau,
Man, E3dward Horace, Assistant 1 385
Superintendent, Porl Blair, An-
damanen.
Mantegazza. Paolo, Prof., Di- 1871
rector d. Nationalmuseums für
Anthropologie, Senator, Florenz.
Marchesetti, Carlo de. Dr., Dir. 1887
des naturhistorischen Museums,
Tl'iest.
Mason. Otis T., A. M.. Ph. I).. 1895
Curator of the Department of
Bthnology in the United States
Nat. Mus., Smiths. Institution.
Washington, 1). C.
Montelius, Oscar. Dr. phil., Prof., 1872
erster Amanuensis am Königl.
histor. Museum. Stockholm.
Moreno. Don Francisco, Director 187*
des National-Museiims. La Plata.
Morse. Edw. S., Professor Dr., 188 I
Director der Peabody Academy
of Science, Salem. Mass.
Morselli. Henri. Dr. med.. Pro- 1>S1
fessor, Turin.
Much. Matthaus. Dr. jur.. Re- 1894
gierungsrath, Mitglied and Con-
servator der k. k. Central-
Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Kunst- und
h istorischen Denk male. Hiet/im;
bei Wien.
Müller. Sophus, Dr.. Director 1882
des National-Museums, Kopen-
hagen.
Nicolucci. Griustiniano, Professor. 1871
Dr.. [sola di Sota. Neapel.
Noetling. Dr. phil.. Palaeonto-
logist of the Greological Survej
of India. Calcutta.
Orsi. Paolo. Dr.. R. [spettore 1888
degli seavi, Syracus.
Pehafiel. Antonio. Dr.. Prof.. 1891
.Mexico.
Philippi. Rudolf A . Profi ssor, 1871
Dr.. Santiago, Chile.
Pigorini. Luigi, Prof.. Director 1871
iles prahistorisch-ethnographi-
schen Museums. Rom.
(6)
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
92.
Pisko. k. u. k. österr. -ungar.
Consul, Üsküb, Türkei.
Pitt Rivers. A. H. Lane Fox,
Lieutenant-General, F. R. S.,
Lnspector of Ancieni Monu-
ments in ( rreat Britain, Rush-
more, Salisbury, England.
Pleyte. \Y.. Conservator aan's
Rijksmuseum van Oudheden.
Leiden, Niederlande.
Powell. .1. \\\. .Major. Smith-
sonian Institution, Director des
Bureau ofEthnology, Washing-
ton, 1). ('.
Prosdocimi. Alessandro, Gav.,
Professor. Dr.. Este, Italien.
Pulszky. Franz v.. Dr., Director
des Xationalnuisennis, Buda-
pest.
Radde, Gustav, Dr.. Wirk]. Geh.
Ilath. Director d. kaukasischen
.Museums. Tillis.
Radioff. W.. Dr., Akademiker,
St. Petersburg-.
Retzius, Gustaf, Dr.. Professor,
Stockholm.
Riedel. .loh. Gerard Friedr.,
Niederländischer Resident .
Niederländisch-Indien.
Risley, H. H., Calcutta.
Rivett-Carnac, J. H., Colonel-
Gommandant of Volunteers,
Aide de I larap of Her Majesty
the Queen, Erapress oflndia,
Schloss Wildeck, Aargau,
Schweiz.
Rygh. ().. Prof. Dr., Director
d. Sammlung nordischer Alterr
tliiimer. Christiania.
Salinas. Antonio. Professor,
Directordes Nation almuseums,
Palermo.
Schmeltz, J. 1). E., < lonservator
am Ethnographisch Rijks-
museum, Leiden.
Sergi, Giuseppe, Prof. Dr., Rom.
Serrurier. L., Dr., Professeur ä
l'ECOle Speciale pOUT le -e|\ ice
civil des Indes Neerlandaises,
Batavia.
1895 95. Spiegelthal. K. W.. Schwedi- 1875
scher Vice-Consul, Smyrna.
1888 96. Steenstrup. Japetus, Professor, 187]
Kopenhagen.
97. Stieda, Ludw., Geh. Medicinal- 1883
rath,Prof.Dr.. Königsberg i.Pr.
98. Stolpe. Hjalmar. Dr. med.. 1894
1890 Stockholm.
99. Studer. Theophil, Professor. 1885
Dr., Bern.
1876 100. Szombathy. Josef, Oustos am 1894
k. k. naturhistor. Hofmuseum,
Wien.
101. Tiesenhausen. W., Baron von. 1896
1889 Coadjutor der k. Archäolog
Commission, S. Petersburg.
Topinard. Paul, Prof. Dr., Paris 1879
Troll. Joseph, Dr., Wien. 1890
Truhelka. Giro, Custos am 1894
Bosnisch - Hercegovinischen
Landes - Museum, Sarajevo.
Bosnien.
Turner, Sir William. Prof. der 1890
Anatomie. Edinburg.
Tylor. Edward, B., Curator des 1893
Museums. Professor d. Anthro-
pologie. Oxford.
Ujfalvy de Mezö-Kövesd, (Jh. E. 1879
de. Professor, Paris.
Vedel, E., Amtmann, Vice- 1887
Präsident der Königl. Ge-
sellschaft für nordische Alter-
thumskunde, Sorö, Dänemark.
Wankel. Heinrich, Dr. med.. 1894
Olmütz, Mähren.
Weisbach, Augustin, Dr. med., 1871
Oberstabsarzt, Sanitfäts-Chef,
Sarajevo, Bosnien.
Wheeler, George M., Captain 1876
Corps of Engineers P.S. Army,
Washington. I). (J.
Wieser, Ritter von Wiesenhort. 1894
Franz, Dr. phil.. Professor.
Präsident ^^> Ferdinandeums,
Innsbruck.
1891 113. Zaaijer, Professor Dr., Leiden. 1895
1889 114. Zampa, Etanaello, Professor 1891
Dr., Rom.
1 15. Zwingmann. Georg, Dr., Medici- 1873
naliuspector. Kursk. Kussland.
1876
102.
103.
104.
1871
1884
105.
188C
106.
1S71
107.
1895
ION.
1882
109.
110.
1879
1883
1894
111.
112.
(7)
Ordentliche Mitglieder, 1897.
a) 1 in in c iw ä li iT ml c (nach § l 1 der
Statuten).
1. Corning. Dr. med., Morillon, Genf.
2. Ehrenreich. Paul, Dr. med. ei phü.,
Berlin.
.;. Joest, Wilhelm. Professor Dr. ph.il.,
Berlin.
l. Loubat. Duc de, Excellenz, Paris,
ö. Riegler. ('.. Director, Mannheim.
b) Jähr! ich za h Lend e | nach § 1 1 der
Statuten).
1. Abel, Karl. Dr. med., Berlin.
2. Abraham. Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
Berlin.
3. Achenbach, v.. Dr.. Exe, Oberpräsident,
Potsdam.
L Adler. B., Dr. med., Berlin.
5. Albrecht. Gustav, Dr. phil., Charlotten-
burg.
6. Albu. Dr. med., Berlin.
7. Aisberg. M., Dr. med.. Gassei.
8. Alterthumsverein. Worms.
9. Altrichter. Karl. Gerichts - Secretär,
Merlin.
10. Andree, Rieh.. Dr. phil.. Braunschweig.
11. Apolant. Hugo, Dr. med.. Berlin.
12. Arzruni, Andreas. Dr. phil.. Prof.,
Aachen.
13. Aschenborn, Oscar, Dr. med.. Berlin.
11. Ascher. Hugo. Kaufmann, Berlin.
15. Ascherson, F.. Dr. phil., Ober-Biblio-
thekar an der Königl. Uhiversitäts-
Bibliothek, Berlin.
16. Ascherson. 1'.. Dr. phil. ei med.. Prof.,
Berlin.
17. Aschoff. Albert, Dr. med.. Berlin.
18. Aschoff, L., Dr. med., (.eh. Sanitäts-
rath, Merlin.
li». Ash. Julius, Fabrikant, Berlin.
20. Audouard. \.. Major a. D.. Charlotten-
burg.
21. Auerbach. Richard, Kaufmann, Berlin.
22. Bär. Adolf. Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rath, Berlin.
23. Bassler. Arthur, Dr. phil.. /. '/. auf
Reisen.
2-1. Barschall. Max. Dr. med.. Geheimer
Sanitätsrath, Berlin.
2ö. Bartels. Max. Dr. med., Sanitätsrath,
Merlin.
26. Bartels, Paul, cand. med.. Berlin.
27. Basler. Wilhelm, Dr., Offenburg, Baden.
28. Bastian. A.. Dr. med. ei phil., Geh.
Reg.-B.ath, Professor, Director des
Kgl. Museums f. Völkerkunde, Merlin.
2'.». Bauer. Mr.. Baurath, Magdeburg.
30. Begemann, Dr. phil., Gymnasial-
Director, Neu-Ruppin.
31. Behla, Robert, Dr. med.. Sanitätsrath,
Kreiswundarzt. Luckau.
32. Behlen, Heinrich, Porst - Assessor,
Anrieh. ( )st-Friesland.
33. Behrend, Adolf, Verlags-Buchhändler,
Merlin.
34. Belck. Waldemar. Dr. phil.. Weilburg
35. Belli, Ludwig, Dr. phil.. Frankfurt a.M.
• ä',. Benda. C, Dr. med.. Privatdocent,
Berlin.
.'!7. Bennigsen. R. v., Oberpräsident, Exe,
Hannos er.
38. Berendt. C. Dr. phil.. Prof., Merlin.
39. Bergmann. Brust v.. Dr. med. Geh.
Medicmalrath. Prof., Merlin.
40. Berlin. R, Dr. med.. Prof., Rostock.
II. Bernhardt. M.. Dr. med., Prof., Berlin.
42. Bertram. Alexis. Dr. med. Geheimer
Sanitätsrath. Berlin.
43. Beuster, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath.
Merlin.
44. Beyfuss. Gustav, Dr. med.. Nieder-
ländisch-indischer Oberstabsarzt a. D.
Merlin.
15. Bibliothek. Grossherzogliche, Neu-
Strelitz.
16. Bibliothek. Stadt-. Stralsund.
17. Bibliothek. Universitäts-, Greifswald.
48. Bibliothek. Universität»-, Tüb
4!'. Bindemann, Hermann. Dr. med . Merlin.
öo. Biasius. Wühelm, Dr. phil., Prof.,
MrauiiM'hw eig.
öl. Blell. Theodor. Gross-Lichterfelde bei
Merlin.
•'-2. Bloch. Iwan. Dr. med.. Berlin.
(8)
Dr. med., Sanitätsrath,
phil.. Professor,
53. Blumenthal.
Berlin.
54. Boas. Franz. Dr.
New York. America.
55. Boer, Dr. med.. Sanitätsrath. Professor,
König]. Hofarzt, Berlin.
56. Borghard. A.. Fabrikbesitzer, Merlin.
57. Born, I... Dr.. Prof., Corps - Ross-
aiv.t a. I).. Berlin.
58. Bracht. Eugen, Landschaftsmaler,
Professor, Perlin.
59. Braehmer. 0.. Dr. med.. Sanitätsrath,
Berlin.
60. Bramann. \ .. Dr. med.. Prof.. Halle a. S.
61. Brand, F. v.. Major a. D., Wutzig'bei
Wbldenberg in der Neumark.
62. Brandt, v.. K. deutscher Gesandter und
bevollmächtigter Minister a. D., Wirkl.
Geheimer Rath, Exe, Wiesbaden.
63. Brasch. F.. Dr. med.. Berlin.
64. Brecht, Gustav, Dr., Oberbürgermeister
a. 1).. Quedlinburg.
65. Bredow. w, Rittergutsbesitzer, Berlin.
66. Bredow. Ernst v., Retzow b. Buschow.
67. Breslauer. Heinrich, Dr. med., Prof.,
Potsdam.
68. Bresler, H., Dr. med, Oberarzt, Frei-
burg i. Schlesien.
69. Brösike. G., Dr. med., Berlin.
70. Bruchmann. K., Dr. phil., Berlin.
71. Brückner sen.. Dr. med., Rath, Neu-
Brandenburg.
72. Brunnemann, Karl, Justizrath, Stettin.
73. Buchholz, Rudolf, Gustos des Märki-
schen Provinzial-Museums, Berlin.
74. Bürgerschule, staatliche, höhere mit
Latein-Abtheilung, Cuxhaven.
75. Bütow. H.. (ich. Rechnungsrath, Berlin.
7t;. Busch. Friedr., Dr. med., Prof., Berlin.
77. Buschan. (i.. Dr. med. et phil., Kaiserl.
Marine-AssistenzarzI a. 1).. Stettin.
78. Busse. Bermann, Werkmeister, Berlin.
7'.). Cahnheim. ().. Dr. med., Dresden.
sii. Castan. Gustav, Berlin.
81. Castan, Louis, Besitzer des Panopti-
cums, Berlin.
32. Cohn, Alex. Meyer, Banquier. Berlin.
83. Cordel. Oskar. Schriftsteller, Haiensee.
I Croner. Eduard, Dr. med.. Geh.
Sanitätsrath, Berlin.
85. Daffis. Ludwig, Kaufmann. Rom.
86. Dames, W., Dr. phil.. Prof., Berlin.
87. David, Theod.. vereid. Makler. Berlin.
88. Davidsohn. EL, Dr. med.. Berlin.
SIL Delorme. D.. ausserord. Gfesandter u.
Minister der Republik Haiti, Berlin.
90. Diercks, Gustav. Dr. phil., Steglitz.
91. Dieseldorff, Coban, Guatemala.
92. Dittmer, Ludwig. Dr. und.. Berlin.
93. Dönhoff-Friedrichstein. Graf, Friedrich-
stein bei Löwenhagen, Ostpreussen.
94. Dönitz, W., Dr. med., Prof., Steglitz I..
Berlin.
95. Dörpfeld, Wilh.. Dr. phil.. Prof., Erster
Secretär des Kaiserl. Deutschen
Archäologischen Instituts. Athen.
96. Dotti. Regierungs-Baumeister, Berlin.
97. Dzieducziecky, Graf. Lemberg, Galizien.
98. Ehlers, Dr. med., Berlin.
99. Ehrenhaus, S., Dr. med.. Sanitätsrath.
Berlin.
1Ü0. Ellis, Havelock, Carbis Water, Lelant,
Cornwall, England.
101. Ende, H., Königl. Baurath, Geh. Re-
gierungsrath Prof., Berlin.
102. Engel, Hermann, Dr. med., Berlin.
103. Eperjesy, Albert von, k. k. Oesterr.
Kammerherr u. Botschaftsrath, Rom.
104. Erckert, Roderich v.. Generallieut-
nant a. D.. Exe, Berlin.
105. Erdmann. Max, Gymnasiallehrer, Mün-
chen.
106. Ewald, Ernst, Professor, Director des
k. Kunstgewerbe-Museums, Berlin.
107. Eysn. Marie, Fräulein, Salzburg.
108. Fasbender, II.. Dr. med.. Professor,
Berlin.
109. Felkin, Robert \\\. Dr. med., Edin-
burg.
110. Feyerabend, Dr. phil., Görlitz.
111. Finckh, Theodor, Kaufmann, Stuttgart.
112. Finn, W., k. Translator. Berlin.
113. Fischer, Karl, Dr. med., Lenzen a. E.
114. Fischer, Wilhelm. Dr. phil., Real-
gymnasialdirector a. 1).. Bfernburg.
115. Fischer, Louis. Rentier, Berlin.
116. Flaeschendraeger. Fabrik - Director,
Wansleben.
117. Fleitmann. Theodor, Dr. phil.. Com-
merzienrath, Iserlohn.
00
118. Fliedner, (Juri. Dr. med.. Monsheim 147.
b. Worms.
119. Florschütz, Dr. med.. Gotha. L48.
120. Förtsch, Major a. D., Dr. phil.,
Halle a. S. 14!).
121. Fränkel. Bernhard, Dr. med., Prof.,
Geh. Medicinalrath, Berlin. 150.
122. Freund. G. A .. Dr. phil, Berlin.
li';;. Friedel, Ernst, Geh. Regierungsrath, 151.
Stadtrath, Berlin.
124. Friederich. \)v. med.. Ober-Stabs-
;iiv.i a. I).. Dresden.
125. Friedländer, [mmanuel, stud. min., 152.
Berlin. 153.
126. Friedrich. Woldemar, Maler, Prof., 154.
Berlin. 155.
127. Frisch, A.. Druckereibesitzer, Merlin.
128. Fritsch, Gustav, Dr. med., Prof., Geh. 156.
ü&edicinalrath, Berlin.
129. Fritsch. K. E. ().. Architect, Berlin. 157.
130. Frobenius. Oberstlieutenant a. D., 158.
( Jharlottenburg.
131. Fronhöfer. Kgl. Lotterie-Einnehmer, 159.
.Major a. D., Berlin. 160.
132. Fürstenheim, Ernst, Dr. med.. Sanitäts- 161.
rath, Berlin.
133. Gaedcke, Karl, Ober-Lehrer. Salz- 162.
wedel.
134. Gesenius. F., Stadtältester, Directoi 163.
des städtischen Pfandbriefamts, Geh. 164.
Regierungsrath. Berlin.
135. Giebeler, Carl. Ingenieur, (iross-
Lichterfelde. 165.
136. Glogner. Dr. med.. Stadsgeneesheer,
Samarang, Java. 166.
137. Görke. Franz, Kaufmann, Berlin.
138. Goes. Apotheker, Soldin.
139. Götz. ( ;.. Dr., ( >bermedicinalrath, Neu- 167.
Strebt/.. 168.
140. Götze, Alfred. Dr. phil., Berlin.
141. Goldschmidt. Heinr., Banquier, Berlin. 169.
142. Goldschmidt. Leo B.H., Banquier, Paris.
143. Goldschmidt. Oscar, Dr. jur.. Char- 170.
lottenburg.
144. Goldstücker, Eug.,Verlagsbuchhändler, 171.
Berlin.
145. Gottschalk, Sigismund, Mr. med.. 172.
Berlin.
146. Grawitz. Paul, Di-, med.. Professor, 178.
< rreifswald.
Grempler. Wilhelm . Dr. med., < reh.
Sanitätsrath, Breslau.
Grossmann. Adolf. Dr. med., Sanitäts-
rath. Berlin.
Grossmann. Louis, Rabbi, Temple
Beth El, Detroit. Mich.. America.
Grubert. Dr. med.. Palkenberg, Pom-
mern.
Grünwedel. Albert, Dr. phil., Prof..
Directorial - Assistenl am königl.
Museum f. Völkerkunde, Friedenau b.
Berlin.
Gubitz. Erich, Dr. med., Breslau.
Günther. Carl, Photograph, Berlin.
Güterbock. Bruno. Dr. phil., Berlin.
Güterbock, Paul. Dr. med., Geheimer
Medicinalrath, Professor, Berlin.
Gusserow. A.. Dr. med., Geh. Medi-
cinalrath, Prof., Berlin.
Guthknecht. Gustav, Maler. Berlin.
Gutmann. Max. Regierungs - Bau-
meister, Berlin.
Gutzmann. EL, Dr. med.. Berlin.
Haacke. Dr. med . Sanitätsrath, Stendal.
Haerche. Bergwerks-Director, Pran-
kenstein, Schlesien.
Hagenbeck. Karl. Thierhändler, Ham-
burg.
Hahn. Eduard, Dr. phil.. Berlin.
Hahn. Eugen, Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rath, Prof., Director am allgem. städt.
Kranken ha nse Fried nehshain. Berlin.
Handtmann. E., Prediger. Seedorf hei
Lenzen a. Elbe, Westpriegnitz.
Hansemann, David. Dr. med., Privat-
docent, Proseetor am Krankenhaus
Priedrichsbain, Berlin.
Hansemann. Gustav, Rentier, Berlin.
Harck, F.. Dr. phil.. Seusslitz hei
Priestewitz, Rönigr. Sachsen.
Hardenberg, Freiherr v.. Majoratsherr in
Schlöben b. Roda, Sachsen-Altenburg.
Harseim. Wirkl. Geheimer Kriegsrath,
Berlin.
Hartmann. Herrn.. Dr. phil., Prof.,
Landsberg a. W.
Hartwich, Karl. Dr. phil., Profess
Zürich.
Hattwich. Emil, \h\ med., Sanitätsrath.
Berlin.
(10)
174. Hauchecorne. W., Dr. phil , Geh. Berg- 205.
rath, Director d. k. Bergakademie,
Berlin. 206.
17"). Heck, Dr. phil., Director des zoo-
logischen Gartens. Berlin.
176. Heimann. Ludwig, Redacteur, Berlin. 207.
177. Heintzel. C, Dr., Lüneburg.
178. Helff, Albert, Rechtsanwalt, Frank- 208.
fürt a.,M. 209.
179. Helff. Pfarrer. Allendorf bei Weil-
burg. 210.
180. Hellmann, Gustav, Dr. phil., Professor,
Berlin. 211.
181. Henning, Louis. Employe, Antwerpen.
182. Henning. R.. Dr. phil., Prof., Strass- 212.
bürg- im Elsass. 21;;.
183. Herz, Dr. jur. , Kammergerichts- 214.
Assessor, Berlin. 215.
184. Hesselbarth. Georg, Dr. med., Berlin.
1 85. Heyden. Augustv., Maler, Prof., Berlin. 216.
Berlin.
186. Hilgendorf, F., Dr. phil., Professor,
Custos am königl. Museum f. Natur- 217.
künde. Berlin. 218.
187. Hille, Dr. med., Strassburg im Elsass. 21!).
188. Hirschberg, Julius, Dr. med., Professor,
Geheimer Medicinalrath, Berlin. 220.
189. Hirschfeld, Paul, Schriftsteller, Berlin. 221.
190. Holder, v., Dr. med.. Ober-Medicinal-
rath, Stuttgart. 222.
191. Höner, F., Zahnkünstler, Berlin. 223.
192. Hörn, ().. Dr. med.. Kreisphysicus, 224.
Tondem.
193. Hülsen. Karl. St. Petersburg. 22."».
194. Humbert. Unterstaatssecretär, Berlin. 22(1.
195. Ideler. Dr. med.. Geh. Sanitätsrath, 227.
Wiesbaden.
196. Isaac. Julius, ( lommerzienrath, Berlin.
197. Israel, Oskar, Dr. med., Prof., Berlin. 228.
198. Itzig. Philipp, Berlin. 229.
199. Jacobsen. Adrian, Schiffs-( iapitän a. D.,
Dresden. 230.
200. Jacobsthal. L., Geh. Regierungsrath,
Prof., < 'harli.tlenl.in-. 231.
201. Jacubowski, Apothekenbesitzer, Frau-
stadt i. P.
202. Jänicke. Ernst, Kaufmann, Gross- 232.
Lichterfelde.
203. Jaffe. Benno, Dr. phil.. Berlin. 2;;:;.
_'' 1 1. Jagor. Fedor. Dr. phil., Berlin.
Jahn, Ulrich, Dr. phil.. Charlotten-
burg.
Jannasch, R., Dr. jur. et. phil.. Vor-
sitzender des Vereins für Handels-
geographie, Berlin.
Jaquet, Dr. med., lieh. Sanitätsrath,
Berlin.
Jentsch, Hugo, Dr. phil., Prof.. Guben.
Jolly. Dr. med., Prof., Geh. Medi-
cinalrath. Berlin.
Jürgens. Rud., Dr. med., Custos am
Pathologischen Institut. Berlin.
Kahlbaum. Dr. med.. Sanitätsrath,
Director, Görlitz.
Kalischer. G., Dr. med., Berlin.
Kandt, Richard, pract. Arzt, Berlin.
Katz, Otto, Dr. med.. Charlottenburg.
Kaufmann, Richard v., Dr. phil., Prof.,
Geh. Regierungsrath, Berlin.
Kay, Charles de. General-Consul der
Vereinigten Staaten von America,
Berlin.
Keller, Paul, Dr., Berlin.
Kerb. Moritz. Kaufmann, Berlin.
Kirchhoff. Dr. phil., Ptof., Giebichen-
stein bei Halle a. S.
Klaar. \Y.. Kaufmann, Berlin.
Klas, Pfarrer. Burg-Schwalbach bei
Zollhaus.
Klein. William, Nürnberg.
Klemm. Dr. phil., Berlin.
Koch. Robert. Dr. med.. Prof., Geh.
Medicinalrath. Merlin.
Köhler. Dr. med.. Posen.
Kofier, Friedrich. Rentier, Darmstadt.
Kollm, Hauptmann a. I)., General-
Secretär der Gesellschaft für Erd-
kunde. Berlin.
Konicki, Julius, Rentier, Berlin.
Korth, Karl. Botel besitzer, Gharlotten-
burff.
Dr. phil., Biblio-
( lonservatör am
für Völkerkunde,
Kossinna. Gustaf,
thekar. Berlin.
Krause. Eduard,
Königl. Museum
Berlin.
Krause. Hermann, Dr. med.. Prof.
Berlin.
Krause, Wilhelm. Dr. med., Prof.
Berlin.
(11)
234. Krehl, Gustav, Kaufmann, Berlin. 267.
235. Kretschmer. Paul. Dr. phil., Berlin. 268.
i'^ti. Krien, F.. Oonsul, SeuL Korea. 269.
237. Kroner. .Muni/. Dr. med.. Sanitätsrath, 270.
Berlin. 271.
238. Kronthal. Karl. Dr. med, Berlin.
239. Künne. Karl. Charlottenburg. 272.
240. Kurtz. I'.. Dr. phil., Prof., Cördoba,
Etepüblica Argentina. 273.
241. Kuthe. Dr. med., Oberstabsarzt,
Frankfurt a. M. 274.
242. Kuttner. Ludwig, Kaufmann, Berlin. 275.
243. Lachmann. Georg, Kaufmann, Berlin. 27* 1.
i'44. Lachmann. Paul, Dr. phil., Fabrik- '2'i'i.
besitzet', Berlin.
24.r>. Lahr. Dr. med., Prof., Geh. Sanitäts- 278.
rath, Zehlendorf. 279.
246. Landau. II.. Banquier, Berlin.
■141. Landau. \\'.. Freiherr \\, Dr. phil.. Berlin. 280.
248. Lang. Carl Eugen, Blaubeuren.
249. Lange. Julius, Versicherungs-Director,
Potsdam. 281.
250. Langen, Königl. Baurath, Berlin.
251. Langen. A.. Capitain, Porto Delgado,
San Miguel, Azoren. 282.
252. Langenmayr. Paul, Rechtsanwalt, 283.
Pinne. Prov. Posen. 284.
253. Langerhans. P.. Dr. med.. Stadtver-
ordneten-Vorsteher, Perl in. 285.
254. Langerhans. Robert, Dr. med.. Prof., 286.
Proseetor am Krankenhause Moabit. 287.
255. Langner. Otto, Dr. med., Berlin. 288.
256. Laschke. Alexander. Kais. Bankbuch- 289.
halter. Berlin.
257. Lassar, ().. Dr. med.. Prof, Berlin. 290.
258. Lazarus, Moritz, Dr. phil., Prof., Geh. 291.
Regierungsruth, Perlin.
259. Le Coq. Alhert v.. Dr., Darmstadt. 292.
260. Lehmann. Carl F.. Dr. jur. et phil., 293.
Privatdocent, Berlin. 294.
261. Lehmann - Nitsche. P.. Dr. med. et
phil., Perlin.
262. Lehnerdt. \)w med., Geh. Sanitätsrath
Berlin.
263. Lemcke. Dr. phil., Prof.. Gymnasial- 296.
Director, Stettin.
264. Lemke. Elisabeth, Fräulein, Berlin. "-M,T.
265. Leo. F A.. Dr. phil., Prof., Berlin.
266. Leonhardi. Moritz Freiherr \ . Gross-
Karben, Grossherzogthum Hessen. 299.
Lewin. Moritz, Dr. phil., Berlin.
Liebe. Th., Dr. phil., Prof., Perlin.
Liebermann. F. \.. Dr. med.. I',
Liebermann. Felix, Dr. phil . Berlin.
Liebermann. Karl. Dr. phil., Pi
Berlin.
Liebreich. I Iscar, Dr. med., Prof. I
Medicinalrath, Berlin.
Lindenschmit. Dirigent des I ri
nisehen Museums, Main/.
Lissauer, Dr. med., Sanitätsrath, Berlin.
Low. F.. Dr. phil., Oberlehrer, Berlin.
Löwenheim. Ludw., Kaufmann, Berlin.
Lucae. Dr.med., Prof., < reh. Medicinal-
rath. Perlin.
Ludwig. II.. Zeichenlehrer, Berlin.
Luhe. Dr. med.. I >berstabsarzt, Königs-
berg i. Pr.
Lührsen. Dr.. Kaiseil. Deutscher Mi-
nister-Resident, Santa Fe de Bogota,
Colombia.
Luschan. F. v.. Dr. med. et phil.,
Dir.-Assist. am kgl. Museum f. Völker-
kunde, Privatdocent, Friedenau.
Maas. Heinrich. Kaufmann, Berlin.
Maas. Julius. Kaufmann, Perlin.
Maass. Karl. Dr. med., Oberstabs-
arzt a. D . Berlin.
Madsen. Peter, Baumeister, Perlin.
Magnus. !'.. Dr. phil.. Prof., Berlin.
Majewski. Erasm., Dr. phil.. Warschau.
Mankiewicz. Otto. Dr. med.. Perlin.
Marcuse. Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
I Berlin.
Marcuse. Louis, Dr. med.. Berlin.
Marcuse. Sieoh.. Dr.med.. Sanitätsrath.
Berlin.
Marggraff. A.. Stadtrate Perlin.
MarimonyTudö. Seh.. Dr. med.. Sevilla.
Martens, F. \ .. Dr. phil.. Prof.. Zw
Director der zoolog. ^bthlg. des kgl.
Museums für Naturkunde, Berlin.
Martin. A. F.. Dr. med.. Profess
Berlin.
Martin. Rudolf, Dr. med.. Docent für
Anthropologie, Zürich.
Ma-ka. KarlJ.,< Iberrealschul-Director.
Teltsch, Miihren.
Matz. Dr. med.. Stabsarzt, Steglitz.
Maurer. Hermann. Pe\ isor, Berlin.
(12)
3U0. Meitzen. August. Dr.. Prof.. Geh. Rc- 832.
gierungsrath. Berlin.
301. Mendel, E.. Dr. med., Prof.. Berlin. 333.
302. Menger. Henry, Dr. med.. Medicinal-
rath, Berlin. 33-1.
303. Menzel. Dr. med., Charlottenburg.
304. Merke, Verwaltungsdirector des städt. 335.
Krankenhauses Moabit. Berlin. 336.
305. Meyer, Alfred G., Dr. phil., Prof.,
Director. Berlin. 337.
306. Meyer. Ferdinand. Bankier, Berlin.
307. Meyer, Richard M., Dr. phil.. Berlin. 338.
308. Michel. Gustav, Dr. med.. Wechmar
b. Gotha. 339.
309. Mielke. Robert. Zeichenlehrer und 340.
Schriftsteller, Berlin.
310. Mies, Josef. Dr. med., Cöln a. Rhein. 341.
311. Minden, Georg, Dr. jur., Syndikus des
städt. Pfandbriefamts, Berlin. 342.
312. Möbius. Dr. phil., Prof., Geh. Re- 343.
gierungsrath, Director d. zoologischen
Abtheilung des kgl. Museums für 344.
Naturkunde, Berlin. 345.
313. Möller, Armin, Lehrer, Weimar. 346.
314. Möller, H., Dr., Professor, Berlin. 347.
315. Moser, Hofbuchdrucker. Oharlotten-
burg. 348.
316. Möwes, Dr. phil., Berlin.
317. Morwitz, Martin, Rentier, Berlin. 349.
3 1 8. Moses. S., Di\ med., Sanitätsrath, Berlin.
319. Müller, Erich. Geh. Regierungsrath, 350.
vortragender Rath im Unterrichts- 351.
ministerium, Berlin. 352.
320. Müller-Beeck, Georg, Kais. Deutscher
Consul, Nagasaki, Japan. 353.
321. Münsterberg. Oscar, Dr. phjl , Berlin. 354.
322. Mützel. Hans. Historienmaler, Berlin. 355.
323. Munk. Hermann. Dr. med.. Prof.,
Berlin 356.
324. Museum. Bernstein-, Stantien und 357.
Becker, Königsberg i. Pr. 358.
325. Museum für Völkerkunde, Leipzig. 359.
326. Museum Provinzial-, Halle a. S.
327. Nehring. A . Dr. phil., Prof., Berlin. 360.
328. Neuhauss. Richard, Dr. med., Berlin. 361.
329. Neumann, Oscar. Berlin. 362.
330. Neumayer. ('<.. Dr. phil.. Wirkl. Geh.
Admiralitätsrath, Prof., Director der 363.
deutschen Seewarte, Hamburg. 364.
331. Nothnagel. A., Prof., Hofmaler, Berlin.
Obst. Dr. med . Director des Museums
für Völkerkunde, Leipzig.
Oesten. Gustav. Ober - Ingenieur.
Berlin.
Ohnefalsch -Richter. Max, Dr. phil..
z. Z. auf Reisen in Africa.
Olshausen, Otto, Dr. phil, Berlin.
Oppenheim, Max, Freiherr v., Dr. jur..
Regierungsassessor, Cairo.
Oppenheim. Paul. Dr. phil., Charlotten-
burg.
Oppersdorff, Graf. Schloss Oberglogau.
Schlesien.
Oppert, Gustav. Dr. phil., Prof, Berlin.
Orth. A., Dr. phil., Prof., Geh. Re-
gierungsrath, Berlin.
Osborne, Wilhelm, Rittergutsbesitzer.
Blasewitz b. Dresden.
Oske, Ernst, VereidigterMakler. Berlin.
Ossowidzki, Dr. med., Sanitätsrath.
Oranienburg, Reg.-Bez. Potsdam.
Palm, Julius, Dr. med., Berlin.
Passow. Dr. med., Prof., Heidelborg.
Pauli, Gustav, Berlin.
Peiser, Felix, Dr. phil.. Privat-Docent,
Königsberg i. Pr.
Petermann, Georg, Apotheker. Burg
im Spreewalde.
Pflugmacher, E., Dr. med., General-
arzt a. D., Potsdam.
Pfuhl, F., Dr. phil., Professor, Posen.
Philip. P., Dr. med.. Berlin.
Philipp, Paul. Dr. med., Kreisphysikus,
Berlin.
Pinckernelle. \\\, Dr. med., Breslau.
Pinkus. Felix, Dr. med.. Breslau.
Pippow, Dr. med.. Regierungs- und
Medicinalrath, Erfurt.
Placzek, S., Dr. med., Berlin.
Polakowsky. Dr. phil.. Berlin.
Poll, Heinrich, stud. med., Berlin.
Ponfick, Dr. med.. Prof., Geh. Medi-
cinalrath. Breslau.
Posner. ('.. Dr. med.. Prof., Berlin.
Preuss. Theodor, Dr. phil., Berlin.
Prochno. Rath s - Apotheker, Garde-
legen.
Pudil, H. ßaudirector, Prag.
Rabl-Rückhard. IL. Dr. med.. Prof.,
Oberstabsarzt a. I).. Berlin.
365. Rademacher. '(',.. Lehrer, Oöln a. Rh.
366. Reich, Max. Dr. med., Stabsarzt
der Marine, Berlin.
;t',7. Reichenheim, Ferd .. Berlin.
368. Reinecke. Paul, Btud. med.. München.
369. Reinecke, Major a. I).. Berlin.
370. Reinhardt, Dr.phil.. Oberlehrer, Rector,
Berlin.
371. Reiss, Wilhelm, Dr. phil., Geh. Regie-
rungsrath, Schloss Könitz Thüringen).
372. Remak, E. J., Dr. med.. Professor,
Berlin.
373. Richter, Berth.. Banquier, Berlin.
374. Richthofen, F., Freiherr v., Dr.phil.,
Prof, Geh. Regierungsrath, Berlin.
375. Riedel, Bernh., Dr. med., Berlin.
37t>. Riedel. Paul. Kaufmann, Oranienburg.
377. Ritter, \\\. Banquier, Berlin.
378. Robel, Ernst, Dr. phil., Oberlehrer,
Gross-Lichterfelde.
379. Röckl, Georg, Regierungsrath am
Kaiser!. Gesundheitsamt. Berlin.
380. Röhl. v.. Dr. .jur., Assessor, Berlin.
381. Rösler, E., Gymn.-Lehrer, Schuscha,
Kaukasus.
382. Rosenkranz. II.. Dr. med., Berlin.
383. Rosenstein, Siegmund, Director, Berlin.
.'!84. Rosenthal, L., Dr. med., Sanitätsrath,
Berlin.
385. Rück, D., Ansbach.
386. Rüge. Karl, Dr. med.. Sanitätsrath,
Professor, Berlin.
387. Rüge, Paul. Dr. med.. Sanitätsrath,
Berlin.
388. Runkwitz. Dr. med.. Marine-Stabsarzt,
auf See.
389. Samson. Alb., Banqier, Brüssel.
390. Samter. Dr. med. Berlin.
391. Sander, Willi.. Dr. med.. Geh. Medi-
cinalrath, Director, Dalldorf bei
Berlin.
392. Sander. MarinerStabsarzI a. D., Wmd-
hoek, Deutsch-Süd-West-Africa.
393. Sarasin, Fritz. Dr. phil.. Basel.
394. Sarasin. Paul. Dr. phil., Basel.
195. Saurma-Jeltsch, Freiherr \ . . Exe,
Wirkl. Geh. Etath, Kaiserl. Deutscher
ausserordentlicher und bevollmäch-
tigter Botschafter. I instantinopeL
396. Saville, Marshall 11.. New York.
3)
397. Schauenburg. Dr. jur.. Regierungsrath,
Berlin.
398. Schedel. Joseph, Apotheker, Yoko-
hama. Japan.
399. Schellhas, 1'.. Dr. jur.. Amtsrichter,
Steinau a. d. I Wer, Schlesien.
40 i. Schlemm. Julie, Fräulein, Berlin.
401. Schlesinger, II.. Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
102. Schmidt, Colmar, Landschaftsmaler,
Berlin.
403. Schmidt. Emil, Dr. med., Professor,
Leipzig.
404. Schmidt. Henry. Dr. phil., Linden,
Hannover.
40ö. Schmidt, Max ('. !'.. Dr. phil., Prof.,
Berlin.
406. Schmidt, Oscar, Dr. med., Berlin.
407. Schnell, Apotheken-Besitzer, Berlin.
408. Schöler, H., Dr. med., Professor. Geh.
Medieinalrath, Berlin.
Ion. Schöne, Richard, Dr. phil.. WirkL
Geh. Ober-Regierungsrath, General-
director der Königl. Museen, Berlin.
410. Schönlank. William, General-Consul
der Republiken San Salvador und
Haiti, Berlin.
411. Schötensack. 0., Dr. phil., Heidelberg.
412. Schütz, Carl. Bildhauer, Friedrichs-
hagen b. Berlin.
11.;. Schütz, \\\, Dr. med., Professor, Geh.
Regierungsrath, Rectorder thierärztl.
Hochschule, Berlin.
414. Schütze, Alb., Academischer Künstler
Berlin.
415. Schulenburg. WÜibald v., Berlin.
416. Schultze. Oscar. Dr. med.. Sanitäts-
rath, Berlin.
417. Schultze. Wilhelm. Dr. med.. Sanitäts-
rath, Stettin.
11 8. Schultze. Premier-Lieutenant, Berlin.
119. Schultze. Kentier. Berlin.
420. Schumann. Hugo. prakt.Arzt, Löcknitz,
Pommern.
421. Schwabacher. Adolf, Banquier, Berlin.
122. Schwartz. Albert, Hof-Photograph,
Berlin.
423. Schwartz. W.. Dr. phil., Prot.. Gym-
nasialdirector, Geh. Regierungsrath,
Berlin.
(14)
424. Schwarzer. Dr., Grubenbesitzer, Zilms- 453.
dorf bei Teuplitz, Kr. Sorau. 454.
425. Schweinfurth. Georg, Dr. phil., Prof.,
Berlin, z. Z. auf Reisen. 155.
42»;. Schweinitz. Graf \.. Premierlieutenant, 456.
Berlin.
427. Schweitzer. Dr. und.. Daaden, Kreis 457.
Altenkirehen. 458.
128. Schwerin. Kmst. Dr. med.. Sanitätsrath, 45V».
Berlin. 460.
429. Seiberg. Emil, Kaufmann, Berlin.
130. Seier. Eduard, Dr. phil., Assistent am 461.
kgl. Museum für Völkerkunde, Privat-
docent, Steglitz I). Berlin. 462.
431. Siebold. Heinr. v.. Yokohama, Japan. 463.
432. Siegmund. Gustav, Dr. med., Geh.
Sanitätsrath, Berlin. 464.
433. Siehe. Dr. med., Sanitätsrath, Kreis- 465.
physicus, Calau.
434. Siemering, R., Prof., Bildhauer, Berlin. 466.
435. Siemsen, Palm. kais. deutscher Consul, 467.
, Makassar.
436. Sierakowski, Graf Adam, Dr. jur., 468.
Waplitz hei Altmark, Westpreussen.
4.17. Sieskind. Louis J., Rentier, Berlin.
138. Simon, Th., Banquier, Berlin. 469.
139. Sökeland, Hermann, Berlin. 470.
44i). Sommerfeld, Sally, Dr. med., Berlin.
441. Sonnenburg, Dr. med., Prof., Director 471.
am Krankenhause Moabit, Berlin.
442. Spitzly, John H., pensionirter Officier 472.
viin gezondheid 1. Kl., London.
1 13. Staudinger. Paul, Naturforscher, Berlin. 473.
444. Stechow. Dr. med., Oberstaltsarzt.
Berlin. 474.
445. Steinen. Karl von den. Dr. med. et
phil., Professor, Neu-Babelsberg bei 475.
Potsdam. 476.
44f>. Steinen. Wilhelm von d^n, Maler,
( Iross-Lichterfelde. 477.
447. Steinthal. Leop., Banquier, Steglitz. 478.
148. Steinthal. II.. Dr. phil., Professor,
Berlin. 47!>.
J4'.i. Stephan. Georg, Mühlen - Besitzer, 480.
Lichterfelder Buschmühle bei Sali- 481.
gast, Kr. Luckau.
450. Stephan. .1.. Buchhändler, Berlin. 482.
451. Stoltzenberg, li. \.. Luttmersen bei
Neustadt am Rttbenberge Hannover. 483.
452. Strassmann, Maurermeister, Berlin. 184.
Strauch. Curt, Dr. med., Heidelberg
Strebel. Hermann. Kaufmann. Ham-
burg, Eilbeck.
Strecker. Albert, Kanzleirath, Soldin.
Struck, H., Dr. med., Geh. Ober-
Regierungsrat h, Berlin.
Stucken, Eduard, Berlin.
Stuhlmann, Dr. med., Dar es Salam.
Tänzer, Dr. med. Charlottenburg.
Tappeiner, Dr. med., Hofrath, Schloss
Reichenbach, Meran.
Taubner, Dr. med., Allenberg bei
Wehlau.
Teige, Paul, Hof-Juwelier, Berlin.
Thorner. Eduard, Dr. med., Sanitäts-
rath, Berlin.
Thunig, Amtsrath, Breslau.
Timann, F., Dr. med., Divisionsarzt.
Stettin.
Titel, Max, Kaufmann. Berlin.
Tolmatschew, Nicolaus, Dr. med., Prof..
Kasan, Russland.
Török, Aurcl v., Dr. med.. Prof., Di-
rector des anthropologischen Mu-
seums, Budapest.
Tornow, Max L . Manila, Philippinen.
Treichel, A., Rittergutsbesitzer, Hoch-
Paleschken b. Alt-Kischau, Westpr.
Uhle, Max. Dr. phil., Kötzschenhroda.
z. Z. auf Reisen.
Umlauff, J. P. G., Naturalienhändler.
Hamburg.
Urach. Fürst von, Carl. Graf von
Württemberg, Stuttgart.
Vasel, Gutsbesitzer. Beverstedt b.
Jerxheim.
Verein, anthropologischer, Coburg.
Verein, anthropologischer, Hamburg-
Altona, Hamburg.
Verein der A It ert h u in s freunde, Gent hin.
Verein [üi Heimathskunde, Münche-
berg.
Verein, historischer, Bromberg.
Verein, Museums-, Lüneburg.
Virchow, Hans. Dr. med., Professor.
Berlin.
Virchow. Rudolf, Dr. med.. Prof.,
Geh. Medicinalrath, Merlin.
Voeltzkow, Dr. phil., Berlin.
Vohsen. Oonsul a. I).. Berlin.
(15)
Volborth. Dr. med., Sanitätsrath, Berlin.
Volmer. Dr. med., (ich. Sanitätsrath,
Berlin.
Vorländer. EL, Ritterguts -Besitzer,
Dresden.
Vorwerk. Bernhard, Schauspieler,
Berlin.
Voss. Albert, Dr. med.. Director de»
vaterländischer! Abtheilung des kgl.
Museums für Völkerkunde, Berlin.
Wacker. II.. Oberlehrer, Rerlin.
Wagner, Adolf. Fabrikant, Berlin.
Wahl, I-;.. [ngenieur, Berlin.
Waldeyer, Dr. med., Prof., Geh. Me-
dicinalrath, Berlin.
Wattenbach. Wilhelm, Dr. pliil.. Prof.,
'.eh. Reg.-Rath, Berlin.
Weber. W.. Maler, Berlin.
Weeren, Julius. Dr. phil., Prof., Char-
lottenburg.
Wegner. Fr., Rector, Berlin.
Wegner. Ph., Dr. phil., Gymnasial-
Director, Neuhaldensleben.
Weigelt. Dr., Prof.. General-Secretär
des Deutschen Fischerei- Vereins,
Berlin.
Weinhold. Dr. phü., Prof.. Geh. Re-
gierungsrath, Berlin.
Weinzierl. Robert, Ritter von, Prag.
Weisbach. Valentin, Rentier, 1 '.erlin.
Weiss. H.. Prof.. Geh. Regierungsrath,
Berlin.
Weisstein. Hermann, Reg.-Baumeister,
Lechenich a. Rh.
Wendeler. Paul, Oekonom u. Brauerei-
besitzer, Soldin.
506.
507.
508.
509.
510.
511.
512.
513.
514.
515.
516.
.".17.
518.
519.
520.
521.
b±i.
523.
524.
525.
Wensiercki-Kwilecki. Graf, Wroblewo
bei Wronke, Pro\ . Posen.
Werner. 1'.. Dr. med.. Geh. Sanitäts-
rath, Perlin.
Werner. Johann.-. Thierarzt, Lei]
Wetzstein. Gottfried, Dr. phil., Consul
a. D., Berlin.
Wiechel, Hugo, Betriebs-Insp
der sächsischen Staatsbahn, Chemnitz.
Wilke. Theodor, Rentier, Guben.
Wilski. H., Director, Gross-Lichter-
felde bei Berlin.
Winkler, Hugo, Dr. phil., Privatdocent,
Deutsch -Wilmersdorf bei Berlin.
Witte. Ernst, Dr. med.. Oberstabsarzt
a. D., Perlin.
Wittgenstein. Wilhelm \.. Gutsbesitzer,
Berlin.
Wittmack. L.. Dr. phil., Prof.. I
Regierungsrath, Perlin.
Wolff. Julius. Dr. med.. Profes«
Perl in.
Wolff. Max. Dr. med.. Prof.. Berlin.
Wolter. Carl, Chemulpo, Korea.
Wutzer. II.. Dr. med.. Sanitätsrath.
Perlin.
Zander.
Berlin.
Zechlin
Kurt. Dr. jur.. Rechtsanwalt.
Aliolhef.eulie.vU/rl'.
Konrai
Salzwedel.
Zenker, Wilhelm. Dr. med.. Kreis-
physikus a. D.. Bergquell-Frauendorf
bei Stettin.
Zintgraff. Bugen, Dr. jur., Kamerun.
Zschiesche. Paul. Dr. med., Erfurt
[15. Februar L897
Uebersicht der der Gesellschaft durch Tausch oder als
Geschenk zugehenden periodischen Veröffentlichungen.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
in.
20.
21.
1-1.
23.
24.
25.
Beil
I. Deutschland,
nach Städten alphabetisch geordnet.
in. Amtliche Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen.
Veröffentlichungen aus dem königlichen Museum für Völkerkunde
(1 und 2 von der General-Direction der königlichen Museen).
Ethnologisches Notizblatt. Herausgegeben von der Direktion des kgl.
Museums für Völkerkunde (v. d. D.).
Zeitschrift für Erdkunde.
Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde.
Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen
Schutzgebieten (4—6 v. d. G. f. E.).
Jahrbuch der königlichen Geologischen Landesanstalt (v. d. G. L.).
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (von dem Hydro-
graphischen Amt der kaiserlichen Admiralität).
Verhandlungen der Berliner medicinischen Gesellschaft (v. d. B. m. G.)
Berliner Missions-Berichte (v. Hrn. Bartels).
Nachrichten für und über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarck-
Archipel (von der Neu-Guinea-Compagnie).
Die Flamme. Zeitschrift zur Förderung der Feuerbestattung im In-
und Auslande (v. d. Red.).
Jahresbericht des Directors des königl. Geodätischen Instituts (durch
Hrn. R. Virchow).
Comptes rendus des seances de la commission permanente de l'asso-
ciation geodesique internationale (durch Hrn. R. Virchow).
Mitthuilungen aus der historischen Literatur.
Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzial- Museum (v. Hrn.
CK ünne).
Brandenburgia. Monatsblatt und Airhiv der Gesellschaft für Heimaths-
kunde der Provinz Brandenburg zu Berlin (v. d. <i. f. II.).
Verhandlungen des deutschen Geographentages.
Sonntags-Beilage der Vossischen Zeitung (18 u. 19 v. Hrn. C. Künne).
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde (v. d. V. f. V.).
Deutsche Kolonial -Zeitung, Jahresbericht and Mittheilungen aus dir
Abtheil. Berlin der deutschen Kolonial-Gesellschaft (v. d. d. K.-G.).
Naturwissenschaftliche Wochenschrift (v. d. Beil.
Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde.
„Afrika". Herausgegeben vom evangelischen Afrika-Verein 23 u. 24
\. Hm. Bartels).
Zeitschrift für afrikanische und oceanische Sprachen (v. d. Red.).
26. Bonn. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden (v. d. V. v. AA
27. Brandenburg a. d. H. Jahresberichte des Historischen Vereins (v. d. H. VA
28. Braunschweig. Archiv für Anthropologie (v. Hrn. Priedr. Vieweg & Sohn).
29. „ Globus. Illustrirtc Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde (v. Hrn.
C. Künne).
30. „ Braunschweigische8 Magazin.
31. „ Harzer Monatshefte (v. d. Red.).
.'iL'. Bremen. Deutsche Geographische Blätter.
33. „ Jahresberichte des Vorstandes der Geographischen Gesellschaft (32 u. 33
v. d. G. G.).
34. „ Abhandlungen, herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Verein
(v. d. Red.).
35 Breslau. Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift (v. d. Museum Schlesischer
Alterthümer).
36. Bromberg. Jahrbuch der historischen Gesellschaft für den Netze -District
(v. d. h. G.).
37. Cassel. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Hessische Geschichte
und Landeskunde.
38. „ Zeitschrift des Vereins f. II. G. u. L. (37 u. 38 v. d. V. f IL G. u. L.).
39. Colmar (Elsass). Bulletin de la Societe d'histoire naturelle (v. d. S.).
40. Crefeld. Berichte des Crefelder .Museums-Vereins (v. d. M.-V.).
41. Danzig. Bericht über die Verwaltung der naturwissenschaftlichen, archäo-
logischen und ethnologischen Sammlungen (v. d. Westpr. Prov.-Mus.).
42. „ Schriften der Naturforsch enden Gesellschaft (v. d. N. G.).
43. Dessau. Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter-
thumskunde (v. d. V.).
44. Dresden. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft Isis (v. d. G. [.).
45. „ Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
46. Elbing. Bericht über die Thätigkeit der Elbinger Alterthums-Gesellschaft
(v. d. A.-G.).
47. Emden. Jahrbuch der Gesellschaft \'üv bildende Kunst und vaterländische
Alterthümer (v. d. G.).
48. Erfurt. Mittheilungen des Vereins für die Geschichte und Alterthumskunde
von Erfurt (v. d. V.).
49. (Hessen. Mittheilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins (v. d. 0. G.).
50. Görlitz. Neues Lausitzisches Magazin (v. d. Oberlausitzischen Gesellschafl
der Wissenschaften).
51. .. Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der
Oberhuisit/. v. d. (i. .
52. Gotha Dr. A. Petermann's Mittheilungen uns .lustus Perthes l leographischer
Anstalt (v. Hrn. < '. K iin a
53. „ Ergänzungshefte zu 52 (werden angekauft .
54. ( i rei fswn Id. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G
55. ., Jahresberichte der Etügisch-Pommerschen Abtheilung der Gesellschafl für
Pommersche I feschichte und Alterthumskunde (v. d. G. f P. I r. u. A.
56. Guben. Mittheilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie
und Urgeschichte . \. d. X. ( i. f. A. u. ü.).
57. Halle a. S. .Mittheilungen des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E. .
58. „ Mittheilung' n aus dem Provinzial-Museum der Prov. Sachsen (v.d.Pr.-M.\
Verband], der Berl. Anthi •_>
(18)
59. Halle a. S. Photographische Rundschau (v. d. Freien Photogr. Vereinigung in
Berlin).
60. Hamburg. Verhandlungen des Vereins für Naturwissenschaftliche Unter-
haltung (v. d. V. f. N. U.).
61. Hannover. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
62. „ Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen (v. d. V.).
63. Jena. Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft (für Thüringen) zu
Jena (v. d. G. G.).
64. Kiel. Mittheilungen des Anthropolog. Vereins in Schleswig-Holstein (v. d. A.-V.).
65. „ Bericht des Schleswig- Holsteinischen Museums vaterländischer Alter-
thüraer (v. d. M.)
66. Königsberg i. Pr. Sitzungsberichte der Alterthumsgesellschaft Prussia (v. d.
A.-G. P.).
67. „ Schriften der Physikalisch-Oekonomischen Gesellschaft (v. d. Ph.-Oe. G.).
68. Leipzig. Bericht für das Museum für Völkerkunde (v. d. M.).
69. Lübeck. Berichte des Vereins für Lübeckische Geschichte undAlterthumskunde.
70. „ Mittheilungen d. V. f. L. G. u. A.;
71. „ Zeitschrift d. V. f. L. G. u. A. (69—71 v. d. V.).
72. Lüneburg. Jahresberichte des Museums-Vereins (v. V.).
73. Mannheim. Sammlung von Vorträgen, gehalten im Mannheimer Alterthums-
Verein (v. d. M. A.-V.).
74. Metz. Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E.).
75. München. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns (v. d. G. f.
A. u. U.).
76. „ Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
77. „ Monatsschrift des Historischen Vereins von Oberbayern (v. d. H. V.).
78. „ Oberbayerisches Archiv (v. d. hist. Verein von und für Oberbayern).
79. „ Prähistorische Blätter (v. Hrn. Dr. J. Naue).
80. Münster. Jahresberichte des Westfälischen Provinzial -Vereins für Wissen-
schaft und Kunstgeschichte (v. d. V.).
«1. Xeu-Brandenburg. Jahresbericht über das Museum in Neu -Brandenburg
(v. d. M.).
82. Neu-Ruppin. Historischer Verein f. d. Grafschaft Ruppin (v. V.).
83. Nürnberg. Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum.
H4. „ Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (83 u. 84 v. d. G. N.-M.).
85. Oldenburg (im Grossh.). Schriften des Oldenburger Vereins f. Alterthums-
kunde und Landesgeschichte (v. d. 0. V.).
86. Osnabrück. Mittheilungen des historischen Vereins (v. d. h. V.).
87. Posen. Posener Archäologische Mittheilungen. Herausgegeben von der
Archäologischen Commission der Gesellschaft der Freunde der
Wi- ten (v. (I. G. d. F.d. W.).
88. „ Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen (v. d.H. G.)-
89. „ Roczniki towarzystwa Przyji nank Poznänskiego (v. d. G.).
90. Salzwedel. Jahresberichte des altmärkischen Vereins für vaterländische Ge-
schichte (v. d. a. V. f. v. G.).
91. Schwerin. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins luv Meklenburgische
Geschichte and Alterthumskunde (v. d. V. f. M. G. u. A.).
92. Speyer. Mittheilungen des Historischen Vereins der Pfalz (v. d. V.).
93. Stettin. Baltische Studien.
(19)
94. Stettin. Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche
Geschichte und Alterthumskunde (93 u. 94 r. d. G. f. P. G. u. A.)
95. Strassburg (Elsass). Beiträge zur prähistorischen Archäologie (v. Hrn. Forrer).
96. Stuttgart. Württembergische Viertel jahrshefte für Landesgeschichte (v. d. V.).
97. Thorn. Mittheilungen des Coppernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst.
98. „ Jahresberichte des Coppernicus-Vereins (97 u. 98 v. d. C.-V.).
99. Trier. Westdeutsehe Zeitschrift für Geschichte und Kunst.
100. „ Correspoudenzblari für Geschichte und Kunst.
101. „ Limesblatt.
102. „ Jahresberichte der Gesellschaft für nützliche Forschungen (100 — 103
v. d. G. f. n. F.).
103. Ulm. Mittheilungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Ober-
schwaben (v. d. V.).
104. Weimar. Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie (v. Hrn. J. J. Kettler).
105. Wernigerode. Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthums-
kunde (v. d. H.-V).
106. Wiesbaden. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung (v. d. V. f. N. A. u. G.).
107. Wolfenbüttel. Braunschweigisches Magazin (v. d. Red.).
II. Europäisches Ausland.
Nach Ländern und Städten alphabetisch geordnet.
Belgien.
108. Brüssel. Bulletins de l'Academie Royale des Sciences, des Lettres et des
Beaux-Arts de Belgique.
109. „ Annuaire de l'Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique (108 u. 109 v. d. Ac R.).
110. „ Bulletin de la Societe d'Anthropologie (v. d. S. d'A.).
111. „ Annales de la Societe d'Archeologie.
112. „ Annuaire de la Societe d'Archeologie (111 u. 112 v. d. S. d"Arch.).
113. Lüttich. Bulletin de l'lnstitut archeologique Liegeois (v. d. I.).
Dänemark.
114. Kopenhagen. Memoires de la Societe Royale des Antiquaires du Nord.
115. „ Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie.
116. „ Nordiske Fortidsmimler. udgevne af det Kgl. Nordiske Oldakrift Selskal)
(114—116 v. d. X. 0. S.).
117. Rcikjavik (Island). Arbök hins tslenzka fornleifafelag (v. d. 1. f.).
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118. Helsingfors. Journal de la Societe Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaiseo
Seuran Aikakauskirja.)
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Toimituksia.)
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122. „ Suomen Museo. Suomen Mumaismuisto-Yhdistvksen Kuukauslethi
(118—12-' durch Hrn. Aspelin).
2*
(20)
Frankreich.
123. Grenoble. Bulletins de la Societe Dauphinoise d'Ethnologie et d' Anthro-
pologie (v. d. S.).
124. Lyon. Bulletin de la Societe d' Anthropologie (v. d. S. d'A.)
125. „ Archives du Museum d'histoire naturelle (v. d. M.).
126. Paris. L'Anthropologie. (Materiaux pour l'histoire de l'homme, Revue
d' Anthropologie, Revue d'Ethnographie reunis.) [v. d. Verleger
Hrn. Masson].
127. „ Memoires de la Societe d' Anthropologie.
128. „ Bulletins de la Societe d' Anthropologie (127 u. 128 v. d. S. d'A.).
129. „ Revue mensuelle de l'Ecole d'Anthropologie (v. d. Ecole d'Anthrop.).
130. „ Annales du Musee Guimet.
131. „ Revue de l'histoire des religions (130 u. 131 v. d. Ministere de l'In-
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Griechenland.
132. Athen. A^Xtlqv rvfi Itnopi-^c, xau lfh'o).07ixv]; sra-Lpictg rvfi 'EKkcncioc, (v. d.
Historischen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland).
133. „ Mittheilungen des kaiserlich - deutschen Archäologischen Institutes
(v. d. A. 1.).
134. „ Bulletin de Correspondance Hellenique (v. d. Ecole Francaise d'Athenes).
Grosshritannien.
135. Edinburgh. The Scottish Geographical Magazine (v. d. Sc. G. Society).
13G. „ Archaeologia scotica or Transactions of the Society of Antiquaries
of Scotland.
137. „ Proceedings of the Society of Antiquaries of Scotland (136 u. 137
v. d. S.).
138. London. The Journal of the Anthropological Institute of Great B ritain and
Ireland (v. d. A. L).
139. „ Geographical Journal (v. Hrn. C. Künne).
140. „ Reports of the North West Tribes of Canada (v. Hrn. Boas).
141. „ The Reliquary and illustrated Archaeologist (wird angekauft).
Italien.
142. Bologna. Atti e Memorie della Reale Deputazione di storia patria per le
provincie di Romagna (v. d. R. D.).
143. „ Memorie della R. Accademia delle Scienze.
144. „ Rendiconto delle sessioni della Reale Accademia delle Scienze dell'
Istituto di Bologna (143 u. 144 v. d. R. A.).
145. Florenz. Archivio per l'Antropologia e laEtnologia (v. Hrn. P. Mantegazza).
146. „ Bollettino di Publicazione Italiane.
147. Neapel. Bollettino della Socictä Africana d'Italia (v. <1. S. A.).
148. Parma. Bullettino di Paletnologia Italiana (v. Hrn. L. Pigorini in Rom).
Atti della Societä Romana di Antropologia (v. d. S.).
Bullettino dell' [stituto. Mittheilungen des Kaiserlich-Deutschen Archäo-
logischen Instituts (v. d. D. A. I.).
Rivista geografica ttaliana (v. d. Societä di studi geografici in Florenz).
Atti della Reale Accademia dei Lincei.
Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei.
149.
Rom
150.
n
151.
n
152.
ii
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T>
(21)
lö4. Rom. Notizie degli scavi di antichitä (152—154 v. <1. II. A. d. I- .
155. „ Bolletiino delle opere moderne e straniere.
156. Turin. Cosmos (v. Hrn. G. Cora).
Luxemburg.
157. Luxemburg. Ons Hemecht. Organ des Vereins \'üv Luxemburger Ge-
schichte, Literatur und Kunst (v. d. V.).
Niederlande.
158. Haag. Bijdragen toi de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-
Indie v. d. Koninklijk Instituut voor de T.-, L.- en V. v. N.-I.).
159. Leiden. Internationales Archiv für Ethnographie (v. d. Kgl. Niederländischen
Cultus-Ministerium).
Norwegen.
160. Bergen. Bergens Museums Aarsberetning (v. d. Mus. .
161. Christiania. Aarslieretning fra Foreningen til Nbrske Fortidsmindesmerkers
bevaring.
162. „ Kunst og Bandverk fra Nbrges Fortid (161 u. 162 v. d. Universitets
Sämling af nordiske Üldsager).
Oesterreich-Ungarn.
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(v. d. Akademie).
164. „ Archaeologiai Ertesitö v. d. Anthropolog.-archäologischen Gesellschaft).
165. „ Ethnologische Mittbeilungen aus Ungarn (v. d. Red.).
166. Öaslau. Zprava musejuiho spolku „Ucela Öaslavska". (Mittheilungen aus
der Musealgesellschaft „Öaslauer Biene" [v. d. U. <\].
167. „ Vestnik ceskoslovanskych musei a apolkü archaeologickych (v. V.).
168. „ Vestnik i musei (v. Hrn. Öermak).
169. Hermannstadt. Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde.
170. „ Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (169 u.
170 v. d. V.).
171. Innsbruck. Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg (v. d. F.).
172. Krakau. Anzeiger <\rr Akademie der Wissenschaften.
173. .. Zbiör wiadoinösci do antropologii krajowej.
174. „ Materialy antropologiczno-areheologiczne (172—174 y. d. A. d. W.).
175. Laibach. Argo, Zeitschrift für krainische Landeskunde v. d. Red.).
176. .. Mittheilungen des Museal-Vereins für Krain.
177. „ (Ljubjani.) [zvestja muzejskega drustva za Kranjsko (177 u. 178 v.
d. M.-V.).
178. Lemberg. Kwartalnik historyczny \. d. historischen Verein).
17!». Ol mutz. Öasopis ylasteneckeho Musejniho spolku Olomuckeho (v. d. Re-
dacteur Hin. Palliardi in Znaim).
180. Prag. Pamatky archaeologicke a mistopisne y. d. Museum Regni Bohemiae).
181. _ Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen
(v. d. \
182. . Jahresbericht derLese- und Redehalle deutscher Studenten \. d.L. u. R,).
183. .. Öeskj Li.! V. d. B
184. „ Casopis Spolecnosti Pfatel Starrönitnosti Öeskych (v. d. Sp.).
188.
Triest.
189.
Triest.
190.
Wien.
191.
»
192.
»
193.
«
(22)
185. Prag. Narodopisnä Vystava öeskoslovanskä (v. d. Verein).
186. Roveredo. Atti della I. R. Accademia di Scienze, Lettere ed Arti degli
Agiati (v. d. A.).
187. Salzburg. Jahresberichte des städtischen Museum Carolino-Augusteum (v.
d. M.).
Atti del Museo civico di storia naturale (v. d. M.).
Bollettino della Societa Adriatica di Scienze naturali (v. d. S.).
Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums (v. d. M.).
Mittheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft (v. d. A. G.).
Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik (v. Hrn. C. Künne).
Mittheilungen der prähistorischen Coramission der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften (v. d. Pr. C).
194. „ Mittheilungen der K. K. Central -Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale (v. d. K. K. C.-C.).
195. „ Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina.
Herausgegeben von dem Bosnisch-Hercegovinischen Landes-Museum
in Sarajevo (v. d. L.-M.).
196. „ Zeitschrift für österreichische Volkskunde (v. d. V. f. österr. Volksk.).
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v. d. G.).
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kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften]
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Wetenschappen (256—258 v. d. G.).
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V. Australien.
268. Adelaide. P«,eport on the progress and condition of the Botanic Garden.
269. Ashfield, Sidney N. S. W. The Australasian Anthropologie»! Journal (v. d.
Anthropological Society of Australasia).
270. Sidney. Report of the trusteea of the Australian Museum.
271. ' Records of the Australian Museum (270 u. 271 v. d. M.).
Sitzung vom 16. Januar L897.
Vorsitzender: Hr. I{. VirdlOW.
(1) Statutengemäss erfolgt die
Wahl des Ausschusses für 1897.
Es wurden 4<i Stimmzettel abgegeben, darunter ist einer ungültig. Die absolute
Stimmenmehrheit erhalten die Illlm. Lissauer, vr. Luschan, Minden, Friedel,
K. von den Steinen. Eibrenreich und v. Kaufmann. Da nach §. 29 Abs 3
der Statuten relative Stimmenmehrheit gentigt, so werden auch die HHrn. Söke-
land und v. Heyden. als Träger der nächstgrössten Stimmenzahl, in den Aus-
schluss berufen.
Das Protokoll geht zu den Acten. —
("2) Der Vorsitzende begrüsst die anwesenden Gäste Dr. Ranke, Paul Kahle.
Architekt Stanek. —
(3) Die Gesellschaft hat zwei hervorragende Gelehrte aus der Zahl ihrer
correspondirenden Mitglieder verloren.
in Bologna ist am 19. December der emeritirte Professor der normalen Ana-
tomie. Luigi Calori. in dem Alter von 89 Jahren gestorben. Kr war seit 1871
correspondirendes Mitglied unserer Gesellschaft, der er durch immer neue
literarische Gaben fast ins zu seinen letzten Lebenstagen dauernde Theilnahme
bewiesen hat. Am s. Februar 1807 in San Pietro in Casale bei Bologna geboren,
hat er seine wissenschaftliche Bntwickelung ganz in letzterer Stadt durchgemacht.
L834 erhielt er den Lehrstuhl für Anatomie, den er 66 Jahre hindurch mit
steigendem Ruhm behauptete: die wundervolle anatomische Sammlung der Uni-
versität, die hauptsächlich ihm ihren Keichthum und ihre prächtige Aufstellung
verdankt, wird die Erinnerung an ihn den kommenden Geschlechtern erhalten.
Unseren Bestre angen ist er besonders nahe getreten, seitdem die Aufdeckung der
Gräber der Certosa und der vielen anderen Nekropolen der alten Stadt das Studium
der prähistorischen Bevölkerungen von Mittel- und Oberitalien in den Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit gerückt hatte. In einer Reihe vortrefflicher Abhandlungen
hat er die Eigentümlichkeit der Schädelformen seines Landes und der Nachbar-
gebiete dargelegt und namentlich die Bedeutung der Brachycephalie Dachgewiesen;
ihm verdanken wir auch die Kenntniss der vorzüglichen Eigenschaften des braehy-
cephalen Gehirns, das bis dahin als ein minderwerthiges angesehen war. fj
meinschaft mit unserem verblichenen Freunde (i. B. Ercolani war er d
stand der allgemeinen, weil über den Kreis der technischen Gelehrten hinaus-
ziehenden Verehrung; wer von Fremden in jener Zeit Bologna besuchte, fand in
(26)
diesen Männern stets die Träger eines sicheren und ganz selbständigen Wissens,
immer bereit, die reichen Quellen ihrer Erfahrung in angenehmer Bereitwilligkeit
zu öffnen. Ihr Gedächtniss wird uns stets theuer bleiben. Auf die schon am
20. December eingetroffene Nachricht des Todes durch den Rector der Universität,
Hrn. Puntoni, hat der Vorstand sofort von dieser Gesinnung Zeugniss abgelegt. — '
Am 10. Januar ist zu Kopenhagen der Inspector am Nationalmuseum,
Kristian Bahnson, in Folge einer Brustkrankheit verschieden. Seine grosse Arbeit
über Ethnographie, für welche die seiner Leitung unterstellte Abtheilung des
Museums eine so reiche Fülle von Materialien darbietet, ist leider unvollendet
geblieben. —
(4) Aus der Zahl unserer früheren ordentlichen Mitglieder haben wir gleich-
falls zwei hochgeschätzte Männer verloren.
Emil du Bois - Reymond, einer der Mitbegründer unserer Gesellschaft und
einer der berühmtesten Professoren unserer Hochschule, ist nach längerer, schmerz-
hafter Krankheit am 2G. December seiner Familie und dem weiten Kreise seiner
Freunde und Verehrer entrissen worden. Seine unsterblichen Verdienste gehören
der allgemeinen Wissenschaft an und bedürfen nicht unserer Anerkennung. Was
wir ihm jedoch als ein specielles Verdienst anzurechnen haben, das ist seine stete
Theilnahme an den Fortschritten der Lehre vom Menschen überhaupt und nament-
lich der Kenntniss von der Entwickelung der Culturgeschichte. Mehr als irgend
ein anderer Gelehrter unseres Kreises hat er durch seine öffentlichen Vorlesungen
dazu beigetragen, diese Kenntniss zu popularisiren und ihr in den heranwachsenden
Generationen neues Verständniss zu gewinnen. —
Don Jose Rizal von Luzon (Philippinen) war vor 10 Jahren unser Mitglied.
Er sprach in der Sitzung vom 23. April 1887 (Verh. S. 293) über die tagalische
Verskunst. Obwohl damals schon Doctor der Medicin, war er doch ganz erfüllt
von patriotischen Gedanken. Das unglückliche Schicksal seines Vaterlandes unter
der Herrschaft der Spanier und unter dem Druck eines übermächtigen Klerus
bildete den Inhalt seiner meist in das Gewand schöngeistiger Darstellung ge-
kleideten literarischen Productionen. Als er daher nach längerer freiwilliger Ex-
patriirung nach Spanien zurückkehrte, wurde er der Gegenstand unaufhörlicher
Verfol^unji-. Die wachsende Missstimmung auf den Philippinen und der endliche
Ausbruch der Revolution, die noch heute nicht niedergeschlagen ist, wurden zu
einem »rossen Theil ihm zugeschrieben. Schliesslich nahm man ihn gefangen
und internirte ihn in Mindanao; als er von da nach Manila zurückgebracht und
zugleich die Ersetzung des als zu milde betrachteten Gouverneurs durch den
General Polaviejo angekündigt wurde, verbreiteten sich sofort die düstersten
Gerüchte über das ihm zugedachte Geschick. Diese Besorgniss ist nur zu bald
in Erfüllung übergegangen: am 30. December ist er ohne richterliches Urtheil, wie
dir allgemeine Meinung besagt ohne nachgewiesene Schuld erschossen worden.
Wir verlieren in ihm nicht nur einen treuen Freund von Deutschland und deutscher
Wissenschaft, sondern auch den einzigen Mann, der Kenntniss und Entschlossenheit
geniig besass. um modernem Denken Eingang in jene entfernte Inselwelt zu ver-
schaffen. —
(5) Unter den uns ihren Forschungsgebieten nach näherstehenden Männern
seien hier erwähnt der berühmte Anatom Prof. Joseph v. Ger lach in Erlangen,
gestorben im Alter von 7ü Jahren am 17. December, und Regierungsrath Kranz
Krause in Wien, ein erprobter Erforscher altslavischer Reste. —
(27)
('■>) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. phil. Klemm in Berlin.
„ Rechtsanwalt Dr. Kurt Zunder in Berlin.
„ Rechtsanwalt Dr. Albert Bei ff in Frankfurt a. Main.
_ Dr. med. W. Pinckernelle in Breslau.
(7) Eine Einladung dn Deutschen Kolonial - Gesellschaft. Abtheilung
Berlin-Charlottenburg, zn einem am 14. d. M. zu haltenden Vortrage des früheren
deutschen Gesandten in China. Hrn. v. Brandt, über China in ethischer, in-
dustrieller und politischer Beziehung ist leider zu spät eingegangen, um
noch den Mitgliedern tnitgetheiH werden zu können. —
(8) In den ersten Apriltagen dieses Jahres sind es 25 Jahre, seitdem der
Grundstein zu der zoologischen Station in Neapel gelegt worden ist. Eine
Anzahl deutscher Gelehrter ist zusammengetreten, um bei dieser Gelegenheit
Hrn. Anton Dohrn Dank und Anerkennung auszusprechen. Die meisten Auf-
gaben dieser Station liegen etwas ausserhalb des Kreises der Arbeiten unserer
Gesellschaft; nichtsdestoweniger haben auch wir vielfache Gelegenheit gehabt, den
wohlthätigen und befruchtenden Einlluss der dort gemachten Untersuchungen auf
das Gesammtgebiet der Biologie zu empfinden. Wir wünschen daher der vortreff-
lichen Anstalt das beste Gedeihen und einen stetigen Fortschritt. —
(9) In Brüssel wird im Sommer dieses Jahres eine internationale Aus-
stellung stattfinden. Die Section des sciences (Sect. 5ljis) umfasst auch eine
Classe für Anthropologie (Cl. 85) mit 4 Unterabtheilungen (anatomische An-
thropologie, prähistorische und protohistorische Anthropologie, Ethnologie und
Ethnographie oder Folklore). Es werden insbesondere wirkliche Objecte, Ab-
güsse, Nachbildungen. Karten, Photographien und Zeichnungen gewünscht An-
meldungen sollen vor dem lö. April an das Commissariat general du Gouvernement
erfolgen. —
(10) Hr. Rud. Virchow giebt Kenntniss von den beiden nachfolgenden
Briefen des Hrn. Georg Seh wein fürt h über
vormenesische Alterthümer in Aegypten.
1. Brief aus Cairo vom lti. December 1896:
„Das schönste Sommerwetter, das wir jetzt tagsüber hier gemessen, veranlasst
mich, noch für einige Zeit in Cairo zu verweilen: ich werde aber das Weihnachts-
fest wohl schon in Assuan feiern. Unterwegs, nnd auch noch hier, habe ich
die mir gütigst in einigen Extraabdrücken mitgegebenen Schriften mit Pleisa von
Neuem durchstudirt, habe auch von denselben an sehr geeignete Personen aus-
getheilt und vielen Dank dafür geerntet. Die Touristensaison ist noch schwach
besetzt, aber eine ungewöhnliche Anzahl von Gelehrten ist diesmal nach Aegypten
gekommen, namentlich von deutschen, unter ihnen die Professoren Wiedemann
und Vogel, beide von Bonn.
„In den letzten Tagen habe ich viel mit dem in koptischen Texten der allen
Kirchengeschichte so bewanderten i; Amelineau verkehrt und mir von seinen
vorjährigen Ausgrabungen bei Abydos erzählen lassen. leb habe jetzt auch
Amelineau's Bericht „Fouilles d'Abydos", Angers, impr. A. Burdin 1896) vom
29. Mai d. .1. gelesen, jenen Vortrag in der Academie des tnscripti illes-
(28)
Lettres, wo Maspero sich in so wegwerfender Weise über Amelineau's Aus-
grabungen geäussert hat. Den alten Aegyptologen, oder einem Theile derselben
wenigstens, ist es ein Greuel, dass jetzt auf einmal von unberufener oder minder
zünftiger Seite solche Entdeckungen gemacht werden, nachdem Mariette, 18 Jahre
lang bei Abydos grabend, sich nach der Enthüllung der vormenesischen Zeit ge-
sehnt, ohne in dieser Richtung auch nur um einen Schritt weiter gekommen zu
sein. Wie viel grösser ist nun die Enttäuschung Maspero's! Dieser hat unter
anderen, mehr als zweifelhaften Argumenten auch das nachfolgende gegen
Amelineau vorgebracht: „il ne suffit pas d'aller ä Abydos pour mettre du premier
coup la main sur des monuments tres importants: les grands succes se fönt attendre
plus longtemps." Meiner Ansicht nach ernten die Aegyptologen von Each jetzt
nur die Strafe, die ihnen für ihr bisheriges Verhalten gebührt. Weshalb auch
vernachlässigten sie so lange alles Culturelle, suchten sie nur Inschriften, ver-
achteten die Scherben? Jetzt kommt die Strafe, und es ist nur als eine in sich
selbst begründete Gerechtigkeit des Weltlaufs aller Dinge zu betrachten, wenn
solche Entdeckungen, wie die von Petrie, Amelineau und de Morgan, nicht
von Aegyptologen der alten Schule gemacht werden durften. Das war Nemesis.
„Welche Freude werden Sie nun selbst empfinden, wenn Sie gewahr werden,
wie jetzt nach so vielen Jahren Ihre ersten Andeutungen und Winke derartig zur
Geltung gelangen. Das soeben erschienene Werk de Morgan' s (Recherches sur
les origines de l'Egypte. Paris, Leroux 189b) bezeichnet einen sehr grossen Schritt
vorwärts, ja eine neue Epoche der Forschung. Wer es mit missgünstigen Blicken
betrachten will, kann dem Werke de Morgan's zahlreiche Ungenauigkeiten zum
Vorwurfe machen; es wird aber gewiss nicht gelingen, seinem Verdienste in der
Hauptsache durch Bemängelung von Kleinigkeiten Abbruch zu thun. Er hat kein
Handbuch der ägyptischen Steinzeit schreiben wollen, sondern nur die eigenen Funde
beleuchtet, — ein Probedruck, wie er sagt: dies aber hat er in so übersichtlicher
Weise gethan, dass das Gemeinschaftliche der Charaktere bei diesen Funden in
ganz überzeugender Weise hervortritt und ihr Gegensatz zu den Epochen der
historischen Dynastien sich auf Schritt und Tritt ergiebt.
..Von FI. Petrie" s letzten Funden hatte de Morgan, als er dies Buch
schrieb, noch nichts gesehen, während ich allein schon nach den Doublettcn, die
Petrie nach Berlin geschickt hat, bezeugen kann, dass ein gemeinsames Band
alle diese sogenannten prähistorischen Stationen von Negada, Om-el-Ga'ab, Abydos
u.s. w. umfasst. Auch Prof. Spiegelberg, der von Flinders Petrie zu Amelineau
kam. hat die vollkommene Identität der Funde Beider constatirt.
„Es im sehe interessant, das de Morgan' sehe Werk an der Hand Ihrer
Arbeit von 1888 zu beleuchten. Leitler hat er dieselbe nicht zur Hand gehabt;
aber derselbe Gedanke, die Sentenz, mit der Sie Ihren Artikel über die ägyptische
Steinzeit einleiteten, gehl wie ein Leitmotiv durch das ganze Werk de Morgan's.
Ja. es giebt eine scharfe Grenze zwischen der Zeit vor und nach den Dynastien 1
Statt der gelegentlichen Beigabe vereinzelter Steingeräthe in den Gräbern der
historischen Zeit, die gleichsam nur der Ausdruck eines atavistischen Respects
geg n dieselben war, wie Sie das ja auch des Weiteren ausgeführt haben, treten
sie an den Fundstellen, die de Morgan aufzählt, in Massen auf. Eine Ver-
mengung der Vorkommnisse isl nur scheinbar vorhanden: überall werden sie
sich geschichtlich deutlich auseinanderhalten lassen. Der von Ihnen S. :;71 aus-
gesprochene Wunsch nach Sichtung des Materials ist erfüllt worden. Sie werden
auch sehen, wie Ihre ersten üinwi - auf den quasi (nach nordischen Begriffen)
prähistorischen Charakter der Thonscherben von Wadi Balf« auf den schonen
(29)
Tafeln von de .Morgan zur vollsten Geltung gekommen Bind, und zwar in Bezug
beide Kategorien, die Sic aufgestellt haben (das. S. 383), die bemalten sowohl wie die
gestrichelten und mii Eindrücken versehenen Scherben. Die Uebereinstimmung aller
ist unbez weifelbar, desgleichen der Gegensatz, in den seh der Charakter dieser
Ornamentik zum ägyptischen Kanon stellt, schliesslich das fast gänzliche oder doch
zum mindesten vorherrschende Kehlen von hinüberführenden Brücken. Da kann
man doch nur zweierlei annehmen: entweder handell es sieh um Vbrhergi -
in welchem Falle die Fremdartigkeil aller Fundobjecte nur der Ausdruck des
weiten Zeitabstandes wäre, oder am Gleichzeitiges, indem aeben der altägyptischen
Cultur fast unvermittelt die Halbcultur eines Wüstenvolkes bestand, die sich an
vielen Stellen und in verschiedenen Epochen immer wieder in genau derselben
Weise manifestirte. Das Letztere vväre doch durchaus unwahrscheinlich. Flinders
Petrie glaubte ein fremdes Volk libyschen Stammes gefunden zu haben, das
nichts von den Aegyptern habe annehmen wollen: aber gegen eine solche Herkunft
sprachen vor Allem die in den Gräbern von Negada überall auftretenden Stein-
geräthe, die in Thierformen zugeschnittenen Platten u. s. w. aus Schiefer. Speck-
stein und anderen metamorphischen Gesteinen, welch' letztere nirgends in der
Libyschen Wüste existiren, wohl alter in dw (istlichen Thebais, wo sie z. Th. noch
heutigen Tages von den Ababde angefertigt werden, nehmlich Näpfe und Schüsseln,
die ich 1864 selbst dort eingesammelt habe und deren Formen genau denen der
Petrie'schen Funde entsprechen. Klunzinger und Figari sind die einzigen
Berichterstatter, die dieser Steingeräthe der beutigen Ababde Erwähnung thaten;
allen übrigen, vielleicht mit Ausnahme von Pruner, Bull. soc. anthr. 1869, p 707,
bis auf de Morgan einschl. ist die Thatsache imbekannt geblieben.
..Man könnte nun auch annehmen, dass in Folge der häufigen Bedrohung
Aegyptens durch libysche Völker das Bedürfniss eines Schutzes längs der so aus-
gedehnten Westseite des Nilthals von jeher bestand und dass desshalb dort nach
Art einer Militärgrenze die für das Wüstenleben geeigneten Bedja-Völker (den
heutigen Bischarin und Ababde entsprechende Stämme als Wüsten-Gendarmerie
in permanenten Ladern lagen Maday. Med'a Bedja?], Matoi, Mazai). Aber gegen
eine derartige Deutung spricht die all zugrosse Häufigkeit und Ausdehnung der
betreffenden Funde mit sarglosen Leichen in sitzender Stellung, mit Massen von
Silex- Waffen in den Gräbern, mit Schieferplatten in allerhand Thiergestalt, mit
archaisch verzierten und bemalten Thongefässen, wie sie nach bloss zweijährigem
Sueben bereits in solcher Menge identischer Localitäten dargeboten erscheinen.
Die einfachste Erklärung bietet eben nur die Annahme der Frähistorie. wie sie
von de Morgan in seinem Werke weiter ausgeführt worden ist. Jedenfalls werden
die nächsten Jahre darüber ausreichendes Licht verbreiten.
„Die Einwände Maspero's gegen das hohe Alter der Amelineau'schen
Funde zu Abydos halten weoig Such. Die Hauptpunkte, auf die es ankommt, hat
er gar nicht erörtert. Fi' hat in einer mündlichen Entgegnung am :.".». .Mai u. A.
auch behauptet, dass heute noch die Ae^vpterinnen Kieselringe trauen, die im
Lande aus dm mit conceiitrischen Schalen abgelagerten Kieselconcretionen der
Gebirgsschichten hergestellt werden. Ich bezweifle das im höchsten Grade und
vermuthe. dass er entweder aus opaker Glasmasse gegossene Armringe gesehen
und für Kieselartcfacte gehalten hat. oder eine den Gegenstand betreffende Stelle
im Berichte von PittRivers p. 385, conf. Virchow, Steinzeil S. 368 irrthümlich
aufgefasst oder in missverständlicher Weise am 29. Mai in Vergleii - s n hat.
_l)ass die von Am e 1 i neau 1895 entdeckten Gräber aus der Zeit vor der ersten
Dynastie zu Abydos durchwühlt worden sind, ist ein Umstand, der ins auf 7 bis
(30)
8 Ausnahmen bei allen bisher in Aegypten bekannt gewordenen Gräbern Geltung
hat, der demnach also auch nicht gegen die Wahrscheinlichkeit jener Alters-
bestimmung anzurufen ist. Wäre das berechtigt, so gäbe es in ganz Aegypten
eben nur 7 — 8 sicher bestimmte Grabfunde.
„Amelineau hat aus den sogenannten prähistorischen Gräbern von Abydos
20 Schädel mit den zugehörigen Skeletten mitgebracht, die von Dr. Fouquet, einem
Arzt in Cairo, der sich bereits seit Jahren mit Kraniometrie beschäftigt, untersucht
worden sind. Seine Arbeit ist dem "Werke de Morgan 's mit einigen Schädel-
abbildungen beigefügt. Fouquet macht auf den seltsamen Umstand aufmerksam,
dass diese Schädel trotz der Gleichartigkeit der Bestattungsweise und örtlichen
Zusammengehörigkeit eine grosse Ungleichartigkeit der Formen zu erkennen geben.
Ich vermuthe aber, dass bei einer grösseren Anzahl von Schädeln verhältnissmässig
weniger verschiedene Typen sich ergeben würden. Alle Schädel und Gebeine
verrathen nach Fouquet ausgeheilte Wunden der hier Bestatteten, die demnach
wohl sämmtlich Krieger waren. Was aber Fouquet über eine vermeintliche
versuchs- oder theilweise stattgehabte Einbalsamirung ausführt, erregt die aller-
ernstesten Bedenken. Keinerlei Eindrücke von Gewebestoffen, Binden und dergl.
Hessen sich nachweisen, und doch sollen Reste von Harz- oder Pechmassen an
einzelnen Gebeinen haften. Diese dürften von Opfen>aben herrühren, die, den
Todten beigegeben, später sich mit den Knochenresten inniger verbanden.
Hr. Amelineau versprach mir, von seinen diesjährigen Ausgrabungen, die er dieser
Tage wieder aufgenommen haben wird, einige Schädel für Sie aufzuheben. Auch
Hesse sich sehr leicht für Ihre Gesellschaft eine Collection charakteristischer
Topfscherben u. s. w. zusammenstellen, von denen im weggeräumten Schutt der
Ausgrabungen zu Abydos viele Tausende nutzlos daliegen sollen. Wenn ich dazu
im Stande bin, will ich selbst hingehen und nachsehen. Ich werde vorläufig
-lebende" Steingeräthe bei den Ababde einsammeln. u —
2. Brief aus Cairo vom 22. December 1896:
„Gestatten Sie mir noch ein nachträgliches Postscriptum zu meinem letzten
Briefe. Ich bin gestern bei Dr. Fouquet gewesen, der mir die von den Funden
bei Abydos herrührenden Schädel zeigte. In Betreff zweier Punkte möchte
ich nicht ganz seiner Ansicht sein: wegen der vermeinten theilweisen „Ein-
balsamirnng" jener in sitzender Stellung vergrabenen Körper, deren Skelette
Amelinau zu Tage förderte, und wegen der vermeintlich blonden Haare derselben.
Dr. Fouquet ist so liebenswürdig gewesen, mir eine Probe der in der Schädel-
höhle des Exemplars No. 5 der Amelineau' sehen Ausgrabungen von Abydos 1896
eingeschlossenen Masse einzuhändigen, die Sie einliegend in der Schachtel finden
werden. In De Morgan's neuestem Werk hat Dr. Fouquet die Frage der
„Einbalsamirun- ". oder der conservirenden Behandlung vermittelst Pech, bei diesen
Körpern erörtert. Diese Masse konnte (falls ein fremder Körper) nur nach Ent-
fernung des Kopfes vom Rumpf in die Schädelhöhle gelangt sein, da der be-
treffende Schädel No. 5 auf allen Seiten intact ist. Vielleicht hat das dunkle,
glänzende Aussehen der Masse und ihre Verbrennbarkeit ') die Vorstellung von
einer pechartigen Masse erzeugt. Gewiss handelt es sich um die im Laufe der
•Jahrtausende umgestaltete Himsubstanz.
1) Die Masse schmilzt theilweise vor dem Verbrennen mit heller Flamme, dann ver-
kohlt si> und wird Asche unter Dämpfen, die nichts Harzartiges an sich haben.
(31)
„Hinsichtlich der fahlen, graublonden, banfffarbigen Ilaare, die an einem der
z. Th. mit tiefen Beulen behafteten Schädel noch halten (weniger als 1 cm lang ■
wage ich kein Urtheil auszusprechen, vermuthe aber, dasa auch die Haan' durch
die in der Erde befindlichen Salze (die an einem der Schädel in dicken
Krystallen ausgeschossen sind) und dann namentlich durch die lange Zeitdauer
eine wesentliche Veränderung erfahren haben. Dass es weihliche .Mumien der
alten Aegypter giebt, die noch völlig schwarze Haare zeigen, widerlegt doch noch
nicht die Vermuthung, dass diese schwarzen Haare in anderen Fällen eine andere
Färbung angenommen haben konnten." —
Hr. R. Virchow: Es ist uns Allen bekannt, eine wie glückliche Hand unser
berühmter Freund in allen Angelegenheiten gehabt hat, welchen er eine wissen-
schaftliche Untersuchung zuwendete. Wir werden es also als eine vielver-
sprechende Wendung betrachten dürfen, dass er jetzt der Zeit vor Menes, also
der im strengsten Sinne vorhistorischen Zeit Aegypten's seine besondere Aufmerk-
samkeit schenkt. Es ist das um so mehr bedeutungsvoll, als uns in letzter
Zeit die Fühlung mit den Forschern in Aegypten beinahe verloren gegangen ist.
Wenn ich mich daher auch von dem Eindrucke losmache, den die ungemein
schmeichelhaften Aeusserungen des Hrn. Seh weinfurth über meine eigenen, jetzt
schon etwas alt gewordenen Nachweisungen über die ägyptische Steinzeit in mir
hervorgerufen haben, so muss ich doch mit Dank und Freude anerkennen, dass
in der That eine neue Periode der ägyptologischen Forschung begonnen hat.
Meine heutigen Bemerkungen sollen sich jedoch nur auf die beiden Punkte
beziehen, welche durch die Mittheilungen des Hrn. Fouquet in den Vordergrund
des Interesses gerückt sind: ich meine die Beschaffenheit der Haare und den In-
halt der scheinbar isolirt einbalsamirten Schädel.
Was die Haare betrifft, so kann ich darüber nicht viel sagen, da mir keine
derartigen Objecte zugegangen sind. Was aber die Bemerkungen des Hrn. Schwein-
furt h darüber anlangt, so kann ich, von einem Nebenpunkte abgesehen, die
Richtigkeit derselben durchweg anerkennen. Die zunehmende Entfärbung des
Haares in der Erde habe ich bei Gelegenheit meiner Auseinandersetzungen
über den Kopf der Aline (Verhandl. 189G, S. 196) besprochen. Alles, was Hr.
Schweinfurth über die Beschaffenheit des Kopfhaares und dessen fahle, grau-
blonde, hanfartige Farbe an den Schädeln von Abydoa anführt, liegt im Bereiche der
posthumen Veränderungen, welche das Haar im Contact mit einem wenigstens zeit-
weise feuchten Boden erleidet. Ob dieses Haar an männlichen oder an weiblichen
Köpfen sitzt, ist gleichgültig. Ich habe schwarzes Haar an weiblichen Kopien
wiederholt gesehen, aber ich besitze unter anderen auch einen männlichen Mumien-
kopf, den Hr. Emil Brugsch in die Zeil der XXI. Dynastie setzte, an dem die
schwarze Farbe unverändert ist. Ebenso habe ich verfärbtes Haar an Mumien-
köpfen beiderlei (ieschlechts getroffen. Ich muss daher das Bedenken darüber.
dass das fahle Haar an den A.bydos-Schädeln auf einen blonden Stamm, also etwa
auf Libyer, zu beziehen sei, durchaus theilen. Zu einem solchen Nachweise gehören
bessere Proben.
Anders verhält es sich mit der Frage der Balsamirung der Kopfe. Hier habe
ich zunächst zu bemerken, dass das Eüngienen von geschmolzenem Ihn/ oder
Pech in den Schädel nicht eher möglich ist, als bis der Inhalt des Schädels ent-
leert ist, Dass eine solche Entleerung an einem abgeschnittenen Kopfe durch das
grosse Hinterhauptsloch, also vom Halse her. ausgeführt werden könne, ist un-
denkbar, falls nicht die Trennung hart am Schädelgrunde vorgenommen ist. So-
(32)
lange der Hals in irgend einer Erstreckung noch mit dem Kopfe im Zusammen-
hange ist, — und ich vermuthe, dass dies hier der Fall war, — müsste die
flüssige Masse durch den Wirbelcanal , auf einem langen und schwierigen Wege,
eingeführt sein.
Ein anderer Weg der Entleerung und der Einbringung flüssiger Füllung liegt
jedenfalls viel näher. Es ist der schon von den alten Schriftstellern bezeichnete
Weg durch die Nase und durch ein von da in die Schädelhöhle gebohrtes Loch-
Ob ein solcher Weg benutzt ist, lässt sich an unverletzten Mumienköpfen nur
schwer erkennen. Da Hr. Schweinfurth nicht davon spricht, dass er nach einem
solchen Wege an den Schädeln von Abydos gesucht hat, so scheint mir die Mög-
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass auf diesem Wege die Entleerung des Gehirns
und die Einfiillung von Harz geschehen ist. Das wäre also ein Punkt der weiteren
Untersuchung.
Vorläufig war nichts weiter möglich, als die Untersuchung der freilich sehr
geringen Parcellen harzartiger Masse, welche Hr. Schweinfurth von Hrn. Fouquet
erhalten und mir übersendet hatte. Mit gewohnter Gefälligkeit hat der Vorsteher
der chemischen Abtheilung des Pathologischen Instituts, Hr. Salkowski, sich
dieser Untersuchung unterzogen. Ich gebe nachher seinen Originalbericht. Daraus
ergiebt sich, dass diese Untersuchung nicht bloss den eingeschickten Inhalt des
Schädels von Abydos betroffen hat, sondern dass zur Vergleichung auch der Inhalt
anderer, namentlich peruanischer Mumienköpfe herangezogen ist. Weitere Vergleiche
haben bis jetzt nicht stattgefunden, da es an geignetem Material fehlte; doch sollen
sie fortgesetzt werden.
Aus den speciellen Angaben des Hrn. Salkowski folgt mit grösster Be-
stimmtheit, dass die Inhaltsmasse des Abydos -Schädels von der peruanischen
gänzlich verschieden ist. Letztere hat in hohem Maasse die Eigenschaften von
eingetrocknetem Gehirn; erstere zeigt nicht die geringste Spur davon. Im Gegen-
theil, bei dem Abydos-Schädel liefert der beim Verdampfen des aus dem Inhalt
gewonnenen Alkoholauszuges erhaltene Rückstand mehr als die Hälfte (53 pCt.)
eines wirklichen Harzes, während bei einem Peruaner nur Spuren einer in Aether
nicht löslichen Substanz gefunden wurden. Umgekehrt enthielt die Abydos-Masse 17,
die peruanische 66,6 pCt. einer direct in Aether löslichen Substanz.
Es scheint daher, dass in den Abydos-Schädel wirkliches Harz eingebracht^
derselbe also einbalsamirt worden ist. Um zu bestimmen, was für Harz es war,
müsston sehr viel grössere Quantitäten zur Analyse gestellt werden. Indess wird
sich das wohl auch ausführen lassen, und ich bitte die ägyptologischen Forscher
hiermit um eine reichlichere Hergebung des fraglichen Materials. Unserem lieben
Freunde Schweinfurth spreche ich aber ganz besondere Anerkennung dafür aus,
dass er auch diese wichtige Frage auf den Weg naturwissenschaftlicher Unter-
suchung geleitet hat. —
Hr. Salkowski hal folgenden Bericht erstattet:
Untersuchung der harzartigen Masse aus dem ägyptischen Schädel und
des Inhaltes eines Schädels aus Peru.
I. Masse aus dem ägyptischen Schädel.
Die Substanz isl ziemlich spröde, auf dem Bruch glänzend, tief dunkelbraun
gefärbt, schmilzt auf dem Platinblech und verbrennt mit leuchtender Flamme
unter Hinterlassung von etwas alkalisch reagirender Asche.
Eine nicht gewogene Quantität wurde verrieben und mit Alkohol ausgekocht,.
(33)
filtrirt, der Rückstand mit Alkohol gewaschen, getrocknet, der Alkoholauszug
verdunstet.
a) Rückstand. Leichtbräunliche zerreibliche Masse. Gewicht 0,335 //.
0,3196" g gaben beim Veraschen 0,0406 Asche = 1,27 pCt.
Die Asche wurde mit Wasser übergössen, in dem sich ein The.il loste, filtrirt:
der Rückstand mit verdünnter Salzsäure Übergossen, worin er sich gni-stentheils
löste, filtrirt.
Der wässerige Auszug giebt nur eine schwache Andeutung von Phos-
phorsäure-React ion. der salzsanre eine deutliche Reaction.
b) Die Alkohollösung hinterliess beim Verdunsten ein glänzendes, hartes
und sehr sprödes, durchsichtiges, bräunliches Harz im Gewicht von 0,392 g. Im
Ganzen betrug danach die angewendete Substanz 0,335 + 0,392 = 0,727 ;/. der
im Alkohol lösliehe Theil also 53,9 pCt. der ganzen Substanz.
Zur weiteren Untersuchung wurde das Harz unter Erwärmen in verdünnter
Natronlauge gelöst: dunkelbraune, stark trübe Lösung. Diese wurde mit Aethei
geschüttelt, der sich wenig färbte. Der Aetherauszug hinterliess 0,06(54 g einer
weichen wachsartigen Masse = rund 17 pCt. Die wässerige trübe Lösung wurde
mit Salzsäure angesäuert und wieder mit Aether geschüttelt: der Aetherauszug
hinterliess 0,1164 g = rund 30 pCt. Zwischen der Aetherlösung und der wässerigen
Flüssigkeit schied sich in relativ beträchtlicher Quantität ein anfangs weiches.
dann hart werdendes Harz aus
Das Alkoholextract hat also folgende Zusammensetzung (abgerundet):
nicht in Aether lösliche Substanz (Harz) 53 pCt.
direct in Aether lösliche Substanz 17 „
erst nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz . 30 „
IL Inhalt des Peruaner Schädels.
Weihce, bräunliche, zerreibliche, mit etwas Sand gemischte Substanz, die beim
Erhitzen nach Fett und verbrennendem Hörn riecht, mit leuchtender Flamme ver-
brennt. Die Verarbeitung war dieselbe.
a) Rückstand = 1,5402 g, 0,371 g desselben gaben 0,0657 g Asche =
1*8,5 pCt.1)-
Die Asche wurde qualitativ ebenso untersucht, wie die aus dem ägyptischen
Schädel.
Der wässerige Auszug der Asche giebt eine enorme Phosphorsäure-
Reaction, der salzsaurc Auszug eine sehr starke.
b) Der Alkoholauszug hinterliess 2.015// einer schmierigen fettigen Masse.
Im Ganzen betrug die angewendete Substanz 2,015 4- 1,5402 = 3,5552 </, der
in Alkohol lösliche Antheil also 56,7 pCt. der ganzen Substanz.
Die Zusammensetzung der fettigen Masse war folgende:
nicht in Aether lösliche Substanz Spuren
direct in Aether lösliche Substanz 66,6 pCt
erst nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz 33,4 ..
Die in den Alkoholauszug etwa übergegangenen Salze sind in beiden Fällen
nicht berücksichtigt worden.
Sämmtliche Zahlenangaben beziehen sich auf die bei 100 _ ■ knete Substanz.
Als wesentliche Unterschiede haben sich danach ergeben:
1) Auf ileu grösseren Gehalt an Asche ist kein Wert zu legen, da die Substani Sand
enthielt, dessen Gewicht sich zu dem Aschengehalt addirt.
Verhandl. der Bert. Anthn ; i. Gesellschaft 3
(34)
1. die reichliche Quantität von Phosphorsäure in der Asche des Rückstandes
des Peruaner-Schädelinhaltes, ganz besonders im wässerigen Auszug der Asche,
während sie in diesem bei dem ägyptischen Schädel fast fehlt.
2. die durchaus verschiedene Zusammensetzung und das verschiedene Aus-
sehen des Alkoholextractes der beiden untersuchten Substanzen. Da der Inhalt
des Peruaner -Schädels unzweifelhaft aus alter Gehirnsubstanz besteht, so ist es
angesichts dieser Differenzen schwer anzunehmen, dass die zur Untersuchung über-
leben e Masse aus dem ägyptischen Schädel gleichfalls Gehirnsubstanz sei. Es ist
vielmehr wahrscheinlich, dass sie im Wesentlichen aus einer heterogenen harzigen
Masse besteht. Es fällt gegenüber den grossen Differenzen in der Zusammen-
setzung auch nicht ins Gewicht, dass die Quantität des in Alkohol Löslichen bei
beiden Untersuchungsobjecten annähernd dieselbe ist. —
(11) Hr. Rud. Virchow berichtet über die
Frage der partiellen Zerstörung des Schlossberges bei Burg a. d. Spree.
Schon früher (Verhandl. 1896, S. 579) habe ich die Gefahr besprochen, welche
dem grüssten prähistorischen Bauwerke unseres Landes, dem allbekannten Schloss-
berge bei Burg, durch die Anlage einer Vicinal-Eisenbahn droht Im Auftrage der
General-Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft habe ich, zu-
nächst bei unserem vorgesetzten Ministerium, sodann bei verschiedenen betheiligten
Ressorts Einspruch dagegen erhoben. Obwohl ich überall mit freundlichem Ent-
gegenkommen empfangen bin, ist bis jetzt doch nicht mehr erreicht, als dass durch
die Aufopferung eines Theils der alten Wallbürg vielleicht der Rest gerettet werden
könnte. Ich behalte mir vor, weiter zu berichten, sobald bestimmtere Anhaltspunkte
gewonnen sein werden. —
(12) Hr. Eduard Krause stellt vor
Lappländer im Costüm.
Die aus Schwedisch-Lappland stammenden, der Gruppe der Fjeld-Lappen an-
gehörigen Leute sind erst gestern in Berlin eingetroffen; sie werden in der Flora
von Charlottenburg gezeigt. Sie gleichen in Aussehen und Bekleidung den früher
uns vorgeführten Personen.
Der eine Mann hat bei einem Sturz von einem Felsen ein Bein gebrochen.
Da dasselbe schief heilte, so hat er sich aus Renthierknochen und Holz einen ganz
zweckmässig construirten Stelzfuss angefertigt, der vorgezeigt wird.
Auch einige sonstige Geräthe werden vorgelegt. —
(13) Bei dieser Gelegenheit gedenkt der Vorsitzende des Mannes, dem wir
die erste Bekanntschaft mit arktischen Völkerschaften verdanken, des neuerlich
hart angegriffenen
Emil Jacobsen.
In der holländischen Presse finden sich seit einiger Zeit heftige Angriffe
auf diesen Reisenden, dem unsere Museen so viel verdanken* So ist
namentlich ein Blatt des Makassaarschen Courant vom 30. November 1896 ein-
gegangen, in welchem das Buch: .. Keise in die Inselwelt des lianda-Meeres" in
sehr abfälliger Weise beurtheill und die Thätigkeit des Reisenden daselbst auf
das llitterste verhöhnt wird. Eis mag- richtig sein, dass die holländische Ortho-
(35)
graphie nicht immer regelrecht und die Beurtheilung der politischen Verhältnisse
zuweilen missverständlich ausgefallen ist. Aber man erkennt leicht, dass der Zorn
der Herren des Courant hauptsächlich durch die Beziehungen auf Deutschland her-
vorgerufen ist, welche Ilr. Jacobson an nicht wenigen Stellen preisend hervor-
hebt. Vielleicht hätte davon Manches wegbleiben können, aber ein Vorwurf würde
daraus auch selbst für einen Holländer nicht abgeleitet werden dürfen, wenn die
Schilderungen im Uebrigen objectiv richtig sind. Dies darf, vielleicht einzelne
Kleinigkeiten abgerechnet, angenommen werden. Für uns, denen ein entsprechendes
Werk in der heimischen Literatur fehlte, wird das Buch einen nicht geringen Nutzen
haben. Bedenkt man überdies, mit wie geringen Mitteln und unter wie schwierigen
Verhältnissen die Reise ausgeführt ist, so wird man mit der Anerkennung für
einen Mann, der für die Ethnographie so viel geleistet hat, nicht geizen wollen. —
(14) Hr. Franz Tappeiner schickt aus Meran, 11. Januar, seine Abhandlung:
„Der europäische Mensch und die Tiroler14, 1896.
Dieselbe wird demnächst besprochen werden. —
(15) Hr. 0. Helm in Danzig übersendet den Separatdruck einer Abhandlung:
Die weisse Substanz in den Ornamentritzen vorgeschichtlicher Thongefässe
Westpreussens
aus den Schriften der Naturf. Gesellschaft in Danzig. N.-F. IX, 2. 1896.
Hr. Rud. Yirchow: Die Untersuchungen des Hrn. Helm beziehen sich fast
ausschliesslich auf Steinkistengräber des Gesichtsurnen-Typus. Nur die -Fund-
stätte von Kaldus bei Culm" dürfte einer anderen Periode angehören. Die neue
Thatsache, welche dabei gefunden wurde, ist die chemische Zusammensetzung der
weissen Incrustation, welche entweder ganz, oder wenigstens grösstentheils aus
phosphorsaurem Kalk bestand. Hr. Helm kam dadurch zu der Vermuthung,
dass die Masse aus gebrannten und zermahlenen Knochen abzuleiten sei, da eine
andere, vorwiegend aus Phosphorsäure und Kalk bestehende Substanz in "West-
preussen nicht vorkomme. Die mikroskopische Untersuchung schien diese Ver-
muthung zu bestätigen. An zwei Urnen erschien die weisse Masse zusammen-
gesetzt aus Bruchstücken von Lamellen, welche im Allgemeinen structurlos waren
nur einige derselben fand der Beobachter ..durchsetzt von länglichen, nach einer
Richtung hin verlaufenden Zellen". Dasselbe sah er an -einer Probe calcinirter
und zermahlener Grabknochen ans einer Dtingerfabrik".
Dieses Ergebniss weicht von dem der anderen Untersucher erheblich ab. Ich
selbst begann meine Forschung an Scherben aus der ältesten „Stadt" von Hissarlik
(Alttrojanische Gräber und Schädel. Akadem. Abhandl. Berlin 1 88*2. S. 51; Abb
aut S. 53). Mein Freund Schliemann hatte die weisse Masse für Thon -
nommen. Ls stellte sich aber heraus, dass der Hauptbestandteil krystallinischer
Kalk war, wie die mikroskopische Untersuchung ergab; ich setzte damals hinzu:
„also vielleicht zerstossener Marmor, der in den Flüssen als Kollstein und in
den benachbarten Gebirgen anstehend gefunden wird. Kreide steht in der Nähe
von Hissarlik nirgends an." Aehnliche [nerustationen erwähnte ich auch von
Topfscherben aus dem Hanai Tepe (ebendas. S. X4). Die Frage der Benutzung
einer weissen Thonmasse trat nur bald nachher (Verhandl. 188o, S t50 besonders
nahe, als ich Gefässscherben mit besonders weisser Incrustation von Albsheim in
der Pfalz erhielt, wo vielfach ausgebeutete Lager von Kaolin anstehen: aber auch
3*
(36)
hier fand sich kohlensaurer Kalk. Ich will diese Aufzählung nicht weiter aus-
dehnen: in einer Diskussion unserer Gesellschaft (Verhandl. 1895, S. 462) finden
sich weitere Beispiele. Dabei ergab sich in einem Falle die Möglichkeit, dass
Phosphorit beigemischt sei.
Die Nachweise des Hrn. Helm sind also sehr abweichend. Wenn man auch
den mikroskopischen Befund nicht als entscheidend ansehen will, da erfahrungs-
gemäss so stark zertrümmerte und noch dazu gebrannte Partikeln keine sicheren
Resultate erhoffen lassen, so genügt doch das chemische Ergebniss, um die Frage-
stellung und, wenigstens bis zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit, auch
die Schlussfolgerung des so gewissenhaften Untersuchers anzuerkennen. Es wird
daher eine erneute Nachforschung in Bezug auf die Verbreitung einer derartigen
Gewohnheit zu empfehlen sein. Dabei wäre es jedoch wünschenswerth, dass jede
Localität und jedes Zeitalter für sich betrachtet werde. Denn es ist an sich ja
nicht anzunehmen, dass dieselbe Zusammensetzung der weissen Masse sich überall
und stets wiederfinden werde. Hr. Helm hat seine Erhebungen fast ausschliesslich
an Thongefässen einer Zeit gemacht, die bis dahin gar nicht oder höchstens ver-
einzelt in Betracht gezogen war. Meine Aufmerksamkeit war vorzugsweise der
neolithischen, also einer weit früheren Zeit zugewendet; aber ich hatte doch auch
schon bemerkt (Verhandl. 1883, S. 453), dass der Uebergang von der Steinzeit in
die Metallzeit je nach den Gegenden sich sehr verschieden gestaltet habe und
dass Formen, die an gewissen Orten ganz neolithisch sind, an anderen Orten schon
der Bronze-, an manchen sogar schon der Eisen-, ja selbst der La Tene-Zeit zugerechnet
werden müssen. Die für unseren Fall nächst wichtige Aufgabe würde also sein,
die Natur der incrustirenden Masse sowohl der Zeit, als dem Orte nach durch eine
Reihe von Analysen festzustellen. Auf alle Fälle werden wir Hrn. Helm dafür
verpflichtet bleiben, dass er den Weg zu einer derartigen Forschung eröffnet hat. —
(16) Der Vorsitzende der Graudenzer Alterthums-Gesellschaft, Hr. Gymnasial-
Director Dr. Anger, berichtet unter dem 10. Januar über
eine neu aufgefundene Bronze-Urne von Topolno, Kreis Schwetz.
Der Gesammtbericht über die Ausgrabungen in Topolno (Kreis Schwetz) vom
3. October und 2. November 1896 wird erst dann erfolgen, wenn das Fundmaterial
vollständig vorliegen wird. Die reichen und überaus interessanten Funde, die ich
für die Graudenzer Alterthums-Gesellschaft und für das städtische Museum im
Verein mit dem Hrn. Regierungs-Schulrath Dr. Kaphahn hierselbst und Hrn.
Conservator Meissner, mit freundlicher Unterstützung der HHrn. Besitzer Pauknin
inGross-Konopath. Verwalter Muswieck in Topolno undDr.Rasmus in Grutschno,
in Topolno machte, werden ebenso, wie die gleichzeitigen Funde von dem slavischen
Gräberfelde in Grutschno, sicherlich allgemeines Interesse erregen. Aus der Reihe
dieser Funde hohe ich die Bronze-Urne von Topolno hervor.
Dieser schöne, wohlerhaltene Fund (Fig. 1) verdient eine ausführliche Be-
schreibung:
Ich gebe zunächst die Maasse des Gefässes, dann die der beiden Bügelhalter
und zuletzt die des Bügels.
Das 17,5 cm hole, kesseiförmige, aus getriebener Bronze bestehende Gefäss
enthielt nur gebrannte Knochen.
Es fasst genau 9 Liter.
Der grösste Durchmesser der oberen Ocllhung beträgt 25,7 cm, der Umfang
des umgebogenen Randes )S1 e/ra, ihr Umfang dicht unter dem Halse 75 cm. Der
(37)
ziemlich stark hervortretende, ringsum laufende, glatte Wulst ist 1,4 cm breit, und
die gerade Entfernung von da bis zum Ende des umgebogenen Randes beträgt
2,3 cm. Am äussersten Rande ziehen sieh parallel mit demselben zwei etwa 2 mm
von einander entfernte Kreislinien hin.
Fi*. 1.
Unterhalb des Halses weitet sieh die Urne allmählich aus, bis sie im zweiten
Drittel der Gesammthöhe einen Durchmesser von 26,5 cm und einen Umfang von
89,5 cm erreicht. Ueberaus gefällig ist die Verzierung durch die 104 stark'ge-
schwungenen (bis 2,5 cm Höhe), von oben nach unten sich hinziehenden Wellen-
linien, die durchschnittlich 8 — !> mm von einander entfernt sind. Die Wellenbreite
ist mithin ziemlich beträchtlich.
Das obere Ende dieser Wellenlinien ist unmittelbar unter dem hervorstehenden
Wulst des Halses von zweimal zwei Kreislinien durchschnitten; auf der entg<
gesetzten Seite wird das untere Ende der Wellenlinien von zwei, etwa 2 mm von
einander abstehenden Kreislinien begrenzt IN 1'« » 1 _: t dann bis zum Fasse eine 1 cm
breite, glatte Zone, die unmittelbar am Pusse abermals von zwei nahe bei einander
liegenden, das Gefäss umziehenden Kreislinien begrenzt wird.
Diese die Wellenlinien oben durchschneidenden und unten begrenzenden Kreise
sind in die Oberfläche schon eingeschnitten gewesen, ehe die Wellen in die Gel
wand eingetrieben wurden; denn die.se Kreislinien steigen und fallen mit den
Wellenkämmen und Wellenthälern.
Der Boden-Durchmesser [Fig. 2, beträgt 14 cm, der Umfang 4»; cm, die Höhe
des Kusses 0,9 cm, de Höhe der Wölbung des Pusses 2 cm. Auf diesem ge-
(38)
wölbten Boden befinden sich 6, zu je 2 geordnete, nahe bei einander liegende (2 »im),
concentrische Kreise, — das bekannte Kennzeichen acht römischer Gefässe (Durch-
messer 3,2 cm, 8 cm und 12 cm).
Ob der Fuss eingelöthet ist, lässt sich durchaus nicht erkennen. Das Ge-
wicht dieses stattlichen Gelasses beträgt, abgesehen von Bügelhalter und Bügel, 750 g.
Mit dem Knöchel am unteren Theile sanft angeschlagen, giebt es das grosse E an;
ein stärkerer Schlag am oberen Rande lässt ausserdem recht stark a und eine
Reihe von Obertönen erklingen.
Fiff. 2.
Die beiden Bügelhalter sind an die Urne — wahrscheinlich mit Zinn — an-
gelöthet gewesen. Die Löthstellen sind noch jetzt deutlich erkennbar. Der eine
Bügelhalter ist 5,9 cm, der andere 5,7 cm hing; der erstere ist 2,3 cm, der andere
2,2 cm hoch: jener wiegt 25 g, dieser 23 g. Gleich ist bei beiden die Zahl der
die Contouren begleitenden Kreise (14), — aber die Stellung der Kreise ist bei
dein einen Halter nicht genau so, wie bei dem anderen. Die zur Aufnahme der
beiden Bügelenden bestimmten Löcher sind von verschiedener Bohrung und Grösse.
Das sind auffallende Differenzen.
Am merkwürdigsten and belehrendsten ist der Bügel. Seine Länge — mit
dem Faden gemessen — betrügt 14.5 cm, die gerade Entfernung der beiden Bügel-
enden 28 cm, die Höhe 12,50 cm. Er wiegt 150,7.
Der Bügel ist vor der Beisetzung der Urne aus zwei verschiedenen und zwar
aus zwei rechten Bügelenden zusammengesetzt und mittels einer nicht ganz ge-
schlossenen Bronzehiilsc zusammengelöthet worden. Von dem grösseren und
(39)
dickeren Bügel, dessen Ende in eine Spitze ausläuft, ist zum Glück mehr als die
Hälfte vorhanden. Die spiralförmige, dieses Bügelende umziehende Linie geht
von rechts nach links und ist bis zur Mitte der verbindenden Bronzehülse deutlich
zu verfolgen; sie umzog ohne Zweifel also auch in derselben Richtung das linke.
jetzt fehlende Ende. Das kürzere, dünnere, linke Hügelende ist dagegen am
äussersten linken Ende senkrecht zur Längsrichtung abgeschnitten, und die auch hier
wieder auftretende Spirallinie geht von links nach rechts. Hier sind zudem die
Spirallinien viel enger (0,5 cni), als dort (1 cm). Ferner zeigt das rechte Bügelende
eine schöne Wölbung, das linke dagegen steigt in unschönem Bogen empor.
Daraus folgt: der ganze Bügel ist aus zwei ursprünglich nicht zusammengehörigen
Theilen zusammengesetzt. Das linke Bügelende stammt von einem ähnlich ge-
bildeten und doch anders dimensionirten Gefässe her; es wurde zur Reparatur
benutzt, weil es dem Bedürfnisse gerade noch genügte. Künstlerische Ansprüche
befriedigt die Arbeit nicht; aber darauf kam es dem reparirenden Handwerker gar
nicht an. Er vereinigte die beiden nicht zusammengehörigen Stücke, so gut er es
eben verstand; er machte aus der Xoth eine Tugend. Nun sind auch die Unter-
schiede der beiden Bügelhalter begreiflich. Offenbar gehört der leichtere, kleinere
Bügelhalter zu dem leichteren, kleineren Bügel-Fragment. —
Es dürfte sich nunmehr empfehlen, das Bronze-Gefäss mit einem anderen zu
vergleichen, das im März 1874 in Münsterwalde gefunden worden ist. In den
Schriften der Xaturforschenden Gesellschaft zu Uanzig hat der um die Erforschung
der westpreussischen Urgeschichte hochverdiente Dr. Lissauer eine überaus
interessante und gründlich belehrende Beschreibung der Münsterwalder Bronze-
Urne gegeben. Die im Verlage von Th. Anhuth in Danzig erschienene Schrift:
„Beiträge zur Westpreussischen Urgeschichte von Dr. Lissauer1- enthält auf
S. 1 — 7 eine klare Darstellung der Fundgeschichte, der Fundbeschreibnng und der
Stellung des Fundes unter den ähnlichen, bekannt gewordenen Gefässen anderer
Gegenden.
Mit Recht hat Dr. Lissauer dem Funde von Münsterwalde eine hervor-
ragende Bedeutung beigelegt. Er sagt: „Wenn man von Marienwerder die Post-
strasse nach dem Bahnhofe Czerwinsk zu fährt, so gelangt man kurz hinter dem
Traject über die Weichsel in das Kirchdorf Münsterwalde. Südlich von der Kirche
befindet sich die Fundstelle. Es fand sich darin: 1. ein Skeletgrab: 2. ein Urnen-
gräb (in der Urne befand sich nur eine etwas verbogene Doppelsehnalle), und
3. eine bronzene Urne, von '■'> kopfgrossen Feldsteinen umstellt.
Die Urne selbst war mit den gebrannten Knochenresten eines erwachsenen
Menschen angefüllt, bei deren Untersuchung sich noch folgende Beigaben vor-
fanden:
1. ein grösseres und ein kleineres Stück so stark zusammengeschmolzenen
Goldes, dass man aus der jetzigen Form auf die ursprüngliche nicht mehr
zur ückschli essen konnte (Werth = 34 Mk.).
•2. ein Stück ebenso zusammengeschmolzener Bronze.
3. ein Gegenstand aus Bronze, welcher einem Sporn am meisten ähnlich
sieht.
■1. mehrere kleine, dünne, schön grüngefSrbte Bronzestüeke.
Die Urne selbst ist Ins auf einen unbedeutenden Sprung vollständig erhalten
und hat eine sehr gefällige Kesselform. Der eigentliche Körper der Urne ist aus
3 — 4 mm dickem Bronzeblech getrieben, so dass man an einzelnen Stellen die
Hammerschläge deutli h erkennt. Während der obere Rand sieh in einer Breite
(40)
von 12 mm nach aussen umlegt, verjüngt sich der Hals nur wenig; auch der Bauch
weitet sich nur wenig aus, um sich schnell wieder zum eigentlichen Boden
von beiden Seiten zusammenzuschliessen. Um den Hals läuft ein 12 mm breiter,
mit dem Hammer von innen ausgearbeiteter horizontaler Wulst, während der ganze
Bauch etwas flachere, aber ebenfalls getriebene, verticale Wellenlinien zeigt, die
natürlich abwechselnd concav und convex erscheinen. Im Ganzen zähle ich 114
convexe Wellenlinien, welche einander fast genau parallel und am oberen, wie am
unteren Ende durch mehrere oberflächlich eingravirte Kreislinien vom Hals und
Fuss gleichsam künstlerisch abgetheilt sind. — Auf dem umgebogenen Rande der
oberen Oeffnung sieht man an zwei gegenüber liegenden Stellen in einer Aus-
dehnung von 50 — 60 nun deutlich Zinnloth, als ob dort ursprünglich etwas aufgelöthet
gewesen sei, während davon auf dem übrigen Theile des Bandes nichts zu ent-
decken ist.
„Die Urne steht auf einem etwa 12 mm hohen, ebenfalls getriebenen Fuss,
welcher sich nach unten 6 mm breit umbiegt und dort den eigentlichen Boden des
Gefässes aufnimmt. Dieser ist wahrscheinlich besonders gegossen und eingesetzt,
so dass man diese Stelle noch deutlich erkennt.
„Die Maasse des Gefässes sind:
1. obere Oeffnung: Grösster Durchmesser 196 mm. Umfang des umgebogenen
Randes 664 mm. Umfang dicht unter dem Halse 610 mm.
2. Mitte: Grösster Durchmesser im Innern 205 nun. Grösster Umfang von
aussen 622 nun.
3. Boden: Durchmesser von aussen 95 mm. Umfang von aussen 330?»»/.
4. Höbe der ganzen Urne 135 mm.u
Hieraus ergiebt sich, dass beide Gefässe, sowohl das Münsterwalder, als das
Topolnoer, als Bestattungsurnen gedient haben. Beide bestehen aus getriebener
Bronze, beide sind nach Gestalt und Verzierung einander sehr ähnlich. Beide sind
gehenkelt, nur sind von der Münsterwalder Urne die 2 Bügelhalter und der Bügel
verloren gegangen und nur noch die Stellen zu erkennen, wo die Henkel angelöthet
gewesen waren. Der Bügel der Topolnoer Urne dagegen ist vorhanden, aber
nicht der ursprüngliche, sondern ein aus zwei Fragmenten später zusammen
gelötheter. Ebenso verhält es sich mit den 2 Bügelhaltern. Das Münsterwalder
Gefäss ist kleiner, schlanker und mit schmäleren Wellenlinien verziert, als das aus
Topolno; es hatte einige interessante Beigaben und war in der Erde ziemlich tief
von Steinen umstellt aufgefunden worden; unser Gefäss dagegen enthielt nur die
Brandreste der Leiche und stand 0,75 m tief ohne Steinsetzung in der Erde.
Die Unterschiede der beiden Urnen sind mithin gering und erstrecken sich mehr
auf untergeordnete Momente. —
Bronze -Gefässe sind in den letzten 20 Jahren nicht selten gefunden worden,
in Rondsen allein vier: 1. eine Weinkanne; 2. ein gehenkelter Eimer (Urne);
:;. eine Schale (Urne/ I. eine Schale (Urne). Aber Bronze-Gefässe mit Wellen-
ornament gehören immer noch zu den grössten Seltenheiten.
In Kopenhagen unterscheidet man nach Lissauer's Angabe „zwei Formen,
eine ältere mit schmäleren und eine jüngere mit breiteren Wellenlinien." In
Stockholm und Öhristiania sah er .nur je ein einziges Exemplar mit breiteren
Linien: sie haben auf dem Boden die für acht römische Arbeit bezeichnenden
concentrischen Kreislinien. Die ganz erhaltenen zeigen auch henkelartige Auf-
sätze (Bügelhalter), in welchen ein (?) Bronzebügel steckt." „Am wichtigsten",
(41)
sagt Lissauer, „ist diejenige Urne, die sich im Museum von Christiania
befindet, weil dieselbe der Münsterwalder Urne ganz gleicht, ebenfalls einen Gold-
Bchmuck und einen ganz gleichen Sporn enthielt. Da nun iri der Christania-Urne
zugleich ein mehrfach zusammengebogenes, eisernes Schurrt gefanden worden ist,
wie solche für die ältere Eüsenzeii charakteristisch sind, so werden diese Urnen
von den nordischen Alierthumsl'orschern in das 3. — 5. Jahrhundert n. Chr. gesetzt,
in welcher Zeit schon römischer Bändel den Norden mit seinen Waaren reichlich
versorgte. Für den Weg aber, den dieser Handel einsehlug, ist es wichtig, durch
den Münsterwalder Fund an der Weichsel gleichsam eine Station nachgewiesen
zu haben." —
Durch den Topolnoer Fund ist eine zweite Station nachgewiesen. Beide Orte
sind Stationen des längst bekannten Handelsweges, der von Aquileja über Wien
zu den Quellen der Oder und von da über Breslau, Kaiisch — Bromber<j und Sehwetz
nach Danzig führte. Von Schweiz zweigte sich ein Weg über Rondsen, Marien-
burg (Alyein . Elbing (Truso) nach dem Samlande ab. Es ist kein Grund abzu-
Fiir. 3.
r,
-fadih ° (ff
sehen, warum auf diesem, von den romischen Händlern vorzugsweise b(
Wege bis zum Samlande hin nicht auch gleiche Funde gemacht werden sollten.
Xöthigt uns etwas zu der Annahme, da-, derartige Gefässe nur westlieh von der
Weichsel Abnehmer gefunden haben? Der Umstand, dass innerhalb -- Jahren zwei
fast gleiche Funde westlich von der Weichsel gemacht worden sind, östlich von der
(42)
Weichsel aber noch kein derartiger Fund bekannt geworden ist, beweist
nichts. Die östlichen Bewohner kannten gewiss dergleichen Gelasse, aber sie
haben sie eben nur zu dem Zweck benutzt, für den sie gearbeitet worden waren.
Um es kurz zu sagen: es ist durchaus zu bezweifeln, dass die römischen Händler
derartige Gefässe den hiesigen Bewohnern als Graburnen, also zu Bestattungs-
zwecken, angeboten und verkauft haben.
Aus der Beschaffenheit der gefundenen Gefässe erhellt vielmehr, dass es Trink-
gefässe gewesen sind, und dass man diese erst dann zu Bestattungszwecken ver-
wendete, als sie für den eigentlichen Zweck unbrauchbar geworden waren. Denn
wären es von Hause aus Bestattungsgefässe gewesen, so würden sie nicht in be-
schädigtem, defectem Zustande, sondern heil und unverletzt der Erde übergeben
worden sein. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Es empfiehlt sich mithin die
Annahme, dass ein reicher Mann seinen stattlichen Methkessel, der im Laufe der
Zeit oder durch einen Zufall unbrauchbar geworden war, zu seiner oder eines
seiner Angehörigen Bestattung bestimmte. Das wird nicht häufig der Fall gewesen
sein, und daraus erklärt sich auch die Seltenheit solcher Funde. Die Mehrzahl
der Methkessel ist verloren gegangen; aber die für Bestattungszwecke bestimmten
sind, weil sie dem sicheren Schosse der Erde anvertraut worden waren, bis auf
unsere Zeit, und zwar genau in dem Zustande, in dem sie einst beigesetzt wurden,
erhalten geblieben. —
(17) Hr. R. v. Weinzierl, Prag, 5. Januar, bespricht
neue Funde auf der Lösskuppe, südöstlich von Lobositz a. d. Elbe
(Reiser'sche Ziegelei).
Im Anschluss an die Grabung im Sommer 18941) wurde im Herbste und Winter
desselben Jahres sowohl die grosse Aushebung zum neuen Ringofen erweitert, als
auch der ganze, noch stehen gebliebene Ziegelthonblock, mit der Ueberbrückung
an der Südseite des alten Ofens, abgegraben. Neben dem Pfarrfelde (Situations-
plan S. 50) wurde zunächst an der Ostwand der Ausgrabung C ein breiter Streifen
nachgenommen, und bei dieser Grabung wurde einer der wichtigsten Funde ge-
macht: ein neolithisches Brandgrab! Wenige Meter südlich davon wurde im
Sommer 1896 das weibliche Skeletgrab 20 (Jahrgang 1895, S. 03) mit reichem
Muschel- und Zahnschmuck gefunden.
Dieses Brandgrab-) war sehr seicht angelegt (0,75 m tief bei einem Durch-
1) Zeitschrift f. Ethnologie, Jahrg. 1895, S. 49. Weinzierl, R. v., Der prähistorische
Wohnplatz und die Begräbnissstätte auf der Lösskuppe südöstlich von Lobositz a. E. Mit
27 Abbildungen. — Auf dem S. 50, Fig. 1 abgebildeten Situationsplan ist der 1894 aus-
gegrabene Complex mit C bezeichnet.
Ich komme einer angenehmen Pflicht nach, indem ich an dieser Stelle Hrn. Ziegel-
und Kalkwerksverwalter F. Kopfiva den besten Dank zum Ausdrucke bringe, für die
sorgfältige Beobachtung der ganzen Erdbewegung, im Interesse der Prähistorie. Seiner
werkthätigen Unterstützung habe ich es zu danken, dass auch nicht der kleinste Fund
verloren ging; in meiner Abwesenheit hat Hr. Kopfiva genaue Situationszeichnungen und
Fundborichte angefertigt, so dass das ganze Bild, in Folge einer fortwährenden, sorgfältigen
Beobachtung, sich uns als ein Ganzes aufrollt.
2) Neolithische Brandgräber, bisher sehr selten beobachtet und ausser mir nur
vom (Konservator Hrn. Bietfalai Jelinek in Böhmen constatirt, sind von ganz eminenter
Bedeutung für die Forschung, da man anzunehmen gewohnt war, dass in Böhmen in der Stein-
zeit die Feuerbestattung nicht im Gebrauche stand. Da nun die Zahl der untersuchten
(43)
messer von 1 m); die kesseiförmige Grube enthielt ausser Knochenasche und Holz-
kohlenstüeken auch unverbrannte Knochenpartikeln. Zwischen Steinen, die Spuren
von DnrcbglühuDg aufwiesen, lag ein zertrümmerter, langhalsiger Becher ohne
Ornament1) und ein in Folge des Brandes vollständig zerfallener Basalthammer
älteren Typus*). ö°r Becher entspricht m Form und Material den bekannten schnur-
verzierten Bechern der böhmischen und thüringischen Funde. Das Hammerfragment,
mit schwachen Schlifl'ilüehen, ist einseitig konisch gebohrt und gehört zu jenen
älteren, anregelmässigen Typen mit keilförmiger Schneide und abgerundetem Bahn-
ende, die vorzüglich in den rein steinzeitlichen Ansiedelungen Nordwestböhmens
gefunden werden. — Auch im verflossenen Jahre fand ich in Gross-Czernosek unter
!) neolithischen Bestattungen ein Brandgrab3), während die anderen 8 Gräber
liegende Hocker in Steinkisten bargen. Diese Hocker sind in der neolithischen
Ansiedelung von Gross-Czernosek zu den ältesten Gräbern zu zählen: mit grossen
Steinen und Geröll gedeckt, bildet diese Gräberstätte die tiefstgelegene Schicht«'.
die bis auf und theilweise in den Mergel reicht. Darüber setzt sich die neolithische
Culturschicht fort bis unter die Ackerkrume, von den eingetieften bronzezeitlichen
Wohnstätten, Herden und Abfallsgruben der Nachbesiedelung unterbrochen.
Wir linden also auf beiden Ufern der Elbe in den steinzeitlichen Ansiedelungen
und deren Gräberstätten bereits eine neue Art von Bestattung, die den Todtcncult.
wie er bislang gepflegt worden, wesentlich änderte. Rechnen wir zu den in der
Umgebung von Lobositz bisher untersuchten neolithischen Brandgräbern jene von
Elbekosteletz und der Umgebung Prags hinzu, so ergiebt sich die immerhin stattliche
Zahl von 22, — eine Zahl, die uns über die Möglichkeit eines Zufalles weit hinweg-
setzt, so dass wir es in Böhmen mit einem Factum zu thun haben, welches ge-
wissenhaft weiter zu verfolgen unser Streben sein wird.
Ausser diesen sorgfältig untersuchten 22 neolithischen Brandgräbern sind
zwar mehrere als „fraglich" zu bemerken, wenn auch nicht in Rechnung zu ziehen:
in der Schwarzenberg'schen Ziegelei4) und bei der Tschinkl'schen Rüben-
darre, östlich vom Staatsbahnhofe. An letzterem Orte kamen Culturgruben vor.
liraudgräber die Höhe von 22 erreicht hat, so ist dies für Jiöhnien sehr bedeutungsvoll und
wir können annehmen, dass in den, während der Steinzeil dicht bevölkerten, nordwestlichen
Gauen Böheims, diese Bestattungsart bei gewissenhafter Durchforschung der Ansiedelungen
und Begräbnissstätten gewiss noch an mehreren Orten constatirt werden könnte.
Jelinek fand 2 Brandgräber bei Lieben (nächst Trag) und 1 bei Opolau. Dem
Schreiber dieser Zeilen gelang es. bis jetzt 17 solcher Gräber selbst zu constatiren und zu
untersuchen. Dieselben gehören alle der engsten Umgebung von Lobositz an: es entfallen
auf unsere Lösskuppe 3, auf Löbel's Sandgrube am Karrasch 6, auf die Schwarzen-
berg'sche Ziegelei 3, auf Gross-Czernosek 6; 2 Brandgräber constatirte ich in Elbe-
kosteletz, so dass mit diesen die stattliche Gesammtzahl von 22 neolithischen Brandgräbern
für Böhmen erreicht wäre, abgesehen von einigen „fraglichen" , bei deren Aushebung ich
entweder nicht selbst dabei war, oder wo mir die Fundberichte nicht genügen konnten.
1) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft, Wien, Bd. XXV, S. 189: In
..W einzierl, R. v., Entgegnung auf Hrn. l>r. Much's Kritik meiner Publication: _l)ii-
Deolithische Ansiedelung von Gross-Czernosek." Mit 8 Abbildungen" linden wir den be-
schriebenen Becher S. 193 in Fig. 272 abgebildet,
2) Ebeudort S. 193, Fig. 273 abgebildet.
3) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. XXVII •. Weimierl,
Et. \.. Die neolithische Ansiedelung von Gro>s-Czeruosek. Ausgrabungen im Jahre 1895
und 1896. Mit 20 Abbildungen: Grab VI.
4) Mittheilungen der anthropologischen Gesellschall in Wien, Bd. XXV. S. 192.
(44)
welche dem Fundmateriale nach der Uebergangsperiode angehören, in allem Andern
aber den Gross-Czernoseker Brandgräbern ') ähnelten und daher bei gründlicher
Durchforschung, sofern diese möglich gewesen wäre, vielleicht ein recht inter-
essantes Resultat ergeben hätten.
Aus dem Vorhergehenden ersehen wir also, dass die Feuerbestattung in der
jüngeren Steinzeit in Böhmen bereits Eingang gefunden hat; andererseits aber finden
wir die Gepflogenheit, den Leichnam mit reichem Inventar zu bestatten, auch noch
in der älteren Bronzezeit, und dies vornehmlich in Gräbern, die wir dem Aunetitzer
Typus zurechnen und deren Verbreitungsbezirk sich mit jenem der neolithischen
Bevölkerung in Böhmen deckt2).
Welcher, und ob ein Zusammenhang zwischen den bronzezeitlichen Urnen-
Gräbern mit Leichenbrand und jenen Aunetitzern Gräbern besteht und welcher Zeit-
intervall die ersteren mit der letzten Zeitphase der Steinzeit bei uns verbindet,
darüber können wir heute noch kein sicheres Urtheil fällen.
Auf unserer Lösskuppe, welche ursprünglich eine ausgedehnte, neolithische An-
siedelung war (Situationsplan S. 50, Bevölkerungscurve II), folgt dieser Ansiedelung
jene Zeitphase der älteren Bronzezeit, welche dem Lausitzer Typus angehört:
sie entspricht theilweise der älteren Bevölkerung- (Curve III), der wir die Urnengräber
(Curve IV; zuschreiben müssen.
Wenige Meter nördlich von dem vorbesprochenen neolithischen Brandgrabe wurden
zwischen unmittelbar unter der Ackerkrume liegenden Phonolith- und Glimmer-
schieferplatten, neben einander aufgelegt, 6 kleine Bronzeringe mit dunkler, glänzender
Patina gefunden, wovon zwei eine einseitige, starke Auswetzung zeigen. Daneben
lag ein spiralig zusammengewundener Draht und ein Nadel fragment. Zwischen den
Steinplatten und um sie herum waren weder Spuren von Asche, noch Brandreste zu
finden. Auch die glänzende Patina verweist dahin, dass diese Artefacte vielleicht zum
nächstliegenden Urnengrabe gehörten, jedoch nicht mit dem Feuer in Berührung
kamen. Auffällig ist die reihenförmige Anordnung, in welcher die Ringe gefunden
wurden.
Daneben, in nördlicher Richtung, wurde ein seichtes Urnengrab ausgegraben,
welches mit einer Platte gedeckt war. Auch das nächstfolgende, nördlich von
diesem gelegene Urnengrab mit Leichenbrand war mit Platten gedeckt. Da dies
1) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien, Bd. XXV, S. 42.
2) Weinzierl, R. v., Die Bronzezeit in Böhmen. Mit einer colorirten Bevölkerun^s-
karte. Prag 1897. Wenn wir diese colorirte Bcvölkerungskarte der Bronzezeit mit jener
der jüngeren Steinzeit decken (beigelegt dem Vortrage No. 20G des Deutschen Vereins für
gemeinnützige Kenntnisse: Die neolithische Culturepoche in Böhmen), — beide
>ind gleich gross gezeichnet — so finden wir, dass die Skelctgräbcr mit Aunetitzer Typen
sich auf jene Fläch'- des nördlichen Böhmens vertheilen, welche ans in der Durchsicht
violet erscheint, da die bevölkerten Flächen der Steinzeit carminroth, jene der Bronzezeit
Mau colorirt sind.
Dieser locale Gräbertypus Böhmens, benannt nach den Skeletgräbern der älteren
Bronzezeit von Aunötitz bei Prag, charakterisirt sich hauptsächlich durch die kurze,
gerade Gewandnadel mit verkehrt kegelförmigen Kopfe und darauf sitzendem Oehr, welch1
letzteres offenbar zum Anbinden diente. Diese Nadeln werden, ausser reichem, charakte-
ristischem Bronze8chmucko und Bronzewaffen, sowie Bernsteinkorallen und (joldschmuck,
einzeln und auch paarweise in der Achselhöhe an der linken, auch rechten Brustseite
gefunden. Ich habe mehrere Gräber bei Lobositz untersucht (Pamätky arch. XIII);
in einem Mannesgrabe traf ich, nebsf Lei ten-Celt, Dolch und einem fraglichen Bronzeobject,
zwei solcher Kleidernadeln, die auf der rechton Brustseite neben einander, jedoch in ver-
schiedenen Richtungen, lagen.
(45)
Grabung im Winter hei starkem Froste vorgenommen wurde, so gingen alle Urnen
heider Gräber verloren. Aus dem rohen Scherbenmateriale war zu ersehen, dass
in jedem Grabe mehrere Urnen standen, und /.war von gewöhnlicher Form,
ohne dass eine durch Grösse hervorragend gewesen wäre. In der Leichenasche
wurden keinerlei Bronzefragmente gefunden. Die Urnenscherben sind vollkommen
gleichartig mit den früher beschriebenen bronzezeitlichen Urnengräbern mit
Leichenbrand. —
Bei Abgrabung der Lösswand gegen die Staatsbahntrace wurde nur ein mit
einer kleinen Platte gedecktes, bronzezeitliches Urnengrab mit Leichenbrand ge-
funden, dessen Urnen vollkommen zertrümmert wurden.
Die Böschung des Pfarrfeldes wurde gegen die Bahntrace in der unteren
Hälfte senkrecht abgegraben, um eine Mauer aufzuführen. Bei dieser Gelegenheit
wurde inmitten der Böschung, 20 m östlich vom Feldraine, ein massiver Armring
aus Bronze, nebst einigen Fragmenten von Armknochen und zwei Urnenscherben
gefunden.
Das Armband, welches gegen die offenstehenden Enden zu sich abschwächt,
ist mit einigen parallelen und dazwischen eingelegten Zickzacklinien geziert und
gehört zu jenen Formen, die wir aus den Aunetitzer Gräbern kennen, wo sie zumeist
am Unterarme gefunden werden.
Die beiden Urnenscherben entsprechen grösseren Gefässen der Bronzezeit,
sind sehr massiv, ohne Ornament, dagegen aussen schwach graphitirt und innen
mit rothem Anstrich versehen.
Die Lagerung dieses Fundes entspricht nicht der ursprünglichen; es scheint
vielmehr zur Zeit des Bahnbaues ein Theil des in der oberen Schicht des Ein-
schnittes gewesenen bronzezeitlichen Skeletgrabes in die Böschung gerathen zu
sein, ohne dass nunmehr noch constatirt werden könnte, wo sieh das Grab befand
und was noch in demselben gefunden wurde.
Wir haben es hier möglicher Weise mit einem vereinzelten Grabe des
Aunetitzer Typus zu thun, wenn nicht etwa im Pfarrfelde und dem daranstossenden.
noch nicht umgegrabenen Theile von B (Situationsplan S. 50) sich eine Gräber-
stätte dieser Periode befindet.
Gleichzeitig wurde im Winter 1895
der Lössblock mit der Bohlenbrücke,
welcher vor der Südseite des alten Ofens
noch stand, abgegraben, und gerade dieser
kleine Complex lieferte recht interessante
Funde. Fig. 1 versinnlicht uns die Situa-
tion. Der schraffirte Theil entspricht den
früheren Abgrabungen, während von West
nach Ost zu, mit einer Bohl enbrücke ver-
bunden, je ein Lössblock stehen blieb.
Die Curve I deutet eine neolithische
Wohnstätte an, während darüberliegend
eine Flache />' von 15 m Durchmesser an-
grenzt, die einer bronzezeitliehen Cultur-
schichte entspricht, innerhalb welcher die
Urnengräber &, c, d and gefunden wur-
den. Ausserhalb dieser bronzezeitlichen
Schicht wurde in </, etwa 2»« von 6 ent-
fernt und 1 in tief, ein kleines, (lach aus-
Situationsplan. ,1 : L50
(46)
o-ehiimraertes Armband aus Bronze mit übergreifenden Enden in aschenhaltiger Erde
zwischen zwei Steinplatten gefunden. Urnenreste waren nicht dabei. Möglicher-
weise haben wir es hier mit einem Kindergrabe zu thun, worauf nicht allein der
kleine Armreifen, sondern auch die geringe Quantität von Asche hinweist.
Es wurde nun in östlicher Richtung, vertical abgegraben. Im Profil (Fig. 2),
welches dem Schnitte f g (Fig. 1) entspricht, präsentirt sich uns ein anschauliches
Fig. 2.
Neolithische Wohnstätte (A), darüber bronzezeitliche Culturschichte (B) mit Urnengrab
(Situationsplan b).
Bild. Die neolithische Wohnstätte A ist im Ziegelthon bis zu einer Gesammttiefe
von 2,30 m eingesenkt; darüber breitet sich die bronzezeitliche Culturschichte B
bis zu einer Tiefe von 0,6 m aus, in welcher wir ein Urnengrab mit Leichen-
brand (Situationsplan b) eingebettet finden. Die neolithische Wohnstätte A '), deren
Vcrticalschnitt zur Linken uns einen 0,8 m tiefen, kesseiförmigen Herd c zeigt,
dessen Grundriss ein Kreis von 1,3 m Durchmesser ist, hat eine elliptische Form,
mit vollkommen horizontalem, festgetretenem, 1,5 m tief im Ziegelthon eingegrabenem
Niveau u b. Die Aussenwände dieser Winter-Wohnstätte verlaufen nach innen und
oben schräg, und verlieren sich in der darüber lagernden jüngeren Schichte.
Auf dem Boden der Wohnstätte ab, deren Länge im Profil 3,2 m beträgt,
wurden viele gebrannte Lehmklumpen und Estrichstücke k mit Hürden-Abdrücken,
sowie auch zerstreute Gefäss-Scherben, Thierknochen-Fragmentc, Spinnwirtel und
Webstuhl-Gewichte m gefunden. Bei / lag ein ganzes, rothes Thongeräth (Fig. 3)
Fig 3. V,
Walzenförmiges, durchlochtes Thongerftth.
1) Solche tief eingesenkte Winter-Wohnstätten habe ich sowohl bei Loliositz, wie auch
in Gross- Czernosei vielfacL untersucht und deren interessanteste Profile bildlich dar-
gestellt. Zeitschr. f. EthnoL L894, S. 104, Fig. 1,3; ebend. 1895, S. 58, Fig. 7, und Mittheil.
d. Anthropol. Ges. Wien lWf>, Bi XXV, 8.190, Fig. 271 (diese letzte bronzezeitlich).
(47)
(nebst einem Fragment eines zweiten), welches, oben abgeflacht und etwas eingebogen,
der Länge nach mit einem durchgestossenen Loche versehen i.-t.
Der seitwärts angebrachte Küchenherd c ist vom Niveau der Wohnstätte aus
sanft abgeböscht, 0,80?« tief und war mit Asche, Steinen und Abfällen angefüllt.
In diesen Aschenschichten, die viele Holzkohlenstücke enthielten, lag 0,4 m tief,
ein vollkommen erhaltener weiblicher Schädel d ohne Unterkiefer. Seitwärts von
demselben lagen ein spitzer Knochenpfriemen und nahe der Sohle der Herdgrube
die beiden Radien e, an beiden Seiten abgesplittert.
Der Schädel mochte einem etwa 20 — 25 Jahre alten Weibe angehört haben.
Er hat eine hohe, sanft gewölbte Stirn, ein schmales Gesicht, und ist wohlgeformt.
Die Zahnkronen sind nicht abgeschliffen, das letzte Zahnpaar steckt im Kiefer,
ein Backzahn ist cariös. DieLänge des Schädels beträgt 182, die Breite 132 mm, woraus
ein L.-Br.-Index von 72,5 resultirt. Die ausserordentlich gute Erhaltung und gleich-
artig lichte Färbung des Schädels und der Armknochen lassen der Vermuthung Raum.
dass dieselben in die bereits ausgekühlten Aschenlagen gelangten, da sonst wohl
eine Bräunung der Knochen zu sehen wäre. Das Fehlen des Unterkiefers und
die Verstümmelung der Armknochen, sowie die eigentümliche Lagerung der
menschlichen Reste überhaupt, deuten auf Anthropophagie1), eine Annahme, die
vielleicht in anderen Beispielen von Verstümmelung ihre Bestätigung findet.
Ich bemerke gleichzeitig, dass im Verlaufe der Grabung, trotz aller angewandten
Sorgfalt, kein menschlicher Knochen mehr entdeckt wurde.
Der früher schon erwähnte Inhalt dieses Herdes: Scherben, Thierknochen-
Fragmente, Herdsteine und endlich Aschenschichten mit Holzkohlen, deutet darauf
hin, dass dieser Küchenherd zur Zeit der Einlagerung der menschlichen Reste
nurmehr als Abfallsgrube benutzt wurde. Ueber dem Schädel setzten sich hori-
zontal über einander gelagerte Aschenschichten fort (im Profil auspunktirt, Fig. 2), und
schliesslich überdeckte eine mächtige Aschenschicht, parallel mit dem Niveau der
Wohnstätte, die ganze Fläche. Ueber dieser Schichte wurde aschenhaltige Knie
mit eingelagerten neolithischen Scherben, Knochen -Fragmenten vom Rind und
Schwein u. s. w. gefunden.
0,7 — 0,9 in über dem Boden-Niveau der Wohnstätte beginnt die bedeutend
dunklere, fast schwarze Culturschichte der bronzezeitlichen X.uhhesiedelung, welche
in gleicher Mächtigkeit (0,6 m tief) die neolithische Wohnstätte nach allen Seiten
hin in horizontaler Richtung überragt, so dass uns das Profil (Fig. 2) ein recht
deutliches Bild bietet, wie die ältere, neolithische und tiefer gelegene Culturschicht
von der jüngeren, bronzezeitlichen (hier auch durch die dunklere Farbe abgegrenzt".
tiberdeckt ist. —
Auf dem Situationsplan (Fig. 1) sehen wir, wie die Wohnstätte .1 zum grössten
1) Bei der vorjährigen Grabung in Gross -Czernosek fand ich unter y neolithischen
Grabern einen liegenden Hocker Mittheil. d. Anthropol. Ges.. Wien «897, Bd. XXVI] ,
in ganz gleicher Bestattung, wie die anderen Hocker; es fehlte ihm jedoch der Schädel,
an dessen Stelle der lese Unterkiefer lag; die beiden Unterarme und Hände fehlten
ebenfalls, während die Oberarme parallel neben einander lagen und nach aufwärts ge-
richtet waren. An der Stein -Umkränzung des Grabes war keinerlei Störung ?u be-
merken. Auffallend sind hier das Vorhandensein des Unterkiefers und die nach aufwärts
gestreckten Oberarme. Im. Sachlage macht den Eindruck, dass eim gewaltsame
Verstümmelung stattgefunden hat, nachdem bereits der Körper in die rituelle Lage der
Bestattung gebracht worden war. Ein Beispiel der angenommenen Anthropophagie sehen
wir in dem Funde von benagten und zerschlagenen Blenschenknochen aus den Abfalls-
gruben von Knovi/ l'am itky Archäol, Bd. XVI, B. 285, Tafel XV .
(48)
TheUe durch die mächtige, bronzezeitliche Culturschicht B überdeckt wird, die über
die Brücke hinüberragt und theilweise auch schon in früheren Jahren abgegraben
wurde. Diese Culturschicht B1), von nahezu 15 m Durchmesser, besteht durchweg
aus fester, schwarzer Erde, in welcher nur hier und da Spuren von Asche zu
finden sind; auch wurden kleine zerstreute Gefiiss-Scherben, sehr selten aber ein
Thierknochen-Fragment gefunden.
In einer Tiefe von 0,40—0,50 m wurden stellenweise Basaltsteine in horizon-
taler Lagerung, jedoch in unregelmässigen Abständen von einander, gefunden.
Auf der ganzen Fläche dieser Schicht i>, die an den äusseren Contouren im
Löss scharf begrenzt ist, sind zerstreut mehrere ürnengräber gefunden, untersucht
und gezeichnet worden, die in Bezug auf die Keramik und auch auf die Metall-
Beigaben die zeitliche Stellung dieser Culturschicht genau fixiren.
Die in früheren Jahren südlich von dem Lössblocke vorgenommene Abgrabung
wurde nur stückweise aufgenommen und dabei ein einziges Urnengrab e constatirt.
von dessen Inhalt schon früher'2) die Rede war.
Die Winter-Grabung dagegen ergab die Gräber b, e, und jenseits der Brücke d.
Im vorliegenden Profil (Fig. 2) sehen wir in der bronzezeitlichen Schicht B
das Urnengrab (J>) mit Leichenbrand.
Fia-. 4.
Urnengrab mit Leichenbrand. (Siluationsplan c.)
1 Solche mächtige, weit ausgedehnte Culturschichten kommen in den Siedelungen
oft vor: auf der im früheren Situationsplan (Jahrg. 1S95, S. 50) mit />' bezeichneten Feld-
parcelli' befindel sich ein benso mächtige, aber noch weiter ausgedehnte, schwarze Cultur-
jehicht, in welcher aber, auch nur spärlich, neolithische Artefakte gefunden werden. Die Durch-
setzung derSchiohl mil Asche, wenngleich nur spärlich, und das zerstreute Vorhandensein
von Artefakten charakteri in □ dii e Bodenschichten, welche ungestört unter der Ackerkrume
gelagert sind, al Culturschichten. Elicr, wie dort, ist das auf dem Plateau gelegene Terrain
eben. Die Entstehung und der Zweck dieser grossen Schichten erscheinl etwas unklar.
Vlelleichl -i'"1 es die chlammigen üeberreste von einstigen Tümpeln, die in regenreichen
Jahren genügenden Wasserreichthum Rh die Ansiedelnng boten, bis dann endlich auch,
nach deren Aastrocknung, im festgewordenen Schlamme begraben wurde.
2) Zeits.hr. f. Etbnol. 1895, S. 78, Grab 1, Fig. 22, Kr. 1.
(49)
Ueber einer Phonolith-Platte stand schräg eine flache, massive, schüsseiförmige
Haupturne (Laositzer Typus), vollständig zertrümmert, deren oberer Theil offenbar
fehlt und an der der Hand der grössten Weitung roh abgeschliffen ist. Der untere
Theil, der nun die Haupturne bildet, war mit verticalen, parallelen Fingerstrichen
bis zum Boden versehen.
Seitwärts von derselben lag, umgestürzt auf dir Platte, ein Fragment einer ge-
henkelten Schale und darüber eine kleine, umgekehrte, im Bauehumfang scharf
gekantete Urne, ohne Henkel. Ueber der Kante befindet sich ein umlaufendes
Band aus parallelen Linien. Rechts und links vom Grabe lag ein grösserer Basalt-
stein, und zwischen diesen, sowie in den Urnen und um sie herum Asche mit
Knochenpartikeln des Leichenbrandes. Das Material dieser Urnen besteht aus
grauem, sandhaltigem Thon, ohne Graphit-Ueberzug. Die Tiefe des Urnen-Grabes
betrug 0,6, der Durchmesser 0,8 /". —
2 m südöstlich von diesem Grabe wurde das Grab c gefunden (Fig. 4).
Auf einer grossen Phonolith-Platte stand, etwas nach links geneigt, die Haupt-
urne 1, vollständig zerdrückt und mit Leichenbrand gefüllt. Diese massive, aus
grauem Thon bestehende Urne ist nicht ornamentirt, hat einen stark ausgebauchten
Körper, einen kurzen, gerade aufsitzenden Hals und einen weit und flach aus-
ladenden Rand (Fig. 5, n und ß)1), welcher symmetrisch in vier Punkten aus-
gezogen erscheint. Die Höhe dieser Urne be-
traft etwa 30, der Durchmesser 25 cm. Rechts
seitwärts lag, nach aussen geneigt, ein kleiner,
flacher, ungehenkelter Becher aus grauem Thon,
dessen Boden sowohl, als auch dessen Wandung
bis zur Hälfte in regelmässigen Reihen dureh-
locht ist.
Links seitwärts, diesem gegenüber, stand,
nach links geneigt, eine kleine graue Urne, wie
die im vorigen Grabe gefundene und hier oben ^
beschriebene, jedoch ohne Band-Ornament. Baupturne des Grabes c.
Neben der Haupturne lagen, m der die- n Aulsicht< >' Profilschnitt (V10).
selbe umgebenden Asche, nebst einigen rohen und
auch feineren, graphitirten, ornamentirten und innen roth ausgestrichenen Scherben
von einer grösseren und zwei kleinen gehenkelten Urnen, zwei kleine, jedoch ver-
schiedene Fragmente von Armreifen aus Bronze, mit rauher, grau-grüner Patina.
Daneben lag noch, im Bereiche dieses Grabes, ein kleines Steinhammer-
Fragment mit einem Theil des schön ausgebohrten Schaftloches, welches der ausser-
ordentlich schönen Glättung wegen als bronzezeitliches Artefakt angesehen werden
kann. —
Jenseit der Brücke winde das Urnengrab </ (Fig. ti) gefunden. Das nahe der
auslaufenden bronzezeitlichen Culturschicht 0,8 m tief eingesenkte Urnengrab unter-
scheidet sieh dadurch wesentlich von den anderen, dass die Haupturne von keinen
Beigefässen, sondern von Basalt-Steinen dicht umgeben war.
Die grosse, flache, stark ausgebauchte Urne hat dieselbe Form, wie die
Jahrg. ls'.'-">. S. 76, Fig. 26 abgebildete Urne, besteht aus demselben Material und
ist ebenso gross. Dieselbe war ausgefüllt mit Leichenbrand, mehreren rohen
1) Diese Urnenform, r ohne Iteten Rand, isl .ine häufige Kr-ohemung
in den Brandgr&bern der Bronzezeit fm Jahrg. IM'.', finden wir dieselbe Form in Pig
s. 76 abgebildet Siehe i ach Anmerkung 1. S. TT.
Verhamil. iii-r Berl. \nihr «• • lacbal 4
(50)
Scherben von zwei kleineren Beigefüssen, einer Bronze-Nadel, die am Boden lag,
und einem geschmolzenen Bronze -Artefakt. Von den Seiten und unten war die
zerdrückte Urne mit Basalt- Steinen umstellt und mit einer grossen schweren
Phonolith-Platte gedeckt.
Fier. 6.
^/tea^/^vi/
I
Urnengrab mit Deckplatte. (Situationsplan (/.)
Die Bronze-Nadel1) (Fig. 7), 21 cm lang, ist an der Spitze umgebogen und mit
einem kugligen Kopfe versehen. Das obere Drittel ist ornamentirt durch Reihen
Fig. 7. 3/4
Bronze-Nadel (21 cm lang-) mit umgebogener Spitze.
paralleler, einander schräg gegenüber gestellter Striche, die beiderseits durch um-
laufende und eingeritzte parallele Striche begrenzt sind.
Das geschmolzene Bronze-Fragment lässt nur annehmen, dass das fragliche
Object aus starkem Blech bestand.
Beide Artefakte tragen eine dunkelgrüne, rauhe Patina. —
Ausser dieser neolithischen Wohnstätte und den 4 bronzezeitlichen Urnen-
gräbern wurden in den bezüglichen Culturschichten noch einige Streufunde gemacht,
wovon, ausser einer kleinen ampelförmigen, bronzezeitlichen Urne, ein kleiner
1) Diese langen, mit einfachem rundem Kopfe versehenen Nadeln kommen häufig vor;
meist ist nur das obere Drittel mit parallelen, eingeritzten Linien verziert. Die vorliegende
Nadel ist, bevor noch der Leichenbrand in die Urne geschüttet wurde, in diese hinein-
gezwängt worden, wobei sich das <lünnc, spitze Ende umgebogen hat.
(51)
Flaehmeissel und mehrere Wirtel, eine Feuerstein-Säge und ein Hammer-Fragment
aus Kreide-Sandstein aus der ncolithischen Schicht zu erwähnen sind.
Die Feuerstein-Säge oder der halbmondförmige Schaber1) ist zur Hälfte vor-
handen; der Rücken desselben ist gerade abgeschliffen, die Flächen sind stark
incrustirt, die bogenförmige Schneide jedoch schwach gezähnt und frisch zu-
geschlagen.
Das Hammer-Fragment ist am zweiseitig konisch gebohrten Schaftloche ab-
gebrochen und zugeschliffen. Die Schneide ist bcilförmig.
Die niedliche Form, wie auch das wenig harte Material, lassen annehmen,
dass wir es entweder mit einem Kinder-Spielzeuge oder mit den Anfängen der
Stein-Bearbeitung zu thun haben.
Mit dieser verhültnissmässig geringen Erdbewegung kamen einigesehr interessante
Objecte zu Tage. Die ncolithische Culturepoche präsentirt sich durch jene Wohn-
stätte mit Küchenherd, in welchem menschliche Skelettheile gefunden wurden, — der
zweite Fall von scheinbarer Anthropophagie um Lobositz — ; andererseits sehen
wir neuerdings in jenem Brandgrabe mit Becher und Steinhammer, dass die Feuer-
Bestattung bereits in der jüngeren Steinzeit Eingang gefunden hat. Die
ältere Bronzezeit ist gut vertreten (als Nachbesiedelung, Fig. 2) durch 7 Urnen-
gräber mit Leichenbrand (Lausitzer Typus), welche theilweise auch ärmliche Bronze-
Artefakte enthalten und uns einige Varianten in der Anordnung der Haupturne mit
den Beigefässen veranschaulichen.
Mit dieser Grabung ist nun, ausser einem ganz geringen Theile, die Feld-
parzelle A (Situationsplan S. 50, Jahrg. 1895) erschöpft. Die nächste Grabung,
welche auf Parzelle />' stattfinden soll, liegt im Bereiche der älteren Zeitphase der
neolithischen Ansiedelung und dürfte wieder ein interessantes Studienmaterial
bieten. —
(18) Hr. Dr. C. Mchlis zu Neustadt a. d. H. überschickt unter dem 1. Januar
eine neue Abhandlung über den
Drachenfels bei Dürkheim a. d. H.
Der Drachenfels hat seit einem Jahrtausend hauptsächlich dadurch die Auf-
merksamkeit auf sich gezogeu, dass sich an ihn die Saue von der Drachen-
tödtnng durch Siegfried knüpfte. Der Verfasser hat jetzt durch eine ausführliche topo-
graphische und archäologische Beschreibung den Nachweis geliefert, dass auf dem
Drachenfels ein römisches Castell gelegen hat, für dessen Anlage ein schon vor-
römischer Trockenwall benutzt wurden ist. Die Erbauung des Castells wird auf
die Wende des 3. Jahrhunderts n. Chr. gesetzt; da aber schon 401 die römischen
Legionen das Rheintha] verliessen und dasselbe 40(i von den Barbaren besetzt
wurde, so ist die Zeit der römischen Occupation eine recht kurze gewesen. Das
Castell hatte wahrscheinlich nur eine kleine Besatzung, stand aber durch ver-
schiedene Strassenztige mit dem Rhein, den Nachbarcastellen und den westlichen
Reichst* summen in Verbindung. Diese Verhältnisse werden ausführlich geschildert.
Bemerkenswerthe Altfunde sind nicht gemacht worden. —
1) Die Form de- vorbei Artefaktes entspricht den halbmondförmigen Schabern
oder Sägen, wie wir sie au Gebieten kennen und in den Werken von Madsen,
Montelius, Nilson, Müller u. A. abgebildet finden. In Böhmen sind derartige Flint-
objeete selten.
(52)
(19) Hr. M. Bartels macht folgende Mittheilung über
die Hungersnoth in Nord-Transvaal.
Sie haben aus den Zeitungen bereits von den grossen Verheerungen gelesen,
welche die Rinderpest in Süd - Africa angerichtet hat. Auch in dem nördlichen
Transvaal hat sie, nach einer mir von Hrn. Missionar C. Beuster in Ha Tsche-
wasse (10. December 1896) zugegangenen Mittheilung, ganz ungeheure Opfer ge-
fordert, so dass die Farbigen fast all ihr Vieh verloren haben. Dazu gesellt sich
nun aber noch ein neues Unglück: das sind die verheerenden Schwärme der
Wander-Heuschrecken, welche alles geniessbare Pflanzliche fressen, sogar die
Zweige und die Rinde der Bäume. So ist nun dort eine grosse Hungersnoth
ausgebrochen, und die Farbigen müssen ihre Zuflucht zu der Wurzel eines Baumes
nehmen, welchen sie Movomgoe nennen. Das Ausgraben soll mühsam sein;
darum ist auch der Preis ein hoher: ein Sack voll ist nicht unter 20 Mk. zu
haben. Die Wurzel, von der ich hier Proben vorlege (ebenso wie auch von den
Eiern der Wanderheuschrecken), kann nicht roh gegessen werden, da sie giftige
Wirkungen haben soll. Sie wird zerstampft und getrocknet und muss dann stark
gekocht werden. Darauf wird sie wie Suppe getrunken. Davon leben jetzt, wie
Hr. Beuster schreibt, Tausende der armen Farbigen. „Es ist ein herz-
erschütternder Anblick", heisst es dann weiter, „die armen Leute mit der Macht der
Verzweiflung um ihre so eben sprossenden Felder oder um die schon halbreife
Ernte mit den Heuschrecken kämpfen zu sehen. Vom Hunger ermattet, können
sie es meistens mit den immer neu heranziehenden Schwärmen nicht aushalten,
und dann wissen sie, was ihnen bevorsteht: wenn nicht von anderswoher Hülfe
kommt, der Hungertod. Täglich sind wir von hungernden Farbigen umlagert, und
auch wir wissen nicht, woher nehmen, da wir auch selbst aus der Ferne nichts
beziehen können, weil das Zugvieh meist verendet ist."
Ein Eimer voll Reis wird zur Zeit mit 20 Mk., ein Sack Reis mit 100 bis
300 Mk. bezahlt. —
(20) Hr. M. Bartels berichtet über
einen antiken Mutterkranz.
Der Liebenswürdigkeit des Hrn. Prof. Josef Hampel in Budapest verdanke
ich die Mittheilung über einen merkwürdigen Fund, welchen Hr. Ilaila in Duna
Szekcsö im Comitat Tolna kürzlich gemacht hat.
„In einem römischen Grabe daselbst fand sich neben den Beckenknochen des
weiblichen Skelets ein Bronzering von 5 cm Durchmesser. Hr. Ha IIa glaubt
annehmen zu dürfen, dass die Römerin den Ring, der offenbar einmal mit Fäden
umwickelt war, wi , eines Frauenübels getragen habe. Zu diesem Schlüsse
führte ihn die Beobachtung, dass in seiner Gegend das Bauenn ulk auch heute in
ähnlichen Fällen aus Holz hergestellte Ringe trägt, die mit weissem Wachs über-
zogen und von ähnlicher Dimension sind, wie jener römische Ring." Hr. Hampel
kennt den Finder dicht, glaubt aber aus dem Briefe schliessen zu können, dass
man seiner Beobachtung, wenigstens soweit sie sich auf die Jetztzeit bezieht,
Glauben beimessen könne. In Bezug auf den antiken Fund möchte ich bemerken,
dass wir allerdings wissen, dass die Römer auf dem Gebiete der Frauenkrank-
heiten anerkennenswerthe Kenntnisse besassen. Auch hatten sie, wie namentlich
Funde aus Pompeji bewi iseij, allerlei gynäkologische Instrumente, zum Theil
sogar von ziemlieh complicirter Construction. In ihren Schriften sprechen sie
(53)
auch davon, dass in gewissen Phallen Pessi, oder wie wir heute sagen würden,
Pessarien in die Genitalien eingelegt werden sollen. Dieselben sind dann aber
gewöhnlich direct aus Medicamenten beigestellt. Dass sich schon einmal ein
wirkliches Pessarium, ein Matterkranz oder Mutterring aus dem Alterthum gefunden
hätte, ist mir nicht bekannt. —
(21) Hr. Merensky spricht ober
die australische Mission auf den Bismarck- Inseln.
Auf den Bismarck-Inseln, arbeitet die Australian Wesleyan Methodist Missionary
Society, welche ihren Sitz in Sidney hat. Ihre Einnahme beläuft sich auf etwa
300 000 Mk., von denen 100 000 Mk. von den Viti-Inseln kommen. Auf den
Bismarck-Inseln fing die Gesellschaft ihre Arbeit im Jahre 1875 an. Da Hess
sich der Missionar G. Brown mit seiner Frau und einigen eingeborenen Helfern
von den Viti- und Tonga-Inseln auf Xeu-Lauenburg nieder. Das waren die ersten
Weissen, die den Versuch machten, unter den als Kannibalen verrufenen wilden
Bewohnern dieser Inseln sieh niederzulassen. Im Jahre 1878 wurden auch einige
der eingeborenen Missions^ehülfen erschlagen und aufgefressen. Seither hat sich
die Mission auf Neu-Lauenburg befestigt und sich auch auf die Gazellenhalbinsel
von Neu-Pommern ausgedehnt. Ja, neuerdings konnten auch auf Neu-Mecklen-
burg Stationen angelegt werden. Gegenwärtig arbeiten daselbst 4 europäische
Missionare mit 3 eingeborenen Pastoren und 87 Lehrern, unter denen 20 Viti- und
10 Samoa-Leute sind. Auch stehen 132 eingeborene Unterhelfer im Dienst.
Nachdem im Jahre 1878 die ersten Taufen stattlinden konnten, hat sieh die
Zahl der Christen beständig vermehrt. Sie belauft sich gegenwärtig auf 2500
Seelen, unter denen 1200 Erwachsene sind. In 50 Schulen werden 1700 Schüler
und Schülerinnen unterrichtet, und die Zahl der Kirchgänger wird auf 6600 ge-
schätzt. In Port Hunter auf Neu-Lauenburg ist ein Prediger- Seminar errichtet.
dessen 26 Zöglinge sich ihren Unterhalt durch Pflege von Pflanzungen erwerben,
die zu der Anstalt gehören. Bemerkenswert!] ist", dass diese .Mission ihre Arbeit
mit verhältnissmässig sehr geringem Kostenaufwande betreibt. Die Gesammtkosten
beliefen sich im Jahre 1894 auf 32 596 Mk. Vier verheirathete europäische
Missinnare erhielten für Unterhalt und Reisen jeder 4<HK> Mk. Für die eingebornen
Lehrer wurden insgesammt in dem genannten Jahre 5 300 Mk. aufgewendet.
Letztere erhielten nehmlieh nur etwas Baumwollstoff zur Kleidung, eine Quantität
Perlen als Kleingeld und etwas Tabak. Die eingebornen Lehrer sowohl, wie die
eingebornen Christen, werden nicht europäisirt Man lässt sie verständiger Weise
bei ihren einlachen Lebensgewohnheiten. Grund und Boden für die Anlegung der
Missionsstationen geben die Häuptlinge kostenfrei her, ja, sie errichten auch den
Missionsgehülfen ihre Wohnungen unentgeltlich. Die Eingebornen werden als
[ehrig geschildert. Nach l '/„ jährigem Unterricht sind sie meist im Stande. Bücher
zu lesen. Die Christen bleiben bei ihren Lebensgewohnheiten, soweit diese nicht
heidnisch sind. Eine passende Haartracht haben sie dadurch angenommen, dass
sie das zu Berge stehende Baar etwa eine Handbreit vom Kopf ganz gleichmässig
abschneiden. Erstaunlich ist die Willigkeit, mit der die Leute Beitrag« leisten
zum Unterhalt ihrer Kirchen und Schulen. Sie beliefen sieh im Jahre 1893 auf
6521 Mk.. im Jahre 1894 aul 5 740 Mk. Im letztgenannten .Iahte war die Ernte an
Kokosnüssen geringer ausgefallen; desshalb erfolgte ein kleiner Rückgang.
Von hohem Wert! sind die literarischen Arbeiten, welche die Missionare
geleistet haben. Die Sprachen dieser [nseln waren \or 20 Jahren vollständig
(54)
unerforscht, jetzt sind sie Schriftsprachen geworden. Von dem Dialect, der auf
der Gazellenhalbinsel gesprochen wird, sind Wörterbuch und Grammatik vor-
handen, an denen Missionar Rickard 4 Jahre lang gearbeitet hat. G500 Wörter
der Eingebornen enthält es, mit englischer Deutung, während der englisch-
melanesische Theil 5000 Wörter enthält. Es enthält auch äusserst werthvolle
mythologische Notizen, wogegen eine Fabelsammlung, welche die Missionare verfasst
haben, aus Mangel an Mitteln bisher nicht gedruckt werden konnte. Die Sprache
der Bevölkerung in Neu-Lauenburg ist von Missionar G. Brown bearbeitet, dessen
Wörterbuch 4500 Wörter enthält. Beiden Wörterbüchern sind wissenschaftlich
durchgearbeitete Grammatiken beigefügt. Lesebücher, Katechismen und Gesang-
bücher sind in beiden Dialecten vorhanden, ebenso Evangelien und einige Stücke
des Alten Testaments.
Die Missionsgesellschaft hatte einige 90 ausgezeichnete Photographieen für
die Missionsabtheilun^ der vorjährigen Colonialausstellung eingesandt, welche in
ungewöhnlicher Reichhaltigkeit und Vollkommenheit das Leben der eingebornen
und heidnischen Bewohner der in Rede stehenden Inseln darstellen. Ebenso
waren die genannten Wörterbücher und die neugeschaffene Literatur bei dieser
Gelegenheit ausgestellt. Diese Sammlung hat die Gesellschaft jetzt dem Aus-
wartigen Amte überwiesen. Der Vortragende konnte diese Bilder und Bücher in
der Sitzung des 16. Januar der Anthropologischen Gesellschaft vorlegen. —
Der Vorsitzende dankt dem Herrn Vortragenden für die allgemein in-
teressirenden Mittheilungen und versichert, dass die Gesellschaft die auf Erkundung
des volksthümlichen Lebens, der Sagen und der Cultur-Fortschritte gerichteten
Forschungen stets unterstützen werde. —
(22) Hr. C. F. Lehmann macht weitere Mittheilungen1) über
metrologische Nova.
Dieselben werden später erscheinen. —
(23) Hr. H. Busse bespricht
einige märkische Gräberfelder und einen Burgwall.
1. Zwei Urnen-Felder bei Leibsch im Unter-Spreewald,
Kreis Beeskow-Storkow, Reg.-Bezirk Potsdam.
Bei Gelegenheit der diesjährigen General -Versammlung der Nieder-Lausitzer
Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte in Sommerfeld fragte mich Hr.
Director Wein eck aus Lübben, ob ich nicht ein neues Urnenfeld bei Leibsch
untersuchen wolle, da er dazu keine Zeit finden könne. Ich sagte solches zu und
wandte mich dem zu Folge an den Entdecker des Feldes, Hrn. Rentier Galle in
Colonie Neudumm bei Leibsch, von dem ich die liebenswürdigste Auskunft er-
hielt. — Im October 1896 ging ich ich vom Städtchen Wendiseh-Buchholz 8 km
südöstlich /.um Dorfe Leibsch, dicht an der Spree gelegen. Wenn man 3 km vor
dem Dorfe auf der Chan dem Kiefern-Walde heraustritt, sieht man, soweit
das Auge reicht, liberschwi mmte Wiesen, grosse und kleine glänzende Wasser-
flächen, darin wieder Inseln und Strecken bebauten Feldes, ganz ebenso wie im
Ober-Spreewald bei Burg, Lehde oder Lübbenau, namentlich wenn es, wie im
September und October 1896, viel ^regnet hat. — Das Dorf Leibsch ist bekannt
1 Vergl. Verhandl. 1896, 8. 438—458.
(55)
durch seinen Fisch- Reichthum, wöchentlich werden die Fische zweimal nach
Berlin gebracht. -■ Am Südende des Dorfes mündet das von Gross -Wasserburg
kommende Fliess in die Spree. Parallel mit diesem Bliese zieht sich bis gegen
Gross -Wasserburg ein aufgeschütteter Damm hinunter. Wenn man nun diesen
Damm l km verfolgt und dann l km den südwestlich abzweigenden Feldweg weiter
fortgeht, sieht man vor sich 4 — 5 Fuss hohe Ackerfelder, die „der Zart" genannt
werden. Dies Wort kommt häufig in der Mark vor und bedeutet wohl ..Bruch-
oder „sumpfigen Wald". Diese Feldmark gehört dem Kossäthen Bäurisch aus
Leibsch, welchen ich zur Untersuchung mit hinzugezogen hatte. Er sagte mir.
dass er im Frühjahr das höher gelegene Land etwas abgegraben habe, um mit
der gewonnenen Erde das herumliegende niedere Land mehr zu ebnen; dabei
sei er auf viele Töpfe gestossen, die gross und klein, nesterweise bei einander
gestanden hätten. — Leider waren die Felder vor einigen Tagen besäet worden,
so dass ich nicht arbeiten konnte, wie ich wollte. Trotzdem gelang es mir, wenn auch
nicht ganz erhaltene Gräber, doch mehrere Gefässe und eine Menge von Scherben
zu bergen. Die Töpfe standen 2 Fuss tief im grauen Sande; nur einzelne kleinere
Steine waren ringsherum zu finden, denn die ganze Gegend ist hier arm an
Steinen. — Der Zart liegt gerade in der Mitte zwischen Leibsch und Gross-
Wasserburg; 200 Schritte ist sumpfiges Bruch bis gegen Gross -Wasserburg. 3 hm
westlich ragen die Köthener Berge hervor. — Ausser Knochen waren in den Ge-
fässen weitere Beigaben nicht zu finden. —
Fig. 1 ist eine terrinenartige, henkellose, stark gebauchte Urne, die mit Leichen-
brand gefüllt gewesen (Knochen und Asche), von brauner Farbe, innen blau-
schwarz, gut gebrannt. Oeffnung 21 cm Durchmesser, beim Halsansatz 20 cm,
grösste Bauchweite 23 cm, Boden 9, ganze Höhe 16 cm, vom Halsansatz bis
zum oberen Rande 8 cm, Wandstärke 0,7 cm. — Aussen und innen ganz glatt ge-
rieben.
Fig. 2, ein recht ansehnlicher, mit 2 cm breitem und 6 cm hohem Henkel ver-
sehener, hübsch ornamentirter, sehr bauchiger Topf. Höhe 12,5, Oeffnung 14,5,
Fig. 1. Fig. 2.
am Hals-Ansatz 1-1 cm Durchmesser. Grösste Bauchweite 16j der Boden 6 cm. -
An der unteren Hälfte des Halses ziehen sieh ringsherum 5 parallele wagerechte
Furchen; hierunter sind 6 Gruppen, aus je .r>— S parallelen senkrechten Linien be-
stehend, 3 cm lang bis zum Bauch rührend, eingeritzt Farbe wie Fig. I. — Weiter
landen sieh 3 lehmgraue, henkellose Tassen von 4,5— 5 c;« Höhe und 8 — 9 cm
Oeffnung. Eigenthümlich ist bei ihnen, dass sie unten rund sind, also keine Fläche
zum Feststehen haben. Man musste diese Gefässe entweder in Sand oder Erde
oder in besonders dazn vorhandene Gestelle (vielleicht aus Holz?' setzen, um
sie im Haushalt benutzen zu können. — Die Wand-Stärke bei dm Tass o beträgt
0,5 cm. Das Material sämmtlicher Gelasse besteht aus bräunlichem Thon. ver-
mischt mit grobem S sseren und kleineren Stacken Quarz und Glimmer. —
Von diesem Urnenfelde etwa 600 m nördlich liegen erhöhte Lecker, die (heil-
(56)
weise auch schon geebnet sind; diese heissen „der Niva". Geschrieben findet
man das Wort nirgends, doch jeder Bauer in dieser Gegend kennt den „Niva".
Hier sind die Besitzer Lindolf und Wus check in Leibsch beim Ackern schon
häufig auf Urnen gestossen. Beim Ueberschreiten dieser Felder sammelte ich viele
Scherben. Weitere Untersuchungen konnte ich auch hier nicht anstellen, da vor
einigen Tagen erst gesäet war; doch konnte ich vom Bauer Lindorf eine kürzlich
gefundene Urne (Fig. 3) mitnehmen, die mit Knochen gefüllt war. Sie ist schlank,
terrinenartig, mit stark ausgebogenem Rand. Durchmesser
pjo-. 3. der Oeffnung 17, des Halses 13, Bauchweite 16,5, Boden
9,5, Höhe 18 cm. Wandstärke 0,6 cm. Farbe hellgrau. Das
Material dieser Urne besteht aus feinerem Thon, nicht mit
grobem Sand gemischt. — Erwähnen muss ich hierbei, dass
ich auf dem Niva neben den gewöhnlichen, von uns als
Scherben von germanischen Gefässen angesehenen, auch viele
blau-graue Gefäss-Scherben fand, die ich, wenn ich solche
allein gefunden hätte, als wendische bezeichnen würde.
Augenscheinlich sind alle hier und im Zart gefundenen
Gefässe erst gebrannt und dann mit einer braunen, härteren
Masse bestrichen worden. —
Dicht vor Leibsch befindet sich die Colonie „Damm"; hier wurden bei Er-
bauung des Kalk-Ofens, und bei Anlage des Gartens vom Besitzer Hrn. Galle beim
Abfahren eines Hügels viele menschliche Skelette und viele Feuerstein-Instrumente
gefunden, die leider für die Forschung verloren, weil verschleppt sind.
Hervorheben möchte ich noch, dass die Bewohner des Dorfes Leibsch meistens
den acht germanischen Typus aufweisen, schlanken, grossen Bau, blondes Haar,
blaue Augen haben und wenn auch platt, doch rein deutsch sprechen. Sie haben
auch urdeutsche Namen, alles im Gegensatz zu den Bewohnern des Ober-Spree-
waldes. —
2. Rundwall bei Leibsch, im Unter-Spreewrald,
Kreis Beeskow-Storkow.
Am Nachmittage desselben Tages traf ich im Dorfe Leibsch den oben er-
wähnten Hrn. Galle und gab ihm Rechenschaft von meinen Untersuchungen.
Er sprach auch von mehreren runden Hügeln, die südlich vom Dorfe zwischen
oben bezeichnetem Fliess und Damm in den Wiesen liegen sollten. Wir brachen
trotz Regen sofort auf und gingen den Damm 5 Minuten südwärts, dann fuhren
wir mit einem Kahn etwa 300 Schritte östlich zu einem jetzt noch 4 Fuss hohen,
abgetragenen, beackerten, kreisrunden Wall. Die höchste Stelle liegt in der Mitte.
Der Durchmesser beträgt 90 Fuss. Die abgetragene Erde ist wohl benutzt worden,
um den noch an mehreren Punkten erkennbaren, sich ringsherumziehenden Graben
zuzuschütten. Schwarze, kohlige Erde war mehrfach zu erkennen; auch sammelte
ich viele Scherben, die den < !harakter der vom Zart bei Leibsch zeigten. 200 Schritte
östlich fliesst das von Gro -Wasserburg kommende Gewässer. — Etwa 300 Schritte
nördlich von diesem R und wall liegt eine noch einmal so grosse Rundung, beackert
und theilweise mit Gesträuch bewachsen, 3 — 5 Fuss hoch, die ich aber nicht be-
suchen konnte, da ich schon bis auf die Haut durchnässt war. Ich möchte die-
selbe anderen Forschem empfehlen. — Knochen und Scherben von obigem Rund-
wall, auch die Gefässe trom Zart and von dem Niva befinden sich vorläufig in
meiner Sammlung in Woltersdorfer > hleuse bei Erkner. — -
(57)
3. Urnenfeld bei Diensdorf, Kreis Bceskow-Storkow,
Reg.-Bezirk Potsdam.
In der Mitte des östlichen Ufers des sich von Norden nach Süden 11 km hin-
streckenden Scharmützel-Sees liegt das alte Dorf Diensdorf, vielen Berliner Iiuderern
bekannt. Südlich, dicht am Dorfe, steht eine Schneidemühle; gleich hinter der-
selben, am Wege Dach Berzberg, nennt man die Erhöhung den „Schinderl
Derselbe ist vielfach angegraben, am namentlich die sich im Berge massenhaft
befindenden Steine herauszuholen. Die Steine zum Schulhause sind sämmtlich aus
dem Schinderberge gegraben. Von einem alten Einwohner Diensdorfs mit Namen
Strengel erfuhr ich, dass anter und zwischen den Steinen sich oft grossere und
kleinere Töpfe fanden. Vor 2 Jahren hatte dieser Mann eine Nadel und einen
Ring, nach seiner Angabe aus Gold bestehend, gefunden, die er dem Besitzer
von Saarow (am nordwestlichen Ufer des Sees) für "1 Mk. verkauft hat. Mit dem
alten Strengel untersuchte ich den Berg, fand massenhaft Scherben, aber keine
ganzen Gefasse. Die Stücke haben den Typus der Gefiisse aus dem ö km ent-
fernten Urnenfelde bei Wilmersdorf. In einem Topfe soll sogar eine goldene Rette
gelegen haben, was von einigen Bauern im Dorfe bestätigt wurde. —
4. Bügel-Gräber bei Theresicnhof, Kreis Beeskow-Storkow.
Von Diensdorf 1 km nördlich, auch dicht am Ost-Ufer des Scharmützel-Sees,
liegt das Landgut Theresienhof, das mehrere Jahre hindurch der bekannten Berliner
Soubrette Ernestine Wegner als Tusculum gedient hat. Von Theresienhof '/a ^'"'
östlich in der Heide am Karsehüt/.enberg, nördlich vom Ekenberg (wahrscheinlich
Eichenberg), liegen 4 runde Hügel von 4—5 Fuss Höhe und 30 Fuss Durchmesser,
wovon 3 sichtbar angegraben sind. Der vierte Hügel war besser erhalten: nur
von oben war eine Vertiefung gegraben und Steine daraus entfernt, denn alle
Hügel bestanden aus 5 — 100 Pfd. schweren Steinen, dazwischen Sand und Erde.
Mit dem vorhin genannten alten Strengel machte ich mich an die Arbeit, um
diesen vierten Hügel zu bewältigen. Nach riesiger Arbeit, wobei wir mehrere
Fuhren Steine herausholten, waren wir bis zum Abend in tue Mitte des Hügels
gelangt; es wurde jedoch nichts weiter, als mehrere Hände voll kleiner Knochen,
zwischen den Steinen anregelmässig liegend, gefunden. Kein einziger Scherben
kam zum Vorschein. Entweder sind die Gefässe aus dem Grabe schon früher ent-
fernt oder der Leichenbrand ist ohne Urne bestattet worden. Der frühere Cantor
in Diensdorf, der jetzt nach Betzin bei Carvesee versetzt ist, hat einige Urnen aus
den Hügelgräbern. Der alte Strenge] erzählte, dass er vor etwa 40 Jahren, als
er dort Schäfer war, in einem der angegrabenen Hügel zwischen den Steinen
_' Töpfe gefunden habe, worin sich eine schwärzliche Sehnalle befand. —
5. Urne nl'eld bei Buchholz, Kreis Ob er- Barn im.
Vom Städtchen Alt-Landsberg etwa ."> km nordöstlich liegt das Dorf Buch-
holz mit einer königlichen Domäne. Vom Dorfe l/3 km östlich, links rom w -
der nach der Spitz -Mühle führt, i»i eme Erhöhung, die Zwergberge genannt,
die zur Domäne gehören. Schon mehrere Male sind im Herbst heim Pflügen viele
Steine und kleine und grössere Töpfe /.um Vorschein gekommen. Ich hörte davon.
dass die Kinder im Dorfe nm den kleinen (ielässen spielen sollten, and
im September 1895 an Ort und Stelle. Mit dem Meier d«r Domäne und dem
Schneider Grassnicke] aus dem Dorfe wollte ich nach der beschriebenen Stelle
gehen, alle mit Spaten bewaffnet; nur wollte ich vorher die Erlaubniss des Pächters
(58)
Hrn. Ober-Amtmanns Herschner einholen. Derselbe erklärte mir jedoch, eine
derartige Erlaubniss nicht geben zu können, da er laut Contract über Sachen in
der Erde nicht verfügen dürfe, trotzdem ich ihm erklärte und versprach, die
eventuell zu machenden Funde dem königl. Museum zu übergeben. Ich musste
mich leider bescheiden. Im Herbst 1896 sollen wieder einige Urnen herausgekommen
sein, die leider im Dorfe zertrümmert wurden.
Von Buchholz o km nordöstlich liegt links am Wege nach Wesendal der Spitz-
berg, ganz mit Steinen besäet und mit Kiefern bewachsen. Hier fand ich eine
Menge von Urnen-Scherben, die ich dem Märkischen Provinzial-Museum übergab. —
(24) Hr. A. Treichel, Hoch-Paleschken, Westpr., berichtet über den
Schlossberg von Mehlken, Kreis Carthaus (nebst Anhängen).
Im westpreussischen Kreise Carthaus liegt nordöstlich von dem Kreisorte die
Ortschaft Mehlken; dieselbe zerfällt in ein selbständiges Gut, welches früher mit
dem benachbarten Exau, polnisch Krzewo, als Rittergut immatriculirt war, und aus
einem Mühlen-Grundstücke, welches um 1880 ein Eugen Behrendt besass, einer
Wassermühle, getrieben durch den Stolpebach (die sogen, kleine Stolpe, im Gegen-
satze zu der mehr Pommern angehörigen grossen Stolpe) und einer Gross-Bäckerei
bestand. Heut zu Tage ruhen Rittergut und Wassermühle in einer Hand und ge-
hören dem Besitzer Hrn. Czech.
Die niederdeutsche Bezeichnung Mehlken hängt wohl mit dem poln. mlyn =
Mühle zusammen. Ein anderes Mehlken giebt es noch bei Gnewau, Kreis Neustadt;
ein Mühlchen, Kreis Carthaus; ein Mlinsk, ausser in anderen Kreisen, wie Preuss.-
Stargard und Culm, noch zweimal im Kreise Carthaus: 1. Ausbau von Mahlkau,
2. Bauerndorf bei Mirchau; beide letzteren werden auch Mlinke oder Mehlke ge-
nannt. Der Ort Mehlken oder Mlyn wird im pomerellischen Urkundenbuche gar
nicht erwähnt. Es geht ein Gerede, dass er früher einen anderen Namen ge-
habt habe, der jedoch nicht bekannt ist. Zu dem Mühlen -Grundstücke gehörig
und ganz nahe am Mühlenfliesse gelegen ist ein Burgwall, hier Schlossberg ge-
genannt, obschon auch nicht die mindesten Ziegelreste auf ein Schloss hinweisen.
Gelegentlich einer botanischen Pfingst-Versammlung in Carthaus besuchte ich
diesen in der prähistorischen Literatur bekannten Wall und lasse hier das Er-
gebniss meiner Funde und Messungen deshalb folgen, weil nirgends sonst in der
Literatur auf die Beibringung von Maasszahlen Rücksicht genommen wird.
Li nc solche erscheint mir aber durchaus geboten, um in dem Falle einen Anhalt für
eine gewisse Menschenzahl zu haben, wenn man die alten Burgwälle als Fliehorte
annehmen will. Dr. R. Behla (Vorgeschichtliche Rundwälle, Berlin 1888, S. 189)
erwähnt dm Mehlkener Burgwall nur kurz, sowie Funde von slavischen Scherben
und Knochen vom Kind, Hasen, Wildschwein u. s. w. Nach dem Sitz.-Berichte der
anthropol. Beet, der Naturforsch. Gesellschaft in Danzig vom 17. December 1884, sowie
der Danziger Zeitung von 1884, Nr. 14 999 und 15 001, hat Dr. A. Lissauer den
Wall in seine Prähistor. Denkmäler der Provinz Westpreussen, Leipzig 1887, S. 194
für die Höhen längs des linken Ufers der Radaune und Mottlau in dem Lande
zwischen diesen, der Weichsel und dem Meere für die arabisch-nordische Epoche
aufgenommen. Es untersuchte Br. Dr. Conwcntz mit Hrn. Besitzer Czech
gemeinsam jenen Burg wall, in wiehern sehr viele Scherben rom Burgwall-Typus,
darunter auch die in den Fig. 24 — 26 der jenem Werke beigegebenen Tafel V
zu finden sind, und wo Knochen vom Rind, Bären, Hasen, Wildschwein und Stör,
dann zwei Wirte! aus Thon und Bernstein, endlich ein eisernes Messer und bear-
(59)
beitete Feuersteine gefunden wurden. Alle diese Gegenstände sind im Besitze des
westpreussischen Provinzial-Museums.
Die Mühle Mehlken liegt südöstlich von dem Gute; an dieser Stelle stossen drei
Erhebungen zusammen, nach Osten zu ein Bergplateau, nach Westen zu eine Hügel-
kette, südöstlich ein isolirter Bergrücken. Das Thal, das daraus gebildet wird, durch-
messt der Stolpebach, gleichwie ein Zufluss desselben, das von Carthaus kommende
Klosterfliess, ein anderes Querthal. Von jenem isolirten Bergrücken hat man gerade
die Stirnseite zur Schaffung eines Burgwalles genommen, indem man ihn südwestlich
mit einem tiefen Abstiche versah. Die Stirnseite grenzte früher unmittelbar an
den Stolpebach; der Landweg, der heute zwischen Fluss und Berg geht, ist erst
neuerdings geschaffen. Der Berg ist kaum 10 Schritte vom Fliesse entfernt. Die
Maasszahlen, wie ich sie jetzt gefunden habe, betragen 241 Meterschritte im Um-
fange bei einer Länge von 81 und einer Breite von 7:; Meterschritten. Der Ab-
hang zum Stolpebache ist heute mit Baum und Gesträuch bedeckt; an einer freien
Stelle maass ich 50 Schutte Abstieg, dagegen nur 35 Schritte Abstieg nach der
durch Oultur bereits nivellirten Feldseite hin. Doch vermisste ich alle die Merk-
male, welche ich sonst bei Burgwällen gefunden hatte, und konnte mich nur schwer
entschliessen, hier eine prähistorische Dmwallung anzunehmen. Es fehlte nehmlich
die Wallkrone selbst, sodann die innere Fesselung, sowie irgend welche Stein-
setzung, ferner der öfters gefundene • Einzelstein auf der Oberfläche, sowie
endlich irgend eine sichtbare Zu- und abgangsstelle. Selbst bei der Annahme
einer noch so starken Veränderung durch tue landwirtschaftliche Beackerung
müsste das Meiste von jenen Erfordernissen nicht zu vermissen sein. Uieh war
die Fernsicht bei solchem Zustande eine nur beschränkte; sie ging kaum über das
rechte und linke Haupt- und das Querthal hinaus, ohne dass der Blick
(60)
Ränder überstreichen konnte. Wie konnte so die Umwallung von grossem Nutzen
sein? Uebrigens fehlt eine viel höher gewesene Wallkrone ebenfalls bei dem Walle
von Garczin, Kr. Berent (vergl. Sitz.-Ber. vom 20. März 1866, Bd. 18, S. 244); aber
die Kesselung ist dort vorhanden und die Funde beweisen das Vorhandensein
eines vorgeschichtlichen Burgwalles. Ich war also geneigt, den Wall als eine reine
Schwedenschanze anzusprechen, zumal da mir gesagt wurde, es seien dort alte
schwedische Münzen von Silber gefunden worden mit der Darstellung einer „Taube
mit einem Zweige im Schnabel". Ich weiss nun nicht, ob alte schwedische Münzen
solche Darstellungen zeigen, erfuhr jedoch später durch Hrn. Dr. v. K^trzynski
in Lemberg (am Institut Ossolinski), dass höchstens der Vogel Phönix auf
schwedischen Medaillen des 17. Jahrhunderts vorkomme. Und doch schrumpfte
später die Zahl solcher Medaillen auf ein einziges Stück ein, das aber schon
längst verschenkt war, also prüfungslos bleiben musste. Wenn es wirklich
solche Denkmünzen giebt, so gehört es ja durchaus nicht in den Bereich der
Unmöglichkeiten, dass die kriegskundigen Schweden diese Befestigung, diesen
Höhepunkt, diesen Schauberg auch ihrerseits benutzten, wie sie ihn vorfanden,
unter gänzlicher Belassung im gleichen Zustande oder unter theilweiser Ummode-
lung. Schliesslich gab mir Hr. Conservator Stubenrauch in Stettin auf meine
Anfrage die Antwort, dass ihm derartig gezeichnete Münzen von Schweden weder
für früher, noch für jetzt bekannt seien. Es muss also ein uncontrolirbarer Irrthum
hinsichtlich der Provenienz vorliegen. Ich will aber im Weiteren hier gleich den
Punkt der Münzen vorwegnehmen. Wenn nun an der Aussage des Hrn. G. B. Czech
nicht gezweifelt werden darf, dass hier auf oder an dem Schlossberge auch noch
Münzen gefunden wurden, die mir gezeigt wurden, so dass ich darunter polnische
Stücke von 1695, Gedanensia von 1758 und 1763, Danziger Groschen aus Kupfer
von 1812, auch die selteneren Preussischen Halbe-Thalerstücke von 1765 (ja sogar
zwei chinesische Rundstücke mit viereckiger Löcherung in der Mitte, also wohl
sogen. Itzebu's, was sehr wunderbar und contrastirend erscheinen muss) feststellen
konnte, so darf nur daran gedacht werden, dass auch spätere Kriegsschaaren,
welche bis auf die neueste Zeit unsere Lande durchzogen, dort ihren Lagerplatz
gehabt haben.
Die chinesischen Stücke wären vielleicht auf russische Verschleppung (ich habe
jedoch noch keinerlei russische Münzen gefunden!) zurückzuführen, wenn man
nicht auf Sommerfrischler oder Gelegenheitsgäste aus der Seestadt Danzig zurück-
greifen will. Alle diese Zweifel zerstreuten sich aber, als ich am nächsten Tage
wiederkehrte und Hrn. G. B. Czech, der am ersten Tage nicht zu Hause war,
selbst sprechen konnte; denn nun musste ich ein ganz anderes Bild von der Sach-
lage gewinnen. Vor etwa 36 Jahren, als Hr. Czech zuerst die Mühle und dazu den
Schlossberg erwarb, war der letztere um 12— 15 Fuss höher, aber ganz mit Strauch
<»der Baum bewaldet, and nur durch Klettern auf allen Vieren zu erreichen. Die
Ostscite ging schräg steil hinunter und war mit Etagen von grossen Felsstcincn
ausgelebt: ich bezeichne diese Stelle mit Steinrampe, welchen Ausdruck ich auch
beim Burgwalle von Bendargau im Volksmunde hörte.
Um l«-_'ö oder 1835 winde der Anfang zur Cultivirun<; des Schlossberges
gemacht Die Holzgewachse worden ausgerodet und die Steinmassen hinabgekollert,
gesprengt und irgendwie beim Bauen zu Fundamenten verbraucht, das Erdreich
nach allen Seiten hinabgeworfen, um doch irgendwie bequem zur Ackerarbeit auf
den oberen Raum zu gelangen and '^rs^n selbst durch Nivellirung zu vergrössern,
namentlich nach der Landseite zu. um inen bis über 30 Fuss tiefen, steilen Abfall zu
tigen. Und doch maass ich jetzt noch an dieser Stelle 35 Schritte sanfteren
(61)
AbstiegesI Somit kann die Enthüllung durch Abstich und Verwarf, sowie durch
Einebnung und Abrundung durch den Pflug, im Lauf'' von nahezu 40 Jahren
wohl auf 12 — lö Euss veranschlagt werden. Oben aber bot sich ein nur wenig
omfangreichea Viereck mit erhöhten Aussenseiten (Wallkrone) für den Beobachter
dar. Dann allerdings war die Anlage aus ganz anderen Augen zu betrachten und
bot auch eine genügende Fernsicht gegenüber einer nahenden feindlichen Streit-
macht dar. Als das geschaffene Neuland zur Beackerung kam, sollen an einer
Stelle östlich die Pferde bis zum Buge eingesunken sein. Im Westen gab es eine
Stelle, wo im Feuer gewesene Kopfsteine in zahlreichem Gemenge wohl die Feuer-
stelle andeuteten. Längs dem ganzen Walle lagen gebrannte Steine in kleineren
Einzelhaufen; dazu viele Knochen.
Bei den Culturarbeiten des Ausrodens und des Entsteinens wurden nun gleich
und ebenso später vielfache Funde, meist in Menge, gemacht. Hr. Czech erzählte
mir, dass (von Beigaben ganz zu schweigen) weit über 50 — 60 Urnen dabei ge-
funden und zerschlagen wurden, ohne dass man damals der Sache selbst irgend
welche Beachtung geschenkt hätte, weil das Interesse noch nicht rege gemacht war.
Man fand auch ein Paar Mahlsteine, mit ihren Hohlflächen einander zugekehrt,
sowie später noch ein drittes Stück einzeln; diese wurden bei Neubauten ge-
wissenhaft als zum Vermauern brauchbar gefunden. Gemeldet wird mir noch
ein vierter Mahlstein (Reibstein, Quirl) als in der Nähe gefunden, der sehr alt
sein muss; sein Durchmesser beträgt 20, die Höhe 8 cm; die äussere Kante ist
ganz roh bearbeitet, jedoch noch in einer Schärfe sichtbar. Wirtel aus Thon fanden
sich in reicher Menge, die vielleicht beim Spinnen, vielleicht als Netzhalter ver-
wertet wurden; ihre Kleinheit spricht für das Erstere. Von hellerem Thon sicher und
symmetrisch gearbeitet, aussen von dem am meisten abstehenden Mittelrande in vier
Riefen beiderseits absteigend, hat der mir vorliegende Wirtel einen Umfang von 7,6 cm,
eine Höhe von 2,3 und an den Abplattungen von 2 cm. Von Bernstein gab es nur rohe
Massen; das lehmige Land umher bietet solche als Inclusa recht häufig dar, dann
aber von dunklerer, fast purpurner Färbung, also von minderer Güte; die mehr
am Schlossberge gefundenen Stücke sind dagegen fester, hellweisslich, fast kumst-
farben; einige Stücke davon hatten scharfkantige Einbuchtungen, so dass sie wie
Zangengebilde aussehen, vielleicht nur aus natürlicher Entstehung, wogegen ein
Stück wegen seiner Kleinheit, Glätte und Email-Aehnlichkeit wohl als eine bear-
beitete Art von Perle anzusehen wäre. Der Boden im Berge ist sonst meist
mergelhaltiger Grand, daher auch äusserst fruchtbar: es finden sich in ihm viele
Gesteinarten in sonderbaren Bildungen, so von Versteinerungen Beleumden, ferner
Schmirgel u. s. w. Im ganzen Abhänge im Nord-Osten (.30 Fuss Abstieg) ist früher
ebenfalls mit Erfolg geackert worden, dies aber später unterlassen. Dort ist eine
sehr starke Humusschicht vorhanden, wo ich ausser fester Grasnarbe zwei starke
Exemplare der selteneren und solchen Boden liebenden essbaren Morchel (Morchella
esculenta Pers.) fand. Hierher scheint über die Wallkrone alles unbrauch-
bare und aller Inrath hinausgeworfen zu sein, wie Küchenabfall. Hr. Czech
meinte, eine Nachgrabung an dieser Stelle ergebe für etwa ein Quadratmeter mit
Leichtigkeit aber einen Schubkarren voll Abfall, namentlich an Knochenresten und
an Topfscherben. Wir buddelten gemeinsam an einem ganz geringen Fleckchen
Erde und fanden überreichliche ausbeute. Die Knochen kann ich nicht bestimmen;
doch von früheren Funden taxirte mein Hofmeister einen Zahn als den eines Hundes
und einen sehr spitzen Zahn als den eines alten Rehbockes(?J (diese Gattungen
wären also denen von I issauer angegebenen beizufügen): vom Bären und -
aber machten wir erneuerte Feststellung.
(62)
Ein gleich zahlreiches Ergebniss hatten wir an Topfscherben, deren es von
allen Gattungen gab, in Bezug auf Erdmischung, Brandstärke und Färbung, Wand-
stärke, Bandstücke, Stehflächen. Viele waren ohne Zierath, gleich viele orna-
mentirt, darunter die meisten ausgezeichnet in der Auffassung und Ausführung.
Fig. 1.
Pisr. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig.
St.lillüchc
Unter diesen Zeichnungen müssen unbedingt die Nrn. 3, 4, 8 auffallen, be-
sonders das nergestrichelte Kreuzmuster. Auf dem Acker nebenbei fanden sich
(63)
auch Steinkisten mit Urnen, gefüllt mit Asche and Leichenbrand, im Zickzack
ornamentirt. Eiserne Objecte kamen nicht zur Erwähnung. Derartige Sachen
werden die Finder wohl gezeigt und abgeliefert haben. Andere fassten sie die
Sache wohl auf bei anscheinend werthvolleren Gegenständen. Die Cnlturarbeit
geschah ausserdem vor vielen Jahren, und die Leute sind seitdem fortgezogen oder
haben die Objecte verloren oder veräussert. So steht es um eine Bronzekette,
um bronzene Spangen und Nadeln, die nur noch in der Erzählung existiren. Auch
Perlen von Email im Glasfluss (sowie von Bernstein) wurden mehrfach (bis zu 20)
gefunden, wovon nur noch höchstens drei im Provinzial-Museum vorhanden sind.
Zu den Funden auf dem Schlossberge gehört endlieh ein Celt aus schwärz-
ichem Stein von grosser Härte. Bei einer Länge von 7,2 cm misst er an der
Schneide 3,7 cm Breite. Am anderen Ende zeigt er eine Höhlung, ist aber an einer
Langseite coneav. Er scheint gut polirt und ist an der Schneide durchaus un-
verletzt, kann also nicht lange Zeit im Gebrauch gewesen sein, wenn man annimmt,
dass er zur Trennung oder Schabung kleinerer Hartstücke gedient habe.
Ebenso bewahrt Hr. Gutsbesitzer Czech noch jetzt einen Sporn auf, von
dem noch drei Viertel der ursprünglichen Gestalt und Grösse erhalten sind. Der-
selbe ist von Bronze und zeigt einen compacten Ansatz als Spornrad. Beide Gegen-
stände habe ich mir als Eigenthum gesichert, ihren Besitz aber zum Zwecke des
unterrichtlichen Zeigens dem Grundherrn überlassen. Während der Stein-Celt der
Burgwallzeit angehört, kann der Bronze-Sporn aus späterer Zeit herstammen. —
Sagen vom Schlossberge Mehlken.
Auch von diesem Schlossberge giebt es Sagen und zwar mehrere:
1. Wenn sieh dort in der Umgegend ein Brautpaar verheirathet und der eine
von beiden Theilen nur etwa widerwillig oder gezwungen dareingewilligt hat, so
geschieht es wohl, dass der alte Schlossberg am Trauungstage dazu Musik ertönen
lässt. Das ist dann kein gutes Zeichen, weil die Ehe eine unglückliche wird, oder
einer von beiden Theilen bald stirbt.
2. Ein junges Mädchen mit einem Hündchen sitzt fast in der Mitte des
Schlossberges (zur Zeit, als noch nicht so viel davon abgetragen war) und holt
sich von Zeit zu Zeit Wasser aus dem Mühlenfliesse. Sie war verzaubert: als
jemand kam, sie zu erlösen, gelang das nicht. So erzählte ein älteres Mädchen
des Gutshofes.
3. Früher Hessen sich dort Mönche in weisser Tracht sehen und gaben
seufzende, stöhnende Laute von sieh. Das geschah besonders in dem parkartigen
Wäldchen des gegenüberliegenden Bergabhanges. Da kam jedoch ein Pfarrer, der
besprach diese Erscheinungen, und seitdem ist es davon still geworden. — [Die
weisse Tracht der Mönche deutet eher auf Carthäuser-Mönche hin.]
(Diese beiden Stücke, welche ein alter Bauer Wilkowski erzählte, seheinen
nur im Zusammenhange zu stehen mit der mehr kirchlichen und erst in neu
Zeit auf Grund von bis jetzt noch unbekannten Urkunden entdeckten Thatsache,
dass das Kloster Zuckau mit seiner ursprünglichen Anlage hier in Mehlken seine
Gründungsstelle gehabt hat. ehe die durch Krieg verjagten Mömhe in eine andere
Au binabzogen. Darüber bringe ich ein Mehreres an anderer Stelle.)
•!. Fs „spukert" auch sonst! Oel'teis am Tage und namentlich im Abend-
grauen kommt es den Einwohnern so mm-, als ob plötzlich ein Wagen mit ..Vieren
lang- vorgefahren komme: schnell eilen sie hinaus, um Nachschau zu halten, finden
aber nicht das Geringste vor. So soll es mehrfach dem dortigen Hofmeister er-
gangen sein.
(64)
(Mir will dieser Spuk als eine leicht erklärliche Sinnestäuschung erscheinen,
und ich führe ihn wohl nicht mit Unrecht zurück auf den in der abendlichen
Nebelluft weiterverpflanzten Widerhall von den vielfachen Bergkuppen dort, an deren
Rande auf sommerfestem, steinholperigem Wege vielleicht zu gleicher Zeit ein
rasches Gefährt seine Strasse zieht.) —
Mehlken als alte (Kloster-) Siedelung.
Es wird erzählt, dass hier in Mehlken die erste Anlage des unweit gelegenen
Klosters Zuckau geschehen sei; die Mönche hätten hier sogar Bier gebraut und
einen Eisenhammer angelegt. Durch Krieg vertrieben, seien sie in eine andere
Au (Zuckau) gezogen und, obschon wiederum durch Krieg bedroht, dennoch dort
geblieben. Das soll auch aus Urkunden hervorgehen, die sich wahrscheinlich im
Pfarr-Archive befinden, doch hatte ich bis jetzt keine Gelegenheit, nachzusehen.
Ich hebe zunächst hervor, dass nach Dr. M. Perlbach's pomerellischem Ur-
kundenbuche (S. 12) die älteste Urkunde, welche das Kloster Zuckau betrifft, von
1209, 24. April, Zuckau datirt ist, wonach Mestwin, Fürst von Danzig, diesem Kloster
zwischen der Radaune und Stolpe die Dörfer Zuckau, Mislicyn, Sulislave, Barcline,
dann Ramkau und Schmirau, ganz Oxhöft, Belzcowo im Lande Beigard, und
Grabowo bei Schwetz verleiht. In dieser ältesten Urkunde, die in Zuckau selbst
ausgestellt ist, findet man aber keine Erwähnung, sei es von Mehlken oder
Mlyn, sei es von einem früheren, anderweitigen Sitze der Mönche. Wie dem
auch sein mag, jedenfalls muss die Anlage eines Eisenhammers an der Stelle,
wo jetzt kein Wasser ist, darauf hindeuten, dass in früheren Zeiten auch dieses
Gebiet viel wasserreicher oder das Wasser selbst viel grösser gewesen ist, worauf
es mir für meine Schlussfolgerung ankommt. Die Lage der ersten Kloster-
Siedelung war alsdann an der Stelle des jetzigen Wohnhauses des Gutes. Dafür
spricht auch der grosse und alte Garten, in dem sich am Bachufer noch jetzt bis
12 Fuss hoch wuchernde Stengel des allerdings nicht officinellen gemeinen Bären-
klau breit machen. Die Brauerei und andere Wirthschaftsgebäude standen weiter
westlich am linken Bachufer. Ich bemerkte am rechten Ufer noch verräthcrische
Hopfenpflanzen in einer ganz gut zum Hopfengestühle passlichen Niederung. Der
Eisenhammer stand etwa jenen Gebäuden gegenüber. Namentlich machen sich
hier Dämme bemerkbar. Auf einem ist die Stelle des Hammerberges noch gut
zu sehen, namentlich Kohlen und Eisentheile treten zahlreich zu Tage. Unten
war bis vor Kurzem die Unterlage für den Amboss vorhanden, worauf der Hammer
schlug, der Schabat, ein grober Eichenklotz mit einem grossen Eisenstücke, der
dem Amboss Halt gab. Grübe man tiefer nach, so würden sich mehr Beweise
finden lassen. Ziegelstücke und fast ganze Ziegel von dem bekannten grossen
Formate der Deutsehordens-Bauten sah und ergrub ich selbst, nebst Kohlen- und
Bisenstücken. Jedenfalls steht hier die Anlage eines Eisenhammers fest, obschon
keine Geschichte davon Meldung thut. Ausgegrabener Samen von selteneren Bilanzen
kam wieder zur Keimung (Lützow). So wird die Ueberlieferung, wenn auch
durch keine Urkunde unterstützt, wohl Recht haben. Dazu kommt für die Be-
trachtung noch das Alter der Mühle. Die jetzige ist ganz neu und da erbaut, wo
die alte stand, die vor Jahren abbrannte. Deren Anlage war aber sehr alt und
wohl auf eine Zeit vor 800 .Jahren zu setzen. Dafür sprechen die Auffindungen,
welche man beim Aufräumen des Schuttes und bei den Vorarbeiten für die Er-
richtung der neuen Mühle machte. Ausser komisch geformten und bei der Mühlen-
Technik selbst vor Jahrhunderten gar nicht mehr vorkommenden Eisentheilen fand
man eingerammte eichene Pfähle, an Zahl etwa 180, wie Hr. G. 13. Czech ver-
(65)
sichert, die sonst ganz verdeckt gestanden hatten. Dann fand man ausser grösseren
Steinen noch ein steinernes Zapfenlager, wie ein solches jetzt ebenfalls nicht mehr
zur Anwendung kommt. Dazu bemerke ich für die historische Folge von Bolchen
Lagern, dass, wie in der Jetztzeit dazu die aus Sachsen kommenden sogenannten
Katzensteine (so genannt, weil sie bei Reibung ganz nach Katzendreck riechen,
perwandt werden, vordem es eine Zeit gab, wo nur Holzlager in Gebranch waren;
später erst machte man Lager von Steinen, in denen die Wellenzapfen zu gehen
hatten. Dazu suchte man im eigenen Lande passende Steine aus, was ja im stein-
reichen Kreise Carthaus gewiss nicht schwer fiel. Und solcher Steine, die B. Z. bereits
ausser Gebrauch gesetzt und dort liegen gelassen waren, fand man eine erhebliche
Anzahl. Dass aber die Höhlung aller dieser Steine bis auf 4 — 5 Zoll ausgenutzt war,
wo sie dann gar nichts mehr taugten, setzt einen langen Gebrauch voraus.
Auffallende Eisen formen, grosse Steine, verdeckte Eichenpfähle, abgenutzte
Steinlager für die Wellenzapfen, sowie besonders auch die obigen Vordämme, lassen
sehr leicht eine Anlage vor 800 Jahren, eine Klostermühle vermuthen. Ich setze
hinzu, dass der heutige Weg zwischen Bach und Schlossberg nur eine neuzeitliche
Schöpfung ist. Das Gewässer des heutigen Baches der Stolpe war also aller Wahr-
scheinlichkeit nach in frühesten Zeiten viel grösser und mächtiger, und erfüllte viel-
leicht das ganze Thalbett; auch dann rnuss die Anlage oder Umschaffung einer
Befestigung an dieser Stelle eine kluge und vorsichtige genannt werden, zumal da
man über die Anssenränder der angrenzenden drei Thäler sicherlich weit in die
Lande hatte sehen können, als die Wallung noch um lö Fuss höher war. —
Der Schiffsanker von Mehlken.
Bezüglich des Kleinstolpe-Thales sei noch angeführt, dass darin nördlich vom
Bache die Stelle ist (wo, wie bereits in einem vorigen Berichte gelegentlich der
Schiffsfunde bemerkt) um 1830 — '62 eine Viertelmeile von Mehlken beim Torfstechen
ein Anker gefunden wurde, — übrigens nur ein kleines Stück eines solchen
von 21/., Fuss Länge, — an dessen beiden Endspitzen noch die zackigen Wider-
haken deutlich bemerkbar waren. Ihre Kleinheit spricht für den Gebrauch bei
einem Binnen-Fahrzeuge. Ein solches aber konnte in frühesten Zeiten hier auf
der damals mehr ausgebreiteten Wasserfläche sehr wohl seine Dienste leisten und
bis nach Danzig hin seine Fahrten machen, weil das Thal der Kleinen Stolpe mit
dem der Radaune in Verbindung steht. Da lohnte sich dvnn schon eine durch-
gehende W'asserreise! Finder des Ankers war aber schon der Vater eines dortigen
Bauern Wilkowski, dessen weitere Funde, wenn sie auch nicht prähistorischer
Natur sind, ich hier folgen lassen mochte, da es mir sonst an Unterkunft für dieses
Abschnitt mangelt. —
Anhangsweise führe ich einige hierauf bezügliche Angaben ans dem Pommerelli-
schen Urkunden-Buche an, welch-' beweisen dürften, dass bei uns auch Wasser-Fahr-
zeuge und selbst für Binnen-Gewässer schon sehr früh bekannt waren und zum Theil
auch (als Fischerei-Fahrzeuge d tZU dienten, den Ertrag der Gewässer für den Inhaber
der Gerechtsame zu liefern, zum Theil (als „naves liberae-' von dieser Leistung
befreit waren. Besonders betone ich das Vorkommen dieser Naves, die liberae. also
Freischiffe heissen, schon für das 13. Jahrhundert Soleherlei Werke historischer
Art, wie das genannte ürkundenbuch, müssten bei Beurtheilung von Gegi ständen
aus älterer Zeit mit in Betracht gezogen und die sich aus ihnen ergebenden That-
sachen in Anrechnung gebracht werden.
Es erscheint als Hauptsache, dass hier Wasser-Pahr enge für Binnen-
Gewässer erwähnt wei len, woher sowohl Verluste (etwa durch Untergang oder
Verliaudl. der Berl. Anthri>| Gesellschaft
(66)
Unbrauchbarwerdung), wie auch Wiederauffindung erklärlich erscheinen. 1281 ver-
leiht Herzog Mestwin von Pommern (S. 285) den in sein Land gekommenen
Mönchen von Beibuk die Petri-Kirche in Stolp mit Dörfern und Zehnten: „praeterea
addidimus liberam piscationem in stagno quod Gardna (Garde'sche See) vo-
catur cum una sagena, et duas liberas sagenas in stagno quod Lebesco (Leba-See),
et quatuor naves liberas in captura allecum (Häring) cum piscationibus in salso mari."
1282 erneuert Herzog Mestwin von Pommern (S. 299) die Dotation seines
Vaters Swantopolk für die St. Stanislaus-Kirche in Garde: „piscaturam que Saluc
(conj. salmonum: der Lachse) nuncupatur."
1288 erlaubt Herzog Mestwin von Pommern (S. 396) dem Kloster Oliva, zur
Unterstützung seiner Höfe in Brück und Starsin, je ein Schiff in Mechina (heute
Mechlinken) und Trinsina (Most) zu halten und verleiht ihm den Standplatz Kochow:
„duas naves liberas, decernentes easdem naves ab omni solucione liberas
semper et exemptas." (Nördlich von Starsin ist ein grosses Torfmoor; dies hiess
vielleicht Trinsina, wenn an das polnische trz^sawica „Moor" zu denken ist.)
Gewiss werden die Naves liberae, wenn an ähnlichen Stellen des Landes vor-
kommend, noch öfter erwähnt werden; nur lässt der Mangel dieser Bezeichnung
im Index über das Wo im Zweifel.
Auch das Wort naulum, Fährgeld, das öfters vorkommt, lässt auf den Ge-
brauch von Transportobjecten auf dem Wasser schliessen. Wir finden es viermal.
1260 verleiht Herzog S am bor von Pommern (S. 157) der Stadt Dirschau das Lübische
Recht, begrenzt ihr Stadtgebiet und bestimmt ihre Rechte: „De censu nauli et
molendinorum que in Wizla (Weichsel) sunt vel construentur amplius . . . ., duas
partes accipimus, civitas terciam." 1280 verleiht Herzog Mestwin von Pommern
(S. 276) dem Bischof Thomas von Plock das Dorf Gerdin mit Zubehör und frei
von allen Lasten: „naulo quoque cum omni jure." 1289 gründet Herzog Mestwin
von Pommern (S. 406) das Prediger- Kloster zu Dirschau und stattet es mit Be-
sitzungen aus: „item per Vislam naulum et transitum liberum absque omni thelonei
(Zoll) et nauli solutione." 1292 gestattet Herzog Mestwin von Pommern (S. 436)
dem Kloster Byszevvo, das ihm verliehene Dorf Zlawies zu Magdeburger Recht aus-
zusetzen, und befreit dasselbe von allen Lasten: „vado et naulo super Wizlain."
Von allerlei Fischfang und den darauf bezüglichen Stellen wird ganz abgesehen.
Ein anderes schätzbares Urkundenbuch für unsere Provinz, das Marienburger
Tresslerbuch von Dr. Joachim, welches kürzlich erschien und das Jahrzehnt
1399—1409 umfasst, sich zeitlich also dem vorigen um 100 Jahre später an-
schlichst, spricht äusserst häufig von Schiffern und Schilfen in mannichfachen Zu-
sammensetzungen : Schiffsherren, -leute, -kinder (Matrosen), -knechte, -fahrt,
-fracht, -»cid. -louge(?), -lohn, -miethe, -pech, -pfund, -preise, -theer und Schiff-
zins, auf zahlreii ien Seiten, z. B. deren 75 bei der Schiffsfracht. Ja sogar ist
1403 schon die Rede von „des Meisters schiff, das uf den tag zu Littowen für
4'/s M. V« Herrentali ch laken" erhielt, also von einem Staats- oder Reiseschiffe,
und Primegeld ist das [Yinkgeld für die Schiffsleute beim Löschen der Waaren.
Die See-Fahrzeuge werden sogar nach Arten unterschieden und erhalten als solche
bereits bezeichnende Namen, wie z. B. Bordinge, Brinthen, Nassuten, Sayen, Suwen,
Baleyger. —
Eisenmoor im Stolpe-! aal östlich von Mehlkon, und eisenschüssiger
Kai Li u IT im Kreise Carthaus.
In Mehlken hielt es ein Bäuerlein, Namens Wilkowski, der nahe der Mühle
wohnt, stark mit Spirituosen. Es heisst von ihm, er habe sechs Sorten Schnaps
(67)
im Banse und gebe schon frühmorgens kleinste Portionen davon an seine Kinder.
Selbstverständlich bleiben die Folgen davon nicht aus, und seine Beine schwellen
an. Geschieht dies nun, so weiss er sieh wohl zu Indien: er findet das Mittel
dazn in einer Eisenmoor-Erde, die auf seinem Eigenstücke, einer Wiese im Thale,
östlich von ihm, vorkommt. Von diesem Moder holt er sich eine genügende
Quantität, erwärmt diese und hält etwa 3 Tage lang die geschwollenen Beine darin,
und alles Leiden ist gewichen. Dann kann er wieder weiter saufen. So kannte
er diesen Gebrauch schon von seinem Vater her, der Trinken und Moorgebrauch
wohl schon seinerseits ererbt hatte. Es muss ein nicht genug zu preisender Zufall
gewesen sein, welcher vor Zeiten den ersten Entdecker der Heilkraft zu diesem
Mittel geführt hatte, das ihm sein eigener Grund und Boden verschaffen konnte:
nur ist, neben dem Missbrauche für den Einzelfall, zu bedauern, dass jene Heil-
kraft bisher nicht in den allgemeinen Dienst der Menschheit gestellt worden ist.
Selbst in wissenschaftlicher Beziehung ist diese Thatsache schon festgestellt worden
und die Zusammensetzung der Moorerde von hier durchaus gleich und gleichwertig
mit der von Polzin in Pommern befunden, einem Bade, zumal dem nächstgelegenen,
das durch seine Moorbäder berühmt ist. Hr. Czech in Mehlken hat sich die Midie
genommen, eine chemische Untersuchung vornehmen zu lassen.
Jenes Moor mit seiner Eisenerde veranlasst mich auch noch zu ein Paar
Worten über eisenschüssigen Kalktuff in jenem Kreise, wie er auch in jenem
Thale bei Mehlken zu Tage tritt.
Kalktuff kommt im Kreise Carthaus öfters vor. Meist geht sein Vorkommen
mit dem Laufe derLeba; er findet sich alter auch an der Radauno. Für die Leba-
Strasse gilt die Annahme, ihr früherer (? Lauf sei ober Kalk und Mergel ge-
gangen und das damit gesättigte Wasser habe weiterhin einen Versinterungs-Prozess
durchgemacht. Entweder findet sich der Kalktuff bei Seen oder nahe oder auf grossen
Torf brächen. Selten tritt er zu Tage, meist muss er aufgedeckt werden. Häufig
wird er markirt durch rothen Erdboden, die Stelle für Schlachten des Volkmundes.
Meist ist er eisenschüssig. An den Rändern grosser Torfbrücher findet man häufig
unter dem Torf eine kalkhaltige Eisenschicht. Niedere Thiere, sowie Moose
und Flechten drücken sich im Kalktuff ab. Das Auffinden seltener Krvptogamen
an oder in dem Kalktuff Hesse sich durch Symbiose erklären, insofern solche
Gattungen sich nur an solche Steine halten. Mir jetzt bekannt gewordene Stellen
seiner Auffindung sind folgende: 1. Semlin an der Radanne, 1 ' .... — '2 m unter Tage,
in Felsenschichten, an der Brücke aufgedeckt. 2. Bei Miloschewo, Kr. Neustadt,
am Leba-Flusse, stark eisenschüssig. ■'. Zwischen Kossitzkauer Untermühle und
Mlinsk am See von Sianowo, durchsetzt mit geringhaltigem Mergel, sehr viel längs
dem rechten See-Ufer, markirt sich durch rothen Boden, begleitet das rechte Leba-
Ffer und tritt hier fast zu Tage. -1. Anhöhen am Flussufer bei Remboschewo.
5. Vorwerk Leohain, Kreis Neustadt, am Bande eines grossen Torfbrucl
unter Mergellagern in Torfgruben. 6. Mehlken, Kr. (.'arthaus, südöstlich im Thale
des Stolpe-Baches, mehrfach.
Namentlich zeichnete sich hier eine Stelle stets durch ihr quelliges Verhalten aus,
da sie beim Begehen stark wippte. Beim Mergelgraben schoss plötzlich ein Wasser-
strahl von s Fnss in die Höhe und es bildete sich mit der Zeil ein teichartiges
Gewässer, welchem man durch gezogene Gräben einen A.bfluss schallen musste.
Hauptsächlich an den Gräben kommt der Kalktuff in Mengen vor. ebenfalls sehr
eisenschüssig. Der entstandene Teich friert jedoch, wegen der Quelle unter ihm,
im Winter niemals zu. und bildet dann den Zufluchtsort für die Wildenten der
(68)
ganzen Umgegend; zu seinen beiden Seiten sind für die Ausübung der äusserst er-
giebigen Jagd Schiesshütten errichtet. —
(25) Hr. A. Treichel spricht über den
Tapfenstein bei Mehlken, sowie im Allgemeinen über Steine mit Fussspuren.
Ein bemerkenswerthes Gebilde, von dem ich eine Abbildung gebe, fand ich
ebenfalls in Mehlken, Kr. Carthaus, vor. Es ist das ein Stein mit eingearbeiteten
Fussspuren zwischen zwei Kreuzen. Augenblicklich liegt der Stein nahe dem Mühlen-
Abwasser und fast in demselben. Doch versprach mir der für Prähistorie sich
sehr interessirende Grundherr, Guts- und Mühlenbesitzer Czech, für Unterbringung
des Steines an einer mindestens mehr sichtbaren Stelle Sorge zu tragen. In einem
stark schwärzlichen Steine, wahrscheinlich einem Granit, von fast 75 cm im Qua-
drate, mit ziemlich glatter Oberfläche an der betreffenden Stelle, finden sich in
deutlichen Umrissen die Tapfen eines Fuss-
paares eingemeisselt. Ihre Länge beträgt
27 und 28 cm bei angemessener Breite,
so dass die Tapfen augenscheinlich als
einem erwachsenen Menschen angehörig
angesehen werden müssen. Es fallen keine
besonderen Ränder der Einmeisselung an
den Füssen auf, wie bei den vorhin er-
wähnten Kreuzen; vielmehr gehen Stein-
rand und Fusstapfe gewölbt in einander
über. Bei diesen Füssen ist selbst die Aus-
arbeitung der je 5 Zehen etwas merklich,
wenn auch an dieser Stelle eine grössere Verwitterung eingetreten ist. Ebenso
tragen zur Verdunkelung der Erkennung die Polster von Flechten und Moosen bei,
deren Ausbildung bei der Nähe des Wassers eine nicht zu kleine ist. Den Ab-
stand der Fusstapfen unter einander, sowie von den so eben erwähnten Kreuzen habe
ich festzustellen unterlassen; es wird indessen nicht zu viel darauf ankommen und
jedenfalls von vorn herein anzunehmen sein, dass die Abstände von dem Bild-
hauer^) in richtigem Verhältniss gehalten seien. Man würde für den ersten Augen-
blick voll Zweifel einem Naturspiele (Auswaschungs-Prozess) gegenüberzustehen
glauben können, wenn nicht die in kurzem Abstände davon eingefügten zwei
stehenden Kreuze, von je 10 cm Länge aller vier Kreuzeszinken, in deutlichster
Sichtbarkeit durchaus für die manuelle Herstellung des Ganzen sprächen. Alsdann
könnte vielleicht eine zwischen den beiden Tapfen in der Hackengegend ein-
gefügte kleine, längliche Vertiefung mehr einer natürlichen Deformation des Steines
ihr Dasein verdanken, als einen darstellenden Zweck verfolgen, obgleich ich zur
Zeit noch keine Muthmaassung über das Wie und Weshalb auszusprechen vermag.
Uebrigens zeigen die nach Arerschiedenen Richtungen sich verbreiternden Fuss-
blätter, dass sie den rechten und den linken Fuss-Abdruck eines Fusspaares nach-
bilden sollen. Auch dieser Tapfenstein, wie ich ihn benennen will, soll vom
Schlossberge herstammen.
Gleichviel wie Hein sein mag, es will mir scheinen, dass sich hiermit den
beiden Perioden des Stein-Cultus und des Bronze-Sporns für Mehlken eine dritte
Zeit anreiht, eine, wie ich meine und wie ich sie benennen will, clericale oder
kirchliche Zeit, deren Stabilirung nur beweist, wie ein Platz, namentlich ein zur
Befestigung geeigneter Platz, zu verschiedenen Zeiten und von mannichfachen
(69)
Stämmen oder auch selbst Volksklassen immer wieder zur Benutzung als passlicl
angesehen wird, ganz zu schweigen von einer noch früheren Zeit, die mir durch
Auffindung eines Schiffsankers in der Nahe von Mehlken verbürgt erscheint,
sowie von einer späteren, historischen Zeit (vergl. wirkliche Schwedenschanzen),
wofür eine hier gefundene ältere schwedische Münze sprechen könnte. In Betreff
der Annahme einer kirchlichen Zeit bemerke ich kurz, dass das nähr ehemalige
Kloster Zuckau hier seine erste Niederlassung gehabt haben soll, obschon historisch
mir nichts davon bekannt ist. Diese Behauptung entstammt dem Munde eines
jetzt freilich geistig amnachteten geistlichen Herrn, welcher, zumal mit der hegend
befreundet und bekannt, nicht ohne Unterlage zu deduciren pflegte. Er berief sich
dabei auf eine Urkunde, die — ob falsch, ob richtig verstanden — jedenfalls im
dortigen Pfarr-Archive auffindbar sei, das mir aber auf meine desfallsige Anfrage
keinerlei Antwort ertheilte. Für eine grössere Siedelung sprechen ja die vor-
gemeldeten Spuren genugsam. Auf etwas Kirchliches aber deuten zu allermeist
die beiden Kreuze hin. Fragt man aber nach der Bedeutung und nach dem Zwecke
des Steines mit dem bekreuzten Fussspuren-Paare, so könnte ich dafür eine Fluth
von Vermuthungen vorführen.
Für's Erste greife ich eine Aufstellung heraus, wie ich sie aus dem Munde
des Volkes an Ort und Stelle selbst hörte. Dies soll ein Stein gewesen sein,
entweder vor oder binnen der kirchlichen Anlage gelegen, auf welchem die-
jenigen, die für irgend ein bedeutsam erscheinendes Vergehen eine Strafe zu ver-
büssen hatten, zu stehen gekommen wären; daher habe man zur Veranschau-
lichung gleichsam die Fusstapfen in den Stein hineingearbeitet, und daher sei der
Stein selbst wohl als ein Büsserstein anzusprechen. Er wäre also gleichsam
ein Pranger für grosse Sünder gewesen. Hierfür vermag ich keine weiteren Unter-
lagen zur beweisenden Stütze herzugeben. Auch könnte man bei der obigen Muth-
maassung sehr wohl des Glaubens sein, dass die Mönche, deren Gebäude durch den
Krieg zerstört waren, bei ihrem Wegzüge den so schwer transportabeln Büsserstein
ausser Acht lassen, bezw. zurücklassen durften, zumal da es in so steinreicher Um-
gegend ein Leichtes sein musste, am Orte der neugewählten Niederlassung einen
gleich leicht bearbeitbaren Granitstein für die Hand ihres werkkundigen Bruders
Steinmetz aufzufinden. Gegen die Auffassung als Büsserstein spricht aber sehr
Vieles. Es ist nehmlich nicht bekannt, noch steht es für frühere Zeit fest, dass
innerhalb der katholischen Kirche eine solche Strafe und ihre Ausführung im
Schwange war; in neuerer Zeit aber kann davon keineswegs die Rede sein. Wäre
sie es aber gewesen und somit, möchte ich sagen, zu einem förmlichen Requisite
geworden, so müsste erstlich etwas davon als ganz oder halb kirchliche Vorschrift
überliefert sein, und es müssten zweitens dergleichen Steine sich noch bei sehr
vielen anderen, namentlich alleren Kirchen auffinden lassen. Das ist aber nicht
der Kall und somit jene Deutung aus/uschliessen. Betreffs der Strafe habe ich
durch Umfrage nur das gewiss Richtige erfahren, dass es grossen Sündern nur
verboten gewesen war. die Kirche zu betreten; sie mussten draussen bleiben
oder in der Vorhalle sich aufhalten, gewöhnlich unter dem Orgelraume. Auch
würden alsdann solche Steine mit einem gewissen Odium behaftet gewesen und
durch Tradition verpönt geblieben sein, wogegen das gläubige Volk, namentlich
wenn sie auch Fusstapfen als Naturspiele aufweisen, sie mit Beiligen, ja, mit
Gott selbst in Verbindung bringt und ausserdem noch Sagen von der Mutter
Gottes u. s. w. in Verbindung damit entstehen lässt
Waren die Steine mit Fussspuren ursprünglich wohl immer Grabsteine,
und somit die Spuren die Nachbildung der Füsse der darunter oder in der Nähe
(70)
Bestatteten, so fehlten alsdann doch immer die hier vorhandenen Zeichen der
Kreuze. Das Kreuz aber aufzufassen als graphischen Charakter der Sonne, als
ein Amulet, zur Bannung aller bösen Einflüsse, das geht schon wegen seiner christ-
lichen Bedeutung nicht recht an.
Es könnte sich aber auch noch fragen, ob die Kreuze gleichzeitig mit den
Tapfen entstanden oder erst später gemacht worden sind. Die fast gleichmessende
und dennoch nicht belanglos abweichende Länge des Figurenpaares unter sich,
sowie das nur durch das Moosgrau verdunkelte Auftreten der in diesem Falle
wirklich eingearbeiteten Zehen müssen hier nur an den ersteren Fall, denken lassen
und dürfen der Auffassung keinen Raum geben, als wenn etwa späterhin die
Kreuze einem Steine eingefügt wurden, welcher mit Staunen gefunden wurde, da
er die Fusstapfen durch Auswitterung schon von der Mutter Natur empfangen hatte.
Um solche durch Verwitterung oder durch Auswaschung entstandene Einhöhlungen
handelt es sich hier keineswegs; solche sind stets scharf von künstlich gemachten
zu trennen und streng zu scheiden.
Mir will ferner scheinen, als ob die Auffassung von der Hand zu weisen sei, wo-
nach solche Fusstapfen-Steine, ob mit Kreuzen, ob selbst ohne solche, wenn sie nicht
einer christlichen Kirche entnommen sind (wofür allerdings bei der Verschwommen-
heit oder Mangelhaftigkeit aller historischen Ueberlieferungen für unsere Gegenden
jeder Beweis fehlen dürfte), noch aus heidnischer Zeit herrühren könnten oder viel-
leicht gar mit der Völkerwanderung hergekommen sein dürften.
Leider fällt dieser Stein und die darauf befindliche Darstellung nicht in das
Gebiet der Parallelen von den Steinen, wie sie Dr. Rieh. Andree im ersten Bande
seiner Ethnographischen Parallelen behandelt hat, wo er sich nur mit der Deutung
der natürlichen Zeichen, Auswaschungen u. s. w. beschäftigt; sonst könnte man
sich daher Raths erholen.
Um Fussspuren handelt es sich häufig bei Heiden, Christen, Muhamedanern
und Buddhisten in den Ländern, wo solche vorkommen. Hier beweisen die beiden
seitlichen Kreuze aber nur zu deutlich, dass die Herstellung solcher Steine auf
einer christlich-kirchlichen Auffassung beruht haben muss. Schon Buddha sollte in
Ceylon Fussspuren auf Steinen hinterlassen haben. Der Römer stemmte seinen
Fuss auf die Erde als Zeichen der Besitznahme des eroberten Landes. Im Mittel-
alter begegnen wir den Fussspuren und ganzen Füssen auf Gcräthen und kirch-
lichen Epitaphien. Steine mit eingehauenen Hufeisen stellten die Römer als Zeichen
ihrer Limites auf. Sogar Karten des Landes will man auf Steinen gefunden haben
(Aegypten, Schweiz).
Wie die Römer und Griechen ihren Göttern und Göttinnen Thierfüsse bei-
legten, so haben die Sagen der indogermanischen Völker auch überliefert, dass
Kussspuren der Götter und Dämonen dem Erdboden eingedrückt worden seien.
Neben Buddha ist da noch Isis anzuführen. Diese Fusstapfen sind meist ein sym-
bolischer Ausdruck für die Spuren des Segens einer Gottheil.
Ich hatte mich anfangs bemüht, alle diese Fussspuren, namentlich auf Steinen,
wenn auch nur luv Deutschland, zusammenzutragen, musste mir dann aber sagen,
dass dies Unternehmen ein für eine einzelne Kraft zu grosses und den Rahmen
ler Betrachtung eines Einzelsteines überschreitendes sein müsse, zumal da alle
verschiedenen Anlässe und Erklärungen, wie sie Einzelgegendeu anhaften, ganz
und gar nicht auf unsere Provinz passen wollten. Dennoch gebe ich als Ein-
schiebsel, was der erste Versuch an Ergebnissen gefördert hat. damit das Material
nicht verloren gehe.
Ilr. Dom-Capitular Dr. Zimmern in Speyer meldete mir, dass auch im Pflaster
(71)
der grossen Terrasse vor dem Friedrichsbau des Schlosses in Heidelberg eine
solche Pusssohle in riesigen Formen gezeigt und der Riesentrapp genannt werde.
Durch Rücksprache mit Hrn. Dr. Mehlis in Dürkheim a. H. [in dessen Nähe,
auf dem sagenumwobenen Drachenstein, derselbe nach Zeitungsberichten kürzlich
eine Inschrift entdeckte, die nach seiner Ansicht nur eine Runenschrift sein
kann und alsdann die einzige wäre, die in Deutschland noch auf festem Boden
haftet (auf dem dort häufigen Huntsandstein)], erhielt ich auf* dem Congresse in
Speyer die Kunde, dass Kussspuren auf Steinen, und zwar recht häufig, auch in
allen den Landschaften und Gebieten Süd-Deutschlands vorkämen, in denen vor
Jahrhunderten der Hund der rebellischen Hauern, der Hundschuh, sein Wesen ge-
trieben hat. Die einzelnen Oertlichkeiten habe ich vergessen. Es gewinnt somit
den Anschein, als ob die Kussspuren alsdann mit dem Namen und dem Embleme
des Bundes irgendwie in passendem Zusammenhange gestanden hätten.
Schliesslich stelle ich noch hierher, was ich über Kussspuren im Norden
Deutschlands erfahren habe. Nach Kraul. Direetor J. Mestorf in Kiel giebt es
für Schleswig-Holstein und Dänemark folgende Anhaltspunkte: „Man hat dort
an einem grossen Schalenstein (aus einem Grabhügel) seitlich eine Fusssohle.
Auf den Felsenbildem in Bohuslän kommen sie häaßg vor, bisweilen in grösseren
Gruppen beisammenstehend. Ferner findet sich eine Fusssohle auf einer Urne in
Jütland, die von Dr. Sophus Müller in seinem Werke „Ordning af Danmarks
Oldsager" abgebildet ist. Die Urne ist mit Mäander -Ornament geschmückt und
darunter rings um das Gefäss eine Rosette, darunter wieder eine Fusssohle mit „deut-
lichen fünf Zehen". Daraus geht hervor, dass dies Symbol sich lange Zeit erhalten
hat, denn die schwedischen Hällristningar und unser holsteinischer Schalenstein ge-
hören der Bronzezeit an, wohingegen die Urne aus Jütland in die römische Periode der
Eisenzeit gesetzt werden muss. Ueber die Bedeutung dieses Symbols weiss ich Ihnen
nichts zu sagen. Möglicherweise ist ein Zusammenhang mit den Hufeisen-Steinen
vorhanden; jedenfalls glaube ich dies in Bezug auf die „Hände". Wir haben einen
Stein (Deckstein eines Steinalter- Grabes) aus Holstein, der ausser zahlreichen
Näpfchen, auch concentrische Ringe, Ring mit Kreuz (oder vierspeichiges Rad Q3)
und fünf Hände mit deutlichen fünf Fingern zeigt. Dass diesen Zeichen eine
mythische Bedeutung zu Grunde liegt, scheint aussei- Zweifel. Unsere Sagen wissen
ja davon, dass. wo eine Gottheit gewandelt, Segen und Gedeihen spriesst: vielleicht
glaubte man. dass ein Gott oder eine Göttin dort, wo wir das fragliche Zeichen
linden, eine Cultusstätte gehabt hat."
Wie mich Hr. Dr. Joh. Holte belehrte, sind grössere Artikel über Pussspuren-
Steine in den Nachbarländern Krankreich und Italien noch zu finden in der Revue
des traditions populaires 10. (Empreintes merveillcuses) 185'.") und im Archivio delle
tradizione popolari 13, !»7 (1894) und 14. 340 (1895) unter dem Titel: Impronte
maravigliose in Italia, wie auch schon in früheren Jahrgängen derselben Zeit-
schriften andere gleichartige Mittheilungen.
Ich kehre nunmehr zu meiner Heimath zurück und muss einer anderen Auf-
fassung Kaum geben. Ks giebt nehmlich Stimmen, welche Steine mit i r gemeisselten
Pusstapfen als Grenzsteine aus altpolnischer Zeil ansprechen. Das liesse
sieb als etwas Neues hören, vielleicht auch als etwas Gültigeres, namentlich, wenn
sich zu diesem Zwecke schriftliche Urkunden darböten; aber auch dann möchte
ich es nur für Grosspol en -eben lassen, wozu ein Th.il Pommerellens. freilich
erst in viel späterer Zeit, als Provinz, oder Wojwodschaft hinzukam. In unserer
Urkunden-Compilation Pomm. l'rk.-B.) kommen ausser Seen und Sümpfen wohl
Bäume als Grenzmarki iror, die durch besondere Schnitte werden,
(72)
worunter auch das Kreuz; dann Hügelschüttungen mit Inhalt von Glasscherben und
Schmiede-Abfall; weniger aber grössere Steine, die auffielen. So wäre es nur ein
Schritt, die Zeichen der Bäume auf den Stein zu übertragen. Ueberdies mussten
Grenzbäume für heilig gehalten und als solche bezeichnet werden, damit sie nicht
umgehauen wurden; beim Steine war das nicht denkbar, wenn er auch verrückt
werden konnte. Diese Heiligkeit der Grenzen involvirt also sowohl etwas Staat-
liches, wie auch etwas Religiöses, und dies Zusammentreffen mag vielfach, je nach
Zeit und Ort, den Grund der Herstellung solcher Steine mit Pussspuren gebildet
oder beeinflusst haben. Doch betone ich nochmals die Geltung dieser Annahme
mehr für Grosspolen, und sodann das Vorhandensein eines Plus: nehmlich der Kreuz-
paare, die gewiss einem kirchlichen Zwecke zuzusprechen sind. Das ganze Ge-
schäft der Besitz-Ausmessung lag, nachdem einmal das Areal überwiesen war, in
den Händen der Feldmesser, welche auch für unser Land im Porara. Urk. -Buche er-
wähnt werden. Ueberdies waren die verliehenen oder gekauften Areale in frühester
Zeit wohl nicht so engherzig zugetheilt. Die Sagen von ungetreuen Feldmessern
und die Processe über verrückte Grenzsteine entstanden erst in späterer Zeit, als
das Land für die Bevölkerung knapp zu werden begann; dazu kam dann noch die
hämische Sinnesart des Nachbarn, „mit dem man nicht in Frieden leben kann, wenn
es ihm nicht gefällt," wie das Wort des Dichters lautet. Andererseits documentirte
sich dabei auch eine gewisse Nonchalance, und ich stehe nicht an, hier eine in der
That äusserst naive und naturwüchsige Geschichte einzuschalten, die der Ueber-
lieferung nach wahr sein soll, wie im Kreise Carthaus früher auf eine andere
Art die Grenze beim Streite zwischen zwei Nachbarn festgestellt sein soll.
„Handelte es sich bei den Bauern um Streit über die nicht recht feststehende Grenze
ihrer Gemarkungen, so nahm man einen Ochsen, fütterte diesen mit salzigen Sachen
recht satt, stillte dann seinen bald ausbrechenden Durst tüchtig mit Wasser und
führte ihn am Stricke auf den strittigen Grenzrain. Wo nun und in welchen Win-
dungen der Ochs beim allmählichen Weiterführen sich des eingenommenen Wassers
entledigte, welche Procedur bei ihm bekanntlich eine Sache von langer Dauer ist,
da, so wurde angenommen, sei die Grenze gewesen, und dieser Strich wurde für
alle künftige Zeit in Frieden und ohne weiteren Streit als richtige Grenze angesehen.
Solche Entscheidung durch einen Ochsen ist gewisslich neu, dennoch aber durch
Erzählung alter Leute wohl verbürgt So erzählte es ein Mann Namens Szcypior
(zu deutsch Schnittlauch) aus Kossiczkau, und so, sagte er, habe es ihm schon sein
Vater erzählt (Czech).
Dieser Sache füge ich einen ähnlichen Bericht über einen russischen Salomo
hinzu. Ein Correspondent der Zeitung „Schisu i Iskustwo" erzählt von einem bäuer-
lichen Salomo, dorn Dorf-Aeltesten Jakob Iwantschenko, im Bezirke von Rado-
myssl, der sich durch seine bei Schlichtung von Grenz-Streitigkeiten an den Tag
gelegte Weisheit unter den Bauern seines Bezirkes grosses Ansehen erworben hat.
Als der erwähnte Correspondent Iwantschenko befragte, wie er es anfange,
immer beide Parteien zufrieden zu stellen, erzählte der Mann Folgendes: „Die Sache
ist höchst einfach: ich beauftrage zuerst die eine Partei, die Grenze durch Pflöcke
abzustecken, sodann lasse ich die andere Partei dasselbe tlmn. Wenn so beide
Parteien, jede in ihrer Weise, die Grenze angegeben haben, befindet sich natürlich
zwischen diesen beiden Grenzen ein leerer Raum. Dann rufe ich den Gemeinde-
Diener und sage: Bringe nur Pflöcke her! Wenn man mir die Pllöcke gebracht
hat, schlage ich diese eigenhändig in die Erde und zwar genau in die Mitte des
Raumes, der sich zwischen den durch die streitenden Parteien bezeichneten Grenzen
befindet. Nachdem ich die Pflöcke eingeschlagen habe, wende ich mich an die
(73)
Parteien mit den Worten: So, jetzt habe ich die Pflöcke eingeschlagen; das hier
muss die Grenze sein; wenn Ihr nicht zufrieden seid, könnt Ihr Euch über mich
beschweren. Nach der Versicherung Iwantschenko'a sind die Bauern mit seiner
Entscheidung noch immer zufrieden gewesen."
Doch hören wir jetzt weiter, was mir durch Hrn. Lehn,'!- Jarzgbowski in
Rogasen „über Steine mit eingemeisselten Fusstapfen als Grenzsteine aus alt-
polnischer Zeit1- mitgetheilt wurde. Kasimir der Grosse (kröl chlopkow = Hauern-
könig, 133-'i — 1870) hatte zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten eine Art von Kataster-
Aemtern eingerichtet. In einem Localtermin wurde die Grenze festgestellt und ein
Grenzstein eingegraben, in den der betreffende Beamte (polnik pieszy, d i. Fuss,
Feldmesser) zum Zeichen seiner Anwesenheit einen Menschen fuss hineinzumeisseln
pflegte. Waren die Parteien mit seiner Entscheidung nicht zufrieden, so wandten
sie sich an eine höhere Instanz, deren Vertreter (polnik kowny = berittener Feld-
messer) zu dem Menschenl'uss noch einen Pferdehuf hinzufügte. Ein solcher Stein
befindet sich bei Kletzko im Kreise Gnesen auf der Stelle, wo der über Paulsdorf'
nach Pomarzany führende Weg und die Chaussee sich kreuzen."
Vielleicht mag sich ein Weiteres darüber finden in einem mir angeführten
Statut von Wieliczka von 1374(:J), worüber mir aber kein Nachschlagcbueh zur
Verfügung steht.
Zur weiteren Stütze meiner Ansicht, dass der bekreuzte Tapfenstein von Mehlken
in seiner Bedentang nur auf kirchlichem Gebiete zu fassen sei, hole ich ferner
I tausteine aus Xeustadt in Westpreusscn herbei, das nicht weit davon liegt. Hier
handelt es sich nach meinen Meldungen sogar um. zwei Steine, von denen ich den
ersteren nur erwähne, damit er ausgeschieden und nicht wieder auf ihn zurück-
gekommen werde. Hr. Dr. Taubner in Allenberg-Wehlau meldete mir nehmlich
von einem Pussspuren-Steine, welcher in Kniehöhe an der südöstlichen Ecke (nach
Osten sehend) beim Baue des Gewiichshauses an der Provinzial-Irrenanstalt in
Neustadt eingemauert und worin der Contour eines Fusses in natürlicher Lange
herausgearbeitet sei; die mitgesendete Zeichnung zeigt, dass nach einem Eindrucke
von 1 cm Tiefe ein Oblong heraussteht und dann wieder ein Eindruck von gleichem
Niveau zu sehen ist. Weil das Herausgearbeitete aber ein Oblong und kein Fuss
ist, so gehört der Stein nicht zu unserer Betrachtung und dürfte bei dieser Ordnung
des Ein und Aus und Ein auch eher ein Auswaschungs-Ergebniss darstellen, also
ein Artefakt, bei welchem jene Anordnung recht angewöhnlich wäre. Dieser Stein
mag sonst seine Bedeutung haben, passt abei nicht für den vorliegenden Zweck:
übrigens muss er auch gar wenig sichtbar sein, weil, laut gef. Antwort der An-
stalts-Direction, es dort niemandem gelingen wollte, ihn neu zu entdecken. Er soll
aus der Nahe von Neustadt stammen und wird auch nicht einmal von einer Sag«
umsponnen sein, weil das Volk ihn sonst für etwas Besonderes gehalten und seine
Entfernung zu einem Profanbaue keineswegs zugelassen hätte.
Nun hörte ich aber noch von einem anderen Steine bei jenem Orte, einer erst
spät, zu Ende des 17. Jahrhunderts gegründeten und anfänglich nach dem Namen
der Gründer Weiherowo genannten Stadt, zugleich einem berühmten, weil mit
Leidens-Stationen ausgestatteten Wallfahrt» -Orte Westpreussena mit, wie es heisst,
26 Capellen (vergl. meinen Aufsatz über Gapellen-Marken und über das Thränen-
Thor in Sitz.-Ber. vom 15. October 1881 in dieser Zeitsch. NHL S. 313). Wenn
es nun feststeht, dass in früheren Zeiten nach ihrem Drange Pilgerfahrten
zum heiligen Lande stattfanden and dass die von jenen heiligen Orten heim-
kehrenden Pilger sich Nachbildungen von dort zur Erinnerung machen Hessen, so
ist es noch mehr begründet und durch den Augenschein erweislich, dass auch die
(74)
ganze Lage der heiligen Ortschaften in solchen „Leidens-Stationenu oder „Kreuz-
wegen* mit minutiösester, selbst geometrischer Ausmessung der Entfernungen zur
Nachbildung gelangte. Wie solches noch in einer kleinen Stadt Posens der Fall
ist, so treffen wir auf die Ausführung jenes Gedankens selbst und zwar sofort bei
der Anlage von Neustadt in Westpr. Bei dieser Thatsache wird die Vermuthung
zur Wahrscheinlichkeit, dass eine fragliche Pusstapfe auch eine Nachahmung irgend
einer Spur sein müsse, die nach der Legende ein Heiliger zurückgelassen habe, im
Besonderen eine Erinnerung an den Pusseindruck, welchen der Heiland bei der
Himmelfahrt auf dem Felsen des Oelberg-Gipfels bewirkt haben soll und dessen
Spur noch heute in der dortigen (Jerusalem-) Himmelfahrts-Kirche, der jetzigen
Muhamedanischen Moschee, gezeigt wird.
Mit der wirklichen Lage an Ort und Stelle deckt sich nun die Nachahmung
vollkommen. An einer der auch durch Capellen bezeichneten Stationen, welche
den Leidensweg Christi räumlich und figürlich zur Anschauung bringen sollen, und
zwar in der That ebenfalls an der sogenannten Himmelfahrts-Capelle (also
weder, wie mir anfänglich berichtet wurde, an der Kreuzigungsstätte, noch auf dem
Niederfallplatze) oder vielmehr in derselben ist, wie mir auf meine Anfrage freund-
lichst durch Hrn. Decan Licent. v. Dabrowski mitgetheilt wird, ein Stein, in
welchem die Fusstapfen von zwei menschlichen Füssen eingravirt zu sehen sind ').
Nun liegt doch wahrlich der Rückschluss sehr nahe, dass die jerusalemitische
Deutung auch hier gelten soll, der Herr sei hinaufgefahren und habe die Spuren
seiner menschlichen Füsse hinterlassen. Wir werden also gleiche oder ähnliche
Deutungen annehmen müssen, wo wir in unserer Provinz ebenso bezeichnete Steine
vorfinden, dies aber in desto stärkerem Maasse, wenn jenem Fusspaare seitlich
noch ein Kreuzpaar beigegeben ist. Diese Auffassung scheint mir denn auch
die plausibelste für den derartig einzig bekannten Stein von Mehlken zu sein,
und zwar um so mehr, wenn sich die bisher allerdings nur in der Luft stehende
Sage von der ersten Ansiedelung eines Klosters an dieser Stelle bewahrheiten
sollte, da auch hier ja, zumal bei dem bergigen Terrain, leicht eine ähnliche An-
lage in's Auge hätte gefasst sein können, wobei am Ende dem Burgwalle die Rolle
des Oelbcrges zugewiesen wäre.
Es begreift sich, dass ich zur weiteren Begründung meiner Annahme auch
nach den zur Sache gehörigen Legenden eine Suche abgehalten habe, wobei ich
besonders in Handbüchern und Real-Encyklopädien auf ein reicheres Ergebniss ge-
rechnet hatte. Somit gebe ich nachtragsweise, was mir aus solchen Quellen kund
wurde, zuerst ein sehr einschlägiges Besonderes, sodann ein mehr verlängertes
Allgemeines.
Leiter Pusstapfen im christlichen Sinne giebt Dr. J. Schustcr's Handbuch
der biblischen Geschichte des Alten und Neuen Testaments, Theil II, S. 4(15,
Anm. 20, den folgenden Passus, welcher hauptsächlich zur Stütze meiner Erklärung
dienen mag. »Wie i sehen, ist die Verehrung der Fussspuren aus dem Alten
Testamente g< n. und zwar nach einem Worte des Propheten. Die
mittlere und höchste Spitze des Oelberges wird als die Stätte der Himmelfahrt
Christi vereint. Schon in den ersten Jahrhunderten pilgerten die Christen hierher,
wo der Herr in dem An . ;Lls er sich zum Himmel erhob, die Spur seiner
I üs8e i" den Boden eingedruckt haben soll. Von Eusebius, Bischof von Caesarea
in Palästina, welcher das Leben Constantinus d. Gr. in 4 Büchern beschrieben
hat. wird Folgendes III. U, 12, ['6 berichtet: Kr (Oonstantin) ehrte in der Grotte
l Etwaige JCaasszahlen kann ich i I später bringen.
(75)
der Himmelfahrt deren Andenken auf dem Gipfel des (Oel-)Berges. — Diese (Helena,
Matter des Kaisers) hatte beschlossen, Gott, dem Könige der Könige, den Tribut
ihrer frommen Gesinnung darzubringen, und zu dem /.wecke kum die bejahrte
Matrone, am das ehrwürdige Land zu erforschen und zu besuchen. Als sie nun
den Fusssohlen des Erlösers die gebührende Verehrung gezollt hatte, gemäss
dem Worte des Propheten: „Lasst uns anbeten an dem Orte, wo Beine Püss
standen haben!", hinterliess sie die Frucht ihrer Gottesfurcht zugleich auch den
spateren ( ieschlechtern. Sofort weihte sie Gott 2 Tempel, einen bei der Grotte
der Geburt, den anderen auf dem Borge der Himmelfahrt.
Den Mittelpunkt der Kirche bildeten die Fusstapfen des
Herrn. Nach Arnulf, der im Jahre 670 die heiligen Orte
besuchte, bestand die damalige Himmelfahrts-Kirche aus
3 Säulenhallen, die in der Mitte einen offenen Kaum mit
den Fusstapfen d^'s Herrn einschlössen. Die Spur des
rechten Fusses wurde von den Türken gegen Mitte des
17. Jahrhunderts weggenommen, weil sie glaabten, auch Muhamed sei auf dem Oel-
gen Himmel gefahren, und sie wird in dortiger Moschee des Tempels auf-
bewahrt."
In F. X. Kraus' Real - Encyklopädie der christlichen Alterthümer (Frei-
burg i. B., bei Härder) verbreitet sieh ein von E. Münz in Paris verfasster Ar-
tikel über die Fusssohle also: „Fusssohle, seltener Fuss, sind vielsagende alt-
christliche Symbole, deren Bedeutung wechselt, je nachdem sie auf Geräthen oder
Epitaphien vorkommen. Die Fusssohle symbolisirt die Nachfolge Christi
gemäss den Worten der Schrift 1. Petri 2, 21: „Christus hat uns ein Vorbild ge-
geben, damit wir seinen Fusstapfen nachfolgen." Vergl. Hiob 23, 11: Rom. 4, 12.
„Als Fibula getragen sollte die Fusstapfe eine Mahnung zur Nachfolge Christi
sein. Daher erklärt sieh die Anzahl der in den altchristlichen germanischen
Gegenden gefundenen, edirten und unedirten Fibulae in (iestalt von Fusssohlen.
Eine solche Fibel, in der Nähe von Mainz gefunden, bewahrt das dortige Museum.
Eine weitere daselbst bewahrte ist der erwähnten gleich. Altchristliche Fibeln in
Form von Fusssohlen besitzen in Deutsehland noch die Museen von Wiesbaden
(gefunden bei Castel), zu Darmstadt (gef. bei Bfommernheim), zu Basel (gef. bei
Äugst), zu Zürich (gef. bei Pest in der Donau . Aehnliche Bedeutung hat der
seltenere Fuss. Eine Lampe aus Thon in Gestalt eines Fusses, gefunden bei
Castel, besitzt das Wiesbadener Museum. Eine bronzene, mit Aerugo nobilis über-
zogene, oben mit Henkel \ ersehene Lampe in Fusssohlenform. gef. bei Windisch,
ist unedirt im Museum zu Hasel. Folgt der Christ Christo nach, so vollendet ei
glücklich seine Erden -Pilgerschaft. Daher ist die Fusstapfe auf Epitaphien
ein Symbol des seligen Scheidens aus dieser Zeitlichkeit. II. Cor.
„Wir halben Lust aus dem Leibe EU wandern und daheim zu sein bei dem Herrn. -
Vergl. I.upi. Lew epit. 68. Diese Deutung wird bestätigt durch die neben dem
Symbol vorkommende Inschrift ..In Deo" Boldetti, Osserv. 419); Symbol und
Wort heissen also: der Verstorbene ist abgeschieden in Gott Sie wird weiter be-
Btätigl durch die Pusssohlen auf heidnischen Monumenten, die als '•> <<:<.-. t. oder
Votivsteine nach glücklich zurückgeli - Reise gesetzt wurden und diesen Zweck
auch in den Worten: _pro itu et reditu felici" besagen. Diese Worte erläuternd, sind
manchmal zwei Pusssohlen vorwärts, zwei andere rückwärts gewendet. Lu]
Gruter, [nscr. ant. n. 820 und 1129; Fabretti, [nscr. ant 472. Aach Püsse im
Profil kommen vor (1 ipi 70 : selbst ganze Püsse hat man in heidnischen Grabern,
wie in dewn auf dem sogenannten Todtenfelde bei Oberflacht am Lupfen im
(76)
württembergischen Amte Tuttlingen, je einen auf jeder Seite der Leiche ge-
funden. Vgl. die Heidengräber am Lupfen von Dürrich und Menzel. Ein anderes
Exemplar, gross ausgeführt, besitzt das Museo Kircheriano in Rom; es stammt aus
S. Ermete (vgl. Perret, pl. 52, 37; Lupi 70: v. Schultze, Arch. Forsch. 277, n. 53).
„Auf Siegel-Ringen, oder wenn das Siegel selbst fusssohlenartig gestaltet ist,
zeigt die Fusssohle das Besitz recht an, nach dem Grundsatze: quidquid pes tuus
calcaverit, tuum erit Daher auch die ehemalige Ableitung des Wortes „possessio"
von pedis. Auch bei den alten Hebräern war eine Rechtscession nicht gültig (Ruth 4,
7; V. Mos. 25, 7), wenn nicht der Cedirende dem Anderen seinen Schuh übergab.
Mit dem fusssohlenartigen Siegel wurde eine Sache als Eigenthum bezeichnet.
Daher steht der Name des Besitzers des Siegels meistens im Genitiv, z. B. auf
einem zu Wiesbaden gefundenen und daselbst verwahrten Bronze-Siegel, das auf der
Vorderseite (eine ganz deutliche Pusssohle mit 5 Zehen) die Legende PI. Paulini
^ bietet. Vergl. Nassau. Annalen VII, Taf. II, 1 und 2. Zwei ähnliche Siegel,
das eine mit der Inschrift Pauli, das andere mit Vitalis, fand Perret in den
Katakomben IV, pl. XXIII, 21 und pl. II3 (andere Beispiele bei Boldetti 506;
Arringhi II, (598; Perret; vergl. Munter, Sinnbilder I, 54; Bellermann, Die
altchristlichen Begräbnisse 33; Pellicia III, 25 und Coroedoni, Raggnogl. 40,
welche in der Darstellung der umgekehrten Fusssohlen den Schmerz über den
Verlust der Lieben sehen, wogegen mit Recht Smith, Dict. I, 682)."
Nach Abschluss der vorstehenden Zeilen brachte, wiederum mit einer gewissen
Duplicität der Fälle, das Heft 7 unseres diesjährigen Correspondenz-Blattes eine
äusserst interessante Abhandlung des Hrn. Sanitätsraths Dr. Köhler in Posen „über
Steine mit Fussspuren". Ich gestatte mir dazu einige Bemerkungen.
Bezüglich einiger geographischer Versehen in der Darstellung, welche mir
auffielen, habe ich nun, zuvörderst nach Rücksprache mit Hrn. Dr. Köhler, den
Auftrag zu ihrer Richtigstellung. Culm (Stein 12) liegt nicht in Ostpreussen,
sondern ist Hauptort eines westpreussischen Kreises und wäre in seinem polnischen
Namen (Chelmno) nicht zu verwechseln mit dem Orte Ch. bei Pinne in Posen
(bei Stein 9). — Der Standort für Stein 8 ist die Gegend von Koronowo, also
Polnisch-Krone oder postalisch Krone a. d. Brahe, einer kleinen Stadt im Regierungs-
Bezirke Marienwerder, also ebenfalls in West- und nicht in Ostpreussen gelegen,
so dass auch nicht Deutsch-Krone, früher Arenskrone und polnisch Walcz genannt,
gemeint ist. — Schliesslich muss auch Stein 5 verstellt sein; es muss wohl heissen
Hohenfier, ein Kirchdorf bei Zlotowo, also Flatow, Kreisstadt im Reg.-Bezirk
Marienwerder, -ebenfalls Westpreussen, wogegen das Zlotowo in Ostpr. ein Kirch-
dorf bei Löbau wäre. — Die beliebten Umtaufungen haben diese Verwirrung her-
vorgebracht.
Ueber Steine mit Fussspuren hat nun zuerst Przyborowski (1874), sodann
Kotlarzewski geschrieben, deren Angaben alsdann Dydynski (1883) umfasst,
bis Prof. Luszczkewicz in Krakau (1894) ein volleres Referat brachte, das nun
Dr. Köhler a. a. O. verwerthete. Ausser den 13 schon bekannten führt derselbe
noch 6 andere an, abgesehen von denjenigen, die nicht dem Gebiete der Provinzen
Preussen und Posen, sowie des ehemaligen Polens angehören. Bei den angeführten
Steinen finde ich keine um zwei Füssen mit der Beigabe der Kreuzzeichen, nur
zwei mit zwei Fussspuren, einige mit nur einem Fus&c und einige mit anderen
Einmeisselunnen. Die letzteren wären wohl besser fortgeblieben. Die Zehen sind
nur bei dem Steine von Wilkowyja angedeutet. Uebrigens ist der Stein 1 mit der
Spur eines Fusses ans Wilkowyja bei Klecko, Prov. Posen, auf welchem der
heilige Adalbert predigte, oder doch Stein 7 mit einem Fusse (bei Bikupica bei
(77)
Klecko) doch wahrscheinlich einer derjenigen, die Hr. Jarz<?bowski erwähnt, ob-
schon hier noch von einem Pferdefuss die Rede ist Sie sollen ja sämmtlich auf
die Merkmale der Einmeisselung untersucht worden sein und dürften also nicht
auf Verwitterungs-Erscheinungen mit ihren oft Bonderbar gestalteten Figuren be-
ruhen, welche das Volk erst nach ihrer Auffindung mit seinen Sagen umsponnen
hat. Vielleicht hätte dabei auch manches Platz finden können aus meinen Stein-
sägen aus Westpreussen , wie ich sie bisher in 5 Nachträgen der Zeitschrift des
Historischen Vereins für den Reg.-Bez. Marienwerder niedergelegt halie. besonders
aber der Stein Bozastopka (1893, H. 31, S. 1 1 ff.) , der sogar mit ganz demselben
polnischen Namen urkundlich im Pommerellischen Urk. -Buche schon für 1281 als
Merkmal eines Grenzducts zwischen Gross- Dom matau und Schwetzin im Kreise
Putzig vorkommt. Vielleicht dürfte auch der Stein bei Xowahutta bei M irchau,
Kr. Carthaus, hierbei Platz finden. Um jedoch hiervon zu geschweigen, so greife
ich für eine nähere Betrachtung nur die zwei Fälle mit zwei Fussspuren heraus,
den von Wlosciejewki bei Xions in Posen (Stein 10) und den von Wongrowitz
in Posen (15). Bei dem letzteren ist nur von zwei Vertiefungen die Rede, von
einer runden und von einer viereckigen, welche nur die Sage ebenfalls als die
Fussspuren des heiligen Adalbert auffasst, der auf diesem Steine gepredigt habe.
Aus den noch dazu verschiedenen Formen der beiden Vertiefungen geht aber
hervor, dass dabei keineswegs an Fussspuren zu denken ist. Vielleicht haben
aber Abbröckelungen von einer ursprünglichen Fussgestalt beiderseits stattgefunden.
Sonst bietet ein volleres Analogon der erstere Stein dar, wo doch von wirklichen
Füssen in der Paarzahl zu sprechen ist, — freilich scheinbar mehr in der Hülle
von Schuhen oder mit der Unterlage von Sandalen, wogegen in meinem Falle sogar
die Zehen sichtbar sind, aber insofern noch mehr adäquat, als dort ebenfalls für
die einzelnen Füsse ein ungleiches Zahlenmaass festgestellt ist.
Dies ungleiche Zahlenmaass der zusammengehörigen Einzelfüsse ist sehr be-
merkenswerth und auch doppeldeutig. Der rechte Fuss ist immer etwas grösser.
Entweder war nehmlich der Meissel-Künstler, wenn man nicht den Ausdruck
Bildhauer gebrauchen will, sehr dumm, — er hat nur ungeschickt im Groben gear-
beitet (trotz der Andeutung der Zehen) und dennoch das Richtige getroffen, eben
aus Ungeschicklichkeit, wie man wohl in den beiden Fällen annehmen darf. Oder
er wusste um die Thatsache, dass beide Körperhälften, also auch beide Füsse,
wirklich häufig nicht gleich sind, und machte es bewusst so, wie der Bildhauer (un-
bekannt in Xamen und Zeit) bei der Venus von Milo im Louvre zu Paris, über
deren ungleiche Maasse es seiner Zeit zu einem grossen Streite und Hailoh unter
den Kunstkennern kam. Der competenteste Beurtbeiler dieser Frage wäre ausser
Arzt und Nachbildner, wie Bildhauer oder Maler, der Schuhmacher, ein Auf-
bildner, der über Tausende von Fällen dieser Art eine Art von Statistik auf-
genommen hat.
Wenn man Fussspurensteine als Grenzmarken auffasst, so beruht die Un-
gleichheil der Fussspuren, wenn zwei solche vorhanden, meist nur auf Unkenntniss
der Bildhauer-Kunstler. Wenn man sieh alsdann den (lang der Grenzfestsetzungen
vorstellt, so werden es doch nur gewöhnliche Arbeiter gewesen sein, die man zu
diesen Einmeisselungcn brauchte und die einfach mit dem Grenzanweiser oder mit
der Gommission mitgingt n oder von ihr später geschickt wurden.
Hinsichtlieh der Deutung der in Steine eingemeisscltcn Fussspuren bezeichnete
Prof. Luszczkiewicz einen wesentlichen Theil von ihnen als Austluss einer
religiösen Sitte, welche nach «lein schwedischen Kriege, also nach 1657, in Polen
sehr verbreitet war und nach eben jenem Herrn mit Muttergottes-Capellen in Ver-
(78)
bindung zu bringen ist. Wie weit ich selbst der obigen Ansicht gefolgt bin, ohne
darum gewusst zu haben, ist aus dem Vorigen ersichtlich. Nur wäre ich gegen
den weiteren Anhang wegen der Zeitbestimmung. Allerdings trägt mein Stein noch
die Kreuze als etwas ganz Significantes.
Kotlarzewski hält solche Steine, indem er Grimm's Ansichten theilt, für
Reichs-Grenzsteine. Das scheint mir aber nicht zutreffend, weil sie alsdann
häufiger an den Grenzen zu finden sein müssten, da sie doch als solche Steine
und als Steine von beträchtlicher Grösse seit kaum 125 Jahren etwa nicht ver-
schwunden sein könnten, oder in ihrem stillen Dasein von forschenden Menschen
schon längst hätten entdeckt sein müssen.
Przyborowski's Erklärung als Grenzsteine der inneren Eintheilung des
Landes (District, Kreis, weiter etwa, wie ich hinzusetze, Schlüssel, Wojwodschaft)
erscheint aus gleichem Grunde hinfällig; denn dabei wäre eine noch grössere
Häufigkeit der Steine Erforderniss; den Mangel dieser Häufigkeit hatte ich vorher
schon gegen mich selbst geltend gemacht, v. Dydyüski, Domherr und Probst aus
Klecko in Posen, soll zu beiden (welchen'.J) Erklärungen neigen, zumal da die
Grundidee gemeinschaftlich ist. Das wäre richtig, wenn es sich um die von
Luszczkiewicz angenommene religiöse Idee und um die staatliche Grenzidee
handelte. Dasselbe hob ich für sonstige Steinmeisselungen ebenfalls hervor.
Köhler hält die Theorie LuszczkiewTicz:s nicht für stichhaltig und die Mischung
der beiden Ideen (nach Dydyüski) für die wahrscheinlichste. Für meinen be-
kreuzten Tapfenstein muss ich selbst jedoch bei der im Vorhergehenden begründeten
Ansicht bleiben, welche die von Luszczkiewicz ist, soweit sie zeitlich nicht
eingeengt wird. Sonst hebe ich für mich hervor, dass der Fussspuren-Stein von
Wlosciejewki in der Wand einer Kirche eingemauert gefunden ist, also ebenfalls
religiösen Charakter zeigt, während für die staatliche Auffassung, die ja ebenfalls
gültig sein und bestehen bleiben soll, mein Fall Klecko, die Bozastopka (Gottes-
füsschen) des Pomm. Urk.- Buches und ein Spurenstein bei Mirchau zu sprechen
scheinen. Auch möchte ich immer noch eine Sitte in Gross-Polen von einem Brauche
hier getrennt halten. Wenn es aber Grenzsteine sein sollen, so waren sie es viel-
leicht nur für damalige kleinere und doch irgend einmal bestrittene und
private Bezirke, aber nicht zu jeder Zeit, noch auch in jeder Gegend. Anderer-
seits, wenn Einmeisselung nur als religiöser Brauch im Allgemeinen aufzufassen
ist, weshalb kommt denn ein solcher Stein nicht überall bei jeder alten Kirche
vor? Es wäre alsdann also wohl nicht an eine allgemeine Sitte, sondern an einen
nur jeweiligen Brauch zu denken, hervorgegangen aus der für Kirche und für
Staat gemeinschaftlichen Grundidee. Betrachten wir die Sache aus diesem Ge-
sichtspunkte, so könnte sich dann zu früherer Zeit irgend einmal selbst aus Gross-
Polen vielleiehi ein Beispiel irgend einer Art in einen cassubischen Kreis unserer
Provinz Westpreussen herübergerettet haben. Wir wissen leider zu wenig Local-
historisehes ;ms früheren Zeiten für unsere Provinz. Und wenn ich etwa dieser De-
duetion zu Liebe ein Phantasie-Gemälde für mich entrollen wollte, so könnte es
ja ein mächtiger Wojwode oder Palatin gewesen sein, der einen Privatbesitz oder
eine staatliche Tenute (leben länglich) innehatte, die vielfach umstritten und nach
langem Streite etwa durch Einigung festgelegt wurde, wobei ihm ein gelehrter
capellanus scriba die ihm aus Urkunden oder sonstiger Ueberlieferung bekannten
.Merkmale, als Besitzzeichen für den hohen Herrn, dem Steine einzufügen angerathen
hätte. Wenn für anbekreuzte Pussspuren-Steine, bezw. ihre Deutungen ein Theil
zugegeben and ein Theil gestrichen wird, wenn keine allgemeine und durchgängige
Erklärung feststeht, sondern selbige für die immerhin möglichen Einzelfälle um-
(79)
gewandelt wird, so wird auch, wenn ein solcher Fall zur Beurtbeilung kommt.
hierbei nicht mehr allgemeiner Streit herrschen auf dem Felde von Hypothese and
Phantasie.
[Jebrigens scheint es, als ob Prof. Luszczkiewicz von seiner ursprünglichen
Meinung abgewichen sei, namentlich insoweit er vorher die Pussspuren-Steine als
Artefakte der Zeit des Schweden-Krieges 1655 — 57 ansah. Denn, wie mir Hr.
Dr. Köhler berichtete, als in der Sitzung vom 21. Mai 1896 ihr Commission für die
Geschichte der Künste der Akademie der Wissenschaften in Krakau Hr. Dr. Feliks
Kopera eine Mittheilung über die im Mittelalter in Polen auf Steine ein-
gemeisselten Füsse machte und für West-Europa die Thatsache bestätigte, dass
dies im Mittelalter mit aller Wahrscheinlichkeit Grenzzeichen waren, die man im
17. Jahrhundert, zu einer Zeit, als sich schon Sagen an sie knüpften, im König-
reiche Polen an den Kirchen einmauerte, erwähnte Prof. Luszczkiewicz dabei
noch, dass sie stets in einer gewissen Höhe an den Kirchen eingemauert wurden,
damit das Volk sie leichter küssen könne, dass es aber stets Sohlen seien, nicht
aber Füsse mit der Form der Zehen zum Beispiel.
Als hierhergehörig erschiene dann auch, was Hr. Dr. Köhler im Weiteren
über die Bezeichnung der Grenzen in Polen sagt, was mit der früheren Auslassung
meist übereinstimmt und wegen des allgemeinen Interesses wohl wiederholt werden
darf. Wo man zu Pferde die Grenze bezeichnete, objazd, ujazd (Umfahren. Um-
reiten), meisselte man an gewissen Stellen ein Hufeisen in Steine; wo man da-
gegen zu Fuss die Grenze feststellte (opole, um das Feld, um die Mark), wurde
zum Zeichen die Fussspur im Steine eingehauen Die Namen Opole und
Ujazd haben sich in polnischen Ländern erhalten und es giebt Städte, wie Dörfer
dieses Namens. In den Urkunden des Posener Landes (Cod. dipl. maj. Polon..
Posen 1S77) finden wir sehr oft die Bezeichnung Opole, die aber schon im 12. Jahr-
hundert eine doppelte Bedeutung hat. Durch Opole bezeichnete man sowohl Theile
des Landes, wie Districte, Kreise, Vicinia, aber auch gleichzeitig eine Abgabe:
„A bove et vacca quod opolne dicitur." Von dieser Abgabe wurden manchmal
ganze Kreise befreit, oft auch Theile derselben. Dass die Grenzen bestimmt
wurden durch eine Transitio. dafür linden sieh in dvn Urkunden mehrere Belege.
Die Grenze wurde auch genau durch sichtbare Zeichen bestimmt; so heisst es:
per acervos, lapides ubi vidimus, und weiter: cumulos facientes et arbores signantes
(Cod. dipl. maj. Polon.. Nr. 26, 1867). Quocunque convicinitas vulgariter opole
transibit, sie debet perpetuo stare (Terr. Posnan. 1400, S. 55). Eine schriftliche
Urkunde dafür, dass man als Grenzzeichen Pussspuren oder Hufeisen in Steine
gemeisselt hat, besteht nicht. Auffallend -rosse Steine erfüllten jedoch den Ur-
kunden gemäss diesen Zweck, wie auch grosse Nägel oder Blechstücke als Zeichen
in (\vn Baum geschlagen oder auf denselben gehängt wurden. Der oben an-
gedeutete Stein von Bozejewice wird noch heute ujazd genannt. Dass man aber
solche Grenzsteine mit diesem Namen schon sehr früh belegte, dafür bürgt die
Notiz in Herb. Stat. 227. Es heisst an betreffender Stelle: Als Grenzmarken wurden
auffallende Zeichen gezeigt, welche njazdy genannt werden.
Hierzu mögen dann noch folgende Einzelnotizen Platz finden. Auch im localen
Gebiete des Pomm. Ürk.-Buches, welches die Zeil von 1 14t) — 1315 für Pommerellen
umfasst, hellen wir wenigstens auf den Namen Wohesde für ein Dorf bei Stolp,
auch Wobasdo, Obesda, Objazda, SO dass der darin versteckte Namen Objaz
leicht zu erkennen ist. Einmal kommt es unter den Dörfern vor. welche nebst
Zehnten, Kirchen und i apellen aus der Umgegend 1281 o. [\ u. O. durch H<
Mestwin von Pommei den in sein Land gekommenen Mönchi Ibuk ver-
(80)
liehen wurden (S. 285), und das andere Mal wird es genannt, als (1294, Mai 3.,
Gnesen) durch Jacob, Erzbischof von Gnesen, dem Nonnen-Kloster zu Stolp die
obige Schenkung unter Zufügung von anderen Dorfzehnten bestätigt wird (S. 455).
Opole dagegen findet sich nicht als Ortsname, sondern als allgemeine Bezeichnung
für Districts -Verbände, besonders für die daraus resultirenden Dienstleistungen,
bezw. für Befreiung davon, also ganz in demselben Sinne, wie bei Köhler in
zweiter Bedeutung. Ich unterdrücke die genauere Herzählung von 15 dazu ge-
hörigen Beispielen, bemerke übrigens, dass nach derselben Quelle (S. 299, Urk. 339
von 1282, Juni 29., o. 0., wo Herzog Mestwin die Dotation seines Vaters Swanto-
polk für die St. Stanislaus-Kirche in Garde erneuert), ein lapis metam possidens
vorkommt.
Oft genug werden in jener Quelle Steine, lapides, als Grenz-Bezeichnungen er-
wähnt, aber, soviel ich bei mangelnder Angabe im Index ersehen kann, nur dies eine
Mal ein lapis metam possidens. Daraus mag ersichtlich sein, dass die Grenzsteine
als solche nicht immer Male oder Zeichen erhalten. Jedenfalls müsste dieser Stein
auf der Strecke von Stolp bis Garde wohl noch aufzufinden sein und dann könnte ja
festgestellt werden, ob er ebenfalls Fuss oder Püsse oder Hufeisen als Meta ein-
gemeisselt empfing. Zahlreich kommen in jener Quelle Grenz - Setzungen und
-Messungen vor. Die Herausschälung der für unsere Sache passenden Momente
bedeutete aber eine eigene Arbeit. Ganz besonders häufig kommt als distinctor
ein Castellan Stibor von Putzig vor. Nach ihm mag auch im Kreise Neustadt
ein Stibur-See genannt sein, ein Name, der, wenn er auch durch Volks-Etymologie
zu Steh-bur (stehe, Bauer!) umgemodelt und mit einer Reihe von Sagen aus-
geschmückt wird, dennoch wohl nach meiner Conjectur, wie ich sie des Breiteren
in der Danziger Zeitung (Beil. 19 950) vom 28. Januar 1893 ausführte, schon des-
halb auf jenen besonders häufig als Feld- und Grenzmesser und -Setzer genannten
Castellan Stibor von Putzig zurückzuführen wäre, weil es dort nirgends ein Dorf
gleichen oder ähnlichen Namens giebt, nach welchem der isolirt liegende See, wie
es sonst zu geschehen pflegt, seinen Namen hätte erhalten haben können.
Schliesslich sei noch zur Warnung vor einem Irrthume bemerkt, dass, wollte
man etwa die polnischen Familien-Namen Ujazdowski und Opolski von jener
Thätigkeit ableiten, wie es sich darbieten möchte, dies dennoch falsch wäre.
Diese Namen bezeichnen vielmehr die Herren (Sitzer, dziedzic, Besitzung, Herr,
pan) von üjazd und von Opole; die Beamten der Grenz-Regulirung miissten als
ümreiter und Umgeher vielmehr, wie es die polnische Sprache und Grammatik
verlangen, als ujezdnik und als opolnik bezeichnet werden. —
(26) Hr. A. Treichel überschickt folgenden Nachtrag:
Vom Geheinigeinacli.
Auch in Betreff dieses Gegenstandes, den ich nur kurz erwähnte, habe ich
in anderer Gegend die Geister wachgerufen, und gewiss weiden sich dergleichen
Abnormitäten an noch anderen Oertlichkeiten vorlinden, namentlich da, wo, wie be-
sonders im mittleren und im südlichen Deutschland, zumal bei älterer Bauart
die Häuser sich von dem unteren Stockwerke nach oben zu vergrössern, be-
nimmt jedoch im zweiten Stockwerke, woselbst durch solchen l'eberhang ge-
wissermaassen von seihst die zu der vorliegenden Sache oöthigen Vorbedingungen
gegeben sind. Solche Bauart Bei mir schon im alten Stadtviertel von Frankfurt a. M.
auf. Aus Kreuznach an der Nahe schickte mir Hr. Oberlehrer L. Geisen-
heyner, unter Beifügung von zwei artistischen Beigaben in der jetzt so be-
(81)
liebten Manier von Ansichtskarten, die Lichtdruck- Wiedergabe ron zwei „Pfeiler-
häu8chena auf der Brücke über die Nahe. Während das eine Häuschen seit
einem Jahre bereits ausser Betrieb stellt, ist das andere, wenn auch für's Auge
von vorn überkleistert, noch im Betriebe und ein markanter Beweis dafür, dass
in der Badestadt Kreuznach dergleichen Geheimgemächer nicht geheim sind. 80
sollen dort auch noch mehrere öffentliche Gemächer Bein, bei welchen die Er-
gebnisse der in ihnen entfalteten Thätigkeit, nach der Reise durch die Luft, zu
Wasser werden, so dass, fügt mein Gewährsmann bedeutungsoll hinzu, die Fische
der Nahe recht fett seien.
Im Anzeiger des germanischen National -Museums für 1896 (Mittheil. S. 96)
finde ich eine hierhergehörige Vermerkung über Albr. Dürer' s Yerhältniss za dem
Rathe seiner Vaterstadt, einen recht bezeichnenden Rathserlass aus dem letzten
Lebensjahre des Meisters, wiedergegeben aus dem Rathsprotokolle von Nürnberg
für 1527 (G. II, Bl. 33b): „Tercia 18. Junj 1527: Albrecht Durern sagen man sey
Ime mit guetem willen geneigt, aber seyns heymlichen gemache halb könn man
es nit anders gegen Ime halten dann andern. — Aber so pald er die straff ent-
richte sol man Ime dj widergeben. — Burgermeister Junior."
Ein kürzlich erschienenes, schätzbares Urkundenbuch für das Jahrzehnt 1399 bis
1409 unserer Provinz zur Deutschordens-Zeit, das Marienburger Tresslerbuch von
Dr. Joachim, welches in der kurzen Aufzählung von Ausgaben-Posten dennoch ein
Bild der Cultur jener Zeit giebt, führt ebenfalls das Geheimgemach auf, und zwar
unter dem Namen Danczk, so dass es scheint, diese Bezeichnung verdanke ihren
Ursprung wohl einer zuerst in Danzig vorkommenden Neuerung in Betreff der vor-
liegenden Sache. Da wird 1408, 3. Mai, angemerkt (S. 455), an Ausgabe: „Item
61 , m. 2 fcot dem fmede vor 20 sloffe und vor vorzenete (verzinnte? nagil zu
thorbanden vor thorbande zu den heymelychen gemach und vor hengil (Thüran^el,
eiserne Haken) zu den balken zu den heymelychen gemachen.- Dies betrifft
Grebyn, ein Dorf bei Danzig, früher Ordenshof. Ferner 1408, _-. Juni (S. 489):
„Item 1 fird. Fösen dem muwerer gegeben zerunge, als her ken Kysehaw revt,
am frytage vor Johannis Baptiste, als her dye danczke muwern folde." Kisch'au
(Schloss-) ist ein Dorf im Kreise Berent, früher Sattelhof (1 Ritter und 1 Knappe)
des Deutschordens. Man sieht hier die gleiche Geltung der beiden Worte, die vor-
kommen. Für solche Urkunden ist der Ausdruck Danczk dann wohl mit Vorsicht
zu lesen, da er doch auch die Stadt selbst bezeichnet. Derselbe Ort kommt noch
öfters vor. Schon vorher (1408, 1'.». Sept., S. 454) war folgende Ausgabe geleistet:
„Item 4 m. Fösen dem muwerer of rechenfchaft, als her /.u Kyfchaw dy danczk
solde muwern, item 4 m. Nielas Hollani dem zymmennanne of rechenfchaft [..im
Voraus, zur späteren Berechnung"] of die beymlichkeit zu Kysschow am hole zu
machen, am sontage nach Bartholoroei" [letzterer für 1408: 2t». AugustJ. Also, als
der Maurer mit seiner Arbeit fertig war, kam der Zimmermann heran.
Debrigcns wird nach Frischbier's Preuss. Wörterbuche Mühling] S. 414
der Abtritt auch mit dem wahrscheinlich onomatopoetischen Namen Trünz be-
zeichnet —
Nachtrag: Aus dem „Danzig" von Danzig hat sieh eine Mähr gebildet, welche
in „ Wanderungen durch Westpreussen", XI. Dana. Ztg. 22304 vom 6 Decembei
1. Beilage) genügend als solche gekennzeichnet und in ihrem Ursprünge auf-
ckt wird, wobei Verfass r auch auf das bekannte Institut des l>.i
klärend zu sprechen kommt Daher kann ich nur den ganzen betreffend! o Passus
hierhersetzen. „Mit dem Dominiksmarkte, welcher mit jedem Jahre mehr zu ver-
blassen beginnt, und äsen vielbesuchte .Lange Buden- von jetzt ab durch das
Verhaodl. der Berl. Antiu ;■ i. Gesellschaft .■
(82)
jüngste Kind moderner Cultur, die elektrische Bahn, ebenfalls von ihrer alt-
gewohnten Stätte verdrängt sind, schwindet ein Stück eigenartigen Danziger Lebens,
mit Sagen und Anekdoten aller Art reichlich verziert. So wird auch heute noch
fest und steif die Erzählung von einem feindlichen Ueberfalle geglaubt, der für
alle Fremden das Verbot eines mehr als dreitägigen Aufenthaltes nach sich ge-
zogen haben soll. Wenn man nur wüsste, durch welche schnurrige Verwechselung
diese Sage entstanden ist! Kennt der Leser vielleicht das, was man einen „Danzig"
oder „Danziger" nennt'.-1 In Ostpreussen kehrt diese Bezeichnung bei Schlössern,
klösterlichen Anlagen und grösseren Wohngebäuden häufig wieder, auch in West-
preussen findet man sie z. B. in Marienburg, Marienwerder und anderen Städten,
nur in Danzig selbst ist sie ziemlich unbekannt. Man bezeichnet hiermit einen
mit dem Haupthause nur durch einen überführenden Gang verbundenen Anbau
(für Zwecke bestimmt, welche man gern den Blicken entzog). Um sich einen
Begriff von einem solchen „Danzig" zu machen, betrachte man den eigenthümlichen
Bau des ehemaligen Patricier-Hauses, der jetzigen Erziehungs-Anstalt Tempelburg
bei Emaus, welcher seine erste Anlage beibehalten hat, obgleich die Verwendung
der einzelnen Bäume nicht mehr die ursprüngliche ist. — Nun erzählt ein alter
Schriftsteller, dass die Littauer einst bei einem Angriffe auf die ostpreussisehe
Ordensfeste Johannesburg den „Danzig" erstürmt hätten; ein polnischer Schrift-
steller miss versteht die Sache und macht daraus eine Erstürmung der Stadt Danzig.
Diese Nachricht wurde mit der eines Thorner Annalisten, dass die Danziger um
die Dominikszeit einmal eine Niederlage erlitten hatten, zu einem einzigen Ercigniss
zusammengeschweisst, und so hat sich zugleich mit dem Ordens-Privileg für den
Dominiksmarkt jene Sage entwickelt, welche noch heute um so fester geglaubt
wird, als unser Landsmann, der sonst achtbare Gerichtsschreiber Caspar Schütz.
sie in breiter Behaglichkeit nacherzählt, Mag sie immerhin weiter bestehen, sie
wird den Dominiksmarkt selbst vielleicht noch überleben!'" —
(27) Neu eingegangene Schriften:
1. Saville, M. H., The Temple of Tepoztlan, Mexico. New York 1896. (Bull.
Mus. of Natur. Hist.) Gesch. d. Verf.
2. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. i. und 3. Liefer. Leipzig ls<»6 :i7.
' resch. d. Verf.
3. Schm du. J. D. E., Ethnographische Musea in Midden-Europa. Leiden 18! »6.
esch. d. Verf.
1. KTiederle, 1... O püvodu Slovanü. v Praze 1896. Gesch. d. Verf.
5. The i._ Itesearch Account. Report of thc second year. London 1896.
h. durch Hrn. Flinders Petrie.
6; Bampel, •).. A Bronzkor emlekei Magyarhonban. 111. Resz: Budapest 1896.
• lesch. d. Verf.
7. Sijthoff, A. W. gue d'Estampes Japonaises. Leyden, o. J. Gesch. d. Verf.
8. Kaschetzin, L., Die Erkenntniss des Buddhismus and des Christenthunis
vom Standpunkte des reinen Pessimismus. Leipzig, o. J. (Russisch.)
Gesch. d. Verf.
Beri < - 1 * t i gung:
„ , ,, ,Dft_ | 8.25 Lies Dr. fiaecke statt Ranke.
\ filiaiull. IS'Ji i • i i , ■ T i ll -n -l
I .. •-! .. iclrian Jacobson statt Lmil.
Sitzung vom 20. Februar 1897.
Vorsitzender: Hr. II. Yircliow.
(1) Als Gast anwesend Nr. Hauptmann Güssfeldt. —
(2) Der Ausschuss hat in seiner Sitzung vom IG. Januar Hrn. Lissauer
/um Ohmann gewählt. —
Nachdem Br. \. Beyden die Wahl in den Ausschuss nicht angenommen hat.
ist in der Sitzung rom 12. Februar Hr. Dam es in denselben cooptirt worden. Der-
selbe hat die Wahl angenommen. —
(3) Die Gesellschaft hat folgende Mitglieder durch den Tod verloren:
Ludwig Kärnbach aus Ratio bei Posen, 33 Jahre alt, in Deutsch-Neuguinea.
am 1. December, nach Erkrankuni; der Milz und Leber. —
Ludwig Heimann, Redacteur der Zeitschrift für Versicherungswesen, der sich
früher an den Discussionen über Acclimatisation eifrig' betheiligte, am 16. Februar. —
Commerzienrath Arons, eines unserer ältesten Mitglieder. -
Emil Eyrich, Porträtmaler, am 31. Januar.
Der Vorsitzende widmet dem Letzteren Worte dankbarer Anerkennung:
Hr. Eyrich hat während einer langen Reihe von Jahren ihn in treuester, hin-
gebender Weise unterstützt. Der verstorbene Zeichenlehrer Dworzaczek, der früher
für ihn gearbeitet und in der .Methode der zeichnerischen Darstellung anthro-
pologischer Objecte die Wege gebahnt hat. lenkte, als er selbst durch seine Amts-
tätigkeit behindert wurde, die Aufmerksamkeit des Vorsitzenden auf Eyrich. Du ser
trat sofort eifrig in die ihm angebotene Stellung ein; er brachte ausser der technischen
Vorbereitung ein wirkliches Interesse an anthropologischen und archäologischen
Gegenständen mit. Seine Bescheidenheit und sein schnell wachsendes Verständniss
erleichterte nicht bloss ein schnelles Fortarbeiten in der hergebrachten V
sondern auch die Vertiefung in die Aufgaben des darstellenden Künstlers und die
fortschreitende Verbesserung der Methode. Insbesondere ermöglichte sein guter
Wille und seine Sorgfalt in der Wiedergabe auch des kleinen Details jene Voll-
endung in der Schädel- Zeichnung, welche seine Arbeiten weit über die Leiste
der meisten anderen Zeichner emporhob. Der Vorsitzende erinnert an die von
ihm hergestellten Tafeln zu den Crania Americana ethnica, welche allgemeii _ -
schätzt und als Muster betrachtet werden. Bei den archäologischen Objecten ent-
wickelte er ein Ungewöhnliches Talent und eine noch viel mehr hewundernsuerthe
Geduld in der Zusammenfügung auch der kleinsten Bruchstücke zu anschaulichen
Gesammtbildern, wofür die Tafeln über die kaukasischen Gürtelbleche als ruhm-
volles Beispiel angeführt werden können. Seme Ausdauer in der Arbeil
sich auch in der Aufei jung jener zahllosen Textlimiren und vieler Tafeln,
welche für die Verhandlungen anserer Gesellschaft und für die Zeitschrift für
(84)
Ethnologie als Illustrationen veröffentlicht worden sind. Es genügt, auf die be-
treffenden Publicationen hinzuweisen, um die Grösse des Verlustes anschaulich
zu machen, welchen wir durch seinen Tod erlitten haben. Ein schweres Herz-
leiden mit allen seinen qualvollen Folgezuständen führte nach langen schweren
Leiden das Ende herbei, aber sein Eifer war so gross, dass er es sich nicht
nehmen liess, noch auf dem Krankenlager fortzuarbeiten. Die letzten Zeichnungen
lieferte er wenige Tage vor dem Erlöschen seiner Herzkraft ab. Man darf sagen,
dass er als ein unermüdeter Arbeiter auf dem Felde seiner Thätigkeit dahingerafft
ist. Wir Alle werden ihm ein dankbares und voll anerkennendes Gedächtniss be-
wahren. —
(4) Wir erfahren den Tod des wackeren Kubary, der auf Yap, seiner zweiten,
mikronesischen Heimath, nach so vielen Arbeiten und Enttäuschungen dahin-
geschieden ist. Er war einer der Pioniere, welche Caesar Godeffroy im Beginn
seiner colonialen Handelsunternehmungen in die ferne Inselwelt hinausgeschickt
hatte; von ihm stammt eine grosse Anzahl ethnographischer, anthropologischer und
naturwissenschaftlicher Objecte, die jetzt in vielen europäischen Museen als be-
sonders werthvolle Schätze aufbewahrt werden. Auch wir besitzen von ihm eine
Sammlung mikronesischer Schädel, über welche Hr. Virchow seiner Zeit in den
Akademie-Berichten gehandelt hat. Mehrere wichtige Abhandlungen, insbesondere
die über die Palaus, sind durch unsere Museums-Verwaltung veröffentlicht worden. —
Am 13. Februar ist zu Lübbenau einer unserer treuesten Freunde, Traugott
Hirschberger, im Alter von fast 86 Jahren gestorben, nachdem er noch bis in
seine letzten Tage für unsere Interessen thätig gewesen war. Er war der beste
Kenner des Spreewaldes, und als solcher hat er uns nicht bloss als Führer, sondern
auch ganz besonders als Alterthumsforscher zahlreiche und höchst werthvolle
Dienste geleistet. Er hat die Gräberfelder von Zirkwitz und Ragow in den Kreis
unserer Forschungen eingereiht, ihm verdanken wir die Hinweisung auf den
Batzlin und mehrere der wichtigsten Burgwälle. Von seinen grossen und dauernden
Verdiensten für das gewerbliche Unterrichtswesen und andere communale Ein-
richtungen in seiner Stadt, von seiner patriotischen Hingebung im öffentlichen
Dienst ist hier nicht der Platz, ausführlich zu berichten. Er war ein ganzer Mann
mit selbständiger und zielbewusster Thätigkeit, der uns stets fehlen wird, wo es
gilt, kräftig einzugreifen. Seine letzten Briefe betrafen die uns noch beschäftigende
Angelegenheit des Schlossberges von Burg, insbesondere die Erhaltung dieser ehr-
würdigen Anlage. —
In Oldenburg ist am 29. Januar der langjährige Director des Grossherzog-
lichen Museums, C. F. Wiepken, im 82. Lebensjahre gestorben. Es sind schon
mehrere Jahre her. seitdem wir ihn zu einem Jubeltage durch eine Adresse be-
grüssten. Unter seiner Leitung ist das Oldenburger Museum aus kleinen Anfängen
zu einer schönen, vaterländischen Anstalt entwickelt worden. Dabei fand er noch
Zeit, die Vögel und Käfer des Herzogthums in besonderen Werken zu schildern. —
Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Turin hat am 7. Februar ihr
berühmtes Mitglied, den Senator Galileo Ferraris verloren. —
(5) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. med. Ludwig Dittmer in Berlin.
„ Oberbürgermeister a. 1). Dr. Gustav Brecht in Quedlinburg.
„ Kammcrgerichts-Ass. isor Dr. Herz in Berlin.
Hr. Baron Moritz v. Leonhardi in Gross -Karben im (iiossherzogthuni
Hessen.
„ Dr. Biermann in Zollhaus, Nassau.
(*>) Hr. A. Bastian, der nach einem Briefe an Hrn. M. Bartels ron seiner
Reise nach der Insel Lombok nach l!ata\ia zurückgekehrt ist, befindet sich im besten
Wohlsein. Er hat um eine, Verlängerung seines Urlaubes nachgesucht. —
(7) Das correspondirende Mitglied Hr. Serrurier zei-t in einem Briefe aus
Batavia vom 1. October an, dass er in Folge der Ablehnung eines neuen Gebäudes
für das ethnographische National -Museum in Leiden durch die gesetzgebende
Kammer seine Demission als Director des dortigen Museums gegeben bat. —
(8) In Dresden hat sich unter dem Vorsitze des Herzogs Johann Albrechi
von Meklenburg ein Comite gebildet, um dem am 26. Juni 1889 zu Dabari (Ndali)
im Hinterlande von Togo am Tropenfieber gestorbenen Dr. Ludwig Wolf in Loma
an der deutschen Togo-Küste einen Gedenkstein zu setzen, unter dem spater die
Gebeine des Verstorbenen beigesetzt werden sollen. Das Denkmal soll zugleich
den Mitgliedern der damaligen Expedition, Hauptmann Kling und Schiffszimmer-
mann Bugslag, gewidmet werden. Das Comite hat unter dem 1. September 1896
einen Aufruf zu Geldbeiträgen erlassen.
Der Vorsitzende macht Mittheilung von demselben und erinnert daran, dass
Dr. Wolf bis zu seinem Tode von allen seinen Forschungsreisen im Congo- und
Togo- Gebiete unserer Gesellschaft mustergültige wissenschaftliche Berichte ein-
gesendet hat, die in unserer Zeitschrift veröffentlicht sind; auch die Ergebnisse
seiner Sammlungen sind vorzugsweise hierher gelangt und zählen zu den Zierden
unserer Anstalten.
Eine Zeichnungsliste wird aufgelegt. Die Erträge werden an das Bureau der
deutschen Colonial-Gesellschaft hicrselbst (W. Potsdamerstrasse 22a) abgeliefert
werden. —
(!•) Ein Comite fordert unter dem 20. Januar 1897 zur Errichtung eines
deutschen Colonial-Museums in Berlin und zur Betheiligung an einer
Actien-Gesellschaft auf. —
(10) Das Orient-Comite in Berlin hat in einer Sitzung vom 24. Januar d. J.
über seine Auflösung berathen. Sollte dieselbe eintreten, so würde eine Vereinigung
thatkräftiger Männer, die für die Orient -Forschung grosse Anstrengungen gemacht
und, namentlich in Sendschirli. schöne Triumphe errungen hat. aus dem öffent-
lichen Leben ausscheiden. —
(11) Die Königliche Akademie der Wissenschaften hat den ersten Preis der
von dem Herzog de Loubat errichteten Stiftung für amerikanistische
Studien Hrn. Ed. Seier für seine Publicaüon der von Alexander v. Humboldt
geretteten mexikanischen Bilder-Handschriften ertheilt —
(12) Hr. Rud. Yirchnu berichtet über die
Gründung eines Landesvereins für sächsische Volkskunde.
Am letzten Sonntag l ' Februar) betheiligte ich mich, einer gütigen Ein-
ladung entsprechend, an • iner grossen Versammlung von Männern aus allen Theilen
Sachsens, welche in Dn len zusammentrat. Der Beschluss, sich zu einem Landes-
(8(5)
verein zusammenzuschliessen, wurde mit Begeisterung geftisst. Eine recht hübsche
Ausstellung von Hausmodellen, Trachtenbildern u. A. gab auch dem Neulinge Ge-
legenheit, sich ein Bild von den Strebungen des Vereins zu verschaffen. Letzterer
hat sich alsbald unter dem Vorsitze des Generals Freiherrn v. Friesen constituirt
und fordert zum Beitritt auf. Jahres-Beitrag 1 Mk. 50 Pfg. —
(13) Es wird beschlossen, für die zweite Serie» der Verhandlungen (Jahr-
gang 1889 — 1899) wiederum ein General-Register ausarbeiten zu lassen. —
(14) Die Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die gesammten
Naturwissenschaften hat in ihren Neuen Denkschriften, Bd. XXXV, eine vor-
trefflich ausgestattete Abhandlung des Hrn. Jakob Nüesch über
das Schweizersbild bei Schaffhausen
veröffentlicht, welche in ausführlicher Weise sowohl die territorialen Verhältnisse,
als namentlich die anthropologischen, zoologischen und archäologischen Funde be-
handelt.
Hr. Nüesch bemerkt in einem Briefe an Hrn. Virchow darüber Folgendes:
„Durch das Zusammenwirken der sämmtlichen Betheiligten war es möglich:
a) die Aufeinanderfolge einer Tundren-, Steppen-, und Waldfauna in einer
Vollständigkeit zu constatiren, wie eine solche von keinem anderen Orte
aus der Pleistocänzeit bis jetzt bekannt ist;
b) alle diese Faunen als postglacial und damit postglaciale Klimaschwankungen
zu erweisen;
c) die Gleichzeitigkeit der Existenz des paläolithischen Menschen mit den
beiden älteren dieser postglacialen Faunen festzustellen :
d) aus der neolithischen Zeit zum eisten Male eine ansehnliche Begräbniss-
stätte der waldbewohnenden Neolithiker, einer älteren Bevölkerung, als
die eigentlichen Pfahlbauer der schweizerischen Seen, sowie
e) eine bisher in Europa aus der neolithischen Zeit noch nicht bekannte
menschliche Rasse von kleinem Wuchs, Pygmäen, nachzuweisen:
f) eine klare Aufeinanderfolge der Schichten am Schweizersbild zu erkennen,
welche ermöglichte, auch über das absolute, nicht blos relative Alter der
Niederlassung (etwa 28000 Jahre) und der einzelnen Schichten annähernde
Zahlenwerthe anzugeben, und
g) in den übereinander liegenden Schichten eine Folge der verschiedenen
Cultur-Epochen und die Dauer derselben zu constatiren, und /.war dauerte
- wenn die neolithische Zeit 4000 Jahre hinter uns liegt — :
die paläolithische Zeit mit der Tundren- und Steppenfauna: 8000 Jahre;
du Zwi chenzeit zwischen der älteren und jüngeren Steinzeit: 12000
Jahre (!);
dir Pfahlbauzeit, bezw. die ganze neolithische Zeit: 1000 Jahre und
dir historische, Bronze-, Kupfer- und Eisenzeit: -KHK) Jahre.
„Sollten weniger als 1000 Jahre seit der neolithischen Zeil verflossen sein, so
reduciren diese Zahlen iü>- dir einzelnen Epochen sieh entsprechend; wenn sie
auch keinen Anspruch auf absolute Sicherheit machen können, so ist es doch
interessant zu ersehen, dasa seit dem ersten Erscheinen des Menschen am Schweizers-
bild und seit der letzten Eiszeit nicht Hunderttausende von Jahren verflossen sind,
wie bisher angenommen wurde und dass zwischen der ältesten und der jüngeren
Steinzeit ein bisher nioht geahnter, mächtiger Zeitraum i i< •_: t . der mindeste!
ist, wie die historische und oeolithische Zeil zusammengenommen. —
„Wenn es gelungen ist, ein möglichst vollständiges Bild von der Niederlassung
am Schweizersbild, sowohl in paläontologischer, geologischer, mineralogischer und
anthropologischer Hinsicht, als auch in culturgeschichtlicher Beziehung zn geben,
so ist der Erfolg wühl in erster Linie der grossen Bereitwilligkeil zu verdanken,
mit welcher die verehrten Herren Mitarbeiter ihre reichen Kenntnisse in den
Diensl der Wissenschaft stellten und die Bearbeitung specieller Funde tibernahmen;
als Grundlage der Forschungen dienten die methodischen Ausgrabungen der Nieder-
lassung. Das Werk sucht eine Lücke m der Geschichte der Schweiz und Mittel-
europas auszufüllen: J «> h - v. Müller hat die Schweizergeschichte in historischen
Zeiten beschrieben; Keller in Zürich hat durch seine Berichte in den 60er und
70er Jahren über die Pfahlbauten die oeolithische Zeit desselben Landes enthüllt;
das vorliegende Werk versucht ein Bild desselben Landes in der paläolithischen Zeit
zu entrollen." —
(15) Hr. C. Kohl übersendet neue Mittheilungen über römische und oeo-
lithische Grübet leider bei Worms. Dieselben werden für die ..Nachrichten
über deutsche Alterthumsfunde" benutzt werden. —
(H>) Hr. Rud. Virchow legt die ihm von dem Verfasser. Sanitätsrath
Dr. Schneidet'. Director des Land-Krankenhauses in Fulda, übersendete Schrift:
„Di,- Milseburg, die Perle der ahön" Fulda 1892) vor.
In der Sitzung vom 9. Juli 1870 habe ich der Gesellschaft über einen Besuch
der Milseburg berichtet (Verhandl. II. S. 467). Ich war damals mit einer grösseren
Untersuchung über die deutschen Brand- und Steinwälle beschäftigt, und es
interessirte mich, in dem bis dahin recht wenig erforschten Gebiete der Rhön einen
Ringwall zu vergleichen, von dem mir Kunde geworden war. Das Ergebnis«
meiner Betrachtung fasste ich in dem Satze zusammen: „Ich bezweifle nicht, dass
es sich um eine Einschliessung handelt, die zu bestimmten /.werken der Zuflucht
oder der Andachtsübung hat dienen sollen." Brandspuren nahm ich nirgends wahr.
Hr. Sehneider berührt in seiner Schrift diesen Etingwall nur beiläufig.
Er sagt S. 40): „Zum Abstieg empfehlen wir den Wallpfad und von diesem
ab den (hing' über die grünen Matten, welche von dm Besitzern mit dem ab-
gefallenen Geröll eingefasst sind.- In einem Briefe vom 19. Januar d. J. schreibt
er mir jetzt: „Diese Gerölleinfassung hat sich nun als prähistorischer Wall
entpuppt; Sachverständige der Limes -Forscher Prof. Wolff in Frankfurt a. M.
und Bau-Inspector Mais in Cöln haben dies unzweifelhaft festgestellt." Diese
Bestätigung meiner Ansicht ist mir natürlich -ehr angenehm und sie hat wissen-
schaftlich grosse Bedeutung. Immerhin wäre es sehr em anseht, wenn Hr. Seh □ eider.
wie er es in Aussieht stellt, eine genauere Durchforschung der Felsspitze und ihrer
Umwallung vornehmen wollte. —
17 Hr. H. Schumann in Löcknitz berichtet in einem Briefe vom I.Februar
über ein Steinzeitgrab von Hetzin in Pommern. Die Mittheilung ist in den
„Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde", Jahrg. 1896, S. 95 veröffentlicht. —
l- Hr. A. Götze hat einen Bericht eingesendet über Bra r der
Völkerwauderungs it von Messdorf, Kreis Osterberg. Ders e ist in
den „Nachrichten- 189 1 S. 1 gedruckt. —
(88)
(19) Hr. Mehlis überschickt einen Bericht über die Aufgrabung einer
römischen Villa auf dem Weilberge bei Ungstein, Rheinpfalz. Der-
selbe ist in den „Nachrichten" 1897, S. 11 gedruckt. —
(20) Hr. Premier- Lieutenant Schmidt übersendet aus Graudenz, 16. und
17. November 1896 und 6. Februar 1897, Berichte über
1. zwei Hügelgräber bei Schlagenthin, Kreis Tuchel,
2. eine Steinkiste bei Klein-Kensau, Kreis Tuchel,
:<. einige urgeschichtliche, wahrscheinlich neolithische Fundstellen in der
Umgegend von Graudenz.
Dieselben werden in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" ver-
öffentlicht werden. —
(21) Hr. B. Fränkel schickt 3 Photographien von Männern aus Samoa mit
Elephantiasis scroti. —
(22) Hr. Baron v. Korff schenkt photographische Abbildungen von
Port Darwin, Australien, und einen Australier-Schädel. —
(23) Hr. F. W. K. Müller übersendet einige
Anmerkungen zu Bartels -Ploss: ..das Weib" (4. Aufl.).
Zu I, S. 84:
Fig. 29 ist bezeichnet als „junge Japanerin, nach einem japanischen Holz-
schnitte". Das Bild stammt allerdings aus einem japanischen Werke1), stellt
aber eine chinesische Hofdame des Mittelalters dar. Das betreffende Werk ent-
hält eine kleine Auswahl von chinesischen Gedichten aus der Tang-Zeit mit
Illustrationen und japanischem Commentar. Zu einem Klagegedicht, das einer
Hofdame in den Mund gelegt wird, bildet nun Fig. 29 die Illustration.
Zu I, S. 120:
Die in Fig. 53 dargestellten drei Frauen sind wohl Chinesinnen, aber keine
„vornehmen" (eher wohl Halbwelt-Damen aus Ainoy, nach mündlicher Mittheilung
von Prof. G. Schlegel).
Zu I, S. 295:
Statt „gekke" lies: gekkei (ausgesprochen wie gekke).
„ „mengori, megori" lies: meguri (in Tokio ausgesprochen wie menguri).
„geschinu lies: gesshin.
„ „jakh" lies: yaku.
Hepburn s. v. menses hat noch: tsuki no mono (= das Monatliche), sawari
(= Hinderniss. Unterbrechung, Krankheit), keisui, keikö, tsukiyaku.
Zu I, S. 317:
Statt „shimokase" lies: shimokaze.
„ „kama" lies: koma.
Zu I, S. 507 f.:
Die Unfruchtbarkeil der Frauen zu erkennen, ist in dem Werke „Eitai dai
zassho banreki dai sei w - > |>. 244 u. 245 eine Reihe körperlicher Merkmale genannt.
1) Im Besitze de* Um. Bartels and von ihm l'reundlicb^t behufs Einsichtnahme zur
Veri'ii^uiitf postrllt.
2) Eine Encyklopädie der Wahl agel inst. Fig. 192 isl demselben Werke p. 78l> ent-
dommen.
(89)
Die darauf bezüglichen Auszüge wurden dem Herrn Eieransgeber bereits über-
geben.
Zu 1. s. U2:
Die japanischen Oourtisanen werden a. A. auch keisei genannt. In seiner
soeben erschienenen „Bibliotheque japonaise" p. 285 erklärt Hr. Serrnrier diesen
Ausdruck als ..citadclles deversentea «tu fragiles". Keisei ist aber die japanische
Aussprache der chinesischen [deogramme k'ing-c*eng (ch'ing-ch'eng). Letzteres
ist eine uralte .Metapher der Chinesen zur Bezeichnung der Frauen-Schön-
heit und doi- Gefährlichkeit dieser Schönheit. Vergl. Mayere „Chinese
reader's manual" p. 99: ftjj \M\ fjj'j i{j£ King kwoh King ch'eng -- „the
ranquisher of states and cities, — a hyperbole derived in part from the Bhe
king Hence met. for the power of female loveliness". Vergl. ferner
öiles, „Chinese dictionary" p. 230:
- Ig m t&
# is n n
„one glance would upset a city, a second would upset a State - so beautiful
is she. 'Unis sung Li Yen-nien Jim 2. Jahrhundert vor Chr.] about his sister,
the favourite coneubine of Wu-Ti of the Han dynasty."
Derartige im Japanischen ganz, geläufige und viel gebrauchte Ausdrücke haben
oft ein recht ehrwürdiges Alter aufzuweisen. Ein anderes Beispiel ist das „japanische"
Sprüchwort: ..i no naka no kairu daikai wo shirazual) = der Frosch im Brunnen
weiss nichts vom Weltmeer.
Ein Folklorist, der in Japan dieses Sprüchwort aus dem Volksmunde auf-
zeichnet, dürfte wohl kaum ahnen, dass dieses Spruch wort, wie manches andere,
erst durch die Leetüre der chinesischen Classiker in Japan Heimathrecht ge-
wonnen hat und schon aus dem 1. Jahrhundert vor Chr. stammt. Der bekannte
japanische Gelehrte Kaibara Yoshifuru J| Jj^ föf- "^f [lebte 1663—1700]
hat in seinen „Kotowazagusa*4 nachgewiesen, dass dieses Sprüchwort schon in dem
Hou-han-shu und beim Philosophen Chuang-tsi vorkommt. Rutowazagusa 1,
p. 3 b.)
Zu II, S. ;>:i und 203. 252:
Zwei japanische Zauberformeln, zu gebrauchen, wenn die Frau nicht gebären
kann. bezw. wenn die Nachgeburt nicht kommen will, wurden dem Hm. Heraus-
geber bereits übergeben.
Zum Abschnitt: die Ernährung Erwachsener mit Frauenmilch.
Hr. Bartels bemerkt hierzu (II. B. 406, 4. Aufl., bezw. S. 409, 3. Aufl.): »In
einem japanischen Bilderbuche, das sich im Besitze des Berliner Museums für
Völkerkunde befindet, fand der Herausgeber eine kleine Abbildung (Fig.
welche eine an der Erde sitzende Frau darstellt, an deren aus dem zurück-
geschlagenen Kleide hervorstehender Brust ein anderer erwachsener Mensch, nach
der Haartracht zu artheilen, ebenfalls eine Frau, begierig zu saugen scheint. Bin
Kind schiebt von hinten her die Säugende der Trinkenden entgegen. Da d
1) Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ost-Asi
Bd. I. Hefl IV. s. 25,
(90)
Bilderbuch im Uebrigen allerlei Darstellungen aus dem täglichen Leben enthält,
so muss man annehmen, dass der vorgeführte Gegenstand etwas für japanische
Augen ganz Bekanntes und ohne weiteres Verständliches sein müsse.
— Es besitzt übrigens das königliche ethnographische Museum in München in
seiner japanischen Abtheilung ebenfalls einen auf unser Thema bezüglichen Gegen-
stand. Dieses von Siebold mitgebrachte Stück ist eine zierliche kleine Gruppe,
in Elfenbein geschnitzt .... [Folgt Beschreibung des Münchener Xetsuke '), dazu
Fig. 291] .... Wenn der Haarputz und die Gesichtszüge den Herausgeber nicht
täuschen, so scheint die saugende Person eine alte Frau zu sein/"
Da diese Sätze schon in der 3. Auflage vorkommen, aber bisher noch keine
weitere Erklärung gefunden haben, so sei es gestattet, hierauf zurückzukommen.
Beide Bemerkungen des Herausgebers Hrn. Bartels sind richtig: es handelt sich
um eine alte Frau und um ein den Japanern ohne weiteres verständliches Bild,
ja sogar, Dank dem vortrefflichen Kataloge Anderson's"), um ein dem Europäer
verständliches Bild. Beide von Bartels abgebildeten Vorgänge stellen ein und
dasselbe dar, nehmlich eines der berühmten Nijushi ko (der vierundzwanzig Bei-
spiele von kindlicher Liebe beiden Chinesen): die Jjl?" y^ J\^ To Fujin oder
Ja Ü J^4 ^° Saishi (Tang Tsui shi), eine Chinesin aus der Tang-Zeit
(618—907), welche ihre Urgrossmutter (nach Anderen: ihre Schwiegermutter) mit
ihrer eigenen Milch am Leben erhielt. Anderson sagt hierüber s. v. Ts'ui She
(jap. Saishi): „Ts'ui She had a great-grandmother of extreme age, who, having
lost the whole of her teeth, was unable to eat rice. Ts'ui She, however,
came every day to wash her and dress her hair, and nourished her with milk
from her own bosom, so that the venerable woman's health was maintained for
many years. At length she was Struck down by a severe illness, and before her
death she summoned all her relatives, young and old, to teil them of the kindness
she had reeeived, saying that she herseif could not requitc it. but she prayed to
the gods that the children of Ts'ui She might hereafter manifest to their parents
the same degree of filial piety that their mother had lavished upon her."
Vergl. ferner noch Mayers s. v. Ts'ui Shi :i): ..Distinguished as the solitary
female among the Twenty-four examples of filial piety. It is related of her that,
her mother-in-law being old and tootbless, she nourished her with milk from her
own breast, by which means she infused new life and vigour into the frame of
her adopted parent."
Die Aforlage für Fig. 290 bei Ploss-Bartels ist sieher die Zeichnung Bokusai's
im Mangwa. Hefl 8, p. 20a, gewesen. Uebrigens schiebt nicht das Kind „von
bintenhei die Säugende der Trinkenden entgegen", sondern es hebt einfach die
Hände in die Luft, wie im Erstaunen. Die Unterschrift des Bildes hätte nach
dem Gesagten also statt: „japanische Frau, einem erwachsenen Weibe die
Brust reichend (nach einem japanischen Holzschnitt)" richtiger zu lauten:
Chinesische Frau, einer Greisin die Brust reichend. Nach einem japanischen
Holzschnitt j Hokusaij.
1) Dies ist die richtige Form de Wortes, nicht 8Tetzk6, wie Gonse und darnach
Bartels schreiben.
2) W. Anderson, Descriptive and historical catalogue of ;i collection of Japanese
and Chinese paintings in the Briti h Mn eum, London 1886, p. 17<>.
3 Mayers, The chine • reader' manual. Shanghai 1874, p. 238.
(91)
Tabttirte Worte in der Bochzeitsnachl
(zufolge dem „Ehon konrei tebiki gusa" = illustrirten Bandbuch für die Bochzeits-
< ieremonien, 1769, II. 1):
konrei no yo iumajiki kotoba: Wörter, welche in der Bochzeitsnacht
niclii gebrauch! werden dürfen:
kaesu zurückschicken,
wakaruru geschieden sein,
modosu zurückgeben,
noku sich zurückziehen,
saiu verlassen,
samuru sich ernüchtern,
usui dünn,
yaru weggeben, senden,
aku genug haben,
modoru zurückkehren,
okuru hinausgeleiten, wegsenden,
hanaruru verlassen, trennen,
shimanu nicht durchdringen,
kirau nicht gern mögen, verabscheuen,
itoma Abschied.
(24) Hr. A. Nehring schreibt unter dem IG. Februar 1897:
Ueber das Vorkommen von Zwergen neben grossen Leuten in demselben
Volke.
Da ich mich kür/lieh viel mit den Berbers tain' sehen Schriften befasst habe,
möchte ich auf eine Stelle derselben hinweisen, welche für das Nebeneinander-
vorkommen von Pygmäen neben grossen Leuten innerhalb desselben Volks-
stammes eine gewisse Bedeutung tat, zumal da Berberstain aus eigener An-
schauung zu berichten scheint. Dieser seiner Zeit hochberühmte, weitgereiste
österreichische Diplomat hat zwei Gesandtschaftsreisen nach Moskau ausgeführt,
dir eine von Ende 1516 bis Anfang 1518, die andere 1526. Er war sehr darauf
bedacht, möglichst genaue Notizen über die von ihm berührten Lander und Völker
/.u sammeln: auf beiden Krisen berührte er ^\vn südlichen T heil Samogithiens,
des heutigen Gouvernements Kowno, und er berichtet ausführlich über die Be-
schaffenheit dieses Landes und seiner Einwohner, sowohl in der lateinischen, als
auch in der deutschen Ausgabe seines berühmten Reisewerks1)-
Diese deutsche Ausgabe, welche Berberstain mit besonderem Fieiss
arbeitete und 1557 in Wien herausgab, ist verhältnissmässig selten; da sie nur
augenblicklich vorliegt, führe ich den betreffenden Abschnitt hier an-, und zwar
in etwas nmdernisirtem Deutsch. Derselbe lautet: „Samaithn, das man lateinisch
Samogithia und in russischer Sprache Saraotzkasemla nennt, ist das dem
Fürstenthum Lithauen nächste Land nach Norden hin. gehört auch zu demselben
GrÖSSfÜTStenthum und grenzt sogar an das Meer, indem es sc. Samaithif hier
1 Der Titel der lateinischen Ausgabe, welche zuerst in Wien IM;* erschien, lautet:
„Herum MoscoYiticarum Commentarii" ; derjenige der deutschen Ausgabe, Wien 1657, lautet:
ßloscovia der Eauptstat in Reissen . . . beschreibung u. s. w.
2 Siehe Bogen Q, S. 2.
(92)
4 Meilen breit ist und Preussen von Livland trennt. Es hat (sc. zur Zeit meiner
russischen Reisen) kein namhaftes Schloss oder eine Stadt gehabt, es wäre denn
Seither etwas darin erbaut worden. Der Oberste wird von den Grossfürsten darin
verordnet, den nennen sie nach seinem Amt Starosta als den Aeltesten; in Polen
nennt man einen gewöhnlichen Hauptmann ebenso. Solches Amt ist in Samaithn
auf Lebenszeit, falls derselbe es nicht verwirkt. Darin ist auch ein Bischof des
römischen Glaubens; sie sind mit dem König Jagello, der Wladislaus genannt
wurde, und mit dem Lithauischen Lande getauft worden. Die Einwohner (von
Samogithien) sind meistens grosse und lange Personen; daneben haben
die Väter neben den grossen (Kindern) auch kleine Zwerge, die sie ins-
gemein Carlo nennen. Sie kleiden sich gewöhnlich schlecht, fast alle in Grau, und
wohnen in schlechten Häusern, welche die Form von langen Scheunen oder Vieh-
ställen haben. In der Mitte ist der Heerd und das Feuer. Danebenher steht das
Vieh: Rosse, Schweine, Ochsen u. s. w. Alles herum, damit der Hauswirth und
Andere ohne Unterlass das Alles besehen mögen. So haben sie auch gar selten
ein abgetrenntes Zimmer zu ihrer nächtlichen Ruhe.
,,üie Reichen und Edeln trinken aus Wisenthörnern; sie sind beherzte Leute,
haben viel Panzer und andere Wehr, und namentlich Jagdspiesse, die sie auch zu
Ross führen, und sehr kleine Pferde, also dass man sich wundern muss, dass
dieselben unter den schweren Personen so viel Arbeit leisten können. Mit ihnen
bauen sie ihre Felder und brauchen sie im Kriege. Sie ackern ihr Erdreich nicht
mit Pflugeisen, sondern mit Holz; es führt Einer viele solche zugerichtete Hölzer
mit sich auf den Acker, damit er, falls eines bricht, statt dessen bald ein anderes
hat: und das Erdreich ist dort zäh.
„Einer ihrer Starosten brachte Pflugeisen in das Land; da begab es sich, dass
2 oder 3 Jahre darnach das Getreide missrieth, gaben dem Eisen die Schuld,
brauchten wiederum das Holz. Der Starosta musste es geschehen lassen, da er
einen Aufruhr fürchtete. Das Land ist mit Gehölzen und Wäldern stark bewachsen;
ausserdem giebt es dort viele Sümpfe und Seen. Da soll man, wie sie sagen,
mancherlei Gesicht oder Gespenster sehen. So findet man dort noch bis heute
viel Abgöttereien bei den Einwohnern, deren etliche das Feuer, etliche gewisse
Bäume, ferner Sonne und Mond anbeten. Andere aber haben ihre Götter in ihren
Häusern: das sind Würmer wie die (gemeinen) Eidechsen, aber grösser, mit vier
Füssen, schwarz und dick, an o Spannen lang. Etliche nennen sie Giowites, andere
Jatzuka, noch andere Szmya" u. s. w. u. s. w.
In der lateinischen Ausgabe seines Werkes nennt Herberstain diese Thiere
„serpentes quosdam quatuor brevibus, lacertarum instar, pedibus, nigro oboesoque
corpore, tri u m palraarum longitudinem non excedentes, Givuoites dictos". Es ist
mir unklar, welches Reptil hier «•emeint sein mag; offenbar beschreibt H. dasselbe
nur nach Börensagi Aber im Uebrigen machen seine Mittheilungen über die
Einwohner von Samogithien den Eindruck, als ob sie grösstentheils auf eigener
Anschauung beruhten; dieses dürfte insbesondere der Fall sein hinsichtlich des
häufigen Vorkommens von Zwergen neben grossen, langen Personen. In der
lateinischen Anagabe heisst die betreffende Stelle folgendennaassen: „In Samogithia
hoc in primis admirandum occurrit, quod , cum ejus regionis homines procera
ut plurimum statura »int, filios tarnen alios corporis magnitudine excellentes,
alios perpusillos ac plane nanos. veluti vicissitudine quadam, procreare solentu.
Diese Stelle ist von einigen Forschem so verstanden worden, als ob nach Herber-
stain ein regelmässiger Wechsel i i der Gebnrt grosser und kleiner Leute bei
den Samogethen stattfände. Dieses lu aber nicht da: II. sag! nur: „veluti vicissi-
(93)
tadine quadam", und In der deutschen Aasgabe Beines Werks, welche nach meinen
Beobachtungen in Zweifelsfällen zuverlässiger ist. als die lateinische, Bagl er über-
haupt nichts von einein sohlen Wechsel, sondern beschränkt sich auf die einlache
Mittheilung, dass neben den grossen Leuten auch zwerghafte vorhanden seien.
and zwar als Kinder derselben Eltern.
Da heute in der Anthropologie vielfach von dom Vorkommen besonderer
europäischer Zwergrassen die Rede ist und als Beweis dafür namentlich die von
Koll mann beschriebenen Funde vom „Schweizcrshi Id - bei Schaffhansen
angeführt werden, so ist es wohl nicht unnütz, auf die obige Angabe Herber-
Btain's hinzuweisen. Dass es Zwergrassen gegeben hat und noch heute g
(z. B. in Indien, in Africa), steht ja wissenschaftlich fest; aber es erscheint doch
fraglich, ob es sich bei den Funden am Schweizersbild bei Schaffhausen um zwei
gesonderte, gleichzeitig neben einander lebende Rassen, eine grosse und eine
kleine, handelt. Ein solches Nebeneinanderleben zweier besonderer Rassen,
welche der Grösse nach sehr verschieden sind, an gleichem Ort erregt doch
gerechte Bedenken, und man könnte das Xebeneinandervorkommen von grossen
und kleinen Individuen an derselben Begräbnissstätte viel einfacher durch die
Annahme ähnlicher Verhältnisse, wie sie nach Herberstain im 16. Jahrhundert
bei den Samogethen vorlagen, erklären.
Dass in manchen Familien auch in Deutschland noch heute neben grossen,
schlank gebauten Individuen auffallend kleine vorkommen, kann ich auf Grund
eigener Erfahrung bestätigen. Ebenso steht es durch zahlreiche zoologische Be-
obachtungen fest, dass bei unseren freilebenden Säugethieren oft kolossale Grössen-
unterschiede der einzelnen Individuen aus derselben Gegend vorkommen. So hat
Reinh. Hensel bei unseren Musteliden1) geradezu eine Riesen- und eine
Zwergform unterschieden; ich selbst habe Riesen und Zwerge des gemeinen
Wildschweins und des Urstiers (Bos primigenius), mein früherer Assistent, Hr. Dr.
E. Schaff, jetzt Director des zoologischen Gartens in Hannover, hat solche beim
Bär (Ursus aretos) und bei dem Fischotter (Lutra vulgaris) nachgewiesen-). Die
mir unterstellte Sammlung enthält ein reiches Beweismaterial hierfür. So z. B.
haben wir den Schädel eines zwerghaften, etwa 3jährigen Keilers (Sus scrofa ferus)
aus Schlesien, dessen Basilarlänge nur 250 mm beträgt, während dieselbe bei einem
normal entwickelten 3jährigen Keiler etwa 350 — 360 mm zu betragen pflegt. Aus
dem durch sein vorzügliches Schwarzwild berühmten Revier von Abtshagen unweit
Stralsund habe ich neben sehr starken Individuen solche gesehen, welche trotz
ihres vorgerückten Lebensalters zwerghaft geblieben waren.
Meistens entstammen solche zwerghafte Individuen bei den Wildschweinen
einem Herbstwurfe. Die normale Wurfzeit der Wildschweine ist bei uns
Klima der Frühling; die um diese Zeit geworfenen Frischlinge entwickeln sich im
Lauf des Sommers und Herbstes so weit, dass sie die Noth der Winterszeit ohne
dauernde Schädigung ertragen können. Zuweilen werden aber auch im Herbst
(oder am Ende des Sommers Frischlinge geworfen. Diese sind beim Fintritt des
Winters noch zu schwach, um Hunger und Kälte, gegen welche das Wildschwein
ziemlich empfindlich ist, ohne Schaden zu ertragen; Bie gehen entweder zu Grunde,
1) Siehe Reinh. Hensel, Craniologische Btodien, in „Nova Acta-, Bd. 12, Nr. 4.
Halle L881.
2) Siehe z. B. meine Angaben in den Sitnmgsber. d. Berl. Ges. naturf. Freunde, 1889,
S. 5ff. E. Schaff, ebendaselbst, S. 94ff. und B. 114 ff.
(94)
oder bleiben zeitlebens in der Grösse zurück. Der Jäger pflegt die letzteren als
„Kümmerer" zu bezeichnen; dieselben sind keineswegs kränklich, aber sie bleiben
hinter der normalen Körpergrösse der Species zurück.
Etwas Aehnliches kommt auch bei den Menschen vor, namentlich unter primi-
tiven Lebensverhältnissen. Man kann sich sehr wohl denken, dass bei den Samo-
gethen diejenigen Kinder, welche zu Beginn der guten Jahreszeit geboren wurden
und somit ihre ersten Lebensmonate unter günstigen Entwickelungsverhältnissen
(bei Genuss frischer Luft u. s. w.) zubrachten, ein kräftigeres Wachsthum zeigten,
als diejenigen, welche in der kalten Jahreszeit geboren wurden und ihre ersten
Lebensmonate wohl meistens in den stallartigen, niedrigen Hütten mitten zwischen
dem Vieh zubringen mussten. Letztere Individuen konnten dadurch für zeitlebens
in ihrem Wachsthum ungünstig beeinflusst werden.
Aehnliche Verhältnisse dürften wohl bei der neolithischen Bevölkerung am
..Schweizersbild" vorgelegen haben. Man könnte zwar auch an eine herrschende,
grosse und an eine beherrschte, kleine Rasse denken; aber die gemeinsame
Bestattung spricht gegen diese Annahme.
Wenn wir in der Vorgeschichte weiter zurückgehen, so deuten diejenigen
Reste, welche bisher in Europa von diluvialen Menschen gefunden worden sind,
mit Bestimmtheit darauf hin, dass die diluvialen Bewohner Mitteleuropas durch-
schnittlich eine ansehnliche Grösse hatten, und nicht von zwerghafter Gestalt waren.
Auch die menschlichen Zähne, welche ich aus dem Diluvium von Taubach und
von Predmost beschrieben habe '), deuten keineswegs auf zwerghafte Individuen
hin: jene Zähne sind im Gegentheil relativ gross, und wenn man auch nicht ohne
Weiteres aus der Grösse der Zähne auf die Körpergrösse schliessen darf, so
harmoniren doch die von mir beschriebenen diluvialen Menschenzähne mit dem,
was wir sonst über die durchweg ansehnliche Statur der mitteleuropäischen Diluvial -
menschen wissen.
Die Menschen von Spy in Belgien und von Predmost in Mähren waren keine
Zwerge; sie sprechen gegen die Ansicht Kollmann's, dass die Vorfahren des
Menschen von pygmäenhafter Statur gewesen seien. Auch der vielgenannte Pithec-
anthropus erectus aus dem Pliocän von Java wird für diejenigen, welche ihn mit
dt'\\ Vorfahren des Menschen in Beziehung setzen, einen Beweis darstellen, dass
die Letzteren schon in der Pliocän-Zeit eine ansehnliche Grösse besassen und
schlank gebaut waren. Dass dagegen die noch weiter in das Tertiär hinauf-
reichenden Vorfahren des Menschen meistens von kleinerer Statin' gewesen sein
mögen, ist oichl unwahrscheinlich; denn man darf vermuthen, dass die Statur
dieser noch unbekannten menschliehen Vorfahren erst allmählich im Laufe der
sehr langen Tertiär-Periode die schlanke Form erlangt hat, welche wir später beim
..Homo sapiens" als die normale beobachten. —
Hr. 1». Virchow: Die Geschichte von Herberstain ist in dem Streite über
die Race prussienne zwischen Quatrefages und mir Gegenstand einer ausführ-
lichen Erörterung gewesen. Meine Bemerkungen finden sich in meiner Abhandlung
..über die Methode de, wi i chaftlichen Anthropologie", Zeitschrift für Ethno-
logie 1872, Bd. IV, 8.311. tch glaubte damit diese Präge abgethan zu haben,
Behe jetzt aber, dass ich mich i>i hatte. Immerhin darf ich auf meine
früheren Ausführungen verwegen. —
;.. dii • Verhandlungen, 1 395, , 338 and S. 127.
(95)
(25) Hr. R. G. Haliburton hat die von ihm schon 1895 (Verhandl. 8.525
angekündigten, aber bisher nicht eingegangenen Abhandinngen über
Zwergrassen
in zwei Exemplaren an Hrn. Rud. Virchow eingesendet Ea sind diea
1. Survivals of dwarf races in the New World Proc. Amer. Assoc. for tbe
adv. of science 1894. Vol. XLII1 .
•_'. Dwarf survivals, and traditions as to Pigmy races (ibid. 1895. Vol. XLIV).
Darin findet sich eine grosse Fülle von Angaben ober alte und neue Zwerg-
rassen, leider ohne ^enü^ende Beschreibungen der physischen Beschaffenheit der
Individuen, dagegen untermischt mit zahlreichen, aber schwei' zu controlirenden
linguistischen und mythologischen Hinweisen. Auf manche dieser Angaben wird
später zurückzukommen sein. Hier möge namentlich auf die weite Verbreitung
des Wortes Tiki (oder Tiki-Tiki; hingewiesen sein. —
(26) Hr. F. Jagor übergiebt einen Auszug- aus einem Briefe des Hrn.
(i. Schweinfurth aus Assuan, 1-'». Januar, betreffend
Steingeräthe der Ababde.
Ich habe hier glücklicher Weise eine ganze Collection Steingeräthe von den
Ababde der Umgegend zusammengebracht, Kochtöpfe und Näpfe aus Talkschiefer
u. s. w. (ebenso Tabakpfeifen u. s. w.), die mit denen identisch sind, die Flinders
Petrie in seinen prähistorischen Gräbern bei Nagada fand. Bereits vor 35 Jahren
hatte ich diese Steingeräthe der Jetztzeit kennen gelernt und davon nach Berlin ge-
sandt, sie sind aber im .Museum (damals) verloren gegangen. Ausser Klunzinger
hat kein Reisender neben mir diese Thatsache erwähnt. Nun aber bringe ich
für das Museum eine ganze Menge, um die Thatsache einmal vor i\vn Augen der
Welt festzunageln." — -
Hr. R. Virchow, der gleichfalls einen Brief von Hrn. Schweinfurth erhalten
hat, behält sich die Besprechung für die nächste Sitzung vor. —
(27) Hr. Sökeland macht folgende Mittheilung über
das Spinnen mit Spindel und Wirtel.
In der vorjährigen October-Sitzung unserer Gesellschaft — Verh. 1896, S. 473
— besprach Hr. Götze eine alterthümliche Spinnvorrichtung. Durch die Güte der
Lehrerin Frl. Stelzer in Schöneberg bin ich heute in der Lage, eine für das
hiesige Trachtenmuseum bestimmte ebensolche Spindel aus Fehlen bei Alt-Kloster.
Provinz Tosen, dort „Spille- genannt, vorlegen zu können, auf der Flachs
spönnen wurde.
Interessant ist. dass die beute besprochene Spindel einen Thonwirtel hat,
während auf der von Hrn. G eigten ein solcher aus Baumrinde steckte. Die
Verschiedenartigkeil der Wirte! erklärt sich vielleicht aus dv\\ an oben erwähnter
Stelle mitgetheilten Angaben des alten Schäfers
Hr. W. Schwartz bemerkt zu dem Bericht des Brn. Götze Folg s: Eine
Bachverständige Dame, der ich die dort erwähnten Aeusserungen des S rs aus
Trebichow mittheilte, dass man zum Spinnen von Wolle nur ganz leichte Wirtel
aus Holz ..oder noch besser aus Baumrinde verwenden könne-, erklärte
(96)
dies ihr sehr wahrscheinlich sei, da ein schwerer Wirtel die Elasticität der Wolle,
die vor allem zu wahren sei, beeinträchtigen würde. Als Parallele führte sie anr
dass man auch jetzt noch allgemein, wenn man ein Knäuel Wolle wickle, stets
einen Finger einschiebe und über denselben fortwickle, um die Elasticität zu
erhalten. Schliesslich bemerkte sie noch, dass auch dem entsprechend die gewöhn-
lichen Leute noch heute auf dem Lande, wenn sie direct aus dem Fell, wie es
abgeschoren, spännen, das Gespinnst dabei sehr locker hielten, da sie später
doch das natürliche Fett mit allem ihm anhängenden Schmutz erst noch heraus-
waschen müssten, und wenn sie sich da nicht vorgesehen hätten, das Gespinnst
ihnen zu sehr einlaufen würde. Anders sei es, wenn die Wolle vorher gewaschen
und dann durch einen Wollkämmer kunstgerecht gekämmt würde; dadurch erhielte
sie einen gleich massig strähnigen und doch flockenartigen Charakter, so dass man
sie leichter hantiren und feinere Fäden von ihr spinnen könne. —
(28) Hr. P. Staudinger zeigt
Carneol-, bezw. Achatperlen aus Mossi (Moschi).
In einer früheren Sitzung gab ich an, dass nach einer Mittheilung von G.
A. Krause in Kirotaschi am Niger von Eingebornen Carneolperlen angefertigt
wTürden. Diese Nachricht ist von Hrn. v. Carnap bestätigt worden. Die heute
vorgelegten Stücke wurden in Mossi gesammelt. Theilweise haben sie die bekannte
Walzen- und Olivenform der Idarfabrikate, theilweise die nach einem Ende zu
sich mehr verjüngende 4- oder ßseitige Form, etwas den Perlen ähnlich, die Hr.
Vohsen aus dem Sierra-Leone-Hinterland von den Timmneh brachte und die vom
Konogebirge herkommen sollen. Die vorgezeigten Stücke stammen indessen wohl
aus dem Nigergebiet.
Aehnliche Perlen sollen nach der Aussage eines Kaufmanns auch in Indien
für den Handel angefertigt werden, und ich fand auch im Ind. Gaz. eine Bemerkung,
wonach in Cambay die Bhils verschiedenfarbige Carneolperlen schleifen; indessen
war keinem der von mir befragten Westafrikaner etwas von einer Einfuhr von
dort nach der Westküste bekannt.
Unter den vom Togoneger Bruce hier verkauften Leibschnüren seiner Frauen
bestanden einige aus ähnlichen schmalen runden Scheiben von Carneol, wie sie
sonst aus Muschel- oder Kernschalen gemacht werden. Die Steine der Carneol-
perlen nannte er Erdhexensteine (aufEwe: Asekpe). Eine aus Diorit oder Syenit
bestehende mühlsteinähnliche Steinperle, sowie eine schön geschliffene und gebohrte
Kugelperle aus gelblichweissem Quarz wurden ebenfalls in Mossi gesammelt.
Aus demselben Lande stammen auch einige sehr alte weisse Glasperlen von
Kirschengrösse ; das Material konnte leicht als Stein angesprochen werden, und erst
durch Zertrümmerung eines Stückes wurde Gewissheit darüber verschafft. Im Togo-
Hinterland tragen sie die Fetischleute bei ihren Tänzen.
Die Steinzeit (i\v den Congo ist nun ebenfalls nachgewiesen. Nach Mittheilungen
im Mouvement g£ographique wurden beim Bahnbau Pfeilspitzen. Messer, Schaber
und eine Art von Bammi gefunden. Als Material der ersteren werden Kiesel und
Quarzarten angegeben.
Die Technik ist, nach den Abbildungen zu urtheilen, eine rohe. Ueber das
Alter dieser Funde Vermuthungen auszusprechen, hat vorläufig noch keinen Zweck,
da wir nicht wissen, wann die Einführung oder Gewinnung der Metalle am Congo
begann. —
(97)
(29) Br. P. Staudinger spricht über
das Ziniivorkommen im tropischen Africa und ein«' gewisse Zinn-Industrie
der Eingebornen.
Schon seit längerer Zeil fiel mir die häufigere Anwendung von dünngeschlagenem
Zinn, bezw. Zinnblech als Bekleidung für Armringe Messerscheiden, Holzgefässe
u. s. w. bei ethnographischen Gegenständen aus Adamaua, bezw. dein weiteren west-
lichen Sudan und West-Africa überhaupt auf. Dr. Zintgraf'f zeigte hier vor einigen
Jahren Holzgefiisse und Tabakspfeifen der Bali aus dem Hinterlande von Kamerun,
die mit einem dünnen, weissen Metall belegt waren, welches, wie zu verniutlien
war. nicht aus Silber, sondern aus Zinn bestand, tan befreundeter Geolog schrieb
mir, dass nach der Untersuchung der Metallbezug als von europäischer Zinnfolie
stammend, anzusehen sei.
Allerdings hegte ich schon damals Zweifel, ob nach den fernab vom euro-
päischen Handel gelegenen Ländern grössere Mengen von Zinnfolie oder auch Löth-
zinn, wie es die Araber wohl manchmal im westlichen Sudan einführen, gekommen
sein könnten.
Bald darauf erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dass Eingeborene am oberen
ßenue in Flussthälern Zinn gewinnen, es schmelzen, in Stäbchenform giessen und
an die Agenten der englischen Handelsgesellschaft in dem unterhalb von Jola
gelegenen Orte Lau verhandelten. Da mir bis jetzt kein Fundort, bezw. Ver-
arbeitungsort von Zinn im tropischen Africa (in Süd africa ist es schon vor längerer
Zeit gefunden) bekannt war, so interessirte mich diese Thatsache sehr. Nach
einigen Jahren erhielt ich auf verschiedene Anfragen durch die Vermittelung des
Hrn. Taubman von Hrn. Lieutenant Arnold die Nachricht, dass die Eingebornen
des Benue-Gebietes in der Gegend der Zinnminen Zinn in einer gewissen Ausdehnung,
sowohl zur Anfertigung von Messerscheiden (wohl nur Beschlägen des Holzes), als
auch zur Herstellung von kleinen Töpfen (vielleicht nach europäischen Mustern)
benutzen. Er stellte das Vorhandensein einer beträchtlichen Menge von Zinn dort
fest. Aber es sei nicht immer bestimmbar, ob es von Eingebornen stamme oder
ob diese nicht von den Europäern die Benutzung des Zinnes entlehnt hätten.
Letzteres ist bei der geringen Anzahl von europäischen Raulleuten, die bis jetzt
in der dortigen Gegend waren, wohl nicht anzunehmen.
Als Curiosum führe ich die Bekleidung des Helmes der Wattpanzerreiter des
Sultans von Muri mit Zinnstreifen an. welche auf dem Zeug aufgelegt sind. Die
Krönung des Helmes bildet eine Art kleiner Schornstein aus Zinn, 3—4" hoch.
Hat man nun in der neueren Zeit erst anlängst von diesem Zinnfunde Kenntniss
erhalten, so erwähnt doch Da p per in seinem vor 200 Jahren erschienenen Sammel-
werke über Africa bereits Zinn als Ausfuhrproduct —
Während meine Angaben über Zinnvorkommen im westlichen Sudan sich
schon in der Druckerei befinden, muss ich noch schleunigst eine Unterlassung be-
richtigen. In Rohlfs' Werk „Quer durch Africa" befindet sich Bd. IL S. 207
folgende, auch im Buche Amine - „Die Metalle- u. s. w. erwähnte Stelle: ..Ein
sehr ergiebiges Zinn-Bergwerk ist bei Kinn'' [in Sokoto) im Betrieb, von wo das
geförderte Metall nach Wukan und Adamaua. sowie nach Kano und Sokoto ver-
führt wird.'' Leider war mir diese Angabe Rohlfs', dessen Reisewerk ich vor
langer Zeit gelesen habe, aus dem (iedächtniss entfallen; uh versäume nun
nicht, dies durch Anführung der eben erwähnten Zeilen wieder gutzumachen. Bei
meinem damaligen Aufenthalt in den llaussaländei n habe ich nichts von de -
Zinn-Bergwerken erfahren. Wo Kirne liegt, kann ich zur Zeit nicht ausmachen,
Verhnn.il. der Berl. Antl" lohafi 1897. 7
(98)
da ich den Ort auf der Rohlfs'schen Route nicht finde. Vielleicht liegt er auch
unweit des mittleren oder oberen Benue, da Wukari und Adamaua als Einführungs-
orte genannt sind. —
(30) Hr. M. Bartels legt vor
hausgewerbliche Gegenstände aus Bosnien.
Vielleicht ist es den älteren unter unseren Mitgliedern noch erinnerlich, dass ich
im Jahre 1886 eine Sammlung von Gegenständen des bäuerischen Hausgewerbes aus
dem russischen Gouv. Podolien ') vorgelegt habe. Ich machte damals darauf auf-
merksam, dass nicht nur in fernen Welttheilen, sondern auch überall in Europa der
stets wachsende internationale Verkehr die Eigenthümlichkeiten des Volkes zu ver-
nichten drohe, und dass es durchaus nothwendig sei, neben den ethnographischen
Sammlungen von überseeischen Völkern auch solche von den Völkern Europas
anzulegen. Dass diese Anschauungen auch von Anderen getheilt worden sind,
zeigt die in erfreulicher Weise immer zunehmende Begründung volkskundlicher
Museen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern. Auch
unser hiesiges Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Haus-
gewerbes ist von diesem Gesichtspunkte aus in das Leben gerufen. Leider er-
freut sich dasselbe immer noch nicht der ihm gebührenden allgemeinen Theil-
nahme, und merkwürdiger Weise stehen ihm gerade diejenigen Kreise kühl gegen-
über, in denen man für ein solches Institut die breitesten Sympathien erwarten
sollte. Wir hören vielfach Klagen laut werden über die zunehmende Vaterlands-
losigkeit. Mir scheint nun weniges so geeignet, die Liebe und das Interesse für
das Vaterland in weiten Kreisen zu erwecken, wie die pietätvolle Bewahrung
dessen, was unsere Vorväter geschaffen haben. In den uns von ihnen erhaltenen
Stücken tritt uns ihr Denken und Empfinden entgegen, das uns mit Theilnahme
für sie erfüllt, nicht selten auch mit Stolz, dass sie solche Dinge mit einfachen
Mitteln aus eigener Kraft zu schaffen vermochten. Sehr zu bedauern wäre es,
wenn der so. eben beklagte Mangel an materieller und sympathischer Theilnahme
dahin führen sollte, dass unser Trachten-Museum dem Vaterlande verloren ginge.
Schon jetzt würde sich auch mit den grössten Geldopfern ein zweites ähnliches nicht
mehr zusammenbringen lassen; denn Vieles ist durch Achtlosigkeit in dem Volke
unwiderruflich untergegangen.
Um unser volkstümliches Hausgewerbe in entsprechender Weise zu würdigen
und zu verstehen, bedürfen wir des Vergleichungsmateriales von den übrigen
Stämmen Europas. Ich brauche das in diesem Kreise nicht eingehender zu be-
gründen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es auch hier die
höchste Zeit zum Sammeln ist. So ist z. B. sogar schon in einem so ab-
gelegenen Lande, wie Bosnien, um mit Adolf Bastian zu reden, die zwölfte Stunde
angebrochen. Als ich Ihnen im vorigen Jahre meinen durch Projectionsbilder
illustrirtcn Bericht über meine Fahrt durch dieses Land mit der Wiener anthro-
pologischen Gesellschal iatten durfte, da vermochte ich Ihnen schon einige Be-
lege hierfür beizubringen. Hoch oben auf dem Glasinae, viele Stunden weit von
jeder grösseren Stadt, fanden wir bereits, wie das geschmackvolle National-Costüm
der Frauen durch die modernen Pluderärmel verdrängt wird. Die kunstreichen
Waffen dürfen nur noch von wenigen, bevorzugten Männern getragen werden. Be-
nutzen dürfen sie dieselben abi r nicht, und so ist es wohl natürlich, dass man
1) Verhan.U., IM. Will. L886, 8. 329.
(99)
sich sehr bald nicht mehr der Mühe unterziehen wird, sie anzufertigen. So werden
auch wohl die taschenreichen Gürte] der Männer allmählich dem Tiroler Ruck-
sacke der Touristen weichen, und anstatt mit ihren einheimischen kunstreichen
Scbliessen und Schnallen werden sich die Mädchen und Frauen mit den Herr-
lichkeiten der Zehnpfennig-Bazare schmücken. Ist auch die österreichische Re-
gierung in höchst anzuerkennender Weise hemüht, durch die Errichtung von
Sehulcn für die Teppich -Weberei und die Metall -Intarsia -Arbeiten diese alten
Industriezweige zu erhalten und weiter zu pflegen, so sind das doch nur zwei
Gruppen der vielseitigen, einheimischen Kunstfertigkeit, und auch hier wird halb
unbewusst manches sogenannte stilvolle Muster die ursprünglichen Ornamente beein-
flussen. Die anderen Schaffensgebiete werden unwiderruflich und unaufhaltsam
ihrem Untergange entgegengehen.
Minige Stücke des bosnischen Hausgewerbes konnte ich im vorigen Jahre
vorlegen, darunter namentlich mehrere Stickereien in Gold und bunten Farben,
die durch die Eigentümlichkeit ihrer Muster Beachtung verdienten. Durch die
liebenswürdige Vermittelung des Hrn. Custos Ciro Truhelka in Sarajevo habe
ich nun kürzlich einige Stücke erhalten, welche sämmtlich in das Gebiet der
Holz-Industrie fallen. Ich möchte dieselben heute vorlegen. Zum Vergleiche habe
ich zwei schon früher gezeigte Stücke mitgebracht, weil dieselben ebenfalls aus
Holz gefertigt sind. Es wird Sie interessiren, zu hören, was mir Hr. Truhelka
schreibt: „Ich hoffe, dass Sie an diesen Stücken Gefallen finden werden, und
bedaure nur, dass die Collection nicht umfangreicher geworden ist. Heut zu
Tage ist es aber schon schwierig, derartiges zu sammeln, da das Volk bereits
diese Objecto durch billige Fabrikwaare vertauscht hat, so dass man gute und ge-
schmackvolle Schnitzereien nur noch vereinzelt im Hochgebirge findet, wohin der
moderne Einfluss noch keinen Zutritt erhielt."
Sie finden hier die Bestätigung für das, was ich vorher auseinandergesetzt
habe.
Um mit den Stücken des häuslichen Gebrauches zu beginnen, lege ich zuerst
einen an ein Petschaft erinnernden Gegenstand vor, der Slovo genannt und zum
Stempeln des Brotes benutzt wird (Fig. la und b), aus Glamoc. Auf der kreis-
förmigen Stempelfläche (Fig. 1 b) finden sich vier
symmetrische, gleichseitige Dreiecke eingeschnitten, fig, ia.
die mit ihren Spitzen so gegen die Mitte hin- ,-0\ Fi». Ib.
»eschoben sind, dass sie die Figur eines griechischen
Kreuzes zwischen sich frei lassen. In diesem
freien, kreuzförmigem Baume ist ausserdem noch
ein doppelt contourirtes griechisches Kreuz aus-
geschnitten worden. Die Dreiecksflächen sind
in übereinstimmender Weise um einem ein-
geschobenen Rechteck und drei kleinen, runden
Gruben verziert, und der Band des Stempelfeldes
ist von einem ganzen Kranz radiär gestellter kurzer Einschnitte umschlossen.
Hieraus könneil wir den Schliiss ziehen, dass der Stempel einem Griechisch-
Orthodoxen gehört hat Wahrscheinlich haben wir in diesem Ornamente die I
thumsmarke des Besitzers zu erkennen.
Die Mehrzahl dieser i osnischen Holzgeräthe ist mit Verzierungen in Kerb-
schnitt bedeckt. Bei einigen derselben i-t alter auch der Grund fortgeschnitten, bo
dass die Ornamente erhaben stehen geblieben sind. Gewöhnlich sind es geometrische
(100)
Ornamente, ausnahmsweise auch wohl stilisirte Pflanzenmotive, deren Herkunft aus
den ersteren sich mehrmals durch Parallelstücke leicht nachweisen lässt.
Ein Löffel von gefälliger Form (Fig. 2), ebenfalls aus Glamoc stammend, ist
das am wenigsten verzierte meiner Stücke. Er ist so eingerichtet, dass sein Stiel
eingeklappt werden kann. Auf diese Weise kann er
**%' ' bequem in einer Tasche des Ledergürtels getragen
werden. Für den Gebrauch bei den Mahlzeiten ist
dem Bosniaken das Messer das wichtigste Geräth;
nächstdem kommt der Löffel, während eine Gabel
vielfach gar nicht in Anwendung kommt. Statt der-
selben bedient man sich der ersten drei Finger der
rechten Hand, aber niemals der linken, weil dieselbe
für unrein gilt.
Ganz besonders reich geschnitzt ist eine kleine,
hölzerne Tasse (Fig. 3). Sie ist mit sechs horizon-
talen Ornamentstreifen beschnitzt, in denen sich Drei-
ecke, ein Zickzackband, sechsstrahlige Sterne u. s. wr.
befinden. Der mit der Schale aus einem Stück geschnitzte Henkel ist ebenfalls
mit kleinen Dreiecken verziert, und ein grosses griechisches Kreuz ist aus dem-
selben ausgeschnitten.
Fig. 3. Vs Fig. 4. V„
Das einzige Stück, das eine Inschrift trägt, ist eine grosse Doppelflöte (Fig. 4).
Es sind linear eingeschnittene cyrillische, mit lateinischen untermischte Buchstaben;
entziffert ist dieselbe noch nicht. Eine ganz ähnliche Doppelflöte, aber mit un-
gleich langen Schenkeln, verdanke ich Hrn. Prof. Nothnagel, der sie vor längeren
Jahren von den Morlacken aus lstrien mitgebracht hat.
Ein breites, flach dachförmiges Holz aus Glamoc mit festem Handgriff (Fig. 5) hat
als Wäscheklopfer (Pratljica) gedient und ist, wie seine erhebliche Abnutzung zeigt,
viel gebraucht worden. Es trägt sich kreuzende Band-Ornamente und grosse, ziemlich
roh gearbeitete TLosetten. Der Künstler hat den Versuch gemacht, auch die Unter-
seite zu ornamentiren. Hier sind zwei rückläufige Spiralen, der sogenannte laufende
Hund, eingeschnitten. Danach ist aber der Versuch aufgegeben, und wohl mit
Recht. Denn auf dieser Aufschlagfläche konnte ein Ornament nur hinderlich
wirken.
Ein runder, mit scheibenförmigem Vorsprung versehener Stock (Fig. 6) ist
wahrscheinlich ein Spinnrocken. Oben hat er Kerbschnitt-Verzierung; sonst trägt
er nur lineare Ornamente (darunter eine Pflanzenranke), die, wie ihre schwarze
Farbe andeutet, wahrscheinlich mit einem heissen Messer eingeschnitten sind.
Mit Sicherheit Spinnrocl en, d. h. Kunkeln (Preslica), sind die beiden Stücke
Fig. 7a, b und Fig. 8, ebenfalls aus Glamoc stammend. Ein runder Stock läuft nach
oben in eine mit ihm aus einem Stück gearbeitete Holzplatte aus, welche gefällig
profilirte Umrisse zeigt und deren eine Fläche reich mit geschmackvollen Kerb-
schnitt-Verzierungen bedeckt ist. Die andere Fläche bleibt anverziert. Auf dieser
(101)
wird mit Bändern oder auch wohl mit einem Tuche die zum Abspinnen bestimmte
Vßhe Wolle festgebunden. Das untere Ende des Stockes hält die Frau in der linken
Hand, oder sie steckt es links in den Kleidergurt und stützt dann nur das Geräth
mit dem linken Arm, während die rechte Hand ziehend den Faden dreht, der sich
Bier. 6.
Fig. 7 a.
Kg. 7 b. V.
>:-:::v
Fig. 8. ',,
auf eine an ihm hangende und frei in der Luft tan/ende Holzspindel aufwickelt
Auf diese Weise vermögen die Krauen im Gehen zu spinnen: sie können sich
dabei in ihrer Wirthschafl bewegen, aber auch Wanderungen ZU Markte oder auf
das Feld unternehmen. In der Hercegovina und in Dalmatien ist die gleiche An
lies Spinnens gebräuchlich; in dem letzteren Lande vermochten wir auf der Land-
(102)
Strasse nach Salona mehreren spinnend dahimvandernden Frauen ihre Spinnrocken
von der Hüfte wegzukaufen. Auch in Bellinzona, in der südlichen Schweiz, sah»
ich vor mehreren Jahren eine Frau, welche in ahnlicher Weise spann; aber sie hatte
dabei den Stock des Spinnrockens unter den linken Arm geklemmt.
Unter den Schnitzverzierungen, welche diese beiden Spinnrocken schmücken,
zeichnet sich durch die Gefälligkeit ihrer Formen namentlich eine Anzahl von
grossen Rosetten aus. Bei dem Spinnrocken (Fig. 7 b) sind es drei aufeinander-
folgende Rosetten von abnehmender Grösse, die je durch ein geschmackvoll ge-
schnitztes Zwischenstück von einander getrennt sind. Das untere Zwischenstück
hat eine ungleichseitig viereckige Form mit ausgezackten Seitenrändern; das obere
Zwischenstück wird durch ein ungefähr gleichseitiges Dreieck gebildet. In dem
anderen Spinnrocken (Fig. 8) sind die Mittelpunkte der 3 Rosetten durch je eine ein-
gelegte kleine Perle aus buntem Glase hergestellt, während der Grund derselben
in geschmackvoller Weise roth ausgemalt ist. Auch hier sind die Rosetten durch
reich geschnitzte Zwischenstücke von einander getrennt. Es findet sich hier auch
noch ein Ornament, das aus parallelen, geraden Linien besteht, welche dann sym-
metrisch nach rechts und links in eine Volute sich aufrollen. Diese gestielten
Voluten, wie man sie nennen könnte, wie auch die Rosetten, finden sich in ganz
o-leicher Weise unter den geometrischen Ornamenten auf den riesigen, im Lande
zerstreut vorkommenden Stein-Sarkophagen, welche aus dem Mittelalter stammen
und gewöhnlich als Bogumilen-Steine bezeichnet werden. Hörnes1) bildet eine
Anzahl derselben ab. Hier ist es natürlicher Weise sehr wahrscheinlich, dass
es sich um eine unmittelbare Ueberlieferung der künstlerischen Motive handelt,
oder dass diejenigen auf den Steinen mit denen auf den hausgewerblichen Gegen-
ständen aus der gleichen Quelle geflossen sind. Aber auch einige von diesen
Ornamenten finden sich schon in einer sehr viel älteren Zeit, denn sie kommen
bereits auf Goldblechen vor, welche Schliemann in Mykenä ausgegraben hat.
Hier muss es allerdings unentschieden bleiben, ob es sich um eine continuirliche
Uebertragung oder um selbständige Erfindungen handelt.
Die ebenfalls aus Glamoc stammende Spindel (Presljec) [Fig. 9] hat die be-
trächtliche Länge von 49 cm. Auch an ihr hat sich das künstlerische Bemühen des
Verfertigers deutlich bethätigt, indem er den Stab in verschiedene Etagen und Ab-
sätze von mannichfachen Formen zerlegt und so die Langweiligkeit der Form ge-
fällig unterbrochen hat. Ausserdem hat er ein Kunststück gemacht, das bei holz-
BChnitzenden Völkern sehr beliebt und verbreitet ist. Er hat nehmlich an zwei
Stellen den Kern des Stabes ringsherum so umschnitten, dass er von der durch-
brochen geschnitzten äusseren Schicht gitterartig umschlossen wird, aber in der-
selben frei beweglich liegt. Diesen beiden beweglichen Stücken ist die Form von
Kreuzen gegeben.
Die beiden Geräthe (Fig. 10 und Fig. 11), Vodir genannt, sind Behälter fin-
den Wetzstein der Sense. Jedes ist aus einem einzigen Holzklötze geschnitten;
ihre Form erinnert an ein kleines Fass, aber ihr unteres Ende läuft in einen zier-
lichen Zapfen aus. Ihn Hinterfläche ist glatt und besitzt jederseits ein über-
stehendes, durchbohrtes Ohr, mit dessen Hülfe das Gerät h an dem Gürtel befestigt
werden kann. Es ist vollkommen wasserdicht, so dass der darin aufbewahrte
Wetzstein in bequemer Weise feucht gehalten werden kann.
Das Stück (Fig. 11), dessen nähere Provenienz ich nicht kenne, ist über seinen
ganzen Körper hin dicht mit eingeschnittenen einfachen, aber gefällig angeordneten
1) Moriz Hörnes: Bosnien und die Hercegovina. S. 28—34. Wien 1889.
(103)
Ornamenten bedeckt, welche eine überraschende Aebnlichkeit mit t Ver-
zierungen auf neolithischen Thongefässen zeigen. Das Stück (Fig. 10), welches
aus Kama stammt, gehört zu denjenigen Gegenständen, bei welchen der Grand
fortgeschnitten ist, um das Ornamenl erhaben hervortreten zu lassen. Wahr-
scheinlich liegt dem letzteren als Vorbild irgend eine Stickerei zu Grande.
Die letzten beiden Stücke (Fig. 12a, I» und Fig. 13a, b), von der Form unserer
Federkasten für Schüler, heissen Hritvenica und stammen aus Donji ünac. Es
sind Behälter für Rasirmesser und zwar haben sie einen Vexirverschluss. h i
Deckel ist an der einen Schmalseite durch einen senkrechten Nagel fixirt. ihr
Fig. in
Fig. ;».
Fiff. 11. '
V,.
%*
Fig. 12b. Vi»
Fig. 12a. V12
Fig. 13 a. '/„
Fig. 13b. ' t
durch die Mitte einer kleinen Münze geschlagen ist; an der anderen Schmalseite
greift er mit zwei vorspringenden, rechteckigen Zupfen in zwei entsprechende An-
schnitte des Randes ein. Der Deckel kann aber überhaupt nur bewegt werden.
nachdem man unter ihm eine anregelmässig vierseitige Holzscheibe um iWn durch
die Münze geschlagenen Nagel herum-, bezw. herausgedreht hat Dann bissen sich
durch Rückwärtsziehen des Deckels die Zapfen aus ihren Ausschnitten heraus-
ziehen. Dieses Rückwärtsziehen wird durch einen kleinen Längsschlitz ermöglicht,
welcher unter derMüi verborgen ist. Sind nun die Zapfen aus den Ausschnitten
heraus, dann ist es möglich, den Deckel von dem Kasten nach der Seite abzu-
(104)
drehen, wodurch dieser dann geöffnet wird (Fig. 12a). In seinem Inneren befinden
sich drei Abtheilungen, von denen zwei dazu bestimmt sind, je ein Ilasirmesser
aufzunehmen. Die dritte, ungefähr quadratische Abtheilung ist wahrscheinlich
für die Seife bestimmt.
Der Deckel und die beiden Längsseiten sind bei beiden Kasten sehr reich mit
erhabenen Ornamenten geschmückt; die beiden Schmalseiten, und natürlicherweise
auch der Boden, sind vollständig unverziert geblieben. Der Kasten (Fig. 12a) trägt
mehrere Flechtbandornamente und einige quadratische Felder, in denen gestielte
Voluten zu Kreuzen vereinigt sind. In dem Mittelpunkte dieser Kreuze ist jedesmal
eine kleine, rothe Perle mit weissem Mitteltheile eingelegt. Auf der Mitte jeder
Seitenfläche läuft ein stilisirtes Rankenband dahin, dessen Herkunft aus der rück-
läufigen Spirale unverkennbar ist (Fig. 12 b). Der Kasten (Fig. 13a) trägt jeder-
seits an der gleichen Stelle in Wirklichkeit die rückläufige Spirale. Auf seinem
Deckel hat auch er die Quadrate mit den gestielten Voluten. Anstatt dass deren
Stiele aber Kreuze bilden, ist in das Mittelfeld jedes Quadrates eine grosse Rosette
eingelegt. Deren Mitte trägt wieder eine zierliche Einlage von Metallstreifen.
Die Metall-Einlagen bilden einen Kreis mit zierlich ausgezackter Peripherie. In
jedem der Kreise befindet sich ein schmales Kreuz von dem gleichen Metall;
jeder Arm desselben bildet sich gegen sein freies Ende hin in einen regelmässigen
Dreizack aus, dessen Spitzen sich innen an die Peripherie des Kreises anlegen.
Eine chemische Analyse ist nicht gemacht; nach dem Ansehen ist es aber sehr
wahrscheinlich, dass es sich hier um Zinn-Einlagen handelt. Dieses Stück bildet
somit den Uebergang zu den Dingen, über die Hr. Jacobsthal vortragen will.
Erwähnen möchte ich noch, dass einzelne Ornamente hier und da durch kleine Un-
genauigkeiten erkennen lassen, dass sie mit der freien Hand gearbeitet sind. —
(31) Hr. E. Jacobsthal spricht, unter Vorlegung der Originalstücke, über
Metall-Einlagen in Holz, Hörn und Bein.
Dem Freunde traditioneller Volkskunst wird der ästhetische Genuss an modernen
Erzeugnissen derselben nicht selten getrübt durch unvollkommen!) eiten der Aus-
führung, welche einer primitiven Technik anhaften, oder durch eine Formgebung,
welche entweder in stark degenerirten oder allzu unreifen Einzelheiten sich äussert.
Um so dankbarer wird er es empfinden, wenn ihm Kunst-Erzeugnisse begegnen,
welche sowohl in der technischen Hersteilung, wie in der formalen Ausgestaltung
jedem Vergleiche mit hochstehenden Werken alter oder neuer Kunst- Industrie
Stand halten.
Innerhalb der kleinen Sammlung von Metall-Einlagen in Holz. Born und Bein,
welche ich mir vorzulegen gestatte, möchte ich jene Vollkommenheit in Form und
Ausführung in erster Linie den aus Bosnien und der Hercegovina stammenden
kleinen Gebrauchs-G genständen (Löffel, Gabeln, Messergriffe, Vorstecknadeln.
Cigarrcnspitzen) zuschreiben.
Ihr Sehmuck bestehl in einer Ornamcntirung aus feinen Metallstreifen, Stiften.
Ringen oder gewundenen Drähten, welche in den Grundstoff eingetrieben sind.
Zu diesem Zwecke werden hei den weicheren Arten desselben. Holz und Hörn,
Rillen zur Aufnahme des Metalls mit dem Messer eingeschnitten, dann der hoch-
kantige, unten zugesebärfte Metallstreifen hineingehämmert Kür die Ringe werden
namentlich indem härteren Bein und Hörn Bohrlöcher hergestellt. Nach Vollendung
dieser Arbeiten wird der Gegenstand geschliffen, anter umständen polirt.
(105)
Die meisten der vorliegenden Geräthe u. b. w. sind im Jahre 1886 in Con-
stantinopel, Brassa, Smyrna von mir gesammelt worden, wohin sie aus Bosnien
gelangt sein mögen. Später wurden von herumziehenden bosnischen Händlern
einzelne stücke in Deutschland erworben.
Das weisse Metall der Einlagen ist durch eine Analyse des Hrn. Prof. Dr. Rü-
dcrff als Neusilber bestimmt worden; in geringem umfange wird von Messing-
d rahton (je zwei um einander gewunden) I febrauch gemaeht. Die Formen-Elemente
beschränken sich sonach auf die einlache Linie, den Punkt (aus einem Draht-Quer-
schnitt) und eine gleichmässig wiederkehrende blattähnliche Lamelle aus Blech.
Trotzdem ist eine Schönheit und Mannichfaltigkeit in der Ornamentik entwickelt,
welche, im Rhythmus schwungvoller Linienführung und harmonischer Flächen-
vertheilung an hellenische Vasenmalerei der besten Zeit erinnernd, die an sich un-
bedeutenden Gegenstände zu kleinen Kunstwerken stempelt (Fig. 1 und 2).
Piff. 1.
Fiff. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
S ©
i ■ - -
-3
II.
Untergeordneter erscheinen nach dieser Richtung die einem naiveren Ver-
zierungstrieb entstammenden Decorationeu der Knochengriffe und einiger Hornlöffel
durch zerstreute Punkte. Ringe, Kreisflächen aus Metall (Messing) oder Perl-
mutter und Elfenbein (Fig. 3 und I
Bei einem Vergleiche der Arbeiten aus Bosnien mit denen anderer Herkunft
muss zunächst Indien in Betracht gezogen werden. Line frühere Mittheilung über
ähnliche, in Mainpuri 'District Dehli noch betriebene. Tar-kaschi1) genannte
Kunsttechnik verdanken wir dem Geh. Eteg.-Rath Prof. Reuleaux, der in den
Verhandlungen des Vereins für deutsches Kunstgewerbe, Berlin 1883, Nr. 5, zwei
Schälchen von Holz mit Messing-Einlagen veröffentlicht und deren Ausführung
beschrieben hat Letzten entsprich! durchaus dem in Bosnien geübten Verfahren;
die Ornamcntirung besteht jedoch aus nur l* Formen-Elementen: der Linie als
l Nach Hrn. H. Jansen stammt diese Kunst [persisch Tär-kaschi, „wörtli h , Draht-
zieherei" im Sinn.- von „Draht-Einlegearbeit" aus Persien, wie auch der Name persisch
ist: in Indien ist >ie ersl gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Schiräi aas eingeführt
worden 7gl. Hunter, „Imperial Qazetteer ol fadia", VI, p. 609 -inten. D. Red.
(106)
selbständigem Motiv und als Umriss stilisirter Pflanzen und Thierformen), sowie
einem winzigen millimetergrossen Ring und dessen Gruppirung zu drei oder fünf.
Es ergiebt sich daraus, dass zwar ein sehr feiner, aber für die Entfernung wenig
wirksamer Schmuck erzielt wird. Um so befremdlicher erschien auf der Colonial-
Ausstellung in London 1886 die Verwendung dieser Technik auf den Füllungen einer
grossen, mit reichem Holzschnitzwerk eingerahmten Thür modern -indischer Pro-
venienz. Schon in geringem Abstände dem menschlichen Auge unerreichbar, er-
weckte die so kunstreiche Menschenarbeit mehr das Bedauern über ihre verfehlte
Ausnutzung, als ästhetische Befriedigung; es entzieht sich eben die erst bei intimerer
Betrachtung ihre Reize entfaltende künstlerische Leistung jeder Verwerthung für
Objecte grösseren Maassstabes. Das untenstehende Ornament (Fig. 5) entstammt
einer Schale aus Mainpuri im Besitze des Hrn. Reuleaux. — Erst im Jahre 1888
brachte die April-Nummer des „Journal of India Art" eine ausführlichere, auf
Autopsie begründete Beschreibung des Tär-kaschi in Mainpuri von F. S. Growse.
Unter den vielen mitgetheilten Objecten befindet sich auch die oben erwähnte Thür,
mehrere Bilderrahmen, Consolen u. s. w. Die Technik wird von der Kaste der
Fi°r. 5.
Fiar. 6.
Ojhas betrieben, deren Sitz bis zur letzten Generation in Kurauli bei Mainpuri sich
befand, nachdem sie vor 100 Jahren aus Rajputana durch den Sultan Singh ver-
trieben worden waren. Mr. Growse ist im Jahre 18G4 als Beamter der englischen
Regierang nach Mainpuri gekommen und fand dort die Tar-kashi fast nur zum
Schmuck hölzerner Sandalen (wooden clogs, kharäuns) verwendet, welche die, eine
Berührung mit Ledei scheuenden Hindus beim Baden benutzen. (Einige sehr reich,
auch mit Silber, ornamentirte Exemplare solcher Sandalen befinden sich in der
Sammlung des Hrn. Reuleaux.) Mr. Growse war bestrebt, durch Erthcilung
von Aufträgen für weitere Ausführungen den dem Erlöschen nahen Zweig Ciev
Kunst-Technik zu fördern. Aber seine Neigung für die mittelalterliche Formen-
sprache seiner Beimath führte ihn dazu, durch Einführung gothischer Muster eine
Bereicherung der Ornament-Motive herbeiführen zu wollen, was — wie er jetzt
selbst gesteht — nur Misserfolge hervorrief. Später sind dann durch Mr. Charles
Hörne, dann seit l*7o durch den Ingenieur Co ddington wieder Formen zur An-
wendung gelangt, die dem indischen Ornamentenschatz entlehnt winden.
(107)
Aul' der erwähnten Ausstellung in London befanden .sich auch Drechsler-
arbeiten in Hörn, kleine Büchsen mil eingelegtem sjewundenera Messingdraht und
Elfenbein -8cheibchen aus Hnschiarpur. Vorstehende Abbildung nach
der Veröffentlichung in den „Verh. d. V. f. deutschea Kunstgew. 1888, Nr. 13",
von Reuleaux, zeigt den Formencharakter dieser Ausfuhrungen.
Das Bestreben, grössere Wirkungen durch Metall-Einlagen zu erreichen,
wurde ferner durch einige Holzplatten aus Jhang (Pundjab) illustrirt. Sie zeigten
Blatt- und Blüthenwerk aus Messingblech, in grosserem Maassstabe, mit dem
Linienwerk zu einer einheitlichen Composition vereinigt, welche die ganze Flache
organisirte, also mehr eine Art Metall -Intarsia, die mit den Boule -Arbeiten des
17. Jahrhunderts verglichen werden kann. Mr. Growse giebt auch davon 2 Bei-
spiele aus Chiniot, Jhang District, Pundjab, denen nachstehendes Detail entnommen
ist (Fig. 7).
Fig. 7.
\ 4 • ^1
Figr. 8.
Fig. 9.
Eine ähnliche Auffassung ler Ornamentirung, wenn auch. bez. der sauberen Her-
stellung nicht dieselbe Stufe erreichend, linden wir bei Arbeiten, die aus Damaskus
stammen. Das Bildrähnichen zeigt auch eingetriebene Messingstreifen, welchen
gleichmässige, spitze Messingblättchen angesetzt sind (Fig. 8), während die jetzt
häufig ni den Bändel gebrachten grösseren Gegenstände, wie Tabourets, Con-
(108)
solen u. s. w., wegen der harmonischen Gesammtwirkung der in das tief braune
Holz eingetriebenen Zinnstreifen mit den eingelegten Perlmutter-Blättern, be-
gehrte Decorationsstücke geworden sind (Fig. 9).
Eine im k. k. österreichischen Museum in Wien befindliche, hier in einer
Zeichnung aus dem „Kunsthandwerk" (W. Speemann) vorliegende Platte aus
Marocco (Fig. 10) benutzt, bei einem ebenfalls grösseren Maassstabe der durch
Umrisslinien in Silber charakterisirten Ranken-Ornamente, Einlagen von breiteren
Elfenbein-Blättern zur Betonung der Hauptpunkte im Rhythmus der Linienführung.
Kehren wir jedoch wieder zur Betrachtung der feiner durchgeführten Arbeiten
zurück. Auf der Ausstellung in Nischny-Nowgorod hatte ich in diesem Jahre Ge-
legenheit, bei dem Aussteller Jusub Ogli aus Unzukul (Daghestan) die Her-
stellung kleinerer Gegenstände: Spazierstöcke, Pfeifen u. s. w., während ihrer Ent-
stehung zu beobachten. Mit sehr primitivem Werkzeuge wurde die Ornamentiruug
aus Silberstreifen dem Holze eingehämmert, und nur Punkte, einzeln oder com-
binirt, bildeten das ergänzende Element (Fig. 1 1). Grössere Flächenwirkung wird durch
eine Art Schraffirung von neben einander gesetzten Linien erzielt. Auch von den
mir durch Hrn. Dr. Jagor für die heutige Vorlage freundlichst zur Verfügung ge-
stellten Gegenständen stammen einige aus dem Kaukasus und zeigen die Be-
schränkung auf Linie und Punkt in ihrer ornamentalen Ausstattung.
Fi?. 10.
Fisr. 11.
Dagegen entfaltet sich ein grosser Reichthum an verschiedenartigen Elementen
bei den aus dein Banat stammenden hölzernen, im Uebrigen mit Metallbeschlägen
versehenen Pfeifenköpfen derselben Sammlung. Ein bei den bisher erwähnten Ar-
beiten nicht auftretendes Motiv, eine zusammengedrückte Wellenlinie, beherrscht
den Charakter der eingetriebenen Ornamentiruug (Fig. 12), zeigt sich auch in dein
Beschläge des einen der Köpfe.
Durch die gleichzeitige Verwendung von 3 Metallen, Messing, Kupfer und
8iIber(V), sowie von Perlmutter, wird zugleich eine bescheidene farbige Wirkung
erzielt.
Die eben erwähnte zusammengedrückte Wellenlinie aus Messing- (sowie eine
öhsenartige Form) findet sich auch auf hölzernen Armringen aus Kann (Nigergebiet)
im hiesigen Museum für Völkerkunde, auf die mich die Hllrn. Dr. Staudinger
und Dr. v. Luschan aufmerksam gemacht hatten (Fig. 13).
Bei der Aufeählung der au 30 weit entfernten Gebieten stammenden Arbeiten
gleicher Kunsttechnik dürfen die mitteleuropäischen Erzeugnisse nicht unerwähnt
(109)
bleiben. Bekannt ist, dasa von denselben bei der Ornamentirung der Holztheile
von Feuerwaffen früher ausgiebiger Gebrauch gemacht worden ist, aber auch
Stöcke, Messergriffe u. s. w. des 18, Jahrhunderts zeigen Metall-Einlagen. Die
Technik erscheint noch um die Mitte dieses Jahrhunderts, wie das Kästchen mit
der gravirten Inschrift Karlsbad 1849 beweist, Nach einer Angabe des Hrn.
Direct. Dr. Voss weiden in Teplitz noch ähnliche Gegenstände gefertigt. In den
fünfziger Jahren wurden auch von England Arbeiten eingeführt, die nur in der
mehr orientalischen Charakter andeutenden Zeichnung der Blüthen sich von den
vorgenannten unterscheiden. Die Metall-Einlagen beschränken sich bei beiden auf
Linien, die auch als Stengel, bezw. Ranken auftreten, welche Perlmutter-Blätter
und -Blüthen tragen (Fig. 14).
Fig. 12.
Piff. 13.
isipsxwwsmws
porvopopo
Vis. 14.
Auf der Gewerbe-Ausstellung in Bremen (1890) befand sich unter den Schüler-
arbeiten des dortigen Gewerbe-Museums eine Anzahl kleiner Gegenstände: Bild-
rähmchen, Lineale u. s. w. aus polirtem Holz mit Einlagen von je 3 Metallen.
Kupfer, Messing und Zink. Die Einführung der Technik in die dortige
Lehranstalt ist aus Indien erfolgt Der früher erwähnte englische Ingenieur
G. T. Coddington hatte bereits im Jahre 1881 den Versuch gemacht, die Tär-
kaschi aus Mainpuri nach Floren/ zu Übertragen, dort aber keine geeignete Per-
sönlichkeit für den handwerklichen Betrieb gefanden. Er wandte sich spater an
den k. k. Werkmeister Joseph Lacedelli in Cortina d'Ampezzo, welcher bald im
Stande war. die Arbeiten auszuführen und zu lehren, so dass sich in Cortina eine
Art Hausindustrie entwickeln konnte. Diese Angabc ist dem 1889 erschienenen
Weikehen des königl. Gewerbe-Sehullchrcrs Matthias .Anleitung zum Einlegen
der Metalle in Holz" (Leipzig, Zehl entnommen, in welchem ausführliche An-
gaben Über das Werkzeug und die Ausführung Belbsl enthalten sind. Eine Aus-
stellung jener Cortina-Arbeiten in Bremen (1888) ist wohl die Veranlassung zur
Verpflanzung der Technik in die dortige Lehranstalt gewesen (Mitth. d. Gewerbe-
Museums in Bremen 1888, H. 111 .
(110)
Nicht ohne Einfluss mögen aber auch die nur in diesem Museum bereits seit
vielen Jahren vorhanden gewesenen, „aus der Hercegovina" stammenden und den
zuerst vorgelegten völlig entsprechenden Arbeiten geblieben sein. —
Um die Erhaltung der Kunsttechnik in ihrer Heimath hat sich die öster-
reichische Verwaltung seither bemüht. Ein Weiterleben und Blühen derselben ist
daher zu erhoffen, wenn sich diese Förderung auf ein Behüten beschränkt. In
ähnlichen Fällen haben oft die besten Absichten es nicht verhindern können, dass
volkstümliche Kunstweisen durch das Hineintragen fremder Elemente in die Her-
stellungsart oder die Formgebung erstickt worden sind.
Einige der hier vorgelegten bosnischen Arbeiten habe ich seiner Zeit in den
,,Blättern für Arch. und Kunsthandwerk", 1888, Nr. 7 (Berlin, A. Braun & Co.),
durch Lichtdruck veröffentlicht. —
(32) Hr. v. Luschan bringt Vorlagen aus dem Königl. Museum für
Völkerkunde. —
Hr. P. Staudinger bemerkt in Betreff der vorgezeigten Lagos-Masken:
„Auch ich sah bei meinem kurzen Aufenthalte in Lagos vor 12 Jahren bei ver-
schiedenen Europäern bemalte Holzmasken oder richtiger Köpfe; sie wurden
indessen schon damals, wie man mir mittheilte, zum Verkauf an die Weissen,
also gewissermaassen zum Export angefertigt, so dass ich den Ankauf der dort
leicht zu erlangenden Stücke bei meinem Dortsein unterliess. Bezüglich der
abenteuerlichen Form, namentlich auch der den Teufelsmasken ähnlichen, bemerke
ich, dass leider eine Beeinflussung von ausserhalb in jüngster Zeit mitunter aus-
geübt wurde, indem Kaufleute nach West-Africa deutsche, bezw. europäische
Masken, wohl aus Papiermache bestehend, einführten. Speciell wurde mir auf
Bulbine, auf den Los-Inseln, von einer grösseren Masken-Einfuhr Mittheilung ge-
macht. —
(33) Neu eingegangene Schriften:
1. Forrer, R., Der Depotfund von Bonneville. Strassburg i. E. 1896. Gesch.
d. Verf.
2. Mehlis,'C, Der Drachenfels bei Dürkheim a. d. H. Neustadt a. d. H. 1897.
Gesch. d. Verf.
3. Hansen, A. M., Menneskeslaegtens Aelde. 3. Hefte. Kristiania 1894. Gesch.
d. Verf.
4. Tappeiner, F., Der europäische Mensch und die Tiroler. Meran 1896. Gesch.
d. Verl'.
5. Tylor, E. B., On American Lot-Games, as evidence of Asiatic intercourse
before the time of Columbus. Leiden 1896. (Sep.-Abdr. a. d. Intern.
Arch. f. Ethnogr.) Gesch. d. Verf.
<>. Hirsch, H., Die mechanische Bedeutung der Schienbeinform. Mit besonderer
Berücksichtigung der Platyknemie. Berlin 1895. Gesch. d. Verf.
7. Apte, Raghunath Narayan. The Sujna Gokulji Zala Vedant Prize Essay 1889.
Bombay 1896. Gesch. d. Bombay University.
8. Steinbrecht, C., Die Wiederherstellung des Marienburger Schlosses. Berlin
1896. Gesch. d. Hrn. Conwentz.
9. Philologikos syllogos Parnassos. Epeteris. I. Athen 1897. Gesch. d. Ges.
Sitzung vom 20. März 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Vorstand und Ausschuss der Gesellsehaft haben zu correspondirenden
Mitgliedern erwählt:
Hrn. Robert Munro, M. A., M. D., F. R., S. E., Secretary of the Society
of Antiquaries of Scotland, Edinburgh.
„ de Morgan, Director des Museums in Gizeh.
„ W. M. Flinders Petrie, M. C. L., L. L. D., Edwards -Professor of
Egyptology in the University College in London.
(2) "Wieder eingetreten in die Gesellschaft sind als ordentliche Mit-
glieder:
Hr. Contre-Admiral z. D. Strauch in Priedenau.
„ Ludwig Schneider, Conservator der k. k. Central-Commission der
Kunst- und historischen Denkmale, Smircic in Böhmen.
Neu angemeldet:
Hr. Dr. A. M. Warburg in Hamburg.
(3) Die Königliehe Akademie der Wissenschaften zu Turin meldet den am
19. Februar erfolgten Tod ihres berühmten Mitgliedes Luigi Schiaparelli. —
(4) Die nächste General -Versammlung der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft wird vom 3. bis 5. August in Lübeck tagen und bei
dieser Gelegenheit am (5. Schwerin, am 7. August Kiel besuchen. —
(5) Bei der am 3. April in Aussicht stehenden feierlichen Sitzung der Gesell-
schaft für Erdkunde zu Ehren Fr. Nansens werden die Mitglieder unserer
Gesellschaft, welche gleichzeitig Mitglieder der Gesellschaft für Erdkunde sind,
aufgefordert, zahlreich zu erscheinen. Eine directe Betheiligung unserer Gesell-
schaft ist nach Lage der Sache ausgeschlossen. —
Der Vorsitzende, der demnächst eine Reise nach dem Süden antreten und
zur Zeit nicht in Berlin anwesend sein wird, giebt schon jetzt den Gefühlen der
Bewunderung und der herzlichsten persönlichen Theilnahme für den ebenso glück-
lichen, als tapferen Forscher wannen Ausdruck. —
(6) Es liegt das Programm für den vom 20. bis 25. April in Jena stattfindenden
deutschen Geographentau vor. —
(7) Das Central-Comite für die erste Centenar-Feier der Geburt
von Antonio Rosmini übersendet aus Rovereto, .">. März, eine Einladung zur Be-
theiligung auf den 2. Mai. —
(112)
(8) Hr. R. Hausmann übersendet aus Dorpat, 17. März, ein Dankschreiben für
seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede und fügt einen Bericht bei über
den vorbereitenden Congress in Moskau (4. bis 6. Januar), sowie das Programm für
den XI. Russischen Archäologischen Congress, der im Jahre 1899 in Kiew
stattfinden soll. —
(9) Der internationale medicinische Congress wird in Moskau vom
19. bis 26. August d. J. tagen.
(10) Hr. A. v. Heyden berichtet unter dem 10. April über einen
Grabfund in der Fides-Kirche zu Schlettstadt.
Im Jahre 1892 wurden die am Ende des 12. Jahrhunderts errichteten Gebäude,
welche die heutige Fides-Kirche bilden, einer gründlichen Restauration unterzogen.
Man fand dabei in einer Art Crypta einige Steinsärge und in einem späterer Zeit
angehörenden Sarkophage mit den Resten eines Holzsarges unter einander geschüttete
Theile einer Frauenleiche, welche wohl der Erbauungszeit der Kirche angehört,
namentlich aber in Mörtelguss abgeformte Theile ihres Körpers. Der Ausguss
dieser Formen in Gyps ergab das vollständige Bild des Kopfes und des Körpers
bis unter die Brüste. Die Formen des Gesichtes sind von ungewöhnlicher Schön-
heit: ein feines, unendlich liebenswürdiges Lächeln, die grösste seelische Ruhe
umspielt die Züge dieser 35 — 40 Jahre alten Frau. Die linke Seite des Gesichtes
ist etwas zerstört, was aber das wundervolle Profil in keiner Weise beeinträchtigt.
Zum Glück ist der Mörtelguss treu genug, um im Ausguss charakteristische Züge
in der Kleidung erkennen zu lassen, welche auf eine Frau der höheren Stände hin-
weisen. Das einfach gescheitelte Haar liegt in einer Flechte schräg über Vorder-
haupt und Stirn, wie die Bilder der Weingartner- Liederhandschrift dieses mehrfach
zeigen. Am Körper sind deutlich die Stoffunterschiede der Theile des weiblichen
Gewandes des 12. Jahrhunderts, Hemd, Rock und Suckenie zu unterscheiden,
während sich der bei einer vornehmen Frau nie fehlende Mantel schleierartig um
Kopf und Schultern legt.
Der Annahme, dass man es mit dem Abgüsse einer Pestleiche zu thun habe,
widersprechen wohl die unverzerrten ruhigen Züge der Dahingeschiedenen.
Den genauen Fundbericht des Baurathes Winckler und einige Hypothesen
über die muthmaassliche Familie der Leiche geben kurze Bemerkungen des Prof.
Seder in einer besonderen, in Strassburg bei R. Schwarz & Co. erschienenen
Brochüre, welche auf 8 Tafeln die Bilder der Leiche und deren versuchte Restauration
bringt. —
(11) Hr. A. Bässler übersendet aus Neu-Seeland, Januar, einen weiteren
Reisebericht, speciell über
neuseeländische Alterthümer.
Die Maoris pflegten früher die in der Erde ruhenden Todtcn nach einer ge-
wissen Zeit wieder auszugraben und von den Knochen die letzten Fleisch-Anhängsel
mit Muscheln abzukratzen, um sie nach Abhaltung eines „Tängi" entweder an einer
anderen Stelle neuerdinge zu vergraben oder in Höhlen niederzulegen. Diese Orte
wurden möglichst rersteckl gewählt, geheim gehalten und waren stets „tapu".
Häuptlinge bestattete man abs« its von den Uebrigen und so verborgen, dass ihre
Ueberreste niemals in die Hände ihrer Feinde fallen konnten, was für den ganzen
(113)
Stamm ein grosser Schimpf gewesen wäre. Verliess ein Stamm seinen Bezirk, um
sich wo anders niederzulassen, so grub man — und das thun die Maoris auch
heutigen Tages noch, vergl. meine „8üdsee-Bilderu — die Knochen nochmals aus,
reinigte sie wiederum, hielt abermals ein „Tängi" ab und nahm sie dann nach
dem neuen Wohnort mit, wo dieselben neuerdings verborgen wurden. Von da ab
war der Platz „tapu" und wurde und wird nicht mehr betreten, theils aus Ehr-
furcht vor den Todten, theils — und wohl noch mehr — aus Angst vor den den
Platz umschwebenden Geistern. Würde man daselbst beim Sueben nach Schadein
angetroffen, so könnte man sieh auf unangenehme Stunden gefasst machen. —
Ungefähr 90 km nördlich von Auckland ergiesst sich an der östlichen Küste
der Nordinsel Neu-Seelands der Mangawai-Fluss in's Meer. Der Ort ist von Weitem
kenntlich durch ein kleines felsiges Vorgebirge, das sich von den monotonen.
meilenweit sich erstreckenden Sandhügeln der Küste deutlich abhebt. Diese Hügel
sind einst vielfach zu Begräbniss-Stätten benutzt worden, bergen aber jetzt nur
noch wenige menschliche Ueberreste. Stürme aus Osten verwehten den Sand oft
derart, dass sie die Skelette freilegten, die von den Wellen in's Meer gespült
wurden. Als später Weisse jene Gegenden nach Kauriharz durchsuchten, stiessen
sie manchmal auf einen Schädel, statt auf Harz, mit dem sie dann oft Unfug
trieben und die Maoris erschreckten, so dass diese sich bewogen fühlten, die
noch vorhandenen Gebeine weiter in's innere der Insel überzuführen. So kam es,
dass ich bei meinen Nachgrabungen nur noch auf einer Stelle Erfolg hatte, und
zwar am linken Ufer des Mangawai, unweit des Vorgebirges, wo ich auf einem
Hügel, ungefähr 1 »t unterhalb der Oberfläche desselben, zwei vollständige Skelette
fand. Leider zerfielen sie trotz grösster Vorsicht vollständig, als ich sie aus dem
gerade hier etwas feuchten Sand nehmen wollte. Sie ruhten liegend; der Kopf,
etwas aufgerichtet, lag nordwestlich von den nach SO. gerichteten Füssen; nach
ihrer ersten Bestattung schienen sie nicht wieder ausgegraben zu sein. Das hat
darin seinen Grund, dass sie von einer Schlacht herrührten, die einst ge^en von
Süden vordringende Maoris hier geschlagen wurde, in der viele der heimischen
Krieger iiiden, die man auf diesem Hügel begrub, ohne sich ihrer grossen Zahl
wegen später um sie zu kümmern. Sie gehören zum Stamm „Ngatiwhatua". Ihre
Reste tragen die Nrn. 66 und 67. Xieln weit davon lagen in trockener Sandschicht,
fast an der Erdoberfläche, einige Skelettheile: Nr. 68.
Etwa 60 km nördlich von diesem Platze wurde vor mehreren Jahren eine Höhle
entdeckt, welche eine Menge Skelette barg und in welcher der Curator des Museums
von Auckland. der davon benachrichtigt worden war. 73 Schädel fand Von diesen
üherliess er mir gütigst die noch vorhandenen sechs, welche die Nrn. 69 — 74
tragen, sowie sieben Unterkiefer Nr. 7."»). die aber nicht zu den Schädeln zu ge-
hören scheinen. Nr. 74 ist als Eäuptlings-Schädel dadurch kenntlich, dass vv voll-
ständig mit der reihen Farbe „Kokowai" ') bemalt ist, — eine Ehre, die nur Häupt-
lingen zukam. Unweit dieser Höhle seil sich, nach Aussage des Entdeckers, noch
eine zweite befunden haben, die mindestens ebenso viele Skelette barg. Dieselbe
ist nicht mehr auffindbar. Das Fortschaffen der Schädel war den Maoris zu Ohren
gekommen, und um Wiederholungen vorzubeugen, haben sie den Zugang zu dieser
anderen Höhle so geschickt verborgen, dass man nur durch einen Zufall dieselbe
nochmals auffinden wird.
In der Nähe des Sees „Rotorua" beut, zwischen augenblicklich sehr stark ar-
beitenden Geisern und nn ühligen Schlamm -Vulkanen; die kleine Maori-Nieder-
1) rother, gebrannter < '■ ker.
Verhandl. der Berl. «.nthropi Gesellschaft
(114)
lassung ,,Whakarewarewau. Diese intensive Thätigkeit der Geiser u. s. w. steht in
Verbindung mit mehreren heftigen Ausbrüchen des „Tongariro", die in den letzten
Wochen stattfanden. Um die heissen, den Maoris schon längst als heilbringend be-
kannten Gewässer auch für Weisse nutzbar zu machen, hat man in den letzten Jahren
hie und da kleine Holzhütten errichtet. Bei einer solchen Arbeit stiess man vor
2 Jahren auf eine ungefähr 1,5 — 2 m unter der Erdoberfläche liegende Gruft, in der
man 13 Skelette fand. Von diesen stammt der vorzüglich erhaltene Schädel Nr. 76/76',
vom Stamme der „Tuhourangi". Weitere Nachgrabungen, die ich in dieser Gegend
anstellte, wo sich noch andere Begräbnissplätze finden sollen, blieben erfolglos. Ob
auch hier die Maoris die Todten nochmals aus- und anderswo wieder eingegraben
haben, konnte ich nicht ermitteln; jedenfalls hatten sie sich seiner Zeit, als sie von
der Ausgrabung der 13 Skelette gehört hatten, Beschwerde führend an die Regierung
gewendet und der Finder war aufgefordert worden, die Gebeine wieder an Ort und
Stelle zu vergraben, was er auch, bis auf die Schädel, gethan hat. Aber auch
diese Knochen sind, wie ich mich überzeugte, seitdem verschwunden, — ob durch
Maoris oder durch Weisse, wird wohl niemals aufgeklärt werden. —
Im Nordosten der Nordinsel Neu -Seelands, nördlich von der Halbinsel Coro-
mandel und von dieser nur durch den Coromandel-Canal getrennt, liegt „Otea"
(jetzt Great ßarrier Island genannt), eine Insel, die sich über '62 km von Süden
nach Norden erstreckt und an ihrer breitesten, ungefähr in der Mitte gelegenen
Stelle von Westen nach Osten beiläufig 19 km misst. Von dem inmitten der Insel ge-
legenen etwa 800 m hohen „Hirakimata" laufen verschiedene Höhenzüge aus, die
zumeist an der Küste als steil abfallende Hügel enden. Dichter Wald bedeckte
einst die Insel überall da, wo nicht Felsen und steiniger Boden jedes Wachsthum
hinderten. Damals dienten diese Felsen als Begräbnissplätze; die Knochen wurden
in vor Regen und Wind geschützten Spalten, zwischen oder noch lieber in natür-
lichen Höhlen unter den Felsen, niedergelegt, genau wie es auf „Moorea" geschah.
Alle Skelette, die ich gefunden, waren derart entweder allein oder zu mehreren zu-
sammen aufbewahrt.
Die südöstlichen Ausläufer der vom „Hirakimata" kommenden Höhenzüge
bilden die „Kaituki"-Hügel. Hier fand ich in einer Höhe von etwa 75 m in felsigem,
fast unzugänglichem Terrain, welches die ganze Breitseite eines Hügels einnahm,
die Schädel Nr. 77 — 88, die Schädeltheile Nr. 89, und abseits von den übrigen, die
je zu zweien oder mehreren bei einander lagen, die Schädel und Knochen (im
Ganzen 20 Theile) Nr. 90. —
Im Südwesten von „Otea" liegt die Bucht „Tryphena". An ihrem Ende er-
heben sich über einem steilen Hügel schroffe Felsen; unter diesen fand ich die
Schädel Nr. 91 und 92, den Unterkiefer Nr. 93 und die Schädeltheile Nr. 94.
Nördlich von Tryphena liegt „Okubu"-Bay, an deren westlichem Ufer ich
Nr. 95 — 97 erhielt, an derem östlichen ich an zwei verschiedenen Stellen a) Schädel
Nr. 98/98 und 99, sowie Unterkiefer Nr. 100, b) Schädel Nr. 101 fand.
„Okubuu-Bay ist von der nördlicher gelegenen Bucht „Wangaparapara" durch
den etwa 420 m hohen „Ahumata" getrennt. Der Berg ist nur wenig mit Bäumen
bewachsen; doch wird man hei der Besteigung sehr gehindert durch dichtes „Ma-
nukau-Gebüsch und hohe Farnkräuter, aus denen überall zerklüftete Felsen her-
vorragen. Auf einem ungefähr 250 m hohen Kamm, von dem man beide Buchten
übersehen kann, sind diese besonders zahlreich und scheinen hauptsächlich den
Leuten von „Wangaparapara" als Begräbniss-Stätte gedient zu haben. Von hier
stammen Nr. 102/102, 103/103, 104—124; ferner Nr. 125: drei Unterkiefer; Nr. 126:
Schädeltheile (27 Stück) und Nr. 121: Skelettheile. —
(115)
Von den „Moriori" auf den Chatham-Inseln erhielt ich die Schädel
Nr. 128/128 und Nr. 1 21»; letzterer ist angeblich der einer jungen Frau. —
(12) Er. II. Matiegka in Prag schickt unter dem *'.. März eine Reihe von
anthropologischen Schriften. Die Mehrzahl derselben ist in czechischer
Sprache abgefasst; von dm zwei in deutscher Sprache geschriebenen behandelt
die eine die Asymmetrie der Extremitäten (Frager Medicinische Wochen-
schrift, 1893, Nr. 47), die andere die Anthropophagie in der prähistorischen
Ansiedelung bei Knovize und in der prähistorischen Zeit überhaupt
(Mittheil, der Anthropol. Ges. in Wien, Bd. 26 oder Neue Folge 16). Von der
einen der czechischen Abhandlungen1) giebt der Verf. selbst folgende Analyse:
I. Skelet-Gräber bei Gross-Czernossek-Czalositz, in der Nähe von
Leitmeritz: zwei Skelette, in blosser Erde ruhend, ausgestreckt im rechten Winkel
zu einander (mit den Füssen) gelagert; an dem einen Skelet fand sich ein Schlangen-
Armband von l3/4 Windungen, mit eingedrückten Kreisen und mit schlangenkopf-
ähnlichen Endstücken versehen; dabei ein Eisenfibel -Fragment (La Tene oder
römisch). —
II. Aschengrube bei Wehinitz (Lobositz) nebst Asche, Kohle und Scherben,
auch Bruchstücke eines durch Feuer beschädigten Bronzeringes mit Schloss und
hohlen Buckeln enthaltend, wie solche sonst aus La-Tene-Skelet-Gräbern bekannt
sind (wahrscheinlich kein Brandgrab). —
III. Fundort bei Liebshausen (vergl. auch Pamatky Archaeol. XIV.
S. 363 und Prähistor. Blätter VII, 1895, S. 4): Skelet-Gräberstätte aus der La Tene-
zeit, über eine aus älterer Zeit (Hallstatt?) stammende Wohnstätte übergreifend
(Abfall- und Aschengruben mit Stein- und Bein- Werkzeugen, wenig Bronze, aber
charakteristischen Gefässen und Scherben, Taf. XXXI, mit Ausnahme von Fig. 28).
Die Skelet-Gräber enthielten Eisenwaffen (La-Tene-Sch werter, Taf. XXX, Fig. 2,
Lanzenspitzen, Schildbeschläge) und Eisenschmuck (Armbänder Taf. XXIX, Fig. 5,
einen Halsring Taf. XXX, Fig. 7, Eisenfibeln Taf. XXIX, Fig. 12 und 13, Eisen-
gürtel-Ketten Taf. XXIX, Fig. 7), eine prächtige Bronzegürtel-Kette mit rothem
Email, andere Bronze-Eisenketten, Buckelringe (Tab XXX, Fig. 10, 14, 15), Glas-
(Fig. 12) und andere Armbänder, Lignitringe (Fig. 11). Charakteristisch sind einige
Gefässe (Taf. XXX, Fig. 8, Taf. XXXI. Fig. 28 mit Bodenspirale) und einige Objecte
(Doppelring, Taf. XXX, Fig. 6), römischen Einflnss verrathend. — Am meisten über-
rascht der Reichthum und die Mannich l'altigkeit der Gürtelketten, der Arm- und
Fussringe (besonders derer mit hohlen Buckeln) und ihrer Verschlüsse. Schon
durch diese allein unterscheidet sich die La-Tene-Cultur in Böhmen auffallend von
jener, die sich uns in den zeitlich sonst sehr nahestehenden, an Schmuck armen
Brandgräbern von Dobrichov darbietet (Pamatky Archaeol. XV, Dr. Pic: Archaeol.
v</.kuin L893). —
(13) Hr. Ed. Krause hat unter dem 11. März folgenden Nachtrag zu seiner
Vorstellung der Lappen (S. 34) eingesendet, besonders über
lappische Geräthe.
Es sind schwedische, nördlich von Stockholm angesiedelte Lappen: sie haben
in der Hauptsache schwedische Lebensweise angenommen, wenn sie auch noch
1) Dr. JindHch Matieg ka: Nalezj Lateneske le Beveroiäpadnich Tech (La-Tene-Funde
aus Nordwest-Böhmen. Pamatky ArchaeoL XVII, 1896, Taf. XXIX— XXXI).
8*
(116)
in Zelten leben. Immerhin haben sie sich noch manches Ursprüngliche bewahrt;
dahin gehört besonders die Bearbeitung des Holzes zu allen möglichen Haus- und
Wirthschafts-Geriithen. Von den zum Theil sehr hübsch gearbeiteten und beschnitzten
Sachen wurde eine grössere Anzahl vorgelegt, darunter ein aus Holz geschnitztes
Käsesieb (Fig. 1) mit Trichter (Fig. 2), ferner ein beschnitzter Löffel aus Holz (Fig. 3).
Fijr 4.
Fig. 1.
Fi«-. 2.
Fig. 3.
Fig. 1" zeig! das hölzerne Sieb von der Seite, Fig. \l> von oben gesehen. In
letzterer Figur sind die Rippen zu sehen, welche den Boden bedecken; sie sind
mit dem Napfe aus demselben Stück geschnitten. Femer sieht man in der Mitte
des Bodens ein viereckiges Loch, sowie an der Peripherie des Bodens zwei
dreieckige und ein rundes Loch zum Ablassen der Molken. Dieser Siebnapf wird
beim Gebrauch auf den Trichter (Fig. 2) gesetzt, in welchen feines Gras gelegt
wird, um den Rase zurückzuhalten. Dadurch werden die Löcher im Siebe nach und
nach voll von Küsekrünn Ichen, und lassen dann wohl noch die Molken, nicht aber
den Käse durch. Man hat so den Käse beim Abheben des Sirius vollständig rein
und braucht ihn nicht erst von dem Grasfilter zu trennen. Fig. 2a stellt den
Trichter von <\rv Seile gesehen dar, Fig. 26 den beschnitzten Griff von oben.
Das Sieh hat 15,6 cm, der Trichter 16 cm oberen Durchmesser; beide sind aus
Birken-Maserholz geschnitzt.
(117)
Fig. 3 zeigt einen aus Holz geschnitzten Löffel, in dessen hohlem Stiel drei
Kugeln spielen, welche nicht hineingesteckt, sondern an Ort und Stelle aus dem
beim Aushöhlen des Stieles lose werdenden Stück Holz geschnitzt sind. Auch der
Behang am Stielende ist mit dem Stiel aus einem Stück geschnitzt. Die Ver-
zierungen im Löffel seihst sind in ziemlich feinen Strichen eingravirt, die Blätter
und Blumen schraffirt. Der Löffel ist 17,.') cm lang.
Dies nur einige Frohen der vielen Schnitzarbeiten, welche die Leute mit sich
führten. Aon Interesse dürfte ausserdem noch ein Stelzbein sein, das sich der
eine Lappe selbst gemacht hat. Er hat vor Jahren beim Absturz von einem Felsen
ein Bein gebrochen. Der Bruch ist schief geheilt. Um das Bein gebrauchen zu
können, hat er sich das Stelzhein Fig. 4 erfunden. Die obere Pfanne stützt den
Oberschenkel, an den sie angeschnallt wird; der Unterschenkel legt sich mit seiner
Aussenseite gegen die Stelze, die Fussspitze greift hinter die Stelze. So kann der
Mann ohne grosse Beschwerden marschiren.
Auch ein Brustlatz für eine Braut wurde vorgelegt, der mit Ringen benäht
ist, von denen der Frau bei der Geburt eines Kindes in der Ehe stets einer ab-
gerissen wird. —
(14) Hr. Ed. Krause übergiebt einen Bericht über
Sagen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen,
und über anderen Aberglauben.
Während meiner Ausgrabungen auf dem Hügelgräber-Felde bei Seddin (vergl.
„Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" 1896, S. 82) unterhielten sich meine
Arbeiter angelegentlich über mancherlei Aberglauben, der sich an die Gegend
knüpft. Vor Allem spukte da wieder die goldene Wiege, welche in einem der
Hügel liegen soll; sie wussten leider nicht in welchem, sonst hätten wir sie sicher
herausgeholt.
Eine andere Sage knüpft sich an drei sehr grosse Hügelgräber, welche in einer
geraden Linie von etwa '.'< km Länge liegen. Sie sind jetzt alle drei angegraben,
der eine ganz abgetragen. Der südlichste, grösste von ihnen war bei meinem
Besuche noch 8,5 /// hoch und hatte die Gestalt eines grossen Kraters, in Folge
von Nachgrabungen. Er heisst, nach einem Vorbesitzer, der Garlinsche Berg,
häufiger aber noch der Hinzer-Berg, weil nach der Sage in ihm der Riesenkönig
Heinz oder Hinze begraben sein soll. Dieser ruht der Sage nach in einem goldenen
Sarge, dieser in einem silbernen, der wiederum in einem kupfernen Sarge steh!
Der König soll ein goldenes Sehwert und andere Kleinodien bei sieh haben.
Das nächstgelegene grosse Hügelgrab in dieser Reihe sollte nach der Sage
dm goldenen Fingerring des Riesenkönigs Hinze bergen. Als vor etwa 30 Jahren
Steine daraus zum Wege- und llausl.au abgefahren wurden, so dass etwa die
Hälfte von ihm abgetragen wurde, fand man in der Mitte einen goldenen Armring,
über dessen Verbleib ich nichts ermitteln konnte. Da hatte man den Fingerring
des Riesenkönigs. Um so mehr glaubte man nun an den Schatz im Hinzer-]
und daran, dass in dem dritten Hügel Heinze's „Geldschrank" ruhe. Dieser Hügel
wurde gänzlich abgetragen, um dir Sinne zu rerwerthen, denn alle diese Hügel
sind aus Sinnen aufgeführt und bergen im Innern eine oder mehrere Steinkisten.
Alier hier wurden weder Binze's Geldschrank, noch sonst Alterthümer gefunden.
Doch der Fund des goldenen Ringes liess den Besitzer des Hinzer-Bergi -
nicht ruhen. Es ging ihm schlecht, da er mehr im Kruge, als auf seinem Felde
und Hole war. Hinze's Goldsarg sollte ihn berausreissen. Also aus Werk. Y\ ochen
(118)
am Wochen brachen er und sein Knecht mit der Radehacke die Steine und schafften
sie den Berg hinunter, so dass der spätere Besitzer viele Hundert Fuhren Steine
zum Bahn- und Chaussee-Bau verkaufen konnte und ein Krater von 12 — 15 m
oberem Durchmesser in den Hügel gegraben wurde; aber der Goldsarg kam nicht.
Nur ein Bronze-Schwert und einige andere Bronzen wurden gefunden. Diese aber
sind mit dem Bauer verschollen, den die Schulden von Haus und Hof trieben.
Erst sein Nachfolger fand das Gold in den Steinen, indem er sie verkaufte.
Der Riesenkönig soll auch in einem der Hügel in Kehrberg, Kreis Ost-
Priegnitz1), stecken, ebenfalls in goldenem Sarge ruhend. Aber in allen den Hügeln,
die ich dort aufgrub, fand ich ihn nicht; ebenso wenig fand ich ihn in den Hügeln
auf dem benachbarten Krams, wo er übrigens zum „Wiesenkönig" geworden ist
und in einem mit Gold angefüllten Sarge liegt.
Eine andere, sehr poetische Sage knüpft sich an das der römischen Kaiser-
zeit angehörende Urnengräber-Feld auf dem schwarzen Berge, 1 km südlich von
Rebenstorf, Kreis Lüchow, Provinz Hannover, im hannoverschen Wendlande,
dem Fundort der schönen Fenster-Urne des Museums in Salzwedel. Das Gräber-
feld liegt am sanften Süd-Abhange eines grösseren Erdrückens, des sogenannten
schwarzen Berges. In Rebenstorf leben mehrere Leute, die in ihrer Jugend den
dortigen „Spuk" gesehen haben. Erst vor Kurzem noch, ehe ich dort Urnen aus-
grub, hatten ihn mehrere Kinder, grössere Mädchen, an verschiedenen Tagen
gesehen, doch meist wenn sie einzeln, seltener wenn ihrer mehrere beisammen
waren. An heissen, sonnigen Sommertagen tritt dieser „Spuk'' auf, ist also nicht
so gruselig, wie sonst der meist nächtlicher Weile erscheinende Spuk es zu sein
pflegt. Zwerge, Männlein und Weiblein, „die Ungererdschken", trocknen dann am
schwarzen Berge ihre weiss gewaschene Wäsche. Sie unterhalten sich dabei ganz
munter und treiben mit lustigem Lachen allerhand Scherz bei ihrer Arbeit, nicken
und lachen auch den Kindern und sonstigen Anwesenden freundlich zu. Wenn
diese aber näher zu ihnen herangehen oder ihnen laut zurufen, oder nach ihnen
schlagen oder werfen, sind sie wie mit einem Schlage im Erdboden verschwunden.
Man mag dann aber sehen, dass man heil davonkommt.
Bei Bösel, Kreis Lüchow, befindet sich ein Urnengräber-Feld auf dem sogen.
Schlossberge. Da ist schon oft das Schlossfräulein Abends von Hütejungen und
Wanderern gesehen worden. Es thut aber Niemandem was zu Leide, sondern
wandelt still seines Weges. Auch geht dort ein schwarzer Hund um. Auf dem
am Schlossberge vorüherführenden Fahrwege ist es nicht richtig, da bleiben oft
die Pferde ror dem Wagen wie angewurzelt stehen, gerade da, wo sich der Weg
in das Thal zu senken beginnt, und sind nicht vom Fleck zu bringen, weder mit
Gewalt, noch mit Güte.
Dasselbe eschieht oft auf dem, an dem La-Tene-Urnengräber-Felde bei Gross-
Chüden, Kr. Salzwedel, vorüberführenden Fahrwege von Jeebel nach Gross-Chüden.
Vor wenigen Jahren erlebte das ein mit seiner Tochter heimfahrender, noch jetzt
lebender Bauer. Nichts \ rrmochte die Pferde zum Weitergehen zu bewegen. Endlich
pinkte sieh der Bauer ein Stück Schwamm für die Pfeife an, dass die Funken nur so
ätoben, und plötzlich rasti n die Pferde wie toll davon. Auf demselben Gräberfelde
geht auch ein grosser, ächwarzer Hund um, wie es gar keinen in der ganzen Gegend
giebt. Hütejungen haben ihn oft gesehen. Er erscheint Abends, wenn es schummerig
wird. Der Schulze Recl ling hat ihn als etwa 12jähriger Junge selbst gesehen.
Er treibt sein Wesen hauptsächlich ungefähr in der Mitte des Gräberfeldes, da, wo
1) S. Verhandl. 1891, S. 262.
(119)
früher ein grosser Grabhügel stand. In diesem Hügel liegt eine goldene Wiege.
Der Vorbesitzer des Planes, der jetzt dem Schulzen Ilcekling gehört, Bauer
Bäcker in .Jecbel. hat den Bügel aufgedeckt, um die goldene Wiege zu heben,
fand aber nichts, als grosse Steine und dazwischen zerdrückte Töpfe. Als das für
die Arbeiter mitgenommene Fasa Hier leer war, stellten diese die Arbeit ein und
waren nicht zum Weiterarbeiten zu bringen; denn es wurde Abend, und da geht
der schwarze Hund um.
Auch andere Thiere sind dort gesehen worden.
In dem oben erwähnten Rebenstorf herrscht ein eigentümlicher Weihnachts-
brauch. Am Weihnachts-Heiligabend musa alle bewegliche Habe jedes Gehöftes
unter Dach sein, Wagen, Pflüge und sonstige Ackergeräthe, überhaupt alles zum
Hofe Gehörende. Ist etwas davon verborgt, so wird es sicher am Weihnachts-
Heiligabend zurückgefordert, wenn vielleicht auch nur auf einen Tag.
In der Walpurgis-Nacht, „der Mainacht", gingen (?) die Frauen gegen Morgen
auf's Feld und mähten vor Sonnen-Aufgang etwas Saat von den Nachbars-Feldern,
damit ihr Vieh besser gedeihen solle, das des Nachbars aber nicht. Auch wird
von ihnen die Flachs-Saat vor Walpurgis bekreuzigt, nachher nicht mehr.
Wird in Rebenstorf ein Füllen geboren, so hängt man die Nachgeburt an
einen Baum, die eines jungen Hengstes an einen Hirnen-, die einer Stute an einen
Apfelbaum.
In Salzwedel werden die Bäume zu Weihnachten ..beschenkt", indem man
ihnen ein Strohband um den Stamm bindet, damit sie besser tragen sollen. —
(15) Hr. Ed. Krause berichtet ferner über
eine Drachen-Sage von Seddin, in der West-Priegnitz.
In dem bereits vorher angezogenen Seddin ist der Drache noch in voller
Thätigkeit, wie ich durch die Unterhaltung meiner Arbeiter unter einander erfuhr.
Mehrere meiner Leute hatten ihn selbst gesehen. Wer ihn an sich zu fesseln weiss,
dem bringt er Glück und namentlich grosse Reichthümer. DieWittwe des Krügers
hat ihr Vermögen zum grossen Theil durch den Drachen. Er fliegt in Gestalt
einer feurigen Schlange in den Schornstein. Ob die Krüger -Wittwe schon früher
sich den Drachen dienstbar gemacht, war nicht bekannt, jedenfalls hat sie aber
früher schon Capitalien auf Zinsen ausgeliehen. Als sie dann den Krug verkaufte,
blieb sie trotzdem im Dorfe. wenn auch in einem anderen Hause, zur Miethe
wohnen. Seitdem sie nun dort wohnt, war der Drache mehrfach von meinen
Leuten bei ihr gesehen worden. Schon von Weitem sahen sie die feurige Schlange
zum Schornstein hineinfliegen. Sie schlichen näher und sahen die Wittwe bei der
Lampe am Tische sitzen und lesen oder Handarbeiten machen. Unter dem Tische
aber sahen sie eine kleine weisse Flamme. Das war der Drache. Nach länj
Zeit stand die Frau auf und ging ms Schlafzimmer, gefolgt xon dem Drachen.
der weissen Flamme. Dasselbe beobachtete ein anderer von meinen Leuten, als
er Nachts um zwölf Ihr noch einen Lichtschein aus dem Fenster der Frau be-
merkte. Diesmal brannte die Lampe nicht; der Drache sass als weisse Flamme
auf dem Tische, anscheinend bei einem Haufen Geld, und die Frau sas> mit freund-
lichem Gesicht bei ihm am lisch. Auch ein anderer Arbeiter, der dies All -
jetzt von seinen Dorfgenossen erfuhr, hatte d^n Drachen gesehen. Da stand er
bei Sonnen-Untergang am Abendhimmel in Gestalt einer ganz schmalen, laug-
gestreckten, blauen, horizontal liegenden Wolke, aber mit einem richtigen Kopfe,
vier Beinen und einem langen Schwan/.
(120)
Auf der Brücke, die man nach Wolfsgarten zu passiren muss, erscheint Nachts
ein Schimmel ohne Kopf; auch hat sich schon Abends dort den Frauen etwas auf
die Kiepe gehockt, so dass sie sie kaum noch tragen konnten. Das blieb sitzen,
bis sie entweder an das Dorf oder den Dorfteich, oder nach der anderen Richtung
hin an den Kirchhof kamen. —
(16) Hr. Ed. Krause überreicht im Anschluss an seine vorstehenden Mit-
theilungen einige
Sagen der Umgegend von Trebichow, Kreis Crossen,
welche Hr. Premier-Lieutenant Hans v. Schierstädl die Güte hatte für ihn zu
sammeln.
Es war vor langer, langer Zeit, — damals lebte noch der Ur-Grossvater des
Grossvaters des verstorbenen alten Penak in Radenickel.
Zwischen dem Teufelssee und Meschak wuchs noch kein Wald. Dort lag Acker,
der von Radenicklern schlecht und recht bearbeitet wurde und auf dem sie ihr
Vieh weideten. Bei den Viehheerden fand sich stets in der Zeit zwischen 12 und
1 Uhr Nachts ein weissgeborner Schimmel ein, der um 1 Uhr in der Richtung des
Teufelssees wieder verschwand.
Der alte Penak hatte den schönen Schimmel oft beobachtet und war schliesslich
zu dem Entschluss gekommen, das Thier möglichst für seine Zwecke zu ver-
wenden.
Er versuchte den Schimmel zu fangen, was ihm ohne Mühe gelang, spannte
ihn vor die Egge und wurde mit Erstaunen gewahr, dass der Schimmel ganz allein
Von nun an fing er täglich das gutmüthige Thier und dieses leistete in kurzer
Zeit eine Tagesarbeit, so dass er vor 1 Uhr schon wieder ausgespannt war und
in der Richtung des Teufelssees verschwinden konnte.
Fortan trug der Acker des Penak reichlichere Frucht, als der seiner Nach-
barn, denn keiner konnte so sauber bestellen, wie Penak mit Hülfe des wunder-
baren Schimmels.
Lange Jahre hatte der Bauer so seinen Acker regelmässig bearbeitet, als ihm
der Gedanke kam, den Schimmel noch mehr auszunutzen, um viel, viel reicher zu
werden. Er Hess nun wieder einmal den Schimmel seinen Acker eggen, spannte
ihn aber nicht um 1 Uhr aus. Dieses half ihm indess nichts, denn um Punkt
1 Uhr ging der Schimmel mit der Egge durch und verschwand mit ihr im
Teufelssee.
Dort liegen Schimmel und Egge noch heute, und nur selten noch steigt ersterer
heraus und eggt die Blossen und Wiesen in der Nähe des Teufelssees zur Mitter-
nachtzeit, oder erschreckt als Schimmel ohne Kopf den einsamen Wanderer. —
Der Xachtreiter am Teufelssee.
In der Nähe des Teufelssees zwischen Grochow und Meschak stand noch vor
75 Jahren ein Theerofen.
Die Kiefern-Stubben zur Theer-Gewinnung wurden in ältester Zeit auch des
Nachts gerodet. Dabei kam es dann öfters vor, dass die Arbeiter durch den Xacht-
reiter erschreokt und Bogar geneckl wurden. Schliesslich trieb der Nachtreiter die
Sache so arg, dass die Leute sich fürchteten und nicht mehr arbeiten wollten.
Der alte Schneider aus Etadenickel, der viele Dinge wusste, beruhigte die Leute
und versprach ihnen, bei der nächsten Gelegenheit den Nachtreiter zu entfernen.
(121)
Denn wenn man vom Nachtreiter etwas verlangt, was er nicht ausführen kann,
küme er nicht wieder.
Als nun gelegentlich dos Stubben-Rodens der Nachtreiter die Arbeiter wieder
belästigte, rief ihm der alte Schneider zu: „ärgern könne sie Jeder, das sei keine
Kunst, er solle ihnen lieber etwas zu essen bringen." Der Nachtreiter verschwand
und kam nach einiger Zeit mit einer Pferdekeule wieder, die er den Leuten hin-
warf, und wollte nun den alten Schneider sogar anfassen. Der aber Bagte ihm:
„die Pferdekeule könne doch so kein Mensch essen, er müsse auch Sulz dazu
bringen, damit sie sie kochen könnten." Salz aber konnte der Nachtreiter nicht
bringen, er verschwand und kam nicht wieder.
Südlich von Radenickel liegt auf dem Acker ein Berg (Hügel), der Sprukels-
berg genannt, auf diesem reitet nach Mitternacht der Nachtreiter auf einem Pferde
(Schimmel?) ohne Kopf. Man muss nicht hingehen, wenn man es hört. —
In Balkow gehen noch heute die Leute, wenn ihr Vieh krank ist, zur Hexe
und beschimpfen diese, dadurch wird das Vieh gesund. Ob bestimmte Worte
bei der Beschimpfung gebraucht werden und wie die Hexe entdeckt wird, konnte
ich noch nicht ermitteln.
Zur Advents- und Passionszeit müssen die Balkowerinnen blaue Röcke tragen;
sonst gehen sie „bunt" (Scharlach rock), auch schwarz. Die alten Leute wissen,
dass früher zu bestimmten Festen auch immer bestimmte Farben getragen wurden.
Von dieser Sitte ist aber jetzt nur noch für die oben angegebene Zeit der blaue
Rock übrig geblieben (die Tracht ist kostspielig). Leider wird den Kindern in
der Schule von den Lehrern nicht erlaubt, die zur Tracht gehörige Haube zu
tragen, sie tragen sie dann später auch nicht. —
Ferner theilt mir Hr. v. Schierstädt über den Glauben an den Drachen
noch Folgendes mit:
In Balkow giebt es noch Leute (früher auch in Zicbingen, Anrith, Matschdorf
und Grimnitz), denen aus uralter Zeit die Wissenschaft überkommen ist. mit Hülfe
des Drachens (Teufels) zu Wohlstand zu gelangen.
Der Drache erscheint dort manchmal in Gestalt eines schwarzen Huhnes.
Deshalb werden von denen, die sich nach herrschender Ansieht fromm dünken,
zugelaufene schwarze Küken oder Hühnchen gewissenhaft wieder entfernt oder
auch heimlich zu einem Nachbar getragen, dem man wohl Wohlstand, aber auch
den Drachen gönnt, und bei diesem ausgesetzt; nur selber darf sich der Fromme
mit dem Drachen nicht einlassen.
Erzwingen lässt sich die Hülfe und Ankunft des Drachens nicht: seine Er-
werbung ist aber mit Hülfe von Hexen, die es dort noch giebt, nicht ausgeschlossen.
Kommt nun ein Bewohner Balkows in die glückliche oder unglückliche Lage.
dass ihm ein schwarzes Küken zuläuft, so hat er dieses in einer geräumigen Tonne
auf dem Boden zu verwahren, regelmässig mit Wasser und Futter zu versehen
und übrigens sehr gut zu behandeln. Dann verlässt der Drache nächtlicher Weile
durch i\m Schornstein das Haus und kragt, auf demselben Wege zurückkommend,
Beinern Ernährer Dinge zu, die seinen Wohlstand fördern. Wohl jeder Orts-
Einwohner hat schon gesehen, wie der Drache (Feuerkugel, die in scheinbarer
Richtung eines Hauses niedergeht — auch sehr hell leuchtende Sternschnuppen
werden dafür gehalten — ) zurückkehrt, oft als Zeichen seiner aber- oder richtiger
unterirdischen Herkunft einen Rauchstreifen in der Luft zurücklassend.
In Folge dieser anstrengenden Thätigkeil kann es nicht ausbleiben, d iss sich
das Aussehen des Drachens mehr oder weniger verändert, und eben.-- am Page das
(122)
schwarze Huhn in der Tonne mehr und mehr „kubrig" (bestossen? struppig?) aus-
sieht. Solch" kubriges Aussehen verleitete nun vor längerer Zeit die Magd eines
wohlhabenden Bauern, die das Huhn ans der Tonne nehmen und füttern sollte,
es mit dem Pusse zu stossen, was für die Wirthschaft und die Magd die nach-
theiligsten Folgen hatte. Die Wirthschaft ging mehr und mehr zurück, da der
Drache seine Thätigkeit einstellte, und die Magd bekam ein unheilbares Uebel am
Bein. In ihrer Xoth gestand sie der Bäuerin ihre That und wurde sofort aus dem
Dienste entlassen, worauf das Glück wieder in der Wirthschaft einkehrte.
Auch in Trebichow glauben die Leute an die schwarze „Hünne* als Drachen.
Anstatt des Ausdrucks „Drache" bedienen sich die Leute auch der Bezeichnung
.Meister Hans".
Die Leute halten ihren Glauben an Drachen u. s. w. vor den Geistlichen
äusserst geheim, so dass diese meist nichts davon wissen. —
(17) Hr. H. Schumann übersendet aus Löcknitz, 1. März, einen Bericht
über einen
Bronze -Depotfund von Clempenow in Pommern.
Derselbe ist in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" 1897, S. 7,
gedruckt. —
(18) Hr. Rud. Virchow berichtet im Verfolg der früheren Mittheilungen
(S. 34) über den Stand der Verhandlungen betreffend die
Durchschneidung des Schlossberges von Burg im Spreewalde.
Nachdem ich mir durch wiederholte Besprechungen mit dem Bau-Unternehmer
der projeetirten Localbahn, Hrn. Becker, eine genauere Einsicht in die Pläne ver-
schafft und die verschiedenen möglichen Linien geprüft hatte, legte ich zunächst
das Ergebniss dem Vorstande und Ausschuss unserer Gesellschaft vor. Da das
Local-Comite und der Bau-Unternehmer zu einem Verzicht auf die Benutzung
des Schlossberges für die Bahnlinie und der dadurch gewonnenen Erde für die
an sich schwierige Herstellung des Bahnplanums nicht zu bestimmen waren, so
schien mir die Hauptaufgabe bei den weiteren Verhandlungen darin zu liegen,
wenigstens die äussere Gestalt des Berges in seinen grossen Formen zu erhalten
und eine Abtragung der peripherischen Theile desselben soviel als möglich zu ver-
hindern. Dieses erschien erreichbar, wenn die Bahnlinie mitten durch den Schloss-
berg gelegt würde, dor gerade in seiner Mitte am wenigsten hoch und durch lange
Beackernng Behr beschädigt ist, und wenn von der Anlage von Bahn^rbäuden inner-
halb des Schlossberges gänzlich Abstand genommen würde. Der Vorstand und
Ausschuss erklärten sich damit einverstanden.
Inzwischen erhielt ich eine Einladung des Local-Comites zu der Grundstein-
Legung für den Ihm Straupitz zu erbauenden Bahnhof auf den 15. März. Ich
begab mich dahin and fand ausser dem Bau-Unternehmer und den Vertretern der
Nachbar-Gemeinden den Kreis-Landrath, Hrn. Grafen v. Schulenburg, und dvn
durch eigene Forschungen über die Bedeutung des Gegenstandes wohl unter-
richteten Grafen Bonwald, den Besitzer der nächstgrossen Strecke. Allerseits
legte man Einsprach dagegen ein. dass i\cr Berg ganz geschont werde, und ich
musste anerkennen, dass gute Gründe dafür beigebracht werden konnten. Dagegen
erklärte man sich bereit, auf den vorher erwähnten Plan einzugehen, auch alle
Pundstttcke sorgfältig Bammeln zu lassen und an die Verwaltnng des prähistorischen
(123)
Museums abzuliefern und eine Beaufsichtigung durch zu bezeichnende Sach-
verständige zuzulassen.
Es schien mir jedoch nothwendig, weitere Fürsorge für die Erhaltung der zu
schonenden Abschnitte des Berges zu treffen. Der Gedanke, den ganzen Berg für
den Öffentlichen Zweck anzukaufen und dadurch auch die Besitzer und andere Per-
sonen an der weiteren Zerstörung der ehrwürdigen Anlage zu hindern, war schon
früher, wenngleich mehr gelegentlich., in grösseren Kreisen besprochen worden,
und es durfte angenommen werden, dass auch die Provinzial-Behörden und die Ge-
meinden sieh daran betheiligen würden, falls die Staatsregierung die Sache in die
Hand nähme. Das Local-Comite erklärte sich bereit, seine Mitwirkung zu einem
solchen Zweck, namentlich zu Verhandlangen mit den Besitzern, zur Verfügung
zu stellen.
Indem ich Seiner Excellenz dem Herrn Unterrichts-Minister Bericht erstattete
über den Gang dieser Verhandlungen, erlaubte ich mir zu beantragen, der Ben
Minister wolle
1. die Genehmigung zu der Ausführung der projectirten Linie und zu der
Benatzung des dabei gewonnenen Materials an Bodenbestandtheilen er-
theilim, Imzw. vermitteln,
2. die Erwerbung der weiteren Theile des Berges aus öffentlichen Mitteln
rech! bald in die Wege leiten.
Zugleich bezeichnete ich zwei Manner aus der Nachbarschaft, welche für die
Beaufsichtigung der demnächsl vorzunehmenden Grabungen geeignet seien, und
bemerkte: für den Fall, dass wichtigere Funde gemacht oder unerwartete Verhält-
nisse aufgedeckt werden sollten, würden sowohl das Museum für Völkerkunde, als
auch die Anthropologische Gesellschaft stets in der Lage sein, aus ihrem Personal
geschulte Kräfte zu stellen.
Es ist dabei zu erwähnen, dass nach den bisherigen Ermittelungen der Boden
des Berges aus einer natürlichen, überwiegend sandigen Erhöhung besteht, über
welche nur dünne Culturschichten gelagert sind. Letztere sind gerade in den
mittleren Theilen so viel durchwühlt, dass dann bedeutende Funde kaum zu er-
warten sein dürften. Iniless sind doch in früherer Zeit einzelne wichtigere Stücke
zu Tage gekommen, so dass eine beständige Aufmerksamkeit geboten ist.
Immerhin darf die jetzige Vereinbarung als das höchste Maasa des nach Lage
der Gesetzgebung und nach den Bedürfnissen des praktischen Lebens Erreichbaren
mit einer gewissen Befriedigung aufgenommen werden. —
(19) Hr. Hermann Busse zeigt
märkische Alterthümer aus den Kreisen Nieder- und Ober-Barnim.
Beeskow-Storkow, Ost-Havelland.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" gedruckt werden. —
(•20) Hr. Otto Helm in Danzig übersendet nachstehenden Bericht über die
chemische Untersuchung vorgeschichtlicher Bronzen.
In dem städtischen Museum zu Elbing in Westpreussen befinde! sich eine
reichhaltige Sammlung irgeschichtlicher Gegenstände, welche ausschliesslich aus
dem Kreise Elbing stammen. Namentlich ist die Bronzezeit unter den Funden
dieser Sammlung gut vertreten. Die meisten Bronzefunde wurden in Steinkisten-
Gräbern gemacht, mir wenige waren Finzelfunde. Dann befinden -ich in dem
(124)
Museum noch zahlreiche Funde aus der neolithischen und aus der römischen Epoche.
Von letzteren sind die bemerkenswerthesten die auf einem reichhaltigen Gräber-
felde des Silberberges bei Lenzen gefundenen Beigaben, darunter die in mehreren
Exemplaren vertretene Armbrust-Sprossenfibel (Esten-Fibel). Hr. Prof. Hob. Dorr,
der Vorsitzende der Elbinger Alterthums-Gesellschaft, war so freundlich, mir aus
der bezeichneten Sammlung einige Bronzen zur Verfügung zu stellen, um dieselben
einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Ich wählte von ihnen sechs aus, deren
Zusammensetzung ich nachstehend mittheile. Um ein Urtheil über das Alter und
die Zugehörigkeit jedes einzelnen Untersuchungs-Objectes zu gewinnen, füge ich
ich den Analysen noch einige von Hrn. Dorr angefertigte Abbildungen bei.
1. Hohlcelt mit Oehr (Fig. 1), gefunden im Vogelsanger Walde bei Elbing
(s. Li ss au er, Prähistorische Denkmäler der Provinz Westpreussen, 1887, S. 83
und Dorr, Programm des Elbinger Real-Gymnasiums 1893, S. 15 unter 2). Der
Celt ist aussen mit einer grünen Patina bezogen, innen von rothgelber Farbe.
Fig. 3. V,
Fig. 1. V,
Fig. 2. %
Fig. 4. >/8
In lOOTheilen sind enthalten:
Kupier 91,12 Theile
Zinn 0,78 „
Blei 1,63 „
Silber 0,45 „
Eisen 0,49 „
Antimon 4,48 B
Arsen 0,32 „
Nickel 0,61 „
Schwefel 0,12 „
(125)
Wie aus der vorstehenden Analyse ersichtlich ist, zeichnet sich der Hohlcelt
durch einen Gehalt von mehr als 4 pCt. Antimon aus, dagegen ist in ihm nur eine
geringe Menge von Zinn enthalten. Die Bronze ähnelt in dieser Beziehung einigen
vorgeschichtlichen Bronzen des Westpreussischen Provinzial-Musenms.
2. Schaftcelt (Fig. 2), gefunden höchst wahrscheinlich in Grnnauhöhe bei Elbing
(s. Lissauer, wie oben, S. 93 und Dorr, wie oben. S. [6 unter Nr. 4), aussen mit
gelblich-grüner Patina bezogen, innen liellkupl'erroth.
In lOOTheilen des Celts sind enthalten:
Kupier 90,99 Theile
Zinn 3,34 „
Blei 2.02 ..
Eisen 0,28
Antimon 1,53 „
Nickel 0,95 „
Schwefel 0,89 „
Kobalt Spuren
Auffällig ist in der Zusammensetzung des Celtes der nicht unbedeutende Gehalt
von Nickel und Antimon.
3. Lanzenspitze (Fig. 3), gefunden zu Drewshoff bei Elbing, unter einem
Steine im Walde (s. Lissauer, wie oben, S. 83 und Dorr, wie oben, S. 15 unter
Xr. 1). Sie ist aussen mit einer glänzenden grünen Patina bezogen, innen rothgelb.
In lOOTheilen sind enthalten:
Kupfer 80,59 Theile
Zinn 13,38
Blei 2,26 „
Silber 0,15
Eisen 0,21
Antimon 2.7! i
Nickel 0,4 1 „
Schwefel 0,21
In der untersuchten Lanzenspitze sind Antimon und Blei in bemerkenswerther
Menge enthalten.
4. Spirale (Fig. 4), in Grnnauhöhe bei Elbing gefunden, nach Lissauer und
Dorr der Hallstädter Epoche angehörend (s. Dorr, wie vorhin, S. 18, unter Nr. 2).
Die Spirale ist aussen dankelgrängran bezogen, innen gelbroth.
In 100 Theilen sind enthalten:
Kupfer 92,62 Theile
Zinn 3,46
Blei 1,59 _
Silber 0,15
Eisen 0,35
Antimon 0,83 „
Nickel 0,65
Schwefel o.:;.r>
Arsen Spuren
5. Schleifenringe, aus Urnen entnommen, welche sich auf dem Neustadter
Felde, südlich vom Elbinger Bahnhofe befanden. Die Urnen standen in Stein-
kisten-Gräbern (s. Dorr, wie vorhin. S. 19, unter Nr. 5). Die Ringe sind au-
(126)
mit einer graugrünen Patina bezogen, innen besitzen sie eine rothgelbe Farbe.
Ausser ihnen wurden in den Urnen noch viele andere Gegenstände, welche aus
Bronze gefertigt waren, gefunden; darunter als bemerkenswerthester das viereckige
Schlussstück eines Ring-Halskragens, ein offener Halsring aus dickem Bronze-
draht, an dem sich, durch Eisenrost damit verbunden, Fragmente eines ursprünglich
wahrscheinlich ebenso grossen eisernen Ringes befanden. Dorr setzt das Alter
dieser Gräber etwa 350 — 300 vor Chr. In 100 Theilen des Metalles sind enthalten:
Kupfer 84,26 Theile
Zinn 15,03 „
Eisen 0,07 „
Nickel 0,35 „
Schwefel 0,29 „
Antimon Spuren
6. Armbrust-Sprossenfibel (Estenfibel nach Dorr), Fig. 5, gefunden in dem
ausgedehnten Gräberfelde auf dem Silberberge bei Lenzen im Kreise Elbing.
Fundort und Fund -Gegenstände wurden von Hrn. Dorr in der Sitzung der
Anthropologischen Gesellschaft zu Danzig am 11. December 1895 ausführlich be-
schrieben. Die Gräber stellen Brandschichten und Brand-
Fig. 5. 7a gruben dar, welche etwa 55 cm unter der Erdoberfläche
liegen und von kreisförmig oder elliptisch gestaltetem Pflaster
aus Kopfsteinen bedeckt sind. Die Brandschichten ent-
halten gebrannte menschliche Knochen mit spärlichen Bei-
gaben aus Bronze, Eisen und Thon. Unter den Bronze-
Beigaben zeichnen sich vor Allein sieben Armbrust-Sprossen-
_-..IU!_J . fibeln aus, von welchen ich die Bruchstücke einer zer-
*~r ^ brochenen chemisch analysirte. Ausser diesen Fibeln fanden
sich dann noch bronzene und eiserne Riemenzungen vor,
bronzene, nach den Enden zu verdickte Armringe, Messer, Thongefässe ohne Inhalt
u. A. Dorr setzt das Alter dieser Brandgräber in die Zeit von 450 — 550 nach Chr.
und ist der Ansicht, dass das Volk, welche sie einst anlegte, die Esten waren, die
Vorfahren der Pruzzen.
Da die aufgefundenen Armbrust-Sprossenfibeln nur in Alt-Preussen, östlich von
der Weichsel bis nach Ostpreussen hin vorkommen, so ist es höchst wahrscheinlich,
dass sie ein heimisches Product der Metall-Industrie der Esten sind, aus welchem
Grunde Don- vorschlägt, sie mit dem Namen „Estenfibeln" zu bezeichnen.
In 100 Theilen der Armbrust-Sprossenfibel sind enthalten:
Kupfer 91,20 Theile
Zinn 6,11 „
Zink 1,29 „
Eisen 0,14 „
Antimon 0,15 „
Nickel 0,95 „
Schwefel 0,16 „
Silber Spuren
Die Fibeln sind missen mit einer grünlichen Patina bezogen, innen rothgelb.
Die chemische Analyse bestätigt durch den Nachweis von Zink, dass die Fibeln
der eigentlichen Bronzezeil Dicht mehr angehören. —
Die vorstehenden chemischen Untersuchungen führen zu dem Ergebniss, dass
auch bei mehreren im Kreise Elbing gefundenen vorgeschichtlichen Bronzen, ebenso
(127)
wie bei den aus dem westpreussischen Museum stammenden, welche ich der
chemischen Analyse unterzog, Antimon in grösserer Menge vorkommt. Namentlich
enthielt der Hohlcelt in seiner Mischung' nahezu 4'/, pCt., die LanzenBpitze nahezu
3 pCt. Antimon.
Auch hinsichtlich der anderen, in den Bronzen enthaltenen Bestandteile ist
die Aehnlichkeit der Elbinger Bronzen mit den vorerwähnten ans Westpreusaen
stammenden unverkennbar. Alle stellen bunte Gemische von Metallen dar, in
welchen das Kupfer den Hauptbestandteil ausmacht, die anderen Metalle m ausser-
ordeotlich wechselnder Menge vorhanden sind. Aehnliche Resultate erhielt ich Ihm
der chemischen Analyse mehrerer aus Siebenbürgen (Ungarn) stammender Bronzen.
Schon früher wurde von Chemikern auf diese wechselnde und buntr Zu-
sammensetzung vorgeschichtlicher Bronzen aufmerksam gemacht, namentlich von
v. Bibra. Letzterer schloss daraus (v. Bibra, „Die Bronzen und Kupferlegierungen
der alten Völker", 18G9, S. 117), dass die Alten wenigstens in den ersten Zeiten
der Bronze-Darstellung wohl nur in wenigen Fällen die regulinischen Metalle zu-
sammenschmolzen, um ihre Bronzen zu fertigen, sondern meist die betreffenden
Erze benutzten. Hatte alter dann das erzeugte Artefakt nicht die gewünschte
Eigenschaft, fehlte zum Beispiel die Härte, die Hämmerbarkeit, der Glanz, so
setzten sie ihrer nächsten Schmelzung mehr von demjenigen Erze zu. von dem
sie wussten, dass es das Fehlende ersetzen würde.
v. Bibra hat leider keine vorgeschichtlichen Bronzen aus den östlich belegenen
Theilen Preussens untersucht, ebenso keine aus Ungarn stammenden; er wäre,
wenn er den Antimongehalt gekannt hätte, durch welchen sich mehrere dieser
Bronzen auszeichnen, sicher noch in seiner Ansicht bestärkt worden.
Von den alten Volkern waren es ohne Zweifel die einst in Siebenbürgen
(Ungarn) ansässigen, welche von dem Erzreichthum ihres Landes ausgiebigen Ge-
brauch zu machen verstanden. Sie benutzten ihre Antimon-, Arsen- und Bleierze,
um durch Zuschlag derselben zu den Kupfererzen in ihren primitiv construirten
Oxydations- und Reductions-Oefen eine Mctallmischung zu erzielen, welche dem
reinen Kupfer gegenüber eine grössere Härte, leichtere Schmelzbarkeit und bessere
Gussfähigkeit zeigte. Zur Erlangung dieser Eigenschaften genügte oft nur eine
Beimischung weniger Procente dieser Metalle. Das hierzu sehr allgemein an-
gewandte Zinn war zu damaliger Zeit nicht immer zu errreichen und gewiss sehr
kostbar; es liess sich jedoch durch das ihm in seiner Natur sehr ähnliche Antimon
ersetzen, welches in Siebenbürgen (Ungarn) recht häufig in Verbindung mit Schwefel
oder Sauerstoff vorkommt. Oft enthalten die dort gewonnenen Kupfererze schon
von Natur aus Antimon, Blei, Arsen oder andere Erze, so unter anderen die dort
sehr verbreiteten sogenannten Fahlerze vgl. Helm. Bronze-Untersuchungen, Zeit-
schrift für Ethnologie Berlin 1895, S. 13 u. f). Die Verarbeitung derartiger natürlich
vorkommender Mischerze war wahrscheinlich die erste Veranlassung zur Ent-
deckung der Vorzüge gewisser Rupferlegirungen, speciell zur Erfindung der Bronze.
Als im Jahre 1888 die deutsche Anthropologische Gesellschaft in Danzig
sammelt war, sprach ich die Ansieht aus, dass es vielleicht gerade die ältesten
Bronzen seien, welche auf vorbezeichnete Weise hergestellt wurden, diejenigen.
welche gegen das Ende ihr Kupferzeit angefertigt wurden, dass wahrscheinlich in
dieser Zeit mit allen möglichen Erzen und Zusätzen zu Kupfererzen experimentirt
wurde, um die leichter schmelzbare, harier.' und goldig glänzende Bronze zu erhalten.
Zu ähnlichen Resultaten, wie ich, kommt Hr. Hampel in Budapest, ein
eompetenter Forscher int vorgeschichtlichem Gebiete. Auch er weist auf eine An-
zahl chemischer Analysen vorgeschichtlicher ungarischer Bronzen hin. welche er
(128)
durch Hrn. J. Loczka, Custosadjunct am Museum in Budapest, anfertigen Hess
(J. Loczka, Chemische Analyse einiger Gegenstände aus dem Bronzezeitalter
Ungarns). Darnach besitzen diese Bronzen eine gleich complicirte Zusammen-
setzung, wie die westpreussischen; einige derselben enthalten auch Antimon
in nicht unbedeutender Menge (J. Hampel, Neuere Studien über die Kupferzeit,
1896, S. 83 u. f.). Hampel erwähnt u. a. ein in Ungarn gefundenes Bronzeschwert
(Abbild, u. Beschreib, im Arch. Ert., 1895, XV, 444 — 445), welches aus Kupfer
mit Antimon-Zusatz besteht und kein Zinn enthält. Aehnliche Mischungen vor-
geschichtlicher Bronzen aus Siebenbürgen analysirte ich (Verhandl. der Berliner
Anthropolog. Gesellschaft, Sitzung vom 19. October 1895, S. 619 u. f. und vom
2. December 1895, S. 762 u. f.), unter ihnen einen Celt von Ispanlaka, welcher
ebenfalls kein Zinn, dagegen Antimon enthielt. Auch unter den von mir analysirten
westpreussischen vorgeschichtlichen Bronzen (Zeitschr. f. Ethnol., Organ der Berl.
Anthropol. Gesellsch. 1*95, S. 1 — 12) waren zwei, in denen kein Zinn, dagegen
nicht unbedeutende Mengen von Antimon sich vorfanden.
Hr. Hampel sagt in seinen neueren Studien über die Kupferzeit (1896,
S. 85), dass, „wenn die gemachten Bronze-Untersuchungen sich noch weiter be-
stätigen, die Annahme nicht mehr abzuweisen sei, dass (für Ungarn) der Kupfer-
Zinnmischung eine Kupfer- Antimonmischung vorangegangen, welche zugleich die
Bronze-Cultur vorbereitete. In Ländern, wie Ungarn, wo Antimon bereits in den
Kupfererzen erscheint, musste man häufig die Beobachtung machen, dass dessen
Anwesenheit den Härtegrad der Erzmischung wesentlich beeinflusst. Der fernere
Schritt von dieser Beobachtung zur zielbewussten Anwendung konnte dann nicht
ausbleiben."
Die ausserordentliche Aehnlichkeit in der chemischen Zusammensetzung der
in Westpreussen gefundenen vorgeschichtlichen Bronzen mit den in Siebenbürgen
(Ungarn) vorkommenden veranlasste mich, die Ansicht auszusprechen, dass einst
zwischen diesen beiden Ländern eine Handelsverbindung stattgefunden habe. Als
Tauschobject diente von der Ostsee-Küste aus ohne Zweifel der vielbegehrte Bern-
stein. Den Weg, welchen diese Handelsverbindung einst einschlug, festzustellen,
bleibt der Forschung vorbehalten. Zu erwägen ist bei dieser Nachforschung, dass
vorgeschichtliche Bronzen, welche sich durch einen höheren Antimongehalt aus-
zeichnen, bisher nur in vereinzelten Fällen in anderen Ländern als den vor-
angeführten aufgefunden wurden, dass ferner eine grosse Anzahl von Formen der
in Ungarn gefundenen Bronze-Artefakte mit solchen, welche in Westpreussen ge-
funden wurden, übereinstimmt.
Der Weg, welchen dieser Handelsverkehr einst genommen hat, dürfte deshalb
nicht auf weiten I mwegen zu suchen sein; vielmehr hat ihm wahrscheinlich der
noch heute allgemein als Handelsstrasse benutzte Weichselstrom die erste Richtung
gegeben, und weierhin hat er sich dann von Volk zu Volk bis nach Dakien fortgesetzt.
Die Nbthwendigkeit, noch mehr ehemische Analysen vorgeschichtlicher Bronzen
zu machen, als bisher geschehen, liegt nach dem, was ich hier ausgeführt habe,
nahe. Namentlich liii Länder, in denen keine Metalle bergmännisch gewonnen
werden, wie Nord-Deutschland, Dänemark und das nordwestliche Russland, wird
die chemische Analyse der dorl gefundenen Bronzen stets von grossem Werthe
sein, um über den Bezug und das Herkommen der Metalle, aus denen sie ge-
fertigt wurden, über ihre Fabrication und andere Dinge treffende Aufschlüsse zu
erhalten. Hierbei wird auf die die Bronzen begleitenden Mengen von Antimon,
Blei, Arsen, Nickel, Silber und Zink Wcrth zu legen sein. Es werden bei diesen
Untersuchungen namentlich die älteren Formen der Bronzen zu berücksichtigen
(129)
sein, deren Bestandteile noch anvermischt erhalten blieben, während die jüngeren
durch Umschraelzungen and Beimischungen schon manche Veränderungen erfahren
haben.
Die bis dahin bekannt gewordenen chemischen Analysen sind nicht genügend,
um nach dieser Richtung hin sichere Stützpunkte zu gewähren. Solche Unter-
suchungen, davon bin ich überzeugt, werden von nicht zu unterschätzender Be-
deutung sein, nicht allein für die Entstehungsgeschichte der ersten Bronzen und
die Kenntniss der zu ihrer Darstellung verwendeten Materialien, sondern auch für
die Vorgeschichte der Völker im Allgemeinen, deren Verbreitung und Wanderungen,
Handelsbeziehungen und Cultur-Entwickelung. —
(21) Hr. A. Treichel in Hoch-Paleschken, Westpreussen, übersendet
mehreren rolkskundlichen Mittheilungen folgenden historischen Nachtrag zu
seinen Ausführungen (S. 58 11g.) über
Melilkcn, Kreis Carthaus.
p]s fehlte mir in meiner Arbeit über den Burgwall bei Mehlken bezüglich
der Frage, ob eine frühere Niederlassung des Klosters von Zuck au nicht etwa
wo anders und nicht in der Nähe von Mehlken bestanden habe, an einer
sicheren Unterlage, so dass ich diese Frage unentschieden lassen musste. Heute
jedoch bin ich in der Lage, darüber Gewisses zu vermelden und auszu-
sagen, dass zu dem, was bisher nur als unbegründete, wiewohl zu den Funden
passende Sage gelten musste, sich ein geschichtlicher Hintergrund finden lasse.
Der schon erwähnte Probst Lic J. Stenzel hat in seinem Schriftchen über das
Kloster Zuckan (Danzig 1892), auf welches ich erst jetzt stosse, darauf hingewiesen,
dass die erste Ansiedelung an einem Orte geschehen sei, der seitwärts von Zuckau
in einem niedrigen Grunde gelegen war. wo das Flüsschen Stolpe (also die sogen.
Kleine Stolpe) in die Radaune mündet. Das würde durchaus mit der (westlichen
und nahen) Lage von Mehlken übereinstimmen. Dieser Ort hiess einst Stolpa, wie
ja viele Orte, die in ihrer ersten Anlage durch Holzpfähluugen hergestellt wurden.
diesen öfters wiederkehrenden oder einen selbst noch bei heutiger Zeit daran an-
klingenden Namen führen Lic. Stenzel sagt unverhüllt, aber ohne genaue Platz-
angabe, von diesem geographischen Punkte in seiner Schrift schon dasselbe aus. was
ich erst viele Jahre später fast als Märchen habe boren müssen, mit den Worten: _und
•es sollen sich daselbst | ja, alter wo'.-' Diese Unterlassung hätte nichl geschehen sollen!]
noch Ueberreste der eisten Anlage gefunden haben.- Gewiss, ich habe die Spuren
gesehen, für begründet halten müssen und mich jetzt wundern dürfen, wie der
Volksmund so viele Jahrhunderte hindurch die Wahrheit hat festhalten können!
Alter schon früh verlor sich dieser Name, wahrscheinlich als bald darauf die Ueber-
führung des Klosters an seine jetzige Stelle stattfand, wenn es auch fraglich
ist, ob dies aus Ursache eines feindlichen Ueberfalles geschehen sei. Ob sieh nun
Lic Stenzel gerade dabei auf die ergiebigen und quellenmässigen „Klasztory
zeriskie w dyecezyi Chelminskiej" Frauen - Klöster der Diöcese Culm
-'■ Domvicars Fankidejski stützt, weiss ich nicht, möchte andererseits auch bei
dieser Betrachtung die Werke über die Bau- und Kunst-Denkmäler der Provinz
Westpreussen ausser Acht lassen und nur erwähnen, dass seine Hauptstütze eine
pomerellische Studie ron Prof. Tb.. Hirsch ist. niedergelegt in der Zeitschrift d.
westpr. Geschichte- Vereins 1882, H. 6, S. 1 -148. Beide jedoch kommen zurück auf
eine Urkunde (vergl. Pomerell. Urk.-B., S. 12, Nr. li . wonach Herzog Bii stwin L
.Kürst in Danzig, im Jahre 1209 (24. April, Zuckau) die Stiftungs-Urkunde über ein
Verhaiidl der Berl. tnthroi Ges< - 9
(130)
Nonnen -Kloster ausstellt, — die erste sichere Nachricht über das pomerellische
Hochland, die uns aus dem historischen Dunkel entgegentritt. Hier handelt es-
sich aber nicht um ein erst zu gründendes Kloster, sondern es heisst: „zu einem
Kloster für die Nonnen, welche Gott und der heiligen Maria in Stolpa dienen" (ad
claustrum sanetimonialibus deo et beatae Mariae in Stolpa famulantibus). Daraus
geht hervor, dass eine solche Anlage eines Klosters, übrigens der Norbertinerinnen,
schon bestanden haben muss vor Ausstellung der obigen Urkunde. Wo diese aber
zu suchen, dazu hat uns die Tradition zuerst, und dann erst die sicherere Spur ge-
wiesen. An die heutige Stadt Stolp ist gar nicht zu denken, weil dort keine
Norbertinerinnen erwähnt werden, übrigens ein Exodus derselben aus einer als
palissadirte Stadt in's Auge gefassten Ansiedelung in das zwar nicht flache, aber
doch feldmässigere Land nicht zu denken ist. Auch wirft es ein Streiflicht auf
jene früheren Zeiten, dass in jener Stiftungs-Urkunde von 1209, ausser in anderen
Begabungen durch Fürst, Hausfrau und Sühne, auch die Biber mit eingeschlossen
werden (in castoribus intra metas claustri manentibus), wie man sieht, in diesem
Falle keineswegs eine der gewöhnlichen Erweiterungen des Ausdruckes. Somit wäre
die erste Kloster-Anlage wohl für Mehlken auch historisch erwiesen. Der Grund der
Uebersiedelung nach Zuckau mag in Verschiedenem gelegen haben. Für 1201 wird
dort nehmlich schon eine Jacobi-Kirche erwähnt, an welche es Anschluss zu finden
galt. Dieser noch bestehende Bau trägt auf dem Ostgiebel sogar eine Wetter-
fahne mit der Jahreszahl 1031, welche schon einmal in meinen Berichten (Arabische
Zahlenzeichen an Kirchenfahnen, 1893, Nachrichten, B. 5, S. 72 ff) zur Vermerkung
gelangte. Es ist nur zu verwundern, dass Mehlken bei Hrn. Lic. Stenzel nicht
zu den nach Zuckau gehörigen Ortschaften gerechnet wird, wie sie noch für den
Anfang dieses Jahrhunderts aufgeführt werden. Ein feindlicher Ueberfall mag mit-
gewirkt haben zur Uebersiedelung, sei er geschehen oder nur befürchtet, da wir aus
den kärglichen Ueberlieferungen sogar für Zuckau von Heimsuchungen erfahren: so
1224 schon von den Streifzügen heidnischer Pomesanier in die Umgegend von Danzig,
wo, wie Oliva am 12. September, so auch Zuckau am 12. October erliegen musste;
als Ort der blutigen That der Ermordung der Nonnen gilt eine Anhöhe, auf welcher
jetzt eine dem heiligen Johannes von Nepomuk gewreihteCapeIle steht: diesen Heiligen,
der ja den Wassertod in der Moldau bei Prag starb, treffen wir in dieser wasser-
reichen Gegend übrigens sehr häufig in Standbildern an, die am Wasser gelegen.
Auch ist der Ueberfall durch die Hussiten von 1433 zu erwähnen. Vielfach indess
waren immer die Frauen und Töchter des kassubischen Fürstenhauses in und für
Zuckau thätig; ich erwähne nur die jetzt fast sagenhaften Namen Damroca und
Witoslawa. Die Tebersiedelung des Klosters muss aber (nach Stenzel) in den
nächsten Jahren nach 1209 geschehen, jedenfalls aber schon vor April 1224 zu
denken Bein, da in einer Urkunde aus diesem Jahre schon Zuckau als Wohnsitz
der Nonnen angegeben wird. Ucbrigens fehlten ihnen hier auch nicht die schon
für Mehlken volkskundlich gemeldeten Bauwerke für Brauerei, Wasch-, Schlacht-
und Backhaus. Alle diese Räumlichkeiten wurden nach dem am 9. December 1862
erfolgten Tode der letzten Ordensfrau Agnes Bojanowski meistbietend zum Nieder-
reissen verkauft und einem Danziger für 873 Thaler zugeschlagen. „So wurden in
unserer westpreussischen Heirnath, die an und für sich so arm an historischen
Bauwerken ist (schreibt Stenzel mit Recht), die Denkmäler unserer Vergangenheil
noch in einer Zeil vernichtet, welche sich so gern ihres historischen Sinnes rühmt."
Den genetischen Zusammenhang aber zwischen Gründung und Stiftung zeigt
un- Lic. Stenzel in einer Schilderung (S. 12), die ich ebenfalls zur Veranschau-
lichung hierhersetzen will. ..I war die Sitte allgemein, dass das Kloster, welches
(131)
zur Ueberaahme einer Denen Ansiedelung ausersehen wurde, einige seiner Mit-
glieder an Ort und Stelle sandte. Diese hatten die Gegend und die Verbältnisse
kennen zu lernen, und genau zu untersuchen, ob der für die Gründung ausersehene
Ort die nöthigen Eigenschaften für den beabsichtigten /weck besass. Sobald die
Verhältnisse und die Oertlichkeil den neuen Ansiedlern genehm erschienen, pflegte
ihnen Seitens des Klosters die Erlaubniss zum weiteren Verbleiben gegeben zu
werden, worauf dann die Bestätigung und Anerkennung der neuen Niederlassung
durch das General-Kapitel erfolgte." So geschah es einerseits in Oliva, wohin
schon 117(> die ersten Mönche aus Kolbatz kamen, obwohl die Stiftungs-Urkunde
erst 8 Jahre später ausgestellt wurde; so geschah es andererseits, diesmal im
Wechsel historisch nachweisbar, für Pogutken-Pelplin. Einen ähnlichen Hergang
halien wir uns bei der Errichtung des Klosters von (Mehlken-; Zuckau zu denken,
obschon hier nichts von einem Wechsel überliefert worden ist. Die ersten Nonnen
kamen hierher aus Strzelno, einem unbedeutenden Städtchen bei Inowraclav im
Grossher/.outhum Posen; sie waren von Alardus gesandt, dem Abte des St. Vincenz-
Stiftes in Breslau. Die Schenkuni; der Jacobi-Kirche in Zuckau von 1201 geschah
anzweifelhaft an Alardus zu dem Zwecke einer Niederlassung des Ordens des
heiligen Norbert. So vertrieb dessen weibliche Glieder auch wohl der Wille der
Oberen und die grössere Zweckmässigkeit! —
(22) Hr. G. Schweinl'urth schreibt in einem an Hrn. Rud. Virchow ge-
richteten Briefe aus Assuan, 18. Februar, über
neue Forschungen in Aegypten und die Einbalsamirung von Köpfen
im Alterthnm.
„Hier in Assuan herrschte den ganzen Winter hindurch reges Leben und viel
Touristen-Verkehr. Das sehr gut gehaltene Hotel beherbergt 90 Gäste und ist
immer noch voll. Zahlreiche Dahabiehen und kleine Miethsdampfer kommen und
gehen ausser den drei grossen, die wöchentlich mit ihren Hammel-Heerden an-
gerückt kommen. Ganz überraschend ist die Zahl deutscher Touristen. Es fehlt
nicht an Aegyptologen und anderen interessanten, überhaupt an hervorragenden
Persönlichkeiten, von denen man hier in Müsse vollauf profitiren könnte, wenn
nicht die Damen mit dabei wären, die jetzt mehr als ju ihre Rechte geltend zu
machen gewillt sind. Alle sind einer Ansicht über die Vorzüge Assuans, wo doch
im Gegensatze zu Luksor halbwegs Wüstenluft und Staubfreiheit herrscht. Die
Stadt, die sich durch Bauten sehr verschönert hat. wird in musterhafter Ordnung
und sehr reinlich gehalten.
„Ich mache häufig Ausflüge nach allen Richtungen, wobei sich überall ver-
schiedenes Neue ergiebt. Ein Thal, das nach Osten gekehrt und 4 km nördlich von der
Stadt mündet, das Wadi Abu Agjäg, ist \ oller Inschriften und Graffiti aus allen
liehen (hieroglyphischen, kufischen, modern-arabischen und vielleicht prähistorischen
Epochen, da durch dasselbe dii Strasse nach Berenike führte. Ein merk-
würdiges Quiproquo hat sieb in allen Assuan behandelnden Keisebüchern und dergl.
eingebürgert, das ist die Angabe von Bischarin, die hier zu sehen sein sollen,
wahrend alle hier vor der Stadl lagernden Hamiten Ahabde sind und die Bischarin
erat nach 10— I2tägigem Marsch in südöstlicher Richtung und nicht nördlich von
22 30' nördl. Breite zu erreichen sind. Ich stelle mir vor. da>s diese Bezeichnung
aus allerer Zeit \ or M I Ali datirt. als Bischarin hierselbst mit Carawanen
vielleicht noch in persona erschienen Bein mögen. Nach der Eroberung -Sudan
1822 wurde Aw gross Heerweg von Assuan, bezw. Korosko nach Abu BUuned
9
(13-2)
den Ababde als Privileg übergeben, weil diese, mehr arabisirt, also mehr civilisirt,
dann aber vor Allem, weil mehr in den Klauen der ägyptischen Macht befindlich,
zur Sicherung des grossen Verbindungsweges mit Khartum weit mehr Garantie
darboten, als die Bischarin. Die Einwohner am Nil, die Nubier hierselbst, werden
den altgewohnten Namen wohl beizubehalten vorgezogen haben, zumal da sich die
beiden Völker äusserlich nicht unterscheiden, und dann, wie ich vermuthe, weil in
dem Namen Bischari das Hauptstück zum sprachlichen Ausdruck gelangt, durch
welches die Rasse im Gegensatz zu den geschorenen Nilbewohnern charakterisirt
werden kann, nehmlich das lange Haar, arabisch schä'r, woran man beim Nennen
des „Bischari" (altägyptisch: „am Rothen Meer") doch immer erinnert wird1). In
Folge dieser Verwechselung müssen, wenn man genau sein will, viele ältere An-
gaben richtig gestellt werden, namentlich die sprachlichen Studien, die hier zur
Erforschung der Bedauye-Sprache vermittelst angeblicher Bischarin-Gewährsmänner.
die aber Ababde waren, gemacht worden sind, so namentlich die Werke von
H. Almkwist über die Bischari-Sprache, deren Titel eine Abänderung in dem er-
läuterten Sinne zu erfahren haben würde2). Reinisch dagegen hat das meiste
seiner Studien im Süden des Gebietes der Bega-Völker herausgebracht.
„Von Hrn. Legrain, Museums-Inspector, habe ich 25 Proben von sogen, prä-
historischen, bezw. vorpharaonischen Gräberfunden, meist Inhalt der den Todten bei-
gegebenen, mit den Aschen der Lebensmittel gefüllten Thongefässe. Hr. de Morgan
versprach mir eine weitere Portsetzung, von einem neueren Funde derselben Art bei
Selsele, der eben erst ausgebeutet worden ist. In den Aschen finden sich die ver-
kohlten Reste von Getreidekörnern, die sich bei genauerer Untersuchung sicher be-
stimmen lassen werden. Dagegen müssen erst neue Methoden ausfindig gemacht
werden, um die überaus mürben, selbst unter dem Rasirmesser zerkrümelnden Holz-
und Rindenreste in ihren anatomischen Structurverhältnissen beurtheilen zu können.
Es scheint, dass bei etlichen der in contracter Körperlage begrabenen Körper Hüllen
nachweisbar sind, die vielleicht gleich Mumienbinden durch Umwickelung auf-
getragen wurden, Rinden. Papyrusschäfte und dergl. Indoss kann ich nicht beur-
theilen. ob diese Hüllen den Körpertheilen direct auflagen oder ob dieselben etwa
ein sargartiges Gefäss darzustellen den Zweck hatten.
„Ich will auf der Rückreise einen Besuch bei der Ausgrabungsstelle des
Hrn. Amelineau bei Abydos machen. Letzterer hat mir einige Schädel für
Sit; versprochen, und ich hoffe, seine Vermuthung werde sich bestätigt haben,
dass er jetzt an die alte Nekropole gerathen ist, von der in seinem Briefe die
Rede ist. Ich will auch mein möglichstes thun, um mir Schädel der Bedauye-
Völker (Bega) zu verschaffen, fürchte aber, dass meine hiesige Wirksamkeit
sich nicht auf so hohe Ziele wird erstrecken können. Dazu muss man mit
zuverlässigen Leuten in den Wüsten umherreisen und nach den alten Ababde-
Gräbern*) suchen, die sich durch Steinhaufen verrathen. Eine weit bessere Ge-
legenheit dürften dazu die Vorbereitungs-Arbeiten der Engländer zur Wieder-
eroberung des Sudans bieten. In der grossen Nubischcn Wüste, zwischen Wadi
Haifa und Abu Bamed i0 km) wird eine Eisenbahn gebaut und zwar (für den
im Sommer 1898 zu erwartenden Vormarsch) mit ägyptischen Soldaten. Auf dieser
1) Dieselbe Behauptung vernahm ich ohne mein Zuthun aus 'hin Munde eines ein-
gebornen Kopten, unser« deul chen Con ular-Agenten Todros in Luksor, als wir auf dem
Markte Ababde antrafen and er ie Bi charln nannte. (Nachschrifl von <i. Schw.)
2) Vergl. Bd. I. B. 8. i psala Li
3) Der Briefschreiber hal aa< 3chädel früherer Wfistenbewohner ausgegraben,
die er in der Ding« gend von A an fand.
C133)
Strecke werden sich gewiss auch Gräber finden und diese müssen den Bischarin
angehören. Ieh vermuthe, dass zur Zeil keine Sammlang der Welt über ein
einigermaassen brauchbares Material von Schädeln der Bischarin, oderAbabde, oder
Hadendoa verfügt, höchstens werden einzelne Schädel vorhanden sein. Beschämend
für Aegypten ist das Fehlen jeglicher Schädel -Sammlung in der Medicinischen
Schule. Wie soll man da die Schädel aus den Bogen, prähistorischen Gräbern
Aegyptens durch Vergleiche prüfen? Plinders Petrie wird von seinen 3000 durch-
wühlten Gräbern von Nagada gewiss viele Schädel nach England gebracht haben.
Werden diese nicht untersucht und beschrieben?
„Da die Identität der A m elineau'schen Funde mit denen von Flinders Petrie
ausser Präge steht, so müssten ßich doch unter den von Letzterem herrührenden
Schädeln auch solche mit Harz-Infiltrationen in der Schädelhöhle vorfinden. Es
Hesse sich also reichlicheres Untersuchungsmatcrial hinsichtlich des Schädel-Inhaltes
erlangen. Ich war in hohem Grade überrascht, aus Ihren Mittheilungen zu ersehen,
dass das Verdict des Laboratoriums hinsichtlich des Schädel- Inhaltes auf Harz
lautet. Da zur Unterscheidung von Fett- und von Harzsäuren ganz bestimmte
und unzweideutige Mittel vorhanden sind, darf ich ja ein solches Verdict nicht be-
zweifeln, und ich möchte es doch. Um wegen des Finführungs-Canals durch die
Nasenhöhle bei den Schädeln von Abydos Nachforschung zu halten, habe ich an
Dr. Pouquel geschrieben und ihn auf Ihre Querschnitte aufmerksam gemacht.
Ich habe von (ich. Rath Prof C. Engler, dem Chemiker von Carlsruhe, der hier
war. erfahren, dass derselbe aus Mammuth-Knochen alte Fettreste von harzartigem
Aussehen (ich weiss nicht, in welcher Gestalt) nachgewiesen hat. Eine Verschieden-
neu des Verhaltens der Peruanischen Schädel und der von Abydos ist durch die
hiedenheit des Terrains gegeben. In Peru waren die Körper nie Regen-
güssen ausgesetzt, in Abydos, wo jede Hülle oder Sarg fehlte, gab es sicher alle
8 — 10 Jahre einmal einen Guss; der Beweis ist in den Salzkrystallen gegeben, die
an einigen dieser Schädel ausgesehossen sind.
„Ich erhielt vor Kurzem einen sehr interessanten Brief von Hrn. Amelineau aus
Abydos, der dort mitten in der ersten Dynastie ist. Wie ich höre, sollen jetzt auch
de Morgan und Prof. Wiedemann, vielleicht in Folge der wichtigen Funde, dorthin
gegangen sein. Amelineau schrieb mir am ö. Februar, dass er ein 9G /« langes und
29 in breites Bauwerk aus ungebranntem Thon aufgedeckt habe, bei 10 m Tiefe, und
dass dasselbe aus zwei Hallten besteht, von denen er die erste bereits ausgebeutet
hatte. Diese Hälfte bestand aus .'17 verschiedenen Räumen. Fr fand über 2000, aus allen
möglichen Steinarten gehauene Gefässe von der vollkommensten Art der Ausführung,
die sich denken lässt. Wunderbare Kieselmesser grössterArt wurden erbeutet. In
einem einzigen dieser Räume wurden 594 solcher Kiesel-Artefakte aufgelesen, die
einen fein ausgeführt, die anderen von roher Arbeit. An einer anderen Stelle fand
Amelineau auf ein Mal 1220 kleine Kupfer-Gegenstände, namentlich Beile, Sicheln
und andere Instrumente Wie er die /weite Hälfte des Bauwerkes in Angriff nahm.
- er auf vereinzelte Gräber. Das erste enthielt zwei Körper, davon der eine in
contracter Körperlage vergraben ohne Saru. der andere in einer An von Holzkiste ohne
Deckel. Amelineau vermuthet, dass das Hauwerk, auf das er in diesem Jahre
.rsiuvM'ii ist. an Alter den Funden des Vorjahres vorauszusetzen sei. Hoffentlich
wird bald grössere Klarheil über dvn Fund verbreitet werden, wenn eist einmal
verschiedene Kenner die Oertlichkeit in Augenschein genommen haben werden. Hr.
Prof. Sayce hat vor Km/cm bei el Qab einige 40 neue Inschriften aufg< runden." —
In einer Nachschrift macht Hr. Schweinfurth Mittheilung vo einer neu auf-
gefundenen Stein-Insc h ri l't :
(134)
„Prof. Sayce hat auf seiner Dahabieh einen Stein, das Fragment einer sehr
rohen Figur aus Sandstein, auf deren Rücken Zeichen angebracht sind, die keiner
bekannten Schrift angehören; der Fund ist mit Sicherheit als der Zeit der
XVIII. Dynastie zugehörig erklärt worden."
Hr. Rud. Virchow legt ferner folgenden an ihn gerichteten Brief des Hrn.
Dr. Fouquet aus Cairo, 21. Februar, vor:
„J'ai reeu aujourd'hui meine une lettre de M. le Prof. Schweinfurth qui a
bien voulu m'envoyer la traduction d'un passage de votre lettre concernant l'examen
des matieres resineuses venant d'un des cränes d'el Omra. Votre examen confirme
celui que j'avais fait moi-meme et je suis tres heureux de savoir que ces matieres
ne ressemblent pas ä Celles que l'on trouve dans les momies peruviennes. -
„Au Caire je suis tres bien place pour recevoir des documents anthropo-
logiques, mais en fort mauvaise Situation pour les etudier. J'ai peu de livres et
pas de collections anthropologiques pouvant me permettre d'etablir des comparaisons.
J'avoue d'ailleurs, sans peine, que cela n'est pas du tout ma specialite, bien que
je trouve ces recherches fort passionnantes. —
„Votre objection relative au procede d'extraction de la cervelle par la voie
nasale, ne peut s'appliquer ä mes cränes.
Non seulement l'ethmoide n'est point perfore, mais encore la cloison entiere
des fosses nasales, les cornets, leur muqueuse meme dessechee, sont en place en
certains cas.
„Dans l'une des tetes (le n° 3) les debris des yeux se trouvaient meme dans
les orbites. — II n'y avait certainement pas d'autre voie que le trou occipital pour
penetrer dans la cavite cränienne. Je prends toutefois bonne note de votre opinion
et dans la revision que je viens de faire j'ai pris soin d'eclairer par l'interieur
la fcete, dans im lieu obscur pour pouvoir juger s'il existait une ouverture peu
visiblo. Cette apres-midi j'avais, au contraire, avec un ecran troue cherche ä faire
penetrer les rayons du soleil ä l'interieur par la fente sphenoulale; puis avec un
miroir laryngien j'ai etudie tous les points de la base du cräne sans pouvoir trouver
un pertuis capable <\r livrer passage ä l'encephale meme dissociö. — Comme d'un
autre cote je partage votre opinion et comme avec vous j'admets qu'il laut extraire
la cervelle avant d'introduire une matiere resineuse, meme liquide, j'avais du
songer ä une däcollation au moins partielle du cadavre pour aborder la voie du
trou occipital. —
„L'absence (!<■ toute partie molle sur les pieces soumiscs ä mon examen ne
me permettait pas d'appuyer mon hypothese sur une Observation de fait. —
„J'ai troii\V\ a 'I aatres epoques, des pratiques aussi bizarres; vous en trouverez
an dos snccinei expos^ dans une petite note publiee par moi ä ['Institut Egyptien. -
„J'ajouterai que j'ai des raisons tres fortes de penser que, a el Omra 3 fois et
pour un oräne ayanl date certaine de la XIIC Dynastie, ce qui pour cette epoque est
si'n-t ment une exception, la cervelle avait du etre enlevee par la fente sphönoidale." —
(135)
Hr. Virchow: Die Abhandlang des Hrn. Fouquet (Note pour Bervir a
l'histoire de l'embaumement en Egypte. Institut Egyptien, Seance du 6 .Mars 1896)
betrifft die Schädel des Hrn. Amelineau nicht. Sie giebl sehr wichtige
Einzelheiten über die Untersuchung der berühmten Priester-Mumien v.m Deir-el-
Bahri (XXI. Dynastie), von denen Hr. Fouquet mehr als Hundert auswickeln
konnte. Er fand dabei manche Besonderheiten, über weiche weder die alten, noch
die neueren Schriftsteller etwas berichtet haben. Da dieselben jedoch für den vor-
liegenden Fall keine Bedeutung haben, so will ich daraus nur erwähnen, dass Hr.
Fouquet an einzelnen Mumien die Angabe des Papyrus Rhind bestätigt fand, wo-
nach zur Entfernung der Weichtheile 17 verschiedene Einschnitte in die Leichen
gemacht wurden. Von solchen traf er 8 an den Extremitäten, einen am Rücken,
2 im Gesicht (an den Mundwinkeln), 2 im Innern des Mundes längs den inneren
Rändern des Unterkiefers; dazu rechnet er ferner die Perforation des Siebbeins,
die Abtragung heider Augen und die Eröffnung der linken Bauchseite. Da jedoch
manche Mumien nur die letztere Oeffnung zeigen, so nimmt er an, dass diese von
armen Leuten und solchen, die an ansteckenden Krankheiten gestorben waren, her-
stammten. Was die uns speciell interessirende Perforation des Siebbeins anlangt,
so hält er daran fest, dass dieselbe regelmässig von der Nase aus durch einen
das Siebbein durchdringenden Ilaken hervorgebracht wurde, so dass die Gehirn-
substanz durch einen Wasserstrahl ausgespült werden konnte.
Ich habe inzwischen gleichfalls an einer Anzahl von ägyptischen Mumien-
Schädeln Untersuchungen über die bei der Einbalsamirung erfolgte Extraction des
Gehirns, speciell über die Stelle, wo die Perforation des Schädelgrundes von der
Nase aus vorgenommen wurde, angestellt. Diese zeigen zwei verschiedene Durch-
bohrungsstellen.
Um die Beobachtung zu erleichtern, habe ich die Schädel nebst den an-
getrockneten Weichtheilen durch einen mitten über die Wölbung geführten Säge-
schnitt in zwei Hälften zerlegt. Man ist auf diese Weise in der Lage, sowohl die
Beschaffenheit der äusseren Theile, als die der Innenfläche genau zu übersehen
und beide mit einander zu vergleichen.
Einer dieser Schädel (Fig. 1 — 3), bei dem der Mund noch durch eingelegte
Gewebsstücke vollständig geschlossen ist, Hess aussen nichts weiter erkennen, als
eine stärkere Ausdehnung der linken Nasenöffnung, die sowohl in der Vorder-
Ansicht (Fig. 1), als in der Seitenansicht (Fig. 2) bemerkbar ist. An der Innen-
seite des abgesägten Vordertheils des Kopfes zeigte sieh sofort eine weite, rund-
liche Oeffnung mit zerbrochenen Rändern, welche den vorderen Abschnitt der Sella
turcica und den hinteren Theil des Planum ethmoideale etwas schief durchbrochen
hatte. Das Ephippium war dabei an seinem oberen Umfange verletzt: die Ala
temporalis sinistra zeigte in der Richtung auf die linke Nasenhöhle ausgedehntere
Defecte, so dass der Proc. clinoideus anterior mit seiner Umgebung gänzlich zer-
stört war (Fig. 3). Von da führte der künstlich hergestellte, fast horizontal ver-
lautende ('anal durch den Korper des keilbeins in die linke Nasenhöhle.
In einem anderen Falle fand sieh die innere Oeffnung auf der rechten Seite,
dicht neben der Crista galli in derLamina cribrosa des Siebbeines. Ha hier
die angetrocknete Dura raater noch vollständig erhalten war. so liess sich bestimmt
feststellen, dass das perlönicn.de Instrument, wie ein Geschoss, ein scharfes Loch
in der Hirnhaut hervorgebracht hatte [Fig. 4). Die Richtung des künstlichen Canals
war hier eine fast senkrechte, SO da-- nur an einer kleinen Stelle die vonlere
Oeffnung der Nasenhöhle duvet sichtbar war.
(136)
Fig. 1. Vi
Fig. 2. %
Fig. 3. V,
Fig. 4. V.
(137)
Die Richtung der Perforation war also in den beiden Fällen nicht unerheblich
verschieden, und es ist selbstverständlich, dass die Durchgängigkeit des (Janais, ins-
besondere die Möglichkeit, ihn von aussen ber Dach dem Tode aufzufinden, in
ein/einen Fällen rocht gross, in anderen recht gering ist. Wir besitzen von unserem
leider zu früh verstorbenen correspondirenden Mitgliede Prof. A. BCacaliater,
dem früheren Präsidenten des grossbritannischen anthropologischen Instituts, eine
prächtige kleine Abhandlung: Notes on Egyptian Mummies, London 1893 Journ.
of the Anthr. Institute, 1893, Nov.), in welcher die genauesten Angaben aber diese
Operation und über die nachträgliche Ausfüllung der Nasenhöhle mit Geweben ent-
halten sind (p. 115). Er fand, dass in 56 pCt. seiner Schädel die Extraction des
Gehirns durch die Nase ausgeführt war. und zwar in 5 pCt. durch die linke, in
3 pCt. durch die rechte Nasenöffnung; in den anderen war dabei die Scheidewand
zerbrochen. In zwei Fällen war das Instrument durch das Basisphenoid (den
Körper des Keilbeins) eingetrieben, in einem war das Gehirn durch den Grund
der Augenhöhle extrahirt. Obwohl im Allgemeinen grosse Sorgfalt darauf ver-
wendet war, das Gesicht unversehrt zu erhalten, so fand Macalister doch in
manchen Fällen grosse Verletzungen. Einmal war die ganze Nase gebrochen und
durch eine Thonnase ersetzt, ein andermal war das ganze Gesicht, Nase, Kiefer u. s. w.
zertrümmert und die Höhle mit Gewebe und darüber mit Thon geschlossen und
dann sorgsam bandagirt. Von ganz besonderem Interesse mit Bezug auf die An-
gaben des Hrn. Fouquet ist folgender Fall: Der Kopf war vollständig durch den
ersten Halswirbel hindurch abgetrennt und ein mit Asphalt beschmierter Sycomoren-
Stock in den Kopf getrieben, um den letzteren auf der Wirbelsäule zu befestigen (to
peg the head to the spine). Die Bandagen waren so gut angelegt, dass vor ihrer
Entfernung die vorherige Enthauptung (the pre-sepulchral decapitation) nicht bemerkt
wurde. Es Hess sich jedoch nicht ausmachen, ob die Abtrennung des Kopfes vor
oder erst nach dem Tode ausgeführt war.
Wir werden uns also hüten müssen, die vorkommenden Fälle nach einem
allgemein gültigen Schema zu beurtheilen, und ich erkenne an, dass nach den
Angaben des Hrn. Fouquet ein Urtheil über das an den Schädeln des Hrn.
Amelineau eingehaltene Verfahren sich erst gewinnen lassen wird, wenn die
Untersuchung des Inhaltes dieser Schädel zu einer grösseren Evidenz geführt sein
wird. Da wir bisher keine ausreichenden Materialien für eine ausgiebige Analyse
der in diesen Schädeln enthaltenen Masse besitzen, so müssen wir unser Urtheil
vorläufig suspendiren. Die Extraction des Gehirns ohne Perforation des
Schädelgewölbes and ein Ersatz des Schädelinhaltes durch balsamirende Sub-
stanzen ist nicht, anders denkbar, als durch den Wirbelcanal und das grosse Hinter-
hauptsloch, aber eine solche Operation ludet die grössten technischen Schwierig-
keiten. Auch ein sehr erfahrener Operateur der Jetztzeit würde dieselbe kaum aus-
führen können. Man nmix nun aber die Geschicklichkeit und namentlich über die
Geduld der alten Einbalsamirer so günstig denken, wie nur immer möglich, immer
wird man sich doch erst entschliessen können, ein SO Complicirtes und dabei
schwel- verständliches Verfahren anzunehmen, wenn die Natur der ausfüllenden
Masse sicher festgestellt ist.
im die braue, ob das in der Schädelhöhle vorgefundene Material nicht bloss
eingetrocknetes und im Laufe von Jahrtausenden verändeites Gehirn ist. weiter zu
klaren, habe ich Hrn. Salkowski bestimmt, sich, im Anschlüsse an seine früheren
Analysen (S. 32j, einer weiteren Untersuchung /.u unterziehen. Ich habe ihm dazu
das geringe Material .-liefen, welches ich durch die Zersägung und Ausleerung
(138)
verschiedener ägyptischer und peruanischer Mumienköpfe gewonnen habe. Sein
Resultat war auch diesmal in Rücksicht auf die schwebende Frage ein negatives,
wie die sofort anzuschliessende Darstellung ergeben wird. —
(23) Hr. E. Salkowski hat unter dem 19. März folgenden Bericht erstattet über
weitere Untersuchungen von aus der Scliädelhöhle von Mumienköpfen
entleerten Massen.
Gegenstand der Untersuchung waren: 1. Substanz aus einem ägyptischen
Mumienkopfe, in Anlehnung an die früheren Untersuchungen mit der fortlaufenden
Nr. III bezeichnet; 2. Nr. IV Substanz aus verschiedenen Peruanischen Schädeln,
vereinigt; 3., 4., 5. Nr. V, VI und VII Substanz aus ägyptischen Mumienköpfen.
Nr. III, IV, VI und VII sind mir von Hrn. R. Virchow direct übergeben worden,
Nr. V verdanke ich Hrn. Lissauer. Die letztere Masse rührt nach der freundlichen
Mittheilung desselben von einem Mumienkopfe her, den Gerhard Rohlfs aus der
Oase Siwah aus den Felsengräbern im Todtenberge, „Gebel Muta", mitgebracht hat.
Die Masse stammt nicht aus der Schädelhöhle selbst, sondern aus den beiden
ersten Halswirbeln. Um die Halswirbel herum sass eine äusserlich ganz ähnliche
Masse, welche ich bei der Untersuchung möglichst vermieden habe.
Da die zur Verfügung stehende Quantität des Untersuchungsmaterials eine er-
heblich grössere war, als früher, so konnte ich auch andere Wege zur Unter-
suchung einschlagen. Vor Allem schien es mir wichtig, auf einem sicheren Wege
festzustellen, inwieweit die zu untersuchenden Massen, ihrer Zusammensetzung
nach, als Gehirnsubstanz zu betrachten seien, bezw. inwieweit sie möglicher Weise
etwas Anderes als Gehirnsubstanz sein könnten. Hierzu wählte ich die Ermittelung
des Gehaltes an Stickstoff, welcher jedenfalls der Hauptsache nach auf Eiweiss-
Substanzen zu beziehen ist, und die Bestimmung des für das Nervengewebe
chakteristischen Phosphorgehaltes. Die Bestimmung des Stickstoffes geschah nach
der Methode von Kjeldahl, die Bestimmung des Phosphors in der üblichen
Weise durch Schmelzen mit einem Gemisch von Salpeter und Soda, Fällung der
entstandenen Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammoniak, Ueberführung in
Magnesium-Pyrophosphat und Wägen desselben. Da die Substanzen sehr ver-
schiedene Quantitäten von hygroskopischem Wasser, sowie von Aschen-Bestand-
th eilen, bezw. auch Sand enthielten, so war es nothwendig, um von einem ver-
gleichbaren Material ausgehen zu können, durchweg auch den Gehalt an Wasser
und Asche zu bestimmen. Die nachfolgenden Zahlen für Stickstoff und Phosphor
beziehen sich daher auf die „organische Trockensubstanz" der Massen. Alle diese
Bestimmungen sind von Hrn. Dr. Georg Schrader ausgeführt, während ich die
Untersuchung auf Fette und harzartige Substanzen übernommen habe.
Da die Zahlen für (\on Wasser- und Aschengehalt des Untersuchungsmaterials
immerhin ein gewisses Interesse haben, so seien sie hier angeführt:
Nr. III enthielt 2,52 pCt. Wasser, 8,57 pCt. Asche.
> lv » 1,372 „ „ , 3,61 „
. V •• :^86 „ „ , 20,25 „
»VI „ 1,64 „ „ , 9,078 „
- VII ,, 1,435 „ „ , 5,446 „
Es handelte sich also in allen Fällen um sehr wasserarme Substanzen gegen-
über frischer Gehirnaubstanz, deren Wassergehalt man auf rund 75 pCt. veran-
schlagen Kann.
IV
T)
4,70
V
r>
8,04
VI
r>
4,45
VII
?i
4,33
(139)
Die Bestimmungen des Stickstoffes and des Phosphors1) ergaben Folgendes:
Nr. III enthielt 6,41 pOt. Stickstoff, 1,049 pCt. Phosphor.
» . °>G6 r> »
. , 0.275 „
„ , 0,607 „
, 0,93- „
Nach diesen Bestimmungen sind Nr. III. IV, VI, VII der Hauptsache nach
Gehirnsubstanz, immerhin könnten noch ansehnliche Quantitäten von heterogenen
Substanzen beigemischt sein. Nr. V erscheint bei seinem hohen Gehalt an Stick-
stoff und seinem niedrigen Gehalt an Phosphor etwas unsicher. Die Masse könnte
zum Theil wohl aus eingetrockneter Musculatur bestehen.
Auch die Untersuchung der durch heissen Alkohol ausziehbaren Stolle igt
diesmal etwas anders ausgeführt worden. Zunächst habe ich daran I' verzichtet, zu
ermitteln, wieviel von in Alkohol löslichen Stollen in den Massen enthalten sei,
einerseits weil davon nach den früheren Untersuchungen kein wesentlicher Aus-
schluss zu erwarten war. andererseits weil die erhaltenen Zahlen wegen des
wechselnden Gehaltes des Alkoholextraktes an Salzen doch mit Unsicherheiten be-
haftet sind, dieser aber nicht bestimmt werden konnte, ohne das Untersuchungs-
objeet, das Alkoholextrakt, zu zerstören. Es hätten durchweg doppelte Extractionen
vorgenommen werden müssen und das schien nicht lohnend genug.
Die Untersuchung beschränkte sich also auf die Zusammensetzung der
durch Ausziehen mit Alkohol erhaltbaren Substanz. Das eingeschlagene Verfahren
war dasselbe, wie bisher, jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, dass diesmal
die Quantität der harzartigen Substanz nicht aus der Differenz bestimmt, sondern
direct gewogen wurde. Die Untersuchung verlief also folgendermaassen: eine
nicht genau gewogene Quantität der so gut wie möglich zerkleinerten Masse wurde
mit Alkohol ausgekocht, nach dem Urkalten filtrirt. der alkoholische Auszug ein-
gedampft, unter Erwärmen in mit Natronlauge alkalisirtem Wasser gelöst, die ent-
standene trübe Lösung mit Aether ausgeschüttelt. Der filtrirte ätherische Auszug
hinterliess nach dem Abdestilliren und Verdunsten das Neutralfett oder richtiger
gesagt, die direct in Aether lösliche Substanz A). Dann wurde die alkalische
Lösun- angesäuert und mit Aether geschüttelt, der Aether-Auszug nochmals mit
Wasser geschüttelt. Der verdunstete Aether-Auszug lieferte die Fettsäuren (B).
Die theils sofort, theils beim Schütteln des Acther-Auszuges mit Wasser aus-
geschiedene harzartige Substanz wurde gesammelt, die Reste in Alkohol gelöst,
alles vereinigt. Die alkoholischen Auszüge lieferten beim Verdunsten die harzartige
Substanz (C). Sämmtliche erhaltenen Substanzen wurden bei 100° getrocknet und
gewogen. Die Gewichtsmengen von A. B und C wurden addirt. gleich 100 gesetzt,
und hieraus die Zusammensetzung zurück berechnet.
Ehe ich die erhaltenen Zahlen mittheile, möchte ich noch etwas über die Be-
schaffenheit der beim Verdunsten des Alkohol-Auszuges erhaltenen Substanz -
Nur in Fall Nr. V erinnerte ihre l'.eschaffenheit einigermaassen an die bei der
Untersuchung beobachtete, in allen anderen Fällen war dieselbe dagegen von salben-
artiger, ziemlich weicher Consistenz2). Hem entsprach nun auch die Zusammen-
setzung.
1) einschliesslich der phosphorsauren Salze. Alle Zahlen beziehen sieh auf die As< he und
die wasserfreie Trockensubstanz, bezw. sind auch diese umgerechnet werden. Die in
Stickstoff-, sowie einige Ph | i Bestimmungen sind doppell ausgeführt worden.
2 -ein- ähnlich der aus dem Peruanischen Sch&delinhali durch Alkohol-Extraction er-
haltenen Substanz.
(140)
Zusammensetzung der in Alkohol löslichen Substanz in Procenten:
Nr. III Nr. IV Nr. V Nr. VI Nr. VII
Direct in Aether lösliche Substanz
(Neutralfett)
Nach dem Ansäuern in Aether lösliche
Substanzen (Fettsäuren)
Harzartige Substanz
14,3
75,4
14,3
7,2
36,2
6,6
2,3
66,4
31,3
0,9
92,6
7,4
14,1
79,9
7,0
In allen Fällen war also die Quantität der harzartigen Substanz sehr gering-,
einigermaassen erheblich nur in der Masse aus Fall V, die mir aber ihrer Herkunft
nach nicht vollständig sicher erscheint. Auch in diesem Falle war ihre Quantität
erheblich kleiner, wie bei dem Inhalt aus dem Mumienkopfe der ersten Untersuchung.
Ferner fehlte die harzartige Substanz auch in dem Alkohol-Auszuge der Masse aus
Peruanischen Mumienköpfen nicht ganz.
Die Beschaffenheit der harzartigen Substanz war in allen Fällen dieselbe: eine
spröde, bräunlich gefärbte, durchsichtige' Masse. Erwähnenswerth ist vielleicht
noch, dass das „Neutralfett" in allen darauf untersuchten Fällen eine sehr starke
Cholesterin-Reaction gab.
Nach dem Resultat dieser Untersuchungen liegt kein zwingender Grund zu der
Annahme vor, dass in den untersuchten Fällen Harze in die Schädelhöhle hin-
eingebracht worden sind. Es scheint mir sehr wohl möglich, dass die kleine
Quantität harziger Substanzen im Laufe der Zeit aus Gehirn-Bestandtheilen selbst
tntstanden ist. Verharzungen gehören in der organischen Chemie zu den ge-
wöhnlichsten Erscheinungen; allerdings sind dabei meistens starke Reagentien im
Spiele, es ist jedoch sehr wohl denkbar, dass die Länge der Zeit die Mitwirkung
starker Reagentien ersetzt. —
(24) Hr. R. Virchow bespricht, unter Vorlegung der neuerdings eingesendeten
Knochentheile, folgende Mittheilung des Hrn. Ober-Bürgermeisters Brecht, d. d.
Quedlinburg, 17. December 1896, über eine
Ausgrabung auf der Moorsclianze bei Quedlinburg.
Die im FJ<;enthum der Stadt Quedlinburg befindliche Moorschanze, ein Hügel
von 40 /// unterem Durchmesser und etwa 5 m Höhe, liegt 1 km südlich von Quedlin-
burg, hart am rechten Rande des etwa 20 m hohen diluvialen Bode-Ufers.
In der Voraussetzung, dass der Hügel ein vorgeschichtliches Grab berge,
wurde die Ausgrabung beschlossen und nach Anweisimg des Prof. J. Schmidt,
Directors des Provinzial-Museums zu Halle, am 11. August 1896 mit der Ziehung
eines Grabens von 1,90 ,„ Sohlbreite von ONO. nach WSW., nach der Mitte zu, be-
gonnen. Der Graben wurde Ins auf den gewachsenen Boden ausgebracht, der aus
Kies mit einem etwa 5 starken Lehmüberzuge bestand und am Rande des
Hügels 1,34 in unter der gegenwärtigen Höhe des Ackers ermittelt wurde. Es
zeigte sieh alsbald, dass der Hügel von diesem Urboden ab künstlich auf-
geschüttet ist.
Nahe am Rande, 55 cm anter der Oberfläche, landen sich die Bruchstücke
gerauhten Latene-Gefässes, nehmlich der runde Boden von 10 cm Durch-
messer und einige Theile der Wandungen; daneben das Bruchstück einer roh ge-
(141)
brannten Tasse von anbestimmbarem Alter (Fig. 1). In der Aufschüttung, in der
man die Schichten verschiedener Erdgattungen unterscheiden konnte, fanden sich
dann verschiedene kleine Scherben mit Stich- und Schnittverzierung aus der jüngeren
Bteinzeit (Pig. 2 — 4). und ein H»1/, cm langes, schräg zugeschliflfenes Stück eines
Röhrenknochens. Als sich der Graben dem Mittelpunkte des Bügels auf 6
nähert hatte, fand sich 1 m unter der Oberfläche, unter einem fast verrotteten Bohlen-
Btücke von 1 tu Länge, W cm Breite und 6 — 10 c/// Dirke, ein gut geformtes und
gebranntes, gehenkeltes Gefäss (Pig. 5) von 14 c/// oberem Durchmesser und T
Höhe, aus der frühen Bronzezeit, das weiter keinen Inhalt hatte, als das ein-
gedrungene morsche Hol/.
Wie. 1.
Fig.
Nahe dem Mittelpunkte des Hügels wurden 3,15m tief einige wagerecht liegende,
sehr gewölbte Scherben angetroffen, ohne Verzierung und ohne ausgeführte Form,
die einem amphorenartigen Gefässe angehört haben können, aher ein Ganzes nicht
liefern.
Neben dieser Stelle und unmittelbar am Mittelpunkte des Hügels wurde die
hier sehr kiesige Aufschüttung durch einen tiefschwarzen, ganz mit Asche und
fielen kleinen Kohlenstücken, verrotteten Holzstückchen und Thierknochen durch-
setzten Erdkörper von modrigem Gerüche abgelöst. Dieser Erd-Aschenkörper lagerte
auf dem Urboden. Seine Höhe war l,9ü m\ am Hände verringerte sich die Böhe
und lief theilweise in Null aus. Die ostwestliche Ausdehnung betrug 7,5///. die
südnördliche 5 ///.
Am Ostende dieses Aschenkörpers fand sich in der Mitte des Bügels auf dem Ur-
boden, der hier 5,53 m unter der Oberfläche des Bügels lag, eine Art von Stein bau
[Pig. 6) aus 9 unbehauenen Geschiebe -Steinen, in der Stärke von 15X20 bis
50 X 70 cm. Die Steine lagen in der Form eines Bufeisens, dessen Schenkel etwas
auseinandergezogen waren, die offene Seite nach Westen (Fig. 7). Die Schenkel
entfernten sich von einander bis auf 1 in; nicht ganz so gross war die Tiei
Figur. Der zweitgrösste der Steine stand aufrecht, gegenüber der
offenen Seite m der Mitte (//): über ihm lag der grösste (o). Die anderen lagen
unregelmässig neben einander.
Am Ende der beiden Schenkel der Figur fand sich je ein Pferde- - Kiefer. Der
auf dem Südende lag unter einem Steine über Kohlenstückchen: der auf dem Nord-
ende lag /wischen zwei 31 inen über und unter Stückchen von Kohlen und
modertem Holze. Die Kiefer lagen 60 cm von einander entfernt. Unter einem der
(142)
Steine lag ein Knochenstück. Die Aschen-Erdschicht überragte den höchsten Stein
um 1,30 m,
Fier. 6.
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*0. S6 63
f>3
Durchschnitt in der Eichtung SO.— NW.
H. Husarenstieg, GL. gelber Lehm, U. ürboden, A. Asche,
a Steinpackimg mit Pferde- (?) Kiefern, b Einzelschädel, c Gerippe.
Fig;. 7.
. __ _ _ _/^
a aufrecht stehender, h darüber liegender Stein.
Beim weiteren Abbau des Aschen-Erdkörpers von Ost nach West fanden sich
verschiedene Nester von bräunlicher und röthlicher Erde, zahlreiche Holzreste,
Knochen und Kohlenstückchen (Fig. 8, A.A.), Höhlungen von 25 — 75 cm Durch-
messer, nur theilweise mit ganz lockerer Erde und Knochenresten ausgefüllt.
Auch fand sich ein Erdenkloss mit dem schönen Abdrucke eines (Eichen-?)
Blattes. Als die Abräumung 2 m weit von der Steinsetzun- vorgeschritten war,
zeigte sich eine 2,60 m lange, von 1,20 m Höhe über dem ürboden im Süden bis
65 cm über dem Hoden im Norden streichende Höhlung, die in dem oberen, 1.50 m
langen Theile anregelmässig gekrümmt war und bis zu 15 cm Durchmesser hatte,
(143)
in dem unteren Theile aber geradlinig war und 10 cm Durchmesser hatte. Der obere
Theil der Höhlung zeigte an der oberen Fläche viele von der Erde festgehaltene
Fisr. 8.
£
■%».■
r.:M
iß
&.A
Pij
Ausschachtung der Moorschanze, Horizontal-Ansicht.
.-1. Aschenerde mit Kohlen, Knochen und Holzresten, tit. u. Pf. Steinpackung mit Pferde- (?)
Riefern, S. Einzelschädel, 0. Gerippe.
Knochenspuren, der untere viele Holzreste. 30 cm unter dem oberen Theile war
eine etwa 30 cm tiefe, "20 cm hohe and 35 cm lange Höhlung, in der sich viele
Knochen, eine Scherbe mit Stich- und Strich -Verzierung
(Fig. 9) und ein Erdenkloss mit dem gut erhaltenen Ab-
drucke der Innenfläche der Mittelfinger einer Hand fanden.
50 cm darunter war ein zusammenhängender, etwa 70 c/«
langer, 1 mm starker Streifen von Knochenstoff.
Bei der Weiterarbeit in der Richtung nach Westen
traf man eine vom Urboden im Winkel von etwa 50°
von Ost nach West bis Tu cm unter der Oberfläche des Hügels aufsteigende, - m
lange Röhre von 50 cm Durchmesser, die mit ganz lockerer Aschenerde gefüllt
war, und daneben eine andere, nach Süden herumgehende, von _ m Lange und
10 cm Durehmesser mit lockerer Asche und verbrannten Knochen.
(144)
Von dem unteren Anfange dieser Röhre 1,20, von der 2,60 langen Höhlung
1,50 und von der Steinsetzung 3,50 m entfernt und von ihr in westlicher Richtung,
fand sich dann ein Schädel, der nach der Blosslegung gelb war, alsbald aber
roth wurde.
Fig. 10.
Moorschanze bei Quedlinburg.
Aufnahme auf s/4 verkleinert) von N., etwa 2,5 m über dem Schädel
und 2,5 m von ihm entfernt.
Der Schädel lag auf einer etwa 15 cm starken Schicht Thonerde,
welche auf den Urboden aufgetragen war. Dieser A ultra-' ist
bis auf eine geringe Entfernung vom Schädel entfernt, um den
Urboden Bichtbar zu machen. Daher der Kreis um den Schädel.
Der Schädel war von einer 15 cm starken thonigen Erdschicht unterbettet, die
ihrerseits auf dem Urboden lag. Mit einer gleichen Schicht war er auch bedeckt.
Der Aschen-Erdkörper über dem Schädel war 1,90 m hoch. Darüber war noch
2,80 m Aufschüttung. Der Schädel hatte Rückenlage, mit der Richtung genau nach
West. Die Achse war aber nicht wagerecht, sondern in einem Winkel von 20° nach
hinten (Osten) geneigt. 60 cm um den Schädel herum war die Asehenerde besonders
(145)
reich an reiner Asche. Knochen und Kohlenstückchen. In der Asche über dem
Schädel lagen mehrere Scherben, darunter zwei mit Stich-Verzierung (Fig. 12, a,b)-
zwei andere mit Stich-Verzierung Fig. 13, a, b) und eine mit Zickzack -Verzierung
(Fig. 14) fanden sich in der Nähe; doch ist es nicht sicher, ob sie nicht von der
Aufschüttung heruntergefallen waren. Von dem Schädel in seiner Lage wurden
Photographien aufgenommen (Fig. ll> und 11).
Fiar. 11.
.Moorschanze bei Quedlinburg.
Der Schädel lag 4,30 m tief unter einer 1,90 m hohen Aschen-Erdschicht.
Die Aufnahme ist von Osten aus erfolgt* etwa 1,60 m über dem Schädel
und 7 //! von ihm entfernt.
Fi*. 12.
Fig. 13.
Bei der weiteren Entfernung der Aschen-Erdschicht fand sich 2,50« von dem
Einzelschädel in westsüdwestlicher Richtung cm auf dem [Jrboden lagerndes
rij>pe. Die Äschen-Erdschichi über diesem Gerippe betrug 1,90 . wurde
mgebnng nach Süd. Wesl und Nord aber niedriger und vorlud sich in einer Fnt-
„r"U°g v"n - ~;; "'• Die Entfernung von dem Gerippe bis zur Oberfläche des
Hügels betrag 4,70 m.
Das Gerippe lag in Rückenlage mit den etwas nach links geneigt Kopfe
oach Westen. Schädel mit Unterkiefer, Kippen und Bocken waren In der richtigen
Verhandl. der Berl. Amt. lekafl 1397, ..-.
(146)
Lage; die Armknochen schienen über der Brust gekreuzt gewesen zu sein. An
das Becken schloss sich nur eine Lage von Knochen an, so, als seien die Unter-
schenkel unter die Oberschenkel geschlagen. Die ganze Länge des Gerippes betrug
95 cm.
Nachdem sämmtliche Knochen aus der lockeren Erde hervorgenommen waren,
ergab sich, dass verschiedene Knochen zur Vollständigkeit eines Menschen-Gerippes
fehlten, andere überreich vorhanden waren und das Gerippe aus den Knochen von
3 oder mehr Menschen zusammengesetzt gewesen war. Es fand sich 1 Schädel
mit nicht zugehörigem Unterkiefer, 2 rechte und 1 linkes Oberarmbein, 2 ver-
schiedene Ellen, 6 Speichen, 9 Rippen, 2 Lendenwirbel, 1 Kreuzbein, 2 Hälften des
Beckens, 2 verschiedene Oberschenkel - Knochen, 2 verschiedene Schienbeine,
3 Wadenbeine und ein anderer Röhrenknochen. Auf dem Urboden in der Um-
gebung des Gerippes waren Spuren von verrottetem Holze und ganz kleinen
Knochenresten; grössere Knochenreste und deutliche Asche fehlten hier.
Im Norden des Gerippes wurde gefunden:
a) im Abstände von 25 cm, aber 80 cm höher als das Gerippe, der Abdruck
eines Pferdehufes in thoniger Erde,
b) im Abstände von 1,45«?, aber 1,20«? höher als das Gerippe, ein hammer-
ähnlicher, unbehauener Stein von 22 cm Länge (Fig. 15), 10 — 6 cm Breite
und 4V2 — 3 cm Dicke und
c) im Abstände von 2,50 ?/?, aber 1,50 «? höher, als das Gerippe, ein Schvveine-
kiefer.
In der Nähe dieser Gegenstände traf man auch eine Scherbe mit Schnitt- und
Strich-Verzierung (Fig. 16).
Fiff. 14. Piar. 15. Fiff. 16.
Todten -Urnen und Beigaben der üblichen Art standen im Umkreise von
0,70 — 3,50 m von dem Gerippe, wie auch von dem Einzelschädel, nicht. Der Ur-
boden war an der Stelle des Einzelschädels um 34 cm höher, als an der Stelle des
Gerippes, und 20 cm höher, als an der Stelle des Steinbaues. —
Hr. R. Virchow: Schon in seinem ersten Begleitschreiben hatte Hr. Brecht
auf die Hauptpunkte des, wie er sich ausdrückte, „ziemlich rätselhaften" Ergeb-
nisses der Untersuchung hingewiesen: „auf der höchsten Stelle des Urbodens ein
einsamer Schädel, ■ '•'/., m mich Osten eine Art von Steinbau mit zwei Pferde-
Kiefern, 2'/.j m nach Südwesten ein aus Knochen von mehreren Menschen
sorgsam zusammenge etztes Gerippe; über dem Allen eine 1,90«? hohe
Schicht von Erde, die mit Asche und Resten von Knochen, Holz und Kohlen ganz
durchsetzt war, und dabei keine Spur von Leichenbrand, keine Urne, keine Bei-
(147)
gaben." Er erwähnte zugleich die Meinung des bei der Ausgrabung zugezogenen
Hrn. .1. Schmidt, dass möglicherweise der Hügel gar nicht als Todtenhügel auf-
getragen sei.
In einem neueren Begleitschreiben vom 16. Februar, bei Uebersendung der
Knochen, betont er mit Recht die „ausserordentliche Verschiedenheit in der Ge-
stalt der beiden Schädel". Er erwähnt zugleich, dass Hr. Weinhold in seiner
Abhandlung aber die heidnische Todtenbestattung in Deutschland einige analoge
Funde anführe, nehmlich aus einem Hügelgrabe bei Olmütz die Knochen zweier
Skelette, zu einem Gerippe vereinigt, mit nur einem Schädel, und aus einem Htigel-
grabe bei Ranis nur I Schädel. In dem vorliegenden Falle „scheine das künstlich
zusammengesetzte Gerippe einen zuverlässigen Beweis des Skeletirens zu er-
geben".
Bei dem Anspucken und Ordnen der Knochen war begreiflicherweise meine
Aufmerksamkeit vorzugsweise diesem „Gerippe" zugewendet. Es fand sich, dass
die osteologisehe Bestimmung der einzelnen Knochen, sowie die Angaben aber
ihre Zahl zutreffend waren. Schon aus dieser letzteren folgt, dass einzelne
Knochen, wie der Radius, in G, ein Paar andere in je 3 Exemplaren vorhanden
waren, so dass also, die Zusammengehörigkeit von je 2 vorausgesetzt, doch Be-
standtheile von 2, ja einmal von 3 Gerippen vorliegen mussten. Allein die genauere
Betrachtung erwies, dass die Voraussetzung von je 2 zusammengehörigen Knochen
nicht zulässig ist, dass vielmehr eine fast allgemeine Discordanz unter den ihrem
allgemeinen Charakter nach gleichwertig erscheinenden Knochen bestand. Ich
gebe zunächst eine kurze Uebersicht dieser Gebeine:
Os humeri . . . . 3 Stück (alle unter einander verschieden),
Dlna 2 „ (sehr verschieden),
Radius G „ (fast alle verschieden, höchstens :.' zusammen-
gehörig),
üs femoris ... 2 „ (1 rechtes und 1 linkes, aber verschieden lang
und stark),
Tibia 1 „ (von einem Kinde, dick, die Epiphysen abgelöst),
„ 2 „ (von Erwachsenen, ganz verschieden),
Fibula 3 „ (verschieden),
Beckenknochen . . 2 „ (Seitentheile von 2 Personen, an dem einen
eine ganz weite Pfanne mit hyperostotischem
Rande .
„ . . 1 n (Kreuzbein, klein, anseheinend weihlieh, stark
gekrümmt, mit grossen [ntervertebrallöchern .
Wirbel 2 ., (lumbare, vielleicht zusammengehörend),
Unterkiefer . . . I ., (sehr klein, vielleicht weiblich).
Es konnte daher nicht zweifelhaft sein, dass mindestens von 3 verschiedenen,
und zwar sowohl männlichen, als weihlichen Gerippen, Knochen da waren, ja
die Tibia eines Kindes. Nach der Beschaffenheit der Radien mussten wenigs
.:) ursprüngliche Gerippe benutzt wurden sein. Die mir zugegangene Beschreibung
lässt nicht erkennen, in welcher Weise die Herstellung eines „künstlichen Geri]
ausgeführt war. Wahrscheinlich waren die Knochen nicht „zusammi
sondern nur in solcher Reihenfolge niedergelegt, wie sie fiir die Herstellung eines
Skelets nothwendig erschien. Wäre ein vollständiges Gerippe Skeht vorhanden
gewesen, so müssto sieh aus dvn eingesendeten Knochen ein solches wieder zu-
sammensetzen lassen; dies ist jedoch gänzlich unmöglich, da seihst die paar-
weise1 vorhandenen Knochen nicht zusammenpassen. Wenn man auf ein ..voll-
10*
(148;
ständiges" Gerippe verzichten wollte, würde nur ein Haufe von Gebeinen übrig-
bleiben, bei denen der Nachweis zusammengehöriger Knochen nur für vereinzelte
Stücke zu liefern wäre. Dadurch wird auch die Möglichkeit widerlegt, dass die
Knochen aus mehreren Gräbern gesammelt und erst nachträglich zusammengelegt
sind. Wie sollte jemand auf den Gedanken kommen, aus einem Grabe ein rechtes,,
aus einem anderen ein linkes Os femoris zu entnehmen und beide „künstlich" zu ver-
einigen? Oder wie könnte im Ernst der Plan ersonnen werden, mit zwei Lendenwirbeln
ein Skelet nachzubilden, während der Schädel ohne Halswirbel niedergelegt wurde?
Wenn an einer Stelle neben einander eine Mehrzahl von Gräbern geöffnet wird,
so kann es leicht geschehen, dass bei der Wiedereinscharrung der Knochen Skelet-
theile verschiedener Gerippe bunt durch einander zusammengelegt werden. An
einem Orte, wo nur zwei Schädel zu Tage gekommen sind, ist eine solche An-
nahme, zumal wenn es sich um Knochen von 3 oder gar 5 Skeletten handelt, nicht
zulässig. Wo sollten die vielen fehlenden Knochen geblieben sein? Dazu kommt
ein anderer Umstand, der von grosser Wichtigkeit ist. Der Erhaltungszustand der
verschiedenen Knochen ist ein so verschiedener, dass man an eine einheitliche
Herkunft derselben nicht denken kann. Die beiden Schädel sind verhältnissmässig
gleichartig beschaffen. Sie haben jenes tief bräunliche Aussehen, welches bei
Schädeln, die nicht zu lange in der Erde gelegen haben, häufig angetroffen wird.
Sie zeigen auch jenes losere Gefüge der oberflächlichen Theile, welches beim
Eintrocknen das Abblättern der äussersten Rindenschicht bedingt, und jenes ver-
hältnissmässig leichtere Gewicht, welches auf die Einwirkung feuchter Umgebungen
und eine dauernde Auslaugung der Erdsalze hindeutet. Ich kann ihnen daher keine
sehr lange Dauer der Bestattung zuschreiben, am wenigsten eine Dauer, die bis
in die neolithische Zeit zurückreichen könnte. Ein Paar Jahrhunderte scheinen
mir das äusserste Zeitmaass auszudrücken, welches man ihnen zugestehen darf;
vielleicht sind sie noch jünger.
Diesem Zustande entsprechen einzelne der anderen Knochen, so namentlich
das kleine Kreuzbein. Andere dagegen sind ganz fest, an ihrer Oberfläche glatt
und von mehr weisslich- oder gelblich-grauer Farbe, übrigens unverletzt. Sie sehen
aus, wie regelmässig macerirte Knochen, wie man sie in anatomischen Anstalten
absichtlich zum Studium herrichtet. Wäre es ein Sachverständiger, ein Anatom
oder ein Arzt gewesen, der sie niedergelegt hätte, so könnten manche von ihnen
nicht sauberer sein. Ist es nun ganz undenkbar, dass ein früherer Besitzer, der
sie zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt hatte, sie schliesslich hat vergraben
lassen, oder dass seine Erben oder Nachfolger sie haben wegbringen lassen?
Sollten auf der Moorschanze Hinrichtungen stattgefunden haben, so könnte die
Gelegenheit, Gebeine zu vergraben, von dem Besitzer benutzt sein, um sich der
nicht mehr zu verwendenden Theile zu entäussern.
Dabei bemerke ich, dass Spuren, die auf eine Enthauptung hinweisen, sich
nicht vorfinden, wie denn auch sonstige Zeichen von Gewalt-Einwirkungen, die so-
oft unter einer grösseren Zahl von einzelnen Knochen bemerkt werden, fehlen.
Seibat, wenn die Moorschanze einmal eine Richtstätte gewesen wäre, auf der
man die Hingerichteten oder deren Gebeine bestattete, wären Enthauptung oder
Räderung als Todesarl auszuschliessen. Des Gegensatzes wegen will ich hier an
einen, auch in anderer Beziehung sehr merkwürdigen Kund erinnern, den ich in
der Sitzung vom 19. Januar 1884 Verhandl. S. 53, _ Taf. 11) eingehend beschrieben
habe. In dem Burgwall von Ketzin an der Havel, in der Nähe von Potsdam,
wurden an einer Stelle 3 Schädel mit Unterkiefern, und ausserdem 2 einzelne
Unterkiefer gefunden: alle weiteren Skeletknochen fehlten. Es blieb mir kein
(149)
Zweifel, „dass wir es hier mit den abgeschlagenen Kopien von Männern zu thun
hatten, deren Körper nicht mit an die Stelle gebracht wurden, wo man schliesslich
die Köpfe einscharrte*. Deutliche Hiebverletzungen um das grosse Binterhaupts-
loch und an den Unterkiefern lieferten den Beweis, dass die Köpfe gewaltsam ab-
geschlagen waren. Sie glichen darin anderen Schädeln, die ich früher beschrieben
hatte und die ich kurz aufzählte. Hier haben wir also ein Beispiel, das sieh einer-
seits durch den Mangel zugehöriger Skeletknochen dem Quedlinburger Funde,
wenigstens dem „einsamen" Schädel anschliesst, andererseits durch die occipitalen
Verletzungen sich gänzlich davon unterscheidet.
Betrachten wir nunmehr die heulen Qaedlinburger Schädel etwas näher:
1. der nach Annahme der Finder zu dem Gerippe gehörige Schädel
(Fig. 17), zu dem ein passender Unterkiefer nicht vorhanden ist, erweist sich als
ein annähernd ausgebildeter Kcphalone: seine Capacität beträgt 1555 cem,
sein Horizontal-Umfang 570 mm, der verticale 333, der sagittale 396, seine hori-
zontale Länge 194, seine grösste Breite 1G3, seine gerade Höhe 13.S, seine Stirn-
breite (minimale) 107 mm. Daraus berechnen sich ein stark brachycephaler
{84,0) Breiten- und ein ausgesprochen orthocephaler (71,1) Höhen-Index. Der
Schädel besitzt gewaltige Stirnhöhlen, denen ein starker Stirnnasenwulst ent-
spricht (Fig. 17— H))1).
Fig. 17. V.
Der Schädel hat einem alten Manne angehört: der Oberkiefer ist ganz zahnlos;
nur die Alveole des rechten mittleren Schneidezahnes ist erhalten und zeigt eine
ungewöhnlich gerundete Form. Einige andere Vorderzähne sind später ausgefallen
und haben nur zertrümmerte Alveolen hinterlassen. Alle anderen Zähne scheinen
\or längerer Zeit verloren gegangen ZU sein: die Alveolen der linken Backzähne
sind gänzlich obliterirt und der ganze Al\ eolarfortsatz bis auf einen niedrigen
Band geschwunden. Auch von diesem fehlt rechts ein Stück wegen Zertrümmerung
der Kieferhöhle. Von den Nähten in der Schläfengegend sind nur die Sut. spheno-
temporales erhalten: alles Ander«' ist synostotisch (Fig. 17). Dafür ist der obere
Theil der Schläfengegend, soweit die Sut. coronaria noch ollen ist, bomben förmig
ausgeweitet Von der Pfeilnaht ist nur das vordere Drilttheil noch vorhanden
(Fig. 18). Die Lambdanahl beginnt gegen die Spitze hin zu verstreichen. Ueber
der Spitze befindet sich eine mediane Vertiefung. Rechts eine Spur der Sut
transv. oeeipitis. Die Plana temporalia gehen weit in die Höhe bis über die Tub.
1) Die Schädel sind von Hrn. Heibig nach der geometrischen Methode geieichnet
(150)
par. und nach hinten bis an die Lambdanaht. Die Basis cranii ist sehr breit und
voll. Am Hinterhaupt tiefe Muskelzeichnungen. Das Foramen magnum gross und
breit, etwas schief, nach hinten etwas verlängert (Fig. 19). Die Scheitelcurve stark
gewölbt (Fig. 17). Das Stirnbein gross, breit und etwas flach gewölbt.
Das Gesicht erscheint im Ganzen etwas reclinirt, so dass der Alveolarfortsatz
nahezu opisthognath erscheint. Bei der äusseren Betrachtung könnte man fast
glauben, es handle sich um jene basilare Impression, wie ich sie bei nieder-
ländischen Kephalonen mehrfach nachgewiesen habe; bei der basilaren Ansicht ist
freilich die Apophysis basilaris ungewöhnlich breit, jedoch nicht eingedrückt, und
die Proc. condyloides liegen sehr weit auseinander, aber sie stehen weit vor (Fig. 19).
Fig. IS. V,
Fig. 19. '/s
Das Obergesicht ist niedrig und sehr breit, die Stirnnasennaht von dem (freilich
sehr defecten) Alvcolarrande nur 67 mm entfernt. Die Kieferhöhlen gross und
blasig aufgebläht. Die Orbitae hoch, etwas schräg gestellt, Index 80,0, chamae-
konch. Die Nasenbeine fehlen, der Index ist leptorrhin, 45,6. —
Der, wie es scheint, in der Nähe dieses Schädels gefundene Unterkiefer,
der sicherlieh nicht zu dem Schädel gehört, ist sehr klein und zeigt noch den
rechten Weisheitszahn in seiner Alveole halb eingeschlossen, während der linke
fehlt und seine Alveole trichterförmig erweitert und undeutlich geworden ist. Neben
jüngeren Zähnen, namentlich einem linken Schneidezahn und 3 Praemolaren, rechts
eine ganz verstrichene Alveole und jederseits ein Paar tiefgraubrauner "Wurzel-
Stummel; der linke Molaris I tief abgenutzt, von dem Mol. I rechts nur ein plattes
Wurzelstück vorhanden. Dabei zeigt die Kinngegend eine leicht progenäische
Bildung. Alae sein schief gestellt. Jedenfalls stammt dieser Kiefer von einem
jüngeren Individuum. —
2. Der ..einsame-, gleichfalls männliche Schädel ist in den meisten
Beziehungen ganz verschieden. Seine Capacität beträgt nur 1348 ccm, sein
Horizontal-Umfang 526, der verticale (frontal) 306, der sagittale 358, Stirnbreite
l(io mm; er misst in der horizontalen Länge 191, in der grössten Breite 138, in
der geraden Höhe 127 mm. Er ist demnach chamaedolichocephal (Längen-
(151)
oreitenindex 72,3, Längenhöhenindex 66,5), so dass er lang, schmal und niedrig
aussieht (Fig. 20). Da seine ziemlich vollständig erhaltenen Zähne stark abgenutzt
sind (Fig. 22), so muss auf ein höheres Alter geschlossen werden. Seine Ober-
fläche ist besser erhalten, als bei dem Schädel Nr. 1, aber sie hat gleichfalls eine
tief bräunliche Farbe.
Fig. 20
Piff. 21. 7
la
Fig. 22. >/,
Die Scheitelcurve ist lang und dach Fig. 20). Auch hier ist der mittlere
Abschnitt der Sagittalis verstrichen Fig 21 . der vordere im Verstreichen; die
Obliteration ist in diesem Falle vielleicht schon in der Jugend geschehen. Alle
übrigen Nähte sind offen. Im oberen Abschnitte der Lambdanaht einige Schalt-
knochen (Pig. 21); über derselben ein deutlicher Absatz, durch stärkere Auswölbung
der Binterhauptsschuppe bedingt (Pig. 20 . Die Stirn Qachgewölbt, etwas zurückgelegt,
mit kleinen Tubera supraorbitalia, alter stärkerem Nasenfortsatz, so dass an der Sut.
(152)
nasofrontalis ein tiefer Absatz liegt. Die Basis lang und schmal, Apophysis breit,
Proc. condyloides weit von einander. Foramen magnum gross, breit und mehr ge-
rundet (Fig. 22).
Das Gesicht hoch und schmal, leptoprosop (Index 90,8). Die Orbitae hoch,
etwas eckig, Index 85,7, hypsikonch. Nase sehr schmal, stark vortretend, in der
Mitte etwas eingebogen; Index 41,8, hyperleptorrhin. Kiefer ganz orthognath,
Gaumen lang und schmal; Index 66,0, leptostaphylin. Der Unterkiefer kräftig,
die Aeste hoch und breit, das Mittelstück stark und hoch, das Kinn steil, breit und
vortretend (Fig. 20).
Dabei ist zu bemerken, dass sowohl der Schädel, als das Gesicht etwas schief
sind. Am Schädel sieht man die linke hintere Seitengegend etwas abgeflacht
(Fig. 21); die Nase steht mehr nach links (Fig. 21 u. 22). Daher passen die Längs-
nähte vom Schädel und vom Gesicht nicht genau auf einander.
Eine Zusammenstellung der Messzahlen und Indices ergiebt folgende Uebersicht:
Schädel aus der Moorschanze
von Quedlinburg
Schädel
Nr. 1 $
(bei dem
Gerippe)
„ , r, B
„ , Breite a
» , „ b
» i n c
Orbita, Höhe . .
„ , Breite .
Nase, Höbe . .
„ , Breite . .
Gaumen, Länge.
„ , Breite .
II. Berechnete Indices.
Längenbreiteniii'l ei
L&ngenhöhenindex
Ohihöhenindex . .
Gesichtsindex. . .
Orbitalindex . . .
Nasenindex. . . .
Gaumenindex . . .
Schädel
Nr. 2 $
(einsam)
I. Absolute Messzahlen.
Capacität cem
Grösste horizontale Länge mm
„ Breite .,
Gerade Höhe „
Ohrhöhe
Horizontalumfang „
Minimale Stirnbreite ,.
Gesicht, Höhe A „
1.
1555
1348
194
191
163
138
138
127
109
108
570
526
107
100
—
119
67
74
144
131
97
92
—
95
32
36
40
42
57
55
26
23
—
56
—
37
84,0
72,3
71,1
66,5
56,1
66,4
—
90,8
80,0
85,7
45,6
41,8
—
66,0
(153)
Die individuellen Eigenschaften der beiden Schädel sind gross genug, um den
Gedanken an die Zugehörigkeit derselben zu verschiedenen Stämmen zu recht-
fertigen. Ich muss jedoch hervorheben, dass ein solcher Gedanke nur gegenüber
von „reinen", d.h. un vermischten, Stämmen zulässig ist, dass er aber auf. Nationen
oder Völkerbünde oder gemischte Stämme nicht ohne Weiteres angewendet werden
darf. So habe ich früher durch eine umständliche Untersuchung nachgewiesen,
dass in Holland und den angrenzenden deutschen Gebieten in grosser Häufigkeit
Verhältnisse vorkommen, die der Annahme einer Mischung verschiedener Stämme
sehr günstig liegen, sich aber auch durch die Annahme weitgehender Variation er-
klären lassen. Ich verweise auf meine „Beiträge zur physischen Anthropologie
der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Priesen" (Berlin 1876), speciell
auf S. 356 u. folg., sowie auf die sieh daran schliessenden „weiteren Mittheilungen
über friesische und niederländische Schädel" in den Monatsberichten der Königl.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 2. November 1870, S. 622 u. folg. Der
kephalonische Schädel Nr. 1 und der chamaecephale Nr. 2 aus der Moorschanze
von Quedlinburg legen die Vergleichung sehr nahe. Es bedarf wohl nur einer Er-
innerung an das wiederholt von mir erörterte Friesenfeld (Frisonovelt) am Ost-
harze (Verh. Bd. XVII, S. 67, 566, und Bd. XX, S. 511), um auch eine historische
Unterlage für eine thatsächliche Beziehung einer bis in die merovingische und
karolingische Periode zurückreichenden Verwandtschaft zu gewinnen. Indess ver-
zichte ich für diesmal auf eine weitere Erörterung, die eine umfassende Zusammen-
stellung des umfangreichen Materials an Schädeln aus den Harzgebieten nöthig
machen würde.
Dagegen möchte ich einige Bemerkungen über anderweitige Angaben des Hrn.
Brecht vortragen:
1. Die von ihm wiederholt erwähnten beiden Pferdekiefer haben sich bei
genauerer Prüfung als Rinderknochen erwiesen. Hr. Prof. Schütz von
der Königlichen Thierarzneischule erklärt dieselben als Unterkiefer-Hälften
eines kleinen Kindes. Auch das S. 142 erwähnte Knochenstück ist die
Spitze des Kronenfortsatzes eines solchen Kiefers.
2. Die in den Zeichnungen (Fig. 1 — 5, 9, 12 — 14. 16) nach Skizzen des Hrn.
Brecht wiedergegebenen Abbildungen von Thonscherben und Gelassen
scheinen mir nicht mit Sicherheit auf neolithische Gerät he hinzudeuten.
Ich verkenne nicht, dass sie. namentlich in den Ornamenten, manche
Analogie mit Gelassen der Steinzeit darbieten. Aber für überzeugend
vermag ich sie nicht ohne Weiteres anzuerkennen. Das Fehlen wirklicher
Steingeräthe fordert zu grosser Vorsicht auf. Der unbehauene, hammer-
ähnliche Stein (Fig. 15) dürfte' eine zufällige Beigabe eines natürlichen
Gebildes sein.
Seihst wenn man dvn neolithischen Charakter der keramischen Stücke an-
erkennen wollte, würde es doch unmöglich sein, die Schädel der gleichen Periode
zuzuschreiben. Sie haben so sehr die Merkmale einer mehr recenten Herkunft an
sich, dass man höchstens annehmen dürfte, die Schädel seien an einer Stelle
beigesetzt, wo vorher schon Gräber einer älteren Zeit vorhanden waren. Die
Anhäufung von Asche, Kohlen und Knochen und die Steinpackung könnten auf
früheren Leichenbrand hinweisen; indess hat keiner der Knochen oder Schädel.
welche ich beschrieben habe, Brandspuren an sich. Die Auffindung der Kinder-
knochen könnte als Beweis gelten, dass hier eine Leichenfeier stattgefunden hat.
Da aber der andere, \on Hrn. Brecht (S. 14tis, erwähnte Knochen sich nach der
Bestimmung des Hrn. Schütz als die rechte (Jnterkiefer-Hälfte eines Hausschweines
(154)
erwiesen hat, so müsste die Leichenfeier einer Bevölkerung zugeschrieben werden,
welche schon im Besitze der wichtigsten Hausthiere war.
Eine vollständige Auflösung des vorliegenden „Räthsels" vermag ich nicht zu
geben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass bei der Grösse der Moorschanze
eine weitere Ausgrabung vielleicht neue Anhaltspunkte für die Beurtheilung des
höchst sonderbaren Befundes bringen könnte. —
(25) Hr. Rud. Virchow bespricht
Schädel der Bakwiri, Kamerun.
Ein glücklicher Umstand hat mich in den Besitz von 2 Schädeln der Bakwiri
gebracht, jenes Stammes, der den Südost-Abhang des Kamerun-Gebirges bewohnt.
Unter dem 23. Februar übersandte mir aus Darmstadt, wo er einen Theil seines
Urlaubes zubrachte, Freiherr v. Stein, Lieutenant in der Kaiserlichen Schutztruppe
für Kamerun, den Schädel eines im Buea-Kriege, December 1894, gefallenen
Bakwiri-Mannes. Im letzten Sommer hatte mir Hr. Stabsarzt A. Plehn das freilich
sehr defecte Skelet eines Weibes von Buea mitgebracht, das seiner Kleinheit wegen
meine Aufmerksamkeit erregte; Hr. v. Stein hatte die Person im Leben gekannt.
So konnte über das Geschlecht der beiden Leute kein Zweifel aufkommen.
Ich bemerke das ausdrücklich, da bei den ersten Dualla-Schädeln von Kamerun,
welche in meine Hände gelangten, solche Zweifel in hohem Maasse bestanden. In
der Sitzung unserer Gesellschaft vom 23. April 1887 (Verhandl., S. 332) zeigte ich
zwei solche Schädel, welche Hr. Zintgraff eingesendet hatte. Beide hatten Zettel :
der eine bezeichnete einen Schädel als den eines Mannes, der andere den zweiten
als den einer Frau. Ich bemerkte jedoch dabei: „Offenbar sind dieselben durch
irgend einen Umstand verwechselt worden; wenigstens hege ich nicht das mindeste
Bedenken, die Bezeichnungen zu vertauschen." So habe ich sie denn auch be-
schrieben. Die jetzt vorliegenden Schädel können das Bedenken erregen, ob ich
mich damals nicht getäuscht habe. Es ist mir Aehnliches bei Schädeln ..wilder"
Stämme auch sonst begegnet, und ich will daher die Gelegenheit wahrnehmen,
um von Neuem zu grösster Vorsicht in der Bestimmung des Geschlechts fremd-
ländischer Völker zu mahnen.
Das Skelet der Frau von Buea kann annähernd auf eine Höhe von 1415 mm
veranschlagt werden. Diesem niedrigen Maasse scheint auch der Kopf (Fig. 2) zu
entsprechen, der im Ganzen klein und zart aussieht. In der That hat er ein Ge-
wicht von nur 537,5 g, während der weit kräftigere and anscheinend grössere Nr. 1
710,5 ,'/ wiegt. Aber die Capacität des ersteren beträgt 1330, die des letzteren
1329 cem, also das gleiche Maass. Um keine Fehler zu begehen, habe ich beide
Messungen mit aller Vorsicht wiederholt. Ich füge hinzu, dass der Horizontal-
Umfang des weiblichen Schädels 4!»2, der des männlichen 500 mm ergab. Bei den
früheren Dualla-Schädeln waren ähnliche Verhältnisse herausgekommen. Der nach
dem angehängten Zettel als männlich bezeichnete hatte einen Horizontal -Umfang
von 490 mm and eine Capacität von 1300 cem, der als weiblich bezeichnete ergab
die Zahlen von 562 m»/ und 1370 com. Zum Mindesten folg! daraus, dass es bei
diesen Leuten anthunlich ist, aus dir (irosse des Horizontal- Um fanges sichere
Schlüsse auf die Grösse des Schädelraumes oder gar auf das Geschlecht zu ziehen.
Dass von den jet/t vorliegenden Schädeln der scheinbar kleinere weibliche Schädel
die gleiche Capacität besitzt, wie der anscheinend viel grössere männliche, erklärt
sich, wie die genauere Vergleichung ergiebt, hauptsächlich aus der viel kräftigeren
(155;
Gesichtsbildung des männlichen (Fig. 1 , ls1 aber im Einblick auf ein weit ver-
breitetea Vbrurtheil rech! bemerkenswert!}.
Fig. i.
"■■■ •-'• Vs
Nr. 1. Der männliche Schädel (Fig. 1) erinnert durch seine lange, schmal«'
und hohe Form an die Stenocephalen der Siidsee, denen er auch durch seine
colossale Prognathie recht nahe kommt. Seine Form ist orthodolichoccphal
(L.-Br.-I. 70,7, L.-H.-I. 72,3, Ohr-H.-I. (32,5). Die Länge wird durch das Mark
hinausgeschobene Hinterhaupt verstärkt: die gerade horizontale Fünterhanptslänge
beträgt 56?»m = 30,4 pCt. der Gesammtlänge. Die Scheitelcurve ist dach gewölbt,
das Stirnbein zurückgeschoben, so dass die Fontanellstelle (Bregma fast senkrecht
über dem vorderen Hände des grossen Hinterhauptsloches steht. Alle Nähte sind
offen, nur die an der vorderen Fontanellstellc und am Lambdawinkel einfach.
Im hinteren Abschnitte der Sagittalis, dichl hinter den etwas schief gestellten
Emissarien, ein eigenthümlicher, median gestellter Höcker: an dieser Stelle liegt
jederseits von der erhaltenen Naht eine Hache Anschwellung, die mit der jen-
seitigen eine leicht zugespitzte Erhöhung bildet. Auch die temporalen Nähte ollen.
aber die Sut. sphenotemp. kurz: rechts 7, links 9 mm lang. Dem entsprechend ist
der Angulus parietalis schmal und kurz, die Ala sphenoidealis stark eingeb _
aber es findet sich keine Andeutung eines Stirnfortsatzes, dagegen eine flach«
Wölbung des Proc. temporale- vom Stirnhein. Die Plana temporalia massig hoch.
Senkrecht über die Squama temporalis verläuft eine starke Gefässrinne, die bis
auf das Parietale reicht: ihr centrales Ende führt zu einer grossen Oeffnung, die
am hinteren Ansatz des Pro zygomaticus nach innen verschwindet. Auch die
Basis ist lang und schmal: der stark verlängerten Hinterhauptsschuppe entspricht
ein heut-, vorn schmales, hinten in eine Art von Sj itze jenes und
daher grob dreieckigi - ! imen magnum von 33 mm Länge und - Breite:
Index 75,7.
Das Gesicht erscheint hoch und schmal, hat jedoch einen mesoprosopen
Index --.i . Die - rn hat ein fast weibliches Aussehen: die minimale
Stirnbreite beträgt nur 92 mm\ Supraorbitalwülste fehlen fast ganz, dagegen ist der
Stirnnasenfortsatz voi wölbt, geht aber unmerklich in die Qachen Orbitalränder
(156)
über. Die Orbitae sind gross und etwas schief diagonal entwickelt; ihre Fissuren
weit und im Dach eine Reihe von Gefässlöchern: Index 80,0, chamaeprosop.
Wangenbeine stark, mit weit vortretender Tuberositas maxillaris, aber die Joch-
bogen eher angelegt; Tuberositas temporalis flach. Nasenwurzel sehr breit, auch
die knöcherne Nase jm Ganzen colossal breit und flach, so dass die beiden Nasen-
beine fast in einer Ebene liegen; die Nasennaht etwas gewunden, nach unten
synostotisch. Die NasenöfTnungen gross; vorzugsweise breit, weniger hoch.
Nasenindex 63,0, ultraplatyrrhin. Oberkiefer gross, namentlich hoch und mit
starkem, weit vorgeschobenem Alveolarfortsatz: extrem prognath: die Zähne,
besonders die vorderen, sehr gross, beide mittleren Schneidezähne medial schief
abgefeilt, so dass zwischen ihnen eine V-förmige Oeffhung liegt. Gaumen lepto-
staphylin (Index 70,0). Unterkiefer in der Mitte sehr hoch und stark eingebogen,
daher das breite Kinn weit vorgeschoben; Seitentheile unverhältnissmässig niedrig,
mit tiefem Absatz vor dem Winkel (Proc. lemurianus); Aeste sehr breit
und steil. —
Nr. 2. Der weibliche Schädel (Fig. 2) ist, wie gesagt, sehr leicht, aber von
derselben Capacität, wie der schwerere und anscheinend grössere Schädel Nr. 1.
Er ist kürzer und niedriger, aber erheblich breiter, als der letztere, so dass seine
Form ein chamaemesocephales Maass (L.-Br.-I. 75,1, L.-H.-I. 68,9, O.-H.-I. 59,8)
ergiebt. Der Hinterkopf ist viel kürzer; er misst in der Horizontalen nur 46 mm =
25,9 pCt. der Gesammtlänge. Seine Scheitelcurve ist langgestreckt und fast flach,
nur zeigt sich hinter der Coronaria eine sattelförmige Einbiegung; nach vorn
und hinten, gegen Stirn und Hinterhaupt ein schneller Abfall mit stärkerer Vor-
wölbung der medianen Theile. Die Stirn ist ausgemacht weiblich, die Stirn breite
wie bei dem Manne, die Tubera flach vortretend, die Glabella voll, gar keine
vortretenden Wülste am unteren Umfange, Alles ganz glatt und flach. Tubera
parietalia stärker entwickelt, aber die grösste Breite unter und vor denselben. Hinter-
hauptsschuppe breit.
Alle Nähte offen. Die Sagittalis stark gezackt, nur zwischen den Emissarien
einfacher. Lambdawinkel flach, im linken Schenkel ein viereckiger Schaltknochen,
ein kleiner an der rechten Fontanelle. Beiderseits ein Processus frontalis
sqnaraae temporalis. Der rechte (Fig. 2) 6 mm lang und vorn ebenso breit,
links etwas länger und schmaler, darüber ein kleines halbmondförmiges Epipte-
ricum. Die ziemlich breiten Alae sphenoideales sind durch diese Fortsätze von
den kurzen und stumpfen Anguli parietales ganz abgetrennt. Die Proc. temporales
der Stirnbeine etwas aufgetrieben, die Schläfenschuppen abgeplattet.
An der langen l'.asis cranii ein colossalos Foramen magnum: ">7 mm lang und
31 mm breit, Index 83,7, also gänzlich verschieden von dem männlichen. Die Proc.
condyloides weit nach vorn, aber mehr quergestellt. Das Hinterhaupt sehr dick.
Der Proc. basilaris breit und flach. Die Warzenfortsätze klein.
Das seiner Zeit zum Zwecke einer Section abgesägte Schädeldach dünn, mit
einem starken quergeraden Osteophyt des Stirnbeins und zum Theil der Seitenwand-
beine.
Das Gesicht Leptoprosop Index 91,1). Wangenbeine und .lochbogen zart,
wenig vortretend. Orbitae gross und hoch, Index 91,6, hyperhypsikonch. Nase
hoch, der lange Rücken breit, abgeflacht, eingebogen, Apertur niedrig und breit,
Index 48,9, mesorrhin. Der Oberkiefer in seinem Körper zarter, mit starkem,
16 mm langem, weit vorstehendem Alveolarfortsatz, äusserst prognath. Zähne
gross. Der rechte obere Weisheitszahn ist im Durchbrechen. d<r linke und die
(157)
beiden unteren fehlen. Ebenso die lateralen Schneidezähne oben und der linke
Caninus unten. Die medialen oberen Schneidezähne sind an ihrer inneren Seite
stark abgefeilt, so dass sie eine V-förmige Spalte bilden, die namentlich von
hinten her sehr deutlich zu sehen ist. Gaumen hyperleptorrhin (Index 62,9). —
Der etwas plumpe Unterkiefer ist lang und dick, insbesondere an den Seitentheilen;
die Winkel llach. Die unteren Schneidezähne stark prognatb, an ihrer Schneide
durch tiefe Einkerbungen dreigetheilt. Das Kinn zurückstehend; die Aeste
breit, aber niedrig- und schräg gestellt.
Bakwiri-Schä d el
Schädel
Nr. 1 S
Schädel
Nr. 2 $
710,5
537,5
1329
1330
500
497
184
177
129
133
182
122
110
104
56
46
92
92
33
37
25
31
115
103
66
64
130
113
92
89
92
82
33
33
41
36
4G
47
29
24
CO
54
4'»
34
70,7
75,1
72.:;
62,5
30,4
88,4
91,1
50,7
80,0
91,6
63,0
70,0
75,7
I. Schädelmaasse.
Gewicht <j
Capacität cem
Horizontalumfang mm
Grösste horizontale Länge
„ Breite
Gerade Höhe
Ohrhöhe
Hinterhauptslänge „
Minimale Stirnbreite
Foramen magniun, Länge
„ , , Breite
Gesicht, Höhe A
n B -
, Breite a
» , n b „
r> c
Orbita, Höhe
.. , Breite
Nase, Höhe
_ , Breite
I räumen, Länge
, Breite -
II. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex .
Längenhöhenindex
Ohrhöhenindex . . .
Hinterhauptsindex. .
htsindex ....
( Ibergesichtsindex . .
Orbitalindex ....
Nasenindex
Gaumenindex ....
Hinterhanptfilochindex
(158)
Die beiden Schädel bieten demnach . trotz mancher Aehnlichkeit in gröberen
Verhältnissen, eine ungewöhnlich grosse Zahl von Verschiedenheiten dar, so gross,
dass man nicht überrascht sein wurde, sie bei Leuten verschiedenen Stammes zu
finden. Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, dass die Frau, obwohl sie in Buea,
also mitten im Bakwiri-Gebiet, wohnte, doch von fremdem Stamme war, sei es,
dass sie als Sklavin gekauft oder als Kriegsbeute erworben war Wir werden
das schwerlich ermitteln können. Eine bloss geschlechtliche Variation ist nicht
ohne "Weiteres zuzulassen. Das auffälligste Unterscheidungs-Merkmal zwischen
beiden Schädeln könnte ja der Stirnfortsatz des Schläfenbeins sein, den das "Weib
besass, aber der Mann nicht. Nun ist aber meines Wissens bis jetzt gerade diese
Variation (oder dieser Atavismus) bei Frauen nicht häufiger beobachtet worden,
als bei Männern. Ein Stirnfortsatz an einem ausgemacht prognathen Kopf verdient
sicherlich mehr Aufmerksamkeit, und das vereinigte Auftreten beider Anomalien
bei demselben Individuum könnte vielleicht darauf hinweisen, dass in der Frau
wahres Negerblut circulirte. Aber der Prognathismus des Mannes ist nicht minder
gross, als der der Frau. In diesem Punkte unterscheiden sich beide von den
Dualla. Auch die Feilung der Zähne dürfte hier zu erwähnen sein.
In Betreff der Schädel indices gilt dasselbe. Meine beiden ersten Dualla-Schädel
waren hypsimesocephal (Verhandl. 1887, S. 332 — 33). Auch aus den Messungen
dos Hrn. Zintgraff an Lebenden hatte ich ein mesocephales Mittel berechnet
(ebendas. S. 334). Ebenso fand ich bei zwei Schädeln, die Hr. F. Plehn aus dem
Dorfe Mbome im Urwalde, wo sie als Trophäen aufgehängt waren, mitgebracht
hat, hypsi- und einfach-mesocephale Indices (Verhandl. 1891, S. 291, 294). Auch
der junge Ekambi, den Hr. Kund aus Akwadorf zu uns geführt hatte, war hypsi-
mesocephal (Verhandl. 1889, S. 542). Ich verwies daher auf die Bantu-Stämme
des Congo-Gebietes als nächstverwandte (ebendas. S. 545). Aber unsere beiden
Bakwiri passen in dieses Schema nicht. Der Mann war orthodolichocephal, die
Fiau chamaemesocephal. Der erstere ist daher in gar keine Parallele zu den auf-
gezählten Dualla zu bringen; die Frau aber, obwohl mesocephal, ist zugleich so
ausgesprochen chamaecephal, dass mir bis jetzt kein analoger Fall aus der Kame-
runer Gegend vorgekommen ist. Ich trage daher grosses Bedenken, diese Ver-
schiedenheiten auf bloss individuelle Variation zu beziehen, zumal da an den
Schädeln ein besonderer Grund der Variation nicht zuerkennen ist. Der Umstand,
dass die Bakwiri ein Gebirgsstamm sind, ist ohne Weiteres auch nicht genügend,
um eine so tiefgreifende Verschiedenheit von den Niederungsstämmen zu erklären.
Hr. C. Morgen, ein so erfahrener Kenner der betreffenden Stämme, unter-
schied in seinem Vortrage vom 19. November 1892 (Verh., S. 512) im Kamerun-
Gebiet zwei, der Abstammung nach völlig von einander verschiedene Volksstämme:
nördlich vom ">. Breitengrade Sudan-Neger, südlich davon Bantu. Er erkannte an,
vielfache Vermischungen beider vorkommen, so „dass vielfach die ursprüng-
liche Abstammung nicht mehr zu erkennen ist". Wenn nun in unserem Falle eine
solche Vermischung nicht nachgewiesen ist, so will ich doch nicht verhehlen, dass
sie mir mehr plausibel erscheint, als die blosse Variation. Jedenfalls muss diese
zunächst ganz scharf e istellt werden. Es wird dann hoffentlich nicht an
Beobachtern fehlen, welche weiteres Material heranbringen, und wir werden nicht
verfehlen, wenn uns das Material zugeführt wird, es nach Kräften zu verarbeiten.
Gerade die Bergstämme und dann die Stämme des Hinterlandes müssten zuerst in
Angriff genommen werden, [sl es doch einigerrhaassen betrübend, dass wir von
den Bakwiri, einem so nahe an dem eigentlichen Kamerun-Gebiete wohnenden
(159)
Stamme, fast gar keine brauchbaren anthropologischen Kenntnisse besitzen. Möge
daher mein Aufruf recht bald seine Wirkung ausüben! —
(26) Hr. Preuss spricht, unter Vorlage zahlreicher und sehr fleissig ausgeführter
eigener Zeichnungen, über
künstlerische Darstellungen aus Kaiser Wilhelms -Land
und deren Beziehungen zur Ethnologie.
Die Abhandlung wird im Text der „Zeitschrift für Ethnologie" gedruckt
werden. —
(27) Neu eingegangene Schriften:
1. v. Hell wahl. F., Die Erde und ihre Volker. 4. Aufl. von W. Ule. Lief. 12 u. 13.
Verlag der Union. 1897.
2. Bulletins de la Societe d" Anthropologie de Paris. 4. Serie. T. 7. Fase. 5.
Paris 1896.
:;. ilecords of the geological survey of Endia. Vol. XXVI. Part 1. Febr. 1893.
Calcutta.
4. Memoires de la Societe de Medecine a Ekaterinoslawe 1895. (Russisch.)
5. Expose des traraux g£ographiques executes en Pinlande. Helsingfors 1895.
6. Das öffentliche Localmuseum zu Minussinsk. 1. und 2. Tomsk 1886/87.
(Russisch.)
7. Rechenschafts-Bericht über das Localmuseum von Minussinsk f. d. Jahr 1892.
Minussinsk 1893. (Russisch.)
8. Beilage zum Rechenschafts-Bericht des Minussinskischen Localmuseums für
L890. Krassnojarsk o. J. (Russisch.)
Nr. 1—8 durch Hrn. R. Virchow.
9. Vestnik narodopisneho Musea ceskoslovanskeho. Öialo 1. v Praze 1S96.
10. Subert, F. A., Pfispevky k dejinam narodopisu ceskoslovanskeho. 1. v Praze
1896.
11. Niederle, L., I. Zpniva v cinnosti narodopisneho Musea ceskoslovanskeho.
v Praze 1896.
12. Derselbe, Führer durch das cechoslavische Ethnographische Museum. Prag 1896.
Nr. 9 — 12 Gesch. d. Öechosl. Ethnogr. Museums.
13. Buschan, G.. Körperlänge. Wien, o. J. (Real-Encyklopädie der gesammten
Heilkunde. 3. Aufl.) Gesch. d. Verf.
14. Herrmann, F., Das Gräberfeld von Marion aufCypern. Berlin 1888. Gesch.
d. Verf.
15. Müller, Soph., Vor Oldtid. 15. Levering. Kjebenhavn 1897. Gesch. d Verf.
16. v. Török, A., üeber den Yezoer Aino-Schädel. II. und III. Theil. Braun-
Bchweig 1895/96. Anh. f. Anthropol.) Gesch. d. Verf.
17. Balawelder, A., Abstammung des Allseins. Wien 1894. Gesch. d. Verf.
18. Ploss-Bartels. Das Weib. 5. Aufl. 4. und 5. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
19. Alfaro, A., Mamiferos de I osta Rica. San Jose 1897. Gesch. d. Verf.
20. Behla, R., Ueber Nichtvererbbarkeit von Stummelschwänzen bei Thieren.
Berlin, o. J. (Naturwissensch. Wochenschrift XI. 41.)
21. Derselbe, DieMondsi ibe in der Volks-Phantasie. München lä
Bl. d. deutsch, anthropol. 1 1
Nr. 20 u. 21 Gesch. d. Verf.
(160)
22. Hol üb, E. , Die Greuel in Rhodesia. — Graf Berchtold auf Borneo. — Die
afrikanische Seuche. — Hungersnoth in Süd-Africa. Wien 1896. (Neues
Wiener Tageblatt, Nr. 204, 206, 228, 306 u. 318.) Gesch. d. Verf.
23. v. Andrian, F., Ueber Wort-Aberglauben. München 1896. (Corresp.-Bl. d.
deutsch, anthropol. Ges.) Gesch. d. Verf.
24. Vedel, E., Efterskrift til Bornholms Oldtidsminder og Oldsager. Kjobenhavn
1897. Gesch. d. Verf.
25. Kohl, C. , Nachträge zu den Berichten über neue prähistorische Funde aus
Worms und Umgebung. Darmstadt 1896. (Quartalbl. d. hist. Ver. f. das
Grossh. -Hessen.) Gesch. d. Verf.
26. Zibrt, C, 0 srovnavacim studiu lidoveho podani. v Praze 1897. (Ceski Lid.)
Gesch. d. Verf.
27. Pleyte, C. M., Katalog Nr. I. Verzeichniss einer ethnographischen Sammlung
aus der Südsee, während der Jahre 1880 — 82, angelegt vom General-Consul
O. Zembsch in Apia (Samoa). Leiden 1897. Gesch. d. Verf.
28. Stieda, L., Aus der russischen Literatur. Braunschweig, o. J. (Archiv f.
Anthropol., Bd. XXIV.) Gesch. d. Verf.
29. The Medico-legal Journal. XIV. No. 1—2. New York 1896. Gesch. d. Hrn.
Baron v. Landau.
30. Bulletin de la Societe Ouralienne d'amateurs des sciences naturelles. XVIII. 1.
Jekaterinenburg 1896. (Russisch.)
31. Bulletins de la Societe d'anthropologie de Paris. VII. 4. Paris.
Nr. 30 u. 31 durch Hrn. R. Virchow.
32. Hei erl i, J., und W. Oechsli, Urgeschichte des Wallis. Zürich 1896. (Mitth.
d. antiquar. Ges. in Zürich.) Gesch. d. Verlegers.
33. Olympia, Textband III. 2. Berlin 1897. Gesch. d. Verlagshandlung.
34. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. I. Abth. 5. Heft.
Wien, o. J. Angekauft.
Berichtigung:
Auf S. 26, Zeile 1 von unten lies „Kraus, ein erprobter Höhlenforscher" statt
,Krauss, ein erprobter Erforscher altslavischer Reste".
Sitzung vom 24. April 1897.
Vorsitzender: Hr. W. Schwartz.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHrn. Corvetten-Capitän Rüdiger, Landes-
Hauptmann von Neu -Guinea; Dr. med. Jacobsthal, Charlottenburg; Dr. med.
Däubler, Berlin. —
(2) Die Gesellschaft hat wiederum den Tod eines ihrer geschätztesten cor-
respondirenden Mitglieder zu beklagen: Dr. med. Heinrich Wankel, Knappschafts-
Arzt in Blansko, Mahren, ist am 5. April in einem Alter von 75 Jahren gestorben.
Der Tod hat ihn von schwerem Siechthum erlöst. Er hat uns fast 20 Jahre an-
gehört, zuerst als ordentliches, später als correspondirendes Mitglied. An den Con-
gressen der deutschen anthropologischen Gesellschaft hat er wiederholentlich Theil
genommen, so dass viele von uns in persönliche, freundschaftliche Berührung mit
ihm getreten waren. Für die vorgeschichtliche und urgeschichtliche Erforschung
Mährens war er einer der eifrigsten und glücklichsten Vorkämpfer. Es braucht
nur an seine erfolgreichen Ausgrabungen in der Slouper- und der Byeiskäla-
Höhle, sowie des Mammuthjüger-Lagers bei Predmost erinnert zu werden. Jahre
lang ist der Verstorbene auch der Vorstand des Museums in Olmütz gewesen.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. —
(3) Von unseren ordentlichen Mitgliedern haben wir durch den Tod verloren
den Geheimen Regierungsrath Prof. Hermann "Weiss in Berlin, den früheren
Director der königl. Kupferstich-Sammlung und danach des königl. Zeughauses.
Durch sein klassisches Werk über die Costümkunde ist er allgemein bekannt.
So lange ihn nicht ein schweres körperliches Leiden hinderte, hat er ziemlich regel-
mässig an unseren Sitzungen theilgenommen. Seine geistige Frische hat er sich
trotz seiner grossen körperlichen Beschwerden bis zu seinem Tode erhalten. Er
starb am 21. April. Sein freundlicher Kath und seine immer hülfsbereite Belehrung
wird schmerzlich vermisst werden. —
(4) Aus der Zeitung wird uns das Dahinscheiden eines Mannes bekannt,
der zwar nicht Mitglied unserer Gesellschaft war. aber vielen von uns in
freundlichster persönlicher Erinnerung geblieben ist: Oberförster Dr. Frank in
Schussenried (Württemberg), f am !•. April. Ihm verdankt die Prähistorie seines
engeren Wirkungskreises Bedeutendes durch die Borgfaltige, wissenschaftliche Er-
forschung des Pfahlbaues von Schussenried. Als der deutsche Anthropologen-
Congress in Ulm tagte (im Jahre 1892 . hatten wir Gelegenheit, unter der sach-
kundigen Führung des Verstorbenen diesen Pfahlbau zu besuchen und neuen Aus-
grabungen beizuwohnen. —
Hr. M. Bartels legt einige ihm damals freundlichst überlassene Proben von
da vor, die er dem königl. Museum anbietet —
V.-rhiinill. du Berl. Anttu LaehftA !-'.•;. H
(162)
(5) Seine Majestät der Kaiser hat sein Allerhöchstes Interesse für die Ge-
sellschaft von Neuem dadurch bekundet, dass er bei der so eben erfolgten Neu-
bildung der Sachverständigen -Commissionen für die königl. Museen als Sach-
verständige für die beiden Abtheilungen des königl. Museums für Völkerkunde fast
nur Mitglieder unserer Gesellschaft ernannt hat.
Für die vaterländische Abtheilung wurden ernannt als ordentliche Mit-
glieder die HHrn. R. Virchow und W. Schwartz; als Stellvertreter die HHrn.
A. v. Heyden, K. Künne und M. Bartels.
Für die ethnologische Abtheilung als ordentliche Mitglieder die HHrn.
R. Virchow, F. Freiherr v. Richthofen, William Schönlank und M. Bartels;
als Stellvertreter die HHrn. W. Joest, K. Künne, K. von den Steinen, Strauch
und Ehrenreich.
Bisher noch nicht Mitglieder unserer Gesellschaft sind die ebenfalls für die
ethnologische Abtheilung ernannten Sachverständigen Hr. v. König, Wirklicher
Legations- und Vortragender Rath im Auswärtigen Amt, als ordentliches Mitglied;
Hr. Commerzienrath und Persischer General-Consul Gilka und Hr. Prof. Dr. Louis
Lew in als Stellvertreter. Das Mandat der beiden Sachverständigen-Commissionen
währt bis zum 31. März 1900. —
(6) Der Herr Cultus-Minister hat durch Erlass vom 1 2. April der Gesellschaft
für das Jahr 1897,98 wiederum eine ausserordentliche Beihülfe von 1500 Mk. be-
willigt. Er spricht dabei sein Bedauern aus, „nach Lage und Bestimmung der
dortseitigen Fonds die beantragte Erhöhung der Beihülfe auf 2000 Mk. nicht ein-
treten lassen zu können". —
(7) Von den neu erwählten correspondirenden Mitgliedern, Hrn. Munro
(Edinburgh) und Flinders Petrie (London) sind Dankschreiben für ihre Ernennung
eingegangen. —
(8) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Historien- und Porträtmaler Paul Beckert in Charlottenburg.
„ Maurer- und Zimmermeister Hans Gessner in Berlin.
„ Dr. med. Walter Levinstein in Schöneberg bei Berlin.
(9) Hrn. Dr. Lehmann-Nitsche, der heute zum letzten Male unter uns
weilt, werden die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben. Derselbe übernimmt
die Stellung des Naturalista an dem Museum in La Plata, welche bisher unser
correspondirendes Mitglied, Hr. ten Kate, innegehabt hatte. Mögen durch seine
Vermittelung die freundschaftlichen Beziehungen, welche wir seit vielen Jahren mit
dem gelehrten Süd-America unterhalten, immer fester und gedeihlicher werden. —
(10) Hr. Joest übersendet aus Wellington auf Neu-Sceland unter dem S.März
einen Zeitungs-Ausschnitt. Auch Hr. Sökeland hat eine Postkarte von ihm er-
halten, aus der Bein Wohlbefinden ersichtlich ist. —
(11) Die Vossischr Zeitung vom 6. April bringt folgende Notiz über eine
nordamerikanische Expedition nach der Nordwest-Küste
und nach den asiatischen Nachbarländern.
Mr. Morris K. Jesup, Präsident des amerikanischen Museums für Natur-
geschichte, rüstet, wie „Nature" mittheilt, eine anthropologische Expedition
aus, die auf einer siebenjährigen Reise (deren Kosten auf mehr als (30 000 Dollars
(1(53)
geschätzt werden) sich mit dem Studium des vorgeschichtlichen Menschen in
allen Theilen der Welt beschäftigen soll. Die Expedition wird von dem Anthro-
pologen Prof. F. W. Putnam, dem Secretär der „American Association tot the
Advancement of Science", geführt werden. Ihm zur Seite stehen der auch in
unseren Anthropologen-Kreisen wohlbekannte Dr. Franz Boas, der mehren- Jahre
unter den Indianer-Stämmen des nordwestlichen America's zugebracht hat. und ein
Stah von Assistenten. Man will sich zuerst nach der Nordwest-Küste von Nord-
America, nördlich von British Columbia, begeben und die Küste bis nach Alasca
u\u\ der Behringstrasse hinaufgehen. Darauf wird die Expedition nach Asien hin-
übersetzen, in Sibirien und China thätig sein, und den indischen Ocean entlang
nach Aegypten ziehen. -
(12) Der Vorsitzende der Nieder -Lausitzer anthropologischen Gesellschaft,
Hr. Prof. Jentsch (Guben), übersendet eine Einladung zur Theilnahme an der
13. Haupt- Versammlung dieser Gesellschaft, die am 8. und 0. Juni in Finster-
walde in der Lausitz stattfinden wird. Für den ersten Versammltmgstag ist eine
Ausgrabung auf einem nahen Gräberfelde und der Besuch eines slavisehen Rund-
walles und anderer sehenswerther Punkte geplant. Am zweiten Tage finden die
wissenschaftlichen Verhandlungen u. s. w. statt. —
(13) An die Mitglieder der Gesellschaft ist eine Einladung ergangen zur Theil-
nahme an einem unter dem Patronate Sr. Majestät des Königs der Belgier vom
lö. bis 19. August dieses Jahres in Brüssel stattfindenden Congres International
Colon ial. Derselbe bildet die XIV. Section der Exposition Internationale; Präsident
dieser Section ist Hr. Baron Lambert. Für die Mitglieds-Karte sind 10 Francs
zu entrichten. Hierfür erhält man auch die Veröffentlichungen. Eine Damenkarte
kostet 5 Francs. Nach dem aufgestellten Programm wird verhandelt werden über
Colonisation, Colonies, Methodologie eoloniale, Organologie de la colonisation,
Etüde des colonies particulieres ä chaque pays, Introduction en Afrique des noirs
d'Amerique, Philosophie de la colonisation, Questions diverses.
Wir werden aufgefordert, auch noch sonstige uns geeignet erscheinende Themata
für die Verhandlung in Vorschlag zu bringen.
Unser Mitglied, Hr. Louis Henning in Antwerpen, hat sich erboten, Berichte
über diese Ausstellung einzusenden. —
(14) Aus dem Vortrage des Hrn. Jacobsthal über Metall -Intarsien, sowie
aus den Vorlagen hausgewerblicher Gegenstände in Bosnien durch Hrn. Bartels
ist erinnerlich, dass in Bosnien mehrere bausgewerbliche Industriezweige geblüht
haben. Die österreichisch-ungarische Regierung hat staatliche Schulen eingerichtet,
in welchen die heranwachsende .lugend beiderlei Geschlechts in einigen dieser
Industrien methodischen Unterricht erhält; namentlich sind es die Metall-Intarsia-
uud Tauschir- Arbeiten einerseits, die Teppich -Knüpferei und Textil- Industrie
andererseits. Auch das Treiben und Graviren in Metall wird gelehrt. Diese staat-
lichen Schulen haben zur Zeit hier in Berlin eine Ausstellung ihrer Arbeiten ver-
anstaltet. Sie befindet sich im Monopol-Hotel in der Friedrichstrasse und ist von
1Ü — 2 und von 4 — ' ._,8 ühr unentgeltlich zugangig. —
(15) Die Vossische Zeitung (3. April) brachte die Nachricht, dass am I. April
in Cairo der Grundstein für das neue Museum gelegt wurde, welches die
ägyptischen Alterthünn r aufnehmen soll. —
11*
(164)
(16) Es hat sich ein Comite gebildet, um dem berühmten Berliner Anatomen
und Physiologen Johannes Müller in seiner Vaterstadt Coblenz vor seinem Ge-
burtshause ein Denkmal zu errichten. Der engere Ausschuss wendet sich auch an
die Mitglieder unserer Gesellschaft mit der Bitte, zu diesem Denkmale beizusteuern,
und hat für diesen Zweck Listen eingesendet. Dieselben werden vorgelegt. —
(17) Hr. C. F. Lehmann übersendet folgenden Hinweis auf
weitere Darstellungen assyrischer Ruhebetten.
Die vorliegende Darstellung ') von Betten, an denen ein Mann beschäftigt ist (s.
Abbild.), zeigt, dass die Ansicht, es befinde sich in der von mir früher wieder-
gegebenen Darstellung (Verh. 1896, S. 585) ein Mensch in dem Bett, an welchem
sich ein stehender Mann zu schaffen macht, irrig ist. Zu dieser, wie bemerkt, auch
durch das „Yerzeichniss der vorderasiatischen Alterthümer und Gypsabgüsse" der
königl. Museen anscheinend sanctionirten, aber an zuständiger Stelle auf Grund
eben der jetzt vorgelegten Darstellung verworfenen Ansicht verleitete namentlich die,
wie sich nun herausstellt, nur scheinbare Andeutung eines Auges ungefähr an der
für den Kopf eines im Bette Liegenden zu erwartenden Stelle.
Dass unter jener irrigen Voraussetzung die „Darstellung mit Ausnahme der
Bewegungen der Hauptperson nur skizzirt gehalten sei, so dass die Körperlinie
des im Bett Liegenden und die Details des Bettes und seiner etwaigen Bedeckung
nicht besonders hervortreten", war von vornherein hervorgehoben worden. Der Ver-
gleich mit den hier wiedergegebenen Darstellungen lässt aber wohl keine andere
1) Layard, Monuments of Niniveh, I, PI. 77.
unteren Reihen der Abbildung.
S. je das zweite Zelt in den beiden
(165)
Deutung zu, als dass wir es dort mit dem gleichen hochgepolsterten Ruhebett zu
thun hatten, dessen vornübergebeugtes Kissenende einen Kopf vortäuscht. Der an
dem Bett Beschäftigte macht sich mit der Glättung der Kissen zu schaffen, aller-
dings mit einer einigermaassen auffallenden Haltung der Hände.
So sicher die Deutung auf eine Massage die nächstliegende war, wenn es sich
um einen im Bette Liegenden handelte, so sicher dürfte von einem Belege für die
Uebung der Massage bei dieser Darstellung nicht mehr geredet weiden, sobald
nur ein Zweifel an der Voraussetzung, es sei jemand im Bett liegend dargestellt,
erlaubt wäre. Hier erscheint aber diese Voraussetzung geradezu widerlegt.
Die früher und die heute gegebenen Darstellungen behalten ihr Interesse nur
als Darstellungen assyrischen Lebens. —
(18)' Hr. Dr. Kohl übersendet aus Worms zwei Nummern der Wonuser
Zeitung vom 10. und 26. April, in welcher er über die neuen dortigen archäologischen
Funde berichtet. In dem ausgedehnten römischen Gräberfelde auf den Terri-
torien des Freiherrn v. Heyl sind 496 Gräber saehgemäss eröffnet worden. Die
Skeletbestattung in Holzsärgen herrschte vor; Stein-Sarkophage fanden sich nur 21,
darunter nur 4 vollständig unberührte; Brandgräber sind in dieser Zeit, dem 3. und
4. nachchristlichen Jahrhundert, schon sehr selten. Es fanden sich über 100 Gläser,
darunter solche von den schönsten und seltensten Formen, Hunderte von Thon-
gefässen, sowie eine grosse Zahl von Beigaben, darunter ein bronzener Spazier-
stock-Knopf und die Zwinge dazu, Münzen, bis zu 8 in einem Grabe, welche der
Verstorbene vermuthlich in einem kleinen Beutel in der Hand gehalten hatte, und
ferner in dem Steinsarge eines kleinen Mädchens zwei bemalte Gänse-Eier. Der
noch nicht untersuchte Theil des Gräberfeldes enthält vermuthlich noch Hunderte
von Gräbern.
In der Nähe von Worms, bei Wachenheim, auf dem südlichen Anhange des
Pfrimmthales, hat man das Brandgrab eines Kriegers der mittleren La-
Tene-Periode, mit einem grossen Schwert in eiserner Scheide, einem ketten-
förmigen Schwertgehänge, einer schilfblattförmigen Lanzenspitze und einem band-
förmigen Schildbuckel, alles in Eisen, ausserdem eine schöne Bronze-Fibel auf-
gefunden.
Dieser Fund führte zu der Entdeckung eines neuen neolithischen Gräber-
feldes, welches gerade in der Mitte zwischen demjenigen am Hinkelstein und
dem kürzlich untersuchten auf der Rh eingewann bei Worms sich befindet. Es
wurde ein auf seiner rechten Seite „liegender Hocker" entdeckt mit zwei Feuer-
stein-Messern und Thierknochen. Der Wormser Alterthums-Verein wird an dieser
Stelle weitere Ausgrabungen in Angriff nehmen. —
(19) Fräulein M. Lehmann-Filhes übersendet eine Mittheilung über
Freysnes im östlichen Island.
Aus dem „Jahrbuch der isländischen Altcrthümer- Gesellschaft" (Ärbök hins
fslenzka fornleifafelags") für 1896 ist Mittheilung zu machen von einer Unter-
suchung, die der Arzt Jon Jönsson in der MülasVsla im östlichen Island an-
gestellt und im Arbök beschrieben hat. Dort durchströmt ein zu einem See. dem
Lagarfljöt, erweiterter Fluss eine der schönsten Gegenden Islands. Zwei Land-
spitzen (nes), Thörsnes und Freysnes genannt, strecken sich einander gegenüber
in das Lagarfljöt hinein. Etwa 1 dänische Meilen davon, nach dem oberen, süd-
westliehen Ende des I irfljöt, liegt der Woi' Bessastadir. Hier hat ein Tempel
(166)
gestanden. Mündliche Ueberlieferung, deren der Probst Sigurdur Gunnarsson
(„Safn til sögu Islands" II, S. 460) und der Bezirksarzt Thorvardur Kerülf
(„Arbök hins islenzka fornleifafelags" 1882, S. 38) gedenken, erzählt, nach Ein-
führung des Christenthums seien die Götterbilder aus diesem Tempel in das
Lagarfljöt geworfen worden: wo sie an's Land trieben, wurden die Stellen nach
ihnen benannt, Thörsnes nach Thor, Preysnes nach Freyr. Nach einer anderen
Tradition ist die Verwüstung des Götzenhauses schon vor der Einführung des
Christenthums geschehen und den beiden Göttern Thor und Freyr, jedem auf seiner
Landspitze, ein neuer Tempel erbaut worden ').
1) Im „Ärbok" für 1882, S. 35ff. veröffentlicht Sigurdur Vigfüsson eine den Tempel
von Bessastadir und seine Verwüstung betreffende Stelle aus einer in der Landes-Bibliothek
in Keykjavik befindlichen Handschrift der Droplaugarsonasaga („Geschichte von den Söhnen
DroplaugV). In den gedruckten Ausgaben dieser Saga ist die betr. Schilderung nicht
enthalten. Wenn auch nicht die Handschrift selbst, hält Sigurdur Vigfüsson doch ihren
Inhalt in allem Wesentlichen für alt und acht. — Zwei Droplaugs- Söhne, Helgi und
Grimur, sind von Arneidarstadir nach Vidivellir unterwegs, werden von schrecklichem Un-
wetter, Schneetreiben und Dunkelheit überfallen, verirren sich in Folge dessen und er-
leiden allerlei Ungemach. — „Da sahen sie im Schneetreiben etwas Grosses, Schwarzes
vor sich. Sie sehen, dass es ein grosser Wall ist, so hoch, dass Helgi nur gerade ebenso
hoch langen konnte. Sie gehen um den Wall herum und er war kreisrund; sie finden
eine Pforte im Wall und da war ein verschlossenes Gitter davor und wohl verwahrt. Helgi
sprach: „Wissen wirst Du, wohin wir jetzt gekommen sind." „Nein," sagt Grimur, „das
ist bei weitem nicht so, hierher bin ich nie zuvor gekommen, soviel ich mich erinnere".
„Mit mir ist es nicht so," sagt Helgi, „ich erkenne bestimmt, wohin wir gekommen sind,
dies ist der Tempelwall meines Pflegevaters Bessi" Grimur sprach: „Lass uns
möglichst schnell von hier fortgehen." „Nein," sagt Helgi, „ich möchte hier hineinkommen,
denn ich will die Behausungen sehen, die hier vorhanden sind". Damit geht er an die
Pforte und schlägt mit dem Schwertknauf auf das Schloss und bricht es ab: alsdann
stemmen sie sich gegen die Thür und brechen sie auf: dann gehen sie hinein in den
Tempel. Da nimmt Grimur das Wort und spricht: „Uebel thust Du nun, Bruder, dass
Du hier mit soviel Gewalt verfährst und Alles am Tempel verdirbst; ich weiss, dass es
Deinem Pflegevater Bessi sehr übel gefallen wird, wenn er es wahrnimmt." Helgi ant-
wortet: „Wissen will ich, welche Aufnahme wir bei diesen Unholden finden, denn es ist
nicht gewiss, dass ich es ein anderes Mal nöthiger habe, als jetzt; sie wird ein anderes
Mal nicht gut sein, wenn sie sich jetzt schlecht erweist." Da geht Helgi in den Tempel
hinein und sieht, dass es dort hell ist, so dass nirgends ein Schatten hinfiel; es war da
Alles mit Vorhängen behängt, und beide Bänke waren besetzt und Alles funkelte von Gold
und Silber. Diese (= die auf den Bänken sassen) glotzten mit den Augen und luden die
niclit ein, die gekommen waren. Im Hochsitz („öndvegi") auf der vornehmeren Bank
sassen Freyr and Thor zusammen. Helgi trat vor und sprach: „Da sitzt ihr Lumpe, — die,
die Euch verehren, mögen Euch für vornehme Häuptlinge halten, aber wenn Ihr wollt,
dass wir Brüder an Ench glauben, wie Andere, so stehet auf und benehmt Euch, wie vor-
nehme Leute, und ladel ans Brüder ein, denn draussen ist jetzt schlechtes Wetter. Wenn
Ihr das nuu bejahen wollt, so werden wir an Euch glauben, wie andere Menschen. Wenn
Ihr aber eine hoffährtige Miene aufsetzt und uns keine Hülfe leisten wollt, so werden wir
nicht das Geringste von Euch halten." Aber sie nahmen eine hoffährtige Miene an und
schwiegen. Da wende! sich Helgi quer über den Fussboden: da sassen Frigg und Freyja.
Er sprach da dieselben Worte zu ihnen, wie zu jenen, und sagte, er wolle ihnen Freund-
lichkeit erweisen, wenn sie sie gul aufnähmen. Grimur sprach: „Sei nun so gut, Bruder,
und gieb Dich nicht länger mit diesen l'nholden ah und lass uns von hier fortgehen, denn
mir scheint kein Beistand zu erwarten von solchen Bestien, die nicht reden und nicht
sehen, noch hören können, und es ist darum eine schlimme Schande, irgend auf sie zu
vertrauen.- Helgi antwortet: -Ne -dll mir das begegnen, was manchem geschieht, dass
1 in festzustellen, ob dieser Uebcrlielerung etwa- Thatsächliches zu Grunde
liege, unternahm Hr. Jon Jönsson seine Untersuchung und fand auf Thörsnes
einen alten Wall, der indessen auch für einen alten Schafpferch gelten könnte, auf
Freysnes aber deutliche Ueberreste von Baulichkeiten, die der Bauer auf dem be-
nachbarten Hofe Ekkjufell unter dem Namen „Godatoettur" ') kannte. Die Ruine
nusst einschliesslich der Wände 96 Fuss in der Länge und 23 in der Breite. Die
nördliche Giebelwand ist halbkreisförmig. Zwei Querwände theilen das Gebäude
in drei Räume: der nördlichste, grösste hat nur eine Thür nach aussen, in der
Östlichen Längswand neben der Querwand, steht also mit dem übrigen Theile des
Gebäudes nicht in Verbindung; die beiden anderen Abtheilungen sind durch eine
Thür in der Querwand mit einander verbunden, und neben der südlichen Giebel-
wand führt eine Thür nach Osten in's Freie. Der nördliche Raum hat die dicksten
Wände und die dickste Erdschicht auf dem Felsboden; auch befinden sich in ihm
4 Erhöhungen: eine runde innerhalb der runden Giebel wand und '6 längliche parallel
mit den 3 anderen Wänden. Des Verfassers Meinung geht dahin, dass sie die
Ueberreste der Altäre (stallar; Sing.: stalli oder stallur) sind, auf denen die Götter
gestanden haben; ferner, dass nur dieser Raum, das afhüs, ein festes Dach aus
Rasen gehabt habe, der vordere Theil des Tempels aber offen gewesen und nur
zur jedesmaligen Benutzung nach Art der Thingbuden'-) mit einem Zeltdach ver-
sehen worden sei. (Hierzu bemerkt eine Autorität auf diesem Gebiete, Dr. Vahyr
Gudmundsson, in der von ihm redigirten Zeitschrift „Eimreidin" (= „der Dampf-
wagen"), gelegentlich einer Besprechung des Arbök: „Dann folgt eine klare und
einsichtsvolle Schrift vom Arzte Jon Jönsson über die Godatu-ttur auf Freysnes
in der Mülasysla. Besonders bemerkenswert!) ist darin u. a. die Bemerkung, dass
nur der für die Götter bestimmte Raum, — der „hörgur"8), wie ich ihn nenne, —
mit einem Dach versehen, der Tempel („hof") selbst aber ohne Dach gewesen sein
werde; denn dies stimmt gut zu der ursprünglichen Bedeutung des "Wortes, und
man müsste darauf Acht geben, ob nicht an mehr Orten, wo sich alte Ruinen be-
finden, Anzeichen davon zu sehen sind.")
Etwa 20 Klafter von der Südecke des Gebäudes entfernt, liegen mehrere kleinere
Ruinen mit dünneren Wänden, vermuthlich alte Thingbuden. Dieses Thing findet
sich zwar in der Literatur nicht erwähnt, wohl aber ein Lambanessthing, von dem
man nicht weiss, wo es gelegen hat. Der Verfasser hält es für möglich, dass es
ich den Wall da berenne, \\<> er am niedrigsten ist." Damit rüttelt er an Thür und Freyr
und reissl sie von den Bänken und zieht ihnen alle Kleider ab und macht es SO mit einem
nach dem anderen. Ins er allen Göttern die Kleider abgerissen hat, und stösst sie von den
B&nken herunter auf den Kussboden: dann träirt er sie alle zusammen in eine Eeke vorn
und verwahrt sie dort, .so das- nichts verdorben werden konnte. Grimur sprach: „Da-
ist bBsei Spott und Du setzesl Dich der Feindschaf) unseres Pflegevaters Bessi ans."
Helgi antwortet: „Ich aber meine, dass ich nie in meinem Leben ein besseres Werk
vollführt halie, als dieses, weil sie uns diesen ganzen Tag auf falsche Wege geführt haben;
ich habe mich früher in meinem Leben nie verirrt." Damit geht Helgi hinaus und L&sst
den Tempel offen; nun dringt das Schneetreiben durch den ganzen Tempel." — Was
veiter mit den Göttern geschah, wird hier nicht erzählt, doch scheint mir dies, l
interessant, schon wegen der Schilderung des Tempels. (Vergl. auch VerhandL L898,
s. 606.
1 Tcettur = ein angewöhnlicher Plural von tött (od. töpt = Ruine , anstatl Wttdr;
Godatoettur also: Götzenruinen.
2) Vergl. Verhandl. I - B68ff.
3) Ebendas. IS!»'.. - 604.
(168)
hier gefunden sei und den Namen Freysnes erst erhalten habe, als Freyr daselbst
„Land nahm". —
(20) Hr. W. v. Schulenburg übergiebt eine Mittheilung über
die Harpa auf Island und die Harfe in der Mark.
In ihren „Isländischen Volkssagen"1) theilt Fräulein Lehmann-Filhes mit,
dass „der auf Mitwinter folgende Monat (vom 24. Januar bis 22. Februar) Thorri
heisst, der dann folgende Goa; der letzte Winter-Monat Einmanudur" [was Alles
nach Simrock-) auch für Norwegen gilt. W. v. S.] „und der erste Sommer-Monat
Harpa".
Am ersten Thorri-Tage musste der Bauer als Hausherr anderen ein Gastmahl
geben; das hiess Thorri empfangen. An einigen Orten im Nordland (auf Island)
muss die Hausfrau ihren Bauer gut bewirthen und das heisst noch jetzt „Thorra-
blot" (Thorrisopfer). Beim Empfang des Thorri musste der Bauer, nur mit dem
Hemd bekleidet, auf einem Fuss um das Haus „hüpfen" [also hinken]. Am ersten
Goa-Morgen musste die Bäuerin, als Hausfrau, die Goa empfangen und dabei wenig
bekleidet dreimal um das Haus gehen. Ebenso, heisst es weiter, mussten die
Jünglinge den Einmanudur, die Jungfrauen die Harpa empfangen. „Es ist kaum
zu bezweifeln," sagt Fräulein Lehmann-Filhes, „dass diese Sitte, Harpa zu
empfangen, ein Ueberrest ist von dem alten Sumarmalablot (Sommeranfangs-Opfer),
wenn auch vom festlichen Empfange jetzt überall wenig mehr zu finden ist," und sie
spricht die Vermuthung aus, ob diese Harpa vielleicht Frau Harke oder Harfe sei.
Diese Annahme dürfte gestattet sein, denn die Harke heisst in der Mark vielfach
Harfe. Die Einholung der Harpa würde ganz der deutschen Sitte entsprechen, den
Sommer einzuholen, und als Sommer-Göttin kann auch Frau Harfe, in ihren früheren
Verhältnissen, betrachtet werden. Bezüglich des feierlichen Empfanges in wenig
bekleidetem Zustande möchte ich hinweisen auf ähnliche Sitten in der Maik3),
wenngleich verschiedene Ursachen zu Grunde liegen mögen.
Es wäre zu wünschen, dass weitere Einzelheiten über die Harpa bekannt
würden, sei es von Island, sei es aus Norwegen, von wo Island besiedelt wurde. —
(21) Hr. W. v. Schulenburg übergiebt eine Mittheilung über
das Wollespinnen mit Spindel und Wirtel.
In den Verhandl. 1896, S. 473 hat Hr. A. Götze Mittheilungen gemacht über
Wollespinnen mit der Spindel und weitere Angaben für wünschenswerth erklärt.
Auf eine Anfrage schrieb mir der Bauer, Schulze Hantscho-Hano in Schleife
(Kreis Rothenburg in Schlesien): „Beim Spinnen der Wolle musste früher ein
leichter Wirtel sein. Denn der Hirte oder Schäfer, welcher die Strickwolle ge-
sponnen und dann sogleich mit der Spille [= Spindel] den Faden zwirnte, hob den
Faden-Knaul [d. h. dir Wolle] hoch über den Kopf, drehte die Spille auf dem
rechten Oberschenkel stark an und liess die Spille, unten vor sich, so lange frei
drehen, bis die Wolle genügend gezwirnt war. Ich habe dies als Kind bei meinem
Grossvater, welcher Schäfer war, öfters gesehen. Gleichzeitig war auch dieser
Wirtel gross. Denn die Wolle wurde dicht an den Wirtel gewickelt, damit recht
1) Berlin 1891. S. 259, 260.
2) Deutsche Mythologie, S. 37(1, 380.
3 Brandonbnrgia lionateblatt). Berlin 1896. S. 152—154: 14::.
(169)
viel auf die Spille ging. Beim Flachs- und Hanfspinnen wurde der tannene
oder auch bleierne Wirtel bald abgenommen, damit die Spille nicht so schwer
war. Spille und Wirtel haben sich die alten Schüler seihst geschnitzelt. Die
Spille musste einen Kerb haben, sonst blieb der Wollenfaden nicht eingehakt. Die
zurechtgekratzte Wolle hielt der Hirte oder Schäfer unter dem linken Hemdsärmel
und spann beim Gange hinter der Heerde.
„Ich habe in der letzten Zeit einige kleine Wirtel von gebranntem Thon ge-
funden, aber diese sind zum Spinnen doch nicht gebraucht worden. Ich glaube
mehr, dass sie irgendwie als Perlen zum Schmuck für die Heiden hier oder sonst
zu etwas benutzt worden sind. Die Dinger habe ich nicht mehr, sie waren in
dieserjGrösse:"
Ich selbst (\V. v. S.) habe bei früherem mehrmaligem Aufenthalt in dortiger
Gegend zwar noch das übliche Flachsspinnen mit der Spindel gesehen in den
Häusern (vergl. meine Abbildung einer solchen Spinnerin in den Verhandl. XIV.
1882, S. 35), aber nicht mehr das Wollespinnen im Freien. —
(22) Hr. H. Jentsch (Guben) übersendet folgende Mittheilung über eine
Skarabäen-Gemme von Sadersdorf Kreis Guben.
Zu den bisher nicht veröffentlichten Funden aus dem Sadersdorfer Gräber-
felde1), das aus der mittleren und der Spät-La-Tene-Zeit bis in die provincial-
römische Cultur-Periode hineinreicht, gehört ein Skarabäus aus gefrittetem
Thon (Fig. 1). Er ist gefunden mit einigen melonenförmigen, bläulich weissen
Perlen aus demselben Stoffe, von denen leider eine seiner unteren Fläche an-
haftet (Fig. 2), ferner mit einem angeschmolzenen, aufgebogenen Bronzeringe
von 1,2 cm Durchmesser im Lichten, mit zwei kleinen, eimerförmigen Breloques*)
und mit einer milchglasartigen Masse, die einem Knochenstücke angebacken
ist. Von der Gluth hat auch jener Skarabäus gelitten; die untere Platte (Fig. 3;
1'iLT. l.
Fig. 2.
Fig. 3.
1) S. Verhaudl. 18%. S. 240; Nieder-Lausitier Mitthcil., IUI. 4. S. 1 — '.'S. auch den
Sonderdruck: Das Gräberfeld bei Sadersdorf und die jüngste Germanenzeit der Nieder-
Lausitz, tiuben 1896.
2) In der letztangefahrten s. hrit't. 8.41, Fig. L&
(170)
zeigt einen Sprung; auch ist ihre Oberfläche porös und körnig geworden. Der
Rücken ist an der einen Seitenkante gleichfalls löcherig. Die Farbe ist ungleich-
massig: an der wohlerhaltenen Seite überwiegend hell bläulich, an der entgegen-
gesetzten mehr weiss; dem Schlussstück der Flügeldecken haften kleine Streifen
lackartig rother Farbe an. Die Länge beträgt 26, die grösste Breite 15 mm. Der
unteren Fläche ist eine dem Urnriss — jedoch in Folge des begonnenen Schmelz-
prozesses nicht ganz genau — entsprechende Furche eingeprägt und im Felde
innerhalb derselben nahe der angeschmolzenen Perle ein Kreis und zwischen diesem
und dem Längsriss eine etwa einem r ähnliche Zeichnung, endlich unter der Perle
eine längliche keulen- oder flaschenförmige Austiefung. Eine Deutung der Zeichen
hat sich bis jetzt nicht als möglich erwiesen. Das Stück ist der Länge nach
zwischen der unteren Platte, die durch eine stellenweise überschmolzene Furche
abgetrennt ist, und dem Thierkörper durchbohrt. Die Oeffnung von 2 — 3 mm Durch-
messer ist aber zur Durchführung des erwähnten kleinen Bronzeringes mit übrigens
fast rhombischem Querschnitt zu eng; von einem anderen Ringe, der etwa auf
dem Finger zu tragen gewesen wäre, hat sich keine Spur gefunden; die Gemme
war daher wohl zugleich mit den übrigen Schmuckgegenständen aufgereiht.
Bemerkenswerth ist, dass, während in dem weiteren Bezirke unserer Provinz
und in ihrer Umgebung Seitenstücke fehlen, deren zwei in nicht zu grosser Ent-
fernung gefunden worden sind, nehmlich ostwärts, im Abstände von 10 fem, bei
Amtitz eine Skarabäen-Gemme ') aus Carneol, an deren Zusammengehörigkeit mit
den zugleich ausgegrabenen römischen Münzen des 2. nachchristl. Jahrhunderts
nach dem vorliegenden Sadersdorfer Funde nicht mehr gezweifelt2) zu werden
braucht, obgleich sie der Bericht aus dem Jahre 1830 über das muthmaassliche
Xachbcgräbniss in einem alten Lausitzer Gräberfelde nicht ausdrücklich hervorhebt,
und ferner in 25 km östlichem Abstände jenseit der Oder bei Taramendorf,
Kreis Crossen3), in der Richtung auf Kurtschow: hier ist eine ovale Gemme (In-
taglio) mit flach gewölbtem, aber nicht käferartig geformtem Rücken, mit der Dar-
stellung des Asklepios und der Hygieia, zwischen den Scherben einer zerfallenen
Urne gefunden worden, weisslich von Farbe, angeblich aus durchglüh tem Carneol
bestehend. Dieser Fund ist zugleich mit mehreren Gold- und einigen Silbersachen,
auch einer wohlerhaltenen eisernen Scheere, geborgen worden und wird durch die
Nebenfunde gleichfalls der provincial-römischen Periode zugewiesen.
Dies zweite Seitenstück giebt vielleicht einen Anhalt für Vermuthungen, wenn
auch nicht über die Herkunft, so doch über den Weg der Einführung des Amtitzer
und Sadersdorfer Exemplars, da es den Blick auf die Oderstrasse lenkt. Auf
irgend eine Handelsbeziehung zu Aegypten selbst wird aus diesen Funden niemand
Schlüsse ziehen, da sie unzweifelhaft von Italien her durch Bändler nach Deutseh-
land verschleppt worden sind. Dass sie der eingegrabenen Zeichnungen wegen
als Amulette verwendet wurden, ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, die Fund-
umstände nöthigen aber nicht zu dieser Annahme: nach den Nebenfanden können
wir sie nur als Schmuckstücke ansprechen. —
1) Abgebildet im I itz. Magazin, Bd. 8, 1830, Tal". 3, Fig. 4, im Gubener Gymnasial-
Programm 1888, Taf. I. Fig. 20. Befindet sich in der Gubener Gymnasial-Sammlung.
2) Nieder-Lausitzer Mittheilungen IH, S. 191.
3) Siehe A. (Üitzc, Die Vorgeschichte der Neumark. Landsberg 1897. S. 4(5. Die
obigen Einzel-Angaben nach des en freundlichen brieflichen Mittheilungen. — Im Königl.
Museum für Völkerkunde zn Berlin.
(171)
(23) Hr. Lehmann-Nitsche überreicht folgende Mittheilung:
Kin BurgwaU und ein vorglavischer Urnen-Friedhof von köiiigsbiunn.
Cujavi<'ii.
Einigen Bewohnern des etwa 5 km nordöstlich von Her Kreis-Hauptstadt Strelno
gelegenen Bauerndorfes Königsbraun in Cujavien waren schon seit längere! Zeit
„Schanzen" bekannt, welche sich bei näherem Zusehen und genauer, im Septem Ihm 1895
vorgenommener Untersuchung als ein vorgeschichtlicher Burgwall herausstellten.
Derselbe liegt etwa 1 km in nordnordwestl. Richtung von der Ortschaft mitten im
freien Felde und ist wrohl in früheren Jahren gleichmässig abgefahren, um einer-
seits die herum gelegene Niederung trockener und fruchtbar zu »estalten, anderer-
seits die Anlage selbst in die landwirtschaftliche Bestellung mit einzubeziehen;
im Uebrigen hat der Pflug, der seit Jahren darüber hingeht, das Seine gethan. die
Wälle niedriger und breiter zu machen und schärfere Spuren zu verwischen, so
dass gewissermaassen nur noch der Grundriss der Burg-Anlage vorhanden ist, der
sich allerdings noch ganz deutlich erkennen lässt:
Vier Erd- Wälle von etwa 20 Schritt Durchmesser umfassen ein Rechteck (Fig. 1)
von 140 Schritt Länge und 80 Schritt Breite (auf der Höhe der Wälle abgeschritten),
dessen äusserer Umfang G00 Schritt beträgt und dessen längere Seite von Norden
nach Süden gerichtet ist. Von einem Wallgraben ist nichts zu sehen, und es
muss dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein solcher vorhanden gewesen. Zu
dem östlichen Walle führt als Zugang senkrecht darauf zu ein kurzer, ansteigender
Wall, der sich, allmählich wieder abnehmend, noch eine kleine Strecke in das
Burginnere erstreckt, dessen Niveau nach der Mitte zu ganz leicht buckelartig an-
steigt. Die Höhe der Wälle ist nur noch sehr gering, etwa l'/j bis 2 m; nur der
östliche Wall, zu welchem der eben erwähnte Zugang führt, ist höher und steigt
an seiner nordöstlichen Ecke wohl auf 3 m an, was mit den gegebenen natürlichen
Verhältnissen in innigem Zusammenhange steht. Wie trefflich nehmlich die ganze
Burg-Anlage sich diesen anpasst, wird so recht klar, wenn man sich die genauere
Lage auf der Generalstabs-Karte1) ansieht (Fig. 2):
Fig. l. Fig. 2.
13.>. tun
N
Grundriss des Bargwalles.
Sitnations-Skiue. Copie der Generalstabs-Karte.
1) Vergl. preuss. Landes- Aufnahme L888, hexausg. 1889, Blatt 1794, Strel
übrigens der Burgwall nirht eingezeichnet ist.
(172)
Für. 3.
Nördlich von Königsbrunn in schräger Richtung, von SW. nach NO. ver-
laufend, zieht sich nehmlich, beginnend zwischen den Ortschaften Blumendorf und
Kaiserthal, weiterhin südlich an Rzegotki vorbei bis ganz nordöstlich hinauf nach
Bozejewice ein Strich sumpfiger Niederung, deren niedrigster Punkt auf der
Karte mit 88,7 ra angegeben wird. An einer Stelle, wo diese einen kurzen
Zipfel nach Süden sendet, schiebt sich zwischen diesen und die eigentliche Niederung
von Osten her eine für die dortigen Verhältnisse nicht unbedeutende Anhöhe
(höchster Punkt nach Angabe der Karte 93,8 in) zungenförmig herein: auf dieser
Höhe ist der Burgwall (Fig. 1) angelegt. Sie steigt von Osten her allmählich an
und fällt nach dem Sumpfe zu ziemlich steil ab; es musste daher der östliche
Wall höher, als die übrigen, aufgeworfen werden, sollte er die gleiche Höhe mit
denselben haben, und er konnte allein den Zugang vermitteln, da die übrigen Seiten
der Burg vom Sumpf hufeisenförmig gedeckt waren. Heute freilich haben ver-
besserte Vorfluth -Verhältnisse und erst im vorigen Jahre ausgeführte grössere
Drainagearbeiten den Boden entwässert und die Niederung fast ganz trocken gelegt,
so dass der Werth einer Anhöhe
gegen früher nicht mehr in Be-
tracht kommt, wo der Sumpf
jedenfalls viel ausgedehnter und
unpassirbar, das Burgwall-Terrain
kleiner und leichter zu verthei-
digen war. Noch vor Kurzem
soll in der Niederung in un-
mittelbarer Nähe der „Schanzen1"
dauernd Wasser gestanden ha-
ben. —
Beim Nachsuchen auf dem
gepflügten Boden fanden sich auf
den Wällen und im Burginnern
Reste von Holzkohle, gebrannte
Thonstücke, ein Knochenpfrie-
men, Thierknochen, ein Stein,
dessen abgeriebene Flächen dar-
auf schliessen lassen, dass er
irgendwie zum Glätten diente, und
eine grosse Anzahl von Scher-
ben. Darunter sind zwei neo-
lithische am beachtenswerthesten
(Fig. 3). Die übrigen sind vor-
slavische geglättete, zum Theil
mit einfachem Strich -Ornament
versehen, ferner typisch slavische
mit Burgwall -Ornament, auch
einige mittelalterliche1). Es ist
demnach der Burgwall in vor-
slavischer Zeit angelegt und von
den Slaven weiter benutzt worden.
Dafür spricht auch der weitere
1) S&ramtliche auf dem Burgwall -'•sammelten, eben erwähnten Stücke habe ich dem
Berliner König! Museum für Völkerkunde übergeben.
(173)
Umstand, dass etwa 1000 Schritte westlich davon ein vorslavischer Urnen-Friedhof
entdeckt wurde, dessen Gefässe denselben Charakter, wie die vorslavischen Scherben
des Burg walles, zeigen.
Vor etwa 40 Jahren wurde nehmlich auf einer leichten Anhöhe, welche früher
im Volksmunde der Katzenbuckel genannt wurde und etwa 800 Schritt von der
Ortschaft entfernt liegt, beim Steinesuchen eine grosse Anzahl von Urnen, angeblich
über 30, aufgedeckt und zum grössten Theil zerstört. Sie sollen in Steinkisten ge-
standen haben; ob das wirklich der Fall war und welcher Art die Steinsetzung
gewesen, Hess sich nicht mehr feststellen. Die noch unversehrt gebliebenen Urnen
nahm der Finder, ein Bauer des Dorfes, mit nach Hause und hob sie auf seinem
Dachboden auf, musste sie aber auf Veranlassung seiner Frau, die es auf dem Boden
spuken hören wollte, wieder an Ort und Stelle tragen und vergraben. Erst im
Herbst 1893 wurden sie von Neuem an's Tageslicht befördert, als der neue Be-
sitzer des betreffenden Grundstückes, Hr. Erxleben, mit dem Tiefpfluge pflügen
liess und bei dieser Gelegenheit sie wieder aufdeckte. Hr. Lehrer Rad ler in
Königsbrunn schützte sie seitdem vor Zerstörung.
Was von den ganzen Fundstücken noch übrig blieb, besteht aus 5 Urnen,
einem Mützendeckel, einer Schale und dem Boden einer grösseren Urne.
Fiff. 4.
Fig. 5.
5S5fc
l'rnel (Fig. 4) ist ein mächtiges bauchiges Gefäss, mehr breit, als hoch, und
ziemlich plump mit der Hand geformt. Die ganze Aussenseite ist grob verstrichen,
rauh und uneben, nur Hals und Bodenstück sind sorgsam herausgearbeitet und
sorgfaltig aussen geglättet, der Hals in einer Höhe von etwa 6 — 7. der Boden von
etwa 2 cm. Der Thon ist ziemlich grob und mit vielen grob zerstossenen Quarz-
stückchen durchsetzt; die Stärke der Wandung beträgt 3/4 — 1 cm- ^;ls '
aussen ziegelroth gebrannt and der Brand geht fast ganz durch; die Innenseite ist
dagegen mehr gelblich. Das Gefäss hatte zwei öhsenartige kleine Henkel.
Höhe "27,5 o«; Durchmesser des Bodens 12,5 cm, des Bauches 28,5 cm, der
OelTnung 19,0 cm; grösster Umfang 90 cm, Umfang des Halses 57 cm,
Urne II (Fig. 5) ist von hoher, schlanker Vasenform, die Aussenseite. wie bei
der vorigen, nur weniger rauh. Geglättet ist nur der Hals, und zwar in einer Höhe
von etwa 10 cm. Der Rand ist etwas defect, so dass er nicht mehr ergänzt und
(174)
die Höhe des Gefässes nicht mehr genau bestimmt werden kann. Die Einwirkung
des Feuers beim Brennen war weniger stark, der Brand ist ziemlich unregelmässig,
gelblich, abwechselnd mit gelblichroth, der obere (glatte) Theil geschwärzt. Henkel
nicht vorhanden. Wandstärke etwa 7a — 9/4 cm. Das Material ist feiner, als bei
dem vorigen Gefässe, und enthält nur wenigen zerstossenen Quarz.
Höhe etwa 28,5 cm; Durchmesser des Bodens 10,0 cm, des Bauches 23,0 cm,
der Oeffnung 12,0 cm; grösster Umfang 73,0 cm, Umfang des Halses 39 cm.
Urne III (Fig. 6) ist ein Gefäss von
•pio-, 6. eleganter offener Vasenform, aus feinem,
mit Glimmer versetztem Thon sehr sorg-
fältig gearbeitet, schwach und unregel-
mässig gelblich bis gelblichroth gebrannt,
durchweg gleichmässig geglättet. Der
Brand ging nicht durch die ganze Wand-
stärke: die innere Schicht ist schwarz.
Auch nach dem Boden zu hat das Feuer
weniger stark eingewirkt. Unter dem
Halse, der leicht abgesetzt ist, zieht sich
ein mit einem Stäbchen ganz leicht ein-
gedrücktes Strich- Ornament herum, nur
unterbrochen durch drei symmetrisch an-
geordnete, röhrenartige Henkel.
Höhe 20 cm; Durchmesser des Bodens
10,0 cm, des Bauches 24,5 cm, der Oeffnung
16,5 cm; grösster Umfang 78 cm. Umfang des Halses wegen Beschädigung nicht
zu messen.
Fis. 7.
Fig. 8. V,
Urne IV (Fig. 7), bedeutend kleiner, hat die Form einer Vase mit hoch auf-
gezogenem Halse. Die untere Hälfte ist, wie bei Urne I und II, rauh, ausserdem
stark verwittert. Aus der oberen sorgfältig geglätteten Hälfte ist ein Hals ganz
leicht abgesetzt (auf der Zeichnung nicht zu sehen). Der Brand ist unregel-
mässig, röthlich, gelblieh bis schwarz (am oberen Rande), das Material verhält-
nissmässig fein, mit Quarz durchsetzt. Wand Vs — 3ltcm stark. Henkel und Orna-
mente fehlen.
(175)
Hohe 20,5 cm; Durchmesser des Bodens 10 — 11 cm, des Bauches 19 cot, der
Qeffhung 10 cm; grösster Umfang 60 cm. Umfang des Halses 32 cm.
Urne V (Fig. 8) steht in der Form zwischen Nr. 11 und IV: Aussenseite des
unteren Tbeiles, wie dort. Im Besitz des Hrn. Propstes Kittel in Hochkirch.
Höhe 25 cm\ Durchmesser des Bodens 10 cm, des Bauches 2ö c/«, der Oeffnung
12 cm; grüsster Umfang 70 cm, Umfang des Halses 40 cm.
Sämmtliche 5 Urnen waren mit calcinirten Knochenstiickchen angefüllt.
Urne V, deren Inhalt noch ganz intact, wurde nicht weiter untersucht. Von
den übrigen vier enthielt nur Nr. I Beigaben: Reste von einem Paar Ohr-
ringen in Gestalt kleiner, etwa 2 cm langer Stückchen eines feinen, 2 mm starken
Bronzedrahtes und zwei flacher, anregelmassig gearbeiteter Eisenringe mit beider-
seits eingekerbtem Band, wie sie als Anhängsel an Bronze-Ohrringen an
Gesichtsurnen vorkommen (Fig. 9).
Piff. 9.
Pig. 10.
Fiff. 11
Sehr interessant ist es, dass Hr. Conservator Ed. Krause das gleiche An-
hängsel, aber in Knochen, in einer mit calcinirten Knochen angefüllten Ge-
sicht s u nie von Schwartow, Kreis Lauenburg in Pommern, auffand, wie er
mir gütigst mittheilte. Die betreffenden von ihm ausgegrabenen Funde, im Besitz
des Königl. Museums für Völkerkunde zu Berlin, werden von ihm später publicirt
werden. In Gefäss Ic, Nr. 1979, lag mitten unter den Knochen „eine runde, in der
Mitte durchlochte Knochenscheibe mit gekerbtem Rande, gebrannt und defect,
Durchmesser 2 cm" (Inventar-Katalog des Königl. Museums Ic. Nr. 19s<> .
Die übrigen Fundstücke des cuj avischen Friedhofes bestanden aus einem
Mützendeckel (Höhe 4,5 c/«, Durchmesser 12 Pig. 10, einer flachen Schale
(Höhe 4,5 cm, Durchmesser 13,5 cm), Pig. 11. und dem Bodenstücke einer grösseren
Urne (Durchmesser 10 cm).
Auf der Stelle, wo der Friedhof sich befunden, kamen auch hin wieder ge-
brannte Thonstücke zum Vorschein.
Nach Allem erscheint es in hohem Grade wahrscheinlich, dass Friedhof und
Burgwall in Beziehung zu einander zu bringen sind. —
(24) Ehr. M. Bartels zeig! drei photographische Aufnahmen des Marktes in
Lyck (Masuren), die sein Bruder, Oberst Bartels (Lyck) übersendet hat. Die-
selben sind als Geschenk für das Museum für deutsche Volkstrachten u. s. w. be-
stimmt. —
(25) Er. M. Bartels legt einige photographische Aufnahmen von Dayaken
aus West-Borneo vor. welche er von Hrn. Capitän Schulze (Batavia) käuflich er-
worben hat. —
(176)
(26) Von Hrn. Dr. \V. Wenge in "Wilmersdorf wird das erste Heft einer
neuen Zeitschrift übersendet, welche von ihm herausgegeben wird. Sie heisst
„Zeitschrift für Criminal -Anthropologie, Gefängniss-Wissenschaft
und Prostitutionswesen". —
("27) Hr. Th. Voges berichtet aus Wolfenbüttel, 21. April, über eine
Doppelaxt aus Kupfer von Börssum.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde* 1897, Nr. 3, ver-
öffentlicht. —
(28) Hr. Li s sauer spricht über
gewellte1) Bronze-Urnen.
In den Verhandlungen der Gesellschaft vom 16. Januar, S. 36, hat Hr.
Director Anger in Graudenz über die Bronze-Urne von Topolno, Kreis Schwetz,
eine Mittheilung veröffentlicht, in welcher er diese mit einer ähnlichen Urne von
Münsterwalde, Kreis Marienwerder, vergleicht, die der Vortragende im Jahre 1874
in den Schriften der Naturf. Gesellsch. zu Danzig III, 3, beschrieben hat. Seit jener
Zeit ist die Zahl dieser immerhin seltenen Bronzegefässe auf etwa 25 gestiegen.
Es handelt sich stets um kleine Kessel aus dünnem Bronzeblech, mit wenig oder
gar nicht eingezogenem Halse, deren Wandungen durch getriebene verticale Wellen-
linien von innen heraus verziert sind, während der dickere Boden concentrische
Kreise zeigt, die auf der Drehbank abgedreht sind; die vollständigen Exemplare
besitzen sämmtlich Bügel, die unvollständigen zeigen meistens noch Löthstellen
auf dem oberen Rande, an welchen die durchlochten Lappen zum Einhängen der
Bügel befestigt waren.
Trotz der bedeutenden Vermehrung der bekannt gewordenen Gefässe dieser
Art ist das Fundgebiet doch dasselbe geblieben, wie früher. Es entfallen nehmlich
15 auf Dänemark2), 2 auf Schweden3), 3 auf Norwegen4) und 5 auf Nord-Deutsch-
land; von diesen letzteren wurden eines in Böen a. d. Haase in Oldenburg3), 2 in
Zerbst und 2 an der unteren Weichsel in Münsterwalde und Topolno, wie schon
erwähnt, gefunden. Südlicher sind bisher keine solchen Gefässe bekannt ge-
worden.
Die beiden in Zerbst gefundenen sind im Besitz des Königl. Museums für
Völkerkunde zu Berlin (II, 4248 und 4249), doch ist die nähere Pundgeschichte
nicht bekannt. Sie sind im Wesentlichen einander und den übrigen Gefässen
dieser Art gleich und unterscheiden sich nur durch die Grössenverhältnisse, wie die
folgende Zusammenstellung lehrt K). In der einen derselben konnten an der am
Boden angetrockneten Erde noch deutliche Reste von gebrannten Knochen nach-
1) [ch wühle diese Bezeichnung, um jede Verwechselung mit den gerippten Cisten
auszuschli essen.
2) Sophus Müller, Ordning af Danmarks Oldsager, Kjobenhavn 1*88—95. IL Nr. 188.
3) Bruzelius im K. Akad. Manadsblad. Stockholm 1874. S. 27.
4) Undset in Aarb. f. nord. Oldk. 1880. S. 138.
5) Bericht über die Thätigkeit des Oldenburger Landesvereins für Alterthumskunde.
Oldenburg 1875. S. 13.
6) Die nachstellende Zeichnung, welche von Hrn. Brunner freundlichst angefertigt
und mit gütiger Erlaubniss des Hrn. Director Voss hier zum ersten Male veröffentlicht
wird, stellt die ein'' derselben vor.
(177)
gewiesen werden, — aucli sind noch schwache Spuren von Löthstellen auf dem
oberen Rande zu erkennen.
Urne von Zerbst.
Die Form aller dieser Gefässe weicht im Allgemeinen wenig- von der obigen
ab. Nur die Urne von Böen im Museum zu Oldenburg zeigt einen starker ein-
jenen Hals und ebenso, wie die von üremolla in Stockholm1), bedeutend breitere
Wellenlinien, als die anderen; die letzte unterscheidet sich ferner dadurch von
allen übrigen, dass sie keinen Bügel, sondern "2 Tragring.' hm. welche unter der
Überkante angelöthet sind und im herabhängenden ruhenden Zustande eine runde
Scheibe mit einer rohen Menschenmaske umrahmen, welche ebenfalls an der Ge-
fässwand befestigt ist. Diese Tragringe sind an der äusseren Peripherie gewunden,
ebenso wie der Bügel an der Oklenburger, an der Graudenzer von Topolno und an
einigen Urnen im Museum zu Kopenhagen: doch kommen auch glatte Bü"-el vor.
Der Bügel an der Oldenburger Urne zeichnet sieh ferner durch eine grössere
Dicke aus, als sie an den grösseren, mehr kelchförmigen römischen Bronze-Ger
gewöhnlich ist; derselbe endet ferner an beiden Seiten in vogelkopfähnliche
stalten, wie dies auch an einigen der Kopenhagener Urnen der Fall ist. Die m<
vmivn jedoch spitz.
Was ferner die getriebenen Wellenlinien, das charakteristische Merkmal dieser
Gefässe betrifft, so werden sie oben gewöhnlich von mehreren Kreislinien begrenzt,
welche unterhalb eines ringförmigen Wulstes um den kurzen Bals gezogen sind.
Bei dem Oldenburger Gefäss, an welchem der Wulst und die Kreislinien fehlen,
beginnen sie ilirect unter dem breit umgelegten Rande; bei dem Gefäss
Topolno verlaufen jene Grenzkreise über die Wellenlinien hinweg, da diese offenbar
au- Versehen zu hoch angi fangi n wurden. Dagegen zeigen die
Zerbst unter den Kreislinien und die von Vallgby in Kopenhagen nahe unter dem
Wulst selbst einen zickzackförmigen Saum, der die Wellenlinien oben begrenzt —
Das untere Ende derselben und der Puss bieten, wie es scheint, keine Verschieden-
heiten dar. —
1 Bruzelius L.c. und Montelius, Svenska Fomaker. Sl kholm 1872. S
Verbaudi, der Bert. Ami i
(178)
Ueber die Grössenverhältnisse giebt die folgende Zusammenstellung eine Ueber-
sieht, soweit diese bisher zu erreichen ist.
Fundort
Münster-
walde
To-
polno
Zerbst I Zerbst II
Böen
Valloby
• »remolla
cm
13,5
17,5
16,3
26,3 ')
20
11,6-)
23,5
*
19,6
25,7
26,3
25,3
29
20,0 2)
28,7
••
20,5
26,5
27,5
27,7
35
20,0*)
30,6 2)
n
9,5
14,0
13,0
13,5
17
11,2 2)
11,0
Bruns-
bergs)
Höhe
Durchmesser der
oberen Oeffnung
Durchmesser der
grössten Breite
Durchmesser des
Bodens ....
18,0
21,0
27,6
12,3
Die meisten dieser gewellten Bronze-Urnen sind, soweit deren Fundgeschichte
bekannt ist, als wirkliche Aschengefässe zur Aufnahme des Leichenbrandes benutzt
worden, obwohl kein Zweifel darüber obwalten kann, dass sie ursprünglich zu
häuslichen Zwecken angeschafft worden sind. Doch kommen sie auch als Bei-
gaben in Skeletgräbern vor, wie in Nordrup4), wo eine gewellte Urne zu Häupten
des Skelets stand, oder in Valloby5), wo zwei solcher Gefässe zu Füssen der Leiche,
gefüllt mit Vogelknochen, angetroffen wurden; das eine dieser letzteren zeigte aussen
auf dem Boden eine unleserliche Inschrift, wenigstens vermochte Engelhardt nicht
zu entscheiden, ob es lateinische Buchstaben oder Runenzeichen sind.
Was endlich die Zeitstellung dieser Urnen betrifft, so gehören dieselben ihrer
Technik nach in Uebereinstimmung mit den darin gefundenen Beigaben der so-
genannten Völkerwanderungs-Periode, 200 — 400 nach Chr.6), an, der Zeit, in
wrelcher der Import von fabrikmässig hergestellten Waaren aus den römischen
Grenzprovinzen nach dem Norden am meisten blühte. Die edlen Formen der vor-
hergehenden Periode sind um diese Zeit schon verloren gegangen7); statt des
schweren Metalls findet sich dünnes Blech, statt des künstlerisch gestalteten
Gefäss-Henkels ein einfacher Bügel, statt der soliden Mundkante der Gefässe
ein dünner Band, statt der tief eingedrehten Kreise am Boden seichte Kreislinien, —
mit einem Worte: statt des Kunst-Handwerks Fabrik-Arbeit. Gerade im unteren
Weichsel-Gebiet tritt dieser Gegensatz der Perioden scharf hervor. Das Danziger
Museum besitzt uus einer Kiesgrube bei Rondsen, Kr. Graudenz, einen römischen Fund
der älteren Zeit"): ein kannenförmiges Bronze-Gefäss mit kleeblattförmiger Mund-
öffnung, mit einem schön ciselirten, aus geflochtenen Weinreben gebildeten Henkel,
welcher oben und unten in einen bärtigen Männerkopf endet; ferner ein zweites
casserollenartiges Bronze-Gefäss, dessen cannelirter Griff in einen Widderkopf
1) Dieses Gefäf i ark verdrückt.
2) Auf der Zeichnung gemessen. — Sophus Müller giebt für den grössten Durch-
messer überhaupt 17 — 27 cm
.">) Im Museum zu Christiania: die Maasse sind nach der Abbildung in Rygh, Norske
Oldsager, Christiania 1885, Nr. 351, genommen.
4) Sophus Müller, Vor Oldtid. Kjobenhavn 1897. S. 522.
5) Engelhardt. Aarbegej t. nord. Oldk. 1873. S. 285 ff., Fig. 10 und 10a.
6) nach Ifontelins Eisenalter, Periode V.
7) Vergl. hierüber Sophus Müller: Vor Oldtid. S. 504.
8) Lissauer. Die prähistor. Denkmäler der Provinz Westpreussen. Leipzig 1887.
S. 147, Tafel IV, Fig. 22 und 25.
(17!))
endet: dazu Fibeln mit Oberer Sehne u. a. m. Man vergleiche nur a.a.O. Tafel IV
die Henkelkanne (Fig, -- mit der gewellten Urne darunter Fig. 25), um den ganzen
Unterschied der Zeiten sofort zu Überschauen!
Aber nicht nur die technische Arbeit, — auch die Form der einzelnen Stücke
ist eine andere geworden. Die Casserollen aus Bronze, welche früher eine ge-
wölbte Form und breite Grille, oft mit Fabrik-Stempel, hatten, zeigen jetzt gerade
Seitenwände und schmälere, aber lange Griffe mit zwei hakenförmigen Absätzen;
statt der Fibeln mit oberer Sehne treten die verschiedenen Formen der Armbrust-
Fibeln auf: zuerst die mit „hohem Nadelhalter", mit „dreikantigem Nadelhalter",
mit ..umgeschlagenem Fuss" - Tischlers Periode C von 150 — 250 — , später
„Zwei- und Dreirollen-Fibeln", „grossküpfige P'ibeln", Armbrust-Sprossen-Fibeln41
u. a. m. — Tisch ler" s Perioden D — E 250 — 400 nach Chr.
An der Hand dieser wohlbegründeten Thatsachen wird es weiterhin möglich,
die Zeitstellung der gewellten Bronze-Urnen innerhalb der Aölkerwanderungs-
Periode etwas genauer zu bestimmen.
In der Urne von Münsterwalde lag ein Knopfsporn aus Bronze von der
gleichen Form, welche ein in Yimose gefundener aus Eisen zeigt1). Nun wird
zwar der Vinioser Moorfund sehr verschieden datirt. Während Undset'-') den-
selben als einen der jüngsten unter den 4 grösseren Moorfunden um das Jahr 400
nach Chr. datirt. setzt ihn Montelius3) als den ältesten in das 3. Jahrhundert;
ebenso setzt Tischler4) den Münsterwalder Knopfsporn sammt der gewellten Urne
in seine Periode C, — also jedenfalls nicht später, als in das 3. Jahrhundert. Für
diese letztere Bestimmung spricht auch der Fund eines Denars der Faustina jun.
im Vimoser Moor, obwohl eine einzige Münze nicht entscheidend ist.
Zwei ganz gleiche Sporen aus Bronze sind nun auch in der Bronze-Urne von
Brunsberg, Norwegen5), gefunden worden, zusammen mit verschiedenen Waffen
und einer Armbrust-Fibel mit -hohem Nadelhalter", welche auch Sophus Müller')
als seine vierte Form der Yulkerwanderungs-Periode zuschreibt, d. i. dem dritten
und vierten Jahrhundert. Dieselbe Fibelform tritt aber auch in dem Skeletgrabe
von Yalloby, Seeland auf7), zusammen mit zwei gewellten Bronze-Urnen, einem
l'nmze-Gefüss der älteren und einer Bronze-Casserolle der jüngeren Form mit
geraden Wänden und zwei hakenförmigen Absätzen an dem langen Griff, so dass
Sophus Müller diesen Fund in die Uebergangszeit von der »römischen- zur
„Völkerwanderungs-Periode" setzt, welche also vom Ende des 2. bis in den An-
fang des 3. Jahrhunderts gerechnet werden muss. Dasselbe ist der Fall bei den
gewellten Bronze-Urnen von Ellerup, Fttnen, wo gleichfalls eine Casserolle mit
Sieb der jüngeren Form zusammen mit einem älteren Trinkhorn aus Bronze ge-
funden worden, und von Gjerum, Jütland8), wo den Resten des Leichenbrandes
in der Urne auch eine ältere Goldbreloque beigegeben war.
Auch mit der Urne von Oremolla in Schweden") ist eine Casserolle und ein
Siel, der jüngeren Form nebst 2 Glas-Bechern mit eingeschliffenen Ovalen gefunden
l Engelhardt, Nydam Mosefundet, Kjebenhavn 1865. S. 54.
2) Unds.-t. l )a> erste auftreten des Eisens. Eamburg 18m1. s. r
Montelius-Beinach, Les temps prehistoriques en Suede. Paris 1895. S. L70.
I Olshausen, Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellschaft 1890. S
5) Rygh, Norske Oldsager, N 'r. 225.
Aarbeger f. nord. Oldk. - S. B40.
: Ebend. ist:*.. - 7, 8, l<» and IT.
8) Engelhardt, Nydam Mosefandet S. 67. Nr.:'..
9 Braielias '■ •■
12*
(180)
worden; indessen haben diese Gefässe zwar den Griff der jüngeren, aber noch die
gerundete Wandung der älteren Zeit, so dass auch dieser Fund eher auf die Ueber-
gangszeit oder doch auf den Anfang der Völkerwanderungs-Periode hinweist.
Allerdings kennen wir aus Dänemark eine Reihe von Funden, wie von Nordrup,
Thorslunde, Gaardstedt1) u. a., in denen gewellte Bronze-Urnen nur mit Beigaben
der Völkerwanderungs-Periode zusammen vorkommen; nirgends aber ist mit den-
selben ein Gegenstand gefunden worden, welcher auf den Schluss der Periode, auf
Tischler' s Periode D — E, hinweist.
Soweit sich das aus dem bisher bekannten Material feststellen lässt, können
wir daher aus dieser Untersuchung den Schluss ziehen, dass die gewellten Bronze-
Urnen überhaupt dem 3. Jahrhundert nach Chr. angehören, und dass bisher keine
Thatsache bekannt geworden ist, welche beweisen könnte, dass sie in noch späterer
Zeit in Gebrauch waren. —
(29) Hr. Olshausen spricht über
ein weiteres Ausfüllungs-Material der vertieften Ornamente
an Thongeräth.
Wiederholt habe ich hier Zusammenstellungen aller der Stoffe vorgelegt, welche-
mir als zur Ausfüllung der vertieften Ornamente an Thongeräth dienend bekannt
waren (diese Verh. 1895, S. 124 u. 464). Als scheinbar ganz neu konnte ich damals
Urnenharz hinzufügen, das ich an 2 steinzeitlichen Scherben, einem von der Insel
Amrum, Schleswig-Holstein, und einem zweiten von Wernsdorf, Kr. Beeskow-
Storkow, Reg. -Bez. Potsdam, festgestellt hatte. Seither habe ich gefunden, dass etwas
Aehnliches schon früher mitgetheilt war. Undset erwähnt in seinem Werke „Das
erste Auftreten des Eisens in Nord-Europa1', Hamburg 1882, S. 243 — 44, Note 5,
ein Urnenfragment von Staffel de, Kr. Randow i. Pommern, dessen vertiefte
Ornamentlinien mit Muschelschalen ausgelegt sind, die in Reihen mittels Harz
befestigt sind. Siehe Günther und Voss, Photogr. Album d. Berliner prähist. Aus-
stellung von 1880, III, Taf. 22, zwei Scherben, deren einer eine Thierfigur zeigt,
wie sie ganz ähnlich an Gesichtsurnen und deren Verwandten vorkommen (vergl.
Undset. a. a. Ü. Taf. 14, 13 und Conwentz, Bildliche Darstellungen von Thieren
usw. an westpr. Gräberurnen, in Schriften d. naturf. Ges. Danzig, N. F. 8, 3 [1894]
S. 191 ff. u. Taf. 3 u. 4). — Der Fund stammt aus einem Grabhügel und befindet
sich in der Stettiner Sammlung unter No. 1299. Herr Conservator A. Stuben-
rauch bestätigte mir nochmals die Richtigkeit der Beobachtung; die Reste der
Muschelschalen sind jetzt allerdings nur noch äusserst gering, früher müssen sie
aber /.. Th. über die Urnenflächen und aus den Vertiefungen der Ornamente her-
vorgeragt beben.
Berr Stubenrauch konnte mir nun noch einen zweiten Fund dieser Art nach-
weisen. Ein Thongefä aus einem grossen Depotfunde von Sehwennenz, Kr.
Randow, 2 — 3 Meilen von Staffeide, ist genau in derselben Weise verziert gewesen,
doch sind die Muschelschalen nun schon sämmtlich herausgefallen. Auch bezüg-
lich ihr Thonmasse, ihr Wandstärke, Farbe (schwarz) und Glättung gleicht das
s den Scherben voi de. Schumann, welcher dasselbe in diesen Ver-
handl. L894, S. 435 IV. als Fig. 2 abbildet und die Verzierung sonst ausführlich
bespricht, erwähnl du- Einlagi ar nicht, und die Zeichnung erweckt den unrichtigen
Eindruck, als wenn die rertieften Linien des Ornaments uichl glatl eingeschnitten
l Aarbeger f. aord. Oldk. 1874. S, 372.
(181)
oder eingezogen, sondern durch Eindrücken von kleinen, dicht aneinandergereihten
/eilen erzeugt seien. Da aber Schumann selbst von „sorgfaltig eingestrichenen"
Wellenlinien redet, so sind vielleicht in der Zeichnung die Löcher im Unze wieder-
gegeben worden, in welchen die Muschelschalen Bässen. Die Photographie der
Staffelder Scherben im Album macht einen ganz ähnlichen Eindruck. „Zellen" der
angedeuteten Art würden auf die Steinzeit weisen; der ganze Fund gehört aber in
die jüngere Bronzezeit, Mo ntel ins' Periode 4 and 5. Ungefähr ebenso ist auch der
Scherben von Staffeide anzusetzen, dessen Thierzeichnung, wie bemerkt, auf die
Keramik der Gesichtsurnen hindeutet. Gesichtsurnen selbst sind freilich so weit
«restlich nicht angetroffen; ihr westlichster Fundort in Pommern ist Mtihlendorf
(Mahlendorf), nördlich von Labes, Kr. Regenwalde. (Baltische Studien 17,1 [1858]
S. 17; 3o [1883], S. 300; Emil Walter, Prähist. Funde in Pommern zwischen
Oder und Rega, Stettin 1889, No. 15 [Programm mit Fundkarte]). Etwas weiter
östlich folgt dann Krcitzig, Kreis und nördlich von Schivelbein (Balt. Said. 29,
118 — 20 und 305). Um die Zeit der Gesichtsurnen wird es sich aber handeln,
mithin sind die Funde von Staffeide und Schwennenz beide viel jünger, als die
von Amrum und Wornsdorf. Die Rolle, welche das Harz in ihnen spielt, ist auch
eine etwas andere; an jenen steinzeitlichen Scherben trat es als selbständiges,
alleiniges Füllsel auf, bei den Randowern diente es wesentlich nur zur Befestigung
der Muschelschalen.
Diese Muschelschalen bieten nun noch ein weiteres Interesse. 0. Helm
hatte zuerst in Conwentz' 16. amtlichem Bericht über das westpreussische Pro-
yincialmuseum f. 1895, S. 34 u. 40, dann ausführlicher in den Schriften d. naturl.
Ges. in Danzig, N. F. 9, Heft 2 [1*96], die weisse Einlage in mehreren Gefässi n
aus westpr. Steinkisten (der Gesichtsurnenzeit) wegen ihres sehr hohen Gehaltes
an Kalkphosphat als gebrannten Knochen angesprochen, worin ich ihm
schon am erstgenannten Orte beistimmte. Auch Hr. R. Virchow hat neuerdings
Helm's Deutung für sehr wahrscheinlich erklär! (diese Verbandl. 1897, 36). Von
anderer Seite dagegen war mir die Vermuthung geäussert, es könne sich um phos-
phorsäurehaltige junge Kalkbildungen handeln, die aus Muschel- oder Schnecken-
schalen und dergleichen entstanden seien, um sog. Wiesenkalk. Solches Material
Italic ich nie in Händen gehabt und Analysen desselben sind mir nicht bekannt;
aller nach Feststellung der Verwendung von Muschelschalen an "2 Gelassen in der
geschilderten Weise schien es mir doch aötbig, die Möglichkeit einer solchen Her-
kunft der von Helm beobachteten Masse zu prüfen an Hand der Analysen jener
Schalen. Leider steht mir hierzu im Augenblick nur J. E. Schlossberger's All-
gemeine Thierchemie Bd. 1 [Chemie der Gewebe], l.pz. 1856, zur Verfügung, wo
ich in dem Abschnitt: Mineralbestandtheile der Molluskensohalen, S. 208—12, fol-
gende Angaben linde: Spuren von Phosphorsäure scheinen in keiner Bival renschale
und in keinem Gastropodengehäuse zu fehlen; dementsprechend ist auch Phosphor-
saure in allen Versteinerungen führenden Kalken enthalten. Calciumcarbonat
überwiegt aber mit Ausnahme eines, wohl etwas verdächtigen Falles Schale der
Zungenmuschel, Lingula, mit 8 »,79 Phosphal in 100 Äsche stets bei weitem das
Phosphat, während es bei den Knochen umgekehrt ist 85 Phospat). fna
enthält in 100 Theilen die innere Schale der gemeinen Sepia Sepia officinalis nur
spuren ven Phospborsäure ; die Asche der Enten- oder Teichmuschel (Anodonta]
0,55 Phosphat, 99,45 Carbonat; die gemeine Auster (ungeglüht; 1,2 auf 98,1 Car-
bonat; die Asche des Deckels der Weinbergsschnecke (Helix pomatia 5,73 Phosphat,
94,24 Carbonat — Erheblich mehr Phosphat enthalten allerdings die Crustaceen-
panzer (S. 215 21), so in 100 Asche: die Scheeren des Hummers I
(182)
Brustpanzer des Flusskrebses 13,17; der P. des kleinen Krebses „Pinnenwächter*
(Squilla) 47,52, alle 3 nach einem und demselben Analytiker.
Die genannten Substanzen würden demnach wohl zur Erklärung eines niederen
und selbst mittleren Gehalts an Phosphorsäure in den Urneneinlagen dienen können,
aber nicht zur Erklärung des fast reinen Phosphats, es sei denn, dass in Kalken,
gebildet aus jenen Schalen, Gehäusen und Panzern, eine Anreicherung an Phosphor-
säure stattfände, etwa durch vorzugsweises Auslaugen des Carbonats durch die Kohlen-
säure führenden Tagewässer.
Auch ein anderes Naturproduet, das sich durch seine blendende Weisse gleich-
sam aufdrängt, die Eierschale, kommt hier wenig in Betracht. Denn es ent-
hält nach S. 224 die Hühnereischale, laut Angabe zweier verschiedener Analy-
tiker, auch nur 5,7 oder gar nur 1,0 pCt. Calcium- und Magnesiumphosphat.
Ich halte daher, wo das Füllsel wesentlich Kalkphosphat ist, an Helm's
Deutung fest, bemerke jedoch, dass das scheinbar völlige oder doch fast völlige
Fehlen der Kohlensäure in der Ausfüllmasse, bei einem Gehalt von etwa 12 pCt.
Carbonat in der Knochenasche, wohl stets auf die Schwierigkeit der Beobachtung
zu schieben ist, die schon Helm selbst in Schriften X. F. 9,2, S. 5, No. 3 berührte.
Es empfiehlt sich, das zu prüfende trockene Pröbchen auf einem Uhrglase mög-
lichst beisammen zu halten, dann mittels eines Glasstabes einen einzigen
Tropfen Säure daran zu bringen. Jede Vergrösserung der Flüssigkeitsmenge be-
wirkt eine verstärkte Absorption der ausgeschiedenen Kohlensäure bis zum völligen
Unterbleiben einer Entwickelung von Gasblasen, die ja hier das alleinige Kenn-
zeichen für das Vorhandensein von Kohlensäure ist.
Nimmt man nun allgemein an, dass die überwiegend Kalkphosphat enthaltenden
weissen Füllsel Knochenasche seien, so entsteht die Frage, ob es sich um thierische
oder menschliche Knochen handelt. Es würden ja Thierknochen, in ein Heerdfeuer
gerathen, vollständig durchgebrannt und so für den fraglichen Zweck dienlich ge-
worden sein können. Xäher liegt jedoch der Gedanke, dass die Anregung zur
Verwendung von Knochenasche bei Verzierung der Grabgefässe in Vorgängen des
Begräbnisses selbst gelegen habe, d. h. im Leichenbrande, und man demnach auch
die Asche menschlicher Gebeine benutzte. Dann würde sich aber diese Verwendung
auf die Zeit nach dem ersten Auftreten des Leichenbrandes beschränken,
also für die Steinzeit im Allgemeinen ausgeschlossen bleiben müssen, auch in späterer
Zeit schwerlich bei Körperbestattung zu finden sein, vielmehr nur in Brandgräbern
vorkommen. Unter diesem Gesichtspunkte gewinnt Helm's Beobachtung an einem
Scherben vom Lorenzberge bei Kaldus, Kr. Kulm, Westpr., erhöhte Bedeutung.
Der Scherben, nach Conwrentz' brieflicher Mittheilung Einzelfund, ist ein stein-
zeitlicher (Amtlicher Bericht f. 1895, S. 34), seine Einlage enthält aber Phosphor-
säure in nicht geringer Menge. Allerdings fand sich auch in der Masse des
Scherbens selbst Phosphorsäure, wenn, auch nur sehr wenig. Will man aber trotz-
dem annehmen, die Einlage sei Knochenasche, worüber sich Helm vorsichtiger-
weise nicht ausspricht, so bleibt nur die Wahl, an Thierknochen zu denken, oder
einen der wenigen Fälle von steinzeitlichem Leichenbrand, die, wie wir wissen,
bei uns zu Lande vorgekommen sind, vorauszusetzen. So kennt man aus dem
hier besonders in Betracht kommenden nordöstl. Deutschland ''inen sicheren Fund
der Art von Warnitz, Kr. Königsberg i. Neumark, und einen andern von Lieben-
thal. Kr. und SO von Marienburg, Westpr. (Siehe meine Arbeit über Leichen-
verbrennung, diese Verband! 1892, 14111'. und A. Götze, Die Vorgeschichte der
Neumark, Würaburg 1897, 8. 16—17, aus Schriften des Vereins f. d. Geschichte
der Neumark, Hefl 5, Landsberg i. \\ . . Kaldus würde sich gut zwischen jene
k (183)
beiden Orte einfügen. Neolithische Scherben von dort, deren einer ebenfalls weiss
ausgelegt gewesen zu sein scheint, besitzt auch das K. Mus. f. Völkerkunde Berlin
(No. I b, '205 b). Die Auffindung weiterer steinzeitlicher Brandgräber in Deutsch-
land würde man um so eher erwarten dürfen, wenn sich die Beobachtungen Je-
linek's und v. Weinzierl'a bestätigen sollten, nach denen auch in Böhmen an
verschiedenen Orten solche zum Vorschein gekommen sind, entsprechend meiner,
„Leichenverbrennung" S. 157 — 58 ausgesprochenen, Vermuthung. (Mittheilungen
der anthrop. Ges. Wien, 1891, S. 1—2; 1894, S. 144 ff., namentlich 149—51; 1895,
S. 29 ff., besonders S. 40—43, und S. 192—93. — Zeitschr. f. Ethnol. 1894, 102;
L895, 53 u. 67; 1897, Verband! S. 42-43. — Prähistorische Blätter, München,
1895, S. 42). Man beachte indess die Einwendungen M. Much's, Wiener Mitth.
1895, S. 29, Note. —
(30) Hr. A. Götze spricht unter Vorlage erläuternder Fundstücke aus der
Schliemann-Sammlung über
Technisches aus Troja.
Den Vorgang bei der Bearbeitung der Steingeräthe kann man genau ver-
folgen, da solche in allen Stadien der Bearbeitung vorhanden sind.
Für die Kenntniss der Töpferei ist eine im Jahre 1894 aufgedeckte Anlage
der VI.— VII. Schicht von Wichtigkeit,
Von metallurgischen Geräthen sind Schmelztiegel, Gusstrichter und Gussformen
vorhanden, und zwar die letzteren in drei Arten: eintheilige und zweitheilige Formen,
sowie — bis jetzt ein ühicum — eine verlorene Form.
So viel nur kurz über den Inhalt des Vortrages, welcher demnächst in er-
weiterter Gestalt in dem Berichte über die Resultate der Ausgrabungen in Troja
aus den Jahren 1890 — 94 veröffentlicht werden wird. —
(31) Herr G. Fritsch spricht über
RaphaeFs Adam und Eva im Original und Kupferstich.
Als ich im vorigen Winter über die graphischen Methoden zur Darstellung
der Verhältnisse des menschlichen Körpers sprach und das Vorgetragene an Pro-
jectionsbildern erläuterte, führte ich auch ein Bild vor, welches der Proportions-
lehre von Zeising entnommen war und vom Autor kurz als „Raphaels Kva"
bezeichnet wurde, ohne dass sich eine weitere Angabe über die Herkunft des zu
Grunde liegenden Originals dabei findet. Ich wählte es damals, weil sich an der
Figur gleichzeitig eine Anwendung des goldenen Schnittes, auf dieselbe bezogen, fand.
hie später angestellten Versuche, über die Herkunft des Originals, sowie aber
Beine Beschaffenheit nähere Aufschlüsse zu erlangen, schlugen fehl, da die Raphael-
Werke das liild nicht enthalten, und es bleibt nur die Vermuthung Übrig, dass
Zeising einen angeblich in der Albertina zu Wien oder in Dresden befindlichen
Entwurf Raphaels seiner Zeichnung, die im Holzschnitt wiedergegeben wurde, zu
Grunde gelegt hat. Die Nachforschungen hatten aber ein anderes bemerkens-
werthes Resultat durch dii Vergleichungen der verschiedenen Darstellungen, in
wehdien „Raphaels Eva" erscheint, und dürften wohl von einem allgemeinen Stand-
punkt einiges Interesse verdienen.
Raphael's berühmtes Bild -Adam and Eva im Paradies" befindet sich bekannt-
lich zu Rom im Vatican, \\" es in der „Sala della segnatura" cm etwas schräg
(184) *
£-egen die gewölbte Decke anstrebendes Feld an der Seite des Fensters einnimmt.
Es ist kein sogenanntes „Zwiekelbild". wie sie die schnell nach oben verbreiterten
Felder zwischen den Gurten gewölbter Bogen einnehmen, sondern die leichte
"Wölbung der Ansteigung bewirkt nur eine geringe Ausbiegung des umgebenden
Rahmens; die "Verhältnisszahl der Höhe zur Breite ist 1,29. Als Beispiel eines
richtigen, ebenfalls von Raphael herrührenden Zwickelbildes mag hier die Venus-
gruppe aus dem „Leben der Psycheu folgen. Wir sehen auf demselben, dass auch
bei Raphael das weibliche Schönheitsideal doch einen recht soliden Charakter
hatte, der fast an Formen des Rubens erinnert. Man möchte die arme Psyche
bedauern, dass sie sich den Groll einer so stattlich veranlagten Dame zugezogen
hatte; denn eine richtige Ohrfeige aus derartig begabtem Handgelenk muss eine
recht üble Sache gewesen sein.
Die Vorführung dieser Raphael'schen Venusfigur schien mir nun deswegen
hier angezeigt, weil sie sich durch besonders normale Verhältnisse der Glieder
auszeichnet und darin von der sogleich zu besprechenden Eva erheblich abweicht;
die Beine haben bei ihr ein Verhältniss zum Körper, wie es in der Natur bei un-
seren Rassen als das am meisten verbreitete vorkommt, und nicht die erstaunliche
Länge anderer menschlicher Figuren derselben Zeit. Diese mächtige Entwicklung
der unteren Körperhälfte zeichnet auch RaphaeFs Eva aus, wie es sich schon aus der
bei Zeising aufgenommeneu Figur ergiebt und seiner Zeit von mir betont wurde.
Da die Abbildung immer noch einen etwas apokryphen Charakter trägt, so war auf
die Beobachtung nicht viel zu geben, sondern es musste erst festgestellt werden,
wie weit sie dem Original entspricht und ob sie überhaupt mit demselben etwas
zu thun hat. Das Ergebniss schon dieser "Vergleichung spricht für die Vermuthung,
dass es sich thatsächlich um einen Entwurf des Meisters zu dem Original auf dem
Frescobilde handelt; er ist, um ein bekanntes Scherzwort zu gebrauchen, „ebenso,
aber anders". Die Haltung des Oberkörpers wurde beibehalten, der erhobene linke
Arm legt sich um den Ast eines Baumes, an dem auch der obligate Schlangen-
schwanz nicht fehlt, aber damit ist die Uebereinstimmung wesentlich zu Ende.
Bekanntlich existiren zu einer ganzen Reihe raphaelischer Bilder, besonders
seiner Madonnen, sehr bemerkenswerthe Entwürfe des Malers, an denen man sieht,
wie sich die Figuren in seiner Phantasie erst allmählich sicher und bestimmt aus-
gestaltet haben und manche uncorrecte Linie des meist nackt entworfenen Körpers,
der erst dann mit der Gewandung bekleidet wurde, stehen blieb. Auch im vor-
liegenden Falle kann man, unter der Voraussetzung, dass die Abbildung nicht von
Zeising entstellt wurde, Besonderheiten der Zeichnung sehen, welche uncorrect
wirken und von denjenigen Beschauern, die eine ausgesprochene Leidenschaft haben,
Verzeichnungen aufzudecken, als solche angesprochen werden sollten. Ich freue
mich hier wiederum zu betonen, dass ich mich nicht zu dieser Klasse von Be-
schauern rechne, mich nie über Verzeichnungen aufrege, weil ich die so vielfach
unterschätzte Schwii ler Beurtheilung von solchen kenne und daher auch hier
nur Besonderheiten der Darstellung bespreche. Aus irgend einem, vielleicht ganz zu-
fälligem Grande bat der Künstler beim Erheben des linken Armes die Brust der
entsprechenden Seite nicht folgen lassen und so einen anscheinenden Fehler in die
Figur gebracht.
Wir können in diesem I alle Raphael durch Raphael controliren, indem wir
das Frescobild Belbsl zu Rathe ziehen, von dem glücklicher Weise eine recht gute
Photographie existirt. Freilich zeigt sieh, dass der Zahn der Zeit an dem Bilde
nicht unbeträchtlich genagt hat, ■■^«■r die Gesammtwirknng, besonders der Evafigur,
(185)
ist doch recht gut erhalten; störend wirkt vornehmlich nur das grob heraustretende
Mosaik des hellen Hintergrundes, auf dem die Farben al fresco aufgesetzt sind.
Hier erscheint die Stellang der Brüste in gebührender Uebereinstimmung mit der-
jenigen der Schultern und des erhobenen linken Armes, aber die untere Körper-
hälfte ist ebenfalls auffallend mächtig und lang.
Dabei zeigt die Figur eine Besonderheit, welche mir Bofort auffiel, da sie auch
beim Üppig entwickelten Körper der erwachsenen Frau nicht vorzukommen pflegt:
der linke, etwas vorgestreckte Untersehenkel setzt sich gegen das Fussblatt durch
eine quere Doppelfalte ab, wie sie fettleibigen Kindern in den ersten Lebensjahren
sehr häufig zukommt. Ohne dass ich dieses Merkmal besonders schön finden
konnte, lag es mir doch fern, Raphael zu kritisiren. ihn eines Fehlers zu zeihen,
sondern ich tröstete mich in dem Gedanken, dass der Künstler wohl seine tri!
Gründe dabei gehallt haben mochte.
Die Vermuthung lag nahe, dass Veränderungen des Originals in der Zeit oder
durch Bpätere Uebermalung den störenden Eindruck veranlasst haben könnten, und
ich wurde so darauf geführt, die von dem Bilde vorhandenen Stiche eingehend
zu vergleichen. Das Ergebniss dieser Untersuchungen war im höchsten Maasse
überraschend und drängt unvermeidlich zu weiteren Schlüssen von allgemeiner
Bedeutung, da in der Literatur solche Vergleich ungen nur selten angestellt zu sein
scheinen. Man könnte mit dürren Worten sagen: die Kupferstecher haben das
Bild überhaupt nicht wiedergegeben, wenn man sich auf Riehl's1) be-
herzigenswerthen Ausspruch stützt, dass der Kupferstecher zwar berechtigt sei, den
Künstler zu interpretircn, aber nicht als .absichtlicher Verbesserer".
Die Eigentümlichkeit der Technik, die besondere Vortragsweise des Kupfer-
stechers nöthigt ihn, sich mancherlei Freiheiten in der Behandlungsweise des Gegen-
standes zu gestatten, und als freier Künstler wird er sich wohl auch gelegentliche
unwesentlichere Abweichungen gestatten dürfen: ..nur dass die Kunst gefällig sei,*
wie Goethe's Faust sich ausdrückt.
Ueber diese Grenze hinaus sollte er dagegen logischer Weise nicht gehen:
denn wenn ein Kupferstecher sich aus freier Erschliessung an die "Wieder-
gabe eines classischen Bildes durch den Stich heranwagt und damit eine jahrelange
mühevolle Arbeit unternimmt, so sollte man doch meinen, dass er eine gewisse
Andacht für das Original mitbringt und so verhindert wird, mnthwillige Ver-
besserungen daran vorzunehmen.
Eine solche Anschauung über die Kupferstecher ist im gebildeten Laienpublicum
auch sehr allgemein verbreitet, und ich selbst huldigte noch bis vor kurzer Zeit
dieser Meinung, bis ich sie als irrig erkannte and zu dem leider unerliisslichen
Sprüchwort zurückkehren musste, welches ich nunmehr auch auf diesem Gebiet
weiter empfehlen mochte. Dämlich: -Trau, schau, wom!"
Aii der Hand des vorliegenden Materials lässt sich der Beweis leicht führen.
d.ivs die Nachbildner gleichzeitig als Kritiker aufgetreten sind und entgegen dem
oben ausgesprochenen Grundsatz als absichtliche Verbesserer gearbeitet haben.
Dabei handelt es sich nun keineswegs um Kleinigkeiten, wie eine feinds
Richtung anter den Kritikern alsbald achselzuckend vermuthen dürfte, sondern um
1) _l>er wahrhaft geniale Kupferstecher copirl eben nicht bloss, er interpretirt zugleich,
aber er soll nicht interpretireii als ein absichtlicher Verbesserer, wie mitunter Edlinck
gethan, auch nicht al- ein I lex umschreibt, sondern al- der selbstentsagende
Künstler, welcher dem veränderten Material entsprechend umbildet und das Original im
Spiegelbild seines ehrlichen Verständnisses wiedergiebt" (Riehl, Culturhistor. 3t
(18G)
Grössenverhältnisse, welche man im gewöhnlichen Leben scherzweise als ein
..Zimmermannshaar" zu bezeichnen pflegt.
Es sollen hier die Reproductionen von drei verschiedenen Stichen vorgelegt
werden, nämlich von dem berühmten deutschen Kupferstecher Müller, von dem
Italiener Garelli und von dem Franzosen Kichomme, wodurch die Vergleichung
einen etwas internationalen Beigeschmack erhält; leider war mir der älteste Stich
von Marcanton, der zu Raphael's Zeiten selbst angefertigt wurde, nicht zugänglich.
Ich würde dies noch mehr bedauern, wenn nicht feststünde, dass der Maler für
den Stich sein Werk nochmals gezeichnet hätte, und so etwaige Abweichungen der
Vorlage von dem ersten Original des Bildes vorhanden gewesen sein mögen.
Solche Abweichungen sind durchaus nicht unwahrscheinlich, weil Raphael
selbst seinen Darstellungen einen heiligen Ernst entgegenbrachte; seine wechseln-
den Entwürfe zu den Bildern lehren, wie schwer er mit seinen eigenen Leistungen
zufrieden zu stellen war. So existirt ausser einer berühmten Federzeichnung des
Adam, welche sich in der Oxford-Sammlung befindet, ein Studienblatt Raphael's im
Louvre, auf dem dieser Adam vom Künstler fünfmal in verschiedener, besonders die
Beine betreffender Haltung entworfen wurde. Von einer derartig mühsam ge-
troffenen Entscheidung sollte dann der Kupferstecher doch auch nicht abgehen.
Aber nicht auf den Adam allein beziehen sich die beabsichtigten Verbesserungen,
sondern auch auf die Eva im Ganzen und in Einzelheiten, auf die Auffassung der
Schlange mit dem Weiberkopf, die Wiedergabe des Terrains bis hinauf zu dem
Format des Bildes selbst.
Das längliche Eckfeld des raphaelischen Bildes ist von keinem der genannten
Kupferstecher auch nur annähernd wiedergegeben worden. Berechnet man
die Verhältnisszahlen der Höhe zur Breite bei den verschiedenen Stichen, so er-
giebt sich, dass, während die Zahl beim Original 1,29 beträgt, sie bei
Richomme schon auf 1,21 sinkt, bei Garelli auf 1,16 und bei Müller bis
zu 1,12 herabgeht. So ist bei dem deutschen Kupferstecher aus dem länglichen
Eckfelde ein beinahe quadratisches Bild geworden.
Da der gewonnene Raum in der Breite doch ausgefüllt werden musste, so
wurden die Figuren entsprechend in die Breite gedehnt und haben sich dies Pro-
crustesbett ruhig gefallen lassen müssen, während der Bewunderer des Originals
wohl berechtigt ist, Zeter zu schreien.
Wählt man die Grösse der photographischen Wiedergabe nach der Höhe, so
geht das Bild nach Müller nicht in denselben Rahmen und es wird von den seit-
lichen Gliedern (Eva's linkem Arm und Adam's rechtem Fuss) ein Stück ab-
geschnitten; zieht man dagegen vor, die Breite festzuhalten, so bleibt oben und
unten noch genug Raum übrig, um auch die äusserst sinnige Beigabe, die der philo-
sophisch angehauchte Kupferstecher zugegeben hat, gemessen zu können. Ich be-
dauere, dass der betreffende Sinnspruch nicht höflicher für die Damen ausgefallen
ist, er lautet: „Was in grauer Vorzeit sich begeben, noch tätlich sehen wir's im
Leben." Diese billige Philosophie muthet uns um so sonderbarer an, wenn man
bedenkt, dass Raphael in seiner genialen Ausschmückung der Stanza della Segna-
tura den Sünden fall gleichsam als illustrative Beigabe zu der darüber schwebenden
allegorischen Figur der Theologie angebracht hat.
Der in die Breite gegangene Adam ist erheblich massiver geworden und liegt
mehr vornüber, die Eva hält ihre Arme in einer mehr der Horizontalen genäherten
Lage. Im Uebrigen isl .Müller dem Original treuer geblieben; er hat die eigen-
tümliche Falte über dem Pussrücken der Eva. welche mich eigentlich auf die
leichung brachte, zwar i mildert, aber doch deutlich gekennzeichnet; das
(187)
Terrain ist in wesentlicher Uebereinstimmung mit dem Raphael'schen Bilde. Völlig
verfehlt ist dagegen der weibliche Kopf der Sehlange, deren freundliches Lächeln
dem anmttthigen Liebreiz der Eva mir Abbruch thun kann, während das Original
trotz seines Alters den dämonischen Ausdruck und das cynische Grinsen des
Schlangenweibes noch wohl erkennen liisst.
Der Italiener Garelli, dessen Stich in der Gesammtwirkung einen etwas weich-
lichen, kraftlosen Eindruck hervorruft, ist den Verhältnissen des Urbildes erheblich
treuer geblieben; die seitlichen Verschiebungen sind geringer, aber er bat auch die
Falte des Fussrückens nur in der Andeutung belassen, die Schlange ebenfalls ver-
fehlt, das Terrain etwas frei behandelt, aber noch ähnlich, wie Raphael, dar-
gestellt.
Höchst merkwürdig ist nun aber die Vergleichung des Stiches, welchen uns
der Franzose Richommc, wie ausdrücklich darunter vermerkt, nach dem Vatica-
nischen Bilde, entworfen hat. Ersichtlich ist derselbe von dem Geschmack seiner
Zeit (181(1) beeinflusst, aber ein Blick auf das Bild lehrt sofort, auf welch hoher
Stufe damals die Technik der Kupferstechkunst in Frankreich stand. Trotz der
unerhörten Freiheiten, die er sich in Einzelheiten erlaubt hat, ist doch bei ihm
allein etwas von der noch jetzt ersichtlichen wunderbaren Lichtwirkung und dem
prachtvollen Farbenglanz des raphaelischen Bildes zum unverkennbaren Ausdruck
gelangt; Richomme allein hat einigermaassen Glück gehabt mit der Wiedergabe
des dämonischen Grinsens im Gesieht des Schlanyenweibes. Gegenüber dieser
unbestreitbaren Gesammtwirkung des herrlichen Stiches vergisst man fast darauf,
den Einzelheiten mit kritischem Blick nachzugehen: wir dürfen es uns aber hier
im Interesse der Sache nicht versagen. Zunächst ergiebt sich freilich, dass
Richomme das Format Raphael's genauer eingehalten hat, als die bereits be-
sprochenen Stecher, dagegen sieht man mit einer gewissen Bestürzung, dass die
Bildfläche erheblich vergrössert werden muss, um die Figuren vergleichbar zu
machen; wie bei dem fast quadratischen deutschen Stich reicht dann die Breite
des hier verfügbaren Bildfeldes gar nicht aus, um den französischen Stich ganz
aufzunehmen.
Man fragt unwillkürlich: Ja, wie ist denn das Oberhaupt möglich? und die Ant-
wort darauf ist von verblüffender Einfachheit: Der Künstler hackte von den Figuren
so viel ab, wie ihm gut dünkte. Dadurch musste natürlich auf der Bildfläche
Kaum frei werden: dieser wurde in zierlicher, dem Zeitgeschmack entsprechender
Weise mit einem sorgfältig gepflegten, botanischen Garten im Kleinen ausgefüllt,
der in Raphael's kühne Phantasie schwerlich hineinpasste. Dabei ist dann gleich-
zeitig unsere liebe Urmutter Eva ganz glücklich von ihrem Fussleiden geheilt
umden: die merkwürdige Falte ist Dicht nur absolut verschwunden, sondern der
Operateur hat sogar noch etwas zur Verbesserung der Fussstellung beitragen
können, indem er die sonst verdeckte Ferse am inneren Pussrande erscheinen lässt.
Das wichtigste und für mich wegen der allgemeineren Vergleichungen werthvollste
Moment der absichtlichen Abweichung des Stechers vom Original beruht aber in
der erstaunlichen Verkürzung der Evafigur. Man möchte zunächst glauben, es
handle sich dabei um eine gewisse, allgemeine Reduction der Grösse, was zwar
überflüssig, aber immerhin möglich erscheinen musste; durch Debertragung der
Bilder auf einander lässt sich indessen leicht zeigen, dass davon nicht die Rede
sein kann, sondern dass Richomme thatsächlich der armen Eva ein Stück von
ihren Leinen abgeschnitten hat.
Richomme hat sich rermuthlich gesagt: -Ach tue Beine sind ja immer noch
lau-;' genugl" und mit allem Respect vor Raphael muss ich bemerken, dass er in
(188)
dieser Hinsicht nicht ganz Unrecht hat. Es dürfte wohl Jeden überraschen zu
sehen, um welch enormes Maass (etwa '/ao der ganzen Länge des Körpers) es sich
dabei handelt; daher wird man den obigen Ausdruck, dass die Abweichungen ge-
legentlich von der Breite eines Zimmermannshaares seien, unter solchen Umständen
wohl nicht zu hart finden.
Unzweifelhaft kommt das von Richomme gewählte Verhältniss in den Längen
der Extremitäten in der Natur häufiger zur Beobachtung, als dasjenige der raphae-
lischen Eva; er ist aber von dem Vorwurf nicht frei zu sprechen, dass er eigen-
willig an dem Urbilde eine Verbesserung anzubringen versucht hat. In dieser
Hinsicht ist also auch das schöne Werk von Richomme keine richtige Wieder-
gabe des Originals, welches er angeblich reproduciren wollte.
Der Kritiker hat über den andächtigen Kupferstecher triumphirt. Da die gleich
anfangs gezeigte Figur der Venus aus dem Leben der Psyche deutlich beweist,
dass auch Raphael das Vorkommen anderer, als der in der Eva gewählten Ver-
hältnisse des Körpers, bekannt und geläufig war, so musste sein Nachbildner wohl
die Meinung und den künstlerischen Geschmack des Meisters, den er verewigen
wollte, respectiren und sich selbst eine innerlich berechtigte Verbesserung desselben
versagen.
Zum Schluss kann ich nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dass wohl gerade
Ptaphael unter den Kunstkennern vom Fach privatim eine ganz merkwürdig
wechselnde Beurtheilung erfährt, wie andächtig man auch immer öffentlich vor ihm
im Staube liegen mag. Leider werden solche privaten Meinungen nicht gleich
stenographirt und gelangen nicht in die Oeffentlichkeit, sie würden sonst in vielen
Beziehungen recht lehrreich und nützlich wirken können.
Mir kam es im vorliegenden Falle aber gewiss nicht darauf an, Raphael zu
kritisiren, sondern in Ermangelung solcher stenographirten Privatunterhaltungen
durch die graphische Methode nachzuweisen, welche Freiheiten sich die Kritik,
hier in den Händen der Kupferstecher, auch mit einem Genius, wie Raphael,
nimmt.
Darin kann nur eine erneute Stärkung der Ueberzeugung gefunden werden,
dass vielfach die Kunstkritik nur mit der hohlen Phrase arbeitet und öffentlich
Mücken seiht, während sie heimlich (oder vielfach unwissentlich) Elephanten ver-
schluckt. Für das gebildete Publicum aber sollte daraus eine dringliche
Mahnung gefolgert werden, mit eigenen Augen zu sehen und sich
lieber auf die eigenen Augen zu verlassen, als durch die Brille eines
Anderen zu sehen, auch wenn derselbe seinem Auftreten nach als der eigent-
liche Erfinder der Kunst betrachtet werden will. —
(32) Hr. G. Oppcrt überreicht eine
Skizze über Kaschmir.
Schon im grauen Alterthmne war das im Nordosten von Indien inmitten
riesiger Schneeberge e Thal von Kaschmir hoobberühmt wegen seines herr-
lichen Klimas, Beiner hinreissenden Naturschönheit, seiner erstaunlichen Frucht-
barkeit und Beiner geschützten Lage, so dass Viele es für das iniische Paradies
hielten. Obgleich es in Wirklichkeit nicht dieses liberschwängliche Lob verdient,
so ist es gleichwohl einer der gesegnetsten Plätze der Erde, der unter einer ge-
rechten und sorgsamen Verwaltung der höchsten Entwicklung fähig ist.
Herodot erwähnt es zweimal (III, 102 und IV, 44), und berichtet, dass
Skylax von Karyanda' auf Befehl des Königs Darius Hystaspes von der Stadt
(189J
Kaspatyros seine Fahrt den Indus stromabwärts antrat. Hekatacu.- aus Abdera,
der Begleiter Alexanders des Grossen, spricht in seinen Fragmenten ron Kaspapyros
und Ptolemaeus kennt das Land Kaspeiria und die Hauptstadt Kaspeira.
Die Sanskritepen, das Mahäbhärata und Rämäyana, gedenken ebenfalls des
heiligen, im Norden gelegenen Landes. Der uralten Sage gemäss war das Thal
von Kaschmir ursprünglich ein grosser See. Der Verfasser der RäjataranginT, der
Pandit Kalhana, erzählt in Beinern Geschichtswerke (I, 25 — 28), „dass seil dem
Beginn des Kalpa das im Innern des Himalava gelegene Land Kaschmir Bechs
.Uanvantara hindurch (d.h. ö X 43*20 000 Jahre;, mit Wasser gefüllt, der See der
Sati gewesen, und dass beim Beginn de<, jetzigen Yaivasvata .Manvantara der
Prajäpati Kasyapa1) den Druhina (Brahma), Upendra, Iludra und die übrigen
Götter herabzusteigen und den im See wohnenden Unhold Jalödbhava zu tödten
bewog und den See hierdurch in das auf der Erde als Kaschmir bekannte Land
umschuf. Dies übergab er dann seinem Sohne Xila, dem Herrn aller Näga, dessen
Sonnenschirm aus dem quellenden Sprudel (bei Vernag) des schwellenden Yitasta-
Wassers entsteht". Derselben Chronik zufolge giebt es „in diesem von Vishnu,
Siva und den anderen Gottheiten geschmückten Lande keinen Fleck, sei er selbst
so klein wie ein Sesamkorn, ohne Heiligthum. Durch die Macht der Frömmigkeit,
nicht aber durch die bewaffneter Krieger, kann es erobert werden, und deshalb
existirt auch bei seinen Bewohnern nur die Furcht vor der nächsten Welt. Im
Winter giebt es Badehäuser mit warmen Bädern, am Strome sind sichere Ufer-
plätze, und die Flüsse bieten keine Gefahr und sind frei von Wasser-Ungethümen.
Die Sonne erzeugt in dem Lande, das der Vater Kasyapa gewissermaassen zu
seiner Verherrlichung erschallen, selbst im Sommer keine übermässige Hitze.
Hohe Lehrgebäude (Fig. 1), Safran, eiskaltes Wasser und Weintrauben, Dinge,
welche im Himmel sogar schwer erlangbar sind, sind hier gewöhnlich. In diesen
drei AVeiten ist das edelsteinreiche Gebiet des Kuvera des Preises werth, eben-
daselbst auch der Felsen (Himalaya), der Vater der Gauri8), und das in ihm ge-
legene Land Kaschmir (Räjat. I, öS— 43)u.
Nach dem NUamatapuräna3) gewährte Yislu.iu dem vom Könige der Vögel,
Garuda, bedrängten Schlangen -König Vüsuki den Sat isaras als Zufluchtsort für
seine Unterthanen, die Näga (Schlangen), und NUa wurde als König eingesetzt.
Als nun Jalödbhava, der Sohn des Unholdes Samgraha, die benachbarten Gebiete
verheerte^ begab sich Kasyapa mit seinem Sohne Nila nach dem Sitze Brähma's
und erbat sich von diesem, sowie von Vishnu und Siva Heistand gegen das Un-
gethüm, das sich in den See geflüchtet hatte und dort unangreifbar war. Auf den
Rath Yishnu's durchbrach Siva mit seinem Dreizack die das Wasser umgebende
Bergkette, und Vishnu schlug, als das Wasser abgelaufen war, dem Jalödbhava
mit seinem Diskus den Kopf ab. In diesem so entstandenen Kaschmir erhielten
dann die Götter und die Näga ihre Plätze angewiesen. Da sich die letzteren aber
der \on Kasyapa beabsichtigten Niederlassung der Mensehen widersetzten, ver-
flachte Kasyapa die Näga dazu, mit den Pisüchi Teufeln) znsammenzuwohnen. Nda
erwirkte jedoch eme Milderung des Fluches, wonach Menschen und Pisächi Wer
Kalpa') hindurch abwechselnd je sechs Monate im Jahre das Land inne haben
1) Der Nanu- des Thaies von Kaschmir wird von dem des Kasyapa abgeleitet
2) oder P&rvatl, Gemahlin d Siva.
3) Siehe „Detailed Repoi I a tour in search of Sanskrit Manuscr. made in Kashmir,
Rajputana and Central [ndia*' G. Bühler, Bombay 1877, p. 39, 40.
I Ein Kalpa = 432 000 000 Jahren von Sterblichen einem Tage Brahmas l<
(190)
sollten. Nach Verlauf der vier Kalpa blieb ein alter Brahmane, Chandradeva, nach
dem Abzug der anderen Menschen noch im Lande und fiel in die Hände der
Pisächi, welche ihn als Spielzeug betrachteten und raisshandelten. Es gelang ihm
indessen, zum König Nlla zu entkommen. Dieser lehrte ihn seine Gebote, welche
er, als sechs Monate später die Menschen wieder in's Land kamen, deren König
Vlryodaya mittheilte und ihre strenge Beobachtung von ihm erwirkte, so dass Kaschmir
in Zukunft das ganze Jahr für Menschen bewohnbar blieb. Der Räjataranginl (I,
184) zufolge führte Chandradeva die Gebote Nlla's unter König Abhimanyu wieder
ein. Vordem hatten sich die Xäga gegen die Buddhisten erhoben und das Land
verheert; durch die Beobachtung dieser Vorschriften wurde die Ruhe bald wieder-
hergestellt. Später kam Gonanda III. zur Regierung.
Fi*?. 1.
Brahmanen-(Pandit-) Schule mit Lehrern und Schülern in Vernag.
Eine der genauesten und zuverlässigsten Schilderungen von Kaschmir und
seinen Bewohnern verdanken wir dem berühmten chinesischen Reisenden Hiuen-
Tsiang, der als buddhistischer Mönch im Drange nach religiöser Wahrheit von
dem in der Provinz Szchuen gelegenen Shing-tu aus Central-Asien und ganz Indien
bereiste, und über Pamir, Kaschgar und Khotan nach China zurückkehrte. Auf
dieser Reise brachte er sechzehn Jahre zu1). Er beschreibt folgendermaassen
Kaschmir: „Das Königreich Kaschmir (Kia-shi-mi-lo) ist ungefähr 7000 Li2) im
Umfang, und von allen Seiten von Bergen eingeschlossen. Diese Berge sind sehr
1) Siehe Buddhistic record.-, of the Western World by Samuel Beal. Vol. I. p.
XVIII— XIX.
2) Ein Li ist ungefähr che Meile oder 0,32 km.
(191)
hoch. Obwohl Pässe durch diese Beige führen, so sind doch solche eng und ge-
wunden. Die Nachbarstaaten, welche Kaschmir angegritlin haben, konnten es nie
unterjochen. Die Hauptstadt ist auf der Westseite von einem grossen Flosa be-
grenzt. Von Norden nach Süden erstreckt sie sich 12 — 13 Li und von Osten nach
Westen 4 — 5 Li. Der Hoden ist für den Getreidebau geeignet und hat Ueberfluss
an Früchten und Blumen. Hier giebt es auch Drachenwurz. wohlriechende Gelb-
wurz, Fochii1) und medicinische Pflanzen. Das Klima ist kalt und rauh. Es giebt
viel Schnee, aber wenig Wind. Das A'olk trägt lederne Wäniniser und weiss-
leinene Anzüge. Sie sind leichtsinnig und frivol und von Charakter schwach und
feige. Da das Land von einem Drachen beschützt wird, hat es sich immer die
Herrschaft über die Nachbar- Völker angemaasst. Die Bevölkerung hat cm hübsches
Aeusseres, ist aber verschlagen. Sie hat Vorliebe für das Lernen und ist gut unter-
richtet. Es finden sich unter ihr sowohl Ketzer wie auch Gläubige, gegen
100 Klöster (Sanghäräma) und 5000 Priester. Der König Asöka erbaute 4 Stüpa,
deren jeder ungefähr ein Nössel voll Reliquien von Buddha (Tathägata) besitzt.
Die Geschichte des Landes berichtet, dass es einst ein Drachensee gewesen. Als
der Herr Buddha nach Bezwingung eines Unholdes in U-chang-na (üdyäna) nach
dem mittleren Königreiche (Indien) zurückkehrte und gerade in der Luft über
demselben sich befand, sagte er zu Ananda: ,,Nach meinem Nirväna wird der
Arhat Madhyäntika ein Königthum in diesem Lande gründen, die Bevölkerung
civilisiren und durch seine eigenen Bemühungen das Gesetz des Buddha auswärts
verbreiten." Madhyäntika, der Schüler des Ananda, hörte im hundertsten Jahre
nach dem Nirväna diese Prophezeiung Buddha's und begab sich hocherfreut durch
die Luft nach Kaschmir2), wo ihm der Näga einen Fleck, auf welchem er mit
seinen Knien ruhen konnte, im See einräumte. Der Arhat machte aber durch seine
zauberische Gewalt den Umfang seines Körpers immer grösser, und da der Näga
das Wasser von ihm abhielt, wurde der See zuletzt trocken und der Näga musste
ihn verlassen. Er erhielt jedoch das Versprechen, zurückkehren zu dürfen, so-
bald Buddha's Lehre aus dem Lande verschwinden sollte. Madhyäntika kaufte
dann von den umliegenden Ortschaften für die Priester eine Anzahl armer Leute
als Diener, die Ki-li-ta (Krltiya)3) hiessen. In der Folgezeit machten sich aber
diese Sklaven wiederholt zu Heiren des Landes. Hundert Jahre nach dem Nir-
väna gelangte Asöka, der König von Magadha, zur Herrschaft über die Welt, er-
richtete 500 Sanghäräma in Kaschmir und gab das Land den Priestern. 400 Jahre
nach dem Nirväna brachte Kanishka. König von Gandhära, Kaschmir unter seine
Botmässigkeit und beriet ein Concil von 300 weisen Männern, denen Vasumitra
präsidirte, um Buddha"* Lehre festzustellen. Nach Kanishka's Tod gelangten die
Kntiya abermals zur Herrschaft, bis der König von Himatala aus dem Lande der
To-hu-lo (Tukhära) und dem Geschlechte der sakya dem Könige der Kntiya den
Kopf abschlug, die Priester wieder ins Land zurückführte und ihnen dasselbe
übergab." Jedoch war diese Restauration nur von kurzer Dauer, denn die Kntiya
rissen immer von Neuem die Macht an sich und \erdriingten den Buddhismus.
Deshalb war zur Zeit lies Hiuen-tsiang der Zustand Kaschmir's den Buddhisten
nicht günstig und Ketzerei herrschte im Lande4).
1) Lentilles de verre.
2) Kr fliegt mit 10 (XX » Bettelmönchen durch die Luft nach dem Berge l".-ira in
Kaschmir; siehe ebendas. I. 134.
3) Vielleicht vom Sanskritworte krita „gekauft". Im Chinesischen mai-te, gekaufte
Leute, ibid. I. 150, n. 94.
r Siehe Buddhistii ■ cords. I. p. 148tt
(192)
Was die Krltlya betrifft, so ist es bemerkenswert, dass das Vishnupuräna und
Bhägavata besagen, dass Südra, Axisgestossene und Barbaren am Indus, Därvika
und Chandrabhäga in Kaschmir Herren werden würden (siehe H. H. Wilson,
Vishnupuräna IV, 223, 224). In verschiedenen Sanskritwerken kommt Iura als
Name von Kaschmir und seiner Bewohner vor (siehe Böhtlingk und Roth
Sanskrit-Wörterbuch unter Klra, II, p. 298). In der Räjataranginl werden das Volk
der Krittika und deren Vertreterin, die Krityadevl, erwähnt (I, 131—147) aber die
Krittika sind hier Buddhisten.
Obwohl die brahmanischen und buddhistischen Berichte, wie wir gesehen
haben, je nach ihren religiösen Ansichten von einander abweichen, so stimmen sie
doch in der Angabe überein, dass das Thal Kaschmir ehedem ein grosser See ge-
wesen; hiermit stimmt auch die geologische Formation des Landes überein. Das
jetzige Thal hat wirklich einstmals unter Wasser gestanden, und zwar muss der
See eine Höhe von gegen 5800 Fuss über dem Meeresspiegel erreicht haben, denn
die Karewa1) oder felsigen Klippen, welche das Hochland bilden und durch tiefe,
an einigen Stellen 300—400 Fuss hinabfallende Schluchten von einander getrennt
sind, waren wahrscheinlich nicht überschwemmt. Dies gilt zumal von der Hoch-
ebene bei Martänd, die sich schroff und steil nach der heiligen Quelle bei Bawan
und Mattan senkt.
Die Bergwand wurde bei Bäramüla durchbrochen und somit dem Flusse, den
die Brahmanen Vitastä, die Griechen Hydaspes, die Muhammedaner Bihut und
die Neueren Ihllam nennen, Abfluss gewährt. Vishnu soll als Eber Varäha, einer
Sage gemäss, dieses bewirkt haben, und nach ihm die Stätte Varähamüla, das
heutige Bäramüla, genannt sein. Den Namen Kaschmir's, des Landes des Kasyapa,
leitet Burnouf von Kasyapa-mira, See des „Kasyapa" ab.
Kaschmir ist der einzige Staat des vorderindischen Continents, der eine das
Alterthum einschliessende, fortlaufende geschichtliche Literatur besitzt. Leider sind
die ältesten Chroniken nicht vorhanden, und der Verlust des von Suvrata ver-
fassten Abrisses ist sehr zu bedauern. Der Pandit Kalhana geht in seiner Räja-
tarangini bis zum Jahre 1148 A. D., 1070 der Saka-Aera, und seine Nachfolger haben
sein Werk bis in die Zeit Kaiser Akbar's fortgesetzt. Ausser der Räjataraügini be-
sitzen wir noch das vorhin erwähnte NUamatapuräna und verschiedene Mähätmya2).
Für chronologische Bestimmungen sind die vier ersten Bücher der Räjataranginl
werthlos. Gonanda I. gilt als Zeitgenosse und Freund Jaräsandha's und als Feind
Krishna's, gegen den er bei Mathurä im Kampfe fällt. Sein Sohn Dämodara hat
gleiche Schicksal, und Kristine setzt dessen Gemahlin Yasovatl als Königin
ein. Ihr Sohn Gonanda II. ist zu jung, um am Kampfe zwischen den Kaurava und
Pändava theilzunehmen. Verschiedene Herrscher aus verschiedenen Familien re-
gieren Kaschmir. Kalhana widerspricht seiner eigenen Behauptung, dass Kaschmir
nie von Fremden unterjocht worden. Hushka, Jushka und Kanishka sind turusch-
kischer Herkunft u iddhisten, Gründer dreier nach ihnen benannter Städte und
vieler Klöster und T< mp I. Ihnen folgen Abhimanyu und Gonanda III., der die
Vorschriften Nila's wiederherstellte 3)- Unter Vasukula fielen die Mleccha in
Kaschmir ein. Mit Durlabhavardhana, dem kayastischen Schwiegersohn Bfdäditya's,
ont die historische Zeil. Kaschmir's Ruf (598—634) reizte die Habgier der
1) Diebedeutend teil I id beiPämpur, Islamabad im Norden, und bei Zynapur,
Nonagar, Khanpur und Damudar im Süden.
2) Aussei Suvrata und dem NUamatapuräna erwähnt Kalhana noch die Königslisten
von KshgmSndra, ESläraja und I mihira. Siehe Räj. I, 12, 13, 17, IS.
3) Räj. I, 168— 172.
(193)
Eroberer, aber im Allgemeinen war ihre Herrschaft nicht von hinger Dauer. Ausser
den Indo-Scythen verheerten im 11. .Jahrhundert die Turushka unter den vorher er-
wähnten Bammira (Räj. VII, 53 ff.) Kaschmir. Hammlra ist der bekannte Eroberer
Mahmud von Ghazna, der um 101. r) Kaschmir unterjochte. 1305 erschienen die Tibetaner
im Lande, vertrieben den König Kulm Deva, und Ringhana, der Sohn des tibeta-
nischen Königs Yui'tan, usurpirte den Thron. Er soll Mohammedaner geworden sein
und den Namen Sadaru-'d-din angenommen haben. Nach dem Tode Udyänadeva's
bestieg sein Minister Shäh Mir als Shamsu-'d-din 1340 den Thron. Kr wird ge-
wöhnlich als der erste mohammedanische Herrscher von Kaschmir bezeichnet. Bis
1536 regierte seine Familie, in der sich Shähäbu-'d-din (1356) und Sikandar (Batshikan)
als fanatische, die alten Hindu-Tempel und Heiligthümer zerstörende Muhammedaner
hervorthaten, während das Andenken des grossen Bädshäh Zinalabudin (1423),
welcher 53 Jahre Kaschmir beglückte, noch heute geehrt wird. Er selbst, ein
Künstler und Dichter, förderte Künste und Wissenschaften. Er führte die Shawl-
Webereien, die Glas-Fabrication, Papiermache-Industrie und Buchbinderei ein, und
errichtete viele Bauten. Später bemächtigte sich Käji, welcher der einflussreichen
Chakfamilie von SrTnagar entstammte, der Herrschaft, und obgleich er selbst 1540
dem Mirza Haidar, einem Milchbruder des Kaisers Humayün unterlag, so behaupteten
doch die Chak ihr Ansehen, bis Akbar 1587 Kaschmir seinem Reiche annectirte.
166 Jahre, bis 1753, bildete Kaschmir eine Provinz des Reiches der Grossmogule.
Diese erkoren dasselbe zu ihrem Sommeraufenthalt, schmückten es mit prachtvollen
Bauten und legten auf der über Bhimbar und den Pir-Panjäl-Pass dahin führenden
kaiserlichen Landstrasse luxuriöse, jetzt theils in Trümmern liegende, theils noch
bestehende Rasthäuser (Sarai) für sich und ihr zahlreiches Gefolge an. Der Einfall
Nadir Schah: s in Indien (173l>) gab der Herrschaft des Grossmoguls den Gnaden-
stoss, und Kaschmir, dass zuletzt von verschiedenen Beamten selbständig ver-
waltet worden war, gehörte von 1753 bis 1816 unter sechzehn Gouverneuren zum
Reiche der Dorräni, das sich auch über Pishäwar, Lahore und Moltän erstreckte.
Am 5. Juli 1819 besiegte Divan Chand, der General Ranjit Singh's, den
Pathan -Gouverneur Jabbar Khan bei Chotipur und brachte hierdurch Kaschmir
unter die Herrschaft der Sikh, die es bis 1846 behielten, als die Engländer Lahore
nahmen und Kaschmir am 16. März 1846 dem Mahäräja von Jamu, Ghulab Singh,
übermachten, welcher im Laufe seiner Regierung Ladakh, Skardu, Gilgit und Astor
seinem Reiche hinzufügte. Ihm folgte sein Sohn Ranbir Singh und diesem wieder
1885 sein ältester Sohn, der gegenwärtige Mahäräja Partab Singh auf dem Throne.
Kaschmir steht unter britischer Oberhoheit, und ein britischer Resident repräsentirt
in Örlnagar den Aricekönig von Indien. Seit dem Vorwiegen des britischen Ein-
flusses hat sich das Land bedeutend gehoben.
Das kaschmirische Reich hat demnach eine viel grössere Ausdehnung als das
Thal von Kaschmir, und da Bioen-tsiang Kaschmir einen Umfang von 7000 Li
zuschreibt, während die Thallandschaft nur 300 Li an Umfang hat. so muss auch
zu seiner Zeit das Gebiet des Königs von Kaschmir andere Länder umfasst haben:
wahrscheinlich gehörten zu ihm die ganze gebirgige Region zwischen dem Indus
und dem Chinab bis nach der Salzkette im Süden ').
Das jetzige Gebiet von Kaschmir, das in die fünf administrativen Bezirke
•lamu: Kaschmir, Ladakh. Skardu und Gilgit zerfällt und mit Ausnahme des Thaies
\on Kaschmir überwiegend gebirgig ist . erstreckt sich von 3-_)C17' bis zu •'<
nördlicher Breite und von ~'-> 26 bis zu so0 30' östlicher Länge. Es grenz! im
1) Siehe The ancieni Geography of India, bj Alexander Cnnningham,
Verhand), <i<r Bert. Anthrop. Gesellschaft 1897. 10
(194)
Norden an mehrere kleinere Fürstentümer und das Karakorum-Gebirge, im Osten
an Tibet, im Süden an Spiti, Lahul und Panjab und im Westen an letzteres,
Hazara, Chiläs und Dürel. Es umfasst gegen 30 900 englische Quadratmeilen
und wurde nach dem Census von 1891 von 2 543 952 Menschen bewohnt; hiervon
kamen 1439 543 auf Jamu, 949 041 auf Kaschmir, 2» 274 aufLadakh, 110 325 auf
Skardu und 16 769 auf Gilgit.
Die Ausläufer des Himälaya in Kaschmir Fangiren zwischen 3 — 4000', die
mittlere Bergkette erreicht 8000 — 10000', während die höchsten, mit ewigem Schnee
bedeckten Bergriesen den zweithöchsten Berg der Erde, den Nanga Parvata oder
Dayarmur, unter sich zählen. Alle diese Höhenzüge gehören zum Plussgebiete des
Indus, der, anfänglich von Südosten nach Nordwesten fliessend, Ladakh durch-
strömt, unweit Kiris mit dem gewaltigen Shäyok sich vereinigt, dann bei Haramosh
sich südlich wendet, bei Hatu-Pir Astor verlässt und schliesslich in südwestlicher
Richtung durch das Panjab strömt. Der Jhilam ') (wie oben erwähnt, die Vitastä
der Inder, der Hydaspes der Griechen, und die Bihat der Muhammedaner) ist der
bedeutendste Nebenfluss des Indus auf kaschmirischem Gebiet, während noch den
Süden der Chinab (der Chandrabhäga der Inder und der Akesines der Griechen)
benetzt. Viele Pässe führen in das Thal von Kaschmir, die bekanntesten sind im
Westen über Baramula (5525, via Marri, Punch und Abbottabad); im Süden über
den Pir Panjal (11400', via Bhimbar und Räjäori), Firozpur (12 500', via Punch
und Räjäori) und über den Banihäl (9200, via Jamu); im Osten über Marbal
(11 750' über Kistawär und Chamba) und über Margan (11 600', via Maru, Wardwan
und Suru); und im Norden über Zojilä oder Dras (11 300', via Dras und Ladfikh)
und über Räjdiangan (11900', via Gurais, Tilail und Klein-Tibet). Bis Rawal-
pindi-') geht die Eisenbahn. Dort beginnt die Grand Trunk Road per „Tonga"
und führt direct nach Baramula. Die Strecke zwischen Rawal-Pindi und Baramula
beträgt 16274 englische Meilen. Gewöhnlich unterbricht man die Tour in Marri, ehe-
mals Sommer-Residenz des Lieu^enant-Governor des Panjab, dessen Haus jetzt in
ein Hotel verwandelt worden ist. Marri ist jetzt die bedeutendste Militärstation
auf dieser Grenze. Die Grand Trunk Road geht über Sunnybank, wo sich der
Weg nach Marri abzweigt, nach Kohala, wo der Jhilam überschritten wird und
man von britischem auf kaschmirisches Gebiet übertritt. Von Rawal-Pindi steigt
die Landstrasse ungefähr 4300', senkt sich aber gegen 4000' wieder nach Kohala3).
Ein sehr hübscher, schattiger Weg führt von Marri in 8 Meilen nach Deywal, und
von da sind es noch 10 Meilen nach Kohala. Allerdings ist man auf dieser Strecke
der Sonne ausgesetzt; trotzdem ist auch diese Strasse reich an herrlichen Fern-
blicken, während man unten im Thal das Brausen des Jhilam hört, in den
sich unweit Kohala die Kanair stürzt. Als ich im Jahre 18'.»:> vom Panjab aus
Kaschmir besuchte, waren durch die furchtbaren Regengüsse alle Brücken über den
Indus, den .Jhilam und die übrigen, den Weg nach Kaschmir kreuzenden Flüsse
. ' 'schwemmt worden, und es stand nur die Strasse über Kohala offen; aber
auch hier musste man den Jhilam in einem über einem Telegraphendrahte hangenden
Korbe passiren, auch war die Grand Trunk Road für ..Tun-;!- und „Ecka" durch
Erdrutsche unfahrbar, and seihst für Pferde und Esel an rielen Stellen ungangbar
1) Troyer (II, 294 erklärt diesen Namen durch jala, Wasser; siehe Lassen, Ind.
Alt. I, p. 52 (41 .
2) Unweit Kawal, 15 Meilen von Pindi, lieg! Manikyfila mit dem berühmten Stüpa.
3) Die Entfernung zwischen Kawal-Pindi und Sunnybank beträgt 363/4. und die von
Sunnybank nach Kohala 'J<'/, M< ilen.
(195)
geworden. Die bisherig!' Fahrstrasse war an manchen Orten weggeschwemmt, und
alle Brücken und Uebergangsorte zerstört. Von Station zu Station war man un-
gewiss, ob man die nächste erreichen könne, oder nicht. Diese ehemals so schöne
Landstrasse war erst am 10. September 1&90 vom Mahäräja Partab Singb eröffnet,
nachdem sie mit vieler Schwierigkeit erbaut worden, wobei 100 Arbeiter ihr Leben
verloren hatten. Sie geht, denn jetzt ist sie wieder hergestellt, am linken Ufer
des Jhilam entlang, der laut brausend und schäumend von Baramüla an in seinem
Felsenbett hinabströmt. Sie führt von Kohala über Dulai, dessen anheimelndes
Rasthaus stehen geblieben war, nach Domel. Hier hatte die Fluth furchtbar ge-
haust; beinahe der ganze Ort mit Brücke und Rasthaus war zerstört worden, und
höchst gefährliche Bergrutsche versperrten den Weg. In Domel mündet auch die
von der Eisenbahn-Station Hasan-Abdal über Abbottabad führende Strasse, welche
die Krishnaganga und den Jhilam bei Muzaffarabäd überschreitet: beide Brücken
waren 1893 auch weggeschwemmt. Man hat die Absicht, von Hasan-Abdal eine
Eisenbahn nach Domel zu bauen und somit Kaschmir dem Weltverkehr zu er-
öffnen. Garhi und Hattian mit Seil -(Jhüla-) Brücken und Mussuk mit Böten aus
Büffelfellen, um den Jhilam zu passiren, Chakoti, Uri und Rampur bilden die
Halteplätze nach Baramüla. '2 Meilen vor Rampur bei Urambuah liegt, inmitten
von Laubwerk, der alte Tempel Pandu Ghar, der, ebenso wie der benachbarte jen-
scit Rampur gelegene Tempel bei Bhavanyar (Fig. 2), an die Ruinen von Martand
und Avantipur erinnert.
Von Guzerat über Bhimbar beginnt die sogenannte kaiserliche Strasse, so be-
nannt, weil die Grossmog-ule dieselbe auf ihren häufigen Ausflügen nach Kaschmir
benutzten, und der Franzose Francois Bernier hat ausführlich eine derartige Reise
beschrieben, welche er im Gefolge von Aurang-Zeb mitmachte1). Es ist hier un-
nöthig, diese Route eingehend zu schildern, da sie schon häufig beschrieben worden
ist. Die Grossmogule waren auf ihren Zügen von einem zahlreichen Gefolge und
einer ansehnlichen Armee begleitet: Bernier berichtet, dass Aurang-Zeb nicht allem
o0 000 Mann Cavallerie, sondern auch über 10000 Mann Infanterie, 50 — 60 leichte
Feldgeschütze aus Bronze und 62 schwere Geschütze mit sich führte2). Auf dem
ganzen Wege waren zur Aufnahme der kaiserlichen Familie und des Hofstaates in
Zwischenräumen von wenigen Meilen umfangreiche und prächtige Rasthäuser oder
Sarai. Von Bhimbar gelangt man über Saidabad, Nbashera, ('hangas, Rajaori,
Thanna Mandi3) nach Barangalla. Zwischen diesen beiden Stationen liegt der
Ratten Pir. In Barangalla starb der Grossmogul Jahanghir, der 13 Sommer mit
seiner geliebten Nürmahal in Kaschmir zugebracht hatte und Vemäg vor seinem
Tode zu erreichen wünschte. Zwischen Poschin and Aliabad Sarai übersteigt man
den bekannten Pir Panjäl, der nach einem Fakir Pir Panjä] Pantral benannt ist.
Dann folgen Hirpur, Shupiyan. w o der Weg nach Vemäg in östlicher Richtung
sieh abzweigt, Ramn und &rinagar, das IT Meilen von Ramu entfernt liegt.
Der jetzige Beherrscher 7on Kaschmir benutzt von seiner alten Residenz Jamu
aus den Weg über den Banihal-Pass, welcher /wischen Devgol und Ven -
und seine Reiseroute berührt ron Jamu aus Nagrota, Dansal, Udampur, Drumtal.
Batoti. Ramband, Ramsu, Di rgol, Vernag und Islamabad, von wo man direct per
Boot, oder über Land durch Avantipur nach drinagar gelangen kann. Von Sr; 3
1 Siehe Voyages de Fran<joia Bernier. Amsterdam 1699. II. p, 206— !
ehe ebenda». II.
:'• Von Thanna Mandi geh! Über Suran, Punch, Kahuta. Haidarabad und Tri ein anderer
Weg nach Srinagar.
13*
(196)
fahrt man per Boot nach Gandarbai über Shadipur, oder geht über Land beim Hari
Parvat vorbei durch Naoshera. 7 7* Meilen hinter Gandarbai beginnt das Sindhu-
thal, und man gelangt über Kangan, Gund, Gagangir, Sonamarg, Baltal, den 11500'
hohen Zogi-la-Pass, Matayan, Dras, Tashgam, Chunegund, Kargil, Shargol, den
13 000' hohen Nämika-Lii-Pass, Kharbu, Lämayürü, über den 13 400' hohen Fotu-
Pass, Khalsi, Timisgam, Tärutse, Nimü nach Leh, das 260 englische Meilen von
Srinagar liegt.
Fisr. 2.
Hiudu-Tempel bei Bhavanyar, Repräsentant des indisch-kaschmirischen
Steinstyls, im Gegensatz zum einheimischen Holzbau, welchen die zum
Main kehrten Kaschmirer für ihre Moscheen beibehielten.
Von Islamabad geht über das 11 Meileu entfernte Kishtwar ein anderer Weg
nach Leh1).
Von Srinagar führt über Bandipur in 21 Märschen die Strasse nach Gilgit.
Seitdem Gilgit von englischen Truppen besetzt ist, hat man eine gute Heerstrasse
1 Er passirt Bagni, Piyas, Siri, Atholi, Kuudhel, Machel, Bujwas, Bugjan Hiwan.
Gaura, über den 17 870' hohen Ümasi-La, Ating, Sani, Padam, Thondhe, Zangla, Namtse,
über den 14160' hohen Ohelong I ibho, Pangatse, Nira, aber den L6600' hohen Nira-
Pass, Yalehung, Phataksa, Bonnpatta, Wanla, Lamayüra nach Leh.
(197)
nach dort angelegt. Die Orte, welche passirt werden, sind: Kralpura, Trägbai
(9160'), Zotkusu (9050'), Kunzälwan, Gurais, Gurikot (93707), Kala Pani, Kamri-
Pass 13300'), Pukarkot, Chagam, Gurikot von Astor, Astor (Hasora), Harcho,
Daschkin, Duiyan, Ramghat, Bhawanji, Chakarkote (über den Indus), und Minawar,
von dem Gilgit 1 1 Meilen entfernt ist.
Bis Gurais führt derselbe Weg nach Skftrdü; von hier zweigt man aber ab'
nach Bangla (8725'), Mapanum (10130'), Burzil (10740'), 8ikhbach (13 1
über den Stakpita- (1290»') und den Sarsingar-Pasa 13860'), Lalpani (12i
Usar Mar (13 970'), KarpTtü (7636') und den Burjl-Pass (15 700').
Das Thal von Kaschmir, von 9—19000 hohen Schneebergen umgeben, mit dem
Plr Panjäl im Süden und dem Haramuk im Norden und vom Jbilam durchströmt,
ist ungefähr 90 englische Meilen lang, 18 — 22 Meilen breit und umfässt gegen
3500 englische Quadrat-Meilen. Von Kanbal bei Islamabad bis Bäramüla, d. h. un-
gefähr 60 Meilen, ist der Jhilam schiff bar. Er entspringt unweit von Vernfig: unfern
von Kanbal fliessen in ihn die Häpat-, Brinjh- und Sandrahan-Bäche, unterhalb Kanbal
strömt ihm zur Rechten die Liddar in zwei Zweigen zu, bei Shadipur nimmt er
den Sindh, bei Dabgao den Pohra auf, während auf der linken Seite der Yeshan
bei Marhäma, die Ramchu bei Karkarpur und die Dudhganga unweit Srlnagar sich
mit ihm vereinigen. Von den Landseen sind der Dal oder Stadtsee bei SrTnagar
und der Anchar, der kleine, aber schöne Manasbal (Mänasa sarovara) unterhalb
Sumbal und der grosse Wullar (Ull<»la) erwähnenswerth. Unzählige Quellen,
meistens im östlichen Theile des Thaies, entspringen den Bergen; die berühmtesten
sind Ananta Näg, Bawan, Atchibal, Vernfig, Kukar Nag und Vateritter. Auch an
Mineralquellen fehlt es nicht, wie der Wian Näg bei Pampur und der Salik Näg
und Malik Näg bei Islamabad, welche eisen- und schwefelhaltig sind. Im Kasch-
mirischen bedeutet Näg „Quelle", eine Bedeutung, die Näga im Sanskrit meines
Wissens nicht hat.
Das Klima in Kaschmir ist im Ganzen recht angenehm und für den Europäer
zuträglich; Juli und August sind die heissesten, Januar und Februar die kältesten
Monate im Jahre. Leider wird das Land aber vielfach von Erdbeben heimgesucht.
Die europäischen Hausthiere aeclimatisiren sich rasch in Kaschmir. Die ein-
heimischen Pferde und Rinder sind klein. Fliegen, Mosquitos und andere Insecten
sind sehr zahlreich und im Sommer äusserst lästig: Bienenzucht wird viel ge-
trieben, und der Seidenwurm wird gezüchtet. Der Ibex, Markhor, Bara singh und
anderes Wild finden sich in grosser Menge in den Bergen, wie auch Affen,
Schakale, Bären und Leoparden. Merkwürdigerweise finden sich, obgleich der
Näga-Cnltaa in Kaschmir durch die Brahmanen so verbreitet ist, keiue oder
wenigstens sehr wenige Schlangen in Kaschmir, eine Thatsache, welche schon
Bernier hervorgehoben hat'). Der Boden des Landes ist sehr fruchtbar. Getreide
und Gemüse gedeihen prächtig, und Fruchtbäume und Waldbäume bedecken Thal
und Berg. Walnüsse. Maulbeeren, Pfirsiche. Kirschen, Aprikosen. Granatäpfel,
Weintrauben, Aepfel, Birnen. Quitten, Haselnüsse. Ahorne, Pappeln. Wei
Kastanien und andere Pflanzen wachsen üppig2).
Die volksthümlichc Eintheilung von Kaschmir ist inKamräj (Kramaräjya . nördlich
uml östlich von Srinagar, und Miräj (Meräj) südlich und östlich davon. Kaschmir
besitzt der Städte: Örinagar mit 118960, Anantanäg mit 10 -2^7. Sopur mit 8410
1 Siehe Berniex II. p. 270: -II ne s'y trouve nj Serpens, ai Tigres, oi Ouis, ni
Lyons, si ce a'esl tres-rarei ent."
- Siehe [nce's Kashmir Handbook, p. 3 — 16.
(198;
und Bäramüla mit 5656 Einwohnern, von denen bezw. "26069, 981, 858 und 787 Hindu,
und 9'2 575, 9236, 7550 und 4809 Muhammedaner sind.
Es liegt uns fern, eine Beschreibung des Landes und der Städte Kaschmirs
hier zu geben, denn schon viele Reisende haben solches gethan '). Die heutige
Stadt SrTnagar liegt an beiden Seiten des Jhilam. Srinagara war auch der Name
der angeblich vom Könige Asöka gegründeten (Rfij. I, 104), vom Könige Abhiraanyu
aber verbrannten Stadt (um 630 a. D.). Pandritan, südöstlich vom Takht-i-Sulaiman
am rechten Ufer des Jhilam gelegen, bezeichnet die Lage der ehemaligen Residenz
Puränädhistäna. Ein kleiner, inmitten eines Teiches gelegener Tempel stammt
noch aus älterer Zeit. Pravarasena gründete, anstatt des alten SrTnagar, Pravarapura,
das heutige SrTnagar. Der Tempel auf dem sogenannten Takht-i-Sulaiman („Thron
Salomo's*) wird fälschlich dem Jalöka, dem Sohne Asöka's zugeschrieben. Nach
Anderen soll ihn Sandhimati oder Aryaräja erbaut haben, doch ist dies fraglich.
Auf dem Hari Parvat oder Hörparvat, d. h. dem Säri(ka) Parvat, steht die von
Akbar zur Bezwingung Srlnagar's erbaute Festung. Viele Ortschaften am Jhilam
bewahren noch Spuren ihrer früheren Bedeutung, wie Pampur mit seinen Safran-
Plantagen und den in seiner Nähe befindlichen Mineralquellen; Ladu, Karkarpur und
Payech mitseinenTempelruinen;Avantipur, die ehemalige, vonAvantivarma(855 — 833)
gegründete Residenz mit angeblich 3 Millionen Einwohnern, deren Ruinen an die
machtigen Bauten von Martand erinnern. Bijbehar oder Bijhror, das alte Vijayesvara,
wo Asöka einen prächtigen Tempel errichtet, den Sikandar aber zerstört haben soll.
Auch Anantanäg, das heutige Islamabad, war ehedem eine Stadt von hoher Be-
deutung, wovon die 5 Meilen nördlich gelegenen Ruinen des dem Sonnengotle ge-
weihten Martanda (fTig-. 3) Zeugniss ablegen. Im Volksmunde heissen diese, wie
auch andere Tempel-Trümmer Pandu LarT oder Pandu Gor, Häuser der Pändava,
denn alles Alte wird mit den Pändava in Beziehung gebracht. Anderthalb Meilen
von Martand liegt das kleine Dorf Bawan oder Mattan (Martanda) mit seiner
heiligen Quelle inmitten schöner Platanen. Dieselbe ist dem Gott Vishnu geweiht.
Unweit davon liegen auf dem Wege zum Liddar-Thal die von Pilgern besuchten
Höhlen von Bbumju. Auch das durch seine Quellen berühmte, von Jahanghir mit
einem Lustschloss geschmückte Atchibal ist unweit Martand. Die Entfernung von
Atchibal nach Vernäg beträgt nur 15 Meilen. Auf dem Wege liegt das kleine Dorf
Shangus, ehemals berühmt wegen seiner schönen Tänzerinnen (Fig. 4). Vernäg,
am Fusse des Banihäl-Passes, ist einer der herrlichsten Plätze in Kaschmir und
war deshalb der Lieblingssitz Jahanghlr's, wo er sich über der Quelle des Jhilam
einen Sommer-Palast erbaute.
Von Örinagar stromabwärts passirt man Purana Chowni, den Landungsplatz
für Gulmarg. Weiter unten liegt Shadipur mit der Insel Prayäga, wo der Sindhu
in die Vitastä Jl lam fliesst. Auf ihr steht ein grosser Ahornbaum (Chenar),
und sieben Stafen führen zum Schreine Öiva's. Von diesem heiligen Platze haben
sich viele Hindu in den Fluss gestürzt, anter anderen auch Mitrasarma mit seiner
Gattin, der treue Ministi r tli r Könige Lalitäditya und KuvalayapTda (Räj. III, 1005).
l Jetzt wird Kaschmir jed • Jahr von Tausenden besucht; früher war es aber nicht
-i zugänglich, da es besonderer Erlaubniss bedurfte, es zu betreten. Von älteren Beisenden
, hier aber erwähn! werden: der Jesuil Kavier und Goez, die zur Zeit Akbar's
Kaschmir besuchten 1665 der Franzose Bernier, der Jesuit Desideri v1714 , der
Madras-Civilisl Poi bei L786 . Moorcraft (1823), Jacquemonl L831 . Wolff (1832)
and Baron v. Hügel, Vigne und Dr. Bender on 1835).
(199)
Fig. 3.
Ruinen des grossarfcigen Tempels von Martand auf der Hochebene KarTwah,
von Kaschmir.
Fig. 4.
\WW
***&**
rgrnppe von Shangus
(200)
Hinter Shadipur liegt Sumbal, von wo ein Canal nach dem berühmten Mänasbal-
See führt. Dann gelangt man nach dem wegen seiner Stürme gefürchteten Wullar-
See (Ullöla), in dem die ruinenreiche Insel Lanka liegt. Am südlichen Ufer liegt
Sopur (Suyyapura oder Svayyapura), so benannt nach dem berühmten Architecten
des Königs Avantivarma, und weiter abwärts, am Ende des schiffbaren Jhilam, der
Ort Bäramüla, der mit dem gegenüber liegenden Ushkar oder Hushkapura einst
eine Stadt bildete. Das Andenken an Huvishka lebt noch in der Bevölkerung, und
man zeigte mir die Grundmauern seines ehemaligen Palastes. Bäramüla (Varäha-
müla) ist eine aufblühende Stadt, zeigt aber noch die Spuren des Erdbebens von
1885. Den Censusberichten zufolge theilt sich die kaschmirische Bevölkerung mit
Bezug auf ihre Religion in fünf Gemeinden. Die Muhammedaner stehen mit
883 099 Seelen an der Spitze, dann folgen der Zahl nach 60 316 Hindu, 547:» Sikh.
145 Parsi und S Christen.
Obwohl unter den Hindu Unterschiede bestehen und anerkannt werden, giebt
es unter ihnen eigentlich keine Kasten. Sie bilden eine brahmanische Genossen-
schaft, trotzdem die Vorfahren vieler Familien, wie wohlbekannt, aus verschiedenen
Theilen Indien's stammen. Der gebräuchliche Name der Kaschmir-Brahmanen,
„Paiulit" (Gelehrte), ist um so auffälliger, als die Mehrzahl derselben sehr ungebildet
und ununterrichtet ist. Ihrer verschiedenen Herkunft und Lebensstellung ungeachtet
essen und lernen alle Hindu mit einander, aber in Bezug auf eheliche Verbin-
dungen sind sie mehr reservirt. Für besonders vornehm gelten die Nachkommen
der 11 Familien, welche den muhammedanischen Verfolgungen (1435 — 42) wider-
standen, nicht zum Islam übertraten und im Glauben ihrer Väter beharrten; diese
Brahmanen bilden die Aristokratie, studiren Sanskrit, leben grösstentheils von
Stipendien und anderen Einnahmen, welche sie zumeist der Gunst des Mahäräja ver-
danken. Die übrigen Pandit ernähren sich so gut sie können in verschiedenen Berufen.
Gewöhnlich behaupten die Brahmanen, dass sie Chaturvedi, d. h. Kenner der vier
Veden seien; in ihren häuslichen Ceremonien aber folgen sie dem Charäyarüya
Käthaka, welcher dem Weisen Laugäkshi zugeschrieben wird. Sie beobachten
auch strenge die Sacramente (Samskära), Bussen (Prftyascitta), Todtenspenden
(Sräddha) und Gelübde (Vrata). Alle, Männer sowohl wie Frauen, tragen einen
grossen, grauen, wollenen Mantel. Bei den Männern der niederen Klassen bildet
dieser Mantel und eine Leibbinde (Langöti) die ganze Bekleidung. Die Reichen
tragen selbstverständlich schönere Stoffe, leichtere im Sommer und schwere Unter-
kleidung im Winter. Auch haben alle den brahmanischen Gürtel (Mekhalä). Die
Frauen tragen häufig Manschetten, einen Gürtel um die Taille und einen über den
Rücken fallenden Schleier. Das Haar ist in der Mitte gescheitelt, gelockt, und
Schnurgehänge sind an beiden Seiten der Ohren. Die meisten Brahmanen essen
Ziegen- und Hammelfleisch, auch Fisch, aber kein Ochsen- und Schweinefleisch
und das verbotener Thiere. Beinahe alle Kaschmirer sind Anhänger des Gottes
Siva; einige Familien indessen sind Säkta, d. h. Verehrer der Öakti, und zwar sind
sie in diesem Falle meistens Vämachari oder Vämapanthi, d. h. Verehrer der linken
Hand, die den roheren, mehr sinnlichen Cultus repräsentirt1).
Die Kaschmir-Brahmanen haben sich sehr um die Sanskrit-Literatur verdient
gemacht. Viele der bedeutendsten Gelehrten und Dichter der Vor- und Neuzeit
haben in Kaschmir gelebt und gewirkt, und noch jetzt befinden sich dort aus-
gezeichnete Kenner dea Sanskrit, die von der jetzigen Herrscher-Familie sehr be-
1 Vergleiche hierüber auch den obenerwähnten Bericht Dr. C>. Bühler's.
(201)
günstig werden. Auch ist Kaschmir reich an werthvollen Handschriften, zu deren
Erforschung seiner Zeit Prof. Dr. Georg Bühler Kaschmir auf Kosten der indischen
Regierang erfolgreich bereiste.
Die liberwiegende Mehrzahl der Kaschmirer sind Muhammedaner. Di«
Einfuhrung des Islam knüpft sich an die angebliche Bekehrung des tibetanischen
Prinzen Kindiana. ilvv um 1320 Sühadeva, den König von Kaschmir, vertrieb und
sich des Landes bemächtigte. Rinchana war Anfangs wahrscheinlich Buddhist und
trat später zum Islam über, wozu ihn der Fakir Bulbul Shah bekehrt haben soll.
Dieser soll der erste Muhammedaner gewesen sein, der sich in Kaschmir nieder-
liess, und er liegt am rechten Jhilam-Ufer, unterhalb der Ali-Kadal-Brücke, in
Örinagar begraben (Fig. 5). Staats-Reli-don wurde aber der Islam nach dem Tode
des Königs Udyänadeva (1339), als sein .Munster Shah Mir des Königs Wittwe
Kottädevi heirathete und unter dem Namen Shamsu-'d-din den Thron bestieg. Die
Zwangsbekehrung der Bevölkerung zum Islam begann Shah Mir's Enkel Shihäbu-*d-din,
dazu angestachelt von dem bigotten bukharischen Fakir Syed Ali Hamadäni (1356),
nach welchem die bedeutendste muhammedanische Moschee in .Srinagar (Fis
benannt ist. und die Verfolgung wurde fortgesetzt von Shihäbu-'d-din;s grausamem
Neffen, dem Ikonoklasten Sikandar. Allmählich erhoben sich blutige Fehden zwischen
Sunniten und Schiiten, angeregt vornehmlich von den sogenannten Nur-Bakshi-
Schiiten, welche den herrschenden Sunniten entgegentraten. Akbar, der Partei für
die Sumiten nahm, stellte den Frieden äusserlich wieder her. Uebrigens gelten
die Kaschmir-Muhammedaner keineswegs für eifrige und devote Bekenner des
Islams.
Der Buddhismus scheint immer nur vorübergehend in Kaschmir geherrscht zu
haben; jetzt ist er ganz aus dem Thal verschwunden, und der brahmanische
Hinduismus und der Islam sind die zwei Hauptreligionen des Landes. Die Sikh
sind eingewanderte Panjäbi.
Feher die ethnologische Zugehörigkeit der Kaschmirer wissen wir nichts Zu-
verlässiges. Es ist ein schöner, grossgewachsener, kräftiger Menschenschlag, aber,
wie schon Hiuen-tsiang bemerkt, sehr feige und schlau. Wahrscheinlich haben
langdauernde Unterdrückungen dies herbeigeführt. Unter der Hindu-Bevölkeruno-
haben Viele helle und röthliche Haut und Gesichtsfarbe: die Muhammedaner (Fig. 7),
welche, meiner Meinung nach, mit wenigen Ausnahmen die Nachkommen der ein-
heimischen Bevölkerung sind, machen merkwürdiger Weise durch ihre gebogenen
Nasen einen entschieden jüdischen Eindruck, obwohl deshalb auf etwaige semitische
Abstammung nicht geschlossen werden darf. Trotz des vorwiegend arischen Ur-
sprunges der heutigen Kaschmirer deuten noch manche Volksschichten auf das
Vorhandensein einer unarischen Urbevölkerung, wozn vornehmlich die Feldarbeiter,
auch die Batal (Batwal), Galawän (Pferdeknechte) und die sogenannten Dum oder
Dorfwächter zu rechnen sind.
Diese niederen Volksschichten sind von dunklerer Farbe als die ü.1
Kaschmirer, und beanspruchen, wie in anderen Theilen Indiens, die eigentlichen
Herren des Bodens in alter Zeit gewesen zu sein. Und diese Ueberliefei
scheint durch die bei Hiuen-tsiang sich vorfindende und vorher erwähnte S
von der durch Madhyäntika nach Kaschmir gebrachten dienenden Klasse der Ki-
li-to, welche sich später a Herren des Landes machten, bestätigt zu werden.
Wenn man nun bedenkt, dass der religiöse Cultua der Ur-Einwohner Indien"* der
Weiblichen Energie, der Sakti oder Dövi geweiht war, und dass dieser später Auf-
nahme in das brahmanische Religionssystem fand, so ist das Vorwiegen der D
(202)
Fie. 5.
Blick von der Ali Kadal, der ersten Brücke über den Jhilam in Srinagar.
Fiff. 6.
Ali-Hamadani-Moschee in Srina ■■;> am Jhilam, die schönste aus Holz erbaute Moschee
in Kaschmir,
(203)
Verehrung im Kaschmir-Thale in dieser Hinsicht sehr beachtenswerth. Zunächst
gehört dieser Gottheit das ganze Thal, denn es war ursprünglich ihr See, der
Batlsaras. Dann aber ist ihr der heiligste Platz in Kaschmir, zu dem aus ganz
Indien Brahmanen herbeiströmen, d. h. die Quelle der Khlr (Kshlra = Milch)
Bhavänl bei Talamula am Ausgange des Sindhu-Thales, unweit von Gandarbai,
geweiht. Dort steht ein kleiner, in anspruchsloser Form erbauter Tempel, in-
mitten von prächtigen Waldbäumen. Die Pilger müssen, wenn sie die Göttin be-
suchen, sich des Fleischgenusses enthalten; ihr werden Zucker. .Milch, Reis und
Blumen als Opfergaben geweiht.
Fiff. 7.
Gruppe von 6 Mohammedaners [4 Kaschmir-B i mit 2 Kindern
und 2 Panjabi-Dienern.
Die Gottheii auf dem Bari Parvat, ebenfalls eine Göttin, ist die Bör oder
Öärikä DSvl, welche die schwarz ler grause Seite der Ammä, die Kall, re-
präsentirt, weshalb ihr auch Fleischopfer gespendet werden. 3 - noch
viele Tempel in Kaschmir, welch.' ausschliesslich dem Oultus der D vi dienen.
Viele derselben stammen allerdings au- späterer Zeit, aber sie sind trotzdem als
Evidenz für die ursprüngliche Religions- Anschauung der eingebornen Bevölkerung
beachtenswerth.
Das Kashmiri, die Landessprache in Kaschmir, ist aus dem alten Präkrit
entstanden, und isl rknüpft mit den benachbarten Pahäri- oder II
Dialekten. Es hat aber viele Wörter aus dem Persischen, Arabischen, Tibetanischen,
Panjäbi und Bindustäni entlehnt. —
(204)
(33) Hr. F. v. Luschan bespricht
eine neue Form der Armbrust
aus dem Hinterlande von Kamerun. Die vor-
gelegten Stücke stammen aus einer Sammlung, die
das Berliner Museum kürzlich von dem Lieutenant
Freiherrn v. Stein erworben hat und sollen für
die Bakwiri charakteristisch sein. Im wesent-
lichen schliessen sie sich an die gewöhnliche Arm-
brust der Fan an, sind aber mit einem langen
hölzernen Laufe versehen.
Bekanntlich wird allgemein angenommen, dass
die Armbrust der Fan nicht autochthon ist, son-
dern sich im Laufe von etwa vier Jahrhunderten
aus der europäischen Armbrust entwickelt hat;
diese Ansicht ist nicht ganz ohne Widerspruch
geblieben, aber wie immer sich das verhält, für
die neue Armbrust der Bakwiri kann gar kein
Zweifel sein, dass sie als eine Combination der
Fan-Armbrust mit einer europäischen Flinte auf-
zufassen ist. Die beistehende Abbildung zeigt den
wie bei einer Flinte gebildeten, verzierten Schaft
und den sehr stark gekrümmten Bügel. Die Sehne
ist aus Bastfasern gedreht und sehr kräftig; der
„Abzug" ist noch primitiver, oder richtiger gesagt,
noch mehr degenerirt, als dies schon bei der Arm-
brust der Fan der Fall ist: die gespannte Sehne
wird in eine geschweifte Rinne gelegt und beim
Losschiessen mit einem Finger in die Höhe ge-
hoben. Die Bolzen sollen einfache runde Stäbchen
sein, etwa 25 cm lang und 3—4 mm dick, natürlich
ohne irgendeine Art von Befiederung. Die Ber-
liner Sammlung besitzt zwei Stücke dieser bisher
unbekannt gewesenen Armbrust, die unter IIIc,
6862 und 63 katalogisirt sind; der Lauf der einen
ist 1,62, der der anderen 1,38 m lang. Die Aus-
höhlung scheint mit einem glühenden Draht er-
folgt zu sein und ist eine sehr regelmässige. Hier
vorgenommene Schiessversuche haben ergeben,
dass trotzdem die Treffsicherheit eine recht geringe
ist; natürlich leidet auch die Anfängs-Geschwindig-
keit des Projectiles durch die Reibung in dem
langen Laufe und die Waffe kann daher kaum
ine besonders glücklich construirte bezeichnet
weiden. Es ist wahrscheinlich, dass die Bolzen
vergiftet wurden, um wenigstens dadurch die
Wirkung etwas kräftiger zu gestalten. -
Armbrust der Bakwiri, 1/m 'I. o. Gr.
(205
(34) Neu eingegangene und erworbene Schriften:
1. Virchow, R., Ueber Criminalanthropologie. München 1896. (Corresp.-Blatt
der deutschen anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf.
2. Jacobsthal, J. E., Orientalische Neusilber-Einlagen in Holz und Hörn. Berlin
1888. (Blätter für Architektur u. Kunsthandwerkj. Gesch. d. Verf.
3. Boas, F., The limitations of the comparative method of anthropology. New-
York 1896. (Science.)
4. Derselbe, Traditions of the Ts'ets'ä'ut. Boston, o. J. (Journal of American Folk-
Lore. Vol. IX— Nr. 35.
5. Derselbe, Sixth report on the indians of British Columbia. Liverpool 1896.
(Report on the Xorth-Western Tribes of Canada. Section H.)
\r. 3—5 Gesch. d. Verf.
<!. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 0. u. 7. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
7. Conwentz, Erläuterungen zu den vom Westpreussischen Provincial-Museum
in Riga 1890 ausgestellten Gegenständen. Danzig 1896. Gesch. d. Verf.
8. Buschan, G., Einfluss der Rasse auf die Häufigkeit und die Formen der
Geistes- und Nervenkrankheiten. Berlin 1897. (Allg. Med. Central-Zeitung.)
Gesch. d. Verf.
9. Cora, G., Die Zigeuner. Turin, o. J. (Ausland 1890.) Gesch. d. Verf.
10. Fewkes, J. \V., The Miconinovi flute altars. (Boston), o. J. (Journ. Amer.
Folk-Lore IX., Xr. 35.)
11. Derselbe, Pacific coast shells from prehistoric Tusayan pueblos. Washington
1896. (Amer. Anthrop.)
12. Derselbe, Two ruins recently discovered in the Red-rock country, Arizona.
Washington 1896. (Amer. Anthrop.)
13. Derselbe, The prehistoric culture of Tusayan. Washington 1896. (Amer.
Anthrop.)
14. Derselbe, Tusayan totemic signatures. Washington 1897. (Amer. Anthrop.)
Xr. 10—14 Gesch. d. Verf.
15. Conze, A., Ueber den Ursprung der bildenden Kunst. Berlin 1897. (Sitzungsb.
d. K. Pr. Akad. d. Wissenschaft.) Gesch. d. Verf.
16. vanderChijs, J. A., Xederlandseh-Indisch Plakaatboek. 15. Deel. 1808—1809.
Batavia 1896. Gesch. d. Verf.
17. Piette, M. E., Fouilles faires ä Brassempouy en 1895. Paris 1896. (Bull.
Societe d'Anthrop. de Paris.)
18. Derselbe, Etudes d'ethnoiiraphie prehistorique. Paris, o. J. (L'Anthropolog-ie
VII Xr. 3.)
Xr. IT u. 18 Gesch. d. Verf.
19. Mercer, H. C, An exploration of aboriginal shell heaps revealing traces of
cannibalism on York river, Maine. Boston 1897. (Publ. of the University
of Pennsylvania.)
20. Derselbe, The discovery of aboriginal remaine at a rocksheiter in the Delaware
valley known as the [ndian honse. Boston 1897. Publ. of the Univers.
of Pennsylv.)
21. Derselbe. An exploration of Durham cave in 1893. Boston 18'.'7. Publ Univ.
of Pennsylvania.
Xr. 19- -21 d. Verf.
22. Radioff, W.. Altas der Alterthümer der Mongolei. 111. Lief. St.-Petersburg
1896. Gesch. d. Kaiserl. Akademie d. Wissenseh.
(206)
23. Bulletin de la societe ouralienne d'amateurs des sciences naturelles. XIII livr.
2. und XV livr. 1. Ekaterineburg 1891—95.
24. Hazeu, G. A. J., Bijdrage tot de Rennis van het Javaansehe Tooneel. Leiden
1897. (Dissertat.)
Nr. 23 u. 24 durch Hrn. R. Virchow.
25. Hendriks, H., Het Burusch van Mäsarete. 's Gravenhage 1897. Gesch. d.
K. Instituut van Nederlandsch-Indie.
26. Rijks ethnographisch Museum te Leiden. 12 Berichte van anno 1894 en
5 Berichte van anno 1895.
27. Serrurier, Uittreksel uit het Verslag van den directeur van's rijks ethnographisch
Museum te Leiden. 1894/95.
(Nr. 26 u. 27 sind vom K. ethnogr. Museum in Leiden geschenkt.)
28. Serrurier, L, De Wajang Poerwä. Leiden 1896. Gesch. des Ministers van
Binnenlandsche Zaken.
29. Miller, G. S., The beach mouse of Muskeget Island. Boston 1896. (Proc.
Boston S. N. H.)
30. Shaler, N. S., Conditions and effects of the expulsion of gases from the earth.
Boston 1896. (Proc. Boston S. N. H.)
31. Proceedingsoftheannualmeeting, May 6, 1896. Boston 1*96. (Proc. Boston S.N.H.)
32. Dyar, H. G., On the larvae of the higher bombyces (Agrotides Grote.) Boston
1896. (Proc. Boston S. N. H.)
33. Marcou, J., The Jura of Texas. Boston 1896. (Proc. Boston S.N.H.)
34. Bangs, 0., An important addition to the fauna of Massachusetts. Boston 1896.
(Proc. Boston S. N. H.)
35. Woodworth, J. B., On the fracture System of joints, with remarks on certain
great fractures. Boston 1896. (Proc. Boston S. N. H.)
36. Batchelder, Ch. F., Some facts in regard to the distribution of certain mammals
in New-England and Northern New-York. Boston 1896. (Proc. Boston S. N H.)
37. Puller, M. L., A new occurrence of carboniferous fossils in the Narragansett
basin. Boston 1896. (Proc. Boston S. N. H.)
38. Mason, 0. T., Primitive travel and transportation. Washington 1896. (Report
U. S. Nat. Mus. for 1894.)
39. Culin, S., Mancala, the national game of Africa. Washington 1896. (Report
U. S. Nat. Mus. for 1894.)
40. Wilson, T., The golden patera of Reimes. Washington 1896. (Report U.S.
Nat. Mus. for 1894.)
41. Derselbe, The Swastika. Washington 1896. (Rep. ü. S. Nat. Mus. for 1894.)
42. Satoli, A., The wooden statue of Baron II Kamon-No-Kami Naosuke. Wash-
ington 1896. (Rep. U. S. N. Mus. f. 1894.)
43. Mc Guire, J. ü.. A study of the primitive methods of drilling. Washington
1896. (Rep. (J. S.N. Mus. f. 1894.)
(Nr. 29—43 sind vom Smithsonian Institut geschenkt.)
44. Glasnik. VIII. 1896. Nr. 3—4. Sarajevo 1896. Gesch. d. Herrn R. Virchow.
Sitzung vom 15. Mai 1897.
Vorsitzender: Hr. R. Virchow.
(1) Die Gesellschaft hat folgende ordentliche Mitglieder durch den Tod
verloren :
Medicinalrath Dr. Menger, langjähriges und sehr verdientes Mitglied des
Central-Comites der deutschen Vereine vom Rothen Kreuze, am 29. April. —
Maurermeister Strassmann, einen der um die Stadt Berlin hochverdienten
Gebrüder Strassmann. am 3. Mai. —
Dr. Marimon y Tudö in Sevilla, ihr einziges spanisches Mitglied. -
("2) Am 12. April ist der ausserordentliche Professor Dr. Julius Hoffory, ein
vorzüglicher Kenner der skandinavischen Literatur, hierselbst verstorben. —
(3) Als neues Mitglied wird angemeldet: Cand. med. Alfred Bormann in
Berlin. —
(4) Das neu gewählte correspondirende Mitglied Hr. J. du Morgan dankt in
einem Schreiben an den Vorsitzenden aus Teil el Amarna, 7. April, in den freund-
lichsten Ausdrücken für die ihm erwiesene Ehre und macht zugleich Mittheilung
über die
Auffindung eines Königsgrabes in Negada.
„Je prepare, en ce moment, un travail sur une tombe royale que je viens de
decouvrir ä Negadab. Cette sepulture, dont le monument en briques crues ne
renfermait pas moins de 27 chambres, contenait une foule d'objets du plus haut
interet.
„Nous ne possedons que la banniere loyale, et los egyptologues ne sont pas
encore fixes sur sa lecture. Dans toua les caa ce roi appartient aux d6buta
annales egyptiennes. II n'eat certainement pas posterieur a la üe dynastie, maia
probablement doit etre ränge dana la premiere.
„Les chambres royales, dans lesquellea tout le mobilier arait ete ineendie,
contenaient tres peu d'objets metalliques, un grand nombre d'instrumenta de -
beaueoup de vases de terre et de pierre, dos vases en quartz et en obsidienne,
figurines d'ivoire representant des lions, des chiens et des poissons. des pieds de
meubles en ivoire et un grand nombre de sceaux faits au eylindre et portant des
textes qui n'ont encore pu etre interpretes, tant ils sont archaiques.
„J'espere, Monsieur I. President, que cette nouvelle interessera nos colleg
cette decouverte nous fournit un jalon de plus dans les debuta de l'histoire
egyptienne.* —
(208)
(5) Das ordentliche Mitglied Hr. W. Krause sendet in einem Schreiben an
den Vorsitzenden vom Bord der „Karlsruhe", südlich von Kreta, 23. April, einen
Bericht über den Antritt seiner
australischen Reise.
„In Antwerpen musste ich mich mit dem Lloyd-Dampfer etwas aufhalten und
sah im Musee du Steen ein Dutzend ziemlich merkwürdiger Schädel. Hr. Baron
de Yinck sagte mir, dass sie einer paläontologischen Gesellschaft in Antwerpen
gehörten, die sich jedoch aufgelöst hätte. In dem offiziellen Kataloge des Musee du
Steen, den ich nach Berlin mitbringen werde, sind sie nicht registrirt. Sie stammen
von Ausgrabungen her, mit ein Paar Ausnahmen, die zur Vergleichung aufgestellt
zu sein scheinen; diese sind ganz modern und könnten Negern oder Papua's an-
gehört haben. Zu näherer Untersuchung fehlte mir die Zeit.
„Ein instructives Verfahren sah ich im zoologischen Garten zu Antwerpen.
Man vereinigt wohl überall die Raubthiere, Raubvögel, Straussvögel u. s. w. zu
Gruppen. In Antwerpen aber sind innerhalb der Gruppen die näher verwandten
Arten in räumliche Nachbarschaft gebracht, was die Vergleichung erheblich er-
leichtert. Ausserdem haben die über nur kleine Bezirke verbreiteten Species neben
ihren Namen eine kleine Weltkarte hangen, worauf in rothem Ueberdruck der be-
treffende Verbreitungsbezirk angegeben ist." —
(6) Das Secretariat der Anthropologischen Gesellschaft in Wien übersendet eine
Einladung zu einer Excursion nach Brunn und Umgegend für die Tage vom
27. bis 29. Mai. Der dortige Geschäftsführer, Hr. Alexander Mako wsky, der hoch-
verdiente Erforscher der Brünner Lössfunde, schickt das reichhaltige Programm,
welches vorgelegt wird. —
(7) Der Vorsitzende der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthro-
pologie und Alterthumskunde, Hr. H. Jentsch, übersendet nochmals die Ein-
ladung und das Programm für die am 8. und 9. Juni in Finsterwalde zusammen-
tretende 13. Hauptversammlung der Gesellschaft.
In dem an den Vorsitzenden gerichteten, sehr warmen Begleitschreiben wird
die Bitte um persönliche Theilnahme wiederholt und über das Wachsthum der Ge-
sellschaft berichtet, die gegenwärtig schon 415 Mitglieder zählt.
Der Vorsitzende bedauert, dass die gleichzeitige Tagung des Congresses für
innere Medicin in Berlin es ihm unmöglich macht, an der Versammlung der von
ihm so hoch geschätzten Gesellschaft persönlich theilnehmen zu können. —
(8) Es liegen verschiedene Einladungen zur Theilnahme an belgischen Con-
^ressen vor: ausser dem Congres archeologique de Malines und der Ex-
position internationale (S. 27, 163) wird ein internationaler Congress für
Nerven-Heilkunde, Psychiatrie, Elektro-Pathologie und Hypnologie
auf den 14. bis 19. September nach Brüssel berufen. —
(9) Der schon früh.! (S. 85) besprochene Verein für Bächsische Volks-
kunde, dessen Satzungen eingegangen sind, hat die erste Nummer seiner „Mit-
teilungen" erscheinen lasset —
(10) Aus Hohenstadt in M ist ein Aufruf des „Ausschusses für die Er-
greifung umfassender Schutzmaassregeln zur Erhaltung der deutschen
(209)
Sprachinsel Hohenstadl und Umgebung" eom Jnli 1896 eingesendet worden,
welcher, unter Aufzählung der grossen Opfer, welche die Bürger der kleinen,
kaum 3000 Einwohner zählenden Stadt für die Aufrechthaltung ihrer nationalen
Stellung gebracht haben, dringend um Hülfe bittet. —
(11) Hr. General v. Erckert schenkt für die Sammlung der Gesellschaft eine
Reihe charakteristischer Photographien kaukasischer Typen. —
(12) Hr. E. Rösler übersendet aus Schuscha, 19./31. März, folgende Mit-
theilungen über
archäologische Kunde in Transkaukasien.
1. Photographische Abbildung prähistorischer Thongefässe
von Dshawat, Gouvernement Baku.
Die Aschenkrüge stammen aus dem Kreise Dshawat, Gouvernement Baku,
Transkaukasien, und befinden sich im Besitze des Hrn. Baba Tünebekjanz in
Schuscha. Jn meinem vorjährigen Berichte über archäologische Forschungen in
Fiff. 1. \
Transkaukasien ist dies» s Fundes Erwähnung gethan worden, vergl. Verh.
1896, S. 169, so dass die vorliegende Abbildung als [llastrations-Ergänznng
betreffenden Neu,- ang sehen werden kann. Letztere möchte ich heute noch durch
Verh indl. tt< r Berl. A i
(210)
einige Bemerkungen vervollständigen, da ich unlängst Gelegenheit hatte, die Fund-
objecte einer sorgfältigeren Prüfung zu unterziehen.
Ueber die grosse Aehnlichkeit der Urnen mit denen von Dawschanli-Artschadsor,
Ssirchawande-Ballukaja und Chodshali habe ich mich damals schon kurz geäussert;
sie ist sofort in's Auge fallend: dasselbe Runstverständniss offenbart sich hier, wie
dort, in der vorzüglichen Arbeit, der gefälligen Form und dem originellen Buckel-,
Rillen- und Band-Ornament. Zwar tragen die Gefässe vom Araxes nicht die typische,
schwarze Glanz-Farbe derer vom Chatschenaget u. s. w., doch ist dies — wie an
einzelnen von ihnen, an welchen noch Spuren des schwarzen Ueberzuges bemerkbar
sind — einst der Fall gewesen. Das jetzige verwaschene, graue Colorirt erklärt sich
aus dem längeren Verweilen der Urnen im Wasser des reissenden Flusses Araxes,
aus welchem sie — nach der ganz zufälligen Entdeckung des Depotfundes in Folge
eines Ufer- Abrutsch es — zum Theil mit Netzen herausgefischt worden sind.
Die Analogie zwischen den keramischen Erzeugnissen aus den Bronze-Gräbern
der Flüsse des östlichen Kleinen Kaukasus, und zwar in dem im Norden vom
Chatshenaget und im Süden vom Araxes begrenzten Gebiete, darf somit als fest-
stehend ausgesprochen werden. Alle diese formvollendeten Artefakte machen den
Eindruck, als ob sie aus einer kunstgewerblichen Centrale hervorgegangen seien.
Diese hochentwickelte Periode der Töpferkunst nun fällt in die Bronzezeit mit
den letzten Nachklängen aus der Steinzeit; denn in allen Gräbern, worin solche
Urnen von mir gefunden wurden, bestand die metallische Ausbeute, neben Gold,
Silber und Zinn in unbedeutenden Mengen, nur aus Bronze. Mit dem Ver-
schwinden der Bronze scheint die Blüthezeit der keramischen Industrie hier ein
zeitweiliges Ende erreicht zu haben; wenigstens bin ich in Gräbern aus der
Uebergangszeit von der Bronze zum Eisen, in denen also neben Bronze schon
Eisen auftaucht (Gräber aus der reinen Eisenzeit sind mir bis jetzt in dieser
Gegend überhaupt noch nicht vorgekommen), niemals auf keramische Producte
dieser Art gestossen.
Von den nach Angabe des Besitzers in und mit den Krügen ans Licht ge-
förderten zahlreichen Silberraünzen konnte ich bis heute trotz aller Bemühungen
noch keine zur näheren Untersuchung erhalten, wTas sehr zu bedauern ist, da es
ja höchst wichtig wäre, daraus zu bestimmen, wann ungefähr die Sachen der Erde
anvertraut sein mögen; doch hat Hr. Tünebekjanz versprochen, eine der Münzen
der Kaiserlichen Archäologischen Commission in Petersburg zur Ansicht zu senden.
Ihiss derselbe sieh nach Jahr und Tag nun doch noch entschlossen, seine irdenen
Schätze für einige Minuten dem Objectiv des Photographen preiszugeben, verdient
dankende Anerkennung! —
2. Ein durchbohrter Steinhammer von Horadies,
Gouvernement Elisabethpol.
Der Hammer ist, entgegen meiner Anordnung, vom Photographen leider
nicht von der rortheilhaftesten Seite wiedergegeben worden. Er wurde im vorigen
Jahre etwa 8 Werst nördlich vom Flusse Araxes im Dorfe Horadies, Kreis
Dshebrail, Gowernement Elisabethpol, gefunden. Erdarbeiter stiessen beim Aus-
heben des Grundes zu einem Eausbau auf zwei solcher Instrumente, wobei eines
von ihnen, und zwar «las grössere, »der Wissenschaft wegen" zerschlagen1) und
verworfen wurde. Der im Bilde reproducirte kleinere Hammer aber kam durch
1) Es ist eine sich bei meinen archäologischen Ausgrabungen stets wiederholend«'.
nicht gerade angenehm berühren« Erscheinung, dasa die hiesigen Arbeiter an den aus
(211)
Zufall dem mir bekannten, im Flecken Wank residirenden Pristaw Bachschi-
Bek Ter-Akopoff in die Hände, der sich, gelegentlich seiner letzten Anwesenheit
in Schuscha, bewegen Hess, ihn mir für die Kaiserliche Archäologische Commission
zu überlassen.
Das Material des Artefakts ist graugrüner, sehr fester, von schwarzen und
gelblichen Adern und bandartigen Streifen durchzogener Stein (Serpentin?). Das
sieh nach beiden Enden zu verjüngende Geräth hat eine rundliche, leicht gebogene
Form und läuft vorn, an dem vom Stielloch aus längeren Theile, in eine auf
beiden Seiten mit zwei schläfenartigen Einsenkungen versehene, ziemlich scharfe.
gewölbte, intacte Schneide aus, während der kürzere, hintere Theil in einer stumpfen
Spitze endigt und ebenfalls solche Flankeneinbuchtungen aufweist. An diesem
Ende trägt das Werkzeug, durch das Vergrösserungsglas betrachtet, deutlich erkenn-
bare Spuren seines Gebrauchs in Gestalt von Schrammen und Ritzen. Das Stielloch
ist fassartig geformt und sehr glatt gebohrt. Der obere Rand desselben ist etwas
ausgebrochen, der untere wohlerhalten, sich nach aussen sanft erweiternd. Der
Hammer ist sehr sauber gearbeitet und schön geglättet. Sein Gewicht beträgt
200 g.
Fig. 2.
Der Horadieser Steinhammer erregt nach meiner Meinung besonderes Inter-
esse, da er — soviel mir bekannt — das erste in dieser Gegend Transkaukasiens
gefundene Artefakt ist, welches ohne Zweifel den ausgeprägten Charakter der
Geräthe des neolithischen Zeitalters trägt. Zudem ist die Zahl der hier im
Kleinen Kaukasus gemachten Funde vorgeschichtlicher Steingeräthe, welche zur
positiven Beweisführung der Existenz einer ausgebreiteten Steincultur dienen
könnten, einstweilen leider ja noch eine sehr beschränkte. Die im westlichen
Gebiete des Aras gesammelten, aus den Stollen alter Salzbergwerke stammenden,
Bowie die bei Helenendorf, unfern Elisabethpol, einem Steinbruche entnommenen
Hämmer: — das ist wohl so ziemlich Alles, was das südliche Transkaukasien bis
jetzt von dem am meisten typisi hen Hauptwerkzeug dieser Epoche aufzuweisen hat.
Fast alle diese Instrumente sind aber noch recht mangelhaft gearbeitet: angeglättet
einem Grabe herausgeforderten Gegenstanden, bevor sie sie weitergeben, onbedingi
ihre Kraft versuchen müssen. Geling! ihnen diese dynamische Probe, was ja nicht •
der Kall ist, so pflegen sie mir die Stücke des terbrochenen corpus delicti mit einem viel-
sagenden, verst^dnissinmgeii Grinsen zu überreichen. —
14'
(212)
und ungebohrt, und scheinen — wie sich ja auch durch die Stätte ihres Aufftndens hin-
reichend erklärt — nur zum Losschlagen der Erze und des Gesteins benutzt worden
zu sein, mithin also ihre Entstehung mehr einem örtlichen Bedürfniss verdankt zu
haben. Von einer hier zu Lande entdeckten ausgesprochenen Culturstätte aus der
Steinzeit dagegen kann heute noch keine Rede sein. Gegen die wenigen erwähnten
Steingeräthe bekundet nun der Hammer von Horadies einen ganz gewaltigen kunst-
gewerblichen Fortschritt, und es drängen sich die Fragen auf: woher tauchen hier
plötzlich solche Artefakte mit unverkennbarem Gepräge der jüngeren Steinperiode
auf? Sind sie Ausflüsse einer selbstständigen Cultur oder aus anderen Gegenden
eingeführt?
Vielleicht rechtfertigt sich meine aus der Lage der Dinge resultirende Ver-
muthung, dass an dem Fundorte des Stückes — einem von Gebirgsausläufern ge-
bildeten, sich in der Richtung NW. — SO. gegen den Araxes öffnenden Thale —
ehemals eine neolithische Ansiedlung bestanden haben mag. Um nun dieser Sache
auf den Grund zu kommen, habe ich bei Einsendung des Fundobjects an die
Kais. Archäol. Kommission in Vorschlag gebracht, mich mit der näheren Er-
forschung der Oertlichkeit zu beauftragen. Gelangt diese für die bevorstehenden
Osterferien geplante Untersuchung des Dorfes Horadies und seiner Umgebung zur
Ausführung, so gedenke ich auf der Rückreise einige der am Köndalan-tschai, beim
Dorfe Karabulagh, belegenen, in meinem Bericht über die Dshebrailer Excursion
vom Jahre 1895 schon beschriebenen Grabhügel auszugraben.
Hoffentlich hat der in diesem Jahre überaus andauernde schneereiche Winter
bis dahin das Feld geräumt und der ersehnte Lenz die Bahn über das Gebirge
freigelegt. —
Hr. R. Virchow: Die Mittheilungen des unermüdlich thätigen Forschers er-
regen diesmal besonderes Interesse.
Die Thongefässe schliessen sich den durch die Ausgrabungen der HHrn.
Bayern und W. Belck an der Akstafa und bei Kalakent in grosser Zahl zu Tage
geförderten nahe an. Es wird daher nicht zu bezweifeln sein, dass das ganze
Hochland zwischen Kura und Araxes demselben Culturgebiet angehört hat. Fraglich
erscheint es dagegen, ob dieses Gebiet der reinen Bronzezeit zugerechnet werden
darf. Allerdings haben sich in manchen der Gräber dieses Hochlandes nur Bronze-
Bachen gefunden, weshalb schon Bayern die Gräber an der Akstafa in diese Zeit
versetzte; aber auch er hat sich bei weiteren Nachforschungen überzeugt, dass nicht
wenige Eisengerüthe darin zu finden sind. Wir werden daher, wie bei so vielen
kaukasischen Gräbern, diese Anlagen wohl richtiger dem Beginn der Eisenzeit zu-
rechnen müssen. Immerhin kommen wir damit schon recht weit rückwärts in die
Vorzeit hinein.
Noch viel wichtiger ist der polirte und durchbohrte Steinhammer. Auch mir
ist kein analoges Stück aus Transkaukasien bekannt. Ich linde auch keinen Grund,
Stück in Betreff seiner Annäherung an die jüngere Steinzeit zu bemängeln.
Einen entscheidenden Beweis dafür aber vermag ich in seiner Auffindung nicht zu
erkennen. Bei uns im Norden finden sich, wie ich erst neulich wieder hervor-
gehoben habe (Verhandl. 1896, S. 485), derartige Steinhämmer zweifellos bis in
die Eisenzeii hinein. Dass auch in dem fernen Südosten Aehnliches vorgekommen
sein mag, wird einigermaassen wahrscheinlich durch den Umstand, dass Stein-
i. immer in verschiedener form und Grösse auf dem armenischen Plateau recht
häufig, und zwar unter Umständen, welche kein so hohes Alter anzeigen, gefunden
werden, ja dass noch beut zu Tage Stmnhämnier dort vielfach im Gebrauch sind. Ich
(213)
verweise deswegen auf meine Mitteilungen in früheren Verhandlungen (1881
S. llä; 1882, S. 215; 1884, 8. .r>«7). Das in der Abbildung dargestellte Stück
zeichnet sich jedoch vor den gewöhnlichen Steinhämmern durch Beine künstliche
Glättung und die correcte Bohrung vorteilhaft aus, und ich erkenne an, dass es
in liöherem Maasse an die Form der ueolithischen Zeit erinnert. Nur möchte i' h
nicht verschweigen, dass die vorspringende und verhältnissmässig Bcharfe, gel"
Schneide schon stark an metallische Vorbilder erinnert. —
(13) Von Hrn. J. D. E. Schmeltz ist ein neuer, vollständiger Abguss des
seiner Zeit (Verh. 1896, S. 186) angemeldeten japanischen Schädel-Artefaktes
eingegangen, das Hr. Serrurier mit dem Pithecanthropus erectus Duh. in Be-
ziehung gebracht hatte.
Hr. Rud. Virchow legt dasselbe vor, bezweifelt aber, dass irgend eine solche
Beziehung bestanden haben könne. Der Hirntheil dieses Schädels hat nicht die
mindeste Aehnlichkeit mit dem Fragment des Pithecanthropus. Der Gesichtstheil
ist allerdings in vielen Stücken thierähnlich , namentlich in Betreff des colossalen
Gebisses; da jedoch von diesem Theil an dem Pithecanthropus nichts erhalten
ist, so lässt sich auch keine Vergleichung anstellen. Im Ganzen macht das Artefakt
jedoch so sehr den Eindruck einer Carricatur, dass an ein naturalistisches Vorbild
desselben kaum gedacht werden kann. Es handelt sich wohl nur um das Er-
zeugniss einer durch die sonderbaren Götter- und Dämonen -Figuren der Ost-
Asiaten erregten Phantasie. —
(14) Hr. V. Gross übersendet unter dem l'4. April aus Xeuveville die
Photographie einer eisernen Dolchklinge aus dem Hieler See.
Der Dolch ist in der Nähe von Xeuveville in einer Tiefe von t>0 cm in dem
Seesande gefunden worden. Er ist 47 cm lang, wovon 33 cm auf die Klinge
fallen. Er hatte einen hölzernen Griff und steckte in einer Lederscheide, die mit
einer Bronze-Garnitur verziert war. Auf einer Seite des Griffes fand sich in der
ganzen Länge eine Reihe schwer zu deutender, an gothische Schriftzeichen er-
innernder Gravirungen, über welche ein Gutachten gewünscht wird. —
Hr. E. Fried el hat das Stück, welches der letzten Zeit des Mittelalters an-
zugehören scheint, durch Dr. Bahrfeldt untersuchen lassen. Dieser erkennt data;-,
ein AVE MARIA und Aehnliches. -
(15) Hr. J. A. Jentsch in Dresden übersendet weitere Bemerkungen über das
Wort Kinkel.
Bei der Frage, ob das plattdeutsche Wort Kurkel als Bezeichnung einer
Pantoffel-Art von dem deutschen Worte Kork oder aus dem Slavischen abzuleiten
sei (Verhandl. 1896, S. 186), kann es gestattet sein, auf Johann Beckmann
zu verweisen. Dieser erzählt auf S. 481 im 2. Bande seiner „Beyträge i
schichte der Erfindungen" von dein Korke, dass man schon im alten Rom. wie
noch zu semer Zeit (1788 in Deutschland, aus dem Korke Sohlen machte, die
in die Schuhe gelegt wurden, um die Küsse, sonderlich im Winter, wider Nässe zu
sichern Vsus praeterea in hiberno fcininarum calceatu. Plin.). Beckmann be-
richtet weiter: „Weil man damals noch uicht die bohen Hacken an den Schuhen im
Gebrauch hatte, so legten die Mädchen, welche gern grösser scheinen wollten, als
sie waren, recht viel Kork unter Xenophon de tuenda re Tamil., und Clemens
Alex. lib. 3 paedag. ' h Beckmann wurde im 16. Jahrhundert in Frankreich
der meiste Kork zu Sohlen verbraucht [Karl Stephanus in seinem Praedium ru-
(214)
sticum vom Jahre 1553: cortex ad nos plurimus defertur, muniendis adversus fri-
goris injuriam hieme calceamentis). Ueber den Namen Kork sagt Beckmann auf
S. 477: Dass Suber der Lateiner unser Korkbaum sei, wird allgemein angenommen,
und das mit Recht. Offenbar meldet Plinius von ihm Alles, was Theophrast
vom cfieXta'c gesagt hat (üb. 16. cap. 8. p. 7.), und überdem ersieht man aus seiner
Nachricht, dass man schon zu seiner Zeit vom Korke fast einen so mannichfaltigen
Gebrauch wie jetzt gemacht hat. Unser deutscher Name Kork ist wohl mit der
Waare selbst zu uns aus Spanien gekommen, wo man dieselbe corcho (de alcor-
noque) nennt, ursprünglich ist es gewiss cortex der Lateiner, die schon selbst den
Kork ohne weiteren Zusatz corticem genannt haben. So sagt Horaz Od. 111, 4:
tu levior cortice, und Plinius: non infacete Graeci (suber) corticis arborem
appellant. —
(IG) Hr. Sanitätsrath Dr. Köhler in Posen übersendet unter dem 9. Mai
folgende Mittheilung über
Geflügelte Lanzenspitzen.
In der Nähe der Stadt Obornik, Pr. Posen, holten Fischer vor 2 Jahren in
einem Netze aus der Warthe zwei eiserne Lanzenspitzen heraus, welche jetzt in meiner
Sammlung sich befinden. An der Fundstelle soll früher eine Fuhrt gewesen sein.
Da eine dieser Speerspitzen unbedingt in unserer Gegend zu den grössten Selten-
heiten gehört, ja wohl ein Unicum ist (denn trotz meiner Recherchen konnte ich
keine zweite in der Provinz nachweisen), so werde ich dieselbe genauer beschreiben,
ehe ich zu weiteren Bemerkungen und Erläuterungen übergehe.
jj. 1 2/ '• Geflügelte Lanzenspitze (Fig. 1). Dieser Speer
hat zu beiden Seiten der Tülle je einen querstehenden Haken;
diese bilden mit der Klinge und Tülle gleichsam ein Kreuz.
Dies Speereisen ist 55 cm lang, wovon auf die Tülle 16 cm
abgehen. Die spitze, flache Klinge steigt sanft nach der
Mitte zu, ohne eine Rippe zu bilden, und misst an der
breitesten Stelle 5,5 cm. Nach unten zu verjüngt sich die
Klinge und geht in die Tülle über, die wiederum an dem
offenen Ende breiter wird. Die Seitenflächen der Schaft-
röhre oberhalb der Flügel sind flach, nicht abgerundet, und
bilden langgestreckte Dreiecke, deren spitzer Winkel oben
in die Schneide der Klinge ausläuft. An den Seiten des
unteren Drittels der Tülle befinden sich zwei Zapfen, wie
die Querstangen an Schwertern; ihre oberen und seitlichen
Kanten sind gerade, die unteren dagegen bilden einen halben
Bogen. Der obere Rand der Flügel ist 5,5 cm, der seitliche
1,5 cm lang. Unter beiden Flügeln befindet sich je ein
durch die Wand der Tülle durchgehender Nietnagel. An
Her inneren Tüllenwand haften Reste des Holzschaftes. Der
Speer ist an einigen Stellen durch Rost angegriffen, die
Tülle an einer Seite der Länge nach geplatzt.
2. Die weidenblattähnliche Speerspitze (Fig. 2).
Die Länge beträgt 45 cm, die grösste Breite 4 cm. Die
13 cm lange Tülle ist an dem Schaftende breiter, ihr Rand
durch Etosi zerfressen, Nietenöffnungen sind nicht vorhanden.
Der Speer ist gut erhalten, an einzelnen Stellen mehr oder
(215)
mein oder weniger durch Rost angegriffen. Die Klingenfläche erheb! Bich leicht
nach der Mitte zu, eine Mittelrippe besteht nicht.
Eine besondere Würdigung erfordert die Lanzenspitze mit seitlichen
Zapfen (Fig. I) schon deswegen, weil sie das erste Exemplar ist, welches "'
in früher polnischen Ländern, ja im Osten, gefunden wurde. Ls drängt
sich aiier auch die Präge auf: ist diese Art von Lanzenspitze Blavischer
Herkunft, wie es behauptet wurde? oder welchen Landes Erzeugniss?
und auf welchen Wegen ist sie in das Posensche gekommen? Zum
Kchluss will ich auch zu erklären mich bestreben, welchem Zwecke
diese Haken, Zapfen, Querstangen, auch Flügel genannt, dienten.
um ein Urtheil fällen zu können, welches Volk zuerst Ilaken
,in den Lanzenspitzen anbrachte, die unbedingt einen praktischen Zweck
heim Kample verfolgten, und aus welchem Lande dieselben über die Nach-
bargrenzen herübergekommen sind, muss man unter Berücksichtigung
der. entsprechenden archäologischen Literatur eine Einsicht in die
grossen, neuesten Werke über die Trachten thun. Auf Grund des ge-
sammelten Materials wird es sich ergeben, wo man diese Waffen am
zeitigsten und am häufigsten in Gebrauch zon1. Da diese Speere schon
in die theilweise historischen Zeiten fallen, werden wir auch die Wege,
auf denen sie zu uns gelangten, näher nachweisen können.
Walery Eljasz stellt in seinem Werke (Ubiory wt Polsce i u
sasiadöw. Krakan 1879. Bd. I, Th. 1 u. 2) in Stichen einige geflügelte
Lanzenspitzen dar. Auf Taf. I, Nr. 4 u. 5 sehen wir zwei fränkische
Soldaten aus dem IX. Jahrb.., die mit Lanzen bewaffnet sind, deren
Spitzen Flügel zeigen mit dem bogenförmigen Ausschnitt, wie beim
Speer von Obornik. Diese Zeichnungen sind nach Quicherat: Histoire du costume
en France, abgebildet.
Ein nach dem Psalterium aus der Bibliothek zu Stuttgart dargestellter Krieger
hat ein Panzerhemde und ein Schild, ausserdem in der Rechten eine Lanze, deren
Spitze mit zwei Haken in der Form von Parallelogrammen versehen ist. Auf der-
selben Tafel Nr. 22 befindet sich noch eine nach Quicherat abgebildete Speer-
spitze, deren Querbalken nach oben zu gewendet sind. Diese beiden Lanzen werden
dem X. Jahrh. zugeschrieben.
Nach Weiss (Costümkunde) stellt Eljasz auf Taf. VIII Nr. 14 einen Ritter
aus dem XI. Jahrh. nach dem Evangeliar zu Bamberg dar. dessen Lanzenspitze
Flügel in Form zweier Parallelogramme bat.
Auf Tai'. XI, Nr. 6 sehen wir die durch Otto III. dem Polenkönige Boleslaus
im Jahre KHK) verehrte und in der Kathedrale zu Krakau aufbewahrte Lanze des
hl. Mauritius im Such wiedergegeben. Leber diese Lanze hat Graf Alexander
I'rze/dziecki (O wlÖCZni zwanej 'S. MauiyCCgO piv.cchowancj w skarheu Kaledry
Krakowskiej. Warschau I86u eine grössere Monographie geschrieben. Aus dieser
historischen Studie erfahren wir, dass die eben erwähnte Lanze eine Nachbildung
der eigentlichen „heiligen" Lanze ist, deren sich der hl. Mauritius bediente, welcher
im Jahre 286 starb. Die deutschen Kaiser vertheilten Lanzen, welche eine mit
Reliquien versehene Nachbildung der Lanze des hl. Mauritius waren, an Pursten als
Zeichen der Souveränität; eine solche Lanze erhielt auch von Otto 111. Boleslaus
von Polen. Przezdziecki bringt eine Abbildung der in Wien aufbewahrten
„heiligen" Lanze, wie auch der an Boleslaus geschenkten. Sie ähneln einander,
sind aber nicht gleich: beide haben aber die uns jetzt näher angehend - s haft:
beide haben ebensolche Flügel mit dem bogenförmigen unteren Ausschnitt, wie die
(216)
Lanzenspitze von Obornik. Beide entstammen aus dem Westen, denn dass die
Wiener Lanze nicht mit der, mit welcher Christus durchbohrt wurde, identisch ist,
hat Przezdziecki vollkommen nachgewiesen.
Auf Taf. XV, Nr. 13—21 befinden sich unter den Susdalen, die Nowogröd
überfielen, 3 Lanzenträger, dargestellt nach einer Miniatur aus einem Mannscript
vom XII. Jahrb.. Die Lanzenspitzen sind zu den Seiten mit balkent'örmigen Fort-
sätzen versehen.
Premislaus I., Fürst von Masovien, ist auf dem Siegel eines Diploms vom Jahre
1252 mit einer Lanze dargestellt, an der zwei Zapfen in der Gestalt von Parallelo-
grammen sich befinden, unter denselben ein Fähnchen (Taf. XVIII, Nr. 4).
Ein Soldat des XIII. Jahrh. erscheint nach einer Miniatur des Manuscripts der
Leipziger Bibliothek mit einer Lanze bewaffnet, deren Spitze geflügelt ist (nach
Hefner, Taf. XXII).
Auf den Siegeln, welche Zakrzewski (Codex, dipl. majorisPoloniae. Posenl881),
Stronczynski (Kilka slow o dawnych piecz^eiach w ogolnosci a w szczegolnosei
o dawnych pieczeciach polskich. Przeglad bibliograficzno-archeologiczny. Warschau
1881) und Piekosiiiski (Materjaly sfragistyczne. Wiadomosci numizmatyczno-
archeologiczne. Krakau 1892) beschrieben und in Abbildungen wiedergegeben haben,
finden wir keine geflügelten Lanzenspitzen, obgleich Lanzen auf ihnen vorkommen.
Die polnische Literatur bringt, wie wir uns überzeugen, wenig Beweise dafür, dass
in den polnischen Ländern geflügelte Lanzenspitzen in Gebrauch waren. Ihre An-
wendung im weiten Osten, im XII. Jahrb., weisen nur die Susdalen, welche den
Angriff auf Nowogröd bewirkten, nach.
Im Westen bediente man sich im Kampfe viel öfter und schon zeitiger der
geflügelten Lanzenspitzen, was eine Durchsicht des neuesten, sehr umfangreichen
ethnologischen Werkes von Fr. Hottenroth (Trachten u. s. w. Stuttgart 1891) nach-
weist. Im II. Bde., Taf. 21 sind 3 Speere mit Flügeln, die den Franken vom VI.
bis XIII. Jahrh. zugeschrieben werden, abgebildet. Die Flügel sind nach der Spitze
zu ausgebogen, andere bilden nur Knöpfe, das dritte Paar hat die Gestalt von
Parallelogrammen. Zwei Speere, die auch Lindensehmit angiebt, und die wir noch
später berücksichtigen werden, sind auf Taf. 72, Bd. I dargestellt; beide stammen
aus der franko-merovingischen Zeit.
Den Franken oder Langobarden schreibt Hottenroth die auf Taf. 71, Bd. I
abgebildete geflügelte Lanzenspitze zu. Ein aus dem VIII.— IX. Jahrh. nachgebil-
deter Krieger auf Taf. 74, Bd. I hat an der Lanzenspitze Querbalken; dies ist
ein Krieger der karolingischen Zeit.
Aus dieser Zeil sehen wir auch die Abbildung eines byzantinischen Soldaten,
VIII.— XI. Jahrh. (Bd. I, Taf. tiü), mit einer Lanzenspitze, an deren Tülle zwei
Paare Flügel angebracht sind.
Auf Taf. 1«>, Bd. II sehen wir einen Deutschen des X. Jahrh., der mit einer
Lanze mit geflügelte] Spitze bewaffnet ist, einen anderen aus der Regierungszeit
Ottos II., weiter schoi iu dem XV. Jahrh. einen Gerichtsboten und aus der ersten
Bälfte des XVI. Jahrh. Soldaten (Bd. II, Taf. 43 und 49).
Aus Italien hat sieh in den Jahrbüchern von Genua die Abbildung eines
Ritters des XII. Jahrh. mit geflügelter Lanzenspitze erhalten (Bd. II, Taf. 27). Im
XV. Jahrh. waren italieni laten mit Lanzen mit geflügelten Spitzen bewaffnet
MM. II. Taf. 86.)
Aus Skandinavien giebl och Hottenroth (Bd. II, Tal'. 2!») einen Bitter des
XIV. Jahrh., dessen Bpeerspitze mit Flügeln versehen ist.
(217)
Die Flügel der erwähnten Lanzenspitzen bilden fast durchweg Parallelogramme,
welche, wie hei den Deutschen des XVI. Jahrh., an den Enden in Knöpfe aus-
lauten. Die Flügel der Speerspitzen, welche wirzuersl aus dem Hottenroth
Werke angeführt haben, auf welche wir aber noch einmal zurückkommen m
aus der franko-merovingisehen Zeit baben die Gestalt von Ilaken. die nach dem
Schafte zu gebogen sind. An keiner dieser Lanzenspitzen treffen wir die Form der
Flügel der Oborniker Speerspitze.
Aus dem goldenen Codex zu St. Gallen führt Dem min (Die Kriegswaifen in
ihren geschichtlichen Entwickelungen von den ältesten Zeiten bis auf Hie Gegen-
wart. Gera 1891, s. 359) einige, mit Lanzen mit geflügelten Klingen bewaffnete
Krieger aus dem VIII.- -IX. Jahrh. an. Weiter giebt er (S. 830) bei der Be-
schreitung der Partisanen Abbildungen solcher, die aus der Schweiz und Deul
Land stammen und die er auf das X V. Jahrh. verlegt. Der bogenförmige Ausschnitt
am unieren Rande der Flügel erinnert sehr an die Gestalt der Zapfen der Obornikei
Lanzenspitze, doch bildete letztere nicht den eisernen Theil der Partisane, die in
Polen last oder wohl gar nicht in Anwendung kam.
Die Oborniker Speerspitze ist, was die Gestalt anbetrifft, vollkommen gleich der
Speerspitze, welche Lubor Xiederle (Bemerkungen zu einigen Charakteristiken
der altslavischen Gräber, Mittheil, der anthrop. Gesellschaft in Wien 1894. IV.
S. -Jos; abbildet. Diese wurde in Thunau bei Gars, NTiederösterreich, gefunden
und beündet sich im naturhistorischen Museum zu Wien. Leider hat Xiederle
dieselbe nicht näher beschrieben, auch auf directe Anfrage keine Antwort gegeben.
Aus einem freundlichen Briefe des Hrn. Dr. Much erfahre ich, dass diese Lanzen-
spitze der Oborniker gleicht, doch kleiner ist. Sie wurde mit frühslavischen
Sachen gefunden. Xiederle erwähnt weiter eine ähnliche Lanzenspitze aus Burg-
Lengen leid eigentl. Burglengenfeld), welche er in den Sammlungen der Akademie
zu .München gesehen hat: wir müssen auf sie bei Erörterung der Abstammung dieser
geflügelten Lanzenspitzen noch einmal zurückkommen. Derselbe Verfasser wieder-
holt die Aufzählung derartiger Lanzenspitzen durch Lindenschmit (Handbuch
der deutschen Alterthumskunde I. S. 170). Nach diesem giebt es zwei im
Mainzer Museum, zwei aus Bessungen im Privatcabinet des Grossherzoss in
Darmstadt, ein Exemplar aus Greisch, eines aus Severy in Waadt, zwei aus
Gräbern in Charmay, fünf aus Gräbern der Norm andie. An diese reiht Xiederle
noch diejenigen, welche er während seiner Reisen gesehen oder über welche
er Notizen in der Literatur gefunden hat. Keiner ersehen wir. dass der Wi -
die zahlreichsten Fundstellen lieferte: eine derartige Speerspitze wurde gefunden
in Amiens, -1 in i\cv Themse, aufbewahrt im British Museum zu London, wo sich
auch die geflügelte Lanzenspitze von Alice St Keine, röte d'Or, befindet Im
Biusee des Antiquites nationales in St. Germain -en-Laye sind solche aus der
Merovinger Zeit von anbekanntem Fundorte. Weiter wurden sie gefunden in
Andernach, in Mestloch bei Polch, in Kaltenengers Rheinprovinz . wie auch in
Reihengräbern von Thalmässig. Das Museum in Nürnberg besitzt ihrer 5 Stück.
In Oxford. Paris. Bologna, Florenz sah sie Xiederle nicht: aus seinem Berichte
entnehmen wir aber die Nachricht, dass in Böhmen in Kresfovic eine bronzene
geflügelte Lanzenspitze gefunden wurde. In Bolen und Russland sind sie nach
diesem Verfasser mein bekannt; in .Moskau bat er zwar ein Exemplar gesehen, doch
ist es am Schwarzen Meere gefunden worden und von gothischer Berkunft.
oben erwähnten Susdalen! Die Hercegovina hat aus dem Bilecer Kreise ein
Exemplar -eliefert. In .lem vorher citirten Werke hat Lindenschmit i LhereAn-
(218)
gaben über die Mainzer geflügelten Lanzenspitzen nicht gegeben, da er dies in
einem anderen Werke geth an hat, und zwar in den „Alterthümern unserer heidnischen
Vorzeit", Mainz 185S. Heft I, Taf. 6. Unter Nr. 6 steht daselbst die Abbildung einer
der Oboraiker ganz ähnlichen Lanzenspitze, die 47,5 cm lang ist. Die Schaftröhre
misst lo,5 cm, das Blatt in der grössten Breite 5 cm. Die Flügel haben die
Gestalt von Dreiecken, ihr oberer Rand ist 2,5 cm lang. Der Fund wurde in
Reihengräbern zu Nackenheim ^einacht und stammt aus der fränkisch-alemannischen
Zeit. — Die zweite Oborniker Lanzenspitze entspricht vollkommen der von Linden-
schmit Taf. 9, Nr. 26 des I. Heftes gegebenen, welche zu Schierstein in Nassau
gehoben wurde. Ihre Länge beträgt 55 cm, wovon auf die Tülle 12,5 cm gehen.
Der freundlichen Mittheilung des Herrn Dr. Pallat nach befinden sich im
Museum zu Wiesbaden zwei geflügelte Lanzenspitzen; da sie nicht beschrieben sind,
so gehen wir auf dieselben näher ein. Die in Heimersheim (Rheinhessen) mit
fränkischen Altsachen gefundene Lanzenspitze entspricht der Oborniker. Die Flügel
haben dieselbe Gestalt mit dem unteren bogenförmigen Ausschnitt. Der obere
Rand misst 4,5 cm. Die ganze Lanzenspitze ist 50 cm lang, die Tülle selbst 12 'in.
Bei der zweiten Lanzenspitze sind die Haken nach oben zu gebogen. Die Klinge
ist kurz, sie misst nur 15 cm, während die Tülle 22 cm lang ist. Diese Lanzenspitze
ist in Wiesbaden gefunden worden, nähere Umstände sind unbekannt.
Wir wollen noch auf die Erörterung der Lanzenspitzen mit Zapfen, wie sie im
Norden gefunden wurden, eingehen, zumal da ihr Alter und ihre Abstammung sich am
genauesten nachweisen lässt. Im Museum zu Kiel befinden sich 3 geflügelte Lanzen-
spitzen, die fast der aus Obornik gleich sind. Sie wurden theils in Brand-, theils
Skeletgräbern gefunden, und zwar in Begleitung von anderen Gegenständen. Eine
ausführliche und genaue Beschreibung verdanken wir Fräulein Mcstorf. In den
Mittheilungen des anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein I. Heft, Kiel 1888,
hat sie die Resultate der Ausgrabungen des Gräberfeldes von Immenstedt in S.-
Dithmarschen bei Meldorf niedergelegt. Das Interessanteste für die uns be-
schäftigende Frage finden wir in der Beschreibung des unter IX (S. 15) angeführten
Grabes, dessen Topographie in einer Abbildung erläutert ist. Dieses sehr reich
ausgestattete Grab barg unter Anderem (Schwert, Schild buckel, Speer, Beschläge,
Pfeile, Sporen, Steigbügel, Schnallen, Dolch) auch eine geflügelte Lanzenspitze,
die zur linken Seite des Schädels lag, mit der Spitze denselben überragend.
Diese Lanzenspitze, deren Abbildung noch einmal auf Tafel 2 gegeben ist, ent-
spricht ganz der Oborniker. Die Zapfen, wohl durch Rost vernichtet, zeigen
keine regelmässigen Ränder, dagegen ist das Blatt ganz dem Oborniker gleich. Die
Lanzenspitze isi 45 cm lang, das Blatt misst an der breitesten Stelle 5,5 cm, eine
Mittelrippe fehlt gleichfalls. Die Tülle ist 11 cm tief, an den inneren Wänden haften
Bolzfasern. Im Ganzen wurden 2!) Gräber aufgedeckt, in keinem sonst fand man
eine Lanzenspitze, auch nicht von anderem Typus. Alle Gegenstände waren aus
Elisen, nur ein Stück einer Fibel war aus Bronze; die eisernen Steigbügel waren mit
Bronzedraht nmwund Die Gräber zeichneten sich aus durch ihren Inhalt von
Bachenrinde, in welche wohl die Leichen eingehüllt waren.
Im den epikritisch« n Bemerkungen erwähnt Frl. Mestorf noch, dass in Fre-
iii) Kreise Hasted t, wie auch in Krinkberg je eine Lanzenspitze des Immen-
Btedter Typus gefunden wurde. Beide belinden sich im Museum zu Kiel. (In
auf meine Anfrage freundlich ertheilten Antwort nennt Frl. Mestorf den
letzt angegebenen Ort Schemfeld.) Die Ausbeute in Krinkberg brachte ausser
der geflügelten Lanzeuspitzi h 90 Denare Karls d. Grossen, Bruchstücke von
(219)
Silberschmuck und Hacksilber. Die Haupttypen dieser Münzen hat Frl. Mestorf
in den ., Vorhistorischen Alterthttmera ausSchleswig" anter Beigabe ron Nachbildungen
auf 52 Tafeln dargestellt. Der Schatz enthielt keine orientalischen Münzen, es fehlt
ihm also das Charakteristische der späteren Hacksilberfunde. Frl. .Mestorf hält
die Gräber von tmmenstedt, Frestedl und Krinkberg für gleichzeitig, was die
charakteristischen Fundstücke rollkommen erweisen. Weiter rerlegi die l erehrte
und unermüdliche Forscherin die Gräber in die Zeit des VIII. and IX. Jahrh.,
i" die Zeil der blutigen Kämpfe der Sachsen mit Karl d. Grossen und seinen
Vorgängern, die das Christenthum hier einzuführen strebten. Auch diese Ansicht
theilen wir gern, doch können wir nicht annehmen, dass manche Fandgegenstände
nicht (S. 29) fränkischen Ursprungs sein sollten, besonders die mit Seitenflügeln
versehenen Lanzenspitzen. Unserer Meinung nach stand die Wiege (sif venia verbo)
dieser Speerspitzen im Lande der Franken, von wo sie sich unter die Nachbarvölker
verbreitet haben. Hier sind sie schon viel früher, als im VIII. Jahrh., bekannt und
angewandt gewesen. Die immer neu aufgenommenen Kriegszüge Karls d. Grossen
erforderten immer neuen Vorrath davon, immer zahlreicher fanden sie sich in den
Händen des kriegerischen, fränkischen Volkes und gingen als Beute zu den Nachbar-
völkern über. In heissem Kampfe schwer errungene Beute waren wohl die in Schleswig
gefundenen geflügelten Lanzenspitzen, wie auch wohl die dort gefundenen, dem
tapferen Krieger ins Grab mitgegebenen Denare als Kriegsbeute anzusehen sind. Die
mit Schwert und Lanze geführte blutige Bekehrung der Sachsen und Dänen musste
Widerstand und Abwehr hervorrufen, was wiederholte Angriffe der Franken not-
wendig machte, die erst nachliessen, als Karl d. Grosse mit Gewalt die Sachsen
in seine Länder überführte und ansiedelte. 33 Jahre, von 77-2— 80-J, dauerte diese
gewaltsame Bekehrung.
Der Kampf zwischen Franken und Slaven. der schon im Jahre 630 begann.
wie Boguslawski nachgewiesen hat (Dzieje Slowiatiszczyzny pösnorno zachodniej
do polowy wieku XIII. Dziedo uwienezone na konkursie Tow. Grzyjaciöl Xauk.
d. h. Die Geschichte der nordwestlichen Slaven bis zur Hälfte des XIII. Jahrh.) Posen.
1892, Bd. III), wurde sehr heftig zu den Zeiten Karls d. Grossen und seines Nach-
folgers Heinrichs des Frommen. Im Jahre 810 überschritt Karl d. Grosse das rechte
Ufer der Elbe und gründete Hamburg, um schon im nächsten Jahre die Slaven auf
dem linken Ufer unterwürfig zu machen. Heinrich der Fromme mischte sich weiter
in die Angelegenheiten der Slaven, doch waren sein Schwert und seine Lanze weniger
glücklich. Wir wollen uns nicht weiter in diese Kämpfe einlassen, es genügt für
unsere weiteren Deductioiien der Hinweis auf diese Vorgänge.
Aus der Zusammenstellung, die ich oben gegeben habe, geht hervor, dass in
Avn von Franken bewohnten Gebieten die besprochenen Lanzenspitzen in 39 jetzt
bekannten Exemplaren gefunden worden sind. Einige davon werden von Kennern in
das VT. Jahrh. verlegt, mit der Annahme, dass sie bis in das XIII. Jahrh. An-
wendung landen. In den Nachbarländern sind sie nur vereinzelt, höchstens in
drei Exemplaren, aus der Erde gehoben worden; man kann sie hier nur dem
VIII. bis IX. Jahrh. zuschreiben. Nach Osten zu auf den früher polnischen
bieten steht die Lanzenspitze von Obornik als Unicum da; wir linden hier
nur zweimal Nachbildungen auf Siegeln, auf denen sie als Symbol der Souveränität
erscheinen. Die mit Zapfen versehenen Lanzenspitzen der Susdalen, wie auch
die zu Moskau aufbewahrte, scheinen von Südosten abzustammen.
Einer geflügelten I anzenspitze müssen wir noch gedenken, nämlich der in
Krakau sich befindenden, der des hl. Mauritius. Auch sie ist ein [mportstttes
Westens, eine Nachbildung der vom hl. Mauritius heldenmüthig (reführten. Ich
(220)
möchte sie als Prototyp der späteren, im Lande der Franken auftretenden Lanzen an-
sehen, denn ehe die dem III. Jahrh. entstammende Lanze in den Besitz des römisch-
deutschen Kaisers kam, war sie Eigentimm fränkischer Fürsten.
Die geflügelte Lanzenspitze von Obornik ist kein locales Erzeugniss;
man kann nicht annehmen, dass, wenn sie eine von den dortigen Einwohnern öfter
oder stets gebrauchte Waffe gewesen wäre, sie nur in einem Exemplare sich vorfinden
sollte, zumal da unsere Sammlungen sehr reich an hiesigen Fundstücken sind.
Unserem Dafürhalten nach kam sie zur Zeit Karls d. Grossen in den Besitz eines
an den Ufern der Elbe wohnenden Slaven. um von dort auf Handelswegen oder
als Beute Eigenthuui eines Kriegers aus der Gegend von Posen zu werden.
"Wenn wir diese Hypothese annehmen, so müssen wir die Lanzenspitze mindestens
in die Hälfte des IX. Jahrh. verlegen; denn der Weg von der Elbe bis zur Warthe
konnte zu jener Zeit nicht schnell zurückgelegt werden, und eine so kostbare
Waffe kam nicht leicht von Hand zu Hand.
In seiner oben erwähnten Abhandlung sagt Niederle, dass Prof. Ranke in
München sich seiner Zeit geäussert habe, diese Lanzenspitzen seien slavisch. Auf
meine Anfrage erhielt ich jedoch von diesem Herrn die Antwort, dass er nie diese
Ansicht gehabt habe; die münchener Lanzenspitze wurde zwar in Burglengenfeld mit
slavischen Sachen gefunden, aber gerade deswegen setzt sie der hochverehrte Pro-
fessor in die karolingische Zeit und lässt sie fränkischen Ursprungs sein. „Die
Slaven in Bayern wurden erst von Bamberg aus vom XI. Jahrhundert an gänzlich
christianisirt.1'
Wozu dienten nun diese Zapfen, Haken, Flügel an den Lanzenspitzen '? Gewiss
nicht zur Zierde, sie mussten einen praktischen Zweck haben.
Linde nsch mit (a. a. 0.) behauptet, dass diese Querstangen verhindern sollten,
dass die Lanzen nicht bis an die Stange in den Leib des Gegners eindrängen.
Ein Brechen des Schaftes könnte stattfinden, und man müsse eine grössere Kraft
anwenden, um die tief eingedrungene Spitze herauszuziehen. Aber auch die Kraft,
die dazu nöthig wäre, um einem Menschen die über einen halben Meter lange und
dabei noch breite Lanzenspitze in den Körper einzutreiben, müsste bedeutend
grösser sein, ja die eines Menschen könne dazu nicht ausreichen. Darin kann
man Lindenschmit nicht beistimmen.
Man glaubte, die Querstangen hätten zur Abwehr der mit dem Schwerte er-
theilten Schlüge gedient. Diesen Zweck konnte man aber nicht ausführen, denn
der Lanzenträger kam nie in die Lage, solche Schläge abzuwehren. Der Angriff
mit der über 1 m langen Lanze geschah aus einer gewissen Entfernung, in welcher
ein Hieb mit dem Schwerte oder einer anderen Waffe den Lanzenträger nicht er-
reichen konnte, daher war auch Pariren nicht angezeigt.
Wenn auch die Flügel oder Zapfen an den uns beschäftigenden Lanzenspitzen von
verschiedener Gestalt sind, so stellen sie doch stets Haken dar. In dieser Eigenschaft
liegt ihre Aufgabe, ihr Zweck. Der Feind schützte seinen Körper mit dem Schilde:
der gut gelenkte Schild nahm den Hieb und den Stoss auf; durch den Schild ge-
deckt, versuchte man den Gegner anzugreifen, und es war daher sehr wichtig, den
Schild schon aus einiger Entfernung dem Feinde zu entreissen, ihn blosszustellen,
ehe er einen wohjgezielten Hieb thun konnte. Hierzu dienten die Haken, welche
man auf den Rand des Schild aiT: während man ihn gewaltsam zurückzog, ver-
suchte man schnell, dem entblössten Feinde mit der Lanze einen Such beizubringen.
Gleichzeitig, ahn' auch schon früher, wandten, denselben Zweck verfolgend, die
Franken Wurfspeere (framea, angon) an; darin linden wir nicht nur eine Analogie,
sondern aueh eine Bestätigung der eben gegebenen Erklärung. Diese starken Wurf-
(221)
Speere hatten an ihren Klingen Bcharfe Widerhaken; man warf sie gegen den Schild,
jn welchem sie fest stecken blieben. Schnell sprang dann der Krieger zu, trat mit
dem Passe auf die Stange, der Schild neigte sich und der nun entblösste Feind wurde
mit dem Schwerte, der Francisca oder einer anderen Hiebwaffe angegriffen. -
(17) Hr. H. Schumann übersende! ans Löcknitz, ■'• April, folgenden Bericht
Eiber ein
Bronzeschwert aus der Peene.
Auf dem Flussbette der Peene, in der Nähe von Demmin, wurde vor Kurzem
ein Bronzeschweli gefunden, welches durch seine vorzügliche Erhaltung aus-
gezeichnet ist und einen nicht gerade häufigen Typus repräsentirt.
Das Sehwert hat ein Gewicht von 650 g
und eine Länge von 590 mm, wovon 111 mm
auf den Griff kommen. Die Klinge (Fig. 1)
ist 33 mm breit, schilfblattförmig, nach der
Mitte hin etwas verbreitert, unten scharf zu-
gespitzt. Dabei ist sie gewölbt und mit einem
'leiten Biittelgrat versehen, der nach Aussen
durch je eine vertiefte Linie begrenzt wird.
Der tief ausgeschnittene Grill- Ansatz ist mit der
Klinge durch zwei Niete verbunden.
Der Griff (Fig. 3) ist nicht rund, sondern
flach achtkantig. Ornamentirt ist derselbe durch
10 herumlaufende Bänder von abwechselnden
Horizontalreifchen und concentrischen Kreisen.
Der Knauf ist oval, an der Unterseite verziert
durch kleine eingepunzte Halbkreischen , die
radial vom Griffe abgehen und wie Fisch-
schuppen über einander liegen. Die Oberseite
des ebenen Knaufes hat einen ovalen Knopf,
um den an seiner Aussenseite ein Band von
Horizontallinien, durch kleine Halbkreise be-
grenzt, herumläuft, während die Knaufplatte
auf der Oberseite (Fig. 2) durch concentrische
Kreise ornamentirt ist. die unter Bich durch je
eine klammerartige Figur getrennt und durch
zum Theil punetirte Ovallinien nach dem KnO]
zu abgegrenzt werden. Schwerter, dem vor-
liegenden ähnlich im Typus, in der Orna-
mentirnng aber abweichend, besitzen wir in Pommern noch aus Stolzenbnre
Pasewalk und Lagott bei Pyritz.
Was die Verbreitung dieser Schwerter betrifft, so kommen ganz ähnliche
Formen sehen in der jl. Periode der oberitalischen Bronzezeil vor, in dem
Depol \<>n Cascina Ran Montelius, La civilisation primitive en Italic depuia
Pintroduction des metaux. PI. 28, Fig. 10). Grössere Verbreitung haben diese
Schwerter in Ungarn gefunden, wo Bich auch solche mit rundem und schalen-
förmigem Knauf hinzugesellen [Hampel, Bronzezeit in Ungarn, Tal'. XXI— XXIII
l Auch aus dem Museum /u Salzburg habe ich ein ähnlicl Sl ootirt.
(222)
Auch in der Prov. Brandenburg sind Schwerter und Dolche des gleichen Typus ge-
funden, z. B. in dem Bronze-Depotfund von Spandau (Voss, Verh. 1882, S. 131
und Taf. XII, Fig. 5). Aus Westpreussen ist ein ähnliches Exemplar, aber mit
rundem Knauf, bekannt von Konojad (Lissauer, Alterthümer der Bronzezeit in
Westpreussen, Taf. III, Fig. 4). Aus Meklenburg-Strelitz (Neu-Brandenburg)
ist ein verwandtes Exemplar aus Mirow abgebildet (Photogr. Album von Voss und
Günther, Sect. V, Taf. I, Fig. 71). Aus Meklenburg-Schwerin ist ein gleich-
falls verwandtes Exemplar bekannt von Briiel, mit aufgehöhten Bändern am Griffe,
S-förmigen Ornamenten und rundlichem Kopfe (Mittheil, des Hrn. Dr. Beltz),
sowie ein ähnliches von Löwenberg (Verhandl. 1885, S. 405). Ein mit unserem
auch in Bezug auf die Ornamente übereinstimmendes Exemplar (Griff) befindet
sich im Museum zu Lübeck aus Holstein (Photogr. Album von Voss und
Günther, Sect. V, Taf. III). Ebenso finden sich in Hannover, Dänemark und
Schweden die gleichen Formen.
Die nordischen Forscher (Sophus Müller) halten diese Schwertform für
eine westliche, nicht eigentlich nordische, sondern für importirt, aus der sich eine
rein nordische Form erst entwickelt hat. Wir sind gewöhnt, diese Schwerter als
ungarisch zu bezeichnen. Auch die in Ober-Italien gefundenen Stücke wird man
wohl vorerst, da doch Ungarn diesen Typus so besonders häufig hat, mit diesem
Lande in Verbindung bringen müssen. —
Hr. Rud. Virchow: Bei Gelegenheit der Besprechung eines vorzüglich er-
haltenen cujavischen Bronzeschwertes in der Sitzung vom 16. April 1881 (Verhandl.
S. lo9) habe ich die geographischen Beziehungen dieser Schwertart, namentlich
ihr vorwiegendes Vorkommen in Ungarn, ausführlich dargelegt. Das hier in Rede
stehende Exemplar zeigt die mannichfaltigsten Aehnlichkeiten mit jenem cujavischen
Stücke, obwohl in der Ornamentation einzelne Abweichungen vorkommen; letztere
sind jedoch ganz untergeordneter Art. Dafür besitzt es aber jene (lilien-) blatt-
ähnliche (leaf-shaped) Klinge, welche für die älteren Bronzeschwerter so charak-
teristisch ist. Der Versuchung, diese Form für eine „westliche"-, d. h. aus dem
Westen importirte, zu halten, möchte ich vorläufig gleichfalls widerstehen. Auch
um scheint es wahrscheinlich, dass sie über Ungarn zu uns gekommen ist; aber
ich möchte glauben, dass ihr Ursprung viel weiter südlich zu suchen ist. Es ist
nicht das erste Mal, dass die Peene uns werthvolle Waffen erhalten hat, aber,
soviel ich mich erinnere, das erste Mal, wo ein so altes Stück daraus zu Tage
gekommen ist. —
18) Herr M. Bartels legt 21 grosse
photographische Aufnahmen von Javanerinnen
vor, welche er von Hm Capitän Fedor Schultze (Batavia) käuflich erworben hat.
Die dargestellten Personen tammen meistens aus den Residentsehaften Batavia und
Preanger, eine auch von der Stadt Makassar auf Celebes. Die sehr gelungenen
Bilder lassen eine grosse /ah) anthropologischer Einzelheiten erkennen. —
(19) Herr Beyfuss hat 3 Photographien von Javanern zur Vorlage ein-
gesendet. Zwei davon sind dir Porträts des Regenten von fifalang ( Residentschaft
Pasoeroeang, Ost-Java) und seiner Gemahlin, welche ihm bei seinem Abschiede
Lberj rerehrten; die dritte stellt die Babu oder Kinderfrau der Beyfuss'schen
Kinder vor, welche diese auf ihrer Heise nach Europa begleitet hat. —
(2233
(•20) Hr. Hermann Busse spricht über
Pflanzenreste in vorgeschichtlichen Gefässen.
Im August 1896 verbrachte ich einige Tage auf dem von mir aufgefun I
altgermanischen Urnenfelde bei Wilmersdorf, Kr. Beeskow-Storkow. Schon mehrere
Male habe ich an dieser stelle verschiedene bedeutende Fundstücke von diesem
Urnenfelde vorgezeigt und besprochen (Yerhandl. 1895, 8. 456 u. 528, und 1896,
S. 126—28). —
Bei dem Regenwetter, das in der ganzen Zeit herrschte, waren die kerami-
schen Funde nur gering. Die besseren Sachen davon sind im .Mark. Provincial-
Museum und auch in meiner Sammlung in der Woltersdorfer Schleuse. Von
Bronze-Sachen fanden sich nur einige Fingerringe und mehrere Fragmente.
Von Stein- Kunden kamen ein halbes durchlochtes Steinbeil (Fig. 1) und ein rund-
licher, auf den Oberflächen vertiefter platter Reibstein [Käsestein] (Fig. 2 . 5 cm im
Durchm.. i' cm dick, zum Vorschein. Es waren 1-' Gräber, die ich aufdeckte. Das
letzte davon war ein sehr reichlich mit schönen Gelassen ausgestattetes Grab; es
enthielt .'! grössere Buckel-Urnen und 8 grössere und kleinere verschiedenartige Ge-
Fig- 1- %
l iar.
%
Fig. 3.
Fig. 4.
<o>
lasse. Die Buckel-Urnen, mit einem Henkel versehen, waren mit je 6 Buckeln aus-
gestattet; zwei davon waren mit Leichenbrand gefüllt, ebenso eine Doppel-Schale.
Alle Gefässe, nur -4 kleinere ausgenommen, standen verkehrt, d. h. mit dei
Oeffnung nach unten. Unter ^\\ Beigefässen ist eines wegen seiner badewannen-
förmigen Gestalt mit Henkel besonders /u erwähnen (Mark. Museum). Die bi
mit Leichenbrand gelullten Buckel-Urnen waren bis unten herab mit Steinen um-
stellt and von diesen letzteren so arg beschädigt, dass sie sieh nicht erhalten li< --
Die dritte Buckel-Urne stand frei und ich brachte sie ganz heraus; «loch war das
Material derselben so aufgeweicht, dass 'las QefäSS am andern Morgen, trotzdem
ich es über Nacht gegen den Regen geschützt hatte, in viele Stücke auseinander-
gefallen war. Im Innern der Urne stand jedoch noch ein (ietass. das mir sehr
werthvoll vorkam, da es oben auch kleine Buckel zeigte. Bei dem feuchten Zu-
stande desselben umwickelte ich es mit Holzwolle und steckte es allein in ein
Säckchen, um es in der Hand trauen zu können. Nach mehrwöchentlichem Trocknen
bei mir ging ich an die Untersuchung: es entpuppte sich ein schlanker, henkelloser
Topf (Fig. 3), der von einem kleinen, mit 6 Buckeln versehenen niedlichen G
(Fig. 4, 11 cm hoch. 15 - grösste Wenc. ;.:> cm Mundweite, 5,5 cm Bodenweite,
(•224)
1 cm Bodenhöhe) bedeckt war, das aber so fest darauf sass, dass ich es erst nach
geraumer Zeit abdrehen konnte, wobei verschiedene Theilchen der Oberfläche des-
selben abblätterten. Das Gefäss hat konischen Hals und war ursprünglich, wie
deutlich erkennbar, mit 2 Henkeln versehen, die aber offenbar mit Berechnung
_,. „ entfernt wurden, um einen besseren Schluss herzustellen. Der
Hals des unteren Topfes (Fig. 5, 17 cm hoch, 13,5 cm Mund-
weite, 13 cm Bauch weite, 10 cm Halsweite, 6,5 cm Bodenweite),
ist nehmlich nach oben zu weiter, der des Deckel-Gefässes nach
oben enger, so dass beide dicht aneinanderschlossen. War mir
nun schon die ganze Verpackung auffällig, so fiel mir noch mehr
auf, dass der untere Topf nur etwa halb mit Sand gefüllt war,
während sonst alle Beigefässe bis zum Rand gefüllt sind.
Der Sand zeigte sich auch von so feiner Qualität, dass ich
Aveiter folgerte, der Schluss der beiden Gefässe sei ein derartiger
gewesen, dass nur im Anfange dieser feinere Sand sich eindrängen
konnte, später aber, nachdem die Thonmasse feuchter geworden
war und sich ausgedehnt hatte, überhaupt ein weiteres Eindringen
von Sand, vielleicht auch selbst von Wasser, ausgeschlossen war. Der Inhalt des
Topfes, also der Sand, wurde nun längere Zeit getrocknet; späterhin erregten
helle und dunklere Theilchen desselben meine weitere Aufmerksamkeit. Ich warf
etwas davon in kochendes Wasser, und, was ich erst zaghaft vermuthete, das zeigte
sich jetzt, indem leichtere Partikelchen an der Oberfläche herumschwammen.
Mir kam die Idee, dass diese leichteren Bestandteile wohl Pflanzenreste sein
könnten. Meine Ansichten hierüber theilte ich mehreren bekannten Herren mit,
die wohl in diesem Falle die nöthige Erfahrung und Kenntniss haben konnten.
Mir wurde gerathen, das Betreffende Hrn. Geh. Rath Prof. Wittmack, Director
der Königl. Landwirthsehaftlichen Hochschule, zur näheren Untersuchung einzu-
senden. Das that ich auch, und am 20. April d. J. schreibt mir Hr. Witt-
mack: „Die im Sande befindlichen helleren harten Pflanzenfragmente rühren meist
von Hanf her, und zwar sind es die Frucht- und Samenschalen desselben. Die
dunkleren leichteren Theilchen sind Blatt- und Samen-, bezw. Fruchtschal-Frai;-
mente, doch lässt sich ihre nähere Herkunft nicht feststellen." Meine Ansicht hatte
mich also nicht getäuscht, und ich freute mich herzlichst, namentlich auf diese Art
,ii)il Weise einen derartigen Fund gemacht zu haben. Wohl hunderte, ich möchte wohl
behaupten, tausende von Beigefässen hatte ich auf ihren Inhalt untersucht, immer
ergeblich; höchstens fand ich moosartige Gewächse darin, die jedenfalls erst
später sich gebildet hatten. Eine Untersuchung draussen auf dem Urnenfelde ist
ja nie man ich bin ganz sicher: hätte ich in meinem Falleden Inhalt des
Topfes draussen untersucht, ich hätte sicher nichts gefunden. Ich erinnere mich
bei dieser Gelegenheit, dass Prof. Jentsch in den Nachrichten über deutsche
Alterthumsfünde 1896, S. 5, Getreidereste von einer Cruciferen-Art bespricht, die
in Lausitzer Gräbern gefanden wurden; auch A. Körte hat (Verhandl. 1896, S. I 2:->)
in Phrygischen Gräbern Getreidereste constatirt. Von Aegyptischen Gräbern haben
»vir das mehrfach gehört. In der ägyptischen Abtheilung des Königl. Museums
(unter 15—17 aafbewal m wir sogar ein 4000 Jahre altes Brod, welches
Unicum Hr. Wittmack in ihr Gesellschaft naturforschender Freunde näher be-
sprach. Ich möchte auch erneu hierher gehörigen Artikel der National -Zeitung
vom 7. April 1895 \<<n E. Lemke anführen, der über den' „Hunger und Durst der
Todten" handelt. Jedenfalls preche ich auch an dieser Stelle Hrn. Wittmack
meinen herzlichsten Dank für eine Bemühung aus. —
(225)
Wir sehen hieraus, dass Hanf schon lange vor unserer Zeitrechnung gebaut
wurde (denn die Wilmersdorfer Gräber sind wohl der Hallstatt-Zeil zuzurechnen),
um! dass man seine ölhaltigen Früchte zu Speisen verbrauchte, wenn auch vielleicht
nicht allein, denn die Herkunft der dunkleren Theilchen ist ja nicht festgestellt.
Hanf wird im Allgemeinen heute nicht mehr so viel, wie früher, gebaut; «las hängt
wohl damit zusammen, dass m jetziger Zeil anstatt Stricke und Taue vielfach eiserne
Kelten und Drähte gebraucht werden.
In der Gegend des besprochenen Ornenfeldes werden auch heute noch Speisen
genossen, die von uns gar nicht gekannt sind und die man aus den Früchten
des Waldes zubereitet hat. In Diensdorf am Scharmützel -See bekam ich einen
röthlichen Kohl zu Mittag, dessen Geschmack von unserem Rothkohl ganz ver-
schieden war. Es war einfach Weisskohl mit Brombeeren gemeinschaftlich gekocht.
chmeckte recht gut. Im benachbarten Lamitsch erfuhr ich, dass dort und in
der Umgegend ein Mus aus den Wachholderbeeren bereitet wird, das sich jahre-
lang aufbewahren lässt.
Die hier vorliegenden einzelnen Gefäss- Buckel stammen von der Urne, die
über den die Getreidereste enthaltenden Topf gestülpt war. Sie erinnern an weib-
liche Brüste und sind technisch recht sauber und ganz genau übereinstimmend mit
einander ausgeführt. —
Hr. Rud. Yirchow erkennt das grosse Interesse an, welches der Fund dar-
bietet, macht aber darauf aufmerksam, dass Hanf sicherlich keine einheimische
Pflanze ist, dass es sich also um ein eingeführtes Gewächs handeln würde. Wenn
sich die botanische Diagnose bestätigen sollte, so würde doch vielleicht die Frage
aufgeworfen werden dürfen, ob die Samen nicht erst in einer späteren Zeit in die
Töpfe gekommen seien. —
(21) Hr. Rud. Yirchow berichtet über einen
Besuch der Höhlen von St. Canzian bei Priest.
Der ungewöhnliche Reichthum des Karstgebirges an Höhlen hat seit lang-er
Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und der Strom der Besucher
hat sich von Jahr zu Jahr verstärkt, da nicht nur die Grosse und die geologische
Ausstattung mancher dieser Höhlen, sondern auch ihre unterirdischen Wasserläute,
ihre Fauna und ihre prähistorischen Einschlüsse die wichtigsten Anhaltspunkte für
wissenschaftliche Untersuchungen und für erhellende Naturbetrachtung darbieten.
Obwohl mein Weg mich zu wiederholten Malen in dieses fremdartige Gebie;
führt hat, so hatte ich doch nur eine der Hohlen, die berühmte Adelsberger. kennen
gelernt Besondere Hindernisse hatten mich von einer Fortsetzung dieser Besuche
abgehalten. So wurde eine grössere Gesellschaft, mit der ich die neu erschlossenen
Höhlen von St. Canzian besuchen sojlte, vor einigen Jahren durch ein gewal
Unwetter zurückgetrieben.
Endlich gelang es mir in diesem Frühjahr, den alten Plan, und zwar unter
den günstigsten Umständen, zur Ausführung zu bringen. Am Oster-S
(18. April fuhr ich fon Venedig aus mit dem schnellsten Dampfer, der den Namen
unseres alten Co! legen in der Höhlenforschui _. de€ früheren österreichischen Handels-
Ministers Grafen Wurmbrand, trägt, in 1 Stunden nach Trnst hinüber. Klarer
Sonnenschein lag am nächst D Morgen über der Landschaft; die tief verschneiten
Alpen rahmten das herrliche Bild ein. Unser Freund, Hr. C. de Man I setti,
der so grosse Verdienste um die Erforschung der Höhlen hat. war nach Verlust
Verhaodl. der Berl. «nthropol. Gesellschaft }.',
(226)
des einen Auges in Folge einer schweren Retinitis wieder soweit hergestellt, dass
er die Führung unternehmen konnte. Mit ihm waren die beiden unermüdlichen
und unverzagten Pfadfinder in dem unterirdischen Gebiet, die HHrn. Friedrich
Müller und Joseph Marinitsch, nebst einer Anzahl treuer Helfer zur Stelle, um
das „Wunder des Karstes" in seiner grössten Ausdehnung zu zeigen und zu er-
läutern. Eine grosse Erleuchtung sicherte da, wo die Fackeln der Arbeiter und
Aufseher nicht ausreichten, die volle Kenntnissnahme, insbesondere auch der
staunenswerthen Wege, welche ausgeführt worden sind, um an senkrechten Fels-
wänden und durch vorspringende Wände, häufig in schwindelnder Höhe über
brausenden Wildwässern, von einer Höhle zur anderen zu gelangen.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, von der fast unerschöpflichen Mannich-
faltigkeit dieser weit ausgedehnten Höhlenwelt eine ausreichende Beschreibung zu
liefern; es muss genügen, auf die vortrefflichen Schilderungen zu verweisen, welche
insbesondere Hr. Marchesetti (Ricerche preistoriche nelle caverne di S. Canziano
presso Trieste. Estr. dal Bollettino della Soc. Adriatica di scienze naturali in
Trieste. Vol. XI. 1889, con 2 tavole) und Hr. Fr. Müller („Die Grottenwelt von
St. Canzian" in der Zeitschr. des Deutschen und Oesterr. Alpenvereins 1890, Bd. XXI.
„Entdeckungsfahrten in den St. Canzianer Höhlen vom 18. bis 25. unterirdischen
Wasserfall im Jahre 1890 u in den Mittheilungen des Deutschen und Oesterr.
Alpenvereins, Jahrg. 1891, Nr. 8 — 10) veröffentlicht haben. Diese Schriften sind
mit den trefflichsten Illustrationen ausgestattet und gewähren ein anschauliches
Bild von den gewaltigen Zerstörungen, die im Laufe von Jahrtausenden den Unter-
grund dieser Gegend betroffen haben. Mir schwebt nur die Aufgabe vor, eine ge-
drängte Uebersicht der Oertlichkeit und der darin gemachten Funde zu geben.
S. Canziano ist ein kleiner, höchst imposant gelegener, im Mittelalter befestigt
gewesener Ort auf einer mächtigen Felswand, welche sich quer durch ein tief ein-
gerissenes Thal erstreckt. Man gelangt bis in seine Nähe durch eine der beiden
Eisenbahnen, die von Triest in schnellem Anstieg zur Höhe des Karstplateaus auf-
steigen; die Hauptlinie entspricht der grossen Strasse, die über Divaca in der
Richtung auf St. Peter und Wien hinzieht. Von der Höhe aus überblickt man
eine weite, massig vertiefte Niederung, die sich weithin gegen Osten ausbreitet
und an deren Rande ein mächtiger Kegelberg, der Krainer Schneeberg (1796 m),
emporragt. Von diesem Berge strömt ein wasserreicher Wildbach, oder wenn
man will, Fluss herab, dessen Name, Reka (oder Recca), mich lebhaft an meine
pommerische Rega erinnerte. In Regenzeiten schwillt derselbe schnell, zuweilen
fasl plötzlich an, so dass er sich hoch über sein gewöhnliches Bett erhebt. Sein
Lauf ist fast senkrecht gegen die erwähnte Felswand gerichtet; die Bildung der
Xachbarüäche lässt erkennen, dass er einstmals durch die Felswand abgelenkt wurde
und in einem grossen Bogen nach Norden hin den Berg umflossen hat. Endlich
aber, lange vor der historischen Zeit, hat er die Felswand mittelst eines unter-
irdischen Canals fast gerade durchbrochen; jetzt strömt er durch die enge Oeffnung
mit brausender Gewalt in eine gewaltige, an der Stefanie- Warte 160 m tiefe Schlucht,
von der aus sich seitlich und vorwärts zahllose Nebenhöhlen und weitere Schluchten
öffnen. Das ist der eigentliche Anfang der Höhlen von St. Canzian.
Nach einer längeren Strecke verschwindet der Fluss in enge, schwer oder gar
nicht zugängliche Schlünde. Man wusstc nicht, wo er blieb. Die Vennuthungen
darüber fanden einen starken Anhalt in dem Umstände, dass an der Küste der
Triester Bucht bei S. Giovanni di Duino ein wasserreicher Fluss ausmündet, der
nicht weit von da aus den Felsen hervorbricht. Die eisten Nachrichten über
ihn gehören der Zeit an, wo die römischen Heere das nordöstliche Italien unter-
227)
warfen: der Flusa hi< — - damals Timavus, und die Sage liess .auf ihm die Argonauten
von ihrer langen Fahrt zurückkehren. Aber erst aus dem 17. Jahrhundert finden
sich Angaben über den Zusammenhang der Reka and des Timavus. 1689 erzählt
der Freiherr von Valvasor Die Ehre des Herzogthums Kram. Cap. 67): „Der Flusa
flutet zu emein Felsen hinein in die Erde und und reiset unter ihrei Decke riet
Meilwegs in den Karst. Alsdann bricht er zwischen Tywein und 8. Johannis durch
einen Felsen aus sieben Löchern hervor, gleich als hette die Erde ihn zur Dank-
barkeit der Anvertrauung reichlieh begabt, und mit einem ansehnlich -vermehrten
Gebiet wieder beurlauben und erlassen wollen." Zweifellos war auch dies nur
eine Vermuthung; denn alle Versuche, den wirklichen Zusammenhang beider Flüsse
nachzuweisen, Versuche, die immer wieder aufgenommen wurden, blieben erfolglos.
Auch die jetzigen Forscher gelangten, nachdem sie 25 Wasserfälle passirt hatten,
endlich in eine enge Spalte, die durch eingeschwemmtes Reisig und Holzstämme
gänzlich verlegt war. Trotzdem bezweifelt keiner von ihnen, dass der Timavus der
wirkliche Ausfluss ist. Uebrigens berichtet schon Strabon (Erdbeschreibung, ver-
deutscht von Groskurd. Berlin und Stettin 1831. 1. S. 372), Poseidonios be-
haupte, der aus dem Gebirge kommende Fluss Timavus falle in einen Erdschlund;
sodann etwa 130 Stadien unter der Erde fortgeflossen, schaffe er sich am Meere
den Ausweg.
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Diese Gegend war sicherlich eine der ältesten Berührungsstellen der ein-
gebornen Bevölkerung mit der südlichen Gultur. Der Timavus selbst galt als die
Grenze /wischen Karnein und Heiietern. An seiner Mündung war ein altes II
thum lies Diomedes. Nicht weit westlich von da gründeten die Römer schon
181 vor Chr. die berühmte Colonie Aquileja, die 1ms auf Attila eine ähnliche Be-
deutung für das ganze Hinterland Ins nach Deutschland besass, wie Massilia für
Gallien. Von da aus ging die grosse Beer- und Handelsstrasse aus, welche die
julisehen Alpen überstieg und nach Pannonien führte. Sie lief ein gutes Stück
nördlich von St. Canzian durch den vielgenannten Birnbaumer Wald, wo die Station
15*
(228)
ad Pirum die Passhöhe (summas Alpes) deckte; man sieht den Nanos-Berg (1300 m),
wo diese Station gelegen haben soll, bequem von dem Plateau bei St. Canzian,
gegen NNO. Aber es ist höchst wahrscheinlich, dass dieser Weg schon vor den
Römern benutzt wurde, ja, dass er in fernen prähistorischen Zeiten begangen ist;
Zeugniss dafür liefern zahlreiche Funde. In meinem Vortrage über den Zug der
Langobarden nach Italien (Verhandl. 1888, S. 512flg.) habe ich diese Frage ein-
gehend behandelt.
Wir verdanken die genauere Schilderung der in den Schluchten der Reka
und der benachbarten Höhlen gemachten Funde der erwähnten Abhandlung des
Hrn. de Marchesetti. Er begann seine Ausgrabungen in der kleinen Höhle Oska
spela, welche hoch oben in der nördlichen Wand der grossen Doline gelegen ist;
die Ausbeute war gering. Es fanden sich Schichten von Asche und Kohle, Scherben
von groben Thongefässen und ein Paar bearbeitete Stücke von Knochen und Feuer-
stein. Sehr ergiebig erwies sich dagegen die benachbarte Tominz- Höhle, die
grösste aller Seitenhöhlen dieser Schlucht. Die Tiefe dieser Höhle beträgt gegen
290 m; man tritt in sie durch ein 10 m hohes und 20 m breites Thor ein. Früher
war sie nur in der beschwerlichsten Weise zugänglich, jetzt ist sie aber durch
eingesprengte Wege leicht erreichbar. Da sie dem Hochwasser der 30 m tiefer
fliessenden Reka gelegentlich ausgesetzt ist, auch Sickerwasser durch die Decke
hineinfällt, so war ihr Boden zum grösseren Theile mit mächtigen, eingeschwemmten
Lehmschichten bedeckt. Jetzt ist der gewaltige Raum mit seinen zahlreichen Aus-
buchtungen und Nebenhöhlen fast ganz ausgeleert. Bei diesen Arbeiten fand man
4 über einander gelagerte Culturschichten: eine 20 — 30 cm mächtige neolithische;
eine 15 — 20 cm dicke, welche schon Bronze-Artefakte, aber keine Feuerstein-Geräthe
mehr brachte; eine dritte, bis zu 15—60 cm starke, in der Eisen getroffen wurde,
und endlich eine noch jüngere, aber nicht continuirliche Aschenlage mit mittel-
alterlichen und neueren Einschlüssen, darunter 13 Kämme aus Bein. Wegen der
Einzelheiten muss ich auf die Original-Abhandlung und auf die daraus entnommene,
mit schönen Illustrationen ausgestattete „Grotten weit" des Hrn. Fr. Müller ver-
weisen. Hier will ich nur einige Hauptpunkte erwähnen.
In der untersten Lage fand sich, ausser zahlreichen Spännen und Messerchen
aus Hornstein, eine schöne, gemuschelte, 12 cm lange Lanzen- oder Dolch-
spitze aus weissgesprenkeltem Feuerstein (Marchesetti. Tav. I. Fig. 1) und eine
kleinere, gleichfalls gemuschelte aus Rosenquarz (ebendas. Fig. 4). Bearbeitete
Thierknochen kamen in den verschiedensten, meist als Stichwerkzeuge brauch-
baren Exemplaren vor. Sehr reichlich waren Thonscherben; aber nur ein einziges
kleines Gefäss (Tav. II. Fig. 1), 48 cm hoch und von einem Gehalt von nur 34 g
(una capacitä di soli 34 grammi), mit weitem und hohem Henkel und gerundetem
Boden, war ganz erhalten. Hr. Marchesetti stellt es unter die tazze. Mir war
es besonders interessant, weil es mich lebhaft an zwei Gefässe erinnerte, die ich
an einem und demselben Tage in der Nicderlausitz ausgegraben habe: das eine in
dem Burgwall von Niemitsch (Verhandl. 188(5, S. 568, Fig. ld), das andere in dem
I rnenfelde von Strega (ebendas. S. 574, Fig. 2). Ich verglich sie damals mit
unseren heutigen Sahnentöpfchen. Sollte diese Form wirklich bis in die Steinzeit
zurückreichen, so würde das eine höchst auffällige Persistenz einer bestimmten
Mode anzeigen, denn die niederlausitzer Gefässe gehören zweifellos der Eisen-
zeit an.
Ich möchte hier gleich ein anderes Fundstück aus der Tominz-Höhle er-
wähnen, das Hr. Marchesetti selbst der Uebergangsperiode zu der Metallzeit zu-
weist. Es ist das ein schöner Klachcelt aus Kupfer (Tav. II. Fig. 40). Er
$29)
nennt ihn una ascia piana da un lato e leggermente incurvata dall' altro. Sie ist
an der Schneide 62, am hinteren Ende nur 6 mm breit und wiegt 223 g. Hr.
Vierthaler fand bei der Analyse 98,88 Kupfer, 0,81 Silber, 0,05 Nickel, 0,20 Eisen
und eine Spur von Antimon. Dieser wichtige Fund wird es gestatten, auch in Be-
ziehung auf das Thongeräth ein etwas zurückhaltendes Urtheil auszusprechen, zumal
da sich noch 3 andere, wahrscheinlich aus Kupfer bestehende, dünne und kurze,
dreieckige Dolchblätter von der ältesten italischen Form fanden. Eines derselben
(Tav. II. Fig. 41) trug am hinteren Ende noch zwei Niete.
Ein nicht geringer Theil der von Hrn. Marchesetti gesammelten Scherben,
namentlich der gehenkelten (Tav. IL Fig. 18 — 25), scheint mir gleichfalls in Betreff
ihres Alters zweifelhaft; die Wirtel aus Thon und Knochen (Tav. 1. Fig. 47 — 51)
bezeichnet der umsichtige Forscher selbst als strani oggetti. Sicherer erscheinen
mir die Stücke, welche mit erhabenen und mit Eindrücken versehenen Leisten aus-
gestattet sind. Von den in der Tominz-Hühle für Besucher angesammelten Scherben,
von denen mir einige überlassen wurden, die ich unserem Museum für Völker-
kunde übergebe, hatten die meisten keine künstlerische Ausgestaltung erfahren.
Am häufigsten waren breite, über die ganze Oberllächc in schiefer Richtung ge-
legte Striche oder Furchen, die nach Art von Gräsern vielfach unter spitzen Winkeln
zusammenliefen, gelegentlich sich auch kreuzten und in ihren Zwischenräumen
durch feine Linien verbunden waren, gleichsam als ob der weiche Thon auf einer
Gras-Unterlage geruht habe.
Ein solches Stück, das ich vorlege und von dem Fig. 2 nach einer Zeichnung
meiner Tochter Hanna hergestellt wurde, ist schwach gebogen, an der äusseren
Fi*. 2.
Flüche, abgesehen von den Strichen, ziemlich glatt, innen matt and scheinbar durch
Abstreichen mit einem Finger breil gefurcht, ohne jede Spur der Drehscheibe. Es
ist schwer und dicht, fast wie Steingut, Ins zu 7 mm dick, von gelblichgrauer Farbe,
mit Brocken von Kalkspath durchsetzt, auf dem Bruche rauh, offenbar gu
brannt. Wie mir scheint, bietet es ein Musterstück eines dort häufiger vertretenen
Typus.
Von Thicrknochen führt Hr. Marchesetti an: solche vom braunen Bären, vom
Hirsch und Reh, vom Wildschwein, Fuchs und Dachs, aber auch vom Bind.
Schwein, Schaf und von der Ziege, endlich von einem Hunde kleiner R
(230)
Unabhängig von diesem Funde und an einem anderen Orte wurde in einer
Felsspalte der Reka-Höhle, nahe dem 6. unterirdischen Wasserfall, der mit ge-
waltigem Donner 7 m herabstürzt, in einer Tiefe von 1,5 m unter dem mittleren
Wasserstande ein prächtiger, 1135,9 schwerer Bronzehelm (Tav. IL Fig. 52) ent-
deckt. Er war aus einem Stück eines etwa 0,5 mm dicken Bronzebleches getrieben und
bis auf eine glänzend abgescheuerte Stelle schön patinirt. Er lag, zwischen Klippen
eingekeilt, an einem bis vor wenigen Jahren ganz unzugänglichen Platze, mindestens
400 m entfernt von dem Punkte, wo der Fluss in der Erde verschwindet. Reste
eines Menschen wurden nicht dabei bemerkt. Nach der Analyse des Hrn. Vier-
thaler besteht die Bronze aus 83,52 Kupfer mit 15,69 Zinn und Spuren von Silber
und Eisen. Form und Technik stimmen ganz überein mit den Helmen, die
mehrfach in Krain und Steiermark ausgegraben worden sind. Ich habe eine Ueber-
sicht der südösterreichischen Helme früher gegeben (Verhandl. 1887, S. 544, 547,
548, 552) und möchte hier nur den Helm aus dem Pass Lueg hinzufügen, der, so-
viel ich weiss, unter ganz ähnlichen Verhältnissen aus dem Flusse hervorgehoben
ist. Man gelangt damit chronologisch bis in die Hallstatt-, allenfalls bis in den
Anfang der Tene-Zeit.
Dieser Fund hat um so grössere Bedeutung, als Hr. Marchesetti, wie er
uns schon früher (Verhandl. 1896, S. 534) mittheilte, bei S. Canziano eine Nekropole
explorirt hat, welche, wie er sich damals ausdrückte, „dem Uebergangsstadium aus
der Bronzezeit zur Villanova-Periode angehört". Diese Nekropole, nach welcher
der Fussweg von S. Canziano nach Divaea den Namen Nekropolis-Weg erhalten
hat, liegt an den Abhängen einer Thalsenkung, welche von dem Plateau zu der
Reka-Schlucht hinabführt. Hr. Marchesetti geleitete uns auf dem Rückwege
nach Herpelje über das öde und steinige Gefilde, auf dem uns gelegentliche Funde
von Bronze und Eisen, sowie von römischen Sachen, die Anwesenheit alter Gräber
anzeigten. Man hatte früher die Erde von dieser Stelle weggenommen, um den
Kirchhof von S. Canziano zu erweitern. In seiner ersten Publication rechnete Hr.
Marchesetti diese1) Nekropole, in welcher der Leichenbrand üblich gewesen sei
und welche unfern von dem Castelliere von Gradisce liege, der Hallstatt-Zeit zu.
Er glaubt ein ähnliches Gräberfeld im Westen von S. Canziano annehmen zu
dürfen. —
Schliesslich muss ich erwähnen, dass es endlich auch gelungen ist, mensch-
liche Gebeine in der Tominz-Höhle aufzufinden. Hr. Fr. Müller (Grottenwelt
S. 58) berichtet darüber, dass im Grunde der vorderen grossen Höhle ein Loch
sei, durch welches ein Mann durchschlüpfen könne; man gelange dünn 4 m steil
hinab in eine kleine, kammerartige Höhle, 5 m lang und 3 m breit. Hier stiess man
beim Graben in 1" cm Tiefe auf eine 3 cm starke Kalksinterdecke und unter dieser,
10 — 20 cm, auf Menschenknochen. Es wurden 5 theils vollständige, theils zerstörte
Schädel und eine Menge anderer Knochen gesammelt. Nach Hrn. Marchesetti
scheinen es meist junge Individuen gewesen zu sein. Die Schädel waren do-
lichocephal. Da man ausser einer dünnen Lehmschicht, welche den Thon
durchzieht, nur noch Reste vom Ochsen und Reh (Geweih) und einige rohe Topf-
scherben traf, so schien der Gedanke an eine Begräbnissstätte ausgeschlossen;
man nahm an, dass die Leute, vom Hochwasser überrascht, ertrunken seien.
Auch schienen die Gerippe durch später eindringende Fluthen auseinandergewühlt
zu sein.
1) Ich setze voraus, dass ich die beiden Nekropolen hier in richtiger Weise aus ein-
ander halte.
(231)
Noch interessanter ist ein Fund, den Hr. Marinitsch im Jahre 1891 in der
Tominz-Höhle gemacht und den Hr. Ugo G. Vrani (Atti della Soc. Rom. di Antro-
pologia. 1891. Vol. III. Fase. 2) veröffentlicht hat. In einer Entfernung von 33 m
vom Eingange und in einer Tiefe von 50 cm wurde unter der römischen Schicht
ein unversehrtes Skelet in der Richtung NW. — SO., mit dem Gesicht nach unten.
ohne irgend eine Beigabe aufgefunden. Die durch eine Abbildung erläuterte Be-
schreibung betrifft nur den Schädel. Derselbe ist ohne Basis und auch von dem
Gesicht ist nur der Unterkiefer vorhanden, an welchem die Zähne stark abgenutzt
sind. Es ergab sich, dass der Schädel durch Compression in der Sagittalrichtung
und besonders in der Gegend der vorderen Fontanelle stark deformirt und daher
plagiocephal ist. Zugleich sind die Nähte vollständig verknöchert; in der Lambda-
naht einige Worm'sche Beine. Das Stirnbein ist stark zurückgelegt und bildet vor der
Kranznaht eine Erhöhung, welche gegen die Naht abfällt; dann folgt in der „ganzen
bregmatischen Gegend" eine tiefe Einbiegung, die sich seitlich bis zu den temporo-
parietalen Nähten fortsetzt. Hinter der Einsattelung erheben sich die Parietalia
wieder und erreichen den höchsten Punkt der Scheitelcurve; von da ab senken sie sich
schnell und bilden mit der Schuppe das (steil abfallende) Hinterhaupt.
Hr. Vram erinnert dabei kurz an die Makrocephalen des Kaukasus und ver-
schiedener Orte in Europa, sowie an die Meinung des Hrn. Sergi, dass solche
Schädel Individuen von kaukasischer Abstammung (origine caucasica) angehört
haben, die sich mit Einwanderern verbunden hatten in den Epochen der Invasion,
welcher Europa im Mittelalter ausgesetzt war.
Ich sah diesen Schädel im Museo civico von Triest und war nicht wenig er-
staunt, in demselben ein genaues Gegenstück zu den deformirten Schädeln der
Philippinen -Höhlen anzutreffen, über welche ich in meiner akademischen Ab-
handlung: „Die Bevölkerung der Philippinen" am 18. Mürz d. J. in der König-
lichen Akademie der Wissenschaften gesprochen habe. Die von mir beigegebene
Abbildung eines sagittalen Durchschnittes eines solchen Schädels aus der Höhle
von Lanang auf der Insel Samar zeigt alle charakteristischen Besonderheiten des
Höhlen-Schädels von S. Canziano, insbesondere die eigentümliche Faltung der
„Bregma-Gegend" und die steile Abplattung des Hinterhauptes. Solche Schädel sind
in den Höhlen der Philippinen keine Seltenheit, und da sie zweifellos, wenigstens
zu einem grossen Theile, aus einer Zeit stammen, wo noch kein Europäer die Inseln
betreten hatte, so wird der Gedanke an einen kaukasischen Ursprung wohl nicht
erst aufgenommen werden dürfen. Es ist viel mehr Wahrscheinlichkeit vorhanden,
dass es sich dort um malayische oder auch um protomalayische Stämme handelt.
Soviel ich zu erkennen vermag, ist weder die Deformation überhaupt, noch diese
besondere Art derselben, weder in Europa, noch in Asien, noch in America, auf
bestimmte Rassen beschrankt; sie hat mit der Descendenz nichts zu thun. sondern
ist von ganz anderen Gesichtspunkten aus zu behandeln. Immerhin ist es ein dankens-
werther Fortschritt, zu wissen, dass in Istrien nicht erst im Mittelalter, sondern schon
vor der Ausbreitung der römischen Herrschaft -Makrocephalen" existirt haben. Wären
sie früher gefunden worden, so wären sie vielleicht als Beweismittel dafür gebraucht
worden, dass die aus Colchis. dem eigentlichenMakrocephalen-Lande, heimkehrenden
Argonauien hier einen von dort gebürtigen Todten bestattet hätten. —
(22) Hr. Fritsch legt einige Präparate von
tättowirten Hantstücken des Menschen
vor, um die Vortheile der zu gedachtem Zweck bisher nicht angewandten
Methode der Conservirung zu erläutern. Erhärtet man die ausgeschnittenen Haut-
(232)
stücke zwischen zwei Glasplatten unter starkem Alkohol, entwässert nach einigen
Tagen weiter mit absolutem Alkohol, so lassen sich die Hautstücke mit
Terpentin aufhellen und ähnlich, wie mikroskopische Präparate, in Canada-
Balsam, den man durch Erhitzen eingedickt hat, zwischen Glasplatten ein-
schliessen. Der erkaltete Balsam wird sofort fest und läuft nicht mehr zwischen den
Platten heraus, die man schliesslich am Rande mit Papierstreifen umkleben kann.
Während sonst nach Einwirkung von Alkohol das Gewebe der Haut ein trübes
Ansehen bekommt und viele Feinheiten der Tättowirung verschwinden, so lässt die
durch Canadabalsam aufgehellte Haut jedes Partikelchen des eingebrachten Farb-
stoffes klar und deutlich erkennen.
Da die Präparate zwischen den Glasplatten im Balsam unveränderlich sind,
so eignen sie sich in dieser Form auch besonders zur Aufstellung in Schau-
sammlungen und zur Demonstration bei Vorträgen.
(Der Vortragende stellt dieselben den öffentlichen Sammlungen zur Ver-
fügung.) —
Hr. v. Luschan macht darauf aufmerksam, dass man die tättowirte Haut auch
durch Gerben conserviren kann. Er legt eine Probe vor. —
Hr. R. Virchow bemerkt, dass im Patholog. Institut zu Berlin eine reiche
Sammlung von tättowirten Hautstücken, die lediglich durch Trocknen und Ueber-
ziehen mit Firniss oder in Spiritus conservirt wurden, sich befindet. Er wird
Proben davon vorlegen. —
(23) Hr. Fritsch zeigt im Hinblick auf das vor einiger Zeit (Verhandl. 1896,
S. 544) durch Hrn. Zenker vorgelegte Feuerstein-Gebilde, welches ungefähr die
Gestalt eines kindlichen Fusses hatte, bei dessen Vorlegung er sich aber über
diese sonderbare Uebereinstimmung nicht genauer aussprechen wollte, ein ver-
wandtes Object vor, das in auffallender Weise an eine durch Elephantiasis ver-
unstaltete Hinterhand eines Schimpanse erinnert.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um nichts Anderes, als eine in der
Umgebung Berlins gewachsene Mohrrübe. Man sieht deutlich die vier kurzen,
geschwollenen Zehen mit den verlängerten Kuppennägeln und den abgesetzten,
kräftigen Daumen.
Es wurden gleichzeitig zwei solcher Rüben eingeliefert, so dass man eine linke
und rechte Hand hätte unterscheiden können. Konnten bei dem Feuersteinfuss
noch mancherlei nach meiner Ueberzeugung freilich unzutreffende Vermuthungen
des Zusammenhang' - aufgestellt werden (Versteinerung?, Abdruck?, Pseudomor-
phosis?), so ist bei dir vorgelegten Mohrrübe selbstverständlich jede solche Er-
wägung ansgescblo
Sie kann nichts weit« r -ein, als ein sogenanntes „Naturspielu (Lusus naturae),
worüber die Jetztzeil sehr kühl denkt, während in der ersten Hälfte dieses Jahr-
hunderts, als die Naturphil iphie ihr Wesen trieb, dieser „Gestaltungstrieb" der
Natur ganz erstaunlich i • lommen wurde. Haben doch Manche in den Ver-
steinerungen „vorläufige", in anderem Material ausgeführte Modelle sehen wollen,
welche die Natur spater in dem belebten Material vollendete! So sicher diese un-
geheuerliche Anschauung falsch ist, so sicher dürfen wir die sogenannten Natur-
spiele als Zufälligkeiten der Formenübereinstimmung auffassen. —
(233)
(24) Neu eingegangene Schriften:
1. Matiegka, J., Umele deformovana lebka z Budyne v Öechach. v Praze 1894.
Nebst französischem Resume (Rozpravy Öeske Akad. Cisafe Frantiska Jo-
sefa).
2. Derselbe, Zkoumäni koski a lebek ceakycb v kostnici'ch venkovskych. v Praze
1896. Nebst französischem Resume (Rozpr. Öeske Akad. Cis. Frant. Josefa).
Nr. 1 u. 2 Gesch. d. Verf.
3. Hoffmann. W. James. The Menomini Indians. Washington 1896. (Report of
the Bureau of Ethnology.) Gesch. d. Verf.
4. Ploss-Bartels, H., Das Weib. 5. Aufl. 8. bis 10. Lief. Leipzig 1897. Gesch.
d. Verf.
5. Schwartz, W., De antiquissima Apollinis natura. Berlin 1843. (Dissertation.)
6. Derselbe, Die Alt-Griechischen Schlan»engottheiten. Berlin 1*58. (Programm
des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums.)
Nr. 5 u. 6 Gesch. d. Verf.
7. Steenstrup, Japetus, Til Forstaaelsen af Nordens „Guldbrakteat-Faenomen- og
dets Betydning for Nord-Europas Kulturhistorie. Kjubenhavn 1897. (Overs.
v. D. K. D. Vidensk. Selsk. Forh. 1897. Nr. 1.) Gesch. d. Verf.
8. Polakowsky, H., Zur Lepragefahr. München 1897. (Beilage z. Allgem. Ztg.
1897, Nr. 80.) Gesch. d. Verf.
9. Götze, A., Referat über Urgeschichte des Menschengeschlechts für 1895.
Berlin 1895. (Jahresber. d. Geschichtswissenschaft.)
10. Derselbe, Die Vorgeschichte der Neumark, nach den Funden dargestellt.
Würzburg 1897. (Sep.-Abdr. a. d. Schriften d. Vereins f. d. Geschichte
d. Neumark. V.)
Nr. 9 u. 10 Gesch. d. Verf.
11. Lidzbarski, M., Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Hand-
schriften d. Kgl. Bibliothek zu Berlin. Weimar 1896. Gesch. d. Verlegers.
12. Lincke, A., Assyrien und Ninive in Geschichte und Sage der Mittelmeervölker
(nach 607/6). Berlin 1894.
13. Die Europäische Längengradmessung in 52 Grad Breite von Greenwieh bis
Warschau. II. Heft. Berlin 1896.
14. Bestimmung der Polhöhe und der Intensität der Schwerkraft auf 22 Stationen
von der Ostsee bei Kolberg bis zur Schneekoppe. Berlin 1896. (Veröff.
d. K.-Pr. Geodät. Instit.)
Nr. 12 — 14 durch Herrn R, Yirchow.
15. Borgstede, Statistisch-Topographische Beschreibung der Kurmark Branden-
burg. I. Berlin 1788. Gesch. d. Frl. Clara Korn in Berlin.
16. Biolley, P., Moluscos terrestres y Quviatilea de la meseta central de I
Rica. San Jose IM» 7.
17. Tristan, J. F., Insectos de Costa Rica. San Jose 1897.
Nr. 16 u. 17 von Museo nacional de Costa Rica.
18. Le Tour du monde. -lahm. 1891—1897. Paris 1891—1897.
19. Sommer. E., Sagen. Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thiin
Halle 1846.
Nr. ls u. 1!» Gesch. d. Herrn Sanitätsrath Bartels.
20. Thurston, E., Anthropology of the Badagas and Irulas of the Nilgiris. Madras
1897. (Bulletin of the Madras Government-Museum. II. 1.) Gesch. des
Government- Museum. Madras.
(234)
21. Albrich sen., 0., Programm des evangel. Gymnasiums zu Hermann stadt für
das Schuljahr 1895 96. Hermannstadt 1896. Gesch. d. Verf.
2-2. Boas, F., The growth of children. o. 0. 1897. (Science V, Nr. 119.)
23. Derselbe, Traditions of the Ts'ets'ä'ut. o. 0. u. J. (Journ. of American Folk-
Lore.)
Nr. 22 u. 23 Gesch. d. Verf.
24. Castelfranco, P., Necropoli di Bissone nella provincia di Pavia. Parma 1897.
(Estr. Bull, di paletnologia ital.) Gesch. d. Verf.
25. Colini, G. A., Martelli o mazzuoli litici con foro rinvenuti in Italia. Parma
1896. (Estr. Bull, di paletnologia italiana.) Gesch. d. Verf.
26. Munro, R., Prehistoric problems. Edinburgh and London 1897. Gesch. d.
Verf.
27. Wegener, Ph., Die Alterthums- Sammlung des Gymnasiums in Neuhaldens-
leben. o. 0. 1897. (Sep.-Abdr. a. d. Festschr. zur Feier des 25jährigen
Jubiläums des Gymnasiums.) Gesch. d. Verf.
28. Heier li, J., Nachträge zur archäologischen Karte des Cantons Zürich. Zürich
1897. (Sep.-Abdr. a. d. Anzeig. f. Schweiz. Alterthumskunde.) Gesch. d.
Verf.
29. Scudder, S. H., List of exotic Orthoptera. Boston 1896. (Proceedings Boston
S. of N. H.) Gesch. d. Verf.
30. White, J. C, Thomas Tracy Bouve. Boston 1896. (Proc. Boston S. of N. H.)
Gesch. d. Verf.
31. Dorsey, G. A., Numerical variations in the molar teeth of fifteen New Guinea
Crania. Chicago 1897. (Rep. Dental Review.)
32. Derselbe, A Maori Skull with double left parietal bone. Chicago 1897. (Rep.
Chicago Medical Recorder.)
33. Derselbe, The lumbar curve in some American races. Salem, Mass. 1897.
(Bull. Essex Instit.)
Nr. 31—33 Gesch. d. Verf.
34. Virchow, R., Die Bevölkerung der Philippinen. Berlin 1897. (Sitzungsber.
d. K. Akad. d. Wissenschaft. XVI.) Gesch. d. Verf.
35. Mies, J., Ueber die sogenannten Zwischenformen zwischen Thier und Mensch:
die Mikrocephalen und den Pithecanthropus erectus Dubois. Köln 1896.
(Sep.-Abdr. a. d. Corresp.-Bl. d. ärztl. Ver. i. Rheinl. u. Westfalen. Nr. 59.)
Gesch. d. Verf.
Sitzung1 vom 19. Juni 1897.
Vorsitzender: Hr. K. Virchow.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHrn. W. Werkmeister, G. Schweitzer,
Dr. Franz Olshausen, Ludwig Borchardt und Dr. Gramatzky. —
(2) Von ihren Reisen zurückgekehrt sind die HHrn. G. Schweinfurth,
Seier, Uhle und Hirth. —
(3) Der Vorsitzende meldet mit höchstem Bedauern den Tod von Hrolf
Yaughan Stevens. Nach einer Benachrichtigung des Hrn. Karl Hienerwadel,
der früher in Penang gewohnt und dort die Bekanntschaft des Reisenden gemacht
hatte, aus Singapore vom 17. Mai, welcher er eine Nummer der „Singapore Free Press"
vom 14. Mai beigefügt hat, ist der Tod unseres so eifrigen und muthigen Forschers
am 29. April in Aneberg, Kuching (Sarawak) in Folge völliger Erschöpfung ein-
getreten. Er wurde am Vormittage auf seinem Lager, wie ein Schlafender, aber
schon kalt, angetroffen. Die HHrn. J. C. Ferrier und C. D. Harvey, welche
ihn in letzter Zeit wiederholt gesehen hatten, berichten, dass er seit Januar in
Aneberg gelebt habe, aber schon 3 Wochen vor seinem Tode sich so schwach ge-
fühlt habe, dass er einige Anordnungen für den Fall seines Todes traf. Nach
seiner Angabe war er 62 Jahre alt und pecuniär sicher gestellt. Er schrieb seine
Leiden den Strapazen auf der malayischen Halbinsel zu; in Folge von Herzschwäche
habe er neuerlich zwei Ohnmacht-Anfälle gehabt. Trotzdem lehnte er ärztliche
Hülfe ab, da er genug wisse, um sich selbst behandeln zu können. In der letzten
Zeit hatte er nur von Milch gelebt, aber sein verschlimmerter Zustand hatte zuletzt
nur mehr den Genuss einer minimalen Menge davon gestattet. Mr. Harvey sandte
ihm wiederholt Weingelee, welche der Kranke nahm und so gut vertrug, dass er
am Tage vor seinem Tode «ein gut Theil Käse- zu sich nahm. Früher war er
in die Veranda oder den Garten gegangen, aber in den letzten 10 Tagen war er
nach dem Zeugniss seines chinesischen Dimers zu sehwach, um sich zu bewegen.
Das Kind, welches er von seiner Ayah hatte, hörte ihn am Morgen des Todestags
gegen 6 h. 30 stöhnen; der Diener machte um 8 Uhr dieselbe Wahrnehmung, zu-
gleich sprach der Kranke mit sich. Um 10 h. lö wurde er todl gefanden.
So hat dieser treue und geschickte Forscher geendet, dem unsere Samml
so viel verdanken und dessen in unseren Sitzungen so oft gedacht ist. Er hatte
Beine Befähigung, mit wilden Stämmen in ihrer Art zu verkehren und so auch in
ihre intimeren Verhältnis» einzudringen, zuerst auf Reisen im Innern von Australien
and dann durch einen längeren Aufenthalt unter den Weihlas in Ceylon entwickelt.
Unsere Aufmerksamkeit auf ihn wurde namentlich durch den, nun auch seilen ver-
storbenen Baron Ferd. \. Müller in Melbourne gelenkt. Wir entschlossen uns,
ihm die Mittel zu ein r Erforschung der malayischen Halbinsel und namentlich
der dortigen wilden Stämme anzuvertrauen. Das Königliche Museum für Völker-
C236)
künde und die Rudolf Virchow-Stiftung trugen zu gleichen Theilen dazu bei
(Verhandl. 1889, S. 735). Die Aufgabe war leider viel schwieriger, als voraus-
gesehen war, und sie ist nicht vollständig gelöst worden, obwohl Stevens, der
vom December 18S8 bis vor 2 Jahren in immer neuen Versuchen in das Innere vor-
zudringen gewusst hatte, es an Hingebung und Opfermuth nicht fehlen liess. So
gestatteten wir ihm endlich abzubrechen. Er kehrte dann zunächst nach Australien
zurück. Seine letzten Sammlungen in Malacca sind noch nicht eingetroffen; nach
dem erwähnten Zeitungsbericht hat er vor seinem Tode den Auftrag gegeben, seine
Effecten an den deutschen Consul in Singapore zu schicken. Hoffentlich werden
sich darunter auch die noch ausstehenden Berichte über eine inzwischen hier ein-
getroffene Schädel- und Knochen-Sendung finden1).
Nachdem seine Briefe aus Australien die Wiederkehr seiner Gesundheit und
seine Zuversicht auf erneute Thätigkeit gemeldet hatten, war eine Expedition nach
Borneo mit ihm verabredet worden. Auf Wunsch des Hrn. Bastian hat das
Ethnologische Comite dazu Mittel bewilligt. Leider muss jetzt angenommen werden,
dass die eigene Auffassung des Reisenden von seinem Kräftezustande auf Selbst-
täuschung beruhte. Es ist allerdings noch eine Schädelsammlung von ihm an-
gemeldet, aber wir werden künftig von ihm nur als von einem Märtyrer der Wissen-
schaft sprechen können. Keiner von uns hat dem thatendurstigen Manne den An-
stoss zu seinen mühseligen und gefährlichen Unternehmungen gegeben; er selbst
hatte den brennenden WTunsch darnach ausgesprochen und wir durften sein An-
erbieten um so weniger ablehnen, als sein Vorleben die Bürgschaft zu bieten
schien, dass er den Gefahren sowohl des Klimas, als der Menschen Widerstand
leisten werde.
Sein Andenken wird von uns in Ehren gehalten werden. —
(4) Von unseren correspondirenden Mitgliedern ist Sir Augustus Wollaston
Franks, M. A., F. R. S., Director der archäologischen Abtheilung des British Museum
in London, gestorben. Er war durch seine ausgedehnte Kenntniss nicht nur der alten,
sondern auch der mittelalterlichen und selbst der modernen Erzeugnisse des Kunst-
gewerbes ein Führer von unschätzbarer Sicherheit. Das British Museum verdankt
ihm die Erwerbung der seltensten und werthvollsten Stücke, auch aus Deutsch-
land. —
(ö) Am 1. .Juni ist eines unserer besten Mitglieder aus unserem Kreise ge-
schieden. August v. Heyden, der noch in der März-Sitzung (S. 112) uns eine
interessante Mittheilung hatte zugehen lassen, ist einem schleichenden Nierenleiden
erlegen. Seinen verschlungenen Lebensgang vom practischen Bergmann und späteren
Beigbeamten zum Maler, ( ostümforscher und Dichter, sogar zum Staatsmann hat
Hr. Ludwig Pietsch Vossische Zeitung, 2. Juni, Beilage 2) mit voller Sach- und
Personen kenntniss and um angenehmer "Wärme geschildert. Für uns war der viel-
erfahrene .Mann mit äeinem vorsichtigen Urtheil und seiner erprobten Hingebung
ein gesuchter Helfer und Lehrer in Fragen der Tracht und des Arbeitsgeräthes. —
Am 12. Juni starb plötzlich an einem Herzschlage Dr. med. Carl Fischer zu
Lenzen a. d. Elbe, einer der wenigen Ueberlebenden aus dem Kreise von Alter-
1) Nachträglich um-- erwähni werden, dass nach einer Benachrichtigung der Ver-
waltung des Museums für Völkerkunde vom 19. Juli derNachlasa des Reisenden hier ein-
getroffen i>t, dass Bicb aber in demselben weder die erhofften Nachrichten, noch sonstige
werthvolle Stück.' gefunden haben.
(•237)
thumsfreunden, mit denen unsere Excursion in die West-Priegnitz uns in persön-
liche Beziehung gebracht hatte. —
(('») Von hervorragenden Genossen ausserhalb unseres Kreises sind zu nennen:
Dr. G. Ossowski, 7 16. April zu Tomsk, Sibirien, ein geborener Westpreusse
und durch zahlreiche, namentlich auch kartographische Arbeiten über die Grenzgebiete
zwischen Polen und Deutsehland weit bekannt. Der Bau der sibirischen Bisenbahn
hatte ihn um der erwarteten prähistorischen Funde wegen in die Ferne gelockt. —
Dr. Stephan Berger, f 22. Februar in Prag, einer der glücklichsten und zu-
verlässigsten Erforscher der böhmischen Gräber. —
Dr. V. Boye in Kopenhagen, dessen Arbeit über die dänischen ., Eichenkisten"
uns erst kürzlich seine Bedeutung erschlossen hatte (Zeitschr. 1'. Ethnolog. 1896,
S. 244). —
Dr. Jacob v. Falcke, der Director des von ihm geschaffenen Kunstgewerbe-
Museums in Wien. —
Consul Sahl in Sydney, der uns und unseren Reisenden so oft hülfreich ge-
wesen ist. —
(7) Unser Mitglied, der bisherige Gesandte der Republik Haiti, Hr. Delorme
hat Berlin verlassen. Vorstand und Ausschuss haben ihn zum correspondirenden
Mitgliede erwählt. —
(8) Als ordentliche Mitglieder sind neu angemeldet:
Städtisches Museum in Gera.
Hr. Chemiker Carl Przibylla in Vienenburg am Harz.
„ Maler und Zeichner Georg Hei big in Berlin.
(9) Hr. Karl von den Steinen hat eine längere Reise angetreten, welche zu-
nächst die Marquesas-Inseln, wo vor Kurzem unser Mitglied Hr. A. Bässler weilte,
als Ziel in das Auge gefasst hat. Nachdem er noch in Düsseldorf das 50jährige
Arzt-Jubiläum seines Vaters mitgefeiert hatte, ist er nach Quebec abgefahren. Von
Liverpool hat er unter dem 27. Mai ein Lebewohl an die Gesellschaft gesendet.
So viel Neues wir von dem scharfsichtigen Beobachter erwarten, so sehr werden
wir seine stets bereite Hülfe vermissen. Wir verlieren in ihm ein immer sicheres
Mitglied unseres Ausschusses.
Letzterer hat an seiner Stelle den Vorsitzenden des Ethnologischen Comites,
Hrn. Valentin Weisbach cooptirt, der die Wahl angenommen hat. —
(H>) Unser ordentliches Mitglied. Hr. Carl Günther, unser erprobter photo-
graphischer Helfer, hat am 4. Juni seinen 70. Geburtstag gefeiert. Wir haben ihm
herzliche Glückwünsche und erneuten Dank zu spenden. —
(11) Hr. M. Bartels theilt aus einem Briefe von Hrn. A. Bastian aus Batavia
(Ende April) folgende Stellen mit:
„Mit nächster Gelegenheil geht eine an die anthropologische Gesellschaft
adressirte Sendung von hier ab, enthaltend 50 Exemplare einer Brochüre, die ich
während meines Verbleibs in Batavia habe fertigstellen lassen. Dieselbe sollte
zur Vertheilung unter die Schenkgeber der werthvollen Beiträge zur 1" stschrift
dienen, denen ich so viel Liebes und Schätzenswerthes verdanke, dass ich eine Er-
widerung darauf nicht länger verzögern möchte.
„In der Zwischenzeit bitte ich um freundliche Grüsse an alle Freunde und
Mitarbeiter."
(238)
Einen Tag später erhielt Hr. Bartels eine Karte von Hrn. Capitän Fedor
Schnitze mit folgender Mittheilung:
„Hr. Geheimrath Bastian befindet sich sehr wohl, er war vorgestern noch
bei mir; ich finde, dass er zu eifrig arbeitet und dass er im Allgemeinen zu wenig
Ruhe nimmt. Seine Energie weckt hier Bewunderung." —
(12) Hr. W. Joest gedenkt demnächst nach Neu -Guinea zum Studium der
Tättowirung zu gehen. —
(13) Hr. Ohnefalsch-Richter ladet unter dem 16. Juni zu einem Besuche
der neu eröffneten Transvaal -Aus Stellung am Stadtbahnhofe, Savigny-Platz,
am 22. d. M. ein. —
Der Vorsitzende, der eine vorläufige Besichtigung vorgenommen hat, rühmt
die grossartige Anlage und die Mannicbfaltigkeit der vorgeführten Völkertypen. —
(14) Die Direction des Passage-Panopticums übersendet Einlasskarten
zu einer besonderen Vorstellung von Sahara-BewTohnern (Tuaregs u. s. w.) am
23. d. M. —
(15) Für den 27. d. M. ist eine anthropologische Excursion nach
Brandenburg a. H. geplant, die unter Leitung des Hrn. Stimming vor sich gehen
wird. —
(16) Am 14. d. M. haben in Berlin Besprechungen von höheren Beamten aus
dem Gebiete des Polizei- und Gefängnisswesens aus sämmtlichen deutschen Bundes-
staaten begonnen in Bezug auf Einführung des von Hrn. Alf. Bertillon erfundenen
Systems zur Messung und Feststellung von Personen in Deutschland. —
(17) Das Programm der neu gegründeten Rivista italiana di Sociologia
nebst Abonnements-Einladung (Rom, April) wird vorgelegt. Der leitende Ruth be-
steht aus den HHrn. Cognetto de Martiis, Bosco, Cavaglieri, Sergi, Tan-
gorra und Tedeschi. —
(IS) Der Verein des Museums für deutsche Volkstrachten und Er-
zeugnisse des Hausgewerbes zu Berlin bittet um Beiträge, um ihn in den
Stand zu setzen, die Erwerbung der sogen. Chicago-Sammlung zu bewerk-
stelligen. Letztere ist nach ihrer Rückkehr von America durch das für die Welt-
ausstellung gebildete Ethnologische Comite dem Verein zur zeitweiligen Aufstellung in
seinen Räumen anvertraut worden, aber der letztere besitzt nicht die Mittel, um
diese werth volle Sammlung (Verh. 1893, S. 28) erwerben zu können. Die früher
gehegte Hoffnung, dass dieselbe ohne Weiteres nach ihrer Rückkehr in den Besitz
des Trachten-Museums übergehen werde, hat sich leider nicht verwirklicht. —
(1!)) Hr. v. Lusi an zeigt ein von Eckert & Hamann in Friedenau bei
Berlin hergestelltes Planimeter. Es ist durch verblüffende Einfachheit und ent-
sprechend billigen Pin Ik.) ausgezeichnet. Zahlreiche Proben haben einen
Genauigkeitsgrad von meist unter 1 pCt. ergeben; nur in wenigen Fällen stieg der
Fehler um ein ganz Gerin 1 pCt. Das Instrument verdient daher auch
für craniometriflche Zwecke - mpfohlen zu werden und leistet jedenfalls un-
endlich viel mehr, als bisher ohne die grossen und theuren alten Planimeter, etwa
durch Abwägen oder durch die Quadrat-Methode, erreicht werden konnte. Die Hand-
habung ist eine ganz einfache; jedem Instrumente ist eine Gebrauchs-Anweisung
beigegeben. —
(239)
(20) Hr. Lehmann-Xitsche, auf der Reise nach La Plata begriffen, sendet
aus Paris eine Mittheilung über
ein Kupferbeil von Augustenhof, Kreis Wirsitz, Provinz Posen.
Gelegentlich der Vorlage eines in meinem Besitz befindlichen Kupferbeiles von
Kwieciszewo, Cujavien, in der Sitzung vom 19. October 1895, habe ich eine Zu-
sammenstellung der übrigen mir bekannten Kupferfunde aus der Provinz Posen
gegeben (diese Verhandl. 1895, S. 569; s. auch 1896, S. 380ff.). Herr Gymnasial-
oberlehrer Dr. Erich Schmid in Bromberg hatte nun die Güte, mich au!' ein
weiteres, aus der Provinz Posen stammendes Stück aufmerksam zu machen, welches
sich in der seiner Obhut unterstellten Sammlung der Historischen Gesellschaft für
den Netzedistrict zu Bromberg befindet, und es mir zur näheren Untersuchung und
Veröffentlichung1) zu überlassen, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigen
Dank übermittele. Es stammt von Augustenhof, Kreis Wirsitz. Provinz Posen, und
wurde 1890 von dem Besitzer von Augustenhof, Herrn Domänenpächter Xast in
Julienfelde bei Wissek, der Bromberger Sammlung als Einzelfund ohne nähere An-
gabe der begleitenden Umstände überwiesen. Auch eine daraufhin an Herrn N ;i s t
gerichtete Anfrage ergab kein genaueres Resultat; ebenso, wie bei dem cuja-
vischen Beile, war ein „genaueres Ansehen der Fundstelle und ihrer Umgebung"
ganz unmöglich, da die Stücke als Einzelfunde zu Tage kamen.
Das Augustenhofer Exemplar ist an seiner Oberfläche in grosser Ausdehnung
arrodirt, nur gelegentlich finden sich glatte Flächen einer schmutzig- braunen
Patina. Seine grösste Länge beträgt 12,6 cm, die grösste Breite an der Schneide
4,6 cm. Nach dem Bahnende zu wird es fast um die Hälfte schmäler; die eben-
falls stark arrodirte Bahn, schmal und plan, misst in der Breite 2.4. in der Dicke
0,6 cm. In der Mitte beträgt die grösste Dicke 13 mm. Das Gewicht des Stückes
ist 390,5 q.
Die Breitseiten sind leicht convex, die Schmalseiten plan, die Schneide etwas
geschweift. Anbei eine gute Abbildung in natürlicher Grösse.
Da das Material sofort als Kupfer angesprochen wurde, so war eine Analyse von
grossem Interesse, und Herr Dr. Th. Fischer von der chemischen Abtheilung der
Kgl. geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin hatte die Liebens-
würdigkeit, sich dieser Mühe zu unterziehen. Das Ergebniss seiner sorgfältigen
Analyse ist folgendes:
Kupfer 99,16 pCt.
Arsen 0,51 ..
Zum 0,05 _
Blei 0,03 „
Eisen 0,08 „
Nickel 0,02 _
Schwefel 0,03 „
Sauerstoff 0.09 ,
99,97 pCt.
Wismuth war nicht nachweisbar.
1) Das Augustenhofer Beil i-t bisher nur ganz kurz im „Jahrbuch der Historischen
Gesellschaft für den Nfetzedistrict zu Bromberg, Bromberg 1891" unter dem „Verzeichnis*
der Schenkungen und Erwerbungen für Bibliothek und Sammlung" auf S. 10'2 u
aufgerührt werden: „Von Herrn Dominenpächter Na-t. Julienfelde bei Wiss k: Beilchen
aus Kupfer ^Fundort: Augustenhof; Kr. Wird!
(240)
Das Material ist also fast reines Kupfer (99,16 pCt), die übrigen Bestandteile
sind natürliche Verunreinigungen; von absichtlichen Beimengungen keine Spur.
Doch ist nicht zu ersehen, in welcher Weise und aus welchen Erzen es gewonnen
wurde. Ein Gehalt an schwefliger Säure wurde nicht aufgefunden l). Gerade durch
den Nachweis dieser letzteren konnte Hr. Weeren bei der Analyse der cujavischen
Kupferaxt von Kwieciszewo (diese Verh. 1896, S. 380ff.) den Ursprung des Kupfers
aus geschwefelten Erzen (wahrscheinlich Kupferkies) und den ganzen schwierigen
und sorgfältigst durchgeführten Röstprocess nachweisen.
Dem Material (ungemischtes Kupfer) entspricht auch die Form unseres Stückes.
Montelius hat auf diese Beziehungen aufmerksam gemacht-') und gezeigt, dass, was
die Flachcelte anbetrifft, die ältesten Typen aus reinem Kupfer, die mehr entwickel-
1) Möglich, dass bei früheren in tlysen der immerhin sehr spärliche (Jehalt des Kupfers
au schwelliger Säure übersehen wurde.
2) Oscar Montelius: Pindel man in Schweden Uoberreste von einem Kupferalter?
Archiv f. Anthrop. XXIII. Bd. L895. 3. Heft.
(241)
teren aus diesem oder aus zinnarmer Bronze, und erst die späteren aus gewöhnlicher
Bronze bestehen, und dass diese Verhältnisse nicht nur für Schweden, sondern auch
für andere Länder von Nord- and Mittel -Kuropa gelten. Dies trifft auch in vor-
liegendem Falle zu. Monte 1 ins charakterisüi die beiden ersten seiner sechs
Flachcelttypen folgendermaassen :
1. Breite, der Länge nach fast gleichmässig breite Aexte von gleicher Form,
wie manche Aexte von Flint- oder anderem Gestein. Keine aufstehenden Seiten-
ränder, kein Querabsatz.
Material: ungemischtes Kupfer.
2. Breite Aexte, welche doch nach oben so stark abschmalen, dass die Schneide
mehr als doppelt so breit ist, wie die Bahn; keine oder sehr niedrige Seitenränder, kein
Querabsatz.
Material: entweder ungemischtes Kupfer oder sehr zinnarme Bronze (mit selten
mehr als 3 Procent Zinn).
Vorliegendes Flachbeil steht zwischen diesen beiden Grundtypen, nähert sich
aber mehr dem zweiten: die Schneide verjüngt sich stark nach oben, fast um die
Hälfte, und ist leicht geschweift. Bietet es zwar nichts Neues und ist das Vor-
kommen dieser Form in Nord-Europa ein ziemlich häufiges, so dürfte doch die
sorgfältige Analyse manchem willkommen sein, zumal da sie die Ausführungen von
Mon'telius bestätigt und Much's Statistik (Die Kupferzeit in Europa, 2. Aufl., Jena
1893) erweitert. —
(21) Hr. H. Schumann übersendet unter dein 12. Mai aus Löcknitz folgende
Mitt hei hing:
Hronzekeule (Morgenstern) von Butzke (Pommern).
Das Gut Butzke bei Beigard in Hinterpommern hat schon seit einer ganzen
Reihe von Jahren eine grosse Anzahl wichtiger prähistorischer Funde geliefert,
Hier wurden Hügelgräber der Bronzezeit eröffnet (Spiralfibel '). Später fand sich
hier ein grosses Brandgrubengräberfeld der jüngeren La Tenezeit'-'). Auch eine
höchst interessante Werkstätte für Bernsteinperlen aus der römischen Kaiserzeit
wurde hier gefunden3). Von Butzke stammt auch der im Folgenden zu beschreibende
Bronze-Morgenstern.
Dicht hinter dem Gutshofe befindet sich eine sumpfige Wiese, an welcher der
Weg nach dem Brandgrubengräberfeld vorüberfährt. In dieser Wiese wurden 1865
Gräben ausgeworfen und dabei fand sich das Stück in 21/« Fuss Tiefe als Einzel-
fund. Es befand sich bisher im Privatbesitz.
Der Keulenkopf ist aus Bronze durch Guss hergestellt. Das Aussehen ist
sehr dunkel, last schwarz, wie bei vielen Moorfunden. Die Bronze ist im Bruche
grau, im Feilstriche gelblich. Gewicht = 5.'>0 £., Länge genau 100 tot», gr
Breite /.wischen dvn Stachelenden 70 mm. Die Röhre hat einen lichten Durch-
messer von 18— 1!» mm. Die Wandung der Röhre hat - mm Dicke: im Kopftheil
ist dieselbe aber viel stärker, etwa 15 mm.
Die Keule (Fig. 1), die eine oben und unten offene Röhre bildet, hat am
oberen Ende eine erhabene Borte, in Form einer doppelten Schnur: hierauf
1 Phot. Album von Voss und Günther, Sect III. Taf. 13.
2) Schumann, Urnenfriedhöfe in Pommern. Balt. Stiul. 3,^. S. L09.
Verhandl. 1887, S,
Verhtndl. der Bari. Anttai i sebaft 1897. 1(3
r<.
(242)
kommt ein Kranz von 4 kleinen Zacken in Form von kurzen vierseitigen Pyra-
miden. Hierauf ein Kranz von 4 grossen ebensolchen Pyramiden. Die Basis jeder
dieser grösseren Zacken hat
ein geperltes Band und in jeder
Ecke ein Knöpfchen. Das ge-
perlte Band ist dadurch her-
gestellt, dass ein gegossenes
Doppelwülstehen der Quere
nach durch tiefe, scharfe Pun-
zenschläge eingekerbt ist. Hier-
auf folgt wieder ein Kranz
von 4 kleinen pyramidalen
Zacken und unterhalb der-
selben als Abschluss eine er-
habene Schnur.
Die Röhre unterhalb des
Kopfes zeigt ein Band, aus
o Doppel -Spiralen bestehend,
deren jede in der Mitte mit
einem Knöpfchen versehen ist.
Hierauf wieder eine erhabene
Schnur und wiederum ein aus
o Doppelspiralen bestehendes
Band, während die Röhre nach
unten durch eine Verzierung
in Form einer Doppelschnur,
wie oben, abgeschlossen ist. Alle diese Ornamente, die Schnüre, Spiralen und
Knöpfchen, sind aber zierlich herausmodellirt und über die Fläche erhaben.
"Wenn auch im ersten Angenblick beim Betrachten der Spiralen jemand auf
den Gedanken kommen könnte, dass das Stück etwa unserer älteren Bronzezeit
angehören möge, in der diese Doppelspiralen ja bekanntlich ein sehr beliebtes
Verzierungsmotiv waren, so kann doch bei genauer Betrachtung davon keine Rede
sein. Die Form der Spiralen mit einem Knöpfchen im Centrum ist ganz un-
bekannt bei uns in dieser Zeit, und auch die Doppelspirale en relief ist etwas
ganz Ungewöhnliches. Auch die verschiedenen Reliefschnüre, welche herumlaufen
und die einzelnen Bänder abtheilen, sind in unserer Bronzezeit eine unbekannte
Verzierungsart.
Dabei ist das Stück trotz seiner Schwere nicht plump, sondern geradezu ge-
schmackvoll und zierlich gearbeitet.
Bronzekeulen, wie die vorliegende, gehören, sowohl was ihre Verwendung, als
was ihre Feststellung und Herkunft betrifft, zu den am wenigsten bekannten prä-
historischen Geräthen. Der Grund ist wohl darin zu suchen, dass diese Keulen-
köpfe, soviel ich ersehe, meist Einzelfunde sind.
Keulenköpfe aus Stein in Form einer durchbohrten Kugel, der Steinzeit
angehörend, werden aus verschiedenen Gegenden erwähnt. So aus Ostpreussen
von Tischler1;, ferner von Olshausen aus Ostpreussen und Thüringen-)- Auch
1) Schriften der phj . zu Königsberg 1884, S. L2.
2) Verhan.l! I u. f.
(243)
in Pommern kommen, wie Schreibe!' dieser Zeilen beobachtet hat, ähnliche Keulen-
köpfe in Form durchbohrter Kugeln aus hartem Gestein vor.
Keulenköpf'e aus Bronze, der Bronzezeit angehörig, werden angeführt: ein
Exemplar von gerippter Form aus der Gegend von Bernburg und ein Exemplar
von doppelkonischer Form [einem grossen, doppelkonischen Spinnwirte] gleichend]
aus Ostpreussen '). Alle diese Keulenköpfe sind aber von unserem Stücke rou
Butzke verschieden und geben über die Herkunft des letzteren keine Auskunft.
Keulenköpfe mit Stacheln, wie der vorliegende, haben, obwohl dieselben
keineswegs häufig sind, doch ein ziemlich weites Verbreitungsgebiet. Aus Gondek
bei Kurnik in Posen hat Buchholz ein Exemplar publicirt*). Es unterscheidet
sich dieser Keulcnkopf von unserem dadurch, dass demselben die schöne Orna-
mentirung fehlt; auch sind die Stacheln dreiseitig pyramidal. Weiter habe ich mir
Exemplare notirt aus dem Museum zu Wiesbaden, von unbekanntem Fundort,
sowie aus den Museen zu Frankfurt, Karlsruhe, Sigmaringen (aus Italien)
und ein Stück aus dem Rhein bei Mainz im Mainzer Museum.
Diese Stücke zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne wesentliche Ornamente
sind, ziemlich niedrige, mehr ringförmige Hülsen bilden, und dem unseren an
Länge und Gewicht erheblich nachstehen.
Abgebildet sind derartige Keulenköpfe von Lindenschmit: Alterthümer
uns. heidn. Vorzeit I. VIII. auf Taf. II, Nr. 1, ohne näheren Fundort aus Bayern
(Nationalmuseum in München), Nr. 2. aus Italien (Wiesbaden). Nr. 3 ohne näheren
Fundort aus Meklenburg (Museum zu Schwerin), Nr. 4 aus der Thunschen Samm-
lung (Kgl. Antiquarium in München), Nr. 5 von Weltendorf (Bayern) im Mus. zu
Hannover, Nr. 0 u. 7 aus Italien (Mus. zu Sigmaringen.)
Ferner von Lindenschmit: Alterthümer der Fürst!. Sammlung zu Hohen-
zollern- Sigmaringen auf Tafel XLI. ö. Exemplare aus Italien, von denen schon
vorher zwei abgebildet sind, Nr. <i u. 7.
Auch Genthe erwähnt in seiner bekannten Arbeit über den Tauschhandel
der Etrusker nach dem Norden diese Keulenköpfe (S. 54). Er erkennt nur die
kleinsten Exemplare als Geisseiknöpfe an und hält die schwereren für Streit-
kolben. Als nördlichstes, ihm bekanntes Stück führt er ein solches aus dem
Haien von Istadt in Schweden an (S. 175). Ausserdem zwei Exemplare aus
Ungarn (S. 147): von Sajö-Kerestar (Comitat Borsod), noch mit einem hölzernen
Schaft versehen, und ein Stück von Dömös (Comitat Gran), bei welchem die
Schaftröhre oben und unten mit einem gekerbten Wulstring versehen ist. also
ähnlieh, wie bei unserem.
In neuerer Zeit hat sich auch Forrer mit diesen Gegenständen beschäftigt
und führt eine Anzahl Stücke m Abbildung vor3''. Er zeigt, dass diese Keulen-
köpfe (Geisseiknöpfe) besonders verbreitet sind in Italien und Ungarn, seltener in
Deutschland, Frankreich und der Schweiz; auch aus Aegypten wird ein Exemplar
angeführt. Er unterscheidet zwei Formen: einen italischen und einen angarischen
Typus, von denen der italische durch zahlreiche Stacheln und niedere Ringform,
der ungarische durch längere Hülse und drei- Ins vierseitig-pyramidale Stacheln
charakterisirt wird. Zwischen beiden Typen linden sich Uebergangsformen. Ein
ganz besonders wichtiges Stück bildet Porrer auf Taf. III. Fig. l ab. Di ses
1) ebendas.
2 \.rhamU. 1884, S. 818.
:*' Beiträge zur prähist. Archäologie von R. Porrer. Strassburg 1892.
16*
(244)
Stück giebt zugleich einen Fingerzeig für die Verwendung dieser Geräthe. Es be-
steht nehmlich aus einer hohlen Eisen spitze, um deren Basis der Keulenkopf von
Bronze herumläuft und gewissermaassen eine Garnitur derselben bildet. Diese
Eisenspitze mit Keulenkopf war nach Forrer's Meinung auf einem Holzstab be-
festigt und diente zu gleicher Zeit als Stimulus und als Keule zum Antreiben
von Zugthieren. Er deutet zum Beweise auf Sculpturen von Beni Hassan in
Aegypten hin.
Man wird zugeben müssen, dass dieser Erklärungsversuch viel Bestechendes
hat. Zugleich beweist aber auch der Eisenstachel des letzt angeführten Exemplarsr
dass diese niedrigen italischen Stachelkeulen nicht mehr der Bronze-, sondern
schon der Eisenzeit angehören '). Die Grösse dieser Stachelkeulen ist ungemein
verschieden. Forrer führt Stücke an von 15 g Gewicht. Dass diese als Keulen
keine nennenswerthe Kraft ausüben konnten, ist einleuchtend; sie werden in der
That nur eine Art von Garnitur gebildet haben. Dass aber die stärkeren und
massiven Exemplare, wie das unsere, geradezu als Waffe gebraucht wurden, scheint
mir sicher; denn auch unsere Keule ist an vielen Stellen ersichtlich durch Schlagen
abgenützt und einer der kleinen Zacken ist direct abgeschlagen. Jedenfalls wäre
es ein Leichtes, mit unserem Stücke, wenn es auf einem Stocke befestigt ist, auch
den härtesten Schädel einzuschlagen.
Weitere hierher gehörige Geräthe sind bei den interessanten Ausgrabungen zum
Vorschein gekommen, die Hr. Rösler für die russische Regierung in den letzten
Jahren in Transkaukasien vorgenommen hat. Er hat in einem bronzezeitlichen
Kurgan bei Artschadsor Altsachen ausgegraben, die ganz unseren Bronzekeulen
entsprechen2). Auch sie bestehen aus einer langen Bronzeröhre, die mit runden
oder vierseitig pyramidalen Stacheln besetzt ist. Sogar die Vierzahl der herum-
laufenden Stacheln stimmt mit unseren europäischen Exemplaren überein. Ein
Unterschied liegt nur darin, dass diese transkaukasischen Keulenköpfe nicht an
beiden Seiten offen, sondern an der einen geschlossen sind; im Uebrigen ist die
Zusammengehörigkeit offenbar. Einige derselben enthalten noch die Reste des
hölzernen Schaftes, so dass Rösler zu der Meinung kommt, sie hätten den unteren
Abschluss eines hölzernen Lanzenschaftes gebildet. Hierbei wäre wohl ein Grund
für die Stacheln kaum erkennbar; wir werden dieselben daher wohl besser gleich-
falls für den Abschluss von Peitschenstöcken zu halten haben, die zu gleicher Zeit
als Geissein oder Keulen benutzt werden konnten, wie unsere modernen Ochsen-
ziemer. Auch Forrer bildet übrigens in seiner oben citirten Arbeit auf Taf. V,
Fig. 1 einen Keulenkopf ab, der ganz wie die transkaukasischen an einer
Seite geschlossen und mit 4 flachen Stacheln besetzt ist, während er
nach unten in eine gerade Hülse ausläuft, wie der von Butzke. Dieser Keulen-
kopf stellt also gewissermaassen den Uebergang der transkaukasischen
Keulenköpfe zu den ungarischen Formen her, zu denen man auch den von
liutzke rechnen wird.
Chemische Analyse.
Cm möglicher Wei i auf diesem Wege der Zeitstellung dieser Bronzegeräthe
näher zu kommen, veranlasste ich eine chemische Analyse des Stückes. Hr.
Prof. Dr. F. W. Semmler in Greifswald hatte die Güte, dieselbe auszuführen
1) Die 1 ii i che Arbeit isl mir durch L. Lindenschmit zugänglich gema< ht
worden, wofür meinen besten Dank.
2) TerhandL 1896, S. 104, I 68—71.
(245)
wofür ich ihm hierdurch nieinen besten Dank sage. Er theilt mir mit. die Bronze
enthalte
Kupfer 79,81 pCt.,
Zinn 19,23 B ,
etwas Antimon und Eisen.
Vergleichen wir diesen Befand mit den in der Literatur veröffentlichten Bronze-
Analysen, so sehen wir, dass diese Bronze jenen grauen Bronzen um nächsten kommt.
auf die Virchow schon öfter hingewiesen hat1). Von den angeführten Bronzen
steht unsere Keule am nächsten der Scheibennadel von Sparow in Meklenburg
(Museum zu Schwerin). Auch die eigentümlichen hörnchenförmigen Tutuli von
Misdroy und Crüssow in Pommern-') gehören in dieselbe Gruppe. Auf eine spätere,
römische oder Völkerwanderungszeit weist die Analyse nicht hin; die Bronze
würde in diesem Falle höchst wahrscheinlich Blei oder Zinn enthalten. —
TiaZ.
d.
k
a) transkaukasische Form (bronzezeitlich) nach Rösler, Verb. 1896, S. 104, Fig. 69.
I' Uebergangsform (bronzezeitlich) nach Forrer, Tat. Y, Fig. 1.
c) ungarische Form (bronzczeitlicb).
d) italische Form (eisenzeitlieb": nach Forrer, Tat. IV. Fig. 2 und 5.
Fasse ich das bisher über die Keulenköpfe gebrachte Material zusammen, so
komme ich zu dem Schlüsse, dass dieselben wahrscheinlich eine uns Ursprung
fremde, aus dem Orient gekommene Geräthform darstellen. Der älteste Typus
bildet eine unten olfene, oben geschlossene, verdickt»1 und mit Stacheln besetzte
Röhre und hat seine Analoga in Transkaukasien. Eine Uebergangsform zu den
folgenden bildet ein Stück bei Forrer, Taf. V. Fig. 1. Eine jüngere Form
ist die angarische, welche eine oben verdickte, beiderseits offene, und mit pyrami-
dalen Stacheln besetzte Bohre bildet, Die jüngsten Formen seheinen die italis
zu sein, die, mit vielen Stacheln besetzt, zu niederer Ringform zusammengeschrumpft
1) Verhandl. 1884, S
2] ebendas. 1890 -
(246)
sind und zuweilen wohl nur noch eine Garnitur für eiserne Stacheln (stimulus)
bildeten.
Während die transkaukasischen und ungarischen Formen noch in die ächte
Bronzezeit zu fallen scheinen, gehören die niedrigen italischen Formen schon der
Eisenzeit an. Es scheint sich somit der in Fig. 2 bildlich dargestellte Entwickelungs-
Prozess vollzogen zu haben.
Wenn es mit dem Gesagten auch noch nicht gelungen ist, eine sichere Zeit-
bestimmung dieser noch so wenig bekannten Keulen zu erreichen, so sollte doch
einmal wieder darauf hingewiesen werden. In hohem Grade wichtig wäre es,
wenn die Museen in Süd-Deutschland sich entschliessen wollten, gleichfalls eine
Analyse des einen oder anderen Stückes vornehmen zu lassen; es geht dies ja
ganz gut, ohne das Stück zu stark zu beschädigen. —
(22) Hr. R. v. Weinzierl in Prag überschickt folgende Abhandlung über
prähistorische plastische Thonfiguren aus Böhmen.
Plastische Arbeiten in Thon, zum Zwecke der Nachbildung von Menschen und
Thieren, sind in Böhmen sehr selten; auch von anderwärts kennen wir davon
keine grosse Reihe, bis auf den epochalen Fund in Butmir bei Sarajevo, der uns
geradezu mit verblüffenden Massen von neolithischen Artefakten entgegentritt.
Auf die menschlichen Thonfigürchen von dort w-erden wir später zurück-
kommen.
Von Thierfiguren wurden in Butmir nur wenige verstümmelte Körper von Vier-
füsslern gefunden, soweit uns eben die erste Publication1) über diese südlichst ge-
legene neolithische Station belehrt. Die typische Keramik und deren Verzierungs-
Technik bietet dort eine Fülle von ausserordentlicher Reichhaltigkeit der localen
Entwickelung, mit Anlehnung an südliche Cultur.
Die locale Ornamentik der Gefässe finden wir an dem menschlichen Torso
angebracht; keine der ornamentirten Figuren ist ganz, dagegen begegnen uns dort
unter den ganzen Figürchen nur rohe Formen, mit leichter Andeutung der Ex-
tremitäten. Immerhin sind diese kräftig modellirt und die menschliche Figur
ist deutlich erkennbar.
Die menschliche Figur, welche in Fig. I2) in seiner Vorder-, Seiten- und
Rückenansicht in natürlicher Grösse abgebildet ist, wurde bei Sabnitz, Bezirk
Brüx, gefunden, und zwar in einem ovalen Thongefässe, das jedoch bei der Auf-
findung zerbrochen wurde und in Verlust gerieth3).
Wenn wir diese und die rohen, ganzen Figuren4) von Butmir nebeneinander-
stellen, so finden wir vor Allem eine Uebereinstimmung in der Grösse und der
1) Die neolithische Station von Butmir bei Sarajevo, herausg. vou Radimsky-
Hörnes. Wien 1896. I blich finden wir auf S. '2 und 3 einen eingehenden Vergleich
mit den TOrmykenischen Marmor- Statuetten aus den Gräbern auf Amorgos und anderen
Kykladen: die auf Tafel II und III allgebildeten Figürchen sind S. 14 und 15 be-
schrieben.
2) Dies«' and alle folgenden Figuren sind in natürlicher Grösse gezeichnet.
3) Ich habe diese Figur dem ausserordentlichen Entgegenkommen des Hrn. 0. Scharf
in Brüx zu danken, welcher ich Luch alle ■ rdenkliche Mühe gab, die näheren Fundumstände
sicherzustellen.
4) Tat. II. Fig. 1": Tat. III. I ig. 12.
(247)
rohen Modellirung, dahingegen ist unsere Figur kräftiger als „Mensch" gekenn-
zeichnet durch die herausgearbeiteten Details.
[)]>• Vorderansicht (Fig. 1, d) zeigt uns, bei ziemlich ilaehem Oberkörper, einen
kräftigen, markant modellirten Mann.
Am Kopfe sind die Augen durch eingestochene Gruben, der Mund ebenfalls
und quer vertieft gezeichnet, während die plumpe, grosse Nase ruh geformt er-
Bcheint.
Fig. l. V,
a h
Menschliche Thonfigui von Sabnitz, in Vorder-, Seiten- und Racken-Ansicht.
Der Hals ist nicht angedeutet, sondern der Kopf yeht direct, ohne Absatz,
zu den Achseln über, die abfallend wiederum in einer Linie, ohne merkliche An-
deutung, sich in den äusseren Contour der Arme fortsetzen.
Die Arme, von denen der linke unier der Achse] abgebrochen ist. reichen
i>is an den Bauch und sind am Körper anliegend, plump und ohne eigentliche
• rliedernng modellirt.
Die Hand ist ganz widernatürlich Dach aussen abgebogen und ohne 1
Gliederung. Unter der Achsel i>t eine Vertiefung angebracht, um den aus-
gebogenen Arm von dem Körper zu trennen. Der abgebrochene Arm muss eine
ebensolche Stellung gehabt haben, da sowohl die Vertiefung unter der Achsel an-
gedeutet, als auch längs es Körpers noch Spuren der Ablösung bis zum I5auche
vorhanden sind.
(248)
Der Bauch selbst ist ilach und wenig vortretend. Die Hüften fallen nahezu
gerade ab und sind wenig verbreitert.
Die ausserordentlich kurzen Stummelbeine, gerade so wie bei den Figürchen
von Butmir, sind eng anschliessend, mit einem nach vorn kurz abgebogenen, an-
gedeuteten Fusse versehen, welcher jedoch unten nicht abgeplattet, sondern ab-
gerundet ist, so dass die Figur absolut nicht stehen konnte. Der rechte Fuss ist
abgebrochen.
Die flache Brust, wie auch der plump und kräftig modellirte Penis deuten das
männliche Geschlecht der Figur an.
Von seitwärts betrachtet, ergiebt sich eine kräftige Profiliiung des Unterkörpers
mit deutlicher Vorneigung des Oberkörpers.
Der Kopf geht, nahezu gerade, mit geringer Andeutung des Halses, in den
Rücken über. Die Ohren scheinen schwach angedeutet gewesen zu sein.
Die Oberarme sind sehr plump ausgefallen, während, wie auch von rückwärts
zu sehen, das Gesäss kräftig und gut herausgearbeitet ist.
Auch die Beine sind durch eine Vertiefung als getrennt gekennzeichnet.
Mittelst eines dünnen Holzstäbchens ist der Oberkörper vom Scheitel bis zur
Mitte durchbohrt, ebenso quer in der Höhe der Achseln. Wahrscheinlich diente
je ein Längs- und ein Querholz zur Festigung der weichen Thonmasse; besonders
sollte die Querstütze die Haltbarkeit der Arme erhöhen, da dieselben, an den Ober-
körper angedrückt, von beiden Enden des Holzes gefasst wurden.
Das Material besteht aus blassrothem, sandhaltigem Thon und ist schwach
gebrannt.
Was nun den Zweck der Figur anbelangt, so werden wir es wohl weniger
mit einem Idol, als mit einer symbolischen Bestattung zu thun haben. Die ge-
krümmte Haltung des Körpers und die abgerundeten Füsse lassen darauf schliessen,
dass die Figur für eine liegende Stellung bestimmt war. Dazu kommt, dass die-
selbe in einem ovalen, rohen Thongefässe gefunden wurde, welches wahrscheinlich
mit einem Thondeckel geschlossen war, — Umstände, welche die obige Andeutung
der Darstellung einer Bestattung wahrscheinlich erscheinen lassen.
Der Fundort bei Sabnitz ist durch mannichfache neolithische Artefakte als
steinzeitliche Culturstätte gekennzeichnet, so dass wir auch die vorliegende Figur
dieser Cultur- Epoche zuweisen können, da absolut kein Moment einer gegen-
teiligen Annahme vorliegt. Die Figuren von Butmir sind bis auf Fig. 10, Taf. II
alle zum Aufstellen bestimmt gewesen, worauf die abgeflachte Basis derselben hin-
deutet.
Alle dortigen Figuren sind nackt, wie unsere; nur die vorhin bezeichnete ist
mit einem Halsschmuck geziert. Die meisten Figuren sind aus schwärzlichem
Thon hergestellt, bis auf die ganz rohen, die unserer Figur nahe stehen und aus
demselben Material, wie letztere, bestehen.
Die Analogie würde eben keine weiteren Schlüsse zulassen, theils wegen der
colossalen Entfernung beider Fundstellen, theils wegen der verschiedenen Zeit-
stellung, da Butmir in das 'Jahrtausend vor Chr. zurückversetzt1) wird, dagegen
unser Fundort wohl dem jüngsten Stadium der Steinzeit angehört, also um etwa
1000 Jahre anserer Zeitrechnung näher gerückt ist.
Jedenfalls können wir annehmen, dass die plastische Kunst sich auch bei
so weit getrennt lebenden, einer und derselben Culturstufe angehörenden Volks-
ätämmen ohne jeden Nebeneinfluss herausgebildet hat; die immerhin noch plumpe
1) Die aeolithi8che Station von Butmir, S. 3.
(249)
Ausführung der vorliegenden menschlichen Figur, die im (ranzen doch correcter
modellirt ist, als die rohen Figuren von Butmir, zeugt schon von einer vor-
geschrittenen Auffassung des Modelleurs in Bezu- auf sein Vorbild.
In der Steinzeit sind die plastischen Thonbilder ebenso selten, wie die bild-
lichen Darstellungen1) des Menschen und der Thiere, welche wir in ganz hervor-
ragenden Stücken sowohl aus diluvialen, als auch neolithischen Fundorten kennen;
1) In der Colloction E. Miksch sen., Prag,
befindet sich ein ThonBchiefer-Stüek, auf w< i<hem
eine menschliche Figur in schlichten Zügen ein-
geritzt ist. — Hr. Miksch war 80 liebenswürdig,
mir dieses Stück, behufs Abnahme der Zeich-
nung, zur Verfügung zu stellen. Das kaum
etwas mehr als 2 mm starke, schwarze Schiefer-
TSfelchen ist rechteckig, von 4,5 x <> cm, die Ober-
fl&che zugeschliflen und der obere Rand etwas
ausgebogen und vorgeschliffen.
Die nebenstehende Abbildung stellt das Objeet
in natürlicher Grösse dar.
Die weibliche Figur, nur im Krustbilde dar-
gestellt, ist mit zwei Ohrgehängen und einer
hohen Haar-Frisur versehen. Das Gesicht selbst
ist in dem Contour des Hauptumrisses, welcher
an Stelle des Kopfes eine Schlinge bildet, deutlich
durch markant eingeritzte Augen, Nase und Mund
dargestellt: das Kinn erscheint ausgebrochen.
Die ausser Verhältniss grossen Ohren sind mit
Ohrgehängen behangen, welche in dieser Form
uns aus dem Beginn der christlichen Zeit (Much, Vor- und frühgeschichtl. Denkmäler.
Kunsthistorischer Atlas, Abth. I, Taf. XCVIII, Fig. 3 u. 4, u. a. 0. mehrfach abgebildet),
wohl bekannt sind, und auch, da dieselben häutig in Silber vorkommen, unter den Hack-
silber-Funden, selbst mit böhmischen Herzogs-Denaren zusammen, gefunden wurden.
Die aufstrebenden Haare scheinen eine dichte, hohe Frisur mit einem quereingelegten
Kranz oder dergleichen zu bilden und sind bis über den Vorschliff hinab eingeritzt. Die
Brust ist durch einen stark eingeritzten Querstrich als ein gedrücktes Dreieck gekenn-
zeichnet: innerhalb der Basis desselben, wie auch in den oberen Ecken sind Lücher an-
gebracht, um das Befestigen zu ermöglichen. An der linken Seite verläuft eine einfach'.
Bchwach eingeritzte Wellenlinie, hi< gegen die untere Ecke, während rechts ein Blumen-
gehilde zwischen zwei angedeuteten Blättern emporrankt.
Genau besehen, zeigt die ganze Fläche eine Unzahl alter Ritze; die Zeichnung sowohl,
wie auch deren primitive Ausführung, würden auf Aechtheit schliessen lassen.
Gefunden wurde dieses Täfelchen in HoromSritz boi Frag, gelegentlich der Aus-
hebung eines Teiches, Ende der 70er Jahre.
An dieser Stelle lagen viele Artefakte der Stein- und Bronzezeit. Jedenfalls gehört
das vorliegende Fundobject aber der jüngsten Cultur, etwa dem 9. oder 1". Jahr-
hundert an.
In diesem Täfelchen, wenn wir von einem muthmaasslichen Zwecke sprechen wollen,
können wir vielleicht ein Wahrzeichen "der die Bezeichnung für Zauberer. Wahrsager und
dergL ersehen. Mittelst der drei Löcher konnte es an der Hüttenthür befestigt werden.
Es würde zu weil führen, über diesen Gegenstand sich hier mehr auszusprechen; es
mag diese kurze Beschreibung und Andeutung über den Zweck genügen, am so mehr, als
wir es doch nur mit einem Streufonde zu thun haben, der in keinem Zusammenhang
den übrigen Funden der tieferen Schichten dieses Ortes stellt.
(250)
es sind dies besonders die Funde von Madelaine, Thayngen, Laugerie-Basse, der
Höhlen von Mähren u. a. mehr, wovon freilich manches hervorragende Stück mit
grossen Zweifeln betrachtet werden muss.
Grösstentheils wurde ein Thier zum Vorwurfe genommen, welches sowohl ge-
zähmt, als wild des Menschen höchstes Interesse erregen musste.
Vor Allem war es der Stier, die verkörperte Stärke, die den Menschen zu
nächst veranlasste, dessen Urbild zu plastischen Werken zu benutzen, und so
finden wir dessen Kopf in mehr oder weniger correcter Ausführung theils als Zier-
henkel, theils als Ausguss oder Aufsatz an Prunk-Gefässen angebracht. Daher sind
Thierbilder aus Thon weniger selten; dieselben kommen in verschiedenen Stadien
der Kunstfertigkeit vor und sind von der neolithischen Culturepoche an durch alle
Culturphasen beobachtet worden.
Häufiger kommen in der Metallzeit Thierbilder (Stier, Eber, Vögel u. s. w.) aus
Bronze, Eisen und edlen Metallen vor; doch wollen wir diesmal nur die plastischen
Thongebilde Böhmens besprechen. Stierbilder aus Thon sind mir bisher nur
fünf bekannt geworden, deren Fundverhältnisse genau sichergestellt sind, theils
durch die Nebenfunde, theils durch die Fundberichte, so dass wir auf sicherer
Basis deren Zeitstellung fixiren können.
Fig. 2. Ein sehr primitiver Stierkopf, der als Oehse an einem Scherben
mit Tupfenleisten und Schnitt-Ornament angebracht ist, aus Podbaba bei Prag
A i
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fcJ3>N
Gefässscherbe mit Stierkopf als Oehse von Podbaba.
stammt und der Collection Miksch angehört. Der aus grauem, gut gebranntem
Thon bestehende Scherben i mil graugelbem Ueberzug und schwacher Glättung ver-
Behen und gehörte einem Gefa mittlerer Grösse an. Die umlaufende Tupfenleiste
ist durch einen flachen, sehr roh modellirten Stierkopf unterbrochen, welcher als
Oehse, vertical am Halsgrunde, durchstochen ist. Der Vordertheil des Kopfes
(251)
vertical gestellt, ist flach und herzförmig; die nach oben einwärts und mit den
Spitzen gegen einander gebogenen Hörner sind kurz und plump.
Die Augen sind durch zwei flache Grübchen angedeutet; Nase und Ohren
fehlen, dagegen ist das Maul fixirt und deutlich eingeritzt.
Mit einem breiten, kurzen und massiven Halse sitzt der Stierkopf auf.
Das Gefäss-Fragment gehörte offenbar einem bombenförmigen Gefasse an; die
Tupfenleiste umläuft den oberen Theil desselben, den Sanften Baachumfang kenn-
zeichnend. Diese Leiste ist nicht, wie es gewöhnlich bei neolithischen Gefässi D
vorkommt, roh modellirt und aufgelegt, sondern aus der Masse der Gefässwand
herausmodellirt. Die Kopföhse wird sich wohl drei- oder viermal im Umfange
wiederholt haben.
Der Scherben selbst trägt jenes, dieser Gefässform ganz typisch eigene Schnitt-
Ornament von geraden und krummen, eingeritzten Linien, die uns hauptsächlich
von der Keramik dieser neolithischen Station in den Collectionen das Museum
regni Bohemiae und der HHrn. Dr. Berger, Miksch, Jira in Prag bekannt ist1).
Noch soll nicht unbemerkt bleiben, dass die Tupfenleiste in Verbindung mit dem
charakteristischen Ornamente und der Gefässform bisher nicht beobachtet wurde,
wie überhaupt das Leisten-Ornament auf diesen typischen Gefässen sehr selten ist2).
Gefunden wurde das interessante Gefäss-Fragment in Podbaba in neolithischen
Culturgruben nebst anderen steinzeitlichen Gefässscherben mit Warzen-, Leisten-,
Stich- und Schnitt-Ornament, die theilweise den bekannten bombenförmigen. boden-
losen Gefässen angehörten.
Hr. E. Miksch sen. hatte die Liebenswürdigkeit, mir das Fragment und den
Fundbericht zur Verfügung zu stellen.
Fig. 3. Im Museum regni Bohemiae befindet sich in der neolithischen Ab-
theilung ein Gefäss-Fragment mit einem schönen, kräftig modellirten Stierkopf von
Öerny viil (Schwarz-Ochs), Bezirk Smichov.
Dieser ausserordentlich schön modellirte Stierkopf trägt grosse, starke, nach
auswärts aufgebogene Hörner (das rechte Hörn ist abgebrochen). Die Augen sind
nur ganz flachgrubig angedeutet, Ohren sind nicht vorhanden. Das Maul ist
deutlich eingedrückt gekennzeichnet, die Nasenlöcher darüber durch eingestochene
Punkte fixirt.
Der kräftige und proportionirt lange Hals ist mit zwei doppelten Tupfenreihen
in spiraliger Anordnung geziert.
Auf der Stirn sehen wir in Dreieckform, paarweise gegen die Nase zu ver-
laufende, tiefe, eingestochene viereckige Grübchen.
Dieser Stierkopf wurde nebst mehreren dazu gehörigen Scherben, welche alle
»las typische, eingestochene Ornament von Premysleni, Podbaba, Leitmeritz. Lobo-
sitz u. s. w. tragen, gefunden and gehört einem Prankgefässe an, welches in Inter-
1 Diese bisher nur aus den neolithischen Culturgruben bekannte Keramik ist auch
sonsf über die neolithischen Stationen der nördlichen Hälfte Böhmens verbreitet Ebenso
Bind uns solche Gefässe aus Mährens steinzeitlichen Ansiedelungen und Höhlen bekannt.
Verflossenen Winter gelang es mir, solch ein bombenf&rmiges Gefass, mit Beinern charak-
teristischen Ornament und mit Oehsen versehen, in einem neolithischen Skeletgrabe
bei Lobositz zu constatären; es war dies das erste Mal, dass dieser Gefässtypus at
„Urne" gefunden wurde. In einer spateren Publication will ich in ausführlicher Weise
darauf zurückkommen.
2 Ein ganz erhaltenes 1 xemplar mit sehr schönem Leisten- Ornament besil e ich au-
der Gegend von Fürwitz, nordwestliches Böhmen; dieses interessante Gefass ist publicirt
in den „Prähistor. Blättern", VII. Jahrg., Nr. 2/8, und auf Tafel IV abgebildet
(252)
vallen aufstrebende, säulenartige Fortsätze hat. die den Rand überragen, und
welches allem Anschein nach kantig und geradwandig war, wie wir ähnliche Ge-
fässe bei Götze1) finden.
Fig. 3. Vi
™-
Stierkopf, ornamentirt:, Aufsatz eines Prunkgefässes von Cerny vül.
Ausserdem kamen in den Culturgruben noch Fragmente mit Band-Keramik vor.
Dem Material nach bestehen die Scherben aus grauem, gut gebranntem Thon
und sind wenig geglättet.
Die Scherben der tieferen Schichten dieser Culturgruben sind der neolithischen
Culturepoche zuzuschreiben, nebst den Bein- und Stein-Artefakten, während einige
ausgelegte bronzezeitliche Scherben der Nachbesiedelung angehören.
Dieser ausserordentlich interessante Fund wird demnächst durch den Custos
Hrn. Prof. Dr. Pic publicirt werden. Für die dennoch in freundlichst entgegen-
kommender Weise gestattete Abbildung des vorliegenden Objectes kann ich nicht
umhin an dieser Stelle meinen Dank zum Ausdruck zu bringen.
Fig. 4. Dieser prächtig modellirte Stierkopf besteht aus röthlich-gelbem Thon,
ist gut geglättet und gi brannt, vollkommen dünnwandig und hohl und war offenbar
der Ausguss eines Gl welches zu einem ganz bedeutenden Urnenfunde
gehörte").
1) „Die Gef&ssformen and Ornamente der neolith. Bchnurverz. Keramik" u.s.w. Taf. I,
Fig. 47."
2) Pamatky arch., XVI, mil ■ Cafel. Ergänzung; XVII. Heft 4, S. 360. — Prä-
historische Blätter, München 189i VIII. Jahrg., Nr. 2.
(253)
Im Wiessen bei Saaz winden zwei Brandgräber gefunden, wovon das eine
unter Anderem 4 prachtvoll ornamentirte und gegliederte Urnen1) gleichen Materials
enthielt, welche wir wohl als quadische Keramik ansehen können.
Zu den zerbrochenen Urnen gehört auch das Fragment, welches als Ausguss
diente oder denselben andeutete und uns vorliegt.
Die breite Stirn trägt starke und lange, nach vorn ab-, mit der Spitze aufwärts
ene Börner (das linke Hörn ist abgebrochen).
Die Augen sind als tiefe, runde Grübchen eingedrückt.
Fig. 4. V,
Stierkopf, Ausguss eines Prunkgefässes, von Wiessen bei Saaz.
Der nach vorn stark verengte Kopf lässt die Nasenlöcher deutlich erkennen.
Das Maul ist quer, tief und gerade eingedrückt; in seiner Mitte mündet die runde
Ausflussöffnung.
Die Ohren sind nicht angedeutet.
Der Hals ist kurz und breit, und geht direct, ohne abgesetzt zu sein, in die
Gefässwand über.
Der ganze Stierkopf ist, wie bereits erwähnt, geglättet und nicht orna-
mentirt.
Welche Form dieses Prunk- und Grabgefäss hatte, ist nicht zu constatiren, da
unter all' den Scherben der zerbrochenen Beigefaase auch nicht ein einziges Frag-
ment zu unserem Stierkopf passte.
Das Material ist vollkommen gleich jenem der prachtvollen Aschenurnen, die
glücklicher Weise erhalten blieben.
1) Den ganzen Grabfund, sowie auch den prächtigen Stierkopf verdanke ich Hrn. Gend.-
Wachtmeister -loh. Bartl in Kolleschowitz, dessen regem Interesse für die prähistorischen
Funde des Goldbach-Gebietes and dessen Sammeleifer es Oberhaupt zu danken ist, daas
bo mancher wichtige Fund vor dem Untergänge geschüttt und erhalten geblieben ist. Es
verdient dies am so mehr lohend hervorgehoben zu werden, da in vielen, au Funden reichen
Gegenden Böhmens niemand ds ist, der der Drgeschichts-Forschung irgend ein In-
entgegen bringt. Hrn. Bartl verdanke ich die eingehendsten Fundberichte, Focal-
skizzeu u. s. w., so dass ich nur einer angenehmen Pflicht nachkomme, wenn ich genanntem
Herrn an dieser Stelle meinen besonderes Dank abstatte.
(254)
Wie in jenem Aufsatze in den Pamatky arch. und den Prähistorischen Blättern
klargelegt ist, lässt sich ohne Weiteres heute eine bestimmte Zeitstellung für diese
Brandgräber noch nicht fixiren.
Vor Allem erinnert der Aufbau1) und die Verzierungstechnik mit allen Motiven
dieser Urnen an jene der merovingischen Skeletgräber von Podbaba, Uherec und
Vinaric, wiewohl diese, ganz abgesehen von der Bestattungsart, roher in der Aus-
führung erscheinen, massiv, kleiner gehalten und graphitirt sind.
Eine grössere Annäherung zeigt diese Keramik zu der in den Gräberfeldern
der Völkervvanderungzeit von Wenden, Loxstedt und Altenwalde im Hannoverschen;
wir wollen daher unsere Gräber ebenfalls in diese Zeit versetzen und glauben, wenn
wir dieselben den Quaden zuschreiben, keinen Fehlgriff gethan zu haben.
Leider ist bis jetzt in Wiessen kein neuer Fund gemacht worden, auch ist
von früher keinerlei Metall-Artefakt bekannt, welches mit diesen Leichenbrand-
Gräbern in einem Zusammenhange stände.
Hoffentlich bringt uns die Zukunft nähere Aufschlüsse. —
Von den Nachbildungen der Vierfüssler in Thon liegt uns ein recht interessanter
Fund vom „Schi an er Berge" vor, welcher im Museum reg. Boh. in der ersten
Abtheilung der neolithischen Ansiedelungen deponirt und ausgestellt ist; der-
selbe besteht2) aus zwei ausserordentlich roh gebildeten, ungleich grossen Stier-
figuren [Fig. 5« und b].
Die grössere Stierfigur (o) hat einen walzenförmigen Körper, der von vier rudi-
mentären Füssen getragen wird und einen unproportionirten, grossen Kopf hat. Die
kräftig modellirten Hörner sind nach auswärts gebogen, der Kopf ist durch einen
schnabelartigen, abwärts gerichteten Fortsatz angedeutet.
Rückwärts läuft der Körper in eine stumpfe Spitze aus.
Das kleinere Stierbild (/>) besteht eigentlich der Hauptsache nach aus zwei
aufwärts geschwungenen, mächtigen Hörnern, zwischen welchen sich ein kurzer,
nach rückwärts zugespitzter Körper fortsetzt, der von drei kleinen Stummelfüssen
getragen wird.
Beide Stierbilder sind jedenfalls der primitiven Kunstfertigkeit einer Hand ent-
sprungen und bestehen aus gebranntem, grauem Thon.
Trotz dieser rohen Ausführung zeigen sie deutlich eine Tdealisirung der
„Kraft*, indem das Hauptgewicht des Modelleurs auf die gefährliche Wehr des Urs
gelegt wurde.
Es ist dem prähistorischen „Künstler" gelungen, — wir müssen dies trotz der
scheinbar ausserordentlich rohen Arbeit sagen, — die idealisirte Kraft vollkommen
1 Bei 1'» ü - '• h i n - . .1 >ie heidnischen Alterthümer Schlesiens", finden wir auf dem Titel-
blatte in Pig.2 eine kleim Urne, die jedoch graphitirt ist, abgebildet, welche an den
Aufbau and dir Verzierungsmotive unserer Urne erinnert; sie ist in den „Prähist. Blättern0
2) abgebildel j kleinen Urnen des Titelblattes, Nr. 8 und 9, weisen das
auf unseren Urnen noch vorhandene Zickzackband auf. Schon in den Pamatky arch. und
den Priilii t. Blättern erwähnte ich seinerzeit, dass einzelne, älteren Culturphasen an-
gehörige Verzierungsmotive bei unseren Urnen von Wiessen sich wiederholen und trotz
Ict grossen Zeitintervalle auch noch im Aufbaue bekannte Gliederungen vorkommen.
2) l'amätky arch., KVII, H'tt 1. Tat". XXXIII, Fig. 21 und 22. Schmidt verweist
auf die einzelnen Culturpha en, beschreibt in übersichtlicher Weise dir im Mus. reg. Boh.
deponirten Fundobjecte und berücl ichtigl die beiden Thonbilder in kurzen Worten als
zwei primitiv verfertigte, thierähnliche Figuren, welche jedenfalls nur eine ,.Kinderarbeitu
darstellen. Aueh 'li*' Abbildui ■ er beiden Objecto wurde mir von Seiten des Hrn.
Prof. Dr. l'ir freundlich tet.
(255)
zum Ausdruck zu bringen. Und selbst wenn es nur kindliche Anfange der Plastik
wären, so sehen wir gerade darin das wichtige Hauptmoment der Idee bereits ver-
körpert; es ist dem rohen Urbilde das richtige Charakteristiken gegeben, so dass
wir auch keinen Moment ausser Zweifel über die Deutung sein konnten. -
wenn wir die räthselhafte, kleine Figur allein in die Hand bekämen.
Fig. 5. V,
Zwei primitive Steinfiguren vom Schlauer Berge.
Die neolithische Ansiedelung auf dem „Schlauer Bergeu ist ganz bedeutend.
Wir sehen von dort in der Vitrine des Museums ausgelegt: Pfriemen aus Knochen.
Feuerstein -Pfeilspitzen und -Messer, -Schaber nebst Fragmenten, Geräthe aus
Hirschhorn, Thonlöffel, Wirtel aus Thon, neolithische Keramik, Ansa lunata. Die
Nach-Besiedelung war zunächst bronzezeitlich, wiewohl die bemaltne Scherben als
noch jünger zu deuten sind. —
Auf dem „Hradek" bei Öaslau, wo Hr. Cl. Öermak schon oftmals erfolgreiche
Grabungen vorgenommen hat, wurde in einer Tiefe vim 40 cm, in der obersten
und jüngsten slavischen Culturschicht dieser Ansiedelung, ein sehr nettes
Krügelchen gefunden, das einen schön modellirten Widderkopf trägt
Dasselbe stand in einer Steinkammer, welche aus platten Steinen zusammengestellt
war. Daneben fand man zwei sehr schön ornamentirte Deckplatten von Bein-
kämmen.
Das kleine Gefäss besteht aus lichtgrauem Thon. der stark glimmerhaltig und
l Durch die freundlich Uebersendung des Qef&sses und des Fundberichtes durch
Hrn. Cl. i'cnnäk in ÖasL ■ isl es mir möglich, eine naturgetreue Abbildimg zu bi
weshalb ich genanntem Herrn meinen besten Dank ausspreche. ■>
(256)
gut gebrannt ist. Aus der starken Wandung ist sowohl der Kopf des Widders,
als das Hintertheil mit dem kurzen Schwänze herausmodellirt. Der Kopf ist mit
Zuhülfenahme eines Spatels scharf gezeichnet, die starken und eingebogenen Hörner
sind proportional; die Ausführung lässt auf einen geübten Modelleur schliessen.
Die Augen sind durch tiefe Grübchen angedeutet, Maul und Nase nicht be-
zeichnet. Die entgegengesetzte Sejte des Gefässes ist unter dem vertical auf-
steigenden Halse etwas eingedrückt, ausgezogen und endet in einen kurzen und
breiten Schwanz. Das Gefäss verbreitert sich stark nach unten und hat einen
nicht ganz kreisrunden Boden. Auf dem kurzen Halse ist ein breiter, ausladender
Rand aufgesetzt, der auf der Innenfläche mit einer Reihe grober, eingestochener
Fig. 6. V,
Widder-Gefäss aus dem Hrädek von Caslau.
Punkte geziert i>i: diese setzen sich auch in die innere Halswandung des Ge-
fässes fort.
Unter dem umgebogenen Rande verläuft eine kurze, eingedrückte Wellenlinie,
die ziemlich andeutli und flüchtig ausgeführt ist. Unter derselben, etwa in der
Höhe der Hörner, ist eine unrcgelmässige Reihe eingedrückter Punkte, aber nur
auf einer Seite, angebri Darunter läuft eine flache und ausgedehntere Wellen-
linie um das Gefäss.
Dem Material und den Verzierungsmotiven nach gehört das kleine Krügelchen
von vornherein dem Burgwall-Typus an; in den böhmischen Ansiedelungen der
Blavischen Burgwallzeit, in den gleichzeitigen Reihengräbern, finden wir dieselbe
Keramik. Das vorliegende Gel gehört der jüngsten Zeitphase dieser Epoche
an und dürfte in die erst'- / ler böhmischen Herzöge fallen.
(251)
Ueber den Zweck dieses mit einem „Widder* verzierten Gefässes ÜLsst si h
nicht viel sagen: wahrscheinlich haben wir es mit einem Yotivgefäss zu thun.
Das interessante tf"Widder-GefässM gehört dem Museums-Yerein „Vcela caslarskä"
in Öaslau und wird im dortigen Museum aufbewahrt, welches auch eine reichhaltige
Collection vom -Hrädek" enthält, die eine gute Uebersicht über jene slavische
Cultarperiode gewährt. —
Auch liegt uns in Fig. ? eine Vogel-Darstel I u ng1) in Thon vor.
Fig. 7.
Vogelfigur (Schwan?) von Havrau, Brüx.
Das interessante Object besteht aus rothem Thun und ist mit einer gut ge-
glätteten Thonschicht mit sehr fein vertheilten (llimmertheilchen überstrichen; es
ist scharf gebrannt.
Der lange Hals, welcher in einen kleinen Kopf mit Sehnabel-Ansatz ausläuft,
berechtigt zu der Annahme, dass wir es mit einem Schwanenbilde zu thun haben,
worauf auch die Kürperform und das kurze Schwanzende deuten würden. Der
Hals verbreitert sich „verkantig" und allmählich dem Körper zu, der in sanfter
Abrundung der Brust sich erweitert, jedoch gegen den Schwanz zu rasch abnimmt
und in eine stumpfe Spitze verläuft. Die vordere Fläche ist mit tiefen, vom
Kopfe bis zum Schwänzende parallel verlaufenden Killen verziert. In der Mitte des
1) Diese Art der Vogel -Darstellung ist gani einzig und diente offenbar nicht als
Spielzeug. Seine zeitliche Stellung ist durch keinerlei Hinweis klargestellt.: für die Zu-
kunft muss das Fundfeld genau beobachte! werden, um durch weitere Funde prähistorischer
Objecte die betreffende Culturepoche bestimmen zu können. Dem Susseren Ansehen und
Material nach dürfte dies« \ gelfigur wohl noch vorchristlich s<in, da in der Umgebung
dieses Fundortes bereits swei typisch -römische Bronzefibeln gefunden wurden, die im
Brüzer Museum aufbewahrt werden.
Vertun dl. der Berl. tntl - 17
(258)
Körpers, am Bauche, sind zwei hintereinander stehende, tief eingestochene runde
Löcher, die zur Aufnahme von Stäbchen dienten, welche als Püsse fungiren mussten.
Von dieser Vogel figur wurden zwei ganz gleich gebildete, jedoch in der Grösse
verschiedene Exemplare bei Havrau, Bez. Brüx, ausgegraben und ohne näheren
Fundbericht dem Brüxer Museum übergeben.
Das kleinere Exemplar, welches abgebildet ist, wurde mir von dem Brüxer
Museum durch Hrn. Scharf im Tauschwege freundlichst überlassen, während das
grössere in der dortigen prähistorischen Abtheilung der Sammlungen bewahrt
wird. —
Dies sind alle mir bisher bekannt gewordenen plastischen Thonfiguren, welche
unter möglichst sichergestellten Fundumständen aus Böhmen stammen.
Unter diesen 9 Objecten befindet sich nur eine menschliche Figur (Fig. 1),
dagegen 5 Stierbilder, worunter 3 Köpfe und zwei ganze Figuren, 1 Widder und
eine Vogelfigur, bezw. zwei einander ganz ähnliche, ungleich grosse Vogelbilder.
Nach genauer Erwägung aller Fundumstände der einzelnen Objecte würde
deren Zeitstellung folgendermaasssen zu fixiren sein.
Der neolithischen Culturepoche gehören an:
Fig. 1. Die menschliche Figur von Sabnitz bei Brüx;
Fig. 2. Der Stierkopf als Oehse von Podbaba bei Prag;
Fig. 3. Der prächtige Stierkopf von Cerny vul bei Prag;
Fig. 5. Die beiden Stierbilder vom Schlauer Berg.
Der Völkerwanderungszeit gehört an:
Fig. 4. Der Stierkopf von Wiessen.
Derselben, wenn nicht einer noch jüngeren Zeitperiode gehören an:
Fig. 7. Die beiden Vogel- (Schwan-) Bilder von Havrau bei Brüx.
Dem Beginn der historischen Zeit (slavisch) gehört an:
Fig. 6. Das kleine Krügelchen mit dem Widder vom Hrädek bei Caslau.
Fig. 1, 4 und 7 befinden sich in meiner Collection, Fig. 3 und 5 im Museum
Regni Bohemiae, Fig. 2 in der Collection E. Miksch sen., Prag, und Fig. 6 in den
Sammlungen des Museum-Vereins „Vcela caslavska" in Caslau.
Fraglich, bezüglich der Zeitstellung bleiben nur die beiden Vogel-Figuren (Fig. 7),
da dieselben als Streufund ohne jeden Nebenfund, der irgend welche directen An-
haltspunkte bieten könnte, ausgeackert wurden.
In Bezug auf die Nachbargebiete Böhmens finden wir zunächst Analogien der
Metallzeit in den Mährischen Funden (Byciskala-Höhle) in dem berühmten Stiere,
den Dr. Wank >■! gefunden und beschrieben hat. Nordöstlich begegnen uns in der
CJultur der Lausitzer und schlesischen Urnengräber einige plastische Thonbilder,
Vogel -Darstellungen an Gefässen; im Südosten treten uns zunächst die Vogel-
Figuren ans Thon vor Lengyel (Wosinsky, Taf. XXXIV) und ein Gefässhenkel
in Thiergestalt aus Iben Material entgegen.
Die Bietallzeil I ms bietet eine reiche Auswahl von Thierbildern.
Auch die BOgenai Mondbilder und Idole von Thon, besonders jenes von
Oedenburg, wären zu diesen plastischen Gebilden heranzuziehen.
Ebenso bieten an len Oesterreich und weitergehend die südlicheren
Provinzen, sowie auch Ba; rn treffliche Analogien, wovon uns die Thonfiguren
um Gemeinlebarn nähergerückl erscheinen. Es seien nur flüchtig erwähnt: der
figurenreiche Bronze-Wagen von Strettweg; die Blei- und Bronze-Figuren uus den
Grabhügeln ron Frögg, Watsi u.a.m. Von böhmischen Metall-Figuren seien vor
Allem hervorgehoben: Der -Eber aus der Sarka (Mus. Reg. Bob.); eine
(259)
grosse Fibula mit Stierbild von Premysleni bei Rostock (Mas. Reg. Boh-V
kleine Bronze-Stiere fraglicher Provenienz, die in Privathänden sind: eine kleine
Bronze-Fibula, deren Bügel durch eine schlanke, grossgehörnte Stier-Figur gebildet
ist (Briixer Museum) u. s. \v. Eine grössere menschliche Bronze-Figur, die bei
Kaurini gefunden wurde and auf der ethnographischen cecho-slavischen Ausstellung
in Prag im Jahre 1895 einiges Aufsehen unter Fachgenossen hervorrief (Casopis
spol. pr. Staro/.. Ceskych, IV, 1), welche aber des mangelhaften Fundberichtes
wegen nicht zeitlich sichergestellt werden kann. Ueberdiea besteht diese Figur
aus zwei Theilen: der Kopf und Hals ist auf der Achsellinie „aufgelöthet", was
dem Ganzen eine fragwürdige Aechtheit aufbürdet; der untere Theil, der Körper
selbst, scheint älter zu sein, als der Kopf. —
Ausser diesen genannten Metall-Figuren giebt es noch einige fraglicher Her-
kunft, die ich nicht näher in Betracht ziehen will. —
Es wird mit dieser allgemeinen kurzen Uebersicht der Figuren — den mensch-
lichen und thierischen Thon- und Metall-Bildern — Böhmens und der Nebenländer
keineswegs eine vergleichende Studie bezweckt, sondern sie soll nur als flüchtiger
Hinweis der Analogien zu Böhmen's plastischen Thonbildern dienen. Aus diesen
7 böhmischen Funden, gegenüber der ungeheuren Menge von prähistorischen
Artefakten, ersehen wir die grosse Seltenheit derartiger „Kunst-Erzeugnisse" und
ist es um so interessanter, unter dieser immerhin <ieringen Zahl, vier Funde der
neolithischen Cultu repoche zuweisen zu können.
Was den Zweck dieser Thonbilder anlangt, so können wir zunächst die
menschliche Figur, wie schon Eingangs auseinandergesetzt, als einem symbolisirten
Cultzwecke dienend uns erklären. Die Fundverhältnisse deuten auf die Dar-
stellung einer Handlung, die dem primitivsten Menschen den Glauben an ein
weiteres Seelenleben aufdämmern liess. Der Mensch gab seinem verstorbenen
Mitmenschen eine gesicherte Ruhestätte, Waffen und Schmuck liess er ihm
pietätvoll und legte Speise und Trank bei, damit der Todte die lange Wanderung
nicht ohne Stärkung vollbringe. Unsere nackte Figur, die vielleicht mit Geweben
umwickelt war, legte er zum Schutze in ein wannenartiges Gefäss. bedeckte dieses
und begrub dieselbe in dieser schützenden Hülle.
Der Todencult bedingte Festlichkeiten: heilige Haine, geweihte Hügel wurden
an Gedenktagen betreten und Opfer an der Ruhestätte der Verehrten niedergelegt
Auch diese Figur kann zu einem ähnlichen Anlasse gefertigt worden sein.
Die drei Stierköpfe (Fig. 2. 3 u. 4) haben einem bestimmten Zwecke gedient.
abgesehen davon, dass das Urbild der Stärke und Gewalt symbolisirt wurde, sie
waren dazu bestimmt, den Gelassen eine besondere Zier zu sein. Einerseits ist
aus der Oehse kunstfertig ein schlichter, aber dennoch scharf markirter Stier-
kopf modellirt worden (Fig. 2), andererseits bildete Fig. 3 einen hervorragenden
Theil des Aufsatzes, welcher über den Band eines besonders geformten Gel
hervorragte. Dieser Kopf trügt iibi rdies auch das typische, eingestochene Ornament
jener Keramik, die wir dem Ende der neolithischen Oulturepoche zuschreiben und
die in Böhmen so ziemlich überall auftritt, wo diese Culturstufe constatirt ist
Endlich bildet Fig l. ein ausserordentlich schön und sorgfältig modellirter
Stierkopf, ^\en Ausguss eines Prunkgi Passes, von dessen Form wir leider keine
Idee haben, da die übrigen Scherben verloren gingen.
Die beiden Stier-Bil Fig. 5 . die, ohne jede Kunstfertigkeit, in ausser-
ordentlich simpler Weise der Ausführung die ganse Figur zur Anschauung brü g
C2<;o)
erfordern eine einigermaassen regere Phantasie, um, besonders in dem kleineren
Objecte, das Stierbild zu erkennen.
Diese „Idole14 sind vielleicht nur als Anfänge der plastischen Kunst des Ver-
fertigers anzusehen. Das kleine Krügelchen mit dem Widderkopf (Fig. 6), dessen
prächtige Durchführung schon eine vorgeschrittene Zeit verräth, ist ein Prunk-
oder Votivgefäss, welches seine classischen Vorbilder hat und nicht mehr der prä-
historischen Zeit angehört, "da der Hradek starke Culturschichten der slavisch-
christlichen Zeit aufweist.
Ueber die Vogel-Bilder (Fig. 7) können wir leider nicht viel sagen. Eine
Analogie liegt uns nicht vor; der Fundbericht genügt auch nicht, so dass wir nur
nach dem Material und dessen Verarbeitung (Glättung) einigermaassen. vielleicht
trügerische, Schlüsse ziehen können.
Diese Vögel, allem Anschein nach Schwanen-Figuren, dienten wahrscheinlich
weniger als Spielzeug, sondern eher als Votivbilder, worauf gerade die einfache
Darstellung, die gefurchte Vorderfläche und die beiden am Bauche befindlichen,
hintereinandergestellten Löcher für die Füsse, die einfache Hölzchen ersetzten,
deuten würden. Dadurch konnten dieselben an beliebigen Orten durch Einstossen
der Holzfüsse zum Stehen gebracht werden.
Diese kurz zusammengefasste Uebersicht der plastischen Thonfiguren Böhmen's
möo-e vorläufig genügen, um deren Zweck und zeitliche Stellung zu charakterisiren.
Hoffentlich giebt uns die rege Forschung im Böhmerlande bald Gelegenheit, neue
Funde plastischer „Kunst" aus prähistorischer Zeit zu publiciren und gute Analogien
constatiren zu können. —
(23) Hr. Ed. Krause theilt mit, dass die Resultate seiner
Ausgrabungen in Hinter-Poninierii
im Jahre 1895 jetzt im ersten Seitensaal der vorgeschichtlichen Abtheilung des
Museums für Völkerkunde ausgestellt sind. Es befinden sich darunter nicht weniger
als dreissig Gesichtsurnen. Unter diesen ragen einige durch ihre Gestalt
hervor, andere durch ihre Beigaben, namentlich bronzene und eiserne Ohrringe,
bis zu neun in einer Urne. Eine Urne vom Typus der Gesichtsurnen hat ausser
interessanten Zeichnungen einen eisernen Halsring.
Ausführlicheres über diese Ausgrabungen, die vielleicht die ersten systematisch
betriebenen grösseren Ausgrabungen auf Gesichtsurnen-Gräberfeldern waren und
ausser mehreren neuen Fundstellen viele wichtige Beobachtungen ergaben, beab-
sichtige ich in einer in Arbeit begriffenen grösseren Veröffentlichung zu geben.
Hier nur einige Folgerungen aus meinen Beobachtungen:
Die Gesichtsurnen sind Graburnen und lediglich für diesen Zweck gearbeitet.
Nach ihrer Form gehören sie noch in den Formenkreis der Hallstatt-Cultur; die
in ihnen gefundenen Bi igaben gehören indessen zum grossen Theil der La Tene-
Zeit an. Wir werden deshalb nicht fehl gehen, wenn wir diese Urnen etwa um
das Jahr 400 vor Chr. Zu dieser Zeit sassen aber in dem Verbreitungs-
centrum der Gesichtsurnen, das ist die Gegend der Weichsel -Mündungen, die
Gothen. Wir müssen de lalb die Gesichtsurnen diesem Volksstamme zuschreiben.
Durch die Züge der Gothen, die später durch die Gepidcn nach Süden gedrängt
werden, erklärt sich die weiten Verbreitung der Gesichtsurnen nach Posen und
Schlesien hin und der Umstand, dass diese südlichen Funde jünger sind, als die
ihrer Urheimat!! Pomerellen. —
(261)
(24) Hr. Ed. Krause zei-i
eine thönerne Kinder-Klapper von Luekau. Niederlausitz.
Sic wurde mit Urnen und Gelassen des sogenannten Lausitzer Typus auf einem
Urnen-Gräberfelde dicht bei Luckau von dem Forstbeflissenen Hrn. Beutin aus-
gegraben, in dessen Besitz sie sieh noch befindet, Beim Aufnehmen zerfiel sie in
zwei Theile (a und />), welche auf ihrer Bruchfläche die sehr interessante Technik der
Herstellung zeigen. Die Klapper wurde aus zwei einzeln geformten Hälften zu-
sammengesetzt, welche beim Aus-
graben genau in der Zusammen-
Setzungsfläche wieder auseinander
brachen. Es zeigt sich nun, dass
nach der Zusammensetzung in den
noch feuchten Thon ein rundes Loch
eingebohrt wurde zur Einbringung
der kleinen Steinchen oder Thon-
rtngelchen, welche das Rasseln der
Klapper verursachten. Das Loch ist
zur Hälfte in der einen Hälfte der
Klapper auf der Bruchfläche (/>) zu
sehen. Die entsprechende Stelle der
anderen Hälfte zeigt einen Thon-
zapfen (<>), welcher durch Schliessen
des Loches nach Einbringung der /,
Steinchen mittelst feuchten Thones
entstanden ist. Die Klapper (c) ist ungefähr birnenförmig: das Stielende der Birne
ist abgeschnitten und mittelst einer Dalle (näpfchenförmigen Yei tiefung) ab-
geschlossen. Die Klapper ist Vi cm hoch und hat an der weitesten Stelle 4,9 cm
im Durchmesser. —
(25) Hr. H. Busse bespricht unter Vorzeigung der Fundstücke
1. Altgermanische Gräber am Wehrmühlenberg bei Biesenthal.
Kreis Ober-Barnim.
Vom Städtchen Biesenthal 1 km nordöstlich erstreckt sich von West nach Ost eine
Kette von Sand-Hügeln. Die westlichen heissen die Wehrmühlenberge und sind
ganz kahl, während die östlichen bewaldet sind und Gerichtsberge heissen. —
Schon vor 6 Jahren fielen mir diese Hügel auf und fand ich bei einer näheren
Untersuchung in 3 der westlich gelegenen mehrere Urnen-Gräber. Im April d. J.
führte ich eine neuere Untersuch um: aus. Dieselbe ergab 4 Urnen-Bestattungen in
Abständen von 1 '/., '» gelegen und in 3/4 — 1 m Tiefe. Die Urnen zeigten den be-
kannten nordöstlichen Typus Deutschlands and waren ohne Ornamente.
Grab 1 war nur oben mil Steinen bedeckt und fand sich darin eine bräun-
liche, leider zerdrückte, henkellose Urne mit Leichenbrand und ohne Deckel; Böhe
12 Zoll, Bauchweite 1-1 Zoll, keine Beigaben.
Grab 2 wurde aus 25 '. im Durchmesser etwa 5—7 Zoll grossen Steinen
pyramidenartig gebildet: darin stand auf einem ganz flach zugehauenen -
eine grössere, hellbraune, mit Deckel versehene Urne (Fig. I). Deekel und obere
Hälfte beschädigt Höh. etwa IL Weite 13 14 Zoll. Ueber dem Leichenbrande
(262)
lag, umgestülpt, ein kleines mit 2 Oehsen versehenes Gefäss (6 cm hoch, 7 cm breit,
5,3 cm Oeffnung, 2 cm Boden) und darunter 2, aus 2 mm starkem rundem Bronze-
Draht hergestellte Ringe. Der eine davon (Fig. 2, a), nur etwas offen, hat 1,9 cm im
Durchmesser; der zweite (Fig. 2, b) ist weiter offen und an einem Ende öhsenartig
Fig. 2.
umgebogen, so dass er aussieht, wie der obere Theil einer Fibula. Ausserdem
kamen noch 8 Stücke 1 — 2 cm langer und 1 cm breiter, schwacher Bronze-Plättchen
zum Vorschein; einige waren fest zusammengeschmolzen. Diese Stücke bildeten
wahrscheinlich ein Armband.
Im 3. und 4. Grabe stand je eine ähnliche, grössere, mehr oder weniger durch
Steine zerstörte Urne, ohne Deckel, Henkel und Ornament. Die Urne im 3. Grabe
stand auf einem umgekehrt kegelförmig zugehauenen Steine. Beigaben und Bei-
gefässe fanden sich hier nicht vor. —
2. Der Reiherberg (auch kleiner Schlossberg) bei Biesenthal,
Kreis Ober-Barnim.
Derselbe liegt nördlich von der Stadt Biesenthal, zwischen derselben und der
Wehrmühle, im wiesigen Sumpf- Terrain der Finow. Er ist gut erhalten, aber
beackert. Er hat einen oberen Durchmesser von 60 — 65 Schritten. An der Nord-
seite fällt er ganz steil 16— 20 Fuss ab, an der Südseite 12 — 15 Fuss, weniger
steil. Der Eingang ist von Westen her gut zu erkennen. Während ich etwa vor
10—12 Jahren die Oberfläche des Rundwalles zum grössten Theil mit älteren
germanischen und zum kleineren Theil mit slavischen Thon-Scherben wie übersäet
vorfand, waren heute nur noch kümmerliche Reste zu finden.
Der Name „kleiner Schlossberg" rührt wohl nur von der unmittelbaren Nähe
des eigentlichen Schlossberges her, der dicht bei der Stadt liegt; die Entfernung
beträgt 180 m. —
:;. Bronze- und Stein-Funde vom grossen Werder im Liepnitz-See,
Kreis Nieder-Barnim.
Der Fundort, der von mir oft genannt und beschrieben worden ist, birgt
noch Vieles. Bei meinem Besuche am 25. April 1897 übergab mir der Pächter
dieser Insel nachstehend beschriebene Stücke, die er beim tieferen Pflügen auf der
Midwestl. Seite der Insel in einer sehr tief mit Kohlen-Stücken durchsetzten vor-
jchichtlichen Niederlaj ang fand:
1. Eine Arm-Spirale Fig. 3) aus Bronze, 3 Windungen, 6 cm lang und von 6,7 cm
Durchmesser, Gewichl 27,5 g. Das eine Ende ist spitzgedreht, das andere ab-
gebrochen (hier fehlt jedenfalls ein Stück). Der Durchschnitt des Drahtes (Fig. •"-, ")
bildet ein Dreieck, das nur 2,5 mm hoch ist. Unterer Schenkel 5 mm, Seiten-
Sehenkel 3 mm.
Fi*. 3.
(263)
2. Ein 18 cm langes, eckiges, gekrümmtes
Stück Bronze, dessen Querschnitt ein Rechteck
von 8 und 5 mm bildet Dieses Stück vermag
ich nicht zu bestimmen: es kann vielleicht erst
in späterer Zeit in den Hoden gekommen sein.
I las Gewicht beträgt 62 g.
'■'<. Ein halbes, durchlochtes, geschliffenes
Steinbeil, Gewicht 186 #, Schneide 5 cm breit,
am Loch 3,5 cm. Die Durchbohrung ist konisch.
Durchmesser 1,7 cm.
Ferner fand sich noch ein Mahlstein, im Durchmesser von 2 Fuss, aus röth-
lichem Granit, wenig hohl und glatt gerieben. Dabei lagen ein grösserer, flacher und
4 kleinere, eckige Reibesteine.
Sämmtliche Funde mit Ausnahme der Mahlsteine, sind in meiner Sammlung. —
(26) Hr. R. Andree übersendet aus Braunschweig, 18. Mai, folgende Beob-
achtung des Hrn. Amtsrathes Dr. W. Rimpau in Schlanstedt, Provinz Sachsen:
Rechts und links arbeiten.
Beim Arbeiten mit Händgeräthen, wie Spaten, Hacke, Harke, Mistgabel, Forke,
zum Aufreichen von Heu und Getreide u. s. w., scheint es bei der ländlichen Be-
völkerung ganz allgemein zu sein, dass fast alle Männer links, fast alle Frauen
rechts arbeiten, d. h. die Männer fassen das Geräth so, dass die linke Hand vorn,
etwa an der Hälfte des Stieles, die rechte Hand hinten, am Ende des Stieles ist.
Beim Graben treten daher die Männer mit dem linken, die Frauen mit dem rechten
Fusse auf den Spaten. Ich habe dies nicht nur bei der einheimischen Arbeiter-
Bevölkerung beobachtet, sondern auch bei fremden Arbeitern vom südlichen Rande
des Harzes (Eichsfeld), aus AVestpreussen und aus Ober- Schlesien, welche den
Sommer über in die hiesigen Rüben-AVirthschaften gehen.
Dass diese Gewohnheit irgend einen mit der Lebensweise der beiden Ge-
schlechter zusammenhängenden Grund haben muss, ist mir anzweifelhaft; ich habe
aber noch keinen plausiblen Grund dafür finden können. Sollte es daher rühren,
dass beim Spinnen das Spinnrad vorwiegend mit dem rechten Fusse getreten wird?
Aber weshalb treten die Männer nicht auch vorwiegend mit dem rechten Fusse
auf den Spaten? —
Beim Tanzen treten die Männer mit dem linken, die Frauen mit dem rechten
Fusse zuerst an; es ist aber kaum denkbar, dass dadurch die Gewohnheit beim Graben
entstanden ist; auch werden beim Tanzen beide Fasse gleichmässig angestrengt.
Es wäre interessant, nachzuforschen, ob diese Gewohnheit wirklich allgemein
ist. und nach ihrem Grunde zu suchen. —
27) Hr. Ohnefalsch- R ichter zeigt die Photographie eines Maquamba-
Weibes mit sogenannter Knopf nase. —
Hr. Georg Schweinfurth spricht
(Jeber den Ursprung der Aegypter.
Neun Jahre sind es her, dass unser verehrter Vorsitzender in einer lä _
Abhandlung die Forhistorische Zeit Aegyptens besprach und in übersichtlicher
Weise die bis dahin aus Aegypten bekannt gewordenen Funde, die von der Stein-
(264)
zeit Kunde gaben, einer kritischen Besprechung unterzog. Das war damals der
erste Leitfaden in einem Gewirre von Zweifeln, Wahrscheinlichkeiten und Un-
glauben. Der angenommene Zusammenhang, der zwischen den historisch-pharao-
nischen Zeiten und den vorhistorischen bestanden haben muss, und der, wie
Virchow so richtig hinzusetzte, sich noch in irgend einer anderen Hinterlassenschaft
bekunden muss, als in blossen Steingeräthen, — diese Annahme hat sich bewährt.
An der Schwelle eines neuen Jahrhunderts scheinen uns grosse Ueber-
raschungen, förmliche Offenbarungen bevorzustehen und die Zeit mag nicht mehr
fern sein, wo der Traum so manches Aegyptologen, sein sehnlichster "Wunsch in
Erfüllung geht, nehmlich der, endlich einmal das Räthsel der ägyptischen Civili-
sation gelöst ihren frühesten Entwickelungsprozess und die ersten Anfänge des
Schriftthums klargelegt zu sehen.
Zu so kühnen Hoffnungen berechtigen die Ausgrabungen der letzten Jahre.
In der That haben diejenigen, die Flinders Petrie bei Tuch, die Amelineau in
der Umgegend von Abydos, und zuletzt diejenigen, die de Morgan bei Negada
gemacht hat, eine solche Fülle von Thatsachen ans Licht gezogen, dass kaum
mehr daran zu zweifeln ist, es sei die ersehnte neue Epoche der Wissenschaft
nun endlich gekommen.
Mit den 3000 Gräbern von Tuch und vielen anderen, die sich zu beiden
Seiten des Nilthals vom Gebel Silsele bis Girgeh erstrecken, mit den aufgedeckten
Königlichen Feuer-Nekropolen von Negada und Om-el-Gaab eröffnet sich der Blick
auf jene früheste, der ägyptischen Urzeit nähergerückte Periode, die bisher so
gänzlich verschleiert geblieben ist und von der die alten Aegypter selbst sehr
wenig gewusst zu haben scheinen. Zu Abydos, bei dem alten Tini, wo die Wiege des
ersten Königs gestanden hat, und an der Stätte selbst des altheiligen Todtendienstes
des Osiris war es, wo Amelineau zu seinen epochemachenden Funden gelangte.
Aber nicht die erste Dynastie allein ist es, die sich hier in den Nekropolen der
ältesten Herrscher des vereinigten Aegyptens offenbart, in den Gräbern der
Aermeren tritt das Ursprünglichere, treten die Gebräuche und Vorstellungen zu
Tage, die einen weit tieferen Einblick zurück in die ägyptische Vorzeit eröffnen.
Eine offenbar fremdländische Kultur erscheint da auf einen Zustand aufgepfropft,
der bereits nicht geringe Errungenschaften autochthoner Gesittung verräth. Im
Besitze zu höchster Vollkommenheit gebrachter neolithischer Werkzeuge und
Wallen zeigt der Aegypter bereits mancherlei gewerbliches Geschick und einen
Kunstsinn, den der fremde Eroberer zum Theil wenig beeinflusst zu haben scheint,
wie sich das namentlich an der reichen Formensprache und der werdenden Figuren-
schril't ersehen lässt, die — wenn man es geographisch ausdrücken will, ein ent-
schieden afrikanisches Gepräge an sich tragen.
Die Ornamentik der aufgefundenen Thongefässe, deren Elemente für Sie
auf einer Tafel zusammengestellt sind, machte nicht den ganzen künstlerischen
Besitz dieses früh/.' egypter- Volkes aus; die Formvollendung der Manufacte,
insonderheit der aus d rtesten Gesteinsarten hergestellten Gefässe, zierliche
Elfenbeinschnitzereien und manches Andere geben Vorstellung von einer viel-
seitigeren Entwickelung, aber der reiche Bildschmuck auf minderwerthigen Ge-
a spricht deutlich für die bereits damals die festen Hahnen eines
bestimmten Stils anstrebende Richtung, der eine lange Kunstgewöhnung im Natur-
zeichnen rorhergegangen . so dass man Plinius (XXXV, 5) Unrecht
geben muss, wenn er die alti n Legypter der leeren Aufschneiderei zieh, dass sie
der Erfindung der Malerei, b nach Griechenland hinübergelangte, bei ihnen
ein sechstausend jährige 8 Ali' i zuschrieben.
(265)
In der That haben die letzten Funde ein weiteres Jahrtausend erschlossen.
Das ist nun freilich ein geringes Glied in der endlosen Kette der ewigen Zeit,
selbst der Gesittungsgeschichte des Menschen, aber man ist doch dem Urgründe
um etwas näher gerückt und die Paralaxe des Zeitabstandes vom eigentlichen Aus-
gangspunkte der ägyptischen Cultur hat sich beträchtlich erweitert: eine breitere
Basis ist gewonnen.
In der neuerschlossenen Periode (der ersten Dynastie und der Zeit vorher)
hören die monumentalen Steinbauten der Königsgräber auf, die Schriftproben der,
wie es scheint, zum Theil noch unverständlichen Hieroglyphen werden so knapp,
dass es den Anschein hat. als werde man nirgends auf längere Texte historischen
Inhalts stossen; da gebührt den gegenständlichen Funden eine erhöhte Bedeutung
und der Aegyptologe wird Platz zu machen haben für den Ethnographen und
Naturkundigen, der ja auch überlieferte Urkunden zu lesen und zu deuten hat,
nur sind dieselben nicht vom Menschen geschrieben, sondern von der Natur, und
zwar mit Zeichen, die an Unauslöschlichkeit die Hieroglyphen noch übertreffen
und die jedenfalls weit klarer sich gestalten, als diese. An die Stelle von Buch-
staben haben jetzt Erzengnisse des Menschen und Naturkörper zu treten, um an
der Hand von Analogieen, die der ganzen Welt und allen Zeiten angehören, als
sichere Wegweiser zu dienen.
Mit Recht ist den Aegyptologen der Vorwurf nicht erspart geblieben, dass sie
den Methoden, die in die letztgedachte Kategorie fallen, oft so wenig Beachtung
geschenkt haben, indem sie ihr Hauptinteresse in erster Linie den inschriftlichen
und sprachlichen Dingen zuwendeten. Aber Flinders Petrie und de Morgan
haben gezeigt, was der Alterthomsforscher vermag, wenn er in Aegypten mit
naturwissenschaftlicher Methode vorgeht. Vor ihnen gingen ja die Forscher der
eigentlichen Wüste nur selten zu Leibe, wenn es an monumentalen Steinbauten
fehlte und keine Inschriften zu linden waren. Durch den Reichthnm an Urkunden.
den die nähere Umgebung des Flusses darbot, zurückgehalten, überschritt man
nur ungern diese engeren Grenzen, und so kam es. dass den früheren Aegyptologen
jene grossen Bauten aus geschlagener Thoncrde und aus Luftziegeln unbekannt
geblieben sind, die uns, tief in Schutt und in Scherbenhügeln vergraben, von den
Pharaonen der ersten Dynastie zu Om-el-Gaab bei Abydos und bei Negada zurück-
gelassen worden sind. Dieselbe Vernachlässigung alles Nichtinschriftlichen war
auch die Ursache, dass die Aegyptologen sich über die Bedeutung der Steinzeit
in Aegypten so sehr getäuscht haben.
Man erinnert sich noch des fast einstimmigen Widerspruchs, den die erst»:'.
Funde dieser Art bei fast allen Aegyptologen fanden. Indem sie eine ägyptische
Steinzeit als solche in Abrede stellten, stützten sie sich vor Allem auf die vermeint-
liche Thatsache, dass Kiesel- Artefakte während aller Epochen der ägyptischen
Geschichte Verwendung gefunden haben. Wenn ein solches Argument aufricl
Voraussetzungen beruhte, so wäre es gerade die Hartnäckigkeit des Festhaltens an
solchen Gebräuchen gewesen, die von der ursprünglichen Steinzeit hätte X.
ablegen müssen. Doch, das i-t gegenwärtig ein überwundener Standpunkt, und in
dem letzten Werke von de Morgan ist endgültig, und zum ersten Male a
Hand topographischer, namentlich auch die Niveauverhältnisse der Fundstellen
berücksichtigender Darlegungen, der Beweis geliefert worden, dass in der That.
soweit Kunstlleiss und Gewerbe in Betracht kommen, an einer scharfen Grenze
festzuhalten ist. die zwischen der eigentlichen Steinzeit und der, all • - -
schichtlichen Perioden besteht, soweit die letzteren bis 1896 bekannt geworden
waren, nehmlich bis dritten Dynastie. Als maassgebende Faktoren für die
(266)
Charakteristik der Culturepoche können die Steingeräthe von da ab nicht mehr
betrachtet werden1). Die zwei ersten Dynastien sind neolithisch. Etwas anderes
ist es, wenn in einem Grabe ein oder das andere Stück darin sich als nebensäch-
liche Todtengabe vorfindet, sei es als Amulet, als verehrungswürdiges Reliktstück
der Vorzeit, dem eine mystische Kraft beigemessen werden konnte, sei es als aus
atavistischer Gewohnheit hergebrachtes, etwa zu rituellen Zwecken dienliches
Instrument, und etwas anderes, wenn deren viele Stücke oder gar Hunderte in
allen Formen und in den verschiedensten Graden der Ausführung angetroffen
werden. Bei der grossen Verbreitung, die solche Ansammlungen von Kiesel-Arte-
fakten in ganz Aegypten schon allein auf der Oberfläche aufweisen, kann man an-
nehmen, dass das Erdreich selbst deren an den meisten Stellen enthält, und dass
sie daher oft bei Grabungen'-) sowohl alter als auch neuer Plünderer mit den
Fundstücken aus historisch beglaubigten Epochen vermengt werden mussten.
Im Laufe der letzten dreissig Jahre ist, wie aus den Zusammenstellungen
Virchow's und de Morgan's hervorgeht, ein grosses Material von Belegstücken
aufgehäuft worden, die für Aegypten nicht nur die neolithische, sondern auch eine
paläolithische Periode sichern. Wenig aber ist man der Lösung des Problems
näher gerückt, woher die ersten Aegypter ihren Ursprung nahmen, und welche
Völkerkreuzungen zu ihrer endgültigen Entwicklung als Culturvolk Veranlassung
gegeben haben. Die Aegyptologen wussten am wenigsten Rath und ihr Endurtheil
gipfelte nach wie vor in dem Satze: „nichts, oder so gut wie nichts ist uns von
den frühesten Generationen übrig geblieben." Jetzt, wo man mehr sicheren Boden
gewonnen hat, wird man gewiss in Bälde mit grösserem Erfolge dem Entwickelungs-
gange nachzuspüren beginnen, den die Steinzeit in Aegypten genommen, man wird
dann namentlich auch genaueren Nachweis über die in den älteren Ablagerungen
des Nilthals eingebetteten paläolithischen Artefakte zu erbringen haben, als es
bisher geschehen, um über die den Culturepochen vorausgegangenen Geschlechter
mehr Klarheit zu gewinnen. Aber diese früheren Geschlechter, woher
stammten sie? Gehörten sie einer und derselben Rasse an? oder haben sich ver-
schiedene Rassen zu wiederholten Malen gegenseitig verdrängt, sich ethnographisch
durchdrungen, sich im Austausche widerstrebender Eigenschaften allmählich zu
neuen Gebilden umgestaltet?
Das sind Fragen, die den Vergleich mit dem Geduldspiel eines Kindes wach-
rufen, das ein Bild aus unregelmässigen Stücken, in die man es zerlegte, wieder-
herzustellen sich bemüht. Unter der Menge zerstreuter Thatsachen, über die
man bereits verfügt, giebt es viele, die sich zu einzelnen Bildern gruppiren und
die sich nicht auseinanderreissen lassen. Nun handelt es sich darum, diese Einzel-
bilder so ineinander zu fügen, dass ihre Formen zusammenpassen. Ihre Correlation,
die wechselseitigen Beziehungen der Stücke müssen berücksichtigt werden, um ein
Gesammtbild zu erhalten.
Ein solcher Versuch sei nun gewagt und dazu zuförderst an Südarabien der
Hebel angesetzt. Jedi Hypothese wird auszuschliessen sein, die auf linguistischem,
1) Allerdings findet ich in Gräbern <1<t XII. Dynastie zu Beni Hassan die Darstellung
<incs gewerbmässigen Betriebi on St.inmessern (siehe Griffith, Beni Hassan III. T. VII),
• wir noch vor wenigen Jahren Ihm Cairo «jewerbmässi^ Feuersteine für Flinten zu-
gehauen wurden. Masson von I. I Artefakten finden sich aber nirgends mehr als Todten-
gabe der Gräber von der II 1. Dynastie an.
2 IN sei nur an die Stücke erinnert, die im Museum für Völkerkunde aufgehoben
und die gelegentlich der Fundamentgrabungen der ehemals Dr. E eil 'sehen Klinik in Cairo
zu 'I . gefördert worden rind.
(267)
ethnologischem oder geographischem Gebiet gegen bereits sichergestellte That-
sachen verstösst, andererseits aber wird auch eine jede, die diesen drei Grund-
bedingungen entspricht, von vornherein auf eine gute Aufnahme zu rechnen haben.
Es soll mein Bestreben sein, mich solchen Voraussetzungen anzubequemen.
Das südliche Arabien, der Yemen, muss als einer der wichtigsten Entwickelungs-
heerde des Menschengeschlechts betrachtet werden. Reich an Zeugungskrab
wohl in der materiellen als auch in der geistigen Sphäre, aber beschränkt in
Beinen Existenzbedingungen, fruchtbar in jeder Hinsicht, nur nicht was den Boden
betrifft, hat es von seinem Ueberschuss unerschöpflich an die umliegenden Ge-
biete abgegeben. Und doch gebrach es ihm selbst für eine dauernde Cultur-
"iitwickelung an jenem mächtigen Motor, den die Arbeit gewährt. Dieses Arabien
hat seine Expansionskraft nach allen Himmelsrichtungen hin ausgestrahlt, eine, um
mit den Worten Eberhard Schrader's1) zu reden, „lebendige Menschenquelle, deren
Strom sich seit Jahrtausenden weit und breit nach Ost und nach West hin er-
gossen hat1'.
Die ältesten Beziehungen, welche Arabien und die Nachbarländer auf der anderen
Seite des Rothen Meeres mit Aegypten verbinden, werden unwiderruflich durch die
Herkunft der beiden geheiligten Bäume des altägyptischen Göttercults, der Syko-
more und der Persea (Mimusops) bezeugt; ich habe an dieser Stelle den Gegen-
stand bereits in früheren Miüheilungen erörtert-'). Diese Bäume bilden einen
festen Punkt zur Beurtheilung jenes hypothetischen Göttercults, der in dem Brand-
opfer des Weihrauches einen sichtbaren Ausdruck fand, und andererseits in der
Xamengebung des Ursprungslandes Seitens der alten Aegypter, als eines heiligen
Landes, eines Landes der Götter, weitere Bestätigung erhielt. In einen Gegensatz
dazu stellt sich aber die Präge nach der Herkunft des Getreidebaues und der
Bronze, Culturfaktoren, die beide unweigerlich auf die Euphratländer hinweisen,
die aber in Aegypten, soweit bis jetzt bekannt ist, in ein eben so hohes Alter hin-
aufreichen, wie Sykomore und Persea, die ihrerseits wiederum in der Euphrat-
Region nie vorhanden gewesen sind. Was war nun früher vorhanden am Xil,
jene heiligen Bäume oder der Ackerbau mit Gerste und Weizen? Zur Beantwortung
dieser Präge reichen die festgestellten Thatsachen noch nicht aus. In der grossen
Königs-Nekropole der ersten Dynastie, die Amelineau in diesem Jahre bei Abydos
aufgedeckt hat, fanden sich Massen von Sykomorafriichten als Opfergabe nieder-
gelegt, desgleichen aber auch eine Unzahl von Bronzegeräthen, und zugleich finden
Gerste und Weizen, Lein und Weintrauben fcheila an dieser Stelle, theils in gleich-
alterigen Gräbern anderer Nekropolen Vertretung.
Dasselbe Arabien, das bereits in einer so frühen Periode auf Aegypten ein-
gewirkt bat, ist nun auch in späterer Zeit, nachdem das Semitenthum greifbare
Gestalt angenommen hatte, gegen das sumerische Babylonien vorgegangen und hat
auch hier seinen umgestaltenden Einlluss zur Geltung gebracht. Das kann aber
eist nach jener Epoche erfolgt sein, in der die noch nicht semitisirten Altbabylonier
ihre auf Metallurgie und Getreidebau baairte Cultur an die Ufer des Nil- ver-
pflanzt hatten. So stellt sich der frühe Entwickelungsgang der menschlichen Cultur
im Orient der Alten in Gestalt eines Dreiecks dar. dessen Spitzen durch die drei
Gebiete Yemen, Aegypten and Babylonien bezeichnet werden.
1) [ch gedenke ausdrücklich 'li' -es hoch verdienten Forschers, weil derselbe Kereits
vor 16 Jahren die arabisch« Halbinsel als das eigentliche Stammland and als den ei
Entwickelungsheerd <l>r Semiten dargelegt hat Zeitschr. der Morgenl. Gesellsch. XXYII,
S. i'.'.iT— 4"_>4).
2 Vergl. diese Zeitschr. 1891, S. 649-
(268)
Mit dem Kapitel vom glücklichen Arabien ist die Frage nach der Herkunft der
hamitischen Völker aufs innigste verwachsen. Ueber die asiatische Herkunft dieser
grossen Völkergruppe sind die meisten Forscher einig, aber neueren Ursprungs ist
die Frage, ob sich durchgreifende Merkmale festhalten lassen, die principiell eine
Unterscheidung von Semiten- und Hamitenthum in Bezug auf geschichtliche und
sprachliche Entwickelung möglich machen. Die Sprachforscher, an ihrer Spitze
Leo Reinisch, erkennen in den hamitischen Sprachen den älteren, primitiveren
Zustand, der eine gemeinschaftliche Basis verräth. Weitere Ausführungen in
dieser Richtung würden mich von der mir gesteckten Aufgabe abbringen, ich kann
mich daher darauf beschränken, unter Hamiten jene grosse ethnographische Einheit
zu verstehen, die den Völkerbestand von halb Africa umgemodelt hat und deren
Bewegung, so sicher; wie die scheinbare des Firmaments, immerdar von Ost nach
West gerichtet gewesen ist. Will man aber den Ursprung dieser Bewegung, deren
Richtung so klar vor Augen liegt, räumlich umgrenzen, so stösst man schon in
Arabien auf Widersprüche; denn noch ist es nicht geglückt, dort irgendwelche
Ueberreste ächter Hamiten nachzuweisen. Beruhigen wir uns indess bei dem
Gedanken, dass jene grosse hamitische Einheit in Africa an und für sich keinen
ursprünglichen Zustand mehr ausmacht. Die lange Zeit und die Fremdartigkeit
der Daseinsbedingungen können den Urstamm in Africa nach einer ganz anderen
Richtung hin entwickelt haben, als in Asien, wo Arabien zur Wiege des Semiten-
thums wurde.
Gleichwohl kann man im südlichen Arabien den gemeinschaftlichen Ausgangs-
punkt suchen, namentlich wenn man an den alten Völkerstrassen festhält, die sich
wahrscheinlich nie geändert haben. Wo der Ocean im Spiel ist, pflegen sich die
alten Wege nur infolge von neuen Entdeckungen und neuen Verkehrsmitteln zu
ändern. Solange diese Mittel, Ruder und Segel, und die geographischen Kennt-
nisse dieselben blieben, so lange musste man auch festhalten an den von der
Natur selbst vorgesteckten Cursen, die durch Monsune und Meeresströmungen er-
leichtert wurden. Auf demselben Wege, auf dem die Araber, d. h. die Bewohner
Arabiens, nachweisbar im Laufe der letzten 25 Jahrhunderte als Semiten [Habaschat] ')
nach Africa gelangt sind, w erden sie auch schon in «weit früheren Zeiten als Hamiten
herübergekommen sein.
Nehmen wir also als Ausgangspunkt die Südwestecke von Arabien, so er-
öffnet sich uns hier, ohne das schon damalige Vorhandensein einer wirklichen
Seeschi ff fahrt voraussetzen zu müssen, die Möglichkeit einer ersten Besiedelung
Aegyptens durch hamitische Einwanderung auf dem Wege durch Nubien und
stromabwärts.
War einmal die Meerenge überschritten, so befand man sich in der Halb-
wüste von Africa, die den gegenüberliegenden Küstenstrichen Arabiens gleich
gestaltet ist und wo einzige Lebensbedingung, die sich eröffnete, diejenige des
Hirten war. Die Rind Trasse fand in den Thälern des südlichen Nubiens aus-
reichenden Unterhalt zu ihrem Fortkommen; ich habe nirgends schönere Heerden
gesehen, als bei den Beni Amer am oberen Barka. Ein grosser Theil der Ein-
wanderer wird vorläufig von der Besitzergreifung des äthiopischen Hochlandes in
Anspruch genommen word< ein, da sich in dieser Citadelle von Africa die
Autochthonen mit Erfolg rerth idigen konnten. Ein anderer Zweig aber fand ein
geräumiges Feld der Ausdehnung in den Thälern des südlichen Nubiens. Das
Kamee] war damals noch nicht Hausthier geworden, ja wahrscheinlich war es noch
1) Vergl. E. Glaser, Skizze der Geschichte Arabiens 1889, B. 91. u. E.
(260)
nicht einmal im südlichen Arabien eingebürgert, denn von Ceritral-Asien zum Yemen
ist ein weiter Weg. Dagegen gelang in Nubien die Erwerbung eines nicht minder
werthvollen Nutzthiers, dessen Verwandte in den mittelarabischen Hergen. in Syrien
und in Persien (Equus onager Fall, und E. hemippus St. H.) erst nachträglich,
nachdem in Africa der grosse Wurf gelungen war, mit in den Kreis der Zuchtversuche
hineingezogen zu sein scheinen'). Das war der nubische Wildesel (Equus taeni-
opus Heugl.) mit gebänderten Schenkeln, ein Bergthier, das in diesen sterilen Gebirgs-
eitlöden noch heute im wilden Zustande sein Dasein fristet und das ursprünglich von
der Natur dazu bestimmt scheint, dem .Menschen als treuer Begleiter durch die Wüsten
Folge zu leisten. Man hat das Kameel Schiff der Wüste genannt, mit demselben
Rechte kann man den Esel das Boot der Wüste nennen, denn Jahrhunderte
lang hat derselbe in den Aegypten umgebenden Wüsten als einziges Lastthier ge-
dient, das dem Menschen ein Durchziehen derselben erst ermöglichte, bis das
Kameel, wahrscheinlich nicht vor der Periode des mittleren Reiches, allmählich
diese wichtige Aufgabe zu übernehmen begann'-).
Die nubischen Gebirgswüsten (das Etbai) sind noch sehr ungenügend erforscht,
obgleich gerade diese weite Region wichtige Aufschlüsse über die alte Völker-
verschiebungen zu ertheilen verspricht. An den von der Natur hier sehr deutlich
vorgezeichneten Sammelplätzen des Menschen wird es an prähistorischen Stein-
geräthen und Waffen nicht fehlen, wenngleich Kiesel-Artefakte hier weniger zu er-
warten sind, auch in der That von den bisherigen Reisenden daselbst nicht auf-
gefunden worden sind. Als die asiatischen Einwanderer sich in den Wüstenthälem
auszubreiten begannen, war ihr Streben gewiss bald nilwärts gerichtet, denn die
Kunde von diesem Eldorado der Jagd und der unerschöpflichen Weidegründe
wird frühe zu, ihnen gedrungen sein. Bevor sie aber am Nil für immer festen
Fuss gefasst, werden sie lange Zeiträume hindurch in den sterilen Gebirgen des
Ostlandes ihr Dasein verbracht haben. Dort war es wohl auch, wo der Mensch
die hohe Schule der Arbeit, der Ausdauer und der Mühe durchzumachen hatte.
die ihn später zu weiteren Culturfortschritten befähigte. Aus hartem Gestein
musste er seine Waffen zuhauen, formte er die notwendigsten Gefässe. schlagend,
bohrend, polirend gelangte er zu einer bewundernswerthen Steinmetzkunst. Grosse
Völker werden nicht in der Ebene geboren und nicht der weiche Nilthon. der
solche Gesteinsarten ausschliesst, kann zur Pflanzstätte einer Kunst geworden sein,
die wir an den Gefässen der frühesten Aegypter zur höchsten Vollkommenheit ent-
wickelt sehen. •
Um den Zustand zu schildern, in dem sich das Nilthal vor Einführung des
Getreidebaues befunden haben muss, könnte ich Sie lange mit dem Bilde unter-
halten, das meine Vorstellung nach Analogie der gegenwärtigen Verhältnisse in
den südlichen Gebieten gestaltet. Ich verweise auf den Weissen und auf den
Blauen Nil von heute, auf die aüdnubischen LJferwaldnngen grosser periodischer
Regenbetten, um den Glauben zu bekräftigen, dass keine wesentlichen Klima-
veränderungen angerufen zu werden brauchen, um den heutigen Gegensatz zu er-
klären, der zwischen dem Ueberflnss am Nil und der Dürftigkeit in den an-
stossenden Wüstengebirgen besteht, und dass derselbe Gegensatz auch für vor-
geschichtliche Zeiten aufrecht zu erhalten ist, soweit dieselben bei dieser Präge in
Betracht kommen. Das noch sehwach bevölkerte Nilthal bot an seinen Randern
1) Alle heutigen Haus-Esel, die ich in Arabien und Syrien, oder von solcher Provenieni
sah, glichen weit mehr dem nubischen, als den asiatischen Wüdeseln.
2) Vergl. diese Zeitschr. Will. 8. 651.
(270)
Lebensbedingungen dar, den die heutige Thierwelt daselbst infolge der jetzigen
Bevölkerungsdichtigkeit nicht mehr vorfindet. Daher das Schwinden der Antilopen-
heerden, der Strausse, der Elephanten u. s. w. Ginge man von einer durch-
greifenden Klima-Aenderung aus, seit den Epochen, die ich im Sinne habe und die
einen unendlichen Zeitabstand von derjenigen darthun, die durch das Abschmelzen
der europäischen Gletscher und die dadurch in Nord-Africa hervorgerufenen reichen
Niederschläge bezeichnet wird, alsdann müssten ganz andere Wege und Zugänge
nach Aegypten für die frühesten Einwanderungen in Betracht kommen. Die geo-
graphischen Bedingungen sowohl, als auch der früheste Entwickelungsgang der
ägyptischen Geschichte sprechen zu Gunsten einer Einwanderung von Süden her.
In jenen Zeiten ist Unter-Aegypten noch eine Meeresbucht oder eine unzugängliche
Region von Sümpfen gewesen: noch zur Zeit Herodots war die Ueberlieferung
wach, dass die Provinzen im Delta neuen Ursprungs seien. Ein Zugang von Nord-
osten her war in der frühesten Zeit wahrscheinlich auf keinem Landwege er-
möglicht.
Die Urbewohner, welche die Hamiten am Nil vorfanden, waren, wie die Menge
paläolitischer Kiesel-Artefakte beweist, im Herrichten solcher Stücke bereits früh-
zeitig geübt, und die fremden Eroberer werden mit Vergnügen zu diesem ihnen
wenig zugänglichen Material gegriffen haben, um, dank ihrer grossen Fertigkeit im
Verarbeiten harter Gesteinsarten, die ihnen damals vielleicht noch neue Kunst
der Kieselbearbeitung weiter zu entwickeln und zur höchsten Vollkommenheit zu
gestalten. Schönere Kiesel-Messerklingen, als diejenigen aus der neolithischen Zeit
Aegyptens, wird man in den nordischen Gegenden schwerlich antreffen. Indess
scheint mir der Besitz so vollkommener Kieselwaffen weniger Ursache eines
Culturerfolges, als vielmehr eine Folge desselben gewesen zu sein.
Die Abkömmlinge dieser ersten Eroberer sind uns in den Bega-Völkern, die
heute noch in den Wüstengebirgen von Ober-Aegypten und Nubien hausen, erhalten
geblieben. Unter ihnen betrachte ich die Ababde und die Bischarin als diejenigen,
die einen vielleicht seit Jahrtausenden währenden Zustand des Rückschritts und
der Verkümmerung an den Tag legen, obgleich sie, besonders die Bischarin, in
ihrer Sprache am meisten dem alten Typus treu geblieben sein mögen. Das sind
die Vertriebenen und Enterbten ihres Geschlechts, die Nachkommen jener, die sich
den neuen Eroberern, die später von Norden her ins Nilthal eindrangen, nicht fügen
wollten. Denn auch an diese Hamiten kam die Reihe der Vergewaltigung durch
Fremde, und sie wurden von ihnen in die Gebirgswüsten ihrer Ahnen zurück-
gedrängt und in das Nilthal oberhalb der ersten Katarakte. Der Nil-Anwohner jener
Epoche hatte sich den Befehlen der neuen Herren zu fügen.
So gelangte der Aegypter der älteren neolithischen Epoche in den Besitz der
Pflugschar und der Getreidearten. Die ihm an Gesittung wahrscheinlich über-
legenen Eroberer haben es verstanden, die Fähigkeiten des neolithischen Stein-
arbeiters für ihre Zwicke auszubeuten, indem sie dieselben in den Dienst des
Bergbaues auf Metallerze stellten. Es waren die Kupferminen am Sinai1), die
durch sie zierst in Betrieb gebracht worden sind, und deren geographische Lage
zugleich den Weg andeutet, auf welchem die neuen Eroberer sich mit dem Nil-
thal in Verbindung zu setzen wussten. Alles das hat sich lange Zeit vor der ersten
l Wenn sich die ur p n Nil-Anwohner auf die Gewinnung von Kupfer ver-
banden hätten, würden ie fliehen Wüste näher gehab! haben. Figari (Studj
ncient. p. L86) giebt nicht weniger a] ieben Oertlichkeiten in di m Gebiete an, wo sich
da Kupfer sowohl in geschwefelten, als auch in oxydischen Erzen vorfindet. Diese Stellen
sind oie Gegenstand ein'- Berj resen.
(271)
Dynastie der Pharaonen zugetragen und die neuen Gräberfunde liefern für diese
Annahme neue Beweise.
Wägt man alle Daten gegen einander ab, die durch die Ergebnisse der
Sprachforschung und durch sachliche Gräberfunde gewonnen wurden, so ergiebt
sich ein ganz entschiedenes Ueberwiegen der auf die Buphratländer hinweisenden
Indicien, und man kommt zu dem Schlüsse, dass jene Eroberer von .Norden kein
anderes Volk gewesen sein können als die alten Babylonier, die Sumero-Akkader,
von denen man heute noch nicht weiss, ob sie ursprünglich Turaner oder Indo-
gernaanen waren. Man weiss nur, das ihre Sprache eine ganz andere war und ihr
Ideenkreis sich auf wesentlich verschiedenen Bahnen bewegte, als derjenige der
Semiten, die sieh später von Süden her mit ihnen verschmolzen und ihr Pantheon
als Ganzes sich zu eigen machten, aber unter Einführung des für die arabische
Welt so charakteristischen Sternenkults.
Bereits seit einigen Jahren ist Fritz Hommel für die Hypothese „des baby-
lonischen Ursprungs der ägyptischen Cultur"1) eingetreten, ja er hat in seinem
Abriss der Geschichte des alten Morgenlandes') erst vor zwei Jahren den S
ausgesprochen: „Geraume Zeit vor 4000 v. Chr., vielleicht mehr als 1000 Jahre
vorher, werden die ersten babylonischen Ansiedler an die Ufer des Nils gekommen
sein.14 Seine Altersbestimmung hat sich nun nach den neuesten Ergebnissen von
Amelineau und de Morgan als durchaus nicht unzutreffend erwiesen, und man
wird ihm ebenso in anderen Punkten Glauben schenken können, wenn auch
manche seiner Collegen seinen Ansichten nicht beistimmen wollen. Hommel hat
auch die Identität der ältesten ägyptischen und babylonischen Götter- Genealogie
aus den sumerischen Götternamen, die beiden gemeinsam waren, nachgewiesen
und behauptet, dass in dem während der späteren semitisirenden Epochen eich
zu einer vorwiegend semitischen Sprache umgestaltenden Altägyptischen ursprünglich
der halbe Wortschatz dem Sumerischen entlehnt war. ja er führt eine lauge Reihe
von Hieroglyphen auf, die in beiden Sprachen dieselben sein sollen.
Zu alledem gesellen sich nun, die Aegyptolo^en mögen behaupten was -
wollen, die sachlichen Gräberfunde der letzten drei Jahre, die in Ober-Aegypten zu
Tage gefördert wurden, vor Allem die grossen Peuer-Nekropolen der ersten ägyp-
tischen Pharaonen, die offenbar denen analog sind, die Robert Koldewey vor
zehn Jahren zu el-Hibba und Sarghull, dem ältesten politischen Centrum von
Babylonien, ausgegraben hat'-). Der Bronze, des Weizens und der Gerste, des
Leins und der Weintrauben habe ich bereits gedacht. Hinzuzufügen wäre noch
der Gebrauch der Cylindersie^el mit den Königlichen Namen, vermittelst derer die
grossen Opferkrüge in den Nekropolen der ältesten Pharaonenzeit verseh
wurden 4).
Dass in den Annalen der alten Geschichte nirgends der vorhistorischen Ur-
bewohner (der Hamiten) Erwähnung geschieht, darf nicht befremden, hat sich doch
ein ähnliches Schweigen fast in allen Ländern wiederholt. Stets wurde, wir
de Morgan sehr richtig hervorhebt, die Erinnerung an die unterjochten ausgemerzt.
1 München 1892 [autographische Schrift .
2 s. ;•>«.). 63.
3) Zeits.hr. für Assyriolo : Vol. II. p. •!":;
4) Ich nehme Anstand, das Argument '1er auch im alten Babylonien nachg
Bostattunijsweiso in kontrakter Körperlage hier heranzuziehen, weil dieser Brauch, dem
eine allgemein menschliche [dee zu Grande liegt (die embryonale Lage bei der Rückkehr
des Kerners in Jen Schooss der Erde in Jen entlegensten Weltgegendei wiederholt
nnd für die Systematik der grossen Völkerklassen von nur unter-' rdnet r Bed
(272)
Aber etwas davon war doch noch bis auf die historischen Zeiten gekommen, nehmlich
der traditionelle Hass, der die Aegypter und die Aethiopen von Kusch trennte,
diesem stets mit dem Zunamen des „verdammten" oder „elenden" bezeichneten
Kusch.
Mein erster Besuch in Aegypten ging der ersten Erwähnung, die der Steinzeit
in diesem Lande geschah (durch Arcelin 1869), um einige Jahre voraus. Zu
jener Zeit hätte mir von keiner Seite her eine Anregung zu Theil werden können, um
nach dieser Richtung hin thätig zu sein. Aber bereits damals wurde meine Aufmerk-
samkeit auf Gegenstände gelenkt, die wohl geeignet erschienen, die Frage nach einer
Steinzeit in Aegypten wachzurufen, — Gegenstände, die heute noch, nach 33 Jahren,
ebenso unbekannt geblieben zu sein scheinen, wie sie es damals waren. Im Sinne habe
ich eigenthümliche steinerne Küchengeräthe derAbabde. Im Frühjahr 1864,
auf dem Wege von Qeneh nach Qosser, machte ich die erste Bekanntschaft mit diesem
Volke, dasalsnördlichsterZweigdergrossenBega-Familie, typischer Hamiten, zwischen
23° und 27° n. Br. die östliche "Wüste von Ober-Aegypten in der Stärke von nahe-
zu "200(i0 Köpfen innehat, von denen indess nur 7000 als Nomaden in den eigentlichen
Gebirgsthälern ihr kümmerliches Dasein fristen. Die Ababde haben noch in neueren
Zeiten das ganze eigentliche Wüstengebiet bis zur Breite von Sues besessen und
sind erst im Laufe der letzten zwei oder drei Jahrhunderte durch den kriegerischen
Araberstamm der Maase nach langen Kämpfen zurückgedrängt worden1). Vermöge
des engeren Anschlusses, den die Ababde an das ägyptische Nilthal haben, sind
sie bis zu einem gewissen Grade arabisirt worden, namentlich haben sie ihre ur-
sprüngliche Sprache gegen eine stark mit arabischen Bestandtheilen vermischte
Mundart vertauscht, während die südlichen Nachbarn, die ihnen nächstverwandten
iüscharin, in jeder Hinsicht ihre Eigenart unverändert bewahrten. Was aber
die allgemeinen Lebensgewohnheiten anlangt, sind auch die Ababde ihren alten
Ueberlieferungen treugeblieben.
Unter den geringen Habseligkeiten, welche die in den Thälern umherziehenden
Ababdefamilien mit sich führten, fielen mir nun vor allen Schalen, Näpfe und
Kochtöpfe auf, die aus dem in diesen Gebirgen unter den krystallinischen Sediment-
gesteinen sehr verbreiteten Talkschiefer (bezw. Steatit) hergestellt waren. Von diesen
in sehr regelmässigen Formen zugehauenen und sorgfältig geglätteten Gefässen habe
ich im vergangenen Winter eine Anzahl bei den in der Umgegend von Assuan
1) Zahlreiche Oertlichkeiten, die heute als „Grab der Ababde" bezeichnet werden,
geben davon Kunde. Asiatische Nomadenstämme sind bekanntlich bereits seit den ältesten
Zeiten auf dem Wege über den Isthmus in Aegypten eingedrungen, und ihnen wird jeden-
falls die Einfahrung des Kameeis (nicht vor der XII. Dynastie) zuzuschreiben sein, aber
ihre Wohnsitze überschritten nicht den Wüstenrand. Es scheint, dass in der inneren Wüste
stets allein Begavölket 'haust haben. Einmal im Besitze des Kameeis vermochten sie
ihre Sitze erst recht zu behaupten. Durchziehende Karawanen, deren Aufgabe es war,
zwischen Syrien und ihm mittleren Nilthale Aegyptcus eine direkte Verbindung zu unter-
halten, mögen trotzdem • hon frühzeitig von Arabern geleitet worden sein. Für diese
bürgerte sich seit der Mitt l. Jahrhunderts n. Chr. die Bezeichnung Saracenen
(Zagaxrjvot ein, ein Nan r zuerst in der dem Athanasius zugeschriebenen Lebens-
beschreibung des Heiligen Antonius und fast gleichzeitig bei Ammianus Marccllinus ge-
■ anni wird. Die Araberstäm die mit dem Islam kamen, sahen sich zunächst, dank
ihrer* socialen Bevorzugung, i auf die anwirthlichen Theilc der nördlichen Wüsten
rankt, wo selbst heuti . Tages und seihst auf Grundlage des Kameelbesitzes nur
für eine sehr beschränkte Anzahl . ■ Familien kärgliche Lebensbedingungen geboten sind.
Auch hat die au gedehnte R< gion der Wüstenränder den Arabern für lange einen aus-
reichendes Tummelplatz ihre] wiekedung abgegeben.
(273)
bausenden Ababde aufgetrieben und dieselben mit anderen Stücken, die mir durch
Güte des Prof. Dr. Eberhard Fraas aus der Gegend von Qosser zagingen, dem
hiesigen K. Museum für Völkerkunde tibergeben, das in seinen Sammlungen von
dieser Gattung von Gefässen noch keinerlei Beispiel ausAfrica aufzuweisen hatte, wie
ich denn auch annehmen lUUSS, dass BOlche (der Ababde) bis jetzt Oberhaupt noch
in keinem der europäischen Museen Vertretung gefunden haben mögen. Da auch
die das Gebiet behandelnde Literatur den Gegenstand mit Stillschweigen ttbei
— Klunzinger*) ist der einzig«', der des Vorkommens mit einer ganz kurzen
Notiz Erwähnung thut, - sehalte ich hier eine Beschreibung der Gelasse ein.
Die von den Ababde und Bischarin mit dem auch arabischen Ausdruck „burma-
bezeichneten Kochtöpfe (Fig. 1 — 3) sind gewöhnlich 15 bis 20 cm lang, im Umrisa
beiderseits kreisrund oder oval, mit weiter oder mit enger Oell'nung versehen und
mit glatt abgeschnittenen, weder erhabenem noch vorspringendem Rande. Die
GefÜ88e sind entweder sphärisch bauchig oder an der Basis verflacht. Nahe am
Bande oder mehr gegen die Mitte zu befindlich sind beiderseits vorspringende vier-
eckige Zapfen angebracht, die als Henkel dienen. Die Dicke der Wandungen
Fi-. 1.
Fig. 2.
Fi-. 3.
Kochtöpfe der Ababde aus Talkschiefer (in '/., nat. Grösse
beträgt 1 bis 2 cm. Der Talkschiefer, in der Bega-Sprache „hämur" genannt, tritt
in verschiedenen Härteverhältnissen auf und empfiehlt sich wegen seiner Feuer-
beständigkeit und der im Vergleich zu Thongefässen geringeren Zerbrechlichkeit
den Bedürfnissen des Nomadenlebens. Die .Masse ist bald grünlich durchsichtig
schimmernd (Seifenstein), bald, je nach dem Glimraerreichthum, von mehr oder
minder körniger Beschaffenheit, und alsdann schwarzlich und hellgrau gesprenkelt.
Auch reinschwarze Massen kommen vor. die polirt wie Ebenholz glänzen. In der
Granitregion der östlichen Wüsten von Ober-Aegypten und Nubien, dem mit dem
Namen ..Ktbai" bezeichneten Stammlande der Bischarin und Ababde. giebt es
viele Stellen, wo Talkschiefer mich heutigen Tages zu dem erwähnten Zwecke von
den Eingeborenen ausgebeutet wird. K I u n/ i nger giebt halbwegs /wischen Qeneh
und Qosser, südlich von llainmamät cum. Ri'a ,|. h. Pass) genannte Oertlichkcit
an, and nach den Angaben von Captain (i. B. Lyons und Major Tal bot steht
in der grossen nubischen Wüste in dem, Abu-Sinaijel genannten Thale, r Stunde
in West der Bruniien von Mural, die genannte Felsart in beträchtlichen Massen
an. begleitet von Hornblendeschiefer.
Weiche und zersetzte Talks« hiefermassen haben in diesem Gebiete eine
grössere Verbreitung and diese Biagnesiumsilicaie werden von den Nilthalbewohnern
mit Sand vermengt zur Herstellung vortrefflicher und feuerbeständiger Tl
verwandt. Diese mergelartig Palkmasse Führt gleichfalss den Namen „hämur",
die Aegypter bezeichnen - mit dem Namen .bürum- und auf der Nordseite der
1 C. B. Klunzinger, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. L879, IM. XIV, S.
Verhandl, der Bari, km lsobaft.1897. ^
(274)
Stadt Assuan *) werden zwischen Granit und Glimmerschiefer anstehende Lager
davon ausgebeutet. In dem in der Nähe befindlichen Dorfe Schema brennen die
Töpfer aus diesem Talkmergel sehr schöne Kochkessel, die durch eine hellleder-
gelbe Färbung und ein gewissermaassen elastisches Gefüge ausgezeichnet sind.
Wenn nun auch die Gefässe der heutigen Ababde in Hinsicht weder auf
Ausführung und Formvollendung, noch auf die bei der Bearbeitung der Steinmasse
erforderliche Geschicklichkeit einen Vergleich aushalten mit jenen kunstvollendeten
und aus den härtesten Gesteinsarten hergestellten Vasen, von denen ich später
gelegentlich der Funde in den der neolithischen Epoche der ersten Dynastieen und
der denselben vorausgegangenen Zeiten reden will, so möchte ich doch an der
Vorstellung festhalten, dass wir es hier mit einer aus atavistischer Gewöhnung
herzuleitenden Leistung zu thun haben, dass, mit anderen Worten, in diesen Ge-
fässen die Steinzeit von ihrem Fortbestehen hier noch unter der lebenden Generation
Kunde giebt. Diese Hamiten leben, seit Jahrtausenden von besseren Gegenden
verdrängt und auf die unwirthlichen Gebirgswüsten des Etbai beschränkt, in einem
Zustande der Verkümmerung, der, wie es den Anschein hat, seit den Tagen eines
Artemidorus keine nennenswerthen Veränderungen aufzuweisen hat. Man darf
daher von ihnen keine hervorragenden Kunstleistungen erwarten. Andererseits er-
scheint das Festhalten an den immerhin doch in hohem Grade unpraktischen Stein-
gefässen bei dem häufigen Verkehr der Ababde mit den Xilthalbewohnern, die
gerade dort, bei Qeneh und Assuan, in Töpferarbeiten aller Art sich hervorthun,
auffällig genug. Man bedenke ferner, dass, wie ich bereits erwähnte, in jenen
Gebirgsgegenden selbst an vorzüglichem Material zur Bethätigung im letztgenannten
Gewerbe kein Mangel ist und dass es daselbst auch an Feuerungsstoffen keineswegs
gebricht, — betreiben doch die heutigen Ababde in allen Thälern das Kohlenbrennen
aus Akazienholz mit grossem Eifer, als einen der wenigen Erwerbszweige, die ihnen
den Bezug der unentbehrlichen Kornvorräthe zum eigenen Unterhalte möglich machen.
In besonders auffälliger Weise aber bekundet sich die Vorliebe der Bega-
Völker für Steingeräthe in einem anderen Gegenstande aus Talkschiefer, den mau
wohl im Besitze eines jeden von ihnen antreffen wird. Ich meine die kleinen
Tabakspfeifen (Fig. 4), von denen ich eine Anzahl vorzulegen die Ehre habe.
Fiij. 4.
«L
Tabakpfeife der \ und Bischarin aus Talkschiefer in ' ., nat. Gr.).
Klunzingerv) ist wiederum der einzige, der sie erwähnt hat. Dieselben bestehen,
das Rohr und der ELopf i ü Stück, in einem wohlgeglättcten, im rechten
1) Audi erwähn! Figari. cient. sull Egitto, p. 157, dass die alten Aegypter
sich bereits des Talkschiefers zur Herstellung von feinen Thonwaaren bedient hätten.
2) Ober-Aegypton, Kapitel r Hochzeita-Gebräuche.
(275)
Winkel geknickten Cylinder. der durchbohrt an seinem etwas kürzeren, aber gleich
dicken Schenkel eine zur Aufnahme des Tabaks hergestellte erweiterte Aushöhlung
zeigt. Diese Pfeifen haben eine Länge von 5 bis 15 cm und einen Durchmesser
von 2 cm. In Ermangelung solcher Steinpfeifchen, die auf dem Markte von
Snakin in grosser Auswahl zum Kauf geboten werden, bedienen sich die Leute
wohl auch mitunter eines Stückes Röhrenknochen, den sie durch einen Zipfel
ihres baumwollenen Umschlagtuches hindurch rauchen. Für gewöhnlich aber birgt
der letztere, geknotet, die kleine Steinpfeife und den Tabak, den sie über Albs
werthschätzen. Als vor kaum 2'/., Jahrhunderten der Gebrauch des Tabaks sich
in diesen Gegenden einzubürgern begann, werden die Wüstenbewohner bei den
ersten Ueberbringern des Narkotikons wohl auch die Thonpfeifen zu sehen be-
kommen haben, deren man sich zu seinem Genüsse bedient. Thönerne Pfeifen
lassen sich spielend fast überall herstellen, dennoch griff der Hamite zu dem ihm
so gewohnten Steinmaterial, und ich glaube, in diesem Verhalten kommt noch deut-
licher der Atavismus der Steinzeitgebräuche zum Ausdruck.
Gelasse aus Talkschiefer und Speckstein sind aus verschiedenen Weltgegenden
bekannt. Unser Museum für Völkerkunde birgt eine grosse Anzahl schöner Stücke.
die aus Kaschmir und aus dem Distrikte von Salem (Präs. Madras) herstammen
und daselbst auf den Märkten als Kochgefässe feilgeboten werden. Auch sind
neuerdings aus Talkschiefer geformte zierliche Tabakspfeifen (in Gestalt unserer
Cigarrenspitzen) aus den Gebieten der Xama, Basuto, Bergdamara u. a. eingesandt
worden, die in Süd-Africa von weiter Verbreitung zu sein scheinen, sowohl bei
Hottentotten-, als auch bei den östlichen Bantu- Stämmen1). Auch in manchen
Gegenden Europas werden aus Speckstein Pfeifenköpfe gedrechselt. In den von
mir bereisten Theilen von Africa sind mir indess Gelasse von Talkschiefer an
halb des Etbai nirgends zu Gesicht gekommen, auch habe ich in der Africa-
Literatur bisher keine darauf bezüglichen Angaben ausfindig zu machen vermocht.
Ich sehe mich genöthigt, bei diesem Gegenstande länger zu verweilen, weil
der Talkschiefer auch in den Gräbern der ältesten bisher für Aegypten bekannt
gewordenen Epochen eine gewisse Rolle spielt und sich wichtige Fragen an die
aus dieser Gesteinsart hergestellten Sachen knüpfen. Das Schweigen der Literatur
über den Gegenstand entschuldigt Professor Flinders Petrie. wenn er bei der
Umschau nach Analogieen es unterlassen hat, seinen Blick den hamitischen Wüsten-
völkern von Aegypten und Nubien zuzuwenden. Bekanntlich erregten die gross-
artigen Grabungen, die der unermüdliche Forscher vor drei Jahren auf einem aus-
gedehnten Gräberfelde in der Nähe von Tuch, am Wüstenrande der Libyschen
Seite unterhalb Theben ins Werk gesetzt hatte, grosses Aufsehen, als derselbe an
der Hand zahlloser Funde, deren Merkmale in fast allen Stücken von der bishei
an altaegyptischen Gegenständen wahrgenommenen Form abwichen, die Hypothese
einer „neuen Rasse" aufstellte, die während der Epoche des mittleren Reiches
Westen her in Aegypten eingedrungen sein u\^\ sieh in Bezug auf Sitten und
Kun8tbetbätigung von jeder Berührung mit den übrigen Landesbewohnern fern
gehalten haben sollte. In seinem neuesten Werke*) sind die i igenen Ansichten
des Autors, sowie die sein. si Mitarbeiter durch Wort and Bild zu ausführlicher
Erörterung gelangt. Inzwischen ist aber auch die m Frage stehende Epoche durch
die Ausgrabungen von E. Am eline au und die von J. de Morgan weiter aufgehellt
1) vorgl. H. Schinz, Deutsch-Südwest-Africa, S. 93. Die ethnographische Sammlung
in Zürich besitzt eine reii hi Auswahl dieser Stück...
2) W. M. Flinders P uad J. E. Quibell, Nagada and Bailas,
18*
(276)
und, dank den aufgefundenen Königsnamen, als der ersten Dynastie zugehörig
festgestellt worden. Ausser dem von Flinders Petrie ausgebeuteten Gräberfelde
sind noch, zahlreiche kleinere, mit jenem in allen Einzelheiten übereinstimmende,
zu beiden Seiten des Nils ausfindig gemacht worden; sie erstrecken sich von
Gebelen im Süden angefangen bis gegen Girgeh im Norden. Es sind auch bei
Abydos und Negada sechs Königsgräber aufgedeckt worden, darunter zwei von
üTOSsartigen Verhältnissen, die alle einen von den übrigen Gräbern derselben Epoche
.sehr abweichenden Todtencult (Feuer-Nekropolen) zur Schau stellen, die aber durch
eine Anzahl verschiedener Beigaben die vollständige Gleichalterigkeit mit den
Gräbern der Privatpersonen und der unteren Klassen ausser Zweifel stellen.
Das im Druck befindliche Werk de Morgan's über die königliche Nckropole
von Negada wird über die Königsgräber der ersten Dynastie näheren Aufschluss
ertheilen. Ueber die kleinen Gräber dieser Epoche, die sich nicht auf die drei
ersten historischen Dynastieen beschränken, sondern wahrscheinlich auch Zeiten
umfassen, die dem Beginn derjenigen, die für uns in Aegypten als die historische
gilt, noch um ein Beträchtliches vorhergehen, findet man vielseitigen Aufschluss
in dem erwähnten Werke von Flinders Petrie, sowie in de Morgan's gleich-
zeitig mit diesem erschienenen „Recherches sur les origines de l'Egypte, l'äge
de la pierre et des metaux", Paris 1896. Es sei mir indess gestattet, gewisse
Einenthümlichkeiten der kleinen Gräber hier noch besonders hervorzuheben, inso-
fern sie uns neue Probleme darbieten und für die angeregten Fragen von Belang
erscheinen.
Bei dieser Art von Gräbern, deren nun bereits im Laufe der letzten Jahre Tausende
untersucht worden sind, müssen zwei streng von einander getrennte Kategorieen
festgehalten werden, da sie nach Rasse, Abstammung und Lebensweise verschie-
denen Klassen der damaligen Bevölkerung, wahrscheinlich aber nicht zeitlich aus-
einander zu haltenden Generationen, zu entsprechen scheinen. Für die Gräber der pri-
mitiveren, ärmeren Bestattungsweise möchte ich den Namen der „troglodytischen"
in Vorschlag bringen, da sie derjenigen der alten Troglodyten entspricht, von
welcher nach dem Berichte des Artemidorus uns übereinstimmende Beschreibungen
von Strabo (XVI, 222), Diodor (III, 32) und Agatharchides in seiner Be-
schreibung des Erythräischen Meeres (63) wiederholt worden sind. Die troglo-
dytischen Gräber enthalten je einen Körper ohne Sargbehälter frei im Boden
ruhend, seltener in mit Rohziegeln ausgekleideten Schächten, aber stets (ursprünglich)
nur umhüllt von Häuten oder Matten. Die Skelettheile sind zusammenhängend und
zeigen die kontrakte Stellung der Gliedmassen, welche der Bestattungsweise, nicht
nur der alten Troglodyten, sondern auch vieler noch lebender Völker Africas (z. B.
Bongo, Mittu, Kaffern, Betschuana, Ova-Herero u. a.) entspricht, nur mit dem Unter-
schiede, dass hier der Körper nicht in kauernder, hockender Stellung sitzend, bei-
gesetzt wurde, sondern ^trts auf der linken Seite liegend, Arme und Beine in der
Gelenkbeuge, die Knie ror der Brust (wahrscheinlich vermittelst Bast und Rinden-
strick"' zusammengescl lie Hände vor die Gesichtsfläche gezogen. Der Todte
war vmi handgeformten rothen Thonkrügen und Näpfen von verschiedener Gestalt
umgeben, unter denen cylindri8che und solche mit schwarzangelaufenen Rändern
• •inen fttr die Epoche charal teristischen Typus darstellen, ferner von Thongefässen,
Mir zierliche, in höchst i igenartiger Figurensprache zur Darstellung gebrachte
Ornamentik darbieten. !>' Gefässe sind mit Nilerde oder mit Aschen- und
Kohlenresten von der Feuerstelle des Wohnsitzes des Verstorbenen angefüllt, sel-
tener mit Knochenresten. In einigen dieser Gräber finden sich tellerartige Schalen
(277)
niedergelegt, die mit abgeschnittenen Haaren1) verschiedener Individuen gefüllt
wurden, wahrscheinlich denen der Anverwandten, die sie als Zeichen der Trauet
an dieser Stelle zum Opfer brachten. Unter Haarbüschel rou Bchwaraer Farbe
linden sieh andere gemengt, die goldgelb oder Qachsartig fah] erseheinen, offenbar
in Folge von angewandten Färbungs- oder Bleicbungsmitteln, nach Art der heutigen
Somal, die vermittelst einer dicken Lage von frisch gelöschtem Kalk oder durch
Einreiben mit gelber Thonerde, dem Verwitterungsprodukte vulkanischer Tuffe,
ihren Haaren häufig ein falbrothes Aussehen ertheilen-) Von sonstigen Beigaben
der Gräber sind Kieselartefakte zu erwähnen, die sich stets in grosser Menge in
ihnen vorfinden, aber auch der zweiten Kategorie nicht fehlen, wählend die
königlichen Feuernekropolen deren /.um Theil in ungeheurer Menge beherberg
Vor allem sind es die Bonderbaren Schieferplatten, die, in Gestalt von allerhand
Thieren. namentlich Fischen. Schildkröten, verschiedenen Yierfüsslern, Vögeln, dann
aher auch zu Rhomben, Parallelogrammen und anderen Formen zugeschnitten, für
diese troglodytischen Gräber besonders charakteristisch erscheinen. In denselben
linden sich diese, häufig zum Anhängen durchlöcherten Schieferplatten an Stellen.
die darauf hindeuten, dass man sie bei der Bestattung dem Todten in die
Hände gab oder vor der Brust befestigte. Wegen einiger Farbenreste, die sich
an einzelnen dieser oder ähnlicher Stücke vorfanden, vermuthete Flinders Petrie3),
dass die Platten als Palletten zum Anreiben von Schminke gedient hätten; allein
nach Analogie der im Museum für Völkerkunde zu Berlin befindlichen, aus ähn-
lichem Schiefer und zum Theil in ähnlicher Gestalt hergestellten Stücke der
dagor" sehen Sammlung aus Kaschmir (man vergleiche z. B. Nr. 3858 I, c.) ist
man eher berechtigt, die Platten für Amulette zu halten, die als Talismane auf der
Brust getragen wurden, um allerhand körperliche Uebel fernzuhalten. Damit sei
nicht gesagt, dass alle Platten dem gleichen Zweck gedient haben müssen. Wieder-
holt hat man auf ihnen auch die Umrissliirur eines Krokodils mit gespreizten vier
Extremitäten eingeritzt gefunden.
Einen vornehmeren Charakter tragen die Gräber der zweiten Kategorie an sich.
die man als diejenigen mit seeundärer Bestattungsweise bezeichnen muss.
Sie haben das Eigentümliche, dass sie in einem, meist mit Rohziegeln aus-
gemauerten Hohlraum einen verschiedenartig gestalteten rohen Behälter aus bald
gebrannter, bald ungebrannter Thonerde zeigen, der die Körperreste als zerstreute
oder willkürlich durcheinander geworfene, meist sehr unvollständige Skelettheile
enthält. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass hier eine seeundäre Bestattung
üblich war, wie solche ja heute noch in verschiedenen Gegenden Africas4) geübt
1) Von diesen habe ich einen guten Vorrath dem Königl. pathologischen Institut über-
geben, aus Arabern von Negada and Gebe! Silsile stammend.
•_' Eine« ahnlichen Verfahrens bedienen sich auch Eingeborene auf Neu-Guinea. l'^i
den hinka wird eine fuchsrothe Färbung durch fortgesetzte Waschungen mit Kuhharn
hervorgerufen, auch -..II eine Utägige Compi ose von Mi-t und Asche ein gleich
gebniss liefern. Stutzer dieses Volkes verstehen es, ihr ursprünglich Krau-- Haar durch
andauerndes Streichen und Kämmen halbwegs schlicht zu gestalten. Vergl. Schwein-
furth, _Im Herzen von AtYi<a- I. 8. Lfil, L62 . Durch Verwendung von Pflansenstoffen ist
dagegen wohl nur bei ergrauten Haaren ein Blondfärben möglich; bekannt ist die Ver-
wendung von llennah Lawsonia.
3) Fl. Petrie, Naj . p. 43.
l In dem vor Kur.' n rschienenen vortrefflichen Werke des Prof. Dr.
Volkens Berlin 1897, b i Dietrich Reimer wird dieser Brauch hei den ^
(S. 252, 253 beschrieben. Schädel und Knochen des Skelets werd a na '
(278)
wird, wo die Verstorbenen zunächst in der von ihnen bei Lebzeiten bewohnten
Hütte beigesetzt werden, um erst nach Ablauf einer längeren Frist den wieder
ausgegrabenen Skeletresten ein endgiltiges Begräbniss zu Theil werden zu lassen.
Prof. Flinders Petrie1) hat dieser Bestattungsweise die offenbar irrige Deutung
gegeben, als rührten die in den Gräbern durcheinandergemengten Körpertheile
von einer am Cadaver im frischen Zustande vorgenommenen Zerstückelung her,
die er ausserdem noch ganz unnöthiger Weise mit angeblich kannibalischen Ge-
bräuchen roher Naturvölker-') in Verbindung bringt. Er beruft sich auch im miss-
verstandenem Sinne auf eine Stelle des Diodor (V, 18), wo von den Grab-
gebräuchen der alten Balearen die Rede ist, die aber keineswegs, wie er sagt,
ihre Todten „mit hölzernen Messern oder Aexten zerschnitten", sondern, nach
Diodor, nur die Gliedmassen mit Knüppeln zerschlugen, um die Körper in ein
Gefäss hineinzuzwängen. Die Anwendung von Gewalt behufs Einzwängung des
Leichnams in einen beschränkten Raum, oder auch zum Zusammenschnüren in
kontrakter Körperlage hat nichts Ueberraschendes und wird heute noch bei ver-
schiedenen Völkern Africas geübt, z. B. bei den Ova-Herero, die nach Schinz,
(Deutsch-Südwest-Africa, S. 174) ihren Todten zu diesem Zwecke das Kreuz brechen.
Bei anderen Völkern werden zu diesem Behufe Einschnitte in die Knie hergestellt.
Die sehr häufige Unvollständigkeit der Skelettheile und gewisse Einzelheiten
ihrer Lage im Grabe sprechen in ganz überzeugender Weise gegen die Hypothese
einer absichtlichen Zerstückelung der Leichen, und eine gleiche Bewandniss wird
es wohl auch mit den algerischen Dolmen3) und den von Naue beschriebenen
Bronzegräbern in Ober-Bayern haben, auf die sich Flinders Petrie beruft. Unter
den von .1. de Morgan gelegentlich seiner diesjährigen Ausgrabungen bei Negada
von Gräbern der hier besprochenen Kategorie gemachten Einzelplänen und Situations-
aufnahmen der Knochenbefunde möchte ich einer solchen Aufnahme hier besondere Er-
wähnung thun, da sich an ihr die ganze Hinfälligkeit der Flinders Petrie'schen Hypo-
these darthun lässt. Das betreffende Grab gehörte der „Arabat-Krescha" genannten
Nekropole an und enthielt in einem ovalen, 70 X 50 cm messenden, mit einem
Deckel versehenen Behälter aus gebranntem Thon ein ziemlich vollständiges Skelet,
dessen einzelne Knochen in sehr unordentlicher Weise ausgebreitet waren. Der
Unterkiefer fand sich gesondert vom Schädel und ebenso wie die einzeln getrennten
Schulterblätter und Schlüsselbeine gerade an den entgegengesetzten Enden des
Gefässes. Die Rippen lagen in drei Gruppen gesondert an ebensovielen Stellen,
die Wirbel, von denen viele fehlten, waren gleichfalls vereinzelt und zerstreut.
Nun ist doch wohl vorauszusetzen, dass Leute, wenn sie sich der überaus grossen
Miili'' unterzogen, die einzelnen Knochen von einander zu trennen, dieselben aus
dem frischen Cadaver herauszuschneiden, herauszuschälen und namentlich den
Unterkiefer aus s< inen Angeln zu heben(!), auch ein Interesse daran gehabt haben
sollten, für die Vollständigkeit aller Skelettheile Sorge zu tragen; dass dies der
gegraben and geaondi einem Thonkrug untergebracht, der in der Bananeni>flanzung
so eingegraben wird, da* die Oeffnung, die man mit einer Scherbe zudeckt, die Ober-
flache erreicht Volkei nuthet, dass nicht bloss der brutale Wunsch, sich der
D möglichfl schnell and ohne Arbeit zu entledigen, dieser Sitte zu Grunde liege.
1 KTagada, p. 62.
2 PL Petrie hal noch neuerding in einem in der „Contemporary Review" veröffent-
lichten Aufsat/.'- Bolchen Vermuthungen bei Besprechung der Felsengräber von Deschascha
wiederum Spielraum gegeben.
yergi Faidherbe, Recherches anthropologiques sur les tombeaux megalithiques
de Roknia.
(279)
Fall nicht war, habe ich bereits hervorgehoben. Der Umstand, dass sich Füsse
und Hände in diesen Gräbern zuweilen in zusammenhängender Knochenlage vor-
finden, darf nicht für die Annahme einer gewaltsamen Zerstückelung angerufen
werden, denn in den trockenen Gräbern Aegyptens sind solche Gliedmassen die
ersten, die austrocknen und solchergestalt im Verbände bleiben, während alles
andere durch Verwesung zerfällt. Wollte man aber die Zerstückelung und Un-
vollständigkeit der Theile mit vorhergegangener Kocherei und Kanibalen -Mahl-
zeiten1) in Verbindung bringen, so gäbe es in Aegypten, ausser den mit Mumien,
kein Grab, dass von einem derartigen Verdachte verschont bleiben würde.
Die Gräberfelder am Rande der Wüste bieten die zwei erwähnten Bestattungs-
formen nicht in räumlich gesonderter Gruppirung, in zusammenhängendem An-
schluss an einander dar: an einer und derselben Oertlichkeit wechseln oft beide mit
einander ab. Für die Annahme, dass meist die Verschiedenheit eher in BOcialen,
als in zeitlichen Verhältnissen zu suchen sei, sprechen ausserdem gewichtige Gründe.
Denen, die als Nomaden lebten und keine festen Wohnsitze hatten, vielmehr in
Höhlen oder offenen Lagern hausten, konnte auch nicht in Hütten, die sie nicht
besassen, eine vorläufige Beisetzung zu Theil werden. Das waren die Troglodytea
oder Ichthyophagen, Vorfahren der heutigen Ababde und Bischann, die, wie gegen-
wärtig, zum grossen Theil im Umkreise der Städte und Dörfer ein auskömmlicheres
Dasein aufgesucht haben werden.
Die Beigaben in den Gräbern der secundären Bestattungsweise geben von
Besitz und von grösserem Wohlstand Kunde. Ausser den bei der ersten Kategorie
aufgezählten Gegenständen finden sich in ihnen zahlreiche Luxus- und Toilette-
_ stände, Elfenbeinschnitzereien und dergl., namentlich aber die schöngeformten
Schalen, Näpfe und kleinen Vasen aus hartem krystallinischem Gestein oder aus
mehr oder minder harten metamorphischen Schiefern und Tuffen. Während Bronze-
gegenstände in den troglodytischen Gräbern so gut wie gar nicht vorkommen
oder nur andeutungsweise vorhanden sind, spielen dieselben in den Gräbern mit
zerstreuten Skelettheilen bereits eine gewisse Rolle. Von Belang sind sie aber
erst in den Königsgräbern der Epoche (I. Dynastie), wo eine solche Menge der
verschiedensten Kupfer- und Bronzegeräthe zu Tage gefördert worden ist, dass
es in hohem Grade fraglich erscheint, ob die Kupferminen der Sinaihalbinsel im
Stande gewesen sein konnten. Mengen, wie sie schon damals der Bedarf Aegyptens
erheischte, allein zu beschaffen.
Die Steingefässe in diesen Gräbern sind ebenso verschieden an Grösse und
dt. wie hinsichtlich der Gesteinsarten, die zur Verwendung kamen. Die Mittel,
die zu ihrer Herstellung gedient haben, werden gewiss noch lange Gegenstand
der Controverse bleiben, denn diese Gefässe sind hinsichtlich ihrer Formvollendung
von keiner späteren Epoche tibertroffen worden. An den henkellosen offenen
Schalen und Tellern oder den tiefer ausgebauchten kesselförmii;vn Gefässen iiber-
raschl bei der äusserst symmetrischen Rundung besonders ihr hoher Grad von Dünn-
wandigkeit. Das Material besteht hier aus harten Schiefern und tuffigen Gesteins-
arten, die sich mit dem Messer ritzen lassen. Aus Alabaster geformte Ge -
sind häufig und in den verschiedensten Grössen vorhanden. Unter diesen hei
Li An einigen der von mir bei den Monbuttu 1870 aufgelesenen gekochten Schädel
i sich deutlich die Schrammen der M ss< r erkennen, deren sich diejenigen bedienten,
die davon gespeist haben, an einigen sind Lrar die Eindrücke der Zähne erkennbar, die an
Schädeln genagt haben. So lange man mir Stücke von gleicher Beweiskraft nicht
vorzuweisen vermag, wi rd< ich an den „Endocannibalismus" der alten Nilbewohner nicht
glauben. Las Wahrscheinliche beansprucht mehr Geltung, als das Unwahrscheinliche.
(280)
die cylindrische halslose Form mit flacher Grundfläche und einfacher Ring-
anschwellung an der weiten Oeffnung vor, dieselbe, die sich auch bei zahlreichen
Thongefässen, namentlich der troglodytischen Gräber, wiederholt, wie denn über-
haupt in allen diesen Gräbern Steingefässe und thönerne hinsichtlich ihrer Formen
keine Verschiedenheiten aufweisen. Deutlich erkennbar aber ist, an der Hand der
marmorirt gesprenkelten und granitartigen Ornamentik vieler Thongefässe, dass die
letzteren oft in Nachahmung bereits vorhandener, vielleicht älterer und als beson-
dere Kunstleistungen hochgeschätzter Steinvasen hergestellt worden sind.
Das härteste Steinmaterial findet sich zu diesen letzteren verwendet, die eine,
für die Epochen bis zur dritten Dynastie (wie es scheint, nicht später) äusserst
charakteristische Gestaltung zeigen. Flinders Petrie hat dieselben wegen ihrer
durchbohrten Henkel als Aufhängevasen (hanging stone vases) bezeichnet, im
Gegensatze zu den aufstellbaren (standing stone vessels), die ohne Henkel sind;
indess ist die Mehrzahl der „Hängevasen" gleichfalls mit abgeflachtem Boden ver-
sehen. Die Haupteigenthümlichkeit ihrer Gestalt beruht in den zwei Henkeln, die
in der Nähe des meist flach vorspringenden Randes, d. h. im oberen Drittel oder
Viertel der Gesammthöhe, angebracht sind. Dieselben stellen einen an die Ober-
fläche angeschmiegten, wenig vorspringenden, aber stets horizontal gestellten Cylin-
der dar, der in seiner Längsaxe durchbohrt ist. Durch die Verbreiterung des
Henkels wurde offenbar eine grössere Tragkraft und Widerslandskraft der Henkel-
masse beim Aufhängen erstrebt. Diese harten Vasen sind weit massiver, als die
anderen Gefässe, und mit seltenen Ausnahmen von sehr geringer Grösse. Wenn sie
erst alle petrographisch untersucht sein werden, wird sich eine sehr lange Liste der
zu ihrer Herstellung verwendeten Gesteinsarten ergeben. Der schwarze Diorit mit
grossen weissen Einschlüssen (Oligoklas), den man an so vielen Bildwerken des
alten Aegyptens zu bewundern Gelegenheit hat, spielt bei diesen Vasen eine grosse
Rolle. Viele bestehen aus porphyrartiger Masse, vom ächten rothen Porphyr des
Mons Porphyrites bis zum buntgefärbten Quarzporphyr und Diabasporphyr des
Gebel Dara; andere sind aus Serpentin und verschiedenen Hornblendebreccien
geformt, aus schwarzweissgesprenkeltem Hornblendegranit, aus schneeweissem
pseudokrystallinisohem Quarz, ja aus reinem Bergkrystall und aus Obsidian. Mit
Ausnahme des Obsidians, dessen Herkunft noch ein Räthsel ist, und abgesehen von
einem häufig verwendeten rothweiss gefleckten Conglomerat von Kieselkaistein, der
an Untersber»er Marmor erinnert und am Abfall der Libyschen Wüste nördlich
von Abydos ansteht, namentlich da, wo die Strasse von Girgeh zur Grossen Oase
hinaufführt, entsprechen alle die aufgezählten Gesteine den in der krystallinischen
Gebirgskette der Oestlichen Wüste verbreiteten Arten; sie fehlen auf der west-
lichen Nilseite und namentlich, soweit das Gebiet der Libyschen Wüste erforscht
worden ist, in dieser. Es ist also auch in diesem Umstände ein gewichtiger
Hinweis auf die Beziehungen zu erblicken, welche die alten Nil-Anwohner mit dem
Osten und nicht mit dem Westen verbanden, zugleich ein Beweis gegen die An-
nahme einer von Westen her in das Nilthal stattgehabten Einwanderung sogenannter
Libyscher Stämme. I' lieziehungen werden noch fester geknüpft durch die
Talkschieferkessel der ^babde, die im Grunde genommen doch nur als entartete,
rohe Rtlckbildungsformen Ai'i- zweihenkeligen Vasen der alten Gräber aufzufassen
äind. Es finden -ich abei aui h ausserdem in diesen Gräbern Gefässe von dem-
selben Talkschiefer, den heute ;h die Ababde verarbeiten.
Ich hätte nun noch aus der reichen und eigenartigen Ornamentik der meist roth
bemalten Thongefässe, die all ] , Gräbern der hier besprochenen Epoche eigen
mannichfaltige Beziehungi nachzuweisen, welche die alten Nil-Anwohner mit
(281)
den südlichen und östlichen Gegenden, den Stammsitzen der afrikanischen Hau
in einen unleugbaren Zusammenhang bringen. Allein dieses Kapitel erfordert ein
sehr weite- Ausholen all f I ■ elnete iler \ erscll ledernsten ForSCbungSZWeige. I
mir gestattet, hier nur die Aufmerksamkeit auf einige ganz besonders in die Augei
Springende Verhältnisse zu lenken. Niemand wird mehr, beim Anschauen dieser Ar;
von Bilderschrift, wie sie sich auf den erwähnten Thongefässen, von denen das Kg
Museum ler Aegyptischen Alterthümer in Berlin bereits eine stattliche Reihe auf-
zuweisen hat und die in den eitirten Werken von de Morgan und Fluider- Petrie
in grosser Anzahl zur Darstellung gebracht worden sind, das Axiom unterschreiben
wollen, das so lange Geltung gehabt hat, dass die ägyptische Kunst ein fertiges
Ding gewesen sei von dem Momente an, wo sie in die Erscheinung trat.
Die Fremdartigkeit der Darstellungsweise veranlasste den genannten englischen
Forscher, den Ursprung dieser Ornamentik ausserhalb Aegyptens su suchen und
uns das Bestehen eines alten Handels mit gebrechlicher Tüpferwaare glaubhaft zu
machen, der im Lande der Amoriter') seinen Ursprung genommen hätte. Die
ausschiesslich afrikanischen Gegenstände dieser Ornamentik, namentlich die grosse
Rolle, die in ihr d^r Ruderbarke, als der ersten Schriftwerdung einer ägyptischen
Idee zufällt, brachten ihn dabei allerdings mit sich selbst in Widerspruch. Hier
liegt die grosse Bedeutung der keramischen Bilderschrift gerade darin, dass sie.
weil den ärmeren Bewohnern geläufig, etwas Ursprüngliches, von Alters Her-
gebrachtes zum Ausdruck bringt, und uns dadurch einen weiten Rückblick in die
Zeiten vor Mencs eröffnet, weil ursprünglich aus einer Zeit stammend, wo die
bloss ideographische Hieroglyphik noch in den Windeln lag. Das ist der Stil, der
um die Zeit der ersten Dynastie bereits als ein alter gelten mochte, und der
künstlerische Besitz dieses Volkes zur Zeit, als die Sumero-Babylonier ihre Cultur
auf die seinige aufgepfropft haben mögen, — ein Besitz, der jedenfalls schon vor der
dynastischen Periode von Aegypten vorhanden gewesen ist, — dokumentirt sich
da in der ganzen Eigenartigkeit der vom späteren Kanon so grundverschiedenen
Formensprache.
Ausser den aus Gründen der technischen Handhabung selbstverständlichen
Verzierungen (z. B. Parallellinien) spielen, wie bei so vielen Erzeugnissen einer
primitiven keramischen Kunst diejenigen Formen der Ornamentik eine hervor-
ragende Rolle, die auf jene Zeit hinweisen, da der Kunsttrieb des Menschen noch
vornehmlich in Korb- und Mattenflechten Bethätigung fand. Betrachtet man z. B.
das in de Morgan's Origines de l'Egypte auf der Tafel IX. Fig. 1 abgebildete
Gefäss, so hat man das vollkommenste Abbild eines jener grossen Milchkörbe, wie
sie die heutigen Somal mit so grosser Geschicklichkeit aus den zähen Wurzeln des
Btrauchförmigen Asparagus retroflexus zu Hechten verstehen.
Das behufs schnellerer gewerbsmässiger Vervielfältigung sich bahnbrechende
Generalisiren der Einzelheiten tritt bei den in Spiralen auslaufenden Köpfen der
Strausse und Flamingos, sowie an den gleichfalls Bpiralig endenden Bogenarmen der
Tänzerinnen in die Erscheinung,— Figuren, welche diesen Gefässen ein so fremdaj
Aussehen verleihen. In dm besonders häufig w iederkehrenden Reihen der zusammen-
hängenden stilisirten Vogelgestalten offenbart sich der bei aller räumlichen, zeit-
lichen und ethnischen Gesondertheit su häufig zur Geltung kommende Parallelismus
übereinstimmender (ewig menschlicher) Gestaltungstriebe. Auf den ersten Blick
springt dabei eine Überrest hende Analogie mit der urgriechischen Ornamentik in
die Augen, die Conze zuerst in seinen Aufsätzen zur Geschichte der Anl _
l Tel el-Hesbi liegt uug fähr 600 km vom nächsten Nil entfi
(282)
griechischer Kunst (Wien, 1870 und 1873) als „alteuropäisch", im Gegensatze
^u der späteren orientalisirenden Epoche, bezeichnet hat und in welcher er das
von den Griechen aus ihrer nordischen Heimath mitgebrachte Kunstvermächtniss
erblickte. Diese „alteuropäischen" oder in mythologischer Ausdrucksweise als
Torkadmeisch zu bezeichnenden Terracotten bieten ganz ähnliche Vogelreihen dar
Kraniche, Gänse u.a.), wie die urägyptischen; auch zeichnen sich auf ihnen die
abgebildeten Gestalten von Vierfüsslern (Pferde, Steinböcke u. s. w.) durch die in
gleicher Weise zum Ausdruck gebrachte Bewegung der Extremitäten aus, die einen
durchgreifenden Gegensatz zu dem Paradeschritt der auf den ägyptischen Bilder-
inschriften verewigten Figuren bekundet. Indess, abgesehen von der Grund-
verschiedenheit der Gefässformen selbst, bietet diese Ornamentik hinsichtlich der
geometrischen Motive (keine Mäander, keine durch Bogenlinien verbundenen Kreise
u. dgl.) unversöhnliche Gegensätze, und namentlich die bei der urgriechischen
fehlenden Pflanzen formen sind es, die gerade die Mannich faltigkeit der urägyptischen
erhöhen.
Die der Pflanzenwelt entlehnten Ornamentmotive tragen auf diesen ältesten
Thongefässen Aegyptens eine bereits in hohem Grade stilisirte Gestaltung zur
Schau. Sie bestehen in Bäumen, Blattwedeln der Dattelpalme und in einem
blühenden Gewächs, dessen bogig zurückgeschlagene Blätter einer verkürzten Achse
entspringen, während ein gipfelständiger einfacher, an anderen Exemplaren zwei-
schenkeliger Blüthenschaft, der im Bogen auf die eine Seite gekrümmt, im anderen
Falle nach beiden Seiten auseinander gespreizt ist, in der Verlängerung der Achse
auftritt. Der mit zahlreichen Schuppen oder kleinen Blättern besetzte Schaft trägt
an seinem Ende einen von einem halben Ringe umschlossenen runden Tüpfel1).
Ich vermuthe, dass wir es hier mit dem Prototyp des in der Hieroglyphenschrift
eine so grosse Rolle spielenden Zeichens des Südens zu thun haben und nehme
keinen Anstand, als das vielgesuchte pflanzliche Urbild der Idee die im südlichen
Nubien und in den Bergen von Abessinien weitverbreitete Aloe abyssinica Lam.2)
hinzustellen. Fiele mir die Aufgabe zu, das Bild dieser Pflanze in ein lineres
Schema aufzulösen, ich würde zu einer Darstellung gelangen, die sich mit dem
fraglichen Motive nahezu deckte.
Was ist nicht alles über dieses räthselhafte „Zeichen des Südens" geschrieben
worden! Aber niemand wird bisher von den gegebenen Deutungen befriedigt worden
sein. Am thörichtesten erscheinen die Deutungen, die zur Zeit in den Hand-
büchern Geltung haben und auf „Binse, Lotus" lauten. Dieses Zeichen betraf auch
eine der ersten Fragen, die mir R. Lepsius mit auf den Weg gab, als ich mich
im Jahre 1863 zum ersten Male nach Aegypten einschiffte. Damals dachte man
(als Botaniker) zuniichst an ein Zwiebelgewächs, an etwas Lilienartiges, und nach
M.ctssgabe der 1 loicn-Kenntniss des Sudan kam zunächst ein Crinum oder ein
Haemanthus in Betracht, aber die weit mehr verbreitete, auffällige rothblühende
1) Botanisch au gedrückt würde <li<' Beschreibung lauten: subacaulis, foliis radicalibus
approximativ arcuatira rer.urvis, scapo terminali simplici vel bicruri nutante bractcis nnme-
rosis obsito, floribus suntmo apice congestis.
■_' [ch will nicht v. i zeigen, <lass eine andere Aloe dem Pilanzcnoniamcnt, wie es
in den bisherigen Funden \ in höherem Grade entspricht, als die A. abyssinica. Das
• die durch einen ungetl henschafl charakterisirte A. vulgaris Lam.. die im
Tieflande des glücklichen \ biens und in der untersten Region der Vorbergo weitverbreitet
\ti-r Aloe vulgaris ist bi tzl auf dem afrikanischen Continent noch nirgends im
wilden Zustande angetroffen worden. Auch kann der Formenkreis des Schemas sich noch
durch jeden neuen Fund modii ren.
(283)
Aloe abyssinica entspricht bei weitem besser allen hierbei in Betracht kommenden Ver-
hältnissen. Diese hier genauer zu erörtern, würde zu weit führen. Ich beschränke
mich nur darauf hervorzuheben, dass die genannte l'llanzenait nicht bloss im Hoch-
lande, sondern auch in den 800 — 1000 m Meereshöhe nicht übersteigenden Wüsten-
thälern der niederen Berge nordwärts bis zum 19 n. Br. sehr verbreitet ist.
Meine Annahme, dass die aus dem fernen Südosten eingewanderten Sandten den
Hauptstock des alten Aegyptervolks abgegeben haben, würde daher durch diese
Deutung des Zeichens des Südens eine weitere Begründung erfahren, und ich hoffe,
dass sie sich als richtig herausstellt, wenn, wie zu erwarten, durch zahlreichere
Belegstücke der Formenkreis des so eben erörterten Ornamentmotivs sich erweitert
haben wird. Die Deutung dvn Ornaments auf den Thonkrügen mag indess, auch
wenn der vermuthete Zusammenhang mit dem geographischen Begriff der ägyp-
tischen Bilderschrift sich nicht bewahrheiten sollte, immerhin für die Wanderfrage
der alten Härmten von Bedeutung sein.
Bim anerfülltes Desiderat bleibt zur Zeit noch die anthropologische Feststellung
der Rasse nach den in den Gräbern enthaltenen Körperresten, namentlich den in
den troglodytischen, die einen höheren Grad rasselicher Einheit zu verbürgen
scheinen. Prof. Flinders Petrie hat in seinem letzten Werke (p. 51 — 53) nur die
vorläufigen Ergebnisse der von seinen Freunden ausgeführten Schädelmessungen
veröffentlicht. Die eigentliche Verwerthung seines grossen Materials lässt noch
auf sich warten. Mit grösserer Sorgfalt und Ausführlichkeit hat Dr. Fouquet1) in
Cairo zwanzig Skelette untersucht und beschrieben, die von de Morgan und von
Amelineau 1896 in den bei el-'Amrah, G Kilometer südöstlich von Abydos, be-
findlichen Gräbern mit kontrakter Körperlage gefunden worden sind. Obgleich die
Gleichaltrigkeit und Zusammengehörigkeit der 20 Skeletfunde keinem Zweifel unter-
liegt, haben sich an den Schädeln grosse Differenzen ergeben. Dr. Fouquet hat
sich daher wohl gehütet, ein Urtheil über die Stellung zu fällen, die diesen Schädeln
im System der Menschenrassen zukommt. Im Besitze eines grösseren Materials
wird er hoffentlich demnächst zu einem sicheren Ergebniss gelangen, obgleich
(vergl. seine Worte S. 134 dieser Verh.) das Fehlen von Schädelsammlungen in
Cairo ihm diese Aufgabe sehr erschwert. Selbst die Sammlungen der Medicinischen
Schule daselbst liefern nicht das geringste Vergleichsmaterial.
Andererseits ist Flinders Petrie auf Grund von Vergleichen, die er zwischen
den Maassen seiner Schädel und denjenigen angestellt hat, die General Faidherbe
von den in algerischen Dolmengräbern aufgefundenen Schädeln veröffentlichte, zu
dem Ergebniss gelangt, dass beide Serien einen hohen Grad von Uebereinstimmung
EU erkennen geben. Dagegen sollen nach Flinders Petrie die Schädel der alten
Guanchen ganz erheblich von denen seiner sog. „neuen Rasse" abweichen. Der-
selbe Forscher hat, auf Grund von Bestimmungen, die er Prof. Thane verdankte.
die männlichen und die weiblichen Schädel seiner Sammlung gesondert in Ver-
gleich gestellt, hingegen die zwei Kategorieen von Be8tattungs weisen, die ich vorhin
aufstellte, unberücksichtigt gelassen, was meines Krachtens ein grosser Fehler war.
Ich hai>e bereits hervorgehoben, dass die zunächst in Betracht kommenden
Vergleichsobjckte bei den Ababde und Bischarin zu Buchen seien. Leider ent-
behren die vorhandenen Schädelsammlungen noch der ausreichenden Belege nach
dieser Richtung hin, ich werde aber bestrebt sein, von den genannten Völker-
schaften Material herbeizuschaffen, nnd ich zweifle nicht daran, das.- alsdann meine
1) iu de Morgan. le l'Egypte, S. -J41— 270.
(284)
Voraussetzungen auch auf dem Gebiete der Schädelkunde vollauf Bestätigung- finden
werden. —
Um meine Darlegungen zusammenzufassen, möchte ich kurz rekapituliren.
Mein Bestreben war, den Zustand, in dem sich die Bewohner des ägyptischen Nil-
thals in vorgeschichtlicher Zeit befunden haben, als das Ergebniss einer Kreuzung
von Autochthonen mit hamitischen Stämmen zu kennzeichnen, die vom Rothen
Meere her, aus südlich und südöstlich von Ober-Aegypten gelegenen Gegenden her-
angezogen sind, die Besitzergreifung des Nilthaies vollzogen und die daselbst vor-
gefundene Bevölkerung in ihre Rasse haben aufgehen lassen. Abermals, in einem
langen Zeitabstande von diesem Vorgange hätte alsdann das alte Nilvolk eine
weitere Ummodelung durch das erobernde Eingreifen einer durch höhere Cultur-
Errungenschaften überlegenen Rasse erfahren, die von den Euphratländern her
ihren Ausgangspunkt genommen haben muss, um den Nil-Anwohnern den Ge-
treidebau auf Feldern vermittelst der Pflugschar, metallurgische Kenntnisse und wohl
auch ein eigenes Religionssystem, vielleicht gar die Kunst der Schrift beibringen
zu können. Als das Endergebniss dieser Mischungen und Beeinflussungen wäre
alsdann die ägyptische Civilisation der Pharaonenzeit zu betrachten.
Ein bisher ungelöstes Problem der Geschichte der Culturpflanzen scheint allein
unter den eben gemachten Voraussetzungen Aufklärung zu finden. Bekanntlich sind
bisher noch in keinem altägyptischen Grabe Sorghum-Körner gefunden worden, auch
nicht aus den Inschriften bildliche Beweise für das Vorhandensein dieser Körnerfrucht
^Andropogon Sorghum) zu entnehmen gewesen, die im ganzen tropischen Africa die
bei weitem wichtigste Grundlage der Massenernährung ausmacht. Erst in verhältniss-
mässig neuer (griechisch-römischer) Zeit, seitdem eine mehr unmittelbare Fühlung mit
den innerafrikanischen Gebieten ermöglicht war, kann sich der Anbau von Sorghum, der
übrigens auch heute noch für den Haushalt von Aegypten nur secundäre Bedeutung
hat, im unteren Nilthale eingebürgert haben. Das Eingreifen der Hamiten in den Ur-
zeiten, da zwischen den Bewohnern der einzelnen Abschnitte des weiten Nilgebietes
noch keinerlei Beziehungen obwalteten, muss wie ein Keil und wie ein Riegel gewirkt
haben, der dieser Abgeschlossenheit Dauer verlieh. Denn die hamitischen Eroberer
waren ein Hirtenvolk und die Beschaffenheit der von ihnen im Etbai durchzogenen
Thäler und (icbirgswüsten machte jegliche Art von Ackerbau zur Unmöglichkeit, auch
w;n es, wie ich bereits angedeutet habe, nicht der fruchtbare Culturboden des Nil-
thals, der sie anlockte, sondern die reichen Weidegründe sind es gewesen, die
ihren Wanderungen dieses Ziel als besonders erstrebenswerth vorgesteckt haben.
Zum Schluss möchte ich nun nicht unterlassen, auch auf einige noch offene
Prägen hinzuweisen, die sich an meine Hypothese vom Ursprünge des Aegypter-
Volkea knüpfen und die eine schwache Seite derselben darzubieten scheinen.
Diese Prägen betreffen zunächst einige Widersprüche, die sich in den Gräbern
der neolithischen Epoche der ersten Pharaonenzeit, bezw. denjenigen offenbaren,
dir derselben voraus en sind. In den frühesten Königs-Gräbern, ich wieder-
hole es. linden sich Kiesel -Artefakte zu Hunderten angehäuft und in jenen
der Privatpersonen machen sie einen der hauptsächlichsten Bestandtheile der
Todten -Beigaben aus. Nun aber fehlen Kiesel, nach Allem, was von diesem
Landstriche bekannt geworden ist, in den Wüsten des Etbai und in Xubien, wo
nur krystallinische Blassenge und entweder krystallinische oder klastische
Sediment-Gesteine, namentlich Sandsteine, zu Tage treten, die keine Kieselknollen
enthalten, die Bicb zur Bestellung von Messern, Lanzenspitzen und dergl. eignen.
Auch .sind \<>n Reisenden, di Len Plätzen des alten Minenbetriebes in diesen
(285)
uden Kenntnisa nahmen, namentlich von E. Floye»1) (Februar bis Mai 18!J1)
keine Kiesel -Artefakte aufgelesen winden. Vielleicht werden künftige Reisende,
die darauf achten, im Etbai Steingeräthe und Waffen um anderem Steinmaterial, etwa
Beile, Hämmer, Keulen, Schleudersteine und dergl., gelegentlich noch ausfindig
machen.
Die eigentlichen [Fundstellen ron Kiesel und Feuerstein sind an die tertiären
und an die der oberen Kreide zugehörigen Kalk-Gebirge gebunden, die von Edfu an
das Nilthal nördlich vom 25° n. Br. begrenzen, und in diesen Formationen aberall
von weiter Verbreituni;. Besonders ist es die Libysche Wüste, deren I
fläche grösstenteils mit Kieseln aller Art bedeckt ist. Letztere sind zum Theil
Celierbleibsel verschwundener Schichten der Miocänzeit. in die sie ursprünglich ein-
gebettet waren; andere gehören auch dort den Schichten der eoeänen Nummuliten-
Formation, zum Theil der obersten Kreide an. Künstlich hergestellte Kieselsplitter
von oft erstaunlicher Länge linden sich, sobald man vom Nil landeinwärts in die
westliche Wüste vordringt, last überall zerstreut und oft in solchen Mengen vor,
dass ihre Häufigkeit vor etwa dreissig Jahren und noch bis vor Kurzem als Haupt-
beweis gegen ihre künstliche, dem Menschen zugeschriebene Herstellung vorgebracht
zu werden pllegte. Wenn man vom alten Theben die Höhen auf der Westseite er-
steigt, so findet man bereits dort den Boden mit solchen Kieselscherben bedeckt,
und an den vom Nilthal zur Grossen Oase führenden Wegen sind überall, selbsl
mitten in der Wüste und über 100 km vom Xil entfernt, immer noch Stellen häufig,
wo sich ohne mühsames Suchen grosse Mengen dieser Artefakte auflesen lassen.
Noch reicher an solchen Fundstücken sind die Oasen selbst, nebst ihrer nächsten
Umgebung.
Der Silex ist hier gewöhnlich von der ledergelben Färbung der ungebrannten
Terra di Siena. Mit und zwischen den Splittern finden sich als vollendete Stücke
hauptsächlich grosse Fäustel2) (coups de poing), die den paläolithischen von Europa,
denen von Chelles z. B., und unzähligen Vorkommnissen des europäischen Nordens
an Gestalt und Grösse auf's Täuschendste gleichen und keinen Zweifel dam
statten, dass diese Wüsten in der Urzeit bewohnt gewesen sein müssen.
In der östlichen Wüste Aegyptens dagegen, wo der Nummuliten-Kalk vorwaltet,
bieten die alten Kiesel- Werkstätten, die namentlich in der Region von Uadi Qineh.
l'adi üarag und Uadi Ssanür, in einem Abstände von 50— <i0 km vom Nil. angetroffen
werden, Artefakte von ausgeprägt neolithischem Charakter dar. H. W. Seton-
Karr") will neuerdings in dieser Gegend auch einige Stücke von unzweifelhaft
paläolithischer Gestaltung aufgefunden haben. Immerhin stellt sich die Seltenheit
der letzteren in einen entschiedenen Gegensatz zu ihrer Menge in der libyschen
Wüste. Wenn man die grossen Schutt-Anhäufungen, das massige Gerolle und die
Nagelfluh-Bildnngen auf dem Grunde der tiefen Thal-Einschnitte der östlichen Wüste
einer genauen Untersuchung onterziehen wollte, wo/u an vielen Stellen Gelegenheit
geboten ist, da die periodischen Regenfluthen häufig ihre eigenen Gebilde zers
und die alten Ablagerungen von neuen durchsägt haben, dann würden sich höchst
wahrscheinlich auch in di< ion zahlreichere Belegstücke aus der paläo-
1) E. Floycr. Etüde bui Le Nord-Etbai, le Caire L898.
2) Eine Anzahl derselben, an verschiedenen Localit&ten der westlichen Wüst< auf-
gelesen, habe ich nebst anderen Kiesel-Artefakten dem Kgl. Museum für Völkerkunde über-
geben.
8 Lnthropological Institute, Mai 189"; vgl. auch Virchov lie vurhisl
Zeil Aeg] ptens: Verhand - S
(286)
lithischen Periode ergeben. Vermöge ihrer differenzirten Bodenplastik hat eben
die östliche Wüste weit erheblichere Umgestaltungen der Oberfläche erlitten, als
die flacher gestaltete und der tiefen Thal-Einschnitte gänzlich entbehrende west-
liche oder Libysche Wüstenseite. Hier liegt der gesammte, gleichsam windgesiebte
Inhalt an Widerstandsstücken, den die obersten Schichten ursprünglich enthielten,
Dank der äolischen Erosion, offen zu Tage und mit ihnen die Zeugen der ehe-
maligen Thätigkeit der ältesten Menschen-Geschlechter. Wenn es sich um Zeiten
handelte, die nicht nach Tausenden, sondern eher nach Hunderttausenden von
Jahren zählen, dann hätte Plinders Petrie wohl Recht mit seiner Einwanderung
von Libyern; denn in der paläolithischen Periode, als das Abschmelzen der euro-
päischen Gletscher die heutigen Wüstenstriche von Nord-Africa mit reichlichen
Niederschlägen bedachte, war wahrscheinlich die ganze Region, die gegenwärtig,
dem Weltmeere gleich, so unüberwindliche Schranken im Westen von Aegypten
aufgerichtet hat, von Menschen bewohnt, die in zahllosen Kieselstücken von ihrem
Dasein Kunde hinterlassen haben. —
(29) Hr. 0. Olshausen bespricht
eine frühröniische Fibel mit der Aufschrift AVCISSA aus Rheinhessen.
Hr. Dr. med. Karl Pliedner in Monsheim bei Worms übergab mir auf meine
Bitte die hier nach einer Zeichnung des Hrn. Dr. Karl Brunn er abgebildete, vor-
trefflich erhaltene bronzene römische Fibel mit Aufschrift, um eine Lesung der
letzteren zu bewirken. Der Fundort ist nicht genau bekannt; Hr. Fliedner kaufte
das Stück von einem Händler in Alzey, und meint darnach annehmen zu dürfen,
dass es aus der Provinz Rheinhessen und vermuthlich auch aus der Nähe von
Alzey stamme.
Der breite Bügel erweitert sich am Kopfende zu einer rechteckigen Platte, die
durch je einen Einschnitt rechts und links in einen breiteren oberen und einen
schmäleren unter, n Theil sich gliedert. Der erstere ist nach oben hin zu einer
Hülse umgelegt, in der ein Bronzedraht steckt, um den als Axe sich die Nadel
dreht, Auf dem unteren Plattentheil, der erhaben umrahmt ist, steht die (erhabene)
Aufschrift, quer zum und so, dass sie gelesen werden muss bei aufwärts
gerichtetem Fibelfuss. Dieser lauft in einen kleinen Zapfen aus, auf welchen, nach
anderen derartigen Gi räthen zu schliessen, ein Knopf als Schlussstück geschoben
war, der jetzt verloren isi.
Von der geraden Nadel springt dicht unterhalb des Scharniers ein Dorn nach
innen vor, welcher sich beim Hinabdrücken der Nadel gegen die Rückseite des
Fibelkopfes stemmt, ein«' weil ■•■• Bewegung in dieser Richtung hemmend und die"
in sich federnde Nadel im Falz des Halses festlegend. Dieselbe Einrichtung an
einer der unserigen gleich geformten Fibel aus Mainz ist „Heidn. Vorzeit" 4, 46, 18
(.287)
in etwas anderer Weise, als hier geschehen, abgebildet. Mit Recht hob Linden-
schmit hervor, dass dieselbe dem Höhepunkte der römischen Technik, nicht dem
Verfall entspreche, da sie bei grosser Einfachheit eine längere Haltbarkeit, als die
mit Federrolle verbundene Nadel verbürge (Römische Fund -Gegenstände von
Wradischgarsten, in Bericht 31 des Mus. Franc. Carol. zu Linz a. D., 1873,
S. 16—17). Es wird auch der, besonders von Tischler betonte Xachtheil. den
ein Scharnier der Federrolle gegenüber in anderer Hinsicht bietet, durch dieselbe
sozusagen ausgeglichen. Eine ähnliche „Nadel-Hemmung oder -Sperrung'',
wie ich die Einrichtung zu nennen vorschlage, findet sich übrigens noch an schalen-
förmigen Fibeln der Wikinger.
Fibeln der geschilderten Gattung, mit oder ohne Aufschrift, setzt Tischler
in die Zeit des Kaisers Augustus. Er weist ihre sehr grosse Verbreitung, nach
Osten bis in den Kaukasus, nach (in A. B. Meyer, Gurina, Dresden 1885, S. 29—30,
Taf. 6, Fig. 12) und führt dabei auch ein Exemplar mit Aufschrift von Marzabotto
an (Gozzadirii, Un' antica necropoli a Marzabotto nel Bolognese, Bologna 1865,
p. 31 und Taf. 17, 17). Gozzadini war geneigt, IA VOSS AI zu lesen, hielt aber
nicht für ausgeschlossen, dass der erste und letzte Strich Theile einer erhabenen
Umrahmung des Plättchens seien, auf dem die Aufschrift steht (wie bei der Fibel
des Dr. Fliedner). Conestabile konnte (bei Gozzadini) die Inschrift eben-
falls nicht deuten, er hielt sie aber für etrurisch und gab sie als: AVQSSA —
aurssa.
Die Fibel ist später noch wiederholt abgebildet worden; so von Montelius
in Spännen frän bronsaldern (Antiqvarisk Tidskrift för Sverige 6, 187, Fig. 190)
und in seinem grossen Werke: La civilisation primitive en Italie I, Stockholm 1895,
Serie A, PI. 13, 184 (Text p. III); ferner von Almgren, Studien über nord-
europäische Fibelformen, Stockholm 1897, S. 109, Fig. 242. Niemand aber scheint
die Aufschrift richtig gelesen zu haben; die Meinung, dass sie etrurisch
war nicht ohne Einfluss auf die Datirung der Fibel. Tischler jedoch sagt a. a. 0.
bestimmt: „Die Inschrift ist, wie die Fibel, römisch und [letztere] steht, wie einige
andere Fibeln, mit den älteren Denkmälern von Marzabotto in keinem Zusammen-
hange." Er hält die ausserhalb Italiens gefundenen Exemplare dieser Gattung für
italisch-römische Exportstücke.
Im Corpus Inscriptionum Latinarum fehlt tue Inschrift der Fibel von Marza-
botto noch, da Bd. 11, in den sie gehören würde, noch nicht bis zu den Geräth-
Inschriften vorgeschritten ist. Aufklärung über die Inschrift aber ist uns durch
das hessische Stück geworden. Nach einer leichten Reinigung, die ich an dem-
selben vornahm, las Hr. Prof. Emil Hübner ohne Schwierigkeit: AVCISSA =
aucissa. Vor dem ersten A ist ein horizontal liegendes Ornament oder ein Beginn-
zeichen sichtbar, hinter dem letzten A e'w vertical verlaufendes Gestrichele, von
dem sich nicht sagen lässt, ob es Buchstaben, Ornament oder Schlusszeichen dar-
stellen soll, oder vielleicht nur von einem Gassfehler herrührt.
Aucissa ist ein keltischer Blannesnarae, zu dessen Vorkommen auf anderen
Gegenständen mir Hr. Hübner auch gleich die folgenden Nachweise lieferte.
Nach Alfred Holder, Alt-celtischer Sprachschatz, 2. Lieferung, Leipzig 1892, tindet
sich der Name auf einer Fibel aus Neapel Corp, Inser. Lat. X. 8072, 22 und auf
einer anderen im Musec de St. Germain en Laye. endlich vielleicht] mit hinzu-
gefügtem F(ecit) [das F acheint nicht recht gelungen zu sein] auf einer dritten
Fibel in Trier (Westdeuts - brift für Geschichte und Kunst. 3, Trier 1884^
S. 18G). Auch an einem i ht näher bezeichneten Geräth des naturhistor Mus. i»
(288}
Wien, von Siszeg (dem alten Siscia oder Segestika), am Zusammenfluss von Kulpa
und Sau, liest man den Namen (Corp. I. L. III, Supplement, Nr. 12031, 18).
Eine Musterung des Bestandes der Fibeln im Königl. Museum f. Völkerkunde,
Berlin, ergab des weiteren folgende gleichartige und mit derselben Inschrift ver-
sehene Fibeln:
1. unter den von Dr. Grempler aus dem Kaukasus mitgebrachten Stücken
ein fast ganz dem Fl iedner' sehen gleiches, III d, 64. Man liest an der-
selben Stelle AVC . . S . ; das A hat aber hier einen Querbalken und der
Bügel der Fibel ist ein wenig schmäler.
2. aus Schliemann's siebenter, d. h. der obersten Stadt zu Hissarlik
(jetzt als 9. Schicht bezeichnet), Nr. 8448 der Schliemann-Sammlung.
Von der Aufschrift ist noch sicher zu lesen: AVC, und weniger deutlich
SS. Der Theil der Kopfplatte, auf welchem das Wort steht, ist erheblich
breiter, als an Dr. Fliedner's Exemplar.
Es kann nun wohl kein Zweifel bestehen, dass auch auf der Fibel von Marza-
botto zu lesen ist: aucissa. Die senkrechten Striche vor und hinter diesem Worte
sind entweder wirklich nur Theile der Umrahmung der Inschrift, oder es handelt
sich um Beginn- und Schlusszeichen. Die eigentliche Schwierigkeit der Lesung
aber entstand dadurch, dass die Buchstaben C und I so nahe aneinandergerückt
sind, dass sie zu Q verschmolzen, womit man nichts Rechtes anzufangen wusste.
Genau dasselbe ist aber auch bei der Fliedner'schen Fibel der Fall, wo noch
dazu das I auffallend zart ausgeführt und leicht zu übersehen ist1). —
Die häufige Wiederkehr des Namens aucissa lässt wohl darauf schliessen, dass
man es hier mit dem Namen des Fabrikanten, nicht der Träger der Fibeln zu
thun hat. Die Form der im C. I. L. veröffentlichten Fibeln kenne ich nicht; die
der anderen 4 von Rheinhessen, Marzabotto, Hissarlik und dem Kaukasus ist stets
die gleiche. Aus derselben Gussform aber können sie nicht hervorgegangen sein,
wie die kleinen, z. Th. schon erwähnten Unterschiede in Inschrift, Ornament,
Bügelbreite u. s. w. beweisen. Fibeln desselben Typus, aber ohne Inschrift, finden
sich im K. Mus. f. Völkerkunde noch mehrfach, so Nr. 8447 der Schliemann-
Sammlung und II 9544, angeblich von Corfu. Bei der von Almgren S. 211 zu
Fig. 242 aufgeführten Fibel II 1610 von Kahrstedt, Kr. Salzwedel, ist der Bügel-
rand beiderseits mit kleinen Knöpfchen oder Sprossen besetzt.
Im Hinblick auf die aus der Stellung der Aufschrift sich ergebende Lage der
Fibel beim (iebrauch mögen hier noch angefügt werden einige
Bemerkungen über die Art, wie die Fibeln zu römischer Zeit getragen
wurden.
L. Lindenschmit, Vater, giebt an, dass in germanischen Gräbern des
5. bis 8. Jahrh. die Fibeln sich an den Leichen in derselben Lage finden, in
1) Aus dem inzwisi 12. Juli) bei der Bibliothek der anthrop. Ges. eingegangenen
Korrespondenz-Blati der V\ tdi utschen Zeitschrift für Juni und Juli 1&97, Spalte 13(5 u. 137,
ersehe ich, dass Hr. A. R e die Inschrift von Marzabotto ebenfalls als aucissa liest,
üebrigena isi an beiden, wir Hr. Prof. Riese mir nachweist, schon K. Schumacher zu-
kommen im Korresp.-Blatl d. Westd. Zeitschr. 1895, Sp. 2511'. Hin- findet sich ferner
citirt: Olympia, Bd.4, Berlin L890, S. 183, Nute 1. FurtwÄagler liest dort dir Marza-
botto-Aufschrifl „augiasa" und eben o die auf einem vorzüglich erhaltenen Exemplar des
Berliner Sgl. Antiquariumfi I riederichs, Kleine Kunst, Nr. 2H3), welches das I völlig ge-
trennt von dm, vorhergehenden Buchstaben zeigt. Der letztere istmeiner Wahrnehmung nach
so: C! geformt — Eine andi ige Fibel des Kgl. Antiquariums bat nurA(=A?)
und zwischen den Schenkeln d< Iben eine tannenzweigartige Verzierung. —
(289)
welcher nach allgemeinem Gebrauch diese Geräthc abgebildet zu werden pflegen,
nehmlich (wenn man von der Horizontalstellung absieht) mit dem Kopf, an d<
Rückseite die Federrolle oder das Scharnier angebracht ist, oben, und mit dem
Fuss. dessen Nadelhalter die Nadelspitze aufnimmt, unten (Handbuch d. deutsch.
Alterthumsk., Theil 1, Braunschweig 1880 — 89, S. 427). Für die römische
Kaiserzeit dagegen machte Lindenschmil den Gebrauch der Fibel in um-
gekehrter Stellung, mit dem Fuss and der Nadelspitze nach oben, wahr-
scheinlich, wobei er sich auf die in Elfenbein geschnitzten Darstellungen des
Diptychon consulare zu Halberstadi aas dem Ende des 4. Jahrh. und auf Stein-
reliefs im .Museum zu Graz und im Bayrischen Nationalmuseum zu .München
stützte [Augustin, Das Dipt. cons. z.H., in Förstemann's Neuen Mittheilungen
d. thüring.-sächs. Alterth. -Vereins 7.2 (1844) S. G0 ff. mit 2 Tafeln. Linden-
schmit, Alterth. zu Sigmaringen, Mainz 1860, S. 53, Fig. 35 u. 36; Alterth. uns.
heidn. Vorzeit 2 (1870), lieft 12. Text zu Taf. 3; Handbuch, S. 425—27]. Diese
Auffassung ist jetzt wohl ziemlich die allgemeine; namentlich wies Tischler auf
Gräberfunde Xorddeutschlands hm. welche dieselbe bestätigten, und suchte diese
Stellung der Fibel als die einzig naturgemässe aus der leichteren Handhabung des
Geräths bei aufwärtsgerichteter Nadelspitze zu erklären [Schriften der phys.-i
lies. Königsberg 19 (1878) S. 224—27, und in Meyer, Gurina, S. 15. Vgl. Ai
in Verhdl. d. Berliner anthrop. Ges. 1880, 380, Nr. 3 und 5].
Hier sei auch noch auf Steinskulpturen Ungarns hingewiesen, welche an jeder
Schulter der dargestellten Personen eine jener grossen „Flügelübeln", den mäch-
tigen Fuss aufwärts gerichtet, zeigen, die im 1. und 2. Jahrb. zum charakteristischen
Inventar Pannoniens und Noricums gehörten [Hampel in Ungarische Revue,
1881, 147— G3, mit Abbildungen, nach Archaeologiai Brtesitö 1880; Tischler in
Gurina S. 25—27, Nr. 13]. — Die Fibelgattung siehe bei Fl. Romer. illustrirter
Führer im Ungar. Nationalmuseum, 2. Ausgabe, Budapest 1873, S. 32, Fig. 173
und bei H. Hildebrand, Bidrag tili spännets historia, Fig. 117, in Antiqvarisk
Tidskrift für Sverige 4 (1872—80)]; Almgren Nr. 238.
Wenngleich nun die Stellung der Aufschrift an der Alzeyer Fibel einen neuen
Beweis für den erörterten Gebrauch liefert, so war dieser doch, auch in der
römischen Kaiserzeit, kein ausschliesslicher. Auf dem Grabstein des Schilfers
Blussus (von Weisenau bei Mainz), aus dem :;. bis 4. Jahrh.. ist das Gewand
der Frau an der rechten Schulter durch eine Fibel zusammengehalten, deren Fuss
and mithin auch Nadelspitze unten liegt (Heidn. Vorzeit .'!, !'. 3, und die Form
tler Fibel im Text als Figur d deutlich gemacht . Die Stellung der Fibel ist durch
die Abbildung richtig wiedergegeben, wie mir Hr. L. Lindenschmit, Sohn, gütigst
nochmals bestätigte. Aber auch ohne solche antike Darstellungen lässt sich in
einzelnen Fällen tue Luge der Nadel, als mit der Spitze nach unten gerichtet, nach-
weisen. Lindenschmit hat hervorgehoben, dass für gewisse Fibeln, der de-
corativen Gestaltung ihres Hügels nach, ein Zweifel aber die Art ihrer ßefesti;
nicht wohl bestehen könne: so müssten Fibeln in Form von Thieren, um diese
Darstellung erkennbar zu zeigen, horizontal befestigt werden (Heidn. Vorzeit 2. 12.
Text zu Tai'. 3, und 2, 7,4). Ebenso aber haben wir Fibeln, bei denen die \er-
ticale Anbringung als das Natürlichste erscheint, z. B. Heidn. Vorzeit 4. 1'. 1
und 11. beule in Gestalt eine- I'. letzteres mit I. kombinirt. und Fig. 8, ein Krug
mit Fuss und langem Halse. Was hier „oben" war, ist aber auch ll.i^
sich also nur noch, wo die Nadel spitze auf der Rückseite lag.
Bei dem Kruge Fig. 8, in Bonn, ist nun zwar, nach gef. Auskunft des Herrn
Prof. Klein, die Nadel am Fasse des Kruges eingehängt, ihre Spitze nach oben
Vorhand!, der Berl. AnthropoL l lUchafl \$
(290)
gerichtet; dagegen besitzt das Museum in Mainz, wie Herr Conservator Linden -
seh mit mir schreibt, ein ganz gleich geformtes Stück, dessen Nadelspitze unten
liegt, und bei jenen beiden P-Pibeln ist es ebenso. Die Fibel Fig. 9, in Mainz.
hat, wie schon die Abbildung erkennen lässt, am Kopf des P eine Spiralrolle ge-
habt; der Nadelhalter am Fuss ist, nach Angabe des Herrn L., nicht vollständig
und war zweimal gelocht (wie übrigens auch der Nadelhalter am Kruge Fig. 8
gelocht ist). Die Fibel Fig. 11, in Karlsruhe, trug laut gef. Mittheilung des Hrn.
Geh. Raths E. Wagner am Kopfende ein Scharnier; die Nadelspitze lag wiederum
am Fuss.
Diese Fälle genügen, um zu zeigen, dass der Gebrauch in römischer Kaiserzeit
ein schwankender war. Immerhin mag in der Mehrzahl der Fälle die Nadel mit
ihrer Spitze nach oben gerichtet gewesen sein. —
(30) Hr. Semrau, Bibliothekar des Coppernicus -Vereins für Wissenschaft
und Kunst, übersendet aus Thorn, 15. Juni, folgende Beschreibung und Photo-
graphie von dem
Bronze-Depot-Funde von Czernowitz.
Der Bronze-Depot-Fund von Czernowitz, Kreis Thorn, linkes Weichsel-Ufer,
enthielt 2 Armbänder (Fig. 1 und 2) und 2 Handbergen (Fig. 3 und 4). Dieselben
wurden im April 1897 auf der Feldmark des Hrn. Rittergutsbesitzers Modrzejewski
zu Czernowitz beim Pflügen gefunden. Die Fundstelle liegt in der Nähe der alten
Fig. 1.
Fis. 2.
Fiff. 3.
Figr. 4.
Fig. 1—4 in 2/8 der natürl. Gn
(291)
Strasse, welche sich auf der Weichselhöhe hinzieht. Die betreffenden Gegenständ*.'
wurden dem Coppernicus-Verein für das Städtische Museum Eibergeben.
Es liegt nahe den Depot-Fund \<>n Ozernowitz mit dem Depot-Funde von dem
jenseit der Grenze in Russisch-Polen gelegenen Kuznice zu vergleichen, von dem
ein Theil im Provincial-Museum zu Danzig deponirt, ein anderer in den Besitz
des hiesigen Städtischen Museums gelangt ist. Der Fund von Czernowitz zeigt
grösseren Reichthura in der Ornamentirung. Das mit Fig. l bezeichnete Armband
hat ein Gewicht von 387 .7. Die beiden Armbänder unterscheiden sich voneinander
durch die Anordnung der Ornamentirung. Beim ersten Armband (Fig. 1) ist die
Aussenflache durch 4 Bündel verticaler Striche in 5 Felder, beim zweiten Armhand
Fig. 2) durch 5 Bündel verticaler Striche in 6 Felder getheilt. — Die mit 1
bezeichnete 1 landberge hat ein Gewicht von 131 g. Die Handberge Fig. 3 ist
nach rechts, die Handberge Fig. 4 nach links gewunden. Besonders schön ist die
Ornamentirung des Bügels. Auf demselben treten von der Mittelrippe nach dem
Rande verlaufende schräge Striche so zusammen, dass sie einen Rhombus ein-
schliessen. — Verglichen mit dem Funde von Kuznice, bezeichnet der Fund von
Czernowitz eine weitere Etappe der Strasse, auf welcher die Bronzen in unsere
Provinz importirt wurden. —
(31) Hr. Dr. A. Haas hat aus Stettin, 21. November 1896, folgende Abhandlung
übersendet:
Das Dorf Lietzow auf Rügen
und seine vorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte.
An der Südwestecke der Halbinsel Jasmund. da wo der Grosse und der Kleine
Jasmunder Bodden an einander grenzen, liegt das kleine Fischerdorf Lietzow. Die
Lage des Dörfchens ist höchst anmuthig und malerisch : auf drei Seiten ist es von
den Fluthen der beiden Bodden umspült, und an der vierten Seite erhebt sich un-
mittelbar hinter den Häusern des Dorfes ein bis zu 20 m ansteigender Höhenzug.
an!' dessen Südrande in den Jahren 1890 — 91 eine burgartige Villa mit Wartthurm
errichtet worden ist.
Von der Höhe dieses Bergrückens, welcher der Sage nach von einem Riesen-
fräulein aufgeschüttet worden ist1), hat man eine weite und umfassende Fernsieht:
nach Süden und Südwesten zu hat man die beiden Bodden und die jenseitigen,
bewaldeten Ufer vor sich; nach Westen zu reicht der Blick bis zu den Banzel-
witzer Bergen und dem Liddower Haken; im Osten schimmern aus weiter Ferne
die blatten Wogen der Prorer Wiek herüber: nur nach Norden zu i>i der Wald
der Semper Heide vorgelagert. Einen ganz ausserordentlichen und stets unver-
gesslichen Findruck aber erhall derjenige, welcher Gelegenheit hat. von der Höhe
der Lietzowcr Berge aus bei klarem Wetter den Sonnenuntergang zu beobachten.
Die hinter der Insel Hiddensoe niedertauchende Sonne verbreitet alsdann eine
solche Fülle von Licht und Glanz über die zu den Füssen des Beschauers aus-
gebreitete Wasserfläche, dass man. auch ohne ein besonderer Naturschwärmer zu
sein, von der Erhabenheit und Grossartigkeil dieser Scenerie unwillkürlich er-
griffen wird.
Das Derl' Lietzow i>t . wie der Name bezeugt, bereits in slavischer Zeit, als.»
vor dem 13. Jahrhundert, ungelegt worden. Das Wort Lietzow. slavisch liso\
abzuleiten von dem Stammworte lis d. i. Fuchs; Lietzow bedeutet also so viel wie
1) Vgl. Haas: Rügensche Sagen und Härchen, ~2. Aufl., Nr.
19*
(292)
„Fuchsort". Demnach scheint es zur Zeit der Gründung des Ortes zahlreiche
Fuchsbauten in den benachbarten Bergen gegeben zu haben.
Von der Geschichte des Dorfes ist aus älterer Zeit so gut wie nichts bekannt.
Als wichtig ist hervorzuheben, dass es ausser dein Dorfe Lietzow auch einen
Gutshof gleichen Namens gegeben hat, welcher zwischen der Fähre und dem
Dorfe Semper, dem letzteren ziemlich nahe, gelegen hat. Dieses Gehöft Lietzow
wird bereits in der Roeskilder Matrikel vom Jahre 1318 angeführt; es hiess damals
Litzowe und zahlte acht Scheffel Bischofsroggen. Ausserdem war im 14. Jahr-
hundert in Lietzow eine Elemosine fundirt, welche anfangs 20 und seit der Mitte
des Jahrhunderts 28 Mark jährlicher Rente eintrug. Inhaber dieser geistlichen
Stiftung war um 1850 Johannes Litzow, welcher die Einkünfte von 20 auf 28 Mark
de suo, d. i. aus seinem Besitzthum erhöhte. Sein Nachfolger war Borchard Swin.
Die Patrone der Stiftung waren um das Jahr 1380 Vike Krakevitz, Sum der A eitere
(der auf Jasmund wohnte) und Hermann von Jasmund. — Hiernach scheint es,
als ob das Gehöft Lietzow im 14. Jahrhundert von einer gleichnamigen Familie
bewohnt war, von welcher ein Mitglied, der vorgenannte Johannes, den geistlichen
Stand ergriffen hatte. Weitere Nachrichten über diese Familie fehlen gänzlich, und
es ist daher nicht unmöglich, dass sie mit diesem Johannes Litzow ausgestorben ist.
Im folgenden Jahrhundert befand sich der Gutshof Lietzow im Besitze der
Familie von Jasmund auf Vorwerk, und nach dieser besassen ihn die Herren von
der Lanken auf Borchtitz, bis er endlich im vorigen Jahrhundert einging. Auf der
Mayerseben Karte vom Jahre 1763 ist das Gehöft noch verzeichnet.
Inzwischen bestand das am Strande gelegene Dorf Lietzow in alter "Weise
weiter. Dass es zu dem Gutshofe in Abhängigkeitsverhältniss gestanden hat, ist
wohl als selbstverständlich anzunehmen; doch fehlt es an bestimmteren Nachrichten
hierüber. Im Anfange des 17. Jahrhunderts war das Dorf Lietzow im Besitze der
Herren von Jasmund auf Spyker, und als die Herrschaft Spyker um die Mitte des
17. Jahrhunderts in den Besitz des Feldmarschalls Grafen Karl Gustav Wrangel
überging, hatte auch Lietzow dasselbe Schicksal zu erleiden. Als aber die Spykerschen
Güter im Jahre 1816 von dem Fürsten zu Putbus angekauft wurden, hatte Lietzow
auch diesen Wechsel des Grundherrn mitzumachen.
So traten zwar in den äusseren Besitzverhältnissen manche Veränderungen ein;
die inneren Zustände des Dorfes aber blieben Jahrhunderte lang dieselben, nament-
lich in Bezug auf die Ausübung der uralten Fährgerechtigkeit. Denn Lietzow ist
seit den ältesten Zeiten ein Fährdorf gewesen.
Schon im Wendiseh-Rügianischen Landgebrauch (Tit. XIV cd. Gadebusch)
wird die Lietzower Fähre als die „Jassmundesche Vehre" erwähnt und unter die
Zahl der „gen ■ fahren" im Gegensatze zu den kleinen oder Dorf-Fähren ge-
rechnet. Trotzdem hat die Lietzower Fähre bis in die neueste Zeit hinein nur für
den localen Verkehr der näheren Umgebung Bedeutung gehabt. Von den drei
grossen Landstrassen, welche die Insel Rügen seit dem 12. Jahrhundert von einem
Eudc bia zum anderen durchquerten, wurde diese Fähre nicht berührt; der Ver-
kehr von der Halbinsel Jasmund nach dem Haupttheile Rügens ging früher aus-
schliesslich über die schmale Haide.
Die Fähr-Einrichtung in Lietzow war daher von jeher recht einfach und
primitiv. Vornan im Dorfe, da wo die jetzige Chaussee die grosse Biegung
macht, lag ziemlich isolirl das Fährhaus, in welchem auch eine Krugwirthschaft
betrieben wurde. Dieses Fährhaus war ein altes, behäbig aussehendes, roth an-
gestrichenes Gebäude mit hohem Giebel und tief herabreichendem Strohdach; die
(293)
Stillten waren sehr niedrig und die Fenster klein and dürftig. Der letzte Krngwirth
hiess Speer.
Aul' der Lietzow gegenüber liegenden, rügenschen Seite war weit und breil
nicht Haus noch Mensel) zu sehen. Eine kümmerliche, aus Holz and Strauchwerk
errichtete, offene Halle bot den auf das Fahrboot Wartenden nur angenügenden
Schutz gegen Wind und Wetter. Vor angefähr hundert Jahren war hier allerdings
auch ein Haus erbaut worden, wo die Reisenden zur Nachtzeit und bei übler
Witterung eintreten konnten. Dieses Haus stand aber nur wenige Jahre, da wurde
es vom Blitze angezündet und brannte nieder, worauf es nicht wieder aufgebaut
wurde. Nach mündlicher .Mittheilung soll der Blitz dieses Haus sogar dreimal
hintereinander in kurzer Zeitfolge getroffen und angezündet haben. Einige wdde
Obstbäume bezeichneten noch eine Zeit lang die Stelle, wo das Haus gestanden
haue. Besonders schlimm war es für die Reisenden, wenn sie nach eingetretener
Dunkelheit oder zur Nachtzeit von der rügenschen Seite übergeholt werden wollten.
Dann galt es, aus Laub und Reisig ein Feuerchen anzumachen, um sich dem
eecenüber wohnenden Fährmann bemerkbar zu machen. War dann endlich nach
langem Warten das Fährboot angekommen, so begann die mühselige Arbeit des
Verladens. Wer zu Wagen kam, war dieser Mühe allerdings überhoben, denn
Fuhrwerke konnten ohne grosse Schwierigkeit die Meerenge auf einer Fuhrt
passiren, indem sie hinter den; die Richtung angebenden Fährboote herfuhren.
Bei hohem Wasserstande konnte es jedoch vorkommen, dass man nicht nur die
Füsse in die Höhe ziehen, sondern sich auch vollständig auf das Obergestell des
Wagens zurückziehen musste. Die Fuhrt bestand aus einer schmalen und noch
dazu krummen Bahn, welche zwar überall seichten und festen Boden, aber auch
zu beiden Seiten beträchtliche Tiefen hatte. F.s war daher nicht ungefährlich, die
üeberfahrt ohne Fährmann zu unternehmen: leider geschah es doch sehr oft, und
die Folge davon waren zahlreiche Unglücksfälle. Ein solcher Unfall ereignete sich
im Anfange der sechziger Jahre. Ein Sattler Krämer aus Sagard. welcher die
Fähre mit seiner Frau und drei Kindern passirte, hatte das Unglück, bei der
Üeberfahrt seine Frau und zwei Kinder vor seinen Augen ertrinken zu sehen.
während er sich selbst mit einem Kinde retten konnte. Bald darauf passirte es
der Frau Baronin v. Barnekow auf Ralswiek. welche die Fähre zu Wagen durch-
fahren wollte, dass die etwas erregte See die Verbindung zwischen Vorder- und
Hinterwagen heraushob, worauf die Pferde mit dem Vorderwagen und dem Kutscher
weiterfuhren, während sie selbst im Hinterwagen zurüekblieb. Von diesem Zeit-
punkte ab wurde die Fähre für Fuhrwerke geschlossen, und so blieb es mehrere
Jahre lang. Da wurde in den Jahren 1868—1869 die Chaussee Bergen-Sagard ge-
baut und gleichzeitig der grosse, 108 Fuss breite Damm1) bei Lietzower Fähre
durchgeschüttet, wozu die von der Riesin aufgeschütteten Sandberge ein er-
wünschtes Material lieferten.
Der Verkehr zwischen Jasmund und dem Baupttheile der Insel Rügen fand
nun einen äusserst bequemen Weg und wurde durch den von Jahr zu Jahr
1) Die Krone des Dammes hat eine breite von 28 Fuss; die Böschung nach dem
kleinen Jasmunder Bodden zu isl 32 Fuss, die Böschung nach dem grossen Jasmunder
Bodden zu 48 Fuss breit. Was die Höhe betrifft, so wurde der Damm auf Anrathen des
Baumeisters Mein hoff um zwei Fnss höher aufgerührt, als der höchste bis dahin beob-
achtete Wasserstand gewesen war. In Folge dieser Forsicht blieb der Damm bei der
Bturmfluth vom 13. November 1872 unbeschädigt Das Eisenbahn-Geleise ist aut di< [nnen-
Böschung des Dammes gelegl worden, ohne dass eine Verbreiterung des aufgeschütteten
Terrains nöthig gewesen wäre.
(294)
wachsenden Zuzug von Fremden in ungeahnter Weise erhöht. Lietzow wurde eine
beliebte Reisestation, und Einheimische wie Fremde sprachen gern in dem freund-
lichen Dorfe, sei es bei dem alten Krugwirthe Speer, sei es bei dem unmittelbar
neben dem Fährhause neuerbauten Gasthause von Rogge vor, um eine Erfrischung
einzunehmen.
Alle diese Veränderungen aber wurden bei Weitem übertroffen, als im Sommer
1891 die neue Bahnstrecke Bergen-Sassnitz eröffnet wurde. Seitdem hat das ehe-
malige Fischer- und Fährdorf ein völlig verändertes Aussehen bekommen. Das
alte Fährhaus und das Rogge'sche Gasthaus mussten der Bahn zum Opfer fallen;
dafür aber entstanden im Orte, namentlich nach der Chaussee zu, zahlreiche, statt-
liche Neubauten, unter ihnen die schon erwähnte Bopp'sche Villa auf der Höhe
des Berges. Sodann aber bildet Lietzow seit der Eröffnung der Eisenbahn das Ziel
zahlreicher Vergnügungsfahrten, welche die Bewohner von Bergen, Stralsund und
Wittow und die Badegäste von Sassnitz während der Sommermonate dorthin unter-
nehmen.
Soviel von der geschichtlichen Entwickelung des Dorfes. Für die Alterthums-
kunde hat Lietzow jedoch noch eine besondere und zwar ganz hervorragende Be-
deutung. Das ganze Terrain nehmlich, auf welchem die Häuser des Dorfes stehen,
sowie die nächste Umgebung des Dorfes und insbesondere der Strand von der
Bade-Anstalt im Nordwesten bis zu den Häusern auf dem spitzen Ort im Süd-
westen, hat sich als eine gewaltig grosse, vorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte
erwiesen.
Lietzow ist in dieser Beziehung schon seit längerer Zeit bekannt gewesen.
Die erste Entdeckung machte Hr. v. Hagenow im Jahre 1827. Im dritten Jahres-
bericht der Gesellschaft für Pomm. Gesch. und Alterthumsk. (Neue Pomm. Provinzial-
Blätter, III, S. 323 f.) schreibt er hierüber Folgendes: „Der mich begleitende Hr.
Candidat Könne war eben beschäftigt, auf einer sandigen Anhöhe in der Gegend
des Dorfes Semper1) den Messtisch aufzustellen, als er mehrere Bruchstücke von
den schon öfters erwähnten, aus Feuersteinen prismatisch geschlagenen Messern
auf dem Sande liegend erblickte. Bald hatte er eine Hand voll davon gesammelt
und rief mich dann heran, um dem merkwürdigen Funde weiter nachzusuchen. In
zwei Stunden hatten wir über 200 Stück dieser Messer, theils unversehrt, theils
zerbrochen, gefunden, nebst wenigstens 20 Stück Streitäxten und vielen grösseren
und kleineren Bruchstücken von geraden und sichelförmig gekrümmten Opfer-
messern. Besonders merkwürdig erscheint mir der Fund deshalb, dass kein einziges
von allen diesen Stücken ganz vollendet war. Die Streitäxte und Opfermesser sind
alle nur ganz roh geformt, so dass an einigen Stücken nur eben erst zu ersehen
ist, wozu man sie formen wollte. Alle sind mehr oder minder fehlerhaft, ent-
weder beim Formen verunglückt oder wegen spröder und löcheriger Stellen im
Steine nicht gerathen. Ausser diesen Stücken, deren Zweck aus der Gestalt er-
kennbar, lagen Peui i tein-Splitter in unendlicher Menge über die ganze Anhöhe
zerstreut; bei allen war es unverkennbar zu sehen, dass sie mit Fleiss von einer
grösseren Blasse regelmässig abgeschlagen waren, um aus diesen oder aus der
Masse das Eine oder andere zu bilden. Alle diese Splitter sind länglich und an
1) Warum v. Hagenow dieses Dorf und nicht das näher gelegene Lietzow nennt, ist
nichj pechl klar: rielleicht wurde er dazu bewogen, weil das anmittelbar nördlich daran
ttde Wald-Terrain „Semper Heide" heisst. Jedenfalls ist nicht daran zu zweifeln,
: | die vnn ihm aufgefundene Werkstätte mil der am nördlichen Ausgange von Lietzow
gelegenen, später auch \'>n anderen Forschern untersuchten WorkBtätte identisch ist.
(295)
dem Ende, worauf der Schlag geschah, um sie abzusprengen, fast alle ohne Aus-
nahme dreieckig. Der Schlag selbst ist an allen Stücken unverkennbar bemerklich,
indem auf der Stelle durch das aufschlagende Werkzeug ein aus leinen excen-
tnsehen Strahlen bestehender Punkt oder so zu sagen eine Blume entstanden ist,
derjenigen im Kleinen vergleichbar, die man durch den Stoss mit einem Stocke
auf eine Eisfläche in derselben hervorbringt. Es fand sich ferner eine Anzahl von
den grösseren Steinstücken, von welchen man die verschiedenen Gegenstände, be-
sonders die prismatischen Messer, abgesprengt hatte. Die Gestalt dieser Messer
gab mir schon Hingst die Ueberzeugung, dass die Flächen derselben nicht ge-
schliffen, sondern dass sie auf ganz gleiche Weise und ebenso — durch drei bis
vier aufeinander folgende Schläge auf die Steinmasse — gebildet sind, wie man
noch jetzt die Gewehrsteine schlägt. Diese gefundenen Steinklumpen liefern nun
aber den sichersten, unumstösslichsten Beweis hierfür. Es scheint mir demnach
aus dem ganzen Funde mit der grössten Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, dass
hier eine Fabrikstelle für Waffen und Geräthe aus Feuerstein war und dass man
diese aus freier Hand formte. Die aufgefundenen Gegenstände . . . zähle ich deshalb
zu den merkwürdigeren und seltneren Gegenständen, als man, soviel mir bekannt
geworden, nie einen ähnlichen Fund machte."
Der v. Hagenow'sche Bericht erregte seiner Zeit viel Aufsehen, und in der
That war sein Fund auch von um so grösserer Wichtigkeit, als hier zum ersten
Male eine vorgeschichtliche Werkstätte von Feuerstein-Geräthschaften aufgedeckt
wurde. Inzwischen sind freilich auch andere Werkstätten auf Rügen bekannt ge-
worden, und zwar solche von grösserem Umfange auf den Banzelwitzer Bergen
und bei Gramtitz auf Wittow, Werkstätten von kleinerem Umfange bei Gross-
Zicker auf Mönchgut, auf den Uferbergen von Wampen Stralsund gegenüber, auf
dem nördlichen Theil von Hiddensoe, auf Wittow zu Dranske, Schwarbe und Put-
garten, auf der Schaabe in der Nähe von Drewoldtke, zu Bisdamitz westlich von
Lohme, in Crampas im Garten des dortigen Victoria-Hotels, zu Tiefengrund beim
Bülsenkrug, zu Carnitz und endlich zu Tribbevitz.
Die Lietzower Werkstätte ist nach Hrn. v. llagenow noch mehrfach ab-
gesucht und ausgebeutet worden, so z. B. in den vierziger und fünfziger Jahren
dieses Jahrhunderts von Hrn. Staatsanwalt Rosenberg. Dieser hat, da das
Terrain damals noch wenig abgesucht war, in Lietzow zahlreiche Alterthümer ge-
funden, und im Besonderen hat er bereits auf die grosse Ausdehnung der Werk-
st.Ute hingewiesen. Spater isl die ansehnliche Rosen berg'sche Sammlung rügenscher
Stein-Alterthümer in den Besitz des Germanischen Museums in Nürnberg über-
gegangen und damit für uns der Möglichkeit entrückt, dvn betreffenden Theil der
Sammlung hier zu berücksichtigen.
Sodann hat Br K. Virchow die Lietzower Werkstätte im Jahre 1867 be-
sucht. Wie es damals an der Stelle aussah, beschreibt er (Yerhandl. 1871, S. 6f.)
mit folgenden Werten: „Eine.... sein- ausgedehnte Feuerstein -Werkstätte, auf
welche Hr. Kreisgerichtsrath Rosenberg meine Aufmerksamkeit gelenkt hatte,
findet sieh auf einer dünenartigen, durch den Wind zum grossen Theil entbl
Hube m der Nahe der Lietzower Fähre. Ich Bammelte eine Reihe \on Feuerstein-
Spähnen, an deren künstlicher Herstellung ich nicht zweifle. Namentlich sind
darunter sogenannte Xuclei. Man nennt SO diejenigen, meist etwas dickeren Stücke,
von denen die Spänne oder Messer der Lange nach abgesprengt sind und welche
daher nach einer grösseren Zahl solcher Ahsprengungen polygone Säulen oder
Kegel darstellen. Vergleicht man die Seitenfläche dieser Nuclei mit den frei
herumliegenden Spännen und berücksichtigt man ferner, dass anmittelbar in der
(296)
nächsten Nähe des Feuerstein-Feldes von mir in einer schwarzbraunen Erdschicht
zahlreiche Bruchstücke von groben Thongefässen, darunter einzelne sehr gut ver-
zierte, gefunden sind1), so kann man kaum im Zweifel darüber sein, dass hier in
der That eine Werkstätte bestanden hat. Neben schmalen, im Querbruche drei-
eckigen und fünfeckigen Spähnen, sogenannten Messern, liegen dort freilich zahl-
reiche andere Sachen, welche sich weniger gut bestimmen lassen. Ich möchte
namentlich auf gewisse weissliche Stücke von breiterer, blattförmiger Gestalt auf-
merksam machen, welche einen eigentümlich ausgebrochenen, gezähnclten Rand
besitzen, so dass man glauben könnte, sie seien als Sägen benutzt worden. Indess
spricht ihre Kleinheit und die Unregelmässigkeit ihrer Zähnelung gegen eine solche
Annahme." — Im Jahre 1886 besuchte Hr. Virchow die Stelle zum zweiten Male
und äusserte sich diesmal (Verhandl. 1886, S. 618), wie folgt: „Obwohl 1867 schon
vierzig Jahre verflossen waren, seitdem v. Hagenow den Charakter des Platzes
öffentlich bekannt gegeben, und obwohl inzwischen viele Sammler die Stelle be-
sucht hatten, so war doch keine Schwierigkeit, in aller Schnelligkeit treffliche Be-
weisstücke zu gewinnen. Nun sind wieder fast 20 Jahre vergangen , und ich war
in der That überrascht zu sehen, dass noch immer neues Material auf dem Platze
ist. Der Wind sorgt dafür, dass bis dahin verdeckte Stücke zu Tage kommen.
Er bläst allerlei Vertiefungen auf, in deren Grunde die Sachen sich ansammeln.
Ich bemerke dabei, dass die neue Chaussee einen tiefen Einschnitt in den Berg
gemacht hat, und dass vorzugsweise an der westlichen Seite, zwischen Chaussee
und Jasmunder Bodden, die besten Fundstellen liegen. Von da habe ich eine ge-
wisse Anzahl jener grösseren, meist scheibenförmigen Scherben mitgebracht, die
noch keine weitere Bearbeitung zeigen, aber sicherlich von Menschen geschlagen
sind, — Abfall; darunter sind einige besser definirte Stücke." Ueber die in
Lietzow gefundenen Urnenscherben heisst es kurz vorher (S. 617), dass sich
darunter Repräsentanten aller Zeitalter finden: neben einem neolithischen und
einem aus der ersten Eisenzeit findet sich ein slavischer (mit Wellen -Ornament,
rergl. S. 614) und ein ganz spät mittelalterlicher Scherben.
Gleichzeitig mit der zuletzt angeführten Mittheilung Virchow*s äussert sich
Hr. Dr. Baier (Die Insel Rügen nach ihrer archäol. Bedeutung, Stralsund 1886,
S. 31): „Die von Hagenow bezeichnete Stelle, auf den Uferhöhen hart über dem
Grossen Jasmunder Bodden gelegen, unmittelbar links von der Chaussee, ....
zeichnet sich noch jetzt durch die Menge von Feuerstein-Splittern aus; wie viele
bogen alier sind nicht seit jenen Tagen dort auf der Suche gewesen! Da ist es
denn kein Wunder, wenn es heute kaum noch gelingen will, ein Stück von einem
unvollendeten oder in der Arbeit zerbrochenen, prismatischen Messer oder auch
nur ein Stück zu finden, welches sich durch seine Spaltfläche als Abfall bei Stein-
arbeiten ausweist."
Die letztere AeusserungBaier's kann ich bestätigen. Auf der von v. Hagenow.
Rosenberg, Virchow und Baier bezeichneten Stelle findet man heut zu Tage
kaum noch ein einzeln, -plitterchen, welches des Mitnehmens werth wäre. Da-
-1'-1" I8i 68 mir im Laufe des vergangenen Sommers gelungen, eine andere Stelle
in Lietzow zu entdecken, wo die bearbeiteten Feuerstein-Werkzeuge in einer über-
1) An einer anderen Stelle Verhandl. 1870, S. 357) sagtVirchow, dass in der Nähe
lei Werkstätten im der Lietzower Fähre und auf den Banzelwitzer Bergen „Kohlenstellen
mi! [Jrnenseherben, auch Gräbern te" vorkamen, Die Gräberreste sind aber, soweit mir
bekannt ist, nur auf den Banzelwitzer Bergen gefunden worden. Vergl. Verhandl. 1886,
S. 617.
(297)
rasch enden und kaum »laubliehen Lulle herumlagen. Lin Zufall liess mich die
Stelle auffinden.
Bei einem Spaziergänge am Strande des Grossen Boddens, nordwestlich von
Lietzow, fand ich ein pnsmatiselies Feuerstein-Messer, welches offenbar schon Beit
langer Zeit an dieser Stelle gelegen halten mnsste. Denn die abgeschliffenen
Kanten Hessen darauf sohlicssen. dass das Stück dem Linlluss der Wellen und des
vom Winde über den Brdboden fortgefegten Sandes lange Zeil ausgesetzt gewesen
war. Ich suchte nun weiter und fand auch im Ganzen etwa 75 Stücke, welche
alle mehr oder weniger deutliche Spuren der Bearbeitung zeigten. Als ich diese
Stücke nachher im Dorfkruge sortirte, meinte der Wirth, welcher meiner Arbeit
zusah, wenn ich mich für derartige Sachen intcressirte, solle ich doch einmal nach
dem Steinhaufen neben dem Bahngeleise gehen: dort würden auch öfter solche
Steine gefunden. Ich folgte diesem Käthe, suchte den Steinhaufen auf und fand
nun, was ich unter der. jetzigen Verhältnissen allerdings nicht für möglich .'halten
hätte, eine solche Fülle von bearbeiteten Feuerstein-Werkzeugen aller Art, dass
selbst meine kühnsten Boffnungen und Erwartungen bei Weitem übertroffen wurden.
Ein Stück lag neben dem anderen, und ich brauchte mich nur zu bücken, um die
schönsten Sachen dutzendweise auflesen zu können. In einer knappen halben
Stunde hatte ich an 300 Stücke gesammelt, und ich wäre in Verlegenheit gerathen,
wie ich den ganzen Schatz fortschaffen sollte, wenn ich nicht zufällig Hülfe ge-
funden hätte. Natürlich fuhr ich gleich am nächsten Morgen mit dem ersten Zu^e
wieder nach Lietzow und habe dann diesen und noch vier weitere Tage zur Er-
forschung der Stelle benutzt.
üeber den Fundort ist Folgendes zu sagen: Der Steinhaufen oder richtiger
Kieshaufen lag 260 m westlich vom Bahnhofe, unmittelbar neben dem Eisenbahn-
Geleise, nach der Seite des Kleinen Boddens zu. Der Haufen war durchschnittlich
10 — 12 Fuss breit, 3 — 4 Fuss hoch und ungefähr 100 Schritt lang. Obenauf lagen
nur Steine und zwar vorwiegend Feuersteine, theils heile Knollen, theils ab-
gesprengte Splitter und bearbeitete Stücke; weiter nach innen zu waren die Steine
mit grobem Kies untermischt. Der ganze Haufen war erst vor kürzerer Zeit auf-
gehäuft und das Material aus einer nahe gelegenen Kiesgrube entnommen worden.
Diese Kiesgrube, welche mithin als die eigentliche Fundstelle zu betrachten
ist. liegt gleichfalls südlich von der Bisenbahn und zwar 100 ui von derselben ent-
fernt, auf dem sogenannten „spitzen Ort". Sie erstreckt sich bei einer Länge von
72 Sehritt in der Richtung von Norden nach Süden, so dass sie im rechten Winke!
zum Bahngeleise liegt; die Breite der Grube beträgt 40 Schritt. Die nach der
Landseite zu senkrecht abgestochenen Böschungen zeigen, dass der obenauf liegende
Mutterboden etwa '/j Fuss dick ist, worauf grober, mit vielen Steinen untermischter
Kies folgt. Die Grube ist durchschnittlich nur auf 5 Fuss Tiefe ausgeschachtet;
wo man etwas tiefer eingedrungen ist. hat sich braunes, brackiges Wasser za
kleinen Lachen angesammelt; zwischen diesen Lachen hat man in kleinen, i
massigen Abständen einzelne Podeste stehen lassen. Das Terrain der Kiesgrube
war früher Gartenland, welches zur K__ 'sehen Gastwirthschaft gehörte. Als
diese in Folge des Bahnbaues einging 'vergl oben S. 294), hat man zuerst Im
Jahre 1891 angefangen, Kies von hier zu entnehmen. Im Laufe dieses Jahres sind
ungefähr 500 cbm Kies ausgeschachtet worden.
Das Absuchen der Kiesgrube war in Folge der Wasserlachen recht un-
erquicklich und umständlich, und ich habe auch nicht allzu \ iel Zeit darauf ver-
wendet. Bemerken möchte ich jedoch, dass diejenigen Feuersteine, welche auf
dem Grunde der Grube und in dem brackigen Wasser lagen, durchweg eine null-
(298)
braune oder dunkelbraune Farbe hatten, während die übrigen theils schwarz, theils
grau, theils lehmgelb gefärbt waren.
Bei näherer Besichtigung ergab sich ferner, dass die Kiesgrube in derselben
Linie und Richtung verläuft, wie die Küste nördlich von der Durchschüttung.
Mithin haben wir in den Kies-Anhäufungen dieser Grube höchst wahrscheinlich
die Ablagerungen eines alten Strandes zu erblicken. Der jetzige Strand ist an
dieser Stelle in Folge alluvialer Neubildungen um etwa 200 Schritte westwärts vor-
gerückt, und diese Neubildung von Land setzt sich gerade in allerneuester Zeit,
nachdem der Damm durchgeschüttet worden ist, in der angegebenen Richtung
weiter fort.
Die von mir aufgefundene Werkstätte befindet sich also an einer ganz anderen
Stelle, als die früher bekannt gewesene. Im Grossen und Ganzen steht sie jedoch
mit dieser auch wieder in Zusammenhang, was durch meine Funde am nördlichen
Strande noch augenscheinlicher wird. Der Bau der Chaussee und der Eisenbahn
und der am Kleinen Bodden vorgerückte Strand haben diese Spuren freilich sehr
verwischt. Nach der Aussage des Kaufmanns Heidmann in Lietzow ist aber das
ganze Terrain, auf welchem das Dorf Lietzow steht, reich an Feuerstein-Funden,
und ich selbst habe auf der Dorfstiasse, die kurz vorher durch Kies-Aufschüttungen
verbessert worden war, noch einige recht hübsche Stücke gefunden.
Dass sich die Werkstätte so dicht am Strande und auf sandigem Terrain be-
ßndet, ist übrigens nicht ganz gleichgültig. Denn nach Baier (S. 32) haben alle
rügenscher] Werkstätten das Gemeinsame, dass sie auf Höhen liegen, in unmittel-
barer Nähe der See und auf Sandboden. Es ist möglich, so fährt Baier fort,
Sandboden wegen seiner grösseren Trockenheit mit Vorliebe zu den mit Werk-
stätten verbundenen Ansiedelungen gewählt wurde. Solche Ansiedelungen aber
sind, wie bereits oben mitgetheilt worden ist, auch in Lietzow vorhanden ge-
wesen.
Die Zahl der von mir gesammelten Stücke beträgt ungefähr 1600. Damit aber
war der Reichthum der Werkstätte noch lange nicht erschöpft, zumal da ich nur
an der Oberfläche des Steinhaufens gesammelt hatte. Ich machte daher der Ge-
sellschaft für Pomm. Gesch. und Alterthumsk., welcher ich auch meine ganze Samm-
lung überwiesen habe, Anzeige, dass es mir wünschenswert!! erscheine, den ganzen
Steinhaufen umarbeiten und auf Stein- Alterthümer hin durchforschen zu lassen.
Diesem meinem Wunsche ist die Gesellschaft nachgekommen. Nachdem die Kgl.
Eisen bahn-Direction in dankenswertester Bereitwilligkeit die Erlaubniss zur Durch-
forschung des Steinhaufens gegeben hatte, reiste Hr. Conservator Stubenrauch
nach Lietzow, durchforschte die noch vorhandenen 250 cbm von dem aufgeschütteten
Steinhaufen und brachte nach achttägiger Arbeit abermals etwa 3000 Stücke von
dort mit heim.
So hat denn die neu aufgefundene Werkstätte eine Ausbeute geliefert, wie sie
in Bezug auf die Quantität wohl einzig in ihrer Art dasteht. Aber auch die Qualität
der gefundenen Blass< ist keineswegs gering anzuschlagen.
Ueberblicken wir zunäch I das gesammte Material, so fällt uns sofort der
grosse Pormenreichthum in die Augen. Es finden sich nicht nur alle Werkzeuge
und Geräthschaften, welche aus der Steinzeit Rügens bekannt geworden sind, wie
Messer, Schaber, Beile, Bohrer, Lanzen- und Pfeilspitzen, Sägen und Meissel,
sondern jedes einzelne Werkzeu isl auch wieder durch mannichfache, zum Theil
neue formen vertreten.
Eine weitere Untersuchung, welche allerdings erst späterer Zeit vorbehalten
bleiben muss, wird auch die Technik, welche bei der Bearbeitung der einzelnen
(LMM))
Gerätschaften angewendet ist, festzustellen baben, and hierbei werden nach meiner
Meinung gerade diejenigen Stücke eine Rolle spielen, welche halb fertig oder eben
angefangen oder bei der Bearbeitung verunglückt sind. Lassen wir nun diese
Stücke und ebenso die Splitter und Späbne, welche sich als Abfallstücke
weisen, anberücksichtigt, so bleibt immerhin noch ein reichhaltiges .Material zur
Oharakterisirung der Steile übrig.
Wenn wir auf die Art der Bearbeitung Rücksicht nehmen, so lassen sich zwei
Arten von Geräthschaften unterscheiden: erstens die roh bearbeiteten, zweitens die-
jenigen mit mascheiförmigen Schlagstellen. Die letzteren sind in der Minderzahl
und fast nur fragmentarisch erhalten; wir finden darunter zerbrochene Beile und
Keile. Meissel, Sagen und eine feingemuschelte, vollständig erhaltene Pfeilspitze.
Einige wenige Stücke dieser Gruppe zeigen noch ein weiteres Stadium der Bear-
beitung, nehmlieh dass sie geschliffen sind: von dieser Art sind jedoch nur fünf
oder sechs Beil- Fragmente gefunden worden, welche wir mithin wohl als Aus-
nahmestücke betrachten dürfen. Erwähnen möchte ich ferner noch, dass ich auch
eine bei steinzeitlichen fanden nicht eben selten vorkommende Korallenperle ge-
funden habe, welche allerdings stark verwittert ist.
Unter den roh bearbeiteten Werkzeugen, welche den grössten Theil des
Fundes ausmachen, sind am zahlreichsten die Messer vertreten: ungefähr ein Viertel
des ganzen Fundes gehör! dieser Gruppe an. Das Messer wird dadurch gewonnen.
dass von einem spaltfähigen Feuerstein-Knollen oder Xucleus einzelne dünne, länd-
liche Streifen oder Spähne abgesprengt werden. Die beim Absprengen entstandene
Spaltfläche ist glatt und eben, zuweilen leicht gewölbt, und bedarf keiner weiteren
Bearbeitung; dagegen wird die obere Seite des Messers in höchst mannichfaltiger
Weise gestaltet: entweder besteht sie aus zwei im stumpfen Winkel sich schneidenden
Flächen, so dass das Messer ein dreiseitiges Prisma bildet, oder man hat die in
der Mitte aufliegende Kante durch einen weiteren Hieb abgesplissen, so dass der
Querschnitt des Messers ein Trapez bildet, oder die Absplisse sind auch ganz un-
regelmässig erfolgt, je nachdem es die Gestalt des abgesprengten Streifens mit
sich brachte. Dies Letztere ist namentlich bei grösseren Stücken der Fall, welche
dann zuweilen den gemuschelten Werkzeugen ähneln.
Einige Messer sind ganz wie unsere modernen Messer gebildet, so dass die
eine Längskante deutlich als Schneide und die gegenüberstehende Kante als
Kücken des Messers hervortritt. Noch andere Messer sind mit Spitzen versehen
und mögen als Spitzen von Pfeilen oder Harpunen verwendet worden sein: wieder
andere haben eine umgebogene Spitze und seheinen als Ahlen oder Pfriemen ge-
dient zu halien.
Manche Messer tragen an dem einen linde deutliche Einkerbungen, welche
offenbar zum Zwecke der Befestigung an einem lieft oder Sud gemacht sind.
Im üebrigen aber muss betont werden, dass die meisten dieser Instrumente
keineswegs als Messer in modernem Sinne, Sondern vielfach zu anderen Zwecken
verwendet wurden sind, etwa als Pfriemen, Bohrer, Spitzen von Wurfgesch
Nadeln zum Netzstricken und ähnlich. So wissen wir aus dänischen und ost-
preussischen Funden, dass solche Messerchen au der äusseren Wandung eines
Pfeilschaftes unterhalb {\w Pfeilspitze befestigt wurden, um die Durchschlagskraft
des Geschosses zu vergrössern. Zu ahnliehen Zwecken mag man dieses Geräth
auch auf Rügen gebraucht haben.
Wunderbar ist es. dass die Zahl der gefundenen Nuclei im Yerhälmi.-s zu der
grossen Zahl der M< sser nur gering ist. Ich habe nur drei oder vier selcher
Stücke mitgebracht, und Hr. Stubenrauch hat nur einen Xucleus gefunden. Ich
(300)
erinnere mich jedoch, dass ich gerade in den ersten Tagen meiner Thätigkeit in
Lietzow mehrere derartige Stücke gefunden, aber wegen ihrer Grösse und Schwere
wieder weggeworfen habe. Erwägt man ferner, dass sich gerade diese Stücke dem
Auge weniger leicht bemerkbar machen, so dürfte der Mangel an diesen Stücken
einigermaassen erklärlich erscheinen.
Den Messern stehen in Bezug auf Zahl und Art der Bearbeitung am nächsten
die Schaber, jene eigentümlichen Geräthe, welche benutzt sein mögen, entweder
um die Haare von den als Kleider gebrauchten Thierhäuten zu entfernen, das
Fleisch von den Knochen zu kratzen, die Fische zu entschuppen, Feuer anzu-
zünden oder zu ähnlichen Zwecken. Unter den mannichfaltigen Formen der
Schaber sind die runden und ovalen, zuweilen herz- oder nierenförmig gebildeten
am häufigsten. Die primitivste Form repräsentirt der reine Rundschaber. Dieser
wird von einem rundlichen oder kugelförmigen Feuerstein-Knollen scheibenförmig
abgesplissen, und zwar entweder von der Aussenseite des Knollens oder aus dem
inneren Kern. Eine weitere Entwickelung der Form ist es, wenn die Ränder
solcher roh abgesprengten Scheiben mit einigen Schlägen leicht angeschlagen oder
gedengelt werden. Zuweilen haben die so bearbeiteten Schaber auch auf den
beiden Seitenflächen musehelförmige Auskerbungen, die offenbar deshalb vor-
genommen worden sind, um die Dicke des Instrumentes zu verringern.
Eine zweite Art der Schaber sind die löffeiförmigen, die fast ausnahmslos von
der äusseren Rinde des Knollens abgesprengt sind. Bei diesen Schabern ist die runde
Scheibe mit einem kurzen Stiel oder Handgriffe versehen. Einige dieser Stücke
sind noch in der Weise vervollkommnet, dass von der Aussenseite der etwas zu
dick gerathenen Scheibe durch einen wohlgelungenen Schlag ein Stück abgesprengt
worden ist.
Eine dritte Art von Schabern, die sonst auf Rügen sehr selten vorzukommen
scheint, sind die drei- oder viereckigen Schaber. Bei diesen ist die eine Kante.
welche offenbar zum Schaben oder Kratzen gedient hat, stets geradlinig; die beiden
Seitenkanten sind jedoch leicht eingebogen, um dadurch die der Schabekante gegen-
über stehende Ecke, bezw. die vierte Seite handlicher zum Anfassen oder bequemer
zum Befestigen am Stiel zu machen. Eines dieser Geräthe hat fast die Form einer
kleinen Hacke. Die meisten von mir aufgefundenen Exemplare dieser Art sehen
plump und ungeschickt aus, und ich würde auf diese Art von Instrumenten kein
so grosses Gewicht legen, wenn nicht in der im Rathhausc zu Bergen auf-
bewahrten Sammlung rügenscher Alterthümer ein vorzüglich erhaltenes, muschel-
förmig ausgearbeitetes Exemplar dieses Schabers zu finden wäre.
Die aufgefundenen Aexte oder Keile gehören mit Ausnahme von einigen
wenigen, schon vorher erwähnten, gemuschelten Stücken alle der roh bearbeiteten
Form an. Die Stücke haben ausser lieh nur nothdürftig mit einigen groben Schlägen
die entsprechende Form erhalten: doch ist trotzdem die Schneide oder Spitze
durchaus zweckentspn 'und gearbeitet; zum Theil tragen sie noch Reste von der
äusseren Rinde des Knollens an sieh. Von diesen Instrumenten gilt es ins-
besondere, was Baier (Die Insel Rügen nach ihrer archäol. Bedeutung, S. 34f.)
sagt: „Im ersten Augenblicke will es erscheinen, als seien die unvollkommneren
Formen anfertig geblieben, ursprünglich aber bestimmt gewesen, zu den schönen
und edlen Typen ausgearbi itet zu werden. Solche Verrouthung ist indess aus zwei
Gründen zurückzuweisen. Erstens sind diese Gegenstände trotz ihrer Plumpheit
und rohen Arbeil durchaus geeignet, sofort in Benutzung genommen zu werden,
und der zweite (irund ist der. dass sich aus i\cn häufigsten Typen dieser Reihe
nie und nimmermehr Formen der anderen Klasse bilden lassen.-
(301)
Als charakteristisch für diese Art von Aexten is< es nach Baier's Aufstellung,
dass der Längs-Durchschnitt ein Rhomboid bildet, was auch durch diesen Fund be-
stätigt wird. Die; Schneide oder Spitze befindet sich immer in der Richtung der
Diagonale des Ethomboids, während sie bei den gemaschelten und geschliffenen
Stücken parallel mit den beiden Seitenflächen gebildet ist.
Die meisten der roh gearbeiteten Aexte zeigen, soweit sie Dicht mit einer
Spitze versehen sind, eine verhältnissmässig schmale Schneide: bei einigen sind
die Schneiden in schiefer "der schräger Richtung angehauen, was zu häufig vor-
kommt, als dass man es auf Messen Zufall zurückführen könnte. Die mit
Spitze versehenen Keile haben offenbar nicht als Bohrer, sondern als Instrumente
zum Hauen. Stechen oder Schlagen, also als Piken oder Hacken, gedient.
AU Bohrer dagegen möchte ich ausser den schon vorher bei den Messern er-
wähnten einige andere Instrumente in Anspruch nehmen, welche gleichfalls nur in
der roh bearbeiteten Form vorzukommen scheinen. Die Stücke halten die kenn
eines rechten Winkels, dessen einer Schenkel meist etwas länger ist. als der andere
Schenkel. Das freie faule des längeren Schenkels ist unten zugespitzt, um als
Bohrer zu dienen, während der kürzere Schenkel offenbar die Handhabe gebildet
hat. Denken wir uns den kürzeren Schenkel über den Schnittpunkt hinaus ver-
längert, so erhalten wir ein noch jetzt gebräuchliches Geräth: den gewöhnlichen
kleinen Handbohrer (plattdeutsch Frittbohrer). Diese Instrumente sind von Baier
nicht erwähnt: indessen zweifle ich nicht, dass sie sich auch in der Stralsundcr
Sammlung finden werden. Ich habe sie in der Sammlung des Hrn. Schilling zu
Arkona in mehreren Exemplaren gesehen und auch auf der Werkstätte bei Dre-
woldtke wiedergefunden.
Verhältnissmässig gross ist die Zahl der Lanzenspitzen. Von der Form, welche
die sauber gearbeiteten und feiugemuschelten Stücke der neolithischen Zeit zeigen,
sind allerdings nur einige wenige Exemplare vorhanden. Desto grösser ist die
Zahl der Lanzenspitzen von roherer Form. Ihre Gestalt ist blattförmig mit deutlieh
bemerkbarem, zuweilen hoch aufstehendem Mittelgrat. Baierrechnet diese Instru-
mente unter die Messer und bezeichnet sie als blattförmige Messer mit lanzen-
artigen Spitzen. Manche dieser Stüeke sind so plump und dick, dass man auf
den ersten Blick über ihren Zweck zweifelhaft sein kann: aber auch unter den-
jenigen Stücken, welche in der Form völlig ausgebildet sind, befinden sieh i
klobige, auffallend schwere Stücke; solche von leichter, gefälliger Form sind bei
weitem in der Minderzahl. Hei einigen, und zwar gerade plumpen Stücken findet
sich an der der Spitze entgegengesetzten Seite ein sichelförmiger Ausschnitt, wo-
durch sicher eine leichtere Befestigung des Geräthes an einem Schaft oder 3
ermöglicht wurde.
Als eine besondere Abart dieser Lanzenspitzen möchte ich 6 — S Geräthe be-
zeichnen, welche erstens auffallend hoch gewölbt sind und zweitens an dem
unteren, breiten Ende einen kurzen, schief anstehenden Ansatz haben. In welcher
Weise das ( ieräth verwendet wurde, isl mir räthselhalt.
Bndlich sind noch die Sägen oder sichelförmigen Messer, früher opfern —
genannt, zu erwähnen. Ausser einigen wenigen Fragmenten von gemuschelten
habe ich etwa ein halbes Dutzend roh zugehauener Stüeke gefunden; Zähne
sind an diesen noch nirgends eingekerbt, und deshalb dürften sie wohl als un-
fertige Arbeiten zu betrachten sein.
Aus dieser kurzen Fei ersieht -cht eines um Sicherheit hervor, dass der
Keiehthum der typischen Formen em aussi rgewöhnlich grosser ist. Aber auch
ein zweites dürfte sich sofort mit unabweisbarer Notwendigkeit ergeben, nehmlich
(302)
dass unsere Werkstätte nicht nur kurze Zeit, sondern Jahrhunderte lang benutzt
worden ist; anders ist die überraschende Fülle des Materials kaum zu erklären.
Eine andere und viel schwieriger zu beantwortende Frage ist die nach dem
Alter der Lietzower und überhaupt der rügenschen Feuerstein -Werkstätten. Auf
den ersten Blick allerdings scheint diese Frage leicht zu beantworten zu sein:
man möchte nehmlich wohl geneigt sein, die roh bearbeiteten Stücke in eine ältere
Zeit, die gerauschelten und geschliffenen Stücke aber in eine jüngere Zeitperiode
zu verweisen. Aus solchem Ansätze würde dann zu schliessen sein, dass die
Lietzower Werkstätte der älteren Steinzeit angehört, aber noch bis in den Anfang
der jüngeren Steinzeit hinein benutzt worden sei. Die Voraussetzung zu diesem
Schluss hat jedoch nur in ihrer zweiten Hälfte bisher allgemeine Anerkennung ge-
funden, insofern die gemuschelten und geschliffenen Geräthe ziemlich einstimmig
der neolithischen Periode zugewiesen werden. In welchem Zeitverhältniss aber
die roh bearbeiteten Werkzeuge hierzu stehen, ob sie als gleichzeitig oder als
älter anzusehen sind, darüber ist man noch nicht einig, und ich pflichte in
dieser Beziehung ganz der Meinung des Hrn. Dr. Bai er in Stralsund, des ge-
wiegtesten Kenners rügenscher Alterthümer, bei, welcher offen bekennt, dass wir
mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln die Frage noch nicht beant-
worten können. Hoffentlich aber gelingt es der Wissenschaft über kurz oder lang,
auch diese Frage zu lösen, und es würde mir eine besondere Freude und Genug-
tuung sein, wenn hierzu der Lietzower Fund, sei es auch nur wenig, beitragen
könnte. —
(32) Die HHrn. W. Belck und C. F. Lehmann legen folgende Abhandlung
vor als Fortsetzung ihrer
Chaldischen Forschungen.
7. Zur Frage nach dem ursprünglichen Standort der beiden assyrischen Inschriften Sardur's,
Sohnes des Lutipris1).
Von W. Belck.
Diese Frage ist von der grössten Wichtigkeit für die Urgeschichte Armeniens;
von ihrer definitiven Beantwortung hängt die Bestimmung des ursprünglichen Wohn-
sitzes Sardur's, des Königs von „NaYri" (nicht von Biaina-Chaldia!) ab2).
Eine Behandlung dieser schwierigen Frage hat Hr. Prof. P. Jensen unter-
nommen3), der sich, nachdem er den uns hier allein interessirenden Schluss
1) Chaldische Mischungen Nr. 1—3, s. diese Verhandl. 1895, S. 578— 616, Nr. 4— 6:
1896, S. 309—327.
2) Vergl. Verhandl. 1*95, S. 583, und Zeitschr. f. Assyriolo-ir, XI, S. 201ff. Auf den
an ri-invr Stelle in ' icht gestellten Nachweis ist Jensen (Zeitschr. f. Assyriol., XI,
S. 306£C) gespannt, „für« et" aber auf Grund von „Vermuthungen" und „Befürchtungen",
von denen ausgehend er unsere, ihm noch gar nicht bekannten Argumente einer Kritik
unterzieht, „dass es dazu nichl kommen" werde. Auf seine Bemerkungen a. a. 0. haben
wir fast unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung der Kedaction der Zeitschrift für Assyrio-
logie eine Erwiderung iibci . deren Erscheinen wohl nicht mehr lange ausstehen wird.
dort bemerken wir auch hier, dass wir uns selbstverständlich durch eine an einen
Doch nichl erbrachten Nacln knüpfte Kritik in keiner "Weise an der Ausarbeitung der
auf diesen Nachweis hinzielenden Erörterungen behindern lassen werden." W.B. undC.L.
3) Zeitschr. f. Assyriologie, VIII. S. 375ff.
(303)
der Inschrift [„Sardur, Sohn des Lutipris, spricht, nehmlich : ich habe diese
„Alabaster" -Blöcke aus der Stadt Alniunu weggenommen, ich habe diese Blauer
gebaut"] annähernd (s. S. 304) richtig übersetzt hat, folgendermaassen äussert1):
„Beide Inschriften sind jedenfalls in der Nähe von Van gefunden. Nach
Van von fernher Steine herbeizuschleppen, hiessc Wasser ii
Schlitten3). Es scheint daher, dass die Blöcke nur von dem Felsen von Van her-
stammen können. Dann kann die Stadt, „ans der" sie herausgenommen sind, nur
die Citadelle von Van sein. Alniunu ist daher dvn'i\ Name oder, falls der Name
Tuspa-Turuspa diese mit einschloss, oder von Tiglatpileser IIT. richtig
für die Citadelle allein gebraucht worden ist, ein Appellativ mit der Bedeutung
„Citadelle". Die mit den Steinen aufgeführte Mauer wird oben auf dem Felsen
zu dessen grösserer Sicherheit aufgeführt und die beiden Inschriftsteine werden
Bestandteile dieser Mauer gewesen sein. Pülu ward dann gebraucht als Be-
zeichnung für das Material, woraus der Felsen von Van besteht, also für eine Art
Kalk (Dr. Belck), ob missbrüuehlich, wollen und können wir hier nicht unter-
suchen."
Alle diese Aufstellungen Jensen's sind unhaltbar, wie ich ihm das auch ge-
legentlich eines Besuches gesagt habe; sie leiden an einer geradezu bemerkens-
werthen Unkenntniss der localen Verhältnisse Van's im Allgemeinen und der vor-
liegenden beiden Inschriftsteine im Besonderen, und die von Jensen gegebene
Begründung seiner Behauptung, Alniunu sei der Name der Citadelle von Van.
widerstreitet den Sitten und Gebräuchen wie auch dem psychologischen Gefühl
wohl auch der primitivsten Völker (vergl. S. 305ff.). Aber trotz der sonder-
baren Art der Beweisführung, die mit hypothetischen Ausdrücken wie -jeden-
falls", „es scheint", „dann (das bedeutet hier: wenn diese Ansicht richtig ist!
kann" beginnt und mit einer positiven Behauptung (nicht etwa mit dem Hinweis
auf eine Möglichkeit!) schliesst, — einer Eigentümlichkeit Jensen's, der man
leider öfter3), so namentlich auch bei seinen Bemühungen um die Entzifferung
der „hethitischen" Inschriften, begegnet, — haben sich doch andere Forscher
durch die Bestimmtheit der von ihm aufgestellten Behauptungen') dazu verleiten
lassen, dieselben als erwiesen zu betrachten und darauf weiterzubauen ). Die
erste Forderung, die man an jeden Gelehrten, der sich über eine Präge ein l'r-
theil bilden und mit diesem gehört werden will, stellen kann und stellen muss,
ist jedenfalls die, dass, ehe er über eine Sache zu schreiben anfängt, er sich nach
Möglichkeit über die einschlägigen Verhältnisse orientirt, ein Verlangen, dessen
Erfüllung gerade hier, wo die Literatur so äusserst spärlich fliesst, leicht zu er-
1) A. a. 0. S. 377.
2) Von mir gesperrt. W. B.
3) Diese Eigenthündichkeit von Jensen's Armunentationsweise wird man auch in
meiner Beit längerer Zeit grossentheiN niedergeschriebenen Abhandlung: „Philologische
und historische Methode auf altorientalischem Gebiet" [einer Erwiderung auf Jen-
Artikel: „Die philologische und die historische Methode in der Assyriologie" [ZDMG
s. 2 11 ff. hervorgehoben und beleui btel linden. Zu Jensen's Artikel vergleiche man einst'
weif ii meine „Erklärung", a.a.O. S. 671. C. L.
4) Vielleicht auch dadurch, dass mein Name dazwischen genannt und hierdurch bei
ihnen möglicherweise der ganz falsche Eindruck hervorgerufen wurde, als ob ein mit den
Ortsverhältnissen vertrauter 1 chei Jensen's obigen Behauptungen zustimme. W. B.
b) So z.B. Meissner tue! Rost, ..l>i> Bau -Inschriften Asarhaddons", zur
assyriologie, 111. 2, mit B ig auf die Gleichung pülu [pilij Kalkstein.
(304)
möglichen ist. Jensen aber schreibt über Dinge, über die er in keiner Weise
orientirt ist, wie ich weiterhin zeigen werde.
Jensen behauptet1) also, die Steine stammten vom Van -Felsen, der (nach
mir) aus einer Art Kalk bestehe, also, folgert er, bezeichnet pülu den Kalkstein.
Nun besteht allerdings der Felsen von Van aus Marmorkalk, also einer mehr
oder weniger grobkrystallinischen Kalksteinart, welche sich poliren lässt und dann
den Glanz und die Structur des Marmors zeigt. Woher weiss aber Jensen, dass
die fraglichen zwei Schriftsteine aus Marmorkalk bestehen? Das hat er sich eben
einfach so gedacht, weil es ihm zu seinen übrigen Ansichten passte!
üb Jensen's Ansicht, die Steine seien in der Nähe von Van gefunden worden,
richtig ist, wollen wir vorläufig anerörtert lassen, obgleich gerade dieser Punkt
auf's Deutlichste beweist, wie wenig Jensen mit der einschlägigen Literatur be-
kannt ist. Absolut falsch ist seine von mir gesperrt wiedergegebene Begründung
dieser Ansicht: „Nach Van von fernher Steine herbeizuschleppen, Messe Wasser
in's Meer schütten," auf die ich später eingehen werde.
Gesetzt also den Fall, die Steine seien in der Nähe von Van gefunden
worden, worauf stützt dann Jensen seine Ansicht, sie könnten nur von dem
Felsen (der Citadelle) von Van stammen? Die Forscher, die Van besucht haben,
belehren jeden, der ihre Schilderungen nachschlägt, dass es dort ausser dem
Van-Felsen noch den Felsen von Kalatschik, den felsigen Bergzug des Zem-
zemdagh mit Toprakkaleh, das Gebirgsmassiv des Warrak und südlich
und südwestlich von ihm langgestreckte Bergzüge giebt, und dass alle diese
Felsberge nur wenige Kilometer vom Van-Felsen entfernt liegen. Sie lehren
ferner, dass der gesammte Van-Felsen zwar ziemlich lang (etwa 1,5 km lang),
dabei aber ausserordentlich schmal ist, und dass verständige Leute sich unter
solchen Umständen hüten werden, die geringe, für die Erbauung einer Burg
vorhandene Fläche noch durch Anlage von Steinbrüchen an diesem Felsen zu
verkleinern. Schon allein aus diesen Gründen ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die beiden Inschriftsteine vom Van-Felsen stammen, gleich Null, und damit wird
die Gleichung „pülu" = Marmor (Kalkstein) zu Wasser. Dass Jensen nicht
weiss, dass man „Alabaster" niemals als „Kalkstein" bezeichnen wird, dass man
vielmehr unter letzterer Bezeichnung stets „kohlensauren Kalk" (also Marmor,
Kreide, Kalkspath, Arragonit u. s. w.) versteht, soll ihm als Philologen nicht als
Vorwurf angerechnet werden. Wohl aber soll darauf hingewiesen werden, dass
in jedem Falle, also auch wenn die Steine vom Van-Felsen stammten, die Be-
zeichnung „Alabaster" eine durchaus falsche sein würde, und dass in solchen Fällen
Jensen gut thun würde, sich der Mithülfe eines Geologen, bezw. eines der
chemischen .Mineralogie Kundigen zu vergewissern, wenn er mineralogische Be-
stimmuagen machen will.
Ohne auf J< weitere Hypothesen einzugehen, die sich nur aus seiner
geringen Vertrautheit mit dem Gegenstande erklären, will ich mich gleich zu der
Hauptfrage wenden: Welches ist der ursprüngliche Standort der beiden In-
schriftsteine? In dieser Beziehung giebt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die
Steine sind von ihrem ursprünglichen Standorte aus hierher verschleppt worden,
in welchem Falle alle Conjecturei) und Behauptungen Jensen's sich natürlich
von selbst erledigen, oder sie befinden sich noch an ihrem ursprünglichen Stand-
1) Die ursprünglich hypotheti che Form, in der Jensen diese Ansicht ausspricht,
wird eben vollständig beseitigt durch die gleich nachher ausgesprochene, auf sie ge-
gründete positive Behauptun
(305)
orte. Nur letzterer Fall, der für Jensen günstigere, soll hier in Betracht gezogen
werden. Wenn Jensen wüssle, wo sich die beiden Schriftsteine befinden, — und
sich darüber zu informiren, hätte ihm nicht schwer lallen können, - dann würde
er wahrscheinlich, oder wenigstens vielleicht, alle seine in der Luft schwebenden,
bezw. den Thatsachen direct widersprechenden Erwägungen und Behauptungen
nicht niedergeschrieben haben. Heide Steine stecken nehmlieh neben ein-
ander in einer aus cyclopi sehen Steinen bestehenden Mauer, augenscheinlich
aehr hohen Alters, welche sich nicht auf der Höhe des Van-Felsens befindet,
wie Jensen annimmt, sondern in der Ebene amFusse desselben. Und zwar
BChliesst sich dieselbe auf der Nordseite des Van-Felsens an seinen westlichsten
Funkt an, bei dem heute sogenannten Iskaleh-Kapussi (i.e. dem Hafen-Thore)
der Festung; diese Mauer läuft ungefähr in der Richtung Süd-Nord und diente zur
Verteidigung des Hafens der Van-Festung, der seinerseits wieder angelegt worden
war, um bei etwaigen Belagerungen der Burg die Verproviantirung derselben von
den anderen Gestaden des Sees aus zu sichern.
Auf diesem cyclopischen Unterbau, bezw. mit Benutzung desselben, ist späterhin
in frühchristlicher Zeit eine kleine Kirche, Surp Karapet genannt, errichtet
worden, die aber seit sehr langer Zeit schon in Ruinen liegt. Nach dem Local-
befunde erscheint die Annahme durchaus gerechtfertigt, dass sich die beiden
enormen Felsblöcke, auf denen die Inschrift eingemeisselt ist, an ihrem ursprüng-
lichen Standorte befinden, dass demnach diese zu den Befesti»ungs- Anlagen
^cr Van-Festnng gehörende, der Verteidigung des Hafen -Einganges dienende
Mauor bereits von Sardur, dem Sohne des Lutipris, Königs von Na'i'ri, angelegt
worden ist. Mit dieser Feststellung gelangen wir für den Beginn der Befestigungs-
Arbeiten an \md auf dem Van -Felsen in ein sehr hohes Zeitalter, mindestens an
den Anfang des 9. vorchristlichen Jahrhunderts1).
Es erscheint nicht überflüssig, zu bemerken, dass es sich auf dem Van-Felsen,
abgesehen von den in das Innere des Felsens getriebenen Gemächern, Sälen u. s. w.
- dem sogenannten Felsschloss — , selbstverständlich nur um eine Burg zu Be-
festigungs-Anlagen, nicht etwa auch um die Anlage einer Stadt handeln kann:
letzteres ist schon durch die Beschränktheit des Raumes ausgeschlossen, ganz
abgesehen davon, dass in Folge Mangels irgend welcher Wasserquellen-') der
Aufenthalt einer irgendwie erheblichen städtischen Bevölkerung dort, wenn nicht
unmöglich, so doch äusserst unwahrscheinlich erscheint. Der Van-Felsen kann
deshalb nur als Aufenthaltsort der jeweiligen Besatzung gedient haben: etwaige
städtische Ansiedelungen müssen sich in der anliegenden Ebene an den
Wasserläufen befunden haben.
Erscheint es nun denkbar, dass ein Fürst, der ein wichtiges Befestigungswerk er-
richtet, in seiner darauf bezüglichen Inschrift sagt: „Ich, der grosse, mächtige K
habe diese Steine (i. e. diejenigen, auf welchen sich die Inschriften befinden
dem unmittelbar anstossenden Felsen hergeholt [also der Transport der Steine wurde
zuerst erwähnt!), und damit diese Mauer gebaut?" Ich meine, ein logisch denkender
l) Vergl. diese Verhandl. 1894, S.
•_' Zur Frage, woher die l balder-Könige, so oft aie sich in der Burg von Van auf-
hielten, gutes Trinkwasser Wasser des Van- Sees ist bekanntlich etwas brakig —
bezogen, möchte ich bemerken da es auf den westlichen abhängen des Warrak-Ge
eine grössere Anzahl köstlicher Quellen eiskalten Wassers giebt, aus denen auch der je-
weilige Wali \on Van sein rrinkwasser holen l&sst W. B.
Verbaudi, der BerL A.nthrepol. Gesellschaft
(306)
Mensch wird diese Frage schon im Allgemeinen unbedingt verneinen1), noch viel
mehr aber, wenn er die Sitten und Gebrauche der Alarodier und ihrer Herrscher
in Betracht zieht, deren Inschriften leider durchweg nur allzu kurz gefasst
sind und sich auf die knappsten, dürftigsten Mittheilungen über die allerwichtigsten
Punkte beschränken. Um das einzusehen, braucht man nur eine Bau-Inschrift oder
einen Kriegsbericht der vannischen Herrscher mit solchen der assyrischen oder
babylonischen Könige zu vergleichen. Man sehe sich z. B. eine Canal-Inschrift des
Menuas an, in der weder der Zweck des Baues, noch die Art seiner Ausführung,
nicht einmal der Name der Stadt, für welche der Canal bestimmt war, genannt,
sondern nur mit bündigster Kürze gesagt wird: „Ich, Menuas, habe für die
mächtigen (?) Chalder diesen Aquäduct gebaut und ihn nach mir Menuas-Canal
genannt."
Und so, wie diese, beweisen auch alle anderen Inschriften, dass nur that-
sächlich Wichtiges und Hervorragendes von den Beherrschern Van's der Er-
wähnung in denselben für werth erachtet wurde. Eine derartig lächerliche
Kleinigkeit aber, wie der Transport von Bausteinen zu einer Mauer von dem
unmittelbar an dieselbe anstossenden Felsen her, also auf eine Entfernung von wenigen
Metern, wird wohl überhaupt niemand, selbst wenn er einer ganz primitiven
Kasse angehört, für eine Heldenthat und demgemäss für der Erwähnung werth
erachten.
Und genau dasselbe spricht gegen die etwaige weitere Annahme, die Steine
seien an einem der vorhin genannten, benachbarten Felsrücken gebrochen worden;
auch das wäre ein so unwesentlicher Punkt, eine so geringe Arbeit, dass die Er-
wähnung derselben als ausgeschlossen erachtet werden muss, um so mehr, als hier
überall (ebenso wie auf dem Van-Felsen!) die Existenz der Stadt Alniun er-
mangelt.
Interesse für die Mit- und Nachwelt kann der Satz: „Ich habe diese Steine,
mit denen diese Mauer gebaut ist, aus der Mitte der Stadt Alniun geholt", nur
in den beiden Fällen beanspruchen, dass a) am Orte des Baues weit und breit gar
kein für Bauten geeignetes Gestein vorkommt, oder dass b), obgleich ganz im
Gegentheil der betreffende Punkt passendes Baumaterial in Hülle und Fülle bietet,
der erbauende König aus irgend welchen Gründen die erforderlichen Bausteine
trotzdem von irgend einem anderen Orte herholen Hess2). In beiden Fällen ist
1) Was Belck hier betont, wird man auch in meiner oben S. 303, Anmerk. 3 ge-
nannten Abhandlung hervorgehoben linden, wobei bemerkt sei, dass unsere beiderseitigen
Aeusserungen von einander vollständig unabhängig sind. Jensen begnügt sich mit einer
Uebersetzung, gegen die dem Wortsinne nach nichts einzuwenden ist, die aber gar keinen
Sinn giebt, sobald nun die thatsächlichen Verhältnisse, auf welche sich die Inschrift bezieht,
wie es doch nöthig und selbstverständlich ist, in Betracht zieht. Dieser Fall wird daher
von nur im genannten Znsammenhange als ein weiterer, besonders handgreiflicher Beleg
für des Fehler in .1 ■ n 's Methode angeführt, auf welchen ich ZDMG.. 41, S. 302 hin-
hinge« Lesen hatte, den nehmlich, dass sieb Jensen mehr und mehr geneigt zeigt, Fragen
von ledigHch oder egend historischer Natur rein philologisch (im engsten Sinne) zu
behandeln, bezw. wo m einer Untersuchung philologische und historisch -sachliche Ge-
sichtspunkte gleiche Berücksichtigung und gegenseitige Abwägung verlangen, die Ent-
cheidung lediglich nach peeifisch philologischen Gesichtspunkten zu treffen. C. L.
2) Noch ein drittel Fall könnte im Allgemeinen wohl in Betracht kommen, wenn er
auch nach Lage der Sache im Forliegenden Falle weniger Wahrscheinlichkeit hat. Es
könnte, falls eine Umsiedelung von Alniun nach dem Van-Felsen stattgefunden hätte,
Werth darauf gelr-t worden sein, einen Bestandtheil der alten Stadt mit in die neue zu
(307J
aber weiter eine wesentliche Bedingung- die. dass die Stadt Alniun in beträcht-
licher Entfernung von Tuspa(na)-Van liegen muss, so dass der Transport dieser
schweren Steine auf eine weite Strecke hin schon als eine erwähnenswerthe That
erschienen ist, namentlich wenn derselbe vielleicht noch mit anssergewöhnlichen
Schwierigkeiten, wie z. B. Transport über Gebirge, Wasser u. s. w.. verknüpft
wesen war.
Du der Fall a) bekanntermaassen ausscheidet, so Liegt also die Sache so. dass
Sardur, der Sohn des Lutipris, aus irgend welchen Gründen die zu dem Bau
einer den Bafen der Burg von Van schützenden Mauer erforderlichen mächtigen
Quadern von einer weit entfernten Stadt Alniun herholen Hess. Fs liegt hier also
ein in gewisser Hinsieht analoger Bericht vor, wie der in Tiglatpileser's I.
Ännalen, Col. VIII, Z. 11—16, wo der Assyrer erzählt, dass er KA. -Steine, KAL-
TA. -Steine und sadänu-Steine aus den Bergen des Landes Na in geholt und sie
in dem von ihm neu erbauten bit haniri Rammän's niedergelegt habe.
Um Bausteine, bezw. nach altem Brauche (vergl. Xippur!) Material, u. A. zu
event. weiterer Ausschmückung und Ausstattung des Rammän-Tempels zu be-
schallen, brauchte Tiglatpileser I. gewiss nicht nach den so weit entfernten
Nairi -Ländern zu gehen, wobei er den schwierigen Uebergang über die vielen
Gebirgsketten des Antitaurus („16 gewaltige Berge" nennt er, Col. IV, Z. 58—66,
als dabei von ihm überschritten) zu bewerkstelligen hatte: er will aber eben sagen,
dass er sich weder durch die gewaltige Entfernung, noch durch die Schwierig-
keiten des Transports über die Gebirge davon abhalten Hess, die von ihm ge-
nannten werthvollen, bezw. durch irgend eine Eigenschaft (schöne Farbe, grosse
Härte, hervorragende Politurfähigkeit u. s. w.) ausgezeichneten Gesteinsarten her-
beizuschaffen.
Unsere Untersuchung hat also gerade zu dem Resultat geführt, welches Jensen
durch seine Bemerkung: „Nach Van von fernher Steine herbeizuschleppen, hicsse
Wasser in's Meer schütten," von vornherein als absurd, und deshalb ausser Be-
tracht zu lassen, von der Hand gewiesen hatte. Und dass der hier erwähnte Trans-
port von Bausteinen von fernher nach Orten, die wahrlich keinen Mangel an gutem
passendem Baumaterial hatten, weder der einzige Fall gewesen, noch auch auf das
Alterthum beschränkt geblieben ist, beweist u. A. die von Thomas Ardzruni in
seiner .Geschichte <-\^' Ardzruniei -, 111. § 371) berichtete Thatsache, dass König
Gagik von Armenien die Steine zum Bau der Kathedrale auf der Felsen-Insel
Agthamar aus dem tief im Süden in der Provinz Aghdznik' gelegenen Dorfe
Kotom herbeischaffen und sowohl über die hohen Gebirge, wie auch über den See
transportiren I
Die armenischen Schriftsteller liefern uns aber noch weitere derartige Fälle
von weiten Transporten von Bausteinen, darunter auch solchen nach Tus-
pai na )- V an.
So erzählt Thomas Ardzruni, 111. §29"), dass König Gagik Ardzruni am
Fusse des n iird liehen Abhanges des V an- Felsens eine Kirche. St. Zio
nannt. erbaute aus in der Stadt Manazav (= Melasgert)3) behauenen Steinen! Er hatte
übertragen; derartigen cultisch-rituellen brauchen (Uebertragung des Heerdfeuers, dar
Heimatherde begegnen wir ja bei Umsiedelung und Colonisatdon auch sonst C. I..
1) Br ' 11. ction d'historiens Armeniens, I, p. 289. p. 334 der armenischen Aus-
gabe, Constantinopel»1852. C. L
2) Ebenda I.e. p.204. S.288 des armenischen Druckes. C. L.)
3 I eber diese sichere Identification vergleiche Brosset 1. ... p.204 aach Indjidjean,
Armenie ancienne, p. 183, 5\
(308)
dieselben also zunächst etwa 80 — 100 km über Land bis zum Ufer des Sees zu
transportiren und dann mit Schiffen nach Van zu schaffen. Und in demselben
Capitel1) erzählt er weiter, dass Gurgen Ardzruni, Gagik's Bruder, in der
weit südöstlich im Gebirge belegenen Stadt Adamakert (Canton Gross-Aghbag)
ebenfalls eine schöne Kirche erbaute, für die er die Hausteine theilweise eben-
falls aus Manazav-Melasgert bezog, wobei er für den Transport derselben von
Van bis zur Baustelle erst noch einen besonderen Weg durch das wilde
Gebirge anlegen musste.
Aus diesen Thatsachen ist zu entnehmen, dass die im Bereiche der Stadt
Manazav-Melasgert vorkommenden Gesteinsarten besonders geschätzt waren für
die Herstellung behauener Steine, welche zum Bau monumentaler Gebäude u. s. w.
dienen sollten. Die Möglichkeit, dass Sardur von hier seine Steine kommen
Hess, ist nicht von der Hand zu weisen, und bei der Länge des Transportweges
würde die Erwähnung dieser Thatsache in seinen beiden Inschriften gerecht-
fertigt sein. Eventuell also könnte Ainiun der ursprüngliche Name von Manazav-
Melasgert sein; Aufschluss darüber werden uns vielleicht die in jener Gegend
vorhandenen Keil-Inschriften ergeben. Eine derselben ist kürzlich von Seh eil2)
veröffentlicht worden; sie enthält den Namen der Stadt nicht, besagt aber, dass
Menuas die dortige Burg neu aufgebaut habe, wodurch das sehr hohe Alter
dieser Stadt erwiesen ist und meine früher geäusserte Ansicht, der armenische
Name derselben, Manasgert oder Manavazgert, hänge mit dem Namen Menuas
zusammen, an Wahrscheinlichkeit gewinnt. —
(33) Hr. H. Meyer schickt, d. d. Haarstorf bei Ebsdorf, Hannover, unter dem
29. April einen Bericht über die
Ausgrabung von Hügelgräbern in der Haarstorfer Feldmark.
Wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" erscheinen. —
(34) Hr. H. Meyer berichtet unter dem 1. Juni über
Funde auf dem langobardisch-sächsischen Friedhofe bei Nienbüttel,
Kreis Uelzen.
Wird gleichfalls in den „Nachrichten" gedruckt werden. —
(35) Hr. P. W. K. Müller bespricht
neuere japanische Sachen.
(36) Neu eingegangene Schriften:
1. Vorgeschichtliche Steindenkmäler in Schleswig-Holstein. Als 32. Bericht der
Schleswi^-Ilolstein-Lauenb. Gesellschaft für die Sammlung und Erhaltung
vaterländischer Uterthümer. Kiel 1872. Gesch. d. Hrn. M. Bartels.
2. Wenge, Walter. Zeitschrift für Criminal-Anthropologie, Gefängniss-Wissen-
Bchaft und Prostitutionswesen. I. 1. Berlin 1897. Gesch. d. Heraus-
gebers.
3. v. Hellwald und F. Ule, Dir Erde und ihre Völker. Lider. 15 — 19. Berlin
1897.
1) Brossel 1. c. p. 20"! , . de armenischen Druckes. C. L
2 Recneil, XVIII, p. 75-77.
(309)
4. Travaux de la Societe Imp. des Naturalistes de St. Petersbourg. Vol. 27. Livr. 1.
Nr. 6 — 8. Comptes rendus des Seances. Armee 18ü6. St. Petersbourg 1897.
5. Dasselbe, Pasc. 2. Section de Botanique. St. Petersbourg 1897. (Russisch.)
Nr. 3 — 5 durch Hrn. R. Virchow.
6. lläntzschel, C. R., Reise-Handbuch für Amateur-Photographen. Halle a. S.
1896. Gesch. d. Verlagshandlung.
7. Zbornik za narodni /.ivot i Obicaje juznih Slavena. Na svijet izdaje Jug.
Akadera. znanosti i umjetnosti. Svezak 1. U Zagrebu 1896. Gesch. d.
Akademie in Agram.
8. del Paso y Troncoso, F., Die Anahuacschen Handschriften und II manoscritto
Messicano Vaticano 3773, edizione del Duca de Loubat. Roma 1896.
Gesch. d. Herzogs v. Loubat in Paris.
9. R. Andree's Hand-Atlas. Bielefeld und Leipzig 1881. Gesch. d. Frau
Sanitätsrath Schlemm.
10. Coppernicus -Verein. Sitzungsbericht vom 3. Mai 1*97. Thorn 1897. (Ost-
deutsche Zeitung Nr. 108.) Gesch. d. Vereins.
11. Giuffrida-Ruggeri, V., Intorno all1 accavallamento delle arcate dentarie e
alla profatnia inferiore. Reggio-Emilia 1897. (Rivista Sperimentale di
Freniatria.) Gesch. d. Verf.
12. Colin i, G. A., Seghe e coltelli-seghe italiani di pietra. Parma 1896. (Bullet.
d. paletnol. italianu.) Gesch. d. Verf.
13. Tonduz, A., Flora de Costa Rica. San Jose de Costa Rica 1897. Gesch. d.
Verf.
14. Underwood, C. F., Fauna de Costa Rica. San Jose de Costa Rica 1897. (Nr. 13
u. 14: Primera exposicion Centroamericana de Guatemala.) Gesch. d. Verf.
15. Orsi, P., Esplorazioni archeologiche in Noto vecchio. Roma 1897. (Notiz.
d. Scavi.) Gesch. d. Verf.
16. Fewkes, J. W., Preliminary account of an expedition to the Cliff villages of
the Red Rock country. Washington 1896. (Smithsonian Report.)
17. Derselbe, The Tusayan ritual. Washington 1896. (Smiths. Report.)
Nr. 16 u. 17 Gesch. d. Verf.
18. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 11. u. 12. Liefer. Berlin 1897. Gesch.
■ I. Verf.
19. Bolsius, H., De Aap-Mensch op het congres te Leiden. Utrecht 1896.
20. Derselbe, Darwiniana. Utrecht 1897. (Nr. 9 u. 10 sind Studien op G
dienstig, Wetenschappel. en Letterk. gebied.)
Nr. 19 u. 20 Gesch. d. Verl.
21. Kröhnke, 0., Chemische Untersuchungen an vorgeschichtlichen Bronzen
Schleswig-Holsteins. Kiel 1897. (Dissertation.) Gesch. d. Verf.
22. Boas, F., The Decorative Art of the Indians of the North Pacific <
\r« York L897. (Bull. Amer. Mus. of Natur. History. Gesch. d. Verf.
23. Brinton, D. G., Maria Candelaria. Philadelphia 1S97. Gesch. d. Verf.
24. Lenz, R., Estudios Araueanos VI . VII. Santiago de Chile 1896/97. Anales
de la Universidail de Chile.) Gesch. d. Verf.
25. Ehrenreich, P., Anthropologische Stadien über die ürbewohner Brasiliens,
vornehmlieh der Staaten Matto Grosso, Goyaz and Amazonas (Purus-
Gebiet). Braunschweig 1897. Gesch. d. Verf.
26. de Baye, Baron. Notes bot les Votiaks pai'ens des Gouvernements de Kasan
et de Viatka (Russie). Paris 1897. (Revue des Traditions populaires.)
Gesch. d. Verf.
(310)
27. Catalogue of the Bound Books in the Library of the Hawaiian Historical
Society. Honolulu 1897. Gesch. d. Gesellschaft.
28. Observaciones meteorolögicas de San Salvador durante el mes de Enero de 1897.
San Salvador, o. J. Gesch. d. Observatoriums zu San Salvador.
29. Zi'brt, C., Rychtäfske pravo, palice, kluka. v Praze 1896. (V^stnik c.
spolecnosti nauk.) Gesch. d. Hrn. R. Virchow.
30. Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. II. 3. Wien, o. J.
31. Lindenschmit, L, Sohn, Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit. IV. 11.
Mainz 1897.
.12. Roskoschny, H., Russisch-deutsches Wörterbuch. Berlin, o. J.
33. 34ster Kieler Alterthumsbericht. Kiel 1874.
Nr. 30 — 33 sind angekauft.
34. Glassberg, A. , Die Beschneidung in ihrer geschichtlichen, ethnographischen,
religiösen und medicinischen Bedeutung. Berlin 1896.
35. Blumenbach, J. F., Abbildungen naturhistorischer Gegenstände. 1. Heft.
Nr. 1—10. Göttingen 1796.
36. Camper, A. G. Peter Camper's Vorlesungen, gehalten in der Amsterdamer
Zeichen-Akademie. Aus dem Holländischen übersetzt von G. Schaz.
Berlin 1793.
Nr. 34-36 Gesch. d. Hrn. M. Bartels.
37. Schulze, Pedor. Oost-Java en Madoera. Handboek voor Reizigers. Batavia
1897. Gesch. d. Verf.
38. Treichel, A., 17 Separat- Abdrücke von Mittheilungen aus dem Gebiete der
Botanik, Zoologie, Vorgeschichte und Volkskunde aus verschiedenen Zeit-
schriften. Gesch. d. Verf.
39. Turner, W., Early man in Scotland. London 1897. (Royal Institution of
Great Britain.) Gesch. d. Verf.
Sitzung vom 17. Juli 189^ .
Vorsitzender: Hr. K. Virchow.
(1) Als Gast anwesend Hr. Minovici aus Bukarest. —
(2) Die Reihen unserer alten correspondirenden Mitglieder lichten sich mehr
und mehr. Jetzt ist einer aus der ältesten Serie von 1871 dahin geschieden:
Johannes Japetns Smith Steenstrup, emeritirter Professor der Zoologie in Kopen-
Zur Zeit, als die internationalen Congresse für prähistorische Archäologie
und Anthropologie das Interesse aller Gebildeten für die Kunde der grossen Ent-
deckungen auf diesem weiten Gebiete erregten, stand er schon im Zenith seines
Ruhmes. Sein Name war mit der Erforschung der dänischen Kjükkenmoddinger
verknüpft; er hatte die Waldmoore von Seeland ausgegraben und deren Bedeutung
für die Entw ickelung der ältesten Flora und für das Erscheinen des Menschen
dargelegt; die reichen Sammlungen diluvialer Thierreste im Kopenhagener Museum
bildeten die Grundlage für eine genauere Bestimmung der vorhistorischen Thier-
reste; er war es, der die strengere Methode der Naturwissenschaft in die Dis-
cussion der Congresse einführte. Ueberall, wo es galt, die Fragen nach dem
ältesten Vorkommen von Zeugnissen menschlicher Thätigkeit zu entscheiden, war
er persönlich betheiligt. So namentlich noch, als er im hohen Alter nach Mähren
eilte, um die Mammuthjäger auf ihre Authenticität zu prüfen. Dabei wurde er nicht
müde, jedem ernsten Forscher auf diesem Gebiete Rede und Antwort zu stehen,
Belehrung und Material zu eigener Untersuchung zu bieten. Für alle Zeiten wird
er als ein Vorbild unabhängigen und bewussten Strebens, als ein Träger sicherer
und umfassender Xaturkenntniss in der Erinnerung unserer Genossen erhalten
bleiben. —
Von unseren ordentlichen Mitgliedern starben Dr. Boer in Berlin, einer
unserer treuesten und bescheidensten Helfer /- 11. Juli), und Dr. Schweitzer in
I h • -den. —
Am 6. -luli ist zu Heidelberg der Verlags -Buchhändler Karl Groo> -
nach längerem Krankenlager im 7s. Lebensjahre sanft verschieden. Er war Schatz-
meister der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, als unser nun schon lange
im Grabe liegender Freund Alex. v. Frantzius General-Secretär war. Wir sahen
ihn noch vor Kurzem auf einem unserer Congresse. —
Am 15. Juli ist Will. Thierry Preyer, früher Professor in Jena, zuletzt in
Berlin, im Alter von 56 Jahren nach langem, schwerem Leiden m Wiesbaden ge-
storben. Schon seine ersten Arbeiten auf dem Gebiete der feineren Anatomie und
der Physiologie hatten ihn geduldigen und geschickten Beobachter gezeigt; Für das
sere Publicum gewann er eine besondere Bedeutung durch die sorgfältigen Auf-
zeichnungen, die er bei >emcm eigenen Kinde über die ersten Regungen der
geistigen Thätigkeit niedergeschrieben hat. —
(312)
(4) Als neue Mitglieder werden gemeldet:
Hr. Lehrer Hermann Grosse in Berlin.
„ Dr. med. Georg Bleyer in Tijucas, Estado de Santa Catharina,
Brasilien.
(5) Hr. Delorme, früherer Minister der Republik Haiti in Berlin und ordent-
liches Mitglied der Gesellschaft, z. Z. in Brüssel, ist von dem Vorstande und Aus-
schusse zum correspondirenden Mitgliede erwählt worden. —
(ß) Vom 9. bis 14. August wird ein Congres d'hygiene et de climatologie
medicale de la Belgique et du Congo in Brüssel abgehalten werden. Die
Einladung und das Programm werden vorgelegt. —
(7) Die General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft wird vom 2. bis 5. August in Lübeck, am 6. in Schwerin, am 7. in
Kiel tagen. —
(8) Das Orient-Comite in Berlin hat sich nach einer Benachrichtigung
vom 30. Juni reconstruirt. Der neue Ausschuss besteht aus den HHrn. Richard
v. Kaufmann, James Simon, Rud. Virchow, Hugo Winckler und Georg
v. Bleichröder (Schatzmeister). Es wird beabsichtigt, die früheren Ausgrabungen
in Syrien bei gelegener Zeit wieder aufzunehmen und eine neue Exploration in
Mesopotamien auszuführen. —
(9) Die Gesellschaft hat am 27. Juni eine anthropologische Excursion
nach Brandenburg a. H. und Butzow unternommen. Die Ausgrabungen auf
dem von früher her bekannten Gräberberge bei Butzow haben zahlreiche Beigaben
geliefert. Da es sich um Brandgräber handelte, so waren bestimmbare Menschen-
knochen nicht zu gewinnen, dagegen wurden Todtenurnen, Geräthe aus Bronze und
Eisen in denselben Formen, wie früher, gefunden.
Hr. Gustav Stimm ing hat zur Ansicht zwei wohlgefüllte Mappen mit vor-
trefflich ausgeführten Zeichnungen eingesendet, welche Funde aus einer grösseren
Zahl von Gräbern in der Umgebung Brandenburg^ wiedergeben. Dieselben sollen
als Fortsetzung des früheren, von den HHrn. A. Voss und G. Stimming heraus-
gegebenen Atlasses veröffentlicht werden. —
Hr. M. Bartels zeigt wohlgelungene Photographien von der Excursion. Ebenso
hat Hr. Erwin Müller eine Reihe vortrefflicher Moment-Aufnahmen hergestellt. -
Hr. Stadtnah Kränkel in Brandenburg hat 3 photographische Aufnahmen des
romanischen Capitells von der Hauptsäule der Krypta des dortigen Doms ge-
schenkt. —
(10) Am 22. Juni hat die Gesellschaft die Transvaal-Ausstellung am
Savigny-Platz unter Leitung des Hrn. Ohnefalsch-Richter besucht. Mit grossem
Interesse wurden die dort aufgeführten Gebäude und das bunte Gemisch von Leuten
der verschiedensten Stämme beschaut.
Hr. M. Bartels bat folgendes Verzeichniss der letzteren aufgenommen: 6 Cap-
Mädchen (Mischlinge;. 1 Farmer mit Frau und 2 Kindern, 1 Missionar, 1 Boer mit
Frau und 6 Kindern, 1 Bottentottin mit Kind, 2 Zulu-Mädchen, 47 Basuto (darunter
25 christliche), 4 Bawenda, 6 Maquamba, 1 Swazi, 24 Hindu aus Natal.
Mit besonderem Interesse wurden die christianisirten Eingebornen und die
intelligente Leitung derselben durch ihren deutschen Schulmeister beobachtet. -
(313)
(11) Am -1\\. Juni führte der Director des Passage-Panopticums, Hr. Neumann,
die sogenannten Kinder der Wüste, angeblich Einwohner der Sahara, vor. Nach
der Aussage des Impresario waren es Beduinen der Oase Tugurt, Tuaregs aus
Dargla, Frauen aus Biskra und marokkanische Schlangenbeschwörer. Die Leute
machten ihre Sachen recht geschickt. Die Sicherheit, mit welcher die Frauen den
„Bauchtanz" ausführten und bei geringer Anspannung der Muskeln die Bauch-
Eingeweide hin- und herwälzten, erregte grosses Erstaunen. —
Hr. M. Bartels legt Photographien der Leute vor. —
(12) Hr. A. Bässler sendet aus Papeete, 11. Mai, folgenden neuen Bericht
über seine
polynesische Reise.
Bei einem zweiten Besuche der Cook-Inseln habe ich auf Mangaia
vergl. meinen Brief vom September 1896 - in einigen neu aufgefundenen Höhlen
folgende, von hier abgehende, vorzüglich erhaltene Schädel erhalten: In der Nahe
von Oneroa in einer Höhle Namens Kauwawa: Nr. 130 130 und Nr. 13] 131;
in der Nähe von Tamarua in einer Höhle Namens Uko: Nr. 132/132, 133. 134;
in einer Höhle Namens Ruanau: Nr. 135/135, 136/136, 137/137, 138/138. —
Nr. 1>7 und 138 waren zusammen bestattet.
Von den Gesell seh afts-Ins ein kann ich heute leider keine Schädel bei-
fügen. Drei in Tahiti besuchte Höhlen wiesen keine Schädel auf. In einer
gelang es nur, etwa 100 m weit vorzudringen, doch war der Gang dann durch
herabgefallenes Gestein verschüttet. Nach Aussage alter Leute sollen sich weiter
hinten drei Räume befinden, in deren einem einst Männer, im zweiten Frauen und
im dritten Kinder beigesetzt worden waren.
Bei einem Versuch, aufMoorea zu einer Höhle emporzuklimmen, die sich in-
mitten einer hohen, senkrecht steilen Felswand befand, bin ich leider, gerade als ich
die Höhle mit den darin ruhenden Schädeln zu Gesicht bekam, durch Nachgeben
des vom Regen gelockerten Gesteins abgestürzt, wodurch die weiteren Nach-
forschungen zu einem plötzlichen unfreiwilligen Stillstand gelangten. Ich werde
aber versuchen, auch diese Schädel für die Wissenschaft zu retten, sowie ich nur
erst wieder gehen kann. —
Der Vorsitzende wünscht dem fleissigen und sonst so glücklichen Forscher
schnelle Genesung. —
(13) Hr. W. Krause berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden ans
Adelaide, 25. Mai, über seine
weitere Heise im Osten.
Am heutigen Tage bin ich in Adelaide glücklich angekommen. In Ceylon sah
ich. ausser den Wundern tropischer Vegetation, Tamilen und Singhalesen; erstere
fallen durch ihre Nasenbreite auf; \.m letzteren bringe ich eine Haarprobe mit.
Die kleinen Dörfer der Singhalesen und die Süll-Leben darin fand ich höchst
interessant. An die Rikshaws, die von einem Manne gezogenen zweiräderigen
Karren, gewöhnt man sich leicht; merkwürdig genug nehmen sich dazwischen die
weissen Y'elociped-Fahrcrmnen aus. In Colombo lernte ich ein Mitglied des
dortigen Parlaments kennen. Ceylon hat ausgedehnte Selbstverwaltung, grosse Zei-
tungen und ein Wahlsystem, das, wie es scheint, mehr die Nationalitäten, als die
Religionen, zur proportionalen Vertretung zu bringen strebt. Leider sind die
(314)
Weddah's darin zur Zeit noch unvertreten, sonst könnte man sie bequemer studiren:
ich kaufte ein Paar sehr schöne Photographien von Männern.
In Albany, an der Südwestecke von Australien, sah ich den ersten Schwarzen,
Portier an der Eisenbahn- Station. Einen anderen schwarzen Eisenbahn -Arbeiter
redete ich englisch an, aber zu meinem Erstaunen antwortete er in fliessendem
Französisch, er sei kein Australier, sondern von der Insel Mauritius. Mit solchen
Leuten muss man vorsichtig sein: meist sind es von Neu-Caledonien entlaufene
Sträflinge, bei deren Flucht die französischen Behörden ein Auge zudrücken; sie
sind froh, wenn sie diese Leute loswerden. Interessant waren Quarzstücke mit zahl-
reichen Goldadern, von der Breite eines Zolles, aus den Minen von Koolgarie, die
ein Passagier mit sich führte.
Sehr merkwürdig ist die feierliche lautlose Stille, die sofort eintritt, wenn man
allein in den australischen Busch mit seiner Vegetation gelangt. Sie erinnerte an
die Ruhe im Hochgebirge oder im Luft-Ballon. Von dem Erdbeben in Adelaide,
am 17. Mai, haben wir unterwegs nichts bemerkt.
In Adelaide sah ich das Skelet eines Falles von Myositis ossificans, welchen
mein Freund, Professor der Anatomie Watson daselbst, früher beschrieben hat;
er betrifft einen englischen Australier. Die Fascia lumbodorsalis unterhalb des
M. trapezius war beiderseits in eine grosse Knochenplatte umgewandelt, ebenso
waren der M. serratus posterior inferior rechterseits und der rechte M. deltoides
verknöchert.
Sie erhalten diesen Brief über Melbourne, wohin ich mich zunächst begeben
habe. —
(14) Hr. R. Virchow übergiebt für das Photographie-Album der Gesellschaft
ein Bild des verstorbenen Mitgliedes H. Eyrich (vergl. S. 83). —
(15) Hr. M. Bartels theilt mit, dass der um die Forschung auf dem Gebiete
der ungarischen Urüscherei, der Urjaijd und des Urhirtenwesens hochverdiente
-Chef der ungarischen ornithologischen Centrale," Herr Otto Herman in Budapest,
ihm die erfreuliche Anzeige gemacht hat, dass die königl. ungarische Regierung
für die Fortsetzung der Forschungen über die „Urbeschäftigungen" jährlich 3000 fl.
bewilligt habe und dass die Arbeiten am 1. October d. J. beginnen sollen. —
(IG) Hr. W. Radioff theilt in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Martyschkino bei Oranienbaum vom 15./27. Juni mit, dass er seine endgiltige Bear-
beitung der alttürkischen Inschriften beendigt und ein Exemplar derselben
für die Bibliothek der Gesellschaft hat absenden lassen. —
(17) Der Vorsitzende berichtet, unter Verweisung auf die Mittheilungen
S. 122, über den Portgang der Unterhandlungen über den
Schlossberg bei Burg au der Spree.
Der Herr CJnterrichts-Minister übersendet unter dem 24. Juni folgende Acten-
-üieke:
1. Abschrift 'les Protokolls über den am 1"2. April in der Sache abgehaltenen
Localtermin:
Anwesend Seitena des Königlichen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts-
uml Medicinal- Angelegenheiten: Geheimer Ober-Regierungsrath Persius, Geheimer
Regierungsrath v. Moltke, Director der vorgeschichtlichen Abtheilung des König-
315)
liehen Museums zu Berlin Dr. Voss, Pronncial-Conservator für Brandenburg,
Landes-Baurath, Geheimer Baurath Bluth: Seitens des Königlichen Ministeriums
der öffentlichen Arbeiten: Geheimer Ober-Regierungsrath Francke, Geheimei
Baurath \. Dömming; Seitens der Königlichen Regierang zu Frankfurt a. Ü.:
Geheimer Regierungsrath Baudouin, Geheimer Baurath Kröhnke; als Vertreter
des Kreises Cottbus: Landrath Freiherr v. Wackerbarth; als Vertreter des Kri
Lübben: Landrath Graf von der Schalenburg; Seitens der Königlichen Eisen-
bahn-Direction Halle a. S.: Regierangs- und Baarath Bischof, Regierungs-Assessor
Kasak; endlich der Unternehmer Becker.
Zwecks Erörterung aber die Zulässigkeit der von dem Unternehmer einer
Kleinbahn Lübben-Byleguhre-Burg-Werben-Cottbus in Aussicht genommenen Durch-
Bchneidnng des Schlossberges bei Burg hatten sich die Vorbezeichneten heute
nach dem Schlossberge begeben. Seine vom Unternehmer beabsichtigte Durch-
schneidung' war abgesteckt. Die Commissare der vorstehend angegebenen Central-
Btellen waren übereinstimmend der Ansicht, dass durch eine, gemäss dieser Ab-
steckung ausgeführte Linie, welche den Berg auf seiner westlichen Seite ungefähr
100 in von dem westlichen Fusse durchschneiden würde, die äussere Gestaltung
dieses altehrwürdigen Denkmals der Vorzeit wesentlich beeinträchtigt werden
würde und dass es sich deshalb wohl rechtfertigen lassen dürfte, die landes-
poiizeiliche Genehmigung für die abgesteckte Linie auf Grund der Ziffer 2 des §4
des Kleinbahn-Gesetzes vom 28. Juli 1892 zu versagen.
Weiter wurde allseitig anerkannt, dass eine in östlicher Richtung um den
Schlossberg an dessen östlichem Fusse anzulegende Linie wegen der sich aus der
( »ertlichkeit und der Kostspieligkeit der Ausführung ergebenden Schwierigkeiten
nicht wohl in Betracht kommen könne. Es wurde deshalb in eine Erörterung über
eine Linie eingetreten, welche unter Vermeidung jedes Einschnittes des Schloss-
berges in westlicher Richtung herumzuführen sei. Der Unternehmer und der
Landrath Graf von der Schulenburg erklärten indessen übereinstimmend, dass
durch diese Linienführung die Kosten des Bahnbaues, da dann die sehr be-
deutenden, zur Aufschüttung des Bahnkörpers über die niedrig belegenen Wiesen
erforderlichen Erdmassen aus weiter Entfernung herangeschafft werden müssten,
um 20- bis SOOÖÖMk. erhöht werden würden und dass dann der ohnehin wenig
leistungsfähige Kreis Lübben, auf dessen Kosten die Kleinbahn hergestellt werden
solle, übermässig belastet werden würde.
Diese Begründung erschien nicht ungerechtfertigt. Es ist ausserdem zu berück-
sichtigen, dass der gesummte Schlossberg sich im Frivat-Eigenthum befindet, dass
der Unternehmer nach seiner glaubwürdigen Angabe sich ein Vorkaufsrecht daran
gesichert hat und dass eine gesetzliche Bestimmung, auf Grund deren die Ent-
nahme von Erde aus (lern Schlossberge gehindert werden könne, nicht besieht.
Eine Gewähr dafür, dass der Schlos ffenn die Kleinbahn um ihn herum-
geführt wird, dauernd in seinem gegenwärtigen Zustande erhalten bleibt, ist mithin
nicht gegeben.
\uv diesem Grunde wurde erwogen, ob es nicht angängig sei, die Kleinbahn
an einer Stelle durch den Schlossberg zu leiten, welche /war dem Unternehmer
die Entnahme von Erdmassen aus ihm gestattet, gleichwohl aber seine (iesammt-
erscheinung thunlichst wenig zu beeinträchtigen geeignet ist und den Bestand des
is dauernd sichert. Eine Lösung nach diesen Richtungen gewährt der l in-
stand, dass die Umwallungen des Berges in der Richtung von Nord nach Süd an-
scheinend zwecks Ausfüllung des Innern des Burgwalles so stark und in solcher
Breite abgetragen sind, dass die Conturen des Beiges daselbst im Norden und
(316)
Süden völlig verwischt und an Stelle der Umwallungen leicht ansteigende Böschungen
getreten sind, über welche ein Fahrweg führt. Auf die Erhaltung dieses Theiles
des Schlossberges in seinem gegenwärtigen Zustande ist daher kein Werth zu
legen. Dementsprechend erscheint es unbedenklich, die Kleinbahn an dieser Stelle
— also in einer Entfernung von ungefähr 55—60 m in östlicher Richtung von der
vorgedachten abgesteckten Linie — durch den Schlossberg hindurchzuleiten und
dem Unternehmer die Entnahme von Erde auf der zu durchschneidenden Strecke
unter der Bedingung zu gestatten, dass er Sicherheit bezüglich der dauernden Er-
haltung der übrigen Theile des Schlossberges in seinem gegenwärtigen Zustande
bestellt. Der Unternehmer hat sich bereit erklärt, auf diese Bedingung ein-
zugehen. Zur Beglaubigung (gez.) Prancke.
2. Abschrift der darauf erlassenen Verfügung vom 1. Mai:
Bei Anschluss einer Abschrift der Niederschrift über das Ergebniss der
commissarischen Berathung vom 12. v. Mts., betreffend die Zulässigkeit der vom
Unternehmer der projectirten Kleinbahn Lübben-Byleguhre-Burg-Werben-Cottbus
beabsichtigten Durchschneidung des Schlossberges bei Burg, erklären wir uns mit
dem Vorschlage, nach welchem die Linie der Kleinbahn in einer Entfernung von
ungefähr 55—60 m von der nach den Projectzeichnungen in Aussicht genommenen,
in dem Localtermin durch Absteckung ersichtlich gemachten Linie durch den
Schlossberg hindurchzuleiten ist, unter der Voraussetzung einverstanden, dass der
Unternehmer zwar an der Entnahme von Erde auf der hiernach auszuführenden
Strecke nicht zu hindern ist, indessen Sicherheit bezüglich der dauernden Er-
haltung der Gestaltung der übrigen Theile des Schlossberges im gegenwärtigen
Zustande zu leisten hat. Ob die Sicherheit durch Bestellung einer Caution oder
durch grundbuchliche Eintragung auf den sämmtlichen zum Schlossberge gehörigen
Grundstücken zu Gunsten des Fiscus zu bewirken ist, überlassen wir Ihrer Ent-
scheidung.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten: Im Auftrage (gez.) v. Zedlitz.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten:
Im Auftrage (gez.) Schöne.
An den Königlichen Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Puttkamer,
Hoch wohlgeboren, zu Frankfurt a. 0.
(18) Hr. H. Jentsch übersendet aus Reichenhall, 15. Juli, folgende zwei
Berichte über
Funde aus römischen Wohnstätten unter dem Zwiesel in Ober-Bayern
und Neolithisches von Au bei Hammerau, Bezirk Traunstein.
I.
Zu den Funden aus römischen Brandgräbern, die Hr. v. Chlingensperg-
Berg auf einem der östlichen Vorberge des Zwiesels bei Reichenhall geöffnet
hat, sind von Hrn. Kaufmann Joseph Maurer, dem glücklichen Entdecker jenes
Grabfeldes, von dem er 19 Grüfte ausgehoben hat1), in der geringen Entfernung
von 40 m die Reste der Wohnungen ermittelt worden, und zwar sind bis jetzt
:; Hausstätten festgestellt, von deren einer die Fundamente vortrefflich erhalten
sind. Hr. Maurer, der in früher Jugend für die Aufsammlung vorgeschichtlicher
1) Der Inhalt befindet Bich im Miinckener National-Museum , wie die Grabfunde des
Hrn. v. Chlingensperg, von ihm veröffentlicht Braunschweig 189G; vgl. Globus, Bd. 70,
S. 40. — Münchener Allgem. Zei . L895, Beil. 9.
(317)
Niederschläge interessirt worden ist, hat mit grosser Sorgfalt und mit, durch lange
Uebung geschultem Blick die Ausgrabung vorgenommen und die einzelnen Stücke
genau verzeichnet. Die reiche Ausbeute, die er in und bei den Hausstellen ge-
wonnen hat, — ein bisher vor den Blicken Fremder streng gehüteter Besitz, — ist
mir durch seine Güte in ihrem ganzen Umfange bekannt geworden; auch hat er mich
an Ort und Stelle über die Lage der Wohnräume und der gefundenen Stücke ein-
gehend unterrichtet, wofür ich ihm hier verbindlichsten Dank sage.
Die Siedelung liegt am Westrande des vormals jedenfalls wasserreicher ge-
wesenen Saalach-Thales, von Salzburg etwa 20 km weit nach Westen vorgeschoben.
Der Gaisberg ist von jenem Zwiesel-Ausläufer deutlich erkennbar. Das grosste der
Häuser hat, von SSW. nach ONO. gerichtet, eine Längsausdehnung von 19. eine
Breite von 15,85m. Die Grundmauern sind im Boden 40 — 70cm hoch erhalten:
sie sind nach genauer Aufnahme') und Durchsuchung wieder mit Erde bedeckt
worden. Die Wohnräume und Schlafzimmer im NW. und SO., rechts und links
vom Atrium gelegen, ruhen auf zwei mittleren und je einer seitlichen Längsreihe von
5, bezw. 6 Pfeilern mit quadratischem Durchschnitt (Grundlinie 40 cm), und sind bis
zur Höhe von 40 cm erhalten. Hier befinden sich Hypokausten, deren Wände zum
Theil aus Tuffstein bestehen, welcher in der nächsten Umgebung gebrochen wurde.
Von den aufsteigenden Röhren sind viele Bruchstücke vorhanden, deren Aussen-
kanten abgerundet sind, deren Oberfläche mit rostralartigen Geräthen gefurcht ist,
um den Bewurf leichter festzuhalten. 5 m vom Hauptgebäude nach N. entfernt
lag das 3,60 m lange, 'i m breite Bad, dessen Fussboden ein etwa 4 cm dicker,
rother Estrich bedeckte. Auch von dem ebenfalls rothgefärbten Wandbewurfe
sämmtlicher Räumlichkeiten, wie von den etwa 2 cm dicken Dachziegeln sind viele
Brocken und Platten erhalten. - In 3 m Entfernung lag östlich das zweite Ge-
bäude, das zum grössten Theile zerstört war, doch noch in Länge von 8 und
in Breite von 4 m aufgedeckt werden konnte; das dritte war, 15 m weiter südlich,
nur noch in Spuren des Mauerwerks erkennbar. — Westlich von dem ersten Bau
ist die jedenfalls schon in alter Zeit benutzte Quelle wieder erschlossen worden,
die, zwischen jenem Gebäude und dem Bade fortgeleitet, ihr Wasser an einen
nordwärts rinnenden Bach abgiebt, aus dessen Uferrändern wir mehrere Thon-
scherben herauslösen konnten.
Deren Gesammtzahl ist sehr beträchtlich. Viele haben sich wieder zu Ge-
lassen zusammenfügen lassen. Sie sondern sich in 3 Arten. Die Gebrauchs-
ge fasse sind schwarzgrau, meist aus grober, körniger Masse hergestellt nur zum
Theil aus geschlemmtem Thon, dann fest und glatt. Alle sind, wie die wage-
rechten Innenfurchen zeigen, auf der Töpferscheibe geformt. Bei nicht wenigen,
auch sehr dicken, ist das Material mit Graphit durchknetet. Die Form ist schlicht:
ein 30 cm hoher Topf z. B. ist über der mittleren Böhe massig ausgewölbt und
schliesst, unter dem Ramie eingezogen, mit verdicktem Saume ab; bis auf den
glatten obersten Streifen ist die Oberfläche durch senkrechte Furchen, die mit
einem mehrzinkigen Geräthe gezogen sind, rauh gemacht, wie oft auch bei nord-
deutschem Geschirr der provincial-römischen Zeit. Bin zweites, schlankeres G
öffnet sich über dem Boden 9 cm Durchmesser) konisch, wölbt sich dann in
Böhe von 8 cm massig aus, ist anter dem Rande gleichfalls eingezogen und sei
nach aussen gebogen mit einer 16 cm weilen Oeffnung. Gleich der Form erinnert auch
die Verzierung dieses, wie zahlreicher anderer Gefässe, an die Wendentö]
nordischen Rundwälle (Fig. I). Sie besteht nehmlieh bei jenem Exemplar in einer
1) Ein Modell im Verhältniss 1 :40 ha1 Kr. Maurer hergestellt
(318)
siebenzeiligen Wellenlinie mit flaehen Curven unterhalb des Randes. Nicht selten
ist dies Ornament in Bogen aufgelöst, deren Enden abwechselnd unter und über
einander greifen, so z. B. bei einer Schüssel von 8 cm Höhe, deren Rand breit-
gedrückt und seicht ausgetieft ist. Bei einem Bruchstücke sind unter dem nach
aussen geklappten Saume, der seitlich scharf abgestrichen ist, zwei Reihen ein
wenig schräg gestellter, nach unten ausgezogener Einstiche als Verzierung ver-
wendet, bei anderen kantige Zickzacklinien: das Wolfszahn - Ornament. Einer
8 cm tiefen Schale sind nur 7 wagerechte, nicht schraubenförmige Furchen ein-
gestrichen. Töpfen ist bisweilen nur unter der Halseinschnürung ein Wulst an-
gelegt. Bei einem weitbauchigen Gefässe war die Auswölbung senkrecht gerippt
(Fig. 2). Blumentopfförmige Bruchstücke Aron 8—10 cm Höhe zeigen auf der Innen-
Fi*. 1.
Fig. 2.
seite des Bodens einen 1 — 1,5 cm hohen Drehzapfen. Eine dicke weisse Schüssel
von 30 cm oberem Durchmesser, mit einer Ausgusstülle versehen, ist auf der Innen-
seite durch dicht aneinander eingedrückte Steinbrocken rauh gemacht und gleicht
daher den gegenwärtigen Reibeschalen. Quer über den Rand läuft, oben und
unten von schrägen, heraustretenden Strichen begleitet, die Stempel-Inschrift
FIR • MEFAVO.
Derartiger Stempel bieten uns \b die Gefässe der zweiten Gruppe, theils
dickwandiger, theils sehr dünn hergestellt aus terra sigillata, Töpfchen und
namentlich Schalen; die Mitte der Innenseite des Bodens zeigt, allerdings
verwischt, wenn diese in die Höhe gedrückt ist, folgende Namen - Stempel :
OF(ficina) PRIMI, OFPGER, . . AIIC . ., QVINTI • M(anibus), . ONGI • M.
. . IIR(oderN)ICI, CIA • ARVIO, . . PRV^, ..VHTM.., . . AETI (die letzteren
beiden Schalen haben im Abstand von etwa 4 cm vom Namen ein dichtes, seichtes,
strahliges Ornament: .. VIA (oder N)I .. V., IPAACIR(?)E(?)CI M (undeutlich,
weil über die buckelartige Mittelerhebung geführt), . . MOICO oder . .NIDICO
(nicht genau in der Mitte); schräg über den 4 cm breiten oberen Streifen der
Aussenwand einer sji en, tiefen Schale läuft so, dass die Köpfe der Buchstaben
nach unten gerichtet ind, die verwischte Stempel-Inschrift .... ARVEX. Ein-
gekritzelt ist dem oberen Aussenrande einer Schale ..SISIA, dem einer anderen
..ATI.., auf der An ite eines Bodens ..M.. Die Aussenwand fast aller
dieser Gelasse der 2. Gruppe trägt Bilderstempel von grösster Mannichfaltigkeit:
Bogen, Guirlandin. Eierstäbc, Blätter, Thier- und Menschengestalten, z.B. kämpfende
Gruppen. Auch ein bohler Vogel, 5 cm lang, 6 cm hoch, ist aus dieser feinen
rothen Masse hergestellt.
Spärlicher vertreten i-t dir dritte Gefässart, durchweg sehr dünnwandig, im Brache
roth, aussen schwarz, verziert mit aufgepressten Arabesken und Blumengruppen.
(319)
Nicht minder zahlreich, als die Thonscherben , Bind die aus gelblichem und
grünlichem (Hase, deren einer, entweder aus dem Boden einer Flasche oder,
senkrecht gestellt, aus deren kantig abgesetzter Seiten wand heraustretend, die In-
schrift . . BLICJ und darunter einige schmäh- Blätter zeigt Andere gehören zu
zierlichen Bchälchen, Benkelfläschchen und flachen Tellern mit ausgelegtem Rande.
Von "Wirthscbaftsgeräthen ist ferner eine mörserartige Steinmühle in Höhe von
35 — 4(i cm erhalten, ein kreisförmiger, durchbohrter Mühlstein von 60 cm Durch-
messer, von Metall, und zwar aus Eisen: viele Messer, zum Theil von be-
trächtlicher Grösse und Breite, längere and kürzere Schlüssel mit rechtwinkelig
angelegtem Harte, einzelne noch im Schlosse mit künstlichem ESingerichte,
Ketten, Nägel, Ilaken. Bammerstücke, ein langer, schmal löffeiförmiger Bohl-
bohrer, einlache chirurgische Instrumente, Pferdetrensen, eine einzelne Speer-
spitze von 19 cm Länge; aus Bronze: Kesselblech, Gelasshenkel , eine Glocke,
Pfriemen und Griffel, die aber auch aus Knochen hergestellt gefunden sind. Von
Schmucksachen liegen grüne und blaue Glasperlen vor, aus Bronze Beschläge,
Rosetten, ein Hufeisen mit anhängendem durchbohrtem Steinplättchen, Zierscheiben,
ein Fingerring mit verbreitertem Mitteltheile, ein flach aufliegender Ring mit ein-
gelegtem Triquetrum, zwischen dessen Schenkeln je ein Knöpfchen mit centraler
Oeffnung in den ausgesparten Raum hereinragt, mehrere kräftige Fibeln mit fast
geradlinigem Bügel (vergl. Almgren. Xordeurop. Fibelformen, Tai'. XI, Fig. 237),
zum Theil mit durchbrochenem Nadelhalter; die Sehne liegt frei über der Spiiale
(Fig. '6). Aber auch kleinere, einfachere und Bruchstücke sind vorhanden. Den
Riechanismus der Armbrust-Fibel zeigt ein Exemplar, dessen Bügel eine Taube
darstellt (Fig. 4); dieser ist 4 cm lang und an der Unterseite völlig eben: dem
F
Fie. 1.
Rücken der Vogelgestalt sind 7 und 8 gescheitelte, nach dem Thierkopfe hin aus-
einandergerichtete Linien eingefurcht. Unter dem Brusttheil ist der lappenförmige
Nadelhalter, unter dem Ansätze der Schwanzfedern die schmale Spirale bef>
der die Sehne dicht anliegt, nach der Seite des Nadelb alters hin.
'■! Münzen aus Silber und Bronze. grossentheÜB mit verwischtem Gepräge,
doch für Xerva, Trajan. Antoninus Pius, Marc Aurel. Faustina jr.. Commodus. Marcia.
Septimius Severus aus den benachbarten Gräbern auch für Geta nachweisbar.
weisen den gesammten Fund dem 2. und 3. Jahrhundert zu. Die Zerstörung
Anlagen ist sicher durch Feindeshand erfolgt, wahrscheinlich durch eindringende
Germanen; denn es ist begreiflich, dass der Besitz der Salzquellen zu allen Zeiten
viel begehrt and umstritten war. Die Thierlihel verräth wühl gallokeltis
Einfluss. —
II.
Diese Anziehungskraft der salzigen Wasser hat wohl auch schon mehr al> ein
Jahrtausend früher die Besiedlung einer nur 10 km weiter stromab inselartig im
damaligen Saalachbett gelegenen Anhöhe zur Folgt' gehabt, des sogenannten Au-
höjrels. südlich vom Weiler Au. bei der Eisenbahn-Station Bammeran,
(320)
zwischen Reichenhall und Traunstein. Er wird östlich noch jetzt fast un-
mittelbar vom Flusse gestreift, über dessen Bett er sich ungefähr 10 m, im nörd-
lichen Theile noch etwas höher erhebt, und ist etwa 320 m lang. Bei seiner Ab-
geschlossenheit und Uebersichtlichkeit ist es dem Besitzer Hrn. Bäckermeister
Peter Lichte necker in Au, der 2/5 der gesammten Oberfläche bis auf den in der
Mitte Vsi nach den Rändern hin 1 m unter der Oberfläche liegenden Kalkfelsen durch-
graben hat, geglückt, sämmtliche Funde, unter denen die Steingeräthe überwiegen,
zusammenzuhalten, von denen sich jetzt das zuerst gefundene Drittel (420 Gegen-
stände und etwa 1000 Abfallsplitter) im Bezirks-Museum zu Traunstein befinden;
1300 bearbeitete Geräthe, eine noch grössere Zahl von Feuerstein-Splissen, etwa
50 gm Thonscherben und 10 gm Knochenreste bilden die Sammlung des Hrn.
Lichtenecker. Da die Stücke mit so gewissenhafter Sorgfalt gesammelt
und aufbewahrt worden sind, dass auch nicht ein Scherben im Boden zurück-
geblieben oder verloren gegangen ist, so giebt dieser Bestand, in Verbindung mit
jener ersteren Fundgruppe, ein ganz genaues Bild des Besitzes und der Arbeits-
Erzeugnisse der Bewohner dieses Platzes während der neolithischen Periode mit
den ersten Spuren der anbrechenden Metallzeit. Zu der Hauptmasse der Stein-
und Knochenfunde treten nehmlich für die Gruppe des ersten Drittels 3 zu Traun-
stein befindliche, für die zweite Gruppe 14 in Au aufbewahrte Bronze-Gegenstände.
In dem Kalkstein des Felsens findet sich Feuerstein eingesprengt; ein Theil
des verarbeiteten Materials war daher sehr bequem zu finden. Ausser diesem ist
von krystallinischen Geschieben Granit und Serpentin, auch Basalt verarbeitet.
Die Arten der gefundenen Gegenstände sind folgende:
I. Aus Stein: 1. Flachbeilchen, namentlich aus Feuerstein, der zum
Theil sehr schön gebändert ist, theils kurz (7 — 8 cm lang) und fast rechteckig
(Fig. 9 und 10), mit gerundeten Kanten, theils länger und vom Schaftende her
verbreitert (Fig. 8). Ein Stück gleicht einem recht massiven Steinmeissel; es
ist 8 cm lang und 3 cm breit. Die Gesammtzahl beläuft sich ausser missrathenen
und beschädigten Stücken fast auf 100. — 2. Kleiner ist die Zahl durchbohrter
Hämmer: Zwei mit gedrungenem Schaft, beide, in der Mitte verstärkt und fast
geknickt (Fig. 10), ähneln dem von Ranke (Anleitung zu anthropologisch-vor-
geschichtlichen Beobachtungen, S. IG, Fig. 6) dargestellten Exemplare und durch die
Hache, übergreifende Kuppe bis zu einem gewissen Grade den Hämmern der
Bchlesischen Steinzeit; das Bohrloch von 2,2 — 2,5 cm Weite ist über der Biegungs-
stelle angebracht. Beide waren zerbrochen. Der eine, von 14,4 cm Länge, besteht
aus Granit, der zweite, feingeglättete aus Serpentin. Ein anderes, sorgfältig be-
handeltes Bruchstück zeigt eine herausgearbeitete Längsleiste. Mit unfertiger Durch-
bohrung sind 4 Stücke gefunden, eines von ihnen wohlerhalten, die anderen (1 aus
Sandstein, 2 aus Serpentin) zerbrochen. In einem ist der Mittelzapfen noch im
Bohrloche vorhanden. 3. Geglättete Schwingkugeln, auch als Netzsenker auf-
gefasst, durchbohr! oder nur mit umlaufender Einschnürung (Fig. 7), die sich nicht,
wie bei dem Exemplai in Sophus Müller, Nord. Alterthumskunde, S. 145, Fig. 65
scharfkantig absetzt; Verhandl. 1894, S. 329f., 1895, S. 136. Bei einem
I:; cm breiten Stück dieser Art ist die obere Seite flach abgerundet, der durch eine
Einschnürung abgetrennte entgegengesetzte Theil dagegen zeigt eine unebene Bruch-
fläche; das Material ist gelbgrau gesprenkelter Granit. -- 4. Klopfsteine, grob
cylindrisch, Getreidequel ihnlich, wie sie aus den Gräberfeldern von Burg
im Museum zu Gottbus), Starzeddel in der städt. Gymnas.-Alterthümer-Samml. zu
Guben, abgebildel in Verhandl. 1885, S. 561, Fig. 9 u. 10) und im heiligen Lande
zu Niemitzsch vorgekommen sind. Ein Theil der 36 Geräthe dieser Art war viel-
(321)
leicht auch zu Reibsteinen bestimmt. Bin 25 c?« langer, 10— 12 cm breiter grao-
schwarzer Stein zeigt muschelartige Schleifgruben. Kopfgrosse Steine mit einer
ganz glatt geriebenen ebenen Fläche wurden wahrscheinlich gleichfalls zum Ab-
schleifen und Poliren benutzt. Flier sei auch eines durch bohrten, Ilachen und
runden Mühlsteins gedacht. — b. Von nur geschlagenem, nicht geglättetem Feuer-
stein-Geräth sind ausser den Pfeilspitzen, theils mit mehr oder weniger aus-
gebildeten Widerhaken (Fig. 3 u. 4), theils nur mit massiger Einwölbnne des Schaft-
Z,
IS
i>
endes (Fig. 5 u. 6), vier halbmondförmige Schaber, 15 em lang, und namentlich
die anfertigen Speerspitzen zu erwähnen, weil sie v.m der Art der Berstellang
ein deutliches Bild geben und besonders die Symmetrie in der Ausführung dieser
und ähnlicher Stücke erklären. Es linden sieh nehmlich linealartige Peuer-
steinstreifen, allseitig glatt geschliffen, jetzt mit einer grauen Oxydationsschicht
überzogen, z. B. von 14.« cm Länge und 1,8 cm Breite, etwa 0.7 cm dick 1
Aus einem derselben ist bereits in Länge von b" cm die Speerspitze herausgearbeitet,
während der untere Theil von 4,3 cm Länge und 3,2 cm Breite rechteckig _. lieben
Verhandl. der lieri. Anthropol ifl 1897.
21
(322)
ist (Fig. 2): das Stück ist nicht vollendet worden, weil die 1 cm lange Spitze ab-
gebrochen ist. Auch ein in dieser Weise hergestelltes Messer mit einseitiger
Schneide ist vorhanden. An prismatischen Messerchen sind 262, an breiteren
Schabern 267, an Bruchstücken aber, die als Abfälle der Arbeit anzusehen sind,
2100 gezählt worden; dazu kommen prismatische Steinkerne in grosser Zahl.
II. Als Zeugniss der Metall-Bearbeitung liegt ein 20 cm hoher, graphit-
haltiger, dicker Schmelztiegel vor, von dem getrennt ein 2,5 cm dickes, 8 cm langes
Ausgussrohr erhalten ist. Ihm wäre ein faustgrosses Stück Graphit anzureihen. Die
Zahl der Metallgeräthe beträgt, wie bereits bemerkt, 14. Als Kupfer oder äusserst
zinnarme Bronze wird vom Ober- Amtsrichter a. D. Franz Weber, früher in
Reichenhall, jetzt in München, der zuerst auf die Fundstelle und ihre Erträge in
den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, sowie in der Augs-
burger Allgemeinen Zeitung (1894, Nr. 297, 27. October) hingewiesen hat, ein Flach-
celt1) von 9 cm Länge bezeichnet (Fig. 12), am Schaftende 2,3, zwischen den Spitzen
der nur 8 mm weit vorgewölbten Schneide 3,7 cm breit; die mittlere Stärke be-
trägt 6 mm. Nadelschäfte ohne abschliessenden Knopf, zu denen vielleicht eine
Gussform in einem Sandsteinstücke von röthicher Farbe passt, sind 7 vorhanden-).
Von einer scheibenförmigen Drahtspirale sind 31/., Umläufe erhalten. Ein halbmond-
förmiges Messerchen (Fig. 13 a) ist 6,7 cm lang und deutet wohl auf sparsame Ver-
wendung des kostbaren Metalls hin. Hierzu tritt ein unregelmässiges Bronze-
Plättchen und ein wohlerhaltenes, massig geschweiftes Sichelmesser von etwas
mehr als 15 cm Länge, dessen Griff in einen flach aufliegenden Ring ausläuft.
Das umfänglichste Stück ist ein 20 cm langer Schaftlappen -Celt, dessen oberes
Ende in der Mitte eine kleine halbmondförmige Einbiegung zeigt. Die Schneide
tritt nur wenig vor; die flügelartigen Ansätze sind in Form eines Kreisabschnittes
massig übergebogen und berühren einander nicht.
III. Aus Knochen sind 10 Pfriemen und ein flacher Spatel, überdies ein zu
einer Stosswaffe geeignetes Geräth hergestellt; ähnliche Bearbeitung zeigen Hirsch-
zacken und ein Rehgeweih. 3 Hirschgeweih-Stücke sind nach Absprengung einer
Sprosse glatt durchbohrt (Durchmesser der Oeffnung 2 cm). Schnittspuren zeigen
auch andere Knochen und Geweihreste.
IV. Von Thongeschirr sind zwei Gefässe leidlich erhalten: ein bauchiger,
10 — 12 cm hoher, trotz seiner Risse durch die erdige Masse in demselben zu-
sammengehaltener Topf, der auf der äussersten Auswölbung Gruppen von je 7
dünnen, senkrechten, 2 cm langen Strichen trägt, und ein Kännchen3) von etwa
9 cm Höhe, dessen oberer Rand dem Henkel-Ansatz gegenüber ausgebrochen ist
(Fig. 14). Der Gefässkörper ist in mittlerer Höhe fast kantig umgebogen. Eine
dicke, flache Thonschale von grauer Färbung deutet durch die Abbruchstellen von
4 Füssen auf ein tiegelartiges Geräth hin, das vielleicht beim Metallschmelzen Ver-
wendung fand. Ein Topfboden von 8 cm Durchmesser zeigt eine nicht in der
1) Die Form ist Bchlanker, als das von Much (Die Kupferzeit in Europa, 2. Aufl.,
S. 12, Fig. 5) abgebildete Beil aus dem Mondsee, von gleichfalls 9 cm Länge, auch als das
Muster des ältesten Flachbeils bei Sophus Müller a.a.O. S. 297, Fig. 166; durch die
stärkere Verbreiterung der Schneide unterscheidet sich das Exemplar aus dem Auhögel
von dem sonst am meisten ülmlichen in Hörnes' Urgeschichte der Menschheit 1892,
S. 376, Fig. 2.
2) Zu den Funden der ersten Ausgrabungs-Periode gehörte ein 19,5 cm langer Nadel-
schaft mit feiner, spiraliger Einfurchung am oberen Theil.
3) In der Form dem eta rö eron vom Mitterberge (bei Much, Kupferzeit, S. 271,
Fig. 101) annähernd ähnlich, Bchlanker als das ebenda (Fig. 102) abgebildete vom Mondsee.
(323)
Mitte eingebohrte Oeffnung. Ein anderer Boden ruht auf einem niedrigeu. ring-
förmigen Standfuss. Ueberaus zahlreich sind die Scherben, von denen 4 bis zu
15 cm lang sind. Die Randstücke zeigen die nämliche Ver-
zierung, wie die von Ranke, Anleitung u. s. w., S. 49, Fig. 9, Pig, 14.
11 — 13 abgebildeten aus bayrischen Höhlen, denen die vom Mitter-
berg und von der Kelchalpe (Much, Kupferzeit, S. 272, Pig. 103
u. 104) gleichen. Theils sind wagerechte Kränze von senkrecht
gestellten Nagel-Eindrücken oder Fingertupfen eingeprägt, durch
welch letztere bisweilen knöpfchenartige Erhöhungen bewirkt
sind; theils ist ein "Wulst von oben und unten her zusammen-
gestrichen oder wohl auch angelegt und auf die bezeichnete Weise
verziert, — eine Ornamentart, die auch in den Gräberfeldern und
in den vorslavischen Schichten der Rundwälle Nord-Deutschlands nicht selten ist.
Eine gewisse Mannichfaltigkeit ist dadurch hervorgebracht, dass zwischen zwei
Wülsten über einander rundliche Löcher kräftig, doch nicht durchgehend, ein-
gesessen sind. Auch grobe Kchlstreifen sind einzelnen Bruchstücken eingestrichen.
Bei einem Fragment eines terrinenförmigen Gefässes, das nach oben hin ein weni°-
abgesetzt war, befindet sich die Verzierung über dieser Umbiegung: es ist von
schmalen, seichten Furchen umzogen, unter denen senkrechte Striche eingezeichnet
sind. Derartige senkrechte Linien kommen auch für sich verwendet vor. Kräftige
Oehsen, zum Theil senkrecht, in der Regel wagerecht durchbohrt, sitzen entweder
dicht unter dem Rande oder weiter unten, bisweilen unterhalb des umlaufenden
verzierten Wulstes. Schlichte Knöpfchen oder halbkreisförmige Leisten ersetzen
mitunter die Handhabe; an einem Fragment ist der Knopf hornartig in die Höhe
gezogen und dann ein wenig schräg von unten her so durchbohrt, dass die obere
Oeffnung der Gefässwand zugekehrt ist, die Tragschnur sich also fest an den Rand-
streifen anlegte. Einzelne Stücke sind nachträglich durch Feuer blasig oder
schwammig geworden, ja eine dicke Thonschüssel ist durch Feuer stark verzogen
und fast zusammengeschmolzen. Von Spinnwirteln befinden sich 2 aus der früheren
Sammelperiode im Bezirks-Museum zu Traunstein, dagegen 1 in der Lichten-
ecker'schen Sammlung. Er ist konisch, am unteren Rande ein wenig abgeschrägt,
hier 3 cm, oben 2 cm breit und 3 cm hoch. Ein Webstein von nicht quadratischer,
sondern annähernd rechteckiger Grundfläche steigt als massig verengte Pyramide
auf und schliesst über der Durchbohrung kuppeiförmig ab. Ihrer Bestimmung
nach sind noch nicht mit Sicherheit gedeutet die zahlreichen feuerharten Lehm-
klumpen.
V. Auch Schmuck ist unter den Funden nicht unvertreten. Vier durch-
schnittlich 7 cm lange Eckzähne sind am Ende durchbohrt. Bei dem einen (Fig.
ist die obere Einbohrung nicht durchgeführt. Auch 5 Thonblättchen zeigen eine
kleine Oeffhung zum Durchziehen einer Schnur.
VI. Nicht bearbeitete Thierknochen bedecken in der Sammlung un-
gefähr 10 7/«; einige von ihnen sind im Feuer gewesen. Darunter befinden sich
z.B. tl Obcrschenkelköpfe mit natürlicher Oeffnung (vom Dachs'?); andere gehören
dem Rind und einem Pferde von kleiner «iestalt an. Vom Hirsch sind ausser Ge-
weihen paarige Klauen erhalten.
Bei der peinlichen Genauigkeit der rntersuchung sind auch 2 qm Erde, die
mit Kohle, Asche und Knochen durchsetzt ist, und ein Theil einer 10 cm tief
durchglühten Brandstelle vom Besitzer des Auhögels ausgehoben worden. Selbst-
verständlich haben sieh am Abhänge und selbst am Fusse des Berges, an dessen
östlicher Seite durch einen Steinbruch erhebliche Absprengungen erfolgt sind.
21*
(324)
während nach Westen hin die Leite allmählich abfällt und eine Wiese bildet,
einzelne Gegenstände gefunden. Hier lagen 5 mit Steinen umstellte Gefässe, die
wegen dieser sorgfältigen Umstellung als Grab-Beigaben angesehen werden: 3 Töpfe
und "2 Schüsseln, nach der Verzierung durch Pinger-Eindrücke zu schliessen den
Scherben aus der Arbeitsstelle gleichzeitig (besprochen vom Ober- Amtsrichter
Weber a. a. 0.).
Unzweifelhaft harren in dem unaufgeschlossenen Theile der Hügel-Oberfläche
noch zahlreiche Funde der Aufdeckung. —
(19) Hr. Rud. Virchow spricht, unter Vorlegung der Gegenstände, über
Gräberschädel von Guatemala.
Am 4. d. M. erhielt ich von unserem auswärtigen Mitgliede, Hrn. Erwin
F. Dieseldorff aus Hamburg die Nachricht, dass er dort angekommen sei und
mir eine Kiste mit verschiedenen, leider recht arg zerstückelten Schädeln aus
Tumuli in der Nähe von Cobän, im Gebiet der Quecchi-Indianer, mitgebracht habe.
Gegenwärtig sind dieselben in meinen Händen und ich beeile mich, sie vorzulegen,
da sie die willkommene Bestätigung einer schon früher besprochenen Auffassung
bringen.
Allerdings sind sie so stark zertrümmert und die Bruchstücke so defect,
dass sich nicht ein einziger Schädel daraus vollständig reconstruiren lässt. Aber
einer wenigstens hat doch durch Einfügung grösserer Gypstheile zwischen die
Bruchstücke sich wieder in einen Zusammenhang bringen lassen, der ein Bild
des ursprünglichen Zustandes gewinnen lässt. Von den übrigen ist so viel von
dem Schädeldach erhalten, dass sie mit dem erstgenannten verglichen werden
können. Dabei hat sich herausgestellt, dass alle bis auf eine Ausnahme (Nr. 1)
säinmtlich stark deformirt sind.
Was ihre Herkunft anbetrifft, so lasse ich es dahingestellt, ob die Auffindung
der Tumuli im Gebiet der Quecchi-Indianer einen Hinweis auf die ethnologische
Stellung des alten Stammes enthält. Jedenfalls sind sie so alt, dass sich gegen
die Annahme, die Tumuli seien schon vor der Conquista angelegt worden, nichts
einwenden lässt. Da die Schädel durchweg eine gleichartige Beschaffenheit haben,
so muss wohl geschlossen werden, dass sie der gleichen Zeit angehören. Sie sind
alle sehr leicht und sehr brüchig, obwohl die Knochen zum Theil eine beträcht-
liche Dicke besitzen. Die äussere Farbe ist gelblichgrau, mit bräunlichen Flecken,
aber die Bruchfläehen haben ein rein weisses, kreidiges Aussehen. Das beweist
einen hohen Grad von Auslaugung, somit eine lange Dauer des Aufenthaltes in
den Gräbern. Von Beigaben ist nichts mitgekommen.
E3s ist aber höchst wahrscheinlich, dass die Schädel aus Gräbern stammen,
wie diejenigen, auä denen Hr. Dieseldorff uns wiederholt von bemalten Thon-
gefässen berichtet hat. Solche Gefässe hat er (Verhandl. 1893, S. o47, Taf. XVI)
aus Tumuli im Thale Chama bei Cobän geschildert, bei welcher (Gelegenheit er
auch die heutigen Quecchi- Indianer erwähnt (vgl. S. 375). Ich habe schon damals
hervorgehoben [8. 551 . dass die Darstellung eines Mannes mit deformirtem Schädel
viel mehr an Peru erinnere. Spater hat Hr. Dieseldorff die Fragmente eines
Schädels von Ulpan bei Coban eingesandt; ich konnte aus denselben nachweisen,
dass sie zu einem, nach Am der Natchez stark deformirten Kopfe gehört haben
tnüssten. Eine vortreffliche bildliche Darstellung solcher Köpfe erkannte ich an
dem mehrfignrigen Bilde, welches Hr. Dieseldorff von einem anderen Thonge fasse
aus de,,, TempelhUgel im Thale Chamd geliefert hat (Verhandl. 1894, Taf. VIII).
(325)
Da min verschiedene Gelehrte diese Funde der alten .Maya-Cultur zuschreiben, so
dürfte die Yermuthung nicht fern liegen, dass auch die vorliegenden Schädel dahin
gehören. Vergl. Verhandl. 1895, S. 320 und 772.
Es ist zugleich zu erinnern, dass ich einen, freilich nur an der Stirn deibr-
inirten Schädel von Merida in Yucatan in meinen Crania americana, S. 111, Fig. II.
habe abbilden lassen und dass ich schon bei der ersten Vorlegung desselben in
unserer Gesellschaft (Verhandl. 1887, S. 454) die historischen Analogien dazu zu-
sammengestellt habe. Es entfaltet sich hier, wie die Figuren in Siein und Malerei
lehren, ein recht ausgedehntes Deformations-Gebiet.
Betrachten wir jetzt die neuen Einsendungen etwas im Einzelnen. Nach den
Angaben des Hrn. Einsenders stammen von den 6 Einsendungen 4 (Nr. 1 — 4
Chajcar, jurisdicion Carchä, Gebiet der Quecchi-Indianer, 2 (Nr. 5— 7) von Papa,
jurisdicion San Juan Chamelco (2 Stunden südostlich von Cobän), gleichfalls
Quecchi-Gebiet. Nr. 1 u. 2 lagen in einem Steingrabe für sich in der Mitte des
Tumulus; Nr. 3 u. 4. nach einer Notiz auf der Holzkiste, im „Südausbau".
1. Die Schädel von Chajcar.
Nr. I. Männlicher Schädel, gross und breit, aber sehr verletzt. Die Basis
fehlt, nur Stücke der Orbitalränder, das linke Felsenbein und ein Stück der Apo-
physis basilaris sind davon vorhanden. Die Calvaria hat sich wieder zusammen-
fügen lassen; sie ist 174 mm lang, 149 breit, also Index 85,6. Starke Orbital-
wülste. Stirn 98 mm breit, abgeflacht (zurückgedrückt), unterhalb der Tubera ge-
bogen. Hinterhaupt voll gewölbt: in der Lambdanaht colossale Worm'sche Beine.
Das Ohrloch gerundet. An der Stelle der Synchondrosis condyloidea starke und
scharfe Vorsprünge. — Nach dem Verhalten der Zähne muss der Todte noch in
jüngeren Jahren gestanden haben: die grossen Zähne haben noch fast mutete
Kronen. Die Kauorgane, namentlich in ihren medianen Theilen. mächtig entwickelt
und stark vortretend. Am Oberkiefer Incisivi und Molares sehr gross. Umfang
des Proc. alveol. 147 mm. Gaumen tief, Zahncurve elliptisch. Unterkiefer bis auf
die stark verletzten Aeste gut erhalten, sehr gross. Zähne gross: Incisivi stark.
Molares wenig abgenutzt; Praemolares dick und kolbig. Zahncurve eckig, Incisivi
in einer Reihe stehend, stark vortretend. Umfang (alveolar) 145 mm. Mittelstück
hoch, Kinn dreieckig, vorgeschoben.
Nr. ^ (Fig. 1 u. 2). Der männliche Schädel hat sich, trotz des Fehlens des
grössten Theiles vom Gesieht, recht gut zusammenbringen lassen. Er ist vorn und
hinten stark eingedrückt, und es sind in Fol^c davon so grosse Compensationen
in der Breite und in der Höhe zu Stande gekommen, dass jene künstliche
Hypsi brach ycephalic entstanden ist, die ich von den Natchez-Schüdeln be-
schrieben habe (Crania americana, S. 11. Fig. IV), nur ist sie hier ganz besonders
ausgeprägt Da die grösste horizontale Länge 149, die Breite 155, die Höhe
US/»/// beträgt, so berechnet sich ein l'.t eitenindex von 104,0, ein Höhenindex von
79,1. Das Stirnbein ist breit (93 r»m), ganz schräg gestellt, in der Mitte ein-
gedrückt, gegen die Coronaiia gebogen and in Form eines queren Wulstes vor-
geschoben, die Sapraorbitalgegend vorgewölbt Die Parietalia kurz und hoch ge-
wölbt, die Tubera weil nach vorn gestellt und breit gewölbt. Die Gehörlöcher
scheinbar etwas verdrückt. Die Hinterhauptssehuppe hoch und steil, fast senk-
recht abgeflacht. — Oberkiefer sehr delect: Alveolarfortsatz gross und stark vor-
tretend, Umfang 145 mm. Zahne wenig abgenutzt, eher jugendlich. Gaumen gross.
(326)
besonders breit und tief. Unterkiefer gut erhalten, Alveolarrand stark vortretend,
Umfang 144 mm; Seitentheile sehr dick, Aeste gross; Kinn vortretend, mit starker
Crista med. Kieferwinkel in Form eines Proc. lemurianus abgesetzt. Zähne gross,
Molares stärker abgenutzt, links mehr als rechts.
Fig. 1.
Fig. 2.
Geometrische Zeichnung des Hrn. Heibig. 7s der natürl. Grösse.
Nr. 3. Hier, wie bei dem folgenden, die Färbung schmutzig braungrau, die
Suturcn wenig sichtbar. — Der Schädel sehr verdrückt: von der Basis und dem
Gesicht sind fast nur Bruchstücke vorhanden, erstere fehlt fast ganz, die Apophysis
sehr breit. Das Wangenbein gross. Der Schädel hat extreme Natchez-Form:
die Verhältnisse sind geradezu umgekehrt, als normal, indem die Breite viel grösser
als die Länge ist und die Gesammtform, von oben her betrachtet, in der That dazu
verleitet, den Kopf querzustellen: Länge 148, Breite 179, Ohrhöhe 101, daher
Breitenindex 120,7, Ohrhöhenindex G8,l mm. Stirn breit (107 mm) und ganz steil
zurückgedrängt, colossale Glabella, massige Supra-Orbitalwülste. Hinterhaupt fast
ganz in eine steile Platte umgewandelt. Am Oberkiefer fehlen die linken Schneide-
zähne, die rechten sind sehr gross und nur massig abgeschliffen; colossale Canini;
Kronen verhältnissmiissig gut erhalten. Unterkiefer gross; Kinn breit und am
unteren Rande ausgeschweift; Mittelstück sehr dick. Distanz der Winkel 95 mm,
Proc. lemurianus.
Nr. 4, ohne Basis und Gesicht, übrigens ganz ähnlich dem vorigen. Stirn
mein- gerade, aber sein- breit (102 mm). Horizontale Länge (an der etwas ge-
wölbten Stirn gemessen) 157, Breite 162, Ohrhöhe 1 14 mm, also Breitenindex 103,1
Ohrhöhenindex 72,5. — Unterkiefer gut erhalten: Zähne vorstehend, colossal, be-
sonders die Schneidezähne. Molaren wenig abgenutzt. Kinn weit vorstehend,
etwas eckig; Seitentheile engei Winkeldistanz !»1 mm; Aeste breit und schräg;
i'roc. lemurianus.
(327)
2. Die Schädel von Papa.
Nr. I, ähnlich Nr. 1 u. 2. Schräge, abgeflachte Stirn mit oberem Randwulst,
ohne Stirnhöcker, mit tiefer Glabella, so dass die Supra-Orbitalgegend nur eine
Ebene bildet. Parietalia auf der Fläche zusammengebogen. Hinterhaupt steil und
gerade, wobei noch ein Theil der Parietalia in die Flüche einbezogen ist. Der
Schädel hat eine Länge von 166, eine Breite von 173', Ohrhöhe von 114 mm, also
einen Breitenindex von 104,2, einen Ohrhöhenindex von 68,6. Minimale Stirn-
breite 114mm. Keine; Kieferknochen.
Nr. II, aus einem Tumulus, dicht bei dem Hermita Papä, in der Nähe von
S. Juan Chamelco. Sehr schräge Stirn, senkrechtes Hinterhaupt. Länge 158,
Breite 153, Ohrhöhe 103 mm, also Breitenindex 96,8, Ohrhöhenindex 65,1, Minimale
Stirnbreite 103 mm.
Dazu dürfte ein defecter, scheinbar weiblicher Unterkiefer gehören, dessen sehr
grosse Zähne stark abgenutzt sind. Die Aeste sehr breit; Proc. lemurianus. —
Ausser diesen Knochen befanden sich in der Kiste Papa II noch folgende
Gebeine:
1. •'! ausgesprengte Stücke, die Stirnnasengegend umfassend, mit grossen
Stirnhöhlen. Der Nasenvorsprung stark, aber nicht platt, im Gegentheil
der Rücken an der etwas schmaleren Wurzel scharf.
2. Ein grosses und breites Parietale.
3. 2 halbe Unterkiefer, verschieden nach Farbe und Höhe: die eine Hälfte
jugendlich, die andere älter.
4. Ein grosser, nur an den Acsten defecter Unterkiefer, scheinbar weiblich.
Die Zähne und die leeren Alveolen sehr gross. Proc. lemurianus.
5. Ein kindliches Os humeri mit abgebrochenen Condylen, etwa 15,5 mm
lang; in der Mitte der Diaphyse Umfang 145 mm. Die Epiphysenlinien
sind vollständig geschlossen; die Diaphyse sehr gerade. Fossa pro olecrano
nicht ausgebildet. Alle Theile fest und glatt.
6. Das Bruchstück einer etwas älteren Fibula. —
Ueberblickt man die Reihe dieser Schädel, so ergiebt sich die überraschende
Häufigkeit der künstlichen Deformation in ihrer stärksten Ausbildung. Von den
6 Schädeln ist nur der eine (Nr. 1) von Chajcar in geringerem Grade, aber doch
nach derselben Norm abgeplattet. Eine gleich häufige und gleich starke Defor-
mation ist mir auch in America, dem Welttheil mit der grössten Ausbildung dieser
Unsitte, nicht vorgekommen; eine Annäherung daran hat uns die von Hrn. Uhle
in Bolivien aus Gräbern zusammengebrachte Sammlung gezeigt (Verband! 1894,
S. I()4). Ich erinnere wegen der Grösse der Deformation an die Schädel von Me-
danito (ebendas. Fig. 2). Die jetzigen Funde sind für das Verständniss der eentral-
amerikanischen Kunstwerke \«>n gröaster Wichtigkeit, denn sie beweisen, dass die
scheinbaren Carricaturen, welche an denselben dargestellt worden Bind, Nach-
bildungen wirklicher Deformationen waren. Zugleich erweitern sie nicht
bloss das territoriale Gebiet dieser Bitte, Bondern sie fü^en in die lose Kette, die
sich von der Mississippi-Mündung bis zu der Cordillere von Bolivien hinzog,
\\ issermaassen das Schlussglied.
Dabei ist es bemerkenswerth , dass die Entwickelung des Skelets bei diesen
Hassen durch die Schädel -Deformation wenig beeinflusst ist. Schon die Ge-
sichtsknochen dieser Leute, namentlich die Kiefer mit den /.ahnen, gehören zu den
massivsten, die in dieser Welt vorkommen, hie Malereien and Sculpturen Central-
(328)
Araericas lehren, dass auch das übrige Skelet in kräftigster Weise entwickelt war.
Leider hat Hr. Dieseldorff seine Aufmerksamkeit den Skelet-Knochen nicht zu-
gewendet. Wir dürfen wohl hoffen, dass er bei künftiger Gelegenheit auch nach
dieser Seite hin sein Talent als Sammler und Beobachter leuchten lassen wird.
Insbesondere wären Extremitäten - Knochen erwünscht. Schon die Frage der
Platyknemie erheischt eine Ergänzung des Materials. Der kleine Oberarm-Knochen,
der sich in der jetzigen Sammlung findet (Kiste Papa Nr. II), scheint auf ein
zwerghaftes Individuum hinzudeuten. Ich verweise auf die Parallele mit den
Jakoons von Malacca (Verhandl. 189»i, S. 144).
Unter den sonstigen Eigentümlichkeiten ist vorzugsweise die Häufigkeit, um
nicht zu sagen, die Beständigkeit des Vorkommens eines Processus lemurianus
am Unterkiefer hervorzuheben. Mag man auch darauf verzichten, darin ein
pithekoides Merkmal im strengeren Sinne zu sehen, so ist diese Bildung doch eine
höchst interessante und, wenigstens in ihren stärkeren Graden, seltene Variation.
Sie mag zusammengestellt werden mit der Enge der Winkeldistanz an den Unter-
kiefern und mit der geringen Abnutzung der Zahnkronen, besonders an den Molares,
welche doppelt überrascht bei einem Volke, das vermuthlich vorwiegend von
Körnerfrucht lebte. —
(20) Hr. Rud. Virchow legt vor eine Reihe von
europäischen Tättowirungen.
In der Sitzung vom 15. Mai 1897 (Verhandl. S. 262) stellte ich, im Anschlüsse
an verschiedene Mittheilungen über die Anfertigung von Präparaten tättowirter
Hautstücke, die Vorlage ähnlicher Präparate in Aussicht, welche sich in der
Sammlung des Pathologischen Institutes befinden. Indem ich eine kleine Aus-
wahl davon vorlege, bemerke ich, dass unsere Präparate bis zum Jahre 1870 zurück-
datiren und die Tättowirungen auf sehr verschiedene Weise hergestellt sind. Da
die dabei verwendeten färbenden Stoffe aus sehr resistenten Substanzen bestehen,
vorzugsweise aus Kohle und Zinnober, so sind fast alle Methoden zu ihrer Con-
servirung gleich geeignet. Die bei uns angewendeten hatten die Herstellung sowohl
von Trockenpräparaten, als von feuchten Stücken zum Ziele, und sie haben sich
sämmtlich bewährt.
Die Trockenpräparate sind in der Weise angefertigt worden, dass die Haut-
Btficke von anhaftendem Fett und anderen subcutanen Geweben möglichst gereinigt
und dann in Holzrahmen zum Trocknen an der Luft aufgestellt wurden. Darauf
wurden sie auf Glasplatten aufgezogen, durch einen Klebestoff (Leim, Gummi) be-
festigt und mit einer dünnen Lage von Firniss bedeckt. Eine zweite Glasplatte
wurde darüber gelegt und durch dichtes Papier ringsum abgeschlossen. So sind
Bie vor dem Eindringen von äusserer Luft und Schmutztheilen und ebenso vor
Feuchtigkeiten genüg nd geschützt. Lose und nackte Stücke sind den Angriffen
von Luft und Feuchtigkeit, namentlich aber von zerstörenden Insekten aus-
gesetzt. In der angegebenen Weise gedeckt, bewahren sie alle Besonderheiten
der Zeichnung und der Farbe in vollkommener Deutlichkeit. Nur in einem Falle,
wo zu viel Finnss angewendet worden war, hat das Muster an Deutlichkeit er-
heblich verloren.
Für die Berstellang reachter Präparate hat es sich bewährt, die ersten
Operationen, namentlich die Entfernung der subcutanen Theile, ebenso vorsichtig
vorzunehmen, wie in dem vorigen Falle. Dann werden die Stücke ebenfalls auf
Glasplatten ausgespannt und sofort in die Conservirungs-Flüssigkeit gethan, natürlich
(329)
wieder in besonderen Gläsern, namentlich in platten, eckigen Behältern. Als
Flüssigkeit ist entweder Alkohol, oder, namentlich in neuerer Zeit, Formalin ver-
wendet worden. Bin merkbarer Unterschied ist dabei nicht hervorgetreten, wohl
aber haben die feuchten Präparate ihre Frische und Anschaulichkeit viel mehr be-
wahrt, als dies bei Trockenpräparaten der Fall ist.
Was die für die erste Herstellung verwendeten farbigen Stoffe betrifft, BO
werden dieselben bekanntermaassen in feinpulverisirtem Zustande in kleine Löcher
der Haut, welche durch scharfe konische Spitzen hervorgebracht werden, ein-
gedrückt Sie heilen ohne Weiteres an dem Orte ihrer Einbringung ein. Nur-
kommt es nicht ganz selten vor, dass ein Theil von ihnen in die Lymphwege ein-
dringt und dann bis in die nächsten Lymphdrüsen fortgeführt wird. Ich habe diesen
Fall schon bei der Erörterung der pathologischen Resorption (Mein Archiv f. path.
Anat, 1847, Bd. I. S. 178) besprochen und dabei hervorgehoben, dass ein grosser Unter-
schied zwischen der Resorption durch unverletzte Gefässe und dem Durchgange von
angelösten Substanzen durch permeable, nicht poröse, unverletzte Membranen be-
steht. Ausführlicher habe ich diese Verhältnisse in meiner Cellular-Pathologie erörtert
(4. Aufl., S. 223), indem ich zugleich Abbildungen aus so veränderten Lymphdrüsen
hinzufügte (Fig. 7ti u. 77). Dabei zeigte sich, dass der eingedrungene Zinnober
theils innerhalb der Trabekeln und des Reticulums liegt, theils in die Follikel selbst
eindringt. Diese Präparate waren dem Arme eines Soldaten entnommen, dessen Tod
erst 50 Jahre nach der Tätto wirung erfolgte; sie sind zugleich ein gutes Beispiel
davon, dass die Sitte des Tättowirens schon im Anfange dieses Jahrhunderts anter
unseren Soldaten gebräuchlich war. Das vorgelegte Präparat Nr. 325 vom Jahre 1870
lässt die rothe Einlagerung in den Axillardrüsen nach Tättowirung des Vorderarms
schon vom blossen Auge erkennen.
Die kohligen Einlagerungen überwiegen an Zahl der Fälle bei Weitem die
rothen. Ziemlich häufig ist die Mischung beider Farben, jedoch in der Art. dass
die kohligen Stellen den grösseren Theil der Zeichnung einnehmen, die rothen
mehr als Zwischenlagerung oder Einsprengung erscheinen. In den nachstehenden
Abbildungen sind die rothen Stellen durch losere, weitläufigere und zartere Strich-
lagen, die schwarzen durch dichte, meist kürzere, stärkere Striche angedeutet.
Dabei ist zu bemerken, dass die kohligen Einlagerungen natürlich an sich schwarz
aussehen, jedoch nur auf Durchschnitten: sieht man dieselben bei tieferer Lage
durch bedeckende, nicht gefärbte oder nicht mliltrirte Gewebslagen. wie es an der
Haut meist der Fall ist, so erscheint die Farbe, je nach der Tiefe ihrer Lage, ent-
weder Bchwarzblau oder auch wohl graublau.
Die Mehrzahl unserer Präparate stammt von Männern der arbeitenden Klasse
ohne Angabe der Art der Beschäftigung. Unter den genauer bezeichneten prä-
valiren Soldaten und Matrosen, jedoch scheinen auch einzelne Gewerbe die N(
zu einer solchen „Verschönerung" zu begünstigen. Dies gilt namentlich von
Schuhmachern, [ndess mag die grössere Häufigkeit tättowirter Stellen bei ihnen
auch zufällig hervorgetreten sein. Bei Soldaten und Matrosen werden o!
Darstellungen bevorzugt und m diesem Falle trifft man zuweilen Abbildungen,
welche die ganze Brust bedecken, während sonst hauptsächlich die Arme, ins-
besondere die Vorderarme, preisgegeben werden. Menschliche und thierischi
stalten gehören zu den Seltenheiten, doch kommen sie in so ausgeführter und feiner
Weise vor, dass sie mit den bekannten japanischen Tättowirungen parallelisirt
werden können. Dagegen kommen die bloss ornamentirten. aus einlachen Strichen
zusammengesetzten, rem geometrischen Formen, wie sie bei den Polynesiern so
häufig sind, bei uns kaum \oi.
(330)
Fig. 16.
Da es sich um eine Mode handelt, welche von äusseren Zufälligkeiten ab-
hängig ist, so ist es selbstverständlich, dass bei Europäern sowohl die Häufigkeit
der Tättowirung, als die Gegenstände der Darstellung sehr verschieden und
wechselnd sind. Gelegentlich entsteht eine Art von epidemischer Manie, sich so
.verzieren'' zu lassen. Wir haben es noch in letzter Zeit erlebt, dass im Passage-
Panopticum feine Damen sich vor den Tischen birmanischer Tättowirer drängten,
um sich Zeichen in die Haut einstossen zu lassen. Irgend eine Gefahr liegt meines
"Wissens darin nicht. —
Von den vorgelegten Präparaten mögen folgende kurz erwähnt werden:
Fig. 1, auJ, Präparat Nr. 83 von 1896.
Von einem 30jährigen Schuhmacher. Ueber-
wiegend schwarzblau, jedoch an den lose
schraffirten Stellen roth. a Schuhmacher-
Wappen mit Stiefel und Handwerkzeug,
darüber ein Insekt (Biene?) und eine Krone,
darunter ein Band mit F. W., um die Basis
blühende Zweige.
Fig. 2, a—d, Präparat Nr. 31 von 1882,
rein schwarzblau, a ein Schiff, b ein Kaufmann,
c ein aufgeschirrter Pferdekopf, d militärische
Embleme, namentlich Säbel und Pferdezeug.
Aehnlich ist Nr. 1 13 vom Jahre 1886 (nicht
wiedergegeben), von der Brust (zwischen den
Brustwarzen) eines 24jährigen Glasers aus
Der Name Charles Marchee steht in der Mitte des-
Bildes, quer. Darüber ein Dreimaster mit vollen Segeln, darunter ein Adler mit
ausgebreiteten Flügeln und das Datum: 6. Mai, Stettin 1862.
..fei
Hamburg, rein blauschwarz.
Fig. 2a. V,
Fig. 26. V*
'■
. «
, I -■•
Fig-2e. V.
Fig. 2rf.
Fig. 3, a— <; schwarzblau und roth. a Adler mit Reichsapfel und Scepter auf
einem Anker, UnterBChrifl 0. B. See- Jungfrau (?) (Schiffsbild?) auf einer Muschel.
b Herz über einem Kreuz und Anker, umgeben von einem Lorbeerzweige, c Adler-
kopf mit Blitzen über einem Sternenbanner.
(331)
Fig. 3«. V»
».©.
Fig. 3c. V,
Fig. 4, Klapperschlange, in schwarzblau und roth ausgeführt.
Fig. 4. Vi
Man sieht, dass, so roh mehrere dieser Figuren auch ausgeführt sind, sie doch
die Elemente einer weiter strebenden Kunstrichtung enthalten, welche von fremd-
ländischen Vorbildern ziemlich frei ist. Auf eine weitere Betrachtung der modernen
Tättowirung, etwa im Sinne des Hrn. Lombroso, einzugehen, muss ich mir ver-
sagen, da eine mehr im Sinne eines psychologischen Problems zu vorfolgende Be-
trachtung eine genauere Kenntniss der Vorgeschichte dieser Individuen voraus-
setzen würde, als ich sie zu beschaffen im Stande bin. —
(21) Hr. Minovici aus Bukarest zeigt eine grössere Anzahl photographischer
Aufnahmen, betreffend Verbrecher-Physiognomien und Tättowirungen. —
(22) Hr. Rud. Virchow berichtet über ein«'
anthropologische Excursion nach Mähren.
Das Secretariat der Wiener Anthropologischen Gesellschaft hatte kürzlich eine
Einladung zur Theilnahme an einer unter Führung des Hrn. Prof. Alex. Makowsky
vorzunehmenden Excursion nach Brunn und Umgebung für die Tage vom 27. bis
29. Mai ergehen lassen. Da der Himmelfahrtstag (27. Mai) als ein Ferientag zu
betrachten war, so entschloss ich mich um so lieber zu der Reise, als die Be-
deutung der mährischen Funde mit jedem Jahre mehr hervorgetreten ist und als
ich schon auf einer gemeinschaftlichen bosnischen Reise mit Hrn. Makowsky
eine solche Fahrt verabredet halte. Ich war sehr erfreut, in Brunn aussei- den
Localforsehern und den Mitgliedern der Wiener Gesellschaft, namentlich den HHrn.
Heger, Much and Szombathy, auch mehrere unserer deutschen Freunde
(J. Ranke, E. Schmidt, Grempler, Hedinger) zu treffen. Das schönste
Wetter belohnte unseren Entschluss.
Schon am Vbrmittagi s 27. konnte ich die -Technik" besuchen; so nennt
man kurz die k. k. technische Hochschule in Brunn. Hier ist ein grosser Theil
(332)
der prähistorischen Sammlungen, namentlich der von Hrn. Makowsky zusammen-
gebrachten, aufgestellt. Hr. Maska war auch schon anwesend; er hatte von seinem
neuen Wohnorte Teltsch aus einen Hauptthcil seiner Schätze mitgebracht, so dass
es mir möglich war, sofort eine gewisse Grundlage der Anschauung zu gewinnen.
Nachmittags führte Hr. Makowsky die nun vollzählige Gesellschaft über die
künstlich neu bewaldeten Kuhberge zu den grossen Lössgruben, in welchen die
neuesten Funde gemacht sind und in denen immer neues Material zu Tage tritt.
Der nächste Vormittag sah die Mitglieder der Excursion in den Sälen des
Franzens-Museum und der Technik, den beiden Orten, wo neben den urgeschicht-
lichen Funden auch die höchst sehenswerthen prähistorischen Sammlungen die Auf-
merksamkeit fesselten. Hier fand die Begrüssung durch den Landes- Hauptmann
von Mähren statt. Nachmittags gab eine Fahrt nach Obrzan und die Besteigung
des dortigen grossen Hradisko Gelegenheit, ein Bild der gesammten Landschaft
und der wechselvollen Umgebung der Stadt zu gewinnen.
Der dritte Tag war ganz dem Besuche des Höhlengebietes gewidmet. —
Bevor ich jedoch auf Einzelheiten eingehe, wird es nöthig sein, einige orien-
tirende Worte über die territorialen Verhältnisse zu sagen. Ich benutze dabei,
ausser den Vorarbeiten von Wankel und Maska, den vortrefflichen, zum grossen
Theil von Hrn. Makowsky selbst bearbeiteten „Führer in die Umgebung von
Brunn" und die Schriften des unermüdlichen Höhlenforschers Martin KHz, der
schon vor 13 Jahren die 1. Abtheilung eines „Führers in das mährische Höhlen-
gebieth. Steinitz 1884" veröffentlicht hat und der bis in die neueste Zeit nicht auf-
gehört hat, die schier unermessliche Fülle von Einzel-Abtheilungen dieser Höhlen
auf das Genaueste aufzunehmen Seine zwei Haupt-Darstellungen über „die Höhlen
in den mährischen Devonkalken und ihre Vorzeit" sind in dem Jahrbucbe der
k. k. geologischen Reichs-Anstalt 1891, Bd. 41, Heft 8, und 1892, Bd. 42, Heft 3
erschienen.
Brunn liegt am Nordrande einer Seitenbucht des tertiären Wiener Beckens, gegen
Norden von Höhenzügen umschlossen, die sich von Westen nach Osten erstrecken.
Sic sind die Ausläufer eines Berg- und Hügellandes, welches von der Zwittawa und
Schwarzawa tief durchfurcht wird. Der Ablluss dieser Gewässer geht nach Süden zu
der Thaya und durch diese zur March, welche, nachdem sie alle die Bäche und
kleineren Flüsse aus den nördlichen und nordöstlichen Theilen Mährens gesammelt
hat, nach Süden zu die Grenze gegen Ungarn bildet. Für mich hatte die March
seit Jahren cm besonderes Interesse, weil ihr Oberlauf sich den Oderquellen nähert
und hier von der Natur der Weg vorgezeichnet ist, der unsere Gegenden mit dem
mährischen, angarischen und österreichischen Hinterlande verbindet. Daher war
ich sehr geneigt, die vielleicht allzu zuversichtliche Angabe von Wankel (Die
prähistorische Jagd in Mähren. Olmütz 1892. S. 11) zuzulassen, dass Piedmost
„am rechten Ufer des hier aus dem gleichnamigen Thale tretenden Becwaflusses
liegt, an dem sieh m grauester historischer Zeit die längs der March von Car-
nuntuin kommende, /.um baltischen Meere führende sogenannte Bernsteinstrasse
hinzog." Vür die lirgeschichtliche Zeit erwähne ich die wichtige Angabe des Hrn.
Makowsky (Mitth. der Anthrop. Gesellsch. in Wien 1897, XXVII. S. 74), dass
„erratische Geschiebe hochnordischer Gesteine, mit erratischem Sand und Schotter
der einstigen Grund« und Seitenmoränen der nordischen Eisbedeckung, bloss im
nordöstlichen Mähren durch die Oderspalte eingedrungen sind und sich zerstreut
in dem etwa 45 km langen und bis 10 km breiten Oderthalc von Mährisch-Ostrau
bis Holten bei Weiskirchen und in einzelnen Buchten dieses Gebietes (so bei
Neutitschein, Pulnek, Freiberg u. a. 0.) finden". Er setzt hinzu, dass bisher in
(333)
Wiesen erratischen Ablagerungen keine Skelettheile diluvialer Säugetbiere auf-
gefunden wurden. Diese Angaben sind von fundamentaler Wichtigkeit für meine
heutige Betrachtung, denn sie erklären es, dass weder bei Brunn, noch in dem zu
betrachtenden Böhlengebiete mineralische oder zoologische Zeugnisse der Eiszeit
gefunden werden. Der in Mähren weit verbreitete diluviale Sand und Schotter ist
nach Makowsky das Product lluviatiler Strömungen; er liegt tbeils auf festem
Gestein (Syenit, Kalkstein und Sandstein), theÜS direct auf marinem Tegel, und
schliesst nicht selten diluviale Thierreste Mammuth, Rhinoceros, Pferd und Ken-
thier) ein. Er ist überlagert vom Löse (Diluvialthon), dein jüngeren Gliede der
Diluvial-Periode, welches Hr. .Makowsky mit den neueren Geologen als ein
subaerisches Product betrachtet. Immerhin leitet er den grössten Theil dies« -
Lössmaterials von dem Sehlamme ab, welchen die Gletscher der Glacialzeit von
Norden her bis an die Randgebirge Böhmens, Schlesiens und Mährens getragen
haben. Die Winde haben den davon herrührenden Staub hauptsächlich an ge-
schützten Stellen, insbesondere am Süd- und Südost-Abhänge der Berglehnen, ab-
gesetzt. So erklärt er auch die mächtigen Lösslager in der nächsten Nähe von
Brunn am Rothen Berge und am Urnberge, von denen unser erster Spaziergang
uns eine Anschauung gewährte.
Wir sahen hier gewaltige Abstiche, von denen der Thon für grosse Ziegeleien
gewonnen wird, bis zu einer Hohe von mindestens 20 m. In der gelblichen, leicht
zerreiblichen Masse von kalkhaltigem, sandigem Thon bemerkt man schon von
Weitem schwarze Linien und muldenförmige Einlagerungen, je nach der Lagerung
schräge oder horizontale, jedoch mehr oder weniger geradlinige Einsprengungen,
mit Spuren von Holzkohle und mit Lehm gemischte Aschenlagen, zuweilen mit
Thierknochen durchsetzt. In unserer Anwesenheit wurden Knochen des Rhinoceros,
des Murmelthieres (Bobak) und des Mammuth zu Tage gefördert. Hr. Makowsky
bezeichnet als das häufigste grössere Säugethier aus der Umgebung von Brunn das
fossile Pferd; nächstdem kommen das Woll-Nashorn und das Mammuth, seltener
Wisent (ßos priscus) und Renthier, noch seltener Riesenhirsch und Edelhirsch,
hier und da Höhlenbär und Löss-Hyäne (Hyaena prisca), Wolf, Höhlen-Löwe (Felis
spelaea) und Dachs. Die erstgenannten betrachtet er mit Wank el als Jagdthiere.
Unter den schwarzen Einlagerungen unterscheidet er die verhältnissmässig kleinen
Aschen- und Kohlenlagen, die er ihrer alkalischen Reaction wegen als Brand-
stellen nimmt, von den weit verbreiteten und bis zu 1,5 rw mächtigen Schichten,
deren Erde eine saure Reaction giebt und die er deshalb für Producte einer
einstigen Vegetation hält. Abweichend davon hat Hr. Maska alle diese dunklen
Erdschichten auf eine Art von Präriebränden bezogen; es seheint mir richtig, was
Hr. Makowsky gegen diese Verallgemeinerung der Deutung einwendet. Oft genug
sah auch ich bei anderen Gelegenheiten solche Einlagerungen an Stellen, wo Gras
und Kräuter durch Sandwehen überlagert und allmählich vermodert waren, ohne
dass Spuren von Brand aufgefunden werden konnten. Auch waren die bei Brunn
eingelagerten kleinen vegetabilischen Beste so weich, dass sie sieh leicht zwischen
den Fingern verschmieren Hessen. Freilich muss ich anerkennen, dass auch die etwa-
"Tosseren leuchten _ Kohlenstückehen" der _ Asehenplätze" wem- Resistenz zeigten
und sich unschwer zerdrücken hesscn. Immerhin spricht das Vorkommen von ..oll
eingebetteten und durch Hitze mehr oder weniger veränderten Knochen" an diesen
steilen sehr bestimmt für die Deutung des Brn. Makowsky. Noch viel mehr ist
dies der Fall m Bezug auf das gelegentliche Vorkommen bearbeitetei Steingeräthe.
Der wichtigste Kund ist aber der schon früher (Verhandl. 1894, S. 12Ö aus-
führlich von mir referirte eines menschlichen Skelets. umgeben von zahlreichen
(334)
Artefakten, welches im Jahre 1891 bei Gelegenheit eines Canalbaues aus dem
Untergründe der Stadt selbst ausgegraben worden ist. Wir sahen die noch genau
bekannte Stelle in der Franz -Josefstrasse in der Unterstadt und die Gegenstände
selbst im Museum. Von dem Schädel kann ich anerkennen, dass er manche Aehn-
lichkeit mit dem Neanderthaler hat: er ist sehr lang, hat grosse, stark vortretende
Xaso-Orbital wülste, eine fliehende Stirn, flache Scheitelcurve und einen grossen
Absatz am Lambdawinkel; die Zähne sind tief abgenutzt. Der schon von den
früheren Beobachtern angemerkte rothe Ueberzug am Schädel und an einigen
Extremitäten-Knochen erschien mir künstlich hergestellt, obgleich an einigen jüngeren
Stücken von Krommau ähnliche rothe Beschläge zu sehen waren. Das Skelet
war zum Theil bedeckt von Knochen des Mammuths, des Rhinoceros, des Pferdes
und des Renthieres, geschmückt mit Dentalien und begleitet von einem Idol aus
Mammuth-Stosszahn (abgebildet in den Verhandl. 1895, S. 705).
Ich bemerke dabei, dass Hr. Maska zur Ausstellung in Brunn ein Idol mit-
gebracht hatte, das ich in meiner Notiz als eine Niobe-Gestalt bezeichnet habe. Es
war eine rohe menschliche Figur von Pfedmost, geschnitzt aus einem Metatarsal-
knochen von Elephas primigenius. Nach einer Mittheilung des Hrn. Maska besitzt
derselbe übrigens von Predmost noch andere, ziemlich übereinstimmende Exemplare,
„deren gleichartige Bearbeitung jeden Zweifel ausschliesst und eine bestimmte Ab-
sicht verräth". An 4 dieser Exemplare sind an der Rückseite deutliche Brand-
spuren wahrzunehmen.
Die neuesten Untersuchungen des Hrn. Mako wsky betreffen das Vorkommen
von bearbeiteten Rhinoceros-Knochen in dem Löss von Brunn und in
einigen Nachbarorten, von denen uns in der „Technik" eine Anzahl vortrefflicher
Exemplare vorgelegt wurde. Eine speciellere Aufzählung nebst Abbildungen hat
der treffliche Forscher so eben in den Mittheilungen der Wiener Anthrop. Gesellsch.,
Bd. XXVII, veröffentlicht. Indem ich darauf verweise, erwähne ich nur, dass es
sich um Knochen des Rhinoceros tichorhinus handelt und dass die besten Stücke
die grossen Extremitäten-Knochen betreffen. Dieselben sind meist so zerschlagen,
dass die Gelenkenden durch einen schiefen, den distalen Theil der Diaphyse durch-
setzenden, scharfrandigen Bruch abgesprengt sind. Hr. Makowsky hebt nun
hervor, dass diese Knochen beim Rhinoceros, wie bei den übrigen Pachydermen,
nicht hohl sind, sondern im Innern ein spongiöses Knochengewebe enthalten, dessen
„Zellen gegen die Mitte des Knochens immer grossmaschiger werden". Er sagt
deshalb, diese Knochen seien „keine Mark- oder Röhrenknochen", aber er er-
kennt doch an, dass auch ihre „Zellen" mit Mark erfüllt seien; es wird daher
dem Verständnis* grösserer Kreise mehr entsprechen, wenn wir sagen, diese
Knochen hätten keine Markhöhle, sondern an Stelle der sonst gewöhnlichen Höhle
nur eine weitmaschige Spongiosa mit verhältnissmässig festen und starken Knochen-
bälkchen. Mit Recht folgert Hr. Makowsky, dass, wenn wir im Innern eines
solchen Knochens eine 'zusammenhängende) Höhlung finden, sie nur auf künst-
lichem Wege durch den Menschen hergestellt sein könne. Da er nun an der
Innenwand der Knochen in den meisten Fällen „Kratzspuren", schraubenförmig
über einander sah, so nimmt er an, dass die Höhlungen durch Steinwerkzeuge
erzeugt seien.
In diesem Punkte möchte ich mir eine kleine Abweichung erlauben. Es fiel
mir nehmlich auf, dass die Höhlungen fast immer eine ganz bestimmte Form
zeigten. Jede einzelne Höhlung beginnt mit einer gegen die Mitte der Diaphyse
gerichteten Oeffnung, welche so weit ist, dass man bequem einen oder ein Paar
r in dieselbe einrühren kann, und sie endet mit einer gegen das Gelenkendo
(335)
gerichteten, aber dasselbe nicht erreichenden Zuspitzung. Ihr Querschnitt ist nicht
rund oder unregelmässig, wie er durch Kratzen, Bohren oder Drehen hergestellt
werden könnte, sondern viereckig mit ziemlich regelmässigen Seiten. Ich
hatte den Eindruck, dass eine solche Höhlung nur durch das Eintreiben eines vier-
eckigen zugespitzten Körpers, z. B. eines Holzpflockes von dieser Gestalt, hervor-
gebracht sein könne. Die Spongiosa ist nicht so widerstandsfähig, dass ein Holz-
keil nicht durch Stein- oder Hammerschläge ohne Weiteres in sie eingetrieben
werden könnte.
Auf der Tafel, welche Hr. Makowsky seiner Abhandlung beigegeben hat, ist
die Gestalt der Höhlung nicht wiedergegeben. Diese Gestalt ist aber, wie mir
scheint, für die Deutung entscheidend. Es ist nicht wahrscheinlich, da^. eine
solche Höhlung zum Zwecke der Entnahme von Mark hergestellt worden ist. Aber
wozu kann sie dann gedient haben? Ich vermochte bei der Betrachtung der Ob-
jeete den Gedanken nicht los zu werden, dass diese gewaltigen Knochenstücke für
die Errichtung der Wohnung verwendet worden sind, z. B. in der Art, dass Hölzer,
welche zum Aufbau der Wand oder des Daches dienen sollten, in die senkrecht
auf oder in den Boden eingesetzten Knochen eingestossen wurden. Die Hölzer
konnten auf diese Weise vor der Einwirkung der Bodenfeuchtigkeit oder sonstiger
zerstörender Agentien geschützt bleiben. Hätte es sich um die Herstellung eines
zu häuslichen Zwecken bestimmten Geräthes gehandelt, z. B. um die Gewinnung
eines Trinkgefässes, so würde man das Innere wohl mehr geglättet haben, als es
der Fall war.
Jedenfalls ist es zweifellos, dass die beschriebenen Höhlungen menschliches
Manufact sind, und da nach den Fundnachrichten anzunehmen ist, dass sie schon
in dem Augenblick, wo die Knochen aus dem Löss hervorgeholt wurden, vor-
handen waren, so wird man sie auch zu den Beweisen der urgeschichtlichen
Rhinoceros-Jagd zählen dürfen.
Damit gelangen wir an jenen Abschnitt der neueren Untersuchungen, welche die
urgeschichtliche Jagd in diesen Gegenden im Allgemeinen betreffen. Der erste,
der diese Untersuchungen für Mähren mit Erfolg in die Hand genommen hat, war
Graf Gundacker Wurmbrand, der in seiner Abhandlung über die Anwesenheit
des Menschen zur Zeit der Lössbildung (Mitth. der Wiener Anthropol. Ges. III.
1873, und Denkschr. der k. Akademie der Wissensch. Mathemat.-naturw. Classe.
Wien 1879. Bd. 39, Abth. 2, S. 165) die „Mammuthjäger-Station" von Joslowitz im
südlichen Mähren behandelte. Durch die Entdeckung der Löss-Station von Predmost
im nördlichen Mähren 1879, welche alsbald von unserem Freunde H. Wanke 1
erforscht wurde, den seine Landsleute den Vater der mährischen Prähistorie ge-
nannt haben, wendete sich die allgemeine Aufmerksamkeit dem Mammuth zu, dessen
Knochen den Hauptbestandteil der dortigen Funde bildeten. An den weiteren
Untersuchungen betheiligte sich ausser den Hllrn. Ifaska und KHz auch unser
correspondirendes Mitglied Japetus Steenstrup, der trotz hoher Anerkennung
Verdienste der Localforscher doch den stärksten Widerspruch dagegen erhob,
die Mammuthe von Predmost als Jagdbeate zusammengetragen seien, der vielmehr
die Erklärung aufstellte, dass die Leute von Predmost, wie die heutigen Jakuten
und die ihnen benachbarten sibirischen Stämme, die im Löss vergrabenen Mammuthe
oder deren Skelette ausgegraben und lange nach dem Untergänge der Thiere ver-
arbeitet hätten (Mammuthjaeger- Stationen ved Predmost. K. D. Vidensk. Selsk.
Forh. 1888, Kjobenhavn 1889, p. X). Darüber ist denn ein lang andauernder Streit
ausgebrochen, der auch im Auslande vielfachen Widerhall gefunden hat. Für
meinen heutigen Vortrag kann ich über diesen Streit hinweggehen. Ich will nur
(336)
constatiren, dass meines Wissens alle mährischen Forscher einmüthig auf die Seite
Wankel's ge'.ieten sind, und dass auch ich von der Ansicht Steenstrup's zurück-
getreten bin.
Ich hatte die Hoffnung gehegt, es werde mir bei der gegenwärtigen Reise
auch beschieden sein, Predmost zu sehen: ich gab diesen Gedanken jedoch auf,
nachdem die besten Kenner des Ortes mir die Versicherung ertheilt hatten, es sei
kein Stück des alten Schauplatzes mehr erhalten. Ueber diesen besitzen wir die
treffliche Beschreibung, welche Wanke 1 selbst auf der General -Versammlung
unserer deutschen Gesellschaft in Stettin (XVII. allg. Vers. 1886. Corresp-Blatt
S. 149) uns vorgetragen und in seiner Monographie (Die prähistorische Jagd in
Mahren. Olmütz 1892. S. 11) weiter ausgeführt hat, sowie die neuesten Mit-
theilungen der HHrn. Karl .1. Maska (Mittheil, der k. k. Central-Commission für
Kunst- und historische Denkmale. XX. 1894) und M. Kriz (Mittheil, der Section
für Naturkunde des österr. Tour.-Clubs. 1897. Nr. 5—7).
Darnach liegt Predmost, eine kleine Ortschaft von nicht ganz 600 Einwohnern,
dicht bei Prerau am rechten Ufer der Beewa oberhalb ihrer Vereinigung mit der
March. Auf seiner Westseite erhob sich ein isolirter Lösshügel, Hradisko oder
Chlum (Anhöhe) genannt, 34 m über die vorliegende Ebene; den Grundstock des-
selben bildete eine Klippe von devonischem Kalk, welche durch einen Sattel von
einer zweiten niedrigeren Klippe getrennt war, die in einem hinter dem Hofe des
Grundbesitzers Chromecek befindlichen Garten lag. Hier wurde bei Ausgrabungen
zu Wirthschaftszwecken eine „unglaubliche Menge Knochen riesiger Thiere" auf-
gedeckt. Nach den mir gewordenen mündlichen Mittheilungen waren dieselben
wesentlich im Umfange des Kalkfelsens angehäuft, wo jetzt nichts mehr zu
finden ist.
Vom Menschen selbst war ursprünglich wenig zu Tage gekommen. Wankel
selbst berichtet über die rechte Unterkiefer-Hälfte eines Menschen'), welche, in
Asche eingebettet, unter einem riesigen Oberschenkel -Knochen des Mammuth
verborgen war; in dem Gelenkkopf steckte ein abgesplittertes Feuersteinstück
(Abbild, im Stettiner Bericht S. 150). Hr. Schaaffhausen, der diesen Knochen
beschrieb (ebcndas. S. 148), fand darin eine „pithekoide" Lücke (Diastema) zwischen
Eckzahn und Schneidezahn, erkennbar an der '6 nun breiten Alveolarwand (das
Mittelstück mit den Schneidezähnen selbst fehlte). Er betonte ferner die Grösse
und die starke ßewurzelung des Weisheitszahnes, wie sie bei niederen Rassen vor-
zukommen pilege, und erklärte die Angabe Wankel's (Die prähistor. Jagd, S. 14,
Tal'. 1, Fig. 1), dass die Bildung des Unterkiefers sich nicht wesentlich von der
des jetzigen Menschen unterscheide, für nicht zutreffend. — Zwei andere Kiefer-
stücke, die er seihst ausgehoben hat, sind später von Hrn. Kriz (Ueber einen
wichtigen Lösshügel in Piedmost. Mitth. des österr. Tour.-Clubs S. 7 u. 11) ab-
gebildet: das sehr defecte Fragment eines Unterkiefers und ein stattlicher Ober-
kiefer, dessen weite Xahncurve eine sehr breite und kurze Gaumenplatte um-
zieht und an dem sowohl die leeren Alveolen, als die noch vorhandenen Molaren
gross und stark abgenutzt sind. - Von dem Besuche in Brunn habe ich einen
im Besitze des Hrn. Mi ka befindlichen Kiefer notirt, der colossale Zähne mit
ganz dachen Wurzeln besass.
1) Nach einer Mittheilung de Hrn. K I- 1 /, befindet sich dieser Kiefer in der Sammlung
des Olmützex Ifmealvereins; < r ist überdies abgebildet in der Zeitschrift dieses Vereins 18i54,
Nr. I und in Ma&ka: Der diluviale Mensch in Mähren. 1886. S. 103.
(337)
Bei unserer, später zu erwähnenden Zusammenkunft in Sloup übergab mir Hr.
Kii/. zwei Photogramme eines von ihm in Pfedmost ausgegrabenen Schädels, der
aul' der Stirn einen noch incrustirten /ahn und zwei leere Alveolen vom Eisfuchs
trägt. Auch Reste der ursprünglichen Ablagerung sind an der Oberfläche er-
halten. Der Schädel zeigt eine ungewöhnlich breite Stirn mit tiefer Glabella und
vortretendem Stirnnasenwulst; sie ist zugleich hoch und flach gewölbt, mit kräftigen
Tubera und lang aufsteigender Curve. Die Augenhöhlen sind gross und etwas
schiel', indem der äussere Theil der Supraorbitalränder leicW gesenkt und die
lnfraorbitalränder nach aussen vertieft sind; Höhe etwa 31, Breite 35 mm: Index
88,5 (hypsikonch). Die Nasenwurzel ist breit und tief angesetzt; die knöcherne
Nase selbst schmal und am Rücken etwas eingebogen: die Nasenöffnung nach
unten erweitert. Nach den Maassen an der Photographie beträgt die Höhe der
Nase 42, die untere Breite an der Apertur 23 mm, der Index also 54,7 (platyrrhin).
Der Überkiefer ist stark, die Fossae caninae gross und tief, der Alveolarfortsatz
von massiger Höhe und etwas schräg vortretend. Die leeren Alveolen weit; die
noch vorhandenen hinteren Zähne von massiger Grösse, aber stark abgenutzt. —
Das ist nicht viel. Wahrscheinlich Hesse sich ein Mehreres ermitteln, wenn die
Erdkruste, welche den grössten Theil des Schädels, namentlich das Dach, über-
deckt, ganz abgelöst würde. Ein Verlust wäre die Entblössung nicht; wohl aber
wäre es möglich, dass wir dadurch zu einer wissenschaftlichen Classificirung des
Schädels gelangten.
Zahlreicher sind die Artefakte, welche m Pfedmost gesammelt wurden. Wankel
hat sowohl von den geschlagenen Feuersteinen, als auch von anderen Stein- und
Beingeräthen Abbildungen geliefert (Stettiner Bericht S. 151. A— F, p, S. Prähistor.
Jagd, Taf. II und III). Ganz besonders interessant ist ein Rippen-Fragment vom
Mammuth (Prähistor. Jagd S. 15), welches reihenweise gestellte, schräge Strich-
Einritzungen in auch sonst bekannter Anordnung traut, wie sie Hr. Maska auch
an den Endstücken von Stosszähnen sah. Eine grössere Zahl von Knochen- und
Elfenbein-Geräthen führt gleichfalls Hr. Maska auf. Besonders zu erwähnen ist
das häufige Vorkommen von Röthel (selten Ocker und eine schwarze Farbe); auch
fanden sich Schieferplatten, auf denen Röthel zerrieben wurde.
Dabei ist daran zu erinnern, dass der Gebrauch, macerirte menschliche Knochen
roth zu färben, wie es schon von dem Skelet der Franz-Josefstrasse erwähnt ist, noch
jetzt in Polynesien vorkommt. Hr. de Baye (L' Anthropologie. \^>~>. T. VI. p. 4)
hat kürzlich einen neolithischen Kurganenfund aus der Gegend von Smela erwähnt.
wo Graf A. Bobrinskoy zwei Skelette biossiegte, bei denen gewisse Theile, zumal
des Schädels, roth bemalt (peintes) waren. — Mit Recht wird dabei an die früheren
Ausgrabungen des Hrn. Riviere in Mentone und an die des Hrn. Pigorini bei
Agnani erinnert. Mir scheint es nicht zweifelhaft, dass die Bemalung oder das
Anstreichen der Knochen nach der Maceration des Fleisches stattgefunden hat.
Wenn Hr. Kn'z die Frage aufwirft, ob der in Pfedmost gefundene Röthel zum
Färben oder Tättowiren verwende! wurde (Mitth. dea österr. Tour.-Clubs S. l<
ist ja für Leliende Beides möglich, vielleicht sogar verwandt; aber was die Färbung
der Knochen anbetrifft, so halte ich nur die Präge für zulässig, ob dieselben
künstlich angestrichen oder ob färbende Bodenbestandtheile zufällig in dieselben ein-
gedrungen sind. Schon vorher habe ich bei Gelegenheit des Skelets aus der Franz-
Josefstrasse erwähnt, dass nur in Bezug auf gewisse Fundstücke von Kromman
solche Zweifel aufgestiegen sind. —
Ich verlasse damit die Funde von Fiedmost und wende mich zu dem -
erwähnten Höhlengebiet, das ich aus eigener Anschauung kennen gelernt habe.
Verhandl. dei B»rl. Anthropol. Gesellsi ■■ 1891
(338)
Es hat zugleich die historische Bedeutung, dass Dr. Wankel, der lange Zeit in
der Mitte desselben, in Blansko, wohnte, in diesen Höhlen seine ersten und für
ihn selbst bestimmenden Untersuchungen angestellt hat. Wenn man von Norden
her die Reise macht, so gelangt man von Prag aus auf der östlichen Wiener Route
(über Kolin und Pardubitz), nachdem man die flacheren Striche des nordwest-
lichen Mährens passirt hat, zu einer stark bergigen Landschaft, der „mährischen
Schweiz", welche von der nach Süden strömenden Zwittawa durchbrochen ist und
ein höchst malerisches, von prächtigem Laubwald begleitetes, enges Thal um-
schliesst. Kurz hintereinander erreicht man die kleinen Ortschaften Raitz, Blansko
und Adamsthal. Dann verbreitert sich das Thal und öffnet sich schliesslich in den
Kessel von Brunn. Auf dieser letzten Strecke, schon vor Raitz beginnend, zieht
sich auf der (linken) östlichen Seite der Abhang eines Gebirgs-Plateaus fort, welches
in seinem westlichen Theile längs der Zwittawa aus devonischem Kalk, in dem
flöhlen-.
a. ßtouper Höhten.
b. Pun fcwa-Äusfluss.
c. lipjpusteK.
d. 3yci'skäta.
östlichen aus Grauwacken-Sandstein zusammengesetzt ist. Es hat eine mittlere
Seehöhe von 400 m und endet in der Nähe von Brunn in dem 423 m hohen Hadi-
berge, während der Drahaner Berg im Norden, östlich von Sloup, eine Höhe von
656 in erreicht. Dieses Terrain stellt das eigentliche Höhlengebiet dar. Eine
Reihe wasserreicher Bäche, welche von Osten her fast rechtwinklig durch das-
selbe gegen das Thal dir Zwittawa herabströmen, hat tiefe Schluchten eingerissen,
an deren Bändern die Muhe .stellenweise in die Tiefe verschwinden und nach
kürzerem oder längerem unterirdischem Laufe wieder zu Tage treten. Die meisten
von ihnen haben Bohlen ausgewaschen, die sich oft weithin unter der Oberfläche
erstrecken, in der Regel durch Nebengänge mit einander zusammenhängen oder in
noch unbekannter Portsetzung sich in das innere des Gebirges einsenken. In
diesen Höhlen (in obiger Skizze bei n) war es, wo Wankel seine merkwürdigen
Entdeckungen machte und manche höchst wagehalsige Forschungsreise unter-
nahm.
(339)
Ivs ist das Verdienst des Hrn. Kfiz, durch vieljährige und höchst mühsame
Untersuchungen die Verhältnisse einer grossen Zahl der Höhlen, insbesondere ihre
Niveau -Verhältnisse, wissenschaftlich festgestellt zu haben. Eis hat sich dabei
mancher Irrthuin des alten W'ankel, aber zugleich eine höchst werthvolle Be-
stätigung seiner Hauptresultate ergeben. Auch Hr. Kr/z hat Unmassen von Knochen
alter Höhlenthiere and zahlreiche Spuren der Anwesenheit des Menschen getroffen.
Durch die sorgsame Berücksichtigung der Höhenlage der einzelnen Höhlen und
durch eine skrupulöse Classifieirung des Inhaltes derselben ist es gelungen, ein
Bild \on dir Aufeinanderfolge der urgeschichtlichen Vorgänge zu gewinnen,
welches freilich immer noch nicht ein abschliessendes genannt werden darf, aber
doch in der Hauptsache als feststehend angesehen werden kann. Ich möchte nur
den cardinalen Satz anführen (Jahrb. 42, 3. S. 611): „In Mähren gab es eine
praeglaciale Fauna, aber keinen praeglacialen Menschen. u
Unser Ausflug in das Ilöhlengebiet war in der Art disponirt, dass wir am
Morgen des 29. Mai mit der Eisenbahn von Brunn bis nach Raitz fuhren Dort
bestiegen wir Wagen, um die Höhe von Sloup (sprich Slöp) zu erreichen. Ent-
zückende Fernblicke über die nördliche und westliche Landschaft eröffneten sich
auf diesem Wege. In Sloup trafen wir Hrn. Kfiz, der dort eine grosse Aus-
stellung von Fundobjecten veranstaltet hatte. Von da begaben wir uns in die
Slouper Höhlen, den Ausgangspunkt von Wankel's Studien. Seit jener Zeit
ist manche neue Abtheilung hinzugekommen, Decke und Wände haben ihren
Stalaktiten-Schmuck fast ganz verloren, die Ablagerungen von thierischen Ueber-
resten sind verschwunden, aber die Höhlen selbst zeigen noch immer ihre prächtigen
Hallen und das"Wasser rauscht noch immer in der Tiefe und nagt an dem Gestein.
Wegen einer weiteren Beschreibung verweise ich auf die schon erwähnten Schriften.
In Betreff der diluvialen Thiere mag es genügen, die vielen Knochen des
Höhlenbären zu erwähnen, die hier gesammelt worden sind; sie bilden nach
allen Zeugnissen das Hauptinventar der Slouper Höhlen. Wanke! selbst (Die
prähistor. Jagd, S. 60) gab an: „Vorwaltend waren die Knochen des Höhlenbären.
seltener die i\w Höhlenhyäne, vereinzelt jene des Höhlenlöwen, des Höhlenwolfes
und des Höhlen-Fjellfrasses." Hier war es auch, wo der Schädel eines Höhlen-
bären mit verletzter Crista parietal is (ebendas. S. 03 — 64) gefunden wurde, den
W'ankel ganz besonders hoch schätzte, „da durch ihn nicht nur die Gleichzeitig-
keil des diluvialen Menschen mit dem Höhlenbären, sondern auch der Kampf mit
demselben nachgewiesen wird"'). Die Fundstelle ist in ein Paar Situationsskizzen
W'ankel a. a. 0. S. 51, Schacht 27, und S. .">ö bei ■ ; genau bezeichnet.
laue einzige Stelle an Avw Slouper Höhlen verdient noch jetzt in hervor-
ragendem Maasse die Aufmerksamkeit der Alterthums-Forscher. Es ist die so-
genannte K ii Ina, eine Bezeichnung, welche die österreichischen Collegen durch
„Schupfen" W'ankel a.a.O. S. 59; Kfiz, Jahrbuch u. s. w., Bd. 41. 3. -
Tai'. IX). auch wohl durch „Kuhstall- [Führer in die Umgebung von Brunn S. 20—21
mit Abbildung, Karte II, Fig. 1 übersetzen. Wenn man von Sloup längs der
40 in hohen Felswand, an welcher die Eingänge zu den Hohlen liegen, und längs
des daraus hervortretenden Baches nach Süden geht, so stösst man zuerst auf
einen isolirt vor der Vorhalle 19 m hoch aufragenden mächtigen Felsblock, genannt
der Kammfelsen oder Hfebenäc, auf dem einstmals eine Statue des heiligen Simon
Stylites gestanden haben soll .W'ankel, Jagd. S. 45 mit Abbildung; KHz, Führer,
1) Vergl. über verheilte Knochenwunden an iirgeschichtlichen Knochen diese VerhandL
1882, S. L73, IT1.», 416—19.
22
(340)
S. 22, Abbild. Nr. 7, P). Bald darauf gelangt man an einen Vorsprung der Fels-
wand, der durch einen natürlichen weiten, gebogenen Gang nach Art eines Tunnels
durchbrochen ist. Der Gang ist 85 m lang, über 20 m breit und 5 — 8 m hoch;
sein oberer Eingang hat eine Breite von 13 bei einer Höhe von über 3 m, der
untere ist gegen 30 m breit und <S m hoch und stellt einen grossartigen Felsen-
bogen dar. Da beide Eingänge sich in das Bachthal öffnen, so dient der Tunnol
noch jetzt als ein Schlupfort für Menschen und Thiere. So rnuss es wohl schon
immer gewesen sein; denn gerade in diesem Tunnel hat sich ein wahres Museum
von Thierknochen ergeben, und zwar von solchen, welche in den benachbarten
Höhlen gar nicht oder nur sparsam ausgegraben sind. Dies gilt namentlich vom
Mammuth. Hr. Kfiz (Jahrbuch, Bd. 41, S. 526) hat in Schächten, welche er in
dem Tunnel graben Hess, 44 mal Stücke vom Mammuth gesammelt, darunter
49 Molaren und 9 Stosszähne. Aber sie erschienen nicht in der oberflächlichen
schwarzen Lehmschicht, sondern erst in der aus gelblichem Lehm, Kalkblöcken
und Kalkschotter bestehenden Ablagerung, welche unter der schwarzen Schicht
ruht, und sie reichen 16 m tief bis zu der felsigen Sohle Hier tritt der Gegensatz
zwischen der uralten Mammuthschicht und der späteren Höhlenablagerung mit.
ihren Bären- und Hyänen-Knochen scharf in die Erscheinung. Freilich beginnen
auch diese schon früh; denn es wurden vom Rhinoceros tichorinus 75, vom Ursus
spelaeus 98, von der Hyaena spelaea 11, von der Felis spelaea 7, vom Cervus Tarandus
201 Stück gesammelt. Da aber überhaupt keine Ueberreste diluvialer Thiere in
der schwarzen Lehmschicht vorkamen, so schliesst Hr. KHz auf eine klimatische
und hydrographische Veränderung in jener Zeit. Dann folgen, offenbar nach recht
langer Zeit, in der schwarzen (oberen) Schicht die Knochen von Hausthieren (Bos
taurus, Ovis aries, Capra hircus, Sus domestica, Canis familiaris u. s. w.). Reste
menschlicher Hinterlassenschaft kamen eigentlich nur bis in 3 //>, einmal bei 4 m
Tiefe vor, so dass für den Theil der knochenführenden Ablagerung, in der mensch-
liche Artefakte fehlen, 12 m übrig bleiben.
Das ist ein kurzer Auszug aus dem Bericht des Hrn. KHz. Ein Beweis für
die Richtigkeit seiner Angaben wurde uns an Ort und Stelle geliefert. In unserer
Gegenwart wurde ein tiefer Schacht bis in den gelben Lehm gegraben. Tch kann
der Gesellschaft einen gut erhaltenen Renthierzahn und ein prächtiges Feuerstein-
Messer vorlegen, welche hier gefunden wurden und welche mitzunehmen mir ge-
stattet wurde. Gleichzeitig überreiche ich ein Paar von mir gefertigte Photo-
graphien des unteren Einganges, der ganz gefüllt ist mit den wohl erkennbaren
Figuren der „Excursionisten". —
Noch weiter gegen Süden, jenseit der Külna, aber in demselben Höhenzuge,
folgt noch ein ferneres Höhlensystem, welches erst im Winter 1889/90 eröffnet
wurde und auch jetzt noch manche Zierde von dem ursprünglichen Schmuck an
Stalaktiten enthüll. Der Eingang liegt bei dem Dorfe Schoschuwka. Wir besitzen
eine genaue Schilderui der diluvialen Fauna und der Spuren des Menschen in
dieser Höhle von Hrn. Maska (Jahrb. der k. k. geol. Reichs-Anstalt 1891, Bd. 41,
Hell 2, S. 415). Wa erstere anlangt, so ergab sich an vielen Stellen eine
starke Vermischung älterer and neuerer, zum Theil selbst recenter Einlagerungen.
unter den älteren kamen R wim Höhlenbären so massenhaft vor, dass sie in
entfernteren Theilen des Hauptganges und in einigen Nebengängen mindestens
90 pCt. Hes ganzen Knochenmaterials ausmachten. Nächstdero war das Pferd am
zahlreichsten vertreten. Dagegen wurden nur ein einzelner Mctatarsalknochen vom
Mammuth, einige Knochen .,)M Felis spelaea, Theile eines Schädels von Hyaena
spelaea und im vorderen Theile des Hauptganges wenige Renthierreste ausgegraben.
(341)
Pur die Anwesenheit des Menschen zeugte das Vorkommen einer bis 16 cm
mächtigen Aschen- und Bolzkohlen-Schicht im Häuptlinge, etwa 38 m vom Ein-
gänge entfernt; Feuerspuren sollen sich auf einer etwa 4 m langen und bis 2 m
breiten Mäche gefunden haben, zusammen mit Feuersteinen und Knochen -Werk-
zeugen. Uener die anscheinend vom Menschen absichtlich zertrümmerten Knochen
vom ELenthier und Rind spricht sich Er. Maska sehr vorsichtig aus. Nur ein
l'lmtspahn und ein feingeschliffener Knochenpfriemen aus dem Metatarsus eines
„rehgrossen" Wiederkäuers, sowie ein grösseres Fragment einer mit einer seichten
Längsrinne (Sägespur?) versehenen Etenthierstange erscheinen ihm als unverdächtige
I '.ewi'ise für die Zeitgenossenschaft des Menschen und des Renthieres in dem vorderen
Theil der Höhle, die aber doch nur als Zeugen für die Annahme eines vorübergehenden
Aufenthaltes des ersteren aufgefasst werden dürften. Die meisten menschlichen
Knochen, welche am Ende des Hauptganges gesammelt wurden, erscheinen ihm
nach ihrem Erhaltungszustande und ihrer Farbe als recente, wahrscheinlich der
jüngeren prähistorischen oder sogar der historischen Zeit angehörige; sie stammen
scheinbar von einem einzigen Individunm. Die Tibia ist in hohem Grade pla-
tyknemisch (1 : ">8,3). Das untere Drittheil des Os femoris ist scharfkantig ab-
getrennt. —
Von Schoschuwka aus fuhren wir hinab in das stark bewaldete ..öde" Thal,
in welchem der Punkwa-Bach nach längerem unterirdischem Laufe durch ein weites
Felsenthor hervorbricht (Führer in die Umgebung S. 15. Abbild. In vorstehender
Skizze bei l>). Wir stiegen die steile Felswand hinan und gelangten auf das Plateau
des Kalkgebirges. Hier liegt die berühmte Mazocha (ebendas. S. 17, Abbild.), eine
gewaltige Thalschlucht von etwa 160 m Länge und 70 m Breite, in deren Tiefe
(137 m) die Punkwa braust. Von dieser pittoresken Stelle aus stiegen wir wieder
in das ..öde"* Thal hinab und fuhren das malerische Punkwa-Thal abwärts nach
Blansko, von wo ich mit der Eisenbahn nach Prag zurückkehrte. Die Zeil
stattete es aicht, das interessante Josefsthal zu besuchen, welches bei Adamsthal
in das Zwittawathal einmündet, und in welchem die Höhlen Wejpustek (in der
Skizze c), Kostelik und Byciskäla in der Skizze d) liegen. Wenn ich trotzdem
noch einen Augenblick bei der letzteren Höhle verweile, so geschieht es. weil sie
seit langer Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und zu vielen Deutungen
Anlass gegeben hat.
Vorweg mag bemerk! weiden, dass der durch Wanke) eingeführte Name
Byciskäla, d. h. Stierhöhle, von Hrn. Makowsky nicht anerkannt wird: et
Becziskala (von beceti, Geräusch des gurgelnden Wassers). Ein von ihm gelieferter
Grand risa steht in dem „Führer" S. 8, ein anderer von KHz in dem Jahrb. der
geol. Reichs-Anstall 1892, Hd. 4-J. Heft 3, Taf. XII; es geht daraus hervor, dass
die Bohle eine grosse Länge (hinter der 21 /// langen Vorhalle noch 312 m) besitzt.
mancherlei Krümmungen macht, aber nur ein Paar grössere „Seitenhallen" aus-
sendet. In tief nördlichen wurden rohe Steinwerkzeuge und gespaltene Knochen
diluvialer Säugethiere I Pferd. Auerochs, ßenthier, Lepus variabilis, Legopus u. s. w.)
auf einem mit Kohlen durchsetzten Boden gefunden; in der südlichen gleichfalls
eine Feuerstelle mit 5 Metatarsalknochen des Höhlenbären, gespaltene Knochen-
reste der genannten Thiere, „Pfeilspitzen" von Etenthiergeweih, scheinbare Ge-
räthe aus Feuerstein. Da letztere jedoch bei Grabungen -am Tage" im Walde
gleichfalls zum Vorschein kamen, so dürften sie wohl nur eingesch wem rate Bruch-
stücke darstellen. Nach den Angaben des Hrn. Kh'z (a.a.O. S. 540 stammen
die sämmtlichen Knochen an der Feuerstatte von Mahlzeiten her: diluviale
Thiere (Bär. Lowe, Hyäne u. s. w.) haben nie in den Höhlen gelebt
(:542)
Reste von Hausthieren (Bos taurus, Ovis aries, Capra hircus, Sus domestica, Canis
familiaris, - vom letzteren nur 2 Stück) kamen nirgend in Gemeinschaft mit den
Resten diluvialer Thiere vor. Hr. Kh'z bringt sie in Zusammenhang mit der Be-
wohnung der Vorhallen und der südlichen Seitenhallen, in denen nach seiner
Meinung eine Schaar von Flüchtlingen Schutz gesucht habe, aber durch Verfolger
vernichtet worden sei (S. 551). Dieses Ereigniss habe im 2. oder 3. Jahrhundert
vor Chr. Geburt stattgefunden. Als Zeugen desselben fand man Thongcfässe ver-
schiedener Art, Spinnwirtel, Schmucksachen aus Bronze und Gold, Werkzeuge aus
Stein, Knochen, Geweih, Bronze und Eisen, endlich menschliche Knochen. Sie
gehören nach Hrn. KHz der Hallstattzeit an. Zu demselben Schlüsse war ich
schon vor länger als 20 Jahren gekommen, als ich auf der Wiener Ausstellung den
von einigen jungen Männern kurz vorher in der Vorhalle gefundenen Bronze-
stier erblickte (diese Verhandl. 1873, S. 169, 203); indem ich ihn mit der schon
von Karabacek herangezogenen Hallstätter Bronzekuh zusammenstellte, gewann
ich auch für unsere Bronzestiere und Bronzevögel einen chronologischen Anhalts-
punkt. Ich füge noch hinzu, dass im Museum Hirse und Getreide in gebrannter
Form aus der Byciskala liegt, — ein untrüglicher Beweis für die späte Zeit der
r.ewohnung.
Das ist ein kurzer Ueberblick über das, was ich in und aus dem Höhlen-
gebiet gesehen habe. Es liegt auf der Hand, dass es gegenüber den Lössfunden
von Brunn, Pfedmost und Joslowitz sehr in den Hintergrund tritt, wenngleich es
für sich von grösstem Interesse ist. —
Ich habe jetzt noch einige Nachträge zu bringen in Bezug auf die jüngeren
Funde, welche ausserhalb des Löss- und Höhlen-Gebietes gemacht worden sind.
Hier habe ich zunächst mit ein Paar Worten auf den schon früher (S. 332) er-
wähnten Hradisko von Obfan zurückzukommen. Es ist dies ein in dominirender
Höhe auf einem nördlichen Bergvorsprung vor Brunn am rechten Ufer der Zvvittawa
o-elegener Ringwall. Innerhalb eines weit ausgreifenden Erdwalles liegt ein grosser,
II icher, jetzt bebauter Kessel, auf dem sich nicht selten prähistorische Scherben
linden Ich erwartete hier slavische Formen zu finden, war aber nicht so glücklich.
In der „Technik" sah ich einzelne sehr grosse Thongefässe von d;i und bemalte
Gefässscherben. Durch Schrägstriche waren dreieckige Felder abgetheilt, welche
abwechselnd roth in dickem Aufstrich bemalt waren und weisse Incrustationen
zeigten. Em Franzens-Museum lagen zwei ungarische Fibeln aus Eisen, sowie
eine grosse Plattenfibel, wie eine ähnliche sich im Musealverein von Alt-Brünn be-
findet. In der „Technik" war eine Bogenfibel. Auch bemerkte ich vomPolauer
Berg bei Nikolsburg eine ganz kleine Miniaturfibel von ungarischer Form aus
Btarkem gewundenem Draht.
Von besonderer Wichtigkeit erschienen mir die Funde von Krommau, über
welche zum Theil chon Hr. Makowsky in diesen Verhandlungen (1895, S. 760)
berichte! hat; ßie liefern vielfache Analogien zu prähistorischen Stücken unserer
Gegend. Vor Allem ist der merkwürdige Muschelschmuck zu erwähnen, dessen
LJebereinstimmung mit unserem Bernburger Funde ich früher erörtert habe; ausser
Spondylus kommen daran kleine Neritinen vor. Ebendaselbst fand man das Gefäss
mit ganz tiefer und breiter Einritzung m Schlangen form (a. a. 0. S. 7G1, Fig. 2),
welches Ornament sieb noch an zwei Schalen zeigt. Ein starkes Bronzeblech trägt
-•in Dreieck-Ornaraenl Daneben geschliffene Feuerstein-Geräthe und polirte Aexte,
aucn die thüringische Schuhleistenform; Schlittschuhe aus Knochen; grosse Henkel
\on Thongefässen und Vollcelte; ich notirte ferner eine Schlangennadel mit Knopf,
i im" kleine zerbrochene ungarische Fibel (aus dem Mnseal-Verein), platte Pfeil-
343)
spitzen. An den Thongefässen zahlreiche Horizontal- und Wellenlinien. Audi
fanden sich hier die schon (S. :!34) erwähnten rothen Beschläge.
Den von Hrn. Piala in einem Grabe bei Brunn gemachten Fund eines grossen,
schlanken, sehr gracilen Bronzepferdes mit langem Schwanz und sehr charak-
teristischem Kopf kann ich nicht übergehen. Ebenso erwähne ich dreiecl
ganz kurze Bronze-Dolche mit Stielen (?) von Lundenburg, Obfan u.a.. -
eine Gussforra von Hrad.
Endlich nenne ich noch einige neolithische Fundstellen. Von Obrany be-
sitzt sowohl die ..Technik1-, als das Franzens-Museum solche Stücke; in letzterem
liegen .Massen von geschliffenen Steinbeilen und gebohrten Aexten, viele' bear-
beitete Rippen n. 8. w. Hei Schlappanitz wurden Gefässe, zum Theil ähnlich
denen von Obfan, mit eingepressten horizontalen Zonen und rothen Stempeln, auch
platte, kleine, graue Gelasse mit Kugelboden gesammelt.
Auf weitere Besprechung dieser prähistorischen Sachen verzichte ich um so
mehr, als die Kürze der Zeit mir nicht gestattete, meine Notizen zu controliren.
Sollte ich einige [rrthümer begangen haben, so bitte ich um gefällige Correctur
durch die mährischen Freunde; heute schien es mir jedoch wichtig, wenigstens
einige Hinweisungen auf die ungewöhnliche Bedeutung auch dieser Sachen für
unsere eigene Prähistorie zu machen. —
(2o) Hr. A. Voss bespricht, unter Vorlage eines dem Königl. Museum für
Völkerkunde eingesendeten Exemplares, die
bei Eilsdorf. Kreis Oschersleben, Provinz Sachsen, gefundenen Gesichts-
Thürarnen.
Hr. Gutsbesitzer Vasel in Beyerstedt hei Jerxheim hat die -rosse (Üite ge-
habt, eines jener höchst bemerkenswerthen Thongefüsse. welche von ihm bei Els-
dorf gefunden wurden und eine Combination von Gesichtsurnen und Hausurnen,
die sogenannten Thünirnen, darstellen, dem Königl. Museum für Völkerkunde als
Geschenk zu übersenden, wofür ihm an dieser Stelle der verbindlichste Dank aus-
gesprochen werden soll. Ich bin jetzt in Folge dessen in der glücklichen Lage, Ihnen
ein Exemplar dieses Gefässtypus im Original vorzuführen. In der Sitzung vom
20. Januar 1894 hatte ich bereits Gelegenheit, Photographien derselben vorzulegen,
und Hi'. Lehrer Voges in Wolfenbütte] hat im l. Heb der Fundnachrichten des-
selben Jahres ausführlicher über die Fundstelle berichtet. Zur Erläuterung der in
diesem Gefässtypus combinirten Gefässformen habe ich mir erlaubt, die bei Klein-
Katz in Pomerellen gefundene Gesichtsurne mit Andeutung eines viereckigen Schurzes
oder einer Tasche Kat. Nr. 1. 1409, abgebildet bei \ Ledebur, Das König-
liche Museum vaterländischer Aiterthümer, Berlin 1838, Tal'. II gleichfalls hier
aufzustellen und ebenso eine sogenannte „Thürurne" von Enseburg. Kreis Wanz-
leben, Provinz Sachsen Kai Nr. [, g, 569 . ein Geschenk des Hrn. Ortsvorstehers
Schulz zu ünseburg. Dass diese Eine Mm Eilsdorf, welche bei Hrn. V
(a.a.O.) unter Fig. 3 J und.;/' abgebildet ist. ebenso wie die mit ihr gefundenen
anderen beiden Exemplare eine Combination der beiden hier vorgestellten Können
ist. ist leicht ersichtlich. Auch hinsichtlich der Zeitstellung würden diese •• Typen
zusammengehören; oh diese Form aber einer directen Ideen- Uebertragung ihre
Entstehung verdankt, ist noch erst zu erweisen, da zwischen dem Bereich der
Gesichtsurnen und dem der Hausurnen Ins jetzt noch die Bindeglieder in Gestalt
von Zwischenformen fehlen.
(344)
(24) Hr. 0. Olshauson spricht über
Hrn. Kröhnke's chemische Untersuchungen an vorgeschichtlichen Bronzen
Schleswig- Holsteins.
In der Sitzung vom 19. Juni wurde eine jüngst erschienene Kieler Dissertation
des Hrn. Otto Kröhnke vorgelegt, betitelt: Chemische Untersuchungen an vor-
geschichtlichen Bronzen Schleswig-Holsteins. In derselben sind an der Hand neuer
Analysen einer grossen Zahl meist durch gute Abbildungen des Hrn. Dr. Splieth
wiedergegebener Bronzen verschiedene archäologisch-chemische Fragen erörtert, —
dem Plane nach eine sehr verdienstvolle Arbeit, welche der noch besonders zu
schätzen wissen wird, der selbst nicht allein die Langwierigkeit, sondern auch die
Schwierigkeit der Bronze-Analyse kennt.
Eine nähere Besprechung der Schrift liegt nicht in meiner Absicht; die nach-
folgenden Mittheilungen sind nur veranlasst durch ein „das Schwert von Norbyu
überschriebenes Capitel (S. 38 — 42), welches frühere Arbeiten von mir berührt.
1. Der Kupfer-Verlust bei Verwitterung von Bronzen.
An der Klinge eines prachtvollen, der Steinkiste des Grabhügels „Moritzenberg"
bei Norby in Schleswig entstammenden Schwertes1) beobachtete Fräul. Mestorf,
Director der Kieler Alterthümer-Sammlung, eine völlige Verschiedenheit im Aeussern,
namentlich der Farbe, ihrer einzelnen Abschnitte. Während die Klinge im All-
gemeinen eine dicke grüne Patina mit braunen Flecken zeigte, erinnerte ihre Spitze
nicht im Geringsten mehr an Bronze, sie liess das Vorhandensein von Kupfer nicht
mehr wahrnehmen. Fräul. Mestorf schloss hieraus, dass die Spitze ihr Kupfer
mit der Zeit (mehr oder minder) verloren habe, und dies gab Hrn. Kröhnke
Anlass, quantitative Analysen der Proben von 4 verschiedenen Klingen-Abschnitten
auszuführen, welche ein Abnehmen des Kupfergehaltes vom Griffende nach der
Spitze hin ergaben, wie folgt: 1. 63,79 pCt. Kupfer; 2. 57,95 pCt.; 3. 45,91 pCt.;
4. 8,56 pCt.2).
Eine Probe von dem starken Klingentheil nahe dem Griff stellte, zerrieben, ein
dunkelbraunes Pulver dar und enthielt neben Zinnsäure (einem Hydrat des Sn(X)
noch metallisches Zinn, während die dünnere Spitze ein grauweisses Pulver lieferte,
dessen Zinnsäure kein metallisches Zinn mehr beigemischt war.
Das erstere Pulver gab, mit Salpetersäure behandelt, einen auf dem Filter ge-
trockneten und mit diesem gewogenen (nicht geglühten) Rückstand von 3*2,12 pCt ;
das zweite Pulver hinterliess, ebenso behandelt, 78,85 pCt. Diese Rückstände sind
im Wesentlichen Zinnsäure; der erstere enthielt indess noch Spuren von Blei, Kupfer,
Thonerde.
Die Probe mit dem metallischen Zinn war also weit zinnsäureärmer, als die
andere; und dabei ist in Wahrheit ihr Gehalt an Zinnsäure mit 32,12 pCt. noch
etwas zu hoch gerechnet, weil ein Theil der letzteren nicht schon bei der Probe-
1) Mittheilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein, Heft 3 (1890),
8. 19 und 25, Fig. 2.
2) Diese Zahlenreihe würde, den analytischen Belegen auf S. 72 nach, unter Nr. 3
einen groben Fehler enthalten; denn die Rechnung ergiebt 91,78 pCt. Kupfer, nicht 45,91.
Wahrscheinlicher i I es allerdings, dass die gewogene Kupfermenge mit 0,0837 // um das
Doppelte zu hoch, oder die in Arbeil genommene Probe mit 0,09125// um die Hälfte zu
niedrig not in i t.
(345)
nähme darin enthalten war, sondern von dem metallischen Zinn herrührt, das erst
durch die Salpetersäure oxydirt worden war.
Aus all diesem folgte natürlich, dass die Bronze bei der Verwitterung ihr
Kupfer um so mehr verlor, je dünner sie war, während gleichzeitig der aus Zinn-
säure bestehende Bückstand relativ zunahm. Es zeigte sich weiter, dass die
Oxydation des Zinns im dickeren Klingentheil nur eine th eilweise, im dünneren
aber eine vollständige war. Dieses Ergebniss einer mühevollen Arbeil ist
jedoch durchaus nicht neu und dasselbe gilt von der für das Verschwinden
des Kupfers gegebenen Kröhnke'schen Erklärung. In den stark oxydirten Bronzen
ist nehmlieh das Kupfer als basisches Carbonat, bisweilen auch theilweise als
Oxydul vorhanden. Festeres ist in kohlensäurehaltigem Wasser, wie es durch
Regen in die Erde gelangt, löslich, wenn auch nicht leicht, so doch bei andauernder
Einwirkung vollständig. Hr. Krö linke will aber den Tagewässern bei der Fort-
führung des Kupfers keine erhebliche Rolle zugestehen, weil die Erscheinung
meist nur bei Gräberfunden, nicht bei anderen Erdfunden auftritt; er möchte viel
eher annehmen. ..dass das bei der Verwesung der Leiche entstehende Ammoniak
das Kupfer allmählich aufgelöst und das Zinn zu Zinnsäure umgewandelt hat".
Das Wesentliche dieser Anschauungen findet sich nun bereits in einer Mittheilung
Schuler's über Analyse einer alten Bronze und deren Patina in Dingler's Poly-
technischem Journal, Bd. 232 (1879), S. 333—36.
Schuler untersuchte die lichtgrüne, zerrieben weisslichgrüne, Patina einer
Bronze, die 89,78 pCt. Kupfer und 6,83 Zinn enthielt (neben 3,03 Blei, Kobalt,
Nickel, Eisen; in Summa 99,64). Die Patina verlor im Vacuum über Schwefel-
säure 9,44 pCt. Wasser. Die so getrocknete Masse war, wenn man alle ihre un-
wesentlichen Bestandteile an beigemengter Erde, organischer Substanz. Eisenoxyd
und Thonerde im Gesammtbetrage von 9,32 pCt. abzieht und die Summe der
anderen = 100 setzt, gebildet aus 34,55 pCt. basischem Kupfer- Carbonat [CuC03,
CuOaHa, d. i. Malachit], 4, öl basischem Blei-Carbonat [(PbC08)a, PbOaHa, d. i. Blei-
weiss] und 60,92 Zinnsäure1) [Sn08Ha] = 99,98 pCt, d.h. sie enthielt 19,8 pCt.
Kupfer und 42,7 pCt. Zinn. Der Kupfergehalt der Patina war also sehr viel
kleiner, als der der Legirung, der Zinngehalt dagegen ganz bedeutend erhöht.
Schulei- bemerkt dazu: „Wasser mit einem Gehalt an freier Kohlensäure, welches
die Fähigkeit besitzt, basisches Kupfer-Carbonai zu lösen, während Zinnoxyd-
Hydrat in demselben anlöslich ist. dürfte eine der Ursachen dieser Aenderung der
Mengenverhältnisse zu einander sein. Eine andere Ursache mag in der Ein-
wirkung von im Wasser gelöstem Ammoniak und kohlensaurem Ammonium, beide
hervorgegangen durch Verwesung stickstoffhaltiger organischer Substanzen, zu
suchen sein. Für die Berechtigung dieser Annahme spricht das Vorhandensein
von geringen Mengen Ammoniak in der Patina. Fs lassen sich auch andere Ur-
sachen vermuthen. deren Erfolg der war. dass ein grosser Theil des Kupfers ....
gelöst untl weggeführt wurde, während Zinnoxyd -Hydrat zurückblieb und sich
hierdurch anreicherte."
Von dieser Arbeit Schülers, sowie eon einigen einschlägigen späteren Mit-
theilungen anderer Autoren erhielt auch ich erst jetzt Kenntniss durch Hrn. Dr.
F. Bathgen, Chemiker beim Kgl Museum am Lustgarten hierselbst. Aber schon
vorJahren habe ich nicht allein zahlreichen Personen, darunter auch Frl. M
Bronzen meiner Amrumer Sammlung gezeigt, deren einige nur an den dünneren
Stellen (ein Schwert ebenfalls an der Spitze und an den Schneiden", andere i
l l eber Zinnsä ure siehe unten S
(846)
z. B. eine Dolchklinge, ganz und gar gevveisst waren, sondern ich habe auch
in meinen ersten Veröffentlichungen auf prähistorischem Gebiet wiederholt diese
Erscheinung erörtert und bald in der einzig möglichen Weise, durch Kupferverlust
nach erfolgter Oxydation, erklärt. Anfangs hielt ich zwar die Spitze eines zweiten
Dolches, einen Spatel (richtiger Messer) und eine gerade Nadel für Umwandlungs-
producte von Zinn, erwog aber doch schon gleichzeitig bezüglich der Spirale
einer Fibel die Möglichkeit der Entstehung aus Bronze und bemerkte: „In der
That verlieren sehr dünne Bronzestückchen beim Liegen in der Erde einen Theil
ihres Kupfergehaltes und sehen, weil durch und durch oxydirt, schmutzigweiss
aus" (diese Yrrhandl. 1883, 86 — 90). — 1884 erkannte ich dann auch die meisten
der anderen genannten Gegenstände als Bronze-Objecte und untersuchte weiter 2
ebensolche weisse Stücke des Kieler Museums, einen Tutulus von Sylt und ein
Messer von Emmerleff (Verh. 1884, S. 525, 531—32). Ueber den Tutulus sagte ich:
..Da er von erheblicher Dicke ist, ich aber nur der äussersten Oherfläche die Probe
entnehmen konnte, so mag im Innern ein Bronzekern vorhanden sein, obgleich das
Aeussere nicht die leiseste Andeutung davon zeigt (und das Pröbchen kein Kupfer,
sondern nur eisenhaltige Zinnsäure ergab). u Das Messer war bis dahin in Kiel
nicht richtig erkannt, wurde erst von mir als solches angesprochen und eben des-
halb als vermuthlich aus Bronze entstanden bezeichnet.
Hier und in anderen Sätzen ist also das Weisswerden durch Kupferverlust
und der Einlluss der Dicke des Gegenstandes bereits klar ausgesprochen. Diese
Sache hat mir damals viele Mühe gemacht, da ich, selbst in archäologischen
Dingen noch Neuling, auch keine Vorarbeiten kannte, und in den Museen die
geweissten Bronzen ganz falsch aufgefasst wurden. Bald hielt man sie für
schwach gebrannten Thon, bald für Knochenmasse, endlich für Kitt oder dergl.;
namentlich auch Prof. Handel mann, damals Director des Kieler Museums, hat
wiederholt derartiges geäussert. Auch ich dachte Anfangs an Knochen. In der
That lassen mehrere meiner Amrumer Objecte, die in ihrer ganzen Ausdehnung
völlig gleichmässig weiss sind und deren Oberfläche dabei keineswegs verwittert
erscheint, vielmehr glatt und mit den Ornamenten wohl erhalten ist, einen solchen
liTthum sehr leicht zu, wenn man nicht schon Erfahrungen gesammelt hat. Wie im
Mineralreiche die Substanz eines Krystalls durch Einwirkung gelöster, von Aussen
herantretender anderer Stoffe theils wesentlich verändert, theils sogar gänzlich ver-
drängt und durch einen neuen Stoff ersetzt werden kann, der die alte, ihm selbst
nicht eigene Form des Krystalls unverändert übernimmt, so entstehen auch hier
walue- Pseudomorphosen von fast reiner Zinnsäure nach Formen, die der
Mensch ursprünglich einem anderen Material gegeben hatte. Welche Schwierig-
keiten unter diesen Umständen die Untersuchung bot und auf welchem Wege ich
schliesslich zum /u| gelangte, das ist Verhandl. Ins:;. S. 88 zu lesen. Es bc-
fremdet aber, dass man in Kiel diese Arbeilen, die doch zum Theil mit dortigem
Material ausgeführt winden, gänzlich vergessen zu haben seheint.
Den Antheil de Ammoniaks bei der Auslaugang des Kupfers anlangend, so
ergiebt cm Vergleich der Ansichten Schuler's und Kröhnke's, dass ersterer
denselben wen vorsichtiger veranschlagt, meines Erachtens mit Recht. Gewiss
wird das Ammoniak mitgewirkt haben, aber die Vorbedingung dafür ist doch
immer das Eindringen von Tagewassern, nicht allein zur Bildung einer wässrigen
Lösung des Ammoniaks, sondern wesentlich auch zur Oxydation des Kupfers und
Ueberführung desselben in basisches Kupfer- Carbonat durch seinen Gehalt an
Sauerstoff and Kohlensäure Denn metallisches Kupfer löst sich nicht in
reinem wässrigem Ammoniak, wohl aber Kupferoxydul und jenes Carbonat Diese
(347)
Tage wasser genügen nun aber auch schon für sich allein, die Oxydation und Port-
rührung des Kupfers zu bewirken; das Ammoniak (ordert sie, ist aber nicht un-
bedingt nöthig. Aehnlich dürfte es sich wohl mit der Oxydation des Zinns ver-
halten. Es scheinen mir auch die Bedingungen für die Zerstörung der Bronzen
durch Tagewässer in manchen Gräbern günstiger zu sein, als im gewöhnlichen
Erdboden. Die Gräber der älteren Bronzezeit auf Amrum bestehen aus Erdhügeln,
die im Innern längliche Saufen von Feldsteinen bergen, zwischen denen die
Leichen mit den Beigaben oft auf Holzunterlage (oder in Särgen?) ruhten. Diese
Steinmassen enthalten natürlich Höblungen, namentlich in Folge der Auflösung der
Weichtheile der Leichen. Ich fand nun oft, dass. wenn auch die Erdschichten
nicht besonders feucht schienen, die Steine ganz nass waren. Das eingesickerte
Wasser kann in die Substanz der Steine nicht eindringen, haftet aber auf der Ober-
fläche derselben. Sauerstoff und Kohlensäure fühlt es mit hinab; weitere Luft-
raengon mögen bei trockener Witterung durch die Knimasse dringen, und so haben
wir lufterfüllte Hohlräume mit nassen Wunden, — ein, wie mir scheint, für die
Oxydation der Bronzen sehr günstiges Verhältniss. Auf Amrum waren auch die
Knochen der Leichen meist bis auf geringe Spuren verschwunden, indem zunächst
die organische Substanz derselben verweste und oxydirt wurde, dann die so ihres
Bindemittels beraubte Mineral-Grundlage in kohlensäurehaltigem Wassersich löste.
Dieses Wasser spielt also hier eine grosse Rolle, der gegenüber die des Ammoniaks
nicht zu sehr betont werden darf.
Debrigens hatte ich selbst schon die Mitwirkung des Ammoniaks bei den
chemischen Vorgängen in Gräbern, u. a. auch in eben demselben Grabe von
Norby, dem das Schwert entstammt, in Betracht gezogen (diese Verhandl. 1884,
ö21), freilich nicht mit Bezug auf Bronze, sondern auf Niederschläge phosphor-
säurehaltiger Thonerde; siehe unten S. 353.
Kröhnke hat die Ergebnisse der Einzelbestimmungen für das Schwert von
Norby nicht in einer üebersicht zusammengestellt, wie es für alle anderen von ihm
untersuchten Bronzen geschehen ist. Nach Berichtigung verschiedener Fehler in
den Angaben auf S. 10 und 69 -72 ergiebt sich aber für die Proben von beiden
Luden des Schwertes die folgende üebersicht I. Das hier Fehlende müsste Sauer-
stoff1) sein. Rechnet man nun alle Metalle in ihre Oxyde um. so erhält man die
Reihen II.
I. IL
I rriffende
Spitze
Griffende
Spitze
Kupfer. .
. 63,79
8,5 1
CuO . .
. Tü.99
10,67
Zinn
. 19,12
58,39
Sn( L . .
. :M,36
74,36
Eisen .
0,84
1,07
Fe.O; . .
. 1,20
1,53
Wasser
. 1,51
ILO. . .
1,51
6,66
Glühverlusl
.
9,51
Glüh\ erlust
•
9,51
85,26 84,14 107,06 102,73
Da die Probe vom Griffende noch metallisches /mn enthielt, so kann der
üeberschuss von 7. im; pCt. z. Th. daher rühren. Oh auch freies Kupfer vorhanden
war. welches den Rest des Ueberschusses erklaren könnte, sei dahingestellt Bei
der Spitze ist dies gewiss ausgeschlossen; die langsame Gasentwickelung heim
Losen in Salpetersäure (S .1 konnte \,,n Kohlensäure herrühren, die fertig in der
Masse vorhanden war. oder durch Oxydation organischer Substanz entstand.
! Auf Chlor wird von Kröhnke überall Dicht Rücksicht genommen.
(348)
Es liegt nun nahe, diesen Befund mit dem an anderen von Kröhnke unter-
suchten stark oxydirten Bronzen zu vergleichen. Als solche führt er u. a. auf
Nr. 15 und 17; doch ist hier, namentlich bei Nr. 17, die Veränderung noch nicht
so sehr gross l). Dagegen sind Nr. 30 und 36 heranzuziehen. Für beide giebt
Kröhnke aber sonderbarerweise in der Zusammenstellung der Einzelbestimmungen
das Zinn als Oxyd an, Kupfer und Eisen dagegen als Metall. Das wäre aber doch
nur dann zulässig, wenn man annehmen dürfte, es werde in den Bronzen zunächst
das Zinn vollständig oxydirt, dann erst die anderen Metalle, so dass man von dem
der Analyse nach in der Masse anzunehmenden Sauerstoff auch zuerst das Zinn
zu befriedigen, den dann noch verbleibenden Sauerstoff aber entweder auf die
anderen Metalle zu vertheilen, oder als Verlust in Rechnung zu stellen hätte.
Meines Erachtens haben aber Eisen und Kupfer den ersten Anspruch auf den
Sauerstoff. Es bemerkt auch Donath in einer Mittheilung über „Nachahmung der
Patina", dass Säuren und Ammoniak oder kohlensaures Ammon vorzugsweise auf
das Kupfer, weniger auf das Zinn einwirken [Dingler's Polyt. Journal, Bd. 253
(1884), S. 376].
Nach Beseitigung einiger kleiner Rechenfehler ergiebt sich nun für die Bronzen
Nr. 30 und 36, einmal auf Metall, das andere Mal auf die Oxyde berechnet, wenn
man für Nr. 30 die zweite der 3 untersuchten Proben zu Grunde legt:
Nr. 30 Nr. 36
Kupfer . . .
41,05
76,33
Zinn . . .
30,86
9,94
Eisen . . .
3,44
2,22
Wasser . .
Kohlensäure .
3,94 1
6,96
Flüchtiges 1
Erdiges . }
6,67
—
CuO . .
SnO., . .
FeÄ . .
H20. . .
CO,. . .
Flüchtiges
Erdiges .
Nr. 30 Nr. 36
51,48
39,30
4,91
3,94
95,71
12,66
3,17
6,96
6,67
85,96 95,45
106,30 118,50
Hiernach wäre die Bronze Nr. 36 erheblich weniger verwittert, als Nr. 30.
Auffallend klein erscheint indess ihr aus dem Fehlbetrag 100—95,45 = 4,55 pCt.
sich ergebender Sauerstoffgehalt, da es doch heisst: „grünliche, starke Patina,
blasig und körnig" (S. 19) und „Bronze stark oxydirt, graue Masse" (S. 65).
Es wäre erwünscht gewesen, bei allen verwitterten Bronzen, so wie es für Nr. 15
geschehen, genauere Angaben über das Aussehen der in Arbeit genommenen Proben
zu finden, ob sie überhaupt noch einen metallischen Eindruck machten oder völlig
in basische Oarbonate oder in Oxydul u. s. w. übergegangen zu sein schienen. Bei
Nr. '■'<*'> dürfte wohl noch Metall erkennbar gewesen sein, beim Schwert vonNorby aber
wohl nicht ohne Weiteres. Denn das Zinn am dickeren Ende wird wohl nur nach
dem Pnlverisiren sich durch Schlemmen gezeigt haben. Selbst bei metallischem
Aussehen Kann übrigens schon bedeutend Sauerstoff aufgenommen sein; das Metall
ist dann leicht pulverisirbar. —
2. Die Zinnsäure der verwitterten Bronzen.
Während das in der Natur vorkommende, die Hauptquelle für Zinn bildende
Mineral, ^\cr Zinnstein, wag erfreies SnO, ist, scheint das Product langsamer
1) Die Zahlen für beide Analj i n enthalten wieder einige Ungenauigkeitcn. Besonders
sind bei Nr. Iß entweder die als gewogen angegehenm Mengen Sn02 (0,0'iil) und Cu2S (0,307
oder die Umrechnungen in Zinn and Kupfer irrig. Die Fehler überschreiten 1 pCt.
(349)
Oxydation des Zinns in den Gräbern meistens, wenn nicht stets, wasserhaltig
ZD sein.
Es giebl nun 2 Arten der Zinnsäure, welche sieh wesentlich durch ihre un-
gleiche Lüslichkeit in anderen Säuren unterscheiden: die eine bezeichnet man als
a-Zinnsäure, die andere als b- oder Meta-Zinnsäure; letztere entsteht u. a. durch
Oxydation des Zinns mittelst Salpetersäure. Jede Art kann unter gewissen Um-
ständen in die andere übergeführt werden: es kann ferner jede derselben ver-
schiedene Wassermengen enthalten.
Heide Säuren kommen in der Zusammensetzung SnOJI,. mit 19,46 pCt. Wasser,
vor, so die Meta-Zinnsäure aus Zinn und Salpetersäure, wenn sie an der Luft ge-
trocknet wird. Im Yacuum über Schwefelsäure verlieren beide Säuren 1 Molecül
H20 und gehen in das sehr beständige Sn08B2 über (mit 10,75 pCt. Wasser).
Y<m der Meta-Zinnsäure kennt man ausserdem noch andere Hydrate, die aus
den in der Kälte dargestellten durch längeres Kochen mit Wasser entstehen (Krau-' -
Chemiker-Zeitung, Cöthen 1897, 854). Alle Hydrate beider Säuren verlieren beim
Glühen das Wasser vollständig.
Die Frage nun, welche Art der Zinnsäure und welches Hydrat derselben in
den Gräbern bei der Oxydation der Bronzen und des metallischen Zinns entsteht,
scheint mir noch nicht genügend aufgeklärt.
Den ersteren Punkt könnte das Verhalten gegen andere Säuren entscheiden.
Denn wie die a-Säure in Salpetersäure löslich, die b-Säure unlöslich ist, so löst
sich erstere auch leicht selbst direct in concentrirter Salzsäure, die b-Säure aber
erst auf Zusatz von Wasser. Die Lösungen beider Säuren verhalten sich auch
verschiedenartig gegen Schwefelsäure. — Nun fand ich völlig geweisste Theile
einer Dolchspitze und eines Messers in kochender Salzsäure gänzlich, dagegen die
einer Fibelspirale, sowie das Oxydations-Product eines von mir als Zinn an-
gesehenen Klümpchens nur theilweise löslich (diese Verhandl. 1883, <S-s— >:': 1>*4.
528). Leider aber habe ich damals die Stärke der von mir verwendeten Salzsäure
nicht genauer beachtet. — Kr ö linke berührt die Frage nicht, ebenso wenig
Schuler, doch fand letzterer die Patina beim Digeriren mit Salzsäure zum
grössten Theil löslich, und die so behandelte .Masse, behufs Abscheidung etwaiger
Kieselsäure zur Trockne gedampft, gab beim Digeriren mit verdünnter Salzsäure
scheinbar wiederum alles Zinnoxyd ab, da die quantitative Bestimmung des Zinns
sich nur auf die Lösung erstreckte. Indess wird nicht gesagt, dass der verbliebene
Rückstand von 6,16 pCt, -Kieselsäure und unlösliches") auch auf einen etwaigen
Gehalt an Zinnoxyd vergeblich geprüft sei
M .'la-Zinnsüure nahmen Arche und Bassack in der Patina dreier indischer
Bronzen an (Dingler, Bd. 253, •'»14 11 . Sie verfuhren ähnlich wie Schuler. er-
hitzten sogar zur Abscheidung der Kieselsäure auf 110°, befeuchteten dann mit
concentrirter Salzsäure und nahmen mit Wasser auf. Wieder wurde der (geglühte)
Rückstand als „Kieselsäure and unlösliches- in Rechnung gestellt, wie es scheint,
ohne auf Sn untersucht zu sein. Und doch wäre das hier sehr am Platzi
wesen, denn es enthielt die Patina der :; Bronzen, auf nur 0.45 pCt., 0,05 pCt. und
10,5-2 pOt. Sn()_., nicht weniger als 15,29 pCt, 77.51 pCt, 15,24 pCt. jenes Rück-
standes. Sollte derselbe nicht zinnhaltig gewesen sein?
Die krage nach der Art der Zinnsäure ist also wohl noch offen, und nicht viel
besser Steht es mit unserer Kennlniss d< W 38 ergehalt s.
100 mg lufttrockener, eöllig geweisster Bronze, die nur noch eine Spur yon Kupfer
enthielt, Hessen, als ich sie erhitzte. Wassei entweichen und verloren, schliesslich
geglüht, 23 mg (Verhandl. 1888, 88). Ein kleiner Theil dieses Verlustes kann
(850)
allerdings aus infiltrirter organischer Substanz vom Holz des Grabes herrühren
auch enthielt die Masse etwas Eisenoxyd und Thonerde, theils als Phosphat, theils
wohl aus Hydrat, so dass eine genaue Berechnung des dem SnOa zukommenden
Wassers nicht möglich ist. Immerhin erscheint es fraglich, ob die Annahme des
Hydrates Sn08Ha (mit nur 10,75 pCt. Wasser) in der Masse zulässig wäre, und
man nicht vielmehr Sn04H4 (mit 19,46 "Wasser) vor sich hat.
Die geweisste Spitze des Norbyer Schwertes ergab 6,66 pCt. bis 145° aus-
getriebenes Wasser, dann weiter einen Glühverlust von 9,51 pCt., im Ganzen
16,17 pCt. Flüchtiges; die Substanz enthielt aber noch 8,51 pCt. Kupfer, wohl in
der Form von basischem Carbonat [Kröhnke's ungenaue Zahlen berichtigt].
Hiermit ist also auch nicht viel anzufangen.
Kröhnke selbst scheint der Zinnsäure der oxydirten Bronzen die Formel
Sn03H, zu geben; denn er sagt S. 41: „Gewissermaassen an Stelle des aus-
scheidenden Kupfers traten Wasserstoff (1 Mol.) und Sauerstoff (3 0)"; auch be-
rechnet er S. 40 aus gewogenen 74,36 Sn02 85,79 Zinnsäure. Die Formel Sn03H.,
würde allerdings nur 83,34 Säure ergeben, Sn04H4 aber schon 92,33. Also liegt
hier wohl wieder ein Rechenfehler vor. —
Auch Arche und Hassack bemerken S. 518, dass von ihnen das SnOo der
Patina „in der Form seines beständigsten Hydrates, nehmlich als Meta-Zinnsäure
H88n08, angenommen wurde".
In beiden Fällen werden aber Gründe, von der Beständigkeit abgesehen, nicht
vorgebracht. Abweichender Meinung ist Schul er, der a. a. 0. sagt: „Das Zinn
ist in der ursprünglichen Patina als Zinnoxyd-Hydrat (Sn04H4) vorhanden; nach dem
Trocknen im Vacuum über Schwefelsäure ist es in das erste Anhydrid (SnO:1H,,)
übergegangen. Dies Verhalten zeigen beide Zustände des Zinnoxyd-Hydrats." —
Vermuthlich gelangte Sc hui er zu der Formel Sn04H4 in ganz ähnlicher Weise,
wie ich im oben mitgetheilten Falle. 100 Theile der ursprünglichen Patina gaben im
Vacuum 9,44 Theile ab; es blieben also 90,56 Theile von getrockneter Patina. Von
diesen enthielten 100 Theile 9,32 Unwesentliches (Fe203, ALO;J, organische Substanz
und Unlösliches), also jene 90,56 Theile 8,44 Unwesentliches, das abzuziehen
ist Mithin bleiben 82,12 Theile reiner trockener Patina, die, in 100 Theilen
60,92 SnO.ll, enthaltend, 50,03 Snü.5U, entsprechen. Diese erfordern, um Sn04H4
zu bilden, 5,36 Wasser, welcher Bedarf aber durch das im Vacuum entwichene
W isser mehr als vollständig gedeckt ist. Es bleibt sogar noch ein üeberschuss
von 9,44—5,36 = 4,08 ungebundenen Wassers. Es kann also ursprünglich in der
That SnO,II4 vorhanden gewesen sein.
Endlich seien hier noch einige Oxydations-Producte herangezogen, die mit
mehr oder minder Sicherheit als aus metallischem Zinn hervorgegangen bezeichnet
werden können. Für eine graubräunliche Masse, die noch einige Zinn-Flitterchen
enthielt, fanden Wibel und ich einen Gesammt-Trocken- und Glühverlust von nur
4—5 pCt. [siehe über diese Masse unten S. 352], und ein Spiralring, nachWibel's
Meinung ursprünglich ebenfalls Zinn, nicht Bronze, war fast wasserfrei [99,65 SnO.,
nehen 0,35 PeaOa und Feuchtigkeit; Jahrbuch der wissenschaftlichen Anstalten zu
Hamburg für 1883, 88—89; die Bestimmung wurde allerdings mit nur 28,5 mg
_e Führt].
Nach all diesem wäre e in dem Wassergehalt der langsam in den Gräbern
entstandenen Zinnsäure gelegentlich grössere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch
kann es zweifelhaft erscheinen, ob die von Kröhnke mehrfach benutzte Methode,
die Zinnsäure auf einem getrockneten Filter zur Wägung zu bringen, hinreichend
zuverlässig ist. Dn- Angaben Kröhnke's auf S. 40 dürften diese Bedenken recht-
(351)
Fertigen. Er führte nehmlicb für die Schwertspitze and für die Probe vom Griff-
ende je - Zinn-Bestimmungen nach etwas verschiedenen Methoden aus. Nach
beiden wurde das Zinn auf die gleiche gewöhnliche Weise als Oxydbydrai ab-
geschieden (S. 44, Nr. 1), dann aber im einen Falle dieser „Rückstand" auf dem
Filter mit dem Hydratwasser gewogen (8.69, Nr. 2; 71, Nr. 2), im anderen, wie
es sonst allgemein geschieht, durch Glühen vom Wasser befreit and als BnO s -
wogen (S. 44, Nr. 2). Die aus beiden Bestimmungen für jede einzelne Probe be-
rechneten Zinnmengen stimmen aber nicht gut mit einander tiberein. Die gewogenen
78,85 pCt. Zinnsäure der Schwertspitze entsprechen bei der Formel Sn08H2
Zinnoxyd (SnOa) oder 55,24 Zinn. Aus den gewogenen 74,36 von geglühtem
dagegen berechnen sieh 83,34 Zinnsäure oder 58,39 Zinn. — Ebenso hat man für die
Probe vom Grillende des Sehwertes: gewogen ^2,12 Zinnsüure — 28,66 SnOa =
22,50 Sn, und wiederum 27,30 Zinnsäure berechnet aus den gewogenen 24,36 SnO,
19,12 Sn [hier hat Knihnke wieder irrthümlich 21,27 pCt, Zinn]1). Bei jeder
dieser Proben ergeben also die beiden Zinn-Bestimmungen eine nicht unerhebliche
Differenz; nehmlich im ersteren Falle 58,39 — 55,24 = 3,15 pCt., im zweiten Falle
22,50 — 19,12 = 3,38 pCt. Man würde versucht sein, für die Schwertspitze dies so
zu erklären, dass der gewogenen Zinnsäure Zinnoxyd beigemischt war, also Wasser
fehlte, mithin das Gewicht dieser gewogenen Zinnsäure zurückblieb gegen das der
aus dem gewogenen Zinnoxyd berechneten. Aber bei der Probe von dem Grill-
ende liegt der Fall gerade umgekehrt; hier ist das Gewicht der direct gewogenen
Zinnsäure grösser, als das der berechneten; man müsste ein Gemenge von SnO.,H.,
und SnOJlj annehmen. Den Finfluss der Spuren von Blei, Thonerde, Kupfer, die für
die zweite Probe angegeben werden, kann man schwer abschätzen. Ich finde daher
keine wahrscheinlichere Deutung jener Abweichungen, als die Unsicherheit der
angewendeten Methode2). Wenigstens will ich dies zu Gunsten des Verfassers
annehmen, obgleich derselbe es sonst oft genug an der erforderlichen Sorgfalt hat
fehlen lassen. Wir hatten schon wiederholt Anlass, auf Ungenauigkeiten in
Rröhnke's Zahlenmaterial hinzuweisen, und leider ist das (Jebel noch weit grösser,
als aus den angeführten Fällen ersichtlich. Die Prüfung der Angaben über die
wenigen Bronzen, welche für uns hier Interesse hatten, ergab eine so erstaunliche
Menge von Fehlern, dass man eigentlich keiner Zahl ohne Weiteres vertrauen kann.
In den meisten Fällen handelt es sich allerdings nur um Druckfehler, deren man
ja immer einige mit in den Kauf nehmen muss und die hier vermuthlich noch dadurch
einigermaassen entschuldigt werden können, dass die Arbeit vor dem Zusammentritt
der Generalversammlung der Anthropologischen < fesellschaft in Lübeck zurVertheilung
gelangen sollte und ihr Druck deshalb wohl etwas überhastet wurde. Aber auch das
muss doch seine Grenze haben, und ausserdem beruht ein recht beträchtlicher Theil
der Fehler auf falscher Berechnung der Wägu bnisse, zum Theil vielleicht
auch auf irriger Debertragung aus dem Analysen-Journal ins Manuscript Statt
vieler Beispiele genüge das folgende: S. *;;; wird zu Bronze Nr. 30 der Gewichts-
1) Bei den Berechnungen habe ich Sn 117 und Cu = 68 angenommen, wie es auch
Ki" imke ausweislich verschiedener von mir diesbezüglich geprüfter Gleichungen getb.au
hat. Ob man beide Aequivalenl Gewichte, wie es jetzt wohl meist geschieht,
annimmt (Sn L18; üu 63,4 macht übrigens fasl gar nichts aus.
2) Diese Auffassung wird bestätigt durch zwei während des Druckes dieses Aufsat
erfolgte Mittheilungen Et Engel's in der Akademie des Sciences zu Paris vom 2. und
8. November L897 über den schwankenden Wassergehalt der Zinnsäuren; vergl. Chemiker-
Zeitung vom IT. November L897, S. 962, und vom 24. November, S. '.'85.
(352)
Verlust beim Erhitzen von 145° auf 200° so angegeben: 0,0016 g = (3,15 pCt.:
S. H> steht dann wieder 6,04 pCt.; richtig muss es aber heissen 0,0076 = 6,67 pCt.
Während nun Hr. Kröhnke nach dem oben Mitgetheilten bei der in den
Gräbern entstandenen Zinnsäure wohl etwas zu sehr auf die Gleichmässigkeit des
Wassergehaltes baut, berücksichtigt er umgekehrt das Wasser der aus Zinn und
Salpetersäure bei der Analyse gebildeten Meta-Zinnsäure gar nicht. Er scheint zu
meinen, dass dabei wasserfreies SnOa entsteht. Denn er spricht S. 44 von dem
abgeschiedenen „Zinnoxyd" und bezeichnet S. 47 das bei Auflösung der antimon-
haltigen Bronzen in Salpetersäure ungelöst Bleibende als Sr,02 und H3Sb04 (Antimon-
säure). Dieser Irrthum hat aber bedenkliche Folgen. Bei denjenigen Bronzen
nehmlich, für welche die qualitative Analyse nur wenig Antimon anzeigte, oder
deren Gesammtrückstand beim Lösen in Salpetersäure gering war, bestimmte er
quantitativ nur das Zinn direct (durch Wägen als geglühtes Sn02); das Antimon
ermittelte er indirect, wie folgt: von dem Gewicht des bei 105° getrockneten Ge-
sammtriickstandes zog er das des gefundenen (wasserfreien) Sn02 ab, nahm die
Differenz als H3SbO+ an und berechnete daraus das Antimon. Da aber in Wahr-
heit das Zinn im Gesammtrückstande nicht als Sn02, sondern als dessen Hydrat
enthalten ist. so muss auf diese Weise das Gewicht des H3Sb04 um das Hydrat-
wasser des Sn02 zu hoch gefunden werden. Die ganze Methode dieser Differenz-
Bestimmung ist also theoretisch unhaltbar, und der Fehler wird um so grösser
werden, je geringer die Menge des Antimons im Verhältniss zu der des Zinns der
Bronzen ist.
Wenn bei Kröhnke's Analysen, soweit ich sie daraufhin prüfte, bisweilen
weniger H3Sb04 berechnet wurde, als dem Hydratwasser des gefundenen Zinnoxyds
entspricht, während ihr Gewicht = der Summe des Hydratwassers und der wirklich
vorhandenen Antimonsäure sich hätte ergeben müssen, so kann dies wohl nur auf
Ungenauigkeiten in der Analyse zurückgeführt werden. Ich berechne für die
Bronzen Nr. 27 und 28 das Hydratwasser des Sn02, bei Annahme von nur 1 Mol.
Wasser, zu 1,04 und 1,29 pCt., während nach Kröhnke die Antimonsäure nur
0,90 und 0,91 pCt. betrug. Die Angabe 0,90 für Bronze Nr. 27 ist dazu wieder
ganz unsicher; wenn das Gewicht des Gesammtrückstandes mit 0,0346 g richtig
angegeben ist, hätte man gar nur 0,39 pCt. H3Sb04. Denn der Rückstand betrüge
dann nur 9,02 pCt., nicht 9,53, und die Antimonsäure verminderte sich um die
Differenz 0,51, d. h. von 0,90 auf 0,39 pCt. —
Alle diese Mängel machen die Kröhnke'sche Arbeit, so wie sie vorliegt, fast
anbrauchbar, da sie doch wesentlich auf Zahlen fusst. Es würde sich empfehlen,
sofort eine zweite Auflage herauszugeben, diese dann aber sorgfältig zu redigiren
und in der Drucklegung zu überwachen.
3. Das Vorkommen von metallischem Zinn in den Gräbern.
In dein Nbrbyer Grabe lag dicht neben der Schwertklinge, nach der Spitze
hin, zusammen mil weisslichen Bruchstücken einer bronzenen Pincette und anderem
Kleingeräth, ein grobkörniges, graues bis bräunliches Pulver1). Dieses
hatte ich seinerzeit untersucht und als Product der Oxydation von Zinn, nicht
von Bronze, erkannt. Dr. 1'. Wibel, dem ich dann eine Probe davon sandte, be-
stätigte nach sorgfältiger Prüfung meine Auffassung (diese Verhandl. 1884, 527—30).
Wir stützten uns dabei vornehmlich auf folgende Thatsachen: Die Brocken waren
1) Mittheil. d. Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein, Heft 3 S. 22 und 25,
Fiff. 7.
(353)
hart und Bpröde; sie enthielten nur 4,54 pOt. Kupferoxyd, aber trotzdem, neben
der Zinnsänre, noch metallisches Zinn.
Hr. Knilinke bemerkt nun, nachdem er seine Beobachtungen an dem Schwerte
dargelegt hat, S. 41 in Bezug auf jene graubraunen Brocken: „Nach dem Ges..
ist es klar, dass wir nicht ein ursprüngliches Zmnobject vor uns haben, sondern
dass die Blasse ebenfalls ein Umwandlungs-Product von Bronze ist." Aber er hat
dabei erstens die physikalische Beschaffenheit der Brocken ausser Acht gelassen
und zweitens nicht bemerkt, dass gerade in seinen eigenen Analysen die Wider-
legung dieser Auffassung liegt.
Von der durch Kupfer-Ausscheidnng und Wasserstoff- und Bauerstoff-Aufnahme
stark veränderten Bronze sagt er, sie sei noch compact geblieben und habe völlig
ihre Form bewahrt, aber sei „allerdings bröckelig und locker genug",
trifft ja auch auf die unzweifelhaft aus Bronze entstandenen (Jmwandlungs-Producte
durchweg zu. Dagegen habe ich a. a. 0. gerade die Härte jener grauen Brocken
hervorgehoben und Wibel bestimmte ihren Härtegrad zu 3 bis reichlich 5. Auch
für eine aschgraue, noch metallisches Zinn enthaltende Masse aus dem Swarten
Berg bei Gönnebeck in Holstein betonte ich die Härte (ebenda S. 530), und Wibel
fiel die aussei ordentliche Festigkeit eines oxydirten Spiralringes auf, den er als
aus Zinn entstanden annimmt.
Der Umstand nun. dass die fragliche Masse noch 4,54 pCt. Kupferoxyd =
3,62 Kupfer enthielt, scheint für Kröhnke bestimmend gewesen zu sein: den Ge-
halt an metallischem Zinn beachtet er dem gegenüber nicht, vermuthlieh weil er
selbst noch Zinn in dem oxydirten Nbrbyer Schwerte fand. Allein diese noch
metallisches Zinn aufweisende Probe des Schwertes war dem dicken Grillende ent-
nommen und enthielt nicht weniger, als 63,79 pCt. Kupfer. In der Schwertspitze
dagegen war kein metallisches Zinn nachweisbar, obgleich sie immerhin noch
8,51 pCt. Kupfer gegen nur 3,62 pCt. dei grauen Brocken ergab. Und doch fand
sich in letzteren noch metallisches Zinn! Kröhnke's eigene Zahlen sprechen also
eher gegen, als für ihn. Ich halte jedenfalls für diese grauen Brocken am Zinn fest;
der Kupfergehalt derselben kann aus den Bronzen stammen, bei denen sie lagen,
wenn nicht das Zinn selbst schon unrein war. Uebrigens ist ja auch archäologisch
das Vorkommen von Zinn in schleswig-holsteinischen Gräbern gar nicht auffallend.
Man kennt ja schon lange die Holzgefässe der jütischen Eichbaum -Särge mit
Ornamenten aus eingeschlagenen, noch jetzt metallischen Zinnstiften: desgleichen
eine Art von Knopf und einige Klüinpchen ohne bestimmte Form, ebenfalls noch
heute unverändert. Ich selbst besitze eines jener Stiftchen und aus dem Dragshöi
in Schleswig einen Splitter eines solchen Klümpchens (Verhamll. 1883, 92). —
4. Phosphorsäurehaltige Thonerde als Material von Pseudomorphi
nach Gegenständen des Grab-Inhaltes.
Bei meinen S. 347 kurz erwähiften Beobachtungen über die Rolle des Ammoniaks
in dem Grabe von Nbrby handelte es sich um Ablagerung von phosphorsäure-
haltiger Thonerde in die Ledersubstanz des Ueberzuges der hölzerneu Schwert-
scheide und auf das Holz selbst au denjenigen Stellen, wo das Leder bereits
stört war. Nachdem ich nehmlich an ungebrannten Knochen aus Ararumer
Gräbern einen mehr oder minder rollständigen Frsatz ihres Kalkes durch Thon-
erde, d.i. eine Pseudomorphose, beobachtet hatte die-e Yerhandl. 1884, 516ff.),
stellte ich weiter fest an Gegenständen ans Gräbern verschiedener schleswig-hol-
steinischer Landschaften. SO auch aus dem in Rede stehenden \,.m V-ia. dass
phosphorsäurehaltige Thonerde bisweilen die Stellen einnahm, wo, dem archäo-
Verhandl. der Berl. Anthropol. GesallsehaA 1897. _e
(354)
logischen Befunde nach, früher Leder oder vielleicht auch Fell, also allgemeiner
thierische Haut, gesessen hatte (Verhandl. 1884, 518; 1886, 241). Ich glaubte
damals, die durch Phosphorsäure-Aufnahme veränderten Aschen-Bestandthoile weiss-
garen, d. h. mittelst Aluminium-Salze gegerbten, Leders vor mir zu haben, und
wies zur Erklärung der stattgefundenen chemischen Vorgänge auf das beim Ver-
wesen des Leders entwickelte Ammoniak hin.
Inzwischen hat F. Wibel Thonerde-Hydrophosphat als pseudomorphe Nach-
bildung eines Geflechts oder Gewebes in einem Grabe von Perlberg bei Friedrichs-
ruhe im Sachsenwalde erkannt (Chemisch -antiquarische Mittheilungen 1, Ham-
burg 1887; in Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, Bd. 10):
,,An der gräulich-weissen erdigen Masse wurde stellenweise sehr deutlich ein Ge-
flecht und Gewebe aus massig dickem Bindfaden erkennbar. Von der Faser-
substanz selbst war freilich nichts mehr zu isoliren, da dieselbe völlig verkohlt
und schwarz, andererseits aber so von jener weisslichen Masse durch- und über-
zogen erschien, dass man hier eine vollständige Mineralisirung unter localer Er-
haltung der feinsten Structurformen vor sich hatte." "Wibel folgerte aus dieser „ge-
treuen Pseudomorphosirung des Fadens sowohl die secundäre Entstehung des
Phosphates, als auch den innigen zeitlichen Zusammenhang mit der Verrottung
der Faser". Ich schliesse mich dieser Auffassung an und möchte jetzt auch für
die Haut den gleichen Vorgang gelten, die Weissgerberei des Leders dagegen fallen
lassen. Dadurch würde sich die von mir seinerzeit hervorgehobene erhebliche
Dicke der Thonerde-Phosphatmassen besser erklären, als durch die vermuthungs-
weise angenommene mehrfache Uebereinanderlagerung von Leder- oder Fellschichten.
Es lassen sich dann auch alle jene Beobachtungen unter einen gemeinsamen Ge-
sichtspunkt bringen, nehmlich unter den der Einwirkung löslicher Alumi nium-
salze auf Knochen, thierische Haut und Gewebs- oder Geflechtsfaser.
Ich hatte nehmlich angenommen, dass auf die Knochen eine Lösung von
schwefelsaurer Thonerde oder deren Verbindung mit schwefelsaurem Alkali,
d. i. von Alaun, getroffen sei, die aus dem an der schleswig-holsteinischen Küste
vielfach vorkommenden und in bronzezeitlichen Gräbern auch als Beigabe nieder-
gelegten Schwefelkies bei seiner Verwitterung durch Einwirkung auf Thon oder
Feldspath entstanden sein möchten. Es würde sich dann aus diesem löslichen
Aluminium-Sulfat und aus dem schwerlöslichen Calcium-Phosphat der Knochen un-
lösliches Aluminium-Phosphat und lösliches Calcium-Sulfat (Gyps) gebildet haben.
Setzt man in gleicher Weise lösliches Aluminiumsalz als auch mit der Haut in
Berührung kommend voraus, so würde das bei deren Verwesung entstehende
Ammoniak aus diesem die Thonerde gerade auf der Stelle der Haut abgeschieden
haben, und dasselbe würde für jenes Gewebe oder Geflecht gelten, wenn man an-
nimmt, der „massig dicke Bindfäden" sei ein starker Wollfaden gewesen, was ja
nach unserer Kenntniss anderer Funde sogar höchst wahrscheinlich ist. Die so
niedergeschlagene Thonerde würde in diesem Falle ihren (schwankenden) Phos-
phorsäure-Gehalt wahrscheinlich den Gebeinen der Leiche verdanken, deren phos-
phorsanren Kalk die mil Kohlensäure beladenen Tagewässer allmählich auflösten,
wobei derselbe an die Thonerde vermuthlich einen Theil seiner Phosphorsäure ab-
geben musste wegen der grösseren Schwerlöslichkeit des Aluminium-Phosphats;
kohlensaurer Kalk wird dabei gleichzeitig entstanden sein.
Die Ausscheidung (\cr Thonerde an <\^v Stelle der Haut und des Gewebes be-
ruhte also in erster Linie jedenfalls auf den besonderen Ammoniakquellen
an eben diesen Punkten. Ob auch das Ammoniak, welches die Leiche selbst
spendete, mitgewirkt bat, hier sowohl, wie bei der Veränderung der Knochen, sei
(355)
dahingestellt. Ein Zwang, dies anzunehmen, liegt nicht vor und jedenfalls würde
man dann eine viel grössere Ausdehnung solcher Thonerde-Ablagerungen in den
Gräbern erwarten dürfen. Freilich können sich dieselben leicht der Beobachtung
entziehen, soweit sie nicht an den Beigaben selbst haften, sondern nur der Erde
beigemischt sind, und eine Wahrnehmung, die ich machte, liesse sich wohl mit
einer solchen allgemeineren Wirksamkeit des Ammoniaks in den Gräbern zusammen-
reimen. Ein vollständig geweisstes Bronzemesser enthielt neben Zinnsäure und
einer Spur Kupfer auch etwas Eisenoxyd und Thonerde (diese Verhandl.
SS). Die Ausscheidung der letzteren in die Masse der oxydirten Bronze hinein
könnte durch Ammoniak bewirkt sein; von einer besonderen Ammoniak spendenden
Umhüllung des Messers, etwa einem Lederfutteral, ist aber nichts wahrgenommen
worden. Indess waren die Fundumstände so feinen Beobachtungen auch wenig
günstig, und in anderen Amrumer Gräbern kamen solche Futterale thatsächlich vor.
Dieser Fall ist also nur mit Vorsicht zu verwerthen, aber jedenfalls ist auch hier
auf lösliches Thonerdesalz zu schliessen.
Ueberall also wäre lösliches Aluminiumsalz vorauszusetzen. Wibel freilich
nahm für die von ihm beobachtete Pseudomorphosirung der Faser gerade um-
gekehrt eine Veränderung eines unlöslichen Aluminiumsalzes durch infiltrirtes
Kalkphosphat der Knochen an. Er dachte sich das Geflecht, analog dem Ver-
fahren vieler Naturvölker, mit Thon, d. i. unlöslichem wasserhaltigem Aluminium-
Silicat, ausgestrichen, um es dicht zu machen, und diesen Thon dann mit dem
Kalkphosphat umgesetzt in unlösliches Aluminium -Phosphat und lösliches Kalk-
Silicat. Da aber die Annahme eines so gedichteten Geflechtes für unsere vor-
geschichtlichen Zeiten doch ganz hypothetisch ist, während Reste von Wollgeweben
sich ungemein häufig in bronzezeitlichen Körpergräbern finden, und da ferner fin-
den Lederüberzug der Schwertscheide und für die Knochen entschieden der Zutritt
gelösten Aluminium-Salzes angenommen werden muss, so glaube ich, dass auch
bei jenem Geflecht, oder richtiger wohl Gewebe, meine Deutung der chemischen
Vo-gänge die wahrscheinlichere ist. —
(•25) Hr. Georg Schweinfurt h legt eine grössere Anzahl der von ihm in der
Sitzung vom 13. Juni (S. 272) besprochenen
Steingefässe der Ababde und andere Steingeräthe aus Aegypten
vor —
Hr. A. Voss bemerkt, dass der Reisende diese Gelasse dem Museum für
Völkerkunde geschenkt bat, und spricht den Dank der Bfuseums-Yerwaltung dafür
aus. —
Hr. Rud. Virchow hebt den angewöhnlich -rossen Werth der Mittheilungen
und Erörterungen des Hrn. Schweinfurtb hervor. In Bezug auf die halbmond-
förmigen Schaber, welche der Redner besonders betont hat, erwähnt er, dass ganz
ähnliche Korinen aueb von der Insel Rügen bekannt sind: im Museum befindet
sich eine Sammlung davon. Sir sind hier in der Kegel als Schaber zum Glätten
von Eolzstäben betrachtet worden. —
Hr. M. Bartels übergiebt als Geschenk des Hrn. Schweinfurtb eine Samm-
lung photographischer Aufnahmen von ägyptischen Schülern. —
(356)
(26) Neu eingegangene Schriften:
1. Engelhardt, C, Thorsbjerg Mosefund. Kjobenhavn 1863.
2. Derselbe, Vimose Fundet. Kjobenhavn 1869.
3. Bruzelius, N. G., Svenska Fornlemningar. 1 und 2. Lund 1853/1*60.
4. Renner, F., Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde in der
österreichischen Monarchie (1856 — 1858). Wien 1860. (Arch. f. Kunde
österr. Geschichtsquellen XXIV.)
5. Worsaae, J. J. A., The industrial arts of Denmark. London 1882.
6. Derselbe, Slesvigs eller Sonderjyllands Oldtidsminder. Kjobenhavn 1865.
7. Jahrbücher des Vereins von Alterthurasfreunden im Rheinlande. Heft 44 — 46.
Bonn 1*68— 69.
8. Rygh, K., Aarsberetning for oldsagsamlingen i 1876. o. 0. u. J.
9. Jahres-Bericht des historischen Vereins für den Regierungsbezirk von Schwaben
und Neuburg 1842 — 46. Augsburg 1844 — 47.
10. Lindenschmit, F., Ueber eine besondere Gattung von Gewandnadeln aus
deutschen Gräbern des V. und VI. Jahrhunderts. Mainz 1851.
11. Boye, V., Fund af Egekister fia Bronzealderen i Danmark. Kjobenhavn 1896.
12. Stolpe, Hj., Björkö-fyndet. 4 Abhandlungen. Stockholm 1873—81.
13. Derselbe och EL Hildebrand, Vendelfyndet. Stockholm 1884.
14. Madsen, A. F., Gravhoie og Gravfund fra Steenalderen i Danmark. Kjoben-
havn 1«96.
Nr. 1—14 sind angekauft
15. Bastian, A., Lose Blätter aus Indien. 1. Batavia 1897. Gesch. d. Verf.
16. Grabinski, L., Die Sagen, der Aberglaube und abergläubische Sitten in
Schlesien. Schweidnitz, o. J. Gesch. d. Hrn. M. Bartels.
17. Formosa-Zeitung, chinesisch und japanisch, vom 19. und 20. Januar 1897. Gesch.
d. Hrn. F. \V. K. Müller.
18. Hultzsch, E., Reports on Sanskrit manuscripts in Southern India. Nr. II.
Madras 1896. Gesch. v. Supt. of the Govt. Press, Madras.
19. Protokolle der General- Versammlung des Gesammtvercins der deutschen Ge-
schichts- und Alterthums -Vereine zu Sigmaringen 1891. Berlin 1892.
Gesch. des Hrn. Schwartz.
20. Brose, M., Die Deutsche Colonial- Literatur von 1884—1895. Berlin 1897.
Gesch d. Colonial-Gesellschaft.
21. Führer durch das kunstgeschichtliche Museum (v. Wagner- Stiftung) der
Universität. Würzburg 1897. Gesch. d. Hrn. Prof. Dr. Sittl in Würzburg.
22. ßeboortedagen van de Familie Marte'ns op heden in leven. Batavia 1897.
Gesch. (I. Hrn. Capt. Schulze in Batavia.
Sitzung voca 16. October 18'»7.
Forsitzender! Hr. R. Virchow.
(1) Anwesende Gäste: Die Herren Dr. L. Glück aus Sarajevo, Et. Freydorff
and Herrn. Seide aus Berlin. —
(2) Am 9. September ist Kranz Pulszky (v. Luböcz und Cselfalva), der
General-Inspector der ungarischen Museen und Bibliotheken, 83 Jahre alt, in seiner
Dienstwohnung im Ungarischen National-Museum zu Budapest gestorben. Er war
seit 1876 unser correspondirendes Mitglied und zu allen Zeiten unser treuer Freund.
Seine wunderbaren Schicksale während der Revolution und nach der Reconstruirung
des Königreiches sind in Aller Erinnerung. Wir kennen ihn näher seit den inter-
nationalen Congressen für prähistorische Archäologie und Anthropologie, ins-
besondere seit seiner Präsidentschaft auf dem Budapester Congress (1876), wo er
uns zum ersten Male die Schätze des neu errichteten National-Museums vorführte.
Seine Arbeiten über die ungarische Kupferzeit und seine glücklichen Forschungen
über die mittlere Eisenzeit werden seinen Namen unter denen der bahnbrechenden
Archäologen stets erhalten. —
Wilhelm Wattenbach, unser langjähriges ordentliches Mitglied, ist uns ganz
plötzlich am 20. September entrissen worden. Es gab eine Zeit, wo er regelmässig
und mit grösster Theilnahme an unseren General-Versammlangen sich betheiligte.
Später, wo seine körperlichen Zustände ihm grössere Vorsicht geboten, sahen wir
ihn vielfach in unseren Sitzungen. Seine grossen historischen und philologischen
Kenntnisse Hessen ihn in schwierigen wissenschaftlichen Fragen als unseren er-
probten Rathgeber erscheinen. Nach dem Tode v. Holtzendorff's trat er in die
Leitung der von diesem wackeren Manne und Hrn. Rud. Virchow gegründeten
„Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge*1 ein: bis zu seinem,
auf der Rückreise aus der Schweiz nach Berlin in Frankfurt a. M. erfolgten Tode
hat er diese Stellung mit Hingabe und treuester Sorgfalt ausgefüllt. Sein Leib ist
in Heidelberg zur Erde bestattet worden.
(3) Am 11. September ist Hermann Weleker. Professor der Anatomie in
Halle, nach kurzem Krankenlager im 76. Lebensjahre zu Winterstein in Thüringen
sanl'l entschlafen. Er war einer der klassischen Repräsentanten der anatomischen
Anthropologie, und sein grundlegendes Werk ȟber Wachsthum und Hau des
menschlichen Schädels" Bei gerade in die Zeit, wo durch die französische und die
deutsche Schule die messende Methode an die Stelle der bloss beschreibenden ein-
gesetzt worden war. Grosse Reisen, auf denen er vorzugsweise die deutschen und
die niederländischen Museen durch forschte, brachten in seine Hände ein ungeheures
Material, welches durch seine Genauigkeit die ersten umfassenden statistischen
Uebersichten zur Schädelkunde der allen Welt ermöglichte. Zahlreiche andere
Detailarbeiten brachten das Verständniss der verwickelten Verhältnisse des Schädel-
baues der verschiedenen Kassen. Er folgte mit selbständigem Geiste d( i Spuren
(358)
seines Lehrmeisters Bischof, dem er schon in Giessen zur Seite gestanden hatte.
Aber er bewahrte sich auch den Sinn für andere Seiten der Volkskunde; dafür
giebt sein Buch „Die deutschen Mundarten im Liede" Zeugniss, wie er schon von
früh an auch die verschiedensten Seiten der physiologischen Forschung mit Eifer
und Erfolg praktisch geübt hatte. —
Am 12. September ist Rudolf Berlin, Professor und Rector der Universität
Rostock, zu Linthal in der Schweiz, wo er sich zur Kur aufhielt, 64 Jahre alt, ge-
storben. Er gehörte zu der strebsamen Schaar junger Meklenburger, welche in
den 50er Jahren die Universität Würzburg aufsuchten. Aus dieser Zeit datiren
seine nahen freundschaftlichen Beziehungen zu Gustav Nachtigal, der in den
Pausen zwischen seinen vielen Reisen das damalige Heim seines alten Commilitonen
in Stuttgart aufzusuchen pflegte; die vortrefflichen „Erinnerungen an Nachtigal",
die wir der Gattin Berlin' s verdanken, entstammen diesen Besuchen. Berlin
wurde 1833 zu Friedland in Meklenburg geboren; seine praktischen Studien hatten
ihn fast durch alle Hochschulen und Augen-Heilstätten Deutschlands geführt. In
den letzten Jahren sahen wir ihn wiederholt auf den General-Versammlungen der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft. —
(4) Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft haben Hrn. Alexander Makowsky,
Professor in Brunn, zum correspondirenden Mitgliede erwählt. —
(5) Als neue ordentliche Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Jacob Nordheim in Flamburg.
„ M. Nordheim in Hamburg.
„ Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig.
„ k. k. Notar Jaroslav Palliardi in Train, Mähren.
„ Rittergutsbesitzer v. Platen-Venz in Stralsund.
„ George Grant Mac Curdy in New Haven, America.
für 1898:
Hr. Dr. S. Weissenberg in Elisabethgrad, Süd-Russland.
(6) Das correspondirende Mitglied Hr. R. A. Philippi theilt in einem Briefe
an den Vorsitzenden d. d. Santiago, 17. Mai, mit, dass er am 15. nach 43jähriger
Dienstzeit pensionirt und dass sein Sohn Friedrich an seiner Stelle ernannt worden
ist. Er schreibt: „Meine allgemeine Gesundheit ist noch sehr gut und ich würde
gern fortfahren zu arbeiten, wenn mich nicht der graue Staar heimsuchte." —
Der Vorsitzende drückt die herzliche Theilnahme der Gesellschaft aus, und
hofft, dass das treffliche Vorbild, welches der greise Gelehrte der chilenischen
Jugend hinterlässt, dazu beitragen werde, den Geist ernster deutscher Forschung
in dem fernen Lande aufrecht zu erhalten. —
(7) Das correspondirende Mitglied Hr. J. D. E. Schmeltz ist zum Director
des Rijks Ethnographisch Museum in Leiden ernannt worden. —
(8) Das ordentliche Mitglied Hr. Karl von den Steinen ist nach den letzten
Nachrichten auf den Marquesas angelangt. —
(0) Der Vorsitzende hat aus Cividale im Friaul folgenden Aufruf erhalten
zu einer
Erinnerungsfeier fi^r Paulus JMaconus
Pauli Diaeoni, Langobardoram historiographi, vitam et opera commemorare
anno P. F. 1899, mense Septembri, consilium municipale Fori Iulii decrevit.
(359)
Uti vero humanissimum decretum assequi possit id quod spectat, infrascripti
huic muneri addicti [parandum censerunt clarorum conventum virorum, quorum
presentia et decora praebeat solemni et occasionem in medium conferat studia re-
pentiora eiusdem argnmenti sive edita sive inedita ac fcypis mandanda cum inter-
ronientibus communicandi.
Tu, Clarissime Domine, inceptis nostris faveas, quseso; ei rescribere velis te
acceptorem observantissimi inviti, sive personali interventu, sive scripta ad Paulum
nostrum et eius sseculum pertinente, sive utroque optatissimo officio.
Ex Civitate Fori [ulii Venetiarum, Kai. dec. M. DCCC. IAXXWI.
Morgante Rogerius, princeps Consilii Mun.
Baidissera Valentinus, sac. Glemonae - Bertolini Franciscus, prof. Bononia?
— Cipolla Carolus, prof. Augusta? Taur. -- Crivellucci Amedeus, prof. Pisia
— Degani Erncstus, can. Portugruario -- Del Puppo Iohannes, prof. Utini
Ferrari L.Albertus, prof. Patavii — Fracassetti Liber, prof. Utini — Gabrici
lacobus, orator prov. Forij. — Girardini losephus, advocatus Utini — Gortani
Iohannes, polyhistor Art» in Carnis — Grion lustus, conservator monumentoruni
Fori Iulij — Ioppi Vincentius, bibliothecae Utin. prjefectus — Lampertico Fidelia,
senator Rcgni — Marchesi Vincentius, prof. Utini — Marinelli Iohannes, prof.
Florentiaa — Masutti Iohannes, prof. Utini — Measso Antonius, Acc. Utin. prae-
fectus — Morpurgo iElius, orator Regni — Musoni Franciscus, prof. Utini —
Podrecca Carolus, advocatus Forij. - Schupfer Franciscus, prof. Roma? -
Wolf Alexander, prof. Utini.
A Turre Rogerius, prof. Forij., Leicht P. Sylverius, doctor juris, Lipsin-.
a secretis.
Der Vorsitzende erinnert an die grossen Verdienste, welche der berühmte
Historiograph der Langobarden sich für die Sammlung der zum Theil sagenhaften,
in der Hauptsache aber geschichtlichen Nachrichten über sein Volk erworben hat.
Bei der Bedeutung, welche diese Nachrichten für Deutschland haben, und bei dem
stets wachsenden Interesse, welches durch die neuesten italienischen Funde erregt
worden ist, darf wohl auf eine rege Betheiligung unserer Landsleute an der Feier
gerechnet werden. —
(10) Der Vorsitzende der anthropologischen Gesellschaft in Danzig, Hr. Dr.
Oehlschläger, hat unter dem 20. Juli mitgetheilt, dass am 1. August eine Gedenk-
feier der durch Hrn. Lissauer begründeten Danziger Gesellschaft beabsichtigt sei.
Leider fiel dieser Tag mit dem Eröffnungstage der Deutschen General-Versammlung
so nahe zusammen, dass unsere Mitglieder sich daran nicht betheiligen konnten.
Möge daher ein recht warmer Gruss wenigstens nachträglich bezeugen, wie sehr
wir an dem Gedeihen dieser so bedeutenden Gesellschaft theilnehmen. —
(11) Der Vorstand des Vogtländischen al terth ums forschend en Vereins
hat unter dem 10. August eme Einladung zu der Jahresversammlung dieses N ereins,
die am 25. August zu Bohenleuban stattfinden sollte, übersendet. Der späte Termin
hatte längst alle reiselustigeil Mitglieder unserer Gesellschaft, viele in weite Ferne.
verschwinden sehen; wir können daher nur aussprechen, wie sehr wir uns über die
ausdauernde Thätigkeit dieses alten Vereins freuen. —
(12) Gegenwärtig findet in dem Messpalast in der Alexandrinenstrasse eine
grosse Nahrungsmittel-Ausstellung statt. Das Trachten-Museum hat in
derselben ein besonderes Zimmer mit heimischen volkstümlichen Gegenständen
ausgestattet. —
(360)
(13) Die Sternwarte auf dem Treptower Ausstellungsplatze hat ihr
Riesen -Fernrohr in Action gesetzt und offerirt Zutrittskarten zu ermässigtem
Preise. —
(14) Hr. Hjalmar Stoepe berichtet aus Tyrstorp und Aby, 1. September, dass
der Bericht über den Amerikanisten-Congress von 1894 bald erscheinen wird.
Hr. Ingenieur Ake Sjögren hat unter seiner Mitwirkung die Redaction über-
nommen.
Zugleich bemerkt er über Ausgrabungen in Costa Rica, welche der eben
genannte Herr seit mehr als einem Jahre durch Hrn. Hartmann, einen früheren
Theilnehmer an der Lumholtz-Epedition in N.-Mexico, ausführen lässt:
„Wir besitzen schon eine Sammlung von mehr als 1500 Nummern, aus un-
gefähr 500 Steinkisten stammend, und daneben mehrere steinerne Statuen, ein Paar
von mehr als Mannesgrösse. Mehr ist unterwegs. Hartmann geht später nach
Guatemala und Nicaragua über und wird wahrscheinlich seine Untersuchungen
noch 2 Jahre fortsetzen. Die Sammlungen enthalten mehrere Schädel, die Retzius ,
bearbeiten wird, sobald die letzte Sendung von Costa Rica eingetroffen ist.
Hoffentlieh wird unsere Costa-Rica-Sammlung eine von den wichtigsten in Europa
sein. Können wir, wie ich hoffe, in diesem Winter den Neubau für das Ethno-
logische Museum anfangen, so hoffe ich, das Ganze zum Sommer 1900 im neuen
Gebäude aufgestellt zu sehen. Wir haben grosse Sammlungen, die seit Jahren
magazinirt liegen, und das Uebrige kommt in den schlechten Localitäten nicht zur
Geltung. Alles wissenschaftlich aufgestellt, wird es unserem Museum wahr-
scheinlich eine gute Stellung unter den anderen Museen zusichern." —
(15) Hr. de Marchesetti berichtigt in einem Briefe an Hrn. R. Virchow,
d. d. Triest, 14. October, einige Stellen in dem Berichte des letzteren über
die beiden Nekropolen bei S. Canzian.
„Ich erlaube mir, Sic auf eine kleine Verwechselung in Betreff der zwei Nekro-
polen von S. Canzian aufmerksam zu machen. Das in meinem ersten Berichte
über die Höhlen von S. Canzian (Ricerche preistoriche etc. 1889) erwähnte (zer-
störte) Grabfeld aus der Hallstätter Zeit hat nichts mit dem im Frühjahr 1896 im
N.-O. von S. Canzian entdeckten und dem Beginne der Villanova- Periode an-
gehörenden gemein. Das erste (I), welches Sie auf der Rückkehr nach Divacä
auf dem sogenannten Nekropolis-Wege passirt haben, liegt im Westen des Dorfes
Gradiscc (auch ein Castelliere mit schönem Ringwalle), das andere (II) dagegen
I >. Divaöa.
E. Eisenbahn
L. Leuce.
NW. Nekropolis-Weg.
e.V. zerstörte Nekropole (I).
Gr. Gradiscc.
Gf. Grlberfeld (II;.
B. Bresez.
!>,,. Doline.
St.C. Samt Canzian.
/,'. /•'. Ueka-Flus-.
(361)
in einem anmuthigen Seitenthale im Osten an einer Lehne, die Biet gegen das
Dorf Bresez hinzieht. In diesem Grabfelde fdas in den Verband). 1896 kurz an-
gezeigt wurde) sind die Gräber wohlerhalten und mit Steinplatten bedeckt und ent-
halten ziemlich reiche Beigaben." —
Hr. lt. Virchow dankt für diese Berichtigungen, die er schon rorherget
hatte (S. 230, Anm. 1). —
(1(>) Hr. Gustav Stimming meldet aus Brandenburg a. II. unter dem 10.,
dass vor einigen Jahren auf der nordöstlichen Seite des Wesenberges ein
Schwert ausgepflügt worden ist. Jetzt sei abermals unweit dci eisten Stelle ein
Schwert von 96,5 cm Länge (Klinge 73,5, Griir 17, Knopf 5) zum Vorschein ge-
kommen. —
(17) Hr. Buch holz berichtet über den Fund eines
Leinsamen-Vorraths in den Ueberresten einer prähistorischen Wohnstätte
bei Frehne, Kreis Ostpriegnitz.
So oft bisher bei den Verhandlungen dieser Gcsellsehaft das Vorkommen
von Wirthschaftsvorräthen in prähistorischen Wohnstätten constatirt worden ist.
bandelte es sieh an Körnerfrüchten um Weizen, ltoggen, Gerste, Hirse, Erbsen,
Wicken, sogar Leindotter (Camelina sativa), meines Wissens aber niemals um
Leinsamen. Ein in diesem Sommer bei Frehne gemachter Fund, in dem »er-
kohlte Leinsamen-Massen vorkamen, wäre demnach der erste dieser Art. und das
Märkische Provincial-Mttseum ist in der Lage, einige Proben daraus vorzulegen.
Die Fundstelle liegt über einer Kiesgrube, 2 km nordöstlich von Frehne. un-
mittelbar unter der Oberfläche war das kohlige Erdreich durchsetzt von Thon-
gefäss-Scherben, geschlagenen Steinen, Lehmpatzen und verkohlten organischen
.Massen; auch ein muldenförmig ausgehöhlter Mahlstein lag dabei. Es war un-
verkennbar, dass an der Stelle altgermanische Wohnstätten durch Feuer zerstört
und dann nicht wieder benutzt worden sind. Unter den verkohlten Massen be-
fanden sich auch solche, auf die Lediglich Hitze (also ohne Luftzutritt) gewirkt
hatte. Beim Zerbrechen solcher Stücke liess sich die Zusammensetzung aus
lauter Samen deutlich erkennen, und zwar konnte man diese Samen bei ober-
llächlicher Betrachtung für Hirse halten. Da eine zuverlässige Feststellung doch
erforderlich war. so gab ich eine Probe in das Laboratorium der Landwirtschaft-
lichen Hochschule zur Untersuchung. Von dein Assistenten des Hrn. Geh. Itaths
Professor Wittraack, Hrn. Lauck. ging dann die Mittheilung ein, dass die ver-
kohlten Samen als die des Leins. Finnin usitatissiinum, festgestellt worden sind.
Nach der Beschaffenheit der Thongefäss - Scherben, von denen ich einige
Proben vorlege, handelt es sich um eine Wobnstätte der letzten germanischen
Periode, etwa des dritten bis fünften Jahrhunderts nach Christus. Die viel alteren
Funde der Schweizer Pfahlbauten haben nach den bisherigen Feststellungen nur
Flachsfaser, bezw. Gewebe daraus ergeben, so dass es fraglich blieb, ob eine
Flachscultui! an Ort und Stelle bestand, oder ob die Gewebe vom Süden her be-
zogen waren. Das durch ^^n Fund von Frehne festgestellte Vorkommen eines
Lei n sa inen- Vor rat hs weist mit Sicherheit auf das Bestehen einer Flachs-
en 1 1 u r in unseren Gegenden während der bezüglichen Zeitperiode hin. Möglich,
dass auch manche, bisher für Hirse gehaltene verkohlte Reste von anderen Fund-
stellen nach eingehenderer Untersuchung als Leinsamen erkannt werden. —
(362)
(18) Hr. Behl a berichtet aus Luckau, Nieder-Lausitz, unter dem 15., dass sich
in der Sammlung des Hrn. Apothekers Petermann in Burg (Spreewald), welche
etwa 400 Thongefiisse zählt, ein merkwürdiges Thonstück befindet:
ein thönerner Schwan.
In einer Urne des nahegelegenen Lütgcnberges lag eine thöneme Schale von
derselben Grösse, wie die Lausitzer Thränennäpfchen, an der Unterseite mit con-
cavem Eindruck. In dem Innern dieser erhaltenen Schale sind 2, etwa 2 cm hohe
Erhebungen von Thon, welche je ein kleines Loch tragen. Zwischen beiden Er-
hebungen ist ein kleiner Zwischenraum. In dieser Schale lag ein Thongebilde,
welches unzweifelhaft einen Vogel, und zwar, nach dem langen Halse zu urtheilen,
einen Schwan darstellt. Der Körper besteht aus einer nach hinten zugespitzten
Platte, welche nach vorn in einen etwa 6 cm langen, mit Kopf versehenen, nach
oben gebogenen Hals verläuft. Der Hals zeigt in gewissen Zwischenräumen drei
kleine seitliche Durchbohrungen. Unten an der Platte befindet sich eine kleine
Hervorragung, so dass der ganze Schwan auf die vorhergenannte Erhebung zu
setzen ist. Offenbar haben 2 Schwäne zu der Schale gehört, es ist jedoch nur
einer erhalten. Wenn vielleicht schon das auf Thongefässen in erhabener Form
gebildete 4 speichige Rad, wie das z. B. auf einer Urne von Garrenchen (Kreis
Luckau) und auf einem im Schliebener Rundwall gefundenen Thonscherben dar-
gestellt ist, eine Hindeutung auf die 4 speichigen Räder der Bronzewagen ist, so
dürfte der thönerne Schwan, welcher auf dem Lütgenberg bei Burg zu Tage kam,
wegen der Nähe der Funde darauf hinweisen, dass der Töpfer die Schwäne hat
nachbilden wollen, welche auf den 2 Giebelarmen und der Tülle auf dickem Stiel
an den beiden Burger Bronzewagen angebracht sind. Nach Mittheilung des Hrn.
Dr. Götze soll sich im Königlichen Museum eine Schale von Thon befinden, mit
derartigen Vögeln, wie sie bekanntlich auf den Bronzewagen von Frankfurt a. 0.
und Oberkehle angebracht sind. —
(19) Hr. P. Rein ecke schickt 6 photographische Aufnahmen von Thon-
gefässen aus bayrischen Grabhügeln der Bronzezeit. Die Originale be-
finden sich in der Staats-Sammlung in München. —
(2Ü; llr. P. Reinecke übersendet aus München, 30. September, folgenden
Bericht über:
Slavische Gräberfunde im kroatischen und slovenischen Gebiete.
Zu Beginn des Jahres 1896 machte die Nachricht von der Auffindung eines
grösseren Skeletgräberfeldea bei Essek in Slavonien die Runde durch die Tagesblätter.
Als ich im vergangenen Spätsommer einige Zeit in den südslavischen Gebieten ver-
weilte, unterliess ich es nicht, die Funde dieser Localität an Ort und Stelle
in Augenschein zu nehmen. Als ich hinterher mich in Agram aufhielt, hörte ich,
iluss der in Agram aufbewahrte Theil der Ausbeute aus dieser Nekropole im
„Viestnik Brvatskoga Arheoloskoga Dru*tvatt publicirt werden sollte; da jedoch
bisher die in Aussicht gestellte Veröffentlichung nicht erschienen ist und überdies
etwa die Hälfte der Funde sich in Essek im Privatbesitz befindet, dürften einige
kurze Angaben über dieses Gräberfeld nicht überflüssig sein.
Bei Bielo Brdo unterhalb Essek stiess man in massiger Tiefe (etwa 70 cm)
auf Skelette; bei weiteren Nachgrabungen stellte sich heraus, dass man es hier
mit einem grossen altsht vischen Leichen fehle mit viel mehr als 100 Bestattungen
(363;
zu thun habe. Die Skelette fanden sieh zumeist in gestreckter Rückenlage: sie
waren verhältnissmässig reich mit Beigaben ausgestattet, wenigstens im Vergleich
mit unseren deutschen Slavengräbern.
Regelmässige Beigaben waren kleine Töpfe der spätslavischen Gattung, mit
Wellenlinien und horizontalen Furchen, gelegentlich auch mit Bodenstempeln; sie
standen gewöhnlich zu Füssen, nur ausnahmsweise zu lläuptcn der Bestatteten.
Wallen (Schwerter, Aexte, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen u. s. w.) fehlten ganz,
wenigstens kamen mir solche nicht zu Gesicht; auch kleine Eisenmesser waren
nicht sehr häufig. Dagegen überwogen sehr die Schmucksachen, und unter diesen
wieder die Glasperlen, die Schläfen- und Ohrringe, sowie die Pingerringe.
Massenhaft traten kleine gelbbraune und braune Glasperlen auf, daneben hell-
grüne, ferner die charakteristischen drei- und viermal gerippten röhrenförmigen
blauen und braunen, die im letzten Viertel des ersten nachchristlichen Jahrtausends
in Europa, ebenso wie gewisse Millefioriperlen, eine weite Verbreitung hatten:
seltener waren schon kleine blaue melonenfürmige, einmal entdeckte man auch
eine tiefblaue polyedrische.
Die Zahl der ächten Schläfenringe (mit c/s- förmiger, breiter Schleife) ist
eine sehr grosse; ihr Durchmesser schwankt zwischen 1 und nahezu .0 cm.
Daneben fanden sich kleine Drahtringe mit einfach umgebogenem oder mit
konisch oder cylindrisch aufgerolltem Ende, sowie einfache offene Drahtringe,
welche wohl fast sämmtlich als Ohrgehänge aufzufassen sein dürften. Sie sind
durchweg aus Bronze, ebenso wie die Mehrzahl der Fingerringe. Die Formen
der letzteren sind sehr mannichfach: als wesentlichste Typen wären zu nennen: ein-
fache offene dicke, gegossene, entweder glatt oder mit Canneluren, ebensolche aus
Draht, sowie aus Bronzeblech, welches ganz eben oder etwas an den Rändern nach
innen eingebogen ist, geschlossene dicke glatte (ähnlich unseren Trauringen) oder
auf der Aussenseite mit Vertiefungen verzierte, dann aber auch geschlossene Ringe
mit eingesetzten Glasflüssen (in Zellen), grobem Kügelchenbesatz und Filigran-
schmuck, oder solche mit verbreiterter gravirter Platte. Diese letzteren Formen
sind in der Regel aus Silber.
Von anderen Schmucksachen wollen wir noch einfache dicke runde und vier-
kantige Armringe, aus 3 und 4 Drähten zopfartig geflochtene Arm- und Halsringe
(Durchmesser etwa 8 und 15 — H> cm) hervorheben, ferner kleine kreuzförmig
geschlitzte Bommeln oder Schellen, die in den russischen Ostsee-Provinzen so häutig
sind, aber auch in slavischen Gebieten, z. B. in Böhmen, nicht fehlen, eine Schnallen-
fibel, eine kleine Schnalle, scheibenförmige Anhänger und kleine Besehlagstücke,
Alles aus Bronze. Bei einigen Skeletten fanden sich Münzen aus spätrömischer
Zeit, sämmtlich durchbohrt und mit Glasperlen zusammen als Halsschmuck ge-
tragen. Ein Unicura ist ein Halsschmuck, der aus Glasperlen, einer römischen
Münze und dem Fragment (obere Hälfte) einer römischen Armbrustfibel [Bronze)
besteht; das Fibelfragment ist am Bügel durchbohrt und war mit den Glasperlen,
die zum Theil mit ihm noch durch Rost verbunden sind, auf eine Schnur ge
gewesen. Zu den jüngsten Funden von Bielo Brdo dürften einige ungarische
Silbermünzen des elften Jahrhunderts gehören.
Sehr interessant ist das Vorkommen bedeutend älterer Gräber auf diesem Leichen-
felde. In Agram werden die Beigaben aus zwei bronzezeitlichen Skeletgräbern,
welche sich mitten unter den slavischen Bestattungen fanden, aufbewahrt Das
eine von diesen ist noch in einen älteren Abschnitt des Bronzealters (Bronzenadel
mit grossem scheibenförmigem Kopf und tordirter Nadel, dicker Armr
die Enden zu [in seiner Höhe] verjüngt, mit Endstollen and mit gravirten Mustern
(364)
u. s. w.) zu setzen. Dieser Pund erweitert das Gebiet des Formenkreises der älteren
bronzezeitlichen Grabhügel Süddeutschlands, des südwestlichen Böhmens, Ober-
und Xieder-Oesterreichs ungemein und lässt uns vermuthen, dass wir im Bereich
der ungarischen Bronze-Cultur noch ein reiches Material dieser Phase, welche in
Ungarn bisher nur in wenigen Schatzfunden vertreten war, zu erwarten haben.
Das zweite prähistorische Grab dürfte bedeutend jünger sein; es enthielt ein
schönes kreideeingelegtes Gefäss der Gattung, welche Romer seinerzeit „pan-
nonisch^ nannte, zwei goldene Ohrgehänge oder Lockenhalter, davon das eine
Exemplar mit Schleifenwindung, wie solche in Ungarn ziemlich häufig sind und
von welchen in den kaukasischen Nekropolen, vornehmlich aus Bronze, zahlreiche
Verwandte erscheinen, und dergl. mehr.
Da ich auf meiner Reise u. A. auch an der Hand einer Reihe von Funden
die Ausführungen L. Niederle's über die slavischen Schläfenringe (Mittheil, der
Anthrop. Ges. in Wien 1894, S. 194 — 205), die in vielen Punkten irrig sein dürften,
auf ihre Richtigkeit prüfen wollte, unterliess ich es nicht, bei Hrn. C. F. Nuber
in Essek, welcher der Ausgrabung dieses Leichenfeldes persönlich beigewohnt hat
und in dessen Besitz sich die Hälfte der Fundgegenstände befindet, Erkundigungen
über diesen Gegenstand einzuziehen. Meine Vermuthung, dass Niederle eine An-
zahl von Typen, die sicherlich einfach Ohrringe darstellen, grundlos, nur wegen
scheinbarer Aehnlichkeit in der Form, zu den „Schläfenringen" zählt, welche doch
nur in den seltensten Fällen als Schmuck des Ohres dienten, bestätigte sich. Bei
diesem Grabfelde muss man, wie aus den Fundumständen hervorgeht, z. B. die
einfachen Drahtringe, die Niederle „Typus au nennt, ebenso die Ringe mit
konisch oder cylindrisch aufgerolltem Ende, — Formen, welche in den Keszthelyer
Gräbern eine gewisse Rolle spielen und deren .Vorkommen daselbst zu aller-
hand falschen Schlüssen benutzt wurde, als Ohrringe bezeichnen; das Prädicat
„Schläfenringe"' können hingegen nur die Exemplare mit der Schleifenwindung
beanspruchen.
In der Gegend von Essek, und zwar bei Svinjarevce, südlich von Vukovar,
wurde noch ein zweites slavisches Leichenfeld entdeckt, dessen Gräber jedoch
viel ärmlicher ausgestattet waren, als die von Bielo Brdo. Viele Gräber enthielten
überhaupt keine Heigaben; es fanden sich nur kleine Schläfenringe, sowie einige
einfache und ein gedrehter offener Fingerring und Münzen der zweiten Hälfte des
eilten und vom Beginne des zwölften Jahrhunderts. Das einzige einigermassen
werthvolle Stück von diesem Begräbnissplatze ist ein silberner Fingerring mit
Filigran und Kügelchenbesatz.
Etwas weiter oberhalb im Draugebiete, schon aus Kroatien, sind seit längerer
Zeit statische Grabfunde bekannt, die im Agramer Museum aufbewahrt werden.
Die reichhaltige Ausbeute stammt von Pieski unweit Klostar (Com. Belovar); es
sind dies massenhaft kleine Schläfenringe aus Bronze und Silber, einige etwas
grössere Exemplare Ins 4 cm Durchmesser), mondsichel förmige Ohrringe aus
Bronze, sowie aus Silber mit grober Granulirungj andere silberne Ohrgehänge mit
Kii^i'lcheiihesatz, zumeist Hache, offene und geschlossene Fingerringe, -aus drei
Drähten geflochtene Halsringe, zahllose kleine, mehrfach gerippte Glasperlen (gelb,
blau, grün), Boheilen form ige Anhänger, sowie in zahlreichen Ekeraplären Ziergehänge,
welche aus einer runden Scheibe und einem daran befestigten herzförmigen An-
hängsel bestehen, wie solche in magyarischen Heidengräbern gewöhnliche Er-
scheinungen sind. u. dgl. m. Aehnlieh, nur nicht so reichhaltig, sind die Funde
von Bukovac (an der Drau). Hier spielen auch wieder die silbernen und bronzenen
Schläfenringe, die mehrfach gerippten (ilasperlen, die BChettenförmigen Anhänger
(365
die Bauptrolle; ein seltenes Stück ist ein silbernes Ziergehänge aus Ketten mit
Anhängern an den Enden.
Aus Sissek an der Save rühren gleichfalls slavische Alterthümer her; dii
halten jedoch schon mehr einen anileren Charakter und schliessen sich ebenso
wie einige slavische Objecte von Nbvi Banovci in Byrmien (Viestnik, V Ser. I.
1895, |). 178), welche gleichfalls im Museum zuAgrara liegen, eher an die imsüd-
kroatischen Gebiete, in Dalmatien und Bosnien gehobenen altslavischen Kleinfunde an.
Auffallend unterscheidet sich von diesen Gegenständen uns Kroatien and
Slavonien der Inhalt von slavischen Gräbern aus dem benachbarten Krain. Das
Museum zu Laibach besitz! seit wenigen Jahren von Veldes (im oberen Savethal]
eine kleine Collection inleressanter Olijecte. welche ilie ersten der slavischen Zeil
aus diesem Kronlande sind. Zu den gewöhnlichsten Beigaben dieses Skeletgräber-
feldes gehören (ilasperlen, kleine durchsichtige grüne, ferner langgestreckte blaue
und braune mit mehrfacher B,ippung and blaue glatte, sodann auch bunte Email-
perlen, welche grosse Verwandtschaft mil gewissen Millefioriperlen aus Funden des
achten bis eilten Jahrhunderts im mittleren und mini liehen Europa zeigen. Stücke von
zerbrochenen Gläsern, offenbar der römischen Zeit, ohne scharfe Bruchränder und
nachträglich durchbohrt, dienten neben den Perlen als Halsschmuck. Pingerringe,
einfache platte aus Bronze und silberne mit breiter Platte, mit gravirten und ein-
geschlagenen Verzierungen, waren nicht sehr häufig, ebenso die Ohrgehi
Letztere bestehen in der Regel aus einem einfachen, mit umgebogenem Ende ver-
sehenen Drahtring, welcher eine eingehängte Drahtschleife mit aufgezogener Glas-
perle oder hohler Blechperle trägt. Einen Ring mit breiter Endschleife dürfte
man vielleicht als Schläfenring bezeichnen können. Einzig in seiner Art ist ein
grosser Ohrring, der in seiner unteren Hallte mit drei (ilasperlen besetzt, von
Draht umsponnen und mit feinem Drahtwerk gefüllt ist: der Reif trägt hier auch
eine Anzahl von Ochsen, an welchen ziemlich lange Ketten aus feinem Draht hangen.
Dies Exemplar erinnert sehr an gewisse Prachtohrgehänge aus Russland. Zu sehr
seltenen Erscheinungen gehören ferner eine bronzeplattirte eiserne Scheibenfibel
mit sehr roher figürlicher Darstellung, sowie ein viereckiger Eisenbeschlag, mit
Bronzeblech bekleidet und mit Glaseinlage. Von Waffen oder Werkzeugen kamen
nur kleine Eisenmesser vor.
Unlängst wurden auch in Istrien angefähr gleichaltrige oder etwa- altere
Skeletgräber entdeckt. Bei Pinguente stiess man auf ein grösseres Leichenfeld,
dessen Ausbeute in das archäologische Museum der Stallt Triest kam. Für die
Datirung dieser Nekropole sind von Wichtigkeil die schon mehrfach erwähnten
gelben und blauen gerippten Glasperlen, sowie die cylindrischen Mülefioriperlen.
Aus der Fülle von Beigaben wollen wir nur folgende Typen hervorheben: kleine
und grössere Eisenmesser, Pfeilspitzen mit langen Widerhaken, gebogene Eisen-
bänder zum Feuerschlagen, Bronze- und Eisenschnallen, eine lange eiserne Riemen-
zunge, Thnnwirtcl, offene Armringe mil massig verdickten Enden. Ohrgehänge aus
dünnem Draht mit drei Schleifen am unteren Punkte des Ringes, und geg088ene,
etwas dickere mit massiver durchbrochener Platte an derselben Stelle, wie man
solche gelegentlich aus einzelneu Gräbern in oberitalischen Museen sieht . silberne
Ohrringe mit Filigran und Kügelchenbesatz, Haarnadeln, schellenförmige Anhänger.
Ausserdem besitzt das nämliche Museum noch Funde derselben Art aus F.m/.el-
gräbern aus der Umgebung von Triest. Wir müssen es dahingestellt sein lassen,
ob diese Gräber aus dem Litorale slavischen Ursprunges sind oder etwa der ro-
l wie Mitth. der Präh. Comm., Wien. I. S. 114.
(366)
manischen Bevölkerung dieses Gebietes zuzuschreiben wären. Zeitlich sind sie,
wie auch schon aus einzelnen Münzen, die dem achten Jahrhundert angehören.
um oder nach 800 n. Chr. anzusetzen. Im achten Jahrhundert fand hierselbst eine
slavische Einwanderung statt; doch beschränkte sich diese auf die gebirgigen, z. Th.
unbewohnten Theile. Bei dem Mangel an typischen Schläfenringen und dem Um-
stände, dass einige Ohrringformen in Ober-Italien (soviel ich weiss, bisher jedoch
ohne wesentlichen Anhalt für ihre Datirung) wiederkehren und die Gräber sonst
noch gewisse Anklänge an Alterthümer der spätmerovingisohen Periode enthalten,
dürfte es richtiger sein, diese istrischen Funde auf die vorslavischen romanischen
Einwohner Istriens zurückzuführen.
Es ist seltsam, dass sich bei allen diesen, ungefähr derselben Epoche ange-
hörenden Funden (von einigen importirten Sachen, z. B. den gerippten Glasperlen
und den Millefioriperlen, welche, wenn wir hier die nordische Terminologie an-
wenden wollen, dem Wikingeralter zuzuweisen sind, abgesehen) so scharfe locale
Unterschiede ausprägen. Die slavischen Alterthümer in Bosnien und Dalmatien.
nördlich bis zur Save hin, deren prächtigste Beispiele das Museum in Knin (vgl.
Verhandl. 1896, S. 469—470) besitzt, heben sich deutlich von denen aus dem Drau-
gebiet ab, und die Zahl von übereinstimmenden Typen, die allgemein slavischen
Formen abgerechnet, ist eine nur kleine. Das Vorhandensein einer Anzahl von
\Y äffen und Prunkstücken, die sicherlich nicht im Lande gearbeitet, sondern wohl
aus dem fränkischen Reiche importirt worden sind, was bei den Beziehungen
Dalmatiens zum Reiche Karls des Grossen nicht unwahrscheinlich ist, gerade in
den Kniner Gräbern ist bei diesen Unterschieden nicht ausschlaggebend, vielmehr
liegen die Differenzen in den slavischen Formen selbst. In slovenischen Gegenden,
und zwar in Krain, haben wir wieder andere Erscheinungen, während im Küsten-
lande die Gräber etwa derselben Zeit auffallend anders geartete Beigaben zeigen.
Nördlich von den Karawanken, in Kärnthen, Steiermark und Nieder-Oesterreich
(sowie Einzelfunde im Grenzgebiet gegen Friaul und Salzburg), herrschen in den
Slavengräbern Gegenstände des „Kettlachtypus" vor, dessen merkwürdigste Charakte-
ristica emailverzierte halbmondförmige Ohrgehänge und Schmuckscheiben sind,
welcher jedoch auch die importirten gerippten Glas-, sowie die Millefioriperlen
kennt.
In diesem nordslovenischen Gebiete finden wir gleichzeitig mit den Slaven-
gräbern auch noch die Ausläufer einer Cultur, welche zum Schluss der Völker-
wanderungszeit in West-Ungarn und dem östlichen Theile der Ostalpen von hoher
Bedeutung war und welche weder auf Slaven noch auf germanische Stämme
zurückgehen kann. Es ist dies der Formenkreis, welcher bei uns gewöhnlich als
„Kes/.thcly-Cultur- bezeichnet wird, obwohl die Gräberfelder von Keszthely, von ihrer
wenig systematischen Untersuchung ganz abgesehen, durchaus nicht zu den am meisten
bezeichnend. 'ii Vertretern dieses Kreises zählen (in Keszthely finden sich neben
Gräbern dieser Cultur auch spätrömische, dann auch weit jüngere slavische und
heidnisch-magyariseh. Der Beginn dieser Cultur, welche wir auf nichtarische.
oral-altaische Völker zurückführen müssen und der u. A. auch der Goldfund von
KTagy-Szent-Miklös im Banal angehört, fällt nicht vor die zweite Hälfte des sechsten
Jahrhunderts: seine letzten Spuren im Ostalpen-Gebiet, vornehmlich in Steiermark,
(neben sehr reiten Schmuckgegenständen mit dem bezeichnenden Spiralrankenwerk
auch Eisenschwerter der Gattung der Wikingerschwerter) reichen bis in eine Zeit,
welche mit dem grundverschiedenen slavischen Kettlachtypus eoineidirt. Ja, diese
Leiden Typen kommen an einigen Localitäten, z. B. in Hobenberg und Krungl in Ober-
Steiermark, BOgar neben einander vor, doch in verschiedenen Gräbern, wie aus den
(367)
neuesten Kunden an diesen Orten1), welche augenblicklich wohl die wertvollsten
des Kettlachkreises sein dürften, hervorgeht. Hoffentlich bringt am der zweite
Theil des Werkes von Hampel über die Denkmäler des frühen Mittelalter« in
Ungarn genaueren Aufsehluss über diese Verhältnisse.
Mit den deutschen und böhmischen Slavengräbern zeigen die der südslavisehen
Länder in Bezug auf die Mehrzahl der rein slavischen Formen noch weniger
Uebereinstimmung, zumal da der Charakter der westslavischen Gräber selbst ein
schwankender ist. Es trennen sich hier wieder die aus Süddeutschland (Ober-
und Mittelfranken, Oberpfalz) von den cechischen, sowie den wendisch-polnischen.
Einige süddeutsche Nekropolcn, die auch viel Importwaare aus westlichen Gegenden
(u.A. Schwerter des Wikingertypus) enthalten, verrathen Beziehungen zur Kettlach-
Cultur, was von den böhmischen nicht mehr gilt; doch in einem Punkte sehliessen
sich diese beiden Gruppen den südslavisehen an, nehmlich darin, dass in ihrem Gebiet
der Formenkreis der Hacksilberfunde, wenigstens bis zur Stunde, fehlt. 80 oft
sich auch in allen diesen Ländern, östlich und westlich vom Böhmerwald, in
Niederösterreich, im Ostalpengebiet, in Kroatien, Slavonien, Dalmatien. Bosnien.
weiter auch in Ungarn, sowohl in slavischen Gräberfeldern wie in Einzelfunden.
Silber findet, ist es nie in ausgesprochener Weise vom Typus des Hacksilbers,
welches im Allgemeinen, von Kussland abgesehen, sich auf das Ostseebecken und
die Gebenden, wo sonst noch Wikinger ansässig waren, beschränkt. —
(21) Hr. Gessner übersendet als Geschenk ein humoristisches Bild, den
Bicyclanthropos curvatus darstellend. —
(22) Hr. M. Bartels legt 6 photographische Aufnahmen von 3 Schädel-
Masken aus Neu-Britannien vor, welche Hr. Prof. Dr. B. Scheppig in Kiel
für ihn aufgenommen hat. Die Originale befinden sich in dem diesem Herrn unter-
stellten ethnographischen Museum in Kiel. —
(23) Hr. S. Weissenberg zu Elisabethgrad schreibt, unter l'ebersendung von
entsprechenden Stücken, über
südrussische Amulette.
In der letzten Zeit ist in der ethnologischen Forschung eine Bewegung zu be-
merken, die dahin gerichtet ist, volkstümliches Material auf europäischem Boden
selbst zu sammeln. Diese Bewegung ist mit Freuden zu begrüssen und soll nach
Kräften unterstützt werden. Ich will damit selbstverständlich nicht sagen, dass die
aussereuropäischen Forschungen werthlos sind: sie sollten im Gegentheil noch mehr
gefördert werden, als es bis jetzt geschehen ist. Man soll aber auch dasjenige,
was noch in Europa übrig geblieben ist, nicht versäumen. Das Sammeln ist ja
hier so leicht, man braucht nur offene Augen und etwas Geld in der Tasche zu
haben. Es ist dabei zu bedenken, dass der Mensch psychologisch eine vielleicht
noch engere und geschlossenere Einheil bildet, als physisch, so dass manches in
Europa mühelos erworbene Stück ganz an Neu-Gumea erinnern kann. Die Cultur
durchdringt nur die höheren Stande: im Grossen und Ganzen ist aber der Mensch
hochconservativ, und mitten in der höchsten Cultur liisst sieh oft manches auf-
1) Ueber diese lieg! vorläufig nur ein Aufsatz in ungarischer Sprache ans der Feder
dos vor Kurzem verstorbenen Custos am Johanneam zu Graz. Dr. Otl bach, vor
(Arch. Ert. 1897, p. 133—147). -
(368)
finden, was in Central-Africa allgemeiner Brauch ist. Im Kampfe um das Dasein ist
mancher Europäer ebenso hülflos, wie der Wilde; die Hindernisse, die sich auf
jedem Schritt und Tritt in den Weg stellen, werden von beiden als böse Geister
aufgefasst, gegen welche mit denselben Waffen gekämpft wird.
Zu diesen Waffen gehören in erster Reihe die Amulette. Es sind oft ganz
unscheinbare Dinge, denen aber grosse Kraft, hauptsächlich gegen den bösen
Blick und verschiedene Krankheiten, zugeschrieben wird. Der grösste Theil der
Amulette lässt sich meiner Meinung nach in folgende drei Kategorien unter-
bringen:
1. Amulette, die eine abwehrende oder direct schützende Kraft haben sollen:
a) Gegenstände, die auf den Beschauer erschreckend oder beschämend
wirken sollen, wie z. B. J^iguren oder einzelne Körpertheile wilder
Thiere, die männliche und weibliche Scham u. dergl.;
b scharf riechende oder ätzende Stoffe, stechende Gegenstände u. dergl.;
c) Heiligenbilder und Gebetformeln.
2. Amulette, die ihre Eigenschaften (Festigkeit, Härte, Farbe u. dergl.) ihrem
Träger mittheilen sollen.
'■>. Amulette, die das Krankhafte ihres Trägers in sich einsaugen, aufnehmen
sollen1).
Je tiefer der Culturstand eines Volkes, desto mehr ist der Glaube an die
Amulette verbreitet und desto grösser ist ihre Mannichfaltigkeit. In dieser Be-
ziehung ist Russland, im Vergleich mit dem übrigen Europa, als ein culturell
ziemlich niedrig stehendes Land, noch eine Fundgrube für den Ethnologen. Es
hat mir keine grosse Mühe gemacht, die hier ausgestellte kleine Collection von
Amuletten zu sammeln, und zwar im culturell verhältnissmässig hoch stehenden
Bttdl. Russland. Das niedere Volk schätzt hier die Amulette sehr hoch; besonders
werden kranke und auch gesunde Kinder mit solchen behängt. Die Juden, die
ungefähr den dritten Theil der städtischen Bevölkerung bilden und die culturell
höher stehen, als die übrige Bevölkerung, theilen den Glauben an Amulette, wo-
durch der bekannte Ausspruch von Karl Emil Franzos — jedes Land hat solche
Juden, die es verdient -- bestätigt wird. Es ist schwer zu sagen, was jüdisch
und was christlich ist; man trifft dieselben Amulette bei Juden und Christen an.
I bemerkenswerth, dass die Juden oft christliche und umgekehrt die Christen
oft jüdische Gebetformeln tragen. Zwei Amulette werden nur von Juden getragen:
das sind silberne .Münzen und das Gebet „Schemah" (Höre, Israel, Dein Gott ist
einzig u. s. w.). Heule' werden von den Häuptern der mystischen Secte „Chassidim"
an ihre Gläubigen vertheilt. Eigentümlich für die «Juden ist auch, dass sie vor
dem „bösen Blick" einen so grossen Respect haben, dass von ihm gar nicht ge-
sprochen werden darf; anstatt dessen sagt man „ein gutes Auge".
Nach dieser Einleitung gehe ich zur Beschreibung der einzelnen Amulette über:
1. Ein King, eine Imitation eines Wolfszahnes (oft beim Mangel eines
wirklichen Zahnes getragen), die Darstellung der weiblichen Scham, die
Feige, alle drei ans Knochen. (Letztere spielt überhaupt eine grosse Rolle
im russischen Lehen; im Streite z. B. zeigen die Gegner oft einander
Feigen mit den Worten: „Na, da hast Du!")
1) So trügt man hier /. B. beim Icterus Goldsachen, wohl in «1er Meinung, d.iss das
Gelbe des Goldes das krankhafte Gelb dem Körper entziehen kann.
(369)
2. Gegen den bösen Blick tragen Knaben Knochen vom Flügel eines schwarzen
Hahns und Mädchen Bolche einer schwarzen Henne.
'6. Augen einer gewöhnlichen Maus.
I. „ ., Fledermaus.
5. Kampfer and Nelken gegen Diphtherie.
6. Quecksilber, gestohlenes Kornbrod, Sulz und Asche — alles zusammen in
einem Gänse-Federkiel, l — 6 von Juden.
7., 8., 9. und 10, gegen Malaria: von Küssen.
11. Eine Bilberne Münze (10 Kopeken).
12. Das Gebe! „Schema'" auf einer Pergamentrolle in einem Etui aus Kupfer
(s. S. 36g
13. Ein Stückchen Papier mit der Inschrift: „Jesus wui-de geboren, Jesus
wurde getauft, Jesus ist auferstanden." Dieses Amulet wird von einem
hiesigen Uhrmacher gegen .Malaria verordnet und von Christin und Juden
getragen.
14. Der Text einer „Mesusc" — darunter versteht man das Gehet „Schema'" -
in einem Etui, das an die Thtirpfosten in jüdischen Häusern angeschlagen
wird. Von einem Küssen gegen Fieber gebraucht.
15. Zwei Amulette in Herzform, enthalten geweihte Weizenkörner und Weih-
rauch. Werden in Kiew von den Miidchen gegen verschiedene Hebel ver-
kauft.
IG. Ein Ring zur Erinnerung an ein berühmtes Muttergottesbild.
17. Ein Stückchen Stahl von einem jüdischen Kinde.
18. Eine Oarneol-Perle — soll aus Palästina stammen, wird von den Jüdinnen
hoch geschätzt und zur Vorbeugung des Abortus getragen.
19. Zwei Ringe aus Eisen gegen Zahnschmerzen, müssen aus einem gefundenen
Hufeisen gefertigt sein. Von einer Russin und einer Jüdin.
20. Krystallglas gegen Schwindel, (ldei
21. Ein Ring und eine Pfeife aus Knochen. Die Pfeife i-t gm* gegen Ohren-
sausen.
22. Eine Muschel — gegen Ohrensausen.
23. Zwei Säckchen mit Erde vom Grabe eines nahen Verwandten, werden
von Schwerkranken in don Achselhöhlen getragen. 21—23 von Juden. —
Hr. M. Harteis erläutert die Sammlung von 23 Amuletten aus Süd-Russ-
land. —
Hr. S. Weissen berg sehreibt noch: „Um einen Begriff von dem Werthe
der Amulette /u geben, theile ich mit, dass die Stücke 11., 12. und 18, nicht unter
.'> Rubel das Stück zu haben sind: die übrigen sind bedeutend billiger. Selbst-
verständlich muss man noch dazu ein \ - Kednertalent anwenden, um die
Leute zu überzeugen, dass die Abgabe der Amulette ihnen keinen Schaden bri
wird, was aber nicht immer gelang." —
(24) Hr. A. Voss übergiebl folgenden Bericht des Hrn. Dr. Plath (Rinteln,
."». October) über eine auf Anordnung des Hrn. Unterrichte-Ministers ausgeführte
Ausgrabung der Hünen- oder Kranken hui«;- an der Langen Wand
bei Rinteln a. W.
Zu meiner Freude kann ich mittheilen, dass die Au>_ _ der Hünen- oder
Prankenburg an der „Langen Wand- bei Rinteln - deren Leitung ich allein ü
Verli.Mull. (Irr Berl. Anthi ■ I 24
(370)
nehmen musste, da Hr. Sanitätsrath Weiss in Bückeburg durch Krankheit an der
Theilnahme verhindert und der Provincial-Conservator noch nicht eingetroffen ist, -
den glücklichsten Erfolg gehabt hat.
Zunächst hat die Untersuchung der Bau-Anlage im Ganzen zu einer neuen An-
schauung von der Anordnung der Mauern geführt, indem an Stelle des früher ver-
mutheten rohen und unregelmässigen Grundrisses sich eine völlig regelmässige,
von trefflicher Raum -Disposition, ja künstlerischer Ansetzung der Verhältnisse
zeugende Schöpfung enthüllte. Dabei sind die Mauern weit besser und vollständiger
erhalten, als erwartet wurde, und nachdem nun fast alle Theile der Anlage plan-
mässig und sorgfältig freigelegt sind, — bei der völligen Ueberhäufung des ganzen
Gebietes mit zusammengebackenen Steintrümmern und der dichten Verfilzung des
Waldbodens durch die Wurzeln der eng aneinanderstehenden Bäume keine geringe
Arbeit — wandeln wir, wo vorher nur formlose Erdhügel im Buchen walde sich
dem Auge darboten, nun wieder, wie die alten Burgherren vor langen Jahr-
hunderten, über die unversehrte Schwelle der alten Burgpforte in den Burghof,
treten in die Capelle mit dem heut noch stehenden Altar, steigen hinab in den
Keller, hinauf in das Wachtzimmer des Burgthurmes und überblicken durch sein
Fenster die ganze Anlage, die besonders bei Sonnenschein völlig den Eindruck
eines wohnlichen Herrensitzes wiedergewonnen hat.
So ist den vielen Hunderten von Besuchern, die diese gleichsam aus dem
Waldraoos plötzlich aufgetauchte alte Burg schaarenweise angezogen hat, nun zum
ersten Male und auf den ersten Blick die bis ins Einzelne deutliche vollständige
Anschauung einer so alten Gründung gegeben, die auch auf die vielbesprochene
Wittekindsburg bei Rulle, die Heisterburg auf dem Deister, die Iburg bei Driburg
und verwandte Anlagen ein neues Licht werfen wird.
Bemerkenswerth ist dabei, dass sich gar keine Spur römischer Funde hier ge-
zeigt hat, und damit ist wohl auch die Anschauung von dem römischen Ursprung
jener Anlagen erschüttert, die vielleicht nicht ohne Gefahr für unsere deutsche
Alterthumskunde war.
So wird denn die planmässige vollständige Freilegung und Aufräumung dieser
altdeutschen Anlage, wie sie die Theilnahme der Umwohner in immer steigendem
Maasse erweckt hat, hoffentlich auch für die Fachgenossen der deutschen Archäologie
im weiteren Umfange von dauerndem Werthe sein, besonders wenn durch eine
sorgfältige Conservirung der Reste nun ihre Betrachtung und Beachtung auch der
späteren Zeit ermöglicht wird.
Vornehmlich interessant ist die Ausgrabung aber geworden durch die über-
raschende Fülle von einzelnen Fund -Gegenständen, wie sie eben nur bei solch
einer planmässigen Aul'räumung der ganzen Anlage in dieser Reichhaltigkeit zu
erzielen ist.
An die Betrachtung der feststehenden Mauern schliessen sich zunächst die
lose gefundenen Architecturreste an. Abgesehen von dem Mörtel (roth und weiss),
der sich besser, als in den Mauerfugen, in einzelnen Bruchstücken im Schutt er-
halten hat, haben sich bearbeitete Bauglieder aus Stein, wenigstens in Trümmer-
stücken. gefunden. War früher schon Capitell und Basis einer Säule entdeckt, so
sind nun Säulenschäfte, Gesimsstücke verschiedener Art, Fensterschwellen aus-
gegraben, die, ans einem festeren, aus weiterer Umgegend hergeführten Gestein
sorgfaltig gearbeitet, von der Wohlhabenheit und dem Kunstsinn des Bauherrn und
der Gliedermi- .11111- Bani im Einzelnen Kunde geben. Von der inneren und
äusseren Verkleidung der Mauern durch Putzbewurf sind wohlkenntliche Stücke
mit <;ut geglätteten Flächen gefunden; aber auch der Lehmbewurf einzelner in
(371)
Fachwerk gebauter Theile der Anlage, der, im Feuer zu Backstein gebrannt, noch
die deutlichen Abdrücke des einst darin befindlichen Latten- and Stabwerkes
kennen lässt, ist noch gut erhalten.
Daneben eine Menge von Gegenständen, die von der sonstigen baulichen Ein-
richtung der Burg eine Vorstellung bieten. So die fast unversehrten, nur in Kohle
verwandelten Dielen vom Fussboden oder der Decken -Veritäfelung; aus I.
Nägel, Krampen, Thürangeln, Thürbeschläge, Schlösser (mit Schlüsseln), Thür-
ketten, Nieten. Thürringe, Traillcn, Angeln und Beschläge von Fensterläden, und
o. a. eine Feuerstelle mit vollständig erhaltenen Backplatten aus Stein.
Von der beweglichen Bauseinrichtung zeugen die Beschläge von Truhen und
ein gedrechseltes und gefärbtes Knochenstück, das vielleicht als Fuss eine- Sessels
oder Bettes gedient hat.
Dann kommen sonstige Geräthe in Betracht: von den männlichen Bewohnern
verschiedenartige Lanzenspitzen, Bolzenspitzen, theilweise wundervoll erhalten.
Schwertklingen, Hufeisen in verschiedener Grösse und Form, sehr schöne Sporen.
zum Theil verziert und vollständig mit den Nietplättchen zur Festhaltung des
Riemens erhalten: Steigbügel, Schildbuckel, Messerklingen verschiedener Art, ein
Messergriff aus Birschhorn, bearbeitete, theilweise verzierte Hirschgeweih- und
Knochenstücke, sowie der abgesägte Abfall von solchen: sodann andere Arbeits-
Werkzeuge, wie Beile, eine Spitzhacke, ein eiserner Keil. Hammer, Bohrer, Nägel
in verschiedener Form und Grösse; — von den weiblichen Bur^be wohnern Nadeln,
Spinnwirtel, Schmuckstücke aus Bein und Bronze mit zierlicher Bearbeitung: ein
schöner Eimerhenkel. Daneben findet sich Thongcräth in grosser Menge, aus
schwärzlichem, gelblichem, rothlichem Thon, nahe verwandt in den Formen, ver-
schieden an Güte des Thons und Grösse der Gefässe, die zum Theil Henkel,
Tüllen, Henkellöcher zeigen.
Glas ist in unversehrtem Zustande bisher nicht gefunden, aber in erstaunlich
grosser Menge als geschmolzene Schlacke, in die bei dem- grossen Brande, der die
ganze Anlage zerstört hat, mannichfache andere Reste, wie Thonscherben, Knochen.
Nägel, eingeschmolzen sind. Selbst Gewebereste haben sieh erhalten: so wenigstens
die angekohlten Fäden eines Gewebes, anscheinend aus Seide, sodann Stoffstücke
eines rotbgefürbten Leinenzeuges.
Auch Nahrungsstoffe fanden sich in verkohltem Zustande vor, so Rübsamen.
Kümmel, (leiste: Schalen von Haselnuss und einer anderen Nussart: ja, wenn die
Erklärung richtig ist, selbst verkohltes Brod.
Sonst ist das Pflanzenreich jener Zeit vertreten in verkohlten Stücken von
Eichen- und Buchenholz, sowie von dünneren Aesten und Zweigen verschiedener
( rattung.
Die Fauna, zugleich die Fleischnahrung der Zeit, erkennen wir aus zahl-
reichen Knochen und Zahnen besonders zahlreich vom Wildschwein, daran tei
ungewöhnlich grosse Hauer), Geweihe, Bornzapfen von Rind und Schaf: Huf-
knochen von Ein- und Zweihufern, wozu dann auch die Hufeisen noch einen
Beitrag zur näheren Kenntniss geben.
So entrollt sich denn aus diesen zahlreichen Funden ein nahezu vollständiges
Oulturbild jener fernen Zeit, das von Avn verschiedensten Lebensgewohnheiten
Kunde giebt und um so interessanter ist, als die Burg, wie es scheint, seit jenem
leiten Tage der Eroberung und Einäscherung unberührt geblieben ist. und. ab-
hen von der durch den Zerfall der Mauern bedingten Lageveränderung der
Gegenstände, diese Doch in ihrer ursprünglichen Anordnung wiedergefunden wurden.
(372)
Zur Unterbringung dieser zahlreichen Fundstücke habe ich in dem von mir
bewohnten Gasthofe einen eigenen grossen Saal eingerichtet, in dem auf langen
Tafeln alle Gegenstände übersichtlich aufgebaut sind, — gleichsam ein Hünenburg-
Museum bildend, das zahlreiche Besucher anlockt.
Besonders regen Antheil hat auch der benachbarte Bückeburger Hof an den
Ausgrabungen genommen. So haben Ihre Durchlaucht die Fürstin-Mutter, sodann
Ehre Hoheit die regierende Fürstin Marie von Schaumburg-Lippe nebst den Prinzen
die Ausgrabung und die Sammlung der Fundstücke mit lebhaftem Interesse be-
sucht: ebenso auch der Minister und der übrige Hofstaat des Fürstentums.
Mit der Katalogisirung der zahlreichen Fundstücke bin ich beschäftigt; was
aber bei der Menge und Wichtigkeit derselben nun vor allem nothwendig sein
wird, ist die sachkundige Conservirung dieser Alterthümer, die später dem Museum
für Völkerkunde überwiesen werden sollen, besonders der zahlreichen Gegenstände
aus Eisen, die, schon in der Erde angerostet, bei der feuchten Herbstwitterung
leicht weiterer Zerstörung durch Rost entgegengehen. —
(25) Hr. Rudolf Baicr übersendet aus Stralsund, 29. August, einen Bericht
über einen
Küstenfund auf Rügen.
Derselbe betrifft eine neu aufgefundene Stelle bei dem Dorfe Lietzow (vergl.
S. 291). Er wird in den „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde" demnächst
veröffentlicht werden. —
(:2<>) Fräulein Paula Karsten in Berlin übersendet folgendes Schriftstück:
Einiges über die Araber von Nord-Africa.
Ganz im Süden von Algerien, am Nordrande der Wüste Sahara, 300 km südlich
von Biskara, liegt eine der Ziban d. i. Oasen (Einzahl Zab) der Sahara: Tugurt.
Es ist mir höchst interessant, Leute dieser Oase und einiger anderen ganz in
der Nähe beobachten zu können. Wie die verschiedenen Stämme — die Oasen
liegen alle ziemlich weit auseinander — sich schon äusserlich durch Farbe, Gestalt
und Lebensweise durchaus von einander unterscheiden, so sind sie auch von ganz
vii schiedenem Charakter.
Die Beduinen sind hohe, schlanke Gestalten; sie halten sich sehr gerade,
schreiten gravitätisch einher und haben etwas Stolzes in Haltung und Gang. Das
Gesicht ist meist feingeschnitten und gewinnt beim Sprechen an Ausdruck; in der
Ruhe hai das Luge bei den meisten etwas Blickloses, was das Gesicht ziemlich
melancholisch erscheinen lässt. Die Hautfarbe weist eine ganze Schattirung auf
von ganz weisser ins richtig bronzefarbener Haut.
Die Neger sind auch meist gross, dabei aber weniger schlank, sondern breiter
in Brost und Schultern gebaut, wodurch sie sehr stark und kräftig erscheinen. Der
Gesichtsschnitt ist ziemlich verschieden, man sieht mehr oder minder volle Ge-
siebter, bartlos, oder von einem kurzen Vollbarte umrahmt.
Bü-Sadia, ebenfalls einer dieser Neger, ist hier das Oberhaupt der Derwische.
Als ich ihn bat, niii' einig« zu erzählen, wollte er Anfangs nichts davon wissen.
Zuerst wollte er mir auch den Grund seiner Weigerung nicht mittheilen, als ich
aber in ihn dran-, mn denselben zu sagen, meinte er, er habe drei Frauen zu
Hause und sei deshalb sehr ernst gestimmt; nachdem ich ihm versichert hatte,
(373)
dass auch ich sehr ernsi sei und auch nur vmi ganz ernsthaften Dingen spr<
wolle, erfuhr ich denn nach und nach, dass er hoffte, von Beiner Berlinei Reise
so viel Ersparnisse in sein Beirnathland zu bringen, dass er Bicfa bei Beiner Rück-
kehr eine vierte Frau nehmen könne. Er gehört nehmlich zu der Gesellschaft,
die wählend dc^ Sommers im Passage-Panopticum zn Berlin mehrere Vorsto l!
täglich giebt, um dem Publicum das Leben und Treiben jener Voll. er vor Augen
ZU führen.
in seiner Heimath ist Bü-Sadia ein angesehener Mann. Er ist Besitzer einer
kleinen Palmen-Plantage, die ungefähr 200 Palmen amfasst.
Seine Lieblingsfrau heissl Yamina, die /weite Khadizha. den Namen der dritten
nannte er mir gar nicht.
Die Frauen dieses Stammes beschäftigen sich damit, kleine Palmen-Körbe zu
Hechten, die Käppchen ihrer Männer anzufertigen, ihre Küche und den Rüsküs1)
zu besorgen. Letzterer scheint eine grosse Rolle bei ihnen zu spielen.
Die Männer flechten die hübschen Matten, die in den letzten Jahren viel in
Handel bei uns kommen und sieh einer grossen Beliebtheit erfreuen. Eine all-
gemeine Beschäftigung der Männer ist auch die Holz-Schnitzerei. Sie nehmen ein
Holzscheit ungefähr von der Länge eines Meters und schneiden allerhand Figuren
da hinein.
Fragt man einen dieser Leute nach ihrem Alter, so wissen sie es nicht, und
ihre Antwort lautet: „Gott allein weiss das Alter. u
Jeden Freitag, am muhammedanischen Sabbath, versammeln sie sich in der
einen oder anderen Familie zu einem kleinen Feste. Dabei führen sie ihre religiösen
Gebräuche vor, die sie vor den „Ungläubigen" eigentlich geheim halten sollen.
Bü-Sadia ist das locale Oberhaupt des religiösen Ordens (U'v 'Alsäwa2). Die
Alsäwa essen Glas, Feuer, Nägel und andere Dinge; sie durchbohren mit einem
Dolche die Zunge, die Wange, den Hals, den Arm oder andere Körpertheile. dann
hauchen sie über die Hand, nehmen ein wenig Speichel aus dem Munde und fahren
damit über die Wunden hin, die sie sich beigebracht haben, denn sie behaupten,
dass der Speichel göttlich sei. Merkwürdigerweise sollen die Wunden nach diesem
Vorgehen gleich heilen.
Eigenthümlich ist der Tanz der Derwische; nach einer eintönigen, geräusch-
vollen Musik tanzen sie in ebenso einförmiger und dabei, fast mochte ich sagen.
gewaltthätiger Weise. Schrittweise bewegen sie sieh bald nach rechts, bald nach
links, bald vorwärts, bald rückwärts; dabei stossen sie die Arme immerwährend
heftig von sieh und ziehen sie wieder an. ebenso bleibt der ganze Oberkörper in
unausgesetzter, windender Bewegung; der Betreffende soll hierdurch in eine hohe
Ekstase gerathen, jedenfalls sieht man ihn allein Anseheine nach fast besinnu: g
bin und hertaumeln. Dann entzündet ein Oberhaupt - bei der Gesellschaft im
Passage-Panopticum zu Berlin Muhammed Ben Salem — zwei Bündel Haifa-Stroh,
ungefähr wie bei uns der Llaschenschutz geformt, das ist mit Berjouin parfümirt.
Der Derwisch steht dem Oberhaupte zur Linken; letzteres nimmt das eine Feuer-
bündel in die rechte Hand, reicht es hinter seinem Kücken dem neben ihm
stehenden, unaufhörlich weiter Tanzenden in die rechte Hand, dieser fühj
ebenfalls hinter seinem Kücken fort, ergreift es mit der linken Hand, und nun
1) Küsküs ist das Nationalgericht: in einem Obertopfe (über kochenden Fleischstücken
in einem dntertopfe gedämpfte Graupen aus Weizenmehl, mit allerlei Zuthaten, wie Kicher-
erbsen u. s. w. Der I
•J 'Aisawa, eine nord westafrikanische Art von Derwischen. 1'
(374)
erfassen beide ihr Bündel mit beiden Händen, reissei) es auseinander, dass
eine breite, hochaufschlagende, nach allen Richtungen hin züngelnde Flamme
entsteht.
Eine Musikbande hockt im Hintergrunde, die eine mehr lärmende als melo-
dische Musik ausübt; die Musik-Instrumente bestehen ausser mehreren grösseren
und kleineren Tambourins, aus einem Dudelsack, mehreren Krakäb, das sind grosse
metallene Castagnetten, ungefähr so lang wie ein Arm und dementsprechend breit:
und aus einer Gnbri, — das Trommel, Saiten -Instrument und Schelle vereint.
Der Körper dieses Instrumentes gleicht einer hohen, engen Trommel, die mit der
rechten Hand bearbeitet wird: durch die hierdurch entstehende Vibration des
Trommelfelles entsteht eine klingende Begleitung durch ein nach oben geschweiftes,"
handbreites Metallband, das am Rande ruht, dessen Schmalseiten mit kleinen
Schellen besetzt sind; dem gegenüber befindet sich ein auffallend langer Hals mit
Saiten versehen, auf denen die linke Hand spielt Diese Musik begleitet den
Tanz der Derwische von Anfang bis zu Ende, bald mehr, bald weniger wild, von
häufigen, lauten Zwischenrufen der Musicirenden begleitet. Geradezu rasend wird
sie, wenn die beiden ihr Feuerbündel ausgebreitet haben, und mit der Musik werden
auch die Bewegungen der beiden Derwische immer wilder und heftiger. Sie
bringen unausgesetzt den ganzen Oberkörper, Kopf und Arme in so directe Be-
rührung mit der Flamme, ja, sie umhüllen ihn ganz damit, dass man meint, sie
müssten vollständig gebraten und geröstet werden; wenn sie aber schliesslich das
Feuerbündel wegwerfen, so zeigt ihr Körper auch nicht die mindeste Verletzung:
es ist jedenfalls für den europäischen Zuschauer etwas ganz Unbegreifliches und
Unfassliches.
Dieses und vieles Aehnliches wird bei den wöchentlichen religiösen Festen
ausgefühit; dazu bereiten die Frauen Gerichte aus Küsküs, der ihre Lieblings-
speisc ist.
Die 'Aisäwa bilden einen eigenen religiösen Orden oder Bund. Auch ihre
Frauen führen ganz staunenerregende „Spiele" auf.
Während derselben wird in kleinen, tragbaren Oefen ein immerwährendes
Feuer unterhalten, auf das sie „Berjouin" zum Räuchern streuen; der Dampf, der
hiervon aufsteigt, erhöht die Erregung in ihnen, in die sie sich versetzen.
-Die' Kinder der Wüste" im Passage -Panopticum zu Berlin zählen auch vier
Männer und ein Mädchen der Derwische unter sich, und diese feiern allwöchentlich
ihren Sabbath, wie es ihre Religion ihnen vorschreibt. Aber nicht jede Persönlich-
keit eignet sieh zu diesen ganz besonderen Ausübungen.
Staunenswerth ist es, mit welcher Schlauheit der Muselmann die meist sehr
strengen Vorschriften des Korans zu umgehen weiss. Letzterem zufolge soll der
Muhammedaner überhaupt keine geistigen Getränke zu sich nehmen. Bietet ihnen
nun jemand einen Cognac an, so sagen sie: „Ich bin ein Mann Gottes; der Cognac
ist mir verboten; ein Ehrenmann bietet ihn mir an; er verwandelt sich auf meinen
Lippen in Limonade."
In Vevey, in dir Schweiz, traf ich mehrere Jahre hindurch in einer be-
freundeten Familie mit einem ägyptischen Fürsten zum Sommer-Aufenthalte zu-
sammen. Der Herr des Hauses verfügte über einen vorzüglichen Weinkeller. Der
\r.v|>t'T Liess sieh rahig sein Glas füllen; bevor er aber den ersten Schluck nahm,
sprach er halblaut: „Im Koran steht: ein Tropfen Wein bringt Dir Verderben,"
dabei tauchte er den kleinen Finger behutsam in sein Glas, zog ihn schnell zurück
und schlenderte den daran haftenden Tropfen weit von sieh, dann aber trank er,
soviel ihm nur immer behagte.
[375)
Die grösste Beleidigung für einen strenggläubigen Muselmann ist, wenn raun
i hm einen Hut auf den Kopf setzt, weil nur der „Ungläubige" denselben trägt.
Widerfährt dem Araber irgend ein Missgeschick, brich! er sich ein Bein, oder
triff! ihn irgend welches Leid, so sagl er: „Mktub Rabbi!" d. h.: „Es stand so
bei Gott geschrieben. "
Dies sagt der Araber, dessen Frömmigkeit sich bis zum Fanatismus steigert,
bei jeder Gelegenheit; „mktub", sagt er, wenn ihm jemand Btirbt. Fragt er ein
junges Mädchen: ..Willst Da meinen Sohn heirathen?" so antwortet es ihm: ..Idä
mktub li zhini!" ..Wenn es so auf meiner Stirn geschrieben steht!" Dieselbe
Antwort erfolgt, wenn mau etwa jemand fragt: -Willst Du diese Reise machen?"
„Muhammed! Muhammed!" ertönt es überall; der Xame ist sehr verbreitet.
Die zweite Silbe wird stark betont.
Roth, recht leuchtend, ist die Lieblingsfarbe des Negers, und die frischen
Farben stehen ihm gut.
Er hat eine Vorliebe für schwere, massive Metallgefässe und Schmucksachen.
Sehr empfindlich ist er gegen Kälte.
Er ist ein grosser Freund der Musik.
Der weisse Araber blickt mit Geringschätzung auf den Neger und bezeichnet
ihn als „Sklaven". Ersterer aber hat einen minder zuverlässigen und geraden
Charakter als der Schwarze, und die Zeltbewohner sind noch minder vertrauen-
erweckend, als die anderen.
Man sieht oft bei di'n Arabern — Männern sowohl wie Frauen — tiefe Brand-
wunden auf den Armen, eme über der anderen, bei dem einen weniger, bei dem
anderen mehr. Dies sind Erinnerungszeichen, die an Rache gemahnen sollen.
Glauben sie sich von jemand verrathen oder hintergangen, so machen sie ein
läsen glühend, und drücken es auf dm Arm, um so immer daran erinnert zu
werden, dass sie sieh zu rächen haben.
Der Neger ist sehr treu; dient er einem Herrn, den er liebt, oder ist er sonst
jemand zugethan, so lässt er sich lieber für ihn tödten, als dass er ihn in Xoth
und Gefahr verlässt. Hat er einem etwas zugesagt, so kann man fest auf ihn
rechnen, denn er ist eigensinnig in seiner Beharrlichkeit, und hat er sich einmal
etwas durchzusetzen vorgenommen, so schrickt er vor nichts zurück.
Bü-Sadia's Grossvater entstammte dem Sudan: dies macht sich noch be-
merkbar: er hat ein längeres, schmaleres Gesicht als seine Gefährten, and während
diese schwarz sind, bat er eine mehr dunkelbraune Hautfarbe, und obwohl auch
gross und kräftig gebaut, ist er doch schlanker als .jene: auch ist der Schnitt der
Augen und der ganze Gesichts-Ausdruck ein anderer.
Dankt dvi Araber für etwas, so le^t er die rechte Hand auf's Herz, kreuzt
dann die Arme über der Brust und neigt das Haupt.
Die brennende Cigarre "der Cigarette geht oft von Mund zu Mund und zwar
gleichviel zwischen Männern and Frauen. Der eine nimmt sie dem anderen aus
dem Munde und steckt sie mit dem grös8ten Behagen in den eigenen, wi s
der andere auch nie etwas einzuwenden hat.
Der Muhammedan er lässt sich den ganzen Kopfrasiren, oben auf dem Schädel
bleibt aber ein Büschelchen stehen, daran zieht Muhammed den Verstorbenen
hinauf m den Himmel.
I'.ei dm Kindern sieht man die merkwürdigsten Haartrachten. Ein kleines,
vielleicht zweijähriges Mädchen, hat den ganzen Kopf geschoren, nur über der
Stirn -tehen je rechts und links eine lange Haarsträhne, und el
jeder Schläfe.
(376)
Ein anderes, noch jüngeres Kindchen, hat ebenfalls das Köpfchen ganz ge-
schoren, nur rund herum steht ein ganz schmaler Haarkranz und in der Mitte ein
Schöpfchen. Die Kleinen sehen höchst drollig aus.
Wie wenig die weissen und schwarzen Araber mit einander übereinstimmen,
kann man schon bei der Truppe im Berliner Passage-Panopticum beobachten. Die
Neger halten sich immer zusammen, sie erzählen, lachen, scherzen, auch mit den
Frauen und Mädchen; werden sie geärgert, schreien sie auch und werden wüthend,
während die Beduinen meist unbeweglich, wie eine Statue, dasitzen, den Blick
in's Leere gerichtet und keine Miene verziehend.
Kommt der Neger und entbietet seinen Gruss, so lacht er über das ganze Gesicht,
oder dasselbe nimmt wenigstens einen freundlichen Ausdruck an; der Beduine
bleibt feierlich ernst. Der Neger sieht seinem Gegenüber voll in's Auge, der
Beduine senkt den Blick. —
(27) Fräulein Paula Karsten in Berlin überschickt folgendes Manuscript:
Der Vorabend des muselnianischen Sabbaths bei den ATsawa
(einer Art von Derwischen).
Freitag ist der Sabbath des Muhammedaners. Am Donnerstag-Abend kommen
diese Derwische zusammen, um ihre religiösen Gebräuche zu erfüllen. So viel ich
auch schon darüber gelesen habe, nie konnte ich mir eine klare Vorstellung davon
machen. Zudem können die Reise-Beschreibungen nicht sehr viel Genaues darüber
enthalten, weil der Koran eigentlich verbietet, diese religiösen Feierlichkeiten
öffentlich vor den „Ungläubigen" auszuführen. Was ich bisher darüber las und
hörte, erschien mir stets so unglaublich, dass ich immer wünschte, einmal mit
eigenen Augen den Derwisch -Tanz, und was damit zusammenhängt, sehen zu
können. An einem Donnerstag ward dieser Wunsch erfüllt, und ich muss ge-
stehen, dass meine Erwartung bei Weitem übertroffen ward; denn es ist ganz un-
möglich, sich Derartiges vorzustellen, ohne dass das Auge das thatsächliche Bild
davon in sich aufnimmt, und selbst dann glaubt man später sich eher an einen
phantastischen Traum, als an etwas wirklich Erlebtes zu erinnern. Der Güte und
Liebenswürdigkeit des Hrn. Neumann, Directors des Passage-Panopticums in
Berlin, und des Hrn. Nalaff, Führers der „Kinder der Wüste", verdanke ich es,
dass ich dies hochinteressante und wunderbare Schauspiel ganz in der Nähe beob-
achten durfte.
Mehrere Familien — Männer, Frauen und Kinder — ungefähr .'iO an der Zahl,
Bewohner weit von einander gelegener Oasen der nordwestliehen Sahara, geben seit
einigen Wochen täglich mehrere Vorstellungen im Passage-Panopticum, um das
Lehen und Treiben dieser verschiedenen Volksstämme in ihrer Heimath zu ver-
anschaulichen. Unter ihnen befinden sich auch 4 Männer und 1 Mädchen, die
den Derwischen angehören. Die Männer sind gross und schlank, dabei stark und
kräftig -''haut, von vorzüglicher Haltung: sie haben einen freundlichen, offenen
Charakter und sind geweckten Geistes. Alle vier sind ächte Neger, während das
Mädchen, von kleiner, gedrungener Gestalt, Mulattin ist und mir geistig ganz un-
bedeutend zu Bein Bcheint.
Als die Feier ihren Anfang nahm, sassen zwei Derwische auf der Erde nach
türkischer Weise; der zur Rechten war ein Häuptling. Gekleidet waren beide wie
-(•wohnlich. Bü-Sadia, der letztere, trug über der weissbaumwollenen , tür-
kischen Hose, die unterhalb des Knies fest anschliesst, und der kleinen, blauen
Tuchjacke, reich mit Goldborte benäht, das lange, ärmellose Uebergewand von
:;77)
grünem Wollstoff, ebenfalls mit Goldborte benäht. Don buntfarbigen Turban,
lest um den Kopf geschlungen, schmücken an der linken Seite ein Paar Bilber-
leuchtende Quasten, aus denen es wie kleine Diamanten funkell und blitzt. Der
immer vergnügte, junge Bubakr, ihm zur Seite, hatte zu der weissen Hose eine
Leuchtend rothe Jacke, reich mit Gold benäht, an, und auf dem Kopfe das be-
kannte rothe Fez mit schwarzer Quaste. Er handhabte mit voller Kraftanstrengung
ein Paar metallener Castagnetten (krakäb), wohl von der Länge eines halben Armes
und dem entsprechend breit: I'.u-Sadia bearbeitete mit derselben Ausdauer sein
( Inbri.
Vor diesen beiden erschien plötzlich das Mädchen. Sie hatte eine hellrosa
Hose an, darüber einen buntfarbig gestreiften Seidenshaw] rockartig aber die
Hüften gebunden, und dazu trug sie ein kleines Jäckchen. Sic stürzte vor den
beiden nieder, wand sieh in unbeschreiblichen Verrenkungen des, Körpers und allei
Glieder bald vor- bald rückwärts, mit dem Kopfe immer fest gegen den Fussboden
schurrend, zuweilen schleuderte sie ihn auf die rechte Seite. Die Augen hielt sie
geöffnet. Fs machte kaum den Findruck, als habe man eine bewusstlose Person
vor sicli, nur alles Menschliche schien aus ihr entwichen zu sein; sie erschien wie
ein Wesmi aus uns unbekannten Regionen. Von Zeit zu Zeit stiess sie s
eigenthümliche Töne aus. Ein zweiter Häuptling, der in der Mitte des Raumes
stand und sie unausgesetzt beobachtete, berührte sie manchmal leise mit seiner
Hand in der Kreuz- und Magengegend. Die schon wilde Musik ward immer
rasender und damit erhöhte sich gleichzeitig die Ekstase; da nahmen Muhammed
Ben-Salem, dieser Häuptling und der Derwisch Murgian ein grosses, weisses
Laken, das jetler an zwei Zipfeln mit den beiden Händen hielt. Dieses breiteten sie
über das Mädchen, indem ihr einer zu Häupten. der andere zu Füssen stand, und
während sie das Laken heftig auf und ab bewegten, sah man. wie das Mädchen
immer weiter arbeitete, jetzt aber an derselben Stelle blieb. Plötzlich hoben beide
das Laken zur Seite: da sprang das Mädchen wild auf, Muhammed Ben-Salem
packte sie fest in seine Arme, sprang mehrmals hoch in die Luft mit ihr. und
nachdem er sie darauf fest hinstellte, mischte sie sich ganz ruhig unter die übrige
Gesellschaft, die während der ganzen Zeit zwanglos herumstand und sass. ohne
das mindeste Zeichen von Aufregung zu zeigen.
Jetzt ward vor den beiden Musieiivnden eine Palmhast-Matte ausgebreitet, und
eine Pfanne hingestellt mit glühenden Kohlen, auf die Räucherwerk (berjouin) ge-
schüttet ward. Nun trat Murgian in schrittweisem Tanze auf die beiden zu. die
Arme und den Oberkörper heftig bewegend. Letzterer, sowie der Kopf waren un-
bedeckt; nur unterhalb der Anne war eine Binde so fest um den Körper
schlungen, dass sie eine tiefe Furche bildete. Immer wilder ward die Musik, und
in demselben Grade Murgian's Tanz und die einzelnen Bewegungen. Von Zeit
zu Zeit verstummte die Musik, dann wurden verschiedene Fragen an ihn gerichtet,
die er beantwortete, denn er war nun das „Orakel" -vwnrden. Der ganze Körper
erschien trocken, der Kopf dagegen war m Schweiss gebadet.
Fan Maroccaner hatte sich vor einigen Tagen Zunge und Lippen verbrannt,
und bat nun um Heilung. Murgian sprang auf ihn zu. presste ihn lest an sich.
drehte die Arme des Betreffenden auf seinem Kücken zusammen, berührte seinen
Mund and sprang dann wieder davon. Nachdem noch verschiedene Fragen an ihn
gerichtet worden waren, die er alle beantwortete, reichte ihm Muhammed Ben-
Salem einen mindestens zweißngerdicken, armlangen Stab. Mit Leichtigkeit durch-
brach er denselben und schlug nun mit aller Gewalt mit beiden Linien auf seinen
Körper drein, dass man die dröhnenden Hiebe in schneller Folge hörte. Muhammed
(378)
beobachtete ihn unausgesetzt und berührte ihn dann und wann leise, bald am
rechten, bald am linken unteren Bein. Dann folgte wieder der Tanz, der immer
in gerader Richtung auf die beiden Musicirenden geschah und wieder zurück; als
Murgian wieder einmal vor den beiden stand, schlang ein Mädchen ihm einen
weissen Shawl um den Hals; er blieb nun auf der Matte stehen, immer heftigere
Bewegungen ausführend; dann nahm Bü-Sadia einen Dolch, der wohl eine finger-
lange Klinge hatte, diese zog er mehrmals durch seinen Mund und reichte dann
Murgian die Waffe, und dieser schwang sie windesschnell hinauf und hinab,
während die Musik nun geradezu rasend ward; dann trat Muhammed schnell von
hinten an Murgian heran und zerrte und zog an dem Shawl, den letzterer um
den Hals hatte, dass ich fast meinte, er müsste ihn erwürgen; Murgian beugte
sich mehrmals und plötzlich stiess er sich die Klinge rechts seitwärts vom Magen
in den Körper und dann warf er sich platt auf die Erde, Arme und Beine weit
von sich streckend. Nun kamen alle herbei, kauerten um ihn herum und jeder
fragte ihn etwas, und er beantwortete alles, und zwar mit ruhiger, gemüthlich-
behaglicher Stimme, wie ein Mensch, der sich im höchsten Grade des Wohlseins
befindet; es lag auch nicht eine Ahnung von Schmerz, Angst oder Aufregung darin.
Nachdem Rede und Antwort verstummt waren, trat Muhammed wieder an
Murgian heran und drückte ihn im Kreuz leicht ein paarmal mit seiner Hand;
dann nahm er die Kohlenpfanne, streute neues Räucherwerk darauf, hielt sie
Murgian erst unter das Gesicht und dann, nachdem er noch etwas anderes hinzu-
gethan hatte, hielt er sie längere Zeit unter die Stelle, an der der Dolch sass,
darauf erhob Murgian sich, zog die Waffe heraus, drückte mit beiden Händen
die Stelle, aus der er sie entfernte, ganz fest zusammen, und that mehrmals darauf
von dem, was Muhammed ihm aus der Gluth reichte; letzterer zog ihm nun den
buntfarbig gestreiften Seidenshawl, den er rockartig um die Hüften trug, ganz fest
um den Leib zusammen, dass man fast glauben konnte, er binde ihm den Ober-
körper ab; da sprang Murgian plötzlich mit dem Ausdruck der Freude umher,
rieb sich mit beiden Handflächen tüchtig den Leib, und so wunderbar es sich auch
anhören mag, man sah weder eine Wunde, noch eine Narbe, noch irgendein
Merkmal der Hiebe. Weder die Stöcke, noch der Dolch hatten eine Spur an
Murgian's Körper zurückgelassen, und Murgian bewegte sich ruhig, als sei nichts
vorgi lallen. Bü-Sadia nahm abermals den Dolch und zog die Klinge einigemale
durch den Mund.
Als ich dies alles einem Arzte erzählte, schütteltete er ungläubig (\a\\ Kopf.
W ie gesagt, mir selbst erscheint das Ganze in der Erinnerung wie ein phantastischer
Traum. Da ich aber direct vor den Handelnden stand, so ist jede Täuschung aus-
geschlossen. Zudem handelt es sich hier ja nicht um ein Schaustück, sondern um
einen religiösen Brauch.
An einem andi ren Pestabende sah ich Folgendes:
Die Frau eines Schlangen-Beschwörers behauptete, von ihrem Manne um eines
von ihr bestimmt bezeichneten Mädchens willen hintergangen zu werden. Letzteres
betheuerte auf jede Weise seine Unschuld, ohne jedoch die Beschuldigerin zu
überzeugen. Es kam zu höchst aufgeregten Scenen, in denen die ganze Gesell-
schaft die Parthei des Mädchens nahm, ohne jedoch die Fehde zu einem end-
gültiger Schlösse bringen zu können. Da kam das Wocbenfest heran und als der
'Aisäwi Murgian sich in dem heiligen Zustande befand, ward das Orakel in
ihm nach der Schuld oder Unschuld Manubia's befragt. Sehrittweise rückwärts
tanzend 'dich er in der Mitte de Baumes stehen, die Arme kreuzweise über der
verschränkt Di«' Musik spielte leise und sanft. Nach einiger Zeit theilte
(370)
Murgian durch eine Pingersprache der rechten Band etwas mit Bald darnach
wurden vor Bü-Sadia, das musicirendc Oberhaupt, zwei Kerzen gelegt, und
ein Tässchen, das Manubia schnell gekauft hatte, mit .Milch gefüllt, vor ihn
hingesetzt. Nun setzte Murgian, allerhand Zeichen machend, seinen Tanz fort;
dann breitete er beide Arme wagerecht von sich, die Handflächen nach oben
wendend. Muhammed Ben -Salem legte auf die Unterseite des Untertässchens
eine der glühenden Kohlen und setzte dann die Tasse auf Murgian's rechte
Hand, Arr unausgesetzt weiter tanzte, bis Manubia's Unschuld durch das heilige
Wunder bewiesen, die Milch in Blut verwandelt war. Murgian ging im Kreise
herum und Hess jeden der Anwesenden einen Schluck davon trinken.
Die Tasse, in der sich dies Wunder vollzog, wird Manubia mitnehmen in
ihr Heimathland und sie in eine Moschee bringen, wo dieselbe mit Oel gefüllt,
als heilige Lampe dienen wird.
Hier darf ich vielleicht hinzufügen, dass der Aufenthalt in der Moschee Ober-
haupt heiligt. Hat ein Verbrecher, oder wer sonst seinen Verfolgern entrinnen
möchte, das Glück, bis in's Innere einer Moschee zu gelangen, so ist seine Person
geheiligt, so lange er darin verweilt, und niemand darf es wagen, ihm etwas zu
Leide zu thun. Oft bleiben Verbrecher Monate lang in diesem heiligen Schutze,
und eine ebenso heilige l 'flicht ist es für Andere, sie mit Speise und Trank zu
versehen.
Nachdem alle getrunken, hielt Murgian längere Zeit die Klinge eines Dolches
in's Feuer, um sie dann direct quer in den Mund zu nehmen und längere Zeit
darin zu behalten. Dann stiess er sich die Klinge wieder in den Leib, nahm eine
der Kerzen und hämmerte damit auf den Schaft der Waffe, so dass laute Töne
erschallten und es dem Ohr erschien, als solle die Dolchspitze in einen Knochen
dringen.
Nachdem Murgian noch viele Prägen beantwortet, den Dolch aus seinem
Körper hervorgezogen und die Wunde sich wieder geschlossen hatte, tanzte er erst
weiter; dann kniete er nieder, und Muhammed Ben -Salem, ein grosser, mächtiger
Mensch, kniete auf seinem Mücken, drehte ihm erst einen, dann den anderen Arm
in der Achsel ganz über den Kücken hinweg, stand auf, ergriff Murgian's Haupt
zwischen beiden Händen, und drehte sein Gesicht einmal ganz über die rechte,
einmal ganz über die linke Schulter hinweg.
Vnii Anfang bis zu Ende hatte Murgian die Augen weit geöffnet, und nachdem
Muhammed zum Schluss mehrere hohe Luftsprünge mit ihm gemacht hatte, merkte
man ihm von einem besonderen Zustande nichts mehr an. Als ich gleich darauf
mit ihm sprach, war er so gleichmässig ruhig, wie immer. —
llr Director Dr. Weineck schickt aus Lübben, 19. September, einen
Bericht über
ein Urnenfeld bei Schlepzig.
Derselbe erscheint in dem Heft VI der „Nachrichten über deutsche Alteithums-
funde-. —
(29) Hr. A. Nehring schreibt unter dem 13. October Folgendes
über Merberstain"* Angaben betreffs der Samogiten.
Bei der Vorlage meiner Darlegungen „über das Vorkommen von Zw<
neben grossen Leuten in demselben Volke", welche an eine Stelle in
(380)
Berberstain's Werken anknüpften (siehe diese Verhandlungen 1897, S. 91 ff.);
hat R. Virchow folgende Bemerkung (S. 94) gemacht:
„Die Geschichte von Herberstain ist in dem Streite über die Race prussienne
zwischen Quatrefages und mir Gegenstand einer ausführlichen Erörterung ge-
wesen. Meine Bemerkungen linden sich in meiner Abhandlung „über die Methode
der wissenschaftlichen Anthropologie", Zeitschrift für Ethnologie, 1872, Bd. IV,
S. 311. Ich glaubte damit diese Frage abgethan zu haben, sehe jetzt
aber, dass ich mich getäuscht habe. Immerhin darf ich auf meine früheren Aus-
führungen verweisen."
Die Worte Yirchow's: „Ich glaubte damit diese Frage abgethan zu haben",
müssen bei dem Leser die Vorstellung erwecken, als ob ich eine von Virchow
längst abgethane Sache ganz überflüssiger Weise noch einmal hervorgesucht und
somit meine Mühe verschwendet hätte. Hierdurch sehe ich mich veranlasst, auf
die betreffende Herberstain'schen Angaben nochmals zurückzukommen und die
Yirchow'sche Kritik derselben einer Erörterung zu unterziehen.
Virchow sagt a.a.O. S. 311: „Sigismund Freiherr zu Herberstein1) war
zweimal als Gesandter des „römischen" Kaisers in Moskau. Er machte seine
Reisen über Krakau u. s. w. Später schrieb er darüber ein ganz interessantes
Buch: Rerum moscoviticarum Commentarii, welches 155G in Basel gedruckt wurde*).
Darin steht vieles, was er gesehen und erlebt, und fast noch mehr, was er sich
hatte erzählen lassen. Die in Frage stehende Stelle bezieht sich übrigens
keineswegs auf das eigentliche Preussen, wie Hr. de Quatrefages meint, auch
nicht auf das unei^entliche Preussen, sondern auf Samogitien. Es heisst nehmlich
p. 113: „In Samogithia hoc inprimis admirandum oecurrit, quod cum ejus regionis
homines procera utplurimurn statura sint, filios tarnen alios corporis magnitudine
excellentes, alios perpusillos ac plane nanos, veluti vicissitudine quadam, proereare
solent." Der Freiherr zu Herberstein war ebensowenig persönlich in Samogitien,
wie in Preussen: wer ihm die Geschichte aufgebunden hat, ist nicht zu ersehen."
Ehe ich die weiteren Bemerkungen Virchow's citire, möchte ich hier einige
Notizen zu den eben citirten hinzufügen. Zunächst bemerke ich, dass Herber-
Btain ein äusserst gewissenhafter und nach "Wahrheit strebender Mann war, wie
jeder bezeugen wird, der seine Publicationen eingehend studirt3). Durch die her-
vorragende Stellung, die er als Gesandter zunächst des Kaisers Maximilian I, dann
des römischen Königs Ferdinand I. bei seinen Reisen nach Polen und Russland
einnahm, war er in der Lage, Vieles zu sehen und zu erfahren, was andere Leute
nicht sehen und erfahren konnten. Er war 15 Mal als Gesandter in Polen, 2 Mal
in Russland. I Mal hat er sich längere Zeit in Wilna, also nahe der Grenze
Samogitiens, aufgehalten. Seine erste Reise nach Polen und Russland fand im
Auftrage Maximilians I. statt; sie dauerte von Ende des Jahres 1516 bis Anfang
des ,1, ihres 1518. Die Reise ging zunächst nach Wilna, wo sich damals Sigis-
mund I. von Polen aufhielt; Herberstain blieb dort vom 4.— 14. März 1517 und
wurde eon dm Lithauern sehr geehrt. Von hier reiste er weiter nach Moskau,
1; Ich Benreibe den Nauru mit ai, weil Herberstain selbst in dem von mir studirten
Dedications-Exemplare der I in gäbe seiner „Rerum Moscov. Commentarii" seinen Namen
mit ai geschrieben hat. N.
2 Genau genommen, wurde dii e Werk zuerst 1549, und zwar in Wien, gedruckt,
odann L561 in Ba el. L556 ei chien der dritte Druck desselben. N.
8 Dass ich Berber tain Werke ziemlich eingehend studirt habe, ergiebt sich
wohl zur Genüge aus meinem kürzlich publicirten Buche: „Ueber Herberstain uud
Hirsfogel", Berlin 1897, Verlag von Fcrd. Dümmler. N.
(381)
und zwar nahe an der Slidostgreiize Samogitiens hin1), nehmlich über Nementschin,
Swintrawa, Disla, Driswet, Braslaw (am See Nawer . Dedina nach Drissa an der
Düna. Nach Stieler'8 Handatlas gehören Driswet und Mraslaw noch zum Gou-
vernement Kowno; letzteres wird in den meisten geographischen Handbüchern als
dem alten Samogitien entsprechend bezeichnet
Herberstain's Pferde und die Mehrzahl seiner Leute kehrten später von
Nowgorod, durch Livland und Samogitien, nach Wilna zurück, währender selbst
mit wenigen Begleitern über Smolensk nach Wilna zurückreiste. Er blieb hier
vom 19. bis 30. December 1517, hatte also Zeit genug, um sieh über das benach-
barte Samogitien eingehend zu inforrairen.
Bei seiner zweiten Reise nach .Moskau, welche Herberstain 1526 im Auf-
trage Ferdinand's, damals nur Erzherzogs von Oesterreich und kaiserl. Statthalters
(noch nicht „römischen Kaisers"), unternahm, kam er auf der Rückreise ■•
nach Wilna und verweilte hier vom 14. bis 27. December 1526. Ausserdem ist
Herberstain 1540 nochmals in Wilna gewesen, um mit Sigismund I. von Polen,
der zeitweise in Wilna zu residiren pflegte, zu unterhandeln.
Wenn man nun auch sagen kann, dass Herberstain persönlich nicht in
Samogitien gewesen sei (obgleich ein Ausflug per Schlitten von Wilna dorthin 1 ."> ] 7
und 1526 nicht ausgeschlossen erscheint), so sind doch die meisten seiner Leute
im December 1517 quer durch das östliche Samogitien gereist, und er selbst hat
im März 1517 diejenigen Landstriche durchquert, welche mit dem östlichen Samo-
gitien unmittelbar zusammmenhingen und eine gleiche Beschaffenheit des Landes
und wohl auch der Bewohner aufzuweisen hatten.
Ob mm seine Erzählung von dem häutigen Vorkommen zwerghafter Kinder,
bezw. Individuen (neben grossen, starken) bei den Samogiten auf Autopsie oder
auf den Erzählungen Anderer beruht, lässt sich nicht entscheiden. Immerhin glaube
ich oben nachgewiesen zuhaben, dass Berberstain thatsächlich m der Lage war.
Genaueres über die Samogiten durch seine Leute, sowie durch hervorragende
Männer Lithauen's, mit denen er in Wilna verkehrte, zu erfahren, und man wird
ihm kaum Etwas „aufgebunden" haben. Man war vielmehr dort durchaus bestrebt.
ihn zu ehren und ihm über die Eigentümlichkeiten der Einwohner der benach-
barten Gegenden möglichst genaue Auskunft zu geben.
Uebrigens wird die betreffende Angabe Herberstain's durch eine Stelle in
Job. Crassinii „Polonia"*), Lib. I, unterstützt, welche ich kürzlich aufgefunden
habe, liier heisstes: „Gens in Universum procerae staturae et bellicosa,
plerosque (sehr viele) tarnen pygmaeos, quos vulgo nanos vocant.
videre licet*. Joh. Crassinius (Krasinski) war der Neffe des Pranciscus
Crassinius, Bischofs von Krakau. „Ducis provinciae Scveriensis". und von diesem
erzogen. Seine Schrift ist dem Könige von Polen gewidmet und aus dem Jahre 1574
datirt Sollte Joh. Crassinius, „Eques Polonus", es gewagt haben, dem Iv
von Polen etwas über die Uhterthanen desselben -aufzubinden'.-- Ich glaube an-
nehmen zu dürfen, dass den betreffenden Angaben Herberstain's und Kra-
sinski's doch etwas Thatsächliches zu Grunde liegt
1) Sich.' die Carte Polens \"ii Gerh. Uli rcator aus dem Jahre 1595. Nach einigen
Angaben in polnischen Schriftstellern scheint man um 1517 dir Grenze Samogitiens noch
weiter südöstlich gezogen "dir überhaupt kein,' scharfe Grenze dort anerkannt zu haben.
2 Diese seltene Schrifl findet sich wieder abgedruckt in Mizler de Kol
Hamm Poloniae magna collectdo, Bd. I. Warschau L761, S. 387—429 Di
citirte Stelle siehe auf S. 4-_'T.
(38-2)
Ich lasse nun Virchow's weitere Erörterungen aus dem Jahre 1872 folgen.
Es heisst a. a. 0., S. 312: „Aber versteht Hr. de Quatrefages diese Original-
steile? Die Bewohner von Samogitien wären danach gemeinhin (utplurimum) von
langer Statur Wie es nun kam, dass die Frauen dieser langen Männer
abwechselnd grosse und zwerghafte Kinder gebaren, würde schwer zu erklären
sein, wenn es wahr wäre. Aber glaubt denn Hr. de Quatrefages diese Schnurre
wirklich? In diesem Falle empfehle ich ihm die gleich darauf folgende Geschichte,
dass die Leute in Samogitien als Hausgötter Schlangen verehrten, welche vier kurze
Füsse, wie die Eidechsen, auch einen schwarzen, feisten Leib haben und über
drei Zwerghand hoch werden. Vielleicht kann er uns den Namen dieses
Riesenmolches nennen?"
Virchow glaubt offenbar, dass er durch Hinweisung auf diese Angaben
Herberstain's über den Schlangen-Cultus der Samogiten den vorhergehenden An-
gaben die letzte Stütze genommen hat. Aber der Schlangen-Cultus der Samo-
giten ist vollständig fest bezeugt, ebenso derjenige der Lithauer und Ost-
preussen. Und zwar handelt es sich um die Ringelnatter (Tropidonotus natrix).
welche bei jenen Volksstämmen als Hausgott (Brehm nennt sie „Hausunk", „Haus-
schlange") verehrt wurde. Als ich meine Mittheilung vom 16. Februar d. J. an die
Gesellschaft für Anthropologie einsandte, war ich noch im Unklaren, welches
Reptil bei dem Schlangen-Cultus der Samogiten gemeint sei; seitdem bin ich durch
einige Studien hierüber zu der Ueberzeugung gekommen, dass es sich um die
Ringelnatter handelt. Natürlich besitzt die letztere nicht „vier Füsse"; in diesem
Punkte hat Herberstain seine Berichterstatter oder seinen Dolmetscher falsch ver-
standen. Im Uebrigen passt das, was er über die betreffenden Schlangen sagt, ganz
gut auf mittelgrosse, dunkelfarbige, wohlgenährte Exemplare der Ringelnatter. Wenn
Virchow übersetzt: „über drei Zwerghand hoch", so ist dieses unrichtig. Die
betreffenden Worte lauten: „trium palmaium longitudinem non excedentes",
und in der deutschen Moscovia vom Jahre 1557 sagt Herberstain: „bey dreyen
Spannen lang". Nach meiner Hand gemessen, würden das etwa 60 cm sein, was
sehr gut auf eine massig grosse Ringelnatter passt. Herberstain gebraucht in
der lateinischen Ausgabe auch ganz richtig den Ausdruck: „serpens", also Schlange;
von einem „Riesenmolch" kann gar keine Rede sein!
Abgesehen von dem Missverständniss betreffs des Vorhandenseins von 4 Füssen,
machen die betreffenden Angaben Herberstain's durchaus den Eindruck der
Glaubwürdigkeit, und ich kann Virchow's Kritik derselben in der Hauptsache
nicht als zutreffend ansehen.
Da nicht Jeder in der Lage ist, die seltene deutsche „Moscovia" Herber-
stain's nachzulesen, so ergänze ich hier meine Mittheilungen vom 16. Februar d. J.
noch durch die zugehörigen Angaben aus derselben, indem ich dabei das Herber-
stain'sche Deutsch etwas modernisire. Es heisst dort von der Abgötterei der
Samogiten: „Aber andere haben ihre Götter in ihren Häusern; das sind Würmer ')
wie die Eidechsen, aber grösser, mit 4 Füssen, schwarz und feist, ungefähr drei
Spannen lang. Etliche nennen sie Giowites, andere Jastzuka, noch andere Szmya.
Zu gewissen Zeiten geben sie ihren Göttern die Speise: sie setzen dann etwas
Milch in die Mitte ihrer Wohnung und knien auf den Bänken. Nun kommt der
Wurm" hervor und zischt die Leute an, wie eine zornige Gans; dann beten die
Leute ihn mit Ehrfurcht an. Geschieht je Einem etwas Widerwärtiges, so giebt
1) „Wurm" ist ein Worl . das früher vielfach für Schlangen und sonstige Reptilien
angewendet wurde.
(383)
er sich selbst die Schuld, als habe er seinen Gott nicht gut gefüttert. AU ich
von meiner ersten Gesandtschaftsreise (nach Etussland von Moskau wieder nach
Wilna in Lithauen zurückgekehrt war, zog ich nach Troki, 4 .Meilen, um Auer-
ochsen zu sehen; dort erzählte mir mein Wirth, er sei wenige Wochen, ehe ich
dahin kam. zu einem Bauern in einen Wald gegangen, um einige Bienenstöcke zu
kaufen, habe sie aber dem Bauer aufzubewahren gegeben. Dieser Bauer hatte'
einen solchen Gott im Hause: der Gast beredete ihn aber, das- er sich zu Gott
bekehrte und die Creatur todt schlug. Nicht lange darauf kam mein Wirth wieder
dorthin, uro seine Bienenstöcke zu sehen; da hatte der Bauer ein krummes, gegen
das Ohr gezogenes Maul und sprach zu meinem Wirthe: „Das hast Du mir gethan!
und wenn Du mir nicht bald hilfst, so muss ich mich mit dem (früheren) Gotl
wieder versöhnen und ihn in mein Haus bringen." Der gewissenhafte llerber-
stain setzt noch hinzu: „Dieses ist allerdings nicht in Samogitien, sondern in
Lithauen geschehen; ich habe es alter zu einem Beispiel oder Exempel hierher
gestellte Er will damit sauen, die Geschichte habe ebenso gut in Samogitien,
wie in Lithauen passiren können; denn in beiden Ländern wurde damals noch ein
gewisser Schlangen-Cultus getrieben.
Ueber den Schlangen-Cultus der Samogiten berichtet auch Andreas Cellarius
in seiner Descriptio Regni Poloniae1) Folgendes: „Samaitae vel Samogitae A. 1386
post C. X. fidem Christianam amplexi sunt, hactenus (1659) tarnen idololatria penitus
non vacui, utpote qui adhuc domesticos illos serpentes, „Givoi itosu ipsis nuncu-
patos, in honore habent." Der oben schon citirte Crassinius (Krasinski) sagt
a. a. 0.: „Colebant autem pro Diis, quemadmodum et Lituani, serpentes; eos domi
veluti penates nutriebant et in foeno jacentibus sacra faciebant." Dasselbe be-
richtet Erasmus Stella von den alten Preussen')-
Ich verweise ferner auf Bujack's Fauna Prussica, Königsberg 1837, wo es
S. 277 heisst: „Die Schlangen oder Unken, welcher Name seiner ersten Bedeutung
nach mit jenem gleichbedeutend ist, lässt die Volkssage auch jetzt noch in Häuser
kommen, zu einsamen Kindern und mit ihnen aus der Schüssel Milch trinken ....
Die Kinder in der Wiege werden von ihnen bewacht und den grösseren Sehätze
gezeigt. Auch die Lithauer haben Schlangen verehrt3), sie in ihren Häusern ge-
halten und ihnen geopfert." Ferner (S. 281) sagt Bujack: „Auch hält der Land-
mann es für ein besonderes Glück, wenn Ringelnattern in seine Wohnung kommen,
und die Frauen pflegen daher die Glückbringer durch vorgesetzte Speise in's Haus
zu locken."
Dass m allen den oben angeführten Fällen voii Schlangen-Verehrung in Samo-
gitien. Lithauen und Ostpreussen es sich stets um die Ringelnatter handelt, ist
leicht nachzuweisen. Es giebt dort überhaupt nur zwei Schlangen -Arten, die
Ringelnatter und die Kreuzotter. Letztere ist niemals dort verehrt worden: folglich
kann nur die Ringelnatter gemeint sein, und es wird dieses auch direct bezeugt
Brehm (Illustr. Thierleben, 2. Ausg., Bd. 7, S. 3G4) nennt sie _L"nk oder Hausunk,
die Wasser- oder Hausschlange, den Wurm u. s. w., die Schlange der Schlangen
für unser Volk, den Gegenstand seiner alten Sagen und neuen Wundermären".
1) Siehe die obeu citirte HLt. Tiden. Collectdo inagua. Bd. I, S. 505.
2 Ebendort, S. 27.
3) Mathias Striykowski, Canonicus in Samogitien, erzählt in seiner Sarmatia Euro-
paea, dass noch zu seiner Zeit d, h. 1680 in l.avariski. 4 Meilen von Wilna, zahlreiche
Schlangen verehrt und gepflegt würden (siehe a. a.. 0. S. SO . Dasselbe sagt er von Sani"-
gitien im Allgemeinen, /um Theil mit Uerberstain'a Werten.
(384)
Ferner heisst es bei Brehm S. 366: „In den russischen Bauern -Häusern kriecht
die Ringelnatter, laut Fischer, sehr häufig umher, weil sie von den Landleuten
gern gesehen oder doch wenigstens geduldet und durch den Aberglauben, dass der
Tod eines solchen Thieres sich räche, beschützt wird .... Dass die Ringelnatter
mit so gesinnten Bewohnern eines Hauses in ein freundschaftliches Verhältniss
tritt, erscheint glaublich."
Nach den mündlichen Mittheilungen meines Assistenten, des Hrn. P. Schiemenz,
hat man noch vor wenigen Jahrzehnten bei den Wenden in der Lausitz die Ringel-
natter als glückbringend angesehen. Ferner kann ich aus meiner Jugendzeit be-
richten, dass in der Umgegend von Helmstedt eine auffallend grosse Ringelnatter,
die sogen. „Schlangen-Königin", welche in der Nähe der „Walbecker Warte" hauste
und angeblich eine goldene Krone auf dem Hinterkopfe trug, mit abergläubischer
Scheu betrachtet wurde, und dass man nicht wagte, sie zu fangen. Eines Nach-
mittags habe ich selbst sie im Walde bei der Walbecker Warte gesehen und
konnte erkennen, dass die sogen. Krone in den beiden hochgelben Nackenflecken
bestand; aber ich stand als 1*2 jähriger Tertianer noch durchaus unter dem Ein-
flüsse der abergläubischen Erzählungen, welche ich von der „Schlangen-Königin"
oft gehört hatte, und wagte nicht den Versuch, die auffallend grosse Ringelnatter
zu fangen; ich blieb vielmehr in angemessener Entfernung stehen, obgleich ich
mich vor kleineren Ringelnattern durchaus nicht fürchtete, sondern schon manche
derselben gefangen hatte.
Es würde nicht schwierig sein, noch weitere Belege für die abergläubische
Verehrung, welche die Ringelnatter einst genossen hat, beizubringen. Ich denke
aber, das Obige wird genügen, um nachzuweisen, dass die betreffenden Mittheilungen
Herberstain's, abgesehen von den missverständlich angegebenen 4 Füssen, als
auf Thatsachen beruhend anzusehen und nicht geeignet sind, seinen Angaben über
das Vorkommen zahlreicher Zwerge bei den Samogiten den Credit zu nehmen.
Virchow hat in seiner Erörterung (a. a. 0., S. 312) schliesslich noch folgende
Bemerkungen hinzugefügt: „Jedenfalls hat Herberstein nicht gesagt, dass die
Bevölkerung in Samogitien halb aus Riesen und halb aus Zwergen bestehe, sondern
nur, dass abwechselnd grosse und zwerghafte Kinder geboren werden. Wo die
letzteren und ob sie zwerghaft blieben oder ob sie später gleichfalls eine lange
Statur erreichten, ist nirgend gesagt." Ich bedaure, auch hierin mit Virchow
nicht übereinstimmen zu können. Herberstain hat zwar nicht gesagt, dass die
Bevölkerung in Samogitien halb aus Riesen, halb aus Zwergen bestehe; aber er
hat nach meiner Ansicht auch nicht gesagt, dass ab wechselnd grosse und zwerg-
hafte Kinder geboren werden. Was er meint, ergiebt sich sowohl aus den be-
züglichen Worten seiner deutschen „Moscovia", als auch aus der oben citirten
Stelle der Krasinski' sehen Schrift.
In der deutschen „Moscovia" von 1557, die er selbst in Wien publicirt hat,
sagt Herberstain an der betreffenden Stelle wörtlich: „Das Volkh darin seind
gmainclich grosse und lange personen, daneben haben die Vätter neben den grossen
auch khlaine Zwergen, die sy Carln in gemain nennen." Nach meiner Ansicht,
welche durch die oben (S. 381) citirte Stelle des Joh. Krasinski (Crassinius) ge-
stützt wird, will Herberstain sagen, dass unter den erwachsenen Samogiten
damals auffallend viele Zwerge vorkamen, und zwar als Geschwister
der normal gewachsenen Leute, nicht als besondere Rasse. Auch steht
der lateinische Text der „Commentarii" mit dieser Auffassung keineswegs in
directem Widerspruch. „Procreare" heisst nicht gebären, sondern erzeugen; auch
spricht Herberstain nicht geradezu von „abwechselnd", sondern er sagt: „veluti
(385)
ücissitudine quadam." Nach meiner Auffassung soll Herberstain's Bemerkung
sich .uif die erwachsene Bevölkerung Samogitiens beziehen, nicht nur auf die
Kinder, und ich glaube, dass ich wohl berechtigt war, die betreffende Stelle aus
Herberstain's Werken zur Beurtheilung der Pygmäen vom „Schweizersbild" her-
anzuziehen. Jedenfalls kann ich nicht zugeben, dass Herberstain's Mittheilung
über die samogitischen Zwerge durch Virchow's Kritik von 1872 „abgethan" ist, -
Hr. R. Virchow: Meine Bemerkung war weniger gegen Hrn. Xehring ge-
richtet, als gegen die immer mehr gebräuchlich werdende Sitte, von früheren Er-
örterungen über bestimmte Gegenstände keine Notiz zu nehmen, selbst nicht in
derselben Zeitschrift, in welcher die früheren Erörterungen veröffentlicht sind. Es
lag mir ganz fern anzunehmen, dass Hr. Nehring meine früheren Erörterungen
gekannt habe; da er ihrer nirgends gedacht hatte, so hielt ich mich für berechtigt.
an ihre Existenz zu erinnern, und zwar um so mehr, als sie den einigermaassen
denkwürdigen Streit über die Race prussienne betrafen. Es handelt sich hier um
ein mehr als persönliches Interesse.
Um jedoch, auch für die Zukunft, volle Klarheit in diese Angelegenheit zu
bringen, will ich einige weitere Angaben machen. Der Streit über die Race
prussienne begann im Februar 1871 mit einem Artikel des Mr. de Quatrefages
in der Revue des deux mondes, der etwas verstärkt noch in demselben Jahre als
eine besondere Schrift erschien: La race prussienne par A. de Quatrefages,
membie de l'lnstitut, professeur au Museum. Darin versuchte der berühmte Ver-
fasser den Nachweis, dass die Preussen keine Deutschen seien; sein Schlusssatz
lautete (p. 101): dans les provinces vrairaent prussiennes, c'est-ä-dire dans les deux
Prusses, la Pomeranie, le Brandebourg, la population, par ses origines ethno-
logiques, est essentiellement finno-slave. Ohne Zagen zog er aus diesem Schluss-
satze auch die praktische Consequenz, den Versuch zu machen, die „eigentlichen
Deutschen", d. h. die Süddeutschen, von Preussen loszulösen.
Noch deutlicher, als in dem Büchlein, trat diese Tendenz hervor in einigen
gegen mich gerichteten Artikeln der Revue scientifique 1872. Die Slaven wurden
dabei immer mehr in den Hintergrund gestellt; war es doch Hrn. de Quatre-
fages hauptsächlich darum zu thun, die Preussen als Finnen darzustellen. Dazu
bedurfte es einiger Kunst, aber der grosse Dialektiker wusste verschiedene Merk-
male aufzufinden, welche die Identität der beiden Rassen beweisen sollten. Einige
darunter, wie die Farbe der Haare und der Haut, erschienen mir wichtig genug,
um besondere Reisen nach Finland und Livland zu machen, und es gelang mir,
in zweifelloser Weise das Iirthümliche dieser Behauptung darzulegen. Ein anderes
Merkmal, die Körperhöhe, erforderte eine mehr philologische Kritik, da Mr.
de Quatrefages sich auf einen Zeugen berufen hatte, dessen Aussage vorliege:
es war der alte Freiherr v. Herberstain. Von diesem sagte er (Revue des deux
mondes, T. 91, p. G55): „Un ancien voyageur allemand, racontant ce qu'il a
vu, dit que la population de la Prusse proprement dite est composee de
geants et de nains. Der Umstand, dass für dieses höchst überraschende Citat
nicht eine Schrift von Herberstain, sondern in einer Anmerkung zu der Race
prussienne (p. 46) nur Prichard, Researches into the physical history of man-
kind, T. III (ohne Seitenzahl), als Gewährsmann aufgeführt war, bildete den Angel-
punkt meiner Widerlegung. Da ich aus anderen Gründen sehr misstrauiseh in Bezug
auf die Zuverlässigkeit der literarischen Angaben des Hrn. de Quatrefages ge-
worden war, so machte ich mich an eine genauere Prüfung derselben. Ich will hier
zunächst anführen, dass Prichard (o»' edit., London 1841, Vol. Hl. p. 279)
Verhandl. der Berl. Anthropul. Gesellschaft 1897. "2ö
(386)
Herberstain gleichfalls nur aus zweiter Hand kannte: er beruft sich auf Er man.
der die „hunno-finnische" Rasse als klein, die Littauer als gross von Statur be-
zeichnet hatte. Hier heisst es (p. 280, Note 7): Erman observes that the old
traveller Count Herberstein remarked that the population of Old Prussia
consisted of giants and dwarfs. He supposes that those two races are indicated
by this remark. Hr. de Quatrefages hat aber, wie deutlieh ersichtlich ist,
weder Herberstain, noch Erman nachgelesen; trotzdem sagt er: Herberstein
caracterise la population de laPrusse en disant qu'elle est composee de geants
et de nains. Da nun von „mehreren Personen" bemerkt war, dass die Pommern
in der preussischen Armee vor Paris, obgleich vielleicht ein wenig grösser als die
Letten und die Esten, denselben doch sehr nahe ständen, so folgert er, dass sie
zur finnischen Rasse gehörten.
Diese Art der Beweisführung, für welche noch manches andere Beispiel bei-
zubringen war, veranlasste mich, einen eingehenden Artikel „über die Methode der
wissenschaftlichen Anthropologie" zu veröffentlichen (Zeitschr. f. Ethnol. 1872. IV.
S. 300). Darin stehen auch die Sätze, über welche Hr. Nehring gegenwärtig eine
gereizte Kritik vorgelegt hat. Nachdem er vor Kurzem in einer gelehrten Ab-
handlung „über Herberstain und Hirsfogel" (Berlin 1897) die Verdienste des
alten Reisenden und seines Illustrators in helles Licht gestellt und seine aus-
giebige Kenntniss der in zwei Sprachen und mehreren Ausgaben erschienenen
Schriften des ersteren dargelegt hat, dürfen seine Ausführungen eine besondere
Aufmerksamkeit erregen. Ich selbst habe schon 1872 mehrere der Schriften von
Herberstain und ihrer Uebersetzungen ins Deutsche studirt und die aus den-
selben entnommenen Originalstellen in den oben erwähnten Artikeln mitgetheilt:
aber ich erkenne gern an, dass Hr. Nehring viel mehr Arbeit und Geschick auf
die Benutzung jener Schriften verwendet hat, als meine Zeit gestattete und als
mein Zweck erforderte. Daher habe ich mit um so grösserem Interesse seine
Ausstellungen gegen meine Angaben gelesen. Wenn dieselben mich nicht überall
überzeugt haben, so hoffe ich doch, auch vor den Augen eines strengen Kritikers
Gnade zu finden.
Die Punkte, auf welche es mir ankam und welche jetzt streitig erscheinen,
sind folgende:
1. Beruhen die Angaben Herberstain's auf Autopsie? Mr. de Quatre-
fages hat dies ohne Anführung irgend eines Grundes oder Gewährsmannes be-
hauptet; ich hatte dagegen über die Rerum moscoviticarum Commentarii, Basil.
1556 gesagt: „Darin steht vieles, was er (H.) gesehen und erlebt und fast noch
mehr, was er sich hatte erzählen lassen" (a. a. 0. S. 311). Zu letzterem gehörte
meiner Meinung nach auch die Hauptstelle, auf welche Alles ankommt und welche
ich daher wörtlich wiederhole: In Samogithia hoc inprimis admirandum oecurrit,
(|uod cum eius regionis homines procera utplurimum statura sint, filios tarnen
alios corporis magnitudine excellentes, alios perpusillos ac plane nanos, ueluti
uicissitudine quadam, proereare solent. Ich bemerkte dazu: „Die in Frage
stehende Stelle bezieht sich keineswegs auf das eigentliche Preussen, wie Hr.
de Quatrefages meint, auch nicht auf das uneigentliche Preussen, sondern auf
Samogitien." Aus den früher mitgetheilten Citaten ist ersichtlich, dass Mr.
de Quatrefages zu seiner unrichtigen geographischen und ethnologischen Auf-
fassung durch Prichard und dieser wieder durch Erman verführt war. -Ich muss
aber dabei bleuten, dass Samogitien innerhalb des grossen Gebietes von Littauen
liegt und dass von diesem nur ein kleiner Theil zu Preussen gekommen ist; ich
darf wohl hinzufügen, dass dieser kleine Theil nicht Samogitien war. Ich be-
(387;
hauptete ferner, dasa „der Freiherr zu Herberstain ebenso wenig persönlich in
Samogitien war, wie in Preussen." Letzteres ist anbestritten. Aber Br. Nehring
bemüht sich, diese Negation abzuschwächen. Dem gegenüber cor.statire ich, Mass
Eerberstain selbst nicht behauptet hat, das Gemisch von Kiesen und Zwi
gesehen zu haben, und dasa Er. Nehring seihst nicht weiter geht, als. wie ich
ea ohne jede verletzende Absicht ausdrücken möchte bis zu der Wahrscheinlich-
keit, dass die Renntniss des Freiherrn auf Hörensagen beruht, vielleicht müsste
ich sagen, bis zu der Möglichkeit, dass er Eingeborne gesehen habe. Er hahe
sich in Wilna aufgehalten und seine weitere Reise sei nahe an der Südost-Grenze
ßamogitiena hingegangen. Aber Hr. Nehring weiss, dass Wilna nicht in Samo-
gitien lag und dass jeder Schritt weiter nach Osten ihn nur mehr von da ent-
fernte. Darum kommt er auch zu der Anführung, dass das Gefolge des Freiherrn
bei der Rückkehr Landstriche durchquerte, .welche mit dem östlichen Samogitien
unmittelbar zusammenhängen", und schliesslich zu dem Satze, dass „Herberstain
thatsächlich in der Lage war, Genaueres über die Samogiten durch seine Leute.
sowie durch hervorragende Männer Littauens zu erfahren", unglücklicherweise
hat Herberstain mit keiner Silbe diese Quelle berührt oder auch nur angedeutet.
Nach gewöhnlichen Regeln der Interpretation darf man also annehmen, das
nicht in Samogitien war, und dass seine Erzählung nicht auf Autopsie beruhte.
2. Spricht Herberstain von einer Alternation grosser und kleiner
Kinder, oder, wie Mr. de Quatrcfages stets gesagt hat, von Riesen und
Zwergen? Hr. Nehring will diese Fragestellung nicht anerkennen. H. habe
nach seiner Ansicht nicht gesagt, dass abwechselnd grosse und zwerghafte
Kinder geboren würden. Ich kann die Stelle (alios filios corporis magnitudine
excellentes, alios perpusillos ac plane nanos. ueluti uicissitudine quadam,
proereare solent) nicht anders verstehen, als ich und andere es gethan haben. Ich
berufe mich auf die Uebersetzung von Pantaleon (Basel 1567, S. CXXVI), wo
es heisst: „Das sy mehrtheil zweyerley kinder auch fast eins um das andere
gebären, nemlich etliche gross und stark, die andern gar klein wie die gezwergen."
Hr. Nehring macht dagegen geltend, dass proereare nicht ,,gebärenu, sondern „er-
zeugenu bedeute und dass die Bemerkung sich nicht auf Kinder, sondern auf die
erwachsene Bevölkerung beziehe. Weiter kann man in der Interpretationskunst
wohl nicht gehen. Filios proereare, also nach Hrn. Nehring Jvinder erzeugen",
wnd doch schwerlich jemand auf etwas anderes beziehen, als auf Geburten.
Zwerge entstehen nicht erst im Alter der Erwachsenen; wenn sieh unter den Er-
wachsenen ..viele- /werge finden, so müssen sie entweder als solche geboren oder
überhaupt nicht zum „Erwachsen" gelangt sein. Dass etwas derartiges alter-
nirend vorkomme, und zwar in einer ganzen Bevölkerung, ist so unglaublich,
da.vs Hr. Nehring versucht, diese Worte zu beseitigen. Aber was soll das ..ueluti
uicissitudine quadam" bedeuten? Hr. Nehring bemerkt dazu. H. spreche nicht
geradezu von abwechselnd. Ich beziehe mich auf den alten üeberaetzer: „zweyerles
kinder last eins um das andere gebären." Ob der früher von mir gebrauchte Aus-
druck für die Leichtgläubigkeit Herberstain'a in diesem Funkte zu hart war.
lasse ich mit Rücksicht auf das Folgende dahingestellt ■
o. Hat Herberstain in Samogitien vierfüssige Schlangen gesellen?
Es genügt, diese Präge aufzuwerfen, um sie zu verneinen. Der bl lanke
ist so absurd, dass ich mich nicht enthalten konnte, diejenigen Enthusiasten, die
an die sonstigen Münchhansiaden des alten Jägers glaubten, auf diesen Punkt be-
sonders aufmerksam zu machen. Selbst Hr. Nehring kommt zu dem Schlüsse
(S. 32), dass Herberstain das Thier „nui nach Hörensagen beschreibt1-. In seiner
(.388)
heutigen Mittheilung umgeht er, indem er eine lange Auseinandersetzung über den
Schlangen-Cultus in Samogitien liefert, die Besprechung der naturwissenschaft-
lichen Angaben Herberstain's. Aber schon dadurch, dass er den Nachweis
bringt, die fraglichen Schlangen seien Ringelnattern, entzieht er dem Freiherrn
jeden Glauben an die Vierfüssigkeit dieser Thiere. Was den Schlangen Cultus
anbetrifft, so ist darüber in jeder populären Darstellung der littauischen Volks-
kunde so viel erzählt worden, dass der Gegenstand als erledigt gelten kann. Für
die naturwissenschaftliche Glaubwürdigkeit H.'s hat derselbe nicht den mindesten
Wertb; hier kam es nur auf die Vierfüssigkeit an. — In einem anderen
Punkte hat Hr. Nehring eine Correctur gebracht, die ich nicht beanstanden will.
Ich hatte nehmlich aus der Uebersetzung von Pantaleon den Passus entnommen,
dass diese vierfüssigen Schlangen „über drei Zwerchhand hoch werden". Hr.
Nehring ist geneigt, mir die Verantwortlichkeit für diese Uebersetzung zuzu-
schreiben; ich muss sie ablehnen. Ich füge mich jedoch seiner Correctur, dass
das angeführte Masss sich nicht auf die Höhe, sondern auf die Länge der Schlangen
bezogen habe. Aber die Angabe von der Vierfüssigkeit dieser Schlangen, — sie
sollten „vier kurze Füsse, wie die Eidechsen", haben, -- wird dadurch nicht be-
rührt, und die Mahnung zur Vorsicht, welche ich seiner Zeit an Mr. de Quatre-
fages richtete, behält auch gegenwärtig ihre volle Geltung. Alle Berufungen auf
die Möglichkeit, dass Herberstain, wenn nicht selbst beobachtete, so doch
gut beglaubigte Thatsachen berichtet habe, sind mit der Aufstellung der Ringel-
natter in Wegfall gekommen. Die naturwissenschaftliche Methode in der Anthro-
pologie, deren Werth ich dem französischen Pamphletisten dargelegt hatte, bleibt
nach wie vor ein Erfordern iss der ehrlichen Forschung.
Das erkennt ja auch Hr. Nehring thatsächlich an. Trotz seiner Vorliebe für
Herberstain hat er doch die in dem vorliegenden Streitfalle erörterten Mängel
seines Berichtes zugestanden; ja die alternirende „Zeugung" von grossen und zwerg-
haften Kindern erscheint ihm so unzulässig, dass er seinen Zweifel ausdrückt, ob
Herberstain davon überhaupt gesprochen hätte. Die vierfüssigen Schlangen
schiebt er auf blosses „Hörensagen"; unbarmherzig schneidet er die 4 kurzen
Füsse von dem jetzt als Ringelnatter charakterisirten , früher mit einer Eidechse
verglichenen „Wurm" ab. Es war nur ein „Missverständniss" des Reisenden. Und
so gesteht Hr. Nehring auch zu, dass Herberstain „persönlich" nicht in Samo-
gitien war. Wenn er trotzdem versucht, auch dies abzumildern und den Besuch
littauischer Gebiete als genügendes Aequivalent vorzuführen, so habe ich zu
bemerken, dass Herberstain selbst Samogitien und Littauen von einander unter-
scheidet.
Somit muss ich die Kritik des Hrn. Nehring in Bezug auf meine Darstellung
als unzutreffend abweisen. Er hat meist übersehen, dass meine Kritik gegen Mr.
de Quatrefages gerichtet war, dem ich den Vorwurf machte, dass er sich nicht
einmal die Mühe gegeben habe, die von ihm als Beweise aufgeführten Angaben
Herberstain's zu lesen. Mr. de Quatrefages benutzte die Geschichte von den
Riesen und Zwergen in Samogitien als einen Beweis, dass die dortige Bevölkerung
gemischter Abstammung sei und dass von den Zwergen, die er für Finnen erklärte,
die kleinen Soldaten abzuleiten seien, die „manche Personen" unter den Pommern
vor Paris gesehen hatten. Ich habe diese Argumentation zurückgewiesen, speciell
unter Hinweis auf die analogen Verschiedenheiten unter den Esten und auf die
Abhängigkeit ihrer Körpergrösse von der Nahrung (Zeitschr. f. Ethn. IV. S. 315).
Ich darf wohl annehmen, dass in diesem Punkte keine Meinungsverschiedenheil
zwischen Hrn. Nehring und mir besteht, aber dann weiss ich auch nicht. wi>s
(389)
für einen Vorwurf er mir zu machen hätte. Dieser Vorwurf sollte sich vielmehr
gegen Er man, Prickard und de Quatrefages richten, welche die kleinen Leute
als Finnen, die «rossen als Letten ansahen.
Recht bedauerlich ist das Missverstiindniss des Hrn. Nekring, dass er meinen
Vorwurf gegen Herberstain in Bezug auf die vierfüssigen Schlangen auf die
Angabe desselben in Betreff des Schlangen-Cultus bezieht Ich habe über den
letzteren Punkt nicht ein einziges abweisendes Wort gesagt. Daher war auch die
lange Auseinandersetung darüber, welche Hr. Nehring in seine jetzige Zuschrift
eingeflochten hat, für mich überflüssig; ich habe mich oft genug mit den Letten
beschäftigt und bin seit langer Zeit mit ihrer Literatur über die Hausschlangen
bekannt. Die Darstellungen der verschiedenen Schriftsteller darüber sind so über-
einstimmend, dass mir ein Zweifel über den Schlangen-Cultus ganz fern lag. Mein
Vorwurf betraf vielmehr die leichtgläubige Manier, mit der Herberstain die Er-
zählung („das Hörensagen1') aufgenommen hat, diese Thiere seien wie Eidechsen
gebaut und hätten 4 kurze Beine. Hr. Nehring nennt das jetzt in wohlwollender
Weise ein „Missverstündniss"; vielleicht würde es richtiger sein zu sagen: „einen
Mangel an naturhistorischer Kenntniss und ein Uebermaass von Leichtgläubigkeit."
Das war auch der Grund, weshalb ich diese Angabc mit der anderen über das
alternirende ..Erzeugen" von grossen und kleinen Kindern zusammenstellte. Für
einen Zoologen, wie Quatrefages, war dies doch wohl ein recht lehrreiches
Beispiel.
Trotz alledem bin ich fern davon, ein allgemein ungünstiges ürtheil über die
Berichte des Freiherrn v. Herberstain zu fällen. Es giebt nicht wenige Gelehrte,
welche die Berichte von Plinius über die afrikanischen Völker als so unzuverlässig
betrachten, dass sie jede Berufung auf diesen Schriftsteller, der ja auch recht
häufig nach Hörensagen und unbeglaubigten Erzählungen urtheilte, als unwissen-
schaftlich zurückweisen. Ich habe diese Auffassung nie getheilt, aber ich habe aus der
Kenntniss dieser Berichte die Verpflichtung abgeleitet, eine strenge Kritik in Bezug
auf die Einzelheiten derselben eintreten zu lassen. Genau dasselbe Verhältniss
trifft auf Herberstain zu, und wenn Hr. Nehring durch sein letztes Buch eine,
wie mir scheint, erfolgreiche Ehrenrettung des alten Reisenden und Jägers bewirkt
hat, so wird damit doch die Notwendigkeit nicht dargethan sein, dass wir auch
die falschen oder missverstandenen Angaben desselben beschönigen oder gar für
wahr halten müssen, — Angaben, welche so grosses Unheil in der Literatur und in
der Meinung der Menschen angerichtet haben. —
(30) Hr. Rud. Virchow übergiebt, im Anschlüsse an die weiterhin folgenden
Mittheilungen des Hrn. Georg Schwein furth. folgende Beitrüge zur
Vorgeschickte Aegyptens.
1. Bericht des Hrn. E. Salkowski vom 30. Juli über die Untersuchung des
Inhaltes eines Schädels von Gebel Silsileh (vergl. S. 32 und 137).
Der mir zur Untersuchung übergebene Inhalt eines kleinen Holzküstchens mit
Aufschrift: -Nr. 5, Gebel Silsileh — necropole prehistorique. Contenu d'un eräne
Wen conserve et fragments dt- bois (Nr- 6) tröuves pres du eräne," erwies sich als
ein Gemisch von sandigem Pulver, Holzstückchen und Bröckeln harzartig er-
scheinender Substanz. Die harzartigen Stücke wurden herausgesucht, in der Rcib-
schale zerrieben — was leicht gelang -, und das Pulver, welches auf dem Platin-
blech unter Verbreitung eines harzigen und fettigen Geruches mit rossender Flamme
und unter Hinterlassung von etwas Asche verbrannte, näher untersucht.
(390)
Entsprechend dem auch in den früheren Fällen für die Untersuchung der
Massen aus den Mumienköpfen gewählten Verfahren wurde auch dieses Mal zur
Orientirung zunächst der Gehalt des Pulvers an Wasser, Asche, Stickstoff und
Phosphor untersucht. Nach den von Dr. G. Schrader ausgeführten Bestimmungen
ergaben sich für 100 Theile:
Wasser 3,88 pCt.
Asche 9,11 „
Stickstoffgehalt .... 4,96 „
Phosphor 0,098 „
Diese Bestimmungen zeigen, dass die vorliegende Masse von den bisher unter-
suchten wesentlich verschieden ist. Dieses geht namentlich aus dem ausser-
ordentlich geringen Phosphorgehalt hervor, mit dem sich die Annahme, dass es
sich um veränderte Gehirnsubstanz handele, schwer vereinigen lässt.
Der Stickstoff ist in der Masse nicht in Form von Ammoniaksalzen enthalten,
denn beim Erwärmen mit Natronlauge entwickelt das Pulver nur äusserst wenig
Ammoniak, bezw. nur Spuren davon. Der sich entwickelnde Geruch gleicht dem,
welcher beim Kochen von altem Fett mit Natronlauge auftritt.
Zur weiteren Untersuchung wurde eine Quantität des Pulvers mit Alkohol ex-
rahirtund filtrirt, der Alkohol-Auszug verdunstet. Es hinterblieb eine braune, spröde,
harzartige Masse. Die Quantität dieses Harzes betrug (bei 100° getrocknet) 1,276 g,
das Gewicht des nicht gelösten Rückstandes betrug 0,900 7, zusammen also 2,176 g.
Somit sind von diesem Pulver ungefähr 58 pCt. in Alkohol löslich, 42 pCt. darin
unlöslich. Die Bestimmungen sind der Natur der Sache nach nur als annähernde
zu betrachten.
Zur weiteren Untersuchung des in Alkohol löslichen Harzes verfuhr ich nun
ebenso, wie bei der letzten Untersuchung (S. 139). Es ergab sich so folgende Zu-
sammensetzung in Procenten:
Direct in Aether lösliche Substanz (Neutralfett) 7,4 pl't.
Nach dem Ansäuern in Aether lösliche Substanz (Fettsäure) . 32,7 „
Harzige, in Aether unlösliche Substanz 59,9 „
Das ,,Harzai) verbrannte auf dem Platinblech unter Verbreitung eines an
Pflanzenharz erinnernden, gleichzeitig aber fettigen Geruches, ohne mehr als Spuren
von Asche zu hinterlassen.
Eine bestimmte Entscheidung darüber, ob das vorliegende „Harz" ein Pflanzen-
harz ist oder allmählich im Laufe der Jahrtausende durch Umwandlungen aus ani-
malischen Substanzen, namentlich Fetten, entstanden ist, wird sich durch chemische
Untersuchung schwerlich fällen lassen, da der Begriff „Harz" ja mehr ein phy-
sikalischer and botanischer, als ein chemischer ist.
Da es Pflanzenharze giebt, welche äusserst sauerstoffarm sind, so wurde noch
versucht, eine Entscheidung durch die Elementar-Analyse herbeizuführen. Ergab
sich hierbei, dass das „Harz" wesentlich weniger Sauerstoff enthielt, als das mensch-
liche Fett, bezw. als die aus demselben hervorgegangenen Fettsäuren, so konnte
man wohl schliessen, dass das „Harz" mit diesen nichts zu thun habe. Der um-
gekehrte Schluss war allerdings keineswegs zulässig, da es auch relativ sauerstoff-
reiche Harze giebt, wie den Weihrauch (Olibanum), Bernstein, Asphalt, mit einem
Sauerstoffgehalt von etwa 12 pCt., ungefähr übereinstimmend mit dem Sauerstoff-
gehalt des Fettes.
1) In Folgendem ist hierunter tets das gereinigte, in Aether unlösliche Harz
nderi.
(391)
Bei der qualitativen Prüfung ergab sich nun zunächst das überraschende Er-
gebniss, dass das „Harz* in nicht unbeträchtlichem Grade stickstoffhaltig ist.
Als Elementar-Zusammensetzung1) des Harzes ergab sich:
Kohlenstoff 60,53 pCt.
Wasserstoff 6,77 „
Stickstoff 5,5? „
Sauerstoff 20,13 „
Das „Harz" enthält also weit mehr Sauerstoff, als die sauerstoffhaltigen Pflanzen-
harze, und auch weit mehr, als das Fett, welches durchschnittlich aus 76,5 pCt.
Kohlenstoff, 12pCt. Wasserstoff und 1 1,5 pCt. Sauerstoff besteht.
Es lässt sich nicht verkennen, dass das Resultat der Analyse für die Ent-
stehung der „harzigen Substanz" aus Fetten und stickstoffhaltigen animalischen
Substanzen durch allmähliche Oxydation spricht, ohne indessen diese Frage ganz
zu entscheiden. —
2. Abhandlung des Hrn. G. Schweinfurth über die
Ornamentik der ältesten Cultur-Epoche Aegyptens.
Diese Abhandlung ist enthalten in der Oesterreichischen Monatsschrift für den
Orient, herausgegeben vom k. k. Oesterr. Handels -Museum in Wien 1897, Xr. 9
und 10, Beil- und uns in freundlichster Weise nebst den zugehörigen Cliches durch
die Direction des genannten Museums zur Benutzung überlassen. Da Hr. Schwein-
furth in unserer Gesellschaft die Ornamentik der bemalten Thongefässe dieser
Epoche besprochen hat (S. 280, besonders S. 282), so werden in Nachstehendem
nur diejenigen Abschnitte der neuen Abhandlung wiedergegeben, welche eine Aus-
führung der Einzelheiten, namentlich in Betreff der pflanzlichen Ornamente und
der sich daraus ergebenden Schlüsse für die Vorgeschichte Aegyptens bringen.
Die uns näher berührenden Abschnitte lauten folgendermaassen :
Die einzelnen Elemente dieser in braunrother Bemalung auf hellem Grunde aus-
geführten Ornamentik habe ich auf der beigegebenen Tafel (S. 394) nach den Funden
von el-Amrah, Abydos, Ballas,' Tuch, Negada und Gebelen zusammengestellt. Die
zu Beginn dieses Jahres erschienenen Werke von Flinders Petrie und von
de Morgan bieten dieselben in grösserer Auswahl, aber zerstreut auf verschiedenen
Tafeln. Beim Anschauen dieser fremdartigen Bilderschrift wird wohl keiner mehr
das Axiom unterschreiben wollen, dass die ägyptische Cultur ein fertiges Ding ge-
wesen sei von dem Moment an, wo sie in die Erscheinung trat. Flinders Petrie
ist in seinem Werke, verleitet durch die Fremdartigkeit der Darstellungsweise
vielleicht auch beeinllusst durch das Phänomen des bei aller räumlichen, zeit-
lichen und ethnischen Gesondertheit so häufig zur Geltung kommenden Paralle-
lismus übereinstimmender, ewig menschlicher Gestaltungstriebe, bestrebt gewesen,
den Ursprung dieser Ornamentik, ja die Herkunft der Thongefässe selbst weit
ausserhalb Aegyptens zu suchen: allem die ausschliesslich afrikanischen Motive
und namentlich die grosse Rolle, die in ihr der Todtenbarke als der ersten Sehrift-
werdung einer ägyptischen Klee zufällt, brachten ihn dabei mit sieh selbst in
Widerspruch. Die besondere Bedeutung dieser Bilderschrift liegt meine- Br-
achtens gerade darin, dass sie, weil den ärmeren Bewohnern geläufig, etwas ur-
sprüngliches, von Alter- Hergebrachtes zum Ausdruck bringt ind deshalb einen
1 Analyse von Dr. i r. Schrader.
(392)
weiten Rückblick in die Zeiten vor Menes aufthut, weil ursprünglich aus einer Zeit
stammend, wo die bloss ideographische Hieroglyphik noch in den Windeln lag.
Hinsichtlich des Verhaltens dieser vielleicht als nahezu prähistorisch zu be-
zeichnenden Stilart Aegyptens zu dem späteren Pharaonenstil bietet der geometrische
Stil der urgriechischen Zeit eine gewisse Analogie, welcher letztere, obwohl in
der mykenischen oder ägäischen Epoche sich ganz andere Tendenzen Bahn brachen,
nicht nur während dieser Epoche, wie Conze (Wolters, Böhlau) es nennt,
als eine Art von Bauernkunst sich forterhalten hat, ja dieselbe überdauernd
durch alle Epochen des griechischen Kunstlebens eine oft tonangebende Ver-
wendung fand. Die sachliche Analogie, die, allerdings nur auf den ersten Bück,
diese prähistorische Kunstweise Aegyptens mit jenem alteuropäischen Stil in Zu-
sammenhang bringt, den Conze zuerst in den Sitzungs- Berichten der Wiener
Akademie 1870 und 1872 auseinandersetzte, hat wegen des beiderseits hervor-
tretenden Bestrebens, Naturformen in ein lineares Schema aufzulösen, etwas Ver-
lockendes. In Wirklichkeit ist die Verschiedenheit eine fundamentale. Vor Allem
sind es die dem „altnordeuropäischen" Stil (Conze) fehlenden Pflanzen -Motive,
die hier eine in hohem Grade stilisirte Gestaltung annehmen, und sie sind es, die
eine besondere Bedeutung gewinnen, wenn man sie als den Beginn einer ideo-
graphischen Bilderschrift auffasst. Gerade dieser Gesichtspunkt war es, der mich
zu den vorstehenden Aufzeichnungen veranlasst hat, um einmal die Gelegenheit
wahrzunehmen, als Botaniker einer wichtigen Frage näherzutreten, die in Folge
von Nichtbeachtung des botanischen und geographischen Causal-Zusammenhanges
bisher in hohem Grade verwirrt worden ist.
Die vier mit concentrischen Halbkreisen versehenen Figuren im obersten Theil
der beigegebenen Tafel 1 bieten das Schema einer Pflanze dar, die in einem Ge-
fässe wurzelt, demnach also nicht zu der spontanen Flora des damaligen Aegyptens
gehört haben kann. Aus einer verkürzten Axe entsprossen beiderseits je G— 10
im Halbbogen zurückgeschlagene Blätter, während ein gipfelständiger Schaft, der
in einem Falle in zwei Schenkel ausläuft, mit vielen kleinen Blättchen (den stehen-
bleibenden Tragblättern der Blüthentraube) besetzt ist und mit einer Blüthe oder
einem Knäuel von Blüthen endigt. Unter allen Gewächsen, die aus den Floren
der Nachbarländer in Betracht kommen können, entspricht dieses Schema nur der
Aloe, von der eine rothblühende Art (A. abyssinica Lam.) nicht nur im Hochlande,
sondern auch in den Vorbergen von Abyssinien und im südlichen Nubien zwischen
800—1000 m Meereshöhe von ausserordentlicher Verbreitung ist. Eine andere
Aloe mit orangerothen oder gelben Blüthen, die dem Schema noch besser ent-
spricht, ist die als wildwachsende Pflanze auf die Vorberge des glücklichen Arabiens
beschränkte, aber heute noch im ganzen Orient und namentlich in Aegypten culti-
virte Aloe vorn L (A. vulgaris Lam.), die namentlich auf Gräbern und auch über
Hausthüren aufgehängl als Symbol der ausdauernden Lebenskraft und als Schutz
gegen den bösen Blick fast aller Orten anzutreffen ist. In jedem Falle würde die Aloe
sich zu jenen Pflanzen gesellen, die, wie die heiligen Bäume der Hathor oder Isis,
Sykomore und Mimusops (Persea der Alten), welche, gleichfalls im Nilthale nicht
wild vorkommend, hier als überlebende Zeugen von Wanderungen gelten können.
die in frühester Vorgeschichte die Vorfahren des alten Culturvolkea aus dem
fernen Südosten an die Gestade des Nils geführt haben.
Ich vermuthc in diesem hier bereits zu einem conventionellen Ornament um-
gestalteten Pflanzengebilde «bis Prototyp einer Reihe von Zeichen, die in der
Hieroglyphik theils als Silbenzeichen, theils zur Symbolisirung dvv beiden Landes-
(393)
theile »'int' grosse Rolle spielen und deren Deutung so viele Aegyptologen auf Irr-
wege geführt hat.
Die Aegypter waren von altersher gewohnt, den zwischen Über- und ünter-
Aegypten obwaltenden Gegensat/, durch Symbole zum Ausdruck zu bringen, und mit
Recht nahm man von jeher an, dass diese Symbole durch Pflanzen zum Ausdruck
kommen sollten, die für je eines der beiden Länder charakteristisch waren. Kein
geringerer als Champollion, der Vater der Hieroglyphen-Deutung, h;it bereits vor
(50 Jahren beiden Zeichen die damals möglichst richtige Deutung gegeben, indem er
in seiner ägyptischen Grammatik das Südzeichen W als ein Lilien-Gewächs, der
Iris vergleichbar, kennzeichnete und dasjenige des Nordens W als Papyrus deutete.
Hinsichtlich des letzteren kann kein Zweifel obwalten, weil auf dem zweisprachigen
Stein von Rosette von einem <rxy\nTpov n&rrvpoeZfei; die Rede ist. Die Nachfolge]
Champollion's haben das Symbol des Südens oft als „Binse" bezeichnet, sich
zuvor aber wohl nie eine wirkliehe Binsenblüthe angesehen, zu deren richtiger
Würdigung man schwerlich mit unbewaffnetem Auge gelangt. Enger, der an-
gesehenste von den wenigen Pflanzenkundigen, die dieser Präge näher getreten
sind, stellte die weisse Lotusblume als das Prototyp des Zeichens des Südens auf,
indem er sich wohl zunächst von der in unserer Kunstwelt eingebürgerten vulgären
Vorstellung leiten liess, als hätte das ägyptische Säulen-Capitell seine Motive dieser
Blüthe entlehnt; auch fasste er die ganz verschiedenen Darstellungsformen und
Begriffe, die im Bilderschmuck, in der Architectur, in den symbolisirenden Ideo-
grammen und in den Lautwerthen zum Ausdruck kommen, als correlative Werthe
auf. In Wirklichkeit kann die weisse Teichrose, ebenso wie die blaue (Nymphaea
Lotus und Nymphaea caerulea), nur für Unter-Acgypten als Charakterpilanze(!) gelten,
nicht für Ober-Aegyptcn, geradeso wie der Papyrus. Eine Vermengung beider
Charaktergewächse in, der späteren Ideenwelt überkommenen Kunstbegriffen ist
daher keineswegs ausgeschlossen. Von Hause aus hat die Lotusblume nichts mit
diesen geographischen Ideogrammen zu thun.
Die Frage hinsichtlich des, vielen ägyptischen Säulen -CapiteUen zu Grunde
liegenden Pflanzenmotivs lasse ich hier unberührt, weil der Gegenstand allzu aus-
führliche Erörterungen verlangen würde. Dr. Ludwig Borchardt wird dieselbe
in seinem demnächst erscheinenden Werke über -die ägyptische Pflanzensäule"
mit der nur ihm zu Gebote stehenden Sachkenntniss und Erfahrung behandeln.
Ich will aber meinerseits darauf hinweisen, dass neuerdings E. Lefebure eine
versöhnende Deutung gefunden zu haben glaubte zwischen der vulgären Auffassung
der Kunstverständigen, die von der Lotusblume ausgeht, und derjenigen der
Aegyptologen, die an dem Papyrusbüschel festhalten. Zur Deutlichmachung seiner
Idee bedient er sich des Vergleiches mit einem „bouejet monte". Nach ihm sollte
der Bündelsäule im Schaft der Papyrus, im Capitell die Lotusblume zu Grunde
liegen. Lefebure hat ausser Acht gelassen, ihrss in der schematisirten Contour-
zeichnung Lotus und Papyrus gar nicht so verschieden sind, wenn man nur eine
junge, noch im quastförmigen Zustande befindliche Papyrusdolde in Vergleich zieht.
was er nicht gethan hat, obgleich schon Champollion ausdrücklich von der
„houppe" des Papyrus gesprochen bat Die breiten Hüllblätter der Papyrusdolde
nehmen sich alsdann gerade so aus. wie die Kelchblätter des Lotus, und leicht
war es im weiteren Verlaufe der verschiedenen Kunstphasen, an Stelle der Dolden-
strahlen zwischen diese Hüllblätter die Blumenblätter des Lotus einzuschalten.
Borchardt bringt diese Art von Blüthen-Capitell überhaupt nicht mit dem Symbol
(394)
des Nordens in Verbindung, sondern will sie als Blüthe der Wappenpflanze von
Ober-Aegypten aufgefasst wissen.
(vi 77
Tat'. 1. Stilisirtc Ornamentik aus A.egyptcns DCoTithischer Zeil
vmi Thoiig« i n der Zeil bia zur IV. Dynastie.
Zur Erläuterung der auf ineine Vermuthung eines Zusammenhanges dos vorhin
beschriebenen ältesten Pflanzen-Ornamentes mit gewissen Silbenzeichen und Ideo-
(395)
*^L<J
grammen der entwickelten Eieroglyphik Bezug habenden Daretellungsformen der
letzteren habe ich 10 derselben in Taf. 2 beigefügt, fch verdanke diese Aus-
wahl beglaubigter Proben einer gütigen Mittheilung von Dr. Ludwig Borehardt,
der sie für mich in authentischer Wiedergabe von Originalen zusammengestellt
und mit Notizen versehen hat, denen ich das Nachfolgende entnehme: Das hiero-
glyphische sw (Fig. d) hat mit dem ähnlich gestalteten rs (Fig. b, c und d) nur in-
sofern etwas gemein, als es vielleicht die rs-Pilanze ohne Blüthen darstellt. Di«- in
Fig. a gegebene Form ist eine der ältesten und
im Grabe des Setu bei Saqqarah [III. Dynastie]
zu sehen. In Fig. b, c und '/ erscheint die
Hieroglyphe rs in ihren verschiedenen Entwicke-
lungsstadien. Sie hat nach ihrem Lautwerthe
die Bedeutung Süden. Fig. b stellt das Silben-
zeichen in Verbindung mit dem Zahlenzeichen
l'ür zehn vor, wie es sich im Grabe des Hesij-
Re bei Saqqarah (IV. Dynastie) vorfindet. Fig. c
dasselbe aus dem Grabe des Ptahhotep bei
Saqqarah (V. Dynastie). Fig. <I dasselbe mit
Farben-Angaben aus dem Grabe Nr. *2 bei Beni
Hassan (mittleres Reich). An diesem Beispiele
gewahrt man die als Blüthen aufzufassenden
Anhängsel bereits in veränderter Gestalt, aber
' immer noch dreitheilig. Hier nähern sie sich
mehr denen der eigentlichen Wappenpflanze von
Ober-Ae<iypten, dem ornamentalen Symbol, das
auf den unteren sechs Figuren zur Anschauung
kommt.
Fig. e stellt eine Blüthe dieser Wappen-
pflanze dar, wie sie am Throne der Statue von
(Jsertesen I. (XII. Dynastie, die das Museum
zu Berlin beherbergt, sichtbar ist. Wenn dies
die Blüthe in ihrer elementarsten Gestalt vor-
stellen soll, so kann ich nicht umhin, sie für
ein getreues Abbild derjenigen von Aloe abyssi-
nicaLam. zu erklären. Ich würde die Einzel-
blüthe dieser Art kaum anders zur Darstellung
zu bringen wissen. Keine zweite Gattung, ausser
Aloe, hat in den betreffenden Gebieten eine ähn-
liche Blüthe. — Genau dieselbe Form soll nach
Borehardt die älteste ihm bekannte Wieder-
gabe dei' Blüthe zeigen; er fand sie auf einer
Darstelllung aus der Zeit des Pepy (VI. Dynastie),
die sieh innerhalb der Steinbrüche von Assu.m
befindet. Fig. / stellt die an einem Faience-Kästehen angebrachte Blüthe dar.
von einem thebanisehon töassengrabc des neuen Reiches (etwa 1300 vor Chr.) her-
stammend. Fig. g, //, i und * geben die Blüthe der Wappenpflanze in abenteuer-
licher Ausgestaltung, nach Modellformen für Faience, die sieh zu Tell-el-Amarna
aus der Zeit des Amenophis IV. Will. Dynastie) erhalten haben.
L. Borehardt behauptet, es sei bisher nicht festgestelll worden, dass die
Wappenpflanze von < >ber- legypten, die sogenannte „Lilie", von dem Sil' enzeichen rs
Taf. -. Wappenpflanz»
viiii Ober-Aegypten.
(396)
abgeleitet sei, und möchte eine solche Annahme bis auf Weiteres verneinen. Auch
will er sich meiner Ansicht nicht anschliessen, dass in dem vorhin beschriebenen
ältesten Pflanzen -Ornament der troglodytischen Gräber das Prototyp des Laut-
werthes rs zu vermuthen sei, obgleich er gegen eine Indentificirung des ersteren
mit Aloe nichts einzuwenden hat. Nichtsdestoweniger möchte ich an dem Zu-
sammenhange der drei Gegenstände mit dem Begriffe der Aloe festhalten und be-
gründe meine Ansicht mit folgenden Thatsachen: Die rothe Farbe, die so oft (und
keine andere) zur Markirung der Blüthe der Wappenpflanze gewählt wurde, spricht
zu Gunsten de- Aloe. Ferner ist an allen vorhin besprochenen Zeichen, den symbo-
lischen sowohl als den Silbenzeichen, die Dreitheilung der Blüthe in die Augen
springend. Drei oder sechs Blätter sind zur Andeutung der Blüthe verwandt, ent-
sprechend der sechstheiligen Blumenkrone eines Liliengewächses, die natürlich,
von der Seite gesehen, immer nur drei derselben sichtbar werden lässt. Der
vollendeten Uebercinstimmung der in Fig. e. dargestellten Form mit dem Blüthen-
schema der Aloe habe ich bereits gedacht Aber auch das Silbenzeichen rs mit
seinen vier rückwärts gekrümmten Blättern an der Basis einer verkürzten Axe
und mit dem gipfelständigcn Mittelschaft der -Blüthe entspricht der Aloe- Pflanze
und kann sehr wohl als ein reducirtes Schema der auf der linken Seite abgebildeten
Ornamente betrachtet werden. Dass an dem rs- Zeichen ausser am Mittelschaft
auch an den Spitzen der vier Blätter rothe Anhängsel, also Blüthen, zur Dar-
stellung kommen, kann kein Hinderniss für die Identificirung desselben mit der Aloe
abgeben, weil diese Blüthen gewiss willkürliche Zuthaten einer missverstandenen
Tradition waren; denn nach ihrer Form, Stellung und dem Verhältniss zur Axe
und zum Blüthenschaft können die beiderseitigen Bogenlinien an der Basis nur
Blätter sein und nicht etwa Verzweigungen des Blüthenstandes einer blattlosen
Pflanze. Blätter aber tragen bekanntlich keine Blüthen.
Soviel zum Kapitel vom Zeichen des Südens. Es erübrigt, um hier gleich die
pflanzlichen Ornament-Motive der beigegebenen Tafel 1 abzuthun, noch die im Um-
kreise der vorhin erläuterten 4 Pflanzenschemen angebrachten 6 Gegenstände zu er-
klären. Es sind Bäume, die hier bereits in einer Weise wiedergegeben sind, welche
der spätere Stil der Wandbilder an Tempeln wiederholt, nehmlich die Gestalt der
Laubkrone durch eine Umrisslinic zu kennzeichnen, mit eingefügten parallel ge-
stellten Aesten. —
Das so auffällige Hervortreten des Pflanzen-Ornaments auf den irdenen Ge-
fässen dieser ältesten bisher aus Aegypten bekannt gewordenen Culturepoche ist
eine im Bereiche primitiver Kunstübung gar zu ungewöhnliche Erscheinung, als
dass man nicht Grund hätte, in solcher Vorliebe für schematisches Pflanzenzeichnen
eine bereits damals vorhandene symbolisirende Tendenz zu vermuthen. In der
That sind auch in den Zeichnungen der Naturvölker die Pflanzenmotive sehr selten
anzutreffen, ja in den meisten Fällen fehlen sie denselben vollständig. Anderer-
seits macht das Pflanzen -Ornament einen wesentlichen Bestandteil jener so-
genannten orientalisirenden Verzierungskünste aus, die von Vorder-Asien her oder
durch die auch für diesen Zweck herhalten müssenden Phönicier, auf die frühe
griechische Kunst ihren bezeichnenden Einfluss ausgeübt haben. Unter diesem
Gesichtspunkte werden wir die völkerverbindenden (internationalen) Beziehungen
festzuhalten haben, die hier im ältesten und innersten Aegypten ihren Anschluss
fänden.
Auf der beigegebenen Tafel 1 habe ich von einer Wiedergabe derjenigen Ver-
zierungskünste Abstand genommen, die sich beim Töpfer aus Gründen der tech-
nischen Handhabung von selbst verstehen und die man als die keramogenen Orna-
(397
mente bezeichnen könnte. Dazu rechne ich vor Allem die horizontalen Parallel-
linien und die Wellenlinien, gewissermaassen auch die gewellten erhabenen Wulst-
linien oder Falten (w;ivy handlos von Klinders Petrie), die an «rieten der Gefäase an
Stelle der Henkel beiderseits oder im Zusammenhange herumlaufend zu sehen Bind
and die für diese älteste ägyptische Epoche ein charakteristisches Merkmal ab-
geben. Sie ergeben sieh aus dein manuellen Betrieb, auch wenn man, was hin-
sichtlich der troglodytischen Gräberfunde noch nicht genügend feststeht, dabei von
der stattgehabten Verwendung der Drehscheibe absehen will. Bei dieser Besprechung
werde ich mich auf die gemalten Ornamente beschränken. Die erhabenen
Zierformen gehören in ein anderes Capitel, und dort raüsste sonst auch noch des
für die betreffende Epoche besonders charakteristischen Strickmusters Erwähnung
geschehen, das sowohl auf Thongefässen angebracht, als auch auf Steinkrügen mit
"■rosser Sorgfalt ausgemeisselt erscheint zur Veranschaulichung von Netz- und
Strickgehängen, vermittelst welcher in Africa und in Süd-Arabien henkellose Ge-
fiisse bewegt und aufbewahrt zu werden pflegen. Das Strickmuster erseheint
übrigens auch sehr oft in gemalter Form wie die anderen Zierformen, rolhbraun
auf dem helleren Grunde der Thongefässe, namentlich der Cylindertöpfe.
Eine andere Kategorie des Ornaments, die, obgleich sie in der vorliegenden
Periode eine grosse Rolle spielt, unter den auf der Tafel 1 dargestellten Motiven
nicht berücksichtigt worden ist, betrifft die Nachahmung von Naturmustern, wie sie
in dem buntgeaderten Gestein, in der Zeichnung der Vogeleier und Früchte, im
bunten Federkleide der Vogel, im gefleckten Fell so vieler Säugethiere, im Schuppen-
panzer der Fische und Reptilien und an unzähligen anderen Naturkörpern sich dem
Nachahmungstriebe des Menschen aufdrängen und für welche die Tättowirungs-
künste der Naturvölker ein sprechendes Zeugniss ablegen. Dieses nonciKia,- Muster
kommt vor Allem in der Nachahmung der harten Gesteinsarten zur Geltun-, in
deren Bearbeitung die ältesten Aegypter bereits Meister waren, so namentlich in
derjenigen von Granit, Porphyr und Breccia, vermittelst rother Flecke und Mar-
morirung auf gelblichem Grunde.
Diese Imitationen scheinen, wenigstens was Aegypten anlangt, für die kunst-
geschichtliche Primogenitur der Steingefässe zu sprechen, deren Gebrauch unter
den hamitischen Wüsten -Völkern von Ober-Aegypten (Ababde und Bischarin) sich
bis auf den heutigen Tag in den allgemein gebräuchlichen Kochtöpfen aus Talk-
schiefer erhalten hat. Mit engen Spiralen dicht bedeckte Gefässe bringen den
Xummulitenkalk zur Anschauung, und an einem eiförmigen Töpfchen von Thon-
erde (Flinders Petrie. XXXV, Fig. 6G) kommen ganz deutlich die schwarzen
Schriftmuster des Eies der Seeschwalbe (Sterna) zum Ausdruck durch in Fett-
schrift angebrachte gleichsam arabische oder vielmehr sassanidische Sehriftzüge.
Ich habe noch eine andere Verzierungsweise der aus den troglodytischen
Gräbern stammenden Thongefässe zu erwähnen, die gleichfalls auf meiner Tafel
keinen Platz fand, die aber in mehreren, in den Werken von Flinders Petrie
und de Morgan gegebenen Abbildungen deutlich zur Darstellung gelangt. Es ist
das Flechtmuster, das plegmatische, das hier, unterstützt von der den Töpfen er-
theilten Form, das Bestreben verräth, in täuschender Nachbildung thönerne Körbe
zu gestalten. Man betrachte nur das auf Tafel IX. Fig. 1, des de Morgan' sehen
Werkes (Origines de l'Egypte) abgebildete Gefäss. Es bietet das vollkommenste
Abbild eines jener grossen Milchkörbe, wie sie die heutigen Somal mit so grossem
Geschick aus den zähen Wurzeln des strauchartigen Asparagus retroflexus F. zu
flechten wissen.
(398)
Die Korbflechterei erweist sich hier ganz klar und deutlich als die frühere
der Künste und als Mutter der Thonbildnerei. Eine solche Zierform auf Thon-
gefässen ist ja nicht auf Africa beschränkt, sie gehört der ganzen Erde an, und
unsere Sammlungen aus der nordischen Steinzeit enthalten prächtige Beispiele
solcher, mit allen Einzelheiten ausgeführten Nachahmungen von Kürben aus ge-
branntem Thon.
Das auf körperlichem Gleichgewicht beruhende Gefühl für Symmetrie steckt
tief im Menschen wegen des bilateralen Baues seines Körpers; der aus diesem
Gefühl erwachsene Instinct bethätigt sich in den tektonischen Trieben, die nicht
den alleinigen Vorzug des Menschen ausmachen. In dem Häufen und Schichten,
im Zusammenfügen von Baukörpern, in Nesteln, Flechten und Mauern treten diese
Triebe in Wirksamkeit, aber gewiss wird auch der Naturmensch bereits auf
frühester Stufe darin durch die zahllosen Vorbilder bestärkt worden sein, die ihm
die Thiervvelt darbot, zumal in Africa, wo ihm die grossen Burgen der weissen
Ameise, hoch in den Zweigen die Blätterbauten der Baum-Termite, die abenteuer-
lichen Gestalten der Vogelnester bis hinab zu den winzigen Steinhütten der Mauer-
Wespe, wo ihm schliesslich die Wühlarbeit und die Höhlenbauten einer Schaar
nächtlicher Vierfüssler auf Schritt und Tritt begegnen. Aus den Leistungen der
Thierwelt bereichert sich seine Erfahrung, der Mensch lernt von allen, und so,
wie er aus den vieltönigen Lauten der Thiere die Elemente seiner Sprache zu-
sammenstellte, ebenso fand sein Nachahmungstrieb in der Formenfülle der Lebe-
welt zahllose Vorbilder zur Bethätigung von Kunst. Der Korb ist gleichsam das
vervollkommnete Modell der Hütte, die er sich zu eigenem Schutze erbaute, daher
prägte sich ihm auch dieses Muster am tiefsten ein, und so entstand das textil-
geometrische Ornament.
Unter den Motiven, in denen die geometrische Stilart gipfelt, steht das Dreieck
obenan. Auf meiner Tafel 1 ist dasselbe in jener doppelten Horizontal-Schichtung
abwechselnder Reihen zu sehen, wie sie der Verzierungsweise der Thongefässe der
troglodytischen Gräber besonders eigen ist. Auch einfache Horizontalreihen von
Dreiecken, sowohl in farbiger Ausfüllung als auch in schraffirter, gestrichelter,
punktirter und dergl. Linien-Ausfüllung sind nicht minder häufig. Das Dreiecks-
Motiv gehört ja der ganzen Welt an, namentlich aber bildet es das Lieblings-
Muster aller Negervölker, sowohl afrikanischer, wie auch australisch-polynesischer.
Am häufigsten ist seine Verwendung auf Thonkrügen und auf hölzernen Trink-
gefässen, dann aber vornehmlich auf solchen, die dem Flaschen-Kürbis entlehnt
wurden. Einfache und parallele Zickzack-Linien gehören derselben Kategorie an
und mögen gleichen Ursprungs sein. Als eine aufgelöste Form dieser Linien mag
das auf der Tafel über der Barke auf beiden Seiten in schrägen Reihen zu sehende
ZZZZ-, NNNN- „der SSSS-Motiv zu betrachten sein. Dasselbe findet häufige Ver-
wendung auf altgriechischen Gefässen (das N-Zeichen hier auch im Negativ seiner
Gestaltung), tritt abei dort in horizontal gestellten zusammenhängenden Reihen
zwischen Parallel -Linien auf, während es hier als willkürliches Ausfüllungs-
Ornament in kurzen und weniggliedrigen Reihen zwischen den Einzelbildern er-
scheint und den Schein (!) erweckt, als hätte die kindische Nachäffung einer sein-
sollenden Schrift zu seiner Kntstchung Veranlassung gegeben.
Eine nicht minder häufige Zierform des troglodytischen Töpferstils macht die
enge Spirale aus, deren Deutung im Zusammenhange mit Nummuliten bereits ge-
dacht wurde, einer Deutung, welcher die auch in diesem Falle unsymmetrische
lose Anordnung des Motivs zur Seite steht. In Reihen gestellte Spiralen spielen
dagegen eine grosse Rolle unter i\vn Ornamenten der trojanischen Thonvasen
(VI. Ansiedelung'), während die altgriechischen Gefässe der irororientalisirenden
Epoche nur concentrische Kreise oder solche zu kennen scheinen, die durch B
linien unter einander in Verbindung stehen.
Am unteren Ende der Tafel 1 gewahrt man viereckige Figuren, die siel
häufig als loses Ornament zwischen den übrigen Motiven zerstreut auf den Töpfer
vorfinden. Flinders Petrie hat dieselben als Segel gedeutet, allein nirgends finden
sie siel) im Zusammenhang mit den so häufigen Barken angebracht. Man hat de
auch als aufgespannte Thierhäute auffassen wollen, eine Deutung, die nur insofern
zulässig erscheint, als die Häute Schilde vorstellen, die nach Analogie derjenigen
der Dinka, Bari, Kaffern und anderer Stämme, vermittelst eines eingefügten Längs-
stabes, dessen Spitze in Aegypten ein Wappensymbol trägt, ihren Halt gewinnen.
Ich komme nun zu den Thicrgestalten, die dieser Ornamentik ein so fremd-
artiges Aussehen verleihen. Unter ihnen treten zunächst die besonders häufigen
Keinen zusammenhängender und stilisirter Vogelschemen hervor. Es ist der
Strauss, der hier wie ein Wappenthier als Symbol der Wüste in ebenso auffälliger
Häufigkeit sich wiederholt, wie in den „graffiti" der oberägyptischen Wüsten, den
in Sandstein und auch in Granitfelsen eingeritzten Thierbildern, die zum Theile
den ältesten Epochen angehören. Als eine Folgewirkung der gewerbsmässigen,
auf ein zeitersparendes, abgekürztes Verfahren bedachten Manufactur begegnet uns
das Princip des Generalisirens der Einzelheiten bei den in Spiralen auslaufenden
Köpfen der Strausse gerade ebenso, wie bei den gleichfalls spiralig endenden Bogen-
linien der Tänzerinnen, die das Mittelstück der Tafel einnehmen. Diese Vogel-
' reihen bieten eine frappante Analogie mit der bereits erwähnten altnordeuropäischen
Ornamentik der griechischen Urzeit dar, von der uns zuerst Conze in den „Sitzungs-
berichten der k. k. Akademie 1870 und 1873" zahlreiche Proben durch Wort und
Bild zur Anschauung gebracht hat. Da sehen wir dieselben schematisirten Vogel-
reihen (Kraniche und Gänse) neben Pferden, Steinböcken und anderen europäischen
Yierfüsslern; auch fehlt es nicht an vereinzelten X-Zeichen bei den Kranichen (auf
einer zwcihenkeligen Schale zu Leiden, II, 1554). Horizontalreihen von Kranichen
finden sich auch auf altgriechischen Schalen aus dem Peloponnes (Schliemann.
Samml. 8872 in Berlin). Allein abgesehen von der Grundverschiedenheit der Ge-
fässe selbst, bieten die rein geometrischen Motive dieses Stils unversöhnliche
Gegensätze zu demjenigen der troglodytischen Zierweise. Der letzteren fehlen
namentlich die Sterne, die Mäander, die durch Bogenlinien verbundenen Kreise.
die conccntrischen Kreise u. A. Auch sind die Thiergestalten nur ausnahmsweise
in ein lineares Schema aufgelöst, sie erscheinen gewöhnlich in voller Ausfüllung
des Körper-Umrisses; das umgekehrte Verhältniss greift aber in der alteuropäischen
Ornamentik Platz.
Von Säugethieren sieht man. abgesehen vom Elephanten der Stadtzeichen, nur
grössere Antilopen der südlichen Gegenden zur Darstellung gebracht, und zwar
sowohl in Horizontalreihen um die Gefässe herumlaufend, als auch gesondert als
zerstreute Einzelfiguren. Man erkennt unter ihnen die Säbel- und Beisa -Antilope
(Oryx leueoryx und Oryx Beisa), ferner Addax-Antilopen, beziehungsweise W
bocke, vielleicht auch Kudus. Der letzteren Kategorie mit langem. 3-förn g - -
schwungenem Gehörn gehören die vier auf unserer Tafel wiedergegebenen Einzel-
bilder an. Nach vorn gekrümmte Gliedmaassen, wodurch offenbar die laufende
Bewegung zum Ausdruck gebracht werden sollte, überraschen den Beschauer,
während bei den in Reihen angeordneten Antilopen- Bildern gerade Extremitäten
vorwalten; in jedem Falle entbehren die Figuren jenes charakteristisch gi spreizten
(400)
Paradeschrittes, der den Figuren des späteren ägyptischen Stils einen so eigen-
artigen Ausdruck verleiht.
Die beiden Reptilien (Krokodil und [?] Chamäleon, beziehungsweise Schleudcr-
schwanz), welche die Tafel enthält, bieten, wie die Tänzerinnen, die innerhalb
des ägyptischen Canons unerhörte Horizontal -Projection des Thierkörpers, hier
vom Rücken aus gesehen, mit ausgebreiteten Extremitäten. Die ägyptische
t Bilderschrift hat vielleicht nur ein Beispiel dieser Art von en face-Dar-
stellung, nehmlieh die Hieroglyphe des Gesichts und die der Gesichts-
theile, wie Auge, Ohr und Mund.
Dieser reiche Bildschmuck auf minderwerthigen Gefässen spricht deutlich
genug für die bereits damals, in einer für uns gleichsam vorgeschichtlichen Zeit,
die festen Bahnen eines bestimmten Stils anstrebende Richtung, der eine lange
Kunstgewöhnung im Naturzeichnen vorhergegangen sein muss.
Sechstausend Jahre bevor sie zu den Griechen gelangte, soll die Zeichenkunst
(pictura), so behaupteten die Aegypter, bei ihnen bereits erfunden gewesen sein,
meldet Plinius (XXXY, 5); aber er beeilt sich hinzuzufügen: „Offenbar eine leere
Aufschneiderei!" Dass es damit doch eine andere Bewandtniss habe, lehren die
ägyptischen Funde der letzten Jahre; denn es ergiebt sich für diese Darstellungs-
weise auf Thongefässen, wenn man sie als bis in die Zeiten vor Menes hinauf-
reichend betrachtet, immerhin doch ein Abstand von 3000 Jahren, der sie von der
Epoche von Mykene scheidet. Die merkwürdigste Leistung dieser Zeichenkunst
sind jedenfalls die drei Frauenfigaren, die aus der Mitte unserer Tafel 1 vor allen
anderen die Blicke des Beschauers auf sich lenken. Tänzerinnen sind da en face
in höchst wirkungsvoller Weise zum Ausdruck gebracht, und zwar in der für ihre
heutigen Tages noch Geltung habende Kunstweise durchaus bezeichnenden Stellung.
Mit geschlossenen oder genäherten Füssen stehen sie stramm und unbeweglich auf
einem Punkt, nur mit der oberen Körperhälfte ihre Bewegungen ausführend. Das
Mittel der Bogenlinie zur Veranschaulichung ihrer Bewegung bewährt sich auch
hier in der Stilisirung der Arme. Die übertriebene steatopyge Hüftenbildung er-
innert an die Tempel bilder von Der-el-bahari bei Theben, welche die Puntfahrten
verherrlichen sollen und wo das afrikanische Fettweib (die sogenannte Hotten-
totten-Venus) eine hervorragende Rolle spielt. Den übrigen, gleichfalls in Voll-
zeichnung ausgeführten menschlichen Figuren ist auf den troglodytischen Töpfen
nur eine Nebenrolle zugewiesen. Es sind Kinder und Männer, in schreitender Be-
wegung gezeichnet, mit Stäben und mit Bogen in der einen Hand.
Als Hauptstück der Bildverzierung und, wie auf unserer Tafel I, den grössten
Theil der Fläche beanspruchend, tritt auf den meisten grösseren Thonvasen die
stilisirte Barke auf. Als deutliche Schriftwerdung einer ägyptischen Idee verräth
diese auf den troglodytischen Gefässen wirksamste und eigenthümlichste aller Zier-
formen ein Zurückweichen des ägyptischen Cultus in die für uns vorgeschicht-
lichen Zeiten vor Menes und eröffnet uns den Einblick in chronologische Tiefen
von ungeahnter Ausdehnung. Die Barke selbst tritt überall in derselben Dar-
stellungs weise entgegen.
Ausnahmslos zeigt das Barkenbild dem Beschauer die Backbordseite. Da die
Aegypter gewohnt wann, sich nach Süden zu orientiren und links (backbord) für sie
Osten, rechts aber Westen war, so scheint aus der Stellung der Barken hervor-
zugehen, dass man Bie sich in stromaufwärts gerichteter Fahrt dachte. Die sehr
zahlreichen Ruder sind in zwei Gruppen getrennt, in eine vordere und eine hintere.
Drei grössere Ruder werden am hintersten Theil als Steuer sichtbar. Das Verdeck
trägt in der Mitte stets zwei Cabinen, die durch eine Brücke verbunden sind. Die
(401)
hintere hat an ihrem Hinterende stets einen Plaggenstock befestigt, dessen Fahne
durch zwei Striche markift wird, während die Spitze von einem das Stadtwappen
charakterisirenden Symbol gekrönt ist.
DerElephant, und zwar der geschirrte, also gezähmte(I) Elephant, dessen Bild
auf dem Flaggenstock der abgebildeten Barke zu sdun ist, war. wie längst be-
kannt, das uralte Symbol der Insel Klcphantine. Am Bug der Harken lässt sich
das hängende Ankertau erkennen', und stets ist der Schiffsschnabel mit einem
doppelten Palmwedel geschmückt, der sieh im Bogen Dach rückwärts biegt. Eine
Anzahl verschiedenen Barkenbildern entlehnter Flaggenstangen mit Stadt- oder
Gauwappen sind an beiden Seiten der Tafel zur Anschauung gebracht, unter deren
Emblemen sich einige bekannte Hieroglyphen-Zeichen verrathen. —
Hr. Rud. Virchow: Die Darstellung des Hrn. Schweinfurth scheint mir
durch ihre Klarheit und durch die Sicherheit ihrer naturwissenschaftlichen Unter-
lagen von überzeugender Gewalt zu sein. Hoffentlich wird sie in ähnlicher Weise
auch auf die Aegyptologen vom Fach wirken. Für mich war es nicht schwer.
unserem scharfsinnigen Freunde auf seiner weiten Wanderung durch botanische
und philosophische Gebiete zu folgen, da ich schon von meiner ägyptischen Reise
die Ueberzeugung mitgebracht hatte, dass die Cultur in dem alten Lande der
Pharaonen nicht erst mit Menes begonnen haben könne, in einer Vorahnung, die
muh jetzt selbst überrascht, sagte ich in der Sitzung vom 21. Juli 1888 (Verhandl.
S. ü'l): „Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass unter den gewaltigen
Schuttbergen, welche die Hauptstädte des alten Reiches, Memphis und Thinis
(Abydos), noch jetzt bedecken, prähistorische Plätze und Gräber verborgen liegen. -
Nun ist es gerade Abydos gewesen, welches die grössten Aufschlüsse über die
vormenesische Zeit geliefert hat, und ich freue mich herzlich darüber. Weiterhin
hatte ich die prähistorischen Reminiscenzen besprochen, welche sich in der Tracht
und den Geräthen der alten Aegypter erkennen lassen, und welche darauf hin-
deuten, dass „es eine Zeit gegeben haben muss, wo Xomaden das Land durch-
streiften und ein sesshaftes Leben im Sinne der historischen Zeit noch nicht aus-
gebildet war". „Zur Aufklärung der damaligen Verhältnisse", fügte ich hinzu,
-würde es erforderlich sein, die Geschichte der Thiere und der Pflanzen mit be-
sonderer Rücksicht auf die Frage ihrer Indigenität und ihres Importes einer ge-
naueren Erörterung zu unterziehen" (ebendas. S. 392). Ich schloss damit, dass
nach meiner Auffassung die altägyptische Rasse selbst eingewandert sei, und zwar
in vorhistorischer Zeit (S. 393). Nachdem jetzt Hr. Schweinfurth die Aufmerk-
samkeit nicht bloss auf die asiatischen (südarabischen) Einflüsse, wie ich annehme.
in unerschütterlicher Weise gelenkt, sondern auch ursprünglich afrikanische (nu-
bische) Einflüsse nachgewiesen hat, wird die neue Epoche der vorgeschichtlichen
Forschung, die so glänzend eingeleitet ist, sicherlich mit jedem Jahre neue Er-
zu verzeichnen haben, und wir müssen nur bedauern, dass gerade einer der
thätigsten Arbeiter auf diesem Gebiete, unser correspondirendes Mitglied Hr.
de Morgan, von diesem Felde seiner Forschungen abberufen worden ist. Hrn.
Schweinfurth werden wir auf seiner neuen Heise mit den hoffnungsvollsten Er-
wartungen begleiten. —
3. Bericht des Hrn. Lud. Virchow über
die Kopfhaare aus den prähistorischen Gräbern Ober-Aegyptens.
Eine der Hauptfragen, welche durch die Funde des Hrn. Flinders Petrie und
der französischen Untersueher hervorgetreten war. betraf die Zugehörigkeit der-
Verhandl. der Berl. AnthropoL Gesellschaft 1897. •■>,;
(402)
jenigen Bevölkerung-, welche die nunmehr aufgedeckten prähistorischen Gräber er-
richtet hatte, zu den sonst bekannten Stämmen des Landes. Hr. Petrie hatte
dieselbe dem libyschen Stamme zugerechnet und sie damit im Gegensatze zu der
hamitischen Bevölkerung als eine „fremde" Rasse bezeichnet. Eines der auf-
fälligsten Merkmale dafür schien in der Farbe des Haupthaares zu liegen. Da nun
unter den neuerlich gesammelten Haar- Proben blond aussehende zahlreich ver-
treten waren und die alten Aegypter in ihren Wandgemälden solche Haare den
Libyern beigelegt hatten, so war es ein Gegenstand ersten Interesses festzustellen,
ob es sich hier in der That um blondes Haar handle oder ob ursprünglich dunkles
Haar auf irgend eine Weise gelichtet worden sei1).
Hr. Schweinfurth selbst war geneigt, das Letztere anzunehmen. In einem
Briefe vom 2. Juli bemerkt er: „Nach Analogie der Somal, bei denen das Haar-
färben sehr im Schwünge ist, wird man zunächst an 3 Proceduren beim Färben zu
denken haben:
1. ungelöschten Kalk,
2. Urin,
3. Henna."
Er hat nun eine Reihe von Proben des von den HHrn. Lampre und Legrain
gesammelten Haares aus prähistorischen (neolithischen) Gräbein an mich gelangen
lassen, die Mehrzahl vom Gebel Silsileh (Silsilis), wo das Haar auf kleinen flachen
Schalen oder Tellern neben den Leichen, wie man annahm, als Opfergabe auf-
gestellt war. Einzelne Büschel sind direct vom Kopfe der Leichen oder aus dem
Erdboden entnommen.
Färbung durch Henna muss nach dem Ergebniss der von Hrn. Salkowski
angestellten chemischen Untersuchung direct ausgeschlossen werden. Ebenso ist
nach der mikroskopischen Untersuchung jede andere Färbung durch einen wirk-
lichen Farbstoff abzuweisen. Nirgends zeigen diese Haare einen farbigen Ueberzug
oder einen äusseren Niederschlag; vielmehr sind sie durch und durch gleichmässig
gefärbt. Auch die gelben Haare lassen keine Spur von körnigem Pigment er-
kennen, wie es sonst so häufig in der Rinde und in dem Mark gefunden wird.
Das scheinbar dunkle Aussehen der Markstreifen im durchfallenden Licht verliert
sich bald nach der Einwirkung kaustischer Flüssigkeiten; es ist nur durch Luft-
einlagerung hervorgebracht.
Was die Frage nach der Entfärbung durch ungelöschten Kalk oder Urin be-
trifft, so ist dieselbe direct kaum zu lösen, da nach so vielen Jahrtausenden die
ursprüngliche Einwirkung so leicht löslicher Substanzen schwerlich mehr ermittelt
werden kann. Es giebt aber ein anderes Motiv, welches Bedeutung haben dürfte.
Pasl alle mir übergebenen Proben, abgesehen von den ganz farblosen (weissen).
sind nur partiell entfärbt. Gewöhnlich besteht ein grosser, zuweilen der grössere
Theil der Haare aus schön gewundenen, „frisirten" Büscheln, oder, wie man geradezu
sagen kann, aus Lücken, viele von beträchtlicher Länge und von ausgemacht
schwarzer, häufig freilich sehr matt aussehender, zuweilen jedoch so glänzender
Farbe, dass man die elben als „frisch" bezeichnen kann. Unter diesen Locken
finden sieh einzeln., die in allen Nuancen von Hellbraun bis zu wirklichem Blond
glänzen. Nicht selten ist das Ende (die Spitze) einer solchen Locke allein gelb.
der übrige Theil noch schwarz. Ich halte das für einen offenbaren Beweis, dass
die Entfärbung nichi im Leben Ai'\- Individuen stattgefunden hat. da alle uns be-
kannten „Frisuren" dieser \h gleichmässig über das gesammte Haar sich aus-
1) Vcrgl. meine B i-kungen über das Haar der Aline (Vorhandl. 1896, S. 196).
(403)
dehnen. Offenbar ist diese partielle Entfärbung erst nach der Bestattung der
Leichen eingetreten, und zwar da. wo die Bodenfeuchtigkeiten zu dem Haar Zu-
intt landen.
Durch welche Eigenschaft die Bodenfeuchtigkeit derartige Wirkungen hervor-
bringt, ist nicht genau bekannt Wir kennen jedoch eine Substanz, deren Wirkung
äusserst prompt ist, nehmlich das Wasserstoff-Superoxyd. Hr. Balkowski
hat eine besondere Reibe von Versuchen, sowohl mit frischem Haar, als mit dem
aus den ägyptischen Gräbern, angestellt, welche ganz positive Resultate ergaben.
Es mag nun dahingestellt bleiben, ob Wasserstoff-Superoxyd sich spontan im Boden
entwickelt oder ob andere Substanzen, z. B. Kalk, die Haare angreifen, in jedem
falle genügt die Erklärung, dass es sich hier um eine posthume Veränderung
handelt. Dabei ist besonders bemerkenswert!!, dass unter dieser Veränderung das
körnige Pigment sich gänzlich auflöst und die restirende Farbe als eine gleich-
massige, diffuse sich darstellt.
Je nach der Stärke der Veränderung lässt sich noch eine andere Besonderheit
Mahrnehmen. Wenn man unter dem Mikroskop zu den, gewöhnlich schon durch
ihre grosse Brüchigkeit ausgezeichneten Haaren eine alkalische Lauge treten lässt,
so gewahrt man ein schnelles Aufquellen derselben, wobei auch die noch sicht-
baren .Markstreifen alsbald verschwinden; fügt man dann Wasser hinzu, so sieht
man ein stärkeres Aufquellen und zuweilen eine vollständige Auflösung der Haar-
substanz, und zwar, wohl bemerkt, schon in der Kälte. Der Gegensatz gegen die
noch nicht so stark angegriffenen Haare, welche der Kalilauge Widerstand leisten,
isl höchst auffällig. Der Einfluss zersetzender Substanzen macht sich auch da-
durch bemerklich, dass an der Oberfläche der brüchigen Haare eine Art von (post-
bumer) Abblätterung stattfindet, indem die äussersten Rindenlagen sich lockern, die
einzelnen Hornplättchen lose werden und endlich sich abtrennen, wodurch der
Haarschaft zusehends dünner wird.
Obwohl allerlei fremdartige Bestandteile, z. B. Federn, gelegentlieh zwischen
den Haaren vorkommen, so besteht doch der Hauptantheil aus menschlichem, meist
langem und gelocktem Haar. Darunter ist nur die grosse Anzahl sehr dünner Haare
auffällig, wie sie sonst mehr im Unterhaar sich finden: sie sind vorzugsweise die
Träger der gelben Farbe, während die stärkeren Exemplare in der Be^el tiefbraun
lussehen. Da. wo .Markstreifen erhalten sind, haben sie geringe Stärke und sind
häufig unterbrochen. Aus manchen Gräbern sind Klumpen aus gelocktem Haar,
das fast den Eindruck macht, als sei es absichtlich aufgewickelt oder zusammen-
gepresst, in grösserer Anzahl vorhanden. Darunter befinden sich, wie erwähnt.
nicht selten ganz farblose, weiss oder grau aussehende Ballen. Sie hatten schon
die Untersucher der Gräber zu der Frage geführt, ob hier nicht Haare von Thieren,
namentlich von Ziegen oder Gazellen, beigemengl seien, — eine Vermuthung,
welche dadurch gestützt wurde, dass /.wischen ihnen bautartige Fetzen, die noch
mit Ilaaren besetzt waren, in grösserer Zahl vorkamen. Nicht ohne Grand ver-
muthete man darin die Beste von Thierl'ellen.
In der Thai hat sich in verschiedenen Proben Ziegenhaar nachweisen lassen.
Die betreffenden Klumpen w.u.:: gewöhnlich farblos oder weiss, zuweilen braun,
roth oder gelblich, die Haare sehr grob und mehr gestreckt. h\ den einzelnen
Haaren zeigte das Mikroskop die breiten, mit deutlichen Mark/eilen ausgefüllten
Markröhren, wie sie das Haar unserer Ziegen enthält. Dies war namentlich der Fall
in Gräbern vom Gebel Silsileh, wo neben der „contracten", „in Embryonalstellung
liegenden" Leiche Opferteller mit Haar aufgestellt waren (Nr.25). Das Haar der Leiche
bildete sehr dunkle, wellige Locken; die einzelnen Fäden hatten dicke, dunkle, mit
(404)
hellbraunen Markzcllen gefüllte Markröhren. In einem anderen Grabe (Nr. 3), das bei
Negada im Norden vom Gebel Silsileh aufgedeckt und der älteren neolithischen
Zeit zugerechnet war. fanden sich einzelne Getreidekörner, die man als Weizen
'hütete; mir schienen sie mehr der Gerste zu entsprechen. Das vermuthete Ziegen-
haar wurde an dieser Stelle nicht gefunden, wohl aber gelbe und braune, meist sehr
zarte Haare, viele ohne, einige mit Markstreifen. Ebenso wenig traf ich Ziegenhaar
unter den sehr reichlichen Haarklumpen aus dem Grabe Silsileh Nr. 10, die theils im
Erdboden, theils iri kleinen flachen Gefiissen gelegen hatten. Wegen der sehr ver-
schiedenen Farbe (grau, röthlich, gelbgrau, kastanienbraun, aber nicht eigentlich
blond) der ziemlich langen Haare war die Versuchung, hier Thicrhaar zu sehen.
besonders gross; ich vermochte jedoch kein deutliches Thierhaar zu unterscheiden.
Eine wirkliche „Färbung" sah man an einem menschlichen Schläfenbein vom
Gebel Silsileh (Nr. 13), welches offenbar angebrannt war. Es zeigte einen feinen
Ueberzug von Eisenrost und dickere Kohlenbeschläge, am Warzenfortsatz an-
geschmolzenes Harz. -- Einige Haare (Nr. 4), die auf dem Scheitel eines Bega-
Schädels, gefunden 1897 bei Assuan, angeklebt gewesen waren, zeichneten sich
durch ihre Feinheit und ihre, unter dem Mikroskop, intensiv gelbe Farbe aus; die
Markstrahlen waren vielfach unterbrochen. Natron-Lauge löste diese Haare nicht.
Hier zeigte sich also ein erkennbarer Unterschied der Haare aus neueren Gräbern
gegenüber den prähistorischen.
Alles zusammengenommen, darf man also wohl schliessen, dass Spuren einer
wirklich blonden Bevölkerung hier nicht zu Tage gekommen, dass viel-
mehr die gelben, gelbgraueu und grauen Haare in der Erde nachträglich entfärbt
worden sind. Gleichzeitig haben sie jene auffallende Brüchigkeit und jene Lös-
liehkeit in kalten Laugen erlangt, wodurch sie sich von frischem Haar so wesentlich
unterscheiden. Noch mehr W^erth lege ich darauf, dass sie unter dem Mikroskop
eine gänzlich homogene, verwaschene Färbung zeigen, die nach meiner Auffassung
nur durch die Auflösung früherer Pigmentkörner bedingt sein kann. Auch ist diese
diffuse Färbung sehr häufig so intensiv goldgelb, wie sie natürlicherweise an
blondem Haar nicht vorkommt. Dabei besitzt keine einzige der eingelieferten
Proben eine gleichmässige Farbe; es sind, wie gesagt, in der Kegel nur einzelne
Locken oder Theile von Haarlocken, welche das helle Colorit angenommen haben,
und diese zeigen alle Uebergänge vom Dunkelbrau zu einem gelben oder gelb-
lichen, zuweilen auch röthlichen Aussehen.
Als natürliche Farbe der prähistorischen Bevölkerung muss daher
die schwarze (makroskopisch) oder braune (mikroskopisch) angesehen
werden. Diese dunkle Farbe hat aber nicht das gesättigte Colorit des Neger-
haares. Ebenso wenig habe ich an irgend einer Stelle das von mir „spiral-
gerollt" genannte „ Wollhaar " der afrikanischen Schwarzen wahrgenommen:
statt wirklicher „Spiralröllchen" fand ich überall nur weitgewundene Locken, wie
sie sich aus „welligem" Haar hervorbilden, vorwaltend sogar jene regelmässigen,
wie künstlich in grössere Kreise gelegten Büschel, für welche in der Literatur der
Ausdruck ^frisirt" gebräuchlich ist. Es ist dies dasselbe Haar, das wir auf
Mumienporträts abgebildet, gelegentlich auch auf getrockneten Mumienköpfen auf-
sitzend, treffen. Wenn daher eine Vergleichung mit anderen Rassen beliebt wird,
so werden wir daran festhalten müssen, dass das prähistorische Haar am
vollkommensten mit dem Haar der historischen Hamiten überein-
stimmt. Daraus folgl dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute dor
prähistorischen Gräber als älteste Hamiten aufzufassen sind.
(405)
Es mag noch hinzugefügt weiden, dass ich gruppenweise oder auch nur ver-
einzelt Locken, welche auf eine Mischung verschiedener Stämme hinweisen könnten.
in den mir zugegangenen Sendungen nicht wahrgenommen habe. Da ich Schädel
aus dvn ältesten Gräbern nicht erhalten habe, so muss ich aul' eine weitere Ver-
gleichung verzichten; indesa darf ich nicht verschweigen, dass, so wünschenswert!]
eine Milche Vergleichung wäre, ich von derselben keine Aenderung meint- Ge-
sammturtheils erwarte. Trotzdem erkläre ich, dass ich bei der grossen Wichtigkeit
des aufgeworfenen Problems eine weitere Verfolgung der einzelnen Seiten dieser
Forschung für geboten erachte, und dass ich mich gern bereit erkläre, die Unter-
suchung fortzusetzen.
Ausserdem ist es vielleicht wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass die
bisherigen Materialien sich ausschliesslich auf Qber-Aegypten be-
ziehen, dass also die gefundenen Resultate für Unter-Aegypten und die daselbst
edrungenen fremden Kassen keine entscheidende Bedeutung haben.
(31) Hr. Stud. med. et phil. Alexander Waruschkin übersendet aus München.
5 October, folgende
Beschreibung von 5 Ngumba- Schädeln aus der Sammlung Zenker
(III c. 66S9d, e; f. g, h).
Die Schädel sind angeblich die von Voreltern des Häuptlings der Xgumba im
südlichen Kamerun. Sie befanden sich in einem cylindrisehen Rindengefäss und
sind sämmtlich mit Rothholz gefärbt und in der Bregmagegend mit Pech bedeckt.
Schädel f und h haben 1 cm vor dem Bregma je ein kleines Loch; Schädel g hat
zwei Löcher, das eine am Bregma, das andere 1,5 cm vor demselben. Schädel e
und f tragen an den Processus zygomatici einen Kupferring mit Durchmesser von
etwa 1 cm. Bei Schädel f und g ist am .lochbogen ein kleiner Büschel aus Cocos-
nuss-Fasern befestigt. In Schädel h ist ein Stein von 8 <■/« Länge und 4.5 cm Breite
s liegt. —
1. Schädel (d) eines ungefähr 45 50jährigen Mannes.
Der Schädel ist im Allgemeinen sehr gut erhalten, nur an einzelnen Knochen
sind kleine Defecte zu verzeichnen, nehmlieh: am Os maxillae an der Seite in
der Gegend des 111. Biolars ist die Highmorc-Höhle von aussen her geöffnet. Von
den Zahnen sind nitra vitam verloren: aus dem Oberkiefer der III. Molar rechts,
aus dem Unterkiefer der I. Molar rechts und sämmtliche Incisivi. Post mortem
blieb nur der III. Molar rechts unten erhalten.
Norma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Theil des
Hirnschädels gross, jedoch sind oberhalb der beiden Wangenbeine zu beiden Seiten
schmale Stücke des Hinterhauptes sichtbar. Die Stirn ist ziemlich niedrig. Der
Gesichtsschädel ist hoch, breit und viereckig, der Unterkiefer kräftig entwickelt.
Nasenbeine sind schmal, rechteckig. Der Nasenrücken ist schwach coneav.
Die Aper tura pyriformis ist länglich bim förmig. Die Orbita ist sehr hoch und ab-
gerundet viereckig, mit der Queraxe etwas nach aussen abfallend. Der obere und der
untere Kami springen etwa- vor. Die Entfernung von einem Dakryon zum anderen
ist sehr gross.
Norma lateralis. Das Gesicht ist im Vergleich mit dem Hirnschädel nicht
- und wenig prognath. In der Gegend des Nasion ist fast keine Einsenkung
vorhanden. Die Glabella springen sohr wenig vor, die Stirn tritt etwas zurück. P> i
Hirnschädel ist lang und hinten abgerundet. Die Lineac semicirculares temporales
(406)
sind doppelt, kräftig-, und reichen sehr weit hinauf (geringster Abstand 85 mm).
Das Pterion ist normal, Processus mastoides sind massig gross.
Xorma verticalis. Der Schädel ist phaenozyg, annähernd eiförmig, vorn
etwas abgestumpft. Die Sutura sagittalis ist vollständig, die S. coronaria nur in
der Schläfengegend verstrichen. Die Foramina parietal ia sind verschwindend klein,
die Scheitelbeinhöcker treten stark hervor.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist fast kreisrund. Die Linea
nuchae superior ist sehr stark ausgeprägt, die Crista occipitalis externa und die
Protuberantia occipitalis externa dagegen sehr wenig. Die Sutura lambdoides ist
in der Lambdagegend völlig verknöchert, in der Asteriongegend sehr reichzahn ig;.
Norma basilaris. Die Hinterhauptsschuppe ist in der Gegend des Poramen
magntfm etwas abgeflacht. Das Foramen magnum breitoval und nach hinten um
11,5° geneigt, die Condylen gross und gewölbt. —
2. Schädel (e) eines 40 — 50jährigen Mannes.
Erhaltungszustand: sehr gut, nur die Highmore-Höhle an der rechten Seite
durch einen Defcct des Os maxillae von unten geöffnet. Im Oberkiefer sämmt-
liche Zähne intra vitam verloren, ebenso im Unterkiefer, mit Ausnahme der beiden
Canini und des II. Praemolaris links.
Xorma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Theil des
Hirnschädels klein, massig hoch, breit und annähernd fünfeckig. Die Stirn ist
niedrig, die Nasenbeine sind zu einer schmalen und kurzen Leiste verkümmert,
die Processus nasales ossis maxillae dagegen mächtig entwickelt. Die Apertura
pyriformis ist dreieckig, hoch und schmal; Andeutung von Fossae nasales. Die
Orbita ist sehr hoch, abgerundet viereckig, mit vorspringenden Rändern und lallt
nach aussen ab.
Xorma lateralis. Der Gesichtsschädel ist verhältnissmässig klein und etwas
prognath, die Gegend des Nasion ganz wenig eingezogen. Die Glabella springt
stark vor, die Stirn ist etwas zurückgeneigt. Der Hirnschädel ist sehr lang und
in der Hinterhauptsgegend abgerundet. Die Lineae semicirculares sind nicht sehr
stark entwickelt und reichen ziemlich hoch (der kleinste Abstand 120 mm). Pro-
cessus mastoides sind mittelgross, Pterion normal.
Norma verticalis. Der Schädel ist schwach phaenozyg und annähernd ei-
förmig, vorn etwas abgestumpft. Der Verknöcherungs-Process der sehr wenig ge-
zackten Nähte hat bereits begonnen, dieselben sind jedoch gut sichtbar. Von
einem der Foramina parietalia ist eine Spur vorhanden.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist kreisrund, die Lineae nuchae
superior und inferior mächtig entwickelt, ebenso die Crista occipitalis externa.
Oberhalb der Linea nuchae superior befindet sich eine tiefe Grube. Die Sutura
lambdoides, wie alle Nähte dieses Schädels, zahnarm.
Norma basilaris. Das Os occipitale ist unten abgeflacht und in der Gegend
des Foramen magnum etwas eingesenkt. Letzteres ist sehr gross, breitoval und
nach hinten um etwa 10 geneigt. Die Condylen sind gross und gewölbt. —
3. Schädel (f) eines 40— 50jährigen Mannes(?).
Erhaltungszustand: ziemlich gut. üefecte sind folgende zu verzeichnen:
am Os occipitale fehlt das Corpus basilare mit den Processus condyloides; das Os
maxillae ist am unteren Theil in der Gegend des 11. und 111. Molars links ab-
gebrochen. Es isl Behr zweifelhaft, ob die Mandibula zu diesem Schädel gehört.
Die Zähne des Unterkiefers sind sämmtlich intra vitam verloren, die des Ober-
(407)
kiefers ebenfalls bis auf Caninus and beide Praemolares links, Caninus und
II. Praemolar rechts.
Norma facialis. Das Gesicht ist niedrig, fünfeckig, breit und im Vjer-
bältniss zum sichtbaren Theil des Hirnschädels klein. Die Stirn i-t niedrig, die
Nasenbeine sind lang und schmal. Die Apertura pyrifonnis ist abgerundet drei-
eckig; die Orbita ist sehr hoch und viereckig abgerundet, ihre Queraxe fällt nach
aussen ab.
Norma lateralis. Der Schädel ist sehr prognath (13°); die Gegend des
Nasion nicht eingezogen, die Glabella kaum bemerkbar. Die Stirn ist etwas nach
hinten geneigt, der Hirnschädel ziemlich lang- und in der Hinterhauptsgegend
abgerundet. Die Linear semicirculares sind gut zu sehen und in der Bre^nia-
gegend etwa 108 nun von einander entfernt Die Processus mastoides mittel.
das Ptcrion normal.
Xorma v ert i cal is. Der Schädel ist phaenozyg and eiförmig. Alle Nähte sind
offen und sehr zahnarm. Auf der rechten Seite eine Spur des Foramen parietale
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist abgerundet. Die Lineae
nuchae superior und inferior und die Crista occipitalis externa sind gut entwickelt.
die Protuberantia occipitalis externa ist klein. Die Sutura lambdoides ist offen
und zahnarm.
Xorma basal is. Das Os occipitale ist in der Gegend der Crista occipitalis
externa stark abgeflacht. Corpus basilare und Processus condyloides fehlen (siehe
oben S. 4(J(J unter Erhaltungszustand). -
4. Schädel (g) eines ungefähr 40jährigen Mannes.
Erhaltungszustand: Der Schädel ist weniger gut erhalten. Das Os occipitale
hat grosse Defecte, es fehlen das Corpus basilare. die Processus condyloides und der
unterste Theil fast bis zur Linea nuchae inferior. Am Oberkiefer ist der erste
Incisivus links intra vitam verloren, alle übrigen Zähne post mortem; am Unter-
kiefer rechts der Caninus, die beiden Praemolares und der zweite Molar, links
beide Praemolares und Caninus post mortem, die übrigen intra vitam.
Norma facialis. Das Gesicht ist im Verhältniss zum sichtbaren Theil des
Hirnschädels massig gross und fast oval. Die Stirn ist niedrig, die Nasenbeine
sind lang, schmal und nahezu rechteckig. Die Apertura pyriformis ist dreieckig.
aber sehr stark abgerundet. Die Orbita ist sehr hoch, abgerundet viereckig und
fällt nach aussen ab. Beide Foramina supraorbitalia sind vorhanden.
Norma lateralis. Der Schädel ist prognath (9°), die Ossa nasalia sind etwas
concav, jedoch ist das Nasion nicht eingezogen. Die Glabella ist gut bemerkbar.
die Stirn etwas zurückgeneigt. Der Schädel ist lang und in der Hinterhaupt--
1 abgerundet Die Linear semicirculares sind sehr deutlich und in der
Bregmagegend 116 mm von einander entfernt. Die Processus mastoides sind mittel-
gross. Das Pterion ist normal, jedoch liegt in der Ptrriongegend ein Schaltknoehen
von 2,3 cm Länge uml l,G c//i Breite.
Norma verticalis. Der Schädel ist phaenozyg und eiförmig. Die Sutura
coronaria ist ganz, offen, dir S. sagittalis dagegen völlig verstrichen. Km Poramen
parietale ist deutlich sichtbar.
Norma occipitalis. Die Hinterhaupts-Ansicht ist gerundet, die Linear nuchae
superior et inferior sehr gut entwickelt. An Stelle der Protuberantia occipitalis
externa ist eine Abflachung vorhanden. Dir Sutura lambdoides ist in ihrem u:
Verlaufe relativ zahnreich.
Norma basalis ben: -Erhaltungszustand". —
(408;
5. Schädel (h) einer 35 —40jährigen Frau.
Erhaltungszustand: verhältnissmässig schlecht. Grosse Defecte am Os
occipitale: die ganze Gegend des Foramen magnum mit Corpus basilare und Pro-
cessus condyloides fehlt. Ebenso Laminae papyraceae, Os palatinum und innere
Nasenknochen. Die Highmore-Höhle ist links unten durch einen Defect des Os
maxillae geöffnet, der Processus zygomaticus ossis zygomatici abgebrochen. Von
den Zähnen sind post mortem verloren: aus dem Oberkiefer die Incisivi, Canini
und die Praemolares rechts; aus dem Unterkiefer, dessen Zugehörigkeit zum Schädel
zweifelhaft erscheint, die Canini und Praemolares. Die übrigen Zähne sind intra
vitam verloren.
Norma facialis. Das Gesicht ist niedrig, breit und viereckig und im Ver-
bältniss zum sichtbaren Theil des Hirnschädels ziemlich gross. Die Stirn ist
niedrig und zurückgeneigt. Die Nasenbeine sind kurz, breit und coneav. Die
Apertura pyriformis ist gross und breit. Die Orbitae sind sehr hoch, viereckig ab-
gerundet und fallen etwas nach aussen ab.
Norma lateralis. Der Schädel ist sehr prognath (14°). Nasiongegend nicht
eingezogen. Glabella flach. Der Schädel ist lang, die Hinterhauptsgegend vor-
gewölbt. Die Lineae semicirculares sind schwach sichtbar, in der Bregmagegend
110/«'// von einander entfernt. Die Processus mastoides sind klein. Der rechte
Keilbeinflügel ist sehr klein, links ist ein breiter Processus frontalis vor-
handen.
Norma vertiealis. Der Schädel ist wenig phaenozyg, die Hirnkapsel ei-
förmig. Alle Nähte sind offen und im Allgemeinen ziemlich zackig. Foramina
parietalia fehlen.
Norma occipitalis. Lineae nuchae superior et inferior und Crista occipitalis
externa sind schwach entwickelt. Die Linea nuchae suprema ist in Spuren vor-
handen. Die Sutura lambdoides ist ganz offen und relativ sehr zackig.
Norma basilaris: siehe oben: ..Erhaltungszustand". -
Nummer .
Geschlechl
Alter. .-.
Frankfurter Länge ....
Grösstu Länge
„ vom Nasion
Breite
Ohrhöhe
Hintcrhauptelänge . . . .
lii-siulil >\\ iiiki-1 ...
Höhe
Kleinste Stirnbreite. . . .
Jochbreite
Wangenbreite
Gesichtshöhe
d
e
f
§
h
S
$
s*
5
$
40—50
40-50
40—50
40
35-40
Messzahlen.
1S4 183
171
17'.)
161
183
183
171
178
1Ü4
184
lir3
173
178
1CG
136
138
134
132
126
117
127
11!)
120
113
91
91
98?
90?
86?
7
!)
13
'.)
14
138
114
130?
125?
IIB?
93
05
Hl
07
91
130
127
120
123
127
100
92
sc,
93
8(5
11 8?
100?
Km?
103?
(40! »)
Kammer
Geschlecht
Alter
fCsicht mm
Nasenhöhe r
Nasenbreitc „
[nterorbitale Breite von einem
I lakryon zum anderen .... r
Basioil bis Nasenwurzel
.. Alveolar-Rand
.. . .. Kinnrand
Bregma
.. Lambdawinkel
Poramen magnum, Länge
, Breite
Distant, auriculo-orbit
Orbita, Breite die grösste vom
Dakryon ans
Orbita, Höhe „
.. . Tiefe
al-Umfang
des Stirnbeins .
.. Scheitelbeins ..
der E.-Schuppe .
Horizontal-Umfahg (maxim.)
Quemmfang (Ohrgrube)
Breite zwischen den Ohrpunkton.
Unterkiefer -
winkeln
Unterkiefer, Asthöhe _
Astbreite, gross
senkrecht zur Höhe
ae l aterkieferhöhe
Alveolar-Breite des Oberkiefers .
Gaumen, Breite
„ . Läng«
Asterion-Breite
< 'ubischer Inhalt
Gewichl mit Unterkiefer . . .
ohne Unterkiefer
S< hne, St irnbein mm
. Scheitelbein
. Schuppe
d
S
40—50
e f
40-50 40-50
ö
40
69
51
23
26
107
105
1171
136
124
34
30
70
40
40
50
370
120
135
100
520
308
115
98
57
45
30
66
36
17
110
1300
702
642
106
120
[00
65
45
25
26
LOO
101
113?
140
128
39
32
67
40
32
53
385
125
140
102
520
330
110
90
55
39
30
49
35
47
120
1437
675
11"
121
102
62
42
24
22
64
41
36
4S
360
119
130
95
490
308
105
87
52
39
20
51
32
45
102
1228
627
686
115
112
95
65
45
24
26
65
37
36
49
3S0:
135
140
90 :
505
308
105
87
52
40
25
61
31
46
96
L835
115
120
1.
35-40
64
r
27
29
63
33
47
353?
113
122
47.".
308
105
90
51
39
23
57
42
100
1171
377
I
-
-
(410)
Nummer.
Geschlecht
Alter . . ,
5
40—50
S
40-50
f
40-50
5
40
2
35-40
Längenbreitenindex
Längenhühenindex
Breitenhöhenindex
Länge : Ohrhöhe
Stirnbreite : Jochbreite
1 resichtsindex, Höhe : Jochbreite . .
Obergesicbtsindex, Höhe : Jochbreite.
Obergesichtsliöhe : Kieferbreite . . .
Nasenindex
"Orbitalindex
Gaumenindex
IT.
Indices.
73,9
75,4
78,4
73,7
76,S
75,0
78,3
76,0
69,8
70,1
91,3
95,8
103,1
105,2
109,6
63,6
69,4
69,6
67,0
68,9
71,5
74,8
75,8
78,9
78.'.)
83,1
78.7
83,3
S3,7
78.7
53,1
59,7
51,7
52,8
50,4
69,0
70,7
72,1
68,8
74,4
54,9
55,5
57,1
53,3
60,0
100,0
80,0
87,8
97,3
89,1
77,6
75,5
71,1
67,4
85,7
(32) Hr. F. Hösenmnn, Assistenzarzt I. Kl. in der Kaiserlichen Schutztruppe
für Ost-Africa, übersendet dem Vorsitzenden aus Ujiji, 25. Mai, folgende
anthropologische Aufnahmen1) von Eingebornen aus Ujiji.
1. Name, Stamm, Geburtsort, Wohnort, Be- I a) Auge.
schäftigung, Sprache.
_'. Geschlecht.
3. Alter.
4. Ernährungszustand.
5. Schädelform.
6. Kieferstellung.
7. Muskelstärke (Hub und Druck).
8. Gewicht.
'.». I'uls pro Minute.
10. Athemzüge pro Minute.
11. Temperatur in der Acbselhöhle.
12. Schärfe der Sinne i b) Ohr.
I c) Haut.
Ia) der Haut.
b) „ Lippen.
c) „ Nägel.
I a) des Kopf-
14. Farbe und Beschaffenheit ■{ haarea.
I b) des Bartes.
15. Behaarung des übrigen Körpers.
) a) der Regenbogenhaut,
\ b) „ Bindehaut.
16. Färb
1) Die Messungen sind mit einem Beckenmesser nach Prof. Zweifel (Leipzig) gemacht
1-
2.
3.
1.
Almas, Mbwari,
Sambano, Ujiii,
Soldat. Kibwariu. Kisuaheli
Djiji, d. 11. Oct. 1896
Hamiss. Mbwari,
Makerre, Ujiji,
Soldat, Kibwariu. Kisuaheli
Ujiji, (1. 11. Oct. 1896
Virovnko. Mjiji,
Ujiji, l.|i.|i.
Fischer, Kijiji
Ujiji, d. 12. Oet. 1896
2.
männlich
männlich
männlich
3.
etwa L8 Jahr
etwa 18 Jahr
etwa 35—40 Jahr
4.
gul
gut
gut, etwas Fettansatz
9.
7(i
110
56
10.
16
IS
14
11.
9« 37,8
4 p 37,6
3p 37,5°
(411)
17. Form und Stellung der Augen. 48.
is. _ des Gesichts. 4U.
19. „ der Nase
20. ., des Mundes und der Lippen. 50.
21. „ der Ohrmuschel. 51.
22. „ des Halses und Nackens. 52.
23. „ der Brust, bezw. Brüste. 53.
2 1. „ des Bauches.
25. .. „ Gesässes. 54.
26. .. der Geschlcchtstheilc.
27. .. und Grösse der Hand''. 55.
28 „ Beine (Waden).
2'.). „ „ „ „ Füsso. 56.
30. Aufrechte Höhe, Scheite] bis Sohle. 57.
31. Oberer Rand des Adamsapfels bis Manu- 58.
brium sterni.
32. Oberer Brustbeinrand bis oberer Rand 59.
der Schambeinfuge. 60.
33. Senkrechte Höhe des Nabels über der 61.
Fusssohle.
34. Senkrechte Höh.' der Schambeinfuge über 62.
der Fusssohle.
35. Länge des rechten Beins, Trochant. maj. 63.
bis Fusssohle.
36. Troch. major bis Condyl. ext. femoris. 64.
37. Aeusserer Vorsprung der rechten Tibia
bis unterer Band des Mall. ext. 65.
I a) oben.
3S. Umfang des Oberschenkels b) mitten. 66.
I c) unten. 67.
39. Grösster Umfang der Wade. "68.
40. Bauchumfang in Nabelhöhe.
41. Brustumfang. 69.
42. Horizontaler Kopfumfang.
43. Querer Kopfbogen. 70.
44. Nasenwurzel bis Spitze.
45. Schulterbreite über den Bücken. 71.
46. Schulterhöhe bis Spitze des Mittelfingers
rechts.
47. Schulterhöhe bis Condyl. ext oss. aum 73.
I llecranon bis Condyl. ext. ulnae.
untere Palte am Handgelenk bis Spitze
des rechten Mittelfingers.
Klafterweite,
Abstand der Brustwarzen.
Beckenbreite.
Dicht oberhalb der Nasenwurzel bis Pro-
tuberans oeeipit. ext.
Grösste Breite des Schädels über den
Ohren.
Vom unteren vorderen Band des einen
Wangenbeins zum anderen.
Von einem Unterkieferwinke] zum anderen.
Jochbreite.
Nasenwurzel bis Ansatz der Nasenscheide-
wand an der Oberlippe.
Nasenwurzel bis Kinnrand.
Scheitel bis Kinn.
Senkrechte Höhe vom rechten äusseren
Gehörgang bis Scheitel.
Entfernung der äusseren Ohröffnungen,
oberer Rand.
Von einem inneren Augenwinkel zum
anderen.
Von einem äusseren Augenwinkel zum
anderen.
Von einem äusseren Ansatz des Nasen-
flügels zum anderen.
Breite des .Munde-.
Olirliölie.
Entfernung der Mitte der Nasenwurzel
von der rechten äusseren Ohröffnnng.
Entfernung des Ansatzes der Nasenscheide-
wand von derselben Oeffnung.
Entfernung des vorderen Randes der Ober-
lippe von der rechten I »hröffuung.
Entfernung des unteren Kinnrandes.
... I 1. grosse Zell.'.
Lange des russes [ TT ., „ ,
t II. zweite Zelie.
Kunst liebe Verunstaltungen.
Mavoko, Mrundi,
Mgere, Mgere,
Fischer, Kirundi
Rumonge, d. 22. < >ct.96
Kin
Bug
Ack
agende, Mrundi.
enda, Rumonge,
rbaucr, Kirundi
wie Nr. 4
1
Mansalagullu, Mbwari,
Napundu. Rumonge,
Fischer, Kibwari
wie Nr. 4
Karembelezi, Mrundi.
Bunoso, Rumonge,
Ackerbauer, Kirim ii
w ie Nr. 4
männlich
männlich
männlich
männlich
■ twa Bö Jahr
•twa 22 Jahr
etwa 24 Jahr
etwa 26—28 Jahr
gul
gul
gul
gut
74
-
82
Ra
-
P,30
37.1
(41-0
1.
o
3.
(a)|
Ha
(a)
normal
normal
normal
dunkelbraun
dunkelbraun
dunkelbraun
13. h)
desgl.
desgl.
desgl.
rosa
rosa
msa
14. (a)
lb)
kurzes, schwarzes Wollhaar
kurzes, schwarzes Wollhaar
kurzes, schwarzes Wollhaar
desgl.
desgl.
Backen- und Schnurrbart
desgl.
15.
Achsel- und Schamhaare
wie Nr. 14: am Unterleib
und Beinen ganz gering
Achsel- und Schamhaare
wie Nr. 14
Achsel, Schani, Brust und
Oberschenkel stark, sonst
massig
f a)
16. ;
lb
braun gesprenkelt
dunkelbraun
dunkelbraun, fast schwarz
weiss mit braunen Flecken
in der Lidspalte
weiss mit gelbbraunen
Flecken rechts und links
in der Lidspalte
weiss, in der Lidspalte
etwas bräunlich
26.
beschnitten Ausnahme)
unbeschnitten
uubeschuitteu
30.
163
161
164
31.
9
7,5
S
32.
52
52
54
33.
93
99
103
34.
84
SS
89
35.
S5
84
91
36.
38,5
38
40
37.
39
41
41
la)
54,5
49,5
50,5
33. 1,
43,5
44,5
46
U)
32,5
32
34
39.
32,5
30
33
40.
73
70
78
41.
80-84
77-81
90-94
42.
56
54,5
57
4:;.
35,5
34
35
44.
5
5
5,5
45.
37
40
42
46.
74
75
78,5
47.
29
29
30
48.
27
28,5
26,5
49.
18
17,5
19
50.
169,
173,5
181
lt; rechte höher ah linke]
24
19
15,5
9
19 (rechte höher als linke) 22 (linke höher als rechte)
23
18
14
8
22,5
20,25
14
8,25
(4i3)
Donna]
normal
normal
dunkelbraun
dunkelbraun
desgl.
etwas heller als ;i
gelbrosa
rosa
wie Nr. 1
wie Nr. 4
wie Nr. "-
w ie Nr. 4
wie Nr. 3
Achsel und Scham,
sonst ganz gering
wie Nr. .">
dunkelbraun
gelbweiss
n ie Nr. 4
wie Nr. 3
wie Nr. 3
1(58
IT 2
8
8,75
58
53
98,5
105
S6
88
! 82,5
84
38
34,5
40
44
53.5
50,5
52
49,5
37,5
37
33
32,5
TT
T6
94,5
86,5
54,5
5T
3(5.5
35
5
4
42
42,5
T4.r>
7s
28
30
•_'T.r»
27,5
IS
18,5
176
-•1
(rechte höh. als 1
nke)
20,2! (linke h. als recht
24,75
24,5
it.t;.
20
15,25
11.-.
3,5
0
dunkelbraun
desgl.
gelbrosa
wie Nr. 5
beginnender Schnurr-
und Kinn I. art
dunkelbraun
desgL
rosa
wie Nr. 5
\\ ie Nr. 6
Oberschenkel; sonst sonst gering
massig
wie Nr. 5
wie Nr. 5
wie Nr. 3
1T0
8,5
50,5
105
88,5
88
38
44.5
48
46,5
34
33
T5
86
54,5
35
4,25
40
T6,5
28,5
27.".
17.:.
180
inke h. als r
24
19
13,5
9,5
wie Nr. 5
wie Nr. 5
wie Nr. 3
155
8
45
94
82
TS,5
31
41.5
42,5
40
33
31,5
69,5
T5,5
54,5
34
3,5
35,5
7<\:.
26
•_•:>.:.
IT
165,5
[linke li. al
23,25
14,5
1.
(414)
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72. [L
73.
10
13,5
6
11,5
23,5
13
13
3,5
10,25
4,5
5
5,5
11
12,5
13
13
25
Obere mittlere Schneide-
zähne ausgefeilt. Brust u.
.Bauch rechts und links mit
je einer Reihe etwa V» cm
langer, schräg gestellter
Schnittchen tättowirt
10
12
5,25
11,5
23
12,75
12,5
3,5
9,75
4
4,75
6
11,5
12.25
13
13
25
Zähne wie Nr. 1
Am linken unteren Rippen-
bogen in Mamillarlinie ein
Stern aus feinen schrägen
Schnittchen von 15 cm
Durchmesser
"■-jM „„
10,5
12,25
6,5
12
24,5
14
14,25
4
11
3,75
5,75
6
12,75
13
14
14
25,5
26
Zähne wie Nr. 1
Brust und Bauch gänzlich
mit horizontalen Linien u.
Mustern aus kleinen
Schnittchen bedeckt
.»•"••...••-v--- „,-' '-...••■
y","V'""V"",V""^
...•"■•V-"""V""'"V'"'\
10.
2.
3.
4.
9.
11.
12. ' b)
Kalombo, Biwagwa,
Bnbagwa, l'.jiji, |
Arbeiterin, Kiwagwa und
Kisuaheli
Djiji, 'I 21. Novhr. 1896
w eiblich
16—18 Jahr
mittel
si
87,15
normal
Ngao, Muha,
Kilungwe, desgl.,
Kiha
U jiji, d. 5. Januar 1897
männlich
20-24 Jahr
schlank
88
9,30» 36,9°
normal
Kawuba, Muha,
Kilungwe. <lesgl.,
' Kiha
wie Nr. 9
männlich
22—26 Jahr
schlank
80
10,30« 86,9
normal
(415)
'
6-
,;
T-
9,25
11
10,25
10,75
I ■_'.:,
13
12,75
13,25
-1,75
4 5
• 4,5
1,75
10,5
11
10,75
10,25
*8,75
24,75
23,5
22,75
14,5
15
15
14,25
13,5
13,75
13,75
13,75
3
4,25
4
4.25
9,75
10,5
in
10
3,75
3,75
4,75
3,5
5,75
5,75
5,5
5,5
6
5,25
6
6
11
12
12,75
11,75
11.75
1 2,75
12,75
11,75
13,25
14
14
13
13
14,5
13,75
12,75
25,75
26,25
25
23,75
25,5
24,75
24,5
23,25
Zähne wie Nr. 1
Zähne wie Nr. 1
Zähne wie Nr. 1
Nur um den Nabel
eine 12cmim Durch-
messer haltende
Tättowiruug
c
11.
12.
Muniöfue, Muha,
Kilungwc, desgl ,
Kiha
wir Nr. 1"
männlich
30—85 Jahr
kräftig
11 87,1
13.
14.
Muilembe, Muha,
j a. iK-.-ltI .
Kiha
wir Nr. 1"
männlich
30-35 -Jahr
schlank
11,80 86,7
ingwa, Muha. Kigona, Muha,
Njangwe, desgl., Njangwe, desgl.,
Kiha
Ujiji, d. 6. Januar ls(.>7
männlich
30 35 Jahr
kräftig
9,30 86,8
Kiha
wir Nr. 13
männlich
40-4:. Jahr
kräfl
10
normal
normal
(41«)
8. 9.
10.
,a)
dunkelbraun, Rumpf dunkelbraun
hellbraun
braun
13- b)
dunkelbraun desgl.
hellbraun
U
rosa rosa
rosa
|a)
schwarz, wollig wie Nr. 8
wie Nr. 8
14.
Ib)
desgl.
Etwas Kinn- und Schnurr-
bart, schwarz, wollig
Schnurrbart- Anfänge
15.
Achsel und Scham rasirt; Achsel, Scham und Unter-
sonst gering Schenkel stark; sonst gering
Achsel und Scham, sonst
gering
fa)
dunkelbraun
weiss, in der Lidspalte
gelblich
dunkelbraun
wie Nr. 8
dunkelbraun
wie Nr. 8
■23.
etwas hängend
desgl.
desgl.
24.
grosser Nahelbruch, etwa
3 'in Durchmesser
desgl.
desgl.
26.
Labia minor a, etwa 2 bis
3 cm aus der Rima hervor-
stehend
unbeschnitten
wie Nr. 9
30.
15S
172
171,5
31.
5,5
8,5
7,5
32.
51,5
51
33.
96
. 109
103,5
34.
83,5
92
89
35.
85 92
85
36.
37,5
42,5
36,5
37.
42
44,5
42
38. 1,)
50
45,5
48
43,5
43,5
42
i.
32,5
32,5
33,5
39.
30,5
32,0
30,5
40.
79
70,5
7.;
41.
S2,5
83,5
84
42.
56
56,5
57
43.
36
38
37
44.
4,25
4,5
5
45.
39
38
40,5
46.
7:;
80,5
78
IT.
.",(i
32
32
4s.
27,5
28
49.
16,5
19
19
.".< i.
L66
L82
178,5
51.
l2'.'> (recht. bOher als link« 20,75 (rechte höh. als linke)
20,75 (linke höh. als rechte)
26
27,25
:,:;.
18,25
20,25
20
(417)
ii.
Lunkelbr
Ulli
desgl
rosa
wie Nr
8
Kinn-, Backen- und
Schnurrbart schw arz,
wollig
Achsel, Scham, Brust
u. Bauch. Sonst gering
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
desgl.
wie Nr. 9
12.
braun
desgl.
rosa
w le Nr. 8
wie Nr. 11
wie Nr. 1 1
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
desgl.
wie Nr. 9
IGT
169,5
7,5
8,0
56
56
99
105
84
90
S7
90
37,25
38,5
41
46
48
46,5
44,5
46
31
36
30,5
32
71,5
76
84,5
86
57
56,5
4,5
5,25
38
77
TT.:.
30
29,5
27,5
28,5
18
L8
IT."».".
IM
19,25 1. höh. als rechte
21
25
27,25
20
19,5
13.
chokoladebraun
desgl.
rosa
wie Nr. 8
Kinn- und Schnurrbart,
schwarz, wollig
Achsel und Scham.
Sonst gering
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
di 'Sgl.
wie Nr !)
171
7
56
106
90
93,5
39,5
44,5
46,5
43,5
34,5
31
78,5
91,5
56,25
34,5
5
41
82,75
29
l B,5
188,5
14-
wie Nr. 13
.1.
gelb]
schwarz, wollig,
etwas weissrnelirl
Backen-, Kinn-.
Schnurrbari , schwarz,
wollig, etw. weissmelirt
Achsel, Brust, Scham
dunkelbraun
wie Nr. 8
desgl.
desgl.
wie Nr. 9
17? ,5
7,5
51
104,5
91
89,5
40
44,5
14
42,5
32,5
32
74,5
85
56,5
36,5
5,25
38,5
31,5
27,5
20
182
20,5 beiderseits gl. h L9,5 r- chte höh. a, linke]
19,25
20
Verbaudi, tlor Berl. A.nthropol. Gesellschaft 1897.
(418)
8.
9.
10.
11.
12. |
13.
14.
54.
14
14,5
14,75
14,5
14,75
14,75
14,5
55.
9,25
9
9
8,75
9,75
7,5
7,25
56.
10
10,5
11
11,5
11,50
11
10,5
57.
13,75
12,75
13
13,75
13,75
11,5
11,5
58.
5
5
5
4,5
5,25
5,5
5,25
59.
10
11
12
12,5
12,75
12
13,25
(50.
23,5
25,75
25,5
26,25
25,5
25
27
61.
15
15,5
15,75
16
15
14,5
14.75
62.
13
13,5
13
13
14
13,75
12.75
63.
3,5
4
3,5
4
3,75
3,75
4
64.
10,5
9,75
10,5
10,25
10,5
10,25
9,5
65.
3,5
3,5
4
4,25
3,75
4,25
4
66.
5
5
5,75
5,75
5,5
5,75
4,5
67.
6
6,25
6,5
6,25
6,25
6,25
6
68.
11,5
11,75
12
12,25
12,25
11,25
12,75
69.
12
11,75
12,25
12,5
12,5
12
13,25
70.
13
13,25
13
13,5
13,5
13,25
15
71.
13
14
14,5
14
14,25
13,5
15
72. ( L
In.
24
26,25
25,5
25,25
26,75
26,5
28,25
22,75
25,25
24,75
24,5
26,75
26
27,25
73.
Zeichnung
8a und o
Zeichnung 12
Nr. 8f7.
Nr. 8A.
Nr. 8. Kalombo alias Tschikauar' aas Ubudjive. Uhren and
Frisur den Suaheli ü achgemacht. Zwischen den Brüsten eine
Narbe, die eine fast l cm hohe Sautfalte bildet, als Schmuck.
Linke Mamma grö" er als rechte. Grosser Nabelbruch. Labia
minora etwa 2 der Kima pud. vorragend. Die oberen
Schneidezähne srofeilt.
(419)
Nr. 12.
Nr. 16.
Nr. 12. Bauchtättowirong, etwa 1 cm hoch
Nr. 18 a.
Nr. 11).
Nr. 18/,.
27
(420)
15.
16.
17.
1.
Ngma, Muha,
Ugaga, desgl.,
Kilia
Niasollo (d. h. G Finger),
Muha, (Y), Mtepiia,
Kiha
Ruwaga, Mtussi, Kagogo,
Lussambiko's Dorf,
Kirundi und Kitussi
Ujiji, den 6. Januar 1897
wie Nr. 15
ükissuma, «1. 26. Febr. 97
•_)
männlich
weiblich
männlich
o.
18-20 Jahr
20—24 Jahr
35—40 Jahr
4.
schlank
schlank
schlank
9.
58
100 (Angst?)
—
11.
10,30« 36,5°
3,15 p 37,9°
—
11
n3
normal
wie Nr. 15
wie Nr. 15
1 H
|a)
chokoladebraun
desgl.
dunkelbraun
13. \b)
desgl.
desgl.
desgl.
U)
rosa
desgl.
wie Nr. 15
14.fa)
lb)
schwarz, wollig
desgl.
schwarz, ganz kurz
Kinn- und Schnurrbart
spärlich, schwarz, wollig
15.
Scham; sonst ganz gering
Achsel und Scham; sonst
ganz gering
Achsel, Scham. Unter-
schenkel; sonst gering
18fa)
dunkelbraun
lb)
weiss, in der Lidspalte
gelblich
23.
—
26.
unbeschnitten
30.
170
31.
6,5
32.
53
.33.
107
34.
92
35.
87
36.
37,5
37.
44,5
|a)
48
38. b;
43
Ic)
31,5
39.
31,5
4".
69
41.
82
42.
43.
36
44.
4,75
45.
86
46.
78
dunkelbraun
braun
wie Nr. 15
wie Nr. 15
hängend
—
—
unbeschuitten
146,5
174,5
6,75
10
45
47
87,5
106
77
92
76,5
92,5
35
41
36,5
43
44
48
38,5
44
33
31
29,5
29
69
68,5
72,5
81,5
53
57
34,5
35,5
4,5
4,5
31
36
68,5
77,5
(421)
18.
19.
20.
21.
Maköhe, Mtongwe,
Kalugainbubi, Sklavin
aus Mtepüa, Kitongwe
und kilia
Ujiji. d. 6. Januar 1895
Wanianilia, Mtongwe,
Knlubalisi, Sklavin
aus Mtepüa, Kitongwe
und Kilia
wie Nr. 18
Njarilimüe, Mtongwe,
(?), Sklavin ans Mtepüa,
Kitongwe und Kilia
wie Nr. 18
Nkiinii. Mrundi,
Kuiukanda,
l ii jambiko'E 1 1
Kirundi
Ukissuma. 26. 2. 97
weiblich
weiblich
weiblich
männlich
20- 22 Jahr
22—24 Jahr
18—20 Jahr
a 50 Jahr
gul
gut
gut.
kräftig
90
84
80
—
4p 37,15°
4,30 p 37,4°
5p 37,1
—
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
hellbraun
dunkelbraun
hellbraun
dunkelbraun
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
w< issrosa
rosa
rosa
rosa
schwarz, willig
wie Nr. 18
wie Nr. 18
graumelirt, ganz kurz
—
—
Kinn- u. Schnurrbart
spärl., schwarz, wollig
Scham. Achsel wenig;
sonst ganz gering
wie Nr. 18
wie Nr. 18
Achsel, Scham.
sonst gering
dunkelbraun
desgl.
desgl.
wie Nr. 18
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
wie Nr. 15
hängend
wie Nr. 18
wie Nr. 18
—
—
-
—
unbeschnitten
153
160
153,5
169,5
5
6,25
6,25
8,75
50
52
51
53,5
88,75
96,5
94
100,5
83
77,5
87
-1
Sl
79,5
92
-
38,5
39
44
40
37.5
43,5
46
50,75
46
43.5
13
45,75
41,5
*
41
34,75
34,5
32,75
30
30,75
32
28,75
30
81,25
38,6
53.5
80,5
-
66,75
58,76
54,5
37
35
36
1,26
4,25
4..".
34
87,25
35.5
T.i
7;.
72
75
(422)
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
53.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72. | T
II
15.
31,5
28
18
181,5
18,5 (rechte höher als linke")
23,75
19,75
14,75
7,5
9,5
11,5
4,75 .
10,75
24,5
14,25
12,75
3,75
9,5
3,75
5,25
5,25
11,5
11,25
12,5
13,25
26,75
25,75
Obere mittlere
Schneidezähne gefeilt
2 Querfinger oberhalb des
Nabels 2, etwa 1,5 cm bc-hc
Querlinien über den Leib
16.
28,5
23,5
16,5
170
17 (beiderseits gleich h.)
23,5
18,75
13,75
8,5
9,5
11,5
4
10,5
21,75
13,75
13,5
4
9,5
3,25
5
5,75
11,5
12
13
13
23
22,5
Obere mittlere Schneide
zahne ausgefeilt. Tätto-
wirung nur auf dem Rücken
(Zeichnung Nr. 16).
IbrNamc bedeutet: die 6-
Finger: hat an derAussen-
seite der rechten und linken
Hand am Grund des kleinen
Fingers je eine kirsebkern-
jgrosse Warze; am rechten
|Fuss oben am Grund der
kleinen Zehe eine etwa 1 cm
lange 6. Zehe mit Nagel,
am linken Fuss nur eine
kirschkerngrosse Warze
17.
34
26
18,5
175
19
25,5
19,75
15
7,5
10,25
11,75
4,75
11,75
22,5
14,5
12,75
3,5
9,5
3
4,25
5
11,75
11,5
12,25
12,75
24,5
24
22.
Niambele, Mrundi,
Mkiiinji.i,
l.u isambiko c Dorf,
Kim n<li
Ukisrama, d. 26. Febr. 97
23.
Kana, Mfussi.
Ujogoma,
Lussambiko's Dorf,
Kinmdi und Kitussi
wir Nr. 22
24.
Mansali, Mtussi.
Lukulla kwa Mwezi,
Lussambiko's. Dorf, Haupt-
frau d. Sultans Lussambiko,
Kirundi und Kitussi
wie Nr. 22
(423)
IS.
L9.
20.
21.
27,5
30,5
29,5
33
23
26
24,75
26,5
17,5
19
16,5
18
166
173
165
176,5
22 (beidcrs. gleich h.)
19,75 (linken, als rechte)
20,75 (rechten, als linke)
19,5
24
24,25
23,75
24,5
19,75
18,75
18,25
18,75
14,75
14
14,5
14,75
8,5
7,75
8,5
7,75
9,25
9,75
9,75
10,5
11,5
11
10,75
13
4,5
4,5
4,25
5,25
11,75
11
11,75
11,5
22,75
23,25
22,75
23
14,5
13,5
14
14
13,25
11,25
12,25
13,75
3,5
3,5
3,75
3,5
10,25
9,75
9,75
9,75
3,75
4,25
3,75
2,75
4,75
4,75
4,5
5
5,5
5,5
5
6,25
11,75
11,25
11
11,25
11,5
11,5
11,75
12
12,5
13
11,75
13,25
12,75
12,25
12,5
13,5
23,5
25,5
22,25
27
22,5
24,25
21
25,5
Obere mittl. Sc!
als Schmu
klagen Tä
neidc-
•kaus-
ttowi-
Zähne \\ i'' Nr. 15.
Tättowirung s Zeich-
nung Nr. 1'.': auf dem
Zähne normal.
Tättowirung -. /ei
nung Nr. 20
■h-
rung
(Zeichnung Nr. 18 an. b)
Rücken, ganz ver-
schwommen, ebenfalls
-rlir reiche Tättowi-
rungen Bichtbar, doch
Muster nicht mehr zu
erkennen
Niamutangi, Mrundi,
Mkampa,
Lussambiko's Dorf,
Kirundi
Mubango, üftusai,
ma.
I nssambiko's Dorf,
Kirundi un<l Kitussi
Kissamboleha, M
Ojensi,
Lussambiko - Dorf,
Kirundi iin-1 Kitussi
wie Nr. 22
wie Nr. 22
Nr. 25
(424)
22.
23.
94
24.
25.
26.
27.
•_)
weiblich
weiblieh
weiblich
weiblich
mänulich
weiblich
3.
16—18 Jahr
IS— 20 Jahr
24—2(5 Jahr
22—24 Jahr etwa 35 Jahr
3twa 25 Jahr
4.
kräftig
sehr schlank
sehr schlank
kräftig
kräftig
kräftig
|a)|
12. 1.)
normal
normal
normal
normal
normal
normal
C |
a)
hellchoko-
ladefarben
chotolade-
farben
wie Nr. 23
wie Nr. 23
dunkelchoko-
ladefarben
ehokolade-
farbeu
13.
b)
desgl.
bis röthlich
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
desgl.
c)
rosa
gelbrosa
rosa
gelbrosa
rosa
rosa
14.
a)
schwarz,
wollig, kurz
wie Nr. 22
wie Nr. 22
schwarz, kurz,
wollig, rings-
um zu kreis-
förmiger
Platte ab-
rasirt
schwarz, kurz,
wollig
wie Nr. 26
.b)
Kinn- und
Schnurrbart
schwarz,
wollig,
gering: sonst
spärlich
15.
Achsel und
Scham
schwarz,
wollig,
gering. Sonst
wenig
Achsel und
Scham
schwarz.
wollig. Sonst
gering
wie Nr. 22
wie Nr. 23
wie Nr. 23
Achsel und
Schani rasirt
Sonst wenig
16. [a>
dunkelbraun
weiss, in der
Lidspalte
gelblich
wie Nr. 22
wie Nr. 22
wie Nr. 22
wie Nr. 22
braun
wie Nr. 22
wie Nr. 23
desgl.
wie Nr. 2S
desgl.
23.
stellend,
kräftig
etw. hängend
klein, stehend
hängend
—
stehend,
kräftig
26.
kl. Scham-
lippen 1 cm
hervorragend
Lab. min.
etwa 2 cm
vorragend
Lab. min.
etwa 1 — 2 cm
vorragend
unbesc lmittei
30.
162
162
169
155,5
184
165,5
31.
7
7.:,
9,5
6,75
7,5
7,5
32.
44
43,5
46,5
43
53
44
33.
97,5
104
105
04
114,5
98,5
34.
88
87,25
93,5
82
97,75
84
35.
81,5
89,5
75
91,5
85,5
86.
83,5
36
44,75
30,5
45,5
42
37.
38,5
in
44,5
41
47
37
r
19,6
47.7.")
45
4:.
54,5
56
43
44,5
43
40,25
50,5
50
lc)
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23,5
22,5
24
■_
24,5
Auf beiden Oberarmen \"ii der Schulter an abwärts j« 2 Reihen von 8,
grossen runden Schnittnarben.
Endlich 7 Längenmaasse von Watwa, angeblichen Zwergen, in (Jrundi:
.">. April 1897 l erwachsener Mann . . . 157 cm
11.
ll.
11.
11.
11.
n.
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18
18
LS!
1-
-
1
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1 junger Manu . . .
l erwachsener Mann
l
147 .
149 ..
153 ..
1 19 .
156 .
L50 ..
Hr. Rud. Vircbow: Die vorstehenden Uebersichten sind einfach nach den
Aufzeichnungen des Hrn. Hösemann wiedergegeben, obwohl sich gegen viele
derselben grosse Bedenken ergeben. Dies gilt namentlich von den Messungen.
Der gebrauchte Beckenmesser mag ein sehr gutes Instrument sein, aber zum
Schädelmessen dürfte er wenig geeignet sein. Sonst konnten sich wohl kaum so
grosse Schwankungen ergeben. Ich habe die Probe gemacht, die ersten 7 Individuen
auf ihren Kopfindex zu berechnen. Es ergiebt sich dann Folgendes:
Kopf Länge Breite Index
Nr. 1 19 15,5 81,6
„2 18 14 77,8
„ 3 20,25 14 69,1
„ 4 17,75 15,25 80,5
.. 5 14,5 14,5 72,5
.. 6 13,5 13,5 71,0
„ 7 14,5 14,5 79,3
Es würde unverständlich sein, wenn jemand daraus einen mittleren Index be-
rechnen wollte. Die Differenz zwischen dem grössten und dem kleinsten Index
(81,6 — 69,1) beträgt 12,5. Von den 7 Schädeln wären danach 2 brachycephal,
2 mesocephal, 2 dolichocephal, 1 hyperdolichocephal gewesen. Das ist nicht
glaublich. Man wird also vorläufig einen grossen Theil der Maasse unberück-
sichtigt lassen müssen, bis durch eine vergleichende Messung an einem Normal-
Instrument die wahre Grösse der Entfernungen festgestellt ist. Da aber Hr. Höse-
mann nicht einmal für die Höhen-, bezw. Längenmessungen des Körpers ein Band-
maass oder ein Rckrutenmaass verwendet zu haben scheint, so wird man auch
diese Messungen wenigstens bis auf Weiteres zu beanstanden haben.
Es muss bei dieser Gelegenheit dringend darauf aufmerksam gemacht werden,
dass sowohl die Militär- und Marine-, wie die Colonial-Verwaltung dafür Sorge tragen
sollten, dass ihre Reisenden und Aerzte mit guten anthropologischen Instrumenten aus-
.i listet und vor der Abreise in der Benutzung derselben praktisch geübt werden.
Selbst ein so grosser Eifer, wie ihn Hr. Hösemann gezeigt hat, ist nicht im
Stande, die Lücken in der Ausrüstung und Einübung auszugleichen.
Das Beste in den vorstehenden Aufzeichnungen sind die Beschreibungen
einzelner Körpertheile, wie der Zähne, und die Tättowirungs-Zeichnungen, welche
•ntlich einer genaueren Vergleichung mit den bei anderen Stämmen Ost- und
Central-Africas gebräuchlichen Verunstaltungen unterzogen werden müssen. -
Hr. Hösemann hat glücklicherweise durch Vermittelung des Hrn. Dr. Stuhl-
m a n n
..einen ächten Mtussi- Schädel"
gesendet, lieber denselben ist Folgendes zu bemerken:
Wir kennen l'jiji I 'dschidschi) als die bedeutendste Hafenstadt am Tanganyika
seit den Reisen von Stanley und Wissmann, aber meines Wissens ist niemals
ein Schädel von da zu uns gekommen. Was die Watussi betrifft, so finde ich sie
jentlich bei Brn. Stuhlinann (Mit Emin Pascha u. s. w. Deutsch-Ost-Afrika.
I. 768) mit den Wnhuma zusammengestellt, die er als weit nach Südwest vor-
gedrungene hamitische Einwanderer betrachtet (vergl. S. 842). .Jedenfalls ist der
übersendete Schädel für ans von grossem Werthe, da wir auch Wahi'ima-Schädcl
nicht besitzen. Die Berren Reisenden werden es also nicht unbillig finden, wenn
ich den Wonsch ausspreche, dass sie mein- gut bestimmte Schädel aus diesen
aden sammeln and dabei auch ausgiebige Haarproben nicht vergessen möchte] .
(427)
Der liis auf ein Paar Zähne vortrefflich erhaltene männliche Schädel zeigt er-
hebliche Unterschiede von den uns sonst beschäftigenden Schädeln der ostafrika-
nischen Neger. Er besitz! die ganz angewöhnliche Capacität von 1536 cem und
einen Horizontal umfang von .V2.r> mm. Dem entsprechend sind alle Theile nicht
nur gross, sondern auch sehr kräftig entwickelt. Obwohl die Zähne, namentlich
die Molaren, nur massig abgenutzt sind, so finden sich doch zahlreiche Synostosen
der Nähte. Die Pfeilnaht ist, namentlich in ihren hinteren Abschnitten, fast ganz
verstrichen und die Emissarien fehlen: auch die lateralen Abschnitte der Goronaria
sind stellenweise im Verstreichen und die Nasenbeine last ganz verwachsen. Es
dürfte also ein älterer Mann gewesen sein.
Der lange und schmale Schädel hat eine hohe Scheitelcurve (Fig. 2): der
Typus ist hypsidolichocephal (Breitenindex 74,2. Höhenindex 77,4, Ohrhöhen-
index (i4,ö). Die Stirn ist sehr breit (100 mm in min.) und gewölbt, ganz ohne
Supraorbital wülste; das Hinterhaupt stark ausgelegt, ohne Prot, oeeip. In der
rechten Schläfengegend findet sich ein langes, trennendes Epiptericum ''Fig. 2),
doch ist eine Aendernng in der Gestalt der Schläfengrube nicht vorhanden. Am
Binterhaupt keine andere Bildungsanomalie, als eine etwas nach rechts verschobene
und auf dieser Seite stärker gezackte Lambdanaht. Basis voll entwickelt; Foramen
magnum gross, bes. lang: L. 40, Br. 29 mm; Index 72,5. Lange Griffelfortsätze.
Sehr breite Apoph. basil. Sehmale I'roc. ptcr.
Fiff. 1.
Fisr. 2.
Das Gesicht (Fig. 1) erscheint hoch and wenig breit; es erklärt sich
Eindruck einerseits durch die Höhe der Scheitelcurve, andererseits durch die starke
Ausbildung der Kieferknochen. In der Thal ist der Jochbogcn-Qucrdurchm
gross (138mm), das Wangenbein gross und auch die Gesichtshöhe N - ivurael
i>is Kinn") gut entwickelt 123 mm). Der Gesichtsindex berechnet sich auf 81,8,
ist also mesoprosop. Dem entspricht ein hypsikoncher Orbital-Index
und die hohe, nach oben mein- gerundete Form der Augenhöhlen. Die mächtige
Nase tritt weit vor und hat eine ausgemacht aquiline Form: Index 51,7, also
(428)
platyrrhin. Der Rücken ist stark eingesattelt, aber in den oberen und mittleren
Theilen schmal, in der Mitte synos totisch, die Spitze eingebogen, die ganze
knöcherne Nase gegen die weite Apertur verbreitert. Oberkiefer gross, der Alveolar-
fortsatz stark prognath, aber die grossen Schneidezähne, die nicht gefeilt sind,
stehen orthognath. Dagegen haben die unteren Schneidezähne eine fast schaufei-
förmige Stellung. Der Unterkiefer sehr kräftig, in der Mitte hoch und tief ein-
iogen, die Aeste breit, die Winkel gerundet und nach aussen vorgebogen. Die
Gaumenplatte gross, namentlich lang, leptostaphylin (Index ü9,0). —
Diese Eigenschaften, welche dem Anschein nach mehr als blosse Varianten
des Stammestypus sich darstellen, machen es allerdings wahrscheinlich, doss der
Stammestypus von dem in diesen Gegenden so verbreiteten Bantu-Typus ver-
schieden ist. Die mir freilich fast nur von lebenden Individuen bekannte Form
des Kopfes der südlichen Hamiten lässt sieh mit der Beschaffenheit dieses Schädels
dagegen unschwer zusammenstellen. Nicht nur die Grösse desselben und seine
ausgemacht hypsidolichocephale Beschaffenheit, sondern auch die Bildung des
Gesichts, insbesondere die extrem vorgeschobene, in ihren oberen Abschnitten
schmale und am Ende aquiline Nase, und der trotz fast orthognather Stellung der
oberen Schneidezähne stark vortretende Alveolarfortsatz (Fig. 2) würden sich mit
einem Bantu-Kopfe nicht wohl vereinigen lassen. Auch der Mangel einer Feilung
an den Zähnen ist bemerkenswerth.
Von den mir sonst zugegangenen Schädeln von Nachbarstämmen weiss ich nur
wenige hier zu erwähnen. Ich habe über sie in der Sitzung vom 19. Januar 1895
berichtet. Da zeigte ich den einzigen Schädel eines Mhehe, der mir je vorgekommen
ist. Er hatte mancherlei Zeichen einer sehr mangelhaften Entwickelung an sich.
weshalb die Vorsicht gebietet, von ihm nicht zu viel zu sagen. Seine Capacitiit
betrug nur 1U55 cem, er war also ausgemacht nannocephal. Aber er besass gleich-
falls eine hypsidolichocephale Form und ein mesoprosopes Gesicht, auch war die
(ilatyrrhine Nase partiell synostotisch; Oberkiefer und obere Schneidezähne waren
stark prognath, aber das Gebiss im Ganzen opisthognath. Ich habe damals eine
Vergleichung mit den von Hrn. Grafen v. Schvveinitz gemessenen lebenden
Wangoni angestellt, die als ein von Süden her eingewanderter Zulu-Stamm gelten,
und ich habe gefunden, dass die Wahehe, welche ihnen stammlich an die Seite gestellt
werden, nach uuserem Skelet manche Aehnlichkeit mit ihnen darbieten. Aber ich muss,
nach directer Confrontation des neuen Mtussi-Sßhädels mit dem früheren Mhehe, aus-
gen, dass dabei die grösste Verschiedenheit hervorgetreten ist, insbesondere in
I er Vorderansicht. Bei dem Mhehe beherrscht der ungemein breite, voll gerundete
Alveolarfortsatz mit seiner langen Zahnreihe das ganze Bild, dem gegenüber der
Anblick des Mtussi der eines fein und schlank entwickelten Kopfes ist. Wir
müssen also noch warten, ehe wir uns entscheiden. So lange wir nur einzelne
Schädel besitzen, wird das definitive Urtheil vorzubehalten sein. Ueberdies ist die
Frage nach einer Vermischung der Typen eine nahe liegende.
Jenseil der Wahehe gegen Nordost wohnen die Wassandaui, von denen damals
gerade Hr. Oskar Neu mann zwei vorzügliche Schädel heimgebracht hatte. Sie
werden als ein von den Bantu verschiedener Stamm gedeutet. Hr. Oskar Bau-
mann, der eine Schilderung von ihnen entworfen hatte, erklärte sie für einen
durch Mischungen mit Nachbarstämmen veränderten Urstamm. Ausdrücklich betont
er, dass manche Individuen den haraitischen Typus tragen. Auch die Capacität
lieser Schädel isl irerhältnissmässig klein: 1250 und 1265 ccm. Ihre Schädelform
erwies sich als orthodolichocephal, das Gesicht als leptoprosop, also erheblich ver-
i den von dem Mtuasi-Schädcl. Auch bei ihnen gab es partielle Synostosen der
(429)
Nasenbeine, aber die Gesammtforra der Nase war mesorrhin; dabei stärket
nathismus. Die vermuthungswcise aufgetauchte Vorstellung, dasa dicWassan-
daui verwandtschaftliche Beziehungen zu den Hottentotten haben konnten, musste
ich bestimm I ablehnen (ebendas. B. 7:' .
Ich wollte an diese Beobachtungen nur erinnern, weil ich ander«
Material zu Vergleichungen nicht auftreiben konnte. Beiläufig besprach ich damals
--■■ Analogien /wischen den Wahehe und den Buschmännern, aber ich warnte
auch vorder verführerischen Neigung, sich durch die Uebereinslimmung der Index-
zahlen zu übertriebenen Schlussfolgerungen verleiten zu lassen. Diese Warnung
habe i«'h mir selbst bei il^r Vergleichung des Bltussi- Schädels rg alten; ich
kann schliesslich nur die wiederholte Bitte aussprechen, dass die Reisenden in
Ost-, wie in West-Africa, mehr dazu beitragen möchten, den Anthropologen die
Lösung ihrer Aufgabe zu ermöglichen. —
Nachstehend die Maasse des Mtussi-Schädels:
1 . G e m e s s e n :
Capacität 1536 cem Mittelgesicht, Höhe b. Zahnrand 89 mm
Grösste horizontale Länge . . 186mm Abstand der Jochbogen . . . 138 ..
Breite 138< .. .. .. Molarvorsprünge % _
Gerade Help' 144 _ .. .. Raeferwinkel . . 98 „
Ohrhöhe 120 .. (94) genau .-,-,
d. L mbiegnni:
Horizontalumfang 525
j 135 Stirn |
alumfangJ 126 Mittelk, ■ 374
I 113Hiutcrk. |
Stirnbreite 100
htshöhe 123
Mittelgesicht, Höhe 78
Orbita, Höhe 37 mm
.. . Breite 42 „
Nase, Höhe 5S „
.. . Breite 30 ..
Gaumen, Läng«1 55 _
.. . Breite 3S .
IL Berechnete Indiccs:
Breitenindex 74,2 Orbitalindex 83,0
Böhenindex 77,1 Nasenindex 51,7
Ohrhöhenindex 64,5 Gaumenindex 69,0
Gesichtsindex 81,8
(•">3) Hr. \V. v. Schulenburg übersendet aus Charlottenburg, 26. September,
folgende Mittheilungen über
märkische Alterthümer und Gebräuche.
1. Die Schwedenschanzen bei Görbitzsch.
Westlich 6 km von der Stadt Sternberg in der Neumark liegt das Dorf
Görbitzsch Kreis West-Sternberg, Provinz Brandenburg . ein sein' schön _
Rittergut Von Görbitzsch .ms in Büdlicher Richtung erstreckt sich d
durch einen Sumpf, den ein breiter Wasserball' durchzieht, verbunden mit dem
kleinen See. Einige 100 Schritte westlich vom kleinen See liegen auf dem Aus-
läufer eines dachen Bergrückens die im Volke so genannten Schwedenschanzen.
Ich habe dieselben zweimal zu Wagen aufgesucht, meine Zeit war aber beschränkt.
Da sich einige Lücken ergaben, trotzdem ich viele Längenmaass schritten habe.
und ich die Schwedenschanzen noch einmal aufsuchen will, so werde ich s]
eine genauere Zeichnung geben und deute jetzt ^\vn Kundwall in der Zeichnung
_ . 1) nur an.
(430)
Was den erwähnten Bergrücken anbetrifft, so fällt er in einer steilen Wand
als schroffer Abhang1 bei c d in die Tiefe, vielleicht 60 Fuss, und dieser schroffe
Fi-. 1.
Jf//nif'lnnn„lf X-ÄV^^ ^
"""'""^""'»'WlMHllllflW/JIWWIM«^^
Abhang- setzt sich, wenn auch weniger steil, westlich bis q fort. In der Tiefe des
Abgrundes quillt Wasser, das nordöstlich abfliesst. Jenseit des nicht allzu breiten
Abgrundes erhebt sich wiederum ein steiler Berghang. Auf der gegenüberliegenden
Seite, bei » /.', fällt der Berg ebenfalls schroff ab, doch nur in geringerer Tiefe,
vielleicht 35 Fuss. Am Fusse des Abhanges nk liegt eine schmale Schlucht und jen-
seit derselben erhebt sich wieder ein Bergabhang. Diese Schlucht setzt sich nach
SW. als flachere, ansteigende Mulde fort. Ueber /«' hinaus, in der Richtung nach /,
senkt sie sich und verläuft in eine rings von Bergen eingeschlossene Thalsenkunu,
die den Eindruck grosser Abgeschiedenheit macht. Auch hier unten sind Quellen,
weshalb hier Elsen wachsen, während sonst die Berge ringsum mit Buchen-Hoch-
wald bestanden sind. Auf der Seite nach Nu. fällt der Berg, von k e nach h i, nur
sanft all, dann aber von h I in einem steileren Abhang nach dem erwähnten Thal-
grand. Auf der Seite nach SW. und W. verläuft der Bergrücken in seiner ganzen
Breite (lach und eben. Fasst man den Berg hier als Vertheidigungsstellung in
alter Zeit auf, so ist das Stück c <l völlig sturmfrei, bei n k der Zugang äusserst
schwierig, auf der Seite bei // i durch den grösseren Abhang erschwert, und auf
der Seiter// völlig bei. Dies war die schwache Seite.
Hier auf der Höhe ist nun der Rundwall c <l l> angelegt worden. Er hat, wenn
ich ihn richtig aufgefasst habe, die Form eines Hufeisens und besteht aus einem gut
erhaltenen Wall und Graben. Sollte er als Befestigung dienen, dann war die Wall-
krone jedenfalls durch eine Verpfählung verstärkt; denn ein blosser Wall mit
Graben von massiger Tiefe konnte im Alterthum keine genügende Sicherheit ge-
wahren. Das Stück cd, über der steilen Wand, ist ganz frei; hier fehlt der Wall
vollständig. Denn dass er in die Tiefe gestürzt sein sollte, erschien mir ganz aus-
geschlossen. Im Etundwall selbst fällt der Innenraum c d b von NW. nächst), und
von SW. nach NO. Jetzt fübrl bei daemq ein künstlich hergerichteter Fassweg
entlang.
(431)
Auf der ebenen Bergfläche nach S\V. sind noch zwei Gräben vorgelegt, mp
und qsz, vielleicht gehörten auch in ihrer ganzen Länge Wälle dazu (?). Am Pass-
steig bei in und q sieht man noch Erhöhungen. Der etwaige Wall mp, wenn ein
solcher bestanden hat, wäre dann noch weiterhin sichtbar in einer 11 Schritt breitei
wenig hohen Erdrampe, die; wie ein aufgeschütteter Weg' oder Erddamm aus
und sich in der Richtung von /// nach p hin erstreckt. Vor ihr liegt der Grabe'
Dieser zieht sich deutlich in einem Bogen mpn hin und legt sich bei » an den
Graben des Hauptwalles. Der Graben qz erstreckt sich, bis s kaum gebi
nach : hin. Von s an wird er weniger bemerkbar.
Ein dritter Aussengraben ist noch erhalten, wenigstens sichtbar in dem gerade-
geführten Stück // /. Bei i biegt er um und ist erkennbar bis n. Vermuthlich führte
er weiter bis /■ , heran an den Graben des Rundwalles. Von einem Wall ist hier
nichts bemerkbar. Auch auf der Strecke eh ist nichts von einem Graben zu sehen.
der Bergabhang (eh) verläuft hier noch steiler als bei hi. Ob das Fehlen des
Grabens damit in Zusammenhang steht, muss dahingestellt bleiben.
Auf der Strecke z bis n ist nichts von Wall oder Graben zu bemerken.
Bei o ist ein flacher Wegeinschnitt im Wall. Der Weg führt weiter bei p
durch den zweiten Graben und bei s durch den dritten, dann biegt er links um
und führt durch die Verlängerung der Schlucht// den jenseitigen Berg hinauf. Ob
dies ein alter Zugang oder ein neuerer Holzweg ist, dürften spätere Erkundigungen
ergeben.
Im Innenraum des Rundwalles, etwa "20 Schritte vom Rande ad entfernt, ist
ein Rundtheil von 9 Schritt Durchmesser, das, etwas höher als der übrige Boden,
sich deutlich abhebt. In der Mitte zeigt es eine flache Vertiefung, während rings
um dasselbe eine Rinne oder ein kleiner Graben ging, wie noch sichtbar ist.
Was die Grössenverhi'dtnisse des ganzen Erdwerkes anbetrifft, so beschränke
ich mich darauf, vorläufig einige annähernde Maasse zu geben. Es ist a /> etwa =
50 Schritt, c <I = 3G + (+ = Schritt), ivg = 4ö, der Umfang des Rundwalles in der
Grabensohle elf gemessen = 180+, die Höhe des Walles von der Grabensohle aus
vielleicht = 10 — 1"2 Fuss, dieselbe über dem Innenraum des Werkes etwa 3 — 5 Puss,
c m = 45— 50 \ q m = 20 +, m n = 135 +, q s = 63 +, q ; = 105+, h i = 50 \ i u = 20 \
In der Zeichnung deuten«//, um und qz die Grabensohlen, cdb den innerer,
Rand des Rundwalles an.
Die Generalstabskarte dieser Gegend (297 Zielenzig), aufgenommen i. J. 1822.
im Maassstabe 1 : 100000, verzeichnet die Schwedenschanzen nicht mehr, eine
neuere in grösserem Maassstabe fehlt noch.
Bei den Nachgrabungen im Bundwall, die mein Begleiter Hr. Paul Will ich
bei meinem zweiten Besuche desselben vornahm, da, wo die Kreuzchen gezeichnet
sind, fand sich in dunkler, schwärzlicher, z. Th. fetter Erde eine Anzahl klei:
Scherben, von denen fast alle zweifellos den Burgwalltypus zeigen- Sie sind harl
innt, dem Anschein nach auf der Drehscheibe geformt, meist röthlich, einzelne
gelblich. Nach mehreren Mundstücken zu urtheilen waren sie. oder einzeln«
ihnen, rundbauchig, mit ganz kurzem, eingeschnürtem Halse, wie bisher auf-
gefundene Gefässe dieser \n. Die Verzierung besteht aus etwa 4 mwu breiten.
ganz Ilachen, gleichlaufenden Kinfurehungen, soweit zählbar 8 — 9, die. eine unter
der anderen, um (\cw Hauch herumlaufen. Nur ein Stück zeigte eine einzelne,
2 mm breite, schmale, aber tiefere Einfurchung. Ebenso verhielten sich Scherben,
die sich hier in Muulwurfs-Hügeln vorfanden. Einige wenige unter den vor-
gefundenen Scherben hauen fasl das Aussehen von vorslavischen , doch waren die
Bruchstücke zu klein, um ein sicheres Urtheil zuzulassen.
C432)
Beim Graben im Rundtheil stellte sich heraus, dass dieses, scheinbar in der
ganzen Oberfläche, mit schwarzer, kohliger Erde bedeckt ist, die von wiederholtem
Feuer herrührt. In derselben finden sich viele noch wohl erhaltene grössere Stücke
von Holzkohle. Unter der Kohlenschicht liegt heller, gelber Sand. In der Mitte
des Rundtheils, soweit das Nachgraben ergab, war die Kohlenschicht 12—15 cm
tief. Am Rande ging sie an mehreren Stellen tiefer, bis etwa 30 cm. Auch
fand sich an einer Stelle eine hellgraue Masse, wie Asche aussehend, zwischen der
kohligen Erde. Nur ein Scherben, 3 cm lang, 5 mm stark, ganz kohlig, fand sich
vor. Abgewaschen sieht er grauschwarz, graphitartig ans. innen geschwärzt, fein
im Bruch, und zeigt auf der Innenwand die feinen Züge, wie die erwähnten Burg-
wallscherben.
Die Holzkohle vom Rundtheil hatte Hr. Lauck, Assistent der vegetabilischen
Abtheilung der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin, die Güte mikroskopisch
zu untersuchen, wofür ich hier besten Dank sage. Dabei ergab sich: „dass die
verkohlten Holzstücke, den charakteristischen Holzform-Elementen nach, nicht Laub-,
sondern Xadelholz darstellen, und zwar, der Gestalt der Markstrahlen nach, die
,1t schwer zu erkennen ist, höchst wahrscheinlich Föhren-Arten (Pinus im engeren
Sinne) angehören." Daraus könnte vielleicht folgen, dass damals, wenigstens theil-
weise, Nadelholz stand, wo jetzt Buchenwald ist. Ich fand seiner Zeit in oder bei
vorslavischen Gräbern zu Müschen im Spreewalde sehr gut erhaltene grössere
Stücke Holzkohle, — wenn ich mich recht entsinne, scheinbar von Eschenholz, —
die innen noch ganz braun und unverbrannt waren. Die Probestücke, die sich in
meiner Sammlung befanden, sind der vorgeschichtlichen Abtheilung des Museums
für Völkerkunde übergeben worden.
Aus den Scherben ergiebt sich, dass der Burgwall im früheren Mittelalter
slaviscb war; ob vielleicht der Untergrund vorher germanisch war, wäre erst noch
durcli weitere Nachgrabungen zu erweisen.
'2. Der Farbenstein bei Görbitzsch.
Da ich öfter unter den Landleuten vom „Farbenstein" hörte, suchte ich ihn im
Juli 1897 auf, ohne damals zu wissen, dass ganz in der Nähe die Schwedenschanzen
waren. Er liegt in dem erwähnten Thalgrunde, der bei dem Stein etwa 70 Schritt Quer-
durchmesser hat, nehmlich in der Richtung zu dem Berge hin, der den Rundwall
trägt. Dieser Grund ist fast rings von Bergen umschlossen und mit alten Buchen
bestanden, so dass er ein gewisses abgeschlossenes, geheimnissvolles Aussehen
erhält. Seinen Namen hat der Farbenstein davon, dass er an der Oberfläche röthliche
and gelbe Flecke zeigt. Seine Höhe beträgt etwa 73 cm, die Breite 60 — 65 cm.
Am unteren Ende hat er eine ganz flache, wohl natürliche Aushöhlung. Ein
kleineres Stück, vom grossen Stein irgendwie abgeschlagen, lag oben auf dem-
selben; als ich später die Schwedenschanzen aufsuchte, war es inzwischen ver-
schwunden. Vom Stein bis zum kleinen See, Richtung von W. nach 0., sind etwa
170 Schritt.
Im Volke gehl die Sage: „Der Stein lasst sich nicht wegbringen, er kehrt
immer wieder zurück." Er liegt jetzt am Fusse eines Berges. Vor gewisser Zeit
aber lag er auf der Höhe dieses Berges im Erdboden und sah nur etwas aus der
Erde heraus. Im Letzten oder in den letzten Jahren grub ihn der Besitzer Götze
aus Görbitzsch aus, wie ich öfter hörte und er mir selbst mittheilte, und versuchte
ihn mit seinem Sohn auf einem Sehlitten wegzuführen. Da er aber zweimal vom
Schlitten wieder „herunterging", gaben sie dann weitere Versuche auf, wohl aus einer
gewissen Scheu. Einem anderen Manne, Steinicke aus Görbitzsch, rutschte er
(433)
zweimal vom \\'a»en, so dass auch er den Versuch aufgab. Fast möchte man
hier sagen: nomina sunt odiosa (iötzenstein !?). .Seitdem liegt der Stein unten."
i'.dls die Sage von der Rückkehr des Steines an seine Stelle alt ist (und nicht erat
hergeleitet von den ^tatsächlichen Versuchen, ihn fortzuschaffen, um ihn zu ver-
baaen, was wahrscheinlich, aber noch festzustellen ist), so wäre Bie zusammenzustellerj
mit den mannichfachen älteren Berichten, dass alte Heiligthttmer, auch solchi
Stein, z.B. zu Mariaort hei Kegenshurg, die zur Verehrung irgendwie weggebrachl
waren, immer wieder an ihre ursprüngliche Stelle zurückkehrten1).
Vom Stein bis auf den Berg, WO er früher gelegen, ist. von S. nach X..
50 Schritt (über den Berghang abgeschritten). Jenseit des Berges dehnt sich der
Sumpf aus, auch „Busch11 genannt, weil er mit Laubholz bestanden ist, der den
grossen und kleinen See verbindet. Zu einer Zeit wird vormals hier als* 3
wesen sein. Der Sumpf greift an dieser Stelle zungenförmig in di-n Berg ein.
Vom Stein bis hierher zum Sumpf, über den Berg weg, in der Richtung von S.
•lach X. Bind etwa 120 Schritt. In diesem Winkel, wo der offene, schwarze,
schillernde Morast sich zeigt, soll „eine alte Kirche in dem Sump versunken" sein,
ebenso sollen „früher die Bäuser von Görbitzsch bis hierher gegangen" sein. Dass
das Dorf Görbitzsch sich jemals bis hier ausgedehnt habe, ist undenkbar; wohl
aber mag die Erinnerung an alte vorgeschichtliche Ansiedelungen sich hier er-
halten haben, die in Hinsicht auf den Burgwall u. a. erklärlich wäre. Die Sage
.im einer versunkenen Kirche, so allgemein sie ist, könnte doch einen thatsäch-
lichen Untergrund hier haben, sei es, dass man Opfer oder Heiligthttmer in den
See versenkte, oder dass bei Einführung des Christentums ein Sinnbild des alten
Dienstes in den See oder Sumpf gestürzt wurde.
„Von den Schwedenschanzen", heisst es, ..ist immer der Nachtjäger gekommen
und nach dem grossen See gezogen. Er hatte immer denselben Strich und zog
von Mittag nach Mitternacht". Er soll auch immer bei dem Stein vorbeige,
sein, wenn er von den Schwedenschanzen kam. Wenn ich richtig verzeichnet habe.
so liegt der Farbenstein von den Schwedenschanzen aus in der Richtung von S.
nach X. Sein Kommen war so -regelmässig (d. h. so oft), dass die „„mehrsten""
Leute, wenn sie da bei den Schwedenschanzen vorbei mussten, frühzeitig, vor
N'aehi nach Hause gingen, weil sie sich gefürchtet haben". „Auch ging keiner".
s.i heisst es weiter. ..allein an die Schwedenschanzen, um Streu zu harken, weil
grosse Vögel da waren, die pu-hu schrieen". Ich erwähne, dass der Uhu (Strix
bubo L.) hier nicht mehr vorkommt, weil am Kaischensee. weiterhin gelegen, seine
Stimme bereits sagenhaft geworden ist. Ks wird ferner erzählt, dass. wenn der
Nachtjäger aber den grossen See zog, seine Hunde durch das Wasser schwammen
und dass früher ein Fischer Mamerski m Sommernächten, wenn er dort tischt''.
zur Zeil der Erscheinung an's Land fuhr, und da wartete und den Nachtjäger vor-
beiliess, damit sein Kahn nicht umgekehrt würde. Dies ist eine zweite natürliche
Seile von diesem Nachtjäger. Denn Wirbelwinde drehen die Kühne um und zer-
schlagen sie und wühlen im Wasser, dass es sich anhört, als seien Pferde in der
Schwemme, wie ich als Ohrenzeuge weiss. Allgemeiner unter den 1. andienten hier,
aber auch weiter in der Umgegend heisst es, dass der Nachtjäger zu Pferde war
und zwei Hunde hatte.
Da m Holstein, Meklenburg und Pommern noch heute unter dem Landvolke
der wilde Jäger Wode heisst. also noch heute nicht bloss die Erscheinung
Gottes Wodan, sondern sein Name in der Erinnerung fortlebt, nach so vielen Jahr-
1) Vergl. Panzer, Bayerische Sagen, 1855, II. u.a.m.
Verb»ndl. der Berl. Atiih i- ■■
(434)
hunderten, da ferner der Gott Odin zwei Wölfe hatte1), Wodan wesentlich gleich
Odin ist, und der Nachtjäger in der Neumark, in der Niederlausitz und im westlichen
Schlesien dasselbe ist, wie der wilde Jäger, da endlich ein slavischer Gott mit zwei
Hunden in Deutschland nicht bekannt ist, so darf man in dem Nachtjäger, der von
den Schwedenschanzen bei Görbitzsch kommt, den germanischen Wodan sehen.
Alle diese Beziehungen, namentlich in Hinsicht auf den Rundwall, scheinen
auf alte Heiligthümer hinzuweisen, die ja auch irgendwo gewesen sein müssen.
Dass solche „mythologischen" Erinnerungen in Arerschiedenen Theilen Deutsch-
lands aus der heidnischen Zeit bis in die Jetztzeit sich erhalten haben, hat erst
neuerdings wieder Hr. Götze an einem ausgezeichneten Beispiele dargethan '-').
3. Der Borchwald bei Klauswalde.
Von der Stadt Reppen (Kreis West -Sternberg) 5 km entfernt in nordöstlicher
Richtung liegt der „Burgwall", im Volke genannt „Borchwald", rings umgeben
von einer ausgedehnten Wiesenau, die auf allen Seiten von Bergen umschlossen
wird. Durch die Au fliesst in vielfachem Zickzack, südlich am Burgwall vorbei,
in etwa 100 Schritt Entfernung der Eilangfluss. Der sogenannte Burgwall, denn so
wurde mir die ganze Erhebung bezeichnet, besteht aus drei zusammenhängenden
Bergen, die durch muldenartige Einschnitte von einander getrennt sind. Von den
zwei grösseren Bergen liegt der eine nach Westen, der andere nach Osten zu; der
mittlere, kleinste schiebt sich nach Norden vor. Die Gesammtlänge von 0. nach
W. beträgt 1250 Schritt. Der westliche Berg liegt nach der Generalstabs-Karte
(1985 Reppen, 1 : 25000, Aufnahme von 1894) 67,8 m über dem Meer. Vom mittleren
Berge führt ein dammartiger Weg, 100 Schritt lang, durch die Wiesen, nördlich
in den Wald. Die Aussicht von der Höhe des westlichen Berges über das Wiesen-
thal und die Eilang ist sehr schön. Die Kuppen des westlichen und mittleren
Berges werden beackert, sonst ist Alles mit Wald bestanden, vorherrschend mit
Kiefern, aber auch mit Haseln, Espen, Hainbuchen, Eichen, Birken und Erlen.
Am Pusse des östlichen Berges blühen viele Waldblumen, darunter auch die durch
mittelalterliche Sage berühmte Springwurz (Impatiens noli tangere L.) In der Mitte
der Berge steht eine Scheune, auch ist in der Nähe ein gemauerter Brunnenkessel
voll Wasser von einem jetzt aufgegebenen Brunnen. Der östliche Berg läuft in
Miii'i zweiten Hälfte in einen steilen Kamm aus, der fast gleichmässig zu beiden
Seiten beträchtlich hoch und steil abfällt. Eine Strecke lang verläuft er fast gerade.
Zu meinem Staunen fand ich auf der Höhe des Berges einen glatten, gemauerten
Tanzboden, und in der Nähe einen Bock zum Auflegen von Bierfässchen, auch
'inen Schiessstand. Es feiern hier Bewohner von Reppen, wie man mir sa>>te,
Sommerfeste, also wie im Alterthum Tanz und Biergelage im Freien. Auf dem
mittleren Berge im Roggen-Stoppelfeld (Juli 1897) fanden sich beim Suchen und
Nachgraben, oben auf der Ackerkrume und bis in 1 Fuss Tiefe, vorgeschichtliche
Scherben rorslavischer Zeit in kleinen Bruchstücken, auch Kohlenstückchen. Ob
letztere vorgeschichtlich sind, bleibt ungewiss. Unter den Scherben waren auch
solche \nii feinen, schön rothbratmen, innen und aussen sehr glatten, auf der Aussen-
aber auch innen i twas, glänzenden kleineren Gefässen. Wäll«1 habe ich
nicht bemerkt, doch war meine Zeit beschränkt. Ich werde" die Stelle noch einmal
1) Grimm, Mythologie, Berlin 1875, I, 122: „Noch ein Schwank bei H. Sachs I.
.'.. 499) weis , da ich Gotl der Herr die wölfe zu Jagdhunden erwählt hatte."
Zeitechrifl für Ethnologie. Verhandl. L896, S. 116—118: Die Himmelsburg bei
TM . - 1 1 i i j !_■ . • 1 1 Bach en Weimar .
(435;
aufsuchen. Der Bargwal] liegt zwischen den Ortschaften Fteppen, Tornow und
Klanswalde.
Im Volke heisst es, dass früher eine Ritterburg hier gestanden habe
4. Das alte Haus bei Sternberg.
Das sogenannte „alte Haus" liegt 2 km nördlich von Sternberg Kreis Ost-
Sternberg) an der Eilang. Ks sehiebt sich hier eine bergige, mit Laubhol/, be-
standene Landzunge von \. nach S. vor. Sie ist auf drei Seiten von W
umgeben, die vormals vielleicht Sumpf oder See waren. Auf der West- und
Südseite wird sie in 30—100 Schritt Entfernung von der Eilang umflossen. Das
alte Haus bestellt, soweit ich gesehen, aus einer Anzahl von Erhöhungen und
Vertiefungen, die künstlich auf und aus dem Berge hergestellt worden sind,
dargestellt auf der Generalstabs - Karte (1986 Sternberg, aufgenommen 1894).
Die Ausdehnung von N. nach S. beträgt nach der Karte 300 Schritt, in die
Breite fast "200 Schritt. Auf einer Fläche oben, wo ein Ackerstück gepflügt war.
>ah ich Stücke von Ziegelsteinen, auch Feldsteine. Vermuthlich waren hier Ge-
bäude in früherer, wohl mittelalterlicher Zeit, doch habe ich die Anlagen nicht
weiter durchsucht. Nicht unwahrscheinlich wäre es, dass sie einen vorgeschicht-
lichen Untergrund hätten, wie so vielfach. Die Lage muss als vorteilhaft be-
zeichnet werden. Jetzt ist „das alte Haus" nur noch Flurname und die Stätte dient
zu Vergnügungs-Ausflügen für die Sternberger.
5. Der Beelitzer Heiden -Kirchhof.
Von der Stadt Sternberg ."> km westlich liegt das Dorf Pinnow. Von da
führt nordwärts ein Fahrweg nach dem Dorfe Biberteich. Ihn kreuzt 500 Schritt
südlich vor dem Eilang-Fluss ein Waldweg, der links, westlich, nach dem Dorfe
Beelitz [Kreis West-Sternberg] *) führt. Das Gelände ist hier mit grauem Finken-
moos und dürftigem, durch Streuharken verkommenem Kiefernwald bedeckt. Jen-
sen der Kreuzung, rechts vom Waldweg, waren viele vorgeschichtliche Gräber,
soweit ich nach den Gruben und Steinen übersah, in einer Längenausdehnung von
180 Schritt. Ebenso waren und sind noch Gräber auf der linken Seite vom "Wald-
Die Gräber rechts und eine Anzahl links sind bereits eröffnet, wie mir ge-
sagt wurde, in der Mehrzahl von den Besitzern, Bauern in Beelitz, um Steine heraus-
zuholen. Dabei wurden alle Gefässe zerschlagen. Eine Anzahl hat Hr. Predigt-
amtscandidat WM lieh aufgegraben. Sämmtliche Gräber scheinen ursprünglich.
gehabt zu haben. Sie müssen reich an Steinen gewesen sein. Ich
unter den zurückgelassenen einzelne Behr grosse Steine von mehr als 2 Fuss T
Ins r i'uss Breite. Auch fielen mir hin und wieder ganz platte, flache Stein*-
auf. Eis lauen vorslavische Scherben und Knochen von Leichenbrand umher. De-
Stelle soll früher keinen Namen gehabt haben; Heiden-Kirchhof heisse sie
lern die Gräber dort aufgefunden sind.
Der Nachtjäger soll am Mitternacht am Heiden-Kirchhof vorbeiziehen und
/war \on Mittag nach Mitternacht, nach der Eülang zu. Als Leute (deren Namen
genannl werden) vorbeifuhren, „haben sie ein Paar schwarze Bund g -eben, die
n funkelten. Die Pferde sind stehen geblieben und nicht \on der Stell« _ -
rückt.- „Ebenso hat er durchgejagl durch die sehr grosse Liebensche Heide (weiter
nördlich), wo viel Laubholz war. nicht weit vom Theerofen daselbst Er hat
1) A. Richter, Ortschi j-Ven ichniss der Provinz Brandenburg 1879 rechnet Beeliti
irrthümlich zum Kr
(43(1)
immer eine Richtung' gehabt von Mittag nach Mitternacht und war immer zu be-
stimmter Zeit zu hören, zwischen 11 und 12. Er hatte zwei Hunde, einer hat grob
gebellt, einer fein. Aber sie sagten, man dürfe den Hunden nicht nachbellen, sonst
kam er geritten und schmiss ein Stück Pferdefleisch zum Fenster 'rein."
6. Feuerstein- Werkstatten und Gräber am Rüchenteich.
Von Sternberg 4,5 km nordöstlich liegt in Wiesen, durchströmt von der Eilang,
ein See, genannt der Küchenteich (Kreis West-Sternberg), angeblich, weil für das
Gut Pinnow die Fische dort gefangen wurden, wie noch jetzt. Oestlich und westlich
von den Wiesen am Küchenteich steigen Berge an. Die Berghöhe östlich (Kreis Ost-
Sternberg) gehört zum Rittergute Kemnath und erreicht in ihrer Kuppe beim „Stall"
120,9 m Höhe, während der Küchenteich 72,4 m über dem Meer liegt. Diese öst-
liche Berghöhe dehnt sich an den Wiesen nordwärts, vom Küchenteich ebenfalls
nördlich, aus. Hier durch die Wiese, 200 Schritt vom Küchenteiche ab, führt ein
Fahrweg von Westen nach Osten. Genau in der Richtung des Wiesenweges, der
am Fusse des Berges nach Süden abbiegt, sieht man in mittlerer Höhe am Berge
eine kahle, weisse Sandfläche von etwa 155 Schritt Länge und 85 Schritt Breite,
die sich nur sehr massig senkt. Sonst ist der Berghang hier mit Heidekraut und
Buchsbart bewachsen, hin und wieder mit Birken, Kiefern und Haseln. Früher
waren die Berghöhen hier mit Wald bestanden, sie sind aber von verschiedenen
Käufern oder Besitzern des Gutes Kemnath abgeholzt worden. Der leichte Sand
der kahlen Fläche wird viel vom Winde verweht, auch bei starkem Regen vom
Wasser abwärts geschwemmt: deshalb wäre es möglich, dass hier und da unter
dem Sande noch eine ältere Bodennarbe liegt.
Ich sah auf 100 Schritt Länge im Sande viele Stücke von Feuerstein-Knollen
liegen und zahllose von Menschen hergestellte Feuerstein-Spähne, geschickt ge-
schlagen und wie Glas klingend, Bruchstücke von Messern, einzelne Schabern ähn-
liche Stücke, mehrere eigentümliche rundliche, scheibenartige Stücke, dreieckige
Stücke wie zu Pfeilspitzen. Ein solches Stück wenigstens, mit scharfer Spitze,
zeigt deutlich eine derartige Absicht, denn an der einen Schneide bemerkt man kurze
Schlagmarken, eine neben der anderen. Ein flaches Stück (S. 440, Fig. 38) war so
scharfkantig, dass ich Dreiecke aus Papier auf harter Unterlage damit ausschneiden
.konnte. Auch pfriemenartige Stücke finden sich. Eines hatte eine sehr scharte
schmale Spitze, die bei meinem etwas lebhaften Versuche, starkes Leder damit
zu durchbohren, abbrach. Manche Scherben sind so durchsichtig, dass man Ge-
drucktes und Geschriebenes darunter lesen kann. Einzelne Bruchstücke von Spähnen
aus röthlichem Feuerstein sind so schön wie Achat. Es war hier also eine, oder
mehrere Feuerstein-Werkstätten. Mutterknollen aus Feuerstein finden sich zahl-
reich ;im Berge und in der ganzen Umgegend.
Au zuii Stellen der kahlen Fläche traf ich vorgeschichtliche vorslavische
Scherben in kleinen Bruchstücken, ebenso Stückchen von Arm- und Beinknochen,
die steinhart and schwer geworden sind, von Leichenbrand herrührend. Es waren
also Gräber hier, doch stiess der 3Y2 Fuss lan^e Sucher nirgends in der Erde auf
Gefässe. Ebenso blieben Nachgrabungen ohne Ergebniss. Auch fand sich der in
hochrothem Elosi lebhafl glänzende Kopf eines eisernen Nagels (S. 440, Fig. 26. 27),
und ein kleines Stückchen einer schwammartig löcherigen, rostfarbenen Masse, wie
• enschlacke aussehend, aber nicht schwer und rothfärbend wie Röthel.
An einer Stelle, aber hier in weiterer Ausdehnung, lagen, von Strähnen her-
rührend, viel«; kurze and längere, /uckige, graue Bruchstücke von geschmolzenem
Sand, glasartig klingend und innen zu Glas verschmolzen. Jedenfalls hat hier wohl
(437)
der Blitz eingeschlagen. Mit Ausnahme der Endstücke zeigen diese Bildungen im
Querschnitt eine Hache oder auch runde, röhrenartige Aushöhlung, letztere bis
."> mm im Durchmesser, durch die der Blitz hindurchgegangen ist. Es würde be-
stätigen, was ich früher beim Landvolke hörte, dass der Blitz durch Fenster-
scheiben Löcher wie Erbsen schlug.
Bin Stück meergrünes Glas gehört wohl unserer Zeit an.
Alle diese Gegenstände lagen durcheinander, besonders zahlreich Dach starken
Regen. Praglich bleibt, ob die Feuerstein-Werkzeuge zeitlich zu den Gräbern ge-
hören. Was die zertrümmerten Gefässe anbetrifft, so wäre es denkbar, dass Bie
beim Ausroden von Kiefern-Stubben zerschlagen wurden im letzten oder in früheren
Jahrhunderten. Denn in der Umgegend brannten Theerofen noch in diesem Jahr-
hundert. Zwei Höfe heissen nach* solchen: „Kemnath -Theerofen", 1000 Schritt,
und „Theerofen", südwärts an der Eilang, 1700 Schritt von hier entfernt.
Noch eine Erscheinung verdient Erwähnung. An einer Stelle sieht man im weisses
Sande eine dunkle Schicht aus schwarzem Boden, wie mir schien von Holzkohle
herrührend, ausgedehnt in einem Doppelbogen, wie Fig. 2, ade zeigt. Der Bogen
ad ist etwa = 32 Schritt, a h = 27 Schritt, c <l = 32 Schritt:
(i liegt am höchsten, <n/ und u<- halten Fall, wir der Berg
hier. Die Linie a il ist ungefähr von 0. nach \Y. gerichtet.
Vorslavische Scherben lagen etwa in der Mitte und aussen
an den beiden Bogen, doch nur wenige hier und da, und
Feuerstein -Spähne. Bei ef ist die dunkle Schicht etwa
handbreit tief, beim Nachgraben fanden sich Kohlenstüekchen
darin. Xach g und h zu wird sie flacher. Auch wechselt
sie in der Breite: bei a ist sie etwa 1,80/// breit, bei hd €.. ...•». . . W
_ 'ii breiter vom Regen ausgewaschen: wie überhaupt die yf
Bogen nach unten hin. nach eundtf, verwaschener erscheinen.
Bei <!'■ fehlt die schwarze Schicht. Es fragt sich, ob der dunkle Boden hier von
Feuern herrührt? und dann, ob von Feuern der vorgeschichtlichen oder späterer
Zeit? Ob die eigentümliche Gestalt durch die Lage der Feuerstellen oder durch
Abschwemmung am Berge hervorgerufen wurde? Gegen die Vorzeit könnte sprechen,
<la<s die ziemlich regelmässige Form durch die Wurzeln starker Bäume und durch
Späteres Ausroden von Stubben hätte gestört werden müssen, für die Vorzeit die
Form, und der vorgesehichtliehe Boden hier.
7. Gräber am Ost-Ausgange von Görbitzsch.
Der Hofbesitzer .Misch, früher in Görbitzsch Kreis West -Sternberg), jetzt
zu Adolphsruhe, theilte mir 1897) mit: „150 Schritt vom Dorfe. links (westlich)
vom Wege nach l'innow. ist ein freier Fleck, jetzt beackert und dem Kossäthen
Maass gehörig, früher einem gewissen Semann. Da war früher ein Kirchhof. Es
waren mehrere Mibbel (Hügel . rund, etwa 12 bis 14. und Steine darin, grosse und
kleine. Die Steine lauen in der Erde und darüber (oberhalb des Erdbodens), aber
immer war Erde zwischen allen Steinen. Alte Töpfe mit Henkeln und Scherben,
und Asche wurden gefanden. An einer Stelle waren 4 Hache Steine, kaum 3 Zoll
stark und etwa 3 Fuss lang und ebenso hoch, im Viereck wie ein Kasten
zusammengestellt Darin stand ein Topf und rings zwischen Topf und Steinplatten
war Erde. Das war vor mehr als 50 Jahren. Wer Steine brauchte, hat sie von
dort geholt. Ich selbst habe auch viele Sit ine zum Kellerbau und zum Bai
herausgenommen. Der Keller hatte 1 ■_' . ;///.-
Unter Asche verstehen die I. andiente in solchem Fall, so oft ich es bemerkte,
den durch die Knochentheilchen grau gewordenen Inhalt der Urnen. Die Höhe
der Steinplatten von 3 Fuss, vielleicht auch die Länge, dürfte wohl überschätzt
sein. Ich hatte nicht mehr Gelegenheit, diese Stelle zu untersuchen, obwohl ich
öfter vorbeigekommen.
8. Gräber beim Neuen-Vorwerk bei Görbitzsch.
Nach der Aussage des Hofbesitzers Götze in Görbitzsch waren früher „hinter
Görbitzsch, in der Gegend beim neuen Vorwerk, 800 — 900 Schritt von da nach
Morgen, in der Nähe eines Grabens, zwei Stellen, getrennt durch den Graben, in
einiger Entfernung von einander," wo vorgeschichtliche Gefässe gefunden wurden.
Den ersten Topf, den Götze vor Jahren dort vorfand, zeigte er dem des Weges
kommenden, jetzt verstorbenen Hrn. Major v. Risselmann, dem Besitzer von
Görbitzsch, der das Gefäss als Todtenurne erklärte, die herstamme vom „Volks-
stamm der Semnonen". Um zu sehen, was darin sei, wurde das Gefäss aus-
einander<>eschlagen. „Auf dem Boden lag eine Hirnschale, vollständig erhalten."
9. Vorgeschichtliche Funde bei Kemnath-Theerofen.
Das Gehöft Kemnath-Theerofen (Kreis Ost-Sternberg) liegt etwa 1000 Schritt
nordwestlich von den Feuerstein -Werkstätten am Küchenteich. In W. und SW.
vom Wohnhause dehnt sich Ackerland aus bis zu einer baumreichen Schlucht,
durch die ein „Flüsschen" fliesst, der Abfluss einer Quelle in einer Wiese östlich
vom Gehöft. Auf dem Acker, damals Brachland (Juni 1897), fand ich einen kleinen
Scherben von einem vorslavischen Gefäss.
Zwischen Kemnath-Theerofen und der Pinnower Mühle erhebt sich ein Berg-
rücken. Ein Fusssteig führt über denselben nach der Mühle. An dem nördlichen
Abhang, Kemnath-Theerofen zu gelegen, westlich vom Fusssteig, dehnt sich Acker-
land aus. Hier traf ich, damals (Juni 1897) Brachland, 200 Schritt südlich vom
Wohnhaus von Kemnath-Theerofen, einen vorslavischen Scherben von einem
feineren Gefäss. Auf demselben Acker fand ich einen Feuerstein-Spahn.
10. Fundstelle auf der Landzunge an der Eilang.
Nahe dem Küchenteich liegt die Pinnower Mühle. Weiter abwärts an der
Eilang, 600 Schritt in der Luftlinie, die Steinick'sche Wassermühle. Unterhalb
dieser nach NW. durchmesst die Eilang ein ausgedehntes Wiesenthal. In der
Luftlinie 1000 Schritt nordwestlich schiebt sich bis hart an die Eilang eine Land-
zunge (Kreis West-Sternberg) vor, etwa 120 Schritt lang, von sehr gleichmässiger
Form, und wegen ihrer Lage im Alterthum gewiss zu einer Ansiedelung sehr
geeignet. An zwei Stellen, auf der Generalstabs-Karte (1986 Sternberg) verzeichnet,
iat man in neuerer Zeit abgegraben. Am nordwestlichen Abstich fand ich einen
Feuerstein-Spahn, sonst auf dem ganzen Hügel trotz vielen Absuchens nichts.
Auf der Landzunge wächst in Menge eine Art Hauslaub (Sempervivum tec-
fconun?) und wie ich später fand, auch noch an einer Stelle etwas weiter südlich
von hier an dem Berghang nach der Eilang zu. Bewohner der Umgegend wussten
nichts ron seinem Vorkommen hier und kannten es nur von den Gräbern der
Kirchhöfe und von den Strohdächern her.
11. Fundstelle südlich von der Eilang.
Etwa 300 Schritt oberhalb <\^y Landzunge mündet ein kleiner Bach in die
Eilang. Etwa 700 Schritl iidwärts von dieser Stelle, östlich vom Bach, an einem
sehr Qachen Bergabhange (Kreis West- Sternberg), -SOO Schritt entfernt vom öst-
(439)
liehen Rand der Höllenkeiten, fand ich einen Feuerstein-Spahn , 5 cm lang- und
1,6 cm breit (S. 440, Fig. 23).
12. Gesichtsurnen bei Sternbi
Da ich erfahren hatte, dasa auf der Feldmark des Gutes Grundhof bei der
Stadt Sternberg (Kreis Ost-Sternberg) Altsachen gefunden wurden, so begab ich
mich nach dem Grundhof, um die Kundstelle zu besichtigen, traf aber Hrn. Knaak
dortselbst nicht zu Hause. Auf Anfragen von Berlin aus hatte Hr. Knaak die
Güte, mir wiederholentlich Mittheilun^cn darüber zu maehen, die ich zusammen-
gestellt hier wiedergebe:
„Ich habe sämmtliche mir bekannten Stellen durchsucht, wo Gräber durch den
Pflug aufgedeckt wurden. Nur an einer Stelle, in der Nähe des Hofes, auf einem
kleinen Hügel, fand ich 4 Gesichtsurnen. Sie hatten Deckel und Verzierungen.
Die Nase war erhaben, dreieckig, Augen und Mund nur durch Striche angedeutet.
Innen waren kleine Gefässe mit Asche, Kohle und kleinen Stücken, wie ich denke,
von oxydirter Bronze angefüllt. Leider zerfiel Alles an der Luft. Meine Knechte
hatten schon daran herumgearbeitet, ehe ich dazu kam. An einer anderen Stelle.
rechts von der Chaussee nach Zielenzig, auch auf einem kleinen Lehmhügel,
fanden sich zwei Kisten-Gräber mit 3 Skeletten, 2 grossen und einem kleinen.
Das eine grosse Skelet hatte einen stark gebogenen Schenkelknochen. Ich habe
mich sehr für die Funde interessirt, jedoch fehlt mir die Zeit, mich damit zu be-
schäftigen. Auf der Mittelmühle ist das sogen, „alte Haus", das meines Erachtens
noch in seinem Innern viel Interessantes bieten dürfte. Wenn Sie dort nachgraben
wollen, würde ich gern die Vermittel ung mit dem Besitzer übernehmen."
Fig. 1 — 10 (S. 440) von der Schwedenschanze bei Görbitzsch. Fig. 1
Scherben mit einem Loch (4mm) von der Seitenwand eines Gefässes. "/< seitliche Rich-
tung: Fig. 2, 3 von Hals und Ausladung zweier Gelasse: Fig. 4 mit breiten, flachen
Streifen um die Ausladung: Fig. .'> mit acht ganz flach eingedrückten Furchen: Fig. f>
mit tieferer Furche m der Ausladung, bei " der Halsansatz. Fig. 7 ein Stück von
ruthgebranntem Lehm, bei a ein Stück scheinbar blaugrauen Thones, bei hh der
glatte Abdruck eines Holzstabes (1,5 cm breit), der etwas gekrümmt gelegen hat.
vielleicht Wandbewurf von einem Gebäude: dies würde dann beweisen, dass ein Haus
im Rundwall stand und vermuthlieh in Feuer aufging. Fig. 8 kleiner Scherben.
rast wie Steingut aussehend, im Bruch weisslichgran, sehr hart. ."> mm stark. Fig.
feiner braunfarbiger Scherben, 3 mm stark, ohne Burgwallmerkmale. Fig. 10 Stück
><ui einer Halsmündnng, 8 mm stark.
Fig. llobis II rora Burgwall bei Klauswalde. Fig.ll.' Scherben. 5 mm
>iark. von der Wandung eines nur mittelgrossen Gefässes, zeigt die Rundn
ron l etwas schräg gestellten Löchern. Bin Siebgefäss, vielleicht um von Quark
W r ablaufen zu lassen, wie noch heute in der Mark /.. B. Zossen und
Umgegend) irdene, braunglasirte Gelasse mit I. (ichern dazu dienen und in Ober-
Bayern das hölzerne Kaskor oder Kaakoa mit je 6 Löchern in Wand und Boden' .
Ebenso vielleicht Fig. 1. Fig, IIA Scherben von grossem Gefäss, 8 — 9 mm stark.
Furchen von oben nach unten. Fig. 12 Kante. 12 mm stark. 70H einer Fme etwa
wie Fig. 13 zeigt; diese Form scheint häutiger hier vertreten. Fig. II von einem
-cren Gefäss mit rauh gemachter Oberfläche.
l Vergl. mein,' Angaben in den Mittheilungen der Wiener Anthrop. Gesellschaft 18
S. 68, Fig. 18, B.84, and über den Gebrauch desselben 8. t>5.
(44.))
Fig. 15—22 und 24 vom Beelitzer Heiden-Kirchhof. Fig. 15, 17—20
Scherben mit Furchen; Fig. 16 mit schräg und ziemlich tief eingestossenen Löchern
am Halse; Fig. 21, von einem grösseren Gefäss, zeigt sehr deutlich einen röthlichen
Ueberzug aa, der sich abblättert, darunter eine graue Schicht (punktirt!) und
darunter die gelbliche Gefässwand. Fig. 22 Loch (5 mm) in einem Bodenstück.
Fig. 24 bearbeiteter weisser undurchsichtiger Feuerstein.
Fig, 23 von der Landzunge an der Eilang, weiss, undurchsichtig.
Fig. 25 südlich von der Eilang, weiss, undurchsichtig.
Fig. 26 15 w„i, Berg am Küchenteich. Fig. 26, 27 Kopf von einem eiserne«
Nagel. Fig. 28 — 4.", Feuerstein-Geräth. Fig. 28 unfertige Pfeilspitze, schwärzlich
durchsichtig. Fig. :.".'. 30, 31, II vielleicht ebenso, weisslich, undurchsichtig. Fig. 38
Haches, bräunliches Stück mil aehr scharfkantiger Schneide. Aehnliche fanden sich
mehrfach. Fig. 39 fast runde Scheibe von hellem durchsichtigem Feuerstein, am
Fig.
4.
0
Q
O
0
0
Q
(441)
Rande stumpf. Die panktirten Stellen zeigen milchig gewordene ältere Schlag-
flächen, die übrigen frischen Bruch.
Fig. 46 aus der Gegend von Kenmath-Theerofen, grau, undurchsichtig, an den
beiden Seitenkanten mit Schlagmarken.
13. Der Stein bei Tornow.
Der Hofbesitzer Götze, jetzt m Görbitzsch, theilte als Augenzeuge mir mit:
„Vor 60 Jahren lag bei dem Dorfe Tornow (Kreis West-Sternberg) ein grosser
Stein. Er war länglich rund, etwa ~> Ftiss lang und 4 — 5 Fuss
breit und sah 1 guten Fuss über die Frde. Oben auf dem Stein
war eme breite Platte. Ks waren I Hufe darauf, als wenn ein
Pferd geht und in den weichen Stein tritt." -- Als ich die vier
Abdrücke aufzeichnete, wie sie rechts in Fig. 4 wiedergegeben sind,
äusserte er: „Gerade so haben sie ausgesehen."
14. Der Stein bei Klauswalde.
Der Eofbesitzer Alisch und Sohn zu Adolphsruhe theilten als Augenzeugen
mir mit: „Auf dem Privatwoge von Biberteich nach Klauswalde (Kreis West-
Sternberg , eine gute '/4 Meile vor Klauswalde, dicht am Wege liegt ein alter Stein,
etwa 6 Fuss lang und 6 — 7 Fuss über der Erde. Oben waren 2 Pferdehufe darauf.
Das Stück haben sie aber abgesprengt und weggenommen. Der Stein liegt heute
noch da" (Juli 1897).
Ich bin zwar selbst den gewöhnlichen Weg von Biberteich nach Klauswalde
gefahren, wusste aber damals noch nichts von der Lage des Steins: es werden sich
aber später die gemachten Angaben vergleichen lassen.
Frauen in Biberteich, die ich früher wegen des Steines befragte, meinten:
..Es sei eine „Eselstappe" und ein Kinderfuss auf dem Stein. Es sei der Fuss
vom Jesuskinde." Sie fügten aber hinzu, sie wüsslen es nicht genau.
15. Der Stein bei Breesen.
Wie mir Frau Rittergutsbesitzer Kortim, gebürtig aus Breesen Kreis Ost-
Sternberg), mittheilte, lag früher beim Dorfe Breesen. 200 — 300 Schritt entfernt,
am Wege nach Östron, ein Stein, auf dem 2 „Hufe" (d.h. die Eindrücke) waren.
Derselbe ist yor mehreren Jahren /.ersprengt worden.
16. Der Stein be i B i berteich.
Hr. Willich zu Kemnath-Theerofen theilte als Augenzeuge mir mit: „Beim
Dorfe Biberteich Kreis West- Sternberg) lag früher, nach Norden zu. unten am
Fuss der sogenannten Schlegelberge, ein Stein, der etwa 3 Fuss lang. 2 Fuss breit
und 1 Fuss über der Erde war. Auf dem Stein sah man zwei natürliche Hufe.
wie man sie im Wagengeleise sieht. Man konnte auch den Strahl der Hufe sehen.
Die Hufe waren wie in den weichen Stein eingedrückt. Ausserdem war noch eine
Vertiefung wie ein Wagengeleise oder eme Schlittenspur eingeschnitten. Es sah
aus, als sei jemand mit dem Wagen über den Stein gefahren und das eint
darüber gegangen, das ander.' daneben. Sie sagten immer: „Hier isl d
mit der Karre darüber weggekarrt. " Die Hirtenjungen kamen alle Tage zweimal
bei dem Stein vorbei. Vor 5 6 Jahren ist er zersprengt und dann (an der
Hintermühle bei Biberteich?) verbaut worden.- Die Vertiefungen soll«
sein, wie oben Fig. I zeigt. W. v. S.\
(442)
„Vom Stein 1000 Schritt ab, war das Ochsenfort, ein klein Wässerchen, das
nur im Frühjahr und Herbst war." Sie sagten immer: „Da spiekt (spukt) es. Es
sei immer ein weisser Hase mit drei Füssen da. Mal haben sie Feuer da ge-
sehen. Mal sahen sie einen Hund, der ganz glühend war." —
Der „Hase mit drei Beinen" ist nach alter Volksvorstellung ein Abbild des
Teufels und „Hans Märten" selbst.
Danach wären noch zwei solche Steine, öffentliche Denkmäler, der Zerstörung
anheimgefallen, und das ungeachtet der Bestrebungen für die Denkmals-Pflege in
der Provinz Brandenburg. —
Fundstätten im Kreise West -Sternberg.
Da ich nachträglich erfuhr, dass sich Hr. Predigtamts-Candidat Will ich bei
längerem Aufenthalt in Biberteich viel mit den Alterthümern hiesiger Gegend be-
schäftigt hat, so bat ich ihn schriftlich um kurze Angabe seiner Fundstellen.
Hr. Will ich hatte die Güte (am 16. August 1897) mir folgende Mittheilungen aus
Görbersdorf in Schlesien zu übersenden:
„1. Feldmark von Görbitzsch.
a) Fundstelle unmittelbar vor dem Dorfe Görbitzsch am Wege, von Pinnow
kommend rechts, nur Scherben (vermuthlich dieselbe wie S. 437. W. v. S.).
b) Am Weg von Görbitzsch nach Bottschow, ungefähr die Hälfte des Weges
vom Dorfe entfernt auf einem Hügel, Mitte etwa zwischen See (Krumme See.
W. v. S.) und Weg.
c) Am Weg nach Gandern(?), von Görbitzsch etwa 1,5 km entfernt, nur
Scherben.
„2. Feldmark Belitz.
a) Am Weg von Biberteich nach Pinnow, 300 Schritt von der Eilang nach
Pinnow zu, rechts, am Grundstück des Bauern Forchert. Hügelgräber (dieselben
wie Seite 435. \V. v. S.).
b) Am Weg von Belitz nach Klauswalder Mühle, links im Walde. Doppelurne.
„3. Feldmark Bottschow.
Auf dem Predigerland, nicht weit vom Belitzer Wald und Weg. Urnenscherben.
„4. Feldmark Biberteich.
Am Weg nach Lieben, 1 km vom Dorfe Biberteich entfernt, unmittelbar am
Weg und im Weg.
„5. Feldmark Kemnath (Kreis Ost-Sternberg).
hi der Nähe von Kemnath-Theerofen liegen zerstreut germanische Scherben;
ich habe dort aber keine Stelle gefunden, von wo sie zerstreut sein könnten (die-
selben wie S. 438. \V. v. S.).
Die unter 1., 2., :;. und 4. genannten sind Gräberfelder germanischer Art vom
ältesten und rohesten Typus bis zu den elegantesten Buckelurnen. Bei 2a, Belitz-
Eilang, Bronzefunde (Pfeilspitzen, Bronze-Spirale, eine Art von Messerchen, dünn
wie Blech; in der Gubener Gymnasial -Sammlung, auch ein Theil im Märki-
schen Museum). Keine Eisensaehen. Ein Steinbeil wurde von mir gefunden
auf dem Urnenfelde am < n.ibitzsch-Bottschower Wege (l.b), nicht mit anderen
Gegenständen zusammen rn abseits zerstreut, flach im Sande. Steinbeile
kamen sonst nicht vor, nur beim Bau der Reppen-Drossener Eisenbahn, irgendwo
zwischen Reppen und Drossen. Näheres nicht bekannt.
.,('.. Burgwall im Eilangthal bei Klauswalde.
Nur wendische Scherben (vergl. S. 434. W. v. S.).
Fi». 5.
(443)
„7. Burgwal] bei Görbitzsch im Bachwald.
Nur wendische Scherben (dieselben wie S. 431. \V. v. S.).
„8. Biberteicb.
In Biberteich, um Teich der Schlossmühle, eine Stelle mit einer Unmenge
wendischer Scherben. Nach dem Dafürbalten des Hrn. Buch hol/ vom Märkischen
Museum eine wendische Töpferei.
„9. Von neueren Sachen
wurde gefunden eine eiserne Pfeilspitze der Hussitenzcit (Gubener Gymnasial-
Sammlung).
Die Funde datiren aus den Jahren 1*88-90. Die Fundorte sind im Märkischen
Museum bereits alle bekannt."
Soweit Hr. Will ich.
Das erwähnte Steinbeil (Fig. 5) vom Urnenfeld am Görbitzsch-
Bottschower Wege, das ich ankaufte, um es einem Museum
zu übergeben, ist 7,8 cm lang, 4,2 cm hoch und 3,6 cm breit.
Das Stielloch (1,0 cm Durchmesser an der Mündung) ist nicht
fertig geworden, die Bohrung geht nur 13 mm tief. Der Zapfen im
Bohrloch ist etwa 8—9 mm hoch stehen geblieben. Soweit wurde
er verkürzt, aber auch an zwei Seiten desselben hat man
Stücke entfernt.
Wenn man die vorstehend angeführten Fundstellen auf der
Karte einzeichnet, so ersieht man, dass einige derselben auf
Wegen, andere in der Nähe von Wegen liegen, die noch heute
befahren werden und Ortschaften verbinden, und wie es hier ist.
wird es vielfach anderweitig sein. Da liegt doch die Vcrmuthung nahe, dass Fried-
höfe auch im Alterthum nahe an Verkehrswegen angelegt worden sind und dass viele
der heutigen Fahrwege auf dem Lande noch genau so verlaufen, wie einst in der
(germanischen) vorgeschichtlichen Zeit, zumal da auch die heutigen Dörfer in sehr
grosser Zahl an Stätten oder sehr nahe an Stätten liegen, wo vorgeschichtliche Gräber
oder auch vorgeschichtliche Ansiedelungen waren. Ich glaubte schon früher, auf
Grund anderer Erwägungen, eine solche Ansieht aussprechen zu dürfen1:. Es würde
sich daraufhin eine Karte nicht nur der vorgeschichtlichen Gehöfte oder Ortschaften,
sondern auch vieler alten Verbindungswege herstellen lassen. Aus der Thatsache.
dass sowohl in der Neuzeit wie im Mittelalter, in der wendischen Zeit und in der vor-
herigen germanischen Zeil gewisse selbe Ortschaften bewohnt gewesen sind, so dürfte
sich doch wohl ergeben, dass allzu lange Unterbrechungen in der Bewohnung nicht
stattgefunden haben werden. —
Der Lindenhörst bei Lüdersdorf.
Ich hatte erfahren, dass Herr Lehrer .Meier in Lüdersdorf (Kreis Teltow.
Brandenburg Alterthümer gefunden habe und er selbst theilte mir mit. als ich
ihu bei der Rückkehr nach Berlin in Lüdersdorf aufsuchte, dass er eine Er-
hebung in den Wiesen dortselbst, Lindenhorst im Volke genannt, für einen \\ all
halte und ebenda Scherben gesammelt habe. Ich begab mich deshalb (31. Mai 1897
nach Lüdersdorf. Die Entfernung nach dem in südlicher oder südwestlicher Rich-
tung gelegenen Lindenhörst sollte l/« Stunde betragen. Die Wiesen waren aber in
Fol°-e andauernden Regens sehr nass, /um Theil überschwemmt. Ich musste daher
1) Brandenburgia 1897, S. 140, 111.
(444)
Umwege machen und auf verschiedenen Dämmen gehen, die in den Wiesen angelegt
sind und zum Heuabfahren dienen. Wie alt die Dämme sind und ob sie sämmt-
lich oder theilweise aus der Zeit vor oder nach der „Separation'" stammen, erfuhr
ich nicht, da ich wegen frühzeitiger Rückkehr nach Berlin die alten Leute des
Dorfes nicht mehr darüber befragen konnte. Der letzte Damm oder Dammweg
führt unmittelbar auf den Linden hörst zu. Es war nothwendig. hier öfter durch
Wasser zu gehen, das auf demselben stand. Der Lindenhörst, Lüdersdorfer
Bauern gehörig, erwies sich als eine länglich runde Erhebung von 4 — 5 Fuss Höhe,
die, soweit äusserlich zu erkennen war, aus einem Hügel und aus einer Auf-
schüttung besteht. Wie weit der gewachsene Boden reicht, und wo überall die
Aufschüttung beginnt, wäre nur durch den Spaten festzustellen. Dies war damals
nicht angängig, weil der Rundwal], um ihn so zu nennen, mit hohem Grase bestanden
war. Der hohe Graswuchs hinderte auch, genauer den Umriss und die Böschungen
mit dem Au^e zu verfolgen. Die Oberfläche war fast gelb von den Blüthen der Spel-
blume (Ranunculus) und vielfach blau von Mannstreu (Veronica), während mehr
am Rande Gänseblümchen (Bellis perennis) wucherten. Der Lindenhörst hat keinen
eigentlichen Wall und keine Vertiefung im Innern, sondern liegt wie eine flache,
umgekehrte Schüssel im ehemaligen Sumpf. Eine Längsausdehnung etwa von SW.
nach XO. maass ungefähr 162, eine Breitenausdehnung etwa von NW. nach SO.
128 kleine Schritt. Er wäre danach länglich rund.
An der Südseite des Rundwalls, nicht weit entfernt von ihm, liegt ein rundes
Wasserloch (etwa 10 kleine Schritt lang?). Dasselbe war früher grösser. Um es
mehr zuzuschütten, hat der Besitzer nach Hrn. Meiers Angabe Erde vom Südrand
<les Lindenhörst abgegraben und in's Wasser geworfen. Ein zweites Wasserloch, etwa
ebenso gross und 1Ü kleine Schritt vom Rundwall entfernt, liegt auf einer andern
Seite. Die zwei fast runden Wasserstellen machen genau den Eindruck, wie die
alten „Tränken" (Viehtränken), die hier überall bei den Dörfern auf den ehe-
maligen Yiehhutungen, jetzigen Wiesen, noch zu sehen sind. Sie wurden von den
Bauern vormals ausgegraben für das „Vieh", das in der Zeit der Gemeindeweiden
und Gemeindefelderwirthschaft1) Tags über draussen weidete, während die Pferde
auch über Nacht in den Nachtbuchten-) verblieben, die besonders dazu umhegt
waren. Ob nun diese beiden Wasserlöcher schon aus alter, oder erst aus neuerer
Zeit sind, darüber konnte ich wegen Zeitmangels nichts feststellen.
Da. wo der Siidrand des Lindenhörst abgegraben ist, sieht man, dass der Rund-
wall hier aus gewachsenem Boden besteht, und zwar aus einer Art weissen, kalkigen
Mergels. Zahlreiche Krümel von einem scheinbar ähnlichen Mergel habe ich seiner
Zeit auf dem Miersch'schen Acker bemerkt beim Dorf Burg im Oberspreewald,
wo der zweite Barger lironzewagen, im Besitze des Hrn. Virchow3), gefunden wurde
und in mehreren vorgeschichtlichen Gefässen auf dem Muschink4) bei Müschen im
Oberspreewald. Auch sonst noch sieht man hier im Wiesengelände und in Acker-
stücken bei Lüderadorf den gleichen weissen Mergelboden. An andern Stellen aber,
oben und an der Böschung, zeigt der Rundwall dunklen Boden, wie namentlich au
den .Maulwurfshügeln zu bemerken war, wo ihn die Maulwürfe von unten herauf-
jestossen hatten. Ls \-\ lIso vermuthlich ein Theil des Rundwalls in alter Zeit
1 VergL Brandenburg^ L896, S. 214— 225.
2) Ebenda 18!)7, B. 119, 120.
3) Hier ist wohl der ersti Dur,!- \Y;^vn -ein. 'int (s. Verhandl. 1876, S. 241).
R. Vir cli ow.
I Einer Erhebung mit vorslavischcm Friedhof.
(445)
aufgeschüttet worden, ebenso wie er die gleichmässig länglich-runde Gestalt von
Menschenhand erhalten haben dürfte, wenngleich sonst hellsandige Erhebungen von
ziemlich regelmässiger Form auch in hiesiger Gegend vorkommen.
An der Stelle gegen Süden, wo der Rand in gewisser Länge abgegraben ist,
liegen viele Scherben im Boden, also auf der Sohle des Rundwalls, was ihre
Tiefenlage anbetrifft. Ol) sie immer so tief gelegen haben oder erst durch das
Abgraben so tief gekommen sind, konnte ich nicht feststellen. Ebenso landen sich
solche Scherben an mehreren anderen Stellen, aber nur an der Böschung, durch
Maulwürfe ausgeworfen. Auf der Oberfläche des Rundwalls habe ich keine bemerkt;
hier war das hohe Gras hinderlich. An der abgegrabenen Stelle sieht man ausser
Scherben noch ungebrannte Knochen, u. a. sehr starke Gelenkstücke vom Pferd oder
Rind(?). Auch ein Stück Kiefer mit mehreren Zähnen fand ich. ebenso Stücke
von Schalen der Teich- oder Plussmuschel, die sehr schön perlmutterartig
glänzten. Von zwei dachen Stücken bräunlichen Feuersteins zeigt das eine sehr
deutlich Merkmale der Bearbeitung. Die Scherben sind jedenfalls in Folge von Ein-
flüssen seit ihrer Lagerung, sehr hart geworden.
Fig. <;.
Fig. 1, 2 Grauer Scherben mit
einer Reihe von Höckern, die an
der Ausladung um das Gefäss
herumgingen; Fig. l von oben,
Fig. 2 von der Seite. — Fig. 3
S< herben von einem groben
Topf oder Napf mit Furchen
von der Mündung nach onten.
Fig. 4, 6 Scherl>"ii von Mün-
dung und Ausladung mittel-
grosser Gefässe. Fig. 5 von
dünnwandiger Tasse od. Napf.
Fig. 7, 8 bearbeitete Feuer-
steinstücke.
Ich habe nur vorslavisehe Seherben gefunden, keine aus wendischer Zeit.
Sollten auch im Innern des Lindhörst keim.1 Scherben aus slavischer Zeit vorhan-
den sein, so gehört er zu der geringeren Zahl derer in der Mark, die rein vor-
slavisch sind und wäre dann wohl als germanisch zu betrachten. Ihm schliesst
sich in dw Nachbarschaft, etwa eine Stunde \ im Lüdersdorf entfernt, ein vor-
älavischer, ebenfalls bisher anbekannter Kundwall an, den ich auf dem Gadsdorfer
Höllenberge auffand and bereits beschrieben habe1). Obgleich ich im Laufe
mehrerer Jahre Gelegenheit hatte, die Gadsdorfer Gegend in Hinsicht auf Alter-
tümer genauer kennen zulernen, so habe ich doch nicht das geringste Stück von
Töpferei wendischer Zeil bemerkt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass hier.
in einem beschrankten Umkreise, das Wendenthum nicht so fest eingewurzelt
nachweisbar war. wie anderswo. Trotzdem deuten vereinzelte wendische Flurnamen
auf der Gadsdorfer Feldmark [Dahren, Fahren (Jehren?), Uienschep die dauernde
Anwesenheit der Wenden ') un frühen Mittelalter hier an.
1) Brandenburgia, Berlin L897. 3. 128, 114.
•-' Ebenda 8.121, and 1896, S.219, Anmerk. 22, 24.
."■ Bei Klein-Schulzendorf, 1000 Schritt westl. von Lüdersdorf, heissen nach einer Mit-
heilung des Kossäthen Beinrich Ackerstücke: Naselabbe^Natkladde, Narübil bliie.
(446)
Es haben sich zwar in Gadsdorf (eine halbe Stunde von Lüdersdorf entfernt)
und Umgegend wendische Worte noch in der Umgangssprache der Landleute er-
halten, so die Worte Miese, Küzel, Mure, Kusche, Kuensch, Moch, Kuzel oder
Kuschcl'), wohl auch panken-), und vielleicht Buze, inbuschen, Pujje3); indessen
ist zu bemerken, dass nachweisbar in Gadsdorf die Bevölkerung durch Zuzug in
diesem Jahrhundert sehr gewechselt hat.
Es findet sich hier eine grosse Anzahl rein deutscher Bewohner, nach ihren
Namen und auch ihrer äusseren Erscheinung zu urtheilen. Aber auch sie ge-
brauchen die wendischen Worte, die sie oder ihre Vorfahren also erst zu einer
gewissen Zeit als flüchtige Bestandteile in ihr Deutsch aufgenommen haben. Ja,
man hat sogar von dem Worte Küzel ein Zeitwort küzeln4) mit ganz anderem Sinn
gebildet, das es im Wendischen gar nicht giebt. Es zeigt sich auch hier, dass
vereinzelte slavische Worte in der Umgangssprache des Landvolkes keinen Rück-
scliluss auf slavisches Volkstbum und Herkommen der Einzelnen gestatten. Nur
Flurnamen haben Beweiskraft. Bei ihrer grossen Bedeutung für die Kenntniss
von Land und Leuten und deren Entwickelungsgeschicbte sollte man sie schleunigst
überall im Lande sammeln. Denn während die auf Karten und in Schriften ver-
zeichneten Namen bleiben, vergehen die beim Landvolk lebendigen und oft
viel werthvolleren Flurnamen zusehends, wie alle alte Ueberlieferung. Die Ver-
öffentlichung könnte allerdings nur mit Hülfe von Staatsgeldern geschehen. Aber
mir scheint, es habe mehr Werth und höhere Bedeutung für Deutschland, als etwa
1) Brandenburgia 1897, S. 123, 150; 1896, S. 189—205.
2) Panken ist der Name für das 5-Steinchenspiel, für das Aufwerfen und Fangen mit
der Hand, wie die Kinder sagten. In der Neumark (Gegend von Schönewalde) hörte ich
es paxen nennen. Ich sah im Kreise Teltow ein 14jähriges Mädchen, allerdings eine sehr
geschickte Spielerin, 20 oder 25 Mal hinter einander verschiedenfach dieses Spiel spielen,
wie ich es mir auch verzeichnet habe. Wendisch heisst (nach Pfuhl) „panka die Schalr.
Eichelkapsel, Nussschale und pankowac mit Nussschalen werfen (Spiel)". Ich hörte kamus-
kowac, d.h. Steinchen spielen, für das 5-Steinchenspiel in der Muskauer Gegend. Zwahv
(Wend. Wörterbuch) erwähnt bemerkenswerth „ein Hirtenspiel, das mit Haselnuss-Schalen
(panki) nach Art des Spieles mit 5 runden Steinchen gespielt wird. Die Höhe des ersten
Wurfes, bei dem man die Formel: moj pau bogaty chojzi pojsy rogaty, d. i. mein reicher
Herr geht gehörnt einher, ausspricht, bestimmt allemal, wer das Spiel eröffnet, das pan-
kowas genannt wird." Schmaler (Haupt und Schmaler, Wendische Volkslieder. Grimma
1843. II. S. 226) sagt: „Das Panken, Penken (panka die Schale, pankowas) geschieht mit
den Schalen von Haselnüssen, welche in die Höhe geworfen und mit der Hand aufgefangen
werden .... I >;i - Nähere dieses Spiels, welches vom Cottbusser Kreise an bis Finster-
walde und das I »rutsche hinein gebräuchlich ist, blieb uns unbekannt." lieber die Einzel-
heiten des 5-Steinchenspiels unter den Wenden vergleiche mein Wendisches Volksthum.
Berlin 1882. 8. 192, 193.
3) Bu/.e für \\ iege war früher hier gebräuchlich (anderswo soll es noch gesagt werden)
und noch jetzt inbuschen für einwiegen. Nieder-Serbisch heisst buzkas einwiegen. Pujje
hei i hier die Wiege adisch im Ober-Sprecwalde auch bujki genannt. Das Wort
Jruze fand ich in der Lüdersdorfer »ö'gend nur im Kräuternamen Wejejruze (Polygonum
aviculare nach freundlicher Bestimmung des Hrn. Bolle). Die Wenden zu Burg im Ober-
Spreewalde sagen für R deutsch sprechen, Gruze, wenn serbisch: blomje. Ob
Plauze hier vorkommt für Leib Bauch, z. B. „ich halte mir die Plauze (= ..den Leib")
ordentlich vollgeschlagen," d. b. ich habe mich sehr satt gegessen, ist mir nicht gerade
erinnerlich, aber sicher anzun : □ da Plauze in der Mark, auch in Berlin, im gewöhn-
licheren Volkston ehr gebräuchlich ist. Pinea heisst w-ndisch die Lunge (au hier = u,
Lauch und bug u. der gl.).
4) Brandenburgia 1897, S. 123.
(447)
in Olympia immerhin noch geborgene griechische Alterthümei auszugraben. Mit
K»iKK) oder 20 000 Mk. würde man bei uns viel erreichen.
Noch bemerke ich, dass der Lindhörst in der Verlängerung des Artülerie-
Schiessplatzes (in dem Kummersdorfer Forst belegen) sich befindet und über kurz
oder Lang in seinen Hereich einbezogen werden könnte. Schon jetzt dürfen an be-
stimmten Tagen die Bewohner von Lüdersdorf gegen Entschädigung ihre Wii
gründe nicht mehr betreten.
In einiger Entfernung vom Lindhorst sieht man eine andere Erhebung, genannt
„Hohehörst". Doch war es wegen des hohen Wasserstandes nicht möglich, an
ihn zu gelangen. Südlich hinterm Hohenhörst, im Bereich des Artillerie-Schiess-
platzes. in dem Kummersdorfer Forst, liegt der von mir früher öfter besuchte ^breite
Steinbusch". Nach Hrn. Meier's Angabe sagen die Lüdersdorfer aber dafür „beim
breiten Stein". Vielleicht hat ein bemerken swerther Stein hier gelegen.
Nördlich von Lüdersdorf, auf einem von mir bereits näher beschriebenen
bergigen Gelände1), erhebt sich der Zwergberg, mit diesem Namen auch ver-
zeichnet auf der General stabs-Karte von 1841. Hier waren vorgeschichtliche Gräber
und zwar vorslavische, wie mit gutem Grund anzunehmen ist.
Heimischer Bronzeguss.
In seiner Sammlung vorgeschichtlicher Alterthümer hatte (1890 oder 91) der nun-
mehr verstorbene Hr. Ober-Prediger Paschke zu Lenzen an der Elbe eine Scheiben-
Fibel von Bronze, gefunden auf der Feldmark bei Wustrow (Kreis West-Priegnitz.
Provinz Brandenburg) im Frühjahr 1890 beim Pflügen in leichtem sandigem Boden,
deren Gesammtlänge 16,5 cm, der Liin^sdurchschnitt der Scheiben etwa 7,5 cm
Fig. 7. V.
betrug (Fig. 7 . Bemerkenswert!] war sie dadurch, dass der in vorgeschichtlicher
Zeil an der einen Scheibe bei a abgebrochene Bügel dort wieder in ziemlich roher
Weise durch Bronzeguss befestig! wurden ist, also die heimische Ausübung
Bron egiessens bei Wustrow min irgendwo in der Umgegend bezeugen dürft
Vorgeschichtliche Funde bei Gandow.
Die Verzierungen von Gefässscherben S.448,Fig.l 26) habe ich lv
bei Hrn. Paschke Qüchtig abgezeichnet. Die Scherben wurden gefunden auf dem
Kiebitzberge bei Gandow (Kreis West-Priegnitz). Dieser Kiebitzberg war damals,
wie mir Hr. Paschke mittheilte, zu einem Theil bereits abgetragen, da der 3
1 Brandenburg 1897. S. L20, 121, 142, 1 15.
(448)
von demselben zum Bau des Dammes der Eisenbahn Wittenberge-Lüneburg-Buchholz
Verwendung fand. „Die Vermuthung liegt nahe," äusserte sich Hr. Pasch ke,
.,dass der grössere Theil der Scherben Anfang der siebziger Jahre in den Eisen-
bahndamm gekommen ist. Alle Scherben sind scheinbar durch den Pflug: oder
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Kartoffelhacken an die Oberfläche gekommen. Keine ganze Urne, nur
Scherben wurden rorgefunden. Auf dem noch unberührten Theile des Berges
fanden sich auch Bcherben ius rorslavischer germanischer Zeit." In diesem Falle
sind also Scherben in M lerswo hingekommen. Die Zeichnungen Fig. 10
(449)
und Iß, auch 2, 9, 12, 14. -_'4 . -jti ähneln Zeichnungen, die Hr. Treichel von
Seherben des Schlossbcryes von Mehlken (Kreis ('an hau.-. Westpreussen' _ iebt x).
Frau Harke in der Neumark.
Ich konnte in der Neumark, also östlich von der Oder, noch Folgendes über
die Frau Harke-) feststellen:
Nach dem Zeugniss der Frau Alisch zu Adolphsruhe (Kreis Ost-Sternberg)
Bagte man vor Weihnachten: „Macht man! spinnt ab, sonst kommt Berker rin
un u. In Pinnovv (West-Sternberg) sagte man nach dem Zeugniss des Schulzen
Maass: „Frau Heike": in Bi berteich (West-Sternberg) nach Frau Willich: „Frau
Heike-; nach dem Zeugniss des 86jährigen vormaligen Mühlenbesitzers Steinicke
bei Müllersthal (Kreis Ost -Sternberg): „Herker-: des >si>j;ihrigen Hofbesitzers
Willich von Kemnath-Theerofen (Ost-Sternberg): _Frau Herke".
Hr. Willich fcheilte mir aus der Gegend von Sternberg mit: _Der dritte Abend
vor Weihnachten biess guter Abend, Poser- (sonst auch Paser-, Paser-) Abend.
lange Nacht. In den Spinnstuben hier waren <'■ — * Mädchen zusammen. Am Poser-
Abend wurde gesponnen bis 9 Uhr Abends. Dann kamen junge Mannsleute, und
die Mädchen kochten Katlee und backten Kuchen: die eine brachte dazu Mehl.
die andere Hinter u. s. w. Dann wurden die Wocken abgebrannt. Die Mannsleute
nahmen ein Streichholz und hielten es unvermuthet gegen den Wocken und brannten
ihn ab und sagten: ..Frau Herke kommt".
-Hin altes Weib verkleidete sich als Frau Herke. Sie hatte einen „wu/.lijen"
Kopf von Flachs, die Haare hingen ihr lang herunter oder ganz wild auf die
Schultern. Sie hatte einen alten -kluntrijen" Rock und eine alte Jacke an und eine
grosse Schür/«' vor, die weit länger war als der Rock, dass sie mit den Füssen
hat darauf treten können. In der Hand hatte sie einen „strunklijen" Besen. So
kam sie in die Spinnstube herein, und wo ein Mädchen noch Flachs auf dem
Wocken hatte, da hieb sie mit dem Besen immer von oben herunter auf die
Spinnerin und trieb sie zur Stube hinaus. Darum brannten sie den Flachs ab,
weil sie wussten, dann kommt die Frau Herke nicht." —
Nach Mittheilung des Hrn. Steinicke ..wurde in der Spinnstube eines von den
Mädchen eine Spinnerin) ausgeputzt (d. h. verkleidet), hatte eine Larve auf. einen
Kienspahn in der Hand und brannte die -ganzen" Wocken ab. wer nicht ab-
gesponnen hatte. Das wurde gemacht nach Weihnachten, gegen Fastnacht zu".
Es mag eben verschieden gehalten worden sein in verschiedenen Ortschaften
der Kreise West- and Ost-Sternberg, gerade wie auch der Schimmelreiter zu Weih-
hiten und in der Fastnachtzeit erscheint.
Posern bteisst abbrennen. Wenn /. B. auf einem Felde viele Quecken sind
und man bringt 9ie zusammen in Haufen und zündet diese an. so heisst das auch
posern.
|).i- wilde und wirre Haar der verkleideten Harke erinnert an das wirre Haar
der Frau Bolle (Hollenzopf). —
(34) Hr. Preuss iibergiebt die Fortsetzung seiner Abhandlung über die
Ornamente von Kaiser -Wühelmsland.
Dieselbe wird im Text les nächstjährigen Bandes der „Zeitschrift für Ethno-
logie" erscheinen. —
1) Zeitschr. f. Ethnol., Verhandl. L897, S. 62, Kg.8 und ?., auch Fig. I, 2, i.
2 Vergl. Brandenburgia 1896, S. 11'.'. L53, i.">4. 167—]
Verh indl. der Berl. tntl
(4.30)
Hr. Rud. Virchow bemerkt in Bezug auf die von Hrn. Preuss gegebene
genetische Erklärung des Mäanders, dass dieselbe doch nur für das Gebiet von
Neu-Guinea annehmbar sein dürfte, da in anderen Gegenden, namentlich in der
alten Welt, andere Motive zu der Auffindung dieses Ornamentes geführt haben. -
(35) Hr. Lissauer spricht über eine
gewellte1) Bronze-Urne voii Nijmegen!
Auf einer Studienreise durch Holland hatte der Vortragende Gelegenheit, die
am linken Ufer der Waal hochgelegene Stadt Nijmegen zu besuchen, von deren
Höhen aus, besonders von dem sog. Valkhoof, man einen prächtigen Blick auf die
^'aalbrücke und die Niederung geniesst. Schon seit längerer Zeit wurden in der
Stadt und ringsherum bei Bauten und bei Bestellung der Felder wiederholt alt-v
römische Funde gehoben, aber erst in den letzten Jahren beim Schleifen des
Walles entdeckte man eine so grosse Anzahl derselben, wie sie nur von einer
grossen Ansiedelung hinterlassen sein konnten. In der That steht das heutige
Xiiniegen auf der Stelle der alten römischen Stadt Noviomagus oder genauer des
alten Batavodurum, der äussersten Grenzfestung der römischen Provinz Germania
inferior gegen die Bataver hin. Sie war ringsherum mit Festungswerken umgeben,
von denen besonders der Valkhoof und der Hunerberg hier zu nennen sind.
Diese Funde sind zum grössten Theil in das städtische Museum von Nijmegen,
zum Theil aber auch in das Alterthums-Museum von Leiden gelangt und bestehen
in vielen zum Theil kostbaren Gefässen aus Bronze, Glas und Thon, darunter auch
eine Gesichtsurne der römischen Art, vielen Schmuckstücken, Münzen und anderen
Dingen, wie sie auch in den Museen von Mainz, Worms u. a. reichlich vertreten
sind. Unter diesen Fundstücken erregte aber ein Bronzegefäss besonders das
Interesse des Vortragenden, weil dasselbe hier zum ersten Male auf acht römischem
Boden auftritt, während ganz gleiche Gefässe im Norden verhältnissmässig oft
schon gefunden worden sind. Es ist dies nehmlich einer jener gewellten Bronze-
kessel, über welche der Vortragende in der Sitzung vom 24. April d. J. schon aus-
führlich gesprochen hat1).
Das Gefäss von Nijmegen ist ebenfalls aus dünnem Bronzeblech getrieben,
hat im Ganzen 56 stehende Wellenlinien, welche durch kreisförmige Linien be-
grenzt sind, eme Höhe von 23 nn, einen Durchmesser der inneren oberen Oeffnung
von 24,7 cm, in der grössten Bauchweite von 26,5 c/// und am Boden von 13,9 cm.
Der obere Rand ist nach aussen 3,7 cm breit umgebogen und zeigt hier noch die
alten Löthstellen, auf welchen der fehlende Henkel, bezw. die Tragringe angelöthet
waren; nahe dem Rande ist ebenfalls ein getriebener Wulst vorhanden. Auch der
Boden zeigt die gleichen abgedrehten Kreise, wie alle übrigen bisher bekannt ge-
wordenen Funde dieser Art,
Aus der eigenartigen Technik hatten die meisten Archäologen, welche diese
Gefässe beschrieben haben, immer auf römische Provenienz geschlossen; allein es
war bisher noeh nicht lungen, auf dem Boden des alten römischen Reiches ein
ähnlich' Gefäss oder ein Vorbild dafür zu entdecken, so dass manche Archäologen
den Import bezweifelten. Durch diesen Fund von Nijmegen, auf der Stätte einer
alten römischen Grenzfestung, wird nun der römische Import dieser Gefässe fast
zur Gewissheil erhoben und auch auf den Weg, auf welchem dieser Import er-
folgt ist, hingewi«
1) VergL diese Verhandl. L897, s. 176.
(451)
Wie der Vortragende schon früher zusammengestellt hat, war das Fundgebiet
dieser Gefässe bisher auf Norwegen, Schweden, Dänemark, und in Deutschland auf
Oldenburg, Zerbst und das untere Weichselgebiet beschränkt. Fs deutet dies doch
darauf hin dass die Verbreitung der römischen Industrie soweit sie vom Unter-
rhein ausging, vorherrschend von den Rheinmündungen aus und weiter auf dem
Seewege erfolgt ist.
Auf die Zeitstellung dieser Gefässe wirft der Fund kein neues Licht: da
nach den Münzfunden die römische Stadt hier vom Anfang bis zum Ende der
Kaiserzeil bestand, so ist kein Schluss auf das Ahn- eines einzelnen Geräth« «
stattet, [ndess lag dieses Bronzegefäss von Nijmegen auf einem Haufen mit
solchen anderen Gefässen, welche durch edle Form, solide Technik, reiche Ver-
zierung um Hecht zn der älteren Periode der römischen Kunst-Industrie gezählt
werden, ein Umstand, der die frühere Zeitbestimmung des Vortragenden für diese
Gefässe, nehmlich das 3. Jahrhundert, unterstützt
Wahrscheinlich waren alle ausserhalb des römischen Reiches gefundenen Ge-
fässe dieser Art — von den meisten Hess sieh dies sieher feststellen — als wirk-
liche Urnen zur Aufnahme von Leichenbrand benutzt oder doch als Beigaben in
Skelet-Gräbern beigesetzt worden, obschon kein Zweifel darüber auftauchte, dass
sie ursprünglich zum häuslichen Gebrauch eingefühlt wurden: durch^den Fund
(45-2)
von Nijmegen wird diese letztere Annahme weiterhin bestätigt, da derselbe ganz
ausser Beziehung zu einem Grabe steht.
Das vorliegende Gefäss ist mit seinen Begleitfunden in den Besitz des Alter-
thums-Museums zu Leiden übergegangen, wo der Vortragende dasselbe mit den
HHrn. Director Pleyte und Conservator Jesse, welcher letztere auch die Photo-
graphie für die Gesellschaft anfertigte, untersuchen durfte; beiden Herren sei auch
an dieser Stelle dafür der beste Dank ausgesprochen. —
(36) Hr. Rud. Virchow bespricht
die anthropologischen Versammlungen des Spätsommers.
1. Die General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft.
Die vorjährige General -Versammlung hatte Lübeck als Ort der nächsten
Zusammenkunft gewählt. Inzwischen waren so freundliche Einladungen von Schwerin
und Kiel eingelaufen, dass der Vorstand die Mitglieder aufforderte, nach dem Schlüsse
des auf den 3. — 5. August nach Lübeck einberufenen Congresses noch 2 Tage
zusammenzubleiben und am 6. Aug. in Schwerin, am 7. in Kiel die dortigen Samm-
lungen zu besuchen. Dieser Einladung entsprachen zahlreiche Mitglieder; sie
wurden, ausser durch die Kenntnissnahme der Alterthumsschätze in den beiden
letzteren Städten, den ältesten Stätten grosser geordneter wissenschaftlicher Samm-
lungen auf deutschem Boden, auch durch genussreiche Wasserfahrten belohnt.
Ueber' die Hauptvorgänge dürfen wir, wie gewöhnlich, den Bericht des General-
secretärs, Hrn. Joh. Ranke, erwarten. Es sollen hier nur einzelne Punkte kurz
besprochen werden.
In Lübeck war Alles zu einem festlichen Empfange vorbereitet. Das neu
erbaute und im Mai 1893 eröffnete Museum lübeckiscber Kunst- und Cultur-
geschichte am Dom zeigte die uns vorzugsweise interessirenden Funde aus der
vorgeschichtlichen Zeit in bester Uebersicht. Ein uns übergebener „Führer durch
das Museum in Lübeck, 2. Aufl. 1896" erleichterte das Verständniss, welches uns
durch die wohl unterrichteten Mitglieder des A'erwaltungs-Ausschusses erschlossen
wurde. Heber die treffliche „Festschrift'' habe ich schon in unserer Zeitschrift
I. Ethnologie eine Besprechung geliefert (1807. S. 139). Ich beschränke mich daher
auf einige Bemerkungen über ein paar wichtige Plätze, zu denen wir auf beson-
deren Excursionen geführt wurden.
Schon am Nachmittage des 3. August besuchten wir den Platz, wo einstmals
Alt-Lübeck gi landen hatte. Die kleine Schrift des Hrn. Bürgermeisters
Dr. W. Brehnier, der uns persönlich begleitete, orientirte alle Thcilnehmer über
lii Geschichte dii es Platzes; wobei freilich zu bemerken ist, dass auch hier eine nicht
geringe Differenz in denMeinungen der gewissenhaften Localforscher darüber besteht.
welcher Platz genau der spärlichen Angabe der Ueberlieferung entspricht. Die
Curia Aldenlubike wird zuersl 1215 urkundlich erwähnt. Spätere Urkunden haben
es wahrscheinlich gemacht, dass der Name Oldenlubeke einer ausgedehnten Feld-
mark beigelegt worden ist; immerhin handelt es sich überall um eine Fläche, welche
eine grössere Strecke unterhalb der jetzigen Stadt Lübeck am linken Ufer der Trave
gelegen ist, da wo der schiffbare Pluss seine nördliche Richtung plötzlich in eine
östliche umwandelt, nachdem er die von Norden herkommende Schwartau auf-
nrien hat. Hier finden sieh noch jetzt die Reste eines ovalen Burgwalles, der
freilich nur eine geringe Gros hat (75 m in der Länge und 65/« in der Breite.
(45:;)
der also nur eine An von Citadelle dargestellt haben kann: in der Umgebung
haben sich jedoch weithin noch Reste alter Cultur gefunden. Seil. st auf dem
gegenüberliegenden rechten CTfer der Trave sind dergleichen zu Tage gekommen.
Nun ist es bekannt, dass Alt-Lübeck ZU wiederholten Malen zerstör! worden
ist. Zum letzten Male ist dies 1138 geschehen. Aber schon von 1043 an sind als
Besitzer des Walles historisch bekannte Wendenfürsten angenommen, welche christ-
lichen Priestern Schutz gaben und ihnen den P.au einer Kirche gestatteten Pest-
schrift, Prähist. Abth., S. 21). Es waren hauptsächlich Etugier (Ranen), von denen
die üeberfälle ausgingen, so nach Belmold 1112, wo sie zurückgeschlagen
wurden'), und 1125, wo sie oppidum cum Castro zerstörten. Seitdem ist der Platz,
soweit bekannt, weder bebaut, noch beackert worden. Bei der ersten Ausgrabung
1852 fand man auf dem Platze des Burgwalls die Grundmauer eines Kirchleins
und innerhalb derselben 7 Leichen mit 11 goldenen Ringen, von denen 6 als
wendische Schläfenringe betrachtet, 5 deutschem Ursprünge zugeschrieben werden.
Ein neuneckiger King trug die Inschrift tThEBAL GUTTAXI, welche in ähnlicher
Weise auf einem Ringe im Grabe des Bischofs Ulgerius von Angers (f 1 149) an-
getroffen sein soll. Hier stossen also Prähistorie und Historie dicht an einander.
oder vielmehr, sie gehen unmerklich in einander über, da hier die Christianisirung
schon in der slavischen Zeit begonnen hat und die Germanisirung mit der Ein-
wanderung katholischer Priester und deutscher Colonisten sich ihr angeschlossen
hat. So kommt es, dass wir auch unter den Pnhdgegenständen eine vorwiegende
Zahl von Stücken antreffen, die wir wohl den Slaven zuschreiben müssen, bei
denen aber die Möglichkeit, sie nach Perioden zu scheiden, nicht vorliegt. Hr.
1\. Freund (Festschrift, Prähist. Abth., S. 22) erklärt diese auch von ihm betonte
Unmöglichkeit dadurch, dass die einzelnen Schichten schon durch die ersten (na-
bungen (bei denen die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt noch nicht -erichtet war)
gestört worden waren.
Die nächste Gelegenheit zur Kritik ist durch die auch hier in grosser Meng
haltenen Thonscherben geboten. Nur ein einziger „Kochtopf" (Taf. XII. Fig. 5) konnte
aus seinen Trümmern restaurirl werden; er stellt ein Musterexemplar eines altslavischen
„Hafens" mit brichst charakteristischen Ornamenten dar. Em Uebrigen /eigen die
Einzelscherben, von denen die Festschrift zwei gut gezeichnete Tafeln (XIII u. XIV)
bringt, alle Besonderheiten des Ornaments, das uns von der Ostsee bis zu den süd-
slavischen Gebieten hin in genügender Weise bekanntist. Ich habe darüber in meiner
Eröffnungsrede am 3. August (Corr.-Bl. der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft
Nr.». S.70 ausführlich gesprochen. Da sind alle jene geradlinigen und gewellten Ein-
ritzungen, jene grosse Mannichfaltigkeit von Stempeleindrücken, namentlich der ganz
typischen Bodenstempel, concentrische Kreise u. s. w. vorhanden, von denen schon
ein kleines Bruchstück genügt, um dem geübten Auge die Diagnose auf slavischen
Ursprung zu ermöglichen. Alle bisher untersuchten Bargwälle des südöstlichen
Holsteins, von Meklenburg, der Mark Brandenburg und der Lausitz, von Pommern
und Posen halten bezeichnende Parallelstücke geliefert. Alt-Lübeck nimmt unter
ihnen nur insofern eine hervorragende Stellung ein. als seine letzte Geschichte
durch sichere historische Angaben bezeugt wird, was bei der Mehrzahl der anderen
Burgwälle nicht der Fall ist. Somit wird es für die Sicherstellung der Chrom
ein wichtiger Platz bleiben.
1) Vgl. die chronologisch etwas abweichenden Angaben hei F. W. Bartbold, G
schichte von Pommern und Rügen. Hamburg 1839. I. S. 443. II. S. 127.
(454)
Bei der letzten Ausgrabung (188:?) stellte es sieh heraus, dass der Wall auf
einer breiten Unterlage von Hölzern erbaut ist, welche horizontal in der Richtung des
Walles liegen, in Lehm verpackt sind und durch senkrechte Pfahle von innen ge-
halten werden. Von Pfahlwerk zu Pfahlwerk waren die inneren Dimensionen 110 m
von N. nach S., 135 m von Ost nach West. Es sind 2 bis 3 über einander liegende
Brandschichten nachgewiesen: auch ist festgestellt, dass das Kirchen fondament auf
dem Boden einer früheren Ansiedelung erbaut ist (Festschrift a. a. 0. S. 22). Es
ist also anzunehmen, dass der Burgwall, wie ähnliche in der Mark Brandenburg.
auf einem Pfahlbau errichtet ist. Daraus folgt aber nicht, wie ich früher an
verschiedenen Beispielen nachgewiesen habe, dass dieser Pfahlbau mit denen der
Schweiz und denen der österreichischen Gebirgsseen synchronisch war; im Gegen-
theil, er gehört jener Gruppe an, welche ich als slavische bezeichnet habe. Die
Flintsplitter (Schaber, Messer u. s. w.), welche in grösserer Anzahl in der Erde des
Walles gefunden wurden (ebendas. S. 23), haben nichts an sich, wodurch sie als
Manufacte der Neuzeit charakterisirt werden. Aber es ist auch nichts gesammelt
worden, was einen sicheren Sehluss auf eine ältere Bewohnung gestattet.
Immerhin ist es zu bedauern, dass die Fundstellen nicht genauer bestimmt, und
dass die Ausgrabungen in der nächsten Umgebung nicht weiter fortgesetzt worden
sind. Letzteres lässt sich auch jetzt noch nachholen, und ich möchte es als eine
dringende Aufgabe der Localforschung bezeichnen, dass durch neue und wenigstens
in einigen Richtungen ausgiebige Ausgrabungen in der Nachbarschaft, und zwar
bis auf das rechte Ufer der Trave hinüber, die Grösse und die Zeit der ältesten
Ansiedelung bestimmt wird. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine eigenen
Untersuchungen der Pfahlbauten von Wollin, dem alten Julin, dessen Zerstörung
ungefähr in die gleiche Zeit mit der von Alt-Lübeck fällt. —
Ein anderer Punkt in der nächsten Nachbarschaft, der noch ganz der Auf-
klärung bedarf, ist der grosse Ringwall (die Schanze) von Pöppendorf. Wir
besuchten denselben am 5. August. Er liegt nördlich in einer massigen Entfernung
von Alt-Lübeck, in der Richtung auf Travemünde, in einer flachen und durchweg
niedrigen Landstrecke, und ist aussen von einem bis etwa zu 2 m ansteigenden,
dicht mit Strauchwerk bedeckten Erdaufwurf umgeben. Sein Inneres besteht aus
einer durchweg beackerten, fast ganz ebenen, nur wenig über das Niveau der um-
gebenden Fläche erhabenen, kesselartigen Vertiefung. Obwohl die Aufmerksamkeit
auf ihn schon 1838 durch den Kunstforscher C. F. v. Rumohr gelenkt war, der
ihn für eine slavische Befestigung erklärte, auch später mehrfach Urnenscherben,
Knochen, Kohlen und Feuersteingeräthe darin gefunden sind, so ist es nach dem
Bericht des Dr. Hoch (Festschrift, Geschichtl. Ueberblick, S. 32) doch nicht zu einer
systematischen Untersuchung gekommen. Auch wir begnügten uns mit der An-
schauung. Von den spärlich zu Tage liegenden Topfscherben zeigte keiner charakte-
ristische Eigenschaften. Nichtsdestoweniger dürfte es wohl nicht zu bezweifeln
Bein, dass es sich um eine alte, vielleicht sogar um eine vorslavische Befestigung
handelt, and es kann dem Lübecker Verein nicht dringend genug ans Herz gelegt
werden, endlieh einmal an eine wissenschaftliche Untersuchung des grossen Werks
zu gehen. —
Der Weg zu der Schanze führt durch ein Wäldchen, in welchem schon seit
lslT wichtige Grabfunde gemacht worden sind (Festschrift a. a. <).. S. 21); das später
so berühmt gewordene Hünengrab von Waldhusen, welches in demselben liegt.
wurde jedoch erst 1843 blos gelegl und im folgenden Jahre durch den Fastor Klug
beschrieben (ebend. S. 29). Es ist eine der bemerkenswerthesten Steinkammern,
unter den megalithischen Monumenten in Norddeutschland eines der hervorragenden.
(455)
Beine Steinsetzung ist noch erträglich erhalten (Pestschrift, Prähist. Abth., S. 16,
Tat". XV . Die Fundstücke, welche im Lübecker Museum aufbewahrt werden, /
die Merkmale der neolithischen Zeit: Flintkeile mit gemuschelter, an der Schneide
Bcheinbar angeschliffener Oberfläche (Taf. I, Fig. 6 und Thongeschirr mit Tief-
ornament, wie es namentlich die Bchüsselartige, nach onten zugespitzte '
(Taf.IV, Fig.5) zeigt. Noch mehr typisch ist das auf derselben Tafel unter 1
abgebildete, nach unten kugelförmige Gefäss, dessen Fundort leider nicht ganz
sicher ist. — Bei Waldhusen sind auch Kegelgräber aufgedecki worden, in denen
jüngere, wahrscheinlich bis in die Ballstattzeit reichende Gegenstände zn I
kamen.
Hier mag zugleich daran erinnert werden, dass etwas weiter nördlich, auf dem
nach Eutin, der wichtige Fundplatz von Pansdorf liegt, wo durch Joh. M. Haug
eine grosse gerippte zweihenklige Bronzeciste mit etrurischer Inschrift aufgedeckt
ist (Festschrift S. 13. Führer 8. 14. Nr. 236160. Lisch. Meklenb. Jahrbücher
35, S. 1 '-'!), von den auf deutschem Boden vergrabenen die am meisten nördliche.
So weit hat also der Bandeisverkehr der Hallstattzeit in diesem Lande gereicht.
Ueber den Gang dieses Verkehrs giebt die Beschaffenheit der Cisten und ihr Vor-
kommen an verschiedenen Orten Deutschlands und der südlichen Nachbarländer
genügendes Zeugniss. Eine Abbildung der Pansdorfer Ciste, die in einem mit einem
Steinringe umgebenen Kegelgrabe, und zwar in einer Kiste aus rothem Sands
gefunden wurde, hat Fr. J. Mestorf (Vorgeschichtliche Alterthümer aus Schli
Bolstein, Hamburg 1885, Taf. XXXII. Fig. 346 a— c) gegeben. Ich selbst habe
schon vor mehr als 20 Jahren die vollige Uebereinstimmung dieses Gefässes mit dem
von mir beschriebenen (Verhandl. 1874, S. 141) Bronze-Eimer aus dem Gorwal bei
Primentdorf (Posen) betont und die analogen Funde aus Hannover besprochen
(Verhandl. 1875, S. 107). Da ich ähnliche bis nach Böhmen. Hallstatt und Bologna
verfolgen konnte, so lag der Gedanke nahe, dass durch sie der Weg des alten
Handels direct angezeigt werde. Ich will hier nicht näher auf diese Frage eingehen,
aber doch betonen, dass sich seither die Zahl der östlichen Funde, welche mehr
dem Laufe der Oder und der Weichsel entsprechen, sehr vermehrt hat. Ich verweist
namentlich auf die neueste Beobachtung des Hrn. Grempler von Lorzendorf bei
Wimslau (Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift VII . ... S. 195 Vielleicht ist es daher
richtiger, das Schlussurtheil noch ollen zu halten. Das jedoch darf als sicher nach-
gewiesen angesehen werden, dass schon im 4. Jahrhundert v. Chr. dieser Verkehr
nden hat, dass also schon damals das Gestalte der Ostsee südlichem Verkehr
erschlossen gewesen sein muss.
Es läge manche Veranlassung vor. die Anknüpfung diese!' alten Funde an die
neueren Verhältnisse der Stadt Lübeck zu sichern. Insbesondere die zahlreichen
und stolzen Denkmale der mittelalterlichen Lrchitectur, welche in pietätvoller
Weise gepflegl worden sind, und die Gesammtanlage der späteren Bauptstadt
des Hansa-Fundes würden Gelegenheit dazu bieten. Meine heutige \':
fordert die Beschränkung auf die ältesten Zeiten. Wie aus dem Mitgetheilten,
namentlich in Betreff des Hünengrabes in Waldhusen, hervorgeht, reichen die
Stein- und Thongeräthe in die neolithische Zeit hinein. Dr. K. Freund
schrift, Prähist. .Muh.. S. 1 leite! seine Uebersicht der im Lübecker Museun
sammelten Steingeräthe mit der allgemeinen Bemerkung ein, dass dieselben
Charakter der jüngeren Steinzeil tragen". In der Thai scheinen paläolithische Funde
bis jetzt nirgends gemacht zu sein. Gegenüber der Mehrzahl der geschliffenen und
durchbohrten Steingeräthe, von denen auf Taf. III eine _■ - - bildet ist.
muss ich aber den schon mehrfach von mir geäusserten Zweifel, ob sie all«
(451 i)
-Steinzeit" angehören, wiederum geltend machen. Ich habe diesen Zweifel noch
vor Kurzem (Verh. 1896, S. 485) gegenüber den Inländischen Funden betont und
denselben auch in einem Vortrage über die Steinzeit in Nord-Europa in der Lübecker
General- Versammlung (Corr.-Bl. Xr. 10 — 11, S. 148) wiederum hervorgehoben. Ich
stütze mich dabei vorzugsweise, obwohl nicht ausschliesslich, auf das Vorkommen
solcher Steingeräthe in Urnen der späteren, namentlich der Hallstatt-Zeit. Leider
hat Hr. Freund keine Angaben über die Lage der Lübecker Fundstücke gemacht.
Ich kann daher nur darauf verweisen, dass die meisten der von ihm auf Taf. III
abgebildeten Stücke Formen an sich tragen, welche die Präexistenz von Bronze-
üxten, und zwar von gegossenen Mustern, anzeigen. —
Der 6. August war für den Besuch von Schwerin bestimmt. Schon bei der
Einfahrt in die Stadt sahen wir die dort aufgerichtete Büste von Schliemann.
Obwohl sein Geburtsort in Meklenburg-Strelitz liegt und er sich stets als einen ge-
bornen Strelitzer betrachtete, so können seine Freunde das Gefühl der Hochschätzung
begreifen, dass man ihn nach seinem Tode als Gesammt-Meklenburger ehrt. Weniger
erfreut war ich über die Ausführung der Büste. Nachdem ich ihm manches Jahr
hindurch nahegestanden und ihn noch kurze Zeit vor seinem Tode bei mir gesehen
habe, muss ich offen sagen, dass ich diese Büste als eine getreue Nachbildung
anzuerkennen ausser Stande bin und duss ich es tief bedauere, dass ein solches
Bild dem Nachwüchse unter seinen Landsleuten geboten worden ist. Sowohl der
Kopf, als das Yerhältniss desselben zum Rumpfe sind so verfehlt und machen
einen so unvorteilhaften Eindruck, dass man den energischen Mann, der aus eigener
Kraft so Grosses vollbracht, für die classische Forschung ganz neue Wege eröffnet
und in so uneigennütziger Weise die Unmasse seiner Funde den Museen von
Deutschland und Griechenland geschenkt hat, darin nicht wiedererkennen wird.
Das Museum fanden wir in einer gänzlich veränderten Verfassung. In dem
Gebäude, welches neu erbaut ist, hat die prähistorische Sammlung grosse und
lichtvolle Räume erhalten. Wir wurden darin mit einer herzlichen Begrüssung
des Hrn. Hofraths Schlie empfangen. Derselbe überbrachte die Entschuldigung
des Herzogs -Johann Albrecht, des gegenwärtigen Regenten, der durch Geschälte
zurückgehalten war, und der mir, seinem ehemaligen Reisegefährten bei Gelegen-
des Lissaboner Congresses, ein freundliches Willkommen bestellen liess. Von dem
alten Personal war nur Frl. Buchheim übrig, die nach langjährigen treuen Diensten
ihre Custodinstellung aufgegeben hat. Aber man sah es der Sammlung an, dass
Bie in wohl conservirtem Zustande der neuen Verwaltung übergeben war. Das ist
die in der ganzen Welt berühmte Sammlung, welche unser alter Freund Lisch im
Laufe eines langen Lebens zusammengebracht und zum Ausgangspunkt weit-
tragender Schlussfolgerungen im Gebiete der prähistorischen Culturgeschichte ge-
macht hat. Sic ist seitdem durch manche werthvolle Funde bereichert worden.
aber die Hauptabtheilungen sind nahezu unverändert geblieben; sie erschienen denen
von uns, welche frühere Besucher derselben gewesen waren, als alte und liebe
Bekannte.
Br. Roberl Beltz, der uns führte and uns werthvolle Erläuterungen gab, hatte
für unsern Besuch eine besondere Schrift aber die steinzeitlichen Funde in Meklen-
veH'as.-i. welch, dem Congress von dem Verein für Meklenburgische Ge-
schichte und Alterthumskunde gewidmet war. Sie ist durch eine grosse Anzahl
-uter Text-Abbildungen illustrirt. Obwohl ein erheblicher Theil derselben durch
Publicationen von Lisch Belbsl bekannt ist, so muss die vollständige Zusammen-
stellung aller bisher gemachten Steinzeit-Funde doch als eine wichtige Bereicherung
(457)
unsererer Literatur gelten, und zwar um so mehr, als die Ordnung des gesammtei
Materials nach einzelnen Kategorien den Deberblick in dankenswerthester Weise
erleichtert. Da die Schrift in den Jahrbüchern des Meklenburger Vereins (Bd. LXIII)
zum Alidruck gelangen soll, so darf biet im Ganzen darauf aufmerksam gemacht
\\ erden.
Im Hinblick auf das Lübecker Museum mag jedoch »■csa^t -ein. ila>s auch in
Meklenburg die älteste Steinzeit nur spärlich und fast nur durch zerstreute Einzel-
funde vertreten ist. „Meklenburg", sagt Hr. Beltz (S. 3), „hat keine paläolithischen
..Stationen": „weder Kjökkenmöddings, noch Höhlenfunde beweisen hier die Existenz
eines Menschen, der sich nur des roh behauenen Steines als Werkzeuges bediente-.
Und er fügt (S. 8), nachdem er eine kleinere Anzahl von Steingeräthen hervorgehoben
hat. welche „man wegen ihrer einfachsten Form und Arbeit" als die ältesten an-
sprechen könnte, hinzu: „dass sie aber wirklieh auch zeitlich an der Spitze stehen.
würde sich erst dann behaupten lassen, wenn sichere, nur aus solchen Typen be-
stehende Gesammtfunde vorlägen; das ist nun hier nicht der Fall.'- Er bemerkt
dabei, dass die Gegend von Wismar verhältnissmässig reich an älteren Steinzeit-
formen ist, und dass gerade diese Gegend mit ihrer geschützten Küste den Lebens-
bedingungen einer paläolithischen Bevölkerung vorzugsweise entspricht. Er zieht für
diese Betrachtung auch die Aexte und Hacken aus Knochen und Hörn, besonders aus
Hirschhorn, heran.
Im so reicher ist die neolithische Zeit vertreten, so dass dahin gehörige Stein-
geräthe in keinem Theil des Landes fehlen. Bevorzugt sind die Küsten der Ostsee
und der Binnenseen, am ärmsten erwiesen sich die zusammenhangenden Sand-
ste, besonders der Südwesten und der Nordosten und die Gegenden mit schwerem
Lehmboden. Die Vertbeilung der Hünengräber gewährt ein annäherndes Bild der
Besiedelun^ des Landes (S. 10). Es folgen dann zunächst die Geräthe aus Feuer-
stein, welche von den rohesten Formen bis zu den gemuschelten, eine staunens-
werte Kunstfertigkeit verrathenden Instrumenten zu verfolgen sind. Aber die jüngere
Steinzeit erscheint noch als ein Ganzes: Gruppen zusammengehöriger Typen
lassen sich noch nicht bilden." - Nachdem eine grosse Reihe von Funden auf-
geführt ist. welche Keile aus Feuerstein ergaben, wendet sich Hr. Beltz zu den
Aexten, welche nie aus Feuerstein bestehen. Nach seinen kurzen Angaben darf
man annehmen, dass vorzugsweise krystallinische und geschichtete Gesteine, be-
sonders Diorit, dagegen nie Kieselschiefer, benutzt wurden. Unter diesen Geräthen
ist namentlich jene Kategorie zu erwähnen (S. 66 — 72), welche an Bronzeformen
erinnert. Gelegentlich erkennt auch Hr. Beltz S. 68 die Wahrscheinlichkeit an.
dass eine „Nachahmung metallener Aexte aahelieg
In noch höherem Maasse, als bei dem Lübecker Museum, ist das Fehlen genauer
Fundnotizen zu beklagen. Ich bin nicht im Stande gewesen, in Schwerin ein eit
Stück zu entdecken, welches in einer Eine gelegen hat: nur der Umstand,
unter den 16, aus Hünengräbern stammenden Stücken „die künstlichen", dag -
unter i'l aus Moor- und Wohnplatzfunden gesammelten Stärken die einfachen ühcr-
n. könnte darauf hinweisen, dass die ersteren Beziehungen zu der Kupfer-
oder Bronzezeil gehabt haben. Gerade in diesem Hauptpunkte sind also Lücken
des Berichts vorhanden, und ich darf wohl an alle Sammlungsvorstände das drin-
gende Ersuchen richten, bei künftigen Pablicationen vollständigere Angaben zu
machen und wenn möglich auch durch Nachträge das Fehlende zu ergänzen.
In meinem ersten Vortrage in Lübeck (Corr.-Bl. Nr.!1. S. 7 1 habe ich eine
extemporirte, und daher gleichfalls lückenhafte) Skizze über den alti 3 rkehr
auf der Ostsee gegeben and dabei in Bezug auf den Verkehr mit Steingeräthen auf
(458)
die Kreide-Insel Rügen hingewiesen (S. 73). Natürlich würde ein solcher Verkehr
in erster Linie die Küstenstriche betroffen haben. Es ist daher vielleicht bemerkens-
werth, dass Lübeck so wenig, Meklenburg so viel Feuersteingeräthe aufzuweisen
hat, aber es Hesse sich möglicherweise diese Frage präcisiren, wenn einmal eine
sorgfältige Vergleichung der rügischen Geräthe mit den festländischen veran-
staltet würde. Dies«; müsste dann freilich viel mehr in Einzelheiten über Fund-
verhältnisse, Material und Bearbeitung eingehen, als es bisher meist der Fall ge-
i ist. Das Innere der „Hünengräber" müsste dabei in erster Linie und mit
besonderer Sorgfalt in Betracht gezogen werden. Ebenso würde eine eingehende
Vergleichung des keramischen Materials, insbesondere in Betreff der Form und der
Verzierung der Thongeräthe, ausgeführt werden müssen. Ganz besonders wäre auf
Stein-Depotfunde zu achten, wie sie sowohl auf der Insel Rügen, als in Vor-
pommern aufgedeckt worden sind (Yerhandl. 1886, S. G12). —
Am 7. August stellte sich ein Theil der Mitglieder des Congresses, einer Ein-
ladung des Anthropologischen Vereins in Kiel folgend, unter die Leitung unseres
hochverehrten Ehrenmitgliedes Frl. Mestorf und ihres Assistenten, des Hrn.
Dr. Spliedt. Von einem Specialbericht über das dortige Museum, welches durch
die weit berühmten Arbeiten seines Directors so gut bekannt ist. darf ich hier
absehen, obwohl nicht wenige neue Funde dazu auffordern könnten. Es mag ge-
nügen, darauf aufmerksam zu machen, dass die letzten Arbeiten, welche das Museum
hat ausführen lassen, das alte Danewerk betroffen haben und dass Hr. Spliedt
in der ersten Sitzung des Lübecker Congresses (Corr.-Bl. Nr. 9, S. 95) darüber
einen übersichtlichen Bericht erstattet hat. Hoffen wir, dass die Lücken in der Fest-
stellung dieses historisch so bedeutsamen Werkes recht bald ergänzt werden und
dass die Theilnahme der Regierung dieser Erforschung ebenso hülfreich zu-
gewendet werden möge, wie es bei dem Limes romanus der Fall gewesen ist. Wer
gesehen hat, in welcher Ordnung und Vollständigkeit das früher so vernachlässigte
Kieler Museum sich nach der verständnissvollen und anstrengenden Arbeit ihres
gegenwärtigen Directors dem Beschauer darstellt, wird den lebhaften Wunsch
:. dass es Frl. Mestorf beschieden sein möge, auch noch die Erledigung der
neuen Aufgabe zu erleben.
Vom Museum begaben wir uns zu einem im Seegarten angebotenen Frühstück
städtischen .Magistrates. Nach demselben führte uns ein Dampfer des Anthro-
pologischen Vereins nach Iloltcnau zu der Hochbrücke über den neu erbauten
Nord-Ostsee-Kanal und auf die Föhrde. Nachdem wir schon in den letzten Tagen
vmi Travemünde aus eine Fahrt auf die Ostsee und von Schwerin aus eine andere
über den schönen See gemacht hatten, blieb den Mitgliedern unserer Gesellschaft in
Bezug auf maritime and laeustre Genüsse nichts zu wünschen übrig. Wir trennten
ans mit der Empfindung des herzlichsten Dankes für einen in allen seinen Theilen
so wohl organisirten Empfang. An demselben waren so viele alte und neue Freunde
betheiligt, dasa es mir nichl möglich ist, sie namentlich aufzuführen. —
Am 8. August rief eine Familien-Angelegenheit mich und die Meinigen noch
etwas weiter nördlich, nach Flensburg. Frl. Mestorf gab uns auch dahin das
Geleit. Von der Umschau ii dieser interessanten Stadt habe ich hier nur zweierlei
zu erwähnen. Das E betrifft eine neolithische Ansiedelung, welche Director
Sauermann, ein aufmerksamer und gewissenhafter Beobachter, vor einigen Jahren
entdeckt hat. Sie lag auf einem Plateaurücken, der sich vorgebirgeartig von Westen
her. neben einer tief eingeschnittenen Thalschlucht, dicht oberhalb der Stadt
die Föhrde erstreck! Da an dem Abhänge seil langer Zeit Sand und Lehn.
graben wurde, so ist die ursprüngliche Fandstätte gänzlich zerstört. Anzeichen anderer
ähnlicher Ansiedelungen sind bisher nicht bemerkt wurden. Von den alten Fund-
stiicken, hauptsächlich Thonscherben, Knochen u a., sind Proben in der Sammlung
des Museiinis aufbewahrt. Erstere /.einen die charakteristischen Tiefeinritzui .
Eine fortgesetzte Aufmerksamkeil sollte diesem Plateau zugewendet werden; da
ui.-serliehe Zeichen für die Erkennung solcher Stellen nicht vorhanden Bind, -
die Controle über gelegentliche Funde am so mehr zu verschärfen
Der andere Punkt, de» ich berühren will, gehört mehr in das volksthümliche
Gebiet. Es sind vorzugsweise Holzarbeiter der letzten Jahrhunderte, namentlich
Schränke, Truhen u. s. w., von denen wiederum Hr. Sauerinann ganz angewöhn-
liche Reichthümer aus dem Lande gesammelt hat. Alle Arten der Hausarbeit und
der Kunsttischlerei sind dann in den prächtigsten Exemplaren und in grosser Zahl
vertreten, in so grosser, dass Hie zur Verfügung stehenden Räume längst nicht
mehr zu ihrer Aufstellung ausreichen. An mehreren Orten dir Stadt sind alte,
zum Theil sehr dunkle und auf baufälligen Treppen und Leitern zu erklimmende
Böden und Zimmer in Anspruch genommen worden, meist anter so angünstigen Bedin-
gungen, dass ein sehr opferwilliges Gemüth dazu gehört, die Mühseligkeiten der
Erhaltung und der Erweiterung- der Sammlungen zu ertragen. Alle Gesuche um
Hülfe sind bei den vorgesetzten Regierungsorganen unerhört geblieben. Wenn ich
tnazdem hier darauf zurückkomme, dass der Beistand der Provincial- und Staats-
behörden von Neuem angerufen werden muss, so geschieht es in der Leberzeugung,
dass ein zweiter, gleich günstiger Ort für derartige Sammlungen nicht vorhanden
sein dürfte, und dass es im Interesse der lebenden und der nachkommenden I
rationen gelegen ist. die Muster einer so blühenden und hoch entwickelten Local-
industrie in einer gut geordneten und gut placirten Sammlung vereinigt zu sehen.
2. Die anthropologische Section des internationalen medicinischen
(Kongresses in Moskau.
Der auf den 19. August nach Moskau einberufene internationale medicinische
Congress zwang mich, schon am 1 I. Merlin wieder zu verlassen, um zunächst dem
Empfange in Petersburg beizuwohnen. Am Morgen des LS traf ich in Moskau ein.
Ueber den Verlauf dieses grössten aller bisher stattgefundenen Congresse habe ich
hier nicht zu sprechen. Ich erwähne nur. dass innerhalb desselben auch eine
besondere Section für Anatomie und Anthropologie gebildet war. Es war mir nur
ein paar Mal möglich, ihren Sitzungen beizuwohnen, da ich durch die wichtigen Er-
örterungen in der Pathologischen Section mehrere Tage fast ganz in Anspruch ge-
nommen war. Von dvn anthropologischen Vorträgen habe ich nur einzelne hören
können, Ich muss deshalb auf andere Berichte verweisen.
Vnii den mich persönlich berührenden Verhandlungen glaube ich vor allen
nur hervorheben zu sollen. Dieselbe bezog sieh auf den vielleicht äl
russischen Sehadel der Steinzeit, den von Wolosowo.
Aut dem vorjährigen archäologischen Congress in Riga berührte ich in einem
Vortrage über die russische Steinzeil die von dem Grafen Uwaro1« „■schilderten
Gräberfunde von Wolosowo im Gouv. Wladimir (Verhandl. I89i 3 3 38). Ich
legte seine Abbildungen der gefundenen Schädel vor, erwähnte die Beschreil
der Herren Bogdanou n^d Tichomirow und besprach die \ b en und dieVer-
schiedenheiten derselben von anderen Steinzeitschädeln. Da ich bedauerte, keinen der-
selben selbsl gesehen zu haben, so erklärte die Präsidentin des Cong i au Gräfin
Dwarow, sie glaube im Sinne ihres verstorbenen Mannes zu handeln, wenn sie
(460)
mir den besten dieser Schädel zur Untersuchung übergebe. Dies ist in diesem
Jahre geschehen. Obwohl die Gräfin an den Folgen eines schweren Abdominal-
typhus auf ihrem Landsitze krank darnieder lag, schickte sie mir unaufgefordert
den Schädel durch ein Mitglied der archäologischen Gesellschaft, Hrn. S. Slutzky,
in den Kreml.
Der Schädel trägt die Bezeichnung 174, Murow, Wladimir, 187b. Ich darf wohl
annehmen, dass er der Abbildung des Grafen Uwarow in seiner Russichen Archäo-
logie, Moskwa 1881, Taf. VIII, entspricht, obwohl diese ohne Unterkiefer gezeichnet
ist. Demselben dürften ferner die in der Maasstabelle auf S. 309 unter Wolosowo
Nr. 1 gegebenen Zahlen angehören. Nach meinen Notizen gebe ich die folgende
Beschreibung:
Der offenbar männliche Schädel ist schwer; seine Knochen machen einen fast
fossilen Eindruck. Er ist nach allen Seiten gleichmässig ausgeweitet und darf als
entschieden kephalonisch bezeichnet werden. Hinten rechts ist er so weit ab-
geflacht, dass er auf der Fläche einigermaassen steht. Die Plagiocephalie ist am
meisten in der Hinteransicht erkennbar. Vielleicht steht sie im Zusammenhange
mit einem grossen, gegen die Lambdanaht gerichteten sklerotischen Zuge, der
jedoch wegen einer dicken Incrustation, welche Alles überdeckt, nicht genauer zu
beurth eilen ist. Die Squama temporalis dick und vortretend. Von den mächtigen,
durch eine starke Incisur abgegrenzten Warzenfortsätzen erstreckt sich auf die
Hinterhauptschuppe eine sehr unregelmässige Zeichnung, an der Zacken der Sutura
transversa zu existiren scheinen. Die Protuberantia occipitalis externa ist sehr dick
und breit; von ihr aus erstrecken sich nach beiden Seiten Tori occip. Auch die
Oberfläche der Oberschuppe ist sehr unregelmässig. Die Lambdanaht sehr zackig,
ihr Winkel massig zugespitzt.
Die Stirn hat über einem mächtigen Nasenwulst und starken Supraorbitalzügen
eine tiefe Glabella und breite, volle Tubera. Ihre Curve ist nicht hoch, vielmehr
geht sie sehr bald in die lange Curve des hinteren Abschnittes des Stirnbeins über.
Die Schläfen voll, die Nähte scheinbar synostotisch. Jederseits am Anfange der
Crista temporalis, parallel derselben, eine tiefe Rinne mit einem grossen Sulcus
venosus.
Der Horizontalumfang des Schädels beträgt öl 7, der CJuerumfang (weit hinter
dem Bregma) 330, der sagittale 3(>4 mm. Von letzterem entfallen 31,5 pCt. auf das
Stirnbein, 37,3 auf die Pfeilnaht, 31,0 auf das Hinterhaupt: die Entwickelung ist
somil wesentlich eine parietale.
Was die Durchmesser betrifft, so war die gerade Höhe wegen Verletzung der
Pars basilaris nicht sicher zu bestimmen: es wurde dafür die hintere Höhe genommen,
die sehr hoch (142 mm) ausfiel. Die grösste horizontale Länge beträgt 177, die
grösste Breite 1 17'. an der Grenze der Schuppennaht 144, an den Tubera 134 mm.
Darnach berechnet sich ein hypsibrachycephaler Index (L.-Br. 83,0, L.-H. 80,2).
Der Ohrhöhen-Index ergiebl 63,3. Die Stirnbreite misst im Min. 99 mm.
Die Messungen der IUI. Bogdanow und Tichomirow haben etwas kleinere
Indices ergeben: L.-Br. 80, L.-H. 75. Woraul namentlich das letztere Maass beruht,
kann ich nicht beurtheilen. indess liefert wohl die Verletzung der Pars basilaris
einen Anhalt für das Urtheil. Im Uebrigen werden meine früheren Schlüsse da-
durch nur wenig betroffen.
Das Gesicht ist -ehr breil \\m\ nicht hoch, doch wird die Höhe dadurch
'■in wenig verstärk), das- an der Stelle di'\- Slirnnasennaht ein klaffender Spalt
liegt. Die Gesichtshöhe ist mesoprosop (Index 77,8). Die Orbitae gross,
etwas eckig, nach oben und innen, sowie nach unten und aussen ausgeweitet.
(461)
chamaekonch (Ind. 78,5), im Innern stark verletzt. Fossa canina tief, fast ge-
rade eingesenkt, das For. infraorbitale gross und schräge gestellt. Nase mesorrhin
(Ind. 51,0?); die Nasenbeine grösstenteils zerbrochen, so dase man nur den etwas
tiefen, aber sehr breiten Ansatz, den schmalen, stark vortretenden Rücken und eine
scheinbar weite Oeffnung erschliessen kann. Der Oberkiefer kräftig, aber der
Alveolarfortsatz kurz (beiläufig 16 mm). Der äussere Umfang der Zahncurve be-
trägt 132 mm, aber die Stellung' ist fast opisthognath. Die Zähne selbst haben
(offenbar posthum) stark gelitten, der Schmelz ist meist abgeblättert und das Dentin
bräunlich gefärbt. Vorn stehen noch 2 grosse leere Alveolen für die mittleren
Schneidezähne; darauf folgen rechts 1 Incis. later., 1 Caninus, 2 Praemolares und
1 Molaris, sämmtlich gross, endlich 2 leere Stellen für Pr. II u. III: links stehen
noch alle Zähne bis auf die mittlere Lücke. Der Gaumen ist breit, parabolisch,
leptostaphylin (Ind. '"'4,3). die Platte dick, mit einem feinporösen Osteophyl ?)
belegt; an der Portio palatina eine sklerotische, ganz braune Fläche mit je einem
seitlichen scharfen Vorsprunge.
Auch an anderen Gesichtsth eilen, namentlich am Stirn- und Wangenbein, aus-
gedehnte, zum Theil dicke und rauhe üeberzüge, die wie ein starkes Osteophyl an-
sehen, aber vielleicht nur fossile Incrustationen sind. Wangenbein vortretend, mit
grossen, scheinbar schurren, vorderen Tuberositäten, die dem Wangenbein an-
gehören, an dem jedoch die Nahtstellen nicht deutlich sind. Jochbogen links ge-
brochen und mit der hinteren Spitze nach innen gedrückt: rechts gut erhalten und
stark ausgebogen. Sehr tiefe und breite, schiel gestellte Gelenkpfannen des Unter-
kiefers, an denen die Gelenklläche nach vorn etwas übergreift. Ohrlöcher etwas
zusammengedrückt, mit hyperostotischer Masse umgeben.
Der Unterkiefer hat eine bleierne Schwere. Obwohl die Zähne nachträglich
sehr verändert sind, machen sie doch den Eindruck, dass sie einem alten Individuum
angehört haben. Der Schmelz ist meist abgesprungen, das bräunlichgelbe Dentin
uneben und scheinbar tief abgenutzt. Vorn fehlt der frisch ausgefallene Incis.
med. dext., hinten der M. III, dessen Alveole ganz verstrichen ist. Links sind die
beiden Incisivi, der Caninus und die Praemolaren vorhanden, aber sämmtlich sehr
abgenutzt; es fehlen sämmtliche Molares dieser Seite, aber an der Stelle von M. 1
und II liegt eine grosse, offenbar cariöse Höhle, und .AI. 111 ist bis auf 3 Wurzel-
löcher verschwunden.
(Der linke Seitentheil des Unterkiefers war nachträglich durch einen schiefen.
von der genannten Höhle ausgehenden Bruch gesprengt, die Stücke sind aber gul
aneinandergefügt.) Der Knochen bildet eine massig grosse, vorn mehr elliptische
Curve, deren hintere Winkeldistanz 93 mm beträgt Sein Aussehen ist bräunlich,
fast holzartig. Das Kinn ist am unteren Rande gerundet, dick und in der Mitte
vorspringend. For. mentale dexl ind ollen: das linke liegt gerade in der
Bruchlinie. Spina ment. int. doppelt, sehr scharf und stark, darunter ein tiefes
Loch. Gegen den Rand des Unterkiefers zwei tiefe Gruben (für den M. digastricusr .
getrennt durch eine mittlere Schnebbe. Dil brdick, breit (38 mm) und steil;
Proc. coronoides 60, Pr. condyloides 57 mm hoch, etwas schräg und am Ende ab-
geplattet, fast scharf. Die Incisur zwischen den Aesten tief und scharf. Heide
Aeste aussen und längs des Randes nach innen mit, tiefen Muskelfurchen besetzt —
Zum Schlüsse gebe ich noch eine kurze Zusammenstellung der Hauptmaass
Horizontaler Umfang . . . 517 mm ss horizontale Länge . 17 < mm
Querer (verticaler) Umfang . 330 .. _ Breite U7< ..
Saeittaler Umfang .... 364 .. Hintere Hohe 14- -
(462)
Ohrhöhe 112 mm Gesicht. Breite c (maxill.) . . 95»«»»
Stirnbreite 99 .. Orbita. Breite 42 „
Gesicht, Höhe A (Nasenwurzel „ , Höhe 33 ,.
bis Kinn) 102 r NTase, Höhe 47 ..
Gesicht, Höhe B (Nasenwurzel „ , Breite 24? ..
bis Alveolarrand) .... G3 „ Gaumen, Länge 49 ,.
Gesicht, Breite a (jugal) . . 131? „ „ . Breite 34 ..
„ , „ b (raalar) . . 94 „
Schon auf Grund der Messungen meiner Vorgänger hatte ich erklärt (a. a. 0.
S. 488), dass die (durch die Indices angedeuteten) Eigenschaften der Annahme einer
turanischen oder, wenn man will, finnischen Bevölkerung nicht entgegenstehen
würden. Meine eigene Untersuchung hat diese Auffassung nur bestärkt, und zu- .
gleich den Gegensatz gegen die Schädel von Fatjanowo, die ich freilich selbst nicht
gesehen habe, noch gesteigert.
Ich freue mich, unserem Ehrenmitgliede, der Frau Gräfin U war ow, diese Dar-
legung als ein Zeichen meiner Erkenntlichkeit vorlegen zu können. Möchten nur
bald zahlreichere Untersuchungen russischer Steinzeit-Schädel folgen. —
Nur ganz beiläufig will ich erwähnen, dass ich der Moskauer Section eine
grössere Reihe von Abbildungen vorgelegt habe, um die veränderliche Lage
und Gestalt der Tuberositas maxillo-malaris und deren Einfluss auf die Be-
stimmung des malaren Gesichtsdurchmessers zu erläutern. Ich behalte mir vor,
auf dieses nicht unwichtige Thema zurückzukommen.
Endlich erwähne ich zur Kenntnissnahme für spätere Reisende, dass unter den
vielen Museen in Moskau ausser dem anthropologischen (Director Prof. Anutschin)
das historische Museum der Archäologischen Gesellschaft zu besuchen ist. Letz-
teres steht unter der speciellen Leitung der Gräfin Uwarow und enthält die Er-
gebnisse der neuesten Ausgrabungen, namentlich auch der transkaukasischen.
Hr. Iwanoff, der diese letzteren geleitet hat, war so gütig, mich selbst zu geleiten.
Zu meiner Freude sah ich dort alle meine bekannten Artefacte, insbesondere auch
Antimongeräthe und ein neues und schönes Exemplar eines Bronze-Gürtcl-
bleches mit Thicr-Ornamenten. —
3. Die ethnographischen und archäologischen Sammlungen in Hamburg.
Nach meiner Rückkehr von Petersburg führten mich wiederum Familien-
pflichten nach Flensburg. Auf der Rückkehr von da nach Berlin brachte ich ein
paar sehr genussreiche Tage in Hamburg zu (10. bis 12. September), wohin gerade
damals die prächtige I>lumen-Ausstellung zahlreiche Besucher lockte. Ich möchte
die Mitglieder der Gi Seilschaft aber auf zwei besonders wichtige Plätze aufmerk-
sam machen.
Der erste ist das neu eingerichtete Museum für Völkerkunde, dem seit Anfang
des Jahres auch die In- dahin getrennt verwaltete Sammlung vorgeschichtlicher
Alterthümer eingefügt worden ist. so dass dasselbe im Wesentlichen nach dem
Muster unsere Museums i ii gerichtet ist. Der neu angestellte Assistent, Hr. K. Hagen,
hat die zahlreichen neuen Erwerbungen, ethnographische und prähistorische, in
einem übersichtlichen Bericht sehr j,rut geschildert. Auf Einzelheiten ist hier nicht
einzugehen. Nur das mag hervorgehoben sein, dass die Stücke der prähistorischen
Sammlung nicht auf das hamburgische Gebiet beschränkt sind. Die neuen
Erwerbungen greifen weit über andere europäische Länder hin. Als die wert-
vollsten werden \ Schmuckstück» Filigranarbeit aus Gold bezeichnet, «In- in
(463)
Baddien bei Hooksie] am Jahdebusen gefunden Bind und als orientalische Import-
artikel des 8. bis 10. Jahrhunderts, verwandt den Hacksilber- Fanden, gedeutet
werden. — Die in der Nähe von Hamburg veranstalteten Ausgrabungen ergaben
Brandurnen mit neolithischer Keramik, Spuren von Bronze und einige Feuer-
stein- Pfeilspitzen (?). Hr. Hagen glaubt desshalb zu der Annahme berechtigt zu
sein, dass sich die ueolithische Keramik in dieser Gegend bis in den Anfang der
Bronzezeit erhalten babe. Nach Analogie anderer Funde aus Mitteldeutschland dürfte
ii diese Annahme theoretisch nichts einzuwenden sein. —
Sehr viel bedeutsamer hat sich unter der umsichtigen und energischen Geschäfts-
führung des Directors Hrn. Julius Brinckmann das Museum für Kunst und Gewerbe
entwickelt, das schon seit Jahren in immer steigendem Maasse die Aufmerksamkeit
und Bewunderung' nicht bloss der Fachleute, sondern auch des grossen Publicums
erregt hat. .Man kennt schon lange die -rosse Fülle der einheimisehenSchmucksachen.
welche dort aufgestellt sind, und den unglaublichen Reiehthum an japanischen
Artefacten, welche der in allen Ländern forschende Director zusammengebracht hat.
Unter den neuen Erwerbungen stehen obenan die Bronzen von Benin, von denen
mehrere Hauptstücke für das Museum angekauft sind. Auch die Prähistorie wird
durch immer schönere Stücke vertreten. Dahin gehört insbesondere ein vor-
geschichtlicher Goldfund, anscheinend ein Depotfund, von Erpel bei
Schneidemühl, bestehend aus 7 Armbändern. Der Fund ist in dem Berichte des
.Museums für das Jahr 1895, S. 19 beschrieben worden (Aus dem Jahrbuch der
Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten XIII). Keiner von denen, welche
Hamburg besuchen, sollte es versäumen, dieses Pracht-Museum zu besuchen und
ihm ein längeres Studium zu widmen.
4. Die Abtheilung für Anthropologie und Ethnologie auf der Versamm-
lung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte
in Braunschwei-.
Aus der mannichfaltigen und etwas bunten Organisation der alten Naturforscher-
Versammlung hat sich, dem Bedürfnisse der Zeit entsprechend, auch eine beson-
dere Section für Anthropologie und Ethnologie (diesmal die 13.) herausgebildet.
Die HH. Richard Andree und Fr.Grabowsky fungirten als officielle Einführen
Die Versammlung, welche für den '20. bis 25. September einberufen war. gestaltete
sich für unsere Mitglieder doppelt wertin oll. weil sie gewissermaassen als eine Vor-
bereitung und eine Probe für die im nächsten Jahre [1898) gleichfalls in Braunschweig
zusammentretende General -Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesell-
schaft angesehen werden konnte. Wir waren so in der Lage, eine vorläufige Musterung
des vorhandenen Materials vorzunehmen und auch bescheidene Wünsche für die
ire Aufstellung und für die Gestaltung des künftigen Programms zu aus
Ich will nur constatiren, dass wir sowohl über die Zahl, als über den "Werth der
vorhandenen Stücke unsere grosse Befriedigung aussprechen und den in Aus
gestellten Excursionen mit dem vollen Vertrauen auf die sachgemässe Leitung ent-
eisenen konnten. Sicherlich wird die nächste General-Versammlung eine reiche
Quelle der Belehrung eröffnen, zumal in einem Landstriche, der bis jetzt angerecht-
fertigterweise der Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher last verschl
blieben ist.
lauen besonderen Anreiz gewährt die kleine Schrift, welche der Verein für
Naturwissenschaft in Braunschweig unter dem Titel „Fest-Gruss" der Naturforscher-
Versammlung gewidmet hatte. Darin steht ein höchst überraschender Bericht des
Hrn. Wilhelm Blasius über die Megalithischen Grabdenkmal lord-
(464)
westlichen Deutschlands, welcher zum ersten Male einen Ueberblick über die
Fülle solcher Monumente im Herzogthum Braunschweig und in der umgebenden Land-
schaft gewährt. Er schliesst sich eng an die in unserer Zeitschrift erfolgte Publi-
cation der HHrn. E. Krause und Schötensack über die Megalithe der Altmark,
und er wird daher vielen unserer Mitglieder Gelegenheit bieten, Vergleichungen
anzustellen und weitgehende Schlussfolgerungen anzuknüpfen.
Die Stadt Braunschweig mit ihrem Reichthum an Bauwerken des Mittelalters
i-t an sich wie gemacht für einen eingehenden Besuch von Altertumsforschern.
Die gegenwärtige Regierung ist mit Erfolg bemüht, durch die Restauration vieler
alter Gebäude, namentlich der Burg Heinrichs des Löwen und der alten Kirchen,
ein volles Bild der früheren Herrlichkeit wiederherzustellen. Mögen also unsere
Freunde sich für diese Genüsse genügend vorbereiten! —
(37) Hr. Rud. Yirchow bespricht die
Eröffnung prähistorischer und römischer Gräber in Worms.
Am 8. d. M. traf ich auf der Rückkehr von Lugano, einer wiederholten Ein-
ladung des Hrn. C. Kohl gern Folge gebend, in Worms ein. Der stets glückliche
Forscher hatte noch in der zweiten Sitzung des Lübecker Congresses am 4. August
(Corr.-Bl. Nr. 10, S. 101) eine lichtvolle Uebersicht seiner letztjährigen Ausgrabungen
gegeben, durch welche die Area der römischen Gräberfelder um Worms erheblich
und namentlich auch in neuen Richtungen erweitert ist. So wurde im Südwesten
der Stadt, an der alten Römerstrasse, die auf Kaiserslautern zieht, einer der be-
deutendsten Friedhöfe aufgedeckt, der zahlreiche werthvolle Funde lieferte. Da
schon früher ein nördlicher Friedhof (an der Liebfrauen-Kirche), ein westlicher
und ein südlicher erschlossen waren, im Osten dagegen die Nähe des Rheins die
Anlage eines solchen verbot, so ist nun, von letzterer Stelle abgesehen, der Ring der
römischen Gräberfelder um die Stadt geschlossen.
In den Räumen der alten Paulus-Kirche, die bekanntlich in ein Museum ver-
wandelt ist, finden sich die hauptsächlich durch die Freigebigkeit des Freiherrn
Heyl zu Herrnsheim gesammelten Schätze so dicht aufgespeichert, dass die
Notwendigkeit, ein neues Museum im modernen Sinne, speciell zu dem Zwecke
einer würdigen Aufstellung der Alterthümer, zu erbauen, jetzt allgemein anerkannt
und der Neubau wahrscheinlich in absehbarer Zeit vorgenommen werden wird. Denn
ausser den römischen Sachen findet sich da jener unvergleichlich reiche Aufbau
fränkischer (merovingischer) Alterthümer, und, was keine andere deutsche Stadt
aufweisen kann, jene Fülle von Gräberfunden der neolithischen Zeit, über welche
wir oft gesprochen haben.
Diese letzteren, und namentlich die Menge menschlicher Gebeine, welche aus
denselben in verhältnis.smässig gut erhaltenem Zustande von den sachverständigen
Händen der Wormser Forscher geborgen sind, waren es, welche für mich den
hauptsächlichen Anreiz boten, noch einmal an dieselben heranzutreten und sie einer
genaueren Prüfung zu unterziehen. Ich entsprach damit zugleich einem Wunsche.
welchen Hr. Kohl mir wiederholt ans Herz gelegt hatte. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung gedenke ich heute in möglichster Kürze der Gesellschaft mitzutheilen.
Hr. Dr. Schötensack, der gleichzeitig mit mir in Worms war, übernahm es,
für die Bestimmung der bei diesen Ausgrabungen gesammelten Thierknochen zu
sorgen; ich werde seinen Berichl demnächst vorlegen.
Was das prähistorisch Gräberfeld selbst anbetrifft, so darf ich wohl ver-
n auf <\rn in unsere-, „Nachrichten aber deutsche Alterthumsfunde" 18%,
( t65)
Heft 4, 8. 59, und ausführlicher in der Schrift „Neue prähist. Funde aus Worms und
Umgebung, 1896" enthaltenen Bericht des Hrn. Kohl selbst. Es liegt getrennt von den
romischen Friedhöfen nördlich von der Stadt auf der sogenannten Rheingewann,
einer jener in der Rheinpfalz häufig wiederkehrenden Bodenschwellen, welche in
der Richtung vom Hardtgebirge zum Rhein ziehen. Da es sich in dieser Nekro-
pole ausschliesslich um Bestattungsgräber handelt, so waren die Knochen rerhältniss-
mässig wenig angegriffen; die Schwierigkeit, sie unversehrt herauszubefördern,
beruhte nur in <U^v agglutinativen Beschaffenheil des Erdreiches, von dem sie um-
schlossen waren. Fs ist zufolge dieses Umstand es nur in wenigen Fällen gelui
die Schädel in zusammenhängender Form auszuschälen, und noch mehr haben die
übrigen Skelettheile gelitten. Ich kann daher nur fragmentarische Notizen über
die Funde liefern Ich zähle dieselben unter Angabe der Nummer des Grabes un-
gefähr nach der grösseren oder geringeren Erhaltung der Knochen auf.
Dabei mache ich von vornherein darauf aufmerksam, dass sich bei der Durch-
sicht der einzelnen Grabfunde eine bemerkenswerthe Anzahl platyknemischer
Ti bien vorfand.
Grab Nr. 38. Gebeine eines älteren kräftigen Mannes (Neue prähist. Funde 8.45 .
dessen Zähne sämmtlich wohl erhalten, aber stark abgeschliffen sind. Der Schädel,
mit Unterkiefer versehen, ist gross: horizontaler Umfang 520, sagittaler 376 mm.
Seine Stirnbreite, an der Stelle des kleinsten Durchmessers, ergiebt 103 nun. Seine
Form ist hypsidolichoeephal: Breitenindex 73,5, Höhenindex etwa 79,5, Ohrhöhen-
index 60,0. Das Gesicht sehr hoch und massig breit, so dass ein leptoprosoper Index
(91,3) sich ergiebt. Die Kiefer orthognath, das Kinn etwas progenäisch. Orbita
mesokonch (Index 80,4), Nase dagegen platyrrhin (Index etwa 55,5). Ober-
schenkel besonders unten glatt, jedoch mit sehr starker Linea aspera. Starke
Platyknemie. Zugleich ist zu bemerken, dass der Abstand der Unterkiefer-
Winkel von einander sehr gross (127 mm) ist.
Grab Nr. 48 (vergl. „Nachrichten" S. 60. Neue prähist. Funde, S. 10, Tal. i .
Gebeine eines gleichfalls älteren kräftigen Mannes, dessen Zähne stark aligenutzt sind.
Der Schädel zeigt eine leichte hintere, bis auf die Schläfenschuppe reichende Ab-
dachung. Sein horizontaler Umfang misst 512. der sagittale 373 mm. Stirnbreite
(minimale) 96 mm. Seine Form ist ebenfalls hypsidolichoeephal: Breitenindex
72,3, Höhenindex 77,7, Ohrhöhenindex 63,0. Das Gesicht ist noch höher, als bei
dem vorigen: 120 mm. Da aber die .lochbogen verletz! sind, so lässt sich die Breite.
also auch der Index nicht bestimmen; nach Schätzung muss letzterer jedoch aus-
gemacht leptoprosop gewesen sein. Hier betrag! die Kieferwinkel-Distanz 102
Die Orbita ist h\ perhypsikoneh (Index 92,3), die Nase leptorrhin (Index
etwa 44,6).
Grab Nr. -ff). Das Geschlecht isl nicht sicher zu bestimmen: die rechte
Schläfengegend ist ganz eingedrückt, aber das Collum ossis femoris kurz und
etwas Qach gestellt. Da der Unterkiefer auf beiden Seiten zahnlos und sehr
niedrig, die Winkel sehr gestreckt sind, so darf auf ein höheres Alter geschJ
werden. Am Schädel missf der horizontale Umfang jedoch .'»im. der sagittale
:;77 mm, während die minimale Stirnbreite nur 88 mm beträgt. Auch hier ist die
Schädelform hypsidolichoeephal: Breitenindex etwa 72..'.. Böhenindex ■
unsicher 80,2, ()hrhöhenmde\ 66,5. Gesichtsmaasse konnten nicht genommen
werden. Oberschenkel mit sehr starker Crista und eingefurchten Seitenflächen. —
Es ist dies das einzige Grab in dieser Nekropole, in welcher die Leiche in der
Stellung des „liegenden Bockers" bestattet war Nachrichten, S. 61. Neue prähist.
Funde S. 10. Tal'. II).
Verband!, der Bert. Anthropol. Qesellschan l^.1:
(466)
Grab Nr. 57. Die von Hrn. Kühl (Neue prähist. Funde, S. 4G) als weiblich
bezeichnete, stark platyknemische Leiche, die übrigens zahlreiche Defecte erlitten
hat, zeigt mehr Merkmale einer männlichen. Der Schädel besitzt einen horizontalen
Umfang von 520, einen sagittalen von etwa 374 mm. Die (minimale) Stirnbreite
misst auch hier nur 88 mm. Der Schädel ist dolichocephal (Index 72,6); die
gerade Höhe konnte nicht bestimmt werden, dagegen ergab die Ohrhöhe einen Index
von nur 54.3. An der Tibia ist die hintere Fläche ziemlich breit und in der Mitte
mit einer Crista versehen, die Aussenflächcn stark eingefurcht.
Grab Nr. 8. (Neue prähist. Funde, S. 43). Skelet sehr defect, offenbar männ-
lich. Der Schädel lieferte die höchsten Maasse unter den gemessenen: Horizontal-
Umfang etwa 545, grösste horizontale Länge 201, grösste Breite 144 — 147 mm.
Er war also stark dolichocephal (Index 73,1 oder 71,6). Die Stirnbreite von
9 t mm bleibt nur um 2 mm hinter der sonst beobachteten höchsten (Grab 48) zu-
rück. Sehr weite Stirnhöhlen mit starker Prominenz der Supraorbitalwülste. Gesichts-
maasse nicht zu gewinnen.
Grab Nr. 11. (Neue prähist. Funde, S. 43). Sehr defectes Skelet. Horizontal-
Umfang 532 mm. Schädelindex mesocephal (78,7). Sutura frontalis persi-
stens. Kinn progenäisch. Zähne stark abgenutzt.
Grab Nr. 30. Weibliches (?) (Neue prähist. Funde, S. 44), höchst defectes
Skelet. Am Schädel ist die ganze linke Seite eingedrückt. Die Nähte undeutlich,
die Zähne stark abgenutzt. Nach den Bruchstücken zu urtheilen, war der Schädel
sehr lang. Unterkiefer sehr gross.
Grab Nr. 60. Männliches (Neue prähist. Funde, S. 46), sehr verletztes Skelet.
Sehr abgenutzte Zähne. Schädel von beiden Seiten her eingedrückt, scheinbar
mesocephal. Schienbeine platyknemisch. an den Aussenllächen stark ein-
gefurcht, aber mit hinterer breiter Fläche.
Grab \r. 36. Weibliches(V) Skelet (Neue prähist. Funde. S. 45). Der Schädel
sowohl von der Seite her, als von der Höhe eingedrückt.
Grab Nr. 46. J (Neue prähist. Funde, S. 45). Platyknemische Schien-
beine.
Grab Nr. 55. Weibliches Skelet (ebenda, S. 46). Platyknemie: die Aussen-
llächen vertieft, die hintere Fläche massig breit und gerundet. Oberschenkel etwas
zart and mehr gerundet; kurzes und etwas flaches Collum.
Grab Nr. 58. Männlich (Neue prähist. Funde, S. 4(1). Langer Oberschenkel
mit sein- langem und steilem Collum, stark hervortretender Crista und sehr ab-
geflachtem (Jnterende. Tibia säbelförmig, an der äusseren Fläche tief eingefurcht,
an der hinteren Fläche mit einer stark hervortretenden Mittelkante (Platyknemie).
Es fand sich endlich noch ein loser, nicht numerirtcr progenäischer Unter-
kiefer. —
Im Anschlüsse an diese Beschreibung gebe ich eine tabellarische Zusammen-
stellung der thatsächlr h gefundenen Maasse:
NeolithiBchi G übe >■
vuii der
l; hei ngewann bei \\ orm •
Nr. 38
Nr. 48
S
Nr. 49
N r. 57
5?
Nr. 8
Nr. 11
Schädel- Umfang, horizontal r . . . mm
. sagittalcr ...
520
37(1
103
512
373
96
500
377
88
520
374 •{
88
545?
94
532
(467)
Neoli thische Gräber
von der
Rheingewann bei Worms
Nr. 38
Nr. 48
Nr. 49
Nr. 57
Nr. S Nr. 11
$
$
SP
5?
$ S
185
184
182
186
201 183
136
133
(132)
135
147—144 144
147?
143
146?
—
— —
111
116
121
101
— —
116
120 —
firüsste horizontale Länge mm
Breite
I rerade Höhe „
Ohrhöhe
Gesicht, Höhe A (Nasenwurzel bis
Km.n
.. , „ B (Nasenwurzel bis
Alveolarrand). .
, Breite a (Jochbogen) . . ..
_ , b (Vorsprung der
Wangenbeine . „
c (Kieferw.-Distanz) .,
Augenhöhle, Hölu'
, Breite „
Nase, Höhe „
.. . Breite
Es wäre wohl möglich, dass sich aus den zahlreich vorhandenen Bruchstücken
noch einige Theile so weit restauriren liessen, dass sie messbar würden. Dazu
bot mein unfreiwillig kurzer Besuch keine Gelegenheit dar. Das Gefundene zeigt
aber eine überraschende Uebereinstimmnni; der Formen, wie sich aus einer Ueber-
sicht der berechneten Indices leicht erkennen lässt:
Lähgenbreiten-Ihdex
Längenhöhen-Indes
Obrhöhen-Index
Gesichts-Index
< »rbital-Index
V n-Iiulex
67
74
127
—
92
91?
104
102
33
36
41
39
45 V
56
25
25?
73,5
72,3
72,5
72,6
79,5?
77,7
80,2?
60,0
63,0
66.5
54,3
91,3
—
—
—
80,4
92,3
—
—
55,5?
44,6?
In Beziehung auf den Längenbreiten-(Schädel-)Index habe ich' nur eine Aus-
nähme gefunden, indem Nr. 11 mesocephal ist. allein gerade dieser Schädel
hat eine Butura frontalis persistans; die grossere Breite mag also durch stärkeres
Querwachsthum bedingt gewesen sein. Ausserdem fand sich in Grab 60 noch ein
Schädel, der den Eindruck der Bfesocephalie machte, indess war er zu defect, um
gemessen werden zu können. Alle anderen Schädel waren ausgemacht
dölichocephal, so dass diese Eigenschaft als Stammes-Eigenthümliehkeit be-
zeichnet werden kann.
Der Böhenindex konnte leider nur in .'> Fällen, genau nur in einem Falle.
berechnet werden. Immerhin war er stets hypsicephal. Die Controle durch
den Ohrhöhenindex bestätigte dieses Resultat; nur in einem Falle (Grab 57 wurde
ein chamaecephaler Index erhalten. Ich besitze leider keine so genauen Auf-
zeichnungen darüber, dass ich in eine weitere Analyse des Falles eintreten könnte.
Alier auch, wenn sieh bei erneuter Controle die Richtigkeit dieser Zal
sollte, würde vorläufig an der Hypsicephal ie als Regel festgehalten werden müs
(468)
Die hypsidolichocephale Schädelform ist in neolithischen Gräberfeldern keine
ungewöhnliche. Ich verweise beispielsweise auf die Schädel von Tangermünde in
der Altmark (Verhandl. 1883, S. 154; 1887, S. 481) und auf die von der Türken-
schanze bei Lengyel in Ungarn (Verhandl. 1890, S. 102, 117). Von den letzteren
sagte ich, dass ^unter allen lebenden Stämmen (in Europa) nur die notdarischen
eine nähere Verwandtschaft erkennen lassen", und ich trug kein Bedenken zu
erklären, dass „man leicht so weit gehen könnte, dem Steinvolk von Lengyel eine
arische Abstammung zuzuschreiben, oder umgekehrt, in ihm einen der örstämme
zu sehen, von welchem die Arier abzuleiten seien." Aehnliche Betrachtuugen lassen
sich auch auf das Steinvolk von Worms anwenden. Es wird sich verlohnen, auf
diese Frage näher einzugehen, und dabei eine weitere Vergleichung anderer
neolithischer Schädel mit den Wormsern zu veranstalten. Arorläufig will ich nur
darauf aufmerksam machen, dass ein gewisser Unterschied zu bestehen scheint
zwischen den Schädeln der Nekropolen mit flachen, tief liegenden Gräbern und
denen der Kegelgräber, auch wenn diese der neolithischen Zeit angehören. Viel-
leicht wird später Zeit und Gelegenheit günstig sein, um darauf zurückzukommen.
Dabei werden denn auch die Gesichtsverhältnisse weiter zu prüfen sein. Die
starke Zertrümmerung, welche die meisten Wormser Schädel gerade im Gesicht
erlitten haben, machte es unmöglich, mehr als zwei Schädel daraufhin zu prüfen.
Dabei zeigte sich erhebliche Verschiedenheit an Orbita und Nase, den beiden
Theih-n, welche erfahrungsgemäss der individuellen Variation in höherem Maasse
ausgesetzt sind. Immerhin darf als wahrscheinlich angenommen werden, dass bei
den Wormser Neolithikern ein hohes und schmales Gesicht, hohe Orbitae und eine
stark vortretende, gelegentlich schmale Nase vorherrschten und dass sie orthognath
und progenäisch waren.
Die Platyknemie ist schon besprochen worden. Ich konnte dieselbe bei
6 Skeletten notiren. Freilich erreicht sie meist nicht den hohen Grad, der bei
anderen Völkern bemerkt worden ist, Namentlich hat die hintere Fläche häufig
eine grössere Breite und auch eine stärkere Rundung behalten, als sie den höheren
Graden der Platyknemie zukommt; der Eindruck der seitlichen Abflachung wird
bei den Wormsern hauptsächlich durch die starke Einfurchung der Seitenflächen
hervorgebracht. So konnte es geschehen, dass ein Schienbein (Grab Nr. 58)
geradezu als säbelförmig bezeichnet werden musste. —
lli. Kühl liess es sich nicht nehmen, auf dem zuletzt entdeckten römischen
Friedhofe im Südwesten für uns mehrere Gräber öffnen zu lassen. Sie lagen
sehr tief und enthielten meist grosse Steinsarkophage, zum Theil mit prächtigen
Beigaben, namentlich an Gläsern. Ich bin Hrn. Kohl sehr dankbar dafür, dass er
mir aus seinem grossen Vorrath an Schädeln der römischen Bcsiedelungszcit drei
zur Vergleichung hat zugehen lassen (No. 1 — 3). Sie entstammen dem ebengenannten
Friedhofe und gehörten Gräbern des 4. Jahrb.. an. Ein vierter stammt aus einem
fränkischen Reiheng erfelde an der „Scbulstrasse". Letzterer, der sich durch eine
Anzahl von QachenExo tosen desSchädeldaches, darunter eine sehr grosse, auszeichnet,
tsl unter Nr. 43, 1891 der Sammlung des Pathologischen Instituts unserer Univer-
sität einverleibt worden.
Ich gebe eine kurze Beschreibung der 4 Schädel:
1. Schädel eines älteren Mannes (Nr.38), Zähne stark abgenutzt, zahlreiche
erstrichene Alveolen. Gul erhalten; nur der rechte Ast des Unterkiefers abge-
brochen. Grosser, langer, hohei und breiter Schädel mit weit ausgelegtem Hinter-
kopf. Die lateralen unteren Abschnitte der Sut. coronaria verstrichen. Stark vor-
(469)
tretende Nase und Supraorbitalwühste mit grobporöser Oberfläche. Andeutung
einer Orista frontalis. An der Flüche der Calvaria zahlreiche Netzfurchen durch
Pflanzen wurzeln. — Capacität 1661 ccm (Kephalone): horizontaler CTrafang
rerticaler 332, sagittaler 390 mm. Die Schädelform ist hypsimesocephal:
I. -Br.-J 78,9, L.-H.-I. 76,8, 0 -II. -1. .r>M. Gesichtsindex mesoprosop (80,8), Orbita
chamaekonch (76,1), Nase mesorrhin (48,0). Wangenbeine vortretend, die vor-
dere Tuberositas liegt vor der Naht Das Bregma vor dem Scheitelpunkt. Warzen-
fortsätze mächtig, mit doppelter [ncisur. Foramen magna m sein- gross, 37 auf 30 mm.
also Iudex 81,0. Unterkiefer sehr gross, mit sehr dickem Körper.
■J. Schädel einer jungen Frau (Nr. 72). Zähne wenig abgenutzt, last voll-
8 tändig; nur die Molares III fehlen und ihre Alveolen sind verstrichen. Capacität
1252 rem; horizontaler Umfang 515, verticaler 302, sagittaler 372 mm. Schädelform
oi t homesocephal: L.-Br.-I. 77,0, L.-H.-I. 68,9, O.-H.-I. 51,3. Am Stirnbein ein
langer Rest der Stirnnaht an <\rv Nasenwurzel, der bis über die vordere Wöl-
bung reicht. Die grösste Breite (141 mm) liegt an den Tubera parietalia. Hinter-
haupt, besonders die Oberschuppe stark vorgewölbt. Gesichtsindex leptoprosop
Orbita hyperhypsikonch (92,5), Nase mesorrhin (47,1). Foramen
magnum gross, 34 auf 28 mm, also Index 82,3. Grosser Unterkiefer, in der Mitte
hoch, das rundliehe Kinn vorgeschoben.
3. Schädel eines älteren Mannes. Zähne stark abgenutzt, die hinteren sehr
defect, die Alveolen verstrichen. Der Schädel ist schwer, obwohl der grösste Theil der
Basis bis in den Gaumen und die Nasenhöhle hinein fehlen. Die Capacität ist daher
nicht ZU bestimmen. Schädel ziemlich gross: horizontaler Umfang 531, verticaler oll.
sagittaler .'!78 mm. Seine Form ist hypsimesocephal (L.-Br.-I. 76,5, Ohrhöhen-I.
61,8). Minimale Stirnbreite 94 //////, starke, sehr unebene Stirnwülste. Gesichtsindex
mesoprosop (86,1); Orbitae gross, hoch und eckig, mesokonch (82,5). Nase
sehr gross, schmal und vorspringend, die Wurzel sehr tief liegend. Index 42,0,
hyperleptorrhin. Alveolarfortsatz des Oberkiefers massig stark, orthognath.
Schläfengegend links synostotisch, rechts nur eine Ala elongata.
I. Schädel einer alten Frau ohne Unterkiefer (Nr. 4o, 1897. l'ath. Inst) aus
der Schulstrasse. Die Zähne leiden grösstentbeils, Alveolen verstrichen und der
Fortsatz atrophisch. Das gelbliche Schädeldach ist mit Pflanzenwurzel-Erosionen über-
zogt n und. wie erwähnt, mit Exostosen besetzt, von denen dil E
>\v\- Hinterstirn, die Mehrzahl der kleineren auf den Parietalia liegt. Capacität
ccm, also fast um 100 ccm grösser, als bei Nr. 2; die Knochen sind sehr brüchig,
alier relativ schwer. An der ( 'oronaria alte Verschiebungen der Knochen, so dass
in der Mitte die Parietalia aber das Frontale vortreten, an den Seiten dagegen das
Frontale mehr erhoben ist Das Stirnbein sehr glatt, ohne Wülste: minimale
Breite 97 mm. Massige Stenokrotaphie, rechts ein trennendes Epiptericum,
links eine sehr kurze Sphenoparietalnaht Schädelform hypsimesocephal, jedoch
an der Grenze der Dolichocephalie: L.-Br.-I. 75,4, L.-H.-I.: 68,3, Ohrhöhenindex
59,0. Der horizontale Umfang misstöOO, der rerticale 312, der sagittale 380 nm.
Das Mittelgcsicht klein, der Alveolarfortsatz sehr niedrig. Orbitae sehr -
altrahypsikonch [nd. 97,2 Nase stark vortretend und sehmal. Index
m esorrh i n.
Diese Schädel sind ohne Ausnahme mesocephal; nur der fränkische steht nahe
an der Grenze zur Dolichocephalie Der Höhenindex ist verschieden: zweimal
nach dem Ohrhohen-lnde\ hypsi-, zweimal (bei den Frauen chamaecephal.
(Unter t\vn Neolithikern war kein einziger sicherer Chamaecephale.)
(470)
Schädel aus römischen Gräbern
und
aus einem fränkischen Grabe in Worms.
I. Messzahlen.
Schädelinhalt ccm
Schädelumfang, horizontaler mm
. verticaler (quer) „
, sagittaler „
Stirnbreite (minimale) „
Grösste horizontale Länge ,
„ Breite „
Gerade Höhe ,.
Ohrhöhe „
Gesicht, Höhe A (Nasenwurzel bis Kinn) . „
, „ B (Nasemv. bis Alveolarrand) „
, Breite a (Jochbein) „
, „ b (Vorsprung d. Wangenbeins) .,
„ , .. c (Kieferwinkel-Uistanz) . . „
Augenhöhe, Höhe
, Breite „
Nase, Höhe „
.. , Breite „
1661
535
332
390
95
190
I50i-t
146
111
120
72
136
98
97?
32
42
52
25
Längenbreiten-Index
Längenhöhen-Index
Ohrhöhen-Index . .
Gesichts-Index . .
Orbital-Index . . .
Na en-Index . . .
IL Berechnete Indices.
78,9
76,8
58,4
80,8
76,1
48,0
1252
515
302
372
96
183
141T
126
104
117
67
119?
93
89
37
40
53
25
77,0
68,9
51,3
98,3
92,5
47,1
531
311
378
94
187
143pt
115
118
70
137
97
102
33
40
50
20
76,5
61,8
86,1
82,5
42,0
1350
500
312
380
97
183
138p*
125
108
5S
121
90
36
37
46
22
75,4
68,3
59,0
97,2
47,8
Der Gesichtsindex ist bei den Männern (Nr. 1 u. 3) raeso-, bei der Frau
(Nr. 2) leptoprosop. Dagegen ist der Orbitalindex bei den Frauen (Nr. 2 u. 4)
hypsi-, bei einem Manne (Nr. 1) chamae-, bei dem andern (Nr. 3) raeso-
konch. Der Nasenindex ist bei einem Mar .ie (Nr. 3) hyperleptorrhin, bei
den '■'< anderen Schädeln (Nr. 1, 2 u. 4) mesorrhin.
(38) Hr. Otto Schötensack in Heidelberg übersendet die nachfolgende
Untersuchung der Thierreste aus dein Gräberfelde der jüngeren Steinzeit
bei Worms.
Durch den Alterthumsverein in Worms wurden im Jahre 1895 auf der Rh ein-
gewann daselbst 69 Fli aus neolithischer Zeit systematisch untersucht.
Einen ausführlichen b\rodbericht darüber veröffentlichte Hr. Dr. med. C. Kohl in
der Broschüre ..Neue prähistorisch» Funde aus Worms und Umgebung" (S. obenS.465 -
Unter zahlreichen Bi on Thongefässen, Steingeräthen und primitiven Schmuck-
(471)
gegenständen befand sich auch eine Anzahl von Thierknoclicn. welche den Rest
der den Todten in Töpfen mitgegebenen Speisen darstellen. Der Vorstand des
besagten Alterthumsvereins hatte die Freundlichkeit, mir diese zur näheren Unter-
Buchung anzuvertrauen.
Ein grosser Theil der Thierknochen war zu fragmentarisch, um überhaupt
noch eine Bestimmung zu gestatten, ein anderer Theil bot aber noch genügende
Anhaltspunkte, um an der Hand eines ausreichenden Yergleichsmaterials solche zu
ermöglichen. Dieses fand ich im naturhistorischen Museum in Bern vor, wo Br.
Prof. Th. Studer in liebenswürdigster Weise mir bei der Bestimmung zur Hand
ging, wofür ich ihm hiermit verbindlichsten Dank ausspreche. Weitere Anhalts-
punkte für die Vergleichung fanden sich in dem vom Römisch-germanischen Cen-
tralmuseum in Mainz mir zur Untersuchung übergebenen osteologischen .Material
aus einer neolithischen Mardelle bei Schwabsburg (Rheinhessen), worüber an an-
derer Stelle berichtet werden soll.
Die Kenntniss der Fauna zur neolithischen Zeit stützt sich für das südliehe
Deutschland wesentlich auf die von L. Rütimeyer (Basel 1861) und Th. Studer
Mitth. d. naturf. Ges. in Bern 1880, 1882, 1883 und 1893) ausgeführten Unter-
suchungen über die Fauna der Pfahlbauten in der Schweiz und die von letzt-
genanntem Forscher beschriebenen Thierreste aus den Ablagerungen des Schweizer-
bildes bei Schaff hausen (Zürich 1806). Auch die Pfahlbauten im Starnberger See
(Edm. Naumann im Archiv f. Anthropologie 1875) ergaben ein reichliches Ma-
terial von Thierresten aus der jüngeren Steinzeit, doch finden sich hier auch
spätere Perioden vertreten, welcher Umstand die Chronologie ersehwert.
Da das Gräberfeld der Rheingewann von Worms das erste grösseren Um-
fanges aus ncolithischer Zeit ist, welches in unserer Gegend systematisch aus-
gebeutet wurde, so bietet sich auch zum ersten Mal die Gelegenheit, einen Blick
in das Culturleben dieser Bevölkerung des Mittelrheins im Hinblick auf die sie
umgebende Thierwelt zu thun. Um einen solchen zu ermöglichen, wollen wir das
uns tiberlieferte osteologische Material zunächst ausführlich beschreiben.
"Was das Aussehen und den Erhaltungszustand der Thier- (und Menschen-)
knochen anbelangt, so haben sie alle die gleiche kalkig-weissliehe Farbe. Schneidet
man sie mit einem Messer an, so glaubt man einen ziemlich weichen Kalkstein
vor sich zu haben. Die compacte und spongiöse Substanz verhalten sich hierin
ziemlich gleichmässig. \n verdünnter Salzsäure löst sich der Knochen unter be-
ständiger lebhafter Kohlensäureentwickelung bis auf einen sehr geringen Res!
' Issein. Phosphorsäure ist nur in Spuren nachweisbar. Die Phosphate scheinen
demnach in der Hauptsache durch Calciumcarbonat ersetzt zu sein, womit auch
die ursprünglich vorhandenen oder durch Verwesung entstandenen Hohlräume an-
gefülH sind.
Es sind folgende Thiere vertreten:
\us Grab Nr. 17: Boa primigenius Boj. (Urstier).
Gelenkende des rechten Schulterblattes. Die Fossa glenoidalis und der
roraeoides sind noch erhalten. Die ßfaasse in Millimetern sind folgende:
Worms
Höhe der Gelenkfläche 83
Querdurchmesser der Gclenklläehe ... ti9
Durchmesser des Halses 83
Die beigefügten Dimensionen von zwei Schulterblättern des Urstieres, mit
denen das vorliegende in der Form sonst völlig Übereinstimmt, aus neolithischen Pfahl-
Moosseeduif
Ml
Ml
70
84
«4
(472)
bauten ergeben, dass die Wormser Scapula von einem recht stattlichen Ur her-
rührt.
Aus Grab Nr. 61: Bos primig enius (juv.) Boj.
Das in zwei Hälften gespaltene, alte Bruchflächen aufweisende Gelenkende des
rechten Schultetblattes eines jungen Urstieres. Der Coracoidfortsatz ist ab-
geschlagen, dagegen das untere Ende der Spina scapulae noch erhalten. Die
Höhe der Fossa glenoidalis dürfte zwischen 70 — 75 mm betragen haben (genau ist
sie nicht mehr festzustellen), der Querdurchschnitt misst 62 mm.
Aus Grab Nr. 43: Bos taurus brachyceros Rütim. (Torfrind).
Rechte, etwa 210 mm lange Tibia eines jungen Randes, das nach der Grösse
und der Schlankheit des Knochens in den Rahmen der Brachyceros-Rasse passt.
Die obere Epiphyse ist abgebrochen, die untere an der Verwachsungsstelle ab-
gelöst. Querdurchmesser der Diaphyse in der Mitte 31,5 mm. Dem Aussehen und
Erhaltungszustande nach gehören dazu ein noch leidlich erhaltener Calcaneus, sowie
mehrere fragmentarische Knochenstücke aus demselben Grabe.
Aus Grab No. 0-3: Ovis aries L.?
Tibia, an der das distale Ende fehlt, von einem kleinen Wiederkäuer, wahr-
scheinlich einem Schafe kleiner Rasse. Im selben Grabe ferner Fragment der
Diaphyse eines dünnen Röhrenknochens, wohl auch Tibia vom Schafe.
Aus Grab No. 59: Ovis aries L.?
Metatarsus, 111 mm lang, von einem jungen Schafe kleiner Rasse. Die Ge-
lenk flächen fehlen. Querdurchmesser der Diaphyse 12 mm. Die Erde, die noch
an dem Knochen haftete, ist stark mit Asche gemischt.
Aus Grab No. 58 und 60: Knochenfragmente, die wahrscheinlich auch
vom Schafe herrühren, die Bruchstücke aus Nr. 60 noch als Humerus und Radius
erkennbar.
Aus Grab Nr. 38: Cervus elaphus L.
Sieben Eckzähne von zum Theil sehr stattlichen Hirschen. Die Zähne sind
durchbohrt und als Anhängsel verwendet.
Aus Grab Nr. 4: Canis familiaris L.
a) Proximale Hälfte einer Ulna mit abgebrochenem Gelenkende,
b) Proximale Hälfte eines Radius mit abgebrochenem Kopfe,
<• Oberer Theil der Diaphyse eines Radius.
Die Dimensionen der Knochen lassen auf einen mittelgrossen Hund in Grösse
eines kleineren Schäferhundes schliessen.
Neben dem Edelhirsch, dessen Eckzähne einem Nimrod als Trophäe mit
ins Grab gegeben wurden (die Sitte, die ausgebrochenen „Hirschhaken" als Bre-
loques zu tragen, finde! sich noch heute bei unsern Jägern), treffen wir den schon
zur Diluvialzeit über ganz Puropa verbreiteten und bei uns wahrscheinlich noch
zur historischen Zeil tu- des Nibelungen-Liedes) heimischen Bos primigenius
in zwei Individuen, wovon das ältere eine sehr beträchtliche Grösse aufweist.
Beide sind als wild lebende Thiere aufzufassen. Rütimeyer (Archiv f. Anthr.
1866 S. 238) fand unter Kisten aus einem neolithischen Knochenlager am Wärte-
rn Hessen, worüber Prof. Claudius und R. Müller Nachricht gegeben
hatten (Marburg 1861), auch die gezähmte Primigenius-Rassc vor.
War zum Leichenschmause ein Wild, wie der Ur, nicht zu beschallen, so
schlachtete man ein Hausrind. Von einem solchen rühren offenbar die im
Grabe Nr. 43 aufgefundenen Knochen her. Die kleine und in der Schlankheit an
die des Hirsches erinnernde Tibia gestattet, mit Rücksicht darauf, dass auch in
(473)
der oben erwähnten neolithischen Mardelle das Torfrind vorkommt, es der Bra-
chyceros-Rasse zuzutheilen, die im Steinalter der Pfahlbauten allgemein und
in ilcccn ältesten Ansiedlangen schon überwiegend vertreten war. Sie wird be-
kanntlich mit den Bergschlägen der Schweiz, dem kleinen und knrzhörnigen Brann-
ten der centralen und östlichen Alpen, das auch an vielen Orten Deutschlands
reichlich vertreten ist und das am reinsten vielleicht noch in Nord-Africa (Algier
vorhanden ist, zusammengestellt.
Dazu kommt dann das Schaf (bezw. Ziege?), das in mehreren Gräbern
nachgewiesen ist1;. Wie bekannt, sind einzelne Skelettheile dieses Thieres von
denjenigen der Ziege sehr schwer zu unterscheiden. Auch in den Pfahlbauten der
Schweiz erscheint neben der Ziege im Steinalter zuerst ein kleines ziegenhön -
Schaf mit sehr dünnen, schlanken und dabei ziemlich hohen Extremitäten, und dann
erst später, wahrscheinlich mit der zunehmenden Fertigkeit in Zubereitung der
Wolle, eine grössere krummhörnige Rasse.
Die Anwesenheit des gezähmten Rindes, sowie des Schafes, bezw. der Zii ge
lässt uns erkennen, dass die steinzeitlichen Bewohner des Mittelrheins bereits
Viehzucht trieben und also wohl zur bodenständigen Ackerbevölkerung zu rechnen
sind. Hierauf weist auch schon das grosse Gräberfeld hin, das 69 Skelette auf-
weist, während dasjenige bei Monsheim, 11 Ami westlich von Worms, nach der
Schätzung Lindenschmit's (Zeitscbr. d. Vereins zur Erforschung d. Rheinischen
Gesch. u. Alterth.. Mainz 1868) sogar über 200 Todte enthielt. Wir haben uns
da wohl das Verhältniss niederer Ackerbauer zu denken, das, wie Ed. Hahn
Versuche einer Theorie der Entstehung unseres Ackerbaus, Lübeck 1896) gezeigt
hat. auf dem Hackbau beruht und noch jetzt in einigen Theilen von America, dem
transsaharanischen Africa und dem Malaien-Archipel ausgeübt wird und. wie es
scheint, als ursprüngliche Art der Bodenbestellung bei den meisten \ ölkern be-
stand, ehe sie mit dem Plluge bekannt wurden. Auf einen solchen Hackbau
scheinen auch, worauf schon von anderer Seite hingewiesen winde die in den
Wormser Gräbern aufgefundenen langen Steinmeissel hinzuweisen.
In einem eigentümlichen Lichte, verglichen mit dem bisher über die Bei-
gaben Berichteten, erscheint die Thatsache, dass in einem Falle auch Theile eines
Hundes als Speise mit ins Grab gegeben wurden. Von einem Individuum, das
mit seinem Herrn begraben wurde, können die Reste nicht herrühren, da bei dem
Erhaltungszustande des gesammten osteologischen Materials sonst viel mehr, vor
Allem einige Zähne des Hundes erhalten sein müssten; zudem sind laut der Zu-
sammenstellung des Hrn. C. Kohl a a. 0. S 43 Nr. 4 diese Knochen in einem
Gefäss aufgefunden. Es Kann also wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass der
Hund, wie die übrigen Thiere, beim Leiche nschmause verspeist und Stücke davon
dem Todten mitgegeben wurden.
In Am steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz kommen nach Rütimeyer
i,i. a. O. S. 117) und Th. Studer .Archiv für Anthropologie 18SÜ S. 74) fast nur
Schädel von alten "der ganz jungen Hunden vor. solche mittleren Alters fehlen.
Sie zeigen fast alle Spuren gewaltsamer Todesart, eingeschlagene Stirnbeine u. s. w.,
woraus letztgenannter Forscher den Schluss zieht, dass nicht der ganze Wurf des
Hundes, sondern nur ein ausgewählter Theil desselben aufgezogen wurde: die
1) Auch in einem neolithischen Grabe von Wachenheim bei Worms fand sieli der
95 mm lange Metacarpus eines jungen Schafes, bezw. einer Ziege kleiner Rasse: Querdurch-
messer der Diaphyse 12 wim. IM.' Gclenkflächen sind verletzt. Der Knochen befindet
ebenfalls im Paulus-Museum in Worms.
(474)
übrigen wurden, ebenso wie die alt und unbrauchbar gewordenen, getödtet. Rüti-
meyer erwähnt ausdrücklich, dass die übrigen Theile des Skelets von Hunden
sich ungleich häufiger unverletzt vorfanden, als diejenigen des Fuchses. Daraus
darf man wohl folgern, dass, während letzteres Thier, das auch weit häufiger,
als der Haushund, in den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz vorkommt,
wie alles erlegte Wild verzehrt wurde, hinsichtlich des Canis familiaris bei
den See-Anwohnern eine andere Praxis ausgeübt wurde, die schon dem intimeren
Verhältnisse dieses Thieres zu seinem Herrn Rechnung trug. Ziehen wir aber in
Betracht, dass z. B. bei den Südsee-Insulanern, sowie auch im nördlichen Africa
von Sfax bis zur Cyrenaika und theilweise auch im westlichen Sudan (vergl. l'An-
thropologie 1897, p. 742) der Hund zur Nahrung verwendet wird, so dürfen wir
uns auch nicht so sehr wundern, ihn auf der Speiseliste des neolithischen Bewohners
der Rheingewann von Worms zu finden. So erscheint er denn auch unter den
Beigaben des Todten.
In der oben erwähnten neolithischen Mardelle ist der Typus des Canis
Inostranzewi Anutschin, — die nach Th. Studer (Naturw. Wochenschrift 1&»7,
Nr. 28) durch die sibirischen Schlittenhunde (Laika), die norwegischen Elch- und
die Eskimohunde repräsentirte paläaretische Grundform, — vertreten. Ob der Hund
des neolithischen Gräberfeldes von Worms dieser Form oder etwa dem aus der
steinzeitlichen Pfahlbaustation Bodmann am üeberlinger See bekannt gewordenen
Canis fam. Leineri (Deerhound), von dem der Schäferhund der Bronzezeit,
Canis matris optimae Jeitteles, wohl abgeleitet werden darf, zuzuweisen ist,
darüber lässt sich bei der Spärlichkeit des Materials nichts Bestimmtes aussagen.
Was schliesslich die Grabbeigaben unserer Neolithiker anbelangt, so darf man
vielleicht daraus, dass von dem erlegten Ur in beiden vorliegenden Fällen das
Schulterblatt, von den geschlachteten Thieren durchweg Extremitätentheile den
Todten mitgegeben wurden, den Schluss ziehen, dass auch hierin gewisse Ge-
bräuche beobachtet wurden. Der Umstand, dass nicht allen Todten animalische
Nahrung mitgegeben wurde, lässt die Deutung zu, dass man keinen grossen Ueber-
lluss daran hatte, bezw. dass nur den Wohlhabenden die Spende zu Theil wurde.
So bescheiden auch die Aufschlüsse sind, die wir durch die Bestimmung der
beschriebenen Thierreste erlangt haben, so helfen sie uns doch das Bild bei-
leben von dem Culturzustande einer Bevölkerung unserer Heimath, an deren
einstige Existenz wir so eindringlich durch die über das ganze Land zerstreuten
Steingeräthe erinnert werden, ohne dass wir uns genügende Rechenschaft von ihr
"•eben können. Die verdienstvolle Arbeit des Wormser Alterthumsvereins, der das
für dir Prähistorie unschätzbare Material mit grosser Umsicht barg, hat uns den
Weg gewiesen, nun immer mehr von Hypothesen zu Thatsachen überzugehen. -
(39) Hr. K. Virchow giebt eine vorläufige Nachricht über
die internationale Lepra -Conferenz in Berlin und die verstümmelten
peruanischen Figuren.
Ich kam gerade zur rechten Zeit zurück, um der Eröffnung der für den
11. October ausgeschriebenen internationalen Lepra-Conferenz und deren Sitzungen,
die erst am 16. geschlossen wurden, beizuwohnen. Die Mehrzahl der bekannten
I.rpra-Forscher aus der ganzen Welt war dabei anwesend. Das Ergebniss kann
in folgenden Sätzen kurz zusaminengefasst werden.
Für dir bis vor Kurzem allgemein angenommene Erblichkeit der Krankheit
wurden keine beweisenden Thal achen anerkannt. Dagegen fand die Annahme der
(475)
Gontagiosität fast allgemeine Zustimmung, obwohl der Modus der Ansteckung
zweifelhaft blieb. Die Aufmerksamkeit wurde hauptsächlich auf die infectiösen
Absonderungen der Nase und des Rachens gerichtet. Dass der von Hrn. Armauer
Hansen aufgefundene Bacillus die Ursache der Krankheit sei. erschien aus
theoretischen Gründen unabweisbar, während auch diesmal kein Forscher über ge-
lungene Culturen oder über erfolgreiche Impfung desselben zu berichten wusste.
Jedenfalls sprach Alles gegen die (Jebertragung durch ein flüchtiges Contagium
und gegen eine acute Entstehung der Krankheit. Ein Heilmittel ist nicht gefunden.
Die Isolirung der Kranken wurde als das Hauptschutzmittel anerkannt. Bei An-
wendung derselben, unter Einhaltung der grössten Reinlichkeit, fürchtete man keine
weitere Verbreitung der Krankheit.
Eine Einzelfrage ist zu erwähnen, welche das Gebiet unserer Gesellschaft be-
rührt. Einer der eifrigsten Promotoren des Congresses, der leider nicht selbst er-
schienen war, Mr. Albert S. Ashmead von New York, hatte in einem besonderen
Anschreiben die Frage des präcolumbischcn Aussatzes von Neuem aufgeworfen.
Dasselbe ist in den „Mittheilungen und Verhandlungen der internationalen wissen-
schaftlichen Lepra-Conferenz". Berlin 1897. I. Abth. 4. 8. 71 abgedruckt worden.
Schon im Jahre 1895 (Verh. S. 305) hatte sich Mr. Ashmead an mich gewendet und
mitgetheilt, dass Dr. Muriiz von Lima an Thonfiguren aus peruanischen Huacos
Anzeichen der Krankheit wahrgenommen zu haben glaube. Er wünschte unser.
Meinung zu wissen. Hr. Bastian (Verhandl. 1895, S. 365) Hess in Folge dessen
Nachforschungen unter den peruanischen Thonsachen des Museums für Völker-
kunde veranstalten und es gelang, zwei Vasen von verdächtigem Aussehen zu ent-
decken. Ich erkannte an, dass der eine Kopf an Lepra erinnere, während die
andere Figur mehr krätzeähnliche Veränderungen zeige, hob alter hervor, dass bis
dahin wirkliche Beweisstücke aus den Sammlungen überhaupt nicht geliefert seien,
weder für Lepra, noch für Syphilis. Mr. Ashmead hat die ihm durch Hrn.
Bastian übersendete Photographie der beiden Gefässe in dem Journal of cutaneous
and genito-urinary diseases, Nov. 1895, abbilden lassen.
Mit seiner Adresse an die Lepra -Conferenz hat er Photographien von 10
peruanischen Thongefüssen übersendet (a. a. O. S. 1'6 und 74), von denen eines
von Chepen, die übrigen von Chimbote stammen. Er hält sie sämmtlich für
„zweifellos präcolumbisch", aber er sieht in ihnen keine Darstellungen des Ans-
aat/es. Alle zeigen bedeutende Verstümmelungen, welche von dem ausführenden
Künstler nachgebildet sind. Meist ist der knorpelige Theil der Nase zerstört (has
been eaten away); auch die Oberlippe ist /um Theil oder gänzlich verloren. Er
fügt hinzu: the lip is eaten away. mit drawn by cicatrization as would be the case
in leprosy. Er macht ferner darauf aufmerksam, dass eine der photographirten
Figuren eine Person darstellt, welche auf dem Bauche liegt und amputirte Füsse
hat, dass aber auch 1 andere Figuren amputirte Füsse zeigen. „Was auch die an
dvn Gesichtern dargestellte Krankheit war", saut er, „sie muss sehr häufig
einer Krankheit der Füsse begleite! gewesen sein, welche die Amputation nöthig
machte, und zwar nicht eine-, Fusses, sondern beider".
Als ich diese Mittheilungen in der dritten Sitzung der Conferenz, am 13. Oct
vorlegte (Mittheil. II. S. 79), kennte ich zugleich eine grössere Reibe ähnlicher
Thongefässe aus unserem Museum \'in- Völkerkunde vorlegen, welche inzwischen
durch Hrn. Wilhelm von den Steinen aufgefunden waren. Dieselben zeigen tue
Verstümmelungen der Nase, der Oberlippe und der Unterschenkel in genau über-
einstimmenden Formen mit denen, welche Mr. Ashmead in photograpbischer
Wiedergabe übersendet bat. Ich erkannte an. dass diese Darstellungen „ein starkes
(476)
Argument dafür abgeben, dass es sich um lepröse Verhältnisse handle". In einem
schönen Wachsraodell des Kopfes einer leprösen Person, welches sich in der von
Hrn. Lassar ausgestellten Modellsammlung befand, konnte ich für die gleichzeitige
Zerstörung der Nasenspitze und der Oberlippe ein tadelloses Beispiel aufweisen.
Für Syphilis sprach nach meiner Auffassung nichts, dagegen machte ich auf die
Mittheilungen des Hrn. Seier über den amerikanischen Ursprung der Syphilis
(Verhandl. 1895, S. 449) aufmerksam. Jedenfalls schien mir die Aufgabe, die an
den Gefässen dargestellten Veränderungen in ihrer Beziehung zu mutilirenden
Krankheiten zu verfolgen, ein Gegenstand von grossem Interesse zu sein.
Der Congress Hess die Frage unerörtert: nur unser Mitglied Hr. Polakowsky
bemerkte (Mittheil. II. S. 82), dass ihm bei seinen historischen Nachforschungen
nichts vorgekommen sei. woraus das Bestehen präcolumbischen Aussatzes in America
gefolgert werden könne. Ich lege nunmehr der Gesellschaft eine Reihe von Blättern
mit Zeichnungen des Hrn. W. von den Steinen vor, welche vorläufig ein Bild
der dargestellten Verstümmelungen gewähren werden: wir wollen in einer der
nächsten Sitzungen darauf zurückkommen. —
Hr. Polakowsky." Ich will zunächst theils wiederholen, theils ergänzen, was
ich bereits in der betreffenden Sitzung der Lepra-Conferenz gesagt habe. Bei
meinen Studien über die Geschichte der Entdeckung und Eroberung des spanischen
Americas habe ich in den zahlreichen Documenten nie eine Bemerkung oder An-
deutung gefunden, wonach die Spanier die Lepra bei den Eingeborenen vorgefunden
haben, obgleich ihnen diese Krankheit sehr wohl bekannt war. Der einzige Fall,
der für die Existenz der Lepra in vorcolumbianischer Zeit sprach, war der des
Eroberers von Columbien, Jimenez de Quesada. Dieser starb an der Lepra, und
ich fand eine Angabe, wonach er sich diese Krankheit in Columbien und zwar
von den Eingeborenen zugezogen habe. Hr. Prof. Carrasquilla aus Bogota, mit
dem ich über diese Angelegenheit sprach, bestreitet diese Angabe ganz entschieden
und bezieht sich dabei auf ein Werk in drei Bänden, welches den Titel führt:
Coleccion de docum. inedit. del archivo de Indias para la Historia de Columbia.
In diesem Werke sind alle Documente zusammengestellt, die sich auf das Leben
des Eroberers von Columbien beziehen. Danach kam Quesada etwa im Jahre 1530
nach America, gründete 1538 Bogota und ging etwa 1550 auf längere Zeit nach
Spanien. Von dort brachte er sowohl die Syphilis als die Lepra zurück, und der
letzteren ist er etwa 1570 erlegen.
Weitet- sprich I gegen die Existenz der Lepra vor der Zeit der Entdeckung die
Thatsache, dass man bei t\m reinen, sog. wilden Indianern niemals die Lepra
gefunden hat. Ich will hier nur 2 Beispiele anführen: Das Gebiet der Araukaner
wurde /.um Theil, d. h. südlich vom Tolten-Strome, erst im Jahre 1882 erschlossen.
Die Anzahl der unabhängigen Araukaner betrug damals 40 000; man hat bis heute
keinen Leprösen unter ihnen gefunden. Die Bewohner der Halbinsel Goajira an der
Grenze von Columbien und Venezuela haben durch Jahrhunderte den Weissen und
Mischlingen das Eindringen in ihr Land unmöglich gemacht. Erst in neuerer Zeit
isi man mit ihnen in nähere Berührung gekommen. Und auch diese Indianer sind
rollkommen leprafrei.
Was nun die \<m Hrn. Virchov» der Lepra-Conferenz vorgestellten perua-
nischen Vasen betrifft, so ei mir eine Bemerkung gestattet. Ich bin nicht Derma-
tolog und nicht Mediciner. bi chäftige mich mit der Sache erst seit einem halben
Jahre, habe ahm- viele Abbildungen und Photographien von Leprösen gesehen. Da
scheint mir nun die Thatsache cnl chieden gegen Lepra zusprechen, dass bei den
(477)
Figuren dieser Vasen zwar die Nase und Oberlippe und oft beide Ftisse fehlen,
.11 alle /rhu Pinger wohl erhalten sind. Dies ist, soviel ich übersehen kann,
bei der Lepra nie der Kall, d. a., wenn die Mutilationen so weit vorgeschritten sind,
sind auch stets die Pinger in Mitleidenschaft gezogen.
Was stellen nun aber die Figuren dieser Vasen dar? Ich sprach hierüber mit
Hrn. Prof. Oarrasquilla und er erklärte ganz bestimmt, es handle sieh nicht
amLeprö8e, sondern um bestrafte Verbrecher. Für kleinere Vergehen wurden den
Leuten die Nase und die Oberlippe abgeschnitten, rückfälligen Verbrechern, die
sich ihrer Strafe durch die Flucht entzogen hatten, hieb man dieFttsseab, am sie
so in die Unmöglichkeit zu versetzen, weiter etwas Böses zu Uran. Hr. Oarras-
quilla will mir die Bücher angeben, wo er diese Angaben gefunden hat. loh selbst
habe in diesen zwei Tagen keine Zeit zu Nachforschungen gehabt, erinnere mich
aber, dass Garcilasso de la Vega in seinen Oomentar. Reales ziemlich ein-
gehend Uber die strenge, ja grausame Justiz der alten Peruaner berichtet. Wenn
ich noeh weitere Daten linde, werde ich sie mittheilen. —
(40) Neu eingegangene Seh ritten:
1. Revista medica de Bogota Abo XVIll und XIX Xo. 200- -212. Bogota
(Colombia 1894 -96.
2. Serotherapie de la Lepre. Communications sur les travaux du Dr. Juan de
Dios Oarrasquilla. Bogota 1897.
Nr. 1 und 2 Geseh. des Hrn. Polakowsky.
:;. Bulletins de la Societe d'anthropologie de Paris VII. 6. Paris 1896.
4. Bulletin de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou No.3. Moscou 1897.
5. Hirsch. A., Verhandlungen der vom 15.— 21. October 1896 in Lausanne ab-
gehaltenen Oonferenz der Commission der Internationalen Erdmessung.
Berlin 1897. Nr. 3— 5 durch Hrn. R. Virchow.
6. Bachmaier, A.. Pasigraphisches Wörterbuch: a) zum Gebrauche für die
deutsche Sprache. Augsburg 1868. b) Französisch, Augsburg 1868.
c) Englisch, London 1871. d) ungarisch. Budapest 1886. Gesch. d.
Verl'.
7. Ploss-Bartels, Das Weib. 5. Aufl. 13. 15. Lieferung. Leipzig 1897.
Gesch. d. Hrn. Bartels.
8. ten Kate. H. V. 0., Anthropologie des anciens aabitants de la region
Calchaquie. La Plata 1896. Anales del Museo de la Plata.) Gesch.
.1 Verf.
Bartels, M. Die 27. allgemeine Versammlung der deutschen Ges. f. Anthrop.,
Gthnol. und Urgeschichte in Speyer, Dürkheim und Worms vom 3. bis
7. August 1896; o. 0. a. J. (Leopoldina 1897.) Gesch. d. Verf.
10. Eloyos \ Sainz, I... Los campurrianos. Ensayo de antropometria. o. 0. u. J.
espanola de Bist. nat. 2. Serie. 11. 1893.) Gesch. d. Verf.
11. Morse, E. S., Korean Interviews, o. 0. 1897. (Appleton's Populär Science
Monthly. < lesch. d. Verf.
12. Schmeltz, J. D. B., Job. Stanislaus Kubary. Leiden 1897. Intern. Archiv
für Ethnographie. Gesch. d. Verf.
13. Schmidt. Emil, Ceylon. Berlin 1897. Gesch. d. Verf.
14. Radioff. W., Die Alttürkischen Inschriften der Mongolei. St Peters
1897. Gesch. d. Verf.
lö. de Zichy, Comte Eugene, Voyages au Oaucase et en Asie centrale. 1 and IL
Budapest 1897. Geseh. d. Verl'
(478)
16. von Houwald, Graf E. 0., Toast, gehalten bei dem Festessen nach der
Grundsteinlegung des Straupitzer Bahnhofes am 15. März 1897; o. 0. u. J.
Gesch. d. Verf.
17. Pyl, Th., Nachträge zur Geschichte der Greifswalder Kirchen. Heft 1.
Greifs wald 1898. Gesch. d. Verf.
18. Goldsborough Mayer, A., On the color and color-patterns of moths and
butterllies. Boston 1897. (Proc. Boston Soc. Nat. Hist.) Gesch. d. Verf.
19. Eh mann, P., Sprichwörter und bildliche Ausdrücke der japanischen Sprache.
I. Tokyo 1897. (Mitth. der Deutschen Ges. für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens.) Gesch. d. Verf.
20. Lenz. R, Estudios Araucanos VIII. Santiago de Chile 1897.
21. Ders., Estudios Araucanos. Apendice a los estudios VI, VII, VIII. Santiago
de Chile 1<S97. (Anales de la Universidad de Chile.)
Nr. 20 und 21 Gesch. d. Verf.
22. Aretowski. H., La genealogie des sciences. Bruxelles 1897. (Bulletin de
lTnstitut Internat, de Bibliographie.)
23. Ders., Materyaly do bibliografii prac naukowych polskich. Bruksella 1897.
Xr. 22 und 23 Gesch. d. Verf.
24. Orsi. P., Esplorazioni archeologiche in Noto vecchio (Netum). Roma 1897.
(Notiz, d. Scavi.) Gesch. d. Verf.
25. Montelius, 0., Pre-classical chronology in Greece and Italy. London 1897.
26. Ders., The Tyrrhenians in Greece and Italy. London 1897. (Journ. of the
Anthrop. Inst.)
27. Ders., Das Museum vaterländischer Alterthümer in Stockholm. Stockholm 1897.
Nr. 25—27 Gesch. d. Verf.
28. Schwerdtfeger, Die Heimath der Homanen. I. Cruttinnen 189G. Gesch.
d. Verf.
29. Brehmer, W., Ueber die Lage von Alt-Lübeck. Lübeck 1885. Gesch. d.
Verf.
30. Matiegka, J., 0 dobc dospcdosti divek v Cechäch. v Praze 1897. (Vestnik
K. Ceske spolecinosti näuk.) Gesch. d. Verf.
31. Pir, J. L., Archaeologicky vyzkum ve stfednich Cechäch r. 1895 — 96. v Praze
1897. Gesch. d. Verf.
32. Brinckmann, J., Die Sammlung japanischer Schwertzierathen im Museum
für Kunst und Gewerbe zu Hamburg. Hamburg 1893. (Führer durch
das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe.) Gesch. d. Verf.
33. Hagen, K., Bericht über das Museum für Völkerkunde (in Hamburg); o. 0. u. J.
Gesch. d. Verf.
3 zung von
Vorsitzender: H. II. Vinliuu.
Hr. Waldeyer nimmt das Wort vor der Tagesordnung:
Meine Herrer.! Ich bitte um die Erlaubnis», unsere beutige Sitzung m
Hinweise auf einen Gedächtnisstag einleiten zu dürfen, der auch in unserer
mit lebhafter Freude und Befriedigung be^rüsst werden wird- Es fall:
Zeit die Wiederkehr d- an welchem Hr. Rud. Virchow vor 50 Jahr-
die Reihe der Docenten unserer Universität eintrat! Zugleich wurde vor 50 Jahren
.Archiv für pathologische Anatomie", welches unter seinem Xamen ein
Archiv geworden ist und dessen 150ster Band demnächst vollendet sein wird
ihm gegründet.
Wir gehören mit unserer Gesellschaft zwar nicht dem Universitätsverbande an:
derselbe Mann, der in diesem Verbände sein 50 jähriges Jubiläum feiert und
-lehrer der _Praeceptor mundi~ seines Faches geworden ist- hat auch
-ihaft gegründet und ist in seinem Wirken und in seiner Sorge für
sie auch der Praeceptor mundi in der Anthropologie geworden! Dess-
denken legt der heutige Tag uns nahe: freuen wir ur. : akademische
-er auch der unsere geworden
Rud. Virchow ist aber auch mit unserer Gesellschaft so verwachsen und so
innig verbunden, dass Alles, was uns trifft, auch ihn trifft und Alles, was auf ihn
kommt, auch unser Herz bewegen muss. Mit gerechtem S .nd mit :-
.e kann er diese Gedächtnissfeier begehen, eine Feier, wie sie wohl kaum noch
Jemandem beschieden war: mit denselben Empfindungen schliessen sicherlich wir
Alle ihm uns an und geben insbesondere darüber unserer Freude Ausdruck,
wir ihn. der ein öOjähriges Jubelfest begeht, heute noch mit der Kraft und Frische
jungen Docenten in unserer Mitte sehen. Begrüssen wir unsern Jubil
dem wir uns von unsern 1 . erheben! —
■
Hr. Virchow: Mit herzlichem I .-widere ich diese unerwar
N vember 1$4»> vollz _.
lag ganz ausserhalb meiner Be:
- »gar der Termin so sehr .-. . . omraen.
durch X . die Aufmerksamkeit darauf gerichte: wuri-
an mich weg _ 8tand
iurch eine Anfrag Becretaikl der
den Gedanken einer F
h meine Zusri mm Jng, dass nur ein kle.
in betheil:. ^.udem hat sich d
rjeniger. Ehrentag i
inde durch begehen wol
(480)
dass ich, in den Fesseln meiner ertheilten Zusage, nicht umhin konnte, mich zu
fügen. So ist dann ein Fest zu Stande gekommen, wie es gelungener und an-
genehmer nicht begangen werden konnte, und ich darf ohne Ueberhebung sagen,
dass ich gern meine Bedenken überwunden habe, und dass die Erinnerung an die
Theilnahme so vieler, zum Theil aus grosser Ferne herbeigeeilter Freunde mir
eine der liebsten Erinnerungen an den Abschluss einer so langen Zeit der wissen-
schaftlichen Arbeit bleiben wird.
Sie, meine verehrten Collegen von der Anthropologischen Gesellschaft, wissen
es, dass die Beschäftigung mit der Anthropologie eine der arbeitsvollsten, aber auch
eine der liebsten unter den freiwillig gewählten Aufgaben meines Lebens war.
Ihr Beifall sagt mir, dass Sie es mit mir empfinden, welche Befriedigung der Rück-
blick auf eine so dankbare Thätigkeit in mir hervorruft. Das Wachsen unserer
Gesellschaft hat auch die Zahl der Helfer und Mitarbeiter stetig vermehrt, und so
kann ich wohl sagen, dass die Aussicht auf eine glückliche Zukunft der Gesell-
schaft zu meinen liebsten Hoffnungen gehört. Möge der Geist freundschaftlichen
Zusammenwirkens und einträchtigen Strebens nach der Wahrheit in der Gesell-
schaft sets lebendig bleiben! —
Vorsitzender: •
(1) Als Gäste begrüsse ich die Herren Milchner und Graf Zech. —
(2) Die Gesellschaft hat aus dem Kreise ihrer ordentlichen Mitglieder durch
den Tod verloren:
den Geheimen Medicinalrath Dr. Paul Güter bock (7 17. October), eines ihrer
treuesten Mitglieder, den würdigen Sohn eines hochverdienten Vaters,
den Rentier Louis Fischer (— 23. October), einen unermüdlichen Reisenden,
der es zu Stande gebracht hat, alle Küsten des Erdkörpers zu sehen,
den Consul Palm-Siemsen in Makassar.
(3) Aus dem Kreise der activen Altertumsforscher ist am 14. October ge-
schieden Professor Dr. Julius Schmidt, der Director des Provincial-Museums zu
Halle a. S. , dem es geglückt ist, die stark vernachlässigte Sammlung wieder in
eine wissenschaftliche Ordnung zu bringen und in wichtigen Richtungen, insbeson-
dere für die neolithische Zeit, zu erweitern. —
(4) Vorstand und Ausschuss haben den Grafen Eugen Zichy in Budapest zum
correspondirenden Mitgliede erwählt. —
(5) Hr. Alexander Makowsky in Brunn dankt für seine Ernennung zum
correspondirenden Mitgliede. —
(6) Als neues ordentliches Mitglied wird für 1898 Hr. Dr. phil. Karl
W eule in Steglitz ■■ Met. —
(1 ) Don Jose Etizal, unser früheres Mitglied, ist, wie der Gesellschaft schon
früher (Verhandl., S. 26) mil etheill wurde, am 30. December in Manila auf Befehl des
Gouvt irneurs, General Polaviejo, standrechtlich erschossen worden. In der Nacht
-einem Tode schrieb der unglückliche Tagale im Kerker sein „letztes Lebe-
wohl- nieder. Eine Ibscl chönen Gedichtes ist mir zugegangen. Dasselbe
wird, sowohl im Originaltext, als in der vortrefflichen metrischen Uebersetzung des
Hrn. E. Seier, am Scblu li Sitzungsberichtes mitgetheilt werden. Der hohe
(481)
poetische Werth dieser Dichtung, insbesondere der patriotische und humane Schwung
derselben werden dazu beitragen, die Erinnerung an den hochbegabten, edlen
Märtyrer zn erhalten.
Hr. Perd. Blumentritt hat in dein Internationalen Archiv für Ethnographie
1897, X, eine auf authentischen Nachrichten begründete Darstellung der Ent-
wickelung, der Ziele und des Wesens Rizal's veröffentlicht. Daraus möge
hier nachträglich angeführt werden, dass derselbe zu Calamba, einem kleinen
Städtchen der Provinz La Laguna de Bay auf der Insel Luzon geboren war. Seine
Eltern waren Tagalen (Indios). Obwohl ursprünglich für den geistlichen Stand
bestimmt, wendete er sich bald der Medicin zu, studirte in Manila und Madrid und
wurde in letzterem Ort zum Doctor der Medicin und Philosophie promovirt. S
weiteren Studien führten ihn nach Paris, Heidelberg, Leipzig und Berlin. Von
hier kehrte er in sein Vaterland zurück und schrieb seinen berühmt gewordenen
Roman „Noli nie längere", dessen freiheitliche Richtung ihm den Hass der Alt-
spanier zuzog und ihn zur Auswanderung zwang. Er lebte dann in wechselnder
Folge in Japan, Nordamerica, England, Frankreich und Belgien, wo er seinen
zweiten politischen Roman „El Flibusterismo" schrieb. Eine Zeit lang wirkte er
dann als praktischer Arzt in Hongkong, wo er sich mit einer Engländerin verhei-
rathete; später ging er nach Britisch -Borneo, wo er beabsichtigte, eine philip-
pinische Bauerncolonie zu begründen. Von da aus erwirkte er sich die Erlaubniss,
vorher noch sein Vaterland zu besuchen, wurde dort aber verhaftet und nach
Dapitan internirt Als der Aufstand auf den Philippinen ausbrach,* beschuldigte
man ihn der Anstiftung. Dreimal wurde ihm der Process gemacht, bei dem dritten
Male wurde er zum Tode verurtheilt.
In der eingehenden psychologischen Analyse des Mannes, welche Hr. Blumen-
tritt geliefert hat, erwähnt derselbe, dass Rizal auch ein feinfühliger Künstler
war, von dem er selbst 3 Statuen aus gebranntem Thon besitze: den gefesselten
Prometheus, den Sieg des Todes über das Leben und den Triumph der Wissen-
schaft (des Geistes) über den Tod. Er schliesst mit den Worten: „Ein Feind
Spanien's ist Rizal nie gewesen."
Ein wohl getroffenes Bild RizaFs nach einer photographischen Aufnahme ziert
den würdigen Nekrolog. —
(8) Hr. Buschan zeigt an. dass sich eine Gesellschaft für Völker- und
Erdkunde in Stettin gebildet hat. Die erste General -Versammlung sollte am
22. I letober stattlinden. —
9 Die Deutsche Colonial-Gesellschaft, Abtheilung Berlin-Charlotten-
burg, ladet für den 26. November zu einem durch Lichtbilder illustrirten Vorti
les Hrn. Rehbock, Reisebilder aus Deutsch-Südwest-Africa, ein. —
10 Der Verein „Neue Menschheit" hatte zu einer Seance des M _ seurs
W. R. Scheibler für den 22. October eingeladen. —
(11) Hr. Pedor Schulze iiberschickl aus Batavia die
Fortsetzung des Stammbaumes von Jacobus Leonardns Härtens
(Zeitschr. f. Ethnol. 1896, S. 237 241, Taf. \\ nebst einer gr n. von ihm a
im Mai 1895 aufgenommenen Photographie der angeführten Familienglieder. —
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(482)
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(483)
l- Der 6. Niederländische Natur- and Heilkundigen-üongress ist
am ■-'■'S. und l'4. April in Delft abgehalten worden. Hr. P. Et. Bos Ina darin den
Plan einer Untersuchung- der Schulkinder in Niederland in Betreff dei
Farbe von Haut. Augen und Haar dargelegt. Derselbe schliesst sich in der
Hauptsache unserer deutschen Schulerhebung an. —
(13) Hr. Gehring hat im Zoologischen Garten eine grosse Kalmücken-
Karawane vorgeführt. Sowohl Menschen, als Thiere derselben waren gute Bei-
spiele ihrer Art. —
(14) Der Verein „Wöchnerinnenheim", Vorsitzende Frau Minna roi
Burchard, übersendet anter dem 7. d. Mts. eine Aufforderung zur Betheiligung
an einer Ausstellung für Frauen- und Kinderpflege, welche Anfang De-
:ember in dem früher Fürstl. Stolbergischen Palais stattfinden soll. Da die Gesellschaft
ihre ethnologische Sammlung an das Museum für Volkerkunde abgegeben hat. so
ist sie ausser Stande, sich an dieser Ausstellung zu betheiligen; dagegen ist der
Vorstand des Trachten-Museums gewillt, aus seinen reichen Bestünden
gnete Gegenstände herzuleihen. —
(lö) Hr. M. Bartels hat aus den nachgelassenen Schriften unseres Reisenden
Hrolf Vaughan Stevens eine Reihe von anthropologischen Bemerkungen
über die Eingeborenen von Malacca zusammengestellt. Dieselben sind im
Text der Zeitschrift für Ethnologie, S. 173 folg. abgedruckt. —
(K>) Hr. Alfred Pohl übersendet folgenden Auszug aus einer Arbeit seines
verstorbenen Vaters, des Dr. J. Pohl (Pincus) in Berlin:
Die Querschnittform des Kopfhaares der Kaukasier.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Haarbildungsstatte1).
Vor 29 Jahren hat Pruner Bey in zwei Abhandlungen mitgetheilt, dass nach
r-einen Untersuchungen die Form des Querdurchschnitts der Kopfhaare der ver-
schiedenen Volker der Erde typisch dreifach verschieden sei:
1. Der Querschnitt ist elliptisch mit so starker Abplattung, dass der längere
Durchmesser etwa doppelt so ^ross (oder noch grösser) ist, als der kürzere
Neger, Hottentotten, Papuas).
2. Der Querschnitt ist kreisförmig oder annähernd kreisförmig (Polyr
Chinesen, Japaner).
3. Der Querschnitt hat eine zwischen den beiden angegebenen Formen sich
haltende Mittelform die ansehen Völker).
Zuverlässige Beobachter in grosser Zahl haben diese Angaben nachgeprüft und
slben theils zugestimmt, Iheils widersprochen.
Zustimmung und Widerspruch erklären sieh aus der Beschaffenheit des Unter-
suchungsmaterials und der angewendeten Methode der Prüfung. Das Kopfhaar
les Menschen hat eine grosse typische I twa '/, bis 1 w), das Einzelhaar
steht mehrere Jahre; aus diesem langen Lebensverlauf des Einzelhaares wird ein
Querschnitt untersucht, welcher an einem Tage gebildet worden ist. Vorsiel
1 Aus „Uebei die Einwirkung seelischer Erregungen dos Menschen auf sein Kopf-
haar*. Kaiserl. Leop. CaroL Äiademie, Bd. l.XIV. Nb. 2. In Commisaion bei Wilhelm
Engelmann, Leipzig.
(4.S4)
Beobachtern ist die hierin liegende grosse Irrthumsquelle auch
nicht entgangen; sie haben vorgeschlagen, von jedem Einzel-
haar mehrere Stellen zu prüfen, welche in einem bestimmten
Verhältniss zum typischen Wachsthum ständen (nahe der
Spitze, am grössten Umfang, dicht über der Wurzel, an der
Wurzel), offenbar von dem Gedanken ausgehend, dass die
Querschnittform vielleicht von den typischen Lebensepochen
des Einzelhaares beeinflusst würde.
Nach meinen Untersuchungen meine ich über das Haupt-
haar des Kaukasiers Folgendes aussprechen zu können:
Theilt man das ganze in der Haut befindliche Stück Kopf-
haar (s. Abb.) von der Basis der Papille bis zur Oberfläche der
Epidermis in drei Theile, so ist die Ausreifung der in der Tiefe
gebildeten Zellen und die Zusammenschweissung zu einem
einheitlichen Gebilde vollendet kurz vor Beendigung des tief-
sten Drittels. Das ganze mittlere Drittel erscheint physikalisch
und chemisch annähernd einheitlich und die Form seines
Querschnitts ist annähernd die eines Kreises.
An der Grenze des mittleren und oberflächlichen
Drittels ändert sich dies verhältnissmässig plötzlich:
der vorher annähernd kreisförmige Querschnitt erfährt eine
Abplattung (bezw. die schon im mittleren Drittel vorhanden
gewesene massige Abplattung erfährt eine starke Zunahme)
und hiermit erhält das Haar diejenige Form, welche es in
seinem ganzen künftigen Sein zeigt.
Es wäre unmöglich gewesen, diese Thatsache als eine
allgemein gültige zu ermitteln, wenn nicht das polarisirte Licht
zur Verfügung gestanden hätte; die directe Ausmessung der
Dicke des Haares (parallel der Längsaxe des Mikroskop-Tubus)
am cutanen Schnitt, in der ganzen Ausdehnung von der
Papille bis zur Oberfläche der Cutis, an einer ausreichenden
Anzahl von Schnitten und Köpfen wäre eine nicht zu bewäl-
tigende Aufgabe gewesen. Bei Anwendung des polarisirten
Lichtes erscheinen etwa die tiefsten vier Dreissigstel des (im
vollen Wachsthum befindlichen) Kopfhaares sehr wenig licht-
brechend, die folgenden sechs Dreissigstel etwa Braungelb
oder Bräunlich-orange I, dann tritt für das ganze mittlere
Drittel eine annähernd einheitliche Farbe ein, etwa Grün II,
an der Grenze zwischen dem mittleren und dem oberfläch-
lichen Drittel geht diese Farbe annähernd plötzlich über in
etwa Gelb I oder Braungelb I, wenn der Schnitt so geführt
ist, da der kürzere Durchmesser des abgeplatteten Ilaar-
cylindera parallel zur Län»saxe des Tubus liegt (oder es steigt
das Grün II plötzlich auf etwa Gelblichgrün II, wenn der
längere Durchmesser des Haarquerschnittes parallel zur Längs-
Tubus liegt). In dieser umgewandelten Farbe er-
Bcheinl dann weiterhin das zu Tage getretene Haar bei der
oben bezeichneten gewöhnlichen Lagerung auf dem Object-
trägi
War mithin, entgegen der allgemeinen Annahme die tiefer-
(485)
gelegene Bildungsstätte des Kopfhaares nicht zugleich die Statte Beiner definitiven
Formung, so entstand die Frage: welche Kräfte diese Abplattung des annähernd
cylindrisch vorgebildeten Haares bedingen? und welcher \ ortheil dem Haare oder
dem Organismus aus dieser Formänderung entstehen kann?
Die cylindrische Formung des Haarschaftes im mittleren Drittel entspricht
unseren Anschauungen über die vorteilhafteste Construction eines Seiles: ein
dickes Polster (die äussere Wurzelscheide) und eine dicht anliegende, sehr elastische
Hülle (die innere Wurzelscheide) machen uns verständlich, dass alle in der Haut
wirksamen mechanischen Kräfte jenseit der äusseren Wurzelscheide, so ungleich-
sinnig sie gerichtet sind, doch auf den formbaren Inhalt des Haarbalges schliess-
lich in einem einheitlichen Sinne übertragen werden.
An der Stelle, welche die angeführte plötzliche Abplattung des Haares zeigt,
finden sich vier für diese Abplattung ätiologisch in Betracht zu ziehende Verhält-
nisse: die innere Wurzelscheide schwindet, die äussere Wurzelscheide verdünnt
sich, es erscheinen die Contouren der Talgdrüsen und die unteren Ansätze der den
Haarbalg spannenden Muskelbündel.
Bei den Ausschnitten ex mortuo erscheint der obere freie Rand der inneren
Wurzelscheide in der Kegel als ein Gebilde, welches dem Haare äusserst lose
anliegt, vielfach ist geradezu ein erheblicher freier Spielraum im Präparate vor-
handen; die Figur ist an diesem Punkte, der allgemein üblichen Darstellung ent-
sprechend, nach einem Alcoholpräparate gezeichnet. Ich meine, dass schon eine
genaue Betrachtung dieses Bildes in überzeugender Weise belehrt, dass die Ver-
hältnisse in vivo sich unmöglich in dieser Weise verhalten können.
Schon He nie und Kölliker hatten bemerkt, dass die innere Wurzelscheide
nahe ihrem freien Ende dem Haare oft fest anliege. Später hat v. Ebner durch
sorgfältige Untersuchung nachgewiesen, dass die vorher qualitativ sehr diiferenten
beiden Schichten der inneren Wurzelscheide an dieser Stelle zu einer Qualität
verschmelzen; er hat auch bemerkt, dass -die Elemente dieser obersten Partie der
inneren Wurzelscheide ein undeutlich querstreifiges, etwas gerunzeltes Ansehen
•i. so dass in Folge dessen im Flächenbilde die innere Wurzelscheide hier
weniger glashell erscheint, als etwas weiter unten."
Bei Personen, deren Kopfhaut reichlich" durchsaftet ist, und bei an sich sehr
verschiedenartigen pathologischen Zuständen, welche mit einer Hyperämie der
Cutis capillitii verbunden sind, gelingt es, einzelne Haare, Ihm sanftem Zuge in der
Implantatiunsnchtung des HaarbaLes, schon das Haar selbst mit einem gro
Theile der Adnexa ins sehr nahe /um Grunde herauszuziehen: unter diesen Ob-
jeeten zeigen einzelne genau die Verhältnisse, welche Ausseimitte ex vivo ergeben
um Ausnahme der l'aitieen nahe am Grunde des Haarbalges. Betrachtet man nun
diese Präparate im polarisirten Lichte, s.. finde! man, dass m der bezeichneten
Grenzstelle /wischen dem mittleren und oberflächlichen Drittel die beiden hier zu-
sammentreffenden l'tdarisatinnslarl.en sehr oft schachbrettartig wechseln: die
Einzelfelder Bind meist langgezogene Rhomboide; man sieht ferner in jedem
Falle an dieser Stelle eine Anzahl feiner Streifen, senkrecht zur Längsaxe des
Haares, als einen Ring paralleler Linien an der inneren Wurzelscheide herum-
laufen. Tragi man nun an emem selchen Präparat die äusseren Schichten des an-
haftenden Gewebes ins auf diesen Ring vorsichtig ab. was bei einer gevi
Uebung in der Regel gelingt, so behält das Polarisationsbild alle die schachbrett-
artigen Farbennüancirungen, welche es vorher bei unversehrt breiter Aussenzone
gezeigt hatte: durchschneidet man hingegen auch diesen Ring und ent-
fernt man ihn vorsichtig, s . . verschwindet nach mehreren Minuten da-
(486)
frühere Bild der schachbrettartigen zweifachen Färbung, die Stelle er-
scheint vieiraehr in der Polarisationsfarbe des tiefer gelegenen, nicht abgeplatte-
ten Haarabschnittes1).
Es übt mithin der oberste Theil der inneren Wurzelscheide eine
stark einschnürende Einwirkung auf das Haar; es besteht nach meiner
Auffassung der Verhältnisse die Berechtigung, dies Verhältniss als eine Function
der inneren Wurzelscheide anzusprechen. Die chemische Umwandlung, welche die
einzelnen Zellen der inneren Wurzelscheide auf ihrem Wege von der Papille bis
zum freien Rande allmählich erfahren, ist in ihren Details unbekannt; eine mecha-
nische Folge dieser Wandlung ist eine starke Verengerung des obersten Theiles des
Cylinders: derselbe wirkt als Schnürring.
Es soll an dieser Stelle zugleich kurz bemerkt werden, dass, wie die Prüfung
mit dem polarisirten Lichte ergiebt, noch an drei anderen Punkten der Cutis eine
schnürende Anordnung getroffen ist. Der erste, tiefste Punkt liegt dicht über der
Papille. Der Grad dieser Schnürung scheint, wenigstens für einen grossen Theil der
Kopfhaare, ausschliesslich anderer späterer Einwirkungen, darüber zu entscheiden,
welche Form das Wurzelknötchen des ausfallenden Haares zeigt; die Untersuchunu
der Wurzelknötchen im polarisirten Lichte ergiebt, dass die Schnürung bald kaum
angedeutet, bald massig, bald sehr erheblich ist, und zwar ganz unabhängig
von der Dicke des Haares, und diese Untersuchung gestattet einen Einblick in
den Spannungszustand der tiefsten Schichten der Cutis, welcher auf
kei nein anderen Wege gewonnen werden kann2). Der zweite schnürende
Ring, etwa an der Grenze zwischen dem tief gelegenen und dem mittleren Drittel des
Balges, bedingt die Einheitlichkeit des optischen Bildes des Haares im mittleren
Drittelseines cutanen Verlaufes. Vorher zeigte sich sehr ausgesprochene Faseruni; :
nachdem der Ring passirt ist, schwindet das faserige Aussehen oft gänzlich und es
erscheint die angegebene starke Doppelbrechung. Der dritte Ring ist der ein-
gebend besprochene an der Grenze zwischen dem mittleren und oberflächlichen
Drittel des cutanen Verlaufes. Der vierte Punkt liegt in der mittleren Schicht des
Rete Malpighii; die Schnürung ist jedoch an dieser Stelle nur an einem Theile der
Haare zu erkennen.
Wenn vorher ausdrücklich angegeben worden, dass bei dem dritten Schnürring
am oberen freien Rande der inneren Wurzelscheide die Polarisationsfarbe, also die
Veränderung des Druckes, keine Veränderung erfahre, auch nachdem alle nach
aussen von der inneren Wurzelscheide gelegenen Gewebstheile entfernt worden
wann, so sollte selbstverständlich hiermit nicht gesagt sein, dass die Druckwirkung
nur von der inneren Scheide herrühre, vielmehr nehmen die meisten Wandschichten
um gleichen Sinne Antheil, wie die circuläre Richtung ihrer im Bilde vorsprin-
genden Linien beweist; allein es »iebt keine Methode, die wirkliche Druckleistuno-
zu messen. Es isl unausbleiblich, dass feine Beziehungen der einzelnen Bestand-
theile der Haarbildu su einander uns darum entgehen, weil die Ablösung
d>r Outia \"m i 1 1 r Unterlage uns ein richtiges Bild von der Längs-
Spannung des Haarbalges nicht gewinnen lässt.
1) Die erhebliche Acnderung der Polarisationsfarbc an der Stelle, an welcher die
innere Wurzekcheidi Konnte ausschliesslich von dem Fortfall der inneren
Wurzelscheide herrühren, dei n I lemente ein starkes Brechungsvermögen besitzen. Diese
zunächst liegende Annahme bei der gewöhnlichen Lagerung des glücklich geführten
Schnittes erwies sich bei der anderen Lagerung (längerer Querdurchm csser in der Rich-
tung de Tubo ) nicl voll, i b( i der angegebenen Präparat ion als unhaltbar.
2) VgLVerf »Das Polai irtc i ich! als Erkennungsmitte] für die Erregungs-Xust;!
der Nerven der Kopfhaul '. Berlin l B8G.
(487)
An den anderen Schnürringen ist die gleichzeitige Betbeiligong der etwas
freiter nach aussen gelegenen Gewebsschichten in der Regel anatomisch deutlich
ausgesprochen. —
Wenn die Endwirkung eines Schnürringes in der Abplattung eines cylindriscb
bildeten Körpers besteht, so muss wenigstens an einer Stelle des Ringes die
Intensität des Druckes geringer sein: eine anatomische Basis für ein solches Ver-
hiiltniss hat sich mir nicht ergeben. Es seheint auch nicht angängig, für die Ent-
stehung der Abplattung auf die allgemeine Spannungsrichtung der Haut zurückzu-
gehen, denn bei Querschnitten der Kopfhaut liegt die Abplattung derjenigen Haare,
welche in einem Haarkreise zusammen stellen, nicht immer in derselben Riclr
es fehlt überdies auch jedes Hecht zu der Annahme, dass diese Spannungsrichtung
sieh plötzlich und mit solcher Stärke gerade in einer bestimmten Tiefe der Haut
geltend machen sollte. Eine dritte mögliche Ursache für die Entstehung der Ab-
plattung könnte gesucht werden in einer mechanischen Kraft, welche direct in loco,
an einer Seite entspannend, angriffe: die sehragen Muskelbündel der Cutis
treten in dieser Tiefe an den Haarbalg heran; so lange die Haut in der Gleich-
gewichtslage sich befindet, werden wir uns den Spannungs-Grad dieser „Haar-
balgspanner", wenigstens nach meiner Meinung, nicht als sehr erheblich vorstellen
dürfen: aber soweit die Spannung überhaupt wirkt, kann sie (ich muss hier
wiederum hinzufügen: wenigstens nach meiner Bcurtheilung der anatomischen Ver-
hältnisse) nur den Erfolg haben, dass am Haarbalge die dort wirkenden, gegen die
Längsaxe des Haares hin gerichteten Druckwirkungen der übrigen Aussentheile
herabgesetzt werden, die Muskeln sind daher in der Gleichgewichtslage und bis
zu hohen Graden der Contraction bezüglich der radiären Richtung Kntspanner
einzelner Punkte der Haarhüllen; bei dem innigen Connex der einzelnen
Hüllen nuiss sieh alier die von aussen herantretende Entspannung bis zum um-
schlossenen Haare selbst fortsetzen, und die bei der Temperatur der Cutis zäh-
weiche Masse des Haares muss unter dem stärkeren Druck der übrigen Peripherie
des Ringes der Entspannungsrichtung folgen.
Vielleicht darf ich ausdrücklich sagen: ich hatte in den ersten Jahren, nament-
lich nach der Analyse pathologischer Beobachtungen, die Vermuthung, dass die
Abplattung des Haarcylinders in der Thai direct auf Rechnung der M. arrectores
pilorum zu setzen sei.
Die Prüfung wurde auf anatomischem Wege vei sucht:
Von kräftigen Menschen mit gutem Haarwuchs, welche durch Unglücksfälle
oder durch acute Krankheiten hingerafft worden waren, wurden Ideine Stück-
Kopfhaut parallel <\rv Oberfläche der Haul in lückenlose Schnitte zerlegt; man er-
hält Ins nahe zur Basis der Haarbälge 50 bis ü0 Parallelscheiben; es wurde S
getragen, dieselben richtig zu registriren. Zur Controle wurden ausserdem an einem
anderen Hautstück einige Schnitte senkrecht zur Oberfläche gern icht.
Das Ergebniss der Prüfung, welche hier nur kurz zusammengefasst werden
soll, war folgendes:
In der tieferen Hälfte [\rv Haut fanden sich neben annähernd kreisföl
Querschnitten vielfach annähernd elliptische: mochte man unter dem Drui
Vormeinung nun auch zunächst annehmen, dass alle diese ovalen Umrisse von
Schnitten herrührten, welche die Längsaxe des Haares nicht senkrecht getroffen
hatten, so nnisste diese Vormeinung doch völlig aufgegeben werden, als auch ver-
schiedenartig eingebuchtete Formen erschienen, wie man sie am fei leten
Gesammthaar mitunter findet.
(488)
Etwa in der Mitte der ganzen Dicke der Baut zeigten nun allerdings die
meisten Haare annähernd kreisförmige Querschnitte; wo aber alsdann in einem
der folgenden Schnitte die ersten, wenn auch schmälsten Umrisse
eines Lappens der Talgdrüsen erschienen, zeigten die an die Talg-
drüse anstossenden Haare in ausgesprochenstem Grade die Abplattung
ihrer Querschnitte, und in derjenigen Region, in welcher die Talgdrüsen ebenso
viel oder mehr Raum einnahmen, als die Haarbälge, fanden sich die meisten Haare
abgeplattet und ihre kürzeren Durchmesser in der Richtung des anlagernden Talg-
drüsenlappens.
Wo in dieser Höhe der Cutis die Arrectores pilorum dem Haarbalg anliegen,
befinden sie sich in den klar erkennbaren Fällen in der Richtung des längeren
Durchmessers des abgeplatteten Haares, also entsprechend der vorher geäusserten
Annahme von ihrer entspannenden, den Haarcylinder indirect in die Breite ziehenden
Wirkung: allein man wird dieses Lageverhältniss trotzdem nicht als einen Beweis
für die Richtigkeit jener Hypothese ansehen dürfen, denn es bleibt den Muskelfäden
kein anderer Weg der Annäherung an den Haarbalg frei.
Hieraus lässt sich folgern: die Abplattung des annähernd cylindrisch
vorgebildeten Haares des Kaukasiers kommt auf Rechnung der Talg-
drüsen, welche als Walzen auf das Haar einwirken.
Bezüglich der Gesammtanordnung der Cutis möchte ich nur noch angeben, dass
einerseits der Grund der Talgdrüsen tiefer hinabreicht und andererseits das Fett
höher hinaufsteigt, als in den Abbildungen normaler Cutis gewöhnlich dar-
gestellt ist.
Einen Nutzen, welchen der Kaukasier von der Abplattung seiner Kopfhaare
hätte, weiss ich nicht anzugeben. Vielleicht führt eine Vergleichung mit der
Haut z. B. des Japaners zur Erkenntnis; mir hat sich bisher zu einer solchen Ver-
gleichung keine Gelegenheit ergeben. —
(17) Hr. Georg Schweinfurth meldet in einem Briefe an den Vorsitzenden
vom. 16. d. M. seine Ankunft in Palermo und bemerkt Folgendes über
die sicilianische Flora.
Als wir hier am 13. d. Mts. anlangten, war der Contrast mit dem Klima des
Festlandes ein überraschender (heute Mittags + 22° C. im Schatten). November
scheint hier, wie in Aegypten, noch zu den Sommermonaten zu gehören! Regen
ist noch keiner gekommen. Die Berge erscheinen in düsteres Grau gehüllt und
auf den Blättern in der Nähe der Fahrwege lagern dicke Staubkrusten. Seit-
abwärta aber ist die Gartenflora eine um so mehr überraschende. Ich hatte mir das
gar nicht so interessant vorgestellt, namentlich im Verhältniss zu Aegypten.
Auch die Fruchtbarkeit ist etwas ganz Unerklärliches. Der klimatische Unter-
schied erscheint nur gering, es gedeiht hier so ziemlich Alles, was Aegypten hervor-
bringt: im botanischen Garten steht eine hohe grosse Sykomore, eine ächte
und auch Lebbek-Akazien sind im Freien vorhanden. An exotischen Palmen ist
Palermo Aegypten weil überlegen, trotz der grossen Dürre des Sommers. Was
mich am meisten überrascht, ist die Anwesenheit derselben grossen Ficus-Arten,
die auch in Aegypten dii Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenken, mit
alleiniger Ausnahme des Banjanbaumes, F. bengalensis, für den die hiesige Luft
vielleicht um 2° zu niedrig ist. Es giebt hier als die gemeinste Ficus-Arl einen
prachtvollen Baum, den ich am Canal bei Alexandria bereits 1863 auffand und
den niemand zu bestimmen wusste, weil er eben neu war und neu von ßorzi
(489)
als F. magnolioides beschrieben werden musste. Dieser and eine Menge anderer
Gartengewächse sind in neuerer Zeil von hier nach Aegypten gelangt. Palermo
war am Anfang- des Jahrhunderts eine Pflanzstätte von allerhand botanischen
Merkwürdigkeiten und es heisst, dass die Könige durch Nelson seltene Gewächse
ans entlegenen Fändern zu beziehen wussten Ich hoffe für manche Arten hier
ihre Wanderungsgeschichte zu eruiren. Der Director des Botanischen Gartens,
Professor Borzi, hält sein Institut in musterhafter Ordnung: es wäre zu
wünschen, dass man in Palermo etwas Aehnliches wie in Buitenzorg herstellte, zum
Stadium für die Botaniker aller Länder.
(18) Das correspondirende Mitglied Hr. Victor Gross in Neuveville schreibt
anter dem 3. November über ein
Bronze-Armband von Serrieres bei Neuchätel
Ci-joint la Photographie d;un
bracelet de bronze trouve en terre
dans le voisinage de Neuchätel,
an peu au-dessus du village de
Serrieres, ä un endroit oü Lose a
decouvert en 1837 plusieurs tom-
beaux, qualifies de romainsl
Cette piece qui pese 38 g et a
~ cm de diametre, est interessante,
moins par sa forme que par l'appen-
dice en forme de grelot qu'elle
porte. Cet appendice l'ondu dun
seul jet, presente quelque analogie
avec la piece figuree dans les Proto-
helvetes, pl. XVIII fig. 45 et renfer-
mant apparemmenl quelque debris de
pierre on de metal, destine ä faire
du bruit.
Dans le cas oü la trouvaille de
pieces de ce genre sentit parvenue ä
votre connaissance, vous m'obligeriez
en me le faisant savoir. —
7S
(19 Hr. Kud. Virchow berichtet aber die
Durchschneidung des Sehlossberg-es bei Burg: a. Spree.
Nachdem ich der Gesellschaft in y\w Sitzung vom 17. .luli Verh. S. 314 den
Abschluss der behördlichen Vorverhandlungen über den Eisenbahnbau, welcher
unseren alten Schlossberg im Spreewalde durchschneiden sollte, vorgelegt hatte,
sind die Arbeiten in der bezeichneten Richtung thatsachlich in Angrifl genommen
worden. Die Herren Voss und Götze sind wiederholt an Ort und Stelle
\ und Hr. Apotheker Petermann in Borg hat die Sammlang der Fund-
stücke übernommen. Ein Theil derselben ist schon an das Museum für Völker-
kunde abgeliefert worden Es schien mir daher an der Zeit, durch einen Besuch
mir eine directe Anschauung za verschaffen, und ich unternahm am 18. October
(490)
mit Hrn. Voss in Begleitung- des Bauunternehmers Hrn. J. Becker die Reise
dahin. Es war ein prächtiger Sommertag: die Sonne lag warm über der Land-
schaft und wir konnten im einfachen Rock den ganzen Tag aushalten.
Da die Herren vom Museum besser in der Lage sind und noch mehr sein
werden, das Einzelne zu übersehen, so will ich ihrer Beschreibung nicht vorgreifen.
Es wird heute genügen, nur eine kurze Skizze des hergestellten Verhältnisses zu
geben. Der Durchschnitt durch den Berg ist in seinem westlichen Theile fast
ganz vollendet, in der Mitte bis nahe an die vorgezeichnete Tiefe gelangt und
nur der etwas höhere Wall an der Ostseite ist noch zu überwinden. Ueberall
ist man nach Durchstechung einer verschieden starken Humusdecke auf gelben
Sand gekommen, der gewiss zu einem grösseren Theil einer natürlichen Boden-
schwelle angehört, zum kleinen Theil auch vielleicht aufgetragen ist. In der
Humusschicht liegen zerstreut zahlreiche Thonscherbcn, Thierknochen und Kohlen.
Die ersteren sind an den meisten, jetzt aufgedeckten Stellen, welche eben der
grossen, kesselartigen Vertiefung im Innern des Walles angehören, älterer Herkunft,
wie wir sie schon früher wiederholt nachgewiesen haben; ausgemacht sla-
vische Reste sind hier sehr spärlich. Unter den älteren bemerkte ich
Bruchstücke von ilachen, gut geglätteten, mit einem schwach umgebogenen Rande
versehenen und entschieden helleren Schalen, wie sie die benachbarten Gräberfelder
häufig zeigen, jedoch auch schöne schwarze, gleichfalls glatte und wahrscheinlich
süsseren Schalen angehörige Fragmente. Gröbere, recht unregclmässige Bruch-
stücke, mit schmalen und breiten, aber sehr unsicher gezogenen Horizontal-Furchen,
darunter ein Stück, dessen Rand eine Reihe schräger, parallel gestellter, tiefer Ein-
drücke zeigt, dürften wegen der dichten, mehr gelblichen Beschaffenheit des
Thons ebenfalls der älteren Zeit zugerechnet werden. Endlich fanden sich zahl-
reich sehr dicke Scherben mit fast senkrechten Flächen, über welche eine schwach
erhabene Leiste mit breiten, tiefen und sehr unregelmässigen, aber kurzen und
stets senkrechten Eindrücken hinweglief. Die Thierknochen waren grossentheils
zerschlagen, jedoch fanden sich auch grössere, bearbeitete Stücke, insbesondere
solche von Hirschgeweihen mit scharfrandigen Verletzungen. Die Lage der ein-
zelnen Stücke war zu unregelmässig, um sofort eine Classification zu gestatten:
ich fand nur einen schön geglätteten Schlittknochen. Das merkwürdigste Fund-
Btttck, das ich jedoch nicht gesehen habe, war ein grosser Thierschädel. der einem
Bären zugeschrieben ist. Er wurde in der Mitte des Kessels gefunden, wo eine
grössere Anzahl von Geschiebeblöcken über eine viereckige Fläche von bei-
läufig 4 /// im Quadrat zusammengestellt war. Die Kohlen waren an gewissen
Stellen gehäuft: hier Hessen sich auch grössere, verkohlte Stammstücke gewinnen.
Von Metall war ausser einigen Nadeln und einem Sichelmesser von Bronze, so-
wie spärlichen Eisensachen wenig zu Tage gekommen; das einzige bemerkens-
werthe Stück, über welches ich den anderen Herren das Nähere vorbehalte, hatte
sich ausserhalb des Walles an einer Stelle, welche kein sicheres Judicium für die
Zugehörigkeit darzubieten einen, vorgefunden.
Nach dieser sein summarischen Cebersicht hat sich also unsere alte Auffassung,
der ich wiederholt Ausdruck gegeben habe, bestätigt, dass die eigentliche
Grundlage des Walles <\'-v vorslavischen Zeit zuzurechnen ist. Wir
können nur Wünsche ausdrücken, dass die Ausgrabung wenigstens stellenweise
tiefer geführt werde, als das unmittelbare Interesse der Bauverwaltung er-
fordert. Inwiefern auch an anderen Stellen ausserhalb des Durchschnittes neue
Ausgrabungen vorzunehmen sein möchten, wird späterer Erschliessung vorzu-
behalten sein.
(491)
Nicht ohne grosse Befriedigung darf ich hervorheben, dass die ron mir vom
Anfang an betonte Notwendigkeit, die äussere Gestalt des ehrwürdigen Bauwerkes
zu sichern, durch die Wahl der Durchschnittsrichtong in volle Erfüllung gegangen
ist. Noch immer liegt der Schlossberg in seiner imposanten Gestalt da, obwohl
ein so grosser Durchschnitt ausgeführt ist, und es steht zu erwarten, dass auch
spätere Geschlechter den vollen Eindruck der Grösse und Form des Walles
empfangen werden. Gewisse Schwierigkeiten, welche sich in Bezug auf den de-
finitiven Verbleib der Fundstücke durch die begreifliche Eifersucht der Nachbar-
orte, von denen jedes ein Museum für sich bilden möchte, ergeben haben, sind
vorläufig zurückgestellt. Die Fundstücke werden zunächst sämmtlich gesammelt
und an das Königliche Museum in Berlin abgeliefert. Wie mir seheint, steht
nichts entgegen, in naher Zukunft eine Thcilung vorzunehmen, welche auch der
Wissbegierde der Nachbarn allen Spielraum lässt. —
Wir landen nach Erledigung unserer Aufgabe noch genügende Zeit, die ans
freundlichst gebotene Gastfreundschaft des Besitzers der allen Besuchern des
Spreewaldes bekannten Spreemühle, des Hrn. Habermann, zu gemessen, und
nachher noch eine Kahnfahrt die Spree hinab zu veranstalten. In Gesellschaft des
Hrn. Voss und meiner jüngsten Tochter Hanna durchfuhr ich die schöne Wasser-
strasse mit ihrer prächtigen Einlassung stattlicher Bäume; aber der Anblick war
sehr beeinträcht durch die Ueberschwemmung, welche schon seit Anfang des
Jahres fast das ganze Wiesengebiet unter Wasser gesetzt und die Ernte an vielen
Orten gänzlich zerstört hat. Die armen Leute hatten vielfach nicht einmal Ge-
legenheit gehabt, das Gras zu mühen und Futtervorrath für den Winter zu
sammeln. Auch Hülfe von ausserhalb war hier nicht gebracht worden. Glück-
licherweise gelang es mir, die Aufmerksamkeit des Berliner Comites diesem
Nbthzustande zuzuwenden. So ist denn dem Spreewalde, wenngleich etwas spät,
eine Beihülfe von 30 000 Mark gewährt worden.
Vor unserer Abreise musterten wir noch die grosse und musterhaft geordnete
Sammlung des Hrn. Petermann, der insbesondere aus Gräbern der Hallstattzeit
eine Fülle gut erhaltener Thongeräthc aufgehäuft hat. —
(20) Hr. Paul Sartori in Dortmund übersendet unter dem 10. Juni eine
grössere Abhandlung über
das Bauopfer.
Dieselbe wird im ersten Hefte des neuen Bandes der Zeitschrift für Ethno-
erscheinen.
21 Hr. W. v. Schulenburg schickt aus Baden-Baden, 15. November,
eine Reihe vtm Finzelmittheilungen. Fs sind folgende:
I. Die knoten/eichen der Müller.
Ein Verfahren, sich durch Knoten Aufzeichnungen zu machen, um dem Ge-
dächtniss ZU Hülfe zu kommen, herrscht noch heute bei den Müllern auf dem
Lande in Baden (Gegend von Bühl und Achern), and wohl auch weiterhin in
Deutschland. Allerdings handelt es sieh nur um wenige Zeichen für eine kleine
Anzahl von Begriffen. Die folgenden Angaben habe ich festgestellt nach den wieder-
holentlichen Mittheilungen des Hrn. Joseph Niethammer, vormals Müllers in
Zell bei Bühl.
Die Knotenzeichen werden angewendet, um sich in der Fülle von Mahl-
aufträgen zurecht zu linden. Sie sind aber nur noch üblich auf den Kunden-
mühlen, d.h. den kleineren Mühlen auf dem Lande, nicht in dengrossen Kunst-
mühlen. Wie bekannt, ist an jedem Sack oder Säckel ein Schnur Strippe.
(492)
Bindfaden) befestigt zum Zubinden desselben. Wenn die Schnur am Sack fehlt,
so nimmt man eine besondere lose Schnur zum Zubinden.
Es giebt ihrer Bedeutung nach zweierlei Knotenzeichen. Die einen zeigen
eine gewisse Menge, Maasse, an; die andern eine Sorte Mehl.
Die Knoten für Maasse bedeuten: 1 Määssel, 2 Määssel, i.'i Seschter (auf
dem Lande auch Ssimmer genannt), 1 Sester, 2 Sester, 6 Sester. Es ist 72 Sester
= b Määssel, 1 Sester = 10 Määssel1). Es sind dies alte Maasse, die noch jetzt auf
dem Lande hier bei Müllern und Bauern in Geltung sind.
Die Zeichen für Mehlarten bedeuten: Saumehl (auch Rummehl genannt);
nicht ausgemahlen: Boll (der allererste Zug von Weissmehl, grobes,
schlechtestes Mehl): zweite Sorte Semel; feinste Sorte Semel. Zu be-
merken ist, dass das Zeichen für Saumehl und für nicht ausgemahlen das-
selbe ist. Die Bedeutung nicht ausgemahlen gilt aber nur, wenn das Zeichen
(Fig. 9) an einem Sack mit Brotfrucht (Roggen, Gerste, Einkorn) gemacht wird.
Diese Zeichen für Mehlarten gelten aber ausschliesslich nur für den Verkehr
zwischen Müller und Beck (Becker).
Das Doppelte, und zwar 2 Massel und 2 Sester, kann angedeutet werden, ent-
weder indem man durch den betreffenden Knoten eine zweite Schnur durchzieht
(Fig. 2 u. 6), oder indem man den Knoten mit einer Doppelschnur bindet (Fig. 3 u. 7).
^F
Fig. 1 = 1 Määssel. — Fig. 2, 3 = 2 Määssel. - Fig. 4 = V, Sester.
=(gß=
Fig. 5 = 1 Sester. — Fig. 6, 7 = 2 Sester.
■so
Fig. 8 = 6 Sester. — Fig. 9: a) = Saumehl: b) nicht ausgemahlen. — Fig. 10 = Boll.
Fig. 11 = zweite Sorte Semmel.
Fig. !•_' feinste Sorte Semmel.
1) 10 Sest.r 1 Malter.
Das .Mässelzeichen ist wie ein gewöhnlicher Knopf (Knoten), nur lose, nicht
fesl zusammengezogen.
Das Zeichen für das Saumehl oder Rummehl und für nicht ausge-
mahlen (Fig. 9) besteht aus einem Schlauf (Schleife), der durch ein Mässel-
zeichen durchgezogen ist.
Das Zeichen für die Boll (Fig. 10) besteht aus einem Schiauf, der durch
ein Sesterzeichen durchgezogen ist.
Das Zeichen für die zweite Sorte Semel (Semmel in Norddeutschland
gesprochen), Fig. 11, besteht ans einem Zöpfchen a, dem Semelzeichen. Der
Knopf (Knoten) bei b und c wird nur gemacht, dass das Zopfchen nicht
aufgeht.
Das Zeichen für die feinste Sorte Semel (Fig. 12) besteht aus dem Semel-
zeichen a (dem Zöpfchen), und einem Mässelzeichen <7. Der Knopf bei b und c
ist nur da, um das Zöpfchen zusammenzuhalten.
Nach dem Obiyem beisst z. 13. Fig. 4, 5, 6 und S gelesen: neun und ein halb
Sester, nehmlich' l/a+l + 2 + 6 = 91/, Sester, oder Fig. 5, 7 und 2 bedeutet:
3 Sester und 2 Massel, nehmlich l S. + 2 S. + 2 M. = 3 Sester, 2 Massel, nnd der-
gleichen mehr.
Ich beschränke mich auf diese knappen Angaben, da Beispiele, wie bei Be-
stellungen auf der Mühle die erwähnten Zeichen verschiedentlich Anwendung
finden, zu weit in die Einzelheiten der Müllerei hineinführen würden.
Nach Angabe meines Gewährsmannes ..waren, etwa um 1842, noch sieben
Zigeuner-Familien1; im Kappeier Thal (im Achercr Amte) ansässig als katholische
Bauern und besassen Grund und Boden. Sie hatten ihre Besitzungen bei Unter-
wasser in der Nähe von Allerheiligen." Von diesen Zigeunern theilte einer ge-
legentlich ihm mit, „dass sie ähnliche, wenn auch nicht dieselben, Knoten schürzten
(von Bindfaden), wie die Müller, um sich damit bei ihrem Weiterziehen durchs
Land Anweisungen zu geben. Sie bängten sie zusammen mit Lumpen an einem Baum
oder Strauch auf. Der Lumpen zeigte in der Farbe an, von was für einem Stamm
sie seien, der Knoten, wie viel Personen vorbeigezogen. Auch andere, hier nicht
ansässige, sondern durchziehende Zigeuner sagten ihm dasselbe, wie auch andere
Leute davon wussten."
Mir ist auf dem Lande in der Mark gesagt worden, dass die Zigeuner (zu
zauberischen Zwecken Knoten schürzten. In einem besonderen Fall hiess es (im
Kreise Teltow), dass, um einer Dienstmagd Geld abzulocken, die Zigeunerin immer
um das Mädchen herumgegangen sei*), sie schart dabei anblickend, und Knoten
geschürzt und das Mädchen völlig willenlos gemacht habe also, wenn der Vorgang
sich so abgespielt, Bie wohl „hypnotisirt" hat.
Ganz dasselbe zauberische Knotenknüpfen wird von den Wetterhexen be-
richtet Sie konnten dadurch Winde fesseln und entfesseln. Norwegische Zauber-
weiber hielten sie in einem Sack, den sie mit einem Knoten verschlossen. Die
1 Manche Zigeuner sollen in früheren Jahrhunderten als Kundschafter, namentlich
für Frankreich gegen die deutschen Lander am Oberrhein, gedient haben, wie einer jener
Zigeuner dem Joseph Niethammer mittheilte. Derartige Beziehungen mit Frankreich
schildert, nach einer Erzählung desselben Zigeuners, Niethammer in einer umfangreichen,
von ihm niedergeschriebenen [ungedruckten Zigeunersage von der Zigeunerprinzess am
Mummelsee.
2) In der Lausitz sag! man ebenfalls: »Von den Zigeunern soll man sich nicht um-
gehen lassen, denn sie können einen versprechen."
(494)
Bewohner von -Vinland" verkauften sie nach Bedarf an Seeschiffer, indem sie
Knoten dabei gebrauchten '). Aehnliches wird von Lappen und Finnen berichtet.
Die Hexen machen auch Sturm und Hagel, indem sie in Bäche schlagen2)
mit Besen. Wenn man einen Besen über den Weg legt, geht keine Hexe darüber3).
Dasselbe gilt in der Mark von den Zigeunern, nämlich, dass man sie durch Besen
verjagen kann Als ich (1894 oder 18(J5) gelegentlich in einem märkischen Dorfe
war, befielen umherziehende Zigeuner dasselbe und setzten durch ihr gewalt-
tätiges Auftreten Frauen und Mädchen des Dorfes in Schrecken, weil die Männer
fast alle auf dem Felde waren. Auf einem Nachbarhofe hörte ich, wie eine Zigeu-
nerin laut schreiend eine Bauernfrau verwünschte und verfluchte, weil sie ihr Fleisch
oder Schinken nicht so gab, wie sie, die Zigeunerin, es haben wollte. Als die
Zigeuner das Dorf wieder verlassen hatten, sehr zur Erleichterung der schutzlosen
Bewohner, wurde mir von den Angehörigen zweier gebildeten Familien mitgetheilt,
dass sie die bei ihnen in's Haus dringenden Zigeunerweiber durch vorgehaltene
Besen zu sofortiger Umkehr veranlasst hätten.
Hexen und Zigeuner hätten demnach die Furcht vor den Besen und das
Knotenknüpfen gemeinsam. Da die Zigeuner sehr alte Sitten bewahrt haben, so
dürfte, wenn ihr Nestelknüpfen Thatsache ist, die Kenntniss von etwaigen beson-
deren Knoten bei ihnen nicht ganz ohne Werth für die Volkskunde sein. Denn
z. B. Knoten und Verschlingung von Fäden als Verzierung irgendwelcher Gegen-
stände alter Zeit dürften unter Umständen Beziehungen irgendwelchen Glaubens
andeuten. Hatten doch auch im griechischen Alterthum, und sonstwie, Knoten
ihre Bedeutung. „Ein doppelt gezogener Knoten hiess nodus Herculis und diente
noch später als Zauberknoten. So benannt, weil Juno durch knotenartiges Ver-
schränken der Finger und Arme die Geburt des Hercules 7 Tage hinhielt4). Den
von mir aufgefundenen nodo di Salomone habe ich bereits früher beschrieben5) und
abgebildet, auch erwähnt, dass ich ihn gezeichnet fand mit Schiffen und Schiffsflaggen.
Derselbe Knoten fand sich auf der Mütze eines westafrikanischen Zauberers").
Ebenso habe ich einen noch auf Seeschiffen üblichen Salomonsknoten erwähnt und
ilclet, wie ihn ligurische Fischer oder Seeleute mir vormachten. Denn ohne
Abbildung ist keine sichere Kenntniss von einem besonderen Knoten zu gewinnen.
Auch Ostseefischer zeigten mir bemerkenswerthe Knoten, doch sind mir die Einzel-
heitea nicht mehr erinnerlich. Früher zeigten mir im Oberspreewald alte Leute
drei Arten von Knoten, die angewendet wurden, um Säcke zu schliessen; vermuth-
lich sind sie noch in Anwendung. Einer hiess „cartowy suk, Teufelsknoten, eine
Schleife, welche nur der Kundige aufziehen kann7)".
2. Der Feuers prang zu Johanni.
Früher vor 50 bis 60 Jahren war es Sitte in der Gegend von Bühl und Achern,
dasa auf Berghohen oder einem Hügel, Abends nach der Betzeit, ein Johannis-
feuer angezündet wurde. Das Holz dazu brachten die ledigen Burschen des
1) Vergleiche die näheren Mittheilungen bei Grimm, Deutsche Mythologie, 1876.
II. S. 682, Ü10.
2) <; ri in in a. a. 0., II '.iT.
3) YY. \. Schalenburg, Wendische Sagen, S. 157.
4) Lühker, Realli ueon der klassischen Altcrthiimcr, S. 827.
5) Mittheilungen der Wiener Anthrop. Gesellschaft.
6) Zeitschrift für Ethnologie, \ ■ rhandlungen.
7 Wendische Bagen, S L87.
(495)
Dorfes vom elterlichen Hole herbei, so viel jeder tragen konnte Aul' der Höbe
wurde es zu einem Haufen zusammengeworfen. Im Gebirge, wo kein Holzmangel
ist, Hineilten sie sehr hohe Feuer, so dass man sie weit sehen konnte. Die
meisten Leute vom Dorfe, Alt und Jung, kamen beim Feuer zusammen. Es war
ein wichtiges Dorfereigniss. .Man stand in einiger Entfernung um das Feuer herum.
damit Platz für die Springenden blieb. Denn es war Sitte, dass die ledigen Burschi •
über das Feuer sprangen and auch Mädchen, die einen Schatz hatten. Eine
öffentliche Verlobung gab es damals1) auf dem Lande nicht. Wenn das Feuei
brannte und die Flammen lohten, wurde ein solches Liebespaar von Jemand aus
der Menge aufgerufen unter allgemeiner Spannung der Anwesenden. Es war
nicht immer der nämliche, wo (= der) es gerufen hat. Die Beiden eilten dann aul
sieh zu. gaben sich die Hand und sprangen vereint in mächtigem Satze über die
Flammen'-'). Ob der Sprung gelang, hing von der Gewandtheit und Kraft des Paares
ab. Dabei wollte man ersehen, wer die Herrschaft in der Ehe führen würde. Man
passte auf, ob ..das Paar einen höhern oder niedrigem, einen kürzern oder längern
Sprung über das Feuer machte, ob eines derselben vom Feuer an einem Kleidungs-
stücke beschädigt war und ob sie zu gleicher Zeit und gleichmässig über das
Feuer sprangen", wer engrischer (schneller, entschlossener, muthiger) wäre. Wenn
beim Sprung der Mann sieh zaghafter zeigte und das Mädchen engrischer, weis-
sagte man, dass sie im Hause die Hosen anhaben würde u. s. w. „Es sind".
nach der Angabe von Niethammer. ..auch nur die ausgerufen worden, die allge-
meine Theilnahme erregten. Der Aufruf galt so gut wie eine öffentliche Verlobung.
Aber nicht immer hat es dann ein Ehepaar gegeben. Sie haben sich auch wieder
getrennt, weil irgend ein Grund sie wieder auseinanderbrachte, seien es Eifer-
süchteleien oder Vermögensrücksichten oder sonstwas. Meist hielten sie aber treu
zusammen und die Eltern gaben ebenso ihr Jawort, wenn das Mädchen öffentlich
dem Bu ihr Jawort durch den Sprung gegeben hatte. Die Eltern sahenden Feuer-
sprung vor den Augen der Menge gleichsam als Schieksalsbeschluss an.
Es soll auch in den nur vereinzelten Dörfern, wo im Dorf eine grosse alte
Linde, die Dorfl inde, stand, auf dem Flatz an der Linde manchmal ein Johannis-
feuer angezündet worden sein, wohl nur in der Ebene?
Eine Erzählung, welche auf meine Veranlassung niedergeschrieben ist von
Joseph Niethammer von Zell (auf dessen wiederholentlichen mündlichen Mit-
theilungen meine obigen Angaben beruhen), ist abgedruckt im „Badener Land"
Freiburg i. Br. Nr. 19 und Nr. 20, 1897]8). Der Verfasser, ein einfacher Mann
vom Lande, ist selbst noch in früher Jugend vor 60 — 7o Jahren bei Oberkappel
über das Feuer gesprungen und hat in anschaulicher und eingehender Weise \
beim Jobannisfeuer geschildert und die Folgen, die sich für einen „Feuer-
schat / " daran- ergaben*).
1 Wie Doch heute in ganz Deutschland nicht. Wenn zwei zusammengehen, muth-
I man, dass sie sich heirathen werden.
•_' Was früher darin geleistet wurde, kann man sich vorstellen, wenn man noch 1.
in einzelnen Gegenden Deutschlands, wo volksthümlicher Sinn und alte Volksspiele sich
erhalten haben, manch'' Btauoenswerthe Leistung mit ansieht. Vergl. über oberbayrische
Volksspiele meine Angabe in den lüttheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft
1896, 26 i" . 8.82.
3) Die Erzählung ist für die Bibliothek der Gesellschaft eingi äendet
i [Jeher die Feuer auf Bergen am Abend des Sonnwendtages in Oberbaiern vergleiche
die Verhandlungen LSS9, S. 22.
(496)
3. Die Howölfel, ein Neu,ialirs-(;ebäck, Schutzmittel gegen Viehseuche
und Blitz.
In den Ortschaften im Amte Bühl (in Baden), vielleicht auch weiterhin im
Schwarzwald, herrschte früher der Brauch, in der Neujahrsnacht (d. h. am letzten
Tage des Jahres, 31. December) sogenannte Howölfel1) zu backen. Jetzt soll
die Sitte dort ganz ausgegangen sein. Die Howölfel wurden gemacht aus Nach-
mehl2) und Schnitzbrühe. Die Schnitzbrühe (Saftbrühe) wurde aus Schnitzen
(gedörrten Obststücken) von Aepfeln und Birnen ausgekocht, ohne Salz; dadurch
erhielten die Howölfel eine rothbraune Farbe. Hier und da nahm man als Bei-
mischung auch Zwetschgen (Pflaumen). Aus diesem Teig bildeten Eltern und
Kinder — es wurde das gewöhnlich gemeinschaftlich in der Familie gemacht -
Figuren von verschiedenen Thieren, die die Erschaffung der gesammten Thier-
welt darstellen sollten und mit Schmalz (Schweineschmalz) in einer Pfanne auf
dem Heerd gebacken wurden. Aus diesen Figuren glaubten die Leute ersehen und
schliessen zu können, an welchen von ihren Thieren sie Glück oder Unglück im
neuen Jahre haben würden. Dies folgerten sie bei den gut gerathenen Teigthieren aus
der etwaigen Aehnlichkeit mit den wirklichen Thieren, die sie im Stall hatten. Da
vielfach, sogar meist, Missgestalten vorkamen, so wurde dann unter Scherz und
Lachen der Familienangehörigen berathen, was diese oder jene Gestalt vorstellen
sollte. Der eine sagte: „Ein Hund", der andere: „Ein Kälbel" u. s. w.
Dann war noch der Glaube, dass diese Howölfel das Haus vor Einschlagen des
Blitzes und die Hausthiere vor Ansteckung bewahrten. Deshalb wurden sie im
Gehöft an verschiedenen Orten vertheilt, so im Gänsestall, im Kuhstall, Pferdestall.
Der Hauptbewahrungsort war in der Wohnstube ein über dem Fenster angebrachtes
Brettchen, wo man Gebetbuch und Hausgegenstände liegen hatte. Auch ober dem
Familienbett wurden sie aufbewahrt, wo Mann und Frau schliefen und, gemein-
schaftlich, bei Vater und Mutter, die kleinen Kinder von zwei bis drei Jahren. Denn
die grösseren Mädchen lagen, wie noch heute, in einer Kammer und die Buben
auf dem Boden unterm Dach. An diesen Stellen wurden die Howölfel bis auf's
nächste Jahr aufbewahrt, wo man wieder neue herstellte. Die alten wurden an die
Kinder verschenkt und gegessen. Die Howölfel wurden auch an gute Hausfreunde,
und an Familienangehörige, die ausserhalb wohnten, als ein werthvolles Geschenk ver-
schenkt. Sie galten als Zeichen von grossem Vertrauen und bester Freundschaft. Wenn
man Howölfel verschenkte, war man bei der beschenkten Familie gut angesehen.
Aehnlich wurden bis vor 20 Jahren, vielleicht noch jetzt, bei den Wenden der
Muskauer Gegend Schleife u. a 0.) kleine Thiere von Mehl gebacken, sogenannte
Letka (= Jährchen), und am Neujahrsmorgen dem Vieh zu fressen gegeben. Ebenso
wurden entsprechend.' letka für die Kinder gebacken3).
4. Der erste Nagel im Hause.
Früher vor 70—80 Jahren wurden die Häuser in der Umgegend des Fleckens
Bühl (in Baden) aus Hol/, gebaut und die dabei gelegten Hauptschwellen,
\) Lances o, kurze
2) Nachmehl isi aul d Mühl. der „letzte Zug" von Weizen oder von Kernen.
ist aber nicht mehr Wei shl. Weissmehl ist das Mehl aus Weissfrucht und wird
,,,;„! gemahlen aus Weizen und Kernen (von Spelz). Unter Brotfrucht versteht man
Korn oder „Bogen", „Gei chte- und das seltenere Einkorn. Kerne heisst schlecht-
weg im Marktverkehr der ge ehalte „Schpelz" oder Kess.
3 \v. v. Schulenburg, Wendisches Volksthum, 1882, S. 132.
(4!»7;
d.h. die ersten Schwellen, die den ganzen Bau tragen, waren meist aus Eichen-
holz, „wer es haben konnte. Denn es gab damals noch viele starke Eichen; erst
durch die Bisenbahnen haben sie abgenommen*. In den Ecken des Hauses, wo
zwei Bauptschwellen zusammenkamen und im Winkel mit ihren Ausschnitten über
einander lagen, wurden sie durch starke Bichennägel mit einander befestigt, die man
um oben nach unten durchschlag. Die Löcher da/u bohrte man mit dem Doll-
boh rer.
Wenn heim Aufbau des Hauses die I lauptsch wellen ober der Erde gelegt
waren, musste in der 1 1 a u p tec k e, „die zunächst dem Wege liegt*, ein unschul-
diges Kind mit dem Hammer den ersten Nagel aus Eichenholz durchschlagen.
Dies war der erste Nagel, der überhaupt im ganzen Hause geschlagen wurde. Das
Kind, etwa von 7 '.) Jahren, das noch nicht in höherem Alter war, aber so viel
Kraft hatte, dass es mit dem Hammer zuschlagen konnte, musste immer ein Knabe
sein. Sobald es ^\i^\ Nagel eingeschlagen hatte, kriegte es eine Watsch1 , ..da—
es immer gedenken sollte, dass das Haus gebaut worden ist", und dann zur Be-
lohnung ein Stück Schwarzbrod und 1 oder 2 Kreuzer-')- Es galt dies als ein Vor-
zug für die Kinder, sie mussten dazu gut empfohlen sein als artig und gut. Die
Ohrfeige wurde ausgetheilt von jemand aus der Familie des Bauherrn, von diesem
selbst oder von einem Sohne, aber auch vom Zimmermann, und zwar dem Meister.
Wenn das Haus fertig war, wurde in der Hauptecke (wo der erste Nagel ein-
geschlagen war; innen in der Wohnstube der Herrgottswinkel (wie noch jetzt) ge-
machte. Aul' ein dreieckiges Brettchen, befestigt in der Ecke, stellte man in wohl-
habenden Hausern ein Standbild von Christus auf, meistenteils aus Gyps gemacht
und von Italienern gekauft, oder ebenso ein Muttergottesbild aus Gyps. Die
armen Leute hatten nur Bilder. Darüber wurde ein Crucifix so befestigt oder auf-
gehängt, dass es abgenommen werden konnte. Seitwärts vom Altärel an den
Seitenwänden der Stube hängte man einige Heiligenbilder auf.
Es darf hierbei wohl an die alte Volksüberlieferung erinnert werden, wonach
beim Hau grosser Gebäude oder von Brücken über Flüsse anschuldige Kinder
lebendig eingemauert wurden, als Opfer zur Besänftigung des Flusses oder der
Erde, damit der Bau feststünde.
:>. Gewellte Strichverzierung.
Im Jahre 18 15 wurden bei den Dörfern Gadsdorfund Ludersdorf (Kreis Teltow,
Provinz Brandenburg) Steine aus der Erd< ue_iai.cn. da die Landleute solche in
grosser Menge /um Bau einer „Chaussee" beisteuern mussten. Dabei wurden auf
der Feldmark \on Gadsdorf sehr viele Gräber der rorslavischen Zeit zerstört. In
ein. un Kiefernholz am Klappbusch einem Sumpfe dortselbst) durchsuchte ich
nachträglich 'rausende \on Scherben, die unter den Bäumen umherlagen, und fand
nur an einer einzigen Stell.' nahe den Zwergbergen '), die am Kerkluch gel
1) Watsch lieissl wie /. B. auch sonstwo am Rhein u.a. eine Ohrfeige, in der
Mark Brandenburg, früher wenigstens, auch Pflaum» genannt, daher tüchtiger
Pflaumenschmeisser Jemand, der eine kräftige Backpfeife geben kann.
2) Bei Einführung der deutschen Reichswahrung wurde hier ..l Bj (Pfennig,
•J Kreuzer 5 Pfennig gerechnet".
3) Mein Grundriss einer oberbayrischen Bauernstube mit dieser Ecke Blittheilungen
der Wiener Anthrologischen Gesellschaft, 1896, 26 16), S.68).
4) Nähere angaben über die Fandstellen in der Brandenburgia 1897, v. 122, 132 bis
139, 141.
5 Ebenda, S. 122, 133, I 12, 14:».
\ erb mdl di i B , Aul :'"-'
(498)
sind, ehemaligen Gräbern, mehrere Scherben aus feinem, röthlichem. gut gebranntem
Thon, die von einer Urne herrührten und wellenförmig mit einem Kamm oder
ähnlichem Werkzeug eingerissene Strichverzierungen zeigten, wie in Fig. 13 und 14
Fig. 13. ,,
Fig. 14. V-
zwei abgebildet sind. Der grössere Scherben ist 12 cm hoch und 10 cm breit, der
kleinere 9 cm hoch und 9 cm breit. Derartige Strichverzierung dürfte in hiesiger
Gegend wohl erst seltener bemerkt worden seih.
J. Mestorf1) bildet eine ähnliche Verzierung ab (Taf. VI, Fig. 6) von einer
Urne, die beschrieben wird (S. 3G) als „glänzend braun, mit eingeritztem Flammen-
ornament („Korbgeüecht")" aus Schleswig -Holstein, und zwar von „Laurup, Ksp.
Döstrup, 1 Meile nordwestlich von Lügumkloster." —
(22) Fräulein Elisabeth Lemke berichtet, Berlin, 26. October, über
Giebel -Verzierungen in Ostpreussen.
Den in den Verband!. 1890, S. 2(54 gebrachten 44 Zeichnungen von Giebel-
Verzierungen in Ostpreussen reihe ich hier weitere 58 an.
achiedenen Kreisen der Provinz entsprechen.
Kreis Mohrungen.
1. Ulli, den. 19—23.
2_ii. Weinsdorf-). 24—26.
12 Kunzendorf.
13—18. Kuppen. 28—34.
welche wieder ver-
Kreis Osterode.
Tannenberg.
Heeselicht8).
27. Ganshorn.
Gross-Grieben.
1) Urnenfriedhöfe in Schleswig-Holstein, Hamburg, 18S<;.
2) Weinsdorf; am Weinsdorfer Canal, der, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ge-
graben, den Ewing-Se lern Geserich verbindet. — Die Kirche ist ror 1320 gebaut
Im Giebel oben eine • in Ostpreussen sein- seltenen Katharinenräder (Die Bau- und
Kunst-Denkmäler der Provinz Ostpreussen, bearbeite! von Adolf Böttichcr) — Links
vom wv-tl. Eingang zur Kirche befindet sich noch in der Mauer ein „Halseisen" (-Pranger).
Die grosse Ohr in der Kirche hal zwei sein- grosse Steine als Gewichte; sie soll von einem
Grobschmied (aus der Pr.-Holländer Gegend gefertigl »ein.
3) Heeselicht, poln, Leszcz, der „Brassen", soll nach Hennenberger schon zu Hoch-
meister Karl Beffart's Zeiten al o Anfang des 14. Jahrh.) ein Marktflecken gewesen sein.
(499)
Kr ei 8 Ni ei den bürg.
35^-44. Thurau.
45 — 16. Oschekau.
47 — 51. Kamionken.
"»•2—54. Littfinken.
K re i - Beil igen beil.
55. Grünau.
Kreis K um g - b
56—58. Karplauken.
Ä f\ & ^
J3 39 1 l— J 3/
3'y.vll
.. Heselecl and Hein. 'mann and\Konrad v. Wansen hatten hier im Jahre L321
ein Gul von L440 Hufen übernommen. Auf ?on II selicht and Bergung
no« h vor80Jahren ein pyramidaler Grenzstein mit der Bezeichnung „16. Jahrh.*. \ I
der nach N. vorspringenden Halbinsel ,i. Daraerausen waren zu Gi ' mehrere
Wälle kenntlich, die ein Schloss umgaben, von dem noch zwei Keller vorhanden sind.
Das Schloss gehörte wahrscheinlich im 14. Jahrh. einem Wansen Giese, klterth.-
Prassia . Eine der alten Glocken der Kinde tragt Ki
der Hochmeister Knchnv ister von Sternfa ragte (also ¥ i 15. Jahrb.).
(500)
(23) Hr. Ü. üls hau sen spricht über
drei angebliche Eisenobjecte aus der zweituntersten Ruinenschicht
von Hissarlik.
Hr. Dr. A. Götze veröffentlichte im Globus, Bd. 71 (1897), S. 217-20, einen
Beitrag zur Urgeschichte des Geldes, betitelt „Die trojanischen Silberbarren
der Schliemann-Sammluog", in welchem auch einige wirkliche oder scheinbare
Eisensachen von Hissarlik eine wichtige Rolle spielen. Ich glaube indess, dass,
was über diese letzteren vorgebracht wird, in wesentlichen Punkten nicht haltbar ist.
Die Silberbarren sind die von Schliemann, Bios S. 524—27, besprochenen
und unter Nr. 787—92 abgebildeten, allseitig behämmerten 6 Platten in Form etwa
von zweischneidigen Messerklingen, aus dem grossen Schatze desjenigen Theiles
der drittuntersten Stadt, welcher später von Schliemann selbst als zur zweiten
Stadt gehörig anerkannt wurde und auch heute noch so aufgefasst wird '). Diese
Platten sind länglich, an den Längsseiten etwas eingezogen, am einen Ende ab-
gerundet, oder genauer, in der Mehrzahl der Fälle, begrenzt durch einen ge-
drückten Spitzbogen, am andern Ende halbmondförmig ausgeschnitten. Die Länge
sehwankt vi.,, 17.4 — 21,6 cm; mit ihr wächst auch die Breite, und zwar in der
Mitte, an der schmälsten Stelle, von 22 — 4C mm. Die Dicke wechselt zwischen
2 und 4 vtm; die kleinsten Platten sind am stärksten, die grössten am schwächsten,
jede einzelne aber ist in sich so gleichmässig dick, wie es das Verfahren der
Hämmerung zulässt. Je 2 Platten sind einander in Form, Flächenausdehnung und
Dicke fast gleich.
Schliemann hielt die Platten für „homerische Talente", und für Geld sieht
auch Götze sie an. Da indess erst die seehstunterste, Schliemann's lydische,
Stadt in die mykenische Blüthczeit, d. h. in die zweite Hälfte des zweiten vor-
christlichen Jahrtausends fällt, so bemerkt Götze mit Recht, dass die Silberstücke
nicht homerisch, sondern viel älter seien.
Nun befindet sich in der Schliemann-Sammlung unter Nr. 8357 ein Stück
metallisches Eisen, das Götze seiner Form wegen zum Vergleich heranzieht.
In „Ilios^, das 1881, und in „Troja", das 1884 in Leipzig erschien, wird es nicht
erwähnt; aber in dem 188G unter Schliemann's persönlicher Leitung zu Berlin
durch Bind. Hübner angelegten handschriftlichen Katalog ist es als „breite Fisen-
stange, an der einen Seite rund'-' verzeichnet. Hr. Götze bildet es in Fig. 4 im
ümriss ab, und zwar im gleichen Maassstabe, wie die in Fig. 1 ebenso gezeichneten
6 Silberplatten.
Das Stück ist ein Haches, 219 mm langes Stabeisen von oblongem Querschnitt;
eine Platte kann man es nicht wohl nennen. Die Längsseiten sind etwas ein-
gezogen, im Ganzen aber nimmt die Breite vom einen Ende nach dem andern ein
wenig ab (von 2'.» auf -■> mm). Das breitere Ende ist rundbogenförmig begrenzt,
das schmälere schlii gerade ab. Hier kann vielleicht etwas fehlen: genau zu
artheilen, lässt ihr Rost nicht zu; jedenfalls aber liegt kein Anhalt dafür vor, dass
dieses Ende halbmondförmig ausgeschnitten war, wie an den Silberplatten. Die
Dicke vermindert sich vom breiteren nach dem schmäleren Ende gleichinässig von
7 auf reichlich 2 mm.
1) Zur Orientinmg über die zweite Stadt diene W. Dörpfeld's Plan der Pergamos
ron Troja, dir drei Perioden dei Iben zeigend, in: Heinrich Schliemann, Bericht über
die Ausgrabungen in Troja im Jahre lsyo, Leipzig L891, Tat". MI.
(501)
Hr. Götze spricht hier von einem den Silberbarren „völlig analogen*1 Objecto,
und der ümrisszeiehnung nach ist ja eine gewisse Aehnlichkeii vorbanden. Bei
Betrachtung der Originale kann ich dieselbe indess nicht gross finden: sie ist nur
eine ganz allgemeine, erstreckt sich nicht genügend auf's Einzelne. Dennoch sagt
Götze: „Dieser Gegenstand ist wegen der Formähnlichheit mit den Silberbarren
in Parallele zu setzen, d. h. er stellt ein Zahlungsmittel, Geld, vor and ist in die
-/weite Stadl von Hissarlik zu datiren." Mit dieser Zeitansetzung beginnt
für uns das eigentliche Interesse an dem Gegenstande.
Es ist Hm. Götze natürlich wohlbekannt, dasa Schliemann oft das Vor-
kommen metallischen Eisens in den 5 untern, vorgeschichtlichen Schichten zu
Hissarlik leugnete; so llios S. 286 and 674. An letzterer Stelle wird freilich u.n
dem eisernen Messer Nr. I I -' 1 berichtet, dass es seiner Tiefenlage nach zur vierten
oder fünften Stadt gehören müsste: aber bei dem Fehlen anderer Bisensachen
glanbi Schliemann es seiner Form wegen der sechsten (mykenischen Stadt zu-
schreiben zu sollen. — Kerner ist dem Kataloge nach das hier in Präge stehende
Stück in Schliemann's siebenter Stadt, d. h. in der nachmykeuischen. obersten
Ruinenschicht gehoben worden. Heiden Angaben Schliemann's steht Götze
nach mündlicher Aeussernng mit Misstrauen gegenüber, da Schliemann sich in
dergleichen Dingen oft geirrt habe und bisweilen auch etwas willkürlich ver-
fahren sei1 . Dies kann unbeschadet der grossen Verdienste des ausserordent-
lichen Mannes zugegeben werden, doch hat man bisher Schliemann last immer
vorgeworfen, dass er Sachen, die jünger waren, für älter gehalten halte, da ihm
bei seiner Art der Abtragung des Burgberges von Hissarlik (in senkrechten Ab-
stichen, stau in horizontalen Schichten Dinge von oben in die tieferen Schichten
unbemerkt hinabgefallen seien. Hr. Götze aber hält es auf Grund jener Form-
ähnlichkeit des Eisens mit den Silberplatten für nothwendig und, da Schliemann's
Angaben nicht unbedingt zuverlässig sind, auch sonst für gerechtfertigt hier ein-
mal den umgekehrten fall anzunehmen, und weist kühn das nach Schliemann
ganz junge Stück in eine der ältesten Schichten hinab, mit Ueberapringung der
/wischenschichten, in denrn noch heute Eisen ebensowenig beobachtet ist. wie
nach der früheren allgemeinen Annahme in der zweituntersten. Der hieraus ent-
stehenden Schw ierigkeit begegnet Hr. Götze, wie folgt: „Verfasser (nehmlioh Dr. G.)
kann aus bester Quelle versiehern. dass Eisen thatsächlich in der zweiten Stadt
vorkommt Der angedeutete Eisenfund aus der zweiten Stadt besteht nicht
etwa aus Werkzeugen oder Wallen, es ist vielmehr ein verhältnissmässig kleiner
Luxusgegenstand, ein Stabgriff, der zudem unter Umständen gefunden wurde, die
darauf schliessen lassen, dass das Eisen als grosse Kostbarkeit galt und auf gleicher
Stufe mit Edelmetallen und werthvollen Steinen stand."
Hiermit hat es folgende Bewandtniss: In einem mir vorliegenden, durchaus
zuverlässigen Bericht über eine der Ausgrabungen Schliemann's auf Hissarlik
werden _ Klumpen Eisen erwähnt, welche bei Mauerwerk einer der drei Perioden
der zweituntersten Ruinenschicht gefunden sind. Da nun nach Götze, Globus
S. 218, zwischen der /weiten and der sechsten, d. h. der mykenischen Schicht,
eine, wie oben bemerkt, eisenfreie Schuttmasse von .r> — 6 h« Stärke liegt, muss
dieser angebliche „EisenTund in der zweiten Stadt von vornherein Bedenken
1) Die Fundangabe des Katalogs hatte Hr. Götze dennoch nichl unerwähnt lass
sollen. Denn aus seiner „Datirung" wird leicht von Anderen die Auffindung in der
zweiten Stadt als Thatsache gefolgert So sagl Walter in einer Besprechung der
Götze'schen Arbeit in Buschan's Ceatralbl. f. Vnthr.. Ethn. u. Urgesch. II. Breslau l^'.'T,
8.386: ,(das Eüseustück] rammt.... aus der :weiten Stadt.-
(502)
erregen, und da die betreffende Ausgrabung- an Sorgfalt der Ueberwacbung sicher
nichts zu wünschen übrig liess, so dass ein Versehen bezüglich der Fundstelle
ausgeschlossen scheint, wird sich das Misstrauen gegen die stoffliche Beurthei-
lung der beiden Fundstücke richten. Irren doch Laien in diesem Punkte un-
gemein oft und sind sie doch naturgemäss fast nie im Stande, den Unterschied zu
erfassen zwischen „eisern", d. h. aus metallischem Eisen bestehend, und „eisen-
haltig", d. h. Eisen in chemischer Verbindung enthaltend! Und darauf gerade
kommt es an.
Nun ist mir der Verbleib des einen Klumpens nicht bekannt, der andere aber
befindet sich in Berlin. Er ist einigermaassen einer körperlichen Kugelzone von
58 mm grösstem Durchmesser und 38 mm Höhe vergleichbar. In der Mitte einer
der beiden begrenzenden, allerdings nicht sehr ebenen Parallelkreisflächen befindet
sich ein unregelmässig rundliches Loch, das etwa bis zur Hälfte der Höhe ein-
dringt. Schon lange habe ich Zweifel darüber geäussert, ob das Stück wirklich
aus metallischem Eisen bestehe. Sieht man von einer Schicht, wie es scheint,
zu Conservirungszwecken aufgetragenen Firnisses oder dergl. ab, die allerdings die
genaue Beobachtung erschwert, so macht dasselbe den Eindruck irgend eines
natürlichen Oxydes oder Oxydhydrates des Eisens und an der dem Loch entgegen-
gesetzten Seite auch wohl eines auf anderer Grundlage beruhenden, aber eisen-
schüssigen Minerals. Für Eisen selbst ist es viel zu hart, und ebensowenig konnte
ich mich überzeugen, dass hier ein aus der Oxydation von metallischem Eisen im
Erdboden entstandenes Product vorliege; der Zusammenhang der Masse ist dafür
zu fest, es fehlt an vortretenden Blasen u. s. w. Auch scheinen mir Rillen und
Rauhigkeiten der Oberfläche noch nicht zu genügen, einen durch Rostung nach
der Ausgrabung in Zerfall begriffenen Eisenklumpen anzunehmen, wie man sie
in Sammlungen bei ungenügender Conservirung häufig beobachten kann. Die
Masse halte ich vielmehr im Wesentlichen für so beschaffen, wie sie bei der Auf-
findung war. Es ist mir demnach sehr fraglich, ob das Stück seinerzeit in der
Schicht der zweiten Stadt in metallischem Zustande zur Ruhe gekommen ist.
Und diese Frage allein beschäftigt uns jetzt: ein Mineral, bestehend aus einer
Eisenverbindung, ist hier für uns bedeutungslos, auch wenn es bearbeitet, etwa
von Menschenhand mit dem Loch versehen ist.
Mit Sicherheit aber ist natürlich die Frage nach der stofflichen Beschaffenheit
des Stücks nur durch chemische Analyse zu entscheiden, für welche die Probe dem
Innern des Klumpens entnommen werden muss, am besten nach seiner Durch-
schneidung. Ergiebt sich dann, dass metallisches Eisen vorhanden ist, so bleibt zu
erweisen, dass es kein Meteoreisen1) sei; fehlt aber freies Metall, so hat eine
chemisch-mineralogische Prüfung nach anderer Richtung stattzufinden. Die Frage ist
eben eine rein naturwissenschaftliche; die archäologische Betrachtung des Fundstückes
kann zu ihrer Lösung gar nichts beitragen, denn die Form desselben ist keine solche,
dass unbedingt oder mit grosser Wahrscheinlichkeit auf ein bestimmtes Material ge-
schlossen werden mtisste, etwa wie bei Messerform auf Eisen, wenn Kupfer und
Bronze, wie hier, schon dem Augenschein nach ganz ausgeschlossen sind.
1) Meteoreisen, wenngleich hei den Naturvölkern einzelner Gegenden, z.B. im
FluöSgebief des Ohio, U. S. A., häufiger verwendet, als im Allgemeinen bekannt, ist doch
für die Geschichte der Metallurgie insofern belanglos, als Bein Besitz nie zu einer künst-
lichen Gewinnung dec Ei au einen Erzen führt. Aueh die angeblichen Funde ge-
diegenen tellurischen Ei ens (wie in Thüringen und Böhmen) kommen, schon ihrer
ungemeinen Seltenheil wegen, nichl in Betracht; übrigens gilt für sie dasselbe, wie vom
Meteoreism.
(508)
Hr. Director Voss hat sich denn auch, wenngleich wegen der dabei unver-
meidlichen Beschädigung- des Gegenstandes schweren Herzens, entschlossen, eine
gründliche Untersuchung desselben vornehmen zu lassen, und dieselbe in die W _
geleitet; sie ist aber noch nicht beendigt. Das bisher gewonnene Ergebniss mit-
zutheilen, enthalte ich mich, um Hrn. Voss nicht vorzugreifen, der hoffeotlicb nach
Abschluss der Arbeit hier darüber berichten wird. Hingegen möchte ich die Grenzen
dessen darlegen, was wir von der Analyse erwarten dürfen.
Wenn sich herausstellt, dass metallisches Eisen, wenigstens jetzt, nicht mehr
vorhanden ist, so schwindet damit alle Aussicht für den Nachweis, dass der
Klumpen bei seiner Niederleguno Metall war; denn es wird wohl unmöglich sein.
zu zeigen, dass ein ümwandlungsproduct des Eisens vorliegt. Ein solches
müsste aus dem Hydrat des Oxydes (Fea08) oder des Oxyduloxydes (PeO, Fi
bestehen. Das darin enthaltene Wasser Hesse sich nun zwar nachweisen und quan-
titativ bestimmen: alter die so erfolgte Peststellung von Hydrat genügt nicht, weiter
auf metallisches Eisen zu schliessen, da wir sehr verbreitete Materialien kennen,
die ebenfalls, wenigstens aus Oxydhydrat bestehen [Göthit (Pyrrhosiderit, Nadel-
eisenerz), Ke.O,. HJ): Branneisenerz (brauner Glaskopf, Limonit, Wiesenerz oder
Raseneisenerz, Gelbeisenstein) 2Fe20;!, oH20]. Höchstens möchte der sichere Nach-
weis von Oxydul oxydhydrat metallisches Eisen als Ausgangspunkt andeuten;
doch ist dies Hydrat sehr geneigt, durch Sauerstoffaufnahme in Oxydhydrat über-
zugehen, und somit sein Fortbestehen in der Masse nicht wahrscheinlich. Aber
auch wenn die Analyse einen Oxydulgehalt ergiebt, ist dadurch noch nicht die Ent-
stehung der Masse aus metallischem Eisen bewiesen: denn es enthält z. B. Rasen-
eisenerz öfters neben Oxyd auch Oxydul. Und wie schon oben bemerkt, macht
der Klumpen auch nicht den Eindruck verrosteten Eisens. Wenn dagegen nur
wasserfreies Oxyduloxyd (Magneteisen) oder Oxyd [Rotheisenerz (Blutstein.
Hämatit, rother Glaskopf, Eisenglanz, Eisenglimmer)] vorhanden ist, so steht sicher
fest, dass ursprünglich kein metallisches Eisen vorlag. Die Analyse wird mithin
die Eisenoxyde quantitativ bestimmen und die An- oder Abwesenheit des Wassers
mindestens darthun müssen. Ausserdem wäre auf Schwefel oder genauer Schwefel-
säure zu prüfen, da Brauneisenerz, das häufig durch chemische Veränderung anderer
Mineralien, z. B. des Eisenkieses und des Hämatits entsteht, wenn ersterer seine
Muttersubstanz war, die Umwandlung aber nicht abgeschlossen ist, noch Schwefel-
S iure enthalten kann. Wie aber auch immer das Ergebniss der Analyse und da-
mit die Antwort auf die Frage ausfallen möge, ob metallisches Eisen aus der
zweiten trojanischen Schicht wirklieb nachgewiesen sei oder nicht. — aufDatirung
und Deutung des von Hrn. Götze besprochenen Kisenstabes hat dies meines
Erachtens keinen Einfluss. Schon dessen guter Erhaltungszustand spricht _ s
ein so hohes Alter, wie Dr. Götze es ihm zuschreibt: er ist zwar oberflächlich
mit Blasen bedeckt, wie sie sich an Eisensacheu im Erdboden bei der Oxydation
zu bilden pflegen; aber diese Blasen sind nur klein, und eine Anbohrung zeigte,
dass schon in geringer Tiefe reinstes Metall liegt. Elisen tritt auch sonst erst in
der mykenischenZeit auf. Seh I iemann selbst hat sogar in den Niederlassungen dieser
das Metall nnch nicht gefunden, weder auf Hissarlik, noch inMykenae. ( Irchomenos oder
Tiryns; alter ich entnehme Schuchardt's Werk: Schliemann's Ausgrabungen,
2. Aufl., Leipzig 1891, dass Arbeiten der» hiechischen Archäologischen Gesellschaft unter
Tsuntas' Leitung 1887 -88 in Pelsenkammergräbern des Volks der Unterstadt von
Mykenae ein paar eiserne Pingerringe ergaben, „welche beweisen, dass dies
Metall damals noch für sehr kostbar galt und nur zu Schmuckgegenständen ver-
arbeitet wurde" (S. 345), desgleichen 1889 in einem Kuppel-(Tholos- »rabe zuAmyklae
(504)
bei Sparta einen eisernen Ring, mit andern Dingen zusammen da gelegen, wo
die Hände des Todten vorauszusetzen waren (S. MS: vergl. auch S. 142 und 369).
In den ältesten Gräbern der mykenischen Zeit, den Schachtgräbern, fehlt das Eisen
noch. Ist nun jener Eisenstab zeitlich nicht mehr mit den Silberplatten zu-
sammenzubringen, so genügt die, wie oben erläutert, mir nicht wesentlich erschei-
nende Formähnlickeit gewiss nicht, eine gleiche Zweckbestimmung darzuthun.
AVozu der Stab gedient haben mag, ist freilich schwer zu sagen; man könnte an
einen Meissel denken, doch spricht die Abrühdung des dickern, breitern Endes da-
gegen; ein Hammer würde beim Draufschlagen leicht abgleiten. Fehlt am
schmalen Ende ein Stück und war dieses etwa umgebogen und gelocht, so gäbe
der Stab einen vortrefflichen — Pfannenstiel. Doch bin ich auch weniger pro-
saischen Deutungen zugänglich, nur an das „Geld" glaube ich nicht. —
Hr. A. Götze entgegnet hierauf:
Durch das von Dr. Olshausen Gesagte wird der Hauptinhalt meines Artikels
im „Globus'' nicht im Mindesten berührt. Es handelte sich da um eine Deutung
der Silberbarren: der Eisenbafren wurde nur anhangsweise besprochen und über-
haupt nur angeführt, um ein weiteres Beispiel von zungen form igen Geldbarren auf-
zuweisen. Man könnte den auf den Eisenbarren bezüglichen Abschnitt weglassen,
ohne dass das Hauptthema davon getroffen würde.
Was den „eisernen1' Stabgriff anlangt, so ist die Untersuchung seiner Substanz
noch nicht abgeschlossen, und man muss sich fragen, ob es nicht besser gewesen
wäre, mit der Erörterung dieser ganzen Angelegenheit zu warten, bis das Resultat
vorliegt.
Auf die von Hrn. Olshausen über die zungen form ige Eisenplatte ge-
machten Angaben habe ich Verschiedenes zu erwidern. Hr. Olshausen bean-
standet die Bezeichnung als Platte und glaubt es als Stab benennen zu müssen.
Wenn auch der Gegenstand an dem einen Ende etwas dicker ist, als an dem andern,
so ist die Flächenentwicklung im Verhältniss zur Dicke doch eine derartige, dass
ich an der Bezeichnung als Platte festhalte. — Die Form ist nicht identisch mit der
der Silberplatten, aber sehr ähnlich. Damit sich nun Jedermann selbst ein Urtheil
bilden kann, wie weit die Aehnlichkeit geht, habe ich die abweichenden Punkte
bereits in meinem „Globus"-Aufsatz angegeben. Ob man demnach die Stücke
wenig oder sehr ähnlich findet, ist Ansichtssache; ich glaube letztere Bezeich-
nung vorziehen zu müssen. Als wesentlicher Unterschied wird der gerade Ab-
schluss der Eisenplatte gegenüber dem coneaven Einschnitt der Silberplatten hervor-
gehoben (genau genommen ist der Abschluss der Eisenplatte sogar ganz wenig
convex). Dieser Unterschied verliert aber seine Bedeutung, wenn man erwägt, dass
nach meiner, in dem „Globusa-Aufsatz näher erörterten Annahme die Geldbarren
sich hinsichtlich ihrer Form aus Flac.hcelten entwickelt haben. Man würde also
in dem geraden Abschluss eine Erinnerung an den ebenso abschliessenden
bekannten Typus der Flachcelte haben, welcher auch in Troja vorkommt Die
Deutung des Gegenstandes als eines abgebrochenen Pfannenstiels scheint mir nicht
glücklich zu sein, denn wenn auch t\c\- verrostete Zustand nicht mit voller Sicher-
heit die ursprüngliche Be chaffenheit des geraden Abschlusses erkennen lässt, scheint
doch der letztere bei seiner regelmässigen Gestaltung nicht eine Bruchfläche, sondern
die ursprüngliche Begrenzung darzustellen.
Bezüglich der Fundumstände dei Eisenplatte nimmt Hr. Dr. Olshausen
Anstoss daran, dass ich zwei Angaben Schliemann's ignorirt habe, erstens die
Notiz im handschriftlichen Katalog *\^r Schliemann-Sammlung, wonach der
(505)
Gegenstand in der VII. Stadt (nach jetziger Bezeichnung VII IX gefunden sein
soll, und zweitens die Angabe Schliemann's in „llios", dass in den fünf prä-
historischen Stadien kein Bisen gefunden sein soll. Bierzu bemerkeich, dass ich
bei der Neuordnung der Schliemann-Sammlung Gelegenheil hatte, mich von
berufswegen eingehend mit den Fundangaben Schliemann's zu beschäftigen und
mir «'in Urtheil über ihren Werth zu bilden. Auf Grund dessen trage ich nun
nicht das geringste Bedenken, die bei einem einzelnen Gegenstande als Fundort
angegebene Schicht, bezw. Tiefenzahl zu ignoriren. Was insbesondere den von
Olshausen speciell hier bemängelten Fall anlangt, dass ein älterer Gegenstand
von Schliemann eine jüngere Datirung bekommen hat, führe ich folgende Bei-
spiele an: 1. Im Katalog ist zu lesen: „Nr. 8389, VII. Stadt. Bronzestift, unten
breiter werdend." „Nr. 8397, VII. Stadt, Bronzefragment." Es ist mir nun ge-
lungen, beide Stücke mit zwei nicht numerirten Stücken zusammenzusetzen und so
ein grösseres Bruckstück eines der für die II. Stadt charakteristischen Dolche mit
langer, oben umgebogener Griffangel und zwei Löchern im Blatt zu erhalten (wie
„llios" Fig. 811— 814. '.»Ol). — 2. In der Schliemann-Sammlung befanden sich
zwei Bronzegefässe, welche aus vielen Scherben unter reichlicher Anwendung von
ergänzendem Gyps zusammengesetzt waren und zwar, wie mir schien, in ziemlich
willkürlicher Weise. Ich liess deshalb die Gefässe auseinander nehmen und fand
so. dass die Zusammensetzung thatsächlich ganz willkürlich erfolgt war. Es zeigte
sieh nehmlieh, dass sich die Seherben mit anderen Bronzefragmenten, u. a. auch
mit den „Helmtheilen" llios Fig. 795 — 798, 97!» zusammensetzen Hessen. Durch
Anein anderpassen und Berücksichtigung der Patinirung wurde so die Existenz von
drei Bronzegefässen ermittelt, deren Form im Wesentlichen reconstruirt werden
konnte. Zu einem dieser Gefässe haben nicht weniger als 29 Nummern des
Katalogs beigetragen (vgl. tue Nachweise unter Katalog Nr. 915). Ein Scherben
dieses Gefässes nun wurde aus 5 aneinanderpassenden Stücken zusammengesetzt,
von denen 4 (Nr. 7003, 7006, 701!». 7030) im Katalog als zur II. Stadt, das
5. Stück (Nr. 8490) aber als zur VII. Stadt gehörig bezeichnet sind. Das Ge-
fäss gehört einem Funde der II. oder III. Ansiedelung an. Diese beiden Beispiele
zeigen, dass es thatsächlich vorgekommen ist, dass Schliemann Gegenstände
aus der II. oder der II. und III. Schicht mit der Provenienzangabe „VII. Stadt"
versehen hat.
Was mm zweitens die Behauptung Schliemann's anlangt, dass Eisen in den
\'üni' prähistorischen Stallten nicht vorkomme, so sollen wiederum einige Beispiele
erweisen, dass derartige allgemeine Aufstellungen den Thatsachen nicht immer
entsprechen. So wird llios [1881 S. 539 und Troja [1884) S. 103 ausdrücklich
hervorgehoben, dass in den fünf prähistorischen Städten keine Sehwerter vor-
kommen, und doch befindet sich in der Schliemann-Sammlung das bronzene
Ortband einer Scheide, wie solche an Schwertern auf den sogenannten hethitischen
Reliefs im Königlichen »Neuen Museum zu Berlin dargestellt sind. Das Stück ist
bereits im Atlas trojanischer Alterthümer 1874 Fig. 2033 abgebildet; als Fund-
tiefe werden dort 8 m angegeben, was nach Schliemann's Schema dev III. ver-
brannten, d.h. nach späterer Zählung der II. Stadt entsprechen würde. I
verhält es sich mit der llios S. 530 aufgestellten Behauptung über das Nieten:
„Es verdient besondere Beachtung, dass. . . . wir hier in Troja nur Löthung, und
nichts mit Pinnen zusammengeschlagen sehen." Gegenüber dieser bündigen »Er-
klärung heisst es auf S. 562 Aimi 1 von einem kleinen Goldadler: „Dies -
Troja das einzige Beispiel von nicht zusammengelötheten, sondern mit Pinnen zu-
sammengefügten Platten." Thatsächlich giebt es aber noch mehr Beispiele von
(506)
Nietarbeit: so ist der Henkel an dem Silbergefäss Ilios Fig. 779 angenietet, und
in der gegenüberliegenden Bauchwandung stehen die Niete, mit denen ein zweiter
Henkel angenietet war, weit hervor. Diese Beispiele zeigen, welchen Werth solche
allgemeinen Aufstellungen haben und welcher Werth im speciellen der Behauptung,
dass Eiseu in den 6 prähistorischen Städten nicht vorkomme, beizumessen ist; ich
glaube deshalb vollkommen berechtigt zu sein, solche Aeusserungen unberück-
sichtigt lassen zu dürfen.
Es gehört also keine so grosse Kühnheit dazu, das nach Schliemann junge
Stück älter zu datiren, zumal da es auch nicht ganz sicher ist, ob nicht im Gegen-
satze zu Ols hausen' s Angabe in den zwischen II und VH liegenden Schichten
Eisen beobachtet worden ist. In dem von Dörpfeld herausgegebenen Berichte
.,Troja 1893" wird S. 98 „ein Klumpen Eisen" erwähnt, welcher bei einer schicht-
weisen Ausgrabung in einer Tiefe gefunden wurde, die etwa der V. Ansiedelung
entsprechen soll. Allerdings ist die Zugehörigkeit zur V. Ansiedelung nach den
an dieser Stelle vorliegenden Verhältnissen nicht mit voller Sicherheit nachzu-
weisen, auch lässt sich die Angabe bezüglich des Materials nicht controliren, da
das Stück sich nicht in Berlin befindet; immerhin liegt eine Beobachtung vor,
welche man nicht übersehen darf.
Dass hier Olshausen den guten Erhaltungszustand der Eisenplatte für deren
geringes Alter ins Feld führt, wundert mich, da ihm doch sehr wohl bekannt ist,
dass diesem Moment an und für sich für die Altersbestimmung wenig Gewicht bei-
gelegt werden kann. Man könnte es höchstens dann heranziehen, wenn aus der
in Frage stehenden Schicht eine Reihe von Eisenobjecten vorläge; aber auch dann
müssten noch die Lagerungsverhältnisse in der Erde berücksichtigt werden.
Uebrigens sei auf einen in dieser Angelegenheit noch nicht herangezogenen
Gegenstand der Schliemann-Sammlung hingewiesen, welcher hier nicht ohne
Interesse sein dürfte. An dem, dem „grossen Schatz" (II. Ansiedelung) zugehörigen
Silberbecher (Katalog Nr. 949) befindet sich ein grösserer rostbrauner Fleck, welcher
ganz den Anschein hat, als ob er von einem verrosteten eisernen Gegenstand her-
rühre, der neben dem Becher in der Erde gelegen hat. Eine Untersuchung ist
noch nicht vorgenommen worden, und es dürfte auch zweifelhaft sein, ob durch
eine solche erwiesen werden kann, dass die Färbung von einem Oxydations-
produete metallischen Eisens herrührt1). Immerhin glaube ich diese Beobachtung
nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen.
Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung. Hr. Dr. Olshausen unter-
schätzt sicher das Begriffsvermögen der Laien in chemischen, bezw. mineralogischen
Dingen, wenn er behauptet, dass sie den Unterschied zwischen eisern und eisen-
haltig täsi nie zu erfassen vermöchten. Ich glaube denn doch, dass die meisten
Menschen in der Lage sind, es sofort zu begreifen, wenn man ihnen sagt, dass
metallisches Eisen und eisenhaltiges Mineral zwei verschiedene Dinge sind. Etwas
anderes ist es ja allerdings, ob ein Laie eine richtige Bestimmung zu treffen ver-
mag. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass Hr. Dr. Olshausen sich
hier im Ausdruck vergriffen hat. -
(24) Hr. Rud. Virchow zeigt einen ausgezeichneten
peruanischen Thurmkopf aus Arica.
II,. (;,[,. Beelendorf in Bamburg bot mir unter dem 12. October einen „alten
Todtenkopf aus Arica, i\>'f noch aus der [nca-Zeit herstammen sollte", an. Auf
1 Vgl. Olshausen, diese Verhandl. 1893, S. 111— 112.
(.-,07)
mein Ersuchen schickte er mir denselben unter dem 18. October, zugleich mit der
Notiz, dass derselbe hinter dem Morro in Arica ausgegraben Bei. Ich bemerke
dazu, dass der Besitz von Arica, soviel ich ersehe, im lugenblick zwischen Chile
und Foru streitig-, das« es aber vorläufig in der Gewalt von Chile ist.
Der Kopf ist einer jener etwas selteneren, welche von T8chudi als ei
liehe [nca-Schädel bezeichnet sind. Er zeigt im Profil (Fig. 1) die Btarke Zurück-
Fig. 2. V,
Fig. 3. Vs
drückung und Abflachung des Stirnbeins, welche
die Verschiebung der Fontanelle nach hinten und
die Einfaltung des vorderen Theiles, sowie die Er-
höhung der Mitte der Parietalia zur Folge gehabt
hat. Dann folgt ein schneller Abfall des Hinter-
haupts und die schräge Abplattung der Squama
occipitalis. Nach vorn setzt sieh die schiefe Ebene
des Stirnbeins fast gerade auf die abgeplattete.
aber nach unten stark vortretende Nase fort; unter-
halb derselben tritt der kurze Alveolarfortsatz.
durch grosse Zahnlöcher erweitert, prognathisch
vor. Trotz der starken Deformation sind
die Ohrlöcher gerundet und die Schläfen-
inden normal entwickelt. Die Plana temporalia
hoch, aiier kurz und unregelmässig.
In der Vorderansicht (Fig. 2) macht sieh zu-
nächst eine Sutura frontalis persistens und
eine breite Stirn bemerklich. Die Tubera fron-
talia. obgleich rergrössert, Bind ganz niedergedrückt.
Die Seitentheile dach gerundet, am breitesten in der (legend der Tubera aus-
gelegt. Das Gesicht niedrig, aber durch die Auslage der Jochbogen breit. A
höhlen hoch, ihre Ränder gerundet Tiefe Evbssae caninae. Breite und kurze
Nasenbeine.
In der (Jnteransichl Fig. 3 sieht man den langgestreckten Contour des nach
hinten hinausgeschobenen Schädels, dessen Oberschuppe eine mediane Einfaltung
und jederseits einen tiefen seitlichen Eindruck erlitten hat. Die Linea aemic
1 105 ccin
Grösste horizontale
Li
Inge .
177 nun
Breite .
121 ' „
Gerade Höhe. .
137 ..
110 ..
Obergesicht, Höhe
66 ..
. Breite
a .
124
1 wt „
b .
109 ..
(508)
süprema ist in der Mitte weit nach oben vorgerückt. Gaumen gross, insbesondere
nach vorn verbreitert. Die noch vorhandenen Molares massig abgenutzt.
Messzahlen:
Orbita, Höhe 34 mm
.. , Breite 35 «
Nase. Höhe 50 „
. , Breite 24 ..
Gaumen, Länge 59 ..
, Breite 36
Berechnete In die es:
Längenbreitenindex . . . 68,4 Orbitalindex 97.1
Längenhöhenindex .... 77,4 Nasenindex 48,0
Ohrhöhenindex 62,1 Gaumenindex 61,0
(2b) Hr. Rud. Virchow legt eine Anzahl von
Nachbildungen ethnologischer Schädel in Gyps
vor. welche die Rudolf Virchow-Stiftung durch Hrn. Bildhauer Fritz Kolbow hat
anfertigen lassen. Dieselben sind für die im Museum für Völkerkunde zu er-
richtende Schausammlung bestimmt. Für die Vergleichung unter einander sind
diese farblosen Copien der nicht selten gefleckten und sonst verunreinigten Original-
schädel von besonderem "Werthe. —
[26) Hr. Wilhelm Krause berichtet über seine
anthropologische Heise nach Australien,
wobei sieh das früher construirte Heisemikroskop aus Aluminium (Verhandl. 1894.
Bd. XXVI, S. 98) sehr gut bewährt hat, legt verschiedene mitgebrachte Gegen-
stände, unter Anderem solche, welche die Eiszeit in Hallett's Cove (Süd-Australien
betreffen, und die folgende Abhandlung vor:
Australische Schädel.
Während meines Aufenthalts in Australien im Sommer 1897 habe ich etwas
mehr als 200 Schädel von australischen Ureingeborenen in Händen gehabt. Die-
selben sind im Juni 1897 nach der Frankfurter Verständigung untersucht worden,
auf welche sieh die Nummern der ersten horizontalen Reihe in den Tabellen be-
ziehen. Die Schädel \r. 1 -17 und 24 stellte der Professor der Anatomie Hr. Allen
in Melbourne aus der anatomischen Sammlung der Universität zur Verfügung:
Nr, 18 -23 sind Privateigenthum des Hrn. Professors B. Spencer daselbst; Nr. 25
ist ein Geschenk des Hrn. Dr. Peipers in Melbourne und Nr. 26 des Hrn. Dr.
Oh. Ryan daselbst. Die Schädel Nr. 27—103 wurden in Sydney untersucht.
\'r. 27 — 33 gehören dem unter Leitung von Hrn. Professor Wilson stehenden
Anatomical Department in Sydney. Nr. 34— 36 und 38—46 befinden sich im
Macleay Museum in Sydney: Nr. 37 erhielt ich von Hrn. stud. med. MacDowall
in Sydney; die Nr. 47—89 gehören dem Australian Museum in Sydney; Nr. 90 be-
sitzt Hr. Prof. Lirersidge daselbst; Nr. 91 — 103 erhielt ich aus einer Privatsamm-
(509
lung durch Hrn. Prof. Wilson in Sydney. Die Nr. 104 187 verdanke ich den
Directoren dos South Australian Museum in Adelaide, Hrn. Stirling und Hrn.
Zietz sen., mit Ausnahme des Schädels Nr. 135 aus dem unter Prof. Watson
Btehenden Anatomical Department in Adelaide. Ferner sind Nr. 151 ein Geschenk
von Hrn. Dr. London in Adelaide, Nr. 152- 154 von Hrn. Dr. Märten in Adelaide
und Nr. 155 von Hm. Minehin, Director des zoologischen Gartens in Adelaide.
Schädel Nr. 188 gehört Hin. .Mallor in Adelaide.
Diroct nach Berlin wurden abgesendet: Ein vollständiges Skelet und noch ein
Schädel von Hrn. Martin. Prof. der Physiologie in Melbourne, und I besonders
schöne Skelette, die ich meinem lieben Freunde Prof. Watson in Adelaide ver-
danke, sowie auch ein Skelel \on den Solomon-Islands.
Allen genannten Herren und insbesondere Hrn. Prof. Watson, der mich durch
vielfache Empfehlungen unterstützt hat. sei an dieser Stelle der herzlichste Dank
ausgesprochen.
Bisher sind etwa 150 australische Schädel publicirt worden, vergl. die Statistik
von Virehow (Zeits.hr. f. Fthnol. 1880, Bd. XII, S. 1) und Turner (The com-
parative osteology of races of man. Reports of the voyage of H. M. S. Challenger.
Edinburgh 1884, Vol. X. PI. XXIX : seitdem sind nur wonige hinzugekommen.
Wilson Fräser, The Lborigines of New South Wales, Sydney 1892. p. 96—99,
und Report of the Hörn Expedition to Central Australia, T. IV. Anthropology,
hat 9 Schädel gemessen, Haiford (Brouyh Smyth, On the Aborigines of South
Victoria 1878, Vol. II. p. 340 378) schon früher 5 Schädel.
Von obigen 200 australischen Schädeln wurden 187 auf Grundlage der Frank-
furter Verständigung gemessen. Bei der Berechnung der mittleren Durchschnitts-
zahlen fallen l.r> aus. weil sie nachgewiesene! inaassen weiblieh sind: 4. weil sie
sieher oder sehr wahrscheinlich Half-castes waren, die von einem weissen Vater
und einer schwarzen Mutter herstammen. Feiner scheiden 10 aus. weil sie zu
unvollständig conservirt und theilweise nur in Bruchstücken vorhanden oder patho-
logisch waren: 6, weil sie mit den zugehörigen Skeletten direct nach Berlin expedirt
wurden; 10 wegen jugendlichen Alters; 5 wurden in Adelaule noch maeerirt: 1 ge-
hörte einem Riesen an; 1 Schädel war noch in seiner Bestattungshülle, und 4
konnten der Kürze der Zeit ballier nicht näher untersucht werden. Von den übrig
bleibenden 155 sind sieher 21 männlich, excl des Biesen: 134, die hier als
„gemischte" bezeichnet werden, sind für die Aufstellung von Mittelzahlen mit den
männlichen zu vereinigen, sie sind nehmlieh ohne Zweifel grösstentheils männlich,
aber ein directer Nachweis dafür fehlt.
Nimmt man hiernach die männlichen und die gemischten Schädel zusammen.
so ergiebt sich Folgendes: Der australische Schädel ist dolichocephal L.-B. 69,7 ;
nahezu hypsicephal l.-II. 74,iij: pro-nath. denn der Profilwinkel beträgt ■
schmalgesichtig Gesichtsindex, nach Virchow= 119,4); mit schmalem Obergesicht
(Obergesichtsindex 70,0); leptoprosop [Jochbreiten-Gesichtsindex 91,8 ;mit lepto-
prosopem Obergesicht (Jochbreiten-Obergesichtshöhenindex - 53,6); chamaekonch
(Augenhöhlenindex =79,0); hyperplatyrrhin Nasenindex 64,0) und leptostaphylin
( laumenindex 68,2 .
Der weibliche Schädel isi ebenfalls dolichocephal (L.-B. = 71,2 und hyps
cephal L.-H. = 7C,2), prognath . . schmalgesichtig (116,8), mit schmalem
Obergesicht 70,7), leptoprosop 90,9 . mit leptoprosopem Obergesich aber
im Gegensatz zum Manne mesokoneh [83,8 . platvrrhm (52,7 und leptostaphylin
(63,7).
(510)
Die allgemeinen Charaktere des australischen Schadeis werden
hier zusammengestellt, damit sie nicht bei der Erörterung jedes einzelnen Schädels
a iederbolt zu werden brauchen. Der Schädel ist sehr dolichocephal und zugleich
h. also hypsidolichocephal. Die Arcus superciliares springen sehr stark vor.
die Nasenwurzel ist eingedrückt, die Nasenbeine sind in ihrer oberen Hälfte schmal,
.dl" Cristae und Muskelansätze treten stark hervor. Häufig findet sich ein Toms
occipitalis transversus oder ein Tonis frontalis medianus, der in der Gegend der
obliterirten Sutura frontalis sich erstreckt. Die Stirn ist schmal und zurückfliehend,
die Stirnbreite sehr gering.
Die Jochbeine stehen ziemlich schräg, mit ihrem unteren Rande lateral wärts
abweichend. In der Norma verticalis kann man zwischen dem Stirnbein und den
Arcus zygomatici hindurchsehen, zufolge der geringen Stirnbreite. In der Schläfen-
fontanelle sind Schaltknochen häufig, die an einem ihrer Ränder mit den benach-
barten Knochen zu verwachsen pflegen und dann je nach den Umständen einen
Processus frontalis der Squama temporalis oder einen langen Processus sphenoi-
dalis oss. parietal is darstellen, oder die Ala magna vergrössern, namentlich, indem
sie ihr oberes Ende verbreitern.
Mitunter, aber keineswegs immer, sind die Ossa parietalia seitlich abgeflacht.
so dass der Schädel in der Norma occipitalis an das Dach eines Hauses erinnert
und fünfecki»- ist. Auch findet mitunter ein Abfall von der Scheitelhöhe nach
hinten statt.
Die Processus styloides sind dünn, schlank, häufig wie abgebrochen, was auf
eine Zusammensetzung aus mehreren Stücken hinweist, ihre Vaginae aber meist
sehr stark entwickelt. Die Processus mastoides sind klein, kurz, die Incisurae
inastoideae sehr häufig doppelt. Sehr häufig sind Spinae supra meatum vorhanden,
lie Cristae supramastoideae meist sehr stark ausgebildet, die Lineae temporales
superiores erstrecken sich häufig quer über die Tubera parietalia. Mitunter sind
die Condyli occipitales durch eine quere Trennungslinie in zwei Hälften gesondert:
sehr häufig sind Processus paramastoidei, ferner tiefe Gruben zwischen den
Lineai' nuchae inferiores und dem hinteren Rande des Poramen occipitale
rnagnum.
Alle Löcher und Durchgangsöffnungen am Schädel sind sehr weit. Am
interessantesten ist diese Erscheinung beim Gehörorgan: die Weite des Meatus acusticus
internus dürfte nah1 einer grösseren Dicke des N. acusticus, die Weite des äusseren
Gehör i II Ausdehnung des Trommelfelles über einen grösseren Raum und
Beides mit der ausgezeichneten Gehörschärfe der Eingeborenen zusammenhängen.
Die Poramina ovalia sind manchmal sehr weit, mehr rundlich als längsoval
(z. H Nr. 179
^ ;|^ das Gi sieht anbetrifft, so sind die Augenhöhlenränder gewulstet. Keines-
" bedeutend, um an ein Opernglas zu erinnern, wie Virchow diese Formation
bei den Allen gekennzeichnel hat, aber mehr als bei europäischen Hassen. Ferner
lallt die meist sein- beträchtliche Tiefe und Grösse der Possae caninae auf, und
nichl selten sind Fossae praenasales vorhanden. Der Prognathismus ist sehr
bedeutend, was bei den Ziffern des Profilwinkels nicht so deutlich hervortritt.
Bedingl wird die Prognathie hauptsächlich durch die schräge Stellung der Pro-
" alveolares. Die Zahnreihen passen vorn aufeinander, im Gegensat/, zu den
i). bei denen eine, ewöhnlich die untere hinter der andern zurücktritt. Die
/ahne Bind Bchon frähzeitig stark abgeschliffen, in Folge iU>± Eauens ungekochter
Wurzeln oder von Pflanzenfasern zur Herstellung von Netzen; bei den civilisirten
lustralischen Eingeborenen lallt dies natürlich wi
(511)
Hinter dem Weisheitszahn verlängert sich der Processus alveolaris des Ober-
kiefers nach hinten, enthält zuweilen eine kleine Höhle und bietet jedenfalls Raum
für einen vierten Molarzahn : die Gaumen-Endbreitc ist gewöhnlich etwas beträcht-
licher, als die Gaumenmittelbreite, doch sind die Unterschiede nur gering.
Trotz der grossen absoluten Länge des Schädels überschreite! die Länge der
Schädelbasis gewöhnlich nicht die Norm: sie betrug an 30 Schädeln im Durch-
schnitt 101,5 mm. Diese Kürze bedingt die oben erwähnte Einziehung der Nasen-
wurzel, welche den lebenden Eingeborenen ein so charakteristisches Aussehen
\ erleiht.
Die geschilderten Charaktere, über welche weiterhin die Varietäten zu ver-
gleichen sind, treten mehr oder weniger ausgesprochen bei jedem australischen
Schädel hervor. Sie sind nicht zufällig zusammengewürfelt, sondern stehen in Be-
ziehung zu einander. Manche derselben fasst die Anatomie als Varietäten auf, die
bei allen Rassen, jedoch in sehr verschiedenerjläufigkeit vorkommen. Sie stehen
in Beziehung zu embryonalen Abweichungen, Störungen in der Entwickelung der
Kaumuskeln, der Zungenbeinmuskeln, der Nackenmuskulatur und charakterisiren
sich als stärkere Ausbildung dieser Muskeln im Gegensätze zu anderen. Der
Australier theilt manche dieser Besonderheiten mit anderen primitiven Rassen, aber
nirgends, so viel man bis jetzt sagen kann, sind sie so ausgeprägt. Jedes dieser
Kennzeichen hat die Richtung, dem Schädel einen mehr kindlichen oder gar mehr
thierischen Charakter zu verleihen. Die wissenschaftliche Anatomie sieht als
Normalmenschen den Arier an, und Abweichungen von dessen Typus kann man
am einfachsten als Störungen subsumiren. Ein eingeborener australischer Anatom,
wenn es solche geben könnte, würde wohl einer entgegengesetzten Auffassung
huldigen. Man kann jedoch jetzt sagen, dass eine Störung, ein Zurückbleiben in
der Entwickelung der Stirnregion vorliegt. Dafür sind charakteristisch: die Pro-
cessus frontales der Squama temporalis oder die Schaltknochen in der Schläfen-
fontanelle, die geringe Länge der Schädelbasis im Vergleich zur ganzen Länge.
die Einziehung der Nasenwurzel, die geringe Stirnbreite, während die Arcus zygo-
matici lateralwärts hervorragen, die Häufigkeit eines Tonis frontalis medianus u. s.w.
Abhängig ist das Zurückbleiben der Stirnregion unzweifelhaft nicht vom Schädel.
sondern vom Stirnlappen des Gehirns. Es wäre also auf die embryonalen Ent-
wickelungsstadien zurückzugehen, oder zunächst auf das Gehirn selbst, das nach
Waldeyer's R-ath für die (Jebersendung durch Pormol vorbereitet weiden sollte.
Die bekannten Geschlechtscharaktere des weiblichen Skelets treffen
auch bei der Australierin zu. Das Mittelstück des Sternum ist beim Mann
doppelt so lang, als das ßiannbrium, beim Weibe, auch dem australischen, ist
letzteres relativ länger. Die Glavicula isl weniger stark gekrümmt, die Seitentheile
des Kreuzbeines sind breiter, der Arcus pubis nicht so winkelrecht wie beim
Manne. Alle Knochen sind zarter, schlanker, die Muskelansätze und Gelenkenden
weniger ausgepräg
Der weibliche Schädel ist kleiner, seine Knochen sind dünner, ersterer daher
absolut leichter, der Längenhöhenindex and der Augenhöhlenindex grösser. Seme
Dimensionen sind etwas geringer, alle Charaktere des männlichen Schädi
über anderen Rassen sind zwar vorhanden, aber weniger ausgeprägt. Die Dolicho-
cephalie ist etwas, die Capacität bedeutend, durchschnittlich um 100 ringer.
Alle Foramina sind kleiner, die Augenhöhleneingänge mehr rundlich, deren R
nicht so gewulstet, die Nasenwurzel nicht so enorm eingedrückt, die
und Cristae wenig bildet Immerhin würde es schwer halten, auf
Charaktere hin einen weiblichen Schädel mit Sicherheit herauszufinden.
(512)
Eine Anzahl von etwa IG Schädeln könnte nach den bekannten Charakteren,
unter denen die stärkere Wölbung der Stirn, die geringere Capacität und geringes
Hervortreten des Hinterhauptes erwähnenswerth sind, als weiblich bezeichnet
werden. Eine vollständige Garantie dafür war jedoch nicht zu erreichen. Es sind
die Nrn. 9, 13, 39, 43, 60, 75, 79, 84, 91, 115, 138, 139, 147, 148, 160, 181. Würde
man sie aus der Reihe der gemischten Schädel fortlassen, so würde sich in den
Mittelzahlen nur wenig ändern; sie den weiblichen Schädeln ohne Weiteres zuzu-
rechnen, geht nicht an, weil ihr Höhenindex zu gering ist, wie die Tabelle zeigt:
Schädel: T •• t •■
Langen- Langeu-
[wahrscheinlich weibliche, unter breitenindex höhenindex
den ..gemischten" mitgezählt] . L6 70,7 7*2,3
männliche 21 68,8 74,6
weibliche 15 71,1 75,9
gemischte 134 69/Z 72,8
zusammen 170 durchschnittl. 69,7 73,3
Ueberdies reichen, wie gesagt, die oben aufgezählten Charaktere des weiblichen
Schädels nicht aus, um Sicherheit über das Geschlecht zu geben. Sie alle linden
sich häufig genug bei jungen Männern vom 20. — 30. Lebensjahre z.B. bei Nr. 77,
134 und 149), andererseits kommen unzweifelhaft weibliche Schädel vor (z. B.
Nr. 18), die vollständig dem Schädel eines Mannes gleichen. Man könnte daran
denken, dass nach australischer Sitte den Knaben bei der Mannbarkeitserklärung
ein oder zwei mittlere Schneidezähne des Oberkiefers ausgeschlagen werden. Da
dies geschieht, ehe der Processus alveolaris maxillae seine bleibende Form an-
genommen hat, so lässt sich der Vorgang noch am macerirten Schädel constatiren.
Der Processus bleibt an dieser Stelle dünn, der Kieferrand wird sehr scharf, unter-
wärts nur 2 — 3 mm breit. Diese Eigentümlichkeit fand sich, abgesehen von den
sonst mit Sicherheit als männlich nachgewiesenen Schädeln, bei Nr. 35, 52, 58,
77. 91, 96, 100, 103, 104, 106, 109, 143, 151, IM, 167, 171, 175, 176, 177, 178,
also bei 20 Schädeln; der Gebrauch ist aber keineswegs bei allen Stämmen ver-
breitet, und unter den 21 sicher männlichen Schädeln fehlten nur Nr. 42 die mittleren
Schneidezähne in Folge einer frühzeitigen Operation. Auch bei Frauen können
natürlicher Weise ein oder mehrere Schneidezähne frühzeitig verloren gehen, und
bei jungen Mädchen wird die Operation des Ausschiagens derselben bei einigen
Stämmen (Nr. 108, 145) wie eine Modesache geübt. Unter diesen Umständen
erschien es am besten, zunächst die ganz sicheren Thatsachen festzustellen, da
genug männliche 21) und weibliche (15) Schädel von unzweifelhafter Herkunft
vorlagen, um das Bild weder durch die Hinzurechnung von jenen 16 wahrscheinlich
weiblichen, noch von 20 wahrscheinlich männlichen zu trüben. Die Anzahl der
gemischten Schädel wäre dadurch auf 98 vermindert worden, aber auch diese
letzteren .sind mit grösster Wahrscheinlichkeit als männliche zu betrachten. Der
Schädel Nr. 45 ist unzweifelhaft männlich; da ihm aber ein Theil der Schädeldecke
fehlt, so sind die Maa e nicht sicher zu verwerthen und der Schädel ist unter
den gemischten untergebracht.
Es sind nun eine Menge von Einzelheiten zu erörtern.
Die grösste absolute jerade Länge von "204»//« besitzt der Schädel Nr. 81,
der als männlich betrachtet werden darf, die geringste Länge beim Manne beträgt
L63 mm am Schädel Nr. 26. Beim Weibe misst die grösste Länge 188 mm am
Schädel Nr. 37 und die geringste 161 mm am Schädel Nr. 118, wenn man von dem
jugendlichen Weibe Nr. 117 mit nur 155////« absieht.
Gemischt
Total
56
67
—
84°
—
75°
78,6
78,6°
(513)
An 67 Schädeln wurde der ProfilwinkeJ in Graden bestimmt:
Männlich Weiblich
Anzahl der Sch&del 5 6
Maximum 79° 84°
Minimum 75° 76°
Mittel 76,3° 79,7
Die Capacität wurde nach der Methode Virchow's mit Broca' sehen
Instrumenten mittels Bleischrot von 2 mm Durchmesser an 50 männlichen oder
gemischten Schädeln and an 5 weiblichen bestimmt. Einer der letzteren (Nr. I •'•■
ist in den Tabellen nicht zu den weiblichen Schädeln gestellt, weil ein directer
Nachweis nicht za liefern war. Er zeigt alle Merkmale eines weibliehen Schädels:
Prof. Wilson in Sydney war mit mir in der Diagnose einig.
Die gefundenen Capacitäten stimmen mit den hier zur Vergleichung aufge-
führten Durchschnittszahlen früherer Beobachter überein; Letztere konnten über
das Geschlecht jedoch zumeist nur Vermuthungen aufstellen und verfügten über
eine viel geringere Anzahl von Schädeln. Nr. 29 (1365 cem) und Nr. 49 (1240"/,,)
sind unzweifelhaft männlich.
Gemischt Weiblich
Beobachter:
W. Krause: Mittel 1238 1136
.Maximum 1590 1370
Minimum 1000 990
Quatrefages et Hamy 1269 —
Flower 1298
Turner: männlich 1293,7 1103
„ .Maximum 1514 —
.Minimum — 940
Der Schädel Nr. TS verdankt seine auffallende Capacität (1590 cem) wesentlich
seiner beträchtlichen ganzen Höhe (144 mm) bei einer geraden Länge von 181 und
einer grössten Breite von 132 mm. Die Indices lauten: L.:B. = 72,9; L:H.=79,6.
Turner hat 20 Männer und 10 Frauen, Flower 16 männliche Schädel (und
einen weiblichen Schädel aus Queensland) gemessen, die sich nach Regionen, wie
folgt, vertheilen Hessen (vergl. S. 517 die Erklärung der Tabelle). Damit sind hier
48 gemischte Schädel zusammenzustellen:
Norden
Nordosten
Osten
Südosten
Süden
Westen
cem
rem
cem
cem
cem
CCIII
Kraus e .
. 1220
L286
1256
1245
1228
1213
Flower.
. 1236
1225
1370
1172
1333
1300
Meine Messungen erwiesen sieb bei Wiederholungen bis auf etwa 1"
genau; sie Bind anter einander vergleichbar, während die Vergleichung der An-
gaben verschiedener Beobachter mit einander auf mehr als eine Schwierigkeit -
Der Längenbreitenindex des Poramen occipitale magnum beträgt bei den
nachgewiesen männlichen Schädeln im Durchschnitt 81,2, bei den Frauen 81,5, im
Mittel 81,3. Kr schwankt zwischen 64—100, vergl. die Schädel Nr. 169 und 5 l
weilen ist das Foramen fast rautenförmig (Nr. 25 und 68). Sein vorderer Rand
liegt stets um einige 2- 10 Millimeter höher, als der hintere: die einzigen Aus-
nahmen bilden die Schädel Nr. 6 und Nr. 32.
Das Innere der Schädel. An den zerbrochenen und aufgesägten oder in
der Mitte ualbirton Schädeln Hess sich die Gelegenheit benutzen, die Besonder-
heiten der Innenwände zu ermitteln. Die Foramina. namentlich auch der Meatus
acusticus internus (Nr. 15), sind weit, und mit Rücksicht auf das scharfe Gehör
Verband], der Berl. Anthro] . G Ilsi \tl 1897
(514)
der Eingebomen darf man vielleicht eine besondere Dicke der Nervi acustici ver-
muthen. Die Dicke der Schädelknochen ist zwar aus den Berichten der früheren
englischen Ansiedler und manchen Beispielen von Verletzungen bekannt; trotzdem
erregen diese dicken, massiven, eisenfesten Schädelwände, ohne Diploe, nicht ge-
ringe Verwunderung. Die Sinus frontales können ganz fehlen (Nr. 24) und die
Arcus superciliares stellen eine solide, 19 mm dicke Knochenmasse dar; an der
Protuberantia occipitalis externa ist der Knochen 15 mm, an der Protuberantia
occipitalis interna 11 mm dick (Nr. 24, Nr. 16). Die Fossae subarcuatae sind sehr
tief, die Eminentia arcuata des Canalis semicircularis superior sehr stark, die
Apertura externa des Aquaeductus vestibuli sehr deutlich. Dagegen sind die
Foveolae granuläres (Pacchionii) der Innenfläche wenig entwickelt und sparsam
(Nr. 5), die Juga cerebralia niedrig und die Impressiones digitatae sehr flach
(Nr. 6), doch ist dies nicht immer der Fall (Nr. 30 und 103).
Der Sattelwinkel konnte nur einmal gemessen werden (Nr. 24); es wurden
142° gefunden.
Erhaltungszustand der Schädel. Das mir zur Verfügung gestellte Schädel-
material war durchweg soweit conservirt, wie es bei ausgegrabenen Schädeln die
Regel ist. Die Bestattungsweise war bei den verschiedenen, jetzt ausgestorbenen
Stämmen eine verschiedene: Begraben, Mumificirung in hockender Stellung, Aus-
setzen auf hölzernen Plattformen zum Schutz gegen kleinere Fleischfresser, Be-
stattung in hohlen Bäumen kamen vor. Häufig sind im Sandboden eingegrabene
Skelette durch die Winde freigelegt und ihre Schädel reinweiss gebleicht, mit
grob granulirter Aussenfläche der Knochen, die von dem continuirlichen Auftreffen
fortgeblasener feiner Sandkörner herrührt. Einige der bestattet gewesenen Schädel
sind nachträglich auf den anatomischen Anstalten Australiens macerirt, wodurch
freilich nicht immer viel gewonnen wird. Am meisten hatte das knöcherne Ge-
sicht gelitten, was im Interesse des vierten Molarzahnes besonders zu bedauern
ist; andernfalls wären Spuren desselben vielleicht öfter zu finden gewesen. Häufig
fehlten die Unterkiefer, auch passten einige nicht zu den betreffenden Schädeln
und wurden selbstverständlich fortgelassen. Nur verhältnissmässig sehr wenige
stammen aus Sectionssälen; die meisten sind auf dem Lande von Aerzten, Land-
vermessern, Grundbesitzern, Polizeibeamten, aber auch von Museumsvorständen
eingesammelt. Wie lange die Leichen begraben gewesen sind, ist vollkommen
unbestimmbar; nur in einem Falle (Nr. 90) Hess sich sicher constatiren, dass seit-
dem 50 Jahre verstrichen waren, und dieser Schädel war nicht schlechter conser-
virt, als die meisten der übrigen.
Half-castes, Mischlinge, von einem weissen Vater und einer schwarzen Mutter
herrührend, sind keineswegs selten und die sog. Eingebornen-Stationen und Missions-
anstalten Australiens (äst ausschliesslich mit solchen gefüllt. Sie haben eine ocker-
gelbe Hautfarbe, hell- bis dunkelbraunes Haar, keine hervorspringenden Arcus
superciliares, breite and Hache Nase, weniger hervortretende Jochbeine, dicke
Lippen. Die Männer sollen etwas heller sein. Es waren unter den zur Verfügung
gestellten Schädeln vier, die mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit als Half-castes
zu erkennen waren: ihre Eigentümlichkeiten hielten sich in der Mitte zwischen
australischen und europäischen Schädeln. Eine Untersuchung derselben würde
bei grösseiem Material interessant genug sein, wenn man wissen könnte, wer die
Väter waren, die natürlich den Half-castes selbst vollständig unbekannt bleiben.
Von den Missionsanstalten Material zu erhalten, ist ganz unthunlich, da sogar
Sectionen dort aus leicht zu errathenden Gründen principiell ausgeschlossen sind.
Von pathologischen Veränderungen ist zu erwähnen, dass Knochen-
(515)
□arben, von Tomahawkhieben oder Keulenschlägen herrührend, häufig sind; letztere
kommen auch an weiblichen Schädeln vor. Ferner sind periosteale Auflagerungen
nicht selten. Dreimal kam Syphilis zur Beobachtung (Sr. 15, 16, 80 und ebenso
oft (Nr. 89, 163, 188) die eigentümliche, auf die Schädelknochen Übergreifende,
leicht mit Syphilis zu verwechselnde Hautkrankheil der Eingebomen, welche die
Engländer in Australien itch nennen. Sie wird aber nicht von Sarcoptes hominis
bedingt, sondern soll von einer anderen Milbe herrühren.
Varietäten sind an den australischen Schädeln sehr häufig; wegen der selte-
neren ist auf die Beschreibung der einzelnen Schädel zu verweisen.
Ein Torus frontalis medianus fand sich bsmal an 154 Schädeln oder in
14,2 pOt. mehr oder weniger entwickelt.
Sutura frontalis. Ein Caput cruciatum kam nur einmal /.\\v Beobachtung
(Nr. 8); mehr oder weniger hoch von der Sutura nasofrontalis an hinaufreichende
Beste der Sutura frontalis sind dagegen nicht ganz selten, wenigstens = 5 pCt.
Die untere Partie einer solchen persistirenden Sutura frontalis pflegt stark gezahnt
zu sein. Ein Schädel (Nr. 172) bot einen grossen rhombischen Schaltknochen in
rossen Fontanelle dar.
In der Sutura nasofrontalis kamen kleine Schaltknochen ebenfalls zur !
obachtung. Die Nasenbeine sind häufig angleich, asymmetrisch, sehr schmal,
in ihrer oberen Hälfte mehr sagittal als frontal gestellt, so dass die Sutura inter-
oasalis nach vorn zuweilen eine scharfe Kante bildet.
Ein Foramen supraorbitale war an 127 Schädeln 50 mal oder in 19,2 pOt.
vorhanden. 17 mal rechterseits. 7 mal linkerseits und 24 mal an beiden Seiten. Ein
Foramen frontale war an 170 Schädeln 8mal oder in 2,4 pCt. vorhanden, stets
nur einseitig und eben so ofl rechterseits. wie linkerseits. Die Incisurae supraorbitalis
und frontalis waren 75 mal oder in 2ü.4 pCt. vereinigt. 16 mal rechterseits. 19 mal
linkerseits. 20 mal an beiden Seiten. In den übrigen 55,8 pCt. waren die beiden
Incisuren getrennt. Bei norddeutschen Schädeln verhält sich die Sache ganz
anders. Unter 509 solchen Schädeln war ein Foramen supraorbitale in 51,8 pCt.
vorhanden, ein Foramen frontale in 1 pCt. (W. Krause, Handbuch der mensch-
lichen Anatomie. 1880, Bd. III. S. 67 .
Zweimal wurde eine Spina trochlearis beobachtet. Die Fossae sacci
Lacrimales sind gewöhnlich wen.
Ein Processus frontalis der Sqnama temporalis fand sieh unter 186 Schä-
deln (von denen jedoch einige anvollständig waren) 14 mal, beide Seiten zusammen-
gerechnet; ein Schläfenfontanellknochen (Os epiptericum] 42 mal: beide insgesammt
in 17 pOt. (Vergl. die Statistik von Virchow, Zeitschrift für Ethnologie.
Bd. XII, S. 1. Verwachs! dieser Schaltknochen mit der Sqnama temporalis
entsteht ein Processus frontalis der letzteren, verwächst er mit dem Os parietale,
w.is die Norm ist, so verbindet sich Letzteres durch die Sutura parietosphenoi-
dalis mit der Ala magna; nicht selten ist diese Sutor auffallend lang, z. B. 35—3
Nr. 107).
Der Meatus acusticus externus ist in der Regel weit, mit öfters sehr stark
verdickter vorderer und unlerer Wand: im ersteren Falle entsteht dadurch eine
ithümliche schmale Spaltform von bedeutender Höhe in verticaler und geringer
Breite in sagittaler Richtung. An der hinteren Wand des Mi itus
zuweilen 6 mal unter is7 Schädeln 3,2 pCt. glatte, rundliche oder längliche
stosen, and es lies» sich nachweisen, dass sie \on einer abnormen Fortsetzung
jener Verdickung der unteren Wand nach hinten geliefert werden Nr.
Spinae supra meatum waren 112 mal an 168 Schädeln oder in 72
(516)
vorhanden, Cristae supramastoideae an 186 Schädeln 135 mal oder in 72,5 pCt.;
sie sind meistens stark entwickelt.
Die Sutura coronaria war in 116 Füllen unter 137 Schädeln oder in <S4,7 pCt.
im mittleren Theile jeder ihrer Seitenhälften viel stärker gezackt, als im oberen und
unteren Theile, und mit weit längeren Zacken versehen, als es bei Europäern der
Fall ist, welche Beobachtung ich Hrn. Prof. Wilson in Sydney verdanke. Letztere
Beschaffenheit fand ich in etwa 70 pCt., sowie dass sie ursprünglich von dem Vor-
handensein sehr kleiner Schaltknochen in dieser Sutur herrührt (z. B. Nr. 42,
Nr. 112 bei jungen Männern).
Die Sutura lambdoides enthielt 82 mal an 185 Schädeln oder in 42,9 pCt.
einen oder mehrere, bis zu 21 (Nr. 170) Schaltknochen. Ein' echtes Os Incae kam
nicht zur Beobachtung, dagegen 5 mal ein Os interparietale, welches die Spitze
der Squama occipitalis bildete (Nr. 1<S, 27, 104, 131 und 175). Einmal war ein solches
mit der Squama occipitalis verwachsen, deren oberes Ende dadurch einen quadra-
tischen Vorsprung erhielt (Nr. 35).
Ein Toms occipitalis transversus kam 57 mal oder in 29,6 pCt. zur
Beobachtung. Processus paramastoidei waren 51 mal oder in 29,6 pCt. mehr
oder weniger entwickelt; sie zerfallen öfters in mehrere kleine Höcker. Die Pro-
cessus mastoides sind klein, die Incisura mastoidea ist meist weit und flach,
häufig doppelt, auch sitzt neben dem Processus mastoides medianwärts zuweilen
ein kleinerer Processus mastoides accessorius (Nr. 64). Die Processus
styloides sind dünn, ihre Vaginae dagegen meist sehr stark entwickelt, breit,
dick und lang. Auch die Spinae angulares sind häufig zu starken Processus
ausgebildet. Am hinteren Rande des Foramen occipitale magnura zeigt sich
bei jugendlichen Schädeln ein länglich-viereckiger, transversal verlaufender Aus-
schnitt, einige Millimeter in sagittaler Richtung messend. Am vorderen und an den
Seitenrändern des Foramen sind öfters kleine rundliche Tubercula vorhanden.
Hinter dem Foramen occipitale magnum, zwischen ihm und den Lineae nuchae
inferiores, dicht neben der Crista occipitalis externa befindet sich häufig jederseits
eine flache, kürzere oder längere Impressio muscularis für die Insertion der
Mm. recti capitis posteriores minores. Die Condyli occipitales sind häufig stark
convex, fallen steil nach hinten ab und dann bildet sich eine tiefe rundliche Grube
l'ür das Poramen condyloideum. Die Pars basilaris oss. occipitalis ist bis zur
Bynchondrosis sphenobasilaris, wenn sie genau gemessen werden kann, stets 22,
höchstens 23 mm lang. Die Messungen sind aber an älteren Schädeln höchst un-
sicher. An ihrer unteren Mäche ist das Tuberculum pharyngeum häufig stark ent-
wickelt, oder es sind eine mediane Fovea pharyngea und an ihrem lateralen Seiten-
winde besonders stark entwickelte, symmetrische schräge Cristae musculares vor-
handen. Neben den Alae vomeris verläuft zuweilen jederseits ein weiter Canalis
vomerobasilaris vomerosphenoidalis lateralis superior (Nr. 45 u. 175). Die
röhnlich sehr weite Fissura pterygopalatina war zuweilen auffallend eng;
sie ist zuweilen durch Spinae an ihrem hinteren lateralen Rande verengert (Nr. 151).
Bin Poramen pterygospinosum s. Civinini fand sich mehrere Male (Nr. 28,
75, 93, 135, 171). Die Fissura orbitalis inferior ist manchmal sehr weit
(II — 15/»///) in ihrem vorderen Theile, zuweilen fällt sie durch ihre Enge auf.
Proce 'i marginal« der Jochbeine zeigten sich 7:; mal an 12<s Schädeln
oder in 57,0 p< 'i.
Der Canalis Lnfraorbitalis isl in seiner hinteren Hälfte oftmals weit offen,
und beiderseits von der V irschlussstelle verläuft eine Naht nach vorn und median-
wärts /.uin Ende di P imaticus maxillae (Nr. 41).
(517)
Die Sutura palaiina transversa verläuft nicht selten anregelraässig, so dass
die Pars horizontalis des einen Gaumenbeines sich weiter nach vorn erstreckt, als
die des entgegengesetzten. Am harten Gaumen sind Andentungen eines Toms pala-
tinus fcransversus häufig genug vorhanden: 57 mal unter 119 Schädeln =38,3 pCt,
Viel seltener, aber als regelrechter medianer Wulst, erscheint ein Toms pala-
tinus medianus (/. P>. Nr. 82). Spinae palatinae waren unter 165 Schädeln
[24 mal oder in 75,1 pCt. vorhanden. Bemerkenswert!) ist eine häufig vorkommende
scharte und dünne, aber zum Theil recht hohe (mehrere mm) Crista palatina
transversa, welche in querer Richtung, mit ihrer hinteren Flüche etwas aach
unten schauend, nahe vor dem hinteren Bande der Pars horizontalis 088. palatini
beiderseits verläuft und dem IC. tensor veli palatini zum Ansatz dient.
Die Hamuli pterygoidei sind meist dünn und kurz, zuweilen breit und an
ihrem freiem Ende knopfförmig abgerundet.
Processus alveolaris maxillae. Wie früher schon mitgetheilt wurde
(Internationale Monatsschrift. 1897, Bd. XI V, H. 10, S. 214). zeichnen sich die
australischen Schädel durch eine starke Verlängerung des Processus alveolaris
maxillae hinter dem Weisheitszahn nach hinten aus, die bei 109 Schädeln im
Durchschnitt 1 cm (10,07 mm) betrug. In dieser Verlängerung- linden sich zuweilen
kleine, glattwandige, nach unten entweder geschlossene oder offene, nach oben sich
in einen Knochenkanal fortsetzende Höhlen. Ihre Dimensionen betragen nur wenige
Millimeter, und gewöhnlich liegen sie in der Verlängerung der Axe der Oberkiefer-
zahnreihe. Für ihr Dasein lässt sich kaum eine andere Erklärung finden, als die,
dass sie die abortiv zu Grunde gehende, weich bleibende Anlage eines vierten
Molarzahnes enthalten. Solche Höhlen fanden sich an 17 Schädeln unter 188,
also in 9 pCt.; es sind die Schädel Nr. 3, 70, 85, 106. 107, 114, 116, 120, 121, 147, 149,
151, 1G7, 172. 175, 177, 179. Zuckerkand! (Sitzungsher. der k.Akad. d.Wissensch. zu
Wien, 1891, Bd. C, Abth.UI, S. 315) fand Alveolen oder Dellen unter 300 Schädeln
nur 5 mal am Oberkiefer. Man muss bis zu den Beutelthieren, z. B. Perameles,
hinuntergehen, um lebende Säuger mit 4 Molarzähnen im Oberkiefer zu linden:
die amerikanischen Allen besitzen zwar 36 Zähne, aber je 3 Praemolarzähne
und nur 3 Molarzähne. Jene Verlängerung des Processus alveolaris fehlt, wenn
der Weisheitszahn eben durchbricht (Nr. 117 u. 172) und bildet sich erst allmählich
aus (Länge z. B =4 mm, Nr. 103); wenn der letztere noch gar nicht abgeschliffen
ist. beträgt die Verlängerung beispielsweise nur 7 .Schädel Nr. 17!») oder 8 mm
(Nr. l
Erläuterungen zu den Tabellen.
Eingeklammerte Ziffern zeigen an, dass die Messung aus irgend einem Grunde
unzuverlässig erschien, tn der Colonne E bedeute! ein + Zeichen, dass der vordere
Rand des Poramen occipitale magnum höher liegt, als der hintere. Das Zeichen
deutet das Gegentheil an. Wenn der Unterkiefer nicht vorhanden war. so steh!
in der Colonne 19 ein Strich: hat ausnahmsweise die I iesichtshohe nicht gen
werden können, weil alle Zahn.' fehlten, so ist dies ausdrücklich angegeben.
Die Numerirung der Schädel giebt die chronologische Reihenfolge an, in der
sie untersuch! wurden: einige aus den verschiedenen, vorhin aufgezählten Gründen
unbrauchbare sind weggeblieben, theilweise jedoch noch für die statistischen
Notizen ausgenutzt. Angeordnet sind die Schädel nach Regionen, um eine Ver-
gleichung verschiedener Gegenden d ■ australischen Continents /.u ei
liehen. Topinard') hatte die Hypothese aufgestellt, es seien zwei Kassen in
1 Etüde Mir les races indigenes de l'Australie. Bulletins de la societe d' Anthropologie.
1872. T. XII. p. 211.
(518)
Australien vertreten, eine kleinere, mehr dolichocephale, Neger-ähnliche im Westen
und eine grössere, weniger dolichocephale im übrigen Australien; erstere sei von
der letzteren verdrängt, die sich muthmaasslich deren Frauen bemächtigt habe.
Turner1) konnte für solche Vermuthungen keinen Anhaltspunkt finden, und die
folgende Zusammenstellung nach Regionen zeigt, dass die Schädel keine Differenzen
darbieten, die für eine Sonderstellung des Inneren oder des "Westens sprechen
würden. Richtig scheint zu sein, dass die Leute im Westen etwas kleiner sind;
der 25jährige Mann, dem der Schädel Nr. 27 angehörte, war nur 155 cm gross, und
die nicht grösseren, von Watson gemessenen Skelette der Schädel Nr. 168 und
169 weisen ebenfalls auf eine kleinere Statur hin. In Australien zweifelt man
aber nicht, dass dies eine Degenerationserscheinung, eine Folge der Dürre und
Unfruchtbarkeit eines Landes ist, wo es nicht einmal Schlangen und Eidechsen
als Fleischnahrung giebt.
In politischer Hinsicht zerfällt Australien in fünf englische Colonien: Queens-
land, New South Wales, Victoria, South Australia und West Australia. Für
anthropologische Zwecke muss man jedoch South Australia weiter eintheilen. weil
diese Colonie sich in einem breiten Streifen von Norden nach Süden durch den
ganzen Continent zieht und den Westen von den drei östlichen Colonien trennt,
von welchen letzteren Queensland den nördlichen, A'ictoria den südlichen Theil
des Ostens umfasst, während New South Wales die Mitte einnimmt. Der nörd-
liche Abschnitt von South Australia wird Northern Territory dieser Colonie ge-
nannt; zwischen ihm und dem eigentlichen Süd-Australien befindet sich das innere
oder centrale Australien, das sich in West-Australien hinein erstreckt. Somit er-
giebt sich:
Norden = Northern Territory von South Australia.
Nordosten . . . . = Queensland mit der Hauptstadt Brisbane.
Osten = New South Wales mit der Hauptstadt Sydney.
Südosten = Victoria mit der Hauptstadt Melbourne.
Süden = South Australia mit der Hauptstadt Adelaide.
Westen = West Australia mit der Hauptstadt Perth.
Inneres — Centraler Theil von South Australia.
Unbestimmt . . . = unbestimmter Herkunft.
Es liegen nehmlich einige Schädel vor, über deren Herkunft nichts zu er-
mitteln war.
1) Reports of the Voyage of H. M. S. Challenger. Edinburgh 1884. Vol. X. P. XXIX.
Männlich.
Nr.
1
19
23
20
2S
29
1 2 3 4 4«
E I 7
178 183 180 L28 L19 91 126+ 5 125
189 200 198 L36 1 L8 100 I32! + 9165
8 9 10 ! 11 12 13 113« 13A 14 15 16
106 104 92
111 110 102
179 186 184 123 143 98 133+ 4435 106 103 102
163 168 164 HO
181 185 1751122
180 183 183 126
176 178175 132
99 85 L29 +■ 6430
L02
116
111
100 L8B + 10188
94 131+ 7 135
97 134 + 8 138
94
107
112
95
118
110
108112
94
94
105
107
19 31129 100 138 495: 361 298
22 39 38 102 139 543; 409 305
23 38 29 104 127 518 377 286
23 34 31 95 113 457 353 267
24 39 31 89 127 499 373 298
24 32 29 j 95 132 497| 382 309
22 36 31 99133 510 369 306
(519)
Nach dieser Reihenfolge sind die Schädel geordnet, zunächst .jedoch die un-
zweifelhaft männlichen und weiblichen gesondert aufgeführt. Wie man .sieht,
unterscheiden sich die Mittelzahlen der [ndices von Schädeln ans verschiedenen
Regionen Australiens nicht wesentlich von einander. Bei der Berechnung der ge-
mischten Schädel sind in der letzten Columne die männlichen mit eingerechnet,
weil, wie oben (S. 512) erörtert, bei Weitem die grösste Mehrzahl der gemischten
als männlich betrachtet werden muss.
Mittel der Schä delindices, nach Regionen geordnet:
„ . Anzahl der Längen- Längen-
Kegionen Schädel breitenindex höhenindex
Norden 18 69,4 76,7
Nordosten 21 69,5 74,7
Osten 40 71,6 74,5
Südosten 18 69,6 73,2
Süden 32 68,7 71,3
Westen 13 69,9 75,2
Inneres 9 68,4 74,6
rnhestimmt 4 6oJ» 72,0
Summa .... 155 69,7 74,6
Maxima und Minima der Schädelindices, in Procenten:
Längenbreitenindex Längenhöhenindex
Männlich Weiblieh Total Männlich Weiblich Total
Maximum . . . 75,0 76,0 77,8 81,8 82,0 82,1
Minimum . . . 6i.r> 6M ^ {j]± ^£ ^ii-
Mittel . . . 68,8 71,1 69,7 74,6 75,9 74,6
Mittel der Gesichtsindices, in Procenten:
„,..,., n . u Gemischt
Männlich ^ eiblich Gemischt um| ni:mni
Gesichtsindex nach Virchow . . . 119,4 116,8 117,4 117,4
Obergesichtsindex nach Virchow . 70,0 70,7 68.* 68,9
Jochbreitengesichtsindex 91,8 90,9 90,2 90,6
JochbreitenobergesichtBhöhenindex . 53,6 54,7 52,8 53,0
Augenhöhlenindex nach Virchow . 79,0 82,8 79,9 79,7
Nasenindex 64,2 58,4 64,0 63,0
Gaumenindex nach Virchow . . . 68,2 63,7 67,8 67,3
Männlich.
17
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1 1 5 484 345 295
121 510 393 307
L29|518 393 332
118 461 353276
101
91
100
93
90
92
97
107
97
90
97
95
95
103
95
101
91
98
95
98
92
87
91
93
94
92
85
86
97
89
90
95
85
901 85
91 90
103 90
(523)
Gemischt (Norden).
171,
18 18a
19
20
21
22
23
24
25
26 27
19 30
:;i
32
L.i B I..:1I.
108
L28
24
llü
67
48
28
-11
43
36 34
61
39
40 1 109
79° 1175 70,0
110
pjf,
20
—
71
50
27
42
11
30
33
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38
—
ID.-,
77° L265
118
1 32
21
Uli
69
5t
25
42
42
35
35
63
43
45
HO
- — 70,1
75,4
119
137
22
120
70
46
28
51
50
3:>
36
63
37
39
im;
—
- 63,0
76,9
—
L26
21
107
66
IC,
32
—
43
35
53
42
—
—
—
— 74,6
—
131
21
US
(62)
46
28
—
41
33
(56)
45
—
—
—
— 66,8
72,9
—
—
20
—
66
51
26
—
42 -
33
60
42
—
—
—
—
73,7
73,7
—
131
21
—
(58)
46
27
—
42 —
34
(57)
41
—
—
—
—
73,6 79.1
—
L23
18
L12
(63)
18
27
—
44 -
37
(56)
36
—
—
72,9 79.4
—
L30
22
—
64
46
28
—
43 -
33
65
43
—
—
—
—
67,8
75.:'.
—
L28
L9
—
(59)
51
29
—
43 —
36
(59)
41
—
—
—
—
68,8
76,3
—
L28
23
105
65
48
28
—
4:; -
31
63
39
_ _
—
—
65,7
74,3
—
117
20
100
69
47
29
—
34 —
33
62
36
.—
—
—
75,0
76,2
—
119
IS
106
64
45
24
—
43
30
63
33
—
—
—
—
68,8
76,3
—
M
26
109
58
45
29
—
43
—
34
63
39
—
—
—
75,9
76,4
121 136
l iv i-j.|
118 131
L07 127
101 113
102 116
110129
102 137
105 138
102
106 127
111 137
L09
111
130
127
115 127
102 122
L06 -
103 120
116 L31
—
—
—
—
—
(33)
21
—
— 32
31
48
45
25
127
75
49
32
41
44
19
116
74
49
28
44
42
17
108
65
48
25
41
40
22
116
71
51
28
41
41
23
121
72
47
27
44
44
25
—
63
46
...
44
43
22
110
65
47
27
44
45
21
—
56
43 24
40
36
20
uo
61
44
27
42
42
23
—
70
43
26
42 11
24
111
61
48
32
43 42
21
—
59
44
24
42 42
18
—
66
ls
23
15
45
Gemischt (Nordosten)
35 — —
38 — 39
34 CT 47
35 69 41
36
20
63 16 28 43 43
28 -
59
43
19
65
47
20 -
53
46
22 -
(66
51
IS _
61
44
25
25
27
32
25
10 39
42 LO
12 41
11 41
40 10
36
36
34
35
37
38
33
32
36
33
35
31
32
35
32
33
32
35
34
32
37
40
33
32
31
35
35
31
31
32
33
33
32
32
32
58 38
61 39
64 40
63
45
5! IT
56 40
55 4o
61 40
62 39
(il 41
56 39
62 39
54 32
60 85
55 38
63 34
36 -
48 107
39 Mi;
37 98
39 L02
32 115
19 L03
19 97
40 97
43 97
42 103
39 109
15 104
39 93
SO 1390
79 1385
80 —
82 L040
81 1330
77 1415
79° 1325
TT —
78 1190
80°
76
1 255
L440
TT L380
43
35
36
12
94
94
99
95
-II 9i
33 (89)
7'.'
L315
7V
1155
78
1225
-1
1090
80
L290
73.1 69,2
65.8 -
69,3
69.7 73.0
68.2 72.7
67,0 71.1
65,3
G4,2 TV.'.
64.9 72,4
71.:', TT.-*
71.8 71.8
69,4 76,1
72.3 72.3
77,8
70,2 T4.7
7".-_'
71,9
73,1
65,6
79,6
67,2
(524)
Gemischt (Osten).
Nr.
1 2 3
4 4a 5 6 E 7
8 9 10
11
12
13 13a
13b
14 | 15
16
17
20
191196 187
122 120
91 133 + 6 -
104 — 107
27
—
136
499 377
284
91
31
174 '185 184
132 119
84 138, + 5 136 111 111 102 28
38 30 102
123
496
365
304
97
32
170177 177
122 120
97 139 - 2 132 97 98 101 2736 31 93
131
497 367
297 94
33
189189 182
122 118
96 135 + 6 134 98 106 100 23 32
29 97
131
503 )371
283 99
34
190 191 179
125 122
100 - - 116 117 -
—
125
526 302
308! 117
40
180187 181
120 106
97
- + 5
135 — — 101 25
35
29 102
125
503 -
289 95
45
179 183 —
127 114
101
_ _
_ _ _ 104 26
35
28 96
129
498 1 —
—
92
50
183180 178
120 111
98
127 + 11
133 113 113 97 22 41 30 97
123
502 367
286 76
51
177 178 175
122 109
92 132 + 11
— 110111 98 24 82 30 94
123
483 362
305 95
52
184 182 178
122 107
92 132+ 8
— 113 114 96 22 30 2(5 94
116
491 '372'287' 89
54
165 167 171
123 109
91
130 + 7
L29 108 109 97 22
33 33 i 99
121
476 352 285; S7
55
174180 180
124 110
98
132 + 4
132 111 110 100 22 33 30 98
120
480 |359 278 98
50
191 196 193
118 118
98
141 +11
136128
log 95 — 39 31 98
129
524 403 306 91
57
179|183 183
138 117
97
134 + 12
135115
111 95 24 36 32 104
138
507 385296 94
58
173 177 175
124 113
97
131 + 6
133106
106 99 23 35 33 98
120
492 357 288 02
59
176J179, 178
125 105
91
131 + 10
130112
112 100 24 36 27 97
117
486 358290 87
00
167 173 174
127 108
98
128 +14
127 111
110 93 2234 30 84
118
492 364 287
97
02
173 ISO L72
120 110
98
125 + 11
12 4 i 101
101 92 2136 30 100
121
493 363
287
95
91
172177 175
126 105
88
127+11
127 110
110 95 22 33129 97
115
485 358
288
95
03
181187 L85
123 110
99
135 + 5
133 120
120 10324 34 32 : 96
123
48(5 378
294 101
04
173 180 177
123 112
96
134 + 4
135 106
106 106 26 36 34 97
124
491 341
289 110
95
181 IST 184
131 114
101
139+ 7
139ill3
117 105 -2438 32|110
132
522 373
308 97
00
185 186 181
125 113
99
139 + 8
139!115
115 105 25 35 26
98
123
504 1376 298 9S
07
183 189 183
125 92
115
143 + 4
142 112
112 106 28,32 29
100
130
511 380
311 103
98
190 194 L84
138 123
103
132 + 8
131109
109
98 22 34 29
104
141
523 j388
304 100
99
184191 187
129,118
95
135 f 5
136 HO
115
102 24 34 32 106
129
522
379 302 95
100
177179 172
131 118
95
136 + 8
137114
114
101 26 30 25
96
133
495
365 307
95
101
177 184 182
122 102
91
129 + 7
128101
101
95 22 37 28 92
110
498 368 289
92
102
17»; 172 (167)
128 105
93
137 + 8
— 114
115
97 23 34 29 96
124
488 365
307
Ol
103
176 181 175
124 107
02
127 +11
129 106
hm;
97 2138 31 09
124
403 367
298
92
142
187J188 —
131 lls
88!
129 —
— 93
110—38 30 —
—
507 358
288
102
143
184 L88 —
130 116 87
133 -
— 100
105-35 29 -
—
509
366
202
100
144
176 L76 —
122 11.",
87
1 25 —
—
97
—
98
33
29
—
—
488
352
284
89
180 187 185
Gemischt (Südosten).
UM L15 in:; - _ _ H4 114
97 120 503 -
1*1
101
188 184 129 123 07 131 4- 8 135:105 108 103 24 33 27,101 133
107
186jl96
183 189
191
194
186
124 125 105 133 :\ 134 1 18 121 105 25 37' 30 1 13 142
L20 120 104 134 520
515 382
537 389
129 HS 107 -
124 118 96 142
|S| 187 186 135 124 103 121 6 133 HO III 10220 35 31 108140 518 1.373
181 183 179 135 137 99 135 I 129 III L13 1 05 23 3 1 25 102 143 493 |372
295
299
95
96
304 107
3031(114)
39 282 00
302 93
3O0 10 1
(525)
Gemischt (Osten).
17;i 17b
18
18 a 19 20 21 22
23 24
25 26
27 28 29 30 31 32
L.:B.L.:H.
'.II -
18
113 73 39
29
1114
33
:i:;
—
43
15
116
63,9 69,6
-1 108
109
18
- 69 43
27
36 37
34
35
50
—
40
94
- 1365
75,9 79.:.
98
114
123
22
112 61 50
29
38 32
32
54
—
38
98
—
—
71,8 8O.2
88
112
123
20
106 68 55
i'7
40 39 32
33
53
39
42
94
—
—
64.5 71,4
94 121
139
IS
126 71 4«
28
15 44 37
39
58 44
43
—
77°
—
65,7 —
'."7
114
124
22
112
62 45
26
43 43130
31
64
36
39
103
82
—
66,7 70,2
91
114
134
22
—
69 51
28
43 44 36
38
61
42
40
102
79°
—
70,1 —
77 101
1-2-2
19
117
72 47
21
39 38 37
36
61 37
39
96
82°
1190
65.6 69,4
97 104
m
22
103
64 45
32
42 39 34
35
64
35
39
94
78°
1185
70,9 76,7
86! 105
118
24
102 «56 46
26
43 41 32
33
60 11
38
95
83°
1130 66,3 71.7
85' 103
122
19
95 54 44
25
40
40 36
35
58
35
40
96
79°
1045
74,5 78,8
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41
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71,3 75,9
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—
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21
47
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—
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—
77,1 74.9
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71,0 77.4
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1180
76,0 76,6
92 112
128
21
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1135
69,4 72,3
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73,3 73,8
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363
Nr. 1. Schädel bräunlich, männlich. Stirn grün von Kupferinfiltrat. Nähte vor-
handen, Zähne fehlen. Kleine flache Exostosen auf den Scheitelbeinen. Tonis occipitalis
transversus an Stelle der Protuberantia occipitalis externa. Links ein Schaltknochcn,
!) ////" lang und 5 mm hoch, in der Schläfenfontanelle.
Nr. 2. Schädel weiss. Nähte erhalten, Zähne fehlen bis auf die Molaren, die wenig
Milien sind. Vielfache postmortale Beschädigungen: am Os parietale sinistrum, am
linken Proces na mastoides, an der Schädelbasis; auch sind die Processus alveolares der
Oberkieferbeine vorn etwas beschädigt. Die Lineae temporales superior und inferior ver-
laufen dicht neben einander.
Nr. 3. Schädel Behr schwer, bräunlich. Nähte und Zähne meist erhalten, letztere
stark abgeschliffen. Linker Arcus zygomaticus und der Boden der linken Orbita sind zerstört,
«las link' Ofl parietale postmortal verletzt. Die Verlängerung des Processus alveolaris
maxillae beträgt 18 mm und letzterer zeigt beiderseits eine flache Grube, als ob darin der
zu Grunde gegangene K im eines 4. Molarzahnes gesessen hätte (Melbourne, 2. Juni 1897).
Nr. 4. Schädel -ran. auf der Squama frontalis und am vorderen Theil der Maxillae
etwas von Ranch ge chwäi bilde! als Schädel C von Haiford (Brough Smyth,
On the Aboriginrs of Victoria. 1878. Vol. II, p. 310—378, Fig. 278—281), aber nicht
gemessen. Nähte erhalten, Zähne lark abgeschliffen. Der mediale vordere Theil *U-s
rechten Os parietale i I durch eine länglich-viereckige, 3,-4 cm im Sagittaldurchmesser
haltende Schädelwonde zerstört; die unteren Enden der Sutura coronaria verstrichen, die
(529;
Gemischt ( W esten).
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übrigen Nähte crhalteu. Rechterseits berührt der Angulus sphenoidalis des Os parietale
die Ala magna an einer kleinen Stelle, linkerseits wird das Os parietale durch die Squam;>
teniporalifl ganz von der Ala magna abgedrängt. Die Condyli occipitales fallen schräg
Int .Talwärts ab, der rechte hat vorn ein kleines Tuberculum laterale, der linke in der
Mitte seiner Länge ein kleines Tuberculum mediale. In der Spitze des rechten Processus
mastoides eine grosse, durch eine kleine Oeffnung mit den Übrigen Cellulae mastoideae
communicirende Höhle. Der Boden der linken Orbita isl zerstört. Beiderseits eine Spina
trochleari8. IM.- vereinigten Incisurae supraorbitalis und frontalis bilden jederseits eine
grosse, breite Vertiefung.
Nr. 5. Schädel in der Medianebene durchsägt. Nähte erhalten, /.ahn. stark ab-
geschliffen, im Oberkiefer 2. im Unterkiefer 10 erhalten. Der linke Oberkiefer und Arcus
zygomaticus zerstört, ebenso die mediale Wand der rechten Orbita und die Schädelbasis.
Rechterseits ein,' kleine Exostose am Bloatus aenstiens externus. Sinus frontales gut ent-
wickelt) Squama frontalis sehr dick, in den Ossa parietalia kein.' Dipl..:. Nur wenige und
kleine l'oveolae granuläres Pacchionii ; die Jnga cerebralia und bnpressiones digitatae
wenig ausgebildet.
Nr. 6. Schädel bezeichnet als .Mr. Robertson Colac2 (vgl. Nr. 24), in der Medianlinie
durchsägt. Nähte erhalten. Zähne stark abgeschliffen, im Oberkiefer 9, im ünterkiei
erhalten, die Weisheit. /Mine des letzteren klein. An der medialen Seite d - zweiten
oberen Molarzahnes ein,- randliche Grabe, anscheinend die Alveole eines abexrirten
Verhaudl. der Berl. Inthi ■ ot
(530)
4. Ml.ir/aliih-. Starker Toms occipitalis transversus. Die Lineae temporales inferiores
bilden an der Squama frontalis deutliche Cristae. Links ein Sclialtknochen der Schläfen-
fontanellr, in sagittaler Richtung 32 mm lang und 13 mm hoch. Kleiner Torus palatinus
transversus, namentlich linkerseits, längs der Sutura palatiua transversa. Schädeldach
dick, Diploe" ganz verschwunden, Sinus frontalis klein. Ein langer zapfenförmiger Sinus
sphenoidalis ragt bis an die Diploe* der Pars hasilaris oss. occipitalis nach hinten.
Xr. 8. Schädel hraun. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen, nur 3 im Ober-
kiefer vorhanden. Nasenhöhleneingang rechterseits beschädigt. Squama occipitalis stark
nach hinten hervorragend. Condyli occipitales sehr flach. Flacher Torus palatinus
medianus.
Nr. 9. Schädel weissgelblich. Sutura sagittalis verstrichen, die übrigen Nähte er-
halten. Alle Zähne fehlen. Condylus occipitalis sinister, der linke Jochbogen, der harte
Gaumen theilweise, der linke Condylus occipitalis und die Processus pterygoides sind zer-
stört. Torus occipitalis transversus in Form von zwei queren Wülsten beiderseits neben
der Protuberantia occipitalis externa. Kleine Exostose in der Fossa mandibularis sinistra.
Eechterseits ein langer spitzer Dorn statt der Vagina processus styloidis.
Nr. 10. Sehädel graugelblich. Suturae sagittalis und lambdoides theilweise ver-
strichen, die übrigen Nähte erhalten. Zähne fehlen. Squama frontalis sehr weit hinauf-
reichend, der Messungspunkt von Nr. 7 liegt hinter dem von Nr. 6. Condyli occipitales
rundlich, Foramen occipitale magnum sehr rundlich. Torus palatinus medianus. Kleine
Exostose an der medialen Aussenwand des Alveolus des rechten oberen Weisheitszahnes.
Nasenbeine 25 mm lang, unten zusammen 15, oben nur 6 mm breit.
Nr. 11. Schädel gelbbraun. Synchondrosis sphenooccipitalis und alle Zähne fehlen,
doch sind die Weisheitszähne nicht durchgebrochen. Nähte vorhanden. Alle Cristae sehr
wenig ausgeprägt. Alter etwa 20 Jahre. Unterer Theil der Sutura frontalis 12 mm lang
erhalten. Tubera parietalia vorspringend. Kleine Exostosen im Meatus acusticus externus
sinister. Pars basilaris oss. occipitalis sehr breit. Processus mastoides klein. Starker
Prognathismus. Suturae incisivae verlaufen hinter dem Foramen incisivum in der Richtung
zum Dens caninus und sind beiderseits zu zwei Dritteln erhalten.
Nr. 12. Schädel gelbbraun. Sutura sagittalis beginnt zu verwachsen, in der Mitte
ihrer Länge auf derselben ein flacher longitudinaler Sulcus parietalis medianus. Zähne
wenig abgeschliffen, nur 9 im Oberkiefer vorhanden. Der untere und der hinterste Theil
der Sutura frontalis je 5 cm weit erhalten. Tubera frontalia ausgeprägt. Stirn vorn fasl
Benkrechl abfallend. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, lbmm lang,
8 mm breit: rechterseits ist derselbe mit der Ala magna verwachsen, die auf diese Weise
den Angnlus sphenoidalis oss. parietalis erreicht. Crista occipitalis externa in ihrem unteren
Theile 2c//i lang, sehr ausgebildet. Kleine Exostosen an der medialen Seite der Alveolen
dir Weisheitszähne. Nasenbeine oben in der Medianlinie verwachsen. Processus nasales
der Maxillae sehr breit. Rechter Jochbogen zerstört.
Nr. 13. Schädel grauweisslich. Nähte erhalten, mit Ausnahme der unteren Enden
der Sutura coronaria. Zähne massig abgeschliffen, 11 sind im Oberkiefer erhalten. Squama
occipitalis stark hervorragend. Lineae nuchae fehlen, die Protuberantia occipitalis externa
d flacher Hügel. Arcus zygomatici und Processus mastoides sinister abgebrochen.
Schädel asymmetrisch, d liane Achse der Schädelbasis verläuft S förmig gebogen, im
Foramen occipitale magnum nach rechts convex, Letzteres ist nach rechts hin erweitert,
der Condylu occipitali ragl weiter nach unten, ist höher und mehr rundlich, als
der rechte; au Beinern vorderen Ende und ebenso am rechten Condylus befindet sich je
ein kleiner rauher Höcker und zwi chen diesen beiden Tubercula eine kleine Knochen-
brücke. Weitere Asymmetrien ind am Schädel nicht vorhanden, doch ragt die Pars hori-
zontalis de rechten Q D ines weiter aach vorn, als die des linken, und offenbar isf
Enocbenwachsthum an der linl in Seilt; des Schädels etwas zurückgeblieben. Die
i ihoanae sind sehr oiedi
Nr. 14. Schädel ran ich bez. als Mr. Robertson Colac /, Nähte sämmÜich
erhalten. Zähne nicht abge chliffen, ," Zähne im Oberkiefer sind erhalten. Flacher Toms
(531)
frontalis medianus. Der rechte Processus mastoideus ist quer abgebrochen. Die Na en-
beine sehr schmal, die Processus frontales der Maxillae sehr breit.
Nr. L6. Schädel, dem die Stirn and das Gesichl fehlen, mit zahlreichen, cariösen,
rundlichen Erosionen auf der oberen Pläche des linken Os parietale; cari Z törung
und Osteoporose der Tabula oxterna in einer rundlichen Stelle von 2cm Durchmesser in
der «Ic^cihI de.-, i-i'i-liit'ii Tubrr parietale. Line ähnliche, indel sich in der Gegend
der Protuberantia occipitalis externa am Os occipitale. In ien Partes horizontales der
Gaumenbeine und am hinteren Ende der Processus palatini der Maxillae ebenfalls syphi-
litische Caries. Die Nähte erhalten, alle Zähm- ausgefallen. Protuberantia occipitalis
interna auffallend stark. Alae parvae ausserordentlich breite, das Jugum aphenoidale in
sagittaler Richtung Omm breit.
Mr. 18. Schädel bräunlich, fest. Nähte erhalten, ebenso die Zähne bis auf zwei, and
abgeschliffen; Weisheitszähne eben durchgebrochen. Alter etwa 25 Jahre, weib-
lich; Tod an Hydrops in Wann, Queensland. Wäre von einem männlichen Schädel nichl
zu unterscheiden gewesen. Bin Os intorparictale von etwa 2 cm Durchmesser zwischen den
hinteren Enden der Ossa paidetalia in der Medianlinie. Suturae squamosae sehr zackig.
Starker Torus occipitalis transversus. Hinter dem Foramen incisivum beginnend, erstreckt
sich biliös der Sutura palatina mediana ein niedriger schlanker Torus palatinus medianiia
bis zur Sutura palatina transversa. Choanae niedrig. Possae scaphoides sehr deutlich.
Nr. 19. Schädel graugelblich, männlich, von King Mangula Jaoh. Dieser Häuptling
war aber I80c/n hoch und der Schrecken von New England nördlich von Sydney, nahe
der Küste von New SouthWales. Die Nähte beginnen zu verstreichen. Zähne ganz voll-
ständig, abgeschliffen. Tubera parietalia ausgeprägt. Torus occipitalis transversus breit
und dach. Linkerseits erreicht ein Processus frontalis squamae temporalis die Squama
i lis in einer Breite von 14: mm: rechterseits das Os parietale die Ala magna in einer
Breite von ßmm. Lineae temporales inferiores an der Squama frontalis stark ausgeprägt,
rseits doppelt und die Linea temporalis superior dicht darüber. Das Foramen occipitale
magnum sehr rundlich. Condvii occipitalcs klein und rundlich. Pars basilaris oss. occipitalis
sehr breit, llamuli processus pterygoidis -ehr kurz. Lumina lateralis des Processus ptery?
goides sinister sein- breit, der rechte ist zerstört. Alle Charaktere des australischen Schädels
sehr deutlich ausgesprochen.
Nr. 20. Schädel von New South Wales, durch Prof. Mn--.on im März 1895. Braun.
brüchig; Oberkiefer, die mediale Wand der Orbitae, der Margo supraorbitalis linkerseits
und der Unterkiefer zeigen postmortale Verletzungen. Nähte verstrichen, Zähne ab-
geschliffen, der untere linke Eckzahn fehlt. Die Protuberantia occipitalis externa liegt
tief. 4b mm vom hinteren Rande des Foramen occipitale magnum entfernt: Hinterhaupt
stark hervorragend. An der Squama frontalis sind die vorderen Enden der Lineae tempo-
rale, inferiores zu Gristae ausgebildet.
Nr 21. Schädel graugelblich und schwer, von Gayndah in Queensland, October 1891.
Dabei zwei Humeri, zwei Claviculae, linker Radius und linke Ulna. Arthritis deformans
im linken Ellenbogengelenk, an der l Ina und dem Radius, sowie an der Trochlea humeri.
Am Mittelstück des letzteren dache syphilitische Verdickungen. Linke Clavicula
eine schief geheilte Fractur in der Mitte ihrer Länge. Der Atlas mit dem <>> occipitale
verwachsen. Nähte meist verwachsen. Protuberantia occipitalis externa stark entwickelt,
darüber ein Qachcr Torus occipitalis transversus Alae vomeris sehr breit.
Nr. 22. Schädel von Gayndah, Queensland. Von Bfr. J. Illiage. Mit S let Linke
clavicula gebrochen, mil starkem Callus verkürzt geheilt. Nähte meist < rwt
namentlich die Suturae sagittalis und coronaria. Alle Zähne fehlen. Hinterhaupt -.i»r
stark hervorragend, Protuh intia occipitalis externa Behr deutlich, darüber ein Tonis
occipitalis transversus. Processus frontalis der Ossa sygomatica lang, schlank,
lang, 1-- breit. Kleine symmetrische rundlich n an der hinteren Wand
Meatus acustici externi. Poramen occipitale magnum sehr lang, » iL Hamuli di
cessus pterygoides laug, gebogen, schlank. Nasenbeine an der G o und
mittleren Drittheiles sehr schmal.
(532)
Nr. 23. Schädel von Gayndah, Queensland. Weisslich; mit inontirtem Skelet
('20(1 Mk.i. männlich. Nähte meist erhalten, auch die Svnchondrosis sphenooccipitalis als
Naht vorhanden. Zähne abgeschliffen, mit Ausnahme der Weisheitszähne. Im Oberkiefer
12, im Unterkiefer 7 erhalten. Tonis frontalis medianus. Hinterhaupt vorspringend.
Rechter Arcus zygomaticus zerstört. In der rechten Schläfenfontanelle ein Schaltknochen,
23 »im lang, 13 mm hoch. Eine Spur der verstrichenen Sutura coronaria setzt sich noch
abwärts in den Schaltknochen fort, ihn in eine kleinere hintere und grössere vordere
Hälfte theilend. Linkerseits sind die Nähte an dieser Stelle verstrichen. An der vorderen
Wand des Porus accusticus externus eine stark lateralwärts gerichtete Spina. In der
Mitte des Vorderrandes des Forameu occipitale magnum eine nach hinten gerichtete kleine
mediane Spina. Jederseits ein Processus paramastoideus, linkerseits rindet sich unter dem
Foramen ovale eine dem N. masticatorius anliegende Knochenbrücke. Nasenbeine in der
Medianlinie autfallend kurz. IS mm lang, an den lateralen Rändern 24////« lang, oben
19 mm breit.
Nr. 24. Schädel in der Medianebene durchsägt, bez. als Mr. Robertson Colac/ (vergl.
Nr. 6 u. 14). Atlas mit dem Os occipitale und dem Epistropheus fest verwachsen, ebenso
der Dens epistrophei mit dem Arcus anterior des Atlas. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen,
im Oberkiefer 14 vorhanden. Beiderseits sehr kleine Schaltknochen in der Schläfenfontanelle.
Cristae supramastoideae erscheinen wie kleine Höcker am unteren Ende der Suturae
squamosae. Lineae nuchae superiores sehr slark, Knochen an den Arcus supraciliares
19 mm, an der Protuberantia occipitalis externa 15 mm, an der interna 11 mm dick. Diploe
fast überall verschwunden. Apertura externa aquaeductus vestibuli sehr deutlich. Fossae
subarcuatae sehr tief. Juga cerebralia flach. Processus jugularis rechterseits doppelt,
linkerseits gross, mit zwei Spitzen. Die Spinae angulares sind zu dicken, 10mm langen,
7 mm breiten Processus ausgebildet. Der Sattelwinkel beträgt 142°.
Nr. 25. Schädel braungelb, von Murchison, etwa 400 km östlich von Sharksbay in
West-Australien, im Jahre 1894 durch Hrn. Ingenieur Streich ausgegraben. (Ein ähnlicher
[Nr. 106] ist im South Australian Museum in Adelaide, ein anderer soll sich in Leipzig
befinden.) Die Nähte meist verstrichen, das Schädeldach stellenweise restaurirt. Rechte
Gesichtshälfte fehlt, Zähne abgeschliffen, nur die drei linken Molaren vorhanden, ausserdem
sechs isolirte Zähne. Auf dem rechten Os parietale und an der Squama occipitalis
vielfache oberflächliche cariöse Zerstörungen, Löcher in der Tabula externa, Knochen-
auflagerungen und von Rauch geschwärzte Stellen. Das unterste Ende der Sutura frontalis
erhalten. Flache Furche längs des mittleren Theiles der Sutura sagittalis. Tonis occi-
pitalis transversus oberhalb der Protuberantia occipitalis externa. Foramen occipitale
magnum fast trapezförmig, Pars basilaris oss. occipitalis breit, deutliches Tuberculum
pharyngeum, Alae vomeris breit. Ossa nasi schmal, oben zusammen nur 7 mm breit, das
linke daselbst breiter, als das rechte.
Nr. 26. Schädel weisslich, im Ganzen klein. Von Mount Margaret im Coolgardie-
District in Westaustralien, von einem etwa 155 cm grossen, 25jährigen Mann. Nähte er-
hallen, Zähne abgeschliffen, die Weisheitszähne nur weuig; im Ganzen 11 erhalten. Vorn
eine Rille zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. Tonis occipitalis trans-
versus. Protuberantia occipitalis externa sehr schwach. Lineae temporales superiores und
inferiores nahe übereinander. An der Pars basilaris oss. occipitalis eine mediane Hache
Fovea pharyngea. Kurzer Toms palatinus medianus am hinteren Theile der Sutura
palatina mediana. Na abeine schmal, zusammen nur 1mm breit.
Nr. 27. Schädel bez. als Nr. 1235, Rosie, 27 Jahre alt. Von einem weiblichen
Skelet. Schädel aufgesägt. Alle Nähte und Zähne erhalten, letztere wenig abgeschliffen.
Flacher Torufl frontalis medianus. Os occipitale stark vorspringend. Die Spitze der
Squama occipitalis wird von einem 36 ww» breiten, 20»«»/ hohen Schaltknochen gebildet.
Aul' dem rechten Scheitelbein eine kleine rundliche Exostose. In der rechten Schläfen-
fontanelle ein längliche! Schaltknochen, 18 mm lang, 1mm hoch. Linkerseits ein 7 «im
langer Processus frontalis der Squama tcmporalis. Starke mediane Crista basilaris an der
unteren fläche <dtr Pars basilaris o . occipitalis. Beiderseits «'in Processus paramastoideus,
(5:53)
namentlich linkerseits ausgebildet. Processus mastoidei sehr klein. Nasenwurzel wenig
eingedrückt, Arcus raperciliares nicht sehr vorspringend, Das mediale Ende de« rechten
Processus raaxillaris oss. zygomatici springt in der Mitte des unteren Randes der n
Lugenhöhle in deren Eingang hervor.
Nr. 28. Schädel weisslich, von einem montirten männlichen Skelel . zeigt alle
Charaktere des australischen Schädels besonders deutlich. Bez. als No. 1231. Nähte teil-
weise verwachsen, Zähne sehr wenig abgeschliffen, drei fehlen, < • i 1 1 i ir* - sind cariös. Schmaler
Tonis occipitalis transversus. Kleiner Schaltknochen in der rechten Schläfenfontanelle,
[2 mm lang, Quillt hoch. Foramiua pterygospinosa. Beiderseits starke Processus marginalem
der Jochbeine.
Nr. 29. Schädel von einer Anatomieleiche. Hellbräunlich, sehr fettig. Zähne stark
abgeschliffen, '.» im Oberkiefer, T im Unterkiefer erhalten. Alters-Atrophie der beiden
Scheitelbeine. In der Mitte der Länge der linken Hälfte der Sutura coronaria ein flacher
runder Hügel von 18 mm Duichmesser, woselbst die Sutur verwachsen ist. Starker Torus
occipitalis transversus. Zwei Gefässlöcher am hinteren Rande des Foramen occipitale magnum,
links und rechts neben der Crista occipitalis externa. Lineae temporales inferiores ihrer
ganzen Länge nach zu einem starken Wulste ausgebildet, die schwachen Lineae temporales
superiores vorlaufen dichl darüber. Vorderwand der Pori acustici externi bis auf 7 mm
verdickt. Deutliche Processus paramastoidei, das Foramen occipitale magnum eng und
rundlich. Starker Vorsprung am medialen Ende des Processus maxillaris an beiden 0 3a
zygomatica.
Nr. 30. Schädel weisslich. Von einem montirten Skelet, ohne nähere Bezeichnung.
Männlich, etwa 20 Jahre alt, aufgesagt. Nähte [und /ahne erhalten, letztere wenig ab-
geschliffen; obere Weisheitszähne noch im Kiefer, die unteren sind ausgefallen. Starke
Juga cerebralia und Empressiones digitatae. Spinae am Angulus superior der Pars petrosa
oss. temporalium dicht über den Pori acustici interni. Synchondrosis sphenooccipitalis
noch nicht verknöchert. Flacher Torus frontalis medianus. Breiter und langer Fortsatz
des rechten Os parietale am Angulus sphenoidalis, 30 mm laug, IS mm breit. Kechterseits
ein Tuberculum in der Mitte zwischen der Crista occipitalis externa, der Linea nuchae
inferior und dem Lande des Foramen occipitale magnum. Processus paramastoidei deutlich.
Processus mastoides sehr klein. Foramen jugulare sinistrum sehr weil und weiter, als das
rechte. Hamulus processus pterygoidis dextri lang nnd gebogen. Flacher schmaler Torus
palatinus medianus. Sutura internasalis verläuft etwas gebogen, in der Mitte ihrer Länge
ersl nach links, etwas darunter nach links convex.
Nr. 31. Schädel bräunlich, bez. als Nr. 1188. Nähte theilweise verstrichen, Zähne
fehlen. Tubera parietalia hervorragend. Die Linea temporalis inferior bildet an derSquama
frontalis jederseits eine starke Crista. Beiderseits ein grosser Schaltknochen in der Schläfcn-
fontaneUe, etwa 22m/n lang, rechts 13, link- Ibmm hoch. Scharfe Cristae statt der Lineae
nuchae Buperiores. daneben jederseits zwei symmetrische Foramina diploetica. Breite und
niedrige Processus paramastoidei, von denen der linke grösser. Spinae angnlares sehr lang.
Fossae scaphoides sehr deutlich und breit. Andeutung eines Torus palatinus transversus
in Form Btarkei querer Cristae an der unteren Seite des vorderen Bandes der I
horizontales beider (laumenbeine. Spina nasalis posterior lang, zungenförmig, ihr freies
Ende gabelförmig getheilt. Nasenbeine sehr schmal, zusammen in transversaler Richtung
nur 6/Hffl breit: das rechte, nur 3mm breite !-• fasl sagittal gestellt, das linke 5»iw
breit. Linkerseits zwei Foramina zygomatico-facialia Beiderseits starke Tuberos
malares.
Nr. 32. Schädel weisslich, bez. mit SS. Nähte erhalten. Zähne stark abgeschliffen,
umist cariös. Im Oberkiefer 1. im Unterkiefer ti vorhanden. Viele kleine Exostosen auf
der Squama frontalis und den Ossa parietalia. Oberer Rand der Alae magnae sehr breit.
Die Cristae 3upramastoideae bilden -ehr starke Wülste. Hinterhaupt stark vorspringend.
Torus occipitalis transversus. An der medialen Seite der tiefen rncisura mastoidea rer-
liiutt jederseits ein starker Knochenwulsl und daneben medianwärts eine kleinere Incisura
mastoidea accessoria. Vagina« dei Processus Btyloides colossal entwickelt. 1
(:,:;4)
scaphoides stark ausgeprägt. Paarige Spina mentalis sehr lang und spitz. Jederseits
sind zwei Foramina zygomatico-facialia vorhanden. Beiderseits deutliche Processus margi-
aales der Jochbeine.
Nr. 33. Schädel bez. als Nr. 76, gelblich mit schwarzen Flecken von Rauch u. s. w.
Nähte fast sämmtlich verstrichen. Im Oberkiefer fehlen alle Zähne, im Unterkiefer sind
li vorhanden, davon 2 cariös. Schmaler flacher Toms frontalis medianns. Tiefe geheilte
ECnochenwunde der Lamina externa oss. parietalis, medianwärts vom Tuber parietale.
Laminae laterales der Alae magnae oben sehr breit. An der unteren Fläche der Pars
basilaris oss. occipitalis eiue flache Fovea pharyngea. Schwacher Torus palatinus trans-
versus. Vordere Wand des linken Sinus maxillaris zerstört.
Nr. 34. Schädel bez. als Riebmond River, Sie. XIII. Schädel grau, mit bräun-
lichen Flecken an der linken Seite. Daselbst, zahlreiche postmortale Zerstörungen an der
Squama temporalis und am linken Os parietale. Nähte meist erhalten, Zähne abgeschliffen,
im Oberkiefer 13, im Unterkiefer 15 vorhanden. Starker Torus occipitalis transversus.
Nr. 35. Schädel gelblich, mit braunen Flecken, bez. als Derby, West Australia.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen die beiden mittleren Schneidezähne und ihre
Alveolen, Kieferrand scharf: 2 andere Zähne fehlen. Im Unterkiefer fehlen 5 Zähne.
Starker Torus occipitalis transversus. Starke schnabelförmige, länglich-viereckige Spitze
der Squama occipitalis. Jederseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, rechts
19 /////< lang, 8 mm hoch, links 21 mm lang, Vt mm hoch. Pars basilaris oss. occipitalis sehr
breit. Foramen occipitale magnnm rundlich. Jederseits ein Processus paramastoideus mit
zwei Höckern. Foramina ovalia rundlich, 7 mm lang, 6 mm breit, Foramina rotunda sehr
klein. Fossae mandibulares ausserordentlich gross, weit und lief. Tnbera frontalia deutlich.
Die Verlängerung des Processus alveolaris der Maxillae hinter dem Weisheitszahn beträgt
15/«///. Rechter Arcus zygomaticus abgebrochen. Sehr starke Lingulae der Mandibulae.
Xr. 3G. Schädel röthlich, was vielleicht vom Erdboden herrührt, bez. als Sie. XIII
Nr. 1651, Cape York (Queensland). Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, im Oberkiefer
fehlen 11, im Unterkiefer S Zähne. Leichter Torus frontalis medianns. Protuberantia
occipitalis externa 1mm dick. Rechtcrseits ein 10mm langer. 15 ////// breiter, linkerseits
ein 18 mm langer, 11 mm breiter Fortsatz am Angulus sphenoidalis oss. parietalis. Suturae
squamosae stark gezackt. Am vorderen Rande des Foramen occipitale magnum eine kleine,
nach hinten gerichtete, mediane Spina, Rechterseits ein niedriger, linkerseits ein hoher
Processus paramostoidens. Die Stelle der grossen Fontanelle ist etwas erhaben.
Nr. 37. Schädel grau. From Wide Bay near Maryborough, Queensland. Schädel
aufgesagt, Diploe" grösstenteils consolidirt, Schädeldach sehr dick, bis 10 — 12//////.
Die .Inga cerebralia wenig ausgeprägt. Kleine Verknöcherungen der Dura mater am
hinteren Ende der Procesuss clinoidei posteriores. Meatus acustici interni weit, Linker-
seits ist die Mitte des Angulus superior der Felsenbeinpyramide zu einem ovalen, 17 mm
langen Tuberculum aufgetrieben. Sulci arteriosi wenig tief. Im Oberkiefer fehlen 13,
im Unterkiefer 9 Zähne. Processus condyloides dexter mandibulae allgebrochen. Scheitel-
beine seitlich abgeflachl und verdünnt. Torus frontalis medianus. In der rechten Schlafen-
fontanelle ein 30 mm langer, 14 mm breiter Schaltknochen. Linkerseits eine 8mm lange
jpitze Zacke am oberen linde des hinteren Landes der Ala magna. Condyli occipitalcs
in eine vordere und hintere Gelenkfläche getheilt, sehr hoch. Fange gebogene Hamuli
der Processus pterygo Rechter Arcus zygomaticus zerbrochen. Das linke Thränen-
bein fehlt.
Nr. 38. Schädel von Cape York, Queensland, bez. Sie. XIII Nr. 1652. Nähte er-
halten. Zähne abg< chliffen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer auch 8 Zähne.
Rechterseil ein Schaltknochen in der Schläfenfontanello, 22////// lang, 7 mm breit, darunter
eine 12////// lange, 6mm breiti Zacke an der Squama temporalis, die nur in den hinteren
Fand der Ala magna eing] il chwacher TorUS occipitalis transversus. Fars basilaris
occipitalis breit. Spina an ali posterior lang, stark nach oben gebogen. Andeutung
eine, Torus palatimi 1 1 l
(535)
Nr. 39. Schädel von Porl Darwin, Nordküste von South Australia, bez. Sie. XIII.
Nr. 1648. Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, es fehH nur der link'- mittlere
Schneidezahn im Unterkiefer. Torus frontalis mediann . Hinterhaupt mehr abgerundet.
Rechterseite berühren sich das Os parietale, die Sqiiamae frontalis and temporalis and
die Al;i magna um- in einem Punkte; linkerseits ein] ISmm Langer, 1 mm hoher Schalt-
knochen in der Schläfenfontanelle. Lineae temporales superiores dichi über den in!
verlaufend. An dir unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis eine starke mediane
Crista basilaris. Das hintere Ende des Processus alveolaris der Biaxillae ragl beiderseits
um 10?«w aach hinten hinter dem Weisheitszahn, linkerseits darin eine kleine Eöhle. Die
Pars horizontalis der Gaumenbeine in sagittaler Richtung verlängert, IT mm lang. Schwache
Andeutung eines Torus palatinus transversus.
\r.40. Schädel bräunlich, bez. Sie. XIII. Nr. 1649. Nähte meist verstrichen, Zähne ab-
geschliffen : es fehlen 5 im < Oberkiefer. In der Sutura sagittalis ein ovales, 24 mm langes, 16 mm
breites Loch in einer 10 cm langen, bcm breiten Vertiefung, die nahe hinter dem vorderen
Ende der Sutur beginnt, daneben exostotische Wucherungen auf den Scheitelbeinen. Leichter
Torus frontalis medianus. Rechterseits ein imm in sagittaler Richtung, 8 mm in verticaler
Richtung messender Schaltknochen in der Schläfenfontanelle. Condyli occipitales sehr
lang. Spinae angulares stark ausgebildet. Die Pars horizontalis des linken Gaumenbeines
ragt 2m/« weiter aach vorn, als die des rechten.
Nr. 41. Schädel gelblich, bez. Sie. XIII. Nr. 1650. Von Cape York Queensland).
Nähte erhalten. Schädeldach giebelförmig, Schädel fünfeckig in der Norma occipitalis.
Starker Tonis occipitalis transversus. Zahlreiche kleinste Schaltknochen im mittler« i
Theile der Seitenhälften der Sutura coronaria sehr deutlich. Rechts drei Schaltknochen in
der Schläfenfontanelle, zusammen 22mm lang, 6mm hoch, der vorderste 14 m/n lau-.'.
Linkerseits nur ein Schaltknochen 22mm lang, 11 mm hoch. Oberer Rand derAlae magnae
;">1 mm breit. Lineae temporales superiores verlaufen über die Tubera parietalia. Fossae
sacci lacrimalis sehr tief. Beiderseits Schaltknochen im Boden der Augenhöhle. Choanae
klein und niedrig. Fori acustici interna sehr weit.
Nr. 42. Schädel mit röthlicher Farbe bemalt, von Derby, Nord -West -Australien.
Schädel dünn, leicht, Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne nicht
durchgebrochen. Im Oberkiefer fehlen 8 Zähne, im Unterkiefer 12. Der rechte Eckzahn
des Unterkiefers colossal, der linke fehlt. Mittlere Schneidezähne durch Ausbrechen ent-
fernt, Alveolen fehlen, die Processus alveolares daselbsl dünn und scharfrandig. Leichte
Erhebung in der Gegend der Sutura coronaria. Letztere enthäll an ihren beiden gezackten
Stellen sehr kleine Schaltknochen. Sutura frontalis an ihrem unteren Ende in 11 mm
erhalten. Schwacher Torus frontalis medianus. Starker Torus occipitalis trans-
versus. Gelenkflächen der Condyli occipitales in eine vordere und hintere Hälfte getheilt.
Synchondrosis sphei scipitalis 1 mm weil klaffend. Pars basilaris oss. occipitalis breit,
jederseits eine kleine schräge Crista muscularis am lateralen Lande ihrer unteren Fläche.
Foramina ovalia mehr rundlich. Starke Spinae angulares. Pars horizontalis beider
Gaumenbeine in sagittale: Richtung verlängert, 23 mm laue, Sutura palatina trans
nach vorn convex.
No. 13. Schädel bräunlich, bez. Hinchinbrook, J. 2., North -East-Australia. Nähte
erhalten. Zähne stark abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 7. im Unterkiefer 10 Zähne,
ein Zahn cariös. Schädel ein wenig dachförmig. Flacher Eindruck von ein« i
heilten Knochenwunde auf dem rechten oberen Theil der Squama frontalis, i
auf dem rechten 0> parietale neben der Sutura sagittalis. Starker Torus occipitalis
transversus. Knochen de- Schädels, namentlich der Unterkiefer, klein und zierlich.
Nr. 44. Schädel bez. Cape tfork. Nähte theilwoise verstrichen. Zähne selir wenig
abgeschliffen. Schaltknochen in der linken hinteren Seitenfontanelle. Die Lineae tempo-
rales superiores verlaufen etwas oberhalb der Tubera parietalia. Gering l ras ccipitalis
transversus. Processus paramastoidei. Klein.' Höcker am hinteren I • Foramen
occipitale magnum neben der Medianlinie. Sutane palatinae mediana und transversa ver-
strichen, letztere war na.h vorn concav; Andeutung eine- Torus p latinus transversus.
(536)
Nr. 45. Schädel von Belone River. 1880. Männlich. Schädeldach und Unterkiefer
fehlen. Zähne wenig abgeschliffen. Starker Tonis occipitalis transversus. Tiefe Gruben
an dem vorderen Ende der medialen Flächen ehr Oondyli occipitales. Breite Processus
vaginales und weite Canales vomerobasilares s. vomerosphenoidales laterales superiores
zwischen dem Vomer und diesen Processus. Starke Spinae angulares. Kleine, kurze,
gerade Hamuli pterygoidei. Foramen incisivum schräg gestellt, lang, unregelmässig, als
ob seine rechte Hälfte verkümmert wäre. Colossale, 10mm tiefe Possae caninae.
Nr. 47. Schädel weiss, männlich, von einem montirten Skelet. Nahte erhalten, die
Zähne bis auf 2. die im Oberkiefer fehlen: sie sind ziemlich abgeschliffen. Toms occipitalis
transversus. Angulus sphenoidalL des linken Os parietale sehr spitz, rechterseits fast
rechtwinklig. Die Pars horizontalis oss. palatini ragt linkerseits ?> mm weiter nach vorn
als rechterseits. Das Foramen incisivum ist ein schmaler Schlitz, dicht dahinter zwei
kleine runde Löcher.
Nr. 4S. Schädel weiss, von einem montirten' Skelet. bez. als Nr. 1157, weiblich.
Alle Nähte und Zähne erhalten. Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Squama
occipitalis stark vorspringend. Protuberantia occipitalis externa nur angedeutet. Rechter-
seits vereinigt sich die Spitze der Ala magna in einer Ausdehnung von 2 mm mit dem
Angulus sphenoidalis oss. parietalis, linkerseits ist ein Processus frontalis der Squama
temporalis von 10 mm Länge und 9 mm Breite, dahinter ein etwa ebenso grosser Schalt-
knochen in der Sutura squamosa vorhanden, und ein ebensolcher nach dem hinteren Linie
der letzteren hin. Poramen occipitale magnum sehr rundlich, Pars basilaris oss. occipitalis
breit. Beiderseits eine Incisura incisiva, die vom Foramen incisivum zum lateralen Rande der
beiden Eckzähne verläuft. Am rechten Tuber frontale ein Eindruck in der Tabula externa,
von einer Verletzung mit einem stumpfen Werkzeuge herrührend. Sutura internasalis in
ihrer oberen Hälfte verwachsen. Starke Tuberositas malaris jederseits.
Nr. 49. Schädel braun, von einem montirten Skelet, männlich. Nähte erhalten. Im
Unterkiefer fehlt der rechte Weisheitszahn, sonst alle Zähne erhalten, abgeschliffen. Ge-
ringer Tonis frontalis medianus, leichte Abplattung längs der Sutura sagittalis. Processus
paramastoidei. Starke quere Crista palatina beiderseits längs des hinteren Randes der
Pars horizontalis oss. palatini nach unten hervorragend. Nasenbeine zusammen oben nur
7 mm breit.
Nr. 50. Schädel bräunlich, fleckig. Bez. A 11733. Im Oberkiefer fehlen 4, im
l oterkiefer 3 Zähne. Nähte erhalten. Schwacher Torus frontalis medianus. Linkerseits
berührt die Squama temporalis in einem Punkt die Squama frontalis. Starke Crista pala-
tina transversa beiderseits. Die Nasenbeine schmal, zusammen 7 mm breit.
No. 51. Schädel gelblich, bez. B 7065. Nähte verstrichen. Linker zweiter Schneide-
zahn frühzeitig entfernt, Processus alveolaris daselbst dünn und glatt, Zähne stark ab-
geschliffen, im Oberkiefer sind 12, im Unterkiefer (5 Zähne vorhanden. Spinae angulares
lang und dick. Sein- kleiner Torus palatinus medianus. Die Processus alveolares der
Maxillae ragen hinter den Weisheitszähnen lßmm weit nach hinten.
Nr. "»•_'. Schädel bräunlich, bez. A. 11775. Nähte meist verstrichen. Zähne ab-
■_..-. hüllen, im Unterkiefer 13 vorhanden. Schwacher Torus frontalis. Gegend der Sutura
agittalis hinten etwa ertieft. Flacher Torus occipitalis transversus. Auffallend knopf-
förmige Gestali der Hamuli der Processus pterygoides. Starke breite Spinae palatinae in
der Mitte des hinteren Randi der Pars horizontalis an beiden Gaumenbeinen. Linkerseits
Perforation des Processu palatinus maxillae neben dem Foraincn incisivum. Nasenbeine
schmal, asymmetrisch, da linki oben schmaler. Apertura piriformis hoch und sehr drei-
eckig. Lange, spitze, doppelte Spina nasalis anterior. Tiefe Grube am Unterkiefer über
der Protuberantia mentalis externa.
Nr. 54. Schädel gelblich, chwer, von .lervis Bay. Nähte erhalten. Zähne sehr stark
abgeschliffen, es fehlen 4 im l oterkiefer. Rechter Processus condyloides mandibulae
■ rochen, (hr rechte Arcu zygomatiens etwas beschädigt. Nahe der Sutura sa-
gittalis eine Vertiefung in der elben, von einer Verletzung herrührend; eine kleinere
(537)
linkerseits au der Squama frontalis, anregelmässige Bindrücke am linken Os parietale.
Starker Tonis occipitalis transversas. Beiderseits Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
rechterseits 24mm Lang, 11 mm hoch, linkerseits 22mm lang, IBimn hoch. Ein kleiner
Schaltknochen in der hinteren linken Seitenfontanelle. Foramen occipitale magnnm randlich,
genaa so lang wir breit. Klein.' Cristae palatinae transversae längs der lateralen Hälften
des hinteren Randes der Pars horizontal] beider Gaumenbeine. Pro» d alveolarie der
linken Maxiila springt am Eckzahn etwas vor. Nasenbein.- sehmal, zusammen T mm lir.-it.
• las linkr erreicht die Sutura aasofrontalis oicht. Fissurae orbitales inferiores sehr weit,
11 ww an ihrem vorderen Ende. Foramina mentalis -ein- klein.
Nr. 55. Schädel bräunlich, bez. als von Mudgee. Nähte erhalten, Zähne wenig ab-
geschliffen, im Oberkiefer nur <; vorhanden, der Unterkiefer fehlt Toruc occipitalis trans-
versns. Kleine Fovea pharyngea an der Pars basilaris oss. occipitalis. Spina angnlaris
sinistra lang und dick. Processus styloides sinister 35 mm lang, rechts abgebrochen.
Laminae laterales der Processus pterjgoides auffallend breit. Weiter Canalis basipharyngeus.
Starke Cristae palatinae transversae an der lateralen Hüllte der Pars horizontalis beider
Gaumenbeine. Linkes Nasenbein oben breiter als das rechte, im Verhältniss von 8:5mm.
Nr. 56. Schädel bez. als Nr. 11964. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen; es
fehlen 5 im Oberkiefer, 2 im Unterkiefer. Wände der Orbitae theilweise zerstört. Schädel
scaphocephal. Zwei Kindrücke der Tabula externa in der rechten Hälfte der Squama
frontalis und auf dem rechten Os parietale. Pyramiden der Ossa temporalia zerstört.
Schädelbasis angebrannt. I Ireiter Tonis occipitalis transversns. Tonis palatinus trans-
versus angedeutet Scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Processus marginales an beiden Jochbeinen.
Nr. 57. Schädel weisslich, bez. als Nr. 1201, von Jervis Bay. Nähteerbalten. Zähne sehr
stark abgeschliffen, G fehlen im Oberkiefer, und der ganze Unterkiefer. Arcus zygomaticus
zerbrochen. Am rechten Os parietale postmortale Verletzungen, Sprung in der Squama
occipitalis, Gaumen hinten zerstört, Nasenbeine abgebrochen. Flacher Tonis frontalis
medianus. Rechterseits drei kleine Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, der grössb
11 mm lang, 5 ////// hoch.
Nr. 58. Schädel grau. Von Murrum Lodge, bez. als Nr. 1U»T. Unterkiefer fehlt.
Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer sind die medialen Schneidezähne frühzeitig entfernt,
t'> Zähne fehlen. Nähte erbalten mit Ausnahme des mittleren Theiles der Sutura sagittalis.
Schmaler niedriger Tonis occipitalis transversns. Rechtes Foramen ovale sehr weit. 11mm
lang, 6mm breit Schwacher Torus palatinus transversns. Hohe, zackige Cristae palatinae
transversae.
Nr. 59. Schädel bräunlich, bez. als A. 11963. Nähte erhalten, Zähne fast gar nicht
abgeschliffen. Weisheitszähne rechterseits im Durchbrechen begriffen, der linke oben fehlt.
im Dhterkiefi r fehl! der rechte Eckzahn, stark'- Tubera parietalia. Scheitelhöhe erhaben.
nach hinten abfallend Niedrige zackige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 60. Schädel gelb, klein, leicht, bez. als A. 11962. Nähte theilweise verstrichen.
Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 8, im I nterkiefer 6 Wände der Orbitae theil-
tört, ihre Eingänge Bchräg gestellt, lateralwärts nach unten abweichend Torus
frontalis medianus. Sehr starker Torus occipitalis hransversus. Schwacher Corus palatinus
transversns. Höbe scharfe Cristae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Flache Processus marginales der Oss. sygomatJca.
Nr. 61. Schädel bez. als &.. LI 961, weiblich. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen,
einige sind cariös. Im Oberkiefer fehlen 5. im Unterkiefer 6 Zähne. Starker Corus occi-
pitalis transversns. Her Processus paramastoideus sinister ist ein 12 mm hoher conischer
Zapfen mit einer abgerundeten Gelenkflächd für den Atlas von 9mm Durchmesser; r
seits isi kein Processus vorhanden.
Nr. 62. Schädel gelbbraun, bi . V. LI 969. Nähte erhalten, Zahn d
Torus frontalis medianus. Tubera parietalia hervorspringend, die I.ineae temporal« -
(538)
superiores verlaufen über den oberen Rand derselben. Starker Torus oceipitalis tians-
i ersus. Kleine Processus paramastoidei. An der hinteren Kante des vorderen Randes des
Foramen occipitale magnum verläuft ein gebogener horizontaler Suleus, und dicht vor
demselben befindet sich an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. oceipitalis jeder-
seits ein Tuberculum; das rechte grösser und flacher, von 7 mm Längsdurchmesser,
zeigt eine nach vorn gerichtete kleine, ovale, glatte Gelenkfläche für den Atlas. Andeutung
eines Torus palatinus transversus; die Pars horizontalis des linken Gaumenbeins erstreckt
sich 2 mm weiter nach vorn, als die des rechten. Starke Hervorragung am linken Augen-
höhlenrande oberhalb des Foramen infraorbitale am Ende der Sutura zygomatico-niaxillaris.
Nr. 63. Schädel hellbräunlich, bez. A. 12 5(53 vom Dawson River, Queensland. Durch
Verletzungen entstandene Eindrücke am Knochen am oberen Ende der Squama frontalis
in der Mediangegend, in der Mitte der Ossa nasi und am rechten Foramen supraorbitale.
Oberkiefer beschädigt, Arcus zygomatici und Partes horizontales der Gaumenbeine zer-
brochen. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer nur 1 /ahn,
im Unterkiefer 5 vorhanden. Ein flacher Höcker von 15 mm Durchmesser beginnt 25 mm
hinter der Sutura coronaria in der Medianlinie. Starker Torus oceipitalis transversus.
Rechterseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanclle, 15 mm lang, 5 mm breit. Kleiner
Processus paramastoideus sinister. Schwacher Torus palatinus transversus. Fissura orbi-
talis inferior sehr weit, vorn 11 mm breit. Beiderseits eine Tuherositas malaris.
Nr. 64. Schädel bez. B 1765. J. W. Palmer, weiblich. Nähte erhalten. Der Unter-
kiefer fehlt, im Oberkiefer nur drei Zähne vorhanden. Sinus maxillaris sinister von vorn
her durch Caries geöffnet. Partes horizontales der Ossa palatina zerbrochen. Torus
frontalis medianus. Rechterseits ein weites Foramen parietale. Flache Processus marginales.
Leichte Vorwölbung der rechten Seite der Squama oceipitalis nach hinten. Schwacher
Torus oceipitalis transversus. Synchondrosis sphenooccipitalis erhalten. Rechterseits ein
kleiner, 5 mm langer Processus mastoides accessorius, durch eine 5 mm tiefe Furche ab-
getrennt. Linkerseits Andeutung desselben durch einen Suleus.
Nr. 64. Schädel sehr gross, schwer, kräftig, gelblich, bez. Rockhampton 1224.
Zähne abgeschliffen, [m Oberkiefer 7 vorhanden. Starker Torus frontalis medianus.
Colossale Protuberantia oceipitalis externa, 25 mm lang, 19 mm in sagittaler Richtung breit,
9 mm hoch. Kleiner Höcker neben der Medianlinie am hinteren Rande des Foraincn
occipitale magnum. Kleines Tuberculum pharyiigeum. Tubercula articularia oss. temporalium
colossal entwickelt. Spinae augulares 8 mm hoch. Niedrige Cristae palatinae. Arcus
superciliares stark hervorspringend. Nasenwurzel breit, das rechte Nasenbein 8»»«. das
linke <> mm breit.
Nr. 66. Schädel bez. B 10 510, Queensland. Zähne sämmtlich vorhanden, ab-
geschliffen. Schädel scaphocephal. In der Mitte der Sutura sagittalis eine dieselbe
kreuzende schräge, sebarfrandige Säbelwunde, die linkerseits eine sagittale Fissur nach
hinten aussendet, flacher breiter Torus frontalis medianus. Breiter Torus oceipitalis
transversus. Die Lineae temporales inferiores bilden starke Cristae an der Squama frontalis.
Rechterseits ein langer, rechtwinklig gebogener Schaltknochen in der Schläfenfontanelle;
sein vorderer oberer Theil 23mm lang und 10mm breit, der hintere, nach unten absteigende
12 mm lang und unten 3mm breit. Linkerseits hat das Os parietale einen langen, nach
vorn spitz aber Schaltknochen der Schläfenfontanelle endigenden Fortsatz: der
Schaltknochen isl L5m/// lang, 5mm hoch. Breiter Torus oceipitalis transversus. Processus
paramastoideus sinister 8mm lang, bmm hoch. Niedrige, aber scharfe Cristae palatinae
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Ossa nasi schmal, zu-
ammen 9 mm breit. I urae orbitales inferiores weit, vorn 10 mm breit. Ossa zygomatica
sehr gross, breit: stark, l'rocc !U8 marginales und Tuberositates malares. Fossae caninae
7 mm tief.
Nr. 67. Sch&del wei macerirt, bez. B 10505. Von Queensland. Basis zerbrochen,
ebenso die Squamae temporale . Nähte erhalten, Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend.
Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne aoeh nicht durchgebrochen. Im Oberkiefer
7 Zähne vorhanden. Tom frontalis medianus. Breiter Tonis oceipitalis transversus.
(539)
Cristae palatinae transversae am hinteren Bande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine sind hoch, schart' and gezackl Pr u marginales der Oss. zygomatica stark
entwickelt, Tnherositates malarea deutlich. Nasenbeine angleich, da linke oben spitzer,
beide zusammen daselbst 5 mm breit. Fossae caninae sehr tief.
Nr. 68. Schädel gelblich, bez. B LO 506, Queensland. Nähteerbalten. Zähne wenig
abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 4, im Unterkiefer 3 Zähne. Schwacher Torus fron-
talis medianus. Starker Tonn occipitalis transversus. Poramen occipitale magnum trapez-
förmig, rm Schädel ein röthlicher, 3— 4 cm grosser Klumpen, vielleicht vertrocki
Cerebellum. Sutura palatina mediana verstrichen. Hohe Cristae palatinae trän
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Poramen incisivnm drei-
eckig. Kerbe zwischen den Alveolen der oberen medialen Schneidezähne, wie beim Gorilla.
Nasenbeine in ihrer oberen Hälfte fasl sagittal gestellt, sie bilden eine scharfe, nicht
pathologische Crista internasalis und sind zusammen oben 5mm, unten 23 and 19 mm
lang. Starke Processus marginales der Ossa zygomatica und Tuberositates malares. Am
Angulus mandibulae befinden sich Cristae für die Muskelansätze, wie beim Gorilla.
Nr. 69. Schädel grau, bez. Brisbane, Queensland. Linke Orbita beschädigt und Joch-
bogen abgebrochen. Nähte erhalten, Zähm; abgeschliffen, sehr gross. Im Ober!
8 Zähne vorhanden. Etwa 2 cm über der rechten Incisura frontalis eine Impr<
Knochens von 15 mm Durchmesser. Sehr hoher Torus occipitalis transversus. I
rechten Schläfenfontanelle ein 17 mm langer, 10 mm hoher Schaltknochen. Sehr niedrige
Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Foramina supraorbitalia weit, ein kleines accessorisches auf jeder Seite. Kleiner
querer Schaltknochen in der Sutura nas. »frontalis, 9 mm breit, 4 mm hoch. Kleines medianes
Poramen nasale nahe dem unteren Ende der Sutura nasalis.
Nr. 70. Schädel weissgelblich, bez. als Nr. 1252, von Rockhampton. Nähte erhal
Sutura sagittalis in ihrem hinteren Theil verstrichen, /..ahne abgeschliffen, sehr kräftig.
Rechter mittlerer Schneidezahn sehr breit, 12 mm, linker 10 mm breit. Auf der vorderen
Seite des ersteren eine Längsfurche, auf der hinteren eine tiefe Kerbe. Flacher Torus
frontalis medianus. Stark entwickelter Torus occipitalis transversus. Condyli occipitales
(lach. Kleines Tuberculum pharyngeum. Verlängerung der Processus alveolares der Ma-
rillae rechts 10 mm, links 8 mm hinter dem Weisheitszahn. Darin rechterseits ein ovales,
5mm langes, 3mm breites Loch für einen ausgefallenen 4. Molarzahn, die Zahnalveole
ist 6 mim tief, mit einfachem Gefäss- und Nervenkanal. Linkerseits ist an der corre-
spondirenden Stelle eine Vorwölbung des Processus alveolaris vorhanden. Deutliche Pro-
cessus marginales der Jochbeine, kleine Tuberositates malares. An der medialen Seil
An-ruli mandibulae starke Cristae am Knochenrando für den Ansatz der Mm. pteryg
interni.
Nr. 71. Schädel weisslich. Von Cape York. Queensland, bez. Capt. Elliott,
Nr. 1233. Dura mater noch im Schädel. Nähte erhallen. Zähne stark abgeschliffen.
Nur 5 Zähne vorhanden. Linkes Os parietale nach hinten asymmetrisch ausgebuchtet.
Hinterhaupt hinten abgeplattet, schwacher Torus occipitalis transversus. Processus pt
spinosus nefen der rechten Spina angularis. Starke Tubercula an den vorderen Luden
der Cristae infratemporales. Kurze Crista palatina mediana zwischen den Partes hori-
ales der Ossa palatina Die Sutura palatina transversa ist in ihrem mittleren Theile
nach vorn convei ansgebuchtet. Starke Processus marginales der 0
hervorragende Tuberositates mahu
Nr. 72 Schädel graugelblich, bei. als Nr. 1175. Von Brisbaue, Queensland. Nahte
erhalten. Im Oberkiefer 5 /ahne vorhanden, einer davon ist cariös. Dach der Orbita
sehr dünn und perforirt Sehr starker Torus occipitalis transversus. In der i
Schläfenfontanelle ein dreieckiger Schaltknochen, 10mm lang, 6mm hoch Condyli
pitales ganz eben, in eine gr< — re Fordere und viel kleinere hintere Hälfte getheilt; da-
hinter beiderseits ein schräger tiefer Sulcus. linke- Foramen ovale mehr rundlich.
Crista palatina mediana /.wischen den Partes horizontales der Gaumenbeine. Sutura tnter-
(540)
nasalis verstrichen. Nasenbeine zusammen nur 5 mm breit. Schwache Processus mar-
ginales.
Nr. 73. Schädel gelblich, von Wide Bay, Queensland: bez. als Nr. 1228. Nähte er-
halten. Zähne abgeschliffen, 9 im Oberkiefer vorhanden. Schwacher breiter Torus fron-
tal!- mediauus. Deutlicher Torus occipitalis transversus. Aus zwei Höckern bestehende
Processus paramastoidei. Sehr lange Spinae angulares. Niedrige Cristae palatinae trans-
versae am hinteren Eande der Partes horizontales beider Gaumenbeine. Ossa nasi oben
zusammen nur 7 mm breit. Thränengruben sehr weit. Starke Processus marginales.
No. 75. Schädel grau. Bez. als Nr. 16, Brisbane, Queensland, Nr. 1236. Nähte er-
halten. Zähne wenig abgeschliffen. Im Oberkiefer 4 vorhanden, oberer rechter Weisheits-
zahn eben durchgebrochen. Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend. Flacher Torus
palatinus medianus. Sehr breiter Tonis occipitalis transversus. Linkerseits ein Processus
paramastoideus. Kräftige Spinae angulares. Beiderseits ein grosses Foramen pterj^go-
spinosum. Niedrige Cristae palatinae trausversae am hinteren Rande der Pars horizontalis
beider Gaumenbeine.
Nr. 76. Schädel grau, bez. als Nr. 1241, von Cape York, Queensland. Auf beiden
( >ss. parietalia, am rechten Margo supraorbitalis und in der Mitte der Squama frontalis
unregelmässige Knocheunarben, dazwischen Wucherungen: Gefässlöcher in der Nähe des
Eindruckes auf der Squama frontalis. Linker Arcus zygomaticus abgebrochen. Nähte erhalten,
Zähne abgeschliffen, 5 im Oberkiefer vorhanden. Relativ hoher und schmaler Torus fron-
talis medianus. Starker Torus occipitalis transversus. Niedrige Processus paramastoidei,
sehr dünne Hamuli der Processus pterygoides. Niedrige Cristae palatinae transversae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 77. Schädel grau. bez. als Nr. 43, Brisbane, Queensland, Nr. 1247. Nähte
theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Linkerseits die beiden Schneidezähne früh-
zeitig entfernt, scharfe Kante am Processus alveolaris maxillae. Im Oberkiefer fehlen
»3 Zähne. Stirn oben gewölbt. Schwacher Torus occipitalis transversus. Kleine Processus
paramastoidei. Spitze Spinae angulares. Anstatt eines Torus palatinus transversus mehrere
Höcker an der Sutura palatina transversa.
Nr. 78. Schädel braun, theilweise geschwärzt, bez. als Nr. 1231, von Cape York,
Queensland. Schädel dick, schwer, sehr hoch auf der Mitte der Scheitelbeine, enorme
Capacität von 1590 rem. Nähte theilweise verstrichen. Alle Zähne fehlen: erhalten sind
im Oberkiefer nur die Alveolen für den rechten hinteren Praemolarzahn und für den linken
Eckzahn. Kieferrand vorn schräg und compact. Kleine mediane Exostose in der Mitte
des vorderen Kandes des Foramen occipitale magnum an dessen Innenseite: zwei eben-
solche dicht hinter dem rechten und linken Condylus occipitalis. Starke Spinae angulares.
Deutlicher Torus palatinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren
Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 79. Schädel weiss, mürbe, bez. als Nr. 45, Brisbane, Queensland, Nr. 1203.
Nable erhalten. Im Oberkiefer 6 Zähne vorhanden. Rechterseits dicht neben der Mitte
der Sutura sagittalis ein tiefer, 8 mm im Durchmesser haltender Eindruck in der Tabula
externa. Arcus zygomatici und die laterale Wand der rechten Orbita sind zerstört. Stirn
mehr gewölbt. Starker Torus occipitalis transversus. Andeutung eines Torus palatinus
transversus. Schwache Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizon-
talis beider Gaumenbeine. Nasenbeine asymmetrisch, das rechte oben viel schmaler, zu-
sammen nui 1 lim' breit.
Nr. 80. Schädel weisslich. bez. A 10 799. Von Bsorrein Bay, Victoria. Nähte theil-
weise verstrichen. Zähne ?ehr abgeschliffen; 5 im Oberkiefer fehlen. Syphilitische Ver-
dickungen. Grosse Byphiliti che Zer törungen, rundlich und mit weit ausgenagten Rändern
am Os frontale, an der Squama occipitalis und am linken Os parietale, das an zwei Stellen
perforirt ist. Eine kleiner.' solche Grube am rechten Os parietale. Verdickungen des
Knochens am harten Gaumen. Sehr tarker Torus occipitalis transversus. Laminae late-
rale der Processus ptarygoide ehr breit. Lange Spinae angulares. Nasenbeine durch
1 .nie zerstört Foramina infraorbitalia >ehr weit.
(541)
Nr. 81. Schädel gelblich, bez. als Nr. 20, Tori l'airy, Victoria, Nr. 1245. Schädel
schwer, sehr lang, 204 mm. Squama occipitalis weil nach hinten vorspringend. Zähne
abgeschliffen, im Obertiefer sind 7 vorhanden. Doppelte Reihe von Schaltknochen in der
Sntnra lamhdoides. Ein gebogener, 56 mm Langer, 14 mm hoher 3chaltknoehen orstreckl
sich von der Ala magna in der rechten Schläfenfontanelle über den ganzen oberen Tbeil
der Sutura squamosa; am hinteren Abschnitt der Letzteren findet sich noch ein kürzerer
Schaltknochen Kleine Processus paramastoidei. Meatus acnstici externi sehr hoch.
Arcus zygomatici sehr weit Lateralwärts vorspringend.
Nr. S2. Schädel weisslicli, bez. A 10 800, Victoria. Rechter Arcus zygomaticus und die
laterale Wand der rechten Orbita zerstört, der rechte Processus mastoides abgebrochen.
Zähne abgeschliffen, zum Theil cariös. Nur '.'> im Oberkiefer vorhanden. Tiefe, durch
Oaries veranlasste Grube oberhalb der Alveolen der rechtsseitigen Schneidezähne, mit
jenen communicirend. Schwacher Tonis frontalis medianus. Starker Torus occipitalis
transversus. Starker Torus palatinus medianus.
Nr. 83. Schädel gelblich, bez. A 10798, Victoria. Sagittalnaht verstrichen, in der
Mitte ihrer Länge eingedrückt. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne. Stirn weit zurückliegend.
Sehr starker und breiter Tunis occipitalis transversus. Rechterseits ein Schaltknochen in
der Schläfenfontanelle, 21 mm lang. 6 mm hoch. Kleine Processus paramastoidei. Fora-
mina zygomatico-facialia weit.
Nr. 84. Schädel weisslich, bez. B 6596, Victoria. Rechterseits das Os parietale und
Os temporale zertrümmert. Zähne weiss, abgeschliffen, im Oberkiefer rechterseits 4 vor-
handen: der linke Processus alveolaris zerstört. Tm Unterkiefer sind 4 Zähne vorhanden.
Stirn sehr zurückweichend, schwacher Torus frontalis mediauus: auf der rechten Seite der
Squama frontalis, nahe oberhalb der stark ausgesprochenen Linea temporalis inferior, eine
dache Erhebung, Knochennarbe. Linkerseits ein Poramen frontale, kein supraorbitale- und
keine Incisur; rechterseits eine gemeinschaftliche Imisura supraorbitalis und frontalis.
Nr. 85. Schädel braun, glänzend, inwendig mit weisser Farbe beschmiert, h<-/..
B 1028?, West Australia, by Lieut. H. C. Roche, 2. März 1886. Nähte erhalten. Zähne
abgeschliffen. Im Unterkiefer fehlen '.» Zähne. Hinter dem oberen rechten Weisheitszahn
eine rundliche Höhle im Processus alveolaris maxillae, die Verlängerung des letzteren
nach hinten beträgt 11 mm. Stirn sehr zurückweichend. Starke Erhebung in der Gegend
der Kreuzung der Suturae coronaria und sagittalis. Tonis frontalis medianus und Torus
occipitalis transversus. Glabella stark hervorragend, gar nicht eingedrückt. Rechterseits
berührt die Ala magna den Angulus sphenoidalis oss. parietalis in 2 mm Breite. Rechter-
seits ein Processus paramastoideus. Starker, 24 mm breiter, flacher Torus palatinus me-
dianus. Ossa nasi asymmetrisch, das linke aber schmaler. Possae caninae sehr tief.
Nr. 86. Schädel bräunlich, inwendig mit weisser Farbe beschmiert, bez. B 10282,
West Australia, bj Lieut. H.C.Roche. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im Ober-
kiefer fehlen 4. im Unterkiefer 7 Zähne, einige sind cariös. Die Glabella gar nicht ein-
gedrückt, Torus frontalis medianus. starke Krhebung in der Gegend der Kreuzung der
Lineae coronaria and Bagittalis und auch an letzterer. Starke Lineae temporales inferiores
.in der Squama frontalis. Eiervorragende Processus paramastoidei. Sehr schwacher Toni-
palatinus medianus. Niedrige Oristae palatinae transversae am hinteren Rand der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Die medialen Wände beider Orbitae sind zerstört Ossa
nasi sehr ungleich, das rechte bleibt oben weil von der Sntura nasofrontalis entfernt, ist viel
kleiner, kürzer und schmaler, als das linke, letzteres ist an seinem oberen Ende, entsprechend
der Sutura nasofrontalis, nur 5 mm breit. Die Sutura internasalis verläuft rechts von der
Medianlinie und biegt oben stumpfwinklig nach rechts um.
Nr. 87. Schädel gelblich, bez. B 8507, von Perth, West- Ausbauen. Nähte theil-
weise verstrichen. Pathologische Knochenimpression oberhalb der Glabella. Nur :'. Zähne
im Oberkiefer vorhanden. Der mittlere Theil jeder Seitenhälfte der Sutura coronaria ver-
lauf! merkwürdig gestreckt, rein transversal. Stirn gewölbt. Schaltknochen in der hin-
teren Seitenfontanelle. Condyli occipitales stark vorspringend. Kleine I para-
mastoidei. Mediane Crista basilaris an der unteren Fläche der Pars basilarfe oss. occi-
(542)
pitalis. Andeutung eines Toms palatinns transversus. Niedrige Cristae palatinae trans-
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Foramen incisivum
sehr weit. Arcus zygomatici sehr weit abstehend: Processus marginales.
Nr. 88. Schädel bräunlich, mit rother Farbe bemalt, bez. A 5114. von Port Darwin,
Northern Territory. Nähte erhalten. Weisheitszähne eben durchgebrochen. Zähne ab-
geschliffen, 1 im Oberkiefer fehlen. Stirn sehr zurückweichend, aber muh hinten hoch.
Schwacher Toms frontalis medianus. Rechterseits ein 20 m»« langer. 9 «im hoher Schalt-
knochen in der Schläfenfontanelle. Linkerseits ein 1mm langer, 8 mm breiter Processus
frontalis der Sguama fcemporalis. Kleine Processus paramastoidei. Kleine längliche Fo-
vea pharyngea in der Medianlinie, der Pars basilaris oss. occipitalis. Am vorderen Rande
Foramen occipitale magnum eine kleine quere Knochenbrücke in der Medianebene.
Sehr grosse Spinae angulares. Der untere Rand der Arcus zygomatici stark gezackt durch
Muskelansätze. Abgerundete Processus marginales. Tiefe Fossae lacrimales.
Nr. 89. Schädel grau, aufgesägt, bez. B 3495, South Australia. Schädel sehr schwer,
das Schädeldach bis 10 mm dick. Der untere Theil des rechten Scheitelbeines ausgebrochen:
auf der Squama frontalis und den Ossa parietalia zahlreiche cariöse Zerstörungen der
Tabula externa. Jochbogen zerbrochen. Ossa parietalia seitlich abgedacht, Tubera
parietalia sehr deutlich. Condyli occipitales fast eben. Starkes Tuberculum pharyngeum.
Sehr scharfe Cristae palatinae transversac am hinteren Rande der Pars horizontalis beider
Gaumenheine.
Nr. 90. Schädel braun, ist der eines etwa 60 Jahre alten Häuptlings, sog. King
Cobbera Ball, of the Bingera tribe, New South Wales, 1843 getötet. Wurde 18(J6 aus-
gegrahen von J. Mc C. Smith, nach etwa 50 Jahren, noch gut erhalten, etwas mürbe.
Viele kleine Zerstörungen und Perforationen am Schädel. Rechter Processus mastoides
und Jochbogen zerstört. Nähte verstrichen. Zähne sehr abgeschliffen. Der linke mediale
Schneidezahn in der Jugend entfernt, Processus alveolaris scharfkantig. Nur 4 Zähne vor-
handen, im Oberkiefer. Arcus superciliares sehr vorspringend, 11 mm dick. Sehr starker
Tonis occipitalis transversus. Sehr kleine Processus paramastoidei. Breiter Tonis pala-
tinns transversus, der hintere Theil des harten Gaumens zerstört. Sutura internasalis ver-
strichen, Ossa nasi zusammen 10 mm breit. Unterer Rand der Orbitae lateralwärts wulstig
aufgetrieben. Starke Processus marginales.
Nr. 91. Schädel braun, bez. Nr. 1, von Port Jackson, found in sand near Manly,
bei Sydney. Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen, aber nur wenig. Rechterseits fehlt der
laterale obere Schneidezahn, Alveolus obliterirt. Im Oberkiefer sind 6, im Unterkiefer
11 Zähne vorhanden. Unterkiefer klein und zierlich. Stirn gewölbt. Tiefe Knochen-
wund.' vor dem linken Tuber parietale, eine geheilte rruere Fractur läuft in senkrechter
Richtung vmy Sutura sguamosa herab. Beiderseits ein Processus frontalis squamae tempo-
ral!-, rechterseits 15mm breit, 7 mm lang, linkerseits 13 mm breit, 7 mm lang. Kleine
Processus paramastoidei. Augenhöhleneingang mehr rechteckig. Nasenbeine asymmetrisch,
das linke von der Sutura nasofrontalis abgedrängt, endigtoben spitz: zusammen 1 mm breit.
Nr. 93. Schädel gelblich, bez. als Nr. 3. Zähne abgeschliffen, hu Oberkiefer und
im Unterkiefer je & vorhanden. Schwacher Torus frontalis medianus. Die Sutura sagit-
talis zeig! in der Mitte ihrer Länge einen dachen Eindruck. Condyli occipitales rundlich.
eil. Kleine Proc< us paramastoidei. Kleine Crista basilaris an der unteren
ie der Pars basilai occipitalis. Lamina lateralis des linken Processus pterygoides
sehr breit, 26 mm, das* Ib ein Foramen pterygospinosum. Sutura palatina mediana etwas
nach links convex. Niedrige Cristae palatinae transversac am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Ossa palat Nasenbeine asymmetrisch, mein- sagittal gestellt, zus-
ammen oben L0 mm breit tite greift mit einer Zacke an der Sutura nasofrontalis
nach links hinüber, [nwem ind die unteren Ränder der Arcus zygomatici etwas gezackt,
ebenso linden Bich starke Kille für Muskelansätze an den Anguli mandibular Grosse Pro-
i marginale •
Nr. 'Jl. Schädel gelblich bez ah Nr.4. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen,
Weisheitszähne fa I gar nicht, im Oberkiefer V vorhanden. Kleine postmortale Durch-
(543;
bohrnngen der Squama temporalis. Schwacher Torus frontalis. Schwacher Torus occi-
]>italis transversus. Condyli occipitales rundlich, tief hinabragend. Gr — höckrigi l'i
cessus paramastoidei. Kleiner medianer Sulcus an der unteren Fläche der Pars basilarie
(iss. occipitalis. Spitze Zacken am hinteren Bande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Der knöcherne Gaumen isl nach oben tief ausgehöhlt. Schwache Proi
marginales.
Nr. 95. Schädel braunröthlich bemalt, bez. als Nr.2, found near Manly, Porl Jackson
bei Sydney. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen, Weisheitszähne fasi gar nicht Im
Oberkiefer fehlen 6 Zähne. Schwacher Torus frontalis medianus. Linkerseits sagittale
Exostosen nahe der Mitte der Länge der Sutura coronalis. Starker Torus occipitalis trans-
versus. Die Lineae temporales Buperiores reichen aber die Tubera parietalia hinauf.
Zackige Processus paramastoidei. Scharfe, 5 mm hohe Cristae palatinae transversae am
hinteren Kami der Pars horizontalis heider Gaumenbeine. Rechtes Nasenhein oben 10//'//',
das linke mir T mm breit. Augenhöhleneingang beiderseits mehr viereckig. Foramina
infraorbitalia sehr weh. darunter Längliche Gruben.
Nr. 96. Schädel bräunlich, bez. als Nr.:'.. near Manly, Port Jackson, im Sande be-
graben. Näht.- erhalten, Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer sind die beiden medialen
Schneidezähne frühzeitig entferni worden, der Kieferrand M scharf. Im Unterkiefer
fehlen .". Zähne. Dicht hinter der Sutura coronaria eine riefe Grube in der Sutura sa-
gittalis, .tw;i lf)////// im Durchmesser, von einer Verletzung herrührend. Grosse dache
Auflagerung nahe oberhalb des rechten Tuber parietale. Schwacher Torus frontalis medi-
anus, sehr starker Torus occipitalis transversus. Sehr starke und scharfe Lineae nuchae
superiores, starke Protuberantia occipitalis externa und scharfe Crista occipitalis externa
Breite höckrige Processus paramastoidei. Sehr starke Crista infratemporalis dextra.
mina ovalia sehr rundlich. Andeutung eines Torus palatinus transversus. Scharfe hohe
('ristae palatinae transversae am hinleren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Spina nasalis anterior sein- stark, doppelt.
Nr. '."7. Schädel braun, bez. als Nr. 4. Nähte theilweise verstrichen. Zähne al
schliffen. Im Oberkiefer fehlen 5, im Unterkiefer ^> Zähne. Deutlicher Torus frontalis
medianus. Kleine Hache glatte Exostose aber der Mitte der rechten Hälfte der Sutura
lamhdoides am <K parietale dextrum. Sehr starker Toms occipitalis transversus. Pro-
tuberantia occipitalis externa !» mm hoch. Niedrige Processus paramastoidei. Scharfe
Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Der Processus alveolaris maxillae um 11 mm hinter dem Weisheitszahn verlängert; in
de,- Biitte dieser Verlängerung befinde! sich linkerseits eine kleine trichterförmige Höhlung.
Dach der rechten Orbita verletzt. Abgerund» os marginales. Sutura internasalis
in ihrer oberen Hälfte verwachsen.
Nr. 98. Schädel gelblichbrann, bez. als Nr. 6. Näht< erhalten. Zähne abgeschliffen.
Im Oberkiefer fehlen die mittleren Schneidezähne, im Unterkiefer 4 Zähne. Tonis
pitalis transversus; derselbe hal linkerseits einen queren Wulst, der hervorragt: die Pr
tuberantia occipitalis externa ist in sagittaler Richtung verdoppelt Lineae nuchae infi
erstrecken rieh als erhabene Cristae gekrümmt weit nach abwärts zu den Incisui
Die Ala magna oss. sphenoidalis und der Angnlus sphenoidalis oss. parietalis be-
rühren sich rechterseits nur in 2 mm Ausdehnung. Die Condyli occipitales sind hoch,
hallen aller relativ kleine, nach hinten und lateralwärts gerichtete Gelenkflächen. Linker-
ein grosser überknorpelter Processus paramastoideus. Laminae laterales der 1';
des sehr breit. Spina mentalis sehr stark, doppelt Oss nasi nur
lang. Dicke grosse Processus marginales,
Nr. 99. s,hädei gelblich, bez. als Nr. 1. Nähte theilweise verstrichen. Zähne wenig
abgeschliffen, namentlich di< Weisheitszähne. Im Oberkiefer fehlen 6 Zähm
cariös; in der Gegend des linken Eckzahnes eiw rundliche, durch Eiterun
te Höhlung. Im Unterkiefer fehlen 11 Zähne. Nasenbeine in ihrer unteren Hälfte
durch eine Fractur eingedruckt und unregelmässig verwachsen. Corpn chten
Maxiila theilweise Beistört. Sehr starker Toms occipitalis transversus. ' tndyli occipitales
(541)
sehr ilach. Niedrige Processus paramastoidei. Kleines Tuberculum pharyngeum in der
Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Torus palatinus transversus
angedeutet.
Nr. 100. Schädel grau, bez. New Castle from Mr. Hin de. Inwendig Bindfaden-
Yurrichtung zum Aufhängen. Nähte verstrichen. Zähne stark abgeschliffen. Im Ober-
kiefer der linke mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Knocheurand scharf. Es fehlen
6 Zähne: im Unterkiefer sind :'. vorhanden. Arcus zygomatici abgebrochen. Stirn zurück-
tretend, Hinterhaupt vorspringend. Breiter Torus occipitalis transversus. Rechterseits
Processus frontalis der Squama temporalis, 12 mm lang, 10 mm breit. Linkerseits eine
Knochennarbe hinter dem unteren Ende der Sutura coronaria, welche einen ähnlichen Pro-
cessus an seinem Ursprünge quer abgetrennt hat. Kleine Processus paramastoidei.
Torus palatinus medianus an den Ossa palatina. Nasenbeine schmal, zusammen 7 mm
breit,
Nr. 101. Schädel gelblich. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen, die Weisheitszähne
nur wenig. Es fehlen im Oberkiefer die beiden mittleren Schneidezähne. Rechter Arcus
zygomaticus abgebrochen, laterale Wand der rechten Orbita zerstört. Breiter Torus occi-
pitalis transversus. Kleine Processus paramastoidei. Laminae laterales der Processus
pterygoides sehr breit. Anstatt eines Torus palatinus medianus findet sich eine kleine
Crista palatina mediana längs des hinteren Endes der Sutura palatina mediana, und niedrige
( ristae palatinae transversae sitzen am hinteren Rand der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Nasenbeine mehr sagittal gestellt, oben 7 mm breit.
Nr. 102. Schädel weisslich. From Hawkesbury, injury in forehead by Tomahawk.
Grosse flache Exostosen und Vertiefungen auf der Squama frontalis. Flache Eindrücke
an der Spitze der Squama occipitalis, daselbst eine rundliche, 20 mm grosse tiefe Knochen-
narbe. Flache Eindrücke auch in der Mitte der Länge der rechten Hälfte der Sutura
coronaria: letztere grösstentheils verstrichen. Eingang der rechten Orbita lateralwärts sehr
viel höher, als medianwärts, in Folge der Stirnbeinfractur. Kleine Knochennarbe oberhalb
der Mitte der rechten Linea temporalis inferior. Niedriger Torus occipitalis transversus.
Kleine tiefe Fovea pharyngea in der Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis. An der Sutura palatina mediana vorn und hinten kleine, sagittal gestellte Cristae.
Grosse Processus marginales an beiden Jochbeinen.
Nr. 103. Schädel bez. als Nr. 5. Aufgesägt, macerirt, oben gelblich, unterer Theil
weiss. Obere Weisheitszähne eben durchgebrochen, die Verlängerung des Processus alveo-
laris hinter denselben beträgt nur 3—4 mm. Im Oberkiefer der rechte mittlere Schneide-
zahn frühzeitig entfernt, Kieferrand scharfkantig; linkerseits fehlen 4 Zähne. Im Unter-
kiefer ist der rechte Eckzahn sehr gross, linkerseits ein Molarzahn cariös, es fehlen 5 Zähne.
Niedriger Torus occipitalis transversus. Kleine Processus paramastoidei. Choanae niedrig.
Die Pars horizontalis des rechten Os palatinum ragt ein wenig weiter nach vorn, als die
des rechten. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars hori-
zontalis beider Gaumenbeine. Starke Processus marginales. Im Inneren des Schädels sind
die Schadellöcher ziemlich weit. Das Dach der rechten Orbita sehr dünn und zerstört.
Juga cerebralia entwickelt. Foramen caecum sehr weit, trichterförmig. Processus clinoidei
anteriores sehr kräftig, zwischen beiden ein medianes Tuberculum. Fossa hypophyseos in
sagittaler Richtung ehr lang. Dorsuni sclhie sehr hoch und dünn. Processus clinoidei
posteriores lan«,r und dünn. Kminentia arcuata des Canalis semicircularis superior der
Felsenbeinpyramiden sehr stark ausgebildet.
Nr. 104". Schädel wei . bez. Cygnet Bay, von Capt. H. Hilliard. Nähte erhalten.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer die beiden medialen Schneidezähne frühzeitig entfernt.
Kieferrand daselbst scharf. Es fehlen auch die beiden lateralen Schneidezähne und
die Weisheitszähne, im I oterkiefer 9 Zähne. Schwacher Torus frontalis medianus.
Niedriger Toms occipitali transversus. Beiderseits Schaltknochen in der Schläfen-
fontanelle, rechterseits 20 mm lang, 4 mm hoch, linkerseits 26 mm lang, 6 mm hoch. Kleine
Schaltknochen in der hinteren Seitenfontanelle. An der Spitze der Squama occipitalis
ein \h mm pro es, onregelm ige 0 interparietale. Jederseits zwei Foramina mastoidea.
(545)
Canales bypoglossi Behr weit. Kleine höckerige Processus paramastoidei. Kleine Fovea
pharyngea in der Mitte der unteren Fläche der Pars basilarfr obs. occipitalis. Hohe and
scharfe Cristae palaftnae transversae ;un hinteren Rande d«-r Pars borizontalis beider
Gaumenbeine und kleine Höcker beiderseits in der Sntura palatina transversa. Nasen-
beine zusammen i» mm breit. Rechterseits ein kleiner Schaltknochen am vorderen Ende
der l'i Bura orbitalis inferior.
Nr. 105. Schädel gelblich, bez. VII, von Geraldton, by Mr. C. Elliot, died of
measles 1868. Nähte verstrichen, Zähne wenig abgeschliffen, der linke obere Weisheitszahn
gar nicht Im Oberkiefer I, Im Unterkiefer nur 1 /.ahn vorhanden. Unterkiefer niedrig 25 mm
hoch, Alveolen sind erhalten. Undeutlicher Toms frontalis medianus. Starker Torns occipitalis
transversus. Die Squama occipitalis hat rechterseits eine (jucre postmortale Spalte. Linkerseits
ein etwa 2c»i grosser Schaltknochen in der Schläfenfontanelle. Niedrige Processus para-
mastoidei. Starkes, 5 mm langes, 3 mm breites Tuberculum in der Mitte des vorderen
Randes des Foramen occipitale magnum horizontal nach hinten ragend. Dm Pars hori-
zontalis des linken Os palatinum ragt weiter nach hinten als die des rechten. Schwache
Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 106. Schädel weiss, bez. Naununi tribe, Murchisondistrict, ausgegraben von
Mr. Streich, 1895. (VergL Schädel Nr. 25.) Nähte erhalten, Zähne sehr abgeschliffen. Im
Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer 8 Zähne. Rundlicher Höcker von (j mm im Durch-
messer am hintersten Ende des rechten, hinter dem Weisheitszahn noch 13 mm langen Pro-
cessus alveolaris des Oberkiefers. Links beträgt die Verlängerung 15 mm und darin befindet
sich eine leere kleine Höhlung. Undeutlicher Torns frontalis medianus. Flacher Toms
occipitalis transversus. Lineae temporales superiores stärker, als die inferiores. Schalt-
knochen in der hinteren linken Seitenfontanelle. An der unteren Fläche der linken Hälfte
des Foramen occipitale magnum ein grösseres, rechterseits ein kleineres Tuberculum.
Foramina ovalia weit und rundlich. An den Partes horizontales der Gaumenbeine ein
flacher Torus palatinus medianus.
Nr. 107. Schädel weiss, von Cygnet Bay, vergl. Nr. 104. Nähte erhalten. Zähne
wenig abgeschliffen, Weisheitszähne fast gar nicht; der rechte im Unterkiefer cariös.
Rechterseits hinter dem oberen Weisheitszahn in der 11 mm langen Verlängerung des Pro-
cessus alveolaris eine kleine, in der Achse der Zahnreihe gelegene, "_' mm grosse, mit einem
centralen, nach oben führenden Loch versehene Höhle. Beide mediale Sehneidezähne früh-
zeitig entfernt, Kieferrand scharf. Im Oberkiefer S, im Unterkiefer Fi Zähne vorhanden.
Undeutlicher Toms frontalis medianus. An der linken Hälfte der Squama frontalis grosse.
gelbe, von Maceration herrührende Flecken. Starker Toms occipitalis transversus. Oberes
Ende der Alae magnae sehr breit, rechterseits 36 min, linkerseits 35 mm. An beiden Seiten
der unteren Fläche der Pars hasilaris oss. occipitalis Bchräge Cristae. Lamina lateralis
des reihten Processus pterygoides sehr breit Andeutung eines Torus palatinus trans-
versus. Hohe und scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars hori-
zontalis beider Gaumenbeine. Breite Processus marginales der Jochbeine,
Nr. 108. Schädel grau, von Charlotte Waters. Weihlich. Linker Jochbogen und
Nasenbeine zerbrochen. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Rechter medialer
Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand Bcharf. Im Oberkiefer 5, im Unterkiefer
<> Zähm1, meist nur Wurzeln vorhanden. Spur einer Sntura frontalis. Schwacher Torns
frontalis medianus. Schräg herablaufende Knochennarbe des rechten Os parietale. Breiter
Torns occipitalis transversus. Ri chterseits Btos8en die Squamae frontalis und temporalis
mit dein Os parietale und der Ala magna in einem 1 mm breiten Punkte zusammen. Die
Lineae temporales superiores sind stärker, als die inferiores. Hinter beiden Condyli occi-
pitales am Seitenrande des Foramen occipitale magnum je ein kleines Tuberculum.
Knöcherner Gaumen sehr Qach. Toms palatinus transversus in einem stumpfen, nach vom
offenen Winkel verlaufend Nasenbeine oben zusammen nur 8 mm breit.
Nr. 109. Schädel mit röthlicher Farbe bemalt gewesen, von Daly River. Von Zähnen
nur die Wurzel eines Molarzahne- im Oberkiefi r vorhanden. Verlängerung des Pro«
alveolaris hinter den Weisheitszähnen, 12 mm lang und sehr brei Schädel vom Scheitel
VerhandJ. der Berl. Anlhropol. QueUschafl
(546)
aus nach hinten und vorn abfallend. Schwacher Torus frontalis medianus. Hoher schmaler
Torus occipitalis transversus. Höckerige Processus paramastoidei. Andeutungen eines Torus
palatinus transversus. Spitze quergestellte Zacken am hinteren Rande der Pars horizon-
talis beider Gaumenbeine. Nasenbeine schmal, zusammen i) mm breit. Breite Processus
marginales
Nr. 110. Schädel weiss, macerirt, von New Castle Waters, by Mr. Ravenscraft.
Am linken Processus condjloidcs mandibular eine Höckcrbildung, wie von Arthritis deformans.'
Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Die beiden mittleren Schneidezähne frühzeitig
entfernt, der Rand des Processus alveolaris scharf und verkürzt. Im Oberkiefer 5 Zähne
vorhanden. Hoher und breiter Torus occipitalis transversus Oberer Rand der Alae magnae
sehr breit, an seinem vorderen Ende jederseits ein kleiner Schaltknochen zwischen der Ala
magna, dem Processus zygomaticus oss. frontalis und dem Processus frontalis oss. zygomatici.
der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis ein medianes Tuberculum pharyn-
geum, davor eine flache Fovea pharyngea, zu beiden Seiten von jenem Tuberculum jeder-
seits ein kleiner Höcker am Scitenrande der Pars basilaris. Andeutung eines Torus pala-
tinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Nasenbeine asymmetrisch, das rechte oben viel breiter.
Nr. 111. Schädel bräunlich, bez. als Woolnah Tribe, Adelaide River, near Port Darwin.
Linker Jochbogen zerbrochen. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Dieser Stamm schlägt
keine Zähne aus, macht keine Mika-Operation und keine Circumcision (Stirling). Im Ober-
kiefer fehlen 2 Zähne. Kurzer hoher Torus occipitalis transversus. Beiderseits Schalt-
knochen in der Schläfenfontanelle, rechterseits 23 mm lang, 9 mm hoch, linkerseits 23 mm
lang, 8 mm hoch. Kleine Processus paramastoidei. Scharfe Cristae palatinae transversae
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Rechtwinklige Processus
marginales. Die Foramina mentalia liegen weit hinten, unter dem ersten Molarzahn des
Unterkiefers.
Nr. 112. Schädel bräunlich, verwittert, vom Unallah tribe (called also Janich tribe),
Port Esington, 18b2 erhalten, Männlich, 25 Jahre. Rechter Jochbogen zerbrochen. Nähte
vorhanden, Zähne wenig abgeschliffen. Zahlreiche kleine Schaltknochen in der gezackten
Stelle der Sutura coronaria. Grosse Vertiefung am oberen Rande der Spinae supra meatum.
Kleiner Schaltknochen in der rechten Schläfenfontanelle, 4 mm lang, 2 mm hoch. Hoher
Torus occipitalis transversus. Protuberantia occipitalis externa ausgedehnt, aber niedrig;
Lineae nuchae superiores zu hohen scharfen Cristae entwickelt. Grosse Processus para-
mastoidei. Scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis
beider Gaumenbeine. Gaumen sehr gewölbt. Ossa nasalia sehr lang, linkerseits ein grosses
Foramen nasale.
Nr. 113. Schädel gelblichweiss, dick und schwer, von Parallana, by R. Hawker.
Nähte erhalten, Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer 7, im Unterkiefer 8 Zähne vorhanden,
einer davon cariös. Tuberculum articulare des rechten Os temporale durch Arthritis
deformans verändert, in sagittaler Richtung nach vorn verlängert, ebenso der rechte Pro-
cessns condyloides mandibulae, beide abgeschliffen. Tubera parietalia deutlich, Ossa
parietalia seitlich abgeflacht, auf denselben zwei kleine rundliche Hügel. Hoher, schmaler,
höckeriger Torus occipitalis transversus. Rechterseits dicht neben der Protuberantia occi-
pitalis externa ein grosses Foramen nutricium. Schaltknochen der rechten Schläfenfontanelle
:'>7 mm lang, 11 mm hoch Linkerseits erreicht die Ala magna das Os parietale, aber dicht
an ihr befindet sich in dir Sutura squamosa ein 7 mm langer, 4 mm hoher Schaltknochen;
ein ähnlicher auch in de] rechten hinteren Seitenfontanelle. Kleine Höcker anstatt eines
Torus palatinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Kleine scharfe Processus marginales.
Nr. 114. Schädel grau, von Parallana, by R. Hawker. Schädel scaphocephal. Flache,
quere Knochennarbe auf dem rechten Os parietale, nach hinten und median war ts vom
Tuber parietale sieb erstreckend. Dir rechte Jochbogen zerbrochen. Nähte verstrichen.
Am Oberkiefer ist die Verlängerung des Processus alveolaris hinter dem Weisheitszahn
12 mm lang und 13 mm breit, mit einem medianwärts und nach hinten gerichteten Höcker
(547)
versehen. Hinter letzterem ein nach unten offenes, nach oben sieh in 'inen Canal fort-
setzendes Loch, von vorn nach hinten 2 mm lang, 1,5 mm in querer Richtung breit und
2 mm tief, mit glatten Wunden; es isl in der Achse der Zahnreihe gelegen Im Oberkiefer
4 Zähne, im Unterkiefer 3 vorhanden, davon 2 cariös. Breiter, höher Torus occipitalis
transvereus. Condyli occipitales sein- flach. Kleine Höcker anstatt der Processus para-
mastoidei. Foramina ovalia rundlich
Nr. 115. Schädel gelbbraun, from Pina Creek. Stirn gerundet, Ossa parietalia
nach hinten abfallend. Kahle erhalten. Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 6,
im Unterkiefer 8 Zähne. Schwacher Tonis frontalis medianus. Breiter Torus occipitalis
transversus. Beiderseits ein Processus frontalis der Squama temporalis, beiderseits 8wm
lang, I2n»n breit. Niedrige und scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Sehr kleine Schaltknochen in der Sutura naso-
frontalis. Nasenbeine sehr kurz, nur 15 mm lang, dabei schmal
Nr. 1 16. Schädel grau, vom Larrakeah Tribe, South Port, near Port Darwin. September
1882. Weiblich. Stirn gerundet. Nähte erhalten. Zähne nicht abgeschliffen, Weisheits-
zähne eben durchgebrochen. Linkerseits hinter denselben in der Achse der Zahnreih'' eine
3 mm breite, 5 mm hohe glattwandige Höhle, die rechterseits sehr wenig grösser erscheint;
die Verlängerung des Processus alveolaris nach hinten beträgt 4 mm. Linkerseits fehlt
der laterale obere Schneidezahn. Synchondrosis sphenooccipitalis klaffend. Linkerseits
ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 23 mm lang, 10 mm hoch. Schwacher Torus
frontalis medianus. Fiather Torus occipitalis transversus. Tiefe Fovea pharyngea am
vorderen linde der unteren Fläche der Pars basilaris 0SS occipitalis. Foramen incisivum
eng Andeutung des unteren Endes einer Sutura frontalis, 8 mm lang. Schaltknochen in
der linken Hälfte der Sutura nasofrontalis. Linkes Os nasale 26 mm lang, Nasenbeine zu-
sammen in mm breit.
Nr. 117. Schädel weiss, vom Larrakeah Tribe, South Port, near Port Darwin, young
Female, September 188*2. Nahte erhalfen, Zähne wenig abgeschliffen, einige etwas un-
regelmässig gestellt, Weisheitszähne noch eicht durchgebrochen. Line Gefässrinne führt
beiderseits hinter dem /weiten Molarzahn in die Höhle des Weisheitszahnes. Starker
Torus frontalis medianus. Tubera fron'alia sehr ausgesprochen. Starker hoher Torus
occipitalis transversus. Kleine Höcker statt der Processus paramastoidei Starke Cristae
palatinae transversae am hinteren Lande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Nasen-
beine sehr lang, in der Medianlinie 19 mm, am lateralen Rande 22 mm lang, oben zu-
sammen 8 mm breit. Deutliche Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 118. Schädel weiss, inacerirt. vom Moolioongali Tribe zwischen South Port and
Vam Creek, April 1882. Etwa 30 Jahre alt, weiblich. Schädel hoch in der Froutalebene
der hinteren Scitenfontanellen Die Thränenbeine sind zerstört. Nähte erhalten. Zähne
wenig abgeschliffen Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne, im Unterkiefer steht der linke zweite
Praemolarzahn etwas schief, der erste Molarzahn ist cariös. Massiger Torus frontalis medianus.
Kleiner Processus frontalis squamae temporalis rechterseits, •"• mm lang, 2 mm breit. G
starke Processus paramastoidei. Andeutung eines Tonis palatinus transversus. Abgerundete
Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 119. Schädel gelblich, sehr kräftig, von Strcaky Bay, durch Rev. F. Tower.
Knochennarbe von '22 mm Länge, 11 mm Breite in sagittaler Richtung an der linken Seite
der Squama frontalis, in der Mitte der Länge der Sutura coronaria. Kleinere Knochen-
narbe oberhalb des linken Tuber frontale Rechter Arcus zygomaticus beschädigt. Nähte
beginnen zu verstreichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Schädel
an der Squama frontalis dachförmig, starker Torus frontalis medianus Sehr hoher und
starker Toms occipitalis ti-.Mi~v.r-u-. er entspricht den Lineae nuchae superioi
halb desselben und dichl bini er dem hinteren Lude der Sutura sagittalis verläuft ein
zweiter oberer flacher Torus occipitalis transversa- Lineae temporales superiores sind stärker,
als die inferiores, und reichen aufwärts bis 30 mm lateralwärt- \ m er Sutura sagittalis.
Lange Processus paramastoidei. Höbe und scharfe Cristae palatinae transversae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Augenhöhlen ziemlich recht-
35*
(548)
winklig viereckig-. Linkerseits zwei Incisurae frontales und eine Incisura supraorbitalis.
Sutura nasalis verwachsen. Ossa nasalia lateralwärts 29 nun lang, oben zusammen 11 mm
breit. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine.
Nr. 120. Schädel weiss, macerirt, bez. Cantara, South East von Südaustralieu, from
platform (vgl. bei Nr. 121). Nähte beginnen zu verstreichen. Zähne sehr abgeschliffen.
Im Oberkiefer fehlen 4 Zähne. Processus alveolaris der rechten Maxiila hinter dem Weisheits-
zahne 9 mm lang, enthält eine kleine glattwandi<re Alveole, unten 4 mm weit und ebenso
hoch, sie steigt schräg lateralwärts auf und setzt sich in einem engen Knochencanal fort.
Weisheitszahn klein. Flacher Torus frontalis medianus. Starker Torus occipitalis trans-
versa. Rechterseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 25 mm lang, 5 mm breit.
Linkerseits ist der obere Rand der Ala magna 34 mm lang, seine hintere Hälfte verbindet
sich mit dem Os parietale. Kleine Processus paramastoidei. Der Processus styloides
lang und dick, besteht rechterseits aus zwei, linkerseits aus drei Stücken. Spuren des-
unteren Endes einer Sutura froutalis.
Nr. 121. Schädel weiss, macerirt, bez. Cantara, South East von Südaustralien, from
platform feinem Gerüst auf 3 Holzbalken zum Aussetzen der Leichen, vgl Nr. 120). Zähne
abgeschliffen. Linkerseits hinter dem Weisheitszahn in der 7 mm langen Verlängerung
des Processus alveolaris maxillae eine glattwandige, 4 mm weite, 6 mm hohe Höhlung, di&
sich nach oben in einen Knochencanal fortsetzt. Rechtei-seits eine ähnliche kleinere
Höhle, die Stelle ist aber zerstört. Im Oberkiefer fehlt der laterale linke Schneidezahn,
im Unterkiefer fehlen 4 Zähne, einer ist cariös. Flacher Torus frontalis medianus, deut-
licher Torus occipitalis transversus. Ein kleiner Höcker jederseits an Stelle eines Pro-
cessus paramastoideus. Spuren einer Sutura frontalis, 17 mm nach oben reichend. Kleine
Schaltknochen in der Sutui'a nasofrontalis. Das linke Nasenbein oben breiter, als das
rechte. Abgerundete Processus marginales.
Nr. 122. Schädel weiss, macerirt, von einem 20jährigen Manne, dessen Skelet 192 cm
hoch ist; ein civilisirter Schwarzer, der Glacehandschuhe trug. Sein Bruder war noch
grösser. Schädel nicht besonders gross, nur der Unterkiefer gross, dick, massiv, vorn
33 mm hoch. Nähte erhalten, Zähne wenig abgeschliffen. Weisheitszähne des Oberkiefers
noch nicht durchgebrochen. Stirn zurückliegend. Flacher Torus frontalis medianus.
Hoher und schmaler Torus occipitalis transversus. Der obere Rand der Ala magna lang,
rechterseits 32 mm, geht in einen langen, 8 mm breiten, nach hinten gebogenen Fortsatz
über, der sich mit dem Os parietale verbindet. Foramen occipitale magnum sehr weit.
Am rechten unteren vorderen Ende der Linea nuchae inferior eine starke Crista, ebenso
schräge Cristae musculares am Seitenrande der unteren Fläche der sehr langen Pars ba-
silaris oss occipitalis. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der
Pars basilaris oss. occipitalis. Processus marginales der Jochbeine, sehr lang, gross
und dick.
Nr. 123. Schädel gelbbraun, bez. Woolnah Tribe, from Adelaide River, near Port
Darwin, 45 Jahre alt. Collection Stirling. Nähte theilweise verstrichen, Im Oberkiefer
fehlen 1, im Unterkiefer 2 Schneidezähne. Colossaler, 15 mm dicker Wulst an der Gla-
bella. Stirn sehr zurückweichend, Torus frontalis medianus. Hoher und dicker Torus
occipitalis transversus. Seitliche Abflachung der Ossa parietalia. Am hinteren Rande des
Forameu occipitale magnum jederseits kleine Knochenwucherungen. Scharfe Cristae trans-
versae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Grosse und dicke
Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 124. Schädel weisslich, von einem weiblichen Skelet; Frau des Mannes Nr. 126.
Stirn mehr gewölbt, Fossae caninae viel tiefer, Tubera parietalia deutlicher, Cristae ebenso-
ausgeprägt, wie bei Nr. 12U. Wäre nicht als weiblich zu erkennen gewesen. Knochen-
narbe in der Mitte der Stirn, von einer Verletzung herrührend. Flacher, 20 mm grosser
Hügel im hinteren Theile der Sutura sagittalis. Nähte zum Theil verstrichen. Zähne ab-
geschliffen, einige cariös. im Oberkiefer fehlen 2, im Unterkiefer 3 Zähne. Breiter und
flacher Torus occipitalis transversus. Lineae temporales superiores und inferiores sehr
deutlich. Condyli occipitsJ.es sehr gross und hoch.
(549)
Nr. 125. Schädel grau, von Yorks Peninsula, weiblich. Rechter Jochbogen abgebrochen.
Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fohlen 4, im Unterkiefer 6 Zähne.
Schwacher Torus frontalis medianus. Linkerseits ein breiter Processus frontalis squamae
temporalis, rechterseits erreicht die Spitze der Ala magna die Squama temporalis. Jeder-
scits zwei kleine Höcker an Stelle von Processus paramastoidei. Ossa nasalia ganz oben am
schmälsten. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine. Foramina mentalis sehr weit
Nr. 126. Schädel weisslich. Mann der Frau Nr. 124. Nasenwurzel wenig eingedrückt.
Arcus superciliares und Nasenbeine durch eine Verletzung zertrümmert, letztere schief an-
geheilt. Länge der Schädelbasis unsicher, weil die Nasenwurzel pathologisch verändert ist.
Deutlicher Torus frontalis medianus. Sehr hoher und dicker Torus occipitalis transversus.
Andeutung eines Torus palatinus transversus. Hohe und scharfe Oristae palatinae trans-
versae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Jochbeine.
Nr. 127. Schädel, found upon a platform on a dried body at Coorong in South Australia
1896, eingehüllt in Netze, daher nicht zu messen.
Nr. 128. Schädel eines Häuptlings, des sog. King Billy. Knochennarbe rechts neben
der Medianlinie in der halben Höhe der Squama frontalis, eine kleinere über dem linken
Arcus superciliaris. Arcus superciliares ausserordentlich stark vorspringend. Glabella
dazwischen tief eingedrückt. Zähne abgeschliffen. Deutlicher Torus frontalis medianus.
Ossa parietalia seitlich abgeflacht, Schädel scaphocephal. Protuberantia occipitalis externa
und Lineae nuchae superiores bilden zusammen einen starken Torus occipitalis transversus.
Deutliche Lineae temporales superiores und inferiores. Cristae supramastoideae vorspringend
und dick. Grosse dicke Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 129. Schädel weisslich, macerirt, schwer, von Cantara, from platform, vergl.
Nr. 120 u. 121. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 10 Zähne.
Starker hoher Torus occipitalis transversus. Medianwärts neben dem linken Processus
mastoides ein kleinerer Processus mastoides accessorius. Andeutung eines Torus pala-
tinus transversus. Niedrige Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der Pars hori-
zontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 130. Schädel weiss, von einer Plattform stammend. Zähne erhalten. Weisheits-
zähne noch nicht ganz durchgebrochen. Hinterhauptsschuppe stark nach hinten hervor-
ragend. Rechtes Os nasi oben etwas breiter als das linke.
Nr. 131. Schädel weissgelblich, aus einem Grabe im Sande, von Salt Creek, Coorong,
mit einigen Skeletkuochen. Stirn sehr breit. Postmortale Erosionen an der rechten Seite
der Squama frontalis. Knochennarbe in der Gegend des linken Tuber frontale. Nähte
theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Drei Schneidezähne fehlen im Oberkiefer.
Starker breiter Torus occipitalis transversus. Os interparietale an der Spitze der Squama
occipitalis, 12 mm hoch, obeu 16 mm, unten an seiner Basis 8 mm breit. Rechterseits eüi
Processus frontalis squamae temporalis, 5 »im laug. '.» mm breit. Starke Crista basilaris,
davor eine flache Fovea pharyngea und jederseits ein Tuberculum am lateralen Räude der
unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Torus palatinus medianus an der Pars
horizontalis beider Gaumenbeine. Das linke Nasenbein ist oben breiter als das rechte:
9 bezw. 4 mm; beide zusammen sind weiter unten nur lJ mm breit.
Nr. 132. Schädel von Coorong, presented by Mr. Morgan. Nähte fangen an zu ver-
streichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 4. im Unterkiefer 2 Schneidezähne.
Innenwände der rechten und linken Augenhöhle theilweise zerstört. Sehr starker und breiter
Torus occipitalis transversus. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
8 mm hoch. 7 mm breit. Foramina ovalia sehr weit. Kleine Cristae palatinae transversae
am hinteren Hände der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Unteres Ende der Sutura
frontalis, 12 mm weil zuerkennen. Hechtes Nasenbein etwas breiter, als das linke. Sutura
intemasalis oben nach links convex ausgebuchtet
Nr. 133. Schädel graubräunlich, von Pillawater Station. Port Lincoln an der Süd-
küste von South Australia, 1883. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer
fehlen 5 Zähne. Torus frontalis medianus. Zwei Foramina parietalia in der verstrichenen
Sutura sagittalis. 11 mm hinter einander. Starker Tonis occipitalis transversus längs der
(550)
Lineac nuchae superiores. Hehrere kleinere Processus paramastoidei. Cristae infratem-
porales sehr stark. Schwacher Torus palatinus transversus, von der Mitte der Seitenhälften
der Sutura palatina transversa an sich nach vom umbiegend.
Nr. 135. Schädel grau, von Prof. Watson's Anatomical Department in Adelaide.
Gesicht und Arcus zygomaticus dexter zerstört. Nähte verstrichen. Die Zähne fehlen
sämmtlich. Oberhalb der Wurzeln des linken oberen "Weisheitszahns eine weite hohlkugcl-
förmige Höhle, mit der Alveolarhöhle communicirend. Die Verlängerung des Processus
alveolaris maxillae hinter dem Weisheitszahn beträgt 12 nun. An der Spitze der Squama
occipitalis ein IG mm hohes, 25 mm breites Os interparietale. Schwacher Torus frontalis
medianus. Breiter Torus occipitalis transversus. Kleine Höcker an Stelle der Processus
paramastoidei. Am hinteren Rande des Foramen occipitale magnum eine breite mediane
Ausbuchtung des Pfandes nach hinten, :'> mm weit in sagittaler Richtung. Linkerseits ein
Foramen pterygo-spinosum. Schwache Cristae palatinae transversae am hinteren Rande der
Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 137. Schädel weiss, aus Saud ausgegraben, von Meringue, by Dr. Howchin.
Schädelbasis und Gesicht fehlen. Der Jochbogen wurde horizontal gestellt. Nähte ver-
strichen. Stirnbein sehr dick, 14 mm; grosse Sinus frontales, wenigstens 30 mm weit
hinaufreichend. Andeutung einer Sutura frontalis. Arcus superciliares sehr vorspringend.
Schwacher Torus frontalis medianus. Durch beide Ossa parietalia geht ein querer Bruch •
kleine Sprünge in der Squama occipitalis.
Der Schädel hat einige Achnlichkeit mit dem Neanderthaler: Länge 207 : 200; Parietal-
breite 125:145; Stirnbreite 103:109; Längenbreitenindex 60,7:70,2; jedoch sind die
Parietalbreite und der Längenbreitenindex bei letzterem beträchtlich grösser.
Nr. 138. Schädel weiss, aus Sand ausgegraben, von Goolwa an der Mündung des
Murray-Flusses. Gesicht und Unterkiefer fehlen. Die Jochbogen wurden horizontal ge-
stellt. Schädelknochen sehr porös. Stirnhöhlen weit. Glabella sehr stark vorspringend,
gar nicht eingedrückt. Die Arcus superciliares selbst nur wenig vorspringend. Schwacher
Tonis frontalis medianus. Starker Torus occipitalis transversus.
Nr. 139. Schädel weiss, found in sandhills, Goolwa, from T. Gill, Treasury. Nähte
wenig verstrichen. Zähne abgeschliffen, im Oberkiefer fehlen 9 Zähne. Stirn abgerundet,
Arcus superciliares sehr wenig vorspringend. Zwei grosse Schaltknochen an der rechten
und linken Hälfte der Sutura lambdoides, rechterseits 50 mm breit, 49 mm hoch, linker-
seits 4G mm breit, 34 mm hoch. Mitteltheil der Squama occipitalis von der Protuberantia
occipitalis externa an Gl mm weit sich nach oben erstreckend. Starker Torus occipitalis
transversus. Andeutung eines Torus palatinus transversus. Scharfe, hohe Cristae palatinae
transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 140. Schädel gelblichwciss, maecrirt, fest, bez. als Pompey, vielleicht männlich,
from Umhcratana, by Mr. Stuck ey. Nähte erhalten. Alle Zähne fehlen. Starker, langer
Torus frontalis medianus. Spitze der Squama occipitalis viereckig, 31 mm breit, 24 mm
hoch. Sehr starker Torus occipitalis transversus. Condyli occipitales hoch, abgerundet.
Kleine Processus paramastoidei. Incisurae mastoideae ausserordentlich weit und tief. An-
deutung eines Toni-: palatinus transversus. Scharfe und hohe Cristae palatinae transversae
am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Starke Cristae an den
Anguli mandibular für die Mm. pterygoidei interni.
Nr. 141. Schädel weiss, Begräbniss im Sande . bez. als Murray native. Oberfläche
charakteristisch rauh und körnig von den durch die Winde daraufgeblasenen Sand-
körnchen. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 7, im Unter-
kiefer ebenso viele Zähne. Starker Torus occipitalis transversus. Torus palatinus medianus.
Sehr hohe Cristae, palatinae transversae längs der Pars horizontalis beider Gaumenbeine.
Nr. 142. Schädel graugelblich, mürbe, from Silverton, presentod by J. Allen. Nähte
meist erhalten, /.ahne abgeschliffen. Im Oberkiefer und im Unterkiefer fehlt je ein Zahn.
Schwacher Torus frontali medianus. Tubera parietalia sehr deutlich. Sehr entwickelter
Torus occipitalis transversus. Massig grosse Processus paramastoidei. Ohoanae sehr
niedrig. Torus palatinus medianu längs der vorderen Hälfte der Partes horizontales der
(551)
Gaumenbeine. Die hintere Hälfte der Sutura palatina mediana isl verwachsen. Hoho
scharfe Cristae palatinae transversae längs der hinteren Ränder der Pars borizontalis beider
Gaumenheine. In deT Glabella Andeutung einer Sutura frontalis. Rechter o das
Foramen supraorbitale und die Incisnra frontalis ganz nähr beisammen.
Nr. 143. Schädel gelbliehweiss. dick, schwer, von Talerno, River Darling, from
Mi . Sadleir. Knochennarben auf der Squama frontalis. Nähte verstrichen. Zähne ab-
geschliffen. Im Oberkiefer der mediale rechte Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand
scharf. Es fehlen 4, im Unterkiefer 5 Zähne; einige Zähne sind cariös. Linkerseits hinter
dem oberen "Weisheitszahn ein grosser Höcker am Processus alveolaris. Schwacher I
frontalis medianus. Schmaler Toms occipitalis transversus. Starke, sagittaJ verlaufende
Cristae beiderseits am untersten Theile der Squama occipitalis. Kleine, mediane Crista
basilaris und schräge Cristae Laterales an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis. Mehrere kleine Höcker an Stelle von Processus paramastoidei. Sutura internasalis
nnregelmässig. Starke Cristae an den Anguli mandibulac für die Mm. pterygoidei interni.
Nr. 144. Schädel gelbbraun, von Wentworth, by Mr. Longson. Quere, postmortale
Verletzungen der Squama frontalis und des Os parietale sinistrum. Beide Arcus zygo-
matici und die linke Seite des Os sphenoidale zerstört. Auf dem Scheitel eine alte, -agittal ver-
laufende, 30 mm lange Knochennarbe. Synchondrosis sphenooccipitalis nicht verknöchert/
Länge der Pars basilaris genau '22 mm. Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen Weis-
heitszähne eben durchgehrochen. Im Oberkiefer fehlen die Schneidezähne, im Unterkiefer
der mediale linke Schneidezahn. Processus condyloides mandibulae rechterseits ab-
gebrochen. Stirn gewölbt, hoher Torus occipitalis transversus. Condyli occipitales flach.
Lamina lateralis des rechten Processus ptcrygoides sehr breit, 20 mm, links ebenso. Gaumen
sehr gewölbt. Das rechte Nasenbein oben schmaler, als das linke: die Sutura inter-
aasalis biegt sich daselbsl nach rechts um.
Nr. 145. Schädel gelblichweiss, von Talerno, River Darling, from Miss Sadleir
vergl. Nr. 143), weiblich. Stirn gerundet. Augenhöhlen mehr rundlich, Nähte beginnen
zu verstreichen. Zähne abgeschliffen. Der linke mediale Schneidezahn fehlt, der Kiefer-
rand dünn. Geringer Torus frontalis medianus. Knochennarbe oberhalb des rechten Tuber
parietale. Hinterhaupt vorspringend; schmaler Tonis occipitalis transversus. Reehterseits
ist eine laterale Partie der fötalen Sutura occipitalis transversa erhalten und durch zwei
kleine Schaltknochen angedeutet. Andeutung eines Tom- palatinua transversus. Foramen
iueisivum sehr weit, unterer Theil der Nasenbeine gebrochen und wieder geheilt.
Nr. 146. Schädel braun. Dieser Schädel mit den Skeletknochen und 8 anderen
Skeletten (Schädel Nr. 147 — 14(J und 156-161) wurde 15 km westlich von Adelaide und
eine halbe Stunde von der Südküste Süd-Australiens Anfang November 1896 in Reedbcds
(Schilfrohrbetten) von einem Policemaster ausgegraben. Gesicht und Schädelbasis fehlen.
Jochhogen und Unterkiefer zerbrochen, der Rest des Arcus zygomaticus zur Horizontalstellung
benutzt. Crista frontalis interna sehr stark vorspringend. Im Oberkiefer fehlen 10, im
Unterkiefer 5 Zähne, die vorhandenen stark abgeschliffen. Die beiden ersten Molar/ahne
des Unterkiefers sind luxirt, die beiden lateralen Wurzeln ragen lateralwärts über den
Kieferrand hinan-, die Zahnhöhle isl heim Kauen von Pflanzenfasern zur Herstelhn
Netzen oder dergl. der Länge Dach geöffnet, so dass die laterale Hälfte des Zahnes fehlt
und die Halbirung8fläche nach oben Behaut. Diese ganz eigentümlichen Verhältnisse
kehren mehr oder weniger an den meisten Schädeln au- jenen Reedbeds wieder. Torus
frontalis medianus Torus occipitalis t ransvei-u- hoch und breit.
Nr. 117. Schädel wie Nr. 146, mürbe. Nähte theilweise verstrichen. Im Oberkiefer
4 Zähne vorhanden, die ersten Molaren luxirt. Her rechte mediale Schneidezahn frühzeitig
entfernt. Unterkiefer niedrig, weil die Alveolen der Molarzähne obliterirt sind; alle - ine Zähne
fehlen. An der hinteren lateralen Aussenwand des Processus alveolaris der rechten Maxiila
ein Vorsprung, der eine :'• mm weite, glattwandige Höhlung ganz dicht an jener Aussenwand
enthält. Stirn gewölbt. Beiderseits rundliche Knochennarben auf der Squama frontalis dicht
oberhalb der Tubera frontalia. Toms occipitalis transversus. Die Pars borizontalis des
linken Gaumenbeines ragl weiter nach vorn, als die rechte. Gaumen theilweise i
(552)
Grosse Foramina zygomarico-facialia. Processus condyloides mandibulae linkerseits ab-
gebrochen.
Nr. 148. Schädel wie Nr. 146, mürbe. Os sphenoidale rechterseits und beide Jochbogen
zerstört, Nähte erhalten. Zähne sehr abgeschliffen, im Oberkiefer bis auf die Wurzeln
abgekaut. -Der erste Molarzahn des Unterkiefers beiderseits luxirt, wie bei Nr. 146. Im
Oberkiefer fehlt der laterale linke Schneidezahn, im Unterkiefer fehlen 3 Zähne. Starker
Torus occipitalis transversus. Rechterseits ein Schaltknocheu in der Schläfenfontanelle,
20 mm lang, vorn 9 mm hoch. Kleine Spina am vorderen Rande des Foramen occipitale
magnum in der Medianlinie. Rechterseits zwei kleine Höcker an Stelle von Processus
paramastoidei. Linkes Foramen ovale gross. Elliptischer Torus palatinus medianus längs
des ganzen Processus alveolaris maxillae. Gaumen hinten, der Unterkiefer in zwei un-
gleiche Hälften zerbrochen.
Nr. 149. Schädel wie Nr. 14fi, weiss, fest, schwer. Stiru gewölbt. Nasenbeine zer-
brochen. Unterkiefer hoch und kräftig. Nähte theilweise verstrichen. Zähne sehr .stark
abgekaut. Am hinteren Ende des Processus alveolaris der linken Maxilla in der Achsen-
linie der Zahnreihe eine rundliche, 2 mm grosse Höhle dicht unter dem untereu Ende des
Processus pterygoides. Processus alveolares kräftig, hoch, daher die Nasenhöhe gering. Im
Oberkiefer fehlen 5 Zähne: der rechte zweite Molarzahn ist luxirt, wie bei Nr. I4(i, ebenso
der erste linke Molarzahn des Unterkiefers. Im letzteren fehlen 10 Zähne. Kleine rund-
liche Hügel auf der Höhe des Scheitels in der Sutura sagittalis. Sehr starker Torus
occipitalis transversus. Kleine Höcker beiderseits an Stelle von Processus paramastoidei.
Schwache Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 150. Schädel weisslichgelb, von Dr. Lendon in Adelaide. Nähte theilweise
verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne, einige sind cariös.
Lineae temporales inferiores sehr stark. An der hinteren Wand beider Meatus acustici
externi symmetrische grosse rundliche Tubercula. Protuberantia occipitalis externa hoch
und böckrig. Grosse höckerige Processus paramastoidei. Choanae sehr niedrig. Die
Sutura palatiua transversa hat nach vorn gerichtete zackige Vorsprünge. Ein schnabel-
förmiger Knochenvorsprung deckt den hinteren Rand des Foramen incisivum.
Nr. 151. Schädel röthlich bemalt, von Dr. Märten in Adelaide. Nähte erhalten. Zähne
massig abgeschliffen. Der Boden der linken Augenhöhle ist zerstört. Im Oberkiefer der
rechte mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Processus alveolaris
maxillae hinter dem Weisheitszahn um 10 mm verlängert und beiderseits darin eine in
der Achse der Zahnreihe gelegene, 2 — 3 mm messende, rundliche, nach unten offene Höhle.
im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer 2 Zähne. Stirn breit. Lineae temporales inferiores
an der Squama frontalis stark entwickelt. Processus paramastoidei. Beiderseits Spinae
am hinteren Rande der Fissurae pterygo-palatinae. Flacher Tonis palatinus medianus
längs der ganzen Sutura palatiua mediana. Kleine Schaltknochen in der Sutura frontalis.
Das linke Nasenbein greift oben nach rechts über die Medianlinie hinüber. Sehr grosse
Processus marginal beider Jochbeine.
Nr. 152. Schädel grau, von Dr. Märten in Adelaide. Wand der rechten Augenhöhle und
der linke Processus mastoides zerstört, der rechte Jochbogen abgebrochen. Im mittleren
Theil des rechten Ot paj tale eine postmortale Fractur. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen.
Im Oberkiefer fehlen drei Schneidezähne. Deutlicher Torus frontalis medianus. Rechter-
äeits ein kleiner Schalt] ochen in der Schläfenfontanelle, bmm hoch, I mm in sagittaler
Richtung lang. In beidi n i atus acustici externi glatte Hervorragungen an der hinteren
Wand, wie beim Schädel > Flache Processus paramastoidei. Die Laminae laterales
der Processns pterygoidi il lateralwärte abweichend, an ihrer Wurzel beiderseits
eine tiefe Höhlung. Andeutung eine Torus palatinus transversus. Niedrige Cristae pala-
tinae transversae am hinteren Rande der Pars horizontaHs beider Gaumenbeine. Sehr
grosse Processus marginales beidei Jochbeine.
Nr. 153. Schädel grau, mürbe, von Dr. Märten in Adelaide. Postmortale gri
Oeffnung in der Squama occipitalis. laterale Wand der rechten Orbita und der Arcus
zygomaticua dexter seratört. Nähte vci 'riehen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer
(553)
4 Zähne. Schwacher Torus frontalis medianus. Tubera parietalia sehr deutlich. Bchmaler
Toms occipitalis transversus. Condyli occipitales stark hervorragend. Processus mastoides
ongloich, der linke kleiner und dünner, als der rechte. Scharfe Processus marginales beider
Jochbeine. Kinn spitz.
Nr. 154. Schädel dunkelgrau, voll Erde, von Dr. Harten in Adelaide. Nasenbeine
zerbrochen. Die linke Seite der Squama frontalis und das linke Os parietale z ■ i ^r > - 1 1 eine
e, in sagittaler Richtung 67 mm lan^e und 42 mm breite, nach unten hin stark er-
habene und rauhe Knochennarbe. Nähte verstrichen, Zähne abgeschliffen; im Oberkiefer
ist der mediale linke Schneidezahn frühzeitig entfernt, der Alveolus obliterirt, ebenso die
Alveolen der linken Praemolaren und Molarzähne, der Kieferrand niedrig. Unterkiefer in zwei
Hälften zerbrochen, enthält nur einen, abgeschliffenen Weisheitszahn. Starker Torus occi-
pitalis medianus an beiden Seiten. Laterale Höcker der Processus paramastoidei ver-
banden Condyli occipitales sehr flach. Andeutung eines Tom.-, palatinus transversus.
Von Skeletknochen sind vorhanden: 1 Atlas, 1 Epistropheus, 1 Halswirbel, 2 Brustwirbel,
2 Lendenwirbel, 1 Manubrium sterni, 7 rechte und 5 linke Rippen, 1 linke Clavicula,
2 Scapulae, 2 Eumeri, 1 Radius, 1 Dlna.
Nr. 155. Schädel graugelblich, von Mr. Minebin, Director des zoologischen Gartens
in Adelaide, weiblich. Stirn abgerundet. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im
Oberkiefer fehlen 7, im Unterkiefer eben so viele Zähne, im Oberkiefer sind die Alveolen
der Weisheitszähne obliterirt. Lateralwärts von der Alveole des linken oberen Eckzahnes
iindet sich eine accessorische, glattwandige, '.* mm hohe Alveole. Deutlicher Torus occi-
pitalis transversus. Nasenwurzel sehr tief eingedrückt. Nasenbeine etwas asymmetri-eh.
das linke oben etwas breiter. Andeutung von Processus marginales an beiden Jochbeinen.
Nr. 156. Schädel wie Nr. 146, gelbgrau, in seitlicher Richtung postmortal zusammen-
gedrückt. Nähte klaffen. Höbe des Schädels sehr unsicher. Rechte Augenhöhle hinten
zerstört, Jochbogen zerbrochen, die Nase tbeilweise zerstört und falsch angesetzt. Sutura
lambdoides verstrichen. Zähne abgeschliffen: im Oberkiefer fehleu S, im Unterkiefer
5 Zähne Deutlicher Tonis frontalis medianus. Starker Torus occipitalis transversus.
Die Condyli occipitales haben eine abnorme, 5 mm lauge, überkuorpelte laterale Fort-
setzung an ihrem hinteren Ende. Abgerundete Processus marginales der Jochbeine.
Nr. U>7. Schädel wie Nr. 146. Nähte tbeilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen,
Weisheitszähne oben durchgebrochen. Sämmtliche 4 ersten Molarzähne stehen Bchief, sind
halb luxirt. medianwärts. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Deutlicher Torus frontalis
medianus. Kleine Knochennarben nahe der Sutura sagittalis an beiden Seiten. Starker
Torus occipitalis transversus. Kleiner Schaltknochen in der rechten Schläfenfontanelle,
6 mm lang, 1 mm hoch. Der rechte Processus mastoides abgebrochen, der linke lang und
sehr dünn, 12 mm in sagittaler Richtung messend. Linkerseits das Foramen jugulare durch
i ine feine Knochenbrücke in eine kleinere vordere und eine grössere hintere Hälfte getheilt
Kleine Fovea pharyngea an der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis.
Nr. 158. Schädel wie Nr. 146. Schädelbasis, Gresichl und Unterkiefer zerbrochen,
ebenso die linke Seite der Squama frontalis und das linke Os parietale. Die Jochl
bei den Messungen horizontal gestellt. Kleine atrophische Stellen neben der Sutura
sagittalis, oberhalb der Tubera parietalia. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen; im Unter-
kiefer 4 vorhanden, ausserdem sitzt rechterseits ein Weisheitszahn im Unterkiefer mit der
Krone abwärt- und nach vorn gerichtet. Starker Torus occipitalis transversus. Condyh'
occipitales Klein und rundlich.
Nr. L59. Schädel wie Nr. 1 in. gelbbräunlich. Rechter Jochbogen erbrochen. Nähte
beginnen zu verstreichen, /ahne sehr abgeschliffen. Im Oberkiefer nur Wurzeln, im Unter-
kiefer 4 Zähne vorhanden. Torus frontalis medianus. Sehr starker 'lern- occipitalis trans-
versus. Protuberantia occipitalis externa BehT hoch, 1mm. Beiderseits Schaltknochen in
der Schläfenfontanelle, rechterseits 19 m lang, 7 mm hoch, linken m lang, \o mm
hoch. Condyli occipitales dach. Andeutung eines Torus palatinus ransversus. l'r
marginales beider Jochbeine von rechtwinkliger Form. Linker Processus condyloides
mandibulae abgebrochen.
(554)
Nr. 160. Schädel wie Nr. 146, -weiss. Stirn abgerundet. Nähte theihveise verstrichen.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 10 Zähne. Der linke erste Molarzahn des
Unterkiefers schräg- gestellt, wie luxirt. Sehr starker Torus occipitalis transversus. Condyii
occipitales sehr eben.
Nr. 16*2. Schädel grau, schwer, sehr dolichocephal. Nähte theilweise verwachsen.
Zähne sehr abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 3 Schneidezähne. Enorme, lr"> mm lange
Verlängerung der Processus alveolares maxillae hinter den "Weisheitszähnen. Sehr starker
Torus occipitalis transversus. Condyii occipitales sehr flach. Flacher Torus palatinus
transversus. hinter der Sutura transversa verlaufend, 9»//// breit. Schwache Cristae pala-
tiuae trausversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Foramen
incisivum sehr weit. Kleine Schaltknochen in der Sutura nasofrontalis. Rechtes Nasen-
bein (dien breiter, als das linke.
Nr. 163. Schädel weiss, macerirt. Nähte theilweise verwachsen. Zähne massig abge-
schliffen; im Oberkiefer fehlen die Schneidezähne. Rundliche Gruben mit Knochen-
wucherungen auf ihrem Boden am Rande der Squama frontalis: der hintere Theil der
Sutura sagittalis zeigt eine starke, etwa 40 mm breite Vertiefung mit denselben kleinen Wuche-
rungen; eine kleine solche Grube am linken Tuber parietale. Sie rühren vielleicht von einer
Scabies-ähulichen Hautkrankheit (S. 515) her. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe nach hinten
stark abfallend. Schwacher Torus frontalis medianus. Sehr starker Torus occipitalis trans-
versus. Andeutung eines Torus palatinus transversus. Cristae palatinae trausversae am
hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Dicke rundliche Processus mar-
ginales beider Jochbeine.
Nr. KM. Schädel gelbgrau. Nähte theilweise verstrichen. Zähne wenig abgeschliffen,
eiuige Mnd eariös; 5 fehlen im Oberkiefer. Oberhalb des rechten oberen Eckzahnes eine
grosse rundliche Eiterhöhle; neben dem linken zweiten Praemolarzahn an seiner lateralen
Seite, vorn und hinten, zwei rundliche leere Alveolen, vielleicht für überzählige Zähne.
Erhabener Turas frontalis medianus. Grosser breiter Torus occipitalis transversus. An der
hinteren Wand beider Pori acustici externi eine glatte knöcherne Hervorragimg, sie gehört
noch dir Verdickung der unteren Wand an. Condyii occipitales sehr rundlich und hoch.
'I rosse Processus paramastoidei. Starker langer Processus jugularis oss. temporalis in
beiden Foramina jugularia. Sutura nasofrontalis verläuft ganz gerade, ist nicht gezackt.
Sutura internasalis theilweise verstrichen. Der untere Theil des rechten Nasenbeines
abgebrochen gewesen und schief angeheilt. Die Fissurae orbitales inferiores sind ganz
schnialr Spalten.
Nr. l;f>. Schädel gelblich, von Euclea Beach, South Australia, nahe der Grenze
gegen Queensland, bez. Adult male. Männlich. Nähte verstrichen. Gegend der Sutura
ittalis etwas eingedrückt. Zähne theilweise eariös. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne.
Am linken ersten Molarzahn eine grosse Fiterhöhle, die unter dem Processus palatinus
maxillae mündet. Andeutung eines Torus frontalis medianus. Sehr starker Torus occi-
pitalis transversus. Am vorderen Ende des Condylus occipitalis dexter findet sich ein
Tuberculum nahe neben der Medianlinie. Die Processus paramastoidei sind spitze Höcker.
Spinae angulare -ehr dick. Sutura internasalis verstrichen. Augenhöhleneingänge merk-
würdig schief; an dci medialen Seite nur 20 anstatt .".I mm hoch. Processus marginales
beider Jochbeine Jehr gross; ihre Basis misst L6 mm, ihre Länge 7 mm.
Nr. 166 Schädel von New Charlotte Waters, by Mr. Ravenscraft, 1893. Nähte
verstrichen. Alle Zähne erhalten, abgeschliffen. Runde, etwa 10 mm grosse Knochen-
auflagerungen auf der Squama frontalis. Kleiner Torus occipitalis transversus. Lineae
temporales Buperiores sein- scharf abgegrenzt. Kleiner Torus occipitalis transversus.
Condyii occipitales klein, rundlich. An der Stelle der Processus paramastoidei beiderseits
mehrere kleine Höcker. Gro mediane Fovea pharyngea, 1mm lang. 5 mm breit, an der
unteren Fläche der Pai ba occipitalis. Cristae infratemporales beiderseits sehr
dick und lang. Spinae anguli ro Sutura frontalis an ihrem unteren Ende
in einer Länge von \\ mm erhalten. Sutura internasalis verstrieben. Canales infra-
(555)
orbitales nach oben hin ihrer ganzen Länge nach offen. Zwei Foramina infraorbitalia
jederscits.
Nr. 1(57. Schädel gelblich, vielleicht vnm Northern Territory. Nähte erhalten. Zähne
abgeschliffen. Der rechte mediale Schneidezahn des Oberkiefers frühzeitig entfernt, Kiefer-
rand rliarf. im Ohcrkiefcr fehlen <J Zähne; hinter demWni beitszahn jederseits eine ganz
flache, kleine Höhle. Rechter Jochbogen zerbrochen. Breiter Tom- frontalis medianus.
Kleiner Torus occipitalis transversus. Lineae temporales inferiores sehr rauh. Starker
Condylus occipitalis mit zwei Höckern, jederseits. Starker Toru palatinus medianns.
Scharfe, hohe Cri tac palatinae transversae am hinteren Bande der Pars horizontalis beider
Gaumenbeine. Rechtes Nasenbein «.hm viel breiter, als das linke. Abgerundete Proci
marginales beider Jochbeine. Jederseits eine starke Tuberositas malaris.
Nr. 16*. Schädel von der Calvert-Expedition in das westliche Australien, 18%, bei
der die Theilnehmer Johns und Wells verunglückten. Die Leichen wurden gesucht und
4weiSkelette nebst Schädeln (Nr. 168 und L69 von Eingebornen, die aus dem unberührten
Westen stammen, zurückgebracht. Prof.Watson inAdelaide fand die Leute von kleinerStatur
und hat einige Maasse mitgctheilt. Linke Felsenbein-Pyramide ausgebrochen. Schädel grau,
inwendig Sand. Bez. als „old man". Nähte verstrichen, /.ahne abgeschliffen, to Ober-
kiefer fehlen 8 Zähne, einige sind cariös, im Unterkiefer nur 3 Zähm' vorhanden.
Schwacher Torus frontalis medianus. Starker Tonn occipitalis transversus. Linkerseits
ein niedriger Processus paramastoideus. Kleine, längliche Fovea pharyngea. Längliche,
schräge Tubercula am lateralen Rande der unteren Fläche der Pars basilaris oss. occi-
pitalis Starke Spinae angulares. Dreieckiger Torus palatinus medianus, mit der Spitze
nach hinten gerichtet, in der Medianlinie der Pars horizontalis der Gaumenbeine. Nähte
des Gaumens verwachsen. Abgerundete Processus marginales beider Gaumenbeine. Sehr
tiefe Fossae sacci lacrimalis.
Nr. 169. Schädel wie Nr. 168; gelblich, bez. als ryoung man-. Nähte verstrichen.
Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen *J Zähne, einer ist cariös; im Unterkiefer is!
nur der rechte zweite Molarzahn vorhanden, sehr abgeschliffen; daher ist die Gesichtshöhe
nieht bestimmbar. Am rechten i >s parietale neben der Sutura sagittalis eine kleine Knochen-
narhe. Von der Scheitelhöhe fällt der Schädel etwas nach hinten ab. Starker Tonis
occipitalis transversus. Condyli occipitales sehr lang, ebenso das Foramen occipitale
magnum Länglich. Sehr kleine mediane Spina am vorderen Rande desselben. Kleine
Fovea pharyngea und kleine, schräge Tubercula am lateralen Seitenrande der unteren
Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Kleine Processus paramastoidei. Andeutung
eines Torus palatinus transversus. Abgerundete Processus marginales leider Jochbeine.
Fossae sacci lacrimalis sehr tief.
Nr lTo. Schädel dünn, weiss, macerirt, hez. T. Foelsche, Police -magistrate,
Palmerston, Porl Darwin, Northern Territory, South Australia. Jugendlich, Synchondrosis
sphenooccipitalis erhalten. Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen. Rechterseil
Schaltknochen in der Schläfenfontanelle, 21 mm lang. 11/"/// hoch. Linkerseits ein Pro-
äus frontalis squamae temporalis, 1 mm lang. 15 mm breit.
Nr. 1 7 ■_* . Schädel weiss, macerirt, bez. Victoria River. Nähte theilweise verstrichen.
Zähne abgeschliffen. Beide mediale Schneidezähne des Oberkiefers frühzeitig entfernt.
1 in Oberkiefer fehlen 6, im Unterkiefer 6 Zähne. Grosse Eiterhöhlc rechterseits an Stelle
der beiden hinteren Molarzähne. Starker Torus occipitalis transversus. Beiderseits I
spit/er Processus frontalis squamae temporalis, 8 m»« lang, 1 » > ////// an seiner Wurzel breit.
Beiderseits starke, längliche Wölbung ander hinteren Wand beider Mcatus acustici externi,
im Zusammenhange mit starker Verdickung an der unteren Wand, i ndyli cipitales
sehr hoch, deshalb Vertiefungen für die Foramina condyloidea. Jederseits ein luher-
culnni am lateralen Seitenrande der Pars basilaris oss. occipitalis. Länglicho Fovea
pharyngea. Foramen jugulare sinistrum durch eine Knochenbrücki in kw a :.
getheilt. Processus 33 lang, spitz. linkerseits ein Foramen pterygo-spinosunt
Laminae laterales der Processus pterygoides -ehr breit, 26 mm. Starke Spinae am vorderen
(556)
Ende der linken Crista infratemporalis. Choauae niedrig. Abgerundete Processus marginales
beider Jochbeine. Fissurae orbitales inferiores sehr eng. Fossae sacci lacrimalis tief.
Nr. 173. Schädel weiss, bez. Borroloola, from Mr. Stretton, with tall skeleton.
Rechter Arcus zygomaticus abgebrochen. Nähte erhalten. Zähne abgeschliffen. Im Ober-
kiefer fehlen 4, im Unterkiefer 7 Zähne. Grosse Eiterhöhlen an den Schneidezähnen und
dem ersten linken Molarzahn des Oberkiefers. Geringer Torus frontalis mcdianus. Schwacher
Toms occipitalis transversus. Linkerseits ein Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
(j mm lang, 5 mm hoch. Starke Spina am hinteren Rande des rechten Foramen jugulare.
Grosses Tuberculum pharyngeum in der Mitte der unteren Fläche der Pars basilaris oss.
occipitalis. Rechterseits ein schmaler, hoher Processus condyloides. Lamina lateralis
der Processus pierygoides 25 mm breit. Andeutung eines Torus palatinus transversus.
Unteres Ende der Sutura frontalis in der Länge von 15 mm erkennbar. Ossa nasialia mehr
sagittal gestellt. Sutura internasalis oben verwachsen. Sehr starke Processus marginales.
Nr. 174. Schädel braun, bez. Poltallock, 10. October 1S93. Schädelbasis von Kohlen-
rauch geschwärzt. Beide Jochbogen zerbrochen. Linkes Scheitelbein postmortal in mehrere
Stücke gebrochen. Stirn abgerundet. Nähte verstrichen. Zähne sehr abgeschliffen. Er-
habener Torus occipitalis transversus. Die Lineae temporales bilden an der Squama frontalis
deutliche Cristae. Grosser Schaltknochen in der rechten Sutura squamosa, 28 mm lang,
11 mm hoch. Am hinteren unteren Rande des linken Porus acusticus externus ein kleines
Tuberculum. Condyli occipitales hoch, rundlich. Kleines Tuberculum pharyngeum. Gaumen
sehr gewölbt. Andeutung eines Torus palatinus transversus. Scharfe Cristae palatinae
transversae am hinteren Rande der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Das linke
Nasenbein greift oben über die Medianlinie mit einer Zacke nach der rechten Seite hin-
über. Sehr starke Processus marginales beider Jochbeine.
Nr. 175. Schädel weiss, bez. New Castle Wateis, by Mr. Ravenscraft. Gaumen
durch Caries perforirt. Nähte erhalten. Zähne wenig abgeschliffen, namentlich die
Weisheitszähne Im Oberkiefer fehlen 9 Zähne. Jederseits eine kleine glattwandige Höhle
oberhalb des Weisheitszahnes, nach oben und hinten von letzterem im Processus alveolaris
sitzend, 2 mm lang, 1,5 mm breit und 2 mm hoch. Beide oberen medialen Schneidezähne früh-
zeitig entfernt, Kieferrand scharf. Sehr schwacher Torus frontalis medianus. In der rechten
Schläfenfontanelle ein unregelmässig gebogener Schaltknochen, 21 mm lang, 12 mm hoch.
Kleines Os inte.rparietale an der Spitze der Squama occipitalis. in sagittaler Richtung 9,
in transversaler 12 mm breit, darüber noch ein Schaltknochen nahe dem hinteren Ende der
Sutura sagittalis. Condyli occipitales rundlich, hoch. Mediane Crista basilaris an der
unteren Fläche der Pars basilaris oss. occipitalis. Weite Canales vomerobasilares s.
vomcrosphenoidales laterales (superiores). Kleine Höcker an Stelle der Processus para-
mastoidei. Die Cristae infratemporales bilden starke Zacken. Forarniua ovalia weit und sehr
breit. Spinae palatinae längs des hinteren Randes der Pars horizontalis beider Gaumen-
beine. Unteres Ende der Sutura frontalis in 10 mm Länge erhalten. Fissura orbitalis
inferior vorn sehr weit; linkerseits nahe hinter derselben eine starke, mit der Crista infra-
temporalis zusammenhängende Zacke. Rechtes Os nasale oben sehr weit nach links über-
greifend. Starke Tuberositates malares.
Nr. 17(1. Schädel weisslich, macerirt, bez. Gulf of Carpentaria , from Mr. Favenc,
1882. Os ethmoidale zei tört. Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Beide
medialen oberen Schnei i ahne frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Ausserdem fehlt der
rechte obere Weisheitszahn. Andeutung eines Torus frontalis medianus Sehr schwacher
Torus occipitalis transver us. Beiderseits grosse Schaltknochen in der Schläfenfontanelle,
rechterseits 81 mm lang, 15 mm hoch, linkerseits 39 mm lang, 17 mm hoch. Hinterer Rand
Poramen occipitale magnum viereckig ausgebuchtet, das Foramen sehr länglich, an
seinen lateralen Rändern stark. Knochenwucherungen, am vorderen Rande eine kleine
mediane, nach vorn gerichtete Spina. Gaumen sehr gewölbt. Doppelte Incisurae fron-
tales, dichl medianwärts von der Incisura supraorbitalis. Rechtes Nasenbein oben ein
wenig breiter, als das linke.
(557)
Nr. 177. Schädel weiss, bez. from T. Foelsche, police-master, Palmerston, Port
Darwin. Knochennarbe, 10 mm gross, auf der Mitte der Stirn. Nähte erhalten. Zähne
wenig abgeschliffen. Der rechte obere mediale Schneidezahn frühzeitig entfernt, Kielerrand
Bcharf. Im Oberkiefer fehlen 5 Zähne. Kleine glattwandige Höhlen, l mm gross, am hinteren
Ende der beiden Processus alveolares derMaxillae; die Verlängerung liinter den Weisheits-
zähnen beträgt 13 mm. Schwacher Torus frontalis medianns. Linea.- uuchae superiores,
Protuberantia et Crista occipitales extemae sehr stark. Kleiner medianer Condylua occi-
pitalis tertius am vorderen Rande des Poramen occipitalo magnnm. Linker Condylua occi-
pitalis in zwei Hälften getheilt. Kleines Tuberculum pbaryngeum. Crista palatina mediana
längs der Sutura palatina mediana an den Partes horizontales heider Gaumenheine. Gaumen
gewölbt. Starke Spinae am unteren Rande beider Fissurae orbitales inferiore.-,. Kleine
Tuberositas malaris jederseits.
Nr. 178. Schädel weisslich, bez. T. Foelsche, police-master, Victoria River. Nähte
verstrichen, auch die Sutura palatina mediana. Zähne stark abgeschliffen. Beide oberen
medialen Schneidezähne frühzeitig entfernt, Kieferrand scharf. Im Oberkiefer fehlen
8 Zähne. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe an stark nach hinten abfallend. Schmaler
Torus occipitalis transversus. Glabella tief eingedrückt
Nr. 179. Schädel gelblich, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin, Oct. 1-
Knochenuarbe in der Mitte der Squama frontalis, lbmm im Durchmesser. Nähte erhalten.
Zähne wenig abgeschliffen. Kleine rundliche, 1,5 mm grosse, unten offene Höhle in der Achse
der Zahnreihe, dicht hinter dem Alveolus des linken oberen Weisheitszahnes; die Ver-
längerung des Processus alveolaris beträgt 11 mm. Im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer
8 Zähne, einige sind cariös. Schmaler Torus occipitalis transversus. Drei kleine Höcker
am hinteren und an den lateralen Rändern des Foramen occipitale magnum. Kleines
Tuberculum pharyngeum an der Pars basilaris oss. occipitalis. Kleines Loch für die
A. meningea media in der rechten Spina angularis. Forainina ovalia rundlich. Gaumen
gewölbt, Sutura internasalis in ihrem oberen Theile gezackt. Starke Spinae am unteren
Rande beider Fissurae orbitales inferiores.
Nr. 180. Schädel weiss, aus einem Sandhügel ausgegraben. Oberfläche körnig. Bez.
Murray native. Nahte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 7 Zähne.
Starke, länglich-spindelförmige, glatte Hervorragung an der hinteren Wand beider Pori
acustici externi. Foramina ovalia rundlich. Kleiner Torus palatinus medianns längs der
Sutura palatina mediana der Pars horizontalis der Gaumenbeine.
Nr. 181. Schädel braungelblich, klein, bez T. Foelsche, police-master, Port Darwin,
Oct. 1893. Stirn gerundet. Knochennarbe, 20 mm im Durchmesser, am linken Tuber fron-
tale. Hinterhaupt von der Scheitelhöhe an nach hinten steil abfallend. Nähte erhalten.
"Zähne sehr abgeschliffen, klein. Im Oberkiefer fehlen 3, im Unterkiefer 6 Zähne: viele
sind cariös. Deutlicher Torus frontalis medianns. Breiter Torus occipitalis transversus.
Condyli occipitales sehr hoch, nach hinten steil abfallend. Länglich,' Fovea phar
und ein medianes Tuberculum pharyngeum an der unteren Fläche der Pars basilaris oss.
occipitalis. Am oberen Ende der Lamina lateralis beider Processus pterygoidea tiefe,
lateralwärts schauende Gruben. Choanae niedrig. Gaumen gewölbt Kleiner Schaltknochen
in der Sutura nasofrontalis. Augenhöhleneingang sehr rundlich. Fissurae orbitales infe-
riores eng. Das rechte Nasenbein oben schmaler, als das linke: beide zusammen im i
Theil nur (') mm breit
\r. 182. Schädel gelbbräunlich, bes. T. Foelsche, police-master, Port Darwin.
October 1893. Rechter Arcus zygomaticus abgebrochen. Ossa parietalia von der Scheitel-
höhe an nach hinten abfallend, atrophisch. Nähte beginnen zu verstreichen Zäh]
geschliffen. Im Oberkiefer fehlen 3. im Unterkiefer 4 Zähne, einer i.-t cariös. Foramen
occipitale magnum .-ehr länglich. Gaumen gewölbt. Kleiner Schaltknochen in der Sutura
Qasofrontalis. Nasenbeine sehr schmal, im oberen Abschnitt zusammen nur b mm breit.
Nr. is;v Schädel grau, bez. T. Foelsche, police-master, Port Darwin. 0 t
1893. Nähte verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Oberkiefer fehlen 8, im Unterkiefer
8 Zähne, einige sind cariös. Schmaler Torus occipitalis transversus. Linkerseits ein Pro-
(558)
ccssus frontalis der Squama temporalis, 7 mm lang, 5 mm liocli, zungenförmig und
hinten an seiner Wurzel nur 2 mm breit. Spinae angulares sehr dick. Kleine Höcker an
Stelle von Processus paramastoidei. Andeutung eines Torus palatinus transversus. Viele
kleine Spinae hinter dem Foramen incisivum. Am rechten Os zygomaticum ist ein Pro-
cessus marginalis vorhanden.
Nr. 184. Schädel graubraun, bez. Woolwonjah Tribe (male) between Southport and
Yam Creek, by T. Foelsche, police-master, October 18S3. Os ethmoidale zerstört.
Nähte theilweise verstrichen. Zähne abgeschliffen. Im Unterkiefer der rechte mediale
Schneidezahn seit längerer Zeit entfernt, Kieferrand scharf; linkerseits fehlen beide
Schneidezähne. Schwacher Torus frontalis medianus. Hoher Torus occipitalis transversus.
Kleines rundliches Tuberculum jederseits in der Mitte des lateralen Eandcs des Foramen
occipitale magnum Gaumen gewölbt. An der oberen Hälfte der verstrichenen Sutura
internasalis eine starke mediane Crista internasalis.
Nr. 1S5. Schädel gelb, bez. Skull of Manialocum, Big Rock tribe, by Dr.
Stirling, 1891. Murdered by Spencer at Bowenstraits. Am hinteren unteren Ende der
rechten Squama temporalis. dicht über der Spina supra meatum, eine 13 mm grosse runde
Kugelwunde. Der untere Theil der rechten Squama temporalis fehlt, ist abgesplittert.
Fissuren haben den rechten Processus mastoides abgesprengt und gehen durch die Pars
lateralis dextra oss. occipitalis und die Pars basilaris bis zum Vomer. Linkerseits ist die
Ausgangsöffnung etwas höher gelegen, dreieckig, länglich. Vorderer Theil beider Ossa
parietalia oberhalb des vorderen Endes der Squama temporalis durch Fissuren abgetrennt.
Tubera frontalia sehr deutlich. Beiderseits ein Processus frontalis der Squama temporalis,
rechterseits 1) mm lang, 17 mm breit, linkerseits ebenso lang, 15 nun breit. Kleine Höcker
am hinteren und Seitenrande des Foramen occipitale magnum, sowie statt der Processus
paramastoidei. Processus condyloides hinten sehr steil abfallend. Starke Spinae angulares.
Harter Gaumen stark gewölbt, scharfe Cristae palatinae transversae am hinteren Rande
der Pars horizontalis beider Gaumenbeine. Kleine Schaltknochen in der Sutura naso-
frontalis. Rechtes Nasenbein oben etwas breiter, als das linke.
Nr. 188. Schädel grau, von Mr. Mallor in Adelaide. Gesicht und Unterkiefer zer-
brochen. Nähte erhalten, Zähne sehr abgeschliffen. Die Ossa parietalia sind mit un-
regelmässigen Vertiefungen und rundlichen Höckern bedeckt, die von einer Scabies - ähn-
lichen Hautkrankheit herrühren. —
Hr. R. Virchow macht darauf aufmerksam, dass die in der Sitzung vorgelegten
angeblichen Gletscherschliffc den auf Rügen und sonst auf Sandbergen und Dünen
so häufigen Sandschliffen (durch Winde) sehr ähnlich sehen. Eine ähnliche Deu-
tung wäre vielleicht auch für Australien zulässig. —
Hr. Krause erwidert, dass er nur die Angaben der australischen Geologen
wiedergegeben habe. Freilich halte auch er die betreffenden Flächen für Gletscher-
schliffe, er erkenne aber an, dass auch eine andere Deutung möglich sei. —
(27) Fortsetzung der Discussion (S. 477) über die
verstümmelten Thonflgnren aus Peru.
Der Vorsitzende recapitulirt die in der October-Sitzung stattgefundenen Be-
sprechungen und zeigt die in der peruanischen Abtheilung des Museums für Völker-
kunde vorhandenen Thonfiguren, welche Verstümmelungen an Nase, Mund und
Beinen zeigen. Dieselben werden im December-Bericht ausführlicher besprochen
werden. —
Hr. Wilhelm von den Steinen erklärt mit Rücksicht auf die von Hrn. Pola-
kowsky in der letzten Sitzung mitgetheilte Deutung, wonach die dargestellten
(559)
Verstümmelungen künstlich, und zwar zur Bestrafung beigebracht sein sollen, dass
er das ganze, ihm zur Verfügung Stehende Material von alten und neuen Werken
über Süd-America durchgesehen, nirgend alter eine solche Strafe erwähnt gefunden
habe. Weder Cieza de Leon, noch lnca Garcilaso de VTega, noch sonst
jemand berichten davon. Aber auch ausserdem lasse sich die Ansieht, da— es
sich um die Darstellung von Krankheits-Erscheinungen handle, begründen. Er lege
vorläufig seine Zeichnungen und die Originale vor, behalte sich aber i'ur die
nächste Sitzung Weiteres vor. —
Hr. Polakowsky: Bei der Kürze der verfügbaren Zeit muss ich mich darauf
beschränken, nur einen kleinen Theil des von unserem Präsidenten anger
Themas, welches eine ganze Anzahl von Fragen umlässt, zu besprechen. — Ich
knüpfe dabei an das soeben von Hrn. Wilhelm von den Steinen Gesagte- an.
Nicht ich habe behauptet, dass die ausgestellten altperuanischen Vasen bestrafte
Verbrecher, denen die Nase abgeschnitten und die Füsse abgeschlagen sind, dar-
stellen, sondern Hr. Prof. Dr. D. Juan de Carrasquilla aus Bogota, der Berlin längst
verlassen hat und mich bat, seine Erklärung dieser Thongefässe, bezw. mensch-
lichen Figuren bei der ersten passenden Gelegenheit mitzutheilen. Ich habe mich
dieses Auftrages am Schlüsse der vorigen Sitzung entledigt.
Ich bat Hrn. Carrasquilla um Angabe der alten Historiker oder sonstigen
Quellen, woraus ersichtlich sei, dass eine derartige „Justiz" mit Abhacken der Hände
und Füsse — Hr. Ashmead spricht stets von amputirten Füssen — existirte. Er
versprach mir, darüber zu schreiben. Da aber, selbst wenn Hr. Carrasquilla
seine Zusage genau erfüllt, gegen I Monate bis zum Eintreffen seiner Auskunft ver-
gehen werden, und ich andererseits durch die Erfahrungen, die ich in 23 Jahren
im Verkehr mit Hispano-Amerikanern gesammelt habe, etwas misstrauisch gegen
solche Versprechungen geworden bin, so beschloss ich, die Ansicht einer kleinen
Anzahl namhafter Amerikanisten, die sich eingehend mit Peru beschäftigt haben und
die fraglichen Gefässe kennen, einzuholen. Alle Herren haben geantwortet, ich
habe keinen Brief vergebens geschrieben. Vorher theile ich noch mit. dass sich
auch Hr. Bastian, wie mir von zuverlässiger Seite mitgetheilt winde, bereits vor
Jahren dahin ausgesprochen habe, dass diese Gefässe Verbrecher darstellen, die
zur Strafe verstümmelt wurden.
Ich schrieb zunächst an Hrn. Geh. Rath Dr. W. Reiss, der hier genügend
bekannt ist. Er antwortete sofort, wenn auch sehr kurz. Er deutete in liebens-
würdiger Weise an, dass er von der Zeit der Gonquista wohl nicht mehr wisse, als
ich. geht auf die Frage nach der Natur dieser peruanischen Thongefässe nicht
ein und erklärt zum Schlüsse: ..dass der sehr bedenkliche Zustand seiner
es ihm nicht gestatte, nähere Nachforschungen über die Justiz der alten Peruaner
anzustellen." Ich bin Hrn. Reiss eu gani besonderem Danke verpflichtet, dass
er trotz seiner leidenden Augen geantwortet hat
Ich schrieb weiter an Hrn. Dr. A. Stübel in Dresden. Meine Prägen und
die Antwort will ich verlesen:
1. Erinnern Sie sieh, bei Ihren Studien über Süd-America auf Thatsachen
oder Angaben en zu sein, welche den Schluss - statten, das
Lepra vor Ankunft der Spanier und Portugiesen in Süd-America existirte?
.Nein."
ü. Haben Sic bei den wilden unci\ ilisirten Indianer-Tribus Lepra gefunden,
bezw. sichere Angaben erhalten, dass diese Krankheit bereits vor der Ver-
mischung mit den Weissen bei den Indianern zu linden war?
(5G0)
„Niemals; auch bin ich überzeugt, dass es ganz vergebliche Mühe
sein würde, solche Angaben auffinden zu wollen."
3. Halten Sie die Verstümmelungen der Nase und Füsse an den im Briefe
erwähnten Vasen für die Folge von Krankheit oder Operationen?
„Halte ich unbedingt für Krankheits-Erscheinungen, welche dargestellt
werden sollten."
4. Ist Ihnen bekannt, dass im alten Peru gewisse Vergehen und Verbrechen
durch derartige Verstümmelungen bestraft wurden?
„Darüber ist mir nichts bekannt."
5. Können Sie mir einige Historiker oder sonstige Quellen angeben, wo
Näheres über diese Art der Justiz zu finden ist? Ich habe bereits viele
Bücher vergebens durchgesehen.
„Meine Kenntniss der altspanischen Literatur erstreckt sich nicht auf
Werke, welche hierüber authentische Angaben machten."
Zu der Beantwortung der Frage 2 habe ich Folgendes zu bemerken: Erst in
neuester Zeit, etwa seit 1880, ist ein grosser Theil von Süd-America näher be-
kannt und erschlossen worden. Ich erinnere an die Versuche, im nordöstlichen
Bolivia und im östlichen Peru Verkehrswege anzulegen, und an die Forschungs-
reisen in Brasilien. Ueberall ist man auf Indianer-Tribus gestossen, die bisher
wenig oder gar nicht mit Europäern in Berührung gekommen waren. Ich habe
viele Berichte über diese Expeditionen und viele Berichte von Missionaren in den
letzten "20 Jahren gelesen, aber ich erinnere mich nicht, je eine Bemerkung ge-
funden zu haben, dass man bei diesen Indianern auf Lepra gestossen sei. Diese
Forschungen können noch immer fortgesetzt werden, da es in Brasilien und im
östlichen Columbien noch immer mehr oder weniger unberührte Indianerstämme
giebt.
Ich schrieb weiter an Hrn. Dr. E. W. Middendorf, dem wir das beste
neuere Werk über Peru verdanken. Er hat 25 Jahre als Arzt im Lande gelebt,
eingehende linguistische, historische und ethnologische Studien gemacht und
den ganzen westlichen und centralen Theil des Landes behufs Aufsuchung der
alten Ruinenstiitten durchwandert. Er schreibt mir: „So sehr es mich gefreut
hat, zu ersehen, dass Sie sich meiner noch freundlich erinnern, so leid thut
es mir, dass ich Ihnen hinsichtlich Ihrer Anfragen keine befriedigende Ant-
wort geben kann. Ich habe während meines langen Aufenthaltes in Peru nur
3 Fälle von Lepra zu Gesicht bekommen. 2 davon waren Chinesen und einer eine
Frau von vorwiegend europäischem Blute. Von Leprösen rein indianischer Ab-
stammung habe ich weder etwas gesehen, noch von Collegen etwas gehört, —
was selbstverständlich nichts gegen etwaiges Vorkommen dieser Krankheit bei.
den Eingebornen beweist. Auch bei den alten spanischen Schriftstellern ist mir
nicht erinnerlich, eine darauf bezügliche Bemerkung gelesen zu haben. Der Er-
oberer von Colombia starb an Lepra, nachdem er lange Zeit in Europa gelebt und
erst in seinen späteren Lebensjahren wieder nach America zurückgekehrt war.
Die Darstellung verstümmelter Menschen auf peruanischen Gelassen habe ich, wie
andere Forscher, als Abbildungen bestrafter Verbrecher betrachtet." — Leider nennt
Hr. Middendorf diese anderen Forscher nicht.
Endlich schrieb ich, und zwar auf Rath des Hrn. Dr. Seier, an Hrn. D. Marcos
Jimenez de la Bspada, unbedingl den besten lebenden Kenner des alten Peru.
Auch er hat in ebenso lieben wüi er, wie ausführlicher Weise geantwortet.
(561)
Du die Zeit Leider abgelaufen ist, rauss ich die Mittheilung dieser Antwort
für die nächste Sitzung- verschieben. Ich will nur bemerken, dass sich auch
Hr. Jiraenez de la Espada ganz bestimmt dahin ausspricht, dass es sich liier
um pathologische Zerstörungen handle. —
Die weitere Discussion wird auf die December-Sitzung vertagt. —
28) Hr. Ratz, der von dem Moskauer Congress aus eine Radfahrt durch
den Kaukasus ausgeführt hat. zeigt eine Reihe von
Projectionsbildern kaukasischer Gegenden und Menschen
nach Photographien, die er auf seiner Reise aufgenommen hat.
Zugleich bespricht er eine kleine Sammlung scheinbarer Bronze-Idole pria-
pischer Art, die er in Tiflis gekauft hat —
Hr. R. Virchow erinnert daran, dass Graf A. Bobrinskoy auf den schwung-
vollen Handel mit gefälschten Figuren dieser Art im Kaukasus aufmerksam ge-
macht hat Yerhandl. 1893, S. 371 und 1894, S. 367). -
(29) Die Colonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes, gez. v. Rieht-
hofen, übersendet unter dem 23. October
anthropologische Aufnahmen des Hauptmanns Ramsay in Udjidji.
Ausser den nachstehenden Aufzeichnungen sind auch noch 19 zugehörige
photographische Platten durch das Auswärtige Amt eingeliefert worden. Da die-
selben aber keinerlei Bezeichnung tragen, so mussten sie vorläufig ganz zurück-
gestellt werden.
Das mitgetheilte Material wird in Nachstehendem, nach Ausscheidung der
überhaupt nicht ausgefüllten Rubriken, zusammengestellt:
Die Aufnahmeblätter besagen Folgendes:
Nr. 1. Udjidji, 22. Mai 1897. Tambue. 20 jähriger Mann vom Stamme der
Mwinsa, aus Kassenga am Rutschugi; Salzkocher, in sehr gutem Ernährungs-
zustande. Hautfarbe an Stirn. Wange, Brust und Oberarm chokoladenbraun.
Tätto wirung: drei Reihen auf dem Bauche. Iris dunkelbraun.
Augen rund, gerade gestellt Kopfhaar schwarz, wellig und
kraus; kein Bart; Achsel and Scham behaart. Kopf hoch.
Gesicht rund; Stirn hoch; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel flach, mit
breitem Rücken und breiten, grossen Flügeln. Lippen voll. Zähne gerade gestellt,
von weissei- Färbung; Peilung der oberen Vorder-Schneidezähne: \>
Ohrläppchen nicht durchbohrt Kunde Brüste mit kleiner Warze. — (__!/ ^JL_)
Nicht beschnitten; die Genitalien mit Haarwuchs. Waden dünn,
alier muskulös. Hände lang und schmal, mit hellrosa Fingernägeln. Füsse kurz
und dick: längste /ehe II.
Nr. 2. Udjidji, 22. Mai 1897. Maganga, 22 jähriger Salzkocher vom Mwinsa-
Btamm, aus Kassenga; sehr gut genährt. Hautfarbe an Stirn. Wange, Brust und
überarm chokoladenbraun. Keine TättowirUDg. Iris schwarz. Augen rund, gerade
gestellt. Kopfhaar schwär/, wellig und kraus. Keimender Kinnbart: Achsel und
Schani behaart Kopf breit Gesicht niedrig und breit; Stirn niedrig und gerade;
Wangenbeine vortretend. Nase an der Wurzel flach, mit breitem Rücken. Lippen
Verhandl. der Berl. Anthropi I
(562)
voll. Zähne gerade gestellt, von weisser Färbung, ohne Feilung. Die Ohrläppchen
klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund mit kleiner Warze. — Nicht beschnitten. —
Waden dünn, aber sehr muskulös. Hände kurz und breit, mit rosa Fingernägeln.
Kurze, dicke Füsse; längste Zehe I.
Nr. 'S. Udjidji, 22. Mai 1897. Ussolo, 20 jähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga; sehr gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund, und
gerade stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinnbart sprossend; Achsel
und Scham behaart. Kopf lang und breit; Gesicht niedrig und breit, Stirn niedrig
und gerade, Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit breitem
Rücken und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade stehend,
weiss, mit Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne: ,, v. Ohrläppchen
klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit kleiner / \ / \ \ \ Warze. —
Nicht beschnitten. - - Waden dünn, aber muskulös. \ \ T~T7 Hände kurz
und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit, längste
Zehe I. -- Hat an jeder Hand sechs Finger und an jedem Fusse sechs
Zehen.
Nr. 4. Udjidji, 29. Mai 1897. Pungulu, oOjähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga; in gutem Ernährungszustande. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm chokoladenbraun. Tättowirung: auf beiden Unterarmen zwei
Gruppen von Schnitten: . Iris schwarz, Augen rund, gerade stehend.
Kopf haar schwarz, wellig ~ = und kraus; krauser Schnurr- und Backenbart:
Brust und Bauch behaart. == Kopf breit. Gesicht breit; Stirn niedrig und
gerade; Wangenbeine vortretend. Nase an der Wurzel eingedrückt,
Flügel gross. Lippen voll und vortretend. Zähne massig, von weisser Färbung;
Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne, zwischen denen eine kleine Lücke.
, ,i , Ohrläppchen klein, ohne Durchbohrung. Brüste mit runder Warze.
(_ J_/ \\ ) Die Genitalien mit Haarwuchs; nicht beschnitten. Waden stark
und muskulös. Hände lang; Fingernägel rosa. Füsse kurz und
breit, längste Zehe I.
Nr. 5. Udjidji, 30. Mai 1897. Tawanjia, 25jähriger Salzkocher, vom
Mwinsa-Stamm, aus Kassenga; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm dunkelbraun. Tättowirung: zwei Reihen von Narben auf beiden Oberarmen:
. Iris schwarz; Augen rund. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinn-
r ; und Schnurrbart vorhanden. Kopf schmal. Gesicht schmal; Stirn niedrig
; I und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit
schmalem liiieken und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Weisse, an den oberen Vorder-Schneidezähnen angefeilte Zähne. Ohrläppchen
/ \! )l \ x klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit kleiner Warze. Anden
( — LS VJ — ' Genitalien starker Haarwuchs; nicht beschnitten. Waden kräftig
\ \ | l I und muskulös. Hände schmal und lang. Fingernägel rosa. Füsse
kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 6. Ddjidji, 30. Mai 1897. Mtanuke, 30 jähriger Salzkocher, vom Mwinsa-
Stamm, aus Kassenga: gul -»•nährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm dunkelbraun. Ohne Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund und gerade
stehend Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Bart an Oberlippe und Kinn;
Achselhöhlen und Scham behaart. Kopf schmal und hoch. Gesicht hoch und
schmal; Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt Nase an der Wurzel
(563)
eingedrückt, mit flachem Rücken, schmaler Scheidewand and piatun Flügeln.
Lippen voll und vortretend. Zähne gerade stehend, weiss, ohne Feilung-. Ohr-
läppchen klein, ohne Durchbohrung-. Brüste rund, mit kleiner Warze. Genitalien
mit Haarwuchs: nicht beschnitten. Waden kräftig und muskulös. Bände schmal
und lang, mit hellrosa Pingernägeln. Pässe kurz und breit, längste Zehe I.
Nr. 7. üdjidji, 17. Juni 1897. Kanseruni, 25jähriger Fischer vom Mbwari-
Stamm, uns Makabwari; gut genährt. Bautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz. Augen rund, gerade
stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus: Kinnbart. Achsel und Scham behaart.
Kopf lang und breit. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt.
Xase mit eingedrückter Wurzel, flachem Rücken, breiter Scheidewand und breiten,
grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zahne gerade, massig, von weisser
Farbe: nicht befeilt. Ohrläppchen nicht durchbohrt. Brüste oval, mit kleiner Warze
und kleinem Warzenhof von folgender Form: Nichtbe-
schnitten. — Waden kräftig und muskulös. J ^- — -^ ^ Hände kurz
und breit; Fingernägel weiss. Füsse kurz und breit:
Längste Zehe I.
Xr. 8. Udjidji, 17. Juni 1S(J7. Magumtschungu. 24 jähriger Fischer vom
Mbwari-Stamm, aus Kandamisa; gut genährt. Hautfarbe an Stirn und Wange hell-
braun, an Brust und Oberarm dunkelchokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris
schwarz; Auge rund, gerade stehend. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus: kein
Bart Achsel und Scham behaart. Kopf lang und breit. Gesicht breit:' Stirn
niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt. Xase mit eingedrückter Wurzel, flachem
Bücken, schmaler Scheidewand und grossen, breiten Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, massig, weiss; Feilung wie bei XV. 4. jedoch flacher. Ohr-
läppchen klein, ohne Durchbohrung. Brüste rund, mit vortretender Warze. —
Beschnitten. — Waden kräftig und muskulös. Hände breit und kurz; Pingernägel
weiss. Püsse kurz und breit; längste Zehe II.
NTr. 9. Udjidji, 17.Junil897. Kamruischrin, "24jährige!- Fischer vom Mb wari-
Stamme, aus Ssome; in sehr gutem Ernährungszustände. Bautfarbe an Stirn.
Wange, Brust und Oberarm chokoladenbraun. Ohne Tättowirung. [Leber die
Augen ist nichts vermerkt.] Kopfhaar schwarz, wellig und kraus: kein Bart. Scham
und Achsel behaart. Kopf lang und breit. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade;
Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel, schmalem Bücken, schmaler
Scheidewand, grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von
feinem Aussehen and weisse Farbe: nnht befeilt. Ohrläppchen ohne Durch-
bohrung. Brüste oval (wie bei Xr. 7) und mit kleiner Warze: die rechte Brust-
warze wie bei einem jungen Madchen. — Beschnitten. — Waden muskulös.
Bände lang und schmal: Fingernägel rosa. ; Leber die Füsse und die längste Zehe
ist nichts bemerkt.]
Xr. 10. Udjidji, 17. Juni 1897 Sababu, 26jähriger Lischer vom Mbwari-
Stamm, aus Mpansa; gul genährt Bautfarbe an Stirn. Wange, Brust und 0
arm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz; Atmen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig und kraus: kein Bart. Achsel. Brust und Scham behaart .
Kopf kurz. Gesicht rund: Sinn niedrig und gerade; Wangenbeine vortretend. K is<
mit eingedrückter Wurzel, flachem Kücken, schmaler Scheidewand und grossen
Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, durchscheinend, weiss; ohne
Feilung. Ohrläppchen nicht durchbohrl Brüste oval (wie bei Xr 7 . mit kleiner
(564)
Warze and kleinem Warzenhof. — Beschnitten. — Waden kräftig'. Hände lang
und schmal: Nägel rosa. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 11. Udjidji, 19. Juni 1897. Madjaliwa, 26jähriger Fischer vom Marungu-
Stamm, aus Mpuetu; gut genährt. Hautfarbe an Stirn. Wange, Brust und Oberarm
ganz dunkelbraun. Tättowirung: über dem Nagel 4 Tüpfel senkrecht über einander.
Iris schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; Kinnbart.
Achsel und Scham behaart. Kopf schmal. Gesicht schmal; Stirn hoch und gerade;
Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit flachem Rücken,
schmaler Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne
gerade, durchscheinend, weiss; nicht befeilt. Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt.
Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit kleiner Warze. — Beschnitten. — Waden kräftig.
Hände schmal und lang; Nägel hellrosa. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Die II. Zehe des linken Fusses ist verloren.
Nr. 12. Ujidji, Sonntag "20. Juni 1897. Marsau, 26j ähriger Fischer und Träger
vom Mbwari-Stamm, aus Ssome; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust
und Oberarm chokoladenbraun (im Gesicht heller). Ohne Tättowirung. Iris
schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; wenig Kinn-,
Schnurr- und Backenbart. Achsel und Scham behaart. Kopf kurz und schmal.
Gesicht schmal, oval; Stirn hoch und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit
eingedrückter Wurzel, ilachem Rücken, breiter Scheidewand und breiten Flügeln.
Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss; Feilung
der 2 mittleren oberen Schneidezähne (wie bei Nr. 8). Ohrläppchen ohne Durch-
bohrung. Brüste rund, mit kleiner, flacher Warze und kleinem Warzenhof. —
Beschnitten. — Waden kräftig und muskulös. Hände kurz und breit; Nägel rosa.
Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Xr. 13. Udjidji, "20. Juni 1897. Pendakusafiri, 25 jähriger Fischer vom
Mbwari-Stamm, aus Karambu; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig und kraus; wenig Kinn-, Backen- und Schnurrbart.
Achsel, Brust und Scham behaart. Kopf kurz und breit. Gesicht hoch, oval; Stirn
niedrig und gerade: Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel,
schmalem Kücken, schmaler Scheidewand und kleinen Flügeln. Lippen voll und
vortretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen; Feilung der oberen Vorder-
Schneidezäh ne so: , j. , Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste
mit kleiner, flacher l/^^J Warze und rundem Warzenhof. — Beschnitten.
— Waden kräftig rn i r~) und muskulös. Hände lang und schmal, mit
rosa Pingernägeln. \ \ l\ n / Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 14. Udjidji, 20. Juni 1897. Kitanda ja bibi, 22 jähriger Träger vom
Mbwari-Stamm, aus Ssome; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und
Oberarm chokoladenbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar sehwar/., wellig und kraus; Spuren von Schnurr- und Backenbart. Achsel
und Scham behaart. Kopf kurz und breit. Gesicht niedrig und breit; Stirn niedrig
und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel, flachem
Rücken, breiter Scheidewand und breiten Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss; nicht befeilt. Ohrläppchen klein,
nicht durchbohrt. Brüste rund, mit vortretender Warze und kleinem Warzenhof. —
Beschnitten. Waden kräftig und muskulös. Hände schmal und lang, mit rosa
Fingernägeln. Küsse kurz und breit; längste Zehe 1.
(51
Nr 15. üdjidji, 20. Juni 1897. Go dorne a, 30jähriger Bootsmann vom Mbwari-
Stamm, ausMbwari; gul genährt Hautfarbe an Stirn, Wange. Brust und Oberarm choko-
ladenbraun (im Gesicht heller). Tättowirung: a) b aafdemBauche; '
auf dem Oberarm. Iris schwär/.: Augen rund. \/x/\ gerade. Kopfhaar
schwarz, wellig, kraus: Kinn- und Schnurrbart i. /\ f\i vorhanden. Achsel .
und Scham behaart. Kopf kurz und breit, */V'\/ Gesicht niedrig ££~~
und breit; Stirn niedrig und gerade; Wangen- ' beine vortretend.
Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken, breiter Scheidewand und gn
Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen,
weiss: Peilung wie bei Nr. 13. Ohrläppehen klein, nicht durchbohrt. Brüste oval
(wie bei Nr. 7), mit vortretender Warze und flachem Warzenhof. — Beschnitten. —
Waden muskulös. Hände kurz und breit, mit breiten rosa Pingernägeln. Ptisse
kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 16. üdjidji 20. Juni 1X97. Masurumu. 25jähriger Fischer vom Mbwari-
Stamm. aus Kalamba: gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm dunkel)ehokoladenbraun. Nicht tättowirt. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig, kraus: Spuren von Kinn- und Schnurrbart. Achsel und
Scham behaart. Kopf kurz und schmal. Gesicht breit; Stirn niedrig und gerade:
Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit flachem, breitem
Rücken, schmaler Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Zähne gerade, von weisser Farbe: nicht befeilt. Ohrläppchen klein, nicht durch-
bohrt. Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit kleiner Warze und kleinem Warzenhof. —
Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber muskulös. Hände lang und schmal: Nägel
rosa. Füsse kurz und breit; längste Zehe I.
Nr. 17. Üdjidji. 25. Juni 1897. Ngajakka. 35jähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm, aus Mganza; gut genährt. Hautfarbe an Stirn. Wange, Brust und Ober-
arm chokoladenbraun {im Gesicht heller). Tättowirung: eine Reihe ,.,, aa *.
auf dem Bauche. Iris schwarz: Augen rund, gerade. Kopfhaar
schwarz, wellig, kraus: Bart an Kinn. Backen und Oberlippe. Achsel und Scham
behaart. Kopf lang und schmal. Gesicht hoch und schmal: Stirn hoch und
gerade: Wangenbeine angelegt. Nase an der Wurzel etwas eingedrückt, mit
breitem Rücken, breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, von massigem Aussehen, weissgelb; Feilung in dieser Form:
Ohrläppchen nicht durchbohrt. Brüste dach, rund, mit ganz kleiner
/ /\ j Warze und rundem Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden kräftig.
Hände kurz und breit, mit rosa Nägeln. Füsse kurz und breit:
längste /ehe I
Nr. 18. Üdjidji. 25. Juni 1897. Kitoe oder Kiboboa, 27 jähriger Mann
vom Mdjidji- Stamm, aus Nkalinsi; gut genährt Hautfarbe an Stirn. \\
Brusl und Oberarm chokoladenbraun. Nicht tättowirt Iris schwarz: Augen rund.
gerade. Kopfhaar schwarz, wollig, kraus; Backen-, Kinn- und Schnurrball vor-
handen. \chsel und Scham behaart Kopf kurz und schmal. Gesicht n;
und rund: Stirn hoch und gerade; Wangenbeine angelegt N se mit eingedrückter
Wurzel, breitem Kücken, schmaler Scheidewand und gr — en Flügeln. Lippen
voll unl vortretend. Zähne gerade, von feinem Aussehen, weiss; ohne Peilung.
Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste oval (wie bei Nr. 7), mit vortretender
Warze und kleinem War/enhof. - Nicht beschnitten. Waden muskulös. Hände
breit und kurz, mit rosa Nägeln Püsse kurz und breit: längst' Zel L
(566)
Xr. 19. Udjidji, 25. Juni 1897. ^-^^^^^
Ssekanoa, 27jähriger Händler vom ?*z":y^l'Ci-l^:::^:--
Mdjidji-Stamm, aus Kungu: gut ge- s^^'föpzfffr
nährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, :iß$:ß^^yfi§
Brust und überarm dunkelbraun. :/_-.-.v.v.v. :.::.'-.
Tättowirung:
a) auf dem Bauche:
llÜSOJtJJJJJJf.
oo oo'o oo es sn oje
b) auf der rechten
Rückenhälfte j£
(Narben).
Iris schwarz; Augen rund, gerade. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Bartwuchs
an Kinn und Oberlippe. Achsel und Scham behaart. Kopf kurz und schmal.
Gesicht hoch und schmal; Stirn hoch und gerade: Wangenbeine angelegt. Nase
an der Wurzel eingedrückt, mit breitem Rücken und grossen Flügeln, die Scheide-
wand so:
6
Lippen voll und vortretend. Zähne gerade, von
massigem Aussehen, weiss; Feilung der oberen Vorder-Schneidezähne so:
Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste rund, mit kleiner, anliegender
Warze und flachem, kleinem Warzenhof. — Nicht beschnitten. — Waden dünn, aber
muskulös. Hände kurz und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit;
längste Zehe I.
Nr. 20. Udjidji, 25. Juni 1897. Nairola, oOjähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm, aus Mrangala; in gutem Ernährungszustande. Hautfarbe an Stirn, Wange,
Brust und Oberarm chokoladenbraun. Keine Tättowirung. Iris schwarz; Augen
rund und gerade. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Bart an Kinn und Oberlippe;
Achsel und Scham behaart. Kopf kurz und schmal. Gesicht niedrig und breit;
Stirn niedrig und gerade; Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel,
breitem Rücken, breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vor-
tretend. Zähne gerade, von feinem Aussehen, weiss: ohne Feilung. Ohrläppchen
nicht durchbohrt. Brüste cylindrisch, mit vortretender Warze und kleinem, ovalem
Warzenhof. — Nicht beschnitten. Waden dünn, aber muskulös. Hände kurz
und breit, mit rosa Fingernägeln. Füsse kurz und breit: längste Zehe I.
Nr. 21. Udjidji, 25. Juni 1807. Kajumba, dOjähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm, aus Kaware; gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Ober-
arm chokoladenbraun, hell. Ohne Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund, gerade.
Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Bart an Kinn und Oberlippe. Achsel und Scham
behaart. Kopf kurz und schmal. Gesicht hoch und schmal: Stirn hoch und
-crade: Wangenbeine angelegt. Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken,
breiter Scheidewand und grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zähne
1
. kopfinaasse
in Millimetern.
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124 120
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140
125
190
145
140
165
Grösstc Breite . . .
Ohrhöho
147
150
567
gerade, von massigem Aussehen, -eiblich: nicht befeilt. Ohrläppchen nicht durch-
bohrt. Brüste rund, mit kleiner Warze, Warzenhof wie bei Xr. 7. Waden dünn.
Hände langund schmal, mit rosa Nägeln. Pässe lang und schmal: Hingst'' Zehe I.
Nr. 22. Udjidji, 28. Juni 1897. Tiugarri, 35 jähriger Mann vom Mdjidji-
Stamm; aus Kalinsi; sehr gut genährt. Hautfarbe an Stirn. Wange. Brust und
Oberarm ehokoladenbraun. Ohne Tättowirung. Iris schwarz: Augen rund,
stehend. Kopfhaar schwarz, wellig, kraus; Kinn- und Backenhart vorhanden. Achsel
und Scham behaart. Kopf lang und schmal. Gesicht hoch und schmal, mit hoher
Stirn und angelegten Wangenbeinen. Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken.
breiter Scheidewand und breiten, grossen Flügeln. Lippen voll und vortretend.
Zähne gerade, von massigem Aussehen, weiss: Feilung am rechten oberen Schneide-
zahn (wie bei Nr. 17). Ohrläppchen klein, nicht durchbohrt. Brüste cylindrisch,
vortretend, mit kleiner Warze und ovalem Warzenhof (wie bei Xr. 7). — Nicht be-
schnitten. — Waden dünn, aber muskulös. Hände lang und schmal, mit rosa Nägeln.
Füsse kurz und breit: längste Zehe I.
Nr. 23. Udjidji, 2. Juli 1897. Tschuba, 19 jährige Frau yom Mdjidji-Stamm,
aus Muhassa: gut genährt. Hautfarbe an Stirn, Wange, Brust und Oberarm choko-
ladenbraun. Schöne Tättowirung. Iris schwarz; Augen rund und gerade stehend.
Kopihaar schwarz, wellig, kraus. Achsel und Scham behaart. Kopf kurz und
schmal. Gesicht niedrig und breit, mit niedriger gerader Stirn und angelegten
Wangenbeinen. Nase mit eingedrückter Wurzel, breitem Rücken, breiter Scheide-
wand und kleinen
von weisser Farbe:
von Geburt an
Ohrläppchen nicht durchbohrt,
der Warze. — Waden dünn,
kurz und breit; längste Zehe l
Nr. 24. Udjidji, 2. Juli 1897. Njäbunue, 1 8jährige Frau vom Mrundi-Stamm
(Geburtsort vergessen): in gutem Ernährungszustande. Hautfarbe an Stirn, Wange.
Brust und Oberarm hell chokoladenbraun. Reichliche Tättowirung. Iris schwarz;
Augen rund, gerade stehend Kopfhaar schwarz, wellig, kraus: kein Hart. Achsel und
Scham behaart. Kopf kurz und schmal. Gesicht hoch und schmal, mit niedriger, gerader
Sinn und angelegten Wangenbeinen. Nase an der Wurzel eingedrückt, mit breitem
Rücken, schmalerScheidewand und kleinen Flügeln. Zahne gerade, weiss; die Spitzen
der befeilten obe- , i/ a ^ . renVorder-Schneidezähne reichen über die unteren
Zähne. Ohrläpp- UtHTV-J chen nicht durchbohrt Brüste rund, mitcylindrischer
langer Warze und \N M/ vollem Warzenhof. — Waden dünn. Hände schmal
and lang, mil rosa Fingernägeln. Füsse kurzund breit; längste Zehe I.
I. Kopfmaasse in Millimetern.
(4
l
Flügeln. Lippen voll und vortretend. Zahne
zwischen den mittelsten oberen Schneidezähnen
eine breite Lücke / V \ I V \ (ohne Feilung).
Brüste rund, mit ( — * — ' ' — * — ) herabhangen-
Hände lang und CT1TT~/ schmal. Füsse
*
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Distanz der äusseren Augen-
winkel
Nase, Höhe
- , Länge
.. . Breite
Mund, Länge
Ohr, Höhe
Entfernung des Ohrloches von
der Nasenwurzel
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113
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— 48
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181
124
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110
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50
35
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55
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110
50
50
40
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125
580
120
175
108
73
135
130
100
32
105
46
35
37
52
120
560
Berechnete Indices.
Längenbreitenindex
Ohrhöhenindex . .
Gesichtsindex . .
81,6 79,1
88,8 76,9 77,1
74,9
80,0
76,3
73,0 57,1
72,9 61,5 65,7
64,2
71,1
73,7
— 46,1?
89,9 SS.:> loo.o
84,0
77,8
77,4 ;
IL Körpermaasse in Millimetern.
Ganze Höhe
Klafterweite
Höhi.-, Kinn
.. , Bchnlter ....
. Ellenbogi d . .
. Handgelenk . .
. Mittelfinger . .
. Nabel
, Crista ilinm . .
, Symphysis pubis
. Trocbanter . . .
Patella
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1 150
1300
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700
530
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820
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1730
1630
1610
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1710
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1700
1650
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1430
155a
1470
1420
1440
1580
1 115
1370
1160
1355
1400
1355
1100
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1030
1080
995
1O00
1025
1050
790
750
810
710
770
760
770
600
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620
555
560
590
610
1O50
950
1000
1010
570
990
1020
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930
080
1010
970
965
1000
900
880
870
880
830
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60 60
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110
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115
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550
Berechnete Indices.
82.9 75,7 86,9 75,8 80,»; 80,0
82,9 78,4 I 85,2 81,5 80,6 84,3
71,1 69,2 72,6 73.0 69,7 76,182,9
71.1 74,4 75.3 70,3 B9,2 7 1,577.7
82,7 161 l 146,7? 75,0 87,3 90,2 85,2 103,8 85,2 96,3 97,076,0
85,2
73,1
82,7
73,1
82,1
82,8
1690 1650
1711» 1760
L500 1430
1400 1390
1040 1000
810 750
«130
1020
980
R80
520
(iOO
970
820
170
1680
1550
1670
1610
1460
1340
1380
1270
1030
;h;o
770
740
(500
;»70
960
940
050
920
790
780
840
180
170
11. Körpermaasse
1730 1680
1830
1510 1440
1460 1850
1080 1030
700
330
1050 1035
875
19 I
1610
IHOO
1720
1650
189 l
1380
1320
1310
960
900
700
500
545
940
950
826
170
130
in »Millimetern.
1720 1620 1800
1770 178i» 1830
lls:, 1890 1560
1440 1360 1510
UOU 1020 1160
690 S70
970 1100
960 1070
825 930
860 930
170 520
630
1060
1030
--
890
190
1730 —
1830 1640
1540 1375
1410 1840
107(i 1000
780 740
600 370
1020 981
1030 960
-
180 'Tu
1550
1620
1380
1270
Ü70
950
790
140
154d
1600
1350
1270
730
.Y>0
900
77.-.
(570)
Stamm:
Mwinsa.
Mb
wari
Nummer der Aufnahme-
blätter und Namen:
s
ei
&D
e§
OD
GS
o
0
13
a
öS
3
C
ei
00
2 'S
Magum-
schungu
2.2
W.S
«8
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Höhe, Malleolus extern. .
55
80
80
80
55
70
60
70
60
75
„ , im Sitzen, j j
Scheitel \ über .
1090
1030
107t)
1200
1060
1110
1050
1110
llOo
1050
.. , im Sitzen, sitz
Schulter 1 1 .
710
750
740
880
760
870
770
780
72(i
760
Schulterbreite
320
100
380
400
360
100
380
.•'»8o
370
370
Brustumfang
750
040
850
08O
850
770
850
900-875
870-830 880-860
Hand, Länge (Mittelfinger)
180
180
160
110
100
100
15(i
160
160
170
„ , Breite (Ansatz der
4 Finger)
80
00
90
KM)
85
90
80
80
75
80
Fuss, Länge
250
•250
'240
240
240
240
2: io
250
220
240
.. . Breite
«.10
105
110
110
100
100
80
100
80
105
Oberschenkel, grösster
ir>o
400
HO
500
480
430
110
510
500
loo
Wade, grösster Umfang .
2! 10
320
-200
155?
340
290
290
340
310
330
Hr. Rud. Virchow: Aus den Angaben des Hrn. Ramsay ergiebt sich, dass
unter den 24 gemessenen Personen nur 2 Weiber waren, von denen die eine eine
Mdjidji, die andere eine Mrundi war. Von den 22 Männern waren 0 Salzkocher
von dem Stamme Mwinsa, 9 Fischer, bezw. Träger oder Bootsleute aus dem
Stamme Mb wari; ein Fischer war seines Stammes ein Marungu, 6 Leute, von
denen nur bei einem die Beschäftigung (Händler) angegeben ist, gehörten nach
Udjidji. Ueber die etwaigen Beziehungen der Stämme unter einander ist nichts
gesaut.
Ich habe nach den von Hrn. Ramsay angeführten Zahlen für Länge und
Breite des Kopfes die Indices nochmals berechnet:
Nr.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Mwinsa, Salzkocher
Mliwari. Fischer
Marungu, Fischer
Mbwari, Fischer
81,6
Nr
13.
79,1
- „
14.
88,8
„
15.
70,9
„
16.
77,1
„
17.
74,9
18.
80,0
„
19.
70,3
n
20.
89,1
»
21.
82,9
..
22.
85,2
23.
75,7
n
24.
Mbwari, Fischer 86,9
Träger 75,8
Bootsmann 80,5
Fischer 80,0
Mdjidji, $ 71,0
„ 75 «9,2
Händler 72,6
Mrundi
73,0
69,8
70,1
82,9
73,1
Darnach wären:
brachycephal 9 Männer, 1 Weib (Mdjidji)
mesocephal 7 „
dolichocephal 6 1 Weib (Mrundi).
(571)
M h w :i ri
3
Penda-
kusaliri
JL 71.
5 2
12.
13.
14.
15.
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60
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16.
CO
Mdjidji
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11)80 1125 lo7o 1060 1070
Tto 8lo 730 7:>(> 71» »
B80 :155 :'.4(i 37o 340
870 s<io-86o 800-805 860-840 83o-8tK)
160 180 160 160 150
85 8< )
240 250
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80
240
90
85
250
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8o
220
100
17. 18. j lft. 20. 21. 22 23.
70 60 05 7u 60 80 6<»
11«mi 1125111151080.116011801066
810 770 800 77ii 810 800 790
41U 120 380 Kmi 390 150 370
925 890
180r./17ol. 180
95
260
K»0
'.Ml
271»
KM»
520
»8<»
4lo
580
150
170
320
320
380
310
295
380
810 840
180 170
90
•260
KM»
80
210
sTi) 900 750
180 190 175
'.in 95
27d 27(» 235
'.)(» KM» Km» 95
isi» »:.(» 110 150 17.") 195
330 310 310 Bim. 320 300
1050
Tili
37o
880-831
ICO
Sil
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100
160
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li
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1020
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36i»
810
160
T5
230
90
150
30O
Dieses Ergebniss stimmt mit dem des Hrn. Hösemann (S. 420) einigermaasen
überein. Freilich hat Hr. Ramsay über den von ihm verwendeten Maassstab
nichts gesagt, indess liegt kein Grund vor, die Richtigkeit seiner Rechnung zu be-
zweifeln. Darnach wäre auch das Urtheil über die Resultate des Hrn. Hösemann
zu corrigiren.
Hier erhalten wir aber eine wichtige Erklärung in der Stammesverschiedenheit
Sämmtliche Dolichocephalen des Hrn. Ramsay, mit Ausnahme eines Mwinsa
[Nr. 6) und einer Mrundi (Nr. 24), waren aus Udjidji selbst: unter den MI. war»
dagegen sind C Brachy- und •"> Mesocephalen : unter den Mwinsa zähle ich
2 Brachy-, 3 Meso- und 1 Dolichocephalen. Es winde also Gegenstand weiterer
Ermittelung sein müssen, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen.
Ich bemerke noch, dass 8 Männer als beschnitten aufgeführt werden,
darunter 7 Mbwari und 1 Marun-u: sämmtliche Mwinsa- und Üdjidji-Männer waren
nicht beschnitten.
Die Peilung der oberen mittleren Schneidezähne ist bei 11 Männern und
den beiden Mädchen erwähn!. Als ni.hl gefeilt werden aufgeführt 2 Mwinsa,
5 Mbwari. 1 Marungu und 3 Wadjidji.
Hieraus dürften sieh weitere Anhaltspunkte för die Abstammung ableiten
lassen zumal wenn die Tättowirungen in nähere Betrachtung genommen
werden. —
30 Neu eingegangene und erworbene Schriften:
1. Conwentz, EL, Die Moorbrücken im Thal der Sorge. Mil 10 Tafeln und
26 Textflguren. Danzig ls'-»T. [Abhandlungen zur Landeskunde der Pro-
vinz Westpreussen V Gesch. d. Verf.
(57-2)
2. May. M., Sind die fremdartigen Ortsnamen in der Provinz Brandenburg und
in Ostdeutschland slavisch oder germanisch? Frankfurt a. M. 1897. Gesch.
<l. Verf.
3. Preuss, K. Th., Künstlerische Darstellungen aus Kaiser -Wilhelms -Land in
ihrer Bedeutung für die Ethnologie. Berlin 1897. (Zeitschr. f. Ethnol.)
Gesch. d. Verf.
4. Buschan, G-, Metopismus. Wien 1897. (Real-Encyclopädie der gesammten
Heilkunde.)
5. Derselbe, Die 28. allgemeine Versammlung d. Deutschen Anthropol. Gesellsch.
in Lübeck vom 3. bis (i. August 1897. (Centralbl. für Anthrop., Ethnol.
und Urgeschichte.)
Nr. 4 u. 5 Gesch. d. Verf.
6. Pantussow, N. N., Mittheilungen über das Territorium von Kuldscha von
1871—1877. Kasan 1881. (Russisch.) Gesch. d. Verf.
7. Weber, F., Germanische Reihengräber in Oberbayern. München 1897.
(Correspondenzbl. d. Deutsch. Anthrop. Ges.)
8. Derselbe, Bericht über neue vorgeschichtliche Funde in Bayern. Für die
Jahre 1894 — 1896 zusammengestellt. München 1897. (Beiträge z. Anthr.
und Urgesch. Bayerns.)
9. Derselbe, Die Hügelgräber auf dem bayerischen Lechfeld. München 1897.
(Beitr. zur Anthrop. und Urgesch. Bayerns.
Nr. 7—9 Gesch. d. Verf.
10. Treichel, A., Vier Aufsätze zur Volkskunde aus den Verhandl. d. Berliner
Anthrop. Ges., den „Blättern für Pommerische Volkskunde", dem „Urquell"
und der Altpi\ Monatsschrift. Gesch. d. Verf.
11. Giuffrida-Ruggeri, V., Un osso zigomatico tripartito e altre rare anomalie.
Reggio-Emilia 1897. (Estr. Rivista Sperimentale di Freniatria.) Gesch.
d. Verf.
12. Hirth, F., Ueber die einheimischen Quellen zur Geschichte der Chinesischen
Malerei von den ältesten Zeiten bis zum 14. Jahrhundert. München 1897.
(XL Internat. Orientalisten-Congress, Paris.) Gesch. d. Verf.
13. Mies, J., Quelques points sur la longueur, le poids absolu, le volume et le
poids specifique du Corps humain. o. 0. u. J. (Congres international de
Moscou 1897.)
14. Derselbe, Ueber das Verhältniss des Hirn- zum Rückenmarkgewicht, ein Unter-
scheidungsmerkmal zwischen Mensch und Thier. Berlin 1897. Deutsche
Medicinische Wochenschrift.)
Nr. 13 u. 14 Gesch. d. Verf.
15. Berg, C., Memoria del Museo Nacional eorrespondiente al ano 1894. Das-
selbe für 1895 und 189«. Buenos Aires 1897. Gesch. d. Verf.
Kl. v. Schulenburg. \V., Altcrthümcr aus dem Kreise Teltow. Berlin 1897.
(Brandenburgia 4.) Gesch. d. Verf.
17. Kossinna, <i.. Die ethnologische Stellung der Ostgermanen. Bonn 1896.
(Indogermanische Forschungen VII.)
1«. Derselbe, Referal über: Bericht über die Erforschung des obergermanisch-
rhätischen Limes ron l\ Hettner. Berlin 1897. (Anzeiger f. deutsches
Altertlium und deutscKe Littrratur XXII I.)
Nr. 17 u. 18 Gesch. d. Verf.
\'.). Krzywicki, L.. Kurs systematyczny Antropologii. I. Rasy lizyczne. War-
szawa l.s'.>7. Gesch. d. Verf.
(573)
20. Bartels, P., Ueber Geschlechtsunterschiede am Schädel. Berlin 1897. Gesch.
d. Verf.
21. Ploss-Bartels, Das Weil). :>. Auflage. 16. und 17. (Schluss-) Lieferung.
Berlin 1897. Gösch, d. Verf.
22. Li vi. Et., Dello sviluppn del Corpo in rapporto colla professione e colla con-
dizione sociale. Roma 1897. Gesch. d. Verf.
23. Grossi, V., Nel paese dellc \mazzoni. Roma 1897. Gesch. d. Hrn. Virchow.
24. Eine moderne [Feuerbestattung. Berlin 1897. Gesch. d. Vereins für Feuer-
bestattung in Berlin.
25. Ohservaciones meteorolögicas de San Salvador. Febrero y Marzo 1897. San
Salvador (o. .1.). Gesch. des Observatoriums in San Salvador.
Festschrift zur XXVIII. Versammlung der Deutschen Anthropologischen Ge-
sellschaft. Lübeck 1897. Gesch. d. Lokal-Geschäftsführung.
Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Abth. I. Heft 6.
Wien o. J. Angekauft.
Cooper, J., Informe del Museo Nacional de Costa Rica. San Jose 1897.
Gesch. d. Museums in Costa Rica.
29. Relaciones geogräficas de Indias. Publicaeas el Ministerio de Pomento. Peru.
Tomo III. Madrid 1897. Gesch. d. Hrn. M. Murillo in Madrid.
30. Hamy, E. T., Galeric americaine du Musee d'ethnographie du Trocadero.
Choix de pieces archeologiques et ethnographiques. 1. partie. Paris 1897.
Gesch. Sr. Excellenz des Duc de Loubat in Paris.
31. Compte-rendu de la Commission Imperiale Archeologique pour 1891 — 1894.
St. Petersbourg 1894—95. 4". (Russisch.)
32. Materiaux pour scrvir a l'archeologie de la Russie, publies par la Commission
Imperiale Archeologique. Nr. 20. St. Petersbourg 1896. (Russisch.)
Nr. 31 u. 32 Gesch. d. k. archäol. Commission in St. Petersburg.
33. 18G(! bis 1896 Trei-deci de ani de domnie ai regelui Carol I. Vol. I u. II.
Bucuresci 1897. Gesch. d. Rumänischen Akademie.
34. Deutschland und seine Colonien im Jahre 1896. Berlin F897. Gesch. iL
Arbeitsausschusses der Deutschen Colonial- Ausstellung.
35. Bibliotheca geographica III. Jahrg. 1894. Berlin 1897. Gesch. d. Hrn.
L i s s a u e r.
36. Lenz, R., Estudios Araucanos IX. Santiago de Chile 1897. (Anal, üniversidad
de Chile.) Gesch. d. Verf.
:!7. Virchow, R.. Die Stellung der Lepra unter den Infectionskrankheiten und
die pathologisch-anatomische Erfahrung. Berlin 1897. (Lepra-Conferenz.
I. Bd.) Gesch. d. Verf.
38. Makowsky, A.. Der Löss von Brunn und seine Einschlüsse an diluvialen
Thieren und Menschen. Brunn 1897. 'Verhandl. d. naturf. Vereins in
Brunn.)
39. Derselbe, Der diluviale Mensch im Löss von Brunn. Wien 1892. Mitth. d.
Wiener Anthropol. Gesellschaft.)
4t). Derselbe, Beiträge zur Urgeschichte Mährens. Wien 1896. Mitth d. Wiener
anthropol. Gesellschaft.)
41. Derselbe, Das Rlünoceros der Diluvialzeit Mährens als Jagdthier des paläo-
Uthischen Menschen. Wien 1897. (Mitth. d. Wiener Anthropol. Gesellsch.)
42. Derselbe, Die ESxcursion der Anthropol. Gesellschaft nach Brunn \oni 27. bis
29.Mai 1897. Wien 1897. Mitth. d. Wiener Anthropol. Gesellschaft.
Nr. ;:s— 12 Gesch. d. Verf.
(574)
43. Behla, R., Die Amöben, insbesondere vom parasitären und culturellen Stand-
punkte. Berlin 1898. Gesch. d. Verf.
44. Moore, A. W., and J. Beddoe, Physical Anthropology of the Isle of Man.
London 1897. (Joum. Anthrop. Institute.) Gesch. d. Verf.
45. Seidel, H., Der Yew'e-Dienst im Togolande. Berlin 1897. (Zeitschrift für
afrikanische und oceanische Sprachen. III.)
46. Derselbe, Instruction für ethnographische Beobachtungen und Sammlungen in
Togo. Berlin 1897. (Mitth. aus den deutschen Schutzgebieten. X.)
47. Derselbe, Krankheit, Tod und Begräbniss bei den Togo-Negern. Braunschweig
1897. (Globus. LXXII.)
Nr. 45— 47 Gesch. d. Verf.
48. Stieda, L., Referate aus der Russischen Literatur. (Abhandlungen, den
Kaukasus betreffend.) Braunschweig 1897. (Arch. f. Anthropol.) Gesch.
d. Verf.
49. v. Andrian, F., Die kosmologisehen und kosmogonischen Vorstellungen primi-
tiver Völker. München 1897. (Corresp. d. Deutsch. Anthropol. Gesellsch.)
Gesch. d. Verf.
50. Dorsey, G. A., A sexual study of the size of the articular surfaces of the
long bones in Aboriginal American Skeletons. — A rare form of Occipito-
Atlantical articulation. Boston 1897. (Boston Medic. and Sarg. Journal.)
51. Derselbe, A Peruvian cranium with suppressed upper lateral incisors. -
Notes on the numerical variations of the teeth in fifteen Peruvian skulls.
o. 0. 1897. (Dental Cosmos.)
52. Derselbe, Observations on the Scapulae of Northwest Coast Indians. o. 0.
1897. (American Naturalist.)
53. Derselbe, Physical Anthropology. o. 0. 1897. (Science.)
Nr. 50—53 Gesch. d. Verf.
54. Fiala, F., Die Ergebnisse der Untersuchung prähistorischer Grabhügel auf
dem Glasinac im Jahre 1895. — Ausgrabungen auf dem Debelo Brdo bei
Serajevo im Jahre 1894. — Beiträge zur römischen Archäologie der Herce-
govina. — Viola Beckiana N. Sp. — Römische Brandgräber bei Rogatica.
Wien 1897. (Wissensch. Mitth. aus Bosnien und der Hercegovina. V. Bd.)
Gesch. d. Verf.
(575)
El ultimo actio s
von Don Jose Itiziil.
Adios, patria adorada, region del sol querida,
Perla del mar de Oriente, nuestro perdido Eden
A darte voy alegre la triste mustia vida:
Si fnera maa brillante, mas fresea. mas Honda.
Tambien por tf la diera, la diera por tu bien.
En campos de batalla luchando eon delirio
Otros te dan sua vidas, sin dudar, sin pensar;
El sitio nada ünporta: cipres, laurel ö lirio,
Oadalso 6 campo abierto, combate ö cruel martirio,
Lo mismo es, si lo piden la patria y el hogar.
Yo muero cuando veo que el cielo se colora,
Y al fin anuncia el dia tras löbrego cariz.
Si grana necesitas para tenir tu aurora.
Vierte la saugre mia, derramala en buen hora,
Y dasela im reflejo de tu uaciente luz.
Mis suenos, cuando apenas muchacho adolescente.
Mis suenos. cuando jöven ya Ueno de vigor,
Fueron al verte un dia, joya del mar de Oriente,
Secos los negros ojos, alta la tersa frente,
Sin ceno, sin arrugas. sin manehas de rubor.
Ensueno de mi vida, mi ardiente vivo anhelo,
Salud! te grita el alnia, que pronto va ä partir.
Salud, eh! que es hermoso caer por darte vuelo,
Morir por darte \ iihi. tnorir bajo tu cielo,
Y en tu encantada tierra la eternidad dormir.
Si sobre mi sepulcro vieras brotar un dia
Entre la espesa yerba sencilla humilde Qor,
Acercala a tus labios, que es Qor del alma mia,
'i äienta yo en im frente, bajo la tnmba fria
De tu ternura el soplo, de tu balito el calor.
Deja a la luna vi'rmc con luz tranquila y suave.
Deja que ••! alba envie sd resplandor rag
Deja gemir al viento ton m mormollo grave.
\ si desciende, y posa sobre mi crua un ave,
Deja que el^ave entone im cantico de paz.
Deja que el sol ardiendo las lluvias evapore,
^ al cielo turnen paraa con mi clamor en pös.
Di'ja que un Ber amigo im fin temprano llore,
Y en las serenaa tardes cuando por mi alguien ore,
Ora tambien. eh Patria, per mi descanso ä Dios.
(576)
Ora por todos cuantos murieron sin Ventura,
Por cuantos padecieron tormento sin igual,
Por nuestras pobres madres, que gimen su amargura,
Por huerfanos y viudas, por presos en tortura,
Y ora por ti, que veas tu redencion final!
Y cuando en noche oscura se envuelve el cementerio
Y solo los muertos quedan velando alli,
No turbes su reposo, no turbes el misterio,
Talvez acordes oigas, citaras 6 salterio:
Soy yo, querida patria, yo que canto ä ti!
Y cuando ya mi turaba, de todos olvidada,
No tenga cruz ni piedra, que marquen su lugar,
Deja que la are el hombre, la esparza con la azada;
Y mis cenizas, antes que vuelvan a la nada,
El polvo de tu alfombra que vengan a formar.
Entonces nada importa nie pongan en olvido,
Tu atmosfera, tu espacio, tus valles cruzare,
Vibrante y lirnpia nota sere para tu oido,
Aroma, luz, colores, rumor, canto, gemido
Constante repitiendo la creencia de mi fe!
Mi patria idolatrada, dolor de mis dolores,
Querida Filipinas, oye el postrer adios
Ahi te dejo todo, mis padres, mis amores,
Voy a dö no hay esclavos, verdugos, ni opresores,
Donde la fe no mata, donde el que reina es Dios.
Adios, padres y hermanos, trozos del alma mia,
Amigos de la infancia en el perdido hogar,
Dad gracias que descanso del fatigoso dia.
Adios, dulce estrangera, mi esposa, mi alegria,
Adios, queridos seres, morir es descansar.
(577)
Das letzte Lebewohl
7on Don Jos«'' Bizal.
Ueber8etzung von Dr. Eduard Seler.
Leb wohl, geliebte Heimath, Du Reich der goldnen Sonne,
Des Ostmeers leuchtende Perle, verlornes Paradies!
Für Dich das traurige Leben, ich gebe es mit Wonne,
Und war es frisch und glanzvoll, ein Blüthenquell, roll Wonne,
Audi dann gab ich es gerne, für die Heimath gern ich'a liesa.
Im Rausch entbrannter Schlachten, auf blutgetränkten Haiden,
Sie opfern Dir ihr Leben, ohn' Zaudern, ohne Wahl.
Der Platz thut nichts zur Sache: Lorbeer und Trauerweiden,
Schlachtfeld und Blutgerüste, im Kampf, im Folterleiden,
Fiir's Vaterland wir sterben, da, wo es uns befahl.
Ich sterbe, wenn am Morgen aus dunklen Wolkensälen,
Nach bangem nächt'gem Grauen, der erste Schimmer bricht.
Und sollt' der Morgenröthe ein wenig Purpur fehlen,
Giess hin mein Blut das rothe, lass ihr es sich vermählen,
Dass blutig Widerscheine des jungen Taycs Licht.
Des Knaben erstes Träumen, des Jünglings hcisses Sehnen,
Auf Dich war es gerichtet, des Ostmeers heller Stern!
Dich hoffte ich zu schauen, getrocknet Deine Thränen,
Erhab'nen Hauptes schreitend, vorbei gramvolles Sehnen,
Verscheucht des Kummers Falten, der Schmach für immer fern.
Traum meines jungen Lebens, mein heisses, trunknes Werben,
Es grüsset Dich die Seele, die bald nun ruht vom Thun.
Ja, schön ist es zu fallen, Dir Freiheit zu vererben,
Dir Leben gebend scheiden, unter Deinem Himmel sterben,
In Deinem Zauberlande in Ewigkeit dann ruh'n.
Siehst auf dem grünen Hügel Du lieblich sich erschliessen,
Versteckt in dichtem (irase, ein kleines Blumelein.
So drück'a an Deine Lippe, mein Herz liess auf es spriessen,
Lasa in dem kühlen Grabe ein Weilchen mich gemessen
Dm Hauch mitleid'ger Liebe, >.\cn warmen Athem Dein.
Der Mond mit stillem Lichte in'a Angesicht mir Bcheine,
Der helle Morgen sende den (nichtigen Strahl mir zu,
Des Windes sanftes Wehen dm Hügel leia amweine,
Und lässt ein kleines Vöglein sich nieder auf dem Steine,
l.ass Frieden es mir singen in meine ( irabesruh' !
Im heissen Strahl der Sonne geläutert aufwärts wende
Sich feuchter Dunst und krage mein Fleh'n dem Himmel
Eine mitleidsvolle Seide bewein1 mein frühes Ende.
Und wenn am stillen Abend Gebet erhebt die Hände,
0 Vaterland. 80 bete auch Du für meine Ruh'!
Verhnndl. der Berl. Antlu 18 ■
(578)
Für all' die Armen bete, die sie zu Tode brachten,
Für alle, die da starben in Martern unerhört,
Für unsere armen Mütter, die ihr bitt'res Leid betrachten,
Für Wittwen und für Waisen, für die in Banden schmachten,
Und auch für Dich, dass endlich auch Dir Erlösung- werd'!
Wenn um den stillen Friedhof sich Nacht und Dunkel breiten
Und nur die Todten wachen, von Finsterniss umringt,
O stör' nicht ihre Ruhe, was heimlich sie bereiten,
Vielleicht hörst Du Accorde, hörst klingen Harfensaiten,
Ich bin's, geliebte Heimath, ich bin's, der Dich besingt.
Und wenn schon längst vergessen mein Grab in späten Tagen,
Kein Stein mehr zeigt die Stätte, kein Kreuz auf ihm zu seh'n,
Der Pflug mag es zerwühlen, das Grabscheit es zerschlagen,
Die Asche, die geblieben, vom Wind herausgetragen,
Als Staub in Deinem Teppich, so möge sie venveh'n!
Dann werd' ich unbekümmert, ob alle mich vergassen,
In Deinem Luftraum schweben, in Deinen Thälern mild,
Und rein und hell erklingen werd' ich auf allen Strassen,
In Duft, in Licht, in Farbe, in Lied, in Seufzer fassen
Das, was als heil'ger Glaube mein Innerstes erfüllt.
0 Vaterland, Du theures, Du schmerzlichster der Schmerzen,
Geliebte Filippine, leb' wohl zum letzten Mal!
Dir lass' ich Eltern, Freunde, was theuer meinem Herzen,
In's Land der Freiheit zieh' ich, wo keine Ketten schmerzen,
Wo Glaube nicht den Tod bringt, wo Gott herrscht allzumal.
Lebt wohl, Eltern und Brüder, Bruchstücke meiner Seele,
Ihr Freunde meiner Kindheit, den Herd ihr verödet seht,
Dankt Gott, dass ruh'n ich werde, der im Staub so lang mich quäle!
Leb' wohl, Du süsse Fremde, mein Weib, Du meine Seele,
Lebt wohl, geliebte Wesen! Wer stirbt, zur Ruhe geht!
Sitzung' vom 18. December 1897
Vorsitzender: Hr. R. Vircliow.
(1) Als Gäste sind anwesend die HHrn. Prof. Emil Grunmach und Dr. Rieh.
Bethge von Berlin, Dr. R. Kautzsch von Halle a. S. —
(2) Der Vorsitzende erstattet statutengemäss den
\ <>r\valtiinjrsbericht für das Jahr 1897.
Der Personalbestand der Gesellschaft hat im Laufe des Jahres zahlreiche und
/um Theil recht schmerzliche Aentlerungen erfahren.
Von unseren 5 Ehrenmitgliedern ist Oberstudienrath Prof. Dr. Fraas in Stutt-
gart am '22. November im 74. Lebensjahre nach kurzem Leiden gestorben. Er war
einer der hervorragendsten Repräsentanten jenes alten Stammes von deutschen
Alterthumsforschern, die schon vor der Gründung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft an der Arbeit standen und der späteren glänzenden Entwicklung
derselben den Boden geebnet haben. Seine Höhlenforschung in der schwäbischen
Alp und seine schönen Entdeckungen an der Schussenquelle werden dauernde
Marksteine in unserer Prähistorie bleiben. — Die 4 anderen Ehrenmitglieder haben
wir in voller Thätigkeit tinter uns gesehen. Gräfin Uwarow, die inzwischen einen
schweren Typhus durchgemacht hat, wird demnächst auf ihrer Rückreise von der
Kiviera, wo sie Erfrischung gesucht und gefunden hat. einige Tage in Berlin ver-
weilen; sie lässt der Gesellschaft im Voraus die herzlichsten Grüsse bestellen.
Frl. Mestorf sahen wir neben den Herren Baron v. Andrian und Johanne>
Ranke auf unserm Congress; die erfolgreiche Thätigkeit der ersteren konnten wir
in Kiel direet bewundern.
Aus (In- Zahl unserer correspondirenden Mitglieder haben wir leider 6,
und darunter die besten -Männer verloren: Bahnson. (,'alori. Sir A. Wollaston
Franks. Franz \. Pulszky, Jap. Steenstrup und H. Wankel. Ihre Namen
erinnern uns an die Blüthezeil der internationalen prähistorischen Cong!
auf denen sie ihre wichtigen Beobachtungen über die Entwickelung der ältesten
Cnltur in Europa uns vortrugen. Neu gewählt wurden die HHrn. Delorme,
Makowsky, de Morgan, Munin. Plindera Petrie und Graf Fugen Zichy.
Der letztere war eben in Berlin, eifrig beschäftigt mit den Vorbereitungen zu einer
neuen grossen wissenschaftlichen Forschungsreise, die quer durch Oentralasien bis
nach China gehen soll. Fr hat mich beauftragt, der Gesellschaft seinen warmen
Dank für die ihm gewordene Ehrenbezeugung auszusprechen. — Semit ist die Zahl
unserer correspondirenden Mitglieder unverändert geblieben: sie beträgt, wie am
Schlüsse des Vorjahres, 117.
Auch bei den ordentlichen Mitgliedern ist die Zahl der immerwahrenden,
.'>. unverändert geblieben. Dagegen haben wir von den zahlenden Mitglieds
durch den Tod verloren: Arons. Berlin, Boer. Eyrieh, K. Fischer, F. Fischer,
(580)
Güterbock, Heimann, A. v. Heydeii, Kärnbach, Marimon y Tudö, Menger,
Schweitzer, Palm Siemsen, Strassmann, Wattenbach, Herrn. Weiss und
Zintgraff, lauter zuverlässige und anhängliche Männer, nicht wenige von weit
umfassendem Wissen, manche von ganz ungewöhnlicher Energie und Thatkraft.
Wir werden ihrer in treuer Erinnerung gedenken. Dafür sind neu aufgenommen 30.
Da jedoch ausgetreten oder wegen Zahlungsverweigerung 23 gestrichen worden sind,
so beträgt die jetzige Zahl 517 und mit Zurechnung der immerwährenden Mit-
glieder 522. Gegen das Vorjahr, in welchem wir am Schlüsse 533 ordentliche
Mitglieder hatten, ein Verlust von 1 1 Mitgliedern.
Sie wissen, welche Ansprüche an unsere Mittel durch die laufenden Leistungen
der Gesellschaft, insbesondere durch die Publication der „Zeitschrift für Ethnologie",
der „Verhandlungen" und der „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde"
gemacht werden. Sowohl der Umfang dieser Veröffentlichungen, als ihr Reichthuin
an Illustrationen, welche uns in dem Wettstreite der Nationen einen so ehrenvollen
Platz gewonnen haben, waren nur möglich, indem wir unsere Jahreskasse fast ganz
erschöpften. Wir bedürfen also nach wie vor einer grossen Hülfe durch zahlende
Mitglieder. Die Staatszuschüsse, welche uns der Herr Unterrichts-Minister in
liberaler Weise fortbewilligt hat und welche in Wirklichkeit eine stete Voraus-
aussetzung für die Fortsetzung unserer literarischen Thätigkeit sind, reichen bei
Weitem nicht aus, um eine nennenswerthe Erweiterung unserer Sammlungen oder
gar die Unternehmung besonderer Forschungsreisen zu ermöglichen. Wir müssen
uns auf das Noth wendigste beschränken und zufrieden sein, wenn wir den Platz
behaupten, auf den wir uns gestellt haben. Mögen unsere Freunde daher in der
Erfüllung ihrer Aufgabe, uns neue arbeitende und zahlende Mitglieder zuzuführen,
nicht erlahmen!
Auch für solche Collegen, welche, obwohl nicht zur Gesellschaft gehörig, ihr
doch, wenigstens in den Zielen, nahe standen, ist das ablaufende Jahr vielfach ver-
derblich gewesen. Ich erinnere an den Tod von Emil du Bois-Reymond, der
zu den Mitbegründern unserer Gesellschaft gehörte, von H. Welcker, Julius
Schmidt, Ossowski, Boye, v. Sali et. Ganz besonders hart hat uns der Ver-
lust unseres Malacca-Reisenden, Hrolf Vaughan Stevens, getroffen.
Eine grössere Zahl unserer Mitglieder ist wieder oder noch immer auf Reisen,
um neues Material zu sammeln. Auch unter ihnen hat der Tod einen der schein-
bar festesten erfasst: ich meine Eugen Zintgraff, der schon am Congo, dann
aber namentlich im Hintetlande von Kamerun so manches Jahr auf gefahrvollen
Bahnen gewandelt ist und dem wir besonders aus der ersten Zeit seiner afrika-
nischen Forschungen wichtiges Material verdanken. Er hielt sich für gefeit gegen
Malaria; nichtsdestoweniger hat sie ihn diesmal in Kamerun bewältigt. Er ging
scheinbar gebessert von da nach Tenerifl'e, ist aber dort am 3. December sanft
entschlafen. Er hat nur ein Alter von 40 Jahren erreicht.
Mit Betiübniss sehen wir Hrn. Adolf Bastian immer noch fern von uns in
Batavia. Hätte er uns nicht seine „indischen Studien" geschickt, so würden wir
nicht einmal den Gegenstand seiner Forschungen kennen. Seine Marmorbüste, die
jetzt in diesem Saale aufgestellt ist, mahnt uns immer von Neuem an die Lücke,
die seine lange Abwesenheit in unserer Mitte geschaffen hat. — Hr. Georg Schwein-
furth dürfte gegenwärtig wieder in Aegypten sein, um den Faden seiner scharf-
sinnigen Beobachtungen aufzunehmen. Hr. Bässler, der neulich auf Moorea (Verh.
S. 313) durch Sturz verunglückte, hat sich wieder erholt; nach dem mündlichen
Bericht des eben von einer nonkuncrikanischen Reise zurückgekehrten Hrn. Paul
Magnus war er in Arizona und gedachte nach Südamerica zu gehen. Hr. Joest
(581)
war zuletzt in Australien und beabsichtigte Neu-Seeland zu besuchen. Hr. Carl
von den Steinen weilt noch auf den Marquesas. Hr. Wilhelm Krause ist so-
eben von seiner australischen Reise heimgekehrt. Hr. Lehmann-Nitzsche bat
die ihm verliehene Stelle am Museum von La Flata angetreten. Hr. Dieseldorff
war im Sommer hier, ist aber trotz der schlimmen politischen und commerciellen
Zustande nach Guatemala zurückgegangen. Hr. Boas befindet sich mit der grossen
amerikanischen ethnologischen Expedition an der Nordwestküste, um später nach
Nordost-Asien hinüberzugehen.
Wir haben inzwischen unsere Thätigkeit in gewohnter Weise fortgesetzt. Die
Sitzungen sind stets von zahlreichen Mitgliedern besucht gewesen. Die Reich-
haltigkeit der Vortrage und die rege Betheiligung an den Verhandlungen wird
dargelegt durch den Umfang der gedruckten Berichte, deren Ausstattung unter
grossen Opfern in der herkömmlichen Freigebigkeit hergestellt wird. Der Tod
unseres bewährten Zeichners, des Hrn. Eyrich, hat uns leider eines stets bereiten
und höchst erfahrenen Helfers beraubt, aber es ist gelungen, in Hrn. Hei big einen
zuverlässigen Ersatz zu finden.
Unsere Beziehungen zu der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft sind
ungetrübt. Die General-Versammlungen derselben haben mit jedem Jahre sich
mehr zu volkstümlichen Einrichtungen entwickelt. Sie tragen dazu bei, das Ver-
ständniss für anthropologische und ethnologische Dinge in immer grössere Kreise
zu verpflanzen und die Verbindung mit den ausländischen Gesellschaften zu stärken.
Die Zahl der Provincial- und Local -Museen mehrt sich in dem Maasse, als neue
Local-Gesellschaften gebildet werden. Nicht wenige von diesen haben ihre beson-
deren Publicationen fortgesetzt oder neue Berichte herauszugeben begonnen. Unter
ihnen zeichnen sich, wie bisher, die beiden Lausitzer Gesellschaften durch die
Zahl ihrer Mitglieder und durch die Energie in der Ergründung der heimischen
Alterthümer aus.
Die einst so glanzvollen internationalen Congresse für prähistorische Archäo-
logie und Anthropologie sind seit Jahren eingestellt worden, seitdem die von ihnen
verfolgten Aufgaben in die Hand der vielen Landes- und Ortsvereine übergegangen
sind und auch andere Congresse, z. B. die deutsche Naturforscher -Versammlung,
der internationale medicinische Congress u. s. w., in erhöhtem Maasse neben ihren
eigentlichen Zielen auch die Anthropologie mehr in den Kreis ihrer Verhandlungen
gezogen haben. Ich erinnere nur an die bedeutenden Leistungen der Russischen
Archäologischen Gesellschaft, welche unter der Leitung ihres vortrefflichen Prä-
sidenten, der Gräfin Uwarow, eine bedeutende Stellung eingenommen hat. Seitdem
unsere Deutsche Gesellschaft zu wiederholten Malen neben ihrer eigentlichen
Generalversammlung auch Einladungen von Nachbarstädten, welche sich durch
lehrreiche Sammlungen und durch erfolgreiche Forschungen sachverständiger Bürger
auszeichnen, angenommen bat, und so gewissermaassen Wandercongresse
begonnen worden sind, war der Gedanke aufgekommen, eine solche Einrichtung
auch auf internationale Gebiete zu tibertragen, und es war für die nächste Zeit
ein grosser Wandercongress für die Schweiz geplant. Leider hat sich diese
Hoffnung zerschlagen: vielleicht wird die Zeit nicht mehr fern sein, wo darauf
zurückgekommen werden Kann. Nur die Wiener Anthropologische Gesellschaft hat
mit Erfolg solche Unternehmungen, freilich in kleinerem Maasse, zur Durchführung
gebracht; so im vorigen Jahre nach Bosnien, im gegenwärtigen nach Mähren. Wir
sind ihr dafür um so mehr verbunden, als das freundliche Verhältniss der Mit.
glieder beider Gesellschaften, welches wir als eine theure Errungenschaft bewahren,
dadurch neu gekräftigt und erweitert worden ist.
(582)
lieber die Congresse des Jahres ist, soweit unsere Mitglieder daran betheiligt
waren, bereits in früheren Sitzungen berichtet worden. Auch sind die zahlreichen
Ausstellungen, welche namentlich in unserer Stadt stattgefunden und uns nicht
bloss ethnographische Erzeugnisse, sondern auch eine Fülle lebender Menschen
aus fremden Rassen zur Anschaung gebracht haben, erwähnt worden. Eine der-
selben, die Colonial-Ausstellung in Treptow, hat einem unserer Mitglieder, Hrn. F.
v. Luschan, das Material zu einer umfassenden wissenschaftlichen Arbeit geboten.
Unser Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse der Handarbeit
hat sich an einer Reihe der Ausstellungen betheiligt und seine Vorführungen sind
mit grossem Beifall aufgenommen worden. Leider ist es nicht gelungen, die Ein-
nahmen oder Zuwendungen für diese wichtige Anstalt so zu steigern, dass es mög-
lich geworden wäre, bedeutende neue Erwerbungen zu machen. Nur hat der Vor-
stand ein erstes Heft von „Mittheilungen" herausgegeben und bald weitere in Aus-
sicht gestellt, von denen erwartet wird, dass sie dem Museum neue Helfer und zahl-
reicheren Besuch zuführen werden. Die Hoffnung, dass die königliche Staatsregierung.
in deren Besitz der gegenwärtige Verein das ganze Trachten-Museum überzuleiten
versprochen hat, ein nach Lage und Räumlichkeiten mehr genügendes Gebäude
für die Aufstellung desselben hergeben werde, ist ihrer Erfüllung noch nicht näher
gerückt, und unser Vorschlag, ein besonderes deutsches National -Museum zu
gründen, ist, wie schon im vorigen Jahre (1896, S. 570) mitgetheilt wurde, von
dem Herrn Unterrichtsminister geradezu abgewiesen worden. Damit ist auch die
Arbeits- und Opferfreudigkeit der berufenen Classen stark beeinträchtigt.
In einer fast noch schwierigeren Lage befindet sich das Orient-Comite. Ob-
wohl dasselbe durch die Einziehung seiner Vorschüsse nach und nach wieder
grössere Mittel gesammelt, auch unter einem neuen Vorstande sich neu eonstituirt
hat, so sind ihm durch die politischen Vorgänge in Vorderasien und den AVett-
betrieb anderer Genossenschaften Enttäuschungen mannichfaltiger Art bereitet
worden. Eine schon beschlossene Expedition nach Mesopotamien musste aufgegeben
werden, und die Fortführung der mit beispiellosem Erfolge begonnenen und trotz
mancher Widerstände glücklich fortgeführten Ausgrabungen in Sendschirli ist noch
nicht ermöglicht worden. Selbst die Publication des zweiten Heftes des Sendschirli-
Berichts lässt auf sich warten.
Sehr viel glücklicher hat sich seit der festen Organisation unter Leitung des
Hrn. Li n de n seh mit (Sohn) das Mainzer römisch -germanische Central-Museum
entwickelt. Der Ausbau der alten Halle hat Fortschritte gemacht und die Sammlung
der heimischen Funde ist über deutsche Provinzen, besonders des Nordens und des
Ostens, ausgedehnt worden, welche bis dahin etwas bei Seite geschoben waren. Die
Berliner Ausstellung bot die Gelegenheit, dem Museum nach einer anderen Rich-
tung zu helfen. Aus der grossen Sammlung cyprischer Alterthümer, welche
Hr. Ohnefalsch- 1! i< :hter daselbst vorgeführt hatte, wurde ein werthvoller Theil
ausgesondert und angekauft. Die Rudolf Virchow-Stiftung und der stets hülfreiche
Vorsitzende unseres ethnologischen Comites, Hr. Valentin Weisbach, steuerten zu
gleichen Theilen dazu bei. Der Mainzer Vorstand nahm das Anerbieten, ihm
diese Sammlung zu überlassen, mit grossem Danke an, und hat jetzt, nachdem die
Aufstellung in Mainz vollendet ist. seine Würdigung dieser Sammlung in beredten
Worten ausgesprochen.
In dem vorjährigen Berichl S. 579) sind die Verhandlungen über die Durch-
(juerung des alten Schlossbcrges im Spreewalde durch eine Vicinalbahn
ausführlich mitgetheilf worden. Wie heuer in früheren Sitzungen S. 314 u. 489) aus-
geführt worden ist, hat der Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft, in Erwägung
(583)
des öffentlichen Nutzens einer solchen Bahn, meinem Vorschlag, den Durchstich
mitten durch den Berg an seiner tiefsten Stelle anzulegen und das ganze Aeussere
intact zu erhalten, zugestimmt, und auf dieser Basis ist denn auch die Verstän-
digung mit den Bauunternehmern und die Genehmigung der Königl. Staatsregierung
erreicht worden. Der Durchschnitt ist seitdem ausgeführt. Ein genauerer Schluss-
bericht wird der Gesellschaft erstattet werden. Mir persönlich ist mit dieser
Entscheidung die Last der Verantwortlichkeit abgenommen worden, welche nur
durch den Auftrag der General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft in Speyer zugewiesen war. Es wird jetzt die Aufgabe der Staats- und
Provincial- Behörden, sowie der Local vereine und aller Freunde der heimischen
Alterthumskunde und Geschichte sein, darüber zu wachen, dass der noch erhaltene
Rest des alten Burgwalles vor Zerstörung durch unberufene Hände geschützt und
dass, wenn möglich, dieser Wall ganz in öffentlichen Besitz übernommen werde. —
Der von den Statuten geforderte Bericht über die Sammlungen der Ge-
sellschaft kann in Kürze dahin gegeben werden:
Bericht des Hrn. Lissauer:
1. Die Bibliothek ist vornehmlich durch Ankauf und Tauschverkehr um
25 7 Bände (davon 170 Zeitschriften) und 71 Broschüren vermehrt worden,
so dass der Gesammtbestand sich jetzt auf 7740 Bände und 1150 Broschüren
beläuft.
2. Die Sammlung der Gypse wurde durch 5 Abgüsse vermehrt.
3. Die anthropologische Sammlung konnte durch Einreihung von 12 Schädeln,
1 Skelet und 2 Haut-Präparaten vergrössert werden. -
Bericht des Hrn. M. Bartels:
Die Zahl der Photographien hat sich um öl Nummern vermehrt. Sie be-
trägt jetzt 3560 Nummern.
(3) Der Schatzmeister Hr. W. Ritter legt die
Rechnung für das Jahr 1897.
Bestand aus dem Jahre 1896 605 Mk. 76 Pfg.
Ei n na h me n:
Jahres-Beiträge der Mitglieder .... 10695 Mk. -Pfg.
Staatszuschnss für 1897 98 1 500 .
Zahluiii; des Hrn. Unterrichts-Ministers für
die Nachrichten über deutsche Alter-
thumsfunde für 1897 1 000 Mk. — Pfg.
Capital- und Depositen-Zinsen .... so;i „ öö _
12 195 . —
1 803 _
ind und Einnahmen zusammen 14 604 Mk. 31 Fn,r.
ausgaben:
Miethe an das Museum für Völkerkunde 600 Mk. —Pfg
Mitglieder-Beiträge an die Deutsche Anthropol. Gesellschaft 1590 .. — 9
Ankauf von Exemplaren der Zeitschrift für die ordentlichen Mit-
glieder - 7 '. ' ." ■ „ — -
Latus 4 Mv. Mk. - l'L
(584)
Transport 4 983 Mk. — Pfg.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde (Jahrgang 1897),
einschliesslich der Remuneration für die Bibliographie, aber
ausschliesslich der Abbildungen 1 011 Mk. 15 Pfg.
Einladungen zu den Sitzungen 115 „ 75 „
Index der Verhandinngen für 1896 150 „ — „
Porti und Frachten 1 202 „ 06 „
Bibliothek (Ankauf von Werken, Einbände u. s. w.) .... 408 „ 90 „
Remunerationen 173 ,, 05 „
Bureau- und Schreib-Materialien 49 „ 55 H
Ankauf wissenschaftlicher Gegenstände:
a) Zeichnungen 211 Mk. 25 Pfg.
b) Schädel 105 „ — „
c) verschiedene Ausgaben 113,, — „
429 „ 25 „
An die Verlags-Buchhandlung Asher & Co.
für überzählige Bogen und Abbildungen
zu der Zeitschrift und den Verhandlungen
für 1896 2 233 Mk. 60 Pfg.
Abschlagszahlung für 1S97 an Asher & Co. 2 500 „ — „
4 733 „ 60 „
Ankauf von :!'/., proc. Berliner Stadt-Anleihe 600 Mk. — Pfg.
<>12 „ 40 „
Gesammt- Ausgaben . . 13 868Mk. 71 Pfg.
Bleibt Bestand für 1898 735 Mk. 60 Pfg.
Der Capitalbesitz besteht aus:
1. den verfügbaren Beträgen von
a) Preussischen 3 '/- procentigen Consols ... 8 000 Mk.
b) „ 3y2proc. Consols, convertirten 900 „
c) Berliner 3 '/2 pro centiger Stadt-Anleihe . . 11600 „
2. dem eisernen Fonds, gebildet aus den ein-
maligen Zahlungen von je 300 Mk. Seitens
5 lebenslänglicher Mitglieder, angelegt in Preuss.
3'/2 procentigen Consols, convertirten ... 1 500 „
Summa 22 000 Mk.
Der Vorsitzende erinnert daran, dass in der Jahresrechnung noch nicht die
Verpflichtungen der Gesellschaft zu voller Erscheinung kommen. Dies wird erst
in der nächsten Rechnung geschehen, da der Druck der Verhandlungen vor dem
Februar nicht beendet sein kann und dann erst das Register zu fertigen ist. Die
Gesellschaft beginnt daher ihr Etatsjahr stets mit einer nicht geringen schwebenden
Schuld, deren Höhe nur nach den Ergebnissen des Vorjahres vermutungsweise
veranschlagt werden kann. Um diesen Betrag nicht zu hoch anwachsen zu lassen,
ist vorläufig eine Abschlag Zahlung von 2500 Mk. an die Verlagshandlung gemacht
worden.
Da die ganze in das nein Verwaltungsjahr zu übertragende Summe nur 735 Mk.
beträgt, so müssen wir nicht bloss auf die Treue unserer zahlenden Mitglieder,
sondern auch auf «las fortdauernde Wohlwollen des Herrn Unterrichts-Ministers
rechnen, wenn wir unsere Veröffentlichungen auf der bisherigen Höhe erhalten
sollen.
(585)
Die Rechnung ist statutenmässig (§ 36) dem Ausschüsse durch den Vorstund
vorgelegt worden. Derselbe hat durch die HHm. Friede! und Lissauer eine
Prüfung stattfinden lassen und dem Vorstande Decharge ertheilt.
Namens der Gesellschaft Bpreche ich dem Herrn Schatzmeister für seine ge-
wissenhafte Geschäftsführung den Dank aus. —
(4) Hr. Und. Virchow mach! Mittheilung über die
Rechnung der Rudolf Virchow- Stiftung für das Jahr 1S97.
Bei der Reichsbank waren deponirt Kode des Jahres 1896
(vergl. Verhandl. 1896, S. 582) nominell 120 600 Mk. — Pfg.
Dazu sind hinzugetreten im Laufe des Jahres 1897 nominell
an 4procentigen Consols 10 000 Mk. — Pfg.
., 3V8procentiger Berliner Stadt-Anleihe ■",(l(>" •■ — -
so dass gegenwärtig zusammen 135 600 Mk. — Pfg.
den Effecten-Bestand der Stiftung bilden.
Der schon im vorigen Jahre angekündigte Ankauf neuer Effecten ist vor-
genommen worden, um die Verminderung der Einnahmen in Folge von Conver-
t innigen auszugleichen.
Der flüssige Bestand betrug am Schlüsse des Jahres 189G 17 531 Mk. 05 Pfg.
Aus demselben sind folgende Ausgaben geleistet worden:
für Ankauf von 10000 Mk. 4proc. Consols 10 445 Mk. — Pfg.
„ 5000 „ Berlin. St.-Anl. 5 129 „ 20 ..
an Dr. Mies in Cöln für anthr. Apparate 263 „ — „
„ den Bildhauer Kolbow f. Gypsabgüsse 192 „ — „
.. .. Zeichner Heibig für Zeichnungen 338 „ — „
.. das Frl. R. duBois „ , 500 T — „
., Spesen und Provision - ' - 30 _
zusammen 16 81)4 Mk. 50 Pfg.
An Zinsen sind vereinnahmt worden . 4 984 „ 10 ..
bleibt ein Ueberschuss an Ausgaben von 11 910 Mk. 40 Ptg.
somit hat sich der flüssige Bestand reducirt auf 5 t',-20 Mk. 65 Pfg.
Auf die bevorstehende Notwendigkeit, gegenüber den fortschreitenden Con-
veraionen der Staatsanleihen und der Verminderung der Zinserträge eine Erhöhung
des Capitalstockes herbeizuführen, ist schon im vorigen Jahre (S. 583) vorbereitet
worden.
Für neue Ausgaben, insbesondere für die schon lange in Aussicht genommene,
aber durch die schwierigen Zeitverhältnisse immer noch verhinderte armenische
Expedition, musste dagegen eine genügende Sicherheit in Rücklagen geschaffen
werden. —
K- folg! die
Neuwahl des Vorstandes für das Jahr 1898.
Auf Vorschlag des Hrn. Friede! wird der alte Vorstand durch widerspruchs-
lose Acclamation wiedergewählt.
Derselbe besteht somit aus den Herren
Rud. Virchow als Vorsitzendem.
(586)
W. Waldeyer ) . 0i „ ,
xir e i. j. } als Stellvertretern desselben,
\\ . Schwartz J '
A. Voss I
M. Bartels J- als Schriftführern,
R. Neuhauss |
W. Ritter als Schatzmeister.
(6) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. M. Milchner in Berlin.
„ Stabsarzt Dr. Priedr. Lippelt in Braunschweig.
„ Dr. med. F. Gattel in Berlin.
„ Dr. Richard Bethge in Berlin.
„ Freiherr Kaiman v. Miske in Köszeg (Günz), Ungarn.
„ Director Hermann Seide in Berlin.
(7) Graf Eugen Zichy übersendet aus Budapest, 26. November, einen Dank-
brief für seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede und verspricht, die
Interessen der Gesellschaft nach besten Kräften zu fördern. —
Der Vorsitzende überreicht ein ihm gütigst überschicktes photographisches
Bild des Grafen für die Sammlung der Gesellschaft. —
(8) Die deutsche Colonial-Gesellschaft, Abtheilung Berlin, hat zu
einem Vortrage des Hrn. Arning über Uhehe als Ansiedelungsgebiet für
deutsche Landwirthe, der am 2. December stattfinden sollte, eine Einladung ge-
schickt, von der nachträglich Kenntniss gegeben wird. —
Die Verlagshandlung Wilh. Buchholz übersendet ein Exemplar des deutschen
Colonial-Abreiss-Kalenders für 1898, herausgegeben von F. Hessener. —
(9) Die centrale Executiv-Commission der portugiesischen Centenar-
feier (Amaral, Cordeiro,Vasconcellos) in Lissabon übermittelt das General-
Programm, welches sich dem früher (1896, S. 462, 533; mitgetheilten in den Haupt-
sachen anschliesst, jedoch als Termin für die Feier den Jahrestag der Ankunft Vasco's
da Gama in dem Hafen von Calicut wählt. Der 17. bis 20. Mai sollen in allen
portugiesischen Besitzungen festlich begangen werden. Dabei sollen wissenschaft-
liche Conferenzen, eine grosse Ausstellung, eine Flotten-Revue u. A. stattfinden. -
(10) Hr. Blanchard zeigt unter dem Datum Paris, 20. November, an, dass
als Präsident des nächsten, 4. internationalen Congresses für Zoologie Sir John
Lubbock (anstelle des zurückgetretenen Sir William Flower) fungiren wird. —
(11) Aus Livorno ist im November die Anzeige von der Gründung eines
Istituto Antropologico Italiano durch Prof. Giuseppe Marina eingegangen. —
(12) Die Verlagshandlung A. Pichler's Wittwe & Sohn überschickt aus
Wien, 1. December, 5 Probeblätter von
Umlauft -Trnitiii. Wandbilder der Völker Oesterreich-Ungarns.
Die vortrefflich ausgeführten, farbigen Tafeln sind im Sitzungssaale ausgehängt
und erregen allgemeine Bewunderung.
Der Vorsitzende erklärt, <l;iss er einigen Neid empfinde, dass gleich gute
Bilder der Volkstypen und Volkstrachten in Deutschland nicht existiren. Hoffentlich
(5S7)
werde das treffliche Vorbild bei uns und anderen Völkern eine Nachfolge finden.
Ein besseres Mittel, die Kenntniss des eigenen Volkes und seiner verschiedenen
Stämme in das Bewusstsein der Lebenden einzuführen, könne nicht erdacht werden.
Er wünscht daher dem schönen Unternehmen einen ungestörten Fortgang. —
Die Gesellschaft schliesst sich dem Danke des Vorsitzenden an und überweist
die Blätter dem Museum für deutsche Trachten. —
(13) Hr. P. Reinecke übersendet aus Mainz, 16. December, als Geschenk
des Römisch-Germanischen Central-Museums einige Photographien von
Antiken Germanen -Darstellungen in Bronze.
Diese Bronzen befinden sich imCabinet desAntiqnes et Medaille* der Bibliotheque
Nationale zu Paris (Babelon-Blanchet, Cataloguc des bronzes antiques etc. 1895,
No. 912, 913, 915), wo wir sie, da keine Gypsabgüsse hergestellt werden konnten,
photographiren Hessen. Nr. 912 — 13 sind Rundfiguren, 915 ist Flachrelief: unsere
9 1 2
etwa 2/3 d- iiatiii'l. (ir.
etwa '-' .. d. natürl. <ir.
Aufnahmen sind in natürl. Grösse gemacht. Der Grcrmane 912 sitzt mit gebundenen
Händen auf einem Felsblock; er ist bärtig und mit Hosen und einem Munt.
kleidet. Hinter ihm (nicht sichtbar) ist ein hexagonaler Schild angebracht. Auf
seiner linken Schulter ruht der Fuss einer grösseren Figur, etwa einer Victoria
oder eines siegreichen Feldherrn. Nr. 913 ist ähnlich, nur kniet hier der Ger-
mane, auch ist er nur mit Hosen bekleidet; seine linke Schulter trägt die Basis
für einen Fuss. Derartige Darstellungen, ein gefesselter Barbar, auf welchenjeine
Victoria oder ein Feldherr ^\vn Puss setzt, kehren in römischer Zeil öfter^wieder;
auf Münzen, allerdings erst des [V. Jahrh., kommen sie gelegentlieh vor. doch
fehlen sie auch nicht in älterer Zeit, wie diese Bronzen, sowie das bekannte Silber-
Relief von Nieder-ßiber bei Neuwied (Alterth. uns. beidn. Vor/. I, vir, 5, 1) be-
weisen. Besprochen winden diese beiden Statuetten bereits in der Revue archeo-
logique 1893, Mai-Juin, p. 292- -295.
(588)
Nr. 915 stammt von einem Pferde-Brustschmuck und gehörte zu einer Kampf-
scene "zwischen Römern und Germanen. Der unbärtige Germane ist mit Hosen
und dazu mit einem Mantel bekleidet. Der suevisch-bastarnische Haarknoten, auf
etwa 9/s d. natürl. Gr.
dessen Darstellung man erst durch Adamklissi aufmerksam wurde, ist hier sehr
deutlich zu sehen. Germanen -Figürchen der gleichen Art befinden sich auch
noch in anderen Museen; ich bin gerade damit beschäftigt, Gypsabgüsse oder Photo-
graphien derselben für das Röm.-Germ. Central-Museum zu beschaffen. —
(14) Hr. L. Schneider schickt aus Smiric, 15. December, verschiedene
Mittheilungen zur Kenntniss der
Vertheilung der Schwarzhaarigen in Böhmen.
Die „Palaeethnologischen Aphorismen" des Verfassers, die von einer grösseren
Anzahl von Karten begleitel sind, werden später besprochen werden. Aus dem
jetzt vorliegenden Briefe werden folgende Abschnitte Interesse erregen:
„In Bezug auf die Schwarzhaarigen, die ich mit der Terramare-Keramik ver-
binde, kann ich nunmehr berichten, dass heuer im Sommer in der Nähe von
Pardubic bei Bahnarbeiten mehrere Gefässe und darunter eine sogenannte
Thüringer Amphora, wie sie bei uns gewöhnlich mit dem Schnurornamente vor-
(589)
Fig. 1.
kommen, — später im Herbste aber neben dem Meierhofe von Lipa, also auf
der [seit dem Jahre 1866 berühmten Anhöhe „Chlum", eine Ansiedelung mit
Terramare-Keramik und anderen einschlägigen Artefakten gefunden wurden. Ge-
fässe vom Typus „Unetice" (s. Fig. 1) wurden wohl schon i. J. 1845 auf einer
anderen Anhöhe südlich von Chi um bei dem Pfarr-
dorfe Libcany in Skeletgräbern mil Stein- und
Bronzegeräth entdeckt. Von angarischen Kupfer-
beilen mit zwei Schneiden kam vor einigen Jahren
angeblich ein ganzes Depot (zwei sind im König-
grätzer Museum) in dem neben Libcany gelegenen Dorfe
Roudnice zum Vorschein, ein kupfernes Flachbeil
auch zu Rosnice, welches mit Lipa in demselben
Pfarrsprengel Vsestary, also nahe an Chlum liegt.
Aeltcre Terramare-Keramik war aus der Gegend von
Königgrätz bisher nicht bekannt. Wir hatten hier wohl mehrere Ansiedelungen
(Smifice, Holohlavy, Trotina und Pfedmefice, Plotiste, Cernozice, Semoniceu.s.w.)
mit typischen Scherben der frühneolithischen Zeit vom Typus der Gefässe aus
mährischen Höhlen, z. B. Vypustek (halbkuglig, als Ornament durch Spiralen
oder gerade Linien verbundene Grübchen), dann die becherförmigen Gefässe mit
punktirten Bändern und Sparren, aber weiter nur die Keramik der Lausitzer
Urnenfelder und diejenige der La-Tene-Gräber.
„Von Hrn. Jira habe ich Photographien des Terrasigillata-Scherbens von
Podbaba bei Prag erhalten (s. Fig. 2). Aus einem neuen Berichte des Hrn. Jira
Fig. 2. *U
entnehme ich, dass derselbe dieser Tage bei Grabungen in der betreffenden An-
siedelung noch weitere Scherben von demselben Gefässe gefunden hat. Die Fries-
verzierung stimmt mit der Verzierung des römischen Gel ron Stockstadt im
Aschaffenburger Museum Album der Berliner Ausstellung VIII, Tab. 1 überein.
„Ich habe die Altsicht. Ihnen auch drei, zuGefässen verarbeitete Stücke
von Schädeln aus der Tcrramaiv - Culturschicht auf dem Berge Yelis bei
(590)
Jicin vorzulegen, um deren Untersuchung ich hei unseren Prager Anthropologen
bereits vor 2 Jahren vergeblich angesucht habe.
„Auch habe ich einen kurzen Bericht vorbereitet über Bronzekeulen aus
Böhmen, von welchen bei uns lange Zeit bloss eine einzige, gefunden 1862 zu
Taus, welche aber mit dem dortigen Depotfunde (Richly, Bronzezeit in Böhmen)
nichts gemein hat, bekannt war. In den letzten Jahren wurden aber in meinem
Rayon 4 oder 5 solche Bronzekeulen gefunden ; es fehlen mir noch die Abbildungen
von zwei derselben, welche das städtische Museum zu Jaromis besitzt; darum lege
ich vorläufig bloss die Photographien des einen zu Königgrätz (s. Fig. 3 a und />)
bei Grundgrabungen zum Adalbertinum gefundenen bei.
Fig. 3«. %
Fig. 36. 2/,
„In Bezug auf die Schwarzhaarigen in Böhmen citire ich noch eine von mir
früher übersehene Nachricht (Pamatky, VI, p. 235), wonach im Jahre 1865 bei
Ober-Cerekve (an der mährischen Grenze) unter einem Baume eine Menge von
Thonfigürchen, ägyptische Mumien darstellend, gefunden wurde, von denen
ein Maschinenschlosser eine dem Landesmuseum schenkte. Prof. Wocel bemerkte
bei diesem Anlasse, eine ägyptische Bronzefigur sei vor einigen Jahren in den
Gräbern von Svilno bei Skalsko (Skelette mit Stein- und Bronzegeräth, Gold-
gewinden und Uneticer Gefässen, wie das von Libcan) gefunden und von dem
Pfarrer II. Maryska dem Landesmuseum übergeben worden.
„Später werden diese beiden Funde nirgends mehr erwähnt; dieselben sind
wohl in der kleinen ägyptischen Sammlung des Landesmuseums verschollen.
Skalsko liegt im Gebiete der Iser ganz nahe an der Terramare -Ansiedelung von
Horky (Gross-Horka .
„Interessirt hat mich in den Lübecker Verhandlungen die Schilderung der
Oldenburg von Hadeby, welche mich sogleich an den Bericht des Tacitus:
„Catualda inrumpit Marbodi) regiam castellumque juxta situ m" erinnerte. Diese
Worte passen durchaus nicht auf das Hradiste von Stradonice, wohl aber auf
solche Anlagen, wie der Geburtsort des hl. Adalbert — Libice eine darstellt." —
Der Vorsitzende erinnerl in Betreff der Stachelkeulen an die sogenannten
Morgensterne der deutsehen Museen. Hr. H. Schumann hat noch kürzlich über
solche Keulenköpfe einen interessanten, wenngleich lange nicht vollständigen
Bericht erstattet (S. 241).
(591)
(15) Hr. H. Jentsch, Guben, bespricht in einer Mittheilung die
archäologische Stellung der Schale jnil Vogelflgnr von Burg
im Spreewalde.
Zwischen die in der Petermann'schen Sammlung zu Burg befindliche, in
ihrer Umgebung isolirt erscheinende Thonschale mit eingesteckter schlanker Vogel-
figur aus Thon (siehe diese Verhandl. LS97, S. 362) und das durchaus ähnliche
Seitenstück aus dem grossen, bronzearmen Gräberfelde bei Bucz, Kr. Schmiege!,
im Provincial -Museum zu Posen tritt als ein von beiden Fundorten ziemlich
gleich weit entferntes Mittelglied ein ähnliches Stück, das in diesem Zusammen-
hange in anderem Lichte als früher erscheint: eine nach Abstossung des Randes
als Gefässdeckel verwendete Schale von Trettin, östlich von der Oder, 6 km
nördlich von Prankfurt, abgebildet in diesen Verhandl. 1886, S. Göö, Fig. 5. Auch
bei ihr hat der Hache Mittelknopf eine senkrechte Einbohrung zur Aufnahme eines
Zapfens. Dasselbe ist der Fall bei einer gleichfalls im Posener Provincial-Museum
aufbewahrten Schale von Samter. Bei diesen beiden Stücken ist der aufzusetzende
Gegenstand nicht erhalten. Diese Schalen haben eine grössere Standfläche, als
die kleineren in Gestalt einer Kugelmütze mit centralem Bodeneindruck: sie waren
wohl auch nicht zu Schöpf- oder Trinkgefässen, sondern zur Aufstellung bestimmt:
falls sie zur Aufnahme von Flüssigkeiten dienten, war die aus ihrer Mitte
aufstrebende Gestalt eines langbeinigen Wasservogels eine ganz natürliche De-
coration. Der Fund von Burg wird durch seine Seitenstücke jener unter öst-
lichem Einflüsse aus der Provinz Posen stehenden Gruppe von Thon-
gcfässen angeschlossen, die sich, der westlichen Biegung der Oder von
Tschicherzig, Kreis Züllichau, bis Schiedlo folgend, durch die Kreise Ost-
und Weststern berg, Crossen und Lebus, den nördlichen Theil der Kreise Guben
und Lübben streifend (vergl. diese Verhandl. 1890, S. 490), bis in den Beeskow-
Storkower Kreis, — indessen, so viel bis jetzt zu erkennen ist, nicht nördlich von
der Storkow-Zossener Seenreihe — hinzieht und durch die Verzierungsart eharakte-
risirte Ausläufer nach Süden aussendet. In dieser ganzen Gruppe finden sich
auch hin und wieder ähnliche Schalen, bei denen auf die mittlere Bodenerhebung
ein oben ebener Thonzapfen, jedoch ohne Einstich, aufgesetzt ist, z. B. im Gräber-
felde bei Weissig, Kr. Crossen (siehe diese Verhandl. lSVi. S. 656), das gerade
mit dem bei Bucz auch anderweitige Aehnlichkeit zeigt, bei Schönfliess unweit
Fürstenberg a. 0. (ebd. 1893, S. 564), bei Pfeiferhahn. Kr. Crossen. Dass diese
östliche Einwirkung die Stelle erreichte, die als geeigneter Uebergang über das
hier, vor dem alten Seebecken des jetzigen Spreewaldes, schmalere Flussbett, — an
einem Punkte, der dureh den umfängliehen Wall des Schlossbergs jederzeit ge-
sicherte Unterkunft gewährte, den Verkehr besonders anziehen mnsste, kann wohl
nicht auffallend erscheinen: liegen dafür doch auch in anderen Einfuhrgegenständen
für die Zeit der alten Lausitzer Gräberfelder — allerdings nicht mehr für die
La Tenc- und provincialrömisehc Periode — Beweise vor. —
(16) Hr. Friede! besprichl ein
vorgeschichtliche-. Gefäss aus dein salzigen See.
12 km südöstlich von Eisleben, welches der Sammlung des Vereins für Geschichte
und Alterthümer der Grafschaft Bfansfeld gehör! and welcl • der eifrige Alter-
tiramsforscher Prof. Dr. H. Grössler in Eisleben eingesendet hat. Es ist ein
Thongefäss von etwa 530 g Schwere. 11 bis 12 cm hoch: der Durchmesser der
(59-2)
Oeffnung beträgt, wie der grösste Bauchdurchmesser. 11,5 cm; letzterer befindet sich
3,5 cm unter der Kante des Randes. Dieser ist etwas nach Aussen gebogen und
mit einem Werkzeug glatt gestrichen. Das vasenartige Gefäss ist äusserst plump
und ohne völlige Symmetrie, henkellos, gearbeitet, unverhältnissmässig und un-
gleich dick in der Wandung, daher die erhebliche Schwere. Die Farbe ist durch
Schmockfeuerung aussen schwarz gerathen, innen fahl schwärzlich und gelblich.
Die Thonmasse ist sehr grob, mit grossen Steinbisschen gemengt. Auf der Aussen-
seite zieht sich bald wagerecht, bald gewellt ein aus drei gleichsinnigen Linien
mit einem Strichler gezogenes Band von etwa ■ , cm Breite rings herum, das zick-
zackförmig verläuft.
Das gut erhaltene Gefäss wurde in einer merkwürdigen Steinpackunu (künst-
licher Insel) des salzigen Sees gefunden, welche, Badenden und Schwimmenden
längst bekannt, nach dem Zurückgehen des Sees i. J. 1S96 abgetragen ward.
Dieser Steinhorst bestand aus Buntsandstein-Blöcken, aus einem Gefels, das u. A.
in dem am Ostgestade des Sees gelegenen Flegelsberg ansteht. Der Steinhorst
beschrieb ein Eirund, in der grössten Länge 53 m, in der grössten Breite 16 m.
Die Höhe mochte 2,10 m betragen, wovon etwa die Hälfte in dem weichen See-
boden allmählich versackt war. Beim Abtragen dieser grossen künstlichen Stein-
packung fand sich nur wenig Bemerkenswerthes, nehmlich ausser fünf grösseren
Kohlensandsteinen, an denen man Spuren von Bearbeitung mit der Zweispitze zu
entdecken glaubte, nur noch am Südende nahe der Aussenwandung das beschriebene
thönerne Gefäss, welches, wie Hr. Grössler in seinem „Bericht über einen im
Winter 1896 abgetragenen Steinhorst im Salzigen See" (Mansfelder Blätter, XL Jahr-
gang 1897, S. 134—140) sagt, mit Erde gefüllt war und in dessen Nähe kleinere
Bruchstücke von allerhand Knochen bemerkt wurden. Leider ist nicht festgestellt
worden, ob die Erde in der Urne aschen- oder knochenhaltig war, und auch nicht,
ob die Knochen solche von Menschen oder Thieren, ob sie verbrannt oder nicht
verbrannt waren.
Prof. Gross ler möchte nun wissen, in welche Zeit das von ihm als „Urne"
bezeichnete Gefäss gehöre. Trotz des ausgesprochenen Wellenornaments hat er
Zweifel, ob das Gefäss altslavisch sei, und er führt eine Reihe von Fällen auf,
wo wellenartige Zierathe an nicht slavischen Gefässen gefunden seien; u.a. bezieht
er sich auf das pommerische Gefäss von Schwennenz, welches mit archaistischen
Bronzen (Hänuebecken) zusammen gefunden wurde und das Hr. Schumann in
unseren Verhandlungen 1894, S. 437 abgebildet hat. „Angesichts dieser Funde
(sagt Prof. Grössler) dürfte es nicht zulässig sein, Thongefässe, welche das
Wellenornament tragen, und im Besonderen auch unsere in dem Steinhorste des
salzigen Sees gefundene Urne, ohne Weiteres für slavisch zu erklären. Ehe das
geschehen kann, müssen erst sicherere Kennzeichen des slavischen Ursprunges,
als bis jetzt geltend gemacht sind, ermittelt werden."
Hr. Friedel ist trotzdem der Meinung, dass es sich um ein zweifellos alt-
slavisches (sorbisches) Gefäss handle; allerdings fehlt die Bearbeitung auf der
Drehscheibe, aber dies Fehlen ist auf wendischen Gefässen wiederholt beobachtet.
Man könnte geneigt sein, anzunehmen, dass, als die Slaven in Germanien ein-
wanderten, sie die Drehscheibe überhaupt noch nicht oder doch nicht allgemein
anwendeten. Es ist aber auch denkbar, dass man in späterer wendischer Zeit
sich gelegentlich in primitiver Weise ohne Töpferdrehscheibe behalf.
Bei der Anwendung des Wortes Wellenlinie laufen ersichtlich oft Missverständ-
nisse unter. Unter Wellenlinie ist das mit einem mehrzinkigen Geräth gezogene,
ans verschiedenen Parallel- lt lel'en bestehende, mitunter in seiner jähen Bewegung
(593)
wirklich ;m Wellen erinnernde Ornament zu verstehen. Jene Schwennenzer Urne
hat gar kein Wellenornament, vielmehr ein deutliches Schlangenornament.
Wellenornament und das bei Nichtslaven vielfach vorkommende Schlangen-
ornament werden häufig verwechselt. Das Wellenornament mögen die Slaven
von den Römern der späteren Kaiserzeit, bei denen es auch auf Ziegeln
häufig ist. übernommen haben; auch auf spätgermanischen Gefässen kommt es,
wiewohl in charakteristischer Variante, und sehr verschieden von dem slavischen
Wellenornament behandelt, vor1).
Sehr interessant wäre es gewesen, wenn sich dies altwendische Gefäss als
Todtenurne mit Leichenbrand feststellen Hesse. Es wäre damit die Zahl der
noch immer einigermaassen seltenen Fälle vermehrt, wo die Wenden — vielleicht zur
Zeit der Einwanderuni;', also in ihrer frühesten Ausbreitung auf vormals germanischem
Boden — die Leichenverbrennung ausübten. Leider lässi der Fund muh Salzsee
uns hier im Stich. —
Hr. Rud. Yirehow: Ich kannte den
Bericht des Hrn. Grössler schon aus
einem mir übersandten Sonderabdruck aus
den „Mansfelder Blättern" 1897, XI, Seite
134. In Bezug auf das fragliche Thon-
gefäss, von dem ich nach der eben
genannten Abhandlung- hier eine um
die Hälfte verkleinerte Autotypie gebe,
war ich zu demselben Ergebniss ge-
kommen, wie es Hr. Fr i edel soeben
ausgesprochen hat. Es ist meiner Meinung
nach zweifellos slavisch. Die Ausfüh-
rungen des Hrn. Grössler über das
Wellenornament habe ich nicht ohne Er-
staunen gelesen; da er so viel Mühe auf
die Sammlung von Nachrichten über das
Vorkommen des Wellenornaments ver-
wendet hat, so ist es einigermaassen zu
verwundern, dass er auf keine der zahl-
reichen Stellen gestossen ist, an denen ich über dieses Ornament, das von mir seinen
Namen erhalten hat, gehandelt habe. Ich bemerke dabei, dass es ein Irrthum des
Hrn. Grössler ist. wenn er sagt, es sei bisher angenommen, dass dieses Ornament
der slavischen Zeit ausschliesslich eigentümlich sei. Es giebt immer viele
Menschen, welche übertreiben; ich selbst habe gul bestimmte Beispiele, nicht wie
Hr. Grössler aus der Literatur, sondern aus der Wirklichkeit gesammelt, welche
den Beweis luderten, dass dieses Ornament bis in die Gegenwart, z. B. in Ägypten,
sich erhalten hat. Die Warnung des Hrn. Friede! vor einer falschen Anwendung
des Wortes „ "Wellenlinie" ist übrigens sehr beherzigenswert; ich habe schon in
l Vgl. BcMangenfbrmige Ornamente hochreliefartig auf den Urnen bei Hostmann:
Der Urnenfriedhof bei Darzau, Braunschweig L874, Tafel V, Fig. 39, 42, 45, 48, welche EL
für slavischen Ursprungs S. 18 erklart, obwohl ar die mittlere Zeit dieses Urnenlagers
in das 2. Jahrh. n. Chr. (S. 31 versetst Selbst wenn man mit ihm (S. 5) die Benutim
Friedhofes auf 180—200 Jahre schätzt, bleibt die jüngste Zeit desselben noch hinter der
slavischen Einwanderung zurück. Der Schlangeniierath bei Darzau hat eben mit den
Wenden nichts u thun.
Verhaudl. der Berl. A.ntbropol. Gesellschaft j B
(594)
meinem ersten Vortrage in dieser Gesellschaft (Zeitschr. f. Ethnol. 1869 I, über
die nördlichen Pfahlbauten und Burgwälle) eine genaue Beschreibung geliefert.
Aber die Gewohnheit, die Originalartikel nicht zu lesen, nimmt so sehr zu, dass
ich an ähnliche Vorkommnisse ganz gewöhnt bin. —
(17) Hr. Friedet zeigt einen
silbernen Finger-King von BrüssoAv, Uckermark.
Derselbe ist an der inneren Fingerfläche kantig und erweitert sich nach dem
Ringkasten zu, dreifach gefältelt, mit schwachen Volutenansätzen. Der Ringkasten
ist aus Gold mit einem rundlich absetzenden Falz, der einen, einen Sardonyx nach-
ahmenden Stein umschliesst, welcher aber nach der Feststellung unseres Mit-
gliedes Hofjuwelier Paul Teige, dem Hr. Friedel beitritt, eine Glasfritte ist.
Der untere Theil ist schwarzblau, die Ringplatte hellbläulich. Dieselbe weist das
Figürehen eines vor einem Baumstamm stehenden Merkurs auf, der in der Rechten
einen gefüllten Geldbeutel, in der Linken den Flügelstab hält. Die innere hellere
Ringplatte ist oval, die Längsachse etwa 11 mm. Dazu kommt von der dunkeln
Unterplatte oben und unten je 1 mm hinzu, so dass die gesammte Ringplatte in
der Längsaxe etwa 13 >»///, in der Querachse bezw. etwa 8 und 2 /»>», zusammen
nicht ganz 11 mm misst. Nach einer Mittheilung des Königlichen Antiquariums
hierselbst ist d'iese Merkur-Darstellung eine in der spätrömischen Kaiserzeit ge-
läufige. Die Ausführung ist keine besonders kunstfeine, wenn man auch berück-
sichtigt, dass der Glasfluss trotz seiner relativen Härte etwas von der Witterung
gelitten hat. Man geht vielleicht nicht fehl, in dieser Gemme eine römische
Provincialarbeit des 4. Jahrhunderts zu sehen. Auf dem vormals römischen
Besitzthum innerhalb des alten Gennaniens sind ähnliche Ringe nicht eben selten;
so bildet L. Lindenschmit (Die Aiterthümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. IV,
Taf. 15) einen ähnlichen, allerdings in der Fassung ganz goldenen Fingerring mit
einem ähnlichen bläulichen Stein ab, in den ein Mars eingravirt ist; er wurde im
Rhein bei Mainz gefunden, während der heut vorgezeigte Ring ohne bemerkens-
werthe weitere Umstände im Sande bei Brüssow, Kreis Prenzlau, Provinz Branden-
burg, ausgegraben und vom Märkischen Museum (Kat. B. II. Nr. 21 247) erworben
worden ist. Die Lindenschmit'sche Abbildung wurde vorgezeigt.
Nicht unerheblich dürfte — wie Hr. Friedel bemerkt — es sein, schliesslich
daran zu erinnern, dass das Material der Gemmen vom Alsener Typus mit den
bekannten barbarisirten fratzenhaften Figuren dem des Brüssower Ringes gleicht,
so fla.ss die Platte in der Entfernung gleich einer der kleinen derartigen Dar-
stellungen, wie sie sich z.B. im Museum zu Darmstadt belinden, aussieht. Schon
im Jahre 1874 erwähnte unser Mitglied Hr. Bartels, dass George Stephens (Tre
barbariske-classiski Gemmer, fundne i Danmark) durch altnordische Goldbracteaten,
welche römischen Münzen nachgebildet sind, beweisen zu können glaube,
Gemmen seien etwa in das vierte oder fünfte Jahrhundert n.Chr. zu setzen.
Die Brüssower Gemme hätte ganz wohl zu einem derartigen Nachahmungsversuch
seitens nordischer Künstler anreizen können. Vgl. Nachrichtsblatt IV, S. !»2.
Der Typus des Bermes mil l .eldbeutel und Kerykcion ist im hiesigen Königlichen
Antiquarium vielfach vertreten, vgl. Nr. 2379, 2539, 2566, 2696 fif. der Beschreibung
der geschnittenen Steine im Antiquarium 1896. Der Sandberg, in welchem der
Bing gefunden wurde, gehört zu der Ortschaft Hammelstall bei Brüssow: in der
Nähe befinden sich Bttnengräber. —
(595)
(18; Der „Berliner Herold" vom 8. Deeember bringt einen kurzen und wenig
ergiebigen Bericht über eine Ausgrabung, welche Hr. Adersberg aus Mühl-
hausen i. Eis. auf dem
Oberkietz bei Oderberg in der .Mark
gemacht hat. Dabei wurde eine Steinkammer von etwa l"> m Höhe, 8 m Länge und
Am Breite aufgedeckt, in welcher 40— 50 Thonurnen von 0,5 — 1,0 m Höhe aufgestellt
waren. Unter denselben aollen Wallen (naeb Hrn. Heintze Bronzeschwerter und
Steinäxte), Steintruhen u. s. w. gefunden sein. Kein Skelet. —
Genauerer Bericht wird abzuwarten sein. —
(1(J) Die „lllustrirte Zeitung" vom !>. Deeember (Nr. 2841) bringt einen mit
zahlreichen Abbildungen ausgestatteten Bericht des Hrn. Karl Wiegand über neu-
entdeckte
vorgeschichtliche Lehmgräber in Sandhügeln des Königreichs Sachsen.
Der Verf. bezeichnet das Flachland zu beiden Seiten der Elbe unterhall)
Meissens als ein Hauptgebiet vorgeschichtlicher Ansiedelungsplätze und Urnen-
Friedhöfe. Am rechten Ufer entdeckte er 52, am linket; nur 12 solcher Plätze.
Soviel sich aus der vorliegenden Schilderung ersehen lässt, handelt es sich aus-
schliesslich um flache Brandgräber mit einem reichen Inventar an Thongefässen
jeder Art und Grösse. Der Verf. rechnet sie wesentlich zur Hallstatt- und Tene-
Zeit. Am meisten bemerkenswert!] darunter sind die von ihm sogenannten Lehm-
gräber, von denen er namentlich bei Rüderau gute Beispiele antraf. Der Lehm
ist in den sandigen Boden eingebracht und lässt sich durch einen eingestossenen
Spiess leicht entdecken. Beim Nachgraben findet man 1 — 2,5 m tiefe, eylindrische
oder trichterförmige Gruben, deren Hals durch einen vortretenden -Glockenhügel"
aus Lehm, der sich über das Niveau des Mutterbodens erhebt, verschlossen ist.
Am Grunde des Cylinders oder Trichters stehen die Thongefässe, zuweilen in
grösserer Zahl: in einer Grube traf man 2 Haupt- und 46 Nebengefässe in o Gruppen
(einer mit Haupt-, zwei mit NTebengefässen). Darunter werden Räuchergefässe mit
Penstern erwähnt, die auf einer tellerartigen Schale standen. Manche Gelasse
trugen einen Graphit-Ueberzug. Ihre Formen stimmen mit denen anderer nord-
deutschen und böhmischen Gräberfelder, namentlich des Lausitzer Typus, vielfach
iiberein. Von Bronzen wurde nur wenig gefunden: einige Nadeln und Ringe. Ueber
die chronologische Stellung der Gräber behält der Verf. sich das Unheil vor.
Es isl nech zu erwähnen, dass auch Wohnplätze, sogen. Mardellen oder Trichter-
gruben aus der Bisenzeit aufgedeckt wurden, in denen Beste von Eisenschmelze,
auch einzelne Schmelzöfen und „4 Statten der ältesten Eisengewinnung mittelst des
sogen. Ren nfeuer -Verfahrens" nachzuweisen waren. Verf. beruft sich auf das
Zeugniss des Hrn. A. Voss. Einzelne Blöcke von Eisenschlacke waren sehr g
ein 100 i schwerer Block soll ..noch ganz deutlich die Spuren einer Gussform"
Line ausführliche Monographie wird in Aussicht gestellt. —
Hr. \\ . v. Schulenburg schickt aus Baden-Baden, l Deeember, eine
Abhandlung über den
Dungkeller des Tacitns.
In den Verhandlungen [1893, S. 148 wurde von mir in Hinsicht auf das
Spinnen in Ställen in Ober-Italien hingewiesen auf die Berichte des Plinius und
-
(596)
des Tacitus über Webe- undVorrathskeller der Germanen, und in den Niederlausitzer
Mittheilungen (I , S. 145) die Verrnuthung ausgesprochen, dass sie gleichfalls als
Spinnstuben gedient haben dürften. Wie ich später ersehen, hat schon Jacob
Griram (im deutschen Wörterbuch) eine reichhaltige Zusammenstellung ent-
sprechender Nachrichten gegeben und damit den Zusammenhang der Webekeller
des 1. Jahrhunderts n. Chr. mit „der" Dunk des Mittelalters und der Neuzeit dar-
gethan. Grimm sagt U.A.: „so hat das altnordische dyngia auch die bedeutung
von webegemach der frauen: in einer solchen dyngia singen die Walküren das
schicksalslied zu ihrem grausenhaften gewebe (Nialssaga c. 158) . . die arbeits-
stuben der frauen werden in der lex salica, der lex Frisionum und dem capitulare
de villis screona genannt . . wovon das französische ecraigne escregne abstammt
. . kleine unterirdische, mit mist bedeckte gemacher, wo die mädchen im winter
zur abendzeit zusammen sitzen" . . und jedenfalls auch spannen, wie ich hinzufüge,
denn das war dann ihre Hauptbeschäftigung.
Schiller und Lübben1) haben: „dunk, m. (also männlich), unterirdisches
Gemach, welches zum Weben, zur Winterwohnung und zur Aufbewahrung von
Getreide diente", und aus dem Zeitbuch des Eike van Repgow, 215: „De keiserinne
sande ok to Rome eren bref unde umbot dar, se wolde dat de utgesnedene
(eunuchus) Narses mit eren wiwen in erer düng spunne." Wenn das Spinnen im
Dung damals eine bekannte Sache war, so dürfte damit, bei der vormaligen An-
dauer der Sitten, auch wohl das Spinnen im vorgeschichtlichen Dung erwiesen sein.
In Uebereinstimmung mit Tacitus erklärt auch Fischart2): „er naD (lann
glaubt, was gut sei für Hitz, sey auch gut für Frost, wie die Bronnen, wie der
Weber Dunckkeller3) . ."
Es bestätigen demnach spätere Zeugnisse die Angabe des Tacitus von den
Dungkellern der Germanen (solent et subterraneos specus aperire eosque multo
insuper fimo4) onerant), nur dass man die ungefüge Bezeichnung „unterirdische
Höhlen" fallen lassen muss5). Zu bemerken wäre indessen, dass solche Dungkeller
1) Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 1875.
2) Geschichtklitterung, 1570—1590, Neuausgabe v. Aisleben, Halle 1891, S. 178.
3) Schindler (Bayerisches Wörterbuch, 1827—1837: neu von Fromann, 1827) ver-
merkt: ..die Dunk (augsb.)."
I A. Baumstark bemerkt in einer Ausgabe der Germania (Leipzig, Weigel, L876,
S. 61): „Fimus, Mist (von stercus verschieden, als ein weniger widerlicher Ausdruck) ist
tticht Dünger." Da hier Dünger doch wohl gleich Dung gesetzt ist, so wäre zu erwähnen,
dass in Norddeutschland östlich von der Elbe, soweit icli weiss, bei den Landleuten Mist das
gebräuchliche und das derbere Wort ist. Dung gilt mehr als feinerer Ausdruck, ist aber
völlig dasselbe. Dnd ebenso in Oberbayern, Würtemberg („d'Mischtena") und Baden (auch
Mischtel,Viscum album), soweit mir mehr vereinzelt bekannt geworden. Mistgrube, Mistwagen,
Mistbeet u. dergL m. sind allgemeine Ausdrücke; misten, ein Fachausdruck bei Pferde-
he it/rin and Stallwärtern; den Stall ausmisten, die Thätigkeit, die der nachmals zum Gott
erhobene Herkules d< c alten Griechen in seinerzeit als Arbeitsmann oder Knecht mit Eifer
yollffihrte (dem in oi n ländlichen Kraftstücken der starke Hans der Deutschen eben-
bürtig ist, nur dass seine Landsleute, frühzeitig durch fremden Geist entvolkt, ihn nicht
zu solcher Höhe bracht - las ist nicht auf deutschem Mist gewachsen", eine verbreitete
Redensart. Mist ist auch bildlich bei gebildeten jungen Leuten ein nicht seltener Ausdruck
für gewisse geistige Arbeiten, entsprechend den Zeitwörtern büffeln und ochsen. Es dürfte
sich verlohnen Zu erfahren, no in Deutschland die Bauern von jeher Dung sagen.
5) Scbreibi doch auch, nach Zeitungsberichten, der Afrikaner Amur bin Nasur von
den Kellerwohnungen in Berlin: „Unten in den Häusern sind Gruben, darin wohnen die
armen Leute.
(597)
in nassen Niederungen wegen des Grundwassers wohl weniger üblich sein konnten
als in trockenem und bergigem Gelände, unbeschadet der Thatsache, dass in der
Mark und auch sonst in Norddeutschland im vorgeschichtlichen Altertlram, zeitweis«
wenigstens, hier und da der Grundwasserstand ein anderer gewesen sein muss, als
heute, dass trockenes Land war. wo heute nasser Grund ist. wofür deutliche Merk-
male' vorliegen1).
Erdgaden als Vorrathsräume erwähnt Wilmar-): „Gaden. masc., jetzt nur
noch in der Obergrafschaft Hanau und zwar in der ursprünglichen Bedeutung
tlblicher Ausdruck: kleiner einstöckiger, meist nur aus einem einzigen Raum
bestehender Nebenbau*). In früherer Zeit muss das Wort, auch in dem angegebenen
uralten Sinn, ziemlich überall in Hessen verbreitet gewesen sein; so ist in Dörfern
der Umgegend von Kassel (|Heckershausen u. a.) von Erdgaden die Rede, welche
übrigens zum Theil zu Wohnungen4) gedient zu haben scheinen. In dem Sinn
von Vorrathsraum, Vorrathshaus kommt Gaden bis in das 17. Jahr.(hundert) oft vor."
Aus dem Worte Erdgaden dürfte doch wohl hervorgehen, dass diese Gaden sich
ursprünglich mehr oder weniger in der Erde befanden.
Frl. M. Lehmann-Pilhes theilte mir freundlichst brieflich mit: „Dr. Valtyr
Gudmundsson spricht in seinem Buche „Privatboligen paa Island i Sagatiden-
von dem Vorrathshause, der skemma, einem einzeln stehenden Gebäude und sagt,
sie sei in Island selten, in Dänemark, Schweden und Norwegen in der Regel als
Schlafraum, sowohl für die Familienglieder, als für angesehene Gäste benutzt worden.
In den letztgenannten Ländern habe sie gewöhnlich 2 Stockwerke gehabt, von
denen aber das untere zuweilen nur ein in die Erde gegrabener Keller gewesen
sei. Von Island sei dies nur einmal erwähnt (Sturlunga saga) und nie zwei Stock-
werke über der Erde. Es gab hier aber unterirdische Gänge (jariVh us = Erdhaus).
die zum Entfliehen5), und unterirdische Stuben (jarflstofa), die als Gefängniss
dienten."
Betreffs der von Grimm erwähnten nordischen „dyngia" hatte Frl. Lehmann -
Filhes die Güte mir mitzutheilen: ..Dr. Valtyr GuÖmundsson sagt (S. 245), nach-
dem er Lage und Zweck des Frauengemachs (dyngja) nach einigen Sagastellen
erläutert hat, von dem Worte an sich: ..Was den Namen dyngja und seinen
Ursprung betrifft, so bedeutet es eigentlich nur einen Haufen (dänisch: dynge).
welche Bedeutung das Wort im Isländischen noch jetzt hat (vergl. ösku dyngja =
1 Vergl. Brandenburg 1897, S. 130, 131.
2) EdiotikoD von Kurhessen, Marburg, 1868.
3) Im Schwarzwald, in der Gegend von Triberg, heisst in den Bauernhäusern die
Schlafstube für Bauer und Bäuerin, Vater und Mutter: Gade; in Oberbayern dieselbe:
akammer, St umk omma.
I Her volkskundige Schulze Eantscho-Hano in Schleife bemerkt Xiederlausitser
Mittheilungen, [., 1890, S. 73 : „In der hiesigen Schleifer Sandgegend Kreis Rothenburg,
Schlesien) waren ehedem die alten Absiedlungen Erdwohnungen. Die Wände wurdei
Kiefernstangen über Kreuz gelegt, etwa ein Meter tief in die Erde hinein. Was oberhalb
rde war, wurde mit Lehm und Saud bestrichen und die Wohnung war fertig." Wenn
diese Angabe auch nur auf mündlicher l eberlieferung beruht, bo verdient sie doch i
der früheren Abgeschiedenheit jener wendischen Dörfei einige Beachtung. Vergleiche die
Lutchen in der Brandenburg! a.
5) Auch Tacitns denkt bei den Dungkellern an feindliche Bedrohung. Germania, 16:
„Solent et subterraB ns aperire . . qnia . .et, si quando hostis advenit, aperta
populatur, abdita autem et defossa aut ignorantur aut eo ips>> fallunt quod quaerenda
sunt."
(598)
Aschenhaufen, und das Verbum aO' dyngja saman = zusannnenhüufen), während die
andere Bedeutung (Frauenstube) in der jetzigen Sprache verloren ist, da man keine
besondere Frauenstube mehr hat. Das Wort steht in Verbindung mit dem englischen
„düng", d. h. Mist (angels. düng, dyng, dtsch. düng, dünger: ahd. tunc, d. i. unter-
irdische Webestube, (Kluge, Etymol. Wörterbuch), da dieses Haus ursprünglich
grösstenteils in die Erde gegraben war, woher nur das Dach oder dessen oberster
Theil, das zum Schutz gegen die Winterkälte ursprünglich mit Dünger bedeckt
war (Tac. Germ. 16), sich über die Erdoberfläche erhob. Das Wort tunc wird
infolge alter Glossen (Fritzner's Wörterb., 2. Ausg.) mit lat. hypogeum, textrina,
geneceum (Graff V, 4H3 u. IV. 217; Mhd. Wörterb. III, 130) d. h. gynaeceum
übersetzt und in Süddeutschland und der Schweiz noch für unterirdische Webestube
gebraucht. Hiermit kann verglichen werden, was Plinius berichtet . ." Fräulein
Lehmann-Filhes fügt dem noch hinzu: „Ich denke mir auch, das es angenehm
ist, im Keller zu weben, weil die Fäden, wenigstens Flachsfäden, in feuchter Luft
weniger leicht reissen. — Als Name von vulcanischen Bergen kommt dyngja jetzt
in Island häufig vor: Trölladyngja = Trollenfrauengemach , Kollötta dyngja, wohl
„ein runder Haufen", denn kollöttur heisst „ungehörnt", rundköpfig. Dünger oder
Mist heisst im Isländischen jetzt „myki oder mykja und tatf, pl. tötf".
Diese altnordische dyngja dürfte auch ihrerseits, besonders in Hinsicht auf
eigenthüm liehe Sitten, den Zusammenhang der skandinavischen Nordgermanen mit
den von Tacitus eingehend geschilderten deutschen Südgermanen erweisen. Wahr-
scheinlich ist doch auch, dass zur Zeit des Tacitus die germanischen Webekeller
ähnlich hiessen, wie der neuere und mitteralterliche Dunk.
Baumstark1) bemerkt, dabei wohl in üebereinstimmung mit vielen an-
deren Gelehrten, zur Angabe des Tacitus „solent et subterraneos specus aperire
eosque multo insuper fimo onerant": „Solent bezeichnet die Allgemeinheit der
Sache, welche dem germanischen Culturbilde äusserst ungünstig erscheint." Dieser
Schlussfolgerung wird man nicht beitreten können. Bei der Beurtheilung der
„Cultur" eines Volkes muss dessen Gesittung wesentlich maassgebend sein. Eine
höher entwickelte Gesittung hängt aber nicht ausschliesslich von der reichen Ent-
wicklung äusserer Lebenseinrichtungen ab. In Island z.B. war eine hohe Ge-
sittung und auch Bildung-) herrschend. Trotzdem heisst es in isländischen Be-
richten von den Wohnungen der ärmeren Bevölkerung im Bezirk Skagafjördur im
Nordland (auf Island), und zwar von solchen aus der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts, nach M. Lehmann-Filhes: ..Die bekkabadstofur3) (Wohn- und Schlaf-
1 A. a. <>. 3.61.
2) M. Lehmann-Filhes, Culturgeschichtlichcs aus rsland, nach dem Isländischen,
in der Zeitschrift de Vereins für Volkskunde, Berlin 18%. S. 238. Auf dem badstofulopt
ausserhalb der Kammer, die «las Gemach („herbergi") des Ehepaares bildete (-wie das von
mir erwähnte Gade und die Stubenkammer im Schwarzwald und in Obcrbayern), rstand
eine mit einer zusai gefalteten Decke belegte Truhe; das war der Sit/, des Knechtes
Thorsteinn, dwAbend dort ag und allerlei ausbesserte and schnitzte und dazwischen die
Aufgabe hatte, Geschieh - ögur) vorzulesen und lange Gedichte (rimur) aufzusagen. Die
drei Mägde sitzen auf ihren Betten und spinnen" a. s. w.
3 Badstofa biesa ursprünglich Badstube und bezeichnete nach Lehmann-Filhes-)
in alter Zeil den auf jedem i ländischen Gehöfl befindlichen, mit einem grossen steinernen
Ofen versehenen Bann zum Baden. Ebenso isl mich heute in Oberbayern das Wort Bad
stube, Bodstum, erhalten eblieben. Es weis! ebenfalls zufficls auf dir ehemalige Bad-
8tube zum Baden und bezeichnet jetzt Gebäude insoweit ich Bie kennen lernte , die als
(5!)!»)
Btuben) hatten fast immer das Erdreich zum Pussboden; an beiden Längswänden
standen die Betten, die nackten Frduände hinter ihnen waren grauwei8S von
Schimmel und Feuchtigkeit l)* -Die Giebelwände der Badstofur waren damals
gleich dvn übrigen stets von Rasen und so dick, dass die Fenster im Dache sein
mussten2)tf „In den ärmlichsten Badstofur war das Torfdach /wischen dem Latten-
werk sichtbar8). Ausserdem, was den Isländern zur besseren Ausstattung doch
mehr fehlte, Holz, hatten die deutschen Germanen in Fülle. Zudem hatten sie
ausser jenen „Tungen" noch die eigentlichen Wohnhäuser, die nach der Beschn
des Tacitus Blockbauten waren, wie sie noch heute in Deutschland, aber auch in
Norwegen u. a. vorkommen.
Der dunkle Kaum der Tungkeller Iässi zumal für lange Winterabende eine
künstliche Beleuchtung voraussetzen. Vom Standpunkte der Neuzeit oder des
Mitteiters könnte man dabei an Lampe, Unschlittkerze oder Span denken. Das
Spanlicht hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Kienspähne der Kieler wurden ver-
einzelt in der weiteren Umgegend von Berlin (auf dem Lande) in einem mir
bekannten Hause noch vor 10 Jahren, mehrfach bis vor 20 Jahren, allgemeiner in
Dörfern der Muskauer Gegend noch vor 15—20 Jahren, vielleicht noch jetzt,
gebrannt. Noch in den letzten Jahren sah ich in Oberbayern, höher im Gebirge,
im Hause zu allerhand Verrichtungen mit Fichtenspähnen leuchten4).
Ob für das Tageslicht irgendwie eine Luke im Dach des Tung oder sonstwie
vorhanden war, wird nicht weiter von Tacitus berichtet, ebensowenig von den
Wohnhäusern. Aber es wäre denkbar, dass man sich in beiden irgendwie statt mit den
heutigen Penstern anderweitig beholfen hätte. Aus Island heisst es denkwürdig-"'):
„In dem Rasendaehe, das man überall durch die Dachlatten hindurch sah. war
eines jener oft nur handgrossen Fenster (skjägluggi): ein hölzernes Hand wurde
zu einem Ringe zusammengebogen (oder auch wohl ein länglicher oder viereckiger
Rahmen angefertigt), mit der Eihaut eines Kalbes bespannt und in die zu diesem
Zwecke hergestellte Dachöffnung gepasst. Diese dünne Haut wurde oft zerstört, bald
durch den Wind, bald durch die Katze . .: man rausste daher stets Vorrat!) an solchen
Häuten haben . ." ..Junge; Mädchen, die auf sich hielten, haben den liknarbelgur
so gut als möglich gewaschen und geschabt, bevor sie ihn in das Fensterchen über
ihrem Bette brachten, und dann mit ihrer Handarbeit oben auf dem Heue möglichst
nahe an dieser Lichtquelle gesessen". ..Line Frau, die 1811 geboren war. erinnerte
sich aus ihrer Jugend keiner anderen Fenster6)."
Für einzelne Gegenden wenigstens (in Niederdeutschland, auch in Nbrwegi
Schweden und England) kann das Vorhandensein von Lichtluken an Häusern vor-
geschichtlicher Zeil als erwiesen -eltcn seit Auffindung der Fensterurnen aus
Gräbern. Die Todtenurne, wie sonst das Grab, -alt. sicherlich für eine gewisse
Zeitdauer, als Wohnung de- Todten. Das beweis! der Volksglaube der letzten
Dörrkammern für den Flachs dienen und um darin den Flachs /u brechen. Verglcicl
Verhandlungen 1889, S 22, and Mittheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft,
■je, ic. S.79. \ii'-li Tacitus erwähnt, dass die alten Deutschen Bäder nahinen,
mania, •_'•_': „Statim e somuo, quem pleramque in diem eztrahunt, lavantur, saepius calida
ul apud 'i11""- plurimum hiems oecupat."
1 M. Lehmann-Filhi s, a, a.0 . S.2H7.
2 Ebenda, S.289.
:; Ebenda, S.!
4) Vergl. Brandenburgia, Berlin L896, S. 151.
5) M. Lehmann-FilhöB, a.a.O., S.23 .
6 Ebenda, S.239.
(600;
Jahrhunderte, in dem der Glaube der alten Deutschen mehr oder weniger gebrochen
sich abspiegelt, und die Auffindung der Hausurnen. In ihnen hat man Häuser der
Lebendigen nachgebildet oder angedeutet. Dazu kommt die Auffindung der Fenster-
urnen. Wenn unten am Boden derselben durchsichtige Glasstücke eingesetzt
wurden, so sollten sie vermuthlich ein Fenster am Hause des Todten vorstellen,
wie man ein solches ^Fenster" oder solche „Fenster" gekannt hatte an seinem
Hause zu seinen Lebzeiten, oder sonst an Häusern von Lebenden. Denn Brauch
und Sitte sind immer der Ausdruck einer bestimmten Anschauungsweise.
In Hinsicht auf das Spinnen in Ställen zur Winterzeit in Oberitalien möchte
ich erwähnen, dass der italienische Maler Hr. Segantini im vorigen Winter in
Berlin bei Schulte unter anderen zwei grosse Gemälde ausgestellt hatte, von
denen das eine bei Laternenlicht im Kuhstall (wohl in den Alpen Italiens oder der
Schweiz?) eine Mutter mit einem Kinde sitzend zeigte, das andere ebenso eine
Spinnerin. —
(21) Hr. W. v. Schulen bürg überschickt ferner einen Artikel über den
Trudenfuss bei Wilshofen in Bayern.
Als Drudenfuss gilt allgemein das verschränkte Dreieck. Wolf1) theilt
darüber (aus Keysslers Antiquit. selectae septent. et celticae p. 501) bemerkens-
werth mit: „Druden etiam in Franconia et Helvetia adpellantur sagae, Drütner,
incantatores, magi. Figura pentagona, olim uyeictg, sive salutis signum ^^ (quod
multis superstitionibus commaculant et nocte Stae. Walburgae sacra creta inscri-
bunt stabulorum portis, ne Sagae et Druidae ad armenta et pecora penetrent) ad-
pellatur Drudenfuss, pes Druidum"2). „Diesem Drudenfusse3) entspricht genau
der niederdeutsche Familienname Marevoet", setzt Wolf hinzu.
Mine andere Art von „Trudenfuss'' als das Pentangulum. und zwar aus Weiden-
rinde hergestellt, ist mir, während meines früheren Aufenthalts in Bayern, aus
Niederbayern bekannt geworden. Es herrscht beim Landvolk, so in der Gegend
von Wilshofen bei Passau u. a. die Sitte, wie mir seiner Zeit Hr. Klostermejer,
\on dort gebürtig, mündlich mittheilte, „dass man am Charfreitag auf einem freien
Platze /.wischen den Gräbern des Kirchhofs ein Feuer anmacht, in dieses geweihte
Feuer Stöcke oder stärkere Ruthen von einer Weide steckt und sie an den Enden
verkohlen lässt. Aus der Rinde derselben verfertigt man Trudenfüsslein.
Die angekohlten Stöcke werden oben gespalten und ein Trudenfüsslein hinein-
1 Niederländische Sagen. Leipzig 1S43, S. 190.
2) Canu Sterne (Sommerblumen, Leipzig 1884, S. IM -1S4) bespricht gewisse Eigen-
tümlichkeiten der ■"> Kelchblätter der Rose und giebt (S. 182) eine Zeichnung- „von der
Knospenlage der Kelchzipl'el der Moosrose mit eingezeichnetem Pentagramm fc , das man
i rhalte, wenn man bei Vi rfolgung de- ..kurzen Weges" die Kelchzipfel in einem Handzuge
mit geraden Linien verbindet: er weist zugleich darauf hin, dass „schliesslich die Rose selbst
statt des Drudenfo esetzl wurde. Das Volksräthsel von den 5 Brüdern (bei Wossidlo
dir Kelchblätter der „Hund rose" , das Carus Sterne als Uebersetzung eines Theiles eines
lateinischen Epigramms eine 16.*>0 gedruckten Buches erklärt, timbt sich nach Wossidlo
(Meklenbnrgische Vblkaüberlieferungen I. Wismar 1897, S. 75, 290) vielfach beim Land-
volk«' verbreitet.
:; In der Gegend ron Bühl in Baden wurde noch vor 50—60 Jahren in die Pfosten
des Kuhstalls mit dem liesser ein Zeichen eingeschnitten, dass keine Hexen in den Stall
kämen und die Kühe melkten; doch war jetzt nicht mehr genau festzustellen, wie dieses
Zeichen ausgesefo n bat.
(601)
geklemmt und dann der Stock in den Acker gesteckt, damit die Erde vor allem
bösen Einfinss gesichert sei. Auch im Hause wird der Trudenfuss verwendet.
So gcgan Alpdrücken, das man den Truden und Hexen zuschreibt, die sich Nachts
dein Bauer auf die Brust setzen und ihn nach Herzenslust drücken. Dag
nagelt der Bauer '6 Trudeni'üsse an die Bettlade und drückt dann Nachts im Ge-
fühle der Sicherheit seine müden Augen zu."
Zu weiterer Bestätigung wandte ich mich neuerdings (l<S(Jti), auf Empfehlung
des Nrn. Prof. Sepp in München, an den volkskundigen Hrn. Pfarrer Ritzinger
in Osteihofen bei l'assau. Hr. Kitzinger hatte die Güte, mir die nebenstehend
.1. '/■-•
B.
abgebildeten Trudeni'üsse zu übersenden und bemerkte freundlichst, wegen des
Pentangulum hinweisend auf Armamentarium ecclesiasticum von P. Fr. Ubaldus
Stoiber vom Jahre L726 (IL S. 60 und folg.): „Alte Amulette' nagen nicht
nur die Zeichen des Pentangulum, sondern auch „einen Schwan", zum Capitel
„"Wallküren" oder Alfenfuss gehörig, weil sich die Wallküren nach der Mythe in
einen Schwan verwandeln konnten. Im christlichen Zeitalter haben die mystischen
Zeichen der Gnostiker eine christliche Form angenommen; dahin gehören auch
die Drudenkreuzchen oder Trudeni'üsse. Auffallenderweise finde ich bei der
Volksschilderang in Müllers „Der bayrische Wald" S. 64 und Heinrich Reder's
„Bayerwald", S. 113 hiervon nichts erwähnt, obwohl besonders der Waldler auch
die geweihten Sachen häufig abergläubisch gebraucht. In hiesiger Gegend ist
hiervon Nichts bekannt; ich war '2 Jahre in Wilshofen, halte nie etwas gehört.
Ich fragte Personen aus dem Wils- und Roththale, Priester und Laien, keiner
wusste Aul'sehluss zu geben. Ein Mann ans der Gegend von Wiechtach
dass man in seiner Heimath das Hexenzeichen (Pentangulum) mit Kreide auf
Bettladen und Stallthüren zeichnet. Ein pensionirter Lehrer aus der Oberpfalz
saute mir. dass man .. m der Pfalz hinten" Druden - Kreuze gegen den „Bömess-
Schnitt" (in anderen Orten „Durchschnitt" geheissen) in die Getreidefelder steckt,
um die schadenden Elementar-Geister abzuhalten. Auf meine weitere Kraue, was
denn dieser sogenannte „Bömess" sei, sagte er: „ein böser Mensch thut es mit
Hülle eines bösen Wesens Trude)." In der Gegend von Pfatter besteht auch
vielfach der Glaube an die Wirksamkeil des „Trudenfussi
[n Hinsicht auf das von mir erwähnte Keuer u. s. w. bemerkt Hr. Kitzinger:
„Jeder Katholik weiss, dass am Palmsonntage Palmen geweiht werden, die man
im Hause bewahrt und ehrt, üebers Jahr werden diese Palmen gesammelt und ver-
brannt, und mit dieser Ische wird jene ernste Ceremonie der Einäscherung vor-
(602)
genommen mit den Worten: .,Memento. homo, quia pulvis es et in pul verein,
reverteris." Die Stange (Stock), an welche das Palmenbüschlein gebunden wird,
ist eine Weide. Im Frühjahre ist diese Rinde leicht löslich, und davon werden
die sogenannten Drudenfüsse gemacht, grösser oder kleiner, wie man eben will.
Die Verschlingung erinnert an die Tephilim oder Phylacteria Judaeorum (vide
Comment. in Calmet. V. Test. Tom. I, pag. 773). Am Charsamstage wird be-
kanntlich das „Feuer" geweiht. Die Leute stecken Prügel, Stecken u. dgl. in das
geweihte Feuer und stecken diese „Brände" dann auf die Felder. In Pfarrdörfern
wird das Feuer gewöhnlich im Friedhofe an einem freien Platze geweiht. Als
solche „Brände" benutzt man entweder den Palmbaum-Stecken1) selbst, oder einen
Theil desselben. Ist er angebrannt, so spaltet man ihn oben, steckt ein anderes
„Brandhölzchen- überquer ein und formirt so ein Kreuz. Wrer einen „Truden-
fuss" hat, steckt diesen hinein, er hat ja die Kreuzesform. Gewöhnlich am 3. Mai
(Kreuzerfindung) oder bald nach der Oster-Feuer- und Wasser- Weihe werden diese
Kreuze auf die Felder gesteckt, diese unter Gebeten mit geweihtem Wasser be-
sprengt und das Gedeihen der Feldfrüchte und Abwendung alles Schädlichen Gott
empfohlen " —
(22) Freiherr v. Stein, Premier-Lieutenant in der Kaiserlichen Schutztruppe
und Stationschef der Kaiserlichen Reg.-Station Lolodorf in Kamerun, hat unter
dem 6. October Hrn. Rud. Virchow folgende Mittheilung übersendet, betreffend
Anthropologisches, namentlich auch Zwerge in Kamerun.
Als einen Beweis meines Interesses an der Anthropologie bin ich in der glück-
lichen Lage, Ihnen das annähernd vollständige Skelet eines Ndogunbuea (süd-
östlicher Bakoko-Unterstamm) zu übersenden. Es wird allerdings wohl erst mit
nächster Post eintreffen. Der betreffende Mann soll vor etwa Jahresfrist als Ge-
fangener hier auf der Station umgekommen sein. — Ich war damals noch nicht
hier, aber es zeigte mir ein Schwarzer den Beerdigungsplatz. Wenn ich nicht mehr
sende, so liegt dies an den Ihnen wohl bekannten Umständen, dass es nehmlieh
äusserst schwer hält, die Leute zu dem Zeigen oder gar der Oeffnung eines Grabes
zu vermögen. Das Glück unterstützte mich diesmal insofern, als gerade die
Ndogunbuea in ihrer gebirgigsten Bakoko-Landschaft bei dem Feldzuge gegen die
Bakoko im Frühjahr 1895 der Truppe empfindliche Verluste beibrachten und das
wohl ein Grund für meinen schwarzen Unteroffizier war, mir aus eigenem An-
triebe das Grab zu zeigen. Wie der Mann iim's Leben kam, ist mir unbekannt
geblieben.
Wenn ich im Uebrigerj auf den Schlusspassus Ihres so interessanten Vortrages
S. 158) eingehen darf, so möchte ich bemerken, dass ich bereits, im Gegensatz
/u Hrn. Hauptmann Morgen, überall im Schutzgebiet herumgekommen bin, und
dass. meines Erachten di n Sprachverschiedenheiten nach 3 oder 4 ganz verschiedene
Völker den ins jetzt zugänglichen Theil des Schntzgebietes bewohnen. Während
1) Vergleiche dazu meine Mittheilungen in «Ion Verhandlungen 1896, S. 343 und öl",
341. Einsichtlich dei dorl erwähnten Palmschwänchen, Schwänen aus Backwerk, und
der Schwäne an vorgeschichtlichen Bronzewagen wäre hinzuzufügen, dass auf dem Berge
hinter dem Dorfe Burg im Spreowald (Kreis Cottbus, Provinz Brandenburg) eine kleine
Thonschale mit einem langhalsigen Schwan aus Thon (aufbewahrl in der Sammlung des
Ihn. Apothekers Petermann im Dorfc Burg) nebst Bronzcstücken in der Erde vor-
gefunden wurde 3.862). Es i ' ichtlich. dass es Bich bei diesem böchsl denkwürdigen
Funde um keinen Gebrauchsgegenstand handelt.
(603)
die Bakwiri (oder Bakwili), die Du all a, alle ausserordentlich volkreichen und
ausgedehnten Bakoko (Bassa, Lungale, Babimbi. Ndogohem, Ndogohega, Xdogun-
knmak, Ndoghende, NdogadkhS, Ndogunbuea, Ndokupe, Bekok, Mangalle, Ndokök,
Edea, Ndogsean, Ndogschok, Badjöb, Ndosuelle, Xdogobella. Ndögcbek, Ndaga-
bessol, Jabbi u. s. w.), die Jaunde-Buley-Pangwe-Üntergruppe, schliesslich
mit Genoa, Janda, Mpongete mehr oder weniger verwandt Bind, bilden die
Bakundu, Ngolo, Barombi, Bayong u. s. w. im Norden «inen in Sitten,
Gewohnheiten, Tättowirung, Sprache a. s. w. absolut davon verschiedenen Stamm.
der aber sehr wohl von den um Ngilla, Wüte, Balöng n. s. w. sitzenden Völkern zu
unterscheiden ist. Eine absolut unterschiedene, wenn auch kleine Sprachinsel, die
sieh auch durch (\vn äusseren Habitus der Bevölkerung gellend macht, sind die
Ngomba, Mabea u. s. w. im Waldlande östlich von Kribi. Eine schliesslich in
Sprache u. s. w . auch von den aus Gabun stets weiter muh Norden dringenden
Buleystämmen (wozu auch Jaunde, Baue u. s. w. zn rechnen sind)
wiederum ganz verschiedene Gegend ist weiter nach Osten im Südbezirk gelegei
und beginnt etwa 14 Tagemärsche (zu 2.3—40 km) östlich von Kribi mit den Jengone.
Diese Stämme sind aber noch so gut wie unbekannt. Meine Bauptgegner sind die
Baue (Zwischenstamm zwischen Jaunde und Buley).
Nun das Beste zuletzt: Das seiner Zeit von mir so skeptisch beurtbeilte Vor-
kommen einer Zwergrasse ohne festen Wohnsitz zwischen hier und der Küste
seheint mir doch einen thatsächlichen Untergrund zu haben, und ich habe ä -
gegründete Hoffnung, genaue Maasse, Haarproben u. s. w. demnächst zu erwerben.
Einen Mann, den ich als Kreuzung dieser zwerghaften Rasse und derNgomba ansprechen
möchte, werde ich jedenfalls dieser Tage anthropologisch untersuchen können, und
ein ganz reines, richtiges Mitglied der Zwergrasse, die offenbar nur wenige hundert
Leute höchstens stark ist, ist mir in Aussicht gestellt. —
Hr. R. Virchow spricht seinen besonderen Dank für die Mittheilungen des
BYeiherrn v. Stein aus. Ganz besonders freut er sich darüber, dass nun endlich
positive Nachrichten über Zwerge unter den Buschvölkern in Kamerun gewonnen
sind. Schon seitdem Hr. du Ohaillu unter den Gabun - Stämmen Zwerge auf-
gefunden hatte, ist die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen weiterer Pygmäen in
den Waldgegenden von Westafriea gerichtet geblieben und manche vereinzelte
Nachricht hat ihren Weg zu uns gefunden. Hr. Bastian (Die deutsche Expedition
an der Loango-Küste, Jena 1874, 1. S. 135) hatte über die ßabongo ausführliche
Nachrichten niedergeschrieben, aber der Widerspruch des Hrn. Palkens
(Verhandl. 1 ^77. S. 177 hat alle diese Nachrichten discreditirt. Trotzdem habi
den Glauben nicht verloren, dass es doch westafrikanische Zwerge gel Man lese
nur die Erörterungen des Hrn. Schweinfurth Im Herzen von Africa. Leipzig
London 1884, II.. S. 143 . der die älteren und neueren Angaben gesammelt hat,
und man wird nicht umhinkönnen, ihm beizutreten, dass seine Akka und die Ol
von du Chaillu in eine gewisse Verbindung zu bringen sind. Nun sind auch
die centralafrikanischen Linder hinzugekommen and der Gedanke, d einer
primitiven Urbevölkerung sieh durch das ganze Waldgebiet von Africa erhalten
haben, ist mit neuer Stärke erwacht. Dazu kommt, dass Hr. Hauptmann Kund
Math, aus den deutschen Schutzgebieten, IL. S. 109 auch in Kamerun Leu*
niedrigem Wuchs, gelblicher Hautfarbe und fremdartigem Gesichtsausdruck" gesehen
hat, von denen er in seiner vorsichtigen Weise sagt, er könne sie nicht /.
nennen, die er aber doch von den anderen Stämmen unterscheide!
herrn \. Stein gelingen, in dieses Dunkel Lieht zu verbreiten und positive
male, wenn möglich Messungen ZU gehen! —
(604)
(23) Hr. Rud. Virchow bespricht
6 Schädel von Jauiide aus Kamerun.
Diese Schädel sind mir mit einem Begleitschreiben des Directors des Kaiser-
lichen Gesundheits-Amtes vom 8. Mai zugegangen. Darnach sind sie von dem
Lieutenant der Schutztruppe, Hrn. Dominik zu Jaunde. für mich bestimmt und
Seitens der Colonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes übermittelt worden. Ein
beigefügtes Blatt, welches die Unterschrift des Dr. Döring, 21. Juni 1896 trägt.
hat den Zusatz .. Wogobetschi?". lieber die Art der Gewinnung ist nichts be-
merkt.
Für unsere Kenntniss der Kamerun-Stämme ist die Sendung von grosser Wichtig-
keit. Noch in der Sitzung vom 20. März (Verhandl. 1897, S. 158) hob ich die Un-
sicherheit der bisherigen Thatsachen über die Kraniologie unserer Colonie und
die Notwendigkeit weiterer Ermittelungen hervor, und zwar mit besonderer Hervor-
hebung der von Hrn. Morgen angegebenen Verschiedenheit der nördlichen und
der südlichen Stämme. Jetzt habe ich zum ersten Mal brauchbares Material für
das südliche Gebiet. Freilich ist dies Material kein so gleichartiges, dass es genügt,
um zu erkennen, ob alle diese Schädel demselben Stamme angehört haben, und
es entsteht die schwer zu behandelnde Frage, ob ihre Verschiedenheit auf bloss
individuelle Variation oder auf eine Mischung verschiedener Stämme zu bezieben
ist. Dabei tritt erschwerend der Umstand hervor, dass überhaupt bei diesen
Stämmen die Geschlechts-Unterschiede der Schädel nicht mit genügender Sicher-
heit bekannt sind (vergl. a. a. 0. S. 154).
Ich bemerke daher unter aller Reserve, dass ich einen der vorliegenden
Schädel (Nr. t>i für einen weiblichen, die übrigen für männliche halte. Einer der-
selben, der weibliche (Nr. 6), der zugleich zahlreiche noch anhaftende, ziemlich
fi ste Weichtheil-Reste trägt, also sehr frisch sein muss, und niemals in einem
Grabe gewesen sein kann, ist offenbar gewaltsam abgetrennt worden; erzeigt einen
grossen Defect mit unregelmässigem, durch eine Reihe von Hieben zerfetztem
Rande, der sich vom Hinterhauptsloche aus weit in die Squama occip. erstreckt.
Von hinten her geführte Schnitte sind auch an den Gelenkhöckern bemerkbar.
Vnn den anderen sind zwei Schädel (Nr. 2 u. 3), die ausgedehnte Laterit-Färbung
tragen und offenbar aus Gräbern stammen, ohne Spuren äusserer Gewalt-Einwirkung.
gen sind grössere Verletzungen sichtbar an Nr. 1, 4 und 5. Von diesen
dürften die ron \i\ 1 und 5 posthumer Art sein: es sind grössere, gebrochene
Löcher an der Basis cranii (vergl. Fig. 3), wie sie bei dem explorativen Suchen
nach Gräbern mittelsi in die Erde eingestossener Stangen leicht erzeugt werden.
Als während des Lebens durch scharfe Geräthe hervorgeht acht ist aber wenigstens
die Mehrzahl der zahlreichen Verletzungen anzusehen, welche Nr. 1 erlitten hat.
Hier ist durch einen scharfen Hieb der Stirnfortsatz des Wangenbeins auf der
linken Seite zerschlagen und die ganze orbitale Partie dieses Knochens bis in den
Jochbogen hinweggenommen, so dass die Augenhöhle nach links ganz offen ist.
Nahe daran findet sich, gleichfalls auf der linken Seite, ein Loch, welches die
Spitze f\<^> Felsenbeins und de* Proc. spinosus des Keilbeins omfasst und so gross
ist, dass man einen Daumen hindurchstecken kann. Endlich befindet sich, an der
unteren flache der Apoph. basil., kurz vor ihrem vorderen Ende mehr nach rechts,
ein von unten her kommender Eindruck mit Splitterung, *\rr aussieht, als sei er
durch das Anprallen einer kleinen Kugel hervorgebracht. Auch trägt das rechte
Parietale, nahe hinter der Coronaria, eine offenbar alte Grube, die ein narben-
^ussehen hat. Dieser Schädel haf manche Eigenschaften, die ihn als einen
(605)
weiblichen charakterisiren könnten; wenn ich ihn trotzdem als männlichen aufführe,
so finde ich in seiner Grösse (1590 ccm) und in den zahlreichen und grossen Zer-
störungen traumatischer Art, die auf einen Kampf hinweisen, starke Hülfsmomente
für die Diagnose.
Bei 2 Schädeln ist das Schädeldach durch pathologische Processe, namentlich
durch Verdickung und stärkere Gefässentwickelung, ausgezeichnet: bei Nr. 1 linden
sich zahlreiche, fast wie Emissari en gestellte Löcher an der muskelfreien Partie,
namentlich hinten und zu beiden Seiten der Pfeilnaht (Fig. 2): hei Nr. 4 Bind die
Parietalia und die Oberschuppe in einem grob-porotischen Zustande Eine be-
stimmte Einwirkung dieser Veränderungen auf die Schädelform ist nicht erkennbar.
Dagegen bestehen bei zwei anderen Schädeln Synostosen der Schädeldach-
Knochen, denen wohl eine Bedeutung für die Schädelform zuzuschreiben sein
dürfte: bei dem mesocephalcn Schädel Nr. 2 eine Verwachsung der unteren laterale,,
Enden der Coronaria; bei dem stark dolichocephalen Schädel Nr. 5 eine prämature
Synostose der Pfeil- und der oberen Lambdanaht, sowie der unteren lateralen Theile
der Coronaria. Nach den wenig abgenutzten Zähnen des Oberkiefers zu urtheilen,
waren sämmtliche Individuen voll erwachsen und von einem massigen Alter.
Sehr ungewöhnlich ist der Schädel Nr. 1 (Fig. 1—3). Derselbe macht bei der
äusseren Betrachtung den Eindruck bedeutender Grösse, und doch hat eine wieder-
holte Messung nur eine Capacität von 1322 ccm ergeben. Nahezu dasselbe Maass
(1329 ccm) fand ich bei dem von mir als männlich gedeuteten Schädel eines
Bakwiri (a. a. 0. S. 155, Fig. 1), mit dem er auch sonst einige Aehnlichkeit hat.
Der falsche Eindruck der Grösse erklärt sich durch die beträchtliche Länge (19:
des Jaunde-Schädels, welche noch um 11 mm über die des Bakwiri hinausgeht. Da
auch sein Horizontalumfang (520 mm) um 20 mm den Umfang des Bakwiri über-
trifft, und die grösste Breite (140 mm) um 11 mm grösser ist, so war ich versucht.
den Jaunde-Schädel als den absolut grösseren zu schätzen. Dass trotzdem die
Capacität desselben nicht nur nicht grösser, sondern sogar um 7 ccm kleiner ist.
als die des Bakwiri, wird nur erklärlich aus der Niedrigkeit des .launde-Schädels
(Fig. 1): sein Längenhöhenindex ist ausgemacht chamaecephal (68,7). Da dies
ein ganz solitärer Fall ist, so
darf wohl als sicher angenommen
werden, dass seine Chamae-
cephalie keine Stammeseigen-
thiiinlichkeit ist, sondern eine
individuelle Variation. Immerhin
gestattet dieVergleichungmit dem
Bakwiri, dessen langgestreckter
Schädel mir besonders auffiel, die
Vermuthung, dass unser Jaunde
die extreme individuelle Aus-
gestaltung der gleichen Grund-
form darstellt. Daraus liesse sich
aufein Verwandtschaft^ erhältniss
beider Stämme schliessen.
Die vergleichende Messung
der einzelnen Schädelabschnitte
bn den Jaunde lehrt, dass dii • i/.unahme in der Länge am meisten der
Stirn, demnächst dem Hinterhaupt zufällt. Denn der frontale Abschnitt der Scheitel-
curve betrag! 34,8, der occipitale •'••■../der parietaleinur 31,3 pCt des Gesammt-
Fiff. 1.
(606)
Sagittalmaasses (367 mm). Die Grösse des Stirnumfanges ist wiederum bedingt
durch die starke Entwickelung der Stirnhöhlen, welche eine beträchtliche
Prominenz der ganzen Stirnnasen -Gegend hervorgebracht hat (Fig. 1). Es kann
dabei zugleich erwähnt werden, dass die Plana temporalia eine colossale Grösse er-
reicht haben (Fig. 2), so dass sie nach hinten bis über die Seitentheile der Lambda-
naht hinübergreifen und diese mit einer dicken Knochenplatte überdecken (Fig. 3).
Pier. 2.
Fis. 3.
Kehren wir jetzt zu einer allgemeinen Charakterisirung der Jaunde-Schädel
zurück, so stossen wir zunächst auf die grosse Verschiedenheit in der Capacitat:
Nr. 1 1322 cem Nr. 4 1590 cem
.. 2 1468 .. ,.5 L275? ..
„3 1455 „ „6 1262? ..
Obwohl die beiden letzten, insbesondere der weibliche Schädel Nr. 6, recht
klein sind, so überschreitet ihre Capacitat doch die von mir angenommene Grenze
der Nannocephalie (1200 com). Drei andere sind von massiger Grösse, darunter
der schon besprochene Schädel Nr. 1; am meisten geräumig ist Nr. 4 mit der für
die schwarze Rasse nicht gewöhnlichen Capacitat von 1590 cem. Für die Ver-
gleichung stehen uns aus der kürzlich (S. 409) mitgetheilten Liste des Hrn.
Waruschkin •"> Ngumba- Schädel zur Verfügung, aus einem Stamme, der den
Jaunde benachbart ist. Darunter ist ein weiblicher nannocephal (h) mit 1171 cem
Capacitat und ein als zweifelhaft bezeichneter männlicher Schädel (f) von nur
1228 cem; die 3 anderen männlichen hatten 1300, IM.'!;") und ll.'iT cem, also mittlere
Grössen, wie die Mehrzahl der Jaunde.
Die Schädelform der letzteren ist, wenn wir von dem schon erwähnten
Nr. i, der chamaedolichocephal ist, absehen, hauptsächlich bezeichnet durch
Hypsicephalie. Es beträgl der
Höhen- Ohrhöh en-
linlex Index
bei Nr. 2 72,6 60,2
.. .. •"• 77,0 <;:i,9
r «4 7h.:; 65,2
„ - 6 78,7 64,6
.. „3 81,2 66,1
(607)
I);i mm l von diesen Schädeln (Nr. 2, 3, 4 und 6) mesocephal sind, so
ergiebt sich für die Mehrzahl ein hypsimesocephaler Typus. Dabei ist be-
merkenswerth, dass auch der dolichocephale (Index 70,9) Schädel Nr. 5 aus-
gemacht hypsicephal ist.
leli füge hinzu, dass nach Hrn. Warusehkm 2 Beiner Ngumba- Schädel
dolicho-, 3 mesocephal and mich ihrem Höhenindex 2 hypsi-, 2 ortho- und
1 chamaecephal befunden sind. Dabei würde freilich erst auszumachen sein, ob
das Messverfahren, um völlig vergleichbare Resultate zu liefern, nicht noch einmal
controlirt werden sollte.
Von grösserer Bedeutung, zumal wegen der Einheitlichkeit des Messverfahrens,
sind meine eigenen Beobachtungen über die Kamerun-Schädel. Schon aus meiner
früheren Uebersicht (Verh. 1891, S. 282) zog ich den Schluss, dass man die
Dualla nicht zu den Dolichocephalen werde rechnen können, dass aber Hypsi-
cephalie bei ihnen Regel zu sein scheine. Dafür sprachen nicht bioss die zwei
von Hrn. Zintgraff eingesandten Dualla-Schädel, welche hypsimesocephal waren.
sondern auch die von mir und von Zintgraff an Lebenden gewonnenen Resultate.
Später fand ich (Verh. 1895, S. 294) dasselbe bei 2 Schädeln von Mbome. während
bei neuerlichen Messungen an 2 Schädeln von Bakwiri (Verh. 1897, S. 155) der
männliche sich als orthodolichocephal, der weibliche als chamaemesocephal erwies.
Die Verschiedenheiten dieser beiden Schädel unter einander waren so gross, dass
ich Bedenken trug (ebendaselbst S. 158) sie als bloss individuelle Variationen an-
zuerkennen. Die Jaunde scheinen sich im Ganzen den Bantustämmen mehr zu nähern.
Die Verhältnisse des Gesichtsskelcts bei den jetzt vorliegenden Schädeln sind
je nach den einzelnen Regionen verschieden zu beurtheilen. Am wenigsten
Differenzen zeigen die Nasen-, sehr grosse die Augenhöhlen:
Nasen- Orbital- Nasen- Orbital-
Index Index Index Index
Nr. 1 . . . 4H,1 85,7 Nr. 4 . . . 60,0 89,7
.. 2 . . . 58,0 85,3 .. 5 . . . :>2,0 80,0
„ :'. . . . 52,0 7:'.,8 - 6 . . . 48.0 85,0
Es waren also darunter:
mesorrhin •_' (Nr. 1 und 6) hypsikonch 1 ,Nr. 2)
platyrrhin 3 ( „ 2. :"> u. 5) mesokonch I ( „ 6]
hyperplatyrrhin ... 1 ... 4) chamaekonch .... 1 ( „ 5
ultrahypsikonch. . . 2 ( .. 1 und ■! oltrachamaekonch . . 1 ( .. 3
Es ist demnach kein einziger leptorrhiner Schädel vorhanden; dagegen zeigen
auch die mesorrhinen eine starke Abplattung and Verbreiterung der Nase, so dass
ihre Form ^\i'\- platyrrhinen recht nahe kommt Damit verbindet sich eine starke
Prognathie des Oberkiefers, die nicht bloss dental ist.
Anders verhält es sich mit den Augenhöhlen, auf deren häufige tncongruenz
mit den übrigen Bestandth eilen de- Gesichts ich wiederholt aufmerksam gemacht
habe. Hier Hellen wir unter den 6 Schädeln nur einen mesokonchen, da.
m hypsi-. ja ultrahypsikonche und andererseits - ausgemacht chamaekonche. ^ on
letzteren gehört einer zu den hypsidolichocephalen, einer zu den hypsimesocephalen.
Der chamaedolichocephale Schädel Nr. l hat einen hyperhypsikonchen Orbital-
index. Her Gaumen lässt sich nur einigemal bestimmen: er ist durchweg
leptostaphylin. Seme Platte liegt tief. Die Zahncurve steht weit vor.
Da leider sämmtliche Unterkiefer fehlen, so lässt sich der Gesichtsindex nicht
berechnen. Berechnet man den „Jochbreiten - Obergesichtshöhen - Index" nach
K oll mann und setzt man die Zahl ölt als Grenze zwischen Chamae- und Lepto-
(608)
prosopie, so wären 4 Schädel (Nr. 1, 2, 4 und 6) leplo-, 2 (Nr. 3 und 4) chamae-
prosop.
Besondere Anomalien des Schädeldaches (Proc. frontalis, Epiptericum u. s. \v.)
sind nicht vorhanden. Mehrmals, wie schon bei Nr. 1 erwähnt, fällt die grosse
Längen-Entwickelung der Plana temporalia auf, die bis an oder gar bis über die
Seiten der Latnbdanaht reichen; damit scheint einigen Zusammenhang' zu haben
die Verschmälerung und Erhöhung der Hinterhauptsschuppe, z. B. bei
Nr. 3, 4 und 5. Die stärkste Verschmälerung erstreckt sich von der stark ver-
tieften hinteren Seitenfontanelle aus oberhalb der Protuberanz quer über die Schuppe
nach der anderen Seite. Gleichzeitig ist in der Regel die Facies muscularis der
Hinterhauptsschuppe tief eingedrückt und die Linea semicircularis inferior bildet
einen scharfen Absatz (Fig. 1 und 3). Das Foramen magnum occip. ist verhält-
nissmässig klein. Bei Nr. 4, wo das Loch länger und grösser ist, finden sich vor
demselben an der Apophysis basilaris zwei ungleich grosse, starke Processus
papilläres, von denen der linke mit der Gelenkfläche des benachbarten Proc.
condyloides verschmolzen ist. Ausserdem liegt jederseits an der inneren Seite des
Gelenkfortsatzes eine kleine, abgesonderte, senkrecht gestellte Gelenkfläche; durch
sie wird der vordere Abschnitt des Foramen magnum stark verengt. Die Apo-
physis ist vor diesen Fortsätzen bei Nr. 4 durch eine tiefe Einfurchung. welche
quer über die Apophysis verläuft, abgetheilt. —
In nachstehenden Tabellen sind die zahlenmässigen Ergebnisse zusammen-
gestellt:
I. Absolute Messzahlen.
Jaunde
1.
5
2.
3.
4.
5? 1
5.
6.
Gerade Höhe „
1322
195
140'
134
113
520
367
104
79
142
100
36
42
57
28
53
39
1468
186
142 p
135
112
518
37!»
101
69
133
95
35
41
50
29
58?
?
1455
186
141i>
151
12:'»
515
375
96
65
137
94
31
42
50
2(5
63?
35
1590
184
145
144
120
524
375
99
65
132
90
35
39
45
27
32
1275?
182
129
141
117
498
368 i
96
72
129
95
32
40
50
26
37
1262?
178
136p
140
Ohrhöhe
115
Horizont alumfang
497
Sagittalumi'ang
93
Gesicht, Eöhe B
68
. Breite a . . . .
123
.. , , b . . . .
98
34
40
50
24
54
38
II. Berechnete Indices.
Längenbreitenindes
Längcnhöhenimli x .
71,8
76,3
75,4
78,8
70,9
68,7
72,6
81,2
TS,:;
77,0
76,4
78,7
(609)
.1 a ii n
Ohrhöhenindex
l »bergesichtsindex
Orbitalindex . .
Nasenindex . . .
Gaumenindcs . .
57,6 G0,2
55.6 51,8
85.7 85,3
■l'J.l 58,0
73,5
:'>.
1.
5.
6.
s
S?
2
66,1
65,2
64,6
47,4
19,2
56,1
55,2
73,8
89,7
80,0
35,0
52,0
60,0
52,0
-
66,0?
—
—
70,3
III. Die sagittalen Umfangsmaasse und deren procentnale Vertheilung.
Stirnbein
Parietalia
Einterhaupl
Ganzer Sagirtalumfang.
34,8
12b
37,7
143
34,6
130
34,6
130
34.5
127
120
31,3
115
34,8
132
33,0
124
34,4
129
35,3
130
llfi
33,7
124
27,4
104
32,2
121
30,9
hü
30,1
111
—
3G7
379
375
375
368 —
(24) Hr. Ed. Seier übergiebt folgende
Nachrichten über den Aussatz in alten mexikanischen Quellen.
Dass der Aussatz, die Lepra, die Krankheit des heiligen Lazarus, um die Mitte
des 1<>. Jahrhunderts in Mexico bekannt war, unterliegt keinem Zweifel. Die Mexikaner
nannten sie teococoliztli, „die göttliche, d. h. die ächte, die wahre, die unheil-
bare Krankheit", den Aussätzigen selbst entsprechend teococoxqui. und in den
weiter Torgeschrittenen Stadien, wo die Wucherungen zu Geschwürbildungen und
Eiterungen führen, teococoxcapapalanqui (.leprose de lepra pestilencial j
espantable". Moli na. Vbcabulario).
Der P. Sahagun, dessen Aufzeichnungen aus dem 7. Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts stammen1), und der seine Nachrichten unmittelbar aus dem Munde der
Eingebornen erhielt und sie in der Sprache der Eingebornen niederschrieb, beschreibt
(Buch 10, cap. 2S ^ .">) den Aussatz folgendermaassen :
..Denen, welche an der Krankheit des Aussatzes leiden, pflegt es zu ge-
seheilen, dass ihnen die Augenbrauen ausfallen, und dass sie grossen Hunger
halien Um diese Krankheit zu heilen, wird es nothwendig sein, zwei oder
drei Mal ein Bad zu nehmen und nach Verlassen desselben sieh mit den oben
genannten zerriebenen Kräutern und Wurzeln einzuschmieren" —
gemeint sind die vorher bei Besprechung der gegen Hautflechten anzuwendenden
Heilmittel genannten Kräuter acocotli, atlepatli und die Wurzel tlalamatl -
_und ausserdem da- Wasser einer gewissen Wurzel zu trinken, tue man
iecpatli nennt."
„Und wenn diese Heilmittel nicht helfen, so soll man die Kranken von
dem Umgang mit andern Leuten fern halten, damit diese sieh nicht
anstecken.*"
l Schon um das Jahr 1562 muss der Pater mit seinen Aufzeichnungen begonnen
haben. Im Jahre 1569 war das Werk in der Reinschrifl vollendet.
Verhnmll. der Bert. A.uthropol. Gesellschaft 1897,
(610)
Wenn demnach an der Existenz der Krankheit in dieser Zeit absolut nicht
gezweifelt werden darf, so könnten einige andere Nachrichten vielleicht auch dafür
sprechen, dass die Krankheit schon in heidnischer Zeit den Mexikanern bekannt
gewesen sei.
Nach der Vorstellung der alten Mexikaner kamen die Seelen der Verstorbenen
nicht alle an einen Ort, sondern je nach der Art des Todes waren drei verschiedene
Oerter für sie vorgesehen. Die auf dem Schlachtfeld erschlagenen oder als Ge-
fangene auf dem Opferstein geschlachteten Krieger und die im Kindbett verstor-
benen Frauen kamen in den Himmel, in das Haus der Sonne, und hatten mit
Freudentänzen, die ersteren die Sonne vom Aufgang bis zum Zenith zu begleiten,
die letzteren sie am Zenith in Empfang zu nehmen und zum Sonnenuntergang hinab-
zuführen. Die Masse der in ihrem Bett, an verschiedenen Krankheiten, Gestorbenen
ging zur ewigen Ruhe ein in das Todtenreich Mictlan, das Reich der Finsterniss
und des Dunkels, das man sich tief in der Erde und im Norden gelegen dachte,
und aus dem es kein Entrinnen und keine Wiederkehr mehr gab. Diejenigen aber,
die durch Tlaloc, den Gott der Berge, der Gewitterstürme und des Regens, zu
Tode gekommen waren, die gingen in sein Reich ein, das hoch auf dem Berge
gelegen gedacht war, ein Reich der ewigen Feuchte, wo Alles wuchs und sprosste,
und an Feldfrüchten jeder Art ein Ueberfluss herrschte, eine Art irdischen Para-
dieses. Sie wurden auch nicht verbrannt, wie die andern Verstorbenen, sondern
in der Erde vergraben. Als solche, die durch Tlaloc umgekommen waren, galten
aber nicht nur die vom Blitz Erschlagenen und die Ertrunkenen, sondern auch die
an gichtischen, rheumatischen oder fieberhaften Krankheiten, und die an ansteckenden
Hautkrankheiten gestorben waren. Es werden im Einzelnen genannt (Sahagun,
Buch 3, Appendix, cap. 2):
iehoantin in teococoxque
yoan in nanavati yoan in xoehieivi
yoan in xixiioti yoan in papalani
yoan in coaeivi yoan in popocavaliztli quinvica
in tepanoaeivi ic miqui
„Die Aussätzigen
und die Syphilitischen, die Lustkranken,
die an der Hautkrankheit jiote leiden, und die an offenen Geschwüren
leiden,
die Gichtkranken und, die die Anschwellung (Wassersucht) dahinrafft.
und die an ansteckenden Krankheiten starben" —
vom P. Sahagun ganz richtig folgendermaassen wiedergegeben: — „los leprosos,
bubosos, sarnosos, golosos e hidröpicos, . . que se morian de enfermedades con-
tagiosas e incural
Dem Regengott. von dessen günstiger oder ungünstiger Gesinnung so Vieles
für die armen, die Scholle bebauenden und von den Früchten des Feldes sich
ernährenden Eüngebornen abhing, wurde im Laufe des Jahres eine ganze Reihe von
Festen gefeiert und Op iracht, die alle den Zweck hatten, günstige Regen-
verhältnisse für das Gedeihen der Feldfrüchte zu erzielen. Ausserdem aber wurde
in jedem achten -Jahre im Herbst, an einem jedes Mal besonders bestimmten Tage,
ein Fest gefeiert, dae Iqualiztli, „das Essen von Wasserkrapfen", auch
ixnextiuaya, „wo man sich Mittel verschafft", atecocoltiuaya, „wo das Musclul-
horn geblasen wird", teoitotiloya, „wo die Götter tanzen", genannt wurde, und
dessen Mittelpunkt ebenfalls Tlaloc, der Regengott, war. Es wurde dabei streng
0511)
gefastet, nur Wasserkrapfen gegessen, die aus der mit Wasser angerührten Mais-
masse, ohne Zusatz von Salz und Capsicum-Pfeffer, und ohne dass der Mais vorher
durch Kochen mit Aetzkalk erweicht worden wäre, hergestellt wurden. Und man sagt .
dass man durch dieses Fest die* Lebensmittel, d. h. die Feldfrüchte, die in den acht
Jahren durch das Behandeln mit Salz, mit dem scharfen Pfeffer, mit Sodasalzerde und
durch das Kochen mit Aetzkalk gequält worden seien, ausruhen lassen und sie
neu beleben wolle. Den Mittelpunkt eines solchen Festes bildete mit Recht
Tlaloc. Fs traten an ihm aber nicht nur er allein, sondern Bämmtliche Götter,
d. h. Personen in die Tracht der Götter gekleidet, auf, die einen Tanz aufführten.
Ausserdem Haien verschiedene Charaktermasken auf, die mehr oder minder in
Beziehung zu Tlaloc stehen. Und die merkwürdigste Rolle bei diesem Feste spielten
gewisse Acteurs, Artisten — so zu sagen — , die, wie es scheint, einem besonderen
Volke angehörten oder aus einem besonderen Dorfe stammten, — denn sie werden
mit dem besondern Namen Maeateca „die aus dem Hirschland" genannt. — und
die aus einem Wassergefäss lebende Schlangen und andere Reptilien mit den Zähnen
ergriffen, damit herumtanzten und sie dann lebend herunterwürgten. Dieses mexi-
kanische Fest bildet daher eine merkwürdige Parallele zu dem berühmten Schlangen-
tanz der Hopi "der Mo(|iii-Indianer von Arizona. Unter den Charaktermasken nun.
die an dem atainalqualitzli auftraten, werden zunächst allerhand Thiere genannt:
Kolibri, Schmetterlinge, Bienen, Mücken, Vögel, Käfer, die essbaren Fliegenlarven
des mexikanischen Salzsees, Eulen, Käuzchen. Ferner Esswaaren, Fruchtkrapfen
in Schnüren, Truthahnfleischkrapfen u. a. Endlich aber auch Bettler, grob und
ärmlich gekleidete Leute und Aussätzige:
No ioan valnecia in teucucuxqui inipan moquixtiaya
„und ferner traten auf Leute, welche die Gestalt von Aussätzigen nach-
ahmten1)".
Die Erwähnung der Aussätzigen an diesem altheidnischen Fest, in dem Bericht
über die altheidnischen Bestattungsgebräuche und mit Beziehung auf den alten Gott
des Regens, legt es in der That nahe, anzunehmen, dass den Mexikanern der Aus-
satz schon in alter heidnischer Zeit bekannt gewesen sei: denn die Gewährsleute des
Pater Sahagun waren ja alte vornehme Indianer, Gemeindeältesie von Tepepolco,
Tlatelolco und verschiedener Barrios der Hauptstadt, die die altheidnischen Zeiten
alle noch reichlich miterlebt hatten und in der altheidnischen überlieferten Wissen-
schaft wohl erfahren waren (diez, 6 doce principales ancianos, — hasta ocho ö
diez princi] -cogidos entre todos muv habiles en su lengua, y en las i
de sus antiguallas 3). Es ist kaum denkbar, dass diese, wenn ihnen die schreck-
liche Krankheit des Aussatzes als neue Krankheit bekannt geworden wäre, in der
oben angegebenen Weise hätten berichten können. Eine andere Möglichkeit aber
darf man nicht aus dem Auge lassen, dass mit teococoli tzli in alter Zeit viel-
leicht eine andere Hautkrankheit, etwa der jiotc. bezeichnet worden sei. und dass man
nachher diesen Namen auf den Aussat/ übertragen und so fälschlicher Weis auely
mit Rücksicht auf die alten Zeiten von Aussätzigen gesprochen ha!>e. —
1 Sa li agun, Buch •_>, Appendix, Abschnitt _. — Der ganze Abschnitt, Urtexl und '!
von mir angefertigte Uebers» tzung, und das grosse Bild, das in der Handschrift der Biblioteca
del Palacio in Madrid dem Texte beigegeben ist, i-t von meinem Freunde 1M-. Icwkcs
im American Anthropologist, VoLVI, Nr.e. Julj 1893, veröffentlicht worden.
2) Sahagun, Prologo. Edit Bustamante, pag. II
(612)
(25) Fortsetzung der Discussion über
präcolumbischen Aussatz und verstümmelte peruanische Thoufiguren.
Hr. Polakowsky: Ich fahre in meinen Ausführungen da fort, wo ich in der
vorigen Sitzung abbrechen musste, und bringe zunächst einen Auszug aus dem
Briefe des Hrn. Dr. Marcos Jimenez de la Espada (aus Madrid) zur Verlesung.
Genannter Gelehrter schreibt mir unter dem 14. October 1897:
1. „Ich glaube nicht, dass die Lepra und ihre Varietät, die Elephantiasis,
praecolumbisch oder praehispanisch in Peru gewesen sind. Ich kenne kein Docu-
ment, welches diese Annahme beweist oder nur wahrscheinlich macht. Die Ge-
schwülste der Arme, Hände, Püsse und Beine mit Atrophien der Pinger stellen
an einigen Vasen oder besser Votivbildern nach meiner Ansicht Personen mit
Symptomen anderer Krankheiten dar."
2. „Die schreckliche und abschreckende Abwesenheit der Xase und Ober-
lippen, welche die alten peruanischen Gefässe mit bewunderungswürdiger Genauig-
keit und fast mit Kunst copiren (besonders die kostbare Sammlung im Museum
des Trocadero), sind eine Folge, nach meiner Ansicht weder der Lepra, noch der
Syphilis (wenn auch dieses Virus acht amerikanisch wäre), sondern einer speciellen
Krankheit, an der man in alter Zeit litt und an der man noch heute in den heissen,
feuchten und tiefen Thälern Perus leidet, besonders in denen, wo die Coca ge-
wonnen wird. Der Name dieses Leidens lautet unter den Hispano-Peruanern
llaga und unter den Quichuas oder Kechuas uta oder hutta, von welcher Wurzel
das Verbuni huttuni, „das Zernagen des Mais in seinem Halme durch die Made,"
kommt. Und in der That, die Krankheit zernagt, zerfrisst die Gewebe der Ober-
lippe und Xase und die des Schlundes und Gaumens. Deshalb ist die hutta ein
wahrer Lupus oder Tuberculosis".
„Das Document, welches zum Beweise dafür angezogen werden kann, dass
der grösste Theil der Verstümmelungen oder Krankheitsfälle, welche die peru-
anischen Thongefässe ohne Nase und Lippen mit hasenartigem Anblicke ge-
währen, auf Lupus zurückzuführen sei, ist folgende Stelle, die ich copire aus „Viaje
ä Antamarca y Pangöa" des Mr. Barrail 1 icr (Bolet. de la Socied. geogr. de Lima,
TomoH1) mim. 4, ä y 6). Die Reise ist im Jahre 1891 ausgeführt."
Der -■ciiannte Reisende beschreibt die für Pangoa charakteristische und eigen-
thümliche Krankheit, die llaga oder uta. Er sagt, die meisten Personen glauben,
dass sie vom Stiche einer giftigen Fliege herrühre. Die Unreinlichkeit und die
[Jnmässigkcit >\i'i Arbeiter in jenen Ortschaften des sehr feuchten Gebietes unter-
stützen wesentlich die Wirkung des Giftes jener Insecten.
Die Llaga kündigt sich durch eine starke Hitze in dem befallenen Theile
an, welcher gewöhnlich die Xase ist. Darauf entzündet sich dieser Theil, wird
roth, daim braun und zuletzt schwarz. Die Stelle erscheint dann wie von einem
aschgrauen Pulver bestreut, und nun beginnt der heisse Brand (gangraena) des
Fleisches, welches nach und nach abfällt: zuletzt verschwindet der befallene
Theil vollständig und las I ein schreckliches Loch zurück, welches täglich grösser
wird. Von der Nase m,. |M. Krankheit regelmässig auf den Kehlkopf über
und tödtet den Kranken langsam unter furchtbaren Schmerzen.
\) Dieser Band fehlt in der Bibl. reg. berol. und in der Bibliothek der Gesellschaft
für Erdkunde in Berlin; war überhaupt in Berlin nicht aufzutreiben.
(613)
In einigen Füllen beobachtete der genannte Reisende die Llaga auch an der
Hand und am Fusse, wo eine Wade rollständig verschwunden war. „Diese Krank-
heit hat den grossen Vortheil, nicht ansteckend zu sein.- „Keine nach den Vor-
schriften der Reinlichkeit lebende Person in Pangoa litt an dieser Krankheit."
Hr. Jimenez de la Espada schreibt weiter:
„Mit Ausnahme der Bemerkung über die Fliege glaube ich an die Richtigkeit
der Angaben des Hrn B., und wenn es wahr ist, dass die Llaga der Nase and
Lippen dieselbe ist. wie die der Hiinde und Beine, so würde sich die Krankheit
auf den fraglichen peruanischen Gefässen genugsam erklären, sowie auf denen,
welche Glieder darstellen, die zum Theil angefressen oder krankhaft geschwollen
sind. Aber in diesem Falle, und wenn dieses Symptom 'zusammen vorkäme mit
denen der Nase und des Mundes, wäre es nothwendig, eine Verschieden-
heit oder endemische Varietät der Tuberculosis, welche eigentümlich
für Peru wäre, anzunehmen. Denn soweit meine Kenntnisse in diesem Falle
reichen, glaube ich nicht, dass Lupus oder Tuberculosis auf die Beine und
Hände1) übergeht."
„Auch glaube ich nicht, dass die uta oder llaga ausschliesslich auf die
Gebirge von Pangöa beschränkt sei oder war, sondern dass sie sich ausdehnte
auf die Localitäten von derselben Beschaffenheit. Sonst würden nicht so viele
(i"l;isse mit Darstellungen dieser Krankheit existiren, welche unzweifelhaft ('? H. P.
praehispanischen Ursprunges sind."
'■>. _,lch bedaure, nicht mit den Ansichten des Dr. Carrasquilla und
meines gütigen und verehrten Freundes, des Hrn. Bastian, übereinzustimmen.
Jch kenne eingehende und officielle Berichte über die Strafgesetze und die von
den Incas den Verbrechern auferlegten Strafen, welche der Padre Bemarbe Cobo
in seiner Historia del Nuevo Mundo im zwölften Buch, Cap. 26, zusammen fasst,
und in keinem von ihnen handelt es sich um Verstümmelungen, die als Strafe zu-
dictirt wurden. Ob einer der genannten Souveraine bei besonderen Umständen
diese Strafe auferlegte, weiss ich nicht: aber dies schafft keine allgemeine Regel.
Die Idee des Dr. Carrasquilla aus Bogota, die Verstümmelten auf diese Weise zum
Bettlerthum zu verurtheilen, steht in vollständigem Widerspruche mit der socialen
Ordnung und den Grundgesetzen des [nca- Reiches, wo es nicht möglich war.
dass Bettler oder Arme existirten, welche die Mildthätigkeil (die dort nicht exi-
Btirte) durch ihr schmerzvolles und elendes Aussehen anrufen mussten. wie es bei
uns vorkommt. Das Einzige, was über Verstümmelungen der Lippen und
erzählt wird, ist das. was die kleinen Könige oder Curacas der Isla de la Buna
mit ihren Eunuchen ausführten, nachdem sie castrirl waren, damit zu der materiellen
Unmöglichkeit, den Concubinen illegaler Weise gefällig zu sein, noch hinzukomme.
die weibliche Begierde nicht zu reizen. Ausserdem entsprechen die um
massigen und zerfressenen Ränder, welche an den peruanischen die
Stellen zeigen, welche die Nase und der mittlere Theil der Oberlippe einnahm
nicht i\t-w Bändern, welche sich ergeben hätten bei Verstümmelung durch ein
Messer oder ein ähnliches Instrument."
In einer Nachschrift bemerk! noch Br. Jimenez de la Espada, da.-- er noch
einen Bericht de- Vicckönigs Dr. Martin Benriquez aus dem Jahre I BS ge-
funden habe, worin über die Regierung, die Sitten und Gebräuche der [ncas
1 An den ausgestellten Gefässen des Museums für Völkerkunde in Berlin sind die
Hände durchweg intact, normal.
•• Nichl bei allen!
(614)
handelt und in allgemeinen Ausdrücken gesagt wird, dass die Amputation von
Gliedern als Bestrafung der Verbrecher üblich war. Er fährt fort: „Aber nach
meiner Ansicht waren derartige Amputationen keine einfachen Körperstrafen, welche
dem Deliquenten das Leben Hessen, sondern eine Todesart, wie der Galgen und
andere. Der Text, auf den ich mich beziehe, sagt wörtlich: „Die Todesstrafen
wurden öffentlich ausgeführt und waren sehr grausam; einige wurden von Felsen
herabgestürzt, anderen schnitten sie die Glieder ab oder vollzogen ähnliche
grausame Strafen." Zur Bestätigung seiner obigen Angaben über die uta des
Hrn. Barraillier führt Hr. Jimenez noch folgende Stelle aus einer Relacion des
berühmten Santillan1) an, welche lautet: „Und da diese Provinzen der Anden,
wo die Coca wächst, im Gebiete der Städte Cusco und la Paz und Charchas, wo
die Witterung sehr kalt ist, liegen und sie die Leute von hier hernehmen und
nach den Andes bringen, um die Coca einzuernten, wo deshalb viele an dem
Witterungsunterschiede gestorben sind und andere an einer Krankheit, die sie
befiel, welche „Krankheit der Andes" (Mal de los Andes) genannt wird und welche
eine Art von Krebs ist, so dass bereits nach 2 Tagen keine Hülfe mehr ist, und
andere durch Hunger und Arbeit."
Indem ich den Hrn. Stübel, Middendorf und Jimenez de la Espada auch
an dieser Stelle besten Dank für ihre Briefe sage, spreche ich die Hoffnung, ja
die Ueberzeugung aus, dass besonders der Bericht des Hrn. Jimenez de laEspada
nicht unwesentlich zu der Lösung der von den Hrn. Ashmead und Virchow
angeregten Frage beitragen wird. Hr. Ashmead hat die Frage 1895 angeregt,
und Hr. Virchow hat sie in dieser Gesellschaft zur Sprache gebracht. Hr.
Ashmead hat dann zur Internationalen Lepra-Conferenz einen kleinen Aufsatz
eingesandt'-'), dem die Abbildungen von 10 Gefässen beigegeben sind, welche den
hier ausgestellten meist sehr ähnlich sind. Ganz gleich ist aber nur ein Gefäss,
welches Hr. Wilhelm v. d. Steinen mit einem Kreuze markirt hat.
Hr. Ashmead schreibt: „Die altperuanischen Thongefässe mit deformirten Ge-
sichtern, wie Fingern oder Zehen, zeigen die allergeringste Aehnlichkeit mit Lepra."
Die Füsse bezeichnet er als amputirt, auch bei den Figuren mit unförmig dicken
Beinen, was ich nicht für richtig halte. „Die Nase ist in ihrem knorpeligen Theile
abgefressen, dieses Abfressen zeigt aber keinerlei Aehnlichkeit mit der Deformation
durch Lepra. Die Oberlippe ist fortgefressen, nicht durch Vernarbung geschwunden.
Auch das kommt nicht bei Lepra vor." Hr. A. erklärt weiter: „Es kann Lupus
sein, es kann auch Syphilis sein, aber niemals Lepra." -- Nach dieser langen
Einleitung wende ich mich zur näheren Betrachtung der hier nochmals ausgestellten
Gefässe.
Zur besseren l ebersicht habe ich sie in Gruppen geordnet. Die Eintheilung
geschah nach der Beschaffenheit der Nase. Die erste, grosse Gruppe umfasst
die Gefässe, wo die Verstümmelungen der Nase unzweifelhaft pathologischer
Natur sind; die zweite »iruppe die, wo man zweifelhaft sein kann, ob es sich um
Darstellung einer Krankheit oder um die operativen Eingriffe handelt. Diese
Gruppe ist hier nur durch ein Gefäss vertreten, obgleich im Museum mehrere dieser
Art vorhanden sind, aui h in der vorigen Sitzung 2 oder .'5 Stück ausgestellt waren.
Die dritte Gruppe, die gleichfalls nur durch ein Specimen, ein ünicum, vertreten
1) M. Jimenez de la E pada: Trea relaciones de antiguedades peruanas. Madrid
L872, p. 117.
2) Mittheilungen umi Verhandlungen der Internationalen wissenschaftlichen Lepra-
Conferenz. Berlin, October L897. I. I. Abili. S. 7111. — Berlin, A. Hirschwald, 1897.
(615)
ist, zeigt eine durch gewaltsamen Eingriff deformirte Xase. Das Septum ist ge-
spulten und so eine Doppelnuse gebildet. Man findet eine Abbildung dieses Ge-
fässes, welches einen Iscaicinga-Indianer darstellt, in einer Broschüre1), die mir
Hr. Jimenez de la Espada kürzlich zuschickte. Diese ganze Figur eines Iscaicinga
findet sich im Museum des Trocadero. Iscaicinga bedeutet aus der Quetschua-
Sprache in das Spanische und Deutsche übersetzt: Indios de dos narices, Indianer
mit zwei Nasen. Dieser halb sagenhafte Stamm soll am Amazonas in der Nähe
der Mündung der Huallaga gewohnt haben und sich durch Körpergrösse, Tapfer-
keit und Goldreichthum ausgezeichnet haben. Ein altperuanischer Schriftsteller
berichtet, dass die Incas vor Ankunft der Spanier mit diesen Indianern im Kriege
lagen. Auf den Inhalt der Broschüre, die ich vorlege, kann ich nicht weiter ein-
gehen, und wende mich nun zur ersten grossen Gruppe, die wieder in vier Unter-
gruppen zerfallt.
Die erste besteht aus zwei gleichen, sehr sorgfältig gearbeiteten kleinen Figuren
einer ganzen Gestalt. Hr. Virchow lenkte bereits die Aufmerksamkeit der Lepra-
Conferenz auf diese Figuren und sagte'-): »Das bemerkenswertheste Stück ist hier
eine kleine, knieende Figur, die anscheinend einen Bettler, einen Aussätzigen dar-
stellt — wenigstens können wir wohl vorläufig sagen: einen Aussätzigen — , der
die Mildthütigkeit der Vorübergehenden anspricht. Er hat eine Art Trommel, mit
der er klappert, und hat ein sehr bittendes und demüthiges Gesicht angenommen.'-
Ich habe diese Figur genau in der gleichen Weise aufgefasst und ich bin über-
zeugt, wer sich in ihre Betrachtung versenkt, wird unserer Ansicht zustimmen: es
handelt sich um einen Bettler. Nun erfahren wir aber durch Hrn. Jimenez de la
Espada, dass es im alten Peru keine Bettler gab, geben konnte, was alle
Historiker und alle namhaften Amerikanisten, die über Peru geschrieben haben,
bestätigen. -- Um aus diesem Dilemma herauszukommen, giebt es zwei Wege.
Der erste ist der von Hrn. Carrasquilla gewiesene. Danach handelt es sich
um bestrafte, verstümmelte Verbrecher, für welche die Familie oder Gemeinde
nicht zu sorgen brauchte, ja vielleicht nicht sorgen durfte, und die zur andauernden
Strafe auf die Bettelei angewiesen waren. Dieser Weg ist aber durch die An-
gaben des Hrn. Jimenez de la Espada verschlossen, und wir, die wir hier in den
letzten Monaten eifrig in den alten Historikern gesucht haben, konnten gleich-
falls keine Stelle finden, die von derartigen barbarischen Strafen berichtet. Die
Idee, dass es sich hier um bestrafte Verbrecher handle, ist also definitiv aufzu-
geben, wenigstens bis Hr. Carrasquilla die Beweise für seine Erklärung geliefert
hat. — Es bleibt also nur noch ein Ausweg, und dieser scheint mir der unbedingt
richtige zu sein. Meine Herren! Dieses Gefäss i-t gar Dicht praecolumbi sehen l'r-
sprungs, sondern, als die Macht der Incas gebrochen war, zerfiel das ganze altperuanische
Reich, dessen vorzügliche sociale und wirtschaftliche Organisation noch bis heute
die Bewunderung vieler National-Oekonomen erregt hat. sehr schnell, und d
es denn auch bald Bettler, lud diese kamen, da die Peruaner eine Vorfiel
die Nachbildung hässl icher, abschreckender Gestalten hatten, -ehr bald zur künst-
lerischen Darstellung. Diese Annahme wird durch folgende Thatsachi
Als ich beschlossen halle, nueli naher mit diesen Gelassen zu beschäftigen, ging
ich wenige Tage nach der Lepra-Conferenz nach dem hiesigen Museum für Völker-
l La Jornada de! Capitan Alonso Mercadillo ;i los Endi bos rscaicingas
per M. Jimenez de Im Espada. Madrid, Impr. Fortanet. -! t - ahl fehlt.
j Bfittheilungen und Verhandlungen der Internationalen wissenschaftlichen Lepra-
Conferenz zu Berlin, October 1897. II. B - .
(616)
künde und richtete an Hrn. Dr. Sei er die Vorfrage: Sind diese sämmtlichen in
Frage kommenden Ge fasse, oder wenigstens ihre grosse Mehrzahl, sicher prae-
columbischen Ursprunges? Hr. Seier verneinte diese Frage kurz und bestimmt.
Damit ist nach meiner Ansicht jede Möglichkeit, aus der Beschaffenheit dieser
Gefässe Schlüsse auf die Existenz einer praecolumbischen Lepra zu ziehen, aus-
geschlossen. — Noch mache ich darauf aufmerksam, dass der hier dargestellte
Mann erblindet ist und durchaus nicht wie ein Lepröser aussieht. Obgleich
Nasenspitze und Oberlippe fehlen, zeigt der Kopf keine Anzeichen von Leontiasis
oder Tuberkeln, und obgleich die Füsse abgefallen oder amputirt sind, sind die
Finger völlig normal, haben ihre Bewegungsfreiheit behalten. Der Mann hält das
Tamburin mit einer Hand und mit der anderen entlockt er ihm Töne.
Die zweite Untergruppe ist durch 3 Exemplare repräsentirt. Wir sind wohl
alle darüber einig, dass diese Gefiisse keine Phantasie - Gebilde oder Cari-
caturen darstellen, sondern lebende Vorbilder veranschaulichen sollen. Der Künstler
hat aber sein ganzes Können und Wissen auf die Darstellung des Hauptes con-
centrirt und den Rumpf und die unteren Extremitäten vernachlässigt, nur schema-
tisch dargestellt. Dies gilt für die grosse Mehrzahl der altperuanischen Gefässe
und besonders für die Glieder dieser Untergruppe. Die Oberschenkel sind unförmlich
dick, die Unterschenkel fehlen oder sind nur schwach angedeutet, die Füsse fehlen.
Hier ist es schwer zu sagen, ob mangelhafte Ausführung vorliegt, oder ob Krank-
heiten der unteren Extremitäten dargestellt werden sollten. Jedenfalls halte ich es
für sehr gewagt, ja unmöglich, nach dieser Darstellung der Beine eine Diagnose
zu bilden.
Die dritte Untergruppe bilden 3 Gefässe aus der Sammlung Macedo (Nr. 302,
304 und 306), die im Kataloge1) als an Syphilis leidende Personen bezeichnet
sind. Ob dies richtig ist, oder ob es sich um die Darstellung von der llaga
befallener Personen handelt, was wohl wahrscheinlicher ist, mögen die Herren
Aerzte entscheiden, denen ich das nähere Studium der uta oder llaga em-
pfehle. Jedenfalls sprechen die Verstümmelungen der Nase bei dieser Unter-
gruppe und überhaupt bei der ganzen ersten Gruppe entschieden gegen
Lepra. Wird die Nase von der Lepra befallen, so wird sie breiter, schwillt an,
bedeckt sich mit Knoten (Tuberkeln), am Septum bilden sich Geschwüre, das
Septum wird bald angegriffen und perforirt. Selten und viel später geht die Lepra
auf die Oberlippe über. Sie finden 3 Aufsätze über die Lepra der Nase in dem
I. Bande der Mittheilungen der Lepra -Conferenz. Darunter befindet sich auch
eine grosse Arbeit des Hrn. Dr. Glück, Chef- Arztes des Lepra - Hospitals
in Serajevo. Dieser Herr sagte mir nach der October- Sitzung: Ich hätte ganz
richtig geurtheilt, diese Gefässe stellten keine Leprösen dar. Er forderte mich auf,
bei nächster Gelegenheit zu sagen (mit Berufung auf ihn), das die Nasen Lepröser
anders aussähen. Der Nasenrücken senke sich, die Nasenöffnungen würden ver-
schlossen, die Nasenil ügel schwöllen gewaltig an, ähnelten einem Operngucker. Es
sind dies ipsissima verba des Hrn. Dr. Glück. Uebrigens gebraucht einer der
ersten Lepraärzte, der leider früh verstorbene H. Leloir, die gleiche Bezeichnung.
Vom Rande dieses Opernguckers beginnt dann die Zerstörung der fleischigen und
knorpeligen Theile der Nase. -- Keines dieser Symptome findet sich bei den vor-
liegenden Figuren. — Sei nun Syphilis oder uta, der Irrthum bliebe in der
Familie. Hat doch unser Vorsitzender bereits vor etwa 35 Jahren und — wenn
ich nicht irre — zuerst eingehend auf die nahe Verwandtschnft zwischen Lepra,
1) Catalogue d'objets techeologiques du Pörou. Paris, Impr. hisp.-americ, 1881.
(617)
Syphilis und Tuberculosis, zu der auch Lupus und Llaga gehören, hingewiesen, und
erklärte doch auf der Lepra-Conferenz Hr. Dr. Ehlers (Copenhagen), dass diese
3 Krankheiten so verwandt seien, wie es in der Chemie die Kiemente Chlor, Brom
und Jod sind.
Meine Herren! Die mir bewilligte Zeit ist abgelaufen, ich muss schliessen.
Ich bin der Aufforderung unseres verehrten Herrn Vorsitzenden, sich mit der
Erklärung dieser alt-peruanischen Gelasse zu beschäftigen, nachgekommen, so weit
dies in meinen Kräften stand, und habe vorgetragen, was ich ermitteln konnte
und das Wichtigste von dem. was ich selbst über verschiedene dieser Gelasse
denke. —
Hr. Wilhelm von den Steinen: Im königl. Museum für Völkerkunde be-
finden sich zur Zeit 17 Thongefässe (Henkelflaschen), welche Darstellungen von
Verstümmelungen aufweisen. Die Gelasse stellen zum Theil Köpfe dar, zum Theil
ganze Figuren, eine von diesen in liegender, die übrigen in knicender Stellung oder
mit untergeschlagenen Beinen. Bei allen ist eine Verstümmelung der Xasenspit/.e.
zum grössten Theil zugleich der Oberlippe bemerkbar; bei den in ganzer Figur
dargestellten fehlen bei vieren beide Füsse. Bei den anderen bedeckt ein um die
Hüften geschlungenes Tuch die unteren Extremitäten, doch ist die Darstellung so.
dass man das Fehlen der Füsse vermuthen muss.
Von den Kopf- Henkelflaschen ist die in Figur 1 abgebildete von Chimbote.
Fio-. 1
V,
Fig. 1/,. V,
\Yl- dd/ettun.
was genaue Wiedergabe anbelangt, wohl die am meisten vollendete. Nasenspitze
und Oberlippe sind zerstört, die Wangen vercpuollen und von Falten oder Narben
durchzogen. In ähnlicher Weise aufgefasst, wenn auch mehr schematisch dar-
gestellt, weist die Sammlung noch weitere drei Exemplare auf.
(618)
Ein Fehlen der Nasenspitze zeigt auch Fig. 2; die Oberlippe ist erhalten, jedoch
in geschwollenem, vortretendem Zustande wiedergegeben; an der Oberlippe und
auf beiden Gesichtsseiten befinden sich narbenartige Einschnitte. Ein anderes Gefäss
im Museum enthält die gleichen Merkmale.
Fig. 2a. 7,
Fig. 3. V.
Fig. 4. V.
(619)
Fig. 5. */,
Eine ebenfalls sehr getreue und künstlerische Wiedergabe sehen wir an dem
Kopf (Fig. 3) einer thönernen Henkeinasche: die Verstümmelung der Nase mit
heraustretendem Septum, die in unregelmässigen Linien zerfressene Oberlippe, das
Hervortreten von fünf Zähnen des Oberkiefers.
Fig. 4 veranschaulicht uns einen auf der Seite liegenden Menschen mit den-
selben "Merkmalen im Gesicht, zugleich aber fehlen den Beinen die Füsse: der
Unterschenkel endigt in einem eingekerbten Stumpf.
Dieselben Erscheinungen weisen die fol-
genden (Fig. 5 und 6) Gefässe auf, beide in
knieender Stellung. Bei Fig. 5 fällt noch der
geschwollene und vortretende Untertheil des
Gesichts auf. Bei Fig. 6, einem Trommel-
schläger, fehlen ausserdem die Augäpfel, so
dass wir hier wohl einen Blinden vor uns
haben.
Die übrigen Thonkrüge zeigen, wie er-
wähnt, ebenfalls Zerstörungen an Nase und
Oberlippe; die unteren Gliedmaassen sind
entweder untergeschlagen oder durch ein Tuch
bedeckt.
Die in Fig. 1, 2 und 3 wiedergegebenen
K<»pfe scheinen pathologische Zustände aus-
zudrücken; dasselbe muss man auch wohl
von den anderen Darstellungen sagen. Der
Auffassung des Hrn. Prof. Carrasquilla,
dass es sich um Verbrecher, wTelche durch
Abschneiden von Nase und Oberlippe und
durch xVbhacken der Füsse bestraft waren,
handelt, kann ich mich nicht anschliessen,
um so weniger, als in den hinterlassend! Nachrichten über die Gesetzespflege
und Strafen bei den Inca (Cieza de Leon, Herrera, Garcilaso de la Vega,
Cobo u. A.) nichts davon erwähnt wird.
Fig. Ga. Vi
Fig. GA. V,
(620)
Was die Verstümmelung der Beine anlangt, möge es sich dabei um Amputation
oder um Krankheit handeln, keinenfalls haben wir hier eine skizzenhafte oder un-
vollendete Darstellung der F'üsse. Bei allen peruanischen Gelassen, wo Füsse ab-
gebildet werden, sind diese als solche gut erkennbar. Die Genauigkeit in der Wieder-
gabe geht sogar so weit, dass bei einigen Nachbildungen von Personen mit unter-
geschlagenen Beinen die Form der Füsse auf der Unterseite des Gefässes in den
Thon eingeritzt ist. Dass die alten Peruaner gern Darstellungen von mit auf-
fälligen Krankheits-Erscheinungen behafteten Personen in ihren Gefässen wieder-
gaben, zeigt in der Berliner Sammlung auch die grosse Anzahl von Nachbildungen
von Blinden, Einäugigen, Schicfmäuligen u. a.
Was die Herkunft der Gefässe anbelangt, so sind die Fundorte unserer Stücke
leider nicht sicher bestimmt; der grösste Theil hat die Angabe Chimbote, ausserdem
noch Trujillo und Chancay. —
Hr. Pi. Virchow: Es lässt sich nicht leugnen, dass die von Hrn. Carras-
quilla aufgestellte Behauptung, es handle sich nicht um die Folgen einer Krank-
heit, sondern um eine Art der Bestrafung, geeignet ist, Eindruck zu machen. Der
dargestellte Defect der Unterextremitäten gleicht in der That demjenigen nach einer
Amputation der Unterschenkel und nicht dem nach einer leprösen Mutilation. Auch
das Verhalten der Nase lässt sich recht gut mit der Vernarbung nach Abhauen
oder Abschneiden der Nasenspitze vergleichen. Schwierigkeit bereitet nur der
grosse, zuweilen mit Blosslegung der mittleren Oberkieferzähne verbundene
Defect der Oberlippe, der bei gewöhnlichen Verwundungen wohl kaum vorkommen,
jedenfalls dann nur unter ganz besonderer und absichtlicher Haltung des schnei-
denden Werkzeuges zu erzeugen sein dürfte. Immerhin liesse sich darauf zurück-
kommen, sobald die behauptete Art der Bestrafung historisch nachgewiesen würde.
Das Citat des Hrn. Carrasquilla hat sich bisher nicht auffinden lassen.
Alle Nachforschungen in den spanischen Geschichtsschreibern der Conquista sind
ergebnisslos geblieben. Dagegen lässt sich ein anderes negirendes Argument vor-
bringen. Gefangene mit einem Strick um den Hals sind gleichfalls in Thon nach-
gebildet worden und unser Museum besitzt deren, aber alle sind ohne Verstüm-
melung. Ein sehr sonderbares Stück habe ich in der Sitzung vom 18. Oct. 1873
(Verhandl. S. 153, Taf. XV, Fig. 1) beschrieben. Es ist eine im Hamburger Museum
befindliche Holzfigur, die im Guano einer der Chincha-Inseln aufgefunden ist. Sie
trägt den dicken, um den Hals gelegten Strick mit weit herabhangendem Ende,
aber ihre Nase zeigt nicht nur keine Verstümmelung, sondern, wie ich es damals
ausdrückte, die Form einer „Adler- oder Geiernase mit herabhangender Spitze tt,
ganz so wie die Nasen an unversehrten peruanischen Thonfiguren dargestellt
werden. Ich konnte nachträglich (a. a. O. Anm.) hinzufügen, dass zwei der besten
englischen Kenner, David Forbes und A. W. Franks, die im Guano gefundenen
Holzfiguren al8 Abbild u von Gefangenen ansehen. Ihre weitere Vermuthung,
dass die Darstellung irg< nd .ine Beziehung auf Syphilis habe, konnte ich schon
damals widerlegen.
Die Frage nach einer ! ertlichen Verstümmelung wird dadurch weit hinaus-
gerückt. Anders verhüll et sich mit dev Präge nach einer mutilirenden Krankheit,
welche nicht Lepra war. In dieser Beziehung können die durch Hrn. Pol akowsky
beigebrachten Nachrichten des Hrn. Jimenez de la Espada von grossem Werthe
sein. Leider ist mir über dii on ihm gemeldete Krankheit der Gebirgsgegenden
äonst nichts bekannt. Es wird vielmehr Aufgabe weiterer Forschung sein, die
Natur und die Verbreitung der Llaga sicher festzustellen.
(621)
Eine andere Frage, die ins jetzt nicht genügend geklärt ist. betrifft <lie prae-
colu in bi sc he Herstellung der verstümmelten Thonfiguren. Nicht ohne Grand ist
der Zweifel angeregt worden, ob diese Figuren nicht erst nach der Ankunft der
Spanier angefertigt worden sind. Hr. Ashmead erklärt freilich auf das Zuver-
sichtlichste, die Figuren seien zweifellos praecolumbiscb, mdess hat er beweisendes
Detail über die Funde, soweit ich sehe, nicht beigebracht. Das müsste also
noch geschehen. Vorläufig sehe ich noch keinen Grund, diese Figuren als Bpätere
aus der grossen Zahl ganz, analoger Darstellungen aus altperuanischer Zeit aus-
zusondern.
In Beziehung auf die Präge der Lepra ist ein Einwand des Hrn. Polakowsky
bemerken s wer th. Er weist auf den Widerspruch hin, dass die Hände vollständig
dargestellt sind, während die Füsse so grosse Defecte zeigen. Dieser Einwand würde
eine grössere Bedeutung haben, wenn angenommen werden müsste. dass die Verstüm-
melung der Unterextremitäten ganz und gar durch Lepra hervorgebracht und darauf
vollständig vernarbt wäre. Diese Annahme wäre wenig zutreffend. In derThat haben
die meisten Beschreibungen der fraglichen Verstümmelung sich auf eine Amputation
bezogen. Diese könnte auch bei Leprösen vorgenommen sein, und es würde dann
nur zu erklären sein, wieso die Hände so wenig ergriffen seien. Hierzu möchte
ich bemerken, dass nach meiner auf das Studium norwegischer Aussätziger begrün-
deten Darstellung (vgl. meine Onkologie, Berlin 1864—65, II. S. ö'iü) die sogenannte
Lepra mutilans keine direct lepröse Erkrankung ist: „die (Jlcerationen gehen nicht
aus Knoten hervor, sondern aus maligner Entzündung, welche sich ganz nach
Art der sogenannten neuroparalytischen Entzündung in Folge der Anästhesie
entwickelt." Am häufigsten ist die nächste Ursache dieser Veränderungen eine
äussere: Erfrierung, Verbrennung, stumpfe mechanische Einwirkungen u. s. w. .Je
nach Ort und Klima, nach Lebensweise und Gebräuchen können solchen Einwirkungen
bald mehr die oberen, bald mehr die unteren Extremitäten ausgesetzt sein. So
hat die Geschichte der letzten Pestepidemie auf die Erklärung geführt, warum
die Japaner häufiger an d^n unteren Extremitäten, die Chinesen mein- an den
oberen erkranken: jene gehen vielfach barfuss, diese tragen die Füsse beständig
bedeckt.
Wir werden daher vorläufig darauf verzichten müssen, ein bestimmtes Unheil
über die .Mutilation der alten Peruaner abzugeben. Bis jetzt ist keine andere
Erklärung für dieselbe gefunden, als eine pathologische. Noch immer ist die An-
nahme einer leprösen Affection nicht ganz auszuschliessen. Ob irgend eine andere
Krankheit, wie die von Hrn. Jimenez de la Espada angeführte Llaga, be-
schuldigt werden darf, wird später ZU untersuchen sein. —
Hr. Maass bespricht das anwesende
Bäreuweib.
Bereits in der Sitzung vom 18. Mai 1895 habe ich hier das „Bärenweib" vor-
gestellt Dasselbe zeigte sich damals unter diesem Namen in Castan's Panopticuro,
weil e.v. um einem Bärenfell bekleidet und auf allen Vieren gehend, auftrat, wie
es schon zuvor in Newyork bei Barnum und in andern Städten oft
gethan hatte. Ich sagte damals, dass dieses Weib die I ichter einer Mestize
und eine- ins M'Uint pleasani in Texas sei; das- seine Mutter eine b
ähnliche Verkrüppelung der Extremitäten habe, dass aber seine, de- Bärenweibes,
damals zweijährige Tochter ganz normal gebaut sein solle. Ich habe bei der Vor-
stellung wörtlich gesagt: ..Ihre I Extremitäten sind seil ihrer Geburt in der Art
(622)
verkrüppelt, dass an den Beinen die Kniee und Unterschenkel fehlen und die Püsse
unmittelbar mit den Oberschenkeln articuliren; ebenso an den Armen, an welchen
die Unterarme nur rudimentär vorhanden sind. Hände und Füsse sind ebenfalls
verkrüppelt, doch ist ein Greifen mit den Händen, selbst Schreiben, Nähen u. s. w.
wohl möglich, ebenso das Aufrechtgehen auf den Füssen, jedoch nur mit Hülfe
besonders dazu gefertigter Schuhe, da die Frau nicht mit der Sohle, sondern nur
mit dem äusseren Rande derselben auftritt. Grosse Geschicklichkeit hat sie aber
in dem Gehen auf allen Vieren erlangt, und ihr Gang dabei erinnert allerdings an
den Gang eines Bären, was sie bei ihren Vorstellungen im Panopticum noch da-
durch unterstützt, dass sie, mit einem Bärenfell bekleidet, aus einer, natürlich
künstlichen, Höhle hervorkommt."
So habe ich damals gesagt, und so ist es abgedruckt in dem Sitzungsbericht
vom 18. Mai 1895.
In der Sitzung vom 15. Juni 1895 legte der Vorsitzende, Hr. Rud. Virchow,
eine Mittheilung des Hrn. Louis Henning aus Antwerpen vor. Darin hiess es:
„Auf der letztjährigen (1894er) Antwerpener Welt-Ausstellung waren in dem
an „Pawnee Bills Wild West" sich anschliessenden „Museum" zwei Menschen zu
sehen, welche, angeblich zum ersten Male in Europa, die Beachtung wissenschaft-
licher Kreise wohl verdienen. Ich meine den mit ungeheuer vergrösserten Füssen
ausgestatteten Eugen Berry und die verkrüppelte Alice Wance.
„Die Negerin Alice Wance ist 23 Jahre alt und geboren in Texas. Ihr
Vater war normal, dagegen ihre Mutter in gleicher Weise verunstaltet, wie sie.
Sie giebt an, niemals krank gewesen zu sein und keine Geschwister zu haben.
Ihre Mutter lebt in Newyork, wo sie sich ebenfalls für Geld sehen lässt. Alice
Wance spricht sehr gut englisch, näht und stickt, und macht überhaupt den Ein-
druck von Intelligenz. Alle an sie gerichteten Fragen beantwortet sie klar und
deutlich. Die nähere Untersuchung, welche ich an diesem unglücklichen Wesen
vornahm, ergab folgendes Resultat. Beide Oberarme sind normal gebildet; erst
unterhalb des Ellbogengelenks ist an beiden Seiten eine starke Geschwulst bemerkbar,
an welche sich die Hände unmittelbar anschliessen: wir haben es hier mit einem
Beispiele der „Klumphand" zu thun. Beide Hände sind nicht gerade verkrüppelt zu
nennen, indessen sind die einzelnen Finger doch nicht vollkommen streckbar. An
jeder Hand sind 5 Finger.
„In Betreff der Unterschenkel ist zu constatiren, dass solche in Wahrheit nicht
vorhanden, äondern die Füsse unmittelbar an dem Knie angewachsen sind. Beide
erscheinen stark geschwollen; die Geschwulst verjüngt sich nur gegen
die Zehen hin. Die Wance geht zwar aufrecht, doch nur sehr schwer, liebt es
vielmehr, auf allen Vieren zu kriechen, wobei sie, aus der Ferne gesehen, den Ein-
druck eines sieh I- ahnden Thieres macht. "
Dies Alles ist über 2 Jahre her. Hr. Castan hatte nun im Herbst vorigen
Jahres in seinem Panopticum in Dresden die Frau vorgeführt, als ihm plötzlich
daselbst im November 1896 Hie weitere Schaustellung des Bärenweibes polizeilich
untersagt wurde. Der Grund dieser polizeilichen Maassregel, die ich hier durchaus
nicht kritisiren kann und will, war ihm unbekannt, aber die Dresdner Presse,
brachte einige Tage daraul Folgendes. Der „Dresdner Anzeiger" vom 18. Novbr.
1896 sagt: „Die Königliche Polizei-Direction hat die weitere Schaustellung des im
hiesigen Castan' sehen Panopticum ■- Stadtwaldschlösschen — ausgestellten so-
genannten „Bärenweibes" untersagl Eine behördlich angeordnete Untersuchung
hat nehmlieh ergeben, dass ur -.hau gestellte Wesen keinesweges, wie nach
den hier veröffentlichten Placaten. ..wie nach dem bei der Vorführung gehaltenen
(623)
Vortrage angenommen werden muss, eine anerklärliche Abnormität, sondern ledig-
lich eine in Folge einer früheren Erkrankung — wahrscheinlich der logenannten
englischen Krankheit — an Armen und Beinen verkrüppelte, Übrigens aber durchaus
normale Frauensperson ist. — — — Seltsamer Weise hat man das Bärenweib
mehrere Monate lang in Berlin unbeanstandet gezeigt und weder Polizei noch die
Aerzte, deren Namen man zu Reclamen benutzte, haben Notiz davon genommen, ~>>
dass es erst der Dresdner Behörde vorbehalten blieb, die Täuschung
aufzudecken."
Ferner schreiben die „Dresdner Nachrichten- vom 18. Novbr. 1896:
Zuerst derselbe Anfang wie im „Dresdner Anzeiger", dann folgt aber: -
„Die ganze Schaustellung erweist sich also als ein frecher Schwindel, der um ^o
widerwärtiger ist, als man sich dabei eines krankhaft verunstalteten Mensehen
bedient hat. Derselbe konnte natürlich nur durch eine genaue Untersuchung auf-
gedeckt werden n. s. w .*
Diese beiden Artikel sind erst im vorigen Monat zu meiner Kenntnis gekommen.
und da nun das ..Bärenweib" oder, wie sie eigentlich heisst, Frau Alice Wance,
geb. Reed, seit einigen Wochen wieder hier im Cas tan' sehen Panopticum zu
sehen ist, so habe ich Gelegenheit genommen, sie wiederholt genau zu untersuchen,
um diese Beschuldigung der Dresdner Presse, als seien die Berliner ärztlichen
Kreise nicht im Stande, angeborene Abnormitäten richtig zu taxiren, und müssten
sie eist von Dresden aus darüber belehrt werden, von dieser Stelle aus energisch
zurückzuweisen.
Hr. Castan hat die hier vorliegenden Gypsabgüsse eines Beines und Fusses,
sowie eines Armes mit Hand gemacht. Da diese aber zur richtigen Würdigung
des Falles doch nicht ausreichen, so ist in dem hiesigen Staats -Institut für
Untersuchung mit Röntgen -Strahlen eine Reihe von Durchleuchtungen gemacht
worden, welche alle ergeben haben, dass meine im Jahre 1895 gemachten An-
gaben richtig waren, und dass von einer auf rachitischer Basis beruhenden Ver-
unstaltung keine Rede sein kann. Die Frau tritt mit dem Gelenkende des Ober-
schenkels beim aufrechten Gehen auf; Kniee und Unterschenkel sind nicht vor-
handen; die beiden Füsse haben zwar sämmtliche Knochen des Mittelfusses und
der Zehen, dieselben sind aber derartig verkümmert, dass sie nicht zum Gehen
benutzt werden können, denn nur der aussen' Rand des l'usess berührt den Boden,
len beiden Armen ist es so, dass die Unterarmknochen zwar rudimentär vor-
handen, al>er nur einige Centimeter lang sind: dann kommen sogleich die Metacarpal-
knochen und die stark verkrümmten Pinger. Beweglichkeit der Hand ist vorhanden.
auch immerhin die Möglichkeit, mit den Fingern leichte Arbeiten, als Nähen.
Schreiben u. s. w., zu verrichten.
Ich habe es nicht für unwichtig gehalten, dies hier zur Sprache zu I
um festzustellen, dass es -ich in diesem Falle um eine angeborene Anomalie der
Körperbildung handelt, und nicht um einen frechen Schwindel, den man in
Berlin nicht aufzudecken verstanden hätte, wie die Dresdner Presse sich auszu-
drücken beliebt. —
Hr. E. Grunmach berichtet aber seine im August d. J. an dem Bärenweibe
angestellten Untersuchungen mit Hülle der Röntgenstrahlen und hebt h
dass vor der Aufnahme der Aktinogramme von den einzelnen Körpertheilen diese
zunächst \on ihm mit dem Flu I mihi, sowohl in ihrer Buh' - auch
bei Bewegungen, genau beobachtet wurden. — Das Ergebniss dieser Beobachte
stimmte im Wesentlichen mit den Befunden in den Aktinogrammen überein.
(624)
Was zunächst den Thorax anbetrifft, so Hessen sieh weder an dem Schulter-
gürtel, noch an den Rippen, dem Brustbein und der Wirbelsäule irgend welche
Abnormitäten aus dem gewonnenen Röntgengebilde nachweisen; ebensowenig zeigten
die im Brustkorbe befindlichen Organe ein abnormes Verhalten. — Dagegen fand
Hr. Grunmach in den Aktinogrammen der oberen Extremitäten zwar einen gut
entwickelten Humerus, aber statt des Radius und der Ulnae zwei kurze Rudimente
(2 — 3 cm lang, breit und dick); ausserdem einen rudimentären Carpus, während
die Metacarpal- und Phalangenknochen vollzählig vorhanden waren, letztere jedoch
einen etwas krallenartigen Eindruck machten.
Dem Bau der oberen Extremitäten entsprach auch das Verhalten der unteren.
Während hier wieder der Oberschenkel gut entwickelt erschien, zeigten sich im
Aktinogramme die Unterschenkelknochen als Rudimente (4—5 cm lang, breit und
dick); daran schloss sich der rudimentäre Tarsus, während sich die Metatarsal-
und Fusszehenknochen vollständig ausgebildet darboten.
Endlich ergab sich noch aus dieser Untersuchung des Bärenweibes, dass beim
Stehen und Gehen desselben sich die Hände und Püsse dorsalwärts spitzwinklig
zum Verlauf der Oberarme, bezw. Oberschenkel stellten, so dass also das Bären-
weib in Wirklichkeit auf den Condylen dieser letzteren Knochen einherschreitet.
In anschaulicher Weise konnte Hr. G runmach dieses eigenthümliche Lage-
verhältniss der rudimentären Unterarm- und Handwurzelknochen zum Oberarmbein
einerseits, sowie der rudimentären Unterschenkel- und Pusswurzelknochen zum
Oberschenkelbein andererseits an verkleinerten Diapositiven seiner Aktinogramme
verständlich machen. —
Hr. Rud. Virchow bestätigt die Angaben der HHrn. Maass und Grunmach
und bemerkt, dass ihm schon nach den Untersuchungen des Jahres PS95 über die
Natur des Falles kein Zweifel geblieben sei. Derselbe gehöre in die Gruppe der
Phokomelen und stelle eine der bemerkenswerthesten angebornen Missbil-
dnngen dar. Er behalte sich vor, in der nächsten Sitzung diese Gruppe genauer
zu erläutern. Dass man in Dresden geglaubt habe, das Product einer erworbenen
Krankheit vor sich zu haben, sei schwer verständlich; noch weniger, dass eine so
schlecht unterrichtete Zeitung einen so unhöflichen Ton angesehlagen habe. —
27) Hr. Maass zeigt ein
armloses 3Iädchen.
Dasselbe ist ohne Arme und mit einein verkrüppelten Thorax geboren, hat alter
gelernt, mit den Fusszehen das zu verrichten, wozu Andere die Hände gebrauchen,
als Essen, Trinken, Schreiben, Nähen u. s. w.
Die jetzt 19jährige Margarethe (I ermann ist in Mainz geboren als erstes
Kind einer sehr wohlgebildeten Mutter. Sie hat noch mehrere Brüder und
Schwestern, die alle körperlich und geistig normal heranwachsen. Sie selbst ist
geistig recht gut begabt und hat einen intelligenten ( iesichisausdruck. Bei ihrer
Vorstellung vor der Gesellschaft musste ihre Mutter ihr behülflich sein, ihr, als
sie auf den Tisch gestieg« war, die Schuhe auszuziehen, um die Zehen zu ent-
en. Sie trägl sehr hoch hinaufgehende schwarze Strample, welche aber die
vordere Hallte der Püsse unbedeckl lassen. Sie setzt sich in hockender Stellung
.ml die Tischplatte und schreibt mit einem, zwischen die grosse und zweite Zehe
des rechten Kusses geklemmten Bleistift ihren Namen in deutlicher Schrift auf ein
Blatt Papier.
(625)
Ihr entblösster Oberkörper zeig! eine höchst merkwürdige Verkrüppelung. Das
Becken ist derart verschoben, duss der rechte Hüftknochen fast zwei Bände breit
höher hinauf reicht, als der linke. Die Wirbelsäule ist in der M...
lordotisch stark verkrümmt und biegt dann nach rechts aber. Die rechte Seil
kirnst ist überhaupt viel stärker entwickelt und hervorgewölbt, als die linke1 auch
die rechte Mamma ist ziemlich voll vorhanden, während die linke mir durch einen
massigen Hautlappen angedeutet ist, anter dem man in einer Art eon Höhlung die
verkümmerten linken Kippen fühlen kann. Das Herz ist ebenfalls nach rechts
dislocirt, wie überhaupt die ganze linke Thoraxhälfte verkümmert ist.
An beiden Schultern fehlen die Armknochen rollständig, doch sind .In- Schlüssel-
beine und die Schulterblätter vorhanden: nur liegt das rechte Schulterblatt in
natürlicher Grosse, statt auf der hinteren, auf der vorderen Seite: das linke da.
befindet steh auf der Rückenseite und ist sehr verkleinert. Beide Schulterblätter sind
willkürlich beweglich. Die Körperlänge der bemitlcidenswerthen Person ist ungefähr
1 ///, dabei ist sie äusserst mager, soll aber mit gutem Appetit essen.
(28) Hr. Rud. Virchow giebt Aufschluss über eine von Hrn. L Castan
ausgestellte
Gyps-Naclibildung- eines gleichsam verhärteten Menschen.
Nicht ohne Ueberraschung sehe ich die lebensgrosse Nachbildung eines Mannes
vor mir, der sich im Sommer mir vorstellen Hess und der mir merkwürdig genug
schien, um ihm den Vorschlag zu machen, sich auf der Naturforsch er -Versamni-
11111-;' in Braunschweig einzufinden, wo ich ihn den versammelten Aerzten demon-
striren wollte. Meine lange Abwesenheit verhinderte mich, mich um den Mann zu
bekümmern. Auch kam er nicht nach Braunschweig. Zum ersten Male sehe ich
jetzt die Gypsfigur, dw ich nachrühmen kann, dass sie alle Hauptveränderungen
gut wiedergiebt.
Soweit ich mich erinnere, war der betreffende Mann seinen Ausweisen nach
aus Südfrankreich und 26 Jahre alt. Aber seine Entwickelung war zurückgeblieben,
so dass er dem Knabenalter kaum entwachsen zu sein schien. Sein Leiden war
eine allgemeine Sklerodermie, d. h. eine chronische, schleichende, mit Ver-
härtung und Schrumpfung verbundene, sehr gleichmässige Entartung der Haut und
ünterhaut. Theoretisch betrachte! würde das eine chronische Entzündung zu nennen
sein: praktisch dagegen scheinen entzündliche Symptome (Hitze, Etöthe, Sehne" •
u. s. w. niemals in erheblichem Maasse vorhanden gewesen ZU sein. Eine bestimmte
Ursache ist ebensowenig erkennbar: im G< -entheil, es scheint, als sei der Anfang
des üebcls schon in die Fötalzeil zurückzuverlegen. Dies haben versch
Aerzte in Krankreich und ( lesterreich angenommen, und es lässt sich nicht best]
dass der ganze Habitus des leidenden Körpers für eine solche Annahme spricht
Fast alle Oberflächen sind glatt, ohne irgend welche Knotenbildung, und fühlen sich
ganz hart an; an dm meisten Stellen ist die Haut von den unterliegenden Theilen
Knochen. Muskeln und Fascien nicht abzuziehen, und diese Wei lltheile fühlen
sich ihrerseits ganz fest an. Die Extremitäten sind nicht verkrümmt, aber .
dünn, wie ..Stocke-. Die Knochen sind schwer durchzufühlen, lassen aber keine
Formveränderung erkennen. Eine lebensgrosse Pariser Röntgen -Photographie,
welche der Mann Ihm sich führt, bestätigl dieses: es isl w n rachitisches
Symptom, mich eine auffällige Atrophie der Knochen hervoi eten.
Es handelt sieh also, trotz der Tiefe, in welche die Induration hinabreicht,
um eine mehr flächenhafte Schrumpfung, wie sie z. B. ein dui W
Verhandl. der Berl. intli -. .,,
(626)
und nachfolgende Eintrocknung zusammenschrumpfender Stiefel erzeugen würde.
Weitergehende Störungen sind an den Orificien, namentlich des Gesichtes, ein-
getreten. Die Schrumpfung der Weichtheile hat Starrheit und Retraction der Lippen,
der Nasenflügel und der Augenlider hervorgebracht. Die Folge davon ist die
Erschwerung im Schliessen der Oeffnungen und Exposition der nächsten inneren
Theile gegen äussere Einwirkungen (Kälte und Wärme, Staub u. dergl.). Insbeson-
dere die Augen leiden, wie bei Ektropion, an chronischer Entzündung der Cornea
und der Conjunctiva. Ein durch die Ereignisse des Tages aufgeregter Beobachter
könnte an die Augen eines Aussätzigen erinnert werden. Von irgend welchen Be-
ziehungen zu Lepra kann jedoch keine Rede sein. Der sehr intelligente und zu-
gleich liebenswürdig duldsame Mann giebt über seine Empfindungen so genau
Auskunft, dass man ihre Wahrheit nicht bezweifeln darf. —
(29) Neu eingegangene Schriften:
1. Davenport, C B., The role of water in growth. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc N. H.) Gesch. d. Verf.
2. Davis, W. M., The Harvard geographical modeis. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc. N. H.) Gesch. d. Verf.
3. Lewis, M., Clymene producta Sp. nov. Boston 1897. (Proc. Boston Soc.
N. H.) Gesch. d. Verf.
4. Miller, G. S., Notes on the mammals of Ontario. Boston 1897. (Proc.
Boston Soc. N. H.) Gesch. d. Verf.
5. PolakowTsky, H, Die Lepra in Columbien. Leipzig 1897. (Deutsche med.
Wochenschrift.) Gesch. d. Verf.
6. Schwartz, W., Der Schimmelreiter und die weisse Frau. Ein Stück
deutscher Mythologie. Berlin 1897. (Zeitsch. d. V. f. Volkskunde.)
7. Derselbe, Die altgriechischen Schlangengottheiten. Neuer Abdruck derProgramm-
Abh. des Friedr.-Werd. Gymnasiums zu Berlin vom Jahre 1858. Berlin 1897.
Nr. 6 u. 7 Gesch. d. Verf.
8. Louw, P. J. F., De Java-oorlog van 1825 — 30. II. Deel. Text en Kaarten.
Batavia 1897.
9. Jahresbericht des Directors des Königl. Geodätischen Instituts für die Zeit vom
April 1896 bis April 1897. Potsdam 1897.
10. v. Hellwald-Üle, Die Erde undihre Völker. 4.Aufl. Liefr. 20— 29. Berlin 1897.
11. Rozprawy Akademii umiejetnosci. Wydzial matematyczno-przyrodniczy. Seriell.
Tom 11 u. 12. W Ivrakowie 1896/97.
12. Nehring, A., Ueber Herberstain und Hirsfogel. Berlin 1897.
13. Tageblatt der 69. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Braun-
sehweig vom 20. bis 25. September 1897. Braunschweig 1897.
14. Bulletin de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou. Annee 1897.
No. 1. Moscou 1S97.
Nr. 8— 14 durch Hrn. R. Virchow.
15. Fritsch, G., Süd-Africa bis zum Zambesi. I. Leipzig 1885. (Der Welttheil
Africa in Einzel-Darstellungen.)
16. Bastian, A., hiselgruppen in Oceanien. Berlin 1883.
17. Derselbe, Zur Kenntniss Hawaii's. Berlin 1883.
Ib. Derselbe, Einiges aus Samoa und anderen Inseln der Südsee. Berlin 1S89.
19. Derselbe, Indonesien oder die Inseln des Malayischen Archipels. 1 — 4.
Berlin 1884—89.
Nr. 15 — 19 sind angi ift.
(627)
20. Schweinfurth, G. , Einiges über die Ornamentik der ältesten Oulturepoche
Aegyptens. Wien 1897. (Oesterr. Monatsschr. ('. d. Orient.) Gesch. ci.
Oesterr. Handels-Museums in Wien.
21. Proceedings of the annual meeting of the Boston Society of Natural History.
May 5, 1897. Boston 1897. Gesch. d. Gesellsch.
22. Olympia. Textband l, nebst einer Mappe mit Karten und Plänen. Berlin 1897.
Gesell, d. 1 II Im. As her &*Co.
23. Deininger, J. W, Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Abtb. I. lieft 7.
Wien 1897. Angekauft.
i'4. Strömberg-, .J. D., Undersökningar i läran om själ och kropp enligt identitets-
hypotesen eller parallelteorien. Lund 1897. (Akad. Afhandl.
25. Almgren, 0., Studien über nordeuropäisehe Fibelformen der ersten nach-
christlichen Jahrhunderte mit Berücksichtigung der provincialrömischen
und südrussischen Formen. Stockholm 1897. (Akad. Dissertation.)
26. Xordlindh, A., Descartes' lära om känslan. Upsala 1897. (Akad. Afhandl.)
Nr. 24 — 2H Gesch. d. Königl. Univ.-Bibl. in Upsala.
"27. Krause, W., Australien, o. 0. 1897. (Internat. Monatschr. für Anatom, und
Physiologie.) Gesch. d. Verf.
28. Marina, G., L' istituto antropologico italiano di Livorno. Livorno 1897. Gesch.
d. Verf.
29. Rivista italiana di Sociologia. I. 3. Roma 1897.
30. Apostolides, B., La statue d'Irenee et la ville de Soknopee. Alexandrie
(L'Egypte.)
31. Prietze, R., Beiträge zur Erforschung von Sprache und Volksgeist in der
Togo-Colonie. Berlin 1897. (Zeitschr. f. afrik. u. oceanische Sprachen.)
Nr. 29—31 Gesch. d. Hrn. Rud. Virchow.
32. Giuffrida-Ruggeri, V., L'ubicazione delTapertura pyriformis. Firen/.e 1897.
(Arch. per l'Antropologia e l'Etnologia.)
33. Dieselben, Asimmetrie nella norma facciale (Cavita orbitarie) Reggio-Emilia 1 897.
(Rivista Speriment. di Freniatria.)
Nr. 32 u. 33 Gesch. d. Verf.
34. Hantschel, F., Prähistorische Fund-Chronik für das Gebiet des Nord-
böhmischen Fxeursions-Clubs und die angrenzendenLandstriche. Leipal897.
(Mitth. d. Nordböhm. Excursions-Clubs.) Gesch. d. Verf.
•'!■">. 1» I a s i iis. \\\. Megalithische Grabdenkmäler des nordwestlichen Deutsehlands
Braunschweig 1*!)7. (Jahresbericht d. V. f. Natorw. zu Brannschweig f.
1895/96 u. 1896 97.) Gesch. d. Verf.
36. Fewkes, J. \V.. Morphology of Tusayan altars. Washington 1897. (Amer.
Anthrop.)
37. Derselbe, The sacrificial elemenl in Bopi worship. o. Ü. n. J. Journal of
Amer. Folk-Lore.)
Nr 36 n. 37 Gesch. d. Verf.
38. Observaciones meteorolögicas de San Salvador. Abril l^'.'T. San Salvador.
C. A. 1897. Gesch. d. Observatoriums in San Salvador.
39. Perrot, <i.. et Ch. Chipiez, Bistoire de l'art dans l'antiquite.
Paris 1898. Angekauft.
40
Chronologisches Inhaltsverzeichniss
der
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1897.
Verzeichniss des Vorstandes, des Ausschusses und der Ehren -Mitglieder S. 3, der
correspondirenden Mitglieder S. 4, der ordentlichen Mitglieder (einschliesslich
der immerwährenden) S. 7.
Uebersicht der durch Tausch oder als Geschenk zugehenden periodischen Publi-
cationen S. 16.
Sitzung vom 16. Januar 1897. Wahl des Ausschusses für 1897 S. 25. — Gäste
S. 25. — Calori f S. 25, Bahnson, E. du Bois-Reymond, Don Jose
Rizal, J. v. Gerlach und P. Krauss f S. 26. — Neue Mitglieder S. 27. —
China in ethischer, industrieller und politischer Beziehung, v. Brandt S. 27. —
Zoologische Station in Neapel, 25 jähriges Jubiläum S. tl. — Internationale
Ausstellung in Brüssel S. 27. Vormenesische Alterthümer in Aegypten.
G. Schweinfurth S. 27; R. Virchow S. 31; Salkowski S. 32. — Frage der partiellen
Zerstörung des Schlossberges bei Burg a. d. Spree. R. Virchow S. 34. — Lapp-
länder im Costüm. E. Krause S. 34. — Angriffe auf E. Jacobson S. 34. —
Der europäische Mensch und die Tiroler. F. Tappeiner S. 35. — Weisse Sub-
stanz in Ornamentritzen vorgeschichtlicher Thongefässe Westpreussens. 0. Helm,
R. Virchow S. 35. — Neu aufgefundene Bronze-Urne von Topolno, Kreis Schwel/
(2 Autotypien und 1 Karte). Anger S. 36. — Neue Funde auf der Lösskuppe
bei Lobositz an der Elbe (4 Situationsskizzen und 1 Zinkogr.). R. v. Weinzierl
S. 42. — Drachenfels bei Dürkheim a. d. H. C. Mehlis S. 51. — Hungersnot!)
in Transvaal. C. Beuster S. 52. — Antiker Mutterkranz von Duna Szckcsö,
Ungarn. M. Bartels S. 52. — Die australische Mission auf den Bismarck-Inseln.
Merensky S. 53; R. Virchow S. 54. — Metrologisehe Nova. C. F. Lehmann S. 54.
Märkische Alterthümer. H. Busse: 1. Urnenfelder von Leibsch, Spreewald
(3 Zinkogr. S. 54. •>. Rundwall bei Leibsch S. ^C>. 3. und 4. Urnenfelder
bei Diensdorfund Bügelgräber bei Theresienhof, Kreis Beeskow-Storkow S. 57.
5. Ornenfeld bei Buehholz. Ober-Barnim S. 57. — Schlossberg von Mehlken,
Kreis Carthaus, Westpr. (1 Situationsskizze und 8 Zinkogr.). A. Treichel S. 58.
Schiffsanker von dort S. 65. Eisenmoor S. <',(/>. — Tapfenstein von Mehlken
und Steine um Fussspuren im Allgemeinen (2 Zinkogr.). A. Treichel S. 68. —
Geheimgemach. A. Treichel S. 80. — Neue Schriften S. 82. — Berichtigungen
S. 82.
Sitzung \ <>ni 20. Pebruai IN'.iT. (laste S. s3. Ausschuss S. 83. — Kärnbacb,
Beimann, Aron Eyrich f 8. 83. - Kubary, Hirsehberger, Wiepken,
Ferraris f 8. 84. Neue Mitglieder B. 84. — A. Bastian's Reise S. 85
Demission \ on Serrurier S. 85. — Coniite für ein ( Jrab-Monument in West-
Africa \'üv\,. Wolf, Kling und liugslag S. 85. — Deutsches Colonial-Museum
in Berlin 8.85. Orient-Comite 8. H5. — Loubat-Stiftung S. <S5. — Neuer
Landesverein für säch i che Volkskunde. R. Virchow S. 85. — General-Register
\uv die Serie II der Verhandlungen (1889—1899) S. 86. Schweizersbild bei
Schaffhausen. J. Nüesch S. Römische und neolithische Gräberfelder bei
Worms. C. Kohl 8.87. Die Milseburg in der Rhön. Schneider, R. Virchow
(629)
S. 87. — Steinzeitgrab von Retzin, Pommern. H. Schumann S. 87. — Brand-
gräber der Völkerwanderungszeit von Messdorf, Kreis Osterburg. A. Götze
s. 87. Römische Villa auf dem Weilberge bei Ungstein, Rheinpfalz.
C. Mehlis S. 88. Männer mit Elephantiasis scroti von Samoa. B. Fränkel
S. ss. Photographien and Schädel aus Australien. Baron v. Korff S. -
Anmerkungen zu Bartels-Ploss: „Das Weib'-. F. W. K. Müller S. 88. Das
Vorkommen von Zwergen neben grossen Leuten in demselben Volk. A. Nehring
S. 91; R. Virchow S. 94. — Zwergrassen. R. G. Haliburton S. 95. Steingeräthe
der A.babde, Africa. G. Schweinfurth S. !)ö. Spinnen mit Spindel und Wind.
Sökeland, W. Schwartz S. !>.">. - Carneol-, bezw. Achatperlen aus Mossi Moschi
P. Staudinger S. 96. • Zinnvorkommen im tropischen Africa und Zinn-Industrie
der dortigen Eingebornen. P. Staudinger S. !)7. — Hausgewerbliche Gegenstände
aus Bosnien 16 Zinkogr.). M. Bartels S. 98. — Metall-Einlagen in Holz, Hörn
und Bein 1 I Zinkogr. . E. Jacobsthal S. 104. — Vorlagen aus dem Museum
für Völkerkunde. F. v. Luschan S. 110. Lagos-Masken. P. Staudinger S. 110. —
Neue Schriften S. 110.
Sitzung vom 20. Mär/. 1897. Neue correspondirende and ordentüche Mitglieder
S. 111. Schiaparelli f S. 111. General -Versammlung der den:
anthropologischen I lesellschaft zu Lübeck, Schwerin und Kiel S. 1 1 1. —Nansen-
Pestfeier in Berlin S. 111. — Deutscher Geographentag zn Jena S. 111. -
Centenarfeier für Rosmini in Rovereto S. 111. — Russischer Archäologischer
( iongress in Kiew 1899 und internationaler mediciniseher Congress in Moskau 1897
S. 11-. — Grabfand in >\m Fides-Kirche zu Schlettstadt. Elsass. A. v. Heyden
s. 112. — Neuseeländische Alterthümer. A. Bässler S. 112. — La Tene-Gräber
in Böhmen. H. Matiegka S. 115. Lappische Geriithe (4 Zinkogr.). E.Krause
S. 11."). — Sauen, welche an vorgeschichtliche Gräber anknüpfen. E. Krause
S. 117. — Drachen-Sage von Seddin, West-Priegnitz. E. Krause S. 119. -
Sa-cn \on Trebichow, Kreis Crossen. H. v. Schierstädt S. 120. — Bronze-
Depotfund von Clempenow, Pommern. H. Schumann S. 122. — Durchschneidung
des Schlossberges \ron Barg im Spreewalde. R. Virchow S. 122. Märkische
Uterthümer. H. Busse S. 123. — Chemische Untersuchung vorgeschichtlicher
Bronzen in Elbing (5 Zinkogr.). 0. Helm S. 123. — Mehlken. Kreis < 'arthaus.
A. Treichel S. 129. — Neue Forschungen in Aegypten und Einbalsamirung von
Kopien im Alterthum. G. Schweinfurth (1 Zinkogr.) S. 131; Fouquet S. 134;
R. Virchow (I gr. Zinkogr.) S. 135; E. Salkowski S. 138. — Ausgrabungen auf
der Moorschanze bei Quedlinburg 12 Zinkogr., 3 Situationsskizzen und 2 Auto-
typien). Brecht S. 140; R. Virchow (6 Zinkogr. S. 146.— Schädel derBakwiri,
Kamerun 2 Zinkogr. . R. Virchow S. 154. — Künstlerische Darstellungen aus
Kaiser Wilhelms-Land and deren Beziehungen zur Ethnologie. Preuss S. 159. -
Neu eingegangene Schriften S. 159. - Berichtigung S. 160.
Sitzung \om 24. April L897. Gäste S. 161. — Beinrich Wanke l, Eiermann Weiss,
Frank 'Schussenried^ f S. 161. Sachverständigen -Commissionen für die
Abtheilungen des Königl. Museums für Völkerkunde S. 162. - Staatszuschuss
für die Gesellschafl S. 162. Correspondirende und ordentliche Mitglieder.
Lehmann-Nitsche andJoestS. : Nordamerikanische Expedition nach
der Nordwest -Küste und Am benachbarten asiatischen Ländern S. 162. —
llaupiv ersammlung der Nieder lausitzer anthropologischen Gesellschafl in Pinster-
walde S. 163. Congres international colonial in Brüssel S. ' Aus-
stellung bosnischer bausgewerblicher Erzeugnisse in Berlin S. Grund-
steinlegung für das neu.' Museum in Cairo S. 163. — Denkmal für Joham
Müller in Coblenz S. 164.— Darstellungen assyrischer Ruhebetten (Zink
C. F Lehmann s 164. Neue Gräberfunde bei Worms. Kohl s H Freysnes
im östlichen Island. M. Lehmann- Filhes S. 165. — Die Harpa auf Island und
die Harte in der Mark. W. v. Schulenburg S. 168. Wollespinnen mit Spindel
und Wirtel (3 Zinkogr. . W. v. Schulenburg S. Itis. _ Skarabäen-Gemmi
Sadersdorf, Kreis Guben 3 Zinkogr.). H. Jentsch S. H - Burg wall und vx>r-
slavischer LTrnen-Friedhof von Königsbrunn, Cujavien 2 Situation« and
{) Zinkogr.). Lehmann-Nitsche S. 171. Photographie des Marktes in Lyck.
M. Bartels S. 17.\ - Photographien ron Dayaks, West-Borneo F. Schultze
(630)
S. 175. - Zeitschrift i'ür Criminal- Anthropologie, Gefängniss-Wissenschaft
und Prostitutionswesen. S. 170. — Doppelaxt aus Kupfer von Börssum.
Th. Voges S. 17G. — Gewellte Bronze-Urnen (Zinkogr.). Lissauer S. 176. —
Ausfüllungs-Material der vertieften Ornamente an Thongeräth. Olshausen S. 180.
— Technisches aus Troja. A. Götze S. 183. — Raphacl's Adam und Eva im
Original und Kupferstich. G. Fritsch S. 183. — Skizze über Kaschmir (7 Auto-
typien). G. Oppert S. 188. — Neue Form der Armbrust bei den Bakwiri,
Kamerun (Zinkogr.) F. v. Luschan S. 204. — Neu eingegangene Schriften S. 205.
Sitzung vom 15. Mai 1897. Menger, Strassmann, Marimon y Tudö f S. 207.
— Ordentliches Mitglied S. 207. — Auffindung eines Königsgrabes in Negada.
J. de Morgan S. 207. — Australische Reise. W. Krause S. 208. — Anthro-
pologische Excursion nach Brunn und Umgegend S. 208. - Niederlausitzer
anthropologische Hauptversammlung S. -08. — Congres archeologique de
Malines, Exposition internationale in Brüssel und internationaler Congress für
Nerven-Pathologie ebendaselbst S. 208. — Verein für sächsische Volkskunde
S. 208. — Ausschuss für die Erhaltung der deutschen Spracheninsel Hohen-
stadt, Mähren S. "JOS. -- Photographien kaukasischer Typen, v. Erckert S. 209.
— Archäologische Funde in Transkaukasien: 1. Prähistorische Thongefässe
von Dshawat, Gouvernement Baku (Zinkogr.). 2. Durchbohrter Steinhammer
von Horadies. Gouv. Elisabethpol (Zinkogr.). E. Rösler S. 209; Rud. Virchow
S. 212. — Japanisches Schädel-Artefakt, J. Ö. E. Schmeltz, Serrurier, R. Virchow
S. 213. Eiserne Dolchklinge mit Inschrift aus dem Bieler See. V. Gross,
E. Friedet S. 213. — Das Wort Kinkel. J. A. Jentsch S. 211. — Geflügelte
Lanzenspitzen (2 Zinkogr.). Köhler S. 214. Bronze -Schwert aus der Peine
(3 Zinkogr.). H. Schumann S. 221 ; Rud. Virchow S. 222. — Photographien von
Javanerinnen. M. Bartels. F. Schultze S. 222. — Photographien von Javanern.
Beyfuss S. 222. — Pflanzenreste in vorgeschichtlichen Gefässen der Mark
(5 Zinkogr.). H. Busse S. 223; Rud. Virchow S. 225. — Besuch der Höhlen von
St. Canzian bei Triest (1 Situationsskizze und 1 Zinkogr.). R. Virchow S. 225.
— Tättowirte Hautstücke des Menschen. G. Fritsch S. 231; F. v. Luschan,
R. Virchow S. 232. -- Monströse Pflanzenwurzel. G. Fritsch S. 232. — Neu ein-
gegangene Schriften S. 233.
Sitzung vom 13. Juni 1897. Gäste und zurückgekehrte Reisende S. 23.'). — Hrolf
Vaughan Stevens f S. 235. — Sir Aug. Wollaston Franks, August v. Beyden,
Carl Fischer f S. 236. — Ossowski, Berger, Boye, v. Falcke, Sah] f
S. -J37. - Neues correspondirendes Mitglied S. 237. — Neue ordentliche Mit-
glieder S. 237. — Abreise von Karl von den Steinen S. 237. — 70jähriger
Geburtstag von Carl Günther S. 237. — Brief von A. Bastian S. 237. -
Reise von W. Joest S. 238. — Transvaal-Ausstellung und Vorstellung von
Tuaregs S. 238. — Anthropologische Excursion nach Brandenburg a. 11. S. 238.
— Conferenz von Polizei- und Gefängniss-Beamten in Bezug auf die Körper-
messung s. 238. -- Rivista italiana di Sociologia S. 238. -- Trachten-Museum
in Berlin, Beschaffung von Mitteln zur Erweiterung desselben S. 238. —
Neues Planimeter. F. v. Luschan S. 238. — Kupferbeil von Augustenhof, Kreis
Wirsitz. Posen 2 Autotypien). Lehmann-Nitsche S. 239. — Bronzekeule (Morgen-
stern) von Butzke, Pommern (5 Zinkographien). H. Schumann S. 211. --Prä-
historische plastische Thonfiguren aus Böhmen (7 Autotypien). R. v. Weinzierl
S. 246. Ausgrabungen von Gesichtsurnen in Hinterpommern. Ed. Krause
S. 260, Thönernc Kinderklapper von Luckau, Niederlausitz (3 Zinkogr.).
Ed. Krause S. 261. Ute Gräber in Ober- und Nieder-Barniin, Provinz Branden-
burg (4 Zinkogr.). H. Busse S. 261. - Rechts und links arbeiten. W. Rimpau
S. 263. Photographie eines Maquamba -Weibes mit Knopfnase. Ohnefalsch-
Richter S. 263. - Ur prung der Aegypter (I Zinkogr.). G. Schweinfurth S. 263.
— Frührömische Fibel mil der Aufschrift AVCISSA aus Rheinhessen (3 Zinko-
graphien). 0. Olshausen s. 286. Bronze-Depotfunde von Czernowitz, Kreis
Thorn (1 Abbildungen . Semrau S. 290. Das Dorf Lietzow auf Rügen und
-,ine vorgeschichtliche Feuerstein -Werkstätte. A. Haas S. 291. — Chaldische
Forschungen. Zur Frage nach dem ursprünglichen Standort der heulen
assyrischen Inschriften Sardur's, Sohnes des Lutipris. W. Belck S. 302.
(631)
Ausgrabung von Bügelgräbern in der Baarstorfer Feldmark. H. Meyer S. .iok.
- Funde aul' dein lan^ohardisch-sächsischen Friedhofe bei Nienbüttel, Kreis
Uelzen. H. Meyer S. 308. — Neuere japanische Sachen. F. W. K. Müller S. :^^.
Neu eingegangene Schriften S. 308.
Sitzung vom 17. Juli 1897. (Jast S. 311. Japetus Steenstrup, Boer,
Schwelt/..'!'. Karl Grooa sen., Will. Th. Preyer f S. 311. Neue Mit-
glieder s. :i 12. — Neues correspondirendes Mitglied S. 3 1 2. < 'ongres d'hygi
et de climatologie tnedicale de la Belgique ei du Congo in Brüssel S. 3155.
General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Lübeck,
Schwerin und Kiel S. 312. Orient- Comite in Berlin S. 312. — Anthro-
pologische Excursion nach Brandenburg a. 11. und Butzow. G. Stimming.
M. Bartels, E. Müller. Kränkel S. 312. - Transvaal-Ausstellung in Berlin. Ohne-
falsch-Richter, M. Bartels S. ."»12. — Kinder der Wüste Sahara in Berlin. M. Bartels
S. 313. — Polynesische Reise. A. Bässler S. 313. — Weitere Reise im Osten.
W. Krause S. 313. Photographie von Ey rieh S. 314. — Neue Arbeiten über
die rjrbeschäftigungen in Ungarn. Otto Hermann. M. Bartels S. .".14. - Alt-
türkische tnschriften. W. Radioff S. ."14. Schlossberg hei Burg im Spree-
walde und darauf bezügliche Ministerial-Verfügungen. Rud. Virchow S. .114. —
B^unde aus römischen Wohnstätten unter dem Zwiesel in Ober-Bayern l Zinko-
graphien). Jos. Maurer, H. Jentsch S. 316. — Neolithisches von Au bei Bammerau,
Bez. Traunstein, Ober-Bayern (14 Zinkogr.). Lichtenecker. H. Jentsch S. 319.
Deformirte Gräberschädel von Guatemala [Chajcar und Papa] (2 Zinkog
E. Dieseldorff. R. Virchow S. .121. — Europäische Tättowirungen (4 Zinkogr.).
Rud. Virchow S. 328. Photographien von Verbrecher- Physiognomien and
Tättowirungen. Minovici S. 331. — Anthropologische Excursion muh Mähren
(1 Kartenskizze). R. Virchow S. 331. Gesichts-Thürurnen von Eilsdorf, Kreis
Oschersleben, Provinz Sachsen. Vasel.'A. Voss S. 343. — Chemische Unter-
suchungen des Hrn. Kröhnke an vorgeschichtlichen Bronzen Schleswig-Hol-
steins. 0. Olshausen S. o44. — Steingefässe der Ababde und andere Stein-
geräthe aus Aegypten. G. Schweinfurth, A. Voss. R. Virchow, M. Bartels S. 355.
Neu eingegangene Schritten S. 356.
Sitzung vom 16. Oktober 1897. (laste S. .'i.">7. Franz Pulszky, W. Wattenbach,
II. Welcker ■'- S. 357, K. Berlin y S. 358. Neues correspondirendes Mit-
glied und neue ordentliche Mitglieder S.358. — B. A.Ph i lippi, J. ö. E. Schmeltz
S. 358. — Reise nach i\cu Marquesas. Karl von den Steinen S. 358. Brinne-
rungsfeier für Paulus Diaconus in Cividale 1899. Aufruf S. 358. — Gedenk-
feier der Danziger Anthropologischen Gesellschaft S. 359. — Jahresversamm-
lung des Voigtländischen alterthumsforschenden Vereins S. 359. — Nahrungs-
mittel-Ausstellung in Berlin. Betheiligung des Trachten-Museums S. •">•">'.'.
Sternwarte in Treptow bei Berlin S. 360. Stockholmer Aiuerikanisten-l'ongro-
von ls'.i] und Ausgrabungen von Costa Rica. Hjalmar Stolpe. Hartmann S.
— Zwei Nekropolen hei s. Canzian, Triesl Situationsskizze). C. de Marchesetti
S. "alt': R. Virchow S. 361. I - ine Schwerter aul' dem Wesenbergi
Brandenburg a. II. G. Stimming S. 361. — Fond eines Vorrathes von Leii
in einer prähistorischen Wohnstätte bei Frehne, ( Istpriegnitz. Buchholz S. 361. —
Thönerner Schwan von Burg a. Spree. Petermann. Behla S. 362. - Phol
phien von Thongefässen aus bayrischen Grabhügeln der Bronzezeit. P. Reinecke
62. Slavische Gräberfunde im kroatischen und slovenischen Gebiete.
P Reinecke S. :.■ Phantastisches Bild eines Bicyclanthropus curvatus.
Gessner S. 367. Schädelmasken aus Neu-Britannien. B. Scheppig. M. Bartels
S. 367. — Südrussische Amulette. S. Weissenberg S. 368; Bartels -
Ausgrabung der Hünen- oder Frankenburg an der Langen Wand bei Rinteln a.W.
Piath S. 369. Rüstenfund bei Lietzow, Rügen. R. Baicr s. 372. Araber
von Nordafrica. Paula Karsten S. 372 Der Vorabend des muselmanischen
Sabbaths bei den Aisäwa. P. Karsten S. :;7r>. _ Urnenfeld bei Schlepzig,
X. -Lausitz. Weineck S. ."Tu. Berberstains Angaben über di 3 giten.
A. Nehring S. 379; R. Virchow S. 385. — Vorgeschichte, Ägyptens: 1- Inhalt
eines Schädels \ om Gebe) Silsileh. E. Salkowski S. ÖJS! 2. Ornamentik der
ältesten Cultur-Epoche Aegyptens (2 zinkogr. Gruppen und 3 kleinere Zink _
(632)
G. Schweinfurth S. 391; R. Virchow S. 401. 3. Kopfhaare aus prähistorisc .
Gräbern Ober-Aegyptens. R. Virchow S. 4U1. — Beschreibung von 5 Ngum -
Schädeln aus Kamerun. A. Waruschkin S. 405. — Anthropologische Aufnahm i
von Eingebornen aus Udjidji (13 Zinkogr.). F. Hösemann S. 410; R. Vircli
S. 42b'. — Schädel eines Mtussi (2 Zinkogr.). F. Hösemann. R. Virchow S. 426. -
Märkische Alterthümer und Gebräuche. W. v. Schulenburg: 1. Schwedensehan;:
bei Gürbitzsch (Situationssk.), Neumark S. 429. 2. Farbenstein von Gbrbitzseh
S. 4o2. 3. Borchwald bei Klauswalde. West- Sternberg S. 434. 4. Das alt'
Haus bei Sternberg S. 435. ö. Der Beelitzer Heiden-Kirchhof bei Sternbert
S 435. 6. Feuerstein-Werkstätten und Gräber am Küchenteich bei Sternberg
(1 Zinkogr.) S. 436. 7. Gräber am Ost- Ausgange von Gürbitzsch S. 437.
8. Gräber beim Neuen Vorwerk bei Gbrbitzseh S. 438. 9. Vorgeschichtliche
Funde bei Kemnath-Theerofen. W. -Sternberg S. 438. 10. u. 11. Fundstellen
auf der Landzunge an der Eilang S. 438. l2. Gesichtsurnen bei Sternberg
46 Zinkogr.) S. 439. 13—16. Steine bei Tornow (1 Zinkogr.), Klauswalde.
Breesen und Biberteich S. 441. — Fundstätten im Kreise West -Sternberg.
Willich S.442.— Angebohrtes Steinbeil vom Urnenfelde bei Gürbitzsch (1 Zinkogr.).
W. v. Schulenburg S. 443. — Der Lindenhörst bei Lüdersdorf, Kr. Teltow
(8 Zinkogr.) W. v. SchuJenburg S. 443. — Grosse Scheibenfibel aus Bronze von
Wustrow, Kr. W.-Priegnitz 1 Zinkogr.) Paschke. W. v. Schulenburg S. 447. —
Vorgeschichtliche Funde von Gandow. Kr. W.-Priegnitz (Gruppenbild mit
26 Zinkogr.) W. v. Schulenburg S. 447. — Frau Harke in der Neumark. W. v.
Schulenburg S. 449. — Ornamente von Kaiser-Wilhelmsland, N.-Giiinea. Preuss
S. 449; R. Virchow S. 450. - Gewellte Bronze-Urne von Nijmegen -Holland)
(J Zinkogr.) Lissauer S. 450. — Die anthropologischen Versammlungen des Spät-
sommers. R. Virchow S. 452: 1. General-Versammlnng der Deutschen Anthro-
pologischen Gesellschaft in Lübeck. Schwerin, Kiel S. 452. Neolithische Ab-
siedlung und alte Holzarbeiten von Flensburg S. 458. 2. Anthropologische
Section des internationalen medicinischen Congresses in Moskau S. 459. Schädel
der älteren Steinzeit von Wolosowo, Gouv. Wladimir S. 460. 3. Ethnographische
und archäologische Sammlungen in Hamburg S. 462. 4. Abtheilung für An-
thropologie und Ethnologie auf der Naturforscher -Versammlung in Braun-
schweig S. 463. — Eröffnung prähistorischer und römischer Gräber in Worms.
R. Virchow S. 4G4. — Thierreste aus dem Gräberfelde der jüngeren Steinzeit
bei Worms. 0. Schötensack S. 470. — Die internationale Lepra -Conferenz in
Berlin und die verstümmelten peruanischen Thonfiguren. R. Virchow S. 474:
Polakowsky S. 47f>. Neue eingegangene Schriften S. 477.
Sitzung vom 20. November 1897. Ansprache des Hrn. Waldeyer und Antwort des Hrn.
i;. Virchow S. 47!). — Gäste S. 480. - Güterbock. L. Fischer, Palm-
Si ein sen. 4. Schmidt f S. 4.S0.— Correspondirende Mitglieder S. 4,so. — Neues
ordentliches Mitglied S.480. — Erinnerung an Don Jose Rizal f S. 480. — Neue
Seilschaft für Völker- und Erdkunde in Stettin S. 481. — Deutsche Colonial-
Gesellschafi S. 481. — Verein „Neue Menschheit" S. 481. — Fortsetzung des
Stammbaums von J. L. Martens in Batana. F. Schulze S. 481. — Niederländischer
Natur- und 1 1. ilkundigen-Congress in Helft: Untersuchung der Schulkinder in
Niederland. Bus S. 483. — Kalmücken-Karawane. Gehring S. 4S3. — Ausstellung
für Frauen- und Kinderpflege. Frau v. Burchard. Trachten-Museum S. 4s:;. -
Anthropologische Bemerkungen über die Eingebornen von Malacca. H. Vaughan
Stevens, M. Bartels S. 483. — Querschnittform des Kopfhaares der Kaukasier.
J Pohl Pincus) und A. Pohl (1 Zinkogr.) S. 4S3. — Sicilianische Flora. G. Schwein-
furth S. 488. — Bronze-Armband von Serriercs bei Neuchätel (1 Aut.) V. Gross
S. 189. - Durchschneidung des Schlossberges bei Burg a. Spree. R. Virchow
S. 489. Bauopfer. Sartori S. 491. v. Schulenburg: l. Knotenzeichen der Müller
in Baden !-' Zinkogr 8 im. -j. Feuersprung zu Johanni in Baden S. 494.
3. Die Howölfel, ein Neujahrsgebäck in Baden S. 496. 4. Bauopfer im Badischen;
der erste Nagel im Hau u ä. w. S. 496. .r>. Gewellte Strichverzierung an Thon-
seberben desKr.Telto IZinkogr. S. i:»7. - Giebelverzierungen in Ostpreussen
Zinkogr. . E. Lemke s. i Drei angebliche Eisenobjecte aus der
zweitnntereten Ruinenschichl von Hissarlik. 0. Olshausen S. 500; A. Götze
Ö. 504. — Peruanischer Thurmkopfaus Arica (3 Zinkogr.). Beelendorf, R. Virchow
(633)
s. 506. Nachbildungen ethnologischer Schädel in Gyps. F. Kolzow. R. Virchow
g.508. — Australische Schädel. W. Krause S. r>(js : R* Virchow S. 558. — Ver-
stümmelte Thonfiguren aus Peru. R. Virchow. W. von den Steinen S. 558;
Polakowsky S. 559. — Kaukasische Projectionsbilder und scheinbare Bronze-
Idole. Katz. R. Virchow S. 561. — Anthropologische Aufnahmen in Qdjidji
18 Zinkogr.). Ramsay S. 561; R. Virchow S. 570. — Neu eingegangene Schriften
- 571. — Anhang: El ultimo adios von Don Jose Rizal S. 575, übersetz! von
E. Seier S. 577.
Sitzung vom 18. December 1897. «.aste S. 579. Verwaltungsbericht für das
.laln- 1897. Rud. Virchow S. ."»7!». — Rechnung der Gesellschaft für 1897.
W. Ritter S. ."ix;;: R. Virchow S. 584. - Rechnung- der Rudolf Virchow -Stiftung
für das -lalir 1897. R. Virchow S. .">«.'>. — Neuwahl des Vorstandes für das Jahr I
S.585. — Neue Mitglieder S. 586. — Graf Eugen Zichy S. 586. Deutsche
Colonial-Gesellschaft, Besiedelung von Uhehe iS. 586. — Centenarfeier in
Portugal zur Erinnerung an die Fahrt Vasco's da Gama nach Indien S. 586.—
Internationaler Congress für Zoologie S.586. [stituto Antropologico [taliano
in Livorno S.586. — Wandbilder der Völker Oesterreich-Ungarns. Umlauft-
Trentin S.586. — Antike Germanen-Darstellungen in Bronze (3 Aut). P. Reinecke
S. 587. — Vertheilung der Schwarzhaarigen in Böhmen, neolithische und
römische Funde daselbsl (I Zinkogr. und 3 Aut). L. Schneider S. 588, R. Virchow
S. 590. — Archäologische Stellung der Schale mit Vogelfigur von Burg im
Spreewalde. H. Jentsch 591. Vorgeschichtliches Gefäss aus dem salzigen B
bei Eisleben (1 Aut. . Grössler, Friedel S. 591; R. Virchow S. 593. Silberner
römischer Pingerring von Brüssow, Kr. Prenzlau. Friedel S. 594. — Grabfund
auf dem Oberkietz bei Oderberg i. d. Mark. Adersberg S. 595. — Vorgeschicht-
liche Lehmgräber in Sandhügeln des Königreichs Sachsen. K. Wiegand S. 595.
Dungkeller des Tacitus. v. Schulenburg S. 595. — Trudenfuss bei Wilshofen
in Bayern (2 Zinkogr. . v. Schulenburg S. 600. — Ethnologisches, namentlich
Zwerge in Kamerun. Freiherr v. Stein. R. Virchow S. 602. Sechs Schädel
von Jaunde in Kamerun (3 Zinkogr.). Dominik. R. Virchow S. (i(»4. Nach-
richten über den Aussatz in altmexikanischen Quellen. Ed. Seier S. 609.
Discussion über pracolumbischen Aussatz und verstümmelte peruanische Thon-
ßguren. Polakowsky S. 612; W. von den Steinen (9 Zinkogr.) S. 617; R. Virchow
- 620.— Bärenweib. Maass S. 621; E. Grunmach S. t',L>:;; R. Virchow S. 624.
Armloses Madchen. Maass S. 624. Gypsnachbildung eines Mannes mit all-
meiner Sklerodermie. L. Castan. R. Virchow S. 625. Neu eingegangene
Schriften S. 6*26.
Chronologisches Inhaltsverzeichnis der Sitzungen v.in 1897 S.
Alphabetisches Namen-Register S. 634.
Sachregister zu den Verhandlunger S. 635.
(634)
Autoren -Verzeicliniss.
Amlree, Richard. Braunschweig 263.
Anger, Graudenz 36.
Ashinead, Albert S., New York 475, 614.
Bässler, A., z. Z. auf Reisen 112, 313.
Bahrfeld*, -213.
Baier, Rud.. Stralsund :'>7-_\
Barraillier 612.
Bartels, Max, Berlin 52, 89, 93, 161, 175, 222,
237, 312, 313, 314, 355, 367, 369, 483, 583.
Bastian, Ad., z. Z. auf Reisen 85, 2:'>7.
Behla, Rob., Luckau 362.
Belck, Waldemar, Frankfurt a. M. 302.
Beusler, G, Ha Tschewasse, Nord-Transvaal 52.
Bejfuss, Gustav, Berlin 222.
Brecht, Gustav, Quedlinburg 140.
Bachhols, Rudolf, Berlin :'>61.
Buschan, G., Stettin 481.
Busse, Hermann, Berlin 54, 12:5, 223, 261.
Dieseldorff, Erwin P., Guatemala .">24.
Dominik, Jaunde Kamerun) 604.
r. Brckert, EL, Berlin 209.
Espada, Marcos Jimenez de la, Madrid 560,
612.
Hiedner, Karl. Monsheim 286.
Franke), B., Berlin 88.
Friedel, E., Berlin 591, 594.
Frllscb, Gust,, Berlin 183, 231, 232.
Pouquet, Cairo B'>4, B">7.
Gessner, Berlin 367.
Getse, A., Berlin 87, 183, 504.
Grössler, IL, Eisleben 591.
Gross, Victor. Neuveville 213, 489.
Grunmacb, E., Berlin (',•_>:;.
Baas, A., Stettin 291.
BaliburtoD, Et. G., Bo ton, .Mass. 95.
Ilantsrho-Baiio. Schleife L68.
Baosmann, EL, Dorpal 112.
v. Bajdeii. A., Berlin 112.
Beim, Otto, Danzig 35, 12:;.
Bennlng, Louis, Antwerpen in."..
Bermann, Otto, Budapest 31 l
Bösemann, F., Udjidji 410.
Jacobsthal, B., Berlin ml.
Jentscb, II.. Guben L63, 169, 20 591.
— , .1. \ . Dresden 218.
Joest, W.. /.. /.. auf Reisen 162.
Jöusson, Jon, Island L65.
Karsten, Paula. Berlin 872, 876.
Kaiz. 0.. Berlin 561.
Kohl, C, Worms 87, 165.
Köhler. Posen 214.
Kolbow, Fritz, Berlin 508.
Korff, Baron v., Berlin 88.
Kränkel, Brandenburg a. H. 312.
Krause, Eduard. Berlin 34, 115, 117, 119, 120,
175, 260. 261.
— , Wilh., Berlin 208, 313, 508, 558.
Kriz, Steinitz 339.
Lehmann, C. F., Berlin 54, 164, 302.
Lehmann-Filhes, Fräul. Marg., Berlin 165, 597.
Lehuiann-Nitsche, La Plata 171, 239.
Lemke, Fräul. E., Berlin 498.
Lissauer. Berlin 176, 450, 583.
v. Loschan, F., Berlin 110, 204, 232, 238.
Maass, K., Berlin 621, 624.
de Marchesetti, C, Triest 360.
Matiegka, H., Prag 115.
Maurer, Jos., Reicbenhall 316.
Mehlis, C, Neustadt a, d. H. 51, 88.
.llerenskv, Berlin 5:'>.
Meyer, H., Haarstorf bei Ebstorf (Hannover)
30S.
Mlnovici, Bukarest 331.
de Morgan, J., Cairo 207.
Müller, F. W. K., Berlin 88, 308.
Munro, Edinburgh 162.
Nehring, A., Berlin 91, 379.
Neuuiann, lt., Berlin 238, 313.
Niiesch, Jacob, Schaffhausen 86.
Ohnefalsch-Richter, Max, Berlin 238, 263, 312.
Olshauseu, 0., Berlin 180, 286, 344, 500.
Oppert, G., Berlin 188.
Petrle, Flinders, London 162,
Philipp!, R. A.. Santiago 358.
Platb, Berlin 369.
Plclni, A., Kamerun 154.
Pohl, Alfred, Berlin 483.
Polakowsky, H., Berlin 476, r»r>s, 612.
Preuss, K. Tli„ Berlin L59, 449.
Badlutr, W., MartyschMno bei Oranienbaum :'>14.
Ramsay, üdjidji ">' 1 1 .
Reinecke, Paul, Mainz 362, 363, 587.
Iteis». W., Schloss Könitz 559.
Rlinpau, W., Schlanstedl 263.
Hitler, W., Berlin 583.
Iti/.al. Don Jose, Manila 180, 575.
BSsIer, Emil, Schuscha 209.
s;.lk«.u>ki. F.. Berlin :'.•_'. 138, 389.
(635)
Sartori, Paul, Dortmund 491.
Sehepplg, I'... Kiel 367.
t. Bcbferstädt, 11.. Frankfurt a. 0. L20, L21.
Schmeltz, .1. 1). K.. Leiden 213.
Schneider, Fulda 87.
Sehötensack, I >tfco, Heidelberg 170.
». Schulenburg, W., Charlottenburg L68, 129,
491, 595, 600.
Schabe, Fedor, Batavia 181.
Schumann, 11.. Löcknitz st. L22, 221, -JH.
Schwarte, W . Berlin 95, 161.
Schweiufurth , Georg, z. Z. in Aegypten 27, 95,
181, 263, 355, 389, 391, 188.
Seier, Eduard, Berlin-Steglitz 609.
Seunuler, F. W., Greifswald 242.
Senirau, Thorn 290.
Serrurler, Batavia 85.
Sokeland, II.. Berlin 95.
Standlnger, Paul, Berlin 96, 97, 110.
Stelo, Freiherr v.. Kamerun 154, 602.
von den Steinen, K., z. Z. auf Reisen 237.
— , W., Gross-Lichterfelde b. Berlin 47.'.. 558,
617.
Stlmmtug, Gustav, Brandenburg a. 11. 312, 361
Stolpe, Hjalmar, Tyrstorp
Stübel, Alton-. Dresden 5
Tappeiner, Kranz, hieran 35.
Ii.-i.li.-l, A.. Hoch-Paleachken !
YaM-l, Braunschweig 343.
Vlrehow, Rud., Berlin 25, 27, 31, 34,
r, 94, 95, 111, L22, 134, L35,
146, L54, 207, 212, 213, 222, 225,
235, 238, 311, 313, 31 1. 324, 328,
355, 357, 359, 361, 185, 389
150, 452, 164, 474, 489, 50
561, 570, 579, 584, 585, 39 i
604, 620, 624, 625.
Voges, Tli., Wolfenbütte] 176.
?oss, A.. Berlin 343, 355,
Waldejer, Berlin 479.
Waruschkin, Alexander, München 405.
Weineck, Lübben 379.
^. Welnzlerl, R., Prag 12, 246.
rYelssenberg, S., Elisabethgrad 367, 369.
Wlegand, Karl. Röderau 595.
Wllllcb, Paul. Sternberg 431.
Wittmack, Berlin 224.
Zlchv, Eugen, Graf, Budapest 586.
129.
140,
232,
331,
-
Sach-Begister.
A.
Ababde, Steingeräthe von 95, 272, :i55.
Aberglaube in der Mark 117. bei Geburl eines
Pferdes im bannöv. Wendlande 119, beim
Schutz des Feldes ebendaselbsl L19, in
Bayern 601,
Uhatperlen aus Mossi 96.
kdam nnd Eva Raphaels I -
kegvpten, -. Ababde, Bischarin, Einbalsamirung,
Feuersteingeräthe, Forschungen, Gehirn-
substanz, Getreide, Grabbeigaben, Ha-
miten, Hocker, Inschriften, Kieselmesser,
Königsgräber, Kopfhaare, Negada, Orna-
mente, Ornamentik, MPriester Milien,
Rasse, Steingefftsse, Stein-Inschrift, l nter-
suchungen, ürbewohner.
. Amulette 277, Alterthümer, vonnenesische
27, Funde aus, in Böhmen 690, Schüler-
Photographien ! : gefässe und -Ge-
riitli. Steinzeitfunde 263, V
schichte 389, Weichtheile I
legvpter, Ursprung der 2i
Urica siehe Achatperlen, Aegypten,
Bronzen, I 'n« ische, Einbalsanürung,
tiungersnoth, Kamerun, Knopfna*' .
Masken, Marocco, Metall-Einlagen, M - ,
Mquamba, Ngumba, Ornamentik, Poly-
dactylie, Reisebilder, Rinderpi st, Sabbath-
feier, Schädel, Steingefäs* . Steingeräthe,
Steinzeit, Tättowiruug, Udjidji, Wa
Heuschrecken, Zinnvorkomnn
Aisäwa in Nbrd-Afri<
Mabasler -Gefässe in nltägyprischi
gräbern 279.
Xliii'-r, Dolmengräb
UbIub, altassyris
Alsr-ii-lii'iiiiiii-n 594.
Uterthiawr, märkisch« . aus
Brandenburg a. H. 312, aus den K
(636)
Nieder- und Ober- Barnim, Beeskow- !
Storkow, Ost -Havelland 123.
Alterthüiuer, neuseeländische 112, vormenesische,
in Aegypten 27.
Alt-l-ülieck, Burgwall 452.
America, s. Aussatz. Costa Bica, Expedition,!
Gräber schädel, Guatemala, La Plata,
Lepra, Lupus, Peru, Thurmkopf, Tubercu-
losis.
Amtitz, Kr. Guben, Skarabäen-Gemme 170.
Amulette, südrussische 367.
Analvse der Bronzekeiile von Butzke 244,
westpreussischer Bronzen 123, des Kupfer-
beiles von Augustenhof 238.
Anthropologenfahrt nach Kiel und Schwerin 458.
Anthropologen -Yersammiungeii des Spätsommers
452.
Anthropologie der Eingeborenen von Malacca
483.
Anthropologische Aufnahmen von Eingebornen aus
l'djidji 410, 561.
Anthropologisches, namentlich auch Zwerge in
Kamerun G02.
Anthropophagie in der prähistorischen Ansiede-
lung bei Knovize und in der prähisto-
rischen Zeit überhaupt 115, scheinbare, in
Böhmen 51.
Antimon in westpreussischen Bronzen 124.
— -Geräthe. russische 462.
Antwerpen, Schädel im Museum du Steen und
der zoolog. ( rarten 208.
Araber von Nord-Africa 372.
Arehäologeu-Cougress, russischer 1 12.
Arlca, Chile Peru . Thurmkopf 506.
Armbrust der Bakwiri, neue Form 204.
Arons f 83, 579.
irtefacte aus dem Löss von Pfedmost 337.
Lschengruben bei Wehinitz, Böhmen 115.
islen s. Anthropologie von Malacca, Damas-
cus, Dayaken, Eisenobjecte, Java, Japan,
[ndien, Kaschmir, Kaukasus, Metall -Ein-
lagen, Reise, iiiihebetten, Technisches,
Transkaukasien.
Asymmetrie der Extremi ä t « n 1 15.
Usjrlen, Ruhebetten 164.
An, bei Hammerau, Bezirk Traunstein, <»ber-
Bayern; neolithische Funde 319.
Augustenbof, Kr. Wirsitz, Kupferbeil 239.
Aunelltz, Typus von ll.
Austullungs- Material der vertieften Ornamente
an Thongeräth 180.
Ausgrabungen s. Hügelgraber.
— in Costa Rica ."«''><>, im Danewerk 158. in
Hinterpommern 260, die Hünen- oder
Frankenburg an der Langen Wand bei
Einteln a. W. 369, auf der Moorschanze
bei Quedlinburg 140, bei Oberkietz bei
Oderberg i. d. Mark 595, russische 402,
bei Worms 468.
Aussätzige bei altmexikanischen Festen 611.
Aussatz, Nachrichten über den, in alten ameri-
kanischen Quellen 609 s. Lepra.
Aussehuss-Wahl 25, 83.
Ausstellung in Brüssel 27, für Frauen- und Kinder-
pflege in Berlin 483, der bosnischen In-
dustrie-Schulen 163.
Australien s. Bemalung, Erdbeben, Mischlinge,
Myositis, Photographien, Eei>e.
Australier-Schädel 88, 528.
AVCISSA, Inschrift auf frührömischen Brunze-
libeln 286.
Axthammer aus Stein von Görbitzsch 443.
B.
Italien s. Hausbau, Howölfel, Feuersprung,
Knotenzeichen, Zigeuner.
Bärenschädel aus dem Schlossberge bei Burg
490.
Bärenweib 621.
Bäume beschenken in Salzwedcl 119.
Bahnsen, Kristian, Kopenhagen f 26, 579.
Bakwiri, Kamerun, Armbrust der 204, Schädel
154.
Balkow, Kr. Cottbus, Drachen-Sage 121.
Balsainirung altägyptischer Leichen 30.
Banat, Metall-Einlege-Arbeiten 108.
Barnim, Nieder- und Ober-, Alterthüiuer 123.
Basuto in Berlin 312.
Bauchtanz der Afrikanerinnen 313.
Bauopfer 491.
Baureste aus der Hüneiiburg bei Rinteln 370.
Bauwerke des Mittelalters in BraunscbweiL;
464.
Bawenda in Berlin 312.
Bayern s. Au, Drachenfels, Neolithisches, Photo-
graphien, Trudenfuss, Ungstein, Wachen-
heim, Wohnstätten, Zwiesel.
— . Sekundär-Bestattungen 278.
Beduinen in Berlin 313.
Beelitz, Kr. West-Sternberg, Heiden-Kirchhof
435.
Beeskow-Slorkow, Älterthümer 123.
Belgien s. An! werpen. Brüssel, < Jongres, Congress.
Bemalung, rothe, von menschlichen Skeletten
337, 535, 542, 543, 545. 552.
Benin, Africa, s. Bronzen.
Berger, Stephan, Pragf 237.
Berlin s. Kinder der Wüste, Lepra, Transaval-
Ausstellung.
Berlin, Rudolf + 358, 579.
:637)
Bernsteinstrasse 332.
Bertlllon-System zur Messung und Feststellung
tdii Personen 238.
Besprechen und Verhexen 11'.», 193.
Bibliothek der Gesellschaft 583.
Blejclanthropus curratus 367.
Bleler See, Dolchklinge 213.
Bleie Brd», Slavonien, slavische Skeletgräber
362.
Blesentbal, Kr. Ober-Barnim, alt-germanische
Gräber 261.
— , Kund wall 262.
Blschariu in Aegypten 131.
Blsiuarck-Inseln s. .Mission.
Blei in westpreussischen Bronzen 124.
Blitzrübren aus gefrittetem Saud 436.
Blonde in Altägypten bisher nichl bewiesen
404.
Böhmen Biehe Anthropophagie, Aschengrube,
Bronzekeulen, Caslau, Öenrj vül, Feuer-
bestattung, Earrau, Lobositz, Lössfunde,
Podbaba, Schädel als Gefässe, Schlauer
Berg, Schwarzhaarige, Skelet - Gräber,
Steinzeit, Stierköpfe, La Tene- Gräber,
Urnen - Gräber, Völkerwanderungszeit,
Wiesscn.
— . Beginn der historischen Zeit 258.
— , Funde ägyptischer Gegenstände 590.
— , vorgeschichtliche Thonfiguren 246, -^*.
Boiness- Schnitt, Schutz gegen den — böser
Geister auf Feldern 601.
Beerf 311* 579.
Bihtcii in Berlin 312.
Bürssuni, Kupfer-Doppelaxt 176.
Bösel, Kr. Lüchow, Aberglaube 118.
Bols-Revinond, du, Emil, Kerlint 26, 580.
Bus prlinigeniiis in prähist. Gräbern, Worms 171.
— , t<iiirii> braehyceros in Wenn- 172.
Bosnien s. Metall-Einlagen.
— , Hausgewerbliche Gegenständ'
- . [ndustrie-Schulen L63
Boje, V., Kopenhagen -;• 237, 580.
Brachjeephalle von Vlbwari-Leuten 571.
Brahinaiien-(Pandit-) Schule in Vernag, Kasch-
mir 190.
Brandenburg siehe Alterthümer, Beelitz, Bii
tlial. Brüssow, Burg, Burgwall, Diensdorf,
1 (rachensage, Fingerring, Finsterwalde,
Frau Harke. Frehne, Fundstätten, Gadsdorf,
Gesichtsurnen, Görbitzsch, Gräberfelder,
Kinderklapper, Klauswalde, Leibsch, Lind-
hörst, Luckau, Ludersdorf, Oberkiets, Rund-
wall, Sagen, Schlossberg, Schwert, Skara-
bäen Gemme, Sternbi rg, rornow, Wenden-
reste.
Brandenburg a. II.. Anthropologische Eic.ursion
238.
— , Schwertfund am Wesenberg 361.
Brandtfrab, neolithisches, in Böhmen 42.
— , derLaTene-Zeit bei Wachenheim, Rhein-
pfalz 165.
Brandgräber der Völkerwanderungszeil ron
Sie Bdorf, Kr. Osterburg B7.
Brannschwelg . Bauwerke, General -Versamm-
lung, Naturforscher-Versammlung.
Brantschuiuck der Lappen 117.
Bregma- Gegend, gefaltete, an deformirten
8chädeln 231.
Brief A. Bastian's 237.
Briefe von W. Joes! 162.
Bronze-Armband von Serrieres bei Neuchatel,
48'.) . -Ciste mit liischril't von Panstorf
455, -Depotfund von Clempenow, Pom-
mern 122, von Czernowitz, Kr. Thorn 2
-Dolche, ganz kurze, von Lundenburg,
Obfan 343, -Gefäss von Mänsterwalde,
Westpreussen 39, -Gürtelblech mit Thier-
Ornamenten aus Transkaukasien 462,
-Guss, heimischer, 447, -Helm aus einer
Bohle bei St. Canzian 230, -Idole, schein-
bare, aus Tiflis 561, -Keule Morgen-
stern) von Butzke, Pommern 241, -Keulen
aus Böhmen 599, -Pferd von Brunn i 4. .
-Sachen von Wilmersdorf, Kr. Beeskow-
Storkow 223, -Schwer! aus der Peene 231,
-Skeletgräber in dem slavischen Gräber-
feld bei Bielo Brdo 363, -Stier aus der
Byöiskäla-Höhle 342, -Urne von Xijm-
egen 450, von Topolno, Kr. Schwetz
-Urnen, gewellte 176, -Zeil in Böhmen 44.
- und Steinfunde vom grossen Werder im
Liepnitz-See, Kr. Nieder-Barnim \
Bronzen von Benin, Westafrica 463, II -
Stellung der alten, aus Erzen 127, in
Mähren 342, ä Untersuchung.
Brunn, s. Bronzepferd, Skeletfund.
— , anthropologische Excursi
Brüssel, < ongres international ni
Internationale Ausstelluni . für
Anthropologie 27.
Brüssow, Uckermark, silberner I
llriisi.' der Mwinsa, Udjidji 561.
Itrnstl.il/. mit Ring« n. Bi chmuck der Lappen
117.
Backetoraefl von Wilmersdorf, Kr.
Storkow 223.
Baea, Kamerun, Schäd« I 1.">J.
Buktvac, Kroat . slavische Gräberfund« •
llnrg a. Spree, rg, Durchschneidung
34, 81 i. Schwan 3(
(638)
Rurgwail Lei Görbitzsch 429. vorslavischer. bei
Klanswalde 433, bei Mehlkeii, Kr. Cart-
haus 129, -Scherben von Görbitzsch 431,
und vorslavischer Urnen - Friedhof von
Königsbrunn in Cujavien 171.
lutzkcbei Beigard, Pommern, Bronzekeule 241.
Biitzuw, Kreis Westhavelland, s. Excursion.
I^ßiskäla-Höhle. Mähren 341.
C.
< airo, das neue Museum 163.
Calori, Luigi, Bologna f 25, 579.
Canis familiaris in neolithischen Gräbern 472.
( ansia». Si. bei Triest, 8. Bronzehelm, Kupfer-
funde, Nekropole, Thierknochen. Thon-
geläss,
— , Höhlen 225, die beiden Nekropolen bei 360.
(apacilnl australischer Schädel 513.
Cap-Mädchen in Berlin 312.
Carneul- bezw. Achat-Perlen aus Mossi. West-
Africa 96.
üaslau, Böhmen, Gefäss mit Widderkopf 256.
Cernj vul, Böhmen, Stierkopf aus Thon 251.
Onus elaphus in neolithischen Gräbern bei
Worms 472.
Ceylon :'A'-'>.
( lhajcar, Guatemala. Gräberschädel 325.
l'haldisfhe Furschungeii 302.
Cbamaedolichoeephale von Quedlinburg 150.
Chaiuaeiuesophalie eines BakwM-Schädels 156.
Chicago -SamuiluDg des Museums für deutsche
Volkstrachten 238.
China in ethischer, industrieller und politischer
Beziehung 27.
Clvtdale im Friaul, Erinnerungsfeier für Paulus
358.
Cleiupenow, Pommern, Bronze-Depotfund 122.
lelonial-Abthellung des Auswärtigen Amtes 561.
Colonlal-fiesellscbaft, Deutsche, Abtheilung Berlin
27, 481,
Congres archeologiqu ■ Maünes, Belgien 208.
— international colonial in Brüssel 163.
— d'hygiene et de climatologie medicale de
la Belgique ei du in Brüssel 312.
Congress, international! r, f. Nervenheilkunde,
Brüssel 208.
— •;. Niederländischer Natur- und Beilkun-
digen- in Drift 483.
— für Zoologie, internationaler 586.
Cangresse 111, 112, 581.
Cook-Inseln, Besuch der 313.
Costa Rica, Ansgrahungi □ 860.
Conrllsanen, japanische 89.
Crliulnal-Anlhrepologle 176, 238.
Csernowltz. KL Thorn, Bronze-Depotfunde 290
1).
Damascus, Metall-Einlege-Arbeiten 107.
Danewerk, Ausgrabungen 458.
Danzig, Gedenkfeier der Anthropol. Gesell-
schaft 359.
Davaken-Photographien 175.
Deformation der Gräberschädel von Guatemala
324.
— eines Peruaner-Schädels von Arica 507.
— eines prähistorischen Schädels v. St.Canzian
361.
helft s. Congress.
benimm, Pommern, Bronze-Schwert 221.
Denkmal für Johanues Müller 164.
— für Dr. Ludwig Wolff 85.
Derwische in Nord-Africa 373.
Diensdorf, Kr. Beeskow-Storkow, Urnenfeld 57.
Diluvium, Thiere des, in Mähren 333.
Doiichocephalie von Australier-Schädeln 509, der
Steinzeit -Schädel von Worms 467, 468,
von Udjidji-Leuter 571.
Dolinengraber in Algier 278, 283.
Doppelaxt aus Kupfer von Börssum 176.
Dorflinde und Johannisfeuer 495.
Drachenfels, bei Dürkheim a. H. 5h
Drachensage von Balkow, Kr. Cottbus 121, von
Seddin, West-Priegnitz 119.
Dshawat, Transkaukasien, vorgeschichtl. Thon-
gefässe 209.
Dangkeller des Tacitus 595.
Dynastie, Königsgräber der ersten, in Aegypten
276.
E.
Eigenthnuisinarkeii in Bosnien 99.
Eilsdorf, Kr. Oschersleben, Gesichts-Thürurnen
343.
Einbalsauilrung von Köpfen im Alterthum 131.
Einwanderungen, alte, in Aegypten 266.
Elsen-Fibeln in Mähren 342.
— -Funde in der Hünenburg bei Rinteln 370.
Moor im Stolpe-Thale, Westpreussen 66.
— -Objecte angebliche aus der zweituntersten
Ruinenstadt von Hissarlik 500.
— -Sri Izen. vorgeschichtliche, bei Röderau,
Königreich Sachsen 595.
Eislehen, prähistorisches Gefäss vom salzigen
See 592.
Elephantiasis scroti 88.
Elfenbein -Figuren in einem altägypt. Königs-
grabe 207.
Elfenbeluschnitserelen in altägyptischen Gräbern
479.
Emaillen in -lavUehen Gräbern 363 ff.
(639J
Entfärbung, posthume, der Haare altägyptischer
Leichen 403.
Enthauptung an ägyptischen Mumienll87.
Erdbeben in Adelaide 314.
Ernährung Erwachsener mit Frj nmilch 89.
Erpel bei Schneidemüh] s. I loldfund.
Eunpa, Tättowirungen '■'•'^.
Excurslon, anthropologische, nach Branden-
Piuger-Rlng, silberner, von Brüssow, Ucker-
mark 594.
Fischer in üdjidji, anthropologische Aufnahmen
568.
Fischer, Carl, Lenzen a.E. t 236, ■',7'.».
Fischer, Louis r 480, 579".
Flaehcelt ans Kupfer, Tominz-Höhle bei 8t Can-
zian 228.
bürg a. II. tnid Butzi'w 238, 312; na<-h Tleiishurg, neolithische Funde 458.
Brunn und Umgegend 208, 331.
Exostosen an Australierschädeln 515.
Expedition, nordamerikanische, nach der Nord
west-Küste und nach den asiatischen Nach
bariändern 162.
Exposition Internationale in Brüssel 208.
Ejrlch, Emil, Berlin, •;- 83, 579.
Färben der Haar«
gnmea st i.
Faleke, Jacob v., Wien t 2:17
Flora, sicilianische 488.
Umss. unterirdischer, bei St. Canzian 226.
Fraas, Stuttgart r 579.
Trank, Eugen f 161.
Frankenbarg s. Ausgrabung.
Frankreich s. St. Germain on Laye, Germanen-
Darstellungen.
Tranks, .Sir Augustus W., London r 236.
Frauenarbeit in Nord-Africa 373.
bei den SomaJ und auf Neu- Tran Harke in der Neumark 449.
Freline, Kr. Ostpriegnitz , Leinsamenfcu
Frevsnes im östlichen Island 165.
F.
Farbe der prähistorischen Bevölkerung Aegyp- Friedhöfe, vor- und frühgeschichtliche, bei
tens 104.
Farben im Löse von Pfedmost 337.
Farbenreste an altägyptischen Grabbeigaben -77.
Farbenstein bei Görbitzsch 432.
Fauna, praeglaciale in Mähren 339.
Telil- Besprechen 11!».
Worms 464.
I ussspuren in Steinen 68.
G.
Gadsdorf, Kr. Teltow, Gräber vorslavischer Zeit
497.
Feilung der Zähne in ndjidji 418, 419, 422, 561. (iänse-tier, bemalte, in einem römischen Kinder-
Fenstei der Rasenhütten in Island 599.
Feste, altheidnische, im alten .Mexico 610.
Feuer-Bestattung in der Steinzeit 51.
sarge von Worms 165.
Gandow, Kr. West-Pa'egnitz, vorgeschichtliche
Funde 447.
— -Nekropolen, königliche von Negada, Aegyp- Gebeine, menschliche, in der Tominzhöhle bei
ten 264, in Aeg} pten 276.
Sprung, der. zu Johanni 4'.»4.
St. Cantian 230.
Gebel-Sllsileh, Inhalt eines Schädels
Feuersteln-Aexte und -Keile von Lietzow, Rügen Gefäss, slavisches, ans dem Balzigen S
-Bohrer von Lietzovr 301.
Eisleben 591.
Geheiuigeuiach >s".
— -Geräthe in einem ägyptischen Königsgrabe Gehlrusubslani einer altägyptischen Lei*
207, in .Mähren 342, -Lanzenspitzen 301,
er und -Schaber 300, -Sicheine ss< r
eines Schädels aus Peru 32, Entfernung
der. aus Mumien 135.
301, -Werkstätte bei Lietzow auf Rügen Gelsselungeu der Aissäwa 377.
291.
-Werkstätten und Gräber am Küchenteich,
Kr. W. Sternbere 436.
Geld, Urgeschichte desselben .">00.
General - Versamailung der Deutschen Anthro-
pologischen Gesellschaft 111, 312,
Fibel, frührömische, mit der Inschrifl LVCISSA, Geographentag, deutscher 111.
Rheinhessen 286.
Geräthe, lappische 1 L5.
Flbtln, Art ihres Tragens zu römischer Zeil Gerippe und Schädel mehrerer Menschen in
— au- dem Hradisko von Obfan .">4-_\
Figuren, Thon-, verstümmelte, aus Peru 174.-. ^. (.erlach, Joseph; Erlangen
der lioorschan bei Quedlinburg 142. 145,
146.
Lepra.
Filigranarbeiten, vorgeschichtliche, vom Jahde-
buseu 162.
Flllgransehinuck von Bielo Brdo 368.
St. Genuin en Laje, Fibel mit Inschrift 287.
Geraanea-Darstelluugen, antike, i i 587.
Gerniann, M rethe, das an M dchen
624.
(640)
Gesrhleehtscharaklere des weiblichen australische»
Schädels 511.
Gesellschaft, Anthropologische, in Danzig 359,
Xieder-Lausitzer, Haupt- Versammlung 163.
— für Völker- und Erdkunde in Stettin 481.
Gesellschafts-lnseln, Besuch der 313.
Gesicht australischer Schädel 510.
Gesirhls-Thürnriieii von Eilsdorf, Kr. Oschefs-
lehen 343.
Gesichtsurnen aus Hinterpommern 260, hei
Sternberg 439.
Getreide aus vorhistorischen ägyptischen Grä-
bern 132.
Getreidebau in Altägypten 284.
Gewebereste aus der Hünenburg bei Rinteln
371.
Giebelverzierungen in Ostpreussen 498.
Gläser aus einem römischen Gräberfelde in
Worms 162.
Glas aus der Hünenburg bei Rinteln 371, aus
römischen Wohnstätten am Zwiesel 319.
Glasperlen in Slavengräbern Kroatiens 364, aus
slavischen Skeletgräbern von Bielo Brdo
363.
Görbilzsch, Kr. West- Sternberg, Farbenstein
132, Hügelgräberfcld 437, Schweden-
schanze 429.
Göttersage, isländische 166.
goldfand von Erpel bei Schneidemühl 463.
— s. Filigranarbeiten.
Gothen als Verfertiger der Gesichtsurnen 260.
Gettesurlhell der Aissäwa 378.
Grabbelgaben, altägyptische 276.
Grabfund in der Fides-Kirche zu Schlettstadt
112.
Gräber, altgermanische am Wehrmühlenberg
bei Biesenthal, Kr. Ober-Barnim 261, vor-
Blavische, bei Lüdersdorf 447.
Gräberfeld am Küchenteich bei Sternberg 436,
römisches, bei Worms 165.
Gräberfelder, märkische, und ,-in Burgwall 54,
römische and neolithische, beiWorms 87.
Gräberfurnien Aegyptem 276.
Gräberfunde, slavische, im kroatischen und slo-
venischen Gebiete 36 teinzeil von
Wolosowo 459.
Gräbersagen s. Sagen.
Gräberschäilel von Guatemala 324.
Gräbersehlehten, mehrere aber einander bei
Lobositz 46.
Graffiti im Thale Wadi Abu Agjäg.
131.
Grasabdrücke auf Thonscherben von St. Cantian
229.
Graudenz, neolithische Fundstellen 88.
Gross-Chüden, Kr. Salzwedel, Gräbersage 118.
Cialosltz, Böhmen, Skeletgräber 115.
Czernosek, Böhmen, neolithische Gräber 43.
Gross sen., Karl-j- 311.
Guatemala, Gräberschädel 324.
Giiterbock, Paul f 480.
Guinea s. Neu-Guiuea 580.
Gussfonu von Hrad, Mähren 343.
Gyps- Nachbildung eines gleichsam verhärteten
Menschen 625, -Sammlung der Gesell-
schaft 583.
H.
Haarbildungsstälte, zur Kenntniss der 483.
Haare alter Aegypter 30, 31, als Beigabe in
altägyptischen Gräbern 227.
ilaarstorf, Hannover, s. Hügelgräber.
Haartracht, altgermanische 588, der Muhamme-
daner 375.
Half-Castes (Mischlinge) in Australien 514.
Hallstalt-Funde aus dem Spreewalde 491.
Hamburg, s. Filigranarbeiten, Museum, Samm-
luugen, Steinzeit.
Hamiten in Aegypteu 270.
Handelsverkehr, vorchristlicher 455.
Hannover, Provinz, s. Aberglaube, Haarstor,
Hügelgräber, Nienbüttel.
Harpa, die, auf Island und die Harfe in der
Mark 168.
Harzmasse aus einem ägyptischen Schädel 32.
Haus, das alte, bei Sternberg 435.
Hausbau, Gebräuche beim, in Baden 4 '.'7.
Hausgewerbe in Bosnien 98.
Hautslücke, tättowirte, von Europäern 231.
Havrau, Böhmen, Vogelfigur 257.
Heiden-Kirchhof, Beelitzer 435.
Hei mann, Ludwig ■}• 83, 580.
Herberstain's Angaben betreffs der Samogiten 91,
379.
Hercegovina, s. Metall-Einlagen.
Dessen, Fibel mit Inschrift 286, s. Worms.
Hevdon, August v., Berlin f 236, 580.
Hieroglyphen und Pflauzenbilder 393.
Himmel nnd andere Orte für Todte im alten
Mexico 610.
Hindu in Berlin 312.
Iliiulii-ienipel bei Bhavanyar, Kaschmir 196.
Hinterbaoptsscbuppc von .launde-Schädeln 608.
Hirschberger, Traugott f 84.
Hirse und Getreide aus der B^diskäla-Höhie
342.
Hissarlik,FibelmitAufschrift288,s.Eisenobjecte.
Hocker, liegende, in altägyptischen Gräbern
133, 276, in Böhmen 43, aus der Steinzeit
bei Worms 16f>. 465.
(641)
Höhlen in Mähren 332, 337, von 8. Canzian
bei Triest 225.
Höhlen-Bär, -Hyäne, -Löwe, -Wolf and Ijell-
frass in Mähren 339.
— -Gräber auf den Cook-Inseln, Moorea und
Tahiti 313.
Höhlungen in bearbeiteten Rhinocerosknochen
334.
Hofdame, chinesische, des Mittelalters 88.
Hufforv, Julius, Berlin t 207.
Uohensfadt, Mäliren, deutsche Sprachinsel 208.
Holland s. Bronze-Urne, Leiden, Museum.
Holzarheiten, Flensburg 459.
Holz-Industrie in Bosnien 99.
Holz- und Hindenreste aus vorhistorischen ägyp-
tischen Gräbern L'>2.
Holzsärge der römischen Kaiserzeit 165.
Holiunterbau des Burgwalles von Alt -Lübeck
454.
Horadles, Transkaukasien, Steinhanuner 210.
Horoniörltz, Böhmen, Thonschieferplättchen mit
Zeichnung einer menschlichen Figur 249.
Hottentottln mit Kind in Berlin 312.
Uowölfel, die, Neujahrsgebäck 496.
Hradlsko von Obfan, Mähren 332, 342.
Hügelgräber in der Haarstorfer Feldmark 308,
hei Schlagenthin, Kreis Tuchel 88, hei
Theresienhof, Kr. Beeskow-Storkow 57.
Hügelgräberfeld hei Beelitz, Kr. W.-Sternberg 432,
bei Görbitzsch 437.
Hünen- oder l'rankenburg bei Rinteln, Aus-
grabung 369.
Hünengrab von Waldhusen bei Lübeck 454.
Hünengräber in Meklenburg 457.
Hunde-Spuk 117.
Hungersnoth in Nord-Transvaal 52.
Bvpokausten in römischen Wohnstätten am
Zwiesel 317.
Hjpsibraehjcephalie eines russischen Steinzert-
schädels 460.
Hjpslcephalie von Jaunde-Schädeln 606.
Hjpsidollchocephalie eines Mtussi-Schüdels 427.
I.
Idol aus Mammuth-Stosszahn bei menschl.
Skelet 333.
Incrustatlon, Kreide-Einlagen auf einem Bronze-
zeit -Gefäss von Bielo-Brdo 366, weisse,
auf Thonseheihen von Obran 343.
Indlres von Australier-Schädeln 512, 517, der
Bakwiri- Schade! r>7, von Jaunde-Schä-
deln 608, von Köpfen der Udjidji-Leute
570, eines deform. Pernanersch&dels 508,
der Schade! aus der Moorschanze hei
Quedlinburg 152.
Verband I. <ier Berl. Anthropol. QetellsohaA 1891
Indien s. Metall-Einlagen.
Industrie-Schulen in Bosnien 163.
Inhalt eines Schädels vom Gebel Silsileh 389.
Inschriften, alttürkische 314, bei el Qab, Aegyp-
ten 134, Sardur's, assyrische 802, im Thal
Wadi Abu Agjäg, Aegypten 131.
Island s. Freysnes, Göttersage.
— , Fenster der Rasenhütten 599.
Istltuto Antropologico Italiano in Livorno 586.
Istrlen s. Höhlen von S. Canzian.
— , slavische Skeletgräber 365.
hallen b. Flora, Istituto. Neapel
— , Metall-Einlege- Arbeiten 109.
.1.
Jacobsen, Adrian, Vertheidigung gegen literar.
Angriffe 34.
Jagd, urgeschichtliche, in Mähren 335.
Jahdebusen s. Filigranarbeiten.
Japan, neuere Sachen 308, Schädel -Artefakt
213.
Jaunde-Schädel, Kamerun 604.
Java, Photographien 222.
Johannisfeuer 494.
Jubiläum der zoologischen Station in Neapel 27.
K.
Kärnbach, Ludwig f 83, 580.
Käsesieb der Lappen 116.
Kaiser Wilhelms- Land s. Darstellungen, Xeu-
Guinea, Ornamente.
Kalk, phosphorsaurer, als incrustation in Thon-
gefäss-Ornamenten 35.
Kalktulf, eisenschüssiger, im Kreise ( 'arthaus 66.
Kalmücken-Karawane in Berliu 483.
Kamerun, Anthropologisches, namentlich auch
Zwerge 602, Jaunde-Schädel 604, Schädel
der Bakwiri 154.
Kano, Nigergebiet, Metall- Einlege -Arbeiten
108.
Kaschmir, Skizze über 188, Entstehung is'.'.
Kaukasier s. Kopfhaar.
Kaukasus s. Bronze-Idole, Photographien.
— , Fibel mit Inschrift 288, Metall-Eim
Arbeiten 108, Typen-Photographien 209.
Kehrberg, Ost-Priegnitz. Riesenkönig 118.
Kellbein. Perforation des. in einer ägyptischen
Mumie 135.
Ki'innath-Theerofen. Kreis Ost-Sternberg, vor-
geschichtliche Funde 1
Kephalone aus der Moorschanze bei Quedlin-
burg 149.
Kephalonie ein- russischen Steinzeit-Schädels
460.
Keramik, neolithische, bei Hamburg
41
(642)
Kerbschnltt-Verzierung aus Bosnien 99.
Kesztbelj-Cultur 366.
Kettlacbtypus 366.
Keulenköpfe aus Bronze 243, mit »Stacheln 243,
aus Stein 242.
Kiefer, menschliche, im Löss von Pfedmost
336.
Kiel s. Anthropologenfahrt, General-Versamm-
lung, Museum.
Kinder der Wüste in Berlin 313.
Klnderklapper von Luckau, Nieder-Lausitz 261.
Kleselmesser, altägyptische 133.
Kiew, Archäologen-Congress 112.
Klauswalde bei Reppen, Kreis West-Sternherg,
Burgwall 433.
Kleidung, altgermanische 586.
Klein-Kensau, Kreis Tuchcl, Steinkisten-Grab
88.
Knochen-Geräthe von Au, Ober-Bayern 322.
Bohlen auf Neu-Seelaud 112.
Knopfnase eines Mquamba-Weibes 263.
Knoten-Schrift der Zigeuner 493.
Zeichen der Müller 491.
Könlgsbrunii, Kr. Strelno, Burgwall und Urnen-
Friedhof 171.
Königsgräber bei Abydos und Negada inAegypten
207, 276.
Köpfe, Einhalsamirung der, in Aegypten 131.
Körper-Abguss einer Frauenleiche des 12. Jahr-
hunderts 112.
Kopfhaar der Kaukasier, Querschnitt 483.
Kopfhaare aus prähistorischen Gräbern Ober-
Acgyptens 401.
Kopf- und Körpermaasse von Afrikanern in
Udjiflji 410, 566.
Korangesclzr. Umgehung der 374.
Krain, slavische Gräber 368.
Krams, Ost-Priegnitz, Wiesenkönig 118.
Krauss, Franz, Wien f 26.
Kroatien, slavische Gräberfunde 364.
Kroiiimaii, Mähren, vorgeschichtl. Funde 342.
Kubarj f 84.
Küchen-tierälhe, steineme, der Ababde 272.
Küstenfund auf 1 lügen 372.
Kupfer-Axt von Börssum 170.
Bell von Augustenhof, Kr. Wirsitz, Provinz
Posen 239.
Beile in Böhmen 589.
— u. Bronze-Geräthe in altägyptischen Königs-
gräbern •J7,.l.
— -Celt von St. Oanzian 228.
— -Deiche von St. Canzian 229.
— -Gegenstände von Abydos, Aegypten 133.
Verlust bei Verwitterung von lironzen 344.
Kurkel, das Wort, !s Pantoffel W8.
L.
Lagos-Masken 110.
Landesverein für sächsische Volkskunde 85.
Lange Wand s. Hünenburg.
Lanzenspitzen, eiserne, der Karolingerzeit 214.
Lappländer im Costüm 34.
— , Geräthe 115.
Lebensmittel -Aschen aus ägyptischen prähisto-
rischen Gräbern 132.
Lehmgräber, vorgeschichtliche, in Sandhügeln
des Königreichs Sachsen 595.
Leibsch, Untcr-Spreewald, Urnen-Gräberfelder
54
Leichenbrand in der Steinzeit 182.
Leichnam, Einzwänzung in einen beschränkten
Raum 278.
Leiden, National-Museum 85.
Leinsamen-Vorrath in einer prähistorischen Wohn-
stätte bei Frehne, Kr. Ost-Priegnitz 361.
Lepra, präcolumbische, in America 559, 609,
612.
— -Conferenz, internationale, in Berlin 474.
Liböanv, Böhmen, Skeletgräber mit Stein- und
Bronze-Geräth 589.
Liebshausen, Böhmen, Skeletgräber der La Tene-
Zeit 115.
Liepnltz-See, Bronze- und Steinfunde 262.
Lietzow (Rügen), vorgeschichtliche Feuerstein-
Werkstätte 291.
Lindenhörst, der, bei Lüdersdorf 443.
Lipa, Böhmen, Steinzeit-Gefässe 589.
Llaga oder Uta, aussatzähnliche Krankheit in
Peru 612.
Lobositz a. d. Elbe, Funde auf der Lösskuppe
42.
Löllel, durchbrochen geschnitzter und gravirter,
der Lappen 117.
Lflssfunde b. Lobositz in Böhmen 42, in Mähren
332.
Lombok, Reise nach der Insel 85.
Loubat-Stiftung 85.
Luckau, thönerne Kinderklapper 261.
Lübeck, Anthropologen-Versammlung452, Stein-
zeit 455.
Lüdersdorf, Kreis Teltow, vorgeschichtl. Funde
445.
Lupus in Peru (512.
Lusus uaturae 232.
Lyck, Masuren, Marktscenen 175.
M.
Maasse, alte, in der Müllerei 492.
Mäander Ornament, Entstehung des 450.
Mädchen, armloses 624.
(043)
Mähren s. Brunn, Diluvium , Höhlen, Höhlen-
bär, Hradisko, Blammuthknochen, Mensch,
Obfan, Predmost, Schoschuwka, Slouj),
Steingeräthe.
— , B^ciskäla-Höhle 341, Anthropologische Ei-
cursion 881.
Mänuerarbt-il in Nord-Africa 373.
Malana s. Anthropologie.
Maininuth in den Bohlen bei Sloup, Mähren 340.
nauiinuthknocheii mit Feuerstein-Splittern und
menschlichem Unterkiefer bei Pfedmost
33G.
Naorl-Alterthüuier 1 12.
Mii(|ii.imii.i-I,i'iiir in Berlin 312.
Marlmen j Tndö, Sevilla f 207, 580.
Maroceo, tfetafl-Einlage-Arbeiten 108.
Marquesas-Inseln, Reise nach den 358.
Wartens, Jacobus Leonardus, Stammbaum 4K1.
Marungu, Mann, Udjidji 564.
llliwari in Udjidji 563.
Mdjldjl in Udjidji 565.
Medlclniseher Congress, internationaler, Moskau
112, Anthropologische Sectio« 459.
Megalithgrauer des nordwestlichen Deutschlands
463.
Meblkeu, Kr. < 'arthaus, Burgwall 58, Historisches
129.
Meister Hans, der Drache 122.
Meklenbiirts s. Hünengräber, Museum, Paläo-
lithisches, Schwerin, Steinzeit.
Menger, Berlin f 207, 580.
Mensch, der europäische, und der Tiroler 35,-
in mährischen Höhlen 340.
Menscheareste im Löss von Pfedmost 336.
Menivlugerzeit, Funde der, in Worms 464.
Nesoeephalle, der Schädel ans der Römer- und
Frankenzeil von Worms 4t'>'.>, von Mwinsa-
Leuten 571.
Messdorf, Kr. üsterbur^. Brandgr&her 87.
Mischlinge in Australien 514.
Mission, australische, auf ihn Bismarek-Inseln
53.
Mltglleder-Verzeichnlss 3.
Kittel-Europa, Mefcall-Binlage-Arbeiten 108.
Monazav (Mela.-,gert), altassyrische Stadt :'."T.
Moorea s. Höhlengr&ber.
Miior- und Wobnplatsfuiia'e der Steinzeit in
Meklenburg 457.
Monrschanze bei Quedlinburg 140.
Morgensterne ans Bronze 241, 590.
Moschee in Srinagar, Kaschmir 202.
Moskau s. Mediciniscbei Congress. Museen.
Mossl, W.-Africa, Achatperlen 96.
Mquamba-Weib mit sog. Knopfnase 268.
Mrundi-Frau, Udjidji 567.
Mtnssi-Schädel, Udjidji 426.
Hfinsterwalde, Westpreussen, Bronze-Gefass 39,
176.
Münzen aus dem Burgwall bei Mehlken 60,
römische, in Slavengräbern 363, römische,
vom Zwiesel 319.
Mützendeckel von Königsbrunn, Kr. Stfelno 173.
Muhanitnedaner aus Kaschmir 203.
Muschelschalen als Verzierung auf Thonscherben
180.
Miischelschinuck von Krommau, Mähren 342.
Museum, in Agram, Slaven-Gräberfunde 363,
deutsches Colonial- 85, für Kunst und Ge-
werbe in Hamburg 4(13. in Kiel 458, in
Laibach, Slavengräberfunde 365. in LaPlata
162, in Leiden 358, in Lübeck 452, in
Moskau 462, römisch-germanisches Cen-
tral- in Mainz 582, in Schwerin 456, inTriest
Slavengräberfunde 365, für Völkerkunde
in Hamburg 462, für deutsche Volks-
trachten in Berlin 238, 359, 582, in Worms
464.
Musik-Instrumente aus Nord-Africa 374.
Messung und Peststellung von Personen nach Mutterkranz, antiker von Duna Szekscö, Ungarn
Bertillon's System 288. 52.
Metall -Einlage! in Sola, Moni und Hein 104, Mwlnsa-Leute in Udjidji 561.
auf bosnischen Holzgerathen 104.
Meullfunde aus römischen Wohnstatten am
Zwiesel 819, der t ran^kaukasisehen Grab er
210.
Metall-Gegenstände in einem ägyptischen Eönigs-
grabe 207.
Metall-Intarsia- \rl>eiien in Bosnien 99, indische
107.
Metallurgie in Altägvpten 284.
Metallurgisches aus Troja"188.
Metrologie, Nova 54.
Milseburc. die Perle der Rhön 87.
Minister, Unterriohts-, Staatasuschuss 162.
Myositis nssilicans, Skelet mit. in Adelaide 314.
N.
Nachbildungen ethnologischer Schade] in Gype
508.
Nachgeburt von Thieren 119.
Nachtlager auf dem Beelitzer Heidenkirchhofe
185, im Hurewall von EOansrwalde 488.
Nachtrelter am Teufelssee 120.
Nagel, der erste, im Hause, Baden 496.
Nahrungsmittel- tn^iriiuug in Berlin 859.
Vdmuigsinile aus 1er Hfinenburg bei Rinteln
M 1 .
41*
(644)
Narben, bei Arabern, als Erinnerungszeichen
gebrannt 375.
Nase der Mbwari, Udjidji 5G3, der Mwinsa561.
Nasen von ostafrikanischen Völkerstämmen 561.
National-tostüm in Bosnien 99.
Naturforscher-Versammlung in Braunschweig 463.
Nalmsplele 232.
Natur- und Heilkundigen - Gragress , Niederlän-
discher 483.
Ndogunbuea, Bakoko- Unterstamm in Kamerun
602.
Neapel, Fibel mit Inschrift 287, zoolog. Sta-
tion, Jubiläum 27.
Nevada, Aegypten, Auffindung eines Königs-
grabes 207, Menschenhaar und Getreide-
körner 404.
Nekiopolen bei St. Canzian, Triest 230, 360.
Neolilhisehe Funde aus Au, Bez. Traunstein 319,
in Mähren 343, bei Worms 87.
Neu-Guinea, Kaiser-Wilhelmsland, Ornamente
159.
Neu-Sceland, Alterthümer 112.
Neuwahl des Vorstandes 585.
N'gumba-Scbädel 405.
Niederlausitz s. Gesellschaft.
Nienbüttel, Kr. Uelzen, langobardisch-sächsi-
scher Friedhof 308.
Nljmegen, Holland, gewellte Bronze-Urne 450.
Nodo di Salomone 494.
Nordwestküste Nord-Americas und benachbarte
asiatische Länder, Expedition 162.
0.
Oberkietz in der Mark, Ausgrabung 595.
Obornlk, Posen, eiserne Lanzenspitzen der Karo-
lingerzeit 214.
Obran, Mähren, Hradisko 332, 342.
Oceanien s. Alterthümer, Cook-Inseln, Darstel-
lungen, Elephantiasis, Höhlengräber, Mis-
sion, Ornamente, Photographien von
Schädelmasken, Samoa.
— , Reisen 313, 358.
(h-sterreich, Böhmen, Bosnien, Brunn, St. Can-
zian, Excursion, Hohi nstadt, Kroatien,
Mähren, Mensch, Slavonien, Thonfiguren
Triest, Wandbilder.
Ohrringe von Königsbrunn, Kr. Strelno 175.
Orakel, der Aissäwa 377.
Orient- Comite, Auflösung 85, !;•< «Instruction
312, 582.
Ornamente aus Kaiser-Wilhclmsland 449.
Ornamentik, altägyptisrhe 204. 380, der ältesten
Cultur-Epoche Aegypten« 891.
Orthodollchocephalie ein.s Iiakwiri-S< ihädels von
Kamerun 155.
Ossowski, G., Tomsk f 237, 580.
Ost-Havelland, Alterthümer 123.
Ostpreussen s. Giebelverzierungen, Lyck.
Ostsee s. Seeverkehr.
Ovis aries in neolithischen Gräbern bei Worms
472.
P.
PaläolHhisches in Aegypten 266, in Meklen-
burg 457.
Palm-Siemseii, f 480.
Pauken, 5-Steinchenspiel 446.
Panstorf bei Lübeck, Bronzeciste 455.
Pardubic, Böhmen, Steinzeitfunde 588.
Papa, Guatemala, Gräberschädel 327.
Paulus Diacolins, Erinnerungsfeier inCividale358.
Peene, Bronzeschwert aus der 221.
Perforation des Schädelgrundes in ägyptischen
Mumienscäädeln 135.
Persien, Metall-Einlege-Arbeiicn 105.
Peru, Thon-Figuren mit verstümmelten Nasen
und Beinen 474, 528, Inhalt eines Schä-
dels 32.
Pfahlbau von Alt-Lübeck 454, von Schussen-
ried 161.
Pferd in mährischen Höhlen 340.
Pferde-Riefer in der Moorschanze bei Quedlin-
burg 142.
Pfeilerbäuschen auf der Nahe-Brücke in Kreuz-
nach 81.
Pflanzen als Urbilder von ägyptischen Hiero-
glyphen 393, -Ornamente auf altägypti-
schen Thongefässen 282, -Reste in vor-
geschichtlichen Gräbern 223.
Pflanzenwnrzel, monströse 232.
Pflugschar in Altägypten 284.
Phokoiuele, das Bärenweib als 624.
Photographle-Album der Gesellschaft 314, 586.
Photographien ägyptischer Schüler 355, von Be-
duinen, Tuaregs, Marokkanern 313, von
Dayaken, West-Borneo 175, einer eiser-
nen Dolchklinge aus dem BielerSee 213,
von Elephantiasis scroti aus Samoa 88,
von der Excursion nach Brandenburg a. H.
312, antiker Germanen-Darstellungen 587,
von Javanern und Javanerinnen 222, aus
dem Kaukasus 561, von Lyck, Masuren,
Marktscenen 175, eines Mquambaweibes
mit sog. Kimpfnase 263, von Port Darwin,
Australien 88, des romanischen Capitells
in der Krypta des Domes zu Branden-
burg a. H. 312, von Schädelinasken aus
Neu-Britannien 367, prähistorischer Thon-
gefässe von Dschawat, Gouv. Baku 209,
kaukasischer Typen 209", von tthofigeftaraa
(645)
ans bayrischen Grabhügeln der Bronze-
zeit 362, aas (Jdjidji 661, von Verbrecher-
Physiognomien und Tättowirungen 831,
von Weddahs .",14, -Sammlung der Gesell-
sehaft 583.
Plognente, [strien, Slavengräber 365.
Planinieter, neues 238.
Platykuenle an vorgeschichtlichen Skeletten
von Worms 465.
Platjrrhlnle einet Mtusai-Schädels 42N.
Pmlhalia, Böhmen, Stierkopf aus Thon 250,
Terra8igillata-8cherben 589.
Pöppendorf bei Lübeck, Ringwall 454.
Peiydtctjlle eines Mwinsa in l'djidji 561.
Polynesien, Reise 313.
Poininern, Ausgrabungen, Bronzekeule, Butzke,
Clempenow, Gesichtsurnen, Küstenrand,
Lietzow, Rügen, Stein-Depotfunde, Stein-
zeitgrab.
— , Bruiizeschwert aus der Peene 221.
Posen s. Aagustenhof, Goldfund, Kupferbeil,
Obornik.
Predinost, Mähren, Artefakte und Mensehen-
schädel im Lobs 337, menschliche und
thierische Reste der Diluvialzeit 336,
Bfammutbknochen mit Pfeilspitze 336.
Prejer, Will.. Thierry f 311.
Priester-Mumien von Deir-el-Bahri 135.
Processus frontalis squamae temporalie am
Bakwiri-Schädel 156.
— lemurianus an Gräberschädelu von Gua-
temala 326.
Prolilwinkel australischer Schädel 513.
Prognathie der Bakwiri-Schädel 156, von Ja-
unde-Schädeln 607.
Projecllonsbllder kaukasischer Gegenden und
Menselien 561.
Pulszk>. Franz v. f 357, 571».
PjKinhrii s. Zwerge 91.
<!•
<|iM'illinbiire s. Moorschanze.
K.
Itadenirkel. Kr. Gottbus, Schimmel-Spuk 120.
RauchergeflsM von Röderan 596.
RapbaePl Adam und Eva im ( »ri^inal und Kupier-
st ich 183.
Rasse der in alt&g] ptischen * rrabern Bestatteten
288, 402, 104.
Helienstorr, Kreis Lüchow, Ohgererdschken und
anderer Aberglaube l is.
ReCBDU.Bg der Gesellschafl für das Jahr 1893
der EUulolf Virchow-Stiftung für das
Jahr L897 585.
Rechts und links arbeiten 263.
Iteirlienhall b. Funde, Haasstätten.
llelhcriier^ b. Biesenthal, Bundwall 262.
Heise in Aegypten 132, anthropologische, nach
Australien 207, 313, 508, nach Neu-Guinea
238, nach der Insel Lombok 85. poly-
nesische 313, 358.
Relsebllder aas Deatsch-Südwest-Africa 481.
Religionen Kaschmir" s 200.
Rentilerreste in mährischen Höhlen 340.
Itetzin. Pommern, Steinzeitgrab 87.
Rhelogewann bei Worms, neolithische Skelet-
gräber 465.
lllieln|irovinz s. Trier.
Khlnoteros-Knochen, bearbeitete 334.
Rlnderklefri' aus der Moorschanze bei Quedlin-
burg 153.
Rinderpest in Süd-Africa 52.
Riiijcwall Milseburg in der Rhön 87, bei Obfan,
Mähren 332, 342, die Schanze von Pöppen-
dorf 454.
Rinteln a. W., Ausgrabung der Hünen- oder
Frankenburg 369.
Rivista italiana di sociologia 238.
Rizal, Don Jose, Luzon f 26, 480.
— Letztes Lebewohl 575.
Röderau, Lehmgräber 595.
Ilöinerzeit, Funde der, in Worms 464, 468.
Röthel im Löss von Predinost 337.
Rosnlce, Böhmen, Kupferbeil 589.
Rothfärbnng von Skelettheilen im Löss 334.
— s. Bemalung.
Ilothbaarhre bei den Somal und auf Neu-Guinea
277.
Rondnlce, Böhmen, Kupferbeile 589.
Rufen, Küstenfund 372.
— s. Lietcow, Stein-Depotfu9.de.
Ruhebetten, assyrische 164.
Rundwall bei Biesenthal 262, bei Leibseh, Spree-
wald 56.
Russland s. Amulette, Antimongeräthe, Bronze-
Gürtelblech, Gräberfunde, Kalmücken,
Kaukasus, Kephalonie. Mediciner-(
Museen, Schädel, Transkaokasien, Wblo-
sowo.
S.
SabBatafeta der'Alsäwa 376, der Nordafrü
893,
Sarhsen s. Aberglaube, Eilsdorf, <iosichts-Thür-
I inen, Gründung, Lehmgräber, Messdorf.
S.irlixTslnndifce für das Königl. Museum für
Völkerkunde 162.
Sadersdorf, Kr. G iben, Skarabion-Gemme 168.
s.ine. goldene, in Hügelgräbern 117.
(646)
Sage vom Farbenstein bei Görbitzsch 432.
Sagen vom Schlossberge Mehlken 63, der Um-
gegend von Trebichow, Kr. Cottbus 120,
welche an vorgeschichtliche Gräber an-
knüpfen und anderer Aberglaube 117.
Sahara- Bewohner in Berlin 238.
Sahl, Sidney f 237.
Sallet, v. f 580.
Salikocher in Udjidji 561.
Salzwedel, Bäume beschenken 119.
Sumoa s. Elephantiasis.
Samogiten 379.
Sauiogitien, Zwerge 92.
Sammlung Petermann in Burg a. Spree 491.
Sammlungen', ethnographische und archäolo-
gische in Hamburg 462, der Gesellschaft
583.
Schädel s. Nachbildungen.
— aus algerischen Dolmen 283, australische
88, 508, mit pathologischen Zuständen
514, der Bakwiri, Kamerun 154, von den
Cook- Inseln 313, deformirter von Arica
506, vom Gebel Silsileh, Inhalt 389, zu
Gefässen verarbeitete aus Böhmen 589,
von Jaunde aus Kamerun 604, mensch-
licher, im Löss von Predmost 337, in der
Moorschanze bei Quedlinburg 144, eines
Mtussi von Udjidji ainTanganyika-See 426,
aus einer neolithischen Ansiedelung in
Böhmen 46, von Ngumba, Kamerun 405,
von Neu - Seeland 1 14 , der Römerzeit
in Worms 46!-1, der Steinzeit, älteste, von
Wolosowo, Russland 459, aus der Tominz-
höhle bei St. Canzian 230, deformirter
231.
— -Artefakt, japanisches 213.
— -Inhalt [harzartige Masse) aus einem alt-
ägyptischen Schädel und aus peruanischen
Mumienköpfen :>2, 138.
— -.Masken aus Neu-Britannien 367.
Sammlung der Gesellschaft 583.
Schaff hausen s. Schweizersbild.
Schale mit Vogelfigur von Burg im Spree-
walde 591.
Schausaiumlung von ethnologi chen Schädeln
508.
Scherhen, vorslaviscbe, vom Lindhörst 445.
Schlll'sanker von Melilken 65.
Schimmel-Spuk 120.
Schlhfcnrlnge von I J i < - 1 * » Brdo 363, in Istrien
365, in Krain 366, in Kroatin, 364.
Schlagenthin, Kr. Tuchel, Hügelgr&b<
Schlauer Berg, Böhmen, Stierligur-n 254.
Schlangenbeschwörer, marokkanische, in Berlin
313.
Schlangen-Ornament in Mähren 342, der Urne
von Schwennenz 593.
Schlapnauitz, Mähreu, neolithische Gefässe 343.
Schleife, Kr. Rothenburg. Schlesien, Wolle-
spinnen 168.
Schlepzig im Spreewald, Urnenfcld 379.
Schlesien s. Schleife.
Schleswig-Bolstein s. Danewerk, Flensburg, Holz-
arbeiten, Kiel.
— , Bronze-Analysen 344.
Schlettstadt, Grabfund in der Fides - Kirche
112.
Schlieiiiaim-Büste in Schwerin 456.
Schlitlknocbeii von Obfan, Mähren 342, aus dem
Schlossberg bei Burg a. Spree 490.
Schlossberg von Burg, s. Burg.
— von Mehlken, Kreis Carthaus 58.
Schinelzticgel von Au, Ober-Bachern 322.
Schmidt, Julius, Halle f 480, 580.
Schmucksachen aus röni. Wohnstätten am Zwiesel
319.
Schoschuwka, Mähren, Holden 340.
Schrift, Kunst der, in Altägypten 284.
Cylinder in einem ägyptischen Königsgrabe
207.
Schriften-Austausch 16.
Schulkinder-Untersuchung in Niederland 483.
— in Aegypten, s. Photographien.
Schussenried, Pfahlbau von 161.
Schutzmittel gegen Viehseuche und Blitz 469.
Schwan, thöuerner, vom Lüttgenberge bei Burg
im Spreewald 362.
Schwarzhaarige in Böhmen 588.
Schweden s. Lappländer.
Schwedenschanze, die, bei Görbitzsch 429.
Schweineknochen in der Moorschanze bei Quedlin-
burg 153.
Schweitzer f 311, 580.
Schweiz s. Gesellschaft, Schweizersbild, Serrieres,
Zeitalter.
— , Dolchklinge aus dem Bieler See 213.
— , mährische 336.
Schweizersbild bei Schaffhausen 86.
Schwerin s. General-Versammlung.
— , Anthropologen-Fahrt und Museum 456.
Schwerter, eiserne, vom Wesenberg bei Bran-
denburg a. H. 361.
Secundär-Btstatluiigen in Aegypten 277.
Seddiii, Westpriegnitz,Drachensage 119, Gräber-
sage 117.
Seeverkehr, alter, auf der Ostsee 457.
Serrieres, Schweiz, Bronze-Armband 4H9
Sicilien s. Flora.
Sicblieiu. Perforation des, In Mumien 135
Silberbarren von Troja 500.
(647)
SilbiTinünzpii, ungarische, in Slavengräbern 368, grabe "J< »7, ;mv alt ägyptischen Gräbern 133,
in vorgeschtl. Zeit (?; in Transkaukasien 275, 279.
210. Stein-Geräthe der Ababde 95, von Au, Ober-
Slssek, Kroatien, slavische Alterthümer 365.
Bkarablen-fiemme von Amtitz, Kreis Guben 170,
von Sadersdorf, Kreis Gaben 169, von
Tammendorf, Kreis ('rossen 170.
Skelet eines Ndogunbuea, Kamerun 602.
— -Bestattung in Holzsärgen der röm. Kaiser-
zeit in Worms 165.
— -Fund im Löss von Brunn 334. -Kiste bei Klein-Kensau, Kreis Tuche! 88.
— -Gräber mit ägyptischen Beigaben in Böli- KlsteDgriber in Costa Bica 360, b. Görbitzch
men 590, der Bronzezeit zwischen sla- 437.
vischen 363, bei Gross-Czernossek-Ozalo- Sarkophage, römische, in Worin- 165, 168.
sitz. Böhmen 115, auf Neu-Seeland 113, — -Truhen von Oberkietz 595.
slavische inlstrien 365, in Krain 365, bei Steinzeit in Aegypten 28. plastische Figuren
Bayern 320, in Mähren 333, in der Metall-
z.it 456.
— -Ilauimer, durchbohrter, von Horadies, Gouv.
Elisabethpol, Transkaukasien 210.
— -Inschrift der XVIII. ägyptischen Dynastie
134.
— -Kammer von Oberkietz 595.
Sternberg 439.
— — -Feld, slavisches bei Svinjarevce, Sla-
vonien 364.
— -Knuchen, roth bemalte, von Neu -Seeland
113, von Brunn 337, s. Bemalung.
Skelette, vorgeschichtliche von Worms 465.
Skelettheile in der Moorschanze bei Quedlin-
burg 145.
Sklerodermie, allgemeine 625.
Slavisches Gefäss aus dem salzigen See bei
Eisleben 591.
Slavisches aus dem Schlossberg bei Burg an
der Spree 490.
Slavonieii, slavische Skeletgräber 362.
Sloup, Mähren, Höhlen 339.
Spina trocblearis an Australier-Schädeln 515.
Spindel aus Bosnien 102.
Spinnen mit Spindel und Wirtel 95, 168, in
Ställen 595.
Spinnrocken (Kunkeln) aus Bosnien 100.
Sprachen deiBismarck-Insulaner 53, in Kamerun
603.
Staats-Beihülfe für die Gesellschaft 162.
Stachelkeulen aus Bronze s. Morgenstern.
Stammbaum s. Martens.
Steenstrup, Joh Japetus Smith f 311, 579.
Stein, der, bei Biberteich, Breesen, Klauswalde,
Tornow 441.
Ante in Meklenburg 457.
Amulette in altägyptischen Gräbern 277.
Bau in der Moorschanze bei Quedlinburg
141.
Beigaben in altägyptischen Gräbern 277, 279.
Bell vom grossen Werder im Liepnitz-See
263.
— -Depotfunde auf Bfigen und in Vorpommern
45a
Gefässe der Ababde und andere ans Aegyp-
ten 272, .'IC),"', in einem ägyptischen Königs-
der, aus Böhmen 258, im Lübecker Museum
455, in Meklenburg 457.
— -Funde aus Aegypten 263, von Au, Ober-
Bayern 320, in Böhmen 588, bei Flens-
burg 458, aus den Höhlen von St. Canzian
228, aus der Gegend von Homburg 463,
in Mähren 343, von Waldhusen 455, in
Worms 464.
Grab bei Retzin, Pommern 87.
Gräberfeld, neues, bei Worms 165.
Skelette von der Rheingewann bei Worin.-.
465.
Scherben vom Burgwall Königsbrunn 172,
aus der Moorschanze bei Quedlinburg 140.
Stelzfuss, selbstgefertigter, eines Lappländers
34, 117.
Stempel für Brot 99, auf mährischen Gefässen
343, auf Terra -sigillata- Scherben vom
Zwiesel 318.
Stemlierr, Kreis West-Sternberg, das alte Haus
435, Feuerstein -Werkstätten und Gräber
436, Fundstätten 442.
Sternwarte auf dem Treptower Ausstellungs-
platze 360.
Stettin s. Gesellschaft.
Steven, Hrolf Yanghan, Aneberg, Sarawak -!-
235, 580.
Stier-Fleuren aus Böhmen 2.">4.
Kopfe aus Thon, Böhmen 250.
Stiftung ffir amerikanistische Studien v5.
Stirnhöhlen, starke, von Jaunde-Schädeh
Strassaan, Berlin f 207.
Substanz, weisse, in den Ornament-Bitten vor-
geschichtlicher Thongefäss« Westpreusseas
35.
Sutura frontalis persistens an Australier-Schädeln
515, an Peruaner-Schädel 507.
S\iiijarexe. Slavonien, slavisches Skelet-
Gräberfeld 364.
(648)
Swazl-Mann in Berlin 312.
Synostosen an Jaunde-Schädeln 605.
T.
Tabakpfeifen, steinerne, der Ababde und der
Begavölker, Ostal'rica 274.
Tabu -Wörter in der Hochzeitsnacht der Ja-
paner 91.
Tanzer von Shangus, Kaschmir 199.
Tättowirung , europäische von Menscheuhaut
231, 328, in Kamerun 603, eines Mwinsa
aus Kassenga (Udjidji) 561, in Udjidji 414,
418.
Tahiti s. Höhlengräber.
Talkschiefer als Material für Töpfe 273.
Tamilen und Singhalesen auf Ceylon 313.
Tainmendorf, Kreis Crossen, Skarabäengemme
170.
Tanz der cAisawa 377.
Tapfenstein von Mehlken und Steine mit Fuss-
spuren überhaupt 68.
Tar-kaschi, Draht-Einlege-Arbeit 105.
Tauben-Fibel vom Zwiesel 319.
Taus, Böhmen, Bronzekeulen 590.
Technik einer vorgeschichtlichen thönernen
Kinderklapper 261.
Technisches aus Troja 183.
Tempel auf Island 166.
Tempelrulnen von Martand, Kaschmir 199.
Tene-Gefäss, aus der Moorschanze bei Quedlin-
burg 140.
Gräber in Böhmen 115.
Teppich -Weberei in Bosnien 99.
Terrasigillata- Scherben von Podbaba, Böhmen
589.
Thnnwaare vom Zwiesel bei Reichenhall 318,
Theresli'iihof s. Hügelgräber.
Thiergestalten aus Stein in altägyptischen Grä-
bern 277, als Vorbilder für Hieroglyphen
399.
Thierknocheii in der Moorschanze bei Quedlin-
burg 142, aus den neolitbischen Gräbern
von Worms 470, au^ <l*-r Tominzhöhle von
St. Canzian bei Tri :i29.
Thier-Ornamente auf altägyptischenThongefässen
281.
Thier-Reste, Diluvial--, in Mähr 333.
Thonerde, phosphorsäurehaltigi\ als Material von
Pseudomorphoaen <les Grab-Inhalts 353.
Tkonffgureo, vorgeschichtliche pla he, aus
Böhmen 246.
Thongi-fhss der Steinzeit aus der Tominzhöhle
bei St. Canzian 228.
Thongeflsse in altagyptischen Qrftbern 277, mit
Darstellungen Verstümmelter, Peru 528,
614, römische, in Worms 165, slavische,
aus dem Burgwall Alt-Lübeck 453.
Thongeräth aus einer neolitbischen Ansiedelung
von Lobositz, Böhmen 46, vom Zwiesel
bei Reichenhall 317.
Thongeschirr von Au, Ober-Bayern 322.
Thonscherbeu , bemalte, von Obfan, Mähren
342.
Thurmkopf, peruanischer, aus Arica 506.
Tiki = Zwerg, weite Verbreitung des Wortes 95.
Tiroler s. Mensch.
Töpferei in Troja 1K3, prähistor., in Trans-
kaukasien 210.
Topfscherben vom Schlossberge bei Mehlken 72.
Topoluo, Kreis Schweiz, Bronze-Urne 36, 176.
Torfrind, Knochen in Worms 472.
Tornow, Kreis West-Sternberg, grosser Stein
441.
Trachten-Museum in Berlin 238, 359, 582.
Transkaukasien, archäologische Funde 209, s.
Metallfunde, Silber-Münzen, Steinhammer.
Transvaal s. Hungersnoth.
Transvaal-Ausstellung in Berlin 238, 312.
Trebichow, Kreis Cottbus, Sagen 120.
Trichter der Lappen 116.
Trier, Fibel mit Inschrift 287.
Troja s. Eisenobjecte, Silberbarren, Techni-
sches.
Trudenfuss bei Wilshofen, Bayern 600.
Tuaregs in Berlin 238, 313.
Tuberositas maxillo-iualaris und malarer Gesichts-
durchmesser 462.
Türkei, alte Inschriften 314.
Typus, Aunetitzer 44.
U.
Uebergangszeit-Gräber in Böhmen 44.
Uhebe als Ansiedelungsgebiet für deutsche
Landwirthe 586.
Ujiji = Udjidji, Anthropologie von Eingebornen
410, 561.
Udjidji s. Tättowirungen.
Umfangsmaasse von Jaunde-Schädeln 609.
Unfruchtbarkeit der Frauen zu erkennen 88.
Ungarn s. Mutterkranz, Urbeschäftigungen.
Ungstein, Rheinpfalz, römische Villa 88.
Unterkiefer-Hälfte eines Menschen im Löss von
Predmost, Mähren 336.
Untersuchung, chemische, vorgeschichtlicher
Bronzen 123, aus Schleswig-Holstein 344.
Unverwundbarkeit (?) der ""Aisäwa 378.
Urbeschäftigungen in Ungarn, Forschungen 314.
Urbewohner von Aegypten 270.
Urne s. Bronze.
Urnen von Königsluunn 173.
(CyAU)
IriieiilVId bei Buchholz, Kr. Ober-Barnim 57,
bei Diensdorf, Kr Beeskow-Storkov .r>7,
bei Schlepzig, Kr. Nieder-Lausitz 879.
Drnengriber der Bronzezeit in Böhmen 45, bei
Görbitssch 438.
I'riieiihii'z-Aiisfülliin^cii auf GefftsaBcherben L80.
Ursprung der Aegypter 263.
V.
Vanee, Frau Alice, geb. Reed, das Bärenweib
621.
Varietäten an Australier-Schädeln 516.
Veldes, Krain, slavische Skeletgr&berfondfl 365.
Verbrecher - Physiognomien und Tättowirungen
831.
Verein für sachsische Volkskunde s. Volks-
kunde.
— s. Trachten-Museum.
Vergletscherung Mährens von Norden her 332.
Verstümmelung, angeborene, des Bärenweibes
621.
— , als, Strafe (?) in Peru 559.
— , an Thonfiguren aus Peru 558, 614
Verwallungsberlcht der Gesellschaft für das Jahr
1897 579.
Villa, römische, auf dem Weilberge bei Ung-
stein, Rheinpfalz 88.
Vlrcbow-Stiftung, Jahresrechnung 585.
Völkersthinine Kameruns 603.
Völkerwanderungsielt, Brandgräber 87, Thier-
figuren aus Böhmen 258.
Vogcldarstellung von Havrau, Böhmen 257.
Vogelligur von Burg a. Spree 591.
Volkskunde, sächsische, Verein für 208.
Vorabend des muselmannischen Sabbat hs bei
den 'Aisawa 376.
Vorgeschichte Aegyptens 389.
W.
Wacheuheliu in der Rheinpfalz, La Tene-Grab
165.
Wiseheklepfer aus Bosnien 100.
Wallen der Bnsniaken MS. aus der Hiinenburg
bei Rinteln 371.
Waldhuseu bei Lübeck, Bünengrab 454.
Wall, prähistorischer s. Königsbrunn, Mike-
barg, Moorschanze.
— . vorslavischer, bei Burg a. d. Spree 490.
Walaugbaaekl im bannöver. Wendlande 119.
Wandbilder der Völker Oesterreich - Ungarns
686.
Wander-Coniiresse 5S1.
— -Heuschrecken in Transvaal 52.
Wanket, Heinrich f 161, 679.
Wappeaafianie, altägyptische 395.
Wattenbach, Wilhelm r 357.
Weeaab-PketagraabJen 81 1.
Wehlnlti, Böhmen, Aschengrube 115.
Welcbtbelle, Entfernung der, aus ägyptischen
Mumien 135.
Weianacbtabranck im bannöv. Wendlande 119.
Weiss, Hermann f 161.
Welcker, Hermann f 357, ' -
Wellenlinien-Ornament von Gadsdorf, Kr. Teltow
497, römisches 318.
Wellen-Ornament und Schlangen-Ornament
Wenden bei Lüdersdorf 445.
Weiidlaml. Weihnachtsbraueh im Hannoverschen
119.
Westpreussen s. Analysen, Antimon. Blei, Bronze-
Depot- Funde, Bronze -Urnen. Burgwall,
Gedenkfeier, Hügelgräber, Kalk, Klein-
Kensau, Mehlken, Münsterwalde, Sagen,
Schlagenthin , Schlossberg , Steinkiste,
Tapfenstein, Untersuchung.
Wetterhexen 493.
Wetzstein-Büchsen aus Bosnien 102.
Widderkopf an einem Gefäss von Caslau, Böhmen
256.
Wiejte, goldene, sagenhafte, im Hügelgrabe von
Gross-CMden, Altmark 119.
Wiejiken, C. F. f 84.
Wlesseu bei Saaz, Böhmen, Stierkopf aus Thon
253.
Wilmersdorf, Kreis Beeskow-Stnrkow . Urnen-
Gräberfeld 223.
Wilsliofen, Bayern, Trudenfuss «•>«><«.
Wörterbücher und Literatur der Sprachen im
Bismarck-Archipel 54.
Wohnstätten, neolithische, bei I.obosit/. 4".
römische, bei Reichenhall 316.
Wollespliinen mit Spindel und Wirtel 95. 168.
Wolostwo, Gouv. ^Vladimir, älteste Steinzeit-
Schädel 459.
Worms s. Gräberfeld, Merovingerzeit. Museum,
Platyknemie, Römerzeit. Skelet-Gräber,
Steinzeit, Thierknochen.
. römische und neolithische Gräberfeld« ¥1
464.
Württemberg s. Schussenried.
Z.
/.ahnverstümiueliiiic in T idji 418, 419, 422.
Zauberf irmeln, japanisch« 89.
/.aulierUoten 493.
/..lulterweiber 493.
/.e!.e, längste, bi i Afrikanern 661.
/-eichen des Siiili'iis in ägyptischen Hieroglyphen
282
/.ehalter, Dauer der vorgeschichtlich«
(650)
Zeitschrift für Criminal- Anthropologie, Ge-
fängniss- Wissenschaft und Prostitutious-
wesen 176.
Zeitstellung der gewellten Bronze -Urnen 178,
der Gesichts -Urnen 260, der amerika-
nischen Thongefässe mit Darstellungen
Verstümmelter 615, 621.
Zerbst, Bronze-Urnen 176.
Zerstückelung, angebliche, der Leichen bei der
Bestattung 278.
Ziernarben in Udjidji 425.
Zigeuner s. Knotenschrift.
Zinn, metallisches, in Gräbern 352.
Säure der verwitterten Bronzen 348.
Zinn-Vorkommen im tropischen Africa und Zinn-
Industrie der Eingebornen 97.
Zinlgrah*, Eugen f 5S0.
Zoologie, internationaler Congress 586.
Zulu-Mädchen in Berlin 312.
Zwerge in Kamerun 602, und grosse Leute in
demselben Volke 91, 379, bei Thieren
93.
Zwergrasse in Kamerun 603.
Zwergrassen in Marocco 95.
Zwiesel bei Reichenhall, Ober-Bayern, römische
Wohnstätten und Gräberfeld 316.
Eduard Krause.
Druck vou Gebr. Uiuer in Berlin, lieriiburgemtr. 31).
iETTY CENTER LIBRARY
3 3125 00701 6930